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Full text of "Archiv für österreichische geschichte"

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Archiv 


fllr 


Österreichische  Oeschichte. 


Herausgegeben 

Ton  in 

zur  Pfl^e  vaterländischer  GeseMchte  aufgestellten  Commission 

dar 

kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 
Siebenundachtzigster  Band. 

Erste  Hftlfte. 


Wien,  1899.'/ 


In    Commission    bei   Carl   Gerold's    Sohn 

■»rthliicllir  tn  >»!«.  Itafliwii  im  rntttmiOaltm. 


Draek  tob  Adolf  Holshaaien, 
k  nd  fe  Bat-  «aa  VninnttlU-BMhdnacar  te  WtM. 


Inhftlt  des  siebennndachtzlgsten  Bandes. 

Ente  HSlfte. 


Die  KSmten-Krainer  Frs^  und  die  Territorialpolitik  der  ersten  Habt- 

bai^r  in  Oesterreich.  Von  Dr.  Alfona  Dopsch 1 

Die  Organisation  des  evangeliachen  Eirchenwesens  im  Enheraogthnm 
Oeaterreich  n.  d.  Enns  ron  der  Ertheilnng  der  Belifriona-Concenion 
bis  zn  Kaiser  Maximilians  11.  Tode  (1668 — 1676).  Ton  Dr.  Victor 
Bibl 118 

Itinerarinm  Maximiliani  I.  1608—1618.  Mit -einleitenden  Bemerkungen 
über  das  Kanzleiwesen  Maximilians  I.  Herausgegeben  von  Victor 
y.  Kraus 229 


DIE 

KÄRNTEN-KRAINER  FRAGE 

UND 

DIE  TEMITOßlALPOLITIK 

DER 

ERSTEN  HABSBURGER 

IN  ÖSTEEEEICH. 

VON 

D''  ALFONS  DOPSCH, 

PROrESSOR  ÄH  DER  WIEHER  UNIVERSITÄT 


ArehiT.  LXXXVU.  Bud.  I.  HUfte. 


Unter  den  grossen  politischen  Problemen,  welche  die 
Wahl  Rudolfs  von  Habsbiirg  auiu  deutschen  König  aufwarf, 
musste  dem  Neugewähiten  selbst  die  Regelung  der  südost- 
dcutscbcn  Herrschaftsverhältnisse  als  besonders  vital  sieh  dar- 
stellen. Denn  zu  derselben  Zeit,  als  Rudolf  zum  deutschen 
König  ausgerufen  wurde,  stand  Otakar  von  Böhmen  auf  dem 
Ilöhepunkte  seiner  Macht  (1273).  Er  war  auch  der  Einzige, 
welcher  Rudolf  als  König  nicht  anei-kannte,  ja  gegen  dessen 
Wahl  förmlich  Protest  erhob.  Die  gewaltige  TerritorialheiT- 
schaft,  die  er  im  Angesichte  einer  ohnmächtigen  Reichsgcwalt 
Qber  den  Südosten  Deutschlands  hin  auf  Kosten  des  Reiches 
zu  Unrecht  aufgerichtet  hatte,  war  mit  dem  neuen,  allgemein 
anerkannten  deutschen  Königthuui  schlechterdings  unvereinbar. 
Sollte  dasselbe  denn  dauernd  zur  Machtlosigkeit  cingescbriinkt 
bleibeni'  Nur  wenn  durch  Rückgewinnung  der  dem  Reiche 
entfremdeten  Länder  die  Eindämmung  jener  seiner  gefUhrlichsten 
Gegenmacht  gelang,  war  Rudolfs  Reichsgewalt  eine  Zukunft 
beschieden.  Diese  Ueberzeugung  musste  sich  ihm  unmittelbar 
aufdrängen.  Eine  Auseinandersetzung  war  absolut  nothwendig. 
Aber  sie  konnte  selbst  nur  der  erste  Schritt  zur  Lösung  des 
Qesammtproblems  sein.  Aus  der  Erledigung  eines  so  bedeu- 
tenden Länderbesitzes  resultirte  die  vielleicht  noch  schwierigere 
Frage,  wer  diese  Länder  in  Zukunft  dauernd  und  zu  Recht 
besitzen  sollte.  Ihre  Lösung  musste  ftir  die  ganze  nachfolgende 
Entwicklung  von  der  weittragendsten  Bedeutung  werden.  Neben 
der  specifisch  österreichischen  Frage  erhob  sich  eine  solche  auch 
hinsichtÜch  Kärntcn-Krains.  Die  Lösung  der  politischen  Frage 
war  gegeben,  sobald  man  die  Rechtsfrage  aufwarf.  In  nega 
tiver  Beziehung  mindestens.  Denn  hatte  Otakar  Oesterreich 
und  die  Steiermark  in  einer  rechtlich  nicht  unanfechtbaren 
Weise  in  Besitz  genommen,  so  war  er  bei  der  Erwerbung 
Kärnten-Krains  geradezu  gewaltüiätig  vorgegangen. 


N*turj^nu8ss  konnte  bei  der  definitiven  Regelung  dieser 
Vorl»*luüs*o,  die  ob  ihrer  Schwierigkeit  grossartige  politische 
"IVansaotionon  erforderte,  nicht  die  Rechtsfrage  allein  in  Be- 
tntoht  koiumon.  Es  wirkten  dabei  selbstverständlich  auch  po- 
Utii'vho  KrwÄgungon  und  Rücksichten  persönlicher  Art  mit,  in 
dvm  Masse,  als  der  gesicherte  Besitz  dieser  Länder  ein  con- 
stituirtMulos  Element  für  die  Gestaltung  der  Machtfrage  in 
IVutsi'hland  bildete. 

Der  Kärnten-Krainer  Frage  ist  bis  jetzt  keine  zusammen- 
hängende Untersuchung  zu  Theil  geworden. '  Man  hat  lediglich 
oinon  Punkt  derselben,  die  Belohnung  der  Habsburger  mit 
Kärnten,  besonders  behandelt,  das  Uebrige  aber  nur  insofern, 
als  die  literarische  Polemik,  welche  über  die  sogenannte  Kärntner 
Bolehnungsfrage  entstand,  zu  näherem  Eingehen  auf  die  Kärntner 
Verhältnisse  um  jene  Zeit  führte.  Auf  die  bedeutsame  Rolle, 
die  Krain  dabei  gespielt  hat,  ist  man  nicht  eigentlich  auftnerk- 
sam  geworden. 

Indem  ich  nun  versuche,  den  ganzen  Complex  dieser 
Kragen  im  Zusammenhange  darzustellen,*  ist  es  nothwendig, 
eingangs  etwas  weiter  auszugreifen. 

Die  Kärnten-Krainer  Frage  reicht  weiter  zurück,  als  man 
gemeinhin  annehmen  möchte;  sie  wird  erst  recht  verständlich, 
wenn  man  die  weite  Verzweigung  ihrer  Details  auf  die  Wurzel 
zurückverfolgt.  Entsprechend  der  Vielgestaltigkeit  und  grossen 
Verschiedenheit  der  Besitz-  und  Herrschaftsverhältnisse  in  diesen 
Ländern  ist  eine  Vielheit  von   Einflüssen   und  Motiven   dabei 


'  In  jttugtiter  Zeit  haben  darüber  gehandelt:  E.  Katz,  Der  Gang  der  Er- 
werbung Kärntens  dnrch  die  Habsbarger  nnd  die  sagenhaften  Heeres- 
zOge  der  Margaretha  Maaltasch.  Programm  des  Gymnasiums  zu  St.  Paul 
1897  und  1898,  und  F.  O.  Hann,  Wie  Kärnten  an  das  Haus  Habsburg 
kam.  Carinthia  I,  88  (1898),  161  ff.  Beide  Darstellungen  sind,  da  sie 
weder  auf  die  Quellen  selbst  zurückgehen,  noch  etwas  Neues  bieten,  im 
Folgenden  nnberücksichtigt  geblieben. 

*  Es  sei  mir  an  dieser  Stelle  verstattet,  der  freundlichen  ünterstOtzang 
auch  zu  gedenken,  die  mir  bei  dieser  Arbeit  zu  Theil  wurde.  Vor  Allem 
fühle  ich  mich  Herrn  Prof.  Dr.  Oswald  Redlich,  dem  besten  Kenner 
dieser  Zeiten,  zu  grossem  Danke  verpflichtet;  er  hat  mir  auch  seine 
handschriftlichen  Materialien  zur  Verfügung  gestellt;  femer  Herrn  A. 
Rittor  V.  Jaksch,  Landesarchivar  von  Kärnten,  und  Herrn  A.  Anthony 
V.  Siegenfeld  im  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv  in  Wien,  die 
beide  meine  archivalischen  Forschungen  wesentlich  gefordert  haben. 


6 


wirksam  geworden,  welche  die  Entwicklung  dieser  Frage  we- 
sentlich bestimmten.  Wie  die  Landkarte  Kärnten  Krains  von 
damals,  bieten  diese  historischen  EinzelzUge  ein  buntes  Mosaik 
dar,  dessen  Gesamnitwirkung  überrascht.  Sie  sind  cluiraktc- 
ristisch  ftir  die  territorialgcschichtlichc  Entwicklung  überhaupt 
ebenso  wie  die  Rechtsfragen,  die  sich  erhoben,  in  der  Begrün- 
dung sowohl  als  in  ihrer  Lösung  nicht  uninteressant  erscheinen 
mögen  ftir  die  Geschichte  des  deutschen  Territorial-Staatsrechtes. 
Die  Neugestaltung  dieser  Länder  in  staatsrechtlicher  Beziehung, 
mit  der  diese  Entwicklung  abschiiesst,  verdient  besondere  Be- 
achtung. Auch  die  Kärntner  Belelmungsfrage  selbst  erfährt 
eben  in  diesem  Zusammenhange  eine  eigenartige  Beleuchtung. 
Im  Hintergrunde  dieses  farbenreichen  Bildes  aber  wird 
die  Persönlichkeit  Rudolfs  deutlich,  der  mit  ungemeinem  poli- 
tischen Geschick  diese  schwierigen,  vielgestaltigen  und  überaus 
verwickelten  Verhältnisse  zur  glücklichen  Lösung  brachte  und 
djunit  sein  ausserordentliches  staatsmännisches  Talent  auch  hier 

^ grossartig  bethätigte. 
M  Anders  als  in  Oesterreich  und  Steiermark  lagen  die  Ver- 
hältnisse in  Kärnten  und  Krain,  als  mit  der  Rückforderung 
dieser  Länder  an  das  Reich  die  Besitzrechte  (.Hakars  ange- 
fochten wurden  und  die  Frage  sich  erhob,  wer  in  Zukunft 
H  dieselben  zu  Recht  besitzen  sollte.  Dort  war  das  legitime 
Herzogageachlecht  der  Babcnberger  im  Mannsstamrae  thatsäch- 
lich  erloschen,  den  überlebenden  weiblichen  Seitenverwandten 
aber   stand   bei    dem    Mangel    der   Collatoralcrbfolgo   ein  Suc- 

■  eeflflionsrecht  nicht  zu.  Otakar  hatte  das  Land  über  Einladung 
etoes  Theiles  der  Landesgrossen  (1251)  in  Besitz  genommen 
ond  nachher  (1252)    durch  seine  Vermählung  mit  Margaretha, 

»der  Schwester  des  letzten  Babenbergers,  die  immerhin  von  der 
^öffentlichen  Meinung  im  Lande  als  , wahrer  Erbe'  angesehen 
wurde,  sowie  durch  die  allerdings  nicht  verfassiugsmässig  voll- 
xogone  Belehnung  König  Richards  (1262)  da  wenigstens  den 
Schein  des  Rechtes  zu  wahren  gesucht. 

In  Kärnten  ■  Krain  dagegen  lebte  noch  ein  männlicher 
echter  Sprössling  des  alten  Herzogsgeschlechtes  der  Sponhcimer: 
Philipp,    der  Bruder  des  letzten  Herzogs  Ulrich  III.,  der  1269 


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kinilurl(>8  guBtorben  war.  Er  durfte  durchaus  als  erbberechtigt 
golton.  Denn  er  war  1249  nicht  nur  zugleich  mit  seinem 
lirudor  von  KOnig  Wilhelm  zu  gesummter  Hand  mit  diesen 
Lllndorn  bolclint,  sondern  gleichzeitig  damit  auch  bevorrechtet 
worden,  dass  er  dieselben  unbeschadet  seiner  geistlichen  Würde 
bnNitzcn  solle,  falls  sein  Bruder  ohne  entsprechende  Nach- 
kommenschaft sterbe. '  ( Jtakar  konnte  seine  Ansprüche  nur  auf 
eine  testamentarische  Verfügung  stützen,  zu  der  er  Ulrich  kurz 
vor  dessen  Tod  vermocht  hatte.*  Eine  Ucbertragung  von  Seiten 
Reiches  aber  hatte  nicht  stattgefunden.  Sicherlich  konnte 
lem  TcBtamente  Ulrichs,  durch  das  er  Otakar  zum  Erben 
aoiner  Lilndcr  einsetzte,  der  rechtlichen  Natur  jenes  Besitzes 
nach  nur  eine  beschränkte  Recht.swirksamkcit  zukommen.  Allein 
in  joner  Zeit,  da  die  Reichsgewalt  des  deutschen  Königs  blos 
auf  dem  Papiere  stand,  mochte  dasselbe  praktisch  nicht  oline 
Worlh  sein.  Konnte  auch  Ulrich  ein  Verftlgungsrecht  über 
die  Rcichslchen,  welche  er  innehatte,  das  heisst  also  auch  das 
llerzogthum  selbst  , überhaupt  niuht  in  Anspruch  nehmen,  so 
waren  dieselben  auch  filr  den  factischen  Besitz  jener  Länder 
damals  sicherlich  nicht  mehr  die  Hauptsache.  Man  wird  ftlr 
die  richtige  Beurtheilung  dieser  Verhilltnisse  und  insbesonders 
der  Besitzfrage  das  Gewicht  richtig  abschätzen  müssen,  mit  dem 
die  einzelnen  Ilcrrschaftscomponenten  in  die  Wagschalo  fielen. 
Die  territoriale  Entwicklung  von  Kärnten  und  Krain,  die 
Besitz-  und  Herrschaftsvorhilltnisse  in  diesen  Ländern  sich  zu 
vergegcnwftrtigen, "  scheint  mir  hier  besonders  geboten,  da 
damit  am  besten  jene  Abschätzung  ermöglicht  wird.  Vor  Allem 
ist  festzuhalten,  dass  sowohl  der  territoriale  Zusamraonschluss 
nach  aussen,  als  die  Consulidirung  der  Herrschaftsgewalt  nach 
innen  keineswegs  an  weit  gediehen  war  als  etwa  in  Ocsterreich 
und  der  Steiermark.  Die  historische  Vergangenheit  hier  und 
dort  war  eine  grundverschiedene.  Dort  hatte  die  Thatsachc, 
dass  ein   und   dasselbe  Qeschlecht  sich  —  zunächst  ohne  Erb- 


■  Vgl.  die  Urkunde  KOuig  Wilbelnu  vum  21.  Muri  1-249  (BOUmer,  Acta 
inip.  2U7),  über  (loroii  Eclitkait  J.  Fiükor,  Ueivlisfilrxttiiüttniiil  I,  255  f.,  uud 
in  dcNselbou  Boiträge  xiir  UrkunJunlebre  1,  'ilH,  ifuliitiiilolt  hat. 

'  Uodruukt  boi  ticbiimi,  Archiv  filr  Heimatlduide   1,  79. 

'  Vgl.  dnrflber  im  Allgumuiuou  v  Kroucä,  Uie  duiiUche  Bmtiedoliiug  der 
Ostlicbeu  Alpeuländer,  iotbusoudere  Stoiermarkti,  Kärntenii  und  Kraiiui, 
nach  ihren  genchit-btlichen  uud  Ortlichen  Verhältnissen.     Stuttgart  1889. 


recht  —  nicht  nur  fortlaufend  im  Besitz  der  Markgrafachaft  zu 
halten  verstand,  sondern  auch  durch  zwoiundeinhalb  Jahr- 
hunderte stets  ttber  eine  kritftige  Naclikoniincnscliaft  verfügte, 
an  sich  ein  stetiges  Anwachsen  der  Macht  desselben  zur  Folge 
gehabt,  durch  fortgesetzte  Erworbung  von  Grundbesitz  sowohl, 
als  durch  Festigung  der  Amtsgewalt.  Hier  musstc  der  häufige 
Wechsel  der  Herzoge,  der  zum  Thcii  aus  persiinliehcn  Rück- 
sichten nothwendig  ward,  und  das  wicdei'holtc  Erlöschen  dos 
hcrzogUchen  Hauses  einer  so  geradlinig  aufsteigenden  Ent- 
wicklung von  vornherein  hemmend  entgegenstehen. 

Und  wenn  auch  der  Umstand,  dass  in  Kärnten  die  her- 
zogliche Gewalt  bereits  viel  länger  als  dort  bestand,  den  In- 
habern derselben  ursprünglich  eine  grüssere  Fülle  von  Rechten 
sicherte,  so  will  das  gegenüber  den  Vortheilen,  welche  die  in 
Oeaterreich  bestehende  Markverfassung  in  sich  schloss,  wenig 
bedeaten,  umsomehr,  als  dieselben  auch  nach  der  Erhebung 
Oeeterreichs  zum  Herzogthum  fortdauernd  nachwirkten  (Mark- 
h«raogthum). '  Das  Interesse,  welches  die  lieichsgewalt  aus 
politischen  Rücksichten  (die  Bedeutung  der  Mark  als  Gronz- 
bollwerk)  au  der  Erslarkung  einer  concentrirtcn  Amtsgewalt 
dort  hatte,  sicherte  die  Inhaber  derselben  nicht  nur  vor  dem 
bestehenden  Leihezwang  der  Grafschaftsrechte  innerhalb  ilires 
Bezirkes,  es  legte  zugleich  dem  Künigthum  eine  gewisse  Zurück- 
haltung in  der  Eilheilung  von  Immunitätsrechten  daselbst  auf. 
Und  wahrend  so  die  Bildung  reichsunmittelbarer  Grafschaften 
dort  vorhindert  ward,  vermochte  auch  die  Immunität,  da  nach 
der  Erhebung  Oestcrreichs  zum  lierzogthume  die  Inhaber  des- 
Belben  das  Exemtionsrecht  für  sich  in  Anspruch  nahmen, 
nicht  jene  zersetzenden  Wirkungen  auf  die  Zersplitterung  in 
territorialer  Beziehung  zu  äussern  als  anderswo.  Die  also  exi- 
mirten  Kirchen  und  deren  Besitz  blieben  landsilssig  und  damit 
von  der  Gewalt  des  Landesherrn  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
abhängig. 

In  Kärnten  dagegen,  dem  Herzogthume  selbst  —  die  dazu 
ursprUngUch  gehörenden  Marken  wurden  allniUlig  abgegliedert 
—  war,  da  es  vermöge  seiner  Verfassung  jener  Vortheile  nicht 


'  \fl.  flb«r  dies  uud  dos  B^olgoude  U.  Brunuer,  Du  gericbtliche  EUem- 
tioiurecbt  der  Babeuberger,  iu  den  SiUnugsber.  der  Wiener  Alutd.  47, 
SSO  ff. 


tlieilhaftig  ward,  nicht  nur  dio  Möglichkeit  zur  Entstehung  reichs- 
unmittclbarov  Grafschaften  innerhallj  seiner  Greuzen  gegeben, 
es  hatte  auch  die  Immunililt  hier  eine  ganz  andere,  der  Aus- 
bildung einer  geschlossenen  Territorialgewalt  abtriigliehc  Be- 
deutung. 

Zunächst  hat  das  Erliischen  des  Kärntner  Herzogshauses 
der  Eppcnsteiner  (1122)  durch  Vererbimg  weit  ausgedehnter 
Eigengliter  desselben  an  die  trauogaiüschen  Otakare  niclit  nur 
zur  Vcrsclbständigung  der  Kärntner  Mark  und  zur  späteren 
Entstehung  des  steirisehen  Herzogthums  den  Anlass  gegeben,' 
CS  wurde  damit  zugleich  auch  der  Grund  gelogt  zur  nach- 
maligen Erwerbung  von  Eigengütern  in  Kärnten  seitens  der 
üsteiTeichischen  Herzoge.  Sie,  die  Babenberger,  haben  mit 
dem  Erlöschen  des  steirisehen  Herzogsgcschleehtes  als  dessen 
Erben  auch  die  Besitzungen  jener  in  Kärnten  liberkommen 
(1192).» 

Neben  den  Öponhoimern,  den  Nachfolgern  der  Eppen- 
steiner  im  Kärntner  Herzogthume,  treten  so  alimälig  iui  13.  Jahr- 
hundert eine  Reihe  von  an  sich  reichsunmittelbaren  Geschlech- 
tern hei-vor,  die  beträchtlichen  Eigenbesitz  in  Kärnten  inne- 
hatten. Nicht  nur  die  österreichischen  Babenberger.  Vor  Allem 
waren  dort  auch  die  Görzer  Grafen  reich  begütert,  im  Puster- 
thal, das  damals  noch  zu  Kärnten  gerechnet  wurde,  ebensowohl 
wie  im  oberen  Drauthal,  im  Jaun-,  Gail-  und  im  MiiUthal,-' 
Ferner  kamen  besonders  noch  die  Grafen  von  Orten  bürg  in 
Betracht.  Ihre  Besitzungen*  lagen  hauptsächlich  im  oberen 
Drauthal. 

Auch  die  Grafen  von  Steruberg  waren  damals  noch 
in  weniger  abhängiger  Stellung,  da  sie  erst  im  14.  Jahrhundert 
ihren  Besitz  den  Kärntner  Herzogen  zu  Lehen  aullrugeu.^ 


'  Vgl.  Zaliii  iu  der  FtMteclirift  zur  Erinnenin^  an  die  vor  700  Jahren  atatt- 
pt<t'uiiilu!iu  Erlioliuiip  (lur  8toit>rmHrk  -ium  Henogtliunie    (1180),    S.  1 1  ff. 

*  Vgl.  <Juuu»lrigia  uiacUion.  de  Stire,  Mou.  Uorm.  ää.  124,  72,  und  dazu  A. 
V.  Jalucli  in  Carinthia  lt)96,  S.  16. 

*  Vgl.  K.  Tangl,    Handbuch  der  Qeschichte  des  HerssogthuDu  Kirnten  IV, 
1,  73  und  CzOrnig,  GOrz,  8.  613. 

*  Vgl.  K.  Tangl,  Die  Grafen  von  Ortenburg  in  Kärnten,  Archiv  für  öatorr. 
Oescli.  36,  1  ff.,  inabesondere  8.  15  ff. 

*  Ebenda  160. 


I 


Geringere  Bedeutung  mocbton  die  Besitzungen  der  Grafen 
von  Tirol'  und  jene  der  bnirischen  Grafen  von  Bogen"  ge- 
habt haben.  Sie  giengcn  Übrigens  im  Verlaufe  des  13.  .lahr- 
hundertä  nach  dem  Erlöschen  dieser  Häuser  durch  Erbschaft 
an  die  Görzer,  beziehungsweise  andere  Geschlechter  über, 
soweit  sie  nicht  von  den  Grafen  von  Bogen  selbst  noch  zu 
frommen  Zwecken  waren  vergeben  worden.^ 

Gleichfalls  ansehnlich  begütert  waren  endlich  auch  noch 
die  jedenfalls  landsüssigon  Grafen  von  Hcunburg*  und  Pfann- 
berg,* sie  beide  im  Besitze  der  Güter,  welche  einst  die 
Grafen  von  Zeltschach  innegehabt  (im  Gurk-,  Trixner-  und 
Olödnitz-,  sowie  Lavantthal). 

War  durch  diese  Eigenbesitzungen  zahlreicher  Grafen-  und 
Adelsgeschlechter  bereits  eine  weitgehende  Gliederung  des 
Kärntner  Territoriums  bedingt,  so  gewinnt  dieselbe  geradezu 
den  Charakter  einer  vielgestaltigen  Zersplitterung,  wenn  wir 
dazu  noch  die  Stellung  der  Kirche  in  Betracht  ziehen. 
Mehr  als  anderswo  hat  das  Kirchengut  in  Kärnten  bei  der 
territorialen  Entwicklung  eine  Rolle  gespielt,  indem  das  Land 
von  demselben  förmlich  durchsetzt  war.  Bamberg  vor  Allem, 
aber  auch  Salzbui^  und  Aquileia  hatten  einen  ausgedehnten 
Besitz  daselbst  inne,  und  auch  das  Landcsbisthum  Gurk,  die 
Snffragane  Salzburgs,  war  da  ebenso  wie  Brisen  und  Frei- 
sing begütert.  Die  reichen  Güter  der  genannten  Hochstifter 
stellten  exterritoriale  Bezirke  dar,  die  vermöge  der  ihnen  von 
der  Reiehsgewait  zugesicherten  ImmunitHtsrechte  für  das  Landcs- 
herzogthum  ebenso  eine  Einschrilnkung  seiner  Gewalt  bedeu- 
teten, wie  jener  ausgedehnte  Eigenbesitz  der  vorgenannten 
Adelsgeschlechter.  Uebrigens  verdient  noch  hervorgehoben  zu 
vrerden,  dass  auch  die  Landesbisthtlraer  Gurk  und  Lavant  zu 


■  Vgl.  AeU  Tirolensia  1,  172,  uud  Mou.  bist.  Ducat.  Knrintb.  I,  162,  Nr.  201, 

Vorbeuierkuii);. 
'  Vgl.  die  Urkuude  des  Grafen  Albert  von  Biigun  fllr  Victring  vum  Jabre 

1171.     Notixbl.  der  Wiener  Akad.  -.'  (1862),  Sil  und  daxu  Jakoch,  Muu. 

hist  Ducat.  Karintb.  1,  Nr.  160. 

*  Vgl.  BraunniQtler,    Die  .  .  .  Grafen  von   Bogen,    in   Verhandl.  des   bist. 
Vor  nir  Niederbaiem  19,  63. 

'  Vgl.  K.  Tangl,    Die  Gru/en  von  Heunburg,  Arcbiv  fUr  Osterr.  Qescb.  U), 
49  ff.;    26,   157  ff. 

•  Vgl.  K.  Tangl,  Die  Grafen  von  Pfamiberg,  ebenda  17.  209  ff.;  18,  116  ff. 


10 


Folge  ihrer  Unterordnung  unter  die  Obergewalt  Salzburgs  dem 
Herzogthunie  gegenüber  eine  unablitlngige  Stellung  cinuahmcD, 
inrlem  sie  sich  derselben  Rechte  erfreuten  wie  jenes. '  So  war 
die  EinflusssphSre  der  IvHrntncr  Herzoge,  da  sich  ihre  (auch 
im  Exenitionsrocht  zum  Ausdruck  gelangende)  Obergewalt  nur 
auf  die  wenigen  und  nicht  sehr  begüterten  Landesklöster  er- 
streckte, der  grossen  Masse  des  Kirchengutes  gogenlibcr  auf 
die  Erworbung  der  von  demselben  ausgethanen  Kirchenlehen 
und  der  Vogtcirechte  an  jenem  beschränkt. 

Im  Ganzen  betrachtet  ergibt  sich  somit,  dass  die  Stellung 
der  Kärntner  Laudesherren  keineswegs  eine  so  überragende 
war  als  jene  der  Herzoge  in  Oesterreich  oder  Steiermark. 
Gegenüber  der  von  der  Reichsgewalt  geförderten  Conccntr/ition 
dort  tritt  uns  hier  ein  Herzogthum  entgegen,  dessen  Muclit,  an 
sieh  lockerer  gefügt,  durch  die  Eigenart  der  historischen  Ent- 
wicklung noch  mannigfach  eingeengt  und  beschriinkt  wai'. 

Aehnlich  wie  Kärnten  wies  auch  Krain  im  13.  Jahrhun- 
dort hinsichtlich  seiner  Besitz-  und  HorrschaftsverhUltnisso  eine 
solche  Zersetzung  auf,  dass  man  zunilchst  da  überhaupt  nicht 
von  einem  einheitlichen  Territorium  sprechen  kann.  Neben 
grossen  geistlichen  Imniunitätsbezirken,  den  Besitzungen  von 
Aquileia,  Brixen  und  Freising,  auch  hier  zaidreiche  Herrschafts 
gebiete  weltlicher  Adcisgeschlechter  (Andeclis-Meranier,  Spon- 
heimer,  Babcnbcrger,  die  Orafen  von  Bogen,  (iörz,  Ortenburg, 
Heunburg  und  Sternberg).  *  Ein  Unterschied  bestand  höchstens 
insofern,  als  die  Kirchcngiiter  hier  geschlossener  auftraten, 
indem  jene  von  Brixen  und  Freising  sich  hauptsächlich  im 
nördlichen  Theile  des  Landes  concentrirtcn,  Aquileia  aber  in 
Unterkrain  und  der  Mark  dominirend  war.  Eine  einheitliche 
Landesherrschuft  hat  es  hier  zunächst  wenigstens  überhaupt 
nicht  gegeben,  wenn  auch  Aquileia  Ende  des  II.  Jahrhimdcrts 
die  Markgrafschaft  Krain  übertragen  ward.'' 


'  Vgl.  J.  Hirn,  Kirchen-  und  reiclisrechtliche  Verbältnüae  de«  iiaUbnrgiRchen 
Suffraganbisthums  Ourk,  ProgrAuim  des  Gymnaalum»  in  Krems  1872, 
S.  10  ff.,  und  A.  V.  Jaksch  iu  dor  Einleitung  7.u  Mnii.  Diicat.  Knriutb. 
1,  Off. 

•  Vgl.  darilbor  die  Ziiaamnioiuitelluiigön  bui  A.  Meli.  l)io  liistorischo  und 
tenritoriHlo  EntHicklung  Krainu  vom  10.  bis  ins  13.  .Tabrbuudert,  8.  130  ff. 

*  Neben  Moll  bandolu  darübor  Uuber  in  den  Hicth.  d<»  Instituts  für 
nsterr.   Geschicbtsfurvchung    6,    388  ff.    uod    lÜ,    146  ff.,    und    neneatons 


11 


Älluiälig,  erst  im  Vorlaufe  des  13.  Jahrhunderts,  haben 
sich  nach  einander'  einzelne  der  daselbst  am  meisten  begü- 
terten Geschlechter  zu  torniliclien  Laudesherren  von  Krain  aut- 
geschwungen. Zaniichst  erscheinen  die  Moranicr  als  douiini 
terre.  Nachdem  sie  ausgestorben,  hat  dann  von  den  Babcn- 
bergem,  welchen  es  bereits  1229  durch  Ankauf  Freising'scher 
Lehensgllter  gelungen  war,  in  Krain  festen  Fuss  zu  fassen, 
Friedrich  II.  1232  auch  den  Titel  , dominus  Carniole'  förmlich 
angenommen.  Seine  Vorraiihlung  mit  Agnes  von  Mcrnn,  durcli 
die  er  in  den  Besitz  der  reichen  EigengUter  dieses  Hauses  ge- 
langte, bot  dazu  die  Begründung.  Erst  nach  dem  Aussterben 
der  Babenberger  hat  dann  der  Sponheiraer  Ulrich,  Herzog  von 
Kumten,  der  wohl  auch  sonst  seine  Abstammung  von  ilen 
Babenbergern  (mlUterlicherseits)  betonte,"  sich  denselben  Titel 
beigelegt. 


V.  HaMnShrl,  Deutschland»  südn»tliche  Marken  im  10.,  II.  und  12.  Jntir- 
faundert,  Archiv  filr  ß^-terr.  Oeach   82,  518  Sf. 

'  Di«  Unrichtigkeit  der  Annahme  Mell's  von  einem  Nebeneinander  ver- 
•diiedener  .Dominia  Carniole'   hat,    nachdem    Laschiu    (OesterreichiHche 

i  BciehagMchichte  S-t,  Anm.)  bereits  darauf  hingedeutet,   ein  SchUler  deti- 

L  selbeo,  W.  Lotbc,  Die  krainischen  Landbandfeaten  (Mitth.  de»  lustiluts 
t&r  dsterr.  Geichichtiforschuiig  19,  2S0  f.).  mit  meines  Erachten»  zu- 
treffendeu  Gründen  dargelegt. 

Sehr  beieicbnend  dafilr    sind,    wa»   bis  jetxt   nicht   beachtet   wurde,    die 
Tuppen,  deren  er  sich  bediente.     Als    Mitregent    seines   Vaters    hat    er 

lliiofat  den  Kilrntner  Panther,  sondern  in  guapaltouem  HchiUl  vnni  iliu 
Stammwappen  der  Babenberger  (Löwen),  im  liinteren  Part  aber  d:t»  nlte 
Batinerbild  der  Herzoge  von  Oestorreich  (ein  weisser  Ualkeu  in  Roth) 
gufQhrt.  Nach  dem  Tode  seines  Vater»  aber  (f  1265)  nahm  er  als  llor- 
»>g  (war  den  Pautburschild  seines  Hauses  an,  führte  jedui-b  zu  diesem 
dw  Kleinod  von  Ooaterreich  (Pfauenstoss  aaf  gekröntem  Topf  heim). 
Vgl.  darüber  A.  Anthony  v.  Siegenfeld's  Ausführungen  in  der  von  Zahn 
reraiut&lletcu     Herausgabe    des    ,steiormärkischen    Wa|ijienbu€hes    von 

'Zachorias  Bartsch  1567',  Anhang,  S.  51  ff.  —  Ueber  die  Kittstehung  des 
erstoren  Wappens  Ulrichs  aber  berichtet  Jobann  von  Victring:  Fridoricns 
[dux  Austrie]  .  .  .  Ulricum  ducem  captivavit.  Qui  dum  sicut  ab  antiquo 
ad  eam  devenerat,  pantliere  Hgura  in  .nigniri  militaribus  uteretur,  con- 
fonni»  in  hoc  principatui  StyrioiiBi,  Fridoricus  dux  Australis  hoc  ferre 
non  Valens,  clyppoi  et  armoriim  Anstralinra  dimidiacione  sibi  indnita, 
priori  abolita  onm  dimisit.  Cui  ex  origino  stirpis,  nt  dicitnr,  de  ipin 
pater  suus  ex  maternu  sauguiue  prucesserat,  texuit  reliijuam  partem  sci- 
Uoot  triam  leoniculorum  et  sie  clippeum  et  armonim  suorum  effigiem  io- 

Itegravit.    Böhmer,  Font.  1,  281.     Die  Mutter  von  Ulrichs  Vater,  Herzog 


12 


Eben  dieser  Letztere  hat  es  dann  auch  verstanden,  nicht 
nur  seinen  Eigenbesitz  durch  geschickte  Heiratsverbindungen 
gewaltig  auszudehnen,  sondern  insbesonders  auch  gegenüber 
Aquileia  einen  bedeutsamen  Erfolg  davonzutragen.  Indem  er 
sich  in  erster  Ehe  (124^)  mit  Agnes,  der  Witwe  des  Baben- 
bergcrs  Friedrich  IL,  verinilhlte,  brachte  ihm  diese  den  reichen 
Besitz  der  Andechs-Meranior  zu.  Zugleich  mochte  Ulrich  hoffen, 
dass  er  durch  diese  Verbindung  auch  Ansprüche  auf  den  habs- 
burgischcn  Besitz  in  Krain  werde  begründen  können.  Diese 
seine  Ansprüche  wurden  dann  noch  verstärkt,  als  es  ihm  ge- 
lang, nach  dem  Tode  seiner  ersten  Gemahlin  (1262)  in  zweiter 
Ehe  die  jugendliche  Tochter  Gertruds  (der  Nichte  Friedrichs  II.) 
und  des  Markgrafen  Hermann  von  Baden  (f  1251)  sich  zu 
vermählen. '  Diese  zweite  Gemahlin  Ulrichs,  die  gleichfalls 
Agnes  hiess,  hat  nachmals  als  einzig  überlebender  Spross  des 
babenbergischen  Geschlechtes  thatsächlich  Ansprüche  auf  jenen 
Besitz  ihres  Oroasoheims  erhoben  (127(J).* 

Anderseits  aber  waren  die  letzten  Sponheimer  Herzoge, 
auch  Bernhard,  der  Vater  Ulrichs,  bereits  emsig  an  der  Arbeit, 
nicht  nur  den  ihnen  von  den  I lochstiften  übertragenen  Besitz  an 
Kirchenlchen  in  Kärnten  und  Krain  zu  erweitern,  sondern  wo- 
niüglich  auch  darüber  hinaus  kirchliche  EigcngUter  in  ihre  Gewalt 
zu  bekommen.  Hatte  schon  Herzog  Bernhard  geistliches  Gut,  vor 
Allem  auch  die  Freisinger  Kirchcnlehen,  welche  Friedrich  U. 
von  Babonberg  in  Krain  innegehabt,  gewaltsam  in  Besitz  ge- 
nommen, so  zog  sein  Sohn  Ulrich  gegen  den  Kirchenbesitz 
planmässig  zu  Felde.  Die  in  diesen  südostdeutsclien  Gebieten 
auf  Seiten  der  Laienaristokratie  ganz  allgemein  hervortretende 
Tendenz,  die  politischen  Gegensätze  (Kaiser-Papst)  und  Ver- 
wicklungen   zur   Bereicherung    am    Kirchengute   auszunützen,'' 


Bernhard,  Agnes,  war  die  Tochter  Heinrichs  II  ,JaaomirgDU'  und  eine 
Schwester  Herxog  Heinricim  von  Mtidling;. 
'  Die  Bedeutung  dieser  «weiten  Heirat  Ulrioha  für  die  AuHbildung  der 
Sponlieimur  Herrschaft  iu  Krniii  linde  ich  uirgondii  hervurgehulioii.  Auch 
MelJ,  a.  a.  O.,  S.  9ü  ff.  (Krain  unter  Ulrich  von  Sponhoim)  hat  das  nicht 
beachtet. 

*  Vgl.  den  Eingang  de«  Vertrages,  welchen  •liene  Agnes  (als  Gomnhliu  des 
Urafeu  Ulrich  vun  Huuiiburg)  im  Jahre  t'27!l  mit  KOuig  Kudulf  »bsuhloss. 
Beil.  Nr.  H. 

*  Vgl.  darQber  O.  Lorenz,  Deutsche  Gesch.   1,  73  ff. 


13 


Dicht  nur  in  Krain  den  Bestrebungen  der  milchtigen  Herr- 
Bschlechter  zur  Ausbildung  der  Landeshoheit  wirksam 
in. 

Mit  Salzburg  sowohl  als  mit  Aquileia  hat  Ulrich  iang- 
währende  Streitigkeiten  gehabt.  Wie  einst  sein  Vater  ward 
auch  er  ob  seiner   zahlreichen  UebergrifTe  auf  das  Kirclicngut 

[mit  dem  Kirchenbanne  bedi'oht. '  Und  da  er  schÜesslich  mit 
Salzbarg   Frieden   schloss'    und    mit  Aquileia   einen  Ausgleich 

I  traf,  *    hat   er   in   beiden  Füllen   trotz   scheinbaren  Nachgebens 

'einen  nachhaltigen  Erfolg  davongetragen.     Indem    er  auf  seine 

\  Ansprüche  verzichtete  und  zum  Schadenersatz  ftlr  die  verübten 
Bedrückungen  des  Kirchengutes  sogar  einen  Theil  seiner  Eigen- 
güter den  beiden  Hochstiften  zu  Lehen  auftrug,  wuastc  er  doch 

[gleichzeitig  für  die  von  ihm  gemachten  Concossionen  die  Ueber- 
tragong  weiterer  Lehensgüter  und  wichtiger  Hoheitflrechte 
seitens  dieser  Kirchen  durchzusetzen.  Man  darf  ob  des  ilusscren 
Wortlautes    dieser  Vertrüge    die    tiefere    Bedeutung   ihrer   Be- 

1  Stimmungen  nur  nicht  übersehen.  Mit  der  gesteigerten  Feuda- 
Esirung  des  kirchlichen  Besitzes  ward  die  thatsächliche  Ent- 
fremdung desselben  ja  sicher  vorbereitet. 

Für  Krain  insbesondere  hat  diese  zieibewusste  PoHtik 
Ulrichs  \'or  Allem  die  Ausbildung  einer  einheitlichen  Landes- 
herrschafl  ungemein  gefördert.  Gestützt  auf  den  grossen  Eigen- 
hesitz,  den  er  in  seiner  Hand  vereinigte,  liat  er  durch  den 
Vertrag  mit  Aquileia  vom  Jahre  1261,  da  ihm  die  gesaramte 
Jurisdiction  der  Marchia  Camiole  übertragen  wurde,  der  Spon- 
heimischcn  Herrschaft  politisch  das  Ucbergewiclit  in  Krain  ver- 

I  Bchafil  und  mit  der  Festigung  ihres  Zusammenhanges  die  alte 
Abhängigkeit  Krains  vom  Kärntner  Herzogtbum  neu  begründet. 
Die  Eigenart  dieser  territorialen  Entwicklung  Kärntens 
und  Krains  wird  man  sich  vor  Augen  halten  müssen,  wenn  man 
das  Testament  Herzog  Ulrichs  von  126^,  durch  das  er  König 
Otakar  zu  seinem  Erben  bestellte,  seiner  politischen  Bedeutung 


>   V,;l  dsrilber  A.  Mull,  a.  a.  O.,  8.  96  flf. 

•  lißS,  Jiili  13.  Reg.  in  (Kleinmym'ii)  Jnvavia,  8.868  n.  c  (zu  16.  Juli). 
Zor  Ei^nznn^  dieses  Auszuges  muss  doch  bemerkt  werden,  dass  Ulrich 
daniAls  zugleich  da.s  Cnotnim  Linth  mit  ZugfchOr  (60  Mark  Einkünfte) 
iieo  hinxnverliehen  nurde.  Orip.  Wiener  Staatsarchiv. 
l'rknnde  vom  24.  November  1261  bei  Schumi,  Urkunden-  und  Regesten- 
tiiich  des  nerr-ogthams  Krain  2,  223,  Nr.  290. 


"W 


nach  recht  verstehen  will.  Gewiss,  Ulrich  konnte  über  das 
Ilerzogthum  eine  Verfiigiuig  überhaupt  nicht  treffen.  Aber  er 
that  es  eigentlich  auch  nicht,  da  von  dem  Herzogthume  selbst 
in  jenem  Testament  überhaupt  niclit  die  Rede  ist.  Der  Wort-  I 
laut  jener  Bestimmungen  ersclieint  uns  nach  den  früheren  Aus- 
fuhrungen nun  in  einem  anderen  Liciit.  Wenn  auch  Ulrich 
keinesfalls  ,seine  Länder,  Eigenbeaitzungen  sowohl  als  Lehen', 
Otakar  schlankweg  vermachen  konnte,  ftir  den  factischen  Be- 
sitz dieser  Länder  war  bei  der  Eigenart  ihrer  Herrseliaftsver- 
hältnisse  die  Bedeutung  eines  solchen  Testamentes  nicht  zu 
unterschätzen. 

Wir  werden,  meine  ich,  kaum  fehlgehen,  wenn  wir  im 
AnschlusB  an  die  früheren  Austlihrungen  annehmen,  dass  der 
Besitz  Herzog  Ulrichs  an  Reichslehen  keinesfalls  sehr  bedeutend 
war.  Das  ursprünglich  ausgedehnte  Reichsgut  in  diesen  Län- 
dern war  längst  durch  Schenkung  an  geistliche  und  weltliche 
Grosse  übergegangen,  und  zudem  hatte  sich  nachweisbar  auch 
vielfach  der  Unterschied  zwischen  Reichsieh  en  und  Eigengut, 
vermuthlich  in  Folge  lang  dauernder  Inhaberschaft,  bereits 
verwischt. ' 

Nicht  so  sehr  das  Herzogthum  und  die  Reichslehen,  son- 
dern vielmehr  die  Eigengüter  und  Kircheiilehen  mussten  unter 
solchen  Umständen  für  den  thatsächhchen  Besitz  dieser  Länder 
entscheidend  sein.  Hinsichtlich  der  Eigengüter  nun  konnte 
Ulrich  jedenfalls  ein  Verfügungsrecht  in  Anspruch  nehmen. 
Allein  demselben  war  damals  (1268)  bereits  iflsofern  präjudicirt, 
als  Ulrich  mit  seinem  Bruder  Philipp  nach  dem  Tode  Uircs 
Vaters  Bernhard  (•)•  1255)  über  das  väterhche  Erbe  einen  be- 
sonderen Vertrag  geschlossen  hatte.     Indem  eine  Thcilung  der 


Im  Jahro  1370  weigerte  aich  OUikar,  da  er  mit  dem  Erzstift  Salzburg 
einen  Vertrag  über  die  ihm  xii  Qbertrageiiden  Kirckenlehen  abschlotis, 
die  frUlier  seitens  Ulrichs  erfolge  Lehensnnftriigiing  {gewisser  Besitzungen 
in  Kärnten  xu  Händen  des  Ensstiftes  (vgl.  oben  S.  13)  anxuorkennen  mit 
der  Mutivirung:  .(juudsi  ipsa  castra  ...  ad  princijiatnm  Karinthio  perti- 
neant  tali  modo,  quod  non  potuerit  ipsa  alienaro  permutore  veudoro  Tel 
donitro  in  preiadicium  priucipatus  Kariuthie  dux  predictus.'  Wiener 
Jahrb.  d.  Lit.  108,  184.  Im  Testamente  Philipps  aber  vnu  1S79  wird 
hinsichtlich  einzelner  Besitzungen  (Sicherberg  und  Orotschin),  die  Phi- 
lipp vergnbto,  doch  ein  Zweifel  bezüglich  ihrer  ZugehOk-igkeit  ziun  Aus- 
druck gebracht:  ,Utrum  hoc  ad  imporinm  pertinuat  an  ui>u,  nescimus.* 
KInn's  Ärciiiv  für  die  Landesgeiich.  des  Herzogthuma  Kraiii  1,  230. 


15 


Besitzangen  in  Kärnten  und  Krain  vorgenommen  wurde,  ward 
zugleich  bestimmt,  dass  nach  dem  Ableben  Uh'ichs  und  seiner 
Erben  dessen  Güter  insgcsammt  an  Philipp  übcrfrelien  sollten. ' 
Was  aber  die  reichen  Kirchenlclien,  die  Ulrich  von  den  ver- 
schiedenen Hochstiften  innehatte,  betrifft,  so  konnte  derselbe 
darüber  ebensowenig  frei  verfügen  als  über  die  Keichsleheu. 
Wie  diese  fielen  vielmelir  auch  jene,  falls  nicht  vertragsmUssig 
besondere  Bestimmungen  vereinbart  worden  waren,  nach  dem 
Erlöschen  der  directen  miinnliehen  Dcscendenz  ab  erledigt  an 
die  betreffende  Kirche  zurück.  Tiiatsilchlich  war  denn  auch 
in  dem  Vertrage  Ulrichs  mit  Aquileia  (1261)  seinem  Bruder 
Philipp  ftir  eine  Reihe  von  Besitzungen,  die  Ulrich  dem  Pa- 
triarchate damals  zu  Lehen  auftrug,  ein  Erbrocht  zugesichert 
worden.  * 

So  besass  denn  Philipp  in  dreifacher  Beziehung,  sowohl 
hinsichtlich  dos  Herzogtlmuis  und  der  Reichalehen  (kraft  der 
Urkunde  König  Wilhelms  von  1249),  als  auch  bezüglich  der 
Eigengüter  und  gewisser  Kirchenlehen  wohlbcgründete  Erb- 
rechte. Er  durfte  sich  mit  Rocht  als  Erben  von  Kärnten  und 
Krain  betrachten.  Und  er  hat  dieses  sein  Recht  auch  bereits 
xa  Lebzeiten  seines  Bruders  Ulrich  zum  Ausdruck  gebracht, 
indem  er  sich  in  der  Umschrift  seines  Siegels  ,here8  Karin- 
ihie  et  Carniole'  nannte  (1263)*  und  neben  seinem  Bruder 
geradezu   den  Titel   , dominus  Karintlüe  et  Carniole'    annahm.* 

Allein  Otakar  hatte  umsichtig  bereits  Alles  vorbereitet, 
am  jenen  Ansprüchen  Philipps  erfolgreich  zu  begegnen.    Indem 


'  Et  (i,  qaod  absit,  nos  heredesqae  nostros  coiitingeret  Holvere  iura  car- 
DU,  omniÄ  bona  no«tra  ad  fratrem  DuaUiim  iure  liereditario  devolventiir. 
Urkunde  vom  4.  Ajiril  1266  (Lichtonwnld)  bei  Schumi,  Archiv  für  Hoimat- 
knnde  1,  77. 

IBeaflglich  Laibachs  und  fiiuf  dazugehöriger  Kurj^on  (GürUchach,  Ilartoii- 
'trarg,  Falkenberg,  Igg  und  Auorsberg)  ward  bestimmt;  ,Quod  iJictii.H  d. 
dax  et  lieredes  sni  legitime  ab  ipso  deficendentes  et  divtus  d.  Plii- 
li(ipuii  frater  eins  et  heredes  iiui  logitimi  .  .  .  debeant  horeditarin 
recipere  ea  in  fendo  ab  ipao  d.  patriarcha  .  .  .'  Bcbaini,  Urkundenbuch 
2,  226. 

*  Vgl.  die  Urknnde  Ulrich«  fOr  da«  Johanniterordenshaus  Mailberg  vom 
18.  Jänner  1263  im  Archiv  filr  flstcrr.  Geach.  76,  401  nnd  die  Bemer- 
kungen von  J.iksch,  ebenda,  402,  Note. 

*  Vgl.  die  beiden  Urkunden  Philipps  vom  18.  nnd  2.S.  Juli  1267  in  den 
Wiener  Jahrb.  d.  Lit.  108,   179  nnd   180. 


16 


er  Ulrich  in  Podiebrad  (December  1268)  zu  jener  testamenta- 
rischen Bestimmung  vermochte,  schien  mindestens  die  Möglich- 
keit geboten,  auf  Gmnd  dieser  IctztwilÜgen  Verfügung  die 
Giltigkeit  der  früher  (1256)  zu  Gunsten  Philipps  erfolgten  Ver- 
einbarungen anzufechten.  Kurz  vor  dem  Tode  Ulrichs  hat 
denn  Otakar  noch  eifrig  sich  bemüht,  im  Vereine  mit  diesem 
die  Wahl  Philipps  zum  Patriarchen  von  Aquileia  durchzusetzen, 
was  auch  thatsKchlich  gelang  (September  1269).  Damit  aber 
war  dem  Bestreben  <  Hakars,  Philipp  in  Kilmten  und  Krain 
unmöglich  zu  machen,  am  wirksamsten  vorgearbeitet.  Nicht 
nur  weil  dies  ein  neuer  Grund  sein  konnte  —  wie  seinerzeit 
wegen  der  Wahl  zum  Erzbischof  von  Salzburg  ^  Schwierig- 
keiten gegen  die  Nachfolge  Philipps  in  Kärnten  zu  erheben, 
es  ward  insbesondere  dadurch  dessen  Actionsfreiheit  behindert, 
da  er  in  neue  Verwicklungen  hineingezogen  werden  musste. 
Denn  es  war  vorauszusehen,  dass  der  Papst  seine  Wahl  nicht 
bestätigen  werde,  anderseits  aber  der  Conflict  noch  nicht  bei- 
gelegt, der  zwischen  dem  Patriarchat  und  dem  mächtigen  Grafen 
Albert  von  Görz  entstanden  war. ' 

So  waren  die  Aussichten  ütakars,  als  einen  Monat  spftter 
(27.  Oetober  1269)  Herzog  Ulrich  von  Kärnten  starb,  die  denk- 
bar günstigsten.  Die  einflussrciehsten  Machthaber  in  Kärnten 
und  Krain  standen  auf  seiner  Seite.  Vor  Allem  waren  die 
Bischöfe  Berthold  von  Bamberg  und  Konrad  von  Freising  ent- 
schiedene Parteigänger  desselben,  Bischof  Dietrich  von  Gurk 
ihm  treu  ergeben,  und  auch  der  Lavantcr  Bischof  Herbord 
bekundete  eine  freundliche  Haltung.  Aber  auch  auf  die  welt- 
lichen Grossen  in  jenen  Gebieten  durfte  Otakar  zählen.  Graf 
Albert  von  Görz,  von  früher  her  ein  Gegner  Philipps,  trat  sofort 
auf  seine  Seite,  was  umsomehr  in  Betracht  kam,  als  er  auch 
die  Vogtei  der  Kirchen  von  Aquileia  und  Brixon  innehatte. 
Die  Grafen  von  Ortenburg  waren  damit  als  Schwäger  Alberts 
zugleich  auch  gewonnen.  *  Ueberdics  scheint  Otakar  wie  seiner- 
zeit bei  der  Erwerbung  Oesterreichs  auch  jetzt  rechtzeitig  mit 
dem  Adel  dieses  Landes  in  Verbindung  getreten  zu  sein.  Am 
Beginn    des    neuen   Jahres    1270    linden    wir   bereits  auch  die 


*  Vgl.  O.  Lorenz,  Deutsche  Gusoh.  1,  888  flf. 

*  R.  Tangl,  Oescb.  Kärnten«  IV,  1,  28,  unil  ilaicii  die  Urkaude  rom  11.  No- 
vember 1269  iu  den  Font.  rer.  Änatr.  II.  1,  lOU. 


17 


Orafen  von  Stemberg,  Heunburg  und  Pfaunberg  au  seinem 
Hofe  in  Wien.*  Damals  jedenfalls,  im  Verlaufe  des  Monates 
Jänner,  sind  die  entscheidenden  Abmachungen  hier  in  Wien 
bereits  getroflfen  worden.  Kärnten  und  Krain  waren  von  Ota- 
kar  bereits  gewonnen,  noch  ehe  er  auch  nur  einen  Mann  ins 
Feld  rttcken  liess,  diese  Lilnder  selbst  in  Besitz  zu  nehmen. 
Am  2.  Februar  1270  übertrug  Bischof  Konrad  von  Freising  in 
Wien  alle  Lehen  seiner  Kirche,  die  durch  den  Tod  Ulrichs, 
Herzogs  von  KÄmten  und  Herrn  von  Krain,  freigeworden  waren, 
an  Otakar.  Und  wie  ihn  zugleich  Konrad  officiell  als  dux  Ka- 
rinthie  und  dominus  Camiole  et  Marchic  anerkannte,  so  nahm 
Otakar  selbst  damals  bereits  diesen  Titel  an.* 

Philipp  seinerseits  war  allerdings  nicht  gewillt^  die  Rechte, 
welche  er  auf  diese  Länder  erworben,  freiwillig  aufzugeben. 
Auch  er  bat  den  Titel  eines  Herzogs  von  Kärnten  und  Herrn 
von  Krain  angenommen,'  doch  hat  er  nur  die  Ministerialen 
«of  seinen  Eigengütern  (Laibach,  Auersberg  und  Hertenbei-g), 
sowie  jene,  die  ihm  als  Patriarchen  von  Aquileia  lehenrechtlich 
Terpflichtet  waren,  zur  Anerkennung  seiner  Rechte  vermocht.  * 

Mit  deren  Hilfe  vermuthlich  ist  es  ihm  denn  auch  ge- 
langen, mehrere  Burgen  und  feste  Plätze  in  Krain  und  Kärnten 
in  Besitz  zu  nehmen.*  Während  er  nun  in  Friaul  gegen  einige 
Vasallen    des   Patriarchates    von   Aquileia    zu    Felde    zog    und 


'  Vgl.  die  Zengenreihen  in  den  beiden  Urkunden  rom  2.  Febniar  1270. 
Font.  rar.  Anstr.  II.  31,  309  und  310. 

*  Ebenda. 

*  Vgl.  Biancbi,  Documenta  hint.  Forojul.  s.  XIII  im  Archiv  für  (toterr.  Geach. 
92,  386  ff.  und  dazu  unten  S.  21,  Note  2. 

*  Vgl.  die  beiden  ErkISrnngen  der  Mininterialen  vom  S.  November  1270 
(T»ngl,  a.  a.  O.  IV.  1,  4)  nnd  Archiv  für  ÖHterr.  Gesch.  22,  386,  Nr.  346. 
Die  unmittelbare  AbhHngigkeit  dieser  Ministerialen  von  Philip])  bat  Levec 
(a.  a.  O.  262  f.)  Übersehen,  wenn  er  in  diesen  Erklärungen  die  Inanspruch- 
nahme eines  förmlichen  Optionsrechtes  seitens  der  Krniner  Ministerialen 
■eben  will.  Wie  wenig  sie  politisch  Uborliaupt  und  speciell  ein  ,Selbst- 
boRtimmnngsrecht'  bedeuteten,  lehrt  am  besten  die  Tbatsache,  das«  wir 
einzelne  dieser  Ministerialen  bereits  einen  Monat  später  im  Lager  Ota- 
kan  finden.     Levec,  a.  a.  O.,  263. 

Vgl.  den  Brief  Otaknrs  an  Philipp  vom  I.April  (1271)  bei  Mone,  Zeit- 
•cbrift  für  Gesch.  de«  Oberrheins  11,  288  (zu  1270).  Da  in  diesem 
Briefe  bereits  auf  eine  Verbindung  Philipp«  mit  den  Feinden  Otakar» 
angespielt  wird,  ist  da«  Jahr  1270  wohl  nicht  wahrscheinlicfa.  Nach  dem 
Itinerar  Otakars  1271  ebensogut  mOglich. 
Arc^T.  LXUVU.  Bd.  I.  Htm«.  2 


18 


vorübergehend  auuli  einzelne.  Erfolge  dort  errang,'  eröffnete 
sich  ihm  von  Osten  her  eine  grossartige  Aussicht. 

König  Stefan  V.  von  Ungarn,  der  eben  damals  nach  dem 
Tode  seines  Vaters  Bela  IV.  (f  3.  Mai  1270)  auf  den  Thron 
gelangte,  schien  keineswegs  gewillt,  diese  neuerliche  Ausbreitung 
der  Macht  Otakars  ruhig  hinzunehmen.  Da  sich  gleichzeitig 
eine  persönliche  Veranlassung  zum  Bruche  mit  Otakar  ergab,* 
Hess  er  an  diesen  die  Kriegserklärung  ergehen.  Und  er  hatte 
aUen  Grund  dazu,  die  Besitzergreifung  Kämten-Krains  durch 
Otakar  zu  verhindern. 

Nachdem  Ungarn,  der  langjährige  Rivale  Otakars,  die  Er- 
werbung Ocsterreichs  nicht  zu  verhindern  vermocht  (1251),  ja 
nachher  auch  seinen  Beuteantheil  an  dem  babenbergischen 
Lilnderbesitz,  die  Steiermark,  hatte  herausgeben  miLssen  (I2ti0), 
besass  es  gerade  an  Kämten-Krain  ein  besonderes  Interesse. 
Nicht  nur,  weil  Otakars  Macht  damit  eine  neue,  erhebliche 
Kräftigung  erfuhr,  es  wurde  damit  seine  Einflusssphäre  bis  ans 
Meer  vorgeschoben,  Ungarn  aber  mit  einer  solchen  Frontal- 
iiusdehnung  des  otiikarischen  Reiches  geradezu  umklammert 
und  an  jeder  Ausbreitung  nach  dem  Westen  hin  gehindert. 
Man  darf  übrigens  auch  nicht  übersehen,  dass  Ungarn  seiner- 
zeit bereits  einen  Rechtstitcl  auf  den  Besitz  Krains  speciell 
erworben  hatte,  da  die  ehemalige  Herzogin  von  Kitrnten,  Agnes, 
die  Mcranerin,  welche  mit  Bela  IV.  verschwilgert  war,"  diesem 
ihr  Erbgut  übertragen  hatte.  Nach  ihrem  Tode  (f  1262)  hat 
Bela  IV.  dasselbe  denn  mu-h  thatsftchlich  in  Anspruch  ge- 
nommen, speciell  aber  auch  das  ,dominiiun  Karniole'.* 

Indem  Stefan  V.  nun  Otakar  in  den  Weg  ti-at  und  sich 
mit  Phihpp  verband,  scheint  er  doch  selbst  auch  Ansprüche  auf 
Kämten-Krain  erhoben  zu  haben.  ^  Allein  es  kam  zunächst 
nicht   zu    einem    ernsten    Waffengange,    man    suchte   vielmehr 


*  Tangl,  n.  a.  O.,  S.  15  ff. 
'  Vgl.  darOber  Huber,  Oestorr.  Gesch.  1,  &66  ff. 

*  Vgl.  Meli,  a.  a.  O.,  106.  Agnes'  Vater,  Otto  VII.  ron  Andeclm-Meran, 
war  eiu  Bruder  Gertruds,  die  Andreas  II.,  der  Vater  Beins  IV.,  in  erster 
Ehe  geheiratet  hatte.    Vgl.  Oefele,  Geacli.  der  Grafen  von  Audechs. 

*  Urkunde  Bela  IV.  Tom  7.  Jänner  1263.  Fejär,  Cod.  dipl.  Hung.  IV, 
3,  100  ff. 

'  Darauf  deuten  die  Bestimmungen  des  Friedensvertrages  rom  Juli  1271. 
Siebe  S.  3Ü,  Aiim.  1. 


19 

beiderseits  die  Entscheidung  hinauszuschieben,  indem  ein 
Waffenstillstand  geschlossen  wurde.  Noch  ward  Philipp  in 
denselben  aufgenommen;  allein  schon  Ende  Juli  schloss  ihn 
Stefan  davon  aus.  Philipp  nahm  nunmehr  (im  August)  eine 
Reise  nach  Ungarn  in  Aussicht, '  augenscheinlich  am  Stefan  für 
seine  Sache  und  zu  energischem  Handeln  zu  bewegen.  Doch 
(lieser  Hess  ihn  fallen*  und  willigte  (im  October)  in  eine  weitere 
Verlängerung  des  Waffenstillstandes  auf  zwei  Jahre.  Ein 
schwerer  Fehler  in  der  Politik  Stefans,  der  sich  auch  durch 
den  Einfall  desselben  in  Oesterreich,  welchen  er  unbeschadet 
der  Waffenruhe  dann  unternahm,  nicht  wieder  gutmachen  Hess. 
Denn  anterdessen  hatte  Otakar  durch  einen  Zug  nach  Krain 
and  Kärnten  (November  1270)  diese  Länder  selbst  erobert  und 
iugleich  auch  Agnes,  die  Witwe  Ulrichs  von  Kärnten,  welche 
Termöge  ihrer  Abstammung  und  der  Ausstattung  durch  ihren 
verstorbenen  Gemahl  gewisse  Ansprüche  erheben  konnte,'  un- 
schftdlich  gemacht.  Indem  er  sie  unter  ihrem  Stande  mit 
Ulrich  von  Heunburg,  einem  Vasallen  des  Kttrntner  Herzog- 
thums,  verheiratete,  wurde  sie  zugleich  gcnöthigt,  gegen  eine 
Abfindungssumme  auf  ihre  Rechte  zu  verzichten.  *  Ihr  Gemahl 
Ulrich  aber  wurde  zum  Hauptmann  in  Kärnten  eingesetzt.' 

Um  dieselbe  Zeit  war  es  Otakar  bereits  auch  gelungen, 
die  Uebertragnng  der  reichen  Kirchcnleheu  Salzburgs,  welche 
einst  die  Herzoge  Bernhard  und  Ulrich  von  Käi-nten  inne- 
gehabt, durchzusetzen  (December  1270).^ 

So  war  die  Herrschaft  Otakars  in  Kilmtcn  und  Krain 
bereits  gesichert,  als  Stefan  den  Waffenstillstand  brach  und  ihn 
mit  Krieg  liberzog.  In  raschem  Vordringeu  konnte  Otakar 
nan  Elrfolge  erringen,    die   ihm   einen  guten  Frieden  sicherten. 


'  Vgl.  die  beiden  Urkunden  vom  9.  nnd  10.  Aa^iut  tS70  bei  Tangl,  a.  a.  O., 

S.  33  nnd  23. 
I  Stefsn  erkannte  OUkiir  doch  sclion  bei  dieser  zweiten  Verliingerang  dea 

Waffenütillataudea  im  October  1270  als  diLX  Korinlliio  und  domiuna  Cor- 

niole  an.     Urknnde  bei  Erben-Emier,  Reg.  Boh.  2,  279,  Nr.  722. 

Vgl.  oben  8.  12. 
^'B.  den  Eingang  der  Urkunde  Agnes'  vom  22.  October    1279,   Beilage 

Nr.  n. 
•  Tugl,  a.  ».  O.,  8.  81,  Anro.  2. 
■  Vgl.  die  Urkunden  Otukars  vom  12.  December  1370.     Wiener  Jahrb.  d. 

Ltt.   108,   183.  Anm. 

2» 


30 

In  demselben  (Juli  1271)  verzichtete  denn  auch  Stefan  unter 
Anderem  feierlich  auf  alle  Ansprüche,  die  er  bezüglich  Kärntens, 
Krains  und  der  Mark  erhoben  hatte. ' 

Nun  wurde  auch  die  Stellung  Philipps,  der  sich  unter- 
dessen mit  wechselndem  Erfolge  in  Friaul  herumgeschlagen 
hatte,*  immer  mehr  unhaltbar.  Wohl  wurde  ein  Waffenstill- 
stand zwischen  ihm  und  den  Grafen  von  Görz-Tirol,  Albert 
und  Meinhard,  vermittelt,"  welche,  wie  es  scheint,  auch  einige 
Salzburger  Lehensgilter,  die  einst  Herzog  Ulrich  innegehabt, 
in  Besitz  genommen  hatten.*  Noch  tritt  dabei  König  Stefan 
von  Ungarn  als  Schiedsrichter  hervor  (2.  April  1271), 

Allein  im  nächsten  Frühjahr  (1272)  hat  dann  Ulrich  von 
Dilrrenholz,  der  Landeshauptmann  Otakars  in  Kärnten,  Krain 
und  der  Mark,  auch  Friaul  erobert  und  die  Anerkennung  Ota- 
kars als  ,Generalcapitän'  dortselbst  für  die  Dauer  der  Erle- 
digung des  Patriarchates  von  Aquileia  durchgesetzt.^ 

Phihpp  blieb  nichts  übrig,  als  sich  Otakar  zu  unterwerfen, 
was  gelegentlich  einer  Reise  desselben  an  Otakars  Hof,"  ver- 
muthlich  noch  Ende  dieses  Jahres  1272,  geschah.  Indem  auch 
er  genöthigt  ward,  auf  alle  seine  Ansprüche  zu  verzichten, 
Hess  ihm  Otakar  die  Würde  eines  jbeständigen  Statthalters  des 
Herzogthums  Kärnten'  zutheil  werden.  ^  Jedoch  lassen  sich  nur 


■  Urkonde  (OUk.ara)  vom  14.  Juli  1S71  bei  Theiner,  Man.  bist  Bang.  1, 
298:  glnanper  doniinuii  ätepbAiiiis  rei  Hnngariae  renuntiavit  omni  iuri 
et  aotioni,  quod  et  que  sibi  videbautur  cumpotere,  sea  etiani  compete- 
bant  in  docatibu«  Styrie,  Kariuthie  et  dnminüa  Carninle,  Marchie  nuUam 
de  cetero  «no  vel  herednni  snonim  nomine  contra  noB  et  heredes  nostron 
8iiper  illi.t  motnriis  uiaterinni  ({iiestioiii«.' 

*  Darüber  Tangl,  a.  n.  O.,  8.  64  ff.  und  96  ff. 

'  Vgl.  die  beiden  (identutchen)  Urkundenrogesten  bei  Taagl,  S.  56,  Nr.  1, 
nnd  8.  56,  Nr.  1   (2.  April). 

*  In  dem  Vertrage  Albert»  von  Otin  mit  seinem  Bnider  Meinhard  von 
Tirol  vom  4.  M&rx  1271  ver]iflictitet  sich  dieser,  die  Uebertragung  des 
,ca«tnim  Linte  com  suis  pertinenciis'  an  Albert  bei  dem  Erzbischof  von 
Salitburg  dnrcbsnsetzen.  Font  rer.  Aostr.  U.  1,  122.  Vgl.  dazu  oben 
S.  13,  Anm.  2. 

'  Tangl,  a.  a.  O.,  8.  100  ff. 

*  Von  derselben  bOreu  wir  in  dem  Antwortschreiben  de«  Patriareben  Rai- 
mund von  Aquileia  (vom  8.  August  1274)  auf  die  Propositionen  Otakars. 
Siehe  unten  S.  22,  Anm.  1. 

*  Vgl.  die  beiden  Urkunden  aus  dem  Jahre  1273,  die  Tangl,  a.  a.  O.,  S.  124 
und  1:26,   bietol;    davon   dutirt  die   erste  (das   Julian  von  tieebnrg)   vom 


21 


wenig  Spuren  einer  wirklichen  BethUligung  Philipps  in  dieser 
Stellung  nachweisen.  Es  dttrfto  nicht  viel  mehr  als  ein  schöner 
Titel  gewesen  sein,  da  neben  ihm  hesondt-rc  Landeshauptleute 
in  jenen  Gebieten  die  eigentliche  Verwaltung  führten.'  In 
seinem  Siegel  hat  er  wohl  auch  nachher  noch  den  Titel  ,heres 
Karinthle  et  Camiole'  gefUhrt.* 

So  hatte  sich  Otakar  der  Länder  Ulrichs  von  Kärnten- 
Krain  ganz  und  voll  bemilchtigt  und  war  schliesslich  in  den- 
selben auch  von  den  in  Betracht  kommenden  Factoren  aner- 
kannt worden. 

Nur  Aquilcia  fehlte  noch.  Als  nun  Ende  December  1273 
in  Raimund  de  la  Torre  nach  längerer  Sedisvacanz  dort  ein 
neuer  Patriarch  bestellt  worden  war  imd  dieser  im  Frühsomraer 
de«  folgenden  Jahres  (1274)  die  Regierung  daselbst  autrat,  be- 
warb sich  Otakar  sofort  bei  demselben  um  die  Verleihung  der 
amfangreichen  Kirchenleben  des  Patriarchates.  Allein  sein  An- 
suchen, ihm  alle  Lehen  zu  übertragen,  welche  die  Herzoge  von 
Oesterreich,  der  Steiermark  und  KUrnten  innegehabt  hatten, 
wurde  im  Wesentlichen  abschlftgig  beschieden.  Nur  jene  davon 
wiirden  ihm  vielmehr  zuerkannt,  die  einst  die  Babenberger 
Leopold  und  Friedrich  in  der  Steiermark  besassen  und  mit 
welchen  Otakar  auch  bereits  früher  von  dem  Patriarchen 
Gregor  war  belehnt  worden.  Die  Lehen  aber,  welche  Herzog 
Ulrich  in  Kärnten,  Krain  und  der  Mark  innegehabt  hatte,  seien 
—  so  ward  ihm  geantwortet  —  da  derselbe  ohne  legitime  Erben 


35.  Mai.  lieber  eine  AUfindiinp  mit  Perseabeii^  und  der  Mnutli  und  Qe- 
rieht  Ton  Krems  (Steir.  Reimcbrouik,  Mon.  Germ.  1, 14t)  a.  unton  8.  37, 
Aom.  1. 

El  iit  bii  jetzt  nur  eine  Urkunde  (vom  1.  Juni  1'2T4)  bekannt  geworden, 
welche  von  der  Ausübung  einer  gewissen  Amtsgewalt  Philipp»  Zeugnis» 
gibt.  In  derselben  beurkundet  er  die  Beilegung  eines  Streites  xwiscben 
dem  Klortor  St.  Georgen  und  einem  Privaten  (Dietmar  vun  Hafnerburg) 
um  Grundbesitz  in  Kärnten.  TaogI,  S.  146,  Aiim.  I.  Demgegenüber 
treten  die  Landeshauptleute,  welche  nach  dem  Tode  Ulrichs  von  Dilrreu- 
bols  (t  137,?)  für  Kärnten  einerseits  (Ulrich  von  Taufers)  nnd  fUr  Krain 
und  die  Mark  anderseits  (Ulrich  von  Hausbach)  von  Otakar  besonders 
I  bestelll  worden  waren,  kräftiger  hervor.     Vgl.  die  Urkunden  bei  Tangl, 

S.  139  ff. 
*  Erhalten  in  drei   Exemplaren,    und    zwar   der    Urkunde    Philipps    vom 
I.  Juni  1274  (Tangl  8.  146,  Anm.  I)  and  den  beiden  oben  S.  80,  Anm.  7 
citirten   Urkunden,  die  Philipp  mitbesiegelte. 


22 


gestorboD,  als  erledigt  zu  bclruuhtea  und  köantcn  Niemand 
ohne  besondere  £rmäclitigimg  seitens  des  Papstes  verliehen 
werden.  Im  Uebrigen  berief  man  sich  auf  den  (1261)  mit 
Herzog  Uli-ich  abgeschlossenen  Vertrag  und  nahm  demzu- 
folge die  damals  von  diesem  zu  Lehen  aufgetragenen  Eigen- 
güter in  Anspruch,  da  auch  Philipp  die  ihm  für  die  Zeit  seines 
Lebens  zugesicherten  Rechte  der  Kirche  von  Aquileia  schcn- 
kungsweiso  Übertragen  habe.  Gleichzeitig  wurde  an  Otakar 
die  Aufforderung  gerichtet,  alle  Besitzungen  Aquileias,  welche  er 
in  Kärnten,  Krain  und  der  Mark  oecupirt  hatte,  gemäss  dem 
vom  Papst  au  ihn  bereits  ergangenen  Mandat  zurückzustellen. ' 

Man  sieht,  die  Folgen  der  Königswahl  Rudolfs  machten 
sich  in  dieser  Haltung  Aquileias  bereits  bemerkbar.  Mit  der 
allgemeinen  Anerkennung  Rudolfs  im  Reiche  musste  auch  die 
Frage  nach  dem  rechtlichen  Besitze  Kärntens  und  Krains  acut 
worden.  Die  RechtsprUche,  welche  auf  dem  Reiclistage  von 
Nürnberg  (November  1274)  über  Rudolfs  Initiative  von  dem 
Fürstengerichte  geftillt  wurden,  waren  auch  für  diese  Länder 
entscheidend.*  Sie  nahmen  allerdings  insofern  eine  besondere 
Stellung  ein,  als  Otakar  mit  ihnen  niemals  vom  Reiche  aus  be- 
lehnt worden  war,  sondern  sie  nur  gewaltsam  in  Besitz  ge- 
nommen hatte.  Daher  kam  für  Kürntcn-Krain  nur  der  erste 
jener  Rechtssprüche  in  Betracht.  Indem  Rudolf  durch  den- 
selben ermächtigt  ward,  alle  seit  den  Tagen  Kaiser  Friedrichs  II. 
dem  Reiche  gewaltsam  entrissenen  Reichsgüter  einzuziehen  und 
im  Falle  der  Widersetzlichkeit  mit  Gewalt  vorzugehen,  um  dem 
Reiche  zu  seinem  Rechte  zu  verhelfen,  war  die  Rechtsfrage 
bezüglich  Kärntcn-Kruins,  soweit  sie  Otakar  betraf,  bereits  ent- 
schieden, da  die  Instruirung  eines  besonderen  Lchcnsprocesscs 
hier  enttiel. 

Anderseits  aber  kamen  die  Ansprüche  Philipps  da  noch 
in  Betracht.  Sie  mussten  keineswegs  unanfechtbar  erscheinen. 
Sicherlich  haben  rcchtliclie  und  politische  Motive  dabei  zu- 
sammengewirkt,   Rudolf  ztir    unmittelbaren  Anerkennung  dcr- 


'  Vgl.  die  Antwort  des  PHtriarohen  Raimund  von  Aiiuileiit  auf  daa  An- 
suchen Otakars  vom  7./.S.  Angnat  1274.     Font.  rer.  Austr.  II,  40,  9. 

*  Vgl.  dnrUber  die  Ausraiiriingcu  v.  Zeiftsberg'»  im  Archiv  fllr  Osterr.  Qoach. 
6'i,  1  ff. :  Ueber  doa  Kecbtsverfahreu  Rudolfs  vun  Habsburg  gegen  Otto- 
kar von  Böhmen. 


I 


selben  ru  veranlassen.  Wie  der  Ktinig  bestrebt  war,  bei  der 
Regelung  all'  jener  Fragen  ,die  strengsten  Formen  des  Kcclites 
SU  beobachten',  so  wusste  er  sich  zugleich  mit  ,geschicktem 
Schacbzug'  der  Person  Philipps  zu  bedienen,  um  den  spon- 
heimischen  Anhang  in  jenen  Ländern  fllr  sieh  zu  gewinnen 
und  den  Gegnern  (Jtakars  daselbst  einen  Krystallisationspunkt  zu 
rerschaffon.  Das  hat  v.  Zeissberg  sehr  trefl'end  ausgeführt.' 
Indem  Rudolf  sich  zur  Anerkennung  der  Rechte  Philipps  ent- 
schioss,  belehnte  er  ihn  nach  dem  Reichstag  von  WUrzburg 
(23.  Jänner  1275)  mit  Kilrateu,  Kruin  und  der  Mark*  und  erliess 
am  27.  Februar  darauf  ein  ObOdienzmandat  ,an  alle  Grafen, 
Barone,  Edlen,  Dienstmanncn  und  Vasallen'  in  diesen  Ländern 
mit  der  Aufforderung,  Philipp  zur  Vertheidigung  seiner  Rechte 
wirksamen  Beistand  zu  leisten.^ 

Hiilipp,  der  sich  an  den  Hof  Rudolfs  begeben  hatte,  er- 
scheint nunmehr  als  Zeuge  mit  dem  Titel  ,dux  Karinthie*  in 
deu  Urkunden  des  Königs;*  zu  seiner  vollen  Titulatur,  die  er 
selbst  verwendete,  gehört  auch  das  ,domina8  Carniole  et  Mar- 
chie'.* 

Allein  der  Versuch  Philipps,  aus  dieser  rechtlichen  Aner- 
kennung seiner  Ansprüche  die  entsprechenden  Conseriuenzcn 
hinsichtlich  der  Lllnder  Kilrnten  und  Krniii  zu  ziehen,"  blieb 
ohne  praktischen  Erfolg.  Ütakars  Herrschaft  daselbst  bestand 
bis  zur  Eröffnung  des  Reichskrieges  wider  ihn,  im  Herbste  1276, 


*  A.  a.  O.,  8.  40  ff. 

'  V^L  Osw.  Roilliob,  Die  Anlange  KOnig  Rudolfs  I.,  in  den  Mittb.  des  In- 
ititiiU  fiir  0»terr.  GtMcLiclitsfuncliung  lü,  303.  DurBolbe  bat  aucli  die 
Bddeiiken  beseitigt,  welobe  v.  Zei.isborg  zu  der  Aniiuluno  vorniil.i.'töt  ti.itton, 
als  *ei  riiiliiip  nur  mit  deu  Koichalebeii,  nicht  aber  aueb  mit  dem  ller- 
xo^bumo  belehnt  worden.  Auch  ich  halte  uiuo  solche  Unterscheidung 
für  nicht  wahr!>cheinlicb. 

*  Bfihmer-Ficker,  Acta  Imp.  sei.  323,  Nr.  403. 

*  \gl.  in  der  Neaausgabe  der  liegosteu  KOuig  Biidol&  (nach  J.  BUhmer) 
TOD  0«w.  BedUcb  die  Nr.  SM  nod  385  (17.  Juni)  und  44U,  442  (21.0cto- 
ber  1275). 

*  Vgl.  die  Urkunde  Philipi«  fUr  seinen  Notar  Kudulf  vom  I.Juli  1275  in 
den  Wiener  Jahrb.  d.  Lit.  52,  241.  Uebor  das  Datum  Tangl,  a.  a.  O., 
S.  180  f. 

*  Philipp  verleiht  am  1.  Jnti  1275  zwei  genannte  UOfe  au»  seinem  Eigon- 
bc«itx,  die  von  seinem  Vater  Bernhard  zu.  Luhen  ansgethan  worden 
waren,  da  sie  ihm  (durch  Mannfull)  ledig  wurden,  nn  seinen  Notar  Bu- 
dolf.    Urkunde  Wiener  Jahrb.  d.  LiL  52,  241. 


hflü 


24 


aulVecht,  Philipp  selbst  vermochte  dort  unterdessen  nicht  feston 
Fuss  zu  fHsscii.  Wir  änden  ihn  durcli  das  ganze  Jahr  1275 
und  aucli  am  Beginn  des  folgenden  Jahres  im  Gefolge  König 
Rudolfs/  nach  Kärnten-Krain  scheint  er  nicht  gekommen  zu 
sein.  Man  musa  doch  auch  beachten:  Otakar  konnte  sich  ihm 
gegenüber  immerhin  auf  den  Verzicht  stützen,  der  bezüglich 
dieser  Länder  seinerzeit  zu  seinen  Gunsten  von  Seiten  Philipps 
erfolgt  war.  Die  Giltigkeit  desselben  aufzuheben,  schien  jeden- 
falls im  Interesse  Philipps  geboten.  Auf  sein  Ansuchen  ist 
denn  auch  am  22.  Jänner  1276  zu  Nürnberg  die  förmliche 
Nichtigkeitserklärung  jener  Verträge  und  Abmachungen  durch 
König  Rudolf  erfolgt,  nachdem  sie  durch  einen  Rechtspruch  dos 
Fürstengerichtes  ob  ihrer  zwangweisen  Erpressung  als  nicht 
rechtsverbindlich  erklärt  worden  waren.* 

Doch  auch  jetzt  hat  Philipp  sicherlich  wenig  Anklang  in 
Kärnten-Krain  gefunden;  er  bat  vor  Allem  bei  der  Eroberung 
dieser  Länder  und  dem  Zusammenbruch  der  Herrschaft  Ota- 
kars  dortselbst  gar  keine  Rolle  gespielt.  Es  waren  vielmehr 
Graf  Meinhard  von  Tirol  und  sein  Bruder  Albert  von  Görz, 
die  nunmehr  entscheidend  auf  den  Plan  traten.  Letzterer  hatte 
Otakars  Partei  definitiv  verlassen,  vermuthlich  auch  aus  Rück- 
sichten auf  seinen  Bruder,  der  König  Rudolf  bereits  durch 
Familienboziehungen  verbunden  war.  Während  Meinhard  von 
Tirol  aus  in  Kärnten  eindrang,  hatte  Albert  gleichzeitig,  wahr- 
scheinlich mit  Unterstützung  Aquilcias,  Krain  und  die  Mark  in 
Besitz  genommen.'  Sie  beide  mussten  Rudolf  vor  Allen  ge- 
eignet erscheinen,  die  Occupation  dieser  Länder  durchzuführen, 
nicht  nur  wegen  Meinhards  nahen  Beziehungen  zu  seinem 
Hause,  und  weil  sie  Anrainer  dieser  Gebiete,  ihre  nächsten 
Nachbarn  waren,  sondern  noch  mehr  vielleicht  ob  ihres  Eigen- 
besitzes in  denselben,  ihrer  wcrthvollen  persönlichen  Verbindun- 
gen an  Ort  und  Stelle,  sowie  als  Inhaber  der  Vogtei  von  Aquileia 
und  Brixen.  Ohne  Schwierigkeiten  ward  denn  auch  diese 
Occupation  alsbald  vollzogen,    mit  ihr  aber  und  dem  Uebertritt 


'  Er  erscbeint  alii  Zeuge  in  zwei  Urkunden  KUnig  Uudulfa  vom  31.  Octo- 
ber  l'aiö  ddo.  Langaiiiiu.  Kedlieli,  Heg.  RudolfM,  Nr.  440  und  442.  Vgl 
dazu  ebondH  Nr.  6U3  und  Mittli.  des  lustituts  für  Oaterr.  Gesobicbta. 
forsubuug  lU,  393. 

*  Böhmer,  Acta  326. 

•  Vgl.  Kodlich,  Keg.  Hudolfa,  Nr.  688''. 


1 


25 


I 


der  steirischen  und  Kärntner  Miniaterialen  aui'  Seite  Rudolfs, 
der  gleichzeitig  (19.  September)  erfolgte,  die  Herrschaft  Otakars 
thatsäclilich  beseitigt. 

König  Rudolf  nun  hat  sofort  nach  der  Unterwerfung  dieser 
Länder  von  Neuem  an  die  Käratner  und  Krainor  ein  Ob- 
9dicnzmandat  zu  Gunsten  Philipps  erlassen  (24.  September).  In- 
dem er  alle  Grafen,  Eidlen,  Ministerialen  und  Vasallen  von 
Kärnten  und  Krain  aufifordert,  Philipp,  dem  Herzog  von  Kärnten, 
zu  gehorchen,  darf  die  Wiederholung  dieser  bereits  am  Beginn 
dep  Vorjahres  (1275)  an  dieselbe  Adresse  erlassenen  Mahnung 
an  sich  bezeichnend  erscheinen.  Noch  deutlicher  aber  spricht 
der  Schlnsssatz,  welcher  in  diesem  aweiten  Mandat  gegenüber 
jenem  ersten  neu  erscheint.  Rudolf  verkündet  zugleich  eine 
allgemeine  Amnestie  im  Namen  Philipps  flu*  alle  jene,  die  sich 
dessen  Gunst  jemals  verscherzt  hätten,  sofern  sie  sich  diesem 
unterwerfen.  •  Man  sieht:  Philipp  war  offenbar  bis  daliin  in 
K&mten-Krain  nicht  nur  nicht  anerkannt  worden,  wir  hören 
geradezu  von  einer  Partei,  die  ihm  —  scheint  es  —  feindlich 
entgegengetreten  war.  Und  das  werden  wir  nach  Philipps  Ver- 
gangenheit auch  vollauf  erklärlich  linden.  Die  kirchhche  Partei, 
hier  besonders  ausschlaggebend,  mochte  sich  jetzt  ebenso- 
wenig fllr  ihn  erwärmt  haben  als  zuvor,  da  Otakar  seine  Herr- 
schaft dort  begründet  hatte.  Alte  Gegensätze  auch  von  früher 
her  haben  da  vermuthlich  noch  nachgewirkt.  Und  der  mäch- 
tige Laienadel  auf  der  anderen  Seite  hatte  jetzt  erst  recht  keinen 
Grund,  sich  ftir  Philipp  zu  erklären.  Vielmehr  mussten  nun- 
mehr die  Familienbeziehungen,  über  welche  Meinhard  von  Tirol 
and  sein  Bruder  Albert  von  Görz  durch  ihre  Verschwägerung 
mit  den  mächtigen  Grafen  von  Ortenburg  und  Pfannberg  ver- 
fügten,* da  entscheidend  einwirken.  Es  ist  doch  bezeichnend, 
dass  in  der  Erklärung  des  Kärntner  und  steirischen  Adels, 
durch  welche  dessen  Uebertritt  auf  König  Rudolfs  Seite  zu 
rechtsverbindlichem    Ausdruck     gelangte,     die    Persönlichkeit 


'  Ceterum  nosse  vus  Tolumus,  quod  omne«  qui  a  predicti  dncis  gracia  ali- 
<lU]Uido  seclusi  faerint,  od  pristiiie  grauie  siiium  per  ipgum  ducom  favo- 
rabUitiir  sunt  rocepti,  dunimodo  Uunen  iidem  per  debita  subiecciuiiis  re- 
vereociam  prefati  domini  beuepUcitis  siut  couforme«.  v.  Zeissberg,  a.  a.  0., 
8.  48,  Aiim.  1. 

•  Vgl.  Tangl,  a.  a.  O.,  S.  376  ff.;  Mon.  hUt.  duc.  Karinth.  2,  106,  und  Archiv 
für  Oit«rr.  Ge«cb.  36,  -J&  f. 


Philipps  gar  nicht  beachtet  erscheint,  obwohl  derselbe  doch  von 
König  Rudolf  als  Herzog  von  Kärnten  formlich  anerkannt  worden 
war.  An  der  Spitze  dieses  Obüdieuzreverses  aber  zu  Gunsten 
Rudolfs  erscheinen  die  Grafen  von  Heunburg  und  Pfannberg.' 
Meinhard  von  Tirol  und  Albert  von  Görz  hatten  Kärnten 
und  Krain  für  König  Rudolf  erobert  und  die  Macht  daselbst 
thatsüchlich  in  den  Händen.  Es  war  nur  natürlich,  dass  Mein- 
hard vom  Könige,  vermuthlich  unmittelbar  nach  der  Occupation 
dieser  Länder,  die  Hauptmannschaft  Über  dieselben  übertragen 
wurde.*  Rudolf  konnte  die  grossen  Verdienste  Meinhard»  um 
seine  Sache  nicht  unberücksichtigt  lassen.  Er  war  auch  der 
einzig  richtige  Mann  filr  diese  Stellung.  Was  hätte  der  alters- 
schwache und  kränkelnde  Philipp  dazu  getaugt?  Seine  an  _ 
Misserfolgen  reiche  Vergangenheit  war  dafür  sicherlich  kein  I 
guter  Empfehlungsbrief. 

So  hat  er  denn   trotz   der   formellen  Anerkennung  durch 
König  Rudolf  die  Herrschaft  in  Kärnten  und  Krain  thatsäch- 
iich  nicht  angetreten.     Keine  einzige  Urkunde  von  ihm  ist  uns 
aus  dieser  Zeit  (nach  1276)  bekannt,    die   von   einer   weiteren 
Beziehung  zu  diesen  Ländern  Zcugniss  geben  würde.     Ausser 
Landes,  zu  Krems  in  Oesterreich,  hat  er  seine  letzten  Lebens- 
jahre zugebracht.     Dort   ist   er  auch   drei  Jahre  darauf,  1270, 
gestorben.'    König  Rudolf,  der  ihn  in  klug  berechneter  Politik 
Otakar  gegenüber  ausgespielt  hatte,  sah  sich  angesichts  der  ge- 
änderten Sachlage  nunmehr  genöthigt,  ihn  fallen  zu  lassen.  Es   M 
war  auch  keine  Aussieht  vorhanden,    dass   er  sich  in  Kärnten   ■ 
und  Krain  würde  halten  können.   Anscheinend  ward  noch  Endo 
1276  ein  Abkommen  mit  ihm  getroffen,  nach  welchem  er  that- 
[Bfichlich  zurücktrat,    aber   im  Besitz  seiner  Würde  und  Eigen- 
I guter  belassen  wurde.*   Als  Entschädigimg  für  seinen  Verzicht 


'  Schwind  und  Dopsob,  Ausgewithlte  Urkunden  Kur  VerfaHSungagoscliichto 
der  deutuch-üsterroichisuben  ErUlaude  im  Mittetaltor  1U&,  Nr.  61, 

*  Doi  ergibt  »ich  au»  dorn  Scbreiboii  dos  Erabi-sobofa  Friodricli  von  Salz- 
burg an  KUnig  Kudulf  vom  Anfang  October  1276.  ßodliub,  liug.  Kudolfs, 
Nr.  605. 

'  Vgl.  unten  S.  33,  Aum.  3. 

'  Dos  beweist  sein  Testament,  durch  welches  er  als  ,dux  Karinthie  domi- 
nut  Carniote'  über  seine  Eigengflter  in  Kitmton  und  Krain  letztwillige 
Verfügungen  traf.  Es  ist  in  xwoi  gloichlautendou  (besiegelten)  Origi- 
nalen noch  im  Wiener  Staatsarchiv  (aus  dem  Salzbnrgor  Capitolsarchiv) 
erhalten.  Gedruckt  in  Klun's  Archiv  für  die  Laudesgesch.  Krains  1,  233  ff. 


27 


hat  ihm  König  Rudolf  eine  Rente  verliehen,    die   ihm  jährlich 
von  der  Mautb  in  Stein  verabfolgt  wurde.* 


11. 

Die  Ansprüche  Philipps  von  Sponheim  auf  Kärnten  und 
Kraiu  waren  damit  beseitigt.  Die  Kärnten-Kraiiicr  Frage  ti'at 
nunmehr  in  ein  neues  Stadium.  Äilurdings,  die  nächste  Zeit 
weist  insofern  noch  keine  volle  Klärung  auf,  als  die  Thatsaehe 
von  Philipps  ursprünglicher  Anerkennung  durch  König  Rudolf 
doch  auch  jetzt  noch  nachwirkte.  Das  wird  deutlich,  wenn 
wir  die  staatsrechtliche  Stellung  näher  betrachten,  in  der  sich 
die  Länder  Kärnten  und  Krain  in  diesen  Jahren  (Ende  1276 
bis  1379)  befanden.  Zunächst  künnen  wir  verfolgen,  dass 
Rudolf  sich  durchaus  als  Herrn  dieser  Länder  betrachtete,  und 
zwar  nicht  nur  im  Sinne  der  ihm  als  König  zukommenden 
lieicbsobergewalt.  Er  hat  nicht  uur  die  Privilegien  früherer 
Könige*  für  Kirchen  und  Klöster  in  diesen  Ländern  bestätigt, 
sondern  auch  solche  früherer  Landesfürsten. "  Er  hat  in  gleicher 
Weise  Verfügungen  über  Dienstleute  (Ministerialen  uud  Ritter) 
der  Landesfiirsten  von  Kärnten  und  Krain  getroffen,  wobei  die 
Zo^hörigkeit  derselben  zum  Lande  ausdrücklich  hervorgehoben 


*  Du  ergibt  sich  aa»  einem  neuentdocktoii  Brief»  Philipp«  au  doii  Ijurg- 
grafen  Friedrich  von  NQrnborg  iu  der  Wiener  Briufaammluiig,  Mitth. 
aiu  dem  vaticsnisofaen  Archiv  2,  138.  Dnrub  ihn  gewinnt  die  bisher 
unverbürgte  Nachricht  (vgl.  Iluber  in  Mitth.  dos  Instituts  fltr  Osterr.  Ge- 
KbichtBforschnug  4,  67)  dea  Kteirischou  licimchronistcn  an  Glaubwürdig- 
keit, der  irrthttmlich  znm  Jahre  1270  (der  Eroberung  Kürnten-Krains 
durch  Otakar)  meldet: 

Her  Philippe  muoste  tuou 

Qf  diu  lant  verxiht. 

dats  Krenue  daz  geriht 

und  die  m&te  man  im  lies, 

unde  swUK  er  het  geniez 

der  bürg  dats  PerBenbiugo. 

er  muoit  sich  mit  der  Hmiugo 

betragen  uns  an  sineu  tot 
Mun.  Germ.,  Deutsche  Chron.  V,  1,  141. 

Vgl.  nnter  Anderem  die  Urkunden  Rndolfs  Rlr  Ourk  vom  IC.  April  1277 
(Kedlicb.  Reg.  Rudolfs,  Nr.  742)  und  17.  Jänner  1278  (ebenda,  Nr.  017). 
Urkunde  Rudolfs  fOr  Victring  vom  30.  August  1277  (liedlich.  Reg.  Ku- 
dolft,  Nr.  863)  und  für  Oberburg  (dos  damals  Kur  Mark  gehörte)  vom 
lt.  UBra  1277  (Redlich,  Reg.  Rudolfs.  Nr.  71ti). 


wird. '  Ja  er  hat  geradezu  wiederholt  auch  die  Executive  selbst 
gehandhabt;  sei  es,  dass  er  —  wie  1277  zu  Gunsten  Victrings 
—  im  Anschlüsse  an  ein  dem  Kloster  veriieiienes  ZoHprivUeg 
durch  ein  Specialraaudat  an  die  betreffenden  Verwaltungsorgane 
die  Beobachtung  der  vurÜehencn  Freiheiten  einschärfte,*  sei  es 
auch,  dass  er  im  Falle  der  Rechtsverweigerung  die  iandesflirst- 
liche  Schutzgewalt  zu  Gunsten  dos  Klilgers  ausübte.* 

In  diesem  Zusammenhange  verdienen  auch  zwei  weitere 
Thatsachen  noch  entsprechende  Beachtung.  Einmal,  dass  der 
Landfriede,  den  Rudolf  am  3.  December  1276  verkündete,  auch 
für  Kärnten  und  Krain  erlassen  ward,*  dann  aber  die  Einlei- 
tung der  Landfrage  in  Kärnten  am  Beginne  des  Jahres  1279. 
Könnte  erstere  Erscheinung  durch  die  Stellung  Rudolfs  als 
König  genügend  erklärt  werden,  wiewohl  es  sich  nicht  um  einen 
Keichslandfrieden  handelte,  so  übt  Rudolf  hier  durchaus  Jandes- 
fürsüiche  Rechte  aus.  Nach  Allem,  was  wir  über  dieses  Straf- 
verfahren gegen  schädliche  Leute  wissen,  ist  es  durchaus  der 
Landesflirst,  der  unter  Beirath  der  Landherren  dasselbe  an- 
ordnet, mindestens  soweit  darunter  wie  hier  eine  ausserordent- 
liche Massregel  zu  verstehen  ist,  die  von  Zeit  zu  Zeit  besonders 
beschlossen  und  im  ganzen  Lande  durehgetlihrt  wurde.' 

In  beiden  Fällen  hat  Rudolf  wie  ein  Landesfürst  unter 
Beiziehung   und   nach   Rath    der  Landesgrossen "   Verftigungen 


■  Vgl.  dio  Urkunde  (iiidolf»  vom  18.  Mai  1*277  über  die  Tbeiluug  der 
Kiuder  aua  der  Ehe  laudonfUrstlicher  (Krniii)  und  froising;' gelier  Mini- 
oterialen.  Funt.  rer.  AuHtr.  II,  ■tl,  36t,  und  dazu  die  Urkunde  für  Ourk 
vom  i2.  Ait^st  1279  in  gleicher  AugelegeuhoLt.  Diese  ist  allerdings 
bereiUi  einen  Monat  nach  dem  Tode  Phlli|i]i8  ausgeiitellt.    Beil.  Nr.  I. 

*  Redlich,  Keg.  Rudolfs,  Nr.  864. 

*  8o  hat  er  1278  den  Bischof  von  Bamberg  (in  Abwesenheit  Moinhards) 
mit  der  rechtlichen  Entscheidung  der  Streitigkeiten  betraut,  dio  zwischen 
dem  Propst  von  W<irtli  und  einigen  dessen  Kirche  bedrUckendL'u  Laien 
bestanden  (Redlich,  Reg.  Rudolfs,  Nr.  913);  so  hat  er  1279,  als  die  t'utonen 
des  Klosters  St.  Peter  von  Salzburg  xu  Wieting  in  Kärnten  eine»  Strike 
veranstalteten,  ein  Verbot  erlassen,  sie  eu  unterstützen  (Redlich,  Reg. 
Rudolfs,  Nr.  1086). 

*  Vgl.  Schwind  und  Uopsch,  Ausgewählte  Urkunden  r.ur  Verfassungs- 
gescbicbte  der  deutach-Osterreicbiscbeu  Erblando  im  Mittelalter  106,  Nr.  62. 

'  Vgl.  O.  T.  Zallinger,   Das  Vorfahren  gegen  die  landschädlicheu  Leute  in 

Saddentschland,  S.  86  IT.,  insbesouders  S.  96  und  97. 
'  Der  oben  citirto  Landfriede  wurde  erla-tscn:  ad  consilinm  principum  tarn 

ecclesiaaticorum  quam  secularium  comitum  baronuiu  ministerialium  Austrie 


29 


getroffen,   die  flkr   das  ganze  Land  rechtsverbindliche  Geltung 
hatten. 

Als  Hauptmann  in  Kärnten,  Krain  tind  der  Mark  war, 
wie  bereits  bemerkt,  Graf  Mcinhard  von  Tirol  vom  Könige 
bestellt  worden.'  Er  stand  als  solcher  an  der  Spitze  der  Ver- 
waltnng  und  war  das  oberste  Executivorgan  des  Königs,  dessen 
Weisungen  vor  Allem  an  ihn  gerichtet  sind.*  Zum  Zwecke 
der  Verwaltung  setzte  er  wohl  auch  selbst  Beamte  (Richter  und 
sonstige  Amtleute)  ein,  die  an  seiner  Statt  dieselbe  flihrten.* 
FestzJihalten  ist  jedoch,  daas  er  seine  Gewalt  nirlit  zu  eigenem 
Rechte  ausübt,  sondern  im  Namen  des  Königs  und  liber  dessen 
Auftrag.* 


Styrie  et  Karinthie  et  Carniole  «c  Marctiio,  nnd  in  der  Urkunde 
Dber  die  Landfrage  in  Kärnten  heisut  oh:  ,No8  de  stAtu  terre  .  .  .  cum 
principibua  et  Gdelibas  nostris  ao  specialiter  qnibnsdnm  miniatorialibus 
terre  predicte  ad  boc  etiam  advocatis  tractatiim  liabiiiinus.'  Hormayr'ii 
AnhiT  18S8,  S.  783. 
'  Vgl.  oben  8.  26  und  dazu  die  Urkuude  de-i  Hermann  Schenk  zu  Oster- 
«üt  (bei  Tang],  8.  356),  sowie  den  Vertrag  Rudolfs  mit  Gurk  Über  die 
Kirchenlehen  vom  Jahre  1280  (Redlich,  Reg.  Rvidolfs,  Nr.  1174),  wo  en 
TOD  Meinhard  mit  Bezug  .luf  dieae  frühere  Zeit  (s.  unten  8.  39)  heisst; 
.tunc  capitanei  Karinthie,  Carniole  ac  Marchie.'  Die  Annahme  Tangl'« 
(S.  U4),  das«  Meinhard  anch  ,Reichgverweiier  der  Steiermark'  gewesen 
•ei,  ist  unrichtig. 
'  Vgl.  die  Mandate  KOnig  Rudolfs  vom  4.  und  15.  Februar  1277,  Redlich, 
Reg.  Rudolfs,  Nr.  682  und  689,  sowie  die  in  Anm.  8  citirten  Urkunden. 
Zu  beachten  ist  anch,  dass  KOnig  Rudolf,  da  or  einmal  den  BiKchof  von 
Bamberg  im  Delegationswege  mit  der  Entscheidung  vnn  Kärntner  Rechte- 
■treitigkeiten  betraut,  in  der  betreffenden  Urkunde  ausdriiuklicb  hervor- 
hebt, dass  Meinhard  damals  abwesend  war.  Vgl.  oben  8.  28,  Anm.  3. 
'  Vgl.  das  Mandat  Meinhards  vom  32.  Februar  1277  zu  Qansten  Victrings 
(Tang],  8.254):  ,nniver8is  indicibus  suis  per  Carinthiam  et  Camiolam  con- 
stitatis'.  nnd  die  Urkunde  Radolfs  vom  5.  Jftoner  1278,  Font.  rer.  Austr. 
II.  3t,  377:  ,cnm  propter  dilecti  nobis  Meinhardi  comitis  Tyrolensis  affi- 
nis  nostri  karissimi  abseutiam  et  etiani  propter  snomm  procnratorum  et 
ofScialinm  inpotenciaro  sen  desidiam,  qnoa  loco  sni  regimSni  terre 
Karinthie  prefecit  .  .  .* 

Als  Meinhard  in  dem  oben  (unter  Anm.  3)  citirten  Mandat  den  Richtern 
in   Kirnten   die    Beobachtung  der  Freiheiten  dos  Klosters  Victring  ein- 
•cbUrfle,  sagt  er  von  diesem  (nach  dem  Originale  im  Archiv  des  KKrntner 
>  OMehiehirrereines):  ,Cnius  posaeilionea  et  homines  in  seronissimi  domini 
l'liostri    regia    Romanorum    et   nostmm    protectionom   specialiter  dnximus 
1  •Mvaieodnm.'    Die  8chutagewalt   Meinhards   ist  alao  nur  eine  stellver- 
tretende, keiue  eigene  (landesherrliche). 


30 


Fassen  wir  nun  alle  diese  Beobachtungen  zusammen,  so 
ergibt  sich,  dass  König  Rudolf  in  den  Jahren  1276  (Ende)  bis 
1279  thatsächlich  mindestens  in  Kiirntcn'  wie  ein  Landesfilrst 
schaltete  und  waltete,  Mcinhard  aber  als  Verweser  und  Haupt- 
mann daselbst  zu  betrachten  ist.  Qlcichwohl  ist  aber  nicht  an- 
zunehmen, dass  der  König  KUrnteu  und  Krain  als  erledigte 
Reichslehen  betrachtet  habe.  Denn  es  muss  auflallen,  dass 
König  Rudolf  in  der  bekannten  Urkunde  über  das  Reichsvicariat 
des  Pfalzgrafen  Ludwig  von  Baiern  vom  Jahre  1276*  diesen 
flir  den  Fall  seines  Todes  als  Reichsverweser  nur  in  den  Län- 
dern Oesterreich  und  Steier,  nicht  aber  auch  Kitrnten  und  Krain 
bestellte.  Es  war  das  offenbar  eine  Rftcksichtnahnie  auf  die 
Person  des  noch  lebenden  Phih'pp,  der,  von  Rudolf  förmlich 
anerkannt,  bis  zu  seinem  Tode  den  Titel  dux  Karinthio  domi- 
nus Camiole  fUhrte. 

Diesen  Verhältnissen  nun,  wie  wir  sie  hier  entwickelt 
haben,  entsprach  auch  das  Vorgehtm  Köoig  Rudolfs  in  Sachen 
der  Kärnten-Krainer  Kirchcnlehen.  Welch'  grosse  Bedeu- 
tung ihnen  gerade  in  diesen  Ländern  zukam,  ist  eingangs  bei 
der  Betrachtung  der  Herrschaftsvcrhiiltnisse  von  Kärnten  und 
Krain  auseinandergesetzt  worden.  Wir  sahen  auch,  dass  Ota- 
kar,  als  er  nacii  dem  Tode  Ulrichs  von  Sponheim  daran  gieng, 
die  Herrschaft  über  diese  Länder  an  sich  zu  reissen,  vor  Allem 
auf  die  Erwerbung  der  Kirchenlehen  Bedacht  nahm.  Die  Ueber- 
tragung  derselben  seitens  der  geistlichen  Hochstifter  hatte  ihm 
thatsächlich  einen  wchtigen  Vorsprnng  Philipp  gegenüber  ge- 
sichert. 

König  Rudolf  seinerseits  hat  denn  auch  die  Bedeutung 
eines  solehon  Vorgehens  sofort  richtig  erkannt.  Die  Action, 
welche  er  deshalb  einleitete,  ist  in  ihrem  vollen  Umfang  noch 
nicht  recht  gewllrdigt  worden.  Er  hat  nämlich  nach  dem 
definitiven  Verzicht  Otakars  auf  Oesterreich,  Steier,  Kärnten, 
Krain  und  die  Mark  dann  die  förmliche  Erklärung  veran- 
lasst, dass  die  Kirchenlehen,  welche  die  Fürsten  dieser  Länder 


'  Die  hier  beigebrachton  Belege  bezieben  «ich  doch  vorwiegend  Auf  Kum- 
ten.    Vgl.  dazu  den  Excurs. 

*  Bernheim  und  Altmann,  Ausgewählte  Urkunden  zur  Erläuterung  der 
Verfasflungsgeschichte  Deutichland«  im  Mittelalter,  2.  Aull.,  6.  S7.  Vgl. 
daKU  Tangl,  S.  324  f.  Ueber  die  Uatirung  Osw.  Kedlicb  in  Mittb.  des  In- 
Btituta  für  Osterr.  OeachicbtsforachuDg,  Erg.-Bd.  4,  136,  Anm.  1, 


31 


itine^habt  hatten,  als  erledigt  zu  betrachten  seien.'  Die  Ab- 
sicht, welche  Rudolf  dabei  leitete,  ist  kliir.  Indem  er  jene  Er- 
klärung nicht  auf  Otakar  allein  bezog,  ward  mit  dieser  allge- 
meinen Fassung  zugleich  hinsichtlich  der  von  den  Sponheimern 
einst  innegehabten  Lehen  Klarheit  geschaffen  und  insbesondcrs 
auch  jedes  Hindcrniss  beseitigt,  welches  die  Person  Philipps 
eventuell  noch  bereiten  konnte." 

Nunmehr,  so  schien  es,  war  die  Bahn  frei,  um  die  vor- 
bereitenden Schritte  zur  definitiven  Regelung  der  südoatdeut- 
schen  Frage  zu  thun.  Rudolf  hat  nun  alsbald,  am  Beginn  des 
neaen  Jalires  (1277),  mit  den  geistlichen  Lehünsberren  Ver- 
handlungen angeknüpft,  um  dieselben  zur  Uebcrtragung  jener 
Lehensgüter  an  seine  Söhne  zu  bewegen.  Seine  Hemüliungcn 
waren  von  Erfolg  begleitet.  Allerdings  sah  er  sieh  dabei  ein- 
zeben  dieser  Hochstifter  gegenüber  zu  nicht  unwichtigen  Con- 
cessionen  genöthigt. '  So  haben  denn  noch  im  Verlaufe  des- 
selben Jahres  (1277)  Regensburg,    Salzburg,    Freising,    Passau 


'Kao  beachte  die  bis  jetxt  nicht  Terwerthete  Stelle  in  der  Verleihnngv- 
tirknnde  des  Bischofii  Peter  von  Paiwau  vom  24.  November  1277  (Schwtni] 
and  Dopsch,  a.a.O.,  8.  117):  ,Sano  cum  post  remotionem  illiutria  ]>riii- 

kcipis  Ottnkari  Boeioonun  regia  et  ipniiui  vuluntarinm  ccHnionein  de  torri» 
Aiutrie,  Styrie,  Knrintliie,  Camiole  et  Marchio  fuerit  declaratum,  qnod 
feuda  qne  principe«  predictamm  terranim  a  nobis  et  a  Patavien«!  eccle- 
i  pomidebant,  vacarent  nobis  et  ecrlesie  Patarieusi  .  .  .'  Dieselbe  darf, 

Iwiewohl  sie  in  den  Obrig;en  Verleih iin(r»urknnden  nicht  .inch  aufgenommen 
i<t,  doch  eine  allgemeine  Geltung  beaugpmuhen,  da  die  Faasang  jener 
dem  vollkommen  outspricht.     8.  unten  8.  32,  Anm.  1. 

'  Vgl.  oben  S.  16,  Anm.  2. 

'  So  inabosonden  bei  Panxau.  Vgl.  dazu  im  Allgemeinen  O.  Lorenz, 
Oeotoehe  Oeich.  2,  168.  M.-in  mum  doch  beachten,  dass  damals  ein 
Tbe3  der  biaherigen  LehensgOter  der  Paosaner  Kirche  »Im  Dominicaignt 
Bberiaaten  wurde.  Vgl.  die  Urkunde  vom  24.  November  1277,  Schwind 
and  Dopsob.  a.  a.  O..  117.  Kerner  mCchte  die  stattliche  Keihe  von  Gunst- 
briefen  KOnig  Radutfs  filr  den  Frei.tiuger  Bischof  eben  um  jene  Zeit 
(vgl.  Font  rer.  Anstr.  ü.  31,  348  ff.)  nicht  aafUUig  sein.  Dem  Salzburger 
Ersbtaeiiof  aber  schenkte  Rudolf  fUr  die  grosse  MHhe,  welche  er  gehabt, 
und  feine  Atulagen,  sowie  die  erlittenen  Schäden  300  Mark  Silber  Ein- 
künfte, die  vor  der  Uebertragang  der  Saixburger  Kirchenlehen  nn  seine 

^Sohne  davon  abgezogen  werden  sollten.  Vgl.  die  Urkunde  Kndolfs  vom 
SI.  .Inli  1277,  Juvavia,  384  (c).  Ebenso  erhielt  auch  Bischof  Dietrich 
von  Gark  filr  seine  entgegenkommende  Ilaltnng  bei  der  Uebortragnug 
der  Kircbenlehen  100  Mark  Einkünfte.  Vgl.  die  S.  32,  Anm.  1  citirte 
Urkunde  far  Gnrk. 


32 


und  auch  Gurk  ,alle  jene  Lehen  ihrer  Kirche,  welche  einst  die 
Fürsten  von  Oesterreich,  Steier,  Kärnten,  Krain  und  der  Mark 
innehatten',  an  die  Söhne  Rudolfs  übertragen.*  Wir  wissen, 
was  diese  allgemeine  Fassung  der  Lehensbriefe  zu  bedeuten 
hatte.  Sie  wird  übrigens  durch  die  Urkunde  des  Erzbischofs 
von  Salzburg  noch  besonders  erklärt  mit  der  ausdrücklichen 
Bemerkung,  dass  in  diese  Uebertragung  auch  jene  Güter  ein- 
geschlossen sein  sollten,  welche  einst  Herzog  Ulrich  von  Kum- 
ten von  seinem  Eigenbesitze  der  Kirche  von  Salzburg  zu  Lehen 
aufgetragen  hatte.  * 

Man  hat  nach  dem  Wortlaut  jener  Lehenbriefe  mit  Recht 
auf  die  Absicht  Rudolfs  geschlossen,  seinen  Söhnen  nicht  nur 
Oesterreich  und  Steiermark,  sondern  auch  Kärnten  und  Krain 
zuzuwenden.  Als  auffallend  muss  die  Thatsache  bezeichnet 
werden,  dass  gerade  das  in  Kärnten  am  meisten  beg^iterte 
Bisthum  Bamberg  in  jener  Reihe  fehlt,  dass  die  Ueber- 
tragung der  Kirchenlehen  von  Seite  dieses  Hochstiftes  an 
die  Söhne  Rudolfs  erst  zwei  Jahre  später,  1279,  erfolgte.  Man 
wird  sich  mit  der  einfachen  Constatirung  dieses  Factums  kaum 
mehr  zufrieden  geben  können.  Da  anzunehmen  ist,  dass  Rudolf 
sich  zu  derselben  Zeit  wie  an  die  anderen  geistlichen  Lehens- 
herren auch  an  den  Bamberger  Bischof  gewendet  haben  dürfte, ' 
muss  diese  so  lang  währende  Verzögerung  einen  bedeutsamen 
Grund  gehabt  haben.  Sie  ist  weder  durch  eine  Sedisvacanz 
des  Bamberger  Stuhles  um  jene  Zeit,  noch  durch  eine  feind- 
liche  Haltung    des   damaligen   Bischofs   zu   erklären.     Sie    cr- 


*  y^I.  aagser  den  bereits  S.  31,  Anm.  3  citirten  Urkanden  fDr  Pamau, 
Freuing  nnd  Salzburg  jene  tou  Regensburg  vom  16.  Juni  bei  Licbnowaky, 
Qencbicbte  des  Ilauses  Habsburg  1,  CLXII,  Nr.  V,  and  die  Urkunde 
Rudolfs  vom  23.  Marx  1280  fQr  Ourk  (Marian,  Austria  sacra  6,  499),  ans 
der  sich  ergibt,  dass  schon  Bischof  Dietrich  von  Ourk  (f  1278)  jene  Ver- 
leihung vorgenommen  hatte. 

»  Wiener  Jahrb.  d.  Lit.  109,  265. 

■  Die  Erklärung  Tangl's  (g.  326),  daaa  Rudolf  ,in  Würdigung  der  be- 
drängten Lage  des  Bisthums'  ,bis  1279  xugewartet  und  erst  in  diesem 
Jahre  den  Bischof  um  die  Verleihung  seiner  Lehen  ersucht  haben 
mochte',  ist  unzutreffend.  Denn  KOnig  Rudolf  hStte  sonst  auch  bei  Salz- 
burg und  Gurk  ein  Gleiches  thun  m{l8,sen,  dn  auch  sie,  wie  es  in  den 
betreffenden  Urkunden  (s.  oben  Anm.  1)  ganz  ähnlich  heisst,  in  gleicher 
Weise  viel  Schaden  erlitten  und  Auslagen  iu  seinem  Interease  gehabt 
hatten. 


33 


I 


I 


icheint  aber  behoben  kurz  nach  dem  Tode  Philipps  von  Spon- 
heim. '  Dieses  ZusammentrotTen  dürfte  kaum  zut)illig  soin.  Ich 
meine,  dass  eben  damit  der  .Schlüssel  zur  Erklilnuig  jener  aiif- 
r&IIenden  Erscheinung  gegeben  sei.  Als  Substrat  datUr  aber 
kann  der  Inhalt  des  Bamberger  Lehensvertniges  selbst*  dienen. 
Wie  der  Passauer  in  Oesterreich,  so  wusste  der  Bamberger 
Bischof  in  Kärnten  die  Neuverleihung  der  erledigten  Kirchen- 
lehen  geschickt  dazu  zu  benützen,  gegenüber  dem  neuen  Lehens- 
trttger  günstigere  Bedingungen  als  bisher  zu  erwirken.  Die 
>ssionen,  zu  welchen  sich  Rudolf  im  Namen  seiner  Söhne 
id,  machen  einen  Grosstheil  der  Vertragsurkundc  aus. 
Unter  Anderem  aber  verzichtete  er  auch  im  Namen  des  künf- 
tigen Herrn  von  Kilmten  auf  Rechte  (an  Vogtei  und  Grund- 
, besitz  daselbst),  die  bisher  dem  Herzog  dieses  Landes  als 
lem  zustanden.  Da  wird  meines  Erachtens  begreiflich,  dass 
Rudolf  einen  solchen  Vertrag,  der  dauernde  Rechtsverttussc- 
ningen  zum  Nachtheiie  des  Kärntner  Herzogs  involvirte,  erst 
abschluss,  als  der  von  ihm  selbst  als  dux  Karintliie  anerkannte 
Sponheimer  Phihpp  bereits  verstorben  war. 

Man  sieht,  Philipps  Persönlichkeit  legte  König  Rudolf  auch 
in  dieser  Beziehung  gewisse  Rücksichten  auf,  die  ihn  liimlertcn, 
Kärnten  ganz  und  gar  als  erledigtos  Reichslehen  zu  betrachten. 
Diese  Rücksichtnahme,  welche  die  zur  Erledigung  der 
Kärnten -Krainer  F'rage  nothwendigon  Schritte  lilhuicnd  becin- 
flnaste,  entfiel  nun  mit  dem  Tode  Philipps  (Ende  Juli  1279).» 
Kirnten  und  Krain  waren  nunmehr  endgiltig  erledigt.  König 
Rudolf  aber  hatte  damit  freie  Hand  bekommen.  Er  traf  denn 
auch  sofort  alle  Anstalten,  jene  Frage  ihrer  Lösung  näher  zu 
bringen.  In  Wien  noch  wurden,  vermuthlich  im  August,  die 
LWereinbarungen  mit  dem  Bamberger  Bischof  wegen  Uebor- 
ing  der  Kirchenlehen  an  seine  Söhne  getroffen.^  Im  Sep- 
tember aber   unternahm    Rudolf  eine   Reise   nach   Steiermark. 


*  8.  ntten  Anm.  4. 

*  Urkniidenbucli  des  Landes  ob  der  Enn«  3,  602  ff. 

*  Er  starb  iini  21.  oder  'l'l.  Juli.  Vgl.  Chron.  Magni  presb.  Contiii  ,  Mon. 
Germ.  SS.  17,  634,  niid  dam  die  Eintragung  des  Salzhurger  Necrulu- 
iciiimi  (zum  '21.  Jnli).  Mon.  Qerni.  Nevrol.  2,  1.^2. 

'  Daa  Datum  der  au  Baoiberg  aiifigestotlten   Verioiliung«urknnde  (17.  Sep- 
tember) enUpricht  der  ii|iUteren  Benrknmlnng:,   die  iCeu(^n  der  su  Wien 
früher  erfolgton  Handlung.     Vgl.  Redlich,  Kep,  Rudolf»,  Nr.  1128. 
ktthii.  LlXXVIl.  Bil.  1.  Uäirto.  3 


34 


Schon  in  Graz  hatten  sich  Ende  dieses  Monates  eine  Reihe 
Kärntner  und  Kniiner  Adeliger  eingefunden,  die  Bischöfe  von 
Luvant  und  Gurk  weilten  dort  bei  ihm. '  Älitte  October  aber 
beriet'  dia-  KOnig  die  Grossen  beider  Länder  mich  Judeuburg 
zu  einer  förmlichen  Versammlung  ein: 

Da  besaut  der  kunic  ma^ru 
die  von  Kruin  iinil  dio  Kuriuere. 
die  körnen  alle  euo  im  dar 
und  n&iiioii  flixiulicheii  war 
«ins  gfebots  und  sine«  willen. 
ix  dheiuer  Uez  sich  bevillen, 
ir  ticite  gern  dax  beste 
an  swiu  so  er  weate 
dem  knnic  wol  gevallen.* 

Er  war,  wie  die  am  17.  September  ausgestellte  Verleihungs- 
urkunde des  Baniberger  Bischofs  zeigt,  auch  jetzt  noch  ent- 
schlossen, Kärnten  und  Krain  seinen  Sülincn  zuzuwenden.*  Auf 
der  Judenburger  Tagung  wird  sich  Gelegenheit  geboten  haben, 
daftir  unter  dem  Adel  und  Clerus  Stimmung  zu  machen.  Vor 
Allem  war  der  König  bestrebt,  die  Uechtsfrage  zu  ordnen, 
indem  er  die  Ansprüche  befriedigte,  die  hinsichtlich  dieser 
Länder  privatrechtlich  noch  erhoben  werden  konnten.  Agnes, 
die  Gemahlin  des  Grafen  von  Heunburg,  nämlich  hatte  nach 
dem  Zusammenbruch  von  Otakars  Herrschaft  die  Anerkennung 
ihrer  von  Otakar  vorenthaltenen  Rechte  bei  Rudolf  durchzu- 
setzen gesucht,*  jener  sowohl,  dio  ihr  als  Erbin  des  letzten 
Babenbergcrs  zukamen,^  wie  auch  der  ihr  von  üirem  ersten 
Gemahl,  Herzog  Ulrich  von  KiU-nten,  als  Aussttittung  später 
verliehenen.  Sie  war  von  den  Amtleuten  (Offieiules)  Rudolfs 
jedoch  abgewiesen  worden  mit  dem  Hinweis  auf  den  ihrerseits 
geleisteten  Verzicht  zu  Gunsten  Otakars,  dessen  Rechte  nun- 
mehr auf  König  Rudolf  übergegangen  wären. 


'  V^l.  die  Zeugenreihen  der  beiden  von  KOnig  Kadnlf  am  29.  September 
in  Graz  ausgustellten  Urkunden.  Uedlich,  Heg.  Rndolfs,  Nr.  11S9  nnd 
1130. 

'  Steirische  Reimuhronik,  Mon.  Genn.,  Deutsche  Chron.  V,  1,  249. 

•  Vgl.  dazu  Lorenz,  Deutsche  Qesch.  2,  262. 

*  Vgl.  fUr  das  Folgende  den  Eingang  der  Urkunde  Graf  Ulrichs  von  Henn- 
burg und  seiner  Gemahlin  Agnes  vom  2S.  October.     Beilage  Nr.  II. 

»  8.  oben  8.  12. 


I 


36 


Agnes  nun,  welche  die  Rechtsgiltigkcit  jenes  Ver/icbtes 
nicht  anerkennen  wollte,  d«  er  ihr  abgenöthigt  worden  sei, 
wendete  sich  jetzt  neuerdings  an  Rudolf. 

Es  ist  begreitlich,  dass  dieser,  ganz  abgesehen  von  di>ni 
Rechtsstandpunkt,  gerade  um  jene  Zeit  zu  einem  Ausgicieli  sich 
bereit  zeigte.  Bei  seinen  Plänen  hinsichtlich  dieser  Länder 
hatte  er  ja  ein  Interesse  daran,  sich  dortselbst  keine  Feinde  zu 
sehaifen.  So  ward  denn  Jener  Verzicht  zu  Gunsten  Otakars 
thatsäcblicb  als  ungiltig  erklärt  und  Agnes  fUr  die  Ueber- 
tragung  ihrer  Ansprüche  auf  Rudolf,  welche  unter  Uebergabe 
einer  Abschrift  der  sie  verbriefenden  Urkunden  erfolgte,  eine 
ÄblösoQgssumme  von  6000  Mark  Silber  zugesichert.  Als  Pfand 
filr  dieselbe  aber  wurden  ihr  von  Rudolf,  da  er  über  kein 
Baargeld  verfügte,  eine  Reihe  von  Besitzungen  in  Untersteier- 
mark  übergeben.  Dieser  Vertrag  mit  Agnes  und  ihrem  Ge- 
mahl, Ulrich  von  Heunburg,  wurde  am  '22.  October  noch  in 
Judenburg  ausgefertigt.  Drei  Tage  darauf  hat  Rudolf  (iu  Rotten- 
oumn)  die  Gegenurkunde  über  den  Lehensvertnig  mit  Bamberg 
»OBgestellt. '     Alles  schien  auf  das  Beste  geordnet. 

Da  trat  eine  Wendung  ein,  unerwartet  und  üben-nschcnd. 
Sie  war  geeignet,  Rudolfs  so  wohl  eingeleiteten  Plan  völlig  zu 
durchkreuzen.  Mit  neuen  Ansprüchen  auf  Kärnten  und  Krain 
trat  ein  Mann  hervor,  dessen  Pcrsöiilichkcit  und  weitwurzelndc 
.Stellung  in  diesen  Ländern  ihnen  politisciics  Vollgewicht  vei'- 
lieh:  Graf  Meinhard  von  Tirol.  Die  bei  Johann  von  Victring* 
überlieferte  Nachricht,  dass  er  sieh  um  jene  Zeit  an  Rudolf  mit 
der  Bitte  gewendet  habe,  ihm  einen  Thcil  der  ncuerwurlieiiun 
Länder  zu  überlassen,  birgt  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  einen 
eckten  historischen  Kern  in  sich.  Es  ist  auch  bereits  dargelegt 
worden,  wie  sehr  ein  solches  Begehren  Meinhards  von  seinem 
Standpunkte  aus  begreiflich  und  begrllndet  erscheinen  musate.* 
Nicht  nur  wegen  der  damit  verbundenen  Herzogswlirde  and 
des  Fürstenstandes;  eine  zugkräftige  Territorialpolitik  kam  darin 
liolbewusst  zum  Ausdruck.  Man  betrachte  nur  die  Landkarte. 
Kirnten  bildete  zwischen  den  beiden  grossen  C!omplexen  der 
Bentzimgen   seines  Hauses   das   so   wichtige  Verbindungsglied. 


'  (Trkuiiilenbuch  den  Laixluii  ob  der  Eons  3,  606. 
'  IVibmer.  Font.  rer.  Qerni.  I,  3i:V 

'  ßndlicli,  BiTitth.  dea  Institut»  filr  Osterr,  Oenchichtrforechniig,   Erg.-Bd.  4, 
Uöfl- 

3« 


36 


Mit  diesem  Land  und  Krain  dehnte  sich  die  Herrschaft  der 
Görzer  von  Tirol  Über  das  Pusterthal  bis  zu  den  östlichen 
Görzer  Besitzungen,  die  Adriiv  in  mächtigem  Bogen  umspannend. 
Und  das  wollte  in  dem  vorliegenden  Fallo  doppelt  viel  besagen. 
Wir  kennen  die  kräftig  ausholende  Kirchenpohtik  Meinhards 
und  seines  Bruders  Albert  von  Görz.  Sic  beide  eifi"ig  be- 
strebt, ihre  MachtsphKre  auf  Kosten  der  benachbarten  Hoch- 
stifte (Trient,  Brixen  und  Aquileia),  deren  Vogtei  sie  inne- 
hatten, zu  erweitern.  Das  Vorgehen  Meinhards  in  Tirol,  Trient 
gegenüber,  findet  sein  Pendant  in  dem  Verhilltniss  Alberts  zu 
Ai^uileia.  Eben  damals,  als  Ulrich  von  Kärnten  starb,  haben 
die  Uörzer  mit  Aquileia  lang  fortwJlhrende  Verwicklungen  ge- 
habt. Und  Meinhard  scheint  seinem  Bruder  in  der  äusseren 
Politik  verbunden  gewesen  zu  sein.* 

So  wird  man  die  Bedeutung  gerade  Kärntens  und  Krains 
für  die  Görzer  auch  nach  dieser  Richtung  hin  in  Erwägung 
ziehen  müssen.  Mit  dieser  Erwerbung  ward  der  kräftig  inau- 
gurirten  Politik  derselben  gegenüber  Aquileia  die  ErlUllung 
verheissen.  Von  dem  eisernen  Ring  der  Görzer  Macht  um- 
klammert, musste  der  Patriarclienstaat  an  der  Adria  früher  oder 
später  das  Schicksal  Triont-Brixens  ihcilen. 

Grossartige  Aussichten  und  von  einer  Tragweite,  dass  sie 
Meinhards  Begehr  an  Rudolf  wohl  verständlich  erscheinen  lassen. 
Den  Konig  aber  mahnte  melir  als  eine  Erwägung,  dieselbe 
ernsthaft  zu  berücksichtigen:  die  alte  Freundschaft  mit  Mein- 
hard, dessen  Verschwägerung  mit  dem  königlichen  Hause,  vor 
Allem  aber  die  grossen  Verdienste,  welche  derselbe  sich  bei 
der  Begründung  der  Habsburgerherrschaft  in  Oesterreieh  zuletzt 
noch  erworben.  Und  auch  in  anderer,  negativer  Beziehung. 
Rudolf  durfte  Meinhard  nicht  zu  seinem  Feinde  werden  lassen, 
schon    aus  Rücksicht  auf  die  im  Reiche  sich  allmälig  bildende 


'  In  dem  Vertrage  Meinhanla  and  Alberts  vom  4.  März  1371,  durch  deu 
8io  die  Besitzangen  ihres  HauMs  unter  uich  thoUten,  wird  Moiohard 
nicht  nur  verpHichtet,  seinem  Bruder  während  dos  Kriet;os  mit  Aquileia 
bownffiiote  Hiltu  xu  leisten,  er  soll  auch  bei  Abschhiss  des  Friedens  per- 
sCnlich  mitwirken.  In  ähnlicher  Weise  wird  ebendaselbst  die  Unter- 
stützung Meinhards  Albert  auch  in  seinen  Ansprüchen  gegenüber  dem 
Salzborger  Erxbi.ichof  zugesichert.  Font.  rer.  Austr.  n,  1,  122,  Vgl.  auch 
das  Regest  bei  Taugl  &&  (zum  Jahre  1271), 


37 


l 


1 


Son.'  Noch  mehr  aber  vielleicht  Angesichts  der  Stellung, 
über  die  Meinhard  in  Kärnten  und  Krain  selbst  verRigte.  Das 
ist  bis  jetzt  nicht  berücksichtigt  worden.  Die  Görzer  hatten, 
wie  eingangs  dargelegt  wurde,  ^  nicht  nur  einen  stattlichen  Be- 
sitz an  Eigengutem  in  diesen  Ländern,  sie  verfügten  auch  in 
Folge  Verschwägemng  mit  den  dasell)s<t  mäclitifrcn  Ortenburgern 
and  Pfannbergem  über  wichtige  Verbindungen  unter  dem  Iloeli- 
adel.  Die  Erbvogtei  über  die  Brixener  und  Aquileier  Kirche 
masste  ihren  Einfluss  dort  verstärken.  Dazu  kommt  noch,  dass 
sie  —  ihre  ausgezeichnete  Finanzverwaltung  ist  bekannt'  — 
aber  reiche  Geldmittel  geboten,  die  sie  bei  der  Geldnoth,  in  der 
sich  das  Königthum  damals  ob  seiner  grossen  Ausgaben  stets 
befand,  wirksam  zu  verwertlien  wussten.  So  hat  Rudolf  1277 
einige  Besitzungen  in  Krain  (Hchloss  Meichau  und  Markt 
Tschernembl)  um  600  Mark  an  Albert  von  Görz  verpfilndet* 
nnd  auch  die  bekannte  Verpfilndung  des  ganzen  Landes  Krain 
an  Meinhard  (filr  20.000  Mark)  ist  ein  sprechendes  Zeugniss 
dafiir.* 

Hatte  Meinhard  damals  also  Krain  bereits  als  Pfandbesitz 
ood  auch  Kärnten  als  Landeshauptmann  thatsächlieh  innc,  so 
wÄre  es  unter  den  geschilderten  Umstünden  keinesfalls  leicht 
gewesen,  die  Herausgabe  dieser  Länder  zu  erwirken.  Er  selbst 
schien  daran  auch  gar  nicht  zu  denken,  sondern  vielmehr  ge- 
willt zu  sein,  seine  Macht  im  Lande  noch  mehr  zu  festigen. 
Besonders  der  Kb:che  gegenüber,  indem  er,  ohne  Rücksicht 
auf  die  bestehenden  Privilegien,  willkürhch  gegen  dieselbe  vor- 
ging und  sie  in  ihrem  Besitz  beeinträchtigte.  Für  die  Freising- 
schen  Besitzungen  in  Krain  lässt  sich  das  sicher  nachweisen. 
Nachdem  König  Rudolf  Meinhard  bereits  Anfang  des  Jahres 
1277  ausdrücklich  gemahnt  hatte,  die  Freiheiten  der  Freisinger 
Kirche  in  der  Gerichtsbarkeit  auf  dessen  Krainer  Besitzungen 
(insbesondere  Lack)  zu  respectiren, "  sah  er  sich  drei  Jahre 
»p»ter,  1280,  neuerdings  genöthigt,    zu  Gunsten  des  Freisinger 


'  Redlich  in  den  Mitth.  des  Institntii  fOr  OHterr.  OoRchichtsforarhaDj:,  Erg.- 
Bd.  4,  147. 

*  Vgl.  oben  8.  8. 

'  LorenE,  Deutsche  Gesch.  1,  ütte. 

*  B«d1ich,  Keg.  Rndolf»,  Nr.  676;    Tgl.  »acli  Np.  872. 

*  Vgl.  den  Eicnro. 

«  Foul  rer.  Ani.tr.  11,  31,  346. 


38 


Bischofs  zu  interveniren.  *  Meinhard  liatte,  ohne  jenes  Mandat 
des  Königs  zu  achten  und  entgegen  den  von  Rudolf  selbst  an- 
erkannten Rechten  Freisings,  das  Landgericht  Lack  in  seine 
Gewalt  gebracht. 

Nicht  unerwähnt  müchtcn  in  diesem  Zusammenhange  auch 
die  Reibungen  und  Gegensätze  bleiben,  welche  1277  auf  1278 
in  Kärnten  zwischen  Bamberg  und  iVlbert  von  Gürz  bestanden.  * 

König  Rudolf  seinerseits  beobachtete  dem  Begehren  Mein- 
hards  gegenüber  zunächst  jene  Haltung,  die  der  gegebenen 
Sachlage  nach  einzig  möglich  war,  eine  dilatorische.  Eine  Er- 
ledigung kurzer  Hand  wäre  verfassungsmässig  ja  auch  gar  nicht 
zulässig  gewesen.  So  verwies  er  Meinhard  ob  des  nöthigen 
Consenses  der  Kurfürsten  auf  den  nächsten  Reichstag. '  Die 
Annahme,  dass  die  Verpfandung  Krains  an  Meinhard  ,al8  Ab- 
schlagszahlung ftir  das  kaum  abzuweisende  Begehren'  Mein- 
hards  erfolgt  sei,*  dürfte  kaum  stichhältig  sein.  Denn  diese 
ward  bereits  früher  und  zu  einer  Zeit  vorgenommen,  da  Rudolf 
noch  durchaus  seine  Söhne  als  künftige  Landesherren  von 
Kärnten  und  Krain  ansah.*  Vielleicht  liaben  gerade  die  Ver- 
träge mit  Bamberg  und  Agnes  von  Heunburg,  die  Rudolfs  Ab- 
sichten deutlich  enthüllten,  Meinhard  veranlasst,  mit  seinen 
Ansprüchen  hervorzutreten.  Der  König  nun  mochte  alsbald 
einsehen,  dass  er  ihnen  werde  Rechnung  tragen  müssen.  So 
ist  denn  sehr  bald,  früher  als  man  bisher  annahm,''  die  ent- 
scheidende Wandlung  in  Rudolfs  Haltung  gegenüber  der  Käm- 
ten-Krainer  Frage  erfolgt. 

Meinhard,  der  bei  der  Judenburger  Tagung  nicht  zugegen 
war,    erscheint   Anfang  November  zu  Linz  wieder  in  der  Um- 


*  Vgl.  Ana  Mandat  KOnig  Rudolf»  an  Meinhard  (vom  20.  Mai  1880),  Font, 
rer.  Äustr.  II,  31.  391. 

*  Vgl.  den  Soiiiedgpruch  über  die  Beilegung  dieser  Streitigkeiten  vom 
17.  Mära  1278,  Font.  rer.  Auntr.  U,  1,  196. 

*  So  Johann  von  Victring.  B'lbmer,  Font.  rer.  Austr.  1,  313. 

*  Redlich  in  Mitth.  des  Instituts  für  Usterr.  Geschichtsforschung,  Erg,-Bd.  4, 
146. 

'  Vgl.  den  Excnra. 

*  Nach  Hedlich  (Mitth.  de.i  lustituts  für  Osterr.  Geschichtsforschung,  Erg.- 
Bd.  4,  148)  wäre  Rudolf  ,um  die  Wende  von  1*281  und  1282  so  gut 
wie  entsc-blossou'  gewesen,  ,Kämlcn  dorn  Grafnu  Meinhard  zu  verleihen*. 
Unber  ((}usoh.  Oosterreichs  2,  7,  N.  1)  setzt  diesen  Zeitpunkt  doch  schon 
ein  Jahr  früher  an. 


39 


des  Königs.  Dort  stellte  bemerkenswerther  Weise  auch 
tüudolf  einen  Wiilebrief  ftir  die  römische  Kirche  aus.'  Und 
Bon  am  Anfang  des  niichsten  Jahres  lassen  die  Verhältnisse 
in  Kärnten  eine  wesentliche  Aenderung  erkennen.  Ich  möchte 
annehmen,  dass  sie  bereits  in  der  Urkunde  vom  23.  Miirz  1280^ 
mm  Ausdruck  kommt,  durch  die  König  Rudolf  die  Rechts- 
«nsprüche  von  Gurk  einer  definitiven  Regelung  zuführte.  Wir 
gewinnen  da  insofern  einen  nähereu  Einblick,  als  diese  Urkunde 
«uch  über  die  frühere  Zeit  (vor  1279)  sich  verbreitet.  Aehn- 
lich  wie  den  anderen  Hochstiften  hatte  König  Rudolf  auch  Gurk 
{&JC  die  ihm  während  des  Krieges  mit  Otakar  geleisteten  Dienste 
sowie  die  Willfllhrigkeit  bei  der  Verleihung  der  Kirchenlehen 
an  seine  Söhne  eine  Summe  Geldes  zugestanden,  die  von  Jonen 
Lehen  in  Abzug  gebracht  werden  sollte.  Um  die  Auszahlung 
derselben,  welche  in  Folge  vorzeitigen  Todes  des  Gurker 
Bischofs  Dietrich  (■?•  12.  November  1278)  unterblieb,  bewarb  sich 
nun  dessen  Nachfolger  Johann.  Indem  König  Rudolf  dartiber 
hier  bestimmte  Vereinbarungen  Irifift,  ist  die  Stellung  beachtens- 
werth,  in  der  Graf  Mcinhard  beidcmale  erscheint.  Seinerzeit, 
unter  Bischof  Dietrich,  habe  Rudolf  an  ihn  als  ,tunc  capitaneo 
nostro  in  Rarinthia,  Camiola  et  Marchia*  den  Auftrag  ertheilt, 
«lie  Gurk  zugesicherte  Summe  anzuweisen.  Das  neue  Ab- 
kommen aber  wird,  wie  ausdrücklich  hervorgehoben  erscheint, 
,de  consilio  comitis  prenotati'  getroffen.' 


*  Hedlieh,  'Rog.  Kudolf«,  Nr.  1161.  Unter  den  dazu  Bernfenuu  war  Mein- 
hard  der  einzige,  welcher  nicht  dem  FQrsttinütaude  angehörte.  Vgl. 
Kttltenbmnoer,  Mitth.  dos  Instituts  für  österr.  Gesrhi(;litit'(>rsi'liunp,  Erg.- 
Bd.  I,  S83.  Sollte  dn»  vielleicht  gnr  bereits  ein  Wechsel  nuf  die  Zukunft 
■ein?     Vgl.  auch  den  Exuurs. 

'  Mariao,  Aastria  sacra,  &,  iW  ff. 

*  Indem  nunmehr  die  Schuldsumme  Kßnig  Rudolfe  nicht  mehr  von  den 
Kircbenlehen  in  Abzng  gebracht,  sondern  ztim  Theil  auf  genannte 
UOter  in  der  Mark,  zum  Theil  aber  in  Kärnten  angewiesen  wird, 
hwbt  der  Klinig  nicht  nur  bei  diesen  beiden  Bestimmungen  Meinhards 
Zustimmung  (cnnsilinm)  hervor,  sondern  betont  auch  am  Srhiii.sso  noch 
inxliesunduro,  das«  diese  Aendening  gegenüber  den  früheren  Verein- 
barungen ,de  CMOsilio  comitis'  erfolgt  sei.  Wird  die  Erwähnung  Mein- 
hards im  enteren  Theile  deshalb  wenig  besagen,  weil  die  EUnholnng 
■einer  Zustimmung  ob  der  Verpfändung  der  Mark  an  ihn  erforderlich 
Min  mochte,  so  ii«t  dieselbe  im  zweiten  Theile  doch  um  so  bezoirhnender. 
Nicht  nur  weil  es  sich  um  eine  Anweisung  in  Kärnten  handelt,  sondern 
auch  wegen  der  Eveutualbestimmung,    dass  der  KOnig   dem  Bischof  die 


Die  Verschiedenheit  in  der  Bezeichnungsweise  Meinhards 
könnte  an  sieh  in  Folge  der  Hervorkehrung  des  ,tunc'  im 
erstcren  Falle  auf  eine  unterdes  erlblgte  Veränderung  scUiessen 
lassen.  Noch  mehr  aber  spricht  da{\ir  die  damit  correspon- 
dirende  Thntsachc,  dass  dort  Meinhards  nur  im  Sinne  eines 
Executivorgancs  des  Königs  gedacht  wird,  welchem  die  Aus- 
fülirung  der  vom  König  selbständig  getroffenen  Vereinbarung 
zukommt,  während  er  hier  von  vornherein  neben  dem  König 
als  eine  Persönlichkeit  erscheint,  deren  Zustimmung  zum  Ab- 
schluss  des  Vertrages  eingeholt  und  besonders  hervorgehoben 
wird.  Die  Bedeutung  dieser  auffallenden  Erscheinung  wird 
noch  deutlicher  durch  das,  was  wir  über  die  Ausführung  jenes 
Vertrages  wissen.  Es  kam  nitmlich  zu  der  in  demselben 
vorgesehenen  Eventualität,  dass  die  dem  Gurker  Bischof  in 
Känitcn  angewiesene  Summe  nicht  zur  Auszahlung  gelangte. 
Dem  zufolge  hatte  nunmehr,  als  Compensation  dafür,  die 
Uebertragung  der  Blutgerichtsbarkeit  an  Gurk  zu  erfolgen. 
Der  König,  von  dem  die  Verleihung  ausgeht,  hebt  auch  in  der 
Intimation  derselben  (die  Verleihuiigsurkunde  ist  uns  nicht  mehr 
erhalten)  an  die  Verwaltungsorgane  luiter  ausdrilcklichem  Hin- 
weis auf  eine  Urkunde  Meinhards  hervor,'  dass  er  sie  ,acce- 
dentc  beneplacito  et  consensu  spectabilis  viri  ac  comitis  Tjto- 
lensis'  vorgenommen  habe.  Die  t"ijrmlichc  Uebertragung  selbst 
l\ihrte  Meinhard  ,ex  speciali  mandato  sorenissimi  domini  nostri 
RudolH  Koiuanorum  regis'  durch.* 

Man  sieht:  der  König,  der  das  Verftigungsrecht  über  die 
den  Kftrntner  Herzogen  zukommenden  Hoheitsrechte  damals  in 
Ermangelung  eines  Herzogs  ausübte,^  hat  in  Fällen,  wo  mit  der 


bis  dahin  Ton  den  Kärntner  Herzogen  atugeObte  Blntgerichtobarkeit  aaf 
dessen    Gütern    verleihen    wolle,    im    Falle   Meinlinrtl   diese    Anweisang 
innerhalb  des  bestimmten  Termines  nicht  vollziehe. 
Archiv  fUr  Oeterr.  Qesch.  14,  28. 

Vgl.  die  Urkunde  Meinhards  vom  11.  December  1280,  Beilage  Nr.  Ol. 
An  demxelbon  Tage,  an  welchem  joner  Vortrag  mit  Gurk  abgatchlosson 
ward,  bustätigte  KDnig  Rudolf  dem  Bischof  von  Gurk  ein  landesfürstliches 
Privileg  über  die  Vogtei  des  ITerzogs  auf  den  Stiftsgiltern  (Winkelraann, 
AcU  Imp.  2,  IUI,  Nr.  12S;  vgl.  Ankerahofen,  Archiv  für  Osterr.  Gesch.  8, 
H67,  Nr.  396),  und  vier  Tage  nach  jener  Intimation  wegen  Uebertragung 
dor  ßlutgoricht«barkoit  an  Gurk  (vgl.  Anm.  1)  hat  Rudolf  mit  demselben 
Bischöfe  ein  Abkommen  Hbor  die  Nachkommenschaft  aus  Ehen  l&ndes- 
fUmtliclier  Dienslleute  und  solchen  der  Oiirker  Kirche  getroffen  (Redlicbi 


Brang  solcher  eine  Schmjilorun^  der  landesherrlichen 
bte  sich  ergehen  musste,  der  Zustimmung  Meinhards  sich 
TCTsichert.  Offenbar  hatte  Rudolf  seinen  Ansprüchen  damals 
bereits  eine  weitgehende  Berücksichtigung  zutheii  werden  lassen. 
Er  war  unter  Verzicht  auf  seine  früheren  Pläne  im  Frühjahre 
1280  schon  geneigt,  in  ihm  den  künftigen  Landeshemi  von 
Kärnten  zu  sehen.  Zur  Dlustrirung  der  Sachl.age  von  damals 
kann  eine  überaus  bezeichnende  Bemerkung  dienen,  die  sich 
in  einer  (noch  im  Original  erhaltenen)  Privaturkunde  vom 
14.  Febmar  1280  über  Meinhard  findet:  .Qui  de  conscnsu  do- 
luini    Radolphi    Komanoioim   regis   dominum   Karinthie  tunc  se 


I 


MögHchcrweise  ist  in  diesem  Sinne  auch  noch  eine  andere 
tte  aufzufassen,  die  sich  allerdings  nur  in  einer  IJriefformcl 
erhalten  hat.*  Indem  König  Rudolf  Meinhard  ersucht,  zwei 
Bürgern  von  St.  Veit  seinen  Schutz  angedeihen  zu  lassen,  hcisst 
CS  von  diesen:  ,Sub  districtus  tui  dominio  tenentibus  mansio- 
nem.*  Sollte  der  Charakter  dieser  Quelle  eine  prägnante  Auf 
fa^snng  dieses  Ausdnickes  verstatten,  so  würde  dominium  vom 
Standpunkte  des  Königs  kaum  t^r  die  Amtsgewalt  eines  Landes- 
hauptmannes die  adüqunte  Bezeichnimgsweise  sein. 

Die  Thatsache,  dass  König  Rudolf  seine  einstigen  Ab- 
sichten zu  Gunsten  seiner  Söhne  bereits  aufgegeben  und  sich 
ilareingefiinden  hatte,  in  Meinhard  den  künftigen  Landcsherni 
von  Kumten  zu  erblicken,  kam  dann  auch  im  folgenden  F'rüli- 
jnhr  (1281)  zum  Ausdruck,  als  er  nach  mehrjährigem  Aufent- 
halt Oesterreich  verlicss.  Indem  er  damals,  im  Mai  1281,  seinen 
Sohn  AJbrecht  zum  Reichsverwescr  in  den  erledigten  Herzog- 
ihUmem  einsetzte,  wurde  deraelbe  doch  nur  tlir  Oesterreich  und 
Steiermark  bestellt."  Kärnten  und  Krain  blieben  nach  wie  vor 
in  der  Hand  Meinhards. 


Reg.  Rodolfii,  Nr.  1244).    V^l.  aucb  noch  die  Urkunden  Rndolfii  bei  RmI- 

Uch,  Re^.  Radolf«,  Nr.  1369,   1290,  143Ü. 
'  Tanfl,  8.349;  vgrl.  daxa  Redlich,  Mitth.  des  Inatituts  fSr  Osterr.  Qeiichichts- 

fotwhuDi;,  Er|^.-Bd.  4,   14.5.  Anm.  '.'. 
'  Bodmuui,  Cod.  Epist.  Rudolli  regis  16U.    Vg\.  dasa  Redlich,  Reg.  Rudolfs, 

Nr.  1319. 
*  I>ie  Aunahmc  Tanf^V«  (S.  il73),    dass  Albrecht  ancb  viim  Reichsverwescr 

▼OD  Krmin  und  der  Mark  bestellt  worden   sei,    onicheint    durcli    die    be- 

luuinto  Erklfcning  Albrecbt«   selbut    in    dem  Ninderlagspririlei;   fllr  Wien 


42 

Wenn  gleichzeitig  damit  die  Städte  und  die  Ritterschaft 
in  Ueaterreich  sicli  ver|)flichteten,  den  Ende  des  Jahres  ab- 
laufenden Landfrieden  König  Rudolfs  von  127G  durch  weitere 
zehn  Jahre  zu  beobachten,*  so  ist  vielleicht  bemerkenswerth, 
dass  eine  gleiche  Erklitruug  aus  Kärnten  und  Krain  nicht  vor- 
liegt, obwohl,  wie  wir  sahen,  jeuer  Landfriede  auch  ftir  diese 
LUnder  erlassen  wurde.  Jedocti  kann  dieser  Ei-scheinung  des- 
halb eine  grössere  Bedeutung  nicht  zuerkannt  werden,*  weil 
derselbe  Mangel  auch  für  die  Steiermark  besteht. 

Es  ist  nur  natlirlich,  dass  König  Rudolf  damals,  als  er 
Oesten"eich  verliess,  Meinhard  gegenüber  eine  entgegenkom- 
mende Haltung  eingenommen  hat.  Vermuthlich  sind  vor  seiner 
Abreise  noch  entsprechende  Verabredungen  getroffen  worden. 
Meinhard  war  damals  in  Wien.  Im  Mai  noch  wurde  ein  Ab- 
kommen zwischen  ihm  tmd  dem  König  wegen  der  Verheiratimg 
eines  Sohnes  Mcinhards  mit  einer  Nichte  der  Königin  vereinbart. 
Rudolf  selbst  scheint  das  Heiratsgut  für  die  Braut  ausgesetzt 
zu  haben.''  Ein  neues  Band,  das  die  Familienbeziehungen  noch 
mehrte. 

Auch  das  Verhalten  Meinhards  in  der  nächstfolgenden 
Zeit  spricht  ftir  die  frühere  Annahme.  Das  rein  äussere  Mo- 
ment der  Urkundenstatistik  kann  vielleicht  da  einen  Fingerzeig 
gewähren.  Es  ist  nämlich  für  die  Zeit  von  Rudolfs  Abzug  bis 
zum  Ende  des  folgenden  Jahres  1282,  für  rund  einundeinhalb 
Jahre,  keine  Urkunde  Meinhards  für  Kärnten  Krain  bekannt 
geworden.  Auch  des  Königs  nicht.  Aber  dies  mag  thatsäch- 
lich  in  dessen  Entfernung,  zum  Tlieilc  wenigstens,  begründet 
sein.  Umsomehr  jedoch  filllt  da  jener  Mangel  an  urkundlichen 
Zeugnissen  für  die  Wirksamkeit  des  eigentlichen  Herrn  von 
Kärnten  auf,  zumal  derselbe,  wie  aus  einzelnen  Urkunden  Pri- 
vater henrorgeht,*  im  Lande  weilte. 


vom  24.  JiiH  (.Schwiiiil  anil  Dopscli,  a.n.  O.,  l'J6),  sowie  den  Titel  deuelben: 

per  Au.Htriniii  ot  .Stiri.'nn  vicariiui  ^enernlis    (vgl.   tue    Urkunden    im   ür- 

kamlHiil)Ui:be  doa  Lnuden  ob  der  Rnnii  H,  532,  5-16,  648  n.  A.)  widerlegt. 

>  Schwind  und  Uoparh.  ä.  125;  vgl.  dazu   Redlicli,  Ueg.  Uudulfs,   Nr.  1289. 

*  Oazn  sciieint  Tangl,  8.  374,  geneigt. 

■  Vgl.  die  Urkunde  Meinliards  vom  19.  Mai.  Redliuh,  lieg.  Rndolfs,  Nr.  1291; 
dazu  Tangl.  8.  370  f. 

*  Vgl.  die  Urkunde  den  (trafen  Friedrich  von  Ortonhurg  vom  3.  Juni  1281 
bei  Tangl,  8.  376  ff. 


43 


Wenn  er  sich  auch  als  Herrn  von  Kärnten  gab,  so  ist 
Meinhard  damals  —  scheint  es  —  nicht  besonders  horvor- 
(jetrelen.  Nur  indirect  hören  wir,  dass  er  unausgesetzt  an  der 
Erweiterung  und  Festigung  seiner  Macht  arbeitete.  Auf  der 
ProTinzialsynode  zu  Salzburg  im  November  1281  wurden  Klagen 
über  ihn  laut.'  Die  Beschlüsse  derselben*  gegen  die  Ucber- 
griffe  und  Bedrückungen  von  Laien  kehren  sich  deutlich  aucli 
gegen  ihn.  Nicht  in  Tirol  allein  durfte  er  seine  Silcularisations- 
politik  betrieben  haben. 

Das  Vorhaben  König  Rudolfs  nun,  Kärnten  an  Meinhard 
zu  vcrleilien,  mochte  alsbald  bekannt  geworden  sein.  Denn 
noch  im  Jahre  1281  haben  sich  iSchwierigkeiten  erhoben,  welche 
gegen  die  mit  der  Verleihung  des  Herzogthums  verbundene 
llrhebung  Meinhards  in  den  Keichsfiirstenstand  gerichtet  waren. 
Man  suchte  diese,  wie  es  scheint,  zu  vereiteln,  indem  man  ein- 
wendete, dass  Meinhards  Grafschaft  zum  Herzogthume  Baicni 
oder  Schwaben  gehöre.'  Nach  den  Grundsätzen  des  deutschen 
LehcDsrechtcs  konnte  bekanntlich  eines  LaienfUrsten  Vasall 
nicht  dessen  Genosse  im  ReichsfUrstenstande  werden. 

Die  Annahme  Fickers,  *  dass  dieser  Widerstand  anf  An- 
sprüche Baienis  zurückzuführen  sei,  hat  alle  Wahrscheinlichkeit 
Itir  sich.  Denn  wenn  auch  der  Pfalzgraf  Ludwig  damals  mit 
Meinhard  gute  Beziehungen  unterhielt,''  so  befand  sich  dessen 
ulu^eiziger  Bruder,  Heinrich  von  Niederbaiern,  gerade  um  jene 
Zeit  in  der  schärfsten  Opposition  gegen  den  König." 


'  V^l.  das  Schreiben  de»  ErzbUchofii  Friedrich  von  Salisbiirg  vom  15.  MSrx 
1283.  Juvnvia,  8.  335,  N.  e.  Da  der  Trienter  Bischof  bei  der  Synode 
nicht  iiigegon  war,  kOiineii  diene  Beacliwerden  im  Hinblick  :iiif  da«  üben 
geschilderte  Vorgehen  Meinhards  gegenflber  Freising  (vgl.  8.  37  f.)  »elir 
wohl  auch  an/  Kimten-Krain  bexugen  werden. 
liansiz,  Germania  sacra  2,  891. 
'  Vgl.  ilje  Erklärung  den  Biitchofs  Konrad  von  Chnr  vom  811.  Jänner  12(J2 
(aber  das  Datum  Kopp,  Reichsgcsch.  1,  613,  Anm.  1).  Mohr,  Cod.  dipl. 
Bliaetiae  S,  9. 

*  Uebcr  die  Entstehangsxeit  de»  Schwabenspiegols  Sittnogsber.  der  Wiener 
Akad.  77,  85«  f 

'  Da»  hat  Redlich  dagegen  geltend  gemacht.  Mitth.  des  Instituts  fllr  nsterr. 
OeBehichtsfor<f-hiing,  Erg.-Bd.  4,  148.  Laoscfa,  Die  kämtenische  Beleh- 
uongifrage,  8.  r>U,  bonclitet  boi  seinen  Bemerkungen  Qber  (loinrichs 
8teIluDg  den  Z«it|iiinlrt  nicht,  um  den  es  sich  hier  handelt. 

•  Redlich,  -h    >>   <•      Ulf 


44 

Am  20.  Jiinner  1282  erschienen  mit  der  Erklärung  des 
Bischofs  von  Chur  über  die  lehensrechth'che  Stellung  Meinhards 
jene  Schwierigkeiten  belieben.  Meinhard  war  um  jene  Zeit 
augenscheinlich  bestrebt,  alle  Hindernisse,  die  sich  seiner  Er- 
iiebung  in  den  Weg  stellen  kf.lnnten,  zu  beseitigen.  So  ward 
vier  Monate  darauf,  am  25.  Mai,  vom  König  auf  Bitte  Mein- 
hards der  Rechtspnich  beurkundet,  dass  dieser  mit  zwei  Edlen 
aus  dem  Land  im  Gebirge  den  Nachweis  seiner  landrechtlichen 
Stellung  erbringen  könne. ' 

König  Rudolf  aber  unternahm  nunmehr  die  letzten  Schritte, 
die  noch  zu  thun  waren,  um  die  definitive  Verleihung  der  süd- 
ostdeutschen Herzogthümer  ins  Werk  zu  setzen:  die  Einholung 
der  kurTürBtlichen  Willcbriefe.  Sie  wurden  im  Sommer  1282 
successive  ausgestellt.  Der  erste  davon,  jener  des  Kölner  Erz- 
bischofs vom  27.  .luli,  filllt  durch  seine  ganz  allgemeine  Fassung 
auf,  da  er,  ohne  jede  Besclirilnkung  ertbeilt,  dem  Könige  völlig 
freie  Hand  Hess;  er  konnte  darnach  seinen  Söhnen  welches 
Fürstcnthum  er  wollte  verleihen  und  wann  er  es  wollte.'  Eine 
Unsicherheit  der  Lage  drückt  sich  darin  aus,  wenn  wir  damit 
die  gleichlautend  bestimmte  Fassung  der  übrigen  Willebriefe 
zusammenhalten.  Jene  der  beiden  sächsischen  Kurherren,  .Jo- 
hanns und  Albrechts,  sowie  des  Markgrafen  Otto  von  Branden- 
burg, sie  alle  vom  22.  August  datirt,  und  endlich  die  letzten 
des  Mainzers,  Heinrichs  von  Trier  und  des  Pfalzgrafeu  Lud- 
wig (diese  vom  22.  September). '  Sie  lauteten  insgesammt  nicht 
nur  auf  Oestcrreich  und  Steier,  sondern  auch  auf  Kärnten, 
Krain  und  die  Mark. 

Man  merkt,  dass  sich  unterdes  eine  entscheidende  Wen- 
dung vollzogen  hatte,  dass  Rudolf  nunmehr  gewillt  war,  auch 
Kärnten  und  Krain  seinen  Sühnen  zu  verleihen.  In  dem  Briefe 
an  den  König  von  England  vom  1.  December  hat  er  es  direct 


'  Mohr,  Cod.  dipl.  3,  S6.  So  ist  wohl,  wenn  nuin  den  Wortlaut  recht  be- 
achtet, KU  iiberaetien:  ,quod  ad  iustantiam  «pectabilia  viri  Meinhardi 
oomitis  Tyrolensifl  .  .  .  coram  uobi<i  per  eimtentiam  est  ubtontnm,  qnod 
idem  comea  cum  duobus  principibu.s  vel  uuljilibu.s  du  turni  Mi>ntinin 
probare  poasit  et  legitime  obtiiiore,  cui  terre  attinero  debeat  Tel 
cuius  terro  iure  ^andere.' 

'  LicbnowflUy,  Oesch.  des  Hnnsea  Habsbarg  1,  CLXVin,  Nr.  X. 

»  Vgl.  Kedlicli,  Reg.  Rudolf»,  Nr.  17U. 


45 


I 

I 


rochen.'  Bald  darauf,  zwischen  dem  1(3.  und  22.  dieses 
Monats,  fand  auf  dem  Reichstag  zu  Augsburg,  wie  bekannt, 
die  feierliche  Belehnung  der  Söhne  Rudolfs  statt.  Sie  bildet 
einen  Markstein  auch  in  der  Geschichte  der  Kärnten-Krainer 
Frage. 


in. 


Albrecht  und  Rudolf,  die  Söhne  des  Königs,  wurden  zu 
Augsburg  mit  den  HerzogthUmern  (Icsterreich  und  Steier,  sowie 
mit  Krain  und  der  windischen  Mark  belehnt.  Das  i.st  unum- 
stösslich  sicher,  das  sagt  uns  die  Belehnungsurkunde  selbst*  in 
klaren,  deutlichen  Worten.  Mit  grösseren  Schwierigkeiten  ist 
dagegen  die  Entscheidung  der  Frage  verbunden,  ob  dieselben 
auch  mit  dem  Herzogthunie  Kärnten  belehnt  worden  seien.  Sie 
hat  lange  Zeit  den  Gegenstand  einer  lebhaften  wissenschaft- 
lichen Controverse  gebildet.  Heute  darf  sie  als  abgeschlossen 
gelten.  Denn  die  Urkunde  König  Rudolfs  über  die  Belchnung 
Meinhards  mit  Kärnten  vom  1.  Februar  1286  und  der  mit  ihr 
reinstimmende  Willcbrief,  den  Herzog  Albrecht  von  Sachsen 
IJ5U  ertheilte  (28.  März  1285),  sind  ftir  die  Thatsache  jener 
Belehnung  ein  historisches  Zeugniss,  gegen  das  sich,  da  ihre 
Echtheit  unzweifelhaft  feststeht,  ein  begründeter  Einspruch  nicht 
mehr  erheben  lässt.  Mit  Recht  durfte  Oswald  Redlich,  als  er 
diese  Streitfrage  zuletzt  zusammcnfMsend  behandelte,  jene  Be- 
leimung  der  Habsburger  auch  mit  Kärnten  als  eine  Thatsache 
bezeichnen,  ,so  gut  bezeugt  wie  nur  irgend  eine  der  mittel- 
alterUchcn  Geschichte'.* 

Es  ist  allerdings  wahr:  mit  der  sicheren  Feststellung  jener 
Thatsache  allein  ist  nicht  auch  eine  volle  Klärung  der  mit  ihr  in 
Verbindung  stehenden  politischen  Vorgänge  gegeben.  Im  Gegen- 
tbeile.  Eben  damit  verdichten  sich  die  vorhandcneu  Suhwicrig- 
koiten  zu  einem  förmlichen  Problem. 


Ebenda,  Nr.  1731.  Krain  wird  in  dem  Schreiben  allerdings  nicht  ge- 
nannt    Vgl.  unten  S.  68,  Änni.  2. 

'  Zeimberg  in  den  Bl&ttem  des  Vereine«  für  Landeskunde  von  Nieder- 
naterreich  16,  346  ff. 

*  Mitth.  das  InaütatH  für  «sterr.  Oescliichtsforschuug,  Brg.-Bd.  i,  144  flf. 
Hier  auch  die  nähere»  Literatnrnauhweise. 


46 

Erwägen  wir  nur  die  Sachlage:  die  Söhne  Rudolfs  haben 
in  der  folgenden  Zeit  bis  1286,  da  sie  auf  Kärnten  verzichteten 
und  dies  Herzogthum  an  Meinhard  definitiv  Übertragen  wurde, 
in  Kärnten  keine  Herrschaftsrechte  ausgeübt.  Nicht  eine  Ur- 
kunde von  ihnen,  die  auf  dieses  Land  Bezug  hätte,  ist  uns  aas 
dieser  Zeit  bekannt  geworden.  Ja  sie  haben  nicht  einmal  den 
Titel  eines  Herzogs  von  Kärnten  angenommen.  Und  ebenso- 
wenig wurden  durch  jene  Belehnung  Verpflichtungen  der  Unter- 
thanen  dort  begründet.  Es  fehlt  jede  Spur  davon  selbst  dort, 
wo  man  sie  geradezu  erwarten  müsste.  Im  Gregensatz  zu 
Oesterreich  und  Steier  erging  nach  erfolgter  Belehnung  kein 
Obödicnzmandat  von  Seiten  des  Königs  an  die  Kärntner.  Sie 
hatten  auch  bei  Acten  von  hervorragender  staatsrechtlicher  Be- 
deutung, wie  z.  B.  bei  der  Abänderung  der  1282  begründeten 
Herrschaftsverhältnisse  durch  Erlassung  der  Rheinfeldener  Con- 
stitution vom  1.  Juni  1283,  keinen  Antheil.  Nur  die  österrei- 
chischen und  steirischen  Landesgrossen  wurden  damals  als  land- 
schaftliche Vertretungskörper  zur  Mitwirkung  berufen.* 

Ja  noch  mehr.  Es  fehlt  nicht  nur  jedes  materielle  Zeug- 
niss  dafUr,  dass  jene  Belehnung  praktisch  rechtswirksam  ge- 
worden sei,  es  wissen  von  ihr  weder  die  Belehnungsurkunde 
der  Söhne  des  Königs  selbst,  noch  auch  die  tiberwiegende  Mehr- 
zahl der  gleichzeitigen  Geschichtsquellen   etwas  zu  berichten.^ 

Air  diese  Umstände  nun  haben  in  ihrem  Zusammenscbluss 
die  Folgerung  begründet,  dass  es  sich  bei  jenem  historisch  be- 
glaubigten Vorgang,  der  thatsächlich  erfolgten  Bclehnung  auch 
mit  Kärnten,  nur  um  eine  Schcinbelehnung  gehandelt  haben 
könne,  dass  die  Söhne  Rudolfs  von  vornherein  mit  bestimmter 
Absicht  darauf  verzichtet  haben  müssen,  in  den  materiellen 
Genuss  der  ihnen  damals  verliehenen  Rechte  einzutreten.* 

Dieser  Vorgang  muss  jedenfalls  höchst  auffallend  erschei- 
nen, wenn  wir  uns  vergegenwärtigen,  dass  König  Rudolf  längst 

'  Vgl.  das  feierliche  Recognitionsdiplom  deriielben  zu  jener  vom  11.  Juli 
1283,  Schwind  und  Dopsch,  Ausgewählte  Urkunden,  S.  136,  und  dssn 
Ulätter  des  Vereines  für  Landeskunde  von  Niederösterr.  27,  246. 
Vgl.  StOgmann,  Ueber  die  Vereinigung  Kärntens  mit  Oesterreich,  Sitzungs- 
berichte der  Wiener  Akad.  19,  190,  und  Lausch,  Die  kSmtenische 
Belehnung8frage_(G0ttingor  Diss.  1877),  S.  20  ff. 

'  So  ratschte  ich   mit  Rücksicht  auf  meine  späteren  Darlegungen  die  bis- 
herige Ansicht  präciser  formuliren. 


47 


bereit  war,  die  wohlbegrllndeteu  Ansprüche  Meinbanls  durch 
die  Verleihung  Kämtuns  zu  befriedigen.  Er  scheint  um  so 
selhafter,  als  die  frühere  Annahme,  dass  darin  ein  foind- 
jea  Vorgehen  des  Königs  gegen  Meinhard  zu  erblicken  sei, ' 
ala  haltlos  nachgewiesen  wurde.  Meinhard  erscheint  nach  wie 
vor  in  freundschaftlichem  Verkehr  mit  Rudolf  und  dessen  Söhnen, 
er  war  auch  bei  der  Belehnung  dieser  selbst  zugegen;  ja  er  hat 
die  Belehnungsurkunde  selbst  mit  als  Zeuge  unterschrieben. 
Sie  ist  also  mit  seiner  Zustimmung  erfolgt,  er  war  offenbar  auch 
darüber  wohlunterrichtet,  was  auf  der  Tagesordnung  des  Augs- 
burger Reichstages  stehe.  Weun  dort  aus  Kärnten  überhaupt 
keine  Abordnung  der  Landesgrossen  erschien,"  so  deutet  das 
meines  Eracbtens  darauf  hin,  dass  dies  alles  mit  Meinhard  vor- 
her vereinbart  sein  mochte. 

Zar  Erklärung  dieser  comphcirten  Verhältnisse  nun  hat 
V.  Zeissberg  zuerst  jene  Nachrichten  herangezogen,*  nach 
welchen,  wie  wir  sahen,  sich  der  Erhobung  Mcinhards  in  den 
Kcichsftlrstenstand  formelle  Schwierigkeiten  in  den  Weg  stellten. 
Da  die  Beseitigung  derselben  sich  verzögerte,  Rudolf  aber  mit 
der  Verfügung  über  die  erledigten  Ilerzogtliümer  nicht  länger 
zuwarten  wollte,  habe  er  zu  jenem  Ausweg  seine  Zuflucht  ge- 
nommen. Indem  er  auch  Kärnten  an  seine  Söhne  verlieh, 
sei  dies  ohne  Veränderung  der  Verhältnisse  im  Lande  in  der 
Absicht  erfolgt,  dieses  an  Meinhard,  den  eigentlichen  Herrn 
desselben,  zu  übertragen,  sobald  jene  llindurnisse  behoben 
wÄren,  .oder  falls  dies  unausführbar  war,  seinem  eigenen  Haiusc 
zu  erhalten*. 

Mit  dieser  Annahme  v.  Zeissberg's  schien  thatsächlich  der 
Scfaittssel  zur  Lösung  jener  vielumstrittenen  Bclehnungsfrago 
gefunden,  und  es  ist  sehr  begreiflich,  dass  sich  ihr  in  der  Folge 
alle    Forscher,    die   sich    mit    derselben    beschäftigten,*    gleich- 


*  So  Sf'gTnanu,  n,  ».  O.,  8.  194  f.,  und  Olinifil,  D.i.s  ßoelit  des  Hauses  Habs- 
bnrp  auf  Kärnten,  Sitzungsber.  der  Wiener  Aknd.  20,  171. 

'  Nach  dem  ausführlicbeu  Bericlite  des  steirischeii  Roiiiiclironisteu,  Mon. 
(ieriD.,  Deutoche  Chnm.  V.  1,  262.  Vgl.  gegen  die  irrige  Anffaasang  von 
Loreux,  DeuUclie  Gesch.  2,  274:  Redlid),  a.  a.  O.,  150.  , 

*  Kndnlf  Ton  Habsburg  und  der  Österreichische  Slaatsgedanke,  Ulätter  de« 
Voretoes  fllr  Landeskunde  von  NiedorOsterr.  16,  333. 

*  8o  Uuber,  Oesferr.  Gesch.  2,  7.  Lindner,  IJeutache  Gesch.  unter  den 
Uababurgern  und  Luxemburgern  1,  62  ff.,  und  Kedlicli,  a.  a.  O.,  149  f. 


48 


massig  ansclilossen.  In  scharfsinniger  Weise  waren  damit  die 
süheiabarcn  Widerspruche  und  Schwierigkeiten  behoben,  welche 
die  Forschung  bis  dahin  aufgeworfen  hatte. 

In  jüngster  Zeit  erst  hat  A.  Baehmann  eine  durchaus  andere 
Auffassung  zum  Ausdruck  gebracht.  Kr  hat  geradezu  die  That- 
sache  der  Belehnung  von  Rudolfs  Söhnen  auch  mit  Kilrnten 
neuerdings  in  Zweifel  gezogen.  Indem  er  von  deren  Belohnung 
mit  Oesterreich,  Steiermark,  Krain  und  der  Mark  spricht,  meint 
or:  ,Dass  auch  die  ßelehnung  mit  Kilrnten  in  Aussicht  genommen 
war,  zeigen  die  Willebriefe  der  Kurfürsten,  doch  weiss  der 
Lehenbrief  {vom  27.  Docember)  von  einer  Belohnung  mit 
Kärnten  nichts.  Offenbar  liess  Rudolf  Kilrnten  nur  einstweilen 
in  der  Hand  des  Tiroler  Grafen,  so  lange,  bis  er  ihm  ander- 
weitig Bi'lolinung  für  seine  wichtigen  Dienste  verschaä"t.  Dann 
sollte  auch  Kärnten  dem  Hause  Uabsburg  worden.  Als  aber 
dies  bis  128fi  nicht  gelang,  erhielt  Meinhard  Kilrnten  selbst, 
und  zwar  direct  vom  Reiche." 

Wir  können  von  dieser  singujären  Annahme  zunälehst 
wenigstens  absehen,  zumal  Bachmann  die  Gründe,  die  ihn  dazu 
veranJassten,  noch  nicht  vorgebracht  hat.  Aber  die  frlihore, 
allgemein  acceptirte  Ansicht.  Ob  ihr  Aufbau  wohl  nilheror  Be- 
trachtung Stich  hält?  Sie  hat  recht  bedenkliche  points  d^licats, 
die  gerade  bei  der  zusammenfassenden  Behandlung  der  ganzen 
Frage  deutlich  sichtbar  werden.  Als  einzigen  greifbaren  Grund, 
weshalb  Rudolf  seine  deutliche  Absicht,  Kärnten  an  Meinhard 
zu  verleihen,  nicht  habe  ausfülu'en  künnen.  wird  jenes  Hinder- 
niss  bezeichnet,  das  die  lelienrechtiiche  Stellung  Meinhards  be- 
reitete. Allein  dasselbe  war  thatsiichlich  bereits  beseitigt,  als 
Rudolf  daran  ging,  jene  Verleihung  vorzunehmen.  Das  muss 
besonders  betont  werden.  Denn  schon  im  .Jiinner  1282  war 
die  Hauptschwierigkeit  gelöst  mit  der  Erklilrung  des  Biscliofs 
von  Chur,  dass  Meinhard  keines  Laienfllrsten  Vasall  sei.  Und 
wenn  anderseits  dessen  Bitte,  seine  landrechtliche  Zugehörigkeit 
mit  zwei  Edlen  seines  Territoriums  zu  erweisen,  im  Mai  bereits 
stattgegeben  wurde,  so  kann  man  sicherlich  annehmen,  dass  er 
diesen  Nachweis  alsbald  erbracht  haben  werde.  Es  ist  doch 
ganz  unwahrscheinlich,  dass  er  nicht  zwei  tiroiische  Edle  ge- 
fumlen   haben   sollte,    die   dazu   bereit  und   auch  in   der  Lage 


Lulirbuixb  dur  Oaterr.  Uoiuhsgescli.  (1895),  S.  68,  Äum. 


1 


49 


waren,  denselben  zu  liefern.  Das  hat  Lausch'  schon  hervor- 
gehoben. Erwägt  man  dazu,  dass  der  Rechtssprucli,  den  Rudolf 
am  25.  Mai  beurkundete,  niclit,  wie  man  bislier  annahm,  eine 
Autforderung  an  Meinhard,  sondern  vielmehr  eine  Erm!ich%unp; 
ftlr  ihn  enthielt,  jenen  Nachweis  zu  erbringen,*  so  crfJUirt,  da 
dieselbe  auf  seine  Bitte  hin  ertheilt  wurde,  der  ganze  Vorgang 
eine  wesentHch  andere  Beieuchtung.  Man  darf  annehmen,  dass 
Meinhard  mit  dieser  Bitte  erst  hervorgetreten  sein  wird,  als 
er  aach  in  der  Lage  war,  von  jener  Ermächtigixng  wirklich 
QebrAnch  zu  machen. 

Dass  jene  formellen  Schwierigkeiten  noch  vor  dem  Reichs- 
tag Ton  Ängsburg  thatsUchlich  beseitigt  waren,  bezeugt  endlich 
auch  noch  ein  wichtiges  .testimonium  a  silentio':  p]s  ist  in  der 
ganzen  Folgezeit  nicht  wieder  darüber  verhandelt  worden.' 
Man  mQssto  aber,  da  dies  der  einzige  greifbare  Qrund  der 
Verhinderung  von  Meinhards  Relehnung  gewesen  sein  soll, 
erwarten,  dass  sich  später  noch  die  Spuren  wenigstens  einer 
Nachwirkung  zeigten. 

Entbehrt  somit  die  bisherige  Ansicht,  weshalb  Küuig  Ru- 
dolf Meinhard  entgegen  seinen  deutlich  bekundeten  Absichten 
12H2  mit  Kärnten  nicht  belehnte,  meines  Erachtens  der  zurei- 
chenden Begründung,  so  möchte  mir  auch  der  andere  Theil  jener 
Erklärung  nicht  überzeugend  erseheinen:  die  Beantwortung 
nJiralich  der  Frage,  warum  denn  Rudolf,  wenn  schon  Meinhard 
«lamals  nicht  mit  Kärnten  belohnt  werden  konnte,  dieses  seinen 
Söhnen  verliehen  habe.  Sie  ist  verschieden  gegeben  worden: 
weil  Rudolf  nicht  auch  die  Belehnung  seiner  Söhne  verzögert 
sehen  wollte  und  es  wohl  uothunhch  schien,  Kilrntcn  auch 
weiterhin  noch  un vergeben  zu  lassen;*  oder:  weil  Rudolf  sicli 
Meinhard  noch  mehr  zu  verpflichten  gedachte,  indem  dif^ser 
Kärnten  nicht  den  Kurfürsten,  sondern  ganz  allein  ilira  und 
seinen  Söhnen  verdanken  sollte;*  endlich:  weil  Rudolf  damit 
Kärnten,  im  Falle  die  Uebertragimg  an  Meinhard  sich  als  unaus- 
TÜirbar  erweisen  sollte,  seinem  eigenen  Hause  erhalten  wollte.'' 


»  A.  a.  O.,  8.  69. 

*  Vgl.  oben  8.  44,  Anm.  I. 

•  \'g\.  dam  LauHcli,  a.  a.  O.,  8.  59. 


•  Li 


Redlich, 
ndner,  a. 


..  a.  O.,  8   149. 
O.,  8.  63. 


•  T.  Zeüiberg.  »-  <^  O.,  8.  .'t33  f. 
Archiv.  UXXVII.  Bd    I.  Hlklfi«. 


50 


Man  sieht:  so  viele  Hjpotb«sea  ab  AeuMmngen  überv 
haapt  Es  scheint,  daas  Niemand  von  den  bereits  versuchten 
Erklinmgen  sich  sehr  befriedigt  föhlte.  Doch  sehen  wir  nahet 
SU.  Da  dtiifte  nach  der  oben  .gegebenen  Vofgeschichtc  der 
ganxen  Frage  jener  zaerst  angeftlhrte  ErkUrangsversach  kaum 
wahrscheinlich  sein.  Die  KSratoer  Angelegenheit  war  durchs 
aus  eine  Sache  fUr  sich  und  braaclite  die  Beldinung  der  Sühne 
Kadolis  mit  Oesterrcich  and  Steiermsirk  mit  nichten  zu  ver- 
■Sg«ii.  Kärnten  konnte  um  so  leichter  znnSchst  noch  unveiv 
geben  bleiben,  als  dasselbe  erst  drei  Jahre  nach  jenen  beiden 
L&ndern  (1379,  mit  dem  Tode  Philipps)  dem  Bdche  ledig  wurde. 
Aber  anch  die  Annahme  Lindner's  bat,  bevor  er  sie  selbst 
formnlirte,  bereits  gewichtigere  Anfechtong  erfahren.  Huber 
hatte  niUnlich  schon  1878'  die  in  diesem  Punkt  analoge  Auf- 
fitasung  von  Lausch  mit  der  Motivkni^  verworfen,  dass  Mein- 
liard  ,dooh  nicht  erst  ana  dem  Lelwafanef  xu  erfahren  brauchte, 
wem  and  welchen  Motiven  er  den  Besita  von  Kärnten  ver- 
danke*. Uebrigens  wurde  sa  der  £Mtiscben  Belehnung  Mein- 
hards  im  Jahre  I2S(^  doch  auch  die  ZastänmuBg  der  Kurfllrsten 
von  Hudolf  eingeholt,*  so  dasa  Meinhard  Kirnten  thatsAch- 
lieh  nicht  ^rana  allein'  ihm  ond  seinen  Sohoen  verdankte. 
Konnte  doi>h  BAchmann.  wie  wir  saben,  in  jfiagster  Zeit  gerade 
das  Oegentl>eil  davon  behaupten.* 

Am  ehesten  konnte  meines  Erachteos  anter  solchen  Um- 
ständen die  von  v.  Zeiasbarir  vocgetngeae  Aaiacht  bestechen. 
Vei^fgeuulrtigea  wir  ans  aber  dSe  «iigaiigs  geschilderten 
Tcnitoriiihrariridtiiias«  Kmtaas,  sowie  die  Entwicklung  der 
Käralon-Krainor  Frage  bis  sa  jenem  Knilimiifc  t,  so  dürfte  eines 
klar  geworden  sein:  Wira  es  nickt  mSgiieh  gewesen,  Kärnten 
an  Meinhard  aa  ftbettragta,  so  konnte  bei  dem  Charakter 
der  Herrsdiafta-  ond  BwiiiUvt^rliihnisBw  im  Laade  ausser  ihm 
aismand  Anderer  in  Betracht  kommen  ak  thea  die  Söhne 
ÜMlelf«,  die  äoli  bereits  im  Besüae  d«r  wiekÜgstea  Kirchen- 
Mmu  b«Autd«B.  E»  isl  doMi  sneh,  so  Tiel  wir  wiaseo,  von 
keiner  anderen  Seite  her  ein  AmftmA  auf  Kimtea  damals 
erhoben  worden. 


•  TffL  4m  WUMtW  ll«nu««  AlkivcM  ^m« 
(MHai^itir.  4w  WtMi«r  AkaA.  IK  MI). 


TMi  29.  lOra  1286 


51 


Zorn  Schlüsse  noch  ein  Wort  zur  Kritik  der  Ansicht 
fiichmnnn's.  Ich  sehe  davon  ab,  auf  die  neuerdings  aufgewor- 
fenen Zweifel  hinsichtlich  der  Belehnimg  selbst  einzugehen. 
Das  betrachte  ich,  wie  bemerkt,  als  abgeschlossen.  Gegenüber 
der  Erklllrung  selbst  ist  man  in  der  misslichen  Lage,  die  OrUnde 
nicht  zu  kennen,  welche  den  Autor  dazu  bestimmten.  So  mögen 
meine  Zweifel  an  der  Richtigkeit  derselben  zunächst  nur  in 
einigen  Fragen  ihren  Ausdruck  finden.  Kudolf  soll  beabsichtigt 
haben,  Meinhard,  in  dessen  Hand  Kumten  nur  ,einstwcilen' 
belassen  wurde,  .anderweitig  Belohnung*  zu  verschaffen,  um 
dann,  sobald  diese  erfolgt  wftre,  auch  dieses  Land  seinem  Hause 
zaravrendon.  Man  fragt  sich  unwillkllrlich,  wie  sich  denn  wohl 
Bachnuinn  jene  ,anderweitige  Belohnung'  vorgestellt  haben  mag? 
Salute  es  eine  Geldentschädigung  sein?  Daran  ist  bei  der 
schlechten  Finanzlage  Rudolfs  um  jene  Zeit  gar  nicht  zu  denken. 
Gerade  Meinhard  schuldete  der  König  bereits  so  stattliche 
Summen,    dass  er  sich  zur  Verpfandung  Krains  genöthigt  sah. 

Oder  sollte  es  —  ein  Drittes  ist  schwer  möglich  —  ein 
anderes  Fürstenthum  sein?  Aber  welches?  Darf  man  gespannt 
sein,  darauf  überhaupt  eine  haltbare  Antwort  zu  bekommen,  so 
liat  eine  solche  Combination  von  vornherein  Alles  gegen  sich. 
Wir  wissen  ja,  weshalb  Meinhard  gerade  Kärnten  zu  gewinnen 
«achte.  Eben  mit  der  Erwerbung  dieses  Landes  ward  seinen 
Interessen  am  meisten  gedient,  kein  anderes  konnte  ihm  damals 
l^leichwerthig  erscheinen.  Und  vor  Allem  auch:  In  keinem 
anderen  war  seine  Stellung  so  gesichert  als  eben  dort. 

Uebrigens  hätte  die  dauernde  Uebertragung  auch  Kärntens 
tn  die  Söhne  Rudolfs  im  Reiche  nur  böses  Blut  gemacht.  ^ 

Schliesslich  spricht  auch  die  weitere  Entwicklung  der 
Kftmten-Krainer  Frage  gegen  die  Ansicht  Bachmaun's.  Ihre 
LOsong  vollzieht  sich  allmähg,  in  einer  Reihe  von  gleich  gerich- 
teten and  zusammenhängenden  Vorgängen,  wie  bereits  Redlich 
dargelegt  hat.*  Das  schliesst  eine  Umkehr  Rudolfs  auf  halbem 
Wege,  das  Aufgeben  des  ursprünglichen  Planes  aus. 

Die  Tbatsache,  dass  Meinhard  Kärnten  1286  ,direct  vom 
Reiche'  erhielt,  besagt  gar  nichts.  War  denn  bei  Verleihung 
eines  Herzogthums    ein    anderer  Vorgang   überhaupt  möglich? 


■  Vgl.  Redlich,  a.  a.  O.,  8.  Ul  f. 
*  Ebenda,  8.  IM. 


52 


üeberblicken  wir  nunniclir  den  Stand  der  Frage,  so 
werden  sich,  meine  ich,  aus  der  Besprechung  und  Kiitik  der 
bisherigen  Ansichten  einzelne  sichere  Anhaltspunkte  gewinnen 
lassen.  Man  wird  annelimen  dürfen,  dass  die  formellen  Schwie- 
rigkeiten, die  sich  der  Erhebung  Moinhards  entgegenstellten, 
thatsÄchlich  zur  rechten  Zeit  bereits  bereinigt  waren.  Es  lag 
somit  ein  ilusseres  iiinderniss  kaum  mehr  vor,  das  Rudolf 
hätte  abhalten  können,  auf  dem  Reichstag  zu  Augsburg  KUmten 
an  Meinhard  zu  verleihen.  Schaltcto  dieser  seit  Jahr  und  Tag 
—  schon  1280  —  ganz  offen  wie  ein  Herr  in  diesem  Lande, 
so  war  Rudolf  gerade  damals,  nachdem  er  einen  so  vollstän- 
digen Sieg  über  die  Opposition  der  Ftlrsten  im  Reiche  davon- 
getragen hatte,"  eher  denn  je  in  der  Lage,  seine  längst  deut- 
lich bekundeten  Absichten  zu  Gunsten  Mfinhards  auch  durch- 
zusetzen. 

Er  hat  es  gleichwohl  nicht  gethan.  Er  wollte  es  also  da- 
mals offenbar  gar  nicht  thun.  Wenn  er  vielmehr  seine  Sühne 
auch  mit  Kärnten  belehnte,  so  ist  anzunehmen,  dass  er  daran 
ein  ganz  bestimmtes  Interesse  geliiibt  habe.  Und  da  dasselbe 
weder  auf  den  materiellen  Genuss  der  verliehenen  IlerrschaflB- 
rechte,  noch  auf  den  dauernden  Besitz  des  Landes  gerichtet 
war  —  das  sahen  wir  Jrüher  —  so  kann  es  sich  nur  auf  die 
Belehnung  selbst,  den  staatsrechtlichen  Act  bezogen  haben,  der 
mit  ihr  als  Thatsache  gegeben  war. 

Anderseits  lässt  sich  aus  der  Vorgeschichte  dieser  ganzen 
Frage  nach  der  früheren  Darstellung  noch  iiisbcsonders  Eines 
ableiten:  Direct  betljciligt  an  der  Sache,  um  die  es  sich  da- 
mals handelte,  konnten  nur  Meinhard  und  die  S^jhne  Rudolfs 
sein,  da  sie  allein  und  niemand  Anderer  für  den  Besitz  Kärn- 
tens damals  in  Frage  kamen.  Somit  muss  sich  jenes  Interesse 
der  Söhne  Rudolfs  an  der  Belehnung  auf  Meinhard  bezogen 
haben,  es  kann  das  Substrat  desselben  nur  in  dem  Verhältniss 
des  Letzteren  zu  ihnen  gesucht,  die  Erklärung  aber  demzufolge 
nur  aus  der  Betrachtung  ihrer  Beziehungen  gewonnen  werden. 

So  ziehen  die  Vorgänge  von  der  Belehnung  der  Söhne 
Rudolfs  (December  1282)  bis  zu  jener  Meinhards  (1.  Februar 
1286)  unser  Interesse  auf  sich.  Die  Zustände  im  Lande  selbst 
rllcken  in  den  Vordergnmd.     Man   hat  ihnen  in  der  Literatur 


>  Redlicli.  B.  R.  O.,  S.  143. 


53 


I 


I 


über  die  Kärntner  Belob nungsFrajjo  miiulostoiis  seit  Lausch  zu 
wenig  Beachtung  geschenkt  Ks  ist  ja  wahr:  mit  unserer 
Keontnias  davon  ist  es  recht  schlecht  bestellt.  Nur  spärlich 
stehen  uns  Quellen  dafür  zu  Gebote.  Aber  wir  werden  uns 
gerade  hier  auch  erinnern  müssen,  dass  das  Kärnten  von  da- 
mals nicht  isolirt  betrachtet  werden,  dass  man  Krain  daneben 
nicht  aus  dem  Auge  verlieren  dürfe,  da  es  zuvor  seit  Längerem 
die  Geschicke  Kärntens  getlicilt  hatte. 

In  Kärnten  selbst  wurde  —  so  nahm  man  übereinstimmend 
aii  —  durch  die  Belehnung  der  Söhne  Rudolfs  keine  Verän- 
derung geschaffen,  es  blieb  nach  wie  vor  in  der  Hand  Mein- 
harda,  der  daselbst  die  Verwaltung  Aihrte.  Wir  konnten  früher 
verfolgen,*  dass  er,  seit  Ende  des  Jahres  15J76  capitancus  Ka- 
rinthie  Carniolo  ac  Marchie,  nicht  lange  nach  dem  Tode  Phi- 
lipps von  Kärnten,  etwa  vom  Beginn  des  Jahres  1280  an,  doch 
Khon  in  eine  selbständigere  Stellung  vorgerückt  war;  wie 
Rudolf  selbst  seine  Ansprüche  auf  Kärnten,  die  er  vermuthlich 
bald  nach  dem  Tode  Philipps  geltend  machte,  soweit  schon 
berücksichtigte,  dass  er  als  Herr  im  Lande  erscheinen  konnte. 
Er  hat  nunmehr  wahrscheinlich  auch  nicht  den  Titel  capitancus 
mehr  geführt.  Allerdings  trat  er  zuletzt,  wenn  wir  den  Mangel 
jedweder  Urkunde  seinerseits  ftir  Kärnten  so  deuten  dürfen, 
nur  wenig  hervor. 

Das  ändert  sich  nun  merklich  seit  1283.  Es  ist  uns  eine 
Urkunde  Meinhards  vom  28.  Juni  dieses  Jahres  erhalten,*  durch 
die  er  die  Beilegung  eines  längeren  Streites  zwischen  dem 
)st  von  Wörthseo  und  einem  Kärntner  Edlen  (Konrad  von 
»deis)  um  liegendes  Gut  in  Kärnten  beurkundete.  Sie  ist  in 
Klagenfurt  ausgestellt  und  liegt  noch  im  Originale  vor.  Da  tUllt 
nan  der  Titel,  den  Mcinhard  sich  hier  selbst  beigelegt,  vor  Allem 
»af:  ,herre  des  herzcntümes  ze  Chemdcn,  ze  Chrayn  unde  der 
Windischen  March*.  Es  ist  auch  bemerkcnswerth,  dass  er  von 
Julian  von  Seeburg  als  ,xinserem  vizt<lm  von  Chernden*  spricht. 

Man  hat  diese  Urkunde  früher  vielfach  commentirt  und 
■ie  insbesonders  auch  zur  Entscheidung  der  Frage  zu  verwerthcn 
icht,  ob  die  Habsburger  1282  mit  Kärnten  belehnt  worden 
ieo  oder  nicht.    Man  hat  geradezu  ,oino  unerhörte  Anmassung' 


>  V^l.  ob«n  8.  3»  ff. 

■  Pout.  rer.  Austr.  U,  1,  313. 


54 


Moinhards  darin  sehen '  oder  aus  ihr  mindestens  auf  die  ,oppo- 
sitiüuelle  ätelluug  Meinluirds  gegen   Rudolf   schliessen  wollen.* 

In  der  jüngeren  Literatur  über  die  KÄrntner  Beielmungs- 
frago  blieb  dieselbe  merkwürdiger  Weise  ganz  unbcrüeksiehtigt. 
Lauäcli,  der  sich  zuletzt  mit  ihr  beschäftigte,  hat  ihr  allerdingB 
jede  Bedeutung  absprechen  wollen.  Da  sie  ,da8  einzige  Bei- 
spiel fUr  die  Anwendung  der  erwilhnten  Bezeichnung  von  Seiten 
Moinhards'  sei  und  , daher  eine  ganz  exccptionelle  Stellung' 
einnehme,  meinte  er  sie  aus  Mcinhards  Eigenschaft  als  Reichs- 
verweser genügend  erklHren  zu  können,  zumal  sie  ,aus  KJagcn- 
fijrt  datirt',  ,einc  rein  [ocale,  interne  kiirnthenische  Landes- 
angelegenheit'  behandle. 

Die  Urkunde  verdient  jedenfalls  an  sich  Beachtung.  Sie 
gewinnt  aber  doppelte  Bedeutung,  da  sich  auch  noch  eine 
zweite,  bisher  nicht  verwerthete  Urkunde' Meinhards  nach- 
weisen Ittsst,  die  ihr  vollauf  zur  Seite  tritt.  Meinhard  hat  niim- 
Ik-h  im  folgenden  Jahre,  1284,  dem  Kloster  Heiligenkreuz  in 
üesterreich  alle  Rechte  bestätigt,  die  dasselbe  einstens  von  den 
Kärntner  Herzogen  Bernhard  und  Ukich  innegehabt  hatte, 
insbesonders  Zollfreiheit  innerhalb  seines  Gebietes. 

Und  auch  hier  —  die  Urkunde  ist  ebenfalls  noch  im 
Original  erhalten  —  die  gleiche  Erscheinung. 

Meinhard  tritt  mit  dem  Titel  auf:  ,ducatus  Karinthie  et 
Karniole  dominus'. 

Zwei  Belege  also  aufs  Beste  beglaubigt,  die  sich  gegen- 
seitig unterstützen.  Die  letztere  Urkunde  aber  gestattet  einen 
näheren  EinbUck  in  die  Verhältnisse  von  damals.  Dass  Mein- 
hard als  jHerr  des  Herzogthums  Kärnten  und  zu  Krain'  Privi- 
legien früherer  Kärntner  Herzoge  bestätigt,  ist  von  vornherein 
bedeutungsvoll.  Diese  Bestätigung  aber  bezieht  sich  auf  eine 
Rechtsveräusaorung  von  einem  Regal  (Zoll),  einem  Hoheitsrechte 
also,  als  dessen  Inhaber  der  Landesfürst  (Herzog)  sonst  er 
scheint.  Indem  Meinhard  sie  ausdrücklich  anerkennt  (recogno- 
scimua),  spricht  er  bei  Ertheiliuig  der  Bestätigung  unter  directer 
Bezugnahme   auf  bestimmte   frühere    Kärntner    Herzoge    doch 


*  L&iuoh,  A.  «.  O.,  8.  SO. 
'  Stögmann,  «.  a.  O.,  8.  197. 
»  Font.  rer.  Au«lr.  11,  11,  238. 


55 


von  seinen  Beamten  und  seinem  Territorium. '  Tritt  er  somit 
im  Ganzen  als  Rechtsnachfolger  der  Herzoge  von  KUrnton  hier 
suf,  so  können  diese  letzteren  Ausdi'Ucke  sich  eben  auch  nur 
auf  dieses  Land  beziehen. 

Als  Empfänger  dieser  Urkunde  nuu  ei-scheiiit  ein  öster- 
reichisches Kloster.  Da  die  Aussti^llung  dei-selben  aber,  wie 
natargemäss  anzunehmen  ist,  auf  eine  Bitte  des  Empftlngcrs 
hin  erfolgte,  so  erhellt  daraus,  daas  Meinhard  um  jene  Zeil 
thatsilchlich  als  Herr  und  Rechtsnachfolger  der  Herzoge  von 
Ktirnten  weithin  anerkannt  war.  Mau  hiltte  sich  sonst  niclit 
von  Oesterreich  aus  an  ihn  gewendet,  die  Bestätigung  von 
Privilegien  und  Rechtsvergabungen  der  früheren  Herzoge  jenes 
Landes  zu  erlangen. 

Endlich  aber  hat  Meinhard  diese  Urkondo  in  Wien  aus- 
gestellt. In  der  Residenz  des  österreichischen  Herzogs  also, 
gewissermassen  unter  den  Augen  Albreuhts,  des  Sohnes  Rudolfs. 
Efi  ist  klar,  dass  dieser  Sehritt  somit  nicht  in  Opposition  gegen 
diesen  geschehen  sein  kann;  man  wird  darin  uumügUeh  ein 
eigenmächtiges  oder  widerrechtliches  Vorgehen  Meinhards  er- 
blicken können. 

Er  war  demnach,  das  ist  die  nächste  Folgerung,  damals 
auch  von  den  Söhnen  Rudolfs  als  ,Herr  des  Herzogthums 
Kärnten'  anerkannt.  Frliher  schon  (seit  1280)  im  thatsächlichen 
Besitze  der  Macht  wie  ein  Herr  im  Lande  schaltend,  trat  er 
nunmehr  ofBciell  als  Landesherr  daselbst  auf  und  Qbte  in  ver- 
schiedener Beziehung  dessen  Rechte  aus.  Das  illustriren  jene 
beiden  Urkunden  in  zureichender  Weise.  Denn  auch  die  erstere 
erhält  ein  ganz  anderes  Relief,  wenn  man  die  Vorgeschichte 
der  durch  sie  verbrieften  Rechtsentscheidung  hinzu  hält.  "•'  Mein- 


*  Mandiimiu  Bin^lis  et  universis  indicibus,  miitarüs  et  ufficiatü  nostris, 
qui  nUDC  snnt  vol  qiii  pro  tempore  fueriut,  ut  dicto  monasterio  et  fratri- 
haa  eiiudem  uleum  et  alia  )iue<|ue  victiialia,  si  qaa  per  districtus 
nostroe  et  locn  miiLiria  ad  usus  siios  dedaxerint,  sine  omni  voxatiune 
et  mpediiDento  ac  otiani  sine  exactioue  mute  vel  pedaü  cuiuslibet  ainaut 
libere  pertransire. 

*  Schon  «eit  Langem  war  die  Kirche  von  WOrtliseo  iu  Streitigkeiten  mit 
einivlneu  Laien  verwickelt  and  von  diesen  bedrängt  worden.  KCuig 
BodoU  hatte,  wie  frtiher  bereits  or>vnlint  wurde,  am  Beginn  des  Jaiire« 
läTS  den  Bischof  von  Bniuborg  im  Delegutiouswoge  mit  der  Unter- 
■uchuug  derselben  betraut.  Uebor  den  Procem  gegen  einen  von  jenen 
Laien  (Otto  von  Finkonstein)  sind  wir  noch  des  Näheren  unterrichtet.  KOnig 


5G 

hard  ci-scliciut  aui-li  lii«.'r  in  dun-haus  selbsUliidiger  8tc-llut)g; 
von  der  Obergewalt,  diu  Rudolf  frlViier  (127H)  in  der  gleichen 
lieuLtssaclic  übte,  ist  hier  nicht  mehr  die  Rede. ' 

Für  das  neue  Verhältiiiss  ist  auch  der  Titel  Meinlmrds 
bozoichnend:  herre  des  herzentAmes  ze  Chemden  (dominus 
ducatus  Karinthie).  Schon  Stögmann  hat  erklärt,*  daes  ,hcrre 
des  Landes'  jedenfalls  mehr  bezeichnen  müsse  als  die  Würde 
eines  Reichsverwesers.  Aber  Meinhard  nennt  sich  nicht  ,Herr 
von  Kärnten',  sondern  —  der  feine  Untcrechiod  ist  zu  beachten 
—  ausdrücklich  ,IIerr  des  Herzogtliums  Kärnten'.  Eben  diese 
Titulatur  nun  entspricht  um  jene  Zeit  einer  ganz  bestimmten 
staatsrechthchcn  Stellung.  Sie  trat  in  Verwendung,  wenn  der 
Besitz  eines  Fürstcnthiims  bereits  zur  Thatsaehe  geworden  war, 
dem  Inhaber  desselben  aber  noch  die  formelle,  staatsrechtlich 
wirksame  Anerkennung  fehlte.' 

So  hat  sich  Ötakar  von  BUhmcn  in  der  Zeit  nach  dem 
Tode  seines  Vaters  {f  1253)  bis  zur  Krönung  (12(51)  dominus 


Badolf  hat  dann  .lucU  die  Entsclieidung  solbat  farmlicli  bestätigt 
(vgl.  Font.  rar.  Austr.  II,  31,  377  6:.).  Gegen  die  auderen  Bi3kla):;ton  follte 
der  Bamberger  nach  dem  Wortlaut  dos  kitiiigliehen  Auftrage»  in  gleicher 
Weise  vorgehen,  ^peciell  ancb  gegen  die  von  Paraduis.  Die  Beilegung 
dieaer  Streitigkeiteu  aber  verzügerte  sich.  Die  Umstände  nun,  unter 
welchen  lio  schliesslich  erfolgte,  lassen  eine  bedeutsame  Veränderung 
der  Sachlage  erkennen.  Meinhard  ist  es,  der  zwei  ,aeiner  getreuen 
Diener',  darunter  den  Vizthum  von  Kärnten,  als  Schiedleuto  bestellt  mit 
dem  Auftrag,  ,an  seiner  Statt'  jenen  Streit  zur  Entscheidung  zu  bringen. 
Et  selbst  beurkundet  auch  —  in  dem  vorliegenden  Stücke  —  den  de- 
finitivoo  Sohiedspmch. 
'  Die  vqn  StOgmaiin  (a.  n.  O.,  S.  366)  verwertbete  Urkunde  Moiohards  von 
Zeuzleinsdorf  Ober  die  Auflragung  einer  vom  Iiandeshorrn  lohourUhrigeu 
Mautb  an  K'inig  Kudolf  kann  doshalb  hier  nicht  in  Betracht  kommen, 
weil  sie  (uudatirt)  jedenfalls  in  die  Zeit  vor  Juli  1282  gchOrt.  Denn 
damals  ist  Graf  Heinrich  von  Pfaunberg,  der  in  ihr  noch  am  Leben  er- 
scheint, bereits  gestorben.  Vgl,  T.ingl,  Archiv  für  tSsterr.  Gesch.  18,  161. 
Keine  Bedeutung  mtlchto  ich  der  Bezeichnung  Muinhards  als  ,dominns 
noster'  in  Urkunden  von  Kärntner  Landesinsassen  um  jene  Zeit  boilegou. 
(Vgl.  jene  des  Meinhard  von  Zeuzleinsdorf  bei  StOgmauu,  a.  a.  U.,  856, 
Nr.  IX  und  jene  des  Abtes  von  Ossiach  aus  dem  Jahre  1286,  Beilage 
Nr.  V.)  Auch  KOnig  Kudolf  —  und  vielleicht  noch  mancher  Andere  — 
würden  von  ihnen  so  genannt  worden  sein. 

•  A.a.O.,  197. 

*  Vgl.  Ficker,  Vom  Kcichsfiirstonstand,  S.  250. 


57 


regni  Bohcniiae  genannt,'  so  auch  dessen  Sohn  Wenzel  11.  vor 
soiner  Belehnun^j  dominus  et  heres  regni  Boiicmiae  (1284).^ 
Philipp  von  Kärnten  hat  sich  doch  nur  als  heres  oder  dominus 
Karinthie  bezeichnet,  solange  sein  Bruder  Uhich  das  Ilerzog- 
thum  selbst  noch  innehatte.^ 

Die  Thatsache,  dass  Mcinhard  nach  der  Belohnung  der 
Söhne  Rudolfs  mit  Kilrnten  —  anders  als  früher  —  gerade  mit 
einem  solchen  Titel  auftritt,  und  zwar  nicht  nur  in  Kärnten, 
sondern  auch  in  Oesterroich  selbst,  legt  die  Vermnthung  nahe, 
ilass  damals  bestimmte  Abmachungen  getroffen  wurden.  Die 
Uaitnng  Meinhards  um  jene  Zeit  den  Habsburgern  gegenüber 
8|incht  ganz  dafür.  Wenn  er  am  Augsburger  Tage  persönlich 
erschien  und  in  der  Belehnungsurkundo  der  Söhne  Rudolfs  selbst 
als  Zeuge  auftritt,  so  kann  die  Verleihung  auch  Kiirntens  an 
diese,  die  gleichzeitig  statthatte,  nur  erfolgt  sein,  nachdem  ihm 
zavor  bestimmte  Zusagen  gegeben  und  die  Frage  nach  dem 
litze  des  Landes  vollauf  klargestellt  war.  Er  war  von  da 
bereits  thatsächlich  ,Herr  des  Hcrzogthums  Kärnten'.  Auch 
ftlr  die  Söhne  Rudolfs;  es  wird  begreiflich,  dass  sie,  wie  wir 
wissen,  sich  jeder  HerrschaftsUbung  dortselbst  enthielten.  War 
lins  eine  Folge  jener  bei  der  Belehnung  getroffenen  Verein- 
barungen, so  mochte  es  ebenso  einer  Rücksicht  auf  Meinlmrd 
ualspringen,  dass  Kärnten  nicht  in  die  Belehnungsurkunde  selbst 
mit  aufgenommen  wurde.* 

Was  den  Besitz  des  Landes  selbst  betrifft,  so  war,  scheint 
es,  eine  weitere  Auseinandersetzung  materieller  Art  kaum  mehr 
erforderlich.  Die  Gründe,  weshalb  gleichwolil  die  formelle 
Uebertragung  damals  noch  nicht  erfolgte,  müssen  somit  in  einer 
anderen  Richtung  gelegen  sein.  Wir  haben  bis  jetzt  aber  gjir 
nicht  beachtet:  Jleinhard  nennt  sich  in  jenen  beiden  Original- 
urkunden aus  den  Jahren  1283  und  1284  auch  ,Herr  zu  Kraiu' 
(dominus  Camiole).  Gerade  das  schien  geeignet,  jener  Annahme 
von  einer  anmassonden  Opposition  Meinhards  wider  die  An- 
sprüche der  Söhne  Rudolfs  besondere  Begründung  zu  verleihen. 


>  V(;l.  Bociek,  Cod.  dipl.  Morav.  3,  176  ff. 

>  Ebenda  4,  388  ff. 
*  Vgl  oben  8.  15. 

Vgl.  doia  auch  Bedlivli,  n.  a.  O.,  l.'iO:  ,AU  (lauernder  Zuiitand  war  aber 
Kirnton  in  Meiiihardg  lUnd  boabsichlii;!  und  gedacht,  also  Weist  man  m 
io  der  Urkunde  fUr  Rudolfü  SObiie  aus.' 


58 


Wissen  wir  doch,  dass  nach  dem  W'.>rtlaut  der  Belehnungs- 
urkunde  Kmin  und  die  (windische)  Mark  diesen  ausdrücklich 
dauernd  verh'chen  wurde.' 

Lausch  suchte  die  Annahme  dieses  Titels  durch  die  That- 
sache  zu  erklären,  dass  Mcinhard  Krain  und  die  Mark  damsils 
im  Pfandbesitz  hatte.*  Allein  diese  scheinbar  bestechende  An- 
sicht erweist  sich  sofort  als  unhaltbar,  wenn  wir  sehen,  dass 
weder  Mcinhard  noch  seine  Sühne  später  (nach  1286)  jemals 
wieder  diesen  Titel  in  ihren  Urkunden  geführt  haben,  obwolil 
jener  Pfandbesitz  nach  wie  vor  andauerte.  Doch  auch  die 
Auffassung  Htögmann's  ist  nicht  zutreffend.  Die  Annahme  des 
Titels  ,Herr  zu  Krain*  verstiess  an  sich  nicht  gegen  die  Rechte 
der  Habsburger,  sie  schlössen  sich  mindestens  nicht  gegenseitig 
aus.  Bei  der  Eigenart  der  Uerrschaftsverhliltnisse  in  Krain 
und  der  Mark  konnte  dieser  Titel  im  Sinne  einer  grundherr- 
liehen BegUterung  in  Krain  wohl  neben  dem  von  den  Habs- 
bürgern  gefllhrten  Titel  eines  Herrn  von  Krain  bestehen,  der 
den  Anspruch  auf  die  Herrschaft  über  das  Land  überhaupt, 
dio  Landesherrschaft  schlechthin,  involvirte.'  So  hat  doch 
auch  Agnes  von  Meran,  als  nach  dem  Tode  ihres  Gemahls 
Friedrichs  II.,  des  letzten  Babenbergers,  Ulrich  von  Sponheim 
1247  den  Titel  dominus  Caniiole  annahm,  noch  vor  ihrer  Ver- 
heiratung mit  diesem  den  Titel  gefilhrt:  ducissa  quondam 
Austric  et  Stiric,  Cnrniolc  domina.*  Sie  hat  ihn  auch,  nach- 
dem ihre  Ehe  mit  Ulrich  bereits  gelöst  war,  beibehalten  (1258).' 
Uebrigens  nalim  auch  der  Patriarch  von  Aquileia  den  Titel 
marchio  Carniole  vorübergehend  in  Anspruch.'' 

So  konnte  Meiuhard  diesen  Titel  neben  den  Herzogen 
TOD  Oestcrreich,  die  seit  ihrer  Belchnung  im  Jahre  1282  ständig 


*  Stegmann,  a.  a.  O.,  8.  197. 

*  A.  s.  O.,  S.  32  f.  Ebenso  auch  t.  Kronoi,  Handbuch  der  Oescb.  Oeater- 
reichs,  2,  4. 

'  Vgl.  anten  8.  64  und  auch  Tangl,  a.  a.  0.,  8.  407. 

*  Das  wird  dnrcb  eine  Origin/tlurknndo  vom  16.  April  1248  boxungt  (Font, 
rer.  ÄUütr.  II,  1,  9),  während  die  iiäpsüiche  Di.ipuiui  zur  Eingebniig  ihrer 
Ehe  mit  Ulrich  erst  am  16.  November  1S48  ertheilt  wird.  Vgl.  Schumi, 
Urkunden-  und  Regeirtenbtivh  2,  122. 

'  Vgl.  die  von  ihr  als  pnlatiiia  Burgundie  im  Jahre  1258  aungratellte  Ur- 
kunde (Original)  für  Micbelstettuu.    KonL  rer.  Auütr.  11,  1,  46. 

'  Vgl.  die  Urkuudeuregestou  bei  Biancbi  im  Archir  flir  Oeterr.  Geacb.  24, 
440,  Nr.  451  und  441,  Nr.  154  (1279). 


59 


:ils  , Herren  von  Krain'  erscheinen,  annelimen;  vr  bedeutete  that- 
siiciilicb  keinen  directen  Eingriff  in  die  Gechtsspiiiirc  jener. 
Aber  er  bezeugt  etwas  Anderes:  Duss  Meiuhartl,  der  , Herr 
des  Herzogthums  Kälrnten',  sieh  als  Rechtsnachfolger 
der  Kärntner  Herzoge  auch  in  deren  ausgedehntem 
Eigeobesitz  in  Krain  betrachtete;  dass  er  gewillt  war, 
die  Stellung,  welche  die  letzten  Sponheimer  innehatten, 
ihrem  ganzen  Umfang  nach  festzuhalten.  Man  hat  diese  so 
wichtige  Thatsache  bisher  gar  nicht  beachtet,  obwohl  sieh  bei 
nilhercm  Zusehen  dafllr  eine  Kcihe  weiterer  und  gewichtiger  An- 
haltspunkte finden  Ittsst,  wenn  man  die  Naehriehten  Über  Mcin- 
biirds  Verhalten  in  jener  Zeit  recht  zusammcniüilt.  Man  muss 
lein  Vorgehen  im  Ganzen  betrachten,   in    Kärnten   und  Krain. 

Erinnern  wir  uns  nur.  Mehr  als  anderswo  kam  es  hier 
bei  der  weitgehenden  territorialen  Zersplitterung  auf  den  Besitz 
rücher  EigengUter  und  jenen  der  ausgedehnten  Kirchenlehen 
an.  Deshalb  hatte  auch  Rudolf  sich  sofort  bemUht,  letztere 
seinen  Söhnen  zu  sichern.  Ward  von  ihnen  damit  ein  wich- 
tiger Vorsprung  fllr  die  Erwerbung  der  Landosherrschaft  ge- 
vonnen,  so  bedeutete  der  Besitz  der  Kirchenlehen  in  ilirer  Hand 
«ine  wesentliche  Beschränkung  jener,  im  Falle  nicht  sie  dazu 
gelangten. 

Meinhard  erscheint  nun  eifrig  bemUht,  seine  Stellung  in 
jenen  Ländern  auf  Kosten  der  Kirche  zu  festigen.  Weldie 
Erfolge  durch  eine  zielbewnsste  Politik  da  zu  erreichen  waren, 
hatte  er  bereits  in  Tirol  gezeigt.  Wir  wissen,  dass  auf  der 
Provinzialsynode  in  Salzburg  im  Jahre  1281  bereits  Klagen 
gegen  ihn  vorgebracht  wurden.  Im  März  1283  ergeht  an  ihn 
und  seinen  Bruder  Albert  von  (iürz  unter  Berufung  auf  jenje 
Beschwerden  eine  förmliche  Mahnung  des  Erzbischofs  Friedrich 
von  Salzburg,  von  der  widerrechtlichen  Bedrückung  der  Kirche 
abzuLissen. '  Derselbe  Kirchenfllrst  hat,  vermuthlich  gleich- 
zeitig damit,  auch  ein  Rundschreiben  an  sHmmtliche  Kirchen- 
rorat&ndc  seiner  Diöcese  erlassen,  durch  das  er  dieselben  an- 
weist, gegen  jede  Bedrückung  und  widerrechtliche  GUterent- 
lichung  seitens  der  Laiengewalten  energisch  vorzugehen.  Mit 
specieller  Bezugnahme  auf  die  ßedrängniss  des  Kärntner 
Klosters  Victring  ist  dieser  Schritt  geschehen.    Im  Jahre  1285 


■lufATia,  8.  236,  Anm.  o,  Tgl.  daza  oben  ti.  43. 


m 

aber  wird  von  dem  Naclifoljjer  Friedrichs,  Kiulolf  von  Salzburg, 
jener  Erlass  von  Neuem  eingeschärft.  Diesei-  datirt  aus  Friesach, 
einer  salzburgischen  Besitzung  in  Kärnten. '  Sie  waren  beide 
offenbar  aucli  gegen  Meinhai'd  gerichtet. 

Wie  Salzburg  so  hatte  auch  Freising  unter  dem  Vorgehen 
Meinhards  viel  zu  leiden.  Schon  früher,  1277  und  1280,  musste 
König  Rudolf  wiederholt  zu  Gunsten  des  Bisthums  interveniren.' 
Allein  die  Uebergrifte  Meinhards  uud  seiner  Besunteu  hurten 
ti'otz  jener  Mahnungen  Rudolfs  nicht  auf.  Sein  Bruder  Albert 
von  Görz  war  dabei  mit  im  Bunde.  Wir  sind  allerdings  nur 
dürftig  dai'über  unterrichtet.  Wir  hören,  das»  der  Freisinger 
Bischof  im  Jahre  1283  einige  Dienstmannen  Meinhards  und 
seines  Bruders  gefangen  genommen  hatte;  Mciuhard  und  Albert 
von  Görz  vermitteln  nun  im  Juni  zu  Gciselmannsdorf  bei  LaiLach 
einen  Vergleich.*  Es  ist  aber  bezeichnend,  wenn  Meinhard 
selbst  in  einer  darüber  ausgestellten  Urkunde  sich  vei-pfbchtet: 
,daz  der  bischof  von  Vrcysingen,  sein  gut  uud  seine  leute,  swa 
si  gesezen  sint,  von  mir  und  von  aUen  meinen  leuten  und 
dieneren  .  .  .  immer  sicher  sein'  solle.  Man  kann  aus  diesen 
bescheidenen  Bnich stücken  der  Uebcrheferung  nur  annähernd 
die  Ziele  ermessen,  auf  die  Meinhards  Politik  gerichtet  war. 

Deutlicher  heben  sie  sich  aus  den  Nachrichten  ab,  die  uns 
über  sein  Verhältniss  zu  Aquileia  zu  Gebote  stehen.  Die  weiten 
Kirchcnlehcn  des  Patriarchates  waren  ja  für  den  Besitz  Krains 
vor  Allem  wichtig,  zumal  sie  nach  dem  Vertrage  mit  dem 
letzten  Spouhoimer,  Ulrich,  noch  an  Ausdehnung  gewonnen 
hatten.'*  Man  hatte  dieselben  Otakar  verweigert,  als  er  nach 
dem  Tode  Ulrichs  (f  1269),   dann  im  Jahre  1374   sich  darum 


'  Taugl,  a.  a.  O.,  S.  421.  Ds  Erzbischof  Friedrich  bereits  am  7.  Äjiril  1384 
starb,  durfte  (ein  Erlass  noch  in  dasi  Jahr  1288  gehOrou. 

*  Vgl.  oben  8.  37  f. 

*  Vgl.  die  Urkunde  Alberts  von  QOn  vom  18.  Juni  1283,  zu  Geiielmauna- 
dorf  bei  Laibach  aungostellt  (Font.  ror.  Austr.  LI,  3t,  307}  und  jene  Mein- 
hards vom  lö.  Juni  (ebenda  398).  Letztere  allenlings  ohne  Aiisstellangii- 
ort,  doch  lüsst  die  innere  Beziehung  zwischen  beiden  und  die  Urkunde 
dos  Uiscliofs  Emicho  von  Freising  fUr  Meinhard  vom  Sl.  Juni  (fu  Tnzen 
bei  Laibach  ausgestellt,  ebenda  399)  diu  Anwesenheit  aach  Meinhards 
obendort  vermnthen.  Am  28.  Juni  urkundct  er  zu  Klagenfnrt  (Font.  rer. 
Austr.  [1,  1,  218),  am  28,  August  in  Laibach  (Sitzungsber.  der  Wiener 
Akad.  19,  257;  vgl.  dazu  unten  H.  6b,  Anm.  1). 

*  Vgl.  oben  S.  13. 


Cl 


bewarb. '  Es  lUsst  sich  nun  erweisen,  dass  Meinliard  sie  bald 
nach  dem  Zusammenbruch  von  Otokars  Herrschaft  gewaltsam 
in  Besitz  nahm. 

Der  Umfang  aber,  bis  zu  welchem  er  seine  Ansprüche 
damxils  ausdehnte,  will  beachtet  sein.  p]r  hat  nilmlich  nicht 
nur  jene  Besitzungen  occupirt,  die  einst  Herzog  Ulrich  dem 
Patriarchate  zu  Lehen  aufgetragen  hatte  (so  insbesondcrs  Lai- 
bach mit  den  dazu  gehörigen  Burgen),  sondern  geradezu  auch 
Eigengüter  von  Aquileia  in  Kärnten  und  Krain.  Ueberdies 
aber  zog  er  noch  Besitzungen  an  sich,  die  früher  den  Spon- 
beimem  zu  Eigen  gehörten  und  von  diesen  an  Aijuileia  waren 
verpfltndet  worden  (die  Burg  Nassenfuss  in  Krain).' 

Meinhard  hat  zwar  spftter,  als  er  nach  der  Belehnung  mit 
dem  Ilerzogthum  Kärnten  von  Aquileia  zur  Herausgabe  jener 
Besitzungen  aufgefordert  wurde,  erklärt,  dass  er  einzelne  der- 
selben nur  im  Namen  dos  Königs  innehabe.  Allein  diese  nach- 
bftglicbe  Entschuldigung  entspricht  sicher  nicht  den  ursprüng- 
lichen Absichten  Meinhards  bei  der  Besitzergreifung,  sondern 
iüt   durch    die   geänderte  Sachlage   von   damals  deutlich  beein- 

.*  Was  er  ursprünglich  anstrebte,  geht  vielmehr  noch 
■tlich  aus  einer  Bemerkung  hervor,  die  er  gelegentlich  jener 
späteren  Erklärung  dem  Patriarchen  gegenüber  machte.*  Die 
Stellang   der   früheren  Kärntner  Herzoge   und    speciell  Ulrichs 


llWBt. 


Vgl.  oben  S.  31  f. 

Vgl.  das  ActeiutQck   vom    14.  Febniar  t3S8    ilher   die   Forilerungen    des 

Patrinrchen    von   A(|iii1oin    au    Moiulinrd.     Font.  ror.  Au.str.  II,    4U,    19. 

B  jeno  Besitr.orpToifnng  liereit«  vor  dem  Jnhru  1280  orfolgto,  beweist 

•  Vortrag  KOnig  Rndoirs  mit  Gnrk  vom  2.1.  MXr«  diesen  Jabrea  (Marian, 

AoRtrüi    Mcr»  6,    Mi),    der    dieselbo    (mindestens    bozUgUch    der    Bnrg 

Namenfaffi)    bereit«    voraas8Qtr.t.     Vermatlilich    erfolgte    «ie    bereits    iui 

Herbst  1276,  als  Meinlinrd  und  Albert  von  GOrx  KHrnten  nnd  Krain  fUr 

Bndolf  eroberten.     Die   Köckfordemng    selbst    mnss    Übrigens   auch    vor 

dem  Jahre  1388  geschehen  sein,  da  unter  dorn  gleiclion  Datum  (14.  Februar 

|138S}    bereits    auch    die    en<t  nach  längcrem  Uoberlegon  spSter  erfolgte 

'.  Antwort  Meinhards  regintrirt  erscheint.     Ebenda,  8.  21. 

'  Vgl.  nuten  S.  81  f. 

;  Mach  der  bereits  citirten  Anfaeichnung  Ober  die  Antwort  Meinhards  soll 
'  dieser  bexUglich  der  Rückgabe  von  Na.ssenfuss  erklärt  haben,  er  wOrde 
mit  dem  grSssten  VergnUgen  (libentissime)  das  Vierfache  der  dafBr  ver- 
langten Summe  geben;  si  dominus  patriarchn  facorot,  qnnd  dominn« 
dnx  esset  hxres  prefati  i|uondam  dnmini  Ulriri  dncis  Karin 
tbie.     Vgl.  dazn  auch  8.  81  f. 


G2 


nach  dieser  Richtung  hin  in  ihrem  vollen  Umfange  festzuhalten, 
deren  Erbe  gewissermassen  auf  der  ganzen  Linie  anzutreten, 
war  sein  reger  Wunsch. 

Im  Zusammenhange  mit  diesen  überaus  werthvoUen  Zeug- 
nissen ans  Aqnileia  gewinnt  nun  auch  ein  anderer  Vorgang 
wichtige  Bedeutung.  Eine  bisher  ganz  irrig  und  ungenügend 
verwerthete  Urkunde  gibt  darüber  Aufschluss.  Offo  von  Lans- 
trost,  Gerlochns,  Herrn  Ottos  Sohn,  Nicolaus  von  Sichirberk 
und  Gerlochus,  Castellan  von  Sichirberk,  geloben  feierlich,  dass 
sie  ihrem  Herrn,  dem  Grafen  Meinhard,  mit  der  Burg  Sichir- 
berk zu  dienen  bereit  seien  ,de  omnibus  iuribus  que  ab 
antiquo  tempore  apud  ducem  Karinthie  nsque  hie  sunt 
devoluta'. •  Die  Urkunde,  noch  im  Original  erhalten,  ist  un- 
datirt.  Sie  kann  aber  nach  den  früheren  Ausführungen  über 
Meinhards  Verhalten  erst  nach  dem  Tode  des  letzten  dux  Ka- 
rinthie Philipp  (f  1279)  ausgestellt  sein. 

Stögmann  hat  in  ihr  eine  Erklärung  ,kärntncrischer  Herren' 
sehen  wollen;  er  wurde  damit  auf  eine  ganz  falsche  Bahn  gfe- 
leitet.*  Wir  haben  thatsUchhch  Krainer  (Landstrass,  Sichel- 
burg) vor  uns,  wie  Dimitz  bereits  bemerkte.'  Man  muss  sich 
aber  zur  richtigen  Beurtheilung  auch  gegenwärtig  halten,  dass 
Sichclburg  nach  Ausweis  des  Testamentes  Philipps  zu  den 
Eigengütem  der  Sponheimer  in  Krain  gehörte.*  Eben  damit 
gewinnt  nun  jener  Dienstrevers  eine  wichtige  politische  Bedeu- 
tung. Auf  Verlangen  Meinhards  ist  er  ja  offenbar  ausgestellt 
worden  zu  einer  Zeit,  da  sich  dieser  mit  Zustimmung  König 
Rudolfs  bereits  als  Herr  von  Kärnten  gerirte.  Er  hat,  indem 
er  die  Dienstmannen  auf  Sponheim'schen  Eigengütem  in  Krain 
also  in  Pflicht  nahm,  sich  auch  all'  der  Rechte  versichern 
wollen,  welche  die  Herzoge  von  Kärnten  hier  einst  besassen. 
Das  wird  durch  diesen  Obödienzrevers  in  klaren  Worten  un- 
zweideutig bewiesen. 

Eine  überraschende  Perspective  von  mächtiger  politischer 
Tragweite  eröffnet  sich  uns.  Meinhards  ganze  Kirchenpolitik 
in  Kärnten  und  Krain  um  jene  Zeit,    sein  Vorgehen    insbeson- 


>  Ktzangsber.  der  Wiener  Akad.  19,  S64,  Nr.  V. 

»  A.  a.  O..  196  f. 

■  Geocb.  Kraiiu  1,  209,  Aiiin.  1. 

*  Vgl.  Klun's  Archiv   1,  SS5. 


63 


ders  gegen  Freising  und  Aquileia,  die  Verpflichtung  von  Dienst- 
Diiinnen  auf  Krainer  EigenglUcrn  der  früheren  Kärntner  Her- 
loge,  endlich  aber  die  förmliche  Annahme  des  Titels  ,Herr  zu 
Krain*  (dominus  Camiole)  —  das  Alles  sind  Glieder  einer  Kette, 
Zeugnisse,  die  sich  zu  einem  Beweise  kräftig  vereinigen.  Mein- 
h»rd  hat  nicht  nur  Ansprüche  auf  Kärnten,  sondern 
aach  auf  den  sponheimischcn  Besitz  in  Krain  erhoben 
aad  er  hatte,  wie  jene  Urkunden  aus  den  Jahren  1283 
und  1284  zeigen,  dieselben  noch  keineswegs  aufge- 
geben, als  die  Söhne  Rudolfs  mit  Krain  und  der  Mark 
in  Augsburg  (December  1282)  feierlich  belehnt  wurden. 
So  tritt  hier  ein  Gegensatz  von  Bestrebungen  zu  Tage, 
aus  dem  sich  naturgemäss  Schwierigkeiten  ergeben  mussten. 
Nicht  als  ob  —  wie  man  früher  annahm'  —  in  jenen  Vor- 
gängen eine  direct  feindselige  Haltung  Meinbards  den  Habs- 
liorgem  gegenüber  zu  erblicken  wäre.  Der  Titel  ,Herr  zu 
Krain"  verstiess  ja  nicht  an  sich  gegen  deren  Rechte.  Meinhard 
bleibt  fortgesetzt  in  freundschaftlichen  Beziehungen  zu  König 
Rudi)If  und  dessen  Haus.  Im  Jahre  1283  hat  er,  als  zwischen 
Albrecht  und  dem  Herzog  von  Baiern  ein  Krieg  auszubrechen 
drohte,  den  Frieden  vermittelt.  In  Wien  selbst  hat  er  eine 
Urkunde  als  dominus  Camiole  ausgestellt  (1284).  Unbehindert 
von  Rudolfs  Söhnen,  den  damaligen  Lehensträgern  Kärntens, 
hat  Meinhard  mit  neuen  Erwerbungen  damals  seine  Stellung  in 
diesem  Lande  noch  mehr  gefestigt.  Bei  dem  Ankauf  der  Moos- 
Imrgischen  Güter  stand  Pfalzgraf  Ludwig,  König  Rudolfs  ge- 
treuer Schwiegersohn,  ihm  hilfreich  zur  Seite.*  Kleinere  Besitz- 
erwerbungen gingen  nebenher.'  Eben  damals,  schon  1283, 
wurden  auch  bereits  Schritte  bei  den  geistlichen  Lehensherren 
gemacht,  welche  die  Rückübertragung  der  Kirchenlehen  an 
Meinhard  zum  Zwecke  hatten.  Am  17.  December  dieses  Jahres 
gab  der  Bischof  von  Bamberg  die  feierliche  Erklärung  ab,  dass 
er  alle  OUter  im  Herzogthum  Kärnten,  welche  die  Söhne  Rudolfs 


'  So  Stflgnuion,  a.  a.  O.,  S.  196.    Vgl.  dazu  Lausch,  a.  a.  O.,  S.  33  f. 

*  V^L  die  Urkunde  des  Pfalisgrnfen  Ludwig  vom  30.  December  1282   (bei 

Bta^mann,  S.  S66,  Nr.  VU).     Uebor  dos  Datum  Rcdlicb,  Reg.,  Nr.  1752. 
'  So  kaufte  er  1283  von  Meinhard  von  ZeuKleinsdorf  dessen  Hof  zu  Reif- 

oiU  am  WOrthersee  (Urkiinde  bei  Stligmaiin,  S.  236,  Nr.  IX),  1285  aber 

vom   Kloster  Oiwiach   nenn  Mansen  bei  der  Barg  Lowonbnrg.     (Beilage 

Nr   V.} 


64 


von  ihm  zu  Lehen  hUtten,  an  Meiohard  llbertragen  werde,  so- 
bald jene  darauf  verzichUiten. '  Das  ist  allerdings  zunächst  nur 
eine  Verpflichtimg  zu  Gunsten  des  Tiroler  Grafen.  Gewiss. 
Aber  dieser  Schritt  ist,  wie  bei  den  nahen  Beziehungen  des 
Bambergers  zu  den  Flabsburgern'  anzunehmen  ist,  offenbar 
unter  Vorwissen  Letzterer  erfolgt.  Sie  scheinen  also  damals 
kaum  mehr  abgeneigt  gewesen  zu  sein,  jenen  Verzieht  zur  That- 
sache  werden  zu  lassen. 

Anderseits  aber  waren  die  Sühne  Rudolfs  fest  entscldossen, 
Krain  und  die  Mark  ganz  für  sich  in  Anspruch  zu  nehmen. 
Während  Kärnten  in  der  Belehnungsurkunde  selbst,  ebenso 
wie  in  dem  Rheinfcldcncr  Hausgesetz  vom  1.  Juni  1283  fehlt, 
erscheint  Krain  und  die  Mark  in  beiden  aufgenommen.  Die 
Habsburger  haben  denn  auch,  obwohl  diese  Gebiete  an  Mein- 
hard  verpfilndet  waren,  sofort  nach  der  Belehnung  den  Titel 
,dominus  Carniole  et  Marchie'  angenommen,  was  sie  hinsichdich 
Käi-ntens  nicht  thaten.  Allerdings  hat  Meinhard,  wie  man  ein- 
wenden kann,  dies  auch  gethan.  Aber  gerade  da  wird  bei 
näherem  Zusehen  doch  ein  wichtiger  Unterschied  Meinliard 
gegenüber  bemerkbar.  Der  unbestimmte  lateinische  Titel  do- 
minus Carniole  et  Marchie  wurde  von  beiden  Seiten,  wie  die 
klarere  Ausdrucksweise  der  deutschen  Originalurkunden  aus 
jener  Zeit  beweist,  doch  wesentlich  verschieden  gefasst.  Während 
Moinhard  sich  ,Herre  ...  z  e  Chrayn  onde  der  Windischen 
March'  nennt,'  hat  Albrecht  sich  als  ,herre  von  Kraien  vnt  von 
der  March'  bezeichnet.*  Kann  jener  Titel  im  Sinne  von  grund- 
herrschaftlichen Rechten  in  Krain  und  der  Mark  gedeutet 
werden,  so  bringt  dieser  unzweifelhaft  weitergehende  Ansprüche 
zum  Ausdruck,  indem  die  Herrschaft  hier  auf  das  Land  schlecbt- 
hin,  das  heisst  auf  das  ganze  Land  bezogen  erscheint.  Ist  somit 
die  von  Meinhard  gewählte  Form  seinen  blos  auf  die  Spon- 
heimer  Eigengüter  in  Krain  gerichteten  Ansprüchen  adilquat, 
80  scheint  eine  Berücksichtigung  der  habsburgischen  Rechte  auf 


'  Urkunde  bei  Stahmann,  a.  «.  O.,  8.  254,  Nr.  IV. 

*  Bischof  Berthold  uontit  die  SOhiie  Kadolfn  in  der  Urkunde  gelbst  ,eon- 
itangoinei  nostri  dilecti'.  Er  war  nucli  kurr.  zuvor  in  Wien.  V^l.  Ur- 
kundenbucli  den  Landes  ob  der  Eiin.s  i,  12  (lU.  Octobnr). 

'  Font  rer.  Austr.  U,  1,  2U. 

*  Vgl.  die  Urkunde  Albrechta  vom  83.  November  1284.  Font,  rer.  Austr 
II,  31,  420. 


4 


65 


das  Land  Krain  seinerseits  auch  dann  gelegen,  dass  er  in  Ur- 
kunden, zu  deren  Ausstellung  er  als  Pfandbesitzer  von  Krain 
berufen  war,  sich  jenes  Titels  überhaupt  enthielt. ' 

Die  Habsburger  waren  aber  nicht  gewillt,  auf  jene  An- 
sprüche Meinhards  einzugehen.  Sie  betrachteten  vielmehr  Krain, 
trotzdem  es  jener  pfandweise  thatsKchlich  besass,  als  ihr  Land 
und  übten  dortselbst,  mindestens  über  ihre  Lehensloutc  und 
Dienstmannschaften,  sowie  als  Inhaber  der  Kirchenlehon  eine 
gewisse  Oberherrlichkeit  aus.* 

So  bestanden  zwischen  den  Söhnen  Rudolfs  und  Meinhard 
Schwierigkeiten,  die  zwar  nicht  den  Charakter  einer  acuten 
Spannung  annahmen,  aber  ein  latentes  Hindernis  für  einen 
definitiven  Ausgleich  beiderseits  bildeten.  Sie  weisen  einen 
directen  Znsammenhang  mit  der  Frage  nach  dem  Kärntner 
Herzogthum  auf,  da  sie  ja  aus  der  verschiedenen  Auffassung 
von  dem  Umfang  der  damit  verbundenen  Rechte,  vor  Allem 
auch  in  Krain,  entstanden  waren.  Unwillkürlich  lenkt  sich  sn 
der  Blick  auf  die  vielumstrittcne  Bclehnungsfrage  selbst  zurück. 
SoOte  damit  etwa  der  richtige  Schlüssel  zu  ihrer  Erklärung 
gegeben  sein? 

Die  bisherigen  Lösungsversuche  haben  meines  Erachtens 
Doch  eine  recht  schwache  Seite,  die  ich  bisher  noch  gar  nicht 
hervorgehoben  habe.  Wenn  wirklich  nur  formelle  Schwierig- 
keiten im  Jahre  1282  das  Hindernis  bildeten,  Kiirnten  definitiv 
an  Meinhard  zu  übertragen,  bleibt  es  denn  nicht  höchst  merk- 
irürdig,  dass  zu  deren  Bereinigung  nachher  noch  mehr  als  drei 
Jahre  nöthig  waren?  Wenn  wir  sehen,  dass  bereits  ein  Jahr 
später  (12S3)  die  Rückübertragung  der  Kirchenlehen  in  Aus- 
sicht genommen  erscheint,  warum  wurden  dann  ernstliche 
Scliritte  zur  definitiven  Lösung  erst  im  Jahre  1285  eingeleitet? 
Damals    erst    wurden    die    Willebriefe    der    Kurfürsten     zur 


'  V^l.  die  Urkunde  Meinb^rds  für  dss  Kloster  MicheUtetten  in  Krain  vom 
28.  Angost  1883.  SiUnugsber.  der  Wiener  Akad.  19,  267  (mit  verlesener 
Datinuigsieile.     Im  Originale:    Uli  die  exeunte  nugnsto  indictione  an- 

.deeima).     Duselbe    iat   auch   in   den  Urkunden  Meinhards   für  Tirol  an 

'  Terfolpen.  —  Vgl.  daau  auch  die  unten  S.  83,  Anm.  1   citirten  Urkunden. 

'  Vgl.  den  Obndienirever»  Wilhelms  von  SchKrfenberg  vom  8.  Mai  1284 
(Beilage  Nr.  IV)  und  dazu  die  Urkunde  Albrecht»  vom  23.  November 
1284  (tVinL  rer.  Anitr.  U,  81,  420),  durch  die  er  den  Vergleich  doaaelben 
mit  Freising  beurkundet. 

inkir.   LXUVH.  Bd    I.  Hilft«.  ' 


66 

Bdehnang  Meinhards  mit  dem  Ilerzogthume  Kärnten  ein- 
geholt. * 

Oeatohen  wir  es  uns  nur:  Die  einzelnen  Etappen  in  der 
w«iterea  Entwicklung  jener  Frage  weisen  zeitliclie  Spatien  auf, 
fllr  die  nach  den  bisherigen  Hypothesen  eine  befriedigende 
Krklnnmj?  nicht  zu  finden  ist. 

Sonderbar  kann  erscheinen,  dass  in  der  Literatur  über 
dio  Kärntner  Belehnungsfrage  den  Ereignissen,  die  der  that- 
•tti'hlichon  Lösung  jener  Schwierigkeiten  unmittelbar  voran- 
gingen, nicht  mehr  Beachtung  zutheil  ward.  Auffallen  muss 
An  der  Vertrag  vom  23.  Jänner  1286,  der  zwischen  Herzog 
Albroüht  von  Oesterreich  und  Meinhard  geschlossen,  von  dem 
Kflnigo  selbst  beurkundet  wird.*  Ei-  enthält  die  Bedingungen, 
unter  welchen  das  Herzogthum  Kärnten  an  Meinhard  verliehen 
werde  sollte.  Eine  genaue  Abgrenzung  der  Rechte  zwischen 
ihm  als  ktlnftigem  Herzog  dieses  Landes  und  Herzog  Albrecht 
hat  er  zum  Zwecke.  An  allererster  Stelle  aber  finden 
wir  die  Bestimmung,  dass  Meinhard  auf  Grund  der 
Ucbertragung  des  Herzogthums  oder  der  Landesherr- 
schaft von  Kärnten  durchaus  kein  Hecht  in  den  Län- 
dern Krain  und  der  Mark  erwachsen,  sondern  diese  viel- 
laohr  mit  allem  Zugohör  dem  Sohne  Rudolfs  verbleiben 
sollten.  Ganz  besonders  wird  letzterem  der  Besitz  vorbehalten, 
den  einst  die  Herzoge  von  Kärnten  in  Krain  uud  der  Mark  inne- 
hatten; auf  ihn  soDte  Meinhard  keinen  Rechtsanspruch  haben.' 


'  Ba  üt  aus  allerdingü  nnr  ein  solcher  (jeuer  Herzog  Albrecbts  tod 
Sacbsen)  erhalten.  Er  datirt  vom  29.  März  128&.  StO^manu,  a.  a.  O., 
S.  261. 

»  Ebenda,  S.  268. 

*  Dio  in  Betracht  kommende  Stelle,  bei  Stngmann  recht  fehlerhaft  wieder- 
gegeben, lautet:  ,Quod  ex  collacione  ducatus  sive  principatns 
terre  Karinthie,  quo  dicti  cumitia  titulum  ampliare  disponimus,  eidem 
in  terris  Carniole  et  Marchie  Sciavice  que  vulgo  \Vindi.icbmarich 
dioitur,  nnllum  ius  penitns  acquiratnr,  quam  pocius  dicte  terre  cum 
ministerialibus,  castris.  oiritatibas,  bonis,  bominibus,  advocaciis  et  ceteris 
suis  pertiuenciis  nnivertis  libere  apnd  filinm  nostrom  predictnm  perma- 
neant  cum  omni  iuris  plenitndine,  sicut  enndem  iam  pridera  apud  Augu- 
stam  sceptro  nu^tro  regio  investivisse  recolimus  de  eisdem;  salria  per 
omnia  filio  nostro  predicto  castris,  civitatibu»,  mini.iterialibus  ac  ceteris 
bonis  et  iuribiui  quocanque  nomine  een.'eantnr,  ei  qua  in  terria  predictis, 
scilieet  Carniole  et  Marchie  ab  olim  principe«  sive  duces  Karinthie  quo- 
canque iure  vel  titulo  pu68ederunt,    ad  que  dictus  comes  pretextu 


67 


Man  sieht,  was  bei  dieeem  Vertrage  die  Hauptsache  war. 
Meinhard  sollte  das  Herzogthum  Kärnten  erhalten.  Aber  nur 
unter  ganz  bestimmten  Bedingungen  und  Reservaten.  Aus- 
drücklich wird  denn  auch  im  zweiten,  positiven  Theil  des  Ver- 
trage«, der  die  Zusicherung  an  Meinhard  enthält,  nochmals 
hervorgehoben,  dass  derselbe  das  Herzogthum  im  Allgemeinen 
Ewar  mit  all'  den  Rechten  und  Ehren  besitzen  solle  wie  einst 
die  Herzoge  Bernhard  und  Ulrich  zu  Zeiten  der  Herzoge 
Leopold  und  Friedrich  von  Oesterreich  Steier,  jedoch  mit  einer 
Aasnahme:  der  Besitz  jener  Herzoge  in  Krain  und  der  Mark 
sollte  Albrecht  verbleiben  und  von  der  Herrschaft  über  diese 
KiDe  LSnder  selbst  nicht  abgeschieden  werden  (et  ab  ipso  ter- 
tuiun  suarum  dominio  nuilatenus  sequestrentur). 

Diese  Beschränkung  der  mit  dem  Herzogthum  Kärnten 
bisher  verbundenen  Rechte  muss  umsomehr  auffallen,  als  eine 
Reciprocität  auf  Seiten  der  Herzoge  von  Oesterreich  hinsicht- 
lich des  Besitzes  ihrer  Vorgänger  in  Kärnten  nicht  platzzu- 
irreifen  hatte.  Es  werden  vielmehr  alle  Rechte,  welche  einst 
die  Herzoge  Leopold  und  Friedrich  von  Oesterreich-Steier  in 
Kärnten  besassen,  auch  Albrecht  wiederum  zugesichert. 

Der  Umstand,  dass  der  Belohnung  Meinhards  mit  Kärnten 
ein  solcher  Vertrag  vorangeht,  ist  hoehbedeutsam.  Noch  mehr 
aber,  dass  die  Stipulationen  desselben  auch  in  die  Belehnungs- 
orkunde  selbst  mit  aufgenommen  wurden.  Der  innere  Zu- 
luniuenhang  tritt  so  auch  äusscrhch  zu  Tage.  Die  Begründung 
nun,  mit  der  jene  Vertragsbedingungen  hier  aufgenommen 
werden,  ist  bezeichnend:  ,Ne  ex  infeodacionc  predicta  inter 
preftttum  Albertum  filium  nostrum  suosque  successores  in  du- 
eatibns  sive  dominus  supradictis  ex  una  et  iam  dictum  Mcinhar- 
^^Btn  duccm  suosque  successores  in  ducatu  Karinthie  ex  parte 
ulla  in  posterum  dissensionis  mntcria  valeat  sub- 
oriri.'  Man  muss  dazu  aber  auch  noch  den  Motiven bericht  in 
jenem  Vertrag  selbst  hinzuhalten:  ,Perpetuc  pacis  et  ami- 
ücie  f edera  inter  illustrem  Albertum  ducem  Austrie  et  Stirie 
dominum  Camiole,  Marchie  et  Portusnaonis  principem  filium 
nostnira  dilectum  ex  una  et  spectabilem  virum  Mcinhardum 
comilcm  Tyrolensem  socerum  suum  ex  parte  altera  vigore  por- 


collacionic   leu  infeodaoionia  ducatns  Karinthie  nallain  nm- 
<|a»m  inri«  Ant  r.^^.ti  respectTini   hah<>bit. 

5» 


petuo  affectantes  tarn  filio  nostro  predicto  quam  ipai  comiti 
in  futurum  taliter  providemus.' 

Kann  man  eine  deutlichere  Sprache  da  noch  verlangen? 
Ich  glaube,  dr-r  Einblick,  den  wir  :dso  gewinnen,  ist  voll  und 
klar:  Es  hat  damals  thatsäehlich  nicht  die  Aussicht 
auf  eine  perpetua  pax  et  amicitia  zwischen  Herzog 
Albrecht,  dem  , dominus  Carniolc',  und  Meinhard  be- 
standen, und  die  ,di8sensionis  matoria',  welche  für  die 
Zukunft  aus  der  Welt  geschafft  werden  sollte,  ist  in  dem 
Inhalt  des  Vertrages  vom  23.  Jänner  zu  finden,  das  hoisst 
in  der  staatsrechtlichen  Stellung,  die  Krain  fürdcr  ein- 
nehmen sollte.  So  wird  unsere  Auffassung  von  den  Vorgängen 
der  Jahre  1283 — 1286  tind  specicll  auch  die  Annahme  von  Mein- 
hards  Ansprüchen  auf  Krain  hier  auf  das  Glänzendste  bestätigt. 
Gleich  nach  der  Beilegung  jener  Differenzen  zwischen  Herzog 
Albreclil  und  Meinhard  ist  die  Belehnung  des  Letzteren  mit 
dem  Ilerzogtbuni  Kärnten  erfulgt  auf  Bitten  der  Söhne  Rudolfs, 
die  darauf  freiwillig  (in  die  Hand  des  Königs)  verzichtet  hatten.' 
Offenbar  ist  damit  die  Belehnungsfrage  erst  flott  geworden,  oder 
mit  anderen  Worten,  es  waren  eben  dies  die  Schwierigkeiten, 
welche  die  Belehnung  selbst  bis  dahin  verzögert  hatten.* 

Wir  wissen  nun,  weshalb  Meinhard  1282  nicht  mit  dem 
Ilerzogthum  Kärnten  belehnt  wurde.  Es  wird  aber  auch  be- 
greiflich, warum  dasselbe  damals  vielmehr  an  Rudolfs  Söhne 
verliehen  ward.  Wollte  der  König  ihnen  das  Land  Krain  in 
seinem  ganzen  Umfange  zuwenden,  so  war  vor  Allem  nöthig, 
dasselbe  aus  dem  Verbände  zu  lösen,  in  dem  es  zuletzt  mit 
dem  Herzogthum  Kärnten  gestanden  hatte.  Denn  es  war  natur- 
gemäss  vorauszusehen,  dass  der  neue  Inhaber  dieses  letzteren 
auf  Grund  jener  früheren  Verbindung  Ansprüche  darauf  geltend 
machen  werde.  Die  Sonderstellung  und  Verselbständigung  des 
Landes  Krain  in  staatsrechtlicher  Beziehung   ward    aber   dem- 


*  Vgl.  die  Belehnungfsurknnde  für  Meinhnrd  rom  1.  Februar  1286.  Schwintl 
und  Dopscli,  Ausgewählte  Urkunden,  S.  189. 

'  Vielleicht  darf  man  im  Hinblick  darauf  ancii  der  Thatsauhe  eine  tiefere 
Bedeutung  tumcssen,  da.«s  KOuig  Rudolf  in  dorn  Bripfe  vom  1.  Oer«inber 
1282,  durch  welchen  er  dem  KOnig  von  Enginnd  die  bevnrsleliende  Be- 
lehnung Reiner  Snhne  mittheilt  (vgl.  oben  ä.  4.'>,  Anni.  1),  unter  den  I>än- 
dem,  die  er  diesen  verleihen  wollte,  neben  Oesturreii^li  niid  Steiermark 
wohl  KKrnten,  nicht  aber  auch  Kraiii  anführte. 


69 


gtf^ndbcr  in  rechtsgiltiger  Form  vollzogreri,  wenn  (U-n  zukünf- 
lilEfen  Landesherren  auch  das  Herzogthum  Kärnten  seihst 
wenigstens  formell  übertragen  wurde,  der  neue  Herzog  aber, 
in  dessen  Hand  KUmten  dauernd  gedacht  war,  dasselbe  erst 
snf  Grund  i^ines  Verzichtes  jener  in  der  neugeplanten  und 
vertragsmässig  festgestellten  B'orm  erhielt.  So  wird  zugleich 
aach  die  frühere  Beobachtung  erklärt,  dass  es  sich  bei  der 
Bdehnang  der  äöhne  Rudolfs  auch  mit  Kärnten  lediglieh  um 
eisen  formellen  Act  gehandelt  habe,  ohne  dass  dieselben  in 
den  materiellen  Oenuss  der  ihnen  verliehenen  Rechte  eintreten 
wollten.  König  Rudolf  hat  ein  solches  Vorgehen  beob- 
achtet nicht  um  sich  Meinhard  noch  mehr  zu  verpflichten, 
sondern  um  die  beabsichtigte  Veränderung  des  staats- 
rechtlichen Gefüges  von  Krain  und  Kärnten  in  einer 
rechtlich  unanfechtbaren  Form  sicherzustellen.*  Des- 
halb hat  er  auch  die  1282  vollzogene  Belehnung  seiner  Sühne 
in  der  Belehnungsuikunde  Moinhards  ausdrücklich  hervorgeho- 
ben, während  sie  in  dem  Lehenbrief  vom  27.  Deccmber  1282  fehlt. 
Lassen  sich  bei  dieser  Auffassung  alle  Schwierigkeiten, 
die  gegen  die  bislier  gegebene  Erklärung  der  K.'lrntner  Be- 
Ichnnngsfrage  geltend  gemacht  werden  konnten,  lösen,  so  wird 
meines  Erachtens  nur  ein  Punkt  noch  der  Aufklärung  bedürfen. 
Man  wird  mit  Recht  die  Frage  aufwerfen,  was  denn  wohl 
Meinhard  gerade  damals  zum  Verzicht  auf  seine  Ansprüche 
Kinsichtlich  Krains  vermocht  habe,  nachdem  er  sie  zuvor  so 
lange  hartnäckig  aufrecht  erhalten  hatte.  Der  Einwand  darf 
um  so  begründeter  erscheinen,  als  der  Vertrag  vom  23.  Jänner 
1286  thatsächlich  eine  völlige  Capitulation  Meinhards  vor  den 
habsburgischen  Forderungen  bedeutet  und  nicht,  wie  man  etwa 

rten  könnte,  einen  Compromiss  zwischen  den  beiderseitigen 

Brüchen  darstellt. 


T;l.  lUxa  Lindner,  a.  a.  O.,  S.  63.  Ala  Analo^n  könnte  mau  vielleicUt 
die  bekannten  Vorgänge  bei  der  Erbobuug  Oetiterreicbs  zam  Henogthum 

rkerbeixiehen,  da  es  lich  dort  gleichfalls  am  die  VeraelbsUludigung  eines 
dahin  ia  einer  gewisien  Verbindung  mit  dem  benachbarten  Hur- 
ogthiini  (Baiern)    befindlichen  Territoriiinia   (dur  Mark  Oeaterreicb)   ge- 

Plkandelt  hat.  Nach  dem  Venticht  Heinrichs  Jnsomirgott  auf  das  Herxog- 
tbnm  Baiern  und  der  Uebertragnng  desselben  an  Hoinriuh  den  LOwou 
wird  die  damit  verbundene  Mark  Oeaterreiob  unter  besouderun  Formu- 
litäten  jenem  zurückgegeben  und  dann  erst  zum  llerzogthum  erhoben. 
Vgl.  ächwind  und  Dupacb,  Aosgewühlte  Urknnden,  8.  8. 


70 


Koch  am  Ausgang  des  Jahres  1284  sehen  wir  Mcinhard 
auf  seinen  Ansprüchen  fest  beharren.*  So  muss  der  Umschlag 
sich  im  Laufe  des  Jahres  1285  vollzogen  haben.  Er  bleibt 
um  so  merkwürdiger,  als  Meinhard  in  jenen  Jahren  (seit  1283), 
wie  wir  früher  sahen,*  mit  grossem  Geschick  an  der  Befesti- 
gung seiner  Stellung  in  Kärnten  und  Krain  gearbeitet  hatte. 
Nicht  unerwähnt  möchte  in  dieser  Beziehung  auch  das  Heirats- 
project  bleiben,  das  im  Jahre  1283  zwischen  Meinhards  Bruder, 
Albert  von  Görz,  und  Graf  Ulrich  von  Heunburg  vereinbart 
wurde.  Dem  gleichnamigen  Sohne  des  Ersteren,  Albert,  wurde 
damals  eine  der  Tüchter  des  Heunburgers  versprochen.'  Wir 
erinnern  uns,  dass  die  Heunburger  Grafen  in  Kärnten  und 
Krain  reich  begütert  waren;  wir  wissen,  welche  Rolle  Ulrich 
bereits  in  der  Kärnten- Kratncr  Frage  gespielt  hatte.  So  ^vurden 
neue  Familienbeziehungen  angeknüpft,  deren  Bedeutung  bei 
dem  Charakter  der  territorialen  Verhältnisse  von  Kärnten  und 
Krain  keineswegs  zu  unterschätzen  war.* 

Alles  zusammengenommen  wird  Eines,  glaube  ich,  klar. 
Es  muss  ein  bedeutendes  Motiv  gewesen  sein,  das  Meinhard 
zum  Aufgeben  seiner  langgehegten  Wünsche  und  Forderungen 
bewogen  hat.  Nur  unter  einem  Hochdruck  von  aussen  kann 
sich  Meinhard  zum  Abschlüsse  des  Vertrages  vom  23.  Jänner 
1286  herbeigelassen  haben. 

Ich  glaube  nun  nicht  irrezugehen,  wenn  ich  als  einzig 
mögliche  Erklärung  dafür  die  Nachrichten  heranziehe,  die  uns 
über  die  Ansprüche  König  Wenzels  von  Böhmen  auf 
Kärnten  überliefert  sind.  Erst  in  jUngster  Zeit  hat  Oswald  Ked- 
lich  jene  bedeutsame  politische  Action  ins  rechte  Licht  gerückt.' 
König  Wenzel,  Otakars  Sohn,  hatte  eben  um  jene  Zeit  den  Plan 
gefasst,  die  Länder,  welche  einst  sein  Vater  besessen,  womöglich 


I 
I 


'  Die  oben  S.  54  beaprochene  Urkunde  Meinh&rds  fUr  HoiligenkreuK  Ut 
am  B.  December  ausgestellt. 

*  Vgl.  8.  69  r. 

*  Original  Staatsarchiv  Wien.     Ein  Auszug  bei  Tangl,  S.  401  f. 

*  Vgl.  oben  S.  9  ff.  Beachtet  man  Überdies  auch  die  Namen  der  Bürgen, 
die  der  Heunburger  dem  Grafen  Albrecht  sur  Sicherung  dieses  lleirals- 
projectes  stellte  —  es  sind:  Graf  Priedricli  von  Ortenburg,  Ulrich  von 
Schärfenberg,  Otto  von  Emmerberg  and  Otto  von  Weisseneck  —  so  ent- 
hüllt sich  uns  ein  förmliches  Gewebe  von  persOnUchen  Beziehungen 
unter  dem  Adel  jener  Länder. 

»  A.  a.  O.,  8.  160  ff. 


d 


71 


zurQckzugewinuen.   ZanäcLst  Kiirnten.   Sicher  bereits  im  Jahre 

1286  hat  er  sich  an  König  Rudolf  selbst  gewendet  mit  der 
Forderung,  seine  angeblichen  Rechte  auf  dieses  Land  anzu- 
erkennen. Ja  er  ging  alsbald  noch  weiter.  Indem  er  unter 
Ignorirung  der  Belehnung  Meinhards  Kärnten  als  sein  Land 
betrachtete.  Icpte  er  im  Mjlrz  1287  auf  die  Nachricht,  dass 
Meinhard  sich  um  die  Bamberger  Kirchenlehen  bewerbe,  da- 
gegen bei  dem  Bischof  dieses  Hochstiftes  förmlichen  Protest 
ein. '  Wie  auf  das  Land  Kärnten  selbst,  so  hat  er  insbesondere 
auch  auf  diese  Kirchenlehen  ErbansprUehe  geltend  gemacht. 
,0b  schon  vor  der  Belehnung  Meinhards,'  sagt  Redhch,  ,wissen 
wir  nicht,  jedenfalls  aber  nicht  lange  darnach.'  Da  nun  Wenzel 
selbst  in  jenem  Schreiben  an  den  Bamberger  Bischof  erklärte, 
dftss  er  bereits  einige  ]\Ialc  (aliquociens)  an  König  Rudolf  mit 
jenem  Ansinnen  herangetreten  sei,  anderseits  aber  als  eigent- 
liche Seele  jener  Revindicationspolitik  des  Böhiiienkönigs  dessen 
Stiefrater,  Zawisch  von  Faikenstein,  zu  betrachten  ist,  der  den 
König  bereits  seit  dem  Jahre  1284  durchaus  beherrschte,*  so 
steht  der  Annahme  nichts  im  Wege,  dass  jene  Ansprüche  that- 
siU;hlicb  bereits  vor  der  Belehnung  Meinhards  erhoben  wm-den. 

Damit  wird  die  plötzliche  Veränderung  in  der  Haltuug 
Meinhards  verständlich.  Er  sah  sich  so  unerwartet  vor  eine 
pobtische  Constellation  gestellt,  der  gegenüber  es  für  ihn  kein 
Bedenken  mehr  geben  konnte.  So  hat  er,  da  seine  Herrschaft 
in  Kärnten  selbst  neuerdings  bedroht  erschien,  in  der  Krainer 
Frage  nachgegeben,  um  sich  die  Geneigtheit  der  Habsburger 
and  speciell  des  Königs  auch  zu  sichern.  Der  Vertiag  vom 
23.  Jänner  und  die  eine  Woche  später  erfolgte  Belehnung 
Meinhards  mit  dem  Herzogthum  Kärnten  sprechen  eine  deut- 
liche Sprache. 

Der  Böhme  aber  gab  auch  in  der  Folge  nicht  nach.  Ja 
Bint,  dass  eben  sein  König  Rudolf  liochst  unbequemes 
5n  auf  jenen  Ansprüchen  geradezu  der  Grund  gewesen 
ist  für  die  Spannung,   die  zwischen  ihnen  beiden  im  Frühjahr 

1287  merklich  wird.'   Aus  demselben  Grunde  offenbar  ist  denn 


'  T^L  den  Brief  WenxeU  an  Bischof  Arnold  von  Bamberg  Tom  17.  März 
(1387)  bei  Kedlich,  a.  a.  0.,  161.  In  douiselbon  bezeichnet  er  Moinhnrd 
Dar  als  ,comeB  de  Thyrol',  Karuton  aber  als  .terra  nustra'. 

•  Vgl.  RcdUch,  a.  ».  O.,  S.  150. 

*  Ebenda  8.  Iö4  und  dazu  desselben  Beg.  HudoUb,  Mr.  8089. 


79 


auch  Meinimrd  seinerseits  spiltcr  nie  wieder  auf  seine  früheren 
Fonlerungcn  zurückgekommen,  sondern  vielmehr  Herzog 
Albrecht  in  dauernder  Freundschaft  verbunden  geblieben.  Die 
Gemeinsamkeit  der  Bedrohung  von  Seiten  Böhmens  war  das 
sicherste  Unterpfand  daftir.  Nicht  auf  Kärnten  allein  be- 
schränkten sich  ja  die  Ansprüche  des  Böhmen,  auch  auf  Oester- 
reich  und  Steier  richtete  sein  Ehrgeiz  begehrlich  die  Augen.' 
Fortlaufend  ist  dieses  Leitmotiv  der  böhmischen  PoHtik  dann 
zu  Ungunsten  dos  Hauses  Habsburg  wirksam  geworden:  1290 
sind  König  Rudolfs  Bemtihungen,  die  deutschen  Fürsten  auf 
dem  Erfurter  Tage  zur  Ortbiung  der  Nachfolge  (Wahl  Albrechts) 
zu  gewinnen,  an  dem  Widerstände  Wenzels  gescheitert.*  Er 
ist  es  auch  gewesen,  der  nach  dem  Tode  Rudolfs  1292  die 
Wahl  Albrechts  zum  deutschen  König  vereitelt  liat.'  Ja,  er 
hat  nicht  nur  den  neuen  König  Adolf  von  Nassau  gleich  nach 
dessen  Wahl  zu  dem  Versprechen  bewogen,  seine  Ansprüche 
auf  Uesterreich,  Steiermark,  Körnten  und  Zugehör  unterstützen 
zu  wollen,*  einen  förmlichen  Fürsteubund  hat  er  damals  im 
Jahre  1292,  zu  bilden  gesucht  zu  dem  Zwecke,  Herzog 
Albrecht  die  Steiermark  und  Kärnten  Meinhard  zu  entreissen.* 
Durch  diese  von  ihrem  Standpunkte  aus  gewiss  gross- 
artige Politik  Böhmens  war  die  Hakung  der  Habsburger  hin- 
sichtlich Kilrntens  ebenso  vorgeschrieben,  wie  der  endgiltige 
Verzicht  Jleinhards  auf  seine  einstigen  Forderungen  in  Krain 
bedingt.  Die  Kärnten-Krainer  Frage  ist,  da  jene  Aspirationen 
thatsächlich  keinen  praktischen  Erfolg  zeitigten,  dadurch  in  der 
Folge  nicht  mehr  tangirt  worden.  Sie  war  im  Wesentlichen 
bereits  am  Beginne  des  Jahres  1286  thatsächlich  gelöst. 

Das  königliche  Diplom  über  die  Belehnung  Meinhards  mit 
dem  Ilcrzogthura  Kärnten  vom  1.  Februar  12B6  darf  so  eine 
eminente  politische  Bedeutung  für  sich  in  Anspruch  nehmen. 
Noch   grössere  Wichtigkeit   aber   kommt   demselben   in  staats- 


■  Redlich,  a.  a.  O.,  S.  IdS  ff. 

'  Pregor,  Albrecht  von  Oesterreicb  und  Adolf  von  Nassau,  2.  Aufl.,  S.  7  ff. 

'  Bussun,  Beitr.  zur  Kritik  der  steirischen  Reimchronik  and  zur  Reichs- 
geschichte im  13,  und  14.  Jahrhundert  (II.  Die  Wahl  Adolfs  von  Nassau), 
äitzuugsbor.  der  Wiener  Akad.  114,  36. 

♦  Prcger,  a.  a.  O.,  8.  30  und  50. 

*  Vgl.  darüber  niuineii  Aufsatz:  ,Ein  iiutibiibsburgisi'hor  FUrslonbund  im 
Jahre  129ä.'    Mittb.  des  Instituts  für  Ostorr.  Geschichtsforschung,  31.  Bd. 


73 


rechtlicher  Beziehnnp  zu  hinsichtliih  KUmtens  selbst  sowohl,  als 
insbesonders  für  Krain.  Nicht  mit  Unrecht  hat  es  ein  illterer  For- 
scher in  diesem  Sinne  geradezu  als  ,ein  wahres  Staatsgrundgesetz' 
bezeichnet.'  Krain  nimmt  von  da  ab  tliatsjlchlich  eine  andere, 
selbständige  Stellung  ein.  Die  frülieru  Verbindung  mit  Kärnten 
w»r  tormlich  und  in  staatsrechtlich  giltiger  Weise  aufgehoben. 
Zugleich  aber  ward  durch  die  Vereinigung  dos  ehemals  babcn- 
bergischeu  und  sponheimischen  Besitzes  daselbst  die  Einheit- 
lichkeit dieses  Territoriums  begründet.  Die  allniUlige  Säculari- 
sirung  des  reichen  Kirchengutes  im  Lande  konnte  für  die  also 
gefestete  Stellung  der  landesfürstiichcn  (Jcwalt  nur  mehr  eine 
Frage  der  Zeit  sein.  Sie  ist  denn  auch  bereits  unter  Albrecht  I. 
wirksam  in  Angriff  genommen  worden.* 


Die  Schwierigkeiten,   welche  die  Krainer  Vcrhilltnisse  der 
definitiven  Kegelung  der  KUrntncr  Frage  bereitet  hatten,  waren 
so    rechtlich    durchaus    bereinigt.      Allerdings    blieben    Krain 
und  die  Mark    zunilchst   thatsilchlich    in    der  Hand   Meinluirds, 
^    dem  sie  König  Rudolf  verpftlndet  hatte.    So  ist  es  nothwendig, 
■    zum  Schlüsse   noch    die  Geschichte   dieser  Verpfilndung  näher 
I     zu   untersuchen,    um   über   die   rechtliche  Natur  und  politisclie 
I     Bedeutung   derselben   ein   sicheres  Urtheil  zu  gewinnen.     Das 
I     erscheint  hier  umsomehr  geboten,  als  Luscliin  in  jüngster  Zeit 
I     darttber   eine   Ansicht   geäussert   hat,    die   nicht   unbesprochen 
bleiben  kann,    da   sie   an    einer   bedeutungsvollen    Stelle'    vor- 
getragen und  thatsächlich  bereits  auch  von  einem  Schüler  Lu- 
Ischin's  weiter  verbreitet  wurde.* 
Es  wird   nothwendig   und   zugleich   am   einfachsten    sein, 
dieselbe  hier  wörtlich  wiederzugeben.   Seit  12G1  (dem  Vertrage 
Ulrichs  von  Sponheim  mit  Aquileia),   meint  er,    ,theilten  Ober- 
und  Unterkrain  die  Schicksale  von  Kärnten  und  gingen  nament- 
lich 128ß  auch   an  Herzog   Meinhard    über,    obgleich    die   Bc- 


>  Tangl,  a.  s.  O.,  431.     Vgl.  dazu  Dimitz,  Gesch.  Krains  1,  206. 
i*  Vgl.  nnteo  S.  89  f. 
r*  Oesterroicbüclie  Ruicbggesch.,  oin  Lelirbacb,  S.  94. 

•  W.  Lerec,  Die  krainiscben  Landhandventen,  Mitth.  de«  Inntituüi  für  önterr. 
icbtfforschung   19,  256. 


74 


lehnong  der  Habsbarger  mit  Krain  vom  Jahre  1282  in  Kraft 
blieb.  Die  Erkenntniss,  dass  dies  wichtige  und  bedrohte  Grenz- 
land zn  seiner  Behauptnng  der  mihtärischen  Anlchnang  an 
Kärnten  bedürfe,  die  Besorgniss.  dass  Reinhard  den  Sponhei- 
mischen  Besitz  als  Zagchör  seines  Herzogthtuns  einfordern 
könnte,  endlich  die  ErwJlgung,  dass  die  Grafen  von  Görz  schon 
von  früher  her  (1248)  als  Erben  der  Meranier  in  der  Mark 
reich  begütert  waren,  mögen  die  Herzoge  von  Oesterreich  zu 
einstweiligem  Verzicht  auf  Krain  bestimmt  haben,  wobei  sie  die 
Form  der  Verpfändung  wfihlten,  um  ihre  Ansprüche  nicht  ganz 
aufgeben  zu  müssen.  Mit  dem  Anfalle  von  Kärnten  im  Jahre 
1335  gelangte  auch  Krain  in  den  Besitz  der  Habsburger,  die 
sich  Herren  von  Krain  und  der  windischen  Mark  nannten.' 

Diese  weittragende  und  bedeutungsvolle  Annahme  ist, 
glaube  ich,  bereits  durch  die  früheren  Ausfllhrungen  in  allen 
einzelnen  Punkten  widerlegt.  Sie  basirt  vor  Allem  auf  der 
ganz  irrigen  \'oraussetzung,  dass  Krain  erst  damals,  1286,  an 
Meinhard  verpfändet  worden  seL  War  aber  diese  Verpfändung, 
wie  man  früher  bereits  annahm  und  auch  als  urkundlich  mehr- 
fach beglaubigt  erwiesen  werden  kann,'  wahrscheinUch  bereits 
im  Jahre  1276  eine  vollzogene  Thatsache,  so  kann  es  unmög- 
lich ein  politisches  Auskunflsmittel  gewesen  sein,  zu  dem  König 
Rudolf  erst  1286  gegriffen  habe.  Selbst  wenn  ursprünglich 
(1276)  ähnliche  Erwägungen,  wie  sie  Luschin  vcrmuthet,  den 
König  zum  Theile  mit  zu  jener  Verpfändung  bestimmt  hätten,^ 
so  waren  dieselben  bereits  durch  die  Ereignisse  der  nächsten 
Folgezeit  überholt  worden.  Der  Herzog  von  Oesterreich, 
Albrecht  —  seit  1283  war  nur  mehr  einer  —  hat  sich  keines- 
wegs auch  nur  zu  einstweiligem  Verzicht  auf  Krain  bestimmen 
lassen,  sondern  vielmehr  seine  Ansprüche  ihrem  vollen  Umfange 
nach  erfolgreich  durchgesetzt.  Meinhard  aber,  der  thatsächlich, 
wie  wir  sahen,  den  Sponhcimischen  Besitz  als  Zugehör  von 
Kärnten  eingefordert  hatte,  sah  sich  genötlngt,  nicht  nur  auf 
denselben  feierlich  zu  verzichten,  sondern  geradezu  die  Rechte 
Albrechts  auch  darauf  formlich  anzuerkennen. 

Das  kam  überdies  darin  zu  bedeutungsvollem  Ausdruck, 
dass   Meinhard,    der   sich    1283   und  1284  den   Titel   ^dominus 


•  Vgl.  den  EUcan. 

*  Ebendü  S.  98. 


75 


Carniole'  beigelegt  hatte,  denselben  vom  Jahre  128(3  ab  nie 
wieder  ftlhrte,  ebensowenig  als  seine  Söhne,  die  Krain  gleich- 
falls in  Pfandbesitz  hatten. '  Dagegen  haben  Albrocht  und 
dessen  Nachfolf;;er  im  österreichischen  Herzogthum  von  der 
Belchnung  im  Jahre  1282  ab  diesen  Titel  stÄndig  geführt,  er 
erscheint  auch  in  die  Umschnitt  ihrer  Siegel  aufgenommen,* 
ein  staatsrechtlich  nicht  unwichtiges  Moment,  das  dort  gleich- 
falls fehlt.» 

Gegen  die  Richtigkeit  der  Annahme  Luschin's  sprechen 
femer  auch  die  Nachrichten,  welche  über  die  Bolehnung  Mcin- 
liards  mit  Kilraten  (128(5)  vorliegen.  Gorade  aus  ihnen  hat 
man  friüier  allein  die  Thatsache  der  Verpfandung  Krains  ent- 
imen.  Es  wird  ihrer  n.'imlich  in  dem  Vertrage  vom 
Jänner,  welcher  der  Belchnung  vorausging,  gedacht. 


'  QegenQber  der  grossen  Masse  von  Urkunden,  in  denen  er  Obereiu- 
■timmend  fehlt,  kann  die  eine  Aosuahme  vom  Julire  13U3  nichts  besagen, 
wo  eine  Schenkung  eines  Kärntner  Ministerialen  durch  einen  ,dux  Ka- 
riuthie  et  Carniole'  (!)  —  der  Name  fehlt  —  bestätigt  wird.  Tanpl, 
a.  a.  O.,  779.  Die  uns  vorliegende  Form  des  StUckos  (nach  freundlicher 
Miltbeilnng  A.  v.  Jaksch'  nur  in  Copie  s.  XV  und  XVI  erhalten)  k.nun 
nicht  als  authentisch  betrachtet  werden.  Die  in  dnr  Beilage  Nr.  VII  ab- 
gedruckte Urkunde  aas  dem  Jnbre  1293  aber,  in  welcher  Meinbard 
als  .dominus  Carniole'  bezeichnet  wird,  ist  nicht  von  diesem  selbst,  sondern 
TOD  Herzog'  Albrecbt  von  Oesterreich  ausgestellt. 

'  Vgl.  Sava,  Die  Siegel  der  Bstorr.  Regenton  bis  zu  Kai.ier  Max  I.  Wenn 
auch  unter  Albrecht  I.  noch  nicht  die  volle  Titulatur  in  die  Siegel- 
I^ende  aufgenommen  erscheint  (nur  dtix  Austrio  et  Styrie)  [ebenda  S.  100], 
•o  hat  doch  die  Gemahlin  Albrechts  I.,  Klisabeth,  beroitä  als  Herzogin 
auch  den  Titel  ,domina  Carniole,  Marcliie  ac  Portusnaonis'  in  der  Siegel- 
nmacbrift  geführt.  Vgl.  Sava,  Dia  Siegel  der  österr.  Fürstinnen  im 
Mittelalter  S.  ». 

**  Nicht  unerw&hnt  mCchte  ich  hier  auch  lassen,  dass  Meinhard  und  sein 
Sohn  Otto  nachher  zu  dem  Wappen  von  Kumten  wohl,  so  wie  eiust 
Ulrich  von  Sponheim  (s.  oben  S.  11,  Anm.  2),  dou  Pfauenstosa  von 
Oe«terreich  Obomahmen,  nicht  aber  auch  die  Krone  wie  jener.  (Vgl. 
Anthony  v.  Siegenfeld,  a.  a.  O.,  8.  52.)  Offenbar  ward  ihnen  dies  von 
Kndolf  und  den  Habsbnrgem  nicht  mehr  gestattet.  Dieser  Unterschied 
ge^nOber  dem  letzten  Sponhoimer  ist  um  so  beacbten.iwertlier,  als  das 
neue  Herzogshaus  von  Kärnten  auch  sonst  hinsichtlich  des  Wappens 
dtnselbon  Brauch  befolgte  wie  Ulrich.  Die  Beschreibung  des  Wappen- 
adiiides,  das  Herzog  Heinrich  in  der  äehlacht  bei  GtiUheim  führte 
(Hirrelin,  Böhmer,  Font.  3,  483),  stimmt  genau  zu  jenem,  dessen  sich 
ülrieh  Ton  Sponheim  als  Mitregent  seines  Vaters  bediente.  (S.  oben 
a.  11.  Anm.  8.) 


Die  Art  und  Weise  nun,  wie  dies  geschieht,  ^vill  doch 
liouvhtot  sein.  Nur  in  Form  einer  Salvirungsclausel  zu  der 
Hostininuitig,  dass  Meinhard  auf  die  Besitzun.u;en  der  früliercn 
Kllnitner  Herzoge  in  Krain  und  der  Mark  keinen  Reeiits- 
nn8|irueh  haben  solle. '  Eben  hier  lag  also  ein  directer  Aniass 
vor.  .Meinhard  eine  Sicherung  zu  ertheilen  ftir  die  Schuldfor- 
dorung,  wogen  der  ihm  König  Rudolf  seinerzeit  (iam  duduml 
oben  jene  Lßnder  verpftlndet  hatte.  Beschränkt  sich  die  Er- 
wllhiiung  jener  Verpfiindung  hier  schon  auf  diesen  rechtlich 
grboteneu  Vorbehalt  und  wird  ob  der  näheren  Details  hier 
bereits  auf  Urkunden  Rudolfs  und  Albrechts  verwiesen,  die 
Meinhard  darüber  besonders  ausgestellt  worden  waren,  so  fehlt 
diene  Stolle  in  der  Belehnungsurkunde  Meinhards  überhaupt. 
Und  das  ist  um  so  auffallender,  als  die  anderen  Bestimmungen 
dieses  Vertrages  in  jene  wörtlich  übernommen  wurden.  Man 
sieht,  die  Verpfslndung  Krains  und  der  Mark  hatte  mit  den 
wichtigen  politischen  Transactionen  von  damals  gar  nichts  zu 
Bchafifen  und  war  keineswegs  dauernd  gedacht.  Meinhards 
Besitz  war  unabhängig  davon,  und  zwar  ftiiher  bereits  be- 
gründet und  durch  die  rechtliche  Natm-  des  Besitztitels  an  sich 
liraitirt.  Er  wurde  durch  die  staatsreditiich  so  wichtigen  Vor- 
gänge des  Jahres  1286  überhaupt  nicht  berührt.  Sobald  die 
Schuldforderung  beglichen  wurde,  hatten  auch  jene  Länder  an 
Albrecht  oder  dessen  Erben  zurückzufallen. 

Dieser  unseren  Auffassung  entspricht  denn  auch  das,  was 
wir  über  die  weitere  Greschichte  jener  Verpfllndung  wissen. 
In  negativer  und  positiver  Beziehung.  Als  nacli  dem  Tode 
Meinhards  (f  1295)  dessen  drei  Söhne  dann  von  dem  neuen 
deutschen  König  Albrecht  im  Jahre  12!'9  mit  dem  lierzogthum 
Kärnten  belehnt  wurden,  geschah  dabei  der  Verpfandung  Krains 
ebensowenig  Erwähnung  wie  im  Jahre  1286.  König  Albrecht 
belehnte   vielmehr   die  Söhne  Meinhards  mit  dem  Herzogthum 


'  Bei  StOginami,  u.  a.  O.,  S53:  .salvo  tarnen  eo  ilumtAxat  comiti  meniorato, 
qaod  ipse  conies  sepedictas  torras  Csrniolam  et  Marcliiam  Sclavicam, 
qaas  pro  quadam  samma  pocanio  seil  .irgenti  sibi  iani  ciuduiu  assigua- 
rimQa  obligatas,  tain  diu  qiiiote  possideat,  ({uousque  dicta  »uninia  pecii- 
nie,  que  noetris  ac  Hlii  nostri  predilecti  litcru  sibi  desiipor  traditis  est 
oxprsMa,  eidom  plenarie  fuerit  por.iolutji.  Qua  .süluciono  coinpleta  diite 
terre  ad  filium  uostrum  Albertum  Tel  saog  heredea  cum  omiiibus  perti- 
uoncüs  suis  et  iaribus,  sicut  suporius  expressuiu,  libere  reverteutuj-. 


^ 


77 


Kilmtcn  in  demselben  Umfange  —  so  lautet  die  Urkunde  selbst' 
—  wie  dies  einst  König  Kudoif  an  Meinhard  verlieben   hatte. 
Anderseits   aber   ist   wichtig  und  verdient  besonders  her- 
vorgehoben zu  werden,  dass  bei  den  späteren  Belehnungen  der 
Hnbsburger  auch    Krain   und   die  Mark  stets  unter  den  ihnen 
rom  Reiche  verÜehencn  Ländern  erscheinen,    ohne  dass  dabei 
des  fortdauernden    Pfandbesitzes   der   Kilmtner  Herzoge   auch 
nur  mit  einem  Worte  gedacht  wUrde.   So  1292  (König  Adolf),* 
—  über  die  Belehnung  Meinhards  durch  König  Adolf  besitzen 
wir  keine  urkundliche  Nachricht  —  so  129S  (König  Albi'echt), " 
80   1309  (^König  Heinrich  VII.),*  so  endUch  auch  1331  (Kaiser 
Ludwig).*     Dadurch    schon    wird    die    Annahme    jener    poli- 
tischen Bedeutung  dieses   Pfandbesitzes  widerlegt.    Noch  mehr 
aber    wohl     durch     die    Vorgänge    nach    dem    Erlöschen    des 
KAmtner  Herzogshauses   im  Jahre    1335.     Als  nunmehr   auch 
ilas  Herzogthura  Kärnten  an  die  Habsburger  Übertragen  wurde, 
Krain  und  die  Mark   aber  gleichzeitig  ihnen  dctiiiitiv  zutielon, 
nahm    Kaiser    Ludwig    keine    neue    Belehnung    mit    letzteren 
Lilndcrn   vor,   und   auch  in  der  Urkunde  über  die  Belehnung 
mit  Kärnten"  geschieht  derselben  keinerlei  Erwähnung.   Wohl 


I 


Kopp,  Oe»c)i.  iler  cidgenß»«.  BUnde  3.  2,  407,  Nr.  3:  ,ip80B  de  duc«tu 
Karinthie,  et  quemlibet  eoniin  in  solidam,  de  qao  claro  recordacionis 
dominus  Rndolfoa  Koniaiionini  rex  predecessnr  et  genitor  noster  kariiui- 
miis,  recolende  meinorie  quondam  MeinhiU'dani  dncem  Earinthie,  patreni 
ipaomm  nmiliter  investivit,  cnm  omnibui  sais  inribus  iurisdictionibiis 
pnMoaiionibuä  et  pertinenciis  quibuBcumiiue  et  generaliter  de  otnnibus 
(eodis  et  bonis  feudnlibus,  qiie  iidem  duces  et  coDiites  habere  tenere  et 
poMidero  a  nobis  et  imperio  dinoscuntur,  ceptro  nostro  regio  inventiviimi». 
I'ebcr  diene  liegen  keine  Urkunden  vor.  Jedoch  sagt  AlbrecUt  in 
■einem  «pSteren  Rechtfertigongsscbrcibon  an  den  Pnprt  (vom  Jahre  1.H02) 
mit  Bezog  anf  die  der  Wahl  Adolfs  von  Nassau  folgende  Zeit  ausdrürk- 
licb:  ,nos  ab  ipso  rege  [te.  AM/o]  dncatum  nojtrum  Änstrie  et  Styrio 
necnon  domioia  Carniole,  Marcbie,  PortuannonLs  in  foodum  rece- 
pimas.'  Kopp,  Keichsgosch.  3>>,  409.  Vgl.  Ober  die  December  129*2  (zn 
Uagenan)  erfolgte  Belebnang  Albrochts  Christian  Kuchimeister's  ,NUwe 
Ctsja  Mon.  ».  Oalli'  c.  62  (ed.  Meyer  von  Knonau,  St.  Qaller  Geschichts- 
•laellen  6,  247)  und  Johann  von  Victring  (Böhmer,  Font.  1,  331);  dazu 
Ann.  Sindelfing,  Mon.  Germ.  8S.  17,  307. 

Vgl.  Schwind  and  Dopsch,  Ausgow&hlte  Urkunden  zur  Verfassnngs- 
guschicbte,   166. 

SchrCttor,  Abhandl.  ans  dorn  Osterr.  Staatsrecht  S,  360. 
Ktnyerer,  Comnicnt.  pro  bist.  Alberti  11.  ducis  Anstr.,  82. 
Schwind  und  Dopsch,  a.  a  U.,  169. 


w 


aber  hat  im  folgenden  Jahre  (1336)  König  Johann  von 
BOhiuon,  da  er  im  Frieden  von  Enns  für  sich,  seinen 
gleichnamigen  Sohn,  sowie  die  beiden  überlebenden 
Töchter  des  letzten  Kärntner  Herzogs  zu  Gunsten  der 
Habsburger  auf  Kärnten  definitiv  verzichtete,  in  dem  Renun- 
ciationsinstrumeDt  zugleich  auch  den  Verzicht  auf  alle  Rechte 
in  den  Ländern  Krain  und  der  Mark  zum  Ausdruck  gebracht. ' 

Der  Unterschied  tritt  klar  hervor.  War  eine  neuerliche 
Uubertrngung  von  Kniin  und  der  Mark  an  die  Habsburger 
deshalb  nicht  nothwendig,  weil  sie  als  eigentliche  Besitzer  dieser 
Länder  (zu  LchenrecJit)  von  der  Reichsgewalt  bereit»  aner- 
kannt worden  waren  (1331),  so  musste  auf  der  Gegenseite,  von 
den  thatsächlichen  (Pfand-)  Inhabern  jener  Länder,  ein  förm- 
licher Verzicht  erfolgen,  da  es  sich  hier  um  Forderungsrechte 
handelte,  die  vermöge  ihrer  privatrechtlichen  Geltung  auch  aof 
die  weibUchen  Nachkommen  des  letzten  Pfandinhabers  über- 
gingen. 

Dem  entspricht  denn  auch  diu-chaus  die  Auffassung,  welche 
die  österreichischen  Herzoge  selbst  damals,  und  zwar  noch  vor 
ihrer  Belehnung  mit  Kärnten,  bekundeten.  In  der  Antwort 
Albrechts  H.  an  Abt  Johann  von  Victring,  der  von  den  Hinter- 
bliebenen Herzog  Heinrichs  abgesandt  war,  um  ihre  Ansprüche 
bei  jenem  zu  vertreten,  kommt  das  Kechtsverhältniss  klar  zum 
Ausdruck:  Carniola  ad  nos  pertinet,  sicut  constat,  quamvis 
vadis  nomine  pater  eius  a  nostro  patre  pro  tempore  tenuerit, 
quam  nunc  apprehendere  curamus  tamquam  ad  nos  per  diiap- 
sionera  tcmporum  devolutam.  Karintliia  nobis  liberalitate  im- 
perii  est  collata.^ 

Für  die  Erkenntniss  des  Charakters  jener  VerpfUndung 
lassen  sich  auch  noch  weitere  qualitative  Momente  nach- 
weisen. Zunächst,  dass  die  Pfandsumme,  der  Satz  an  dem 
Pfandobject,    in   der  Folge   einmal   erhöht,'    später  jedoch  um 


»  Steyerer,  a.  s.  O.,  97. 

*  A.  Fonmier,  Abt  Johann  von  Victring  und  sein  liber  certarum  bistoriii- 
rom,  S.  114.  Die  gleiche  Antwort  erhielten  Auch  die  Gesandten  de« 
BObmenkOnigB  von  Albrecht  ü.:  sibi  Knrintliiam  liberalitate  imperii 
condonatam,  Carniolani  vadinioninni  avuncali  morte  ad  oo  intte  et 
legitime  reversatam.     Ebenda. 

*  Das  geschah  1298  dnrcb  Albrucht  von  Oetiterreich,  als  es  sich  darum 
bandelte,   seinen  ächwagor  Heriog  Heinrich    von   KÄmten  für  dir  Hei- 


I 


79 


Vieles  mehr  herabgemindert  wurde;'  eine  Erscheinung  also,  die 
wohl  dem  variablen  Stand  privater  Schuldforderungen,  nicht 
aber  einer  besonderen  politischen  Qualität  jenes  Pfandvertrages 
entspricht. 

•fc  Dann  aber,  dass  die  RUcklösung  des  Pfandobjectes  (Krain 
nnd  der  Mark)  nachher  thatsilchiich,  lange  bevor  das  Kärntner 
Herzogshaus  erlosch,  nicht  nur  in  Aussicht  genommen,  sondern 
geradezu  bereits  eingeleitet  worden  ist,  zu  einer  Zeit,  als  es 
den  Habsburgem  gelungen  war,  ihrerseits  eine  namhafte 
Sohuldforderung  gegenüber  den  Kärntner  Herzogen  zu  be- 
gründen. 

Als  nämlich  nach  dem  Tode  des  böhmischen  Königs  Ru- 
dolf aus  dem  Hause  Habsburg  (f  1307)  Heinrich  von  Kftrnten 
mit  Umgehung  der  österreichischen  Brüder  Rudolfs  zum  König 
von  Böhmen  gewählt  wurde,  gelang  es  den  Herzogen  von 
Oesterreich,  in  dem  zur  Wahrung  ihrer  Rechte  geführten  Kriege 
wider  Heinrich  unter  Anderem  auch  beträchdiche  Gebietstlieile 
von  Kärnten  und  Krain  zu  erobeni.  Dieselben  blieben  auch 
nach  den  Bestimmungen  des  Znaimcr  Friedens  (14.  August 
130>?),*  in  welchem  Herzog  Friedrich  von  Oesten-eieh  unter 
Zusicherung  der  Rückgabe  jener  auf  seine  Ansprüche  auf 
Böhmen  und  Mähren  gegen  eine  Entschädigungssumme  von 
45.000  Mark  Prager  Groschen  verzichtete,  als  Pfand  für  letztere 
im  Besitz  des  Herzogs  von  Oesterreich.  Es  ist  nun  bisher 
nicht  beachtet  worden,  dass  damals  zugleich  auch  zur  theit- 
weisen  Tilgung  dieser  Schuldsumme  die  RUckantwortung  von 
Krain  und  der  Mark  an  die  Herzoge  von  Oesterreich  in  Com- 
bination  gezogen  wurde."     In  dem  Frieden  aber,  den  Königin 


(t«Ilun^  Ton  Hilfstmppen  in  dem  Feldzage  gegen  KOnig  Adolf  zu  ent- 
»ehädigen.  Vgl.  Joh.  von  Victring  (Böhmer,  Font.  1,  33G):  ALbortui 
Beinricnm  dacem  KaruitLie  com  adiectione  amplioris  ittmme  ad  Car- 
niolam  prin«  obligatam  otipendiat. 

<  Im  Jabie  1311  (auf  6000  Hark  Silber).     Siehe  unten  S.  80. 

'  0«draekt  l)ai  Lichnowttky,  Oe«ch.  des  Hauses  Habsburg  3,  DLXXXI. 

'  bt  aber,  das  wier  [ffemrieh  von  KHmien]  mit  nnsen  brueder  willen  und 
gmul  da«  laut  ze  Chrayn  und  di  Windiscben  Marrh,  daz  winr  inne 
kabeo,  geutalicli  ledich  machen  und  dem  vorgenanten  hertzogi^n  [Fried- 
rieh  von  OetterreieH]  ledichlich  nntwnerten,  so  sullen  di  rorgeuanteu  pfaut 
w  llerbem  .  .  .  nna  ledich  aein  fuer  daz  guet,  darumb  wiur  ledicli 
laiaen  Chrayn  und  di  VVindiKchen  Mftrcb.    Ebenda,  OLXXXil. 


80 

Elisabeth,  die  Mutter  Herzogs  Friedrich  von  Oestcrreich  und 
Scliwester  Heinrichs  von  Kärnten,  nach  Vertreibung  des  Letz- 
teren aus  Böhmen  zwischen  ihnen  beiden  im  Jahre  1311  ver- 
mittelte, kam  man  darauf  von  Neuem  zurück.  Für  die  Heraus- 
gabe der  Eroberungen  in  Kilrnten  und  den  Verzicht  auf  die 
von  jenen  45.000  Mark  nocli  übrige  Schuldforderuno:  wurde 
damals  Herzog  Friedrich  von  Oestcrreich  nicht  nur  eine  Herab- 
minderung des  Satzes  auf  Krain  und  die  Mark  (auf  6000  Mark) 
zugestanden,  sondern  zugleich  auch  das  Gebiet  um  Feistritz 
und  das  Sannthal  aus  demselben  gelöst  und  ihm  überant- 
wortet.' Beide  Gebiete  hatten  bisher  zur  Mark  gehört*  Uebor- 
dies  war  gleichzeitig  damit  die  Einlösung  von  Krain  und  der 
windischen  Mark  beabsichtigt.-''  Es  hatte  sich  nicht  nur  Hein- 
rich von  Kärnten,   wie   eine   bisher  ungedruckte  Urkunde  von 


'  Dus  beide  zar  alten  Krainer  Pfandscliaft  gelulrtuu  und  das  Sannllial 
nicht  von  Kürnten  ab(,'etrennt  wnrde,  wie  Laschin  (Oesterr.  Eeichsgesch. 
118)  meint,  ergibt  (rieh  au»  dem  Wortlaut  der  Urltnnda  EliNabctb»  Tom 
14.  Juli  li)l  1  ans  Salzburg  (Kurz,  Oesterreich  unter  Kflnig  Friedrich  dem 
SchUnen,  428):  ,und  sprechen  aber  schiedlich  von  dem  gewalt  den  si 
baide  uns  gegeben  habent,  doz  Feustritz  und  daz  öfiuntnl  mit  alle  dem 
daz  von  alter  darzu  gohOrt  hat  enhalb  nnd  dishalb  der  Sawe,  unaerm 
Torgenantera  sun  bertzog  Fridrichen  nnd  seinen  brUdem  ledig  sol  sein 
Tnn  dem  satze  den  unser  vorgenanter  brnder  daronf  het  von 
nnserr  sune  vodom,  chnnig  Rudolfen  und  chnnig  Albrechten  von  Rom 
säligen  mit  brifen  oder  swi  ur  si  gehabt  hat.  Wir  sprechen  oacfa,  daz 
der  satz,  den  unser  vorgenant  bruder  het  onf  den  landen  ze  C'hrayn  nnd 
onf  der  Windischen  Marich  gKutzlich  ab  sol  sein  untz  an  secbstausent 
markh  silber  Wienner  gewichtes'  (vgl.  dazu  auch  Krone.",  Die  Freien 
von  Saneck,  S.  48),  sowie  insbeeonders  ans  der  darauf  Bezug  nehmenden 
Erklärung  derselben  Königin  vom  folgenden  Tage  (1.5.  Juli),  ihrem 
Bruder  Heinrich  2000  Mark  Silbers  geben  zu  wollen:  ,fUr  daz  gut,  das 
wir  in  abgeschaiden  liaben  au  den  landen  ze  Chraj-n  und  zu  der  Win- 
dischen Marich  di  im  ze  phande  stant.'     Kurz,  a.  a.  O.,  433. 

•  Das  beweist  für  Feistritz  die  in  Font.  rer.  Austr.  II.  39,  168  registrirto 
Urkunde  vom  Jahre  1279,  fOr  das  Sanuthal  vgl.  Krones,  a.  a.  O.,  8.  98, 
nnd  Tangl,  a.  a.  O.,  8.  141. 

•  Wir  sprechen  onch,  daz  wir  den  spruch  von  der  losunge  der 
lande  ze  Chrayn  und  der  Wiudischen  Mnricli  uns  behalten  und 
behebt  haben,  daz  wir  uu  zemal  ze  Salzburg  darüber  nihl  sprechen 
wellen,  nnd  wellen  denselben  sprach  verziehen  untz  daz  di  vorgensnten 
ousor  bruder  oder  sun  selber  oder  mit  irer  gewizzer  botschaft  und  briefen 
ez  an  uns  vodernt.  Und  swenne  wir  von  in  buiden  oder  von  ir  ainem 
also  gemant  werdi?u,  so  gnllen  wir  nah  der  manung  in  einem  mannd 
darüber  sprechen.     Bei  Kurz,  a.  a.  Ü.,  43Ü. 


81 


ihm  beweist, '  dazu  schon  bereit  erklärt,  auch  Königin  Elisabeth 

betrachtete  sie  bereits  als  berorstehend.* 

Wenn  es  nun  zu  dieser  Einlösung  dann  thatsächlicL  auch 
nicht  gekommen  ist,  so  bleiben  nichtsdestoweniger  jene  Vor- 
fSnge  für  uns  von  grosser  Wichtigkeit.  Sie  zeigen,  dass  die 
Verpßtndung  Krains  und  der  Mark  keineswegs  eine  unfrei- 
willige Concfssion  poHtischer  Art  seitens  der  Habsburger  an 
Meinhard  und  dessen  Nachkommen  in  sich  schloss,  sondern 
einer  echten  Schuldforderung  letzterer  entsprach,  mit  deren 
Befiiedigung  jene  zu  cessiren  liatte.  Es  war  sicherlich  nicht 
hios  eine  andere  Form  der  Uebertragung  jener  Länder  an  Mein- 
bard.  Das  bezeugt  auch  die  Auffassung,  welche  er  selbst 
darüber  um  jene  Zeit  bekundete.  Wir  können  es  aus  seinem 
eigenen  Munde  hören.  Man  muss  nur  die  Antwort  beachten, 
die  er  zwei  Jahre  nach  seiner  Belehnung,  1288,  dem  Patri- 
u-chen  von  Aquileia  crthtilte,  als  dieser  eine  Reihe  von  Krainer 
Besitzungen  von  ihm  ziu-lickforderte. '  Er  habe,  heisst  es  da 
von  Laibach,  das  einst  Philipp  von  Kärnten  au  Aijuileia  ver- 
macht hatte,  dasselbe  nur  im  Namen  König  Rudolfs  inne 
and  sei  jederzeit  bereit,  das  zu  thun,  was  jener  darüber  ver- 
fügen werde.*    Noch  bezeichnender  aber  äussert  er  sich  gleich- 


'  Vom  16.  Juli  I31J.  Ein  kurios  Hegest  bei  Lidiuowüky.  3,  CCCXXXVIl, 
Mr.  ISO,  und  in  den  Mittb.  des  bist.  Vereines  fUr  Krain  (1862)  17,  46. 
Vgl.  Beilage  Nr.  VIII. 

'  Die  SOOO  Hark  Silber,  welche  Elisabeth  ihrem  Brnder  fQr  die  Abschei- 
dau^  jener  Gebiete  von  Krain  versprochen   hatte    (siehe  S.  80,    Anm.  I), 

rtoUton  aosgoiahlt  werden:    ,swnnne  es  chumpt   ze  der  lusunge  der  vor- 

(gananteD  awaier  lande'    (Kurz,    a.  a.  O.,    433).     Es  kann  also   diese,    da 
jene  SOOO  Mark  die  EnticbUdigungf    filr    eine   bereits   erfolgte  Abtretung 
«ein  sollten,  kaum  tut  einen  viel  spHteren  oder  gar  unbestimmten  Zeit- 
punkt gedacht  gewesen  sein. 
■'  Vgl.  oben  8,  61. 

'  Font.  rer.  Anstr,  II.  40,  21:  ,super  Laybaubo  .  .  .  respondit,  quod  illa 
lenpbat  nomine  sorenissimi  domini  Kudulfi  iucliti  Komauo- 
rum  regis  et  paratua  erat  nuncium  suum  uuacuui  nuuciis  dicti  domini 
patriaxcbe  ad  ipsum  dominom  regem  super  hils  luittere  et  de  ipsis  fa- 
eere,  siont  dominus  rex  dnxerit  ordinandum,  sive  de  restituendo,  sive  de 

»•Und  faciendo.'  Vgl.  auch  ebenda,  3.^3:  ,tum  per  contentacionem  et  con- 
cessionem  facta»  pfr  mni;nificum  Meynardum  ducem  Karintie  revoren- 
diwimu  douiiuo  Kayaiondu  patri.irche,  quod  penitas  uullum  ins  ba- 
bebat  in  dicta  Marehia  C'arniole,  sed  eam  nomine  imperatoris 
tUttbat  et  secuodum  eius  mandatum  de  »a  facere  intondebat.' 

linUv.  LXXiriL  Bd.  I.  Uiiri«.  6 


zeitig  über  die  Rückstellung  der  einst  Sponfaeimiscben  Be- 
sitzung Nassenfuss,  sowie  eine  von  Herzog  Ulrich  an  Äqoileia 
versprochene  Entschädigungssumme.  ,Wenn  der  Patriarch  be- 
wirken könnte,  dass  er  (Meinhard)  das  Erbe  Herzog  Ulrichs 
von  Kärnten  Überkomme,  so  würde  er  ihm  nicht  nur  die  be- 
anspruchte Summe  von  1000  Mark,  sondern  sehr  gern  das 
Vierfache  davon  geben." 

Aus  dieser  Antwort  klingt,  meine  ich,  deutlich  ebensowohl 
der  Wunsch  hervor,  jenes  Erbe  der  Sponheimer  zu  gewinnen, 
als  auch  die  Ueberzeugung  von  der  vollen  Aussichtslosigkeit 
solcher  Hoffnungen.  Nicht  als  einen  Besitz  zu  eigenem  Recht 
und  dauernder  Geltung  hat  Meinhard  selbst  jene  Pfandschaft 
betrachtet,  sondern  nur  als  ein  durch  die  rechtliche  Natur  des 
sie  begründenden  Vertrages  beschränktes  Recht  an  fremder 
Sache. 

Ucberdics  ist  in  diesem  Zusammenhange  auch  wichtig  zu 
beobachten,  dass  in  den  Augen  von  Zeitgenossen  Krain  und 
die  Mark  trotz  jener  Verpfändung  an  Meinhard  doch  als  Herzog 
Albrecht  von  Oesterreich  zugehörend  galten.' 

Wir  besitzen  leider  das  Vertragsinstrument  nicht  mehr, 
durch  welches  jene  Verpfändung  beurkundet  wurde.  Auch  die 
Recognitionsurkunde  Albrechts*  ist  verloren.  So  entziehen  sich 
die  näheren  Bestimmungen  jenes  Vertrages  unserer  Eenntniss- 
nahmc.  Die  Verpfändung  sicherte  als  solche  dem  Pfandinhaber 
den  materiellen  Genuss  des  Pfandobjcctes  zu,  des  Landes  also 
als  solchen  und  der  zu  demselben  gehörigen  nutzbaren  Rechte.* 


'  Ebenda,  22:  ,8uper  facto  Nassenvdz  reapondit,  quod  gi  dominus  patri- 
archa  facerot,  quod  dominus  dux  esset  heres  prefati  quondam  domini 
Ulrici  ducis  Karinthio,  ipse  non  solum  mille  marchas,  verum  et  qnatuor 
milia  libentissime  sibi  daret.' 

•  In  dem  Obödionzrevers,  welchen  Wilhelm  von  Schärfenberg  am  8.  Mai 
1284  dem  Herzog  von  Oesterreich  ausstellte,  wird  auch  Krain  unter  den 
letzterem  gehörigen  Ländern  angeführt.     Vgl.  Beilage  Nr.  IV. 

•  Diese  wird  nicht  nur  in  dem  Vertrage  vom  23.  Jänner  1286  von  KOuig 
Rudolf  erwähnt  (s.  oben  S.  76,  Anm.  1),  sondern  ebenso  auch  in  der 
Urkunde  der  KSnigin  Elisabeth  vom  14.  Juli  1311  (Kurz,  Friedrich  der 
Schone,  8. 428),  durch  die  der  Ausgleich  zwischen  Friedrich  dem  SchOnen 
und  Heinrich  von  Kärnten  beurkundet  ward. 

•  Vgl.  ab  Analogie  dazu  die  Verpfändung  steirischer  Gebiete  an  Ulrich 
und  Agnes  von  Heunburg  durch  KOnig  Rudolf,  die  am  22.  October  1279 
bankniidet  wnrde  (Beilage  Nr.  II).    Da  wird  dies  ausdrücklich  hervor- 


g  Dementsprechend  sehen  wir  denn  aucli  Meinhard  und 
e  Nachfolger  wtthrend  der  Zeit  jener  Verpfandung  ganz 
un  Öinne  von  Landesherren  schalten  und  walten.  Sie  bestätigen 
und  ertheilen  Privilegien,  nehmen  Schenkungen  und  Verpfiin- 
rlungen  vor  und  haben  auch  ledig  gewordene  Lehensgüter  aufs 
Nene  aasgethan. '  Doch  ist,  wie  bereits  bemerkt,  wohl  zu  be- 
achten, das»  sie  sich  dabei  niemals  des  Titels  , dominus  Car- 
niole*  bedienen,  sondern  in  den  dartiber  ausgestellten  Urkunden 
vielmehr  ohne  jeden  auf  Krain  beztlglichcn  Titel  auftreten. 

Entsprechen  diese  Beobaclitungen  im  Allgemeinen  dem, 
was  sich  auch  sonst  bei  aiideren  Pfand verhilltnissen  dieser  Art 
verfolgen  lässt,  so  ist  eine  gewisse  Einschritnkung  dabei  gleich- 
wohl unverkennbar.  Die  Habsburger  haben  sich  auch  während 
der  Dauer  dieser  Verpftindnng  keineswegs  jeder  Ingerenz  in 
diesen  Ländern  begeben.  Sie  nahmen  nicht  nur  Vcrplilndungcn 
daselbst  vor  —  so  Herzog  Albrecht  1286  (Schloss  Siebenegg)* 
—  sie  haben  auch  hinsichtlich  der  Vogtei  gewisse,  dem  Landes- 
herm  vorbehaltene  Rechte  nach  wie  vor  ausgeübt. 

Das  veranschaulichen  die  Nachrichten  über  das  Kloster 
überbarg  im  Sannthal, "  welches  damals  noch  zur  Mark  go- 
Ivflrte.* 


gehoben :  ,praedictaa  sutem  poMesaionea  et  praedia  nobis  obligarit,  proiit 
praedi«  et  bona  ipsa  ioxlrnctn  et  inataurata  sant,  cum  eoloni«  maiicipiU 
•t  caeteria  appendiciis  eortindeni  iiidicii«  iuri.sdictiunibiis  advncatiis  di- 
(Irictibiis  cam  ntilitnte  et  fructu  piscationibus  vouatioiiibiu  et  omni 
caiua  et  «iuipliciter,  sicuti  priiicipes  terrarum  iimariim  .  .  ,  oadem 
iMoa  et  praedia  powcdernnt.' 

'  Vgl.  Font  rer.  Anstr.  11.  t,  229;  ibid.  35,  162  191;  39,  186.  199;  40,  35. 
36.  Schiuni'a  Archiv  fflr  liciniatkuude  2,  248.  Tan^l  IV,  S.  7L'l.  Klnn's 
Archiv  fUr  die  Laudesgescb.  Krain«  1,  19.  Mittb.  des  bist.  Vereines  für 
Krain   17,  46. 

'  Vgl.  die  in  den  ,Ke8tgnben  /.u  Ehren  Max  BüdinpcrV  (Innsbruck  1898) 
8.  S23  gednickte  Urkunde  den  Grafen  Ulrich  von  Heunbnr^  vom  26.  Juli 
l!M6  und  daso  die  VerpfSudang'  Meicbaua  und  Tüchemembls  an  Albert 
von  Gore  (1277),  Redlich,  Keg.  Kttnig  Kudolf«,  Nr.  676. 

'  Ergibt  sich  «ua  der  Urkunde  des  Ornfen  Ulrich  von  Hoanbnrg  vom  Juni 
1S86  (Marian,  Anstria  Sacra  7,  S6&),  dass  dem  Landejborm  aU  solchem 
die  Obergewalt  in  Sachen  der  Vogtei  von  Oberburg  zukam,  au  ist  die 
durch  die  Urkunde  Friedrichs  von  Pettau  vum  27.  Mai  1288  (Beilage 
Kr.  VI)  bexeogte  Thatsache  ihrer  Auftragung  an  Hereog  Albreoht  von 
0«aterreiob  ebenso  bemerkenswerth  wie  deren  Neuverleihnng  durch  diesen. 

'  Vgl.  oben  6.  80,  Anm.  2. 

6» 


k 


84 


Sicherlich  wird  man  bei  Beurtheilung  dieser  VorgÄnge' 
nicht  ausser  Acht  lassen  dUrfen,  inwieweit  dabei  etwa  der 
Eigenbesitz  an  liegendem  Gut  oder  aber  specifische  Dienst- 
verhältnisse mitwirkten.  Eine  gewisse  Latitude  wird  man  so 
offen  lassen  milssen.  Aber  man  wird  auch  die  Möglichkeit  in 
Betracht  ziehen  dürfen,  dass  die  Habsburger  bei  jener  Ver- 
pfUndung  sich  bestimmte  Rechte  vorbehalten  haben.  Ich  möchte 
da  aul"  eine  bis  jetzt  nicht  beachtete,  bedeutungsvolle  Analogie 
aus  derselben  Zeit  hinweisen,  über  die  klare  Angaben  vor- 
liegen. König  Rudolf  hatte,  wie  wir  fi'üher  sahen,  im  Jalire 
1279  eine  Reihe  von  Besitzungen  und  Gütern  in  Untersteier- 
mark an  Agnes  und  Ulrich  von  Heunburg  verpfilndet  zur 
Sicherung  einer  Geldsumme,  die  denselben  als  Entschädigung 
für  den  Verzicht  auf  ihre  privatrechtlichen  Ansprüche  an  Kärn- 
ten und  Krain  war  zuerkannt  worden.  In  diesem  Pfaud- 
vertrage  nun  hat  König  Rudolfsich  ausdrücklich  vor- 
behalten, dass  die  innerhalb  des  verpfändeten  Gebietes 
wohnhaften  Edlen  und  ritterlichen  Dienstmannen  nicht 
in  die  Verpfändung  einbezogen  sein  sollten.  Ohne  hin- 
dern zu  wollen,  dass  sie  sich  dem  Pfandinhaber  gegenüber 
dienstbar  und  ergeben  beweisen,  hat  Rudolf  gleichwohl  das  Ver- 
fügungsrecht   über   dieselben   seinem   Gutdünken    vorbehalten.* 

Es  ist  klar,  was  das  zu  bedeuten  hatte.  Eine  sichere 
Beherrschung  des  verptUndeten  Gebietes  in  militärischer  Be- 
ziehung sich  zu  wahren  und  jederzeit  die  Möglichkeit  zu  haben, 
die  dortselbst  vorhandenen  Dienstmannschaften  aufzubieten,  war 
der  tiefere  Sinn  jener  Bestimmung.  Hält  man  sich  dies  vor 
Augen,  so  gewinnen  in  solcher  Beleuchtung  nunmehr  auch 
einige  Vorgänge  ausdrucksvolle  Bedeutung,  deren  innerer  Zu- 
sammenhang sonst  leicht  verborgen  bleiben  könnte. 

Als  Herzog  Albrecht  1280  die  Burg  Siebenegg  in  Unter- 
krain  mit  dazugehörigem  Besitz  an  Graf  Ulrich  von  Heunburg 
verpfändete,  Hess  er  sich  einen  besonderen  Revers  von  diesem 


'  Vgl.  dazu  anch  die  obuu  S.  65,  Aum.  2  erwäbuten  Uoobachtungoo  (ur 
das  Jahr  1284. 

*  Caeleriim  viri  inilitarM  et  nobilea,  ijui  in  districtibug  |>raedicti  pignoria 
habitant,  in  banc  Obligationen!  non  veninnt,  Red  eosdem  praedictos  do- 
niinnn  noiter  ad  sua  beneplacita  reservabit,  qui  tarnen  plene  peruiittit 
eiadem,  at  se  nobia  servile«  exhibeant  et  derotos.    (Beilage  Nr.  LI.) 


ansstelleu, '  dasa  er  die  Hurg  selbst  mit  ihren  Befestigungen 
ihm  (Albrecht)  zurückstellen  wolle,  wann  immer  er  es  von  ihm 
wrlangen  würde. 

Um  was  es  sich  dabei  handelte,  zeigt  der  Umstand,  dass 
dieser  Vorbehalt  nicht  auch  gemacht  wird  fl\r  die  zur  Burg 
gehörigen  Besitzungen,  sowie  die  anderen  Pfandgüter.  Diese 
Süllen  vielmehr,  das  wird  neuerlich  zugesichert,  nach  wie  vor 
dem  Pfandiiihaber  verbleiben.' 

Ein  sprechendes  Gegenstück  dazu  stellt  ein  Vorgang  aus 
tii-m  Jahre  1318  dar.  Heinrich  von  Klirnten  liat  daniais  die 
Burgen  Ober-  und  Niederauersberg  an  zwei  seiner  Ministerialen 
(Volker  und  Herword  von  Auersberg)  verliehen  und  ihnen  die 
Erlaubniss  ertheilt,  diese  beiden  Festen  wieder  aufzubauen.  In 
der  darüber  ausgestellten  Urkunde  aber  hebt  er  ausdrücklich 
hervor,'  dass  dies  ,mit  Wille  und  Gunst'  nicht  nur  des  römi- 
tchea  Königs  Friedrich,  sondern  auch  der  Herzoge  von  Oester- 
rcich,  Otto  und  Albrecht,  der  Brüder  jenes,  geschehe.  Erwälgt 
mau,  dass  das  Recht  des  Burgenbaues  ursprünghch  den  Cha- 
rakter der  Regalitilt  an  sich  trug,  nachher  aber  an  die  Erlaub- 
niss des  Landesherm  gebunden  war,*  so  erscheint  damit  wenn 
nicht  geradezu  die  Obergewalt  der  Habsburger,  so  doch  min- 
destens die  Thatsache  bezeugt,  dass  sie  hinsichtlich  der  Be- 
fegtignngen  im  Lande  (Krain)  sich  bestimmte  Rechte  vor- 
behalten hatten. 

Wird  dadurch  auf  Seite  der  Habsburger  das  Bestreben 
deutlich,  ihre  miHtiirischen  Interessen  an  den  verpfUndeten  Län- 
dern Krain  und  der  Mark  zu  wahren,  so  lassen  sich  gerade- 
ai  Anhaltspunkte  daftir  nachweisen,  dass  König  Rudolf  bei 
deren    Verpftindung   an   Meinhard    einen    ähnlichen   Vorbehalt 


'  Abgedruckt  in  den  ,Festgftben  zu  Ehren  Max  BUdioger's'  (Innobniok 
1898),  S.  223. 

*  Inter  domiDum  aostrum  serenissimDm  ducem  Anstrie  et  Styrie  ex  pnrto 
aoA  et  no>  ex  altera  super  caatro  in  Sybenekke  est  taliter  diffinituin, 
qood  qnandocuntque  per  eum  a  nobis  dictum  cnstrum  fncrit  repetitum, 
fibi  ipsam  reatituere  debeamns,  aicat  muri  ambitu  est  conclnsum,  Poa- 
tewione*  yero  ad  ipaum  caitruni  pertinentea  cum  nliis  bonis  per  eundem 
Dobis  obligatis  nput  nos  titiilo  pignoris  renianebunt  «erratiH  tarnen  cou- 
didonibOB,  que  in  Utteris  patentibn»  antedicti  domini  noatri  nobia  anper 
boc  coDceeais  plenina  continentiu'.     Ebenda. 

*  Honnajrr,  SSmmtl.  Werke  8,  CXK. 

*  R  8rhr>-tder,  Ueutacbe  Kecbtageacb.  ■  S.  CS-i  f. 


86 


gemacht  haben  dllrfte  wie  in  dem  Vertrage  mit  Agnes  von 
Heunburg  (22.  October  1279).  Schon  der  Urfehdebrief  Wil- 
helms von  Scherfenberg  auf  Herzog  Albrocht  vom  8.  Mai  1284 
verdient  da  einige  Beachtung.  Man  bedenke  doch  nur:  Einer  der 
hervorragenderen  Krainer  Ministerialen  verpflichtet  sich  hier 
dem  Habsburger  eidlich,  niclit  nur  des.sen  LiUider  Steiermark, 
Krain  und  die  Mark  fortan  unbehelligt  zu  lassi'n,  sondern  auch 
bezüglich  seines  Aufenthaltes  in  denselben  AJbrechts  Befehlen 
nachzukommen.  * 

Dann  aber  noch  ein  weiterer  Beleg.  Im  Jahre  1308  hat 
ein  anderer,  gleichfalls  innerhalb  des  verpfändeten  Gebietes,  im 
Sannthal,  ansässiger  Edler,  Ulrich  von  Saneck,  seinen  Besitz 
dem  Herzog  von  Oesterreich,  Friedrich,  zu  Lehen  aufgetragen. 
Zwei  Burgen,  Scheineck  und  Liebenstein,  befanden  sich 
darunter.*  Allerdings  filllt  dieses  Ereigniss  in  die  Zeit  kriege- 
rischer Verwicklungen  zwischen  den  Habshurgern  und  dem 
Kärntner  Herzog,  so  dass  Schhissfolgenmgen  daraus  nur  mit 
Vorsicht  gezogen  werden  können.  Allein  Ulrich  von  Saneck 
konnte  einen  solchen  Schritt  mit  Aussicht  auf  eine  dauernde 
Geltung  doch  nur  unternehmen,  wenn  er  dem  Kärntner  Herzog 
gegenüber,  der  das  Saimthal  vorher  imd  nachher  im  Pfandbesitz 
innehatte,  Actionsfreiheit  besas.s.  * 

Im  Ganzen  betrachtet  lassen  sich  diese  Beobachtungen 
dahin  zusuminenfassen,  dass  die  Habsburger  als  rechte  Ober- 
herren in  Krain  und  der  Mark  unbeschadet  ihrer  Verpfilndung 
eine  bestimmte  EinflusssphUrc  sich  vorbehalten  und 
mit  deutlicher  Politik  es  vor  Allem  verstanden  haben, 
sich  dieser  Gebiete  fortlaufend  militärisch  zu  ver- 
sichern. Das  militärische  Talent,  das  insbesonders  der  erste 
habsburgische  Herzog  von  Oesterreich,  Albrecht,  auch  sonst 
bekundete,*  tritt  hier  wirksam  in  die  Erscheinung. 

Diese  Haltung  der  Habsburger  spricht  nun  entschieden 
gegen  jene  Annahme,  als  ob  die  Verpfändung  Krains  nur  eine 


•  Vgl.  Beila^  Nr.  IV.  I 

*  Vg\.  i\ie  Urkuuile   Ulrichs   von   Sanock   vom   22.  Ai>ril   1.S08  bei  Krones,      1 
Die  B'roieii  von  Saneck,  8.  118,  Nr.  4.  1 

>  8o  faiMt  docli   auch  v.  Krnnea    (allerdingR  in  anderem  ZuMimnenhange)      | 

diesen  Vorgang  auf.     A.  a.  O.,  S.  47. 
'  Vgl.  darabor  Hnber,  Qeach.  Oesterreiuhs  2,  9  f.,   und  die  daselbst  oitirta 

Literatur  (Anm.  I). 


87 


tero  Form  ftir  den  thatsächlidicn  Verzicht  derselben  auf 
dieses  Land  gewesen  sei.  Sie  ist  aber  durchaus  der  SteUung 
adSquat,  in  welcher  sie  nach  dem  Wortlaut  ihrer  Beleh- 
nangsbriefe  fortlaufend  erscheinen.  Wie  dort  treten  sie  auch 
hier  als  die  eigentlichen  Besitzer  dieser  Reichslehen  uns  ent- 
gegen, während  Meinhard  und  seine  Nachkommen  blos  Pfand- 
inbaber  an  diesem  ihren  Besitze  sind. 

Nach  Loscbin,  dem  Vertreter  jener  Ansicht,  wurden  die 
Herzoge  von  üesterreich  ,zu  einstweiligem  Verzicht  auf  Krain' 
auch  durch  die  Erkenntniss  bestimmt,  ,dass  dies  wichtige  und 
bedrohte  Grenzland  zu  seiner  Behauptung  der  militiirischen  An- 
lehnung an  Kärnten  bedürfe'.  Ich  will  die  Frage  hier  gar  nidit 
erörtern,  von  welchem  Lande  aus  Krain  und  die  Mark  leichter 
und  dauernder  behauptet  werden  konnton:  von  dem  geogra- 
phisch in  sich  abgeschlossenen  Kärnten  mit  seinem  mächtigen 
Grenzwall  gegen  Krain,  den  Karawanken,  oder  von  Steiermark, 
ans  dessen  nach  Süden  geötfiicten  Grenzen  mindestens  ebenso 
bequeme  Uebergänge  hinUberftiliren.  *  Eines  aber  scheint  mir 
unzweifelhaft:  Gerade  vom  militärischen  Staudpunkte  aus 
inassten  die  Habsburger,  einmal  im  Besitze  der  Steiermark,  alles 
daran  setzen,  auch  Krain  und  die  Mark  für  sich  zu  gewinnen. 
Nicht  nur  wegen  der  gegen  Süden  oflenen  Grenze.  Mit  diesen 
lieten  ward  ihr  Machtbereich  bis  nahezu  ans  Meer  vor- 
:hoben  und  damit  zugleich  auch  Ungarns  Machtgellisten 
dauernd  ein  Riegel  vorgeschoben. 

Das  konnte  damals  bereits  nicht  mehr  unwichtig  erschei- 
nen. Gerade  die  Vorgeschichte  der  KUruten-Krainer  Frage 
wies  nachdrücklich  darauf  hin.  Zweimal  bereits  hatte  Ungarn 
den  Versuch  gemacht,  in  Krain  festen  Fuss  zu  fassen.  Unter 
Bela  IV.,  der  sich  von  der  ihm  verschwägerten  Meranerin 
Agnes  deren  EigengUter  übertragen  liess  und  nach  ihrem  Tode 


'  Einen  leicht  pa.<.<iirbaren  Zogan;^  vnn  Kumten  nnch  Krain  bietet  nnr  die 
Stramo  vun  Tarriit  iiacli  Weiaseiifels,  während  suwohl  der  Uebergan); 
am  tioibi  (1370  M.),  wie  jener  am  8eeberg  (Kisenkappel-Kankerthal, 
IS18M.)  Passagen  darstellen,  die  fUr  niilitnrische  Operationen  niittelnlter- 
liehen  Stile«  —  beaonders  im  Winter  —  kaum  geeignet  erscheinen. 
Dagegen  erSffnen  »ich  von  Untersteierniark  aus  raindentens  awei  natür- 
liche Zngangslinien  dabin,  beide  ohne  bedeutende  Torrninschwierigkeiten ; 
die  eine  von  Cilli  durch  das  iiannthal  nach  Trojana-Laibach.  die  andere 
der  Sritia  entlang  (Windiiich-Feiatritz,  Lnmlxberg,  Rann,  Landstras«). 


88 


thatslichlich  auch  das  , dominium  ELamiole'  in  Ansprach  nahm 
(1263)/  anderseits  aber  nach  dem  Tode  Ulrichs  von  Sponheim, 
als  Stefan  V.  gegen  ütakar  von  Böhmen  sich  mit  Philipp  von 
Kärnten  verbündete.  Im  Frieden  mit  Otakar  vom  Jahre  1271 
hat  Stefan  förmlich  auf  seine  Ansprüche  auf  Steiermark, 
Kumten,  Krain  und  die  Mark  verzichtet.* 

In  diesem  Zusammenhange  muss  doch  auch  auf  die  Be- 
strebungen hingewiesen  werden,  die  das  Haupt  der  ungarischen 
Maguatenpartei,  Joaoliini  Pectari,  gegenüber  König  Rudolf  selbst 
noch  bekundete.  Anfang  des  Jahres  1274  hat  er,  der  damalige 
Spiritus  rector  der  ungarischen  Politik,  die  Uebertragung  ein- 
zelner Gebietstheile  in  Steiermark  von  iiim  gefordert.'  Und 
wenn  auch  die  Anschuldigung  König  <.)takars  von  Böhmen,  als 
ob  jener  geradezu  eine  der  von  ihm  innegehabten  Provinzen 
verlangt  hätte,*  den  Thatsachen  nicht  entsprach,  so  erhellt 
daraus  doch,  wie  sehr  die  alten  Ambitionen  Ungarns  nach  einer 
Ausbreitung  im  Westen  noch  fortwirkten.  Das  musste  flii*  die 
Habsburger  ein  deutlicher  Fingerzeig  sein. 

Aber  niclit  nur  Rüeksiclitcn  der  Präventivpolitik  drängten 
auf  die  Erwerbung  Kraina  bin.  Sie  war  tinanziell  ob  der  reichen 
Erträgnisse  des  Landes  werthvoll*  und  erüflfnete  auch  weiter- 
hin verlockende  Aussichten.  In  handelspolitischer  Beziehung, 
da  so  der  Zugang  zum  Meere  wesentlich  erleichtert  ward  und 
Italien  auch  von  hier  aus  erreichbar  wurde.  Gerade  die  Zeit 
der  ersten  Habsburger  lässt  eine  mit  grossem  Geschick  unter- 
nommene und  zielbewusste  Handelspolitik  erkennen.' 

Und  auf  der  anderen  Seite  der  Patriarchenstaat  Aquileia. 
Der  kränkelnde  Mann  an  der  Adria,  Was  war  da  nicht  alles 
Zugewinnen!  Ulrich  von  Sponheim  hatte  bereits  den  Weg  dazu 
gewiesen.  Albert  von  Görz  aber  ihn  nachher  erfolgreich  be- 
schritten. ^     Der  Aufschwung  Venedigs,    mit   dem  Aquileia  be- 


>  Vgl.  oben  8.  18. 

*  Oben  8.  20, 

■  Vgl.  den  Urief  KOnig  Rudolfe  an  Ladialatu  von  Ungarn  (1274),  Bedlicb, 
Reg.  Rudolfs,  Nr.  838. 

*  Erben-Emier,  Reg.  Uob.  S,  368.    Vgl.  dazu  Redlich,  a  a.  O.,  Nr.  154. 

'  Vgl.  Redlich,    Mitth.  den   lugtitubi  (ür  tiaterr.  Qeschichtsforschung,    Erg.- 

Bd.  4,  148. 
'  Ijngchin,  Die  Handülüpolitik  der  (interr.  TlerKcher  im  Mittelalter,  S.  13  ff. 
'  Vgl.  üben  ä.  12  f.  und  ä.  36. 


89 


reits  triederholt  iii  kriegerische  Verwicklungen  gerathen  war, ' 
maaite  dasselbe  immer  mehr  ins  Gedränge  bringen. 

Den  »Stantsiufinnem  in  der  Umgebung  König  Rudolfs, 
welche  die  ConstcIIation  der  politischen  Verhultnisse  in  diesen 
südöstlichen  Territorien  niiturgemilss  in  Erwägung  ziehen 
ninssten,  konnten  diese  günstigen  Conjiincturen  kaum  ver- 
borgen bleiben.  Sollten  sie  König  Rudolfs  politischem  Scharf- 
blick entgangen  sein? 

Die  thatsHchliche  Entwicklung  in  der  Folgezeit  gibt  dariiuf 
eine  deutliche  Antwort.  Bereits  1292  schliesst  Aquikia  mit  den 
Gegnern  Herzog  Albrechts  ein  förmliches  Bündniss  ab.  Nicht 
trnr  mit  Salzburg,*  auch  mit  dem  im  Aufstand  wider  Albreclit 
begriffenen  Heunburger  Grafen'  trat  es  in  Verbindung.  Albrecht 
wird  geradezu  als  Feind  und  Angreifer  des  Patriarchates  (hos- 
tis  et  offensor)  bezeichnet.  Gegen  ihn  vor  Allen  und  Mein- 
hard  von  Kärnten  sichert  sich  der  Patriarch  in  den  Ländern 
Kärnten,  Saunien,  Krain  und  der  Mark,  sowie  Friaul  eine 
Unterstützung  jener. 

Das  will  umsomehr  beachtet  sein,  als  jene  Lilnder  ja  gar 
nicht  in  der  Hand  Albreehts  sich  befanden.  Auch  das  Sanu- 
thal  war  mit  Krain  und  der  Mark  an  Meinhard  verpfiliidet. 
Und  in  demselben  Jahre  noch,  1202,  finden  wir  den  Patriar- 
ehen aach  in  jenem  bedrohlichen  Fürstenbund,  der  sich  ge- 
waltig gegen  Albrecht  sowohl  als  Meinhard  zusammenballte. 
Aqoileia  neben  Salzburg,  dem  Böhmenkünig  und  Otto  von 
Baiem,  Schulter  an  Schulter  mit  den  gefUhrlichsten  Feindon 
des  habsburgischen  Hauses.* 

Fß  kann  nicht  anders  sein:  Albrecht,  der  bekanntlich  die 
landesfllrstliche  Gewalt  allseitig  mit  grossem  Nachdruck  geltend 
machte,^    mnss    auch    Aquileia    gegenüber    eine    empfindliche 


'  VgL  Bomanin,  StorU  docnmentats  di  Venesia  2,  814  ff.,  und  dazu 
W.  Lenel,  Die  Entttehung  der  Vorherrecbaft  Venedig»  «n  der  Adria, 
9.  88  und  74,  «owie  den  Brief  KOnig  RodoUa  an  den  Dogen  von  Vene- 
dig Tom  18.  März  1277.    Redlich,  Heg.  KOnig  Rudolf,  Nr.  720. 

*  Vgl  den  Brief  des  Enbischofa  Konrad  von  Salzburg  an  den  Patriarchen 
Raimund   von   Aqnilea   vom   12.  August  1292  bei  Zahn,  Font.  11.  40,  22. 

'  Ebenda  U.  40,  23. 

'  Vgl.  darüber  meine  Ausführungen  in  den  Mitth.  des  Instituts  fBr  Osterr. 
Geschichtsforschung,  21.  Bd. 
t*  Vgl.  Blätter  des  Vureines  für  Landeskunde  von  NiederOaterr.  27,   241  ff. 


( Xroiisivpolitik  bethatigt  haben.  Die  reichen  Besitzungen  des 
l'iilriiirnhates  in  Steiermark,  Krain  und  der  Mark  waren  oflFen- 
bar  ilir  Zielobjoct.  Langsam,  aber  sicher  wurden  dieselben  mit 
der  Ausbildung  der  Landeshoheit  in  jenen  Ländern  (aucii 
Kärnten)  aufgesogen. 

Auch  unter  den  Nachfolgern  AUtrechts  in  Oesterreich  sind 
Beziehungen  derselben  zu  Aquilcia  fortlaufend  nachweisbar. 
Allerdings  stehen  damals  Herzog  Friedrich  und  der  Patriarch 
Ottobon  aus  gemeinsamen  Interesse  wider  die  Kilmtnor  Her- 
zoge zusammen  (13U8). '  Allein  wie  sehr  auch  die  Voränderung 
der  politischen  Lage  da  voriiborgehend  eine  Wandlung  schaffen 
konnte,  so  ist  doch  auch  dann  eine  bestimmte  Richtung  in 
der  Politik  der  österreichischen  Herzoge  deutlich  er- 
kennbar. 

Bereits  im  Jahre  1308  haben  sie  durch  die  Lehcnsauftra- 
gung  der  Besitzungen  Ulrichs  von  Saneck  im  Sannthal  einen 
festen  Stutzpunkt  gewonnen.'  Einzelne  militärische  Massnah- 
men, welche  sie  gleichzeitig  im  Feldzug  wider  die  Kärntner 
Herzoge  trafen,  bezeugen,  wie  sehr  ihr  Vorgehen  von  strate- 
gischen Rllcksichten  bestimmt  war.  Auf  die  Besetzung  von 
Windischgraz  waren  sie,  das  hebt  doch  auch  der  steirische 
Reirachronist  hervor,*  insbcsonders  bedacht.  Mit  der  Weg- 
nahme dieses  Ortes,  welchen  die  Kärntner  von  Aquileia  zu 
Lehen  trugen,  beherrschten  sie  die  Verbindungslinie  zwischen 
dem  Drau-  und  Sannthale.  Und  da  sie  nach  siegreichem  Feld- 
zug dann  Frieden  schlössen,  haben  sie  die  Abtretung  des  letz- 
teren von  ihren  Gegnern  gefordert.  Im  Jahre  1311  ward 
das  Sannthal  seiner  ganzen  Ausdehnung  nach,  wie  wir 
bereits  sahen,  aus  der  Krainer  Pfandschaft  gelöst  und  ihnen 
thatsächlieh  zurückgestellt.  Aber  nicht  nur  dies;  auch  (Win- 
disch-) Feistritz  ward  damals  zugleich  von  der  Mark 
abgeschieden  und  mit  Steiermark  vereinigt. 

Man  hat  diesen  Erwerbungen  der  Habsbiu-ger  bis  jetzt 
kaum  eine  Beachtung  geschenkt;    sie  schienen   an   sich  wenig 


'  Vgl.  d&rttber  den  Bericht  iles  steirUchen  Reimchroiiisten,  Mcm.  Ocnii.  V. 
2,  1316,  und  daitu  (neben  Taugl,  a.  «.  O.,  8.  889)  die  beiden  Briefe  Her- 
aog  Friedrichs  bei  Zahn  in  den  Font.  II.  40,  .38  (ku  MOP.  nirlit  1310 
gehörig). 

•  Vgl.  oben  S.  86. 

'  Mon.  Oerm.  V  8,   1339;  Tgl.  duu  Tangl,  a.  a.  O.,  8.  80O. 


91 


xa  bedeuten.  Anders  allerdings  stellt  sich  die  Sache  dar,  wenn 
nun  in  diesem  Zusammenhange  ihre  geographische  Lage  des 
Nttiieren  in  Betracht  zielit.  Die  Einsenkung  bei  Windiseh- 
feistritz  vermittelt  von  Marburg  oder  Pettau  her  ebenso  den 
Zagang  nach  Cilli  wie  das  Sannthal  von  dort  ab  den  Ueber- 
ffang  nach  Krain.  Schon  die  alte  Rönierstrassc  von  Pettau  niicli 
jach  hat  diese  Linie  befolgt. '  Sie  stellt  die  natürliche  Ein- 
)forte  aus  Steiermark  nach  Krain  dar.  Nicht  nur  als  Ver- 
kehrsweg für  den  Handel  hat  sie  vor  Allem  auch  eine  emi- 
nente strategische  Bedeutung.  Mit  ihr  war  die  militilrische 
Beherrschung  Krains  von  Steiermark  aus  gegeben;  sie  bot  zu- 

■  gleich,  da  sie  von  Laibach  aus  ihre  directe  Fortsetzung  hat  — 
die  alte  Römerstrasse  fülirte  von  da  über  Oberlaibach  und 
Wippach   nach   A([uileia*  —  die  sichere  Operationsbasis  gegen 

■  den  Patriarchenstaat  an  der  Adria.  Schritt  für  Schritt  sehen 
wir  die  Machtsphärc  der  Habsburger  nach  dem  SlUlen  vor- 
rücken. Eine  Überraschende  Perspective  crüflnct  sich  uns 
mit  diesen  bis  jetzt  gar  nicht  beachteten  Vorgilngcn  auf 
die  italienische  Politik  der  Habsburger  im  14.  Jahr- 
hundert. 

Wir  bhcken  von  diesen  Ereignissen  der  Folgezeit  auf  die 
Kämten-Kratner  Frage  nunmehr  zurilck.  Ihre  definitive  Lösung 
war,  wie  wir  sehen,  thatsllchiich  mit  der  Neuordnung  der  staats- 
rechtlichen Verhältnisse  dieser  beiden  Liinder  im  Jalirc  128(3 
bereits  gegeben.  Zielbcwusst  und  mit  politischem  Scharfblick 
haben  die  Habsburger  den  Besitz  Krains  angestrebt  und  sich 
desselben  versichert,  nachdem  es  ihnen  unter  geschickter  Aus- 
nutzung einer  dafllr  günstigen  politischen  Constellation  gelungen 
war,  die  Ansprüche  Meinhards  auf  dieses  Land  endgiltig  zu 
beseitigen.  Die  lange  zuvor  erfolgte  Verpfilndimg  Krains  und 
der  Mark  an  ihn,  die  ursprünglich  einer  gewissen  politischen 
Bedeutung  nidit  entbehrt  haben  mochte,  hatte  dieselbe  damals 
sicherlich  bereits  verloren. 


'  V^l.  d&rQber  R.  Knabl,  Der  wahre  Zii^  der  rOmiscbeu  Militjir.4tras8e  von 
Cilli  uftch  Pettaii,  Archiv  filr  Osterr.  Gesch.  2G,  45  ff.  Fenier  Alf.  Mdllner, 
EmoiiB,  S.  81  ff.;  Fr.  Kenner,  Noriciim  nnd  l'annonia,  Mitth.  de»  Altcr- 
thamrereines  Wien  U,  16  ff.  und  94:  endlich  neben  Oehlniann,  Die 
A]penpiUiie  im  Mittelalter  (Jahrb.  für  scliweizerische  Uesch.  4,  '279  ff.), 
aach  Mommsen,  CIL  III.  2,  C2ßf,  645  nnd  698,  dazu  Karte  IV 

*  MOiluer,  a.  a.  O.,   tU9;  Oelihuaun.  a.  a.  O.,  380,  und  CIL  III.  1,  483. 


92 

Die  Habsburger  haben  dessenungeachtet  als  eigeatliche 
Besitzer  dieser  Länder  sich  daselbst  einen  bestimmten  Einfluss 
vorbehalten  und  waren  insbesonders  fortlaufend  darauf  bedacht, 
sich  derselben  zur  Wahrung  ihrer  Interessen  militärisch  zu  Ter- 
sichem. 

Das  Jahr  1286  ist  aber  nicht  nur  ein  Schlusspunkt; 
es  stellt  zugleich  auch  den  Ausgangspunkt  einer  neuen,  ver- 
heissungsvollen  Entwicklung  dar.  Eben  damals  wurde  so  recht 
eigentlich  auch  der  Grund  gelegt  zur  weiteren  Ausbreitung  der 
habsburgischen  Herrschaft  nach  dem  SUden. 

So  enthüllt  die  zusammenfassende  Betrachtung  der  Kämten- 
Erainer  Frage  zugleich  auch  eine  Territorialpolitik  der  ersten 
Habsburger  vor  unseren  Augen,  die  durch  die  Grossartigkeit 
der  Conception  ebenso  überrascht  wie  durch  das  ungemeine 
diplomatische  Geschick,  mit  dem  sie  erfolgreich  ins  Werk  ge- 
setzt wurde. 


K^ 


X  C  11  i-  ö. 


Feber  den  Zeitpunkt  der  VcrpfJindun;;  KraiuM  und  der 
Mark  an  Heinliard  von  Tirol. 


Aus  dem  Gang  der  frllhereu  Darstellung  dürfte  klar  ge- 
worden sein,  wie  viel  die  clironologische  Bestimmung  der  Ver- 
pfandung Krains  an  Meinliard  für  die  BeurtlrciJung  der  KUrnten- 
Krainer  Frage  bedeutet.  Man  war  frllher  in  dieser  Beziehung 
in  einer  unangenelimcii  Lage,  insofern  man  nämlich  —  die  be- 
treffenden Urkunden  sind  ja,  wie  bereits  bemerkt,  nicht  mehr 
erhalten  —  dafür  lediglich  zwei  Quellen  kannte,  auf  Grund 
•leren  eine  auch  nur  annähernd  sichere  Bestimmung  sich  that- 
sKclilich  nicht  gewinnen  liess.  Die  Urkunde  über  den  Verti*ag 
Meinhards  mit  Albrecht  (23.  Jänner  1286),  in  der  jener  Ver- 
plindnng  gedacht  wird,  lilsst  uns  über  den  Zeitpimkt  derselben 
ebenso  im  Unklaren'  als  der  Bericht  Johanns  von  Victring, 
"elcher  gelegentlich  der  Belehnung  der  Sühne  Rudolfs  (irrig 
Jti  1280),  ohne  seiner  Gewahrsmilnner  sicher  zu  sein,  auch 
bemerkt,  dass  Krain  an  Meinhard  für  20.U0U  Jlark  verpfändet 
wurde.* 

So  konnte  die  frühere  Forschung  sich  nur  auf  Grund  all- 
gemeiner Erwägungen  innerhalb  des  damals  möglich  scheinenden 
Zeitraumes    (1276 — 1286)    für   einen    bestimmten    Ansatz    ent- 


*  8.  oben  S.  76,  Anm.  1. 

'Böhmer,  Font.  1,  317:  .Atbortnm  dacem  Äustrio  et  Stirie,  dominam  Csr- 
njole,  Rndoltum  ducera  Swevie,  Meinbardum  dncem  Karintlue  de.5ipnAvit, 
qui  tri^inta  inilia  uiarcarum  reg;i  dicttur  o[<tu)i»iie,  alii  dicuut  Caruiolnm 
•ibi    impiguoratam  pro  viginti  milibus   marcariim   ad  Alberti   geoeri  sai 

■  floriam  prosequendam.' 


94 

scheiden.  K.  Tangl, '  Dimitz*  und  Suklje*  hatten  überein- 
stimmend das  Jahr  1276  angenommen,  indem  sie  sich  anschei- 
nend von  der  Erwägung  leiten  Hessen,  dass  Meinhard,  der  mit 
seinem  Bruder  Kärnten  und  Krain  für  König  Rudolf  erobert 
hatte,  zugleich  mit  der  Uebcrtragung  der  Hauptmannschaft 
über  diese  Länder  auch  eine  Sicherung  für  das  Rudolf  offen- 
bar zu  Kriegszwecken  gemachte  Darlehen  also  geboten  worden 
sein  dürfte.  Demgegenüber  hat  dann  in  jüngerer  Zeit  Oswald 
Redlich*  —  v.  Krones  sowohl  als  Huber  haben  in  ihrer  Dar- 
stellung der  Geschichte  Oesterreichs  sich  darüber  nicht  näher 
geäussert  —  auf  das  Jahr  1279  als  muthmassliche  Zeit  jener 
Verpfandung  verwiesen.  Konnte  Redlich  darthon,  dass  da- 
mals, nach  dem  Tode  Philipps  von  Kärnten,  Meinhard  an  König 
Rudolf  herangetreten  sei  mit  der  Bitte,  ihm  eines  der  neu  ge- 
wonnenen Länder  zu  überlassen,^  so  musste  in  der  That  die 
Combination  sehr  verlockend  erscheinen,  es  sei  nunmehr  ,als 
Abschlagszahlung  fUr  das  kaum  abzuweisende  Begehren  des 
vielverdienten  Tiroler  Grafen'  die  Verpfandung  von  Krain  an 
Meinhard  erfolgt. 

Für  einen  noch  späteren  Ansatz  —  das  Jahr  1286  —  ist 
Luschin  eingetreten.  Ihn  hat  mindestens  seine  fi^her  bespro- 
chene Auffassung  der  Stellung  Krains  um  jene  Zeit  zur  Voraus- 
setzung. " 

Dies  der  Stand  der  Frage.  Sieht  man  näher  zu,  so  lassen 
sich  doch  darüber  hinaus  eine  Reihe  von  Anhaltspunkten  aus 
den  Quellen  gewinnen,  die  eine  annähernd  sichere  Entschei- 
dung ermöglichen  dürften.  In  jüngster  Zeit  hat  schon  Redlich ' 
auf  eine  Urkunde  Meinhards  vom  19.  Mai  1281  aufmerksam 
g(tnincht,  als  ,ein  bisher  noch  nicht  verwerthetes  Zeugniss  für 
dio  Vcri)f^ndung  Krains'  an  diesen.    Meinhard  erklärt  nämlich 


I  A.  «.  ().,  8.  209. 
»  A  !«•  <>•,  »•  19»- 

•  A«»trlJHk<>  Modvladje  in  Ustanovitev  Uabsburlko  vlade  na  Anstrijskem 
yialtt  ISH«)  in  dem  von  der  Matica  Slovenska  (Laibacb)  1883  herans- 
yi^^Wnon  8|K>nienik  o  Seststoletnici  Zaietka  Habsbur&ke  vlade  na  SIo- 
«ttM»k<>m,  H.  7ft. 

«  Mitth.  <J«w  liiHtitutd  ftlr  Osterr.  Geschicbtsforgcfaung,  Erg.-Bd.  4,  146. 

*  tt«  &.3«>«  K««>«>irR,  Nr.  1291. 


95 


duä  1200  Mark  von  dem  Satze  auf  Krain  König  Rudolf 
ledig  sein  sollen,  falls  die  Heirat  seines  Sohnes  mit  einer  Nichte 
der  Königin,  Rudolfs  Gemahlin,  in  Folge  Todfalles  eines  der 
beiden  nicht  zu  Staude  komme. ' 

Damals  also,  im  Frühjahr  1281,  war  die  Verpfandung 
siclier  bereits  vollzogen.  Aber  der  Terminus  ad  quem  lässt 
»ich  noch  weiter  zurückschieben.  Ich  habe  es  oben  schon  an- 
gedeutet.* Auch  der  Wortlaut  der  Urkunde  König  Rudolfs 
fUr  Gurk  vom  23.  Milrz  1280"  setzt  die  VerptUndung  bereits 
voraus.  Wenn  Rudolf  dort  bei  der  Verpfändung  genannter 
Güter  in  der  Mark  die  Zustimmung  Meinhards  dazu  eingeholt 
Imt,  so  ist  dies  kaum  anders  zu  erklären,  als  dass  dieser  eben 
bereits  Pfandbesitzer  derselben  gewesen  sei.* 

So  muss  die  Verpfändung  Krains  spfttestens  127i'  statt- 
gefunden haben.  Es  liegt  aber  nur  dann  ein  Grund  vor,  sie 
in  dieses  Jahr  zu  setzen,  wenn  die  Annahme  Rcdlich's,  dass  sie 
auf  jene  Forderungen  Meinlmrds  hin  erfolgt  sei,  sich  als  zu- 
treflfend  erweist.  Jedenfalls  nach  dem  Tode  Pliilipps  von 
Kärnten  (f  22.  Juli  1279)  erst  milsste  sie  also  vorgenommen 
worden  sein.  Anderseits  aber  cntliäit  der  Vertrag  König  Ru- 
dolfs mit  Agnes  von  Hcunburg  eine  bis  jetzt  unbeachtete  Stelle, 
iuis  der  wohl  geschlossen  werden  darf,  dass  damals  diese  Ver- 
.iftadung  schon  perfect  war.  König  Rudolf  verpflichtet  sich 
dlmlich,  da  er  Agnes  für  die  ihr  zugesicherte  Geldsumme  von 
6000  Mark  bestimmte  Besitzungen  in  Unterstoiermark  verpfslndet, 
ihr  diesen  Besitz  zu  überantworten  frei  von  allen  Ansprüchen 
Jedermanns:  ,et  specialiter  spectabilis  viri  Meiuliardi  coiuitis 
Tyrolensis  manibus  et  potentia  iiberataui'.''  Allerdings  handelt 
es  sich  hier  zunächst  nicht  um  Besitzungen,  die  in  Krain  ge- 
ie|;en  waren.  Allein  der  Tenor  dieser  Stelle  besagt,  im  Ganzen 
betrachtet,  meines  Erachtens  nicht  nur,  dass  Meinhard  jene  an 
die  Mark  angrenzenden  Gebiete  —  etwa  als  Landeshauptmann 
—  in  seiner  Gewalt  hatte,  sondern  zugleich  auch  im  tieferen 
Sinne,  dass  er  bestimmte  Forderungsrechte  grösseren  Umfanges 


■  Hormayr,  8&inmtl.  Werke  2,  CI. 
I|»  \g\  oben  8.  39. 
**  MAfiAD,  Austria  sacra  6,  499. 

'  Vgl  nhen  S.  39,  Aam.  S. 

*  Vgl.  Beilage  Nr.  U. 


Vgl.  dazu  üben  8.  43. 


96 

in  jenen  Gegenden  bereits  geltend  machen  konnte.  Man  kann 
doch  wohl  nicht  annehmen,  dieselben  hätten  sich  gerade  auf 
die  hier  genannten  Besitzungen  and  nur  auf  diese  bezogen. 

Ich  glaube  somit  kaum  irrezugehen,  wenn  ich  annehme, 
dass  auch  diese  Stelle  ihrer  tieferen  Bedeutung  nach  auf  jene 
Verpfändung  bereits  zurückweise.  Die  Urkunde  über  den  Ver- 
trag mit  Agnes  aber  ist  am  22.  October  1279  ausgestellt. 

Nun  war  andei-seits  zu  einer  solchen  Verpfiindung  nicht 
nur  verfassungsmässig  die  Einholung  des  kurftirstlichen  Con- 
senses  durch  den  König  nöthig,  man  muss  auch,  wenn  ihr  jene 
pohtisclie  Geltung  zukam,  annehmen,  dass  sie  gelegentlich  einer 
persönlichen  Begegnung  Meinhards  mit  dem  Köm'ge  erfolgt  sei. 
Das  aber  ist  nach  Allem,  was  sich  fiir  jene  Zeit,  vom  Tode 
Philipps  (22.  Juli)  bis  zum  Abschlüsse  dieses  Vertrages,  histo- 
risch feststellen  lüsst,  schlechterdings  ausgeschlossen.  König 
Rudolf  weilte  im  Sommer  1279  in  Wien.  Dort  wird  er  die 
Kunde  von  dem  Ableben  Philipps,  jedenfalls  noch  im  Juli,  er- 
halten haben.  Im  September  zog  er  von  da  nach  der  Steier- 
mark und  kam,  nachdem  er  dort  bis  Ende  October  sich  auf- 
gehalten, in  den  ersten  Novembertagen  nach  Oberösterreich. 
Am  4.  November  urkundet  er  in  Linz.' 

Meinhard  dagegen  war  vermuthlich  während  dieser  ganzen 
Zeit  in  Tirol,  sicher  aber  nicht  wUhrcnd  der  Reise  des  Königs 
bei  diesem,  sondern  stiess  erst  in  Linz  wieder  zu  ihm.* 

Nehmen  wir  —  was  bei  dem  Itincrar  Meinhards  sehr  un- 
wahrscheinlich ist  —  selbst  an,  dass  derselbe  sofort  auf  die 
Nachricht  von  dem  Ableben  Philipps  nacli  Wien  zu  Rudolf 
aufgebrochen  sei,  so  ist  noch  eine  andere  Schwierigkeit  kaum 
zu   beseitigen.     Von    den  Kurfürsten    befand   sich    im    August 


«  Vgl.  die  Reg.  Rudolfs  von  Osw.  Redlich,  Nr.  1115  ff. 

*  Er  urkundot  am  7.  Jnni  bei  Milhlbai-h  (vgl,  die  beiden  Urkunden  fOr 
Neustift,  Font.  II.  84,  156  und  1&4)  und  \m  3.  August  in  Eppan  (Original 
im  Wiener  Staatsarchiv;  vgl.  darUber  Egger  im  Programm  dos  Staata- 
gymnasiums  Innsbruck  188&,  S.  16).  (Für  die  Mittheiluug  dieser  Daten 
bin  ich  Herrn  Prof.  Ludw.  SchOnach  in  Innsbruck,  der  sich  seit  Längerem 
mit  der  Geschichte  Meinhards  baschSftigt,  unisomehr  dankbar,  als  die 
Feststellung  des  Itinerars  Meinhards  im  Jahre  1*279,  mangels  entspre- 
chender Quellen,  recht  schwierig  ist.)  Uebor  Meinh.irds  Anwesenheit  in 
Linz  vgl.  Redlich,  Keg.  Rudolfs,  Nr.  1144,  und  die  dort  citirte  Stelle  des 
steirischen  Reimchronisten. 


lJi7i(  nur  Albrecht  von  äachsen  in  der  Umgebung  des 
Königs. ' 

Ist  es  da  wahrscheinlich,  dass  es  König  Rudolf  in  vier 
Wochen  gelang,  die  Willebriefe  der  Übrigen  sechs  KurJursteu 
zu  dieser  VerpfUndung  rechtzeitig  einzuholen,  um  dieselbe  ge- 
legentlich einer  neuen  Anwesenheit  Meinhards  in  Wien  —  eine 
solche  mtlsste  man  in  weiterer  unwahrscheinlicher  Hypothese 
nooli  annehmen  —  dann  vor  seinem  Aufbruch  nach  Steiermark 
noch  vornehmen  zu  können? 

Doch  wenn  selbst  König  Rudolf  es  bei  dieser  VerpHin- 
düng  mit  dem  kurfürstlichen  Conscns  nicht  allzu  genau  nahm 
~  er  erfolgte  ofl  auch  erst  nachträglich  oder  ohne  förmliche 
Willebriefe  —  und  wenn  auch  jene  Stelle  in  dem  Vertrage  mit 
AgacB  von  Heunburg  nicht  in  dem  früher  vertretenen  Sinne 
efasst  werden  darf  oder  man  an  einen  noch  späteren  Zeit- 
pvinkt  dieses  Jahres  denken  wollte,  so  sprechen  gewichtige  Er- 
wägungen allgemeiner  Natur  auch  dagegen.  König  Rudolf  sah 
ach  zu  der  Verpfändung  jener  Gebiete  in  Untersteiermark  au 
A|^es  von  Heunburg  genöthigt,  da  er  damals,  wie  in  der  Ver- 
tragBorkunde  ausdrücklich  hervorgehoben  wird,  über  keine 
Baarmittel  verfllgte.  *  Sollte  König  Rudolf,  wenn  ihm  Meinhard 
kurz  Bovor  20.000  oder  gar  30.000  Mark  vorgestreckt  hatte, 
jetzt  schon  nicht  einmal  so  viel  mehr  verblieben  sein,  um  die 
600O  Mark  an  Agnes  zahlen  zu  können? 

Allein  noch  ein  anderes,  viel  bedeutsameres  Argument.  Wir 
konnten  oben  nachweisen, '    dass  Rudolf  sich  bereits  früher  als 

bisher  annahm,  schon  am  Beginne  des  Jahres  1380,  ent- 
n  seiner  früheren  Absicht  dazu  entschlossen  hatte,  Kärnten 
an  Meinhard  zu  übertragen.  Nun  kann  —  nach  den  firülicreii 
Ausführungen  —  Meinhard  mit  seinen  Forderungen  hiusielitlich 
dieses  Landes  erst  gelegentlich  seiner  Zusammenkunft  mit  dem 
König  im  November  (Linz)  hervorgetreten  sein.  Möglicher- 
weise könnte  schon  die  auffallende  Thatsache,*  dass  hier  Mein 


'  V^I.  die  Zeagenroihe  der  Urkunde  Künig  Rudolfii   bei  Redlich,   a. 

Nr.  1128. 
'  El  ((nia  üscus  regalis  paratam  ad  mauus    pecuaiani    non    liabebnt, 

[Rndolfns  rex]    nobis    tttnlu    ypotece    vel    pignori«    oblignvit    bona 

Beitage  Nr.  U. 

•  Vgt.  oben  8.  3'J. 

*  Klieodurt,  Aiiio.  1. 

Itclui.  LUIVU.  IM.  t.  lUin*.  7 


n.  O., 


ipse 


98 


hard  unter  den  Fürsten  erscheint,  die  König  Rudolf  Willebriefe 
fllr  die  römische  Kirche  ausstellten,  im  Sinne  einer  gewissen 
Berllcksichtifi;un^  von  Mi-inliards  Begehren  jircdeutet  werden. 
Aber  auch  abgesehen  davon  lässt  die  verhilltnissiniissig  rasche 
Wandlung  in  den  Entsclilüssen  des  Königs  zu  Gunsten  Mein- 
hards  kaum  einen  Platz  für  ein  noch  dazwischenliegendes  Sta- 
dium, einer  vorläufigen  Abschlagszahlung  fiir  jene  Forderungen, 
als  wt'lcho  man  die  Verpfändung  Krains  und  der  Mark  im 
Jahre  1271)  auffassen  mlisstc. 

Von  verschiedenen  Seiten  her  weisen  also  gewichtige  Mo- 
mente auf  einen  früheren  Zeitpunkt.  Als  solcher  kann  aber 
der  ganzen  Sachlage  nach  thatsäehlich  nur  das  Jahr  1276  an- 
genommen werden.  Damit  lösen  sich  nicht  nur  all'  die  er- 
wähnten Schwierigkeiten  auf,  es  sprechen  auch  eine  Reihe 
positiver  Gründe  geradezu  daf\ir.  Nicht  nur,  dass  dann  das 
Begehren  Meinliards  nach  dem  Tode  Philipps  von  Kärnten  noch 
begreiflicher  ersciieint. '  Auch  die  Annahme,  dass  zm"  Ver- 
pßindung  eines  ganzen  Landes  an  Meinhard  pohtische  Erwä- 
gungen und  Beweggründe  mitgewirkt  haben  mochten,  bleibt  be-  '■ 
stehen.  Gerade  damals,  zu  Ende  des  Jahres  1276,  lag  fiir  König 
Rudolf  noch  ein  Grund  mehr  vor,  sich  zu  dieser  Verpfälndung 
zu  entschliessen,  da  Meinhard,  der  mit  seinem  Bruder  Kärnten 
und  Krain  für  ihn  erobert  hatte,  allein  auch  in  der  Lage  war, 
sie  gegenüber  seinem  noch  mächtigen  Gegner  Ottokar  zu  halten.* 
Damals  hat  KOuig  Rudolf  sicherlich  auch  noch  viel  mehr  der  | 
grossen  Geldmittel  bedurft,  wie  sie  das  Darlehen  Meinhards  I 
bezeugt.  In  der  folgenden  Zeit  boten  ihm  doch  die  grossen 
Steuererhebungen  des  Jalires  1277  einigen  Rückhalt."  Damals 
Hess  sich  jene  Verpfändung  auch  leichter  durchführen,  da  die 
Zustimmung  der  Kurftlrsten  kurzer  Hand  eingeholt  werden 
konnte.  Sic  befanden  sich  grüsstcntheils  in  der  unmittelbaren 
Umgebung  dos  Königs.''  ; 

Aber   nicht   nur  allgemeine   Erwägungen   lassen    sich    zu 
Gunsten  dieses  Ansatzes  (1276)   geltend    machen.     Auch   ganz 


•  Vpl.  dazu  auch  Tniigl,  a.  n.  O.,  8.  219.  j 
»  Vgl.  oben  S.  24  ff.  I 
'  Vgl.  die  Urkunde  Kfliii^  Rudolfs  vom  28.  Mai  1277  bei  Scliwiud  und  Dopacli, 

Ausgewählte  Urkunden  zur  Verfassungag^uhichte  Oostorreichs  111,  und  '. 
die  daselbst  augeflihrtQn  Anaalengtollen.  I 

♦  Vgl.  Redlich,  Reg.  Rudolf»,  Nr.  624  und  633. 


99 


^cielle  Beobachtungen  hinsichtlich  tler  llaltunp  Meinhards 
■M^en  dafür.  Er  hiitto,  wie  bereits  trüber  erwähnt.  Ant'anff 
des  Jahres  1377  die  Rechte  der  Freisinger  Kirche  in  Krain 
arg  beeintrilchti^t  und  das  Land^ericlit  Lack  geradezu  an  sich 
^«rissen.  König  Rudolf  intervenirte  zu  Gunsten  des  Freisinger 
Bischofs.  Das»  es  sich  hier  nicht  etwa,  wie  man  nach  dem 
auch  an  die  Adresse  der  übrigen  Amtleute  in  Krain  (beson- 
ders den  Grafen  Friedrich  von  Ortenburg)  gerichteten  könig- 
lichen li»ndat  vom  4.  Februar  dieses  Jahres'  meinen  könnte, 
lediglich  um  UebcrgrifFe  handelte,  wie  solche  in  Zeiten  ki'iege- 
riscbcr  Verwicklungen  leicht  vorkommen  konnten,  lehrt  eine 
spfttere  Urkunde  König  Rudolfs.  Derselbe  sah  sich  im  Früh- 
jahr 1280  neuerdings  veranlasst,  für  Freising  einzutreten.  Indem 
er  sich  nunmehr  nur  an  Mcinbard  wendet,  weist  pr  ihn  auf 
eine  Klage  des  Bischofs  hin  direct  an,  jene  Entziehung  des 
Lacker  Landgerichtes  rückgUngig  zu  machon,  da  dieselbe  gegen 
die  verbrieften  und  auch  von  ihm  {König  Rudolf)  anerkannten 
Rechte  der  Freisinger  Kirche  Verstösse.* 

Ein  solches  Vorgehen  Meinhards  kann  unmöglich  aus 
»einer  Stellung  als  Landeshamitmann  von  Krain  genügend  er- 
klärt werden.  Denn  als  solcher  hatte  er  gar  kein  Interesse 
daran,  die  Rechte  eines  mit  seinem  Oberherrn  befreundeten 
Kirchenfiirsten  zu  beeinträchtigen. 

Anders  allerdings,  wenn  Jleinliard  damals,  bereits  1277, 
das  Land  Krain  im  Pfandbesitze  hatte.  Dann  lag  es  in  seinem 
eigenen  Interesse,  die  Einkünfte  aus  den  damit  verbundenen 
nutzbaren  Rechten  (Landgericht)  zu  mehren,  wenn  er  die  erst 
von  König  Otakar  vorgenommene  Ucbortragung  der  Land- 
gerichtsbarkeit in  Lack  nicht  beachtete.^  Das  ZurUckgroifeu 
«of  die  Rechtsverhältnisse  vor  Otakar  entspricht  übrigens  auch 
«einer  späteren  Haltung  in  der  Kämten-Krainer  Frage.* 


I  FoDt  rar.  Äagtr.  U.  31,  346. 

'  Ebenda  391,  Nr.  366. 

'  Ebendn  328  (1274).  Die  Ancrkonnimg  der  Exemtion  der  freisingn»cben 
Gäler  Tou  der  landesfUrstlicben  Oericbttibiirkeit  soitenii  Herzog:  Ulrichs 
Tom  Jahre  1366  (ebenda  260)  hexog  sich  doch  nur  auf  Outenwerth  und 
den  in  der  Mark  gelegenen  Besitz  diese«  Hocbstiftes.  (Bestätigt  durch 
Otakar  1274.     Ebenda  337,  Nr.  306.) 

*  Vgl.  obeo  S.  69  ff. 

7» 


100 

So  gewinnen  wir  damit  (wenn  auch  indirect)  geradezu 
einen  positiven  Anhaltspunkt  daftlr,  dass  Krain  wirklich  schon 
1276  an  Meinhard  verpfändet  wurde. 

Anderseits  lassen  sich  endlich  auch  keine  Argumente  in 
negativer  Beziehung  dagegen  geltend  machen.  Philipp  von 
Kärnten  hatte  damals  eben  auf  seine  Rechte  förmlich  verzichtet;  ^ 
die  Rücksichten  aber,  die  König  Rudolf  auch  nachher  noch 
auf  seine  Persönlichkeit  hinsichtlich  Kärntens  nahm,'  konnten 
hier  um  so  eher  hinwegfallen,  ab  jener  ja  nicht  Ansprache  auf 
das  ganze  Land  Krain  als  solches  besass,  sondern  nur  auf 
die  wenn  auch  reichen  Eigengüter  der  Sponheimer.  Diese 
aber  blieben,  wie  alle  privaten  Berechtigungen  überhaupt,  von 
jener  Verpfilndung  des  Landes  unberührt.' 

Wir  dürfen  an  dem  in  früheren  Darstellungen  vorgenom- 
menen Ansatz  somit  festhalten:  Die  Verpfändung  Krains 
an  Meinhard  wurde  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
thatsächlich  bereits  Ende  des  Jahres  1276  vollzogen. 
Das  ergibt  auch  die  kritische  Untersuchung  der  dafür  zu  Qe- 
bote  stehenden  historischen  Quellen. 


«  Vgl.  oben  S.  26  f. 

*  Vgl.  oben  S.  SO  und  33. 

'  In  diesem  Sinne  kann  auch  die  Verpfändung  einzelner  BeBitcaogen  in 
Krain  an  Albert  von  OOrz,  welche  KOnig  Budolf  1277  vornahm,  nichts 
gegen  unseren  Ansatz  besagen.  Solche  VerpHndungen  kamen  Übrigens 
auch  nachher  (z.  B.  1286)  noch  vor.  Vgl.  oben  S.  37,  Anm.  i,  und  S.  88, 
Anm.  2. 


BEILAGEN. 


Nr.  I. 

ATAitp  Budolf  bestimmt,  dnss  die  aus  der  Ehe  des  Gurker  Ministerialen 
Otto  von  Alhfxk  mit  Diimud,  der  Tochter  seines  Ritters  PUtfrim  ran 
WuHros,  hervorgehenden  miinnlidien  Nachhymme»  ewischen  der  Kirche 
»nd  dem  Bischof  von  Giirk  gleich  getheilt  werden  sollten.     Wien  lä7U, 

August  23. 


■ 


Orig.  im  Archiv  des  Kilrntner  Oescliichtxvoreine»  zu  Klagenfurt. 
Beg>Mten  yerteichnet  von  Redlich,  Re^.  KOni^  Rudolfs,  Nr.  U2t. 


Rudolfns  ilei  gratia  Konmnonnn  rox  somper  atiguatus  iiniversiB 
fiddibiis  sacri  imperii  gi'utiaiii  Huam  et  umiie  honiiii].  Noverit  uiiivorüitAH 
legtra,  quod  cnm  Otto  dictas  do  Albeke  iiiiniBteruilis  r>cclesie  Gurceuais 
cum  DiiD&de  filia  Pilgerimi  militis  nostri  dicti  de  Wilres  uiütriiuoiüinn  ct>!i- 
tnhere  decrevisset,  nos  ad  instantiiim  veuerubiliu  .Tuhaimis  Gurceusiü 
«pLscopi  principis  nostri  dilecti  sie  diiximuB  statuenduni,  ut  puori  qui 
nusreniar  et  nxurgent  ex  matrimonio  supi°adicto,  cum  ecctesia  Gurcenüi 
•t  «ins  episcopo  eqnaliter  diviilantnr,  non  obstante  quod  dicta  Dimfidis 
ad  dominium  terre  nostre  Kannthie  portinet  de  pttrsnau.  In  ciiiii.s  rei 
testimonium  preeentes  sigilii  nostri  muuiiiiine  iussimus  ruborari. 

Datum  Wienne,  anno  domini  M-CCLXXVIFII,  XI  Kai.  septembr., 
i  Tero  nostri  anno  sexto. 

Sig.  pend. 


Nr.  II. 

OrafUlricIt  tw»  llrunburg  und  dessen  Gemahlin  Agnes  verzichten  tu 
GiMUten  König  Rudolfs  gegen  eine  Summe  fon  fiOOO  Mark  Silber,  für 
iie  amen  von  jenem  genamnUBesittungen  in  Untersteiermark  verpfätulel 
werden,  auf  alle  Ansprühe,  die  sie  in  Oestetreich,  Steiemuirk,  Kärnten 
und  Kraiu  von  frültcr  her  besassen.   Judenburg  1279,  October  22. 

Orig.  Wien,  Staatsarchiv  (A). 

ÜBViilUtiindig  (in  «wei  Theilen)   gedruckt  bei  Herrgott,  Mini.doin.Anstr.il. 

I  CNummutheca  1)    250  ^  Larobacher,   Oeaterr.  Interregnum,  Anhang,  I7S. 


102 

DontBche  Uebersetzang  bei  Mucbar,  Qesch.  der  Steiermark  ö,  420  ff.  and 
Tangl,  Gesch.  KSmtens  IV.  1,  387  ff.,  sowie  Archiv  Ar  Osterr.  Gesch.  25,  186 
und  192.  Regesten  bei  Lichnowskjr  1,  Nr.  571.  Krones,  Verfassang  und 
Verwaltung  des  Herzogtbums  Steier  584,  Nr.  212,    und  Redlich,   Reg.  KOnig 

Rudolfs,  Nr.  1138.' 

[Uj^niversis  presentes  litteras  inspecturis.  Nos  ülricns  comes  et 
Agnes  comitissa  de  Heunnburch  tenore  presencium  declaramus,  quod 
postquam  Serenissimus  dominus  noster  Budolfus  liomanornm  rex  semper 
augustus  provincias  Austriam  Stiriam  Karinthiam  Cai-niolam  et  Marchiam 
quas  quondani  dominus  0  [takarus]  Boemie  rex  illustiis  tennit  occupatas, 
sibi  subiecit  et  llomani  imperii  dicioni  adiecit,  ego  Agnes  predicta  pre- 
dicto  domino  cum  humilitate  debita  supplicavi,  ut  iora  michi  in  predictis 
terris  competencia  ex  successione  progenitorum  meorum  et  maxime  bone 
memorie  quondam  Friderici  ducis  Austrie  propatrui  mei,  cnias  bona  et 
propriotates  ad  me  spectare  dlcebam,  recognosceret  graciose;  petiri  etiam 
bona  illa,  quibus  magnificns  princeps  qnondam  üliicns  dnx  Karintbie 
olim  maritus  mens  et  dominus  me  dotavit  et  michi  in  donacione  propter 
nupcias  assignavit.  Ego  quoqne  TJiricus  comes  predictus  a  predlcto  do- 
mino meo  rege  Bomanorum  petivi,  ut  comitatum  de  Fernekke  et  oppidnm 
Drozendorf  cum  omnibus  eorum  attinenciis  et  qnedam  bona  alia  in  par- 
tibus  Austrie  ad  me  ex  hereditaria  successione  spectancia  mihi  faceret 
assignari. 

Hiis  nostris  peticionibus  nobiles  terramm  predictarum  et  ofBciales 
domini  nostri  predicti  taliter  responderant,  quod  inter  regem  Boemie  pre- 
dictnm  ex  una  parte  et  nos  ambos  ingales  ex  altera  eo  tempore  quo  ma- 
trimoninm  simul  contraximus,  de  premissis  questio  rertebatur  et  quod 
post  tractatus  plurimos  inter  regem  Boemie  predictum  et  nos  habitos  ami- 
cabilis  composicio  intercessit,  cuius  preteitu  omne  ins  nostrum,  quod  in 
terris  predictis  ex  causis  premissis  habuimus,  eidem  regi  dicimur  assi- 
gnasse  et  in  enm  omuia  iura  nostra  liberaliter  transtulisse;  qui  rex  idem 
ins  qnod  a  nobis  redemit,  in  dominum  nostrum  Romanorum  regem  trans- 
tulit  eo  tempore  quo  sibi  predictas  provincias  resignavit. 

Sed  ex  pai-te  nostra  extitit  replicatum,  quod  quicquid  cnm  rege 
Boemie  tractavimus  vel  contraximus  in  premissis,  hoc  totum  a  nobis  ex- 
torsit  eius  improbitas  violenta  et  teiTibilis  metus  incussio  nobis  facta,  qni 
merito  cadere  poterat  in  constantes.  Ex  aliis  quoque  causis  et  racionibns 


*  U  fehlt;  freier  Raum  fOr  die  Initiale  A. 

•  Muchar,  Tangl  und  auch  noch  Krone«  nahmen,  durch  die  Drucke  irre- 
geführt, die  Existenz  von  swei  verschiedenen  Urkunden  an. 


103 


üeebarans.  qnod  ea  que  inter  re^om  Boemio  preiHctnm  et  nos  gesUx  vel 
icta  sant,  cassa  fuerant  et  irrita  ipsu  iure.  Tiiudem  quia  predicto  doiDJiio 
no8tro  Bonianorum  regi  qnodammodo  diflicile  et  nnbis  inntilo  videbntur 
p«r  gtrictaras  legum  et  iudiciorum  augustias  discutere  iura  uostra,  en 
i|Ood  nos  gni  gralia  recognoscit  sibi  astrictos  vüiculo  uaturali,  nos  qno- 
qao  nun  iniprobal>ilitor  estimaiiteei  i)uod  pliira  commuda  imbis  pott^rnnt 
provenire  ex  gratia  dumiiii  uostri  ])i'edicti,  ciii  dos  subieciuins  rontidenter, 
qum  Bi  cam  eo  per  iudicii  »trepitnm  contendainuB,  sie  itaque  uommiinicakt 
uuicorum  et  fideliuiii  nostrürum  consiiio  omnia  et  sin^iia  do  <)i)ibus  8u- 
perius  feciiuns  mencionern  cnin  omni  iure  tjucd  nobis  in  ipsis  coiipeciit  vel 
eunp«tere  videbator,  ad  Dianas  prodicti  domini  uostri  Kumanoruin  re^is 
pro  nnbis  et  nostris  hcredibus  ac  liereduni  hnredibus  libere  resignavimus 
«t  spont«  transtalimus  in  enndem  ratifiuantcs  et  innovantes  reniincia- 
ciiines  composiciunes  transactionos  et  dnuaciones  qnas  regi  Boomie  feci- 
inus  in  premiesis. 

Dictns  vero  domintis  noster  Kflinainiruni  rex  devociooem  noHtrani 
rnnsiderans  et  atteudetis  prouiiiiit.  nobis  et  iiobtris  heredibus  utriiisqiie 
»eins  sex  niilia  marcarum  argenti  leg^lis  et  boni  Wiennensis  ponderis  se 
ditnroiD.  Et  quia  fiscns  regalis  parntam  ad  oianiis  pecuniam  nun  bnhc- 
btt,  ipse  nobis  titulo  rpotece  vel  pignoris  obligavit  bona  pussessiones  et 
predia  municiones  et  castra,  que  inferius  suis  nominibus  oxprimuntur. 
Primn  iudicinm  in  Voitsperch  pro  ducentis  mareis.  Item  Judicium  in  Tobel 
pro  sex  mai-cis.  Item  in  dccimis  octoginta  modios  diiri  gnini  pro  octü- 
l^nta  niarcis.  Item  avene  centoui  niodios  et  quinquaginta  pro  noniiginta 
ntrcis.  Item  vinnm  in  Voitsperch  et  in  Rorbah  pro  Iriginta  et  octo  mar- 
eis. Item  in  mansis  centum  porcos  pro  quinquaginta  mareis.  Itoiu  in 
«'ensn  qnadringentos  quinquaginta  et  sept«in  virlingos  duri  graui  pro 
(joinquag-inta  et  Septem  mareis  et  viginti  denariis.  Item  in  avena  octin- 
rontos  et  quadraginta  virlingos  pro  sexaginta  et  tribus  inarcis,  Itpni  in 
'•insphenning  triginta  et  qnatuor  marcas.  Item  in  steura  centum  marcas. 
It«m  in  marichdienst  nongentos  et  quinquaginta  virlingos  avene  pro  sexa- 
ginta et  octo  mareis.  Item  in  Tobel,  in  Mnuttondorf,  in  Promstotnn,  in 
ftrbüum  redditne  qnatoordecim  marcamm.  Item  oppiihim  Voitsperch  cum 
■i«  snperiore  et  inferiore  et  castvum  in  Tobel.  Itoni  in  Tyner  redditus 
trec^ntarani  marcarum  de  officio  quatuor  schepfonnm :  In  officio  sche- 
phonis  Oerdei,  in  officio  schcphonis  Leutoldo,  in  officio  schuphonis 
Inrizla,  in  officio  schcphonis  Zaschitz;  in  hii^  vero  qnatuor  officiis  sunt 
nobis  assignnte  qningente  viginti  et  quatuor  bnebc  cum  dimidia  exceptis 
»rtractis  inter  qua«  sunt  supani  centum  et  duo.  Summa  vero  triiici  de 
illis  qoatuur  ofticiix  treceuti  quinquaginta  et  duo  modioli  et  due  mensure 


104 


qui  faciiint  nmtMgintn  modios  Anstrales  cum  dimidio,  summa  huins  iu 
doniiriis  8ephtaginta  ronrce  cnm  iliiuidia.  Summa  totalis  avene  qningenti 
viginti  et  nnvem  modii,  qui  faciunt  centum  et  quatnor  mndios  Au8trales. 
Samma  huias  in  denariis  quinqnaginta  et  due  marce.  Summa  porcornm 
c«ntum  septuaginta  et  tres  pro  undecim  marci8.  Summa  totalis  ovium 
centimi  sexaginta  et  sex  cum  tot  aguis  pro  quiudecim  marcis.  Item  in 
offlciis  qnatuor  schephonnm  in  Tyner  et  circa  Sabsenwart  in  vino  et  in 
perchreht  septuaginta  u\arca8.  Item  de  officio  soptuaginta  marcas.  Item  de 
foni  in  Snhsunveld  viginti  maixas.  Item  castra  Salis^nwart.  Tyner,  Vreu- 
ilunckk  et  Chlousenstein. 

Predictas  autem  poBsessiones  et  predia  nobis  obligavit,  pront  pre- 
dia  et  bona  ipsa  instructa  et  instaunita  sunt  cnm  colonis  mancipiis  et 
ceteris  appendiciis  ooruniiem  iudiciis  iurisdictionibus  advocatiis  districti- 
bns  cum  utiiitato  et  l'nictu  piscacionibus  vonacioiiibiis  et  omni  causa  et 
sinipliciter,  sicut  principes  turranim  ipsanun  qnondain  Linpnldus  et  Fri- 
dei'icus  ducpH  Austrie  et  Stirio  eadeni  bona  ot  proiJia  possedenint. 

Cetenim  viri  niiiitjires  ot  nivbites  qni  in  disttictibus  piedicti  pignoris 
habitant,  in  hanc  obligacionem  non  veniunt;  sed  eosdem  predictns  domi- 
ituB  noster  ad  sua  beneplai-ita  lesewabit,  qui  tamen  plene  permittit  eis- 
dem,  ut  se  nobis  sei-vilus  cxhibeaut  et  devotos. 

Frnctns  antem  dictornm  bonorum  sepefattis  dominus  noster  uobis 
et  liberis  nostris  ntriusque  seius  contulit  ypoteca  dnraate  ad  hoc  ut 
liberalitatnni  regiani  magis  nobis  favurabilnm  Kencianins. 

Reniinciainiis  itaque  pn»  nobis  et  in'redil)us  nostris  omni  auxilio 
legum  et  canonum  et  cuilibet  consuetudini  patrie  per  que  possent  predicta 
in  toto  vel  parte  aliqua  retrnctari.  Promittentes  nichiiominus  fide  data 
ad  inanus  rogias  vice  prestiti  sacranicuti,  qnod  contra  predicta  nunquam 
veniiHUUs  vorbo  vel  facto,  sed  ea  (ideliter  et  logalitt-r  toucbimur  observare. 

Dictne  ctiam  dominus  noster  rex  provisiunn  regali  nostris  volens  in- 
dcnipiiitutihiis prtuavere ordinavit  ütstaf uit,  utdicta  bona  nobis  ypotecataa 
uobis  vel  nostris  borcdibun  nullo  modo  auferanlur  pt-r  successores  snos  in 
Bomano  imperio  vul  pur  dominum  aut  duuiiuoti,  si  quis  vul  si  qui  in  supra- 
dictis  provinciis  sivo  tcrris  fimriut  ordiiiati,  aut  capitaueoB  eorundem, 
donec  nobis  vel  nostris  heredibus  dicta  pecuuia  integre  persolvatur,  no- 
lens  ut  particulari  solucione  pi'u<Iicta  bona  particulariter  redimantur,  sed 
ut  ttita  ypotbecu  cum  integris  fructibus  apud  nos  maneat,  donec  integra  et 
logalis  solncio  noliis  liat. 

Si  qua  vero  de  bouis  predictis  uobis  pignori  obligatis  ad  feoda  filio- 
rum  ipsius  domini  nostri  pertinent,  bec  tata  de  ipsorum  quam   etiam 


I 


105 


dominornm  a  qnibus  ea  tenent,  henotilacito  ot  consenBn  nexu  pignoiis 
obligata  manobnot. 

PoBBe88iouem  quoque  bonurnm  nobis  titulu  pipfnoris  tradeiniornm 
wu  assignandorum  uobis  prodictUB  not<tcr  dominus  plt^iifiiu  iissignabit  :il) 
iap«ticione  cniuslibet  et  epecialiter  spectabilis  riri  Meinhardi*  coniitia 
TTn^lenaiB  manibas  et  potencia  liberatam. 

Dicta»>  etiaui  doniiuu»  noster  rex  et  sui  snccessores  nobis  et  nostris 
hereditms  teuebantur  predicta  bona  dnrante  pignore  de  iure  defendere  et 
<le  erictioDP.  si  per  aliquem  ip$>iiin  pi^nns  vi^l  pars  aliqan  in  iudicio  ßvin- 
catur  et  ad  oinne  paritor  intoresBO,  sie  quod  ips»  ovictio  nobis  et  nostris 
beredibDB  nnllnm  iuris  vel  facti  inferat  nocunientnni.  Rt  si  forte  pecunia 
DoD  solutA  (iredictam  ypotecam  a  nobis  vel  nostris  heredibus  de  iu]'i< 
«inci  vel  auferri  rontigerit  violenter  per  Romanuriuii  regom  vel  irapera- 
toreiu  8eu  dominos  vel  alios  eorum  nomine,  extunc  de  noBtro  conscniiu 
mit  et  Btatnit  sepedictns  dominus  noster  decroto  irrefragabili,  nt  predicte 
r«nuntiaciones  cessioneB  transactiones  vel  donacionea  tarn  ei  quam  rogi 
{t<«nii«  facte  uobis  ant  noRtriB  beredibus  non  officiaut,  sed  si  nobis  pla- 
cwrit,  omne  iug  quod  aute  rennnciauioneB  cessiones  transactiones  vel  do- 
ntcioneB  predictas  nobis  conpeciit,  plene  et  integre  reviviscat.  Decot  enini 
iiiibliini<m  Bae  glorie  maiestatem,  ut  ex  eins  actibus  suisque  contractibus 
nun  resultet  iniuria,  ne  aliqua  capciosa  subtiiitas  oriatur. 

Ad  hec  copiam  ot  transcriptum  oninium  inetniiiiptitorum  ot  privi- 
Itgiortim  predictas  causas  contingencinm  quo  hubenius  ad  proscns,  ipsi 
ilomino  nostro  sub  nostris  et  venerabilinin  patrum  dominoniin  Friderici 
S»ltJ!pnrgen8i8  archiepiscopi,  Jobannis  Gnrcensis,  Wornhardi  Secoviensis 
i>t  Gerhard)  Laventine  ecciegiaruni  cpisroporum  ot  illustris  Ail>(>rti  ihmis 
■Suonie  sigillis  assiguabimus,  reiuinciuuteä  hiis  ot  uliis  instrumentis  et 
pririlegiifl  idam  negocium  contingentibus,  si  qua  ad  manus  nostras  vel 
iuin  noatrornm  pcrvenerint  in  futiiro,  n  quoruni  tonore  nnbis  vpI 
iß  heredibus  vel  coberedibus  ins  aliqnod  posset  cornpetere  in  predtcti», 
<|ue  etiatn  omniaexnnnccaBsamns  et  anullamnB  et  nullius  flrmitatis  esse 
tnlnmus  nee  aliqaid  iuris  ex  hiis  nobis  competerp  iiunciimquo  tempore  pro- 
'locantur,  dum  tarnen  ipsins  ypotece  dispnsicin  et  plena  fnictuum  porcepcio 
Uftbis  et  nostris  heredibus  utriusqne  sexns  inaneat,  donec  nobis  et  nostris 
bitredibus  supradicti  argenti  qnantitas  inxta  modum  expressum  snperins 
integre  persolvatur. 

Testes  sunt  venerabiles  pati-es  et  domiui  Fridericns  archiepiscopus 
Stltzpnrgensis,  Johannes  Ourcensis,  Wemhardus  Secoviensis,  Gerbardus 


*  Da*  letzte  i  von  derselben  Hand  und  Tinte  nna  u  ourrigirt. 


md 


Luventine  ecclosiarura  episcopi,  Chnnratlns  electus  Chimensis  et  Heinricus 
abbas  Admuiiteusis;  illustris  dominus  Albertus  dux  Siixonie,  nobiles  viri 
domini  videlicet  PVidericus  bnrcbkravius  de  Nureuberch,  Burchardus  de 
Hohenberch,  Hugo  de  Werdenberch,  Eberhardus  de  Chaczenellenbogen, 
HnpxäeMnnteforti,  . .  de  Kienekke,  Fridei'icus  de  Ortenbnrch  et  Heinricus 
do  Pbiinnt>(>rcli  comites,  strcnui  viri  FridericiiB  de  Potovia,  Wlvingn»  de 
Stnbenberch,  Otto  de  Liehtenstein  et  alii  quam  plures. 

Kt  iit  predicta  oinnia  et  gin^iila  (Irma  etiilibata  pemmnoaiit  et  nnllo 
nnquiiin  tempore  per  nosvel  nostros  beredes  refricontiir,  pregentes  litteras 
sein'ilicto  douiino  nostro  regi  tradimus  nostronim  et  predictoniui  venera- 
biliiim  patrnm  dominomm  (Yiderici  Saltzpiirgensis  archiepiscopi,  Johaniiis 
Guicensis,  Wernhardi  Secoviensis  et  Gerhardi  Laventini  episcoponim 
sigillorum  robore  communitas. 

Nos  dei  gratia  Fridericus  Saltzpiirgensis  arcbiepiscopus,  Johannes 
nnrcensi»,  Wenibardus  Secoviensis  et  Qorhardus  Laventiiio  ecclesiarnm 
episcopi,  qiiia  predictis  interfuimus  et  sie  acU  cognovimus,  ad  iiistnnciam 
predictaniiii  spectabilium  pt-rsonarum  Ulrici  comitis  et  Agnetis  comitisse 
li«  llniiniibnrcli  sigilia  nostra  unacnm  suis  prosentibns  duximus  appen- 
doiifla. 

Itatum  et  actnm  apud  Jadenbuixh,  XI  Kalend.  novembr.,  anno 
dduiini  iniilegimo  ducentosimo  septtiagesimo  nono. 

FQnf  Siegel:    1.  Ulrich  von  Hounburg. 

ä.  Friedrich  von  Salzburg. 

3.  Johann  von  Gurk. 

4.  Agne.i  von  Hounburg. 
6.  Gerhard  von  Larant. 

Zwei  weitere  Einschnitte  ohne  eingeliSngte  Siegel  (fehlen). 


Nr.  m. 

Graf  Meinhnrrl  von  Tirol  Lriigt  Kol  von  Seldenhofen  und  den  übrigen 
Auilleuiat  in  Kärnten  auf,  dass  sie  die  Uebcrtrntfung  der  Blutgerichts- 
barkcii  im  Bischof  Johann  von  Gurk,  welche  er  über  Auftrag  Ki'mig 
Uudolfs  rorgennmmcn  halte,  respectiren  sollen.     Kloster  Louka '  1279, 

Drcentber  11. 

Copie  s.  18  in  Hu  Nr.  2/S7  (Gnrker  Copialb.  IV)  p.  169,  Nr.  69.     Archiv  de« 
KHnitner  GeBcliichtsvereines  (C). 


Klostarbmck  bei  Ziuüm  in  Mihren. 


107 


Imi  Redlich,    Reg    KHnig    Badolfti,    Nr.   1231    (aiioli  Tangl,    Qoacli. 
Kärntens  IV,  S.  369). 

Haynardus  comes  Tyrulis  et  Goricie,  A(|)iiIpienBig  Tridentinao  ot 
Brixinensis  ecdesitinim  ailvocatus  Colnni'  de  Seldeuove  ccteriKiiiio  iiidi- 
ribus  et  ofBcialibus  per  Kuriuthiaiu  salutem  ot  urane  bonum.  Omne  indi- 
«Diu  sangninis  et  criminum,  quod  clare  memorie  oliin  dnces  Karinthie  in 
honis  et  hominibiis  Giircensis  ecclcsie  exurciienmt  de  cousiifitudine  vol  dp 
iure,  ex  speciali  mandato  Serenissimi  domiiii  mistri  K[iidu]fi]''  Ki)in;iDoriim 
regis  semper  augiisti  tradidiinus  ot  assignavimus  venerabili  jmtii  domino 
■TaanDi  Gurcensi  episcupo  et  ecdesie  sue  tenendum  et  piissidendum  seciin- 
Jnm  formam  modum  conditiones  et  pacta,  nue  in  Jitteris  ijatoiiUbiis 
jirpJicti  domini  nostri  regis  eideni  episcopo  tiaditis  i.'untinentur.  lAm- 
qne  discretioni  vestre  committimuB  et  mandamas,  qnatenus  eum  vel  eus, 
rai  vel  qiiihns  prefatas  episcojxis  uhm  iiidiciiim  diixfrit  comiuittendiim, 
ipsum  iudicium  exercere  libere  pormittatis  niilliuw  diffictiitatis  voi  iiiipedi- 
mtinti  obstanaium,  sod  magis  promotionis  auxilium  apponentes. 

Datiun  in  claiistro  sanctc  Marie  in  Lara  iiixta  ZDnomaiii,  anno 
domini  MCCLXXX,  III  idns  decembres. 


Nr.  IV. 

WSheltH  fow  Scherfcftberg  schwört  Herzog  Albrecht  von  Oesterreich  Ur- 
[(kde  für  drei  Jahre  unter  Ancrkcnmtttg  seiner  Dingp/licht  gegenülier 
dem  steiriscJwn  Landlaiding.    Wien  12S4,  Mai  8. 

Orig.  Wien,  StutaarchiT. 
Rege«t  bei  Lichnowsky  1,  Nr.  822. 

Ego  Wilhalmus  de  Scherfeuberch  protflstans  signißco  preseiiciiim 
inspectoribus  iiniversis,  rae  magnitici  princijiis  domini  mei  Alborti  diu-is 
Aostrie  et  Stirie  gracie  cui  ingratus  cxtitorain,  esse  rofonnatiim  condioio- 
nilrns  infrascriptis,  ad  quanim  observacionem  inramento  mo  Obligo  ot 
Mtringo.  Videlicet  nt  ipsius  domini  Al[berti]  dncis  terrarum  Stirie,  Kar- 
niolr  et  Mar<-hie  et  aliarum  qnarnmiibet  nullatenus  amodo  »im  offeiisor 
debeiis,  dum  reqnigituB  fnero  per  iittcras  atit  nuucios  einsdom  domini  mei, 
abinde  od  quataor  ebdomodas  Stirie  Karniole  et  Marchie  exLre  terrainos, 
ad  Msdem  nullo  modo  nisi  admissns  de  meinorati  domini  mei  favore  et 
gracia  reversonis;   etiam  gom-ralia  piacita  iudiciti  proviiiciaÜH  Stirie  fre- 


Colonis  C. 


*>  R.  (oempe  Rudolph!)  C. 


()U«>atur«  tenebor,  dnm  idem  index  me  citandum  duxerit  et  Tocandnm  in- 
tliuiu.  Strictius  et  iure  iurando  sponte  promitto,  nt  si  qnod  absit  ipsi 
ditiiiiiiu  ineo  duci  me  rebellem  oponam,  si  castrum  Tel  castra  qnacmnqae 
iiiachinaciono  subegero  apngnavero  vel  mee  illicite  attraham  potestati,  si 
fautoBum  aliquem  virum  militem  vel  militaris  condicionis  captiTavero  Tel 
iiccidam  deliberacione  preTia  de  certa  sciencia  et  animo  preconcepto,  et  si 
bouum  pacis  commune  violans  seu  contempaens  in  terris  prelibati  domini 
mei  spolinm  commisero  manifestum,  uniTerse  etsingule  poBsessiones  mee 
pioprietarie  et  feodales  quocumque  nomine  censeantnr,  prenotati  domini 
mei  ducis  usibns  ordinacionibus  et  potestati  simpliciter  et  precise  snb- 
iaceant  et  attineant  nuUo  michi  vel  meis  heredibns  competente  iare 
inantea  de  eisdem.  Ad  ampliorem  insuper  et  cerciorem  huins  reconcilia- 
cionis  cautelam,  si  in  premissis  excedam,  duodecim  viri  potiores  ex  michi 
fidelitatis  vel  propriotatiB  astrictis  vinculo  antefato  domino  meo  duci  ad- 
berere  subieccione  perpetua  tenebuntur  nnllum  ad  me  extnnc  habituri 
respectum.  In  cuius  rei  testimoninm  presentem  dedi  litteram  mei  sigilli 
munimine  communitam  condicionibus  prescriptis  a  feste  pentecostes  pro- 
ximo  ad  triennium  valituris. 

Datum  Wienne,  anno  domini  millesimo  ducentesimo  octogesimo 
quarto,  YIII"  idus  maii. 

Sig.  pend. 

Nr.  V. 

Abt  Berthold  und  das  Capitel  von  Ossiach  beurkunden  den  Verkauf  von 

neun  Mansen  bei  der  Burg  Lewenburg  um  40  Mark  an  den  Grafen 

Meinhard  von  Tirol.   1285. 

Orig.  Wien,  StaatsarchtT. 

In  nomine  domini  amen.  Cum  natura  hominum  fragilis  et  eomm 
memoria  sit  iabilis,  expedit  actus  qui  fiunt  sub  tempore,  ne  simul  cum 
fluxu  temporis  diluantur,  digno  littero  testimouio  eternari.  Hinc  est  quod 
nos  Berbtoldus  miseratione  divina  Ozziacensis  abbas  et  totum  capitulnm 
ibidem  tarn  presentium  memorie  quam  futurorum  noticie  duximns  incul- 
candum,  quod  cum  per  novem  mansos,  quos  aput  castrum  Lewenburch 
nostra  ecclesia  habuit  situatos,  infra  longa  tempora  modicos  fructus  dicta 
uostra  ecclesia  percepisset,  ipsos  novem  mansos  cum  omnibus  suis  atti- 
nentiis  deliberato  animo  et  unanimi  consilio  et  consensu  quadraginta  mar- 
carum  Aquilegensiura  pietio  douiino  nostro  clarissimo  comiti  Tyrolensi 
nomine  Meinhardo  vendidimus  sibiqne  ac  suis  heredibns  aproprietavimus 


I 


pleno  iure  sperantes  memoratam  peccuDiiim*  pur  uiiaium  possossiuiiiiiii 
«mptionom  ad  iitilitatom  nostre  domus  convertore  pociorom.  Ut  autoin 
Ulis  nostra  venditio  per  Bnccessores  nostrog  rata  omaimudis  übsoi'vntur 
et  non  possit  calutnpniandi  occasione  iilitjuatiMiiiB  rovocari,  pronoutout 
littoram  conscribi  feciinus  ut  sigilli  nostri  monuäkM-ii  caractoru  conmuniri. 
Acta  sunt  hoc  anno  ab  incarnationo  domini  miilceimo  dnccntesimo 


octogesimo  quinto. 


Sig.  pond. 


Nr.  VI. 


von  Pettau  gelobt  dem  Grafen  Ulrich  von  Unrnhurg,  die  Vogtei 
•bürg  llereog  Albrecht  von  Ocsterreich  außtihagen,  auf  dass 
dieser  sie  jenem  verleihe.   J'ellau  li'SS,  Mai  27. 

Orig,  Wien,  StSAtsarcbiv. 

Ich  Fridereich  von  Petawo  vergihe  mit  disem  brievo  unt  tfien  allen 
den  chunt  die  in  sehent  h&rent  oder  lesent,  doz  ich  inoinom  liebem  horren, 
dem  edilem  graven  Ulroichen  von  Hcunerihnrdi  polobt  han,  die  voytaoy 
u  Obernburch  unt  die  manschafft  aufzogobeii  in  mctinos  honen  haut, 
h«rsogen  Äibrehtes  von  Osterreich  nnt  vou  Steyor,  also  das  ci'  ira  tint 
«einen  orbon  die  leihe  ze  rehtem  lehen  mit  allem  reht  zwissclien  hinno 
nnt  sand  Qeoiiontago  der  nu  chiimt,  swannc  er  oz  acisscliet.  ünt  ob  mein 
nibt  enwaoro,  so  sulen  im  mein  erben  des  gcliibdos  gepunten  sein:  »tiirh 
ner  er  in  der  vrist,  so  sei  ich  seinen  erben  des  gelabdes  sein  gepuntou. 
Und  taet  ich  des  niht,  swelhen  schaden  er  oder  sein  erben  davon  naeiiion. 
den  solen  si  haben  auf  mir  unt  auf  meinen  erben  unt  auf  olioii  liiu  unt 
wier  haben.  Unt  daz  daz  also  staete  sei,  han  ich  im  unt  seinen  erben 
g^beu  disen  brief  mit  meinem  iusigel  versigelt  ze  »einem  urchuniie  der 
«vhaeit  unt  sint  dos  gezeuge:  her  Seyfrid  von  Chrancliperge.  lur  Hcrt- 
nojrd  von  Stadekke,  Fridoroich  von  Weizzonokkc,  Offo  von  Emberberch, 
Ulreicb  von  Schaerphonborch,  IJoinroich  unt  Älbrehtdio  Wiithausaor.  her 
(Videreioh  von  Jablanach,  her  Eborhart  von  Sand  Peter,  her  Heinroich 
TOD  Griven,  Woitol  von  Treztonilz,  Fridereich  der  ochafTaer  unt  ander 
biderb«  lente. 

Ditz  ist  geschehen  unt  Avx  brief  gegeben  ze  Pettawo,  nach  Christos 
glbart  tausent  iar  zwei  hundert  iar  unt  in  dem  aht  unt  ahtzogixtcm  iare, 
des  phincztages  nach  dem  sannetage  der  Drivaltichaeit  uusors  berren. 

Big.  pend. 


110 

Nr.  VII. 

Herzog  Alhreeht  von  Oesterreich  überträgt  auf  Bitte  des  Abtes  und  Con- 

ventes  des  Klosters  Ossiach  die  Vogtei  über  die  Kirche  St.  Jakob  in  Ras 

an  Herzog  Meinhard  von  Kärnten.   Lienz  1293,  Jänner  12. 

Orig.  Wien,  Staatsarchiv. 
Paläographiscber  Abdruck   (mit  vielen  Fehlern)    bei  Melly,    Vaterländische 

Urkunden  27,  Nr.  XXIX. 
Regest  bei    Böhmer  (1246—1313),    S.  489,   und  Tangl,    Gesch.  Kärntens  4, 

S.  606. 

Excollenti  et  msgnifico  principi  domino  Meinhardo,  illustri  duci 
Karinthie  et  domino  Caiaiole,  ecclesiarum  Aquileieosis  Tridentine  et 
Briiinensis  advocato  Al[bertns]  dei  gratia  dux  Austrie  et  Styrie  cum 
sincera  fido  promptam  ad  boneplacita  voluntatem.  Ad  instaaciam  honora- 
bilis  viri  domini  Bich[ardi]  abbatis  et  monachoram  monasterii  Ozziacensis 
adTOcaciam  super  ecclesiam  sancti  lacobi  in  Ras  cum  pertinentibus  ad 
oandem  vestre  providencie  vice  et  loco  nostri,  tanquam  eam  quam  iuxta 
necessitatem  snam  propter  locorura  distanciam  non  possumus  defendere, 
commictimus  protegendam  instanter  potentes,  quatenus  ultra  statutum  ius 
de  dicta  advocacia  nichil  penitus  velitis  exigero  salvo  tarnen  predicto 
abbati  et  suo  monasterio  iure  prespiteros  secundum  timorem  dei  et  statuta 
canonum  in  eadem  ecclesia  ordinandi  et  ordinatos  viciosos  foii«  repertos 
absque  impedimento  aliquo  removeudi.  Scituri  certissime,  qnod  per  hoc 
beate  virgini  prefati  monasterii  patrone  et  nobis  gratum  obsequium  im- 
pendotis. 

Datum  in  Lunz,    anno  dominice  incarnationis  miliosimu  ducen- 

tesimo  nonagosimo  tercio,  pridie  idus  ianuarias. 

Sig.  pend. 

Nr.  Vni. 

König  Heinrieh  von  Böhmen  verpflichtet  sich,  die  ihm  verpfändeten 
Jjänder  Krain  und  die  Mark  Herzog  Friedrich  von  Oesterreich  an  dem 
von  der  römischen  Königin  Elisabeth  eu  bestimmenden  Termin  zur  Ein- 
lösung eu  geben.  Salzburg  1311,  Juli  15. 

Orig.  Wien,  Staatsarchiv. 
Regest   bei   Lichnowsky  3,   Nr.   130,   und  OOth  in  den  Mitth.  des  bist.  Ver- 
eines fUr  Krain  17  (1862),  46  (aus  Copie  in  den  SchatEkammerbUchern  des 
Stattbaltereiarchivs  in  Orae). 

Wir  Heinrieb  von  gotes  gnaden  chunich  ze  Behaim  und  ze  Polan, 
herzog  ze  Chernden,  graf  ze  Tirol  und  ze  Gorcz,  vogt  der  gotesheaser  ze 


111 

Agiay  ze  Trient  und  ze  Brixin  venohen  und  tun  chnnt  an  disem  offen 
priefe  allen  den  di  in  sehent  horent  und  lesent,  daz  wir  unserm  liben 
i^heim  dem  edeln  herzog  Fridorichen  von  Osterich  und  seinen  bmdern  und 
erben  den  lant  Chraiu  und  di  Windisch  March,  di  er  uns  ze  phando  gesaczt 
hat  nmbe  sechs  tousent  march  lötiges  Silbers  W!nner  gewichtes,  als 
unser  vrowe  und  swester  vrowe  Elzbet  weilent  chunigin  von  Böm  zwissen 
ans  gesprochen  hat,  ze  ISsen  geben  wellen  und  suln  auf  di  zeit  di  unser 
Torgenant  swester  di  Bömisch  chunigin  gesprichet,  als  si  ir  selben  den 
Spruch  über  di  lösung  derselben  lande  behalten  hat. 

Und  geben  in  darüber  ze  urchund  disen  prief  versiglt  mit  unserm 
insigl ;  der  ist  geben  ze  Saltzburch,  nach  Christes  gehurt  über  dreuzehen 
hundert  iar  darnach  in  dem  einleften  iar,  des  phiucztags  nach  sant  Mar- 
greten tach. 

Big.  pend. 


DIE  ORGANISATION 

DES 

EVANGELISCHEN  KIRCHENWE8EN8 

IM 

ERZHEßZOGTHUM  ÖSTEßEEICH  U.  D.  ENNS 

VON  DER  ERTHEILUNÖ  DER  RELIGIONS-CONCESSION 
BIS  ZU  KAISER  MAXIMILIANS  II.  TODE 

(1568—1576). 

vojr 

D"  VICTOR  BIBL. 


AicUt.  LXXXTII.  Bd.  I.  BUA«. 


Vorwort 


iJer  Plan  zu  dem  vorliegenden  Aufsätze  reifte  in  mir 
g:entlich  meiner  Vorstudien  zu  einer  Geschitrlite  der  Gegen- 
reformation  in  Niederösterreich  unter  Kaiser  Rudolf  II.  Eine 
monographische  Behandlung  der  religiösen  Bewegung  in  diesem 
Lande  unter  seinem  Vorgänger  Kaiser  Maximilian  II.  hätte  ja 
von  vorneherein  nach  den  in  letzter  Zeit  erschienenen  gründ- 
lichen Arbeiten  von  Otto'  und  Hopfen*  wenig  erfolgreiche  Aus- 
sichten eröffnet.  Die  Beiden  haben  in  harmonischer  Weise 
gerade  jene  Lücken  ausgefüllt,  welche  Wiederiiann's  , Geschichte 
der  Reformation  und  Gegenreformation  im  Lande  Oesterreich 
unter  der  Enns'  ofFenliess.  Ich  denke  gewiss  nicht  daran,  die 
Verdienstlichkeit  dieses  Werkes,  welches  mit  ebenso  vielem 
Fleiss  wie  Liebe  zum  Gegenstand  gearbt^'itet  ist  und  durch  die 
Fülle  des  darin  gebotenen  Materiales  zugleich  mit  dem  alten, 
aber  noch  immer  nicht  veralteten  Werke  von  Ranpach"  ein 
aberaus  nützliches  Handbuch  iTir  den  Forscher  bildet,  in  Ab- 
rede zu  stellen.  Das  reichhaltige  ftirsterzbischötliche  Consislorial- 
archiv  in  Wien  zum  ersten  Male  in  umfassender  Weise  wissen- 
schaftlich vcrwerthet  zu  haben,  ist  und  bleibt  sein  unbestrittenes 
Verdienst.  Ausser  diesem  Archiv  benützte  Wiederaann  noch, 
wie  er  selbst  in  seinem  Vorworte  bemerkt,  ,da8  nicht  minder 
wichtige  und  reichhaltige  Klosterrathsarchiv,  das  Archiv  des 
niederosterreichischon  Regimentes  (1),  das  nicdorösterreichische 
Lehensai'chiv  und  die  Passauer  Acten  in  der  Registratur  der 
k.  k.   Statthalterei   von    Niederösterreich',    das   ist   also    etwas 


*■  OescbicLte  iler  ReformAtion  im  Erzherzogthum  Oesterreich  unter  Kaiser 

Maximilian  II.  (1563-1576),   1889. 
*  Kaiser  Maximilian  nnd  der  Compromisskattiolicismus,  1896. 
'  Erang.  Oesterreich  etc.  1741. 

8» 


116 

kürzer  und  verständlicher  ausgedruckt:  das  k.  k.  Archiv  für 
Niederösterreich  (damals  noch  die  Registratur  der  k.  k.  nieder- 
österreichischen  Statthalterei).  Er  verwerthete  übrigens  auch 
noch  andere  Archive,  wie  z.  B.  das  des  k.  u.  k.  Reichs-Finanz- 
ministeriums in  Wien,  die  er  hier  aus  unbekannten  Gründen 
verschweigt;  dagegen  hat  er  aber  ein  ungemein  wichtiges  und 
grosses  Archiv  vollständig  ausser  Acht  gelassen:  das  nieder- 
österreichische Landesarchiv  in  Wien,  welches,  um  in  der 
Wiedemann'schen  Ausdrucksweise  zu  bleiben,  das  Prälaten-, 
Herren-  und  Ritterstandsarchiv  enthält  und  bei  der  hervor- 
ragenden Einflussnahme  der  Stände  auf  die  Entwicklung  des 
Protestantismus  in  Oesterreich  sicherlich  der  Benützung  werth 
gewesen  wäre.  Ebenso  hätte  es  sich  wohl  der  Mühe  verlohnt, 
den  Acten  der  ehemaligen  k.  Hofkanzlei  nachzugehen  und  zu 
diesem  Zwecke  die  Archive  des  k.  k.  Ministeriums  für  Cultus 
und  Unterricht,  des  k.  k.  Ministeriums  des  Innern  und  vor 
Allem  das  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv  in  Wien  in 
den  Bereich  der  Forschung  zu  ziehen. 

Es  war  daher  eine  sehr  willkommene  That,  als  Otto  zehn 
Jahre  nach  dem  Erscheinen  des  ersten  Bandes  das  nieder- 
österreichische Landesarchiv  und  Hopfen  16  Jahre  später 
namentlich  die  drei  anderen  genannten  Archive  zur  Forschung 
heranzog,  und  somit  die  Geschichte  der  religiösen  Entwicklung 
in  Oesterreich  unter  Kaiser  Maximilian  U.  abgeschlossen  er- 
schien. 

Ich  war  nun  bestrebt,  Wiedemann's  Geschichtswerk  auch 
für  die  Zeit  seines  Nachfolgers  entsprechend  zu  ergänzen.  Weil 
aber  gleich  aus  seinen  ersten  Regierungsjahren  wichtige  Ver-. 
handlungsacten  der  Stände,  welche  Raupach  im  zweiten  Theil 
anführt  und  verwerthet  hat,  in  dem  niederösterreichischen  Landes- 
archive vollständig  abgehen,  war  ich  gezwungen,  diesen  näher 
nachzuforschen.  Er  schöpfte  die  Kenntniss  derselben  aus  blossen 
Ueberschriften,  die  er  in  einem  Index  verzeichnet  fand,  über 
den  er  sich  auf  S.  200  (Anm.  f)  wie  folgt  äussert:  ,Durch 
geneigte  Communication  eines  unsterblich  verdienten  Theologi 
unserer  Kirchen  habe  einen  Indicem  oder  Register  über  ein  so- 
genanntes grosses  Religionsbuch  in  Ms.  erhalten,  aus  welchem  zu 
ersehen,  dass  in  diesem  Volumine  Ms.  die  Documenta  von  den 
vornehmsten  Religions-Handlungen,  so  zwischen  den  k.  Hof  und 
denen  evangelischen  Ständen  in  Nieder-Oesterreich  von  anno  1571 


117 


bis  1590  inclusive  vorgefallen,  enthalten  sind  und  überall 
786  Seiten,  in  Folio  geschrieben,  ausmachen.  Anderweitig  sind 
wir  von  gewisser  Hand  vorsichert  worden,  dass  dieses  Volumen 
von  dem  vormaligen  Herrn  Besitzer  desselben  vor  vielen  Jahren 
an  dem  Landhauso  zu  Wien  verschenket  sei  und  daselbst 
annoch  verwahrlieh  aufbehalten  werde.'  Dieses  Reiigionsbuch 
zu  erlangen,  erschien  mir  als  nilchste  Aufgabe.  Nachdem  <\s  in 

»der  Manuscriptensammlung  der  niedcrüsterreichischcn  Landes- 
bibliothek nicht  zu  finden  war,  forschte  ich  in  einigen  Osterrei- 
chischen Stiftsbibliotheken  nach,  doch  vergebens.  Endlich  fand 
ich  dasselbe  in  der  k.  k.  Hofbibliothek  in  Wien,  wo  ich  es 
nrsprünglich  nicht  vermuthet  hatte,  da  ich  annehmen  konnte, 
dass  sonst  Wiedemann,  der  mehrere  Handschriften  derselben 
citirt,  dieselben  also  in  ihrer  Gesammtheit  gekannt  haben  mlisste, 
gewiss  darauf  gestossen  wilre  und  es  wenigstens  genannt  hiltte. 
Eb  ist  dies  der  Codex  Nr.  8314:  ,Ducenta  quinque  acta,  de- 
creta,  resolutiones,  instructiones,  snpplicationes  etc.  inter  Maxi- 
mihanam  II.  et  Kudolphum  H.  iniperatores  et  ordines  auatria- 
carura  ditionum  aliosquc  tarn  in  materia  religionis  praescrtim 
quoad  exercitium  Augustanac  i-onfessionis  in  iirbc  Vicnna  ab 
ordinibus  identideni  postulatuni,  ab  imperatoribus  semper  dene- 
firatam,  quam  aliorum  incidentium  negotiorum  mutuo  exhibitue, 
ab  anno  1570  usque  ad  anniim  15{)0;  gcrmanice  (Jur.  civ.  12) 
eh.  XVI.  788  fül.'  Wann  und  wie  dieser  Coilex,  der  zweifellos 
in  der  stündischen  Kanzlei  verfasst  und  dort  auch  aufbewahrt 
worden  war,  in  die  Hofbibliothek  kam,  konnte  ich  nicht  er- 
mitteln. 

Auf  diese  Art  sah  ich  mich  wider  Erwarten  in  dem  Be- 
sitze eines  überaus  interessanten  Matoriales  über  die  letzten 
KegiemngBJahre  Kaiser  Maximilians  H.  (1570 — 1576),  das 
durch  die  Acten  des  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchivs 
eine  ungeahnte  Bereicherung  erfahr,  indem  nilmlich  einige  tiber 
Auftrag  Kaiser  Rudolfs  H.  von  der  Wiener  Hofkanzlei  ver- 
fasste  und  auf  ein  gründliches  Studium  der  dort  vorgefundenen 
Religjonsactcn  zurückgreifende  Berichte  über  die  Verhandlungen 
mit  den  evangelischen  Ständen,  beziehungsweise  über  die  Be- 
rechtigung der  von  ihnen  erhobenen  Ansprüche  manche  bisher 
unbekannte  Quellen  aus  der  Zeit  seines  Vorgängers  theils  im 
Original  oder  in  Abschrift  beigeschlossen,  theils  inserirt  ent- 
hielten.    Du    überdies   zu    der  Arbeit  Otto's,    der  in  die  Acten 


118 

des  niederösterreichischea  Landesarchivs  selbst  nicht  Einsicht 
nahm,  sondern  nur  die  von  dem  gewesenen  niederösterreichi- 
schen Landesarchivar  Karl  Denhart  (gest.  1876)  mit  erstaun- 
lichem Fleiss  und  Gewissenhaftigkeit  gearbeiteten  ,Excerpte  aus 
den  in  der  niederösterreichischen  Landschafts-Eegistratur  vor- 
handenen evangelischen  Religionsschriften  von  1421  —  1637* 
benützte,  Manches  nachzutragen  oder  zu  berichtigen  war, 
glaubte  ich  mich  berechtigt,  diesem  fUr  unsere  Landesgeschichte 
so  bedeutungsvollen  Abschnitt  eine  selbstständige  Darstellung 
zu  widmen. 

Zum  Schlüsse  fühle  ich  mich  gedrungen,  dem  Herrn 
Director  der  k.  k.  Hofbibliothek,  Hofrath  Dr.  Heinrich  Ritter 
von  Zeissberg,  dessen  gütiges  Entgegenkommen  es  mir  ermög- 
lichte, den  Codex  im  Landesarchiv  benutzen  zu  können,  meinen 
ehrfurchtsvollsten  Dank  auszusprechen,  ferner  der  liebenswür- 
digen Bemühungen  der  Herren  Dr.  Anton  Mayer,  Landes- 
archivar,  und  Johann  Paukert,  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchivar, 
dankend  zu  gedenken. 

Wien,  im  Jänner  1899. 

Dr.  Yictor  Bibl. 


Erster  Ahsehnitt. 
Die  Religions-Concession  und  Assecuration. 


1.  Eiuleitang. 

Lirx.  Beginn  des  Jahres  1526  hatten  die  Stünde  des  Erz- 
herzogtUums  Oesterreich  unter  der  Enns  im  Vereine  mit  den 
anderen  österreichischen  Erhländern  dem  Erzherzog  Ferdinand 
auf  einem  für  den  11.  November  1Ö25  nach  Augsburg  einbe- 
rufenen Ausschusslandtag*  zum  ersten  Male*  um  die  Zulassung 
der  evangelischen  Lehre  gebeten.     Die  Erhebung  der  Bauern 

■  in  Tirol  und  die  auf  dem  Innabrucker  Landtag  vom  Erzherzog 
gemachten  Concessiouen  bildeten  die  Äussere  Veranlassung. 
,Dieweil  allenthalben,'  lautet  es  in  ihrer  Beschwerdeschrift  vom 

■  16.  Februar,  ,bei  dem  gemeinen  Mann  geacht  und  dafllr  ge- 
balten, als  ob  ihnen  das  heilige,  wahre,  lautere  Gotteswort  nit 
klar  und  wie  der  Text  vermag,  durch  die  Prediger  und  Priester 
mitgetheilt  und  gepredigt  werde,  die  dann  auch  vergangner 
Empörung  an  etlichen  Orten  nit  kleine  Ursach  geben  hat,  dem- 
nach ist  der  getreuen  Erbland  unterthiliiigste  Bitt,  dass  E.  F.  D. 
in  den  österreichischen  Erblanden  durch  die  Prediger  und  ge- 
schickten Priester  das  heilige,  wahre  Gotteswort  und  Evange- 
lium  klar,   lauter   und   rein,   ohne   allen  Zusatz  und  ohne  alle 


*  Vgl.  If.  Mayr,  Der  QenerallandUg  der  Oaterr.  Erbllülder  in  Au^burg 
(December  1626  bis  MSrz  15ä6)  in  der  Zeitadirift  des  FerdinandeDiiui 
fflr  Tirol  und  Vorarlberg,  3.  Folge.  38,  8.  1  f. 
,•  Also  Dicht  1539,  wie  Huber  (Gescbichte  Oesterreichs  IV,  I89S,  8.  96) 
und  aocb  die  stlndischen  Bittgesuche  vom  Jahre  1662  (abgedruckt  bei 
Ranpacb,  Beilage  mm  I.  Theil,  8.  1 16)  and  vom  Jahre  1666  (s.  Otto, 
a.  a.  O.,  S.  14)  angeben.  Vgl.  auch  unten. 


120 

Forcht  oder  Sorg  uns  auf  weitere  Ordnung  auf  nächstkunftigen 
Reichstag  oder  auf  ein  gemein  Consilium  dem  Volk  zu  predigen 
und  zu  verkündigen  gnildigst  zulassen,  damit  die  Speis  der- 
selben (die  allein  das  Gottwort  ist)  niemands  verhalten  noch 
entzogen  werde,  wie  denn  E.  F.  D.  solches  derselben  E.  F.  D. 
filrstlielicn  Grafschaft  Tirol  untcrthälnigsten  Landleuten  gnftdig- 
lieh  zugeben  und  bewilligt  hat.' '  In  der  Schlussantwort  vom 
1.  Mälrz  hatte  sich  der  Erzherzog  auf  die  Reichstagsabschiede 
von  Worms,  Nürnberg  und  Augslnirg  und  die  von  ihm  sowohl 
als  dem  Kaiser  ausgegangenen  Reiigionsedicte,  von  denen  er 
auch  jetzt  nicht  abzugehen  gewillt  wäre,  berufen  und  das  der 
Grafschaft  Tirol  gemachte  Zugeständniss  als  im  Einklänge  mit 
diesen  geschehen  hingestellt,  indem  er  allerdings  dem  genannten 
Lande  ,das  Evangelium  wie  der  Text  anzeigt  zu  predigen, 
gestattet,  doch  die  Bedingung  daran  geknUpft  hätte,  ,da8s  kein 
Prediger  das  zu  Aufruhr  und  Ungehorsam  auslege'.  Er  habe 
daher,  fUgte  er  hinzu,  auch  gegen  das  Predigen  des  Evangelii 
,obangezeigter  Äleinung'  in  den  übrigen  Ländern  nichts  einzu- 
wenden.' Wie  sich  Ferdinand  diese  Verktindigung  des  Evange- 
liums vorstellte,  bekundeten  seine  bald  darnach  ausgegangenen 
scharfen  Mandate.  Im  Jahre  ir>32,''  also  nicht  gar  lange  nach- 
dem der  Protestantismus  durch  die  Uebergabe  des  evangelischen 
Glaubensbekenntnisses  auf  dem  Reichstage  zu  Augsburg  eine 
staatsrechtliche  Bedeutung  gewonnen  hatte,  waren  die  Stünde 
auf  dem  Innsbrucker  Ausschusstage  neuerdings  um  die  Bewilli- 
gung zur  Verkündigung  des  .klaren  Wort  Gottes  ohne  allen 
menschlichen  Zusatz'  eingeschritten.*  Aohnliche  Petitionen  waren 
dann  1541  durch  eine  ständische  Deputation  der  flinf  nieder- 
österreichischen  Erbiänder   zu   Prag'   und  1548  zu  Augsburg, 


*  N.-O.  Landesarohiv,  M«.  Nr.  80,  Fol.  23;  vgl.  Mayr,  a.  a.  O.,  8.  71. 

*  N.-ö.  Landesarchiv,  ebeuda,  Fol.  02;  vgl.  Mayr,  a.  a.  O.,  8.  94. 

'  Nicht  tü34,  wie  Otto  (a.  a.  O.,  8.  19)  angibt.  Der  Irrtbum  rührt  durch 
Denhart  bor,  der  in  seinen  Excerjiten  (siehe  Vorwort,  8.  118)  statt  ,yor 
Si  Jaren'  (also  von   160G  gerechnet:   1632)   1534  geschrieben  hat. 

'Landesarchiv,  Landtagvverhandliiug.sprotukoll  1631  und  1&3S,  Fol.  81; 
dieses  offenbar  auch  die  Quelle,  die  fiuchholz,  Qoachichte  der  Regierung 
Ferdinand»  1.,  VIII  (1838),  8.  153,  benützt  bat. 

*  Es  findet  sich  in  den  erwähnten  Petitionen  von  1662  und  166G  (siehe 
oben  8.  119)  angegeben:  ,iteiu  zu  End  des  42.  Jahrs  xu  l'rng  mit  dem  Fuss- 
fall',  was  wohl  auf  einem  Irrthnm  beruhen  wird.  Das  Bittgesuch  iat  am 
18.  November  1541   überrpiubt  (Landesarchiv,  B.  3.  26,  Abschrift;  abge- 


121 


endiicb  1554 — 1558  und  1562 — 1567  auf  den  unter-der-ennai- 
schen'  Landtagen  zn  Wien  erfolgt,  doch  immer  vergebens.' 
Auch  Maximiliiin  IL,  dessen  Regierungsantritt  die  Protestanten 
mit  grossen  Hoffnungen  erfUllte,  hatte  ihr  Begehren  um  Frei- 
gabe der  Aogsburgischen  Confession  stet^  abgeschlagen. 

In  Maximilians  religiöser  Haltung  war  nUmlich  nach 
nnseen  hin  zu  Beginn  der  Sechzigerjahre  ein  merklicher  Um- 
schwung erfolgt.  Hatte  man  frllher,  namentlich  seit  dem  Jahre 
1556  sogar  an  die  Möglichkeit  seines  offenen  Uebertrittes  zum 
Protestantismus  gedacht,  so  war  man  jetzt  in  eingeweihten 
katholischen  Kreisen  darüber  beruhigt.  Maximilian  war  mittler- 
weile zur  Einsicht  gelangt,  dass  er  gut  daran  thue,  mit  seinen 
von  der  katholischen  Kirche  abweichenden  Anschauungen  nicht 
mehr  so  offen  wie  früher  hervorzutreten  und  mit  den  katho- 
lischen Mücbten  in  gutem  Einvernehmen  zu  leben.  Es  waren 
zunUchst  dynastische  Interessen,  die  ihn  zu  diesem  Verhaken 
drängten:  die  Aussicht  auf  die  römische  Königswahl,  auf  die 
VermUhlung  seiner  Töchter  mit  dem  spanischen  Thronfolger  Don 
Carlos  und  mit  dem  König  von  Portugal,  später  bei  der  immer 
klarer  zu  Tage  tretenden  Regierungsunfilhigkeit  des  Ersteren 
auch  auf  die  Nachfolge  seines  Sohnes  Rudolf  in  Spanien.  Ausser- 
dem aber  —  und  dieses  Moment  muss  ganz  besonders  her- 
vorgehoben werden  —  hatte  er  im  December  1561  vom  Papste 
Piu8  IV.  die  päpstliche  Dispens  für  die  geheime  Communion  unter 


drarkt  bei  Ranpach,  Beilagen  xum  enteuTheil,  S.  74)  und  im  nächnten 
Jahre  gedruckt  worden.  Die  ob-dur-ennBiscben  SUinde  beriefen  sich  auch 
in  einem  Gesuche  auf  das  Jahr  1541;  Tgl.  Otto,  a.  a.  O.,  S.  14;  Losertli, 
Die  Reformation  uud  Gegenreformation  in  den  innorOgterreichisehen 
Landern  im   16.  Jahrhundert.   1898,  8.  78f. 

Vgl.  die  Petitionsuchrift  vom  7.  December  1666  (Otto,  a.  a.  C,  8.  19; 
Lonorth,  a.  a.  O.,  8.  97  f).  Obwohl  e«  unwahrscheinlich  i«t,  das«  die  Stände 
im  Jahre  1&07  ihre  Bitten  nicht  erneuert  haben  sollten,  so  fehlt  doch  in  den 
Landtag«Terliand1ungsacton  de*  n.-ts.  LandeHarcbivs  jeder  Nachweis,  dass 
auf  dem  Landtage  diese.i  Jahres  die  Religinnsfrage  erUrtert  worden  sei. 
Ich  entnahm  diese  Angabe  dem  gut  informirten  uud  aujs  den  Acten  der 
Hofkanzlei  geiogenen  ,InHtnimentum,  in  quo  solide  demonstratur,  Luthe- 
rana« religioni»  exercitiom  in  nrbibns  et  oppidis  Anstriae  semper  fuisse 
prnhibitum',  das  sich  abschriftlich  im  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv 
XU  Wien  (Ocsterr.  Acten,  Fase.  7)  befindet.  Auch  Gienger's  Outachten  vom 
Jahre  1570  besafrt,  dass  die  Stände  bis  auf  das  68.  Jahr  heftig  nm  die 
,RatijGcatioo  und  Versicherung  der  A.  C  angehalten  haben;  vgl.  Hopfen, 
a.  a.  O..  S.  S44. 


122 


beiderlei  Gestalten  erlangt;  es  war  somit  für  ihn  der  wichtigste 
Grund  zum  Austritte  aas  der  alten  Kirche  weggefallen.* 

In  gleicher  Weise  dachte  er  auch  nicht  daran,  in  seinen 
Erbliüidern  die  Lostreunung  der  evangelisch  gesinnten  Unter- 
thanen  von  der  römisch-katholischen  Rehgion,  die  Bildung  einer 
separaten  protestantischen  Kirche  zu  furderu  oder  auch  nur  zu 
dulden,  sondern  bestrebte  sich  vielmehr,  eine  alle  Untcrtlianen, 
Katholiken  und  Protestanten  gleichmässig  bindende  Ordnung 
herzustellen,  an  die  sie  sich  in  der  Lehre  und  im  Gottesdienst 
zu  halten  hätten ;  *  in  diesem  Sinne  hatte  er  sich  auch  bei  dem 
Papste  um  die  Gestattung  des  Laienkelches  und  der  Priesterehe 
bemüht.  Von  einer  Freigabe  der  Augsburger  Confession  aber 
war  bisher  nie  die  Kede  gewesen.  Um  so  unerwarteter  musste 
es  daher  erscheinen,  als  Maximilian  am  18.  August  15ü8,  dem 
Tage  der  Landtagseröffnung,  dem  Drängen  der  zwei  Stände 
der  Herren  und  Ritterschaft  nachgab  und  ihnen  unmittelbar 
nach  der  Verlesung  der  Landtagsproposition,  nachdem  die 
anderen  zwei  Stände  der  Prälaten  und  Städte  abgetreten  waren, 
die  Religionsconcession  ertheütc.  Noch  im  Jahre  15G6  hatte  er 
die  beiden  Adelsstände  auf  die  ihnen  zugesicherte  Vollendung 
seines  Reformationswerkes  vertröstet  und  am  Ende  des  nächsten 
Jahres  durch  eine  aus  weltlichen  und  geistlichen  Personen  zu- 
sammengesetzte Commission  einen  Entwurf  zu  einer  kirchlichen 
Vereinigung  ausarbeiten  lassen,  dem  dann  die  Berufung  des 
bairischen  Propstes  Eisengreiu  und  des  Protestanten  Camerarius 
folgte.» 

Nun  that  er  einen  Schritt,  welchen  man  vielfach  als 
eine  vollständige  Schwenkung  in  seiner  religiösen  Politik  be- 
zeichnet hat,  doch  mit  Unrecht.  Was  ihn  veranlasste,  seinem 
schon  unter  Kaiser  Ferdinand  angefangenen  Religionswerkc 
vorzugreifen,  war  keineswegs  die  resignirte  Erkenntniss,  daas 
seine  langjährigen  BeuiiUuingen  an  den  unüberbrückbaren 
Gegensätzen  der  Katholiken  uud  Protestanten  scheitern  müssten 
—  den  Gedanken    an    eine   Einigkeit  im  Glauben  und  in  der 


'  Vgl.  (Turba),  VenetiaoUche  Depeschen  vom  Kaiserhofe  III,  1895,  S.  XXVIl; 
Schlecht,  Dos  geheime  Diapensbreve  Pins  IV.  etc.  im  Histor.  Jabrbncb 
XIV,  1893,  8.  1  f. 

*  Vgl.  Über  seiue  Einigungsveniache:  Hopfen,  B.  n.  O..  S.  88 f. 

*  Vgl.  Kitter,  Deutache  Ueschicbte  im  Zeitalter  der  Qegeureformation  und 
des  dreiasigjübrigeu  Krieges  1,  1889,  ä.  394. 


123 

Lehre,  an  eine  alle  Länder  und  Untertiianen  bindende  Religions- 
Ordnung  hatte  er  damals  trotz  aller  traurigen  im  Reiche  ge- 
machten Erfahrungen  noch  nicht  auf>regebcn  — :  es  war  viel- 
mehr wirklich  die  bitterste  Noth.  Man  darf  ihm  glauben,  was 
er  seinem  Bruder  Erzherzog  Ferdinand  bald  darnach  schrieb, 
doas  CS  ,wider  seinen  Willen'  und  .aus  äusserster  unumgllng- 
licher  Nothdurft*  geschehen  sei.'  In  der  erwilhntcn  Landtags- 
proposition  ersucht  der  Kaiser  die  Stände  um  die  Uobcrnalime 
der  liauptsächUch  durch  die  vielen  Türkenkriege*  verursachten 
Hofschulden  in  der  beträchtlichen  Höhe  von  2,000.000  fl.  und 
Abzahlung  derselben  sammt  den  auflaufenden  Interessen  inner- 
halb eines  Zeitraumes  von  10  Jahren,  damit  der  Hof  wieder 
in  den  Stand  gesetzt  werde,  seine  verpftindeten  Kammerguter 
«uszulüsen  und  seinen  Haushalt  ohne  fernere  Anlehen  zu  be- 
streiten.' Die  Stände  bewilligten  auch  ohne  langes  ZOgern  und 
die  üblichen  Abstriche  am  22.  September  eine  Summe  von 
2,500.000  ä.,  die  sie  jedoch  auf  unbestimmte  Zeit  zu  zahlen 
Tersprachen.*  Man  erkennt  hier  unschwer  einen  causalen  Zu- 
sammenhAng.  Es  war  auch  gar  kein  Gelieimniss:  der  Cardinul 
Commendone  sagte  es  dem  Kaiser  in  seiner  ersten  Audienz 
gsmz  unverhohlen,  wie  sehr  es  dem  kaiserlichen  Ansehen 
schaden  mtlsse,  wenn  die  Lutheraner  dann  behaupten  würden, 
sie  hätten  die  ReUgionsconcession  um  Geld  erworben.'*  Obwohl 
OS  gewiss  nichts  Befremdendes  auf  sich  hat,  wenn  die  Stände 
{tar  die  Uebernahme  einer  so  bedeutenden,  anssergewöhnlichen 
Leistung  auch  ihrerseits  ein  Zugeständniss  verlangten,    mochte 

*  ddo.  Wien,  6.  September  1568:  nbgedrnckt  von  Hopfen,  a.  a.  O.,  8.  274  f. 

*  Der  letzte  war  im  Jalire  1&6S — 1566;  vgl.  Wertheimer,  Zur  Gescliiclite 
de«  TOrkenkriegeii  Maximilian  ü.,  1665  —  1666,  im  Archiv  fBr  Osterrei- 
chiache  Geschichte  63,  S.  43  f. 

*  N.-O.  Landeearchiv,  Landtagshandlungen  1668.  Schwarz  gibt  die  Hohe  der 
verlangten  Summe  nicht  ganz  genau  mit  2,600.000  tl.  au;  vgl.  seinen  Auf- 
■atz  .Gutachten  des  bairischen  Kanzlers  S.  Eck  gegen  die  oflicielle  Dul- 
dung dos  Protestantismus  in  Oesterreich'  in  der  von  Ehsea  herausge- 
f«beaeo  Featachrifl  zum  Jubilgnm  des  Campo  Santo  1897,  S.  237. 

*  Voranagieguigen  waren  die  Antwort  der  Stünde  auf  die  Proposition  ddo. 
12.  September,  in  welcher  sie  die  Uebernahme  der  2  Millionen  jedoch 
ohne  Interessen  innerhalb  10  Jahren  bewilligten,  und  die  kaiserl.  Dnplik, 
ddo.  18.  September,  worin  der  Kaiser  erklärte,  dass  ihm  damit  nicht 
geholfen  sei;  n.-O.  Laudeaarcbiv,  Landtagsh.indlungen. 

*  Venetianische  Depeschen  lU,  S.  459;  Wiedemann,  a.  a.  O.,  I,  8.  360; 
Ranpacb,  a.  a.  O.,  8.  100, 


i 


124 


der  Kaiser  Joch  dfts  Verletzende  dieses  Vorwurfes  gefühlt 
haben,  und  wir  yerstehen,  was  seine  Seele  bewegt  haben  rausste, 
wenn  er  seinem  Bruder  Erzhcrzof;  Karl  den  Rath  erthpilt,  er 
möge  die  Landtagsverhandlungen  bei  den  steirischen  iSliinden 
so  einrichten,  dass  die  Stände  ,die  Gränz-  und  Schuldenhilfen 
iiit  in  den  RcHgionti'actat  oder  den  Raligioiitractat  in  die  Hilfen 
vermischen,  auf  dass  es  weder  I.  F.  D.  noch  der  Stände  theils 
bei  fremden  das  schimpflich  Ansehen  nit  habe,  als  ob  mit  der 
Kriigion  Kaufmannschatz  getrieben  und  dieselbe  um  Geld  ver- 
kauft werde'.'  Die  evangelischen  Stünde  machten  auch  wirk- 
lich gar  kein  Hehl  daraus,  dass  sie  die  Religionsfreiheit  mit 
schwerem  Geldc  erlangt  hätten.  Durch  ihre  Bittschriften,  dio 
sie  an  Jlaxirailians  Nachfolger  Kaiser  Rudolf  II.  und  dessen 
Statthalter  Eraherzog  Ern.st  zum  Zwecke  der  Wiederherstellung 
des  Religionswesens  in  der  Stadt  Wien  richteten,  schlingt  sich 
dieses  Ai-gument,  als  alle  anderen  versagten,  wie  ein  rother 
Faden  hindurch.'  Als  im  Jahre  lü04  zwischen  den  katholischen 
und  protestantischen  Standen  ein  schwerer  Conflict  ausgebrochen 
war,  beschwerte  sich  der  kiitlioli^chc  Herrcnstand  in  einer  Ein- 
gabe an  den  Erzherzog  Matliias:  .Dann  erstlich  ist  die  unheil- 
same und  schädliche  Concession  denen  unseligen  Suppücanten 
deswegen  bewilliget  worden,  dass  sie  entgegen  2,öOÜ.()00  fl. 
für  Kaiser  Maximilian  secundo  zu  zahlen  über  sich  genommen; 
da  wir  nun  der  Sachen  nachschlagen,  befindet  sich,  dass  unsere 
Vorfordern  und  wir  Katholische  drei  Thcil,  also  drei  doppelt 
einer  Confession,  so  unsorm  Gewissen  zuwider  und  die  noch 
heunt  zu  unserer  Untcrtlumcn  Verderben  gereichet,  bezahlen 
und  erkaufen  müssen,  da  doch  I.  M.  persuadirt  worden,  solches 
alles  käme  allein  von  unkatholischen  Particularghcdern  her, 
wie  dann  heunt  zu  Tag  solche  lutherische  Stand  in  allen  ihren 
Religionsschrifteo,  als  hätten  sie  die  Concession  so  theuer  erkauft, 
I.  M.  fUrwerfen  und  dieselb  ihrem  Unfug  längers  zuzusehen 
persuadiren  wollen." 

Man    wird    es    auch    begreiflich   finden,    dass   seine   arge 
finanzielle  Bedrängniss,  die  gerade  in  diesem  Jahre  ihren  Höhe- 


'  ddo.  Wien,  13.  September  1671;  Hopfen,  n.  «.  O.,  S.  853. 

*  So  nm  26.  November  1588.  Cod.  8314,  Fol.  640 f. 

*  L(inda«arcbir,  A.  4.  4.  Die  ßewillignng  dieier  Knniino  in  diesem  Zii- 
saniineDb.inge  envähut  .inch  der  Brief  de«  Einenfp^iu  an  Herzog 
Albrecht  von  Baiern,   ddo.  Wien,  17.  September  1&Ü8   (Hopfen,  a.  a.  O., 


125 

pankt  erreichte,'  ihn  das  Bedlirfniss  ftlhlen  Hess,  in  einem  guten 
Eiinverncbmen  mit  den  zwei  müchtigen  Adcisstiindcn  zu  leben, 
die  ja  doch  — •  nach  dem  bisheris^cn  Verlaul'  der  Ereignisse  zu 
schliessen  —  nicht  mehr  von  ihren  Forderungen  abzubringen 
waren  und  urasoinehr  ein  Entgegenkommen  von  seiner  Seite 
beanspruchen  konnten,  als  von  dem  neuen  Papste  Pius  V.  nicht 
das  geringste  Zugestilndniss  zu  erwarten  stand,  derselbe  viel- 
mehr die  von  seinem  Vorgänger  erfolgte  Bewilligung  des  Laien- 
kelches wieder  zurücknahm.*  Wenn  auch  damals  noch  gar 
keine  Anzeichen  einer  gewaltsamen  Erhebung  der  .Stände  vor- 
handen, und  diese  nicht  einmal  nucli  bei  dem  Mittel  der  Steuer- 
verweigerung  angelangt  waren,  so  mochte  der  Kaiser  doch  unter 
dem  frischen  Eindrucke  des  niederländisclien  Aufstnndes  mit 
der  Möglichkeit  einer  solchen  rechnen,  jedenfalls  aber  daran 
denken,  dass  auch  ihre  Opferwilligkeit  bei  beständiger  Abwei- 
sung ihrer  Bitten  einmal  eine  Grenze  haben  würde.  So  kam 
es  also,  dass  er  sich  mit  den  Ständen,  als  diese  vor  der  Eriifl- 
nung  des  Landtages  ein  namentlich  unterzeichnetes  Gesuch  um 
die  Bewilligung  öffentlicher  Religionsübung  nach  der  Augsburger 
Confession  überreichten,  in  Unterhandlungen  einliess,  welche 
nach  einer  pcrsünlicben,  am  17.  August  abgehaltenen  Vorbe- 
sprechung zur  Ertheilung  der  Concession  fUhrten.* 

2.  Die  Ertheilung  der  Keligionsconocssion. 

Man  hat  bisher  von  dem  Inhalt  der  Rcligionsconcession 
sehr  wenig  gewusst,*  zumal  da  auch  die  Landtagsverhandlungen 
keinen  Aufschluss  darüber  gaben;  den  authentischen  Text 
kannte  man  jedenfalls  nicht.  Glücklicherweise  ist  uns  der  des 
Conceptes  durch  die  Berichte  der  kaiserlichen  Hof  kanzlei  über 
die    zwischen    dem   Hof  und    den   evangelischen   Ständen  vom 


S.  89t)    and    der   Bericht   des  Possaniichen  OfBciaU  in  Wien  an  Reinen 

Bischof,  ddo.  Wieu,  23.  September  15ßS  (VViedemsnn,  a.  a.  O.,  I,  H.  367f.). 
'  Er  Mb  «ich  sugnr  genOthigt,   vor  dem  Landtage  die  Aobte  niid  Prioren 

ansammenzabenifen,  von  denen  er  dann  eine   .Siihsidie'  von  46.000  (1. 

erhielt:    vgl.    Venetiaiiisuhe    Depeschen  III,    S.  -168,  Anm.  1.    Vgl.  auch 

Hopfen,  a.  a.  O.,  S.  163  und  139. 
'  Vgl.  Venetianische  Depeschen  III,  S.  443, 
'  Vgl.  Kittor  (Deatscho  Oeschichte  I,  S.  397),  der  diese  Angaben  den  Dis- 

pacci  Veneti  des  Wiener  Stnatsnrchives  entnommen  hat. 
•  Vgl.  Hopfen,  a.  a.  O.,  8.  U4;  Schwarz,  a.  a.  O.,  S.  236  f. 


126 


Mai  1578  bis  März  1579  g;efllhrten  Verhiiiidlungen,  welche  auf 
ein  gründliches  Quellenstudium  zurückgehen,  erhalten  worden.' 
Derselbe  lautet  wie  folgt: 

jNftchdem  I.  k.  M.  etc.  mit  Vergünstigung  der  Augs- 
burgischcn  Confeasion  gern  nach  Möglichkeit  gewähren  wollten, 
dass  darauf  I.  k.  M.  etc.  gleichwohl  nit  ungewillt,  beiden  an- 
rufenden zweien  Ständen  von  Herrn  und  Ritterschaft  mit  ge- 
bUrender  Mass  in  ihren  Schlössern,  Häusern  und  Qebieten  auf 
dem  Land  die  vielbemeite  A.  C.  Kaiser  Carl  bochlöblichister 
Gedaclitnus  zu  Augsburg  anno  30  übergeben  und  kein  andere 
durch  gnädigste  Geduldung  nachzusehen  und  zuzulassen,  wo- 
fern man  sich  änderst  zuvor  der  gottseeligen  Ceremonien  und 
Rituum  halben  ungefitrlich  nach  dem  Gebrauch  der  ältesten 
Kirchen  solcher  Confession  zugetlian  und  wie  es  bald  nach 
Verfassung  derselben  zum  meistenteil  gehalten  worden,  ver- 
gleichen könnte.  Dabei  dann  I.  k.  M.  kraft  der  Wort  (mit  ge- 
bürender  Mass)'  etliche  sondere  Articl  und  Conditiones  verfassen 
und  ietzt  angeregter  Antwort  beilegen  lassen,  des  Inhalts:' 

,Dass  erstliehen  sich  solche  Nachsehung  allein  auf  die 
Augsburgerisch  Confession  anno  30  übergeben  und  durch  die- 
selben zween  Stand  in  ihren  SchRiasern,  Häusern  und  Gebieten 
auf  dem  Land  exerciert  werden  soll.  Zum  andern,  dass  ihre 
der  zween  Stand  Kirchendiener  sich  allein  derselben  Confession, 
Lehr  und  Ceremonien  gleich  halten,  darauf  Zusag,  Gelübd  und 
Versprüchnus  thun  sollen,  ausser  dessen  L  k.  M.  sie  in  ihren 
Königreichen  und  ErbJandendition  nit  leiden  wollen.  Zum 
dritten  wollten  ilinen  I.  k.  M.  die  Statt  und  Mtirkt  als  dero 
eigen  Kammergut  bevorbehalten  haben  und  denselben  sondere 
Mass  und  C)rdnung  nach  dero  christlichem  Gutachten  geben  etc. 
Zum  vierten  könnten  l.  k.  M.  den  zweien  Ständen  von  Herrn 
und  Kitterschaft  ihrem  üftern  Begehrn  nach  in  dero  landesftlrst- 


'  .Summarischer  und  frnindlicher  Begriff,  wa«  durch  dio  R.  k.  M.  nnseren 
allorgnädigHton  Uerrii  in  Relig^ioniuichon  I.  k.  M.  erbeigenthumblicbe 
Stadt  Wien  betr.  in  vergangnen  Monat  Mai  und  Juni  des  laufenden 
78ten  Jahn  gebandelt  worden'  (Abschrift  im  k.  n.  k.  Hans-,  Hof-  und 
Staat^archir,  fisterr.  Acten,  Fase.  7)  und  .Sunimarium  und  Relation  an  die 
k.  M.  was  von  Anfang  her  in  der  nsterreichischen  Religionsachen  h\s 
auf  den  Martium  anno  1679  gohandlet  wurden'  (Original  ebenda). 

'  In  der  kaiserl.  ErklKrung,  ddo.  18.  August;  siehe  unten,  8.  129,  Aiim.  2. 

*  Im  ,Summarium  etc.'  als  Beilage  A  verzeichnet  und  in  Abschrift  beigelegt. 


127 


liehen  Haupt-  und  Residenzstadt  Wien  ein  sondere  oflFne  Kirchen, 
Kanzel  und  Predipstubl  nit  vergönnen,  einräumen  oder  bewilligen, 
sondern  sollen  sich  an  obstehenden  bonügen  und  I.  k.  M.  des 
Predigstnhls  halben  verschonen  mit  Ausftlhrunp  der  Ursachen, 
wamm  ea  sonderlichen  zu  Wien,  da  I.  k.  M.  dero  k.  Gemahel 
und  Kinder  Hofhaltungen,  auch  das  Zureisen  von  allen  Orten 
der  Christenheit  wilren,  nit  sein,  es  auch  I.  k.  M.  gar  nit  tluin 
könnten.  Fürs  fUnfte,  dass  die  zween  Stände  und  ihre  Kirchen- 
diener die  katholischen  Personen,  ihre  Religion  und  Güter  nit 
verachten,  schmähen  oder  sonst  beleidigen.  Und  ftirs  sechste, 
dass  ihre  der  zween  Stand  Kirchendiener  sich  alles  Drucks  und 
Bücherschreibens   in  und  ausser  Lands  enthalten  sollen." 

Dieses  Schriftstück,  auf  welches  sich  die  Hofkanzlei  be- 
rief, war  von  dem  zweiten  Vicekanzler  Dr.  Johann  Ulrich  Za- 
sius*  verfasst*  worden  und  bildete  die  Grundlage  zur  späteren, 
näher  ausgeführten  ,Hauptrcsolution',  über  die  in  den  beiden 
Berichten  vollständig  geschwiegen  ist,  von  der  uns  aber  einige 
Bruchstücke  überliefert  sind.* 


<  Im  .Sammarinm  etc.',  BeilAgß  B.  Der  zweite  Bericht  ,Suiiiinari.<>c]ior  iinil 
^rQndlicIier  Bericht'  inserirt  beide  Theile  nach  den  Worten:  ,Es  l)abeii 
«ber  I.  R.  k.  M.  ans  allen  demselben  mehrers  oder  änderst  nichts  licGnden 
können,  als  dass  mehr  hUchstgedachte  nilchstrorstorbne  k.  M.  allein  nnd 
blOssIich  denen  zweien  Stenden  von  Herrn  nnd  Ritterschaft,  soviel  sich 
deren  damalen  der  A.  C.  angenommen,  anf  ihr  Öfters  flehentliches  Bitton 
^kM  sondern  Gnaden  dnreh  eine  Schrift,  datiert  den  18.  August  verschienes 
1 68ten  Jahrs  mit  diesen  Worten  angedent.'  Auch  das  ,In8tmmentum'  citirt 
dieses  Schriftstück. 

•  Ueber  ihn,  den  Sohn  des  berühmten  Freiburger  Hnmaniaten,  seit  1564 
Vicekanzler,  gest.  27.  April  1670,  vgl.  Kretschmayr,  Das  deutsche  Reichs- 
Tie«kanzlerarat  im  Archiv  fUr  Osterr.  Geschichte  84,  8.  426  und  den  Auf- 
ntB  von  Qoetc  in  der  Allg.  d.  Biographie,  44.  Band,   1898,  S.  706f. 

*  ,8nmmarinm  etc.*  Gegen  ihn  als  Verfasser  um]  rormeintlichen  Urheber 
der  ConcessioD  kehrte  sich  anch  der  ganze  Unmiith  der  Katholiken. 
Der  Bischof  Otto  von  Augsburg  bezeichnet  ihn  in  einem  Briefe  an  Her- 

,  »og  AJbrocht  von  Bayern  als  ,Erz-Papat-  und  Pfnffenfoind'  und  seine 
Briefe,  die  er  , wider  die  PSpste,  Cardinäle,  Conciliuni  nnd  Geistlichen 
■o  verbitterlich  und  gottesISsterlich  geschrieben',  ,teufliscli,  unehri.stlich 
nnd  erschrecklich';  vgl.  Wiedemann,  a.  a.  O.,  I,  8.  360.  Man  that  ihm 
»her  darin  sehr  unrecht;  vgl.  Hopfen,  a.  a.  O.,  S.  102 f. 

'  leb  folge  hier  den  Angaben  des  ,Instrumontiim'.  Ob  sie  aber  je  den 
StSndeo  ansgefolgt  wurde,  ist  sehr  fraglich;  vielmehr  dürfte  sie  in  der 
Hofkuulei  verblieben  sein.  Damit  wäre  auch  zu  erklKren,  dass  die 
8tinde  in  so  völliger  Unkenntniss  des  Inhaltes  der  Concession   befangen 


128 


Es  wird  in  derselben  betont,  dass  durch  diese  Concession 
die  katholische  Kirche  keinen  Schaden  erleiden  sollte,  und  des- 
halb , ernstlich'  befohlen,  dass  ,nftch  diesem  Zulassen  und  Nach- 
sehen die  beiden  tStönde  von  Herrn  und  Ritterschaft  samint 
ihren  Ministern,  Prädicanten,  Kirchendienern  und  Seelsorgern 
die  alte  katholische  Iteligion  und  derselben  Verwandte,  hoch  und 
niedern  Stands,  wer  sie  auch  sein,  nicht  verachten,  noch  mit 
lästerhchen  Scheltworten  antasten,  noch  auch  jemand  derselben 
geistlichen  und  weltlichen  sammt  ihren  Unterthanen  einige 
Beschwärung  der  Religion  halben  zuftlgen,  an  ihren  Gütern, 
Renten,  Zinsen,  Zehenten  und  allen  anderen  Einkommen, 
ausserordentlichen  Rechten  nichts  entziehen,  noch  in  ihren 
Possessionen  zu  turbiern  oder  auch  sonst  in  anderweg  weder 
an  Leib  imd  Gut  beschweren,  noch  von  den  ihrigen  au 
beschehen  gestatten,  wie  dann  denselben  in  geist-  und  welt- 
lichen Stand  auch  desgleichen  gegen  den  andern  auferlegt  .  .  . 
sei.  Und  neben  dem  furnehmlich  auch  das  bishero  geübet 
schädlich  und  äi'gerliche  Schänden  und  Schiiui>fen  in  den 
Predigten  und  andern  ihren  Versammlungen  gänzlich  auf- 
hören und  weiter  nicht  geduldet  werden  sollen,  gegen  schwerer 
I.  M.  Ungnad  und  Straf  nach  Gestalt  des  Verbrechens  und  I.  M. 
Erkanntnus  gegen  den  Ungehorsamen  zu  verfuhren'.  Die  Aus- 
übung des  evangelischen  Gottesdienstes  wird  ausdrücklich  als 
ein  Provisorium  bezeichnet:  , Wofern  nun  alles  und  jedes  wie 
jetzt  erzählt,  nit  allein  in  wUrkiiche  Richtigkeit  gestellt,  son- 
dern auch  von  den  zweien  Ständen,  so  viel  deren  der  Confes- 
sion  verwandt,  denselben  aliein  also  getreulich  und  festiglich 
nachzukommen  geloben,  auch  Asseciu-ation  darüber  gethan 
wUrdet,  so  wollen  alsdann  I.  k.  M.  aus  den  anfangs  gemelten 
besondern  milden  Gnaden  die  melirbestimmte  A.  C.  von  anno 
1530  in  denselben  Buchstaben  und  Inhalt  angeregten  zweien 
Ständen,  die  es  belangt,  in  dem  Namen  des  Allmächtigen  zu- 
lassen und  nachsehen,  so  lang  bis  etwo  seine  ewig  göttüche  All- 
milehtigkeit  durch  die  ordentlichen  und  christlichen  Mittel  eine 


waren,  bis  ihnen  Stroin,  der  diese  durch  den  Seoretilr  Unveraagt  sujs 
der  Hofkanxlei  requirirt  hatte,  die  Augen  Öffnete.  Es  wäre  auch  auffal- 
lend, daiu  die  Stünde,  als  die  am  6.  Juni  1578  über  die  kaiserliche 
Aufforderung  vom  30.  Mai  alle  ihre  Docuuiente,  wie  die  beiden  Aasecnra- 
tionen  vorlegten,  nicht  auch  die  Concession  beigeschloKaen  hätten,  bexie- 
huDgaweise  dass  dieselbe  vuiu  Uot'e  nicht  retjuirirt  wurden  wäre. 


I 


129 


I 


ganz  gemeine  Vergleichung  derselbig  Glaubenssachen  in  dem 
heiligen  Römischen  Reich  deutscher  Nation  vermittelst  seines 
hochheiligen  Segens  gottselig  erlangt  und  getroffen  oder  aber 
I.  M.  wol  angefangen  Werk  einer  vollkommenen  und  gänzlichen 
Universal-Religion,  Ordnung  für  Ihr  Königreich,  Erbfllrstenthum 
und  Land  zu  gewünschter  Vollendung  zukünftig  bringen  mögen.'* 
Das  ist  also  der  Inhalt  der  berühmten  Heligionsconcession, 
die  ohne  Zweifel  im  Einvernehmen  mit  den  Stunden  ausgearbeitet 
worden  war  und  jedenfalls  im  Ooneepte  bereits  vorlag,  als  der 
Kaiser  am  18.  August  den  beiden  Stünden  die  Erklärung  abgab: 
,8.  M.  erinnere  sich  gnUdig  und  viitürlicli  ihrer  oftmaligen  Hitten 
am  Gewährung  der  Augsburgischen  Confeasion,  sowie  der  von 
seinem  Vater  und  ihm  oft  ernstlich  in  Aussicht  gestellten  allge- 
meinen Ordnung,  wonach  in  allen  Königreichen  das  Wort 
Gottes  gepredigt,  die  heiligen  Sacramente  gereicht  und  die  Ce- 
remonicn  verwaltet  werden  sollten.  Zu  diesem  Werke,  das  die 
Einheit  der  Religion  wiederherzustellen  bezwecke,  seien  schon 
zu  Lebzeiten  Kaiser  Ferdinands  von  gelehrten  Männern  des 
geistlichen  und  Laienstandes  die  Fundamente  gelegt.  Schwere 
Kriege,  sowie  die  Abhaltung  von  Reichs-  und  Landtagen  hiltten 
den  Kaiser  bisheran  gehindert,  das  glücklich  angefangene  Werk 
zu  vollenden.  Auch  jetzt  noch  machten  sehr  wichtige  Gescliätle 
die  schnelle  Erledigimg  dieser  Sache  unmöglich.  Im  Hinblick 
aid"  die  anhaltenden  Bitten  der  Stünde  sei  der  Kaiser  jedoch 
geneigt,  ihnen  entgegenzukommen,  soweit  er  es  vor  Gott  ver- 
antworten könne  und  die  anderweitigen  Interessen,  auf  welche 
er  nolhwendig  Rücksicht  nehmen  müsse,  es  gestatteten.  S.  M. 
wollte  ihnen  daher  in  ihren  Schlössern,  Herrschaften  und  Dör- 
fern' die  A.  C.  von  1530  und  keine  andere  allergniidigst  ge- 
statten, wenn  sie  sich  vorher  über  eine  Ordnung  der  kirch- 
lichen Gebräuche  verglichen.  So  lange  die  Welt  stehe,  hätte  es 
keine  Religion  ohne  eine  derartige  Ordnung  gegeben,  welche 
das  unerfahrene  Volk  zur  wahren  Frömmigkeit  und  zu  christ- 
lichem Gehorsam  aneifere.  Die  Confessio  sei  blos  ein  Lehrbuch, 
welches  bei  den  Ständen  des  Reiches  eine  Reihe  von  Agenden 
notiiwendig   gemacht   habe.     Eine   solche   herzustellen,  erachte 


'  Im  .Instramentnm  in  quo  etc.'  Beilage  O,  H  und  K. 

*  ^it  gebUreiidor  Msita  iu  iliron  ScblO.isorn,  Uäiusem  und  Gebieten  auf 
dem  Land'  lautet  der  Text  nach  der  im  Münchner  Reichwurcbiv  aufbe- 
wahrten Copie;  Tgl.  S.  130,  Anni.  1. 

AieUr.  LXXXTII.  Bl.  I.  UUft«.  9 


130 

der  Kaiser  für  das  Nothwendigste,  und  er  erkläre  sich  daher 
bereit,  zu  diesem  Zwecke  erprobte,  friedliebende,  leidenschafts- 
lose Männer  zu  deputiren,  welche  unter  dem  Vorsitze  eines 
Mitgliedes  des  geheimen  Rathes  mit  den  in  gleicher  Anzahl  zu 
wählenden  Deputirten  der  Stände  die  Agende  vereinbaren 
sollten.  Er  zweifle  nicht,  dass  die  Deputirten  fleissig  arbeiten 
würden,  so  dass  die  Angelegenheit  noch  während  des  Land- 
tages zum  erwünschten  Ende  geführt  werden  kOnne.'^ 

Diese  Religionsireiheit  bezog  sich  ausdrücklich  nur  auf 
die  zwei  Stände  der  Herren  und  Ritter.  Der  vierte  Stand  blieb 
ausgeschlossen.  Auf  dem  Landtage  des  Jahres  1566  hatte  Ma- 
ximilian n.  den  Abgeordneten  der  Städte  und  Märkte  streng- 
stens verboten,  in  Religionssachen  mit  den  zwei  oberen  welt- 
lichen Ständen  zu  gehen,'  und  eine  darauf  erfolgte  Beschwerde 
der  Letzteren  rundwegs   abgeschlagen.     Die  landesfürstlichen 


Diese«  interessante  Actenstttck,  welches  sich  in  keinem  Wiener  Archive 
verpfänden  hat,  ist  von  Schwarz  nach  der  im  Vaticanischen  Archiv 
befindlichen  ,Responsio  Caesaris  ad  daos  statns  Anatriae  de  confessione 
Augnstana  d.  18.  An^.  1568'  im  Ausznge  mitgetheilt  worden;  a.  a.  O., 
S.  236  f.  (Eine  durch  Dr.  Kder  au  Herzog  Albrecht  gesandte  Abschrift 
fand  ich  nach  Abschluss  dieser  Arbeit  in  dem  Münchner  allgem.  Beicha- 
archiv,  Oesterr.  Beligionsacten  Tom.  X,  P.  1,  Fol.  205.)  Aus  welchen 
Gründen  er  aber  so  bestimmt  behauptet,  dass  diese  ErkUrung  vom 
Kaiser  gemacht  worden  sei,  ,ohne  noch  erst  in  diesen  Angelegenheiten 
angegangen  zu  sein',  ist  mir  nicht  ganz  klar.  Das  Wort  .responsio* 
(vgl.  auch  ,die  Antwort'  im  Concepte  der  Concession,  S.  126)  ISsst  schon 
auf  das  Gegentheil  schliessen.  Abgesehen  davon,  dass  gar  kein  Grund 
einzusehen  ist,  weshalb  die  Stände  von  ihrem  schon  fast  zur  Gewohnheit 
gewordenen  Dr&ngen  um  Religionsfreiheit  so  plötzlich  abgestanden  sein 
sollten,  so  wäre  es  ja  ganz  gut  denkbar,  dass  sie  ihre  Sache  —  so  wie 
später  —  durch  den  geheimen  Eath  Reichard  v.  Strein  fahren  Hessen, 
der,  wenn  er  auch  vielleicht  damals  noch  nicht  Präsident  der  Hofkammer 
gewesen  ist,  doch  sicherlich  schon  einen  grossen  Einfluss  auf  die  finan- 
zielle Gebahrung  ausübte  und  auf  diese  Weise  den  Kaiser  beeinflussen 
konnte,  was  ihm  bei  der  grossen  Gnade,  die  er  bei  diesem  genoss,  nicht 
so  schwer  gefallen  wäre.  Der  venetianische  Gesandte  Micheli  erwähnt 
aber  ausdrücklich  diese  Petition  der  Stände  (siehe  oben,  S.  126,  Anm.  8), 
und  auch  das  ,Instrumentnm  etc.*  bemerkt,  dass  die  Stände  ,anno  68 
abermalen  um  eine  Kirchen  und  Prädicanten  allhie  angehalten',  worauf 
dann  am  18.  August  die  ,Hauptresolntion'  erfolgt  sei.  (Beilage  F.)  Vgl. 
übrigens  auch  das  Outachten  des  Gienger,  S.  121,  Anm.  1. 
'  Auf  dieses  Verbot  berief  sich  auch  Rudolf  U.,  als  die  Städte  im  Land- 
tage des  Jahres  1579  mit  den  anderen  evangelischen  Ständen  gemein- 
same Sache  machen  wollten. 


131 

Stsdte  und  Mftikte  worden  damals  ausdrücklich  als  Kainmergut 
erklärt,  über  welches  dem  Kaiser  das  alleinige  Verfllgungsrecht 
sastiinde.'  Daran  wurde  auch  in  dem  Landtage  1568  nichts 
geändert.  Aber  nicht  nur  diese  selbst,  sondern  auch  —  und 
das  ist  höchst  wichtig  —  die  darin  befindlichen  Häuser  der 
AdeUgen  waren  von  der  Concession  ausgeschlossen.  Das  Merk- 
würdigste daran  war  aber,  dass  die  zwei  Stände,  auch  ihr 
Wortführer,  keine  Ahnung  davon  hatten,  bis  ihnen  ein  Jahr 
später  —  wie  wir  sehen  werden  —  bei  der  Durchsicht  der 
bezüglichen  Verhandlungsacten  die  Augen  geöffnet  wurden.' 
Die  Fassung  der  an  die  Concession  geknüpüten  Bedingungen^ 
hätte  gewiss  noch  etwas  klarer  sein  können;  vielleicht  aber 
war  sie  absichüich  etwas  zweideutig  gehalten.  In  diesem  Falle 
hatte  der  Kaiser  seinen  Zweck  vollkommen  erreicht.  Das  den 
Worten  ,in  ihren  Schlössern,  Häusern  und  Gebieten'  angefügte 
,aaf  dem  Land'  (Punkt  1)  bezogen  die  Stände  offenbar  auf 
die  Gebiete  allein.  Und  den  3.  Punkt,  dass  sich  nämlich  die  M. 
die  Städte  und  Märkte  als  ihr  Kammergut  vorbehalten  habe, 
konnten  sie  —  wie  sie  das  auch  wirklich  thaten*  —  dahin 
deuten,  dass  dieselben  im  Sinne  der  früheren  Deci-ete  nicht  in 
die  Concession  einbezogen  werden  sollten,  diese  vielmehr  aus- 
tchliessUch  für  den  Adel  ertheilt  sei;  und  zwar  war  diese  An- 
nahme um  so  berechtigter,  als  das  im  nächsten  Punkte  enthal- 
tene Verbot  des  Religionswesens  in  der  Residenzstadt  Wien 
sich  nur  auf  eine  ,be8ondere  offene  Kirche,  Kanzel  oder  Predigt- 
stuhl'  bezog,  somit  also  der  Privatgottesdienst  in  den  Häu- 
sern der  Stadt  Wien,  sowie  der  öffentliche  Religionsdienst  in 
den    anderen   Städten   und  Märkten  erlaubt  erschien. 

3.  Die  BcUglonsconferenz.    Depntirtenwahlcn. 

Die  Stände  gaben  in  dem  guten  Glauben,  dass  ihnen 
vollständige  Religionsfreiheit  gewährt  worden  sei,  drei  Tage 
später,  am  21.  August,  ,aus  inbrünstigem  Herzen'  ihrer  Freude 
and  ihrem  , höchsten,  demüthigsten,  unterthänigsten  Danke' 
darüber  Ausdruck,   dass  ihnen   die   Lehre   und   Religion  nach 


'  Vgl.  Otto,  a.  a.  O.,  S.  ITf.  •  Vgl.  unten. 

*  Die   apitere   Fassung   hat,   nach  den  erhaltenen   Proben  sa  aoblieaseo, 

in  ne«entlicher  Hinsicht  nichts  oder  sehr  wenig  geändert 
'  VgL  ant«D. 

9» 


132 


der  Confessio  Auguütana  ,iii  iliron  Schlüssern,  Häusern  und 
Gebieten  nun  forthin  frei  und  offenbar  zu  gebrauchen'  gestattet 
sei.  Von  dem  Zusätze  .auf  dem  Lande'  ist,  wie  man  sieht,  gar 
keine  Rede  mehr.  Den  vom  Kaiser  geUusserten  Wunsch,  den 
Religionstractat  ,noch  in  währendem  Landtag  zur  gebiirlichen 
EndsciiafV  zu  bringen,  beantworteten  sie  damit,  dass  sie  auch 
ihrerseits  von  demselben  Verlangen  durchdrungen  wären,  sie 
hätten  aber  —  und  damit  stellten  sie  sich  und  ihren  Theologen 
gerade  kein  sehr  schmeichelhaftes  Zeugniss  aus  —  ,llber  fleissigs 
Nachgedenken  und  in  gehabter  Umfrag  unter  ihrem  Mittl  der- 
gleichen Personen,  die  sich  einer  solchen  hochwichtigen  Hand- 
lung anmitchtigcn  wollten,  nicht  befinden  können,  wissen  auch 
die  jenen,  welche  sie  zu  diesem  Werk  gelehrt  und  tauglich 
sein  achten,  in  so  kurzer  Zeit  nicht  daher  zu  bnngcn'.  Sie 
baten  schliesslich  um  eine  Frist  und  um  die  Erlaubniss,  sich 
mittlerweile  bis  zur  Beendigung  der  Religionsconferenz  einer 
der  drei  gedruckten  Agenden,  iiiiralich  der  Pfalzgraf  Wolfgang- 
Bchen,  der  Wtlrttembergischen  oder  der  Strassburgischen  be- 
dienen zu  dürfen.' 

Der  Kaiser  antwortete  den  Ständen  am  23.  August,  er 
könne  nicht  glauben,  dass  , unter  der  Gottlob  so  stattlichen 
Menge  von  beiden  der  löblichen  Herren  und  Hitterscliaft  Stände 
so  vieler  geschickter,  verständiger  und  wohleriahrner  Personen 
ein  solcher  Mangel  und  Abgang'  sein  könnte.  Sie  werden  doch 
einen  gelehrten  Theologen  im  Lande  haben,  welchen  sie  zu  den 
Verhandlungen  deputiren  könnten,  so  dass  es  fllglich  überflüssig 
sei,  eineu  solchen  erst  aus  dem  Auslande  kommen  zu  lassen. 
Es  solle  von  ihm  aus  nichts  Übereilt,  sondern  Alles  ,wohlbe- 
dächtiglich'  geliandelt  werden.  Den  Gebrauch  einer  der  drei 
vorgeschlagenen  Agenden  könne  er  mit  gutem  Gewissen  nicht 
billigen,  weil  er  sie  noch  nicht  gesehen  habe.  Sie  mögen  sich 
daher  bis  zur  Confcrenz  gedulden,  in  der  dann  nicht  nur  die 
erwähnten  drei,  ,sondern  auch  mancherlei  andere  mehr  christ- 
liche  wohlborUhmte   Agenden,   wie  deren   nit  wenig  in  Druck 


*  Daa  Original  aiit  dem  kaiserlichen  Vermerk  ,praesontata  21.  Au^nisti'  im 
k.  n.  k.  Haus-,  Hof-  und  8taatiuirchivo  (Beilage  C  des  ,Summarinm  etc.'). 
Abachrift  im  n.-O.  Lande.iarchir,  B.  3.  26;  vgl.  auch  Otto,  a.  a.  O.,  8.  24. 
Von  einer  Bitte  um  Mittheilung  dieser  drei  Agenden,  die  Otto  dort  an- 
fOhrt,  ist  darin  nichts  enthalten.  Dieser  Irrtbum  gebt  wieder  auf  Denbart 
surück  (siebe  Vorwort  8.  118), 


133 


ausgaogen,  genugsam  vorhanden',  vorgenommen  und  miteinander 
▼erglichen  werden  könnten.  Zum  Schlüsse  ersucht  sie  der  Kaiser 
Täterlich,  .sie  wollten  doch  alle  diese  Gelegenheit  und  UmsUlnde 
anderwärts  und  besser  betrachten  und  zu  Gcmütli  ziehen,  nun- 
mehr die  Sachen,  nach  denen  sie  mit  ihrem  stäten  flehentlichen 
Bitten  und  Rufen  so  lang  und  Iieftiglich  gestrebet  und  fifeworben. 
selbst  zu  ihrem  gewünschten  Ziel  und  gebührenden  wirklichen 
Fortgang  fÜrdern'  and  womöglich  noch  diese  Woche  zur  Wahl 
ihrer  Deputirteu  schreiten.' 

Die  Stände  brachten  hierauf  am  26.  August  den  Land- 
marschall Hans  Wilhelm  von  Rogeudorf  und  Rüdiger  von 
Starhemberg  aus  dem  Ilerrenstande,  Leopold  von  Grabner  iiiid 
Wolf  Christof  von  Enzersdorf  aus  dem  RittersUuule,  ft-rncr  den 
Universitiltskauzler  und  Propst  der  Stiftskirche  von  Tübingen, 
Dr.  Jakob  Andrea,  der  ihnen  ,fUr  einen  trefflichen,  gelehrten, 
christlichen,  feinen  Mann'  gerühmt  worden  war,  und  den  Grab- 
ner'schen  PfaiTer  in  Rosenburg,  Christof  Reuter,  iu  Vorschlag  und 
baten  ihrerseits  um  Bekanntgabe  der  kaiserlichen  Deputirten.* 

Die  Wahl  des  Andreil,  unstreitig  eines  der  bedeutendsten 
Theologen  seiner  Zeit,  als  ,Lutberus  secundus'  im  ganzen  Reiche 
bekannt,  hatte  wohl  nicht  viel  Aussicht,  vom  Kaiser  bestiltigt 
zu  werden.  Denn  trotz  seiner  unermüdlichen  concordistischen 
Thätigkeit,  die  ihm  auch  von  Seite  des  Kaisers  zwei  Jalire 
später  dessen  Lob  eintrug,  war  er  ein  starr-orthodoxer  Luthe- 
raner und  ein  eingefleischter  Gegner  der  Melanchthon'schen 
Partei,  wodurch  er  sich  von  vorneherein  in  einen  schroffen 
Gegensatz  zu  dem  stark  von  Melanchthon  und  der  Vermitt- 
lungspartei  beeinflussten  Kaiser  stellen  musste.^  Ei'  hatte  auch 
gegen  das  Leipziger  Interim  äusserst  scharf  gepredigt,  und 
ausserdem  wird  seine  heftige  und  leidenschaftliche  Natui-,  die 
ihn  z.  B.  auf  dem  Augsburger  Reichstage  des  Jahres  1569 
hinriss,   den   dortigen   katholischen  Domprediger  während    der 


'  N.-fi.  LandemrebiT,  B.  3.  26,  Abacbrift;  v^l.  Otto,  a.  >.  O.,  S.  84. 

■  Ebend«. 

*  Vgl.  über  Kaiser  Maximilian's  Verhültniiw  zu  Melaucbthon's  L<ebre 
Haapt,  Melaochtboiu  und  Heiner  Lehre  Eiodaas  auf  Maxiuiilian  II.  von 
Oerterreich  (Prograium  des  Molanchtbou-Gymnasiumii  Wittenberg  1897, 
Nr.  264),  und  Loeacbe,  Melaiicbtbon's  Ueziehungen  zu  Oe^terreicb-Ungam 
im  Jahrbncb  der  Gevellscbaft  für  die  Qescbicbte  des  Protentantismus  in 
Oecterreicb  XVUl.  1897,  S.  1  f. 


134 


Predigt  öffentlich  zu  sclimähen,  dem  Hofe  genügend  bekannt 
gewesen  sein.' 

Der  andere  Theologe,  Reuter,  war  insoferne  gut  gewählt, 
als  er,  obzwar  auch  ein  entschiedener  Lutheraner,  doch  damals 
bereits  eine  sehr  gemilasigte  Richtung  vertrat  und  eine  Art 
von  Mittelstellung  zwischen  den  Parteien  —  namentlich  später 
in  dem  Erbsündenstreit  —  einnahm.* 

Mit  dem  kaiserlichen  Deeret  vom  28.  August  bestätigte 
Maximilian  II.  die  von  den  Ständen  vorgeschlagenen  Deputirten 
mit  Ausnahme  des  Andrea,  gegen  dessen  Annahme  er  ohne 
nähere  Begründung  , besondere  Bedenken'  zu  haben  erklärte, 
und  em()fahl  ihnen  dafür  den  Professor  der  Theologie  zu  Wit- 
tenberg, Dr.  Paul  Eber,  oder  den  sächsischen  Superintendenten 
und  Prediger  des  gefangenen  Herzogs  Joiiann  Friedrich  von 
Sachsen,  Mag.  Ambrosius  Roth.  Gleichzeitig  wurden  die  kaiser- 
lichen Delegirten  namhaft  gemacht:  der  Bischof  von  Wr.-Neu- 
stadt,"  Christof  von  Carlowitz,  Dr.  Sigmund  von  Oedt,  nieder- 
östeiTeichischer  Regierungsrath,  Lorenz  Saurer,  kaiserhcher 
Landschreiber,  und  Prof.  Joachim  Camerarius.  Ein  Theologe 
sollte  noch  ernannt  werden.  Zum  Präsidenten  wurde  der  erste 
Reichsvicekanzler  Dr.  Johann  Baptista  Weber  bestimmt.*  Es 
waren  also,  wie  der  Kaiser  besonders  hervorhob,  auch  zwei 
Protestanten,  allerdings  der  gemässigsten  Richtung,  die  man  sich 
nur  denken  kann,  im  Collegium:  der  namhafte  Staatsmann 
Carlowitz*  und  der  Leipziger  Humanist  Camerarius,*  beide  in- 
time Freunde  und  Gesinnungsgenossen  Melanchthons. 

Die  Wahl  dieser  zwei  Vermittlungstheologen  entsprach 
gewiss   ganz   der   Gesinnung   des   Kaisers,   nahm  aber  auf  die 


'  Ueber  ihn,  den  ,Vater  der  Concordie',  Tgl.  den  Aufsatz  Ton  Wa^nmann- 
Kolde  in  der  Bealencylcloptldie  fQr  proteatantische  Theologie  and  Kirche, 
3.  AiiBage,  I,  1896,  S.  061  f.,  wo  auch  die  weitere  Literatur  angegeben 
ist;  ygl.  auch  don  Artikel  von  Hefele  in  Wetzer  und  Weite'»  Kirchen- 
lexikon, 2.  AuflaRp,  I,   1880,  8.  818f. 

•  Er  wurde  deslialb  von  den  Flacianem  ein  .Nicodemer*,  ,Weltklögling' 
und  .stummer  Huud'  genannt;  vgl.  Über  ihn  Kaupaeh,  Presbyterologia 
Austriaca,  S.  148  f.  *  Christian  NaponSus  Itadiducius,  gest.   1671. 

•  N.-O.  LandesarchiT,  B.  3.  26,  Abschrift;  vgl.  Otto,  a.  a.  O.,  8.  25. 

'  Geb.  18.  December  1507,  gest.  8.  Jinner  1674;  vgl.  Ober  ihn:  Langenn, 
Christof  von  Carlowitz.  1856. 

•  Geb.  12.  April  1600,  gest.  17.  April  1674;  vgl.  Realencyklopädie  für  pro- 
testantische Theologie,  3.  Auflage,  III,  1897,  8.  687. 


i 


135 


religiöse  Richtung  der  Stände  wenig  Rücksicht  Bei  diesen  trat 
nttmlich  immer  deutlicher  und  unverhohlener  das  strenge  ultra- 
radicale  Lutherthum  zu  Tage,  das  durch  die  scharenweise  aus 
allen  Theilen  des  Reiches  nach  Oesterreich  gewanderten  ortho- 
doxen Prediger  rasch  verbreitet  worden  war.  Fanatische  Hetz- 
prediger  waren  es  vor  Allem,  die  wegen  ihrer  halsstarrigen 
Heftigkeit  und  ihrer  dofiinalischcn  Unduldsamkeit  von  dort  ver- 
trieben worden  waren  und  nun  unter  der  Maske  des  reinen 
tind  unverfulschten  LutlRrthums  ihre  giftigen  Waffen  gegen  alle 
Andersgliiubigen  kehrten.  Namentlich  viele  Parteigenossen  des 
leidenschaftlichen  Istrianers  Matthias  Vlacich  (Flacius  lllyricus),' 
welche  die  Streitsucht  und  Härte  ihres  Meisters,  nicht  aber 
seinen  durchdringenden  Verstund  besassen,  die  allerextremsten 
anter  den  Gnesiolutheranern,  waren  nach  dem  unglücklichen 
Aosgaoge  des  synergistischen  Streites  und  ihrer  Vertreibung 
durch  den  Herzog  Johann  Friedrich  von  Sachsen,  ihren  ein- 
stigen Schutzherrn,'  in  starker  Anzahl  hierher  nach  Oesterreich 
gezogen  und  daselbst  mit  Rücksicht  auf  den  gi-ossen  Mangel  an 
ordinirten  Predigern  mit  offenen  Armen  aufgenommen  worden.' 
Chytrftus  konnte  wohl  ohne  Uebertreibung  sagen:  ,In  Austria 
libertas  rehgionis  fere  nimia  est.  Confluunt  erim  illuc  inipune 
omnes  qnacunqne  de  causa  ex  alüs  Oermaniae  locis  dimissi.'* 
Die  zwei  Jahre  vorher  von  mehreren  Predigern  in  Oesterreich 
ausgegangene  jCoufessio  oder  christliche  Bekanntnus  des  Glau- 
bens etc.'  hatte  bereits  Farbe  bekannt  und  der  Abneigung  gegen 
Mehinchthon  und  seine  Partei  scharfen  Ausdruck  verliehen.*  Seit- 
her hatte  diese  Bewegung  unter  den  österreichischen  Predigern 
keineswegs  abgenommen  und  obendrein  bei  einem  grossen  Theile 
der  Stilnde  festen  Boden  gefasst.  Vor  Allem  waren  es  —  wie 
wir  in  der  Folge  noch  zu  sehen  Gelegenheit  haben  werden  — 
die  Religionsdeputirten  selbst,  wie  der  Laudmarschall''  und  be- 


'  V^I.  aber  ilin  (gast,  11.  MSrz  1575)  Kuwerau  in  der  Realencyklopäilie  fUr 
proUwt  Theologe,  3.  Anflo^re,  VI,   1899,  S.  83f;  Preger,  M.  Flaciiu  niyri- 
eoa,  1869—1861,  S  Bde. 
'■  Ebeod«,  U.  S.  101  f.;  Ritter,  Deatxcbe  Oeschichto  I,  S.  207. 
I*  Beiiipiele  bietet  xar  Oeniige  Raupach's  Preibyterologia  Austriaca. 
'  18.  October  1574;  vgl.  D.  Chytraei  Epistolae,  1614,  8.  149. 
'  Ranpacb,  Evang.  Oesterr.,  S.  77  f. 

*  Er   galt    als    einer  der  hartnSckigsteii,    wie   dies   die   8telle  aiu   einem 
Briefe    Melchior    KlosPs    an    deu    kaiserlicben    OberKtbofmeixter    Adnm 


136 


sonders  Rüdiger  vou  Starhemberg,  dessen  Gut  Eflferding  in 
Oesterreich  ob  der  Enns  lange  Zeit  eine  Hochburg  des  Flacia- 
nisinus  war,'  welche  sich  zur  flaclanisclien  Richtung  bekannten 
und  sie  auf  das  Eifrigste  begünstigten.  Auf  diese  Weise  pflanzten 
sich  alle  die  erbitterten  und  langwierigen  dogmatischen  Streitig- 
keiten, die  nach  Luthcr's  Tode  die  protestantische  Partei  in 
Deutschland  im  luneru  diirchtobten,  und  die  luasslosen  AngritTe 
gegen  Melanchthon  und  seine  Vermittlungspolitik,  die  in  dem 
unglllcksoligen  Leipziger  Interim  einen  markanten  Ausdruck 
gefunden  hatte,  auch  nach  Oesterreich  fort.  Die  orthodoxen 
Lutheraner  waren  es  ja,  die  unter  der  geistigen  Führerschaft  des 
Flacius  und  Anderer  Melanchthon  beschuldigten,  in  den  Interims- 
verhandlungcn  nicht  nur  in  glcichgiltigen  Dingen,  sondcra  auch 
in  fundamentalen  Glaubensartikeln  allzuviel  zu  (»unstcn  der 
kathoHschcn  Kirclie  nachgegeben  zu  haben  und  von  dem  reinen 
Luthertlium  entweder  nach  der  katholischen  Seite,  wie  in  der 
Lehre  vom  freien  Willen  und  von  den  guten  Werken,  oder 
nach  der  calvinischen  Seite  in  der  Lehre  vom  Abendmahl  ab- 
gewichen zu  sein.  Hauptsächlich  der  Abendmahlstreit,  der  im 
Jahre  1552  durcli  Westphal  von  Neuem  ausgebrochen  war, 
hatte  eine  tiefgehende  Erbitterung  gegen  die  Philippisten  ver- 
ursacht. Melanchthon  hatte  nitmlich  die  lutherische  UbiquitUts- 
lehre  verworfen  und  sich  stillschweigend  der  calvinischen  Abend- 
mahlslehre angeschlossen.  Das  hatte  zur  Folge,  dass  Alles,  was 
sich  zur  Fahne  des  radicalen  Lutbcrthums  bekannte,  ihn  und 
seine  Anhänger,  welche  allmäÜg  die  beiden  kursächsischen  Uni- 
versitllten  Leipzig  und  Wittenberg  beherrschten,  als  Krypto- 
calvinisten  auf  das  Aergste  befehdete.  Da  der  Kurfürst  August 
von  Sachsen  dem  Corpus  doctrinac  Philippicuin  im  Jahre  15G4 
gesetzliche  Kraft  in  seinem  Lande  verlielicu  hatte,  kann  man 
sich  die  Abneigung  der  strengen  Lutheraner  gegen  alle  säch- 
sischen Prediger  erklären.* 


I 


Freihorrn  von  Dietriohstein,  ddo.  Wien,  4.  MSrz  1686  (Original  im 
k.  a.  k.  IIau8-,  Hi)f-  und  Sbiatsarcliir)  bowoiitt:  , Heilt  hab  I.  D.  ich  über- 
geben diese  Lfuidleut,  .so  nocli  den  neuen  Kalender  nicht  halten,  darunter 
Herr  Laudmarscliall  und  Helmhard  Uerger  die  ernten  sein.  Summa:  die 
Flaciaucr  nehmen  in  diesem  Land  dermassen  Überhand,  dnss  E.  O.  nit 
glauben  ktinnen.' 
Vgl.  Otto,  a.  a.  O.,  8.  69. 
Vgl.  Ritter,  OeutAohe  Oerchichte  I,  8.  91  f. 


I 


137 

Namentlieli  der  Wittenberger  Siiperintenclpnt  Paul  Eber, 
der  nach  Melanchthon's  Tode  vielfach  als  das  Haupt  der  Phi- 
lippisten  angesehen  wurde,  inusste  daher  bei  den  sUlndischen 
Depntirten  starke  Opposition  hervorrufen.  Er  hatte  zwar  bald 
darauf,  wie  sich  dies  auf  dem  Dresdener  Convent  (25.  Milrz 
1563)  geäussert  hatte,  seine  ursprüngliche  Zuneigung  zur  Genfe- 
rischen  Lehre  theilwcise  aufgegeben  und  eine  Mittelstellung 
zwischen  Luther  und  Melanchthon  eingenommen,  die  auch  in 
seiner  Schrift  ,vom  h.  Sacrament  des  Leibs  und  Bluts  unseres 
Herrn  Jesu  Christi'  zum  Ausdruck  kam;  der  Erfolg  war  aber 
nur  der,  dass  er  es  sich  mit  den  offenen  und  geheimen  Calvi- 
nisten  verdarb  und  ausserdem  von  den  meisten  Lutheranern 
als  verkappter  Calvinist  misstrauisch  angesehen  wurde'  Man 
wird  es  also  begreiflich  finden,  wenn  die  sUlndischen  Deputirten 
am  4.  September  dem  Kaiser  entgegneten:  Eber  sei  ,wie  auch 
fast  der  meiste  Theil  der  Wittenberger  mit  dem  calvinischen 
Irrthum  befleckt',  und  Roth  liabe  in  Sachsen  , allerlei  Unrath' 
angerichtet.  Sie  schlugen  statt  dessen  neuerlich  den  Andrea 
oder  den  Magdeburger  Superintendenten  Dr.  Johann  Wigand, 
der  ,auch  für  einen  gelehrten,  christlichen,  reinen,  alten  Theo- 
logiim  erkannt  ist',  vor.*  Den  Kaiser  musste  der  Vorschlag  des 
Letzteren  wie  ein  offener  Hohn  berühren,  da  Wigand  bisher  als 
einer  der  eifrigsten  Mitstreiter  des  Flacius  stets  die  lutherische 
Orthodoxie  verfochten,  gegen  Eber  eine  Streitschrift  verfasst  hatte 
and  wegen  seiner  leidenschaftlichen  Angriffe  gegen  den  Herzog 
Johann  Friedrich  zusammen  mit  Flacius  am  9.  November  1561 
durch  eine  herzogliche  Commission  aus  Weimar  ausgewiesen 
worden  war.'  Auf  keinen  Fall  aber  konnte  er,  der  sich  selbst 
gegen  das  Sectenwosen  und  besonders  gegen  die  Ausbreitung 
dea  , calvinischen  Giftes'  ausgesprochen  hatte,*  diesen  Vorwurf 
ruhig  hinnehmen.  Er  erwiderte  daher  am  9.  September  ziem- 
lich scharf  und  spitzig:  Es  seien  ihm  die  wider  Eber  seines 
Calvinismus  wegen  geäusserten  Bedenken  umso  befremdlicher, 
als  derselbe  ,durch  ein  sonder  gedrucktos  Tractiill  wider  die 
angeregte  calvinische  Sect  stattlich  und  mit  grossem  PMeiss  ge- 


'  Heber  ibo  (geb.  8.  Nov.  1611,  gcst  10.  Dec.  1660)  vgl.  den  Artikel  von  Kaweran 
in  der  Be«loncylilo|i&die  (\\r  protattAntisckc  Theologe  I  (1890),  S.  118f. 
»  N.-O.  Landenarchiv,  Abschrift;  vgl  Otto,  «.  n.  O.,  8.  26. 

•  Vgl.  über  ihn  (geat  1687)  Allgom.  d.  Biogr    42.  Band,  1897.  8.  452  f. 

*  Vgl.  Ritler,  Deutiche  QeaahioUte  I,  8.  216. 


138 


schrieben.  I.  k.  M.  glauben  auch,  dass  weder  der  Kurfllrst  zn 
Sachsen  noch  seine  Wittenbergische  Schul  und  Kirchen  gern 
geständig  sein  würden,  dass  daselbst  zu  Wittenberg  der  Cal- 
vinismus angoregtermassen  überhand  genommen'.  Auch  von 
Roth  habe  er  nie  etwas  Nachtheitiges  gehört  and  wisse  nicht, 
was  das  ftlr  ein  Unrath  sei,  ,e8  wäre  denn,  dass  er  sich  wie 
viel  andere  und  der  grösste  Theil  aller  Augsburgischen  Con- 
fession  verwandten  Kurfth-sten,  Fürsten  und  Stünde,  Theologi 
etlichen  wenig  zitukischen  Leuten,  so  sich  in  allen  Landen  ein- 
zuflicken und  ihren  unruhigen  Samen  sonderer  Lehr  und  Aus- 
tilgung guter  und  zulässiger  Ceremonien  einzuftlhren  unter- 
stehen, vielleicht  auch  widersetzt  hatte'.  Die  von  den  Ständen 
empfohlenen  Theologen  Andrea  und  Wigand  könne  er  niclit 
approbiren,  namentlich  den  Letzteren  nicht,  , dessen  Abschied 
aus  einer  namhaften  I.  k.  M.  und  des  heiligen  Reichs  Stadt 
und  daneben  einem  andern  seinem  Gesellen'  von  dünnen  un- 
ruhiger und  zum  Theil  aufrührerischer  Lehren  halben  sehr 
schimpflich  ausgeschafft  worden,  und  anders  mehr,  so  in  dem 
ganzen  Römischen  Reich  von  solchem  Wigando  ruchbar,  1.  M. 
ganz  unverborgen  ist'.  Er  könne  nicht  durch  die  Annahme 
solcher  Theologen  das  ganze  Religionswerk  in  einen  Misscredit 
kommen  lassen.  Uebcrhaupt  komme  es  ihm  , etwas  fremd'  vor, 
,da8s  solche  beide  Stilnd  sonst  keine  anderen  Leut  zu  ihrem 
Theil  benennen,  als  die  bei  dem  meisten  und  grössten  Theil 
der  Augsburgischen  Confession  verwandten  KurfUrsten,  Fürsten 
und  Stünden  nit  allein  keinen  Platz  haben,  sondern  auch  in 
einem  nit  guten  Namen  und  Ruf  seien.  Damit  aber  die  zwei 
I.  M.  getreue  Stünde  spürlich  abzunehmen,  dass  I.  M.  der 
Sachen  zu  gebürlicher,  fUrderlicher  Fortsetzung  je  gern  geholfen 
wissen  wollten,  so  seien  I.  k.  M.  allergnildigst  zufrieden,  dass 
sie  die  zwei  Stände  aus  den  beiden  Kurfürstenthümern  Sachsen 
imd  Brandenburg,  also  auch  aus  Markgrafen  Hannsen  und 
Markgrafen  Georg  Friderichen,  auch  zu  Brandenburg  und 
dann  aller  Herzogen  zu  Braunachweig,  Lüneburg,  Mechlburg, 
item  aller  Herzogen  zu  Pommern,  beider  Herzogen  zu  Hol- 
stein, der  beiden  Fürsten  von  Anhalt,  auch  der  vornehmsten 
See-  und  Hanse-Stfldt,  als  da  sein  Lübeck,  Hamburg,  Braun- 
schweig,  Rostok,   Gosslau,   Stettin,  ja  auch  da  sie  wollten  aus 


^  Flaeia*;  Tgl.  oben,  8.  137,  Anm.  3. 


139 


den  beiden  Königreichen  Dcnnierkt  und  Schweden  einen  oder 
mehr  Theologen  erkiesen  und  zu  ihrem  Theil  namhaft  machen'. 
Nachdem  der  Kaiser  so  im  Allgemeinen  seinen  Standpunkt 
gekennzeichnet  hatte,  empfahl  er  ihnen  die  beiden  , vornehmsten 
Rostockischen  Theologen',  den  Superintendenten  Dr.  Simon  Pauli 
und  den  Professor  der  Universität,  Dr.  David  Chyträus.'  Diese 
Auswahl  war  nicht  schlecht,  denn  beide  verfolgten,  von  Me- 
lanchthon  ausgehend,  eine  gemässigte  Richtung,  ohne  sich  aber 
yfie  2.  B.  der  vom  Kaiser  berufene  Gamerarius  durch  die  Theil- 
9»hme  an  dem  Leipziger  Interim  bei  den  Lutheranern  verhasst 
^macht  zu  haben.  Besonders  Chytriius  (Kochhasc),  ,der  letzte 
der  Väter  der  lutherischen  Kirche*,  musste  durch  seine  ansehn- 
liche Gelehrsamkeit  und  reiche  Erfahrung  zu  diesem  Amte  ge- 
eignet erscheinen.^ 

Die  Stände  erklärten  am  11.  September  dem  Kaiser,  über 
diese  beiden  Theologen  Erkundigungen  einholen  zu  wollen. 
Ein  kaiserliches  Decret  vom  IG.  d.  M.  ermahnte  sie  darauf  zur 
Beschleunigung  ihrer  Wahl,  damit  sie  bis  zu  Martini  alle  bei- 
sammen wären,  indem  er  ihnen  zu  bedenken  gab,  wie  schwer 
es  ihm  falle,  die  beiden  aus  dem  Auslande  bereits  eingetroffe- 
nen Deputirten*  selbst  nur  bis  dorthin,  geschweige  auf  noch 
längere  Zeit  zu  erhalten,  ,da  doch  der  eine  des  Hin-  und  Wieder- 
reisens  tiber  Land  Alter  und  Blödigkeit  halber  nicht  vermög- 
lich'.* Die  Stände  entschlossen  sich  cndlicii  flu-  Chytriius,  dessen 
Schriften  ihnen  besser  als  die  des  Pauli  bekannt  waren,'^  und 
baten  den  Kaiser  am  22.  September  um  seine  Vermittlung." 
Drei  Tage  später  ergingen  zwei  kaiserliche  Schreiben,  das  eine 
an  die  Herzoge  Johann  Albrecht  und  Ulrich  von  Mecklenburg, 
das   andere  an   die   Rostocker   Universität  mit  dem  Ersuchen, 


'  B«ila^  D  des  ,8ummariiim  etc.'  in  Abgcbrift.  Aach  im  n.-O.  Lnndeo- 
archir,  B.  8.   16,  abschriftlich;  vgl.  Otto,  a.  n.  O.,  8.  26 f. 

*  Vgl.  über  ChytrSns  (geb.  1531,  gest.  ItiOU)  den  AufiiatK  vou  Loesche  in 
der  Bealencyklopjtdie  fUr  protestantische  Theologie,  3.  Auflage,  IV,  1897, 
S.  It2f;  Qber  Pauli  den  Artikel  von  Krause  in  der  Allgein.  d.  Biugr. 
S6,  1887,  8.  273. 

*  Cunerarioii  war  am  8.  September  in  Wien  eingelangt;  Tgl.  Wiedemann, 
a.  a.  O.,  I,  8.  369;  Otto,  a.  a.  O.,  8.  30.  Carlowitz  begab  »ich  einstweilen 
auf  sein  Gut  Rothenhaus  in   Böhmen;  Tgl.  Langenn,  a.  a.  O.,  8.  319f. 

*  Abschrift  im  n.-ö.  LandesarchiT,  B.  8.  26;  vgl.  Otto,  a.  a.  O.,  8.  2(5. 

*  ReUUon  der  Depntirten,  ddo.  8.  Miirz  1876;  Cod.  8314,  Fol.  93. 

*  Abschrift  im  n.-O.  Landesarchiv.  B.  3.  26;  vgl.  Otto,  a.  a.  O.,  8.  26. 


140 


Chyträus  zur  Verfassung  einer  Kirchenagende  nach  Wien 
kommen  zu  lassen.'  Wolf  Christof  von  Mamming  aus  dem 
Rittei"stande  erhielt  von  den  Standen  den  Auftrag,  nach  Rostock 
zu  reisen,  dort  persönlich  anzuhalten  und  ihn  nach  Oesterreich 
zu  geleiten.* 


4.  Einstolliing  rt»'s  Roligionstractntes. 

Clehoimc  Fortfülirniis;  desselben.  Verfassuns  einer  eran- 

gelisehen  Kircheiiordntiiig. 

Es  wird  bei  den  Deputirtenwahlen  die  ungeduldige  Hast 
aufgefallen  sein,  mit  welcher  der  Kaiser  das  Zustandekommen 
des  Rehgionstractates  betrieb.  Er  sah  oftenbar  bald  nach  jenem 
denkwürdigen  18.  August  das  drohende  Unwetter  vom  katho- 
lischen Lager  her  aufsteigen  und  wollte  daher  sein  Ver- 
gleichungswerk noch  vor  dem  Losbruehe  unter  Dach  und  Fach 
gebracht  wissen.  Es  Hess  auch  nicht  lange  auf  sich  warten.  Bereits 
zwei  Tage  später  wusste  der  kaiserliche  Hofprediger  Eisengrein, 
der  überhaupt  von  den  folgenden  Vorgilngen  am  Hofe  ziemlich 
gut  unterrichtet  war,  diese  üben'aschende  Neuigkeit  dem  Her- 
zog Albrecht  von  Baiern  zu  melden.  Der  Hoirath  Dr.  Georg 
Eder  hatte  es  jenem  .mit  weinenden  Augen'  angezeigt.'  Eisen- 
grein wollte  sofort  Audienz  bei  dem  Kaiser  begehren,  obwohl 
er  das  GefiihI  hatte,  dass  sie  nichts  helfen  würde.  Als  einzigen 
Ausweg  erkannte  er:  wUhrend  ,8ie  mit  Vergleichung  der  Cere- 
monien  umgehen,  das  noch  eine  Zeit  erfordern  würde',  sollte 
der  Herzog  und  Erzherzog  Ferdinand,  nölhigenfalls  auch  der 
König  von  Spanien  und  der  Papst  ,ein  inipcdimentuni  darin 
machen;  allhie  ist  gewisslich  sonst  niemand,  der  wehren  kann*.* 
Maximilian  beeilte  sich,  .dem  böswilligen  Geschwiltz  scldecht 
Unterrichteter'  zuvorzukommen  und  seine  That  bei  den  mass- 
gebenden Persönlichkeiten  zu  rechtfertigen.  Er  schrieb  in  diesem 
Sinne  an  den  Erzherzog  Ferdinand,  seinen  spanischen  Gesandten 
Adam  von  Dietrichstein  und  an  den  Gesandten  in  Rom,  Pros- 
pcro  Grafen  Arco,  der  überdies  eine  ausführliche  Instruction 
mitbekam:  er  habe  keinen  anderen  Ausweg  gewusst,  um  noch 

'  Äbacbrift  im  n.-O.  Landesarcliiv,  B.  3.  26;  vgl.  Otto,  a.  a.  O.,  S.  S6, 

*  Relation  der  Depntirten,  ddo.  8.  Mars  1676. 
»  Vpl.  Hopfen,  a.  a.  O.,  8.  272. 

*  Ebend.%  8.  273. 


141 


I 


I 


grössere  Relijanousspaltungen,  das  Einroissen  der  tjecten  und 
einen  Aufstand  der  Stilnde  zu  verhüten.'  Man  Hess  sich  indessen 
nicht  so  schnell  beruhigen.  Wie  man  kntholischerscits  die  Con- 
cession  und  ihre  schwerwiegenden  Folgern  beurtheilte,  bringt 
das  ohne  Zweifel  biild  darnach  vcrfasste  Gutachten  des  bairi- 
schen  Kanzlers  Simon  Thaddäus  Eck  za  kinreiu  Ausdruck, 
in  welchem  auch  die  vom  Kaiser  zur  Entschuldigung  vorge- 
brachten Gründe,  als  sei  er  zur  Concession  im  Interesse  der 
Ruhe  und  der  Verhütung  des  Sectenwesens  gezwungen  worden, 
eine  scharfe  Zurückweisung  erfuhren.*  Papst  Pius  V.,  dem 
Arco  am  13.  beptember  die  Botschaft  hinterbrachte,  war  tief 
bewegt  und  klagte  mit  Thrilnen  in  den  Augen,  dass  nunmehr 
die  Religion  zu  Grunde  gehen  werde,  da  der  Kaiser  den  For- 
derungen der  Abtrünnigen  nachgebe,  und  wies  auf  das  verderb- 
liche Beispiel  für  Frankreich  und  die  Niederlande  hin.  Zwei 
Tage  später  erhielt  Graf  Arco  den  Auftrag,  dem  Kaiser  zu 
melden,  dass  der  Papst  mit  dem  grössten  Bedauern  von  diesem 
ZogestUndniss  Kunde  erhalten  habe,  und  dass  er  ihn  beschwüre, 
seinem  begonnenen  Werke  Einhalt  zu  thun.'  Man  sprach  schon 
davon,  dass  der  Papst  den  kaiserlichen  Botschafter  in  Rom 
verabschieden  und  den  Nuntius  am  kaiserlichen  Hofe  abberulViii 
wolle.*  Von  allen  Seiten  drang  man  auf  den  Kaiser  ein.  In- 
zwischen hatte  sich  der  Papst  zu  einem  oneigisehen  JSchritt 
entschlossen:  er  sandte  den  Cardinal  Johann  Franz  Gommendone 
nach  Wien,  damit  er,  wenn  die  Concession  noch  nicht  erthetlt 
sei,  Alles  in  Bewegung  setze,  sie  zu  vereiteln,  im  anderen  Falle 
aber  ihre  Zurücknahme  zu  erwirken.  Dieser  schlaue  und  ge- 
wandte Diplomat,  mit  dem  Maximilian  IL  einmal  schon  uilher 
zu  thun  gehabt  hatte,  traf  ungeachtet,  dass  ihn  der  Kaiser  in 
Innsbruck  zur  Umkehr  autfordern  Hess,  in  Begleitung  des  spä- 
teren Wiener  Nuntius  Johann  Delfino  und  des  Secretärs  Anton 


>  Vgl.  Hopfen,  n.  a.  O.,  8.  274;  Schwan,  a.  a.  O.,  S.  238.  Vgl.  aadi  seine 
■ptteren  Bomijrkiingoii  za  Coinmoridone:  ,Cbi  vi  ripnreria  o  mi  difenderia? 
Ho  io  foree  8pagiiuli  o  altri  di  altra  natiune,  per  opponere  K  quesU  pro- 
rinciali?  .  .  .  Noiitio,  io  ho  «ei  figUoli,  et  non  lio  altra  liereditjk  da  la- 
wiarli  che  questi  pochi  gtati  patrimoniali.  6e  qaeoti  si  distruggessero,  di 
che  viTeraiiiio?'  Vgl.  Venetiutii.sclie  Deposcheu  III,  S.  4ü0. 

'  Abgedruckt  bei  Schwarz,  a.  a.  O.,  8.  239. 

■  VgL  ebenda,  S.  238. 

*  BiaeDgretn  an  Herzog  Albrecht,  ddo.  Wien,  15.  October  1568;  Hopfen, 
a.  a.  O.,  8.  3y2  und  S.  156. 


142 


Maria  Gratiani  am  28.  October  in  Wien  ein.'  Wenn  man  im 
AllgemeincD  die  grössten  Erwartungen  auf  das  persönliche 
Einwirken  des  Cardinais  setzte,  so  konnte  sich  Eisengrein, 
dieser  scharfe  Beobachter  am  Wiener  Hofe,  doch  der  leisen  Be- 
sorgnis nicht  erwehren,  man  werde  sich  unterstehen,  ,dem  Car- 
dinal mit  guten  Worten  eine  Nase  zu  machen,  bis  sie  ihn  wieder 
hinwegbringen'. "  Eisengrein  täuschte  sich  nicht.  Commendone 
war  wohl  ,cin  geschwinder,  listiger  Vogel*,  aber  Maximilian 
war  diesmal  noch  listiger,  und  hatte  er  einst  in  Augsburg  jenem 
gegenüber  den  Kürzeren  gezogen,  so  zahlte  er  es  ihm  jetzt 
zurlick.  Der  Kaiser  versicherte  ihn,  dass  er  genau  denselben 
Zweck  verfolge  wie  die  römische  Curie,  nur  mit  anderen  Mit- 
teln, und  erklärte  ihm  schUesslich,  er  wolle  die  Religionsconfe- 
renz,  da  er  gesehen  habe,  dass  sie  dem  Papste  ,8o  heftig  zu- 
wider' sei,  alsbald  einstellen.  Und  wirklich  wurde  Camerarius 
nach  Hause  geschickt,'  die  Stände  entlassen  und  Carlowitz,  der 
wieder  erwartet  wurde,  abbestellt.*  Commendone  berichtete 
jubelnd  seinen  Erfolg  nach  Rom.  Dass  aber  Chyträus  bald  darauf 
in  ( )esterreich  eingetroffen  und  in  dem  nahen  Spitz  a.  d.  Donau 
bereits  an  die  Verfassung  einer  evangeHachen  Kirchenordnung 
geschritten  war,  und  die  Stände  die  beruhigende  Versicherung 
erhalten  hatten,  dass  die  Verhandlungen  fortgesetzt  werden 
sollten,  das  hatte  ihm  der  Kaiser  wohlweislich  nicht  gesagt. 
Indess  einen  Zweck  hatte  das  Auftreten  de»  Commendone,* 
namentlich  aber  die  Einmischung  des  Königs  Phlhpp,  der  mit 
der  zwischen  ihm  und  des  Kaisers  jiltoster  Tochter  Anna  pro- 
jectirten  Heirat  ein  treftliches  Mittel  gewonnen  hatte,  Maximi- 
lian zur  Nachgiebigkeit  zu  bewegen,  doch  erreicht:  der  Reh- 
gionstractat  kam  nicht  mehr  zu  Stande."  Dem  Kaiser  war  nach 
allen  diesen  Vorgängen,  dem  ganz  ungeahnt  heftigen  Austilnnen 
der  vereinten  katholischen  Mächte  die  Lust  an  der  Fortsetzung 

'  Am  31.  October  hatte  er  bereits  die  erste  Audienz;     Venetisnische  De- 
peschen III,  S.  461,  Anm.  1. 

*  Vgl.  H.  Eisengreiu's  Schreiben,  ddo.  6.  November  1568;  Hopfen,  a.  a.  O., 
8.  296. 

*  Er  trat  Ende  November  seine  Heimreise  an.    Venetianische    Depeachen 
m,  8.  469,  Anm.  2. 

*  Vgl.  Hopfen,  a.  a.  O.,  S.  146f. 

*  Reiste  Ende  Jünner  ab;  vgl.  Venetianische  Depeschen  III,  S.  465,  Anm.  4. 

*  Vgl.  Ritter,  Deutsche  Geschichte  I,  S.  401  f.   nnd  besonders   die  Venetia- 
nischen  Depeschen  UI,  S.  460  f. 


143 


I 


des  Vergteichungswerkes  gründlich  vergangen.  Er  erkaiinlo 
mit  Wchmuth  ,einen  grossen  Unterschied  zwischen  der  dama- 
ligen und  jetzigen  Zeit';  damit  meinte  er  den  früheren  Papst 
Pills  IV.,  ,mit  dem  gut  zu  handeln  gewest,  der  sich  auch  ganz 
tractabilem  finden  lassen',  und  seinen  Nachfolger  Pius  V.,  der 
hingegen  , eines  solchen  scharfen  und  heftigen  Gemtiths,  wie 
die  von  mftnniglich  bekannt  ist,  der  auch  in  viel  geringeren 
Ursachen  als  eines  solchen  Tractats  wegen  sich  aufs  Aeusserste 
irritiren  Hesse'.'  Ueberdies  mussten  ihn  auch  die  in  den  bis- 
herigen Verhandlungen  mit  den  Standen  über  die  Deputirten- 
wahl  8U  Tage  getretenen  religiösen  Gcgensiltae  unter  diesen 
und  die  Anfeindungen,  welche  üamerarius  von  Seite  derselben 
erdulden  musstc,*  an  einem  nur  halbwegs  gedeihlichen  Ausgang 
der  Conferenz  vorzweifeln  lassen.^ 

Dagegen  wurden  jetzt  die  Verhandlungen  ganz  im  Ge- 
heimen und  in  einem  etwas  geÄnderten  Cours  zwischen  den 
ständischen  Deputirten,  denen  Reuter  zugezogen  blieb,  einerseits 
and  einigen  geheimen  Käthen,  sowie  dem  Kaiser  andererseits  ge- 
pflogen. Als  Mittelsperson  fungirtc  dabei  der  ebenso  als  Staats- 
mann wie  als  Gelehrter  hervorragende  geheime  Kath  Reichard 
Freiherr  von  Strcin,  der  am  Hofe  in  der  nächsten  Umgebung 
des  Kaisers  weilte  und  die  Gnade,  die  er  bei  diesem  in  hohem 
Masse  genoss,  dazu  verwandte,  um  sich  seiner  Glaubens-  und 
Staodesgenossen  wärmstens  anzunehmen  und  ihm  im  vertrauli- 
chen Zwiegespräch  manches  Zugeständniss  an  die  evangelischen 
Stände  herauszulocken.  In  kirchlichen  Dingen  gehörte  er  der 
Vermittlungspartei  an  und  wird  sich  für  manche  Forderungen 
der  Stände,  namentUch  später,  als  die  radicalen  Strümungcn 
immer  mehr  die  Oberhand  gewannen,  zweifellos  mehr  aus  Stan- 
desrilcksichten  als  aus  innerer  Ueberzeugung  eingesetzt  haben.* 


'  Maiimilian  II.  «n  Erzherzog  Carl,    ddo.  Wien,  6.  November  1569;    Tgl. 

Hopfen,  a.  a.  O.,  8.  332. 
'  Vpl.  ebenda,  8.  147;  Ott«,  a.  s.  O.,  S.  31. 

*  Vgl.  Venetianiacbe  Depeschen  III,  S.  463  f.  Dieser  UmBchwang  drückte 
«icb  «ehr  deutlich  in  Mazimilian's  Briefe  an  Erxhonog  Carl,  ddo.  Ebors- 
dor^  30.  October  1669,  aus,  in  welchem  er  ,die  Nutzlosigkeit  solcher  Col- 
lationes  and  Colloqiiiae'  bespricht;  vgl.  Hopfen,  s.  a.  O.,  S.  331. 

*  Strein  (auch  Streun,  nie  aber  Stein,  wie  ihn  Hopfen,  a.  a.  O.,  8.  145, 
nennt)  stammt  aus  einem  der  ftltesteu  Usterreichiscben  Adolsgesehlechter 
htr.  Lüngstens  seit  1571  veraab  er  das  verantwortungsvolle  Amt  einea 
Prisidenteu  der  Hof  kammer.  Im  Jabre  1587  vertrat  er  bei  der  polnischen 


144 


Seine  ausführlichen  Berichte,  die  er  im  Jahre  1571  gele- 
gentlich der  Uebersenduiig  der  ReligionBassecuration '  und  dann 
im  Jahre  1578,  als  die  Stünde  gegen  die  von  Kaiser  Rudolf  11. 
verfügte  Aufhebung  des  Rcligionswesens  in  der  Stadt  Wien 
Sturm  liefen,  über  seine  mit  Kaiser  Maximilian  II.  geführten 
geheimen  Verhandlungen  verfasste,^  lüften  den  Schleier,  der 
bisher  über  den  grössten  Theil  derselben  gebreitet  war.^ 

Als  Chytrilus  am  Tage  der  heiligen  drei  Könige  des 
Jahres  1569  in  Ousterreich  eingetroffen  war,  hatte  Christof 
Reuter  über  Aufforderung  der  stilndischen  Dejnitirten  bereits 
eine  Agende  ,al8  Fürarbeit  zu  künftiger  Handlung'  entworfen. 
Dieses  Concept,  das  der  Kaiser  auf  sein  Begehren  vom  Land- 
marscLall   überreicht  erhalten   hatte,   scheint   keineswegs   seine 


Knnigswnhl  in  Wanicbau  die  Candidntiir  dos  Erzherzogs  MatUiias  und 
wurde  anch  sonst  uoi'li  zu  wiclitigeu  rli|ilouiatiaclieii  Missiouun  butraul. 
Unter  Kaiser  Uudulf  11.  versah  or  bis  zu  seineuj  Tode  (8.  November  1600) 
die  WUrdo  eines  Curators  der  kai.sorlichen  Hofbililiothuk  zu  Wien.  Nicht 
minder  verdient  seine  gelehrte  Thiitigkeit  hervorgehoben  zu  werden. 
Wenn  er  sich  auch  durch  seine  zahlreichen  historischen,  genealogischen 
und  pulilischen  Schriften  keinen  ersten  Platz  errungen  hat,  ist  ihm  doch, 
wie  Honiiayor  bemerkt,  ,die  Oeschichte  Oesterreichs  die  Rettung  unz&h- 
liger  Denkmale  schuldig,  welche  sonst  durch  den  Vandalismus  für  immer 
verloren  gegangen  wHren*.  Dos  n.-O.  Landosarchiv  in  Wien  und  dos 
o.-S.  Landosarchiv  in  Linz  enthalten  viele  Werke  von  ihm.  Einige 
Rtaatsmännischo  Schriften,  darunter  das  interessante,  an  den  Erzherzog 
Mnttliias  gerichtete  .Guthednnken  wegen  des  Bauernaufstand  anno  1598' 
ddo.  Freidogg,  12.  Februar  löää,  sind  in  der  KalteobSck'scheu  Oesterr. 
Zeitschrift  für  Geschieht«-  und  Staatskuude  (I  und  III)  abgedruckt.  Vgl. 
nber  ihn  Haselbach.  Richard  Freiherr  von  Strcin  in  den  Blättern  de«  Ver- 
eines fllr  Landeskunde  vou  Niedor-Oesterr.,  Neue  Folge  II,  1868,  S.  89f., 
107f.  u.  120f.;  F.  Krakowitzer,  Das  SchlUsselburger  Archiv  im  37.  Berieht 
Ober  das  Museum  Francisco-Cnrolinum,  1879,  S.  8f.  Stieve,  Die  Vorhaud- 
luugcu  Über  die  Nachfolge  Kaiser  Rudolfs  U.  in  den  Abhandlungen  der 
kOnigl.  bairi.<chcn  Akademie  der  Wissenschaft,  16.  Band,  188U,  S.  26  f. 
'  , Herrn  Reicharten  Streins  letztes  Schreiben  an  die  Herrn  Deputirteu  .  .  . 
den  14.  Janunri  nnno  etc.  Iö71    zu  I'rag  datirt.'    Cod.  8314,  Fol.  1 — 6. 

*  .Herrn  Keicharten  Streins  Relation,  was  zwischen  weil.  Kaiser  Maximi- 
lian den  Andern  hochl.  Gud.  und  dou  zweien  Stünden  vou  Herrn  und 
Ritterschaft  in  Oesterreich  u.  d.  E.  in  Ueligioussachen  de  anno  68  bis 
in  das  76.  Jahr,  in  welchem  Jahr  I.  k.  M.  tOdtlich  abgangen,  durch  ihn 
Herrn  Strein  allenthalben  gehandlet  worden.'  s.  d.  (1678,  Juni);  ebenda 
285—291. 

*  Einiges  bringt  Hopfen  durch  die  Veröffentlichung  von  Gienger's  Gutachten 
.Summari  Verzaichuus  etc.',    ddo.  1.  August  1&7Ü;    vgl.  a.  a.  O.,  S.  343  f. 


14Ö 


volle  Billigung  gefunden  zu  liaben,  wenn  sicli  iiucli  die  Sülnde 
dadurch,  wie  sie  später  behaupteten,  bei  ihm  von  dem  Ver- 
dachte reinwuschen,  ,als  ob  sie  nicht  allerdings  der  A.  C,  son- 
dern etwa  fremde  Opiuionen  vor  sich  Jiättuii  und  keine  Ordnung 
leiden  möchten'.  Der  Kaiser,  von  der  Ankunft  des  (Jiiytriius 
in  Koantniss  gesetzt,  fand  es  ,au3  sondern  Ursachen',  unter 
denen  die  Anwesenheit  dos  Cardinais  Commendone  gewiss  den 
ersten  Platz  eingenouimcn  hatte,  für  geratlien,  ,dass  die  Sache 
nicht  aUbier,  sondern  auf  dem  Land  fUrgenommen  würde'.' 
So  begab  sich  also  Chytrilus  nach  Spitz,  wo  er  im  Sehhisse 
des  Ritters  Leonhai'd  von  Kirchberg  bis  nacli  (Jsteni  verblieb 
und  im  Vereine  mit  Reuter  nach  den  besonderen  Weisungen 
des  Kaisers  eine  evangelische  Kirchenordnuug  ausarbeitete.  Er 
benutzte  dazu  die  Sächsische  (1528),  Ntimbergischc  (l.'iSO)  und 
Brandenburgische  Agende  (1540),  das  Agendenbüchloin  von 
Veit  Dietrich  (1543),  die  vom  Erzbischof  Hermann  von  Köln 
sanctionirte  Reformation  (1543)  und  die  Pfalz-Zwcibi'Ueken'ache 
Kirchenordnung  (1557).* 

Ende  Februar  war  sie  bereits  fertiggestellt'  und  wurde, 
bevor  sie  an  die  Stände  gelangte,  dem  Kaiser  vom  Landiuar- 
schail  ganz  im  Ucheimcn  —  nicht  einmal  die  Stände  durften 
etwas  davon  wissen  —  allein  mit  Vorwissen  der  geheimen 
Räthc  Strein  und  Zasius  zur  Durfbsicht  übergeben.*  Es  war 
eine  8chr  umfangreiche  Arbeit;  denn  sie  enthielt  nicht  blos 
,die  Ceremoniaha',  sondern  auch  ,das  ganze  DoftrinaJ,  Instruc- 
tion des  Consistorii,  Examen  theologicum  und  anderes'.  Noch 
vor  Ostern  fuJjren  Chytrilus  und  Reuter  nach  Wien  und  über- 
gaben ihr  Concept  den  ständischen  Dcjjutirten,  die  dasselbe 
wieder  dem  im  vorigen  Landtage  gewählten  und  jetzt  einbe- 
rofenen  grossen  Ausschuss  von  24  Personen  vorlegten.  Nach- 
dem das  Elaborat  von  diesem  corrigirt  und  apprnbirt  worden 
war,  wurde  es  am  29.  April  von  den  Deputirten  nebst  einer 
ziemlichen  Anzahl  von  Landleuten  dem  Kaiser  in  feierlicher 
Audienz  überreicht,  hierauf  von  Strein  und  Weber,  sowie 
dem  Landmarschall  in  aller  Stille  auf  Weber's  Schloss  Bisam- 


'  Belatiou  der  Deputirten,  ddo.  8.  März  1676. 

'  Vgl.  Otto,  «.  a.  O.,  S.  33;  Hopfen,  a  a.  O.,  148. 

'  Hie  erschien  anch  im  Jiüiru  1678  xn  Kngtock  im  Druck;  vgl.  Otto,  n.  a.  O., 

8.  40  £. 
•  Vgl.  Otto,  a.  n.  O,  ö.  34;  Hopfen,  a.  a.  O.,  S.  148. 
iicIiiT.  LIUVII.  Ud.  1.  Uuiric.  10 


140 

licrg  durclibcrathcn,  theilwcise  geändert  und  »Icn  Doputirtcn 
, insgeheim  und  im  Vertrauen'  mit  der  Bemerkung  wieder  zuriick- 
gcstcUt,  die  k.  M.  begehre,  .dicwcil  die  Agenda  allein  ein  Ccre- 
monial-  und  nicht  Doctriualbucb  sein  soll',  dass  sie  ,dic  Doc- 
trtnalia  und  anders  in  diesem  Buch  auslassen  und  allein  die 
Cercmoniaha  darinnen  behalten  sollen'.'  Der  Kaiser  hatte  sich 
schon  bei  der  ersten  Einsichtnahme  in  diesem  Sinne  geäussert, 
doch  war  damals,  offenbar  weil  dieselbe  ohne  Vorwissen  der 
Stände  geschehen,  und  sie  daher  auch  nachträglich  nichts  davon 
wissen  sollten,  noch  keine  Aendcrung  erfolgt.  Den  Depiitirtcn 
Hei  diese  Verordnung  sehr  beschwerlich,  und  erst  als  ihnen 
nach  einigen  Debatten  die  Zusicherung  gegeben  wurde,  ,das8  sio 
ein  sonders  Doetrinal  aufrichten,  darinnen  die  richtige,  reine 
Lehre  und  Gcgenlehre,  thesim  et  antithesim  setzen  sollen  und 
mögen  und  sie  auch  darüber  insonders  des  Doctrinals  halben 
assocuricrt  werden  sollen',  nahmen  sie  das  Werk  wieder  zur 
Hand  und  brachten  es  in  eine  neue  Form,  nachdem  sie  vor 
Allem  die  Lehrpunkte,  die  Consistorial-  imd  Examinationsord- 
nung  ausgeschieden  hatten.* 

Hierauf  übermittelten  die  Deputirtcu  dem  Kaiser  ihre 
ItX)  Bogenblätter  starken  , Schriftlichen  Bedenken,  Begriff  und 
Ftlrarboit,  darnach  eine  Kirchcnagcnda  in  diesem  Lando  für 
sie  tlie  zwei  Stände  angerichtet  werden  möcht"  in  zwei  gleich- 
lautenden Exemplaren,  wovon  das  eine  bei  Hofe  blieb,  das 
andere  wieder  den  Ständen  zurückgestellt  wurde,  und  knüpften 
daran  die  Bitte,  ihnen  nunmehr  die  Assecuration  zu  ertheilen.* 

Doch  diese  erfolgte  nicht.  In  dem  Decrete  vom  26.  Juli 
1569  gab  der  Kaiser  dem  Wunsche  Ausdruck,  dass  nach  der 
.aus  eingefallenen  Verhinderungen*  erfolgten  Einstellung  und 
Suspcndirung  des  Kehgionstractatcs  ,die  Sachen  dcrmasscn  ge- 
schaffen wären,  auf  dass  sich  I.  M.  der  Stände  Begehren  nach 
ausserhalb  aller  ferneren  Tractation  jetzo  alsbald  entschlicssen 


'  Belatiou  der  Dcputirten,  ddo.  8.  Man  157S;  Strein's  Relation  1678. 

•  Kolatinu  der  Uejjutirtoii,  ddo.  8.  März  1675, 

'  Kiiixorliclies  Occrct  an  die  Stünde,  ddo.  26.  Juli  1569;  n.-O,  Landes- 
archir,  B.  3.  26,  Absclirift. 

*  Relation  der  Dcputirten,  ddo.  8.  Marx  I67ö,  ZasiiLs  sclirieb  am  10.  Juli 
1569  dorn  Herzog  Albreclit  von  Baiom,  es  sei  ihm  unrntiglicL,  diese 
.ÖBtorreirbinche  Ikolig-ioiissclirin'  r.u  ilbersenden,  ,weil  I.  M  es  bisher  in 
unger  Geheim  erhalten';  vgl.  Uopfen,  a.  a.  O.,  8.  324. 


möchten'.  Doch  befinde  er  ihre  Hitte  ,in  uiohr  Wcfj  so  hoch- 
wichtig, zum  Theil  auch  weitern  Bedenkens  nöthig  und  ein 
irich  Werk  sein,  daran  vieler  tausend  clirist^'laubifjer  Menschen 
Seelen  Heil  und  Sehjrkoit,  also  dass  I.  k.  M.  hierüber  zcitliehs 
lind  geraumes  stattlichs  Bedachts  wolbcdtirfcn,  und  will  I.  k.  M. 
als  obristem  weltlichem  Haupt  der  Christenheit  in  Kraft  ihres 
tragenden  kaiserlichen,  königlichen  und  landesfitrstlichcn  Amtes 
in  allweg  gebUren,  liierinnen  aufs  allerbedäclitiicliste  filrzugclin 
und  zu  handien  und  also  dies  grosse  Werk  der  unvermeidlichen 
Nothdurft  nach  in  fernem  Bedacht  zu  nehmen  und  sich  mit 
ehester  Möglichkeit  hierfiber  gnädigst  zu  resolvicni'.  Da  er  in 
irichtigen  Regicrungsgcschäfton  demnächst  verreisen  müsse, 
mögen  die  Stände  sich  gedulden,  unterdessen  sich  aller  , ver- 
botenen Sectcn  und  Neuerungen'  enthalten,  in  seiner  Hauptstadt 
Wien  jkcine  Prildicanten  an  keinem  Ort  aufstellen'  und  sich 
aller  Schmilhungcn  und  Lästeningen  der  Katholischen  enthalten. 
Er  wolle  inzwischen  die  verfasste  Kirchcuordiuing  .durch  ctliclie 
erfahrne,  fromme,  gelehrte,  schiedliclic  und  friedliebende  Theo- 
'  Iken  und  Personen'  bcrathschlagcn  lassen.* 
Htt  In  Wahrheit  hatte  ihm  die  von  Chytrilus  und  Reuter  ver- 
BHnte  Agende  nicht  sonderlich  gut  gefallen,  und  er  dieselbe 
1  nur  als  eine  Vorarbeit  betrachtet,"  denn  sie  setzte  —  was  er 
eben  vermeiden  wollte  —  eine  vollständig  getrennte,  protesUm- 

I  tische  Kirche  voraus.  Viel  zu  dieser  ablehnenden  Haltung  des 
Kaisers  werden  auch  einige  seiner  geheimen  Käthe  beigetragen 
haben.  Namentlich  der  alte  Qienger,  mit  dem  er  alle  Verluind- 
langen  über  das  Trienter  Concil,  die  Priesterehc  und  den  Laien- 
kelcb  gearbeitet  hatte,  und  auf  dessen  Kath  er  grosses  Gewicht 
legte,  hatte  dagegen  gesprochen  und  die  Abweisung  des  stän- 
ilischen  Begehrens  beantragt.'  Auch  Zasius  konnte  sich  mit 
der  jetzigen  Lage  der  Dinge,  da  nicht  mehr  Vermittlung,  son- 
dern Toleranz  das  Schlagwort  bildete,  nicht  sehr  befreunden. 
Die  von  den  Stünden  begehrte  Assecuration  wird  ihm  als  eine 
besonders  gefilhrliche  Sache  erschienen  sein,  die  man,  wenn 
sie  durchaus  erfolgen  sollte  —  das  war  auch  der  Standpunkt 
des   Kaisers    —   so    lange    als   nur   möglieh   aufhalten    musste. 

'  Vgl,  oben,  S.  146,  Anm.  3. 
,  *  Zwitu  a,u  Herzog  Albrecht  vou  Baiern,  ddo,  31.  Juli  1569;  vgl.  Hopfen, 


I 


■  gtischickt  worden  war.  Gienger  kam  alsbald  dieser  Auffor 
mich  und  verfusste  ein  (iutacliten,  das  nicht  viel  besser 

I 


I 


I 


••»   l'Vdör   rllhrt  auch  das  oben  erwähnte  Decret  her, 

«ik»    Sunde     mit    Uirem    Ansuchen     auf    spätere    Zeit 

wurden.'     Am  13.  August   erhielten  die  Stände  eine 

uoh»<  Uusolution  des  Inhalts,  dass  or  ihnen  ein  Consisto- 
fniW  »Hmmt  einem  Superintendenten,  sowie  eine  eigene  Kirche 
»u  NN  iou  nicht  bewilligen  könne.*  Drei  Tage  darauf  reiste 
i'h^Vtritus  mit  einem  Dankschreiben  des  Kaisers  von  Wien  ab.^ 

Maximihan  II.  begab  sich  noch  im  selben  Monate  nach 
TroBsburg.*  Von  dort  aus  sandte  er  Weber  nach  Wien  zu 
Hiongcr  und  forderte  dessen  Bericht  über  die  Kirchenagende 
dos  Chyträus  ab,  die  nach  dem  abweisUchcn  Bescheide  vom 
20.  Juli  auf  Grund  der  von  Gienger  zusammengestellten  Mängel 
von  den  Stünden  neuerdings  ,in  etlichen  Artikeln  verändert* 
und  hierauf  durcii  den  Landmarschall  dem  Kaiser  dorthin  naeh- 

dorung 
ausge- 
fallen sein  wird  als  sein  erstes.  Seine  leitende  Idee,  die  auch  in 
seinem  späteren  Referate  vom  22.  (12.)  December  ziuu  Aus- 
drucke gelangte,  blieb  unvcrrückt  dieselbe:  es  sollte  , durch  der 
k.  M.  gnädigste  Beförderung  die  strittige  Rehgion  nochmals 
durch  ein  gemein  Werk  und  Reichshandlung  zu  christlicher 
Vergleichung  oder  doch  in  bessern  Stand  gebracht  und  dadurch 
der  <.)esterreicher  unzeitig,  unvollkommen,  mangelhaftig  und  sehr 
sorglich  Werk  länger  eingestellt  und  damit  besserer  Gelegen- 
heit erwartet  werden'.*  Das  war  gewiss  auch  Kaiser  Maximi- 
lian's  Herzenswunsch;  doch  ein  Zurückgehen  gab  es  jetzt  nicht 
niulir.  Die  Stände  hatten  sich  schlauer  Weise  bezüglich  der 
Zahlung  der  Uofschulden  an  keinen  bestimmten  Termin  ge- 
bunden, sondern  nur  so  viel  zu  zahlen  versprochen,  als  dies  die 
Einkünfte  des  Landes  zuiiessen.  Damit  hatten  sie  auch  das  Heft 
in  Händen:  sie  zahlten  ganz  einfach  nicht  früher,  bis  sie  nicht 
die  ABsecuration  in  der  Hand  hatten.''  Bis  zu  diesem  Zeitpunkte 

'  Za?iu.s  an  Herzog  Albrectit  von  Baiem,    ddo.  Wien,  31.  Juli  1569;    vgl. 

Hopfen,  H.  a.  O.,  8.  326. 
»  Vgl.  Otto,  ».  *.  O.,  8.  37. 
>  Ebenda,  8.  40. 
*  Er  reiste  nm  17.  Äugast   von  Wien  ab  und  kain  erst  am  31.  October 

wieder  zurück;  vgl.  Veiieliauisclie  Depeschen  lU,  8,  488,  Anm.  i. 
'  Uioiiger's  Gutauliten;  vgl.  Hupfun,  a.  a.  O.,  S.  347. 
"  In  der  Steiermark  lagen  die  Uiugo  ganz  genau  so  wie  hier;  vgl.  Losertli, 

a.  a.  O.,  8.  160. 


149 

Imtten  sie  noch  keinen  Pfennig  ausgelegt.  Im  niichston  Lsind- 
tage  des  Jabrcs  1570  kam  es  deshalb  zwischen  den  kaiserlichen 
Commissären  und  den  die  Zaiiiung  verweigernden  Stunden  zu 
lungeren  Auseinandersetzungen.'  Und  erst  in  den  Landtagsver- 
handlungen des  nächsten  Jahres,  zwei  Monate  nach  der  Erthei- 
lung  der  Assecuration,  stossen  wir  auf  die  Nachricht,  dass  die 
Stände  etwas,  wenn  auch  sehr  wenig  gezahlt  hatten.*  Unter  diesen 
Umständen  erklärt  es  sich  wohl,  dass  der  Kaiser,  sosehr  er  sich 
anch  gegen  die  Assecurirung  striluben  mochte,"  doch  diese  Con- 
sequenz  aus  der  Concession  zu  ziehen   sich  genöthigt  sah. 


5.  Die  Ansfertii^iiiig  der  Assccuvation. 

Ais  der  Kaiser  nach  einem  kurzen  Aufenthalt  in  Wien 
gegen  Schiass  des  Jahres  1560  nach  Prag  übersiedelt  war,* 
<«kand  man  schon  so  weit,  dass  die  Agenda  ,über  die  beschehene 
Tertrauliche  Communication  wenig  Bedenkens  mehr  auf  sich 
gehabt*,  worauf  sie  zusammengefasst  und  von  den  Deputirten 
dem  am  Hofe  weilenden  Strein  , neben  noch  zweier  Artikeln 
von  Bann  und  Besuchung  der  Kranken  und  der  Prilfation,  so 
hievor  nicht  vcrfasst  noch  versehen  gewesen',  Uberschickt  wurde, 
sie  dem  Kaiser  mit  der  Bitte  zu  überantworten,  ,di6  Stünde 
sowohl  der  verwilligten  Augsburgerischen  Confession,  als  der 
Agenda  und  Doctrinal  halber  der  Nothdurft  nach  flir  sich  selbst 
und  ihre  Erben  zu  assecuriem  und  zu  vergewissern'.  Die 
;enda  wurde  nun  abermals  durch  Weber  imd  Strein  dui'ch- 
fesehen,  welche  dann  einige  Bedenken,  die  sie  noch  dagegen 
hatten,  auf  kaiserlichen  Befehl  den  Deputirten  schriftlich  mit- 
theiltcn.  Diese  erklärten  sicii  damit  einverstanden,  ,doch  der- 
gestalt, dieweil  die  Lehre  allerdings  von  den  Ceremonien  ab- 
gesondert wurde,    dass  ihnen  bevorstehe,    wie  auch  solches  in 


'  N.-S.  Landesarchir,  Landtagsverhandluiigeu  vom  16.  März  bis  1&.  April 
1670. 

*  Ebenda,  14.  Itlilrz  1671. 

*  Vgl.  den  Brief  Kaiser  Maximilians  II.  an  Erzherzog  Carl,  ddo.  Wien, 
18.  September  1671,  worin  or  diesem  den  Ratli  gibt,  ,nIlo  ilasserstc  er- 
denkliche Mittel  nnd  Weg'  in  vorsnchen,  bevor  er  in  eine  schriftliche 
A.«securation  willige;  vgl.  Hopfon,  a.  n.  O.,  S.  354f. 

*  Er  hatte  Wien  nm  28.  November  verlassen  nnd  war  am  15.  December 
dort  angekommen,  wo  er  vier  Tage  spjlter  den  Landtag  erltfFnote;  vgl. 
Vonptianische  Dopeschen  III,  R.  489,  Anm.  1. 


IM 


«W  oratcn  Tr>icUUv>n*  wäre  verwilligt  worden,  derwegen  ein 
•ondent  Doctrinal  «u  vcrfasaen'. 

IWimuf  erlüelt  Strciii  vom  Kaiser  eine  Abschrift  der  von 
X«A)U»  v«>rffrtigten  Aasceuration  zugestellt,  in  welcher  die  Ge- 
iiomlüUuMl:  4»  ihren  Scblössem,  Häusern  und  Gebieten'  ent- 
linltoii  wur,  mit  di^r  aber  die  Deputirtcn,  die  sidi  darüber  im 
l«i4itdlti>;t<  mit  dem  ganzen  Ausschusse  bcralhen  hatten,  , nicht 
lufViodoii  gowcsen,  sondern  eine  andere  Note  verfasst  und  ob- 
wohl »\v  c>»  darin  bei  der  GenenUität  vorgemeldetor  Clausel 
vmliloiben  licasen,  so  haben  sie  doch  daneben  in  dieser  Asse- 
iMiruUt)»  die  Agenda,  Doetrinal,  Instruction,  Anordnung  und 
I  >o|>utiition  einzuverleiben  und  etliche  andere  Correctur  zu  thun 
begehrt". 

Mittlerweile  wurde  die  Kirchenordnung  ,der  Correctur 
geuiilsH*  reingeschrieben,  nach  Prag  geschickt  und  von  Strein 
dem  Kaiser  am  ( ^stersonntag  des  Jahres  1570  ,in  dein  Oratorio'' 
Obcrreiclit,  der  diese  darauf  durch  einen  eigenen  Courier  zu 
Gionger  nach  Enns  zur  neuerlichen  Begutachtung  senden  liess. 
AU  dessen  Bericht  darüber  eingelangt  war,  wurde  sie  in  der 
letzten  Fassung  , ausser  des  Lieds:  Erhalt  uns,  HeiT,  so  ausge- 
lassen werden  soll',  approbirt.  Die  Assecuration  wurde  auf  Be- 
fehl Kaiser  Maximilians  neu  concipirt,  und  zwar  , etwas  kürzer 
als  die  vorige  und  ohne  Inserirung  der  Agenda  und  des  Doc- 
trinals',  und  hierauf  sammt  der  Agende  dem  zu  diesem  Zwecke 
von  den  Deputirten  aus  ihrer  Mitte  nach  Prag  abgefertigten 
Rüdiger  von  Starhemberg  durcli  Strein  zugestellt.*  Nachdem 
dann  noch  die  Frage  einige  Schwierigkeiten  bereitete,  ,ob  die 
Agenda  solle  gedruckt  und  pubhciert  oder  allein  in  mehr 
Exi-mplaria  abgeschrieben  und  privatim  ausgctheilt  werden', 
willigte  endlich  der  Kaiser  in  die  Drucklegung  derselben,  doch 
unter  der  Bedingung,  dass  die  Vorrede,  , darin  I.  k.  M.  und  der 
Stünde  Namen  ausgelassen  werden  soll',  dahin  geändert  und  der 
Druck  ,in  der  Still'  angestellt  werden  sollte. 

Es  hiitte  nun  die  officielle  Ausfertigung  der  Assecuration 
erfolgen    können,    wenn    sieh    die   Deputirten   mit   dem   bisher 


»  Vgl.  oben,  S.  146. 

■  Sie   ist   vom    30.  Ma!  1570  (Prag)   datirt     Absctiriften  im    Staalurehiv 

(Beilage  F  des  ,Siiiiimiiriuni')  und  im  Landosarrhiv  B.  3.  26.  Vgl.  auch 

Otto,  a.  a.  O..  S  42. 


151 


Erreichten  zufrieden  gegeben  hatten.'  Sie  hatten  aber  noch 
Allerlei  Bedenken,  und  zwar  beztlglich  der  Agende:  ,dass  der 
Stände  in  der  Priifation  nicht  solle  gedacht  werden',  welchen 
Einwand  sie  aber  ,über  beschehene  Erliluterung'  fallen  lieascn, 
und  bezüglich  der  Assecuration :  ,erstlieh,  dass  gemeldet  wurde, 
dass  allerlei  Secten  im  Lande  eingerissen,  deren  sie  sich  ihres- 
teils  nicht  teilhalitig  wissen,  zum  andern  diewcil  ihnen  allein  in 
ihren   eigenen  Hilusem  und  Gütern    der  Religionsgebrauch  zu- 


'  80  erklftrt  sicli,  wie  m/in  nns  dem  Fulgendeii  sehen  wird,  die  VerzOge- 
nxag  vom  30.  Mai  lö70,  dem  IMtiim  der  ersten  Anofertigung',  bin  zum 
14.  Jänner  1571,  dem  der  zweiten  und  ücUliegslichen,  auf  ganz  natflr- 
licbe  Weise;  und  mau  braucht  nicht,  wie  Otto  (a.  n.  O.,  S.  43;  vgl.  auch 
Hopfen,  a.  a.  O.,  8.  160)  den  Anfxchub  damit  zu  begründen,  dam  der 
KAt«rr  die  Vermahlung  seiner  TOchtor  Anna  und  Elisabeth  an  swei 
•tntog  kathulische  Regenten,  Phili|ip  11.  tou  Spanien  (12.  November) 
und  Karl  IX.  von  Frankreich  (8C.  November)  vorQborgohen  lassen  wollte; 
antserdem  die  beiden  HtUiide  noch  vor  der  wirklichen  Ausfertigung  einen 
Itetrag  von  900.000(1.  aufzubringen  hatten.  Der  letztere  Grund  ist  jeden- 
falls vollstjindig  hinfSllig.  Otto  hat  sich  hiebei  auf  Fitzinger  (Venmch 
ainer  Geschichte  des  alten  n.-O.  Landhauses  1869,  S.  16)  und  dieser 
wiederum  ohno  nühere  Bexeichnung  auf  ein  Bergenstamm'sches  Manti- 
•cript  belogen.  Sich  auf  ein  solches  zn  berufen,  ist  alleniiugB  eine  ge- 
flUirlieho  Sache,  da  Uergeustamm  Äusserst  selten  seine  Quelle  angibt 
and  man  daher  auf  den  guten  Glauben  angewiesen  ist.  In  diesem  Falle 
wird  die  Quelle  nicht  weit  zu  .luchen  sein:  es  ist  Raupach  (a.  a.  O., 
8.  183),  der  sich  diesmal  trotz  seiner  sonstigen  ausserordentlichen  Oe- 
nanigkeit  geirrt  hat.  Br  hat  nämlich  diese  Notiz  aus  Stratamannns, 
(Tfaeatnim  historicnm  etc.,  1696,  S.  819)  geschttpft.  Wie  verlässlich 
Obrigena  diese  Quelle  ist,  zeigt  gleich  das  Jahr  IfißO  als  Jahresdatura 
der  Ertheilnng  der  Concession.  Nun  beziehen  sich  aber  die  im  2.  Absatz 
nachher  angefahrten  9  Tonnen  Goldgulden  gar  nicht  auf  Kaiser  Maxi- 
milian nud  Oesterreich  unter  der  Euns,  sundern  auf  Erzherzog  Carl  und 
di«  Steiermark.  So  kam  es,  dass  diese  9U0.UOO  fl.,  denen  Uergenstamm  oder 
Pitstnger  wohl  durch  einen  Lesefehler  noch  90.000  hinzugefllgt  hatte,  bis 
anf  die  jQngste  Zeit  Erwiitinnng  finden,  z.  B.  bei  Deutsch,  Zur  Geschichte 
der  Kcformation  in  Oesterreich-Ungarn  (Jahrbuch  der  Gesellschaft  ftlr 
Oeschichte  des  Protestantismus  in  Oesterreich  X,  1889,  8.  180).  Den 
Sttndeo  wird  t»  übrigens  schwerlich  eingefallen  sein,  eine  so  horrende 
8unime  auf  einmal  zu  erlegen,  ohne  vorher  die  Assecuration  in  Händen 
gehabt  zn  haben.  Die  Landtagsverhandlungen  (siehe  oben  S.  149,  Anm.S) 
bcBtätigen  die«  auch,  indem  aus  denselben  hervorgeht,  dass  die  Stände 
bi»  «um  Jahre  1670  gar  nichts,  im  Jahre  1571  aber  nur  wenig  gezahlt 
hatten.  E«  ist  auch  nicht  richtig,  dass,  wie  Ritter  (Deutsche  Goschichle  I, 
8,  405)  behauptet,  die  Ausfertigung  wegen  der  Abreise  de«  Kaisers  nach 
S|M«ipr  unterblieb. 


152 

gelassen,  dass  dadurch  die  Pfandschafter  und  Bcätundleut  aus- 
geschlossen wilrden,  zum  dritten,  dass  sie  sich  der  Religion  in 
ihren  Schlössern,  Hilusern  und  Gütern,  doch  ausser  I.  M.  Stadt 
und  Milrkt  gebrauchen  sollen,  welches  danini  beschwerlieh, 
diewcil  ihnen  in  ihren  Häusern  zu  Wien  zu  predigen  hievor 
üupelassen  und  hiedurch  wieder  eingestellt  wtlrde,'  zum  vierten, 
dass  in  der  Assccuratioii  weder  der  Agenda  noch  des  Doctri- 
nnls  Meldung  beschehe*.  Zugleich  machten  sie  sich  erbütig,  das 
IJdclriuale  vor  der  Publication  den  Universitäten  Rostuck,  Wit- 
tenberg nnd  Tllbingen  zur  Censur  vorzulegen.' 

Während  so  die  Verhandlungen  zwischen  dem  Hofe  und 
den  Ständen  ihren  ruhigen  Verlauf  nalimen,  trat  ganz  plötzlich 
ciu  Eroigniss  dazwisclien,  das  die  zwei  Stunde  in  grosse  Auf- 
regung versetzte  und  auch  den  Kaiser,  der  mittlerweile  nach 
Speier  gereist  war'  und  den  dortigen  Reichstag  am  13.  Juli  1570 
eröffnet  hatte,'*  sehr  unangenehm  berühren  niusste.  Die  Stftnde 
hatten  auf  Grund  der  kaiserlichen  Bewilligung  im  Sclieibeiihof 
in  der  Nuhe  von  Stein  eine  Druckerei  errichtet,  um  die  Kir- 
chenordnung zu  publiciren.  Da  erging  am  7.  September  über 
Uefchl  des  Statthalters  Erzherzog  Carl''  von  der  Regierung  im 
Namen  des  Kaisers  ein  ,offenes  Patent'  an  alle  Obrigkeiten, 
worin  denselben  bekanntgegeben  wurde,  ,wic  etliche  Personen 
sich  unterstehen  sollen,  eine  ungewöhnliche,  verbotene  und 
heimliche  Druckerei  am  Scheibenhof  bei  Stein  aufzurichten  und 
daselbst  ihres  Gefallens  llücher  zu  drucken,  daraus  mehrerlei 
Nachteil  zu  besorgen  und  zeitliche  Einsfluing  vonnöthen'.  Der 
Untcrmarsi'liall  der  niederüsterreichischcn  Regierung,  Hans 
Hohenberger,  und  der  kaiserliche  Thürhdtor,  Georg  Siben- 
blii'ger,  wurden  gleichzeitig  beauftragt,  ,das8  sie  solch  neue 
Druckerei  aufheben,  die  Personen,  so  sich  dessen  unterstanden, 
in  Verwahrung  bringen,    was    gedruckt    ist,    zu  ihren  Händen 


'  Dm  war  eben  nii-lit  richtig;  vgl.  unten,  8.  1Ä8. 

'  Stroin'«  Kolatiun  1578.  Diese  vier  I'nnkte  fillirt  mich  die  stXndiRche  Pe- 
tition nn  den  Kaiser  vom  fl.  Juni   157S  an;  Cod.  fol.  232f. 

'  Er  hatte  Prag  am  1.  Juni  vorlassen  und  war  dort  am  18.  oingetroffon; 
vgl.  Vonetianische  Depewhon  III,  S.  391,  Anm.  3. 

*  Vgl.  Rittor,  DonUclie  Geschichte  I,  432  f. 

'^  Uelicr  spino  Rmunnung  zum  iStatthnlter  während  Kaijier  Moximitian'g 
Abwesenheit  von  Wien,  vgl.  Venetianisohe  Depeschen  ITI,  S.  4SS, 
Aniu.  2. 


153 

nehmen,  den  Druckereizeug  aber  und  was  sonsten  vorhanden 
ist,  in  Arrest  legen  sollen',  und  die  Behörden  angewiesen,  den 
Beiden  allen  erforderlichen  Beistand  zu  leisten.'  Zwei  Tage 
später,  am  9.  September,  wurde  der  Buchdrucker  Blasius  Eber 
nebst  seinen  ftlnf  Gesellen  unter  Intervention  des  Richters  von 
Stein  und  etlicher  bewaffneter  BUrger  im  Scheibenhof  verhaftet 
and  nach  Stein  in  den  Arrest  geführt,  die  Druckerei  aber 
beschlagnahmt  und  versiegelt.  Zu  diesem  Schritte  war  natür- 
lich die  Regienmg,  die  von  der  kaiserlichen  Genehmigung 
der  Druckerei  keine  Kenntniss  hatte,  vollkommen  berochtigt, 
denn  der  Artikel  6  der  Religionseoncession  enthielt  ja  die  aus- 
drückliche Bestimmung,  dass  die  Stände  sich  des  Bücherdruckes 
zu  enthalten  hUtten.  Die  stilndischen  Deputirtcn  erhoben  sofort 
in  einer  Eingabe  an  den  Statthalter  Protest  gegen  diese  Mass- 
regetung  und  beriefen  sich  nach  einer  kurzen  Darlegung  ihrer 
bisherigen  Verhandlungen  mit  dem  Kaiser  auf  dessen  Zuge- 
stündniss.*  Das  hatte  zunächst  nur  den  Erfolg,  dass  die  Regie- 
rung dem  Richter  von  Stein  am  30.  September  1570  befahl, 
strenge  darauf  zu  sehen,  dass  die  Arrestanten  ,von  männiglich 
anbeschwert  und  aller  Geblir  nach  gehalten  werden'."  Die  De- 
potirten  richteten  überdies  mehrere  schriftiiclic  Eingaben  an  den 
kaiserlichen  Hof  in  Speier,  zuletzt  ordneten  sie  sogar  einen 
Landmann   dahin    ab    und  baten  den  Strein,    dass  er  ihre  Be- 


^  Mit  diesem  Patente  wnrdo  also  die  Druckerei  nufgelioben  und  nicht,  wie 
M  bei  Raup.icb  (."».  a.  O.,  I.  Forts.,  S.  200)  und  dann  auch  bei  Wiedc- 
niann  (.a.  a.  O.  I,  S.  .^48)  und  Otto  (.-u  a.  O.,  8.  48)  lieisst,  errichtet.  Der 
Irrthnin  rniirt  daher,  dam  Itaupach,  der  auf  Grund  einer  nemerkunf^  den 
Chytränfl  (Bpist,  S.  530)  ganz  richtig  die  Errichtung  einer  stiindi.ichen 
Dmckcrei  in  ätein  augenumman  hatte,  sich  verleiten  Hess,  die  in  dem 
Index  zu  diesem  Codex  (siehe  Vorwort,  8.  1 16)  verzeichnete  Uobenichrift 
.Offen  Patent  wegen  der  Buchdmckerei,  den  7.  Soptonibor  anno  70  er- 
gangen' gerade  verkehrt  zu  denten. 
»  Cod.  fol.  9' f. 

•  Ebenda,  Fol.  11  f.  Freigelassen  wurden  sie  aber  erst  am  17.  November 
aof  Gmnd  das  kaiserlichen  Befehles,  ddo.  Kornouburg,  den  14.  Nuvoniher 
1670;  ebenda,  Fol.  U'.  Dass  es  den  Häftlingen  Ubrigen-s  nicht  »ehr  schlecht 
gegangen  ist,  beweist  die  nach  der  Enthaftniig  gelegte  Rechnung,  welche 
fOr  die  sechs  Personen  vom  9.  September  bis  17.  November  ltt3  Gulden 
4  Schilling  fOr  Speise,  34  Gulden  U  Schilling  ftlr  Wein  mul  20  Gnlden 
für  Zimmer,  Holz  und  Licht,  «bo  im  Ganzen  159  fl.  lä  Ur.  «llürnachte i 
ebenda,  Ful.  IIT 


154 


schwerde  sammt   den  über  die  Assecuration  vorgefallenen  Be- 
denken dem  Kaiser  vortragen  inöclitc.* 

Trotz  der  bevorstehenden  Abreise*  des  Kaisers  erbielt 
Strein  auf  sein  ,Hnaufhörlich  und  schior  etwas  ungestümes  An- 
halten' die  Zustimmung  zur  Fortsetzung  des  Druckes  and  zur 
AbUndening  der  Assecuration  nach  den  ständischerseits  gestell- 
ten Antrügen  mit  Ausnahme  des  Punktes  betreffs  der  Ausübung 
der  Religionsfreiheit  in  den  Städten  und  dann  des  Doctrinals.  Strein 
bemilhte  sich,  auch  über  diese  zwei  Punkte  hinwegzukommen, 
,aber  es  war  auf  dem  letzten  Grad,  wie  man  sagt,  des  Aufbruchs', 
so  dass  es  zu  keiner  Erledigung  mehr  kam,  und  er  auf  Dinkels- 
biilil  oder  Nürnberg  vertrustet  wurde.  Dazu  kam  noch,  ,da8s, 
obwohl  I.  M.  Resolution  zu  Speier  begehrtermassen  ergangen, 
doch  die  Sioglung  allda  von  wegen  des  Kurfürsten  von  Mainz, 
in  dessen  Gewalt  sie  dazumal  stund,  nit  hätte  beschehen  kön- 
nen'. Denn  sobald  der  Reichskanzler  bei  Hofe  anwesend  war, 
musste  ihm  das  Siegel  übergeben  werden;  und  so  wÄre  der  Erz- 
biflchof  Daniel  in  die  sonderbare  Lage  versetzt  worden,  eine 
zu  Gunsten  der  evangelischen  Religion  ausgestellte  Urknnde 
siegeln  und  unterfertigen  zu  müssen,  was  er  hüchstwahrscheinlich 
verweigert  hätte.  Als  man  nach  DinkelsbUhi  gekommen  war, 
,hat  es  sich  von  wegen  Markgraf  Jörg  Friederichen  Gegenwart 
und  stätem  Aufwarten  bei  I.  M.  nit  schicken  wollen'.  Erst  in 
Nürnberg  fand  Strein  Gelegenheit,  dem  Kaiser  ,mit  genügsamer 
Ausfllhrung'  die  beiden  noch  ausständigen  Punkte  neuerdings 
vorzutragen  und  um  deren  Genehmigung  zu  bitten,  worauf 
sich  dieser  in  gnädiger  Weise  dahin  äusserte,  Strein  wisse  sich 
zu  erinnern,  ,das8  I.  M.  derselben  eigenthümliche  Städte  je  und 
allweg  bevorgenommen,  wisse  auch  wol,  was  eine  zeither  bei 
etlichen  ihren  Predigten  zu  Wien  ftlr  Unordnung  ftlrgeloffen,'' 
was  auch  I.  M.  in  mehr  Weg  für  Ungelegenheiten  darauf  be- 
ruheten, das  hätten  I.  M.  ihm  zum  oftcrmal  gnädigst  vertraut'. 
,Strein,'  ftlgte  der  Kaiser  hinzu,  ,ich  wiissle  der  Sachen  wol 
recht  zu  thun,  wann  ich  euer,  meiner  getreuen  Unterthanen, 
die  ihr  ohne  das  erschöpft  seid,  nit  verschonet,  dann  wir  uns 
kaum  von  dem  einen  Feind  aufhalten  können;  um  mein  Person, 


•  Rel.'ition  «ler  Deputirten,  iHo.  8.  März  1576. 

*  Diosf'Uio  erfolgte  .im  18.  December  1578;   vgl.  Venetinniitche  Depeaclien 
III,  H.  61S,  Anm.  3. 

■  Siehn  unten,  S.  164  f. 


155 


glaubt  mir.  darum  war  es  mir  tiit  zu  tliun'.'  Strein  replicirte, 
dass  sich  die  MajesUit  allerdings  die  Städte  und  Märkte  vor- 
behalten, es  habe  aber  diese  Beschränkung  seinem  Erachten 
MHsh  diesen  Sinn,  ,das8  die  Städte  sich  beider  Stünde  Conces- 
Mn  nit  hätten  zu  gebrauchen.  Dass  ihnen  aber  dadurch  das 
exercitium  religionis  in  den  Städten  verwehrt  oder  durch  I.  M. 
hiemit  nit  zugelassen  sein  sollte,  wäre  dem  zu  entgegnen,  dass 
I.  M.  in  derselben  ersten  Resolution,  vergangen  08"°  Jahrs 
im  Landtag  beschehen,  beiden  Ständen  die  Uebung  der  Lehr 
der  Augsb.  Confession  frei  und  ungehindert  ohne  alle  Exception 
zugelassen'.  ,1.  k.  M.  hätten  sich  auch,'  fuhr  er  fort,  ,gnädigBt 
in  besinnen,  wie  beschwerlich  es  denen  fallen  würde,  so  I.  M. 
beiwohnen  oder  sonst  ihrer  Dienst  halben  von  Wien  nit  ab- 
kommen mögen,  da  sie  ein  ganz  Jabr  über  der  Predigten,  auch 
Reichung  und  Verrichtung  der  Sacramente  vorzllgen  sein  sollen 
oder  mit  was  Ungelegenheit  sie  sich  jederzeit  auf  das  Land 
derwegen  begeben  mUssten,  geschweigen  wa.**  bei  niilniiiglieh, 
nnderlich  denen  im  Reich  für  ein  Nachgedenken  bringen  würde, 
il.i  uns  anjetzo  das  expresse  verweigert,  so  hievor  tacite  zuge- 
äehen  und  nit  verwehrt  worden,  dann  unsere  Widers.icher  dar- 
über triiimphieren,  den  andern  aber  unsers  Teils  das  Herz 
ganz  und  gar  entfallen  würde,  so  verhoffe  ich  auch,  da  einige 
Unordnung  bisher  flirgeloflen,  die  I.  k.  M.,  wie  ich  verstund, 
zuwider  gewest  wäre,  es  sollte  derselben  eben  durch  diese  unser 
Anordnung  der  Agenda  gewelirt  und  fürkommen  werden,  dazu 
#^ollte  I.  k".  M.  ich  dessen  vergewissern,  wann  die  Deputierten 
n  jederzeit  verstehen  würden,  worin  L  M.  diesfalls  üffcndicrt 
tmd  beleidigt  werden  möcht,  dass  sie  das  nach  aller  Möglichkeit 
wllrden  abstellen,  sonderlich  da  L  k.  M.  diese  Sach  in  dem 
^ädigstcn  Vertrauen  und  Verstand  wie  bisher,  und  wie  mir 
nit  zweifelt,  würden  erhalten  wollen,  dabei  dann  allen  dergleichen 
Unrath,  der  sich  etwa  bisher,  dass  man  nit  gewusst,  woran  man 
war,  ftlrzukommen'.* 


'  strein  fühlte  «ich  bemdMigt,  diese  Worte  bei«on(!r>rs  henrorznhebon,  .da- 
mit auch  etwa  uii!>ere  NActikommcii  selion,  »io  gutherzig  ea  I.  M.  mit 
•••li  Oesterreivherii  ^mcint  hnt,  j^leichwol  der  Allmaditigkeit  Gottes  in 
""lllen  mehr  und  billicher  ßetrnnt  nin  mif  allo  menscliliche 
rtlen  soll,  denn  Flei.ich  int  Fli-iwh'. 
I. 


156 


Strein  schlug  dann  noch,  als  er  merkte,  dass  der  Kaiser 
entschieden  gegen  die  Weglassiing  des  Zusatzes  ,doch  ausser 
unserer  Städte  und  MUrkte'  war,  einen  Mittelweg  vor.  Da  nach 
seiner  Ansicht  der  Kaiser  mit  dieser  Clauscl  ja  doch  nur  ,den 
Zulauf  abzustellen  vermeinte*,  so  sollte  dieselbe  bleiben,  doch 
die  Worte  ,ohne  was  ihre  Fliluscr  darin  sein,  darin  sie  für  sich 
selbst,  ilir  Gesind  und  Zugehörige  sich  dieser  Confession  ge- 
brauchen mögen  etc.'  hinzugefügt  werden,  womit  aber  nicht 
verstanden  sein  solle,  ,da8S  sie  f\lr  sich  selbst  die  Besuchung 
der  Predigt  den  Bürgern  wehren  und  abschaffen  sollen'.'  Er 
unterliess  auch  nicht,  auf  Erzherzog  Carl  hinzuweisen,  der  den 
steirischen  cvangehschen  Ständen  die  öffentliche  Predigt  in  der 
Stiftskirche  von  Graz  eingei'ilumt  habe,  und  bat  unter  Uober- 
rcicliung  eines  Memoriales  in  diesem  sowie  in  dem  anderen 
Punkte  bezUgUch  des  Doctrinales,  den  er  näher  erllluterte,  um 
eiucn  gnädigen  Bescheid.  Maximilian  vorsprach  sein  Möglichstes 
zu  thun  und  sich  unterwegs  zu  i'esolvircn.  Doch  weder  in  Sulz- 
bach, wo  sich  der  Kaiser  mit  Weber  darüber  besprach,  noch 
in  Weiten  und  Pilsen  konnte  Strein  trotz  seines  Anhaltens  eine 
Resolution  erhalten. 

In  Prag*  endlich,  am  13.  Jänner  1571  erhielt  er,  nachdem 
der  Kaiser  auf  seine  neuerliche  Werbung  mit  Weber  conferirt 
hatte,  durch  Letzteren  den  erbetenen  Bescheid:  »Erstlich  be- 
langend die  Druckerei,  sei  I.  M.  nochmals  wie  zu  Speier  mit 
Gnaden  zufrieden,  dass  dieselbe  fortgesetzt  und  mittlerweil,  als 
I.  M.  hie  sei,  publiciert  werde,  wie  dann  I.  M.  dem  Herrn 
Statthalter,  damit  wann  es  zu  der  Publicierung  kommt,  nit  wieder 
Irrung  einfallen,  solches  ad  partem  und  mit  eigner  Hand  za- 
schreiben  wolle."  Die  Forsetzung  der  Druckerei  begehrten  I.  M. 
gnädigst,  damit  die  zur  Verschonuug  I.  M.  irgend  auf  der  Mär- 
herischen Grunz  bcschehe,  und  dass  gleichsfalls  die  Publicierung 
mit  der  Bescheidenheit  fürgenonnncn  werde,  damit  nit  viel  Ge- 
tümmels daraus  erfolge,  sondern  I.  M.  achteten,   dass  am  Weg 


'  Strein'«  Kelation   1578. 

'  Am  10.  JAnuer  1671  dort  eingelangt;  vgl.  Venetinnischo  Depeschen  HI, 
S.  612,  Anm.  3. 

•  Kaisorliche»  Docret  an  die  n.-O.  Regierung,  ddo.  Prag,  10.  Febni.ir  1571, 
worin  dor  Kaiser  dersolben  auftrug,  diu.4  künftig  Alles,  was  Ober  die  zwei 
evangeli.schen  Stünde  oder  deren  Deputirte  vorkäme,  ,rM  Vorlitttnng  son- 
derer Benchwerd  nndWeitlAnligkuit'  ibni  zuvor  bericbtet  werde;  Cod.fol.  IS'. 


157 


sei,  dass  die  Depatierten  solche  Austheiliing  unter  die  beiden 
Stände  selbst  thiltcn,  also  dass  die  Agenda  nit  düi-f'e  zu  feilem 
Platz  kommen,  die  übrigen  Exemplaria  würden  bei  einer  LjuhI- 
sohaft  Händen  aufgehalten  .  .  .,  für  das  andere  so  soll  der 
Artikel  mit  den  eiureissenden  Seeten  begehrtermassen  eomgicrt 
werden,  zum  dritten,  das  Wort  ,eigen'  bei  den  Häusern  und 
8ch]ö8sem  ausgelassen  und  zum  vierten  die  Agenda  in  spccie 
vermeldet  werden.  Soviel  aber  belangt  das  Doctrinal,  solches 
kjinnten  I.  M.  derzeit  in  die  Assecaration  nit  kommen  lassen, 
aas  Ursach,  dass  es  I.  M.  noch  bisher  nit  gesehen.  I.  M.  wUrcn 
iber  des  gnädigsten  Erbietens,  hätten  auch  allbercit  die  Ver- 
ordnung getbau,  dass  dem  Strein  derwegcn  ein  Decret  sollte 
gefertigt  und  zugestellt  werden,  wann  solches  durch  die  für- 
geachlagnen  Universitäten  würde  ersehen  und  I.  M.  hernacher 
füt^ebracbt,  dass  sicli  I.  M.  nit  weniger,  als  mit  der  Agenda 
beschehen,  mit  allen  Gnaden  gegen  beiden  JStände  verlialtcn 
Iten,  die  Stünde  auch  nit  Ursach  haben,  einigen  Zweifel 
db  in  I.  M.  zu  setzen.  Letzlich  bei  dem  Artikel  mit  den 
Städten  könnten  sich  I.  M.  derzeit  noch  nit  cntschliessen,  sondern 
äiu  wollten  CS  bis  zu  I.  M.  .  .  Hiuauskunft  mit  tfiiaden  angestellt 
haben  und  in  dem  Wesen  wie  bislier  verbleiben  lassen,  alsdann 
«rollten  I.  M.  sehen,  wie  sich  alle  Sachen  werden  anlassen,  auch 
uach  Gelegenheit  derselben  sich  mit  Gnaden  hernacher  woiters 
ilesswegen  erklären.' 

Zu  weiteren  Zugeständnissen  Hess  sich  der  Kaiser  nicht 
herbei.  Strein  fand  es  für  gerathen,  nachdem  er  darüber  noch 
mit  Weber,  ,der  sich  in  diesem  Handel  ganz  geneigt  und  in 
Samma  als  ein  gutor  Landmann  erzeigt  hat',  vertraulich  con- 
fcrirt  hatte,  derzeit  nicht  weiter  in  den  Kaiser  zu  dringen,  und 
erklärte  sich  zur  Annahme  der  Assecuration  und  des  Dccretes 
über  das  Doctrinale  bereit.'  Was  ihn  hauptsächlich  veranlasste, 
ron  seinem  weiteren  Begehren  abzustehen,  war  eine  sehr  un- 
liebsame Entdeckung,  die  er  im  Verlaufe  seiner  Unterredungen 


'  ,Mit  den  Doctrinal  und  8tadten,'  sagt  er  Aber  seine  BemUbungon, 
jflAuben  mir  die  Herren  für  gewiss,  ilaiu  icti  an  mir  in  dieseui  «o  wenig 
*ls  mnderin  nichts  linb  orwiudon  luiwen,  und  will,H  ohne  Bubm  gemelt 
baben,  man  frag  Uoctor  Weber,  der  wird  sugcii,  wie  er'»  denn  gesagt 
hat,  das*  von  keinem  andern,  wits  dennoch  durch  micli  erhalten  worden, 
bitte  erhalten  werden  mügen,  bei  so  uuajigllchou  Einwürfen  und  vielen 
nderungen  der  OemQtber,  davon  nit  xu  scbreiheu.' 


158 


mit  dem  Kaiser  gemacht  hatte.  Naclidem  er  nilmlich  wiederholt 
dem  Kaiser  vorgehalten  hatte,  ,die  Bewilligung  anuo  68  be- 
sclielien,  die  liess  den  Stünden  das  Exercitium  Religionis  aller 
Orten  zu',  in  welclier  Meinung  er  aueh  durcii  ein  Schreiben 
der  Deputirtea  bestilrkt  worden  war,  liess  er  sich,  um  seinen 
Vorstellungen  grösseren  Nachdruck  zu  verleihen,  vom  Secrctär 
Unverzagt  die  Landtagsverhimdlungcn  kommen  und  fand  jetzt 
zu  seinem  Erstaunen  ,gerade  das  Widerspiol',  dass  nämlich 
,1.  M.  sonderlich  Wien,  dioweil  sie  allda  ihr  Hoflugcr,  mit  aus- 
drücklichen Worten  ausschleusst'.'  Er  trug  also  Sorge,  dass  im 
Falle  seines  heftigeren  Drängens  ,8olchen  Scliriften  nachgesehen 
und  man  ihm  um  so  viel  mehr  mit  Grund  begegnet  wäre'. 

Er  war  übrigens,  wie  er  selbst  gestand,  froh,  so  viel  er- 
reicht zu  haben,  denn  das  Verhttngniss  wollte  es,  dass  gerade 
zu  dieser  Zeit  in  Linz  ein  Losenstein'scher  Prädicant  den  Hof- 
predigor  der  Königin  von  Polen  gröblich  insultirt  hatte.  Auch 
tröstete  er  sich  mit  dem  Gedanken,  dass  die  beiden  fraglichen 
Punkte  zu  einer  späteren  Zeit  in  günstigem  Sinne  erledigt 
würden  und  dann  Jederzeit  ein  andere  Asseeuration  mit  Ver- 
leihung dieser  beiden  Artikel  gefertigt  oder  aber  destwegen 
ein  Nebenschein  genommen  werden  mag'.  Hatten  einerseits  die 
jüngsten  Ausschreitungen  der  evangelischen  Stände  und  ihrer 
Prediger  seiner  Ansicht  nach  viel  zu  dem  wenig  befriedigenden 
Ausgang  seiner  Unterhjuuliungcn  beigetragen,  so  lag  anderseits 
die  Schuld,  wie  es  Strein  den  Ständen  oifen  heraussagte,  an 
dem  Kaiser  selbst,  der  nämlich  aus  sehr  begreiflichen  Gründen 
die  Stände,  , indem  dass  nit  abgeschlagen  und  nit  zugelassen 
wird,  in  einer  Sorg  erhalten  wollte';*  denn  auf  diese  Weise 
erhielt  er  sich  dieselben  seinen  ferneren  Forderungen  gefügig 
und  konnte  auch  grösseren  Uebergriffen  bei  Anrichtung  ihres 
Religionswesens  einigermassen  steuern.  Die  Religionsassccuration 
wurde  nun  nach  den  mit  den  Stünden  vereinbarten  Correcturen 
in  das  Keine  geschrieben,  wobei  der  Sccretär  Unverzagt  , durch 
Uebcrsehung'  die  drei  Worte:  ,in  denen  sie'  ausliess.  Es  hätte 
also  der  Wortlaut   eigentlich    lauten    sollen:     ,Da8S  wir   darauf 


'  Vgl.  oben,  8.  126f.  (Punkt  4  der  Concession). 

'  Dioso  Wnrto  erinuern  unwillkürlich  an  den  RaIIi,  den  Kaiser  Maximi- 
lian 11.  dorn  Erxlierzug  Carl  ertheilte,  dius  er  »ich  nämlich  den  8teiri- 
üchen  Ständen  gegenüber  so  verhalten  mOgo,  daas  er  nichts  abschlage, 
aber  doch  auch  nicht«  bewillige;  vgl.  Hopfen,  a.  a.  O.,  S.  332. 


159 


I 


Jetzüch  ermclten  beiden  Stünden  aus  vielen  hoehbewcgliehcn 
Ursachen,  sonderlich  aber,  damit  den  beschwerlichen  jetzt  hin 
lud  wider  schwebenden  Seelen  desto  mehr  in  unsern  nieder- 
Aterreichischen  Landen  gewehrt  würde,  gnildigiich  bewilligt,  ver- 
gOnnt  und  endlich  zugelassen,  dass  sie  . . .  sich  auf  und  in  allen 
ihren  Schlössern,  Häusern  und  Gütern,  doch  ausser  unserer 
SUdt  und  Markt,  in  denen  sie  fUr  sich  selbst,  ihr  Gesind 
und  ihre  Zugehörige,  auf  dem  Lande  aber  und  bei  ihren  zu- 
gehörigen Kirchen  zugleich  auch  ftlr  ihre  Unterthanen  solcher 
Confession  .  .  .  frei  gebrauchen  mögen  ctc'  Obwohl  Strcin  diesen. 
Fehler  gleich  merkte,  so  wollte  er  doch  aus  dem  Grunde  keine 
Einsprache  dagegen  erheben,  weil  nach  seiner  Meinung  diese 
drei  ausgelassenen  Worte  an  dem  Sinne  selbst  nichts  ilnderten. 
.Und  dann',  folgte  er  hinzu,  ,da  mens  Imperatoris  in  diesem  Fall 
sollte  disputiert  werden,  so  könnte  man  Icichtlich  aus  diesen 
Worten  erzwingen,  dass  die  Zulassung  in  Städten  sei  i\xr  unser 
Gesind  und  Zugehörige,  dieweil  es  auf  dem  Land  für  die  Unter- 
ihauen  mit  ausgedruckten  Worten  speeificiert  wierdot,  wie  danu 
allweg  posterior  relatio  ad  priorem  sein  muss.' ' 

Die  Stände  zogen  auch  thatsächlich  unter  Rudolf  II.  dicsoi 
Folgerung  und  behaupteten  in  ihrer  Petition  vom   1.  Juni  1578 
allen  Ernstes,  es  hätten  ja  die  Worte  ,auf  dem  Lande  aber 
iuch   für   ihre    Unterthanen'   gar  keinen  Sinn,  ganz  ab« 
itoaehen  davon,  dass  die  auf  ihr  Ansuchen  erfolgte  Correctur  des ' 
iirspriinglichen,  in  der  früheren  Assecuration  vom  30.  Mai  1570 
cntlialtcnen    Wortlautes    (für   sich   und   ihre   Unterthanen    und 
l«i  ihren    zugehörigen   Kirchen   auf   dem  Lande)   an    und   für 
«ich    beweise,    dass    nunmehr    die    Städte    und  Märkte    als    in 
die  Concession  einbezogen  zu  gelten  hätten,  weil  ja  sonst   die 
erste    Fassung    beibehalten    worden    wäre.     , Sollen    sie    aber', 
erklärten  sie,  ,was  bedeuten,  so  muss  unwiderspreuhiich  folgen, 
dlM  aaf  dem  Land  zugleich  auch  für  die  Unterthanen  uud  in 
E.  k.  M.  Stadt    und    Märkten    beide   Stände    in  ihren  Iläuseni 
für  sich  selbst,  ihr   Gesind  und  Zugehörige   des   exercitü  reli- 
gionis  befugt  seien'.*     Aehnlich    äusserten   sie   sich   ftlnf  Tage 
später:     ,Dass    aber   jetztgcmelter   von  wegen    der    Stadt  und 
Markt   erklärter  Anhang  keinen  andern   als  obbegriffncn  Ver- 
stand haben  könnte,  das  erscheint  nit  allein   aus  beiden  Altcr- 


■  Strein's  Relation  1571. 


•  Cod.  fol.  220. 


180 


Dativen  (auf  dem  Land  aber  und  zugleich),  welche  sonsten  g 
meiner  Vurnimft  zuwider,    weil    alle    andere   beider  ötUnde  in 
habende  Güter,  es  seien  Schlösser,  Städte,  Märkte  oder  Dürfer 
ohne  das  unter  denen  Worten  (auf  dem  Land  etc.  und  in  allen 
ihren  Schlössern,  Häusern  und  Gutem  otc.)  begriffen,  gar  ver-; 
gebenlieh  stünden  ..." 

Wenn  es  auch  dem  Strein  nicht  glückte,  wesentliche  Aeu" 
doningen  der  Assecuration  zu  Gunsten  der  Stände  zu  erwirkenj 
so  setzte  er  wenigstens  einige  ganz  unbedeutende  Zusätze  z 
naehdrückücheren  Hervorhebung  einiger  Worte  durch.  So  ka 
statt   des   früheren   ,die  Lehre   und  Ceremonicn  .  .  .   anstellen'; 
,8owohl  die  Lehre  als  die  Ceremonien  anstellen  und  in  das  Werkii 
ziehen  mögen'.* 

Am  14.  Jänner   empHng  Strein   die  langersehnte  Asseca 
rationsurkuudo'  zugleich  mit  einem  an  ihn  adressirten  Decre^' 
in  dem  ihm  mitgethcilt  wurde,    dass  S.  M.  dem  Ansuchen  der 
zwei  Stände  wegen  Abfassung   einer  Lehrnorm  (üv   die   cvau 
gelisehen  Geistlichen  Folge  zu  geben    geneigt  sei,    doch   solli 
dieselbe  ihrem  Erbieten  gemäss    früher   den  drei  Universitäto; 
zu  Wittenberg,  Rostock  und  Tübingen  zur  Begutachtung  über 
mittclt  und   dann    S.  M.  zur  Entscheidung  vorgelegt  werden.* 
Die    Einliündijning    der    Asseeuration    geschah    in    aller    Stille 
und   dürfte   auch    längere  Zeit  geheim  gehalten  worden  sein.* 
Strein  Uberschicktc  beide  SchriflstUcke  zugleicli  mit  seiner  Rel 
tion  an  die  Stände  und  vergass  auch  nicht,  ihnen  einige  wo 
gemeinte  Kathschläge  zu  ertheilen.  Als  geeignetsten  Ort  für  die 
Fortsetzung    des  Druckes   der  Kirchenordnung    emiifahi  er,  da 
dieselbe  über  kaiserliche  Anordnung  an  der  mährischen  Grenze 


1- 

I 


hiM 


'  Ebenda,    Fol.   SS4.     Vgl.  auch    die    Bittacbrift,    ddo.    2a.  Juni;    eb 
Fol.  276. 

•  Strein's  Kelation   1571;  V(,'l.  dnzu  Otto,  «.  ».  0.,  8.  4-J. 
'  Abgedruckt  uiitor  Auderem  bui  Otto,    a.  a.  O.,   8.  4öf. ;    vgl.  auch  S. 

Der  Codex  entbUlt  obonfalls  eine  Copie  (Fol,  6). 

*  Cod.  fol.  8  etc.;  vgl.  Otto,  a.  n.  O.,  S.  48. 
'  Am  14.  Fulirunr  157*2    tuncUte    der  Kaiser  dem  Erzherzog  Carl    darübe 

Mittheilung  und  bat,  Niemaixlein  etwas  davon  merken  zu  laüsoa.  Ui»i1 
Sache  solle  zur  Verhütung  von  Weiterungen  ,iu  grOsater  Enge  bleiben'; 
Tgl.  liOaerth,  a.  a.  O.,  S,  193.  Selbst  der  gut  informirte  Eder  kannte  sie 
bis  sum  Jahre  1578  nicht,  wie  aas  seinem  Briefwechsel  mit  lierzog 
Albrecht  von  Uaiern  (Münchner  Allgemeines  Koichsarchiv,  Beligiunsacta 
Tom.  XL,  V.  a,  Fol.  6)  hervorgeht 


161 

stattfinden  aollte,  das  dem  Wolf  von  Lieciitenstein  gehörige 
Schloss  Mcidboi'g,  damit  ihnen  niclit  der  Bischof  oder  der 
Landeshauptmann  ,ein  neuen  Liirmon'  machte,  und  tlieiitc  ihnen 
£um  Beweise,  wie  ilire  Gegner  ,aui'  sie  und  ilir  Thun  lauern', 
im  Vertrauen  mit,  dass  gleich  nach  des  Kaisers  Ankunft  in 
Pr-'g  der  Burggraf  Rosenberg  diesem  die  Meklung  erstattete, 
i]ass  die  Stände  eine  Zusammenkunft  abgehalten  und  einen 
Ausschuss  hieher  zur  Ueberreichung  der  Agende  abgeordnet 
hätten,  worauf  aber  der  Kaiser  die  Bemerkung  gemacht  hätte: 
,Ich  kenne  meine  Paschkaler  woi,  wann  sie  was  dergleichen 
Torhütten,  so  wollt  ich  auch  darum  wissen.'  Er  rieth  ihnen  auch. 
Alles  aufzubieten,  dass  die  Prädieanten  in  Wien  mit  Bescheiden- 
heit und  Mass  auftreten  möchten,  nur  dann  wäre  es  noch  mög- 
lich, ,unangesehen  aller  Teufelslist,  ob  Gott  will,  die  Sachen 
dahin  zu  richten',  dass  er  auch  den  Artikel  bezüglich  der 
Städte  durchbrächte. 

Zum  Schlüsse  forderte  er  sie  auf,  ihm  die  Agende,  falls 
sie  bereits  reingeschrieben,  gefertigt  zu  übersenden,  damit  die- 
selbe dem  Kaiser  überreicht  und  in  der  llofkanzlei  hinterlegt 
werden  könnte.' 


C.  Inhalt  und  Bedeutuii;:;  dvr  Concesston  und  Asscciiratiwu. 
Weitere  Zui;e!4tUndttlsse  des  Kaisers. 

Am  Tage  der  Ausfertigung  der  Assecuration  erging  auch 
an  die  Städte  und  Märkte  ein  kaiscrliclies  Dccrct,  worin  den- 
selben ihr  Ansuchen  um  Zidassung  der  Augsburger  Oonfcssion 
mit  dem  Hinweise  auf  die  wiederholten  früheren  Entscheidungen 
abgeschlagen  und  die  Elrwartung  ausgesprochen  wurde,  sie 
würden  sich  diesen  gemäss  verhalten  und  sich  gehorsam 
enteigen.*  Ftir  die  Beweggründe  zu  dieser  Ausschliessung 
Uefem  die  Rathschläge  und  Ermahnungen  des  Kaisers  an  Erz- 
herzog Carl,  der  sich  in  einer  ganz  ähnlichen  Situation  den 
steirischen  Ständen  gegenüber  befand,  einen  ausftihrlichcn  Com- 
mentar.  ,üenn  solle,'  schreibt  er  ihm,  ,den  Städten  und  Märkten 
gleiches  Nachsehen  in  der  Religion  geschehen,  so  hätten  E.  L. 
besorglich  nit  allein  in  kurz  den  Abfall   der  katholischen  Rcli- 


»  Strein's  Relnlion   lf>7l. 
*  Beilage  Q  de«  .Iiistniinentnm'. 
ArekW    LXXXTII.  Bd.  I.  HUfUi. 


U 


res 


gion,  sondern  uucli  das  zu  gewarten,  dass  neben  Abnehmung 
des  schuldigen  Gehorsams  gegen  E.  L.  die  Stildtc  und  Märkte 
nichts  anders,  denn  eine  Aufhaltung,  Versammlung  und  Erzie- 
lung aller  bljsen,  verbotncn  und  verführerischen  Secten  sein 
und  ein  jeder  Bürger  und  Inwohner  in  Stildtcn  das  thun  wlirdc 
und  vielleicht  müsse,  das  von  einer  Zeit  zur  andern  ein  Bürger- 
meister oder  Vorgeher  der  Stadt  entweder  schaffen  oder  mit 
Fleiss  oder  aber  durch  Nachlilssigkeit  nachsehen,  verstatten 
und  zugeben  würde.*  Die  Folge  davon  würde  sein,  dass  sie 
, schier  alle  Jahr  einen  neuen  Glauben  und  Seelsorger  haben 
und  annehmen  müssen'.'  Die  Stände  nahmen  sich  auch,  wie  es 
der  Kaiser  erwartet  hatte,  des  vierten  Standes  weiter  nicht 
mehr  an,'  und  so  war  der  Kaiser  einer  grossen  Sorge  enthoben: 
die  Assecuration  l)lieb  wenigstens  auf  einen  verhilltnissmälssig 
kleinen  Tiieil  des  Landes  bescliritnkt,  wenn  er  schon  sonst  nichts 
mehr  dagegen  machen  konnte.  Befreundet  hat  er  sich  wohl 
nie  mit  ihr,  aber  der  Gedanke  mochte  ihn  trösten,  dass  sie  eben 
nur  ein  Provisorium  und  im  Grunde  genommen  noch  ein  ganz 
glimpflielier  Ausweg  war;  denn  er  hatte  den  zwei  Ständen, 
wie  er  das  mit  gutem  Gewissen  behaupten  konnte,'  bei  Weitem 
nicht  80  viel  eingerilumt,  als  manche  —  vor  Allen  sie  selbst  — 
glaubten,  und  sich  kluger  Weise  noch  einige  Zugeständnisse 
ziirUckbelialten. 

Vorderhand  —  und  diesen  Zweck  hatte  er  erreicht  — 
waren  die  Stünde,  wenigstens  die  Mehrheit,  zufriedengestellt. 
Denn  einige,  wie  z.  B.  Carl  von  Zelking,  scheinen  heftige  Op- 
position gemacht  zu  haben.  Das  ist  auch  der  eigentliche  Grund, 
weshalb  der  vom  Kaiser  in  der  Assecuration  verlangte  Revers 
noch  am  16.  September  1572  nicht  gefertigt  und  dem  Kaiser 
übergeben  worden  war.  Die  Fertigung  desselben  wäre  gewiss 
auch  damals  nicht  in  der  Sitzung  beschlossen  worden,  hätten 
sie  nicht  zur  Erlangung  einer  offenen  Kirche  in  Wien,  um  die 
sie  anhalten  wollten,  die  Fürsprache  Strein's  benöthigt,  der  ihnen 
dieselbe  aber  aus  dem  Grunde  abschlug,  weil  er  durch  die  bis- 
herige   Vorenthaltung   des    versprochenen    Reverses    vor    dem 


'  ddo.  Wien,  den  3.  JKiiner  1572;  ygl.  Hopfen,  a.  «.  O.,  S.  369. 

*  Znni  Untcnichiedo  von  den  steiriavhen  Ständen,  die  sich  wenigsten«  im 
Anfange  »ehr  unergiscli  für  die  Stfidte  eiuHetzten;  Tgl.  Loxortb,  a.  a.  O., 
S.  180  f. 

*  «.  B.  zum  Bischof  Urban  von  Paasan;  vgl.  Tlopfen,  a.  a.  O.,  S.  162  u.  154. 


163 


Kaiser,  der  darob  ,Missfallen  trage',  als  ein  ,unwahrhafter  llunn' 
dastünde. '  Der  letze  Versuch,  den  der  Landinarschall  machte, 
am  der  Assecaration  den  gewünschten  Sinn  zu  gt'ben,  indem  er 
im  Texte  des  von  Strein  verrassten  Reverses  nach  den  Worten: 
,doch  ausser  unserer  SUldt  und  Märkte'  den  Zusatz  maclite: 
fdarin  wir  nicht  Iläuser  halien',  missglUckte,  denn  or  wurde 
vom  Kaiser  gestrichen.*  Indessen  ob  die  Stände  zufrieden  waren 
oder  nicht:  sie  kümmerten  sich  sehr  wenig  um  den  Inhalt  der 
Assecuration  und  legten  die  Worte  derselben,  dass  sie  sich  der 
Confession  ,frei  gebrauchen'  könnten,  so  frei  als  nur  möglich 
aus,  während  der  Kaiser,  wie  ihnen  dies  Strein  später  erklärte, 
damit  nur  ,ohne  Scheuch,  Sorg,  Gefahr  und  Hinderung'  gemeint, 
nicht  aber,  wie  die  Stände  dachten  und  auch  darnach  vorgingen, 
mit  diesen  Worten  die  schrankenlose  Ausübung,  wie  z.  ß.  den 
Zugang  fremden,  nicht  zu  ihnen  gehörenden  Volkes  zu  ihren 
gottesdienstlichen  Handlungen  gestattet  hatte.^  Welche  Rechte 
ihnen  eigentlich  die  Religions-Concession  und  Assecuration  ge- 
währten, lernten  die  Meisten  erst  unter  Kaiser  Rudolf  II.,  der 
sich  streng  an  den  Wortlaut  derselben  hielt,  kennen.  In  den 
Städten  und  Märkten  Hessen  sie  ganz  ungescheut  den  evangeli- 
schen Gottesdienst  ausüben,  an  welchem  sich  auch  BUrger  und 


N.-O.  LundeMrchiT,  Concept,  B.  3.  24.  Das  von  Otto  (a.  n.  O.,  S.  47)  an- 
gegebene Datnm  vom  4.  Februar  1672  kann  daher  iinmi)|;Iicli  der  Wirk- 
lichkeit entsprechen.  Wenn  er  das  Concept,  daji  er  mich  citirt  hat  (a.  a.  O., 
ä.  61)  angesehen  hStto,  ao  wäre  er  auf  diesen  Wider.ipnich  gekouimen. 
Wie  das  genannte  Datum  in  diese  Cnpie,  die  sonst  alle  ohne  eingesetzte 
Daten  sind,  hineingekommen,  ist  eine  andere  Frage.  Sicher  ist  eines,  dass 
aoch  nach  dem  16.  September  1672,  an  welchem  Tage  die  Fertigung  des 
Beyersea  betrieben  wurde,  noch  eine  geraume  Zeit  verstrichen  sein  muss, 
bis  derselbe  dem  Kaiser  überreicht  werden  konnte;  es  Kndct  sich  nitm- 
licb  in  den  Acten  des  Landesarchivs  (U.  3.  24)  folgender  Vermerk;  ,Die 
Fertiger  des  Kitteratand,  so  den  Revers  hent,  den  22.  Tag  Febmarii  a. 
73  entzeschreiben :  Herr  Sigmund  Niclas  von  Aursporg,  Wolf  Wilh.  von 
Althan,  Serv.  von  Neydegg,  Leonh.  Neuhoffer,  Christof  von  Kundt«perg, 
Wolfh.  PemestorfTer.'  Sie  scheint  aber  Oberhaupt  gar  nicht  zu  Stande 
gekommen  zu  sein. 

Das  Originalconcept  von  Strein  befindet  sich  im  .Siimmarium'  al."i  Bei- 
lage 4;  daselbst  auch  zwei  Copien  des  von  dem  LandmarHcliall  geänderten 
Beversea.  Die  Streicliniig  dieses  Zusatzes  erwKhnt  auch  der  Erzhonsog 
Matthias  in  seinem  Gutachten  an  Kaiser  Rudolf  11.  vom  Jahre  1604;  vgl. 
darüber  Otto,  a.  a.  O.,  S.  47. 
'  Strein'*  Bericht  1586. 

11» 


1R4 


Handwerker  betlieiligten.'  Da  Maximilian  II.  ein  miWer  und 
gnädiger  Herr  war,  kümmerten  sie  sich  auch  nicht  viel  um  seine 
Verordnungen  und  Hessen  sich  allerlei  Ueberschreitungen  der 
Assecuration  zu  Schulden  kommen,  gewiss  nicht  zu  ihrem  Vor- 
theilo.  Denn  darüber  kann  kein  Zweifel  hen'schcn  —  und  das 
gab  ihnen  auch  Strcin  zu  verstehen  — ,  dass  ihnen  der  Kaiser 
sicherlich  noch  grössere  Zugeständnisse,  mindestens  dieselben,  die 
Erzherzog  Carl  den  steirischen  SUlnden  ertheilt  hatte,  gemacht 
hätte,  wenn  sie  sich  nur  halbwegs  in  den  rechtlichen  Grenzen 
bewegt  und  seine  Erlilssc  etwas  besser  berücksichtigt  hätten. 
Der  Kaiser  hatte  den  Ständen  wiederholt  aufgetragen, 
keine  Prsldicanten  in  den  Städten,  vor  Allem  nicht  in  Wien  zu 
halten  und  sich  keine  Feindseligkeiten  gegen  die  Katholiken 
zu  erlauben.  In  dem  bereits  erwähnten,  vor  seiner  Abreise  von 
Wien  ausgefertigten  Decrete  vom  2G.  Juli  15G9  hatte  er  sie 
besonders  eindringlich  ersucht,  sie  möchten  sich  ,aller  verbotnen 
Secten  und  ärgerlichen  Neuerungen  enthalten,  auch  keine  un- 
bekannte streichende  Scctarios  und  Schwärmer  aufhalten  noch 
befVmlcrn  und  insonderheit  in  dieser  k.  M.  Hauptstadt  Wien 
keine  Prädicanten  an  keinem  Orte  aufstellen,  sich  auch  sonst 
gegen  allen  und  jeden  geistlichen  und  weltlichen  Landständen, 
Nachbarn  und  miliiuiglich  sowohl  in  Religion  als  andern  zeit- 
lichen Sachen  gana  friedlich,  freuiullich  und  nachbarlich  be- 
weisen, niemand  freventlich  verdammen,  lästern  noch  schmähen, 
sondern  einander  in  christlicher  Geduld  und  Lieb  vertragen 
und  sich  allenthalben  bescheidenlich,  christlich  und  gcbürlich 
halten  und  erzeigen',*  oder  kürzer  gesagt,  sie  niöcblcn  die  Con- 
ccssion  nicht  Ubei-schreiten.  Wie  unangenehm  und  peinlich 
musste  CS  ihn  aber  berühren,  als  unmittelbar  nach  seiner  Ab- 
reise aus  Wien  von  allen  Seiten  Beschwerden  über  das  Ver- 
halten der  evangelisdien  Prädicanten  einliefen.  In  äusserst  un- 
gnädigen Worten  hielt  er  ihnen  daher  in  dem  Decret  ddo.  Prag, 
den  28.  Jänner   1570    vor:     ,wie  alsbald  von  unscrm  nächsten 


'  Die  gtoiriüclio  Landselmft  berief  nicli  .nurli  in  ihrer  Landtagsscbrift  vom 
10.  DcuoD)ber  1572,  in  der  sie  gegen  die  Ansscblios!<nng  ihrer  Städte 
nnd  Märkte  von  der  freien  Religionsttbung  proteatirteo,  nuf  Oesterreich 
ob  und  nnter  der  Enns,  wo  in  den  8tltdton  die  evangelische  Keliglon 
,ohn(4  irgend  eine  Verhindening  gnnx  frei  und  ofleii  im  Schwung  nud 
«ttter  Übung  sei';  vgl.  Loserlh,  a.  a.  O.,  S.  184. 

*  Sieht)  oben,  8«ite  146,  Anm.  3. 


165 


Verrücken  von  Wien  ein  Prttdicant  udcr  rfanlierr  in  der 
Kirchen  ad  8aIvatorein  daselbst  aufgcstandeu,  wcIcLcr  sich 
sonder  Zweifels  mit  eurem  Vorwissen  und  Zuf^cben  nit  allein 
öffentlich  zu  predigen  unterstanden  und  in  solchen  seinen  Pre- 
digten des  hochverbotnen,  unpriestcrlit-hcn  und  ärgerlichen  Ca- 
lumniem,  Schmilhen  und  Lüstern  neben  Oebrauchung  mannig- 
faltiger, ungewöhnlicher  Neuerungen  ungeschickt  und  scctisch 
beflissen,  sonderlich  auch  zu  Anstiftung,  Unruhe  und  Untreue 
mehr  sectische  Priester  nach  seiner  Confossion,  Art  und  Eigen- 
schaft an  sich  zu  ziehen,  und  ibm  dadurcti  bereits  von  denen 
gemeinen  Stadt-  und  Handwerksleuten  einen  solclien  Ooncurs 
und  Zulauf  gemacht,  dass  derselb  nach  Gelegenheit  dies  Orts 
bald  einen  grossen  Schaden  und  Nachteil  bringen  und  verur- 
sachen kann,  inmassen  man  bei  der  Domkanzol  St.  Stefan  wol 
yerspüret,  wasmassen  das  christliche  Volk  von  dannen  abge- 
sperrt und  gezogen  werde,  sintemalen  die  sonn-  und  feiertäg- 
lichen Predigten  bei  weitem  nicht  mclir  in  solcher  Anzahl  und 
Menge  als  hiovor  besucht  werden'.  Er  wisse  zwar  nicht,  ob 
dieser  Prttdicant  vor  seiner  Abreise  schon  daselbst  gepredigt 
habe,  oder  ob  es  ein  anderer  sei;  wenigstens  habe  er  frllher 
von  ihm  nichts  gehört,  es  mlisstc  nur  sein,  ,dass  er  vielleicht 
jetzo  auf  unser  Abwesen  sich  eines  mehreren  untei'stchet  und 
vormesse,  als  er  in  unser  persönlichen  Gegenwart  thun  dürfen'. 
Es  sei  aber  wie  es  wolle,  ,80  muss  es  ein  fast  büser  und  unar- 
tiger, freventlicher  Mensch  sein,  dass  er  sich  dergleichen  auf  den 
Trost  unsers  jetzigen  Abwesen  ohne  allen  Scheuch  unserer 
kinterlasseucn  nächstnachgesetzten  Obrigkeit  .  .  .  unterstehet'. 
Er  habe  von  den  Ständen  nicht  erwartet,  dass  sie  in  seiner 
Gegenwart,  viel  weniger  in  seiner  Abwesenheit  , dergleichen 
Prädicanteu  auf  Pfarren  in  unser  Stadt  Wien  fürdcrn,  noch 
ihm  diesem  Calumniatoren  sein  Schmiihen,  unverschämt  Lästern, 
gebrauchende  neue  und  ander  Ritus,  Ceremonien,  dass  er  auch 
annoch  ander  mehr  dergleichen  Gesellen  zuziehe,  und  ilime 
dadurch  von  den  gemeinen  Leuten  und  armen,  unvcrstiindiiien 
Volk,  das  sich  dann  allweg  zu  solchen  VcHVdirern  Icichtlicher 
als  KU  denen,  davon  sie  Nutz  und  Frucht  bekommen,  zu  Ver- 
achtung und  Schmälerung  der  Domkanzel  einen  nachteihgeu 
Zulauf  machen  thut,  gutheissen,  nachsehen  und  gestatten' 
würden,  da  sie  sich  doch  der  wiederholten,  kürzlich  an  sie 
gerichteten    Ermahnungen    zu    erinnern    wüsstcn.     Er     zwcitlc 


166 


nicht,  dass  den  Ständen  das  Treiben  dieses  Präldicanten  unver- 
borgen gewesen  sei,  weshalb  es  sich  schon  längst,  ohne  es  erst 
auf  diesen  Befehl  ankommen  zu  lassen,  gebührt  hiitte,  diesen 
,8cctischen'  Prediger  ,sauimt  seinen  Consorten'  der  Seelsorge  zu 
entheben  und  ihn  derart  zu  strafen,  , damit  er  dergleichen  fort- 
hin zu  thun  und  seinen  unartigen,  höchstschädlichen  Samen  aus- 
zustreuen gar  nicht  Ursache  gehabt  hätte*,  und  zwar  umsomehr, 
da  sie  wüssten  uud  darauf  zu  sehen  verpflichtet  seien,  ,was 
etwa  dergleichen  unter  dem  gemeinen  Volk  und  Handwerks- 
gesind  flir  Nachteil  zu  entspringen  pflegt  uud  wie  bald  der 
Gehorsam  gegen  die  Obrigkeit  von  solchen  Schreiern  und 
Lästerern  geschwächt  wird  und  sonderlich  weil  wir  dergleichen 
bisher  bevorab  in  der  Nahcnt  um  Wien  nicht  gelitten,  dass 
wir  viel  weniger  dasselbe  gutlieissen  oder  gestatten  werden*. 
Sein  Befehl  gehe  also  dabin,  unverzüglich  nach  Empfang  dieses 
Decretcs  den  Pfarrer  seiner  Stelle  zu  entsetzen  und  ihm  nicht 
vielleicht  eine  andere  Seelsorge  zu  verschaflfen,  widrigenfalls  er 
genöthigt  wäre,  selbst  einzuschreiten;  desgleichen  hätten  sie 
ausftihrlich  zu  berichten,  , woher  solcher  Prädicant  bürtig  und 
kommen,  in  was  Officio  davor  gewesen,  was  er  auch  für  Testi- 
monia  seiner  Studien,  Lehr,  Leben  und  Wandt  habe,  wer  ihn 
also  zu  dieser  Pfarre  befürdert  und  aus  wes  Schutz  und  Ver- 
theidigimg  er  bisher  sich  so  ungeschickt  und  unleidenlich  ge- 
halten .  .  .'.  Ausserdem  lege  er  ihnen  ernstlich  auf,  ,wo  bei  den 
andern  Pfarrern  ihrer  Lehenschafl,  es  wäre  nun  im  Bürger- 
spital zu  St.  Marx  oder  anderer  Orten  in-  uud  ausserhalb  der 
Stadt,  ebenmässige  Calumniatores  und  zum  predigen  untaugliche 
und  unbescheidene  sectische  Personen  wären',  dieselben  alsbald 
abzuschaffen  und  ihre  Stellen  ,mit  ehrbaren,  gelehrten,  beschei- 
denen, gottosfurchtigcn  und  katlmtischen  Priestern'  zu  versehen, 
die  von  jeder  ,Neuerung  in  Lehr  und  Kirchen,  Ceremonicn 
frei  sein,  sich  eines  priesterlichen  Thuns  befleissen,  ruhige  und 
friedliebende  GemUther  haben,  den  Gehorsam  gegen  Gott  und 
der  Obrigkeit  pflanzen  und  wol  zuvor  ihre  Formata  und  Testi- 
monia  zur  Nothdurft  und  völligen  Genügen  fürlegen'.* 

Zwei  Jahre  später    sah    sich  Kaiser  Maximilian  neuerlich 
zu  einem  Einschreiten  genöthigt,  und  zwar  richtete  es  sich  dies- 


'  BeÜAgfo  qq  des  ,In8truiuuiituin'.     Diusu  AbscUaffung   erwäliuuu    auch  du 
^SummariuiQ*,  uud  der  ,SiiuimarücUe  Begrifl*. 


167 

mal  gegen  Geyer,  den  Besitzer  der  Herrschaft  Ilernttls,  dessen 
Prediger  einen  grossen  Zulauf  fremden  Volkes  aus  allen  benach- 
barten Orten,  namentlich  aus  der  Stadt  Wien  verursachte.'  Es 
verdient  diese  Massregel  umsomehr  hervorgehoben  zu  werden, 
als  sich  die  Stände  Kaiser  Rudolf  U.  gegenüber,  der  den  Aus- 
lauf  von  Bürgern  und  Handwerkern  nach  Inzersdorf,  Vösen- 
dorf  und  anderen  Orten,  wo  der  evangelische  Gottesdienst 
versehen  wurde,  untersagte  und  die  zuwiderhandehidcn  Prädi- 
canten  vor  die  Hofkanzlei  vorladen  Hess,  stürmisch  und  lieflig 
darüber  beschwerten,  gegen  die  Vorladung  ihrer  Prediger  pro- 
lestirten  und  sich  auf  die  Conecssion  bcriefeu,  die  ihnen  auf  ihren 
Landgütern  den  freien  und  uneingeschriluktun  Gebraucli  ihrer 
Religion  gestatte.  Wir  sehen  nun,  dass  Rudolf  U.,  dessen  Mass- 
nahmen die  evangelischeu  Stände  in  so  grossen  Aufruhr  ver- 
setzten, im  Anfange  seiner  Regierung  nichts  Anderes  that,  als 
dass  er  sich  streng  auf  den  Boden  der  RcÜgioiisconcfssion  stellte 
und  sich  dabei  stets,  wie  er  das  auch  that,  und  die  Berichte 
der  Hofkanzlei  beweisen,  auf  die  von  Kaiser  Maximilian  ausge- 
gangenen Decrete  beziehen  konnte. 

Am  13.  Jänner  1572  wurde  Geyer  saramt  seinem  Pfarr- 
provisor  vor  den  Obersthofmeister  und  den  Vicekanzlcr  citirt 
und  ihnen  sodann  vorgehalten:  ,1.  wie  I.  k.  M.  gewissen  Bericht 
habe,  dass  sein  Provisor  sich  im  Predigen  aller  Unbeschciden- 
heit  gebrauche;  2.  die  Obrigkeit,  den  Papst  und  alle  Gläubigen 
lästere  und  schmähliclie  Lieder  singe;  3.  die  Bürger  von  Wien 
uud  anderer  Pfarren  Untcrthanen  zu  sich  hinausziehe;  4.  gar 
herein  in  die  Stadt  greife  und  die  Sacramente  administrire. 
Da»  könnten  L  k.  M.  nit  leiden,  bevor  dies  Orts  am  Ilofzaun, 
und  hätten  L  k.  M.  sich  zu  dem  Geyer  eines  solchen  nit  ver- 
sehen, weil  sie  wissen,  was  ihnen  I.  M.  hievor  befohlen.  Solle 
es  demnach  abstellen,  denn  wo  es  nit  geschehe,  wollen  I.  k.  M. 
sie  beide  ernstlich  und  nach  Ungnaden  sti-afen.*  Geyer  recht- 
fertigte sich  dahin,  dass  er  davon  keine  Kcnutnisa  gehabt  habe, 
und  erbot  sich,  diese  Uebergriffc  abzustellen.  Auch  der  Prädi- 
ciint  entschuldigte  sich,  dass  die  Ertheilung  der  Communion  in 


'  E>  ict  gewim  iiiteressniit  zu  vernehmeu,  dass  in  der  Steiermark  die  Ro- 
güsmugarfttlje  des  Erzherzog!«  Carl  selbst  es  waren,  welche  die  Stände 
•of  dieteu  Auslauf  als  bestes  Auskunl'tsmittul  aufmerksam  machten; 
l^serlh,  a.  a.  O.,  8.  iiti. 


168 


der  Stadt  mir  auf  etlicher  Leute  ausdrückliches  Begehren  erfolgt 
sei,  und  versprach,  sich  derselben  künftig  zu  enthalten.' 

Das  scheint  aber  nicht  sehr  gut  eingehalten  worden  zu 
sein,  denn  am  25.  November  d.  J.  erging  abermals  ein  Decret 
an  den  Oeyer,  er  solle  seinem  Prediger  gebieten,  ,8ich  des 
Schmähen,  item  Eingreifung  andern  Pfarren  in  ihr  JurisdiL-tion, 
Hinausziehung  der  Stadtleute  und  dergleichen  zu  enthalten;  denn 
da  CS  nit  beschehen,  wollten  I.  M.  gegen  den  Herrn  und 
Pfarrer  mit  Straf  verfahren.  Denn  den  Landicuten  die  Bewilli- 
gung allein  auf  ihren  Häusern  und  ihren  Leuten  und  gar  nit 
auf  fremde  Personen  beschehen  sei,  auch  das  SchmJlhen  ex- 
prosso  verboten'.*  Noch  im  letzten  Jahre  seiner  Regierung  am 
30.  Mai  157G  sah  sich  der  Kaiser  veranlasst,  die  Geyer  in 
Hernais  anzuweisen,  ihrem  Prädicanten  alle  gottesdienstlichen 
Handlungen  in  der  Stadt  strenge  zu  verbieten.' 

Der  Kaiser  hätte  übrigens  ohne  jeden  Zweifel  die  Aus- 
übung des  evangelischen  Oottesdienstes  in  den  Stadthäusern 
der  Adeligen  für  sie  selbst  und  ihr  Gesinde  stillschweigend 
gediddct,  wenn  es  dabei  geblieben  wäre.  Als  er  aber  bald 
nach  der  Ertheilung  der  Assecuration  wieder  in  Wien  residirte,* 
bemerkte  er  zu  seinem  höchsten  Unwillen,  dass  ,die  Predigten 
in  etlicher  Landleute  Häuser  nit  allein  von  ihnen,  den  Land- 
leutun und  den  ihrigen,  sondern  auch  von  der  Biirgcrschaft 
und  gemeinem  Mann  besucht  werden'.  Er  gab  daher  dem  Strein 
den  Auftrag,  sofort  durch  den  Landmarschali  die  EinsteUung 
der  Hauspredigten  verfügen  zu  lassen,  da  diese  ,zuwider  der 
Assccuration'  geschähen.  Der  Landmarschall  entschuldigte  sieh 
alsbald  bei  dem  Kaiser  und  erklärte,  ,es  stUnde  bei  1.  M.,  die 
Einstellung  der  Predigten  zu  verordnen,  werde  aber  über  die 
erfolgte  Assccuration  mit  grosser  Betrübniss  beider  Stände  er- 
folgen. Da  aber  L  M.  je  des  Zulaufens  und  der  Predigten  in 
so  viel  Häusern  Bedenken  tragen,  so  könnte  der  Saal  im  Land- 
haus dazu  fürgenommen  und  entgegen  die  Hauspredigten  aller- 
dings eingestellt  werden.  Es  würde  auch  der  Zulauf  so  weit 
eingestellt,  dieweil  im  Saal  nit  so  viel  Leut  Platz  hätten  als  in 


'  Staatsarcbir,  Oesterr.  Acteu,  Fase.  7,  Concept. 
'  Staatsarchiv,  Oesterr.  Acten,  Fase.  7,  Coneept. 

*  Eboucia,  Abschrift. 

*  ADgekommen  am  10.  Juli  1671;  Tgl.  Venetianiscbe  Dopescbou  lU,  S.  öl2. 
Anm.  3. 


169 


iligte 


vier  iläusem/  allda  jetzt  gepredigt  wird,  uud  alles  an  diesem 
Ort  mit  besser  Ordnung  zugehen'. 

Darauf  cntschloss  sich  der  Kaiser,  ,dass  die  andern  Pre- 
,en  in  Häusern  abgestellt  und  allein  in  des  Herrn  Laiid- 
ichallen  Haus  gepredigt  werden  soll,  dahin  die  Laudleut 
sämmt  ihrem  Weib  und  Gesind  ersehcincn  möchten,  uud  dass 
dabei  der  Zulauf  und  alle  Unordnung  verhütet  werde',  und 
schrieb  dem  Strein  mit  eigener  Hand  auf  einen  Zettel,  der 
neben  zwei  anderen  im  Folgenden  erwähnten*  unter  Kudolf  II. 
eine  nicht  unbedeutende  Kolle  spielt: 

,LJeber  Strein.  Ihr  wollet  darob  sein,  bei  dem  Landmar- 
Bchall,  damit  er  die  Sachen  des  Predigen  dermassen  anrieht, 
damit  sieh  nit  was  ungleichs  zutrag,  des  dann  leichtlieb  bo- 
SL'helien  mOeht,  und  ich  weiss,  dass  mir  der  ehrlich  Mann  nit 
gönnen  wlirde,  dann  sieh  daraus  allerlei  zutragen  mücht,  des 
auch  ihm  viel  weniger  gönnen  wollt,  denn  Ihr  wisst,  wie  treu- 
lich und  cinHiltig  ichs  mit  einer  ehrsamen  Landschaft  und  iu- 
Mnderheit  mit  dem  Landmarschall  vermein.'" 

Als  aber  trotzdem  der  kaiserliche  Kath  Oswald  von  Eitzing 
in  seinem  Hause  predigen  hess,  verbot  ihm  dieses  der  Kaiser. 
Es  dauerte  auch  nicht  lange,  so  hatte  der  Zulauf  in  das  Haus 
des  Landmarschalls  derart  zugenommen,  ausserdem  sieh  dessen 
Prädieant  , etwas  unbescheiden'  verhalten,  so  dass  sich  der 
Kaiser  im  JuU  1573  veranlasst  sah,  Ötrein  doshalb  nach  Wien 
zu  erfordern  ,und  sich  über  den  Zulauf,  sowohl  des  Prlldieanten 
Unbeschcidcnhcit  und  eines  vvällischcn  Doctors  halber,  so  die 
Stände  aufgenommen  haben  sollen,  bcschwei-t  und  deren  jedes 
abzustellen  begehrt'.  Darauf  erbot  sieh  der  Laudmarsehall  fUr 
sich  und  die  übrigen  Deputirteu,  den  wiüschen  Doctor  zu 
entlassen,   den    Prädicanten,    über    den    üim    übrigens    nichts 


*  Gemeint  sind  damit  ohue  Zweifel  oebitt  dem  Hauao  des  Landmaracballs 
die  UStuer  der  Herren  vuii  Hofkirclien,  Eitzing  und  Enxorsdorf,  welche 
auch  im  ,Sammariiim'  namentlich  angeführt  werden.  Otto  (n.  a.  O.,  S.  40) 
erwShnl  noch  mehr,  wie  Salm,  Polheim,  Auentperg  und  Liechtenstein. 
Siehe  nnten,  S.  17'J  und  175. 

Abschrift  im  Stoataarchiv  a.  a.  O.  uud  n.-U.  Landosarcbiv,  B.  3.  27.  Die  Ein- 
rSumang  de«  Landmnrsch.iU'üchnn  Hnusas  erwähnt  auch  ein  Schreiben  de« 
Heno^  Albreoht  von  Uaieni,  ddo.  24.  Juli  1577;  vgl.  Ritter,  Deutsche 
Oeechichte  II,  S.  89,  der  dieiio  Nachricht  aber,  weil  er  offenbar  nur  um 
die  Bewilligung  des  Landhaussanles  wusste,  als  , ungenau'  bezeichnet. 


170 


Ungebührliches  zu  Ohren  gekommen  »ei,  auf  seine  Herrschaft 
Frauendorf  zu  transferircn  und  statt  dessen  einen  andern  zu 
bestellen,  und  zwar  auf  Grund  gewisser  Artikel,  die  Strein  vor- 
schlug und  der  Kaiser  dann  genehmigte. 

,Den  Zulauf  aber,'  erklilrte  der  Landmarschall,  ,könne  er 
ftlr  seine  Person  nit  abstellen,  allein,  dass  er  etlichen  furnehmen 
Bürgern,  so  die  Predigt  besuchen,  I.  M.  Meinung  wollte  an- 
zeigen. WoUten  aber  I.  M.  solches  dem  Stadtrath  zu  thun  be- 
fehlen, das  stünde  bei  I.  M.  gnädigstem  Gefallen.  Er  hielt  auch 
das  Haus  gesperrt,  bis  man  gleich  wollte  zu  predigen  anfuhen; 
bald  das  Haus  eröffnet  würde,  so  sei  der  Sachen  und  dem 
Gedräng  ungewehrt.  I.  M.  möchten  derwegen  selbst  Erkundi- 
gung einziehen  lassen.  Damit  aber  diese  Ungclegenheit  in 
Häusern  verhütet  werde,  hielt  er  dafür,  dass  diesem  entweder 
mit  einer  offenen  Kirchen  oder  dem  Saal  im  Landhaus 
geholfen  werden  möcht'.  Der  Kaiser  nahm  ihr  Anerbieten  bezüg- 
lich der  Entfernung  der  beiden  Prädicanten  an  und  erklilrte, 
die  Einräumung  einer  ,offenen'  Kirche  oder  des  Landhaussaalea 
in  Bedacht  zu  ziehen.  Mittlerweile  aber  sollte  der  Zulauf  abge- 
stellt werden.  Zugleich  erbot  er  sich.  Alles,  was  in  Rcligions- 
aachcn  vorfiele,  künftig  immer  durch  Strcin  mit  dem  Landuiar- 
sehall  und  den  anderen  Deputirten  verhandeln  lassen  zu  wollen, 
welchen  Vorgang  sie  auch  ihrerseits  einzuhalten  hätten.  Sehr 
bald  darauf  schritten  die  Stände  bei  dem  Kaiser  abermals  um 
die  Bewiüigung  des  Landhaussaalea  ein,  wurden  aber  abge- 
wiesen.' 

Die  evangelischen  Stände  hatten  seit  dem  Jahre  1566^ 
wiederholt  eine  eigene  öffentliche  Kirche  verlangt.  Im  Land- 
tage des  Jahres  1574  fassten  sie  nun  den  Beschluss,  durch  ihre 
Religionsdeputirten  bei  dem  Kaiser  neuerdings  ,mit  Fleiss  und 
Ernst'  um  die  Genehmigung  zur  Einrichtung  einer  solchen, 
sowie  zur  Bildung  eines  Consistoriums  anzuhalten.  In  einer  aus- 
ftihrlichen  Bittschrift  fassten  sie  alle  Beweggründe  zusammen. 
Nur  wenn  ihnen  dieses  zugestanden  wäre,  würden  alle  Unord- 
nungen in  ihrem  Reh'gionswesen,  über  welche  sich  ihre  Gegner 
so  häufig  beschwerten,  aufhören.  Es  sei  nicht  nothwendig,  ,da88 
ein  jedweder  Landmann  einen  sondern  Prädicanten,  einer  dorten, 


'  Streiii's  Relation  1678. 
•  Vgl.  Otto,  a.  a.  O.,  8.  16. 


171 


der  SDdere  da  habe.  Wo  auch  an  einem  oder  dem  andern  Ort 
etwas  UDgleichs  sich  begäbe,  kann  dasselb  durch  Kath  und 
Zolaasung  desselben  ordcnlicJien  Consistorii  emcndicrt  und  jje- 
besscrt,  endlich  auch  eine  solche  Discipliu  allenthalben  f;ehalteu 
werden,  darob  männiglich  ohne  Beschwerde  sein  und  dessen 
E.  M.  noch  jemand  bei  andern  einige  Nachrede  haben  kann'. 
Der  Kaiser  möge  beherzigen,  was  es  für  ein  unf,'evvühnliehe3 
Ansehen  habe,  wenn  man  ihnen  wohl  die  Ausllbung  der  evan- 
gelischen Religion,  nicht  aber  einen  Ort  dazu  bewilh'gte,  ,denn: 
quo  mihi  Fortuna,  si  non  conceditur  utiV*  Wenn  sie  auch,  wie 
man  Tielleicht  einwenden  werde,  auf  dem  Lande  in  ihren 
Schlössern  und  Häusern  den  Gottesdienst  versehen  künnten, 
seien  das  doch  nui-  ,Privatörter',  aber  keine  Kirchen,  und  sie 
sowohl  als  ihre  Prediger  müssten  sich  die  Spottnamen  ,Winkel- 
cbristen',  ,Wlnkelprädicanten*,  ,Gartenbnider'  u.  dgl.  gefallen 
lassen.  Dazu  kilme,  dass  viele  Landleute,  welche  in  kaiserlichen 
Diensten  stünden  und  mit  ihren  Familien  ständig  in  Wien  zu 
wohnen  bemüssigt  seien,  des  Gottesdienstes  gänzlich  verlustig 
gehen  müssten,  wenn  sie  nicht  die  nöthigen  Mittel  zur  Erhaltung 
eines  eigenen  Hausprftdicanten  in  Wien  besässen.  Was  aber 
fUr  Unordnung  daraus  entstünde,  wenn  ein  jeder  in  Wien 
lebende  Landmann  einen  eigenen  Prädicantcn  halte,  da  doch 
schon  die  wenigen  jetzt  so  viel  zu  schaffen  machten,  sei  leicht 
abzusehen.'  All  der  Hader  und  Zwist,  welcher  in  ihrer  Kirche 
herrsche,  alle  Ausschreitungen  und  Uebergriffe,  welche  sich 
Einzelne  zu  Schulden  kommen  Hessen,  würden  in  dem  Augen- 
blick aufhören,  da  ihnen  ein  Consistorium,  das  dieselben  strafe, 
and  eine  öffentliche  Kirche,  nach  der  sich  alle  anderen  Prediger 
auf  dem  Lande  richten  könnten,  eingeräumt  sei,  und  sich  nicht 
mehr  wie  früher  ein  jeder  nach  seinem  Gefallen  flir  einen  .Bischof 
and  Herrn  in  seiner  Kirche*  halte.  Wenn  die  Juden,  ,dic  doch 
öffentliche  Feinde  Christi  und  der  heiligen  Jungfrauen  Maria 
seiner  Mutter  sein',  hier  in  Wien  ihre  Synagogen  hätten,  warum 
wollte  man  gerade  ihnen,  die  sie  , Christum  für  einen  einigen 
Heiland  erkennen,  glauben  und  rühmen,  die  heilige  Jungfrau 
Gebür  ehren'  und  auch  ,au8  Grund  göttlicher  Schriften 


'  Die  St&nde  scheuteu  sieb,  wie  man  hier  sieht,  gnr  nickt,  iu  einer  offi- 
eiellen  Bittschrift  den  Haasgottesdienst  in  der  ätnilt,  der  ihnen  doch  aiis- 
drflcklich  Toronthalton  war,  als  eine  feststehende  Tliatnache  hinzustellen 


172 


noch  zur  Zeit  nit  widerlegt'  seien,  eine  eigene  Kirche  ver- 
weigern. In  der  ganzen  Welt  dulde  man  die  Kirchen  der 
Ändoi*sgläiibigen,  sogar  bei  den  Türken  könnten  die  Christen 
öficntlich  ihren  Ueligiousdienst  verrichten.'  Diese  SuppHcation 
schickten  die  Deputirten  am  27.  Juli  1574  mit  der  Bitte  an 
Strein  nach  Prag,  er  möge  dieselbe  durchsehen  und  ihnen  sein 
Gutachten  und  seinen  Kath,  wie  sie  dieselbe  am  besten  über- 
reichen könnten,  zukommen  lassen.*  Strein  bezeichnete  sie  als 
sehr  gut,  sandte  sie  aber  am  24.  August,  weil  er  ,de  modo 
praesentandi'  noch  einige  Bedenken  hUtte,  zurück,  indem  er  sie 
aui"  seine  Rückkehr  vertröstete.  Maximilian  werde,  versicherte 
er  sie,  ihren  Wünschen  so  entgegenkommen,  dass  sie  zufrieden 
sein  sollen.' 

Im  folgenden  Jahre  nun,  während  der  Kaiser  in  Prag 
Hof  hielt,  übersandten  die  Deputirten  die  SuppHcation  dem 
Strein  mit  dem  Auftrage,  er  möchte,  wenn  die  Kirche  nicht 
durchzusetzen  sei,  nochmals  um  die  Bewilligung  des  Landhaus- 
saales einschreiten.  Als  sich  die  kaiserliche  Resolution  darauf 
hinauszog,  fertigten  die  Stände  eine  Gesandtschaft,  bestehend 
aus  dem  Landmarschall,  Niclas  Grafen  Salm,  Hans  Stockhomer 
und  Maximilian  von  Mamming  nach  Prag  ab,  die  neben  einigen 
politischen  Angelegenheiten  auch  die  Bitte  um  die  Kirche,  , da- 
mit alle  Unordnung,  so  bei  den  Häusern  fürgcloffen,  abbestellt 
werden',  vorbrachte.  Der  Kaiser  gab  aber  ihrem  Ansuchen 
keine  Folge  und  Hess  dem  Strein  folgende  eigenhändige  Zu- 
sclirift  zustellen: 

, Lieber  Strein.  Ihr  werdet  Euch  wohl  wissen  zu  erinnern, 
was  wir  gestern  mit  einander  geredet  haben.  Nun  befind  ich 
in  der  Wahrheit,  dass  es  jetzt  nit  allein  nit  de  tempore,  sonder 
würde  sich  gar  nit  thun  lassen.  Derweil  es  dann  an  dem,  so 
wäre  das  beste,  dass  man  es  dieser  Zeit  also  verbleiben  liesse, 
denn  Gott  weiss,  dass  ichs  nit  änderst  als  gut  und  vons  besten 
wegen  vermein.  Maximilian  etc.'* 

Auf  diese  Abweisung  hin  begehrton  die  Gesandten  im 
Sinne  ihrer  Instruction  durch  Strein  den  Landhaussaal,  den  der 


*  Undmtirt.  Cod.  Fol.  87. 
»  Ebend»,  Fol.  86'. 
<■  Ebenda,  Fol.  92. 

*  Eh  Ut  der  zweite  Zettel  (»iolio  obeu,  S.  169);  «bscbriftlicb  im  d.-B.  Landes- 
arcbiv,  B.  3.  26,  nnd  im  titaabiarchiv  «.  a.  O. 


I 


173 


Kiiser  endlich  am  Tage  vor  seiner  Abreise  nach  Regensburg' 
jlltB  conditione  et  istis  verbis'  bewilligte:  ,8trcin,  Ihr  mögt  den 
Gesandten  anzeigen,  der  Predigt  Iialber  im  Landhaus  soll  es 
oit  Noth  haben,  doch  dass  entgegen  ihrem  Erbieten  nach  alle 
andern  Predigten  in  Httusem  abgestellt  werden,  und  dass  mit 
Transferierung  der  Predigt  aus  des  Herrn  Landmarschalien  Haus 
in  das  Landhaus  verzogen  werde,  bis  ich  wieder  in  das  Land 
komm.'  Die  Gesandten,  durch  Strein  von  dieser  kaiserlichen 
Entschliessung  verstandigt,  waren  damit  ziifrieden  und  drückten 
durch  diesen  ihren  Dank  aus.  Die  Stunde  warteten  aber  die 
Rückkehr  des  Kaisers  nach  Wien*  nicht  ab,  sondern  nahmen 
iobon  einige  Tage  früher  die  Uebersiedlung  in  den  Landhaus- 
saal vor.  Der  Kaiser,  unwillig  darliber,  beschied  am  2.  December 
Strein  durch  zwei  eigenhändig  geschriebene  Briefe  nach  Wien 
und  beklagte  sich  darüber,  dass  der  Landmarschalt  ohne  sein 
Vorwissen  bereits  die  Predigt  im  Landhause  angestellt  hätte, 
dessen  er  sich  keineswegs  versehen.  Er  möge  daher  diesem 
anzeigen,  dass  er  den  Landhausgottesdienst  alsbald  wicdenim 
abstelle.  Strein  entschuldigte  die  Stünde  damit,  dass  sie  ohne 
Zweifel  die  Worte  des  Kaisers  in  dem  Sinne  aufgefasst  haben 
werden,  als  genügte  die  Ankunft  des  Kaisers  in  das  Land  über- 
haupt Doch  ]\Iaximihan  bestand  auf  seinem  Befehl,  folgte  indess 
hinzu,  ,man  könne  hernach  wol  weitere  Wege  finden'.  Der 
Landmarschall  Hess  nun  zu  seiner  Rechtfertigung  dem  Kaiser 
vermelden,  dass  er  und  seine  Amtsgenossen  keineswegs  ihn 
vorsUtzlicli  übergehen  wollten,  sondern  dass  sie,  wie  dies  auch 
Strein  angegeben  hatte,  die  Prager  Resolution  falsch  ausgelegt 
h&tten,  und  bat,  sie  bei  dem  einmal  gemachten  Zugestilndniss 
zu  belassen,  indem  er  zu  bedenken  gab,  ,mit  was  Scandalo  und 
Befremdnng  die  Abstellung  beschehen  würde'.  Schliesslich  liess 
sich  auch  der  Kaiser  erweichen  und  erklitrte  sich  zu  Strein : 
,Sie  hätten  gleich  Ursach,  dieweil  man  I.  M.  also  übergangen 
hält,  bei  Ihrer  Meinung  zu  verhaiTen,  Sie  wollen  es  aber  den 
Stünden  zu  Gnaden  dabei  verbleiben  lassen  und  zusehen,  wie 
man  sich  dabei  verhalten  und  ob  man  die  andern  Predigten 
abstellen  werde,  doch  soll  man  auch  den  Zulauf  abstellen  und 


'  FMolgte  am  86.  September  1676;  vgl.  Venetianische  Depeschen  lU,  S.  0C8, 

Anm.  2. 
*  Er  reiste  am  4.  November  von   Regensbiirg'   nb   und   kam   um  die  Mitte 

d.  Munats  nach  Wien;  vgl.  VenetianiHvhe  Depeschen  III,  8.  672,  Anm.  2. 


174 


sehen,  damit  keine  Unordnung  fürfielc  und  erfolge'.  Diese  Ent- 
schliessung  tlieiltc  Strein  dem  Landmarsuhall  mit,  der  sich  dar- 
auf erbot,  der  kaiserlichen  Forderung  nachzukommen,  mit 
Ausnahme  ,de8  Ziüaufes'.  ,üas  stünde,'  erklärte  dieser,  ,in 
Beiner  Macht  nit,  jemand  den  Zugang  zu  verwehren.  Da  aber 
I.  M.  das  thuu  wollten,  dabei  hält  er  I.  M.  nit  Mass  zu  geben. 
Sonst  wollte  er  wol  darob  sein,  dass  sich  einiger  Unordnung 
nit  zu  besorgen  sein  soll.  Der  Ilauspredigt,  hätte  er  kein  Zweifel, 
wOnle  jeder  gehorsamlich  nachkommen,  derwegen  er  auch  Ver- 
ordnung thun  wollt,  allein  hätte  Herr  Wilhelm  von  Hofkirchen 
derzeit  eine.  Achtet  es  unterthänigst  dafür,  dieweil  er  I.  M.  fUr- 
nehmer  Diener,  dass  ihm  solches  I.  M.  selbst  gnildig  auflegen 
Hessen.'  Der  Kaiser  nahm  des  Landmarschalls  Erklärung  an 
und  verlangte  nochmals  des  Zulaufs  wegen,  ,dass  derselb  und 
alle  Unordnung  soviel  möglich  verhütet  werde'. 

Erst  später,  als  er  Wien  eben  verlassen  hatte,  erinnerte 
sich  Strein,  dass  ihn  der  Landniarscliall  ersucht  hatte,  bei  dem 
Freiherm  von  Hofkirchen  auf  die  Einstellung  seiner  Haus- 
predigten zu  dringen,  erstattete  daher  von  Tulbing  aus  dem 
Kaiser  darüber  Bericht  und  schrieb  überdies  selbst  dem  Frei- 
herrn in  dieser  Angelegenheit.  Darauf  erhielt  Strein  vom  Kaiser 
ein  eigenhändiges  Schreiben,  worin  er  neuerlich  an  die  Bewil- 
ligung des  Landhaussaales  die  Bedingung  knüpfte,  dass  alle 
anderen  Predigten  abgeschafft  werden  sollten.'  Dem  Hof  kirchen 
wurde  diese  ausdrücklich  vom  Kaiser  untersagt,  und  als  er  da- 
gegen Vorstellungen  erhob,  iiess  ihm  jener  am  29.  Mai  157(3 
anzeigen:  ,Das8  I.  K.  k.  M.  ihm  sein  Hausprädicanten  allhie  in 
der  Stadt  Wien  öffentlich  zu  predigen  und  die  Seetsorg  zu 
treiben  abgeschafft,  das  sei  von  I.  k.  M.  aus  keinen  Ungnaden 
gegen  seiner  Person  gemeint,  sondern  dieweil  dassolb  aus- 
drückhch  wider  I.  k.  M.  denen  zweien  Ständen  gethane  Bewil- 
ligung ist,  so  könnten  I.  R.  k.  M.  solche  Neuernng  weder  ihm 
noch  einigen  I.  M.  Kath  oder  Landmann  zu  einem  gemeinen 
Eingang  nit  gestatten,  inmassen  dann  I.  k.  M.  dasselb  anderer 
Orten  allliie  auch  abgeschafft  haben.  Daran  er  also  zufrieden 
und   mit   dem,  was   die  zwen   Stilnd    ingomein   haben,   benügt 


'  Dieses  Schreibon,  dan  in  Btrein's  Bericht  alx  BeiU^  Nr.  3  angeführt  ist, 
scheint  leider  nicht  erhalten  zn  Rein.  Er  wird  aach  von  den  StSnden  und 
dem  Kaiser  RudnlT  II.  nicht  erwiihnt. 


175 


sein  wird.  Seind  ihm  aber  sonsten  mit  Gnaden  gewogen." 
Nach  einiger  Zeit  beschwerte  sich  Maximilian  von  ßegensburg'' 
aus  an  Strein,  der  damals  in  Wien  weilte,  ,dass  aus  dem  Land- 
haas ein  Kirchen  gemacht  sein  soll,  nit  allein  mit  Stiililen, 
sondern  auch  Altar  und  andern  Sachen'.'  Strein  nahm  alsbald 
einen  Localaugenschein  vor  und  berichtete  sodann  an  den 
Kaiser,  ,dass  kein  Altar  war  als  ein  Tisch  zu  der  Commuuion, 
der  wäre  umschrilnkt  von  wegen  des  Oedrängs,  item  die  Stuhl 
und  Gang  wären  darum  angericht,  dieweil  der  Platz  eng', 
worauf  ihm  dieser  zurUckschrieb,  ,raan  hätte  I.  M.  viel  änderst 
bericht,  wann's  nit  änderst  war,  so  hätte  es  seinen  Weg'. 

Im  Landtage  des  Jahres  1576  versuchten  die  Stünde  noch 
einmal,  die  Bewilligung  einer  Landschaft-skirche  zu  erreichen; 
doch  vergebens.  In  einem  Handschreiben  erinnerte  der  Kaiser 
den  Strein  an  ihre  frühere  Unterredung  und  seine  ihm  im  Ver- 
fcnen  mitgetheilten  Gründe  gegen  dieses  Zugeständniss,  aus 
welchem  ihnen  nur  allerlei  Schwierigkeiten  erwachsen  würden, 
and  Hess  die  Stünde  auffordern,  ,auf  diesmal  zufrieden  zu  sein'. 
4ch  will  aber,'  fuhr  er  fort,  ,den  Sachen  treulich  nachgedenken, 
wie  etwa  zu  einer  bessern  und  glegnern  Zeit  dieser  Sachen 
möge  abgeholfen  werden  und  die  Stünde  nach  Möglichkeit 
mögen  zufrieden  gehalten  werden,  denn  Ihr  wisst,  wie  treulich 
und  gutherzig  ichs  gegen  bemelten  Ständen  jederzeit  und  noch 
mein  und  in  nichts  anders  suche,  allein  damit  Fried  und  Einig- 
keit erhalten  werde,  zudem  dass  die  zyreen  Stand  ohne  das 
nunmehr  in  Religionssachen  unbctrlibt  seint  und  ihnen  kein 
Irrung  beschieht,  so  rauss  auch  solche  Sachen  also  wohl  in  der 
Still  als  die  Bewilhgung  der  Agenda  gehalten  und  tractiert 
werden.'* 

Wenn  nach  dem  vollkommen  glaubwürdigen  Bericht  des 
biederen  Strein  kein  Zweifel  besteht,  dass  den  Ständen  das 
Religionsexercitium  im  Landhause  vom  Kaiser  bewilligt  worden 


'  Ataaiaarcliiv,  Oe«terr.  Acten,  Fisc.  7,  Concept. 

*  Er  liAtte  Wien  am  1.  Juni  znni  letzten  Male  verlassen   nnd  langte  dort 
am  18.  ein;  vgl.  Venetianisclio  Depexchen  HI,  S,  689,  Anm.  1. 

*  In  Strein'a  Relation  als  Keiloge  Nr.  4  beieiclinet;    docli  eboiifnlls  nielit 
EU  finden  gewesen. 

Ec  Ut  der  dritte  Zettel.  Hopfen,  der  ihn  ans  dem  MUnchner  ßeicbsarchiv 
abgedruckt  hat  fa.  a.  O.,  S.  321  f.),  reiht  ihn  irrthümlich  in  das  Jahr 
1509  ein. 


176 


war,  so  hatten  sie  doch  zu  ihrem  Unglück  nach  dessen  Tode 
nichts  Authentisches  in  Hunden,  das  sie  zur  Begründung  ihrer 
rechtliehen  AnsprUchc  darauf  hätten  vorweisen  können.  Dia 
von  Strein  mit  seinem  Berichte  vorgelegten  Schreiben  des  ver- 
storbenen Kaisers,  sowie  die  drei  von  demselben  herstammenden 
Zettel,'  mit  welchen  die  Stände  den  Beweis  erbracht  zu  haben 
glaubten,  erwiesen  sich  als  unzulänglich:  man  befand  aus  ihnen 
»vielmehr  das  Contrariam'.* 

Die  vom  Kaiser  Rudolf  II.  über  die  ständischen  Forde- 
rungen angestellte  Untersuchung  hatte  nur  ein  Decret  Kaiser 
Maximilians  II.  an  seinen  Bnider  Carl,  ddo.  Prag,  den  28.  Juni 
1575,  zu  Tage  gefördert,  aus  dem  wenigstens  die  Einräumung 
des  Landmarschairschen  Hauses  für  den  evangelischen  Gottes- 
dienst —  aber  nicht  mehr  —  hervorging,  wenn  es  auch  sonst 
nicht  sonderlich  zu  Gunsten  ihrer  Prätensionen  sprach  und 
Rudolfs  Vorgehen  gegen  die  Protestanten  völlig  gerechtfertigt 
erscheinen  Hess.  Man  findet  in  diesem  interessanten,  von  der 
Ilofkanzlei  wiederholt  angezogenen  ActenstUck  alle  Elemente 
der  Kcligionspolitik  enthalten,  welche  Kaiser  Rudolf  II.  und  der 
von  den  Ständen  weit  mehr  als  dieser  geftirchtete  Erzherzog 
I*>nst  während  seiner  ganzen  Statthalterschaft  (1576 — 1590) 
befolgte.  ,Auf  E.  L.,'  heisst  es  darin,  , brüderliche  Erinnerung 
und  unsers  Bischofs  zu  Wien,  auch  seiner  untergebenen 
Pricsterscliaft  Beschwerung  wegen  der  Prädicanten,  so  sich  in 
unserer  Stadt  daselbst  mit  oflFentliclien  Predigen  und  Admini- 
stration der  hochheiligen  Sacramenta  aufhalten,  ist  unser  brü- 
derliche Erklärung,  auch  gefUlliger  Willen,  dass  keinem,  er 
sei  was  Stands  oder  Thuens  er  wolle,  ausser  unsers  Land- 
marschalls kein  offne  Predig  oder  Seelsorg  in  Häusern  der 
Stadt  nit  gestattet  werden  solle.  Gesinncn  auch  darauf  an  E.  L. 
freundlich,  Sie  wollen  den  von  Hofkirchen,  Enzersdorf  und 
alle  andere,  soviel  ihrer  bisher  in  ihren  Häuseni  Predigen  oder 
durch  ihre  Prädicanten  hin  und  wieder   in  der  Stadt  Kranken 


*  OiMM  drei  wurden  von  den  Ständen  Kugleieh  mit  ihrer  Supplik  am 
6.  Juni  1678  dem  Kaiser  Überreicht.  Ueber  die  anderen,  die  jedenfalls 
noch  weniger  Beweiskraft  hatten,  ge.ichieht  weiter  keine  ErwHhnnn(^  mehr. 
MJig1ii'lißrwei.so  sind  sie  gar  nicht  vorgelegt  worden,  weil  der  Kaiser  die 
Einvprnahme  de»  Strein  abschlug.  Vgl.  ilie  Petition  der  Stünde  an  den 
Kaiser,  ddo.  38,  Jnni   1678.    Original  im  Staatnarcbiv,   Oeaterr.  Acten  7. 

'  iSummarischer  BegriJf. 


* 


177 

oder  Gesunden  die  Sacramente  austeilen  lassen,  ftir  sich  per- 
sönlich erfordern,  solchen  iliren  Unfug  verweisen  und  bei  Ver- 
meitlung  unserer  Ungnad  auflegen,  bei  denselben  ihren  Priidi- 
canten  alle  Predigen  und  Seelsorg  in  der  Stadt  iilsbald  abzu- 
schaffen, damit  wir  nit  Ursach  gewinnen,  selbst  Wendung  zu 
thun,  denn  wir  gar  nit  bedacht,  solches  zuwider  aller  flirgeloffnen 
ü&ndiung  zu  gestatten,  wie  sie  auch  wol  wissen,  dass  sie  das 
mit  nichte  befugt.  Da  sie  nun  demselben  gehorsame  Folg  leisten 
(darauf  dann  E.  L.  Erkundigung  halten  lassen  wollen),  wol  gut; 
_  wo  nit,  so  wollen  E.  L.  uns  dessen  alsbald  berichten,  die  weitere 
P  Nothdurft  zu  bedenken  haben.  Hielten  sich  dann  sonsten  in  der 
Stadt  von  Hernais  oder  anderer  Orten  herrnlose  Prildicanten 
auf,  so  sich  der  Seelsorg  gebrauchten,  so  wollen  E.  L.  dieselben 
für  unser  Klosterräthe  erfordern  und  ihnen  innerhalb  8  Tagen 
■  aus  der  Stadt  ihren  Pfenning  weiter  zu  zehren  bieten,  und  da 
sie  nit  gehorsameton,  sie  durch  den  Profosen  einziehen,  alsdann 
gegen  Urfecht,  dass  sie  in  die  Stadt  weiter  nit  kommen  sollen, 
laufen  lassen;  damit  wirdet  versehentlich  vielem  Unrath  ge- 
holfen sein." 

Die  im  Vorausgehenden  erwähnten  Hofdecrete  zeigen 
deutlich,  wie  Maximilian  H.  die  Religions-Concession  und  -Asse- 
caration  verstand,  und  dass  er  keine  Ucberschreitungen  der- 
selben durch  die  Herauziehimg  der  Bürgerschaft  und  der  Nicht- 
unterthanen  dulden  wollte.  Dass  es  trotzdem  zu  diesen  kam, 
daran  war  nicht  so  sehr  seine  protestantenfreundliche  Gesinnung, 
die  übrigens  gegen  Ende  seiner  Regierung  immer  mehr  in  den 
Hintergrund  trat,  als  vielmehr  die  ganzen  inncrpoHtischen  Ver- 
hältnisse dieses  Landes  Schiüd.  Die  evangelischen  Stände, 
der  ganze  Hochadel,  repräaentirten  eine  gar  gewaltige  Macht, 
sie  hatten  die  weitaus  tiberwiegende  Majorität  im  Landtage 
und  besassen  durch  ihre  Steuerbewilligungen  eine  sehr  ge- 
filhrliche  Waffe  in  Händen.  Auch  dem  Erzherzog  Ernst,  der  mit 
nnerbitthcher  Strenge  und  weitaus  grösserer  Energie  zu  Werke 
ging,  gelang  es  nicht,  wie  wir  sehen  werden,  den  Uebergriffen 
der  beiden  Stände  völlig  Einhalt  zu  thun,  und  er  hätte  es  nicht 
einmal  eo  weit  gebracht,  wenn  ihm  nicht  der  Wiener  Dompropst 


'  Oripnal  im  ,8anuD«rinin'  alB  Beilage  I.    Der  .Sammarisobe  Begriff  etc.* 
erwiUiDt  netut  dieaer  nocb   eine  Uinlioh  gehaltene  Inatruction  für  den 
Ermherzog  Ernst. 
AtcUt.  LXZXm.  Bd.  I.  Btlft«.  IS 


178 


und  nachmalige  Cardinal  Melchior  Klesl  mit  den  Waffen  seines 
glaubenseifrigen  Feuergeistes  und  seiner  eisernen,  vor  nichts 
zurückschreckenden  Willenskraft  zu  llilfe  geeilt  wäre.'  An  einem 
aber  hielt  Maximüiiin  II.  bis  an  sein  Lebensende  strenge  fest:  an 
der  in  der  ReUgionsconcession  ausgesprochenen  Forderung  de« 
friedlichen  Zusammenlebens  beider  Parteien.  Wer  die  Gegenpartei 
schmähte  oder  gegen  sie  hetzte,  erregte  seinen  höchsten  Unwillen. 
Wenn  er  deshalb  wiederholt  gegen  die  evangelischen  Stilnde 
und  ilirc  Prediger,  namentlich  den  ersten  Landschaftsprediger 
Josua  <  tpitz,  Stellung  genommen  hatte,  so  duldete  er  hinwiederum 
auch  keinerlei  Feindseligkeiten  gegen  diese  von  Seite  der  Ka- 
tholiken. Der  angesehene  Hofi-ath  Georg  Eder,  der  in  seinem 
Buche  , Evangelische  Inquisition'  eine  ganze  Reihe  der  auser- 
lesensten Schmähungen  gegen  diese  ,neue,  widerwärtige,  hoch- 
schädliche Rotte'  vorgebracht  und  ihn  Überdies  persünltch  durch 
den  Ausdruck  ,Iiofchristentlium'  schwer  beleidigt  hatte,  musste 
bekanntlich  ziemlich  hart  daftlr  bilssen.*  Das  unduldsame  Vor- 
gehen eines  katholischen  Priesters  gegen  die  Protestanten  führte 
ebenfalls  zu  einer  Intervention  zu  Gunsten  derselben.  In  Mitter- 
Stoekstall  war  im  Jahre  1575  eine  arme  Witwe,  eine  geborene 
Adelige,  gestorben,  und  der  dortige  Pfleger  des  Landunterraar- 
Schalls,  Christof  von  Obcrhaim,  begleitete  die  Leiche  zum  Pfan-- 
friedhof  in  Kirchberg  am  Wagram.  Der  l'farrer  aber  —  es  war 
der  Passauische  Domherr  Victor  August  Fugger  —  weigerte 
sich,  das  kirchliclie  Bcgräbniss  vorzunehmen,  indem  er  vorgab, 
dass  die  Verstorbene  bei  ihm  iiiclit  communicirt  habe.  Darüber 
kam  es  zu  einem  heftigen  Streit,  der  sogar  in  Thätlichkeiten 
ausartete  und  damit  endete,  dass  der  Pfarrer  dem  Passauischen 
Richter  und  seinen  Schergen  befahl,  die  Leiche  zum  , Diebstein' 
zu  fuhren,  wo  die  Malefizpersouen  beerdigt  wurden.  Dort  lag 
die  Leiche  vier  Tage  lang,  bis  endlich  das  Landgericht  den 
Verwandten  bewilligte,  sie  an  einem  ehrlichen  Orte  begraben 
zu  dürfen.  Diesen,  sowie  einen  anderen,  ganz  ähnlichen  Vor- 
fall brachten  der  Landuntermarschall  und  der  Freiherr  Bern- 
hard Turzö  den  Ständen  zur  Kenntniss.'     Darauf  beschwei-ten 


'  Ich  werde  darauf  in  kürzester  Zeit  gelegentlich  der  Herauigabe  von 
Klegr«  Correspondenx  mit  dem  Obersthoftneister  Kaiser  Rudolfs,  Adam 
Freiherm  von  Dietrichstein,  eingehend  zu  sprechen  kommen. 

»  Vgl.  Hopfen,  «.  a.  O.,  S.  115. 

»  Cod.  Fol.  11»'  und   121". 


179 


äeh  diese  am  ö.  Juli  bei  dem  Kaiser  wider  diese  ,ungeblirliche 
Qnd  fast  abscheuliche  Handlung'  und  beriefen  sich  auch  auf 
den  ihnen  in  der  Assecuration  gewährleisteten  Schutz,  sowie 
auf  einige  unmittelbar  vorausgegangene  kaiserliche  Entschei- 
dungen, nach  welchen  zwei  kaiserliche  Beamte  trotz  der  Wei- 
gerung des  Wiener  Bischofs  auf  dem  Stefansfriedhofe  beerdigt 
worden  waren.'  In  der  Resolution  vom  12.  September  wurde 
den  Stünden  mitgetheiit,  dass  dem  Pfarrer  seine  Gewaltthat  mit 
Ernst  verwiesen  und  ihm  befohlen  wurde,  ,dass  er  sich  fortbin 
dergleichen  gänzlich  enthalten,  alle  Verstorbene  unter  seiner 
Pfarr  sesshaft,  sie  seien  katholisch  oder  der  Augsburgischen 
Confession,  sie  haben  auch  unter  ilim  oder  anderer  Orten  com- 
municiert,  ohne  die  wenigste  Widerred  gebürlicher  Weis  wie 
von  Alters  Herkommen  begraben,  desgleichen  jt'der  Person  auf 
EIrsuchen  das  hochwUrdig  Sacrament  sub  uua  et  utraque  dem 
Beschloss  des  Trieulisclieu  Concilii  gemiiss  mit  guter  Ordnung 
reichen  lassen  und  also  alle  Sachen  in  aitlierkommencm  Stand 
and  Wesen  dormassen  erhalten  soüe,  damit  man  dergleichen 
Beschwerung  und  unsers  landsfUrstiichen  Einsehens  übrig  sein 
möge,  und  sein  des  gnädigisten  Versebens,  er  werde  sich  hierin 
un verweislich  halten'.*  Als  der  Pfarrer  aber  diesem  Befohle 
zuwiderhandelte,  und  die  Stände  wiederum  Beschwerde  erhoben, 
wurde  Fugger  mit  dem  kaiserlichen  Decret  vom  13.  Mai  1576 
neuerdings  ernstlich  zum  Gehorsam  vermahnt.^ 

Der  Kaiser  hatte  den  Ständen  trotz  aller  ihm  gegenüber- 
lenden  Schwierigkeiten  und  gegnerischen  Anfeindungen  die 
iftliche  Assecuration  über  die  ihnen  gewährte  Religionsfrei- 
heit gegeben  und  war  auch  jederzeit  zu  ihrem  Schutze  einge- 
treten. 

Es  lag  nun  an  den  Ständen,  von  derselben  die  Nutz- 
anwendung zu  ziehen.  Das  erste  Erforderniss  war  natürlich, 
die  bereits  ausgearbeitete  Kircbenordrung  publiciren  zu  lassen 
und  für  deren  sinngemässe  Handhabung  zu  sorgen,  ferner  um 
allen  dogmatischen  Streitigkeiten  wirksam  entgegenzutreten, 
eine  Erklänmg  der  Confessio  Augustana  oder  Lelirnorm  (Doc- 
trinale)   zur  Anerkennung    zu   bringen,  nach  welcher  auch  die 


m 


>  Cod.  Fol.  119'. 

»  Ebenda,  Fol.  123'. 

>  Ebenda.  Fol.  124. 


12« 


180 


neuen  Prediger  examinirt  werden  sollten.  Die  zweite  Hauptauf- 
gabe lag  dann  in  der  Bildung  eines  tüchtigen  Kirchenregimentea, 
das  die  Beaufsichtigung  der  Prediger  und  die  oberste  Entschei- 
dung in  allen  kirchlichen  Fragen  und  inneren  Zwistigkeiten 
haben  sollte. 


Zweiter  Abschnitt. 

Die  Ausgestaltung  des  evangelischen  Kirchen- 
wesens. 


I.  Die  KIre]ieii(»rt]nung.     Angriffe  gegen  dieselbe. 
]>»8  Doctrinale. 

Die  Kirchenagende,  auf  die  sich  die  Assecuration  berief, 
gelangte  im  Juni  des  Jahres  1571  unter  dem  Titel:  .Christliche 
Kirchenagenda,  wie  die  von  den  zweien  iStänden  der  Herrn 
und  Ritterschaft  im  Erzherzogthum  unter  der  Enns  gebraucht 
wird  etc.  Iö71'' zur  Ausgabe.  Sie  hatte  aber  nicht  die  Fassung, 
die  ihr  Chjträus  gegeben,  in  allen  Punkten  unverändert  beibe- 
halten, sondern  sich  einige  Zusätze  und  Abstriche  gefallen 
lassen  müssen.  Dieser  führte  auch  in  einem  Schreiben  an  die 
ständischen  Deputirten*  einige  solcher  Veränderungen  auf,  an- 
gebUch  um  ihnen  zu  zeigen,  wie  verschiedenartig  die  Meinungen 
der  Theologen  sein  können,  doch  mit  einem  unverkennbaren 
Anflug  von  Gereiztheit.  So  wäre  in  seiner  Agende  ausdrückhch 
gesagt  gewesen,  ,dass  der  kleine  Catechismus  Luthcri  ohne 
einige  Aenderung,  Zuthuung  oder  Verrückung  einiges  Worts 
oder  Syllaben  behalten  werden  sollte,  item  dass  die  Form  der 
Tauf,  wie  sie  aus  Pfalzgrafen  Wolfgangs  Ordnung  ihrem  Be- 
richt nach  in  vielen  Kirchen  in  Oesterreich  bisher  gebraucht, 
unverändert  bleiben  soll;  so  hätte  er  den  Form,  die  alten  zu 
taufen,  item  den  langen  P^orm  der  Confirmation,  wie  er  in  der 
gedruckten  Agenda  stünde,  nie  gesehen;  so  sei  das  Sttick  vom 


*  Vgl.  Otto,  a.  B.  O.,  8.  49. 

*  4.  Aognst  1672;  Cod.  Fol.  31. 


181 


Bann  und  von  der  Absolution  der  Verbannten  vielftlhig  geändert. 
Desgleichen  hfttte  er  die  Collecten  und  Litaneien,  die  Einsetzung 
der  Eheleute  vorhin  nie  gesehen,  geschweige  dass  in  der  Vor- 
rede etliche  Sentenz  und  Wort  ausgelassen,  dass  die  übrigen 
Wort  nicht  gar  congrue  an  einander  hangen'.* 

Wie  bereits  erwähnt  wurde,  hatte  der  Kaiser  nach  dem 
unliebsamen  Zwischenfall,  der  sich  wegen  der  ständischen 
Druckerei  in  Stein  ereignet  und  den  Druck  um  ein  halbes 
Jahr  hinausgeschoben  hatte,'  den  Wunsch  ausgesprochen,  dass 
derselbe  zur  Vermeidung  jedes  Aufsehens  an  der  mährischen 
Grenze  fortgesetzt  werde,  und  zwar  war  von  Strein  das  Schloss 
Meidburg  vorgeschlagen  worden.'  Es  unterliegt  wohl  keinem 
Zweifel,  dass  das  dem  Deputirteu  Leopold  von  Grabner  gehö- 
rige Schloss  Rosenburg  dazu  ausersehen  worden  war.*  Der 
Umstand,  dass  Reuter,  der  nach  des  Chyträus'  Abreise  die 
Redaction  in  Händen  hatte,  dort  Schlossprediger  war,  und  auf 
diese  Weise  der  Druck  besser  beaufsichtigt  und  beschleimigt 
werden  konnte,  mag  bei  dieser  Wahl  bestimmend  eingewirkt 
haben.  Auf  keinen  Fall  aber  erschien  diese  Ausgabe  in  Stein, 
wie  das  von  Raupach  zuerst  behauptet  und  von  Wiedemann 
und  Otto  nacherzählt  wurde.*  Ganz  abgesehen  davon,  dass  es 
ein    etwas    provocirendes    Aussehen    gehabt    hätte,    wenn    die 


*  Uebflr  diene  Unterschiede  vgl.  Uaupscli,  a.  a.  O.,  S.  \ii);  Schutz,  a.  a.  O., 
8.  111.  Es  dOrfte  sich  abrigena  dieses  xnletzt  Angeführte  auch  aas  einigen 
Druckfehlern  erklären  lassen;  es  heisst  nämlich  in  dem  vcin  Backmeister, 
Keuter  nnd  Anderen  verfasateo  Gutachten  vom  l'J.  März  l&W  (Landes- 
archiv, B.  3.  27,  Abschrift),  ,da«8  der  Drucker  durch  seinen  Undeias  et- 
liche nötige  Wörter    und  wol  p;au£u  Zeilen  und  Suntentien  ausgelassen*. 

'  Dejiutirte  an  Chyträus,  ddo,  6.  Juli   1&71;  Cod.  Fol.  14". 
■  Siehe  üben  S.  160. 

*  Sicher  ist,  wie  aus  den  Acten  des  n.-H.  Landesarchivs  (B.  3.  27)  hervor- 
geht, dass  Orabner  eine  stäuditche  Druckerei  besass.  Vgl.  dazu  Beuter 
an  W.  Wucherer,  ddo.  Rosenburg,  25.  October  1571;  ,Ich  schicke  aber- 
mals diesen  gegenwärtigen  Uruckergesellen,  dii<  Exemplare  der  Agende 
gmr  SU  collationieren.  Wenn  ich  zunächst  auf  Wien  reise,  will  ich 
dem  Herrn  die  80  EUemplare  auch  mitbringen  und  richtig  machen'; 
Lsodeaarchiv.  B.  3.  27,  Abschrift 

Vgl.  Baopach,  a.  a.  O.,  110  und  l.  Forts.  8.  200 f.  (Ueber  die  Entstehung 
dieses  Irrthoms  siehe  oben,  S.  163,  Anm.  3);  Wiedemann,  a.  a.  O.  I,  S.  364 f. 
und  Otto,  a.  a.  O.,  8.  48  f.  Wohl  wäre  es  denkbar,  dass  einzelne  Exem- 
plare noch  vor  der  Beschlagnahme  (siehe  S.  163)  im  Jahre  1&70  zu  Stein 
fertiggebracht  wurden,    womit  dann  der  in  die  Rechnung  des  Wucherer 


Stände  an  demselben  Ort,  an  welchem  ihre  Druckerei  bescl 
nahmt  worden,  eine  andere  errichtet  haben  wtkrden,  heisst  el 
im  Deputirtenbericht  vom  8.  MUrz  1575  ausdrücklich,  das 
ihnen  nach  der  Aufhebung  der  Steiner  Druckerei  und  de: 
Enthaftung  der  Buchdrucker  .wieder  ein  ander  Ort  zur  Buch 
druckerei'  zugelassen  wurde.'  Desgleichen  sind  die  anderen  voi 
Raupach,  Wiedemann  und  (.Hto  angeführten,  im  selben  Jahn 
erschienenen  liturgischen  Bücher,*  wie  der  Katechismus,  da 
Enchiridion  u.  a.  aus  der  Grabncr'schen  Presse  in  der  Kosen 
bürg  und  nicht  in  Stein  gedruckt  worden.'  In  Befolgung  de: 
kaiserliehen  Anordnung,  dass  die  gedruckten  Exemplare  da 
Agende  nicht  öffentlich  verkauft,  sondern  im  Landhause  de 
ponirt  und  dort  auch  ausgegeben  werden  sollten,*  ergin( 
von  den  Deputirten  mittels  Rathschlags  vom  26.  Juni  1571  ai 
den  standischen  Kanzleibeamten  Wolf  Wucherer  der  Befehl 
die  im  Landhause  zu  seinen  Händen  aufbewahrten  StUcki 
allen  denen,  welche  dem  Herren-  und  Ritterstande  angehör 
ten  und  im  Gültbuche  eingetragen  seien,  auf  deren  Elrsuchei 
in  gewünschter  Anzahl  um  die  festgesetzte  Taxe  von  1  Ouldei 
Rh.  auszufolgen  und  ihnen  dabei  im  Namen  der  Deputirten  um 
Verordneten  anzuzeigen,  ,da88  sie  solche  Agenda  und  Exempla 
am  meisten  gebrauchen  zu  Anordnung  ihrer  Kirchen  um 
Schulen,  und  dass  sie  angezogene  Exemplare  in  keine  b« 
Bchwerliche  Erweiterung  kommen  lassen  wollen'.  Sonst  abo 
sollten  sie  Niemandem  ausser  mit  ausdrücklichem  Befehle  eine 
der  Verordneten  solche  ausfolgen.*  Noch  am  selben  Tage  b« 
gann   dann   der  Verkauf  an   die  einzelnen  Landlcntc." 


eingestellte  Posten:    ,Cbristopli  von  Eiuersdorf   lant   Schein    empfange 
Nr.   1   den  24.  Angust  *..  70  .  . .    60,  Nr.  2   den    letzten   Juni    1571  . . 
7  Exemplare  etc.*  stimmen  konnte. 
»  Cod.  Kol.  94*. 

*  Ranpacli,  a.  a.  O.,  S.  202;  Wiedemann,  a.  a.  O.  I,  8.  376;  Otto,  a.  a.  0 
8.  49. 

'  Ich  schliCDSO  dies  ans  dem  von  Grabncr  verfertigton  .Verzeichniss  d« 
Bücher,  so  ich  von  Rosenborg  horiib  gen  Wien  gebracht',  und  zw< 
Grosser  Katochismus  .  .  3888,  kleiner  Katochismirs  36I>6,  Psalter  3701 
SI.  Pftalm  3433,  Enchiridion  40&9  Exemplare;  Landosarchiv,  B.  3.  2' 
Abschrift. 

*  Siehe  oben,  8.  167.  '  N.-8.  Landesarchir,  B.  3.  27,  Abschrift. 

*  ,Vorzeichnus  der  Kirchonagendn,  so  ich  Wolf  Wucherer  laut  des  Herr 
Verordneten  Knthschlag  um  bare  Bezahlung  ausgeben,  den  36.  Juni  i 
71';  ebenda  Ab.schrift. 


183 


DasB  die  evangelische  Kirchenordnung  bei  ihrem  Erscheinen 
ron  den  Katholiken  nicht  sehr  beifällig  aufgenommen  wurde, 
stand  nicht  anders  zu  erwarten.  Der  Bischof  Urban  von  Passau 
erhob  über  Auftrag  seines  Metropoliten,  des  Erzbischofs  Johann 
Jakob  von  Salzburg,  bei  Maximilian  II.  gegen  sie  Einsprache,' 
und  Herzog  Albrecht  von  Baiern  veranstaltete  durch  die  Ingol- 
städter  Theologen  de  Torres  und  Clenck  eine  Widerlegung." 
Weit  unangenehmer  aber  mussten  die  Stände  dadurch  betrotTen 
werden,  dass  sich  aus  ihrem  eigenen  Lager  ein  Sturm  der 
Unzufriedenheit  erhob.  Freilich  hätte  derselbe  nicht  so  uner- 
wartet kommen  sollen.  Es  war  ja  geiviss  schwer,  es  Allen  recht 
zu  machen,  besonders,  da  ja  Oesterreich  durch  den  Zusammen- 
tluss  von  Pri'digern  aus  allen  Landern  und  Landeskirchen  der 
•Sammelpunkt  aller  müglichi.-n  kirchlichen  Anschauungen*  war, 
und  obendrein  durch  das  Vorwiegen  der  radicalen  Elemente 
das  geringste  Entgegenkommen  im  Punkte  der  althergebrachten 
Ceremonien  auf  Widerstand  zu  stossen  Gefahr  laufen  musste. 
Aber  um  so  vorsichtiger  hätten  die  Deputirten  sein  sollen,  und 
es  muss  ihnen  als  ein  schwerer  Fehler  angerechnet  werden, 
doss  sie,  wie  dies  auch  Chyträus  rügte,'  mit  Ausnahme  des 
Reuter  keinen  einzigen  der  österreichischen  Prediger  zu  den 
Bernthungen  über  die  Agende  zugezogen  hatten.  Durch  die 
Ausschliessung  musste  von  vornherein  eine  gereizte  Stimmung 
gegen  sie  aufkommen,  die  sich  auch  bei  ihrem  Erscheinen  so- 
fort in  den  heftigsten  Angriffen  Luft  machte. 

Am  lautesten  schrieen  die  Prädicanten  Peter  Eggerdes  in 
Frauendorf,  Wilhelm  Eck  in  Göllersdorf  und  Philipp  Burbatus  in 
Sierndorf,  die  auch  eine  ausführliche  Streitschrift  gegen  sie  ver- 
fassten.^  Die  Verordneten  und  Deputirten  sahen  sich  veranlasst, 
»m  19.  November  1571  an  etliclie  Landleute  ein  bewegliches 
Schreiben  zu  richten,  um  dem  Gezanke  ein  Ende  zu  bereiten: 


»  VgL  nopfen,  ».  ».  O.,  8.  152. 

•  Vgl.  Otto.  a.  «.  O.,  8.  50. 

•  Reuter  an  Chemnitz,  ddo.  14.  Juni  1672:  ,Vor  Jnhren  wnr  o»  uns  allein 
an  dem  g;elegen:  wenn  wir  nur  mORhten  von  k.  M.  allein  die  Religion 
erlangen,  hofften  wir,  es  wtlrde  alles  gut.  Da  ea  nun  lu  dem  kommen, 
irit  das  Feuer  gar  im  Dach.  D»  kommt  einer  von  Wittenberg,  der  andere 
aus  Schwaben,  Bayern,  Pfalz,  Württemberg,  Meissen,  Schlesien,  jeder 
will  Hahn  im  Korb  sein.  Ist  also  im  Lande  eitel  Völlerei,  Prahlerei  und 
ZAnkerei';  vgl.  Janssen,  a.  a.  O.,  8.  423. 

•  Vgl.  8.  188.  •  Vgl.  Otto,  a.  a.  O.,  8.  50. 


184 


Seit  dem  Jahre  1526,  also  45  Jahre  hätten  die  Stände  bei 
Kaiser  Ferdinand  und  dem  jetzt  regierenden  Kaiser,  eine  Zeit- 
lang auch  im  Vereine  mit  den  Städten  um  die  Zulassung  ,der 
wahren  christliclien  Religion'  nach  dem  Augsbui'gcr  Religions- 
bekenntniss  unablässig  angehalten  und  endlich  im  Landtage 
des  Jahres  1568  das  Zugeständniss  freier  Kcligionsttbung  unter 
der  Bedingung  erhalten,  dass  man  sich  frliher  über  eine  Kirchen- 
agende vergleiche.  Nachdem  diese  nach  vieler  Mühe  und  grossen 
Schwierigkeiten  endlich  fertiggestellt  und  gedruckt  sei,  hätten 
sie  gehofft,  ,es  sollen  beide  Stand  sammt  ihren  christlichen 
Prädicanten  und  Kirchendienern  sich  desselben  ihres  aus- 
gerichten  Werks  nit  weniger  als  sie  selbst  mit  höchstem  er- 
freuen, dem  allmächtigen  Oott  darum  herzlichen  Dank  sagen 
und  nunmehr  am  nächsten  dahin  trachten,  dass  es  auch  in 
wirkliche  Hebung  gebracht  würde',  zumal  da  diese  Agende 
einigen  ,evange!ischen  Universitäten  und  anderen  ausländischen 
Kirchen  und  gutherzigen  Christen'  vorgelegt  wurde,  ,welche 
dieselbe  ftlr  christlich,  dem  h.  Wort  Gottes  und  der  A.  C.  gleich- 
massig  halten,  approbieren  und  zum  höchsten  rühmen'.'  Indess 
bemerkten  sie  zu  ihrer  , höchsten  BetrUbnus',  wie  «etliche  unter 
den  beiden  Ständen  oder  derselben  Prädicanten  und  Kirchen- 
dienern vorhanden  sein  sollen,  welche  in  derselben  Agenda 
Einred  und  Mängel  zu  haben  vermeinen,  ungezweifelt  allein 
aus  Mangel  Bericht»,  warum  es  so  gleich  auf  diesen  Weg  ge- 
stellt ist',  worüber  sie  sich  nattirHch  ,zum  höchsten  entsetzen', 
weil  eben  jetzt  die  Gefahr  bestünde,  ,dass  etwa  durch  einfal- 
lende Disputationen  das  ganze  christliche  Werk,  darnach  ihre 
Voreltern  und  sie  so  lange  Jahr  mit  grossem  herzUchen  Eifer 
geseufzet,  gearbeitet  und  getrachtet,  welches  auch  Gott  Lob 
nunmehr  naJiend  zu  gutem  gewünschtem  End  erlangt  ist,  gar 
leichtlich  wiederum  zerrüttet  oder  unwiederbringlich  verloren 
werden  mag'.  Es  sei  daher  nothwcndig,  dass  sie  , deren  Mängel, 
die  einer  oder  der  ander  anzuzeigen  hätte,  ein  fürderliches, 
gründliches  und  Iiiuters  Wissen  haben',  worauf  sie  ,8olchen 
christlichen  guten  Bericht  zu  thun  verhoffen,  dadurch  allen 
Teilen  zu  Kuh  geholfen  werden  kann'.     Ersuchten  daher,  falls 


'  6o  die  pfalxgriiflicb  Simmern 'sehen  Theologen,  welche  Ober  Aoftrag  des 
Herzogs  Richard  tou  Pfiilz-Simmern  ein  zustimmendea  Gutachten  ab- 
gaben.   Cod.  Fol.  40. 


185 


sie  selbst  oder  ihre  PiUdicanten  in  der  Agende  , einige  Irrung 
oder  Mängel'  ftlnden,  ihnen  diese  , inner  vier  Wochen'  rlick- 
baJtslos  und  vertraulich  zukommen  zu  lassen  und  auf  ihre  Pre- 
diger dahin  zu  wirken,  dass  sie  sich  inzwischen  aller  Disputa- 
tionen und  Angriffe  auf  dieselbe  enthalten  möchten.' 

Dass  die  Zahl  der  l^nzufriedenen  keine  geringe  war, 
beweist  das  Verzeichniss  derjenigen  Landleute,  an  welche 
dieae» Schreiben  erging:  Carl  Ludwig  von  Zelking,  Michael  Lud- 
wig von  Pufhheim,  Sigmund  und  Heinrich  Graf  zu  Hardegg, 
Nidas  (Traf  zu  Salm,  Erasmus  von  Schilrffenberg,  Hartmann 
von  Liechtenstein,  Wilhelm  von  Hofkirchen,  Veit  Albrecht 
und  Dietrich  von  Puchheim,  Christof  und  Helmhard  Jörger 
a.  A.'  Die  zwei  Stände,  die  auch  eine  Vertheidigungsschrift 
über  die  Agende  ausarbeiten  Hessen,  einigten  sich  am  3.  Fe- 
bruar 1572  auf  einem  zahlreich  besuchten  Tage  und  erklärten 
feierlich,  dass  sie  diese  ,ungeacht  der  Mängel,  die  jetzo  dawider 
TOD  etlichen  angezogen  und  künftig  auf  solche  Weg  einkommen 
möchten,  nach  zeitiger,  wolbedäuhtiger  Berathsohlagung  hiemit 
aach  angenommen  haben,  die  auch  bei  ihren  Kirchen  mit 
nächster  Gelegenheit  ins  Werk  richten  und  dabei  bleiben' 
wollten.  Bezüglich  der  gegenwärtigen  und  künftigen  Einwände 
sollten  die  Depatirten  .denen,  welche  also  Mängel  zu  haben 
vermeinen,  auf  ihr  Ersuchen  allen  nothwendigen  Bericht  thim, 
ob  es  mit  ihnen  zu  Richtigkeit  gebraclit  werden  möchte'.  Die 
Deputirten  sollten  ferner  dahin  trachten,  dass  ,da8  Doctrinale 
mit  ehister  Gelegenheit  verglichen  und  ins  Werk  gericht,  aber 
Tor  »einem  Beschluss  den  Ständen  zum  Ersehen  flirgebracht 
werde*.' 

Doch  fuhren  auch  dann  noch  etliche  Prädicanten  fort, 
ans  jihrem  verbitterten,  hartsinnigen,  hässigen,  ehrgeizigen  Ge- 
mat,  dann  von  Not  wegen'  wider  die  Agende  .ganz  beschwer- 
lich zu  schreiben,  predigen  und  schreien'  und  liessen  sich  auch 


«  Cod.  Pol.  21. 

*  Ebend«,  Fol.  22'.  Du»  ziemlich  viel  darauf  einlief,  leigt  die  Anmer- 
kung des  Copisten  im  Codex  (Fol.  23'):  ,Nota:  wag  über  obstehende 
AnMchreiben  von  etlichen  Herrn  und  ihren  Predigern  für  schriftliche 
Bedenken  einkommen,  die  sein  dor  Ureachen,  das«  etliche  derselben 
weitlänfig  und  grosse,  lange  Schriften,  so  ein  sonders  Bnch  bedürftig, 
daher  lu  «chreiben  unterlassen  worden.' 

*  Hit  SS  Unterschriften;  Cod.  Fol.  23'. 


186 

nicht  .durch  giltit^   christliche  Vermahnnng*   davon   abhalten, 
so  dass  die  Depatirten  keinen  andern  Änaweg  mehr  sahen  als 
,Rath    zu    suchen,    wie   doch  der  fernem   Erweitening   dieses 
boschvreriichen  Handels,  dem  Unnith,  der  hierinnen  leider  steht, 
soviel  möglich  bei  guter  2^it  f^kommen  nnd  geholfen  werden 
m«k*hte\  Weil  sie  ach  aber  diesen  im  Lande  selbst  ^ns  Hangel 
gelehrter  Theologen*   nicht  holen  konnten,  sie  aosserdem  noch 
kein  ordentliches  Oonsistorinm  hatten,  vor  das  diese  Handlangen 
hätten   gebracht   werden  kC$nnen.  wandten  sie  sich  am  1.  Juni 
1572  an  Chytrilus  and  an  die  Rostocker  Universit&t  und  ttber- 
schiokteu  ihnen  gleichzeitig  die  über  die  Agende  ,in  Eäle'  ve^ 
fasste  Ätiologie  zur  Prüfung  und  Begutachtnng.  Namentlich  der 
Bur  Puchheim" schon  Herrschaft  Göllersdorf  gehörige  Prftdicant 
in  Sitzendorf  und  der  dem  Landmarschall  unterstehende  Pfarrer 
zu  Frauendorf  Potor  Kggerdes  machten  ihnen  tüchtig  zu  schaffen. 
Der  Krstoro   beantwortete   die  Bitte   seiner  Pfiirrgemeinde,  mit 
KUoksioht  auf  die  gerade  herrschende  Thenemng  in  einen  Auf- 
schub iluvr  vorsprochenen  Abgabe  zu  willigen,   ^allein  nm  des 
zcitlichiMi  willou*  damit,  dass  er  sie  in^resammt  in  den  Bann 
that,    kein  Saci-aniont  mehr  spendete,   die  Verstorbenen  nicht 
auf  dem  Friodhofo.  sotulorn  auf  dem  Felde  begraben  Hess  und 
trotz  aller  Krutnhmuigou  dabei  blieb.  Der  Zweite  unterfing  sieh 
seit    der   Yorv>rtVutliol»»ug    der   Kirchenordnung    ,aus    sonderer 
Hitz  und  gefasstem  Widerwillen*  nicht  allein  öffentlich  und  mit 
grosser  Verachtung,  doch  ohne  datlir  einen  stichhaltigen  Omnd 
anführen    zu    können,    wider    dieselbe    zu    predigen    nnd    zu 
s'rhr'iiS^n,    sondern    weigerte    sich    auch    dem    Landmarschall 
sarnmt.    h'Mner   Familie    und   seinen  Dienstleuten  ein  Sacrament 
zu  r':if:hf;n,  bevor  sie  nicht    das  ausdrückliche  Bekenntniss  ab- 
gelegt liätten,  dass  die  Agende  .ein  ketzerisch  Buch'  sei.     Als 
ihm   der   Landmarschall    nach    vergeblichen  Bemühungen,   ihn 
umzustimmen,  seinen  Dienst  kündigte,  erklärte  jener,  er  ginge 
nicht  fort,  ausser  man   fahrte    ihn  .auf  einem  Karren*  hinweg.* 
Chj'träus     bedauerte    in    seinem    Antwortschreiben    vom 
4.  Angnst  1572  den  ,betrübten,  jämmerlichen  Zustand  der  an- 
gsfinigenen   Kirchenreformation',  tröstete    die   Deputirten    aber 
&reh  den  Hinweis,  dass,  falls  der  Kaiser  seine  Meinung  hin- 


>  nM^MbtB  *a   die   Boatocker  UniTeraitSt;    Cod.  Fol.  36'.     Dieselben  an 
ntqWhM;  nhnrii.  Fol.  27'. 


«.^, 


187 


gjühtlich  des  Consistoriums  Dicht  geändert  habe,  und  die  Herren 
bst  über  die  I-^hre  und  die  Agende  nicht  uneins  würden, 
3nrch  die  Bestellung  eines  tiiclitigen  Superintendenten  bald 
Frieden  geschaflfen  werde.  Zur  Ausübung  der  wahren,  evange- 
lischen Religion  sei  erforderlieh:  1.  das  Evangeliumj  2.  Per- 
sonen, welche  diese  heilsame  Lehre  ausbreiten,  .wie  Superinten- 
denten, Pastores,  Prediger  und  Ordination,  Institution,  Kirchen- 
gericht  oder  Consistorium,  Kirchenvisitation  und  Synodi  der 
Priester,  recht  bestellte  Studia  und  Schulen  und  gute  Ueld- 
dot«tion'  und  3.  ,die  Uusserlichen  Ceremonien  in  Kirchen  als 
Lectioncs,  Gesänge  und  andere  Kirchenübungen,  welche  man 
in  den  Agenden  vorzuschreiben  pflegt'.  Bei  der  Anordnung  der 
j^ende  gebe  es  mehrere  Wege:  Man  mache  es  entweder  wie 
tk  vor  zwanzig  Jahren  in  seinem  Lande  gehalten  worden  sei, 
da  der  regierende  Herzog  Albrecht  durch  einen  Superinten- 
denten etliche  Theologen  und  weltliche,  aus  dem  Adels-  und 
Gelehrtcnstand  gewählte  Kiltlio  die  vornehmsten  Landeskirchen 
visitiren  und  etwa  vorkommende  Missbräuche  in  den  Ceremo- 
nien abzuschaffen  und  die  publicirte  Agende  zu  halten  befehlen 
Hess.  (.>der  aber  uuin  gehe  dabei  ganz  langsam  vor  und  heisse 
die  Pastoren  nicht,  wider  ihren  Willen  ihre  gcvvohnten  Cere- 
monien aufzugeben;  nach  ihrem  Tode  oder  Abzug  aber  ver- 
halte man  die  neuen  Prediger  zur  Annahme  der  in  derselben 
vorgeschriebenen,  weicher  Weg  besonders  bei  der  gegenwär- 
tigen Erbitterung  zu  empfehlen  sei.  Denn  bei  der  Verschieden- 
artigkeit der  Ansichten,  die  sich  gleich  in  der  ursprünglichen, 
von  ihm  verfassten,  und  der  jetzt  gedruckt  vorliegenden  Agende 
äussere,  könne  man  beispielsweise  die  Prediger,  ,welche  die 
gewöhnliche  Form  von  Luthers  kleinem  Catcchismus  ohne  alle 
Zusatz,  item  die  gewöhnliche  Form  der  Taufe  aus  des  Pfalz- 
grafen Wolfgang  Ordnung  oder  Luthers  Taufblichlein,  item 
das  gcwöhnhche  Traubiichlein  behalten  wollen,  ob  sie  sich 
gleich  Metten  und  Vesper  und  andere  Stücke  der  Agenda  zu 
halten  weigern',  wenn  sie  nur  nicht  ein  öffentliches  Geschrei 
dagegen  erbeben,  ruhig  dabei  lassen,  bis  ein  Superintendent 
oder  ein  anderer  Theologe  den  dritten  Weg  versucht  hätte. 
Dämlich  in  einer  öffentlichen  Versammlung  den  Predigern  Er- 
ki&rungen  und  Erläuterungen  zur  Agende  zu  geben  und  sie 
zur  Uebergabe  ihrer  Bi'denken  aufzufordern,  ihnen  überdies 
das  Recht   einzuräumen,   bei  wichtigen  Berathungen  aus  ihrer 


188 


Mitte  drei  oder  vier  der  tüchtigsten  abordnen  zu  dürfen.  Auf 
solche  Art  würden  die  Prediger,  wenn  sie  nicht  schon  ,niit  kai- 
nischem  Hass'  erbittert  seien,  besänftigt  werden.  Jedenfalls  aber 
möge  man  Alles  aufbieten,  dass  die  unzufi-iedenen  Prttdicanten 
wenigstens  aufhörten,  gegen  die  Agende  zu  predigen.  Sie  zu  ent- 
lassen, habe  wenig  Sinn,  weil  sie  dann  in  anderen  Ländern  ihr 
Unwesen  treiben,  von  vielen  Herren  übrigens  gar  nicht  beur- 
laubt würden  und  man  ausserdem  bei  dem  grossen  Mangel  an 
Predigern  nicht  so  bald  einen  Ersatz  fände.  Nur  die  aljer- 
grössten  Schreier,  die  sich  zu  gar  keinem  Entgegenkommen 
verstünden,  seien  aus  dem  Lande  zu  weisen.  Unterdessen  sollten 
sie  sich  mit  den  Ständen  von  Oesterreich  ob  der  Enns  und  der 
Steiermark  vereinigen  und  alle  wichtigen  Relig^ionsfragen  mit 
ihrem  Einvernehmen  vollziehen,  zu  welchem  Zwecke  man  auch 
auf  halbem  Wege  einen  Versammlungsort  für  die  Delegirten 
vereinbaren  möge.  Endlich  sei  der  Kaiser  zu  bewegen,  ihnen 
die  Kirche  bei  dem  Landhaus  in  Wien'  ,zu  vollkommener 
Anrichtung  der  Kirchenagenda,  evangelischer  Metten  und 
Vesper  zum  Exempel  anderen  Kirchen  auf  dem  Land  und 
damit  alle  Winkelpredigten  in  der  Stadt  Wien  abgeschafft 
werden'  zu  gestatten.  Was  die  wider  die  Agende  ausgegangenen 
Schmähschriften  betreffe,  so  habe  er  zwar  auch  anfangs  an 
die  Verfassung  einer  Apologie  gedacht,  doch  sei  er  sowohl  als 
seine  CoUcgen  der  Kostocker  Universität  später  zu  dem  Schlüsse 
gekommen,  man  könne  die  ärgste  Anklage  wider  jene,  dass 
man  nämlich  ,dem  Papst  heuchle  und  keinen  Unterschied 
zwischen  der  wahren,  evangelischen  und  der  papistischen  und 
anderer  Secten  Lehre  mache',  nicht  früher  grUndHch  wider- 
legen, bevor  nicht  ,das  Doctrinal  oder  Lehrbuch'  publicirt  sei, 
da  sie  Ja  bekanntlich  aus  der  Agende  die  Darstellung  and 
Widerlegung  der  päpstlichen  Missbräuche,  besonders  jener  bei 
dem  heiligen  Abendmahl  ausscheiden  mussten  und  damit  auf  das 
Lehrl>uch  vertröstet  wurden.  Ihm  graue  vor  der  Anfechtung 
des  Doctrinales,  das  sie  nach  dem  Wortlaute  des  kaiserlichen 
Decretes  vom  14.  Jänner  1571  an  drei  Universitäten  zu  schicken 
hätten,*  weit  mehr  als  vor  den  .Lumpenschartecken  wider  die 
Agenda'.  Es  würden  die  unruhigen  Pastoren,  wenn  man  es 
nicht  früher  mit  ihnen  durchberiethe,  ebenso  wüthcnd  darüber 


*  Es  iit  dies  (iio  Minoritenkirche. 


'  Siehe  oben.  S.  160,  Anm.  4. 


herfallen  wie  über  die  Agenda  und  ,die  Namen:  MajoriBten, 
Osiandristen,  Synergisten,  Adiaphoristen  oder  vielleicht  jetzt 
auch  Reuterischen  oder  Davidisten  darin  haben  wollen'. 

Erst  dann  solle  man  eine  gründliche  und  aasführliche 
Schutzschrift  verfassen.  Jetzt  aber,  ehe  die  Agende  in  die 
Wirklichkeit  umgesetzt  sei,  werde  die  beste  Verantwortung  sein, 
wenn  man  so  schnell  wie  möglich  ,erstHch  die  Lehre,  man  be- 
halte gleich  allein  die  Augsburgische  Confession,  Apologia, 
Catechismus  Lutheri  und  Schmalkaldische  Artikel',  wie  Chem- 
nitz meine,  ,oder  aber  das  Lehrbuch,  das  auf  der  Deputirten 
Befehl  vor  drei  Jahren  daselbst  gestellet  ist,  oder  alle  beide, 
welche  der  Grund  ist  aller  Kirchenniformation,  richtig  mache, 
darnach  das  Kirchenamt  mit  dem  Superintendenten,  Consisto- 
riom  ordenthch  bestelle,  auch  die  Agenda  durch  eine  christ- 
liche Visitation  oder  anderweg  in  den  meisten  Kirchen,  da  sich 
die  Pastores  gutwiUig  zu  begeben,  ins  Werk  setze':  dann  werde 
(das  Lästergeschrei  und  die  SchmUhschriften  von  selbst  wie  der 
Schnee  an  der  Sonnen  zerlaufen  und  verschwinden'.  Wenn  sie 
äch  aber  jetzt  mit  den  , eigensinnigen,  zänkischen  Schreiern' 
in  einen  schriftlichen  Disput  einüesseu,  sei  zu  besorgen,  dass 
noch  ,eiii  viel  grössers  Feuer  zu  ewigem  Nachteil  dieser  neu- 
gepäanzten  zarten  Kirchen  entbrennen'  und  es  selbst,  wenn 
diese  zum  Schweigen  gebracht  würden,  nach  dem  alten,  von 
Luther  citirten  Verse  gehen  werde: 

,Hoc  Bcio  pro  certo,  qaod  ai  cum  storcore  certo, 
Vinco  vel  Tincor,  8emp«r  ego  maculor.' 

Die  Lästermäuler  werden  schon  von  selbst  verstummen, 
man  brauche  gar  keine  öffentlichen  Massregeln  gegen  sie  zu 
ergreifen.  Bezüglich  der  zwei  Prädicanten  von  Göllersdorf  und 
Franendorf  sei  er  nebst  seinen  Universitätscollegen  der  An- 
sicht, dass  ihnen,  obzwar  man  sie  mit  gutem  Rechte  aus  dem 
Lande  schaffen  könnte,  noch  einmal  bedeutet  werden  sollte, 
es  stünde  ihnen  frei,  bis  zu  einer  künftigen  Visitation  die 
kirchlichen  Gebräuche  gewohnterweise  auszuüben,  doch  mögen 
»ie  sich  des  unordentlichen  Bannens  gänzlich  enthalten.  Wollten 
sie  das  nicht,  dann  sollte  man  sie  mit  Gewalt  ausschaffen.' 

Die  Deputirten  Uessen  hierauf  durch  den  eigens  zu  diesem 
Zwecke    von   den   Ständen   mit  Zustimmung    der    kaiserlichen 


'  Cod.  Fol.  31— 40'. 


Räthe  bestellten  Johann  Friedrich  Cälestinus'  aus  der  ersten 
Fassung  und  den  beiden  von  Chytriius  und  Chemnitz  verfer- 
tigten Schutzschriften  eine  neue  Apologie  zusammenstellen, 
welche  von  deu  beiden  Ständen  im  Landtage  angenommen' 
und  hierauf  an  ChytrUus  zur  Begutachtung  gesandt  wurde.' 
Dieser  erklärte  sich  im  Vereine  mit  Chemnitz,  G.  Cälestinus 
und  Pouchenius,  die  bei  ihm  weilten,  mit  derselben  einverstanden, 
doch  rieth  er  ihnen  die  Veröffentlichung  derselben  durch  den 
Druck  entschieden  ab,  weil  sie  1.  unter  den  jetzigen  Verhält- 
nissen die  Aufregung  unter  den  Predigern  gewiss  nur  steigern 
und  2.  den  Papisten  imd  anderen  Feinden  des  Evangeliums 
einen  Einblick  in  ihre  inneren  Streitigkeiten  gewähren  würde, 
was  entschieden  verhütet  werden  müsse.  Das  beste  Vertheidi- 
gungsmittel,  erklärte  er  neuerdings,  wäre,  wenn  zuerst  eine 
Lehrnorm  ausgebildet,  dann  das  Kirchenregiment  ordentlich 
bestellt  und  drittens  die  Agende  durch  Visitationen  oder  andere 
Mitte!  in  denjenigen  Kirchen,  in  welchen  sich  die  Pastoren 
gutwillig  in  dieselbe  fügten,  durchgeführt  wäre.  Das  Erseheinen 
des  Lehrbuches  würde  freilich  noch  lauge  währen,  falls  es 
wirklich  bei  der  kaiseriichen  Entscheidung  bliebe,*  denn  gleich 
das  erste  über  die  Agende  eingelangte  Universitätsgutachten 
—  es  war  aus  Wittenberg  —  hätte  zu  verstehen  gegeben,  dass 
man  dort  kein  neues  Lehrbuch  haben  wollte,  und  zur  Annahme 
ihres  ,Corpu8  doctrinale'  gcrathen.^  Man  möge  daher  bei  Hofe, 
wenn  der  Kaiser  wirklich  nicht  von  dieser  Bedingung  abzu- 
bringen sei,  einfach  die  Confessio  Angustana  und  Luther's 
Katechismus  vorschlagen.  Der  Superintendent  aber  milsse  eine 
eigens  vcrfusste  , Formida  doetrinae,  darin  alle  zu  dieser  Zeit 
strittige  Artikel  christlich  und  deutlich  und  doch  auf  das  kür- 
zeste erkläret',  bei  sich  haben,  die  er  den  Ordinanden  nach 
dem  Examen  zur  Unterferligung  vorzulegen  und  bei  der  Visi- 
tation zu  gebrauchen  hätte.  Sie  könnte  mit  der  Zeil  auch 
gedruckt   und    hernach   ,ein   vollkommenes  Doctrinal'   pubÜcirt 


*  Ueber  ihn  vgl.  Raupach,  Presb.  Amt.,  S.  18  f. 

*  Relntion  der  Do|mtirten,  ddo.  8.  tiirt  1676. 
■  Depntirte  an  Chyträiu,  ddo.  Wien,  16.  Augnat  1673;  Cod.  Fol.  44. 

*  Siebe  oben  S.  160,  Anm.  4. 
'  Dntirt  vom  13.  August  1671;  abgedruckt  bei  Raupnch,  a.  a.  O.,  1.  Porta., 

Beilagen,  S.  144r. 


191 


werden.     Q.    Cälestinus    werde   voraussichtlich    diese   ,Formula 
concordiae'  und  das  Doctrinale  mich  Wien  mitbringen.' 

Die  Stände  sahen  auch  wirkhch  von  der  Publication  der 
Apologie  ab.^  Der  Lärm  aber  verstummte  nicht,  sondern  wurde 
immer  ärger;  alle  guten  Kathschläge  des  Chyträus  und  Be- 
DiOhaogen  der  Dcputirten,  die  Prediger  zu  beruliigen,  waren 
vergeblich.  Die  zwei  Prediger  des  Carl  Ludwig  von  Zelking 
and  Christof  Freiherm  von  Jörger,  ferner  die  zwei  der  Brüder 
Qilleis  thaten  sich  besonders  hervor  und  scheuten  sioh  nicht, 
auch  ihren  Landesfllrsten  —  wie  das  die  Flaciancr  überhaupt 
mit  Vorhebe  thaten  —  in  eine  im  Druck  erschienene  Schmäh- 
schrift wider  die  Agende  hineinzuziehen.  Da  sie  überdies  noch 
gegen  die  Katholiken  loszogen,  sah  sich  der  Kaiser  veranlasst, 
gegen  «liese  vier  Prediger  am  1.  März  1574  ein  scharfes  Decret 
tu  erlassen,  in  welchem  er  den  Deputirten  den  Befehl  ertheilte, 
die  nöthigen  Schritte  zu  thun,  dass  diese  vier,  sowie  alle  ande- 
ren Prädicanten  ,so  zu  dem  verfa.ssten  Schandbuch  Kath.  That, 
Consens,  Hilf  und  Förderung  gegeben,  innerhalb  sechs  Wochen 
von  dato  nnzuraitten,  gcwisslich  aus  dem  Lande  geschafft  und 
sich  darüber  daiinnen  nit  butruten  noch  erfahren  lassen,  auch 
sonsten  dergleichen  widerwärtigen  friedhässigen  Leuten  im  Land 
kein  Platz  gegeben  werde;  denn  wo  das  nit  gcscliehe,  würden 
I.  k.  M.  kraft  des  bewussten  Beschluss  und  zu  Erhaltung  Ruhe 
und  Einigkeit  zwischen  beiderseits  Rehgionsverwandten  selbst 
auf  gebUrende  Mittl  zu  trachten  verursacht,  dessen  sie  lieber 
überhoben  wären'.'  Die  Stände  übermittelten  diesen  Befehl  un- 
verzüglich den  Dienstgebern  der  vier  Prediger.  Jörger  hatte 
den  seinen  bereits  entlassen.  Der  des  Herrn  von  Zelking  über 
g»b  eine  schriftliche  Entschuldigung  und  vereprach,  dass  er  die 
Kirchenagenda  unterschreiben,  , künftig  dergleichen  vermeiden, 
sondern  sich  unverweislich  und  friedlich  verhalten  wolle'.  Die 
anderen  zwei  erklärten  mündlich,  dass  sie  der  k.  M.  zuwider 
auf  der  Kanzel  oder  sonst  in  argem  nie  gedacht,  sich  auch 
künftig  davor  hüten   wollen'.*     Der  Kaiser  drückte    in   seiner 


'  Cbytriiiu,  Chemniti,  CKIestinus  and  Pouclieniiu  au  Depatirte,  Udo.  Solt- 
«inellen,  den  26.  September  1673;  Cod.  Fol.  46'— 49. 

E»  Deputirte  au  Chyträns,  ddo.  26.  October  1573;  Cod.  Fol.  49—60'. 
*  Abschrift  im  Cod.  Fol.  7:!'— 73'  and  im  Staatsarcbive  (Oe«t.  Acten,  Faac.  7); 
abgedruckt  Ton  Hopfen,  a.  a.  O.,  8.  376f. 
*  Der  Verordneten  and  Deputirten  Bericht,  ddo.  9.  April;  Cod.  Fol.  73'— 74'. 


ilarauf  erfolgten  Resolution  vom  20.  April  seine  Befriedigung 
darüber  aus,  dass  der  Prediger  des  Jürger  bereits  abgeschafft 
sei,  doch  wlisste  er  nicht,  ob  dieser  ausser  Landes  sei  und 
nicht  vielleicht  bei  einem  andern  Landmann  ,8ein  Unterschleif 
suche  und  finde'  und  nun  dort  geradeso  sein  Unwesen  treibe 
wie  vordem;  daher  der  Landraarschall  Nachforschungen  pflegen 
und,  falls  er  noch  im  Lande  sei,  seine  Ausweisung  verfligen 
sollte.  Wegen  des  Zelking'schen  Predigers  wolle  er  sich  für 
diesmal  mit  seinem  Widerruf  begnügen,  wenn  er  sich  seinem 
Versprechen  gemäss  ,nach  der  Apologia  und  Kirchenagenda' 
verhalte,  obwohl  er  lieber  hätte,  wenn  er  ,weit  von  dannen 
wäre'.  Die  Frediger  der  Herren  von  Gilleis  seien  nochmals  zu 
ihrer  Entschuldigung  zu  verhalten,  und  falls  sie  auf  , ihrer  Opi- 
nion'  verharrten,  bliebe  es  bei  dem  ersten  Decret.  Das  Schand- 
buch aber  und  die  darauf  bezüglichen  Schriften  sollten,  wo 
man  sie  anträfe,  gesammelt  und  vertilgt  werden.' 

Wenige  Monate  später  geschah  ein  grosser  Schritt  nach 
vorwärts.  Chyträus  war  über  neuerliche  Aufforderung  der  De- 
putirten*  im  Juni  von  Graz,  wo  er  für  die  steirische  Landschaft 
das  evangelische  Kirchen-  und  Schulwesen  eingerichtet  hatte,* 
nach  Oesterreich  gekommen.  Alsbald  berief  man  nach  Stein 
einen  Convent  ein,  an  welchem  sich  unter  seinem  Vorsitz 
Reuter,  Fr.  Cälcstinus  und  andere  Prediger  betheiligten.  Zur 
endgiltigen  Herstellung  eines  Consenses  unter  den  streitenden 
Predigern  wurde  die  von  Chyträus  ausgearbeitete  ,Norma 
doctrinac**  neuerdings  durcLberathcn  und  angenommen,  die 
Vornahme  von  Visitationen  beschlossen,  vor  Allem  aber  die 
Nothwendigkeit  der  Ennchtung  eines  Consistoriums  und  der 
Wahl  eines  Superintendenten  zur  Erhaltung  und  Wahrung  der 
Eintracht  betont.^ 


>  Cod.  Fol.  74— 76". 

■  Oeputlrte  ao  Cbyträua,  ddo.  16.  März  1674;  vgl.  Loserth,  a.  a,  O.,  S.  21t. 

•  Vgl.  ebenda. 

*  gNorma  doctrinae  oder  richtige  Form  heilsamer  und  gesunder  Lehre  von 
der  Erbsünde,  wie  dieselbe  vun  beiden  iKbiichen  SUinden  der  Herren 
und  Kittenchaft  des  Erzhorzogthumii  Oetiterreii^h  unter  der  Enns  in  allen 
ihren  Versammlangen  und  KatliscliISgen  einhellig  bekannt  und  dabei  als 
der  einigen  Wahrheit  zu  bleiben  entschlossen,  auf  den  forraulam  nnno  74 
geatellot  nnd  nach  erfolgenden  Censuren  hornach  besser  erkläret  etc.% 
s.  d.  Abschrift  im  Landesarcbir,  R.  r.  I. 

■  Vgl.  Wiedemann,  a.  a.  O.  I,  8.  382  f.;  Otto,  a.  a.  O.,  8.  62. 


193 


Der  Mangel  eines  tüchtigen  und  erfahrenen  Kirchcnregi- 
tes  mit  einem  erprobten  Superintendenten  an  der  Spitze 
liAtte  sich  bisher  in  allen  den  nach  der  Veröft'entlichnnsr  der 
evangelischen  Kirchenordnung  ausgebrochenen  Sti-eitigkeitcn 
tasserst  fühlbar  gemacht.  Die  Religionsdeputirten,  die  dasselbe 
einstweilen  ausübten,  bewiesen  dabei  ihre  vollständige  Unfiihig- 
keit.  Selbst  der  radicalen  Partei  angehörig,  thaten  sie  nicht 
viel,  um  die  ausgebrochenen  Differenzen  zu  beseitigen.  Und 
Reuter,  der  einzige  Theologe  und  der  gemässigtesto  unter  ihnen, 
war  viel  zu  schwach,  um  ihnen  Widerstand  zu  leisten,  und 
tiess  sich  vielmehr  von  ihnen  in  das  Schlepptau  nehmen. 


L 


3.  Bemilbungcn  der  Stände  um  die  Besetzung 
des  Snpertntendentenamtes. 


Schon  im  Jahre  1569  hatten  die  zwei  evangelischen  Stünde 
ihr  Allgenmerk  auf  den  Braunschweiger  Superintendenten  Martin 
Chemnitz  '  gerichtet.  Dieser,  unstreitig  einer  der  bedeutend.sten 
lutherischen  Theologen,  durch  seine  tiefe  Gelehrsamkeit,  be- 
sonders aber  durch  seine  Schrift  , Examen  coneilii  Tridentini' 
berühmt,  war  eine  der  Säulen  der  reinen  lutherischen  Lehre 
und  trotz  seiner  Verehrung  für  Melanchthon  ein  Gegner  der 
Kryptocalvinisten,  dabei  aber  von  einer  auch  gegnerischcrseits 
anerkannten  Milssigung,  so  dass  diese  Wahl  gewiss  eine  treffliche 
war.  Zu  diesem  Zwecke  hatten  sich  die  Deputirten  zuerst 
durch  Chyträus*  und  dann  durch  einen  ihrer  Landleute,  Wolf 
Christof  von  Mamming,  der  diesen  von  Rostock  nach  Oesterreich 
begleitete*,  persönlich  bei  Chemnitz  angefragt,  ob  er  eine  Be- 
mfang  nach  Oesterreich  annehmen  wollte;  doch  war  darauf 
keine  Antwort  erfolgt*  Am  5.  Juli  1571  wandten  sich  nun  die 
l)eputirten  neuerdings  an  Chyträus  mit  der  Bitte,  er  möge  ihnen 
';  Ilhüäich  sein,  den  von  ihm  und  anderen  .hochgerühmten' 
Chemnitz  dahin  zu  bringen,  dass  er  ,zu  Reformierung  der  öetor- 
reichischen  Kirchen  und  Anrichtung  und  beständiger  Erhaltung 


'   Ueber   ilin   (geb.  9.  November  1522,  gest.  8.  April  1586)    vergleiche    den 
AuÜMtz  von  Sclimid-Kunze   io   der  RealencyklopHdie  für  proteatantische 
Theologie  IIl.  3.  AuO.  1897,  S.  796  f. 
Vgl.  Raupach,  a.  ä.  O.,  8.  108;  Otto,  a.  a.  O.,  8.  61. 

*  Siehe  oben,  S.  140. 

«  Vgl.  ChytrSn«  an  Depntirta,  ddo.  Berlin,  20.  Angurt  1571 ;  Cod.  Fol.  15'— 17". 
ArctiiT.    LXXXTU.  Bd.  I.  Hilfte.  13 


der  Agenda'  das  Amt  eines  Superintendenten  Übernehmen 
wolle.  Sie  schlössen  auch  ein  Schreiben  an  Chemnitz  bei,  worin 
sie  ihm  mittheilten,  dass  die  Benifunp:  mit  Vorwissen  Kaiser 
Maximilians  erfolge,  und  versprachen,  ,er  solle  von  den  Stftnden 
so  gehalten  werden,  daran  er  versehentlich  wol  vergnilgt  sein 
werde'. '  Chemnitz  antwortete  den  SUlnden  am  13.  August,  er 
habe  diesen  Ruf,  der  ihn  sehr  schmeichle,  durch  acht  Tage 
allein  und  mit  Anderen  wohl  erwogen  und  ihn  darauf  dem  Stadt- 
rath  zur  Entscheidung  unterbreitet,  dessen  Erklllnuig  er  nun 
beisende. 

Darnach  könne  er  nicht  mit  gutem  Gewissen  ,in  diesen 
geiahrhchen  Zeiten,  sonderlich  des  Calvinismi  halben'  die  dortige 
Kirche  verlassen.  Nach  seinem  Dafürhalten  sollte  Chyträus, 
der  ja  die  Agende  verfasst  habe,  dieselbe  auch  zur  Durchführung 
bringen  und  deshalb  auf  ein  Jahr  nach  Oesterreich  berufen 
werden,  währenddem  man  eine  andere  taugUche  PersönHchkeit 
finden  könnte.  * 

Chyträus  schlug  den  Deputirten  in  seinem  Antwortschreiben 
ddo.  Berlin,  20.  August  1571  (ür  den  Fall,  dass  Chemnitz  die 
Berufung  nicht  annehmen  sollte,  den  kurbrandenburgischen 
Theologen  Dr.  Georg  Cälestinus, '  einen  Bruder  des  später  in 
Oesterreich  bediensteten  Predigers  Johann  Friedrich,  vor,  den 
er  mit  dem  österreichischen  Adeligen  Sigmund  Leisser  auf 
seiner  Rücki-eise  von  Oesterreich  in  Berlin  persönlich  kennen 
gelernt  hatte,  ,eineu  gottseligen,  bescheidenen,  friedliebenden, 
wolerfahrnen,  gelehrten  und  beredten  Mann,  der  nun  viel  Jahre 
durch  das  heilige  Kreuz  wol  probiert  und  dennoch  dabei  fröh- 
lich und  leutselig  ist'.  Derselbe  sei  ,nun  über  zwanzig  Jahr 
an  kur-  und  fürstlichen  Höfen  mit  Leuten  umgangen,  wie  er 
dann  jetzunt  in  das  achte  Jahr  des  Kurftirsten  zu  Brandenbarg 
Hofprediger  und  de.s  reformierten  Stifts  allhio  zu  Berlin  Dom- 
propst ist  und  zuvor  bei  einem  Fürsten  zu  Plauen  zu  DrUsingen, 
eine  Wegreis  von  Prag  filnf  Jahr  gedient'.     Er   zweifle   nicht. 


'  Oeputirte  an  CliytrSus,  Cod.  Fol.  14'.  Dieser  Brief  und  die  Antwort  vom 
30.  An/Bnist  beweisen,  dass  Raupach  nicht  Recht  hat,  wenn  er  (a.  a.  O., 
S.  ISO)  sagt,  dass  Chyträtis,  dnrrh  die  mit  der  Agende  vorgenommenen 
Aenderungen  verletzt,  mit  seiner  Correspondenz  nach  Oesterreich  llngere 
Zeit  innehielt. 

*  Chemnitz  an  Deputirte;  Cod.  Fol.  18*. 

*  Ueber  ihn  Jtfcher,  Gel.  Lex.  I,  S.  1098. 


196 

daas  ihn  der  Kurfilrst  von  Brandenburg  ftir  ein  oder  zwei 
Jahre  beurlauben  werde,  damit  er  ,einen  jungen,  wolbegabten 
Mann  in  dem  Superintendentenamte  unterweisen  könne'.  * 

Die  Stände  ersuchten  nun  am  ü.  Juni  1572  nochmals  Ohem- 
nitJ!,  die  Superintendentur  bei  ihnen  zu  Übernehmen,*  und  hielten 
unterdessen  mit  der  Berufung  des  Cälestinus  aus  dem  Grunde 
inne,  weil  jener  bereits  dem  Kaiser  vorgeschlagen,  diese  Aus- 
wahl von  ihm  auch  gebilligt  worden  war,  und  sie  daher  nicht 
gleich  einen  anderen  berufen  konnten.  Gleichzeitig  richteten 
sie  an  Chyträus  die  Bitte,  er  möchte,  wenn  Chemnitz  ablehnte, 
selbst  auf  ein  Jahr  zu  ihnen  kommen  und  die  Ordnung  des 
evangelischen  Kirchenwesens  in  seine  Hand  nehmen,  und  er- 
klärten sich  bereit,  seine  Hausfrau  und  Kinder  auf  Landes- 
kosten sicher  herbringen  zu  lassen,  ihm  fiir  ein  Jahr  tausend 
Gulden  Rh.  sammt  einer  ihm  passenden  Wohnung  und  einem 
ausreichenden  Holz-,  Wein-  und  Getreidedeputat  zu  geben  und 
ihn  nach  Ablauf  des  Jahres,  falls  er  nicht  länger  bleiben  wollte, 
sammt  den  Seinen  wiederum  unentgeltlich  zurückzubringen.  Sie 
ersuchten  ihn  auch,  ihnen  einen  tauglichen  Prädicanten  zur 
Unterstützung  des  Superintendenten  zu  verschaffen  oder  gleich 
milzabringen.  Dieser  würde  ebenfalls  im  Namen  der  zwei 
Stände  und  der  Deputirten  in  Wien  angestellt  und  erhielte  nebst 
Wohnung,  Holz,  Wein  und  Getreide  ein  Anfangsgehalt  von 
circa  300  Gulden.  Ausserdem  wollten  sie  zur  Entlastung  dieses 
Prädicanten,  der  mit  den  Wochenpredigten  und  der  Admini- 
stration der  Sacramente  and  dergleichen  Kirchendiensten,  noch 
dazu  bei  der  keineswegs  kleinen  Gemeinde  mehr  als  genug  zu 
than  haben  würde,  einen  Diakon  bestellen,  der  ,die  Verhör  der 
Beicht  aufnehme,  die  Kindlein  taufte,  die  Communion  hielt,  den 
Catechismum  und  die  Collecten  der  Agendaordnung  nach  ver- 
en  thät'. 

Diesem  Geistlichen,  zu  welchem  ihnen  Chyträus  eben- 
falls behilflich  sein  möchte,  wollten  sie  neben  Quartier  und  einem 
Natitraldeputat  gegen  100  Gulden  geben.' 


'  Chytriiu  >o  Depntirte;  Cod.  Fol.  IQ'. 

*  Vgl.  Otto,  ■.  a.  O.,  ä.  51.     Dieses  Berufangiuchreiben  wurde  unter  dem 

gleichen  Datum  an  Chytränii  gesandt. 
»  Depatirte  an  ChytrSuii,  ddo.  Wien,  den  6.  Juni  1572;  Cod.  Fol.  27'— 31. 

13* 


196 

Chytrilus  schlug  darauf  zum  Prediger  den  schon  genannten 
Georg  Cfllestinus '  und  zum  Diakon  den  wohlgelehrten  und 
frommen  Mag.  Mento  Gogrcvius*  vor.  Was  ihn  selbst  aber 
betreffe,  tauge  er  nicht  ,zum  Predigtamt,  noch  zu  Weltsachen 
oder  mit  andern  Leuten  stattlich  imd  fruchtbarlich  zu  handeln*, 
ausserdem  werde  er  tÄglich  schwächer.  Er  wisse  auch  nicht, 
ob  seine  Vorschlüge  bezüglich  der  Anordnung  der  Agende,  wozu 
er  ,neben  einem  andern  hochbegabten,  verständigen  Super- 
intendenten' gerne  helfen  wollte,  den  Deputirten  genehm  seien. 
Wenn  dies  aber  der  Fall  sei,  so  wolle  er  ihrer  Berufung 
ohne  weiteres  Folge  leisten,  auch  einen  Prädicanten  und 
Diakon  mitbringen  und  nach  Michaeli  zu  ihnen  reisen.  Doch 
sei  es  unnöthig,  dass  sie  sich  bei  seiner  Herreise  neuerlieh  in 
80  grosse  Unkosten  stürzten;  es  gentige,  wenn  ein  österreichi- 
scher Edelmann  an  den  Kurfürsten  zu  Brandenburg  des  CiÜe- 
stinus,  an  den  Ratb  zu  Braunschweig  des  Chemnitz  und  an 
die  Herzoge  Johann  Albrecht  und  Ulrich  von  Mecklenburg 
seinetwegen  mit  einigen  hundert  Thalern  filr  die  Reise  abge- 
fertigt werde. 

Chemnitz  hatte  an  diese  nunmehr  zum  dritten  Male  erfolgte 
Berufung  nach  Oesterreich  gewisse  Bedingungen  geknüpft,  die 
nicht  so  einfach  gewesen  zu  sein  scheinen.  Wir  kennen  eine 
von  diesen,  venmithlieh  ist  es  auch  die,  welche  Chytrilus  als 
die  , bedenklichste'  bezeichnete,  nämlich  ,eine  offene  Kirche'. 
An  diesem  Punkte  scheinen  auch  die  Verhandlungen,  welche 
Streiu  im  Namen  der  Stünde  mit  dem  Kaiser  führte,  gescheitert  zu 
sein;  denn  im  Principe  hatte  er  damals  die  Bestellung  eines  Super- 
intendenten genehmigt  —  aber  nur,  wie  dies  als  sicher  angenom- 
men werden  kann,  in  der  Bedeutung  eines  ersten  Landschafls- 
predigers,'  ohne  die  mit  jener  Stellung  verbundene  kirchengericht- 


Vgl.  oben,  S.  194,  Anm.  3. 

ITober  ihn  Tgl.  Kanpnch,  s.  n.  O.,  I.  FortsoUinng,  8.  248  f.  und  Presb.  Austr., 
8.  48  f. 

D.iinif  stimmt  &<i  linnn,  wenn  einorsuiU  die  Stjlnde  im  LandtAgnberichte 
vym  8.  März  1575  beli.Tuptoten,  d.iss  ihnen  dioao  Stelle  vom  KiiisAr  be- 
willigt worden  soi,  anderseits  der  Kaiser  (siehe  iinton,  S.  224)  nach  diesem 
Zeitpnnkte  gegen  die  ,Jnri8diction'  des  Consistoriunis  Bedenken  iags«rte. 
Ea  erklHrt  sich  auch,  wenn  Strein  in  seiner  Relation  vom  Jahre  1&78 
den  späteren  Landhausprediger  Opitz  als  Superintendenten  aufführt.  Die 
Stunde  aber  unterschieden  sehr  wohl  zwischen  dem  Snperintendenten- 
nud  dem  LandschaftJipredigeramt. 


_^  197 

liehe  Ingerenz.'  Die  Staude  liessen  daher  auch,  als  die  Be- 
rufung des  Chemnitz  nicht  zu  erlangen  war,  durch  Strein  den 
Rostocker  Superintendenten  Simon  Pauli  vorschlagen,  gejjen  den 
der  Kaiser  nach  ihrer  Meinung  umso  weniger  irgendwelche  Be- 
denken haben  konnte,  als  er  ihn  seiner  Zeit  selbst  zur  Ver- 
Cusung  der  Agende  vorgeschlagen  hatte.* 


3.    VcrhaudlnuKen    der   Stftiidt»    wewt'ii    Anstolliinu;    von 

Landsehaftijprediiforii.    Ucnifiiiiu;  des  0|(itK  und  Itochcr. 

Aiisbriu-h  des  Erbsilndonstreltes. 

So  verging  über  diese  Verhandlungen  mit  dem  Kaiser  ein 
^nzes  Jahr,  bis  sich  die  Stünde  entschlossen,  damit  in  drr 
Bildung  des  Kirchenwesens  kein  weiterer  Stillstand  einträte,  in- 
zwischen G.  Cälestinus  und  Gogrevius  zu  bestellen,  nachdem 
sie  von  dem  Kaiser  mit  Rücksicht  auf  den  Mangel  an  ein- 
heimischen gelehrten  und  geübten  Predigern  ,zum  Theil'  die 
Bewilligung  dazu  erhalten  hatten.^  Am  15.  August  1573  wurden 
die  darauf  bezüglichen  üecrete  an  G.  Cälestinus*  und  an  seinen 
Herrn,  den  Kurfürsten  Georg  von  Brandenburg,*  sowie  an 
Gogrevius"  ausgefertigt. 

Dieser  antwortete  am  18.  September,  dass  er  ein  ganzes 
Jahr  vergebens  auf  seine  Berufung  gewartet,  sieh  darüber  in 
noeso  Unkosten  gestürzt  und,  nachdem  er  mehrere  Posten  aus- 
gMchlagen,  unlängst  einen  angeiiommon  habe,  doch  wolle  er 
bis  Ostern  eine  Entscheidung  treffen.'  Die  Stände  nahmen 
dieses  Anerbieten  dankend  an  und  wiesen  ihm  5ü  Thaler  bei 
Chyträus  an.' 


'  VgL  Nobbe,  Das  Suporiiiteodentenamt,  seine  Stellung  und  Aufgabe  nach 
<Ieo  evangelischen  Kirchenurdnungen;  Zeitschrift  fUr  Kircheugeachichte 
XIV  (1894),  8.  666  f.,  XV  (1896),  S.  44  f. 

*  Siebe  oben,  S.  139. 

•  Deputirte  au  Chyträus,  ddo.  16.  August  1573;  Cod.  Fol.  44. 

*  Deputirte  an  Cülestiuus,  ddo.  16.  August  1678,  dann  36.  October  1673; 
ebend«,  Fol.  66  und  60. 

Deputirte  an  den  Kuritlnteu,  ddo.  16.  August  nnd  26.  September;  ebenda 
Fol.  63  u.  64. 
Deputirte  an  Gogrerius,  ddo.  16.  August;  ebenda,  Fol.  67. 

'  Cod.  Fol.  6«. 

•  Eb«nda,  Fol.  68  (auf  Fol.  69  folgt  irrlhümlich  wieder  Fol.  68). 


198 

Cälestinus  erklärte  sich  am  4.  October  bereit,  das  Amt 
eines  Predigers  auf  ein  Jahr  zu  übernehmen,   yoraosgesetzt, 
dass  der  EurfUrst  seine  Erlaubniss  dazu  gebe;   bat  aber,  man 
möge    auch    seinen    Freund   Chyträus,    der   ohnedies  in  die 
Steiermark   reisen   müsse,    bestellen,    da   er   ohne  ihn  ,weiiig 
Nutzen'  schaffen  könne.     Qegen  die  seinem  Berufimgsdecret 
beigeschlossenen  Ordinationsartikcl   habe  er  keine  Bedenken.' 
Die  Deputirten  gaben   darauf  am  26.  October  ihrer  freudigen 
Erwartung  seiner  baldigen  Ankunft  Ausdruck  und  wiederholten 
durch  einen  eigenen   Boten  bei  dem  Kurfürsten   ihre  Bitte.' 
Dieser  stimmte  auch  zu  und  setzte  Maximilian  11.  brieflich  da- 
von in  Kenntniss.   Cälestinus  trat  also  seine  Reise  nach  Oester- 
reich  an,  und  zwar  in  Begleitung  des  Chyträus  und  eines  Ge- 
sandten  der  steirischen  Landschaft,'   dem  er  —   und  dies  ist 
gewiss  etwas  merkwürdig  —  ebenfalls  bereits  zugesagt  hatte, 
sich  zur  ,Aufrichtung  der  Kirchen-  und  Schulordnung'  in  ihren 
Dienst  zu  begeben,^  ohne  dass  er  den  österreichischen  Ständen 
ein  Wort  davon  erwähnt  hätte.   Nun  wäre  das  aUein  noch  nicht 
so  schlimm  gewesen,  weU  er  ja  nach  Verrichtung  seiner  steiri- 
schen Mission  seine  Stelle  in  Oesterreich  hätte  antreten  können; 
er  hatte  aber,  wie  es  sich  später  herausstellte,  überhaupt  nni 
ein  Vierteljahr  Urlaub   und  war  insofeme   schon   wortbrüchig 
geworden,  als  er  sich  ihnen  auf  ein  ganzes  Jahr  verpflichtet  hatte. 

Unterwegs  aber,  in  Meissen,  hatte  sich  G.  Cälestinus  mit 
dem  steirischen  Gesandten  zerschlagen,  imd  dieser  schrieb  des- 
wegen an  die  österreichischen  Stände,  worauf  die  ganze  Sache 
aufkam.  Als  jener  daher  ganz  unerwartet  in  Wien  erschien 
und  den  Deputirten  in  einer  besonderen  Eingabe  seine  Dienste 
anbot,  worin  er,  schon  von  der  Besorgniss  erfüllt,  seine  Bestellung 
könnte  von  den  Ständen  ,um  der  zwischen  ihm  und  dem  steiri- 
schen Gesandten  fürgefallenen  Irrungen  willen'  rückgängig  ge- 
macht werden,  bat,  den  von  diesem  wider  ihn  , ausgegossenen 
Auflegungen  und  Beschwerungen'  nicht  gleich  zu  glauben  und 
seine  durch  die  Herreise  entstandenen  Unkosten  zu  berück- 
sichtigen,  wurde  ihm  von  den  Deputirten  einige  Tage  darauf, 

'  Cod.  Fol.  67. 
«  Ebenda,  Fol.  60'. 
»  Es  war  Lerch,  Cod.  Fol.  114. 

*  Ueber  seine  Verhandlungen   mit   den   steirischen  Ständen  ygl.  Loserth, 
a.  a.  O.,  S.  209. 


199 


am  28.  December,  kein  aebr  gnädiger  Bescheid  zu  Theil.  Sie 
hätten,  heiset  es  darin,  auf  des  Chyti'äus  Rath  sowohl  durch 
diesen  als  durch  eigene  Schreiben  mit  ihm  wegen  der  Annahme 
der  Predigerstelle  verhandelt,  in  die  er  auch  brieflich  einge- 
willigt habe.  Darauf  sei  ein  eigener  Bote  au  ihn  geschickt 
worden,  in  der  Voraussetzung,  er  nehme  zunächst  , diese  östor- 
reicbische  und  gar  keine  andere  oder  gleich  doppelte  Vocation' 
an,  weil  er  von  der  anderen  Berufung,  wovon  er  doch  damals 
bereits  Kenntniss  gehabt  haben  musste,  keinerlei  Meldung  gethan 
habe,  und  die  ganzen  Unterhandlungen  in  dem  Sinne  geführt 
worden  seien,  dass  er  die  Stelle,  wenn  nicht  länger,  so  doch 
auf  ein  Jahr  annehmen  solle. 

Nun  stelle  sich  aber  heraus,  dass  er  sich  sowohl  in  die 
Steiermark  als  hieher  habe  berufen  lassen  und  also  ,oine  dop- 
pelte Vocation'  angenommen  habe,  wie  er  dies  selbst  bekenne 
und  auch  aus  dem  Schreiben  seines  Kurflirsten  an  den  Kaiser, 
besonders  aber  aus  dem  Briefe  eines  steirischen  Verordneten 
ddo.  17.  December  hervorgehe,  , darinnen  die  Herren  Verord- 
neten, in  Steyr  den  Herrn  Cälestinum  seines  bei  ihnen  ange- 
nommenen Berufs  allererst  begeben  und  herüber  nach  Oester- 
reich  weisen'.  Dazu  komme  noch,  dass  er  vom  Kurfürsten  nur 
ein  Vierteljahr  für  Steiermark  oder  Ocstorreich  Urlaub  habe, 
während  die  Berufung  auf  ein  ganzes  Jahr  laute;  daher  es 
wohl  in  der  Ordnung  gewesen  wäre,  dies  den  Ständen  früher 
mitzutiteilen  und  ihren  Bescheid  zu  erwarten.  Ohne  auf  seinen 
Streit  mit  dem  steirischen  Gesandten,  der  allerdings  zwischen 
den  beidon  Landschaften,  wenn  man  ihn  darauf  hin  bestelle, 
einen  Zwiespalt  herbeizuftihren  geeignet  sei,  näher  einzugehen, 
m|  die  Sache  selbst,  um  die  es  sich  dabei  gehandelt  habe,  eine 
■Siehe,  ,die  nun  bei  vielen  ausgebrochen  und  etwa  noch  immer- 
dar mebrers  fUr  die  Leut  kommen  mag,  daher  auch  bei  den 
Feinden  oder  "Widerwärtigen  der  christlichen  Religion  desto 
mehr  Aergemiss,  Unruhe,  Gezänk  und  Verachtung  des  Wort 
Gottes  oder  andere  Anstöss  erfolgen  würden'. 

Man  kann  unschwer  errathen,  was  die  Deputirten  mit 
dieser  Andeutung  meinten:  es  war  der  Streit  über  die  Natur 
der  Erbsünde,  ob  diese  nämlich  die  Substanz  selbst  oder  nur 
ein  Accidenz  sei,  in  welchem  (i.  Cälestinus  offenbar  eine  de- 
cidirte  Haltung  angenommen  hatte,  und  zwar,  wie  man  zu  ver- 
mathen  berechtigt  ist,  gegen  die  flacianische  Auslegung  derselben 


200 


als  Substanz,  weil  im  andern  Falle  die  Deputirten  —  ihr 
weiteres  Verhalten  wird  es  zeigen  —  gewiss  keine  Bedenken 
gehabt  hätten,  ihn  trotz  seines  unehrlichen  Verhaltens  und  seines 
Streites  mit  dem  Gesandten  als  Prediger  anzunehmen.  Sie  be- 
willigten ihm,  da  er  die  Reise  in  steirischen  Diensten  gemacht 
habe,  nur  filr  seine  Bemühungen  bei  der  Durchsicht  der  Apo- 
logie und  flir  die  Widmung  seiner  Tractate,  ,Wie  sich  ein  Diener 
des  Wort  Gottes  halten  solle'  betitelt,  535  Thaler,  doch  unter 
der  Bedingung,  dass  er  dem  A.  Pouchenius  davon  50  gebe,  die 
bezeichneten  Schriften  zu  ihren  Banden  erlege  und  sie  nicht 
weiter  verbreite,  oder  wenigstens  ihren  Namen  nicht  nenne, 
weil  sie  ihnen  .ethchermassen  zuwider'  seien,  dass  er  endlich 
so  bald  als  möglich  abreise  und  über  das  V^orgefallene  voll- 
kommenes Schweigen  bewahre. ' 

Cälestinus  nahm  das  Geld  und  reiste  ab.  Als  er  aber 
wieder  in  Berlin  war,  schlug  nv  Lilrm,  verlangte  beglaubigte 
Abschriften  der  von  Chjträus  und  dem  steirischen  Gesandten 
,hinterrücks'  geschriebenen  Briefe  und  nahm  die  Autorität  seines 
Kurfürsten  in  Anspruch,  der  deshalb  dreimal  *  an  die  De- 
putirten schrieb  und  sogar  mit  einer  kaiserlichen  Intervention 
drohte,  bis  endlich  Cillestiuus  auf  die  energischen  Vorstellungen 
derselben  Ruhe  gab." 

Da  wurde  den  Deputirten  von  einer  .vertrauten  Person' 
ein  Schreiben  zugestellt,  das  Dr.  Jcromias  Hornberger  von  Lau- 
ingen  aus,  wo  er  als  Theologieprofessor  wirkte,  einem  Augs- 
burger Freunde  gesandt  hatte.  In  diesem  rühmte  or  die  öster- 
reichische Agende,  stellte  ihr  das  Zeugniss  aus,  dass  sie  den 
prophetischen,  apostolischen  Schriften  und  der  Confessio  Augu- 
stana vollkommen  gemäss  sei,  und  bot  der  evangelischen  Kirche 
in  Oesterreich  seine  Dienste  an.  Homberger  erhielt  nun  durch 
diese  Mittelsperson  die  Aufifordening,  herzukommen  und  einige 
Probopredigten  zu  halten,  der  er  auch  Folge  leistete,  worauf 
dann    die   beiden    Theologen    Friedrich  Cälestinus   und  Reuter 


'  Depntirte  an  CJÜeatinuB,  ddo.  28.  December;  Cod.  Fol.  63'. 
'  12.  September  1674  (fehlt  im  Codex),  '.'Ü.  December  1574;  ebenda,  FoL  114 
und  23.  Februar  1675;  Fol.  115. 

*  Cälestinua  an  den  KurfUrsten,  g.  d.  Fol.  114.  Deputirte  an  den  Kur- 
fürsten, ddo.  25.  Jftiuier  und  16.  MHrz  1576;  Fol.  111'  und  117.  Deputirte 
an  CUlestinUH,  ddo.  16.  MSrz;  Fol.  117'. 


201 


ewiesen  wurden,  mit  ihm  wegen  Uebernahme  des  stUndischen 
Predigeramtes  Unterhandlungen  zu  pflegen.  Man  forderte  haupt- 
Mchlich,  ,das8  er  sich  des  ärgerlichen  Streits  de  accidcntc  pec- 
eati  originis,  welchen  er  bald  im  Anfang  in  seiner  geschiiebenen 
Confession  gesetzt  hätte,  mlissig  gehen  and  diese  noch  zarte, 
junge  Kirche  mit  Erregung  dieses  Streits  nicht  turbiren,  ja 
weder  das  Wörtl  substantia  noch  accidens  gebrauchen,  sondern 
bei  der  Form,  so  die  Propheten  und  Apostel,  Lutheruß,  ja  der 
Herr  Christus  selbst  in  dieser  Materia  gebraucht  hätte,  bleiben 
solle',  wogegen  er  wolil  einwandte,  ,dass  er  diese  seine  Mei- 
nung de  accidente  nicht  könnte  fallen  lassen  in  Bedenkung, 
dass  er  seine  Meinung  vielen  Pastoren  commuuiciert,  die  ihm 
^^Hptch  Beifall  gethan,  auch  in  privatis  et  publicis  lectionibus 
^^^kuen  Discipeln  dicticrt,  welche  er  alle  schwerlich,  da  er  von 
^^■jner  Meinung  fallen  solle,  ärgern  wUrde'.  Doch  nach  vielem 
B^Xm'eden  der  beiden  Theologen  und  der  Deputirteu,  namentlich 
"  durch  deu  Hinweis,  dass  er  nur  unter  dieser  Bedingung  ange- 
stellt werden  könnte,  gab  er  dann  am  6.  April  1574  die  schrift- 
liche Erklärung  ab,  ,dass  er  dieses  Streits,  so  lang  er  in  ihrem 
Dienst  sein  würde,  ganz  mlissig  gehen,  ja  da  er  je  von  jemand 
so  hoch  dazu  gedrungen  wtlrde,  seine  Meinung  zu  vertheidigen, 
ao  wollte  er  solches  doch  mit  ihrem  Vorwissen  thun,  ja  lieber 
Urlaub  haben,  denn  Unruhe  erregen'. 

Damit  gaben  sich  die  Dcputirten  zufrieden,  verschoben 
aber  die  Bestellung  bis  zu  ihrer  nächsten  Zusammenkunft  nach 
Ostern,  weil  einige  von  ihnen,  wie  sie  vorgaben,  in  dringenden  Ge- 
schäften abreisen  mussten.  In  Wahrheit  aber  war  ihnen  an 
ihm  nicht  viel  gelegen.  Hornberger  war  allerdings  einst  ein 
Anhänger  der  flacianischen  Lehre  von  der  Erbsünde  gewesen 
und  hatte  auch  über  Wunsch  des  Flacius  eine  Elogie  darauf 
verfasst,  welche  dieser  dann  in  seiner  RepUk  auf  die  , Streitschrift 
des  Andrea'  abdrucken  Hess.  Er  hatte  sich  aber  später  in 
einem  Briefe  an  Flacius  von  seiner  Meinung  losgesagt  und 
war  also  zu  dieser  Zeit  —  was  die  Deputirteu  otfenbar  früher 
mcht  gewußst  hatten  —  ein  ,Accidenzler'. '  Diese  hatten  übri- 
gens die  Predigerstellc,  vorausgesetzt,  dass  das  Datum  des  Be- 


*  Vg\.  M.  Mayer,  Jeremias  Hornberger.  Ein  Beitrag  zur  Qeacbichte  Inner- 
OaUmicba  im  16.  Jahrhundert,  Archiv  für  esterreicbiscbe  Geschichte  74, 
1»&9,  S.  208. 


202 


Btallungsbriefos  richtig  ist,  bereits  am  13.  April,  jedenfalls  aber 
bald  nach  der  Eröffnung  der  Uiitcrliandhingen  mit  ihm,  an 
einen  erklärten  Fiacianer,  den  unmittelbar  vorher  seiner  Lehre 
wegen  aus  Regensburg  ausgewiesenen  Mag.  Josua  Opitz  vor- 
geben. 

Sie  hüteten  sich  jedoch,  mit  Hornberger  oflPen  zu  brechen, 
weil  sie  den  Verdacht,  als  begünstigten  sie  den  Flacianismus, 
bei  der  anderen  Partei  der  zwei  Stände  vermeiden  wollten,  und 
unterharulelten  mit  ihm  weiter.  Er  aber,  der  ihre  Absichten 
durchscliaute,  dürfte  sich  in  ihrer  Abwesenheit  über  ihr  Vor- 
gehen beschwert  haben;  wenigstens  warfen  sie  ihm  in  ihrer 
Landtagsrelation  vom  8.  März  1575  vor,  er  habe  sich  während- 
dem unterstanden,  seine  Lchrmeinung  über  das  Accidenz  der 
Erbsünde  .heimlich  bei  holien  und  niederen  Ständen  zu  spar- 
giem  und  insinuieren'  und  auch  die  beiden  Theoingen,  die  im 
Auftrage  der  Deputirtcn  mit  ihm  conferirt  hätten,  zu  ver- 
dächtigen, als  würden  sie  ihn  nur  dealialb  nicht  anstellen,  weil 
er  die  These,  die  Erbsünde  sei  die  Substanz  selbst,  nicht  ver- 
theidigen  wollte,  und  ihm  daher  allerlei  Schwierigkeiten 
machten. 

Als  die  Deputirten  wieder  versammelt  waren,  wurde  ihm 
am  17.  Mai  die  Bestallungsurkundo  im  Concepte  übermittelt  und 
von  ihm  ein  gleichlautender  Revers  verlangt,  worauf  or  sie 
dann  mit  etwas  veränderter  Formulirung  den  in  Baden  weilen- 
den Deputirten  Leopold  Grabner  und  Wolf  Christof  von  Enzers- 
dorf  übergab.  Als  diese  mit  Rücksicht  auf  die  eigenmächtigen 
Aenderungen  keine  Entscheidung  zu  treffen  erklärten  und  diese 
ganze  Angelegenheit  ihren  Amtscollegen  nach  Wien  berichteten, 
kam  Hornberger  einige  Tage  später  zur  Reise  gerüstet  nach 
Baden  und  zeigte  den  Beiden  an,  er  wolle  sich  nach  Graz  zu 
Chyträus  begeben,  weil  ihm  dieser  geschrieben  habe,  dass  die 
dortige  Landschaft  ohne  Prediger  sei.  Chyträus  hatte  aber 
bereits  die  Steiermark  verlassen  und  kam  im  Juni  1574,  wie 
schon  erwähnt  wurde,  nach  Stein. '  Als  ihn  nun  Flomberger 
in  Graz  nicht  mehr  antraf,  reiste  er  ebenfalls  dorthin  und  be- 
sprach sich  mit  ihm,  der  ihm  zur  Annahme  der  von  den 
österreichischen  Deputirten  angebotenen  Stelle  rieth. 


>  Siebe  oben,  8.  192. 


203 


4.  Opposition  der  Stünde  gegen  die  'Depntirten  und  die 
Landschaftsprediger.     Cont'ordieiiformel. 

Inzwischen  war  der  bereits  im  Keime  bestehende  Zwie- 
spalt unter  den  Ständen  und  ihren  Predigern  zum  offenen  Aus- 
bruche gekommen,  wozu  Horaberger's  Anwesenheit  in  Wien 
nicht  wenig  beitrug.  Die  Mehrheit  der  Stilnde,  dai'unter  auch 
die  evangelischen  Rathgeber  Kaiser  Maximilians,'  ergriff  für 
Hornberger  Partei  und  wandte  sich  mit  heftigen  Angi'iffon  gegen 
die  Anhänger  des  Flacianismus,  hauptsKchlich  gegen  die  Depu- 
tirten,  indem  sie  diesen  vorwarf,  dass  sie  ihn  nur  deshalb 
nicht  zum  Landschaftsprediger  ernennen  wollten,  weil  er  das 
Accidcnz  nicht  faUen  lassen  wolle,  hingegen  sich  nicht  gescheut 
hätten,  Opitz,  der  öffentlich  die  Substanz  vertheidigt  habe,  zu 
berufen.  Die  Verhandlungen  mit  Homberger  wurden  nun  fort- 
gesetzt und  führten  am  4.  Juli  zu  seiner  Anstellung  als  zweiter 
Landschaftsprediger,  nachdem  er  im  Beisein  der  Stande  erklärt 
hatte,  die  in  dem  ersten  Anstell ungsdecret  enthaltenen  Be- 
dingungen anzunehmen.  Man  fasstc  aber  den  Beschluss,  dass 
er  ,seine  phrases,  die  er  im  Predigen  gebrauchen  wollte,  schrift- 
lich alsbald  Übergeben'  sollte,  desgleichen  auch  Opitz,  sowie  der 
vor  Kurzem  ernannte  Diakon  Laurenz  Becher,  der  ebenfalls  ein 
Flacianer  war.  Die  von  diesen  drei  Predigern  vorfassten 
Schriften  wurden  nun  geprüft  und  ,was  in  einem  oder  andorm 
zu  einiger  Disputation  Ursach  geben  möge*,  ausgeschieden.  So 
entstand  die  ,Formula  Concordiae,  aus  beider  Theil  Schriften 
in  dieser  Sachen,  der  heiligen  biblischen,  prophetischen,  apostoli- 
schen Schrift,  Dr.  Luthers  Lehre,  der  Augsburgischen  Con- 
fession,  Schmalkaldischen  Artikeln  und  der  österreichischen 
Agenda  allerdings  gemäss  gestellt',  die  hierauf  beiden  Parteien 
vorgelegt  wurde. 

Jetzt  brach  aber  der  Sturm  erst  recht  los.  Beide  Theile 
üelen  über  diese  Concordienformel  her.  Hornberger,  der  be- 
sonders heftig  gegen  sie  zu  Felde  zog,  konnte  jetzt  nicht  mehr 
gehalten  werden  und  schied  noch  im  selben  Jahre  aus  Oester- 
reich.*    Es  ist  kein  Zweifel,    dass   er   durch  seinen  üebereifer 


'  OiMer  drQckte  auch  dem  Strein  sein  Befremden  du-Uber   aiu,   dani   sie 

dieaen  .feinen  gelehrten  Mann'  wegziehen  liesaen ;  vgl.  8.  '216. 
*  Depatirteobericbt  vom  8.  März  1676. 


804 


und    seiim    Leidensuhaftliclikoit    der    evangelischen    Kirche    io 
Ocsterrcich  in  der  Folge  geschadet  hätte;  jedenfalls  aber  häi 
er  unvergleichlich  Besseres  und  Verdienstlicheres   geleistet   all 
der  Flacianer,  den  die  Deputirtcn  ihm  vorgezogen  hatten,  näm- 
lich Opitz.* 

Dieser  war,  wie  schon  bemerkt,  am  13.  April  1574  auf 
ein  Jahr  zum  Prediger  der  zwei  evangelischen  Stände  ange-  j 
stcUt  worden,  am  ihnen  und  den  Ihrigen  ,derzeit  in  des  Land^sd 
marschalls  Behausung  oder  was  ihnen  Gott  sonsten  und  kunftig- 
Uch  für  eine  zum  gemeinen  Gottesdienst  geben  und  bescheren 
möchte,  das  heiUge  Wort  Gottes,  Gesetz  und  Evangelium  inhalt 
der  prophetischen  und  apostoUschen  Schriften  rein  und  lauter, 
in  rechtem,  walirem  Verstand,  wie  der  in  den  alten  Symbolis 
Apostolico,  Nicaeno,  Athanasiano  et  Ambrosiano,  auch  obbe- 
melter  Augsburgischer  Confession,  desgleichen  in  den  Schmal- 
kaldischeu  Artikeln  und  Catechismis  und  Bekenntnissen  Lutheri 
kürzlich  verfasst,  ohne  allen  menschlichen  Zusatz,  Irrthum  und 
Corruptelen,  zur  Busse  und  Vergebung  der  Sünden  im  Namen 
ihres  Herrn  Jesu  Christi  flirtragen  und  predigen  solle,  für  seine 
Person  die  heilige  Bibel  und  die  berülirten  Schriften  selbst 
äeissig  lesen  und  studieren  und  nach  S.  Pauli  Befehl  mit  allem 
Ernst  ob  dem  Wort  halten,  das  gewiss  ist  und  lehren  kann, 
treulich  und  fleissig  seine  Sonntage,  Feste  und  geordnete  Feier- 
tag- und  Wochenpredigten  thue,  gleichfalls  auch  im  Falle  der 
Noth  mit  dem  Diacon,  so  die  zween  Stände  insonderheit  ange- 
nommen, in  Rcichung  der  heiligen  hochvvürdigcn  Sacramenta 
guten  Beistand  thun  oder  im  Fall  seiner  Abwesenheit  solches 
selbst  verrichten  solle  .  .  .'  Verlangten,  dass  er  ,zur  Hinderung 
oder  Zerrüttung  gemeines  Friedens  und  chrisdicher  Einigkeit 
dieser  Lande  Kirchen  nichts  thue  noch  fümehme,  alles  unnöthigen 
Gezänks,  Wortkrieges,  ungeistlichen  Geschwätzes,  thörichten 
Fragen  und  unnützen,  unpüsslichi.m  Disputationen  und  Pre-^^ 
digtcn  von  der  Ubiquität,  von  der  Höll  und  Himmelfahrt  deS^H 
Herrn  Jesu  Christi,  von  der  ewigen,  göttlichen  Vorsehung,  von 
der  Substanz  oder  Accidenz  der  Erbsünde,  soll  davon  reden,.^^ 
wie  in  der  Formula  concordiae  begriffen  und  dergleichen,  auch^V 


'  lieber   Mine   wahrhaft   bedeutende    organiaatnriscbe  Thiltigkeit  in  Gra» 
und  seine  s{iitere  Ausweisung  vergleiche  M.  Mayer,  a.  B.  O.,  S.  209  f.,  und 

Losorth,  a.  a.  O.,  S.  208  f. 


205 

/reventlichen  Richtens  und  Bannens  müssijr  ifehe  und  sich  in 
Verrichtung  seiner  Kirchenilmter,  so  viel  möglich  und  Ort,  Zeit 
und  andere  Umstünde  geben,  der  in  ihrem  und  der  zweier 
8t&nde  Namen  publicirten  Agenda  und  derselben  Apologia  ge- 
brauch und  gleichförmig  erzeige  und  nichts  dawider  handle 
nnd  mit  gottseligen  eingezogenen  Leben  und  Wandel,  wie  ainein 
Diener  Gottes  gebürt,  die  Lehre  Christi  in  allen  Stücken  ziere 
und  sich  sonderlich  in  seinem  Dienstamt  keiner  Herrschaft 
über  den  Diaconum  und  seine  Mitbrllder,  auch  über  die  Zu- 
hörer anmasse,  keine  unehrliche  oder  Kirchendienern  ilbel  an- 
ständige Hantierung  treibe,  sich  des  Vollsaufcns,  Zutrinkens, 
öffentlicher  Weinhiluser,  leichtfertiger  Gesellschaft,  Spielens, 
Hadems,  Raufens,  Schiagens,  Wucherns  enthalte  und  um  aller 
Gefährlichkeit  und  sorglicher  ZufUlle  willen  die  päpstisehen 
Kirchen  und  Schulen  und  andere  gefilhrliche  Oerter  inner  und 
Bnner  der  Stadt  Wien  so  viel  möglich  meide  und  sein  Weib 
■«M  Kind  mit  Ernst  zu  Gottesfurcht,  guten  Tugenden  und  ehr- 
lichen Arbeiten  oder  Künsten  halten  und  gewöhne,  damit  weder 
durch  ihn  noch  die  Seinen  jemand  geärgert,  und  den  Wider- 
wärtigen wahrer  christlichen  Religion  sein  Amt  und  Person 
und  ganze  Lehre  des  heiligen  Evangelii  zu  verachten  und  zu 
verlflstcm  Ursach  gegeben  werde'.  Dafllr  sollte  er  sich  ihres 
wirksamen  Schutzes  erfreuen  und  ein  Jahresgehalt  von  350  Gid- 
den  Rh.  sammt  freier  Wohnung,  18  Klafter  Holz  und  50  Gulden 
fUr  den  Transport  seiner  Familie  und  des  Gepäckes  nach  Wien 
erhalten.  Am  nächsten  Tage  stellte  er  den  Revers  aus. ' 
I  Seine  Gegner,  namentlicii  Jakob  Andrett,*  von  dem  auch 

I  ein  gedrucktes  Sendschreiben  gegen  Flacius  ausging,'  beeilten 
sich    alsbald,   diesen  Prediger  bei   den   Ständen  unmöglich   zu 


*  Cod.  Fol.  69'— 77  und  77'.    Ich  glaube  nicht,  das«  die  Erwälinung  dieser 
Fonnala  concordiao  die  Richtigkeit  des  Datnms  (13.  and  14.  April  1574) 

^^^K  «luschliesge.  Hlglicherweiae  hat  man  die  im  Sommer  1574  verfasnte 
^^^VFormel  nachträglich  dem  Bestallungsdecret  eingefilgt.  Jene  braucht 
^^^H*ber  gm  nicht  mit  dieser  identisch  zu  »ein;  erwHhnt  doch  schon  Chyträus 
^^riii  seinem  Schreiben  vom  25.  September  1573  (Cod.  Fol.  45')  eine  ,Formula 
r  concordiae',  die  er  schicken  wollte.  Es  ist  auch  nicht  leicht  anzn- 
I  nebmen,  dasa  sich  der  ungemein  gewissenhafte  Copist  zweimal  naohein- 

I         ander  geirrt  habe. 
;       •  Vgl.  S.  134,  Anm.  I. 

*  Dopatirte  an  Andrea,  ddo.  10.  Februar  1576;  Cod.  Fol    1S8'. 


206 


machen.'  Sie  hinterbrachten  ihnen,  dass  er  wegen  seiner 
flacianischen  Gesinnung  vom  Stadtrath  in  Regensburg,  wo  er 
als  Superintendent  gewirkt  hatte,*  kurz  vorher  seines  Amtes 
enthoben  worden  sei,'  und  Hessen  ihn  durch  die  Deputirten  auf- 
fordern, sein  Abschiedsdecret  vorzuzeigen.  Opitz  rechtfertigte 
sich  darauf  in  zwei  ausführlichen  Bericiiten.  Er  wUrde  sich, 
sagt  er  darin,  nie  in  den  Streit  von  der  Erbsünde  eingemengt 
haben,  wäre  er  nicht  von  dem  Regonsburgej-  Stadtrath  selbst 
hineingezogen  worden,  weil  dieser  nämlich  von  ihm  verschiedene 
Censuren  über  anderwärts  ausgegangene  Schriften  verlangt  habe.* 
Nicht  viel  besser  erging  es  den  zwei  anderen  bei  den  Ständen 
bediensteten  Predigern  Friedrich  Cälestinus  *  und  Becher,  denen 
man  ebenfalls  nichts  Geringeres  zur  Last  legte,  als  dass  sie  ihrer 
flacianischen  Lehre  wegen  von  anderswo  ausgewiesen  worden 
seien.* 

Die  Deputirten  setzten  sich  in  der  zum  Landtage  des 
nächsten  Jahres  zusammengestellten  Relation  äusserst  energisch 
für  ihre  drei  angegriffenen  Prediger,  deren  Wiederanstellang 
für  das  folgende  Jahr  sie  beantragten,  ein  und  griffen  zu  einem 
ungemein  wirksamen  Mittel:  sie  baten,  man  möchte  sie  des 
Depntirtenamtes  entheben,  das  sie  nun  seit  dem  Jahre  1568, 
also  schon  in  das  siebente  Jahr  ausgeübt  hätten,  ohne  irgend 
etwas  Anderes  als  bei  dem  grösseren  Theil  der  Stände  Undank 
geerntet  zu  haben.'  Das  machte  auch  wirklich  Eindnick.  Die 
Stände  baten  sie  in  ihrer  Erwiderung,  im  Amte  zu  verbleiben, 
nahmen  ihre  Entschuldigung  wegen  des  Homberger  an,  obwohl 
Etliche  unter  ihnen  ,fast  gern  gesehen',  dass  derselbe  bei  ihrer 


GbendB   ist  sein  Schreiben  an  die  Depntirten,   ddo.  30.  September    er- 
wShnt. 

Seit  1671  an  Stelle  des  verstorbenen  Nirolaas  Oallos. 
Die  Keg-ensbnrger   lieiMen   .«ogar   im   nSmIichen  Jahre   einen  gedruckten 
Bericht  ausgehen;    vgl.  Raiipach,  a.  a.  O.,  1.  Forts.,  S.  2&4  (.     Opitz   ver- 
fasstt)  darauf  im  Jahre  1578  einen  gründlichen  Gegenbericht;  Tgl.  Preger, 
a.  a.  O.  U,  ä.  392. 
Cod.  Fol.  79' -86. 

Namentlich    durch    den    Qrafon   QUnther    von   Schwaribnrg.     Er    recht- 
fertigte   Hieb    auch    in   einem    besonderen  Schreiben    an  die   Uepntirten, 
ddo.  18.  Mai  1674;  ebenda,  Fol.  86. 
Vgl.  die  folgenden  Landtagsschriften. 
8.  März  1676;  Cod.  Fol.  92— 102'. 


207 


Kirche  bestellt  worden  wttre.  Bezüglich  der  Wiederverwendung 
der  drei  des  Flacianismus  beschuldigten  Theologen  fanden  sie, 
,dass  fast  g^t  wäre,  zu  Vei-hütiing  allerlei  Unraths,  so  hieraas 
folgen  möchte,  sich  hinfüro  dergleichen  Leut,  so  viel  möglich 
kann,  za  enthalten,  wie  sie  denn  Air  gut  achten,  dass  die 
lerm  Deputirten  darauf  gedacht  sein  wollen,  Theologos  oder 
Prädicanten,  so  anderer  Orten  vertrieben  und  abgefertigt,  nicht 
zu  promovieren,  zumal  weil  luRrdurcJi  der  k.  M'  Ursach  geben 
werden  möchte,  denen  Ständen  dergleichen  Leut  abzuschaffen, 
sondern  vielmehr  solche  Leut  befürderu,  die  eines  guten  Lobes 
reiner  Religion  und  guten  Namens  sein.  Soviel  aber  Dr.  Cäle- 
pitinum  belangt,  haben  die  Stünde  seiner  Person  halben  auch 
kein  ander  Bedenken,  allein  dass  denen  Ständen  fUrkommen, 
wie  er  fast  in  grossem  Verdacht  bei  männiglicheu,  dass  er  in 
der  Religion  nit  allerdings  lauter  und  deswegen  anderer  Orten 
vertrieben  sei  worden;  und  weilen  sonderlich  die  Stände  be- 
linden, dass  er  nunmehr  diisjenig,  dazu  er  bisher  gebraucht, 
vollendet  und  man  seiner  nit  mehr  bedürftig  sein  werde  oder 
zu  einem  Superintendenten  zu  gebrauchen  sei,  so  erachten  die 
Stande,  er  Cälestinus  möchte  mit  ehiater  Gelegenheit  und  gutem 
Fug  seines  Dienstes  erlassen  und  ferner  in  der  Landschaft  Dienst 
nit  aufgehalten  werden. 

,Des  Herrn  Opitii  und  Herrn  Loreuzen  Becher  sein  gleich- 
wol  etliche  unter  denen  Ständen  der  Meinung  gewest,  dass  sie 
beide  auch  alsbald  ftirnehmlich  der  Ursachen,  weil  sie  anderer 
Orten  auch  Übel  abgeschieden  und  allerlei  wider  sie  geschrieben 
werde,  zu  Verhütung  mehrerlei  Verdachts  geurlaubt  und  weg- 
geschaflFt  werden  sollen,  die  meisten  aber  dahin  geschlossen, 
dass  sie  beide  noch  zur  Zeit  bei  ihren  Diensten  doch  unver- 
banden  bleiben,  und  sollen  ihnen  alle  Tractätl  und  anders,  was 
bisher  wider  sie  einkommen,  um  ihre  Verantwortung  zugestellt, 
alsdann  dieselbige  Handlung  alle  etlichen  Universitäten  um  ihr 
laditium,  ob  sie  Gewissens  halben  zu  erhalten  sein,  Uberschicken. 
Da  nun  befunden,  dass  ihre  Verantwortung  für  genugsam  er- 
kannt, möchten  sie  länger  bei  ihren  Diensten  bleiben;  wo  sie 
aber  nit  für  genugsam  gehalten,  dass  sie  entweder  ihren  Irr- 
thum  öä'entlich  revociercn  oder  da  sie  das  nit  tluiii  wollten, 
alsbald,  so  wol  auch  andere  Prädicanten,  so  in  diesem  Verdacht 
nnd  Irrthum  sein,  abgeschafft  würden.  Zum  Fall  sich  auch 
einer   oder   der   ander   entzwischcn    in   seinem  Predigtamt  ver- 


208 


däclitlich  hielte,  sollen  sie  ohne  Mitte!  geurlaubt,  sonsten  aber 
bis  zur  Aufrichtung  des  Consistorii  und  der  Superintendenten 
sollte  neben  den  Herrn  Deputierten  und  Herrn  Christoffen 
Reuter  noch  ein  gelehrter  Tlieologus,  so  reiner,  unverfälschter 
Lehre,  gehalten  und  hierinnen  keine  Unkosten  erspart  werden.'  * 

Die  Religionsdeputirten  Hessen  sich  auf  diese  so  entgegen- 
kommende Replik  hin  zur  Weiterfilhrung  ihrer  Amtsgeschäfte 
herbei,  erklärten  aber,  des  Cälestinus,  der  llbrigens  mit  kaiser- 
licher Bewilligung  aufgenommen  worden  sei,  ,zu  Aufrichtung 
des  Consistorii  und  anderer  f\lrfallenden  Sachen'  gar  nicht  ent- 
rathen  zu  kijnnen.  Sollten  die  künftigen  Deputirten  die  Reli- 
gionsgeschftfte  mit  einem  anderen  Theologen  richten  können, 
so  hätten  sie  nichts  dagegen. 

Wenn  vorgegeben  werde,  er  sei  aus  anderen  Städten 
vertrieben  worden,  beruhe  dies  auf  einem  Irrthum.*  Bezüglich 
der  von  Regensburg  wider  Opitz  verbreiteten  Anklagen  er- 
klärten sie  sich  bereit,  seine  Verantwortungsschrift  mehreren 
unparteiischen  Kirchen  zuzuschicken  und  deren  Ccnsuren  zu 
erwarten,  denn  von  den  Universitäten  werde  kaum  eine  in 
ganz  Deutschland  zu  finden  sein,  die  nicht  bereits  ftlr  die  eine 
oder  die  andere  Lehrmeinuug  Partei  ergriffen  hätte.  Becher 
aber  habe  sich  nie  an  dem  ErbsUndenstreite  betheiligt  und  sei 
nnr  deshalb  von  den  kurftii-stlich-sächsischcn  Theologen  seines 
Dienstes  enthoben  worden,  weil  er  Melanchthon's  Doctrinale, 
wogegen  er  einige  begründete  Bedenken  hatte,  nicht  unterfertigen 
wollte.' 

Der  festen,  entschlossenen  Haltung  der  Deputirten  gegen- 
über gaben  endlich  die  Stände  —  nicht  zum  Heile  der  evan- 
gelischen Kirche  in  Oesterreich  —  nach  und  entschuldigten 
sieh  noch  obendrein  in  ihrer  Schlusserledigung  vom  30.  Mürx: 
Sie  hätten  nur  gedacht,  man  würde  des  Fr.  Cillestinus,  den  sie 
übrigens  nie  im  Verdachte  ,uni-echter  Religion'  gehabt  hätten. 
nach  Vollendung  des  Lehrbuches,  der  Apologie  ■»'^  undorcf 
dogmatischer  Schriften  nicht  rael  -  '  '  ' 
ferne  die  Deputirten  aber  weitr-      ■;■, 


'  Grleili^nni;  ilor  Stünile, 
'  Er  war  th.ttaäclilicli 

An«tr.,  S.  18. 
»  Cod.  Fol.  106—106*. 


209 


sie  oichts  dagegen  einzuwenden.  Becher  sei  nunmehr  durch 
verschiedene  eingelaufene  Berichte  vollkommen  gerechtfertigt 
worden.  Auch  gegen  die  Belassung  des  Opitz  trtigen  sie  keine 
weiteren  Bedenken,  falls  er  sich  seinem  Reverse  gemäss  ver- 
hielte, und  seine  Rehabilitation  seitens  einer  oder  mehrerer  Uni- 
versitäten erfolgt  sei.  Nicht  gegen  die  vertriebenen  Prädicanten 
überhaupt  wendeten  sie  sich,  sondern  lediglich  gegen  die, 
welche  , einer  irrigen  Lehre  halben'   vertrieben  worden  seien.* 


5.  Xenerlichc  Verhandlimücn  ober  die  Wahl  eines  Super- 
intrndcnten.     Errichtung    einer    evangellsclien    Laiid- 
schaftsscbule. 

Im  Landtage  desselben  Jahres  unternahmen  die  Stände 
eiaen  ernsthaften  Schritt  zur  Ausgestaltung  ihres  Kirchenwesens. 
E»  wurde  beschlossen,  das  Doctrinale,  auf  welches  sich  die 
gedruckte  Agende  berief,  und  das  nun  endlich  fertiggestellt 
war,  einem  Ausschuss  von  je  sechs  Landleuten  aus  dem  Hcrren- 
und  Ritterstand  neben  den  Deputirten  und  einigen  gelehrten 
Theologen  zur  Begutachtung  vorzulegen,  hierauf  im  Sinne  der 
kaiserlichen  Resolution  vom  14.  Jänner  1571  den  drei  Uni- 
versitäten Tübingen,  Wittenberg  und  Rostock  zur  Censur  zu 
schicken  und  im  Falle  ihrer  Zustimmung  in  den  Druck  zu 
legen;  falls  aber  in  einem  oder  dem  andern  Punkte  Bedenken 
geftossert  würden  oder,  wie  zu  erwarten  stand,  einander  wider- 
sprechende Gutachten  einkUmen,  sollte  es  vorher  entsprechend 
umgearbeitet  und  der  Stände  ßeschluss  darüber  eingeholt 
werden.  Auch  sollten  die  Deputirten  an  die  evangelischen 
Stände  des  Landes  Oesterrcich  ob  der  Enns  die  Anfrage 
ergehen  lassen,  ob  sie  zur  Ueberprüfung  dieses  Doctrinals  ihre 
Verordneten  hersenden  und  sich  ebenfalls  ,um  christlicher 
nachbarlicher  Einigkeit  willen'  dazu  bekennen  wollten.  Nach 
Erledigung  dieses  Punktes  sollte  die  Apologie  im  Ausschusse 
vorgenommen  werden,  doch  ohne  sie  einstweilen  durch  den 
Druck  zu  veröflFenthchen. 

Auch  die  Errichtung  eines  Consistoriuma  mit  einem  Super- 
intendenten trat  wieder  in  den  Vordergrund.  Seitdem  der  im 
'^*ire  1673  vorgeschlagene  Pauli  bei  dem  Kaiser  nicht  durch- 


«  Cod.  Fol.  107—108'. 
kn%iy.  LTimi.  Bd.  I.  HUne. 


14 


210 


zubringen  gewesen  war,'  war  von  der  Besetzung  dieser  Steile 
nicht  mehr  gesprochen  worden.  Die  Deputirten  wurden  jetzt  mit 
der  Bildung  desselben  betraut  und  erhielten  den  Auftrag,  ,8ich 
alsbald  um  eine  wo!  qualiHcierte  Person,  welche  zu  einem  Super- 
intendenten und  Anrichtung  eines  solchen  Werks  zu  gebrauchen, 
auch  andere  dazu  gehörige  Personen  vermüg  der  verfnssten 
Consistorialordnung  umzusehen,  denselben  Superintendenten,  wo 
vonnöthen,  der  k.  M.  namhaft  zu  machen'.  Wenn  das  geschehen, 
hätten  die  Stttnde  nichts  dagegen,  ,inmassen  sie  sich  auch  auf 
die  Assecuration  reversiert,*  sich  mit  ihren  Kirchen  und  Pre- 
digern dem  Consistorio,  soviel  die  Ordnung  geben  und  sich 
thuen  lassen  wird,  doch  ihres  jeden  Vogt-  und  Lehensgerech- 
tigkeit unbenommen,  zu  unterwerfen'. 

Für  diese  Stelle  eines  Superintendenten  wurde  nun  von  den 
Deputirten  Mag.  Michael  Besler  zugleich  mit  einem  anderen, 
nicht  näher  Genannten,  vorgeschlagen.  Falls  jener  aber  zu  diesem 
Amte  nicht  tauge  oder  angenommen  werden  könne,  sollen  ,die 
Herrn  Deputierten  andere  Personen  mehr,  deren  der  Stände 
Erachten  nach  sonder  Zweifel  im  Reich  noch  wol  zu  Knden 
sein  sollen  und  sonderlich  auch  bei  dem  Herrn  Davide  Chj'trÄo 
nachforschen  und  alsdann,  wo  ihnen  einer  zum  tauglichsten 
berühmt  wird,  demselben  zuvor  seine  Instruction  und  änderst, 
darauf  er  zu  bestellen  und  sich  reversiren  solle,  zuschicken,  da- 
mit, wenn  er  sich  darauf  nit  bestellen  lassen  wollt,  er  nicht 
vergeblich  und  umsonst  ins  Land  gesprengt  und  grosse  Un- 
kosten verwendet  werden.  Insonderheit  aber  sollen  die  Herrn 
Deputirten  vor  allen  Dingen  darauf  bedacht  sein,  dass  eine 
wiche  Person  berufen  werde,  die  sich  des  neuen,  leidigen 
Streits  von  der  Erbsünde  nicht  tlieilhaftig  gemacht,  noch  den- 
selben dieser  Lande  Kirchen  zuzuziehen  gesinnet  und  sonsten 
reiner,  unverfälschter  Lehre  und  der  Augsburgischen  Confession 
wahrhaftig  zugethan  und  eines  guten  Namens,  Lebens  und 
Wandels  sei.  Wenn  dann  das  Consistorium  dermasscn  bestellt. 


Maximilian  hatte  gegen  dessen  Person  , Bedenken'  getragen;  Strein's  Re- 
lation  1578;  Fol.  288".  Siehe  8.  197. 

Üie  Fertigung  des  Reverses  scheint  aber  trotidem  nnterblieben  zu  sein 
(vgl.  ä.  163,  Anm.  1),  wenigstens  beruft  sich  Kaiser  Rudolf  in  seiner 
Instrnction  fUr  Erzherzog  Ernst,  ddo.  11.  März  1&79  (Manchner  Allge- 
meines Reichsarchiv,  Oesterr.  Ret.  A.  VO,  Fol.  1 10)  auf  den  «verglichenen, 
aber  noch  angefertigten  Revers'. 


211 


sollen  alsdann  femer  durch  dasselbe  auf  dem  Lande  vier 
Viertelinspectorea  oder  Specialsiiperintendenten  auch  geordnet 
werden,  mit  dem  Befehl,  dass  dieselben  auf  die  benachbarten 
Kirchen  und  PfaiTer  Gutachtun^  haben  und  aDerlei  Lrrthümer 
und  klinftige  Strittigkeit  und  Aergemiss  soviel  möglich  ver- 
hüten, oder  wo  das  durch  sie  nit  bescbehcu  könnte,  an  das 
Consistorium  um  gebürliches  und  nothwendigcs  Einsehen  ge- 
langen lassen,  doch  dass  auch  solche  Personen  hieüu  gebraucht 
werden,  welche  eines  friedliebenden,  schiedlich en  Geistes,  reiner 
Religion  und  in  göttlichen  Sachen  ziemlicher  Erfahrung  und 
Verstandes  sein,  welchen  sie  dann,  ob  sie  wol  ihre  eigene  Pfan*- 
dienste  haben,  eine  geblirliche  Ergötzlichkeit  für  ihre  Mühe  er- 
folgen und  solche  Ordnung,  da  es  vonnöthen,  auch  mit  Vor- 
wissen  der  k.  M.  ins  Werk  richten  sollen'. 

Auch  einigten  sich  die  Stünde  dahin,  bis  zur  vollständigen 
Aufrichtung  des  Consistoriums  bei  der  Aufnahme  von  Prädi- 
canten  und  Lehrern  eine  Ordnung  ,zu  Verhütung  allerlei  künf- 
tigen Unraths  und  Aergernissen'  zu  bestimmen,  auf  welche  sich 
dieselben  künftig  reversiren  sollten.  Ferner  sollte  , allen  der 
Stände  Priidicanten  hiemit  lauter  verboten  sein,  einige  Bücher 
oder  Streitschriften  wider  jemand  andern  inner  oder  ausser 
Landes  ohne  der  Herrn  Deputierten  Vorwissen  auszusprengen 
oder  in  den  Druck  zu  geben  oder  auch,  wiewol  bishero  von 
etlichen  geschehen,  auf  öffentlicher  Kanzel  namhaftig  wider  den 
andern  zu  predigen'. 

Endlich  wurden  auch  bezüglich  der  Errichtung  einer 
evangelischen  Landschaftsschule  und  Bewilligung  einer  ,offenen 
Kirche'  Beschlüsse  gefasst' 

Durch  solche  Mittel  hofften  die  Stände  das  hereinbre- 
chende Verderben  ihrer  jungen  Kirche  aufhalten  zu  können. 
Noch  wilre  vielleicht  Alles  gut  geworden,  wenn  sie  an  Stelle 
der  Flacianisch  gesinnten  Religionsdeputirten  andere,  gemiissig- 
lere  Männer  gesetzt  hutten.  Diese  glaubten  allen  Ernstes,  mit 
der  beantragten  Landesverweisung  des  Dr.  Johannes  Matthllus 
Alles  zur  Ordnung  des  evangelischen  Religionswesens  gethan 
zu  haben,  und  stellten  sich  auch  in  ihrem  Rechenschaftsbericht 
vom  8.  März  1575  das  ehrende  Zcugniss  aus,  das  aus  ihrem 
Munde  allerdings  etwas  sonderbar  und  wie  die  reinste  Selbst- 


■  Instniction  filr  die  Depatirten,  ddo.  91.  Jtiiii  1676;  Cod.  Fol.  110. 


212 


ironie  klingt,  soviel  durch  Gottes  Gnade  ausgerichtet  zu  haben, 
,dass  die  gräulichen  Abgöttereien,  so  vor  dieser  Zeit  fast  in 
allen  Winkeln  dieses  Landes  gewesen,  mehrers  teils  abgeschafft, 
die  reine,  prophetische,  apostolische  Lehre,  wie  durch  den 
treuen  Werkzeug  Gottes  Dr.  Luthern  an  Tag  gebracht,  ge- 
pflanzet,  auch  allen  Corruptelen  und  Irrthümern,  Secten  und 
Schwärmereien,  wie  die  immer  Namen  haben  mögen,  gewehrt, 
dass  dieselben  bei  dieser  ihrer  Administration  nicht  eingerissen, 
und  da  sie  etwas  dergleichen  vermerkt,  soviel  sich  thun  hat 
lassen,  dasselbig  abgestellt,  also  dass  sie  hoffen,  dass  ausser 
des  Johannes  Matthäi  obbemelt  jetziger  Zeit  kein  falscher 
Lehrer  oder  Pfarrer  bei  der  zweier  Stände  Kirchen  öffentlich 
ins  Predigtamt  kommen,  darüber  auch  nicht  geringen  Kampf 
mit  ihren  Widersachern  ausstehen  müssen,  dazu  auch  soviel 
möglich  alle  ärgcrUche  Gezänk  und  Streit  verhütet,  also  diese 
Kirchen  bishero  in  ziemlichen  Frieden  erhalten  worden'.' 

Johann  Matthäus,  damals  unstreitig  einer  der  tüchtigsten 
Prediger  in  Oesterreich,  der  nachher  in  Krems  a.  d.  Donau  in 
wahrhaft  mustergiltiger  Weise  sein  Seelsorge-  und  Schulmeister- 
amt verwaltete,  war  den  Ständen  von  Andrea  empfohlen  worden 
und  predigte  einstweilen  im  Hause  des  Freiherm  von  llofkirchen. 
Weil  er  aber  kein  Flacianer  war,  hatten  sie  alsbald  heraus- 
bekommen, ,dass  dieser  nicht  der  reinen  Lehre  und  Augsbur- 
gischen Confession  zugethan,  sondern  ein  Calvinist  sei,  welcher 
sich  hievor  lange  zu  Heidelberg  gehalten  und  am  selben  Ort 
von  den  calvinischen  Theologen  zum  Doctorat  promoviert  und 
hernach  zu  Amberg  in  der  obern  Pfalz  Superintendens  worden, 
von  dannen  er  etliche  reclitschaffene  evangelische  Prediger 
vertreiben  und  verfolgen  lassen  helfen  und  doch  Ictzlich  auch 
vom  Kurfürsten  zu  Heidelberg  des  verdachten  Arrianismi 
lialbcn  seines  Amtes  und  Dienstes  dies  Orts  entsetzt  worden'. 

Dieser  Vorwurf  entsprach  allerdings  den  Thatsachen  und 
bildete  auch,  obwohl  er  im  nächsten  Jahre  zu  Regensbur^ 
Beine  calvinischen  Irrthümer  widerrief,  die  Grundlage  für  seine 
spätere  Ausweisung  durch  Kaiser  Rudolf  U."  Der  Landmar- 
schall fand  es  daher  fUr  angezeigt,  den  Herrn  von  Hofkirehen 


'  Depntirtenbericht,  ddo.  8.  Mürz  1675. 

*  Vgl.  aber   ihn   Raapacli,  a.  a.  O.,  1.  Fortsetzung,  S.  302 f.;   Presb.  Aiutr. 
B.  113  f.  nnd  Sappl.  8.  63. 


213 

ioBgeheim  vor  seinem  Prediger  zu  warnen,  der  darauf  seine 
Rechtfertigung  bezüglich  des  ArrianiBinus  und  sein  Bckenntniss 
aber  das  heilige  Abendmahl  einschickte.  Weil  aber  in  letztcrem 
die  .antithesis  oder  die  Gegenlchrc'  fehlte,  vermoclite  er  nicht 
den  Verdacht  zu  beseitigen.  Er  musste  daher  ein  neues  aus- 
arbeiten und  darin  ,thesis  und  antithesis*  setzen,  über  welches 
dann  die  Deputirten  und  ihre  Theologen  zu  Gericht  sassen. 
Ihre  darüber  verfasste  Censur  wurde  dem  Freiherrn  mit  dem 
Ersnchen  mitgetheilt,  ,dass  er  ihn  als  einen  Calvinischen  nicht 
befördern,  sondern  fahren  lassen  soll'.  Nun  erschien  Matthilus 
selbst  bei  dem  Landinarschall  und  erbat  sich  ein  Oolloquium 
mit  den  ständischen  Predigern,  in  welchem  Anliegen  er  auch 
von  Hofkirchen  unterstützt  wurde.  Hio  Deputirten  gaben  darauf 
die  Gründe,  , warum  sie  den  Dr.  Matthäum  für  einen  Calvi- 
nisten  halten',  bekannt  und  verweigerten  seine  Zulassung  zum 
CoUoquium  und  seine  Anstellung  als  Prediger.  , Könnten  ihm 
auch,'  fügten  sie  hinzu,  , nicht  rathen,  dass  er  ihn  ferner  für- 
dem  solle,  in  Ansehen,  dass  wir  in  allen  unsern  Suppliciem 
der  Religion  halben  der  vorigen  und  der  jetzigen  k.  M.  klar 
und  lauter  zugesagt  und  verheissen,  uns  auch  gegen  dieser  k.  M. 
reversiert  hätten,  dass  wir  keiner  fremden,  falschen  Lehre,  wie 
die  immer  geheissen  werden  möchte,  uns  teilhaftig  machen, 
.  .|todern  allein  bei  der  Augsburgischen  Confcssion  verharren 
Eliten  und  keinen  fremden  oder  falschen  Lehrer  bei  uns  halten 
oder  flSrdem'.  Hofkirchen  bestand  aber  auf  dieser  Conferenz 
und  legte  eine  neuerliche  Erklilrung  seines  Predigers  bei.  Die 
darauf  seitens  der  Deputirten  erfolgte  Erwiderung  wurde  dem 
Hofkirchen  in  Gegenwart  etlicher  Landleute  übergeben,  , darin 
des  Dr.  Johannis  Matthtti  Irrthura  lauter  dnrgetlian  und  erwiesen, 
dass  er  nicht  der  Augsburgischen  Confession  verwandt,  sondern 
calvinisch  und  ein  Sacramentierer  ist'.'  Auch  die  Stände  schlössen 
sich  endlich  dieser  Anschauung  an  und  beauftragten  in  ihrer 
Schhisserklärung  vom  30.  Mai  1575  die  Deputirten,  darauf  zu 
sehen,  , damit  er  aufs  fürderiichste  aus  dem  Land  gebracht 
werde'.* 

Wie  genau  übrigens  dieser  Auftrag  befolgt  wurde,  beweist 
die  Thatsache,  dass  Matthäus  noch  im  selben  Jahre  als  Stadt- 


<  Deputirtenberieht,  ddo.  8.  MHrz  1676 ;  Cod.  Fol.  100  f. 
*  Ebend*.  Fol.  107'. 


214 


prediger  nach  Krems  berofon   wurde    und   dort  bis  zu   seiner 
Ausweisung  (24.  Juni  1578)  sein  Amt  versah. 

Die  Rücksichtnahme  auf  den  Kaiser  und  auf  ihren  Revers 
hinderte  aber  die  Deputirten  nicht,  Prediger  in  ihre  Dienste 
aufzunehmen,  ,die  als  Fanatiker  mit  eisernem  Reif  um  Hirn 
und  Herz  Kaiser  Maximilian  an  der  Herstellung  des  Friedens 
verzweifeln  Hessen' '  und  zuwider  den  Bestimmungen  der  Con- 
eession  und  dem  Wortlaute  ihres  Reverses  die  Katholiken  auf 
das  Gröbste  befehdeten.  Namentlich  Opitz  trieb  es  so  argi  dass 
sich  der  Kaiser,  der  doch  sicherlich  dem  Flacianismus  gegen- 
über duldsam  war,*  veranlasst  fand,  am  30.  März  1575  an  den 
LaudmarsehaU  und  die  Verordneten  ein  sehr  unj^uädiges  Decret 
ergehen  zu  lassen,  worin  er  sich  Über  die  Landleute  und 
namentlich  über  Opitz  beschwert.  ,Wir  zweifeln  gnitdigst  nit,* 
heiset  es  dai-in,  ,eueh  sei  rinvcrborgen,  was  den  23.  Martii  an 
S.  Michaelskirchen  oder  Freithofsthür  für  ein  Schmachzettel 
inliegender  Abschrift  gemäss  öflenüich  angeschlagen  befunden 
worden.  Wiewol  uns  nun  der  Autor  über  bestellte  Inquisition 
unbewisst,  so  erscheint  doeh  aus  derselben  klärlich,  dass  solche 
Schmachzettel  von  einer  oder  mehr  Personen  den  Landleuten 
der  Augsburgcrischcn  Confession  zugehörig  herfliesse,  dieselb 
auch  also  unbedächtlich  gestaltet,  dass  es  mehr  zu  des  gemeinen 
Manns  Aergemiss,  auch  etwa  zu  allerhand  Unruhe  zwischen 
den  Ständen,  denn  zu  guter  Einträchtigkeit  gemeint,  welches 
ims  ganz  missfallig  und  von  keinem  Teil,  er  sei  was  Religion 
er  wolle,  zu  gestatten  sein  will.  Ist  derhalben  hiemit  unser 
gnädigster  Befehl,  da  ihr  den  Autorem  wisset,  dass  ihr  uns 
denselhen  alsbald  wollet  namhaft  machen,  die  Gebür  zu  haiidlcn 
haben,  daneben  aber  bei  cudi  und  bei  allen  Landleuten  die 
FUrsoluuig  und  Bestellung  thun,  damit  solches  forthin  nit  allein 
durch  dergleichen  Anschlagen,  sondern  auch  im  Predigen  und 
Schreiben  sowol  heimlich  als  öffentlich  unterbleib.  Denn  da  es 
nit  geschehen  und  solche  jetzige  ärgerlichi*  Schmäluingen  zu 
des  gemeinen  Manns  Bewegung  und  Ausspinnung  Gefilhrhch- 
keit  mehr  also   pubUeiert   würde,  zumal  in  unser  Stadt  Wien, 


'  Vgl.  Looticho,  Mskiicbtlioii'i)  Beziehungen  zu  Oeüterreich-Ungaru;  Jahr- 
buch der  GeselUchaft  für  Geschichte  des  Protestantismus  in  Oesterreich 
XVin,  1897,  8.  14. 

*  Vgl.  meinen  Aufsatz  .Nidbrnck  und  Tauner'  im  Archiv  für  Österreichische 
Geschichte,  S5.  Band,  18U8,  S.  401  f. 


215 


ilarlnnen  diesen  Leuten  kein  solcher  Platz  und  Freiheit  zugo- 
Ussen  ist,  wUrden  wir  gegen  denselben  selbst  Abstellung  zu 
thun  nit  unterlassen  können.  Sonsten  ist  weniger  nit  denn  dass 
der  Opitius  eines  bösen  Lobs  tUr  friedhässig  und  haderig,  auch 
in  seiner  Lehre  sträflich  berühmt  und  aller  Orten,  da  er  sich 
vor  gehalten,  mit  schlechtem  AVillen  abgeschieden,  inmassen 
denn  unser  und  des  Reichs  Stadt  Kegensburg  ihn  nit  allein  mit 
Unwillen  von  sich  gebracht,  sondern  ein  ganz  Tractat  oder 
Bücher  wider  ihn  öffentlich  in  Druck  ausgehen  lassen,  welches 
demnach  Ursach  genug,  dass  eure  Landschaft  seiner  und  seines- 
gleichen mlissig  stellen  und  sich  besserer  und  tauglicherer  Leut 
gebrauchen  möchten." 

Die  Deputirten  beeilten  sich  durchaus  nicht,  dieser  kaiser- 
lichen Aufforderung  nachzukommen,  und  Opitz  trieb  nach  wie 
vor  sein  Wesen.  Als  der  Kaiser  gegen  Ende  dieses  Jahres  Strein 
wegen  der  vorzeitigen  Aniichlung  des  evangelischen  Gottes- 
dienstes im  Landhause  zu  sich  beschied,  wiederholte  er  unter 
Anderem  auch  sein  Missfallen  darüber,  ,das8  die  Deputirten  einen 
Prädicanten  aufgestellt  hätten,  welcher  von  Regensburg  seines  Irr- 
thums  und  dass  er  allerlei  Unruhe  in  der  Stadt  erweckt  hätte, 
weggeschafft  worden,  welches  nit  recht  war.  Die  Staude  machten 
ihnen  im  ganzen  Reich  ein  bös  Geschrei,  dass  sie  alle,  die  so 
nirgends  gelitten  würden,  nur  gar  gern  aufnehmen.  Hätt's  jetzt 
vergangen  vom  Kurfürsten  zu  Sachsen  zu  Regensburg  selbst 
anhören  müssen.  Könnten  sie  doch  wol  sonst  Leut  genug  haben 
Eichsen,  Braunschweig,  Württemberg,  die  nit  verdächtig 
Er  Hess  daher  dem  Landmarsclifiil  anzeigen,  er  möge 
verordnen,  ,das8  der  Predigstuhl  mit  einer  andern,  tauglichen, 
unverdächtigen  Person  versehen  werde,  wie  denn  1.  M.  ver- 
stünde, dass  sie  einen  feinen,  gelehrten  Mann,  davon  er  (Strein) 
I.  M.  hievor  gesagt  hätte  (er  meinte  Hornberger),  wegziehen 
lassen,  welchen  sie  billig  behalten  sollen^.' 

Der  Landmarschall  führte  zu  seiner  Entschuldigung  an, 
68  wäre  allerdings  wahr,  dass  Opitz  aus  Regensburg  abgeschafft 
worden  sei,  doch  wäre  ihm  dabei  Unrecht  widerfahren.  Dieser 
stünde  auch  im  Begriffe,  sich  deswegen  zu  rechtfertigen.  Sie 
hätten    ihn    nur    deshalb    dem    Hornberger    vorgezogen,    weil 


*  Abschrift  im  u.-O.  LAndesarchiv,  B.  3.  26. 

*  Siehe  oben,  S.  :!03. 


216 


dieser  keinen  Revers  darUber  ausstellen  wollte,  dass  er  sich 
des  Streites  llber  die  Erbsünde  enthalten  vrürdc,  während  Opitz 
sich  deswegen  und  noch  auf  andere  vom  Kaiser  genehmigte 
Artikel  verpflichtet  hätte.  Der  Landmarschall  erbot  sich  hierauf 
im  Namen  der  Deputirten,  Opitzens  VerantwortTingsschrift 
innerhalb  zweier  Monate  an  zwei  unparteiische  Universitäten, 
und  zwar  nach  Rostock '  und  Frankfurt  zu  schicken  und  deren 
Censuren  darüber  einzuholen,  welches  Anerbieten  er  am  so 
leichter  stellen  konnte,  als  die  Deputirten  von  den  Ständen 
bereits  dazu  beauftragt  worden  waren.*  Wofeme  nun  diese  Cen- 
suren gegen  Opitz  ausfielen,  wollton  sie  ihn  ohneweitcrs  entlassen, 
im  anderen  Falle  aber  erhofften  sie  des  Kaisers  Zustimmung. 
Mit  dieser  Erklärung  gab  sich  der  Kaiser  zufrieden.  Nur  sollte 
die  Einholung  derselben  möglichst  betrieben  werden,  und  Opitz 
sich  iinterdesaen  ,gebürlich  und  bescheiden'  verhalten.* 

So  war  also  der  Angrifi"  auf  Opitz  glücklich  abgewehrt. 
Gegen  Andrea  aber,  der  am  meisten  zu  dessen  Verfolgung 
beigetragen  und  in  dem  Sendbrief  an  M.  Flacius  die  Uneinig- 
keit der  österreichischen  Stände  hervorgehoben  hatte,  kehrte 
sich  jetzt  ihr  ganzer  Unmuth.  Es  komme  ilinen,  schrieben  sie 
ihm,  etwas  fremdartig  vor,  dass  er,  der  firüher  ihren  Eifer 
bei  der  Unterdrückung  der  Secten  gelobt  hätte,  kurze  Zeit  dar- 
auf ihre  Uneinigkeit  tadle  und  sie  beschuldige,  als  nähmen  sie 
,solche  irrige,  falsche  und  verdammte  Lehrer  an  und  auf,  die 
sonsten  im  ganzen  Reich  deutscher  Nation  bei  keinem  Kur- 
fürsten, Fürsten,  Stand  oder  Stadt  des  Reichs  Augsburgerischer 
Confession  Platz  haben  sollen,  dergleichen  denn  seines  Erachtens 
insonderheit  sein  solle  ihr  bestellter  Prediger  allhie  zu  Wien, 
den  neben  anderen  Predigern,  wie  er  sie  verhasslich  nennet, 
alle  Christen  bei  Verlust  ihrer  Seelen  Seligkeit  fliehen  und 
meiden  sollen'. 

Mit  einer  merkwürdigen  Unverfrorenheit  erklärten  sie 
dann,  dass  ihnen  von  einer  .solchen  Zerstörung  vcrhoffter 
Ewigkeit'  in  ihrer  Kirche  nichts  bekannt  sei,  mit  Ausnahme 
des  einen  Falles  Hornberger,  den  sie  aber  auch  schon  aus  dem 
Lande  gebracht  untl  durch  Opitz  ersetzt  hätten.  Diesen  und 
andere   aber   btos   dosshalb   für  irrige   Lehrer   zu  halten,  weil 

*  Ueber  dieeea  Gatacbten  vgl.  Baapacb,  a.  a.  O.,  S.  142  f. 

*  Siehe  oben,  S.  2Ü9. 
'  Strein's  RelaUon  1578. 


217 


sie  aus  anderen  Städten  vertrieben  worden,  dazu  hätten  sie 
keinen  genügenden  Grund,  zumal  da  sie  wUssten,  ,da8S  es  zu 
allen  Zeiten  den  beständigsten  Lehrern  göttlichen  Worts  in 
der  Welt  also  gangen,  wie  S.  Paulus  selbst  bekennet'.  Dagegen 
wÄren  sie  gerne  von  diesem  ,alten,  landkundigcn  und  verschla- 
genen Sacramentierer  und  dazu  beschuldigten  Arriancr,  der 
eben  dieser  Lehrer  einer  ist,  so  nicht  allein  bei  den  Reichs- 
Btänden  der  A.  C,  sondern  auch  den  Zwingiianern  und  Catvi- 
nisten  selbst  keinen  Platz  finden  können*  —  sie  meinten  Mat- 
thSuB  —  verschont  geblieben.' 

In  einem  solchen  Tone  sprachen  die  Deputirten  zu  einem 
der  grössten  Theologen  ihrer  Zeit,  der  es  sich  in  der  uneigen- 
nützigsten Weise  zur  Aufgabe  gestellt  hatte,  die  Uneinigkeit 
unter  den  Protestanten  zu  beseitigen  —  demselben,  den  sie  vor 
acht  Jahren  als  Theologen  zu  dem  von  Kaiser  Maximilian  an- 
geordneten Religionstractat  in  erster  Linie  vorgeschlagen  hatten 
—  bloss  dcsshalb,  weil  er  ihnen  in  der  besten  Absicht  die  unver- 
hullte  Wahrheit  gesagt  hatte.  Sie  wollten  aber  nicht  mehr  hören 
and  rannten  auf  der  abschlissigen  Bahn  weiter  —  geradeaus 
in  das  Verderben  der  ihrer  <Jbhut  anvertrauten  Kirche. 

Die  Deputirten  holten  nun  in  Vollziehung  des  StUnde- 
beschlusses  über  den  von  ihnen  zum  Öuporintendcnten  vor- 
geschlagenen M.  Besler  ,bei  ehrlichen  und  christhchen  gelehrten 
Leuten  zu  Nürnberg  und  anderstwo'  Erkundigungen  ein,  die 
natürlich,  weil  er  ein  erklärter  Flacianer  war,  nicht  anders  als 
gut  ausfallen  konnten,  worauf  er  dann,  obwohl  er  von  Nürn- 
berg vertrieben  worden  war,  nach  Wien  berufen  ward.  Die 
Gegner  der  Flacianer  aber  setzten  am  1.  December  1575  den 
Beschluss  durch,  dass  man  sich  bei  dem  Stadtrath  von  Nürn- 
berg selbst  erkundigen  solle,  aus  welchen  Ursachen  er  seines 
dortigen  Kirchenamtes  enthoben  worden  sei.  Man  wandte  sich 
also  drei  Tage  später  an  diesen  und  bat  um  die  Bekanntgabe, 
jbevorab  welcher  Gestalt  und  wie  lang  Besler  ihren  Kirchen 
vorgestanden,  ob  er  sieh  einiger  Lehre,  so  Gottes  Wort  und 
Augsburger  Confession  zuwider,  heimlich  oder  öffentlich  teil- 
haftig gemacht,  sonderhch  aber  in  dem  jetzigen  ärgerlichen 
Streit  de  substantia  et  accidentc  peccati  originis  einigerlei  Weis 
verwandt  sei,   wann    und  aus  was  Ursachen  er  sich  wiederum 


'  Depatirt«  mo  Andrei,  ddo.  10.  Februar  1676;  Cod.  Fol.  138'. 


218 


aus  dem  Kirchenamt  wirklich  begeben,  ob  er  ihnen  mit  Dien- 
sten oder  sonst  noch  verbunden  und  wie  es  summariter  um 
sein  Thun  und  Wesen  allerseits  geschaffen'.' 

Am  23.  Deccmber  erfolgte  die  Antwort:  Besler  habe 
22  Jahre  lang  bis  zum  Jahre  1569  in  ihrem  Dienste  gewirkt, 
zuerst  in  der  Vorstadt  Wörth,  dann  in  der  Stadt  selbst  an  der 
Frauen-  und  an  der  Predigerklosterkirche,  während  welcher 
Zeit  man  an  seinem  Lebenswandel  und  an  seiner  Lehre  nichts 
auszusetzen  gehabt.  Als  aber  vor  einigen  Jahren  der  Flacia- 
nische  »Streit  ausbrach,  und  sich  auch  einige  von  ihren  Prädi- 
canten  und  Lehrern  hineinmischton,  seien  sie  bemUssigt  ge- 
wesen, diese  Streitigkeiten  zuerst  auf  gütHchem  Wege,  dann  mit 
strengen  Massregeln  abzustellen.  Weil  nun  , Besler  sich  dieser 
Flacianischen  Spaltungen  auf  dem  Predigstuhl  und  sonsten  auch 
angenommen  und  über  ihre  väterliche,  wolmeinende  Warnung 
und  Abhaltung  derselben  zu  viel  nachgedenkt  und  ihm  solche 
Unruhe  vielmehr  denn  die  christUche  Einigkeit  und  Wolstand  der 
Kirchen  erwählt  und  belieben  lassen',  er  auch  seines  Alters  wegen 
um  seine  Enthebung  von  der  Predigerstelle  an  der  Klosterkirche 
gebeten  habe,  so  sei  ihm  dieses  nicht  niu"  nicht  bewilhgt,  son- 
dern er  auch  des  anderen  Amtes  an  der  Frauenkirche,  sowie 
der  Supcrintendentur  entliol>cn  und  ihm  eine  jährhche  Gnaden- 
gäbe  unter  der  Bedingung,  dass  er  sich  ruhig  verhalte,  zuge- 
sprochen worden.  Ob  er  sich  aber  ,an  dem  jetzigen  ärgerlichen 
Streit  de  substantia  et  accidente  peccati  originis'  betheiligt  habe 
oder  nicht,  könnten  sie,  da  derselbe  erst  nach  seiner  Suspen- 
dirung  vom  Amte  ausgebroehen  sei,  nicht  angeben.  Gegen  seine 
Berufung  hätten  sie  vom  dienstlichen  Standpunkte  nichts  ein- 
zuwenden, weil  er  bei  ihnen  keine  Sielte  mehr  bekleide." 

Dieses  Schreiben  war  gewiss  deutlich.  Die  Flacianische 
Partei  aber  fand  es  ,unfomihch  und  dunkel'  und  sprach  sich 
trotzdem  für  die  Berufung  des  Bester  aus.  Indess  drang  in  der 
Sitzung  vom  21.  Jänner  157(j  der  Antrag  der  Gegenpartei 
diufch,  der  dahin  ging,  die  Zuschrift  des  Nürnberger  Stadt- 
rathes  dem  Besler  zur  Gegenäusserung  zuzustellen,  was  auch 
am  selben  Tage  geschah.^ 


'  Deputirte    na    deu    Stadtrath;    Cod.    Fol.    124.     Depatirtenbericht,    ddo. 

I.Februar  1576;  ebenda,  Fol.  134f. 
'  Nömberger  Stadtrath  an  die  Deputirten;  Cod.  Fol.  125"  — 127. 
'  Deputirtenbericbt,  ddo.  2.  Februar  lö76;  Cod.  Fol.  134' f. 


219 


Dieser  rechtfertigte  sich  alsbald:  er  habe  nichts  Anderes 
gethan,  als  gegen  die  durch  die  Annahme  des  Interim  und 
durch  die  Adiaphoristen  eingerissenen  Irrthiimer  ,vom  freien 
Willen,  von  gnädiger  Rechtfertigung  und  guten  Werken,  dass 
sie  auch  zur  Seligkeit  nötig',  Stellung  zu  nehmen  und  seine 
Zuhörer  davor  zu  warnen.  Diesen  IrrthUmera  habe  , Matthias 
Flacius  Illyricus  neben  etlichen  andern  beständigen  Kirchen- 
dienern nothalben  widersprechen  müssen,  daher  sie  denn  von 
dem  Gegentheil  und  Vertheidigern  gedachter  interimistischer 
Handlungen  imd  Corruptelen  Flacianer  genennt  und  den  Ober- 
kciten  hiu  und  wieder  mit  Schreiben  und  Schreien,  mit  Spa- 
rong  aller  Wahrheit,  Gottesfurcht  und  Redlichkeit  bis  auf  diese 
Stund  verungUmpft  und  die  Sache  dahin  gebracht  worden,  dass 
nun  alle,  so  dem  lutcrim  und  den  daraus  hergeflossenen  Cor- 
raptelen  widersprochen  und  sich  noch  zur  alten  unverruckten 
Augsburgischen  Confession  und  zum  reinen,  beständigen,  evange- 
lichen  Bekenntnis  der  Schriften  Luthcri  halten,  Flacianische 
Secton  und  Flacianer  sein  und  als  die  älrgsten  Ketzer  verfolgt 
werden  müssen*.  Bezüglich  der  Lehre  von  der  Erbsünde  stehe 
er  noch  auf  dem  Staudpunkte  der  vom  Nürnberger  Stadtiath 
verfassten  ,Formula  concordiac',  die  er  auch  unterschrieben 
habe.* 

Die  Deputirten  waren  mit  dieser  Rechtfertigung  vollständig 
zufrieden  und  stellten  daher  im  Landtage  den  Autrag:  ,Die 
Stände  sollen  im  Namen  Gottes  mit  ihm  schliessen  und  ihn 
entweder  zum  völligen  Superintendenten  oder  nur  Vice-Super- 
intendenten  und  Pastoren,  ob  mittlerwcil  Gott  bessere  Gelegen- 
heit bescheren  wollte,  annehmen',  und  zwar  aus  folgenden 
Gründen:  1.  Haben  die  Stünde  selbst  in  seine  Berufung  ein- 
gewilligt. 2.  Bezeuge  das  Schreiben  des  Nürnberger  Stadtrathes, 
,dass  er  sich  bei  ihnen  eine  Zeit  lang  im  Wandel,  Lehr  und 
Leben  wol  und  cliristhch  verhalten'.  3.  Habe  ihm  dereelbe 
keine  näher  angeführten  L'rlehren  nachgewiesen,  sondern  nur 
im  Allgemeinen  ,Flacianisches  Gezänk'  vorgeworfen,  wogegen 
er  sich  bereits  genügend  vertheidigt  habe.  4.  Wilssten  sie  der- 
zeit den  Ständen  ,keino  anderen  und  besseren'  vorzuschlagen, 
weil  selbst  ,zu  Wittenberg,  Leipzig,  Jena  und  dergleichen  be- 
rflhmten  Orten,    da    doch   viel  Schulen   sind   und   studierende 


'  Becler's  Beautwortuiig,  Jäauer  1676;  ebenda,  Pol.  127—128'. 


220 


Personen  erzogen  werden,  an  dergleichen  Leuten  und  andern 
reinen,  beständigen  und  geachickten  Lehrern  und  Predigern 
selbst  merklicher  Mangel'  herrsche,  5.  Würden  ihre  kirchlichen 
Verhältnisse  immer  ,schwerer  und  fUhrlicher"  werden,  je  länger 
man  die  Besetzung  des  Superintendentenamtes  und  des  Consi- 
storiums  anstehen  liesse.  6.  Käme  es  ihnen  ,Gewi8sen  und  Ehren 
halben'  nicht  zu,  mit  so  hohen  Sachen  Qott  und  seine  Diener 
betrefiFend  so  liederlich  umzugehen  und  unter  den  Dienern  und 
Predigern  göttlichen  Worts  ihres  frefallens  zu  wählen  und  sich 
selbst  den  Leuten  dadurch  ins  Maul  zu  geben,  als  sein  sie 
nicht  eins  und  können  nirgends  keinen  Superintendenten  oder 
Kirchendiener  finden,  die  ihnen  eben  und  annehmlich  wären, 
wie  denn  bereits  dergleichen  Reden  von  ihnen  bei  ausländi- 
schen Leuten  fallen  sollen'.  7.  Wenn  sie  die  gegenwärtigen 
verwerfen  möchten,  wtlrde  ihnen  Gott  statt  dieser  .aus  Zorn 
zur  Strafe'  Leute  zuschicken,  an  denen  sie  nur  , wenig  Ehre 
und  Gewinn  für  Gott  und  rechten  Christen'  haben  wiu-den, 
,wie  denn  Gott  zu  Samuel  sagt,  da  ihn  die  Juden  aus  Ftlrwits 
nicht  mehr  zum  Regenten  und  Superintendenten  haben  wollten: 
Sie  haben  nit  Dich,  sondern  mich  verworfen,  und  drohet  auch 
der  Welt  durch  Ezcchielem  und  S.  Pauluni,  dass  er  solche 
Lehrer  und  Lehren  geben  wolle,  die  nicht  gut  sein  and  sie 
ums  ewige  Leben  bringen'.  8.  Habe  sich  Besler  gegen  sie  ,der- 
massen  zu  verhalten  und  zu  reversieren  erboten',  dass  sie  billig 
zufrieden  sein  können. 

Was  aber  den  Vorwurf  selbst  betreffe,  dass  Besler  näm- 
lich wegen  des  Flacianischen  Streites  seines  Predigeramtes  ent- 
setzt worden  sei,  so  habe  derselbe  wohl  jetziger  Zeit  bei  der 
Welt  einen  grossen  Schein,  aber  bei  verständigen  Christen  und 
ehrbaren  Leuten  nicht  also',  und  würde  auch  vor  dem  welt- 
lichen Gericht  eine  ,so  dunkle,  ungewisse  Anklage'  schwerlich 
angenommen  werden.  Denn  ,rait  sonderer  List'  seien  in  dem 
erwähnten  Schreiben  all'  die  Punkte,  Über  die  er  gestritten, 
verschwiegen,  ,damil  man  sich  nicht  bei  verständigen  Christen 
zu  bloss  gebe,  wenn  man  ausdrücklich  melden  sollte,  dass  er 
wider  das  Interim  und  interimistische  IrrthUmer  gepredigt  habe'. 
Es  sei  nun  ,reichs-  und  landkundig',  dass  der  Rath  von  Nürn- 
berg sich  dem  verderblichen  Interim  angeschlossen  habe,  und 
sich  dadurch  verschiedene  ,Corruptclen  und  Irrtbümer'  dort 
eingenistet    haben,    gegen    welche    nebst    vielen  Anderen,    wie 


9»1 


i^lacios,  Ämsdorf,  Gallus,  die  silchsischen  Städte  etc.  auch 
j2esler,  der  ein  Schiller  Luther's  und  von  diesem  auch  ordinirt 
>eei,  aufgetreten  und  ,in  seiner  Kirchen  das  seine  auch  gethan, 
"wiewol  fast  eher  zu  wenig  als  zu  viel'. 

I  Deshalb   habe   er   nun   ,den   verhasston  Namen    der  Fla- 

cianer*  bekommen,  obwohl  er  doch  nichts  Anderes  lehre,  als  was 
l^och  heutzutage  zu  Rostock,  Hamburg,  Lübeck,  Braunschweig 
tund  vielen  anderen  berühmten  Kirchen  Augsburgischer  Confession 
gelehret  wird  und  auch  D.  Jacobus  Andreas,  der  gleichwol  zuvor 
viel  Jahr  geschwankt,  noch  neulich  in  seinen  sechs  Predigten  (den 
'  einigen  neuen  Streit  von  der  Erbsünde  ausgenommen)  geschrieben, 
gelehret  und  vertheidiget'.     Die   Stände  selbst   hätten  ja  diese 
'ihre  Meinung  bisher  getheilt  und  aus  diesem  Grunde  auch  vor 
[«cht  Jahren   keinen    Theologen,   der   sich    der   erwähnten   Irr- 
jthümer  schuldig  gemacht  hatte,  berufen  woUeu.  ,Des  verworre- 
nen Schulstreits  von  der  Substanz  und  Accidenz  der  Erbsünde' 
wollten    sie   sich   ihrestheils   vollständig  enthalten,  im  Uebrigen 
ftber   bei  der  ,einßtltigen,   wahren  Lehre'  bleiben,  wie  sie  die- 
selbe   in    der    vor    drei    Jahren    verfassten    und    von    Chyträus, 
( Chemnitz  und  anderen  Theologen  gebilligten  Apologie  bekannt 
'  haben. 

,Soll  aber  je,'  schlössen  sie  ihren  Bericht,  ,dies  unser 
I  treuherzig  Rathen,  Bitten  und  Ermahnen  bei  Euch  nichts 
gelten  und  alles,  was  wir  seit  des  G8.  Jahrs  her  Euch  und  ims 
and  dem  ganzen  Vaterland  zum  besten  mit  viel  Mühe  und 
grossen  Unkosten  gerathen  und  gethan  und  in  Schriften  bringen 
lassen,  vernichtiget  oder  umgekehrt,  desgleichen  auch  Beslerus 
tun  der  üederlichen  Beschuldigung  willen  des  NlbTibergerischen 
Schreibens  Verstössen  imd  die  andern  zwei '  etwa  auch  geur- 
laubt  werden:  so  protestieren  und  bezeugen  wir  hicmit,  dass 
wir  uns  solcher  Sünden  nit  teilhaftig  machen,  noch  in  unniitige 
Veränderungen  und  unbillige  Verachtung  und  Verfolgung  un- 
schuldiger Diener  Gottes  wilLgen  können  oder  gewilligt  haben 
wollen  mit  der  deutliehen  Erklärung  zu  unserer  notwendigen 
Verwahrung  in  futurum  eventum,  dass,  da  dergleichen,  was  wir 
doch  nit  hoffen,  geschehen  und  künftig  ein  verdächtiger  Super- 
intendens  oder  Consistorium  Gottes  und  unsern  bisher  geführten 
Glaubensbekenntnissen,   auch  gestelleten  Doctrinal,  Consistorii- 


'  Opitc  nnd  Fr.  CUestinus. 


222 


und  Schulordnung  zumder  bestellet  werden  sollten,  dass  wir 
uns  und  die  unsem  derselben  Jurisdiction  zu  unterwerfen  nicht 
gesinnet,  sondern  unsere  Kirchen  und  Schulen  in  jetzigem 
ihrem  Stande  ruhig  bleiben  zu  lassen  gJlnzlicli  entschlossen, 
der  Zuversicht,  ihr  werdet  uns  die  unsere  christliche  und  not- 
wendige Protestation  zu  keinem  Argen  ausdeuten  und  alle  Sachen 
mit  reifen  Betrachtungen  in  Gottesforcht  erwägen  und  zu  guten 
christlichen  Wegen  richten  helfen.'* 

Durch  diese  etwas  ungewöhnliche  Art  von  Antragstellnng 
eingeschüchtert,  betraten  die  Stände  einen  Mittelweg  und  fassten, 
da  sie  ohnedies  wussten,  dass  Besler  nie  die  kaiserhche  Bestä- 
tigung erlangen  werde,  den  Beschlnss,  ,die  Herrn  Deputierten 
sollen  ihm  Beslero  in  beider  Stände  Namen  anzeigen,  dieweil 
die  k.  M.  seiner  Person  halben  um  des  Nümbergerischen 
Schreibens  willen  Bedenkens,  die  Stände  aber  ohne  I.  k.  M. 
gnädigstes  Vorwissen  das  Superintendentenamt  nit  zii  besetzen 
hätten,  dass  demnach  ihnen  den  Ständen  noch  derzeit  mit  ihm 
Beslero  zu  schliessen  nit  gebiiren  wollte,  sondern  sie  wtlrden 
bewegt,  um  eine  andere  Person  zu  trachten.  Ob  man  aber 
dieselb  nit  erlangen  möchte,  wären  die  Stände  nit  gedacht, 
dies  Supcrintendentcnarat  in  die  Läng  unersetzt  zu  lassen, 
sondern  vielmehr  zu  versuchen,  ob  I.  k.  M.  ungeacht  jetzt 
habender  Bedenken  in  sein  Besleri  Person  gnädigst  wollten 
verwiiligen,  auf  welchen  Fall  sie,  die  Stände  ihn  hernach  mit 
einer  ehrlichen  Abfertigung  zu  seinem  billigen  BenUgcn  be- 
denken, ihm  auch  mittlcrweil  die  notwendige  Unterhaltung  zu 
reichen  verordnen,  die  ihn  bencbens  insonderheit  vermahnen 
Hessen,  dass  er  solche  Zeit  lang  nochraalen  aus  gehörten  Ur- 
sachen Oeduld  zu  tragen  und  bei  dem  Kirchenwesen  sein 
bestes  zu  thun  unbeschwert  sein  wolle*. 

Die  Deputirten  erhielten  Vollmacht,  schleunigst  einen 
oder  zwei  Herren  aus  dem  Ritterstande  mit  einem  Schreiben 
an  Chyträus  abzufertigen,  um  ihn  neuerlich  zu  bewegen,  bei 
ihnen  das  Superintendentenamt,  wo  nicht  länger,  so  doch  auf 
ein  Jahr  oder  mindestens  bis  zur  Aufrichtung  des  Consistoriums 
und  der  Landschaftsschule  zu  übernehmen.  Im  Falle  seiner 
Weigerung  sollten  die  Deputirten  wenigstens  seinen  Rath  ein- 
holen, ,wic  und  wo  sie  etwa  eine  andere  qualificierte,  in  Lehre 


•  üppatirtenbericht,  ddo.  2.  Febrtmr  1576;  Cod.  Fol.  141. 


223 


xmd  Leben  unbefleckte,  sonderlich  dem  jetzigen  neuen  ärger- 
lichen Streit  de  snbstantia  et  accidente  peccati  originia  ganz 
unverwandte  Person  zu  solchem  Amt  erlangen,  danmter  denn 
sie  die  Gesandten  ihm  Chytrüo  Dr.  Simonem  Pauli  und  Jo- 
hannem  Kaufmann  zu  Nürnberg,  als  welche  denen  Ständen 
auch  für  tauglich  gerühmt,  ob  er  wider  sie  kein  Bedenken 
hätte,  benennen  und  ftlrscliiagen'.  Doch  sollte  jedenfalls  früher 
die  kaiserliche  Zustimmung  eingeholt  werden.^ 

Die  Deputirten  entgegneten  darauf  am  26.  März,  die 
Stände  möchten  sich  bezüglich  Besler's  etwas  näher  erklären, 
,wie  and  welcher  Oestalt  demselben  auf  eine  Zeit  das  Kirchen- 
wesen zu  befehlen,  was  mittlerweil  bis  auf  Ankommen  eines 
gaius  völligen  Superintendenten  sein  Amt  und  Werk  sein,  wo- 
hin er  endlich  verordnet  und  wie  er  unterhalten  werden  solle, 
sintemal  ihm  auf  eine  solche  Ungewissheit  zu  dienen  und  zu 
verharren  beschwerlich  sein  würde  und  er  ihrethalben  zu 
Nürnberg  sein  versprochen  Gnadengeld  verlieren  möchte  und 
wie  zu  besorgen  bereits  verloren  hat'. 

Qegen  die  Delegirung  eines   oder  zweier   Landleute   zu 

Etyiräos  hatten  sie  einzuwenden,  dass  abgesehen  von  den  be- 
utenden Kosten  einer  derartigen  Mi.ssion,  dieser  schwach 
und  krank  sei  and  erst  vor  wenigen  Monaten  in  einem 
Briefe  an  einige  Ständemitglieder  geschrieben  habe,  man  möge 
ihn  mit  der  Revision  des  Doctrinals  seiner  Leibesschwachheit 
und  vieler  Geschäfte  wegen  verschonen,  ausserdem  wolle  er 
ihnen  sowohl  als  anderen  künftighin  keinen  Kirchendiener 
empfehlen,  man  wollte  denn  diesen  selbst  , zuvor  gegenwärtig 
eine  Zeit  laug  prubieren,  hören  und  sehen  und  seiner  Lehre 
halber  Kundschaft  einziehen'.  PauÜ  könne  man  vielleicht  zur  An- 
nahme bewegen,  doch  sei  dies  sehr  fraglich.  Ueberhaupt  werde 
man  unter  gelehrten,  ansehnlichen  Theologen  schwerlich  einen 
finden,  ,der  gedachtem  Streit  von  der  Erbsünde  ganz  unver- 
wandt sei'.  Ihr  Vorschlag  gehe  dahin,  dass  man  sich  einfach 
schriftlich  bei  Chyträus  erkundige  und  ihm  zugleich  die  In- 
struction, die  Consistorial-  imd  Schulordnung  zusende.  Der  vor- 
geschlagene Joh.  Kaufmann  sei,  wie  sie  hörten,  ,noch  jung  und 
anerfahren  and  zu  solchem  hohen  Amt  wol  weniger  als  M.  Bes- 
leros  qualificiert'.  Uebrigens  sei  jenem  vor  etlichen  Jahren  auf 


BMcbeid  der  Stände,  ddo.  21.  MHrz  1576;  ebenda,  Fol.  142. 


einig«  Zeit  die  Predigt  entzogen  worden,  er  dürfte  d&her  vom 
NUmbt^rpcr  Stadtrath  keinen  besseren  Abschied  als  Bealer 
orhalton  Imben,  .daraus  man  denn  abermalen  leicht  Ursach 
haben  und  nehmen  irOrde  and  könnte,  dieselbe  Person  auch 
Rtt  verworfen  und  sie  and  beide  löblichen  Stände  in  neuen 
Spott  und  Schaden,  auch  Unkosten  zu  führen'.  Zum  Schlüsse 
ihrer  Koplik,  aus  der  man  recht  deutlich  hört,  dass  sie  keinen 
anderen  als  Besler  xom  Superintendenten  haben  wollten,  drohten 
sie  neuerdings,  im  Falle  als  die  Stände  ihren  Beschluss  aufrecht 
hielten,  ihr  Mandat  niederzulegen.* 

Inzwischen  war  der  Landtag  geschlossen  worden  und  der 
grÖBSte  Theil  der  Stände  nach  Hause  gereist.  Die  Deputirten 
wurden  auf  den  für  den  1.  Juni  festgesetzten  Zusammentritt 
des  grossen  Religionsausschusscs  vertröstet  und  gebeten,  bis 
dahin  in  ihren  Aemtem  zu  verbleiben.*  Die  grossen  Erwar- 
tungen, welche  sich  an  diesen  Landtag  geknüpft  hatten,  warea 
vollständig  gescheitert. 

Die  Ordnung  für  das  Consistoriiun,  das  aus  je  drei  Mit- 
gliedern der  beiden  Stände,  zwei  Theologen  und  einem  Rechts- 
gelehrten hiltte  bestehen  sollen,  sowie  die  Instruction  für  den 
Superintendenten  lagen  ausgearbeitet  vor.  Auch  der  Kaiser 
scheint  stillschweigend  der  Aufrichtung  eines  Kirchenministe- 
riums zugestimmt  zu  haben,  nachdem  Strein  seine  letzten  Be- 
denken zerstreut  und  ihm  versichert  hatte,  dass  die  Stände 
durch  dasselbe  sich  keine  Jurisdiction  in  der  Stadt  anzumassen 
willens  seien,  dass  sie  vielmehr  nur  ,eine  Deputation  auf  dem 
Land  von  beiden  Ständen,  auch  etlichen  Oeistlicbcn  anzustellen 
vermeinen,  welche  gleich  als  Inspectores  sein  sollen,  damit  die 
Lehre  und  Ceremonien  bei  richtiger  Mass  und  Ordnung  gebtlr- 
licli  erliatten  werden  mögen,  wie  sich  denn  die  Agenda  filmehm- 
lich  im  Artikel  vom  Bann    auf  eine  solche  Deputation  lehne'.* 

So  fehlte  also  nur  mehr  eines,  freUich  das  Wichtigste: 
oin  erfahrener  Superintendent  und  ein  ttlchtiges  Consistorium. 
Unter  solchen  Umständen  darf  es  nicht  Wunder  nehmen,  wenn 
der    Ausbau    des    evangelischen   Kirchenwesens,    zu   dem   man 


'  Replik  der  DepuUrtaa,  ddo.  26.  März   I67G;  ebendn,  Fol.  142'. 

*  Schreiben  der  Stünde  an  die  Deputirten,   ddo.  30.  März  1576;     ebenda, 
Fnl.  U6'. 

*  Strein'«  Relation  1678;  Tgl.  oben,  S.  196,  Aom.  3, 


» 


L 


225 


•eh   im   Landtage   des  Jahres    1575   einen  Anlauf  genommen, 

wieder  bedenklich  ins  Stocken  gerieth. 

In  dem  eben  genannten  Landtage  hatte  man  auch  die 
Nothwendigkeit  erkannt,  ,dass  eine  christliche  gemeine  Land- 
schaftsBchule  ohne  langem  Verzug  aufs  fürderlichste  angerichtet 
werde,  damit  dieser  Lande  Jugend  in  Ciottesfiircht  und  guten 
Künsten  wol  und  christlich  unterwiesen  und  junge  Leute  zu 
Schul-  und  Karchendiensten,  zu  weltlichen  Hegimcnten  und 
Schreibereien  und  dergleichen  nöthigen  und  ehrlichen  Aemtern 
aa%ezogen  und  prilparirt  werden  und  man  nicht  allezeit  fremde, 
unbekannte  und  ausländische  Personen  nicht  ohne  Gefahr  an- 
nehmen und  bestellen  dürfe*.  Die  Deputirten  wurden  daher 
aufgefordert,  in  dem  alten  Schuihause  der  Landschaft  so  bald 
als  möglich  eine  , christliche,  gemeine  Schule'  aufzurichten,  doch 
,im  Anfang  bis  zur  Aufrichtung  des  ganzen  Ministerii  und  Con- 
sistorii',  weil  hicfilr  noch  keine  finanzielle  Bedeckung  vorhanden 
sei,  möglichst  geringe  Kosten  dazu  zu  verwenden.  Zur  Bestrei- 
tung der  erforderlichen  Geldmittel  sollte  der  Kaiser  von  den 
Deputirten  im  Namen  der  Stände  gebeten  werden,  die  für  die 
kaiserliche  Landschaftsschulo  bei  den  Dominikanern  bestimmte 
Dotation  mit  Rücksicht  auf  die  geringe  Anzahl  der  dort  unter- 
gebrachten Schüler  auf  die  neu  zu  errichtende  evangeUsche 
Schule  zu  übertragen.  Ferner  sollte  ein  , tüchtiger  Oeconomus' 
angestellt  und  eine  Schulbibliothek  eingerichtet  werden,  für 
welche  die  Deputirten  ,die  nötigsten  und  nützlichsten  Bücher 
und  Autores'  anzukaufen,  aber  anfUnglich  den  Betrag  von  500 
Oalden  nicht  zu  überschreiten  hätten.' 

Im  Landtage  des  Jahres  1576  legten  die  Deputirten  den 
ttknden  eine  ausgearbeitete  Schulordnimg  vor  und  beantragten, 
sie  ,der  Säulen  eine,  darauf  das  Land,  Regiment  und  Kirchen 
stoben  soll  und  muss,  und  auch  viele  Landleute  eine  lange  Zeit 
sehnlich  gehofft  und  durch  sie  vertröstet  worden'  schleunigst 
Leben  zu  rufen.  Nach  dieser  sollten  unter  Anderem 
fUnf  zu  schaffenden  Classen  fünf  ,Präeeptores'  und  ein 
Rector  mit  einem  jährlichen  Gehalt  angestellt  und  zwölf  ,Sti- 
pendiaten  Theologiae,  die  ktlnftig  im  Predigamt  zu  brauchen', 
au%ezogen  werden.* 

'  InstructioD  fQr  die  Deputirten,  ddo.  31.  Juni   1676;  ebendB,  Fol.  IIS'. 
*  Sie   enthUt    ferner   die  Bestimmungou   Aber  die  Beaoldaug  der  Lehrer, 
Ko(t-    and    Schulgeld,    Bofrciiuni;    der    armen    Kinder    vom    Schulgelde, 
AttVtr.  LXIXTU.  IM    I.  BUtUi.  15 


226 

Die  Stünde  gaben  hierauf  den  Deputirlen  Vollmacht, 
mittlerweile  bis  zur  völligen  Bildung  des  Consistorinnis  zwei 
oder  drei  Classen  zu  errichten,  doch  zuvor  beim  Kaiser  um 
die  Erlaubniss  dazu  anzuhalten.  Diese  bestellten  auch  noch  im 
Juli  desselben  Jahres  Patd  Sesser  fiir  die  zweite,  Simon  Schul- 
tes  fiir  die  dritte,  Philipp  Schlorsbach  filr  die  vierte  und  Geoi^ 
Geisler,  an  dessen  Stelle  am  1.  November  Johannes  Riedlinger 
trat,  ftlr  die  fünfte  Classe.  Doch  dürften  sich  diese  mit  Aus- 
nahme des  Sesser'  nur  ganz  kurze  Zeit  gehalten  haben.' 
Zum  Schulükonomcn  wurde  der  schon  einmal  genannte  Wolf 
Wucherer  ernannt.' 

Das  scheint  aber  auch  Alles  gewesen  zu  sein,  was  die 
Stände  in  dieser  so  wichtigen  Angelegenheit  thaten.  Die  weitere 
Ausgestaltung  des  Schulwesens  wurde  einem  Ausschusse  zur 
eingehenden  Berathung  anvertraut,  der  sich  aber  nicht  viel 
danim  kümmerte  und,  wie  die  Deputirten  im  Landtage  des 
Jahres  1577  klagten,  bis  zu  diesem  Zeitpunkte  viermal  ver- 
gebens zu  einer  Sitzung  einberiifen  wurde.*  Nachdem  bereits 
die  Schule  theilweise  errichtet  war  und  der  Kaiser  schon  dar- 
um wusste,  suchten  die  Deputirtcn  auch  um  seine  Bewilligung 
an,  doch  die  Erledigung  kam  nicht  mehr."  Am  12.  ( ►ctober 
157G  hatte  Maximilian  II.  zu  Regensburg  für  immer  die  Augen 
geschlossen.*     Zu    spät    erkannten    die    Deputirten    die    nach 


SehUlerehor  etc.  Bericht  der  Deputirten,  ddo.  2.  Febmar  1576;     ebenda 
Fol.  l.'»7'— 140". 

•  Er  wiirdo  im  .Iftlire  1578  siuiuninen  mit  OpitE  uiid  Tettelbach  «iM- 
^ewieften   luid   scheint   dnnialii    ilio   einzige  Lehrperaoii  gewesen  zu  sein. 

'  Zum  Canlor  war  um  12.  April  1674  Jncob  Donatus  bestellt  worden. 
8ein  Anntellungsdecret  im  Cod.  Fol.  131. 

•  Er  starb  nicht  lanpe  nachher;  es  wurde  daher  am  28.  MSrz  1678 
die  Neubesetzung  der  durch  neineu  Tod  erledigten  Stelle  beantragt; 
ebenda. 

•  Deputirtenbericbt  Tom  9.  Februar;  ebenda,  Fol.  149. 

'  Die  Hofkanzlei  warf  ihnen  .luch  vor,  dn.mt  sie  die  Schule,  welche  «ie 
laut  ihrer  dort  vorgefundenen  Originalsupplication  .allein  zur  Leruung 
und  nlt  zn  dem  Religioa^exercitio  begehrt*,  .unerwartete:)  Bescheid», 
weil  sie  sich  viel  mehr  Abschlagens  al.«  Bewilligung  versehen,  aufgerichtet' 
hätten;  vgl.  ,8nmmari.'<cher  Begrifl''  etc.  Auch  Strein,  der  für  die  Stünde 
intervonirt  hatte,  bemerkt  in  seinem  Bericht  (1578):  ,e»  ist  aber  solche 
Supplication  mit  I.  k.  M.  Kidtlichem  Abgang  unerledigt  geblieben*. 

•  Vgl.  Moritz,  Die  Wahl  Rudolfs  II,  1895,  8.  437  f.  Die  medicinische  Seit« 
behandelt    Sonfelder,    Kaiser     Maximilians   11.    letzte    T..ebensjahre    nnd 


227 


seinem  Tode  eingetretene  ,gro8se  Aenderung*.'  Durch  eigene 
Saumseligkeit  und  Verblendung  liatten  sie  die  gUnstige  Ge- 
legenheit, welche  ihnen  die  Regierung  des  milden  und  keines- 
wegs protestantenfeindiichen  Kaisers  darbot,  um  ibrcm  Kirchen- 
wesen  eine  feste  Organisation  zu  geben,  vorübergehen  lassen. 
Acht  Jahre  waren  seit  der  Ertheilung  der  liehgionsconccssion 
verstrichen,  und  sie  standen  um  keinen  Schritt  weiter  als  da- 
mals. Dagegen  herrschte  jetzt  Uneinigkeit  und  Zwietracht 
unter  den  Ständen  und  ihren  Predigern,  wodurch  ein  ein- 
milthiges  und  erfolgreiches  Vorgehen  bei  der  Ausgestaltung 
ihrer  Kirche  unmöghch  gemacht  wurde. 

Der  erste  Landschaftsprediger  in  Wien,  Josua  Opitz, 
fand  vor  dem  grösseren,  nicht  flacianisch  gesinnten  Theil  der 
Stünde  keine  Gnade.  Selbst  als  die  von  den  Universitäten 
Rostock  und  Frankfurt  über  seine  Rechtfertigung  und  die 
Fortnola  concordiae  verlangten  Censuren  nur  wenige  Bedenken 
ftusserten  und  ihn  Air  einen  .rechten  Lehrer'  erklärten,  gab 
sich  die  Gegenpartei  nicht  zufrieden  und  erklärte  im  Landtage 
des  Jahres  1578,  wenige  Monate  vor  seiner  Ausschaffnng,  ihn 
nur  anter  der  Bedingung  in  seinem  Dienste  zu  belassen,  wenn 
auch  seine  zu  Mannsfeld  gedruckte,  noch  in  Regensburg  ge- 
schriebene Erklärung  von  der  Rostocker  Universität  gebilligt 
werde.*  Dass  er  auch  von  dem  Kaiser  nicht  gerne  gesehen 
war,  beweist  das  bereits  besprochene  Beeret,  worin  mit  seiner 
Aasweiaung  gedroht  wurde.*  Wenn  sich  auch  dieser  durch  die 
Vorstellungen  des  Landmarschalls  von  einem  weiteren  gewalt- 
samen Vorgehen  gegen  Opitz  abhalten  Hess,*  schadete  doch 
sein  Wideinville  der  evangelischen  Sache  ungemein  und  bot 
dem  Kaiser  Rudolf  IL  eine  willkommene  Handhabe  zu  seiner 
Landesverweisung. 

Gegen  die  Deputirten  selbst  wurden  die  heftigsten  An- 
klagen laut,  und  im  Landtage  des  Jahres  1576  mussten  sie 
sogar  hören,  ,man  wüsste  nicht  eigentlich,  was  der  Deputirten 
Glaube  wäre  und  wollte  demnach  vonnöten  sein,    sich  diesfalls 


Tod;  BIfttter  des  Vereines  für  Lauiieskundo,    XXXU.  Jahrgang,    1898, 
Nr.  2.  8.  47  f. 
■   Depntirtenbericht  vom  9.  Febriiitr  1677;  Cod.  Fol.  149. 

*  Instruction  fUr  die  Deputirten,  ddo.  26.  März  1678. 

•  Vgl.  8.  216. 

♦  Vgl.  8.  S16. 

15» 


228 


gegen  den  Ständen  zu  erklUren',  welchem  Verlangen  die  Depu- 
tirten  auch  nachkamen.' 

Vergebens  hatten  die  Stünde  im  Jahre  1575  den  Be- 
schhiss  gefasst,  dass  sich  ihre  Prediger  der  Worte  ,Sub8tanz'  und 
,Accidenz'  gänzUch  enthalten  und  sich  darauf  reversiren  sollten, 
und  hatte  auch  Opitz  diese  Erklärung  unterschrieben :  *  der 
Streit  wurde  immer  wUthender  und  erbitterter. 

Wenige  Jahre  später  auf  dem  Landtage  des  Jahres  1583 
mussten  die  Verordneten  das  traurige  Bekenntniss  ablegen: 
,Wa8  das  Kirchenwesen  auf  dem  Lande  betrifft  —  in  der  Stadt 
Wien  hatten  sie  keines  mehr  — ,  da  hat  bisher  der  leidige, 
unglückselige  Streit  von  der  Erbsünde  und  was  dem  anhängig, 
wie  es  die  Herrn  Verordneten  zu  ihrem  Theil  befinden,  änderst 
nit  verstehen  könnten,  alle  guten  Ordnungen  verhindert  und 
dagegen  eine  solche  Zerrüttung  hin  und  wieder  geursacht,  dass 
es  billig  hoch  zu  beklagen  und  wofern  es  nit  verbessert  werden 
sollte,  ist  in  der  Wahrheit  zu  besorgen,  es  werde  das  ganze 
Wesen  aus  Gottes  gerechter  Strafe  ohne  unserer  Widersacher 
Zuthun  für  sich  selbst  einen  Bruch  gewinnen'.' 

Hätte  die  neue  Regierung  ein  innerlich  gefestigtes  und 
einheitlich  geordnetes  Kirchenwesen  und  eine  geeinigte  Pro- 
testantenpartei angetroffen,  die  Gegenreformation  hätte  wahr- 
haftig einen  schwereren  Stand  gehabt  ;^m 


'  Anbringen    der    Oeputirten    .wegen    etlicher    ergangener    Reden',    ddo. 

20.  MKra  1676;  ebenda,  Fol.  146'.  ^- 

'  Ebenda.  ^B 

'  Relation    der   Verordneten    Nie.    v.    Pairhheim,    Wolf   v.    Liecbtenstäin, 

Maximilian  v.  Maniming  und  Franz  v.  Gera,  ddo.  1.  MSrz  1683;  ebenda, 

Fol.  464'. 


ITINERARIUM 
MAXIMILIANI   I. 

1508—1518. 
MIT  EINLEITENDEN  BEMERKUNGEN 

ÜBER  DAS  KANZLEIWESEN  MAXIMILIANS  L 

HERAUSQEQEBEN 
VON 

VICTOR  V.  KRAUS. 


Einleitende  Bemerkungen. 


Als  sich  Chr.  Frd.  .SUllin  an  den  gewiss  dankenswertheo 
rsnch  machte,  auf  Grund  rjuellonmässigen  Materiales  die 
fenthaltaorte  Kaiser  Maximilians  I.  seit  seiner  AUcinlierrschaft 
)3  bis  zu  seinem  Tode  1Ö19  (in  , Forschungen  zur  deutschen 
schichte',  Bd.  I,  S.  349  ff.)  sicherzustellen,  verhehlte  er  sich 
K  den  bedenklichen  Werth  einer  Feststellung,  die  zum  Tbeil 
rGnind  der  Datirungszeilen  der  Urkunden  Maximilians  er- 
5t  war.  Bei  aller  Anerkennung  der  mühevollen  Leistung 
Llin's  ist  das  über  die  Aufenthaltsorte  Maximilians  gewonnene 
sultat  nur  mit  äusserster  Vorsicht  aufzunehmen  und  ist  jede 
izelne  Angabo  in  Bezug  auf  die  ihr  zu  Grunde  liegende 
teile  einer  Ueberprüfung  zu  unterziehen.  Stützt  sich  die 
ifenthaltsangabe  auf  die  ausdrückliche  Mittheilung  eines  ver- 
slichen und  gutuuterriclitetcn  Zeitgenossen,  so  kann  sie,  ab- 
sehen von  vereinzelt  vorkommenden  Irrthümeni  in  der  Ueber- 
ferung,  als  glaubwürdig  hingenommen  werden.  Der  Aufent- 
It  des  Fürsten  innerhalb  der  Stadt,  sein  Kommen  und  Gehen, 
den  schon  mit  Rücksicht  auf  die  liuanziello  Tragweite  des 
ifenthaltes  für  den  städtischen  Chronisten  ein  so  bedeutsames 
eigniss,  dass  genaue  Mittheitungen  über  des  Herrschers  Ver- 
üb ganz  naturgemäss  erscheinen.  Gesandtenberichte,  Mitthei- 
igen  von  Personen  am  Hofe  und  solcher  in  unmittelbarem  Ver- 
hr  mit  dem  Kaiser  über  dessen  Aufenthalt  bilden  ebenfalls 
le  vorzügliche  Quelle  für  die  Feststellung  <!er  Aufenthaltsorte. 

Zweifellos  ist  der  Umfang  dieses  schon  von  SUtlin  heran- 
EOgenen  Quellenmateriales  seit  StUlin's  Publication  um  ein 
itrfichtliches  erweitert  worden.  Dennoch  dürften  die  Beleg- 
Jlen  dieser  Art  für  die  Anlegung  eines  von  Tag  zu  Tag  die 
Regierungszeit   umfassenden   Itinerars   niemals  genügen. 


232 

Und  die  grossen,  über  Monate  hin  sich  erstreckenden  Lücken  aus 
zufiillen,  sollen  nun  die  in  den  Briefen  Maximilians  enthalten« 
Datirungszeilen  herangezogen  werden.  Damit  beginnt  di< 
Schwierigkeit.  Tragen  diese  Briefe  bestimmte  Merkmale  ai 
sich,  durch  welche  die  persönliche  Mitwirkung  Maximilians  at 
der  Ausfertigung  ausser  jeden  Zweifel  gestellt  wird,  dann  kam 
der  Datirungsort  der  Urkunde  unbedenklich  als  Aufenthaltsor 
des  Kaisers  gelten.  Andererseits  stellt  fest,  dass  Briefe  untci 
dem  Namen  des  Kaisers  ausgefertigt  wurden,  die  nicht  unmittel 
bar  vom  Kaiser,  sondern  von  den  Reichs-,  Hof-  und  Landes 
bchörden  (Hofrath,  Regimente  und  Kammern)  sowohl  bei  An 
Wesenheit  des  Kaisers,  als  in  dessen  Fernsein  und  ohne  desset 
Wissen  ausgefertigt  wurden,  bei  denen  ein  RUcksclduss  aui 
dem  Datirungsort  der  Urkundenden  Behörde  auf  den  Aufent 
haltsort  des  Kaisers  nicht  vorgenommen  werden  darf.  De 
späteren  Untersuchung  vorbehaltend,  ob  und  in  welchem  Um 
fange  bestimmte  Arten  von  kaiserlichen  Briefen  fUr  die  Zweck( 
eines  Itinerars  verwendbar  erscheinen,  genüge  zunächst  die  Be 
merkung,  dass  eine  wahllose  Heranziehung  der  im  Namen  dcj 
Kaisers  ausgefertigten  Briefe  in  das  Itinerar  des  Kaisers  nu: 
Verwirrung  zu  bringen  vermöchte. 

Unter  diesen  Umständen  kann  es  als  glttckhche  FUgunj 
angeschen  werden,  dass  von  Personen  in  der  nächsten  Umgc 
bung  des  Kaisers  lediglich  aus  Gründen  der  Verrechnungs 
tcchnik  genaue  Feststellungen  über  den  Aufenthalt  des  Kaiser 
gemacht,  hierüber  Listen  angelegt  und  uns  Theile  derselben 
welche  die  Regierungsperiode  1508 — 1518  umfassen,  überliefer 
wurden.  Das  gräflich  Falkenhayn'sche  Schlossarchiv  zu  Wal 
persdorf  in  Niederösterrcich  enthält  einen  Actenfascikel  mit  de; 
Aufschrift  neueren  Datums:  , Reisen  des  römischen  Kaiser 
Max  L  von  1508 — 1518  betreffend,  grösstenthoils  Rechnungen. 
Dieser  enthält  einen  in  Buchform  gehefteten,  aus  56  Folioblätten 
bestehenden  Fascikcl  mit  der  Ueberschrift:  ,Verzaichnes  de 
Raisen,  so  die  Rom.  Khay.  Jlt.  etc.  Maximiliani  der  Erste  von 
monat  Nouembris  anno  1508  bis  zu  Auszgang  des  monats  Fe 
bruary  anno  1518  volbracht  haben.'  Je  eine  Seite  diese 
Reisebuches  enthält  die  Angaben  für  einen  Monat,  obenan  Monats 
und  Jahresangabe  mit  folgenden  Monats-  und  Wochentagen  um 
beigefügten  Ortsnamen.  Die  Aufzeichnung  ist  mit  Oenauigkeil 
von  Blatt  zu  Blatt,  das  hcisst  von  Monat  zu  Monat  durchgef\lhrt 


233 


Nur  zum  23.  und  24.  März  1509  und  zum  19.  Juni  1516  fehlen 
die  Ortsnamen.  Ankunft  und  Abgang  sind  nicht  vermerkt. 
Die  Schrift  gehört  der  ersten  Hälfte  des  Ui.  Jjihrhiinderts  an, 
die  Aufzeichnung  ist  durchgängig  von  einer  Hand,  mit  einer 
Tinte  und  in  einem  Zuge  gemacht  und  erscheint  demnach  als 
eine  Aufstelhing  auf  Grund  vorgelegoner  Einzclaufzeichnungen. ' 


'  Einen  Anhaltspunkt  über  diu  Art  der  Verrochnnngen  und  über  die  dabei 
sieb  ergebeodeu  gesicberton  Daten  bezfiglicli  doa  Aafenthaltcs  liefert  uns 
ein  im  Innsbrucker  StAtthaltereiarchitr  (Max.  90)  erhaltener  Rechen- 
zettel für  Ausgaben  den  Herzogs  Siegniund  von  Tirol.  Wurden  für  eine 
die  ganie  Regierung»periode  oder  doch  einen  grossen  Theil  derselben 
umfassende  Schlussabrechnung  alle  offenbar  instructtonsgemäss  abge- 
gebenen Rechenzettel  gesammelt  und  die  Daten  ausgezogen,  so  ergab 
sich  für  den  Nachweis  der  Acfenthaltaorte  ein  ganz  ausgezeichnetes  Re- 
sultat.    Der  Rechenzettel  lantet: 

Leonharton  Rosanenhamer  sein  schultzedl  etc. 

Item  am  eritag  vor  sant  Fetter  stulfeyr  ist  mein  g.  her  gen  Hall 
komeu  rnd  daz  nachtmal  zu  Fryczena  mit  XXXVIII  pforden  vnd  zu 
Hall  vbemacht  belyben  vnd  daz  morgenmall  da  genomen  92°. 

Vermerckt  speyß  vnd  tieczetl  als  m.  g.  h.  vnd  m.  g.  fr.  auff  das 
Seneld  sind  gezogen  vnd  ubernacht  zu  Ziorl  sind  belyben  an  freuta^ 
nach  sant  VIrichstag  im  93". 

Item  wie  nil  ich  wein  vnd  prott  auff  die  person  laut  der  sieczotl 
veqiraucht  hab  zu  Hall  von  niontag  zu  nacht  pi»  pfiiistag  nach  dem 
mall  vnd  auf  die  übrigen  peraun  laut  des  kuchlschreibors  zeti  au  mon- 
tag  vor  sant  Alexi  92°. 

Vermerck  die  fietzetl  vnd  ander  ausgeben  im  Seirain  beschehen 
aDoh  EU  Achsamß  am  liin  in  vnd  lioraußziehen  au  suntng,  montag,  ery- 
tag  vor  Hargeten  92". 

Sonntag  zu  Achsams  am  hineinziehen  erytag  heransziebeu. 

Vermerckt  die  liotxettl  ahi  m.  g.  h.  vnd  m.  g.  f.  zu  Hall  getagt 
haben  am  mantag  vnd  erytag  nach  dez  hayligea  creutz  erhohungtag 
im  92». 

Item  am  freutag  vor  der  herren  faßnacht  im  92"  Ut  mein  g.  h.  gen 
Hall  komen  vnd  da  belyben  pis  auff  anntag  der  herrti  faßnacht  nach 
dem  mal  vnd  heruach  volgt  mein  ausgeben. 

Vermerckt  die  fieter  vnd  speylizetl  all»  mein  g.  h.  auff  das  Seueld 
ist  gezogen  am  freytag  nach  Judica  im  93".  (Item  m.  g.  h.  ist  auff 
Fragenstatn  gelegen  etc.) 

Item  an  sant  Valenteinstag  im  92  ist  m.  g.  h.  gen  Zirl  körnen  md 
da  belyben  zwo  nacht  vnd  hernach  volgt  mein  anßgeben. 

Item  mein  gnedigiater  herr  ist  kamen  gen  Uali  an  Limbstag  nacb 
vnser  lieben  frawenlag  weQchwurrz  vnd  da  belyben  piß  auff  sambstag 
nach  Bartholomei  im  93"  vnd  volgt  hernach  mein  auDgeben. 


234 

Dafür,  sowie  für  die  geringe  Vertrautheit  des  Scbreibers  mit 
den  von  ihm  verzeichneten  Ortsnamen  sprechen  die  h&ufigen 
Verballhomungen  derselben.  Angaben  über  den  Schreiber, 
aber  das  zu  Grunde  gelegte  Material  und  über  den  Zweck  der 
Zusammenstellung  fehlen. 

Ueber  den  letzteren  wird  man  aber  durch  weitere  fünf 
Fascikel  orientirt.  Einer,  ohne  besondere  Aufschrift,  enthält 
Verrechnungen  über  Ausgaben  und  Einnahmen,  die  ihrer  Natur 
nach  sich  unmittelbar  auf  die  Person  des  Kaisers  und  zumeist 
auf  das  Jahr  1504  beziehen.  Die  weiteren  vier  Fascikel  führen 
die  Aufschriften:  1.  ,Hierin  etlicherlay  Khaisers  Maximiliani  des 
ersten  hochseligster  gedechtnus  zalmaister  (darunter  durch- 
strichen phennigmaister)  raittung,  emphang  vnd  ausgab,  dabei, 
was  etlich  dienern  abgesprochenn.'  Mit  Wochen-  and  Monats-, 
aber  ohne  Jahresangaben  lassen  sich  diese  zahlreichen  Rech- 
nungen auf  Ausgaben  des  Jahres  1517  zurückführen.  2.  ,Tag- 
zettln,  was  auf  der  Rom.  Khay.  mt.  hoffgesindt  in  die  khuchel 
einkhaufiFt,  darbei  was  für  fleisch  vnd  anders  auffgangen  sambt 
andeim  zettln.'  Ein  Convolut  von  gleichartig  abgefassten  Küchen- 
zetteln,^ je  ein  halber  Bogen  für  eine  Hoftafel,  mit  Zeitangaben 


Aus  diesem  einzigen  Vermerkzettel  lassen  sich  nachfolgende  gesichert^ 
Daten  für  Herzog  Siegmunds*  Aufenthalt  leicht  zusammenstellen: 

1492.    14.— 16.  Febr.  Zirl.   (Dieser  Ort  und  alle  nachfolgenden 
liegen  bei  Innsbruck  in  Tirol.) 

ül.  Febr.  Hall  und  Fritzens. 

22.  Febr.  Hall. 

<    2.-4.  März  Hall. 

6. — 7.  Juli  auf  dem  Seefeld  und  Zirl. 

8. — 10.  Juli  Axams  und  Seirain. 

10.— 19.  Juli  Hall. 

18.-26.  Aug.  Hall. 

17.-18.  Sept.  Hall. 

*  Dass  unter  der  Bezeichnung:  m.  g.  h.  nur  Sieg^und  und  nicht  der  KOnig 
Maximilian  gemeint  sein  konnte,  erhellt  aus  der  Tbatsache,  daas  Maxi- 
milian nachweisbar  in  der  im  Rechenzettel  angegebenen  Zeit  nicht  za 
Innsbruck  weilte  (s.  V.  v.  Kraus,  Max  I.  Beziehungen  zu  Siegmund  vod 
Tirol,  S.  47,  Nr.  33 — 39),  überdies  im  Zettel  von  einer  ,gn.  fran'  (offen- 
bar Katharina  von  Sachsen)  gesprochen  wird,  Maximilian  damals  aber 
noch  Witwer  war. 

'  Aus  diesen  für  die  Geschichte  der  Preise  lehrreichen  Küchenzetteln 
bringen  wir  nachfolgenden  (aus  dem  Jahre  1610)  zum  Abdruck: 


235 


wie  in  den  Stücken  des  vorgenannten  Fascikels.  3.  ,Tagzettln 
oder  auszgaben  auf  der  Rom.  khay.  mt.  khayser  Maximiliani 
des  ersten  hochseeligster  gedeehtnus  stallparthey  oder  füette- 
nmg.'  Fast  durchgängig  über  Ausgabonposten  des  Jahres  1504. 
4.  ,Etlich  (wenig)  zettbi  der  ausgaben  durch  den  liechtcamerer.' 
Fünf  Blätter  ohne  Jahresangaben. 

Eine  Vergleichung  des  Inhalts  der  fünf  Fascikel  mit  den 
Aufzeichnungen  des  Keisebuches  weisen  nach  Schrift  und  Tinte 
auf  einen  gemeinsamen  Schreiber  hin.  Die  auf  übrigens  losem 
Umschlag  angebrachten  Ueberschriften  des  ersten  und  dritten 
Fascikels,  in  denen  die  einzelnen  Rechnungsbelege  als  Blätter 
zumeist  chronologisch  eingelegt  waren,  sprechen  von  dem  be- 
reits verstorbenen  Kaiser  (•{•  1519).  An  mehreren  Stellen  cr- 
wfthnt  der  Zahlmeister  eines  Bruders,  von  dem  er  Geld  zur 
Verrechnung  in  Empfang  nahm  und  solches  an  ihn  abgeliefert 
habe.  Beide  Brüder  scheinen  also  in  HofkammergeBebuften 
Maximilians  verwendet  worden  zu  sein,  und  liegt  uns  hier  das 
Material  zu  einer  umfassenden  Rechnungslegung  nach  Maxi- 
milians Ableben  vor. 


Am  moutag  den   vu.  tag  Jauuary  gespeUt  zu  Botzeuu    Ro.  kay. 
mtt  Tud  i'xL  personnen. 


rmb  III  haseun  i  st.  13  kr.  39  kr. 

Tmb  VI  veldhanner  i  at.  7  kr.  43  kr. 

iTmb  vnt  bennen 48  kr. 

rmb  vogll per  Pisyony. 

rmb  m  kapaun 34  kr. 

vrab  milch 28  kr. 

■nnb  easicb ö  kr. 

Tmb  aalz 12  kr. 

vmb  scbmalx  ...28.  Rh. 

rmb  gerstenn IS  kr. 

vmb  scbonmell .  9  kr. 

Tmb  haiuennplatter 27  kr. 

Tmb  aanrkrautt 24  kr. 

Tmb  roubenn  Tnd  klioll- 

krautt 28  kr. 

rmb  opffell 8  kr. 

(Die  Recbnang  Tom  vorigen  Tag  —  Bonntag,  6.  JSnner  1610  —  betrug 
18  6.  Rh.  lU  kr.  und  enthalt  neben  den  obigen  Artikeln:  ain  star  weiQ 
arbiS  für  der  kay.  mt.  mundt  1  fl.  Kli.;  Tmb  ri  sew  zu  wintteii  kaufft 
auf  beaelcb  kay^  m**  &  6.  14  kr.;  vmb  darmb  zun  wirsten  12  kr.;  Tmb 
kamch  dorau  4  kr.) 


vmb  zwyfell 9  kr. 

vmb  pirnn 6  kr. 

vmb  buneratz 8  kr. 

vmb  u  par  schuch  der  offi- 

cir  kacbinknoben  ....  20  kr. 

vmb  holz 48  kr. 

Summa  .  .  8  fl.  41  kr. 

Vermerckt  das   Qaiach  Tmb 

IUI  '^  X     tt       rindtflaiscb 

kalbflaisch     vnd     schaf- 

üaiseh    i   it.    per    1  kr. 

facit 6  fl.    50  kr. 

Tmb  1  kalbekopff ä  kr. 

Summa  .  .  (!  fl.  55  kr. 

Sumarum  .  .  16  fl.    36  kr. 


236 

Bezüglich  des  Namens  des  Zahl-  oder  Pfennigmeisters  sind 
wir  nur  auf  unsichere  Vermuthimg  verwiesen.  Die  Hofkammer- 
ordnung vom  Jahre  1498  flUirt  uns  unter  dem  Reich sschatz- 
mcister  Balthasar  Wolf  einen  Jörg  von  Eck  als  Pfennigmeister 
an,  dem  Castus  Hacquenay  als  Rcgistrator  zur  Seite  stand.  In 
der  Hofkammerordnung  vom  Jahre  1501  erscheint  der  Letztere 
als  Schatzmeister  oder  Rechenmeister.  Auch  geschieht  eines 
Johann  Lucas  als  königlichen  Controlors  bezüglich  der  Ausgaben 
zur  Unterhaltung  von  Tafel,  der  Truchsesse  und  Diener  in  der 
Garderobe  und  Küche,  im  Keller  und  der  Lichtkammer  Er- 
wähnung, der  die  Ausgabe  der  für  diese  Etats  erforderlichen 
Summen  durch  den  Pfennigmeister  Sebastian  Hofer  besorgen 
lässt.  Casius  Hacquenay,  noch  im  16.  Jahrhundert  wegen  seiner 
pünktlichen  Registrirung  der  Hofkammeracten  gertihmt,  besass 
einen  Bruder  Jörg  Hacquenay,  seit  1502  Gehilfe  des  Einneh- 
mers der  extraordinären  Einkünfte  am  Hofe.  Endlich  wird  im 
Jahre  1513  Ulrich  Pfintzing  als  Zahlmeister  genannt.' 

Welchem  Zweck  auch  immer  ursprünglich  das  oben- 
erwähnte Reisebuch  diente,  so  viel  steht  fest,  dass  die  um  die 
Person  des  Kaisers  dienstlich  beschäftigten  Hofbeamten  in  erster 
Linie  befjlhigt  waren,  uns  und  der  Forschung  über  alle  Vor- 
ftllle  am  Hofe,  die,  wie  die  fortgesetzten  Reisen,  für  den  Hof- 
etat von  finanzieller  Tragweite  waren,  werthvolle  Aufzeich- 
nungen zu  machen.  Sache  der  Kritik  bleibt  es,  durch  ein- 
gehende Untersuchung  den  Grad  der  Verlässlichkeit  zu  prüfen 
und  ihnen  nach  dem  Ma8S  der  sichergestellten  Glaubwürdigkeit 


Siebe  S.  Adler,  Die  Organisation  der  Centralrerwaltung  unter  Maxi- 
milian I.,  Leipzig  1886,  in  dem  die  Hofkammer  behandelnden  Capitel. 
Jörg  von  Hacquenay  führte,  wie  aus  einer  Motiz  im  Innsbrucher  Statt- 
baltereiarchiv hervorgeht,  auch  den  Titel  eines  Pfennignieist«rs.  Dia 
Notiz  lautet: 

JOrigen  Uackanejr  pbenningmaister  auf  sein  aemng  md  mder- 
lialtung  in  abslag  seines  liuergelts  geben  laut  qoitt  l  gnid.  R. 

Freitag  8.  Nov.  Ratteoburg  ans  beuelch  meines  bmedern  Jor^r 
Heckennoy  glichen  auff  raittung,  so  er  genn  Innspruckh  woldt  reitten. 
L  gniden  R. 

Zn  Geysennfeldt  dem  Jorign  Ueckenney  aalt,  so  er  für  meinen 
bruedeni  für  zerung  ausgeben  hatt  xxi  kr. 

Hat  betsalt  von  Hans  tod  Steten  1200  ü.  auff  das  aUber. 
Nach  dieser  Notii  kllme  neben  dem  Hacqneoay  noch  ein  »weites  BrQder- 
paar  (Ptintaing?)  in  Betracht. 


r 


i 


237 


t 


die  als  Hauptquelle  für    ein  Itinerar  Maximilians    zukommende 
Stellung  anzuweisen. 

Aus  der  Gnippe  der  Quellen,  deren  Nachrichten  über 
den  jeweiligen  Verbleib  Maximilians  Anspruch  auf  unbedingte 
Glaubwürdigkeit  erheben  können,  greifen  wir  die  Berichte  der 
Rathsboten  an  die  Stadt  Frankfurt '  und  die  daran  sich  an- 
schliessenden Archivsnoten  zum  eingehenden  Vergleich  mit  den 
Angaben  unseres  Reisebuches  heraus.  Der  Bericht  aus  Worms 
21.— 22.  April  1509  (Nr.  952)  meldet,  dass  der  Kaiser  am 
21.  April  1509,  ß  Uhr  Abends,  in  Worms  zum  ReichstJig  ein- 
gezogen sei.  Das  Itinerar  enthält  die  Daten:  1509,  21.  April 
Nieder-Olm,  22.  April  Worms.  Man  beachte  die  Verschiebung 
um  einen  Tag.  Nach  dem  Wormser  Bericht  vom  24.  April 
1509  (Nr.  Ö54)  ritt  der  Kaiser  an  demselben  Tag  zur  Mittagszeit 
von  Worms  nach  Speyer  weg.  Das  Itinerar  berichtet:  1509, 
22. — 26.  April  Worms,  27.  April  Speyer.  Aus  Nr.  955  erfahren 
wir  auch,  dass  der  Kanzler  Serntein  und  mit  ihm  offenbar  auch 
die  kaiserliche  Kanzlei  noch  bis  zum  26.  April  zu  Worms  ver- 
weilt, um  dem  Kaiser  nach  Speyer  nachzuziehen.  Die  Frank- 
furter Räthe  melden  ihrer  Stadt  am  27.  April  1509  (Nr.  950), 
dass  der  Kaiser  zu  Speyer  weile,  und  melden  am  29.  AprU  aus 
Worms  (Nr.  957),  dass  er  am  27.  April  von  Speyer  nach  Briissel  (!) 
abgereist  sei.  Das  Itinerar  berichtet:  1509,  27.  April  Speyer, 
28.  April  Bruchsal.  Heller  berichtet  dem  Frankfurter  Rath  aus 
Augsburg  4.  Februar  1510,  dass  der  Kaiser  dem  Mainzer  Erz- 
bischof geschrieben  hätte,  er  wolle  sich  um  Kaufbeuren  und 
Füssen  auflialten,  um  beim  Eintreflfen  der  Stünde  in  Augsburg 
auch  dort  zu  erscheinen  (Nr.  988),  und  derselbe  Bote  an  Frank- 
furt am  14.  Februar  1510  (Nr.  992),  dass  der  Kaiser  in  Mindel- 
heim  verweile.  Das  Itinerar  berichtet:  1510,  4.  Februar  Reutte, 
5.  Februar  Nesselwang,  6.  Februar  Kempten,  7.  B^ebruar  Lie- 
benthan, 8. — 11.  Februar  Kaufbeuren,  12.  Februar  Angelberg, 
13. — 17.  Februar  Mindelheim.  Am  18.  Februar  1510  berichtet 
Heller  an  Frankfurt  (Nr.  993),  der  Kaiser  reise  um  Augsburg 
herum,  die  Kanzlei  traf  erst  an  diesem  Tage  in  Augsburg  ein. 
Nach  dem  Itinerar  finden  wir  Maximilian  zwischen  7. — 21.  Fe- 
broAT  1510  zu  Kaufbeuren,   Mindelheim,   Angelberg,   Puchloe 


■  Frankfurts  Reichscorretpondenz,  heraangegeben  von  Joh.  JanMen,  IT.  Bd., 
U.  Äbtb.,  1872. 


238 


und  Schwabnillnchen.  Am  25.  Februar  1510  berichtet  Heller 
(Nr.  995),  der  Kaiser  sei  am  21.  Februar  nach  Augsburg  ge- 
kommen. Das  Itinerar  meldet:  1510,  22. — 28.  April  Augsburg. 
Auch  hier  wieder  eine  Verschiebung  um  einen  Tag.  Am 
10.  März  1510  berichtet  Heller  an  Frankfurt  (Nr.  997),  der 
Kaiser  sei  iiacli  Dillingen  geritten  und  werde  in  vier  Tagen 
wieder  nach  Augsburg  zurückkehren.     Das  Itinerar  berichtet: 

1510,  5.  März  Wertingen,  G.  März  Dillingen,  7.  März  Donau- 
wörth und  Wertingen,  8.  März  und  folgende  Tage  Augsburg.  Also 
auch  hier  die  Verschiebung  um  einen  Tag,  die  wir  in  der  Folge 
nicht  mehr  besonders  hervorheben.  Es  ist  klar:  Der  erste  im  Itine- 
rar angesetzte  Monatstag  ist  der  Tag  der  Abreise  und  nicht  der 
der  Ankunft.  Max  verlässt  am  4,  März  Augsburg,  trifft  Abends 
in  Wertingen  ein,  wo  er  vom  4. — 5.  März  übci-nachtet,  und 
zieht  am  5.  März  von  Wertingen  weiter.  Carl  von  Henszberg 
berichtete  am  22.  April  1510  an  Frankfurt  (Nr.  1016),  der 
Kaiser  sei  von  Augsburg  abwesend,  er  soll  zu  seiner  Schwester 
nacli  München  geritten  sein.  Das  Itinerar  berichtet:  1510,  bis 
18.  April  in  Augsburg,  19.  April  Mering,  20.  April  Fürstenfeld- 
bruck und  Naynnhofen,  21.  April  Dachau,  22.  April  P'iirstenfelil- 
brück,  23.  April  und  folgende  Tage  Augsbui^,  Die  Reise  zeigt 
die  Richtung  bis  in  die  Nähe  Münchens.  Am  19.  Februar  1511 
berichtet  Heller  aus  Freiburg  an  Frankfurt  (Nr.  1047),  der  Kaiser 
sei  am  18.  Februar  nach  Colraar  geritten.    Das  Itinerar  berichtet: 

1511,  15.— 18.  April  Freiburg,  19.  April  Breisach,  20.  April  Col- 
mar.  Dr.  Itechlinger  schreibt  am  20.  December  1511  aus  Augs- 
burg an  den  Frankfurter  Rath  (Nr.  10G7),  jüngst  sei  ihm  die 
Nachricht  zugekommen,  dass  sich  der  Kaiser  , neulich'  zu  Mautcr- 
bach  (!)  oder  ungefilhr  auf  den  Rotteumann  aufgehalten  und  nach 
Steiermark  zu  ziehen  willens  gewesen  sei.  Er  werde  daher 
vor  Weihnachten  nicht  nach  Augsburg  kommen.  Das  Itinerar 
berichtet:  1511,  2. — 3.  December  Mauterndorf,  11.  December 
Rottenmann,  von  wo  Max  nach  Aussee  zieht.  Johann  Kes- 
seller zu  Nassau  schreibt  am  24.  Febniar  1512  an  Frankfurt 
(Nr.  I0G9),  er  habe  ghuibhaft  gehört,  dass  der  Kaiser  gestern 
(23.  Februar)  in  Karlstadt  gelegen,  heute  (24.  Februar)  zu 
GmUnden  nnd  morgen  (25.  Februar)  in  Gelnhausen  liegen  werde. 
Das  Itinerar  berichtet:  1512,  23.-24.  Februar  ^^'ürzbu^g, 
25.  Februar  Karistadt,  2G.  Februar  Graünden,  27.-28.  Februar 
Gelnhausen.     Nach  Nr.  1071   kam   der  Kaiser  am  28.  Februar 


1512  nach  Frankfurt  n.  M.  Das  Itinerar  berichtet:  27. — 28.  Fe- 
bruar   Gelnhausen,    29.  Februar    bis    I.  März    Frankfurt.     Am 

18.  Mai  1512  berichten  die  Frankfurter  Boten  aus  Trier  an 
ibre  Stadt  (Nr.  1076),  der  Kaiser  sei  am  17.  Mai  nach  den 
Niederlanden  abgereist.  Nach  dem  Itinerar  verlässt  Maximilian 
am  17.  Mai  ir)I2  Trier  und  zieht  gegen  die  NiiHleriande.  Be- 
richt Heller's  an  Frankfm-t  aus  Köln  am  17.  Juli  1ÖI2  (Nr.  1084), 
der  Kaiser  sei  am  16.  Juli  nach  Köln  gekommen.  Itinerar: 
1512,  16. — 31.  Juli  Köln.  Derselbe  theilt  derselben  aus  Worms 
1.  December  1512  mit,  dass  der  Kaiser  noch  zu  Landau  weile. 
Das  Itinerar  berichtet:    1512,    13.  November  Neustadt,    14.  bis 

19.  November  Landau,  20. — 22.  November  Speyer,  23. — 27.  No- 
vember Landau.  Die  kaiserlischcn  Commissäre  zu  Worms  am 
10.  Juni  1513  theilen  den  wartenden  Stunden  das  Heranziehen 
des  Kaisers  mit  (Nr.  1112).  Itinerar:  1513,  10.  Juni  Geislingen, 
12. — 13.  Juni  Esslingen,  14.  Juni  Stuttgart  und  Egiisheim,  15.  Juni 
Vaihingen,  16.  Juni  Maulbronn  und  Bretten,  17.  Juni  Bruchsal 
and  Hausen,  18.  Juni  Speyer  und  Oggersheim,  19. — 25.  Juni 
Worms.  Der  Woraiser  Rath  theilt  (Nr.  1113)  dem  Frank- 
furter am  IS.  Juni  1513  mit,  dass  der  Kaiser  die  letzte  Nacht 
«n  Speyer  gewesen  und  heute  in  Worms  eintreffe.  Der  Fraiik- 
fiirter  Kath  theih  am  28.  Juni  1513  (Nr.  1116)  dem  Jliihl- 
hausner  mit,  Maximilian  sei  am  26.  Juni  nach  Frankfurt  gekommen 
und  sei  noch  dort.  Das  Itinerar  berichtet:  1513,  26.  Juni  Darm- 
stadt, 27.  Jani  und  folgende  Tage  in  Frankfurt.  Eine  Frankfurter 
Archivsnote  (Nr.  1154)  theilt  mit,  dass  der  Kaiser  am  13.  Juni 
1517  dorthin  gekommen,  acht  Tage  verweilte  und  am  21.  Juni 
gegen  Aschaffenburg  geritten  sei,  und  am  22.  Juni  1517  erhält 
der  Rath  zu  Ilagenau  die  Au.skunft  (Nr.  11.55),  dass  der  Kaiser 
abgezogen  sei  und  in  der  Nacht  vom  22. — 23.  Juni  zu  Milten- 
berg liege.  Das  Itinerar  berichtet:  1517,  13.  Juni  Wiesbaden 
and  Höchst,  14. — 20.  Juni  Frankfurt,  21.  Juni  Frankfurt  und 
Seligenstadt,  22.  Juni  Aschaflfenburg  und  Obernburg,  23.  Juni 
Miltenberg  und  KUlsheim. 

Die  Genauigkeit  in  der  chronologischen  Anordnung  und 
in  Verzeichnung  bestimmter  Thatsachen  und  Vorf)il!c  reiht  die 
uns  vom  Kittcr  Siegmund  von  Herberstein  hinterlassenc  und  mit 
besonderer  Sorgfalt   vom  Verfasser   revidirte   Selbstbiographie' 


•   Heranii^.  von  Th.  v.Kar^nn  in  Font.  rer.  Auxtr.,  I.Abtb.,  1.  DJ.,  Wien  1855. 


^^^^^              ^^B 

i 

■■ 

^^H           anter  die   werthvoUsten   QaellenschriFten   für  die   Perio«! 

^^H           aasgehenden   Mittelalters    und 

ftlr  den    Beginn    des    16J 

^^H           hunderts.     An  den  von  Ilerberstein   verzeichneten  Date^ 

^^B            des  Kaisers  Aufenthalt  soll  nun 

im  Folgenden  die  VerÜfi 

^^^          keit  unseres  Iticerars  Uberprilft 

werden.                              J 

^^^^H                     Herberitein 

Intinerar  ^^ 

^^^^     p.  79.  Der  Kaiser 

^^^^^_                 zieht  gegen  Cilli  und  von 

1514, 

7.  Juni  St.  Paul  am 

^^^^^B                    dort  nach  Laibach  um 

wald,  nördhch  von 

^^^B                   den  7.  Juli  1514 

1514, 

8.-9.  Juni  Cilli. 

^^^^^     p.  84.  ist  am  21.  Nov.  1515  zu 

1515, 

17.— 2I.N0V.  üln« 

^m                         Ulm 

^^m           p.  8ö.  ist   am   8.  Dec.  1515  zu 

1515, 

5.-8.  Dec.  Fttssej 

^^H                           Füssen 

^^H           p.  lÜO  ff.  zieht  gegen  Tannheim 

(1516, 

12.— IS.JuniEhra 

^H^                        am  12.  Juni  1516 

i 

14.  Juni  Tann 

^^^^^K                    zieht    gegen    Immen- 

1516, 

15.  Juni  ImmenstaJ 

^^^^H                        Stadt   am    13.  Juni 

Rothenstein. 

^^^H 

. 

^^^^H                    zieht    gegen    Rothen- 

1516, 

16.  Juni  Staufen. 

^^^^H                        fcls  und  Staufen  am 

^^^H                        U.Juni  1516 

' 

^^^^H                   zieht   gegen   Wangen 

1516, 

17.  Juni  Wangen. 

^^^^^1                        am  15.  Juni  1516 

^^^^^1                     zielit   gegen   Tcttnang 

1516, 

18.  Juni    TettnanJ 

^^^^1                        und    Buchhorn    am 

Buchhorn.              1 

^^H 

jl 

^^^^^1                    zieht  gegen  Constanz 

fl516, 

19.  Juni  Constanz.i 

^^^^^1                        am  17.  Juni  1516 

i 

20.— 26.JuniConai 

^^^^^B                    zieht  gegen  üeberlin- 

1516, 

27.— 28.  Juni    Uel 

^^^^^1                        gen     am    28.   Juni 

gen. 

^^^1 

^^^^H                  zieht  gegen  Buchhorn 

1516, 

1.  Juli  Buchhorn. 

^^^^H                        am  1.  Juli  1516 

^^^^H                    zieht  gegen  Lindau 

1516, 

2. — 3.  Juli  Lindau 

^^^H                    Er   trifft    den    Kaiser 

1516, 

10.-21.  Juh  Fttss 

^^^H                       am  19.  Juli  1516  zu 

^^^^1 

1 

■m 

Hj^^^^^^^^  241        ^^H 

p.  104  ff.  Beschreibung  einer  Re 

ise  des  Kaisers  von  Fttssen  nach               ^^M 

Hagenau  im  Elsass, 

Oetober  bis  Deconibcr  lölO.                      ^H 

AmSO.Octobermacht  sieh  Herberstein  auf  den  Weg  und  holt               ^H 

den  Kaiser  zu  Fllssen  ein.    Be 

der  nun   folgenden  Darstelhing              ^H 

iler  Reise    gibt   er  nur  einen 
an.     In    allen     Füllen    ist    der 

Monatstag  —  2.  November  —               ^^M 
Vergleich    der    Reiseroute    bei              ^H 

Herberstein  und  im   Itinerar  w 

chtig  flir  das  Urtheil  tlber   den              ^H 

Werth  des  letzteren. 

■ 

^K           Herberstein 

Itinerar                                  ^H 

[(nach  24.  Oct.  1516)  zu  Füssen 

1516                                                        ^1 
26.-27.    Oct.    Füssen     und               ^M 

1 

Reutte.                               ^M 

^^V        zu  Reutte 

28.  Oct.  Reutte.                                     ^M 

^B 

29.  Oct.  Reutte   und   Nessel-               ^H 

^^B         „    Tannheiin 

wung.                                  ^H 
30.  Oct.  Tannheim.                                ^M 

^^^          „    Fluchenstein 

31.  Oct.  Fluchenstein.                           ^M 

L     *.  Not.  1516  zu  Immenstadt 

2.  Nov.  Fluchenstein  und  Im-               ^H 

1 

menstadt.                            ^H 

^^^       zu  Staufen 

3.  Nov.  Staufen  und  Scheid-               ^H 

^V 

eck.                                     ^H 

^^1         „    Ueberlingon 

8.-9.  Nov.  Ueberlingen.                   ^H 

^^M        „   Salmansweiler 

10.  Nov.  Salmansweiler   und               ^H 

^^V        n    Ueberlingen   und 

Ueberlingen.                      ^^M 
11.  Nov.  Constanz.                                 ^H 

^^V                      Constanz 

^1 

^^B         „    Zeil  am  Untersec 

12.  Nov.  ZeU.                                       H 

^^^^^^  n    Engen     und     Islin- 

13.  Nov.  Engen     und    Gei-                ^H 

^^^^  „    Fttrstenberg,  ITüfin- 

singen.                                ^H 
14.  Nov.  Hufingen.                              ^M 

^H          „    Neustadt 

15.  Nov.  Neustadt.                                 ^M 

^H 

16.  Nov.  Freiburg.                                 ^H 

I7.N0V.  Freiburg  und  Dachs-               ^H 

wang.                                  ^H 

18.  Nov.  Breisach.                                ^^^ 

^^V         „    Freiburg 

^^ 

^^^^^  „    Breisach 

19.  Nov.  Breisach  und  Jebs-               ^^M 

^v 

heim.                                  ^^| 

[        ktt^ir.  Laxni.  Bd.  I.  Hilft«. 

^H 

242 


Herberstein  Itiserar 


Colmar  entlang  1516 

Bergheim  20.   Nov.  Bergheim    und 

Scherweiler. 

Oberehenheim  21.  Nov,  Oberehenheim. 

gegen  Schlettetadt 

in  Neuweiler  22.  Nov.  Neuweiler. 

Ingweiler  23.  Nov.  Ingweiler. 

Hagenan  24. — 30.  Nov.  Hagenau. 

Am  14.  Dec.  lölöHerberstein's         bis  15.  Dec.  Hagenau. 

Abfertigung,  Hagenau 
Johann  Cuspinian's  Tagebuch  (1502—1527)«  enthält  nach- 
folgende zum  Vei^leich  mit  dem  Itinerar  geeignete  Daten: 

Itinerar 


1511,  24.-3.  Dec.  Linz. 

1514,  6.-10.  Mai  Wien. 

1515,  11.-15.  Juli  Wien. 
1515,  18.-28.  Juli  Wien. 
1517,  10.  Sept.  Wien. 

29.  JuH  1515  Abreise  von  Wien      1515,  29.  Juli  Wien  und  Neu- 
dorf. 
Auch  hier  sehen  wir  im  Itinerar  den  Anfang  des  Aufent- 
haltes auf  den  nächsten  Tag  verlegt.     Es  wird   also   der  Tag 
der  Abreise  ohne  Rücksicht  auf  den  noch  an  demselben  Tage 
erreichten  Ankunftsort  zu  dem  Abreiseorte  gerechnet.    Damach 
verzeichnet  das  Itinerar  folgerichtig:  1517,  6. — 8.  Jänner  Trier, 
9.  Jänner  Wittlich,  obwohl  der  Kaiser  am  7.  Jänner  1517  seiner 
Tochter  Margarethe  aus  Trier  schreibt,*  er  werde  den  nächsten 
Tag,   also  den   8.  Jänner,  Trier   verlassen,  d.  h.  an   demselben 
Tage  das  nahe  Wittlich  erreichen.   Zum  Beleg  a  contrario  kann 
die  verlässliche  Notiz   aus   dem  Nürnberger  Archiv:    ,An    sant 
Blasiustag  den  3.  Febr.  rit  k.  Maximilian  hie  zu  Nürnberg  ein. 
darnach  am  sontag  den  15.  Febr.  zug  der  keyser  hinweg*,  heran- 
gezogen werden.  Das  Itinerar  berichtet:    1512,  3.  Februar  Neu- 


Cntpinian 

berichtet  zum 

des  Kaisers 

23.  Dec.  1511 

Ankunft 

in  Linz 

5.  Mai  1514 

n 

„Wien 

10.  JuH   1515 

n 

„Wien 

17.  Juli  1515 

n 

„Wien 

9.  Sept.  1517 

n 

„Wien 

>  ed.  Th.  V.  Karajan  in  Font.  ror.  Austr.,  I.  Abth.,  I.  Bd.,  1866. 
«  Le  Glay,  Corr.,  Tome  II,  Nr.  646. 


Barkt,  4. — 15.  Februar  Nürnberg,  IG.  Februar  Kadolzburg  und 
»angenzcn.  Der  Kaiser  verliess  Neumarkt  am  3.  Februar,  traf 
ensciben  Tag  in  Nürnberg  ein,  erreiclitc  nach  dein  Ausritt  von 
limberg  am  15.  Februar  noch  an  demselben  Tage  die  wenige 
Uometer  entfernte  Kadolzburg.  Trotzdem  verzeichnet  das 
inerar  als  Anfangstage  4.  und  IG.  Februar.  Die  zweitägige 
iffercDz  im  ersten  Tagesdatuni  bei  jedem  Orte  zwischen  Herber- 
sin  und  Itinerar  wird  dadurch  erklärt,  dass  Herberstein  den  erst  als 
siseziel  am  nächsten  Tage  zu  erreichenden  Ort  mit  der  angeführten 
igeszahl  verbindet,  dagegen  das  Itinerar  den  der  Ankunft  erst 
ichfolgenden  Tag  als  ersten  zu  diesem  Orte  einzeichnet. 

Aus  der  Masse  der  unter  kaiserlichem  Namen  hinaus- 
igebenen  Briefe  greifen  wir  zur  Vergleichung  mit  dem  Itinerar 
IT  die  besondere  G nippe  heraus,  bei  der  durch  die  Bedeu- 
ag  der  behandelten  Materie  und  die  hervorragende  Stellung  der 
■iefempfilnger  die  unmittelbare  Mitwirkung  des  Herrschers  an 
IT  Ausfertigung  und  damit  die  Anwesenheit  desselben  an  dem 
Lisstellungsorte  oder  doch  in  nächster  Nähe  ausser  aller  Frage 
sht.  Allerdings  filllt  es  schwer,  für  die  Zugehörigkeit  zu 
Bser  Gruppe  eine  von  vorneherein  feststehende  Regel  auf- 
istellen.  Hier  kommt  es  wesentlich  auf  die  aus  der  innigen 
Brtrautlieit  mit  der  Sache  gewonnene  Schärfe  des  llrtheils  an.* 

Am  20.  April  1509  schreibt  Max  zu  Rüdesheim  an 
retini  über  die  Abweisung  eines  venetianischcn  Seere- 
ra.  Itinerar:  1509,  19. — 20  April  Rüdesheim.  Max  an  Veit 
Fürst  über  ßelehnung  des  Papstes  mit  italienischen  Reichs- 
ten, Innsbruck,  5.  August  1510.  Itinerar:  1510,  1. — 7.  August 
insbruck.  Im  October  1510  wurde  mit  ungarischen  Gesandten 
n  Vertrag  zu  Constanz  abgeschlossen.  Itinerar:  22. — 30.  Sep- 
snber  Constanz,  1. — 14.  October  Constanz,  15.  October  Con- 
anz  und  Wollmatingen.  Max  an  Bischof  M.  von  Gurk  über 
ichtige  politische  Vorftlllc,  Breisach,  5.  November  1510.  Itinerar: 
510,  3. — 7.  November  Breisach.  Max  an  denselben,  Eusisheim, 
9.  November    1510.    Itinerar:    15. — 21.  November    Ensisheim. 


Die  bier  angeführten  Briefe  haben  iu  der  trefSiclien  Danotelliing  der 
Geschichte  Maximiliana  I.  von  H.  Ulmann  bereit«  ihre  Würdigung  ge- 
fnnden.  Werden  auch  Ulmonn's  Angaben  im  Giiizolnen  durch  das 
Itinerar  nowesentliche  Corrccttiren  erfahren  kOniien,  so  vermag  doch  der 
Vergleich  mit  dem  Itiuemr  nur  die  ungemein  grosse  Sorgfalt  Ulmann's 
der  chronologischen  Anordnung  der  Vurfülle  an  bekrtftigen. 

16» 


244  [ 

Max   an  Georg  von  Sachsen,  Innsbruck,    24.  Juli  1511,  ESn- 
ladung  der  Stände  nach  Trient.     Itinerar:  1512,  24.  Juli  Ste^ 
zing  (da  Max  am  22. — 26.  Jtmi  zu  Innsbrack  weilt,   so  liegt 
die  Vermuthung  eines  Schreib-  oder  Druckfehlers  bei  Ulmann, 
n,  p.  562,  vor).    Zwei  Schreiben:  Max  an  Herzog  Wilhelm  von 
Baiem  von  Lienz,  30.  September  1511  und  an  König  Ferdinand 
von  Arragon,  Trient,  1.  September  1511,  mit  politischen  Nach- 
richten.    Das    Itinerar:    1511,    28.  September   bis  6.  October 
Lienz,   1511,   29.— 31.  August  Trient,    1.  September  Selva  bei 
Levico,  am  9.  September  wieder  nach  Trient  zurück.   Maximi- 
lians Beitritt  zum  Georgsorden  am  10.  November  1511  zu  Inns- 
bruck und  Max  an  den  Bischof  von  Trient  in   diplomatischer 
Angelegenheit,  Innsbruck,  12.  November  1511.    Itinerar:  1511, 
10. — 19.  November  Innsbruck.   Max  an  Christian  von  Limburg, 
Sillian,  25.  November  1511.   Itinerar:  1511,  25. November  Sillian. 
Max  an  Andrea  de  Burgo,  Wiesbaden,  2.  März    1512.    Itinerar: 
1512,    2.  März    Wiesbaden.     Max   an   Paul  v.  Liechtenstein, 
Trier,  29.  März  1612.  Itinerar:  1512,  27.— 30.  März.  Maximilian 
an   den  Bischof  M.  von   Gurk  und  Semtein,  Brüssel,  28.  Mai 
1512.     Itinerar:    1512,    26.-29.  Mai    Brüssel.     Max    an    den 
Herzog    von    Cleve,    Köln,    28.  JuU    1512.      Itinerar:    1512, 
16. — 31.  Juli    Köln.     Max    an   den    römischen    Orator   Grafen 
Carpi   in   insulis  (Lille),    12.  September    1513.     Itinerar:    1513, 
11. — 14.  September  Lille.   Max  an  den  König  von  Polen,  Tour- 
nay,  22.  September  1513.     Itinerar:    1513,  16.— 24.  September 
im  Feld   vor  Tournay.    Max  an    das   Innsbrucker  Regiment, 
Windischgrätz,  4.  Juni  1514.     Itinerar:  1514,  4. — 5.  Juni  Win- 
dischgrätz.    Quittungsbrief  Max'  über  100.000  Goldgulden  seitens 
Frankreich,  Graunden,  1.  August  1514.   Itinerar:  1514,  16.  Juli 
bis  22.  August,  Gmunden.    Max'  Instruction  für  Semtein  u.  A., 
Mindelheim,    24.  April   1515.     Itinerar:  1515,  24.  April  Mindel- 
heim.     Nach   gleichzeitigen  Nachrichten  gelangt  Max   im  mw- 
ländischen  Feldzuge  am  22.  März  1516  nach  Fontanella  und 
bewerkstelligt  bei  Rivolta  am  24.  März  den  Uebergang  über  die 
Adda.     Itinerar:    1516,    22.  März    Fontanella,   23.  Carava^o, 
24.  März  Rivolta  a.  d.  Adda.    Maximilians  Ausschreiben  an  die 
Stände,  datirt  vom  24.  März  1516  zu  Pioltello.    Itinerar:  1516, 
26. — 28.  März  Pioltello.     (Nach  dem  ganzen  Verlauf  des  Mar- 
sches   die    Angabe    des   Itinerars    viel    glaubwürdiger.)     Nach 
Brewer  weilte  Max  am  1.  April  1516  zu  Pontoglio,  von  wo  er 


r 


am  4.  April  nach  Ce8to(!)  rückt.  Itinerar:  1ÖI6,  1.— 4.  April  Pon- 
toglio,  5.  April  Costa  di  Mezzate.  Carl  Trapp  berichtet  dem 
Innsbrucker  Regiment  über  Vorfälle  aus  des  Kaisers  Umgebung 
aus  dem  Lager  zu  Borgo  di  Terzo,  5.  April  151(1.  Itinerar:  1516, 
6.  April  Borgo  di  Terzo.  Max  an  den  Bischof  von  Trient, 
Terzolas,  20.  April  1516.  Itinerar:  1516,  17.— 22.  April  Terzolas. 
Max.  Instruction  für  Casimir  von  Brandenburg  an  R.  Pace  der- 
zeit zu  Augsburg,  Landeck,  3.  Juni  1516.  Itinerar:  1516,  3.  Juni 
Landeek  und  Zams.  Max  an  den  Cardinal  von  Sitten.  Iiiist,  9.  Juni 
1516.  Itinerar:  1516,  7. — 10.  Juni  Imst.  Max  an  den  Hochmeister 
des  deutschen  Ordens  Ueberlingen,  27.  Juni  1516.  Itinerar: 
1516,  27. — 28.  Juni  Ueberlingen.  Secretilr  Renner  an  Schatz- 
meister Casius.  Reutte,  8.  Juli  1516.  Itinerar:  1516,  8.  Juli  Tanu- 
heim,  9.  Juli  Reutte.  Max  sichert  Hilfe  zu  Gunsten  Veronas 
zu.  Imst,  21.  August  1516.  Itinerar:  1516,  lä.  August  Imst  und 
Zams,  19. — 21.  August  Zams,  22.  August  Imst.  Max  an  Wolcken- 
stein  und  Serntein.  Hagenau,  1.  Deceniber  l.")16.  Itinerar:  1516, 
1. — lö.  December  Hagenau.  Instruction  Max  für  Casimir  von 
Brandenburg  an  den  Kurfllrsten  Joachim  von  Brandenburg.  Neu- 
stadt, 20.  November  1517.  Itinerar:  1517,  12.— 20.  November 
Neustadt.  Max  an  denselben.  Milhldorf,  22.  Jänner  1518. 
Itinerar:   1518,  22.  Jänner  Mühldorf  und  Schwindkirch. 

Endlich  wollen  wir  jene  brieflichen  Nachrichten,  die  von 
dem  Kaiser  selbst  oder  aus  dessen  nächster  Umgebung  stammen, 
und  die  sich  direct  mit  der  Aufenthaltsfrage  des  Kaisers  be- 
schäftigen, soweit  uns  solche  aus  Archiven  bekannt  wurden,  mit 
den  durch  das  Itinerar  überlieferten  üaton  vergleichen.  Am 
18.  Juli  1510  schrieb  Maximilian  aus  München  an  Paul  von 
Arnstorffer,*  er  habe  die  vergangene  Nacht  (17. — 18.  Jidi)  bei 
dem  , heiligen  Perg'  (Kloster  Andaclis  am  Ammersee)  liegen 
and  heute  (18.  Juli)  in  Weilheim  sein  wollen,  aber  seine 
Schwester  und  deren  Kinder  hUtton  ihn  zu  München  festge- 
halten; heute  wolle  er  sich  jedoch  erheben  und  morgen  (19.  Juli) 
zu  Weilheim  sein.  Das  Itinerar  berichtet:  1510,  Juli  15. — 18. 
München,  19.  Juli  Starnberg  und  Heiligenberg,  20.— 22.  Juli  Weil- 
heim. Am  16.  Mai  1511  schrieb  Maximilian  an  seinen  Kanzler 
Cjprian  von  Serntein  aus  Weilheim,*  dass  er  gestern  (15,  Mai) 


Conccpt  im  Innubnicker  Statthaltereiarchiv,  fiwc.  15. 
'  lonabnioker  Statthaltereiarchiv,  Maximiliaiui  XIV. 


246 

und  heute  mit  ,den  rayger'  so  viel  zu  schaffen  gehabt  hätte, 
dass  er  ihm  nicht  schreiben  konnte.  Doch  lasse  er  die  Falken 
hier  zurück  und  ,ziehen  wir  heute  gegen  Heiligenberg'.  Dort 
soll  er  allen  Bescheid  erhalten.  Uebermorgen  (18.  Mai)  wolle 
er  mit  dem  Herzog  Wilhelm  jagen.  Das  Itinerar  berichtet: 
1511,  16.  Mai  Weilheim,  17.  Mai  HeUigenberg,  18.— 19.  Mai 
Fürstenfeld  und  Brück,  20. — 21.  Mai  München.  Abgesehen  von 
der  völligen  Uebereinstimmung  mit  den  Angaben  des  Kaisers 
wird  hier  auch,  da  der  Kaiser  ausdrücklich  seine  Abreise 
nach  Heiligenberg  am  18.  Mai  angibt,  das  Itinerar  den  Kidser 
dort  am  19.  Mai  als  anwesend  verzeichnet,  die  schon  besprochene 
Verschiebung  um  einen  Tag  ausser  Frage  gestellt  Der  Auf- 
enthalt in  Fürstenfeld  und  Brück  entspricht  dem  beabsichtigten 
Jagen  auf  bairischem  Gebiete.  EndUch  ziehen  wir  zwei  Schreiben 
des  Secretärs  Finsterwalder  an  den  Kanzler  Serntein '  heran, 
welche  uns  fUr  die  geradezu  minutiöse  Genauigkeit  des  Itinerars 
Zeugniss  ablegen.  Im  ersten  tbeilt  Finsterwalder  am  18.  Sep- 
tember 1515  aus  Magerbach  von  der  Hirschjagd  mit,  dass  der 
Kaiser  ,heint  zu  Kematen  übernacht  liegen  wird'.  Im  zweiten 
vom  10.  December  um  11  Uhr  in  der  Nacht  aus  Ehrenberg, 
der  Kaiser  habe  tagsüber  auf  Gemsen  gejagt,  7  Stück  gefangen, 
,so  lustig  als  es  in  langer  Zeit  nie  gewesen'.  Morgen  (11.  De- 
cember) zöge  der  Kaiser  um  9  Uhr  von  hier  weg  und  werde 
zu  Lermoos  liegen.  Das  Itinerar  berichtet:  1515,  18.  September 
Magerbach  und  Sils,  19.  September  Kematen,  femer  1515, 
10.  December  Ehrenberg  an  der  Klausen,  11.  December  Ehren- 
berg an  der  Klausen  und  Heiterwang,  12.  December  Lermoos 
und  Nassereit. 

Aus  der  vorangegangenen  Untersuchung  ergibt  sich  mit 
vollster  Evidenz:  1.  Die  unbedingte  Verlässlichkeit  der  Angaben 
des  Itinerars.  Dasselbe  kann  als  vorzügliche  Quelle  in  allen 
mit  dem  jeweiligen  Aufenthalt  des  Kaisers  zwischen  1508 — 1518 
zusammenhängenden  Fragen  verwendet  werden.  Die  Angaben 
sind  so  verlässlicli,  dass  umgekehrt  bei  gegensätzlichen  Nach- 
richten in  anderen  Quellen  die  Untersuchung  auf  die  Richtig- 
keit dieser  letzteren  erst  angestellt  werden  muss.  2.  Der 
Verfasser  des  Itinerars  hat  nicht  alle  von  Maximilian  vom  Ab- 
gangsorte bis  zum  Orte  der  nächsten  Nachtruhe  berührten  Ort- 


'  Innsbrucker  Statthaltereiarchiv,  Maximiliana  XIV,  ParteiMchen. 


247 


Schäften  zu  den  Aufenthaltstagen  eingezeichnet.  Werden  zu 
einem  Tage  mehrere  Orte  genannt,  so  legt  der  Zweck  des 
Itinerars  die  Vermuthung  nahe,  dass  die  zur  getrennten  Unter- 
bringung des  Kaisers  und  seines  bekanntlich  nicht  kleinen  Hof- 
staates —  häufig  an  100  Personen  und  darüber  —  verwendeten 
Orte  gemeint  sind.  3.  Die  Ankunft  des  Kaisers  kann  in  der 
Regel  auf  den  Tag,  der  dem  im  Itinerar  genannten  Tage  voran- 
geht, verlegt  werden.  Es  ergibt  sich  also  bezüglich  des  An- 
kunftstages eine  Verschiebung  um  einen  Tag  zurück,  nicht  aber 
bezilglich  des  Abfahrtstages.  Die  zwischen  Ankunft  und  Abfahrt 
liegenden  Tage  werden  in  ihrer  richtigen  ISteilung  niclit  berührt. 
4.  Aas  Versehen  unterlaufene  Fehler  konnten  auf  Grund  sorg- 
f^tiger  Vergleichung  nicht  nachgewiesen  werden.  5.  Kurze 
Aosfliige  nach  nachbarlichen  Orten  ohne  Nachtunterkunft  bei 
Iftngerem  Verweilen  an  einem  anderen  Orte  erscheinen  nicht 
verzeichnet  und  haben  nachgewiesener  Massen  stattgefunden. 
Die  Untersuchung  kann  jetzt  den  umgekehrten  Weg 
nehmen.  Das  Itinerar  gilt  uns  für  die  zehnjährige  Periode  als 
feststehend.  Darnach  sind  die  Datirungen  aller  Briefschaften 
Maximilians  —  der  gedruckten  wie  ungedruckten  —  zu  prüfen 
und  zu  versuchen,  ob  sich  nicht  im  Allgemeinen  verlllssliche 
Kriterien  für  die  Heranziehung  bestimmter  Gruppen  dieser 
Briefschafton  flii*  die  Zwecke  eines  Itinerars  gewinnen  lassen. 
In  erster  Linie  handelt  es  sich  bei  Beantwortung  der 
Frage,  ob  der  Ausstellungsort  auch  der  Aufenthaltsort  des  Kaisers 
sei,  um  den  Nachweis  des  persönlichen  Mitthucns  des  Kaisers 
an  der  Fertigstellung  des  Briefes.  Dieses  erscheint  bei  den 
vom  Kaiser  eigenhändig  geschriebenen  Briefen  ausser  alle  Frage 
gestellt.  So  werthvoll  daher  die  Autographc  Maximilians  ftlr 
die  Feststellung  des  Aufenthaltsortes  sind,  so  ist  doch  erstens 
die  Zahl  der  überheferten  gegenüber  der  Gesammtbricfschaft 
verschwindend  klein,  und  überdies  ist  der  weitaus  grösste  Theil 
der  Autographe  durch  den  Mangel  von  Zeit  und  Ortsangabe 
ftir   die   Zwecke    eines    Itinerars    unbrauchbar. '     Es    entsprach 


'  Die  Autographe  Maximilian»  aiiid  —  soweit  ich  fesbtellen  konnte  — 
durcbauH  epistul.  clnuti,  cliart.  ohne  kanKleigemSsie  Form,  zumeist  mit 
dem  Rin^iegel  Mniimilian.t  verschlossen.  Die  wenigen  in  den  Archiven 
zu  Innsbruck  und  Wien  liegendeu  Autographe  entbehren  innieist  einer 
voUstJludigen  Datiniugszeile.  Von  den  von  Le  ülay,  Corr.,  Ud.  I  u.  II 
veröffentlichten  32  franzOttischen  Autographen    kommen   fUr   das  Itinerar 


248 


nur  5  in  Uetraclit  Jeder  Datirung  entbobrcn  C.  Ausstellungszeit,  aber 
keinen  Ort  enthalten  21.  Von  den  mir  bckannteu  13  deutschen  Auto- 
graplion  im  Weimarer  Ernoatinischen  Staatsarchiv  kommen  nur  4  (sKmmt- 
lieh  Tur  Ilerbsl  1608)  in  Betracht.  4  Stücke  haben  Zeit-,  aber  keine 
Ortsangabe,  1  Stück  Orts-,  aber  keine  Zeitangabe,  3  Stücke  weder  das 
eine  noch  das  andere.  Gacliard  theilt  in  Lettre»  inäd.  Max.  I,  Nr.  l'.'l 
(ComptQ  rendu,  Serie  II,  Bd.  2  u.  3),  nur  1  Antograph  mit. 


eben    dem  Wesen    des    Kaisers,   sich    nicht    allzu    peinlich   an 

kanzleimJlssigc  Formen  zu  binden.     Was  nun  den  grossen  Be- 
stand der  theils  veröffeiitlieliten,  theila  noch  in  den  verschiedenen 
Archiven  rulienden  Briefe    mit    kanüloigemässer  Fertigung  an- 
langt,  80   liisst  sich   Folgendes   auf  Grund   eingehender  Unter- 
suchung feststellen;   Nicht  die  von  der  Kanzlei  gewählte  Form    ' 
der  Ausfertigung,  sondern  der  Inhalt  des  Verbrieften  kann  mit 
der   Frage    der    Verwendharkeit    der    Datirungszeile    für    das 
Itinerar  in  Zusammenhang   gebracht   werden.     Je  bedeutsamer 
der  Inhalt,  je  hervorragender  der  Briefempfönger,  je  mehr  der   , 
Inhalt  die  Nothwendigkeit  einer  unmittelbar  vor  der  Verbriefung-  ' 
erfolgten  Entschliessung  des  Kaisers   voraussetzt,    desto    werth-   i 
voller  erscheint   die    Datirungszeile   ftlr   das   Itinerar.     Genaue 
Regeln    sind   in   dieser   Beziehung    nicht    festzustellen.      Einen    ^ 
Zusammenhang  zwischen  der  gewählten  Ausfertigungsform  und 
der  Anwesenheit  des  Kaisers  am  AuBstcliungsorte  lüsst  sich  nicht 
ermitteln.     Der  Form   nach    theilen    wir   die  Kanzleibriefe   ein 
in:  I.  Epistolae  patentes  membran.   (Pergaraentumschlag  unten, 
anhangendes   Siegel,    aussen    keine  Adresse,    unmittelbarer  An- 
schluss  der  Titelzeile  an  den  Urkuiidentext,    Ankündigung  des 
Siegels  und  darauffolgende  Datirungszeile.   Je  nach  dem  Grade 
der  feierlichen  Ausfertigung  [Diplomata],  nach  den  Abweichim- 
gen  in  einzelnen  Theilen  des  Protokolls,  ins  besonders  in  Bezug 
auf  die  von  Maximihan   gewählte  Unterschrift  lassen    sich   die 
Diplomata  in  verschiedene  Arten  gruppiren.)    II.  Epistolae  pa 
tentes  chartac.  (Kein  Umschlag,  rUckwärts  in  der  Mitte  aufge- 
drucktes Siegel.    Im  Urkundentext  und  Protokoll  der  Gruppe  I 
gleich.     Die  Lehenssachen  werden  insbesonders  durch  die  Pa- 
tente  erledigt.     Die  Unterschrift   des  Kaisers  und  der  Kanzlei 
erfolgt  in    abweichenden    Formen.     Oefters   fehlt   die   erstere.) 
in.  Instructionen.  (Aeussere  Form  wie  Gruppe  II,  jedoch  mit 
unmittelbar  unter  dem  Text  aufgedrücktem  Siegel.)  IV.  Epistolae 
claus.    membranac.     (Rückwärts     Verschlusssiegel,     rückwärts 


249 

Adresse.     Die  kaiserliche  Namens-  und  Titelzeilo  unterhalb  des 
Brieftextes  im  Anschlüsse  an  die  Datiningszcile.  Wechselnde  Art 
der  Unterschrift.  Selten,  wohl  nur  im  Verkehr  des  Kaisers  mit  dem 
P»pst,  angewandte  Briefform.)  V.  Epistoliie  claus.  chartac.  (Rück- 
wärts Verschlusssiegel,  rückwärts  Adresse.    Name  und  Titel  des 
Kaisers  in  getrennter  Zeile  oberhalb  des  Brieftextes.  Unterschrift 
des  Kaisers  und  der  Kanzlei  in  verschiedenster  Form.    Oftmals 
'ehlt    die  Unterschrift   des  Kaisers,   öfters  steht  dieselbe  allein. 
X)er  Brieftext  beginnt  mit  dem  Titel  des  Empfängers.  In  dieser 
[«m    stärksten   vertretenen  Briefform  erfolgt  die  Erledigung  der 
LVielseitigsten,  das  Verwaltungs-  und  Finanzwesen    berührenden 
Angelegenheiten.)  VI.  Concepte  mit  Datirungszeile  und  mit  Ver- 
kesserungen  aus  der  Kanzlei  oder  von  der  Hand  des  Kaisers.   (In 
len    mannigfachsten  Formen  von  flüchtiger  Festsetzung  des  In- 
lialtes  [^Rathschhiges']  auf  losem  Blatte  bis  zur  Form  einer  im 
letzten  Stadium  nicht  abgefertigten  epistola.)  Den  Conccpten reihen 
"*rir   an  die  Kegistratursabschriften  (CopialbUchcr)  mit  ausdrück- 
licher   Bezeichnung  der  von  des  Kaisere  Hand  in  den  Briefen 
Keinachten  Znsätze.     Die  lateinischen  Briefe,'  die  französischen 
«lus  der  burgundischen  Kanzlei  gleichen  im  Allgemeineo  der  Form 
^nacb  den  Ausfertigungen  der  deutschen  Kanzlei.    In  dem  fran- 
kösischeo    ep.   claus.    schhesst    sich    manchmal    die    kaiserUcbc 
Samens-  und  Titelzeile  unmittelbar  an  den  Brieftext  an.* 

t  Sehen  wir  von  den  Autographen  ab,    so    steht   fest,   dass 

rllcksichtlich  der  Verwendbarkeit  der  Datirungszeile  für  ein 
lünerar  keine  der  vorgenannten  sechs  Briefarten  von  vorne- 
herein auszuschliessen  ist.  Wohl  aber  werden  sich  bestimmte 
Unterabtheilungen  dieser  Briefarten  für  diesen  Zweck  nicht 
gut  verwenden  lassen.  Immer  steht  die  Frage  nach  dem  un- 
mittelbaren Mitthuen  des  Kaisers  an  der  Fertigstellung  des 
Briefes    am    Datirungsorte    obenan.       Wenn    Maximilian    der 

IElrlcdigung     einer     Beschwerde     des     österreichischen     Kanz- 


'  SecretSr  in  der  lateiniBckeu  Kanzlei  war  durch  viele  Jabro  Collauer. 

*  B«EÜglich  dieser  Briefe  »iehe  Corre8|iundanco  de  Max  I.  et  de  Mar^ucrite 
d'Autricho  6A.  Le  Glay,  U.  Ud.,  1839.  Oacbard'»  (Lettres  inMitea  Max  I, 
1478— 1&08  iu  Compte  reiidu,  Serie  II,  Bd.  2  u.  3,  1861  —  1862)  entlialteii 
3«>  Stücke  Maximiliani!  (daruuter  eines,  Nr.  30,  in  äilniischer  Spracbe, 
ein  Äutograpb  und  eine  epist.  pat.).  Maximilian  bediente  sich  auch  der 
flXmischen  Sprache  und  machte  iu  dieser  autographe  ZusStze  (siebe 
Mimoires  de  Jean  de  Dadixelle  äd.  M.  Kerryn  de  Lettenhove). 


260 


lere  Johann  Waldner  von  Innsbruck,  22.  Jänner  1498  (ep. 
claua.  chart.  lunsbrucker  Archiv),  die  eigenhändige  Bemer- 
kung beifligt:  ,Las  dich  niemt  erschrecken  vnd  handl  hin 
als  beer,  das  wellen  wier  in  gnaden  alczeit  gegen  dier  er- 
kennen, p.  m.  p.',  wenn  Maximilian,  dieselbe  Person  zu  nutz- 
bringender Thätigkcit  am  Wiener  Landtag  aufmunternd,  von 
Innsbruck,  18.  Februar  1500,  seinem  kleinen  Handzeichen  die 
Worte  beisetzt:  ,hab  fleis  in  der  sach.  p.  m.  p.'  (ep.  claus.  chart. 
Innsbrucker  Archiv),  wenn  Maximilian  von  derselben  Person 
die  Abtretung  zweier  Pflegschaften  von  Innsbruck  am  28.  Jänner 
löÜO  mit  dem  eigenhändigen  Zusatz:  ,La8  dier  dy  sach  bevolhen 
sein  vnd  slach  dy  vns  nicht  ab.  belln  wier  alczeit  gegen  dier 
mit  gnaden  erkennen  p.  m.  p.'  (ep.  claus.  chart.  Innsbrucker 
Archiv),  wenn  das  Copinlbuch  des  Innsbrucker  Statthai lerei- 
archivs  1496  einen  Brief  des  Kaisers  an  Cyprian  von  Serntein 
vom  26.  August  1496  aus  Carimate  mit  der  Ik'mcrkung  regi- 
strirt,  dass  er  den  Zusatz  von  des  Kaisers  Hand  entliillt:  ,Fürder 
die  sach  vnd  bevilich  ernnstlich,  das  dem  eranstlich  zu  ange- 
sichl  nachkomcn  werd,  dann  wir  tannczen  hie  steligs  an  ain 
pheiffer  vnd  auft'  ainer  stelczen  p.  m,  p.',  wenn  ^laximilian 
am  13.  April  1503  aus  Hai  im  Hennegau  den  Hofräthen  iu  Inns- 
bruck befiehlt,  dort  beisammen  zu  bleiben  und  seines  Bescheides 
wegen  der  Silberlosung  zu  harren,  und  seinem  kleinen  Hand- 
zeichen folgende  eigenhändige  Nachschrift  voranstellt:  .dann  wir 
ewch  kurczlich  weiter  vnser  mainung  auff  die  sach  verkünden 
wellen,  nachdem  sich  dy  sach  verlengt'  (ep.  claus.  chart.  Inns- 
brucker Statthalterciarchiv),  wenn  Maximilian  in  Erledigung 
einer  Angelegenheit  des  Haller  MUnzmeisters  Behaim  dem  Inns- 
brucker Regiment  und  der  Haitkammer  aus  dem  Lager  za 
jMcnduU  bei  Mantua'  am  14.  März  1516  mit  dem  autographon 
Zusatz  neben  dem  kleinen  Handzeichen  sehreibt:  ,Tuct  im  also 
propter  causam  p.  m.  p.'  (epist.  claus.  chart.  Innsbrucker  Archiv, 
fasc.  8),  so  erscheinen  die  Aufenthaltsorte:  1496,  20.  August 
Carimate,  1498,  22.  Jänner  Innsbruck,  1500,  28.  Jänner  und 
18.  Februar  Innsbruck,  1503,  13.  April  Hai  im  Ilennogau,  1516, 
14.  März  Medole  unbedingt  verbürgt.  In  der  That  verzeichnet 
auch  unser  Itinerar:  1516,  14.  März  Medulla. 

Schwieriger  steht  die  Sache,  wenn  zur  Beglaubigung  des 
Aufenthaltes  die  persönhche  Unterschrift  des  Kaisers  allein 
herangezogen   wird.     Der  Unterschrift:   ,M.  Ko.  kunig  p.  m.  p.' 


Vbdiente  sich  der  Kaiser  nur  in  seltenen  Fällen'  und  da  zu- 
meist bei  eigenhändigen  Mittheilungen  mehr  vertraulichen  und 
freundscliaftlichen  Charakters.  .Sie  wurde  aumeist  in  den  Formen 
des  sogenannten  grossen  und  kleinen  Handzeichens  geleistet. 
Das  grosse  lautet:  , Maxis'  mit  einer  anschliessenden  ziemlich 
kunstreichen  VcrschnfJrkelung*  und  den  angedeuteten  Buch- 
staben ,sps.'  (subscripsi).  Das  kleine  lautete:  ,per  regem  per 
se'.'  Ein  Kriterium  bezüglich  der  Verwendung  des  einen  oder 
anderen  ist  schwer  festzustellen.  Im  Allgemeinen  entsprach  der 
feierlicheren  Beurkundungsform  die  Verwendung  des  grossen 
Namenshandzeiehens.  Da,  wo  sie  vom  Kaiser  persönlich  ge- 
leistet wurde,  ist  ein  KUekschluss  auf  den  Aufenthaltsort  zu- 
liissig.  Doch  bleibt  die  PVage  offen,  ob  die  Uiitcrsehrift  unter 
allen  Umständen  durch  des  Kaisers  Hand  erfolgte,  und  ob 
nicht  eine  Art  von  Biancozeichnung  vorgekommen  ist.  Vor 
Erledigung  dieser  Frage  wollen  wir  tms  die  bei  Ausfertigung 
der  Kanzleibriefe  massgebenden  Umstünde  vergegenwärtigen. 
Ueber  Maximilians  persönlichen  Antheil  bei  der  Fertigung 
der  aus  seinen  Kanzleien  ausgehenden  Briefe  werden  wir  durch 
die  Bestimmungen  der  ,Hof-  und  Kegimcntsordnung'  vom  13.  De- 
cember  1497,  der , Schatzkammerordnung'  vom  13.  Februar  1498, 
endlich   eines  Instructionsentwurfes   fUr   den    Ilofkanzler  s.  d.  * 


*  So  in  einer  ep.  claus.  chart.  Ton  Prsceti,  35.  November  14U6,  im  Wiener 
SUatMTcbiv. 

Fr.  W.  Cosmnnn,  Vuu  dem  grossen  Naroenshandzeichon  Maximilians  I., 
Uaiuz  1786,  deutet  diese  Verzierung  als  ,rex'.  Er  erwähnt  anch  eines 
monograminatisclion  Handzeichens,  einer  doch  wohl  nur  vereinzelten 
diplomatischen  Spielerei. 

Daas  ,per  regem  etc.*  wirklich  als  Uandzeichon  galt,  wird  durch  den 
Brief  Maximilians  nn  die  Hufkammer,  Viliingon,  24.  April  1497,  in  wel- 
chem Walsee  auf  Onind  eines  wiedergefundenen  Lehensh<icliex  als  (ister- 
reichisches  Lehensgiit  bezeichnet  wird,  und  durch  eine  Urkunde  Max  I., 
Aoguhurg,  2tj.  Februar  1618,  im  Streitfall  mit  Michael  v.  Eytzing  be- 
glaubigt (ep.  claus.  Chart,  und  op.  pst.  menibran.,  Wiener  Staatsarchiv). 
Iin  Text  wird  ausdrücklich  auf  das  nachfolgende  .Handzeichen',  das  in 
obiger  Form  danu  folgt,  verwiesen.  Vereinzelt  kommt  auch  in  den 
letateo  Regiorangsjahren  ,per  Ceaarem'  vor.  Doch  wird  die  Formel  ,per 
regem'  auch  nach  Annahme  des  Kaisertltels  fast  durchgängig  beibehalten. 
Die  zwei  erütgeuaunteu  Ordnungen  im  Wiener  Staatsarchiv.  Der  Ent- 
warf im  Innsbrucker  Statthaltereiarchiv,  die  Schatzkammerordnung,  wie 
den  Entwurf  hat  B.  Adler  im  Anhange  zur  .Organisation  der  Central- 
verwaltung  unter  Max  I.'  abgedruckt.     Doch    fehlt   in    dem  gedruckten 


252 


(zweifellos  derselben  Zeit  zugehörig)  zur  Geniige  infonnirt.  Nach 
der  Hof-  und  Regimentsordnung  gibt  der  König  thatsächlich  einen 
Theil  der  ihm  bisher  vorbehaltenen  Machtbcfugniss  an  seine 
Hofriithe,  in  erster  Linie  an  seinen  Statthalter,  den  Kurfürsten 
Friedrich  von  Sachsen  (,stattverwalter  vnseres  regiments')  ab, 
als  oberste  Regenten  treten  sie  an  die  Stelle  der  bisher  ,in  un- 
seren eigenen  Geschäften'  gebrauchten  Hoiräthe.  Herzog  Fried- 
rich von  Sachsen  zeichnet  die  Uriefe  in  des  Königs  Namen, 
keiner  der  hohen  und  niederen  Beamten  am  Hofe  darf  irgend 
eine  Angelegenheit  mit  Umgehung  des  Hofrathes  direct  an  den 
König  bringen  (,Procurey  treiben').  An  des  Königs  statt  nimmt 
Herzog  Friedrich  den  Schlüssel  zur  grossen  ,Rathstruhe'  an 
sich.  Nur  gewichtige  Angelegenheiten  sollen  durch  Herzog 
Friedrich  und  die  HofriUhc  an  den  König  gebracht  und  dessen 
Bescfaluss  an  den  Rath  zurUckgeleitet  werden.  In  allen  Ver- 
waltungsangelegenheiten, das  Reich  so  gut  wie  die  österreichi- 
schen Erblande  betreifend,  konnten  also  Verfügungen  im  könig- 
lichen Namen  (per  regem)  hinausgehen,  ohne  dass  der  König 
an  der  Ausfertigung  sich  persönlich  betheihgte.  Die  in  den 
Briefen  Maximilians  so  häutig  vorkommende  Unterschrift  ,per 
regem'   will    daher  nichts  Anderes   sagen,  als    dass    eine    dem 

,Entwurf  bei  Adler  nach  dem  Abschnitt :  .Item  djiz  die  ku.  mL  den  statt- 
halteru  .  .  .  fUrderlicIioii  der  ka.  mt.  znscliickhen'  iiactifol^oiider  Abschnitt: 
4n  simili  dem  haubtiiian  statbaltem  vnd  i-egenten  zu  VVienn  auch  n- 
aolireibeii  vud  zabeuelhen,  daz  ay  ron  wegen  tax  der  canucxleien  auch 
von  stundan  ratsla^en  vnd  ordtinng  fiirnemen  vnd  denselben  im  ratslag 
vnd  Ordnung  der  kn.  mt.  fllnlorlichen  in  schrifft  zuschicken,  als  dann 
■o  ma^  die  kn.  mt.  aus  denselben  ratslci^on  nach  seiner  mt.  willen  vnd 
geuallon  ein  Ordnung  farnemou  vnd  sliesKon,  was  für  ainen  yedeu  brief 
gegeben  sol  werden,  damit  die  vndertanen  vnd  ander  durch  die  hof- 
cannczlei  noch  die  cannczleien  zu  Innsprugk  vnd  Wienn  nit  beswert 
noch  Uberuomen  werden.'  Bezüglich  der  ,Hof-  und  Uegimentsordnung' 
rauss  bemerkt  worden,  dass  im  Wiener  8tant<iarchir  zwei  von  einander 
abweichende  Ausfertigungen  vorliegen.  Uer  ausführliche  (auf  Pergament), 
nline  Siegelung  und  Unterschriften  versehene  Entwurf  blos  mit  der 
Jahresaugabe  14U7,  dann  eine  mit  Maximilians  und  C.  Stürtzers  Hand- 
zeichen versebene  viel  kürzere  epist.  pat.  mombran.  mit  dem  Datum 
13.  December  1497  (mit  verändertem  Hchlusspassus  und  üinweglaiMiTing 
der  llber  die  Secreläre,  Registratur  und  Kanzleischreiber  handelnden 
Capitel).  Trotz  der  gründlichen  Untersacbungen  Adler's  und  Ulmann's 
aber  Wesen,  Bestand  und  Umwandlung  der  kaiserlichen  Aemterorgani- 
sation  von  1497  an  ist  in  der  Sache  ein  vOUig  sichergestellte«  Reaaltat 
noch  nicht  gewonnen. 


* 


2n3 


königlichen  Willen  entsprechende,  allenfalls  nach  mündlich  oder 
schriftlich  gepflogenem  Einvernehmen  mit  dem  König  oder  auf 
schriftlichen  oder  milndlichen  Auftrag  von  ihm  erfolgte  Aus- 
fertigung vorliegt.  Daher  in  den  Briefen  von  1497  und  1498 
die  so  hftuflg  wiederkehrende  Untersehriftsforrael :  ,per  regem' 
und  darunter  ,Fridericus'  mit  dem  ausdrücklichen  Hinweis  auf 
die  consihar  erfolgte  Erledigimg  des  Gegenstandes. 

Die  an  den  Hofrath  gerichteten  oder  ihm  zugewiesenen 
Stücke  werden  in  die  offene  Rathssitzung  gebracht.  Dort  legt 
der  Hofmeister  die  causa  dar,  und  der  Hofmarschall  stellt  durch 
Umfrage  den  Beschluss  fest.  Vor  Schluss  der  Sitzung  verliest 
der  oberste  SecretÄr  denselben  (,Ratlischlag'),  nach  dessen  Gut- 
heissung vom  Kanzler  oder  obersten  Secretttr  der  Entwurf  des 
Briefes  und  nach  Genehmigung  desselben  durch  Unterstlirift 
einer  der  Beiden  die  Ausfertigung  in  der  Kanzlei  angeordnet 
wird.  Letztere  gelangt  in  die  nächste  Rathssitzung,  wird  nach 
neuerlicher  Verlesung  approbirt  und  nunmehr  an  des  Küuigs 
statt  vom  Herzog  Friedrich  und  dem  Kanzler  (oder  obersten 
Secretür)  unterfertigt  und  von  den  zwei  Secretärcn  besiegelt. 
Daneben  steht  zweifellos  fest,  dass  Maximilian  sich  völlig  freie 
EntSchliessung  auch  ftlr  die  Jahre  1497 — 149B  —  im  noch 
höheren  Masse  galt  dies  wie  in  der  vorangehenden  Periode  ftlr 
die  dem  Zerfall  dieser  Regimentsnrdnung  nachfolgenden  Jahre 
—  vorbehielt.  Viele  Eingaben  wandten  sich  unmittelbar  an 
seine  Person.  Es  gab  ja  ausser  den  , Händeln,  Sachen  und 
Geschäften,  die  künftig  vom  heil.  Reich  deutscher  Nation,  ge- 
meiner Christenheit  oder  von  unseren  erblichen  Füi-stenthümern 
and  Landen  herfliessen,  femer  Sachen,  die  den  Hof  und  dessen 
Zugehörige  betreffen',  auch  den  König  höchst  persönlich  be- 
rührende Angelegenheiten.  Die  Competenzgrenze  zu  ziehen 
blieb  dem  Könige  vorbehalten,  der  sie  allerdings  zu  Gunsten 
seiner  persönlichen  Machtvollkommenheit  zu  verrücken  verstand. 

Die  Kanzleiinstruction  verftigte  nun,  dass  alle  Briefe,  Auf- 
träge, sowie  Verschreibungen  vom  Kanzler  von  Wort  zu  Wort 
gelesen  und  von  ihm  mit  Unterschrift  und  mit  einer  nach  dem 
jeweiligen  Auftraggeber  wechselnden  Clausel  versehen  werden 
sollten.  Kam  der  Auftrag  vom  Rathc,  d.  h.  auf  Grund  eines 
Rathsbeschlusses,  so  hat  sie  zu  lauten:  ,commi8sio  domini  regis 
in  coDsilio';  erfolgt  die  Ausfertigung  über  mündlichen  Befehl 
des  Königs:  .commissio  domini  regis  propria'.     Ist  der  Auftrag 


254 


des   Königs   durch    Vermittlung  einer  Amtsperson   (.GeschafU- 
herr*)  dem  Kanzler  zugekommen,  so  ist  der  Name  dieser  Amts- 


person   (per    dominum 


an    das   ,propria'   zu    fügen.      Die 


Clausel  zur  Bezeichnung  der  königlichen  Zustimmung  (per  regem) 
konnte  sich  nun  durch  den  Zusatz:  ,per  se'  zur  Clausel  der 
durch  ihn,  den  König  selbst,  (per  se)  ausgedrückten  königlichen 
Zustimmung,  d.  h.  also  zu  dem  von  ihm  persönhch  gemachten  klei- 
nen Namenszeichen  erweitem,  das  seit  1497  das  früher  vielfach 
gebrauchte,  in  späteren  Jahren  nur  auf  besonders  feierliche 
Ausfertigungen  beschränkte,  grosse  Handzeichen  verdrängte. 

Für  das  Itinerar  wichtig  ist  also  die  Thatsache,  dass  die 
Anwendung  des  kleinen  Handzeichens  die  Anwesenheit  des 
Königs  am  Ausstellungsorte  im  Allgemeinen  verbürgt,  dass  die 
Clausel  der  Consiliarcommission  zwar  in  Verbindung  mit  der 
Clausel  ,per  regem'  mit  nachfolgender  Statthalterzeichnung,  nicht 
aber  —  mit  einer  einzigen,  sofort  zu  behandelnden  Ausnahme  — 
in  Verbindung  mit  dem  kleinen  Handzeichen  (per  regem  per 
se)  nachgewiesen  werden  kann.  Die  Proprial-Coramissionsclausel 
muss  zwar  nicht,  wird  aber  thatsUchlich  sehr  hftufig  in  Ver- 
bindung mit  dem  kleinen  Handzeichen  angewandt. 

Endlich  gibt  es  Briefe,  die  abseits  von  der  Kanzlei  ledig- 
lich unter  dem  kleinen  Handzeichen  hinausgehen.  Wir  können 
füi"  sie  die  Bezeichnung  , Privatbriefe  des  Königs'  gebrauchen 
und  bemerken,  dass  ihre  Ausstellungsorte  für  das  Itinerar  von 
besonderem  Werthe  sind. 

Der  Stellung  der  Statthalter  und  HofrUthe  in  .Regiments- 
sachen* analog  war  die  der  fünf  Statthalter  der  Hofkammer 
(Melchior  Bischof  von  Brixen,  Martin  Herr  von  Polheim,  Heinrich 
Prüschenck,  Walter  von  Stadion,  Hans  von  Landau) '  in  allen 
Finanzangelegcnheiten.  Vielleicht  in  noch  höherem  Äfasse  ging 
hier  —  handelte  es  sich  doch  um  eine  wirksame  Bindung  der 
königlichen  Maclit  —  die  königliche  Machtfülle  an  die  Stell- 
vertretung und  ijire  consiliare  Gewalt  über.  Die  Regimentsord- 
nung, soweit  sie  in  den  Kanzleiausfertigungen  zum  Ausdrucke 
kommt,  war  mit  dem  Abgang  des  Kurfürsten  Friedrich  längst 
gefallen,*  als  noch  Consiliarausfertigungen  der  Hofkammer  mit 


>  Siehe  Adler,  n.  a.  O.,  p.  82. 

*  Die  Cuntroversfrago,  ob  nach  1498  ein  Eofratliscollegium  noch  weiter 
in  Permanens  blieb,  ixt  fiir  die  lediglich  in  Bezag  anf  dni  Itinerar  ge- 
macht« Untersuchung  irrelevant. 


256 


der  Claascl  ,per  regem'  und  dem  beigefügten  Namen  eines  Statt- 
halters im  Gebrauche  blieben.  Dies  läsat  sich  durch  zuhljeiche 
Ausfertigungen  in  Finanzsachen  aus  den  Jahren  1500,  1501 
and  1502  mit  den  Unterschriften  E.  Brixinensia  (1498  und 
1500),  H.  von  Landau  (150O,  1501,  1502),  P.  von  Liechtenstein 
(1500)  und  den  Secretiiren  Casius  ITagkeney  und  Blasius  Hölzl 
erweisen.  Das  C'ap.  18  der  .Schatzkammerverordnung  vom 
13.  Febrnar  1498'  verfügte,  dass  alle  Aufträge  in  Hinkunft 
wegen  I'flegopfandschaften,  Aemteni,  heimgefallenen  Lehen  etc. 
(an  den  Kammerverwalter  und  den  oberstcu  ^Schatzmeister) 
zugleich  vom  königlichen  Hof  und  vom  Ralh  hinausgegeben 
werden.  Dieselben  sollen  mit  dem  Hofkamniersecret  gesiegelt, 
mit  dem  königlichen  Handzeichen  signirt  und  von  einem  der 
Superintendenten  (Marginainote:  ,von  zwei  .Statthaltern')  und 
dem  Uofkammerregistrator  unterzeichnet  werden.  Wir  haben 
es  also  hier  mit  der  schon  frliher  erwähnten  einzigen  Ausnahme 
der  Verwendung  der  Consiliar-Comraissionsclausel  neben  dem 
kleinen  Handzeichen  (vereinzelt  auch  dem  grossen  Handzeichen) 
zn  ihun.  Die  Briefe  dieser  Gruppe  sind  jedoch  von  den  übri- 
gen der  Hofkammer  leicht  zu  erkennen.  Während  die  letzteren 
neben  der  Unterfertigung  des  Statthalters  unter  den  Worten: 
,per  regem'  und  des  Kammorsecretitrs  die  Clausel:  ,in  consilio 
camere'  enthalten,  ist  in  den  ersteren  dem  ,per  regem  per  se' 
der  Name  des  Statthalters  [E.  Brixinensis  (Freiburg,  18.  Juni 
1498,  eodem  14.  August  1498,  eodem  25.  August  1498  Wiener 
Staatsarchiv,  18.  Februar  löOO  Innsbrucker  Archiv),  P.  von 
Liechtenstein  (Augsburg,  19.  Milrz  1500  Innsbrucker  Archiv, 
Augsburg,  12.  Juni  15(X>,  Innsbruck,  27.  September  1500,  Linz, 
3.  JUnner  und  18.  März  1501  Innsbrucker  und  Wiener  Archiv), 
H.  von  Landau  (Linz,  4.  Jänner  und  11.  Februar  1501  Wiener 
und  Innsbrucker  Arciiiv),  IL  G.  zu  Hardeck  (s.  1.  .Sl.  August 
1500  Wiener  Staatsarehiv)],  der  Secrctäre  (Casius  oder  Holtzl) 
die  Formel:  ,visa  in  consilio  camere'  beigefügt.  Wir  haben 
es  also  mit  königlichen  EntSchliessungen  unter  königlicher  Ferti- 
gung, jedoch  unter  gleichzeitiger  consiliarer  Controle  —  es 
handelt  sich  durchwegs  um  Finanzsachen  —  zu  thun. 

Aus  der  Wendezeit  des  Jahrhunderts    sind   uns   Kanzlei- 
fertigangen  eines  staatsrechtlich  recht  interessanten,  jedoch  sehr 


'  diabe  Adler,  a.  a.  O.,  Anhang,  p.  622. 


256 


kurzlebigen  reichssUindischen  Institutes  —  des  Nürnberger 
Reichsregrimentes  —  erhalten.  Die  bezttglicben  Briefe  fallen  in 
die  Zeit  vom  16.  September  1500  bis  21.  März  1502.  Die  mir 
bekannten  Stücke  haben  sämmtlich  Nürnberg  als  Ausstellungs- 
ort und  nachfolgende  Subscription:  ,pcr  regem',  darunter  ,B. 
archiepiscopus  Mogunt.  sspt.',  daneben  ,in  consilio  imperii*  und 
die  Unterschrift  ,Sixtus  Ölhafen  secretarius'.  An  Stelle  des 
Erzbischofs  Berthold  von  Mainz  erscheint  auch  Waldemar, 
Fürst  von  Anhalt  als  Unterfertiger.  Obwohl  unter  Maximilians 
Namen  ausgestellt,  steht  der  Inhalt  der  Briefe  (pat.  und  clans.) 
den  EntSchliessungen  des  Kaisers  ferne,  ja  einige  derselben  sind 
nachweisbar  gegen  die  Absicht  des  Königs  hinausgegeben  wor- 
den. Für  die  Zwecke  eines  Itinerars  erscheint  diese  Briefgruppe 
völlig  unbrauchbar. 

In  der  in  das  16.  Jahrhundert  fallenden  Regierungsperiode 
Maximilians  sind  zwar  mehrmals  Anläufe  zu  durchgreifender 
Aemterreform  unternommen  worden,  aber  zu  einer  bleibenden 
Abgabe  der  königlichen  Macht  an  eine  das  Reich  und  die 
Erblande  umspannenden  Centralamtsgewalt  am  Hofe  ist  es  nicht 
gekommen.  In  der  Form  der  Briefschaften  tritt  die  persönliche 
Willensmeinung  des  Fürsten  wieder  mehr  in  den  Vordergrund, 
die  Hofrttthe  um  seine  Person  werden  wieder  wie  vor  1498  in 
,unseren  eigenen  Geschäften'  gebraucht.  Von  den  zwei  Haupt- 
gmppen,  mit  Proprial-Commissionsclausel  und  mit  Consiliar- 
Commissionsclansel,  tritt  die  erstere  bedeutend  in  den  Vorder- 
grund. Damit  im  Zusammenhange  steht  die  sich  mehrende 
Verwendung  des  kleinen  Handzeichens  ,per  regem  per  se'. 

Das  grosse  Handzeichen  hat,  soweit  ich  sehen  konnte, 
während  der  ganzen  Regieningszeit  Maximilians  an  seiner  typi- 
schen Form  gar  keine  Veränderung  erlitten.  Dasselbe  gilt  im 
Grossen  und  Ganzen  auch  von  dem  kleinen  Handzeichen.  Die 
Annahme  des  Kaisertitels  am  10.  Februar  1508  schaffte  das  ,per 
regem',  das  sich  bis  zu  des  Kaisers  Tode  siegreich  gegenüber 
dem  vereinzelten  Gebrauche  von  ,per  Cesarem'  behauptet,  durch- 
aus nicht  aus  der  Kanzlei. 

Briefschaften  mit  der  Proprialclausel  in  Verbindung  mit 
dem  Naraenshandzeichen  Maximilians  werden  immer  —  das 
ergab  ein  eingehender  Vergleich  ihrer  Datirungszeilen  mit  den 
Angaben  des  Itinerars  vom  November  1508  bis  Februar  1518 
—  mit  Nutzen  flir  die  Feststellung  der  Aufenthaltsorte  ftir  die 


t 
I 

I 


im  Itinerar  nicht  behandelte  Regierungszeit  verwendet  werde« 
können. 

Der  Verwendbarkeit  nach  gehen  Autographe,  Briefe  mit 
aatographen  Zusätzen,  endlich  Briefe,  die  nur  die  Unterfertigung 
,per  regem  per  se'  tragen,  allerdings  voraus.  Je  unansehnlicher 
der  äusseren  Form  nach,  je  mehr  den  Charakter  des  losen 
Zettels  —  Maximilian  bediente  sich  selbst  dieses  Ausdruckes  — 
an  sich  tragend,  desto  näher  stand  diese  Briefschaft  der  Hand 
des  Kaisers.'  Briefe  mit  der  Proprial-Commissionsclausel  in 
Verbindung  mit  der  Unterschrift  eines  Steilvertretei-s  des  Kaisers 
(Augsburg,  15.  Mai  1510  per  regem.  P.  v.  Liechtenstein.  Com- 
missio  etc.  propria)  kommen  in  der  Periode  nach  1498,  be- 
ziehungsweise 1503  selten  vor.  Nicht  sehr  häufig  sind  Briefe, 
die  nur  die  Commissionsclause!  (sowohl  .Proprial'  als  ,Consihar') 
als  Unterschrift  tragen  (Worms,  13.  Mai  und  5.  August  1495, 
Augsburg,  14.  Februar  1496,  Schwilbisch-Würth,  18.  MUrz  1496). 
Sie  kommen  für  das  Itinerar  nicht  in  Betracht.^ 


Als  Proben  üolclier  .PriTatbriefe'  theile  ich  hier  mit:  I&IO,  6.  Aiignst 
Innabriick  (Inusbriickor  Stattlialteroiarcbiv,  fase.  24):  ,Mii;liol  freyherr  ku 
Wolokennataiii.  vnnser  beaeih  iat,  das  du  iu  dur  saehen  Kwixchon  vnnserm 
ohaim  md  fnrsten  herczog  Wolfgauugen  von  Bayern  vud  Wolffen  von 
Freyberg  auff  vnnser  ausgegangen  citacion  als  vnnser  richter  in  di»er 
Sachen  rechtlichen  banndUt.  daran  tust  du  vnnser  emnstliche  meynnng. 
actnm  Ynspnigkb  am  fünften  tag  Augusti  anni>  deciino.  per  regem  per  88. 
Nach  dem  Itinerar  weilte  M.  vom  1. — 7.  August  1510  zu  Innsbruck.  — 
29.  Jali  1611,  Tricnt  (Inniibruckcr  Stattbalteroiarcbiv,  faiic.  2.^):  Zyprian 
von  Serntein  vnnxur  cnnnczler.  vnnser  ernstlicher  beaeih  ist,  das  du  graf 
Lienbartg  zum  Uag  diener,  zaiger  dits  zettle,  von  stund  an  zcning  ver- 
ordnest, damit  er  mit  der  Vngerischen  hanndlung  zu  gemeltem  seinem 
lierm  furderlicheu  reytte  vnd  ime  die  zubringe,  daran  tnstn  vnnser 
ernstliche  meynung.  actum  Trieiit  am  XXVIIII  tag  Juli  anno  etc.  im 
•ylfften.  per  regem  per  ne.  Das  Itinerar  verzeichnet  1611,  29.  Juli 
Xeaenmetz,  30.  Juli  Trient.  Wir  sehen  auch  hier,  dass  der  zum  Ort 
eingetragene  Tag  der  iler  Abreise  ist,  an  dem  der  nachfolgende  Ort  noch 
erreicht  wird.  Als  weiterer  Beleg  hiefUr  ep.  claus.  chart.  Innsbrucker 
Archiv,  fasc.  25  mit  Proprialclausel  und  kleinem  Namensaeichen :  Der 
Kjü«er  verlangt  vom  Regiment  in  luu^briick  die  Absendung  dos  Blasius 
Hsltzl  und  Anderer  zur  Aufrichtung  einer  guten  Ordnung  an  der 
(imundner  Saline,  Trier,  26.  März  1612.  Das  Itinerar  verzeichnet  26.  MSrz 
Echtemach,  27.— 30.  März  Trier. 

'  Die  Unterschriftsformel:  ,per  regem  proprium'  und  daneben  ,commissio 
CoMree  mtü.  propria.'  I>.  Kuttenfelder  finde  ich  nur  einmal  in  einer  ep. 
cUiis.  pap.  8.  W.  Staatsarchivs,  Linz,  iü.  Uecembor  1617,    betreSeud   die 

Archiv.  LXXXni.  Bd.  I.  Hiin«.  17 


258 


Die  ComiuissioDsclausel  erlitt  im  Laufe  der  Zeit  einige 
die  Sache  nicht  berlllirende  Aenderungen.  Statt  der  Formel: 
jCommissio  domini  regis  propria',  beziehungsweise  ,in  consiliu' 
wird  öfters  die  Formel  gebraucht:  ,ad  mandatum  domini  regis 
proprium',  beziehungsweise  ,in  consilio'  zumeist  in  Patenten,  mit 
denen  sich  der  Künig  an  die  Untcrthanen  im  Allgemeinen  oder 
an  eine  Gruppe  von  Unterthanen  wendet,  femer  wird  seit  1508 
an  Stelle  des  ,regis'  ,CaesariB'  eingefügt,  um  jedoch  bald  (be- 
stimmt seit  1509)  dem  Worte  ,iraptratoris'  und  in  den  letzten 
sechs  Jahren  dem  hUuHg  angewendeten  ,Cc8arec  majeatatis' 
Platz  zu  machen. 

Wir  haben  im  Allgemeinen  die  Verwendbarkeit  der  epi- 
stolae  mit  Proprial-Commissionsciausel  in  Verbindung  mit 
dem  kaiserlichen  Handiseichen  flir  das  Itinerar  hervorgehoben. 
Dennoch  fordern  bestimmte  Ueberlieferungen  aus  der  kaiser- 
lichen Kanzlei  zu  einiger  Vorsicht  auf.  Am  23.  August  1513 
schrieb  Maximilian  aus  dem  Lager  vor  Therouane  (nach  dem 
Itinerar  weilte  er  an  diesem  Tage  wirklich  dort)  an  Serntein 
und  Vitlinger  in  Innsbruck,  er  schicke  ihnen  die  ihm  einge- 
sandten, den  Vertrag  mit  dem  Landvogt  von  Schwaben,  Jakob 
von  Landaa,  betreffenden  Briefe,  nachdem  er  sie  mit  seinem 
Zeichen  gefertigt  habe,  hiemit  zur  endgiltigen  Ausfertigung  zu- 
rück (Innsbrucker  Archiv,  Max.,  fasc.  25).  Die  Briefe,  in  Inns- 
bruck , ingrossiert',  enthalten  Innsbnick  als  Ausstellungsort. 
Hier  könnte  die  eigenhändige  Unterschrift  Maximilians  leicht 
zur  irrthtimlichen  Annahme  führen,  der  Kaiser  verweilte  am 
23.  August  1Ö13  statt  an  der  französisch-belgischen  Grenze  in 
den  Tiroler  Bergen.  Aber  es  geschah  in  dieser  Richtung  noch 
viel  Bedenklicheros.  Der  Band  ,Gescheft  v.  Hof  1ÖU2',  fol.  205 
(Innsbrucker  Statthaltereiarchiv)  enthält  die  Abschrift  einer  vom 
Kaiser  und  Secretür  Ziegler  unterfertigten  cpistola  an  das  Inns- 
brucker Regiment  von  Ellwangen  am  9.  December  1502  (der 
König  weilte  damals  wirkhch  in  dortiger  Gegend),  in  welcher 
er  Paul  von  Liechtenstein  auftrügt,  in  den  in  einer  Schuldsache 
betreft'end  den  Grafen  Johann  zu  Sonneberg  auszufertigenden 
Credenzbriefen  an  seiner  Stelle  das  ,per  regem  per  se'  zu  unter- 
schreiben.    Auf  eine   iihnliche  Verfügung    hin    muss   wohl    das 


dem  Linxer  Franxisksnerorden  zu  reichende  Weinrittion.   Ich  Termathe, 
dus  hier  lediglich  »in  KanitleiTeraehen  rorliegt. 


259 


Vorkommen  des  kleinen  Handzeichens  in  Verbindung  mit  der 
Proprialclausel  in  dem  »bekennen'  (epist.  pat.  chart.)  von  Inns- 
bruck, 1.  Mai  1509,  in  welchem  er  dem  Peter  Meiehsner  und 
seiner  Frau  einen  Garten  zu  Steinach  abkauft  (Innsbrueker 
Statthaltereiarchiv,  Max.  XIII,  fasc.  13),  zurückzuführen  sein,  da 
der  Kaiser  nachgewiesenermassen  am  1.  Mai  1509  zu  Stuttgart 
weilte.'  Selbst  die  Anwendung  des  grossen  Handzeichens 
schliesst  wenigstens  kleine  Verschiebungen  bczügÜch  des  Auf- 
enthaltsortes nicht  aus.  Ein  also  gefertigtes  Creditiv  des  Kaisers 
für  Hjins  Koler  wegen  Zahlung  von  40O  ti.  Rh.  an  Marquart 
Breisacher,  29.  September  1514  (Innsbrucker  Statthaitereiarchiv, 
Max.  XIV,  fasc.  17),  enthtllt  Hall  als  Ausstellungsort,  obwohl 
unser  Itinerar  den  Kaiser  zu  Ian.sbruck  weilen  läset.  Allerdings 
schliesst  Halls  Lage  nächst  Innsbruck  einen  kurzen  Aufenthalt 
am  ersteren  Orte  an  diesem  Tage  nicht  aus. 

Endlich  unterliegt  es  gar  keinem  Zweifel,  dass  der  Kaiser 
sich  bei  seiner  Namensfertigung  namentlich  in  den  letzten  Re- 
gierangsjahren eines  Stempels  bediente,  und  dass  dieser  that- 
säehlich  aus  den  Händen  des  Kaisers  in  die  seiner  Vertrauten 
zum  Gebrauche  wanderte.*  Schon  auf  dem  Reichstag  zu  Con- 
stanz  Ende  Juli  1507  zeigte  Maximilian  den  Keichsständen  in 
der  offenbaren  Absicht,  sie  ftir  seinen  vorhabenden  Komzug  zu 
gewinnen,  die  Anfertigung  eines  Stempels  mit  seinem  Namens- 
und die  Ueberlassung  desselben  zu  dritter  Hand,  d.  h. 
ständische    Vertrauenspersonen    an.^      Am    20.    Mai    1511 


*  Dus  anch  ron  FgUchungen  der  Unterschrift  des  Kaisers  die  Rede  war, 
neigt  ein  Schreiben  oinOM  Uugeuannten  aus  der  k.iiserticheii  Kanzlei  an 
Johann  Viusterwalder,  Innsbruck,  24.  Juni  1514  (Inn.«brucker  Statthaiterei- 
archiv, Max.  XIV,  fasc.  26),  in  welchem  ein  gewisser  Erhard  von  Waldt 
einer  solchen  beschnidig't  wird.  Ob  die  Unterschrift  des  Kaisers  echt  sei, 
innige  dieser  selbst  entscheiden,  das  Handxeichen  des  Villinger  sei  be- 
stimmt falsch.  Es  soll  zur  Klarle[^ung  dos  Falles  dein  Erhard  ein  Uechts- 
lag  vor  dem  Re^mont  angesetait  werden. 

*  Eines  Stempels  «nr  Unterschrift  bedieiitp  »irli  anch  Serntein.  Das  kai- 
serliche Mandat  an  den  Hartrogt  und  die  Forstkupchte  auf  der  ,Haidt*, 
durch  welches  sie  zum  Oehoraam  gegenüber  den  Anordnungen  des  ober- 
sten Forstmeisters  Balthasar  von  Andlo  in  Forst-  und  Jagd.<achen  ver- 
balten werden.  VOlleuberg,  14.  Juli  1501  (Innsbmcker  Statthaitereiarchiv, 
Parteis.  XIV,  fasc.  23),  weist  einen  solchen  Stempeldruck  des  Namens 
Serntein  aof. 

*  Jannsaen  Reichscurrespondeur.  Frankfurts,  Ud.  2,  p.  739.  ,Item  so  will 
der  konigl.  maj.  zu  schwer  und  nnraogUch  sin,  hinfiir  alle  prieff  in  Sachen 

17» 


260 


schrieb  Maxiiuillnti  von  Mllnulien  an  den  Hof  und  tirolischen 
Kanzler  Semtein,  derselbe  möge  eilends  ,vnser  katschett  vnn- 
sors  hanndtzaichens'  von  Dr.  Peutinger  in  Augsburg  zur  Ferti- 
gung des  gedruckten  kaiserlichen  Äusschreibens  an  das  Reich 
absenden.  Am  24.  Mai  schrieb  hierauf  Semtein,  er  habe  nach 
Erluilt  des  kaiserlichen  Briefes  sofort  das  Katschett  versiegelt 
durch  einen  Einspännigen  des  Regiments  an  Peutinger  in  der 
Erwartung  geschickt,  dass  dieser  es  am  25.  Mai  Nachts  oder 
26.  Mai  Früh  erhalten  werde.  Iti  gleichem  Sinne  schrieb  Semtein 
an  den  am  Hofe  Maximilians  weilenden  Secretär  Pfinzing. 
(Siiranitlieiie  Stücke  im  Innsbrucker  Statthaltereiarchiv.)  Das 
gedruckte  Mandat  Maximilians,  durch  welches  er  die  Gefangen- 
nahme der  zu  Broscia,  Verona  und  Roveredo  meuternden  und 
zum  Feinde  übergegangenen  Landsknechte  zu  Füssen  am 
24.  Juli  1516  anordnete,  ist  mittelst  eines  aufgednickten  Stem- 
pels ,«  p  Cc8are(m")'  gezeichnet.  In  diesem  Falle  führte  er,  da  er 
sieh  uadi  dem  Itinerar  am  24.  Juli  in  der  Nahe  Füssens,  in 
der  Ehrenberger  Klause,  aufhielt,  die  Stampiglie  in  nächster 
Nähe.  Auf  dem  Mandat  an  die  Reichsstitnde,  durch  welches 
der  Landgraf  Philipp  von  Hessen  und  Ritter  Franz  von  Sickingen 
unter  Androhung  von  Acht  und  Aberacht  zur  Ruhe  aufgefordert 
werden,  von  Augsburg,  20.  September  1518  ist  der  Trocken- 
dnick  der  Stampiglie  des  Namenszeichens,  dessen  Furchen 
nachher  mit  Tinte  ausgefüllt  wurden,  deutlich  zu  erkennen 
(Innsbrucker  Statthaltereiarchiv,  Max.  XIII,  Miscell.  V,  Abthei- 
lung 13).  Auf  die  nicht  zur  Ausführung  gelangten  Bestim- 
mungen des  Innsbrucker  Libells  vom  24.  Mai  lylH,  durch  welche 
unter  Abschaffung  des  l^leinen  HandKeichena  die  Verwendung 
des  Kat.schetts  in  allen  Ausfertigungen  des  Hofrathi-s  und  die 
des  grossen  Handzeichens  (jUnseres  Namens')  in  wichtigen 
Sachen,  insbesonders  denen  der  Kammer  angekündigt  wurde, 
haben  wir  nicht  einzugehen. 


du  liaili^  riuli,  Cüstilien,  Osterich,  Btirfrund,  nnder  ziirnlleml  liendel  be- 
rftrend  oelbs  ze  zeichnen,  wie  ir  mnj.  byßliAr  gcühuii  lintt.  uß  große  der- 
selben kanigrioh  nnd  furstenthiimb,  und  halt  de.«liR]heii  ainen  tniok  itiner 
Bigiiattir  mncben  lasucn  nnd  allxo  geonhiot,  dm«  dnnnocbt  alle  brief  darcb 
die  dritte  Ii.ind  byli  r.S  gnntzor  vertipung  gon  mQsiiend.  Item  kongl.  miy. 
will  nin  erbern  huH'r.lt  verordnen,  so  da«  ir  inaj.  verboff,  die  steud  nnd 
lueDigklicb  soll  dnran  kaiiien  maugel  haben.' 


261 


I 


Die  mit  der  Consiliar-Commissionsclausel  gefertigten 
Briefe . lassen  sich  nach  dem  Ansfertigungsoite  leicht  in  zwei 
grosse  Gruppen  scheiden.  Die  Kiinzleicn  dar  in  Innsbruck 
—  theils  stündig,  theils  vorübergehend  —  amtin>nd('n  Behörden 
(Hofrath  und  Hof'kammer,  Regiment  und  Haitkiimmer  (Schatz- 
kammer) der  tiroiisch-vorderösterreichischen  Lande)  urkiindeten 
ebenso  im  Namen  des  Kaisers  wie  die  ftlr  die  niederöstcrreichi- 
scheu  Lande  bestellten  Aemter  (niederösterreichisches  Hegiment 
und  Rechnmigskammcr  in  Wien,  Hofguricht  in  Neustadt  etc.). 
Dass  die  Zahl  der  mit  der  Proprial-Commissionsclausel  ge- 
fertigten Briefe  in  den  Kanzleien  der  niederösten-eichiBchen 
Lande  eine  verhältnissmässig  kleine  war,  findet  ebenso  sehr 
in  der  die  obersten  Spitzen  in  Innsbruck  oder  am  jeweiligen 
Hoflager  des  Kaisers  zusammenfassenden  Aomterorganisation 
wie  in  dem  verhttitnissmässig  beschränkten  Verweilen  des 
Kaisers  in  den  nicderösterroichischen  Landen  genügende  Er- 
klärung. Unter  dieser  Form  gehen  die  zahlreichen  von  den 
Aemtem  an  einzelne  Amtspersonen  (Pfleger,  Burg-  und  Salz- 
verwalter, Vieedome  etc.)  hinausgegebenen  Briefe,  die  Erledi- 
gung des  sich  laufend  abwickelnden  AmtsgeschUftes  sowohl  in 
Verwaltungs-  wie  Uoehtssuchen  geringerer  Bedeutung,  die  Corre- 
spondenzen  der  Aemter  untereinander  (innerer  Amtsverkehr) 
hinaus.  Im  Gegensatze  zu  den  aus  Innsbruck  und  vom  kaiser- 
lichen Hotiager  stammenden  Ausfertigungen  lässt  sich  bei  den 
niederösterreichische  Angelegenheiten  behandelnden,  d.  h.  also 
aus  niederösterreichischon  Kanzleien  (insbesonders  aus  Wien) 
stammenden  Briefen  mit  Consiliar-Commissionsclausel  wohl  durch- 
gehends  in  der  Datirungszeile  der  Mangel  des  Datirungsortes 
nachweisen.  Diese  (niederösterreichischen)  Coiisiliarausfertigungen 
kommen  deshalb  ftir  die  Itinerarfrage  nicht  in  Betracht. 

Wohl  aber  müssen  die  aus  Innsbruck  und  vom  Hofe 
stammenden  Consiharfertigungen  Maximilians  mit  Dutirungsort 
einer  desto  genaueren  Prüfung  rUck.sichtlich  der  Verwendbarkeit 
fiir  das  Itinerar  unterzogen  werden.  Wir  haben  aus  der  Fülle 
dieser  selbstverständlich  ohne  die  Clausel  ,per  regem  per  se' 
hinausgegebenen  Briefe  eine  Anzahl  (theils  epist.  claus.,  theils 
pat.)  zur  Vergleichung  mit  beglaubigten  Aufenthaltsnotizen  und 
insbcsonders  mit  unserem  Itinerar  herangezogen.  1.  Maximilians 
Oonärmationsbrief  für  das  St.  Clara-Kloster  nächst  Feldkirch. 
Innsbruck,    14.  Juni  14U7    (Wiener   Staatsarchiv).     Maximilian 


262 


verweilte  damals  in  der  Gegend  nm  Füssen.  2.  Max  fordert 
in  einer  zwischen  Georg  von  Thum  und  Simon  von  Hungers- 
bach schwebenden  Rechtssache  die  Wiener  Universität  zur 
Begutachtung  auf.  Innsbruck,  2.  November  1503  (Innsbrucker 
Statthaltereiarchiv).  Maximilian  weilte  damals  in  oder  um  Augs- 
burg. 3.  Maximilian  beauftragt  den  Hauptmann  zu  Steinach, 
Hildebrand  von  Spaur,  und  den  Schwazer  Bergrichter  Leonhard 
Mültl,  den  Pfarrer  Pearl  um  ein  Darlehen  von  1000  fl.  Rh.  an- 
zugehen. Innsbruck,  2.  Juni  1508  (Innsbrucker  Statthaltcrei- 
archiv).  Maximilian  weilte  damals  am  Rhein.  4.  Derselbe  an  die- 
selben in  derselben  Sache.  Innsbruck,  *.>.  Juni  1508  (Innsbrucker 
Statthaltereiarchiv).  Der  Kaiser  weilte  am  Rhein.  5.  Maximilian  an 
den  Zolleinnehmer  am  Luog,  Hans  StUntzl.  Rechtfertigung  wegen 
Zollbeschwening  der  Schmelzer  zu  Taufers  an  die  Innsbrucker 
Raitkammer.  Innsbruck,  27.  Juni  1508  (Innsbrucker  Statthalterei- 
archiv).  Der  Kaiser  weilte  damals  am  Rhein,  (i.  Maximilian 
an  den  Pfleger  zu  Sigmundskron,  Adam  von  Weinegg,  und 
Andere  in  Sachen  des  von  Peter  Tainell  zu  Margreit  wegen 
Wasserschadens  erbetenen  Zinsnachlasses.  Innsbruck,  2.  April 
1509  (Innsbrucker  Statthaltereiurchiv).  Der  Kaiser  weilt  an 
diesem  Tage  zu  Xanten  am  Rhein.  7.  Maximilian  an  den  Haus- 
kiimmerer  Wolfgiing  Ilaller  in  Sachen  der  vom  Seehüter  Kom- 
man  zu  Spiegelfroud  für  Raukosten  angesprochenen  Mehrfor- 
dorung.  Innsbruck,  8.  November  1501'  (Innsbrucker  Statthalterci- 
archiv).  Der  Kaiser  weilt  an  diesem  Tage  zu  Arco  in  Südtirol. 
8.  Maximilians  Autforderung  an  die  Erben  des  Siegmund  Sprenng 
zur  Zahlung  des  noch  rlickstiiudigen  Steuergeldes  von  12  fl.  Rh. 
Innsbruck,  29.  August  1510  (Innsbrucker  Statthalterciarchjv). 
Der  Kaiser  weilte  an  diesem  Tage  zu  Trient.  9.  Maximilian 
übersendet  dem  Bergrichtcr  zu  Taufers,  Claus  Pelle,  die  Suppli- 
cation  des  Manng  Iluber  zur  gütlichen  Erledigung.  Innsbnick, 
7.  November  1510  (Innsbrueker  Stattlialtereiarchiv).  Maximilian 
weilte  an  diesem  Tage  zu  Freibuig  im  Breisgau  10.  Maximilian 
an  den  Reichsschatzmeister  Hans  von  Landow  und  die  zu  den 
Eidgenossen  geschickten  Räthe  wegen  gütlichem  Vergleich  im 
Streite  zwischen  Balthasar  von  Schelleiiberg  und  Jakob  von 
Rapoltenstein.  Füssen,  11.  Mai  1511  (Innsbrucker  Stattlialterei- 
archiv). Maximilian  weilte  an  diesem  Tage  zu  Kaufbeuren. 
11.  Maximilian  setzt  dem  Jörg  von  Rot  im  Streit  mit  Fuggcr 
einen  neueriichen  Rechtstag  zu  Augsburg.  Innsbruck,  4.  October 


263 


1511  (Innsbrucker  Statthalteruiairhiv).  Der  Kaiser  weilte  an 
diesem  Tage  zu  Lienz  nahe  der  ksirntnerischen  Grenze. 
12.  Maximilian  an  den  Merancr  Landrieliter  .Siegmiiud  Eison- 
schmied,  betreffend  die  Schuld  von  40  Mark  Berner  des  Hans 
Raidl  zu  Obermais.  Innsbruck,  2.  März  1513  1  Innsbrucker  Statt- 
lialtereiarchiv).  Der  Kaiser  weilte  an  diesem  Tage  zu  Landau 
in  der  Pfalz.  Eine  epist.  claus.  mit  der  Proprial-Commissions- 
cluusel  von  demselben  Tage  führt  wirklich  Landau  als  Aus- 
fertigungsort. 13.  Maximilians  Aufforderung  an  alle  bis  8tockach 
sesshallen  Postboten,  den  in  drinfC'^nder  Sache  abgegangenen 
Ulrich  Marschall  von  Pappenheim  mit  Pferden  zu  versehen. 
Innsbruck,  30.  August  1514  (Innsbrucker  Statthaltereiarchiv). 
Der  Kaiser  weilte  an  diesem  Tage  zu  Vöcklamarkt  und  Strass- 
walchen  in  Oheröstcrrcieh.  Daneben  existirt  im  Innsbrucker 
StatthaltereiarchiT  eine  epist.  pat.  chartac.  ganz  gleichen  Inhaltes 
mit  der  Zeichnung  ,per  regem  per  se'  und  der  Proprialclauscl 
Wels,  26.  August  1514.  Nach  unserem  Itinerar  weilte  er  an 
diesem  Tage  wirklich  zu  Wels  (nicht  weit  von  Strasswalchen 
and  Vöcklamarkt).  Es  ist  ganz  deutlich:  der  Kaiser  urkundet 
ron  seinem  Aufenthaltsorte  weg,  der  Auftrag  geht  an  das  Inns- 
brucker Regiment  in  derselben  Sache,  und  dieses  gibt  vier  Tage 
spAter  sein  Patent  mit  gleichem  Inhalte  von  Innsbruck  hinaus. 
14.  Maximihan  fordert  den  Ulrich  Sawrwein  zur  Vorlage  seiner 
Wasser-  und  Fisch-Gerechtigkeiten  an  die  Innsbrucker  Rait- 
kammor  auf.  Innsbruck,  22.  November  1514  {Innsbrucker 
Statthalterciarchiv).  Der  Kaiser  weilte  an  diesem  Tage  {wohl 
zufällig)  zu  Innsbruck.  15.  Maximilian  an  den  Hauptmann 
von  Kufstein,  Degen  F'uchs  von  Fuchsberg,  wegen  unerlaubten 
Bierbrauons  von  Seite  etlicher  Unterthanen  von  Kufstein. 
Innsbruck,  5.  Februar  1515  (Innsbrucker  Stiitthaltcreiarchiv). 
Der  Kaiser  weilte  an  diesem  Tage  zu  Innsbruck.  Hl.  Maxi- 
milian an  den  Buzener  Amtmann  Jakob  von  Wanng,  er  solle 
dem  Zöllner  an  der  Zollstangc,  Stoffl  Ut,  unter  Androhung 
der  Amtsentsetzung  zu  grösserem  Fleisse  crmahnen.  Inns- 
bruck, 26.  April  1515  (Innsbrucker  Statthaltereiarchiv).  Der 
Kaiser  weilte  an  diesem  Tage  zu  Mindelheim.  17.  Maximihan 
an  den  Stadt-  und  Landrichter  von  Rnttenberg,  Bartholomüus 
Anngst,  er  solle  den  Metzger  Ulrich  Steinberger  zu  Bri.xlegg 
in  der  Ausübung  seines  Handwerkes  beschützen.  Innsbruck, 
22.  April   1516   (Innsbrucker   Statthaltereiarchiv).     Der   Kaiser 


264 


weilt«  an  diesem  Tage  zu  Terzulas  bei  Cles  in  Südtirol. 
18.  Maximilian  übersendet  den  Rälthcn  Wilhelm  Freiherm  von 
Wolkenstein  und  Dr.  Ludwig  Rainolt  eine  Supplication  in  Berg- 
werkssachen. Innsbruck,  4.  Miirz  1517  (Innsbrucker  Statthalterei- 
archiv).  Der  Kaiser  weilte  an  diesem  Tage  zu  Termeren  in 
den  Niederlanden.  19.  Maximilian  übersendet  dem  Bozeuer 
Amtmann  Jakob  von  Waugg  eine  äupplication  des  Christian 
Hofereyder  um  Zinsnachlass  wegen  erlittenen  Schadens.  Er 
soll  der  llaitk.'imuiur  berichten.  Innsbruck,  2.  Mai  1517  (Inns- 
brucker Stattlialtereiarchiv).  Der  Kaiser  weilte  an  diesem  Tage 
zu  Tholeu  in  den  Niederlanden.  20.  Maximilian  an  Jakob 
Grewtter.  £r  soll  seinen  Anspruch  auf  Ersatz  der  alten  Mühl- 
steine durch  neue  von  amlswcgon  bezüglich  der  Mühle  Dry- 
faggen  bei  Pruz  nachweisen.  Innsbruck,  l*i.  Juni  1517  (luns- 
brucker  Statthalterciarchiv).  Der  Kaiser  weilte  damals  zu 
Augsburg. 

Die  im  Vorangehenden  durchgeführte  Vergleichung  dürfte 
zur  Genüge  die  Unverwendbarkeit  der  Briefe  mit  Consiliar- 
Commissionsciausel  für  die  Anlage  eines  Itinerars  darthun. 

Fassen  wir  daher  das  Ergebniss  unserer  Untersuchung 
kurz  zusammen.  Als  Quellen  zur  Anlage  eines  Itinerars  sind 
die  unter  Maximilians  Namen  gehenden  Briefschaften  rücksicht- 
Itcli  ihrer  Verwendbarkeit  in  nachfolgender  Abstufung  zulässig: 

1.  Autugraphe  Briefe  Maximilians   (leider   nur  selten   mit 
ausreichender  Datirungszeile).   An  Werth  kommen  ihnen  gleich 
Briefe  (op.  claus.  und  pat.  mit  dem  grossen  und  kleinen  Hand- 
zeichen Maximilians  oder  ohne  dasselbe)  mit  Zusätzen  von  d^^ 
Kaisers  Hand.  ^^H 

2.  Briefe  (ep.  elaus.  oder  pat.),  die  ausser  dem  Handzeiche!^' 
des   Kaisers   keinen   weiteren   Ausfertigungsvermerk   enthalten 
(sogenannte  Privatbriefe  des  Kaisers). 

3.  Briefabschriften  in  den  amtlichen  CopialbUchem  mit 
ausdrücklicher  Hervorhebung  der  vom  Kaiser  eigenhändig  ge- 
machten Zusätze.  Ihnen  reihen  sich  Concepte  mit  Datirungs- 
zeile und  Correcturen  von  des  Kaisers  Hand  an. 

4.  Briefe  (ep.  elaus.  oder  pat.),  die  neben  der  Clausel:  ,Com- 
missio  domini  regis  (imperatoris  oder  Cesaree  majestatis)  propria' 
oder  ,ad  mandatum  domini  regis  (imperatoris  oder  Cesaree  maje- 
statis) proprium'  das  kloine  oder  (seltener)  das  grosse  Namens- 
handzeichon  des  Kaisers  führen  (Briefe  mit  Proprial-Coramissions- 


265 


cJausel).  Doch  ist  bei  Verwendung  der  Datirungszeilc  fiir  die 
Zwecke  des  Itinerars  mit  KUcksieht  auf  den  nieht  ausgeschlos- 
senen  Missbrauch  bei  Anwendung  des  Handzeichens  (Stempels) 
Vorsicht  geboten.  Dieser  CJruppc  können  die  llofkararacrsachen 
(Finanzangelegenheiten)  berührenden  Briete  mit  Consiliiir-Com- 
missionsclausel  in  der  Form:  ,vi8a  in  consilio  camere'  und  dem 
kleinen  Namenshandzeichen  Maximilians  angereiht  werden. 

5.  lieber  die  Verwendbarkeit  der  mit  der  Clausel  in  con- 
silio oder  in  consilio  camere  (Hofratha-  oder  Hofkammei-sachen) 
and  mit  ,per  regem'  mit  beigefügten  Namen  des  Statthalters 
(in  Stellvertretung  des  Kaisers  im  Hofrath  wie  in  der  Hof- 
kammer) unterfertigten  Briefe  kann  von  vorneherein  nicht  ent- 
schieden werden.  Es  ist  in  jedem  Falle  der  Nachweis  über 
die  Anwesenheit  des  Ilofraths-,  beziehungsweise  Hofkammer- 
coUegiums  am  Uoflagcr  zu  erbringen. 

6.  Nicht  verwendbar  für  das  Itinerar  sind  die  Briefe  (ep. 
claus.  oder  pat.)  mit  der  Clausel:  ,Couimissio  domini  regis  (im- 
peratoris  oder  Cesaree  majestalis)  in  consilio*  oder  ,jid  man- 
(latum  domini  regis  (imperatoris  oder  Cesaree  majestatis)  in 
consilio'  (stets  ohne  Handzeichen  mit  Ausnahme  der  in  4.  er- 
wähnten Gruppe  von  Kammerbriefcuj.  (Briefe  mit  Consiliar- 
Commisaionsclausel.)  Ihnen  sind  die  aus  der  Kanzlei  des  Nürn- 
berger Reichsregimentes  (InOÜ — 1502)  mit  der  Unterschrift  des 
Erzbischofs  Bertbold  von  Mainz  und  des  Secretärs  S.  (Jlhafen 
auBgefertigten  epistolac  (elaus.  oder  pat.)  anzureihen. 

Es  verlolint  sich  nicht  der  Mühe,  durch  eine  Zusammen- 
stellung der  Angaben  in  Staelin's  Itinerar  mit  denen  des  hier 
zum  Abdruck  gebrachten  von  Tag  zu  Tag,  d.  h.  durch  einen 
Vergleich  zweier  an  sich  nicht  gleichartiger  Grössen  den  Irr- 
tlillmern  im  Einzelnen  nachzugehen.  Es  mögen  einige  Be- 
merkungen geniigen.  Für  die  Uriontirung,  in  welcher  Gegend 
sich  Maximilian  —  nach  grösseren  Jahresabschnitten  gerechnet 
—  aufhielt,  erscheint  Staelin's  Itinerar  itnmcrliin  brauchbar.  Die 
^hwüche  seiner  Publication  ruht  vielmehr  in  den  zahlreichen 
Bn  gebliebenen  Lücken,  deren  es  in  jedem  Monat  recht  viele 
gibt.  So  entstehen  für  die  Periode  150H — 1518  zahlreiche 
SprUngc:  von  Februar  bis  Juni  1510,  im  Juli  1511,  von  Juli 
bis  November  1512,  vom  1.  September  1514  bis  7.  MUrz  1515. 

Auffallendere  Unrichtigkeiten  wttren  zu  verzeichnen:  Am 
Juni  und  31.  Juni  1511    weilte  Max  nicht  in  Sterzing  und 


266 


Brixen,  sondern  an  beiden  Tagen  zu  Innsbruck.  Unrichtig  ist 
die  Angabe  von  Maximilians  Verweilen  am  5.  Jänner  1514  za 
Rattenberg.  Am  18.  Mai  1514  weilte  Maximilian  niclit  in  Wien, 
sondern  zu  Brück  a.  d.  Mur.  Am  1.  September  1514  nicht  zu 
Innsbruck,  sondern  zu  Trostberg.  Am  16.  November  1515  weilte 
Maximilian  nicht  in  Innsbruck,  sondern  zu  Krumbach  nächst 
Ulm.  Vielfach  falsch  sind  die  Angaben  zum  März  1517.  Auf- 
fallend ist  die  Angabe  St.  Polten,  20.  November  1516  (Quelle 
Mittheilung  Birk's),  nachdem  er  doch  unmittelbar  vorher  Maxi- 
milian zu  Breisach  und  Bergheim  verweilen  lässt.  In  Wirklich- 
keit verweilte  Maximilian  am  26.  November  1516  zu  Hagenau 
im  Elsivss.  Möglieherweise  liegt  bei  StaeUn  eine  Verwechslung 
mit  dem  26.  November  1517  vor,  an  wtlehem  Tage  Maximilian 
wii'klich  zu  8t.  Pulten  weilt.  Endhch  sei  als  Curiosum  ver- 
zeichnet, dass  Staelin  —  ebenfalls  Über  freundhche  Mittheilung 
Birk's  —  in  sein  Itinerar  einen  31.(!)  Juni  1511  mit  dem  Auf- 
enthalt Brixen  eingeschmuggelt  hat.  Der  Kaiser  weilte  in  Wirk- 
lichkeit vom  28.  Juni  bis  7.  Juli  1511  zu  Innsbruck. 

Ein  besonderes  Interesse  bietet  es,  die  umfassende  und 
inhaltlich  so  reichhaltige  Oorrespondenz  zwischen  Maximilian 
und  seiner  hi  den  Niedorhmdon  weilenden  Tochter  Margarethe 
in  der  durch  unser  Itinerar  umspannten  Zeitperiode  von  No- 
vember 1508  biß  Februar  1518  einer  kurzen  Besprechung  unter 
Bezug  auf  die  im  Itinerar  sichergestellten  Aufenthaltsorte  zu 
imterzichen.  Die  auch  hier  gebotene  Unterscheidung  zwischen 
der  Gruppe  der  von  Maximilian  unterzeichneten  und  der  ledig- 
hch  von  der  Kanzlei  (,per  regem')  in  dessen  Auftrag  hinaus- 
gegebenen Briefe  tritt  für  die  Frage  des  jiersönlichen  Mitthuns 
dos  Kaisers  bei  der  Abfertigung  und  damit  für  die  des  Aufent- 
haltsortes gegenüber  der  hervorragenden  und  verwandtschaft- 
lichen Stellung  der  Empfilngerin  und  dem  Inhalt  der  doch  vor- 
zugsweise auf  persönliche  Entschlüsse  des  Kaisers  beruhenden 
Nachrichten  zurück.  Man  kann  annehmen,  dass  von  den  in 
der  Correspondenz  behandelten  Dingen  das  Meiste  unmittelbar 
vorher  mit  dem  Kaiser  besprochen,  ja  von  diesem  den  Secre- 
tären  sozusagen  in  die  Feder  dictirt  wurde.  Eben  deshalb  ist 
ein  Vergleich  der  in  den  Briefen  gegebenen  Datirungen  mit 
den  Itinerarangaben  sehr  werthvoU. 

Derselbe  ergibt  im  Grossen  und  Ganzen  eine  überraschende 
Uebereinstimmuug   der   in    beiden  QueUen  enthaltenen  Aufent- 


267 


haltsdaten.  Dass  es  im  Einzelnen  an  Abweichungen  nicht  ge- 
bricht, kann  ebensowenig  gegen  die  Vcrlässlichkeit  unseres 
Itinerars  zeugen,  wie  umgekehrt  die  nunmehr  an  der  Hand  iler 
Ilinerarangaben  mit  Sicherheit  vorzunehmenden  Correcturen  der 
von  Le  Glay  verofFentlichten  Briefschaften  den  Wcrth  dieser 
Publication  zu  verringern  vermögen.' 

Zunächst  wollen  wir  constatiren,  dass  die  schon  früher  er- 
wähnte Verschiebung  des  Anfangsdatums  beim  Aufenthaltsorte 
im  Itinerar  durch  zahlreiche  Briefe  eine  schlagende  Bestätigung 
erfahrt  (siehe  die  Briefe  Bd.  I,  Nr.  92,  97,  9S,  99,  143,  144,  170, 
215,  228,  232,  235,  259,  337,  340,  360;  Bd.  II,  Nr.  389,  393,  395, 
460,  464,  514,  599,  640). 

In  30  Fällen  lässt  sich  die  Abweichung  in  den  Ortsangaben 
des  Itinerars  und  in  denen  der  Briefdatiningszcilcn  leicht  durch 
eine  gleichzeitige  räumliche  Trennung  des  Kaisers  von  seiner 
Kanzlei  erklären.  Hieher  gehfJren  die  Briefe  I.  Bd.,  Nr.  87,  117, 
120,  122,  135,  136,  148,  149,  187,  220,  229,  234,  240,  267,  330, 
345,  346,  U.  Bd.,  Nr.  442,  445,  497,  510,  531, 539,  550,  551,  598, 
611,  617,  620;  Append.  Nr.  6.  Wenn  z.  B.  (Nr.  120)  der  Kaiser 
am  25.  Mai  1509  seiner  Tochter  aus  Riertc  (Reutte)  schreibt,  das 
Itinerar  zum  25.  Mai  Nessolwang  als  Aufenthaltsort  angibt,  so  ist 
ganz  gut  möglieh,  dass  der  Kaiser,  am  25.  Mai  Nesselwang  ver- 
lassend, noch  an  diesem  Tage  das  nachbarliche  Ueutte,  ja  wahr- 
scheinlich schon  die  hiebei  gelegene  Ehrenberger  Klause  (Itine- 
rar: 26.  Mai,  Ehrenberger  Klause)  erreichte.  In  diesen  imd 
ähnlichen  Fällen  braucht  sogar  eine  räumliche  Trennung  des 
Kaisers  von  der  Kanzlei    nicht   angenommen   zu  werden.     Am 


*  Correspondiuice  de  l'eiiiperour  Maximilien  I  et  de  Marguerit«  d'Autriche 
da  1507  a.  1519,  pabl.  par  M.  le  Glay.  ParLs  1839.  2  Bde.  Für  die  Zeit 
dea  Itineran  kommen  über  420  Briefe  des  Kaigora  au  seine  Tochter  in 
Betracht  Mit  Aiianahrne  von  drei  Briefen  in  lateiniticlier  Sprache  sind 
olle  franzOnisch,  fa«t  durchgängig  nach  Originalion.  Abgesehen  von  den 
schon  früher  erwähnten  AtUugraphen  haben  vier  Briefe  kurxe  autograpbu 
ZiuJUze.  Die  Briefe  sind  theiU  in  der  Formel:  .vostre  bon  pere  Ma-ii' 
(oder  MAximilien)  oder  ,per  regem',  in  beiden  Fällen  mit  nachfolgendem 
Kamen  de»  i>ecretär8  (zumeist  Kenner,  oflmnlit  Hannart  oder  Botechnu, 
▼ereinzelt  Jac.  de  BnunisHi»,  Waudripont,  Ledere,  tianetou,  Vogt,  Ohcerls, 
Erohem  [wohl  Semteiu].  Ghodemart  und  Marotou)  unterzeiuhuet.  In 
dieser  Briefgattung  (wie  immer  in  den  Antographeu  [unterfertigt:  ,de  la 
rnnin  de  vostre  bon  p^ro  Maxi*])  fehlt  der  Name  des  SeurotKrs  nur  ganz 
vereinxelt. 


268 


24.  Juli  1510  schreibt  Max  aus  Wcilheim  (Nr.  229),  das  er  nach 
dem  Itinerar  am  22.  Juli  verlassen  hatte,  um  sich  an  dem 
ersteren  Tage  (wahrscheinlich  schon  am  23.  Juli  Abends)  bereits 
in  dem  sUdlicherun  Füssen  zu  befinden.  Hier  kann  an  eine 
Trennung  von  Kanzlei  und  Kaiser  gedacht  werden.  Andere 
FäUc,  wie  Nr,  187  (der  Kaiser  schreibt  von  Augsburg  am 
21.  März  1510  [1509  Osterstil],  wUhrend  er  nach  dem  Itinerar 
Augsburg  am  20.  Milrz  verlassen,  am  21.  März  zu  Buehloe, 
am  22.  März  zu  Kaufbeuren  und  Buehloe,  am  23.  März  [viel- 
leicht schon  am  22.  März  Abends]  wieder  nach  Augsburg  zu- 
rückkehrt), oder  Nr.  234  (der  Kaiser  schreibt  von  Innsbruck 
am  8.  August  1510,  während  er  nach  dem  Itinerar  sich  an 
diesem  Tago  in  Innsbrucks  Umgebung  [Fragenstein,  Zirl,  Ivo- 
mathen]  aufliillt),  oder  Nr.  267  (der  Kaiser  schreibt  von  Frei- 
bui^  am  28.  November  1510,  während  er  nach  dem  Itinerar, 
Freilnirg  bereits  am  25.  November  verlassend,  vom  26.  Novem- 
ber [vielleicht  schon  25.  November  Abends]  bis  30.  November 
zu  Breisach  weilte),  oder  Append.  Nr.  6  (der  Kaiser  schreibt 
von  Linz  am  30.  April  Ihl-i,  an  welchem  Tage  er  nach  dem 
Itinerar,  Linz  am  25.  April  verlassend,  in  dem  nachbarlichen 
Enns  weilte)  beweisen  nur,  dass  die  Kanzlei  nicht  alle  unbe- 
deutenden Ausflüge  des  Kaisers  mitmachte,  öfters  dem  vom 
Kaiser  gewählten  grösseren  Aufenthaltsort  voraneilte  oder  den- 
selben etwas  früher  verlicss.  Bedurfte  man  der  Unterschrift  des 
Kaisers,  so  wurde  sie  einige  Tage  später  ftlr  den  schon  nach 
dem  jeweiligen  Aufenthaltsorte  der  Kanzlei  fertiggestellten  Brief 
nachgetragen. 

Auffallendere  und  allein  durch  den  vorgenannten  Vorgang 
nicht  leicht  zu  erklärende  Differenzen  weisen  acht  Fälle  auf: 
Nr.  173  (Bozen,  am  28.  Jänner  1510  [1509  Osterstil].  Itinerar: 
28.  Jänner  1510  Innsbruck.  Der  Kaiser  kommt  zunächst  nicht 
nach  Bozen,  wo  er  vom  21.  Deccmber  1509  bis  13.  Jänner  1510 
verweilte,  zurück),  Nr.  240  (31.  August  1510  Innsbruck.  Nach 
dem  Itinerar  hat  der  Kaiser  Innsbruck,  auf  der  Heise  zum 
Bodeusee  begriffen,  bereits  am  7.  August  verlassen),  Nr.  246 
(13.  September  1510  Buchhorn.  Itinerar:  der  Kaiser  dorthin  erst 
am  18,  September).  Nr.  264  (Kufstein  =  KuussteinV,  18.  No- 
vember 1510.  Itinerar:  18.  November  1510  Ensisheim!),  Nr.  317 
(12.  September  1511  Brixen.  Itinerar:  12.  September  1511  Trient. 
Der  Kaiser  kommt   erst  am  16.  September  1511  nach  Brixen), 


269 


Nr.  487  (27.  April  1513  Augsburg.  Itinerar:  der  Kaiser  hat 
Augsburg  am  20.  April  verlassen  und  kehrt  dorthin  erst  am 
15.  Mai  zurück),  Nr.  608  (30.  November  1515  Angsburg.  Itinerar: 
der  Kaiser  veriiess  Augsburg  am  12.  November,  ohne  dorthin 
jurOckzukommen),  Nr.  629  (21.  November  151G  Strassburg. 
Itinerar:  21.  November  Oberehnheim  flihrt  wähi-end  des  da- 
maligen Aufenthaltes  im  Elsass  Strassburg  als  Aufenthaltsort 
gar  nicht  auf). 

In  mehrfachen  Fällen  wird  durch  die  Angaben  des  Itinenirs 
die  Venuuthung  zur  Qewissheit,  dass  —  sei  es  durcli  Versehen 
des  Herausgebers  oder  infolge  der  schon  in  der  kaiserlichen 
Kanzlei  unterlaufenen  Verstösse '  —  sich  in  die  Datirungszeilen 
Unrichtigkeiten  eingeschlichen  haben: 

Nr.  101.  Datirt  mit  letztem  Jahrestag  1508.  Ist  nicht  nach  dem 
Osternstil  zum  7.  April,  sondern  nach  dem  römischen 
Stil  zum  24.  oder  31.  üecember  1508  Antwerpen 
(nach  dem  Itinerar  weilt  der  Kaiser  an  diesen  Tagen 
im  nachbarlichen  Mecheln)  einzureihen. 
213.  Die  von  Le  Glay  ergänzte  unleserliche  Stelle  in  der 
Datirungszeile  ist  nicht  mit  Juni,  sondern  Jitnner  zu 
ersetzen.  Daher  nicht:  Freiburg,  10.  Juni  1510,  son- 
dern Freiburg,  10.  Jänner  1511  (1510  Osternstil). 
Dürfte  statt  Buchorn,  13.  September  1510  zu  lesen  sein: 

Buchorn,   18.  September  1510. 
Statt:  Breisach,  12.  November  1511  ist  zu  lesen:  Brei- 
sach, 12.  November  1510  (Itinerar:    Max  weilte  am 
11.  [beziehungsweise  10.  Abends]  bis   14.  November 
1510  zu  Breisach,  am  12.  November  1511    zu  Inns- 
bruck). 
350.  Statt  Munde  (Graunden),  29.  December  1511  ist  wohl 
zu  lesen:  Gmunden,   19.  December  1511. 
Statt  Trier,  Mai  1512  kann  ergänzend  gelesen  werden: 

Trier,  2.  Mai  1512. 
Statt  Bitberg,  Juli  1513  kann  ergänzend  gelesen  wer- 
den: Bitburg,  18.  Juli  1513. 
521.  .Statt  Coblenz,  Juli  1513  kann  ergänzend  gelesen  wer- 
den: Coblenz,  (9.— 14.)  Juli  1513. 


246. 


335. 


386. 


520. 


'   Dem  Herausgeber  dieses  Itineran  sind  die  von  Le  Olajr  veritffentlichten 
Uriafe  im  Origiuale  nur  Durchsicht  nicht  vorgelegen. 


270 

Nr.  559.  Statt  Landau,  20.  December  1514  ist  zu  lesen:  Landau, 
20.  December  1512  (nach  dem  Itincnir  weilte  Max 
am  20.  December  1512  in  Landau,  am  20.  December 
1514  zu  Innsbruck). 

„  606.  Statt  Innsbruck,  16.  November  1515  ist  zu  lesen:  Inns- 
bruck, 16.  November  1514  (nacli  dorn  Itinerar  weilte 
Max  am  16.  November  1514  zu  Innsbruck,  16.  No- 
vember 1515  in  der  Ulmer  Gegend). 

„  622.  Statt  Ueberlingen,  28.  Mai  1516  wohl  zu  lesen:  Ucber- 
lingen,  28.  Juni  I51G  (nach  dem  Itinerar  weilte  Max 
am  28.  Mai  zu  Laatsch  in  Tirol,  am  28.  Juni  zu 
Ueberlingen). 

„  189  ist  ,le  dernier  jour  de  mars'  1510  (1509  Osternstil)  statt 
30.  mit  31.  März  1510  aufzulösen.  Mehr  als  Curiosums 
sei  auch  eines  Versehens  von  Maximilians  Hand 
(Nr.  182  Autograph)  erwflhnt,  der  einen  Brief  vom 
39.  Februar  1510  datirt. 

Nach  dem  Itinerar  können  entweder  schon  in  der  Aus- 
fertigung oder  aber  bei  der  Herausgabe  arg  verstümmelte  Orts- 
namen richtiggestellt  werden:  Nr.  105  St.  Weir  =  St.  Goar, 
Nr.  120  Rierti  =  Reutte,  Nr.  127  Inan  =  Ivano,  Nr.  154  Ary  = 
Avio,  Nr.  228  Willamen  =  Weilheim,  Nr.  205  Enghessen  =  Ensis- 
heim,  Nr.  329  Emvcls  =  Heimfels,  Nr.  340  Munde  =  GmUnd  in 
Kärnten,  Nr.  350  Munde  =  Gmunden  in  Oberösterreich,  Nr.  366 
Vintzer  =  Windsheim,  Nr.  611  Fycnshe  =  Füssen,  Nr.  621 
Metz  =  Neuenmetz  (Mezzotombardo)  in  Südtirol,  Nr.  624  Sartera- 
berzc  =  Ilörtembcrg  in  Tirol,  Nr.  637  Muessen  =  Mulsen  (Mals 
in  Tirol),  Nr.  645  Englistat  =  Ingolstadt. 

Die  burgundische  Kanzlei  Maximilians  bediente  sich  zur 
Rechnung  des  Jahresanfanges  des  in  den  romanischen  Gebieten 
üblichen  Osternstiles  (mos  gallicanus). '    Le  Glay  hat  ihn  auch 


'  Wenn  L'art  de  vÄrifier,  Tome  I,  p.  16,  sagt,  Maximilian  habe  die  Epo(?he 
des  1.  JSnner  in  die  kaiserliche  Kanslei  (hiebei  ist  nur  an  die  denUuli« 
Kanzlei  gedacht)  oingefQhrt,  so  iat  dies  doch  wohl  nnr  ao  ku  verstehen, 
dasB  die  deiitüche  K.niiT'.lei  Maximiliau.s  sich  bereits  der  Jahresreclinanf 
ab  1.  Jänner  bediente.  Thatsächlirh  machte  sich  ein  starkes  Schwanken 
in  der  Koehniing  nach  der  locariiation  (26.  December)  und  nach  dem 
1.  Jftnner  bemerkbar.  Auffallende  Belege,  dass  man  sich  zu  gleicher  Zeit 
und  an  demselben  Kanzloiorte  beider  Rechnungen  bediente,  liefern  zwei 


271 


bei  der  Herausgabe  der  Conrespondenz  des  Kaisers  beibehalten 
and  darnach  die  einzehien  Stücke  eingereiht.  Da  er  jedoch 
aelbst  der  Vermuthiing  Kaum  gab,  dass  die  Kanzlei  sich  den 
in  den  jeweiligen  Aufenthaltsgebieten  üblichen  Jahresrechnungen 
anschmiegte,  in  einigen  Fällen  auch  ausdrücklich  die  Verwen- 
dung des  römischen  Stiles  (Weilinachten)  oder  der  Rechnung 
ab  1.  Jänner  constatirte  und  zwei  Stücke  darnach  richtig  ein- 
reihte, ohne  in  eine  weitere  Untersuchung  bezügHch  anderer 
Stücke  mit  mindestens  fragliclior  Jahresrechnung  einzugehen, 
hat  er  in  die  chronologiscJic  Einreiluing  der  Briefe  ziemliche 
Verwirrung  gebracht.  In  der  That  enthält  die  Sammlung  mehr 
Stücke  mit  römischem  Stil,  als  Le  Glay  vermuthete.  Wir  zählen 
Bie  nachfolgend  auf: 

Nr.    96  ist  einzureihen  zum  28.  Jänner  1Ö08  (nicht  15Ü9). 
,  280    „  „  „     10.  Jänner  1510  (nicht  1511). 


Briefe  (ep.  clatu.  clisrt.)  vom  29.  Deceraber  l&ll  mit  der  Ferti^ng  .per 
regem  per  se',  von  denen  der  eine  von  U.  Ptinfzinp,  der  nndere  von 
0.  Vogt  niitgefertigt  ist  Beide  haben  das  Datam  2!).  Ducember  und  als 
I)alimDg;sort  Lim.  In  dem  einen  wird  Semtein  znr  Aasfol^ng  von 
50  Stück  achwarzea  Tnch  .an  Phintzing  aufgefordert.  Das  Datum  1autt<t: 
19.  Deceraber  anno  etc.  diio  decimo.  Im  zweiten  werden  Regiment  und 
Kaitkammer  zu  Innsbruck  aufgefordert,  seinen  Diener  Medlinger  xammt 
vier  Husaren  in  Innsbruck  vollständig  bei  den  Wirtbeu  auszulosen.  Uier 
lautet  das  Datum:  29.  December  anno  etc.  nndecimo.  Ein  drittes  StUck, 
eb«nfalls  mit  der  Fertigung  .per  regem  per  se'  und  der  Mitfertig^ng 
8.  Vogt  aas  Bozen  vom  29.  December  1600  ,vnd  im  zehennden'  (Mandat 
an  den  Zöllner  Hermann  Eiclilioni  am  Uuterrain,  wodurch  er  einer 
Schuld  von  100  11.  Kh.  ledig  gesprochen  wird)  gehört  dem  29.  December 
1509  an.  Die  Kanzlei  bediente  »ich  hier  also  der  Rechnung  dos  Weih- 
nacbtajahreRanfangea.  (Sämmtliche  drei  Stücke  im  Innsbrncker  Statt- 
lialtereiarchiv.)  Auch  das  Testament  Maximilians  (abgedruckt  bei  F.  v. 
Bucholti'  Geschichte  Ferdinande  I^  Band  I,  p.  47)))  beginnend  mit  den 
Warten  ,Am  30.  Tag  Decembris  anno  etc.  im  neunzehendten  Jar'  (30.  De- 
cember 1618),  wXhrend  das  letzte  Cndicill  das  Datum:  ,6.  Januar  im 
19'™'  fuhrt,  bedient  sich  der  Weihnacbtsrechuung.  Hier  »ei  noch  er- 
«ribnt,  dass  seit  Deginn  des  16.  Jahrhunderts  in  der  Maximiliani.schen 
Kanzlei  die  Vern-endung  der  Hciligennamen  gegenüber  der  fortlaufenden 
Nomerirung  der  Mon.itstage  in  den  Hintergrund  tritt.  Es  entsprach  dies 
einer  am  25.  Mai  1500  von  Augsburg  von  der  Hufkammor  an  die  Inns- 
brncker Raitkammer  ergangenen  Weisung  unter  ausdrücklicher  Betonung 
der  bei  der  Zählung  nach  Heiligentagen  sich  so  liKufig  ergebenden 
Ittangen.  (tnnibrocker  Statthaltereiarchiv,  Qesch&ft  bei  Hof  a.  löOO.) 


272 

Nr.  281  ist  einzureihen  zum  13.  Jänner  1510  (nicht  1511)  und 

ist  statt  Brüssel  zu  lesen:  Bolzane 
(Bozen). 
„   351    „  „  „3.  Jänner  1511  (nicht  1512). 

„   352    ^  „  „       4.  Jänner  1511  (nicht  1512). 

„   467    ^  „  „29.  März  1512  (nicht  1513). 

,   560    „  „  ..,     28.  März  1513  (nicht  1514). 

„   633    ,  „  „1.  Jänner  1516  (nicht  1517). 

,   634    „  „  «18.  Jänner  1516  (nicht  1517). 

„   635    .,  „  „     25.  Jänner  1516  (nicht  1517). 

«   637    _  „  „     26.  Februar  1516  (nicht  1517)  und 

statt  Muessen  zu  lesen:  Mals. 
,   G46    „  „  «7-  Jänner  1517  (nicht  1518), 

„   674    „  „  „     18.  Jänner  1517  (nicht  1518;  diese 

zwei    letzten    Stücke    sind   vor 
Nr.  636  zu  setzen). 
„   616  Augsburg,  5.  Jänner  1516   hat  Le  Glay  unter  Hervor- 
hebung  des  römischen  Stiles  richtig  in  das  Ostern- 
jähr  1515  nach  December  1515  eingereiht. 
Wären   wir  Über  Maximilians   zerfahrenes   und   ruheloses 
Wesen  nicht  gut  aus  anderweitigen  Quellen  berichtet,  wahrlich 
der  Inhalt   unseres   Itinerars   mttsstc   uns  darüber  zur  Genüge 
bolohron.     In  der  Periode  von   nicht  ganz  zehn  Jahren  sehen 
wir  den  Kaiser   einem  fahrenden  Scholaren   gleich    von    einem 
<.^rt  zum  anderen  wandern.     Xaoh  Hunderten  zählen  die  Orte, 
in    denen    der    Kaiser    nicht    über    eine   Tagesfrist    Aufenthalt 
nahm.     Ott   sind   es   kleine  Ortschaften,   verlorene  Weiler,  in- 
iwisohon   längst    versohwundene    Burgen,   die   den   hohen  Gast 
btfherborgteu.     Der  Mangel   an  häuslicher  Bequemlichkeit,   die 
Schwierigkeiten  der  Unterkunft  C\\r  das  der  Kopfzahl  nach  nicht 
^e^•ri^^  Gefolge  an  Menschen  und  Thieren.  der  wirthsehaftliche 
:z-i  ."a'Turelle  Tiefstand   der  so   oftmals  besuchten  Gemeinden 
£.-i.-:v3   .;*s  Keiseu  zu  Beginn    des    h».  Jahrhunderts   nicht   zu 
i.;:r?T--.i:^«.'hi.eiten  des  Daseins  gemacht  haben.   Wenn  wir  den- 
'äs-   iC  x*»er  auch  besser  situirtc  Orte,  wie  Innsbruck  oder 
'■%'«ni'~     -rsidls  auf  kleineren,  nur  lur  wenige  Tage  berech- 
ne«»: .  js^iT'K  verlassen  sehen,  so  kann  wohl  nur  die  Freude 
x-    ..^.^  "Viidwerk   in    den   so  oft  von  ihm  aufgesuchten 
_— ■..!-^."..i2.    ^ourkeu    südwärts    vv^s:    Augsburg,    auf  dem 
-'•>•       -»    ar  jxaac  Wand,  in  der  Kuhetai.  an  den  schroffen 


Behängen  des  Innthales  in  Tirol,  Erklärung  filr  diese  räthsel- 
ufte  Wanderlust  bieten.  Nur  ganz  vereinzelt  be(|uemte  sich 
aer  Kaiser  zu  längerem  Aufenthalte  an  einem  und  demselben 
orte,  am  öftesten  in  Augsburg,  wo  wir  ihn  viermal,  vom 
t3.  März  bis  1«.  April  1510,  vom  30.  April  bis  8.  Juni  1510, 
trom  27.  November  bis  26.  Deeember  1518  und  vom  26.  Janner 
bis  25.  Febniar  1518  antrefifen,  am  längsten  in  Köln  von  Mitte 
^^uli  bis  Anfangs  November  1510.  Vier  Wochen  verweilte  Maxi- 
milian im  Winter  von  1510  auf  1511  zu  Freiburg  im  Breisgau. 
Sweimal  erstreckte  sich  ferner  über  eine  grössere  Periode  sein 
Verweilen  zu  Innsbruck  und  dessen  Umgebung  (18.  September 
1514  bis  21.  März  1515  und  2.  September  1515  bis  27.  October 
1515).  Wien  gehörte  durchaus  nicht  zu  den  bevorzugten  Orten. 
t>ort  hielt  er  sich  dreimal  ganz  kurz  (6. — 10.  Mai  1514,  11. — 
E5.  Mai  1515,  10.  September  1517)  und  nur  einmal  durch  16  Tage 
^23.  October  bis  8.  November  1517)  auf. 

i  An  der  Fland  unseres  Itinerars  begleiten  wir  den  Kaiser 

feehnmal  nach  Tirol,  viermal  (in  den  Jahren  1508 — 15Üi),  1512, 
1513  und  1517)  nach  den  Niederlanden,  dreimal  nach  dem  El- 
teM  \JbIovember  1510  bis  April  1511,  Endo  November  1512  bis 
BintiMifln  März  1513,  November  bis  Deeember  15m),  endlich 
■weimal  za  kriegerischen  Unternolimungen  nach  Italien  (August 
^is  Ende  October  150'J,  Mitte  Mflrz  bis  Mitte  April  1516).  Oft- 
^nals  weilte  er  auf  deutschem  Reichsboden,  zog  den  Main  und 
den  Rhein  entlang  und  fuhr  über  den  Bodensee.  Böhmen  und 
Ungarn  hat  er  in  der  Zeit  unseres  Itinerars  nicht  betreten.  Am 
(Weitesten  nordwestlich  stand  sein  Fuss  zu  Lille  auf  heutigem 
jfranzösischen  Boden,  sUdlich  drang  er  bis  an  die  Thore  Mai- 
SUnds  vor. 

Zu  drei  Monatstagen  (23.  und  24.  März  1509  und  19.  Juni 
(1516)  hat  der  Schreiber  des  Itinerars  die  Eintragung  des  Auf- 
[enthaltsortes  unterlassen.  Nach  den  ,Lettre8  de  Louis  XII', 
p[,  lül,  lässt  sich  für  den  23.  Milrz  1509  Bergen  op  Zoom  und 
poB  einer  lit  claus.  chart.  des  Innsbrucker  Statthaltereiarehivs 
t[Max  theilt  mit  der  Fertigung  ,per  regem  per  se'  seineu  lUUben 
SU  Trient  mit,  dass  er  von  König  Karl  und  ,hier  zu  Constauz' 
lurch  den  englischen  Gesandten  Face  englische  Hilfsgeider  zu 
Itrlangen  hoffe,  Constanz,  19.  Juni  1516)  für  den  19.  Juni 
1516  Constanz  als  Aufenthaltsort  mit  ziemlicher  Sicherheit  fest- 
Itellen. 


Aichir.  LXXXVn.  Bd.  I.  Hilfta. 


18 


Nur  in  zwei  Fällen  ist  es  nicht  gelungen,  die  Existens  der 
im  Itinerar  angeführten  Ortschaften  (Weiler  oder  Bu^en)  nach- 
zuweisen. Es  sind  dies:  1513,  Mai  12,  Enndthofen;  1514, 
Juni  18,  Eybiswald.  Ob  hier  von  Seite  des  Copisten  ein  Ver- 
sehen in  der  Wahl  des  Namens  im  zweiten  oder  eine  arge 
Verstümmelung  in  der  Namensschreibung  im  ersten  Falle  vor- 
liegt, bleibt  dahingestellt.  Ein  Eibiswald  in  Krain  lässt  sich 
nicht  erweisen,  so  wenig  wie  ein  bei  Fürstenfeldbruck  in  Baiem 
gelegenes  Enndthofen.  Doch  können  wir  in  beiden  Fällen  den 
gemeinten  Ort  der  Lage  nach  auf  das  Genaueste  bestimmen. 
Für  Eibiswald  kommt  nur  ein  Ort  in  nächster  Nähe  Krainburgs, 
für  Enndthofen  ein  solcher  in  der  Nähe  der  bairischen  Orte 
Schmiechen  und  Fürstenfeldbruck  in  Betracht. 

Zum  Schlüsse  reihen  wir  eine  Anzahl  für  ein  Itinerar 
Maximilians  werthvoUer  Daten,  soweit  sie  den  unserem  Itinerar 
beiliegenden  Rechnungsfascikeln  zu  entnehmen  waren,  hier  an. 
Orts-,  Monats-  und  Wochentagsangaben  sind  den  einzelnen 
Rechnungsposten  beigeschrieben,  in  den  meisten  Fallen  war  das 
Jahr  leicht  festzustellen.  Wenn  auch  nur  bei  der  einen  Hälfte 
der  Daten  die  Anwesenheit  Maximilians  ausdrücklich  vermerkt 
ist,  so  kann  doch  bei  der  anderen  aus  der  Art  der  Ausgaben 
auf  die  Anwesenheit  am  Ort  der  Ausgabe  ziemlich  sicher 
geschlossen  werden. 


1500 

1500 

I. 

30.  Innsbruck.* 

rX.  19.  Steinach.« 

IL 

20.  Innsbruck. 

25.  Innsbruck. 

UI. 

28.  Augsburg.« 

29.  Seefeld.' 

IV. 

4.,  16.  Augsburg.* 

30.  Innsbruck. 

vin. 

l.,4.,18.,24.  Augsburg.« 

X.  31.  Wörth.8 

IX. 

5.  Zirl.» 

XL     7.  Nürnberg.» 

6.  Weilheim.* 

XII.     5.  Batimgartenberg.'' 

13.  Telfs.6 

13.  Persenbeug." 

1.  Hauptstadt  Tirols.  3.  Augsburg  am  Lech  w.  von  Hünchen. 
3.  Im  Innthal  w.  von  Innsbruck.  4.  Weilheim  s.  vom  Ammersee  in 
Baiem.  5.  Tclfs  im  Innthal  w.  von  Innsbruck.  6.  Steinach  am 
Brenner  s.  von  Innsbruck.  7.  Seefeld  n.  von  Zirl  in  Tirol.  8.  Donau- 
wörth in  Baiem.  9.  Nürnberg  in  Baiem.  10.  Banmgartenberg  6. 
von  Linz  in  Oberösterreich,  nahe  der  Donau.  11.  Persenbeug  ö.  vom 
vorigen,  an  der  Donau. 


276 


1500 

1504 

Ttn.  26. 

Linz.* 

IX. 

19.  Oeisenfeld.'« 

1501 

20.  Wollnzach." 

III.  22. 

27.  Linz. 

21.  ludersdorf.'* 

Vn.  28. 

Gries.* 

22.-24.  München.  1» 

29. 

St.  Siegmund'  und 

28.,  29.  Schwaz." 

^ 

Gries. 

30.  Schwaz    und    Ratten - 

ü      30. 

Axams,*      Keniaten* 

berg.*' 

und  Vellemberg.'' 

X. 

1.  Rattenberg. 

15(U 

2.  Langkampfen.'* 

IV.    2- 

—17.  Aupsburg. 

3.  Auerdorf.'' 

18. 

Füssen.' 

4.  Langkampfen. 

19. 

Möhringen*  und 

5—20.  Im  Felde  vor 

Augsburg. 

Kufatein.»* 

P     24- 

—29.  Augsburg. 

21.,  22.,23.,24.,25.Ro^en- 

^     30. 

8.1. 

beim." 

V.     1. 

St.    Leonhard "     und 

26.,  27.  Kufstein. 

k 

Immenhof  en.'" 

28.,  29.  Aschau.^" 

1       '- 

Friedberg." 

30.  Morklstein." 

»       3. 

Donauwörth.'* 

31.  Traunstein." 

9. 

Dillingen." 

XI. 

1.  Traunstein. 

10. 

Höchstftdt.'* 

2.,  3.  Biiumburg." 

11. 

,  12.  Aislingen." 

4.  Oping.*» 

1.  Linz,  Hauptstadt  von  Oberösterreich.  2.  Oriea  im  Molach- 
thal so.  von  Innsbruck.  3.  S(.  Sigtsmund  w.  vom  vorigen.  4.  und 
S.  Ajcaius  und  Komaten  nahe  bei  Innsbruck.  6.  Vellonberg;,  Ruine 
ob  Vels  bei  Inasbrnck.  7.  Fü.ssen  in  Baiom  an  der  Tiroler  Grenze. 
8.  Mrrinp  !>ö.  von  Augsburg.  9.  ?  bei  .VugBbnrg.  10.  Inchenhofen  nw. 
von  Aujjfsburg.  11.  Friedberg  bei  Augsburg.  12.  Siehe  Nr.  8,  p.  46. 
13.  DiUingen  a.  D.  zwischen  ITlm  und  Donauwörth.  14.  Höchstädt 
TOm  vorigen.  15.  Aislingen  b.  von  Dillingcn.  Iß.  Geisenfeld  so. 
Ingolstadt.  17,  Wolnzach  s.  vom  vorigen.  18.  Indersdorf  n. 
von  Dachau.  19.  MUnuhon,  Hauptstadt  von  Baiem.  20.  Sohwnz 
Innthal  nö.  von  Innsbruck.  21.  Rattenborg  am  Inn  ö.  vom  vorigen. 
Am  Inn  s.  von  Kufstein.  23.  Ober-(Niodor-)Audorf  aminn  n.  von 
Ku&tfin.  24.  Kufstoin,  tirolisch-bairische  Orenzfeste.  25.  Rosen- 
beim  in  Baiem  n.  von  Knfstein  und  so.  von  München.  26.  Ai<chau 
rw.  vom  Chiemsce.  27.  Marquartsstein  an  der  Achen  sw.  vom  Chiem- 
g«e.  28.  Traunstein  ö.  vom  Chiem.see.  29.  Baumburg  hart  bei 
Altenmarkt  nw.  von  Traunstein.       30.  Obing  so.  von  Wasserburg  am  Inn. 

18« 


276 


1504 

XI.     5.,  6.  Rosenheim. 

7.  Eufstein. 

8.  Rattenberg. 

9.  8. 1. 

10.  Rattenberg. 

11.  HaU.» 

12.  Hall  und  Innsbruck. 
13 — 15.  Innsbruck. 

16.  Schwaz. 

17.  Kundl«    und    St.   Jo- 

hann.* 

18.  Lofer.* 

19.  Reichenhall.'^ 

20.,  21.,  22.,  23.  Salzburg.« 


1504 

XI.  24.,  25.  8. 1. 

26.  Salzburg. 

27.  Reichenball. 

28.  Lofer  und  Kirchdorf.' 

29.  SöU.8 

30.  Schwaz.» 
1508 

IV.     1.  Ulm.» 

2.  Ehingen.»« 

3.  Ehingen,  Martel  ^^  und 

Blaubeuren.^* 

4.  Ehingen  und  Elrbach." 
5-9.  Ulm. 


1.  Hall  am  Inn  ö.  von  Innsbruck.  S.  Kundl  am  Inn  nö.  ron 
Rattenberg.  3.  St.  Johann  ö.  von  Eufstein.  4.  Lofer  sw.  von  Salz- 
burg. 5.  Beichenball  sw.  Ton  Salzburg  und  nö.  von  Lofer.  6.  Salz- 
burg, Hauptstadt  des  gleichnamigen  österreichischen  Herzogthums. 
7.  Kirchdorf  n.  von  St.  Johann.  8.  Soll  ö.  von  Wöi^l  am  Inn. 
9.  Ulm,  württembergische  Stadt  an  der  Donau.  10.  Ehingen  sw.  von 
Ulm.  11.  Obermarchthal  a.  D.  w.  von  Ehingen.  IS.  Blaubenren 
n.  von  Ehingen.       18.  Erbach  zwischen  Ehingen  und  Ulm. 

*  Obige  Daten  wichtig  für  den  Nachweis  Ober  die  persönliche  Theil- 
nahme  Hax'  am  Landshater  Erbfolgekrieg  1504  (vgl.  damit  die  yon  H.  Uimann, 
Kaiser  Maximilian  I.,  Bd.  ü,  p.  230 ff.  und  G.  t.  Uaretich,  Kaiser  Max  I. 
▼or  Knfstein  1604  im  Organ  der  mil.  wiss.  Vereine,  Bd.  37,  1888  beigebrachten 
Daten). 


Itinerarium  1508—1518. 


(Für  jeden  im  Itinerar  vorkrtuiDienden  Ort  ist  iu  den  unten.itohenden  An- 
merknn^Q  eine  topo^aphische  Erläuterung  rersucht  worden.  Da  diese  nnr 
l>eiin  ersten  Vorkommen  des  Ortsnamens  gegeben  wurde,  so  ist  sie  beim 
Torkommen  von  Ortsnamen  ohne  Erläaterung  durch  Zurückgehen  in  den 
Anmerknngeu  zu  »uchen.) 


1508 

1508 

XI.     l(Mittwoch)— 4.'Annd- 

Xn.  17.          Lyer. 

torfr.ä 

18—31.  Mechell. 

5.           MecheU.» 

1509 

■         6.           Runsst.^ 

I.     1  (Montag) —22.  Mechell. 

■        7.          Tembss." 

23—29.  PrüsseD." 

U        8—20.  AnDdtorflF. 

30.          MecheU. 

21.          Lycr.« 

31.           Prttssell. 

22—25.  ÄlecheU. 

n.     1  (Donnerstag)  —  8.  PrUs- 

26—30.  Lyer. 

seU. 

XTT.     1  (Freitag)— 3.  Lyer. 

9.           Mechell. 

4-5.     Sanntfluet.' 

10.           E^lÜfordt.»» 

6 — 13.  Pergen    am 

11—22.  PrüsseU. 

^^k               Sanndt.« 

23.          Termondt." 

^^^4.           Sanntfluet. 

24—27.  Ghenndt.i» 

15— lü.  Anndtorff. 

28.          Allsst.» 

1.  Maximilian  weilt  in  den  Niederlanden.  2.  Antwerpen. 
3.  Uechelo.  4.  Rumpat,  Dorf  in  der  Provinz  Antwerpen,  recht«  a.  d. 
Nethe,  n.  von  Hecheln.  5.  Tempsche  (Tomise)  in  Osliiandem  w. 
von  RUpelmonde  an  der  iSchelde.  6,  Licr  (Lierre)  so.  von  Antwerpen. 
7.  Santvliet  an  der  Mündung  der  Scheide  n.  vom  Fort  Lille.  8.  Bergen 
op  Zoom  im  niederländischen  Nordbrabant.  9,  Brüssel.  19.  Vil- 
Torde  (Vilvoorden)  n.  von  Brüssel,  Marktflocken  in  der  belgischen  l'ro- 
rinz  Brabant.  11.  Dendermonde  (Termonde)  nw.  von  Brüssel  in  der 
belgischen  Provinz  Oslflandem.  12.  Gent(lJand).  18.  Aalst  (Alost) 
DW.  von  Brüssel  im  belgischen  Oatflandcrn. 


278 


1509 

1509 

III.     1  (Donner8tag).Termondt. 
2—5.     Ghenndt. 

IV. 

12—13.  Syburg." 

14.           Anndernach." 

6—8.    Termondt. 

15—17.  Koblenntz." 

9—10.  MecheU. 

18.          Sanndt  Qwer." 

11—16.  Lyer. 

19—20.  Rudishaim.»» 

17—22.  Anndtorff. 

21.          Nider  OUm." 

23.          8.  loco.» 

22—26.  Wormbs.»» 

24.  s.  ioco. 

25.  AltennpÜBch.» 

26.  Predaw.* 

27.  Lon.» 

28.  Hertzogenpusch.* 
29-31.  Grab." 

V. 

27.  Speyer." 

28.  PruesseU."» 

29.  Faychingen.*» 

30.  Stuetgartten." 

1   (Dienstag).    Stuetgart- 
ten. 

IV.     1  (Sonntag).  Kalckharan.« 

2.  Gsanndten.' 

3.  Deusbui^.* 

4.  DysseUdorff.» 
5     11.  Colin." 

(Ostertag  8./IV.) 

2.          Göppingen.** 
3_4.    Vllm.*» 

5.  Weyssennhom.** 

6.  Rockhennburg.** 

7.  Phaffennhawsen.** 
8—9.     Mundlhaim.»' 

1.  Oadenboscb  in  der  niederländischen  Proyinz  Nordbrabant. 
S.  Breda  in  derselben  Proyinz.  3.  Loon  op  Zand  nö.  TOn  Breda. 
4.  's  Hertogenbosch  (Bois  Ic  dno)  nö.  yon  Breda.  5.  Graye  a.  d.  Maas 
in  der  niederländischen  Proyinz  Nordbrabant.  Maximilian  yerlässt  die 
Niederlande.  6.  Ealkar,  Flecken  im  preassischen  Begiemngsbezirke 
Düsseldorf.  Maximilian  betritt  deutschen  Beichsboden.  7.  Xanten 
a.  Rh.  8.  Duisburg  s.  yon  Xanten.  9.  Düsseldorf  n.  von  Köln. 
10.  Köln  a.  Rh.  11.  Siegburg  s.  von  Köln.  IS.  Andernach  n.  von 
Coblenz.  13.  Coblcnz  in  der  Rheinproyinz.  14.  St.  Goar  a.  Rh. 
s.  von  Coblenz.  15.  Rüdesheim  a.  Rh.  im  preussisohen  Regierungs- 
bezirke Wiesbaden  s.  von  St.  Goar.  16.  Nieder-Olm  im  Grossherzog- 
thum  Hessen  s.  von  Mainz.  17.  Worms  a.  Rh.  im  Grossherzogthum 
Hessen.  18.  Speier  a.  Rh.  in  der  bairischen  Pfalz.  19.  Bmohsal  im 
Grossherzogthum  Baden  n.  von  Carlsruho.  30.  Vaihingen  in  Württem- 
berg nw.  von  Stuttgart.  81.  Stuttgart.  88.  Göppingen  in  Württem- 
berg ö.  von  Stuttgart.  83.  Ulm  a.  D.  in  Württemberg.  84.Wei8sen- 
hom  in  Baiem  so.  von  Ulm.  85,  Roggenburg,  Dorf  so.  von  Weissen- 
born.  86.  Pfaffenhausen  so.  von  Roggenburg  und  sw.  von  Augsburg. 
87.  Mindelheim  s.  von  Pfaffenhansen  und  sw.  yon  Augsburg. 

•  Der  hier  fehlende  Aufenthaltsort  ist  verUsslich  ab  Ber^n  op  Zoom 
festzustellon  (s.  Lettres  de  Louis  XU.,  I,  161). 


279 


1509 
V. 


VI. 


10. 

Puechlo.» 

11- 

-20. 

Kawffpeyren.* 

21- 

-22. 

MundJhaim. 

23. 

Liebennthan.' 

24. 

Kempten.* 

25. 

NesselLannp:.* 

26. 

Emnberg  an  der 
Clausen.^ 

27. 

Lemioss.' 

28. 

Naaareyth.® 

29. 

Stambs.» 

30. 

Frage  nnstain  vnd 
Zierll."" 

31. 

Ynnspruckh." 

1 

(Freitag)   —  'S.     Inns- 

pruckh. 

4. 

Mattron." 

5—8. 

Slertzing." 

9. 

Brj'chsen." 

1509 
VI.  10.  Potzen.« 

11.  Newennmarckht.'* 

12—17.  Trienndt." 
1»— 19.  Arch.'B 
20.  Rofereydt.'» 

21—30.  Trienudt. 
VII.     1  (Sonntag)— 4.  Yfonn," 
5—6.     Veiters.»' 
7—10.  Ziuidatt." 
11—12.  Velltcrs. 
13.  zu  der  Laytter*' 

vnd  Carpignatz.** 
14 — 15.  Marrostica.'* 

16.  Passonn.** 

17.  Marrostica. 

18.  Passon. 

19.  Carpygnon.»' 
20—22.  zu  der  Laytter. 
23—24.  Grym.»» 


1.  BucMoe  ö.  von  Mindelheim.  2.  Kaufbouem  a.  von  Buch- 
loe.  3.  Weiler  Liebcnfhan  ssw.  von  llonsberK,  w.  von  Kaufbüuorn. 
4.  Kempten  s.  von  Mommingon.  5,  Nessclwung  nahe  der  tirolischon 
Grenze.  Maximilian  vcrUisst  das  Reich.  6,  Vase  bei  der  Ehrcubcrgcr 
Feste,  womit  Maximilian  diu  österrcichischüu  ErblandobotriU.  7.  Ler- 
mo»  in  Nordtirol.  8,  Nasscrcit  s.  von  Keuto.  9.  iStams  um  Inc. 
10.  Bargmine  Frageustein,  LieblingBaufentholt  des  Kaiserii,  und  Zirl 
L.flB  FuBs  der  Martinswond  am  Inn  w.  von  Innsbruck.  11.  Innsbruck. 
I?.  Matrui  an  der  Brenncrstrasse  s.  von  Innsbruck.  13.  Stcrzing, 
liroUeches  Städtchen s.  vom  Brenner.  14.  Brisen,  tirolischcr  Bischofs- 
sitxs.  von  Stcrzing.  15.  Bozen  (BoLzano),  Stadt  in  Südtirol.  16.  Neu- 
markt a.  d.  Etsch  9.  von  Bozen.  17.  Trient  (Trento)  g.  von  liozen. 
18.  Arco  im  Sarcathal  sw.  von  Trionl  und  n.  vomGardoaee.  19,  Rove- 
redo  s.  von  Trient,  ö.  von  Arco.  20.  Ivano  ö.  von  Trient,  ein  links 
Ton  Slrigno  auf  bewaldeter  Felswand  Htehcndcs  Schloss.  21.  Keltre 
ö.  von  Strigno  an  der  tirolisch-venetianisehen  Grenze.  Maximilian  be- 
tritt italienischen  Boden.  22.  Cividule  nö.  von  Palma  nnova.  23.  De 
\»  Scnla,  SchloBs  bei  Frimolano.  24.  Caqiano  bei  Valstagna  n.  von 
Bassano  (Carpanedo  im  Brentathal?).  25.  Marostica  ö.  von  Baasano. 
89.  Bassano,  Stadt  n.  von  Padua.  27.  Daa  früher  erwähnte  Carpane (?). 
28.  Qrigno  im  Val«ngana  ö.  von  Strigno. 


1509 

1509 

1 

vn. 

25. 

EU  der  TiAytter. 

IX. 

19—30. 

im  hör  vor  Badn» 

26—31. 

Yfonn. 

inSanntfiekimi^ 

vm 

1  (Mittwoch)— 4.  Yfonn. 

doster. 

5—9. 

Basson. 

X. 

l(Mon 

tag) — 3.imhSr7or 

10—13. 

im  veldt  vor  Ba- 
dna.' 

Badua  im  Sannt 
Eelennacloster. 

14—18. 

im    veldt     bey 
Lymna.* 

4—6. 

im  veldt  vnd  hör 
bey    dem   slo^ 

19—24. 

im  hör  oder  veldt 

Lymna. 

bey  Tanckeröl- 

7. 

im  veldt  vnd  h5r 

la.» 

zu  Companisa.' 

25. 

im  hör  oderveldt 
bey  Selichs.* 

8—9. 

im  veldt  vnd  hör 
KU  Lungara.^ 

2&— 29. 

im    veldt    oder 
hör  bey  Monn- 

10—17. 

im  veldt  vnd  hör 
m.  Custosa.» 

tesellitz.' 

18. 

Altouilla." 

30—31. 

im  veldt  vnd  hör 

19. 

sannt  Bonifacy.**^ 

vor  Badaa. 

20. 

Bemn." 

IX. 

1  (Samstag')  —  10.    im 

21—23. 

Soaui." 

veldt  vnd  hör 

24—26. 

Bemn. 

vor  Badua. 

27—29. 

Vollami.»* 

11—14. 

im     veldt    vnd 

30—31. 

Aui." 

hör  bey  Bofa- 

XI. 

1  (Donnerstag)  — 12.  Ro- 

lenntz.* 

fereydt. 

15—18. 

im  veldt  vnd  hör 

13. 

Kaldenatsch.*^ 

vor  Badua. 

14—15. 

Yfonn. 

\ 


1.  Padua.  3.  Limena  n.  von  Padua.  3.  Tencarolo  bei  Padoa. 
4.  Monselice  s.  von  Padua.  5.  Der  vorgenannte  Ort,  dessen  Schloss 
Maximilian  am  27.  August  einnahm.  6.  Bovolenta  n.  von  Gonselve, 
8.  von  Fadna.  7.  Companisa  ö.  von  Padua.  8.  Longaro  s.  von  Vi- 
oonza.  9.  Costozza  s.  von  Vicenza.  Da  Costozza  etwas  östlicher  als 
Longaro  liegt,  so  mnss  Maximilian  eine  Bückzugsbewegung  gemacht 
haben.  10.  Altavilla  an  der  Strasse  von  Vicenza  nach  Verona.  11.  San 
Bonifacio  ö.  von  Verona.  12.  Verona.  13.  Soave  n.  von  S.  Boni- 
laoio  und  ö.  von  Verona.  14.  Volargne  n.  von  Verona.  Maximilian 
vorlässt  das  venotianische  Gebiet.  15.  Avio  sw.  von  Ala  a.  d.  Etsch. 
Maximilian  kehrt  vom  Kriegszug  nach  Tirol  zurück.  16.  Caldonazxo 
büim  Eingang  ins  Valsugana  bei  Levico  ö.  von  Trient. 


281 


1&09 

1510 

XI.  16. 

Perschen.' 

I.     1 

(Dienstag)  — 13.  Potzen 

17—18. 

Trienndt. 

oder  Pulson. 

19. 

Rofereydt. 

14. 

Brixner  Clawsen." 

20. 

Nussdorf"*   vnd 

15. 

NewennstySt.'» 

am  Ötain.* 

16. 

Stertziug. 

21—26. 

zum     Stain    am 

17. 

Mattron. 

Gallian.* 

18- 

-20. 

HftU  im  Inntall." 

27—28. 

im  sloss  zu  Aui. 

21- 

-25. 

InnspruL-kh. 

29. 

Prannthain.^' 

26. 

tiait  im  Inntall. 

30. 

Arch. 

27- 

-31. 

InnspniL-kh. 

Ul.     1  (Samstag).  Trienndt. 

II.     1 

(Freitag).  Telffs." 

2. 

Perschen. 

2. 

Stambs. 

^       3. 

Ziuitzan  vnd  am 

3. 

Lermoss. 

w 

Nouis.* 

4. 

Reutten." 

1  ' 

Newenmetz.'' 

5. 

Nesselbanng. 

1   ^■ 

Khaltarn.« 

6. 

Kempten. 

r,    6—15. 

Potzen. 

7. 

Liebcnnthan. 

16. 

Newenmarckht. 

8- 

-11. 

KautFpeyren. 

17-18. 

Trienndt. 

12. 

Anngiberg.'* 

19. 

Newenmetz. 

IS- 

-17. 

Mundlhaim. 

20. 

Newenmarckht. 

IS. 

Annglberg. 

21—31. 

Potzen  oder  Pul- 

19- 

-20. 

Puechlo. 

sou.  ■ 

21. 

Mcnnchingen.'* 

1.  Pergine  an  der  Strasse  zwischen  Trient  und  Levico.  3.  Volano 
n,  ron  Roveredo,  von  den  Deutschen  Folgarios  heute  noch  Nnssdorf  go- 
aonnt.  3.  Cast«!!  alla  Pietra  unlerbalb  CiiUiano  n.  ron  Roverodo,  auch 
.Stain*  genannt;  Stein  am  Gallian  hat  auch  ein  Ausschreiben  Maxi- 
milians an  die  Hanptleute  des  Fussrolkes  zu  BasMino,  ddo.  22.  NoTcmbor 
1509.  Schloss  Stein,  am  24.  November  1509.  Ma.ximilinn  an  den 
Vicedom    Lorenz   Saurer.        4.    Das   vorgenannte  Stain   bei    Cnlliano. 

5.  Breotonico (.')  am  M.  Baldo  zsvischL-n  der  Etsch  und  dem  Onrdasec. 

6.  Zivozzano  zwischen  Trient  und  L'orgiue.  7.  Mezzoiombardu  n.  vou 
Trient  bei  S.  Michelc.  8.  Kaltem  n.  von  Bozen.  9,  Au  Stelle  der 
Brixner  Klause  jetzt  die  Franzcnst'este.  1 0.  Kloster  Ncuf^tif  t  bei  Brisen, 
1 1.  Hall,  Städtchen  ö.  von  Innsbruck  n.  Inii.  12.  Telfs  a.  Inn  w.  von 
Innsbruck.  13.  Reutte  am  oberen  Lech  an  der  tirolisch-bairischen 
Grenze.  Maximilian  verlii-sst  Tirol.  14.  Weiler  Angelberg  bei  Tussen- 
liaosen  nö.  von  Mindelhoim.        15.  Schwabmüncheo  s.  von  Augsburg. 


282 


1510 

1510 

n.  22—28.  Aogspurg.» 

VI.    6.          Geckhingen. 

IQ.    1  (Freitag)  — 4.  Augspurg. 

1 — 8.    Augspurg. 

5.          Werchtingen.* 

9.           Grosa3rttingen ' 

6.          Tyllingen.» 

vnd   Mennchin- 

7.          Werdt  vnd  Mar- 

gen. 

dingen.* 

10.          Puechlo    vnd 

8—20.  Augsburg. 

ZeU." 

21.          Puechlo. 

11—13.  Eaufi^jren. 

22.          KauflFpeyren   vnd 

14 — 15.  Mundlhaim    vnd 

wider  zu  Puechlo. 

Annglbei^. 

23—31.  Augspurg. 

16.          Mennchingen  vnd 

(Ostertag  31./m.) 

GrosayUingen. 

IV.    1  (Montag)  — 18.   Augs- 

17—30. Augspurg. 

purg. 

Vn.    1  (Montag)  —2.    Augs- 

19.          Momigen.* 

purg. 

20.          PruckhjFürstenn- 

3.          Gockhingen  vnd 

feldt  vnd  Naynn- 

Grosayttingen. 

hofen.* 

4.          Puechlo    vnJ 

21.          Tachaw.' 

ZeU. 

22.          Pruckh  vnd  Fttr- 

ö — 6.     Kauffpeyren. 

stennfeldt. 

7.          Annglbei^. 

23—28.  Augspurg. 

8.          Grosayttingen 

29.          Göckhingen.« 

vnd  Pobingen." 

30.          Augspurg. 

9 — 10.  Augspurg. 

V.    1  (Mittwoch)— 31.  Augs- 

11.          Gockhingen. 

purg. 

12.          Frydtberg   vnd 

VI.    1  (Samstag)  —5.   Augs- 

Newennhofen. 

purg. 

13.          Esslingen." 

1.  Augsburg.  S.  Wertingon  nw.  von  Aagsborg.  3.  Dillingen 
a.  D.  w.  von  Wertingen.  4.  Donauwörth  und  Mertingen.  Letzterer 
Ort  8.  von  Donauwörth.  5.  Mering  oder  Merchiog.  Beide  Orte, 
3  Em.  von  einander  entfernt,  liegen  so.  von  Augsburg.  6.  Brück, 
zwischen  Angsburg  und  München,  eine  Viertelstunde  südwärts  das 
frühere  Cistercienserkloster  Fürsten feld.  Nannhofen  nw.  von  Brack. 
7.  Dachau  nö.  von  Brück  und  nw.  von  München.  8,  Qöggingen  s.  von 
Augsburg.  9.  Grossaitingen  s.  von  Augsburg,  zwischen  diesem  und 
Schwabmüncben.  10.  Oster-  oder  Oberzeli  ö.  von  Eanfbenem.  Beide 
Orte  hart  aneinander.  11.  Bobingen  s.  von  Angsburg,  zwischen  diesem 
und  Grossaitingen.       IS.  Esting  nö.  von  Fürstenfeld. 


283 


1510 

IM    , 

1510 

vn.  14. 

Fürstennfeldt 
vnd  Meuntzin- 
gen.« 

vm.    8- 

-9. 

Fragennstain, 
Zierll  vnd  Ke- 
mattun." 

15—18. 

MUnichen.' 

10- 

-11. 

Axßambs*'  vnd 

19. 

Starchenuljerg' 
vnd  zum  Heyl- 

Wennlenn- 
berg.'* 

ligenberg.* 

12. 

Kematten. 

20—22. 

Weylliaim.* 

13- 

-14. 

im  Sellrayn,  am 

23. 

Staingaden.'' 

Griess   vnd   in 

24—26. 

Fu  essen,' 

der    Khuettey 

►      27. 

Reutten    vnd 
Aytterwauug." 

am    Gembson- 

geiaidt.'* 

28. 

Ernnberg  vudAytter- 

15- 

-16. 

Stambs. 

' 

wanng. 

17. 

Magei-pach  '^ 

29. 

Lermoss. 

vnd  FrewnntB- 

30. 

Nasareyth    vod 

haim. 

Frewnnts- 
baim.^ 

18- 

-19. 

Nasareyth. 

20. 

Lanndcjrkb  ""' 

31. 

Flawerling '" 
vnd   Fragenn- 
stain. 

21. 

vnd     Lawd- 
egkh." 
Lawdeckh. 

rai.    1 

(Donnerstag)    —  7. 

22. 

Laiideckb    vnd 

Ynnspruckh. 

Bernegkh.'* 

1.  Obcrmenzing  aw.  von  Miiiiohen.  8.  München.  3.  Htorn- 
beig  a.  von  Münuben  am  Nordende  dcfl  Wärmsees.  4.  Kloster  Andudis 
auf  dem  , heiligen  Berge"  am  Ostafer  des  Ammersces.  5,  Weilheira 
»ö.  von  München  und  s.  vom  Ammeraeo.  6.  Hteingaden  sw.  von  Wcil- 
beim.  7.  Füssen  a.  von  Steingaden  an  der  bairiscb-tirolischen  Grenze. 
Maximilian  verlösst  dentachcn  ReichsbodüD.  8.  Hoiterwang  s.  von 
R«atte.  Maximilian  betritt  Tirol.  9.  Freundshcim,  früher  Sigmundg- 
l'rcud.  Schloss  bei  Obermimmiugon  ö.  von  Niissereit.  10.  Flaiicrling 
am  rechten  Innufer  ö,  von  Tclfs.  II.  Konmteu  w.  von  Innsbruck. 
12.  Axams  8.  von  Komalen,  w.  von  Innsbruck.  13.  Vellenberg, 
lUenes  Sohloss  ob  Yels.  14.  Sclraiu,  Uriea  und  Knhetey  am  Fuss 
iGomskopfes  aö.  von  Zirl  und  Innsbruck.  15.  Wirthsbaus  zu  Mager- 
bsch  am  Ion  gegenüber  Haimingen  w.  von  Stams.  16.  Laudeck 
am  Ina  w.  von  Stams.  17.  Ituine  Laudegg  über  Prutz  rechts  auf 
•t£ilcr  Felswand.       18.  Bomeck,  Schloss  im  Kauaserthal  bei  Landeck. 


284 


1610 

1510 

vm. 

23—25.  Bemnegkh. 

X. 

1  (Dienstag)  —14.    Co- 

26 — 27.  im    Kawserthal 

Btenntz. 

bey  dem  Fern- 

15. 

CoBtenntz    vnd 

ner.* 

Wolmaettingen.** 

28—29.  Bemnegkh  vnd 

16—17. 

ZJell  am  Vnnder- 

Brutz.» 

see." 

30.  Lanndeckh. 

18. 

Ach." 

31.  Zambs.' 

19-20. 

Ennttenburg  ** 
vndGayRÜngen" 

IX. 

1  (Sonntag)— 2.  Wys- 

21. 

Villingen.** 

perg.* 

22—24. 

Ennttennboi^  an 

3—4.    Pottnnoy.» 

der  Parr. 

5.          zum  Closterlen* 

25—29. 

Villingen. 

vndBludenntz.' 

30. 

Ennttennborg  an 

6.          Bludenntz. 

der  Parr. 

7.          Rennsperg.* 

31. 

In   der  Neastat" 

8     10.  Veldtkirch.» 

vnd  Freyburg.*' 

11—12.  Bregenntz.»» 

XI. 

1  (Freitag)  —  2.    Frey- 

13—17.  Lynndaw." 

bürg. 

18.          Puechhom." 

3—7. 

Preysach." 

19—21.  Vberlingen.»» 

8—10. 

Freyburg. 

22—30.  Costenntz." 

11—14. 

Preysach. 

1.  Eauner-  oder  Eannserthal  so.  von  Prutz.  S.  Frutz  am  Inn  8. 
von  Landeck.  3.  Zams  n.  von  Landeck.  4,  Wiesberg,  verfallenes 
SchloBs  am  Ausgang  des  Faznannerthales  w.  von  Landeck.  6.  Pettnea 
im  StanzertheJ.  6.  Elösterle  yr.  vom  Arlberg.  7.  Bludenz  in 
Vorarlberg.  8.  Rönsberg  in  der  Gemeinde  Schlins  zwischen  Blndenz 
und  Feldkirch.  9.  Feldkirch  in  Vorarlberg.  10.  Bregenz  am  Boden- 
see. Maximilian  verlässt  die  österreichischen  Erblande.  11.  Lindau 
am  Bodensee.  Maximilian  betritt  den  deutschen  Reichsboden.  IS.  Buoh- 
hom,  jetzt  Friedrichshafen  am  Bodensee,  die  kleinste  ehemalige  Reichs- 
Stadt.  13.  üebcrlingen  am  Bodensee.  14.  Constanz  am  Bodensee. 
15.  Wollmatingcn  nw.  von  Constanz.  16.  Radolfszell  am  Nordrande 
des  Zeller  Sees.  17.  Aach  n.  von  Radolfszell.  18.  Jagdschloas 
Entenburg  zu  Pfohren  a.  d.  D.  zwischen  Geisingen  und  Donauesohingen. 
19.  Geisingen  nw.  von  Aach.  SO.  Villingen  n.  von  Donauesohingen 
und  nw.  von  Geisingen.  Sl.  Neustadt  ö.  von  Freiburg.  SS.  Frei- 
burg im  badisohen  Broisgau.  S3.  Alt-Breisaoh  im  Groasherzogthtun 
Baden,  zu  Maxens  Zeit  im  österreichischen  Besitz. 


1510 

1511 

XL  15—21.  Ennsishaim.' 

11 

16—18. 

Freyburg. 

22.           Preysach. 

19. 

Breysach. 

23—25.  Freyburg    vnd 

20. 

CoUmar. 

Krotzingen.* 

21—24. 

Ennsishaim. 

26—30.  Breysach. 

25. 

Breysach. 

XII.    1  (Sonntag)— 5.    Brey- 

26—28. 

Freyburg. 

sach. 

III. 

1  (Samstag)  —3.    Frey- 

6—11.  Frey  bürg. 

bürg   vnd  Krot- 

12.           Newennburg.' 

zingen. 

13.           Breysach    vud 

4. 

Taxwanng.' 

heylligf  (sie!).* 

6—8. 

Breysach,  Perck- 

14—17.  Colhnar.» 

haim  vnd  Kennt- 

18—19.  Breysach. 

ziugen.* 

20—31.  Freyburg. 

9—10. 

Kenntzlngen. 

1511 

11—15. 

Slettstadt.» 

I.     1  (Mittwoch)— 17.  Frey- 

16-18. 

Collmar. 

burg. 

19—20. 

Ennsishaim. 

18.           Breysach    vnd 

21—23. 

zum    heylling 

Opfingen.* 

Creytz. 

19—26.  Freyburg. 

24. 

Ruffach. '« 

27.           Breysach. 

26—26. 

Ennsishaim. 

28 — 31.  Ennsiahaim. 

27. 

Ruffach. 

n.     1  (Samstag) — 3.  Ennsia- 

28. 

Collmar. 

haim. 

29-30. 

Slettstadt. 

4—6.     Collmar. 

31. 

Obernnechnen." 

7—9.     Breysach. 

IV. 

1  (Dienstag) — 4.   Stras- 

10—13.  Freyburg. 

bürg.'* 

14.           Breysach. 

5-G. 

Offennburg." 

t.  Ensiabeim  9w.  von  Broifiach,  im  ElsanR.  8.  Krotzingen  bei 
Ehren!it«tt«n  »w.  von  Froi bürg.  3.  Neuenbürg  in  Baden  am  Rhein  s. 
von  Breisach.  4.  HciligkriMiK  im  EUaas  w.  von  Brci'<uch.  5.  C'ol- 
■tar  im  Elsass  w.  von  Breisach.  ft.  Upfingen  n.  von  Thiengen,  zwinchen 
Brei— eh  aod  Freiburg.       7.  Wcik^r  Dauhswungon  s.  von  Gottcnhcim. 

8.  Barkheim  n.  von  Altbreisach  und  Kenzingen  nö.   von  Burkheim. 

9.  Scblettstodt  n.  von  Colmar.  10.  Kufacb  zwischen  Colmar  und  Eusis- 
heim.  11.  Überehnhoim  auf  dem  Wege  von  Schicttstadt  nach  Strass- 
trarg.  12.  Strassbnrg  im  Eisaas.  13.  Offenbnrg  in  Baden  so.  von 
Stnasbarg. 


286 


1511 

1511 

IV.     7- 

-11. 

Genngenbach.^ 

V.     8. 

Anngiberg    vnd 

12- 

-16 

OflTennburg. 

Kaoffpeyren. 

17- 

-21. 

Genngenbach. 

9- 

-12 

Eawffpeyren. 

(Ostertag 

20./IV.) 

13. 

Puechlo. 

22. 

OflFennburg  vnd 

14. 

Leder.» 

Puchell.» 

15. 

Schonnga." 

23. 

Puchell. 

16. 

Weylhaim. 

24. 

Nider  Paden.' 

17. 

Heyllingpei^. 

25. 

Ottlingen.* 

18- 

-19. 

Ftlrstennfeldtvnd 

26. 

Phortzen.» 

Pruckh. 

27. 

Weyll«    vnd 

20- 

-21 

Münichen. 

Hernnberg.' 

22. 

Gruenwaldt." 

28- 

-29. 

Tybingen  *     vnd 
Metzlingen.' 

23. 

Ebersperg**  vnd 
zum  Hag.*' 

30. 

Reydiingen.*" 

24. 
25. 

zum  Hag. 
HagvndHawnn." 

V.     1 

[Donnerstag).      Mynn- 

26. 

MuldorflF.» 

singen.^* 

27. 

Ottingen.»« 

2. 

Echingen." 

28. 

Burckhawsen.*' 

3. 

Vllm. 

29- 

-30 

Brawnaw." 

4. 

Weyssennhom. 

31. 

Borckhawsen  vnd 

5. 

Rockhennburg. 

Ottingen. 

6. 

Pfaffenhawsen. 

VI.     1  (Sonntag)  — 2.  Muldorff. 

7. 

Mundlhaim     vnd 

3- 

-4. 

Ottingen. 

Anngiberg. 

5. 

Muldorff. 

l.Qengenbacha.  von  Offenbarg.  S.  Buhl  s.  von  Baden.  S.Baden 
im  Grossherzogthum  Baden.  4.  Ettlingen  s.  von  Carlsruhe.  5.  Pforz- 
heim in  Baden  ö.  von  Ettlingen.  6.  Weil  die  Stadt  in  Württemberg 
•w.  von  Stuttgart.  7.  Hcrrenbcrg  s.  von  Weil  die  Stadt.  8.  Tü- 
bingen am  Neckar  b.  von  Stuttgart.  9.  Mctzingon  ö.  von  Tübingen. 
10.  Reutlingen  zwischen  Tübingen  und  Metzingen.  11.  Münsingen 
w.  von  Ulm.  12.  Ehingen  a.  D.  sw.  von  Ulm.  13.  Loeder  in  Baiem 
so.  von  Buohloe.  14.  Schongau  s.  von  Leeder.  1&.  Grüitwald, 
Dorf  bei  München  rechts  a.  d.  Isar.  16.  Ebersberg  ö.  von  München. 
17.  Haag  ö.  von  München.  18.  Haun  an  der  Strasse  von  Haag  nach 
Mühldorf.  19.  Mühldorf  am  Inn  ö.  von  München.  SO.  Neu-  und 
Alt-Oetting  ö.  von  Mühldorf.  Sl.  Burghausen  a.  d.  Salzaoh  so.  von 
Oetting.  SS.  Braunau,  früher  bairische,  jetzt  österreichische  Stadt  am 
Inn  nö.  von  Burghausen. 


287 


1511 

VI.    6.  Hag. 

7.  Rosennhaim.' 
8—9.     Kopfstaiii.» 

10 — 11.  Kattennburg   am 
Im.' 

12—13.  Hall    im    InnUll. 

14 — 20.  Innspruckh. 

21.  Hall  im  Inntall. 

22—26.  Innspruckh. 

27.  Mylianiis*  vndssu 

Hall  im  Inntall. 

28 — 30.  Innspnickh. 
VXL     1  (Dienstag)  —  7.    Inns- 
pruckh. 

8.  Axsambs. 
.9.  Axsambs,    Wel- 
lennberg   vnd 
Kematten. 


1511 

vn. 

27. 

Potzen. 

28. 

Kaltharn. 

29. 

Newenmetz. 

30. 

Trienndt. 

31. 

Roffereydt. 

VIII. 

1 

( Freitag)  —  2.  Hoffe 

reydt. 

3. 

Trienndt. 

4—8. 

Persen." 

9. 

Trienndt. 

10- 

-28. 

Perschen. 

29- 

-31. 

Trienndt. 

IX.     1  (Montag).      Sellffynn 
oder  Zhylff.» 

2—7.     Yfonn. 

8.  Selfynn    oder 

Zhylff. 


10. 

Axsambs  vr 

idKe- 

9—12. 

Trienndt. 

matten. 

13. 

Newenmarckht 

11. 

Telffs   vnd 

Stu- 

14. 

Potzen. 

bach.* 

15. 

BrixnerClawsen 

12- 

-22.  Staynach.« 

vnd    NeustyffL 

23. 

zum  Lueg. 

; 

16—18. 

Brychsen. 

24. 

Stertzing. 

19    22. 

Mulbacher 

26. 

Bryxen. 

Clawsen.'" 

26. 

Bryxner 

Ckw- 

23. 

Brawnegkhen." 

Ben. 

24. 

Toblach." 

1.  Rosenheim,  bairischo  Stadt  am  Inn  aö.  von  München.  Maxi- 
milian vcrliUst  den  jetzigen  deutschen  Reichsboden.  2.  Kufstoin, 
frülier  boirische,  jetzt  ö.ttcrrcichische  Stadt  am  Inn  b.  von  KoBenheim. 
Maximilian    iibcncbreitet   die    jetzige    österreichische    Rcichagrenzo. 

5.  Rattenberg  am  Inn  .sw.  ron  Knfstein.        4.  Milii  bei  Hall  in  Tirol. 

6.  StntMÜ  s.  von  Innübmck.  6,  Steinauh  am  Brenner.  7.  Burgruine 
Lag  oder  Laeg  am  Fnss  dt-s  Bronners  bei  Gries  am  Ende  de«  Obembcrg- 
tbalea.  8.  Pcrgino  an  dor  Strosse  zwischen  Trient  und  Ilvico. 
9.  Selva  bei  Lcvico.  10.  Mühlbach  bei  der  Franzensfeste  an  der 
Mfindang  des  Valserthalcs.       11.  Bruneck  im  Fusterthal.       18.  Toblach 

,  von  Bruneck, 


288 


1511 

1511 

IX. 

25—27.  HaynnfeUs»    vnd 
Syllion.* 

XI. 

22. 

Mfilbacher  Claw- 
sen. 

28—30.  Luenntz.» 

23. 

Brawnnegkhen. 

X. 

1  (Mittwoch)— 6.  Luenntz. 

7.  Syllion. 

8.  Innchingen.* 

9 — 15.  HaynnfeUs    vnd 

Syllion. 
16.          Ynnchingen. 
17—20.  Toblach. 

24. 
25. 
26. 
27, 

Toblach. 
Syllion. 
Luenntz. 
Traburg*    vnd 
Qreyffennburg.^ 

28. 
29. 
30. 

Greyffennbui^. 
Sachsennborg.* 
Qmündt* 

21.          zu  den  Hayden.^ 
22—26.  Toblach. 

XII. 

1 

(Montag).   Qmttndt 

27.  Brawnegkhen. 

28.  Mtilbacher  Claw- 

atxn 

2- 

4. 
5. 

-3. 

Mauttemndorff." 

Thembsweg.»» 

Mueraw.** 

29.  Stertzing. 

30.  Stainach. 

6. 

Scheyffling"vnd 
Huntzmarckht " 

31.          Hall  im  Inntall. 

7- 
10. 

-9. 

Judennburg." 
Zeyring.** 

XI. 

1  (Samstag)  —  6.    Inns- 

11. 

Rottenman." 

pruckh. 

12. 

Mytternndorff." 

7—9.     Hall  im  Inntall. 

13- 

-14 

Ausse.** 

10—19.  Ynnspruckh. 

15- 

-16 

Yschl«»  vnd   zu 

20.          Stainach. 

sannd    Wolf- 

21.         Stertzing. 

gang.»» 

1.  Bnine  Ueimfols  bei  Sillian  ö.  von  Toblach.  8.  Sillian  a. 
d.  Dran  ö.  von  Toblach  and  Innichen.  3.  Lienz  a.  d.  Dian,  östlichste 
Stadt  Tirols.  4.  Innichen  zwischen  Lienz  und  Bruneck.  5.  Auf 
der  Toblacher  Heide.  6.  Ober-Draubnrg  in  Kärnten.  7.  Greifen- 
bnrg,  Markt  an  der  Dran  ö.  von  Obcr-Draubui^.  8.  Sachsenborg  ö. 
von  Greifenbnrg.  9.  Gmünd  n.  von  Sachsenbnrg.  10.  Maatemdorf 
im  Taurachthal  im  südöstlichen  Salzburg  n.  von  Gmünd.  11.  Tams- 
weg  an  der  oberen  Mur  ö.  von  Mautemdorf.  13.  Murau  in  Steiemtark 
ö.  von  Tamsweg.  IS.  Scheifling  ö.  von  Murau.  14.  ünzmarkt  an 
derMurn.  vonScheifling.  15.  Judenburg  ö.  von  Unzmarkt.  16.  Ober- 
Zcyring  zwischen  Unzmarkt  und  Judcnbnrg.  17.  Rottenmann  im 
Paltenthal  n.  von  Zcyring.  18.  Mittcmdorf  w.  von  Rottenmann. 
19.  Aussee  w.  von  Mittemdorf.  80.  Ischl  a.  d.  Traun  im  oberÖBter- 
reichischen  Salzkammergut.       81.  St.  Wolfgang  w.  von  Isohl. 


289 


lall 

1513 

Xn.  17—20. 

Gmunden.' 

L 

30. 

Geyslhering." 

21. 

Lambach.* 

31. 

Regennspurg." 

22-23. 

Wells.» 

n. 

1  (Sonntag).     Regenns- 

24—31. 

Lynntz.* 

purg. 

J5I3 

2. 

Hemaw." 

I.     1  (Donnerstag)  —  3. 

3. 

Newenmarckht." 

Lynntz. 

4—15. 

Nuernnberg.'" 

1       * 

Ebersperg." 

16. 

Karlspurg "    vnd 

■       »-8. 

Wells. 

Lanngentzen." 

9. 

Sachsennburg.* 

17—20. 

zu  der  Newatatt." 

10. 

Wells. 

21. 

Wynntzbaim.*" 

11—13. 

Lynntz. 

22. 

Ochsennfurt.** 

14. 

WeUs. 

23—24. 

Wiertzburg." 

15—20. 

Lynntz. 

25. 

Carllstatt." 

21. 

WellB. 

26. 

Gemiinnen.** 

22. 

Lambacli. 

27—28. 

Geylhawsen.*' 

23. 

Puecliaini.' 

29. 

Frannckhfortt." 

24, 

Veckhlstorff.* 

m. 

1  (Mor 

itag).  Frannckfort. 

j     25. 

Mattigkhofen.' 

2. 

Wyspaden.*' 

1     26—27. 

Brawnaw. 

3. 

Rudishaim. 

1     28. 

Pharkirchen." 

4. 

Oberwesel.** 

'     29. 

Trfiiindaw." 

5-6. 

Koblenntz. 

1.  Omandcn  n.  von  Ischl.  Z.  Lambacli  n.  von  Gmimden. 
3.  Wela  nö.  von  Lambach.  4.  Linz,  Hauptstadt  Oboröstorreicbs  a.  D. 
5.  Ebelsberg  bei  Linz.  6.  Scbloss  Sachsenburg  bei  Höraching  a.  von 
Linz  und  rw.  von  Ebelsberg  (==  Neu-Sachsenburg).  7.  Bucbhoim  bei 
Vöcklabmck  sw.  von  Lambacb.  8.  Vöcklamarkt  n.  vom  Attersee. 
9.  Mattighofen  so.  von  Brannau  am  Inn.  Maximilian  vorlösst  die  öster- 
michischen  Erblande.  10.  Pfarrkirchen  n.  von  Brannau.  Maximilian 
betritt  den  Rcicbsbodcn.  11.  Landau  an  der  unteren  Isor  nw. 
von  Pfarrkirchen.  18.  Geiselhöring  sw.  von  Straubing.  13.  Regcns- 
borg  o.  D.  14.  Heman  nw.  von  Bcgensburg.  IS.  Neumorkt  so. 
von  Nürnberg.  16.  Nürnberg.  17.  Kodolzburg  w.  von  Nürnberg. 
18.  Langenzenn  n.  von  Kadolzburg.  19.  Neustadt  nw.  von  Nürnberg. 
80.  Windsheim  sw.  von  Neustadt.  21.  Ochsenfurt  s.  von  Würzburg. 
88.  Würzburg  a.  M.  83.  Carlstadt  n.  M.  n.  von  Würzburg.  84.  Oe- 
münden  a.  M.  n.  von  Carlstadt.  85.  Gelnhausen  a.  d.  Kinzig  nö.  von 
Frankfurt  a.  M.  86.  Frankfurt  a.  M.  87.  Wiesbaden  n.  von  Mainz. 
88.  Otier-Wesel  am  linken  Bboin  unterhalb  Bingen. 

Anlur.    LXXXVn.  Bd.  t.  BUIX«.  19 


290 


1513 

ni.     7.  Kochaim.» 

8.  Zell  am  Hamen.* 

9.  Bernn  Casstl.» 
10.  Newmagen.* 
11—20.  Tryer.» 

21.  Mackharn.* 

22.  Tiettennhofen.^ 
23—25.  Lutzennburg.* 
26.           Achternach.* 
27—30.  Tryerr. 

31.  Grymberg.»« 

IV.     1  (Donnerstag),    sannd 
Wenndl." 
2.  Schelling.»* 

3—18.  Trierr. 

(Ostertag  11. /IV.) 

19.  Scheypflingen." 

20.  Casstl"  vnd  Los- 

haim.*'^ 


1512 

IV.  21 


V. 


VI. 


Pockhingen." 
22.  Hauspach." 

23—30.  Trierr. 

1  (Samstag)  — 4.  Trierr. 

5.  Mackharan. 

6—17.  Trierr. 


18. 

Achtemach. 

19. 

Tiettennkirch." 

20—21. 

Bastennach.'* 

22. 

Marsch.»» 

23. 

Namnr.*^ 

24. 
25. 

Jemphlue.»» 
Lofen.»» 

26—29. 

PrusseD. 

30—31. 

Hall  inHonigaw.'* 

1    (Dienstag).     Hall    in 
Honigaw     vnd 
Gh-uenntall." 

2. 

zu  der  Fewer.** 

1.  Kochern  a.  d. 'Mosel  sw.  von  Coblenz.  2.  Zell  a.  d.  Mosel  s. 
von  Kochern.  3.  Bcmkastcl  a.  d.  Mosel  s.  ron  Zell.  4.  Neumagen 
a.  d.  Mosel  nö.  Ton  Trier.  5.  Trier  a.  d.  Mosel.  6.  Königsmachem 
im  nördlichen  Lothringen  sw.  von  Trier.  7.  Diedenhofen  im  nörd- 
lichen Lothringen.  8.  Luxemburg,  Hauptstadt  des  Qrossherzogthums 
Luxemburg.  9.  Echtemach  in  Luxemburg  nw.  von  Trier.  10.  ßuine 
Grimbnrg  n.  von  Wadem  und  w.  von  Birkenfeld.  11.  8t.  Wendel  so. 
von  Trier.  IS.  Schillingen  nw.  von  Qrimbnrg.  13.  Der  Hof  Reip- 
lingen  beim  Dorf  Fahn,  von  Saarburg  die  Lenk  aufwärts  (g.  v.  Restorf, 
Hist.-topogr.  Beschreibung  d.  Rheinprovinzen,  1830).  14.  Castel  a. 
d.  Saar  s.  von  Saarbnrg.  15.  Losheim  s.  von  Trier.  16.  Beckingen 
zwischen  Trier  und   Saarlouis.        17.  Hausbach  w.  von  Beckiogen. 

18.  Diekirch  in  Luxemburg.    Maximilian  verlässt  den  Reichsboden. 

19.  Bastogne  im  südöstlichen  Belgien.  Maximilian  betritt  die  Nieder- 
lande. 20.  Marche  nw.  von  Bastogne.  31.  Namnr  in  Belgien  am 
Zusammenflüsse  der  Maas  und  Sambre.  32.  Gembloux  nw.  von  Namor. 
33.  Löwen  ö.  von  Brüssel.  34.  Hai  im  Hennegau  s.  von  Brässel. 
35.  Groenendacl  s.  von  Brüssel,  nordwärt-s  von  Waterloo.  36.  Ter- 
vuercn  ö.  von  Brüssel,  nicht  mit  dem  südlicher  gelegenen  Waveren  zu 
verwechseln. 


291 


1513 

1512 

VI.    3. 

Mecliell. 

VIL 

10—12 

Mastrycht.* 

4. 

Fdfoi-tt. 

13. 

Ach.» 

5-7. 

Prussell. 

14. 

Gullcb." 

^       ' 

Fewer. 

15. 

Perckhaim^' 

9. 

Fulfordt. 

vnd    Sonntz.'* 

.        10. 

Mechell. 

16- 

-31 

Colin. 

1       H. 

Lyerr. 

VIII. 

1 

(Sonntag)  —  31. 

12—13. 

Mechell. 

Chölln. 

14-16. 

AnnfltorflT. 

IX. 

1(  Mittwoch) -30.  Colin. 

17. 

Persehgadt'  vnd 

X. 

1 

(Fre 

itag)  —  14.  Cölb. 

1 

zu  sant  Bernn- 

15- 

-16. 

Niderwesell. " 

1 

hart  im  closter. 

17. 

Dewaburg. 

1       18. 

Thembss. 

18- 

-23. 

Newss.'* 

19—20. 

Repelmundt'vnd 

24—29. 

Sonntz. 

WiiU.» 

30--31. 

Colin. 

21. 

Mechell. 

XI. 

1 

(Montag)  —  4.  Colin. 

22. 

Mec'hel  vnnd  Ful- 

6. 

Syburg. 

fordt. 

G. 

Lynnss.'* 

23—25. 

Fewr. 

7. 

Anndemach. 

26. 

Arscligadt.^ 

8. 

Koblenntz. 

27. 

GejU.«* 

9. 

Pophartten.'" 

28—30. 

Turnolt.« 

10. 

(Jberwesell. 

VlI.     1  (^ Donnerstag)— 6.  Tur- 

11. 

Creytzonach.'' 

noutt. 

12. 

Altzhey." 

1        ^- 

Gheyll. 

13. 

zu    der    New- 

■       8—9. 

'l'yesst.' 

BUtt.»» 

1.  Wacrscboot  (Wert  siir  Escaut)  s.  vou  TempBchc.  2.  Rupel- 
mondc  s.  von  Antwerpen.  3.  Waolhom  nw.  von  Mechcln,  nahe  bei 
Rampst.  4.  Aerschot  ö.  von  Mochcln.  5.  Qheel,  Arrondiitsemcnt 
Tumhontn.  von  Aeraobot.  6.  Turnhoiit  n.  von  GUeel,  nahe  dorniedcr- 
lündi^ben  Orenze.  7.  Die.st  ö.  von  Aerschot.  8.  Maastriuht  n.  von 
Lattich  iu  den  südlichen  Niederlanden.  Maxini ilian  vcrlä.'wt  die  Nicder- 
( lande.  9.  Aachen  ö.  von  Maastricht.  Maximilian  betritt  den  Kcicha- 
i«D.  10.  Jülich  nö.  von  Aachen.  11.  Kerghuim  zwischen  Jülich 
nnd  Köln.  12.  Zons  n.  Rh.  n.  von  Köln.  13,  Wtael  a.  Rh.  n.  von  Köln. 
14.  >'ouss  a.  Rh.  r.  von  Dusseldorf.  15.  Linz  a.  Rh.  a.  von  Bonn,  gegon- 
SberSinzig.  16.  Boppard  a.  Rh.  a.  von  Coblcnz.  17.  Kreuzonaoh  a. 
d.  Nahe  s.  von  Bingen.  18.  Alzey  ü,  von  Mainz  im  Qro.s.sherzogthnni 
Hessen.        19.  Neustadt  in  der  bairischen  Pfalz  ö.  von  Kaisoralautuni. 

19» 


292 


1513 

XI.  14—19.  Lanndaw.» 
20—22.  Speyer. 
23 — 27.  Lanndaw. 

28.  Weyssennburg.  * 
29—30.  Hagennaw.» 

Xn.     1  (Mittwoch)  —  3.   Ha- 
gennaw. 
4.  Yungweyller.* 

5 — 6.     Hagennaw. 
7 — 11.  Weyssennburg. 
12 — 23.  Lanndaw. 
24 — 31.  Weyssennburg. 
1513 

I.     1  (Samstag)  —  7.  Weys- 
sennburg. 
8 — 14.  Lanndaw. 
15.  Weyssennburg. 

16 — 20.  Hagennaw. 

21.  Puschweiller.* 
22 — 24.  Hagennaw. 
26—28.  Yungweyller. 

29.  Reyshofen.* 
30 — 31.  Weyssennburg. 

U.     1  (Dienstag)  —  8.  Weys- 
sennburg. 
9.  Lanndaw. 

10—14.  Speyer. 
15 — 17.  Lanndaw. 
18.  Weyssennburg. 

19 — 21.  Lanndaw. 

22.  zu  der  Newnstatt 


1513 

n.  23—28.  Lanndaw. 

m.     1  (Dienstag)  —  2,  Lannd- 
aw. 
3.  zu  der  Newnstatt 

4 — 5.     Lanndaw. 

6.  Speyer. 

7.  .  Speyer  vnd  Haw- 

sen.' 

8.  Bruessell.« 

9.  Faychingen. 

10.  Stnetgartten. 

11.  Eslingen.» 

12.  Göppingen. 
13—14.  Geyslingen." 
15—16.  Vlm. 

17.  Phaffennhawsen. 

18.  Mennchingen. 
19 — 31.  Augspurg. 

(Ostertag  27./in.) 

IV.     1  (Freitag)  —  11.  Augs- 
purg. 

12.  Wertungen. 

13—17.  Angspui^. 

18.  Gockhingen. 

19 — 20.  Augspurg. 

21.  Gk>ckhingen. 

22.  Grosayttingen. 

23.  Mennchingen  vnd 

Annglbeig. 

24.  Mundlhaim     vnd 

Pfaffennbawsen. 


1.  Landau  in  der  bairisohen  Pfalz  s.  von  Neustadt.  S.  WeisMB- 
burg  im  nördlichen  Elaass  s.  von  Landau.  3.  Hageoau  im  Elaan  a. 
von  Weisaenburg.  4.  Ingweiler  w.  von  Hagenan.  5.  Buchsweiler 
8.  von  Jungweiler.  6.  Beichshofen  n.  von  Hag^nau.  7.  lUiein-  oder 
Oberhanaen  am  rechten  Rheinufer  Speier  gegenüber,  n.  von  Philippa- 
bnrg.  8.  Siehe  1509,  28./IV.  9.  Esslingen  so.  von  Stuttgart. 
10.  Geislingen  so.  von  Göppingen. 


293 


■     1513 

1513 

■ 

1     IV.  25—27. 

Mundlhaim     vnd 

V. 

31. 

Mennchingen. 

1 

Angiberg. 

VI. 

1    (Mittwocli).     Burckh- 

1          28. 

Paechlo. 

waklt  vnd  Vet- 

1           29. 

KawflFpeyren  vnd 

tingen.'" 

k 

Eyryshofen.' 

2. 

Vettingen    vnd 

mW   30. 

Lanndsperg.* 

Grosskretz." 

V.     1  (SonnUg)  —  2.  PuecUo. 

3—4. 
5. 

Rockhennburg. 

Weyssennhorn. 
Vllm. 

3—4. 

Kauffpeyren  vnd 

6—8. 

Ebennhofen.' 

9. 

Plapeyren.** 

5. 

Liebennthan. 

10. 

I      ■>/ 

Geyslingen. 

6—10. 
11, 

Kauffpeyren. 
Puechio    vnd 

11. 
12-13. 

Geppingen. 

Eslingen. 

Lanudtsperg. 

14. 

Stuetgartten  vnd 

12. 

Schmyha/  Enndt- 

Eglisbaim." 

hofen*  vnd  Fiir- 

15. 

Fayehingen. 

stennfeldt. 

IG. 

MawUprun"  vnd 

13. 

Furstennfeldt  vnd 

Pretten.'* 

Tachaw. 

17. 

Bruessell    vnd 

14. 

Aychach  *    vnd 

Hawsen. 

Frydlperg.' 

18. 

Speyerr    vnd 

15—23. 

Augspurg. 

Obershaim.'^ 

24. 

Augspui-g    vnd 

19—25. 

Wonnbs. 

Burckhwjildt.* 

26. 

Danubstutt." 

25. 

Borckliwaldt  vnd 

27—30. 

Franncklifordt. 

Myekliawsea.''' 

VII. 

1   (Freitag)  —  3. 

26—30. 

Mundlhaina. 

Frannckhfort. 

1.  Earicbsbofen  r.  von  fiuehloo.  'i,  Landsberg  am  Lech  s. 
ron  .\agsbarg.  8.  Ebenhofen  zwiseheii  Kuufbeuorn  und  Oberdorf. 
4.  Schmiechen  so.  von  Schwiibmüncben  rechts  vom  Leeb.  5.  Nicht 
auffindbar.  Doch  igt  die  Luge  dos  Ortes  durch  die  mitgcnannteti  Orto 
•Schmiechen  und  Fürstenfcld  bestimmt.  6.  Aichach  nö.  von  Augsburg. 
7.  Friedberg,  hart  an  der  Ostseite  Augsburgs.  8.  Burgwaldeo  sw.  von 
Aogsborg,  n.  von  Schwabmünchen.  9.  Mickhansen  bei  der  Ortschaft 
Mttnster  nw.  von  Schwabmünchen.  10.  Jettingen  nw.  von  Augs- 
bnig.  11.  Gross-Kötz  b.  von  Oünzburg.  18.  Blaubeuern  w.  von 
Ulm.  13.  Eglosheim  nw.  von  Lndwigsbnrg  und  n.  von  Stuttgart. 
14.  Ifaiilbronn  nw.  von  Vaihingen.  15.  Bretten  nw.  von  Maulbronii. 
16.   Oggorsbuim   s.   von  Worms.        17.   Darmstadt  nw.    von  Worms. 


294 


1513 

1513 

vn.  4. 

Frannckhfort 

vrn, 

l(Mon 

tag)  —5.  Aadenar. 

vnd  Hoflfhaim.* 

6. 

Sottickhaim  » 

5. 

Wyspaden     vnd 

vnd  Tennsee." 

WaUauff.« 

7. 

Tennsee. 

6—7. 

Pynngen.' 

8. 

Ruslar.« 

8. 

Oberwesel     vnd 
sannt  Gwer. 

9. 

Bellen"   vnd 
Ary." 

9- 

-14. 

Koblenntz. 

10-17. 

Ary. 

15. 

Chardam.* 

18. 

Aryvndimveldt- 

16. 

Kochaim  *    vnd 

vor  Terwona.'** 

Wettüch.« 

19. 

im  veldt  vnd  hör- 

17. 

Wettlich. 

vor  Terwona. 

18. 

Bytburg.' 

20—22. 

im  veldt  vor  Ter- 

19. 

sannt  Veyt* 

wona    vnd    zu 

20. 

Marsch. 

Ary. 

21- 

-23. 

Namur. 

23. 

im  veldt  vnd  hör 

24. 

Gemplaw*     vnd 

vor  Terwona. 

Wauers.»« 

24. 

Terwona    vnd 

25. 

Lofen. 

sant  Thomar." 

26. 

Fewer. 

25—26. 

sannt  Thomar. 

27- 

-28. 

Brussell. 

27—31. 

Ary. 

29. 

Hall  in  Honigaw. 

IX. 

1  (Donnerstag) — ö.Ary. 

30. 

Graudtmont." 

6—7. 

Venanntz.** 

31. 

Audenar.** 

8. 

Nowy.'i 

1.  Hofheim  zwischen  Frankfurt  a.  M.  und  Wiesbaden.  2.  Wallnf 
am  rechten  Bhein  nächst  Mainz.  3.  Bingen  w.  von  Mainz  an  der 
Mündung  der  Nahe  in  den  Bhein.  4.  Karden  a.  d.  Mosel  sw.  von 
Coblenz.  5.  Kochern  a.  d.  Mosel  sw.  von  Karden.  6.  Wittlich  s. 
von  Kochern.  7.  Bitburg  w.  von  Wittlich,  nahe  der  luxemborgisohen 
Grenze.  8.  St.  Vith  n.  von  Bitburg.  Maximilian  verlässt  den  Beiohs- 
bodcn  und  betritt  die  Niederlande.  9.  Gembloux  nw.  von  Namni. 
10.  Waveren  (Wavre)  n.  von  Gembloux.  11.  Grammont  (Gcertsbergen) 
w.  von  Ual.  12.  Gudenaarden  (Audenarde)  nw.  von  Grammont. 
13.  iSottegom  nö.  von  Audenarde.        14.  Deynze  n.  von  Audenarde. 

15.  Kousselaerü    (Lille)    in   Frankreich   an   der    belgischen   Grenxe. 

16.  Bailleul  zwischen  Lille  und  Aire.  1 7.  Aire  in  Frankreich  w.  von 
Lille.  18.  Thorouane,  Arrondissement  St.  Omor,  Departement  Galaia, 
19.  St.  Omer,  Departement  Calais.  20.  St.  Venant  w.  von  Aiie, 
21.  Neuve-Chapelle  ö.  von  8t.  Venant. 


295 


1513 

1513 

K.    9—10. 

Lephenoy.' 

X. 

15. 

Enngers.** 

11—14. 

Rüssel.» 

16- 

-18. 

Lannstain.'" 

15. 

Baysien.'* 

19. 

sannt  Gwer. 

16—24. 

im  veldt  vnd  hör 

20- 

-25. 

OberweselL 

vor  Tornneckh.* 

26. 

Pynngen. 

25. 

Torunegkh 

vnd 

27. 

Wyspaden. 

P 

I.»moy.* 

28- 

-30. 

Frannckhförtt. 

26. 

Tonmegkh. 

31. 

Aschoftennbiirg.'* 

27—29. 

Annthou.'' 

XI. 

1 

(Dienstag)  —  2.    Myl- 

30. 

Seile.' 

tennburg.'* 

X.    1  (Samstag).    Adt» 

vnd 

3. 

BißchofFehaim." 

Bergen." 

4. 

Weyckhers- 

2. 

Bergen. 

haim." 

3. 

Miirlauwytz. 

10 

5. 

Rottennburg    an 

4. 

Floru"   vnd 
mur. 

Na- 

6. 

der  Tawber.'* 
Tuncklilspucbel.'^ 

5-6. 

Namur. 

7- 

-8. 

Nordlingen.^" 

7. 

Marsch. 

9. 

Werdt. 

8—9. 

sannt  Veyt. 

10. 

Werttingen. 

10. 

Byttburg. 

11- 

-23. 

Augspurg. 

&     11—12. 

Wettlich. 

24. 

BarckhwahU. 

'     13. 

Kochaim. 

25. 

Mcnnchingen. 

14. 

Khardan. 

26. 

Burcklnvaldt. 

^  1,  Laventie  w.  von  Lille.  8.  Lille  oder  Ry.tsel  in  Frankreich 
^Hle  der  belgischen  Grenze.  3.  Baisien  w.  von  Tourmiy  und  u.  von 
Bouviaos.  4.  Toumny  (Doornik)  in  Belgien.  5.  L»nnoy  zwischen 
Lille  und  Toumay.  6.  Antoing  so.  von  Tournay.  7.  Ellozelle«  s. 
von  Oudenaarde  ?,  wenn  nicht  hier  von  Seite  dos  AbMehreibers  eine  Ver- 
wechslnng  mit  dem  besser  in  die  Route  passenden  Melles  ö.  von  Tournay 
vorliegt.  8.  Ath  ö.  von  Tuurnay.  9,  Mons  so.  von  Ath.  10.  Morlan- 
welz  ö.  von  Mons.  11.  Flenms  w.  von  Namur.  Maximilian  verliisst 
die  Niederlande  bei  Miirchc  uiid  betritt  zu  St.  Vith  den  Kcichsboden. 
12.  Engers  am  rechten  Itbuinul'er  u.  von  Coblcnz.  13.  Labustcin  a. 
d.  Lahn  ö.  von  Coblcnz.  14.  Aschaflenburg  8Ö.  von  Frankfurt  a.  M. 
15.  Miltenberg  s.  von  AschafFenbnrg.  16.  Tauberbiscbotsbeim  im 
nördlichen  Baden ö.  von  Miltenberg.  17.  Weikersbeim  bei  Mergeutbcira 
iin  nördlichen  Württemberg  u.  von  Tauberbiscbofsbeim.  18.  Rothen- 
burg a.  d.  Tauber  so.  von  Weikersheim.  10.  Dinkelsbiihls.  von  Rothen- 
burg.       SO.  Nördlingen  n.  von  Donauwörth. 


296 


1513 

XI.  27—30.  Augspurg. 
XII.     1  (Donnerstag)  —26. 
Augspurg. 

27.  Frydtperg. 

28.  Furstennfeldt. 
29—30.  Münichen. 

31.  Schefflem    im 

closter.* 


1514 

I. 


1  (Sonntag).  Benedicten- 

peyren.* 
2.  Mjrttenwaldt» 

ynd    auf    dem 
Seefeldt* 
Fragenstain  vnd 

Zierll. 
Ynnspruckh. 
Hall  im  Inntall. 
9—12.  Ynnspruckh. 
13.  HaU  im  InntaU. 

14 — 16.  Ynnspruckh. 
Stainach. 
Stainach    vnd 
Hall  im  Intal. 
Innspruckh  vnd 

zu  Myllanss. 
Hall    im    Inntall 
vnd  zu  Kolsos.* 


3. 

4—7. 
8. 


17. 

18. 

19. 
20. 


1514 

I.  21.  SchwatE*    vnd 

Ratteimbeig. 
22—25.  Rattennberg    am.^ 
Inn. 

26.  Schwatz. 

27.  Hall  im  InntaU. 


n. 


28 — 31.  Innspruckh. 


1 

(Mittwoch).     Hall    im 
Inntall. 

2- 

-14. 

Radtennberg   am 
Ynn. 

15. 
16. 

Khopfstain. 
Rosennhaim. 

17. 
18. 
19. 

Troschperg.' 
Tyttmaning.* 
Lauffen.* 

20. 
21. 
22- 

-23 

Mattigkhofen. 

Veckhlapruckh.^« 

Gmunden. 

24. 

Tiambach. 

25. 

Wells  vnd  March- 
trennckh.'^ 

26. 

Newsachsenn- 

27- 

-28 

burg. 
WeUs. 

m. 


1  (Mittwoch).   Wells. 
2.  Newsachsenn- 


1.  Schäftlam  a.  d.  Isar,  Bezirk  München,  heute  ein  Benediotiner- 
priorat.  3.  Benediotenbenem  s.  vom  Würmsee  nahe  der  bairisoh- 
tirolischen  Grenze.  3.  Mittenwald  s.  von  Benediotenbeaem,  hart  an 
der  tiroliaohen  Qrenze.  Maximilian  verlässt  den  Reichaboden.  4.  See- 
feld in  Tirol  s.  von  Mittenwald.  Maximilian  betritt  die  ÖBterreiohischen 
Erblande.  5.  Kohass  im  Innthal  ö.  von  Hall.  6.  Sohwaz  im  Imithal 
ö.  von  Kolsass.  7.  Trostbei^  a.  d.  Alz  nö.  von  Bosenheim.  8.  Titt- 
moning  a.  d.  Salzach  n.  von  Salzburg.  9.  Laufen  zwischen  Tittmoning 
und  Salzburg.  10.  Vöcklabruck  nw.  von  Qmnnden.  11.  Marobtienk 
nö.  von  Wels. 


^^^^^BIH 

^^^^^^^l^^^^^^^^^^^^^l 

[    1514 

1514                                                      ^M 

bürg  vnd  Ebers- 

IV.     4.           Efferdingen.»                    ^1 

pcrg. 

5 — 6.     Lynntz.                             ^^M 

m.  3—4. 

Enns.' 

7.           Lynntz  vnd  Ebers-            ^^^ 

1             5—8. 

Steyer.» 

perg.                               ^H 

H     ^• 

sannt  Florian  im 

8.           Wells  vnd  March-            ^H 

■ 

closter.^ 

trenckh.                         ^^^ 

10-14. 

Lynntz  vndEbere- 

9—17.  WeUs.                             ^H 

perg. 

(Osterto^  16. /IV.)                                               ^H 

15. 

Einns. 

18.           Wells  vnd  March-            ^M 

16. 

sannt  Florian. 

trennckh.                        ^^M 

17—18. 

Enns  vnd  Florian. 

19.           Wells  vnd  Lewni-            ^^M 

_       19. 

Ebersperg  vnd 

^M 

■ 

Sachsenburg. 

20.           Krembsniunster."'           ^^M 

r      20. 

Sachscnnburg 

21.           Marchtrennckh                ^^M 

^ 

vnd    March- 

vnd  Saxenburg.            ^^H 

■ 

treuckh. 

22—25.  Lynntz.                            ^H 

21—22. 

Wells     vnd 

26.           Ebersperg.                       ^H 

Sachsenburg. 

27.           Sachsennburg,                 ^^M 

23. 

Ebersperg, 

Ebersperg    vnd            ^^M 

24. 

Wells  vnd  Lam- 

sannt Florian.                ^^M 

bach. 

28.          Enns.                               ^H 

25    26. 

Gmunden. 

29.           sannt  Florian.                  ^H 

27. 

Veckhiapruckh. 

30.          Enns.                               ^M 

^^     28. 

Mattigkhofcn. 

V.      1    (Montag).     Enns   vnd            ^^M 

^      29—31. 

Brawnaw. 

Perg.»                            ^M 

rV.      1    (Samstag).     Brawnaw 

2.           Pawmgarttenperg            ^H 

vnd  Scbarding.* 

im  closter.'^                   ^^M 

2. 

Starding.* 

3.           Poscnnpeug.^'                  ^^M 

3. 

Passaw "    vnd 

4.           Posenpeug    vnd              ^^M 

Aschach.^ 

Ypps.>*                           ^H 

1.  Eons 

ö.  von  Linz.        Z.  Stcyr  s.  von  Enn.^.        3.  St.  Florian             ^^H 

^^■■iscben  Lim 

s  und  Enns.        4.  Schiirding  .s.  von  Passau.        5.  Der  vor-             ^^H 

H^pDanntc  (Jrt. 

6.  Passau,  bairiache  Urenzfestung  am  Einfluss  des  Inn             ^^^ 

in   die  Donai 

1.         7.  Ascbauh  a.  d.  D.   zwischen   Passau  und   Linz.             ^^H 

8.  EfTerding  w.  von  Linz.       9.  Lambach  sw.  von  Wols.        10.  Krcras-             ^^| 

münster,   au 

der  Strasse  von  Wels  nach  Steyr,  so.  von  dem  erstoren.              ^^H 

11.  Perg  ö.  von  Linz.       13.  Baumgartcnbcrg;,  ehemaliges  Ci.ttercionaer-             ^^| 

klostor  ö.  voc 

1  Perg  gegenüber  Wallsee  a.  D.        13.  Persenbeug  a.  D.             ^^f 

14.   Ips  a.  D. 

gegenüber  rorsonbeug.                                                                    ^^H 

298 


1514 

1514 

V.    5. 

Krembs.* 

V. 

27. 

Wüdan. 

6- 

-10. 

Wienn.« 

28—31. 

Grätz. 

11. 

Petteredorff.» 

VI. 

1  (Donneretag).  Grätz. 

12- 

-13. 

zu   der   Newenn- 

2. 

Leybnytz. 

8tat.* 

3. 

Maydennburg." 

14. 

Schadtwienn.'' 

4-5. 

Wynndisch- 

15. 

Reychennaw*  vnd 

grätz.»« 

Noyperg   im  clo- 

6. 

CyUi." 

ster.^ 

7. 

Brawalt»« 

16. 

Merttzueschlag.* 

8    9. 

CyUi. 

17. 

Kynngberg*  vnd 

10. 

Franntz.»» 

Kapfennburg." 

11. 

Stain  in  Craynn.*' 

18. 

Prueckh   an   der 

12—13. 

Craynnburg.** 

Muer." 

14. 

im  sloss  zu  Fled- 

19. 

Fronnleytten  '* 

nnegkh." 

vnd  Strassingen 

15—17. 

Craynnburg. 

im  closter.*' 

18. 

Craynnbui^   vnd 

20- 

-22. 

Grätz." 

Eybiswaldt.» 

23. 

Leybnytz.^* 

19. 

Craynnbui^   vnd 

24. 

Wyldan." 

Tragembl.»« 

25- 

-26. 

Grfitz. 

20. 

Tjaybach.*' 

1.  Krems  a.  D.  nw.  von  Wien.  8.  Wien.  3.  Petorsdorf  (Perch- 
toldsdorf)  8w.  von  Wien.  4.  Wiener-Neustadt  s.  von  Wien.  5.  Schott- 
wien am  Fnsse  des  Semmering.  6.  Beicbcnau  am  Fusso  des  Schnee- 
berges sw.  von  Wiener-Neustadt.  7.  Neuborg,  ehemaliges  Cistcroienser- 
kloster  im  Mürzthal  nw.  von  Mürzznschlag.  8.  Mürzzuschlog  s.  vom 
Semmering  in  Steiermark.  9.  Kindborg  und  10.  Kapfenberg,  beide 
sw.  von  Mürzznschlag.  11.  Brück  a.  M.  am  Zusammenflusse  der  Mürz 
und  Mur  s.  von  Kapfenberg.  12.  Frohnluiten  n.  von  Graz.  13.  Strass- 
engel,  jetzt  Wallfahrtskirche  bei  Gradwein  n.  von  Graz.  14.  Graz, 
Hauptstadt  der  Steiermark.  15.  Leibnitz  s.  von  Graz.  16.  Wildon 
zwischen  Graz  und  Leibnitz.  17.  Marburg  a.  d.  Drau  s.  von  Leibnitz. 
18.  Windischgrätz  w.  von  Marburg.  19.  Cilli  s.  von  Marburg. 
30.  St.  Faul  am  Fragwald  w.  von  Cilli.  31.  Franz  w.  von  Cilli. 
Z'i.  Stein  ö.  von  Krainburg.  33.  Krainburg  nw.  von  Laibach. 
34.  Flödnig  (Ruine  Stari  grad)  so.  von  Krainburg.  35.  Eibiswald  in 
Krain  unauffindbar.  Doch  muss  der  gemeinte  Ort  nahe  bei  Sjrainburg 
liegen.  26.  Dragomol  bei  Krainburg.  37.  Laibach,  Hauptstadt  von 
Krain. 


^^^^^^^^^^  299^^H 

1514 

H 

VI.  21.           sannt  Martein.' 

VII.  13.           Rottenman.                     ^M 

22.           Rotechacli.^ 

14.           Myttcrnndorf                ^^M 

23.           Cylli. 

vnd  Äussue.                ^^| 

24.           Cylly   vnd    Noy- 

Y»L'hll.                                       ^1 

^^^                         kirchcn.^ 

16 — 31.  Gmunden.                      ^^M 

^^        25.           Weyttenstain  * 

VIII.     1  (Dienstag)  —  22.                  ^M 

vnd  sunt  Gilgen.* 

Gmunden.                   ^^M 

26—27.  Seldennhofen.« 

23.           Puechaim.                      ^^M 

28.  Eybennswald.' 

24.          Wells.                             ^M 

29—30.  Leybnytz. 

25.          WclIsvDdMarch-           ^M 

VTi.    1  (Samstag).   Grätz. 

trennckb.                     ^^| 

2.           Fronnlejifen. 

26—28.  Wells.                       "           ] 

^^n         3.           BruckL    an    der 

29.           Lambach      vnd            ^^M 

^^M                      Mucr. 

Veeklapruckh.             ^^| 

^^B         4.           Lewben  ^    vnd 

30.           Veckhlstorff                  ^M 

^^^^^F               vordem  Eysen- 

vnnd    Strass-              ^^M 

^^^B                ärtzt." 

walchen.'*                   ^^H 

^^M        5 — 8.     Eisenniirtzt    im 

3 1 .          Lauffen.                        ^^M 

^^^                        ynndern  perg.'" 

IX.     1  (Freitag).  Trosehpurg.            ^H 

^^^r       9.           Keychelbanng." 

2.            Rosennbaim.                   ^^| 

^^1       10.           Gayshorn "    vnd 

3.           Kuefstain.                       ^^| 

^^B                         inderTruoben.'^ 

4.           Rattennberg                  ^^M 

^^H       11.           Uottenman     vnd 

vnd  Scbwatz.              ^^| 

^^H                        auf  dem  Thaw- 

5—7.     Hail  im  Inntall.             ^H 

^H. 

8 — 11.  Ynnspruckh.                  ^^M 

^^B"      12.           in    der   Trueben 

12.           Vellennberg.                   ^^| 

^^H                       vnd  zum  Rotten- 

13.           Kliomattcn.                    ^^M 

^^P 

14.           Innspruckb.                    ^^M 

1.  ßl.  Martin  bei  Littay  ö.  v 

on  Laibach.        2.  Ratacboeh  ö.  von             ^^H 

Littog.        3.  Neukirchen  bei  Uoche 

negg  n.  vou  Cilli.        4.  Weitenstein             ^^H 

n.  von   Neukirubeu.        5.   St.   Ilgt 

an  DW.  von  Weitenstvin,   zwischen             ^^H 

diesem  nnd  Windiscbgrätz.       6.  8al 

denhofen  a.  d.  Drau  w.  von  Marburg.             ^^H 

7.  Eibiswnld  n.  von  iSnIdcnUofen. 

8.  Leoben  in  der  nordwo.'tllichen             ^^H 

.Steiermark  w.  von  Brück   a.   M. 

9.   Vordcrnborg   n.  von  Leoben.             ^^H 

10.  Der  innere  Ber<;  zu  Kisonerz. 

1 1.  Kallwang  nw.  von  Leoben  bei             ^^H 

Mautcrn.         12.  Goiahom  nw.  vou 

Kallwaug.        13.  Trieben  so.  von             ^^H 

Bottenmann.         14.   Straaswalohen 

in  Oberöstorroich  w.  von  Vöckla-             ^^H 

■wrkt. 

1 

300 


1514 

IX.  15.  Hall  im  Inntall. 

16.  Malannss. 

17 — 21.  Innspruckh. 
22.  Hall,   AmbrosB* 

Tnd  Innspruckh. 
23—30.  Innspruckh. 

X.     1  (Sonntag)  —3.    Inns- 
pruckh. 

4.  Ynnspruckh  ynd 

inn  des  Hawsers 
heysl. 

5.  HallvndAmbross. 

6.  Stainach. 

7.  inn    Schmiem* 

vnnd  im  Valser- 
tall.» 

8.  Stainach. 

9.  Stainach  ynd  im 

Vemner  tall.* 
10.  Lueg    ynd    zu 

Stainach. 
11—17.  Ynnspruckh. 
18—19.  Hau  im  Inntall. 
20—26.  Ynnspruckh. 
27.  HaU. 

28—31.  Ynnspruckh. 
XI.     1  (Mittwoch).  Ynnspruckh. 

2.  Vyllss.s 

3.  im  Stubacher  tall. 

4.  Stubach. 

5 — 9.     Ynnspruckh. 
10.  zu  sannt  Martins- 

wanndt.* 


1514 

XL  11 — 14.  Ynnspruckh. 

15.  HaU    ynd    Myl- 

lanss. 
16 — 25.  Ynnspmckb. 

26.  Ambross  im  sloss. 

27.  HaU  im  InntaU. 
28—30.  Innspruckh. 

Xn.     1  (Freitag)  —4.   Ynns- 
pruckh. 

5.  Inspruckh    vnd 

Pamkirchen.^ 

6.  Schwatz. 

7.  HaU  im  InntaU. 
8 — 10.  Innspruckh. 

11—12.  HaU  im  InntaU. 
13—21.  Ynnspruckh. 
22.  HaU  im  InntaU. 

23—31.  Ynnspruckh. 
1515 

I.     1  (Montag).  Ynnspruckh. 
2—3.     Schwatz. 
4.  HaU  im  InntaU. 

5 — 15.  Ynnspruckh. 

16.  HaU  im  InntaU. 
17—30.  Ynnspruckh. 
31.          HaU  im  InntaU. 

H.     1  (Donnerstag).  HaU  im 
InntaU. 
2—28.  Ynnspruckh. 
m.     1  (Donnerstag)  —  21. 
Ynnspruckh. 
22.  VeUennberg  ynd. 

Fragennstain. 


1 .  Ambraa,  Schloss  bei  Innsbruck.  3.  Schmirnerthal  bei  Steinaoh 
am  Brenner.  (Schmiem  so.  von  Steinach.)  3.  Yalserthal  mündet  bei 
Mühlbach  an  der  Bienz.  4.  Vennathal  an  der  Ostseite  des  Brenners. 
5.  ViU  3.  von  Innsbmck.  6.  Martinswand  bei  Zirl  w.  von  Innsbrnok. 
7.  Baumkirchen  im  Innthal  zwischen  HaU  und  Schwaz. 


■ 

\ 

^y 

^ 

^^^^^  301  ^^^H 

151& 

1615 

^1 

m.  23. 

Flaweriing    vnd 
Stambs. 

rv. 

23. 

Chrumbacb'  vnd  ^^M 
Pfaffeuliawsen.                ^^H 

24. 

Stambs    vnd 

24. 

Mundlkaim.                        ^^H 

Ymbst.' 

25. 

Mundlhaim     vnd            ^^H 

25. 

Ymbst. 

Angiberg.                       ^^H 

26. 

Nasareyth    vnd 
Byberwier.* 

26. 

Puechlo,  Zell  vnd  ^^H 
Wall.'                             ^H 

27. 

Aytterwanng  vnd 

27. 

Lanndtsberg.                    ^^H 

Reutten. 

28. 

Lanndtsperg,                    ^^H 

28. 

Fuessen  vnd  Stat- 
ten.» 

Puechlo  vnd  Py-  ^^H 
dingen.'"                         ^^H 

29. 

Kawffpeyren  vnd 
Osterzell.* 

29. 

Kawffpeyren  vnd  ^^H 
Puechlo.                          ^^H 

^P     30. 

Puechlo    vnd 
Mennchingen. 

30. 

Puechlo  vnd  ^^H 
Mennchingen.                 ^^| 

L      31. 

Bui-ckhwaldt  vnd 

V. 

1  (Dienstag). Gockhingen.            ^^| 

iP 

Augspurg. 

2-^. 

Augspurg.                         ^H 

rV.      1  (Sonntag)  —  13.  Augs- 

5. 

Wertungen.                     ^^H 

purg. 

6—20. 

Augspurg.                        ^H 

(Ort«rUg8 

./IV.) 

21. 

Augspurg    vnd                ^^H 

14. 

Qockhingen. 

Wellcnnberg."               ^^H 

15. 

Vettingen    vnd 

Noyburg.^ 

22. 

Burckhwaldt  vnd  ^^H 
Bubingen.                       ^^H 

16. 

Gynntzbiirg." 

23. 

Mennchingen  vnd             ^^H 

■     ^^- 

Weyssennhorn. 

Puechlo.                          ^H 

^     18- 

20. 

Vllra. 

24—27. 

Mundlhaim.                       ^^H 

1           21 

Vllm  vndTyBsen.'' 

28. 

Phalfennhawsen                ^^M 

1           22. 

Weyssennhorn. 

vnd  Annglberg.             ^^H 

1              1.  Imst 

im  GuTgltbal  s.  von  Naasereit.       8. 

Bicberwier  n.  von             ^^H 

1   Naaseraii. 

Maximilian    verläsat    die    österreiclviüchen    Erblando   bei              ^^| 

Reutle. 

3. 

Stetton  zwischen  Oberdorf  und  Fünoen.     Maximilian  be-              ^^H 

-    tritt  den 

Reichsbodon.        4.  Osterzell  ö 

von  Kau 

fbcucrn.        5,  Nen-              ^^^^ 

1    barg  8W. 

von 

Jettingen.        6.  Oünaburg 

an  der  Mi 

iodnng  der  Gnnz  in              ^^^B 

■    die  Donai 

nw 

.  von  Jettingen.        7.  liiert 

issen  8.  von  Ulm  und  Weissen-                      V 

1    boni.      8 

.  Kl 

Timbach  so.  von  Weisscnbom.       9.  Wanl  so.  von  Tiuchloe.               ^^J 

■    10.  Bidin^n 

am  Hühnerbocb,  einem  Zufluds  der 

Wertach,  zwischen              ^^^| 

1   Olxirdorf  und  Scbongnu.        11.  Wöllenbnrg  nahe  bei  Göggingcn  «.  von               ^^J 

^^^g»bnrg 

m 

1 

302 


1515 

1515 

V.  29. 

Puechlo   vnd 
Lanndtsperg. 

VI. 

16. 
17. 

Sosennhaim. 
Wasserbui^.'' 

30. 

Wessobnm*   vnd 
Weylhaim. 

18. 
19. 

Alten  Ottingen. 
Porckhawsen 

31. 

Weylhaim    vnd 
Heyligenperg. 

vnd    Mawer- 
kirchen.* 

VI.     1 

(Freitag).    Weylhaim 

20- 
22. 

-21 

Mattigkhofen. 
Veckhlstorff  vnd 

vndfollingen  im 

Veckhlapruckh. 

2. 

Murnnen'    vnd 
Porttenkirch.* 

23. 
24. 

Vecklapruckh 
vnd  Chamer.' 
Lambach. 

3. 

Myttennwaldt 
vnd  auf  dem  See- 
feldt. 

25. 
26. 

Wells. 

New  Sachsenn- 
bui^. 

4. 

Fragennstain  * 

27- 

-30. 

Lvnntz. 

vnd  Zierll. 

vn. 

1  (Sonntag) — 3.  Lynntz. 

5. 

Ynnspruckh. 

4. 

Lynntz  vnd  sannt 

6. 

Hall  im   Inntall 
vnd  Myllans. 

5. 

Florian, 
sannt  Florian. 

7. 

Ynnspruckh. 

6. 

Enns. 

8. 

Ynnspruckh  vnd 
Vellennberg. 

7- 
9. 

-8. 

Persennpeng. 
Khrembs    vnd 

9. 

Innspruckh. 

Nusdorff." 

10—11 

Hall  im  Inntall. 

10. 

Hackhingen.** 

12. 

Schwatz. 

11- 

-15 

Wienn. 

13- 

-14 

Rattemberg  vnnd 
Wergl.« 

16. 
17. 

Trawtmeretorff." 
Lachsennbut^." 

15. 

Knefstain. 

18- 

-28 

Wienn. 

l.Wessobrunn  so.  von  Landsborfi;,  zwischen  diesem  und  Weilbeim. 
Z.  Fölling  B.  von  Weilheim.  3.  Mumau  s.  von  Weilheim  und  Fölling. 
4.  Fartenkirchen  s.  von  Mumau.  Maximilian  vcrlüsst  bei  Mittenwald 
den  Ileicbsboden.  5.  Maximilian  kehrt  zu  Scefeld  nach  den  öster- 
rcicbischen  Erblanden  zurück.  6.  Wörgl  s.  von  Knfstein  in  TizoL 
7.  Wasserburg  am  Inn  n.  von  Rosenhoim.  8.  Mauerkirohen  in  Ober- 
österreicb,  zwischen  Braunau  und  Mattighofen.  9.  Kammer  s.  von 
Vöcklabmck  am  Nordende  des  Attersces.  10.  Nussdorf,  Vorort  n.  von 
Wien.  11.  Hacking,  Vorort  w.  von  Wien.  12.  Trautmannsdotf  so. 
von  Wien.       18.  Lazenburg,  Schloss  a.  von  Wien. 


H^       ^     ^      ^1 

1  1516                ^^" 

^M 

1     VIT.  29.           Wienn  vnd  Noy- 

Vm.  13.           Aschach  (!)"                  ^1 

1                               dorff.' 

vnd  Enns.                      ^^M 

^^_       30.           zu   der  Newen- 

Enns.                               ^M 

^^ 

15.           sannt  Florian.                ^^M 

W              31.           zu  der  Newstat 

16.           sannt    Florian                ^^m 

1                               vndEbennfurt.' 

vnd  Enns.                    ^^B 

1  V 1 1 1.     1  (Mittwoch)  -2.  Ebcnn- 

17.           Enns  vnd  Ebers-             ^^M 

1                               fiirt. 

^H 

^^H         3.           Ebennfurt    vnd 

18.           Ncwsachsenn-                ^^B 

^B                       Medling.' 

bürg  vnd  March-           ^^B 

^^B         4 — 6.     saniit  Veif*  ynd 

trenckh.                        ^^B 

^^H                        Hackhing. 

19—21.  Wells.                             ^M 

^^^^^_  7.           Huekhing    vnd 

22.           Lambai'h.                       ^^M 

^^^^^H                 Mawerpach.'' 

23.           Veckiapruckb,               ^H 

^^^^  8.           TuUn  ^  vnd  Tras- 

Vcckblsdortl'                 ^^B 

^^H                          mawer.'' 

vnd  Frannckhen-          ^^M 

^^H^         9.           Kreinbs. 

marckht.'^                     ^^B 

^V       10.           Krembs,  Stain" 

24.           Straswalchen                   ^^B 

^^                         vnd  Spitz.» 

vnd  Lauffen.                ^^B 

^^         11.           Emersdorff'» 

25—26.  Lauffen    vnd                 ^H 

^^B                        vnd     Persen- 

Tennckhling.i^             ^H 

^V 

27.           Troschburg.                   ^^B 

^^B        12.            Persennpeug, 

28,           Rosenhaim   vnd             ^^B 

^B                        Plinttcn- 

Visebpach."'                 ^H 

^^B                         marckht'^  vnrl 

29.           Kuefstain    vnd               ^^H 

^™                         Aschpaeh.'* 

Wergl.                          ^M 

1.  Nendorf  bei   Mödling  a.  von  Wien.        2.  Ehonfurt  nö.  von              ^^B 

Wiener-Neustadt.         3.   Mödling  s.  von  Wien,  nahe   boi  Laxonburg.              ^^B 

4.  St.  Veit,  Vorort  w.  von  Wien.        5.  Mauerbaeh  im  Wienerwald  w.             ^^B 

von  Wien.        6.  Tiilln  a.  D.  nw.  von  Wien.        7.  Traiamauor  w.  von              ^^B 

Tulln.        8,  Stein  unmittelbar  bei  Krems.        9.  Spitz  a.   D.  w.  von              ^^H 

Traiamaner.        10.  Emmeradorf  a.  U.  gegenüber  Melk.        11.  Sünden-              ^^H 

markt  rw.  von  Persenbeug.      12.  Ascbbacb  w.  von  Amatettcn  und  Blin-              ^^H 

dcnmarkt.        13.  Offenbar  liegt  hier  ein  iSchroibtchlcr  vor  und  iat  da.<i              ^^H 

vorgenannte  Aschhnch  gemeint.    Allerdings  oxistirt  westlich  von  Linz              ^^H 

ein  Asichach  an  der  Donnu,  das  jedoch  nicht  in  die  Reiseroute  pasat.              ^^B 

14.    Fmnkenmarkt,   hurt  an  Vöcklnmarkt.          !!>.   Tengling  n.   vom              ^^B 

Waginger  See,  nw.  von  Salzburg.       16.  Fischbach  am  Inn  a.  von  Rosen-              ^^B 

^^B 

^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^H 

304 


1515 

1515 

vm 

30.          Rattembei^. 

X.     4    9. 

Ynnspruckh. 

31.          Schwatz. 

10. 

Ynnspruckh  vnÄ 

IX 

1   (Samstag).     Hall   im 

AmbrosB. 

Inntall. 

11. 

HaU  im  InntaU. 

2 — 3.     Imispruckh. 

12—17 

Ynnspruckh. 

4.          Hall    vnd    Vol- 

18. 

Tnspruckh    vnd 

derss.* 

Matters*  am  ge— 

5 — 6.     Ynnspruckh. 

iaidt. 

7.          Ambross. 

19    22 

Ynnspruckh. 

8 — 9.     Ymispruckh. 

23. 

Hall  im  Inntall. 

10.          Vellennbei^. 

24—27 

Ynnsprackh. 

1 1 .           Vellemiberg  vnd 

28. 

Hall  im  Inntall. 

Axsambs. 

29. 

Hall  vnd  auf  des 

12,          Flawerling  vnd 

Hawsers  heysl. 

Herttennberg.* 

30. 

Fragennstain  vnd 

13.          Herttennberg. 

ZierU. 

14.          Herttennberg 

vnd    Frewnts- 

31. 

Herttennberg  vnd 
Phaffenhofen.» 

haim. 

15 — 16.  Herttennberg. 

XI.     1  (Donnerstag).  Herttenn- 

17.          Herttennberg 

berg. 

vnd  Stambs. 

2. 

Herttennberg  vnd 

18,           Magerpach  vnd 

Stambs.   » 

Syltz. 

3. 

Ymbstvnd  Nasa- 

19.          Kematten. 

reyth. 

20—24.  Ynnspruckh. 

4. 

Lermoss    vnd 

25.          Hall  im  Inntall. 

Puechlpach.* 

26—30.  Innspruckh. 

5—6. 

Emnberg  an  der 

X. 

1  (Montag)  —  2.  Ynns- 

Clawsen vnd  zu 

pruckh. 

Fuessen. 

3.          Hall     vnd 

7. 

Stetten   vnd   Py- 

Thawer.» 

dingen. 

1.  Volden  am  Inn  gegenüber  Yila  bei  Hall.  2.  Hörtenbeq;, 
ycrfallenes  Schloss  am  Inn  bei  Ffaffenhofen  w.  von  Innflbruck.  3.  Thanr 
nw,  von  HaU.  4.  Mnttems  s.  von  Innsbruck  links  von  der  Sill  gegen- 
über Igels.  6.  Ffaffenhofen  bei  Tclfs  am  Ino  w.  von  Innsbmok. 
6.  Büchelbach  s.  von  Keutte.  Maximilian  verlässt  die  österreichiatiheii 
Elrblande  und  betritt  bei  Füssen  den  Beichsboden. 


^          305               ■ 

1515               ^^" 

1515                                                    ^M 

XI.    8.           Puechlo    vnd 

XII.     1  (Samstag)— 2.  Kawff-            ^H 

Hyltafingen.* 

peyren. 

9.           Burckhwaldt 

3.           Kawffpeyren  vnd 

vnd  Bobingen. 

Ebennhofen.* 

10.           Gockhingen    vnd 

4.          Stetten    vnd 

Augspurg. 

Fuessen. 

11 — 12.  Augspurg. 

5 — 8.     Fuesaen. 

13.          Wellennberg  vnd 

9.           Fuessen    vnd 

Burckhwaldcn, 

Reutten. 

14.           Burckhwaldt  vnd 

10.           Ernnberg  an  der            ^^ 

Myckhawsen. 

clawsen.                         ^^H 

15.           Myckliawsen 

11.           Ernnberg  an  der            ^^H 

vnd  Krumpacli. 

clawsen    vnd                 ^^H 

16.           Krumpacli  vnd 

Aytterwang.                   ^^H 

B                            Waldstetten.» 

12.           Lermoss  vnd  Na-            ^^H 

1            17-21.  VUm. 

sareyth.                           ^^H 

■            22.           Weyssenhorn. 

13—14.  Ymbst.                                   ■ 

■            23.           Rockhennburg 

15.           Ymbst   vnd    auf 

^^^L                      vnnd   Ketzenn- 

der  Myllss. 

^^K                     ryedt.^ 

16.           Lanndegkh  vnnd 

24.           Babenliawsen* 

Grynnss.'" 

vnd  Memingen.^ 

17.           Pottnoy  vnd  auf 

25 — 27.  Meminngen. 

dem  Adlberg  zu 

28.           Meminngen     vnd 

sannt  Cristoffl. " 

Erckhaim.*' 

18.           Pliidenntz. 

29.           Ottenpeyren ' 

19—20.  Veldtkirch. 

vnd  Thienngen.' 

21.           Bregenntz. 

30.           Kawffpeyren. 

22.          Bregenntz/ 

1.  Hiltefingen  anmittelbar  sw.  von  Sohwnbmünchen.       8.  Wald- 

"*-«Ken   nö.    vou  Weisscnhom.          3.    Ritziaricd    nö.    von    nierti8.«en. 

*•    Babenhatwen  zwischen  Weisscnhom  und  Mindclheim.        5.  Mem- 

***«ngen  w.  von  Mindelheim.        6.  Erkheim  zwischen  Memmingen  nnd 

^Jndelhcim.        7.  Ottobeucrn  aö.  von  Memmingen.       8.  Unter-Thingan 

''^.  von  Kanfbencm.      9.  Ebenhofen  zwischen  Oberdorf  und  Kaufbeuem 

*•  Ton  letzterem,     ifaximilian  yerliisst  bei  Ehrenberg  den  Reichsboden 

^ftd  betritt  die  österreichischen  Erblande.        10.  Grins  w.  von  Landeck. 

M.  St.  Christof  am  Arlberg. 

•   Maximilian  TerllUst  die  Osterreichischen   Erblande  nnd  betritt  den 

ticidubodea. 

AcehiT.    LXXIVIt.  M.    t.  Hiin«.                                                                         80 

1515 

1516 

i 

Lyimdaw    vai 

I.  25—27. 

Mandlhaim. 

Lsngenai^en.' 

28. 

Mnndlhaim    vnd 

xn.  23. 

Lanngenargen 

PoBweilimdorff." 

vnd  Tettenam.* 

29. 

SLanffpeyren     vnd 

24—27. 

Rauennspurg.' 

Vnndertingen." 

28. 

Waldtsee  *     vnd 

30. 

läebennthan. 

Essendorff.* 

31. 

Liebennthan  vnd 

29. 

Byberach  *    vnd 

Eberepach." 

Obersymentin- 

n.   1 

(Freitag)  —4.    Kawff- 

gen.» 

peyren. 

30. 

Echingen    vnd 
Ringingen.® 

5. 

Kawffpeyren  vnd 
Ebennhofen. 

31. 

Vllm  vnd  Weys- 
sennhom. 

6. 

Stetten  vnd  Ebenn- 
hofen. 

1516 

7. 

Obemndorff*'  vnd 

I.     1  (Dienstag)— 2.  Weys- 

Roshaubten." 

sennhom. 

8. 

Fuessen. 

3. 

Weyssennhorn 
vnd  Waldstet- 

9. 

Faessen  vnd  Reat- 
ten. 

ten. 

10. 

Aytterwanng    vnd 

4. 

Vettingen  vnd  im 

Lermoss. 

dorf  Byburg.* 

11. 

Nasareyth. 

5—22 

Augspurg. 

12. 

Ymbst  vnd  auf  der 

23. 

Qockhingen  vnd 

Myllfl. 

Bobingen. 

13. 

Lanndegkh    vnd 

24. 

Mennchingen 

Gryuss. 

vnd  Anngiberg. 

14- 

-17 

.  Pottnnoy. 

1.  Langeargen  am  Bodenaee  w.  von  Lindan.  2.  Tettaang  n. 
von  Langeargen.  3.  Ravensburg  n.  von  Tettnang.  4.  Waldaee  nö. 
von  Ravensburg  S.  Unter-Essendorf  bei  Stadt  Winterstetten  n.  von 
Waldsee.  6.  Biberach  n.  von  Waldsee.  7.  Ober-Solmetingen  sw. 
von  Ulm.  8.  Ringingen  zwischen  Schelklingen  und  Erback  sw.  von 
Ulm.  9.  Bibttrg  w.  von  Augsburg.  10.  Baisweil  s.  von  Mindelheim 
im  Landgericht  Eaufbeaem.  11.  Das  früher  schon  genannte  Unter- 
Thingau  sw.  von  Kaufbeaem.  IS.  Ebersbach  bei  Ober-Günzbnrg  w. 
von  Eaufbouern.  18.  Oberdorf  s.  von  Eaufbeuem.  14.  Rossbaapten 
n.  von  Füssen.  Maximilian  yerlässt  bei  Füssen  das  Reich  und  betritt 
bei  Reutte  die  österreichischen  Erblande. 


307 


L51 

6 

1516 

n 

18. 

Pottnnoy  vnd  zum 

III. 

3- 

-6. 

Pensen. 

Strenngen.' 

7- 

-S. 

Tryenndt. 

19. 

Lanndegkh. 

9. 

Tryenndt    vnd 

20. 

Lanndegkh     vnd 
auf  der  Mylss. 

10. 

Nusdorff. 
Rofereydt. 

21- 

-22. 

Yrabst. 

11. 

Auy. 

23—24. 

Lanndegkli. 

12. 

Cauayon.'* 

25. 

Bemneckh    vnd 
Phundta.» 

13. 

14. 

Muntzabona." 
Medulla.'* 

26. 

Nawder8*vndauf 
Maiser      haydt* 
zum  fcderspill. 

15- 

17. 

18. 

-16 

Kcmedel." 

Ramodella.'* 

Bratalban." 

27. 

Churburg.' 

19. 

VyoroUy   Verra- 

28. 

Latsch''  vnd  am 
Zoll  zu  Tyll.' 

20. 

risch.'* 
Cabayon." 

29. 

Ameron^vndTer- 
ren.' 

21. 
22. 

Ludria.  *" 
Fonntefella.'" 

in. 

1 

(Samstag).  Potzen  vnd 

23. 

Carobatz." 

BranntzoU.»" 

{Ortertag 

23./III.) 

2. 

Sallurnns"     vnd 
am  Nouiss. 

24. 
25. 

Ryuallta." 
Lyscad  t.** 

I 


1.  Btrengon  im  Stanzerthal  z^rischon  Pettnou  und  Landeck. 
Z.  Pfands  im  oberen  Innthal  sw.  von  Landeck.  3.  Naudors  s.  von 
Pfands  im  oberen  Inntbal.  4.  Die  Malsor  Haido  8.  von  Nanden. 
5,  Churburg,  Schloss  zu  Scbludems  bei  Mals.  6.  Laat.acb  im  oberen 
Etscbthal  w.  von  Mcran.  7,  WirthahauB  am  Toller  Hattel,  der  das 
Vitttschgan  vom  Etschthal  trennt.  8.  Meran  im  Pllschthal.  9.  Tcr- 
lan  nw.  von  Bozen.  10.  BranzoU  und  11.  Kalurn,  beide  .i.  von 
Bozen.  18.  Cavnjon  bei  Bardolino  am  BÜdöstlichen  Ufer  des  Garda- 
•eca.  13.  Monzanibnno  r.  vom  Gardosce,  zwiRchcn  Pcscbiora  und 
Valcggio.  14.  Medolo  sw.  von  Uonzambano  und  so.  von  Carpene- 
dnlo.  15.  und  16.  Remedello  di  sopra  und  Romodello  di  sotta 
9W.  von  Modolo.         17.   Pratboino  n.  d.  Mella  so.  von  Verola  nnova. 

18.  Verola    uuova    oder    vecchia    zwi.schen    Cremona    und    Brescia. 

19.  Gabbianu  nw.  von  Verola  nuova.  20,  Ludriano,  nahe  am  Oglio 
sw.  von  Brescia.  21.  Fontanella  w.  von  Ludriano.  22.  Coravaggio 
an  der  Strasse  von  Mailand  nach  Brnscia  w.  von  Fontanella.  23.  Ri- 
Tolta  a.  d.  Adda  w.  von  Coravaggio.       24.  Liscate  bei  Mclzo  ö.  von 


20* 


308 


1516 

1516 

TTT.  26—28. 

Pyontella.^ 

IV. 

27. 

NewenmetE    vnd  1 

29. 

Pyschgiera.* 

am  Nauiss.*« 

30. 

Busna.' 

28—29. 

Trienndt. 

31. 

Pollackh  *    vnd 
Carobatz. 

30. 

Petzan"    vnnd 
Arch." 

IV.     l  (Dienstag)  —  4.  Pann- 

V. 

l  (Donnerstag)  —9.  Reyff 

thoy.« 

am  Gkrdtsee.'' 

5. 

Costa.« 

10. 

Reyff  am  Gardt- 

6. 

Alburg  de  Tertz.' 

see  vnd  zu  Ka- 

7—8. 

Louers.* 

den.»» 

9. 

Bree.» 

11—22. 

Trienndt. 

10. 

Medulla.»» 

23. 

Trienndt    vnd 

11. 

Ponteiegno.*' 

Wessan.*' 

12. 

Tormey.'* 

24. 

sannt    Michaeli»* 

13    15. 

Tertzulass." 

vnd    Newe- 

16. 

Tertzulass    vnd 

marckht. 

Chaldess." 

25. 

Potzen. 

17—22. 

Tertzulass. 

26. 

Ameron  vnd  am 

23. 

Tertzulass    vnd 

TerU.»« 

Caldess. 

27—28. 

Latsch. 

24. 

Gless.»"* 

29. 

Glurnns." 

25-26. 

Newenmetz. 

30. 

Nawders. 

1.  Pioltello,  zwischen  Hailand  und  Melzo  ö.  von  Mailand. 
2.  Peschiera  bei  Mailand  8.  von  Pioltello.  3.  Bisnate  a.  d.  Adda  ö. 
von  Peschiera.  4.  Falazzo  s.  von  Caravaggio  und  Treviglio.  6.  Poa- 
toglio  nö.  von  Caravaggio  und  n.  von  Chiari.  6.  C!osta  di  Meszate  ö. 
von  Bergamo  und  n.  von  Pontoglio.  7.  Borgo  di  Terzo  in  Vall  Caval- 
lina  nö.  von  Trescorre  und  ö.  von  Bergamo.  8.  Lovere,  am  Nord- 
ende des  Iseo-Sees.  9.  Breno  nö.  von  Lovere.  10.  Edolo  n.  von 
Lovere.    Dieses  wie  jenes  im  Yal  Camonica.       11.  Ponte  di  Legno  und 

18.  Termcnago  im  Yal  di  Sole.  13.  Terzolas  zwischen  Mal^  und 
Caldes  w.  von  Cles.  14.  Caldes  mit  altem  Schloss  im  Yal  di  Sole  bei 
Cles.  15.  Cles  im  Sulzberg  n.  von  Trient.  16.  Nave  n.  von  Trient 
bei  Lavis.       17.  Yezzano  w.  von  Trient.       18.  Arco  n.  vom  Gardasee. 

19.  Kiva  am  Nordende  des  Gardosees.  80.  Cadine  w.  von  Trient. 
21.  Das  früher  genannte  Yezzano.  88.  S.  Michele  a.  d.  Etsch  n.  von 
Trient.  83.  Terlan  zwischen  Bozen  und  Meran.  84.  Gloms  im 
Yintschgau  s.  von  Mals. 


309 


1516 

1516 

V.  31. 

Phundts. 

VI. 

30. 

Costenntz    vnd 

VI.     1 

[Sonntag).  Ryedt'  vnd 
Pnitz. 

VII. 

Morsperg.'" 
1  (Dienstag).  Puechliorn. 

2- 

-3. 

Lynndaw. 
Bregenntz. 
Bregenntz    vnd 
StawiFen. 

r 

Lanndeckli. 
Lanndegkh     vnd 
ZambsB. 

4- 
6. 

-5. 

1  ^- 

Ymbst. 

7. 

Sunthofen.»' 

■       5-6. 

Magerpach. 

8. 

Tannhaim. 

7- 

-10. 

Ymbst. 

9. 

Rewtten. 

11. 

Nasareytli    vnd 
Lermüss. 

10- 
22. 

-21. 

Fuessen. 

Fuessen     vnd 

12- 

-13. 

Emnberg  an  der 
klawsen.* 

Ernnbergan  der 
clawsen.'" 

■     14. 

Thannhaim.' 

23. 

Aytterwanng. 

15. 

Ymestatt'    vnd 

24—25. 

Enmberg  an  der 

i 

Rottennstain.* 

clawsen. 

■      16. 

Slauffen.* 

26. 

Rewtten    vnd    in 

m    ''• 

Wanugen." 

desHochstetters 

■    ^«• 

Puecbliom    vnd 

Tettimnng.' 

27. 

hmten. 
Emnberg  an  der 

-      19. 

sine  loco." 

clawsen     vnd 

1     20—26. 

Costenntz. 

Aytterwang. 

27- 

-28. 

Vberlingen. 

28. 

Lermoss. 

29. 

Vbcrlingenvndin 
der  Maynnaw.' 

29. 

Lermoss    vnd 
Nasareytli- 

1.  Ried  s.  von  Pmtz  im  oberen  Inothal.  2.  Tannheim  an  der 
Nordgrenze  Tirols  ö.  von  Honthot'en.  3.  Immenstadt  ö.  vom  Uoden- 
»ee.  4.  Rotlient'els  nw.  von  Immensfadt.  5.  Stauten,  zwischen 
Bodensec  und  Immcnxtadt.  6.  Wangen  nö.  vom  BodcnBce.  7.  Tett- 
nang  n.  vom  Bodensce  zwi.<!cben  Friedrichshafen  und  Wnngon.  8.  Auf 
tiruiid  eines  Briefes  Mnximilians  an  die  Kriegaräthe  von  Triont,  19.  Juli, 
Constcutz  (Innsbrucker  Statthaltereiarchiv),  kann  Constanz  als  Aufent- 
haltsort eingesetzt  werden.  0.  Mainau  auf  der  gleichnamigen  Inael  im 
Ueberlinger  See.  10,  Mcrsbuvg  zwischen  Uebcrlingiui  und  Friedrichs- 
hafen  am  Bodensec.        11.  8onthofen  so.  von  Immonstadt. 

*  Maximililin  rerlSsst  die  Osterreichischon  Erblande  nnd  betritt  den 
R«ichsboden.  *>  Msximitinn  verIXsgt  das  Reich  and  betritt  die  Osterreichi- 
scden  Erblande. 


SlO 


1516 

1516 

VII.  30. 

Frewnntshaim 
vnd  Stambs. 

vni. 

30. 

Lennoss   vnd 
Aytterwang. 

31. 

Herttennberg. 

31. 

Emnberg  vnd 

Vm.     1   (Freitag).     Herttenn- 

Reutten. 

bergvndinder 

IX. 

1 

(Montag)  —  2.  Emu- 

Pettnaw.» 

berg  vnd  Reut- 

2. 

Fragenstain  vnd 

ten. 

Kematten. 

3. 

Fuessen. 

3. 

Kematten     vnd 

4. 

Kauffpeyren. 

Velss  *    im 

5. 

Kauffpeyren 

Weyrheysl. 

vnd  Stetten. 

4^7. 

Ymispruckh. 

6—9. 

Fuessen. 

8. 

Feilennberg. 

10. 

Aytterwanng. 

9—10 

Fragennstain. 

11. 

Reutten    vnd 

11. 

Fragnstain  vnd 

Aytterwanng. 

auf  dem   See- 

12. 

Fuessen. 

feldt. 

13. 

Fuessen  vnd 

12—13. 

Fragennstain. 

Nyderhofen.* 

14. 

Fragennstain 
vnd  Telffs. 

14. 

im    closter  zu 
Staingaden.* 

15—16. 

Stambs. 

15- 

-17 

Kaufipeyren. 

17. 

Magerpach. 

18. 

Myckhausen 

18. 

Ymbst    vnd 
Zambss. 

vnd    Burck- 
waldt 

19—21. 

Zambss. 

19- 

-30. 

Augspurg. 

22. 

Ymbst. 

X. 

l(Mitl 

woch)  — 6.  Augs- 

23. 

Nasareyth    vnd 

purg. 

Lcrmoss. 

7. 

Augspurg  vnd 

24—28. 

Ernnberg'  vnd 

öockhingen. 

Reutten. 

8- 

-19 

Augspurg. 

29. 

Reutten,    Ernn- 
berg  vnd  Ayt- 

20. 

Augspurg  vnd 
Radaw.« 

terwanng. 

21. 

Bobingen. 

1 .  Siehe  1510,  3.— 4./IX.  3.  Vcls  w.  von  Innsbruck.  8.  Maxi 
miliua  vorlUsst  die  österreichischen  Erblande  und  betritt  den  Beicha 
bodan.  ^-  Niederhofcn  nö.  von  Füssen.  5.  Steingaden  n.  von  Nied« 
hofen.  *■  ^^^^^  ^-  von  Göppingen. 


m^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^  311  ^^^H 

X516 

H 

■    !^S.  22.            Mennchinpcn  viul 

XI.     7.           Ljnndaw    vnd                 ^^M 

ft                               Hyltatingcn. 

Puechhorn.                     ^^H 

^^      23.           Puechlo     vrind 

8—9.     Vberlingen.                      ^H 

^P                       Wall. 

10.           Sallmerschweyl-               ^^| 

^^^       24.           Kawffpeyren. 

^H 

^^—^      25.           Stetten  vnd   Ros- 

i  I .           CoBtenntz.                        ^^^ 

^^H                       hopten. 

12.           Zell  am  Vnnder-            ^H 

^^       26—27.  Fuessen'    vnd 

^^H 

B                              Reutten. 

13.          Enngen'^vndGus-           ^H 

■            28.           Reutten. 

lingen.^                           ^^^ 

1             29.            Reutten  vnd  Nes- 

14.          Huftngen.^                       ^^H 

1                               selbnnn^. 

15.           zu    der     Newen-            ^^| 

^^^       30.           Thannliaim    vnd 

Btat  ''vnd  Kyrch-            ^^| 

^^H                        Hinderlanng.' 

^H 

^^^      31.           Fluechenstain.^ 

16.           Freyburg.                         ^^M 

■  ^^I.     1    (Samstag).     Fluechen- 

17.           Frey  bürg    vnd                ^^M 

■                             stain  vnd  Öunt- 

Taxwanng.                     ^^M 

^                             lioten. 

18.           Preysach.                         ^^M 

^^B       2.           Fluechenstain  vnd 

19.            Preysach    vnd                  ^^M 

^^1                       Ymcstat. 

Yebshaini."                   ^^H 

^^H        3.           Stauffen    vnd 

20.           Berckhaim"  vnd            ^H 

^^H                       Schaideckh.^ 

Scherweill.'»                  ^H 

^^H       4 — 5.     Bregenntz. 

21.           Obernncclmen.                ^^H 

^^H       6.           Bregenntz  vnd  in 

22.           Neuweylier.'^                   ^H 

^^H                     der  Aw  im   clo- 

23.           YuDgweyUer.                  ^^M 

ster. 

24—30.  Uagennaw.                       ^H 

1.  Maximilian  verlässt  das  Reich  und  betritt  die  ö8t«rrcicfai!icheD             ^^H 

Erblande.       Z.  Hindclung  in  Baiern  üwiscben  Tnnabeim  niid  Sonthofen.             ^^H 

8.  Fluchenstein  ö.  von  i^oDthulcn.        4.  Hcboidcgg  w.  von  Stanfcn  und              ^^H 

n.   von  Bregenü.      Bei  letzterem  Ort«  verltisst  Muximiliun  die  oater-             ^^H 

rcichischen   Erbhindo  und    botritt  dim   lleicbsboden.         5.    Salmiinnsi-              ^^H 

Weiler,  heute  8alcm  am  Nordoter  des  Bodensees.        6.  Eugen  im  Uros.q-             ^^| 

hensogtbnni  Baden  w.  vom  Bodensee.        7.  Goisingen  nw.  von  Kngen.              ^^| 

8.  Hntingen  w.  von  Uetsingcn.        9.  Xcnstadt  ö.  von  Freibnrg  im  Breis-              ^^H 

gan.        10,  Kiroh/arten  zwischen  Freibnrg  und  Neustadt.        11.  Jcbs-             ^^H 

heim  im  Elsass  n.   von  Alt-Breisach   und   Colmor.         18.   Bergheim             ^^H 

nrLschen  C'olmar  und  Schlettstadt.       13.  Scherweilcr  nw.  von  Schlett-             ^^| 

■tadt.        14.  Nouweilcr  w.  von  Buchswoilor.                                                        ^^H 

312 


1516 

1517 

xn.  1 

(Montag)  —  15.    Har 

I.  11—12.  Mayen.« 

gennaw. 

13—14.  Arweyller.» 

16. 

Hagennaw     vnd 

15.          Reynnpach." 

Werdt.» 

16.          Zulph." 

17. 

Werdt  hiebey 

17—18.  Theyem." 

Hagennaw. 

19.          Altennhofen." 

18- 

-19 

Hagennaw. 

20—22.  Mastricht. 

20. 

Hagennaw  vnd 

23.          sannt  Troyen." 

PhafFennhofen.* 

24—25.  Thynen.« 

21. 

Jungweyller  vnd 

26—27.  Thyesst"    vnd 

Puschweyllpr. 

GeU." 

22. 

Yungweiller  vnd 

28.          Toumoudt. 

Newburg*   im 

29—30.  Lierr. 

closter. 

31.          MecheU. 

23- 

-29 

Hagennaw. 

H.     1  (Sonntag).  MecheU  vnÄ 

30. 

Hagennaw  vnd 

Fulfordt. 

Reyahofen. 

2—3.     Mechell. 

31. 

Reyshofen   vnd 

4.          MechellvndTyffl.»* 

Pytsch.* 

5—8.     AnndtorfF. 

1517 

9.          AnndtofiF  (sie!)  vnd. 

I.     1 

(Donnerstag).  Pytsch. 

Berschgadt. 

2. 

Zwapruckh.^ 

10.          Lyerr. 

3—4. 

Ottweyller.« 

11.          Mechell. 

5. 

Gryemberg. 

12.          MecheU  vnd   Ful- 

6- 

-8. 

Trierr. 

fordt. 

9. 

Wettlich. 

13—18.  PrusseU. 

10. 

Kaysersesch.' 

19—20.  Hall  in  Honigaw. 

1.  Wörth  n.  von  Uagenan.  2.  Pfaffenhofen  w.  von  Hagenan. 
8.  Weilor  Neaborg  a.  d.  Moder  w.  von  Hagenan  nnd  nw.  von  Freibnii;. 
4.  Bit8ch  im  nördliobston  Elsass  nw.  von  Uagenan.  5.  Zweibriioken 
in  der  bairischon  Pfalz  n.  von  Bitsch.  6.  Ottwoilcr  in  der  Bhein- 
provinz  nw.  von  Zweibrückon.  7.  Kaisorsech  n.  von  Kochern  a.  d. 
Mosel.  8.  Mayen  w.  von  Coblonz.  9.  Ahrweiler  a.  d.  Ahr  n.  von 
Mayen.  10.  Bheinbach  sw.  von  Bonn.  11.  Zülpich  nw.  von  Bhein* 
bach.  12.  Düren  zwischen  Aachen  und  Köln.  13.  Aldcnhofen  bei 
Jülich.  Maximilian  verlässt  das  Beich  und  betritt  die  Niederlande. 
14.  St.  Trouydcn  (St.  Trend)  nw.  von  Lüttich.  15.  Tienen  (Tirlemont) 
w.  vom  vorigen  Orte.  16.  Diest  n.  von  Tienen.  17.  Gheel  zwischen 
Diest  und  Tnmhont,  n.  von  ersterom.        18.  Düffel  n.  von  Mooheln. 


813 


1.517 

1517 

U. 

21- 

-22. 

Prussell. 

III. 

17- 

-18. 

Allsst. 

> 

23. 

Prussel  vnd  Fiü- 
fordt. 

19- 
21. 

-20. 

Termondt. 
Fulfordt. 

24- 

-26. 

MecheU. 

22. 

Fulfordt  vnd    im 

27. 

Lierr   vnd    Kunt- 

tickhen.* 

closter  zu  Aimer 
(Aiuier)."* 

28. 

Anndtorff. 

23. 

Posfordt"    vnd 

m 

1 

[Sonntag).  Anndtorff. 

Fultordt. 

2. 

Mechcll, 

24. 

Meclietl    vnnd 

3. 

zu  der  Fewer  vnd 

Lyerr. 

m 

Gruenntall.' 

25- 

-29. 

Anndtorff. 

F 

4. 

zu  der  Fewer. 

30. 

Anndtorff    vnd 

5. 

Fdfordt. 

Ymerssell." 

b 

6. 

Mechell. 

31. 

Furstlers. 

■' 

7. 

Lyerr  vnd  Fürst 

IV. 

1 

(Mittwoch)  —  2.    Tur- 

P 

lers.' 

nout  vnd  Gyerl- 

8- 

-11. 

Anndtorff. 

le." 

12. 

Anndtorff    und 
Schwüideckh.'* 

3. 

Tournoudt    vnd 
Barlle '*  im  dorff. 

13. 

Beuerss.* 

4. 

Predaw  '*    vnd 

U. 

Hülset "   vnd 

Hochstrass.'^ 

^ 

Kembseckh.' 

5- 

-6. 

Bredaw. 

1 

15. 

saunt  Niclass '  vnd 
Wasmunster.' 

7. 

Altennpuach  " 
vnd    im   dorff 

■ 

16. 

Termondt. 

Lewren.'* 

--^ 

I.  Contich  zwischen  Licr  und  Antwerpen.  8.  Groenendael  s. 
'Von  Brüssel.  3.  Viersei  nö.  von  Lierre,  zwischen  Antwerpen  und 
^vrcnthals.  4.  Zwyndreeht  w.  von  Antwerpen.  5.  Beveren  w.  von 
Antwerpen.  6.  Hülst  nw.  von  Antwcrj)en.  7.  Kemsekc  s.  von 
Hulsl  und  n.  von  ^it.  Nicolas.  8.  St.  Nicohis  w.  von  Antwerpen. 
9.  Waesmnnster  s.  von  St.  Nicolas.  10.  Offenbar  hat  die  Vorlage 
Aiaier  vorzoichnct.  aus  dem  der  Copist  Aimer  machte.  Ay  wieres  (Aivier), 
eine  1796  zerstörte  Abtei  nahe  bei  Muransart,  liegt  in  der  Mitte 
zwischen  Nivelles  and  Wavre  s.  von  Boitsfortin  Brabaut.  11.  Boitsfort 
(.Boschvoordo)  sw.  von  Brüssel  und  nahe  dem  nö.  gelegenen  Tervucren. 
IS.    Immvnieel    ö.    von    .Antwerpen.  13.    tiicrle   a.    von    Turnhout. 

14.  Baarlu  im  huilandischen  Nordbrabont.  15.  Breda  in  den  Nicdor- 
landcn.  16.  Uoogstraeten  in  Belgien  s.  von  Üroda.  17.  Oudenbosch 
w.  von  Breda.        18.  Leur  zwischen  Oudenbosch  und  Breda. 


^M           1517       ^ 

1517         ^^I^^^H 

^1            IV.     8—13.  Bredaw. 

V.     7.           Toll  im  Seelandt^l 

^H               (Oiterta^  l'i./rV.) 

8.           Pergen  am  Sam  \nm.i 

^^^^^               14.           Hochstrass  vnd  im 

zu  Rosenntall.' 

^^^B                              dorff    Osstmall' 

9.           AltenpuBch   vnd 

^^^^1 

Lowem.' 

^^^^^                             Lyerr. 

10.            Predaw. 

^^^^H              16.           MecbelvndLyerr. 

11.           Osterhout'  im  slosiS 

^^^H                              AnndtorfT. 

za  Lann'**  vnd  su 

^^^H              18.           Anndtorif    vnd 

Gyerlle.                   j 

^^^^^1                               Berscbgadt. 

12.           BarUe.                        1 

^^^B              19—20.  Lyerr. 

13.           Tumoudt,   Gyerllöi 

^^^H                            Anndorff. 

vnd  Furstlers.         i 

^^^^^B              22.           Anndtorff  vnd  im 

14.           Lyerr.                        1 

^^^^H                             dorff     Schwind- 

15—16.  MecheU. 

^^^^V 

17.           TyffI   \Tid    Kant- 

^^^H              23—24.  Anndtorff. 

tickh. 

^^^H               2Ö.           Sanntfluctt. 

18.  Berscbgadt              J 

19.  Anndtorff. 

^^^^H              26 — 28.  Pergen    am 

^^^^H 

20.           im  bIössI  bey  Wal.- 

^^^^H              29.           PergeuamSanndt 

lam.»                       ' 
21.          MocbeU.                    , 

^^^^H                                vnd   im   dorf  zu 

^^H 

22     25.  TyffeU. 

^^^^^P             30.           Altennpusch   vnä 

26.           Lyerr  vnd  Furstl»- 

^^^^^                                 Styenpergcn.'' 

27.           Hen-nt^iU'»    vnd 

^^^B         V.      1  (Freitag)  —5.  Tool  im 

Wosterllo." 

^^^H 

28.           Arsehgadt    vnd 
Binckhaim.'* 

^^^1                6.           ThoU  im  Seelnndt 

^^^^H                                         Marttes- 

29.           Thynnai^vndTyr- 

^^P 

man."' 

^^H                       1.  Ostmalle  bw.  von  Tnrnhout 

S.  Offenbar  da»  früher  genannte 

^^m             Zwyndrocht.        3.  VVoiiw  nö.  von  I 

Jergen  op  Zoom.       4.  Steenbergen 

^^m              B.  von  Bergen  op  Zoom.        5.  Tholc 

•n  nw.  von  Bergen  op  Zoom  auf  der 

^H              Scheldeinscl  Tholon.       6.  St.  Maart 

cnsdyk  w.  von  Tholen.       7.  Bozen- 

^^H              daal  nö.  von  Bergen  op  Zoom.       8, 1.( 

jwcren  in  Nordbrabant.      9,  Ooster- 

^^H              hout  n.  von  Breda.        10.  LoonopZ 

nnd  n.  von  Tilburg.       11.  Waolhero    ' 

^^H              n.  von  Mecheln  und  rw.  von  Düffel. 

18.  Uerc'uthals  s.  von  Tnrnhout. 

^^H              18.  Wosterloo  so.  von  Hcrenthols. 

14.  Binkom  ö.  von  Löwen  nnd 

^^H             iiw.  vonTirlemont.       15.  Tienen(T 

rlemont)  so.  von  Löwen.       16.  Dor- 

^^^^^       macl  auf  der  Strojso  von  Tirlemont  a 

aoh  St.  Trond,  w.  von  dem  lotzMron.    ■ 

i 

315 


VI. 


30. 

sannt  Troyen  vnd 

Gottcrshaim.* 

31. 

Mastricht. 

l(Mot 

itag).  Mastricht  vnd 

Gulpa.» 

m2. 

Ach  ^  und  in  uinem 

f 

slossn. 

3. 

Theyren.* 

4. 

Lechnich.* 

5—6. 

Chölln. 

7. 

Pundt.« 

8. 

Anndernach.' 

9—11. 

Lannstain.* 

12. 

Lannstain ,     Nas- 

stetten"  vnd  laim- 

B 

gen     Schwab- 

P 

lach.'» 

13. 

Wyspaden  vnd  in 

aincm  stadl   ge- 

nannt HöcliBt." 

14—20. 

Frannckhibrdt. 

21. 

Francklifordtvtid 

Seilingstatt.'* 

22. 

Asehoffcnnburg 

1517 


VI.  23. 


24. 


25. 


vnd     Ober- 

inarckht." 
Myltennberg  vnd 

zu  Khulsam."* 
Bischoffshaim  '* 

vnd     Merget- 

haim.'*' 
Weyckhershaim  '^ 

vnd  Schwartzen- 

prunn.'* 
26 — 28.  Rottennburg    an 

der   Thauber." 

29.  Rotteniiburg    an 

derThaubervnd 
Waldhawscn.**' 

30.  Tunckhels- 

puchel*'  vnd 
Frembdingen.** 
VII.      I  (Mittwoch).  Nördlingen 
vnd     Mager- 
pam.*^ 

2.  Werdt. 

3.  Werdt  vnd  Wert- 

ungen. 


t     Köln. 


1.  Cortesscm  nw.  von  St.  Trond  und  s.  von  Haaselt.       2.  Gulpcn 

0.  Ton  Maastricht.     Maximilian  verlüsst  die  Niederlande  und  botritt 

(len  Reichsboden.       3.  Aachen.        4.  Duron.        5.  Lechenich  sw.  von 

Köln.       0,  Bonn  s.  von  Köln.        7.  Andt-rnoch  am  Rhein  nw.  von  Cob- 

8.  Lahnstein  in  der  Nähe  von  Coblenz.        9.  Nastiitlen  s.  von 

10.  Langenschwalbach  bei  Wiesbaden.       H.  Höchst  w.  von 

Fitnkfnrt  a.  M.       12.  Seligenstadt  ö.  von  Frankfurt  a.  M.       13,  Obern- 

Sf  a.  Rh- n.  von  Miltenberg.      14.  Külsheim.     15.  Tiinberbinehofsheim 

von  Würzburg.      16.  Mcrgontheim  s.  vom  vorigen,      17.  Wciekors- 

tan  nahe  bei  Morgcnthcim.       18.  Schwarzbronn  nw.  von  Rothonburg 

li.  Timber.        19.  Rothenburg  a.  d.  Tauber    so.  von  Morgenthoim. 

Waldhauseu  nw.  von  Fcuchtwang.        21.  üinkclsbühl  sw.  von  Ans- 

ih.      "iZ.  Frumdingen  s.  von  Üinkclsbühl.        33.  Magerbein  (über- 

id  Unter-)  an  der  Strasse  zwischen  Deggingen  und  Bissingen,  s.  von 

AönlUngen  and  nw.  von  Donauwörth. 


316 


1617 

1617 

vn.  4. 

KjUenntall  bey 
WeatendorflF.' 

vin.  17. 

A jchach  '    vnA 
Gerspach.' 

6—9. 

Augspurg. 

18. 

Phaffennhofen  ^ 

10. 

Augspurg     vnd 
Lechausen.* 

vnd     Eunigs- 
feldt.8 

11. 

Augspurg. 

19. 

Gteysennfeldt* 

12. 

Augspurg    vnd 
Gockhingen. 

vnd     Meni- 
ching.** 

13. 

Bobingen  vnd 

20—22. 

Ynnglstadt." 

wider  zu  Augs- 

23. 

Khelhaim." 

purg. 

24. 

Regennspurg.  ** 

14—23 

Augspurg. 

25. 

Strawbing.** 

24. 

Augspurg,  sannt 
Eadigundt ' 

26. 

Passaw     vnd 
Ennglhartzell.»' 

vnd    Wellenn- 

27. 

Lynntz. 

berg. 

28. 

Lynntz     vnd 

25. 

Augspurg. 

Ebersperg. 

26. 

Augspurg     vnd 
Dyenndorff.* 

29. 

Lynntz  vndNe^^' 
sachsennburg. 

27- 

-31 

Augspurg. 

30- 

-31 

Newsachsenn- 

VIII.     1  ( 

^Samstag)  —  5.  Augs- 

burg. 

purg. 

IX.     1 

(Di 

enstag).     New- 

6- 

-7. 

Bobingen    vnd 
Gockhingen. 

saxennburg 
vnd  Ebersperg. 

8- 

-15 

Augspurg. 

2. 

Enns. 

16. 

Augspurg     vnd 
Frydtperg. 

3. 

Greynn"   vnd 
Persennpeug. 

1.  Eüllenthal  bei  Westendorf  n.  von  Biberaoh  zwischen  Mertingen 
und  Angsburg.  2.  Lecbhausen  n.  hart  an  Augsburg.  8.  and  4.  bei 
Augsburg.  5.  Aichach  nö.  von  Augsburg.  6.  Gerolsbach  ö.  von 
Aichach  nahe  bei  Pfaffenhofen.  7.  Pfaffenhofen  nw.  von  Freising 
a.  d.  Isar.  8.  Königsfeld  bei  Wollnzach  n.  von  Pfaffenhofen.  9.  GM- 
senfeld  bei  Eeichertshofen  n.  von  Eönigsfeld.  10.  Manching  a.  d.  Paar 
nw.  von  Geisenfold  and  n.  von  Keichort-shofen.  11.  Ingolstadt  a.  D. 
sw.  von  Regensbnrg.  12.  Kelheim  a.  D.  zwischen  Ingolstadt  und 
Begensburg.  13.  Hegensburg  a.  D.  14.  Straubing  so.  von  Begensbni^. 
15.  Engelbartszell  a.  D.  ö.  von  Passau.  Maximilian  verlässt  das  Reich  und 
betritt  die  österreichischen  Erblande.       16.  Orein  a.  D.  ö.  von  Enna. 


317 


1517 

151^ 

ß.    4-6. 

Persennpeug. 

XI. 

5- 

-7. 

Wienn. 

6. 

Persennpeug  vnd 
Krenibs. 

8. 

Wienn  vnd  Lach 
im  dorff.' 

7—9. 

Krembs. 

9- 

-10. 

Paden. 

10. 

Wienn. 

11. 

Enntzisfeldt. 

11. 

Hackhingen. 

12- 

-20. 

zu  derNewenstatt 

12. 

Lachsennburg 

21. 

Paden. 

vnd    Hymberg.' 

22. 

Medling     vnd 

13. 

Lachsennburg. 

Heyllingstatt.* 

14. 

Enntzisfeldt.» 

23. 

Closteniewbiirg. 

15—21. 

zu  der  Newenstat. 

24- 

-25. 

Tullnn. 

22—23. 

Laxennburg. 

26. 

Tuiln   vnd  lann- 

24—30. 

zuPadenimpadt.' 

gen    Mamers- 

X.     1  (Donnerstag)  —  11.  Pa- 

torff.» 

den. 

27. 

sannt  Polten.** 

12. 

Enntzisfeldt. 

28- 

-29. 

Melckh." 

13—17. 

zu  der  Newenstat. 

30. 

Zum    Newen- 

1&— 20. 

Paden. 

marckhtea  " 

21. 

Paden  vnd  Qunt- 

vnd  Ypps. 

tersdorff.* 

XII. 

1 

(Dienstag).    Perseno- 

22. 

Laxennburg. 

peug. 

23—29. 

Wienn. 

2. 

Persennpeug  vnd 

.     30. 

Wienn    vnd    Clo- 

im  Struden." 

1 

sternwburg.* 

3. 

Pawmgartten- 

31. 

Wienn. 

perg  im  closter. 

XI.      1  (Sonntag)  —  2.  Wienn. 

4. 

Ejins,  sannt  Flo- 

3—4. 

Wienn  vnd  Ebers- 
dorff." 

rian  vnd  Ebers- 
perg. 

1.  Himberg  8.  von  Wien  nnd  nö.  von  Laxenbnrg.  2.  Enzes- 
feld  bei  Lcobcrsdorf  n.  von  Wioner-Nou.stadt.  3.  Baden  s.  von  Wien 
und  sw.  von  Laxenbnrg.  4.  Onnlrarocdort'  nahe  bei  Laxcnburg. 
5.  Klostcmeubarg  a.  1).  nw.  von  Wien.  6.  Kaiser- Fibersdorf  bei  Wien. 
7.  Entweder  Loab  bei  Bri'itcnfurlb  aw.  von  Witn  oder  Ober-  und  Untcr- 
Laa  am  Liesingbach  s.  von  Wien.  8,  Heiilgenstadt,  Vorort  n.  von 
Wien.  9.  Manuersdorf  an  der  Strasse  von  TuUu  nach  S(.  Polten,  nö. 
von  letzterer  Stadt.  10,  St.  Polten  w.  von  Wien,  11.  Molk  a,  D.  w. 
von  St.  Polten.  12.  N^eumorkt,  hart  an  Blindenmarkt  ö.  von  Amstetten. 
13.  Stniden  a,  ü,  bei  ürein. 


818 


1617 

1518 

xn. 

5—9. 

Lynntz. 

vnd  Menixter 

10. 

Lynntz    vnd 

fingen.* 

Ebersperg. 

I.  14. 

Mattigkhofen 

11. 

Enns  vnd  Nea- 

Mawerkirchei 

saxennbarg. 

15—19. 

Brawnaw. 

12. 

WeUa. 

20. 

Burckhawsen. 

13. 

Wells  vndMarch- 
trennckh. 

21. 

Burckhawsm 
Ottingen. 

14-31 

.  Lynntz. 

22. 

Muldorff,« 

1518 

Schwindtkird 

I. 

1  (Freitag)  —  3.  Lynntz. 

23. 

Dorffen'  vnd 

4. 

Lynntz  vnd  New- 

dingen.' 

saxennburg. 

24. 

iVeyning'    vn 

5—7. 

Wells. 

Camerbei^.* 

8. 

Wells  vndMarch- 
trennckh. 

25. 

Ynnderstorff* 
Maltzhawsen. 

9. 

Wells. 

26—31 

Augspurg. 

10. 

Lambach   vnd 

n.     1  (Montag)  —  25.    A 

Puecbhaim. 

purg. 

11. 

Veckhlaprnckh. 

26. 

Aogspiu^    vn< 

12. 

Veckhlapruckh 

GhMjkhingen. 

vnd    Frann- 

27. 

Bobingen    vnd 

ckhenmarckht. 

Mennchingen. 

13. 

Straswalchen 

28. 

WaU»»vnndZ« 

1.  Hnnderfing  g.  von  Mattighofen.  2.  Mauerkirchen  n. 
Mattighofen.  Maximilian  verlässt  die  österreichischen  Erblande 
botritt  boi  Bratinaa  den  Beichsboden.  3.  Mühldorf  w.  von  1 
Oettingcn.  4.  Schwindkircb  ö.  von  Dorfen.  5.  Dorfon  s.  von  La 
hut  -und  w.  von  Mühldorf.  6.  Erding  so.  von  Freising.  7.  Frei 
a.  d.  laar  n.  von  München.  8.  Eammerberg  nö.  von  Freising.  9.  Im 
dorf  nnd  Kloster  Indersdorf  n.  von  Dachau  nnd  w.  von  Eammerl 
10.  Malzhansen,  Hof  ö.  von  Friedberg  bei  Augsburg.  11.  Siehe  II 
26./IV.       12.  Siehe  1510,  lO./VI. 


Archiv 


fllr 


österreichische  Geschichte. 


Herausgegeben 

ni  Pfl^e  raterländischer  Geschichte  aufgestellten  Cominission 

der 

kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Siebenundachtzigster  Band. 

Zweite  Hälfte. 


Wien,  1899. 


In   Commisnion    bei    Carl   Gcrold'a    Sohn 

BochUsdlcr  dar  kaU.  Akadanf«  dar  WimaaMhaRaB. 


Archiv 


für 


Österreichische  Geschichte. 

Herausgegeben 

Ton  der 

zur  Pflege  vaterländischer  Geschichte  aufgestellten  Conunission 

der 

kaiserllchoii  Akademie  der  Wlstteiischafteii. 


Siebenundachtzigster  Band. 


Wien,  1899. 


In  Commission  bei  Carl  Gerold's  Sohn 

Boclihtiidlvr  d«r  luii.  Akftdemi«  d«r  WiuMitebftflm. 


Druck  ron  Adolf  RolihBOMO, 
k.  «ad  k.  Hof-  and  UiilT«niat**B«ehdrac|wr  in  Wl«o. 


Inhalt  des  slebennndaehtzigsten  Bandes. 


Seite 
*^«  Kirnten-Krainer  Frage  und  die  Territorialpolitik  der  ersten  Habs- 
baiger in  Oesteireich.   Von  Dr.  Alfons  Dopsch 1 

^>e  Organisatiun  des  evangelischen  Kirchenwesens  im  Erzherzogthnm 
Oesteireich  n.  d.  Ems  Ton  der  Ertbeilung  der  Keligions-Conceasion 
bis  zu  Kaiser  Maximilians  IL  Tode  (1668—1676).  Von  Dr.  Victor 
Bibl 113 

»inerarinm  Haximiliani  I.  1608 — 1618.  Mit  einleitenden  Bemerkungen 
über  das  Kanzlei wesen  Maximilians  I.  Heraasgegeben  von  Victor 
V.  Krau» 229 

Der  bairisch-franzOsische  Einfall  in  Ober-  and  Nieder-Oesterreich  (1741) 
und  die  Stände  der  Erzherzogthttmer.  I.  Theil :  Karl  Albrecbt  und 
die  Franzosen  in  Ober-Oesteneich.    Von  Dr.  J.  Schwerdfeger         319 

Beiträge  zur  Geschichte  der  kaiserlichen  HofSmter.    Von  Ferd.  Mendfk    447 

Ein  VorlSofer   des   ältesten  Urbars   von   Kremsmttnster.    Von  Konrad 

Schiffmann     ....  665 


DER 

BAIRISCfl-FRANZÖSISCHE  EINFALL 

IN 

5ER-  UND  NIEDER-ÖSTERREICH 

(1741) 
UND  DIE  STÄNDE  DER  ERZHERZOGTHÜMER. 

I.  THEIL: 

iRL  ALBRECHT  UND  DIE  FRANZOSEN  IN  OBER-ÖSTERREICE 

TON 

D«  J.  SCHWERDFEGER. 


AicUt.  UUXTII.  Bd.  II.  Hiina  21 


Vorwort. 


Uer   erste   Theil   nachstehender   Arbeit    stützt    sich    der 

Hanptsftche    nach    auf  jene   Actenstticke    des   k.  u.  k.   Haiis-, 

,  Hof-  und   Staatsarchivs   in  Wien,  die   unter   der   Bezeichnung 

'»Am  der  Kanzlei  der  Verordneten  des  Erzherzogthums 

*^>esterreich   ob   der    Enns'   die   Fascikel  342  und  343   der 

Kriegsacten  desselben  bilden.   Sie  enthalten  in  fast  lückenloser 

Reihenfolge   die    Eingaben    der   Landschaft   an   die    Regierung 

*eit  dem  Frühjahre  1741,  die  Originalrescripte  Maria  Theresias 

*n  die  Verordneten,  die  Kundgebungen  dos  KurfUrsten  Karl  Al- 

urecht  an   die  oberösterreicbischen  Stände,    endlich  eine   Fülle 

'^on  Stücken,   die  sich  auf  die  Huldigung  am  2.  October  1741 

'•nd  die  bairische  Administi'ation  bis  Deccmber  1741  beziehen. 

Wie  jener  Theil  der  oberösterrcichischen  Verordneten- 
»anzlei  nach  Wien  kam,  erhellt  aus  einer  Stelle  des  Schreibens 
Maria  Theresias  an  den  Grafen  Khcvenhiller,  den  Wieder- 
eroberer Ober-Oesterreichs,  vom  21.  Jänner  1742  (bei  Arneth, 
Maria  Theresia  11,  462,  Anm.  28):  , Weiters  hast  Du  allen  Fleiss 
•orgftiltig  anzuwenden,  damit  Du  alle  die  dem  Feind  ohnver- 
»ntwortlich  geleiste  Huldigung  betreffende  Acten  und  Schriften 
*'i  Deinen  Händen  bringest.' 

E^  lag  darum  die  Vermuthung  nahe,  dass  im  Linzer 
I^iidesarchiv  nichts  Erhebliches  in  Bezug  auf  das  Jahr  1741 
vorliege,  eine  Vermuthung,  die  durch  freundliche  Zuschrift  des 
"«rrn  Landesarchivars  Dr.  Krakowizor  bestätigt  wurde. 

Da  auch  die  sogenannte  Peter'sche  Sammlung  des  k.  u.  k. 
■"*U8-,  Hof-  und  Staatsarchivs  durch  die  Abtheilung  ,Aus  dem 
{Archive  der  Stadt  Enns  1716—1742'  werthvolle  Ergänzungen 
8«b,  ebenso  das  niederösterreicliische  Landesarehiv,  so  glaubt 
.^cr  Verfasser,  eine  im  Allgemeinen  actcnmässig  sicherstehende, 


322 

wenn  auch  keineswegs  alle  Details  erschöpfende  Dantellong- 
der  Ereignisse  von  1741,  soweit  die  oberOsterreichischen  Stände^ 
dabei  betheiligt  waren,  geben  zu  kOnnen.  Es  ergibt  sich  au»- 
derselben  allerdings  die  Irrigkeit  der  Ansicht,  die  St&nde  hätten, 
dem  KurfUrsten  die  Huldigung  angetragen,  und  manches  Crasse^ 
das  Über  dieses  Geschehniss  verbreitet  ist,  erscheint  im  milderen 
Lichte;  dennoch  aber  zeigt  sich  bei  dieser  Gelegenheit  dio 
ganze  Trostlosigkeit  auch  der  inneren  Verhältnisse  beim  Regie- 
rungsantritte Maria  Theresias  in  greller  Färbung.  Um  so  grOsser 
muss  die  Bewunderung  vor  der  hohen  Frau  sein,  die  aus 
diesen  Zuständen  heraus  ihren  achtunggebietenden  Staat  scha£ 

Das  Thema  im  Allgemeinen,  den  Zug  Eari  Albrechts  bii 
in  die  Nähe  Wiens  in  seiner  Einwirkung  auf  die  zonftdut 
betroffenen  Länder  Ober-  und  Nieder^Oesterreich  zu  behandeln, 
war  für  den  Verfasser  als  gebornen  Nieder-Oesterreicher  von 
hohem  Reiz. 

Für  die  ihm  bei  dieser  seiner  Arbeit  in  reichem  Haan 
zu  Theil  gewordene  Förderung  bittet  er  die  Direction  des 
k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchivs  seinen  ergebensten 
Dank  entgegenzunehmen,  wie  es  ihm  auch  eine  angenehme 
Pflicht  ist,  der  Herren  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchivare  Johann 
Paukert  und  Franz  Baron  Nadhemj,  der  Herren  Archive- 
concipisten  Dr.  Joh.  v.  Voltelini  und  Dr.  Tankred  Stokka,  so- 
wie der  Herren:  Landesarchivar  Dr.  Anton  Mayer,  Custos  Dr. 
M.  Vancsa  und  Universitätsdocent  Dr.  Heinrich  Kretschmajr 
mit  geziemendem  Danke  zu  gedenken. 

Troppau,  6.  Jänner  1899. 

Dr.  J.  Schwerdfl^. 


In  der  Nacht  vom  19.  auf  den  20.  October  1740  verschied 
in  seinem  Schlosse  Favorita,  dem  lieutigcn  Theresianum  in  Wien, 
Kaiser  Karl  VI.  ohne  männliche  Nachkommen,  und  gemäss  der 
wn  ihm  zu  einem  Gesetze  von  europaischer  Giltigkeit  erhobenen 
tagmatischen  Sanction  folgte  seine  älteste  Tochter  Maria 
Iheresia. 

Kurze  Zeit  nachher  erschien  jedoch  sowohl  bei  den  Con- 
hrenzministern  als  bei  den  fremden  Botschaftern  der  bairische 
gesandte  Graf  Perousa,  um  im  Namen  seines  Herrn,  des  Kur- 
Irsten  Karl  Albrecht,  zu  erklären,  der  Münchner  Hof  verweigere 
|e  Anerkennung  Maria  Theresias  als  Gesammterbin  der  öster- 
eichischen  Länder.  Zugleich  verlangte  er  Einblick  in  das  Te- 
Iftment  Ferdinands  I.  vom  1.  Juni  1543  und  das  Codicill  zu 
temselben  vom  4.  Febniar  1547.  Nach  seiner  Behauptung  habe 
uimlich  Ferdinand  I.  in  Testament  und  Codicill  verfügt,  dass 
fkch  dem  Aussterben  der  männlichen  Linie  des  Hauses  Oester- 
eich  das  Recht  der  Erbfolge  übergehen  sollte  auf  seine  Töchter, 
ind  zwar  zuerst  auf  die  mit  dem  bairischen  Herzog  Albrecht  V. 
rermählte  älteste  Tochter  Anna.  Der  Fall  sei  eingetreten,  und 
lamm  erhebe  Karl  Albrecht  als  Nachkomme  Annas  und  AI- 
Vecbts  V.  seine  Erbansprücho. 

War  es  schon  dem  natürlichen  Rechtsgefllhl  keineswegs 
inileuchtend,  dass  die  Tochter  des  letzten  Besitzers  zurücktreten 
lolle  gegenüber  der  Desccndenz  einer  vor  zwei  Jahrhunderten 
in  einen  auswärtigen  Fürsten  verheirateten  Tochter  eines  frü- 
leren  Besitzers,  so  zeigte  vollends  die  Prüfiang  des  Original- 
estaments  die  Hinftlligkeit  der  bairischen  Ansprüche.  Am  3. 
ind  4.  November  1740  legte  der  oberste  Hofkanzler  Graf 
^nzendorff  das  in  drei  gleichlautenden  Exemplaren  ausgefer- 
igte  Originale  den  Vertretern  der  fremden  Mächte  und  speciell 
lern  Grafen  Perousa  vor,  ein  Schritt,  der  schon  bei  Lebzeiten 


324 

Karls  VI.  gegenüber  den  Ansprüchen  des  Kurftlrsten  hfttte 
geschehen  sollen.  Im  Testament,  respective  im  Codicill  hiess  es 
nämlich  blos,  dass  nach  dem  Aussterben  der  ehelichen  Nach- 
kommen Ferdinands  die  älteste  Tochter  desselben,  jene  an  den 
bairischen  Herzog  Albrecht  V.  verheiratete  Anna  folgen  sollte. 
Dieser  Fall  war  aber  gar  nicht  eingetreten,  vielmehr  blühte 
Ferdinands  I.  und  seiner  Söhne  eheliche  Descendenz  vor  Alleoi 
in  der  Tochter  Karls  VI.,  Maria  Theresia,  die  noch  dazu  darch 
die  allseits  (auch  von  Baiern)  anerkannte  pragmatische  Sanction 
zur  Thronfolge  berufen  war.  Es  wurde  dem  bairischen  Ge- 
sandton gestattet,  das  Testament  durch  bairiscbe  Beamte  auf 
das  Genaueste  copiren  zu  lassen  und  die  Copien  mit  dem  Ori- 
ginale zu  vergleichen  (vom  8. — 14.  November)  —  nirgends  fand 
sich  die  Spur  eines  Widerspruches  oder  einer  Fälschung.  Am 
17.  November  erschien  Perousa  selbst  noch  einmal  im  Biblio- 
thekszimmer SinzendorflTs,  wo  die  Pergamente  lagen,  und  unter- 
suchte sie  nochmals  in  Gegenwart  des  kaiserlichen  Käthes 
Schneller,  jbesahe  die  Schrift  a  facie  et  a  tergo,  nahm  sie  ger«d 
und  Uberzwcrk,  ander  sich  und  über  sich,  hielte  das  Blatt, 
wo  Eheliche  Leibeserben  befindlich,  gegen  das  Taglicht,  auf 
das  allergenauest,  zweifelsohne  umb  nur  mit  aller  augensch&rffc 
zu  ergründen,  ob  ja  nicht  etwas  irgendwo  radiert  sein  möchte' 
—  umsonst,  unverrüikbar  fest  standen  die  Worte  Ferdinands 
im  Codicill,  die  da  lauten:  ,Und  nachdem  wir  in  vilbenanntem 
unserm  Testament  gesetzt  und  geordnet  haben,  Wo  alle  unsere 
geliebte  Soue  one  Eeliche  leibs  Erben  (das  Gott  gnedighch 
verhuetten  welle)  abgiengen.  Das  alsdann  aus  unsern  Töchtern 
aine  unsere  Kunigreich  Hungern  und  Behaim  mit  sampt  dc^ 
selbigen  anhengigen  Landen  als  Rechte  Erbin  innhaben  und 
besitzen  soll'  etc. '  Zwei  Tage  später  verliess  Graf  Perousa 
Wien,  trotz  seiner  entschiedenen  diplomatischen  Niederlage  im 
Auftrage  seines  Hofes  den  eingangs  erwähnten  Protest  er- 
neuernd. 

Es  begann  nun  vorerst  ein  Federkrieg  zwischen  MUnchou 
and  Wien.  Die  bairischen  Juristen  stellten  die  gewagte  Behaup- 


'  Hierüber  Heigel,  Der  nsterreichische  Erbfolgestreit  und  die  KAiMm8.hl 
Karls  Vn.,  NOrdlingou  1877,  S.  28—32  und  322,  Anm.  69;  Ameth,  Mwi» 
Thereeia  I,  8.  96  und  97.  —  Heigel  hat  zuerst  wieder  nach  130  Jahren 
diese  im  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv  befindlichen  Urkunden 
tintersucht  und  ihre  völlige  Echtheit  und  Unvonebrtheit  bestiltigt. 


326 


tnng  auf,  anter  eheliche  Nachkoniinen  habe  Ferdinand  nur  die 
männlichen  verstanden  wissen  wollen,  gaben  aber  bald  ihre 
unhaltbare  Position  fast  ganz  auf  und  beriefen  sich  zur  Ver- 
tfaeidigung  der  angeblichen  Rechte  ihres  Kurfürsten  auf  die 
Ehepacten  Albrechts  V.  und  Annas.  Der  mit  Recht  erbitterte 
Wiener  Hof  warf  wieder  dem  Kurfürsten  vor,  er  habe  sich 
durch  eine  gefälschte  Testamentsabschrift  —  man  nannte  sogar 
den  Namen  des  Fälschers  —  hinters  Licht  fUhren  lassen. 
Auch  wies  man  treffend  auf  das  älteste  österreichische  Grund- 
gesetz, das  Privilegium  Kaiser  Friedrichs  I.  von  1156  hin,  in 
dem  Überhaupt  nur  von  einem  Erbrecht  der  ältesten  Tochter 
(filia  maior)  des  letzten  Besitzers,  nicht  von  dem  der  Tochter 
eines  früheren  Besitzers  oder  Acquirenten  die  Rede  war.* 

Auffallen  muss  es  nun,  dass  trotz  dieser  gleich  beim  Ab- 
leben Karls  VI.  hervortretenden  offen  feindseligen  Gesinnung 
des  bairischen  Kurfürsten  und  seiner  Drohungen,  zu  den  Waffen 
EU  greifen,  österreichischerseits  nichts  geschah,  um  das  im  Falle 
einer  kriegerischen  Action  zunächst  geftlhrdete  Ober-Oesterreich 
KU  schützen,  dass  erst  im  März  1741  Schritte  in  dieser  Hin- 
sicht gethan  wurden,  und  zwar  auch  nicht  umfassend  und 
energisch.  Der  Grund  hiezu  ist  in  dem  Umstände  zu  suchen, 
dass  der  Prätendent  trotz  des  publicistischen  Lärms,  den  seine 
Ansprüche  hervorriefen,  seiner  thatsächlichen  Machtstellung 
nach  nicht  sonderlich  gcfUhrlich  war,  solange  ihn  nicht  eine 
europäische  Grossmacht  stützte.* 

Wenn  sich  auch  die  kaiserliche  Armee  beim  Tode  Karls  VI. 
in  einem  recht  betrübenden  Zustande  befand,  so  wäre  sie  doch 
noch  immer  trotz  des  preussischen  Einfalls  in  Schlesien  der 
Macht  Karl  Albrechts  an  und  fiir  sich  gewachsen  gewesen. 
12.600  Mann  Infanterie  und  3500  Reiter,  das  war  das  ganze 
reguläre  Militär  des  KurfUrsten.  Und  selbst  diese  kleine  Macht 
konnte  nur  mit  schier  unerschwinglichen  Opfern  seitens  der 
Landschaft  auf  die  Beine  gebracht  werden.  Damit  konnte  Karl 


>  Die  Druckschrifton  die«ea  Federkrieges  füllen  den  Faso.  381  der  Kriegs- 
•cten  de«  k.  u.  k.  Haiu-,  Hof-  und  Stsatuirchivs. 

*  leb  kann  mich  hierin  nicht  der  Ansicht  Heigel's  Q.  c,  8.  7)  aiuchlieraen, 
welcher  sagt  (von  den  Franiosen,  dem  sp&teren  Bundesgenossen  Karl 
Albrechts  wird  an  dieser  Stelle  nocb  abgesehen):  .Alles  in  Allem  schien 
die    Wage    xwischen    Habsburg    ood    Witteisbach    liemlicb    gleich    in 


Albrecht  weder  seine  Ansprttche  auf  Oesterreich,  noch  soine 
Plftnc  auf  Erwerbung  der  Krone  Karls  des  Grossen  durchsetzen. 
Auch  die  —  weitaus  nicht  erreichte  —  Vollstärke  des  bairi- 
schen  Heeres  betrag  nur  21.000  Mann  regulärer  Miliz  und 
9000  Mann  .Landfahn*.  Unter  den  6000  Mann  .Landfahn',  die 
thatsHchlich  aufgeboten  werden  konnten,  waren  wieder  nur  die 
des  Gebirges  und  des  Bairischen  Waldes  , durch  Patriotismus 
und  Rauflust  ausgezeichnet'.'  Verlangte  doch  der  Kurfürst  selbst 
am  23.  November  1740  von  Frankreich  eine  Million  Gulden, 
um  seine  Armee,  wenigstens  auf  17.000  Mann  bringen  zu  können, 
während  ihm  der  leitende  französische  Staatsmann  Cardinal 
Fleury  ,vorlftufig'  nur  400.000  fl.  bewilligte.» 

Die  bairische  Infanterie  war  ,niittelmäa8ig  geUbt,  schlecht 
gekleidet  und  ausgerüstet',  die  besten  Truppen  waren  im  un- 
glücklichen Türkenkrieg  1738/39  zu  Grunde  gerichtet  worden, 
,die  Cohäsion  war  gering,  die  Disciplin  mangelhaft'.'  —  Nicht 
besser  stand  es  mit  der  Führung.  Zwar  zählte  die  kleine  Armee 
nicht  weniger  als  einen  Feldmarschall  (Törring),  5  General- 
heutenants,  3  Generahvachtmeister  2  Brigadiers  der  C'avallerie, 
4  der  Infanterie,*  aber  das  Urtheil  über  diese  zahlreiche  Gene- 
ralitilt  klingt  vernichtend,  nämlich:  ,So  schleppte  man  in  den 
Reihen  des  höheren  P^Uhrerpersonals  einen  Wust  von  Italienern 
und  Franzosen,  ab  und  zu  mit  nicht  bairischon  Deutschen,  aber 
verhältnissmässig  wenig  mit  Baiem  gemischt  nach  sich,  die- 
meisten  Zierden  des  Hofes,  aber  nicht  der  Armee.'* 

Auch  die  Person  des  Prätendenten  war  nicht  darnach 
angethan.  das  Missverhältniss  zwischen  dem  Wagniss  und  den 
Mitteln,  mit  denen  es  unternommen  wurde,  wettzumachen. 
Zwar  hat  Ileigel  überzeugend  nachgewiesen,  dass  der  Charakter 
Karl  Albrechts  keineswegs  jenem  Zerrbilde  entspricht,  das 
Schlosser  von  ihm  entworfen  hat.  Wenn  auch  —  wie  im  Fol-  • 
gendeu  sich  ergeben  wird  —  häutig  durch  die  steife  Grandezza 


Ueber   die    StreitkrSfte   Karl  Albrechts  vgl.  den  trefflichen  Aufiwts  dea* 
Qntfen  Ermimus  Oeroy,  k.  bair.  li^or  k  la  snite:  .Beitrüge  xar  Geschiebte 
des  Osterrpichisclien  Erbfolgekrieges'  in  den   VerbAndlungen   dos  histori- 
schen Vereines  für  Niederbaiem  XX,  1878;  Obiges,  8.  418. 
Heigel,  1.  c.  74. 
Deroy,  L  c.  417. 
Heigel,  l  o.  166. 
Deroy,  I.  o,  419. 


A 


327 


die  im  Geschmacke  der  Zeit  war,  bei  Karl  Albrecht  Leiit- 
■eligkeit  und  Humanität  durchschimmerten,  den  Vergleich  hKlt 
er  weder  mit  seiner  grossen  Gegnerin  Maria  Theresia,  noch  mit 
seinem  Bundesgenossen  Friedrich  II.  von  Preussen  aus.  Nament- 
lich zum  Eroberer  fehlten  ihm  alle  jene  Eigenschaften,  die 
guten  wie  die  schlimmen,  über  die  sein  glücklicherer  AUiirter, 
der  preussische  Künig,  in  so  reichem  Masse  verfügte.  Das  Feld- 
hermtalent Max  Emanuels  war  nicht  auf  den  Sohn  überge- 
gangen, wenn  es  auch  Karl  Albrecht  an  persönlicher  Bravour 
nicht  fehlte,  wohl  aber  dessen  Vorliebe  f\lr  prächtigen  Hoflialt 
und  die  unselige,  von  den  Traditionen  des  Ahnherrn  Maximilian 
so  ganz  verschiedene  Hinneigung  zu  Frankreich,  die  schon  den 
Vater  im  spanischen  Erbfolgekriege  am  Land  und  Leute  ge- 
bracht hatte. 

War  es  bei  der  gewaltigen  Gegnerin  Karl  Albrechts, 
Maria  Theresia,  die  durch  nichts  zu  erschütternde  Festigkeit 
in  der  Vertheidigiing  ihres  guten  Rechtes,  die  sie  aus  einem 
erbitterten,  achtjährigen  Kriege  als  eigentliche  Siegerin  hervor- 
gehen liess,  so  war  es  bei  dem  Kurfürsten  ein  ebenso  durch 
nichts  zu  erschütternder  Wahn  von  der  Rechtmässigkeit  seiner 
Ansprüche  auf  Oesterrcich,  der  ihn,  sein  Haus  und  sein  unglück- 
liches Land  in  das  grösste  Elend  bringen  sollte. 

Karl  Albrecht  konnte  erst  von  dem  Augenblicke  an  ein 
l^efiihrlicher  Gegner  werden,  in  dem  sich  das  Haus  Jiourbon 
seiner  bediente.  Von  der  Haltung  Frankreichs  hing  es  daher 
zunächst  ab,  ob  man  sich  eines  Angritfes  auf  Ober-Oesterreich 
oder  Böhmen  werde  versehen  können.  Und  diese  schien  sich 
nach  einigen  Schwankungen  zu  einer  beruhigenden  zu  gestalten. 
Schon  1737  anlässlich  einer  Sendung  Törring's  nach  Versailles 
hatten  es  die  französischen  Diplomaten  für  wenig  logisch  und 
natürlich  gefunden,  dass  die  Tochter  des  letzten  Besitzers  dem 
Nachkommen  einer  Seitenlinie  nachstehen  sollte.*  —  Cardinal 
Fleury  zögerte  freilich  anfangs  recht  bedenklich,  bis  das 
Schreiben  Maria  Theresias,  in  welchem  sie  Ludwig  XV.  den 
Tod  ihres  Vaters  und  ihren  eigenen  Regierungsantritt  anzeigte, 
mit  der  gewünschten  Titulatur  , Königin'  beantwortet  wurde, 
trotz  der  wahrhaft  ungeheuren  Opfer  des  verstorbenen  Kaisers 
and  seines  Schwiegersohnes  Franz  von  Lothringen  im  polnischen 


'  Heigel,  Der  Osterreirhischo  Erbfolgekrieg,  8.  19. 


328 

Erbfolgekriegc  flir  die  Anerkennung  der  pragmatischen  Sanction 
durch  die  französische  wie  spanische  Linie  des  Hauses  Bourbon. 
Als  der  österreichische  Gesandte  in  Paris  Fürst  Liechtenstein 
dem  eben  mit  dem  Minister  Amelot  arbeitenden  Staatsmanne 
das  Schreiben  seiner  Herrin  an  Ludwig  XV.  mit  der  Aufschrift: 
,Serenis8imo  et  Potcntissimo  Regi'  überreichte  mit  der  Bemer- 
kung, der  König  werde  wohl  Maria  Theresia  den  gleichen 
Titel  geben,  sahen  sich  Fleury  und  Amelot  fragend  an,  und 
der  Cardinal  erwiderte  langsam,  es  liege  hier  ein  neuer  Fall 
vor,  er  müsse  erst  in  den  Archiven  nachsehen  lassen.'  ,Ich 
bin,*  meinte  etwas  später  der  alte  Cardinal  klagend  und  ent- 
schuldigend zum  österreichischen  Agenten  Freiherm  v.  Wasner, 
,in  mcdio  pravae  et  perversae  nationis*.'  Endlich  traf  aber  den- 
noch das  vom  20.  Jänner  1741  datirtc  Handsohreiben  Lud- 
wigs XV.  in  Wien  ein.  Schon  die  Aufschrift  ,A  la  Trfes  haute, 
Trfes  excellente,  Tr^s  Puissante  Princesse  Notre  Tris  Chfere  et 
Tris  Aimee  Bonne  Seure  et  Cousine  La  Reine  de  Hongrie  et 
de  Boheme'  bedingt  die  Anerkennung  Maria  Theresias  seitens 
des  französischen  Hofes,  umsomehr,  als  sich  auch  der  Inhalt 
in  den  höflichsten  Worten  bewegt,  wenn  man  denselben  freilich 
etwas  dürftig  nennen  muss.'  Immerhin  konnte  man  also  von 
Frankreich  vorderhand  nichts  Böses  voraussetzen.  War  ja  noch 
im   Mai   und  Juni    des  Jahres  1741    zur  Zeit   des  angeblichen 


•  Heigel,  1.  c  72. 

'  Arneth,  Maria  Theresia  I,  S.  389,  Anm.  26. 

*  DieeeH  nur  bei  Arueth  I,  188,  kurz  berührte  Schreiben,  das  nach  nnaerer 
Ansicht  für  die  Lage  Maria  Theresia«  im  Jahre  1741  buchst  bedeutsam 
ist,  hat  den  Wortlaut :  (Anrede  wie  oben  angeführt)  ,La  lettre  da  21  N»- 
vembre  demi6re  annäe  jiar  laqaelle  Votre  Majestö  Nous  a  notifiö  le 
decis  de  Nutre  trän  Chere  et  trös  Aimt  Fröre  et  Cousin  l'Empereur 
Charles  VI,  Son  Pore,  nons  exprime  anssi  l'itendue  de  l'afflictioD  de 
Votre  Majeste  en  ce  triste  cvänement,  la  considiration  de  sa  juste  doa- 
leur  augmente  les  regrots,  ({uo  Nous  cause  la  perte  d'nn  Prince,  poor 
<iui,  depuis  l'union  Sincdre  qu'il  arait  contractee  avec  Nous,  notre  amitii 
£toit  devenue  aus«!  parfaite,  que  Notre  eetime  la  toujours  il6,  et  les  sen- 
Ümens,  que  Votre  Majwtii  Nous  timoigne,  ne  penvent  qne  fortifier  et 
perpätuer  ceuz  qne  Nous  avons  pour  Elle;  «ur  ce  Nous  prions  Dien  qn'il 
vous  aye,  Tr6s  haute,  TrAs  excellente  et  TrÄs  Pnissaote  Princesse  Notre 
Chire  et  Tr^s  Aimäe  Bonne  senr  et  Cousine  en  sa  Sainte  et  digne 
garde.  Ecrit  k  Versailles  le  20  janv.  1741.  Votre  Bon  FrÄre  et  Cousin 
Loais.'  K.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  Kriegsacten,  1741, 
Fase.  341. 


329 


Nymphenburger  Tractats  ,das  französische  Cabinet  keineswegs 
gesonnen,  sich  zur  Unterstützung  des  Kurftlrsten  in  einen  Krieg 
mit  Oesterreich  einzulassen'.'  Erst  im  Juli  1741  trat  der  Um- 
schwung ein.  Freilich  war  man  in  Wien  auch  weit  entfernt 
davon,  anzunehmen,  dass  man  auf  Frankreichs  Untei-stützung 
bei  den  Angriflen  auf  die  pragmatische  Hanction  rechnen  könne. 
Wenn  —  worauf  Alles  hindeutete  —  Frankreich  blos  ruhig 
zusah,  und  das  hohe  Alter  des  Cardinais  schien  einer  solchen 
Politik  auch  geneigt,  war  Baiern  nicht  gefährlich. 

Ein  anderer  Factor,  mit  dem  Karl  Albrecht  rechnete,  und 
der  ihn  schon  ohne  fremde  Unterstützung  zu  einem  geföhriichen 
Gegner  gemacht  hätte,  wäre  eine  Erhebung  in  den  von  ihm 
prätendirten  Landcstheilen  zu  seinen  Gunsten  gewesen.  Meinte 
er  doch  selbst  mit  einer  merkwürdig  falschen  genealogischen 
Begründung:  ,Die  üesterreicher  würden  sich  gerne  fügen  in 
das  Dominium  ihrer  alten  Herren,  der  vom  Hause  Bayern  ab- 
stammenden alten  Markgrafen  zurückzukehren.'*  —  Allerdings 
war  die  Stimmung,  wie  schon  der  verewigte  Arncth  ausgeführt 
hat,  beim  Regierangsantritte  Maria  Theresias  nicht  überall  eine 
befriedigende.  Sagt  doch  die  Kaiserin  selbst  in  einer  späteren 
Denkschrift,  in  der  sie  die  Schwierigkeiten  auseinandersetzt, 
mit  denen  sie  1740  und  1741  zu  kämpfen  hatte:  .Das  Volk  in 
der  Hauptstadt  Selbsten  so  zaumlos  als  schwierig  und  auf  die 
nemhche  Art  fast  in  denen  Ländern.'*  Doch  handelte  es  sich 
hiebe!  keineswegs  um  irgendwelche  politische  Strömungen  zu 
Gunsten  eines  auswärtigen  Prätendenten,  sondern  um  die  ma- 
terielle Unzufriedenheit  einiger  catiünarischer  Existenzen  aus 
den  niederen  Volksschichten,  was  sich  in  Wien  in  gelegent- 
lichen Straascnaufläufen,  auf  dem  Lande  im  Zusammenrotten 
der  Wilderer  äusserte.  DaftLr  liegen  zwei  merkwürdige  Zeug- 
nisse vor.  Im  September  1741  berichtet  der  ständische  Ober- 
commissär  ftlr  das  Viertel  ober  dem  Manhartaberg  aus  Krems 
an  die  niederösterreichiscben  Verordneten,  dass  in  seinem  Viertel 
, etliche  ganz  verarmte  Untertbanen  sich  häutig  und  ganz  oflfent- 


>  Heikel,  I.e.,  S.  141. 

*  Ebend«,  8,  10. 

*  Anteth,    Zwei    Deiikachriften    der    Kaiüeria    Mnri>  Theresia,   Archiv  filr 
rOsterr.  G«8ch.,   47.  Bd.,   8.  326;  vgl.  auch  Arneth,  Marin  Theresia  I,  89; 

Jnbo,  Steiermark  «rührend  de«  Ootorr.  Erbfglgekrieges,  Jahrusberit-ht  deü 
'  I.  Staatagymnaiiams  in  Grai,  8.  4  ff, 


380 


lieh  vernehmen  lassen,  wofeme  der  Feand  mit  gewalt  seine 
Subsistenz  abzunehmen  den  Anfang  machen  wurde,  sie  dem- 
selben vorzukommen  sich  beeyfferen  werden  und  von  der  Blin- 
derung,  wo  nur  etwas  anzutreffen,  sich  nicht  werden  enthalten 
lassen'.^  Ebenso  verordnet  der  Stadtrath  von  St.  Polten  am 
12.  September  1741:  ,weil  ein  und  anderer  von  Tagwerkern 
sich  verlaut lien  lassen,  wenn  es  über  und  über  gehet,  wollen 
sie  auch  nicht  die  Letzte  sein,  sondern  schon  ehender  dazn- 
Bchauen,  —  es  ist  daher  all'  und  jeden  diesen  unverschambten 
Bösewichtern  zur  Nachricht,  dass  ein  solcher  auf  frischer  That 
bctrettener  Kauber  »llsogleich  eingezogen  und  ohne  einigen 
Process  am  helliechten  Galgen  aufgehängt  werden  solle'.* 

Solchen  anarchischen  liegungen  und  Worten  folgten  jedoch 
keine  Thaten.  Die  junge  Herrscherin  verstand  es  in  kürzester 
Zeit,  die  grosse  Masse  der  bUrgerhchen  und  bäuerhchen  Unter- 
thanen  fllr  sich  zu  gewinnen,  so  dass,  wie  aus  dem  Späteren 
sich  ergeben  wird,  das  bairisch-franziisische  Ueer  bei  der  wirk- 
lich erfolgten  Invasion  seitens  der  Bevölkerung  nicht  die  min- 
deste Förderung  fand.  An  einer  Agitation  flir  die  Ansprüche 
des  Kurfürsten  fehlte  es  allerdings  nicht,  und  zwar  reichte  sie 
bis  nach  Ungarn,  wenn  sie  dort  auch  erst  zur  Zeit  der  Be- 
setzung Ober-Oesteri'eichs  kräftiger  einsetzte.  So  Hegt  ein  Flug- 
blatt vor  ,Epistola  ad  Regni  Proceres*,  dessen  Verfasser  sich 
als  ,nobili8  Hungarus'  darzustellen  sucht.'  Dem  Anonymus  ist 
es  hauptsächlich  darum  zu  thun,  die  Ungarn  vor  einem  Auf- 
treten gegen  die  Streitkräfte  Karl  Albrechts  abzuhalten,  erst 
in  zweiter  Linie  stand  die  Propaganda  für  die  Ansprüche  des 
Kurfürsten.  Er  meint,  die  ,neu  verssmblete  und  ohne  Ordnung 
herumschwärmende  Reyterey'  werde  dem  Feinde  wenig  Furcht 
machen,  dessen  Armee  ,aus  denen  nach  der  genauesten  Kricgs- 
zucht  versambleten  Soldaten'  bestehe.  Die  Ungarn  würden  den 
Giganten  gleichen,  die  in  eitlem  Wagen  den  Himmel  stürmen 
wollten.  Ein  guter  Freund  habe  ihm,  dem  Pamphletisten,  die 
des    Langen    und    Breiten    erörterten   Erbansprüche    des  Kur- 


'  N.-O.  LandesarchiT,  .Land-Defeiuiion  vom  Jahre  174  t',  Faso.  E  80,  6. 

*  Fshmip^uber,  ,St.  Polten',  I88&,  8.  269  ans  den  Ratluprotokollen  von 
8t.  Polten. 

*  ^renici  de  C  .  .  .  nobilia  Ilunpari  Eputola  ad  Regni  Procerea',  lateinisch 
und  in  handuchriftlicher  deutscher  Uebersetcnng,  k.  u,  k.  Hans-,  Hof- 
und  Staatsarchiv,  Kriegsacten  1741,  Fase,  341. 


331 


fbrsten  ausgelegt,  und  sie  erscheinen  ihm  natürlich  dennassen 
einleuchtend,  dass  er  gar  nicht  begreift,  ,wa8  die  durchlauch- 
tigste Ertz-Herzogin  darwider  einwenden  wollte'.  ,0  Himmel, 
wie  glücklich  würde  nicht  Hungam  unter  dem  bairischen  Lewen 
blühen!'  ruft  er  aus.  Es  wäre  billig,  demselben  die  Krone  auf- 
zusetzen schon  im  Hinblick  auf  die  Verdienste  Max  Emanuels 
um  Ungarn  in  den  Türkenkriegen.  Das  Libell  fand  schlagfertige 
Erwiderung  durch  einen  ,StephauuB  Igazhdzi  de  Szabad-Szaba'.' 
Nicht  ohne  Witz  meint  der  Verfasser  dieser  Gegenschrift,  der 
angebliche  ungarische  Edelmann  Irenicus  v.  C.  dürfte  viel- 
mehr ein  jbairischer  Hungar'  sein.  Bescheiden  meint  er:  ,Ich 
gebe  zu,  dass  die  Welt  vor  Ungarn  nicht  erzittern  werde, 
verlange  auch  nicht,  dass  unsere  Feinde  aus  blosser  Furcht 
verschwinden  sollten'  —  aber  man  werde  sehen,  was  50.000  bis 
60.000  Ungarn  statt  der  bisher  (in  Schlesien)  verwendeten  5000 
bis  6000  ausrichten  könnten.  Der  Werth  leichter  ungarischer 
Reiterei  wird  militärisch  richtig  gewürdigt.  ,Hat  euch  der  gute 
Freund  nicht  auch  erinnert,'  heisst  es  weiter,  ,an  den  Land- 
tag 1687,  auf  welchem  überhaupt  erst  ein  Erbrecht  von  den 
Ungarn  anerkannt  wurde,  an  die  Anerkennung  der  pragmati- 
schen Sanction  von  1723?'  Die  Ungarn  seien  überzeugt,  glück- 
licher unter  Maria  Theresias  Regierung  zu  leben  als  unter  dem 
bairischen  Löwen,  ,der  annoch  mit  hungerigem  Rachen  und 
blutigen  Klauen  herumstreiffet,  rugiens,  quaerens,  quem  devoret'. 
Ironisch  wünscht  der  Autor  dem  Kurfürsten  Qlück  zu  der  ihm 
von  Frankreich  und  dessen  ,Stipendiariis'  bestimmten  Kaiser- 
krone; doch  könne  gar  leichtlicb  auf  des  Kaisers  Schwert  ver- 
gessen werden  ,durch  den  süssen  Geruch  der  Lilien  und  wohl 
gar  durch  verrätherische  Krähung  des  Hahnes  die  Kaiserkrone 
auf  des  Löwen  Haupt  erzittern'.  Was  die  Kraft  der  Argumente 
und  des  Stiles  anbelangt,  erweist  sich  ,Stephanus  Igazhäzi  de 
Szabad  Szaba'  seinem  Gegner  bei  Weitem  überlegen. 

Auch  in   den  Alpenländem  erfuhren  die  Versuche,  unter 
dem  Adel  Stimmung  für  Karl  Albrecht  zu  machen,  temperament- 


K.  n.  k.  H«a»-,  Hnf-  und  Staatsarchiv,  Fase  841  (1741).  Antwort  eine« 
wahren  seiner  Königin  und  dem  Vaterland  treugesinnten  hnngarischen 
Edelmanns  auf  das  von  Irenico  oder  besser  zn  sagen  Ironico  v.  C, 
einem  dem  Namen  und  Sinne  nach  bayrischen  Uungam,  an  die  StSnde 
des  KGuigreichs  abgelassenen  Sclireiben.' 


332 


volle  Abwehr,  wie  die  im  Wiener  Staatsarchiv  befindliche  Ab- 
schrift eines  Flugblattes,  , Schreiben  eines  steyrischen  Grafen 
an  einen  bairischen*  beweist,  das  sich  als  Antwort  auf  ein  nicht 
mehr  vorliegendes  bairisches  Libell  bezieht.  *  Der  steiriache 
Graf  verwahrt  sich  gegen  die  bairische  Gratulation  su  der  bald 
erfolgenden  Vereinigung  mit  Baiem  .nicht  dass  mir  die  bairi- 
■che  Nation  unangenehm,  sondern  weilen  die  Steyrer  gegen 
unsere  ErblandfUrstin  treu  und  so  gewillet  als  verpflichtet  sein 
und  dabay  allen  Ursach  zu  verbleiben  haben  .  .  .  450  Jahr  ist 
es  uns  mit  unseren  Grafen  von  Habsburg  wohl  ergangen!  .  .  . 
Und  was  vor  Linderung  hätten  wir  wohl  von  Baiem  zu  hoffen? 
Wurden  wir  besser  als  seine  Unterthanen  gehalten  werden? 
Befindet  ihr  euch  etwan  weniger  beladen  als  wir?  Habt  ihr 
mchrer  Geld  und  weniger  Schulden  als  wir?  Die  missrathene 
Jahr  flagellieren  uns  wohl  sehr  empfindlich,  aber  ist  dies  nicht 
auch  in  Baiern  und  noch  ärger?  Hat  daran  ein  Landesftlrst 
Schuld?  Oder  könnte  uns  davor  ein  ChurfÜrst  in  Bayern  jezo 
gleich  lossprechen  imd  künfftig  davon  behüten?' —  Den  bairi- 
Bchen  Ständen  wird  das  Unglück  ins  Gedilchtniss  gerufen,  das 
vor  36  Jahren  Max  Emanuei,  des  KurfUrsten  Vater,  durch  ein 
ähnliches  Beginnen  Über  Baiem  gebracht  habe.  Dringend 
warnt  der  Steirer  vor  Frankreich  und  spielt  auf  die  trüben 
Jahre  des  Exils  Max  Emanuels  an.  , Erinnert  auch  Eweren 
Landsherrn,  wie  hart  seinem  Herrn  Vater  selig  und  dessen 
Herren  Bruder,  dem  verstorbenen  Kurfürsten  von  Köln,  bei 
währendem  vorigen  spanisch  -  Successionskrieg  der  Aufenthalt 
zu  Paris  worden,  wie  klein  Monsieur  de  Baviere  et  Monsieur 
de  Cologne  damals  zu  Paris  selbst  waren  und  was  disfnlls 
beede  nach  Ihrer  Zuruckkunft  vornehmlich  aber  der  Kurfürst 
von  Köln  flir  Reu  und  Warnungspredigen  fllr  alle  teUtsche 
Fürsten  gemacht  haben.'*  Eine  bairische  Partei  unter  dem 
alpenlilndischen  Adel  war  also  keineswegs  vorhanden,  wenn 
auch  die  schon  von  Arneth  so  scharf  gerügte  Indolenz  eines 
Theiles  des  oberüsterreichischen  Adels  der  Huldigung  in  Linz 
beim  Einrücken  Karl  Albrechts  keinen  Widerstand  entgegen- 
setzte, ebenso  wie  aus  demselben  Grunde  zwei  Monate  später 
die  Huldigung  in  Prag  möglich  wurde. 


'  K.  n.  k.  Harn-,  Hof-  aud  Stiwtsarchiv,  KriogiMcten,  Fmc.  941  (1741). 
*  Ebenda. 


333 

Aber  direct  feindselige  Handlungen  gegen  die  rechtmäs- 
lige  Herrin  sind  auch  von  denen  nicht  ausgegangen,  die  am 
2.  October  1741  in  Linz  huldigten;  Niemand  zog  das  Schwert 
ftlr  die  vermeintlichen  Rechte  Karl  Albrechts.  Da  also  der 
Kurfllrst  auf  eine  mächtige  Partei  in  der  Osterreichischen  Be- 
völkerung nicht  rechnen  konnte  —  war  ja  selbst  unter  seinen 
eigenen  Unterthanen  die  Stimmung  über  das  gewagte  Unter- 
nehmen sehr  getheilt  —  und  da  das  Schreiben  Ludwigs  XV. 
Tom  20.  Jänner  1741  bezüglich  der  Haltung  Frankreichs 
einigermassen  beruhigte,  so  begann  man  in  Wien  die  bairische 
Frage  als  nicht  sehr  gefUhrlich  zu  betrachten,  ja  man  schöpfte 
aas  ihr  die  Anregung  zu  einem  Tauschproject,  wie  ein  Memo- 
fandam  des  Qrossherzogs  Franz  Stephan,  des  Gemahls  Maria 
Theresias,  beweist.  Baiem  soll  gegen  die  österreichischen  Be- 
titzangen in  Italien,  die  Lombardei,  Parma,  Piacenza  und 
Hantua  eingetauscht  werden,  dem  Rurfiirsten  wird  die  Erhe- 
umg  zum  König  der  Lombardei  zugedacht.' 

^w '  Welch'  gewaltiger  Abstand  im  Vergleiche  zu  den  hohen 
Anerbietungen,  mit  denen  der  Wiener  Hof  im  August  1741 
die  durch  Frankreichs  offenen  Anschluss  an  die  Sache  des 
Kurfürsten  drohende  Gefahr  abzuwenden  trachtete,  Anerbie- 
tiingen  (die  Niederlande,  Breisgau,  Vorarlberg  und  das  österreichi- 
sche Schwaben),  durch  die  Karl  Albrecht  ein  mächtigerer  Fürst 
geworden  wäre  als  einst  Karl  der  Kühne,  Zugeständnisse,  wie 
sie  der  furchtbare  Druck  der  V^erhältnisse,  der  ungltickhche 
Krieg  in  Schlesien  der  jungen  Monarchin  aufnöthigte.*  Der 
verblendete  Karl  Albrecht  ging  nicht  darauf  ein,  zog  es  vor, 
mit  den  Erbfeinden  des  deutschen  Reiches  in  öesterreich  ein- 
zufallen and  verlor  durch  dieses  Beginnen  schon  im  Februar 
1742  Land  und  Leute,  wie  sein  Vater  zu  Beginn  des  Jahr- 
hunderts durch  den  Anfall  auf  Tirol. 


'  K.  o.  k.  Haos-,  Hof-  nnd  Stoatuirchiv,  Kriegsacten,  Faso.  341.  ,Uii  projet 
poar  le  contenteman  d.  8.  A.  E.  de  Bitviere  et  pour  luy  faire  aroyre  le 
titre  de  Koy.'  (Ganz  eigenhändig.)  Die  Schrift  int  wahracheinlich  in  den 
Anfang  de«  Jahre«  1741  zu  setaen.  Der  entscheidende  Satz  lautet:  ,lon 
(Hiuret  trouvere  le  moyen  de  faire  uu  change  de  la  Raviere  .  .  .  contre 
le  Milan  et  Parme  et  piaoens  et  les  Mantuau  a  quoy  ou  pouret  ijou- 
andre  le  titre  de  Roy  de  lonpardie.' 

»  Vgl.  darüber  Ameth  I,  237  aud  8. 


334 

Dass  man  aber  noch  zu  Anfang  des  Frühjahres  1741 
den  Kurfürsten  nicht  als  ausgesprochenen  Feind  gleich  Fried 
rieh  n.  von  Prcussen  betrachtete,  beweist  das  Schreiben,  mit 
dem  Grossherzog  Franz  am  13.  MUrz  1741  dem  Kurfürsten 
die  Geburt  eines  Sohnes  (des  nachmaUgen  Kaisers  Josef  IL) 
mittbcilte.'  Es  wurde  in  München  durch  den  zum  Special- 
gesandten  bestellten  Unter- Silberkämmerer  t.  Moser  Über 
reicht.  Zwar  wurde  v.  Moser  in  München  gut  aufgenommen, 
trotz  des  kurfürstlichen  Podagras  in  Audienz  empfangen,  und 
der  kurfürstliche  Hof  erschien  am  nächsten  Tage  in  herrlicher 
Gala.'  Dennoch  stiess  Karl  Albrecht  die  durch  das  freudige  Er- 
eigniss  gebotene  Gelegenheit  einer  Verständigung  mit  Maria  The- 
resia zurück.  Zwar  Hess  er  durch  den  Truchsess  v.  Gariboldi 
ein  aus  München  den  21.  März  1741  datirtes  Schreiben  über- 
reichen, in  dem  er  versicherte,  an  allen  Franz  von  Lothringen 
betreflFenden  Ereignissen  freund-vetterlichen  Antheil  zu  nehmen, 
und  zugleich  den  Wunsch  aussprach,  der  neugeborne  Prinz 
möge  von  Gott  in  bester  Gesundheit  zu  seiner  Eltern  Trost 
imd  seines  Hauses  Aufnahme  erhalten  bleiben.  Aber  wie  Ironie 
klingt    dies,    da    Karl    AJbiecht   gerade    in   diesem    Schreiben 


^  Der  Oronherzog  an  den  Korfilraten,  Wien,  13.  MKrc  1741.  .Darohlaarb- 
tigster  Chnr-FUrat,  Frenndlich-Tielpeliebter  Herr  Vetter.  Von  Eurer  Lieb- 
den  sch&tzbarsten  Freundscbaft«  Me^rnnug,  bin  ich  schon  Toraus  toI- 
kommentlich  gesichert,  das*  dieselbe  an  denen  mich  betreflfenden  Begvb- 
nasten  einen  freund- vetterlichen  Antheil  zu  nehmen  belieben,  und 
darum  habe  nicht  anstehen  mOgen,  Ener  Liebden  sofort  die  höchst  ar- 
frenliohe  Nachricht  hiermit  mittelst  eigener  Abachicknng  meines  Unter- 
Silber-Canimerers  des  von  Mosers  lu  erthuilen,  dass  der  KOnigin  ao 
Ungarn  und  Bühnien,  meiner  geliebtesten  Frauen  Gemahlin  Uajest&t 
mit  einem  gesund  und  Wohlgestalten  Erta-Herzogen  zn  boedeneits 
Unseren  ungemeinen  Trost  anbeunt  gegen  2  Uhr  in  der  Frühe  glQck- 
lich  entbunden  worden;  Ich  wllnsche  anbey  nichts  mehrem,  als  dasi 
Gott  Euer  Liebden  und  Ihro  Chur-Hauss  mit  vielfältigen  BeglQckungen 
seegnen  nnd  ich  Offters  die  angenehme  Gelegenheit  haben  mOge,  Ihro 
Selben  darüber  meine  wahre  Mit-Frende  nnd  aufrichtige  Antheilnehmang 
bezeigen  und  anmit  an  Tag  legen  zn  knnnen,  dass  Ener  Liebden  zu 
Erweisung  freund -vetterlicher  Dienste  mit  gantz  ergebenen  Gemlltli 
allezeit  willig  und  geHissen  verbleibe  Euer  Liebden  dienstwilligster 
Vetter  Franz.'  K.  n.  k.  Hans-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  Fase.  841. 

'  Aus  einer  anonymen  Gesandten-Relation  vom  Wiener  Hofe,  auf  der 
RQckseite  bezeichnet  als  ,Ministre-ReUtion'  vom  29.  Mkra  1741 ;  ebenda 
Fase.  347. 


wieder  seine  anf  Zertrümmerung  der  Macht  Maria  Theresias 
Jehentlen  Ansprüche  aufrecht  erhält,  indem  er  die  Königen 
dos  als  jGrossherzogin',  ihren  Sohn  statt  als  Erzherzog  als 
Örossprinz'  bezeichnete.' 

\  Nun  begann  man  in  Oesterreich  langsam  zu  rüsten  auch 
igen  die  von  Westen  her  drohende  Gefahr,  zumal  der  April 
T41  das  Unglück  von  Mollwitz  auf  dem  nördlichen  Kriegs- 
^auplatze  gebracht  hatte.  —  Wie  es  bei  der  damaligen 
derativen  Gliederung  des  Staates  nicht  anders  möglich  war, 
delten  bei  diesen  Vorkehrungen  die  Stände  der  bedrohten 
Inder  Ober-  und  NiederOesterreich  die  Hauptrolle.  Es  war 
e  letzte  grosse  Action  der  alten  Stunde.  Während  nun  die 
ederösterreichischen  Stände  eine  Opferwilligkeit  und  Thätig- 
^t  zeigten,  wie  sie  an  die  glorreichen  Zeiten  von  1683  er- 
jBerte,  bot  dagegen  die  Haltung  der  oberennsischen  ein  trost- 
Bes  Bild  particularistischer  Lauheit  und  Unbehilflichkeit, 
eiche  im  Vereine  mit  dem  Vorgang  vom  2.  October  1741 
teht  wenig  dazu  beitrug,  dass  die  kraftvolle  Herrscherin  in 
bn  nächsten  Jahren  nach  dem  Erbfolgokriege  mit  den  ständi- 
$hen  Verfassungen  zu  Gunsten  des  Centralismus  und  Absola- 
kmas  au&ftumte,  ihnen  nur  mehr  ein  Scheindasein  gewährend, 
is  allerdings  noch  bis  1848  dauerte.  Doch  erwarben  sich  auch 
i  Ober-Oesterreich  während  der  Invasion  und  Occupation 
Ip^h  die  Franzosen  einige  ständische  Cavaliere  und  Beamte 
%s  unzweifelhafte  Verdienst,  die  Noth  des  Landes  nach  Kräften 
Bliodert  zu  haben.  Die  grosse  I\Iasse  des  Volkes  blieb  trotz  der 
•ezwuDgenen  freiwilligen  Huldigung',  wie  sie  ein  sUlndisches 
l^an  entschuldigend  nennt,  im  Herzen  ,gut  königlich'  gesinnt, 
US  die  Ereignisse  von  1742  und  der  Jubel  bei  der  Huldigung 
pn  1743  beweisen. 


L 


'  Karl  Albert  an  den  Grossherzog,  MUnchea,  21.  März  1741.  ,Mir  ist  wohl 
ionderlich  lieb  zu  vemebmen  gewesen,  wag  gestalteu  Dero  Frau  Oe- 
mabliii  Orosa-Herzogin  Liubdon  mit  einem  gesunden  und  woblgegtalten 
Printxen  gl&cklicb  entbunden  und  erfreuet  worden.  Wie  nun  Euer  Lieb- 
den  Tersichert  «eyn  kßnnen,  das»  von  allen  Dero  zustehenden  Begeg- 
no«en  jedenteit  freund-vetterlichon  Antheil  nehme,  so  gratuliere  xu 
diewm  Ehe  Seegen  von  aufrichtigen  Hertson  und  wünsche  danebenR, 
da«s  der  neugebohrne  Orons-PrintK  zu  beeder  Liebden  Trost  und  Dero 
Kauaes  Aufnahme  unter  den  Scliutx  dos  Allerhöchsten  fortan  in  bester 
Qeaundhoit  erhalten  werde.'  K.  u.  k.  Hans-,  Huf-  und  ätaat»rohiv,  Kriegs- 
acteu,  Fase.  341. 
inUr.  LlXirn.  Bd.  II.  HUfU.  tt 


::-z  -.ZL  Herbste   1741  aber  uni'. 
;-z    rlrzherzusrthUmem    seilen 


.•^ir-tv.iuK»-«i   ar  ■-auu»*^«*iVa<ionTonOber-Oestent 
Uta   il«*  vinde. 

■     "-     -.■•-•.r^r.f  Maria  Theresia  ihr  ei 

^.  --■...         .;-   loi:  :js   .0  der  Enns;     es  cnti 

..-..-  ^  ••  ■:         T^-ii-iin   erfolgten    zeitlichen 

<^ .  vi  »    ■•  i  i::i:i.  katholischen    May.  H 

»    -.    -  -.       ••   M.i.-a  Theresias  Regierungsai 

•.  -i .-      j-^:.::  }i-:r  Erbkönigreiche  und  Lai 

.   ,s      LT  '.r-;r«:oht  Ausdruck,  die  Stl 

_.,^_  .         ■   ■»;  .-••  iKii:    Kaiser   auch    ihr   ,mit  i 

,^^.    _  -. -..  .i»    V  .  ::t.i;-T.r;:i»  unter  die  Arme  greif 

♦      »V     --.::■•:::  ol.  Hctober  bekunden 

^^..^        -  .>,..».    -•;:!;;■     iber    den  Todesfall,    pn 

i  T^  •:.-.. :>v'ii.';'.  >ancti>m  zum  Ausdnieke 

,^  'fc.:  ..  -^    ":■'<  Vierstorbenen  Kaisers.     D 

.,._       :•      -;»-'.■  :■-.•.:•.  "X    ivA   vviedcr  bei  der  Erbh 

■;    -■•    "v-:*!  '.H'siätigte  Grundgesetz  crkl 

^,     ..    N.        • '••Hr- ■::cvn    zu   wollen    und  Alles 

^    ^     .     »iii^i.:.-    itT  Königin   und  der  gesami 

^    _^  „. . .        .     .1. . .-.     :r\'  isohen  mag.     DafUr  bitter 

'^    k.».*     ■-'      •.v'stvrreichischen   Stände   war  c 

.   »    .    -;   >f«:-.j»;«»i:  Jiir  die  Steuern  pro  1741  j 

,    *y..-^i».    -    vvvruHi  geneigt. 

j,  ,    >wM>^«M  »cv.»4vu  bewilligt  300.000  fl.,    znhlbai 

E,  i»^      ^s«(M  t.    iu  vVtem,    .Bartlmei'    (24.  Ang 

all« 

y^,(  «^.  •'   ««  }«Ma«rvhiT.   Osterr.  Acten,    Fase.  14.    C 

>  Aus    ,•■■-'» 
j^d^.jj^  «>    «    «.  Tiaii  ir"  ri~     Cnteir,  Acten,     Faso.  14.    C 

Fa.sc-.  :n  -     '^    »•   ^  "'•*=^'  ^''-  •• 


987 


fod  am  Ende  des  Jahres,  als  Extraordinarium  50.000  fl.  und 
|]s  ,SuperextraordiDariiim  von  wegen  deren  nach  dem  Todfall 
fcrer  kayserl.  May.  in  Schlesien  erfolgten  Kriegstroublen* 
0.000  fl.,  im  Ganzen  also  400.000  H.  Von  dieser  Summe  ist 
ceilich  nur  ein  kleiner  Theil  im  April  und  Mai  1741  wirklich 
ler  Regierung  bar  bezahlt  worden  (48.(XK)  fl.),  der  Kest 
rurde  für  Militilrauagaben  imd  ftlllige  Zinsen  frilhei'er  Dar- 
ren in  Abzug  gebracht,  und  schon  zur  Zeit  des  feindlichen 
Unfalles  im  Herbst  1741  war  durch  diese  Abzüge  und  Prilnume- 
^dozahlungen  für  1742  die  Laudesbewilligung  um  6742  fl. 
ß'/,  kr.  überschritten.  Werthvoller  fllr  die  Regierung  war 
piher  das  Darlehen,  welches  die  Stände  am  11.  Jänner  1741 
pwährten:  200.000  fl.« 

I  Die  gesammte  Schuldenlast  des  Landes  betrug  nach  einer 
tingabe  der  ständischen  Verordneten  vom  12.  Juli  1741  vier 
[illionen  Gulden.  —  Die  Landesbewilligung  war  im  Steigen 
Ogriffen.  So  hatte  sie  1703,  als  ebenfalls  ein  bairischer  Einfall 
^hte,  blos  200.000  fl.  betragen.'  Namentlich  die  Kriege 
Carls  VI.  kamen  in  der  Finanzlage  01»er-(Jestcn'eichs,  wenn 
ian  die  der  Regierung  gewährten  Darlehen  überblickt,  zum 
iosdrucke.  1717,  während  des  ersten  Türkenkrieges  Karls  VL, 
i»tten  die  Stände  150.(XXJfl.  vorgestreckt,  im  Friedeasjahre  1729 
fl.  Besondere  Opfer  erforderte  der  polnische  Erbfolge- 
1734  bewilligten  die  Stände  zuerst  ein  Darlehen  von 
1.000  fl.,  dann  80.000  fl.,  neuerlieh  zu  Ostern  1735  42.000  fl. 
I^cfa    Beendigung    des    unglücklichen    zweiten   Türkenkrieges 

i 

I  *  ITeber  die  (^nansU^  des  Landes  Oesterreicb  ob  der  Eons  nnterricbtet 
I  nna  dju  Stück:  ,Uofi-Nothdarft'  vom  9.  October  1741.  Der  KnrfUrst  Untte 
I      nämlicL    während    der    UccapntioD    den    sUlndUchoii    Verordneten    aiif- 

getragon.    Ober    die   Finanzlage    de«   Landen    zu    berichten.    Die«er   Ue- 

richt    k.   u.   k.    Haus-,    Hof-    und    Staatsarcbiv,    Kriegaacten,    Fase.   343, 
'     ,*as   der   Kanzlei  der  Verordneten  des  Erzherzugthnma   Oeoterreich   ob 

der  Enns'. 
l*  Die  Verordneten  an  die  Regierung  um  7.  nnd  18.  Jnli  1741;  k.  u.  k. 
'  Hau5-,  Hof-  und  Staatsarcbiv,  Kriegsacteu,  Faac.  34Ü.  Die  Htändiscben 
I  Verordneten  bii  zur  bairischen  Occupatioii  waren;  Alexander,  Abt  zu 
,  Krenunianster,  Johann  Wilhelm  Oraf  TtiUrheim  (zugluicb  Pr&ies),  Jo- 
I  liAiui  Achaz  Uottfried  Willinger  von  der  An  und  Josef  Gubatta  ans 
I  Freiatadt.  Abt  Alexander  Fixlmillner  von  KreuismUnster  erwarb  aioli  (nach 
,     Ameth,  Maria  Therestia  iV,  20)    auläa.sliL'b  der  späteren  Hangwitz'sclien 

Finauzreforui  Verdienste  um  ät«at  und  Land. 

«2« 


k 


338 


gewährten  die  Stände  am  20.  Jali  1740  100.000  fl.  Bur  ,Bef^ 
deriing  deren  churbairischen  in  Hungam  gestandenen  Aaxiliar- 
truppen',  und  nicht  sehr  viel  später,  wie  eben  bemerkt,  am 
11.  Jänner  1741,  200.000  fl.  Von  einer  regelmässigen  Zinsen- 
zahlung seitens  der  Regierung  war  indess  keine  Rede.  So 
wurden  die  rückständigen  Zinsen  von  der  jeweiligen  jährlichen 
Landesbewilligung  abgezogen  und  schmälerten  die  factischen 
Einnahmen  des  Staates.  Darlehen  wie  Landbewilligung  waren 
für  die  damalige  Zeit  vorhältnissmässig  hoch:  Tirol  z.  B.  zahlte 
nur  70.000  l\.  jährlich,  Vorder-Oesterreich  65.000  fl.,  Steier- 
mark 300.000  fl.  Am  stärksten  war  Böhmen  mit  2,750.000  fl., 
Mähren  mit  •.»26.66«  fl.  4  kr.  und  Schlesien  mit  1,833.333  i 
20  kr.  bedacht,  während  Ungarn,  allerdings  ohne  Siebenbürgen 
Slavonien  und  Syrmien,  nur  2,500.000  fl.  zahlte.*  Trotz  dieser 
Opferwilligkeit  war  aber  dennoch  nicht,  wie  die  Stände  ver 
sicherten,  die  äusserste  Grenze  der  Leistungsfähigkeit  Ober- 
Oesterreichs  erreicht.  Dies  beweist  am  besten  die  wenige  Jahn? 
nachher  in  Kraft  tretende  Haugwitz'sche  Steuerreform,  durcb 
welche  unter  gerechterer  Vertheilung  der  Steuern  auf  Obpr- 
Oesterreich  906  000  fl.  entfielen  und  auch  ohne  sonderliches 
Widerstreben  der  Stände  bewilligt  wurden.* 

Mit  der  Gewährung  des  Darlehens  vom  11.  Jänner  1741 
schien  jedoch  die  Opferwilligkeit  der  Stände  zu  Ende  zu  sein. 
Als  im  April  1741  die  Regierung  die  Gefahr  eines  feindlichen 
Einfalles  ernstlicher  ins  Auge  fasste  —  sclion  im  März  war  flV 
rigens  der  Oberstkriegscommissär  F'ML.  Graf  Salburg  nach 
( )her-Oe.8terreich  abgegangen  —  und  zur  Verstärkung  der  im 
Lande  liegenden  Dragonerregimenter  Savoyen  und  Khcven- 
liillcr  3000  Warasdiner  Grenzer  abordnete,  ftir  welche  die 
Lanilschaft  Vorspann  stellen  und  einen  kleinen  Betrag  auf  die 
jMundportiones'  darreichen  sollte,  erregte  dies  bei  den  Ständen 
grossen  Unmuth.    Eine  fbrmliche  militärische  Abhandlung  ging 


'  Vgl.    .Der   Brterreichiiiche   Erbfolgekriegf*,    bearbeitet    jn    der   kriegage- 
schichtlichen  Abthoilan^  de»  k.  u.  k.  KriegsarchiTi«,  ITI.  Bd.,  8.  130. 

'  Anielh,  Mnria  Theresia  IV,  S.  20  u.  607,  Anoi.  6.  Nicbt  ohne  Inter 
i»t  e»  »u  vergleichen,  was  1740  der  n.-ö.  Landtag  bewilligte:  Ordinarium 
ond  Extraordinarium  700.000  fl.,  ,pro  iiQbsidio  exlraordinario'  200.000  fl.. 
die  Bezahlung  der  Stadtgiiardia  und  der  Milii  in  Raab,  endlich  ,gutwillige 
8ervice-Prao9tatiun  fllr  die  einquartierte  Milix  ohne  kOnftige  Ein-  und 
Abrechnung';  n.-O.  Landesarcbir,  Landtagsverbandlungen  1740. 


339 


»nun  am  17.  April  1741  nach  Wien  ab.  Zwar  erklärten  sie  sieh 
bereit,  ,noch  diesmal'  Vorspann  zu  stellen  und  2  kr.  auf  jede 
Mundportion  zuzulegen,  doch  meinten  sie,  die  Erfahrung  lehre, 
mit  kleinen  Forderungen  fange  das  Militär  an,  die  dann  am 
Ende  sehr  druckend  würden.  Die  ständischen  Verordneten 
schlagen  vor,  dass  diese  VV^arasdiner  die  Grenzen  (Jber-Oester- 
reichs  nicht  betreten  sollten  ,bei  dermalen  gottlob  hierzulundt 
mehr  entfernet  als  nilhcren  Feindsgefahr'.  Die  Grenzer  sollten 
sich  vielmehr  blos  ,in  der  Nahe'  des  Landes  aufstellen,  und 
zwar,  damit  nicht  etwa  die  Niederösterreicher  mit  ihnen  be- 
schwert würden,  jenseits  der  Leitha.  Von  dort  ans  könnten 
sie  ja  in  10 — 12  Tagen  zu  dem  in  Ober-Oesterreich  befind- 
lichen Corps  stossen,  umsomehr  als  sie  nicht  so  schwer  bepackt 
seien  als  die  deutscheu  Truppen,  ,sye  auch  ohndeme  als  ein 
flüchtigeres   und    mehr   abgehärtetes  Volk   auch   geschwind  an 

IOrt  und  Ende  khomen  werden'.' 
Die  Regierung  konnte  sich  natürlich  mit  diesem  Vor- 
schlage, Truppen,  welche  zum  Schutze  Ober-Ocsterrcichs  be- 
stimmt waren,  in  Ungarn  zu  postiren,  nicht  befreunden,  und 
die  Warasdiner  näherten  sich  den  oberösterreicbischen  Grenzen. 
Da  wandten  sich  die  Verordneten  am  29.  April  1741  mit  der 
Bitte  nach  Wien,  die  Warasdiner  sollten  hinter  der  Enna 
bleiben.  Die  Rücksicht  auf  die  Niedcrösterreieher  war  somit 
schon  gefallen.  In  Nieder-Ocsterrcich  seien  ,Trayd  und  Fleisch, 
Strohe   und  Holz  wissentlich   leichter    und   wohlfeiler  herbeizu- 

I  schaffen*.* 
Bittere  Klage  führte  die  Landschaft  gleichzeitig  auch 
Über  ,Quartier8ungcmach  und  Uncosten',  welche  die  beiden 
,ganz  unverhofft'  nach  Ober-(>esterreich  verlegten  Dragoner- 
Regimenter  Savoyen  und  Khevenbiller  verursachten.  In  einer 
Eingabe  vom  30.  April  1741  wandten  sich  die  Vorordneten  in 
dieser  Angelegenheit  sogar  an  Franz  von  Lothringen,  den  Ge- 
mahl Maria  Theresias,  um  ein  Anhalten  der  Warasdiner  jen- 
seits des  Ennsfluflses  durchzusetzen."     Bevor  noch  jene  beiden 


»  3offB  Nothdurfft'  vom  17.  April   1741;     k.  u.  k.  Hau»-,  Huf-  und  Slaats- 
archiv,  Kriegascteu,  Kasc.  34*2. 

*  .Uoffa  Notbdurfft'  vom  29.  April  1741;  ebenda. 

*  K   u.  k.  H»n«-,  Hof-  and  8t«*tsarchir,  Krieg»»cten,  Faso.  342. 


340 


Stücke  vom  29.  und  30.  April  erledigt  sein  konnten,  erflnss 
jedoch  ein  königliclies  Kescript:  ,Wir  haben  bei  ftlrwaltenden 
Conjuncturen  unserus  und  des  Publici  Dienstes  zu  seyn  be- 
funden, dass  die  in  Oesterreich  ob  der  Enns  gewidmeten 
3000  Mann  Warasdiner  Gränitzer  ru  unserem  in  Schlesien 
stehenden  Kriegs-Corpo  gezogen  werden." 

Bestand  ständischerseits  die  Ansicht,  dass  die  Feindes- 
gcfahr  .gottlob  mehr  entfernet  als  ntther  sei',  so  war  dies  seit 
April  1741  nicht  mehr  die  Ansicht  der  Regierung.  Bereits  am 
19.  April  erfloss  ein  königliches  Rescript,  die  Aufstellung  eiues 
,gemeinen  Land-Aufbotts'  betreft'end.  Dies  fand  ständischerseits 
durchaus  keinen  Anklang.  In  ihrer  Antwort  vom  30.  April  er- 
klären die  ständischen  Verordneten,  dass  ein  solches  Aufgebot 
bei  der  Nachbarschaft  (id  est  Baiern)  grosses  Aufsehen  erre^n 
mUsste  und  gerade  den  beftirchteten  Einfall  seitens  ,einer  aus- 
wärtigen Potenz'  nach  sich  ziehen  könne.  Auch  geriethen  hie- 
durch  die  Steuerzahler  in  ,Kleinniüthigkcit'.  Wenn  es  schon 
Ernst  sei  mit  dem  .Aufgebot,  solle  ein  solches  auch  in  Böhmen, 
Nieder-Oesterreich,  Steiermark,  Kärnten  und  Tirol  anbefohlea 
worden.* 

Diese  wenig  crmuthigendc  Haltung  der  Stände  und  dis 
Zaudern  des  KurfUrsten,  mit  dem  Einfall  Ernst  zu  machen, 
scheinen  die  Regierung  bewogen  zu  haben,  von  ihrem  Plan« 
vorläufig  abzusehen.  Wenigstens  verfloss  der  Mai  und  Juni, 
ohne  dass  vom  Defensionswerk  die  Rede  war.  Da  trafen  be- 
unruhigende Nachrichten  ein.  Das  Militär  in  Baiern  werde 
verstärkt  und  zusammengezogen,  die  Landfahnen  aufgeboten. 
Maria  Theresia  beauftragte  nun  die  Landschaft,  sich  bezüglich 
der  Vertheidigung  von  Ober-Oestcrreich  mit  dem  Landeshaupt- 
mann Ferdinand  Graf  WoissenwoiflF  und  den  bereits  im  Man 
nach  Ober-Oesterreich  geschickten  ,Obristen-Kriegs-Commi88a- 
riuß'  FML.  Grafen  Franz  Ludwig  von  Salburg  ins  Einverneh- 
men zu  setzen  imd  ihr  über  das  Resultat  der  Berathungen  zu 
berichten.'  Die  erste  diesbezügliche  Confercnz  fand  am  7.  Juli 
1741  auf  dem  Linzer  Schlosse  statt.  Von  Seiten  der  Landschaft 
betheiligten  sich  die  Verordneten  der  drei  oberen  Stände. 


'  K.  a.  k.  Hans-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  Kriegsacten,  Fase.  342. 

*  Ebtiuila. 

'  Maria  Theresia  an  die  Verordneten,  Pressbnrg,    I.  Jali  1741;  ebenda. 


341 


Besonders  willig  zeigten  sich  die  StÄnde  hiebci  nicht,  wie 
koB  dem  12  Seiten  langen  Lamento,  das  sie  noch  am  Tage  der 
ersten  Berathung  abfassten,  erhellt.*  Die  Verpflegung  einer  zur 
Defension    von    Ober-Oesterreich    abgeschickten    Armee    oder 
«lies  Corps  könne  nicht  aus  Landesmitteln  geschehen,  soudern 
die  hiezu  nöthigen  Victualien    seien  aus  den  anderen  Ländern, 
keineswegs  aber  aus  Obur-Oesterreicb  herbeizuführen.  Die  Or- 
gane der   Regierung   wiesen   dagegen   liiu   auf  die  patriotische 
Opferwilligkeit,  welche  das  Land  anno  1702  und  1703  in  ähn- 
licher Lage  bewiesen  habe.  Darauf  wurde  ihnen  erwidert:  Da- 
mals  sei  man   am  Anfange    eines  Krieges   gestanden  ,wo  wür 
anitzo  de   anno    1733   mit   Kriegs  Troublen  umbgeben,   wofür 
iederzeit     die     cusserste    Crüflten     angespant     worden    soynd*. 
Damals  war  die  Landesbewilligung  20Ü.ÜÜ0  fl.,  jetzt  400.000  ti. 
Das  Aeusserste,   wozu   sich    die  Landschaft  verstehe,   sei  eine 
Anticipation  in  Geld    ,ungefilhr   von    16  oder  20.000  fl.'  gegen 
Bebonification  an  der  Laudesbewilligung,  ,unib  zu  zeigen,  dass 
wir   nach  Thunlichkeit    zur    beuorstebenden    Landcs-Defension 
gern  Alles  contribuieren,   zu  einem  mehrern  aber  künncn  wir 
aas  Mangel  der  Befolgungsmöglichkeit  uns  nicht  einlassen'. 

Eine  weitere  Conferenz  fand  am  12.  Juli  statt.  Verhandelt 
wurde: 

1.  Ueber  das  Landesaufgebot,  dasselbe  wurde  in  gleicher 
Weise  ,von  dem  Militari  sowohl,  als  auch  der  Landshauptmann- 
schafl  und  uns  Verordneten'  fllr  unthunlich  befunden.  Es  wür- 
den nur  Haufen  unabgcrichteter,  nicht  mit  Feuergewehren 
verBehener  Handwerker  und  Bauern  zusammenkommen;  die- 
selben würden  hiedurch  von  ihrer  Hantirung  und  vom  Feld- 
bau abgehalten  und  —  wovon  sich  die  Stände  immer  den 
jffössten  Eindruck  auf  die  Regierung  erhofften  —  vom  Steuer- 
MJilen.  Ausserdom  würden  sie  .bei  Erblickung  einer  kleineu 
Anaahl  regulirter  Truppen,  wie  in  vorigen  Zeiten  geschehen 
ist,  auseinanderlaufen,  derohalbon  dann  von  einem  Landtaufbott 
ein  guter  Effect  nieraahlen  zu  hotfen  seye'. 

2.  Die  Anlage   von  Schanzen    gegen    Baiern   erklärt  die 
für  unnUtz. 


'  .Itwinnatuni  an  die  löblich©  Lnn(1t<(h.iuptiiiann5ch«ft  wegen  der  bey  houn- 
ti^r  Confereni  im  Schleuse  lur  Landasdefeiiiiion  nöthigen  regulierten 
Tronppen  und  der  dem  Laudt  zumuthonden  Proviantberschaffung;  7.  Juli 
1741;  k.  u.  k.  Haus-,  Uof    uud  Staalsarchiv,  Kriegsacten,  Fase.  342. 


342 

3.  Die  Forderung  der  Regierung:  Conscription  der  Jüger, 
Schützen  und  anderer  Personen,  die  mit  dem  Feuergewehr 
umgehen  könnten,  findet  den  Beifall  der  ständischen  Verord- 
neten, freilich  mit  der  kleinen  Nörgelei,  dass  jene  Conscription 
1702  und  1703  von  den  Verordneten  ausgegangen  sei,  w&hrend 
sie  jetzt  von  der  Landeshauptmannschaft  ,prütendirt'  werde, 

4.  Die  Löhnung  jener  Schützen  wird  vom  Lande  gegen 
künftige  Abstattung    von  der   LandesbewUligung  übernommen. 

Aus  dem  5.  Verhandluiigspunkto  erhellt,  dass  sich  im 
Linzer  Zeughause  3600  Oentner  Pulver  und  1520  Flinten  be- 
finden. 

6.  Zur  Vertheidigung  des  Landes  seien  wenigstens  15.000 
Mann  regidärer  Truppen  nöthig.  ,Allein,  da  eine  Invasioas- 
gefahr  nach  allen  sicheren  Nachrichten  —  gottlob  — 
80  nahe  nicht,'  wären  bei  der  Unmöglichkeit,  eine  solclie 
Macht  auch  nur  kurze  Zeit  ohne  Zugrunderichtung  desselben 
zu  erhalten,  die  Truppen  in  die  Nachbarschaft  nach  Böhmen, 
Niedorösterreich,  Steiermark  und  Tirol  zu  verlogen,  wo  sie 
bald  (?)  bei  der  Hand  wilren. 

Zum  7.  Verhandlungspunkte  erklären  die  Verordneten: 
auf  die  von  der  Landcshauptmannschaf^  ,zumuthcnde'  Lieferung 
von  Proviant,  Fourage  imd  Schlagvieh  kann  das  Land  un- 
möglich eingehen. 

8.  Von  der  Regierung  wird  die  Errichtung  eines  Magazins 
zur  Verpflegung  der  Truppen  verlangt.  Auch  hiefür  könnten 
sich  die  Stände  nicht  erwärmen,  ,indeme  hiediu'ch  der  Feind 
aus  seinen  wissentlich  mit  einer  annoch  grösseren  Trayd  Theue- 
rung  geplagten  Land,  in  dieses  Land  gelocket  werden 
könnte'.  Mit  einer  ähnlichen  Begründung  hatten  die  Stände 
schon  am  30.  April  das  Landesaufgebot  abgelohnt. 

Zum  Schlüsse  spricht  die  Landschaft  die  Bitte  an  Maria 
Theresia  aus,  reguliirt:  Truppen,  namentlich  Infanterie  zur  Ver- 
theidigung des  Laudos  zu  schicken;  diese  sollten  aber  vorder 
band  in  den  benachbarten  Ländern  halten.' 


'  .Nottnrfft  auf  das  kOnigl.  Reacript  vom  !*<">  July  1741:  Die  Concertie- 
rnng;  der  Undesdefension  mit  beim  LnudUliaubtinnnn  und  dem  herrn 
Franz  Ludwig  Grafen  von  Salburg,  khUnigl.  Folaiiirschall-LieuL  und 
obersten  Kriegs-Comniissario  betref.  12.  July  1741.'  K.  u.  k.  Uana-,  Hof- 
nnd  StaatfliuraUiv,  Kriegnaoteu,  Fase  iü. 


343 


•'  Nach  dem  bisher  Mitgetheilten  wird  man  wohl  den  herben 

Worten  Alfred  v.  Arneth's  zustimmen  müssen:  ,Unglaublich  ist 
die  kleinliche  Engherzigkeit,  mit  welcher  die  oberösterreichi- 
Bchen  Stände  zu  Werke  gingen,  jede  ihnen  durch  die  Natur 
der  Sache  zufallende  Last  von  sich  möglichst  fernzuhalten 
sachten  und  dadurch  die  Massregeln,  welche  die  Regierung 
zum  Schutze  des  Landes  zu  treflfen  sich  bemühte,  weit  eher 
hemmten  als  unterstützten.' 

Während  aber  die  Stände  sich  und  die  Regierung  damit 
trösteten,  dass  eine  Invasionsgefahr  ,nHch  allen  sicheren  Nach- 
richten —  gottlob  —  so  nahe  nicht',  erfolgte  von  bairischer 
ßeite  bereits  der  entscheidende  Schlag.  Am  frühen  Morgen  des 
81.  Juli  1741  überrumpelte  der  kurfürstliche  General  Oabrieli 
Passau,  und  somit  stand  Ober-Oesterreich  dem  Feinde  offen. 
Noch  am  selben  Tage  berichteten  dies  die  Verordneten,  die 
durch  einen  Schiffsmann  von  der  Einnahme  von  Passau,  die 
^eunt  in  der  Frühe  Nach  4  Uhr'  vor  sich  gegangen  war,  be- 
nachrichtigt worden  waren,  nach  Wien;  ausserdem  verlangten 
sie  Rath,  wie  sie  sich  bei  dieser  ,fatalen  Begebenheit'  zu  ver- 
lialten  hatten.' 

Aber  selbst  dieses  Ereigniss  vermochte  die  Landschaft 
von  ihrer  bis  jetzt  eingeschlagenen  Taktik  nicht  abzubringen. 
Am  26.  Juli  hatte  die  Regierung  für  2000  Mann  Fuasvotk 
und  200  Husaren  von  Warasdiner  Grenzern,  die  durch  Ober- 
Oeeterreich  marschirten,  um  zu  dem  bei  Pilsen  sich  bildenden 
jObservationscorps'  des  Fürsten  Lobkowitz  zu  stossen,  Vorspann 
und  einen  Geldbeitrag  verlangt,  in  ähnlicher  Weise  wie  früher 
Bchon  fllr  3000  dieser  Grenzer.  Am  2.  August  1741  erklärte 
■ich  wirklich  die  Landschaft  hiezu  bereit  und  gab  einen  Bei- 
trag von  3  kr.  tüglich  zur  Gage  der  Ober-,  von  2  kr.  zur 
Gage  der  Untorofliciere  und  2  kr.  zur  Löhnung  der  Gemeinen, 
Wenn  sie  dafl\r  verlangte,  die  Truppen  sollten  die  ,genaue8te 
Kriegsdisciplin'  halten  und  nicht  etwa  ,durc;h  Anverlangung 
einiger  Naturalien  ohne  Bezahlung  in  denen  Nachtquartieren 
nnd  auf  den  Strassen'  lästig  fallen,  so  war  dies  nur  billig.  Aber 
wieder  erklären  die  Verordneten,  falls  jene  Truppen  im  Lande 


'  Arneth,  Maria  Theresia  I,  218. 

*  ^ErinnemDgsnotkurfft  an  den  khOaigl.  UoO  vom  31.  Jali  1741.    K.  u.  k. 
iaus-,  Hof-  und  Stnataarcbir,  Kriegsacton,  Fase.  342. 


hliubon,  möge  sie  das  Aerar  verpflegen,  da  Ober-Oesterreich 
wegen  Misswacha,  Fleischmangels  und  der  ohnedem  schon  im 
Lande  liegenden  zwei  Dragoner-Regimenter  nicht  leistungs- 
fähig sei.  Wieder  wiicl  bei  dieser  doch  keineswegs  belang- 
reichen Durchzugsangelcgenheit  der  Umstand  ins  Treffen  ge- 
führt, der  Unterthan  könne  vorzagt  werden  und  die  mit  Ende 
dos  Jahres  fälligen  hohen  Steuern  nicht  bezahlen.' 

Nach  der  Einnahme  Passaus  wurde  die  Regierung  zu 
regerer  Thiitigkcit  angespornt.  Nunmehr  war  kein  Zweifel 
mehr  an  den  feindlichen  Absichten  Baierns.  Im  Ungewissen 
war  man  blos,  ob  der  Kurfürst  direct  in  Ober-Oesterreich  ein- 
rücken werde,  oder  ob  die  Ueberrumpelung  Passaus  nur  den 
Zweck  gehabt  hatte,  des  Kurfürsten  Stammland,  falls  er  in 
Böhmen  einfallen  wUrde,  vor  einer  Diversion  aus  Ober-Oester- 
reich zu  schätzen.  Man  beschloss  ein  ,ObservatioDscorps'  so- 
wohl ftir  Ober-Oesterreich  als  für  Böhmen  in  der  Pilsener  Ge- 
gend aufzustellen,  und  am  2.  August  unterzeichnete  Maria 
Theresia  die  Instructinn  fllr  den  Führer  desselben,  den  Fcld- 
marschall  Christian  Fürsten  von  Lobkowitz.  Das  Corps  soll 
bestehen  aus  den  fllnf  Ktirassier-Regimentem  Caraffa,  Lnbo- 
mirsky,  Carl  Palffy,  Hernes  und  St.  Ignon,  den  drei  Infanterie- 
Regimentem  Seckendorff,  Moltke  und  Waldegg.  Auch  die  in 
Ober-Oesturreich  stehenden  Dragoner-Regimenter  Savoyen  und 
Khevenhitler  gehören  zum  Corps,  bleiben  aber  bis  auf  Weiteres 
noch  auf  ihrem  Posten.  Lobkowitz'  Befehl  unterstanden  noch 
die  schon  erwähnten  20OO  Warasdiner  zu  Fuss  und  200  Reiter, 
400 — 500  berittene  Theisser  und  Maroscher  Grenzer  und 
2000  Mann  zu  Fuss  ,von  denen  Sclavoniern'.  Die  ArtiUerie  der 
kleinen  Lobkowitz'schen  Armee  bestand  aus  8  Feldstücken 
und  2  Haubitzen.  Der  grösste  Theil  von  Caraffa  und  ganz 
Bernes  standen  bereits  in  Pilsen,  die  übrigen  Truppen  waren 
auf  dem  Marsche  dahin.  CompJet  waren  freilich  nur  die  Gren- 
zer und  die  beiden  Dragoner-Regimenter.  Von  Auxiliartruppen 
konnte  der  Fürst  vielleicht  auf  3200  Hessen  und  1000  Würa- 
barger  hoffen.  Aus  den  verschiedenen  Umständen,  sagt  Maria 
ITieresia,  ,ergibt  sich  der  Schluss,  dass  das  Ilime  (Xiobkow^itz) 
anverthrauende  Corpo  ein  blosses  Observations-Corpo  derzeit  seje; 


*  .Hoffg-Notturfft'  Tom  2.  An^^t  1741.     K. 
archiv,  1.  c. 


k.  Haas-,  Hof-  nnd  Staats- 


jUas  selbes  zur  Defendicning  von  Böheimb  nicht  minder  nis 
iron  Ober-Oesterreich  gewidmet  vnd  dass  es,  sovill  immer  mög- 
Bch,  beisamb,  mithin  in  stant  zu  halten  seyc,  wohin  die  Um- 
itAnde  erfordern,  aufbrechen  zu  können;  dnss  daher  seine,  dos 
Fllrstens  Obs<jrg,  ohngeachtet  das  Corpo  nacher  Pilsen  der  Zeit 
angetragen  ist,  nicht  nur  auf  ßüheimb,  sondern  auch  auf  Ober- 
Oesterreich  zu  richten  und  alles  dermasaen  von  nun  an  vorzu- 
bereithen  scye,  damit  einem  feindlichen  Einfall,  an  was  Ort  er 
immer  geschehe,  nach  Erfordcmus  und  Möglichkeit  Einhalt 
gethan  werde',  Vorerst  müsse  sich  der  Fürst  nach  Ober  Oester- 
(eich  begeben,  um  dort  mit  dem  Landeshauptmann  und  den 
Itändischen  Verordneten  zu  conferiren,  wie  das  Land  am  besten 
Bu  vertheidigen  sei.  Nur  an  Ort  und  Stelle  könne  der  Fürst 
entscheiden,  wo  man  die  Donau  sperren  müsse,  ob  dies  bei 
Engelhartszell  geschehen  solle  oder  weiter  stromabwärts  an  der 
Ranna  oder  am  Spielberge  bei  Enns,  wodurch  allerdings  nur 
Nieder-,  nicht  aber  Ober-CJesterreich  gedeckt  werde.  Den  Ständen 
habe  Maria  Theresia  ebenfalls  geschrieben  und  sie  aufgefordert, 
jetzt,  wo  die  Ernte  zum  Theil  schon  hereingebracht  sei,  für 
Verpflegung  der  Truppen  das  Möglichste  zu  thun,  .nachdem 
ein  jeder  das  Seinige  doch  lieber  uns  als  Lands  Mutter  als 
einem  zu  des  Lands  Unterdrückung  eindringenden  Feind  wird 
bergeben  wollen'.  Es  werde  dem  Fürsten  auch  zweckdienlich 
lein,  in  Linz  zu  erfahren,  was  in  den  Jahren  1702  und  1703 
Veranstaltet  wurde.  Nach  des  oberösterreichischen  Landea- 
panptmanns  Bericht  seien  Jäger  und  Schlitzen  bereits  aufge- 
boten, wa«  um  so  wichtiger,  als  fast  nur  Cavallerie  im  Lande 
|ei,  Infanterie  zur  Grenzvortheidigung  und  zur  Deckung  des 
lo  erträgnissreichen  Siilzkammergutes  aber  höchst  nöthig  wäre, 
ie  zunächst  ankommenden  Warasdiner  sollten  vermischt  mit 
ewaffnetem  Landvolk  ins  Salzkammergut  gelegt  werden.  — 
D  kundiger  Officier,  der  Ingenieur-Oberstlioutenant  Steiger, 
e  ins  Linzer  Zeughaus  abgeschickt,  ebenso  300  noch  leid- 
kriegstüchtige  Invaliden  aus  Wien  zur  Abrichtung  de» 
^•andvolks.  Mit  Neipperg,  dem  Oberbefehlshaber  gegen  die 
Preussen,  und  Ogilvy,  dem  Comraandanten  von  Prag,  habe  Lob- 
kovitz  Correspondenz  zu  pflegen.' 


*  Ich  entnehme  diese  Dftten  der  Originillnitruction  MAria  Theresias  an 
LobkowiU,  ddo.  2.  August  1741.  K.  u.  k.  Haas-,  Hof-  und  Staatsarcbir, 
Kriegnctan,  Fase.  866. 


346 


Der  Instruction  lag  der  Bericht  bei,  welchen  der  erwÄhi 
Ingenieur-Oberstlieutenant  J.  Steiger,  als  er  sich  mit  dem  Grafen 
Salburg  im  Frühjahre  1741  nach  OberOesterreich  begeben  hatte, 
erstattete.   Derselbe  klang,  was  die  Sperrung  der  Grenze  gegen 
Baiern  anbelangte,  keineswegs  ermuthigend.  Steiger  beschreibt 
ausfiibrlich  die  Verhaue  und  Sicht^rheitsvorkehrungen  im  Jahre 
1703  und  stützt  sich  hiebei  theils  auf  Berichte  alter  Leute,  theils 
auf  den  eigenen  Augenschein  dort,  wo  Spuren  der  Grenzbefesti- 
g^mg  noch  erkennbar  waren.    Zwar  wurde  damals  die  von  den 
Baiern  auf  der  Passauor  Poststrasse  erbaute  Schanze  zu  St.  Willi 
bald  von  den  Oberosterreichcm  genommen,  sonst  ist  aber  Steiger's 
Gesammturtheil,  ,dass  die  Grttntzen  damals  schlecht  verwahret  ge- 
wesen, es  seye  denn  ein  considerables  Corpo  zugegen  gewesen.' 
Nach   Steiger's    Vorschlägen    wäre    die  Donau  bei  Engel- 
hartszell   durch   eine   starke  Kette   und  ein  Seü^  welche  beide 
auf  kleinen  wohlverankerten  Schiffen  zu  ruhen  hiltten,  zu  sper- 
ren.  Längs  der  grossen  Kette  seien  auf  dem  Wasser  drei  Block- 
häuser  zu   verankern   und   ausserdem   an  beiden  Ufern  je  ein 
starkes  Blockhaus  mit  Graben  und  Pallisadon  anzulegen.  Sonst 
sollten    die    Grenzen   dort,    wo  Wälder   sich    erstreckten,    ver- 
hackt,   dort,   wo  das  Land  offen,  eine  6  Stunden  lange  , Linie' 
angelegt  werden  mit  dahinterstehenden  Blockhäusern.   Bei  An- 
lage dieser  Linie  wird  man  sich  nicht  ängstlich  an  die  Grenze 
halten,  sondern,   um   von   den  Vortlieilen    des  Torrains  zu  ge- 
winnen, bald  von  der  Grenze  nach  einwärts,  bald  ins  bairische 
Territorium  hinaus  abweichen  müssen,  wie  schon   1703  gesche- 
hen.    Doch  könnte  trotz  aller  dieser  Anstalten   ein   feindliches 
Corps    etwa    bei   Passau    die  Donau    übersetzen   und  auf  dem 
anderen  Ufer   bis  Linz  marschircn,    wie   dies  eine  Episode  im 
Bauernkrieg   von  162(J  beweise,   wo  doch   das  jenseitige  Land 
viel  rauher  und  unwegsamer  war.' 

Von  Steiger's  Vorschlägen  fand  hauptsächlich  der  Plan 
der  Donausperre  Anklang,  wenn  ihn  auch  später  der  von  Lob- 
kowitz  bestellte  Landescommandirende  Graf  Palffy  nur  zum  Theil 
verwirklichen  wollte.  Bei  Engelhartszell  gedachte  er  zwei 
Blockhäuser  zu  errichten,  dieselben  mit  Landvolk  zu  besetzen 
und    den    Strom    mit   einer  Kette    zu  sperren."     Doch  kam  es 

-'   '  Bericlit  Stei^r'i  (dsmala  Inifonienr-Major),   ddo.   Lin»,    23.  April   1741. 
K.  a.  k.  Hau.i-,  Hof-  and  SUatsarcliiv,  Kriegsacteii,  Fase.  359. 
*  Der  Iluflu-iegsrath  an  Lolikowiti  uach  PUsen  am  19.  August  1741;  ebenda. 


I 


347 


auch  hieza  nicht.  Der  Hofkriegsrath  schreibt  am  19.  August 
klagend  an  Lobkowitz,  dass  keine  eisernen  Ketten  vorhanden 
seien,  ,and  woher  solche  herzunehmen,  nachdem  die  Landschaft 
sich  zu  deren  Beschaffung  nicht  verstehen  wUl"?** 

So    schwammen    denn    am    13.    und    14.    September    die 
äen  Donaukuhne  mit  den  Franzosen  gemllchlich  die  Donau 
inter  und  standen  noch  eher  als  der  KurHlrst  vor  den  Thoren 
von  Linz.' 


Zweites  Capitel. 
Das  oberOsterreichlsche  Landesanfgcbot  von  1741. 

Ziemlich  gleichzeitig  mit  der  Instruction  an  Lobkowitz, 
am  3.  August  1741  hatte  Maria  Theresia  auch  an  die  stiindi- 
schcn  Verordneten  in  Linz  ein  Rcscript  erlassen.  Sie  theilt  den- 
selben mit,  dass  auf  die  Nachricht  vom  Falle  Passaus  und  der 
Feste  Oberhaus  hin  FUrst  Lobkowitz  nach  Linz  abgeschickt 
worden  sei,  um  mit  den  Verordneten  die  nöthigen  Vorkeh- 
rungen zu  berathcn.  Da  reguläre  Infanterie  nicht  vorhanden 
sei,  80  empfehle  es  sich,  Jilger,  Schlitzen  und  überhaupt 
alle  wehrfUhige  Mannschaft  aufzubieten.  Dem  Landesaufge- 
bote sei  aus  dem  Linzer  Zeughause  aller  möglicher  Vorschub 
zu  leisten. 

Ebenso  gehen  aus  dem  Wiener  Invaiidenhause  300  noch 
dienstfiihige  alte  Soldaten  zur  Abrichtung  des  Aufgebotes  nach 
Ober-Oesterreich  ab.  Die  Königin  hofft  —  wie  sie  schon  in  der 
Instruction  an  Lobkowitz  gesagt  hatte  —  die  Stände  würden 
,zur  Vertheidigung  des  armen  Unterthans  gerne  alles  anwenden 
und  viel  geneigter  sein,  ziir  Erhaltung  des  Landes  das  Aeusserste 
aufzusetzen,  als  durch  eine  einbrechende  feindliche  Macht  ihre 
Habschaften  verschlingen  zu  sehen'. ' 


'  Voriges  Schreiben. 

'  Vg\.  Heikel,  Der  Onterreichigcbe  Erbfolgekrieg,  8.  194. 

'  Königliches  Rescript  an  die  oberflsterreicliischon  Verordneten,  Preubnrg, 

3.  Aof^tut   1741,     K.  u.  k.  Uaos-,    Hof-    und    StastiMUchir,    Kriegsacten, 

Fuc.  n-2;  vgl.  Anhang,  Nr.  II. 


348 


Unter  dem  gleichen  Datum  erhielt  auch  der  Landeshaupt- 
mann ein  königliches  Rescript  aus  Pressburg. 

Lobkowitz  hatte  sich  bereits  am  2.  August  nach  Linz 
begeben.  Schreiben  des  Hofkriegsrathes  an  ihn  vom  2.,  4.  und 
5.  August  sind  nach  Linz  adressirt  und  am  7.  August  dortselbst 
prttsentirt.  Am  9.  August  war  er  indess  schon  nicht  mehr  in 
Linz,  denn  eine  Ordre  des  Hofkriegsrathes  muss  iiim  nach 
Prag  nachgeschickt  werden.  Inzwischen  waren  die  oberöster 
reichischen  Stände  im  Plenum  zusammengetreten.  Der  Feld- 
marschall beauftragte  sie  am  7.  August  mit  dem  Aufgebote  des 
Landsturmes  und  der  Beschreibung  der  Schätzen. 

In  der  Plenarversamralung  der  Stände  am  8.  August  er 
klärten  sieh  diese  zunächst  mit  der  ständischerseits  zu  ge- 
scliehonden  Werbung  und  Bestellung  des  regulären  Recruten- 
contingentes  von  1109  Mann  einverstanden. 

Am  9.  August  erschien  das  diesbezügliche  ständische 
Patent,  womach  von  je  40  Feuerstätten  ein  Recrut  im  Alter 
von  20 — 45  Jahren  zu  stellen  sei.  Die  Assentirung  sollte  vom 
26.  August  an  im  Landhause  unter  Leitung  des  landschaft- 
lichen Chiriirguä  Sigmund  Lech!  stattfinden.  Auf  die  Qualitlit 
der  Geworbenen  kam  es  der  Landschaft  nicht  an,  wie  folgender 
culturhistorisch  nicht  uninteressanter  Passus  des  landschaftlichen 
Patentes  beweist:  ,worBU  nun  (zu  Recruten)  benantlicb  die  an- 
gewohnte Gässelgeher,  Rauffer,  Spihler,  Vollssuffcr, 
item  die  öffters  botrettene  Fornicanten  (liederlichem 
Lebenswandel  nachhängende  junge  Leute),  wann  selbe  vorhin 
etwann  nicht  schon  abgestrafft  worden  seynd  und  sonderbahr 
die  Vagabundi,  so  ohne  authenti.selicn  Passen,  Handwerks 
Urkunden  und  Attestaten  im  Land  herumstreichen,  mithin  dem 
Publico  sowohl  als  Privatu  imd  sondcrbabr  dem  Land-Mann. 
Bürger  und  Bauren  auf  den  Strassen  und  zu  Hansa  obnedeme 
zur  Last  seynd  freiwillig  und  wider  iliren  Willen  ap- 
pliciert  und  genommen  werden  können.  Die  Obrigkeiten  also 
durch  heimlieh  und  öfftere  Visitationes  zuforderist  in  denen  ab- 
gelegenen Würtlishilusern  solche  aufzubringen  von  Selbsten  ge- 
richt  sein  werden  . '    Bis  Ende  September  gedachten  die  Stände 


'  Stflndiachen  Patent  rom  9.  An^rnat  1741.  K.  ii.  k.  Hanx-,  Hof-  and  Staats- 
archiv. Peter'üche  8amnilaiig:  Aus  dem  Archive  der  Stadt  Enns  (Varia) 
1716-  1742. 


349 


mit  diesem  Elitecorps  zn  Stande  zu  sein.  Freilich  überschritt 
schon  am  11.  September  der  Kurtllrst  die  Grenze  und  bis  da- 
hin waren  erst  253  Recruten  assentirt. ' 

Am  selben  8.  August  genehmigten  die  Stände  indess  auch 
das  Landesaufgebot.  Jeder  zehnte  Mann  wurde  auf- 
geboten und  dieser  Beschiuss  durch  das  ständische 
Patent  vom  11.  August  allenthalben  kundgegeben. 

Am  13.  August  wurde  der  Regiemng  der  Plan  vorgelegt, 
nach  welchem  der  Landsturm  aufgeboten  und  organisirt  werden 
sollte.*  Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  derselbe  uni.-^ichtig 
und  zweckdienlich  angelegt  war.  Leider  Hess  die  Ausführung 
sehr  viel  zu  wünschen  übrig.  Im  Punkte  1  des  Planes  wird 
darauf  hingewiesen,  dass  mittelst  des  Patentes  vom  11.  August 
die  Aufbietung  des  Landsturmes  bereits  erfolgt  sei. 

Punkt  2  des  Planes  bringt  das  allerdings  richtige  Axiom: 
dass  es  nicht  rathsam  sei,  den  Landsturm  ,wie  eine  Herd  Schaf 
einem  rcgulirten  Militär  entgegcnzustyllcn  und  aufzuopfern.  Dem- 
nach soll  das  ohne  die  landesflirstlichen  Städte  etwa  4000  Mann 
zählende  Aufgebot  in  13  Compagnien  zu  je  300  (350)  M:inn 
getheilt  werden. 
,  3.  Sammel-  und  Musterplätze    flir   die  Landescompagnien 

sind:  Im  Hausruckviertel:  Schwanstadt,  Orieskirchen,  Wels 
und  Eferding.  Im  Traun  viertel:  Steyr,  KremsmUnster,  Neu- 
hofen,  Kirchdorf  oder  für  die  beiden  letzten  Orte  Enns  und 
Ebelsberg.  Im  MUhlviertel:  Rohrbach  und  Ottensheim.  Im 
Machlandvicrtel:  Nenmarkt  bei  Freistadt,  Pabnenkirchen, 
Markt  Perg. 

Das  Aufgebot  soll  ,in  profixo  tennino'  (derselbe  ist  leider 
aus  den  Acten  nicht  ersiciitlicli,  da  das  Patent  vom  11.  August 
nicht  vorliegt)  so  viel  als  möglich  mit  Ober-  und  Untergewehr 
Bammt  Pulver  und  Blei  für  24  Schüsse  erscheinen.   Die  Unbe- 


'  Stindischer  Bericht  &n  den  KnrfUrsten  Tom  9.  Outober  1741.  K.  n.  k. 
Haiu-,  Hof-  and  Staatsarchir,  Kriegsacten,  Fnsc.  343. 

*  ,Siiteina  de«  entworffenen  Plans,  welchorgestalton  auf  eingelangten  kOnigl. 
a11erg«ten  Befehl  and  darauf  von  denen  gesamten  lUbl.  Ständen  dieses 
Erzlierzogthnm»  Ü.  o.  der  Enns  unverweilt  geschupften  EntschlUssnngen 
de  dato  8''»  carrentis  mensis  Aogusti  dieses  laaffendeu  1741t<»>  Jahrs 
Ton  denen  hierzu  cnm  libera  beTolImüchtigton  Landschaftsverordneten 
der  wUrklich  ergriflfeno  Landaufbott  des  10.  Manns  reguliert  und  in 
ErfiHInnp  na  setzen  getrachtet  wirdet'  (Concept  Tom  13.  Ati^uat  1741). 
Kbenda,  Fase.  342. 


360 


waffneten   aber   sollten   die  ,Bewöhrung'   g^egen   herrschaftliche 
Gutstehung  in  Linz  erhalten. 

4.  Für  jedes  Viertel  sind  von  der  Landschaft  Commissire 
zu  besteilen  aus  kriegskundigen  Cavalieren,  die  in  kaiserlichen 
Diensten  gestanden  sind;  diese  hätten  darüber  zu  wachen,  dass 
nur  taugliche  Leute  gestellt,  dass  Musterrollen  für  jede  Com- 
pagnie  angelegt,  Pulver  und  Blei  untersucht  würden. 

5.  Zur  Uebemahme  der  Uauptmannsstellen  in  den  ein- 
zelnen Compagnien  sind  .Landsmitglieder  und  adelich  Patrioten' 
durch  eigene  Ersuchschreiben  zu  requiriren. 

6.  In  allen  Städten  und  Märkten  seien  durch  öffentliche 
Patente  ,die  qualiticierte  Subjecta  ftlr  Lieutenants,  Feldweibel, 
Führer  und  Korporals,  weillen  die  wöhrhatfte  Invaliden  in  ge- 
nügsamer Anzahl  nicht  zur  Hand  seind,  invitiert  und  berufen 
worden'. 

7.  Ober-  und  Unterofficiere  sind  allsogleich  den  Muster- 
plätzen zuzutheilen  und  sollen  dort  ,mit  bchöriger  Positions- 
Anweisung  nebst  aUer  übrigen  patriotischen  Pflichts-Ennahnung, 
jedoch  ohne  körperlich  Jurainent  ftlrgestellet  werden'. 

8.  Da  zwischen  dem  commandirendcn  General  der  regu 
lären  Truppen  und  jedem  einzelnen  Landaufbotshauptmann  die 
Correspondenz  zu  beschwerlich  war,  so  stellten  die  Verordneten 
über  alle  Compagnien  ihr  Mitglied  Herrn  Josef  Williuger  von 
der  Au,  ,einen  absonderlich  in  re  militari  viel  Jahr  geUbten 
Lands-Kavalieren,  zu  einem  Oberhauptmann  oder  Oapitain- 
Commandanten',  der  auch  jene  Correspondenz  zu  führen  hatte. 
Ebenso  wird  9.  zur  leichteren  Durchführung  aller  Veranstal- 
tungen dem  commaudirenden  General  Grafen  Palfy  ein  eigenes 
Landschaftsmitglied  zugegeben. 

Diesem  Plane  ist  auch  ein  Kostenvoranschlag  beigefügt:' 
Von  den  14.075  Feuerstätten  des  Hausruckviertels  ist  die 
1.  bis  inclusive  4.  Compagnie  ohne  Ober-  und  Unterofficiere  je 
351  Mann  auszuheben.  Die  Gemeinen  erhalten  monatlich  2100  fl. 
per  Compagnie,  die  Ober-  und  Unterofficiere  327  fl.  Damit 
kommt  eine  Compagnie  des  Hausruckviertels  dem  Lande  auf 
2433  fl.  monatlich  zu  stehen. 

Das  Traunviertel  stellt  von  12.763  Feuerstätten  die  5.  bis 
inclusive  8.  Compagnie   zu  je   314  Mann   ohne  Officiere.     Der 


,Sobema  des  SchUtaeuauniutba  in  Ö.  o.  der  Eutu',  L  c. 


3Ö1 


Id  beträgt  monatlich  1914  fl.  per  Compagnie,  die  Gesammt- 
Bten  für  eine  Compagnie  des  TraunvierteU  monatlich  2241  fl. 

Das  MUhlviertel  stellt  von  5548  FeuersUltten  die  9.  und 
.  Compagnie  mit  je  277  Mann.  Sold  der  Officiere  327  fl., 
r  Gemeinen  1662  fl,,  also  1989  fl.  monatlich  per  Compagnie. 

Ana  dem  Machiandviertel  mit  seinen  9065'/»  Feuerstätten 
irutirt  sich  die  IL,  12.  und  13.  CompagTiie  mit  je  302  Mann, 
fordemiss  monatlich  327  fl.  für  die  Officiere,  1812  fl.  für  die 
innschafl;  im  Ganzen  somit  pro  Compagnie  2139  fl.  monatlich. 

Die  Gesammtstilrke  des  Aufgebots  soll  sich  von  41.451'/, 
merstätten  des  ganzen  Landes  auf  4140  Mann  mit  234  <)bcr- 
d  Unterofficieren  belaufen;  die  Totalkosten  wllrden  29.091  fl. 
•natlich  betragen;  hiebei  sind  aber  die  Ausgaben  für  Waffen, 
mition,  Patrontaschen,  Schanzzeug,  Arbeiter,  Fuhrwerke,  Apo- 
jker  und  Feldscherer  nicht  mit  eingerechnet. 

Dies  der  von  den  Ständen  der  Regierung  unterbreitete 
>bili8irung8plan  für  das  Landesaufgebot;  freilich  fehlte  gleich 
m  Anfange  der  gute  Wille,  ihn  durchzuführen. 

Bereits  am  10.  August  hatten  die  Stände  auf  ein  die 
mdsturmangelegenheit  betreibendes  Promemoria  des  Grafen 
lü'y  erwidert:  ,dass  wür  von  diesen  unexcrcicrton  Paucrn- 
Ik  die  erwünschte  Landesdefension  und  Sicherheit  nicht  ver- 
röchen können,  sondern  einem  eintzigen  regulierten  Infaiiterie- 
igiment  mehrer  Cräfften  zum  widerstandt,  als  einem  doppelt 
d  dreyfachen  Aufbott  von  dem  Landvolkh  zuetnuien'. 

Dem  .Sistema  des  cntwortennn  Planes'  selbst  fügt  die 
indschaft  einen  Schwall  von  allerlei  Bedenken  bei.  Nament- 
h  an  Munition,  Pulver  und  Blei  mangle  es.  Die  vorhandenen 
inten  seien  von  ungleichem  Caliber,  das  Landvolk  sei  unab- 
richtet.  Gerade  jetzt  habe  man  die  Bestände  des  Linzer 
oghauses  nach  Enns  gebracht.  Letzterer  Einwand  war  in 
r  That  in  etwas  begründet.  Am  14.  August  wird  attestirt, 
BS  durch  die  Kegieiiing  2119  alte  Musketeuschlössor,  sowie 
6  neue  in  das  Ennser  Stadtzeughaus  gebracht  worden  waren. 
lAlr  worden  indess  im  Aufti'age  des  Hofknegsrathes  für  Linz 
stimmt:  2  sechspfündige  ,Falkhaunen',  8  dreipfündige  ,Re- 
nents-Stukh*,  2000  Stückkugeln,  60  Centner  Musketenpulver, 
Centner  Kugelblei,  6000  Flintensteine  und  2  Centner  Lunten. 

Lu  Weiteren  verweisen  die  Stände  auf  die  grossen  Kosten 
8   Aufgebotes,    welche    die    landschaftliche    Casse    , zumal    in 

Arckir.  LXXXVU.  Bd.  II.  Hilfte.  83 


352 


gegenwärtiger  creditloser  Zeit'  nicht  wird  bestreiten  können. 
Zudem  sei  die  Grenze  gegen  Baiem  offen  und  weitschichtig, 
das  Land  ohne  Festung. '  Wieder  klingt  am  Schlüsse  der  alte 
Refrain:  Durch  alle  diese  Anstalten  könne  unter  den  Steuer- 
zahlern ,Bc8türzuüg'  entstehen  and  die  Zahlungen  derselben 
stocken.  * 

Eine  andere  Angelegenheit  war  den  Ständen  ebenUls 
Gegenstand  heftigen  Unmuthes,  bewies  aber  den  gänzlichen 
Mangel  an  Gemeingeflihl  mit  den  übrigen  Ländern.  Palffy  hatte 
am  10.  August  von  der  Landschaft  Arbeiter  und  Holz  zur  An- 
lage zweier  Redouten  auf  der  Insel  Spielberg  und  dem  Dorfe 
Enghagen  bei  Enns  begehrt.  Hierüber  beschweren  sich  die 
Verordneten  bei  der  Königin  und  melden,  dass  sie  an  Palffr 
,erindert  hätten,  dass  diese  redoutenaufwerffung  an  der  Landt- 
GrUniz  abwerts  zu  Bedeckung  dieses  lands  nicht  dienlich  seie 
und  wann  es  auf  bede  Redouten,  wie  auch  die  Stadt  Enns 
annoch  ankhommet,  das  völlige  Land  von  einer  feindlichen 
Macht  von  oben  herab  schon  libergewjlltigt  und  verschlungen 
sein  mtisse'. ' 

Allerdings  erhielt  der  landschaftliche  Pfleger  in  Steyregf 
Befehl,  Holz  auf  Pallisaden  und  Faschinen,  sowie  Handwerb- 

'  Hierin  hatten  die  Stinde  recht,  wie  durch  ein  neueres  niilitäri*che< 
Urtheil  (Iber  den  damnligen  Zustand  von  Linz,  Enns  und  Stejr  k<- 
stätigt  wird.  .Das  durch  seine  Lage  im  Donnuthale  und  an  der  ynt- 
zfl^licbsten  Vorrilckungslinie  des  Gegners  wichtige  Lins,  damals  17.000 
Einwohner  zählend,  hatte  nur  eine  altartige,  wenn  auch  bereits  anWr 
dem  Eintliiss  der  Pulvergeschlltzo  entstandene  Befestigung  ans  mit  ErJ- 
wKlleu  voMtärkten  Mauern,  an  deren  ausspringenden  Winkeln  lur  Gt- 
schntzverthoidigung  eingerichtete  Rondelle  angebracht  waren.  Aoascn- 
werke  fetilten  völlig.  Die  ganze  Anlage,  die  in  Folge  der  Uang«!- 
haftigkeit  und  des  Zustandes  ihrer  Werke  den  Namen  Testiuig  nicht 
mehr  venlionta,  war  Überdies  von  dem  nürhsten  Umterraiu  voUkommm 
dominirt  und  entbehrte  daher  bei  Ausbruch  des  Krieges  nahezu  jedtr 
Vertheidignugsfähigkeit.  Ebenso  besosseu  Enns  und  Steyr  nur  halb- 
verfallene Stndtmanem.'  Oesterreichisober  Erbfolgekrieg,  herausgegeb«D 
vom  Kriegsarchive,  I,  8.  779. 

*  ,Sistoma'  vom  13.  August  1741.  K.  n.  k.  Hans-,  Hof-  und  8t«ataai«liir, 
Kriegsacten,  Fase.  .342.  —  Das  Attest  über  die  nach  Enns  gebrachten 
Bestände  des  Linzer  Zeughauses:  ebenda,  Peter'sche  Sammlung.  Bft- 
zHglich  der  nach  Linz  zu  bringenden  Munition:  Der  Hofkriegi<rath  a« 
Lobkowitz   am    16.  August  1741;  ebenda,  Kriegsacten,  Fase.  369. 

*  .Hoffs-Nottnrffl'  vom  16.  August  1741.  K.  u.  k.  Uaus-,  Hof-  nnd  Staats- 
archiv, Fase.  342. 


353 

leate  und  Arbeiter  fUr  die  bei  Enns  auszuftJlirenden  Arbeiten 
zu  stellen,  doch  die  Stände  konnten  nicht  unterlassen,  jene 
Werke  als  unnütz  hinzustellen;  auch  verwiesen  sie  die  Re- 
gierung auf  die  Nieder-OesteiTcicher.  Diese  vcrfehJte  nicht,  die 
niederösterreichischen  Stände  heranzuziehen. '  Letztere  nahmen 
sich  in  der  That  der  Sache  mit  Eifer  an  upd  verausgabten  ftir 
jene  Schanzen  auf  oberösterreichischem  Grunde  nach  und  nach 
13.0()0  fl.» 

Mittlerweile  gingen  die  Stände  daran,  den  mit  Patent 
vom  11.  August  aufgebotenen  Landsturm  zu  organisircn,  jedoch 
ohne  rechte  Freude  an  der  Sache,  so  dass  schon  am  19.  August 
der  Hofkriegsrath  an  Lobkowitz  schreibt:  ,mit  dem  Landvolk 
gehet  es  langsamb  vor  sich,  auf  welches  auch  ausser  zu  Ab- 
haltung deren  Streifungen  kein  grosser  Staat  zu  machen'.' 

Bevor  nun  am  22.  August  wirklich  die  1.  Compagnio  zu 
Peuerbach  gemustert  wurde,  versuchten  die  Verordneten  noch 
einmal,  die  Regierung  von  dem  Plane  der  Aufbietung  des 
Landstiu-mes  abzubringen.  Am  14.  August  richteten  sie  eine 
diesbezügliche  Vorstellung  an  Maria  Theresia,  wie  sie  auch  den 
Landeshauptmann  und  den  General  Palffy  in  dieser  Angelegen- 
heit schon  öfters  ,erindert'  hatten.  Zum  Theile  wiederholen  sie 
bereits  Geäussertes,  zum  Theile  kommen  sie  mit  neuen  Be- 
denken angerückt.  Sie  zweifeln  sehr,  ob  wirklich  jeder  zehnte 
Mann  sich  auf  den  Musterplätzen  einfinden  wird.  Beschämend 
ist  ihr  Geständniss,  dass  von  den  ,adolich  Patrioten',  welche 
Hauptmannsstellen  übernehmen  sollten,  sehr  wenig  sich  ange- 
meldet hätten  mit  der  Begründung,  ,weilen  jedermann  zwar 
sein  Guet  und  Blueth  für  Eur  Khönigl.  May.  und  das  werthe 
Vaterland  willfiihrig  sacrificieret,  aus  Mangel  eigener  Kriegs- 
erfahrenheit aber,  oder  auch  weilen  er  von  dem  gar  nicht  ab- 
gerichten  Landvolk  verlassen  zu  werden  billig  befürchtet'. 
Femer  wird  die  Besorgniss  ausgesprochen,  .dass  auf  den  ersten 
Anfall  einer  feindlichen  Parthei  das  ohnedeme  von  Natur 
forchtsame  Pauernvolkh  die  Posten  verlasset  und  ausseinander 


'  KOniglichefl  Decret  vom   16.  August  1741   an  die  niederOsterreichischeii 

Stände;  niederOsterreichucbe«  Landesarchir,  Fase.  E,  20,  6. 
^*  Belation    vom    23.   Noveuber    1741    im    niederOaterreichischen   Landes- 
archiv,  1.  c. 
'  D«r  Hofkriegsrath  an  Lobkowiu,  19.  August  1741;  k.  u.  k.  Unns-,  Hof- 
und  Staatsarchiv,  Fase.  359.     ^^^^^ 

23» 


364 


laufet',    ein  Vorwurf,    der    in    gar    nichts   begründet   ist.     Der 
Kenner  der  oberösterreicliischen  Landbevölkerung  wird  gewiss 
energisch  verneinen  müssen,    dass  dieselbe    ,von  Natur   forcht- 
sam'  ist.     Auch   war  das  Verhalten  der  Bevölkening  während 
des  Einmarsches   der  Feinde   and   der  Besetzung   des   Landes 
ein  durchaus  untadeliges;  sie  blieb  gut  österreichisch  und  unter- 
stützte —  wie  au  einem  Beispiele  im  Folgenden  gezeigt  werden 
wird  —  mit  Lebens-  und  Vermögensgefahr  die  Rückeroberung. 
Auch   die   von  der  Regierung  zur  Abrichtung  geschickten  300 
noch    rüstigen   Invaliden   sind   der  Landschaft   ein  Gegenstand 
des   Missfallons,    ,wpilen   sye   den   zum   gewöhr   ungeschickten 
Paurs-Mann   mit  Schlög   tractieren,   mithin   noch  mehr  verzagt 
machen  und  zur  Desertion  veranlassen  dörfften'.    In  Wirklich- 
keit verhielten  sich  jene  alten  Exerciermeister  bei  wirklich  er- 
folgter Invasion  weit  besser  als  manche  Landesmitglieder  und 
konnten  mit  allen  Ehren  abziehen.    Das  Oeld  ftlr  das  Landes- 
aufgebot erklären  die  Verordneten  geradezu  für  hinausgeworfen. 
Wieder  scliliesst  die  Reihe  der  ständischen  Argumente  mit  den) 
Hinweise,  sie  müssten,  um  die  Beschaffenheit  der  Dinge  in  ihrer 
jUatUrlichen  Färb'  zu  entwerfen,  bekennen,  dass  die  Unterthanen 
in   einigen    Herrschaften   ,bci   gegenwärtig  geftlhrlichen   Zeiten 
und  Unistilndeii  Steuer  und  Gaben  zu  reichen  verweigern'. 

Sie  bitten  nun  um  ,den  allerhöchst  khönigl.  Befclch  hier- 
über, ob  wir  nemblich  bey  so  gefährheh  sich  äussernden  Umb- 
ständen  mit  der  so  kostbahr  fallenden  Aufrichtung  deren  13  Com- 
panien  von  unerfnhrencn  Pauernvolkli  indenoch  fortzufahren 
haben'.  Wie  Ironie  klingt  es,  wenn  die  Vertreter  der  Land- 
schaft am  Schlüsse  der  Hoffnung  Ausdruck  geben,  die  Königin 
werde  in  diesen  und  allen  anderen  Dingen  den  ständischen  ,blin- 
den  Gehorsam  aUermildest  erkennen'.' 

Auf  diese  Klagen  und  Vorstellungen  antwortete  Mari* 
Theresia  durch  das  Rescript  de  dato  Pressburg,  26.  August 
1741.*  Mit  grosser  Nachsicht  sagt  die  Königin,  sie  wttrdigf 
zwar  die  Erheblichkeit  des  Vorgebrachten,  es  ginge  aber  doch 
nicht  an,   das  Land  ,ohne   einige  Verfassung'   zu   lassen.     Die 

'  .Hoffs-Notturfft  den  Landenschatzen-Aiifbot  betreff.'  Lins,  19.  Aagai^ 
1741.  K.  u.  k.  HAas-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  Kriegsacten,  Faac  SÜ 
(Anhang  III). 

*  Maria  Theresia  an  die  Verordneten,  Pretsburg,  S6.  August  1741;  ebenda. 
Fase.  342. 


355 


Compagnien  des  Landesaufgebotes  könnten  sowohl  dem  Feinde 
Widerstand,  als  dem  regulären  Militär  Unterstützung  gewähren. 
Den  wahren  in  den  Geldauslagen  zu  suchenden  Grund  des 
ständischen  Widerstrebens  gegen  den  Landsturm  beseitigte 
Maria  Theresia  kurz  durch  die  Verfügung,  die  Kosten  seien 
der  Landschaft  aus  den  Contributionsraten  fiir  das  künftige 
Jahr  zu  erstatten. 

Damit  war  nun  der  Stein  des  Anatosses  beseitigt,  und  ge- 
wissermassen  frohlockend  bemerkten  die  Verordneten  am 
29.  August  auf  dem  königlichen  Rescripte  in  dorso:  ,Die8 
allergnädigste  Rescript  in  originali  mit  besonderem  Fleiss 
bei  der  Canzley  aufzubehalten.'  Zugleich  ergingen  vidimirte 
Abschriften  des  königlichen  Schreibens  an  das  landschaftliehe 
Generaleinnehmeramt  und  den  landschaftlichen  Kriegscassier, 
damit  die  Unkosten  , durch  besondere  Rechnung  dem  königl. 
Hof  an  denen  Contributionsratis  angesetzet  werden  können*. 
Nunmehr  scheint  etwas  mehr  Thäitigkeit  in  der  Landesaufgebots- 
angelegenheit entfaltet  worden  zu  sein.  Ein  Theil  der  Com- 
pagnien trat  wirklich  in  voller  Stärke  zusammen,  3  wurden  an 
der  Grenze  aufgestellt,  eine  Compagnie  bei  den  Schanzen  in 
Spielberg,  Enghagen  und  Ebelsperg,  eine  stand  in  Steyr,  je 
eine  auch  in  Schwanstadt,  Kremamünster  und  Kirchdorf.  Doch 
war  immerhin  am  6.  September,  fünf  Tage  vor  dem  Ein- 
märsche des  Kui-fUrsten,  von  den  fünf  Compagnien  des  Mlihl- 
und  Machlandviertela  auch  noch  nicht  eine  gemustert.  Kost- 
bare Zeit,  vom  8.  August,  dem  Tage  der  Beschlussfassung,  bis 
zum  29.  August,  von  wo  an  man  die  Sache  ernergischer  be- 
trieb, war  verflossen.  Mittlerweile  hatte  sich  das  drohende  Ge- 
witter immer  finsterer  zusammengeballt. 

Am  Himmelfahrtetage  (lö.  August)  nämlich  begannen  die 
ersten  Colonnen  der  Franzosen  den  Rhein  zu  überschreiten. 
Wie  sie  auf  dem  rechten  Rheinufer  angelangt  waren,  erschien 
die  blauweisse  bairische  Cocarde  auf  ihren  Hüten,  keinen 
Zweifel  lassend  über  ihre  Bestimmung.  lu  langsamen  Märschen 
Q&herten  sie  sich  dem  kurfürstlichen  Lager  bei  Schärding.' 
OberCeterreich  schien  nun  ziemlich  sicher  das  Object  des  ersten 

'  Ameth,  MAria  Theresia  I,  8.  248.  Die  vöUipo  Vereinigung  der  Fran- 
xoseo  mit  den  Baiern  erfolgte  indessen  er»t  in  Ul)or-Oe8terreich,  da  sich 
die  Franzosen  bei  Donanwitrth  einschifften  und  dann  su  Pflitter  unweit 
Begensburg  ein  Lager  aufschlagen  (nach  Heigel,  1.  c,  S.  176). 


356 

AngriflFes.  Geschehen  war  dort  herzlich  wenig.  Die  ganze 
Haltung  der  Stände  in  der  Frage  des  Aufgebotes  war  eine 
derartifjo  pjewescn,  dass  sie  auch  auf  die  Regierung  cntmu- 
thigeud  eingewirkt  zu  haben  scheint.  Als  Mitte  September 
der  böhmische  Obersthofkanzlor  Graf  Kinsky  den  Plan  eines 
, Land- Auf bots'  in  Böhmen  anregte,  ging  der  Hof,  offenbar 
durch  die  Erfahrungen  mit  den  oberösteiTeichischen  Ständen 
hiezu  veranlasst,  nicht  darauf  ein,  da  davon  ,eine  gar  geringe 
Wirkung  zu  erwarten  sein  würde'. '  Am  6.  September  schon 
enthess  Palffy  den  grössten  Theil  der  Aufgebotsmänner  und 
verzichtete  auf  die  Musterung  der  noch  ausständigen  ftinf  Com- 
pagnien.*  Gewehre  und  Munition  worden  den  Leuten  kurz  nach 
dem  Einmärsche  der  Bavaro-Franzosen  auf  Befehl  der  kur- 
fUrstlichen  Behörden  von  der  Landschaft  wieder  abgenommen.* 
Am  19.  September  erfloss  das  landschaftliche  Patent,  nach 
welchem  die  LandesschUtzen  verhalten  wurden,  die  ihnen  vor- 
dem abgegebenen  Waffen,  ,so  in  einer  Flinten,  Bajonett  oder 
Säbel  bestanden',  an  das  landschaftliche  Depositorium  zurück- 
zubringen.* 

So  endete  sang-  und  klanglos  das  Aufgebot  des  Landes 
ob  der  Enns,  wie  sich  auch  bei  der  herrschenden  Stimmung 
der  Stände  nicht  anders  erwarten  Hess.  Kein  Schuss  fiel,  «Is 
am  11.  September  der  Kurfürst  einrtlckte,  und  ohne  eine  Spur 
eines  Widerstandes  besetzte  Karl  Albert  eines  der  StammlSnder 
des  habsburgischen  Staates.  Zeit  zur  Organisation  eines  wirk- 
samen Landsturmes  hätten  die  Stände  genugsam  gehabt.  Früh- 
zeitig,   schon   im  April,   forderte   die  Regierung  hiezu  auf.    Ja 


*  Maria  Theresia  au  Lobkowitz,  Pressbnrg-,   14.  September  1741.     K.  D.  k. 
Hnas-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  Kriegsacton,  Fase.  367. 

*  ,Oi)gen  Pro-Memoria'  des  Grafen  Palffy  an  die  Verordneten,  Linz,  ß.  Sep- 
tember 1741.     Ebenda,  Fase.  342. 

*  Protiikull  von  der  Mand  den  ständischen  Syndicus  r.  Fridel  su  der  Con- 
ferenz  am  16.  September  1741.  Anwesend  ,dio  kurfilrstl.  Ministri  H.  Gt- 
Preysiug:,  H.  Bar.  von  Braiteulohn  et  reliqui  mihi  ignoti  .  .  .  Pnncl  4: 
seye  das  gewOhr  nnd  mnnition  von  den  burgern  und  panrschafl  sbiu- 
fordem  und  solches  nacher  Linz  zu  brin^n'.  Auch  die  landschafUiotjft  j 
Verordneten  schreiben  dem  KurfUrsten  am  17.  September:  Das 
und  die  Munition,  .welches  auf  Verlangen  des  Generals  Palfy  an  ' 
LandesschUtzen  ausgetheilt  wurde,  ist  an  die  Landschaft  allerdings  ' 
Kulieforu*.    Ebenda. 

*  Original  mit  aecha  Siegeln.     Ebenda,  1.  c. 


noch  nach  der  Eröffnung  der  Feindseligkeiten  durch  die  Weg- 
ttfthme  Passaas  vergingen  sechs  Wochen  bis  zum  wirklichen 
Einrücken  Karl  Albrechts.  Es  wäre  freihch  unnlUzes  Bhitver- 
giessen,  ja  Wahnsinn  gewesen,  mit  dem  ,Lan<lfahn'  allein  die 
Grenzsen  gegen  Baiern  und  das  flache  Land  halten  zu  wollen 
ohne  reguläres  Militilr.  Doch  in  dem  gebirgigen  Theile,  zumal 
im  Salzkammergute,  hätte  das  Landesaufgebot,  nach  dem  glor- 
reichen Muster  der  Tiroler  anno  1703  gegen  Max  EmanucI, 
von  grossem  Nutzen  sein  können.  So  indess  fiel  auch  das  Salz- 
kammergut mit  seinen  reichen  Vorräthen  und  Einkünften  ohne 
Widerstand,  während  der  Feind  ohne  sonderliche  Mühe  durch 
jdie  auf  Benachrichtigung  des  wackeren  Leonsteiner  Pflegers 
Franz  Michael  Grezmillner  vom  Admonter  Prälaten  aufge- 
botenen steirischen  Bauern  am  Ueberschreiten  des  Pyrnpasses 
imd  am  Einfalle  in  das  steirische  Ennsthal  gehindert  wurde.  ^ 
Dass  das  oberösterreichische  Landesaufgebot  keineswegs  zu 
unterschätzen  war,  das  beweist  der  Eifer,  mit  welchem  die 
Begierung  und  diesmal  auch  die  Stände  im  Herbste  1742  die 
Verfügung  trafen,  alle  im  Lande  betindlicheu  Jäger  und  Scharf- 
ichützen  seien  auszuheben  und  dem  General  Bemklau  zur  Be- 
^tzung  von  Passau,  Schärding,  Braunau  und  Burgliausen  zu 
überlassen,  der  illnfte  Mann  im  ganzen  Lande,  das  gesammte 
Landvolk  an  der  bairischen  Grenze  sei  aufzubieten,  um  dem 
drohenden  Einfalle  des  bairischen  Generals  Seckcndorf  mit  Er- 
Jblg  zu  begegnen.  Das  Salzkaramergut  soU  mit  400  oberöster- 
reichischen  Scharfschützen  besetzt  werden.  Schnell  und  dringend 
verlangen  die  Stände  von  der  Regierung  für  ilir  Landvolk  Ge- 
wehre, Pulver,  Blei  und  Säbel.* 

Wie   sehr  ist  diese  Haltung  von  der  im  Jahre  1741  ver- 
schieden 1 


*  Bericht  Grezmillner's.     K.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchir,  Fa<c.  14. 

OberOaterreicb   1650—1749. 
'  Die  LancUcbaft  an  Maria  Theresia  am  17.  October  1742.     Ebenda. 


358 


Drittes  Capltel. 

Die  letzten  Zelten  v«r  dem  Kliiiiiiirschc  der  Bafcm  iiud 
Franzosen  in  Ober-Oesterrclch. 

Schon  in  der  Conferenzsitzung  vom  12.  August  war  sich 
der  Wiener  Hof  über  das  ernstlich  Bedrohliche  der  bairischcn 
Rüstungen  klar  «rcwordcn.  Die  Conferenz  constatirte  die  That- 
sachen,  dass  alier  Orten  längs  der  Donau  und  des  Innstromes 
Schiffe  gesammelt  würden;  einige  bairische  Regimenter  hätten 
ein  Lager  bei  Schärding  bezogen,  der  Rest  stünde  in  Straubing 
und  Ingolstadt;  die  von  den  Franzosen  an  die  Ulmer  gestellte 
Durclizugsforderung  lasse  vermuthen,  dass  sie  auf  der  Donau 
nach  Ober-Oesterreich  herabzukommen  Willens  seien. '  In  einer 
solchen  Stärke  hatte  man  sich  aber  die  französische  Hilfeleistung 
an  den  Kurfürsten  kaum  vorgestellt,  wie  sie  das  mächtige  fran- 
zösische Heer  nun  erwies,  das  seit  Mitte  August  in  glänzender 
Ausrüstimg  durch  den  schwäbischen  und  bairiachen  Kreis 
heranzog.  Dieser  Thatsache  gegenüber  sah  sich  bereits  am 
19.  August  der  Hofkriegsrath  unter  Klagen  über  die  Unzuläng- 
lichkeit des  Landaufgebots  und  die  Unmöglichkeit  der  Donaa- 
spcrre  (vgl.  S.  347)  genöthigt,  den  Laudescommandirenden  Grafen 
Palffy  durch  Lobkowitz  dahin  insfruiren  zu  lassen,  ,er  habe  bey 
allzustark  auf  ihme  anruckheude  feindliche  Macht  sich  anfangs 
über  die  Traun,  und  wan  er  auch  von  dannen  weichen  müsste, 
über  die  Enns  zu  ziehen'.* 

Noch  düsterer  stellt  der  Hofkriegsrath  die  Lage  in  seinem 
Berichte  vom  30.  August  1741  dar.  Ein  Theil  der  Franzosen, 
schreibt  er  an  Lobkowitz,  dürfte  anfangs  September  in  Donau- 
wörth eintreffen;  ein  anderes  französisches  Corps  wird,  wie  aus 
einem  vom  Marschall  Belleisle  an  den  Nürnberger  Magistrat 
ergangenen  Requisitionssehreiben  erhelle,  seinen  Weg  durch 
Franken  und  die  Oberpfalz  nehmen.  In  Schärding  stehen 
10.000  Baiern,  viele  Schiffe  und  Flösse  sind  gesammelt,  für  die 
Vorproviantirung   wird    vorgesorgt,   die  Strassen   sind    für    den 

*  Eztract  aus  dem  CouferenxprotokoUe  vom  12.  Aug^t  1741,  Beiln^  t*.*- 
dem  Schreiben  des  Uofkrie^rathes  aq  Lobkowitz  vom  19.  Augast  1741  -^ 
K.  u.  k.  Uaus-,  Hof-  uod  StMitsarchiv,  Kriegsacten,  Fuc.  S&9 

*  Voriges  Scbreibeu. 


359 


Marsch  der  Truppen  in  Stand  gesetzt,  ,68  ist  mit  einem  Worte 
alles  dermassen  zubereitet,  dass  die  Ruptur,  wo  nicht  vor  der 
Conjunction  mit  den  Franzosen,  doch  gleich  darauf  vor  sich 
geben  kann'.  Der  Fürst  möge  einen  Plan  einsenden,  wie  er 
lieh  im  Falle  eines  Angriffes  der  feindlichen  Uebermacht  von 
Oberösterreich  und  der  Oberpfalz  her  retiriren  wllrde.  Bezüg- 
lich Oberösterreichs  heisst  es  wie  schon  früher,  ,dass,  sobald  der 
KurfUrst  einruckhet,  Graf  Palffy  nichts  anderes  thun  kann,  als 
mit  denen  2  Regimentern  über  die  Traun  und  von  da  über 
die  Enns  sich  zu  retirieren',  ja  sollte  der  Zug  weiter  nach 
Niederösterreich  gehen,  so  könne  der  Fürst  ,8ich  selbsten  ein- 
bilden, was  vor  einen  Widerstand  die  zwei  Dragoner-Regi- 
menter allein  gegen  einer  den  Ennsfluss  mit  Ernst  passieren 
wollenden  feindHchen  Macht  zu  leisten  vermögend  wären'.  ^ 

Die  einzige  grössere  Armee,  die  Oesterreich  aufzuweisen 
hatte,  die  Neipperg'sche,  war  durch  die  Preussen  am  nördlichen 
Kriegsschauplatze  zurückgehalten.  So  betrat  man  noch  ein- 
mal den  Weg  der  Unterhandlungen. 

Noch  in  der  zweiten  Augustwoche  hatte  man  den  Aus- 
gleich mit  dem  Kurfürsten  ftlr  leicht  und  ohne  sonderliche 
Opfer  durchführbar  gehalten,  trotz  der  im  Juli  gepflogenen 
Vergeblichen  Unterhandlungen,  die  der  oberste  Hofkanzler 
Ludwig  Graf  Sinzcndorff  und  der  bairische  Kanzler  v.  Unertl 
iurch  das  Medium  des  sowohl  in  Wien  als  in  München  an- 
Ittssigen  Wolf  Wcrthheiraer  gefuhrt  hatten.  Noch  am  9.  August 
tchrieb  Maria  Theresia  an  ihren  Vertreter  am  sächsischen 
Hofe:  ,Wir  sind  ebcnmässig  vest  entschlossen,  unsere  teut- 
iche  Erbländer  nicht  zu  schmälern,  sondern  allenfahls  Chur- 
Bayem  von  entfernten  Ländern  zu  befriedigen.'*  Die  Hoff- 
nung, mit  Baiem  zu  einem  leichten  Abkommen  zu  kommen, 
ftTwies  sich  jedoch  bei  der  geänderten  Stellung  Franki-eichs 
kls   eine   trUgei'ische.    Maria  Theresia  unternahm  es  aber  noch 


r 


'  Der  Hofkriegsratli  an  Lobkowitz  am  30.  Aug^t.     K.  u.  k.  Baus-,  Hof- 

nnd  Staatsarchiy,  Fase.  36&. 

'  ,EUtractag  Rescripti  an  Graflfen  von  Wratulau  a.  KbeveDhUller,  Presbni;;, 
en  9t*»  Augnst  1741.'  Ebenda.  Uurt  heisst  es  auch:  ,Ein  leichtes 
nrde  Ewar  sein,  sich  mit  Cbur-Bayern  auch  ohne  sonderlichen  Ab- 
brach unserer  Gerechtsnme  einzuverstehen.'  lieber  die  Verhandlungen 
Sinsendorff'B  mit  Unertl  vgl.  Arnetb,  Maria  Theresia  I,  S.  236  flf. 


860 


einmal,  durch  eine  persönliche  Unterhandlung  den  von  Westen 
her  drohenden  Einbruch  selbst  mit  schweren  Opfern  fernzu- 
halten. Am  26.  August  1741  fand  eine  lebhafte  Unterredung 
zwischen  ihr  und  des  KurfUi'sten  Schwiegermutter,  der  Kai- 
serin Amalie,  Witwe  Josefs  I.,  statt.  Maria  Theresia  bot 
dem  Kurflirsten  die  Niederlande  oder  sämmtliche  Besitzungen 
des  Hauses  Oesterreich  in  Italien,  freilich  gegen  die  Ver- 
pflichtung, sie  vor  einem  üebietsverluste  dem  ])reussi8chen 
Feinde  gegenüber  zu  bewahren  und  ihrem  Gemahl  die  Stimme 
bei  der  Kaiserwahl  zu  geben.  Dieses  Angebot  wurde  von  der 
Kaiserin  Amalie  im  Namen  ihres  Schwiegersohnes  abgelehnt 
und  als  Gegenforderung  aufgestellt:  Abtretung  der  Vorlande 
und  des  Landes  Oesterreich  ob  der  Enns,  Erhebung  zum  Künige 
von  Schwaben  oder  Franken.  Vergeblich  erklärte  sich  Morik 
Theresia  endlich  selbst  bereit,  zu  sämmtlichen  Niederlanden 
auch  deutsche  Besitzungen,  die  Vorlande  (den  Breisgau,  Vorarl- 
berg und  das  österreichische  Schwaben)  abzutreten;  vergebens, 
der  verblendete,  von  den  Franzosen  und  seinen  GrossmachU- 
träumen  völlig  umstrickte  Kurfürst  ging  selbst  hierauf  nicht 
ein. '  Damit  war  jede  Aussicht  auf  eine  friedüche  Lösung  der 
bairischen  Frage  erloschen. 

Umsomehr  jammerten  die  Stünde  Ober-Oesterreichs,  die 
wieder  zusammengetreten  waren,  als  ihnen  diese  Thatsache  klar 
wurde.  Sie  beklagten  sich  jetzt,  dass  die  Regimenter  CaraSa  und 
Saint  Ignon  nur  auf  dem  Durchmarsche  im  Lande  seien,  und  dass 
auch  die  durch  Nieder-Ocsterreich  marschirenden  Regimenter,  so- 
wie die  mehrerwähnten  2000  Warasdiner  und  200  Husaren  gegen 
Böhmen  zögen,  sie,  die  früher  gegen  jede  Vermehrung  der  Be- 
satzung die  grössten  Schwierigkeiten  erhoben  hatten.  Der  Ton 
ihrer  Eingabe  vom  1.  September  1741  ist  ein  ganz  anderer, 
wiUigerer  als  der  in  den  früheren  Schriftstücken,  leider  zu  spät. 
Sie  schicken  nun  ihr  Mitglied,  Otto  Karl  Grafen  von  Hohen- 
feld,  an  die  Königin,  um  zu  bitten,  ,allerhöchst  dieselbe  geruhen 
uns  durch  schleunige  Hilfsleistungen  mit  zuelängig  regulierten 
Trouppen  allermildest  zu  Hilf  zu  kommen'.* 

Wenn  sie  auch  in  demselben  Actenstücke,  in  welchem 
sie    um  Verstärkung   des   regulären  Militärs   ansuchen,    in  den 

>  Ueber  diese  Verhandlungen  AmeUi,   Maria  Theresia  I,  S.  S37,  238. 
*  Die  Stände  an  Maria  Theresia,  Linz,  1.  September  1741.  K.  u.  k.  Ha 
Hof-  und  Staatuurchiv,  Fase.  342. 


361 

alten  Fehler  verfallen  und  der  Regierung  vorjammern,  wie 
schwer  es  sei,  die  beiden  im  Lande  liegenden  Dragonorregi- 
menter  (1400  Mann)  mit  Fleisch  zu  versehen,  so  helfen  sie 
doch  diesmal  der  Beschwerde  aus  Eigenem  ab;  schon  am 
nächsten  Tage  erschien  ein  ständisches  Patent,  laut  welchem 
von  je  40  Feuerstätten  ein  schlagbares  Rind  zu  hefern  sei, 
gegen  Vergütung  von  4  kr.  per  Pfund. ' 

Graf  Hohenfeld  reiste  noch  am  1.  September  mit  dem  Schrei- 
ben der  Stände  nach  Wien  ab.  Daselbst  angekommen,  wandte 
er  sich  an  jenen,  den  man  fUr  den  einfluasreichsten  unter  den 
Conferenzministem  der  jungen  Königin  hielt,  den  77jährigcn 
Grafen  Gundaker  Starhemberg. ' 

Starhemberg  wies  ihn  nach  Pressburg  an  den  obersten 
Hofkanzler  Philipp  Ludwig  Grafen  Sinzcndorff.  In  Pressburg 
fand  nun  in  Hohenfeld's  Gegenwart  beim  Hofkriegsrathsprä- 
aidenten  Grafen  Harrach '  am  3.  Seplembcr  eine  Conferenz 
statt  Der  dringendste  Punkt,  den  Hohenfeld  vorbrachte,  war, 
wie  sich  die  Stände  im  Falle  des  Verlangens  einer  Huldigung 
von  Seiten  des  Feindes  verhalten  sollten.  Oh  die  Königin  die 
Huldigung  verbiete?  ,ob  wer  solche  umb  sein  Haab  und  Gutt 
zu  salviren  getrungener  praesstiren  wurde,  in  landesfürstUche 
Ungnaden  verfallen  thäte?'  Die  Mitglieder  der  beim  Grafen 
Harrach  versammelten  geheimen  Conferenz  beschlossen: 

1.  Hohenfeld  hat  bei  der  Königin  Audienz  zu  nehmen 
and  ihr  Über  die  Lage  des  Landes  und  die  Stellungen  des 
Feindes  Bericht  zu  erstatten. 

2.  Die  Truppen  sind  von  Pilsen  nach  Budweis  zu  di- 
rigireo. 

3.  Die  Stände  sollten  sich  im  Falle  einer  Invasion  nicht 
in  corpore  versammeln;  Jeder  thue  wohl,  sich  auf  seine  Güter 


'  StSodiaches  Patent  vom  2.  September  1741.  K.  a.  k.  Haus-,  Hof-  und 
StaatsarehiT,  Fase.  342. 

•  Ueber  Gnndaker  Starhemberg,  den  Stiefbruder  des  Verthoidigera  von 
Wien,  den  trefflieben  und  redlichen  Finsnzmann,  GrUnder  dos  , Wiener 
Stodtbanco',  dem  noch  sterbend  Kaiser  Karl  Tochter  und  Schyriegersobn 
empfohlen  hatte,  vgl.  Ameth,  Maria  Theresia  I,  S.  67  ff.  Ebenda,  S.  63  ff. 
das   Teruichtende  Unheil  über  den  feilen  Sinzendorff. 

*  Feldmarschall  Graf  Josef  Harrach,  seit  1738  Hofkriegsrathspräsident, 
war  ebenso  nie  sein  Slterer  Bruder  Raimund,  der  im  kritischen  Jahre 
1700  Gesandter  in  Madrid  gewesen  war,  ohne  Bedeutung.  Vgl.  Ameth, 
1.  c,  8.  70 


362 


xa  retiriren,  ,aIlwo  ihme  jedoch  frey  gelassen  wirdtet,  nach 
Möglichkeit  in  privato  sich  zu  behelfen'. 

Hohenfeld  nahm  ailsogleich  nach  dieser  Berathung  Andienz 
bei  Maria  Theresia.  Die  junge  Monarchin  empfing  ihn  mit  der 
grÖBSten  Güte  und  versicherte  in  wahrhaft  königUcher  Huld 
und  QroBsmuth,  sie  werde  das  nicht  ungnitdig  aufnehmen,  was 
wegen  der  Uebermacht  nicht  zu  vermeiden  oder  abzuändern 
sei.  Sie  bedauere  herzlich,  nicht  im  Stande  zu  sein,  den  sich 
zu  ihr  Flüchtenden  den  Lebensunterhalt  gewähren  zu  können. 
Wie  eine  Mutter  sei  sie  den  Ständen  im  Allgemeinen  und  Jedem 
im  Besonderen  gewogen.* 

Am  nächsten  Tage  erging  an  Hohenfeld  auch  ein  Hof- 
decret,  das  denselben  Inhalt  hatte  wie  das  ihm  von  der  Kö- 
nigin mUndlich  Mitgetheilte.  Im  Falle  der  Invasion  hätten  die 
Stände  ,straks  auseinanderzugehen'.  Im  Uebrigen  aber 
werde  Maria  Theresia  ,in  Ungnaden  nicht  vermerken  wollen, 
was  wegen  der  Übermacht  nicht  zu  vermeiden  oder  nicht  zu 
ändern  ist'.  Aus  dem  Contexto  ergibt  sich,  dass  jene  gnädigen 
und  rücksichtsvollen  Worte  nur  auf  den  Privatverkehr  jedes 
einzelnen  Landeamitgliedes  mit  dem  eingedrungenen  Feinde  zu 
beziehen  seien,  keineswegs  aber  auf  eine  Huldigung,  die  durch 


*  Hohenfeld'»  Berieht  an  die  Stände  ohne  Datam  (prSsentirt  7.  September 
1741).  K.  n.  k.  Haut)-,  Hof-  und  ätaat«archiv,  Fase.  342.  Die  Stolle  be- 
züglich der  Audienz  lautet:  ,Es  haben  allerhöchst  dieselbe  auch  (naeb 
Bestätigung  des  in  der  Conferenz  üescbloaseneD)  sich  nicht  weniger  allein 
mildest  verncmiin  lusen,  wie  dau  sye  Endlich  Jenes  in  Ungnaden  nicht 
vermerkhen  wurden,  was  wegen  dur  Uebermacht  nicht  zu  vermeiden 
oder  nicht  abzuändern  ist,  gestalten  sje  herzlich  bedauerten,  dass  sye 
deiienjenigen,  welche  zu  ihr  sich  begeben  wollen,  nicht  zu  leebea  geben 
khUntc,  wo  hingegen  höchst  dieselbe  jedoch  denen  Ständen  in  corpore 
und  jeden  in  particulari  mit  allen  gnaden  gewogen  und  eine  Matter  su 
verbleiben  die  allerhöchste  Versicherung  vonsichgegeben.'  Da«  die  Kö- 
nigin liiebei  aber  keineswegs  auch  die  Huldigung  dem  Feinde  gegen- 
über ventaaden  haben  wollte,  beweist  am  besten  das  Patent  Maria  Tbe- 
resiaa  au  die  OborOsterreichischen  Stände  vom  28.  September  1741,  als 
ihr  die  Nachricht  zukam,  von  Seiten  des  Kurfürsten  würden  Vorbe- 
reitungen für  die  Huldigung  getroffen:  ,Nun  versehen  wir  ans  zwar  za 
eurer  unversehrten  Treu,  Liebe  und  Devotion,  dau  ihr  derley  unbe- 
rechtigten Zumuthungen  von  Selbsten  kein  GehOr  geben,  mindera  Folge 
leisten  werdet;  allermassen  Wir  auch  ein  Solches  euch  sammt  und  sonder) 
mit  gemeoaenen  Ernst  hiemit  verbieten.'  NiederOsterreiohiaches  Lande»- 
Archiv,  Landeadefension  1741. 


368 


das  Auseinandergehen  des  Landtages  und  das  Verbot  des 
Wiederzusammentrittes  unmöglich  gemacht  werden  sollte.' 

Aeusserst  gütig  war  auch  das  Rescript  gehalten,  das 
Maria  Theresia  an  die  oberösterreichische  Landschaft  von  Ho- 
htsch  aus  auf  deren  Schreiben  vom  1.  September  ergehen  Hess. 
Tröstlich  und  wohlgeftlUig  sei  ihr  dasselbe  gewesen;  sie  hofft, 
die  Stände  wlirden  in  diesen  Gesinnungen  verharren,  über- 
Oesterreichs  VertLeidigung  werde  durch  das  Lobkowitz'sche  Corps 
unterstützt  werden.  Im  Pralle  des  feindlichen  Einbruches  hätten 
die  Stände  allsogleich  auseinanderzugehen.  Auch  Hohenfetd 
werde  ihnen  mündlichen  Bericht  erstatten.' 

Hohenfeld  eilte  nach  Linz  zurück.  In  einem  Punkte  ver- 
langten die  Stände  noch  nähere  Auskunft:  Sind  unter  den 
.Ständen',  die  sofort  auseinander  zu  gehen  hätten,  auch  die 
ständischen  Verordneten  mit  inbegriffen?  Man  nahm  dies  nicht 
an,  sondern  erklärte  —  vorbehaltlich  der  Genehmung  des  Ilofeß 
—  die  Verordneten  ,keinesweg8  für  unseres  ständischen  Cor- 
poris Repräsentanten'  (was  sie  in  Wirklichkeit  doch  auch  waren), 
^^ndem  für  Besorger  der  allgemeinen  Lands-Oekonomie';  sie 
lifttten  demnach  mit  dem  Präsidenten  Johann  Wilhelm  Grafen 
Thürheim  beisammen  zu  bleiben,  ei-sterer  ,in  seiner  inhabenden 
Landhauss-Wohuung'  zur  besseren  Wahrung  der  Landesinter- 
essen  und  damit  nicht  etwa  Archive,  Kanzleien  und  Cassen 
dem  Feinde  wie  herrenloses  Gut  zufielen,  eine  Vorsorge,  die 
selbstverständlich  nur  gebilligt  werden  muss.  Noch  am  7.  Sep- 
tember, dem  Tage,  an  dem  ihnen  Hohenfeld  Bericht  erstattete, 
schickten  sie  den  landschaftlichen  Secretär  Tobias  Schmidpauer 
mit  diesen  Vorschlägen  an  die  Königin  zugleich    mit   der  Ver- 


*  Hofdecret  an  Hnheiifeld  ddo.  Holi>8ch,  4.  September  1741:  ,Da  ist 
Ihrer  kOnigl.  May.  allergiiniü^te  Intention,  dans  in  solchem  Fall  (der 
Invasion)  die  thren  fj^ehorsambste  ätfiude  straks  auseinandergehen  und 
alle  Vorsamblung  in  Corpure  üuaserist  Termayden  sollen,  wie  aber 
aia  jeder  ihme  selbst  in  privato  holffon  kOnne,  solches  wird  ihnen  fllr 
dergleichen  Fall  freigelassen,  massen  Ihre  köiiigl.  May.  endlich  in  Vn- 
gnadeu  nicht  rennerken  wollen,  was  wegen  der  Übermacht  nicht  zu 
Tenneiden  oder  nicht  na  Sndem  ist.'  K.  n.  k.  Hana-,  Hof-  und  Staats- 
arehiv. Fase.  342. 

*  Rescript  Maria  Theresias  an  die  obertisterreich Ischen  Stünde,  Holitsch, 
4.  September  1741;  ebenda.  Am  5.  September  wurde  auch  iiobkowitx 
nach  Budweis  commandirt;  ebenda,  Fase.  359. 


364 


Sicherung,  dass  auch  mitten  unter  der  feindlichen  Uebermacht 
die  80  viele  Jahrhundorte  fllr  das  Erzhaus  gewahrte  Treue  ,un- 
auslöschhch  bevestiget  und  in  unsere  allersubmissesten  Herzen 
eindrucket'  werden  würde.* 

Auf  die  Sendung  Schmidpauer's  erfolgt  ein  königliches 
Rescript  aus  Pressburg  am  i*.  September.  In  demselben  werden 
die  VerflSgungen  der  Stände  bezüglich  der  Verordneten  und  des 
Präsidenten  Thürheim  genehmigt;  von  jedem  der  vier  Stände 
.soll  ein  Verordneter  zur  Besorgung  der  laufenden  Geschäfte  in 
Linz  bleiben,  alle  anderen  Landesmitglieder  aber  sich  nach 
Hause  entfernen  ,und  zu  unserem  Nachtheü,  wie  wir  uns  ohne- 
dem gänzlich  versehen,  unter  keinerlei  Vorwand  was  vorge- 
nommen werden'.  * 

Mit  diesem  Rescripte  schliesst  die  reguläre  Correspondenz 
der  oberösterreichischen  Stände  und  der  Regierung.  Denn  schon 
am  selben  9.  September  crliess  der  Kurftirst  von  seinem  Lager 
zu  Schärding  aus  ein  Schreiben  an  die  Stände. 


Viertes  Capitel. 


Der  Einmarscli  des  bairischen  Kurfürsten  In  Ober- 
Oesterrclch. 


Am  Nachmittage  des  7.  September  1741  verliess  Karl 
Albrecht  seine  Hauptstadt  München  und  begab  sich  nach  dem 
bairischen  Hauswallfahrtsorte  Altötting,  um  den  Segen  des 
Himmels  ftlr  sein  gewagtes  Unternehmen  herabzuflehen.  Von 
dort  aus  eilte  er  zur  Armee  nach  Schärdiug.  12  Bataillone 
Infanterie,  10  Escadronen  Cavallerie  und  2  Dragonerregimenter, 
die  der  Kurfürst  in  seinem  Tagebuche  als  Waffengattung,  die 
sowohl  zu  Pferd  als  auch  zu  Fuss  verwendet  werden  konnte, 
gesondert  anftlhrt,  bildeten  den  Bestand  des  Schärdinger  Lagers. 
Mit  dieser   kleinen  Macht  unternahm   es  Karl  Albrechi,   aller- 


'  Die  stände  an  die  KOnigin,  Linz,   7.  September  1741.     K.  n.  k.  Hani-, 

Hof-  nnd  Staatdareliiv,  Fiwc.  342. 
*  Maria  Theresia  an  die  Stände,  Preubnrg,  9.  September  1741.     Ebenda. 


366 


dings  gestutzt  auf  Frankreichs  werkthätigen  Beistand,  einen 
Grossstaat  anzugreifen  und,  wenn  schon  nicht  zu  vernichten, 
doch  um  ein  betrilchtliches  Stück  zu  schmälern.  Selbst  diese 
Truppen  waren  aber  noch  nicht  völlig  complet,  und  so  setzte 
rieh  der  Kurfilrst  noch  nicht  in  Marsch.  ,Ich  verlor/  so  er- 
zählt er,  jWährenddem  keineswegs  die  Zeit,  sondern  schickte 
einen  Trompeter  nach  Linz,  ausgestattet  mit  einem  Schreiben 
an  die  Stände  von  Ober-Oesterreich,  sowie  mit  der  (sc.  ge- 
druckten) Begründung  meiner  Erbrechte  and  meinem  Mani- 
fest, kündigte  ihnen  meinen  bevorstehenden  Eintritt  in  Oester- 
reich  an,  mit  dem  Befehl,  sich  meinem  Willen  zu  unterwerfen, 
mich  als  ihren  Landesherm  anzuerkennen  und  mit  Fourage 
und  Lebensmitteln  für  das  Heer  zu  unterstützen." 

So  langte  denn  am  10.  September  1741,  nach  10  Uhr  Vor- 
mittags,  ,ob    der  Post'  in  Linz   ein   bairischer  Trompeter   mit 
einem    Handschreiben    Karl    Albrechts    ein;    an    die   , würdigen 
und  ersamben  in  Gott,  hoch  und  wohlgebomen  Edlen,  Vesten 
auch  FUrsichtigen,  ehrsamben  und  weisen,  besonders  Lieben*.* 
An  Höflichkeit  und  Wahrung  der  althergebrachten  ständischen 
Formen  Hess  es  also  der  Kurfürst  nicht  fehlen,  wie  denn  über- 
haupt  der  Ton    des  Schreibens   ein    überaus   sanfter  ist.     Der 
Kurfürst  betrachtete  sich  nicht  als  eindringenden  Feind,  sondern 
als  rechtmässigen  Landesherrn,  der,  gestützt  auf  das  Testament 
Ferdinands  I.,  sein  Erbe  in  Besitz   nimmt     Er  zweifelt  nicht, 
,das8  Sye  (die  Stände)  das,   was  unserem  Churhaiis  der  Güet- 
tigste  Gott  verschaffet   und   selbigem   deren  löbl.  StUndten  ge- 
weste   nunmehr   in  Gott  ruehende   Kaysern   und  Landsfllrsten 
. .  .  zuegedacht,  allerdings  gönnen,  mithin  uns  filrohin  fllr  ihren 
natürlichen  und  rechtmässigen  Erb-Herm  erkennen  und  bereit- 
willigst  sich   mit   Oehorsamb    und   Unterthänigkeit  untergeben 
werden'.     Es    ist   kein  Zweifel,   dass  Karl  Albrecht   persönlich 
noch  immer  von  der  Richtigkeit  seiner  Erbansprliche  überzeugt 
war,  trotz  der  Niederlage  Perousa's  am  3.  November  1740,  als 


*  K.  Tb.  Heigel,  Dm  Tagebuch  Kaiser  Karls  VU.,  Manchen  1883,  S.  20. 
Der  KurfUrst  bemerkt:  ,Ce  fnt  le  10.'  Doch  ist  das  Schreiben  vom  9. 
itatirt;  am   10.  kam  es  allerdings  nach  Linz. 

'  Karl  Albrechts  Haiidschreibeu  an  die  oberOaterreichischen  StSnde,  Schär- 
ding, 9.  September  1741.  Original  im  k.  u.  k.  Hans-,  Hof-  und  Staats- 
trcUr,  Fase.  342.     Vgl.  Anhang,  Stttck  IV. 


366 


die  österreichische  Regierung  die  Originale  von  Testament  und 
Codicill  Ferdinands  I.  vorgelegt  hatte. 

Im  Weiteren  versicherte  der  Kurfürst,  er  werde  die  Frei- 
heiten und  Privilegien  des  Landes  bestiltigcn,  und  stellte  völligen 
Schutz  gegen  MUitärexcesse  in  Aussicht  i\lr  den  Fall,  als  die 
Subsistenz  der  Armee  sichergestellt  werde.  Dies  könne  auf 
zwei  Wegen  erzielt  werden.  Entweder  die  Armee  fouragire, 
oder  die  nöthigen  Subsistenzmittel  würden  von  der  Landschaft 
ins  bairische  Lager  so  lange  geliefert,  ,bis  sich  eine  Abänderung 
vor  diese  Gegend  hervorthun,  folgsam  die  Erleuchterung  er 
geben  wirdet'. 

Ersteren  Weg  hält  der  Kurfürst  fUr  unzweckmässig,  da  er 
nicht  .ohne  des  Landes  grosser  Beschwemus  ablaufen  könnte'. 
Der  zweite  Weg,  die  ordnungsraUasige  Lieferung  ins  Lager,  sei 
weit  entsprechender;  nur  dadurch  könnten  Militärexcesse  ver- 
mieden werden. 

Ausserdem  überreichte  der  Trompeter  einen  Folioband, 
in  welchem  durch  des  Kurfürsten  gelehrten  Juristen  Ickstatt 
weitläufig  und  nach  seiner  Ueberzeugung  ,ohnabneinlich'  be- 
wiesen wurde,  dass  ,wcder  die  so  benamste  pragmatische  Sane- 
tion,  noch  die  von  der  durchleuchtigsten  Gross-Herzogin  von 
Toscana  eigenmächtig  vorgenommene  Besitz  -  Ergreifung  er- 
wehntcr  Königreichen  und  Landen  zu  Recht  bestehen  könne'. 
Die  unbändige  Länge  und  Weitschweifigkeit  der  im  fürchter- 
lichsten Advocatendeutsch  damaliger  Zeiten  abgefassten  Schrift, 
die  noch  dazu  bis  ins  graue  Alterthum  zurückgreift,  Hess  den 
Kurfürsten  Eintrag  Tür  ihre  Beweiskräftigkeit  befiirchten.  Schon 
von  seines  Kanzlers  Unertl  umfangreicher  Schrift  über  denselben 
Gegenstand  hatte  er  einen  kurzen  französischen  Auszug  an- 
fertigen lassen,  ,um  den  alten  Cardinal  (Fleury)  durch  die 
Weitschichtigkeit  nit  abzuschrecken'.  Auch  jetzt  war  der  Fo- 
liant Ickstatt's  von  einem  immerhin  noch  drei  Druckbogen  starken 
Manifest  begleitet,  das  in  kürzerer  Form  die  Prätensionen  Karl 
Albrechts  darlegte.  Es  heisst  in  demselben:  ,Die  Sr.  churfiirst- 
lichen  Durchlaucht  von  Rechts  wegen  angefallenen  ErbKönig- 
reiche  und  Lande  werden  ebenfalls,  so  es  nur  immer  möglieb, 
bei  allen  diesen  Unternehmungen  verschont  bleiben,'  falls  sich 
Stände  wie  Unterthanen  dem  Kurftirsten  als  ,rechtmässigen, 
angestammten  König  und  Erbherrn'  bereitwillig  unterwerfen 
würden.    Aus    dem    Titel    ,Köiiig'    erkennt    man   auch,    dass 


> 


die  Absichten  des  Kurfürsten  nächst  Ober-Oesterreich  auf 
Böhmen  gingen,  dem  mit  den  Franzosen  verabredeten  Plane 
gemäss.' 

Die  ständischen  Verordneten  nahmen  das  Schreiben  des 
Kurfürsten  in  Empfang,  wie  es  scheint,  mit  einiger  Henihigung. 
Dem  Einrücken  der  feindhchen  Armee  warm  niimtich  Tage 
des  Schreckens  und  der  Verwirrung,  der  Furcht  um  Geld  und 
Gut  vorausgegangen,  Tage  eifrigen  Einpackena  in  Klöstern  und 
Schlössern.'  Die  Furcht  vor  Plünderungen  milderte  sich  jetzt 
etwas.  Correct  war  der  Beschluss  der  Verordneten,  das  Schreiben 
Karl  Albrechts  in  Abschrift  an  den  königlichen  Hof  nach  Wien 
zu  senden,  mit  der  Anfrage,  wie  man  sich  dem  kurfürstlichen 
Rescript  gegenüber  verhalten  solle,  nicht  correct  und  von  un- 
gehöriger Zaghaftigkeit  zeugend  das  sofortige  Eingehen  auf  die 
Intentionen  Karl  Albrechts,  indem  sie  ihn  in  ihrem  Antwort- 
schreiben titulirtcn:  ,Dera  durchlcuchtigsten  Fürsten  und  Herrn 


*  Die  Dedaction  der  bairischen  AiisprUcbe:  k.  □.  k.  Haus-,  Hof-  nnd  Staats- 
arcliW,  Fase.  381  gUrilndlirlie  Aimftlhmng  und  klarer  Bowoiss  derer 
dem  dnrchlenchtigsten  Chnr-Haiuie  Bayern  zustellenden  Erbfol^  nnd 
sonstigen  Rechts-An.iprüchen  auf  die  von  weiland  K.iy.ier  P'erdiiiaiiden 
dem  Ersten  besessene,  durch  den  am  20.  October  1 74U  erfolgten  nnver- 
hofften  Todesfall  Seiner  kaysßri.  Mnjpjttät  Karl  dos  .Sechsten  hKchst-seel. 
Angedenkens  erledi)rte  Königreiche  Ungarn  nnd  B'tlieim,  wie  imgleichon 
nnf  da»  Erz-Herzngthu»i  Oestorreich  und  allerseits  nngehOrige  Fllrsten- 
thnniur  nnd  Lande,  welche  anx  denen  Xlteren  waiirhalften  OeKcliieliten 
und  ächten  ITrkiindou  getreulich  hergeleitet  etc.  etc.  etc.  Mit  Beylagen 
ron  Lit  A  bis  T  inclusive.  Mit  knrfUrstl.  gnädigstem  und  des  II.  Rüm. 
Reiclua-Vicariats-Pririlegio,  Mflnchon  gedruckt  und  zu  finden  bei  Johann 
Jacob  Vötter  1741.'  Da»  kürzere  Manifest:  ebenda,  Kringssclen,  Fase.  .'Ul. 
Es  wurde  der  Österreichischen  Regierung  aus  dem  Hn.'ig  zugeschickt,  htut 
dem  Vermerk:  ,a  la  Haye  ce  lim«  Sept.  1741,  Elsackor.'  Ueber  Ickstatt: 
Heigel,  1.  c,  S.  190. 

*  Vgl.  Ameth,  Maria  Theresia  I,  S.  261,  nach  dem  .Flebile  Promemoria 
oder  Diarium,  was  sich  bei  französischen  und  chnrbairischen  Einfall  annis 
1741  n.  1742  zuegetragen'  des  Propstes  Johann  Georg  von  St.  Florian. 
Aach  das  8taat<archir  besitzt  im  Fase.  341  der  Kricgsacten  einen  ,Ex- 
tract  aus  der  Beschreibung  deren  aus  dem  Land  ob  der  Enn«  nacher 
Kämdten  goäilchteten  nnd  von  denen  nuclier  GrStx  transportierten 
8«cheD'.  Diese«  Verzeichniss  entging  dem  -icharfen  Auge  des  Fiscus 
nicht.  In  einer  Einlage  zu  dem  ActenstUcke  Hussort  sich  ein  Finauz- 
roann  zwar:  ,Derer  consecrterten  Sachen  kann  man  sieh  nicht  wohl 
prilvaUeren,*  doch  kOnnte  namentlich  der  Abt  von  Kremsmflnster  atif 
seine  Kostbarketten  ,eiu  proportioniertes  Kapital'  aufnehmen. 

Ankiv  UXIVII  Bd.  n.  HUft«.  84 


368 


Carl  Albrecht  etc.  unserem  gnädigsten  Kurfürsten  und 
Herrn." 

Sie  theilen  mit,  dass  sie  das  ,in  den  gnädigsten  Terminis 
erlassene  Rescript'  in  Abwesenheit  der  vier  Stände  erbrochen 
und  zugleich  den  Beschluss  gefasst  hätten,  den  Herrn  Josef 
Willinger  von  der  A»  nach  Peucrbach  an  den  Kurftlrsten  zu 
senden,  um  die  Forderung  des  bairischen  Kriegscommissariates 
entgegenzunehmen.'  Sie  klagen  über  die  unzulänghche  Fcchsung 
der  Jalire  1740  und  1741,  die  es  nothwendig  gemacht  habe, 
fUr  die  früher  im  Lande  stehende  österreichische  Gai-nison  Zu- 
fuhr aus  Ungarn  kommen  zu  lassen.  Der  RurAlrst  möge  es 
auch  nicht  übelnehmen,  dass  sie  einen  Expressboten  mit  der 
Anzeige  des  kurfürstlichen  Schreibens  und  der  Bitte  um  Ver 
haltungsbefehle  nach  Wien  geschickt  hätten. 

Noch  am  10.  September  erging  auch  das  Ersuchschreiben  an 
Josef  Wilhnger  von  der  Au,  er  möge  sich  als  Deputierter  der 
ständischen  Verordneten  nach  Peuerbach  begeben;  zugegeben 
wurde  ihm  der  Kanzlist  Stephan  Gassner  und  der  Pfleger  vob 
Peuerbach.  Später  war  auch  der  ständische  Secretär  Schmidt- 
pauer  bei  ihm.  Der  Pfleger  wird  bezeichnet  als  ein  ,in  mili- 
tari besonders  angerienibt  wohl  erfahrener  Beambter'.  Die  Ve^ 
ordneten  gaben  der  Hoffnung  Ausdruck,  die  Sendung  Wil- 
linger's  würde  auch  die  Genehmigung  des  königlichen  Hofes 
finden.* 

Schon  hatte  Willinger  aus  Peuerbach  seinen  ersten  Bericht 
abgeschickt,  als  ein  Rescript  Maria  Theresias  in  Beantwortung 
der  Anfrage  vom  10.  September  in  Linz  eintraf*  Die  Königin 


'  K.  u.  k.  H.atiA-,  rtof-  and  StaAtsarchiv,  Faac.  34*2,  Concept  vom  10.  Sep- 
tembor  1741.  —  Am  l^nde  des  StQckeü  hat  eine  niidere  (alte)  Huiil 
bemcärkt:     .Diese  Titulatur  iHt  vor  der  Huldigung  gegeben  wurden.' 

*  Es  war  derselbe  Jnsof  Willinger  von  der  Au,  welcher  zum  ,Oberhaupl- 
mann  nnd  Kapitain-Comnisndanten'  den  Landesanfgebotes  anserseJien 
gewenen  war  (vgl.  8.  360). 

*  ,Emiecl>-^cbreiben  dem  Herrn  Joseph  Wiellinger  ron  der  An,  10.  Sep- 
tember 1741.'  K.  u.  k.  Han«-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  Fasr.  342.  K« 
beiflut  dort:  fio  orauchon  wOr  denselben  hiednrch  nnd  geben  liieniit  in 
Hoffnung  der  von  Ihro  Khnuigl.  May.  nnf  die  von  uns  erlassene  aller- 
nnterthiinigste  Anfrag  erfolgende  allergnHdigKte  Oenembhaltuog  die  Cotn- 
mission  nnd  Vollmacht.' 

*  Rescript  Maria  Theresias  an  die  oberfisterreichisclien  Verordneten,  Press- 
biirg,   12.  September  1741.     Ebenda. 


369 


I 


» 


verwies  auf  ihre  Roscripte  vom  4.  und  9.  September  und 
schärfte  nochmals  ein,  von  jedem  .Stande  solle  nur  ein  Verordneter 
in  Linz  bleiben,  jede  Versammlung  der  Stände  in  pleno  und 
die  ,euch  etwa  zumuthende  Hiddigung'  sollten  auf  das  Aeusserste 
vermieden  werden  Wahrhaft  iiochherzig  und  landesmütterlieh 
sind  die  Worte,  mit  denen  anch  jetzt  wieder  die  Monarchin  ihr 
Schreiben  schliesst,  die  letzten,  welche  sie  vor  dem  Einfalle 
an  die  Landschaft  richtet:  , Übrigens  versehen  wir  uns  zu  eurer 
Treu  und  Liebe  gegen  uns  und  dem  werthen  Vaterland,  dass 
ihr  alle  zu  dessen  Erhaltung  erforderliche  Veranstaltung  sorg- 
iUItig  fortsetzen  und  in  specie  dahin  antragen  werdet,  dass  aller 
min  des  Landes  vermieden  und  das,  was  man  nicht  verhindern 
kann,  mit  Ordnung  beygeschaffet  werde.'  Ganz  im  gleichen  Sinne 
hatte  sich  die  Königin  mündlich  am  3.  September  zum  Grafen 
Hohenfeld  geäussert,  sie  werde  nicht  in  Ungnaden  aufnehmen, 
was  w^egen  der  üe hermacht  nicht  zu  vermeiden  oder  abzu 
&ndem  sei.  Actionsfreiheit  fehlte  also  den  stilndischen  Ver- 
tretern gewiss  nicht,  was  zu  vermeiden  war,  bUeb  einzig  die 
Huldi^ng. 

Herr  v.  Willinger  traf  am  IL  September,  Abends  9  Uhr, 
in  Peuerbach  ein.  Drei  Viertelstunden  zuvor  hatte  der  bairi- 
sche  Trompeter  auf  seinem  RUckritte  zum  Kiirfiirsten  den  f  rt 
passirt  und  beim  Postmeister  angefragt,  ob  noch  kein  stän- 
discher Commissär  aus  Linz  angekommen  sei,  ,indem  sein  gnil- 
digster  Kurfürst  sehr  grosses  Verlangen  um  eine  Antwort  auf 
sein  gestriges  Zuschreiben  tragen  thäten'. '  Der  Postmeister 
theilte  ihm  mit,  es  seien  für  Herrn  v.  Willinger  Postpferde  be- 
stellt; der  Trompeter  liess  sich  den  Namen  notirou  und  ging 
,ganz  wohl  zufrieden'  ab.  Willinger  fand  die  (Jegend  in  der 
Nähe  der  damaligen  Landesgrenze  bei  St.  Willibald  von  ein 
paar  hundert  Baiern  besetzt  und  schickte  noch  um  Mitternarlit 
den  landschaftüchen  Trompeter  Josef  Kilmer  auf  Foatpferden 
nach  Schärding  ins  Hauptquartier  Karl  Albrechts.  Am  Morgen 
des  12.  September  war  Kärner,  nachdem  er  seinen  Aufh-ag 
aasgerichtet  hatte,  bereits  wieder   bei  Wilhnger   in  Peuerbach. 


»  BoricJit  V.  Willinger'«  Tom  11.  September  1741,  Nr.  I.  .A  Son  Excelleiice 
Moiuieur  Jean  aiiillaume  lo  Comte  de  Ttiiorheim,  Cliambellant  et  Con- 
»ilier  anlic  Intime  de  In  Mt«  Ini|ieriAle  lo  Cliarles  VI.  et  President  dici 
pai»  Sur  l'Onnse  poiir  pras.  a  Lince.'  K.  u.  k.  H.-iiia-,  Hof-  und  Staats- 
archiv, Fa«c.  342. 

a4» 


1^  KtirAtrMt  hatte  ihn  freundlich  angeredet  und  Hess  Wil- 
|j^|tt  »luit'li  ihn  versichern,  dass,  wenn  fUr  die  Verpflegung 
VM^t^r^o  getrofTen  würde,  ,kein  Mensch,  ja  auch  kein  Stein 
WKiitÜKot  werden  solle'.  Auch  der  bairische  Feldmarschall 
(Uttl  T'jniing  Hess  durch  den  landschaftlichen  Trompeter  mel- 
den, (\\r  den  12.,  an  welchem  schon  15.000  Mann  in  das  Lager 
Voll  Wcideiiholz  in  der  Nähe  von  Waizenkirchen  einrtlckteo, 
•ni  wohl  durch  Nachfuhr  aus  Baiem  gesorgt.  Für  den  nächsten 
Tag  aber  schon  habe  das  Land  ftlr  Pferd-  und  Mundportionen, 
wiwie  Brennholz  aufzukommen,  das  mache,  wie  Willinger  xa 
•einem  nicht  geringen  Schrecken  erfuhr,  für  die  Cavallerie 
allein  2OO0  Metzen  Hafer,  1280  Centner  Heu,  8000  ,Schab' 
Stroh,  eine  Forderung,  die  er  in  seinem  Berichte  als  , verzückt' 
bezeichnet.  Doch  iieas  er  durch  den  Pfleger  zu  Weidenhok 
bei  den  nächstgelcgenen  Herrschaften,  Pfarren,  Märkten  und 
Bauernschaften  Proviantvorkchrungen  treffen.  Bairischerseits 
war  ihm  wohl  die  Quittirung  alles  Empfangenen,  Jedoch  ver 
muthlicli  ohne  Zjihlungsversicherung',  versprochen  worden.' 

Inzwist'hen  hatte  Karl  Albrecht  am  11.  September  seinen 
Uubikun  überschritten,  in  der  Nilhe  von  St.  Willibald  war  er 
über  die  Grenze  gegangen,  von  seiner  Umgebung  in  dem 
Augenblicke  be'jubeH,  als  er  den  Fuss  auf  österreichisches  Ge- 
biet setzte.'  Fast  mühelos  sollte  ihm  vorerst  zwar  die  Herr- 
schaft über  Oberösterreich  und  die  böhmische  Königskrone  zn- 
fallen,  ja  sogar  die  Krone  Karls  des  Grossen  sein  Hanpt 
schmücken.  Im  weiteren  Verlaufe  brachte  ihn  jener  Schritt 
um  Land  und  Leute,  Hess  ihn  als  Kaiser  ohne  Land  und  von 
der  Franzosen  Gnaden  das  Brot  der  Verbannung  essen.  Es 
war  gerade  jener  11.  September,  an  welchem  Maria  Theresia 
im  schwarzen  Traucrklcide,  mit  der  Stephanskrone  auf  dem 
Haupte  im  Audienzsaale  des  Pressburger  Schlosses  vor  den  un- 
garischen Ständen  erschien,  der  Tag  einer  von  der  Le.gende 
•BO  stolz  ausgeschmückten  Scene.* 

Am  12.  September  erschien  der  Generaladjutant  Karl 
Albrechts   ,zu  2  mahlen'  bei    dem  ständischen  Oommissftr  imd 


•  Zweitur  Beriulit  Willinger'»  sii  dio  obernnterrBichi.schen  Verordnet<>n, 
Peiierbach,  12.  8«ptember  1741.  K.  n.  k.  Haus-,  Huf-  und  StaiitAiiri'liiv. 
Fase.  S4S. 

*  Ueigel,  Tagobnch  Karls  VII.,  H.  80. 
■  Arneth,  Unria  Theresia  I,  S.  298—300. 


t 


371 


bedeutete  ihm,  er  mOge  doch  dein  Kurflirstcn  entgegenkommen 
uad  mit  ihm  sprechen.  Herr  v.  WUlinger  fuhr  hierauf  mit  dem 
ständischen  Secrctjlr  Sulimidtpauer  ,eine  und  andere  hundert 
Schritt'  aus  seinem  t^uartier  dem  Kurfürsten,  der  sich  mit  der 
lieneralitilt  —  ausdrücklich  erwähnt  Wiliinger  den  Grafen 
Schmettau  an  Karl  Albrechta  Seite  —  zu  Pferde  befand,  ent- 
ffgen. ' 

*^  Sobald  der  Kurfürst  und  seine  Suite  Halt  gemacht  hatten, 
trat  Wiliinger  vor  und  brachte  seine  .Aufwartung*  an,  theiltc 
mit,  dass  er  samuit  einer  kleinen  Kanzlei  aus  Linz  im  Auftrage 
des  sUSndischen  VerorduetencoUegiums  eingetroffen  sei,  um  die 
llegelung  der  Proviant-  und  FourageUeferungen  vorzunehmen 
und  so  Excesse  zu  verhttteu.  Karl  Albreclit  hörte  dem  Vortrage 
Willinger's  zu  Pferde  sitzend,  doch  mit  lioflieb  abgezogenem 
Hute  aufmerksam  zu  und  antwortete  dann  mit  ,deüttlicher  Ex- 
pression', er  werde  diese  Fürsorge  der  Stände  (,ich  aber  hab' 
nur  den  Namen  der  Verordneten  gebrauchet',  bemerkt  Wil- 
iinger) nachdrücklichst  unterstützen  und  au  den  Oberüstcr- 
reichem  nicht  anders  als  ein  Vater  an  seinen  Kindern  handeln. 
Sollten  —  wider  Verhoffen  —  doch  Excesse  erfolgen,  so  werde 
er  ,sofortige  Remedur  und  Ersetzung  des  Schadens  verfügen*.* 
Damit  war  die  Unten^edung  vorlilufig  zu  Ende.  Wiliinger 
sah  nun  etwas  dem  Einmärsche  der  Truppen  zu  und  bericlitot, 
daä  Heer  des  Kurfüi-stcn  bestehe  aus  schönen  Leuten  und 
Pferden,  fast  durchwegs  deutsches  Kriegsvolk.  Die  Franzosen 
stünden   mit   der   Artillerie    bei    Passau   und    würden    wohl    zu 


'  Dritter  Bericht  Wiliinger'»  (ao  die  Verordneten),  Pfarrliof  Waizenkirclien, 
t'2.  September  1741.  K.  u.  k.  Haiui-,  Huf-  und  StaAtfiarubiv,  1.  c,  vgl. 
Anbaug  V. 

'  Bericht  Wiliinger'«.  PfnrrliofWaizenkirchon,  12.  September  17-11.  Ebenda, 

I.  c  Nach  dem  Tagebuch  und  nach  dem  Grafen  Doroy  (vgl.  S.  326)  über- 
schritt der  Kurfürst  am  11.  September  die  Grenze,  nach  lieigel  am 
18.  September.  Jedenfalls  fand  die  Zusammenkunft  Karl  Albrechts  mit 
dem  ständischen  Abgesandten  nicht,  wie  der  Kurfürst  angibt  (Tagebuch, 
8.  SO),  am  11.  September  und  bei  Gelegenheit  der  Gronzüberschreitung, 
sondern  erst  am  12.  September  auf  der  Strasse  zwischen  Peuerbach  und 
Waizenkirchen  statt.      Wiliinger  k.iin   nach  seinem   eigenen   Berichte  .-im 

II.  September  erst  um  i)  Uhr  Abends  nach  Peuorbach.  Karl  Albrocbt 
emlblt:  ,Je  continois  ma  marclie  le  lendomain  11.  et  recus  les  coin- 
plimena  de  ceux,  qai  m'accompagn£rent  le  moment  memo,  qne  je  mis 
le  pied  en  Antriebe.  Les  deput^s  des  itats  rirent  au  devaot  de  mo/ 
poor  attendre  ines  ordre«.* 


372 


Wasser  herabkommen.  Auch  die  Absichten  des  Feindes  suchte 
Willinger  behufs  Berichterstattung  nach  Pressburg  zu  ergrün- 
den, ob  der  Marsch  auf  Wien  losgehe,  oder  ob  der  Kurfdrst 
bei  Linz,  vielleicht  auch  erst  bei  Stein  die  Donau  Übersetzend 
in  Böhmen  einzufallen  gedenke.  Jedenfalls,  so  schreibt  er  den 
Verordneten,  sei  die  österreichisclie  Generalität  jenseits  der 
Enns,  der  königliche  Hof  in  Pressburg  und  das  Kreisamt  in 
Budweis  von  dem  bisherigen  Verlaufe  der  Dinge  zu  vorstäln- 
digen.  Von  Unwillen  wiirde  Willinger  darüber  erfasst,  dass 
dem  Kurfürsten  in  Waizenkirchen  ,ohne  mich  zu  fragen  mit 
LäuttuDg  aller  Glocken  die  landesfUrstliche  BegrUssong  abge- 
stattet wurde'.*  Wenn  auch  v.  Willinger  nachmals  dem  Kur- 
fürsten huldigte,  bei  dieser  Gelegenheit  hat  er  sich  streng  loyal 
benommen. 

Noch  am  selben  12.  September  berief  der  KurfUrst,  der 
sein  Hauptquartier  im  kuefsteinischen  Schlosse  Waizenkirchen 
aufgeschlagen  hatte  —  ,un  fort  beau  chateau'  nennt  er  es  in 
seinem  Tagebuche  —  nach  geendeter  Mahlzeit  Willinger  zu 
längerer  Unterredung  zu  sich.  Er  wünsche,  bemerkte  Karl 
Albrecht,  dass  es  niemals  zu  dieser  ,Extremität'  hätte  kommen 
müssen,  und  dass  ein  Vergleich  zu  Stande  gekommen  wäre. 
,Nun  aber  müsste  es  schon  also  geschehen,  damit  Sie  (der  Kur- 
fUrst) bey  Gott  und  dero  Nachkommen  keine  Verantwortung  auf 
sich  ladeten  und  dasjenige  Recht  behaupteten,  welches  Ihro 
Gott  und  die  Natur  gegeben  hätten.'* 

Man  sieht  wieder,  Karl  Aibrccht  zog  mit  unerschütter- 
lichem Glauben  an  die  vermeintliche  vor  Gott  imd  der  Welt 
zu  rechtfertigende  Billigkeit  seiner  Ansprüche  in  den  gefähr- 
üchcn  Kampf  Gerade  in  jenem  Schlosse  Waizenkirchen  erhielt 
er  auch  günstige  Nachrichten  von  Belleislo  bezüglich  der 
Kaiscrwahl." 

Recht  bezeichnend  aber  ftir  die  kläghche  Abhängigkeit 
des  Kurfürsten  von  den  Franzosen  ist  seine  Acusserung  Wil- 
linger gegenüber,  er  sei  weit  mehr  auf  gute  Vcrproviantirung 
der  französischen  Auxiliarvölkcr,  als  der  eigenen  Truppen  be- 


'  Bleiatiflbemorkung     Willinger's     auf    dem     erwähuten     Berichte.     Vgl. 
Anhang  V. 

*  Bericht  Willinger's  Nr.  4,    ebenfalU    Pfarrhof  Waizenkirolieii,    IS.  Sep- 
tember 1741.    Vgl.  Anhang  VI. 

•  Heigel,  Tagebuch  KarU  VU.,  8.  20. 


373 


I 

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I 


I 
I 


dacht,  denn  die  Franzosen  seien  eine  fast  doppelte  Fleisch- 
portion als  die  Baiem  gewohnt,  auch  zu  Excessen  und  ,Im- 
pertinenzien'  weit  mehr  geneigt.  Sein  Marsch  gehe  mit  den 
baiiischen  Truppen  nach  Eferding,  erklärte  Karl  Albrecht 
weiter,  9000  Franzosen  würden  zu  Wasser  kommen,  die  fran- 
zösische Cavallerie  zu  Lande  dem  Hauptcorps  folgen.  Zu  Linz 
werde  er  mit  den  Ständen  bezüglich  des  Aufhörens  der  Steuer- 
leistiingen  an  die  österreichische  Regierung  verhandeln,  in  allen 
Stücken  aber  das  Land  möglichst  verschonen,  ,wohl  wissend, 
dass  selbiges  seit  vielen  Jahren  hart  mitgenommen  und  ge- 
schröpfet worden  sei'.'  Bisher,  erklärt  Willinger  in  seinem 
Berichte  sei  Alles  gut  abgegangen;  der  Kurftirst  selbst  habe 
die  ,durcli  Uebereilung  der  Zeit'  geschaflfene  Lage  gar  wohl 
gewürdigt. 

Die  Berichte  Willinger's  gelangten  mit  grosser  Verzögerung 
an  die  Verordneten   nach  Linz,    denn   am    12.  September  gibt 
der    Landschaftssyndicus    v.  Friedcl   in    einem    Briefe    an    den 
Willinger   begleitenden  Landschaftssecretär  Schmidtpauer   dem 
£rstaiinea  Ausdruck,   dass  noch  keine  Relation  in  Linz   einge- 
troffen sei.  In  Wirkhchkeit  hatte  Herr  v.  Willinger  jedoch  schon 
drei  Berichte   durch  StafFetten   nach    Linz   geschickt.     Er   be- 
filrchtet  deshalb  in  seinem  vierten  Berichte,    dass  die  früheren 
Delationen    ,intercipirt'   worden    seien.     Das    war    nun    freihch 
nicht   der  Fall.     Doch    war   der  Verkehr  insofern  von  der  ge- 
'«röbnlichen  Route  abgelenkt  worden,  als  Nachrichten  aus  Linz 
—  wie  z.  B.  jener   Brief  Friedel's  —  nicht   auf  der   gewöhn- 
lichen   Poststrasse    über    Eferding,    sondern    auf    dem    grossen 
Umwege  über  Schärding  nach  Waizenkirchen  ins  Hauptquartier 
lumen.  * 

Vom  bairischen  Feldmarschall  Törring  erhielt  Willinger 
den  Entwurf,  was  ftlr  die  bairischen  Truppen  in  das  für  den 
13.  September  zu  Eferding  ausgestecktc  Lager  zu  liefern  sei.' 
«iOOO  Pfund  Fleisch  ftir  die  Infanterie,  5700  Bund  Stroh  zu  je 
l'O  Pfund,  Holz  in  nicht  näher  angegebener  Menge,  endlich 
40  mit  je  4  Pferden  bespannte  Wagen.  Brot  und  Hafer  wurden 
fllr  ganz  kurze  Zeit  aus  den  bairischen  Magazinen  nachgeschafft. 


L 


Bericht  Willinger's  Nr,  4,  Pfarrhof  Waizenkirchen,    12.  Soptembor  1741. 
Anhang  VI. 

*  Ans  dem  Berichte  Willinger's  Nr.  4. 

•  Zettel  TOrring's  dem  Berichte  Willinger's  Nr.  4  beiliegend. 


374 


Türring  bemerkt  ganz  in  Ucboreinstimmung  mit  der    oben    er- 
willinten  Aeusserung  seines  Herrn,  des  Kiirfilrstcn,  der  Entwurf 
gelte  nur  für  die  Baiern,    für  die  französischen   Hilfsvölker   sei 
.allenthalben  mit   weit   mehreren  Mund-  und  Pferdporliunen, 
auch  Holz,  Stroh,  Brot  und  Bier  anzutragen',   welche   schmSb- 
lichc  Zurücksetzung  der  eigenen  Landeskinder  später  das  Ver- 
hältniss  zwischen  Franzosen  und  Baiem  zu  einem  so  gespannten 
machte,    dass   es  unmöglich  wurde,    französische  und  bairiscbe 
AbtheUungen  zusammen  cantoniren  zu   lassen.     Die  Franzosen 
machten   sich   auch   bald  im  ganzen  Lande  verhasst,    während 
man  dem  buirischen  .Militär  nichts  nachsagen  konnte,   so  dasa, 
wenn  es  sich  um  Garnisonen  handelte,  der  Kurfürst  flehentlich 
um  Baiem  und  ja  keine  Franzosen  gebeten  wurde. ' 

Zum  Tröste  für  die  schweren  Lieferungen  versicherte 
Törring  den  stiludiscfaen  CommissKr,  der  gemeine  Soldat  werde 
fast  alles  Essen  und  Trinken  mit  barem  Gelde  bezahlen. 

Am  13.  September  campirte  die  bairische  Armee  am 
Eferding,  und  vom  dortigen  Pfarrhofe  aus  —  der  Kurfilrat 
hatte  sein  Quartier  im  Schlosse  —  schrieb  Willinger  seinen 
letzten  Bericht  an  die  Verordneten.*  Zu  Waizenkirchen  ww 
am  12.  September  noch  Alles  glücklich  abgelaufen.  Wo  t» 
nicht  stimmte,  wurde  der  Abgang  ,ganz  bescheidentlich  dis- 
simulieret'. Willinger  hatte  schon  von  Peucrbach  aus  an  die 
benachbarten  Herrschaften  Aufträge  mit  Angabe  der  ins  bai- 
rische Lager  nach  Woidenholz  zu  liefernden  Quanten  ge- 
schrieben , gegen  künfftigc  Ersetzung'.'  Nur  beklagt  er  sich, 
dass  er  nie  recht  wisse,  wann  und  wohin  die  Lieferungen  zu 
dirigiren  seien,  ,gestalten  alle  kuri\lrstlichen  Dispositiones  bis 
auf  die   letzte   Stund   in   Geheim   gehalten   und   alsdann   ganz 


^  Aiwaeben  der  Ennser  beim  Korffirsten,  30.  September  1741.  K  u.  k. 
HauB-,  Hof-  und  Stantsarcliiv.  Peter' sehe  Sammlung. 

'  Uoricbt  Willinger'»  Nr.  6.  Seineu  vierten  Bericht  batto  Willinger  in  der 
Nacht  TOiu  12.  auf  den  13.  September  nauh  Linz  nbp;eiu:bickt.  Der  Kur- 
fUnit  gibt  in  seinem  Tsgebucbe  irrthümlielicrweiso  den  l'J.  8e|>tamb«r 
ala  Tag  seines  Aufenthaltes  im  Efferdinger  ScblusM  (,nu  cliuteau  magni- 
fiquo  a|ipartouant  au  comte  de  Starenberg')  au.  Da«  Lager  befand  sidi 
uuweit  von  Eferdiug  bei  Hartheim.  Vgl.  Pritz,  Ueachichte  des  Laadu 
ob  der  Enns,  Linz  1847,  II.  Bd.,  ä.  492?. 

*  Ein  solches  StUck.  bei  der  dem  bcrOhmlen  Genealogen  Freibcmi 
V.  llohenegg  gehörigen  liorrncliaft  Schllisselbcrg  am  12,  September  1741 
pHisontirt,  liegt  den  Boricbtou  Willinger's  bei. 


375 


pressant  an  mich  notificiert  werden'.  Schwere  Sorgen  bereitete 
WUlinger  der  Gedanke,  wie  fllr  die  nächsten  Tage  die  Sub- 
sistenz  ftlr  die  nach  der  Vereinigung  mit  den  Franzosen  vor- 
läufig 24.000  Mann  betragende  Armee  zu  beschaffen  sein  werde, 
Eumal  bei  dem  , ungemeinen  Tross,  welche  alle  leben  wollen'. 
Fleischhauer,  Bilcker  und  Brauhäuser  konnten  dem  Bedarfe 
nicht  mehr  genügen.  Stroh  für  das  Lager  mangelte  am  meisten, 
und  Wülinger  ging  sogar  so  weit,  den  barbarischen  Plan  zu  er- 

■  wägen,  auch  das  unausgedroschene  Stroh  sammt  der  Frucht 
bei  der  umliegenden  Bauernschaft  durch  militünsehe  Execution 
liinwegnehmen  zu  lassen;  freilich  setzt  er  hinzu:  , welche  Ex- 
tremität jedoch  Ihro  Durchlaucht  dem  Kurfürsten  so  wenig  als 
mir  lieb  und  anständig  seyn  würde'.'  Auch  Holz  fllr  die 
Wachtfeuer  ,bei  jetzigen  schon  kalten  Niichteu'  war  dringend 
von  Nöthen.  Ueberdies  beantragte  der  ständische  Commissär, 
die  Verordneten  möchten  ein  Patent  an  die  Fleischhauer,  Bäleker 
und  Brauer  erlassen  und  wies  besonders  darauf  hin,  dass  die 
Baiem  bisher  selbst  das  Brot  stück-  und  kreuzervveise  bei 
Bürgers-  und  Bauersleuten,  wenn  nur  kein  zu  unbilliger  Preis 
gefordert  wurde,  bar  bezahlt  hätten. 

Da  ftir  den  14.  September  schon  Linz  zum  Mittelpunkte 
des  Lagers  ausersehen  war,  so  hielt  Willinger  von  der  Au  seine 
Sendung  flir  beendet  und  begab  sich  nach  der  Landeshaupt- 
stadt zurück. 

Noch  bevor  er  aber  heimgekehrt  war,  hatten  die  Ver- 
ordneten auf  seine  Anregung  hin  Vorkehrungen  ftlr  die  Vcr- 
proviantirung  getroffen;  wie  seinerzeit  am  2.  September,  als  das 
Landesaufgebot  noch  unter  Waffen  stand,  erliessen  sie  auch 
jetzt  ein  Patent,  nach  welchem  von  je  40  Feuerstätten  ein 
schlagbares  Rind  abzuliefern  und  ftlr  4  Kreuzer  per  Pfund  aus- 
zuschlachten  sei.     Unverweilt    musstcn   auch  Korn   und  Hafer 

■  aasgedroschen  werden,  damit  kein  Mangel  an  Stroh  entstehe.* 
Zum  Theile  wörtlich  sind  Ausdrücke  des  Patentes  vom  2.  Sep- 
tember in  diesem  vom  13.  wiederkehrend.  ,In  hac  extrema 
necessitate',  ,so  schwär  und  hart  es  auch  immer  ankommt', 
heisst  es  hier  wie  dort. 


I 

I 


*  Beriolit  Willinger'»  Nr.  6.  PfArrhof  Eferdinfr,  13.  September  1741.  K.  a.  k. 
Ilaiui-,  Hof-  und  äUatsarcbiv,  Fiuc.  342. 

ndisoben  Verordoeteu   vom    13.  September  1741.     EbendA. 


376 


Besondere  Fürsorge  Hess  die  Landschaft  der  Zabereihing 
des  bairischen  Lieblingsgetrilnkes,  des  Bieres,  angedoihen.  Ein 
weiteres  ständisches  Patent  vom  15.  September  setzte  vorerst 
den  Preis  der  Mass  auf  4  Kreuzer  herab  (auch  das  Pfund 
Fleisch  kostete  nicht  mehr!),  nicht  nur  tUr  die  Afiliz,  sondern 
auch  für  das  civile  Publicum;  ausserdem  werden  ,dic  herrschaft- 
lichen und  Privat- Brau- liauss-Inhaber,  sonderbar  aber  jene. 
welche  in  der  landesfürstlichen  Stadt  Linz  allhier  der  Bier-Zu- 
und  Einfuhr  sich  prävalieren  hiedurch  ermahnet  zu  besorgen, 
dass  unverzüglich  und  so  viel  immer  möglich  ist,  Bier  gebriluet 
und  solches  in  dafi  Lager  zugei^ltret  werde,  damit  an  solchem 
kein  Mangel  und  Abgang  erscheine'.' 

Am  14.  September  hielten  die  Baiern,  mit  denen  sich  auch 
ein  Theil  des  französischen  Hilfsheeres  vereinigt  hatte,  im  Lager 
vor  EfFerding  Rasttag.  2  Bataillone  des  bairischen  Leibregi- 
mentes mit  2  Compagnien  Grenadieren  schickte  der  Kurfürst 
am  Morgen  des  14.  September  zu  Wasser  nach  Linz,  um  die 
Stadt  zu  besetzen,  was  auch  zur  Zufriedenheit  Karl  Albrechts 
erfolgte.  Bei  dem  Zustande  der  Befestigung  wäre  auch  jeder 
Widerstand  gänzlich  nutzlos  gewesen.  Gleich  nach  der  Be- 
setzung von  Linz  begann  auch  die  Administration  des  Landes 
auf  Befehl  des  Kurftlrsten.* 


'  Patent  der  stSiidischeu  Vorordueten  vom  15.  September  1741.  K.  u.  k. 
Hang-,  Hof-  und  Staatsarcliiv,  Peter'tiche  Sammlang.  WiUinger  von  der 
Au  hatte  den  Venirdneteii  am  13.  September  geüuhrieben,  man  werde 
aucli,  wenn  das  Bier  uicUt  ausreichte,  Most  und  gAschaoer'  Weiu  ,mu 
Hilf  nehmen  mUiuien.  Auch  die  nachrilckeiideu  Franzosen  befreundeten 
sich  rasch  mit  dem  b.'ijuv.irisch-germatiisülmu  Liebliugagetrftnke.  In  der 
Zeit  vom  17.  big  23.  September  1741  wurden  von  der  franzKsiachen  Be- 
satzong  von  Enns  ans  den  acht  Wirthshjlnsem  der  Stadt,  namentlich 
,de  la  briukserie  du  Maire  de  la  ville'  (.von  mein  Statt-Richters  Braa- 
hausH*)  1484'/,  Mas«  Bier  coiisumirt  und  ebenso  wie  2'Jti'i  Pfund  Fleisch, 
2783'/,  Pfund  Brot  und  357  Pfordeportionen  zwar  in  Bezug  auf 
richtigen  Empfang  quittirt  (auch  II  Quittungsxettel  frauzOsischer  Ser- 
geanten liegen  bei),  aber  niclit  bezahlt.  Der  Dolmetsch  .Fraufois  Louis 
Motinot  interprete  de  la  Commission  de  Mn  les  Etats'  aborsetste  den 
Eniisem  die  ,8pecificatioti  de  ce  qui  a  6t6  livrÄ  par  Ordre  de  M'  le 
Commandant  Comte  de  Montemar  .  .  .  eu  tout  en  biere  que  viande'  etc. 
ins  Deutsche.     Ebenda. 

*  Bezüglich  der  Massnahmen  der  Bavaro-Franzosen  für  den  14.  September 
erhielt  das  Vororduetencolleginm  schon  am  13.  September  (wahrschein- 
lich  durch  Willioger)   eine   ,Nota   für   die   lObl.  Herren  Verordneten  w 


M 


«TT 


Kurz  vorher  hatte  sich  der  Vertreter  Maria  Theresias,  der 
Landeshauptmann  Ferdinand  Bonnaventura  Graf  Weissenwolf, 
aas  Linz  entfernt,  indem  er  auch  aus  seiner  Amtswohnung  auf 
dem  Schlosse,  in  welcher  der  Kurfürst  residiren  sollte,  Alles, 
was  tragbar  war  donauabwärta  hatte  bringen  lassen,  so  dass 
nichts  als  die  kahlen  Wände  blieben  und  der  Feind  das  Schloss 
.völlig  ausgeraumet'  vorfand,  was  den  Kurfürsten  mit  grossem 
Zorne  gegen  Weissenwolf  erftlUto. ' 

Die  Agenden  Weissenwolfa  übernahm  der  Landesanwalt 
Johann  Augustin  Fortunat  Graf  Spindler.   Im  Vereine  mit  dem 


Torläufiger  Nachricht   and   Information    Ober  die  anheot   als    IS''»  71>ri* 
1741  aufgestellte  Ordre  zum  morgigen  Rast -Tag  und  reapectivo  bis  Lins 
mm  Theil   verordneter   Einruckung  deren   ciiurbayr.   und    französischen 
onppen'.     Sie  enthält  7  Pankte: 

1.  Am  14.  September  werden  6  Bntaillone  zu  je  685  Mann  von 
Efferding  und  ebensoviel  von  PaiMau  nach  Linz  abmanschiron.  Das  Lager 
wird  zwischen  Linz  und  KleinmQncUen  gegen  Ebelsberg  zu  abgesteckt 
werden. 

2.  2  Bataillone  Kurbaiern  und  2  Compagnien  Grenadiere  werden 
am  14.  September  Früh  die  Thore  von  Linz  beeetzou  und  sich  iu  der 
Stadt  beqnartiren. 

3.  Die  übrigen  Truppen  halten  zu  Efferding  am  14.  September 
Rasttag  und  rücken  am   15.  September  ins  Lager  bei  Ebelsberg  nach. 

4.  Die  Baiem  sind  bis  inclusive  19.,  die  Franzosen  bis  21.  Sep- 
tember mit  Qold,  Hafer,  Heu,  Brot  und  Zoltstroh  versehen;  sie  hraucbea 
Brot,  Fleisch,  Bier,  Holz;    die  Franzosen   ausserdem   noch  süsses  Kraut. 

6.  Aus  einem  beiliegenden  Entwürfe  kOniieu  die  Verordneten  ent- 
nehmen, was  die  Armee  bei  Efferding  und  dann  bei  Lina  ohne  Cavallerie 
brauchen  wird. 

6.  In  Abwesenheit  des  Landeshauptmannes  hat  sieb    der  ,Lands- 
walt  nebst  einem    oder   anderen  H.  H.  Landrath  nacher  Eferding'  au 

ben;    sie    sollen    iiftmtich   zur  Verwaltung   der   Polizei-   und   Justiz- 
aachen  designirt  werden. 

7.  Die  kiirbairisvlieu  alten  und  die  französischen  neuen  Lonisd'ors 
rind  gangbar  zu  machen  ,nach  ihrem  daraussigen  valour'.  Die  liollän- 
(lim-hen,  kaiserlichen  and  Kremnitzer  Ducaten  bekommen  ein  Agio  nach 
der  kurbairischen  Valuta,  was  ,per  patentes  Electorales  unter  Trompoten- 
_ind  Paaken-Schall  publicierot  und  sodann  ad  valvas  affigiert  werden  solle*. 

K.  a.  k.  Hau.-)-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  Fase.  342. 
icht  des  nicderOsterreichisch-stfindischen  Obercommiiuiärs  für  das 
lertel  Obermanhartsberg  Franz  Friedrich  Graf  Engl  ddo.  24.  September 
1741.  Miedernsterroichisches  Landesarchiv,  ,Landdefension  1741*.  Bei 
Spaun:  ,Lebensbeschreibung  des  Johann  Georg  Adam  Freiherm  za 
Hoheneck',  VI.  Bericht  des  Miueums  Francisco-Carolinum  in  Linz  1842, 
wird  Weissenwolf  irrthUmlich  als  ,Schlo8shauptmann'  bezeichnet. 


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378 


,Land-Ratli  und  LnnrlScliroiber'  Micliael  Ernst  von  Springen 
i'els  erliess  er  noch  am  14.  September  ein  Mllnzpatent,  ebenso 
wie  die  kurfürstliche  geheime  Ktinzlei  ein  solches  von  Eferding 
aus  ergehen  liess  und  beauftragte  die  Verordneten  am  selben 
Tage  eine  Taxe  fUr  alle  Lebensmittel  auszuarbeiten,  damit  die 
Soldaten  nicht  iiborhalten  würden.* 

Während  die  feindliche  Macht  Linz  besetzte,  beantwortete 
das  Verordnetencollegium  das  Reacript  Maria  Theresias  vom 
12.  September.  Sie  dankten  der  Monarchin  für  die  Erlaubnis«, 
wonach  zur  Vermeidung  des  Landosruines  ,das,  was  man  nicht 
verhindern  kann,  mit  Ordnung  beigeschaft't  werde'.  Dies  habe 
verhindert,  dass  bis  jetzt  von  Seiten  der  24  Bataillone  und 
fjscadroncn  bairischer  und  französischer  Soldaten,  die  in  und 
um  Linz  stehen,  keine  Exeesse  verübt  wurden.  Die  Verord 
ueteii  schliessen  ihr  Schreiben  mit  den  Worten:  ,Bei  dieser 
äussersten  Desolation  geraichet  allein  zu  unserer  Consniation 
die  Hoffnung  unter  die  sanftmüthigst  österreichische 
Regierung  bald  wiederumb  zu  kommen.'* 

Kurze  Zeit  darnach,  am  Mittage  des  15.  September  1741 
brach  der  Präsident  der  Verordneten,  Graf  Thürheim,  auf,  um 
den  Kurfürsten  mit  wohlgesetzter  Rede  zu  empfangen.  Um 
2  Uhr  Nachmittags  hielt  Karl  Albrecht,  umgeben  von  den 
französischen,  preussischon  und  sächsischen  Gesandten,  seinen 
Einzug  in  Linz.  Die  alt«  Stadt,  die  seit  den  Tagen  Leopold 
des  Glorreichen  in  Freud'  und  Leid  die  Geschicke  Oosterreichs 
und  seines  Uen-scherhauses  mitgetragen  hatte,  beherbergte  nun 


*  Ein   bairischer  Do|>p«l-Karoliu  aoUte  9  ü.  30  kr.  gelten,    ein  einfocher 
4  (1.  46  kr.    Ein  neuer  frnnz{>8Uclier  Louis<l"or  7  fl.  30  kr.,  ein  alter  7  fl. 
3ä  kr.   Ein  firrosser  neuer  rrnnz'tsisclier  Tlialer  2  fl.  28  kr.  und  2  Pf.,  ein 
franiitniachoii  .Vier-Stüokl'  7  kr.  Ein  kurbairi«clier  halber  Gulden  S?  kr., 
ein    Fünfzehner    13  kr.  2  Pf.     Ein    bairischer  Dopiielffroschen    6  kr.,    eitt    i 
einfacher  3  kr.     MUnzpatent,  Linis,   13.  .September.     K.  u.  k.  Hau«-,  Hof- 
und  Staatsarchiv,  Fase.  342.    Doch  bald  beklagten  sich  die  Stände,  da» 
die  Uuterthanon  geuOthigt  wurden,   diu  MQnzen  anzunehmen    ,(iber   den. 
Werth  der  emanierten  Patenten'   (.Hofh-Notturft*  vom  6.  October  1741)- 
In  einem  eigenhändig  unterzeichneten  Resoripte  schärfte  darum  Karl  AI— 
brecht    die    genaue   Befolgung    des   Miinzi)atentes   ein   (Lins,  6.  October^ 
1741).    Ebenda. 

•  Die  ständischen  Verordneten  an  Maria  ThereBi»,  14.  September  174t_ 
Ebenda;  vgl.  Anhang  VII.  Heigel  (8.  196)  ISsst  diese«  Schreiben  irr- 
thümlich  vom  Linzer  .Stadtrath'  ausgehen. 


379 

in  ihren  Mauern  einen  Fürsten,  der  nicht  als  blosser  militäri- 
scher Feind,  sondern  als  Prätendent  mit  Herrschaftsansprttchen 
über  das  Land  ob  der  Enns  erschien,  Unterwerfung  und  Hul- 
digung fordernd.  Ueberraschend  schnell  schienen  sich  in  den 
nächsten  Tagen  Karl  Albrechts  HerrschaftsansprUche  auf  Ober- 
Oesterreich  zu  verwirklichen.* 


Fünftes  Capitel. 
Karl  Albrecht  In  Linz  und  Enns. 

Einen  Tag  nach  dem  Einzüge  des  Kurfürsten,  bereits  am 
16.  September  1741,  traten  die  ständischen  Verordneten  mit  den 
bairiseben  hohen  Beamten  zu  einer  Berathung  zusammen.  Der 
landschaftliche  Syndicus  v.  Fricdel  fllhrte  Protokoll  und  er- 
wlhnt  unter    den   Anwesenden:    ,die    kurfürstlichen   Ministri 


'  Ueber  des  Empfang  des  Knrfttrsten  schreibt  der  niederOsterreichisclie 
Obercommissür  Graf  Engl  in  seinem  oben  angeführten  Berichte  an  die 
onterennsischen  Verordneten:  ,Dor  Herr  Präses  deren  H.  He»  Verord- 
neten solle  bis  Calvari-Berg  dem  ChurfUrsten  entgegengekommen  sein 
nnd  ihme  alda  gar  wohl  angeredet  haben,  wie  er  denn  anch  gar  gut  an- 
gesehen sein  solle.'  NiederOsterreichisches  Laudesarchir,  ,Landdefen- 
•ion  174 1*.  Der  Kurfürst  selbst  schreibt  in  seinem  Tagebache:  ,Je 
arriTois  l'apres  diner  a  Lintz,  oa  le  monde  accourut  en  fonlle.  Je  passois 
»vec  ma  cavallerie  tout  au  travers  du  camp,  on  je  vis  12  bataillons  des 
Francois,  qni  y  etoieut  dejas  campfo.  A  mon  arrivi  dans  la  rftsidence 
le  comte  Tirheim  pr£»ident  et  l'abbä  de  Kremsmunster  me  complimentSrent 
»a  nom  des  6taU'  (Heigel,  Tagebuch  Karls  VII.,  S.  20).  Demnach  hätte 
die  Begrüssong  erst  im  Schlosse  stattgefunden.  Doch  mag  die  Angabe 
Karl  Alberts  nicht  verlässlich  sein,  da  er  auch  irrthOmlich  den  13.  Sep- 
tember als  Tag  des  Einzuges  bezeichnet,  statt  den  15.  September.  Mit 
gleicher  Unbefangenheit  wie  am  15.  September  1741  vor  dem  KurfUrsten 
tuid  sich  Oraf  ThUrheim  auch  am  24.  Jänner  1742  ein,  um  bei  der 
Wiedereroberung  von  Linz  den  einziehenden  Grossherzog  Franz,  den 
Gemahl  Maria  Theresias,  zu  begrflssen.  Er  wurde  aber  nach  dem,  was 
rieb  «m  8.  Oetober  1741  zugetragen  hatte,  vom  Grossherzog  nicht  vorge- 
bsien  nnd  rnnsste  sich  auf  seine  GOter  entfernen.  Später  wurde  er 
wieder  zu  Gnaden  aufgenommen,  geheimer  Kath  und  1746  Präsident  der 
oberOsterreichischen  Commerzien-  und  Manufacturs-Hofcommission.  Vgl. 
Ameth,  Maria  Theresia  II,  S.  12. 


380 


H.  Graf  v.  Preysing  und  H.  Baron  von  Braitenlohn'.  Es  müssen 
sich  aber  bairischerseits  noch  mehr  Personen  an  der  Conferenz 
betheiUgt  haben;  denn  Friedel  setzt  hinzu  ,et  reliqui  mihi 
ignoti'.  ^ 

Der  erste  Punkt  der  Verhandhingen  betraf  die  Verpflegs- 
angelegenheiten. Wahrhaft  horrend  erschien  den  Verordneten 
das  Oeforderte.  263.000  Portionen  Hafer  und  ebensoviel  Heu, 
mehr  als  dreissigtausend  Pfund  Stroh,  fast  2000  Klafter  Holz, 
300  Ochsen,  Alles  im  Gesammtbetrage  von  117.523  fl.  25  kr. 
waren  bis  inclusive  4.  October  zu  liefern,  beziehungsweise  zu 
zahlen.  Selbst  nach  dem  ständischerseits  angestrebten  massi- 
geren Voranschlage  belief  sich  das  zu  Liefernde  noch  immer 
auf  einen  Geldbetrag  von  100.075  fl.*  Was  bedeuteten  dem 
gegenüber  die  Verpflegskosten  fUr  2  Dragoner- Regimenter  und 
eine  Handvoll  leichter  ungarischer  Reiter,  ja  selbst  für  das  ober- 
österreichische  Landesaufgebot  I 


40] 


'  FriedeVs  Protokoll  voin  16.  September  1741.     K.  a.  k.  Hau«-,  Hof-  udJ 

Staatmirchiv,  Fase.  342;  vgl.  S.  366,  Anm.  3. 

*  Die  Forderungen  des  Feinden  sind  niedergelegt  in  einem  ,Entwnrff  Über 
die  darch  knrfQratlichos  Rescript  gnidigat  anbegehrte  portioni-liffening 
vnd   derselben    betragnns   in   gelt*   (ebenda).     FUr  die  damaligen  Preiae 

Ton  Interesse: 

263.620  Portionen  haabem,  jede  derselben  zu  1  ft,  for- 
dern 32.952'/,  Metzen,  ieden  zu  1  fl.  30  kr.  .  49.428  fl.  45  kr 
2r.3.S20  portiones  heü,  iede  zu  16  ß,  fordern  43.936 
Conten  60  iW.,  weillen  bey  ieden  Centen  we- 
nigst 10  ft  auf  die  tieil-bliimen  vnd  staub 
zunickb  bleiben,  folglich  der  Centen  vor 
90  ii    heu    angeachlagen    nnd    vor    1  fl.    ge- 

re<'hnot  vrirdtet 43.936 

30.360  blind  Strohe  A  7  kr 3.642 

1,872  Claffter  Holz,  jede  zn  ;t  (1 6.616  „    —  •. 

900  Centen   Fleisch,    fordern   wenigst   300  ochsen 

nnd  ieden  «u  3  Centeu,   in   gelt  aber  k  60  fl.       16.000  ,    —    _^J, 

117.623  0.  86  ■»*' 

Ausserdem  waren  unter  Einem  noch  zu  liefern:  43.620  Portiois — ' 
Hafer  i  7'/,  Pfnnd,   43.620  Portionen  Ken  ä  16  Pfund,   16.260  .Schaa 
Stroh  k   18  Pfund  nnd  184  Klafter  IIoIk   für   einige  noch   im  Ann 
begriffene  französische  Abtbeilungen. 

Die  Landschaft  suchte  in  einem  von  ihr  ansgearbeiteten  ,Entw 
nnd  Designation'  die  Kosten  auf  tOO.076  fl.  zu  ermässigen.  K.  u 
Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  I.  c. 


881 


und  wie  hatten  einst  die  Stände  über  jene  verhältniss 
massig  geringen  Lasten  geseufzt!  Jetzt  hatte  der  am  14.  Sep- 
tember Maria  Theresia  gegenüber  geäusserte  Wunsch,  bald 
wieder  unter  die  sanftmüthigste  österreichische  Regieiimg  zu 
kommen,  seine  vollste  Berechtigung. 

Landschaftticherseits  wurde  den  Baiem  und  Franzosen 
gegenüber  geltend  gemacht,  daes  schon  der  Transpurt  bedeu- 
tende Kosten  verursache,  die  in  jenen  Fällen,  wo  die  Lebens- 
mittel aus  der  Feme  herbeigeschaflFt  werden  müssten,  den  Werth 
des  Naturales  überstiegen.  Derb  aber  richtig  meinten  die  Ver- 
ordneten, dass  bei  solchen  Forderungen  ,Leuth  und  Viech  aus 
Hungersnoth  crepieren  müssen'. ' 

Der  zweite  Punkt  der  Conferenz  betraf  die  Herausgabe 
von  Gewehr  und  Munition  seitens  der  Bürger-  und  Bauernschaft. 
Hievon  war  schon  an  früherer  Steile  (S.  35G)  die  Rede.  Die 
Entwaffnung  der  unteren  Stände,  denen  man  feindlicherseits 
nicht  traute,  wurde  durchgefllhrt. 

Und  nun  wurde  in  Punkt  3  die  heiklichste  Frage,  das 
Begehren  nach  der  Huldigung  aufgeworfen,  nach  Aenderung 
der  Wappen  und  Livreen;  das  Ende  war,  dass  die  Ablegung 
des  Homagiums  in  die  Hände  des  KurAlrsten  innerhalb  einer 
Frist  von  zehn  Tagen  gefordert  wurde.* 

Ueber  das  von  den  bairischen  Bevollmächtigten  in  der 
Conferenz  vom  16.  September  Begehi-te  richteten  die  Verord- 
neten schon  am  nächsten  Tage  an  den  Kurfui-sten  selbst  ein 
,Pro-memoria'.'  Vorerst  baten  sie  um  Abzug  der  ständischen 
Unkosten  für  das  Heer  von  der  Landosbewiliigung.  An  den 
Gedanken,  den  Kurfürsten  als  Souverän  zu  betrachten  und  ihm 
die  GeftlUc  abziiliefeni,  hatte  man  sich  also  schon  gewölint. 

Der  Abzug  sollte  indess  nicht  von  den  für  1741  bewilligten 
Geldern  erfolgen,  da  dieselben  schon  aufgebraucht  waren,  son- 
dern von  der  Landesbewiliigung  flir  1742. 


'  jKntwnrf  nnd  Desigiuitioii'.  K.  u.  k.  Haiiit-,  Ilof-  und  .SbuitsarchiT  1.  c. 

*  Protokoll  Friedel's:  ,8U<>  wUrdat  die  Huldigaiig  bogebret;  rnd  wann 
«olche  geficlieheu  «oUe,  zn  überlegen  .  .  .  innerlialb  10  Tngon  und  vor 
dem  landsfUratou  persOlinlich  abzulegen  .  .  .  geind  die  wappen,  liberey 
und  ander  Sachen  m  endem.* 

'  Die  sttndiachen  Verordneten  an  den  Riirfilrsten  am  17.  September  1741. 
K.  a.  k.  Hau»-    Hof-  und  Staatiuurcliiv,  1.  c. 


382 


Die  ungeheuren  Lieferangen  ,auf  eine  so  zahlreiche,  in 
diesem  Erzherzog:thumb  nieinahlen  zu  ersehen  geweste  Armee' 
rauchten  beschränkt  werden. 

Wie  elend  die  Lage  des  Bauernstandes  selbst  in  dem 
wohlhabenden  Ober-Oesterreich  war,  geht  aus  der  Begründung 
dieser  Bitte  hervor.  Der  Kurfürst  möge  nämlich  hauptsächlich 
die  unerträghchen  Forderungen  an  Hafer  (263.Ü20  Portionen, 
gleich  32.952'/»  Motzen)  vermindern,  sonst  wttrden  nicht  allein 
die  Pferde  der  Bauern  aus  Mangel  an  Lebensmitteln  zu  Grunde 
gehen,  sondern  auch  unter  den  Leuten  selbst  Hungcrsnoth  aus- 
brechen, ,wcillen  die  mehreste  nur  das  Haberbrot  ge- 
niessen'.  Auch  das  Holz  sei  im  Lande  schwer  aufzutreiben. 
In  Bezug  auf  die  Ablieferung  von  Gewehr  und  Munition 
erklären  die  Verordneten,  dem  kurfiirstlichen  Befehle  nach- 
kommen zu  wollen.  In  Betreff  der  Huldigung  wurde  der  Kur- 
fürst durch  die  Verordneten  »gehorsambst  crindert',  dass  die 
Einladung  tiiezu,  beziehungsweise  zur  Versammlung  des  Land- 
tages jederzeit  Sache  des  LandesfUrsten  war;  in  der  Verord- 
neten Kräften  sei  es  blos  gelegen,  dem  Kurfürsten  in  einer 
Beilage  die  mit  den  oberösterreichischen  Erbämtern  begnadeten 
Geschlechter  namhaft  zu  machen. 

Um  das  Herz  Karl  Albrechts  zu  rühren,  legten  die  Ver- 
ordneten ihrem  Promemoria  den  Bericht  des  laudschafllichen 
Obercoramissarius  Josef  Freiherm  v.  Clam  bei  über  das  un- 
geheuerliche Ansinnen  des  französischen  Intendanten  ScchelloB, 
300  Süick  Ochsen,  noch  dazu  gratis,  binnen  wenigen  Tagen  au 
liefern.  Wollte  man  dies  aueführcn,  so  müsse  man  den  Bauern 
namentlich  im  Gebirge  da  Zugthier  ausspannen.' 

Auf  dieses  Promemoria  antwortete  Karl  Albrecht  in  einem 
eigenhändig  unterzeichneten  Kescripte  vom  li'.  September:*  Es 


'  Jener  Sechellen,  dem  wir  noch  elnigemale  begegnen  werden,  begleitete 
Karl  Albrecht  mich  nach  Bühmen  und  wnr  nach  dem  niiglUrklicheii 
AuBgange  dieneii  Zuges  bei  der  franKODinchen  Armee  in  den  naterreii-lii- 
schen  Niederlanden.  Ueberall  erwia»  er  sich  als  arger  Peiniger.  Beim 
Aufkomnien  der  Pompadour  schloM  er  sich  diei>er  au  und  erlangte  diiri'li 
sie  den  Posten  eines  Generalcontroleurs  der  Finanzen.  Arneth.  Mari» 
Therp.8ia  III,  8,  247.  362.  Bei  den  Verhandlungen  vor  Ausbruch  dex 
siebenjährigen  Krieges  spielt«  er  eine  grosse  Rolle. 

'  Hosoript  Karl  Albreehts  vom  M.September  1741.  K.  u.  k.  Hans-,  Hof- 
und  Staatsarchiv,  Kasc.  342. 


Üiae  ihm  leid,  dass  er  habe  zti  den  WaflFen  greifen  mllssen; 
die  Sache  habe  sich  nicht  so  gefügt,  dass  Stände  and  Unter- 
thanen  des  Kriegsungemaches  hätten  enthüben  bleiben  können. 
Auf  dem  Geforderten  miisse  er  indess  bestehen,  sonst  sei  es 
von  Nöthen,  die  Truppen  in  verschiedene  Abtheilungen  zu  zer- 
legen .und  selbe  ihre  Snbsistenz  gelbsten  suchen  und  nehmen 
zu  lassen'.  Aus  besonderer  Gnade  verfüge  er  jedoch,  dass  für 
leine  eigene  bairische  Cavallerie  Hafer-  und  Heuportionen  von 
geringerem  Gewichte  geliefert  werden  könnten.  Auch  die  Bitte 
am  Abzug  der  Kosten  von  der  Landesbewilligung  für  1742  will 
Karl  Albrecht  gewähren,  wenn  nur  die  von  der  bairischen 
General-Proviantdirection  geforderten  263.620  Portionen  Ilaftir 
etc.  aufgebracht  würden. 

Scchelles  zu  einem  Nachlasse  bezüglich  der  geforderten 
300  Ochsen  zu  bewegen,  gelang  den  bairischen  Behörden  selbst 
nicht. ' 

Ständischerseits  wurde  dieses  Rescript  des  Kurftirsten  mit 
einer  neuen  Beschwerde  erwidert.*  Die  kaiserlichen  Heiter 
blltten  sich  seinerzeit  mit  6  Pfund  Hafer  und  8  Pfund  Hen  pro 
Pferderation  begnügt.  Die  Franzosen  dagegen  begehren  7'/, 
Pfund  Hafer  und  15  Pfund  Heu.  Das  Pfimd  Rindfleisch  müsse 
den  Truppen  um  3  kr.  ausgehackt  wrerden,  während  es  doch 
za  4  und  4'/j  kr.  im  Preise  stehe.  Aehnlich  sei  es  beim  Brot. 
Der  Kurfürst  möge  die  Forderungen  der  Franzosen  herabsetzen, 
Fleisch,  Mehl  und  Brot  zum  grösseren  Theüe  aus  Baiem  nach- 
lihren  lassen. 

Der  Kurfürst  Hess  es  aber  bei  seinem  früheren  Bescheide 
bewenden,  indem  er  wohl  die  Rationen  für  seine  eigene  Ca- 
vallerie herabsetzte,  nicht  aber  die  für  die  Franzosen;  letzteres 
konnte  er  nicht,  auch  wenn  er  gewollt  hätte.     Denn  trotz  des 


'  ,Pro  Memoria  titl.  H""  Baron  von  Clam  wirdet  gezimond  vemachrich- 
tiget,  waagestalten  der  kOnigl.  Uumlis.  General-Intendant  MonHieur 
le  Sechell  anf  seiner  gemachten  aufforderung  unabweislich  verharre, 
crafft  welcher  »eiber  verlanget,  daas  in  Zeit  von  S"»  Tag  mithin  bis 
den  22««°  dieses  100  stnck  schUigbares  Rind-Vieh,  die  übrige  200  stuck 
aber  bis  den  'l'«"  näch-stkonftig  Monats  bey  Vermeidung  unmittelbarer 
Execution  geliferet  werden.  Datum  im  llaubtjjuartier  *u  Linz,  den 
20ien  71.ri»  1741.'  KurfQrsttiches  Foldkriegscommissariatsamt,  Kram 
Qoltlieb  Edler  von  Hochmiller.  K.  u.  k.  Haas-,  Hof-  und  Staatsarchiv, 
Fase.  342. 
*  Die  Verordneten  an  den  Knrfilrsten,  19.  September  1741.  Ebenda. 

AnsUr.  LXXXVIL  Bd.  U.  BUfto.  26 


384 


jjomphaften  und  wortreichen  Patentes,  mit  dem  ihn  Ludwig  XV. 
zum  Qenerallieutenant  der  in  Deutscliland  befindJichen  fran- 
zösischen Armee  bestimmt  hatte,'  war  weniger  er  der  Herr 
über  die  Franzosen,  als  diese  es  über  ihn  waren. 

Bald  gelangten  Klagen  über  Aergeres  durch  die  Veronl- 
neten  an  den  KurfUrsten.  Aus  den  ständischen  Magazinen 
wurde  allerlei  Fourage  ohne  Bescheinigung  auf  angeblich  kur 
fürstlichen  Befehl  geholt,  auf  den  Strassen  Holz  und  Stroh  von 
den  Wagen  gerissen  und  die  Pferde  ausgespannt,  Scheunen  und 
Speicher  aufgesprengt,  das  Hornvieh  ohne  Unterschied,  ob  es 
schlagmüBsig  oder  nicht,  aus  den  Ställen  fortgeschleppt.  Die 
ünterthauen  wurden  hicdtirch  trostlos,  verzagt  und  kleinmttthig; 
Manche  drohen  schon  Haus  und  Hof  zu  verlassen.* 

Bald  sollten  dem  Lande  neue  Lasten  erwachsen.  Für  den 
25.  September  wurde  eine  französische  Cavalleriedivision  in 
Waizenkirchen  erwartet.  Stilndischerseits  wurde  ihr  der  Graf 
Philibert  Fuogcr  entgegengeschickt.  Mit  dem,  was  der  bairi- 
sche  ,General  -  Proviant  •  Commissftr'  v.  Perkhaimb  für  diese 
französische  Abtheilung  per  Tag  verlangt  hatte,'  war  dieselbe 
nun  durchaus  nicht  einverstanden.  Perkhaimb  z.  B.  hatte 
18  Klafter  Holz  beantragt,  die  Franzosen  begehrten  120.  Dazu 
6725  Portionen  Hafer,  6500  Portionen  Heu,  2400  Bund  Stroh, 
300  Vorspannpferde,  5 — 6  Ochsen,  30 — 40  Schafe,  8—9  Kälber, 
80O  Pfund  weisses  und  1200  Pfund  gutes  schwarzes  Brot  ,aaf 
icden  Tag'. 

Nachdem  ohnehin  schon  so  viel  geliefert  worden  war  und 
OS  unmöglich  schien,  noch  mehr  zu  leisten,  sahen  die  Verordneten 
dem  Eintreffen  der  1.  französischen  Division  —  eine  2.,  3.  nnd 
4.  war  auch  schon  avisirt  —  mit  einer  gewissen  dumpfen  Re 
signation  entgegen.  ,SoIlten  sich,*  schrieb  der  Landschafb- 
syndicus  an  den  Grafen  Fueger,  ,Exccbs  und  aigenmächtige 
Einfiihl  in  die  Städl  und  Kosten  der  Paucrschaft,  wie  man  be- 
fürchtet, zuetragen,  so  seind  solche  Unglückh  dem  göttlichen 
Willen  und  Anordnung  zu  überlassen.'* 


Eine  Abschrift  von  Wnsner'ii  Hand.     K.  n.  k.  Tlau«-,  Hof-  nnd   Staats- 
archiv,  Kriegsacten  1741,  Fase.  341. 

*  Die  Verordneten  an   den  KarfUraten  am  21.  September  1741.     Ebenda, 
Pa«c.  342. 

'  Fridel  an  den  Grafen  Fueger,  22.  September  1741.     Ebenda. 

*  Vorige«  Schreiben. 


385 


Graf  Fueger  war  aber  ganz  der  geeigaete  Mann,  die  Ge- 
fahr abzuwenden.  Er  reiste  den  Franzosen  bis  Schilrding  ent- 
gegen und  traf  in  dem  französischen  coramandirenden  General, 
dena  berühmten  Grafen  von  Sachsen,  einen  alten  Dekannten 
von  der  Belagerung  von  Belgrad  her,  der  sich  ihm  äusserst  ge- 
neigt zeigte. 

Zwar  lebte  Graf  Fueger,  wie  er  an  den  Landschafla- 
syndicus  Fridel  schreibt,  ,zwischen  Hoffnung  und  Furcht*,  er 
weiss  oft  nicht,  ,wo  ihm  der  Kopf  steht',  denn  ,Confusion,  Un- 
heil, Widerwärtigkeiten  und  Ungerechtigkeiten'  kommen  doch 
vor,  so  dass  Fueger  in  den  Ruf  ausbricht:  ,Gott  seye  mir  und 
uns  allen  gnädig  und  barmherzig',  aber  endlich  ist  die  1,  Di- 
vision abgefertigt.  Der  Graf  gedenkt  ihr  aber  nicht  nach  Efer- 
ding  zu  folgen,  sondern  der  2.  Division  entgegenzugehen,  ,um 
die  Gemüther  zu  gewinnen'.  Recht  weltklug  meint  er  am 
Schlüsse  seines  Berichtes;  ,Ich  nimme  mir  auch  die  Frcyhcit, 
vor  die  TafB  des  commandierenden  Generalen  was  beyzu- 
schaffen,  denn  mir  bekant,  dass  mit  dergleichen  baequatellen 
oft  viel  ausgemacht  wird." 

Bevor  sich  noch  diese  französischen  Divisionen  mit  dem 
Hauptheere  vereinigten,  standen  im  Lager  bei  Linz  schon  gegen 
30.000  Mann,  die  Mehrzahl  Franzosen  (19.400  Mann),  meistens 
Reiter,  in  23  theils  vollzähligen,  theils  noch  zu  ergänzenden 
Regimentern.  An  kurbairischen  Truppen  waren  9400  Mann 
im  Linzer  Lager.' 

Als  die  Armee  Ende  September  die  Enns  tiberschritt, 
zählte  sie  nach  dem  Promemoria  der  ständischen  Verordneten 
an  den  Grafen  Törring  vom  26.  September  1741  50.000  Men- 
schen und  20.000  Pferde,'  denn  jeden  Tag  kamen  theils  auf 
dem  Wasser,  theils  zu  Lande  Franzosen  und  Baiern  nach. 
Noch  im  Juh  hatten  es  die  Stünde  flir  die  reinste  Unmöglich- 
keit erklärt,  auch  nur  15.000  Mann  auf  kurze  Zeit  im  Lande 
zu  erhalten  (vgl.  S.  342,  Punkt  6)  und  nun!   Ganz  älintich  war 


*  Fueger  am  Weidenholz  am  28.  September  1741  an  deo  Landschaft«- 
tjadien».     K.  u.  k.  H.iqs-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  Fase.  342. 

*  Auf  einem  anonymen  Zettel  —  der  Schrift  nnch  von  der  Hand  des  tüch- 
tigen dsterreicbiscben  Agenten  in  Pari»,  Kreiherm  v.  Wnsner  —  im  k.  n.  k. 
Hani-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  KriegHActen,  Fase.  341  hoisst  es  (s.  nüclistu 
Seite  unten): 

,^»sc.  34*2. 

26» 


386 


es  in  den  Sudetenländern  gewesen.  Erzählt  doch  die  grosse 
Monarchin  selbst,  dass  zu  Anfang  ihrer  Regierang  ,die  ans 
Schlesien  anhero  eingeloffene,  durch  die  böhmische  Canzley 
unterstttzet  wordene  Bericht  die  Unmöglichkeit  vorstelleten,  das 
Naturale  für  blose  zwey  Cavalerie-Regimenter  in  land  ca  finden', 
während  der  König  von  Preussen  die  Mittel  fand,  ,8eine  ganze 
Arm^e  Reichlich  und  Bequem  das  ganze  Jahr  hindurch  alda 
subsistiren  zu  machen'.' 

Das  französisch-bairische  Lager  erstreckte  sich  am  linken 
Donauufer  gegen  Enns  zu  und  mass  eine  Stunde  in  die  Länge, 
eine  halbe  in  die  Breite.  Jeden  Tag  gegen  6  Uhr  Abends  ritt 
der  Kurfürst  vom  Schlosse  aus,  begleitet  von  etwa  30  Officieren, 
entweder  Über  die  Donaubrücke  nach  Urfahr  oder  ins  Lager.* 

'  ,Au8  mütterlichor  Wohlmeinung  zn  besonderem  Nntzen  mmner  PoeteritiU 
verfasste  InatmctionB-Pnncta';  herausgegeben  von  Ameth,  Archiv  fBr 
Osterreichische  Geschichte,  47.  Bd.  (S.  328). 

*  Aus  dem  schon  mehrmals  erwihnten  Berichte  des  stixtdisehen  Oberoom- 
missärs  für  das  Viertel  ob  dem  Manhartsberg  Qiafen  Friedrich  Kogl  vom 
24.  September  1741.     NiederOsterreichischea  Landesarchiv:     ,Daa  Lager 


Le  19.  20.  21  de  71)'« 

1741  se  tronvient  k  Lintz  les  suivans  Begiments: 

Le  reg.  de  Petiver 

Hegiments  Bavaroioes: 

de  la  Marine 

de  Birkenfeld                   1000 

de  Vaisseux 

dn  Corps                            1600 

de  Navarre 

de  Minusiy                      1600 

de  Touraine 

de  Marowitc                      1600 

de  Bogiiy 

Hohenzollem  Cavalerie  1000 

de  Normandie 

Chacun 

Remondi                            lOOO 

de  la  Mark 

de  800  T^tes 

(sc.  General  Eay- 

duRoi 

mond) 

d'Alsace 

Törring                              lOOO 

d'Ai^ou 

de  Roos 

de  Monsieur 

de  U  Foy 

Du  Dauphin  Cavalerie 

.  de  600 

DeTarrasque  Ussars 

400 

ex  Somme  13.000 
Unit  Regiments  qui  sont 
arriväs  apr6s  mon  de- 
partsont  .    .     ■    .     .     6.400 
Somme  deTronppes  fran- 
^oises 19.400 


Somme  940^** 


Somme  entiere  28.400 


387 


In  Linz  erhielt  er  aucli  mehrere  Depeschen  von  Belleisle  des 
Inhalts,  dass  die  Verhandlungen  mit  Sachsen-Polen  sich  dem 
Abschlüsse  näherten.  Karl  Albrecht  sollte  panz  Böhmen  er- 
halten, dazu  Ober-f)esterreich,  Tirol  und  die  österreicliisclien 
Besitzungen  in  Schwaben,  der  König  von  Polen  dagegen  ,en 
revange'  ganz  Möhren,  Ober- Schlesien  und  ein  Stück  von 
Nieder-Oesterreich,  das  Viertel  ob  dem  Manhartsberge. ' 

So  verlebte  denn  Karl  Albrecht  angenehme  Tage  im 
Linzer  Schlosse,  voll  von  Hoffnungen,  die  sich  freilich  später 
nicht  erftlllten;  ein  reiches,  schönes  Land  war  ihm  ohne  Schwert- 
streich zugefallen,  in  ganz  Ober-Oestcrrcicli  fand  der  Kurfürst, 
wie  sich  Ameth  ausdrtickte,  ,wenn  auch  nicht  eben  frendigo, 
80  doch  wenigstens  gehorsame  Vollstrecker'. 

Der  letzte  von  den  Baiern  und  Franzosen  besetzte  Thoil 
des  Landes  war  das  Salzkaramergut.  Hier  wäre  eine  wirksame 
Vertheidigung  am  Platze  gewesen,  dieser  werth volle  Thoil  des 
Landes  hiitte  Maria  Theresia  erhalten  bleiben  können.  Wie 
der  Kurierst  in  seinem  Tagebuchc  angibt,  war  Gmunden,  der 
Hauptort  des  Salzgebietes,  von  1500  gut  bewaffneten  Leuten 
besetzt.  Dorthin  hatte  man  auch  die  von  der  Regierung  zur 
Abrichtung  des  obcrösterrcicliischen  Landsturmes  seinerzeit  ab- 
geschickten Invaliden  detachirt,  nebst  4  Feldstücken.  Die 
Salzbauom  waren  ebenfalls,  wie  Karl  Albrecht  beriehtot,  ,bis 
auf  die  Ztthne'  bewaffnet-  Doch  die  klagliche  Haltung  des 
Salzaratmannes  zu  Gmunden,  Ferdinand  Grafen  Seeau,  erstickte 
jeden  Widerstand.  Als  die  Bavaro-Franzosen  Wels  und  Lam- 
l>ach  besetzt  hatten,  verlangte  Seeau  einen  halben  Tag  Bedenk- 
zeit und  erklärte  sich  dann  bereit  zu  capitidiren,  gegen  die 
Belassung  seiner  selbst  und  seiner  Untergebenen  in  ihren  Stellen. 
Die  Invaliden  waren  indess  damit  nicht  einverstanden  und  ver- 
langten ehrenvollen  Abzug  mit  den  Waffen  und  ihren  4  Stücken, 
was  der  Kurfürst  auch  bewilligte.  Die  alten  Soldaten,  350  an 
der  Zahl,  zogen  in  die  Gegend  des  Pyrnpasses,  verbanden  sich 
I    mit   dem   bewaffneten  Landvolke   in  den  Bergen  und  machten 

■  ^egeo  Enna  fanget  an  nebst  der  Donau  bey  dem  EckardtitlioJT  Qber  dea 

■  Caplan  Hoff,  bias  an  den  Stock-  und  Mäderer-Hoff,  so  in  dio  Länge  eine 
I  Rtnod,   in   die  Breitbe   aber  eine   halbe   atund  austraget  uud  würdet  auf 

■  3U  ■"  Mauu  gescbätzet.'     Vgl.  Änbang  VIII. 

^^^_  '  Karls  VII.  Tagebuch,   herausgegeben  von  Heigel,  S.  21. 


dem  Feinde  noch  zu  schaffen.  Im  Salzkammergate  fanden 
Baiem  einen  grossen  Vorrath  an  Salz.  Der  Kurfürst  gibt 
vielleicht  übertrieben  mit  400.000  fl.  an  Werth  an. ' 

um  diesen  Vorrath  bald  in  Geld  umzusetzen,  erliess  Ka 
Albrecht  am  29.  September  ein  Rescript,  durch  welches  er  de 
Preis  des  Salzes  von  4  fl.  12  kr.  per  Centner  auf  3  fl.  12 ! 
flir  die  nächsten  sechs  Wochen  herabsetzte.*  Ein  ständische 
Patent  theilte  dies  am  3.  October  den  Untcrthanen  mit.  Jeder 
möge  die  Gelegenheit  benützen  und  Salz  kaufen,  um  hiedurc 
jsowohl  das  füratl.  Cameral- Interesse  als  auch  seinen  eigcna 
Nutzen  zu  beförderen'.*  Auf  die  Bitte  der  Verordneten,  d« 
Termin  für  das  billige  Salz  bis  £nde  des  Jahres  zu  erstrecke 
erliess  Karl  Albert  am  5.  October  ein  weiteres  Rescript,  laa 
welchem  jener  Termin  bis  Ende  November  verlängert  wurde.^ 
In  einem  weiteren  am  1.  October  1741  erlassenen  Rcscripte, 
welchem  sich  der  Kurfürst  zuerst  —  noch  vor  der  Huldig 
—  den  Titel  eines  Erzherzogs  von  Oesterreich  beilegt,  wird  da 
nach  dem  Salzkammergute  gehende  Schlachtvieh  vom  land 
schafllichen  Aufsehlag  befreit,*  ein  Erlass,  der  sehr  zum  Va 
drusso  der  Landschaft  und  sehr  gegen  den  Willen  des  Ku 
fÜrsten  einen  schwunghaften  Transitohandel  durch  das 
kammergut  herbeiführte,  welchem  durch  ein  weiteres,  präciser" 
gefasstes  Rescript  ein  Ende  gemacht  wurde.''   Die  leitende  Be 


'  Ueber  die  EioDAhme  des  Salzkamroergutes  des  KurfUrsten  Tagebuch 
Heigel,  I.  c,  8.  21  a.  22.  Ueber  den  Grafen  Seeau  und  seine  BrQderl 
Ameth,  Maria  There«ia  I,  S  318.  Am  8.  Jänner  1742  schrieb  Mm! 
Theresia  an  den  Foldmarschall  Khevenhiller:  ,Den  Seeaa  und  alle  sein 
gleicliou,  deren  nicht  so  wenige  eben  seyu  durfften,  host  du  sogleid 
boym  Kopf  nehmen  cu  lassen'  (Arneth,  ebenda,  U,  S.  416,  Aum.  H 
Doch  kara  er  später  mit  dem  Verluste  seiner  Stelle  davon,  wjlbrond  »ein 
Bruder  Anton,  den  man  fUr  den  eigoutlichen  Spiritus  rector  hielt,  tu 
lehonsIHngHchem  Oefftngnis.'te  und  zur  ODtercon6sc«tion  renirthoilt  wurde. 
Der  FOssener  Friede  1746  gab  auch  ihm  Freiheit  uud  Besitz  wieder  Eorflclu 

'  Rescript  an  die  vier  Stünde,  Liuz,  29.  September  1741.    K.  u.  k.  Hau»-« 
Hof-  uud  Staatsarcliiv,  Fase.  342. 

*  SlXndisvhes  Patent  vom  3.  October  1741.  Ebenda,  Poter'sche  Sammln 

*  Rescript  Kari  Albrechts  vom  6.  October  1741.     Ebenda,  Fase.  343. 
^  Rescript  Karl  Albrechts  vom  1.  October  1741.  Ebenda.  (S£mmtlich  eigen- 
händig unterzeichnet.) 

"  Karl  Albrecht  an  die  Verordneten  am  6.  October  1741.    Ebeud^n. 


iana-« 
InngB 


389 

hörde  im  Salzkanmiergute  wurde  nui»  in  ,ChurflirstIiche8  Salz- 
Oberamt  in  Oesterreieh  ob  der  Eiins'  umgonanDt. ' 

Um  den  19.  September  vorliess  der  KurtUrst  Linz,  in  das 
er  bald  wieder  zurückkehren  sollte  und  schlug  sein  Lager  bei 
Enns  auf.  In  gemiichlichera  Tempo  uiarsclürte  sein  Heer  dort- 
hin, um  wieder  bis  1.  ()ctobt;r  Halt  zu  machon.  Das  Lager 
lehnte  sich  mit  dein  einen  Flügel  an  den  Donaustrom,  mit  dem 
anderen  an  die  Hügel  südlich  von  der  Stadt.  Auch  hier  warteten 
des  Kurfürsten  gute  Nachrichten.  Der  Kimig  %'ün  England  habe 
gute  Zusicherungen  in  Bezug  auf  die  haunoveranische  Kur- 
stimme gemacht,  der  Vertrag  mit  Sachsen  sei  perfect  ge- 
worden. * 

Da  sich  an  der  oberösterrelchisch-steirischen  Grenze  das 
Landvolk  zu  erheben  begann  und  sich  mit  den  obengenannten 
Invaliden  verband,  schickte  Karl  Albrecht  eine  bairisch-fran- 
zösische  Abtheilung  ins  Gebirge,"  die  sich  in  der  Folge  zu 
Spital  am  Pyrn,  Windisch-Garsten,  Klaus  und  an  der  ,unteren 
Klausen'  am  Pyrn  festsetzte  und  den  Ständen  auch  nach  dem 
Abzage  des  Hauptheeres  in  Bezug  auf  die  Verpflegung  schweife 
Sorgen  bereitete.  Sie  gerieth  gleich  anfangs  1742  durch 
einen  von  dem  kühnen  Pfleger  von  Leonstein,  Franz  Michael 
Grezmillner,  ausgehenden  Handstreich  in  die  Gefangenschaft 
Trenk's.  * 


'  Erhellt  aiu  der  Erlecliguiin^  einen  vom  Grafen  Seeau  befürworteten  Ge- 
suches der  ,geiiammten  Trauiiffihrür  und  Kalilbaueru'  vom  26.  October 
1741   in  FourageADgolegouheiton.     Ebenda. 

'  Karl  Albrechts  Tagebuch,  herausgegeben  von  Heigel,  S.  Sä. 

»  Ebenda. 

'  Der  Bericht  Grezmillner'»  (k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  Bster- 
reichische  Acten,  l'aac.  14)  bietet  uns  einen  Beleg  dafOr,  wie  die  Stini- 
mang  der  oberOsterreichischen  Bevölkerung  selbst  war,  wie  sich  diese  in 
einem  ganz  an6F3illigen  Gegensätze  zu  der  rein  opportunistischen,  schlaffen 
Haltung  der  ständischen  Kreise  befand.  Ge.itiUs!t  auf  die.se  Stimmung 
wäre  das  Salzkammergnt  und  iiborhiiupt  die  gebirgigen  Theile  des  Landes 
zu  halten  gewesen,  da  die  Bauern,  geführt  von  ihren  Pfarrern  und 
,PBegorn',  keineswegs  jenes  .von  Natur  forchteame'  Volk  waren,  als  das 
sie  stftndischerseits  der  Regienmg  dargestellt  worden  wareu  (vgl.  S.  3ö.S), 
Oreimillner  erz&hlt  zuerst  die  Besetzung  der  genannten  Orte  durch  die 
Feinde  im  Herbste  1741.  Er  selbst  stand  in  eifriger  Correspondenz  mit 
dem  ,gut  königlich'  gesinnten  Pfarrer  in  ,KlauBs*  und  anderen  patrio- 
tischen Persönlichkeiten  in  Steyr,  trotz  dos  diesbezüglichen  kurfürstlichen 
botes  bei  Lebensatrafe.     Er  hatte  die  ächwXche  der  bairischen  Stel- 


890 


In  Enns  wurde  ein  bainsches  Provianthauptraapazin  ein- 
gerichtet. Oraf  Töri-ing  machte  den  stilndischcn  Behörden  luo- 
von  Miltheilunfc  und  forderte  vorerst  Zuweisung  eines  passenden 
Platzes  fUr  dasselbe,  ferner  landschaftliche  jtaugliche  Subjeet«' 
fllr  Herbeischaffung  des  nöthigen  Proviants,  endlich  eine 
naae  Speciücation   dessen,   was   stUndischerscits   mit   und  ob 


lungen  in  Erfahrnng  gebracht.  Durch  einen  Hchmalen  Oebirgntoi; 
konnte  mau  ihnen  in  den  RQckon  kommen.  Gegeu  Ende  des  Jibte« 
1741  schickte  er  seinen  Praktikanten  nach  Steyr  eu  Treuk  mit  der  Auf- 
forderung, einen  Versuch  zu  wagen.  Die  Oeneralitüt  willigt  ein  und  am 
Nenj.ihnitage  1742,  Abends  6  Uhr,  langt  Trenk  mit  340  Pandaren  in 
Leonsteiu  ein.  Orezmillner  bewirthot  sie  mit  Brot  nnd  Bräunt«  ein 
(,worvou  in  diesem  einzigen  Nachtlager  mir  über  3  Emer  aufgangea'). 
Der  Paudurenfülirer  wird  durch  ihn  aus  der  Karte  und  einer  Topographi« 
Ober  die  Situation  unterrichtet.  Trenk  vorlangt  vor  Allem  Gewüsheit, 
ob  der  schmale  Steig  noch  offen  sei.  Um  12  Uhr  Nachts  wurde  daher 
der  erwähnte  Praktiknut  an  den  Pfarrer  von  .Rlausa*  gesandt;  um  3  Uhr 
FrUh  ist  er  zurück  mit  gUnstiger  Nachricht.  Nun  brach  Trenk  auf.  Die 
Baneru  weisen  ihm  den  Wog,  und  um  C  Uhr  üt  er  mit  seineu  Pandnron 
im  Pfarrhofe.  Von  dort  ans  schickt  er  40  Mann  über  den  ,giihen  Felsen 
Oan^steig*.  Diese  kommen  so  den  ahnungslosen  Soldaten  der  feindlichen 
Ilauptwache  in  den  Rücken,  erzwingen  dni«  Niederlassen  der  Zugbrücken, 
Über  welche  uun  Trenk  mit  seiner  Hauptmacht  vorrückt  Der  Cum- 
mandant  und  die  Besatzung,  ,8o  aniioch  in  guter  Ruh  gelegen  haben', 
werden  kriegsgefangen  (1  Hauptmann,  3  Lieutenants,  18U  Mann).  Die 
äüU  Mann  in  Spital  am  Pyru,  von  der  steirischen  wie  von  der  nster- 
roichischen  Seite  bedroht,  müssen  sich  nun  auch  ergeben  (l  Oberstwacbt- 
meister,  6  Hauptleute  und  FKhnricho,  .darunter  sich  ein  junger  Graf 
Morawitzky,  juuger  Graf  Pouiatoffsky  und  Graf  Loosi  befunden'.  Am 
5.  Jänner  Mittags  bewirthete  Orezmillner  auf  Schloss  Leonstein  16  ge- 
fangene bairische  Ufficiere  zugleich  mit  Trenk  und  seinen  Leuten.  Nach 
geendeter  Tafel  bedankte  sich  zwar  der  bairische  Oberstwachtmeister 
V.  Raupp  beim  Pfleger  für  die  derzeitige  Bewirthuiig,  kündigte  ihm  aber 
im  Falle  der  ZurOckkuuft  der  Baioru  nach  Ober  Oesterreich  uichu 
Gutes  an.  Noch  seien  die  Franzosen  in  ÜUhmen,  die  Sachsen  uud  PreUMen 
in  Mähreu.  Orezmillner  stand  daher  in  den  nächsten  Jahren  bei  be- 
drohlicherer Kriegslage  mehrere  Male  ,auf  dem  Sprung',  sich  mit  Uab- 
Schaft,  Weib  und  Kind  ins  Steirische  zu  äüchten.  Diese  seine  .AusfUht- 
lichu  und  wahrhafte  Beschreibung  und  Relation  des  .  .  .  durch  die 
kiinigl.  Truppen  den  2t«»  Jan.  1742  wiederumb  erfolgenden  Überfahi 
und  Eroberung  des  inermelton  Schloss  und  Pass  Klauss'  schrieb  Orez- 
millner am  30.  März  1743  zu  Leonstein  nieder.  Dero  Original  im 
k.  u.  k.  Baus-,  Hof-  und  Staatsarchiv  liegt  die  Besliltig^ung  Trenk'a,  da» 
der  Pfleger  der  Wahrheit  nach  berichte,  bei.  Ueber  die  Oertlichkeitea 
(iubo,  Steiermark  während  des  (isterreichischeu  Erbfolgokriegea,  1.  c,  S.  3*. 


391 


I 


Quittung  an  den  französischen  Intendanten  abgeliefert  worden 
war.  Seitens  der  Verordneten  wurde  der  Landschaftssecretär 
Schmidtpauer  nach  Enns  geschickt.  Behaglicli  war  seine  Stel- 
lung dort  keineswegs.  Die  Franzosen  kliiumerten  sich  um  die 
ständischen  Commissarien  nicht,  tractirten  deren  untergeordnete 
Organe  wohl  auch  ,rait  harten  Schlägen'  und  drohten  Allen  zu- 
sammen bei  dem  geringsten  Verzuge  im  Lieferungsgeschilfte 
mit  Qalgen  und  Tod.  Selbst  der  Generalintendant  Sechelle 
sah  sich  endlich  veranlasst  zu  verordnen,  ^Niemand  soll  be- 
rechtigt sein,  Ubelzuhalten  die  landschaftlichen  Commissarien 
und  in  specie  den  Sieur  Monnot,  ihren  Tulmätscher'.'  Auch 
musste  Sechciles  auf  directen  ßefehl  des  Kurftlrsten  anordnen, 
aus  den  Magazinen  dürfe  nichts  genommen  werden  ,ohne  ein 
Zettul  von  bairisch  oder  französisch  Commissario'.  Nach  wie 
vor  kamen  indess  Klagen,  dass  die  Franzosen  die  meisten  Ma- 
gazine eigenmJlchtig  occupirten,  die  mit  Fourage  bepackten 
Wagen  auf  den  Sti-assen  antielen  und  die  Vorrilthe  ohne  Mass, 
Gewicht  und  Quittung  hinwegnilhraen.  * 

Mit  der  Disciplin  war  es  somit  bei  den  Franzosen  nicht 
zum  Beaten  bestellt.  Aehnliches  war  schon  zu  Waizcnkirchcn, 
Eferding  und  Linz  vorgegangen,  denn  die  Verordneten  wussten 
dem  Grafen  Törring  auf  seine  oben  angeflihrte  Aufforderung  bin 
nicht  anzugeben,  .was  in  der  ersten  Confusion  und  Schrockhcn  auf 
vorgebend  kurfUrstl.  Befelch  bin  und  wider  haubtsächlich  aber 
zu  Watzenkhttrchen,  Eferding  und  allliie  an  heu,  haber,  strohe 
und    holz    abgegeben    oder  durch  die  Miliz  Selbsten  gleich  von 

Iiler  Strassen  oder  denen  wagen  hinweggenommen'.' 
Um  mit  den  Franzosen  verkeliren  zu  können,  wurden  ausser 
dem  vorhingenannten  , Sieur  Monnot'  auch  noch  andere  im  Lande 
l)efindliche  Franzosen  und  sonstige  der  französischen  Sprache 
<aftchtige  Personen  als  Dolmetscher  von  der  Landschaft  ange- 
stellt ,zu   nicht  geringer  Vermehrung   der  Ausgaben'.*     Trotz 


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Anordnan^  Sechellea',  Eiiiu,  27.  September  1741.  K.  u.  k.  Ilmis-,  Huf-  and 
8taat8«rchiv,  Fmc.  342;  ebendort  dur  BeriuUt  Scbmiiltpaaor's  an  diu  Ver- 
ordneten vom  28.  September  1741  über  die  VerbäUiiituie  in  Enns.  Vgl. 
Anhang;  Nr.  IX. 

■  Voriger  Bericht    Vgl.  Anhang  IX. 

*  Die  Verordneten  an  TOrring  am  26.  September  1741.  K.  u.  k.  Haus-, 
Huf-  and  Staatsarchiv,  Fase.  342. 


392 


der  bald  beginnenden  Noth  im  Lande  nahmen  aber  die  Liefe- 
rungen ihren  Fortgang.  Die  Unterthanen  geriethen  indess  durch 
die  Uebergriffe  der  Franzosen  derart  in  Verwirrung,  dass  sie 
,die  zuegeliflFerte  fourage  an  nögsten  besten  orth  abgelährt  und 
ohne  Erwartlumg  eines  Wag-  und  Lioferungszettl  zuruckh  ge- 
fahren seind'.  *  Um  ein  System  in  die  Lieferungen  zu  bringen, 
erliessen  die  Verordneten  am  27.  September  ein  Patent,  nach 
welchem  die  noch  ausständigen  Lieferungen  im  Hausnickyiertel 
an  den  Pfleger  der  Herrschaft  Eferding  Ignaz  Wilhelm  MS- 
derer  gegen  Quittung  abzuliefern  seien,  im  Mühlviertel  in 
das  Linzer  Magazin,  im  Traun-  und  Machlandviertel  in  das 
Ennser  Magazin.  Die  nur  ein  oder  zwei  Stunden  entfernten 
Herrschaften  und  Unterthanen  haben  sofort  zu  liefern,  die 
anderen  binnen  drei  Tagen,  bei  sonstiger  militärischer  £xe- 
cution.  * 

Besonders  zu  leiden  hatten  natürlich  die  Orte  um  das 
Lager.  Baron  Weichs,  der  bei  der  Huldigung  am  2.  October 
die  Hauptrolle  spielte,  legte  dies  den  ständischen  Commissären 
zur  Last,  welche  somit  von  beiden  Seiten  angegriffen  wurden. 
Auch  war  ihre  Lage  trotz  des  Sechelles'schen  Erlasses  vom 
27.  September  keine  rosigere  geworden.  ,Wie  wir  allhier  tri- 
buliert  werden,  ist  nicht  auszusprechen,'  klagen  sie  schon  zwei 
Tage  später.  Tief  in  der  Nacht  pflegte  man  ihnen  erst  , anzu- 
deuten', was  am  nächsten  Tage  erforderlich  sei,  und  zwar 
gleich  ,mit  solch'  exorbitanter  Bedrohung',  dass  sie  genöthigt 
waren,  um  nur  schnell  das  Erforderliche  zu  requirieren,  immer 
die  nächsten  Orte  in  Mitlcidenschafl  zu  ziehen.  Ausserdem 
klagen  sie,  wie  saumselig  ihre  Anordnungen  von  Seiten  der 
Herrschaften  ausgef^rt  wurden.  Werden  200  Leute  ver- 
schrieben, so  kommen  100;  von  diesen  laufen  bald  80  wieder 
davon,  es  geschieht  nichts,  und  die  ständischen  Commissäre 
müsBcn  nun  unter  dem  Zorne  der  Franzosen  leiden  und  wer- 
den ,mit  den  schmälilichsten  Worten  angegriffen',  trotzdem  der 
Kurftirst  und  sein  Hofstaat  noch  in  Enns  sind.  Was  wird  erst 
geschehen,  sagen  die  Commissäre,  wenn  der  Kurfürst  aus  Enns 


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'  Die  Verordneten  an  TOrring  um  26.  September  1741.     K.  u.  k.  Haoi-, 
Hof-  und  StaatMU-chiv,  Fase.  342. 

'  Patent  der  Verordneten  vom  27.  September  1741.    Ebenda. 


fort  ist  ,uiid  wir  den  französischen  lusolentien  exponiert  ver- 
lleiben?" 

Recht  thätig  erwies  sich  zu  Enns  der  ständische  Secretär 
Schmidtpauer,  wo  es  galt,  den  Uebcrmuth  der  Franzosen  zu 
Kugeln  und  das  Land  vor  gewaltsamer  Fouragirung  zu  bc- 
trahren.  Wenn  er  an  den  LandschaftasyndicuB  schreibt,  er 
bofiPe,  dass  er  und  seine  CoUegen  ,cine  kleine  Ehr'  verdient 
bätten,  so  ist  dies  gerechtfertigt.  Wenn  der  KuriUrst  Abends 
mit  der  Generalität  in  sein  Quartier  zurUckkehrte,  fand  sich 
Schmidtpauer  ein  mit  seinen  ,täglichen  gravamina'  und  brachte 
endlich  Karl  Albrechts  Blut  derart  in  Wallung,  dass  eine 
^harpfe  Ordre*  publtcirt  wurde,  die  gequälten  Bauern  sollten 
französische  oder  bairische  Soldaten,  die  ohne  Commando 
ausserhalb  des  Lagers  berumschweiften,  .auch  um  einer  abge- 
brochenen Zwetschgen,  Biern,  Apfels  oder  dergleichen  Kleinig- 
keit gesammter  Hand  überfallen,  binden,  wie  auch  allenfalls 
gar  todschlagen  und  so  gut  möglich  in  das  Lager  zuruck- 
Leferen'.  * 

Man  sieht,  dem  Kurfürsten  wenigstens  war  es  mit  der 
Aufrechthaltung  einer  guten  Disciplin  voOer  Ernst,  wenn  er 
auch  hierin  ebensowenig  seine  ehrenhaften  Absichten  durch- 
setzen konnte  als  im  nächsten  Jahre  Khevenhüler  in  Baiem 
Trenk  gegenüber.  Auch  erwirkte  Schmidtpauer,  ,da8s  alle  fran- 
Küsische  ravages  fUr  genossen  und  empfangen,  was  wir  nur  in 
0twas  wahrscheinlich  machen  können,  quittiert  werden  muss'.' 
,  Dennoch    waren    die    Sorgen    des    Landscliaftssecretarius 

IBOch  gross.  Der  29.  September  ging  so  leidlich  vorüber,  ,wie 
Ich  aber  biss  zum  Ausmarsche  bestehen  werde,  weiss  der 
liebste  Gott',  schreibt  er  an  den  Syndicus.* 

In  jenen  Tagen  fielen  auch  die  ersten  Schüsse. 

Jenseits  der  Enns  bereits  streiften  die  österreichischen 
Hasaren.  Namhafte  Fouragelieferungen,  welche  die  Bavaro- 
'lUnzosen  in  Niederösterreich  aasschrieben,   hatten  schon  dar- 


8eh(«tben  dea  ständuchen  Commiss&ra  vom  29.  September  1741  aus  Enns 

(geaaicbaet   ,v.  Kirohstetter')   an   ,Moii«.  Mons.   Uioniii  Adam   de   Frideli 

Secretsire  et  Syadiqae'.  K.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staataarchiv,  Fase.  342. 

Berioht  Schmidtpauer's  vom  28.  September  (Anhaog  IX). 

Ebenda. 

Schmidtpauer  ao   Fridel  am  29.  Boptomber  1741    (k.  u.  k.  Hans-,  Hof- 

nnd  Staatsarchiv,  Fase.  342). 


394 

um  nicht  den  mindesten  Erfolg.  Zwischen  den  Husaren  und 
den  bairisehen  Dragonern  nun  kam  es  zu  ScharmUtzeln,  welche 
jedoch  nur  Lilrm  und  Pulrerdampf,  keine  Verluste  an  Menschen- 
leben im  Gefolge  gehabt  zu  haben  scheinen.  Da  geschah  es 
nun,  dass  einer  der  Hasaren,  durch  die  Schilsse  blos  betäubt 
(.nur  etwas  dumm  von  Schüssen'),  vom  Pferde  fiel  und  liegen 
blieb.  Seine  Kameraden,  die  ihn  ftir  todt  hielten,  nahmen 
hurb'g  Gewehr  und  Kleidung  des  Gestürzten  an  sich ;  der  Husar 
blieb  in  den  Händen  der  Feinde,  kam  wieder  zu  sich  imd 
wurde  als  erster  Gefangener  gleichsam  im  Triumphe  vor  den 
Kurftirsten  gebracht.  Es  war,  wie  SchmitUpaucr  berichtet,  .ein 
ansehentlicher,  baumstarker  Mann'.  Karl  Albrecht  schenkte 
ihm  einen  Doppelkarolin  und  befahl,  ihn  wohl  zu  halten.  ,Der 
Jubel  dieser  Victorie  war  ungemein  gross,'  bemerkt  der  saty- 
rische Landschaftssecretär.  * 

Endlich  konnte  Schmidtpauer  in  gehobenster  Stimmung 
den  Abzug  der  Bavaro-Franzosen  melden.  Am  1.  October 
passirte  der  gi'össte  Theil  der  feindlichen  Armee  den  Eonsfluss. 
Vorher  hatte  der  Secretarius  noch  schwere  Stunden,  so  dass 
er  an  den  Landschaftssyndicus  schreibt:  ,Kein  Wunder  wäre, 
wann  einem  von  lauter  Verdruss  Über  die  cxcommunicierte  Fran- 
zosen das  ganze  Kröb  im  Leib  wie  einem  Eydexl  gesprenklet 
wurde.  Basta!  es  ist  das  Gröbere  vorbey  und  ich  hoffe  davor 
eine  gnädige  Compensation  im  Fegfeür.'* 

Besonders  rühmt  Schmidtpauer  die  Beihilfe  eines  kur 
bairiachon  ProviantcommissHrs,  Mnyr  mit  Namen,  der  den  stiln- 
dischen  Beamten   wiederholt   bei    dringenden  Requisitionen  mit 


'  Bericlit  Sc)iniidt[iauer'ii  vom  38.  Soptomber.  Die  Iliisareu  und  GrenMr 
soheiiien  niimentlich  bei  den  Frnnzoson  in  gromem  Kespecte  g:e«tanden 
lu  sein,  wie  ein  Vorfall  wenige  Tage  früher  bewies.  Ein  vom  Ob«r- 
commiHsär  für  da«  Viertel  Ob  dem  Manhartsberg  nach  Ober-Oesterreich  ge- 
schickter Kiinclücliafter  gerieth  unter  eine  grosse  Schuar  Franzosen  (bei 
MniitlihaiiHon),  die  ihn  mit  sich  ins  Lager  nehmen  wollten.  Auf  dem 
Woge  dahin  fragten  sie  einen  Passanten:  .Nichts  detitsch  Snldat  hier?' 
Jener  deutete  mit  der  Hand  hinter  sich  und  meldete,  os  seien  800  Wa- 
rasdiner  Husaren  in  der  NShe.  ,Es  ist  dann  gleich  das  0«schren  anter 
ihnpn  ausgebrochen:  „(Jsllr,  Osär"  und  Sprüngen  sodann  gleich  in  ihre 
3  Zillen,  einer  den  andern  stosaend.'  Der  Kundschafter  entkam  bei 
dieaer  Gelegenheit.     Bericht  des  Grafen  Engl  (Anhang  VIII). 

*  Schmidtpauer  an  Fridol,  Enns,  1.  October  1741.  K.  u.  k.  Haas-,  Hof-  und 
Staatsarchiv,  Kriegsacten,  Fase.  343. 


Yorrath  aus  den  kurfürstlichen  Magazinen  ausgeholfen  hatte, 
wie  auch  ,mit  vertrauter  Anzaig'.  Ein  merkwürdiger  Circulus! 
Feindlicherscits  wurden  grosse  Lieferungen  von  den  Ständen 
verlangt.  Diese  wieder  verschafften  einen  Theil  des  Verlangten 
(15.000 — 20.000  Portionen  nach  Schniidtpauer)  durch  Venuitt- 
lung  guter  Freunde  aus  den  eigenen  Magazinen  des  Kurfürsten! 
Sebmidtpauer  meint,  dass  für  jenen  Herrn  Mayr  2W  M.  Ke- 
compens  nicht  zu  viel  wären,  da  er  mit  diesen  15.000 — 20.0(X) 
Portionen  Hafer,  Heu  und  Stroh  ,gar  willig  und  getreulich  aus 
<Ler  Noth  und  Pliinderungsgefahr  zu  grossem  Nutzen  dos  ganzen 
Xiundes  geholfen'.  * 

Während  aber  Sehmidtpauer  noch  in  Enna  weilte,  wurden 
an  Linz  bereits  alle  Vorbereitungen  zu  einer  ,gezwungenen  — 
Freiwilligen  Huldigung'  (,coaeta  spontanea  submissio  et  lioma- 
^mn'),  wie  der  Landschailssecretär  sich  ausdruckte,  getroffen. 


Sechstes  Capital. 
Die  Huldigung  am  3.  Octobcr  174L 

Nachdem  das  Gros  der  Armee  die  Enns  überschritten 
liatte,  kehrte  der  Kurfltrst  wieder  nach  Linz  zurück,  um  die 
gleicli  von  allem  Anfang  an  in  Aussicht  genommene  Huldigung 
entgegenzunehmen.  Wie  wir  aus  dem  Früheren  ersehen  haben 
(S.  381),  war  schon  am  IG.  September,  einen  Tag  nach  der  An- 
kunft Karl  Albrechts,  das  Begehren  nach  der  Huldigung  seitens 
des  Feindes  gestellt  worden.  Mittlerweile  waren  an  sämmtÜche 
Mitglieder  der  Landschaft  kurfürstliche  Citationsschreiben  ab- 
gegangen, sich  zu  einem  fUr  den  1.  October  anberaumten  Land- 
tage und  zu  der  am  2.  October  stattfindenden  Huldigung  ein- 
zufinden. Trotz  der  gemessenen  königlichen  Rescripte  vom 
4.  September  1741  (vgl.  S.  363,  Anm.  1  und  2),  sich  nicht  im 
Plenum  zu  versammeln,  kam  ein  grosser  Theil  der  Stände, 
freilich  lange  nicht  in  der  Zahl,  wie  Karl  Albrecht  gehofft 
hatte,   am  1.  October  1741  zusammen.     Vorsitzender  der  Ver- 


•  8cbinidtp«ner  an  Fridel,  Enns,  1.  October  1741.   K.  u.  k.  Haus-,  Hof-  uuJ 
StmataarchiT,  Kriegsacten,  Fase.  343. 


396 


Sammlung  war  Josef  Clement  Freiherr  v.  Weichs,    Senior   des 
Herrenstandes.  Die  Motive,  welche  so  viele  Landesmitglieder  be- 
wogen (darunter  selbst  den  sonst  so  streng  loyalen  alten  Johann 
Georg  Adam  Freiherm  v.  Hohenegg),  jenen  beklagenswerthen 
Schritt  zu   unternehmen,    drücken  sich  in  den  kurzen  Worten 
aus,   mit  denen  Weichs  die  Versammelten  bestimmte,  sich  der 
Ceremonie    am   2.  October  zu  fUgen,   dass  die  ,von  Ihro  kurf. 
Durchlaucht  durch  Citationsschreiben  auf  Morgen  als  den  2*^" 
dieses  bestimmte  Hiddigung,  ohne  sich  und  das  ganze  Land 
der  schwersten   Ungnad   und    nachfolgenden    Schaden 
zu  unterwerfen,  in  Gegenwart  einer  zahlreichen  Armee 
nicht  mehr  zu  decJinieren  und  zu  deprecieren  ist'.  *  Da- 
gegen Hess  sich  freilich  einwenden,  dass  dieser  Grund  —  wean 
durch  ihn  der  Actus  am  2.  October  einigermasscn  entschuldigt 
werden  sollte  —  fUr  die  Zeit  der  beginnenden  Invasion  gepaMt 
hallte,  nicht  fUr  die  Situation  Anfangs  October,  wo  die  Haupt- 
armce  bereits  abgerückt  war.   Alle  Drangsale,  die  der  Aufent- 
halt eines  grossen  Heeres  mit  sich  brachte,   hatte  Ober-Oester- 
reich    bereits    zu    bestehen    gehabt,    daran   Änderte   auch   eine 
Fluldigung   nichts   mehr,   umsomehr  als  Ausschreitungen  einzig 
von  Seiten  der  Franzosen  voi^ekommen  waren  und  einzig  von 
diesen  zu  erwarten  standen,  wogegen  eine  Huldigung  schon  ans 
dem  Grunde  nichts  nützen  konnte,  da  Karl  Albrechts  Pouvoir 
über   die  Franzosen   ein    recht  geringes  war.     Gewiss  war  fllr 
viele  Landesmitglieder  auch  die  Furcht  vor  der  Rache,  die  der 
Kurftirst  an  den  Nichterscheinenden  nehmen  würde,  ein  Grund 
ftir   ihre  Haltung.     Davor   hätten   sie   sich   aber  nicht  zu  äng- 
stigen gebraucht!   Karl  AJbrecht  gedenkt  in  seinem  Tagobuche 
nur   mit  wenigen   elegischen  Worten  der  Vielen,   die  nicht  er- 
schienen waren,  und  während  der  drei  Monate,  die  er  noch  über 
Ober-Oesterreich  gebot,   ist  nirgends  davon  die  Rede,   dass  an 
Denen,   die  am  2.  October  nicht  erschienen  waren,   Rache  ge- 
nommen  werden   sollte.     Erst  vom  8.  December  1741  an,   als 
ihm   mittlerweile   auch   in  Prag  gehuldigt   worden  war,  schien 
Karl  Albrecht  eine  schärfere  Tonart  anschlagen  zu  wollen.    Da 


'  ,8chliu  deren  LObl.  Ständen  gab  praesidio  Herrn  Joseph  Clement  Freyb^ 
von  Weix,  aU  RJllteiiten  dem  alten  Hertiutaiit  den  Iten  8<>«'  1741.'  K.  a. 
k.  Hau«-,  Hof-  und  Staatsarobiv,  Kriej^sncten,  Faac.  343.  Uober  Weielu 
s.  Arneth,  Maria  Theresia  I,  S.  318.  


397 


raren  aber  die  Tage  seiner  Herrschaft  über  Ober-Oesterreich 
icbon  gezählt.' 

1  Man  wird  nicht  fehlgehen,  wenn  man  den  Grund  zu  jener 
jtoldigung  ebenso  in  der  Furcht  vor  feindlichen  Gewaltmass- 
jBgeln  sucht,  als  in  dem  Glauben  der  meisten  Mitglieder 
les  ständischen  Adels,  die  Sache  Maria  Theresias  sei 
inrettbar  verloren.  Angegriffen  von  dem  mitchtigcn  Frank- 
|eich,  geschlagen  von  Preussen,  durch  das  Haus  Bourbon  auch 
9  ItalJen  bedroht,  selbst  in  seinen  Rechtsgrundlagen  durch  die 
KurfUrstcn  von  Baiern  und  Sachsen  nicht  respectirt,  schien  der 
Staat  Karls  VI.  zusammenzubrechen.  Hat  ja  doch  die  grosse 
Konarchin  selbst  mit  einfachen,  aber  erschlitternden  Worten 
iie  allgemeine  Stimmung  in  ihrer  nächsten  Umgebung  ge- 
leichnet:  ,gesammte  meine  Ministii,  anstatt  mir  Muth  zuzu- 
Iprechen,  Hessen  solchen  gänzlich  sinken  und  liessen  nicht  nn- 
leutlich  sich  verlauten,  als  ob  sie  alles  ftir  desperat  anaeheten, 
p  ea  sachten  sogar  einige  sich  zu  retirieren  und  verloren 
tfch  letzlich  so  weit,  dass  Einige  davon  (meiner  damaligen  Un- 
Irfahrenheit  missbrauchend)  sich  nicht  gescheuet,  die  Er- 
laubnis von  mir  anzusuchen,  dem  ChurfUrsten  nach 
►einer  zu  Prag  von  sich  gegangenen  Krönung,  wegen 
Ihrer  in  Böheim  liegenden  Gütern  schriftlich  zu  hul- 
pigen.'*  Unter  solchen  Umständen  begreift  man  wenigstens 
|en  Vorgang  zu  Linz,  wenn  er  auch  deshalb  noch  nicht  ent- 
Ichuldigt  zu  werden  braucht.  Denn  der  Schaden  für  Maria 
pheresia  war,  wenn  auch  nur  momentan,  insofern  gar  gewaltig, 
Üa  durch  die  Huldigung  das  Ansehen  Karl  Albrechts  bei  den 
Kurfürsten  bedeutend  wuchs,  ebenso  wie  es  gewiss  ist,  dass, 
Irenn   die  Wiedereroberung  Ober-Oesterreichs  und  der  Gegen- 

I 


■  Patent  Karl  Albrecbts  ans  Prag,  8.  November  1741.  K.  n.  k.  Haus-,  Hof- 
and  Staataarchiv,  Kriegsacten,  Fase.  343.  Ueber  Karl  AlbreclitB  aller- 
dings znm  Wesen  eines  Eroberers  schloclit  passecile  Hiimiinität  schreibt 
recht  unschön  Belloisle  an  den  franiösischen  Kriegsminister:  ,Er  (Karl 
Albrecht)  snche  immer  die  Bewohner  des  eroberten  Gebietes  in  schonen 
and  bewerbe  sich  lächerlicher  Weise  nm  Neigung  und  Liebe,  wo  er 
sich  vor  Allem  gefBrchtet  machen  mflase'  (Heigel,  Der  Osterreichische 
Erbfblgestreit  etc.,  8.  206). 

•  .Ans  matterlicher  Wohlmeinung  xn  basouderen  Notzeu  meiner  Posterit&t 
▼«rfaaste  Instructions-Puncta',  herausgogebon  von  Ameth,  Archiv  für 
(taterreichische  Geschichte,  47.  Bd.,  S.  329.  330, 


398 


zug  nach  Baiern  zwei  Wochen  früher  stattgefunden  hätten,  die   > 
Kaiserkrone  wohl  kaum  Karl  AJbrecht  zu  Theil  geworden  wäre, 
sondern  schon  damals  dem  Qemahl  Maria  Theresias. ' 

In  der  Versammlung  vom  1.  October  wurde  beschlossen: 
Ein  ÄUBschuss  ist  zu  erwiüilen,  um  beim  KurfUrsten  Audienz 
zu  nehmen  und  ihm  die  Anwesenheit  der  Stände  zur  Ablegung 
der  Huldigung  zu  insinuieren.  In  diesen  Ausschuse  wurden 
gewählt:  Baron  Weichs,  Graf  Lobgott  von  Kueffstein,  Qrai 
Jörger,  der  Prälat  von  Lambach  und  die  Stadt  Steyr.  Sowohl 
bei  dieser  Audienz  als  bei  der  Huldigung  selbst  soll  ßaron 
Weichs  eine  Ansprache  halten.  Ausserdem  wird  dem  Kur- 
fürsten ein  Huldigungsdonativ  von  60(X)  Ducaten  bewiUigt, 
200  Ducaten  dem  bairischen  VicekanzJer  und  1000  H.  dem 
bairisehen  Controloramt.  Endlich  wurde  die  vom  Kurfürsten 
berabgelangte  Ordnung  für  den  Uuldigungszug  vom  Schlosse 
in  die  Pfarrkirche  genehmigt.* 

Bairischerseitfi  war  eine  neue  Aufth  eilung  der  Erbämter 
vorgenommen  worden,  denn  der  grösste  Theil  jener  Cavaliere, 
die  von  der  letzten  Huldigung  her  (1732)  Erbämter  im  Besitz 
hatten,  war  zur  Huldigung  nicht  erschienen,  so  der  Landes- 
liauptmann  Graf  Weisscnwolff,  Graf  Ferdinand  Lamberg,  Tho- 
mas Oundaker  Graf  Starhemberg,  Feldmarschall  Josef  Graf 
Uarrach,  Sigmund  Graf  Sinzendorff,  Franz  Graf  Schönbom, 
Fürst  Lamberg,  Franz  Ludwig  Graf  Kueffstein,  Ludwig  Graf 
Salburg,  Graf  Polhaimb,  Franz  Graf  v.  d.  Traun,  Philipp  und 
Wilhelm  Grafen  Sinzendorff.'  Diese  verloren  ihre  Erbämter, 
und  eine  Reihe  anderer  Persönlichkeiten  wurden  damit  aus- 
gestattet. 

Auch  sonst  war  der  Adel  nicht  so  zahlreich  erschiem 
als  Karl  Albreeht  erwartet  hatte.  Weichs  betonte  daher  auch 
in  seiner  Ansprache,  ,da8s  sye  Stände  sich  in  möglicher  An- 
zahl versamblet  hätten  vmb  die  gebürende  Erbhultligungspflicht 
gehoraambst  abzulegen'.  Immerhin  waren  erschienen  ausser  den 
Prälaten   35   vom  Herrenstande,    19   vom  Kitterstande  und  die 


'  Ueigel,  1.  c,  S.  846. 

*  ,Memorial   fQr  die   lobl.  Stftnde  in  Hnidigungasachen.'     K.  n.  lt.  Haus-, 
Hof-  und  Sbuitaarchiv,  Ober-Oestorreiuh,  Pasc.  1650—1749. 

*  Eine  Ziuanimeniitellung  der  Erbämter   von    1732   mit  denen  vom  Kur- 
filrHten  verliehoiien,  ubenda. 


I 

P  \^ertreter  von  sieben  landesflirstlichen  Städten.'  Bei  der  Hul- 
<3igung  an  die  legitime  Herrsclierin  im  Jahre  1743  erschienen 
'^lein  vom  Herrenstande  89  Mitglieder. 

Am  Morgen  des  2.  October  1742  versammelten  sich  in  der 
3iathsstabe  des  Landhauses  die  zur  Huldigung  Erschienenen  und 

»\yega,hen   sich    durch    den    , hölzernen    Gang'    ins   Schloss.     Auf 
"7  Uhr  hatte  auch  die  bewaffnete  Blb-gcrschaft  Befehl  erhalten, 
'xnit    fliegenden   Fahnen  und   klingendem  Spiele    die  Mitte   des 
JLinzer  Stadtpiatzes  zu  besetzen.    Dessen  Seiten  nahmen  8  bai- 
sche  Örenadiercompagnien  und   2   Dragoner- Escadronen    ein. 
ü^airischcs  Militür  bildete  auch  Spalier  vom  Schlosse  zur  Pfarr- 
irche.    Zuerst  fand  die  Uebergabe  der  neuen  Erbämter  statt. 
ittlerweUe    kam    Karl   Albreeht   die    Stiege    von    seinen   Ge- 
xnjächem  herunter  und  bestieg  das  am  Fusse  der  Treppe  seiner 
1-iarrende  Pferd,  wobei  ihm  der  Graf  Otto  Karl  von  Hohenfeld 
«Qie    Steigbügel    hielt.     In   pompcisem   Zuge,   voran   die  Diener- 
schaft der  Stünde  und  der  bairischen  Cavahere,  Trompeter  und 
^Ä*aaker,  Haidukcn  und  Lakaien,  die  Abgeordneten  der  landes- 
^Plirstlichen  Stildte,*  der  Graf  Ernst  von  Sprinzenstein  als  ,0bri8t- 
Rferblands-Pannier'  mit  der  B'ahne,  der  Landscliaftssyndicus,  der 
Xlitterstand,    der  Herrenstand,   die   kurfürstlichen  Officiere  und 
Kämmerer,  endlich  die  geheimen  Räthe,  zog  Karl  Albrecht  zur 
"Kirche.     Es  umgaben  ihn  die  neuen  ,Erbilmtcr',  ihm  zunilehst 
der  neue  ,Obrist-Erbland-Marschalt'  Wilhelm  Graf  Starheraberg 
mit    entblösstem   Schwerte.     Hatschiere    und   Edelknaben    um- 
ringten  den    Kurfürsten,   eine   Compagnie    des    Leibregimentes 
schloss   den   Zug,    der   nach    beendetem    feierlichen   Hochamte 
I     vrieder  ins  Schloss  zurUckschritt.   Baron  Weichs  mit  dem  vorhin- 
genannten  ständischen  Ausschusse   begab   sich    nun   zum  Kur- 
ftlrsten,  der  unter  einem  Baldachin  sass,  und  bat,  Karl  Albrecht 
wolle  nun  geruhen,  die  Huldigung  entgegenzunehmen,    die  alt- 
hergebrachten Freiheiten  und  Gewohnheiten  des  Landes  zu  be- 


I 


^iate  deren  lObl.  StXnde,  ...  so  gegenwärtig  sind  den  2.  October  1741.* 
Ebenda,  Fuc.  343.  Vgl.  Anhang  X. 

Vun  der  gänzlichen  Bedeutungslosigkeit  des  bürgerlichen  Elementes  in 
der  ständischen  Verfassung  gibt  der  Umstand  Zeugniss,  dass  die  landes- 
flirstlichen Städte  nicht  mit  ihren  Cullegen  vom  Cleriis  nnd  Adel  zogen, 
•ondeni   nach   den  Lakaien    and  vor  dem  Laudossyudicus,  und  dass  nar 

I  bei    ihren  Abgeordneten    die   Bemerkung   beigelllgt   ist,    sie   hüttea   alle 
,PaAr  in  Paar  in  scLOner  Ordnung  zu  gehen'. 

AreU*.    LXXXVU.  Bd.  U.  UUfl«.  26 


dtiltigen,  dagegen  versiclierten  die  Huldigenden  Alles  zu  leisten^ 
,was  treugehorsamsten  Vasallen  gegen  ihren  gnSdigsten  Landes- 
fllrsten  zu  thun  geljiirot  und  wohlanstehet'.  Kurz  vor  der  Hul- 
digung hielt  Wcichs  noch  eine  zweite  Ansprache  an  den  Kur- 
fllrsten,  in  welcher  er  der  Zuversicht  Ausdruck  gab,  der 
Kurfürst  werde  nach  geleisteter  Huldigung  die  stÄndisciien  Pri- 
vilegien besUUigen  und  die  Suinde  könnten  sich  getrösten,  dass 
Karl  Albrecht  das  jlandschaftHche  Systema'  aufrechterhalten 
wurde.  Ursprünglich  stand  auch  eine  bewegliche  Bitte  am 
künftige  Schonung  des  Landvolkes  und  des  durch  die  Ver- 
|)Hegung  einer  zahlreichen  Armee  an  den  Kand  des  Ruine«  ge- 
brachten Landes  im  Concepte  der  Rode.  Man  hatte  aber  ftir 
gut  befunden,  diesen  Passus  auszuscheiden.  Der  Erhaltung  des 
,liindschafllichen  Systema'  galt  es  vor  Allem. '  Hierauf  verlas 
der  bairische  Vicekanzler  die  Huldigungsformel,  welche  die  drei 
oberen  SUlndo  nachzusprechen  hatten.  Sodann  wurde  sie  auch 
den  Abgeordneten  der  landesfürstlichen  Städte  vorgelesen  ,mit 
dem  Unterschiedt,  dass  diese  mit  aufgehobenen  3  Fingeren 
den  Aydt  schwören  müssen'.  Der  Huldigung  folgte  die  Aus- 
händigung des  auf  Pergament  geschriebenen  Bestiltigongsbricfcs 
der  ständischen  Freiheiten  und  dieser  der  Handkuss  der  An- 
wesenden. Während  die  Glocken  der  ganzen  Stadt  lüutcton 
und  die  erste  Salve  erfolgte,  fand  in  der  Schlosskapcile  das 
Tedeum  statt.  Eine  Parademablzeit,  bei  der  die  neuen  Landes- 
erbiiiater  in  Function  traten  und  24  Cavaliere  die  Speisen  aus 
der  Küche  herbeitrugen,  folgte.  Beim  Confecte  Überbrachte 
der  Graf  Franz  Sprinzenstein  als  ,0berst-Erbland-Münzmei8ter' 
dem  Kurftirsten  ,auf  einer  silbemon  Tasse  die  vorhandene  Gold- 
»nd  Silber-Gedilchtnus-Munzen',  während  schon  früher  der  Frei- 
herr von  Clam  als  ,Obrist  Erbland-Mundschenk'  den  ersten  Trunk 
auf  den  Kui-fürsten  ausgebracht  hatte.  Eine  Tafel  der  Stände 
schloss,  nachdem  der  Kurfürst  sich  in  seine  Gemächer  zurück- 
gezogen hatte,  die  Huldigung.'  Während  die  Glocken  läuteten 
und  der  Donner   des   am  Ufer  postirten  schweren  Geschützes 


*  Das  erste  und  xweite  Concept  der  beiden  Ansprachen  Weichs'  k.  u.  k. 
Han»-,  Hof-  und  StaatMirchiv,  Kriogsacten,  Fosu.  343,  und  oberOster- 
reichUuhe  Acten   1650  bis  1749. 

*  .Beschreibung  des  anf  den  i^<^  Octub.  auuuüh  Vorgelienten  Haldigang»- 
actus  in  Linz.'    Ebenda.    Vgl.  Anlmng  XI. 


401 


I 


I 

I 

I 


über  die  Donau  hinroilte,  schien  der  Adler  mit  dem  öster- 
reichischen Bindenschild  für  immer  von  den  Thoren  der  alten 
Donaustadt  zu  verschwinden. 

Doch  nicht  vier  Monate  vergingen,  und  Linz  sah  in  seinen 
Mauern  den  tüchtigsten  aus  der  Feldhermschnle  des  grossen 
Eugen,  den  Grafen  KhevenhüUer.  mit  dem  Gemahle  der  legi- 
timen Landesherrin. 

Maria  Theresia  war  auf  die  Kunde  von  der  geplanten 
Huldigung  auf  das  Tiefste  erregt.  Am  28.  September  1741  er- 
schien im  Druck  ein  königliches  Patent  ,an  alle  und  jede, 
sonderlich  aber  unsere  treu  gehorsamste  Stünde  und  Uuter- 
thanen  unseres  Erzherzogthums  f  )sterreich  ob  der  Enns',  worin 
die  Königin  ihrer  Meinung  Ausdruck  gab,  sie  versehe  sich  bei 
der  unversehrten  Treue,  Liebe  und  Devotion  der  Stände  da- 
hin, dass  sie  den  unberechtigten  Zumuthungen  des  Kurfürsten 
keine  Folge  leisten  würden,  ,allermas8en  wir  euch  ein  solches 
auch  sammt  und  sonders  mit  gemessenem  Ernst  hiemit  ver- 
bieten'. Sollte  aber  trotzdem  ,aus  vordringender  Gewalt  zu 
unserem  Nachtheile  etwas  fllrgehen,  so  erklären  wir  es  von 
nun  an  für  das,  was  es  an  sich  ist,  nilmlich  null,  nichtig  und 
unkrftftig'.  *  Das  königliche  Patent  konnte  indess  den  Lauf  der 
Dinge  in  Linz  nicht  ändern. 

Als  aber  KhevenhüJlcr  im  December  gegen  Ober-Oester- 
reich  und  Baiern  aufbrach,  hatte  er  die  gemessenen  Befehle, 
gegen  Thürheim,  Weichs,  die  Grafen  Seeau  und  Andere  vor- 
zugehen und  wider  Jene,  ,welche  durch  ihre  üble  Aufführung 
mit  gänzlicher  Beiseithsetzung  der  unss  schuldigen  pflicht  eine 
besondere  neigung  für  unseren  Feind  bezeigt,  eine  exempla- 
rische Demonstration  zu  verhcngcn'.*  Eine  Untej-suchung  unter 
der  Oberleitung  des  Landeshauptmannes  Grafen  Weissenwolff 
wurde  eingeleitet,  ja  im  ersten  Zorne  dachte  die  Königin  daran, 
die  Landschaft  überhaupt  aufzulösen,  und  es  bedurfte  des  ganzen 
Einflusses  Bartenstein's,  sie  liievon  abzubringen.  Doch  bald  ge- 
wann eine  mildere  Stimmung  die  Oberhand.  Nach  und  nach, 
bis  1745  wurden  selbst  die  am  schwersten  compromittirten 
Landesmitglieder   wieder   zu  Gnaden   aufgenommen.     In  hoch- 


*  Patent  Marin  Theresias,  Pressburg,  88.  September  1741.  NiederOsterrei  .hi- 
sches  LaadesarcbiT.    Vgl.  Anhang  XU. 
_»  Ameth,  Maria  Theresia  U,  S.  4C2,  Anm.  8». 

26» 


402 


herziger  Weise  breitete  Maria  Theresia  den  Schleier  über  das 
Geschehene.  Schon  am  9.  Milrz  1742  schrieb  sie  eigenhändig 
auf  den  Bericht  Wcissenwolff's  über  die  Untersuchung  ihre  Vei^ 
zeihung,  ,weillen  in  Gnaden  diesen  passus  in  Vergessenheit 
setzen  will','  und  als  sie  selbst  am  25.  Juni  1743  die  feierliche 
Huldigung  in  Linz  entgegennahm,  schwand  jeder  Groll,  zumai 
sich  alle  Landcsmitglicder  zahlreich  wie  nie  zuvor  eingefunden 
hatten. 


Siebentes  Capitel. 

ObtT-Oesterrcicli    MHhrend    der    bairisch-fraiizCsischeD 
Oceupatlon    (bis  30.  üoeember  1741).  —  Nothstand   dos 

Landes. 

Nach  der  Hiddigung  blieb  Karl  Albrecht  noch  vier  Tage 
in  Linz.  Hochwasser  hinderte  ihn  —  wie  er  wenigstens  in  seinen) 

'  Ameth,  Mnria  Tlierenia  II,  8.  615,  Anm.  69.  —  Nncli  der  sonst  Ter 
(lieimtvnllon  Skizze  ilbur  den  oberOatcrreichiaclien  Genealogen  Freiherr» 
T.  Holitsneck  vun  R.  v.  Spann  im  VI.  Berichte  über  das  Mnseam  Frau- 
cisco-Carolinnm  in  Linx  1842  und  nach  Ametb,  Maria  ThoreBia  I,  S.  330 
(Nach  dem  ,Flebile  Promomoria'  in  St.  Florian)  wiire  Maria  Theresiat 
^messoner  Befehl,  die  Huldigang  unter  keinen  Umständen  an  leisten, 
dem  Präsidenten  der  Verordneten  Grafen  Thilrlioim  bei  der  Tluldignngi- 
tafel  in  dem  Honieuto  angekommen,  als  Weichs  den  Toast  anf  den  .gfiii- 
digstun  LandesTilrsten'  ausbrachte.  Die  verlegenen  Stünde  hütten  diasei 
königliche  Patent  mit  einem  Schreiben  Tliiirheim's  bcintwortet,  woris 
sie  den  Vollzug  der  Iluldignog  niittlieilteu,  aber  den  Wunsch  darch- 
blicken  Hessen,  ,bald  wieder  unter  des  Hauses  Oesterreicb  mildeste  Re- 
giening  zu  gelangen',  lleigol  dagegen  sagt  gar  nnr  (S.  196):  .Das 
wübrond  der  Fostliclikeiteu  angekommene  Edict  der  Königin  wnrde  von 
der  Landschaft  durch  eine  Anzeige,  das«  man  soeben  dent  rechtmSaaigwi 
and  siegreichen  Herrn  gehnidigt  habe,  erwidert.'  Das  Schreiben  dar 
st&ndischen  Veronlneten  liegt  im  Anhange  Nr.  VII  dieser  Arbeit  tot. 
Allerdings  beisst  es  in  demselben,  ,bei  dieser  eQssersten  Desolation  ge- 
reichet allein  zu  unserer  Consolation  die  Hoffnung,  nnter  die  sanfi- 
mQthigst  Österreichische  Regierung  bald  wiodenimb  lu  kommen'.  Aber 
dieses  Hchroiben  ist  mehr  als  zwei  Wochen  vor  der  Huldigung,  am 
14.  September,  abgefasst  und  noch  am  selben  Tage,  im  Momente  des 
feiudlicheu  Einmar>icho8  expedirt  (vgl.  auch  8.  378  vorliegender  Arbeit). 
Damit  fXUt  aach  die  oben  geschilderte  dramatische  Scene.  Bei  Heigel 
(8.  196)  wird  dieses  Schreiben  irrigerweise  dem  Stadtrathe  von  läiu 
ebenfalls  am  lluldiguugstage  zugeschrieben. 


408 


Tapebiiche  angibt  —  der  bereits  in  Niederösterreich  campiren- 
den  Armee  zu  folgen,  für  seine  Sache  ein  arger  Zeitverlust,  ftlr 
den  Vertheidigungszustand  Wiens  ein  grosser  Gewinn.  Die  vier 
Tage  vergingen  Karl  Albrocht  freilich  in  der  angenehmsten 
Weise.  Am  3.  October  überreichte  man  ihm  das  in  der  Ver- 
IRmmlung  vom  1.  October  bewilligte  Huldigungsgeschenk  von 
6000  Ducaten. '  Trotzdem  trat  aber  der  geldbedürftige  Fürst 
knrz  vor  seiner  Abreise  mit  einer  neuen  Forderung  an  das 
Land  heran.  Am  t).  October,  dem  Tage  seines  Aufbruches, 
Unterzeichnete  er  ein  Rescript  an  die  vier  Stände  ,unsere8  Erz- 
herzogthums  Osterreich  ob  der  Enns*,  worin  er  ihnen  zu  Ge- 
mUthc  führt,  dass  er  zur  Ausftihrung  seiner  weitausgreifenden 
Absichten  auf  einmal  und  unverzllglich  grosser  Geldsummen 
bedürfe.  Darum  rauchten  ihm  die  J^tände  mit  einem  Darlehen 
Von  mindestens  150.000  fl.  zu  Hilfe  kommen,  und  zwar  um  so 
eher,  ,al8  die  Aufwendung  dieser  Kosten  ledighch  zu  unserem 
und  unseres  Churhauses  Besten,  dann  eurer  hierait  verknüpften 
gemeinsamen  Wohlfahrt  abzühlet*.  Dafür  war  der  Kurfürst  er- 
bötig, 5  Percent  Zinsen  zu  zahlen,  beziehungsweise  sie  von  der 
Isndschaftlichen  Bewilligung  pro  1742  abziehen  zu  lassen  und 
idas  Capital  selbst  auf  die  landcsfürstlichon  Gefälle  zu  ver- 
»chern.  * 

Erst  am  16.  October  Kndet  sich  über  diese  neue  For- 
derung ein  Bericht  der  stilndischen  Verordneten.  Es  amtierten 
nunmehr:  Johann  Georg  Propst  zu  St.  Florian  für  den  Prälaten- 
Stand,  Georg  Leo  Freiherr  von  Floheneck  für  den  Herren-, 
Johann  Achaz  Gottfried  Wilhnger  von  der  Au  für  den 
Ritterstand  und  Johann  Georg  Gruber  ftlr  die  landesftirstliehen 
Stüdte.  (In  einem  späteren  Schreiben  bezeichnen  sie  den  Frei- 
herrn  von  Hoheneck,  einen  Sohn  des  beiühmten  Genealogen, 
als  ,derzeit  dirigierenden  Präsidem*.)  Inzwischen  waren  nämlich 
die  Stände  neuerdings  zusammengetreten,  um  über  dieses  Dar- 
lehcnsgesuch  zu  verhandeln.  Sie  zeigten  iudess  wenig  Geneigt- 
lieit,  sondern  rechneten  durch  ihre  Vertreter,  die  Verordneten, 
em  Kurfürsten  vor,  wie  viel  sie  ihm  schon  an  Hafer,  Heu, 
oh,  Fleisch,  Korn,  Weizen   und    Hob   geliefert   hätten,   was 


<  Pritx,  QMchichte  de»  Landes  ob  der  Enn»,  Linz  1847,  II.  Bd.,  S.  492  ff. 
*  KafI  Albrei^ht  an  die  Stände,  Linz,  6.  October  1741.  K.  a.  k.  Haas-,  Hof- 
und  ätaatearcbiv,  Fuc  343;  Tgl.  Anbaug  XUL 


404 

Alles  weit  mehr  als  150.000  fl.  ausmache.  Der  piinküiclie, 
ordnungsmässige  Abzug  des  Qelieferten  von  der  Landesbewil- 
liguDg  für  1742  (350.000  fl.)  sei  gar  nicht  durchzuführen,  da 
aus  den  ständischen  Mt^azinen  zu  Linz,  Enns,  E^erding  und 
Waizenkirchen  grosse  Mengen  von  Fourage  ohne  jede  Cod- 
trole  weggenommen  worden  wären,  ,auch  die  Wägen  und  Zollen 
Selbsten,  sonderlich  mit  Heu  und  Stroh  auf  der  Strassen  und 
auf  dem  Wasser  erweislich  hinweggenommen  and  ausgelöhret 
worden  sind'.* 

Am  27.  October  erklärte  man  sich  aber  bairischerseita 
schon  mit  75.000  fl.  zufrieden.  Am  31.  October  gewährten  die 
Stände  dieses  Darlehen,  das  man  nicht  anders  als  ein  Zwangs- 
darlehen  bezeichnen  kann  und  führten  das  Geld  in  Raten  bis 
Ende  November  ab,  wofür  sie  vom  Kurfürsten  23.430  Centner 
Salz  zu  freiem  Verkaufe  erhielten.* 

Die  weiteren  Rescripte  Karl  Albrechts  an  die  Landschaft 
in  den  ersten  Octobertagen  betreffen  nichts  WesenÜichee.' 

Am  Tage  seines  Aufbruches  erliess  Karl  Albrecht  auch 
noch  ein  Rescript  an  die  Verordneten,  in  welchem  er  Auskunfl 
über  die  der  ,ehemaligen  Landsherrschaft'  bewilligten  Summen 
verlangt,  ,nachdeme  ihr  uns  bereits  als  Eurem  von  Gk>tt,  der 
Natur  und  denen  Rechten  gesetzten  rechtmässigen  Erbherm 
und  LandsfUrsten  erkennt'.*  In  einer  ,ausfiihrlichen  ,Hoffsnot- 
turft'  vom  9.  October  1741  legten  die  Verordneten  dem  Kvir- 
fürsten  hierauf  die  Finanzlage  des  Landes  dar  (vgl.  S.  337, 
Anm.  1). 

Am  6.  October  hielt  Karl  Albrecht  vor  den  Mauern  von 
Linz  noch  Revue  über  die  CavaUeriedivision  des  Grafen  Segur 
und  begab  sich  dann  mit  derselben  nach  Enns.   Er  sollte  Linz 


'  Die  Verordneten  an  den  Kurfürsten  am  16.  October  1741.  K.  u.  k.  Haiu-i 
Hof-  und  Staatsarchiv,  Fase.  343.     17  Seiten  lange  Klagen. 

■''  Die  Stände  an  den  Kurfürsten  am  31.  October  1741.    Ebenda. 

'  Je  zwei  eigenhändig  unterzeichnete  Rescripte  vom  4.,  6.,  6.  October.  Die 
Originale  ebenda,  Kriegsacten.  Sie  enthalten  Befehle  bezflglich  der  Be- 
festigungen auf  der  St.  Georg.s-Insel  bei  Enns  und  der  Verpfle^ng  der 
Truppen  in  Wiiidisch-Garsten  und  Gmunden.  Wichtiger  ist  nur  di« 
Verfügung  vom  6.  October,  in  welcher  der  Kurfürst  neuerdings  ein- 
schärfte, joder  conimandierende  Officier  habe  über  das  Empfangene  aus- 
führlich zu  quittiren,  behufs  Abrechnung  von  der  kUnfti^n  L<aades- 
howilligung. 

'  Karl  Albrecht  au  die  Verordneten,  Linz,  6.  October  1741.     Ebenda. 


405 


nicht  mehr  wiedei-schen.  An  die  Spitze  der  Verwaltung  Obor- 
Oesterreichs  wurde  als  bairischer  Vicestatthalter  der  Graf  Josef 
Adam  von  Taufkirchen  pesteilt.'  Ihm  unterstand  als  ,Land8- 
Anwalt',  den  Verkelu*  der  bairiachen  Kegieruug  ruit  den  stiln- 
dischen  Verordneten  vermittelnd  und  ihnen  als  politische  Be- 
hörde übergeordnet,  Johann  Augustin  Fortunat  Graf  Spindler.* 
Auch  verständigte  der  Kurflirst  von  Ybbs  aus  am  14.  October 
die  Verordneten,  dass  er  zur  Besorgung  der  Cameralangelegen- 
heiten  ein  eigenes  Collegium  mit  dem  Titel  , Hofkammer'  in 
Linz  eingesetzt  habe;  mit  diesem  htttte  sich  die  Landschaft  ins 
Einvernehmen  zu  setzen.'  Die  Hauptlast  der  Geschäfte,  näm- 
lich die  Sorge  flir  Verpflegung  und  Eintjuartierung  der  im  Lande 
stehenden  Besatzung,  gegen  Ende  des  Jahres  5*000  Mann,  grüssten- 
theils  Franzosen,  lag  jedoch  auf  dem  neuen  VcrordnetencoUegium. 
Schon  am  7.  October  wandten  sie  sich  au  den  Kurfürsten  mit 
der  Bitte  um  Entlassung  der  zur  Armee  gelieferten  Vorspann- 
pferde sammt  Bedienung,  da  Manche  dadurch  ,die  beste  Acker- 
und  Bauzeit  zu  ihrem  und  des  Landes  unwiederbringlichen 
Sehaden  schon  versäumet  haben'.  Mit  eigeuhilndig  unterzeich- 
netem Reseripte  ddo.  Ybbs,  IL  October  thedte  der  Kurfürst 
mit,  dasB  er  Leute  wie  Vorspannpferde  aus  seinem  Lager  be- 
reits entlassen  habe.  Nichtsdestoweniger  wurden  die  Klagen 
wegen  drückender  Vorspann  nicht  weniger. 

Als  Mitte  October  der  Landschaft  die  Errichtimg  von  drei 
neuen  Magazinen,  zu  BVeistadt,  Linz  und  Euns,  aufgetragen 
wurde  mit  dem  Befeldo,  in  dieselben  13U.0O0  Portionen  Heu, 
130.000  Metzen  Hafer,  500.000  ,Schwabcn*  Stroh  und  WÜO 
Metzen  Weizen  zu  liefern,  da  erklärten  die  Verordneten  dem 
Kurfürsten,  sie  wüssten  sich  nicht  mehr  »u  rathen  und  zu  helfen. 
Sie  beriefen  in  dieser  Angelegenheit  im  Auftrage  Karl  Albrechts 


'  Seiu  Titel    in   einem  Schreiben   .in   die  ^osamniten  Stände  vom  30.  De- 

Cc«inber  1741:     ,Sr.   kOnigl.    Mayt.    in    BOheim    wOrklil.    geheimer    RaÜi, 
I   Cammeror,  Vice-SUtthalter  in  Ö.   o.  d.  E.  Herr  Joseph  Adam   dea  heyl. 
>   Römischen  Reich»  Oraf  von  Taufkirchen.' 
F  Sein  Titel:  ,Ihr  chnrf.  Durcbl.  «u  B.iyrn  anaereii  gnädigsten  Herrn  Laud- 
Rath  und  Landjtauwalt  in  Österreich  ob  der  Ennss,  Herr  Johann  Augunt 
Fortunat  üraf  von  Spindler,  Frey-  und   Edler   Herr   zu  Wilteiistein   auf 
Ihmbärding  und  Pollheimh  in  Weiss.' 
■  Karl    Albrecht    an   die  Verordneten,    Ybbs,   U.  October  1741.  K.  n.  k. 
Uaua-,  üof-  aud  Staataarchiv.    Ebenda. 


4M 


am  30.  October  wieder  das  Plenum,  und  schon  am  31.  October 
liessen  die  gesammten  Stände  eine  ,Deprec«tion'  an  den  Ku^ 
filrstcn  abgehen. '  Ohnehin  seien  schon  82.800  Centner  Ilcu, 
62.100  Metzen  Hafer  und  124.200  »Schwaben'  Stroh  geUefert 
worden  1  Die  Unterthanen  seien  nicht  mehr  in  der  Lage,  weitere 
Lieferungen  zu  leisten,  .weilen  Sye  die  Hungcrs-Noth  und  ihr 
völliges  Verderben  vor  Augen  sehen  und  aus  eindringender 
KleinmUthigkeit  ihre  Häuser  und  Wohnungen  zu  verlassen  sich 
vielfttltig  vernehmen  lassen'.  Besonders  hart  sei  das  Zugvieli 
der  Bauern  für  Vorspannzwecke  hergenommen  worden,  so  zwar, 
jdass  Verschiedenen  ihre  Pfert  und  auch  Ochsen  auf  der  Strassen 
und  zu  Haus  crepieret  sind'.  Die  Stände  wiesen  auch  darauf 
hin,  dass  noch  von  der  ersten  Lieferung  her  in  den  bisherigen 
Magazinen  zu  Linz,  Enns,  Freistadt,  Eferding  und  Waizen- 
kirchcn  23.915  Metzon  Hafer,  15.695  Centner  Heu  und  30.433 
jSchaub'  Stroh  vorhanden  seien  und  baten  den  Kurfürsten,  er 
möge  erwägen,  dass  von  .diesem  mehr  mit  Qebürg  und  Waldung, 
als  trüchtig  Feld  versehenen  Strich  Landes'  nichts  mehr  zu 
bekommen  sei.  In  welimlUhiger  Erinnerung  an  frühere  Zeiten 
schliessen  sie  ihr  Schreiben  mit  den  Worten:  ,wo  die  vorige 
allergnädigBte  Landesherrschaft  bey  wohl  begriflFener  Un- 
zuolänglichkeit  deren  Victualien  im  Land  iederzcit  durch  die 
Hofkammer,  Kriegscommissariat  vnd  Proviant-Ambtcr  vor  Mann 
und  Pferde  in  allen  Naturalien  auch  sogar  mit  Herauffilhrung 
des  Heu  ohne  landschaftlichen  Entgelt  die  Vci-pflegung  besorget 
bat'.  Obwohl  die  Stände  am  selben  Tage  das  von  Karl  Albrecht 
begehrte  Darlehen  wenigstens  in  der  Höhe  von  75.000  fl.  be- 
willigten, scheint  doch  ihre  ,Deprecation'  nicht  den  gewünschten 
Erfolg  gehabt  zu  haben,  die  Lieferungen  nahmen  ihren  Anfang. 
Schon  am  22.  October,  also  schon  8  Tage  vor  dem  Zusanunen- 
tritto  der  Stände,  beschwerte  sich  der  Pfleger  der  Herrschaften 
Waldenfols,  ,Wäxenbcrg',  Wildberg  und  Reichenau  über  die  von 
,Jo8ephu8  de  Vic  Sr.  allerehristlichsten  königl.  May.  Rittmeister 
und  Hofrath,  wie  auch  Ritter  des  königl.  mihtärischen  Ordens 
St.  Ludovici,  derzeit  vorgesetzter  Kriegscommissarius  der  Po- 
licey  deren  Auxiliar-Truppen    bey  der  bayrischen  Armee',  aus 


*  Die  StJtnde  au  den  Kurfürsten  am  31.  October  1741,  ,die  DeprecatioD 
der  weithereu  Fourago  lifferuug  betrur.  K.  u.  k.  Uaiu-,  IJuf-  uud  SUuts- 
archiv,  Faiic.  343. 


407 


gehenden  drückenden  Lieferungen  in  das  Gcneralmagazin  in 
Freistadt. ' 

Zum  Zwecke  mUndlicher  Vorhandlungen  schickte  der  Kur- 
fllrst  seinen  Conferenzminister  und  Überstkttmmcrer,  Grafen  Ma- 
ximilian Preising,  nach  Linz.  Dieser  überraschte  die  Verordneten 
mit  der  weiteren  Mittheilung,  sein  Herr  wäre  gesonnen,  lO.OüO 
Mann  nach  Ober-Oesterreich  ins  Winterquartier  zu  legen,  wo- 
für die  Landschaft  von  Anfang  November  ab  30.000  fl.  per 
Monat  zu  erlegen  habe;  sodann  werde  der  Kurfürst  selbst  für 
die  Verpflegung  dieser  Truppen  aufkommen.  Der  Refrain  war 
auch  jetzt  wieder:  Gegen  Abzug  von  der  Landeabewilligang 
für  1742.  Aber  was  stand  nicht  schon  Alles  auf  dem  Kcrb- 
holze  derselben! 

Ausserdem  verlangte  Preising  die  Beantwortung  der  Frage: 
Wie  viel  dürfte  überhaupt  an  Heu,  Hafer  und  Stroh  im  Lande 
noch  aufzubringen  sein? 

In  Bezug  auf  diesen  Punkt  verwiesen  die  Verordneten  auf 
die  jDeprecation'  der  Stände  vom  31.  October  und  stellten  bei 
weiteren  Forderungen  Hungersnotli  und  Emigration  in  sichere 
Aussicht.  Bezüglich  der  30.000  H.  erklärten  sie  sich  für  ineom- 
petcnt;  dies  zu  bewilligen,  sei  Sache  der  Gesammtstilnde  und 
diese  waren  mittlerweile  wieder  auseinandergegangen. '  Da  aber 
auch  die  Franzosen  drängten,  so  schlössen  die  Verordneten, 
ohne  auf  die  Stände  zu  warten,  am  12.  November  mit  dem 
französischen  Kriegscommissär  Ginest  einen  Vertrag,  dass  von 
Seiten  des  Landes  durch  fünf  Monate  vom  1.  December  pro 
Mann  und  Tag  11  Pfennige  verabreicht  würden,  , dafür  sich 
aber  die  Miliz  selbst  das  Fleisch,  Zuegemüs  und  alles  Übrige, 
msser  Holz,  Licht  vnd  Fourago  beyschaffen  solle,  Eur  chur- 
fftrstl.  Durchlaucht  aber  gnädigst  geruhen  werden,  an  der 
LandesbewUligung  die  Betragnus  sich  gnädigst  anrechnen  zu 
lassen'. ' 

Da  Kasernen  im  Lande  nicht  vorhanden  waren,  so  sollten 
die  Soldaten  bei  der  Büi'gersehaft  eingelegt  werden  und  es  sei 


'  K.  n.  k.  Haas-,  Hof-  und  Staabarchiv.    Ebenda. 

'  Die  Verkandluiigon  Preising'«  mit  den  Verordneten  erhellen  aus  dem 
äcbreibeo  der  Verordneten  den  Herren-  und  Bitterstando«  «u  den  Kur- 
Braten  vom  a.  November  1741,    Ebenda,  Kriegsacton,  Fase.  343. 

'  Die  Verordneten  an  den  KarfUrsteu  am    13.  November  1741.     Ebenda 


408 


zu  hoffen,  ,dass  eine  Universalordre  ergehen  werde,  wodurch 
die  Soldatcsca  bey  dem  Burger  mit  dem  gemeinschaftlichen 
Felir,  Holz  und  Liecht  sich  contentieren  lasse'.' 

Allgemein  war  der  Wunsch  des  Landes,  daes,  wenn  schon 
Miliz  nach  Oberösterreich  ins  Winterquartier  kommen  sollte  (,90 
Gott  gnädig  verhlletten  wolle',  hiess  es  allgemein),  wenigstens 
bairischcs  Militür,  keineswegs  aber  Franzosen  hinverlegt  wor- 
den sollten.  So  bitten  die  Ennser  schon  am  30.  September 
flehentlich  (.Euer  churflirstl.  Durchlaucht  legen  wür  uns 
sambt  der  allhiesigen  Burgerschaft  in  tieffister  Submission  zu 
FUcssen'),  mit  Rücksicht  auf  die  von  jeher  gewinn-  und  er- 
werbslose Situation  der  Stadt,  die  unerschwingliche  Contribution 
und  die  unlängst  von  den  Warasdinem  ausgeübten  Excesac, 
er  möge  verftigen,  dass  ,eine  leidentliche  Winterquamison,  und 
zwar  alleinig  von  kurbairisch  Truppen  allbier  gelassen 
werde'*  (vgl.  S.  374).  Mit  bestem  Willen  konnte  der  Kurftlrst 
diesen  Gesuchen  nicht  willfahren  (seit  2.  December  z.  B.  lagen 
in  Enns  12  Compngnien  vom  Dragonerregimente  Beaufremont), 
da  die  Zahl  der  paar  Tausend  Baiem,  die  ihn  auf  seinem  gc- 
l'ilhrUchen  Zuge  begleiteten,  gegenüber  den  stattlichen  franzö- 
sischen ,AuxiUartruppen'  stark  in  den  Hintergrund  trat  und  or 
sich  nicht  ganz  von  seinen  Landeskindem,  bei  denen  er  allein 
stricte  Befolgimg  seiner  Befehle  fand,  trennen  konnte.  Schon 
die  Besatzung  von  Linz  sollte  aus  8  französisclien,  aber  nur 
3  bairischen  Bataillonen  bestehen,  in  die  übrigen  Orte  kamen 
fast  ausschliesslich  Franzosen.  Für  diese  musste  namentlich  auf 
Durchmärschen  viel  reichlicher  gesorgt  worden  als  für  die  weit 
genügsameren  deutschen  Truppen.  So  trug  die  geheime  Feld- 
kanzlei des  Kurfilrston  am  20.  October  von  Melk  aus  den  Ver- 
ordneten auf,  für  drei  nach  Baiern  zurückmarschierende  fi-an- 
zösische  Bataillone  (der  Kurfürst  fürchtete  eine  österreichische 
Diversion  von  Tirol  her)  unter  dem  Duc  de  Rohan  bis  nach 
St.  Willibald  an  die  Landesgrenze  Sorge  zu  tragen.  Jeder 
Soldat  sollte  pro  Tag  2  Pfund  Brot,  l  Pfund  Fleisch  nebst  Ge- 
müse  und   l'ö  Mass  Bier   bekommen.     Dort,   wo    Baiern    und 


'  PromeiDoria  der  Verordiieton  der  drei  oberen  Stände  vom  9.  November 
1741.     K.  u.  k.  HauH-,  Hof-  und  StoatsArchiv,  Kriegsacten,  Fase.  343. 

*  Uie  Ennuer  an  den  Knrftlniten  am  30.  September  1741.  Ebenda,  Peter'»cb« 
Sammlung. 


409 


Franzosen  zusammen  im  Quartiere  lagen  und  erstere  mit  an- 
riÜSien  mussten,  wie  letztere  reichlicher  vcrproviantirt  wurden, 
kam  es,  wie  vielfach  berichtet  wird,  nicht  selten  zu  begreif- 
lichen Reibereien  und  zur  nothwendigen  Trennung  nach  Natio- 
nalitäten. 

Inzwischen  hatte  sich  den  Stünden  am  27.  November  der 
neue  Landescommandierende  Graf  Segur  vorgestellt  und  eine 
im  Allgemeinen  sehr  höfliche,  aber  auch  bestimmte  und  keine 
Neigung  zu  Concessionen  verrathende  Ansprache  gehalten. 
Die  Magazine  —  das  war  der  schwierigste  Punkt  in  dem  ohne- 
hin schon  ausgemergelten  Lande  —  müssen  mit  dem  Nöthigen 
angefüllt  sein,  , dagegen  werde  ich  beflissen  sein',  erklllrte  Segur, 
,dass  die  Truppen  in  genauester  Disciplin  sich  verhalten',  und 
ebenso',  sprach  der  Graf,  ,werde  ich,  so  lang  ich  die  Ehre  haben 
werde,  in  diesem  Lande  das  Commando  zu  fuhren,  des  Landes 
Wohlseyn  möglichstens  beobachten  und  vorläufig  alles  dasjenige 
zu  befördern,  was  die  Noblesse  vergnügen  kann,  beflissen  seyn'. 
Als  Mitarbeiter  im  Lieferungswerke  stellte  der  Comraandant  den 
Verordneten  einen  Herrn  Le  Lievre  vor,  mit  dem  nach  seiner 
Ansicht  die  Stände  sehr  zufrieden  sein  würden. ' 

Segur  scheint  ein  zwar  höflicher,  aber  sehr  bestimmter, 
militärisch  strenger  und  unerbittlicher  Cavalier  gewesen  zu 
8«in.*  Bald  kam  es  mit  ihm  zu  Auseinandersetzungen  in  Bezug 
itf  die  Bec[uemlichkeit  der  französischen  Soldaten  in  den  Quar- 
lieren.  Er  hatte  nämlich  von  den  Verordneten  die  Lieferung 
von   2000  Betten,    20(X)   Decken,    2000   Paar   .Laiblacher'    im 


.Discurs  de  M.  le  Comta  de  Segur  au  Etats  dela  haute  Auiriche,  27  gbro 
1741',  auch  in  Uebersetzung  beiliegend  aU  ,Anbriugeu  Ihro  E.\cell.  des 
Herrn  Grafens  von  Segur  an  die  löbl.  H.  H.  Stände  in  O.-Ö.'.  K.  u.  k. 
Hau»-,  Hof-  and  Staatsarchiv,  Kriegsacten,  Fasu.  343.  Ans  dem  ,Discours' 
ist  au  entnehmen,  dass  in  Linz  und  seinen  Vorstädten  theils  schon  lagen, 
theils  in  den  nächsten  Tagen  erwartet  wurden  5  franzäsiüehe  und  3  hai- 
tische Bataillone  und  das  Urngonerregiment  Segurs.  4  Cumpagnieu  des 
Oragonerregimentes  Beaufromout  lagen  vom  2.  December  an  in  Stejrr, 
der  Rest  (18  Compaguier)  iu  Euus. 

In  den  Boudoirs  von  Versailles  war  er  nicht  beliebt.  Damm  das  bos- 
hafte Gedicht  nach  der  Capitulation  von  Linz:  ,Nnn  hOret  einmal  Gross 
und  Klein  —  Die  neueste  Geschichte  fein  —  Die  einem  art'gen  Herrn 
paniert  —  Graf  Segnr  ist  er  tituliert'  etc.  bei  Heigel,  Der  Österreichi- 
sche Erbfolgestreit,  8.  267,  und  als  die  Gemahlin  Segur's  eines  Abends 
in  der  grossen  Oper  erschien,  erU)nte  der  stürmische  Kuf:  J^ioz!  Linz!', 
lu  das«  die  arme  Frau  vor  Schrecken  niedersank  (ebenda). 


410 


Kostenbeträge  von  63.000  Livres  verlangt  und  sie  diesbezüg 
lieb  an  einen  Herrn  Lamy  gewiesen.  Der  Betrag  würde 
übrigens  nach  geschehener  Lieferung  in  drei  ftaten  vergütet  wer 
den.  Dagegen  nahmen  die  Verordneten  am  1.  December  1741 
zu  dem  Grafen  ,alB  einen  hochvernünftigen  vnd  die  Billichkeit 
liebenden  Generain  und  Feldherm  die  Zueflucht'  und  ersuchten 
denselben,  sie  ,von  dieser  Verschaffung  in  natura  sowohl,  als 
auch  der  kostbaren  Erhandlung  von  Herrn  Lamy  losszusprechen'. 
Sie  wiesen  darauf  hin,  dass  wohl  in  Frankreich  selbst,  wo  die 
Truppen  auf  den  kalten  Dachböden  einquartiert  würden,  Betten 
zur  Winterszeit  nothwendig  seien,  ,allhie  aber  und  in  denen 
übrigen  (^uartiersorten  sye  Truppen  in  denen  Zimmern,  deren 
guett  erpauthen  häusern  von  Cavaglieren  und  Privat-Personen 
logieret  seind,  wo  iedem  genügsames,  wo  nicht  überflüssiges 
Holz  zur  Erwärmbung  sowohl  zu  Tag  als  auch  Nachtszeit  ge- 
geben wierdet,  so  würde  die  gemeine  Mannschaft  deren  Trouppen 
mit  dem  Strohe  sich  können  begnügen  lassen'.' 

Die  Gegenvorstellungen  der  Verordneten  nützten  jedoch 
nichts,  vielmehr  erklilrte  dieser  am  27.  December,  dass  im  Falle 
neuerlicher  Weigerung  ,die  Better  in  den  Clustern  und  bei  denen 
Ilaus-Inwohnem  ohne  Unterschied  wurden  aufgesucht  und  hin- 
weggenomuien  werden'.  Die  darüber  liocherschi'ockcnen  Ver- 
ordneten crliessen  hierauf  noch  am  selben  Tage  ein  gedrucktes 
Patent  des  Inhaltes,  die  Einwohner  möchten  das  Verlangte 
liefern  (auf  die  Stadt  Eons  z.  B.  entfielen  150  Stück  Stroh- 
säcke flir  je  2  Personen)  und  lieber  ihren  Hausleutcn  und 
Dienstboten  die  Betten  entziehen,  als  die  Durchsuchung  der 
Wohnungen  und  das  Wegschaffen  der  Betten  durch  die  Fran- 
zosen abzuwarten,  ,wobey  auch  andere  Mobilien  gar  leicht  ver- 
wüstet werden,  oder  hinweg  kommen  können'.  Gleichsam 
flehentlich  entschuldigen  sie  sich  über  dieses  ihr  Begebren  von 
den  Landeskindern  mit  dem  Hinweise  auf  das  ,derzeit  auf  das 
äusserste  betrangte  Vaterland  und  Insassen'.*  Zur  factiscbon 
Lieferung  scheint  es  jedoch  in  Folge  des  Eindickens  Kheven 
hUler's  nicht  gekommen  zu  sein. 

'  .Memorial  an  Herrn  Conte  de  Segur,  Comronndierenden  Genernln  der 
khCnigl.  franxOaiscfaen  Troappen  in  landt.'  1.  Deoember  1741,  K.  n.  k. 
Haus-,  Hof-  und  Staatonrchiv,  Kriegsacten,  Fase.  343. 

*  Patent  der  «tXndüchen  Verurdneteu  vom  27.  December  1741.  Ebenda, 
Peler'aube  Saminiuug. 


411 

Segur  begehrte  ausserdem  fiir  die  Pferde  der  im  Lande 
Winterquartier  nehmenden  Cavailerie,  sowie  an  Holz  Liefe- 
rangen im  Geldwerthe  von  88.225  fl.  Nicht  weniger  als 
315.000  Portionen  Heu,  315.000  Portionen  Hafer,  2350  Klafter 
weiches  Holz,  ausserdem  Stroh,  Licht  und  ,Zuegemll8'  wurden 
neuerdings  gefordert.' 

Die  Verordneten  erklarten  hierauf  woh!  ihren  .geneigten 
Willen    zu  Bef<>rdening   aller   Möglichkeit   fUr   den    Dienst  Sr. 
ChurfUrstlichen  Durchlaucht',   wiesen   aber   gar  beweglich   auf 
die  Erschöpfung  des  kleinen  Landes  hin,   das  nicht  anders  sei 
,als   wie    ein  ausgeachüpftcr  Brunnen'.     Das  ganze  Gebiet  jen- 
seits der  Donau  könne  nicht  zur  Lieferung  herangezogen  wer- 
den ,wegen  deren  aller  orthen  herumbstreifcnden  khönigl.  hun- 
garischen   Husaren'   und   sei   ausserdem    durch    den    Zug    der 
bairisch-französischen    Ilauptarmee    aus    dem   Nicdcrosterreichi- 
schen  über  Mauthhauscn,  PrÄgarten,  Gallnenkirchen  und  Frei- 
stadt nach  Böhmen  völlig  ausgesogen.    Dennoch  wurden  in  zwei 
Vierteln   ständische  Commissäre  eingesetzt  flir  Herbeischaffung 
der  Foorage   ,nach   thuenlicher  Möglichkeit'.     Im  Traunviertel 
die  Freiherren  Clemens  Josef  v.Weichs  und  Gustav  von  Pernau; 
im  Hansruckviertel  Graf  Josef  Anton  von  Seeau.   Ebenso  vmr- 
den  alle  der  französischen  Sprache  Kundigen  in  verschiedenen 
Conunissionen  verwendet.*     Viel   versprachen  sich  die  Verord- 
neten auch  von  der  Amtswirksamkeit  des  vom  Kurfürsten  zum 
,Ober- Land- Kriegs -Commissarius'    ernannten    standischen    Mit- 
gliedes Grafen  Philibert  Fueger.*     Zur  völligen  Lieferung  des 
von    Segur   geforderten  Proviants   kam   es   indcss   zur  gi-ossen 
Freude    des    Landes    auch    diesmal    nicht,    da   schon    um    den 
Sylvestertag  1741  das  Zurücktreiben  der  Franzosen  nach  Linz 
begann.     Ausdrücklich    wird   in  der  von  Segur  am  23.  Jilnner 
1742    mit   Khevenhilier    und    dem    Grossherzog    Franz    einge- 
gangenen Capitulation  drückender  Mangel  an  Lebensmitteln  als 
Hauptgrund  der  Uebergabe  angegeben. 


'  ,Entwarir,  dem  obenf^ennnnten  .Diacouni'  beiliogfend. 

'  .Anlwortüsclireiben  von  don  Verordneten  in  ö.  o.  d.  E.  auf  dft»  Anninnen 
des  commnnd.  OonernlH  Herrn  Grafen  von  Begur.'  K.  n.  k.  Hai»-,  Hof- 
nnd  Staatsarchiv,  Kriegsacton,  Fase.  343. 

*  •»•»cript  K.-«rl  Albrochts,  Ybbs,  22.  Octcber  1741.     Ebenda,  a.  «.  O. 


'  .KottnrflPt'  der  Stinde  vom  B.  October  1741  und  Jnsiiiuatiun'  der  stindi- 
8chen  Verunttietan  an  die  LAndeaauwaltuchaft  vom  II.  Novembor  1741. 
K.  n.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  Pasc.  34.S. 

'  Wemeck  an  die  Herrschaft  Leoustein,  1.  October  1741.   Ebenda. 

*  Wemeck  aiu  Spital  am  6.  October  1741.    Ebenda. 

*  Wemeck,  Spital  am  Pym,  II.  October  1741.    Ebenda. 


Noch  bevor  Segnr  mit  der  Iriinzösischeii  Wintergamison 
in  Ober-Oesterreich  eingerückt  war,  hatte  das  Land  Manches  ) 
zu  leiden  gehabt.  Es  ^vurden  Klagen  laut  über  endlose  Con- 
tributionen,  Truppencampirungen  auf  bebauten  Aeckern  und 
Wiesen,  Abbrechen  der  Planken  und  Zitune,  Wegnahme  der 
Lebensmittel  mit  Gewalt  und  ohne  Bezahlung  oder  gegen  aus- 
lündische  unbekannte  Münzen,  endlich  Ausplünderung  der 
Bauernhöfe. '  Besonders  gehäuft  finden  sich  Klagen,  diesmal 
nicht  über  einen  Franzosen,  sondern  über  einen  bairischen 
Officier,  den  Oberstlieutenant  Baron  Wemeck.  Alan  muss  dem 
Kuifllrsten  die  Gerechtigkeit  widerfahren  lassen,  dass  er  io 
diesem  Falle,  wo  es  sich  um  einen  seiner  eigenen  Untergebenen 
handelte,  der  Sache  abhalf. 

Wemeck  verfuhr  recht  kategorisch  bei  seinen  Lieferungs- 
forderungen. So  liegt  sein  Befehl  an  den  Pfleger  der  Leon- 
Steiner  Herrschaft,  den  bereits  erwähnten  Grezraillner  vor, 
40  Metzen  Korn  zu  liefern,  jwidrigenfalls  dasiger  Herr  Pfleger 
zu  Leonstain  zu  schwerer  Verantwortung  und  unausbleiblicher 
Leibesstraf  gezogen  werden  wurde'.*  Besonders  gespannt 
war  das  Verhältniss  zwischen  Wemeck  und  dem  Stifte  Krems- 
münster. Der  Oberstheutenant  drohte  dem  Kloster,  ,so  bisshero 
iü  villen  Sachen  eine  saumbseligkeit  erwiesen',  mit  milittlrischer 
Execution.  Der  Baron  unternahm  es  sogar,  historisch  zu  dedu- 
ciren,  warum  das  bekanntlich  vom  Agilolfinger  Tassilo  gegrün- 
dete Kloster  zu  besonderem  Eifer  für  die  Sache  Karl  Albrechts 
verpflichtet  sein  müsste,  da  es  ,von  dem  churfllrstlichen  Hauss 
aus  Bayern  ge8tUfftet(!)  und  alles,  was  Sye  (Kremsmünster) 
hat  von  darauss  dependiert'. '  Als  der  Prälat  den  Klageweg 
gegen  ihn  betreten  hatte,  äusserte  sich  der  Baron  in  einem 
Schreiben  an  einen  der  Krcmsmünsterischen  Pfleger,  ,und  flehtet 
mich  dessen  tlerrn  Prolathen  zu  Crembsmünster  seine  vermeinte 
Veranstidtung  wenig  oder  gar  niclits  an',*  ein  Ton,  den  man 
bisher   nicht   gewohnt  war,  und  den  die  Verordneten  in  ihrem 


KJaglibell  an  den  Kurfürsten  als  ,nachtlieilige  und  scliimpflichi' 
Formalia'  bezeichnen. ' 

Auch  die  Welser  klagten  über  die  ,Exactionen  des  Obrist- 
lieatenants  Herrn  Baron  v.  Werneck'.  *   Er  zwang  sie,  unmenscli- 
lich   viel  Korn    nach  Klaus  und  Spital  zu  liefern,    nahm  ihnen 
ihre  städtische  Artillerie,  2  Feldstücke,  !•  Doppelhaken  auf  La- 
fetten,  50  Haken    sammt    Munition    und    Hess    sie   nach    Klaus 
schaffen.     Ausserdem   habe  er  für  einen  bairiachen  Lieutenant 
fi  Ducaten  ,Doucer'  verlangt,    und  als  die  Welser  nicht  zahlen 
wollten,    ging    er    ,mit   mündlicher   besehimpfiing    und    trohung 
ftlr*.    Am  22.  October  indess  theilte  der  KurfUrst  von  St.  Pulten 
aas   in    einem  eigenhändig  unterzeichneten  Schreiben  mit,  dass 
gegen  Baron  Werneck  die  Untersuchung  eingeleitet  wurde,  und 
dass   seine  Abberufung   ehestens   bevorstehe."     Ueber  das  Re- 
sultat der  Untersuchung  rindet  sich  nichts  in  den  Acten. 

Sehr  schwierig  war  die  Verproviantirung  der  im  Lande 
verbliebenen  Truppen  mit  Fleisch,  welches  zu  einem  fixen 
Preise,  4  kr.  per  Pfund,  geliefert  werden  musste.  Für  die  fran- 
zösischen Truppen  war  ein  eigener  ,königl.  französischer  Fleiacli- 
Provisor'  Namens  Charpentier  aufgestellt,  der  aber,  anstatt  dem 
Lande  die  Lieferung  zu  erleichtern,  seine  StelluDg  in  schänd- 
Hcher  Weise  zu  eigener  Bereicherung  ausnützte.  Am  25.  Oc- 
tober 1741  richteten  nämlich  die  Linzer  Fleischhauer  an  die 
ständischen  Verordneten  eine  Eingabe,  worin  sie  auf  den  grossen 
Fleischmangel  hinwiesen:  .Allein  dessen  ohngeachtet  streiffen 
einige  Juden  herumb  und  kauften  das  Viech,  wo  nur  ein  stuckh 
zu  erfragen  vast  wie  man  solches  bieth  durch  eigens  darzu 
habendte  Einkauffer  zusamben,  vnd  treiben  solches  auswerts, 
gestalten  allererst  dieser  tag  eine  grosse  Quantität  über  Efer- 
ding  hinausgetrieben  worden.'*  Der  eigentliche  Zusanimen- 
käufer   des  Schlagviehs   und   Exporteur  desselben  war  jedoch 


'  IM«  Verordneten  an  den  Kurfürsten  am  14.  October  1741.  K.  u.  k. 
Haus-,  Hof-  and  Staatuftrchiv,  Fase.  343. 

*  Die  Stadt  Wels  an  die  Vorordneten,  priUentirt  12.  October  1741.  Eboiidn. 

*  Karl  Albrecht  an  die  Verordneten,  St.  Pdlten,  22.  October  1741.  Ebond.i. 
Die  ITerorilneten  bemerken:  auf  das  bin  nei  auch  gegen  andere  Officiore 
AiLzeige  beim  Kurfürsten  xn  erstatten.  Eine  weitere  Anzeige  liegt  jedoch 
nicht  vor. 

i*  Die  .FOr-  und  ZOchmoister'  der  Fleischhauer  in  Lins  an  die  Verordneten, 
prüsentirt  25.  October  1741.     Ebeiidji,  Kriegsaoten. 


niemand  Anderer  als  jener  ,königl.  franzöBische  Fleisch-Pro- 
visor' Charpentier.  Die  oben  angeführten  Leute  waren  nur 
seine  Agenten.  In  Eferding  war  er  mit  78  im  Lande  ge- 
kauften und  zum  Austrieb  bestimmten  Ochsen  ,in  flagranti' 
betreten  worden,  während  es  doch  gerade  seines  Amtes  war, 
fUr  Verproviantirung  der  Truppen  das  Vieh  im  Lande  zu  er- 
halten. Der  Grund  der  Handlungsweise  des  Charpentier 
darin,  dass  auswärts,  z.  B.  in  Baiern,  keine  bestimmte  niedJ 
Taxe  flir  das  Pfuod  Fleisch  bestand,  sondern  hiefttr  7  nnd 
mehr  Kreuzer  bezahlt  wurden.  Wer  also  in  Ober-Oesterreich 
Fleisch  zu  dem  von  der  französisch-bairiachen  Verwaltung  fest- 
gestellten Preise  von  4  kr.  per  Pfund  oder  etwas  darüber  au- 
sammenkaufte  und  den  Austrieb  des  .Schlagviehes  nach  Baiem 
bewerkstelligte,  der  machte  ein  gutes  Geschäft,  wie  in  diesem 
Falle  der  eigene  ,Fleisch-Provisor*  der  Franzosen.'  Dass  hie- 
durch  das  Ueferungspflichtige  Land,  von  welchem  gerade  durch 
jenen  französischen  Beamten  und  seine  Vorgesetzten  onnach- 
sichtlich  eine  grosse  Anzahl  Rinder  zur  Verproviantirung  der 
Armee  begehrt  wurden  (S.  382),  in  die  ärgste  Verlegenheit 
kam,  ist  selbstverständlich.  Am  25.  October  noch  hatten  des 
halb  die  Verordneten  von  der  vorgesetzten  politischen  Behörde, 
der  Landesanwaltschaft,  eine  exemplarische  Bestrafung  zwar 
nicht  des  Charpentier  —  dieser  stand  als  Franzose  auch  dem 
Kurftlrsten  gegenüber  in  einer  immunen  Stellung  —  sondern 
seiner  Unterhändler  verlangt.  Mit  anerkennenswerther  Bereit- 
willigkeit erklärte  die  Landesanwaltschaft  am  9.  November  1741, 
sie  werde,  falls  die  Schuldigen  kundgegeben  würden,  das  Nö- 
thige  veranlassen.*  Da  regte  sich  aber  bei  den  Verordneten 
die  Scheu  vor  einer  —  wenn  auch  in  diesem  Falle  berechtigten 
—  Denunciatton,  und  sie  erklärten  gekränkten  Tones  und  keines- 
wegs zum  Vortheile  des  Landes  der  Landesanwaltschaft:  dass 
sie  in  dieser  Hinsicht  nicht  zu  Diensten  stünden,  ,da  weder 
das  Handwerk   Selbsten,   noch   die  dahin  incorporierte  Fleisch- 


'  Ituinnatum  der  Verordneton  an  die  Landexanwaltschaft  rom  86.  October 
1741,  .wobei  er  Fleisch-Provisor  iedoch  nebst  seinen  übrig^en  mit  ihme 
interessierten  Wncherern  von  diinimben  wohl  bestehen  kann,  weillen 
oben  hinnus  das  Fleisch  vor  7  kr.  vnJ  hoher  dem  pfnndt  nach  ansg<>- 
hacket  würdet*.     K.  ii.  k.  Haus-,  Hof-  und  StaaUnrchiv,  Fase  343. 

*  Die  Landesanwaltschaft  an  die  Verordueton  am  9.  November  1741. 
Rbenda. 


415 


hackher  einer  löblichen  Landschaft  unterworfen  seinclt,  wür 
anch  nicht  verhoffen  wollen,  dass  Euer  Gnaden  und  Freund- 
schaft VHS  Verordneten  eine  Denuntiation  zuemuthen  wer- 
den'.' Schliesslich  sahen  sich  die  Verordneten  neuerdings  ge- 
nütfaigt,  die  Lieferung  je  eines  Stückes  Hornvieh  von  60  Fouer- 
sUtten  zu  geringem  Preise  anzubefehlen,  um  dem  Fleischmangel 
tbsahelfen.  * 

Aach  andere  Ungohürigkeiten  liefen  mit  unter.  So  kam 
H'Vor,  dass  Privatleute  den  Soldaten  das  ihnen  aus  den  land- 
wluiUichen  Magazinen  gelieferte  Holz  abkauften,  wodurch  die 
Quartiergeber  zu  Schaden  kamen,  da  sie  dem  nunmehr  frieren- 
den Militär  auch  Holz  verabfolgen  raussten. " 

Eine  der  drückendsten  Lasten  der  Invasion  war  die  fort- 
Klhrende  Lieferung  von  Wagen  und  Pferden  zu  Vorspann- 
Wecken.  Dies  erreichte  den  Höhepunkt,  als  nach  dem  Ab- 
märsche der  Uauptarmee  aus  Nieder-  durch  Ober-Oesten-eich 
nach  Böhmen  von  Seiten  des  französischen  Artilleriugenenils 
du  Brocard  an  den  Artilleriemajor  du  Gravier  in  Linz  folgender 
kategorischer  Befehl  erging:    ,Es  wird  dem  Herrn  du  Gravier, 

»Major  bei  der  Artillerie,  anbefohlen,  alle  Pferde  und  Wilgen, 
80  sich  in  der  Stadt  Linz  und  den  Vorstädten  befinden,  hin- 
wegnehmen zu  lassen,  sie  mögen  gehören,  wem  sie  immer 
wollen.'* 

Du  Gravier  selbst  ging  nicht  gerade  freudig  an  die  Aus- 
fiihrung  dieser  drakonischen  Massrcgel.  Er  übermittelte  den 
Verordneten  den  Befehl  des  Generals  mit  dem  Schi-eiben : 
^lessieurs!  Es  ist  nicht  nöthig,  dass  ich  obigem  Befelch  etwas 
linzuAlge,  M.  werden  die  Noth  selbsten  erkennen,  in  welcher 
mich  befinde,  zu  gehorsamen;  wider  meinen  guten  Willen  wird 
es  sein,  zur  Gewalt  zu  schreiten  gemUssiget  zu  werden,  allein 
verhoffe   ich,    dass    die   löbl.  H.  Stände    mir  Gehör  geben,  an- 


*  Wie  Verordneten  an  die  Landesanwaltachiift  am  11.  November  1741. 
K.  n.  k.  Ilaua-,  Hof-  nnd  Staatsarchiv,  Fase.  343. 

*  Patent  vom   16.  Oecember  1741.     Ebenda,  Potor'scke  .Sammlung. 

*  Die  Verordneten  an  den  ätadtrichter  von  Enns  am  1.  November  1741. 
Ebenda. 

*  ,Copie  des  Befek-hs,  welcher  von  dem  W.  du  Brofard,  General  d'Artiglerie, 
dem  Herrn  du  Gravier,  Major  hey  der  Artillerie  zugeschickt  wurden,' 
Bndweis,  27.  October  1741.  Ebenda,  auii  dem  oberOaterreicbischeu  Btände- 
•rchiv  l.'>47— 1770. 

ArUt.  LXXXTII.  Bd.  II.  HUR*.  27 


416 


nebens  anbefehlen  werden  unter  hoher  Straf  an  alle  Unter- 
tbanen,  welche  Pferd  und  WagenMiaben,  dass  sie  solche  morgen, 
als  den  29.  dieses,  urab  7  Uhr  in  der  Frühe  auf  allhiesigen 
Statt-Platz  ohnfehlbar  stellen  sollen."  Ob  und  in  welchem  Zu- 
stande die  Besitzer  von  Pferd  und  Wagen  ihr  Eigenthum  wie- 
der zurückerhielten,  ist  aus  den  Acten  nicht  ersichtlich.  Am 
selben  28.  October  verkündeten  übrigens  die  ständischen  Ver- 
ordneten nicht  nur  für  Linz,  sondern  für  das  ganze  Land,  dass 
binnen  vier  Tagen  1600  Wagen  sammt  Respannang  fllr  die 
Franzosen  zu  stellen  seien.* 

Besondere  Leistungen  wurden  von  den  Ennsem  verlangt, 
als  gegen  Ende  October  der  Rückzug  der  Baiem  und  Franzosen 
aus  Nieder-Oesterreich  und  deren  Abmarsch  nach  Böhmen  er 
folgte.  Nunmehr  wandte  nämlich  der  Kurfürst  sein  Augenmerk 
der  Errichtung  von  Linien  an  der  Enns  zu,  welche  einen  An- 
griff der  Truppen  Maria  Theresias  auf  Ober-Oesterreich  auf 
halten  oder  ganz  vereiteln  sollten.  Sie  waren,  wie  die  Ereig- 
nisse im  December  erwiesen,  weder  das  Eine  noch  das  Andere 
im  Stande;  ihre  Errichtung  stellte  aber  an  die  Arbeitskräfte 
der  Gegend  starke  Anforderungen.  Die  Ennser  selbst  mussten 
Allerlei  mauern,  Brücken  wegreissen,  ,Päumb  und  Staudten' 
abhacken;  für  alle  diese  Geschäfte  setzte  der  Rath  auf  Befehl 
des  in  Enns  commandirenden  französischen  Generals  Mylord 
Clar  einen  Pemianenzausschusa  ein.' 

Am   28.  October   befahl  der  Kurfürst  von  St.  Polten  aus 
einer  Anzahl  nieder-  und   oberösterrcichischer  Herrschaften,  in 
der  Ennsor  Gegend  Arbeiter  auszuheben  mit  dem  zum  Schanz- 
baue nöthigcn  Werkzenge.   Bald  musste  von  je  20  Feuerstätten 
des  Landes  je    ein  Mann    für   diese  Schanzen  gestellt  wer<len, 
seit  19.  December  sogar  von  je  10  einer.     So  erklärt  sich  die 
Meldung    Khevenhiller's    an    Lobkowitz,    dass   zeitweilig    5000 
Bauern  an  den  Linien  lilngs  des  Ennsflusscs  arbeiten  mussten.* 
Eine  erfreulichere  Nachricht  konnte  das  ständische  Patcut 
vom   6.  November  1741    den  Landesinsassen    bieten,    dass  die 
Lieferungen  an  Heu,  Hafer  und  Stroh  von  der  Landcsumlage, 


'  K.  n.  k.  Haus-,  Huf-  und  8tnat!U)n.'.hi7,  aus  dem  oberOsterreichiaclien  StXnde- 
archlT  1647—1770. 

*  CircnUrschreiben  der  Verordneten.     Ebenda,  Peter'acbe  Sammlung. 
■  Ebenda. 

*  Ebenda,  Kriegnacten,  Fase.  361. 


r 


und  zwar  speciell  von  dem  bald  ftlllipen  ,Weynachtsrüstgeld', 
in  Abzug  gebracht  werden  könnten. '  Freilich  mag  hiedurch 
nnr  ein  geringer  Theil  des  Gelieferten  gedeckt  worden  sein. 
Wie  hart  hergenommen  das  Land  in  Bezug  auf  Fourage- 
liefeningen  war,  erhellt  aus  dem  Umstände,  dass  selbst  das 
reiche  Kremsmüuster  nicht  mehr  im  Stande  war,  Heu  und  Holz 
in  die  Kriegs magazine  zu  liefern,  und  durch  ein  ständisches 
Patent  erklären  Hess,  es  suche  diese  Artikel  zu  kaufen,  um 
sie  abliefern  zu  können.* 

Gegen  Mitte  November  richteten  sich  die  französischen 
Garnisonen  in  den  oberösterreichischen  Städten  häuslich  für 
den  Winter  ein,  ohne  freilich  zu  ahnen,  wie  bald  sie  mitten 
im  tiefen  Winter  ihre  Quartiere  vor  dem  heranrückenden  Feld- 
marschall Khevenhiller  würden  räumen  müssen. 

Dem  Bürger  brachte  die  Einquartierung  natürlich  manche 
Störung  in  der  gewohnten  Lebensftlhrung.  Noch  liegt  die 
Winterquartiersordnung  fiir  die  Stadt  Enns  vor,  wie  sie  am 
19.  November  1741  auf  Befehl  ,Ihro  Excellcnz  Herrn,  Herrn 
General  Mylord  Clar,  Comendanten  alhier',  festgestellt  wurde.* 
Sie  umfasst  7  Punkte. 

1.  Jede  Correspondenz  oder  Gemeinschaft  mit  den  Oester- 
reichem  ist  bei  Lebensstrafe  verboten.* 

2.  Bricht  nälchtlicher  Weile  ein  Tumult  aus  und  wird  die 
Trommel  gerührt,  so  sind  alle  Fenster  zu  beleuchten. 

3.  Den  Soldaten  darf  nichts  von  ihrer  Montur,  von  Ge- 
wehr und  Munition  abgekauft  werden;  ebenso  ist  verboten, 
ihnen  Civüklcider  zukommen  zu  lassen. 

4.  Keinem  Soldaten  darf  etwas  geborgt  werden. 

5.  Für  das  Militär  ist  um  7  Uhr  Zapfenstreich ;  nach  dem- 
selben dürfen  der  Soldateska  keine  geistigen  Getränke  mehr 
verabreicht  werden.  Um  '/4''^*  Uhr  wird  die  Glocke  geläutet  als 
»Bürger -Zapfenstreich'.  ,Ess  werden  alle  Tag  die  Patrollen 
herumbgehen  vnd  die  in  denen  Würthshilusern  über  vorbe- 
deite  Zeit  antreffende  mit  Gewald  in  Arrest  führen.' 


'  K.  u.  k.  Hau«-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  Peter'sche  Saniinlung. 

*  Ebenda. 

*  Ebenda.     Anch   die  Verordneten   erliessen  am   24.  November  1741    eine 
,Vonehang  r.ii  denen  bevorstehenden  Wintercinartieren'.     Bbeuda. 

*  Vgl.  8.  389,  Anm.  4  (Untemelimung  Grezmillner's). 


418 

7.  Niemand  darf  zur  Nachtszeit  olme  Laterne  auf  der 
Gasse  betreten  werden.  Streitigkeiten  zwischen  Soldaten  und 
Bürgern  sollten  nach  einem  Befehle  Lord  Clara  durch  magi- 
Btratische  Commissarien  entschieden  und  geschlichtet  werden. 

Am  6.  December  erschien  ein  ständisches  Patent,  auf  kur- 
fürstlichen Befehl  sei  ein  feierliches  Tedeum  zu  begehen  ,wegen 
Eroberung  der  böhmischen  HaubtStatt  Prag'.  In  der  Nacht 
vom  25.  auf  den  26.  November  hatte  nämlich  das  franzSsisch- 
bairisch-sächsische  Heer  Prag  genommen.  Kurze  Zeit  darauf 
liesB  sich  Karl  Albrecht  auch  in  Prag  huldigen.  Aus  den  bis- 
her ^kurfürstlichen'  Städten  Ober-Oesterreichs  wurden  nunmehr 
^königliche'. 

Von  Prag  aus  erging  am  8.  December  1741  von  Seiten 
des  KurfUrsten  ein  Patent  an  die  OberOsterreicher,  worin  er 
,als  König  von  Böheim  und  Erzherzog  von  Osterreich  ob  der 
Enns'  erklärt,  er  sei  nicht  gesonnen,  Landesmitglieder  in  Diensten 
,der  Grossherzogin  von  Toscana'  zu  lassen.  Wer  nicht  binnen 
vier  Wochen  diese  Dienste  verlasse,  verliere  Hab  und  Gut  durch 
den  Fiscus.  Der  bereits  geleistete  Eid  gelte  nichts,  denn  nur 
Karl  Albrecht  sei  rechtmässiger  Landesherr.  Au&ahme  und 
Beförderung  im  Dienste  des  Kurfürsten  wird  den  Ueberläufem 
versprochen.  * 

Am  30.  December  liess  Josef  Adam  Graf  Taufkircben, 
,Sr.  Königl.  Mayt.  in  Böheim  wUrklicher  geheimer  Rath  und 
Vicestatthalter  in  Oesterreich  ob  der  Enns',  den  Ständen  sechs 
vom  Kurfürsten  eigenhändig  unterzeichnete  Exemplare  des 
Mandates  zustellen  mit  der  Weisung,  dieselben  an  den  Rath- 
häusern  anzuschlagen.  Auch  sollten  sie  das  Mandat  ihren  ausser 
Landes  befindlichen  Anverwandten  und  Freunden  zusenden  ,zu 
ihrer  Benachrichtigung  und  Gewahmehmung'.  Es  war  dies  der 
letzte  Act  der  bairisch-französischen  Souveränitätsansprüche  auf 
Ober-Oesterreich. 

Am  selben  Tage,  an  welchem  der  bairische  Vicestatthalter 
die  Exemplare  des  Mandates  den  oberösterreichischen  Ständen 
übermittelto,  am  30.  December,  erliielt  das  Kartenhaus  der  Gross- 
machtsträunic  des  unglücklichen  Karl  Albrecht  den  Stoss,  der 

*  Entsprechend  den  für  BOlimen  bestimmten  Mandats  aTocatoria  et  inbi- 
bitoria  Karl  Älbrechts.  Die  Originale  im  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staats- 
archiv, Kriegsaeteu,  Fase.  343.    Vergl.  Anhang  XIV. 


419 

es  ins  Wanken  und  bald  zum  völligen  Zusammensturz  bringen 
sollte. 

Feldmarschall  Khevenhüller,  der  Retter  Maria  Theresias 
uis  der  Bedrängniss  des  Jahres  1741,  überschritt  nämlich  die 
Enns,  mit  seinen  16.000  Mann  die  Franzosen  nach  Linz  trei- 
bend. Am  24.  Jänner  1742  hielt  Franz  Stephan  seinen  Einzug 
in  Linz,  Mitte  Februar,  während  Karl  Albrecht  eben  aus 
Frankreichs  Händen  zu  Frankfurt  a.  M.  die  Kaiserkrone  er- 
halten hatte,  wehten  die  Fahnen  Maria  Theresias  von  den  Wällen 
tfttnchens. 

Bereits  am  31.  December  1741  konnte  der  Stadtschreiber 

^on  Enns   einen  ,Befelch  von   Ihro   hochgräflichen   Exe.  öraf 

Carl  zu  Palfi  bei  seiner  favente  DEO  nachmittags  vmb  4  mit 

i^em  königl.  Corpo  allhier  beschechenen  glücklichen  Ankunft' 

eintragen.* 

*  K.  n.  k.  Hans-,  Hof-  and  Staatsarchiv,  ans  dem  Archive  der  Stadt  Enna, 
Peter'scbe  Sammlung. 


BEILAGEN. 


Nr.  I. 


Die  Stände  Ober-Oesterreichs  an  Maria  Theresia  aniäsaliek  ihm 
Beffierungsantriües.   Line  1740,  October  31. 

Orig.  mit  acht  Siegeln.    K.  u.  k.  Haas-,  Hof.  and  StaatearchiT  in  Wien,  Mut- 
reichiscbe  Acten,  Ober-Oesterreich  1660—1749. 

Die  betrflbteste  Nachricht  vnd  allertraui-igste  Begebenheit,  so  En«r 
Ehönigl.  Mayt.  durch  allerhöchstes  Bescript  vom  22.  von  dem  zu  allg«- 
meinen  Leydwesen  Erfolgten  Todfahl  des  AUerdurchleichtigsten,  Gross- 
mächtigsten  vnd  TnflberwQndlichsten  Fflrsten  and  Herrn  Horm  Caroli 
Sexti  £6m.  Eaysers  auch  zu  Hispanien,  Hungarn  und  Böheimb  EhOnigs 
vnsers  allergnädigsten  Eaysers,  Erbherrn  vnd  Landsfttrsten,  vns  Threu 
gehorsambsten  Ständen  dieses  Erzherzogthumbs  Oesterreich  ob  der  Ennss 
allergnädigst  Mitgetheillet  haben,  gereichet  vns  zu  innersten  gemfieths 
Bestürtzung  vnd  khönen  wür  den  Schmerzvollen  Yerlnrst  rnseres  Aller- 
gnädigsten Lands-Fflrsten  vnd  allermildesten  Landes  Yatters  der  Schwüre 
nach  erforderlich  Niemahlen  genug  Beweinen  vnd  Bethauern. 

Allein,  da  alle  Göttliche  Anordnungen  so  bitter  selbe  auch  Tnss 
Menschen  zu  übertragen  ankhomen,  mit  vollkhomener  ünterwerffong  an- 
zubetten  seindt,  so  haben  wir  jedoch  vnserem  verstorbenen  Allergnädig- 
sten Landesfflrsten  (welchen  wfir  anstatt  der  zeitlich  abgelegten,  die  Cron 
der  ewig  glickhseeligkeit  wünschen,  vnd  zu  höchst  deroselben  abgeleibten 
Seelenraehe  die  SufFragia  beyzutragen  nicht  ermanglen  wollen)  die  klngeste 
Vorsehung  per  Sanctionem  pragmaticam  in  vim  legis  perpetuae  valitniam 
Allerunterthänigst  zu  danken,  wodurch  höchst  dieselbe  über  deroselbe 
hinterlassene  Erb-Khönigreich  und  Länder  ohne  Zertrennnng  disponiert 
haben.  Wie  wür  nun  Euer  Königl.  Mayt.  von  wegen  des  höchst  empfind- 
lichen Ableiben  dero  Kays.  Herrn  Yatters  vnd  vnseres  Allergnädigsten 
Landesfflrsten  höchst  betaurlich  condolieren,  also  thuen  wflr  auch  zugleich 


4SI 


tu  der  Tnter  dem  Beystandt  des  alleihöcUgten  augotretteneü  Begieruug 
Iber  die  ererbte  König-Reich  und  Erbländer  aller  devütest  gratulieren 
tad  neben  vnterthänigster  Dauklj  Abätattitng  vor  die  allergnädigste  Vor- 
tcberung  dero  Ehönigl.  vnd  Landa-Fürstlichen  Uulden  md  Gnaden 
ie  An.  1713  vuu  IhroKaybl.Mayt.  glorreichsten  angedankhens  Statuierte 
od  a.  1720  von  vns  Ihren  gehnraambsten  Ständen  in  Kraft  vnseror 
Jlerunterthänigsten  Erklärung  angenohmenen,  bey  der  Erbhuldiguug 
.  1 732  durch  die  anglobung  feyilichst  bestättigte  vnd  hieinit  auf  die  ver- 
findlichste  Erneurende  Thronen  vnd  Erbfolge  mit  guett  und  Bliieth  zu 
erthättigeu  in  vn^eränderlicher  Threu  vnd  Devotion  allergehorsambst 
ersichern,  von  Euer  Eönigl.  May.  als  nunniehro  regierende  LamlsfQrstin 
HS  allerunterthänigst  getrösten,  dass  allerhöchst  Jieselbo  vns  Ihren  ge- 
orsambste  Stände  in  corpore  vnd  jeden  in  particaiari  bey  vnsereu  Laudes- 
^reyheit«n  vnd  Herkhommen  Ällermtldest  schütten  werden,  gleichwie 
rllr  nach  vrabst&nden  deren  zoilen  vnd  der  Landos  Cräfften  alles  boyzu- 
ragen  vnns  nochmahlen  verpflichten,  was  den  hergestelt  theüreu  Friden 
md  die  ruehe  des  werthen  Vatterlands:  Mithin  Euer  Königl.  May.  höch- 
Iter  Dienst  vnd  der  gesambten  Erb-Königreich  vnd  Länder  Wohlfahrt  auf 
tnzertrennte  Erhaltung  erheischen  mag.  Womit  zu  Königl.  v.  Lands- 
l&rstl.  Höchsten  HuMen  vnd  Gnaden  vnnss  allerunterthänigst  allerge- 
korsambst  Empfehlen. 

Sescript  Mitria  'Jlteresias  an  die  Verordneten  der  Landschaft  des  Ere- 
ierzogthums  Oester reich  ob  der  Enns,  in  Sachen  der  Landesdcfension. 
Pressbarg  1741,  August  3. 

mit  Siegul   und   eigenhändiger   Unterschrift.     K.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und 
^taAtiarchiv,    Kriegsacteii,  Fusc.  342    ,aiis   der  Kanzlei  der   Verorilneten  des 
Erzherzogthums  Oesterroich  ob  der  Euus'. 


Nr.  II. 


Wir  haben  sowohl  von  euch,  als  auch  von  Unserem  Landuhaubt- 
10  und  mehr  anderen  ehrten  vornuhmen.  dass  die  Statt  und  das  Ober- 
UaasH  zu  Piissau  von  denen  CUiii-Bayrischeu  Trouppen  Qbertallen  und 
besetzet  worden. 

Da  nun  solcher  gestalten  die  gefahr  sich  mehrors  näheret,  haben 
irir  vor  nüthig  ermessen,  Unseren  Uhoim  und  Fürsten  Feld  Marschallen 
Nestelten  Obristen  über  ein  Eegiment  zu  Pferd  nnd  commandiei'enden 


Generalen  in  Sibenbflrgen  Christian  Forsten  von  Lobkowls,  deine  wir  das 
Commando  Ober  Vnsero  tronppen  in  Böheim  nnd  Oesterreidi  ob  der  Enns» 
anvertraut  haben,  ohnverweilt  nacher  Linz  abcoschicken,  mnb  alda  nach 
beschaffenheit  derer  umbständen  nnd  etwa  weiters  einlsnffenden  Hadi- 
richteu,  all-eif orderliche  gute  anordnnngen  zn  machen. 

Wir  versehen  Uns  darbey  gänzlich,  unsere  getreOeste  St&nde  werden 
forderist  bey  dieser  begebenheit  ihre  unveränderte  devotion  mit  geflissen- 
sten  eyfer  zu  erkennen  geben  und  allem  willigist  die  hand  blethen,  was 
zur  Sicherheit  und  rettung  des  Landes  immer  dienlich  seyn  mag.  Unsere 
Regimenter,  wie  ihr  wisset  seynd  im  wOrkl.  Anzug,  und  der  ob-emant 
commandirende  General  wird  sich  sorgfältigist  angelegen  seyn  lassen  mit 
unserem  Landshaubtmann  und  eflch  solche  anstalt  abzureden,  wie  es  die 
gegenwärtige  gestalt  der  sachen  und  Unser  wahrer  Dienst  erheischet 

Unter  solchen  Vorkehrungen  dörifte  die  aufbiethung  derer  schOtiea 
und  Jäger  oder  auch  anderer  wehrhaften  Mannschaft  aus  der  ursach  bst 
ohnvermeidlich  seyn,  weilen  Unsere  Infanterie  Bgmter,  so  ans  dem  Banat 
und  Slavonien  heraufziehen,  vor  einig  Wochen  nicht  wohl  eintreffen 
können,  dargeg.  mehr  als  bekant  ist,  dass  die  darobige  Lands  Gräniien 
ohne  hinlängl.  Fuss  Volk  sich  nicht  wohl  beschfltzen  lassen. 

Solte  es  nun  auf  solchen  aufboth  ankommen  mflssen,  so  haben  Wir 
allschon  den  befehl  ertheilet,  dass  von  Unserem  darobigen  Zeughanss  mit 
der  etwo  vorhandenen  munition  aller  Vorschub  geleistet,  ja  auch  aus  dem 
Wienerischen  Invaliden-Hauss  zwey  bis  drey  hundert  noch  dienst  tangl. 
alte  Soldaten  unverlangt  hinauf  gesändet  werden. 

Und  gleich  wie  es  hiorinnen  bloss  umb  eine  interims  VorBehuag 
zu  thun  ist,  von  welcher  jedoch  des  Lands  und  eines  jeden  eigene  Sicher- 
heit abhanget;  So  zweiflen  wir  ganz  nicht,  dass  die  gehor'ste  Stände  n 
Vorthättigung  des  armen  Unterthans  gern  alles  anwenden  und  viel  ge- 
neigter seyn  werden,  zu  erhaltung  des  Lands  das  äusserste  anfsnseien, 
als  durch  eine  einbrechend  feindl.  Macht  ihre  habschafften  verschlingen 
zu  sehen. 

Wir  werden  dargeg.  Unsere  MOtterl.  Sorgfalt  dahin  richten,  daaiit 
diesem  getreüesten  Erb-Land  in  andere  wege  alle  mOgliche  erleflcfa- 
terung  angedeye,  folgbar  dasselbe  bey  kräfFten  nnd  Wohlstand  onverleit 
verbleibe,  endl.  auch  alle  diejenige,  welche  bey  sothanen  defensiona- 
werk  sich  mit  Patriotischen  eyfer  hervorthuen,  Unser  danknehmigta 
gemüth  aus  realen  gnad  bezeigungen  zn  erkennen  ursach  haben  Bollen; 
Und  Wir  verbleiben  anbey  mit  König-  und  landsfOrstl.  gnaden  etkdi 
wohlgewüg. 


Geben  auf  unserem  Königl.  Schloss  zu  Prcssbur^  den  3.  Monats 
TagÄugusti  im  ITil"",  Unserer  ß«iche  im  Ereten  Jahro. 

Maria  Theresia  m.  p. 

Vermerk  der  Verordneten:  ,B6y  der  Canzlei  aufzubehalten,  vnd  nach 
ankhunft  des  donominir.  Commandirondcn  Herrn  genoraln  mit  demselben 
ilie Landes  defensions  anstalten  zu  überlegen,  vnd  nach  befund  das  weither 
hiorauf  vorzukheron.  Den  5.  Aug.  1741/ 


Nr.  in. 

We  ständischen  Verordneten  an  Maria  Theresia,  das  oberösterreicJiische 
Landesaufgebot  betreffend.   Lim  1741,  August  19. 

(^"Ocept  mit  dum  Vermerk:  Exp.  den  19.  Au^iut  t74].     K.  ii.  k.  Haus-,  Uo(- 
und  SUatsarchir,  KriegMctan,  Fuc.  343, 

(Hoffs  NottnrfFt:  den  landos  Schützen  aufhutt  betr.   19.  Aug.  1741.' 

Ober  die  bey  Eur  khönigl.  Mayt.  um  den  16.  jOnggthin  Erst  aller- 

vnthgst  eingereichte   remonstration  vod  beygologtes  Systeum  des  pro- 

jectierten  lund  Schützen  aufbotts,  haben  wür  Nuumohro  auch  die  Bin- 

theilung  in  13  Compagnien  zusammengerichtet,  wie  beede  Eur  KhGnigl. 

JUj.  hiemit  ullerunterthgst  vorlegende  aufsäz  von  allen  vier  Vierttlou 

Ikigen,'  und  der  22.  dieses  augesäzet,  die  Erste  Companie  zu  l'eyorbach, 

di«  Siben  ander  Companieu  aber  in  beede  Hausrnkh  und  Thraun  Viei-tlen 

den  24.  bis  27.  huius  zusaminenruckhen  und  mustern  zu  lassen,  — allein 

und   gleichwie   wür  durch   öffter   allerunterth'e  Vorstellung    bey   Euer 

Königl.  May.  selbsteu,   durch  verschiedene  Insinuata  an  Eur  KhOnigl. 

May.  Landshbtman,  wie  anch  durch  mehrere  Pro  Memoria  an  den  com- 

mandierenden  Khönigl.  Voldtmarschall  Liout.  grafen  Palti  und  grafen 

Salburg  zum  öfTtern  schon  beraits  orindort  haben ;  So  uiOssen  wür,  auss 

allerunthgster  Devotion  zu  Eur  Khönigl.  May.  allerhöchsten  Diensten 

TDd  auss  dem  natürlichen  Antrieb  zur  Liebe  gegen  den  Vatterlaudt,  dan 

zu   erhaltong  aigener  Ehre   und    reputation   allergehorst.    widerhollcn, 

welobergeataiten  sehr  angewis  seye,  ob  nnd  wan  die  auf  den  Papier 

atahende  anzahl  würkl.  zusammen  khonion  thne,  und  zum  gebrauch  auf 

danen  Fostierungen  an  der  gräniz  und  in  denen  vorhabenden  rodouton 

(den  in  offenen  Veldt  der  aufboth  Niemahlen  das  geringste  Nutzen  khan) 


'  Die  Anszflge  der  hier  von  den  Verordneten  orwKbnton  Actenatflcke  im 
C«p.  U  des  Teztea  (,Das  oberUaterreichuche  L«ndeMufgebot  tod  1741') 


424 


io  standt  sein  werden;  Anerzogen  und  wan  aach  schon  der  von  Jenen 
berrschafTten  und  Obrigkheiten  beschreibende  10.  Man  (wovon  wür  iedoch 
sehr  zweiflen)  auf  die  ihme  angewissenen  Samel-  nnd  Mnsternngsplaz 
wfirkhl.  erscheinet,  so  ist  iedoch  der  wenigste  mit  erfordl.  ober  and 
eeitbengewöhr  versehen,  nnd  sollen  solches  erst  von  hier  zuegeführet  und 
anssgetheillet  werden,  wo  mehrmalen  zn  bewaffoung  der  hellfte  zueläogig 
nicht  vorhanden  ist.  Hbtsächlich  aber  ermangl.  die  ünder  und  auch  Ober- 
Off,  zur  anfuhr  nnd  ünderrichtung,  ohne  welchen  fnndament  und  Fns 
auch  eine  Landmiliz  so  wenig  als  die  reguliei'ten  Tronppen  bestehen,  und 
in  Ordnung  auch  nur  wenige  Zeit  erhalten  werden  khön.  Dan  zu  Hbt- 
leuthn  auss  denen  Landsmitgliedern  sehr  wenig  sich  angemeldet  haben, 
weillen  iederman  zwar  sein  guet  und  blueth  f)lr  Eur  Khöuigl.  May.  nad 
das  werthe  Vatterlandt  wihlfahrig  Sacriflcieret,  auss  Mangl  eigener  Kriegs- 
erfahrenheit  aber  oder  auch  weilen  er  von  dem  gar  nicht  abgerichteten 
Landvolkh  verlassen  zu  werden  billig  bofQrchtet,  Ehr  und  Beputatiou  zn 
ewigen  Nachkhlang  nicht  verliehron  will,  welcher  gfahr  er  nnmittelbabr 
underworffen  ist,  nachdome  im  gleichen  kbcine  taugl.  leüth  zn  vnd.  Offre, 
alss  Führer,  FeldwObln  und  Corporaln  verbanden  seind,  bevor,  da  die  zu 
Ennss  befindliche  Invaliden  auss  dem  Armen-Haus  zu  Wien  uns  lu 
Uuter-OfTre  von  darumben  nicht  wollen  zuogebeu  werden,  weillen  syedftn 
zum  gwOhr  ungeschickhten  Paurs  Man  mit  Schlag  ti-actieren,  mithin  noch 
mehr  verzagt  machen  und  zur  Desertion  veranlassen  di'^rfften. 

Bey  welchen  so  offen  bahi'en  Mangl  Eines  fundaments  und  Fnes 
zur  Militar-operation  wflr  Nichts  anderes  alss  ünordunng  und  Confusion 
vermuthen  khönnen,  welche  dahin  anssbrechen  d^rffte,  dass  auf  den 
Ersten  anfabi  einer  feindlichen  Parthey,  dass  ohne  deme  von  Natnr 
forchtsame  Fauernvolkh  die  posten  verlasset  und  ausseinander  laoffet, 
ohne  huffnung  dieselbe  wicdemmb  zum  standt  bringen  zu  khönen,  «ne 
solches  a.  1704  erweisslich  geschehen  ist. 

Wir  wollen  diss  orths  die  Unkosten,  so  auf  die  ünd'haltnng  dieser 
Landmiliz  Monathl.  auf  40"  fl.  und  mehr  gülden  sich  erstreckhen  gar  | 
übergehen,  allein  da  hicdurch  die  erforderl.  gelder  zn  anderwärttig 
aussgabeu  und  souderbahr  vor  die  regulierte  Miliz  auch  andere  mit  Er- 
bauung deren  redouten  und  mehreren  angelegenheiten  erforderliche  D«- 
fension  Unkosten  aufgezöhrt  worden;  so  mOessen  wür  nmb  uns  nnd  die 
threö  gohorste  Stände  bey  dessen  ganz  ohnfohlbaren  Erfolg  auss  aller 
Verantwortung  zu  setzen  der  Sachen  Beschaffenheit  in  seiner  natfirlicbeP 
Färb  entwerffen  und  alss  ein  durch  Lands  Mitglieder  und  ihre  beambt^ 
erwoissl.  mithin  in  facto  ganz  richtige  Sache  bekhenen,  wie  dass  di« 
Untertbauen  bey  verschiedenen  gros  and  klüeineu  herrschaftou  bey  gegen' 


uestf 


425 


i&rttig  geföhrl.  Zeiten  und  ümbstanden  StoQr  und  gaben  zu  Baichon 
rerwaigern,  in  Craflft  dessen  alsso  der  Landschaft  das  Contributionale  und 
Einkhoniften  auf  bring-  und  bestreittiug  ihrer  grossen  Obliegenheiten  auf 
£iiimahi  benommen  und  abgeschöpfet  werden.  Dahero  wür  den  die  bey 
denen  gleich  in  aufang  der  Schätzen  beschreibnng  und  Zusamnienricbtung 
sich  ergebende  hindernussen,  anstand  und  Schwierigkbeiten  Eur.  KhGnigl. 
May.  nochmahlen  allervntbgst  zu  FQessen  legen  und  den  allerhöchst 
Khünigl.  befelch  hierüber,  ob  Nemblich:  bey  so  ge^hrlich  sich  eussernden 
umbständen  mit  den  so  khostbahr  fallenden  aufrichtung  deren  13  Comp, 
von  unerfahruen  Paurnvolkh  iodenoch  fortzuführen  haben  uns  alleruthgst 
iQBsbitten.  — 

In  marffifie  von  anderer  Hand:  —  anbey  aber  der  Hoffnung  leben, 

dass  ihre  Königl.  May.  unsere  allergdigste  Fi-an  und  Landt«s  Mutter  in 

dieen  und  allen  übrigen  uui^'eren  blinden  Gehorsamb  allermildest  erkhenon 

and  diese  wiederholte  Vorstellung  mit  königl.  nnd  Landtsfürstl.  Milde 

ansehen  werde,  indeme  gemeiner  Landtschafft  schwär  nnd  hart  fallet, 

dass  sye  durch  den  anfbott  vormointtich  taugl.  Persohnen  in  so  grosse 

ünkhosten  nnd  aussgaben  gestüi-zet  würdet,  wovon  man  iedoch  kheinon 

effeet-  nnd  nutzen  vor  Eur.  Königl.  Mayt.  Dienst  nnd  zu  bedeckhung  des 

Vatterlandt  vor  feindlichen  Einfall  auch  dessen  Abhaltung  verspreclion 

khan.    Womit  den  zu  Khrmigl.  und  landsfiirstl.  allerhöchsten  hulden  und 

gnaden  uns  allertbgst  allergehorst.  em])felchen. 

Linz  den  19.  Augnsti  1741.  Yorordtnete. 

Nr.  IV. 

KarlÄlbrecht  an  die  oberösterrcichischcti  Stände,  Schärding  1741,  Sep- 
tmber  9.    Der  Kurfürst  kündet  sein  Einrücken  an  und  fordert  An- 
erkennung. 

Ctrig.  mit   aufgedrucktem    Siegel    und    eigenhändiger    Unterscbrift.     K.  u.  k. 
Haus-,  Hof-  nnd  Staatsarchiv,  Kriogsacten,  Fase.  342.* 

.  .  .  Denensclbon  vnd  euch  wirdet  aus  unserer  im  Truckh  er- 
IVBcnen  vnd  hiemit  nochmahlen  anschlüBsonter  weitleüffig  rechtlichen 
«ioittction,  dsa  Vuserem  weiters  hienach  geuolgten  ebenfalls  hiebey  ge- 

'  Dieses  Schreibens  erw&hnt  der  KnrfUrst  in  seinem  Tagebnohe  (Heigel, 
Tsgebnch  KarU  VU.,  8.  20).  Bei  Amelh,  Maria  Theresia,  ist  von  ihm 
die  Bedo  I,  b.  261.    Bei  üeigel,   Der   Usterroicbische  Erbfolgestreit  and 


426 


honten  Manifest  allordiugs  bekannt  sein,  aus  was  hOchst  wichtig:  tbI 
best  begründeten  Vrsachen  Wür  getrnngen  worden,  zn  prhingnng  dur 
Unss  vnd  Unserem  Cbiir  Hauss  auf  die  bisherige  Oesterreich.  König 
Reiche,  Herzog-Fflrstenthumb  vndt  Landte  so  richtig  angefablenen  Erb- 
Recbten,  da  durch  güetlichen  weeg  bishero  Wür  zu  selbigen  nit  kommen 
krmnen,  die  Waffen  zu  ergreiffen  vnd  zu  deren  beraächtignng  ynd  Pos- 
soBsions-nebmung  mit  Vnsern  aigenon  vnd  Vnseren  Auxiliar  Trouppen 
in  die  Landte  von  Oesterreich  einznruckhen;  Wie  nun  Wfir  Tns  gegen 
Sye  Lobl.  Ständte  gdst  versehen,  das  Vns  sye,  was  Yns  vnd  Vnserem 
Chur-Uaus  der  Güettigiste  Gott  verschaffet  vnd  Selbigem  deren  Lübl. 
Ständton  geweste  ntmmohro  in  Gott  i-uhcnte  Kaysere  vnd  Landts  Forsten, 
bebalt  deren  Dispositionen  Vorordnungen  und  Verträgen  ans  mehreren 
trifftigsteu  beweg- Vrsachen  in  Freundtschafft-  vnd  erkhantlicher  wohl- 
mainung  wohlbedochtlich  zuegedacht  aller-dings  gönnen,  Mithin  Vns 
fürohin  für  ihren  natürlichen  vnd  recbtmessigen  Erb-Herm  erkennen 
vnd  bcreithwüligist  sich  mit  gehorsamb  und  vndthänigkeit  vndergeben 
werden;  So  versichern  Wür  solcbenfahls  selbige  hingegen  Unserer 
Landtsfürstl.  gnade  Liebe  vnd  für  deren  Wohlfarth  za  tragen  habenten 
Sorgfalt  mit  künfftige  best&ttigung  all  dero  habenten  Freyheiten  vnd  Pri- 
vilegien vnd  tbuet  Vns  laydo,  dass  bey  ersten  eintritt  in  die  Ober-Oester- 
roichische  Landte,  bey  oruant  Vnseren  Trouppen  die  nöthige  Verpflegungs- 
Verschaffung  für  Mann-  vnd  Pferdt  nicht  so  geschwindt  reguliert  vnd 
beygobracht  werden  kfinnen,  als  Wür  wohl  betten  wünschen  vnd  gehren 
sehen  mngon:  Gleichwie  aber  Wür  forderist  die  sorge  tragen,  dass  bey 
Vnseren  vnd  donon  auxiliar-Trouppen  alle  Vnordnnng  und  dosordres  ver- 
hiettot  vnd  der  Landtmann  so  vill  möglich  vorschonnet  bleibe,  welches 
wohl  nit  änderst  als  mittelst  sicherstöhlung  der  Subsistenz  sowohl  f&r 
Mann  als  Pfcrdte  crraichet  werden  kann,  So  kommet  es  dahin  an,  das  man 
aintwedcr  die  Armee  foiiragieren,  oder  derselben  die  nottnrfft  zu  ihrer 
verpQegung  in  das  Laagor  liferen  lasse;  da  nun  aber  die  fouragierung 
vast  vnmöglich  ohne  des  Landts  grossen  beschwernag  ablauffen  könnte; 
Solchoninach  werden  Sye  Löbl.  Ständte  nit  entgegen  sein,  ainigc  ihrer 
Deputierte  auff  Mountag  den  11.  disa  nachor  Beyrl)ach  vmb  Verabredung 
der  Bachen  notthurfft  abzuschickhen,  beynebens  aber  aach  die  vnge- 
saumbte  anstalt  zu  machen,  das  für  Vnsere  armeo  die  notturfften  an 
Mundt:  vndt  Pferdt-Portioneu  in  gueter  ordtnung  so  lang  verschaffet  vnd 


die  KaUorwahl  KarU  VIL,  S.  193.  —  Ein  Trompeter  gab  eii  am  Vor- 
raitUg:  des  10.  September  1741  in  Linz  ab.  Hierüber  Cap.  IV  vor- 
liegender Arbeit. 


427 


gelifTert  werden,  bis  denen  vmbstäiidten  nach,  eich  eine  abenderung  vor 
diser  gegent  heruor  thaen,  folgsamb  die  erleuchterung  ergeben  wirdet. 
Da  im  gegenthaiil  iene,  welche  sich  des  gebührenten  Verpfiegungsbeytrags 
yngehorsamblich  waigeru:  vnd  sich  dessen  durch  Verhetzung  zu  ent- 
ziechen  suechen  soiteu,  sich  gelbsten  die  schuld  bejzumessen,  wan 
tü^esthails  der  Soldat  excess  ausyeben  —  oder  man  die  notthnrfTt  mit 
^nralt  zu  erhalten  bumieasiget  sich  sehen  sulte,  dessen  Wür  8je  Lobl. 
Oester  Baich.  Ständte  hiemit  in  Churfürstl.  miidister  wohlmaiuung  Qdi'st 
gewahrnen  wuUen.  Denen  Wür  annnbcns  insgcsambt  vnd  »onders  mit 
Chorfärstl.  gnaden  vnd  allen  gueten  wQblen  wühl  beygethann  vnd  gewog. 
verbleiben. 

Oeben  in  Vnserer  Stadt  Schärding  den  9.  Septemb.  a.  1741. 


Carl  AJbrecht  m.  p. 


V.  'Weckhenstaller. 


Vtrmtrlc  der  Verordneten:  Dieses  gdigste  schreiben  bey  der  Canzlej 
aufzubehalten,  Tnd  ist  Eine  abschrift  hieuoa  dem  Eünigl.  hofT  mit  Einer 
aller  vudtthänigsten  anfrag  Einzuscbickben  vnd  die  Verhalts  resohition 
Einzuholen.  Den  10.  September  1741. 


Nr.  V. 

Aus  dem  Bericht  des  dem  Kurfürsten  entgegengesehichtert  ständischen 

Commissärs  Joh.  Jos.  Wiellinger  von  der  Au  an  die  Verordneteti  des 

Landes  ob  der  Enns.  Pfarrhof  Waieenkirchen  1741,  September  12. 

Orig.  K.  a.  k.  Haus-,  Huf-  und  SUatsArchiv,  Kriegsscten,  Fase.  342.* 


.  .  .  Nachdem  der  churfürstl.  General  adjutani  zu  2  mahlen  eigens 
voransgekommen  und  mir  bedeüttet,  ob  ich  nicht  üiro  durchleücht  bey  dero 
anmckhung  selber  sprechen  und  in  etwas  entgegenkommen  wolte,  mich 
endlichen  auf  eine  und  andere  100  Schritt  nebst  Hn  Äusschuss  Seerctari 
Schmidtpauer  fahrend  binausbogoben  vnd  daselbst  bey  erster  haltmachung 
Ihre  dnrchleücbt  und  dero  gesamten  goneralität  meine  Anfwarthnng  mit 


'  Der  hier  bU  auf  einige  nuwenonUiche  Stellen  wiedergogebene  Uericbt 
WUlingers  xtX.  der  dritte,  den  er  an  die  Verordneten  nncli  Linz  abgehen 
liesü.  Der  Knrfilrst  gedenkt  der  Begngnung  mit  den  ,dGpnt&i  des  ütats* 
(v.  Willinger  nnd  LandewiecretAr  Schmidtpauer)  in  seinem  Tagobuche. 
(Heigel,  Tagebuch  Karls  VII.,  8.  20.)  Vgl.  auch  Arneth,  Maria  The- 
reeU  I,  8.  25 1. 


L 


428 


dieser  erin<ierung  abgestattet  habe :  dass  ich  nebst  einer  kloinen  Canzlcj 
vun  denen  zn  Linz  anwesenden  Landschaffts-Verordneten  zu  diesem  Ende 
anhero  abgeschicket  worden  seye,  damit  aller  Unordnung  und  Betrangnus 
den  iirmen  Landsunterthaucn  und  Insassen  mit  aufbringung  deren  soTill 
inögüch  vorhandenen  Vorpfiegungs-requisiten  vorgebogen  und  abgeholffen, 
mitbin  zu  keinen  Landschädlichen  Eicessen  anlass  genobmen  werden 
möge;  Und  damit  waren  Ihro  durchl.  der  Churfürst  unter  beständig  auf- 
merksamen ZuhOrnng  nnd  (,zu  Pferd  sitzend'  in  margine)  abgehaltenen 
hnt  sehr  wohl  zufriden,  erwiderten  auch  mit  deüttlicher  Expression  gdist: 
dass  dieselbe  solche  Vorsorg  N.  B.  deren  Ständen,  ich  aber  hab  nur  den 
Namen  deren  Verordneten  gebrauchet,  mit  Verhüttung  aller  Excessen 
nacbtracklich  nnterstützen  und  nicht  änderst,  als  ein  Vatter  mit  seines 
Kindern  handien  wolle  und  wofern  einiger  excess  wider  Verhoffen  fBr- 
fallen  thäte;  so  solle  derselbe  Ihro  alsogleich  unmittelbar  angezaig^t  und 
sich  der  remedirung  und  Ersetzung  allerdings  versehen  werden. . . .  Ess 
vorlautet  beynebens:  dass  zu  Passau  und  selbiger  Gegend  von  französi- 
schen auxiliar  truuppen  alles  wimmlet  und  erfiUet  seje,  mithin  von  durt 
aus  nebst  der  artiglerie  alles  zu  wasser  folgen  werde,  wan  vorhero  die  zu 
Land  über  Peurbach  und  wie  man  veimuthet,  jedoch  noch  nichts  ver- 
ordnet ist,  mit  dem  rechten  Flügl  und  corp  über  Haag  nnd  Weiss  einge- 
ruckhet  und  die  Donau  und  Traunfluss  bedecket  seyn  wird;  Wohin  aber 
nachmahls,  wan  das  beständige  Vorgehen  nacher  Wien  nicht  gegiündet 
seyn  solle,  diese  namhafte  und  was  hier  diu'chgehet  in  lauter  schönen 
leütheu  und  pferden,  wie  auch  vast  durchgeheus  aus  teutschen  Volk  be- 
Ktebende  arm4e  sich  weiters  hinwenden  und  ob  selbe  villeicht  bey  St«in 
über  die  Brücken,  oder  aber  über  Linz  nacher  Böhmen  oder  nach  zurück- 
gelegten Traun-  und  Ennss  Fluss  zu  wasser  und  Land  directe  nacher 
Wien  ihren  marclie  fortsetzen  werde,  ist  eigentlich  noch  nicht  zu  errathen, 
sondern  (inmassgebig  von  allen  bisherigen  Verlauff  nach  dero  orleflchten 
Gutbefund  an  die  lübl.  Generalität  boy  oder  unter  Ennss  wie  auch  aacher 
Pressburg  nnd  an  das  Eonigl.  Büheim.  Kraysamt  zu  Pudweiss  die  schleu- 
nigste Nachricht  zu  ertheiien. 

Ess  gehet  der  Eiumarche  so  sachte  von  statten,  dass  er  vor  spatter 
Nacht  schwerlich  voltendet  werden  kan,  wan  alle  15000  Mann  hieher 
kommen  und  keine  andere  route,  worvon  mir  noch  nichts  intimieret  wor- 
den, genohmen  werden  solle;  H.  gr'al  Schmettan  befindet  sich  anch  an 
der  ChurffirBtl°°  selten,  und  wie  zu  glauben,  in  der  qualitet  eines  königl. 
Preysischen  Gesandtens,  ich  empfehle  mich  etc. . . . 

Afn  oberen  Rande  »eines  Berichte»  bemerkte  v.  Wiellmger  mit  BUistifi: 
F.  8.  Bey  Einmckung  des  Churfürstens  hat  der  Pfleger  zu  Waizenkirchen 


429 


rnd  dasiger  . .  .  (unleserlich)  ohne  mich  zu  fragen  mit  LeOttung  aller 
flocken  die  Landsfürstl.  Bogrßssiuig  abgestattet,  welches  zn  Payrbach 
nicht  geschehen  sein  wirdtet. 


Nr.  VI. 


ZKciter  Bericht  des  ständischen  Commissärs  Johann  Joseph  Wiellinger 

von  der  Au  vom  selben  Tage  wie  V.  an  dir  ständischen  Verordnelen  in 

Lins.^    I^'arrhol'Waieenkirchen  1741,  S^t.  12. 

Otif.  K.  n.  k.  Haai-,  Hof-  und  Staatsarchiv  in  Wion,  Kriegsacten,  Fase.  342. 

Nachdeme  ich  bereits  seit  gestern  und  heut  3  Staffetten  von  Beyr- 
bach  mit  relationen  aller  umstände  und  fürfallenheiten  au  Euer  Gonst 
und  Freuadschafft  abgefertiget,  alhier  aber  keine  Post-Station  ist,  son- 
dern von  Orth  zu  Orth  derley  Naclirichten  durch  Botlien  geschehen  muss, 
also  erindere  ich  deroselben:  wasnuuit^on  ich  heut  zur  Ihro  Durchleücht 
den  Chnj-fOrsten  nach  geendigter  Tafel  loniffon  worden,  und  daselbst  die 
weitere  Befehl  dahin  eingenohmen,  das«  dor  marcho  von  hier  nacher  EiTer- 
ding  fortgehen,  daselbsten  auch  zu  wasser  9000  Mann  französischo 
?ölcker  darznstossen  über  Land  aber  hieher  ebenfahls  die  französische 
Cavallerie  nachrucken  und  dem  haubt-Terrain  der  armee  nachfolgen  wird. 

Alldieweilen  aber  höchstgodacht  8r.  Durchl.  villmehr  zu  guter  Ver- 
pflegung für  die  Französische  auxiliar-troappen,  als  für  dero  eigene  be- 
dacht va  seyn  sich  erkläret,  indeme  diese  Leüth  Besonders  von  Fleiüch 
eine  grössere  und  vast  doppelte  portion  resspectu  denen  Bayrischen  prae- 
tendiren,  auch  denen  Excossen  und  impertinentien  mehrers  ergeben  selud, 
alss  ist  mir  von  dem  ad  latus  Serenissimi  Cummandirenden  H""  generalen 
Peldmarschall  Grafen  v.  Thöring  gegenwärtiger  Eutwurff  deren  Ver- 
pflegnngs-Nothwendigkeiten  für  das  morgige  Lager  zu  Eflferdiiig,  mithin 
vennuthlich  auch  für  eine  Bichtsclinur  zu  Linz  zugestellet  worden,  wor- 
bey  es  aber  schwärlich  sein  riclitiges  bewenden  behalten  wird,  indeme  alle 
dieee  Völker  nur  biss  Freytag  mit  Brod  und  etwas  von  Haber  aus  char- 
hajt.  magazinen  versehen,  immittelst  aber  allstäts  mehrere  Trouppen  zu 
wasser  nach-kommen  werden ;  Hier  ist  man  endlich  noch  ziemlich  zu- 
fridentlich  ausgekommen  und  haben  Ihro  Durchl.  Selbsten  die  Obereillnng 
der  Zeit  gar  wohl  erkennet,  auch  sonsten  im  discurs  vorläuffig  zu  erkennen 


'  In  der  Reihenfolge  Ȋmmtliclier  Hericlitc  Wiellinger's  an  die  Verordneten 
wXre  dieser  Nr.  4.     Vgl.  Cup.  'i  vorliegender  Arbeit. 


430 


ijegeben :  dass  hOcbatdieselbte  zu  Linz  mit  Bfler  Gonst  und  FrefindschaSl 
wegen  konfftiger  aufbürung  der  contributions-raichnng  und  Einknnfften 
an  unsern  allergdste  Frau  und  LaudsfQrgtin  alles  abmachen,  und  das  be- 
hOn'ge  verordnen,  auch  hierinfalls  sowohl  als  in  andern  Stücken  das  Land 
nach  möglichsten  Dingen  sublevieren  wollen,  wohlwissend:  dass  8elb| 
seit  Villen  jähren  hart  mitgenohuieu  und  geschröpfet  seyn  worden,  81» 
weiten  auch  wünschen,  dass  es  deroseits  zu  dieser  Ertromitet  niomahls 
hätte  kommen  dfirffen,  wan  man  ehedessen  zu  einen  billigen  Vergleich 
an  den  Wienoi'-Hof  sich  hätte  verstehen  wollen,  Nun  aber  mflsse  es  schon 
also  geschehen,  damit  Sie  bey  Gott  und  dero  Nachkommen  keine  Verant- 
wortung auf  eich  ladeten  and  dasjenige  Recht  behaubteten ;  welches  Ihro 
Gott  Qud  die  Natur  gegeben  hätte. 

(Der  Rest  des  Berichtes  betrifft  Verpflegs-  und  Correspondenx- 
angelegeuheit.  Ein  Zettel  Tön-ing's  liegt  bei  mit  Angabe  des  fOr  den 
13.  September  1741  Erforderlichen  und  der  Bemerkung:  Notandum. 
Dieses  ist  nnr  fOr  die  chnrbayr.  Tronppen  alleinig  zu  verstehen,  mithin 
auf  dem  Zuwachs  und  conjunction  des  Französischen  Ki'iegs  Volks  allent- 
halben mit  weit  mehreren  Mund-  und  Pferdportiouen,  auch  Holz,  stroh 
Brnd  und  Bier  anzuti-agen,  gestalten  der  gemeine  Mann  vast  alles  essen 
nnd  trinckben  wie  auch  das  Brod  mit  haaren  Geld  bezahlet.) 


Nr.  Vn. 


1 


Die  ständischen  Verordneten  an  Maria  Theresia  am  Tage  der  Besetarng 
von  Lim  durch  die  Baiem  und  Franzosen.  Line  1741,  Sept.  14. 

Concept.  K.  a.  k.  Hsns-,  Hof-  nnd  StaaUnrchiv  in  Wien,  KriegMCtea,  Pasc.  34S. 


Wftf?  Eur  Khönigl.  May.  durch  allerhöchstes  roscript  vom  12.  diesM 
allergdigst  Erlaubet,  die  Veranstaltung  fortzusötzen  vnd  dahin  anzo- 
tragen,  damit  aller  ruiu  des  landes  vormindert  vnd  dass  was  man  nicht 
verhindern  khan  mit  Ordnung  bRygoschafft  werde.  Erstatten  wQr  aller 
vuthgst  allergehorsten  Dnnkh.  Diese  vorgekehrte  disposition  hat  nnn 
soviel  gefruchtet,  dass  zu  dato  vngebindert  die  Cburfflrstl.  vnd  französisch. 
Völker  alda  in  24  Bataillons  vud  escadrons  bestehen  vnd  Morgen  alhie 
vnd  bey  Eblsperg  stehen,  die  Stadt  aber  besetzen  werden,'  khoin  Eicess 
geschehen  ist;  bey  dieser  eüssei-stun  desulation  gereichet  allein  zu  vnMrw 


Die  Beietziing;  erfolgte  oubon  am  14., 
ding«  erst  am  16.  September. 


der  Eineiig  Karl  Albrechts  aller- 


431 


Consolation  die  Hoffnung  vnder  die  Sanftmfl ottigst  östorroiciiische  Ro- 
gierung  bald  wiedeiiimb  zu  khoiiimen. 

Womit  zn  allerhrjchst-Klirmigl.  vnd  Landsfüi'stl.  Hulden  vnd  gdn. 
allerTnthgst  ailergehorst.  EmpflL'U. 

Linz  den  14.  Sept.  1741.  Gosambte  Verordnete. 

Nr.  Vra. 

Bericht  des  ständiscJien  Obercommissärs  für  das  Viertel  ober  devi  Man- 
hartsbcrg  Fram  Friedrich  Graf  Engl  an  die  niederösterreichischctt 
Verordneten  über  die  Verhältnisse  in  Obcr-Oestcrreich  während  der  An- 
veaertheit  des  Kurfürstert  Karl  Albrechl  mit  der  bairisch-franeüsischen 
Hauptnrmee.  Schloss  Mühlbach  1741,  September  24. 

Orig.    8    Seiten,    uiederOsterreichisches  Landesarchiv    ,Laud-Defension    vom 

Jahre  1741'. 


Nachdem  ich  verflossenen  17.  dieses  meinen  hiesigen  herrschaft- 
lichen Taffern  Würth  Simon  Eidler,  als  wolcber  von  gebuiih  ein  ubcr- 
Csterreicher  und  1.5  Jahr  auch  za  Linz  bey  mir  als  giitsclier  gedienet,  in 
Beiner  Lands-Kleydang  nach  Bomclton  Lintz  zu  Pferd  abgescbickhet  umb 
des  Feundes  wahre  Beschaffenheit  zu  erfahren,  so  kämme  mir  derselbe 
gestern  sehr  spath  wieder  anhen)  zui-uck  mit  Vermelden,  dass  er  den  19. 
angefragter  Aber  das  gebflrg,  durch  Arbessbach,  Pruegarden  und  der 
B'jhmischen  Freystätter  Btrass,  ürfahr  über  die  Pruckhen  zu  Lintz 
in  Meinen  Haus  angekommen,  auch  alda  einen  Tag  und  2  Nacht  geblibea 
«eye,  allwo  er  sonsten  durcbgeheiids  Nichts  als  in  Urfahr  eine  starke 
Wacht  nebst  denen  Capucinern  und  an  den  Fues  der  Bruken,  ingleichen 
auch  bey  den  Linzerischen  Wasser  Thor  die  Französisch-  und  Bayrische 
Soldaten  gesehen,  das  Wiener  oder  Sdimidthor  allJa  mit  Besonders  starker 
Mannschaft  besetzet,  bleibet  auch  Nächtlicher  Zeit  offen,  das  Landhauss- 
thor wird  also  ebenfalls  bewachet,  nach  2  tagen  aber  ist  beederseits  ein 
landschaftlicher  Vorsteher  gestattet  worden.  Der  Churfürst  wohnet  noch 
in  dem  Schlos  und  reittet  täglich  abends  nm  5  uhr  theils  Ober  die  Brücken 
in's  TTrfohr.  theils  in  das  Lager  gegen  Enns,  mit  ungefähr  20  Officiers  in 
jttschaft.  Die  Donan  und  gebürg  seynt  den  20.  gegen  Willering  re- 
scieret  und  abgemessen  worden,  welche  Intention  leicht  zu  erachten 
ist;  das  lager  gegen  Enns  fanget  an  nebst  der  Donan  bey  dem  Eckhards- 
koff  Ober  den  Caplan-Hoff  biss  an  den  Stock  und  Mäderer  Hoff,  so  in  der 
länge  eine  stund,  in  der  Breithe  aber  eine  halbe  stund  austraget  und 

AreUT.  LXXXVIL  B<1.  U.  mifU.  88 


I 


432 

würdet  auf  30*°  Mann  geschätzet.  Es  kommen  noch  täglich  allda  auf  den 
Wasser  ville  Trouppen  an  und  werden  noch  mehrer  Erwarttet;  von  einigen 
Marsch  allda  in  Böhmen  würdet  nichts  gedachtet,  noch  veranstaltet,  wenn 
auch  Feld  Posten  dahin  ausgesetzet.  Der  Herr  Praeses  deren  HH*'  Ver- 
ordneten solle  biss  Calvari-Berg  dem  Churfttrsten  entgegen  gekommen 
seyn,  nnd  ihme  allda  gahr  wohl  angeredet  haben,  wie  er  dann  auch  gahi 
gutt  angesehen  seyn  solte.  Die  Fourage  und  andere  liffemngen  werden 
durch  die  HH'"  Verordnete  Froportionaliter  angeschaffet  und  auf  die 
Zahl  der  einlag  eingerichtet.  Es  würdet  unter  denen  tronppen  scharpfe 
ordre  gehalten  und  wachten  aufgestellet,  dass  die  Miliz  in  denen  Hänsseren 
keine  Excessen  aussübe. 

Es  sollen  sich  4  Gesante  als  ein  Bäbstlicher,  ein  FranzCsischer,  ein 
Sächsischer  und  ein  Preysischer,  nebst  dem  general  Schmettau  bey  dem 
ChurfQrst  befinden.  Eingangsgedachter  Simon  Bidler  hat  auch  140  fette 
polnische  Ochsen  auf  denen  Wissen  unter  den  ürfahr  mit  äugen  gesehen. 
Der  Churfttrst  soll  dem  gewesten  Herrn  Lands-Haubtmann  sehr  bethrolich 
seyn,  das  er  das  Schloss  völlig  ausgeraumet  und  sich  entfernet  habe. 
Übrigens  seyo  die  völlige  Veranstaltung,  so  bald  die  mehrere  tronppen 
auf  den  Wasser  ankommen,  den  Marsch  also  weither  fortzusetien.  Hennt 
Frühe  gleich  da  ich  in  Verfassung  dieser  Aussag  begriffen  bin,  kommet 
auch  der  von  mir  den  20.  abgeschickte  weeg  Breiter  Cihristoph  Hörsti- 
hoffer  und  meldet,  dass  selber  den  21.  darauf  zu  Persenbeug  ankommen 
und  von  dar  gleich  mit  einem  gewosten  daselbstigen  Hofschreiber  Joseph 
Conrad  nacher  Matthaiisen  abgefahren  seye;  weilen  sie  Beede  unterwegs 
auf  alle  nachfrag  von  keinen  Feünd  etwas  benachrichtiget  worden,  ist 
ihnen  doch  zuegestossen,  dass  Sie  bey  einfahrung  zu  Matthanssen  in  eine 
grosso  Äiizall  Französischer  officiers  geratten,  und  von  selben  anter 
Villen  ausfragen  umrungen  worden.  Worunter  nur  einer  deutsch  geredet; 
Ks  Holten  dahero  selbe  sich  mit  Ihnen  zur  Armee  auf  weithere  Untersuchung 
bogoboii.  Dem  gutten  Wegbreiter  wäre  sehr  angst  bey  dieser  sach,  weillen 
or  noch  die  von  mir  ihme  mitgegebene  Notata  wohlverwahrter  bey  sich 
hatte:    Ks  kämme  aber  ungefähr  von  orth  der  Würth  von  grienen  Banm 
in  Vorboygohen,  welcher  auch  angeschrieben  wurde:  Nichts  deutsch  Soldat 
UioiV  wttloliov  sodiin  mit  der  Hand  hinter  sich  deüttend  meldete  —  da 
^Knch  soyut  200  Husarn,  so  auch  in  der  Thatt  über  den  Wasser  in  der 
.Vu,  »Iss  von  Warasdinischen  Corpo  zurückgeblieben.  Es  ist  sodann  gleich 
das  gwichrort  unter  ihnen  aussgobrochon :  Üsär;  Üsär;  und  sprangen  so- 
dtuiii  ^Uov'h  in  ihre  3  zillen  einer  dem  anderen  stossend  gegenüber  in  ihre 
.Vi»  Ulla  l  >««^'i  svhloinigst  wider  abzufahren.  Wordurch  dann  der  in  ängsten 
va#««»(v  \^<.K<^  lUvittor  indessen  zeit  gewuhnen  zu  entfliehen.  Die  Nach- 


438 


riebt  aber  hat  selber  verlässlich  tnitgebmclit,  dass  den  22.  allwo  er  abend;; 
omb  6  uhr  angekommen,  ein  starkes  Corpo  von  20""  Man  von  Linz  nnib 
4  nhr  Abends  biss  Enns  angekommen  und  sich  Kwiscb(>n  dor  Stutt  Eiins 
und  Donau  nebst  dem  Enns  Flus  hinauf  gelagert  habu.  Die  ScliilT  Brück 
Ober  die  Enns  boy  der  Statt  allda,  hat  sollen  bej  straff  des  anfhenkens 
den  23.  verfertiget  sejn,  innb  in  das  V.  0,  W.  W.  einziitrettnn.  Von 
einigen  ein  Marsch  in  Bölimün  dasiger  orthen  würdet  nichts  gedacht,  son- 
dern die  Artillerie  stehet  auf  Flessen  und  schiffen  schon  zu  Matthausen, 
mithin  schon  4  Meyll  weeg  herunter  der  böhmischen  Strassen. 

Die  Frantzosen  fragen  auch  nur,  wie  weith  noch  auf  Wionn  seyo. 
Zu  Enns  seynt  Wegen  verübter  Excesseu  3  Frantzosen  aiifgnhänget  worden. 
Der  Commandierende  general  zu  Enns  hat  die  errichtete  schantzen  über 
den  FlnsB  recognosciret,  dabey  aboreinen  grossen  schrecken  ausgestanden, 
da  die  Beraelte  Husaren  sich  gegen  ihme  genächeret,  wie  dan  ein  grosse 
Forcht  desswegen  unter  ihnen  ist.  Die  Bayrisch  und  Franz.  Trouppen 
seynt  personaliter  einander  gehässig,  so  dass  öfftern  Becontro  unter 
ihnen  beschechen. 

Die  SchiflTleith  dürffen  auch  bey  aufhencken  sich  von  ihren 
Fahrzefichon  nicht  entfcrnon.  Mithin  dan  dar  genug  an  Tag  ligct,  dass 
nach  versamleuden  grösseren  Corpo,  wie  ich  schon  selbsten  zu  Wienn 
mOndlich  mit  mehreren  gemeldet  habe,  der  Zug  nach  der  Donau  herab 
also  nächstens  auf  Crenis  gehen  würdet,  weillen  abui  bishero  observiert 
worden,  dass  der  Churfilrst  aller  Orten  wegen  der  Snbsistenz  seiner 
Armee  die  zeitliche  Naclnichteu  einschicket,  also  würdet  Bleicht  an  Eure 
gnnst  und  Freundschaft  auch  schon  etwas  ergangen  8eyn,  wan  nicht  ein 
solches  wegen  der  in  Land  entgegensetzenden  Miliz  verhindert  wßrdet. 
Die  Forcht  ist  hiesiger  gegend  ungemein  und  der  untortban  zum  anbauen 
fast  kleinmßthig,  wo  doch  in  Oberöstereich  ungehindürt  des  eingerückten 
Feondes,  noch  alles  in  Bearbeithung  ihrer  Velder  begriffen  ist.  Vielgo- 
dachter  Weegbreiter  hat  sich  bei  herabziehenden  Foünd  nicht  weithers 
tMgcben  können,  sondern  die  Veranstaltung  vorgekehrt,  dass  der  oben 
Wnante  Joseph  Conrad  zu  Oioin  verbleibe,  täglich  einen  boten  des  Foündos 
antcrnebmung  zu  beobachten  hinauf,  mit  der  Nachricht  aber  gleich 
wider  einen  anderen  nacher  Persenbeug,  von  dar  der  Markt  Kicbtor 
einen  gleichen  zu  Mir  nachor  Croms  einsenden  und  dises  also  täglich 
bescheben  solle.  Mithin  auch  ich  die  anverlangte  tägliche  Bericht '  Qber- 
tnacben  könne. 


'  Solche  Berichte  lie(fen  nicht  vor. 


88» 


434 


In  Veibleibuiig  Euer  {^nst  nnd  Freundscbafft 

dienstschnldiger 
Franz  Friedrich  graff  und  H.  Engl  m.p. 
Ob.  Com.  des  V.  0.  M.  B. 
ScLluss  Milbach'  den  34.  September  1741. 

Nr.  IX. 


Bericht  des  oherösterreichischeti  LatidscJtaftsaecretärs  Schmidtpaur  an 

die  oberösterrcichischcn  ständischen  Verordneten  aus  dem  Lager  Karl 

Albrechts  bei  Enns.  Enns  1741,  September  28. 

Orig.  K.  u.  k.  Haus-,  Hof-  and  StaAtsudiiT,  Kriegsacten,  Fuc.  342. 

Obwohlen  das  Verfuhren  deren  franzöBiEchenOfficieren  aud  Troappea. 
solang  selbige  boy  Linz  gestanden  sattsam  bekant  ist,  so  seiud  doch  deren- 
selbeu  insolentien  hier  zn  Ennss  um  hundert  mahl  grösser,  indeme  wir  hier 
weder  von  unserer  hoclien  Instanz,  noch  von  dem  Chuifüretl.  Hof  Mii 
generalitet  den  geringsten  Schutz  hoffen  können,  anerachtet  man  unsere 
Klagen  auch  höchsten  Ortb  Selbsten  gar  wohl  weiss  nnd  für  billig  erkennt; 
Gestalten  die  Franzosen  die  mehreste  Magazinen  eigenmächtig  occnpiret, 
aach  die  mit  fonrage  boladene  wägen  gleich  unterwegs  von  der  Strassen 
ohne  Mass,  ohne  Zahl  ohne  Gewicht  und  ohne  Quittung  hinwegnehmen 
und  ihres  Gefahlens  darüber  disponieren  und  zu  der  Ausgab  keinen 
unserigen  Couimissurium  geduHen,  sondern  wohl  gar  zum  üfftern  mit 
harten  scliiügen  und  gewalt  tnictiern  uns  selbsteu  aber  auf  nicht  also- 
gloich  vollziehende  Unmöglichkeiten  mit  Strang  und  Tod  betrohen,  denen 
Lands-Insassen  aber  die  Einbrechung  in  die  Scheüren  und  gänzliche 
Plflndeining  nebst  anderen  militärischen  Greül  und  Execution  biss  auf 
den  laidigen  hunger-Tod  ebenfahls  betröhlicfa  seind,  also  zwar:  dass  wir 
bpy  solchen  Verfahi'uogen  uns  andergestitlten  nicht  mehr  zu  helffen  oder 
zu  rathen  wissen:  als  dass  wir  zu  Bevorkhonmug  einer  Lands  vorderb- 
lichen PlOnilor  und  P^inäscherung  und  zu  erhiiltung  grösserer  Subsistenz- 
mittlen  selbst  unverzüglich  und  höchst  nothwendig  bitten  und  einrathen 
müssen;  damit  Eilor  Hochwflrden  und  Gnaden,  wie  auch  Uochgräfl.  Ex- 
cellenz und  liüchgrätl.  gnaden  uns  ontweders  mit  einem  namhaften  Vor- 
rath  aus  denen  Linzer  Magazinen  aller  gattungen  gdig  zn  secnndiren. 


Schlon  MOhlbar.h   im   politiHchen   Bexirk   Oburliollabratin.   (Schweikhart, 
V.  U.  M.  B.,  S.  '264  IT.)  Ciraf  Eugl  starb  daselbst  1767. 


435 


oder  aber  neben  n.ichdnicklicher  deren  noch  allenfahls  austämligon 
Lieferungen  eine  neue  wohl  crgäbtge  Herbeyachaffung  an  holz,  Stroh 
Haber  und  Hen  aaszuscliroiben  und  die  Befol^ng  aus  allen  Cräfften  zu 
betreiben;  dan,  obwohlen  ich  heut  Vormittag  dero  eingoschicktoB  pro 
memoria  *  aamt  beeden  Beylagen  Ibro  Eicolleaz  dem  Coramandierenden 
H"  generalen  Grafen  von  Dering  neben  dem  hiesigen  geringen  Magazins- 
Btand  überreichet,  und  bestens  recommandiret,  alasdann  aber  auch  hier- 
flber  zu  Ihro  Churfürstl.  Durchleücht  gelbsten  mit  H"  v.  Kirchstotter 
berufen  worden,  und  an  diesem  höchsten  Orth  in  gegenwart  hochgedcht  Sr. 
Excellenz  und  des  H°  genera!  Intendeiit  nicht  allein  die  Unmöglichkeit 
der  weiteren  subsistenz,  sondern  auch  alle  violentien  deren  französ. 
trouppen  specifice  et  circumstantialiter  nnter  gnädigsten  Gehör  mandlich 
Torgestellet,  so  ist  doch  ein  mehrers  nicht  effectuirct  worden,  alss  waa 
hiebey  gebogene  ordre  des  H"  Genoral  Intendcnt  *  in  der  Obersetzung  ent- 
haltet, deme  auch  anheflnt  allenthalben  nachgelebet  worden  und  mit  In- 
ventierung  deren  Magazinen  auch  morgen  continuiret  werden  wird,  also 
iwar,  dass  uns  alle  französ"  ravages  für  genossen  und  empfangen,  was 
wir  nur  in  etwas  wahrscheinlich  machen  können,  quittiret  werden  muss. 
Und  weilen  wir  diese  ordre  annoch  vor  anknnfft  des  gnädigen  Herrn 
Pernauers  ansgewQrcket,  so  hat  es  von  hoch  gedacht  Ihi'o  Gnaden  H"  Baron 
Pernaner  keine  weitere  Beschwiirde  und  Vorstellung  von  nöthen  gehabt, 
damit  man  Ihro  Churfürstl.  Durehleücht  mit  repetirten  Klagen  von  einer- 
ley  Sach  nicht  unangenehm  werden  möchti»,  gestalten  ich  dorley  tägliche 
gravamina  ohonfahls  erst  gestern  Ihro  Churfürstl.  DnrchP  boy  dero 
sbendlicben  NacherhaiiskuufTt  in  gegenwart  der  ganzen  hochea  goneralität 
ofTentlich  und  ausfBhrlich  vorgetragen  habe,  dergleichen  ich  auch  vor- 
gestern gethan,  und  eben  andurch  offectuiret,  dass  eine  Ober  alle  massen 
Bcharpfe  ordre  unter  allen  Trouppen  publicioret  und  zugleich  denen  Bauren 
erlaubet,  mir  aber  zur  Weitereu  Kundmachung  notiüciret  worden:  Dass 
Bie  Bauren  die  ausser  dem  Lager  ohne  Commando  ausschweiffendo  Fran- 
sosen  nnd  Bayren  auch  um  einer  abgebrochenen  Zwetschgen,  Bieren, 
.Apfels  oder  dergleichen  Kleinigkeit  gesambter  band  überfallen,  binden, 
wie  auch  allenfahls  gar  Tod  schlagen  und  so  gut  möglich  in  das  Lagpr 
suruck  liforn,  dargegen  aber  vorsichert  soyn  sollen,  dass  ihnen  untorthanen 
nicht  allein  nichts  leides  widerfahren,  sondern  noch  ein  guter  rocompens 
gereichet  werden  wird. 


*  Vom  26.  September  1741. 

*  Erlass  de«  Geueralintooilanten  Sechellea  de  diito  Eon«,  27.  September  1741, 
in  Ueberaetzun^. 


436 

Im  üebrigen  haben  wir  zu  Erbannng  der  Bach-Öfen  20000  ein- 
fache Latten-Nägl,  und  20"  Verschlag  Nägel,  imgleicheii  auch  30  stamm 
Floss-Holz  von  Steyr  kommen  und  erkauffen  lassen  mflssen,  wenn  die 
Französ.  Commissariy  nicht  allein  alle  band-  und  Arbeits-Leuth  unbeialt 
gebrauchen,  sondern  auch  160°*  Ziegl  und  noch  absonderlich  ville  Maur- 
stain  oder  in  deren  Ermanglung  die  abbrechung  einiger  H&user  gefordert. 
Ausser  deme  aber  stehe  ich  in  grösten  sorgen,  wie  ich  mit  hefl,  Haber 
und  Stroh  sowohl  fflr  jezo  als  bey  ankunfft  der  zahlreichen  Cavallerie 
erklecken  können  werde,  indeme  die  Magazinen  vast  völlig  ausgelihret 
und  die  weit  entlegene  Hen-schafften  mit  ihrer  Liferung  sehr  langsam 
seind,  und  weilen  es  mir  haubtsächlich  am  Hefl  gebricht,  alss  habe  anbeut 
durch  Ihre  Gnaden  H"  Baron  Fernauer  den  Vorschlag  thuen  lassen,  dass 
man  der  Cavallerie  nui-  eine  halbe  portion  Hefl  und  dagegen  um  eine 
halbe  portion  mehrers  Haaber,  so  jedoch  Aber  zwey  Tag  auch  nicht  daoren 
kan,  abreichen  därffto,  worflber  die  resolution  erst  erwarten  muss,  mit 
einem  Wort:  es  manglet  halt  auf  allen  selten  und  hat  doch  noch  kein 
ansehen,  dass  wir  von  diesem  Last  mit  passierung  der  Ennss  vor  etlichen 
tSgen  werden  befreyet  werden; 

Inmittelst  lasset  der  ChurfQrst  die  nächstgelegene  Auen  »Taf^n 
und  zusamenhanen,  villeicht  in  der  absieht,  fftr  die  Bevestignug  Ennss 
ein  froyes  aussehen  gegen  der  Enns  und  Donau  zu  machen,  er  hat  anch 
eine  Namhaffto  Fourage-Liferung  in  dem  Unter-Österreich.  Boden  aos- 
geschriben,  es  ist  aber  biss  dato  nichts  angekommen,  vermuthlich  weilen 
die  Husaren  genaue  Obsicht  tragen,  und  die  Strassen  unsicher  machen, 
wie  sie  dau  gestern  mit  dem  churbayr.  starken  Dragoner  Commando  jen- 
seits der  Ennss  scharff  Scharmuzziret,  worbei  die  HH"  Bayrn  den  Ver- 
lust und  Schaden  zwar  nicht  bekennen,  und  nur  einen  husaren  mit  Tillen 
Schüssen  jedoch  ohne  Verletzung  und  ohne  Pferd  und  kleyd  gefangen  ein- 
gebracht, den  sobald  der  Husar  nur  etwas  dumm  von  schussen  von  Pferd 
gefallen,  haben  seine  Cameräden  das  Pferd,  gwöhr  und  Kleydung  mil 
sich  fortgeschleppet  und  biss  auf  das  hembd  und  hosen  ausgezogen,  ich 
habe  ihn  gesehen,  er  ist  ein  ansehentlicher  Baumstai'ker  Mann,  und 
der  Churfürst  hat  ihn  mit  einem  doppelten  Carolin  beschenket  und  recht 
wohl  zu  halten  befohlen,  der  Jubel  dieser  victori  war  ungemein  gross, 
wan  er  auch  noch  so  theür  zu  stehen  gekommen  wäre. 

Ich  empfehle  mich  etc. 

Johann  Tobias  Schmidtpauer  m.  p. 

Ennss  den  28.  September  a.  1741. 


^^p 

1^^^^^^^^^^  437   ^^^B 

^^^^^^^^^^ 

^^^                             ^1 

.Lista  deren  löbl.  Stätiden  von  Praelalhcn,  Herr»,  Bilterschaß  vnd  lands-             ^^M 

far$tt"'  Stätten,    so  bey  dem  mißug  eur  Ilttldiffunff  in  dem  Schlosse             ^^^ä 

gegenwärtig  seind  den  2.  Oclober  1741.'                                      ^^H 

K.  n.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  1 

fCriegsacten,  Fase.  343,  .aus  der  Kanzlei                ^^H 

der  Verordneten  des  Erzhzgt.  Oesterreieh  ob  der  Bnna*.                                 ^^H 

LObl.  Praeliithenstandt.                                                      ^^^ 

Crems-Mönster,  St. Florian,  Lambach 

,  Gärst<»ii,Wilhoring,  Paumbgartten-              ^^H 

^^  (var^it),  Walthaussea,  Moiisee, 

Gloiitkl),  Schlügl  abest  infirmitatis             ^^^ 

causa,  Spitm 

,  Scblierbach.                                                  ^^H 

Herrn  und  Qrafenstamlt.                                                 ^^| 

Hr.  Baron  Weil  Praeses  der  Huldi- 

Hr. Graf  Woickhai-t  Spindler                        ^^H 

gung 

Hr.  Joseph  Graf  t.  Seeau                              ^^H 

Hr.  Graf  lobgott  Kueffstain 

Hr.  Graf  Augustiu  Spimller                         ^^H 

Hr.  Graf  Wilhelmb  v.  TUürhoimb 

Hr.  leo  Freyb.  v.  Hochonockh                       ^^f 

Hr.  Max  v.  Gera 

Hr.  Philiberth  graf  Füegor                           ^^H 

Hr.  Graf  Otto  Carl  v.  Hocheufeldt 

Hr.  Prix  von  Hochoneckh  Freib.                  ^^B 

Hr.  Graf  Norbert  v.  Salburg 

Hr.  Graf  Ferd.  Seeau                                   ^^^k 

Hr.  Graf  Carl  von  Öedt 

Hr.  Gustavus  v.  Pornatior  Freyh.                 ^^H 

Hr.  Graf  Gudakher  vwn  Thüiheirab 

Hr.  Franz  Joseph  Graf  v.  Seeau                   ^^H 

Hr.  Graf  Franz  Sprinzenstain 

Hr.  Joseph  Graf  v.  Seeau  zu  Puoch-              ^^| 

Hr.  Graf  ErnBt  Sprinzonstaiii 

^H 

Hr.  Graf  Wilhelmb  viui  Stalinnberg 

Hr.  Joseph  von  Clamb  Freyhcrr                   ^^H 

vor  sich  vnd  im  Namen  seines 

Hr.  Ehrnburib  Graf  Füeger                           ^^H 

Vatt«rs  Hn.  Gundomär  Joseph 

Hr.  leopoldt  von  Clamb  Freyberr                  ^^| 

Grafen  von  Stahrmberg. 

Hr.  Bernhard  Graf  von  Röd""                       ^^| 

Hr.  Johann  Georg  Adam  Froyh.  v. 

Hr.  Niclas  von  Clamb  Freyberr                    ^H 

Hocheneck 

Hr.  Joseph  von  ßistenfels  Freyhr.               ^H 

Hr.  Graf  Gottlieb  von  Tbürhoimb 

Hr.  Georg   Joseph    von    Maustorff             ^^| 

Hr.  Fridrich  Graf  Engl  bat  durch 

Freyherr                                             ^^^ 

schreiben  an  die  H"  Verord- 

Hr. Carl  vou  Hochhaus  Freyherr                  ^^| 

neten  zwar  sichEutsuhuldiget, 

Hr.  ThadaeuB  v.  Kbauttcu  Froyhürr              ^^H 

welchen  aber  an  die  Hund  go- 

Hr.  Leopoldt  vou  Eysslsperg  Frey-              ^^H 

1            iaasen  worden  ist,  durch  uu- 

^^H 

^^^^^krthgstes  anbringen  bey  ihro 

Hr.  Joseph  von  Eysslsperg  Freyberr              ^^H 

^^^^^MurfQrstl.  Üurchloöcht  sich 

Hr.  Martin  vuu  Ehmtann  Freyberr              ^^| 

^^^       XU  entschuldigen. 

1 

438 


Bitterstandt. 

Hr.  Johann  Georg  Fieger  von 

Hr.  Gotfried  Castner 

Hirschberg 

Hr.  Gabihouer 

Hr.  von  Hakh 

Hr.  N.  Stibör 

Hr.  Hayden  von  Dorff 

Hr.  N.  Stibör 

Hr.  von  Urtstetten 

Hr.  Schmidauer 

Hr.  Achatz  Wiellinger  von 

der  Au 

Hr.  Carl  von  Cronbichl 

Hr.  Joseph  von  Eysslperg 

Hr.  von  Moll 

Hr.  Otto  von  Eysslperg 

Hr.  Wilhemb  von  Cronbichl 

Hr.  Joseph  von  Wiellinger 

Hr.  von  Eckhardt 

Hr.  Gotfried  Höritzer 

Hr.  von  Springenfels 

Landsfür 

ätl«  Statt. 

Statt  Steyr  .  . 

Joseph  v. 

Erb 

Linz 

Stephan  ] 

Pillwitzer 

Weiss    .... 

Daniel  Grezmflllner 

Ennss   .... 

Martin  AurpCckh 

Abgeordnete 

Freystatt.  .  . 

Joseph  Gubatta 

Gmnnden.  .  . 

Hr.  Georg  Gruber 

Vökhlöpmkh  . 

Michael  Neuhauser 

Indorto:  Lista  deren  gesambten  Vier  ständen,  weliche  beydem 
aufzug  zur  Huldigung  in  das  Schlos  gogenwerttig  soind, 

den  2""October  1741. 

Nr.  XI. 

.Beschreibung  des  auf  den  2.  Odober  annoch  Vorgehenten  Htildigw^- 

Actus  in  Line.' ' 

K.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv  in  Wien,  Kriegsacten,  Fase.  343. 

Nachdem  hierzu  alle  Landts  Mitglieder  durch  Chnrf&rstl.  eigen- 
händig vndei-zeichnete  erforderung  berueffen  worden,  so  haben  an  er- 
meltcn  Tag  des  2.  October  dess  lliV"  Jahi-s  die  gesambte  Ständte  Ver- 
sambleter  im  Landthauss  umb  halber  8  Uhr  Frühe  sich  einzufinden  und 


*  Wurde  nach  einem  ,Memorial  für  die  ISbl.  Stände  in  Huldig^nngssachen* 
(K.  k.  Hang-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  OberSsterreich  1660 — 1749)  den 
Ständen  vom  kurfürstlich  bairischen  Hof  zugeschickt. 


439 


:h  daselbst  in  der  Bathstoben  abgelesener  ordnang  des  beuorstehenden 
^  haben  sye  fiber  den  gang  in  die  ChnrfQrstl.  anti  Camera  hinaaf  in's 
iloss  zn  Fuess  sich  zu  begeben.  Die  hiesige  Burgerschaft  hingegen 
letzmahls  bey  TOI)  Mann  stark  gewetieu  seiti  solle)  mit  ober  und  ander 
ihr  klingenden  Spill  und  Biegenden  Fahnen  längstens  nmb  7  Uhr  auf- 
leben und  in  der  Mitte  des  Platz  sich  zu  stellen  hat. 

Es  werden  weithere  8  C'hurbayrische  Grenadier-Compagnien  des 
.ties  Rechte  seithen  und  die  Linckhe  hingegen  2  Escadrons  Bayrische 
igoner  besetzen  und  aambentl.  also  aldorth  Paradiren.  Nit  weniger 
rdet  auss  dem  Churbayr.  Leib  Itegnit  die  Spalier  von  der  Pfarrkhörchen 
durch  die  Pfarg^sen  über  den  Plaz  durch  die  Clostergassen  und  alt- 
It  biss  am  Berg  dess  Schlosses  formii'ret  werden. 

Wenn  die  gesarabte  Ständte  in  der  Churfrtl.  Anti-Camera  angelangt 
1  werden,  würdet  über  ein  Kurzes  dem  Lübl.  Praclatben  Standt  von  dem 
irfi-tl.  Caminer  Fourior  Mfindüclien  beigebracht  werden,  sich  Vorauss 
lie  PfaiTktiürchen  zu  bogeben,  umb  Sr.  ChurfOrsU.  Durchl.  bey  dem 
>re  ermelten  Kirchen  empfangen  zu  ki^nnen. 

Bald  darauf  haben  die  Churfrtl,  H  H  Ministri  und  H  obrist  Cam- 
■er  die  Churfrtl.  Hufämbter  denen  Jenigsn  abzutreten  und  zu  über- 
en,  die  dises  Landt  Erbämter  zu  bedienen  oder  Zuuertretten  haben 
den. 

Indessen  würdet  alles  zur  Boreithschafft  dess  Zuges  angerichtet 
l  die  sammentl.  Statt  Thor  biss  nach  vollendton  Huldigungsact  gespart 
bleiben,  allem  bey  dem  Kloinen  ThQrl  undor  ausgesezter  Wacht  ienos 
Bund  eingelassen,  wass  nuthwoudig  berinn  oder  daranss  zu  thuen haben 
j.  Wann  alles  in  Ordnung,  gehen  Ihre  Churftl.  üurchl.  vnder  Be- 
ithnug  des  Hofs  und  gesambt  Hüchst  Ihro  Vertrettenden  Erbämtern 
ab  über  die  stiegen  und  setzen  sich  auf  das  nechst  der  stiegen  in  Be- 
hscbatTt  stehende  leib-pfert,  uuder  Darbiettuug  des  steigbigls  und 
tterer  Hilf  Leistung  von  dem  obrist  Erb-Laudt  Stallmeister,  worauf 
0  Churfürstl.  Durch!,  in  folgeuder  Ordnung  in  die  Pfarr  Beitten; 
frohen: 

^B.  Die  Lanffer 

^fc.  Die  Bediente  von  denen  Ständtcn  und  Hof-Cavaliorcn 

3.  Die  LandtscliafTts  Trompeter  und  Paukher 

4.  Die  Chnrfrt!.  Hayduckhen 
6.  Die  Churfrtl.  Hoflaggey 

6.  Die  Landschaffts-  und  Hof  Bediente 
1-7.  Die  abgeordnete  von  denen  lurstl.  Stätten 


440 


8.  Der  obrist  Erblandts  Panuier  mit  Bedeckhten  Haubt  and  Qi«- 
genJen  Erblandts  Pannier  Fahnen 

9.  Der  LandschafTts  Canzlej  Syndicus 

10.  Der  Kitterstand 

11.  Der  Herrenstand 

12.  Die  Churbayr.  Officiers  und 

13.  Die  ChurfürstJ.  Camniorer 

14.  Die  Churfürstl.  Geheimbe  Käthe 

15.  Die  Erbämter:  Vor  welchen  der  Herold  im  Wappenrokh  mit" 
dem  Uerolds-Scepter  au  Uarchirret. 

16.  Der  Erblandt  Marechal  zu  Pferdt,  mit  entdeckhten  Haubt,  du 
cntbLöstc  Bchwcrdt  vor  sich  haltend. 

17.  Ihro  churfürstl.  Durchl.  zu  Pferdt  mit  der  Wacht  der  Hätschieren 
zu  Fuess  becderseits  umbgeben.  Linkhor  Haudt  in  neu  denen  Hütachieren 
uad  negst  dem  Leitpfordt  der  obri&t  Erb  Land  Staltmeistor  gleichfaUs  in 
Fuestj,  und  etwass  Ruckhwerts  seiner  der  obrist  Erblandts  Schildtra^ 
den  Schild  an  den  linkhcn  armb  tragend. 

18.  Der  Hätschieren  Haabtmann  und  dessen  Erster  Lieuth.  Buck- 
werts boy  der  Croupe  des  Pferds  rechter  soithen:  dann  linkherseits  der 
Trabanten  Lieuth. 

19.  Hinter  Solchen  die  anwesenden  4  Cumnier  and  Feldt  Knaben. 

20.  Sothaiier  Zug  würdet  Ton  einer  Compagnie  Infanterie  auss  dem 
Leib  Kgmt  beschlossen. 

21.  Hinterwclchen  der  Chi.  Leib  Wagen  mit  6  Pferdten  nachfahret. 
Gleich  bey  dorn  Kfirchen  Thor  worden  Sr.  Chnrfrl.  durchl.  von  deneo 

HU"  Praelatbon,  die  schon  in  Pontificalibus  angelegt  sein  —  und  der 
obrist  Erb  Landt  Hof  Caplann  sowohl  im  hinein-  alss  Heraussgehen  das 
heyl.  Weyhwasser  praesentiren  solle,  biss  zu  dem  errichteten  Paldachin 
und  darunter  gesezten  Bettstuhl  bogleittet,  auf  welchen  Ihre  Churfürstl. 
Durchl.  sich  Niederlassen  und  die  Erbflmter  mit  Ihren  Insignien  beeder- 
seiths  dess  Bettstulles  ihrer  unter  sich  haltenden  Ordnung  nach,  wie  an- 
liegendes Schema  zaigot  dich  zu  stellen  haben;  darauf  der  Erste  H.  Prae- 
lath  das  veni  Sancte  Spiritus  intonieret  —  nach  solchem  das  Hochambt 
anfanget,  deme  2  H.  Prelathen  als  assistentes  bey  wohnen,  und  inn  wel- 
chen der  H.  Praclath  von  Stoyrgärsten  alss  obrist  Erblandt  Caplann  nach 
dem  Evangelio  das  Evangely  Buech  und  bey  dem  Agnus  Dei  das  Pacem 
ad  osculanduni  Ser"""  öborbringet:  so  baldt  das  Hochambt  geendet,  gehet 
alles  in  voriger  Ordnung  inParade  zuruckh  in's  Schloss-  und  in  die  Cbur- 
fflrstl.  anticamera,  von  solcher  aber  sogleich  Ihre  Churfl.  durchl.  in  Ihre 
Betirade. 


441 


'  Tber  ein  Kleines  hat  der  obrist  Erbland  Cammerer  den  anwesenden 
IsndscbafTtl.  ansschluss  zur  audienz  bey  Ihro  Chur.  füistl.  Durchl.  anzu- 
melden, welche  Syc  gdist  eingestehen  nnd  destwegen  herauf  in  die  anti 
iüamera  ander  dem  Paldachin  sich  verfügen  werden,  bey  sothauer  Audienz 
ffürdct  die  anred  von  dem  ältisten  auss  dem  Herrnstandt  in  Namen  der 
rtreu  gehorsambsten  Ständten  zu  dem  Endte  gemacht,  umb  Ihre  Chur- 
irstl.  Dri.  gdigst  geruohon  mögen,  sich  zu  denen  versumbloten  Ständten 
n  ablegung  der  Huldigungspllicht  xu  begeben,  worauff  Ihre  (Jhurfl. 
hirchl.  widerumb  in  Ihre  retirade  baldt  darauf  aber  under  Vortrettung 
ler  Erb-Ämbter  in  den  Huldigungs-Saal  sich  verfüegen  und  vnder  dem 
faldachin  in  den  Lähnsessl  auf  einen  iu  3  Staffeln  bestehenden  autritt 
Üch  Nidersetüen :  Die  Erbambter  hingegen  auf  beeden  seitheu  in  ihrer 
irdnung  linkhs  und  rechts,  die  Landt  Ständte  aber  gegenüber  Ihm  Churfrtl. 
)urchl.  sich  stellen  werden;  gleich  aiss  sich  Ihre  Churfürsti.  durchl.  sich 
üiedergesetzet,  geschieht  der  Vortrag  von  dem  H.  Gehaimbeu  Raths  oder 
dce  Cantzler,  welchen  Vortrag  der  ältiete  Sias  dem  Herrenstaudt  beant- 
rorttet  und  hier  auf  Ser"°*  seine  willßhrigo  erklärung  von  Mundt  auss 
[dist  ertheillet. 

Es  würdet  sohin  von  dem  geheimben  Raths  vice-Cantzlor  denen 
i  oberen  H.  H.  Ständten  bedeuttet  werden,  die  Pflichta  formul  aufmerkh- 
amb  anzuhören  und  solche  von  Worth  zu  Worth  mit  lautter  stimm  nach- 
lusprechen  . .  .  Sequitur  pritclectio  homagij  per  Cancellarium  vor  die  ober 
t  Ständt.  Gleich  darauf  die  abh'»sung  desselben  an  die  abgeordnete  der 
jandtsfürstl.  Stätten  mit  dem  Vnderschiedt,  dass  diese  mit  aufgehoben 
I  Fingern  den  aydt  schwfiren  mQessen. 

Hierauf  würdet  denen  gesambteix  Ständten,  der  auf  Piramcnt  ge- 
lehribene  und  gefertigte  Bestätigungsbrief  deren  Froyheiten  aussge- 
Andiget,  so  dann  der  Handt  Kuss  und  die  anglobung  der  Ständte  folget. 
Juder  welchem  das  erete  Salva  von  der  auf  den  Plaz  Postierton  Miliz, 
Vie  auch  auss  denen  auf  dem  Schloss  und  auf  dorn  Ufer  der  Donau  ge- 
iflantzteu  stnckhen  erfolget,  zugleich  auch  alle  glockben  der  Statt  go- 
ftuttet  werden. 

Sohinn  hegeben  sich  Ihre  Churftl.  durchl.  under  voriger  Bogleittung 
A  die  UoflfCapellen  dess  Schlosses  in  welcher  das  te  Deum  unter  scheuen 
llasic  und  zweyter  Salva  Gebung  dess  gross  und  kleiueu  Geschützes  iu- 
Bniert,  nach  solchem  aber  Ser"°  biss  in  sein  Retiradozimmer  zuruckh 
^leittet  würdet. 

Gleich  darauf  würdet  von  obrist  Silber  Cammerer  in  eben  dem  Saal, 
Vorinnen  der  Huldigungsactus  Vorgängen,  die  Tafel  under  dem  Paldachin 
Ud  auf  die  darin  schone  fündige  Estrade  von  1  Staffl  gedeckt,  suhin 


k 


442 


nach  geschafften  Speissen  tragen  werden  von  dem  obrist  Erblandt  Trucli- 
8688  deme  Jedes  mahl  der  Stabimeister  rorauss  zu  gehen  hat,  mit  dennen 
von  ihme  hierzu  erbettenen  24  Cavalieren  die  Speissen  anss  der  Hof  Knchl 
angetragen. 

Bey  gerichter  Tafel  Thuen  Sr.  Churfürstl  dnrchl.  nnder  Vortretttmg 
der  Erbämter  sich  an  selbe  begeben,  alwo  der  obrist  Erblandt  Vor- 
schneider dass  Handtwasser  auf  zn  giessen,  der  obrist  Erblandt  Caplan  das 
Benedicitd  zu  betten,  die  ybrige  Erbämter  sich  zunechst  der  Tafel  in 
Ordnung  zu  stellen  und  aufzuwarten  haben.  Wehrenter  Tafel  lasset  sich 
die  Music  bey  dem  ersten  Trunkh  aber,  welchen  der  oberst  Erblandt 
Muniischenkh  bey  zu  bringen  hat,  die  dritte  und  letzte  Salva  gesambteo 
Geschüzes  hören.  Wehrenten  Confect  hat  der  obrist  Erblandt  Münj- 
maister  auf  einer  silbernen  Taza  die  Verhandeno  Goldt  und  Silberge- 
diichtnusB  MQnzen  Ihro  Churfürstl.  Durchleficht  zu  fiberreichen. 

Nach  der  Tafel  hat  der  obrist  Erblandt  Caplan  das  Dankh  Gcbett 
zn  sprechen;  Sammentl.  Ambter  Ihro  Churfürstl.  Durchl.  von  der  Tafel 
biss  zu  Ihrer  retirada  zu  begleiten  und  cndl.  solche  uit  weniger  die 
Stüudte  an  die  Ihnen  angewiesenen  Tafeln  sich  zu  begeben. 

(Mit  4  einfachen  Skizzen  .Schemata'  A.  ,die  Ordnung  der  Erbätutcr 
im  Zug',  B.  .beim  Gottesdienst'.  C.  ,bei  der  Huldigung',  D.  ,bci  der 
Tafel'.) 

Nr.Xn. 

Maria  Iltcresia  an  Stände  und  Unterthanen  des  Erzhcrzoglhums  OtsUt- 
reicit  oh  der  Enns.   Jhressburg  1741,  September  Jib. 

Gedrucktes  Pntent,  niederOsterroichiBches  LandesHrohiv  ,Land-Defeiuion  vom 

Jahre  1741'.   (Die  Monarchin    erklärt   eine    eventuelle    Hnldi^ng   an  Kirl 

Albrecbt  für  null  und  nichtig.) 

Maria  Theresia  etc.  entbieten  N.  allen  und  jeden,  sonderlich  aber 
Unseren  treu-gehorsamsten  Ständen  und  unterthanen  unseres  Erti- 
Ht^mogthumB  Oesterreicb  ob  der  Ennss  unsere  Gnade,  und  geben  denen- 
selbon  zu  vernehmou:  Wie  uns  allererst  die  glaubwürdige  Nachricht  zue- 
gekommen,  dass  man  von  Seiten  des  Chur-Fürsten  von  Bayrn  über  die 
feindliche  Überziehung  dieses  Unseres  getreuosten  Erb-Landes  sich  sogar 
anmasse,  die  Landes-Huldigung  von  euch  Ständen  und  Untei°thanen  dnrch 
hetrohliche  Circular  Schreibon  abzunöthigen  und  hierzu  den  zweiten 
nächst  eingehenden  Monats  Octobris  schon  würklichen  bestimmet  habe; 
Nun  versehen  Wir  uns  zwar  zu  eurer  unversehrten  Treu,  Lieb  und  De- 
votion, dass  ihr  derlej  unberechtigten  Zumutbungen  von  selbsten  kein 


r 


Gehör  geben,  minders  Folge  leiBten  werdet;  allermassen  Wir  auch  ein 
solches  euch  samt  und  sonder»  mit  gemessenen  Ernst  hiemit  verbieten; 
Solte  aber  deme  uuangesehea  aus  vordringenden  Gewalt  zu  Unseren 
Nachtheil  etwas  furgehen,  so  erklären  wir  es  von  nun  an  für  das,  was  es 
an  sich  ist,  nemlich  null  nichtig  und  nnkräftig;  dessen  die  gantze  Welt 
nm  80  mehrers  fiberzeigot  sein  wird,  da  nicht  nur  unsere  Gerechtsame 
offenbahr  ist,  sondern  wir  auch  den  Befehl  ertheilet,  dem  Publico.  wel- 
ches wegen  kürze  der  Zeit  nicht  eher  hat  beschehea  können,  bekannt  zu 
machen,  wie  unstandhaft,  gruiidloss  und  irrig  alles  das  seye,  was  man 
Chnrf&rstlicher  Seits  zur  Colorirung  des  angebenden  Successions-Kcclits 
beyzubringen  sich  bemßhete.  Gegeben  auf  Unserem  kOnigl.  Schloss  zu 
Pressbnrg  am  acht  und  zwanzigisten  Monats  Tag  Se()tembris,  im  Siben- 
zehenhundert  ein-  und  vierzigsten  Unserer  Reiche  im  ersten  Jahre 


L.  S. 


Maria  Theresia. 


Philipp  Ludwig  Graf  v.  Sintzondorf. 


Ad  mandatum  Sacrae  Begiae 

Majestatis  proprium 

Carl  Holler  v.  Doblhof. 


Nr.  Xm. 


I 


Karl  Älbrecht  an  die  oberüslerreichiscJten  Stände;  begehrt  ein  Darlehen 
von  150.000  fl.    Line  1741,  October  6. 

Orig.  mit   eigenhändiger    Unterschrift    uud    aufgedrücktem    Siegel.     K.  u.  k, 
Haas-,  Hof-  nnd  StaatiMirchiv,  Kriegsacten,  Fase.  343. 

Wie  ihr  von  Selbsten  wohl  erachten  mCget,  ergeben  sich  dermahlen 
80  vill  wichtige  Zuefahle,  das  zu  ausföhruug  Vnserer  hiebei  obwaltenden 
gerechten  Absichten  auf  einmahl  und  uuverzQglich  grosse  gelt  sumen 
nnvermeidlich  seyn  wollen,  iu  welcher  andringenheit  Wflr  zu  euch  Vnser 
gdstes  Vortrauen  sezen  und  von  eur  zu  Vnser  gdsten  Zufrideuheit  und 
gleicher  Danckhnembung  Vns  bezeigte  gehorsambste  treu  und  devntion 
Vna  genedigist  versehen,  Ihr  werdet  vns  hierinfahl  mit  einem  frey  willigen 
D&rlehen  von  wenig^st  einmaht  hundert-fiinfzig  tausent  galten  behilflich 
an  banden  stehen  nnd  hiemit  zu  bestreittung  solch'  vorseyenten  Lasten 
aomehr  williglich  under  die  armb  greitfn,  als  die  atifwondung  dieser  Costen 
lediglich  zu  Vnserm  and  Vnsers  Churhauses  besten,  dan  Eurer  hiemit 
verkhnipften  gemeinsamen  wollfahrt  abzOhlet,  Wflr  auch  des  Gdst.  er- 
bitten» seint,  Euch  bis  zu  deren  vollständigen  Abführung  hieuon  das 


444 


Landes  gebr&nchige  inte'e  mit  fünf  per  cento  allweg  entrichten  oder  an 
donon  Jährl.  Landtschafftl.  einwilligiingon  solbsten  abzielten  zti  lag8«n, 
imitlH  ancli  disen  Vorachuss  auf  Vnsoror  Landtsfürstl.  gefahi  auf  das 
bündJBto  zu  versicheren.  Die  bo  antringende  Umbstände  wollen  ein« 
längere  der  sach  Verzögerung  nit  zuegeben;  Wflr  machen  Vns  also  die 
gänzliclio  Hoffnung,  ihr  werdet  nitallein  Vns  hierinfahis  in  der  hanbtsach 
L-uch  willig  und  bcreitb  etwaigen,  sondern  auch  auf  Verstandtene  Ursache 
euch  bestens  angelegen  seyn  lassen,  damit  dieses  Darlehen  ehebaldigst 
an  die  vun  Vns  hieran  begwallcte  erlegt  werden  könne,  und  Wür  mitbin 
so  vill  iivehrcr  ursach  haiion  inügnn,  Kurc  gehorsambiste  wilführigkeit  mit 
Chiiv  und  Landlsffirstl.  gd.  zu  erkennen,  mit  welchen  Wflr  euch  sonders 
woll  beygethan  seint  und  m  aller  Zeit  gewogen  verbleiben.  Linz  den 
G.  Üctober  a'o  1741. 


Carl  Albreclit  u.  p. 


T.  Weckhenstaller  m.p. 


'« 


Nr.  XrV. 


Karl  Albreeht  an  die  oberösterrcichischem  Stände  und  Unterihnntn: 

droht  mit  Qülercon  fiscal  ton  gegen  jene,  die  ihn  nicht  bintien  vier  Wochen 

aJs  Ilerm  anerkennen  icolUcn  und  in  Maria  TJteresias  Diensten  ver- 

bleiben.  Prag  1741,  Decenibcr  8. 

G  Originale  (gedruckt)  mit  eigenhändiger  Unterschrift  und  aufgedrucktem  Siegel 
K.  Q.  k.  Bans-,  Hof-  nnd  StaAtsarchiv,  Kriegsacten,  Fase.  343. 


iSP 


.  .  .  Demnach  das  Erzherzogthnm  Oesterreich  ob  der  Enns 
anderen  erledigten  Erblanden,  wie  in  unserer  Rechtlichen  AusfQhmng 
schon  genugsam  dargethan  worden,  Vns  erblich  zu  gefallen,  Wir  jedoch 
solche  Unsere  Erb-Köuigreielie  und  Lande  wegen  der  so  voreilig-  als 
ungerechten  Besitz-Ergreifung  ermeldtor  Gross-IIerzogin  von  Toscana 
mit  gewaflnetcr  liand  zu  erobern  nnd  dessenthalben  mit  einem  ansehen- 
liehen  Kriegs-Heer  dahin  einzutreten  Uns  gemfissiget  gesehen,  hierauf 
Uns  auch  durch  die  Gnad  und  Seegen  des  AUeihöchsten  mit  getreuen 
Boystami  Unserer  Alliirteu  würklich  in  den  Besitz  des  Erz-Herzogthums 
Oesterreich  ob  der  Enns  Uns  eingesetzet  haben;  nun  aber  sich  nicht  ge- 
bflhron  will,  dass  ihr  in  Vorbesagter  Gross-Herzogin  von  Toscana 
Dionstoit  ferner  beharret,  am  allerwenigsten  aber  euch  gegen  Uns  oder 
Unsere  Bunds  Genossene,  Freund  und  Verwandte,  dann  Unsere  Stände 
und  Unterthanen  Land  und  Leute  in  feindlichen  Thaten,  auf  was  Art  es 
immer,  botroten  lasset.  Solchcninach  gebieten  und  befehlen  Wir  als  Erz- 
Herzog  von  Oostorrcich  ob  der  Enns  aus  Lands-Fürstl.  höchster  Macht, 


kraft  diess  unseres  offenen  Briefs,  Euch  allen  in  vorerwähnter  Gross 
Herzogin  von  Toscana  Civil-  oder  Kriegs  Diensten  und  Bestallungen 
stehenden  Generalen,  Obristen  und  anderen  Hohen  ond  Niederen  Befohls- 
babern  and  sonsten  insgemein  allen  Eriegs-Lenten  zu  Koss  und  Ftiss, 
.wie  ungleichen  allen  Civil-Bedienten,  so  von  gedacht  Unseren  Erz- 
Berzogl.  Erb-Landen  Vasallen  und  Unteiihanen  seynd,  samt  und  si>ndBrs 
bei  Verliehrung  all  und  jeder  Eur  habenden  Privilegien,  Gnaden  und 
Freiheiten,  Rechten  und  Gerechtigkeiten,  Uaab  und  GQthern,  Lohen  und 
«igen,  aller  Zunft  und  Stadt-Gerechtigkeiten,  dass  ihr  ouch  alüobaldcn 
obangedeuter  Bestallung,  Kriegs-  und  Civil-Dienstcn  gänzlichen  cnt- 
ichlaget  and  davon  austretet,  euch  auch  iu's  künftige  darzu  keineswegs, 
nnter  was  Schein  solches  geschehen  möchte,  weiter  bestellen,  annehmen 
und  gebrauchen,  noch  euch  von  dem  Uns  schuldigen  Gehorsam  unterm 
Vorwand  geleisteter  Eides-Pflicht  (welche  ohnedem  wider  Uns  als  euern 
rechtmässigen  Erb  Herrn  und  Lands  Fürsten  ganz  ungültig  ist)  abhalten 
lasset,  sondern,  da  ihr  zu  dienen  und  euer  Dapforkeit  und  Wissen- 
schaften in  Kriegs- Staats-  oder  anderen  Diensten  zu  erweisen  Lust  habet, 
ench  bei  Uns  oder  Unseren  Bunds  Verwandten  angebet;  Gestalten  wir 
■denn  hiemit  erklären,  dass  diejenige,  welche  diesem  Unsern  Lands  Fürstl. 
Geboth  und  Verboth  der  Schuldigkeit  nach  kommen  und  in  denen  nechsten 
Tier  Wochen  nach  dessen  erlangter  Nachricht  und  Wissenschaft  bey  Uns 
oder  Unseren  Bunds-Genossenen  sich  anmelden;  und  ihren  Gehorsam 
in  dem  Werk  erzeigen  werden,  zu  Gnaden  aufgenommen,  und  ein  jeder 
seiner  Qualitaeten  und  Beschaffenheit  nach  mit  Kriegs-  Staats  und  an- 
deren Diensten  und  würklicher  Beförderung  wieder  versehen,  die  aber 
dieses  Unseres  Geboths  ungeachtet  in  Diensten  mehrenneldter  Gross- 
Herzogin  von  Toscana  ungehorsamlich  verharren  und  sich  gegen  Uns 
oder  Unsere  Bunds-Verwandto,  dann  unsere  Stände  und  Unterthanen 
widrig  gebrauchen  lassen,  sollen  ohne  weiters  ihrer  Haab  und  Güter  ver- 
lastiget  sein  und  solche  nach  verloffoner  Verfallazeit  von  dem  Fisco  ein- 
gexogen  werden;  in  welche  Straf  diejenige,  so  nach  Verkündigung  dieses 
sra  allgemeinen  Geboths  sich  in  würklichen  feindlichen  Thaten  gegen 
Unsere  Bunds  Verwandte,  Kricgs-Ofßcier,  gemeine  Soldaten  und 
Unterthanen,  Land  und  Leute  werden  betreten  lassen,  ipso  facto  ohne 
weitere  Formalitäten  eines  Processes  sollen  verfallen  seyn.  Gestalten  wir 
,deme  Unsemi  Fisco  Kraft  dieses  den  Gewalt  dahin  ertheilet  habe.  Wor- 
[jiach  ihr  euch  also  zu  richten  wissen  werdet.  Geben  auf  Unsorm  KOnig- 
llichen  Schloss  zu  Prag,  den  Achton  Monaths-Tag  Decenibris  im  Sieben- 
sehen  Hundert-Ein  und  Vierzigsten  Jahre. 

Carl  Älbrecht  m.  p.  Franz  Andre  Freyherr  v.  Praidlohn  m.  p. 


446 


^ 


2fB.  Aehnliche  ,Mandata  avocatoria  et  inhibitoria'  erli«88  Kar  ~» 
Albrecht  auch  f&r  Böhmen.  Das  vorliegende  wurde  den  oberOsterreichiBchei^^n 
Ständen  durch  der  bairischen  Yicestatthalter  Grafen  Tanfkirchen  in  sech^^es 
vom  Kurfürsten  unterzeichneten  Originalen  und  einer  Anzahl  Naehdmckei==i 
behufs  Affichirnng  erst  mit  Note  vom  SO.  December  1741  eingehijidigt_.  , 
ein  Beweis,  dass  die  directe  Verbindung  zwischen  der  französischen  Armm       =t 

bei  Prag  und  dem  Corps  Segnr's  in  Ober-Oesterreich  bereits  durch  die  öster 

reichische  Hauptarmee  unter  Franz  von  Lothringen  und  Neipperg  abge 

schnitten  war.   Auch  zur  Affichirnng  kam  es  wohl  nicht,  da  am  30.  De — 
cember  Feldmarschall  Ehevenhiller  die  Enns  flberschritt  und  die  schnelle» 
Eroberung  Ober-Oesterreichs  und  Baiems  folgte. 


Inhalt 

Slttt 

Vorwort 381 

Einleitung 3S3 

I.  Capitel.    Vorbereitungen  zur  Landesdefension  von  Ober-Österreich 

and  die  StSnde 336 

n.  Capitel.    Das   oberOsterreiehiache   Landesan^bot   von    1741    .     .  347 
m.  Capitel.    Die  letzten  Zeiten  vor  dem  Eänmanche  der  Baiem  und 

Franzosen  in  Ober-Österreich 368 

IV.  Capitel.    Der  Einmarsch  des  bairischen  Kurfllrsten  in  Ober-Öster- 
reich        364 

V.  Capitel.     Karl  Albrecht  in  Linz  and  Enns 379 

VI.  Capitel.     Die  Hnldignng  am  2.  October  1741 395 

VII.  Capitel.    OberOsterreich  während  der  bairiscb-franzOsischen  Occa- 

pation  (bis  30.  December  1741).  Nothstand  des  Landes  ....  402 


BEITRÄGE 

mm 

GESCHICHTE 

DER 

ÜSERLICHEN  HOFÄMTER 


VOH 


FERD.  MENCIK. 


LkUt.  LXXXTIl.  Bd.  II.  Hiltto  89 


;^ 


Oei  den  deutschen  FUrstenhöfcn  finden  wir  schon  in  früher 
Zeit  eine  Anzahl  von  Ministerialen,  welche  um  die  Person  des 
Regenten  sich  befanden 'und  für  seinen  Dienst  bestimmt  waren. 
Ueber  ihre  Wirkungssphilre  sind  wir  nur  spilrheh  unterrichtet, 
es  lilsst  sich  aber  vermulhcn,  dass  ihre  Obliegenheiten  durch 
besondere  Satzungen  geregelt  waren,  welche  von  einer  Gene- 
ration auf  die  andere  übergingen  und  auch  nach  BedUrfniss 
und  nach  der  Zahl  der  zu  solchen  Diensten  herangezogenen 
Personen  sich  änderten. 

Als  Erzherzog  Ferdinand  die  Verwaltung  und  nachher 
durch  den  Weiser  Vertrag  (1522)  die  Regierung  in  den  habs- 
burgischen  deutschen  ErUändcrn  angetreten  hatte^  war  er  wohl 
mit  einem  Hofstaate  umgeben,  über  dessen  Organisation  wir 
nicht  weiter  unten-ichtet  sind.  Als  seinen  ersten  Obersthofmeister 
kennen  wir  im  Jalire  1518  Freilierru  Wilhelm  von  Roggen- 
dorf,* etwas  später  Claude  Bonton,  Freihenni  von  Corborun, 
den  Pfandinhaber  der  Herrschaft  Brück  an  der  Leitha  (1523),' 
als  Oberstkämmerer  Antun  de  CVuy;  nacli  üinen  war  ungefähr 
in  den  Jahren  1524 — 1536  Oyriak  Freiben-  von  Polheira  Oberst- 
hofmeister.^  Am  1.  Jänner  des  Jahres  1526  ernannte  Erzherzog 
Ferdinand  Leonliard  von  Harrach  zu  seinem  Hofkanzlcr  mit 
einer  jährlichen  Besoldung  von  UM)  Gulden.' 

Nachdem  Erzherzog  Ferdinand  die  Kronen  von  Böhmen 
und  Ungarn  erworben  hatte  und  so  seinem  kaiserhchen  Bruder 
gleichgestellt  war,  veränderte  sich  natürlicher  Weise  auch  seine 
Hofhaltung.    Wohl  befanden  sich  in  den  beiden  Ländern  eigene 


*  Meiller  A.,  Zar  Oeschicbte  der  ObersteD-Uof-Aemter  in  Oesteneiob,  in: 
Heraldincb-genealugische  ZeitacbrifL  Organ  dea  Vereines  ^Adlar*.  Wien 
IS71,  24. 

*  Klose  C.  J.,  Brack  an  der  Leitha,  S.  62;  Topographie  von  NiederOster- 
reicb  II,  2S1. 

*  Starser,  Beitrüge  anr  Oeschichte  der  niederOsterreicbiscben  Stattlialterei, 
Wien  1897,  156. 

*  Oriflich  Barnkcb'sohoa  Archiv. 

89» 


450 

Hofbeamte,'  aber  diese  verrichteten  ihre  Functionen  nur  im 
Umfange  des  eigenen  Landes,  es  musste  also  auch  fUr  Wien, 
wo  der  König  doch  die  meiste  Zeit  verlebte,  ein  den  neuen  Ver- 
hältnissen entsprechend  vennehrter  Hofstaat  weiter  bestehen,  der 
schliesslich  die  königlichen  Hofbeamten  vollständig  verdrängte. 

Leider  haben  wir  wenig  Nachrichten  über  die  Organisation' 
des  Hofdienstes  während  dieser  Zeit  und  wissen  nur  so  viel, 
dass  der  Wirkungskreis  der  Hofkmter  nach  dem  Beispiel  der 
spanischen  oder  burgundischen  Aemter,  welche  sich  schon  ziem- 
lich entwickelt  hatten,  festgesetzt  wurde.  Auch  können  wir  an- 
nehmen, dass  der  Hauptinhalt  der  späteren  Instructionen  tüi 
sie  gegolten  hat,  weil  durch  die  neuen  Instructionen  nicht  immer 
etwas  Neues  geschaffen,  sondern  das  Bestehende  nur  den  Ver- 
hältnissen angepasst  und  nach  Bedarf  erweitert  wurde. 

Ueber  die  Reihenfolge  der  Personen,  welche  unter  Elaiser 
Ferdinand  I.  die  einzelnen  Hofämter  bekleideten,  besitzen  wir 
nur  lückenhafte  Nachrichten.  Nach  den  drei  oben  angeMirten 
Personen  wird  Freiherr  von  Fels  als  Obersthofmeister  genannt, 
der  das  Amt  bis  zum  Jahre  1545  bekleidet  hat.'  Aus  seinem 
letzten  Regierungsabschnitt  lässt  sich  Folgendes  hervorheben. 
Im  Jahre  1559  war  Verwalter  des  Obersthofmeisteramtes  Hanns 
von  Trautson,*  Freiherr  zu  Sprechenstein,  welcher  im  Jahre 
1548 — 1554  als  Obersthofmarschall  fungirte.  Oberstkämmerer 
seit  dem  Jahre  1548  bis  1559  war  Martin  de  Guzman;*  im 
Sommer  des  Jahres  1559  hat  er  dieses  Amt  niedergelegt,  und 
es  wurde  durch  den  Grafen  Scipio  de  Arco  bis  zum  Jahre  1560 
versehen."  Das  Amt  eines  Oberststallmeisters  bekleidete  bis  zum 
31.  Mai  1548  Don  Pedro  Lasso  de  Castilia,  nach  ihm  Sigismund 
Graf  Lodron  ( — 1554)  und  seit  diesem  Jahre  Rudolf  Khucn 
de  Beläsy  (—15(57). 

'  Die  bOhmiRchen  Hofbeamten  sind  zasammengestellt  in  Franz  Palack^V 
Pfeilled  aouiasn^  neJTySiich  dfistojnikav  a  oni'ednfkflT,  Prag  18S2. 

'  Kaiser  Ferdinand  I.  erlies  am  1.  Jänner  1537  ,Der  rCm.  K.  M.  Ordnung 
nnd  Instruction  Deroselben  hohen  und  niederen  Hof-Aembter*.  (Meiller, 
S.  24.)  Ueber  die  spätere  Zeit  belehrt  uns  Gindely:  Kaiser  Rudolf  II.  und 
seine  Zeit  I,  35,  sowie  der:  Status  particularis  regiminis  S.  C.  Majestatis 
Ferdinand!  II.,  1637,  S.  62—72.    In  der  k.  k.  Hofbibliothek. 

»  Bucholtz,  Geschichte  der  Regienmg  Ferdinands  I.,  Wien  1888,  Bd.  8,  8. 17. 

*  Hofschematismus  vom  Jahre  16ö9,  in  der  Handschrift  der  k.  k.  Hofbiblio- 
thek, Snppl.  3323. 

■  Hofzahlamtsrechnungen  in  der  k.  k.  Hofbibliottiek  (HZR.),  1660,  f.  43. 


461 


Neben  den  vier  hohen  Aeratem  oder  Hofstäben  kommt 
noch  der  HoQii^ermoister  vor.  Als  solcher  wird  bis  zum  Jahre 
1554  Erasmus  von  Liechtenstein  und  nach  ihm  Friedrich  von 
Stein  genannt.'  Obersthofpostmeister  bis  zum  Jahre  1548  war 
Anton  de  Taxis,  seit  dem  Jahro  1549  Mathias  de  Taxis,  ihm 
folgte  im  Jahre  1560  Cliristoph  von  Taxis*  und  im  Jahre  1507 
Paul  Wolzogen.  Oberstsilberkämmerer  bis  zum  Jahre  1507  war 
Julius  de  Salazar,  nach  ihm  Bernhard  Weither.  KUcbenstäbel- 
meister  bis  zum  Jahre  1507  Hans  Wolzogen  zu  Spiegelfeld, 
nach  ihm  Caspar  Graf  Lodron.' 

Auch  die  Erzherzoge  waren  von  einem  Hofstaat  umgeben. 
Im  Jahre  1533  war  Obcrsthüftueiater  der  Erzherzoge  Maximilian 
und  Ferdinand  Graf  Veit  Thurn/  seit  dem  Jahre  1543  Johann 
Gaudenz  Freiherr  zu  Madruz,  sein  fibei'stkäinmerer  Leonliard 
Graf  Nogaroll,  und  Johann  von  Talhani  tHjcrststallmcister.^ 
Als  König  Maximilian  H.  im  Jahre  154H  nach  Spanien  reiste, 
befanden  sich  in  seinem  Gefolge:  der  Oberslhofmeister  Don 
Pedro  Lasso  de  Castilia,  der  Obcrstkamraerer  Peter  von  Mol- 
lart und  Oberstsilberk.tmmercr  Caspar  von  Hoburg." 

Der  Oberstholmfister  des  Erzherzogs  Karl  in  den  Jahren 
1550 — 1554  war  Leonhard  Freiherr  von  Harrach,  nach  ihm  als 
Verwalter  dieses  Amtes  und  des  Stallmeisteramtes  Jaknb  Graf 
Attems  (Athemis)  bis  zum  Jahre  1500;'  als  erzherzoglicher 
Oberstkümmerer  in  den  Jahren  1549 — 1553  finden  wir  Georg 
Coliaus,  vom  Jahre  1554 — 1560  Caspar  Freiherrn  von  Herber- 
Btein;*  als  seinen  Oborststallmeister  bis  zum  Jahre  1556  Jakob 
von  Windischgrfttz,  nach  ihm  als  Verwalter  des  Amtes  Jakob 
Grafen  von  Attems. 

Als  Oberststallmeister  des  Erzherzogs  Ferdinand  von  Tirol 
wird  während  dieser  Zeit  Alois  Graf  Lodron  angeführt. 

Kaiserin  Maria  Bianca,  Gemahlin  Kaiser  Maximilians  I., 
hatte  zu  ihrem  Obersfhofmcister  Marlin  von  Polltcim  (f  1505), 
die  Königin  Anna,  Gemahlin  Ferdinands  I.,  im  Jahre  1521 
Sigismund  von  Dietrichstein.* 


»  H2R  die»er  Jahre.  '^  HZK.,  1660.  f.  50*.  •  HZK..  1567. 

*  Hirn,  ErzUenog  Ferdinand  LI.  Ton  Tirol.    Inutbruck   1886,  Bd.  I,  6,  6. 

*  HZK.,  1543. 

*  Meoiflc  F.,  Die  Reise   Kaiser  Maximilians  II.  nach  Spanien   im:  Archiv 
fOr  österr.  Qeschiclite,  Bd.  86,  S.  295. 

'  HZR.,  1660,  II,  f.  67».  "  HZE.,  1860,  f.  39.  •  SUmer,  1.  c,  144. 


452 


Ueber  die  Verwaltung  der  FIofHmter  während  der  Reg:ie- 
rung  Kaiser  Maximilians  IL  belehren  uns  die  von  ihm  erlassenen 
Instructionen,  die  uns  sowohl  über  die  Rangordnung,  sowie 
auch  über  die  Maehtsphäre  dieser  Würdenti'ilger  Anfschluss 
geben.  Seit  dieser  Zeit  Iftsst  sich  auch  eine  verlUssIiche  Reihen- 
folge der  Inhaber  dieser  Aemter  feststellen. 

Die  wichtigsten  Hofilmter  waren:  das  Amt  des  Oberst- 
hofmeisters, des  Obcrsthofmarschalls,  des  Oberstkiimmerers  und 
des  Oberststallmeisters.  Nach  diesen  kam  die  Würde  des  Oberst- 
Jägermeisters. 

Der  Obersthofmeistor  galt  von  Anfang  an  für  die  erste 
Person  unter  allen  Beamten  des  königlichen,  respective  kaiser- 
lichen Hofes.  Dieses  Amt  bekleidete  ungefiUir  seit  dem  Jahre 
1550  Christoph  Freiherr  zu  Eizingen  und  Schrüttenthal,  der 
zugleich  auch  Statthalter  von  Niederösterreich  war  (1554).  Er 
starb  am  16.  .luli  1563.'  In  dieser  Würde  folgte  ihm  schon  im 
Jahre  1562^  Leonhard  von  Ilarrach,  Freiherr  zu  Rohrau,  der 
wohl  auch  damals  Verwalter  des  Oberstkilmmereramtes  war. 
König  Maximilian  hat  selbst  mit  ihm  wegen  der  Ucbemahme 
dieser  Würde  verhandelt,  indem  er  ihm  vorstellte,  dass  die 
Pflichten  des  Obersthofmeisters  nicht  so  schwer  seien,  wie  er 
sich  vorgestellt  habe,  und  ihm  nuch  die  Abschrift  der  Instruction 
übermitteln  Hess.'  An  Ciehait  bezog  er  jährlich  2500  Rgld.  und 
freie  Tafel.  Seit  dem  Jahre  1567  bis  zum  30.  Juni  1575  stand 
an  der  Spitze  dieses  Amtes  Hanns  Graf  Trautsou.* 

Die  Instruction,  welche  König  Maximilian  U.  im  Jährt 
1561  erlassen  hatte  (Beilage  1),  galt  für  den  Freiherrn  Eizinger. 
Sie  bezog  sich,  wie  die  ftlr  die  übrigen  Aemter  pubücirten  Ver- 
ordnungen, nui*  auf  die  Functionäre  des  Königs  oder  der  Erz- 
herzoge, kann  aber  auch  als  allgemeine  Regel  für  die  Hofbeamten 
des  regierenden  Mitgliedes  des  kaiserlichen  Hauses  angesehen 
werden,  wie  auch  thntsächlich  diese  Instructionen  die  Grund- 
lage der  Hofverwaltung  bildeten. 


■  SUnter,  1.  c,  183. 

'  Ana  dieser  Zeit  haben  sich  in  dem  Harrach'schen  Archive  einige  Briefe 
K.  Maximilians  II.  erhalten,  aas  wolclien  wir  ersehen  kUnnon,  ilaas  Har- 
racli  bald  nach  dem  Jahre  1559,  vielleicht  schon  l&iJO  mit  diesem  Amte 
betraut  wurde. 

'  Concept  des  Schreibens  des  Harrach  vom  Jahre  1665  an  KSnig  Maxi- 
milian II.  im  Uarrach'echen  Archive.  *  nandschrift  13621. 


453 


Die  Instruction  für  den  Obersthofmeister  umfaast  26  Ab- 
sJitze.  Sie  sagt,  dass  der  Obersthoftncister  als  die  erste  Pereon 
bei  allen  feierlichen  Geiegenlieiten  um  die  Person  des  Herrschers 
Bich  befinden,  sein  Amt  verrichten  und  in  seinem  Namen  fremde 
Fürsten  empfanden  solle.  Er  wurde  allen  Hofangestellten  an  die 
Spitze  gestellt,  welclie  ihm  sowohl  in  Disciplinarsachen,  als  auch 
bei  ihrer  wirthschaillichen  Gcbahrung  unterstanden.  Seine  Amts- 
fiihrung  war  in  manchen  Angelegenheiten  an  das  Einverständniss 
mit  dem  Obersthofmarschall  und  dem  Oberstkilmmerer  ge- 
bunden; mit  diesem  hatte  er  Fühlung  in  den  Fiuauzsachen, 
mit  jenem  in  den  Gerichtsangelegenheiten. 

In  die  Instruction  wurde  ein  Passus  aufgenommen,  welcher 
die  damaligen  ReJigionsverhältnisse  beleuchtet  und  sich  auf  die 
Lutherischen  Lehren  bezog.  Es  muss  unentschieden  bleiben, 
ob  dabei  der  Einfluss  König  Ferdinands  I.  oder  seiner  Rath- 
geber  mit  eingewirkt  hat;  immerhin  ist  es  ein  ausserordent- 
lich wichtiger  Zug,  da  der  Toleranzsinn  Maximilians  genugsam 
bekannt  ist.  Im  Uebrigen  bezogen  sich  auf  die  dem  Oberst- 
Lofmeister  imtergeordneten  Beamten  die  Vorschriften  der  Polizei- 
ordnung. ^ 

Als  nach  dem  Freiherrn  von  Eizingen  Leonhard  von  Ilar- 
rach  zum  Obersthofmeister  ernannt  wurde,  blieb  diese  In- 
struction fortbestehen.  Aus  dieser  Zeit  stammt  der  erste  uns 
bekannte  Competenzstreit,  wie  solche  bei  einem  grösseren  Per- 
sonenstand und  namentlich  dann,  wenn  einzelne  Personen 
mehrere  Würden  in  sich  vereinigen,  leicht  entstehen,  und  Kaiser 
Maximilian  II.  selbst  musste  eine  gütliche  Vereinbarung  herbei- 
fbhren.  Harrach  beanspruchte  im  Jahre  1565  als  Obersthof- 
meister und  ältester  Geheiiorath  den  Vortritt  und  Vorsitz  an 
allen  Orten,  also  auch  in  den  Sitzungen  des  geheimen  Rathcs 
gegen  den  Präsidenten  desselben,  Hanns  Trautson,  und  als  ihm 
dieser  nicht  weichen  wollte,  nahm  er  sich  seine  Zurücksetzung 
derart  zu  Herzen,  dass  er  seine  Aemter  niederlegen  wollte.  Da- 
bei berief  er  sich  auf  den  §.  1  der  Instruction,  welcher  besagt: 
jUnser  Obristc  Hofmeister  solle  von  dem  ganzen  Hofstaat  und 
Meniglich  ausser  der  Canimer  für  unseren  Hofmeister  und  für 
die  ander  Person  nach  Uns  gobaiten  werden.*    Im  Namen  des 


'  Di«  new  PolHcey  und  Ordnung  der  Handwercker  nnd  Dienstvolck  der 
niedetOBterreichischeD  Laude.   Wien,  Jobann  Syugreiuer,  1627  und  1662. 


454 


Kaisers  verhandelte  mit  Harrach  Petor  von  Mollart,  welcher 
am  6.  Februar  1565  ihm  Folgendes  schrieb:  ,Ihr  Kais.  Majestät 
behalten  den  gehaimeii  Uatt  mit  allen  Personen  und  in  der 
Qestalt  ohne  Veränderung,  wie  es  Kaiser  Ferdinand  gehalten; 
dass  ihr  aber  vemiaint,  das  Hofmaisterambt  werd  dardurcb 
geringert,  vermainen  Ihr  Majestät,  wo  Sie  dasselbig  Ambt 
schmellem  wollten,  (welches  mit  dem  gar  nit  boschicbt,  dao 
euch  in  eurem  Ambt  gar  mit  nichtig  kain  Eingrif  beschicht 
aus  Ursach,  dass  dieser  Handel  nur  den  Rath  angeet),  würe 
der  Abbrucli  nur  Ihrer  Majestät,  dessen  das  Ambt  ist,  selbst." 
Schliesslich  wurde  der  Streit  so  beglichen,  dass  der  Kaiser  in 
einem  besonderen  Rescripte  dem  Freiherrn  Harrach  vollinJialtlicli 
den  Vorzug  bestätigte,  dieser  dagegen  auf  den  Vorsitz  in  dem 
geheimen  Rathe  freiwillig  verzichtete.  Es  geschah  dieses  an 
IG.  März  15C5  mit  den  Worten:  ,So  haben  Wir  mit  gedachtem 
Unserm  Obersten  Hofmaister  genedigst  so  viel  gehandelt,  dass 
er  allain  Uns  zu  unterthenigster  Eem  und  Qelallen  dem  auch 
. .  edlem  Hannsen  Trautson  .  .  den  Vorsitz  in  Unserem  gehaimen 
Khatt  guetwillig  nachzusehen,  doch  ime  unserm  Obersten  Hof 
maister  sonst  seines  tragenden  Ambts,  auch  desselben  Gerechtig- 
kliait  halben,  unvergriffen  und  unschedlich,  auch  dass  er  Unser 
Oberster  Hoftnaister  auf  all  imderweeg  in  actibus  publicis  und 
privatis  sich  von  berucrt  seines  habenden  Ambts  wegen  seiner 
Praeeminenz  und  Vorgangs  gebrauchen  soU  und  mag.'* 

Im  Jahre  1571  wurde  Adam  Freilierr  von  Dietrichstein, 
damals  kaiserlicher  Oberstkämmerer  und  in  den  Jahren  1560 
bis  1562  Oberststallmeister  der  Kaiserin  Maria,"  zum  Oberst- 
hofmeister der  Erzherzoge  Rudolf  imd  Ernst  ernannt,''  bei 
weicher  Gelegenheit  ihm  eine  Instruction  übergeben  wiu'de, 
welche  von  der  des  Jahres  1561  nicht  viel  abweicht  (Beilage  2). 
Dieselbe  blieb  in  Geltung,  als  Rudolf  H.  im  Jahre  1576  zur 
Regierung  gelaugte  und  Dictrichstein  auf  diese  Weise  zum 
Obersthofmeister  des  Oberhauptes  des  Kaiserhauses  wurde,  wm 
er  bis  zum  Jahre  1580  blieb. 


'  Schreiben  im  Harracb'icheu  Archive.  '  Kbeiidaaelbst. 

»  HZR.,  1660,  f.  111";  Koch,  Quolleu  zur  Goschichte  des  K.  MiutimiliMi  fi^ 

1857,  1,  7.    Vor  ihm  war   Oborethofmoister  «lur   Kaiserin   Don  FruiciKn 

de  C<utilia  (15(i-J). 
*  Vor    ihm   war  Uuprecht   von    Stotzingen    Obersthufnieijitär    ouil    Obenst- 

kimmerer  der  Erzherzoi^e  Rudolf  uud  Mathias.    HZR.,  Iö76,  f  S13. 


i 


166 


I  Die  Instruction  Dietrichstein's  enthält  im  Ganzen  23  Para- 
^phc  gegen  26  Absätze  der  alten  Instruction.  Der  §.  3  der 
Uten  Instruction  wurde  in  derselLen  ausj^elassen,  weil  bei  dem 
Empfange  der  fremden  Gäste  nur  der  kaiserliche  übersthof- 
öaeister  zu  interveniren  hatte.  In  §.  10  (alt  11)  und  §.  17  (alt  18) 
mirdc  die  Aenderunfj  vorgenommen,  daas  dem  Obersthofmeister 
iie  Controle  über  das  Hofstaatspersonal  obliegt.  Im  §.  20  (alt  21) 
Irurde  das  Verbot  des  Fleischgenusses  an  Fasttagen  ausgelassen. 
'  Der  §.  22  der  alten  Instruction  bezweckte,  die  Ueber- 
kstnng  des  Hofpersonals  mit  Geldzinsen  und  bei  der  Wohnungs- 
niethe  hintauzuhalten,  worauf  sowohl  der  Obersthofmeister  als 
lach  der  Obersthoftnarschail  ihre  Aufmerksamkeit  lenken  sollten, 
(n  der  neuen  Instruction  blieb  dieser,  sowie  auch  der  25.  Ab- 
iatz gänzlich  weg. 

Es  scheint,  dass  im  Jahre  1583  eine  Revision  dieser,  ur- 
jprünglich  für  den  crzherzogUchcn  Obcrsthofmcistor  geltenden 
Instruction  geplant  wurde,  denn  wir  sehen  in  der  Vorlage,  dass 
n  derselben  bei  den  §§.  12  und  19  neue,  zeitgcmiisse  Aenderungen 
ingedeutet  wurden,  die  in  einer  neuen  Instruction  Aufnahme 
mden  sollten.  Thatsächlich  finden  wir  spilter  eine  neue  lu- 
Itruction'  vor,  in  welcher  die  §§.  12,21,23,25  der  alten  In- 
ttruction  ausgelassen  sind,  und  welche  am  Anfang  des  17.  Jahr- 
»underts  gegolten  hat.  Ob  dieselbe  auf  Veranlassung  Dictrich- 
itcin's  zu  Stande  gekommen  ist,  lilsst  sich  jetzt  nicht  mit 
Bestimmtheit  behaupten,  doch  ist  es  wahrscheinlich. 

Um  eine  authentische  Interpretation  gewisser  dunkler 
«eilen  zu  veranlassen,  hat  Dietrichstein  damals  bei  Kaiser 
iudolf  IL  augefragt,  ob  er  ihn  für  die  erste  Person  nach  ihm 
tu  halten  gedenke,  worauf  resolvirt  wiirde,  dass  darüber  gegen- 
Iber  ftlrstlichcn  Personen  Zweifel  bestehen  können.  Weiter 
rurde  der  §.  2  in  dem  Sinne  erläutert,  dass  er  sich  auf  feier- 

L 

'  '  Httndjtchrift  der  k.  k.  Hofbibliotliek  14076.  welcUo  Jou  Titel  rübrt;  Be- 
I  Schreibung  des  gtintzen  iiurgnudixcboii  Hofgtaat«,  wie  derselbe  bei  dem 
'  Hause  von  Oeoterreich  in  Deiner  Ordnung  llblich  und  im  Uraucli  war, 
was  nomblicb  filr  Officior,  Rätbo  und  Diener  bestellt,  was  die  Verrich- 
tung und  dagegen  Unterhaltung  gewost,  so  viel  man  dessen  vor  achtzig 
Jahren  her»  schriftlichen  Bericht  und  aus  Erfahrenheit  Nachrichtung 
haben  kann,  f.  2* — T".  Uie  Handschrift  filllt  wahrscheinlich  in  die  letzten 
Begierungsjahro  des  Kaisers  Matlii.is.  AelinliLlii«  Kesebreibung  befindet 
■iob  im  Archive  des  Keichg-Finanzministeriums  (Meiller,  >S.  24). 


liehe  Kriiuungon,  Huldigungen,  Kurftlrstentage,  Bankette  u.  dj;l. 
beziehe. 

Dietrichstein  versuchte  auch  eine  bestimmte  Keaolutioii 
des  Kaisers  über  den  Silberkttmmerer  zu  erwirken,  weil  in  seiner 
Instruction  stand,  dass  in  dessen  Abwesenheit  eine  würdige 
Person  zur  Verwaltung  dieses  Amtes  bestellt  werden  solle.  Er 
selbst  richtete  sich  darnach  und  bestimmte  einen  gewissen  Edel- 
mann Bennato  dazu.'  Auch  hat  er  bei  dieser  Gelegenheit  einen 
Secrctar  verlangt,  welcher  die  laufenden  GeschSftc  des  Oberst- 
hofmeisteraintes  rcgistrire,  und  hat  somit  schon  damals  die  Er- 
richtung einer  selbstständigon  Kanzlei  befürwortet;  doch  wir 
finden  nirgends  eine  Notiz  über  diesen  Secretär,  so  dass  es  als 
gewiss  gelten  kann,  dass  ein  solcher  nicht  bestellt  wurde. 

Nach  Dietrichstein  hat  das  Obersthofmeisteramt  in  den 
Jahren  1587 — 1593  Wolfgang  Rumpf  Freiherr  zu  Wuelross 
verwaltet;  erat  im  Jalire  159-4*  sehen  wir  ihn  als  d^n  eraannten 
Obersthofmeister.  Als  GehaJt  bezog  er  3000  Reiehsgulden,  da 
er  aber  auch  die  OberstkiimmerersteUe  versah  und  ausserdem 
noch  geheimer  Kath  war,  wurden  ihm  noch  1000  Gulden  zuer- 
kannt.^ Er  war  bei  Kaiser  Rudolf  II.  in  hohen  Ehren,  bis  er 
am  28.  September  1600*  plötzlich  des  Dienstes  entlassen  wurde. 
Noch  im  Jahre  1605  kommt  Friedrich  Graf  von  Fdrstenberg 
als  Obersthofmeiater  vor,^  welcher  jedoch  vielfach  zu  Gesandt- 
schaflsreisen  verwendet  wurde.  Neben  ihm  zuerst  als  Ver 
Walter  dieses  Amtes,  dann  (1606)  als  Obersthofmeister  folgte 
Carl  von  Liechtenstein;  dieser  legte  im  Juli  des  Jahres  1607 
selbst  das  Amt  nieder,  nachdem  er  gesehen  hatte,  dass  er  beim 
Kaiser  nicht  mehr  in  Gnade  stehe,"  worauf  dann  Cardinal  Franz 
von  Dietrichstein  eine  kurze  Zeit  das  Amt  versah'  und  neben 


*  ßoricht  über  die  Sitzung  vom  Jahre  16fil.  Or&fl.  Harrnch'scbea  Arcliiv, 
Fase.  84. 

»  HZR.,  1594. 

*  Seit  1540—1676  betrug  die  Bestallung  des  Oberstliofmeiaters  8600  fi. 
Dietrichstein  erhielt  fOr  seine  langjährigen  treuen  Dienste  noch  150<i 
Beichsgnlden,  so  dass  er  4000  Beichsgulden  Oehalt  hatte.  Handschrift 
14076,  f.  2. 

*  Harter  Fr.,  Geschichte  Kaiser  Ferdinands  II.,  Schaffhnusen  1861,111,  36..33. 
»  HZR.,  1606,  f.  243  fc,  279''. 

*  Harter  Fr,  1.  c,  VI,  469,  Anm.  169;  Falke,  Geschichte  dea  Haa.<)es 
Liechtenstein  II,  142.  153. 

'  Falke,  1.  c,  165. 


467 


ihm  &]s  Vice-Oberethofmeister  Ernst  von  Mollart  thätig  war  (bis 
1608).»  Am  23.  September  1608  wiirdc  Jakob  Adam  Graf  von 
Attems  Oberstliofmeister,  und  nach  einem  Jahre  (1600')  folgte 
demselben  in  dieser  Stellung  Georg  Ludwig  Landgraf  von 
Leuchtenberg  (—1612).» 

Bei  dem  Erzherzog  Mathias  waren  folgende  Obersthof- 
meister  angestellt:  Heinrich  von  Liechtenstein  ( — lö84),^  dann 
Freiherr  Strein  von  Schwarzenau,*  Jakob  Freiherr  Breunor, 
zugleich  ObersthofmarschaU  ("f-  1606),^  nach  ihm  Ernst  Frei- 
herr von  Mollart*"'  als  Verwalter  des  Amtes,  im  Jahre  1Ü12  bis 
1617  Friedrich  Graf  zu  Fürstenberg/  dann  im  Jahre  1617  bis 
1619   Leonhard  Helfried  Graf  von  Moggau. 

Der  Obersthofraeistcr  der  Kaiserin  Anna,  Gemahlin  des 
Kaisers  Mathias,  war  im  Jahre  1612  Graf  .Sigismund  Lamberg.* 

Die  Reihenfolge  der  Oberstbofmcister  des  Erzherzogs, 
späteren  Kaisei-s  Ferdinand  H.  ist  folgende:  Jakob  Adam  F'rei- 
herr  von  Attems  (1582 — 15i)0),'-'  Balthasar  Freiherr  von  Scbratten- 
bach  (1590 — 1615),  Hanns  Ulrich  Freiherr  (später  Flirst)  von 
Eggenberg  (161Ö — 1621),'"  nach  welchem  dieses  Amt  eine  kurze 
Zeit  von  Leonhard  Holfried  Grafen  von  Meggau  verwaltet  wurde,'' 
dem  auch  damals  vom  Kaiser  der  Titel  eines  Landobersthof- 
tneisters  verheben  wurde.  Im  Jahre  1622  wird  er  nicht  mehr 
als  Obersthofmeister  angeflihrt,  dagegen  wird  Wolf  Sigismund 
Graf  von  Losenstein  als  Vice-Obcrsthofmeister  genannt.'*  Schon 
am  4.  JUnner  1624  wurde  Fürst  Gundakher  von  Liechtenstein 
«u  diesem  Amte  erhoben  und  besorgte  es  bis  zum  Jahre  1634," 


'  Starzer,  1.  c,  206. 

*  HZR.,  1611  —  1614,  f.  304»;  1609,  f.  40«. 
«  Falke,  1.  c,  U,  106. 

*  Harter,  1.  c,  V.  73. 

»  HZB.,  1606,  f.  762.  —  Starzer,  1.  a,  220,  Anm.  3. 

*  Stanser,  1.  c,  205.  Er  war  in  den  Jalireii  UiäS  -159&  OUarKtkämmerer 
und  ObersthofmeUteraiaU-Vorwaltor  dos  zum  >Stnttlialter  iu  ilun  Miodcr- 
landen  emanuten  Erzher/ugs  Ernst. 

'  Hammer-Purgstall,  Khle»!'»  Leben,  Wien  1850,  IU,  4. 

*  liammer-Piirgstall,  1.  c,  6.  6. 

*  Hwof,  Die  Orafen  von  Attems,  Oras  1897,  9. 

'"  Hofstatns  vom  Jahre  1619,  Ora«  vom   10.  Decembor,  in  der  Handschrift 

der  k.  k.  Hofbibliothek,  Nr.  8102. 
*'  8tieTe,  Der  obcrOsterreicliisclie  Baueruaafgtand  U,  13.  Anm.  6. 
"  HZB.,  1622,  f.  ö"  und  193. 
"  Falke,  1.  c,  n,  286. 


458 


und  nach  ihm  wieder  Loonhard  Helfried  Graf  von  Meggau  bis 
zu  dem  Tode  des  Kaisers.' 

Die  Thätigkeit  des  Fürsten  Liechtenstein  war  dauials 
gross  und  bezog  sich  sowolil  auf  die  Hof-  als  auch  auf  die 
Staatsangelegenheiten.  Er  organisirtc  die  Hofhaltung,  besonders 
die  Hofkammer,  und  setzte  sich  namentlich  fUr  die  Erricbtung 
einer  llittcrakademie  nach  französischem  Muster  ein.  Unter 
ihm  fand  eine  Revision  der  obcrsthofmeisterischen  Instruction 
statt,  zu  welchem  Zwecke  er  eine  allerhöchste  Resolution  ein- 
holte, wie  uns  eine  Erwähnung  in  seinem  Schreiben  vom  H.  Juli 
1625  belehrt.» 

Damals  wurde  erörtert,  ob  die  Rechnungen  des  Oberst- 
kämmerers und  dos  Obcrststallmcistei's  unter  die  Controle  dos 
Obersthofmeisters  gehören.  Es  wurde  vom  Kaiser  darüber 
resolvirt,  dass  diu  diesen  Uofstftben  unterstehenden  Beamten 
nur  von  ihrem  Chef  abhängen,  die  Rechnungslegung  der  Kammer 
nur  dem  Oberstkämmerer  unterstehe  und  folglich  in  die  MacLt- 
Sphäre  des  Obersthofmeisters  nicht  gehöre;  dagegen  sollten  die 
Oberststallmeisteramts-Rcchnougen  in  Gegenwart  des  Oberst- 
hofmeisters aufgenommen  werden. 

Ueber  den  zu  leistenden  Eid  wurde  beschlossen,  dass  die 
Hofknmmer-  und  Kriegsratlispräsidenteu  den  Eid  in  die  Hände 
des  Kaisers  ablegen  und  nur  die  Reichshofräthe,  welche  vom 
Obersthofmeister  installii't  werden,  nach  der  alten  Ordnung  voii 
diesem  beeidigt  werden.  Die  ungarischen  und  böhmischen  Hof- 
rätlie  wurden  ihm  auch  diesmal  nicht  unterworfen. 

Die  Beamten  mussten  der  Instruction  gemäss,  wenn  sie 
verreisten,  ihre  Reise  dem  Obersthofmeister  melden.  Von  jetzt 
an  konnton  die  wirkliclien  geheimen  Räthe,  wenn  sie  vom 
Kaiser  Urlaub  erhielten,  es  dem  Obcrstliofmeister  melden,  oder 
auch  nicht-,  fUr  die  übrigen  Beamten  seines  Hofstabes  blieb 
der  Meldungszwang  bestehen,  und  nur  der  Obersthofmeister 
der  Kaiserin  wurde  davon  ausgenommen. 

Der  Obersthofmeister  und  der  Obersthofmarschall  sollten 
jedes  Vierteljahr  das  Hofpersonal  mustern,  auf  die  Einhaltimg 
der  Instructionen  und  Führung  der  Invontarc  ihre  Aufmerksam- 
keit richten;  der  UberstkUramcrcr  und  <.>berststallmeister  unter- 


>  Hurter,  1.  c,  VI,  668. 

*  In  dem  Ueriuhto  Ubor  die  Commission  roni  Jahre   1651. 


4B» 


standen  ihnen  in  dieser  Richtung  nicht.  Die  Evidenz  über  die 
Beamten  führte  der  Oberstliofineister  laut  §.  16  der  Instruction 
auch  jetzt  noch  weiter. 

Alle  Einkäufe  musston  in  Gegenwart  des  Hofcontrolors 
geschehen.  Die  Beamten  des  Obersthofnieisters,  besonders  der 
Hofcontrolor.  sollten  in  Correspondenz  mit  dem  <  >bcrstk!imnierer 
nnd  Oberststallnieiater  stehen  und  mit  ihnen  Fuhlunsj  haben, 
und  umgekehrt.  Kam  etwas  bei  Hofe  vor,  was  den  Oberst- 
käramorer  oder  den  Obcrslstallmeister  nicht  anging,  so  hatte 
nur  der  Obersthofmeister  sein  Gutachten    ilariiber  abzugeben.' 

Die  ( >berstbofmeister  Kaiser  Ferdinands  III.  waren:  (Jraf 
Thun,  1630 — 1633,  Maximilian  Graf  von  Trauttmanstorft'  bis 
1650*  und  nach  ihm  Maxiraihan  Fürst  von  Dietrichstein,  welcher 
•ui  ti.  November  1655  verstarb. 

Unter  Kaiser  Leopold  I.  waren  folgende  Obersthofmeister: 
Johann  Ferdinand  Fürst  von  Portia  (1054 — 1665),  Wenzel 
Eusebius  Fllrst  von  Lobkowitz  (11365  bis  October  1674),  Ver- 
walter dieses  Amtes  Franz  Eusebius  Graf  von  Pötting,  seit 
29.  Juni  1675 — 1682  Johann  Maximilian  Graf  von  Lamberg,' 
16«2— 1683  Albrecht  Graf  von  Sinzendorf,  1683  bis  28.  No- 
vember 1698  Ferdinand  Josef  Fürst  von  Dietrichstein,  1699  bis 
1705  Ferdinand  Bonaventura  Graf  von  Harrach. 

Obersthofraeister  des  Königs  Ferdinand  IV.  w^ar  seit  dem 
Jahre  1650  Johann  Weikhard  Fürst  von  Auersperg. 

Unter  den  Nachfolgern  des  Fürsten  Liechtenstein  geschah 
es,  dass  die  gute  alte  Ordnung  scliun  ziemlich  zerfallen  war 
und  manche  Unordnungen  in  die  Verwaltung  sich  eingeschlichen 
batten.  Weil  nun  unterdessen  aach  der  Hofstaat  sich  bedeutend 
vermehrt  hatte,  hat  mau  nach  Abgang  des  Grafen  Trauttmans- 
torfif  die  Nothweudigkeit  eingesehen,  an  die  Sanirung  der  Uebel- 
stände  zu  denken  imd  die  Einrichtungen  den  Anforderungen 
der  Zeit  anzupassen.  Es  wurde  also  im  Jahre  1651  einigen 
Uofräthcn  aufgetragen,   die  bisher  geltenden  Insti-uctionen  der 


'  Bericht  fiber  die  Cummisaion  vom  Jalire  1661. 

'  Roch,  Geschichte  des  dcatachen   Reiches    unter   der    Regierung   Ferdi- 

nand.<i  III.    Wien  1865,  I,  16. 
'  Am  S9.  Juni  hat  er  di<ii  Eid  nb^elegt.    (8ein  Schreiben  ddo.  11.  .Inli  1676 

an  den  Grafen  von    Hnrr.nch.    ilarrncb'sches  Archiv.)    Sein   Gelialt  w.ir: 

7000  Galdon  und  auf  die  Freitafel  12.000  Keichs^^ilden.    Handschrift  der 

k.  k.  Hofbibliothek  12388. 


460 


vier  Hofstäbe  dorchzagchen  und  darQber  zu  berichten,  inwie- 
weit sie  einer  Verbesserung  bediirftip  wären. 

Diese  Commission'  war  der  Ansicht,  daas  es  schwer  8«i, 
in  den  Instructionen  etwas  grfindüch  zu  verbessern,  und  sie  hielt 
flir  angezeigt,  keine  neuen  Statuten  zu  verfassen,  noch  eise 
Reformation  vorzunehmen,  weil  eine  solche  schwer  und  auch 
odios  wäre  und  daraus  noch  grössere  Schwierigkeiten  entstehen 
könnten.  Ihre  Gründe  hielt  man  für  wichtig  genug,  so  das 
man  die  ganze  Verhandlung  wieder  von  der  Tagesordnung  ab- 
setzte und  sich  mit  etUchcn  Zusätzen  zu  der  alten  Instrnctioo 
begnilgte,  welche  dann  in  Gegenwart  aller  Hofchargen  cinzeb 
berathen  wurden. 

An  erster  Stelle  handelte  man  über  die  Instruction  de» 
Obersthofmeisters,  wobei  auf  die  Anregungen  des  F'ürstcn 
Liechtenstein  zurtlckgegriffen  wurde.  Auch  wurden  dabei 
einige  Punkte  berührt,  über  die  schon  Dietrichstein  eine  Reso- 
lution verlangt  hatte,  vor  allen  der  Punkt,  ob  der  (Jbersthof- 
meister  noch  jetzt  fUr  die  erste  Person  am  Hofe  gelten  solle 
oder  nicht.  Kaiser  Rudolf  FI.  gab  es  damals  zu,  später  jedoch, 
besonders  unter  Trauttmanstortf,  wnirde  die  Instruction  häufig 
nicht  befolgt.  Jetzt  beantragte  die  Commission,  es  solle  bei  dem 
alten  Brauche  verbleiben. 

Auch  in  Bezug  auf  die  §§.  2  und  3  wurde,  wie  schon 
Dietrichstein  ersucht  hatte,  eine  bestimmtere  Fassung  in  Er- 
wägung gezogen,  da  darin  eine  Verschiedenheit  der  AufFassiuig 
bestand  und  unter  Trauttmanstorff  Vieles  unterlassen  wurde, 
was  aber  Graf  Cavriani,  Obersthofmeister  der  Kaiserin,  gegen- 
über dem  französischen  Gesandten  beanspruchte.  Es  war  zwar 
nicht  möglich,  ftlr  Alles  eine  Regel  aufzustellen,  aber  in  diesem 
Punkte  war  man  der  Ansicht,  dass  der  Obersthofmeister  nicht 
den  fremden  Fürsten  entgegengehen  solle,  sondern,  wenn  diese 
zur  Audienz  kommen,  solle  er  seiner  Instruction  gemäss  ihnen 
vorangehen;  dagegen  solle  er  bei  dem  Empfang  der  Kurfürsten 
jedesmal  die  kaiserhche  Entscheidung  einholen. 

Weil  nun  bei  dem  Empfange  die  verschiedensten  Fälle 
vorkommen  könnten,  welche  auch  eine  besondere  Bchandlang 
erfordern  würden,  beantragte  man  die  Zusammenstellung  eines 


Der  Bericht    mit   anderen  Acten    in  dem  gtiä.  Hamich'«cheu  Arehire, 
Fase.  24. 


461 


I 


I 
I 


I 


I 


Ceremoniales,  in  dem  AUes  näher  speciticirt  sei.  Es  scheint 
aach,  als  ob  damals  wirklich  ein  Ceremonienbuch  verfasst  und 
so  der  Anfang  zu  dem  Ceremonienamte  gelegt  worden  wäre, 
welches  damals  der  dem  Obersthofmeister  schon  definitiv  zu- 
gewiesene Secretär  verwaltet  hat.' 

Was  den  §.  14  der  Instruction  betrifft,  wollte  die  Com- 
mission  beigesetzt  haben,  dass  neben  dem  Obersthofmeister  und 
dem  Obersthofmarschall  auch  der  Küchenmeister,  der  Controlor 
und  Jemand  von  der  Kammer  bei  der  Quatemberrevision  er- 
scheinen mOge. 

Schon  früher  hat  Dietrichstein  die  Ernennung  eines  Unter- 
silberkttnmierers  angeregt.  Dieser  Vorschlag  wurde  jetzt  auf- 
genommen, und  zwar  aus  dem  Gründe,  dasa  es  sich  öfters  er- 
eignen kann,  dass  der  Kaiser  mit  seinem  Hofstaat  verreist  und 
die  junge  Herrschaft  zu  Hause  bleibt,  welche  auch  bedient 
werden  müsse.  Zu  diesem  Amte  sollten  die  zum  Hofdienst  sich 
meldenden  Cavalicre  bestimmt  werden  und  es  der  Reihe  nach 
verwalten,   bevor  sie  zu  Kammerherren  aufgenommen  werden. 

Der  Absatz,  welcher  über  die  Beichtzettel  handelt,  sollte 
nach  der  Meinung  der  Commission  bleiben,  doch  mit  der 
Aonderung,  dass  jeder  Hofstab  die  ihm  untergeordneten  Beamten 
tiberwachen  imd  die  Zettel  dem  Obercaplan  (capellano  major) 
einhändigen  solle. 

Bezüglich  des  Secretärs,  welcher  dem  Obersthofmeister 
zur  Seite  gestellt  wurde,  beantragte  man,  dass  dazu  ein  Hof- 
secretär  mit  400  Gulden  Gehalt  dcsignirt  werde,  dem  auch  die 
Ceremonienangelegenheiten  zu  übergeben  seien. 

Die  Frage  über  die  Zutheilung  der  Wohnungsräume  in 
der  Hofburg  löste  man  so,  dass  der  Oberstkämmerer  über  die 
kaiserliche  Wohnung  zu  disponiren  habe,  der  Obersthofmeistor 
aber  über  die  übrigen  Zimmer. 

Schliesslich  war  die  Commission  der  Meinung,  dass  die  zur 
Zeit  Kaiser  Rudolfs  H.  für  Dietrichstein  bestimmte  Instruction, 
wie  sie  dann  auch  dem  Grafen  Trauttmanstorff  eingehändigt 
wurde,  noch  weiterhin  zu  gelten  habe,  dass  jedoch  in  einzelneu 


*  Aiu  diener  Zeit  stammt  das  in  der  gräfl.  Hiirracli'«chon  Bibliothek  auf- 
bewahrte Ceremonienbuch,  Nr.  203:  .Etiqueta«  generale«  ((iie  linn  de 
oboeryar  los  criados  de  la  caaa  de  Sn  Majostad  en  el  nso  j  exercicio  de 
oficioB.'  (179  Blatt  in  FoUo.) 


462 


Fallen,  die  nicht  näher  angeführt  werden,  der  Obersthot'meister 
die  kaiserliche  Resolution  einholen  solle.  Thatsilchlich  Hnden 
wir  auch  eine  Abschrift  der  alten  Dietrichstein'schen  Instruction 
noch  im  Besitze  des  Obersthoimeisters   Gral'en  von  Harrach. 

DasB  es  trotzdem  unter  den  einzelnen  Würdentrilgcrn 
nicht  an  Reibungen  wegen  Ueberschreitung  ihrer  CompetcM 
fehlte,  wozu  auch  öfters  die  Rivalität  der  einzelnen  Familien 
das  Ihrige  beigetragen  hat,  lässt  sich  leicht  erklären.  Schon 
in  den  Jahren  1637 — 1652  hat  die  Hofkammer  den  Huebhaus- 
kuUer,  sowie  die  Auszahlung  der  Besoldungen  an  sich  gezogen, 
was  unzweifelhaft  in  die  Sphäre  des  Obersthofmeisters  gehörte. 
Es  entstand  dadurch  eine  nicht  geringe  Verwirrung,  die  um  so 
grösser  war,  als  dem  Obersthofmeisteramte  auch  die  Anzahl 
der  vom  Hofe  beurlaubten  und  abwesenden  Personen  unbekannt 
blieb.  Im  Jahre  1675  entstand  wieder  ein  Streit  darum,  das 
die  Hofkammer  den  Einkauf  von  Speisen  und  Trank  ohne 
Wissen  des  Vice-Oberstliofmeisters  Grafen  Pötting  besorgte.  In 
der  an  den  Kaiser  gerichteten  Beschwerde  wurden  noch  andere 
Mängel  berührt,  (iraf  Pötting  machte  darauf  aufmerksam,  dat»» 
dem  Grafen  Trauttmanstorff,  während  dessen  Amtszeit  Alles  in 
der  besten  Ordnung  war,  immer  der  Kostwein  gebracht  wurde, 
der  Kauf  mit  seinem  Vorwnssen  abgeselilossen  und  der  Kammer 
nur  die  Auszahlung  uotiticirt  wurde.  Weiter  sagte  die  Be- 
schwerde, dass  das  Oberstbofmcistcramt,  welches  doch  die  Richt- 
schnur sein  solle,  nicht  einmal  wisse,  wer  bei  Hofe  bedienstet 
sei,  weil  die  Abrechnung  über  die  Absenzen,  die  Unterfertigung 
libor  die  gelieferten  Waarea  ihm  nicht  mehr  zugestanden  werden, 
dass  der  Ilofzuschrotter  ohne  Wissen  des  Hofktichenmeisters 
und  Conti'olors  Passbriefe  ertheilc  und  auf  solche  Weise  manche 
Saclien  von  der  Kammer  passirt  werden,  welche  der  Obersl- 
hofmeister  nicht  bewilligt  habe. 

Die  Hofkammer  entschuldigte  den  Vorgang  mit  einem 
durch  sie  abgewickelten  Geschäfte,  welches  unter  dem  Oberst- 
hofmeister Fürsten  Portia  stattgefunden  hatte,  das  aber  nur 
darum  ungerügt  geblieben  war,  weil  inzwischen  der  Fürst  ver- 
starb (1665).  Den  ganzen  Streit  erledigte  Kaiser  Leopold  mit 
seiner  Resolution  vom  15.  Juli  1675  auf  folgende  Weise:  ,Es 
ist  billig,  dass  das  (^bersthofmeisteramt  bei  seinen  Prärogativen  J 
und  Rechten  maintenirt  werde,  absonderlich  dass  es  gehalten 
werde,   wie   es  zur  Zeit  des   Grafen   Trauttmanstorff  gehalten 


468 


»worden.  So  ist  auch  nndisputirlich.  dass  alle  Ordonnanzen  vom 
'Obersthofmeister  ausgefertigt  werden." 

Während  dieser  Zeit  gewann  die  ObcrsthofmcisterwUrde 
,auch  an  politischem  Anselien,  was  sich  dadurch  erklilren  lilsst, 
idass  der  Obersthofmeister  zugleich  politischer  Minister  war. 
jßo  war  der  Obersthofmeister  Graf  von  Meggau  als  Conferenz- 
fminister  thätig,*  und  dasselbe  gilt  auch  vom  Grafen  Trautt- 
'inanstorff.  Ueber  seine  Functionen  wird  jetzt  schon  ausdrück- 
llich  gesagt,  dass  er  ,Director  des  geheimen  Rathes  ist  und 
Allen  vorangeht'.'  Dasselbe  sehen  wir  auch  bei  dem  Fürsten 
;von  Lobkowitz  (1G67 — 1674)  und  bei  seinem  Nachfolger  Grafen 
{*ron  Lamberg,  welchem  nach  dessen  eigenen  Worten  der  Kaiser 
,liohe  Praerogativen  verliehen  hat,  so  den  ersten  Platz  und 
fPraecedenz  vor  den  FUi"steu',  und  dem  er  gestattet  hat,  dass 
(die  Conferenzen  in  seiner  Wohnung  abgehalten  und  die  politi- 
'Bchen  Depeschen  ihm  vom  Kaiser  zuerst  eingehändigt  werden.* 
fAuch  Graf  von  Harrach  fungirte  während  seiner  AmtsthUtig- 
jkeit  als  erster  Conferenzminiater. 

r  Das  Amt  des  Obersthofmeisters  erlosch  mit  dem  Tode  des 

Begenten  oder  mit  dem  des  Würdenträgers.  Es  konnte  auch 
löiedergelegt  werden,  wie  es  im  Jahre  15ü7  Leonhard  Freiherr 
ifon  Harrach  gethan  hat.  Einige  Male  kommt  aber  auch  die 
.Amtsentsetzung  vor.  Im  Jahre  1600  wurde  Wolfgang  Freiherr 
Won  Rumpf,  der  damals  mit  dem  Obersthofmarschall  Trautson 
Um  Ungnade  fiel,  seines  Amtes  enthoben.  Auch  Fürst  von  Lobko- 
'Witz  wurde  im  October  1674  abgesetzt,  jedoch  nach  vorher- 
Igegangener  Berathschlagung  der  obersten  Hofchargen  mit  dem 
Vicekanzler  Hocher. 

(  Die  Functionen  der  Obersthofmeister  der  nicht  regierenden 

•Mitglieder  des  kaiserlichen  Hauses  wurden  nach  demselben 
Illuster  geregelt,  jedoch  in  gewisser  Hinsicht  beschränkt.  Das- 
selbe gilt  auch  von  den  Obersthofmetsterinnen  der  Kaiserin  und 
der  Erzherzoginnen,  deren  Instructionen  wir  nicht  besitzen. 


i     '  Die  betreffenden  Acten  betinden  sich  in  dem  Faso..  24  des  gräfl.  Harrncli- 
Bcben  Arcbives. 

*  St«rzer,  1.  c,  '224. 

*  Handschrift  der  k.  k.  Hofbibliothek  7249,  f.  285V 

*  Schreiben  vom  29.  Juni  1676   an  den   Grafen  von   Harrach    (grtfl.  Har- 
nich'schos  Archiv). 

AnkiT.   LXXXVri  Rd.  D.  BUtt».  SO 


b. 


Nach  dem  Muster  der  obersthofmeisterischen  Instruction 
haben  auch  adelige  Geschlechter  für  ihre  Haushofmeister  ahn- 
licli  lautende  Verwaltungsregeln  verfasst.  So  bestand  schon  seit 
deiu  Jahre  1590  eine  solche  Instruction  in  der  Harrach'schen 
Familie.*  Auch  Ftirst  von  Lobkowitz  hat  auf  ähnliche  Weise 
seine  Hofhaltung  eingerichtet.* 

Die  zweite  Ilofwürdc  war  die  des  Obersten  Hofmar- 
schalls. Diese  Rangordnung  ist  sowohl  aus  dem  Schematismus 
des  Jahres  1551* '^  ersichtlich,  sowie  aus  dem  vom  Jahre  l.öOt),* 
welchen  Kaiser  Maximilian  11.  am  1.  Februar  unterzeichnül 
hat;  auch  in  dem  nach  dem  Tode  Kaiser  Rudolfs  (IG  12)  ver 
fasstcn  Schematismus  ist  diese  Rangordnung  erhalten.'  F^rst  in 
dem  Schematismus  vom  Jahre  1(J1'J''  finden  wir,  dass  der  Oberst- 
kämmerer dem  Obersthofmarschall  vorangeht,  so  dass  wir  an- 
nehmen  können,  dass  diese  Aenderung  erst  im  Anfang  de* 
17.  Jahrhunderts  geschehen  ist.  Aus  denselben  Quellen  geht 
hervor,  dnss  unter  seine  Ingerenz  die  Hofkanzlci  und  deren  Ilof- 
räthe,  der  Ilofkriegs-  und  Hofkammerrath,  die  verschiedenen 
Kanzleien  (die  böhmische,  ungarische,  deutsche,  lateinische)  und 
die  H'tfkanimerkauzlei   gchürten. 

Der  Oberathofmarschall  besass  die  richterliche  Gewalt 
über  alle  dem  IlufstiuUe  angehörenden  Personen,  über  die  beim 
Hofe  verweilenden  fremden  Füi-sten,  Gesandten  u.  dgl.'  Er 
sorgte  ftlr  die  persönliche  Sicherheit  des  Herrschers  und  des 
fürstlichen  Nachtlagers,  dieses  im  Vereine  mit  dem  Hofquartier- 
meister. In  Abwesenheit  des  Obersthofmeisters  verwaltete  er 
dessen  Amt;  war  er  selbst  abwesend,  so  wurde  zur  Verwaltung 
seines  Amtes  eine  geeignete  Person  verordnet  Einige  Angelcgen- 
hi'iten  besorgte  r-r  mit  dem  Obersthofmeister. 

In  seiner  Hand  beruhte  die  richterliche  und  polizcihchG 
Gewalt  über  das  gesammte  Hofgesinde,  sowie  auch  über  die 
Dienerschaft  des  Reichshofrathes,    Streitigkeiten  unter  dem  Hof- 


'  In  der  grüfl.  Harrach'scbon  Bibliothek.    Handschrift  Nr.  30U. 

•  Adnm  Wolf,  Filrst  Weiixol  von  Lnbkowita,  1809,  S.  37. 

•  Hofbiblinthek,  Handucli rift,  Sujipl.  Xii'i. 

•  In  der  ^Kfl.  Hnrraeli'tiüben  Bibliothek.    Handuclirifl  Nr.  8. 
'  Handschrift  der  k.  k.  HofljibliothQk   1.3621. 

•  Hofbibliothek,  Nr.  8102. 

'  Alf.  Ritter  v.  Wretschko,  Da«  Osterr.  Marschallanit  im  Mittelalter,  ISS  ff. 
Wien  1897. 


gesinde  des  Kaisers  und  der  Kaiserin  wurden  auf  die  Weise 
ausgetragen,  dasa  der  Obersthoftneister  zuerst  eingriff,  der  Oberst- 
hofniarschall  aber  entschied. 

lieber  die  Ausgestaltung  des  Ho{'rnar8ch!iIlgerichtes  sind 
wir  wenig  unterrichtet;  nur  so  viel  ist  klar,  dass  zu  demselben 
nach  Bedarf  einige  Käthe  beigezogen  wurden.  Auch  ein  Hof- 
rathssecrefilr  und  ein  tauglicher  Schreiber  konnten  zu  diesem 
Zwecke  bestellt  werden. 

Die  Stelle  des  Obersthofmarschalls  versah  unter  Kaiser 
Ferdinand  I.  Philipp  Freiherr  von  Breuner.  Im  Jahre  1559 
finden  wir  in  dieser  Stellung  Lconhard  Freiherrn  von  Harrach, 
mit  einer  Besoldung  von  jährlichen  öUO  Gulden.  Vom  1.  August 
1559*  bis  zum  Jahre  1565  war  Hanns  Trautson,  Freiherr  zu 
Sprechenstein  und  Sclirofenstcin,  Ohersthofmarschiill,  dessen  Ge- 
halt mit  400  Gulden  bemessen  war,  und  nach  ihm  bis  zum  Jahre 
I  1575  Ludwig  Ungnad,  Freiherr  zu  Sonneck,  mit  einem  jährhchen 
Gehalt  von  1000  Gulden."  Ihm  folgte  unter  Kaiser  Rtidolf  II. 
Otto  Heinrich  von  Schwarzenberg,''  der,  weil  er  zugleich  Rcichs- 
hofrathsprasident  war,  einen  Gehalt  von  1200  Gulden  bezog 
(bis  1580).  Seit  dem  Jahre  1581  war  Paul  Sixt  Graf  Trautson 
Verwalter  dieses  Amtes;  er  wurde  ein  Jahr  spiiter  (1582)  an 
dessen  Spitze  gestellt;  weil  er  zugleich  Keichshofrathspräsident 
war,  hatte  er  einen  Gehalt  von  2000  Gulden  nebst  einer  Zubusse 
von  400  Gulden.  In  dieser  WUrde  verblieb  er  bis  zum  Jahre 
KiOO,  wo  er  zugleich  mit  Rumpf  aus  dem  Hofdienste  schied. 
Nach  ihm  betraute  Kaiser  Rudolf  H.  Jakob  Freiherm  von 
Breuner  mit  dem  Amte  und  nach  dessen  Tode  (1(>06)*  am 
1 .  September  Ernst  Freiherrn  Mollart.*  Aber  noch  gegen  Ende 
desselben  Jahres  finden  wir  den  Adam  Jüngeren  von  Waldstein 
als  Obersthofmarschall,*  welcher  im  Jahre  16 10  dem  Freihen'n 
Ernst  Mollart  wich,  dessen  AnitstVdirung  mit  dem  Tode  des  Kaisers 
(1G12)  erlosch.' 


•  HZR,   IB60,  I,  f.  aiB'-,  II,  f.  113»;   Harter,  1.  c,  III,  3G,  Anm.  86. 
»  Hofbibliothek.    Handuchrift  UG76,  f.  31. 

'  Er  war  bis  itmn  Jalire  1676  OherHthofnieistor  linr  Erzherzof^n  Eliiuibeth, 
Kfinigin-Witwe  von  Frankreich.  (MZK.,   1576,  f.  120,  131.) 

•  ßtfUüor,  1.  c,  206.  —  HZK.,   1606,  f.  215».  (f  30.  Juli   1606.) 
»  HZR.,  1606,  f.  21Ö«,    1607,  f.  116«. 

•  nZK.,  1606,  f.  294. 

•  HZR.,  1611  —  1614,  f.  488''. 

30* 


466 


Als  Obersthofmarscliall  dos  Erzheifl^flifcthias  finden  wir 
bis  zum  Jahre  1588  Adam  Popel  von  Lobkowitz,*  dann  bis 
zum  Jabrc  HiOl  den  Grafen  Johann  Wilhelm  von  Losonstein. 
Als  Mathias  im  Jahre  IG12*  die  Kaiserwürde  erlangte,  war  sein 
Obcrstliofinarschall  Adolf  Sigismund  Graf  von  Losensteio 
(bis  1619).» 

Unter  Kaiser  Ferdinand  ü.  bekleidete  diese  WUrde  vom 
Jahre  KilU  an  Sigismund  Friedrich  Graf  von  Trauttraanstorff,*  im 
Jahre  IGlt)  Hanns  Bernhard  Graf  von  Herberstein*  und  naeh 
dessen  Demissinn  bis  zum  Jahre  1G2G  Georg  Ludwig  Graf  von 
Sehwarzinberg;  vom  Jahre  1G2G  bis  zu  dem  Tode^sjahre  de* 
Kaisers  (1637)  war  Leonhard  Carl  Graf  von  Harrach  Oberst 
hfifmarsehall,  wek-ber  im  Jahre  1639  zum  Obersthofmeistor  de« 
Erzherzogs  Wilhelm  befördert  wurde. 

Wilhrend  der  Regierung  Kaiser  Ferdinands  III.  war  (vom 
Jahre  1G27)  bis  zum  J.ahre  1646  ObersthofmarschaU  Georg 
Ludwig  (iraf  von  Schwarzenberg."  Sein  Nachfolger  war  Heinrieb 
Wilhelm  Graf  von  Starhemberg  (f  1675);  während  seiner  kurzec 
Abwesenheit  im  Jahre  1671 — 1672  hat  Ferdinand  Bonaventura 
Graf  von  Harraeh'  sein  Amt  verwaltet.  Nach  ihm  kam  Franz 
Eusobius  fJnif  von  Pötting  (f  29.  December  1678),»  ihm  folgte 
Albrecht  Graf  von  Sinzendorf  mit  einem  Gehalt  von  1382  Gul- 
den und  vom  Jahre  1684  B^'erdinand  Fllrst  von  Schwarzen- 
berg."  Seit  dem  Jahre  1G92  war  Gottlieb  Graf  von  Windisch- 
grätz  "  Obersthofmarschall. 

Die  erste  bekannte  Instruction  iVir  dieses  Ilofamt  stammt 
aus  dem  Jahre  Inöl,  ist  also  gleichzeitig  mit  der  Instruction 
des  Obersthofmeisters  (Beilage  3). 

lieber  das  Hofuiarschallsgericht  spricht  sie  nur  allgemein, 
die  geriehtliehe  Proeedur  wird  darin  nicht  eiiimaJ  Hngcdeutet. 
Als  Jakob  Freiherr  von  Breuiier  zu  diesem  Amte  gehmgte  nnd 

'  HZR.,  1680. 

'  HZK.,  1575,  f.  13ß.  -   namiiier-Purgstall,  1.  c,  III,  4. 
»  HZR.,   1621,  f.  105»,    1619,  f.  235«. 
♦  Hiirter,  I.  c,  V,  161. 

"  Haudflchrift  der  k.  k.  Hofbibli.itliek  8102.    HZK.,   1610,  f.  694. 
"  Handsclirift  dor  k.  k.  Hofbibliotliek  724B,  f.  328.    IIZR.,  16S5— 16i<J,  f.  71' 
'  Kaiserlichen  Decret  im  gthä.  Hnrracli'solien  Archive. 
"  Haiid.sehrift    dor   k.  k.  H.jn>il>lioth('k    7418,    f.  62^    IS388,    14071,  f.  Hü 
»  n.iiidspl.rift  dnr  k.  k.  llnfUilriii.thok    14443. 
•"  Handschrift  der  k.  k.  Uufbibliotliek  142ü'.>,  f.  143. 


467 


mehrfache  Zwistigkeiten  sich  ergaben,  erkundigte  er  sich,  welcher 
Vorgang  in  früheren  Zeiten  bei  diesem  Gerichte  eingeliulteu 
worden  war.  Aus  einem  Schreiben'  (Bcihigc  4)  des  Gnifen 
Trautson,  seines  AmtsvorgUngers,  ergibt  sieh,  diiss  folgende 
Grundsätze  bei  der  Rechtspflege   befolgt  wurden. 

Notorische  Verbrecher,  welebc  von  dem  Hofgerichte  ein- 
gezogen waren,  wurden  dem  Stadtgerichte  zur  Aburtlieiluug 
überstellt,  dessen  Sentenz  dann  dem  Ubcrsthofmurschall  eiii- 
gehilndigt  wurde,  welcher  sie  dem  Kaiser  zur  Sanction  vor- 
legte. Wenn  dagegen  andere  Instanzen,  wie  z.  B.  die  Laiid- 
officiere  in  Prag,  Einspruch  erhoben,  wurde  der  Process  durch 
eine  gütliche  Vcreinbiirung  mit  di^iLsc^lben  ausgetragen. 

Bei  nicht  notorischon  Verbrechorn,  die  nicht  bei  der  That 
ertappt  wurden,  führte  das  Hofmarschajigericht  die  Unter- 
enehung,  wozu  zwei  Mofriithe  oder  auch  andere  Gelehrte  Itei- 
gezogen  wurden;  quaiiticirte  sifli  die  Schuld  zu  einem  Criminal- 
verbrechen,  so  wurde  der  Schuldige  dem  Stadtgerichte  ein- 
geliefert, welches  auch  das  Urtheil  Htllte.  Das  Verdict  wurde 
vor  seiner  Publicining  dem  OborsthofmarsehaJi  eingehändigt, 
welcher  beim  Kaiser  die  fernere  Entscheidung  einholte. 

Unter  dieses  Gerieht  gehörton   nicht   nur   alle   Ilofbcdien- 

'  steten,  sondern  aucli  die  Botschafter,  Agenten,  Procuratoren 
sammt  ihren  Angehörigen,  alle  fremden  FUrsten  und  Edelleute, 
welche  bei  Hofe  zu  thun  hatten,  ferner  die  Kriegsobersten  und 
Hauptleute,  die  vom  Kaiser  oder  von  dem  Hofkriegsnithe  be- 
stellt waren,  auch  die  Handels-  und  Handwerksleute,  welche 
zu    Hofe    gehörten.      Die    von    dem    Lande    bestellten    Militär- 

'personen    und    die    herumfahrenden    Leute    waren    unter    den 

*  Schutz  des  Obersthofmarsclialls  nicht  gestellt. 

Weiter  war  es  die  Pflicht  des  Obersthofmarschalls,  die 
Handelsleute  zu  erinnern,  dass  sie  die  Landesumhigen  einzahlen, 
wenn  der  Landtag  solche  auf  verschiedene  Waaren  bewilligte 
und  ihm  einen  solchen  Beschluss  mittheilte.  Befolgten  sie  seine 
Mahnung   nicht,    so   trieb  er  die    Zahlungen    durch   Execution 

'oder  durch  Gewalt  ein;  besassen  Jedoch  solche  Kaufleute  zu- 
gleich auch  das  Bürgerrecht,  so  ging  ihn  die  Execution  nichts 
mehr  an.    Bei  Hausrevisionen,   die  bei  den  Handelsleuten  vor- 


hin  Fase.  34  lies   grätl.  Harrach'gclien   Arcliives.     Eiiio    zweite  Abschrift 
I  betiudet  aicli  ebendurt  iai  Faiic.  i. 


468 


genommen  wurden,  gab  er  den  LatidtAgsverordueten,  welche 
solche  Nachforschangen  leiteten,  seine  Lcate  mit.  die  dann 
dabei  intervenirten. 

Als  im  Jahre  IBll  Kaiser  Rudolf  11.  auf  die  Regierung 
zu  Gunsten  seines  Bruders  Mathias  Verzicht  leistete,  stellte  er 
die  Bedingung,  dass  alle  Personen,  welche  im  engeren  und 
weiteren  Sinne  zu  dem  kaiserlichen  Hofe  gehörten,  der  alleinigen 
Jurisdiction  des  Hofmarschalls  unterstehen  und  dieser  in  Aus 
llbung  derselben  durch  Niemand  gehindert  werde.'  Die  Coui- 
missäre  des  Königs  Mathias  waren  geneigt,  seine  Jurisdiction 
bis  zu  einem  gewissen  Umfang  anzuerkennen,  wollton  aber 
durchaus  nicht  zugeben,  dass  der  Hofmurschall  direct  den  Blirger- 
meistem  und  Hauptlcuton  in  Prag  irgendwelche  Befehle  erthcilc. 
Schliesslich  wurde  ihm  doch  die  Junsdiction  über  alle  zum  Hofe 
gehörigen  Personen,  zu  denen  auch  Gesandte  fremder  MUchto  mit 
ihrem  Gefolge  gehörten,  ungeschmiüert  zugesprochen. 

Die  Instruction  Kaiser  Maximilians  H.  galt  auch  unter 
dem  Oboi-sthofmarschall  Grafen  von  Losenstein,  welchem  am 
21.  Februar  Kilo  ein  Auszug  aus  derselben  übergeben  wurde.* 
Die  allgemeinen  Regeln  blieben  dann  bis  zum  Jahre  1637  in 
Geltung,  wie  das  aus  der  von  Kaiser  Ferdinand  EU.  am  6.  April 
unterzeichneten  InsU'uction  ersichtlich  ist."  Nur  einige  Para- 
gi'aphc  wurden  damals  ausgelassen,  sonst  ist  der  Inhalt  gleich. 

Bei  der  am  27.  Februar  1651  vorgenommenen  Berathung 
über  die  Organisation  dieses  Amtes  wurden  zuerst  alle  auf  die 
Gerichtspraxis  abzielenden  Punkte  ausgeschieden,  und  man 
verhandelte  nur  über  diejenigen,  welche  sich  auf  die  HofJionst- 
Ordnung  bezogen. 

Bei  dem  §.  5  hob  selbst  der  Ubersthofmarschall  hervor, 
dass  derselbe  nicht  durchgeführt  werde,  da  dazu  keine  Gelegen- 
heit sei  und  er  nur  zu  Streitigkeiten  mit  anderen  Instanzen 
t\lhre.  Deswegen  beantragte  er,  diesen  Paragraph  zu  streichen; 
wenn  er  aber  beibehalten  werden  sollte,  so  möge  in  jedem  Falle 
die  kaiserliche  Resolution  eingeholt  werden. 

Eine  weitere  Erörterung  gab  es  auch  bei  dem  Absatz  11. 
Bei  der  Ansagung  von   fremden   Botschat\ern   ging  es  ziemlich 


•  Oindely,  I.  c,  11,  .«K). 

•  K.  n.  k.  Ilaiis-,  Hof-  tinil  .StanUarcliiv,   t,  K.  1. 

'  ContraaigfDirt  vuui   M.  Grafen   'rrauttiuaiiRtortT  itad    Secretär  Schidenicx. 
Im  ^rHtl.  HATrach'scben  Archive,  Faac.  24. 


unordentlich  licr,  weil  der  Oborstliofmeister  dou  Befehl  des 
Kaisers  durcli  die  Fouriere  weiter  ertheilte,  diese  ihn  dann  dem 
Obersthofmarschall  meldeten,  worauf  der  Obcrsthofmiirschall 
die  (Irdonniinzcn  nusführte.  Nur  wenn  der  (Jbersthofmoister  ab- 
wesend war,  erhielt  der  Obersthofmarschali  direct  den  Auftrag 
vom  Kaiser  und  ordnete  das  Weitere  durch  Hoflburiere  an. 
Es  kam  auch  mitunter  vor,  dass  in  AbweHcnlioit  des  Oberst- 
hofTnarschiills  der  Oberstkämraerer  die  Weisung  bekam  und  sie 
dann  durch  die  Kammcri'ouriere  den  Iloffouriei'cn  auftnif^en 
liess,  woraus  manchmal  Unzukürnmliehkeiten  entstanden,  über 
welche  sich  das  Botscbaftspersonale  beklagte. 

Ausserdem  beanstindete  der  <  )iier8thofmarscha]l,  dass  der 
§.18  seiner  Instruction,  nach  welchem  er  der  Stellvertreter 
des  abwesenden  Obersthofmeisters  ist,'  nicht  eingehalten  werde, 
und  drang  auf  dessen  Befolgung  sowohl  bei  den  Kirchengllngen, 
als  auch  bei  den  Empfängen. 

Femer  wünschte  er,  dass  die  §§.  13  und  15  über  die  Polizei 
revidirt  werden.  Sonst  beantragte  er,  dass  die  Instruction  in 
ihrem  vollen  Inhalte  gelten  solle,  und  dass  in  dem  §.  17  der 
Passus  über  dun  Hofprofoscn,  welcher  seit  den  Achtzigerjahren 
so  genannt  wurde,  wieder  eingeschaltet  werde,  weil  er  früher 
aasgelassen  worden  war. 

Bei  dieser  Gelegenheit  kamen  noch  andere  Sachen  zur 
Sprache.  Der  Obersthofmarsehall  machte  die  Commission  darauf 
aufmerksam,  dass  die  Hofdiener  verschiedene  Spiele  in  der 
Wartstube  treiben.  Dieses  sollte  in  Zukunft  von  den  Trabanten 
verhindert  werden,  und  auch  der  CJardeliauplmann  wurde  ange- 
wiesen, auf  diesen  Unfug  achtzugcibeu.  Zuletzt  beantragte 
der  <.)bersthofmarschall  eine  neue  Vorschrift  über  das  Sechser- 
fahren. 

Diese  Vorschrift  sollte  zwei  Absiltze  enthalten:  1.  wer  mit 
sechs  Pferden  in  der  Stadt,  nach  dem  Hofe  und  in  die  Burg 
ssn  fahren  berechtigt  ist,  2.  wer  nur  mit  zwei  Pferden  fahren  solle. 

Man  wollte  bei  dieser  Frage  einen  Unterschied  zwischen 
den  Kcsidonzstädten  machen.  In  Prag,  Linz  und  Pressburg,  wo 
die  Lage  der  Burg  eine  solche  ist,  dass  man  nicht  leicht  liinauf- 
kommen  kann,  sollte  das  Sechserfahren  in  der  Stadt  und  ausser- 
halb  derselben   gestattet  werden.    Dagegen   sollte    es   in  Wien 


>  Oaaielb«  erwähnt  uoch  der  Statiu  regiininis  vom  Jahre  ItiST. 


470 

nur  den  fl\r8tlifhen  Personen,  den  Botachaftern  der  gekrönten 
und  ihnen  gleich  gestellten  Häupter,  wie  z.  B.  den  Kurflireten 
u.  dgl.  erlaubt  sein,  den  Ahgcordueten  der  Reichs-  und  anderer 
Ftirsten  aber  nicht;  diesen  sollte  mau  es  nur  in  dem  Faili' 
gestatten,  wenn  sie  bei  dem  päpstlichen  Nuntius  oder  bei  den 
Abgesandten  der  gekrönten  Hilupter  ihre  Aufwartung  tuAchten. 

In  einzelnen  Füllen  konnte  dieser  Vorzug  auch  flir  die 
geheimen  Hilthe  gelten,  doch  erwartete  man,  dass  auch  diese 
sieh  darin  einschränken  werden.  Der  Palatin  von  Ungarn  und 
der  Erzbischof'  blieben  bei  ihrem  bisherigen  Vorrecht. 

In  die  innere  Burg  sollten  nur  lUrstliche  Personen  und 
Abgesandte  der  gekrönten  Hilupter  fahren,  mit  zwei  Pferden 
die  geheimen  Ilätho,  die  hohen  Hofofticiere,  der  Statthalter,  der 
Landmarschall,  der  Feldmai-schall  und  der  KriegsratliBprilsideut; 
die  Kilniinerer  aber  sollten  bei  Hof  nur  zu  Ross  erscheinen. 

Üiireh  dii-  ( )rdnuiig  vom  Jahre  lt)43  wurde  zwar  auch  dcu 
Kämmerern  die  Fahrt  mit  zwei  Pferden  zugestanden,  aber  seit 
dieser  Zeit  wuchs  ihre  Zahl  derart  an,  dass  sie  zur  Aufstclliuig 
ihrer  Wsigen,  besondere  bei  feierlichen  AulUasen,  nicht  alle  Platz 
gefunden  hätten. 

Die  Entscheidung  über  diesen  letzten  Piuikt  wurde  dem 
Kaiser  anheiragestellt  und  sollte  dann  auch  in  die  Ilofpolizei- 
Ordnung  aufgenommen  werden." 

Schon  im  Jahre  1584  linden  wir  einen  Schreiber,  welcher 
dem  Obersthofmarschall  zugewiesen  wurde.  Damals  war  «s 
Virgil  Weingarten,  der  einen  Gehalt  von  120  Gulden  hatte.' 
Später  nannte  man  ihn  Secretär.  Als  solcher  wird  im  Jahre  1640 
Peter  Hilgcr  angeflihrt.    Ernannt  wurde  er  von  der  Hofkanzlci. 

Um  die  Gerichtspraxis  tlieses  Amtes  zu  ordnen,  wurde 
gegen  Ende  des  17.  Jahrhunderts  eine  ,ObersthofmarschalLimbts- 
Process-  und  Gerichtsordnung'*  neu  verfasst,  welclie  im  Ganzen 
19  Piirapraphc  enthillt.  Dieselbe  ist  wohl  der  Kammerprocess- 
ordnung  naciigebildet  und  diente  im  Jahre  1713  als  Grundlage 


'  Bs  wird  nicbt  angegeben,   welrtiur. 

*  lierielit  der  Commigsuiu  vom  .I.ilirc  16öl  im  Faic.  H  des  gtiä.  Uamcli- 
Bchen  Archive«. 

*  HZR.,  1684. 

*  Dieselbe  wird  im  .latire  ITOfl  in  einem  Vensuirlinisse  der  .\ctcn  des 
grätl.  Harrauli'gulien  Arcliives  urwilhnt.  Handschrift  der  ^rüH.  Harrkch- 
sehen  Sainniinng,  Nr.  W2. 


471 


bei  der  Zusammenstellung  der  neuen  niederösterroichischon  Laiid- 
marschallperichtsordniuig.  Auch  jene  theilon  wir  in  ihrem  vollen 
Inhalte  mit  (Beilage  5). 

Unter  das  ( )bersthofuiarschallanit  gehörte  auch  der  Stahül- 
meister,  welcher  schon  im  Jahre  1572  mit  einer  Instruction 
verschen  wurde  (Beilage  6).  Diese  Instruction  wurde  unter 
Kaiser  Rudolf  II.  geändert,  indem  die  §§.  '20  und  22  gänzlich 
weggelassen  wurden,  dagegen  ein  neuer  Zusatz  eingeschoben 
wurde,  den  wir  unten  anAihreu.' 

Im  Jahre  1560  war  Stabelmeister  Bernhiu-d  von  Manesis, 
Freiherr  zu  Schwarzenegg,"  im  Jahre  15ü2 — 1566  Caspar  Gral' 
zu  Lodron,  seit  dem  Jahre  1572 — 1576  Ilofrath  Gabriel  Strcin, 
Herr  auf  Schwarzenau,  dann  im  Jahre  löSl  Paul  Sixt  (traf 
Trautson,  welcher  im  uUchstcn  Jahre  zum  Obersthofmarschall 
vorrückte.  Nach  ihm  wurde  wahrscheinlich  dieses  Amt  mit  dem 
Grafen  Anton  zu  Arco  besetzt,  welcher  es  bis  zu  seinem  Tode 
(^15.  April  160S-')  bekleidete,  dann  (im  Jahre  161ÜJ  mit  Arrideo 
Bergonio.  Im  Jahre  1640  fungirte  in  dieser  Würde  Max  Ernst 
Burggraf  zu  Dohna. 

Der  Stabelmeister  bediente  den  Kaiser  bei  der  Iloftafel 
zugleich  mit  den  Truchscssen,  beaufsichtigte  das  Auftragen  der 
Speisen,  welche  der  Panathier  auf  den  Tisch  stellte.  Er  conlro- 
lirte  die  zum  Dienst  zugewiesenen  Ofticicre,  gab  das  Zeichen 
zum  Auftragen  der  Speisen  und  sorgte  für  die  (h'dnung.  Wenn 
Jemand  von  den  fremden  Personen  oder  von  der  Dienerschaft 
sich  unanständig  benahm  und  der  Obersthofracister  oder  der 
Ubersthofmai'schall  nicht  anwesend  waren,  hess  er  ihn  durch 
den  Huissier  ermahnen.  Er  durfte  sich  nicht  früher  aus  dem 
Speisesaale  entfernen,  als  bis  der  Kaiser  von  der  Tafel  aufstand 
und  sich  in  seine  Kammer  begab.  Bei  der  Truchscssentafel 
^vurde  ihm  der  Vorsitz  eiugerüumt. 

Seit  &Uher  Zeit  war  dem  Obersthofraarschall  aucli  der 
Quartiermeister  untorgeorduet.  Als  solchen  ncnnl  mau  im  Jahre 
1548  Hamis  Kheisler.^  Im  Jahre  1560  war  Andreas  Kliiol- 
mann'  Quartiermeister,  seit  dem  Jahre  1576  Hanns  Jakob 
Horbrath,   welcher    schon    im    Jahre    1584^   Hofquartiermeister 


<  Handschrift  der  k.  k.  Hofbibliotliek  14676,  f.  g«-— 13". 

'  HZR.,   16Ö0.  '  UZR.,   1008. 

'  liZK.,  IMt).  0  UZB.,  IdGU,  II,  (.  a'il^  *  UZR.,  1684. 


genannt  wird.    Nach  ihm  be8org;tc  dieses  Amt  bis  zum  Jahre 
löHil  Maximilian  Wolgemuth,   welcher  noch   zwei  AmtscoUeg 
(I'regorius,  Bönl)  hatte.    In  den  Jaliren   1«508 — 1619  wird  Mj 
niilian    do  Cochi    wieder   als    Quartierraeister    angefahrt.     Aaj 
10.  November  lfi37  unterzeichnete   Kaiser  Ferdinand  III.  ein«] 
Instruction  für  den  Hofquartiermeistcr,  welche  dann  am  23.  Junti 
10&7   von  Kaiser  Leopold  I.  bestätigt  wurde.' 

Die  dritte   Hofcliarge   war   die  des  Oberstkilmmorer^ 
AIh  üolchen  finden  wir  im  Jahre  1561   Leonhard  von  Harnich^i 
KreÜHirrn  zu   Rohruu,   dem  Kaiser  Maximilian  II.  die  in   Lim 
am  2.  Milrz  des  Jahres  1562  ausgefertigte  Instruction  Qbei^cbeiij 
hat  (Beilage  7). 

Seine    Pflicht    war,   stets    bei    dem    FUrsten    zu    sein    uiilj 
demselben    in   der   Kammer   aufzuwarten.     Zu   seiner  Aushüfdl 
waren    die    Kämmerer    bestimmt,    deren   Verrichtungen    nJlhe 
geregelt   wurden.    Weiter  war   er  verpflichtet,   die  ihm   unteM 
stehenden   Personen   bei   ihrem   Dienste   zu    beautBichtigeu,    di»1 
Invontare  llber  alte  und  neue  Kleidungen  (Garderobe)  und  die  I 
Hechiiungcn  Über  die  Ausgaben  zu  führen.    Er  hatte  die  Ober 
aufsieht   Über  die   Schatzkammer,   die  Antiquitätcnsammlungen, 
die    Bibliothek   und   die   Bildergallerie,   über  welche  gi-ündliche      , 
Verzeichnisse  zusammengestellt  wurden.   Auf  den  Reisen  besorgtsM 
er  im  Einvernehmen  mit  dem   Kammerfouricr  das  kaiserliche 
Iloflager. 

In  die  Schlafkammer  des  Ftlrsten  hatte  ausser  den  die: 
habenden    Kannuerherren    und    dem    Kammerdiener    Niemand 
Zutritt.     Schon    damals    galt   als  Zeichen    des   Kämmerers   cia 
(spllter  goldener)  Schlüssel  zu  der  kaiserlichen  Kammer,  welch 
jedesmal,  wenn  der  Kämmerer  verreiste  oder  unpässlich  wurd 
dem  Oberstkilinniorcr  zugestellt  wurde.    In   dieser  Zeit,  sowi 
auch    später,    war    der    Kammerdienst   als    die    erste    Stufe 
dem  Hitfdienste  angesehen,  und  noch  im  Anfange  des  17.  Jahi 
hunderts   war   damit   auch    der   persönliche   Dienst  vcrbundei 
(»egen  die  Mitte  dieses  Jahrhunderts  wurde  diese  Würde  schoi 
vielfach    verliehen,   ohne    dass   die   betreffenden   Personen 
Dienstleistung  beigezogen  worden  wären,*  aber  immer  wurde 

*  Im  Fuc.  24  de«  griifl.  HnrrAchVcbeo  Archive«. 

*  Im  Jalire  1(>37  gab  ee  wirkliche  Kämmerer  und  eiiio  kleioo  Anzahl  ron' 
HiiJereo,  welche  bloa  Titalarkimmerer  waren.    .Status  ro(;iiiiiui«  etc. 


dem  Grundsatz  festgehalten,  dass  sie  sich  in  der  Ntthe  des  Kaisers 
•ufhaltcn.  Mit  der  Instnietion  vom  Jalire  1562  wurden  auch 
alle  früher  nach  dem  niederländischen  Gebrauche  üblichen 
Sportein  abgeschafft. 

Zu  seinem  Stabe  gehörten:  1  oder  2  Leibärzte,  1  Wundarzt 
nnd  1  Apotheker,  4  KaiunR'rdieuer,  2  Barbiere,  1  Garderobier 
mit  Gesellen,  Kammerfourier,  Heizer,  Leibschneider,  Schuster, 
Hosenschneider,  Leibwilschebeschliesserin,  3 — 4  Kammerthür- 
littter. 

Im  Jahre  1559'  umfasste  die  Kammer  folgende  Personen, 
deren  Verrichtungen  durch  eigene  Instructionen  geregelt  wurden: 

3  Kammerdiener,  2  Garderobiere,  1  Kammerfourier,  1  Zimmer- 
heizer, 3  Leibärzte,   l  Apotheker.   1  Wundarzt,  2  Leibbarbiere, 

4  Kammer-  und  Zimmerhüter,  2  Panathierc,  4  Horoldu,  1  Quartier- 
aneister,  4  Hoffouriere,  1  Stabelmeister,  3  Fürschneidor,  5  Mund- 
schenke, 1 1  Truchsesse,  9  Silberkälmracrer,  4  von  der  Kellerpartei,* 
1  Küchenmensch,'  ü  von  der  Küehrnpartei,  6  Mund-  und 
Unterköche,*  3  Tapissiere,  1  Lichtkilmmerer,*  2  Wäscherinnen, 
15  Trompeter,  1  Controlor,"  dann  I  Almosenspender,  1  Prediger, 
9  Capellane,  1  Capeiimeister,'  dann  die  ganze  Capellc  und  die 
Sänger.  Dieser  Personenstand  vermehrte  sieh  allmiüig,  so  dass 
er  im  17.  Jalirhundert  sehr  zahiroicli  war  und  einzelne  Func- 
tionen noch  getheilt  wurden. 

Bei  der  Commission  im  Jahre  1651  wurde  die  Instruction 
dieses  Amtes  nicht  in  Berathung  gezogen,  sie  scheint  in  der 
ursprünglichen  Fassung  fortgedauert  zu  haben. 

Als  Gberstkämmerer  werden  angeführt:  Von  1548 — 1559 
Martin  de  Guzman.*  Er  hat  das  Amt  noch  im  Jahre  1559 
niedei^elogt;  schon  in  der  zweiten  Häli^e  dieses  Jahres  hat  es 


'   Hnudschrift  der  k.  k.  Uofbibliothek,  Suppl.  3323. 

*  Die  Instruction  tu  der  Haiidscbrift  U676,  f.  221>'— 228*,  und  zwar: 
1.  fQr  deu  Sumnielier,  2.  fiir  3  Uuterkeller,  tiXr  2  Kellonicliroibur  und 
4  Uofkellerbinder. 

*  Ebendort,  f.  löG«  — 164»  die  Iiutruction  fUr  den  KQcbenniei»ter,  171"— 181 
fiir  den  Kavhenschreiber,  183*— 1S8>  fDr  deu  ZUrgadner,  189i>— 19S*  fQr 
den  Zusclirotter. 

«  Instruction  fUr  den  Mundkoch  f.  193>>— 200«. 
»  Instruction  f.  236"- 240''. 
■•   Instruction  f.  20!l•-220^ 
'  Inntniction  f.  246"— 249*. 

*  Sein  Name  iat  im  äcbematitmus  vom  Jahre  1&&9  durcbgestricben. 


474 


Scipio  Graf  von  Arco*  versehen,  wurde  jedoch  schon  im  Jahre 
1561  durch  Lconhiird  P'n.Mlit.Trii  von  Hanach  craetzt.  Dieser 
vorwaltete  dieses  Amt  zuerst  sclbststtiiidig"  (1561  — 1563),  dann 
als  Verwalter  dieses  Amtes  an  der  Stelle  des  Adam  Freiherm 
von  Dictriclistein,  welcher  nach  seiner  RUckkchr  aus  Spanien 
es  bis  zum  Jahre  1575*  innehatte. 

Vom  Jahre  1575  an  stand  an  der  Spitze  dieses  Amtes 
Wolfgang  Freiherr  von  Rumpf  und  nach  dessen  Sturz  im  Jahre 
1600  Peter  Freiherr  von  Muilart,''  dem  Carl  von  Liechtenstein 
bis  zum  Jahre  1603  und  seit  September  dieses  Jahres  Friedrieh 
firaf  zu  Fürstenberg  nachfolgte  (bis  1608).'  Der  letzte  Oberst- 
kiimmerer  Kaiser  Rudolfs  II.  war  Ulrich  Desidcrius  Pros- 
kowsky  von  Proskau,  Soliu  dos  früheren  Hofkaramcrrathc^ 
Georg  von  Proskowsky  (vom  1.  Mai  1606  bis  1612)." 

Verwalter  des  Oberstkümmorcrauites  des  Erzherzogs  Ma- 
thias vom  Jahre  1601  an  war  Leunhard  Helfried  Freiherr  vun 
Moggau,  der  dann  bis  zum  Jahre  1610  an  der  Spitze  dieses  Amtes 
stand;'  zur  Zeit  der  Kaiscrwahl  bekleidete  diese  Würde  Maxi- 
milian Graf  von  Trauttmansturff,*  nach  ihm  bis  zum  Jahre  161Ö 
wieder  Lcoiihard  Helfried  Freiherr  von  Meggau,  der  zngleJch 
Verwalter  des  ( tberstliofmcisteramtes  war." 

Unter  Ferdinand  11.  finden  wir  als  Oberst kUinmorcr  den 
Balthaser  Freiherm  von  Thannhausen,'"*  nach  ihm  bis  zum  Jahre 
1637  Johann  Jakob  Khiesl,  Grafen  zu  Gottschee."  Dasselbe  Äut 
versah  in  der  ersten  Regierungsperiode  Kaiser  Ferdinands  IH. 


'  HZR.,   1560,  f.  43. 

'  Koch  M.,  Quollen  zur  Go.schiclito  de«  KaUon  Maximilian  II.,  S.  7. 
Leipzifr  1837. 

»  HZK.,  1576,  f.  9i7.  Hand»chrift  der  k.  k.  Hofbibliotbek  8211»,  f.  "I*. 
DietricliBtoin,  welcher  bis  zum  Jahre  1662  Oberststilluii^ister  der  KOnif^ 
Marin,  Geiiiahliii  MftximiliniiH  II.  w.ir,  wurde  im  J.ihre  1563  zum  Oberft- 
kämnierer  emnuiit,  da  er  aber  damals  die  Erzherzoge  Rudolf  niid  Enu' 
nach  Spauieu  be^^leitete,  wurde  ihm  dieeea  Amt  vorbehalten. 

•  HZK.,  1602,   f.  2S^^ 

»  Haudiichrift  der  k.  k.  Hon.ibliothek  8219,  f.  85^  80.  —  llurter,  l.c,  VI,< 

"  HRZ.,  1611  —  1614,  f.  4f.7^  28r.^  Handschrift  der  k.  k.  llofbibliollifk 
14724,  r.  123». 

'  Suirzer,  I.e.,  219;  Harter,  I.e.,  VI,  278. 

"  Hurter,  1.  c,  VIT,  16. 

"  HRZ.,   1619.  f.  148  ^  260'-. 
><>  U-indauhrift  der  k.  k.  Uorbibliothek  812U. 
"  Statu»  regiminiü  vom  Jahre  1637. 


475 


ann  Rudolf  Graf  vou  Puecheim  (bis  1650),  nach  ihm  Maxi- 
ian  Graf  von  Waldstein  (1650 — 1654),  Don  Ilannibal  Fürst 
izaga  (1655 — 1661),  Johann  Maximilian  GniC  von  Lamberg 
61  —  1675),  seit  dem  3.  Juli  1675  Flirst  üundaker  von  Dietrich- 
n  mit  einem  Gehalt  von  20CM)  Gulden'  (bis  1690),  nach  ihm 
•1  Graf  von  Waldstein,  früher  Obersthofmeister  der  Kaiserin* 
90—1702),  und  Heinrich  Graf  von  Mansfeld  (bis  1705),' 

Die  vierte  Hofwürde  war  die  des  Obcrststalliueisters. 
ch  für  dieses  Amt  erschien  schon  unter  Kaiser  Maximilian  II. 
e  Instruction,  welclie  bis  zum  Jahre  1637  in  voller  Geltung 
blieb  (Beilage  8). 

Nach  dieser  Instruction  war  es  Pflicht  des  Obcrststjill- 
isters,  auf  die  Stallsachcn  und  Bedürfnisse  dos  Stalles  zu 
iten,  die  Ankäufe  f(ir  die  Stallungen  mit  Wissen  des  Hofcon- 
ors  zu  besorgen  und  die  Verzciehnisse  über  den  Pferdestand 
Rihren.  Ausser  dem  Stalle  gehörte  auch  unter  ihn  die  Ilarnisch- 
I  Sattclkammer,  über  welche  sclbststiindigc  Inventare  von 
a  Fultermeister  und  dem  Controlor  verfertigt  wurden,  dann 
Pagerie  oder  die  Edelknaben,  flir  welches  Institut  seit  jeher 
e  eigene  Ordnung  bestand. 

Dem  Obcrststallmeister  waren  tler  Futterraeister  und  der 
tterschreiber  untergeordnet,  für  welche  eine  besondere  Instruc- 
i  in  Geltung  war.*  Sie  bestellten  alle  fllr  die  kaiserlichen 
sen  nöthigen  Bedürfnisse,  wie  z.  B.  Wagen  und  Schiffe. 
ber  die  Reisebedürfuisse  führten  sie  Verzeichnisse,  deren 
ginale  dem  Obersthofmeister  übergeben  wurden,  wUhrend 
Abschriften  bei  dem  Obcrststallmeisteramte  behufs  Controlc 
blieben.  Was  von  den  Sachen,  welche  ftlr  eine  Kaiserreise 
;cschafi%  oder  dem  Kaiser  verehrt  wurden,  übrig  geblieben 
f,  wurde  mit  Vorwissen  der  beiden  WUrdentrjlger  verrechnet 
I  behandelt. 


Handschrift  der   k.  k.  Hofbililiothek    12388.     Er   war    früher    Obersthof- 

meister  der  Kaiserin. 

Handschrift  der  k.  k.  Hofbibliothok  7249,  f.  S91''. 

Im  Archive  des  Oberstkämmororamtes  sind  die  Oberatkämmerer  nnr  seit 

dem  Jahre  1060  verzeichnet. 

Die  Instruction  de«  Futteriiieisters  eiitbSlt  die  »clioii  erwähnte  Hnndnchrift 

der  k.  k.  Hofbibliothok  14676  auf  fol.  276*— 291",  die  de»  Futterschrei- 

bers  f.  296* — i^T".     Beide    sind    auch    in    dem    Harracb'schen   Archive, 

Paw.34. 


476 


Vor  einer  jeden  Reise  hielten  die  vier  Hofstftbe  eine 
Besprechung  ab,  zu  welcher  auch  der  Stabel-  und  der  Küchen- 
meister  beigezogen  wurden.  Alles  Nöthige  bestellte  man  bei  dem 
Futtermeister,  von  welchem  es  auch  genau  verzeichnet  wurde. 
Dabei  wurde  strenge  Aufsicht  geübt,  dass  die  Dienerschaft  nor 
ihre  nothwendigsten  Sachen  auflade  und  umsonst  führen  lasse; 
wurde  dabei  das  vorgeschriebene  Gewicht  und  die  Menge  über- 
schritten, so  wurden  die  Sachen  auf  Kosten  der  bctreifendco 
Personen  transportirt.' 

Bei  der  Hofstalihaltung  wurde  die  Regel  eingehalten,  das8 
die  Zahl  der  Knechte  und  Eseltreiber  nach  dem  Stand  der 
Pferde  und  der  Maulesel  berechnet  werde.  Gewöhnlich  gehörte 
zur  Bedienung  von  je  drei  Pferden  ein  Stallknecht. 

Nach  dem  Status  vom  Jahre  1559  waren  bei  dem  Hofstalle 
in  Verwendung:  2  Rossbereiter,  2  Futterschrefber,  1  Harnisch 
knecht,  1  Plattncr,  1  Sattelknccht,  1  Schmied,  10  Lakaien,  I  Ver- 
walter der  Tragesel,  ausserdi-m  eine  Anzahl  von  StallknechtcD. 

Bei  der  Commission  im  Jahre  1651  kam  man  darauf,  d«ss 
eine  Instruction  für  den  kaiserlichen  Oberststallmeister  gar  nicht 
vorhanden  war  und  man  sich  bisher  an  die  seinerzeit  für  den 
erzherzoglichen  Hofstaat  herausgegebene  gehalten  hatte.  Der 
damals  designirtc  Oberststallmeister  Fürst  Gonzaga  (1651 — 1655) 
trug  sich  an,  sobald  er  in  seinem  Amte  installirt  sein  werde, 
eine  solche  zu  verfassen,  wobei  er  die  von  seinen  Vorgängern 
eingehaltene  Praxis  berücksichtigen  wollte.  Bis  seine  Vorlage 
vom  Kaiser  bestätigt  werde,  sollte  die  bisherige  Instruction 
beobachtet  werden. 

Ob  Fürst  Gonzaga  auch  wirklich  seinen  Vorsatz  ausgeführt 
hat,  lässt  sich  nicht  nachweisen.  Es  stellte  sich  aber  bald  die 
Nothwendigkeit  heraus,  neue  Verbesserungen  bei  diesem  Amte 
einzufüiircn.  Schon  um  15.  Jänner  1657  gab  Kaiser  Ferdinand  Hl- 
dem  neuen  Oberststallmeister,  Franz  Albrecht  Grafen  von  Rar 
räch,  den  Befehl,  ihm  über  das  Stallwesen  zu  berichten  und  zu- 
gleich die  wegen  Ersparung  nöthigen  Vorkehrungen  zu  treffen. 

Graf  Harrach  kam  schon  am  3.  Mai  diesem  Auftrag« 
nach.*  Er  berechnete  den  Kostenaufwand  auf  das  Stallwesen  mit 


*  Eine  diosbezOglicbe  Ztwammenstellang  ist  in  dor  H«ndsahrift  der  k.  k. 
nofbibliothok  14670,  fol.  298—301  enthalten. 

*  Bericht  im  gräü.  Uarrach'schen  Archive,  Fase.  24. 


477 


16.000—17.000  Gulden,  ausnahmsweise  auch  mit  24.000—25.000 
plulden,*  und  beantragte,  dass,  um  einige  Ersparnisse  zu  erzielen, 
gliche  Stallofficiero  mit  Provision  abzufertigen  wären,  dass  zur 
Brsparung  (Ivr  Fuhrwerke  die  Hofparteien  zusammen  auf  den 
B^agen  fahren  sollten,  und  dass  nicht  ein  Jeder  eine  Kalesche 
Ihr  sich  beanspruchen  solle,  wie  es  also  auch  in  der  Instruction 
mthalten  war.  Ueber  die  Einhaltung  dieser  letzteren  *  trdnung 
ioUte  der  Hofcontrolor  die  Aufsicht  haben. 

Weitere  Ersparnisse  konnton  bei  den  Handwcrkslcutcn 
^ielt  werden,  und  der  Controlor  sollte  auch  dabei  gute  N.ich- 
Ichau  halten,  ausserdem  konnte  man  noch  viel  bei  der  Anschaffung 
|er  Kleidung  ersparen,  wenn  man  sie  gegen  Baar  kaufen  und 
|Bcht  überzahlen  würde. 

»  Zu  der  Verwaltung  des  Oberststallmeisters  geliörtcn  auch 
lie  kaiserlichen  PferdegestUte.  Diese  befanden  sich  auf  der  von 
Kaiser  Maximilian  II.  gekaufton  Kamnierhcrrschaft  Pardubilz  in 
Kladrub,  dann  in  Stiirkcnvit/,,  welches  vom  Herzog  von  Friedland 
j^stiftet  wurde,  und  in  Lippiza  bei  Triest.*  Auch  fllr  diese 
intrdc  im  Jahre  IßPli  eine  neue  Ordnung  geschaffen,  weiche 
Kaiser  Leopold  I.  auf  Antrag  des  Ferdinand  Bonaventura  Grafen 
tou  Flarrach  den   18.  Februar  unterschrieb.* 

Die  Reihenfolge  der  Oberststallmeister  ist:  im  Jahre  lf>n9 
Jaroslaw  von  Pernstein,  vom  Jahre  ir)62 — l5Gti  Wratislaw  von 
Pemstein;*  neben  ihm  wird  als  Untcrstallmeister  Rudolf  Khuen 
ron  BelAsy  angeflüirt,  welcher  dann  in  den  Jahren  1507—1576 
leibst  als  Obcrststaihueistcr  fungirtc.^  Vom  Jahre  1577 — 1581 
and  dann  in  den  Jahren  1584 — 1591  war  Oberststallnieister 
Claudius  Trividzi,  Graf  zu  Melz;"  in  der  Zwischenzeit,  als  sich 
Trivulzi  in  Sjianien  befand,  wurde  sein  Amt  vom  Obersthof 
marschali  verwaltet.'   Albrecht  Graf  von  Fllrstenberg  1594  bis 


h 


Im  Jnlire  1678  betrugen  die  Unkosten  lohon  135.1)4G  Oiilden.  Hnndichrift 
der  k.  k.  Uofbiblioüiek   1.3388. 
«  (J.  Aner)  Diu  k.  k.  Hofgentül  an  Liiiiiixn  L-iÖO— 1880.  Wien   1880.    Eine 
Instrurtinn  filr  dajwelho  vom  7.  Se]it«nibi!r  1668  wird  ebendort,  8.  2S  an- 
geffihrt. 

•  OrSfl.  Harrach'sche«  Arctiiv,  Fase.  24. 

'  Koch,  Quellen  etc.,  I,  7.    Schematiamnü  vom  .fahre  166ß. 

•  Jos.  Aner,    I>ie   kaiserlichen   und   kttniglichen    Oberststallnieister.    Wien 
1883.  Fol. 

•  Er  starb  am  3t.  Mai  1691.    HZR.,  1611—1614,  f.  489*. 
»BZR,   1583. 


478 

1599;'  als  Verwalter  des  Amtes  wird  Peter  Freiherr  von  Mollart' 
angeführt  (bis  1600),  nach  ihm  Ulrich  Desidcrius  Proskowsky 
bis  Ende  Mai  des  Jahres  1603,'  dann  wieder  bis  Februar  16(M 
Peter  von  Mollart ^  und  bis  Binde  des  Monats  April  desselben 
Jahres  Johann  Kolowrat-LibSteinskjf'.*  Maximilian  Graf  zu  Salm 
1604—1606,  vom  1.  Jdi  1611—1612,*'  Adam  von  Waldstcin 
1607—1609,'  Octavian  Graf  von  Cavi-iani  1609—1611.  Als 
Obcrststallmeister  Kaisers  Mathias  kennen  wir  Maximilian  Grafen 
von  Dietrichstein  (1612—1619).« 

Unter  Ferdinand  II.  war  Oberststallmeister  Jakob  Khiesl 
Graf  von  Gottschee  1613 — 1620,"  dann  Bruno  Graf  von  Mans- 
feld  (er  war  zugleich  Falkenmeister)  1620 — 1637,'"  Maximilian 
Graf  Waldstein  1637 — 1642,  Georg  Achazius  Graf  zu  Losenstein 
Hi42— 1650,  Don  Hannibal  Fürst  Gonzaga  1651  —  1655,  Franz 
Albrecht  Graf  von  Harrach  1655 — 1657,  Gundakher  Fürst 
Dictrichstein  1658 — 1675,"  Ferdinand  Bonaventura  Graf  von 
HaiTach   1675—1698." 

Die  Instruction  für  die  Edelknaben  ist  im  Auszug  in  der 
dos  Obcrststallmeisters  enthalten,  daneben  wurde  sie  noch  selbst- 
sUindig  und  ausführlich  behandelt."  Als  Hofmeister  der  Edel- 
knaben waren  angestellt:  1548  Diego  de  Zerowe,  seit  dem 
1.  Sfjitembcr  154S  Wilhelm  von  Pollenstrass,  1554 — 1556  M. 
Johann  Regius,  1560  Thomas  Dorner,'^  1567  David  Moser,  1576 


•  WalirBcbcinlich  schon  aett  dem  Jahre  1591;  doch  fehlen  niiM  bUber  Be- 
lege   HZR.,   1605,  f.  SM». 

•  riZR.,  1606.  f.  545".  •  Ebenda,  f.  646«.  •  Ebenda,  f.  544''. 
»  HZR.,  1605,  f.  646  fc. 

"  HZR.,    1606,  f.  544;    1611—1614,   f.  489''.     In    di«r    Handschrift    14(17«, 

f.  276'>. 
'  HZR.,  1607,  f.  281».  •  Hurter,  1.  c,  VI,  46«. 

•  Hand.scbrift  der  k.  Ic.  Hi.fl.ililiotliek  8120;  HZR.,  «619.  Fnr  .Johann  Jakob 
Khieal  Freiherrn  von  Kaltenbrunu  als  eriherioglichen  Oberststallnieixter 
galt  die  Instmction  vom  1.  JXnner  des  Jahres  1613.  Handfichrifl  der 
k.  k.  Hnfbibliotbek  8224. 

'°  HZR.,  1622,  f.  183»;  1821.  f.  10. 

"  Ans  dieser  Zeit  datiren  die  InvonUiro  der  kai»«irlii-hen  S.tttolkamnier, 
der  Zeltkammor  und  Biichsenkammer  in  dar  gr'AÜ.  Harrac.h'schen  Biblio- 
thek.   Handschrift  Nr.  88. 

"  ThatsSchlich  hat  er  das  Amt  erst  im  Jahre  1676  angetreten;  vom  Jnl 
1676  an  wurde  es  verwaltet. 

■■  Majlath,  Geschichte  des  Osterr.  KaisorsUatus  II,  H.  183.  186.  1H9. 

'♦  HZR..  1660.  f.  47«. 


479 


Georg  Fabriciua,  1580—1584  Andreas  Pradencius,  1603—1607 
Schotto  de  Bever/  1610 — 1619  Leonhard  Miseritz.* 

Als  Präceptoren  der  Edelknabe!)   finden  wir:   1548  Georg 

Pavianner,    1549   Nicolaus  Politus,    1553    Paulus   Pninner   und 

Virgil  Nagl,  1554 — 1556  M.  Johann  Regius,  1560  Michael  Engel- 

maier,'  1567 — 1576  Georg  Fabricius,  1581  Christoph  Sartorius, 

1604—1608  Georg  Espenhorst,   1604—1607  Johann  Huttenus,* 

1608  Leonhard  Miseritz,  1611   Johann  Gröschl. 

(  Auch    bei    der    Erziehung    der    kaiserlichen    Edelknaben 

!  ergaben  sich  vielfache  Mängel,  welche  den  Grafen  Franz  Albnjcht 

von  Harrach  dazu  bewogen,  eine  neue  Instruction  auszuarbeiten, 

welche  am    13.  April   1656  von   Kaiser  Ferdinand  III.  best.'itigt 

•wurde.    Die  Mehrzahl  ihrer  Punkte  bezog  sich  auf  die  Erhallung 

■der  Uausdisciplin  (^Beilage  9). 

Y  Diese  Instruction   galt   bis   in   die  Zeit  der  Amtsführung 

seines  Vetters,  des  Grafen  Ferdinand  Bonaventura  von  Harrach, 
der  eine  neue  zusammenstellte.  Diese  war  in  Capitel  eingetheilt, 
welche  das  Exercitiam  pietatis,  den  Ausgang,  das  Essen,  die 
Krankheit,  das  Schlafengehen  und  Aufstehen,  die  Studien,  die 
Exercjtia,  den  Aufwartungsdienst,  die  Kleidung  und  die  Strafen 
behandelten.  Als  Muster  wurde  die  Einrichtung  der  spanischen 
und  französischen  Akademien  benutzt.  Sie  hatte  den  Zweck, 
^den  jungen  Adel  auf  geeignete  Weise  für  den  Hofdienst  heran- 
pZnbilden  (Beilage  10). 

I  Für  den  dem   Obcrststallmeister   untergeordneten  Futter- 

tneister  hat  schon  Kai.ser  Maximilian  II.  eine  Instruction  heraus- 
^gegeben,  welche  allonlings  nur  für  den  Futtermeister  der  Erz- 
jberzoge  Rudolf  und  Ernst  galt.  Im  Jahre  1548  war  Futtermeister 
.Georg  Ettinger,  nach  ihm  folgte  Sigismund  Winklcr. 

Der  Futtermeister  erhielt  die  Befehle  von  dem  überst- 
■taUmeister,  in  Geldsachen  hing  er  aber  von  dem  Obcrsthof- 
^eister  ab,  welchem  er  immer  die  Lieferzettel  zu  tibergeben 
Jiatte.  Sein  Geschilft  betraf  die  Futtervornlthe,  die  er  gemein- 
schaftlich mit  dem  Hofcontrolor  vervollständigte.* 

Eine  neue  Instruction  wurde  im  Jahre  1673  ausgegeben. 
Sie  ist  von  dem  Obersthofmeister  Fürsten  von  Lobkowitz  unter- 


'   HZR.,   I6ü7,  f.  2811',  1605,  f.  516«'. 

»  Ebenda.   1621,  f.  156.         •  Ebenda,   1560,  I,  f.  ^96''     Handachrift  14724. 
«   HZR.,   1C07,  f.  281''. 

*  Die  Instruction  in  der  Handachrift  14676,  f.  296* — 301*. 
AnUr.  LXXXVa  Bd.  D.  Btin«.  81 


480 


loicIiiK^I    lind    eotliiilt  30  Absätze  gegen   23  Absätze   der  alten 
Instruction.    Der  Inhalt  ist  ziemlich  gleich  geblieben.' 

Ansi^liiicBsend  an  diese  Instruction  ist  diejenige  lYir  ilen 
Siittclknocht  zu  erwähnen.  Es  waren  zwei  Sattelknechte  angestellt, 
donon  nicht  nur  alle  Wjigen  und  Geschirre  anvertraut  waren, 
gondoni  nuch  die  Aufsicht  über  die  Stallknechte  und  Pferde.  In 
mancher  Beziehung  fielen  ihre  Pflichten  mit  denen  des  Futter- 
moisters  zusammen.  In  Abschrift  kennen  wir  die  am  15.  FebruAr 
16Ö3  unterfertigte  Instruction.* 

Dem  Futtermeister  war  noch  der  Sänftenmeister  nnter 
geordnet.  Als  solclien  finden  wir  im  Jahre  1055  Hanns  Eder 
vor.  Er  hatte  die  Aufsicht  über  die  Silnftenknechte  und  das 
ihnen  anvertraute  üerjlthe  und  die  Maulesel  zu  filhren."  Uugefilhr 
HUB  derselben  Zeit,  wahrscheinlich  aus  dem  Jahre  1656  stammt 
auch  die  Instruction  fUr  die  kaiserlichen  Scsseltrilger,  die  aacli 
unter  den  (»berststallmeister  gehörten.  Als  ältester  Corpond 
derselbi-n  wurde  Nicolaus  Ballastraza  ernannt  und  ihm  sowohl 
die  Einhaltung  der  Ordnung,  als  auch  die  Beaufeichligung  des 
Personals  anbefohlen.* 

Neben  diesen  Instnictionen  bestanden  kürzere  flir  einr 
jede  Kategorie  der  Stall-  und  der  anderen  Diener,  deren  Haupt 
Inhalt  auch  in  die  Eidesformel  aufgenommen  wurde. 

In   mancher  Hinsicht  wird   zu  den  höheren  Würden  amh 
der  OberstjUgermeister  gezilhlt.    Ein  solches  Amt  wird  schon 
im   14.  Jahrhundert  angeführt.*    Im  Jahre   löitK)  war  Friedrich 
Pnpel    von    Stein    Jjlgermeister."     Eine    eigentliche    Instruction 
haben  wir  nicht,  doch  wir  vermuthen,  dass  seine  Dienstpflichten 
in  der  Instruction  für  den  ,0berstjftgermei8ter  in  Steier'  enthalten 
sind,  welche  von  Kaiser  Leopold  I.  am  9.  November  165*4  unter 
zeichnet  wurde'  (^Beilage  11).    Sie   bezieht  sich  nur  auf  Steier 
wohl  aus  dem  Grunde,  weil  in  den  anderen   Lilndcrn    sclbst- 
ständige  Jägermeister  bestellt  waren.    Ihr  Inhalt  betriflt  nicht 
nur  die  Hegung  des  Wildes  und  der  Waldl>estilnde,  sowie  die 


'  OrSll.  >l.<irrscli'»(<lies  Arohiv,  F.-uic.  24,  *  Kboriiin. 

*  Dio  Inntruction  iro  fnsc.  34  des  grivd.  Uarntcb'scliun  Archives. 

*  Die  Instruction  ebendorl. 
'  BuoholU,  l.  c,  VIU,  29. 

*  HZR.,  «660,  f.  69». 
'  Uioae  ist  vprscliiedoii  vnn   der  ,Nea  veirfaasten  JX^rordnang  in  Steier*. 

Oraa  1TU7,  Wien  1716. 


Pflicilten  der  einzclDcn  Organe,*  sondern  umfasst  wie  die  ge- 
wölinlichon  .lägcrordnungen  auch  praktische  Winke,  Durch  sie 
wurde  dem  Oberstjägenneisfer  die  Leitung  der  kniserh'chen 
Hofjagdon,  welche  in  diesem  Gebiete  noch  als  Kegale  angesehen 
wurden,  als  erste  Pflicht  aufgetragen. 

.  Als    OberstjJlgermeister    wei'den    angeführt:     1548 — 1555 

'Erasmns  von  Liechtenstein,  Wolf  Sigismund  von  Auersperg 
(•f  18.  November)  1598;  bis  zum  Jahre  1G(K)  Verwalter  des 
Amtes  Anton  Schilcher,  SecreUir  desselben  Amtes.  Vom  20.  De- 
ceraber  1600  Carl  Freiherr  von  Ilarraeh  bis  19.  August  KJOH; 
fvoni  20.  Mürz  IGIO  Adam  Freüierr  von  Herberstein  bis  (f  31. 
Mürz)  1629;  Benno  Graf  von  Mansfold  bis  (-}•  16.  September) 
1044;  Michael  Johann  Graf  Althan  bis  (f  17.  Mai)  1049;  Graf 
Franz  Albrecht  von  Harrach  bis  20.  Februar  HJ55;  Graf  Albrecht 
»von  Zinzendorf  bis  20.  Februar  1666;  Bernhard  Graf  von 
Urschenbeck  l)is  (f  20.  Miirz)  1672;  Wilhelm  Graf  von  Oetting 
bis  1681;  Graf  Khevcnhüllcr  bis  1683;  Christoph  Graf  Altban 
bis  1702;  Leopold  Mathias  Graf  (später  Fürst)  Lamberg  bis  1708; 
Josef  Graf  von  Paar  bi.s  1709;  5.  September  1709  bis  11.  April 
1711  Carl  Graf  von  Dietrichstein;  24.  JUnner  1712—1724  Hart- 
mann  Fürst  von  Liechtenstein;  seit  31.  December  1724  Julius 
Graf  von  Hardegg.* 

Neben  diesen  Acmtcrn  finden  wir  schon  im  16.  Jahrhundert 
einen  Obersten  Falkenuicister  und  Hofpostmeister. 

Als  Hofpostmeistcr  fungirte  in  den  Jahren  1571 — 1584 
flanns  Wolzogen,  im  Jahre  1593  Georg  Püchel  von  Püchclberg, 
nm  das  Jahr  1611  Lamoral  de  Taxis,'  dann  bis  1619  Carlo 
Magno/ 

Der  Obersilbcrkftmmerer  gehl3rte  zu  dem  (Jberstkämmcrer- 
^amte,  sowie  auch  der  Obersthofportier,  welche  Stelle  im  Jahre 
1548  Gillig  von  Weckhowa  besorgte. 

I  Als   Ergänzung   ftShren    wir    noch    die   Eidesformeln    der 

IDienerachaft   des  Oberstkämmereramtes   an   (Beilage  12),    weil 


■  Der  Penoiuilttuid  im  Jahre  1678  war:  6  Fomtineiiiter,  9  reitonde  JIger, 
1$  jnage  JS^er. 

■  HandDclirift  der  k.  k,  Uofbibliotliek  12580. 

*  HZR.,  1610  —  1(114.  In  die«or  Zeit  kuinmt  Jereminii  Penkli  nU  halimi- 
sclior  Postmaiitter  vor.  Ebcndnrt,  f.  261*.  Im  Jalire  IßlO  IIbiiiih  Slranb, 
IIZK.,   1611  —  1614,  f.  367*. 

•  HZK..   1619,  f.  Stö". 

81* 


482 

aus  denselben  am  besten  die  Dienstpflichten  der  einzelnen  Kate- 
gorien zu  erkennen  sind,  wie  sie  wohl  auch  in  den  fUr  sie 
geltenden  Instmetionen  enthalten  waren.  Man  kann  besonders 
bei  manchen  veralteten  Namen  leichter  die  mij  dem  Amte  ver 
bundene  Obliegenheit  sich  vorstellen. 

Es  haben  sich  folgende  Eidesformeln  erhalten:  fUr  den 
Arkebusier,  die  Leibwäscherin,  den  Hofcontrolor,  Summelier,' 
Kuchenschreiber,  Mundbäcker,  Einkäufer,  Zuschrotter,  Lieht- 
kämmerer,  Zörgadner,  Kellerdiener,  Kellerbinder,  Mnndkoch, 
Pastetenkoch,  Meisterkoch,  Unterkoch,  Znsetzer,  Ktlchengehilfen, 
Küchenthttrhüter,  Küchenträger,  Tafeidecker,  flofkehrer,  die 
Mundwäscherin  und  den  Hofprofosen. 


>  Instroction  in  der  Handschrift  der  k.  k.  Hofbibliotliek  11676,  f.  233»— i28>. 


Beilage   1.* 


1B6I,  1.  Mai,  Wien. 


» 


> 


I 


Maximilian,  der  von  Gottes  Gninipu  erwählter  Rom.  K6n\g,  zu  allen  Zeiten 
Mehrer  dess  Keichss  in  Germanien,  zuo  Hungarn  und  Röliaimb  König, 
Eraherzog  zue  Oesterreich,  Herzog  zue  Burgundt  etc. 

Instruction  und  Ordnung  auf  den  Edlen  uns^ern  lieben  gotreaon 
Christoph  Freyherr  zne  Ejzingen  und  Schi-rtttentball,  Köm.  Kay.  Mt.  Rath 
und  Statthalter  der  N.  0.  Lande  und  unsern  Hoffmaistor,  welcbormasson 
er  sich  iu  üolchem  Uoffmaistenimbt  halten  und  dasselbige  verrichten  solle. 

1.  Erstlich  soll  er  alss  Hoffmaister  ffir  die  erste  Persohn  bey  Unss 
g;ebalten,  und  darfür  von  Meniglich  gehöret  werden. 

2.  Item  er  Hoffmaister  soll  auch  allen  Solemniteten,  da  unser 
eigener  Persohn  in  Abweson  der  Köm.  Kay.  M.  unsers  gnodigston  libsten 
Herrn  Vattern  gegenwerttig  ist,  es  seyo  zü  Kirchen,  Einraittungen,  Ladt- 
Bcliafften  und  anderer  dergleichen  offenen  Acten,  mit  aigener  Persohn  und 
Hoffmaisters  Staab  sein  Ambt  vor  Unser  Persohn  ansehentlich  versehen 
und  verrichten  uncl  alle  Notturfft  anschaffen. 

3.  Er  soll  auch  frembden  Fürsten,  so  je  zue  Zeiten  an  unsern  Hoff 
kämmen  würden,  entgegen  reitten,  im  Feldt  und  an  Herbergen  von  wegen 
unser  empfangen,  laden,  verehj'en  und  an.sagen,  wo  änderst  solches  je  zu 
Zeiten  durch  Andern  zue  beacheheu  nicht  verordnet  würde. 

4.  Item  der  Staad  unsers  ganzen  HoSs  ausserhalb  unser  Cammer 
aollen  ihr  Gehorsamb  und  Aufseben  auff  ibue  als  Obr.  Hoffmaister  liatxMi, 
er  soll  auch  ernstlich  darob  halten,  damit  bey  allen  Aeinblern,  Hofford- 
Qungen  und  Raittungen  allen  Officir  ordeulich,  threulich  procedirt  und 
gehandlet  werde. 


'  llarracb  oitirt  in  seinem  oben  an^fUlirten  Schreiben  an  K.  Maximilian 
vom  Jahre  1666  diesen  Alisatit  folgend:  Uusser  Obrister  Huffmaister  solle 
ron  dem  ganzen  Unssenn  Hofsbitt  und  Menigklicb  ausser  der  Cnmer  für 
Unsern  Obristen  Hoffmaister  und  für  die  ander  Person  nach  Uns  gehalten, 
erkent  nnd  das  Aufsehen  und  Gehorsam  auf  im  gehalten  werden. 


484 

5.  Er  Hoffmaister  soll  auch  alle  die,  so  in  nnsern  Dienst  ange- 
nommen werden,  mit  Pflicht  und  Äydt  gegen  uns  (in  solchen  ihren 
Diensten  getreu  und  gewerttig  zu  sein),  wie  sichss  gebührt,  Terstrickhen. 

6.  Und  dieselben  Diener  allweeg  ordentlich  in  ein  sonder  Buch,  so 
darzue  gehalten  solle  werden,  einschreiben,  dessgleichen  wann  einer  aus 
unsern  Diensten  hinweeg  zeucht  und  Urlaub  nimet,  denselben  soll  er 
widerumb  aussthan  und  allweeg  Tag  und  Zeit,  wie  sich  gebflhrt,  dame 
stellen  lassen. 

7.  Und  wo  Jemandt  von  dem  Hoffgesindt  mit  Erlaubnuss  in  seinen 
aigenen  Greschäfften  ausssein  würde,  so  soll  er  Hoffmaister  allewegen 
aigentlichen,  wan  er  hinweg  zencht  und  widerkhombt,  nnserm  Hoff  Contn- 
lor,  dass  er  dieselbe  Zeit  dess  Weckhziehen  und  Widerkommens  aigeni- 
lich  vennerkhe,  anzeigen  lassen,  welches  auch  folgendts  unserm  Hoffzahl- 
und  Pfeningmaister,  damit  er  sich  in  der  Bezahlung  darnach  zn  richten 
wisse,  vermeldet  werden  solle. 

8.  Wo  aber  einer  von  dem  ermelten  Hoffgesindt  ausserhalb  dess 
Hoffmaisters  Vorwissen  und  Erlaubnuss  wegziehe,  so  soll  ihne  durch  ge- 
molten  Hoffmaister  nit  allein  dieselbe  Zeit  seines  Aussenseins  rodirt, 
sondern  auch  sonst  umb  die  Uebertrettung  der  gefei'ttigten  Ordnung  gegen 
ihne  Straff  fürgenommen  werden;  so  aber  einer  oder  mehr  in  seinen 
Ehafften  und  Nottüi-fften  Erlaubnuss  von  Hoff  begehren  würde  and  ihme 
die  bewilliget,  so  soll  einem  Eheman  zway  und  einer  ledigen  Persohn 
6  Wochen  einmahl  im  Jahr  zuogelassen  werden. 

9.  Und  wo  einer  darüber  aussblibe,  soll  ihme  unangesehen,  dass  er 
über  die  bestimbde  Zeit  gleich  leuger  Erlaubnuss  von  unss  erlangte,  doch 
nicht  mehr  alss  auff  die  gewöhnlich  erlaubte  Zeit,  alss  einen  Eheman  cüe 
zwey  Monath  und  einer  ledigen  Persohn  6  Wochen  die  Besoldung  erfolgt 
und  passirt  und  die  ander  Zeit  aussgethan  und  rodirt  werden ;  und  ob  wtr 
selbst  schon  einen  oder  mehr  anheimbst  oder  in  seinen  Sachen  zu  i-aissen 
erlaubten,  so  wollen  wir  doch,  dass  der  oder  dieselben  nichts  desto- 
weniger  vor  ihrem  Verruckhon  solche  unsre  Erlaubnuss  von  Ordnung  und 
Bichtigkhcit  wegen  unserm  Hoffmaister  selbst  auch  anzeigen  und  sich  b«; 
ihme  stöUen  sollen. 

10.  Item  wo  auch  Jemandts  von  dem  Hoffgesindte  hohes  oder  niders 
Stauiits  sich  ungebührlich  hicltte  und  doch  die  Yerwirkhnng  desselben 
nicht  so  gross  oder  dermasseu  straffmessig  wcre,  dass  gegen  ihme  mit 
Gefangnuss  gehandiet  werden  solle,  ihme  doch  solche  Ungeschickhlichkheit 
nit  übersehen,  sondern  nach  Gelegenheit  und  mit  Wissen  seiner  vorge- 
sezten  Obrigkheit,  darunder  er  an  unserm  Hoffe  dienet,  danimben  ge- 
strafft und  sonderlich  mit  Rodimng  seiner  Besoldung  gehandlet  werden. 


485 


11.  Es  ä»ll  auch  der  UolTmaister  mit  sambt  dem  Hoffinarscbalkhen 
,  jedes  Quai-tall  dene  Hoffstatt  Qbei'sefaon  und  wass  sie  darinnen  befinden 

sich  mit  Weegziehiiuji,  Eiiaubung,  Absterben  und  eut|<egen  von  newem 
I  Auffnemung,  und  Ersccxung  der  vacirenikni  l'lücK  für  Vtireuderuug  zne- 
|;gaingen,  dasselb  fleisüig  berausszibon  und  unsevm  üofTzall-  uder  Pfeuiug- 

maister  zues^jUen,  damit  ersieh  in  der  Bczalilung  darnach  zu  richten  wit^se. 

12.  Er  soll  auch  l)odacht  sein,  mit  sanibt  uiisenii  Uotfmar^^cbalikh 
snr  jeden  Quartalleu  unsers  Hoffgesindts  Musterung  zu  thun,  damit  ge- 
geben werde,  welcher  sein  Än/ahl  l'fenlt  und  dass,  su  ihnen  zuo  halten 
Bafferlegt,  halte  oder  nicht,  und  na  ein  Abgang  befunden  wirdt,  solches 
auch  nnserm  UofTzall-  oder  Pfonnigmaister  anzeigen,  damit  ihme  sein 
Besoldung,  wie  billich.  nicht  pasi-iert,  Koudern  abgestrickht  und  darumben 
gestrufft  oder  Handlung  fürgenommen  werde. 

13.  Es  soll  auch  der  Uolfmaister  nicht  underlassen,  bey  uusern 
HofffAnimerräthcu  Aumahnnng  zue  thuen,  damit  sie  fleissig  und  zeitlich 
Nachtrachtung  haben,  dass  zue  jedem  Quartall  der  füulTunddreyssig 
Tauaent  Gulden  etc.  unserer  Hoffbaltuug  balbeu  guote  Verordnung  be- 
■cbehen  möge,  und  wo  erfunden,  dass  an  diaen  bey  gedachten  unsern 
Hoffcnmnicrräthen  Hangell  erscheinen  wolte,  folgendts  uns  solches  bo- 
richten. 

14.  Dergleichen  und  wass  er  Hoffmaister  auch  bey  den  Officii-en 
fnr  Mengel  beSudet,  darin  sie  ihren  geferttigton  Instrnctioneu  nicht  mit 
Fleiss  uachhandelten,  sondern  uns  zue  MsK'htheil  darin  lässig  uder  säumig 
«eron.  so  solle  er  es  denjenigen,  ao  solches  thun,  abzusidion  undersagen, 
wo  08  aber  bey  ihnen  nicht  helfen,  oder  wie  sieb  gebühret  in  Sorg  ge- 
nommen und  angesehen  sein  wolt.  soll  er  solches  uns  orriiidercn  nnd  dass 
tiiuLt  underlassen,  damit  wir  alssdanu  mit  Entsec:iung  und  Vorkherung 

felben  Officiren  und  Aembter,  in  andern  Weeg  Wendung  und  Filr- 
jg  thiieu  mögen;  und  wann  an  unserin  HotT  ein  AiilTljnich  verbanden, 

80  sull  er  Hoffmaister,  mit  sambt  nnserm  ubristen  Canimercr,  Marschaickhen 
Dodt  Stallmaister  zuvor  Underredt  halten  und  berathschlagen,  wass  nnge- 
febrlich  nach  (iidegenliuit  unserer  vorbabiMiten  Rais.se  flu-  Fuhr,  von  Wägen, 
Schüfl'cu  i)der  anders  nach  Gelegenheit  vounötteu  sey  und  sonderlich  die 
Uffieier  zu  sich  erfordern  und  derohalbeu  Erkundigung  nemmen  und  dan 
ein  Verzaichnuss  machen,  was  an  der  Fuhr  vonnüten  sey,  und  gedachtem 
'Stallmaister  zuestöllen,  dass  er  mit  sambt  Wägen,  Fnrir  und  Contralor 
diselbe  bestell  und  dass  er  Stallmaister  den  UeberHuss  verhütte,  also  dass 
deren  nicht  mehr  aias  die  Notturfft  geladen  werden,  und  wo  ihme  Stall- 
iter  hierinnen  etwass  beschwärliches  fürfille,  soll  er  dass  wider  an  den 
laister  und  Uoffmarschalkhen  gelangen  lassen,  die  sollen  ihme  darin- 


486 


nen  der  Billichkheit  nach  zu  Erlangung  solcher  Wfigen  und  Fuhr  und  U 
ein  anderwocg  hülftlicken  sein,  und  waes  also  die  Bestallung  und  Verord- 
nung der  angezeigten  Fuhren,  von  Wägen  und  Schöffen  antriifft,  soUNie- 
inandts  anderer  alss  unser  Stallmaister  damit  umbzugehen,  Befelrh  odur 
Gewalt  haben. 

15.  Wür  haben  auch  nnserm  Ohr.  Stallmaister  und  Kuchlmaistet 
in  ihren  Instructionen  aufTerlcgt  und  befolcheu,  dass  sie  sich  nicht  allweg 
aufT  dio  ünderainbtleutb,  so  ihnen  undergeben,  verlassen,  sondern  sie 
selbst  sollen  zu  nottnrITtigeu  Zeiten,  alss  der  Stallmaister  im  Stall,  Har- 
nisch- und  Sattlcammer  sehen,  auch  auff  die  Ambleüth  gut«  Achtung 
haben,  damit  ein  Jeder  sein  Befolch  und  Instruction  ordenlich  nachliomne 
und  unss  trewlich  und  nuczlich  gedienet  uud  gehandelt  werde;  gleiches 
FalsB  soll  PS  auch  vun  unserm  Kuchelmaister  mit  seinen  undergelieuen 
Ambtleathen  gehalten  werden,  uud  wo  sie  einiche  Unordnung  finden, 
solkm  sie  dasselbige  abstellen  uud  im  Fall  es  die  Notturfft  erhaischen 
wurde,  au  ihne  unseru  Hoffmaister  gelangen  lassen,  der  wirdt  alssdan 
darinnen  woll  wissen,  die  Notturfft  zu  handleu  uud  Einsehung  zu  thuen, 
damit  in  allen,  wie  sich  gebüret  und  unser  Xotturfft  erfordert,  gebanst 
werde. 

16.  Er  soll  auch  von  den  OQicirou,  so  etwas  von  Uns  in  Yorwahmiig 
haben,  Inventari  nemmen  und  dieselben  jähi'lich  widerumb  ernowern. 

17.  Und  nachdem  unss  an  Verwaltung  unserer  Silbercauimer  nit 
wenig  gelegen,  so  solle  ferer  der  Hoffmaister  sein  Auffsehcu  haben,  wan 
unser  geordneter  Silbercammerer  ubwesig,  dass  zu  Verwaltung  desselben 
nicht  ein  geringe,  sondern  einess  solchen  Ambts  und  Dienst  würdige  uud 
ehrliche  Persohn  daraue  fflrgonommen  würde,  uud  sonst  iu  alleu  Sachen 
handien,  dass  einem  Hoffmaister  nach  kays.  und  königl.  Gebrauch  zu  ver- 
sehen zustehet,  und  wo  Mangel  daian  befunden,  mOglichs  Fleiss  uoth- 
wendige  Einscbung  thuen  und  in  wass  Sachen  ilune  ctwass  beschwer- 
liches fOrtille,  dassclb  an  unss  gelangen  lassen,  darin  wir  auch  Wendung 
thun  und  ihne  starckhen  uud  guetten  Schucz  halten  sollen  und  wollen. 

18.  Ks  soll  auch  der  Hoffmaister  mit  sambt  unsei-m  Hoffmarschalkh. 
wass  sie  jeder  Zeit  in  Verseilung  dess  Hoffstatts  oder  in  undcrwee^  und 
Erfahrungen  iu  den  Officiren  Aembter  fBr  Mängel  befinden  werden,  das- 
selbig  in  ilireu  Instructionen  und  Ordnungen  jeilor  Zeit  nach  Gelegenheit 
der  Sachen  uud  wie  sie  das  zu  unserer  Nutturfft  undNucz  füur  guet  ansieht 
(doch  mit  unserm  Vorwissen),  Verenderung,  MQnderung  und  Mehrung  sn 
thuen  Macht  haben. 

19.  Und  damit  solches  soviel  fruchtbarer  uud  mit  mehreren)  Grundt 
geschehen  mag,  so  soll  er  auch  in  Sonderheit  dorob  sein,  das  von  unseren 


487 


Officiren  zu  allen  Qaartallen  ordenlicbe  Baittung,  ihre  Insti-nction  für- 
gelegt und  übersehen  werden,  und  so  ihme,  unserm  Hoffmaistor,  von  des- 
selben OfBcirs  Obrigkbeit  einige  Beschwerung,  Moiigel  oder  Uebertrottung 
angezeigt  würdet,  nach  Gelegenheit  ontweders  mit  ziinblicher  StralT, 
ICodirung  der  Besoldung  oder  gar  mit  nnsern  Vorwissen,  Änderen  zum 
Exempel,  entseczen,  wie  er  dan  dii^s  sambt  dem  Hoffmar.schalckh  auch 
deiTäelbon  Obrigkheit  ulloin  seines  undorgHbenen  Officier  halber  für  not- 
tarftig  und  gueth  ansichet,  Wendung  gethan  werde. 

20.  Und  beschlösslichen  hoH  Uoffniaister  bedacht  sein,  auff  alles 
ILiffgesindt,  sovil  dessen  in  dem  piinczen  Hutl'.statt  begriffen,  ausserhalb 
unserer  Cammer  sein  fleissig  Anffmerckhcn  zu  halten,  damit  durch  .Jeden 
seinem  Dienst  und  Ambt  mit  threwem  uud  allen  Fleiss  gewarttet  und  dem- 
selben dnrchauss  kein  üngehorsamb  zuegesehen  oder  gestattet  werde, 
sondern  wo  sich  ihren  ainer  über  sein  Einwenden  ainigess  ünfleiss  oder 
Üngehorsamb  oder  anderer  üugeschickhiichkheit  gebrauchuto,  dasselb 
uns  anangezeigt  nicht  luKseu. 

21.  Unser  HcilTmaister  soll  auch  auiT  alles  Hoflfgesindt  sein  Guett- 
Bchtnng,  Nachforschung  und  Kundtschafft  halten,  ob  sich  Keiner  den 
izt  schwebenden  kezerischen,  verführlichen  Seeten  und  Loliren,  darauss 
laider  so  vil  Uebelss  und  Unrathss  kombt,  nicht  thailhafftig  macht,  und 
firnemblich,  ob  ein  Jeder  nach  christlicher  Ordnung  jähi-lich  beicht  und 
das  hochwürdige  Sacranient  (»mpfaho,  und  an  vcrpottcnen  Tagen  Fleisch 
essen  und  dergleichen,  und  was«  und  von  wem  er  solches  an  unsern  Hoff, 
Niemandten  anssgeschlossen,  erferet,  desselben  unss  berichten,  damit 
alssdan  durch  ine,  doch  mit  unserm  Vorwissen,  mit  Urlanbung  seines 
Diensts  oder  in  anderweg  mit  Straff  fortgefahren  werden  mßge. 

22.  Und  nachdem  Wir  bissliero  durch  villfeltiger  Klag  und  in  ander- 
weeg  vermerckht  und  befunden,  dass  unser  Huffgesindt  mit  den  Zinsen 
und  Herbergen,  und  auch  in  anderweeg  sehr  und  hoch  beschwort  und 
wider  die  Billichkheit  gestaigert  sein  worden,  so  wir  unserm  Hoffmar- 
schalckh  derwegen  ein  Ordnung,  wie  mans  in  der  Kay.  Mt.  Königreichen 
und  Erbländeru  halten  solle,  zuegestolt,  demnach  sollen  sie  baido.  der  Hoff- 
maister,  Marschaickh  fürtter,  wo  wir  hinraissen,  darüber  uottürlTtiglich 
und  stattlich  handthaben,  damit  unser  Hoffgesindt  mit  den  Zinsen  von  den 
Herbergen,  weil  dess  vorhin  der  Gebrauch  gar  nicht  gwest,  nicht  uber- 
seczt  und  beschwort,  auch  sonst  in  der  Fuetterung  und  Proviant  kain 
Slaigerung  gemacht  oder  gelitten  werde ;  und  welcher  von  unserm  Hoff- 
gesindt darüber  beschwert  würde,  der  soll  solches  unserm  Hoffmaistor 
und  Hoffmarschalckhen  anzeigen,  damit  hirinnen  gebührliches  Einsehen 

,  und  Wendung  beschehen  möge. 


23.  Und  dieweil  unser  HofTinaister  in  alica  Anssgubon  Ordnung 
gibt,  i^nll  er  wocbontlich  mit  dem  Pfeuingmnist^r  raitten,  iillos  seineü 
wöchentlichen  Emfangss  und  Aussgobens,  und  wie  sich  die  Itaittung  der 
Gebür  niich  l)efindt,  soll  ermelter  HofTmaister  diselbo  Wochenmittung 
underschreibeu  nnddeui  Pfoniugmaisterzuesiöllen  und  ein  gleichlautt«ude 
Raittiiug  durch  den  Tfcningmaister  underschribon  zd  seinen  Handten 
nemmeu  und  all»  ViertI  Jahr  soll  er  lloffmaister  von  solcher  RaittuDg 
Unss  Bericht  thucu,  inniaasen  wir  dan  ihme  solches  in  seiner  InstructioD, 
auch  wie  sich  ulle  Empfang  von  ikllon  Orthen,  daher  sie  kommen,  ver- 
gleichen, sehen  mOgcn. 

24.  Er  soll  auch  auff  veruicldt  unser  Hoffgesindt  fleissige  Achtung 
Imbon.  damit  unss  zu  allen  SoUunniteten,  Kirchengäng,  Kiuraittuug  iintl 
tu  undcrweeg  am  Diouou  nicht  Mangel  erscheine  und  er  selbst  soll  (wd  er 
08  änderst  andere  unser  Geschafft  oder  ilandlung  halben  sein  mag)  in 
Moi-gens,  wan  wir  zu  Endt  von  der  Kirchen  gehen,  sambt  dem  andern 
Hoffgesindt  boy  dem  Dienst  gegenwerttig  sein  und  ein  sonders  Auffst-heu 
darauff  haben  und  ihnen  mit  Ernst  undersagen,  wo  aber  sein  guettlicJi 
Vermahnung  bey  ihnen  der  Nottnrfft  nach  nicht  Folg  oder  ein  Ausssehoa 
haben  wolle,  mit  Hodiruug  ihres  Dieustsgelts  straften  und,  so  dass  nicht 
helffen  wolt,  ihnen  solches  bey  Troung,  Orlaubung  ihrer  Dienst  uudersageu. 

26.  Üieweilen  auch  höchstgedachte  Kay.  May.  in  deroselben  fünf 
N.  Oe.  Landen  ein  Ordnung  und  Pullicey  von  newcn  ferttigen,  aussgoben 
lind  publiciron  haben  lassen,  welche  wir  dnrch  unser  Hoffgesindt,  so  vil 
dasselbe  darinnen  betrifft,  ffirnemlich  wass  belangt  die  greuliche  Gottess- 
Lestorung,  vormessige  Kkidungon.das  ungeschickht  viechisch  Zutrinckhen, 
unnottirfftige  Köstlichkhoit  der  Malzciton,  Paukheton.  Ladtschafften,  auch 
EhubrUch  und  leichtfertige  Beywohnung  etc.  genczlich  gehalten  und  vol- 
zogeii  haben  wollen,  so  solle  demnach  gedachter  Hoffmaister  sambt  wmi 
neben  unserm  Hoffmarschallen  sein  fleissig  und  ernstliches  Auffsoheu 
haben,  damit  durch  b<M°iirt  unser  Hoffgesindt  durchauss,  es  scy  hoch«« 
oder  niders  Standts,  solche  Policey  genczlich  gehalten  ujid  Niemandt  Vor- 
sehung hirinnen  gethan,  sondern  so  olTt  einer  die  ueberfubr  nach  woss 
wir  bey  einer  jeden  üobertrottung  vonneldt,  gestrafft  werdt«,  damit  als«! 
ander  uuserm  Hoffgesindt  alle  gnete,  erbahre  Zucht  und  Sitten  goptlanzt 
und  erhalti'H  werden  mügeu,  inmnsseu  wir  dan  solches  gedachten 
unserni  Uoffmai'schalckh  in  seiner  lustnictinn  auch  nuffertegt  und 
befulchen  haben. 

26.  Und  bcschlüsslich.  soll  er  in  alloa  Sachen  guet  Aufsehen  haben, 
und  sich  dermassen  eizaigeu  und  beweisen,  wie  einem  gelreuen  Hoff- 
maister zn  tbuen  gebührt,  wQr  ihme  auch  gncdiglichen  doiumben  vcr- 


^09 


Beilage  2. 
Herrn  Obristen  Hofmaisters  Instruction,^ 


rawen,  liugegen  soll  ihme  von  Meniglichen,  so  ihme  imderwurfTen  sein, 
ie  Grohorsiiml),  wie  Uns  selbst,  erzaigt  werden,  darüber  wür  dan  genedig- 
leh  halten  wollen. 
^^    Datum  Wienn  den  1  Tag  May  anno  iin  alnundsechzigsten.' 

^f  Instruction  und  Ordnung  auf  den  edlen  Unsern  lieben  getrewen 
Uämen  von  TiedrichstaLn,  Freyliern»  zu  Hollenburg,  Finckhennstaln  uiinJ 
'alberg,  Erhschenncklien  in  Carnnden,  Unneern  Ratli  unnd  Obviston 
laraerer,  was  er  als  der  diirchleichtigiBton  hncbgcbwnnen  Unuserer 
renndtlichen  geliebten  Sonhn  unnd  Fuereten  Rnedolfen  unnd  Ernnsten, 
Crczhorczogen  zu  Österreich.  Obristor  Hofmaister  in  demselben  seinem 
ioftnaister-Äml^t  haiindlen  unnd  verrichten  sullo. 

^V  1-  Erstlichen,  soll  or  alls  Obrister  Hofoiaister  fQr  die  erst  Persona 
ley  Iren  Liebden  gehalten  unnd  darfür  vonn  Meniglichon  geehrt  unnd 
irkhenndt  werden. 

2.  Item,  Er  Hofmaister  soll  zn  allen  SoUennideten,  wo  baide  Ir 
iiobden  oder  ains  inn  Sonndorhait  ajgnen  Personnen  gegenwordig  sein, 
8  soy  zu  Khtirchen,  Einreittunb'en,  LinltscliatTtcn  nun.l  aniidern  der- 
gleichen offen  Acten  sein  Anibt  vor  Iren  Liebdteu  persönlich,  anschon- 
ich  nnnd  stattlich  verseehen,  unnd  alle  Notturtften  anschaffen  unnd 
rerordnen. 


Jle  hier  veröffentlichten  Instractionen  beBudeo  sich  in  ilem  Fase.  84 

'äei  grkfl.  Ilarrncli'schen  Aruhive:),  uur  die  Beilage  ö  ist  niuaerdeni  noch 

in  dorn   (^tsc.  i  desselben  Archivos   ciitliulten.     Dio  Ueil.igen   1,3,6,7,8 

und  4  sind  in  einer  50  BIHtter  iimfasKeiidun  Ilnnd.iclirift  .ins  dem  17.  J.nhr- 

jhuiulert  (ge-schrieben  iinch  23.  Juni  1ß.i7,  welches  Dntnin  anch  dio  darin 

ingetrngene     Uofquartiornieister-Instruction    trügt)    enthalten,    und    es 

'dürften  diese  Abschriften  von  den   damals  noch  vorhandenen  Originalen 

zu  Amtszwecken  gemacht  worden  >te\u.    Auf  1* — 8*  steht  die  Iiistructiou 

är  den  Oberstbofraeistor,    9* — 16*  die   filr   den  Obersthofmarschall,   17" 

Sf)«"  die  fiir  den  Ober.stkämmerer,   aß»— Sg*"  die   flir  den  Oberststall- 

meiflter,  40* — 44*  die  fiir  den  Stäbelineister,  44* — 16*  die  filr  den  Hof- 

quArtiennetster,  47* — 60 ■<  das  Schreiben  des  F'anlus  SLxt  Grafen  Trautsou. 

Es  ist  die  dem  Froih.  v.  Uietrichatein  Ubergebene  Originalabschrift,  wie 

die  von  seiner  Hand  eingetragenen  Anmerkungen  bezeugen;  sie  uinfasst 

6  Blttter  in  Fol.    Aus.<er  dieser  betindot  sich  in  demselben  Fase.  34  noch 

die  am  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  verfertigte,   auch  6  Blatt  in  Fol. 

MafMeende  Abschrift,  welche  Of.  F.  B.  von  Harrach  besessen  hat. 


490 


3.  Item.  Der  gHuncze  Statt  Irer  Liebden  Hofs  unnd  Hofgesindti 
soll  ir  gfhorisatnb  uuud  ererbiettig  Auffüeehen  aaf  ine  ulls  Hofmaister 
haben  unnd  er  steif,  vestigelicb  unnd  mit  Ernnst  erhiilteu,  das  bey  allen 
Ambtern,  Uoforduungeu  unud  Raittungen  aller  Ofßcier  ordeiüich,  treu- 
lich, aufrecht  unud  fleissig  gehanndlt  werden. 

4^  Wann  dann  Jemanndts  inn  Irer  Liebden  Hofdiennste  angenomen 
vricrdet,  so  sulleu  dieselben  Persouueu  ime  Uofmaistern  in  Namen  unnd 
anstat  Irer  Liebden  gevrendliche  Pflicht  unnd  Aidt  dahin  thoen.  dass  S; 
Irpu  Liebden  in  dennselben  Diennsten  getrcw,  gehorsarab  unnd  gwardig 
sein,  deren  Frunien,  Eren  unnd  Nucz  fordern  unnd  Nuchtaill  warnen 
unnd  weiiiiden  sollen  unnd  wellen. 

5.  Item  Er  Hufniaister  soll  dieselben  Dienner  albeg  ordenlicb  in 
nin  sonader  Fuech  (so  durcziie  zu  halten  ist)  eiusclireibeu,  dessgleicheu. 
Wo  aiuer  auss  li-er  Liebden  Dienustcu  binweckb  zeucht  unnd  Urlaub 
nimbt,  denselben  widerumben  ausstun  unnd  albeg  Tag  unnd  Zeit,  wann 
solliclies  beschechen,  wie  sich  gebnert,  darczue  stellen  lassen,  damit  man 
in  Beczallung  der  Besoldung  guetteu  Bericht  haben  khinde. 

ü.  ünnd  wo  Jemanndts  von  dem  Hofgesindt  mit  Erlaubnus  Ii-er 
Liebdon  inn  seinen  aignen  Geschofften  ausssein  wurde,  so  solle  Hofmaister 
albegen  den  Tag,  wann  er  abwegg  zeucht  unnd  widorkhumbt,  Irer  Liebden 
Conntralor.  das  er  die  Zeit  desselbigen  Weogzichon  uuud  Widerkhomcus 
aigonntlieho  Termerckhe,  anczaigeu  lassen,  dessen  auch  Tolgonndts  Ler 
Liebden  Pfounigraaister  (sieb  in  der  Beczalluug  darnach  zu  richten  wisse) 
erinndern. 

7.  Wo  aber  ainer  oder  mer  vonn  ermcldtem  Hofgesindt  ausserhalb 
des  Hofmaisters  Vorwissen  unnd  Erlaubnus  wcggzug,  so  solle  imo  durch 
den  Hofmaister  nit  allain  die  Besoldung  vonn  der  gannczeu  Zeit  seines 
Ausseins  rodiert,  sonudcr  auch  sonnst  umb  der  Ubertrettuug  willen  gegen 
ime  Straf  fürgenomen  worden;  so  aber  ainer  oder  mer  in  seinen  Ehe- 
hafften  unnd  Notturfften  Erlaubnus  vom  Hof  begorn  würde  unnd  ime  die 
bewillig,  mag  ainem  Ehemau  zway  Monath  uud  ainer  ledigen  Personu 
sechs  Wochen  ainmall  im  Jar  zuogelassen  werden. 

8.  Unud  da  ainer  darüber  aussblib,  soll  ime  unangesehen,  ob  er 
schon  über  die  bestimbte  Zeit  lennger  Erlaubnus  vonn  Ii'en  Liebten  er- 
lanngte,  doch  nit  mehr  als  auf  die  gewonndlich  erlaubte  Zeidt,  ainem  Ehe- 
man  die  zway  Monat  und  ainer  ledigen  Personn  sechs  Wochen,  die  Be- 
soldung erfolgt  unnd  passiert,  unnd  die  andere  uberigo  Erlaubnuszeit  mit 
der  Besoldung  aussgedtiuu  unud  rodiert  werden;  unnd  obschon  Ire  Liebten 
selbst  ainem  oder  mein-  annhaimbs  oder  in  seinen  Sachen  zuveraisen  und 


491 


TOm  Dienst  abwessig  zu  sein  bewilligten,  so  wellen  wior  doch,  das  der 
oder  dieselben  nichts  destoweniger  vonn  irem  Verruckhen  solliche  Erlaub- 
nns  vonn  Ordnung  iinnd  Richtigkhaidt  wegen  ime  Obristen  Hofmaister 
selbst  auch  anczaigen  unnd  sich  personndlich  zue  ime  veifüegen. 

9.  Item.  Wo  Jemandts  vonn  dem  Hofgesindt,  hoches  oder  niderss 
Stanndts,  sich  unngebürlich  hielte  und  doch  die  Veiwirkhimg  desselbnn 
nit  so  gross  oder  Btrafmossig  were,  das«  gegen  im©  mit  Fennckhnus  zu 
hanndlen,  so  soll  auch  diesßlb  Unngeschicklichkait  nit  übersehen,  sonnder 
nach  Glegenhait  nnnd  mit  Wisen  seiner  fnrgeseczten  Obrigkhait,  darunter 
er  ann  Ir  Linbden  Hof  liieiint.  darumb  gestrafft  unnd  soanderlich  mit 
Sodiernug  seiner  Besoldung  gehanndlt  und  füi'ganngen  werden. 

10.  Es  soll  auch  der  Hofmaister  jedes  Quardall  denn  Hofstatt  nber- 
seehen  nnnd,  wass  er  darinen  befündet,  dass  sich  in  bestimbter  Zeit  mit 
Wegaiehnng,  Erlaubnuss,  Absterben  unnd  entgegen  vonn  neuem  Auf- 
nembung  nnnd  Entseczung  der  vacierenden  Pläcz  veranndert,  dasselb 
fleissig  herausziehen  unnd  Irer  Liebdcn  Pfennigmaister  zuestellen,  damit 
sich  derselb  in  der  Bezalhmg  darnach  zu  richten  wisse. 

11.  Er  soll  auch  bedacht  sein,  zu  jedem  Quarttali  nnder  dem  Hof- 
gesindt Mussterung  zu  thuen,  damit  geseehen  werde,  wellicher  sein  Ann- 
czall  Pferdt  unnd  das,  so  ime  zu  halten  aufglegt,  halte  oder  nit.  uund  wo 
ain  Abgang  befunden  wiert,  solliches  auch  dem  Pfennigmaister  anczaigen, 
damit  ime  sein  Besoldung,  wie  billich,  nit  passiert,  sonnder  nach  Glegen- 
hait abgestrickht  unnd  darumben  gestrafft  oder  sonnsten  gebGrliche 
Handlung  fOrgenonibon  werde. 

12.*  Es  soll  auch  vilbemelter  Unnserer  lieben  Sönnhne  Hofmaister 
nit  nnderlassen,  be;  unnsern  Hof-Camer-Kathon  Anmanung  zue  thuen, 
damit  sy  Qeissig  unnd  zeitlich  Nachtrachtung  haben,  das  zu  jeder  Zeit 
mit  dem  Gelt  zu  Irer  Licbden  Hofhalttung  gnette  Vorordnung  hcscheehe, 
und  wo  er  befände,  dass  an  demselben  bey  gedachten  Hof-Camer-Eathcu 
Manngi  erschine,  folgents  Unns  sollichs  berichten. 

13.  Dergleichen  und  wann  er  Hofmaister  bej  den  Officiern  Manngi 
befondt,  das  sy  iren  gefertigten  Instructionen  nit  mit  Fleiss  uachhannd- 
leten,  sonnder  Iren  Liebden  zu  Nachtl  darinen  lassig  oder  säumig  wünm, 
80  solle  er  es  denjhenigen,  so  solliches  thuen,  abzusteen  mit  Ernnst  unnd 
Betroung  unndersagen.  Wo  es  aber  bey  innen  nit  helfen  oder,  wie  sy  ge- 


'  Daia  bat  Dietrichstein  angemerkt:  Der  Articl  mRg  also  bleiben,  bis  ich 
mir  des  Deputats  bnllien  iiin  riewisahait  haben  wir,  alsdan  ich  mit  der 
Hofcamer  nichts  %a  tbueu  wir  haben. 


492 


büi-t,  in  Sorg  genomen  unnd  angeseehen  sein  wolte,  8oll  er  uns  de 
crinndorn,  damit  VVür  alssdann  mit  Enntseczung  unnd  Verkbernng  der- 
selben Officicrn  unnd  Anibter  oder  in  annderwoog  Wenndung  uüd  Für- 
seebung  tbnenn  mfigen.    Unnd  wunn  an  Irer  Liebden  Hof  ain  Anfproch 
annd  Raiss  verliannden,  so  soll  er  Uofinaister  sich  mit  dem  Obristen 
Camerer  und  Stallniaister  zoitllcb  unnderroden  und  beratscblagean,  wu 
unngoforlicL  nacb  Glogenbait  Irer  Liebden  vorbabendcn  ßaiss  für  Beit- 
rOBS,  Fuer  unnd  Wägen,  Schiff  unnd  annders  Tonnelten  sey  nnnd  sonnder- 
licb  die  Under-Offlcier  zu  sieb  erfordern  unnd  von  innen  guetten  Bericht 
unnd  Erkhundiguog  nembeu,  unnd  dann  ain  Äufczuichnus  machen,  was 
an  der  Fuer  vonnetten  sey,  dieselb  alssdann  dem  Stallmaister  zuestellen 
unnd  anczaigen,  ob  er  mit  Irer  Liobden  Wagen,  Furier  unnd  Contralor 
dieselben  Nuttwundigkbaitten  richtig  mache,  in  Vorrath  bring  nnnd  be- 
stelle, dasN  auch  der  Stallmaistcr  denn  Uberfluss  verbiet  und  bedacht  sej, 
rIasB  mcr  Wagen  nit  gladen  werden,  alss  sovill  man  unvermeitlich  bedarf 
Unnd  wo  ime  Stallinaistor  hierinen  etwas  beschwerlich  fürfiel,  hat  er  dan- 
selb  an  itiiie  Hofmaistin'  zu  gelangen,  der  soll  ime  der  Pillichait  nach  w 
Erlangung  der  Wagen  nnnd  Fuer  auch  in  all  annderweeg,  so  vill  mtig- 
lii'h,  verliilflicb  sein,  sonnsten  aber,  wass  die  Bestellung  unnd  Verord- 
nung der  angeregten  Fuer,  vonn  Wagen  unnd  Schiffen  antrifft,  damit 
soll  Nieinandts  als  der  Stalhuaister  ambzugecii    Befelch   nnnd   Gewalt 
haben. 

14.'  Wir  haben  auch  Irer  Liebden  Obristen  Stallmaister  unnd 
Kbuchenmaister  in  iron  Instructionen  auferlegt  unnd  befolchen,  dass  st 
sich  nit  albeg  auf  die  unnder  Anibtleitb,  so  innen  unndergeben,  verlassen, 
Ronnder  sy  selbst  zu  notturfftigen  Zeiten  alls  der  Stallmaister  in  Stall, 
Harnisch  unnd  Satl-Camer,  unnd  er  Khnchenmaister  auf  sein  nnnder- 
gebne  Officier.  Ambtlenth  unnd  Khuchlparthey  seohen  nnnd  gnetter 
Achtung  haben  sollen,  damit  ain  Jeder  sein  Rpfelich  nnnd  Instructionn 
ordennlich  iiacbkhomo  und  Ii-enn  Liebden  treulich  nnnd  nnczlich  gehandlt 
werde;  nnnd  wo  sy  ainige  Unordnung  finden,  sollen  sy  dieselb  abstellen 
unnd  im  Faall  sy  daselbst  nit  thuen  khnnden  oder  es  die  Nottnrfft  er- 
fordert, an  ine  Irer  Liebden  Hofmaister  gelanngen,  der  wiordt  alssdann 
die  6epür  zu  haudleu  nnnd  Einseehung  zne  tbueu  wissen. 

Ifi.  Er  Hofmaister  soll  auch  vonn  den  Officiorn,  so  ettwas  vonn 
!r  Liebden  in  Bewahrung  haben,  ordenlichoverfferttigtelnnventary  nemen 
unnd  dieselben  javlich  widerumhen  erneuen. 


*  Anmerkung   Dietrichfltein'n :    Sn  rill  den  Stallmaiater  beliuigt,  wirdt  b»- 
sondur  darvon  tractiret  werden. 


493 

IG.  Dnnd  naubdeni  Iren  Liebden  an  gnetter  Verseehung  derselben 
Silberkamer  nit  wenig  glegen,  so  sollen  ferner  der  Hofmaister  sein  Auf- 
aeehen  haben,  wann  Irer  Liebden  geordtneter  Süber-Camerer  abwessig, 
dsss  zu  Verwaltung  desselben  nit  ain  geringe,  soundor  ain  sollichen  Anibts 
tinnd  Diennst  wirdige  nnnd  erliche  Personn  gebraucht  werde,  unnd  sonnst 
in  allen  Sachen  hanndicn,  das  ainem  Hoftnaister  zu  rcrseeben  ziiestet 
nnnd  inn  was  Sachen  ime  ettwas  beschworlichs  fürfOell,  dasselb  an  ünus 
glangen  lassen,  darinnen  Wier  auch  Wendung  thaen  unnd  ime  dapferen 
unnd  guetten  Rur.khen  halten  sollen  und  weilen. 

17.  Es  soll  auch  iiier  bemeltnr  Hufinalster,  was  ehr  jeder/dt  in 
Uberseehung  des  Hoffstatts  iiiid  der  Ofticit-r,  Instiuction  nnnd  Huittungen. 
anch  deren  Diennsten  nnnd  Verrichtnngen  unnd  sonst  itiu  iill  iuinder- 
weeg  fflr  Hanngl  befunden  nniid  soiinsten  in  Erfainiig  bringen  wierdot, 
das:<elb  inn  Iren  Innstnictionen  unnd  Ordnungen  jederzeit  nach  Glegen- 
bait  der  Sachen  unnd  wie  er  das  zu  Irer  Liebden  NotturfFten  unnd  Nucz 
für  gnet  ansieht,  dwh  mil  Unnseim  Vorwissen,  zu  verendern,  zu  mflndern 
nnnd  zu  meron  Macht  haben. 

18.  Unnd  damit  solliclis  so  vi!  fiuechtbarer  unnd  mit  mererm 
Gruudt  geschcehen  mQg,  suil  er  inn  Soniiderhait  darob  sein,  das  vonn 
allen  Iren  Liebden  Officiern  zu  jedem  (Juaidiii  Kaittimgen,  ire  Instruc- 
tionnen  fürgelegt  unnd  übersehen  werden,  unnd  wo  ime  Uofmainter  vonn 
denselben  Officiers  Obrigkhait  ainige  Beschwer,  Hanngl  oder  Ubertrettung 
angeczaigt  wierdet,  gegen  dennselbon  nach  Glegenhait  aiiiwetters  mit 
zimblicbor  Straf,  Kodierung  der  Besoldung  oder  gar  Enntseuzung  des 
Diennsts  (doch  mit  ITnusei'm  Vorwissen)  Anndern  zu  ainem  Exempl 
fürgehn. 

19.  Dann  ferner  so  soll  Hofmai.ster  bedacht  sein  auf  alles  Hof- 
gesindt,  so  vill  des  inn  dem  gannczenn  Hofstatt  begriffen,  sein  lleissig 
Äufmerckheu  zu  haben,  damit  Jeder  sein  Diennst  unnd  Ambt  zu  gebQr- 
ticher  Zeit  treulich  unnd  aufrecht  mit  Fleiss  ausswarte  unnd  demselben 
durchaus  khain  Unngohorsamb  zueseeheu  oder  gestatten,  sonndor  wo  sych 
iren  ainer  über  sein  Ani-eden  ainigs  ünfleiss,  Unngehorsamb  oder  aonder 
Unngeschickhhait  brauchett,  dasselb  Unns  zu  Weundung  anczaigen. 

20.'  Mer  offtbemelter  ünnseror  freundlichen,  geliebten  Söhnen 
Obrister  Hnfmaister  s>>ll  auch  minder  dem  Hofgesindt  sein  guettc  Achtung, 
Nachforschung  unnd  KbundtschafTt  halten,  ob  sich  Ehainer  derselben 


'  Aiimerknng  Dietrichateui's:   Discr  Articl    mness   vernndert  werden,   dann 
die  Weldt  und  Zeit  jotxo  rill  andergt  ist. 


494 


denn  jeczt  schwebonnden  kheczerischen,  verfflerischen  Secten  unnd  Leh- 
ren, daraus  so  vill  Uobels  unnd  Unnraths  khnmbt,  taillhafftig  mach  unnd 
fürnembiich,  ob  ain  Joder  nach  cristlicher  Ordnung  järlich  pencht  unndt 
das  bochwierdig  Sacrament  empfach  unnd,  vonn  wem  er  dergleichen  rer- 
fOrische  Secten  unnd  Leren  ann  Irer  Liebden  Hofe,  Niemandt  anssge- 
schlossen,  erfart,  desselben  Uons  berichten,  damit  alssdann  durch  ine 
Uofmaister,  doch  mit  Unsenn  Vorwisscn,  mit  Urlaubung  seines  Dieunste 
oder  in  anderweg  Straf  fDrgenommen  werden  mfig. 

21.  Unnd  dieweil  unnser  freundlichen  geliebten  Sönhen  Hofmaisl«?" 
in  allen  Aussgabon  Ordnung  unnd  Bofelich  zu  geben  hat,  so  soll  er 
wöchentlich  vonn  dem  Pfeningmaister  alles  seines  Empfangs  unnd  Auss- 
gabenns  ordeuliche  Farilicular-Raittung  aufnomben,  unnd  du  sich  die 
Raittung  der  Gcbür  nach  betindet,  soll  er  uofmaister  dieselb  Wochen- 
niittung  unnderschreibcu  unnd  dem  Pfeningmaister  zuestellen,  dagegen 
ain  gli'ichlauttondo  Abscbrifft  der  Raittung  durch  den  Pfeningmaister 
unuderschriben  zu  seinen  Hannden  ncmbon,  unnd  alle  Viertl  Jar  ?ona 
denselbcnn  Raittungen  Uuns  Bericht  thuon,  inniasscn  Wier  dann  den 
Pfeningmaister  solliches  inn  seiner  Instruction  auch  aufgelegt;  damit 
Wier  dessen  ain  Wissen  haben  unnd,  wie  sich  die  Empfanng  von  alion 
Ortten,  daheer  sy  khonien,  v«rgleichoH,  seehen  mügcu. 

22.  Er  soll  auch  auf  vermelt  Irer  Liebden  Hofgesindt  Heissig 
Achtung  haben  unnd  dieselben  anhalten,  das  Iren  Liebden  zu  allen  Sol- 
lenideton,  Khürcbenganng,  Binreiitung  unnd  annderweeg  Heissig  auf 
den  Dienst  warten  unnd  denselben  Dienst  nit  Tersaumben,  wie  dann  vonn 
merer  Folg  unnd  Ansehens  wegen  er  Hofmaister  selbst  (wofer  es  ann- 
derst  anndcrer  Irer  Liebden  GeschälTt  oder  Uanndlungen  halber  sein  mag) 
zu  Morgens,  wann  Ire  Liebden  zu  unnd  vonn  der  Khirchen  geen,  sambt 
dem  anndern  Hofgesindt  bey  dem  Diennst  gegenwei'dig  sein  soll,  wo  aber 
sein  güettlich  Vcrmannung  bey  ainem  oder  mer  des  Hofgesindts  nit  Folg 
oder  Ansehen  haben  wolte,  so  mager  dieselben  mitRodierung  ires  Diennst- 
gelts  straffen  unnd,  so  das  nit  helfen  wolte,  innen  sidliches  bey  Drobnng, 
Urlanbnng  irer  Diennst  unndersagen,  auch  leczlich  gar  ünns  selbst 
anzaigen. 

23.  ünnd  beschliesslich  soll  er  in  allen  auf  ünnsere  geliebte  Sonne, 
deren  gannczen  Hofstatt  Hofgesindt  unnd  Officior  sein  tteissig,  getrew 
unnd  stottigs  Aufseehen  haben  unnd  durunder  alles  dos  betrachten,  thuen 
unnd  fordern,  su  inndert  inn  seinem  Vermögen  unnd  ainem  getreuen 
Hofinaister  gebQrt,  inmassen  er  solliches  bissheer  gethann,  anch  noch 
forthin  seiner  sonndern  Erfnrung  unnd  Schicklichait  nach  well  thnen 
kbanu,  und  Wier  im  darumben  geuedigelichea  vertrawen.    Dagegen  solle 


495 


ime  Tonn  Menigelichen,  80  ime  nnderworlTen  sein,  die  Gehorsanib  wie 
Unns  nnnd  Iren  Liebdten  selbst  erczaigt  werden,  dariber  wir  dann  gene- 
diclich  halten  wellen.' 


Beilage  3. 
Haximilian. 


(1661 V,  Mal?)  Wien. 


Instmction,  welcbermassen  unser  HofFmaracball-Ämbt  geregirt, 
gehandlet  nnd  verriebt  werden  solle. 

1.  Erstlieh  soll  gedachter  unser  HttfTinarschall,  wer  zu  onserm 
HoRgesindt  zu  klagen  hat,  Verliivr,  Eiidtschidt,  liechl  uml  Straff  ergehen 
lassen,  darzue  so  mag  er  nach  Gelegenheit  der  Hündl,  so  sie  ansebenlich 
sein  wflrden,  etliche  unsere  Räth  und  Diener  erfordern,  die  ihm  iu  dem 
rechtlichen  Beysein  and  Gehorsamb  thuen  sollen,  ilamit  uiidcr  dem  HuiT- 
gesiudt  Kibliche  Ordnung,  Fridt  und  Recht  erhalten  und  alle  frembde 
Anklag  verhuett  werden.  Im  Fall  aber  ihmo  fremhde  Sachen  fCirkhi'mimcn, 
die  ihm  etwan  beschwerlich  sein  wulten,  soll  er  solches  unserm  Obr.  lloff- 
Diaister  anbringen,  der  den  sambt  ihne  und  denen  erforderten  Fersohneu 
die  GebQr  fürzunemmcn  wirdt  wissen. 

2.  Item,  t-r  soll  von  Ruthen  und  allen  von  Adl  unsers  Hoffgesindta, 
wo  einer  straflfmässig  wnrde,  iiorsöhnlich  das  Geliibt  ritterlicher  Gofang- 
nosB  oder  nit  Weichling,  sonders  zu  stellen  and  ander  persohnlich  Zu- 
sagen aufnemmen. 

3.  Wo  sie  aber  dennassen  straffmässig  weren,  dass  man  sie  gcfUng- 
lich  annemmen,  dass  soll  er  dem  Profossen  befelchen,  und  der  Profoss 
soll  die  Annemung  in  sein  des  Marschalckhss  Beysein  thun,  er  soll  auch 
persohnlich  bey  der  Kxaminiruug  oder  Frag  dergleichen  Persohnen  selbst 
sein  nnd  ein  Process  under  seinem  Titel  ufl'riuhten  lassen;  wan  dan  so 
wichtige  Handlung  vorhanden,  so  solle  unser  Secretary  au£F  sein  Erfor- 
dern (wo  er  änderst  andeier  unserer  Geschafft  halben  abkommen  kan) 
erscheinen,  und,  im  Fall  er  nicht  dabey  sein  kundt,  einen  tauglichen 
Schreiber  darzue  verordnen. 

4.  Und  nachdem  bissbero  sich  otlichmal  zugetragen,  dass  ein  .Teder 
seines  Dieners  halben,  denselben  einzunemmen,  ausserhalb  dess  HoR°- 


'  Auf  dem  Umaclilsg  «telion  diese  Annierknn|rBn,  geschrieben  von  Leoh.  v. 
Hnnmch  dem  Mittleren:  Herrn  Oberiaten  Hofmaisters  Inirtniction  Herrn 
Ad«ni  von  Dietricliütain  Freyliurm  A.  8H.  Irer  F.  ü.  Hoffstntt  snnibtentlicbo 
anderarhidliche  Uuettbedancken  nnnd  ander  znegehOrige  Schriften  A.  83. 

Anfch.  UCXXTU.  Bd.  n.  Hilft«.  33 


496 


maiBchalckhBS  VorwisKen,  mit  unserm  Profosen  hat  schaffen  w<lllen,  so 
solle  derobalben  hinffiran  ausser  unsers  Hnffmarschalckhs  Vorwissen 
der  ProfosB  auff  eines  Ändern  Begehron  oder  für  siuh  selbst  (wans  Bitt 
erleiden  mag)  Nieniandt  gefonglich  einzihen,  es  were  dan  Sach,  dass  sich 
so  tödliuho  nnTorzogenlicho  Handlungen,  alss  mit  mueth willigen  Bumoren, 
maleficzischen  Verbrechen  oder  Diebstal,  die  nicht  Bitt  erleitten  mögten, 
zutrugen,  in  solubem  Fall  mag  der  Prufoss  auff  eines  Anderen  Begehren 
und  für  sich  selbst  solche  Personen  wol  aunemben  und  verwahren,  doch 
dass  derjenige,  so  den  Anderen  annemmen  lest,  unserm  Hoffmarschall 
aller  begangenen  Handlung  alssdan  ohne  Verzug  bericht,  und  der  Profoss 
darinnen  fernem  Bescheidt  gowartte. 

5.  Er  soll  auch  im  Baissen,  Feldtzügen  und  Eiureitten,  auch  der 
Wacht  unserer  Persohnen  halben  jederzeit  guete  Füersorg  haben,  und 
Ordnung  fOrnemmen  und  halten. 

6.  Weitter  soll  er  auch  notturfftiglich  nnd  stattlich  Hundthabnng 
thun,  damit  dass  HofFgesinJt  mit  den  Zinsen  von  den  Herbeigen  oder 
Lossamontern,  wie  dass  vorhin  Jor  Gebrauch  gar  nicht  gewest,  nicht 
ubersezt  oder  beschwerdt,  sondern  dessselbig  bey  unserer  gegebenen  Ord- 
nung gelassen,  auch  sonst  in  der  FQetterung  und  Profiandt  kein  Staige- 
rung  gemacht  oder  gelitten  werde,  nnd  welcher  von  unserm  Hoffgesindt 
beschwerdt  wirdt,  derselb  soll  soliches  nnserm  Hoifmaister  nnd  HofTmar- 
Bchallcn  anzeigen,  damit  darüber  gebührliche  Einsehung  und  Wendung 
beschehen  mfige. 

7.  Wass  sich  aber  zwischen  unserm  Hoffgesindt,  Wflrdten  und 
anderen  Persohnen  für  Unwillen  zutregt,  soll  er  Hoffmarschall  die  Sachen 
verhören  und  jederzeit  zwischen  ihnen  guete  Ordnung  und  Mittel  xu 
finden  und  Einigkheit  fürnemnien  und  erhalten. 

8.  Dessgleichen  soll  auch  unser  Hoffinarschall,  wan  wir  über  Landt 
reissen  werden,  ein  lautiere  Verzeich nuss  der  Leger,  so  wir  mit  Gelegen- 
heit nemuieu  mflgeu,  fürbringen  nnd  mv  wir  uns  derselben  entschlicsseo, 
soll  ers  alsdan  dassselbig  ins  Werckh  richten  oder  bringen,  wie  sich  ge- 
bort, derhalben  soll  der  Quartiermaister  sambt  den  Officiren  in  L^er  nrni 
anff  der  Baiss  ihr  Auffsehen  alles  auff  ihne  haben. 

9.  Und  wan  von  Jemandts  zu  nnserm  Hoffgesindt  ainen  oder  mehr 
unib  Schulden  bey  ihme  Marschall  Anklag  und  Ersuchuug  thuen  würde, 
und  der  Harschall  bey  unserm  Pfeniugmaistor  demselben  Hoffgesindt  sein 
Besoldung  zu  Entpbubung  inhibiert  und  verpeutt,  soll  der  Pfeningm&ister 
demselben  Verpott  zue  gehorsammen  und  dem  Beklagten  solche  sein  Be- 
soldung nicht  erfolgen  zu  lassen  schuMig  seiu,  er  wisse  dan.  dass  die 
Gläubiger,  so  die  Auklag  gethau,  zufriden  gestelt  sein  oder  die  ihme  der- 


497 


halben  nnsei'  Marschalckh  in  Sonderheit  widerumben  Befelcb  und  solchor 
Airestation  halber  Ilelegirung  tbue. 

10.  Item,  er  soll  auch  im  Feidt  mit  allem  Hoffgeslndt  guete  Ord- 
nong  halten,  damit  zue  Ehren,  Schimpfl'  und  Ernst  kein  Nachtheil  er- 
scheine, ihme  soll  auch  von  Meniglicben,  Keinen  aussgenohmmon,  im 
Feldt  und  sonst,  was  er  Inhalt  diser  Instruction  befelchon,  gebieten  und 
handlen  wirdet,  gehorsamblich  gelaist  werden,  darüber  wir  auch  mit  Ernst 
halten  und  keine  üeborsehung  thun  wollen. 

11.  Er  soll  auch  sonst  under  unscrm  ermelten  Hoffgesindt  sein 
fleissig  Achtung  und  Äuffuierckhen  haben,  damit  uuss  zu  iillen  Solenni» 
teton  und  Eirchengengen,  Einroitton  und  anderweeg  am  Dienen  nicht 
Mangl  erscheine,  sondern  von  einem  Joden  nach  Gestalt  und  Gelegenheit 
seines  üiensts  und  Beruffs  floi-ssig,  wie  sich  gebort,  gedient  werde,  zu 
dem  er  dan  jederzeit,  wau  wir  Kirchgang,  Aussreitten  und  andere  offene 
Actus  halten  wollen,  ordentlich  ansagen  lassen  soll,  und  wo  aber  über 
solch  ein  ordeutlich  Ansagi>u  und  alsn  Jemandts  von  Dienst  fürseczlich  anss- 
bleiben  und  also  ungehorsamb  iu  Unfleiss  verharren  würde,  mit  Eodirung 
seines  Dienstsgelts  nach  Gelegenheit  dess  Unfieiss  straffen  und,  so  dass 
anch  nit  helffen  wolt,  bey  Droungdess  Urlaubss  seines  Diensts  undersagen. 

12.  Er  soll  auch  darob  sein,  dass  kein  HDffgosIndt  ausserhalb  seines 
Vorwissens  in  unserm  Raissen  vor  oder  langsamb  nachreitt,  oder  seine 
Diener  und  Pferdt  reittcu  lasse,  sondern  wo  Jemands  dasselbe  thette, 
oder  sich  sonst  ungeschickht  oder  unweisslich  verhielte,  dass  derselb  nach 
Gelegenheit  seiner  Verwürckhuug  mit  Rodiruug  eines  oder  mehr  Monats, 
Wochen  oder  Tagss  Besoldung  oder  in  anderweg  gestrafft  werden,  doch 
soll  und  mag  unsers  Hoffgesindts  Notturfft  nach  iu  disem  Fall  diser 
Underschiedt  gehalten  werden,  neniblichen,  dass  ainer,  so  4  oder  5  Pferdt 
bat,  einen  Diener  und  die  zue  2  oder  3  Pfordton  haben,  zusamen  stossen 
und  auch  einen  Diener  voran  schickhen  mügen,  doch  auch  an  gefehrlichen 
Orthen  solle  von  unserm  Hoffgesindt  Nicmaiidtä  voian,  ausserhalb  dess 
Hoffmarschallen  Wissen  oder  Willen  ziehen,  darauff  er  dan  jederzeit  ein 
gnetes  Auffmerckh  halten  solle. 

13.  Er  Hoffmarscball  mit  sambt  unserm  Hoffmaister  soll  auch  alle 
Quartall  unser  Hoffgesindt  ordentlich  mustern  und  sehen,  wie  ein  Jeder 
gerist,  ob  er  dass,  so  ihme  gebürt,  halt  oder  nit,  und  wie  er  die  Sachen  in 
fleissigor  Musteiung  findet,  desselben  unserm  Huffzallmaister  berichten, 
damit  er  diu  Bezahlungen  der  Gelegenheit  darauff  zu  thun,  oder  aber  den- 
jenigen, so  sein  Anzall  Pferdt  nicht  gehalten  hat,  abznstrickhen  wissen. 

14.  Und  darneben  bey  dem  Hoffgesindt  auch  nottürfftige  und 
gchickhliche  Anmanung  thuen,  damit  sie  sich  vor  den  jezigen  gefehrlichen 

32» 


498 


Dud  TerführiBchen  Secten  eothaltOD,  sich  darein  gar  in  keinem  Weeg  be- 
geben oder  derselben  anheiigig  oder  verdächtig  machen,  bey  Vermaidang 
unserer  schweren  Straff  und  Ungnadt,  und  sonderlich  soll  er  unsern 
Härtschier  und  Trabanten-HaahtleOthen  aufflegen,  dass  sie  darob  sein 
nnd  Nachfrag  haben,  ob  dieselben  Uärtschier  und  Trabanten  nach  christ- 
licher Ordnung  leben,  und  sich  dem  ergerlichen  und  verfürlichen  Wessen 
und  Lohrcu,  Disputation,  Lesen  frembter  Bficher  und  in  anderweeg  nicht 
thailhafTtig  machen,  sein  floissige  Nachforschung  haben;  und  welche  sie 
deniiiissen  erfahren,  sollen  sie  die  Haubtiouth  solches  gedachtem  unscrm 
Hoffrnarschallen  berichten;  er  soll  auch  darob  sein,  dass  ein  Jeder  ihme 
zu  österlicher  Zeit  ein  Urkundt  bring,  dass  er  nach  christlicher  Ordnung 
gebeicht  habe  und  zum  Sacrament  gangen  sey ;  welcher  das  flbertritt  und 
sich  in  8  Tagen,  darin  er  ihnen  Warnung  thnen  solle,  sich  wie  einem 
Christenmenschen  gebirt,  in  solchem  Fall  nach  christlicher  Ordnung  nicht 
helt,  den  soll  er,  doch  mit  unsem  Vorwissen,  von  unserm  Hoff  and  seinem 
Dienst  schaffen. 

15.  (Diewcilen  dan  auch  die  Rom.  Kays.  Sit.  unser  gnedigster  ge- 
libster  Herr  und  Vatter  in  deroselben  funfF  N.  Oe.  Landten  ein  Ordnung 
und  Pollicey  von  newen  verferttigen,  anssgohon  und  publiciren  haben 
lassen,  welche  wfir  durch  unser  Hoffgesindt,  so  vil  dasselbige  darin  be- 
trifft, fiirnomblich,  wass  belangt  die  greuliche  Gotteslästerung,  Qber- 
messige  Klaidnngen,  dass  ungeschickhte  viehisch  Zutrinckhen,  nnnot- 
tnrfftige  Kfistlichkheit  der  Malzeiten  und  Ladschafften,  auch  EhebrOch 
und  leiclitfcrttige  Bejwohnung  gänzlich  gehalten  und  volzogcn  haben 
wollen,)*  80  solle  demnach  gedachter  Hoffmarschall  sambt  und  neben 
nnsorm  Hoffmaistor  sein  floissigcs  und  ernstliches  Aufsehen  haben,  da- 
mit durch  berürt  unser  Hoffgesindt  durchaus,  es  sey  hoches  oder  niders 
Standts,  solche  Pollicey  genzlich  gehalten  nnd  Niemandts  üebersehnng 
gethan,  sondern  so  offt  einer  die  fibertrette,  nach  Mass,  wie  bey  einer 
jeden  Verprochung  vermelt,  gestrafft  werde,  damit  also  bey  und  undcr 
uusorui  Hoffgesindt  alle  guete,  crbahre  Zucht  und  Sitten  gepflanzt  und 
gehalten  werden  mögen,  inmassen  wir  dan  solches  gedachtem  unserm 
Maister*  in  seiner  Instruction  auch  aiifferlegt  und  befohlen  haben. 

IG.'  Ferer  und  wo  sich  auch  begebe,  dass  sich  zwischen  anserm 
hochged.  Kay.  Mt.  und  unsers  gelibten  Gemahl  Hoffgesindt  einige  Zwy- 


'  Der  Anfang  des  §.  lü  int  in  der  Instmetion  vom  Jabro  1637  auagelaraen. 
*  In  der  Instrnction  vom  Jalire  1B,37:  Hofm.iifiter. 

'  §.  16  laiitot  in  rlor  Inslrnction  vom  .Talire  16.37:  .Verer  und  wo  sich  auch 
begäbe,  dau  zwischen  Unsemi  und  Unirer  geliebten  Oemahlin  Hoigesind 


499 


(facht  und  Uneinigkheit  /.iitinge,  sn  gnll  ^'edaohtei-  unsiT  HolTumrschall 
Btscheideaheit  gebrauchen,  nemblichcn  zwischen  Avv  Kay.  Mt.  etc.,  uu- 
germ  Hoffgesindt,  solle  unser  Marschsill,  der  Kay.  Mt.  HolTmarschall  dar- 
von  Anzeihnnp  thun,  wpicliev  aisdan  beyde  Pailhcyen  zu  seiner  Gelogon- 
lieit  für  BJch  beschaiden  und  mit  uii<l  neben  ihine  unserui  Uarscliall  der 
Nottnrfft  nach  Verh5r  halten,  und  darauf,  wie  aich  gehflrt,  Beschaidt  und 
Abschidt  geben  werden,  aber  zwischen  uusenn  und  unserer  Leihhoffgesiudt 
soll  unser  Marschall  in  üeysein  deroselben  unser  (Jeiuahl  Hoffmaister  oder 
Marschall  die  Sachen  zwischen  beeder  Tfaail  Hoffgesindt  verhören  und 
der  Gelegenheit  und  Nötturfft  nach  Beschaidt  und  Endtschidt  geben. 

17.  Gleicherweiss  soll  er  gedachter  unser  Marschall  mit  denen 
Persohnen,  so  unsers  Obristen  Cainmerers  oder  Obristen  Stalliuaisters 
Jurisdiction  underworffon  sein,  auch  halten  und  alwogen  au  sich  zwischen 
derselben  einem  oder  mehr  und  dem  amiern  Hoffgesindt  Gezenckli,  Kuinor 
and  Uneinigkheit  erhibo,  mit  seiner  fürgesecztiui  Obrigkeit  als  Cauuiierer 
oder  Stallmaister,  die  Sachen  verbOren  und  die  Notturft't  nach  Beschaidt 
und  Antwoi"tt  geben;  im  Fall  aber,  dsiss  sich  die  Sach  so  gar  rnmiuisch 
erzeigte,  die  keiner  Bilt,  bis  unser  Marschall  hochgedachter  Kay.  Mt.  liuff- 
marschall  oder  unser  Gemahl  Hoffniaister  als  obstehet  anzeigen  thun  und 
verhört  werden  kundten,  erleiden  möchte,  so  soll  der,  der  diejenigen  Per- 
sohneu,  so  sich  also  niuetwillig  oder  malcüzisch  gehalten,  alssbaldt  durch 
den  HofFprofossen,  inmaeson  wie  oben  in  einem  anderen  Articul  gostelt, 
in  Verwahrung  nemben  und  alssdan  jezt  gehörter  Gestalt  an  eines  Jeden 
gebührlichen  Obrigkeit  gelangen  lassen. 

IS.  Und  ob  sich  begeh,  dass  unser  Uoffmaister  unserer  Geschafft 
und  Ordnung  halber  nit  am  Hoff  were,  so  soll  sein  Ambt  und  Venichtung. 
wie  ihmc  dass  unser  Instruction  aufliegt,  auff  ihiic  Hotfnmrschallon  ge- 
wendt  sein,  also  dass  der  Hoffmarscliall  dasselb  in  allen  Dingen  als  wan 
der  Hoffinaister  selbst  gegenwerdig  were  verrichten,  vertretteu  und  not- 
torfftiglich  baadlen  soll. 

19.  So  sich  dan  zutrueg,  dass  gedachter  unser  rioffmarschall  nui 
Hoff  nicht  were,  so  stehet  zu  unserm  Gefallen  und  Willen,  ein  l'orsDhn 
zu  Verrichtung  und  Verwessung  solches  dess  Marschalliimbt  zu  verordnen, 
doch  solle  derselben  Porsohn  die  Verautworttuug  seiner  Handlung,  alss 
lAOg  sie  die  Verwaltung  hat,  selbst  zustehen. 


einige  Zwietracht  und  Uneinigkeit  zuetriige,  so  solle  oftgedauliter  unser 
Mirschall  in  Beisein  deroselben  unserer  Genmblin  Hnfiuaistor  und  Mnr- 
Bcliall  die  Snclien  zwischen  heeden  Theilen  Hofgesiud  verhUreu  und  der 
Gelegenheit  uauh  Bescheid  und  Entsclieid  geben.' 


500 


20.  und  soll  neben  dem  Allem  ermelter  unser  Hoffmarschall  darob 
sein,  auff  dass  unser  Hoffgesindt  unserm  Quartirmaister  und  Fourier  nicht 
polderu,  schelten  oder  schmälich  halten,  wo  aber  einer  oder  mehr  auss 
unserm  Hoffgesindt  seiner  Herberg  Beschwer  hette,  so  soll  er  sukhes 
jederzeit  ihme  unserm  Hoffmarschall  anbringen,  der  soll  nach  Gelegen- 
heit der  Sachen  gebührliche  Einsehung  thua. 

21.  Er  unser  Hoffmargclmll  soll  auch  allen  Hofräthen  ansogen 
lassen  und  in  dem  Holfrath  Umbfrag  thun  wogen  der  Persobnen,  su  im 
Rath  aldu  expedirt  und  ausserhalb  Besnchung  der  Kanzle;  mflndlich  ub- 
gefoi-tigt  werden  sollen,  ihren  Beschaidt  ihnen  ansagen. 

22.'  Dessgleichou  soll  der  KeichshofTraths  Thürhuetter  auff  deu 
Hoffmai'schall  jederzeit  sein  fleissiges  Äuffsehen  haben. 

23.  Er  Hoffmarschall  soll  auch,  wan  wir  Morgens  zu  und  von 
Kirchen  gehen  oder  in  Batb  gehen,  selbst  sambt  dem  anderen  Hoffgesindt 
boy  dem  Dienst  sein,  es  were  dan  Sach,  dass  er  derselben  Zeit  anderer 
unser  Geschafft  halben  nicht  künde  abkommen. 

24.'  Er  soll  auch,  wan  wir  Kay.  oder  Königl.  Actus  cclebrireu, 
dass  Schwerdt  vorführen. 

25.  und  in  Summa,  er  Harschall  soll  Alles  dass  thueu  und  in  allen 
Sachen  sein  guet  Äuffsehen  haben,  dass  einem  Hoffmarschall  zu  thuen 
gebOrt,  und  nichts  uuderlassen,  dagegen  soll  ihme  von  Meniglich,  so  ihm» 
underwarffen  sein,  alle  gebObrliche  Guborsamb  erzeigt  werden,  daran  bo- 
schicht  unser  ernstlicher  Willen  und  Meinung. 

Geben  in  unser  Statt  Wienn. 


Beilage  4, 


1606,  6.  Juli,  Wieo. 


Schreiben,  so  von  H,  Orafen  Fanl  Sixt  Trantion  an  H.  Jacob  Breiner 
Freih.  under  dato  6.  Juli  Anno  1605  abgangen. 

Wohigebohrner  Freyherr,  insondors  freundlicher,  vertrauter,  lialier  Herr 
Obrister  Hoffmarschall ! 

Dem  Herrn  Schwägern  sein  mein  ganz  willige  Dienst  jederzeit  lu- 
voran  beraitt,  nnd  thne  Uimo  hiemit  zu  wissen,  dass  ich  sein  Schreibeu 
vor  25.  tliss  datirt  an  Oestert  wol  empfangen  und  desselben  Inhalt  nach 
lengst  vernoramen,  diiruuss  aber  so  vil  verstandten,  dass  Ihr.  K.  Mt.  allcr- 


'  §.  21   nnd  '2'J  fehlen  in  der  Instruction  vom  Jahre  1637. 
*  §.  34  fohlt  in  der  luatruvtion  vom  Jahre  1637. 


501 


gnädigst  an  mich  begehren  lassen,  nnd  der  Herr  Schwager  mich  auch  er- 
Boeht,  wie  es  von  Alters  hero  und  zur  Zeit  meiner  Administration  des 
Marschallambts  in  Gericht  und  Crimlnalssachen  gehalten  worden, 
dessen  erkenn  ich  mich  gegen  Ihre  May.  ganz  nndertbänigst  schnldig, 
und  gegen  dem  Herrn  Schwägern  gleichfalss  ganz  willig.-  Und  ist  erst- 
lich nit  weniger,  dass  in  meiner  so  vil  Jahr  langwirigen  Trag^ng  des 
müheseligen  HoffniarschuUambts  sich  allerley  F^eindsoligkeitcn  in  crimiual 
und  andern  Sachen  nicht  allein  zu  Prag  und  in  Böheimb,  sondern  auch 
im  Reich  zu  Augspurg,  Regenspurg  auff  den  Reiclistägen  und  sonsteu 
auch  albie  zu  Wienn  zugetragen  haben.  Ich  hab  mich  zu  Eingang  meine» 
Ambts  Qeissig  erkundiget,  wie  es  etwan  zuvor  und  vor  längen  Jahren  in 
dergleichen  Fahlen  gehalten  wurden,  zu  dem  ich  gleichwol  disen  Vorthl 
gehabt,  dass  ich  ein  guette  Richtschnur  an  meinem  H.  Vattem  seeligen 
etc.  haben  könden,  welcher  vill  lange  Jahr  bey  Ihr.  Kay.  May.  Ferdiuando 
löbl.  Gedechtnuss  Obrister  Hoffniarsuhall  gwesen,  dasselbige  nud  wie 
raans  etwan  sonst  ein  Ambt  baiton  solle,  hab  ich  durch  die  gehaime  Herrn 
Räth  an  die  Kay.  Hayt.  unsorn  allorgniidigsten  Herrn  allorunderthänigst 
gelangen  lassen,  aulT  welche  Relation  und  Guetachten  Ihr.  Kay.  Mäy.  sich 
dasselbigmal  allergnedigst  resolvirt  haben,  und  bin  ich  alssdan  derselben 
kayserlichen  Resolntiun,  solang  ich  in  dem  Ob.  HoO'marschallen-Ambt 
verbliben,  nacbgnngen  nnd  es  also  gehalten. 

Jezt  nun  auff  diesen  Puncten  in  specie  dem  Herrn  Schwägern  zu  be- 
richten, wie  es  erstlichon  in  RaiilT,  Rumorhändl  und  criminalibus  gehalten 
worden,  ist  es  also  zugangen,  dass  jederzeit  die  erste  Justitia,  ess  sey 
hernach  die  Hoflf  oder  die  andere  Justitia,  welche  darzu  kummen  sein, 
die  Thätter  eingezogen,  dieselben  alssb.'ildt  eiamiuirt,  wer  sy  sein,  wohin 
sie  gehören,  dasselbig  der  andern  Justitia  oder  den  andern  Tag  oder  aber 
auffs  lengst  in  24  Stnndten  zu  wissen  gethan  worden,  bey  deroselben  aber 
hernach  gestanden,  ob  sie  den  Thätter  abholen  wollen  lassen  oder  nach 
Gelegenheit  der  Umbständt,  gemeiniglich  aber  so  bah  ich  dieselben  ge- 
fangen, durch  den  Profossen  abfordern  lassen.  Es  sey  dan  ein  solches 
crimen  gewest,  dass  so  notorinm,  das  es  keines  üeberweisens  bedOrfTt,  so 
hab  ich  gleichwol  dieselben  Thätter,  dieweil  man  in  notoriis  criminalibus 
bey  dem  Hoffmarschallambt  nie  Keinen  zu  dem  Heukhen  oder  Ki'ipffen 
judicirt  hat,  bey  dem  Stattgericbt  jedes  Orth  verlassen  also  aber,  dass  sie 
ihre  crimina  und  Urthcil  vorfasst,  doch  aber  mit  keinen  Execntionen  nit 
dürften  fortfahren.  Sie  haben  mir  dau  das  Urlhl  zuvor  verzeichneter 
Bftmbt  denen  Motiven  zugeschickht.  daranfT  ich  mich  alssdan  im  Nahmen 
Ihrer  Mayt.  gegen  ihnen  erklort  oder  dass  sie  fortfahren  mügen.  oder  zu 
Zeiten  Ihr.  May.  ein  Gnad  eingeworffen  nach  Gelegenheit  der  Sach,  den 


502 


sie  alsedan  nachkommen  sein.  Es  ist  wol  uit  weniger,  dass  eben  zti  Prag 
CS  imei-  zu  Zeiten  Anstüss  gegeben  bat  mit  denselben  Gerichten  uuJ 
ctwan  die  Herrn  Obristen  und  Officir  sich  dessen  auch  angenommen 
haben,  ich  aber  hab  mich  dennoch  der  Kay.  liesolution  and  alten  Gebrauch 
nach  verhalten,  anch  etlichitial  selbst  mit  denen  Obr.  Herrn  und  Officini 
gorcdt  und  tractii-t,  und  ihnen  die  Sachen  zu  verstehen  geben,  sy  sich 
auch  gegen  mir,  wie  ich  nit  änderst  sagen  kan,  jederzeit  beschaiden  und 
also  Will  erzeigt,  dass  wir  gar  leicht  für  einander  kommen  könden.  Wu 
aber  Händl  und  Verliafftimg  gewesen  sein,  die  nit  notorie  hengennessig, 
sondern  noch  obscurf  oder  dubitative  criminal  sein  oder  nit,  dieselben  Ge- 
fangen aber  hnb  ich  allzeit  zu  der  HoiT-Jnstitia  lassen  nembon,  darinnen 
procediren,  soweit  biss  das.s  man  gesehen,  ob  es  criminalisch  oder  nitsej, 
zudem  ich  allzeit  einen  nder  2  auss  denen  HolTräthen^  zu  Zeiten  auch 
iiX'hi',  wol  auch  etwan  andere  Gelehrte,  so  bey  Hoff  sich  auffgehalten,  ge- 
biaucbt  habe.  Ist  es,  dass  die  Sach  nun  nit  pure  criminalisch  gewesen, 
so  hab  ich  das  Urthell  ergehen  lassen  mit  Vermelden,  dass  sie  ihne  »u 
sich  nemmcn,  darüber  gebreOchlich  Urthell  und  eine  Sentenz  verfassen 
sollen,  doch  vor  Eröffnung  deselben  ihne  mir  zuschikhen,  damit  ichs  Ihr« 
May.  anzeügen  köndo  tind  sie  hieiauff  beschaiden  solle.  Und  so  vil  den 
ersten  und  criminnlischon  Pimcten  anlangt-,  aus  viil  mir  bewnst  ist. 

Bctreffcndt  nun  weiter  den  andern  Puiicton,  wer  nndcr  das  Hoff- 
marschallambt  gehörig  oder  gezogen  solle  wurden,  thuo  dem  Herrn  Schwä- 
gern ich  hiemit  dienstlich  und  frcfluiltlich  zu  wissen,  dass  zuvurderist 
die  Kay.  May.  unser  allergnodigster  Herr  selbst,  wie  auch  die  HeiTn  ge- 
haimbo  Räth,  obrister  Herr  Hoffmaistor  und  ich  ilarfür  gehalten  haben, 
dass  alle  dio  erstlicheii,  so  .in  der  Hoffstatt  begriffen,  so  wollen  die  so  in 
einer  besondorn  Vei-zeichniiss  als  Handelss  und  HandtworckssleQth, 
unnder  den  Hoffuiarscballambt  sollen  seiu,  weiter  auch  alle  PottschafTteu, 
Agenten,  Procuratores  sambt  ihren  Zuegehörigen,  so  bey  dem  kay.  Hoff 
sein  und  zu  thnn  haben;  item  alle  zne  und  abreisenden  Fürsten,  Oraffeo, 
Herrn  und  von  Adel,  wass  bey  dorn  kay.  Hoff  zu  thun  gehabt,  auch  die 
Obristen,  llittuiaister  und  dergleichen  Herrn,  die  zur  Zeit  dess  Elriegss 
und  sonst  bey  Ihr  Kay.  May.  und  dem  Kiiegsrath  zu  thuu  gehabt,  ausser 
deren  Obristen,  Haubt-und  Befelchsleutt,  so  von  dem  Königreich  Böheimb 
bestult  worden,  mit  denen  sie  auch  das  ihrig  zu  thun  gehabt,  sonsten 
anderer  und  schwoiffenden  Persohnen,  deren  es  gleichwol  offt  mehr  als 
zu  vil  geben,  solcher  hab  ich  mich  durchanss  nichts  angenommen,  son- 
dern mich  offtermaKs  mit  den  Herrn  Landtofficiern  verglichen,  dass  man 
solches  Gesindt  weckbschaffen  solle;  und  so  vil  kan  ich  mich  dises  Punctvo 
halber  erinnern. 


m 


503 


Betroffendt  nun  den  dritten  Puncten,  wie  es  nun  mit  ßecbnungon 
der  Contribution  gebalten  werden  solle,  tbue  icb  ilem  Herrn  Schwägern 
>u  wissen,  dass  wan  in  den  bebuinischeii  Landtagen  LandltagsschluBS 
ergangen  sein,  dariiieu  wan  von  i^'uMenen  Stiickhcn,  sydeneu  Wabreii, 
Tüchern  und  dergleichen  Eaufmnnust^nchou,  süssen  Weinen  und  der- 
gleichen, darmit  die  Hoffhandiüssieüth  gehandlel  haben,  etwas  im  Land- 
tag anznschlageu  und  zu«  geben  scbukiig  gwosen,  ist  es  gciiiuiiiiglicli  in 
dem  LandttagsGchlusB  gestanden,  dass  die  von  HotT  dasselbe  mitleiduu 
sollen,  und  bin  icb  allzeit  durch  die  bMiainischc  Expedition  erinnert 
worden  desselben,  darauf  ich  sie  die  HofniaiiillEsleutb  erinnern  lassen, 
dises  oder  jenes  sey  geschlossen  worden  im  Landtag  und  ein  Verzoichnus 
geben,  dass  sollen  sie  au  die  Orth,  wie  es  in  dem  Landtag  vermeldet  wirdt, 
erlegen  und  sich  selbst  vor  Schaden  vorhietten.  Ist  es  nun  bescheheu, 
wol  und  guet,  wo  uit,  so  haben  die  Einuember  derselben  Sachen  sich  bcy 
mir  beschwerdt,  dieselben  geuandt,  welche  saumig  gewesen,  die  hab  ich 
alssdan  mit  der  Eiocution  und  mit  Gwalt  darzue  gebracht,  auser  wo  einer 
oder  mehr  Uoffhitnillsloutb  und  dergleicbeii  auch  ein  gossene  Burger  oder 
Burgerrecht  gehabt,  die  haben  sie  auch  selbst  mügen  eiequiren.  Wan 
man  aber  vennäg  der  Landtagschluss  in  den  Gwölbon,  damit  kein  Betrug 
geschehe,  übersehen  und  schäzou  .sollen,  so  bin  ich  allzeit  durch  sie,  so 
von  den  Beheuiischen  verordnet  worden,  dessen  Zeit  und  Tag  eiiuuert,  in 
conformitet  derselben  Leuth  hab  ich  auch  allezeit  von  Huff  auss  2,  3 
oder  4  Fersohnen,  die  mit  und  neben  ihnen,  so  vil  die  UoflT  Haudless- 
leuth  anlangt,  die  Sachen  verriebt  haben  abgeordneten,  und  ist  mir  so 
woll  als  den  Beheimbischen  desselben  VerlaulTs  Bolatiou  bescbehen;  und 
so  vill  von  disen  dritten  vnd  lezten  Puncten. 

Disen  meinen  gehorsambston  Bericht  mag  nun  der  H.  Schwager 
Ihrer  Kay.  May.  allerunderthänigst  relationiren  und  mich  doroselbeu  bey- 
nebens,  als  Ihrer  Kay.  May.  getreuen  alten  treuberzigisten  Diener  aller- 
gchorssmbist  befehlen.  Sonsten  der  Zeit  mohrers  nichts  als  thue  unns 
hiermit  zu  bayden  Thaillcn  dem  Schucz  Gottes  allmechtigen  befehlen. 

Datum  Wienn  den  29.  Juni  1605. 


Dos  Herrn  joder  Zeit  dienstwilliger  Schwager 

Paulus  Sixt  Trautson,  Graf  und  Freiherr. 


504 


Beilage  5. 
ObersthofinanchaUsamt  Frooesa  und  Qeriohttordniuig.' 

Caput  primum. 

Welche  Personen  der  Hofmarschalckhischen  Jorisdiction  unter- 
worfen. 

Der  kays.  Hoffuiarschalckhischen  Jurisdiction  sollen  nicht  allein 
diejenigen  unterworffen,  so  in  Ihrer  Kay.  Mt.  wflrcklichen  Diensten  und 
Bestallung  sich  bey  Dero  selben  Hofflager  auffhalten,  sondern  auch  aller 
frembder  Potentaten,  item  Chnrffirsten  und  anderen  Ständen  des  heylig 
Komisch  Reichs  Bottschafften  und  Abgesandt,  ja  alle  diejenige,  welche 
den  kay.  Hoff  besuechen  und  alda  für  sich  selbsten  oder  ihrer  Herrschaft 
halber  in  Bechts-  oder  andern  Sachen  zue  thuen  und  zne  handien  haben. 

Dessgleichen  sind  unter  die  kay.  Hoffmarsch alkhische  Jurisdiction 
gehörig  aller  obgemelten  Personen  Haussgesindt  als  Weib,  Ehinder, 
Diener,  Ehehalten  unnd  welche  sich  sonsten  in  derselben  Brett  aoffent- 
halten. 

Caput  2.   Von  Beysitzern. 

ObwoU  biss  anhero  bey  dem  Obr.  Hoffmarschalkhen-Ambtt  nicht 
herkhommen  oder  gebrauchig  gewesen,  sonderbare  Assessores  zue  haltten, 
sondern  bey  des  Herrn  Obr.  Hoffmarschalkhen  Discretion  gestanden,  in 
wichtigen  und  disputiilichen  Rechtssachen  jedem  zu  Yerhelffung  gleich- 
messigen  Rechtens  etliche  auss  Ihrer  Mt.  Beichshoffrathen  zue  sich  zne 
ziehen,  demnach  dieweil  dieselbe  ohne  das  mit  vielen  hochwichtigen  Sachen, 
Beichs-  und  andern  kay.  Geschafften  sehr  beladen,  insonderhait  w^en  der 
Bevisionen,  so  von  dem  Obr.  Hoffmarschalkhischen  Amptt  an  Ihre  Mayt. 
Reichs-HoSrath  respective  sie  ergehen,  sich  bisshero  in  dem  vielßltig 
beschwert  befunden,  dass  sie  in  erster  Instanz  den  Urtheilen  bewohnen 
sollen,  vielföltig  beschwert  befunden,  als  sollen  hinfurter  drey  Consn- 
lenten  oder  Assessores,  so  der  Rechten  gewurdiget  oder  aber  anffs  wenigist 
also  geschickht  und  erfaren,  dass  sie  derselben  Stell  vertreten  mögen, 
verordnet  werden. 

Caput  3.    Vom  Amptt  der  Beysitzer. 

Unnd  sollen  die  verordnete  Assessores  ordinarie  zweymahl  in  der 
Wochen,  als  Montag  unnd  Mitwochen,  da  dieselbe  Tag  nicht  dies  feriati 

*  Befindet  sich  im  Fascikel  A.  110'>  in  dem  gräfi.  Harrach'schen  Archive 
in  Wien.    U  Blätter  in  Folio. 


Bein  (sonsten  jedesmahl  auff  den  nachfolgenden  Tag)  in  das  Aiutt  zno- 
samen  kommen,  der  Partheyen  Klag  und  Anbringen  vernemen,  and  Alles, 
was  ferners  bey  dem  Amptt  einkhoiiimen,  in  fleissigc  Beratschlagung 
ziehen,  darueber  iu  Namen  des  Herrn  Ob.  IlDfTmurschalckhon-Anipts 
Bescheidt,  oder  auch  nach  Gelegenheit  der  Sachen  den  Rechten  gemess 
Urthoil  verfassen  und  denselben  zue  publiciron  anheimb  geben. 

Es  sollen  auch  die  verordnete  Boysitzer  sich  alles  Advocirens  und 
Procurircns  in  allen  Sachen,  so  contentiosae  jurisdictionis  sein,  sich  bey 
dem  Amptt  gentzlich  enteussern,  da  aber  einer  von  denselben  vor  der  Zeitt 
in  einer  bey  dein  Amptt  rochthängigen  Sachen  gedienet  hotte,  soll  die- 
selbe zu  Verhnetung  des  Verdachts,  so  lang  und  viel  solche  Sach  triictirt 
und  gehandelt  wirt,  aaffstehen  und  sich  alles  Votirens  and  Batbgebens 
dai'innen  enthalten,  sonsten  an  andern  Gerichtsstctlon  und  Ortten  soll 
ihnen  das  Advociren,  Procuriren  utind  Partheybandtlungou  znc  neben, 
so  viel  ohn  Versaumung  ihres  Assessorati  beschehen  kan,  gantz  unbe- 
nommen sein. 

Dieweil  auch  die  Partheyen  bissweilen  selbst  geuaigt  durch  guot- 
liche  Unterhaudtlung  oder  Commission  sich  entscheiden  zuo  lassen,  auch 
dieselbe  ex  officio  der  Partheyen  znm  besten  pflegen  angeordonet  zue 
werden,  so  soll  jederzeit  auff  das  wonigist  einer  von  obbeniorten  Bey- 
sitzern  neben  andern  darzue  von  Hoffgesindt  nach  Beschaflfenbeit  der 
Sachen  tauglichen  Personen  als  Principahl-Commissarius  solchen  Com- 
missionen  beywohnen  unad  folgenden  Gerichtstag  den  andern  Beysitzern, 
was  vorgelauffen  neben  der  Mit-Commissarien  Guctuchtcn  ordentlich  rufe- 
riren  nnnd  in  Entstehung  der  Guette,  wofern  die  Sachen  einiger  recht- 
lichen Ventilation  oder  auch  Beweiss  nicht  bedurffen  wirt,  alsbaldt  ein 
Urtheil  darin  verfassen  und  dem  Herrn  Obr.  HolTiuarschalekben  ad  pubü- 
candnm  heimbstellen. 

Es  sollen  auch  die  complirte  Acta  nnter  den  Assessoren  ad  refe- 
rendum  dergestalt  anssgetheilt  werden,  damit  sich  einer  vor  dem  Andern 
nicht  des  UeberhauQ'ens  zue  beschworen  habe.  Wan  sich  auch  'iSuctragen 
<  sollte,  das  einer  von  den  Assessoren  in  andern  GeschäiTton  verraison 
mueste,  so  soll  derselb  einem  andern  von  don  Bleibenden  oder  Anwesenden 
die  Acta,  so  ihme  ad  referendum  zucgestellt,  neben  Information  und  seinem 
Goetachten  zuzustellen  schuldig  sein,  welcher  auch  dieselbe  im  Beysein 
des  andern  Beysitzers  und  Ämpts-Secrotari,  damit  jedesmalil  bey  denEnd- 
ortheilen,  welche  ein  grosses  praejuiliciiini  autf  »ich  tragen  und  die  Par- 
theyen sich  einiger  privatischer  mit  einlaufender  Affection  zue  beschweren 
nicht  Qrsach  haben,  aufls  wenigist  drey  Personen  sein,  fürderlichst  re- 
feriren  und  expediren  solle. 


506 


Caput  4.    Do  salario  adsessoram. 

Es  sollun  die  Assossorcs  von  Hoff  üubs  jeder  monatlich  mit  Hnfl- 
dieners  Besoldung  versehen  und  ziie  dem  ßiidu  in  die  Hoffstadt  eing«- 
sdiricbon  weiden,  und  dieses  ziic  luehi'or  ErgOtxlichkhoitt  als  ein  Accidens 
ihnen  frey  stehen,  von  denen  Partheyen,  so  guetlich  nach  Gelegenhvit 
der  Siichen  von  jedem  Huiideit  loco  sportuhiruni  ein  Gwisses  zue  inzni- 
haltcn  und  dasselbe  unter  sich  in  gleiche  Thiiil  itussthailen. 


Caput  5.    De  udvocatis. 

und  weil  wegen  der  Advocaten  bisshero  bey  dem  Ampt  merckhliebt 
Unordnung  eingerissen,  indeme  sich  ein  Jeglicher,  so  doch  der  Reclitva 
im  wenigsten  erfareu,  seines  Gefallens  dor  Parthey-Handtinng  angc- 
masst,  dahero  dieselbe  verführt,  in  Unkosten  gebracht  und  in  Schriffton 
allerlay  sträfHichen  Schändens.  Schmehens  und  Calumnierens  sich  g«- 
braitcht,  als  sollen  hinfflhro  mehr  nicht  dan  acht  Advocaten,  die  ihm 
Lehr,  Geschickhlidikheitt.  Hedtlichkheitt,  ehelicher  Gebuert  und  dass  sj 
der  Kochten  gewüfdiget  oder  aber  in  examine  der  Rechten  nicht  weniger 
erfahren  gnuegsamb  befunden  und  erkandt  worden,  zuegelassen  werden. 

Es  solle  auch  liinfnro  bey  dem  Ampt  kbcin  Schrift  angenommen, 
noch  dainiebcr  erkhant  werden,  es  habe  sich  dan  einer  aus  den  Advocaten 
auf  das  wönigist  nnderschrieben,  damit  ins  kbunfTtig  alles  Calumniereii 
vermitten,  und  die  Uebertretter  nach  Ermässigung  des  Richters  unnach- 
lässig  gestrafft  werden  mögen. 

So  aber  einer  oder  der  ander  von  obberuerten  Advocaten  entweders 
von  hinnen  sich  begeben  oder  mit  Todt  abgehen  wurde,  solle  alsdan  an 
dessen  Stell  ein  anderer  auff  vorgehende  Examination  und  Bescheinung 
seiner  Geschiekhlichkheitt  angenommen  werden. 

Weilen  auch  sich  /.um  offtermahl  zueträgt,  dass  die  Advocaten  in 
anderen  Geschafften  verraisen  unnd  etlich  viel  Wochen  aussbleiben.  da- 
hero die  Partheyen  Öccusion  und  Ursach  Dilationes  zue  begehren  und 
ihren  Gegner  hierdurch  auff7.nebalt«n  suechen,  diesem  Torzuekommen, 
Boll  der  verraisende  Advocat  jedesmahl  schuldig  sein,  vor  seinem  Verraiseu 
einem  Andern  bis  zne  seiner  WiderkuiitTt  die  Acta  neben  gnetcr  Infor- 
mation bey  Straff  nach  Ermässigung  des  Ampts  zuezustellen,  and  khein 
Parthey  mit  dergleichen  Exceptionen  mehr  gehöret  werden. 

Dessgleichen  wan  von  den  Advocaten  einer  oder  anderer  mit 
schwerer,  langwieriger  Kranckheit  von  Gott  heimbgesuecht  und  dardurch 
der  Parthey  Sachen  abzuewartten  verhindert  wurde,  soll  es  gleicher- 
gestalt  bis  zue  dessen  Gesundtheyt  auch  gehalten  werden. 


607 


Es  sollen  auch  unter  obberuerten  Ädvocaten  zween  Notarii  sein, 
velche  bey  Inventuren  iimi  andern  Nofcariatsverricbtungen  mögen  und 
khSnen  auf  Erforderung  lies  Ampts  gebraucht  werden,  darzue  sie  dan  auch 
Terpflicht  sein  sollen. 

Capnt  6.  Von  der  Assessorenamptt,  Secretary  und  andern 
Ampts-Personen,  auch  Adrocaten-Aydt.  Vide  Cammer-Geridits- 
ordnnng,  p.  1,  Tit.  5.  7. 

Es  sollen  auch  die  Assossores,  Secretarius  unnd  andere  Ampts- 
personen  dessgleichen  die  Ädvocaten  nach  der  Cammergerichtanrdnnng 
mit  gebührlichen  Ajdt  beladen  werden.' 


Caput  7.    De  causis. 

Von  Sachen,  m  für  das  Obr.  HnfFmarschalckbamptt  iminediate  go- 
]>6ren,  dioweil  auch  vieimahln  zwischen  dt<m  Herrn  Obr.  Hufluiarsclialckhcn 
imnd  andern  kayserlichen  fflrnctnbsten  Officirn.als  Obr.  Hoffiunister.Obr. 
'Canimerer,  Obr.  Stalhnoi.ster,  Vice-Cantzler,  Hartschier-  unnd  Trabanten- 
Hanptlüuth  wegen  der  Jurisdiction  Strittigkhpiten  furfallen,  iiideiu  ein 
Jeder  zwischen  den  Personen,  welchen  sie  in  ihres  kay.  Diensts  Vor- 
richtungen zno  commauiilrcn,  auch  nach  Gelegenheit  uund  Vorsauui- 
nussen  desselben  zne  straffen  haben,  die  Cognition  und  Jurisdiction  an 
pich  ziehen  wollen,  und  aber  bey  dem  kay.  Hoffe  niemahln  herkommen, 
4bs8  ausserhalb  des  Obr.  HoiTmarscbalckhen  in  Sachen,  welche  durch 
ordentlichen  Weg  Hechtens  zu  entscheid)*»  werden  suUeu  oder  muessen, 
jemahln  einer  von  obbemelten  Ofliclrn  und  andern  befelchfugten  Personen 
den  Stab  gehalten,  darin  erkendt  und  gesprochen,  auch  zue  fuerderlichor 
Eiecution  der  Processen  unnd  Urtheilcii  notwendige  Amptspersonen  ge- 
habt, zne  dem  etliche  obbemelten  Herrn  Ufücierti  in  Dienstsaclien  tinter- 
Worffene  Personen  sich  zue  nicht  geringer  Vorschimpft'ung  der  Obr.  Hof- 
marschalkhischen  Jurisdiction,  auch  Verkleinerung  des  Ambta  Reputation 
pDstnjckhentlich  vernommen  las,scn.  als  wan  sie  in  causis  justitiae  den 
Ob.  HofTmarschalckhischen  Befelchen,  decretis  unnd  ürtbeilen  wegen  nicht 
fondirter  Jurisdiction  zue  pariren  nicht  schuldig  wären. 

Damit  nuu  ins  khunIVtig  dergleichen  unfürträglicho,  nichtige  unnd 
Unerhebliche,  freche  Exceptiones  abgeschnitten  und  alles  nnnöttiges  Dis- 
putiren  vermitten  pleibe,  auch  sich  Niemandt  der  Unwissenheit  zu  ent- 
«chuidigen  habe,  so  sollen  hinfüran  alle  Klagen  und  Civilsachon  ohn 
Unterschiedt  der  Personen,  item  alle  Freuel  und  Criminalsachen,  welche 


*  Hier  wurde  »lü  §.  7  der  Anfang  des  g.  6  gesetzt,  jedoch  darcbgentrichen. 


508 

dnrch  den  ordentlichen  Weg  Bechtens  zn  entscheiden,  auch  Ton  Obrig- 
kheitt  wegen  zne  straffen  oder  nach  Wichtigkheitt  an  anderen  Gerichten 
zue  remittiren  sein,  für  den  Herrn  Ob.  Hofbiarschalkhen  oder  f&r  den  von 
demselben  nidergesetzten  Personen  ventUirt,  eiaminirt  umd  erörtert 
werden,  da  auch  irer  Dienst  fargesetzte  Obrigkheitten  eine  Person  an 
ihre  Stell  darzne  verordnen  wolten,  soll  denselben  solches  firey  heimb- 
gestellt  sein. 

Da  aber  in  Sachen  eine  oder  andere  Personen  Dienst  betreffendt 
ichtwas  straeüich  farfallen  solte,  wofern  solches  durch  den  ordentlichen 
Weg  Bechtens  nicht  zn  entscheiden  und  hemacher  den  Bechten  gemess 
zue  straffen  wäi'e,  solt  von  Herrn  Obr.  Hoffmarschalkben  ihren  vorge- 
setzten Obrigkheitt  khein  Eingriff  noch  Hinderung  geschehen,  sonder  jede 
Obrigkheit  ihrer  Instruction  gemess  sich  verhalten  wissen. 

Wan  auch  durch  derselben  Zuethuen  unter  ihren  untergebenen  Per- 
sonen in  der  Guette  die  fQrge&llene  Strittigkheiten  in  causis  civilibos 
hingelegt  werden  köuten,  mögen  sie  dieselb,  weil  die  Transactiones  aadi 
ohn  Vorwissen  der  Obrigkheitten  in  Bechten  zuegelassen,  woU  tentiren 
unnd  fürnemmen  lassen,  sonsten  in  Entstehung  derselben  sie  jedesmals 
an  das  ordentliche  Becht  remittlien  unndt  weisen,  allda  dan  dieselben 
schleunige  Hilff  widerfanen  solle  und  also  die  Avocationes  von  den  Hoff- 
marschalckhischen  Gericht  hinfarter  gar  nicht  gestattet  oder  zugelassen 
werden  sollen. 

Caput  8.   Vom  gerichtlichen  Process,  welcher  Gestalt  darin 

zu  verfaren. 

Erstlich  solle  jede  Parthey  ihre  Klag  oder  Snpplicationes  gedoppelt, 
damit  jedesmahls  eine  beym  Amptt  verbleibe,  in  Schrifften  flbergebeo, 
die  andere  aber  der  beklagten  Parthey  zue  seiner  Notturfft  zuegestellt 
werde,  welche  jederzeit  vom  Amptt-Secretario  angenommen  und  den  Ad- 
sessoren  auf  Tag,  so  sie  sitzen  werden,  zue  berathschlagen  vorlegen. 

Wofern  nnn  dieselbe  die  Sachen  also  beschaffen  befinden,  dass  sj 
auf  blosser  Communication  beruehen,  sollen  sie  in  derselben  Session  snb 
nomine  officii  ohne  Holestii-ung  des  H.  Ob.  Hoffmarschalckhen  dem  Gegen- 
theiln  cum  termino  communicirt  werden. 

Caput  9.   Von  Befestigung  des  Kriegsrechtens. 

Wen  also  vom  klagendem  Theil  die  Klag,  Libell  oder  Supplication 
uebergeben,  so  soll  der  Beklagte  entweder  seine  exceptiones  in  termino 
praefixo  davauff  uebergeben  oder  aber  seine  responsiones  haubtsachlich 
einbringen  und  dergestalt  alsdan  lis  pro  contestata  gehalten. 


509 


Caput  10.    Von  Aydt  fflr  Qescheede. 


Da  auch  klagender  oder  beklagter  Thail  den  Aydt  far  Gcsclieede 
begehren  und  denselben  dem  Gegenpart  nicht  erlassen  wolt,  .soll  Bolchos 
in  nachfolgendem  ersten  Termin  unverzüglich  geschehen.  Da  aber  die 
Partheyen  solches  nicht  begehren  wuerden,  soll  der  Proccss  ein  Weg  als 
den  andern  für  cräfTtn  gehalten  werden,  im  Uebingeu  soll  es  bei  gemeinen 
E(echien  quoad  poenam  jorare  nolentis  verbleiben. 

Caput   11.   De  satisdationibus. 

Da  auch  die  Partheyen,  es  seye  Kleger  oder  Beklagter,  Burgschafft 
zom  Rechten  oder  deswegen  der  Eipens  begelirn  werden,  soll  solches  als- 
baldt  im  ersten  Termin  geschehen,  auch  der  ander  Theil,  von  welchem  sy 
begert  worden,  wofern  derselb  nicht  gnuegsamb  ongeseBseD  oder  ander- 
werten  begnetert,  so  bey  Erkandtnus  der  Assessorn  stehen  soll,  dieselbe 
auf  den  nechstfolgeitden  Termin  ku  leisten  schuldig  sein,  und  darauf  als- 
baldt  in  eodem  temiino  olin  gosuecbten  AufTschueb  feinera,  was  sich  der 
Ordnung  nach  gebueren  wirt,  haudtlen  und  also  von  Terminen  zu  Ter- 
minen bis  zum  Endtschlass  utrinque  verfaren  werden. 

Caput  12.    De  terminis. 

Die  Teiinin  selten  ordinarie  von  10  zue  10  Tagen  ergehen,  es  wäre 
d&n,  das  die  Sachen  Wichtigklieitt  and  Beschaffenheit  nothwendig  ein 
anders  erforderte,  alsdan  soll  es  in  arbitriu  des  Ampts  den  Termin  zue 
kurtzen  oder  auch  zue  extendiren  stehen,  da  aber  Sachen  furßeleu,  so 
kheinen  Verzug  leiden  konten,  als  Anest  und  andere  dergleichen  Suchen, 
soll  der  Ampt-Secretarias  einen  oder  2  auss  den  Assessoren,  wofern  er 
dieselbe  haben  khan,  jederzoitt  zue  sich  erfordern,  die  Sach  mit  ihnen,  so 
viel  die  Zeit  leiden  mag,  beratb  seh  lagen  und  aJsdan  dem  H.  Obr.  Iloff- 
marschalckben  neben  einem  rechtlichen  Guetachten  referiren  und  von 
demselben  Eesolutionem  erhalten. 


Caput  13.    De  contumacia,  sowohl  des  Klägers  als   des 

Beklagten. 

Wan  auff  erst  angesetzten  Termin  der  Beklagte  sein  Antwurt  in 
Schriffton  nicht  uobei'gibt,  auch  vor  Anssgang  dess  Termins  kheino  dilit- 
tion  anss  erheblichen  Ursachen  pittet,  sondern  denselben  contumaciter 
fameber  gehen  lässt,  soll  ihme  zum  UeberSuss  tiuff  Anrueffen  des  Klägers 
mehrers  nicht  als  acht  Tag  pro  termino  pracjudiciali  angesetzt,  auch  ehe 


510 

und  znvor  nicht  gehöret  werden,  es  seye  dan  Sach,  dass  er  seines  Anssen- 
bleibons  erhebliche  und  in  Bechten  beständige  Ursachen,  wie  obTermeldt, 
für  und  angezaigt  hette. 

Solte  aber  neber  ergangen  beschehene  Decret  der  Beklagte  ferner» 
ungehorsambiich  aussenbleiben,  so  solle  die  Sach  ohn  Znelassnng  einiger 
fernerer  dilation  ffir  beschlossen  angenommen  und  darinnen  ergehen,  was 
Kocht  ist. 

Hergegen  im  Fall  der  Kläger  auff  des  Beklagten  Antwnrt  oder  Ei- 
ception  ihme  hinwiderumb  ein  Termin  bestimbt  wurde  und  er  solchen 
verfliessen  Hesse  und  weiter  nichts  handtlen  wurde,  solle  auf  des  Be- 
klagten Anhalten,  wofern  der  Kläger  nicht  ehehafften  Ursachen  seines 
Aussenpleibens  furzuewenden  hätte,  ihme  gleicher  Gestalt  ein  terminos 
praejudicialis  nach  Gelegenheit  und  der  Sachen  Wichtigkheitt  (welches 
in  arbitrio  des  Amptts  stehen  solle)  angesetzt  werden,  und,  im  Fall  er 
abermabln  ungehorsamblich  aussenbliebe,  soll  auff  des  Beklagten  Be- 
gehren mit  endtlichon  Grkhantnuss  verfahren  und  nach  Gestalt  der  Sachen 
entweder  absolvirt  werden,  oder  aber  nach  Befindung  darinnen  ergehen, 
was  Hecht  ist,  und  der  Ungehoi-samb  die  Interim  auffgelauffene  Unkosten 
und  Espens,  ehe  er  zue  weiterer  Handtlung  znegelassen  wirdt,  zue  refon- 
diren  schuldig  sein. 

Caput  14.  Von  Reconvention  oder  Gegenklag. 

Wofern  auch  der  Beklagt  den  Kläger  in  das  Wider-Becht  verfassen 
oder  reconvenioren  wollte,  soll  er  dasselbe  auff  den  ersten  Tennin,  so 
dem  Kläger  angesetzt,  unnachlässig  furbringen,  nnnd  darauff  zuegleich 
procedirt  und  ein  Termin  umb  den  andern  gehalten  werden. 

So  aber  solche  Gegenklag  hernach  und  doch  vor  Beschluss  der 
Sachen  furgebracht  wurde,  alsdan  sollen  beede  Sachen  der  Klag  und 
Gegenklag  vci-theilet  und  ein  jede  für  sich  Selbsten  gehandtlet  werden. 

Da  sich  auch  zuetragen  solt,  das  des  Klegers  Anforderung  gantz 
klar  und  richtig,  des  Beklagten  Gegenklag  aber  gar  unklar,  unrichtig  und 
auf  einer  ordentlichen  Aussfuerung  beruehen  und  allein  des  Klägers  liqui- 
dirto  Klag  zue  suspendiren  die  Reconvention  angestelt  wurde,  solle  als- 
dan in  causa  liquida  ungeacht  der  Reconvention  ein  Weg  als  an  andern 
die  schleunige  Erkantnuss  und  Rechtshilff  erfolgen. 

Caput  15.   De  terminis  probatoriis,  von  Beweiss  oder 
Zeugnus-Fuerung. 
Wan  in  wehrendem  Process  entweders  dem  Kläger  oder  aber  Be- 
klagtem, Zengen  oder  Knndtschafft  zu  fueren  notturfftig  währe,  soU 


511 


darinnen  mit  üebergebung  der  Articul  und  darauff  zuelässige  interroga- 
toria  vermög  kays.  Rechten  verfahren,  und  die  Ertheilung  der  Tennin  bey 
des  Ampts  Arbitrio  stehen,  und  ueber  drey  Termin  mit  dem  Beweyss 
weiters  nicht  ziiegelassen  werden. 

*  Nach  volfnerten  Beweiss  und  Eröffnung  oder  Pubiication  der  Zeugen- 

Aassag  soll  der  producens  »eine  Frobatiousschrifft  innerhalb  vierzehen 
ITagen  darauff  einbringen  und  als«  mit  zwoyen  Schrifften  von  vierzehen 
Tagen  zue  vierzehen  Tagen  verfaren  und  utrinque  als  producens  repli- 
eando,  der  ander  TUail  diiplicando  endtlich  CDUcliidiren.  Bchliessen  und 
tu  ErkantnuBS  setzen,  es  wäre  dan,  das  d*sT  Sachen  Notturfft  ein  änderst 
erfordern  wurde,  welches  bey  Erniessigung  des  Ampts  stehen  solle. 

iCapnt  16.  De  sententiis. 
Wan  alsdau  beederseits  beschlossen,  sollen  die  Acta  einem  von 
lienen  verordneten  Assessoren  ad  referendum  znegestellt  werden,  welcher 
Bin  mit  Fleiss  durchsehen,  ein  ordentliche  Relation  verfassen  und  her- 
narther  die  8ach  in  communl  consilio  berathsrhlagen,  danieber  ein  defl- 
Bitiff  oder  End-Urthei!  zue  schnpffon,  furbringen  und  solche  durch  den 
Ampt-Secretarium  oder  auch  niirli  Gestillt  der  Sachen  durch  den  gewesten 
Referenten  Ihrer  Mt.  pro  cnnfirmntiono  et  iniblicatione  fnrtragen  lassen. 

Caput  17.    Von  Execntion  oder  Volziehung  der  Urtheil. 

Nach  aussge8))rochener  Urtheil,  damit  »n  der  Execution  khein 
Mangel  eracheine  und  hinfiiran  Jeder  seines  erhaltenen  Rechtens  bey  dem 
Ampt  desto  furderlicher  Volziehung  und  Execution  erlange,  so  solle  der 
Verartheilten  innerhalb  viorzelien  Tagen  der  ergangenen  Urtheil  zue  pa- 
riren  und  ein  Begnuegen  ziii'  thuen  schuldig  sein,  wofiTn  aber  solches 
nicht  geschehen  wurde,  soll  alsdan  auf  des  gewinnenden  Thails  Anrueffen 
nnd  Begehren  ihm«  fernere  Zeit  bey  einer  uanibhafTten  Peen,  halb  ins 
Amptt  und  halb  dem  gewinnenden  Thail,  zu  erlegen  pro  arbitrio  ange- 
■etzt  werden,  nund  nach  Aussgang  einer  und  verkündeten  Executorialen 
Boll  der  condemnatus  in  benannton  Termin,  ob  er  demselben  parirt  habe 
oder  nicht,  zue  dncirn  schuldig  sein  und  ihme  weitere  Frist  nicht  gegeben 
.Verden.  Suite  aber  hierüber  der  ergangenen  Executorialen  khein  satis- 
faction  thuen,  so  solle  wider  denselben  mit  der  wirckhlichen  Execution 
entweder  durch  Arrest,  Pfendnng  auch  Verhoffung  oder  andere  bequeme 
Executions-Mitteln  nach  Ermessigung  des  Ampts  so  lang  und  viel  un- 
liachlässige  verfaren  werden,  biss  er  der  Urtheil  und  Executorialen  gc- 
liorsamblich  nachkhommen,  auch  derselben  einverleibte  Peen  wQrckhIich 
erlegt  haben  würdet. 

IrehlT.    UCXXTII.  Hd.  II.  Hilft«.  83 


512 


Caput  18.    Von  Gerichts-Ünkoston. 


Die  verordnete  Assessores  sollen  in  verordneten,  entschiedenoo 
und  Executionsacfaen  sondern  Fleise  haben,  dass  die  zuerkannte  Expens 
aaff  Ansucbung  der  Partbejen  nach  übergebener  Designation  uund  vom 
Gogenthail  danieber  eingebrachte  Exception  (darin  demselben  nach  der 
Ordnuug  droy  Wochen  Termin  zuegelossen  sein  sollen')  forderlich  taxirt 
und  die  taxirte  zu  schleitügen,  gleichmessiger  Execution  verholifen  werde. 


Caput  19.    Von    Revision   der   aussgesprochenen   Urtheilen. 

Demnach  bey  dem  Amptt  bisshero  grosse  Unordnung  gespnert,  in 
dem  die  verlustigto  Partbeyou  fast  mDethwillig  von  den  ergangenen  De- 
creteu  und  Endturtbeilen  revisionem  geauecht  und  dardurch  die  Exe- 
cutiones  ffirsätzl  icher  weiss  gespert  unnd  anffgezogeu,  solche  Unordnung 
abzuestcllen,  solle  hinfurter  kbeiuem  Theil  gestattet  unnd  zuegelassen 
sein,  von  den  Decreten,  welche  in  Gestalt  einer  bey  Drtheil  ergangen  nnii 
nicht  vim  detiuitivae  haben  oder  gravamen  irreparabile  anff  sich  tragen, 
davon  revisionem  zue  begebreu,  und  da  gleich  solches  bei  einem  oder 
andcrm  Theil  atteutirt  wurde,  soll  doch  in  selbigen  puucten  die  Exocutios 
und  Verfarung  der  Hauptsachen  nicht  suspendirt,  sondern  wie  Bechtens 
ist,  darin  ein  Weg  als  den  ander  procedirt  werden. 

So  viel  aberdie  Eudurtbeil  anbelangt,  soll  binfnran  kheine  Bevisioo, 
es  Bey  dan  dass  die  Sach  ueber  35  (1.  Rheinisch  belauffen  tbue,  statt  habvo 
noch  znegelassen  werden. 

Da  aber  die  Sach  ein  mehrere  Summa  betreffen  wurde,  soll  derienigT 
Thail,  welcher  die  Revision  begehrt,  von  zehen  Gulden  einen  und  also 
fortan  zne  dem  Ampt  deponiren  und  da  er  der  Sachen  in  der  BeTision  ver- 
lustigt  i>d(M'  auch  sonst  davon  wider  ablassen  und  sich  anderwerts  ver- 
gleichen wurde,  solches  Gelt  dem  Ampt  vorfallen  sein,  welches  die  Asses- 
sores und  Amptt-Secretarius  zuc  gleichen  Theilen  unter  sich  ausstbaileo 
mJ^gen. 

Da  auch  die  Sachen  nicht  Gelt,  sondern  Injurien  und  dergleichen 
Frevel  belangen  wurden,  sollen  zwar  die  Revisiones  denselben  nicht  ab- 
gestrickt sein,  jedoch  zu  Verbuetung  muetwilliger  Anffzugs  soll  der  oon- 
demnjrte  Theil  anff  den  Fall,  er  die  Sachen  bey  der  Revision  auch  ver- 
lustig werden  solte,  alsbaldt  nach  gesuechter  Revision  fuuffzehen  Gulden 
zne  deponiren  schuldig  sein,  unnd  zuvor  die  Revision  ihme  nicht  gestattet 
oder  zuegelassen  werden. 


618 


Beilage  6. 


1572,  1.  Febru«r,  Wien. 


■  iBstructiou '  auf  den  edlen  imsern  lieben  getreuen  Gabriel  Strein, 

Borrn  zu  Schwarczenaw,  unsern  Hofratli   and  Stebelinaister,   welcher- 
^aasen  er  berflerts  Stäbelmeistei'ambt  vei-ricbten  und  handlen  solle. 

1.  Anfänglich  snll  sich  obgemolter  Strein  als  Stäbelmaister  mit 
«ambt  allen  Unsern  TruckliBessen  befleissen,  das  sio  bowoI  auffdon  Eeisen, 
als  am  Stilligen  zu  der  gewöhnlichen  Zeit  und  Stundt,  da  wir  zu  essen 
pflegen,  za  Hoff  bej  dem  Dienst  erscheinen,  und  so  er  Stäbelmaister  amb 
•die  Speiss  gehet,  solle  er  die  Trucksessen  alle  mit  ihne  uomhen  und  darob 
«ein,  das  sie  die  Speissen  sauber,  ordentlich  und,  wie  sich  gebührt,  auch 
mit  Benembnng  der  Cretenz  auftragen  und  so  er  Stäbelmaister  einen  oder 
•ndern  Tnickhsessen  mehr  als  ein  Speiss  zu  nemben  und  zu  tr^en  zue- 
«ignete,  das  solle  dersolb  ohne  Widerredt  thun  und  sich  dessen  Keiner,  er 
Beye  wer  da  wolle,  waigern;  es  sollen  auch  die  Trucksessen  im  Aufftnigen 
init  (.Tnser  Speiss  ordentlich  und  zichtig  nacheiuRnder  gehen  und  nicht 
beben  oder  hinder  einander  bleiben,  sieh  vermischen  oder  vor-  und  nach- 
lauffen,  dergleichen  ob  sich  begebe,  das»  eine  oder  mehr  Speis,  so  in  der 
Euchl  blieben,  die  in  einem  oder  2  Oengen  nicht  getragen  werden  möchte, 
80  soll  allweg  der  einer,  so  am  jüngsten  im  Dienst  gewesen,  es  sein  die 
jezigen  oder  küntftigen  Trucksessen,  vor  den  Eltern  iimb  dieselben  Speyss 
gehen  und  also,  wie  sie  nacheinander  eingestandteu  sein,  die  Ordnung 
halten. 

2.  Gleicherweiss,  so  als  vil  Speyss  gekocht,  die  in  einem  oder 
9  O&ngen  nicht  getragen,  sondern  noch  ein  oder  mehr  Gang  zu  thun  von- 
nöthen  sein  wirdt,  sollen  die  Truckhsesson  auf  dess  Stabelmaisters  Anzeigen 
nnd  Begehren,  alle  oder  zum  Theil  nach  Gelegenheit  der  Speyssen,  den- 
Bclben  Gang  auch  thun  und  ungewaigert  aufTtragen,  derhalben  so  soll 
auch  der  Stäblmaister  sein  guete  Achtung  haben  und  darob  sein,  auf  dass 
kein  Speyss  für  Unss  gekocht  in  der  Kuchel  verbleib,  sondern  Unss  alle 
fürgetragen  werden. 

3.  Ferner  so  ist  auch  Unser  Befelch,  dass  der  Mundtschenkh,  an 
dem  der  Dienst  ist,  unser  Muudtglass  selbst  auff  und  widerumb  hinab- 
trag, und  solches  gar  nicht  durch  den  Sumelir  beschechen  lasse. 

4.  So  wollen  Wir  auch,  wie  der  Trucksessen  einer  sein  Speyss  in 
der  Knebel  empfacht,  dass  er  dieselbigen  biss  zu  Unserer  Taffei  tragen 


Im  Kb«o.  24  des  gtiü.  Uarracb'schon  ArcliiTs. 
k.  k.  Hofbibliuthek  14676,  (ol.  9"— 13*. 


In   der  Uaiidichrift  der 


88* 


514 


und  ander  Wägen  keinem  Anderen  geben,  noch  von  seinen  Händen  nemu 
lassen  solle. 

5.  Item,  es  soll  auch  kein  Tnickhsess,  wan  er  die  Speiss  anfftregt, 
dieselbigen  Speisen  fOr  sich  selbst  aulT  Unser  Taffei  weder  im  ersten  noch 
andeiien  Gang  nicht  niderseczen,  sondern  solche  dem  Pannsthir  in  die 
Handt  geben,  der  dieselbige,  wie  sichs  gebuhlt,  auif  Unser  Tatfcl  in 
seczon  and  ihue  das  Cretenz  zu  geben  wirdt  wissen;  im  Fahl  aber  da«s 
ein  Truckhsess  2  Speyssen  triege,  die  schwer  weren,  so  mag  er  dieselbe 
aaff  dorn  Schenckdiscb  zanechst  dem  Silbercamerer  zu  ruchen  auff- 
seczen,  er  Stäblmaister  soll  auch  keinen  Trucksessen  zulassen,  dass  ihmo 
einer,  der  nicht  im  gleichen  Dienst  ist,  die  Schiesseln  vor  den  Disch 
halten  bellTe. 

ti.  Uiemit  soll  auch  Khciner  seinen  Dienst,  oder  wass  ihme  Inhilt 
desselben  zu  thuen  gebührt,  keinem  Änderen,  der  nicht  seiner  Person 
gemess  zu  verstehen  in  gleichen  ordentlichen  Dienst  ist,  bej  Unserer  Taff«! 
übergeben. 

7.  Und  ob  sichs  zuetrueg,  dass  der  Schenkh,  Ffirsvhneider  oder 
Pannatbier,  au  welchem  der  Dienst  ist,  aus  seinem  Dienst  und  Placi 
manglen  und  der  Stäbelmaister  einen  Anderen  an  seiner  statt  zu  dienou 
befehlen  wirde,  derselbe  solle  das  ohne  alle  Waigerung  tlinu. 

8.  Dergleichen,  wan  Wir  zum  Disch  zurichten  befehlen,  so  soll  er 
Unser  Stäbelmaister  darob  sein,  damit  dasselbige  ohne  Versanmbnns!. 
der  Dienst  von  Unserm  Ober-  nnd  Ündern-Silbercamerer  ordentlich, 
fleissig  und  sauber  verrichtet  nnd  godienet  werde. 

9.  Und  nachdem  sich  villeicht,  wan  Unser  Stäbelmaister  dess  ersten 
Gangs  umb  die  Speyss  gehet  oder  Uns  zum  Disch  zu  kommen  erinnert, 
bey  Unserer  zugorichten  Taffei  allerley  Unföruiblichkeit  erzaigen  möcht''. 
so  soll  er  Unser  Stäbelmaister  dem  Obristcn  Silbercamerer  oder  seinem 
Verwalter  in  Unserm  Nahmen  aiifferlogen  und  befehlen,  dass  er  in  solcher 
Zeit  Niomaud  hinter  den  Tisch  za  siezen  oder  nahent  daran  za  laineo 
gestatten,  gleicherweiss  soll  es  auch  bey  nnd  mit  dem  Credenztisch  ge- 
halten werden. 

10.  So  soll  auch  er  Stäblmaistor  darob  sein  und  Aoffnierklien  haben, 
damit  von  den  OflBcieren,  so  zur  Zeit  Unserer  Malzeit  zu  dienen  schuldig, 
aines  jeden  Dienst  fleissig  und  ordentlich  verricht  werde,  gleichesfolls 
auch  von  den  Edlknaben. 

11.  Und  sofer  sich  bey  Unser  Malzeit,  es  sey  von  fremten  Per- 
■onen  oder  Unserm  Hoffgesindt,  Geschrey  oder  andere  Unzucht  begab^ 
80  soll  gemelter  Unser  Stäblmaister  dicselbigen  Persohnen  (sofer  Unser 


615 


>Ei>ffmaiäter  oder  Marschall  dieselbe  Stundt  nicht  zuegegen  were),  durch 
dea  Huschier  anreden  nud  abweisen  lassen. 

12.  Er  der  Stäblmaister  soll  auch  sein  Aufsehen  haben  und  dahin 
bedacht  sein,  dieweil  Wir  die  Malzeit  nemmen,  dass  dio  Track!<e»sen  iiit 
ftoff  die  Pfinen  nahendt  auff  die  TafTel  dringen,  sondern  beschaideatich 
darbey  stehen,  damit  den  andern  und  frembton  ümbstehern  und  Persohnen 
ihr  Geschieht  nicht  genomen,  sondern  auch  auf  die  TaRcl  sehen  niügun. 

13.  Er  soll  auch  der  Stäblmaistwr  nach  Auffliebung  de.ss  Dischtuchss 
Ton  Onss  nicht  abgehen,  bis  die  Cammerer  von  ihrem  Essen  kümmen  oder 
Wir  auss  der  Tnffelstubeu  in  Unser  Zimcr  gangen  sein. 

14.  Dergestalt  soll  es  mit  den  Truckhsesseu  auch  gehalten  werden, 
ind  sie  weder  nach  Änfftragang  der  Spe;s8  uder  nach  Auffliebuug  des 
Fiechtuchs  nicht  abtretten,  sondern  bis  der  Stäblmuister  mit  dem  Stab 
Ibgehet,  bey  dem  Dienst  verhahren  sollen. 

k  16.  Er  der  Stüblmaister  soll  auch  darob  sein  und  nicht  gestatten, 

■M  die  Truckhsessen  ainige  Speyss,  so  man  von  Unser  Taffei  autlhebt, 

WM  sein  Vorwisseu  ausschickhen,  so  soll  er  auch  für  sich  selbst  über 

ein  Speyss  nicht  nommen  und  hirinnen  demnach  ein  Beschaidenheit  ge- 

ftraucheu. 

I  Iti.  Er  soll  auch  Unser  Stäblraaister  autf  dass  ein  mehrere  Be- 

r;hatfenhoit,  sonderlich  in  Üegeawurth  der  frembten  Persohnen  an  der 
ruckhsessentaffel  gebalten  werde,  selbst  persohnlich  den  maisten  Thail 
oder  doch  derjenig,  so  au  seiner  statt  dient,  an  derselben  Taffei  essen, 
und  er  sambt  den  Truckhsessen  die  BescUaidtenheit  halten. 
I  17.  Wan  ihnen  das  Handtwasser  nach  der  Malzeit  gereicht  worden, 

dass  sie  dem  Nachesseu  Placz  geben  und  desto  ehender  aufi'stehen,  er  soll 
aach  mit  Fleiss  darfOr  .sein  und  nicht  gestatten,  dass  die  Truckhsessen, 
unsere  Taffeidiener  und  Ofßcir,  wie  bishero  boschehen,  poldern  noch  un- 
bürlich  halten. 

18.  Über  das  Alles  solle  dem  Stäbelmaister  von  Unss  befohlen  und 
fferlegt  sein,  in  allweg  das  lestorlich  schedlicho  Zudrinckhou,  der- 
leichen  dos  nngebfirliche  Qottslestern  oder  andere  Unzucht  und  leicht- 
fertige, unzüchtige,  schandbahre  Reden  (Ibor  der  Trnckhsessentaffel  nicht 
zu  gestatten,  sondern  darob  zu  sein,  damit  alle  guete  Erbarkheit,  adliche 

^Dcht  nnd  Sitten  gebraucht  und  gehalten  werden.  Im  Fall  aber  dass  der- 
lleichen  bescheche,  soll  er  solches  nit  zusoheu,  sondern  denselben  da- 

mbeu  anreden,  wie  er  sich  dann  der  Gelegenheit  nach  darinnen  zn 

Iten  wirdt  wissen. 

19.  Und  wo  der  Truckhsessen  einer  oder  mehr  von  dem  Dienst 
ssbleiben,  denselben  versaunipn  oder  sich  auf  sein  des  Stäblmaisters 


516 


Anzeigen  und  Befelch  in  obgemelten  Fällen  lessig  oder  wiedenrertig  er- 
zeigen wQrde,  so  solle  er  den  oder  dieselben  ernstlich  darumbon  anreden, 
und  so  es  aber  bei  ihnen  nicht  ungesehen  sein  weite,  nnserm  Hofliuaister 
oder  Marschalch  urab  gebuerlicho  Eingehung  anzeigen  oder,  wo  vonnöthen, 
an  Uns  selbst  gelangen  lassen. 

20.*  Wann  sich  auch,  wie  dan  offt  heschicht,  zutregt,  dats  «in 
Mundschenckh,  F'üi'schnoider,  Pannathier,  Trnckhsess  oder  andere  Pcr- 
sohnen,  denen  unser  Stäblmaister  filrgenezt  ist,  aufgenommen  wirdt, 
Sülle  Jedem  in  Sonderheit  die  Aydtpflicbt  alle  Zeit  in  seinem  dess  SUibl- 
miiiaters  Boysoin  föigehalten  und  darneben  demselben  von  Unserm  Ob. 
HofTmaister,  dass  sie  ihme  Stäblmaister  (so  vil  Unser  Dienst  anlangt)  alUo 
billivhen  Gehorsamb  laisten  sollen,  auflfgelegt  werden. 

21.  So  sich  auch  zntrueg,  dass  der  Stäblmaister  in  ünsern  oder 
seinen  Geschäften  von  Hofl'  und  seinem  Dienst  abwesig  undt  Wier  den 
Stab  mittlerzeit  einem  Andern  zu  übergeben  befelchen  würden,  so  wollen 
Wir,  dass  alle  obgestelte  Articutl  iuiff  densellien  iiiich  verstanden  wenien 
und  klie  Truckhsessen  alleimasscn  alss  dem  Ajideru  obbert)rte  Gehorsamb 
laisten  sollen. 

22.  S»  haben  Wir  ihme  auch  hiemit  gnädiglich  bewilliget,  dass 
hinfüran  Unser  Hoffniarschall  über  erraelten  ünsern  Stäblmaister  oder 
sein  Ambt  nach  ihme  darein  zu  sprechen  ainigen  Gwalt  nicht  haben, 
sondern  allein  auf  ünss  und  nach  Uns,  auf  Ünsern  Obristen  Hoffmaister 
sein  Gehorsamb  und  Aufsehen  haben  solte. 

23.-    Beschliesslichen    ist  Unser   gnediger  Will   und  Hainung, 


'  Dieaer  Paragraph  fehlt  in  der  Handschrift  14676. 

*  Vor  dem  §.  23  ist  in  der  Handschrift  1467B  noch  folgender  ÄbMta,  der 
in  der  Instruction  vom  Jahre  lö7'2  gänzlicli  fohlt;  Damit  ancb  die  Taffel- 
decker ihren  Dienst  desto  schicklicher  abwarten  und  auf  Allee,  so  ihnen 
vertraut,  desto  Beissiger  ihre  Aufsicht  geben  muegen,  so  wollen  Wir, 
das  allein  denjenigen  Mnndtschencken,  Fnrschneidem  und  Pauathiem, 
so  wöchentlich  umb  einander  dienen  oder,  da  Wier  nicht  hervom  essen 
und  sie  nit  dienen,  sonsten  in  Umbwechsselunp  die  Ordnung  auff  sie 
trifft,  das  sie  gespei.iet  werden  sollen,  jedem  ein  Jung  oder  Diener  xnge- 
lassen  werden,  die  andere  Diener  und  Knecht  vor  dem  Zimmer  ver- 
bleiben, sinteoiahl  diirub  dass  ninsindriiigen  der  mehreru  Diener,  sooder- 
lieh  bey  der  Abondt-Malzeit,  sich  offternial  frembde  bUse  LeQtt  mit  ein- 
mischen. Daraus  dann  erfolgt,  dass  nit  allein  die  Tischservet,  Lnffell. 
Messer  und  anders  verzückt,  sondern  auch  viel  Weins«  nnnottwendigep 
weu-i«  auB.sgedrunckeu  und  verschwendet  wirdt.  Dambor  dann  Unser 
SUblmnister  mit  Ern«t  halten,  diosfala  keine  Unordnung  einschleichen 
and  sonderlich  den  Taffeldeckern,  dass  sie  dergleichen  abwehren,  den 
Racken  halten  solle. 


517 


I 


wann  beruerter  Stgblmaister  von  Uiiäerm  HufTmaister '  zu  Unsern  Hoif- 
handliingen  oder  sonst,  so  sich  nothwendij^e  Veihörsachen  ausserhalb  der 
täglichen  Ordnung  oder  Hoffraittung  hogebeii.  erfiirdertt  wüi'dc,  dass  er 
eich  bey  denselben  jederzeit  ohne  Verwiedening  nebeu  kibgedachteni  ün- 
■^tKna  Hoffmaister  gebranchen  lasse.  Sonst  aacb  in  allem  Unser  Ehr, 
Ifncz  und  Frommen  füniero,  wie  er  zu  Ihnen  wirdt  wissen  und  Wir  ihmc 
guediglich  Tert,riiuen,  an  deui  Allem  orzaigt  er  Unss  ein  gnediges  Gefallen, 
lind  Wir  hinwider  gegen  ihtoe  in  allen  Gnaden  haben  za  erkennen. 

Geben  in  Unser  Statt  Wienn  den  1.  Febniar  A.  (15)72,  Unserer 
Seiche  des  Bnmiscben  in  Zehenden,  dess  Uungarischon  in  noiinton.  und 
Böbeimbisdien  in  dreyuudzwanzigisten. 


Beilage  7. 


1662,  2.  M&rz,  Linz. 


Instmetion  und  Ordnung  anf  den  edlen  nnscrn  lieben  Getrewen 
Leonhardien  von  Hnrrach,  Froyberrn  zue  Roraw,  Obristen  Erbstall- 
maisteru  in  Osterreich,  der  Ri'ini.  Kay.  Mt.,  unsers  genedigsten  geliebsten 
Herrn  und  Vattern,  gehaimbcr  Bath  und  Cainmerer,  alss  unserm  Obristen 
Cammerer,  welehermasson  er,  in  seinem  Abwesen  der  Eltist  under  den 
anderen  Cammerern,  so  gegenwerdig  sein  würdet  oder  der,  liem  Wir  zu 
dienen  befelchen  werden,  solch  unser  Obr.  Catnmererambt  verrichten  uud 
handien  solle. 

Ordnung  unsserer  Leib-Camer,  wie  dieselb  fQrgesehou  und  unss  für 
PerSdhnen  darinnen  gehalten  werden  sollen. 

1.  Erstlich  soll  gedachter  unser  Obr.  Caunnerer  jederzeit,  .sovil  ihmo 
möglichen,  für  und  für  unib  unser  Feisohu,  auch  wan  wir  BchialTen  gehen 
und  auffstehen,  gegenwertig  sein,  unss  die  Elaider  und  auderss  ordent- 
lich und  mit  gehörender  lievorenz  ruichen. 

2.  Nemblicheu  N.  unser  Obr.  Cammerer  uud  in  Abwessen  oder 
anstatt  desselben  sein  Verwalter  N.  und  N.,  so  aollen  wir  noch  etliche 
und  ehrliche  und  anseheutliche  Persuhnen  von  Graffen,  Hi'rrn  oder  von 
Adel,  alss  für  uusere  Cammerer  halten  uud  genielter  unser  Obr.  Cammerer 
oder  in  Abwessen  desselben  solle  dise  folgende  Ordnung  uud  Befetch  zu 
haudien  haben. 


*  oder  Msrschalch  in  der  Hnndiichrift  14676.  Es  scheint,  diiss  dieses  die 
mtere  Fassung  der  Instruction  ist,  da  spKter  der  Stfibelmeister  nur  dem 
Obersthofmeister  untergeordnet  wnrde. 


518 

3.  Demnach  sollen  dieselben,  sowol  auch  alle  und  jede  andere 
Diener  und  Officir  bey  der  Cammer  nach  ünss,  so  vil  unsern  Dienst  be- 
trifft, ihren  Bespect  und  Auffsehen  auff  ihme  unsern  Obr.  Cammerer 
haben  und  alles  das,  so  ihne  durch  ihme  aufferlegt  wirdt,  thnn  und  ver- 
richten,  darinen  der  Obr.  Cammerer  allen  Fleiss  fürwenden  und  darob 
sein  solle,  damit  durch  dieselben  Cammerer  und  andere  Diener  bey  der 
Cammer  unss  getrewlich,  ehrlich,  fleissig  und  mit  gebührlicher  Beverenz 
und  Ambt,  wie  sich  gebflrt,  nachkommen  und  ein  Genflegen  tbne,  in- 
sonderheit aber  dass  dieselbigen  Persohnen  gehaimb  und  verschwigen 
sein,  dass  sie  dassjenige,  so  sie  in  unser  Cammer  sehen  und  hören,  nichts 
anss  der  Cammer  kommen  lassen  und  deren  obbemelten  Persohnen  allen, 
so  in  unser  Cammer  gehören,  soll  Keiner  ohne  unser  oder  dess  Obr.  Cam- 
merers  Yorwissen  Ober  Nacht  auss  dem  Leger  liegen. 

4.  Ferrer  so  solle  alle  und  jede  unsere  Elaider,  Eleinoter  und 
andere  dergleichen  Sachen  von  Goldt  und  Silber  oder  anderen,  so  wir  jeio 
in  unser  Cammer  haben,  zu  Eingang  seines  bemelten  Obr.  Camerer- 
Ambts  zwey  gleich  lauttende  Inventarii  auffgericht,  deren  einss  wir  bey 
Händen  haben  wollen  und  dass  ander  ihme  zugestelt  werden  solle;  nach 
demselbigen  Inventai7  solle  er  dasselbig  alles,  nichts  davon  aussgenom- 
men,  es  sey  von  Goldt  und  Silborstuckhen,  auch  Seiden,  Leinwath,  willen 
Gewandt,  Bauchonwahren  und  anderen  Sachen,  in  die  Cammer  und  zu 
unsern  Elaidern  gehörig,  zu  seinen  Händen  empfahen,  fleissig  bewahren 
und  behalten,  und  dermassen  darauff  sehen,  damit  er  zu  seiner  Zeit,  alss 
nemblich  zu  Aussgang  eines  jeden  Jahrs  guete,  auffrichtige  Rechenschafft 
und  Verantworttung  darvon  thuen  möge,  und  so  nach  seiner  Verraittung 
befunden,  dass  von  denen  Sachen,  so  in  dem  Inventary  begriffen,  wass 
vergeben  oder  abgetragen  worden,  dass  solle  in  dem  Inventari  aussge- 
lassen und  dagegen  dassjenige,  so  entzwischen  oder  hernacher  von  neuen 
erkaufft,  gemacht,  geschenckht  nnd  ihme  Obr.  Cammerer  in  sein  Behaltnus 
und  Verwahrung  überantwortt  worden,  eingelt  werden. 

5.  Aber  von  allem  dem  Gelt,  so  zu  seinen,  unsers  Obr.  Camerers, 
Händen  in  unser  Cammer  geantwortt  wirdt,  da  soll  er  unss  monatlich 
guete  und  ausstruckhentlich  Particularraittung  und  Bechenschafft  (von 
wem  dass  also  kommen,  wie  und  umb  wass  Sachen  solch  Gelt  aussgeben 
und  verweudt  worden)  zu  underzeichneu,  fürbringen  und  ja  lenger  nicht 
anstellen  und  alssdan  solche  Raittung,  wo  wir  dieselb  hinverordnen  wer- 
den, antwortten. 

6.  Und  nachdem  gemelter  unser  Obr.  Cammerer,  wan  die  Böm.  Kay. 
Mt.  zugegen  oder  auch  in  Abwessen,  bey  Unss  ordinari  in  die  gehaimben 
und  andere  Räth  gehen  muess,  so  haben  wir  ihme  gnediglich  bewilliget, 


519 


|di8  er  obgedachte  Baittang,  die  ihme  hieuben  r.a  halten  auferlegt  wirdt, 
iBiwegen  dem  eltisteu  Cainmordiener  oder  aber  sonst  einem,  ho  ih&e  für 
[geschickht  and  taagUch  befunden  wiidt,  befelchon  und  flborgeben  mäge 
idergestalt,  dass  derselbe  solche  liaittuug  in  suineui  dess  Obf.  Cammerers 
tfahmen  verrichte,  doch  dass  er  ausserhalb  seines  Wissens  und  QcfelcUss 
keine  Aussgab  weder  wenig  oder  vil  nicht  thue. 

I  7.  Er  soll  auch  mehrgemelter  unser  Camiuerer  mit  allem  Fleisa 

tfarob  und  daran  sein,  dass  die  Kauff  umb  gülden  oder  silbern  Stukh  oder 
ander  Sorth,  Seiten  oder  andere  Knuchwahren,  mit  guetem  Rath  beschehe, 
damit  uns»  nicht  verlegen  Ding  crkaufft  oder  aber  ein  mehrers  als  der 
'Werth  ist  darnmben  gegeben  werde,  und  wass  von  seiden  und  rauchen 
(Wahren,  auch  gülden  und  silbern  Stuckh  oder  anderer  Sortten  erkaulft 
(Und  ihme  in  unser  Cammer  übergeben  werden,  darumbon  soll  er,  wie  sichs 
[gebürt,  quittirn  und  jederzeit  sein  äeissiges  Äufl'merklien  halten,  dass 
lünssere  Elaider  in  sein  oder  dess,  den  er  darzue  verordnet,  Ueywessea 
ijeschnitten  und  allein  die  NotturfTt  darzue  genonimbon,  und  d:ivou  nichts 
Itntxogen,  verwechsslet  oder  in  anJerweeg  voruntrewet,  sondern  dass- 
oniige,  so  dnrch  den  Schneider  oder  Kirchner  über  die  NottnrITt  nicht 
gebraucht,  wideruinb  mit  guottcr  Raittung  übernommen  werde. 
.  8.  Er  unser  Obrister  Cammorer  solle  auch  guette  Achtung  iiabou, 

IKrie  vil  Wir  zur  NottnrITt  zue  einem  Rockh,  gülden  und  silbern  Stuckh 
Wer  Seitenwahren,  dergleichen  wass  und  wie  vil  wir  den  rauchen  Wahren 
'jn  einem  Rockh  gebrauchen,  damit  ungcfehrlich  auBSZukommon  sey,  und 
idass  alweg  hirinen  ein  Gelegenheit  gobaltou,  der  Überlluäs  und,  wass 
anvil  ist  und  ihnen  den  Uandtwerckhern  in  der  Gwalt  bleibt  und  Nucz 
iiannss  erfolget,  verhüett  werde. 

!  9.  Er  soll  auch  Alles,  wass  unsern  Schneidern  oder  Kürchner  zu 

iDachen  durch  gegeben  und  vertrautt  wirdt,  sein  Qeissig  Auflsehen  haben, 
'damit  treulich  damit  umbgangen,  ihme  auch  alle  Ding  von  ihnen  widerumb 
Viit  gueter  Kaittnng  zugestelt  und  überlietfert  werden,  unangeseheu  dass 
]ir  alle  Ding,  wie  obsteth,  wass  auff  unser  Porsohn  und  in  uns(n'  Cammer 
(ronnötten  sein  und  gereicht  wirdet,  in  seinen  Empfang  nemeii  und  dit- 
ittimben  quittiren  muess. 

10.  Und  nachdem  sich  auch  unser  Handtwerckher  mit  der  Ue- 
jkbnuug  und  in  audcrweg  bisher  fast  beschwerlich  und  thewer  gehalten. 
Im  8<)Ue  unser  Cammerer  fürohin  ein  Geding  machen,  wass  ungefehi'lich 
Irou  einem  unserm  Ruckh  oder  anderen  Stuckh,  dass  billich  ist,  gegeben 
nrerden  solle,  also  dass  es  alweg  darbe;  bleibe  und  wir  aber  etwan  auff 
•in  neuen  Form  oder  Manier  machen  liossen,  mag  gloichwol  nach  Gelegen- 


leit,  ob  mer  Arbeitt  darauff  ging,  nach  zimblicbcn  Dingen  eiu  Besserung 


520 


der  Belohnung  gereicht  werden ;  und  in  solchem  allem  solle  nnser  Obr 
Cammcrcr  ein  loiilentliche  und  unbcsrbwerliche  Mass  nnd  nicht  so  bocb, 
als  etwan  geschehen  ist,   fürnemmen  und  darQber  guete  Hundhabung 
thiiD,  iinangCBchen  dass  sie  die  Handtwerckher  sonst  von  nuss  mit  pten 
ehrlichen  Besoldnngen  versehen  seind. 

11.  und  wan  unss  ein  Rockh  oder  ein  andere  Leibsklaidnng  ge- 
macht werden,  sollen  dieselbigen  alweg  durch  nnsern  Obr.  Cammerer  in 
ein  ordenlich  Inreutari  gestelt  nnd  also  nach  dem  Inventari  die  alt«n 
und  neuen  ordentlich  bey  einander  behalten,  und  nichts  davon  ausserhalb 
unsors  sonderen  Befelchss  und  Verordnung  vergeben,  sondern  der  invw- 
molten  nnserer  Verordunng  und  Ausstheillung  erwai-tten  und,  woss  wir 
deren  verschenckhen  oder  vergeben,  durch  unsern  Cammerer  auch  dartber 
ein  sonder  Inventiiri,  wanen  und  wem  und  zu  wass  Zeiten  die  hing^eben 
worden  sein,  gehalten  werden. 

12.  Weiter  sollen  durch  nnsern  Obr.  Cammerer  alle  Cleinoder, 
Silbergeschir,  Verehrungen,  köstliche  Pilcher,  Antiqniteten,  Instruments, 
Kunsitstuck,  es  sey  von  Goldt  oder  Silber,  Metal  oder  anderen  Gearbeitt, 
nichts  aussgenommcn,  wass  in  gemelter  unser  Cammer  geantwortt  wirdt, 
mit  allem  FIciss  aufFgehebt,  bewahrt  und  gleichermassen  in  ein  ordenlich« 
Inventari  gestelt  nnd  darbey  auffgezeichnet  werden,  von  wass  Persohncn, 
zu  wass  Zeit  anss  solches  gegeben  oder  sonst  erkaufft  worden  nnd  gedacht 
sein,  diiss  in  keinen  Weeg  solche  Sachen,  sie  sein  wie  klein  sie  wollen, 
venuckht  oder  biudan  gegeben  werden,  unangeseben  dass  uns  dergleichen 
Ding  zu  Zeiten  von  wegen  Selcnsamkheit,  zu  Zeiten  von  wegen  kunst- 
licher und  wunderlicher  Arbeith  und  Gemachten  gancz  lieb  und  angenem 
sein,  Aber  welches  alles  soldt  durch  einen  unsern  Canimerdiener  ancb 
ein  Inventari,  Raittung  und  guet  Auffsehen  gehalten  werden. 

13.  Weilen  auch  gleiches  Falss  ein  jeder  nnder  den  Camerdienern 
und  Gwardnroba  über  dass,  so  ihne  durch  unsern  Camerer  von  unsern 
Leibsklnidorn  nnd  anderen  Sachen  zu  verwahren  gegeben  wirdt,  sein 
ordentliche  Verzeichnuss  umb  dasselbig  alles  Rccbensuhafft  and  Baittimg 
zu  geben  wissen,  zu  halten  und  dau  solches  alles  (darauff  unser  Camerer 
sein  Achtung  zu  geben  weiss)  fein,  sauber  nnd  ordeulich  behalten  solle. 

14.  Wan  dan  so  offt  wir  ein  Kleinuth,  aber  ichtes  anderss  Köst- 
liches verehren  und  verschenckhen,  sidl  unser  Camerer  jederzeit  ein 
Befelch  mit  unserer  Handt  nnderzeichnet  von  unss  nemen  und  in  Rait- 
tung ffirbringen. 

1 5.  Unser  Camerer  soll  auch  in  allweg  bey  unserm  Camerfourir  N. 
oder,  wer  der  Jederyeit  sein  wirdt,  Verordnung  thuen  und  für  sich  selbst 
FQisichtigkeit  darinnen  haben,  dass  unser  Persohn  jederzeit  so  vil  sein 


mag,  nicht  allein  mit  gueten  Herbergen,  Zimprii  und  Wohnungen  ver- 
iehen,  sondern  dass  wir  auch  an  Orth  und  Endt  nach  Gelegenheit  logirt 
werden,  darineii  wür  für  unser  Porsohn  wol  vorwalirt,  utich  Fewers, 
Einsteigen  und  anderer  Gofehrlichkheit  halben  am  weuigsten  nicht  zu 
besorgen  haben. 

16.  Und  wau  wir  also  von  einora  Placz,  wir  seyen  nun  kurz  oder  lang 
dargewest,  in  ein  ander  Hoffliigcr  verrucklien,  so  solle  unser  Canimerer 
fleissig  auffzoichueu  und  ein  ordenliL^lles  Inventari  darüber  halten,  wass 
dasselbst,  es  sey  von  wass  Sachen  es  wolle,  hinder  unser  bleibt,  damit 
wir  liess  jedei-zeit  guotten  Bericht  und  Wissen  haben  und  bekommen 
mögen. 

17.  Itoui,  in  unser  Schlaffcamer  soll  ausserhalb  der  Cammerer  uud 
Cammerdiener  Niouiaudt  ein  Eingang  haben,  es  werde  dau  einer  durch 
unss  hinein  gefordert,  darob  diiu  unser  Ohr.  Cammerer  oder  iu  seinem 
Abwesen,  dem  es  befohleti  wirdt,  streng  halten  und  sein,  auff  unser 
Persohn,  Leibbeth,  Gewandt  und  anders  fleissig  und  getrewes  AuEfseheu 
haben  solle. 

lö.  Ferer  soll  auch  unser  Camerer  ausserhalb  unserer  Diener  ein 
hochen  Ambtern,  derohalbeu  wir  ihuic  dun  ihres  Zutritts  wegen  und  zu 
wass  Zeit  der  sein  soll  Bescheid!  geben  werden,  sonst  Niemandts  in 
unser  Cauier  ainigeu  Zuetritt  gestatten,  er  habe  dan  dessen  von  unss 
ein  ausstruckhlicheu  Befeiuh. 

19.  unser  Obr.  Cammerer  soll  auch  ferner  mit  allem  Ernst  darob 
sein  und  denen,  so  Schlüssel  zu  unser  Camer  haben,  unsertwegen  ernstlich 
einbinden,  dass  sie  dieselbigen  Schlüssel  bey  T.iguud  Nacht  mit  höchsten 
Fleiss  verwahren  und  fcuinem  Menschen  vou  llanden  lassen  oder  ver- 
trauen, uud  da  es  sich  begeh,  duss  ihren  einer  etwan  von  Hoff  verruckheu 
oder  sonst  Schwachheit  halben  von  ihren  Dienst  abwesig  sein  wirdten,  so 
sollen  sie  solche  Schlüssel  jedorztjit  ihme  Ubrist  Camerer  mitlerweil  zustellen 
nnd  überantwortten. 

20.  Und  soUeu  hinffirher  alle  Zuständt  und  Gerechtigkeit,  deren 
sich  unser  Cammerer  oder  Uanimerdiener  und  andere  rersuhaen  in  unser 
Camer  nach  Gebrauch  dess  Niderlenüschen  Stadts  behelfi'eu  und  zu  ihren 
Nucz  suchen  und  bringen  wulten,  genczlichen  aufgebebt  nnb  abgethnn 
sein,  und  ihr  Keinem  in  solchem  Fall  ichles  ferners  folgen  noch  wie  einem 
darfQr  nichts  zu  thun  gar  nicht  schuldig  seiu. 

21    Mehr  sollen  nach  Gelegenheit  einer  oder  zween  vertraute  Leih- 
lioi  nnd  ein  Wundtarcz  nnd  ein  geschickhter  vertrautter  Apotheckher 
'  gehalten  werden,  deren  .Jeder  soll  sein  Ambt  mit  getrewer  embsiger  Sorg- 


522 


ffiltigkeit  und  Fürsehung  wartten,  frisch  Arczney  boy  dem  Tisch  nnd  in 
dor  Camor  getrewlic-hen  vorrichten  und  uns  iid  partera  geschickUicli 
»users  Nachts  waion,  und  sonderlich  soll  der  Äpothekher  gedacht  sm 
und  guetto  Fürsehung  thun,  dass  im  Jahr,  wo  nicht  zweymal  doch  aaffs 
wenigst  einmal,  guete  frische  Stuckh  und  simplicia  (darauff  dan  der  Lcib- 
Medicus  und  Arzt  ihr  getrewes  Anffnierckhen  haben  sollen)  bcstelt  und 
orkaullt  werden,  damit  er  jederzeit  im  Fall  der  Noth  mit  denselben 
gefasst  sein  mOge. 

22.  Unser  Ohrister  Camerer  soll  auch  sein  fleissig  Nachachtuug  und 
Erfahrung  haben,  ob  die  Ofücier-Persohuen  bey  unser  Cammor  ihrem 
Ambt  und  Dienst  fleissig  und  trewlich,  wie  sich  gebflrt,  vorstehen  nnd 
verrichten  oder  nicht,  und  so  er  ainigen  Mangel  boy  einem  oder  mehr 
befände,  darin  nach  Gelegenheit  Wendung  thun,  und  sonderlich  dass  dif 
Straff  gegen  den  Cammerdiener  mit  Rodirung  einer  Wochen-  oder  Tags- 
Besoldung,  lenger  oder  weniger  nach  Gelegenheit  der  VerwflrckhuBg, 
durch  unser  Hoffmaister  nnd  Hoffmarschall,  denen  sie  der  Camerdienern 
Unfleiss  uud  Obertrettung  unserer  Camer  alwegen  anzeigen  sollen,  ffli- 
genommen  und  verordnet  werden. 

23.  Noch  sollen  disse  nachfolgende  Persohnen  in  nnserer  Leib- 
cammer  gehalten: 

Erstlichen:   4  Camerdiener; 

mehr  2  Ober  und  Unter-Barbirer; 

Guardaroba  und  sein  MitgehOlff; 

Camraer-Fourir; 

Haiczer; 

Leibschneider; 

Schuester ; 

HossenschDoider ; 

Leibwäschin: 

Drey  oder  4  Caromerthnerhüetter  sollen  gehalten  werden. 
Üie   CammerthOrhietter   sollen    ihr  AulTsehen    aaff  onsern   (Mir. 
Cammercr  haben. 

Die  andern  Saalthüihiettei'  aber  sollen  Auffschen  haben  auff  den 
obr.  Hoffmaister  und  Hoffmarschallen. 

24.  Doch  wo  ein  Camerthftrhietter  etwass  straffmessiges  handleto, 
80  solle  der  Ohrist  Camerer  dasselb  deme  Hoffmaister  oder  Hoffmarschallen 
anzeigen,  dieselben  alssduu  nach  Gelegenheit  der  Verwörckhung  gegen 
ihnen  mit  Kodirung  ihrer  Besoldung  oder  in  anderweg  Straffen  fiirzQ- 
uembeu  wissen,  doch  solle  solches  mit  Wissen  unsers  Obristen  Cammerers 
bescheheu,  allein  die  Handlung,  were  so  gross  an  ihr  selbst,  so  solle  der 


523 


Obr.  Cameier  iinss  selbst  solches  anzeigen  und  anverhalten  nicht  lassen, 
so  stet  alssdan  bej  unss  darinnen  Mass  nnd  Ordnung,  wie  gehandlet  und 
gestrafft  werden  solt.  za  geben. 

25.  BeschlGessliuben,  so  solle  der  Obrist  Camerer  mit  allem  Fleiss 
darob  sein  und  halten,  damit  alle  und  jede  Cammor-Persohnen  and  Diener, 
Barbirer,  Guardaroba  und  ihres  gleichen,  so  zu  Tag  und  uächtlicher  Weil 
nmb  unss  sein  iimi  in  unserer  Canier  aus-  und  eingehen,  allwcgpii  und 
zu  jeder  Zeit  verbanden  und  gegenwertig  sein  nnd  jederzeit  seinem  Amht, 
Dienst  und  Befelch  in  allweg  trewlicb  und  mit  gebürlicher  Reverenz  auB'- 
wartte  und  ein  GenOgen  thue  und  dass  sich  diesselbigen  allenthalben  und 
in  allen  Dingen  ehrlich,  züchtig  und,  wie  sich  gebürt  und  ihnen  wrd  an- 
stehet, verhalten  und  erzaigen  und  ihnen  änderst  nicht  gestatten  oder 
zustehen,  sondern  wo  er  iclites,  so  dergleichen  unzichtiges,  ungebühr- 
liches, orgerliches  und  nachth^iligos.  sn  einem  ehrlichen  Diener  nicht 
zustehet,  bey  einem  oder  dem  anderen  erfahroii  und  befanden  wiirde, 
dasselbige  wass  Criminalsachen  betreffen  möchte,  soll  er  unss  vor  allen 
Dingen  und,  wo  vounötten,  unBerm  Obr.  lioffmaister  anzeigen  und  auss 
onsserm  Befelch,  Verordnung  nnd  Beschaidt,  so  vil  möglich,  mit  Fleiss 
abstfillen  und  Wendung  tbun,  sich  auch  sonst  in  allen  anderen  für- 
fablenden  Sachen  (nachdem  je  alles  in  dise  Instiuction  nicht  gestelt 
werden  kan  und  sich  auch  die  Befelch  n.^ch  Gelegenheit  der  Zeit  wenden) 
wass  zu  unserer  Ehr,  Reputation,  Nucz  und  Wolfabrt  geraichen  müg, 
allenthalben  dermassen  fleissig,  auffrichtig.  gehorsamb  und  getrewiich 
erzaigen  und  verhalten,  wie  wir  ihme  guodiglicb  getrauen  und  einem  ehr- 
lichen anfrichtigen  Obr.  Camerer  wol  anstehet  und  gebflrt;  and  ob  ihme 
in  denselben  allem  ichte.s  beschwerliches,  so  unss  zu  Schimpff,  Gefehr- 
liehkeit,  Nachtheil  und  Schaden  geraichen  mögte,  fürfallen  wurde,  dass  er 
f&r  sich  selbst  darinnen  nichts  handlen,  verhüetten,  wenden  und  aass- 
richten  künde  (darinen  er  doch  allen  Fleiss  und  Möglichkeit  gehrauchen 
solle),  so  solle  er  uns  solches  olin  allen  Veraug  anzeigen  und  von  uns  in 
Sachen  Beschaidt  nnd  Befelch  nemmon,  und  demselben  folgondts  nach- 
kommen, damit  also  alle  Gefehrlichkeit,  Schimpff,  Nachtheil  und  Schaden 
in  alweg  ftirkommen  und  abgestellt  werden,  an  dem  thnot  er  nnsern  ernst- 
lichen Willen  und  Mainung.  Und  wir  wollen  über  dasn  Alles,  so  er  vermflg 
dieser  unserer  Instruction  und  anfferlogten  Befelch  handien,  thiin  und 
lassen  wirdt,  damit  deaiselbcn  nachkommen  und  guete  Ordnung  gehalten 
werde,  mit  allen  Gnaden  handthaben;  wass  aber  ffirPersuhnen  in  unser 
Camer  gehören,  da  haben  wir  ihme  einen  sonderen  gefei'ttigten  Camor- 
Statt  znstollen  lassen. 

Datum  Linz  den  1.  Marty  An(no)  im  (1)562. 


524 


Beilage  8. 


(1561?  Mai)  Wie 


Moximili&u  dur  Ander  von  Oottes  Gnaden  König  zu  Böhaiinb,  Enben 
zu  Össterreich  etc. 


Instruction  and  Ordnung,  wolchermassen  und  Gestalt  unser  Obr. 
8talliiiaiNter-Ambt  gehandelt  und  verriebt  werden  solle. 

1.  Erstlichen,  soll  unser  Obr.  Stallmaister  alle  und  jede,  gross  und 
klein  Notturfften,  so  zu  unserem  Ueutzir,*  alss  von  Zeug,  Sadtl,  nnrniscb, 
Kleidung  und  anders  zu  uusern  KQstungon  gebörig,  nicbtss  aiissge- 
sohlossen,  durch  die  Persohnen,  so  daran  verordnet,  fleissig  verwahren 
lassen  und,  so  offt  wir  zu  reitten  aufTsiczon,  soll  er  bey  iinss  sein,  seiuem 
Ambt  mit  ordonlicben  Credenzen  und  Verwahrung  vorstehen,  damit  vir 
alweg  noch  Gelegenheit  nnd  Gegenwerttigkeit  der  Zeit  zu  Ehren  und  zu 
Sicherheit  versehen  seiu. 

2.  Vermelter  unser  Obr.  Stallmaister  soll  täglich  seiu  Auffmerckhen. 
Achtung  nnd  guete  Ei-forscbnug  haben  anff  die  Notturtft  unser»  Stalus, 
wass  zn  bessern  und  von  neuem  zu  bestollou  oder  zu  erzeigen  nit  umb- 
gangen  werden  mag,  wie  auch  dieselb  NntturtVt  in  einem  zimblichen  und 
wolfejleu  Kautr  zu  bekommen  sein,  dass  sulcbes  alles  zeitlich  und  laut  dar 
Ordnung,  so  seine  Undevufficir  hernach  benent  haben,  fleissig  volzogto 
werde  und  an  demselben  kein  Mangel  erscheine. 

3.  Und  wass  also  in  uusorm  Stall  orkanfft  wirdet,  sonderlich  w»88 
otwass  nnmbhaffts  ist.  bey  dem  soll  unser  HotT-Cantralor  gegenwertig 
sein,  sein  Auffsohen  haben  darauff  und  darüber  verificiren,  und  der  Stall- 
maister soll  ihme  selbst  zu  gueter  Richtigkeit  und  Verantworttung  darob 
sein,  dass  solches  von  dem  Hotf-Cantralor  volzogen  werde,  oder  wo  er 
einigen  Miiugel  in  diesem  Fall  an  dem  HofTcontralor  befunde,  dasselb 
unserni  HolTuiaister  anzeigen. 

4.  Er  soll  auch  durch  den  Fuettermaister  oder  Puetterschreiber 
mit  sambt  unserm  üoffcontralor  in  der  Harnisch  und  Sadl-Cammer,  wass 
für  SadI,  Zeug,  POss,  Stegraitf,  Hmniüch,  Rockh,  Panczer,  Caperzaum, 
Püxen  und  ullerley  Wehren,  Federn,  auch  alle  andere  Manss-  und  Koss- 
zrer  nnd  Geschmnckh,  auch  Zelten  sambt  ihren  Zugehoningen,  so  man 
jederzeit  bey  der  Harnisch-Cammer  zn  halten  pflegt,  dessgleichen  Wal- 
drapen  nnd  samoteu  Deckhen,  in  Summa,  es  sey  gross  oder  klein,  so  io 
unser  Harnisch  oder  Satl-Cammer  jezund  vorhanden  oder  kflnlTtiglichon 


'  In  einer  «päterou  lustructiou  steht:  Boittergozior. 


525 

kauffsweyss  oder  durch  Verehrung  darein  kommen  mOchten,  ein  orden- 
licb  Inventari  anffrichten,  halten  und  alwegen  zu  Anssgang  dess  Jahrs 
durch  unsern  Coutralor  eambt  dem  Fuettermaister  oder  Fuetterschreiber 
vernewert,  von  welchem  ihine  dem  Stallmaister  und  dan  ancb  dem  Iloff- 
maistergleichlauttende  Abschriften  überantwortt  werden  BoHen,  mit  neben 
lautterer  Vermeidung,  wass  also  jederzeit  in  genielte  Uarnisch-Ciiiiimer 
koubt  oder  widerumb  daraus»  gegeben  oder  verscheuckht  wirdet,  zu  wass 
Zeit,  wie,  wan  oder  von  wem  dass  beschehen  seye  and  auch  wie  jeder- 
«eit  Münderung  und  Mehning  mit  unsern  Pferdten  und  Tragessien  in 
nnserm  Hoffstall  bescbicht,  in  den  Wocbenzetlen  durch  den  Fuetter- 
maister lauttorc  Anzeigung  thun  lassen. 

5.  Dessgleichen  so  solle  gemelter  unser  Stallmaister  jeczo  alssbaldt 
nnserm  Hoffcontraior  ein  lauttere  Verzeichnuss  aller  und  jeder  Pferdt, 
ito  wir  jezo  in  unseim  Stall  haben,  wie  die  haisson  und  von  wass  Farben 
jiie  sein,  zustollen  lassen,  nichts  weniger  auch,  so  offt  hornachmallen 
gemelter  Contralor  solches  im  Jahr  begehren  würde,  solle  ihuio  dieselbig 
.Verzaichnoss  auch  gegeben  werden,  damit  er  jedesmals,  wie  viel  Pferdt 
lim  Stall  vorhanden,  wan  oder  wo  die  erkaufft,  geschenckht  oder  wider- 
umben  darauss  gegeben  worden,  aigcntliches  Wissen  darumb  haben 
mflgen. 

6.  unser  Fuettermaister  uod  Fuetterschreiber  sollen  ihre  Auffsehen 
auff  ihne  alss  Obrist-Stallmaister  haben,  ihre  Ambter  und  Dienst  sanient- 
lich  mit  einander  handien,  trewlich  und  in  giietter  Einigkheit  einander 
helffen,  wo  es  dan  vonuötbeti,  dass  einnr  verziehen  oder  verraisen  und 
'ier  Ander  binden  bey  der  Lassung  und  Hernnclibringung  unserer  GQotter 
bleiben  mflesso,  die  GescbaHt  mit  Wissen  duss  Stalhuaisters  abthoilcn  und 

jeder  seinen  Thail  trewlich  und  üoissig  verrichten,  jederzeit  auff  unsern 
'Stall  die  Nottui-fFt  als»  Fuotter,  Uew,  Strew,  Sattel,  Pyss,  Zaum,  Negl, 
Eysen  und  alles  anderss,  wass  ungefehrlich  darinnen  gehört,  auff  An- 
saigen  dess  Obr.  Stallmaisters  bestellen  und  sulchor  ihrer  Ordinari  und 
Extraordinari  Anssgaben  ordenlich  Wocbenzetlen  stöllou,  wie  bisshero 
dan  beschechen,  dieselben  unserm  Stallmaister  fürbringon  und  wass  also 
auff  des  Stallmaisters  Verordnung  für  neue  Arbeitt  in  unserm  Stall  bey 
den  Handtwerckhern  gefrimbt  und  geraucht  würdet,  dass  solle  weder  durch 
[den  Sattelknecht  noch  die  Rossherefitter  oder  andere  von  den  Handt- 
'irerckssleitten  nicht  genommen  werden  ohne  Beysein  dess  Fuettermaister» 
oder  Fuetterschreiber».  damit  sie  dasselbe,  wan  und  von  welchem  Uandt- 
werckher  es  genommen  und  wuhin  es  gebraucht  wirdet,  fleissig  auff- 
Bchreiben  und  in  Abraittung  und  Bezahlung  der  Handtwerckher-Parti- 
cular    derhalben   guettou   Bericht  haben  und  thun  mügeu;   und  wofer 


b. 


526 


aber  der  Sattikhnocht  oder  fiereQUer  wider  die  Ordnung  ihrem  Oefalles 
nach  handien  weiten,  so  soll  der  Fnettermaistor  oder  Fuetterscbreiber 
solches  uusorm  Obr.  Stallmaister  jederzeit  berichten,  dauüt  er  solchei 
abzustöllen  oder  wo  es  nicht  helffen  wolto  mit  der  Straff  gegen  ihnen  tu 
verfahren  wisse. 

7.  Es  soll  auch  der  Stallmaister  derselben  Haudtwerckher  Parti- 
cular  selbst  fleissig  übersehen,  ob  es  seinem  Befelch  nach  gemacht  tud 
Inhalt  dess  Stallmaisters  Ordnnng  bezalt  worden,  und  so  er  solcbee  ohne 
Man^'l  befindt,  die  Particular  und  nachmalss  die  Wochenzetl,  darin  sie 
gestelt,  underschreiben. 

8.  und  wan  dem  Fnettermaister  oder  Fuetterschreiber  durch  nnsern 
Obr.  iStallmaister  unser  Anffbruch  anzeugt  und  Wägen  oder  Schflff  ra 
bestellen  befolchen  wirdt,  so  sollen  sie  dieselbigen  Wägen  und  SchQff, 
80  vil  er  ihnen  anzeigen  wirdt,  bostollen,  aber  sie  allein  nichts,  sondern 
zu  Gegenwarth  ihres  Stallmaisters  und  UofTcontralors  der  Besoldung  nnd 
dess  Kaiiß'H  halben  be8chlie8.sen,  in  alwog  auch,  so  die  Wägen  oder  Scbftff 
laden  wollen  oder  auch  abladen  sollen,  sie  solches  zuvor  uuscrm  Hoffc^in- 
tialor  verkaudten,  damit  derselb  darbey  sein  nnd  aller  Ladung  ein  Wissen- 
schafft haben  nifigo,  und,  so  sie  Bezahlung  der  Wägen  oder  Schüfffuhreii 
thuu,  sollen  sie  dieselbigen  in  ein  sonder  Parlhicular  eiustOlleu,  dem  Obr. 
Stallmaister  ffirtrogen,  so  derselb  das  angezeicbte  Particular  ohne  Mang«! 
ließnilt,  soll  er  iStallmaister  es  underschreiben  und  alssdan  der  Fnetter- 
maister und  Fuetterschreiber,  solches  von  Stallmaister  underschriben  Parti- 
cnlar  der  Fuhren,  sowol  alss  der  Wochenzetlen,  dass  so  ordinari  und  eitr»- 
ordinari  auff  dem  Stall  aulfgangen  ist,  vor  unseim  Obr.  Hoflmaistor,  Hoff- 
marscballon  und  dar/.ue  geordneten  ordenlich  vorraitten  und  vorrechnen. 

11.  Damit  auch  unser  Stallmaister  nicht  allein,  wass  in  unsern  SUU 
gehört,  bestelt,  oinkaufTt  und  ausgeben  wirdt,  sondern  auch,  wie  jederzeit 
mit  dem  Empfang.  Aussgaben  und  Rests  dess  Gelts  im  Fuettermaisterambt 
gehundlet  werde,  ein  Wissen  haben,  so  wollen  wir,  dass  hinfürau  so  offl 
der  Fnettermaister  oder  sein  Gesell  zum  Stallgolt  bedürftig,  dass  sie  be; 
nnserm  Stallmaister  umb  ein  Zetl,  die  an  unsern  Hoffmaister  lauttel,  An- 
sucbung  thnn  sollen,  auf  welche  Zetl  er  Hoffmaister  alssdan  bey  unserm 
Hoffzallmaister  die  Bezahlung  knnde  verordnen,  doch  soll  der  Fnetter- 
maister oder  Fuetterschreiber  von  den  Geltzetlu  Copien  behalten  und 
nach  Empfang  dess  Gelts  dem  Stall,  auf  dass  ers  auch  einschreiben  künde, 
darzue  ein  sonders  Buch  halle,  Bericht  thuen. 

10.  Dessgleichen  so  unss  mit  Habern  Verehrung  beschechen, 
sonderlich  wan  wir  über  Landt  reisson,  soll  solcher  Habem  oder  Füelte- 
rung  au  still  bleibenden  Ortheu  durch  den  Fuetternieister  oder  Fuetter- 


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Schreiber  als  den  erkaufftun  Habern  in  sein  Empfang  genolimen  werden, 
es  were  dan  Sach,  dass  man  an  einem  Orth  im  Reissen  nnr  fiber  Nacht 
bleibe  und  solicher  nicht  aller  in  unserm  Hoffstall  verföettert  werden 
mögte,  soll  mit  dem  übrigpn  nach  tinserers  Obristen  Stallmaisters,  HofT- 
maisters  und  Hoffmarschalls  Guetbedünkhen  gehandlet  werden. 

11.  Der  Fuettermaister  oder  Fuettorschreiber,  so  sich  in  ihren 
Ambtern,  wie  obstehot,  theillen  müessen,  welcher  alssdaa  in  VorzTicg  ist, 
so  wür  zu  Landt  oder  Wasser  raissen  werden,  der  solle  unsere  Leibpfcrdt, 
Edlknaben,  Bereither,  Sadelkhnecht,  Laggeyen,  Schmidt,  Stallknecht, 
Tragosslen  und  die  zugehörigen  Persohnen  furiren. 

12.  Dessgleichen  wan  ein  Auülirug  vcrhauden  ist,  solle  unser  Stall- 
maister  mit  sambt  unserm  Hoffmaister,  Marschalckhen  und  dem  Obristen 
Cammerer,  Stebl-  und  Kuchelmaister  zeitlich  darvor  berathschlagon,  wass 
nach  Gelegenheit  der  vorhabenden  Beiss  ungefehrlicb  für  Fuhren  zu 
Landt  oder  Wasser,  über  dass  so  anff  die  Tragessien  geladten  wirdt,  von- 
nMten  sein,  damit  mit  Dpstellung  solcher  Fuhren  durch  den  Fuetter- 
maister und  Faettersclireibern  zeitliche  Ftlrsicht  hesehehon  möge  und  da- 
mit allein  die  Notturfft  und  nicht  übrig  Wägen  oder  Schiff  bestelt  werden, 
80  solle  auss  unserer  Leil>cammer,  Kachel,  Keller,  Silbercammer,  Dape- 
cerey  und  allen  anderen  OfQcien  ordentlich  Verzeichnussen  durch  ihre 
fnrgesezte  Obrigkeiten  underschriben,  wass  auss  einem  jeden  Officio  die- 
selbe Raiss  mitgeführt  werden  soll  and  vonnötten  ist,  unserm  Stallmaister 
zeitlich  zugestelt  werden,  damit  er  sich  darnach  zu  richten  und  die  Bo- 
stellung  der  Fuhren  zu  verordnpn  wissen;  sonderlich  aber  solle  er  Stall- 
maister sambt  dem  Hoffcontralor  darob  sein,  dass  die  W&gen  so  vi!  mög- 
lich nach  dem  Centner  und  nicht  nach  dem  Ross  oder  Tag  gedingt  und 
dass  auch  kein  unnöttig  Fürspanen  der  Wagen  auffgewendet  werde. 

13.  Was  aber  betrifft  unsers  Holfgesindts  GQeter,  die  auff  nnsern 
Kosten  Inhalt  der  Fuhrordnung  mitgefOhrt  werden,  solle  gedachtem  Stall- 
maister zu  jedem  Auffbruch  ein  Verzeichuuss  zugestelt  werden,  wem  und 
wie  vil  er  derselben  neben  unsern  aigenen  Guettern  auff  unsere  Kosten 
.luffladten  und  führen  lassen  soll,  was  aber  der  anderen  unsers  Hoffge- 
aindts  GOetter,  als  Tnichen,  Fesser,  Fallen,  Feleiss,  Wein  und  anderss 
ist,  80  sie  anff  ihren  aigenen  Kosten  mitzuführen  schuldig  seint,  zu  denen 
sollen  gleich wol  durch  den  Fuettermaister  oder  Fuetterschreiber  die  Not- 
turfft Wägen  oder  Schiff  und  gleich  in  dem  Geding,  wie  für  unssere 
Gfletter  bestelt,  auch  angelagcn  und  gelatteu  werden,  doch  dass  ein  jeder 
HoCfgesindt,  wass  er  zu  laden  hat,  zu  rechter  Zeit,  wan  man  unsere  Güetter 
laden  würdt,  seine  Stuckh  auch  gon  Hoff  briiiy;,  darauff  ein  Zetl  seye, 

_    wem  68  zugehör,  und  dem  Trabanten,  so  wür  in  Sonderheit  auss  unserer 

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Gnardi  verordnet  haben,  zuvor  banleiffig  bo  vil  Geldts  aaff  Raittnng  geb, 
80  vil  es  an  dass  Orth,  dahin  erss  führen  lassen  will,  gestehen  mögt«, 
damit  gemelter  Trabant,  wan  er  mit  den  Gaetteru  ankombt,  die  Fuhr- 
leüth  von  Stundt  an  ohne  Warttgelt  abferttigen  möge  und  den  Parthejen 
nit  lang  umb  die  Bezahlung  nachlauffen  muess,  wie  bisshero  geschehen, 
80  aber  der  Trabant  von  einiger  Parthey  mehr  Gelds  auff  Baittung  em- 
pfinge, als  solche  vurgestünde,  dass  solle  er  jeder  Parthey  von  Stundt  ao 
wider  erlegen,  entgegen  auch  kein  Tragen  noch  anderss  Stackh  ohne 
ridilige  Bezuliking  dess  Fuhrlohnss  hinaus  zu  geben  nicht  schuldig  sein, 
ob  deine  dan  unser  UulTiuaister  nnd  Uoffmarschall  ibme  Buckhen 
Schucz  haldon  sollen. 

14.  Unsf.r  Stallmaister  soll  auch  täglichen  in  unscrm  Stall  seheöT 
damit  alle  Sachen,  so  uotb  sein,  ordentlich  verriebt,  sonderlich  dass  durch 
einen  jeden  sein  Abreith  fleissig  verbracht  und  verriebt  werde. 

15.  und  iu  Sonderheit  soll  unser  Stallmaister  guete  Achtung  und 
AnfTsohen  auff  unsere  Edlknabon  haben,  damit  die  der  Lehrnung  und 
gneten  adlicbon  Wessen  auffwartton,  darinnen  ein  solche  ernstliche  For- 
sehung  thnn,  dass  sie  zu  aller  Porcht,  Zucht  und  Ehrung  und  gnett«D 
Sitten  gehalten,  dergleichen  auch  Wintterss  Zeiten  mit  ihrer  Elaidung 
vor  der  Eeldeu  bewahrt,  damit  ihre  Edleru  sehen  und  wahrnemen,  Am 
mit  ihnen,  darumben  sie  daher  gelaasen,  aller  inüglicher  Fleiss  gebrauchet 
werde  und  Frucht  darauss  komme,  dass  in  solchem  Fall  durch  ihne  in 
keineswüg  einig  Übersehen  oder  Lessigkeit  godulten  oder  gestatten;  to 
haben  wir  auch  gemelten  unsern  Edlknaben  ein  tanglich  geschikhteo 
Hoffmaister,  darzue  ein  tauglichen  Praeceptor  zuegeordnet,  die  sambt 
gemelten  Knaben  ibme  Obristen  Stallmaister  gehorsamb  zu  sein,  bemelte 
Knaben  auff  alle  Gottesforcht,  guete  erbahre  Zucht  weissen,  in  allerlej 
ritterlichen  Sachen,  auch  in  Kinsten,  der  Latein  und  anderen  Sprachen 
redten  und  schreiben  lehrnon  können,  ihr  sonderlich  AutTsohen  auff  ge- 
miiRe  Knaben  haben  sollen,  damit  sie  kbciuerley  leichtfertigen  Handlung 
nachgehen  oder  auffwartten;  wo  sie  aber  solche  spüren  wirden,  sie  dar- 
umben anderen  und  gebüi-licb  straffen,  wo  sie  aber  solche  Straff  nit  aa- 
uombeu,  sondern  vorachten  wolten,  so  solle  der  Hoffmaister  oder  Prae- 
ceptor solches  gemeltem  Stallmaister  an^igen.  Im  Fall  es  aber  anff  einer 
Raiss  werc  und  der  Hoffmaister  nicht  selbst,  sondern  sein  Gehülff  oder 
Praeceptor  zugegen,  so  soll  ers  dem  Stallmaister  aDzeQgou,über  den  ersten 
Buohctag  uit  anstellen,  der  wQrtb  alssdan  hirinnen  weitere  Wondtung 
zu  thueu  und  gebüluiiche  Straff  zu  verordnen  wissen. 

16.  Gedachter  Stallmaister  soll  auch  durch  sich  selbst  oder  durch 
gemolte  Zucht-  oder  Schuelmuister  berürto  Knaben  jederaeit  nach  Gelegen- 


heit  dess  Wessen  zu  nnsenti  Dienst  antheillen  nnd  anordnen,  alss  nemb- 
lich  zn  Kirchen  hey  dem  Oottesdienst,  an  Panketen  und  Rittorspilien,  bey 
Doser  TaflFel,  auch  alle  Morgenss  und  Abends  mit  den  WintHchter  auBf 
unss  zu  wartten,  und  wass  unss  ungefährlichen  nach  ged.  Stallmaisters 
Gnetbedunckhen  zu  Ehren  und  ihnen  zur  Zucht  vonnCtten  ist. 

17.  Auss  obbeinelten  nnsern  Knaben  sollen  allezeit  8  aiilT  unser 
Taflfel  wartten,  es  sey  anStilligon,  ober  Laiidtreissen  oderGejaitern,  denen 
[solle  alssdan  die  Speise  auss  unser  Eucbl  und  darzne  ihr  Ordinari  Brodt 
nnd  Wein  geordnet  und  durch  ihren  geordnet  Diener  einen  bey  di'in  Disch 
gedinet  und  gewjirttet  werden;  bey  ihnen  sidl  auch  an  ihrer  TafFel  ihr 
Zuchtniaister  oder  Praecoptor  siezen,  ihr  Speiss  und  Tranckh  neben  ihnen 
haben,  damit  sie  auffmerckhon  können,  auff  dass  sie  ihr  Malzeit  in  elir- 
bahrer,  gueter  Zucht  ein-  oder  zubringen  und  ihnen  keine  Leichtfertigkeit 
nit  gestatten,  sonst  soll  Niemandt  anderer  zu  der  herflrtcn  Enabentaffcl 
Zugang  haben,  allein  sein  dess  Obristen  StAlluiaisters  und  des  Obristen 
Silb-Cammerers  Knaben  einer;  sofern  dieselbe  Knaben  aucb  Yon  Adl 
seint,  so  sollen  auch  diesselbc  2  Knaben  in  tler  Mahlzeit  sowol  als  unsere 
Knaben  ander  dess  Znchtmaistors  nnd  Piaeceptors  Disciplin  nnd  Sorg 
gehalten,  ihnen  so  wenig  alss  nnsern  Knaben  einem  nichts  leQchtfertiges 
gestattet  oder  zuegelassen  werden. 

I  18.  Wie  vil  wir  dan  Knaben  über  die  gemelten  8,  so  zn  Hoff  ihr 

Taffei  haben,  halten  werden,  <Jie  sollen  durch  ihren  der  Edlknaben  Hofl- 
maister  nach  lauth  der  sondern  Ordnung  und  Instruction,  so  wir 
ihme  dem  Obristen  Stallmaister  zustellen  lassen,  gehalten  und  tractirt 
werden,  indem  dan  der  Stallmaister  sein  fleissig  AutTmerckhen  haben  soll, 
damit  durch  denselben  der  Edlknahen  Hoffmaister  solchen  genzlich  ge- 
lebt und  die  Knaben  umb  dasjenig,  so  er  von  ihreutwegen  einnimbt,  wol 
{tractirt  und  gehalten,  auch  sonst  mit  aller  Sauberkeit  gedienet  werde, 
wie  er  deme  zu  thnn  wirdt  wissen. 

19.  Nachdem  unser  4  Camer-Trabandten  in  Zeit  unsers  Stilligens 
nichts  oder  gar  wenig  zu  thnn  haben,  so  wollen  wir,  dass  auss  denselben 
4  Cammertrabandten  ein  Wochen  umb  die  andere  allweg  2  neben  denn 

Ivorbenanten  ihren  der  Edlknaben  Diener  aufl'  die  Knaben  wartten  und 
sich  auff  den  dess  Stallmaisters  Beschaidts  vorhalten,  doch  sich  mit  der 
Speiss  Selbsten  versehen  sollen. 
20.  Gedachter  unser  Obrister  Stallmaister  solle  auch  allezeit  bey 
den  hernach  angezeigetcn  Pcrsohnen  under  sein  Ämbt  gehörig  darob 
halten,  dass  ihr  Jeder  seinen  Dienst  getreulich  und  mit  Fleiss  auffwartte, 
nnd  endlich  darob  sein,  wo  sieb  einer  ungeschickhlich  oder  itnlloissig 
bilte,  es  were  ihn  mit  Warttung  seines  Diensts  und  Ambts  oder  in  änder- 
st* 


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weg,  wie  das  wcre,  dass  solches  nicht  Oborsehen,  sondern  nach  Gelegen- 
heit der  Verwfirkhnng  und,  ob  die  nicht  so  gross  were,  mit  Bodinug 
Wochen-,  Tagss  oder  halben  Tags-Besoldnng  oder  in  auderenweg  gestraffet 
werden,  und  wass  er  hierauff  jederzeit  denen  Persohnen  an  ihre  Besol- 
dung zur  Straf  rodiren  wirdt,  soll  or  durch  einen  Zettel  unserm  Obristeu 
HofTniaister  oder  Hoffmarschalien  anzeigen,  die  werden  alssdan  bey  dem 
Hoffzahlmaistor  die  Vollziehung  derselben  Straff  zu  verordnen  wissen,  dv 
init  under  ihnen  in  allwog  guete,  erbahre  Zucht  gehalten  und  dasjenige, 
so  einem  .Jeden  zustehet  und  gebühret,  fleissig  volzogen  und  verriebt  werde. 

21.  Weiter  soll  auch  unser  Obrister  Stnllmaister  darob  sein,  damit 
der  Bcb5n  und  kestlichen  Zeug  und  Sädl  im  Aussrcitten  Aber  die  Anzall. 
so  anff  die  Pferdt,  welche  wir  selbst  oder  unser  Obrister  Stallmsister 
reitten  wollen,  verschonet  worden. 

22.  Dergleichen  wollen  wir,  wan  die  Bereitter,  Ristmaister.  Under- 
stallmaister  oder  andere,  wer  die  sein,  sonst  fflr  sich  selbst  snsserhaiti 
unser  in  das  Feldt  oder  sonst  in  die  Statt  reitten,  dass  deren  Keiner  durch- 
aus kein  schtoes  oder  kestliches  Zeug  oder  Sadl  nicht  gebrauchen  uo<i 
sich  damit  sehen,  sondern  sich  an  den  schlechten  täglichen  Zeugen  be- 
gnüegen  lassen  sollen. 

23.  unser  Bossbereitter.  wer  und  wie  vil  deren  jederzeit  sein  werden, 
soll  ein  jeder  die  Pferdt  bereütten,  so  ihme  von  dem  Stallmaister  uodei- 
geben  werden;  er  der  Stallmaister  soll  auch  demselben  Bereitter  anb- 
iegen, damit  sie  bey  den  Schmidten  und  Stallknechten  darob  sein,  »n9 
dass  den  Pfei-dten  mit  Beschlagen,  Arczneüen  und  in  anderweg  wol  auss;- 
gewartt  werde,  und  so  sie  einen  Cn6eis8  bey  den  Schmidten  und  Stall- 
knechten befinden,  sie  daniiiihon  anredten  und,  so  sie  sich  nit  bessern. 
solches  ihme  .Stallmaistor  aiizeugen  wellen. 

24.  In  Sonderheit  und  derhalbcn  so  soll  er  Stallmaister  mit  Ernst 
sein  AiifTiiiorkhen  haben,  wan  durch  den  Hueffschmidt  einen  in  seiner 
Raittung  von  Rossbeschlägen,  ArczneBen  der  Koss,  Hueff-Salben  oder  der- 
gleichen eingestelt,  darumben  der  Rossbereittor  nit  gnet  Wissen  bette, 
dass  dersetbig  Hneffschmidt  nach  Gelegenheit  jederzeit  gestrafft  werde, 
gleichweisB  solle  es  auch  auf  alle  Handwerckhor  und  Officier,  so  under  ihm« 
Stallmaister  sein  verstandten  werden,  damit  unss  nichts  zur  Baittim^' 
gelegt,  dass  nns  nicht  zu  Nucz  kommen  sey.- 

25.  Unser  Sadlknecht,  wer  der  jederzeit  sein  wirdt,  soll  auch  den 
Stallmaister  undcrworffcn  sein,  die  Sädl  und  Zeug  und  was  zu  der  Reitterej 
gehört  in  seiner  Verwahrung  haben,  die  mit  sondern  Fleiss  versehen. 
damit  wir  allerdingss  versichert  und  versorgt  sein;  auch  soll  gemclter 
unser  Sadlkuocht  jederzeit  gegen  den  Schmidten,  so  die  Pferdt  beschlagen, 


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einen  Gegenrabwisch  ^  haben,  darauff  alle  Wochen,  wie  vil  Bissen  autf- 
geschlogen  worden,  elngeäuhnidten  werden,  wau  der  Fuettermaister  oder 
Fuetterschi'eiber  mit  dem  Schmidten  wöchentlich  abrcittpu  wirdt,  suil  er 
mit  seinem  Gegenrabwisch  darbey  sein,  auch  sein  Äufi'incrkheu  habon, 
ob  die  Arczneuen,  so  die  Schmidt  rnchnen  und  auffschreiben,  allein  in 
nnsenn  Stall  und  zu  unseren  Pferdteii  gebraucht  worden,  auff  das  Alles 
der  Fuettermaister  und  Fuetterschreibcr  auch  ihr  sonders  fleissig  Anff- 
merckben  haben  sollen. 

26.  Dessgleichen  der  Verwalter  Aber  die  Essuldreiber  und  Tragessien 
soll  dem  Obristen  Stallmaister  auch  underwoi'ffen  sein,  seinen  Dienst  und 
Befelch,  damit  nnsern  Tragessien  jedprzeit  mit  «ior  Wartt,  Füotterung, 
Arczneü  und  Beschlägen  wol  aussgewarti  und  bey  der  Füetterung  kein 
Uufleiss  gobrauclit.  fleissig  und  enibsig  sein  und  allweg,  sonderlich 
mau  still  ligt,  zugegen  sein  auch  sehen,  dass  mit  den  Essl-Dekhen,  Sädl, 
und  anderer  Zuegehörung  guete  sanbere  Ordnung  gehalten  und,  wan  wür 
über  Landt  reisen,  die  Tragesslen  auff  unsere  Cammer-üOeter,  Küchel, 
Keller,  Silbercamer,  Capellen,  Dapecerey,  Lüchtcammor  und  dergleichen 
nottürfftigen  Offlcireu,  dan  sonst  wollen  wir,  dass  durchaus  weder  ihme 
Stallmaistor  noch  sonst  Niemandt  anderen,  es  sey  wass  oder  wem  da  wolle, 
ganz  und  gar  nichts  geführt,  ordentlich  aussthoille  und  Aber  3  Centen 
anff  einen  nicht  goladteu,  damit  sie  nicht  ehe  der  Zeit  verderbt  werden, 
and  auch  dessto  bass  fortkomen  mögen;  und  soll  bemelter  Verwalter 
allweg  mit  und  bey  dem  Auff-  und  Ahlatten  sein  und  mit  ihnen  über 
Landt  reitten,  auch  soll  er  darob  sein,  dass  die  Bsseltreiber  ihren  Dienst 
mit  f  leiss  ti'eulich  auffwartten  und  zwischen  ihnen  auch  guete  Zucht  und 
Gehorsamb  gehalten  werde. 

27.  Und  wan  wir  stilligou,  dass  auff  unsern  Hoffstall  Habern, 
Hew,  Streu  und  zu  unserer  Kuchl  Holcz  und  dergleichen  Sachen  im 
Torrath  einkaufft  wirdt,  wCllen  wir,  dieweil  die  Tragessln  so  sonst  ohne 
dass  uiüessig  stehen,  und  auff  solche  Fuhren  jährlich  grosser  Unkosten 
laofTt,  dase  zu  solchen  gelegeneu  Zeitten  die  Fuhr  durch  Ausschfikhuug 
der  Tragessellen  hinfoiian  erspart  werden,  bey  welchen  der  Verwalter 
auch  allezeit,  damit  underwog  und  in  Herbergen  den  Tnigosslon  recht 
aussgewaiit  und  nicht  überladen  werden,  sein  und  damit  aussreitten  soll, 
derbalben  soll  auff  sein  Boss  die  Füetterung  neben  den  Tragesslen  durch 
den  Fuettermaister  oder  Fuetterschreiber  geraicht  und  in  die  Wocheuzetl 
gestellt  werden,  sonst  solle  weiter  ihme  noch  seinen  undergebenen 
Esslentreybern  kein  Koss  oder  Essolin  in  uuserm  Stall  noch  ausserhalb 


*  Kerbhola. 


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desselben  gestelt  oder  geffiettert,  noch  einigerley  Zostandt  oder  Tortel 
zu  gebrauchen  mit  nichte  nicht  gestatt  werden,  darfiber  dan  vilgenantei 
Stallmaister  mit  allem  Ernst  halten  solle. 

28.  unser  BQstmaister  soll  sein  Ambt  wie  bisshero  auff  Anzeuges 
des  Obristen  Stallmaisters  fleissig  und  treulich  versehen  und  hierinen 
auff  genanten  unsern  Stallmaister  sein  Auffsehen  haben. 

29.  Es  sollen  auch  in  unserm  Stall  zween  Huffschmidt,  wie  bisshero, 
gehalten  werden,  die  Pferdt  und  Ti'agesslen  beschlagen,  dieselben  sollen 
dem  Obr.  Stallmaister  und  nach  ihme  dem  Sattelknecht  gehorsamb  sein, 
ihren  Dienst  mit  Arczneyeu  und  Beschlägen  in  unserm  Stall,  wie  getreuen 
Hueffschmidten  zu  thuen  gebühret,  fleissig  aufwarten,  sonderlich  auch 
wie  vil  sie  ihren  Pferdten  und  Esslen  Eysen  auffschlagen,  dieselben  sie 
jederzeit  auff  einen  Babisch  schneiden,  davon  der  Sattlkhnecht  einen 
Gegentheil  haben  und  denselben  alle  Wochen  oder  Monath  unserm  Fuetter- 
maister  oder  Fnetterschreiber  zustöUen  sollen,  darauff  derselb  die  Be- 
zahlung davon  thun  and  alssdan  in  sein  Baittnng  einstöllen  mflg. 

30.  Mehr  solle  gehalten  werden  ein  Sattler,  der  soll  jederzeit,  so 
offt  es  nöth  ist,  auff  Befelch  und  Anzeugen  dess  Stallmaisters  neue  Sädl 
machen,  auch  wass  sonst  in  demselben  unserm  Stall  an  Sädlen  zu  pössem 
vonnCthen  ist,  dasselb  treulich  und  fleissig  Inhalt  beyligender  Ordnmig 
veiTichten,  doch  soll  kein  Sadl  oder  andere  neue  Arbeith  zu  machen  bestSlt 
noch  von  ihme  gemachter  genommen  werden,  dann  mit  Vorwissen  sein 
des  Obr.  SiAllmaisters  und  sonst  keines  Anderen. 

31.  Darzue  selten  gehalten  werden  ein  Anzahl  teoglicher  Stall- 
knecht nach  Gelegenheit  und  Anzahl  der  Pferdt,  so  jederzeit  in  onseim 
Stall  sein  werden,  also  dass  alweg  zu  Warttung  di'eyer  Pferdt  ein  Knecht 
sey,  die  den  grossen  Rossen  wol  warten  kflndten;  dieselben  sollen  dem 
Obr.  Stallmaister  und  wem  ers  weiter  undergibt  und  befilcht,  gehorsamb 
zu  sein  und  zu  jeder  Zeit  sich  nach  desselben  Befelch  halten,  alss  ge- 
treuen Stallknechten  zustehet  und  gebüi'et. 

32.  und  unser  Obr.  Stallmaister  soll  ernstlich  darob  sein,  damit 
durch  alle  obgenante  Ambtleüth  und  Diener  diser  unser  Ordnung  nach- 
gegangen und  darwider  nicht  gehandlot  werde;  wo  er  auch  für  sich  selbs 
ichtes  befundc,  dass  nach  ihm  dieselbe  zu  begreiffen  oder  zu  verändern 
vonnöthen  were,  dass  soll  er  zu  jederzeit  an  unss  gelangen  lassen,  damit 
hirinnen  Fürsehung  beschecben  müge. 

33.  Und  wan  sich  dan  begab,  dass  aller  obgemelten  Stall-Officir 
und  Diener  ainer  oder  mehi*  mit  anderen  unsers  Hoffgesindts  und  Diener 
ichtes  in  Uneinigkeit,  Widerwillen  oder  Bumor  kommen,  so  haben  wir 
unserm  Hoffmarschall  in  seiner  Instruction  auffgeleget  und  befolchen,  dass 


533 


er  diejenigen  Persohnen,  so  also  in  Unwillen  stehen,  för  sich  boschiiiden, 
mit  ihme  dem  Stallmaister  verhiJren  und  gebührlichen  Beschaidt  thue 
geben;  wo  aber  die  Sach  so  gefährlich,  i-umorisch  oder  villeicht  niaieliczisch 
sich  erzeagete,  die  keiner  Bttt  erleiden  möchte,  alssbalt  dieKeib  Personen 
in  frischer  That  durch  den  Uotfprofossen  annemmen  und  in  Verwahrung 
bringen,  und  folgents  an  iline  den  Stalimaister  gelangen  lassen,  und  also 
neben  ihme  yerhöreii  solle,  welches  wir  ihme  also  dessen  zum  Wissou  und 
sich  darnach  zu  richten  habe  hirmit  anzeigen  wollen. 

34.  Mehr  so  wrdlen  wir  auch,  dass  hinfüran,  wan  unser  Obr. 
Stalimaister  Schwachheit  oder  Geschafft  halben  seinem  Ainbth  nicht  vor- 
stehen kan,  dass  allwog  dcrjenig.  so  wir  dioweil  an  sein  Statt  verordnen 
werden,  die  Ordnung  mit  der  wöchentlichen  ordinari  und  extraordinari 
Baitung  Inhalt  disor  Instruction  alleriiiasi^cn,  als  ob  er  S(Hn>r  zugegen 
wer,  dieselbig  Zeit  hiuidlcn,  uiidorscbrcibi'U,  fcrttigi<n  und  durch  den 
Pnettermaister  oder  Fuetterschreiber  folgends,  wie  gebrefichig,  zu  ver- 
raiten,  überantwortten  lassen  solle;  und  demnach  haben  wir  auch  jezt 
gemaltem  B'uettorniaister  in  seiner  Instruction  aulTerlegt  und  eingepuiidten, 
dass  er  binfOran  alweg  zu  Ausgang  eines  joden  Monaths  sein  Ambts- 
raittung  übergeben,  und  dieselbe  bey  Rodirung  eines  Monytbssolils,  zum 
wenigsten  über  ein  halbes  Monath  dem  nechsten  darnach  folget,  nicht 
anstehen  lassen  solle,  im  Fall  aber  dass  der  Saumbsall  au  ihme  nicht 
erschine,  dass  er  solches  und  an  wem  es  gelegen  in  solcher  bestimhten 
Zeit  unserm  Obr.  Uoffuiaister  oder  Marschall  berichten  thu<s  damit  alssdan 
gegen  demselben  mit  Kodirung  angeregtes  Monathssolds  verfahren  werden 
mfige.  Darauff  weiss  er  unser  Stalimaister  mit  Ernst  zu  halten.  Und 
beschlOsslichen  wollen  wir  hiemit  alle  Zueständt  und  veimeinte  Gerechtig- 
keiten, deren  sich  unser  Stalhnaister  oder  seine  Underambtsleüth  von 
ihren  Ämbtern  nach  Gebranch  des  Niderländischen  Statts  behelffen  und 
zu  ihrem  Nucz  suchen  und  haben  wolten,  genczlich  autfgehebt  und  abgo- 
than  haben  und  wir  ihnen  jedes  Zugeben  gar  nicht  schuldig  oder  vor- 
banden sein. 

Geben. 


Beilage  9. 
Edelknabenordnung. ' 


1656,  23.  April. 


Demnach  ich  Franz  Graff  von  Harrach.  iler  Rom.  Kay.  Majostüt 
gehaimberRhattuundOl'rist-Stallmaister.  mitsouuderlichBrliefrembdlnus 


*  Faae.  34  des  gräQ.  Harnich'sclien  Arcliives. 


'534 


eine  Zeit  hero  verspüret,  dass  nicht  allain  die  althe  Regel  nicht  observirt, 
sonndern  uuiider  denen  jezigen  kuy.  Edlkniibeu  ganz  ungerüimbte  luso- 
lentien  unnd  MQssbrem'h,  bu  in  ullweg  zu  corrigiren  sein,  einschlichen, 
seze  nand  ordtne  deruwegen  auss  oberkheitlichem  Gewaltt,  dass  hinfiliv 
unnter  ermeldten  Knaben  bey  Verlieluiing  der  Rom.  Kays.  Majestät  aller- 
höchsten Gnadt  nachfolgende  Pancta  ad  notam  gehalten  nnud  ubserTirt 
werden  sollen. 

Zum  Ersten,  dass  sich  Jeder  nach  gewöhnlichem  Abendtgebctt, 
demselben  Alle  fleissig  beywnhneii  sollen,  nach  seinem  Bett  ohne  alleu 
Ktiaiur,  Lachen,  Geschwäz,  Hin-  uund  Widorwerffon  der  Sachen  still  zo 
Uuehe  begeben,  unnd  biss  widerumben  zu  morgigen  Aufstehens-Zeit 
Khainer  sich  bey  des  Anndei-n  Bett  blickhen,  auch  die  Thürn.  dass  zu  jeder 
Stuudt  der  Nacht- Hof maister  oder  Praeceptur  ihren  freyon  Eingang  haben 
khönnon,  offen  stehen  lassen  soll. 

Itatio  est,  dass  widrigen  Fahl  sye  ührsach  zu  underschidlichem 
Qebl,  absonnderüchen  zum  Spillen  unnd  annderu  Ungebdhrlichkheiten,  so 
bey  jungen  Lefithen  bald  geschuhcn  khan,  gewühnen. 

Zum  Andern,  soll  Kainem  an  frembdte  Oiih  zum  Essen  ausszu- 
guhen  erlaubet  sein,  es  were  dann  Sach,  dass  solche  Einladungen  vnu 
iloro  Eltern,  Geschwisstrigt  oder  negst  BefreQndten,  unnd  zwar  durch 
einen  dero  aigens  gescfaikhten  unnd  verthrautten  Diener  geschehe,  damit 
mann  versichert  seye,  das  ein  solcher  sich,  wie  es  dann  zum  öfftern  be- 
schechen,  nitt  anuderweHts  wendte,  welches  doch  selten  geschehen  soll. 

Zum  Dritten,  dass  Kainer  von  öffentlichen,  absonuderlich  Küixhon- 
diensten,  allwo  unnder  dorn  ganzen  Gottsdienst  Alle  an  ihr  deputirtee 
Orth  in  Angesicht  ihr«r  hohen  Obrigkheit,  wie  auch  Hofmaisters  unnd 
Praeceptoris  stehen,  fleissig  und  andächtig  eiufdndten,  und  nicht  ander 
wehrender  Zeit  von  einem  VVinckhl  in  den  anndern  oder  etwan  verdäch- 
tige Oiifh,  Süd:inii  auch  auf  Kuisen  von  dem  kay.  Leibwaagen  (bey  welchem 
sye  mit  sunderer  Aufmurksambkheit  allen  vorfallenden  Befelch  obser- 
viren  sollen)  sich  absentire;  und  da  ein  solcher  Yberthrotter  von  deru 
Hofmaister  iinnd  Prneceptore  vernierkht  wurde,  sollen  sye  bey  Verliehrui^ 
dero  Dienst  uund  kay.  allerhöchsten  Gnadt  nlssbaldt  bey  dero  hohen 
Obrigkheit  ein  solches  anzeigen,  soll  auch  dei jenige,  welcher  sich  von 
dem  Waagen  absentirt,  alsobaldten  von  dem  Beütten  abgesezet  werden. 

Batio  est,  dann  durch  disos  ihnen  die  Gelegenhait  dess  yberllüssi- 
gen  Dhuckhens,  schädlichen  Obst-Essens  unnd  mehror  nicht  rhuemblicher 
Sachen  abgeschnitten  wirdt. 

Zum  Viertten,  da  ainer  von  aincm  oder  anndern  Exercitio  woltt« 
oxempt  sein,  er  dessto  schärffer  zu  anndern  angehalten  werden  solle. 


535 


Ratio  est,  damit  nicht  bey  solclier  Nachsehting  aiuer  (nkr  andorur 
vurkhfirzt,  unnd  dardai'ch  in  deren  iiit  mehr  widerbriuglichea  Maossi- 
gaug  gesezt  werdte. 

Zaui  Fünffteu,  duss  Kainer  sich  uimdei'stebe,  von  ilu'er  bohen 
Obrigkheit  mündlidiu  Licenz  zn  begehrn,  wie  nicht  weniger  solle  dises 
auch  Tun  denen  g(>8ainbteu  Maisstern  unnd  Dienern  iu  Obacht  geuuinben 
werden,  sondern  sulleu  ihre  Notthurfften  durch  dero  vorgesezten  Hof- 
maister  anbringen  lassen. 

Ratio  est,  dann  ihnen  hierdurch  Anlass  geben  wurdte,  den  Hof- 
uiaister  in  allen  zu  praeterirn,  ihmo  auch  zoitlichen  den  Itespoct  zu 
nembeu. 

Zum  Sechsten,  dass  die  Fecht-,  Uanz-  unnd  anndere  Maistor  nach 
althem  Gebrauch  alle  Festäg  zu  des  Hofmaislers  dotormiuirter  Stiunit  sich 
in  der  Kuaben  Quarthier  einfüudten,  unnd  selbige  nach  Hof  oder  ilu'o 
hohe  Obrigkhaitten  bekhlayden. 

Ratio  est,  welches  dem  Enaaben  ihr  Ansehen,  höchstgedachter 
Obrigkheit  aber  die  Authoritet  augiren  wirdt. 

Zum  Sybenden,  dass  alle  Trinckhe-gesellschaffteu,  frembde  Gässts- 
Einladungen  völlig  cassirt  seye,  unnd  so  ainer  voller  Weins  betlu'otten 
wurde,  alssbaldten  zu  der  Executiou  der  hohen  Obrigkheiton  gofüchrt 
werden  solle. 

Ratio  est,  durch  dises  werden  alle  böse  Zusambenkunfften,  in  welchen 
manch  zächtiger  Knaab  äi'gerliche  Reden  hören  muess,  unnd  dann  das 
ungosundte  Vollthriukheu  abgestellt  wird. 

Zum  Achten,  dass  Kainer  sich,  es  seye  die  Hoffstatt  wo  sy  wolle, 
von  denn  andern  ohne  Licenz  des  Hofmaislers  oder  Praecoptoris,  noch 
weniger  ohne  Diener  absentire. 

Ratio  est,  durch  dises  ihnen  vill  Gelegenhaiten  ihrem  bösen  Muott- 
willen  oder  unerbahren  Schluffwinkhlen  nachzugehen  benomben  werdcu. 

Zum  Neündteu,  solle  weder  die  Wöscherin,  noch  deio  Menscher 
die  Wösch  bringen,  noch  abholien,  auch  sich  gahr  nie  in  der  kay.  Knaabcn 
Quarthier  fünden  lassen,  sonndcrn  derjenige  Diener,  welcher  den  Wochen- 
dieuat  hat,  solle  verbündten  sein,  die  salvo  honore  schwarze  hin,  unnd 
weisse  Wösch  hereinzutragen. 

Ratio  est,  dann  die  ungleiche  vei'fuehrerische  Weibsbildter  zu  Uuder- 

der  Enaabeu  unnder  einem  solchen  Vorwand  unnd  Occasion  Böses 
thueu,  herein  practiciru  khonnen. 

Zum  Zehendten,  dass  die  Diener  kainer  ohne  Erlaubuuss  doss  Hof- 
maistei'S  sich  von  aiuigem  Knaaben  ausser  dess  Hauses  im  geringsten 
äduckhen  lasse,  sich  von  ihnen  mit  Geldt  nicht  bestechen,  wie  auch  sye 


536 

selbst  ohne  besagte  Licenz  des  Hofmaisters  nicht  anssgehen,  widerigen 
Fahlss  dann  er  die  Anthoritet  haben  wirdt,  einen  solchen  XJngehorsambeii 
mit  Yorwissen  der  hohen  Obrigkheit  von  seinem  Dienste  sn  amoTim. 

Batio  est,  dass  os  nnnmehr  so  weith  khomben,  dass  die  Diener  sich 
understanden,  mit  ärgerlich-  nnnd  pocherischen  Wortten  den  Hofmaister 
anzngreiffen,  unnd  denen  Enaaben  mehrers  alss  erdenthem  HoAnaigter 
zu  parirn. 

Zum  Ailfften,  sollen  der  Hofmaister  nnndt  der  Praeceptor  bey  ob- 
angezogener  Straff  verpflichtet  sein,  dass  wann  anf  allen  vorfallenden 
kay .  Baisen  ainer  von  denen  Enaaben  sowohl  Mittags,  als  Nachts  nicht 
in  pnncto  umb  die  bestimbte  Zeit  sich  bey  Nidersezung  zu  der  Tafel  prae- 
sentirn,  sondern  nach  ihrem  Gebrauch  im  Frauenzimmer  oder  bey  etwan 
Anndern  ergriffen  wurde,  ohne  allen  Aufschub  einen  solchen  zu  der 
hohen  Obrigkheit  zu  führen. 

Batio  est,  wie  dann  under  solcher  Zeit  Ainer  oder  der  Anndere 
haimblich  in  dergleichen  Winkhlen  erdappt  worden. 

Zum  Zwölffton,  so  sollen  auch  alle  diejenige,  so  GewOhr  bey  sich 
haben,  es  seye  was  Nahmens  es  immer  wolle,  nach  althem  Gebranch  biss 
zu  ihrer  gebuehrendten  Ausmusterung  (unnd  zwar  dergestaldt,  dass  sye 
biss  in  puncto  der  Ausskhlaydung  allen  Regien,  wie  zuvor,  nachleben) 
solche  alsobaldten  dem  Hofmaister  in  seine  Verwahrang  lifern. 

Batio  est,  dieweillen  sye  unnder  einander  in  einer  Hizigkheit, 
welches  bey  ihnen  offt  beschehen,  einen  unwiderbringlichen  Schaden  can- 
siin  khönnen. 

ünnd  zum  Beschlnss  werdtet  ihr  Hoffmaister  i|ndt  Praeceptor 
solchem  offt  verstandtenen  einen  jezt  gleich  Aydtenspfiicht  mir  praestirn, 
disem  allem  fleissig  unnd  punctualmcnte  nachzukhomben. 

Zu  mehrer  Bekräfftigung  dessen  habe  ich  dises  mit  aigner  Handt 
nnnderschriben  unnd  mein  Sigill  dorffir  gethiuckht. 

Wien  den  23.  Aprilis  Anno  1656. 

Beilage  10. 

Instruction  and  Ordnung^ 

fiber  der  Böm.  Kay.  Mayt.  Edlknaben,  darzue  sye  von  beyden  ihren  fär- 
geseczten  Ober-  unnd  ünnder  Hofmeister  oder  Praeceptorem  alles  embsigen 


'  In  einer  20  Blätter  enthaltenden  Abschrift  aus  dem  17.  Jahrhundert  in 
dem  Fase  24  des  gr&fl.  Harrach'schen  Arohives. 


537 


Fleisses  angewiesen,  ermahnet,  auch  gueter  Vernunfft  unnd  Besch;üden- 
heit  nach  gehalten  sollen  werden,  als: 

ErBtlichr'n  sollen  die  Edlknaben  Alles  mit  Gutt  anfafann,  allosambt 
Morgens  unnd  Abents  zn  rechter  Zeit,  dass  ist  des  Morgens  umb  sibeu, 
des  Abents  zu  acht  Uhren  in  ihrem  Zimmer  zusambon  koiiirnen,  ihr  Gebott, 
wie  es  ihnen  befohlen  wird,  kniendts  in  Andacht  stille  unnd  zichtig  mit 
Munde  unnd  Herzpn  fiberliuit  verrichten,  und  under  dem  Gebett  nicht 
schwäczeu,  lachen  oder  Unzucht  treiben,  sondern  gottsförchtig  solches 
vollbringen  und  sich  dem  Allmächtigen  trewlich  befehlen;  dises  soll  gleich- 
falls, wan  sie  in  der  Kirchen  unnd  heym  Gottsdienst  seyn,  auch  beschobeu, 
neben  dem  hohen  Altar  allweil  utind  nicht  dahindeu  stehen,  noch  in  ilio 
Stell  der  Praelaten  sich  stellen  und  anlaiuen,  noch  mit  den  Armben  sich 
auf  das  Goländer  beyin  Altar  aufliegen,  sondern  fein  züchtig,  höflich  uud 
mit  aller  Ehrerbietung,  als  wann  sie  für  dem  Angesicht  Gottes  stuhnteu, 
sich  erzeigen,  under  dem  Gottsdienst  nicht  Ungeberdt  auf  einichorley 
Weise  treiben,  also  auch  bey  den  andern  Moessen  nicht  zu  hinderst, 
sondern  wol  hervorstehen,  ihr  Gebett  im  Buoch  oderEosariis  vollbringen, 
derowegen  ein  jedweder  sein  rieltbilchloin  oder  Rosarium  soll  bey  sich 
haben  undallweg  deren  eins  oder  des  andern  sich  mit  Andacht  gebrauchen. 
Bey  der  Pradig  sollen  sie  gleichfalls  fein  andächtig,  still  siezen  unnd  mit 
allem  Fleiss  zuehöreu,  Keiner  ohne  Vorwisson  oder  Willen  ihrem  Hof- 
maister  aus  der  Kirchen  gehen.  Unnd  welcher  disem  Punctcn  nicht  nach- 
leben wird,  soll  hüchlich  gestrafft  werden. 


Exercitium  pietatis. 

Es  sollen  auch  der  Edlknaben  Hof-  und  Zuchtmaister  darob  seyn, 
dass  sie  auch  im  Jahr  etlichmahl,  insonderheit  zu  den  hochen  Festen  als 
Weyhenachton,  Ostern,  Ptingsten,  Maria  Ilimmelfahii,  omniumSanctornm 
unnd,  wann  sie  Gott  eiinaiinet,  beichten  und  sich  speisen  lassen,  auch 
die  Fasttag  oder  Vigilias  fleissig  observiren,  sich  zu  der  Confession  und 
Commonion  wol  uud  christlich  praepariren,  nicht  darzue  und  dnrvon 
lauffeu,  wie  uubedächtige  Leuthe,  sondern  es  mit  grosser  Andacht  und 
Aufmercken  verrichten,  alle  Tag  Ihrer  Kay.  Mayt.  Meess,  oder  so  die 
nicht  publice  gelesen,  bey  den  Capucinern  umb  acht  Uhi*  hOren,  damit 
sie  zu  rechter  Zeit  daheinib  seyn  uniul  des  Studieren  abwarthen  können; 
yelche  Morgens  zum  lieitten  gehen  unnd  früher  aufi'stehen,  welches  soll 
im  Sommer  umb  4  unnd  des  Winters  umb  siben  Uhr  geschehen,  sollen 
ihre  Gebett  auch  fleissig  vollbringen,  uitwenigcr  auch  vor  uud  nach  dem 
Easen  ein  jedweder  vor  sich  selbst  betteu  uond  gegen  Gott  dauckbar  seyn, 


538 

nicht  in  die  Schüsseln  fahren  oder  von  dem  Tisch  auffstehen,  ehe  das 
Gobett  verricht  ist. 

Ihr  Auffstehen  und  Nidergehen  betreffent. 

Morgens  nach  sechs  Uhren  sollen  sie  alle  auffstehen,  sich  bald 
unnd  sauber  anlegen,  welche  aber  zum  Beitten  gehen,  allweg  nmb  die 
Zeit,  wie  Toi'gemelt,  wie  ihnen  dann  solches  den  Abeut  zuvor  von  den 
Bereittern  soll  angesagt  werden,  sich  hii-zu  beraiten  und  ihre  Sachen  mit 
dorn  Anlegen  so  anstellen,  damits  zu  rechter  Zeit  allerdings  ferttig  seyn. 
Es  soll  auch  sich  Keiner  fiber  die  Stundt  im  Beth  finden  lassen,  er  se; 
dan  nebl  auff  nnnd  kranck,  zu  der  Nacht  nmb  8  ühr  sollen  sie  abermallen 
in  ihre  Zimmer  zusambenkommen,  daselbst  ihr  Gebett  mit  Zucht  und 
hcrczlicher  Andacht  vollbringen  unnd  nach  Vollendung  dessen  sich  ab- 
ziehen lassen,  ein  Jeder  wider  in  sein  Böth,  darinnen  er  verordnet,  gehen, 
darinnen  bleiben,  still,  zQchtig,  auch  sauber  seyn  unnd  kein  Geschwäci 
oder  ungebflhrlich  Ding  vornemben  und  nach  neän  ühr  Keiner  mehr  auff- 
seyn  noch  brennendt  Liechter  haben. 


Das  Studieren  anlangendt. 

In  allweeg  aber  sollen  sie  fleissig  seyn  im  Studiren,  Morgens  eh 
sie  nach  Hof  gehen,  was  lesen  oder  die  Lection  anhören,  oder  sonst  was 
lehrnen  unnd  nach  der  Meess  (von  welcher  sie  sich  alssbald  in  ihr  Hauss 
begeben)  dem  Studieron  von  9  biss  auf  10  Uhr  embsig  abwarthen,  Nach- 
mittag von  1  Uhr  biss  auf  2  oder  solang  sye  ihre  Lection  recitirt  oder  damit 
fertig,  abermahlen  dem  Studiren  mit  Fleiss  obligen  nnd,  wass  ihnen  vor- 
gelesen, fleissig  annemmen,  lehrnen  und  behalten,  diesem  Studio  die 
ordentliche  Stundt  Alle  durchauss  in  ihrem  Zimmer  beyeinander,  sobald 
sie  darzue  berufft  oder  so  es  umb  die  angedeite  Zeit  ist,  verbleiben  unnd 
Keiner  nicht  vom  Studieren  gehen  ohne  sonder  erhebliche  Ursachen  und 
Erlaubnus,  auch  still  und  zichtig  seyn,  kein  Geschrey  anfahen  noch 
andere  Büberey,  damit  die  Andern  unverhindert  unnd  ihr  Praeceptor 
nicht  confundirt  werde.  Keiner  auch  ans  dem  Zimmer  oder  vom  Tisch 
weggehen,  biss  sie  alle  das  Studiren  vollbracht,  sollen  auch  den  Cathe- 
cissmos  neben  andern  fleissig  lehrnen  unnd  repetiren,  welche  aber  nicht 
studiren  wurden,  dei°en  wenig  unnd  billich  Keiner  sey,  soll  einen  we^ 
alss  den  andern  seyn  unnd  bleiben  unnd  Interim  was  nnczliches  unnd 
unärgerliches  lesen  oder  schreiben,  in  welchem  Schreiben  auch  alle  andere 
sich  üben  sollen. 


539 


Ihre  Exereitia. 


Morgents  soHfln  diejnnigon,  so  zum  Reittsa  verordnet,  mit  einandpr 
gehen  nnnd  nicht  (*iner  ror  der  ander  hernach,  unnd  darbey  biss  zur 
Moesa,  Winters  Zeit  biss  zxtm  Essen  aaf  dem  Tummelplacz  rerbleibpn 
nnnd  sonst  niergent  änderst  binreitten  oder  gehen  ohne  Erlaubnus  des 
Herrn  Obristen  Stallniaisters,  im  Beitten  fleissig  unnd  aufmercklich  seyn, 
auch  Achtung  auf  sich  geben,  dass  ihnen  kein  Schaden  widerfahre.  Nach 
dem  Essen  mögen  sie  zn  Zeiten,  doch  nicht  täglich,  sondern  wann  es  der 
Obriste  Stallmaister  bewilligt,  mit  den  Rossbereittern  in  dass  Fohlt 
spaziren  reitten,  oder  boy  einander  bleiben,  auch  sonderlich  ihre  Aufacht 
haben,  dass  sie  kein  Gottesdienst  als  Vesper,  oder  sonst  ihre  Dienst  nicht 
versaumben,  sondern  zu  rechter  Zeit  zur  Stelle  kommen.  Nach  dem  Easen 
ihre  Stnnden  von  zwelff  biss  auf  eins  in  der  Mnsica,  von  2  biss  auf  4  Uhr 
mitTanczen  und  Fechten,  Keiner  aussgeschlosBen,  fleissig  nnnd  ordentlich 
zuebringen,  so  bald  ihre  Lehrtnaister  kommen,  sich  in  das  Zimmer  oder 
Orth,  da  sie  ein  solches  lehrnen,  verfuegeuunad  nicht  von  einander  gehen, 
biss  die  bestimbte  Zeit  fflrüber  unnd  ob  sie  gleich  nicht  fochten,  doch 
darbey  bleiben  und  zusehen  unnd  nicht  aufhören,  wann  sie  wollen, 
sondern  ihre  Lehrmaistcr.  Am  Donnerstag  nnnd  Freytag  mögen  sie  in 
das  Ballhanss  geführt  worden,  daselbst  die  Ballen  unter  ihnen  selbst  oder 
mit  den  Herrn,  nnnd  nicht  schlechten  und  geringen  Leuthen  sehlagen, 
doch  nmb  kein  Geld,  sondern  allein  umb  die  Ballen,  wie  ihnen  dann 
ansserhalb  disem  unnd  dem  Schacht  alle  Eartten  unnd  Würtl'elspill  zum 
höchsten  verbotten  nnnd  abgestelt  seyn  sollen.  Welchen  aber  nicht  mit 
dem  Ballen  zu  spülen  gofellig,  die  mögen  sonst  zu  negst  des  Ballhauses 
ihre  Kurzweill  in  andereweege,  doch  ehrlich  und  leidenlich,  nlss  den  Stain 
stossen,  Stangen  werffen  oder  springen,  mit  Zucht  unnd  stille  treiben, 
daselbst  sich  zichtig  und  bescliaideniich  verhalten.  Es  soll  auch  Keinem 
aass  dem  Ballhauss  seines  Gefallens  weder  zn  Hauss  noch  anderswohin 
zn  gehen  ohne  Vorwissen  unnd  Willen  der  Hof-  und  Zuchtmaister  gestattet 
werden.  Sommers  Zeit  können  sie  nach  dem  Studieren  unter  Tags  uml 
nach  dem  Essen  zu  Zeiten  in  das  Fehlt  geführt  werden,  jedoch  dass  syc 
Alle  bey  einander  bleiben  und  nahent  bey  ihrem  Hofraaister,  ausserhalb 
der  Stadia  sollen  sie  sich  auch  im  Hanss  still  nnd  beschaidenlich  in 
Exercitiis  verhalten  unnd  kein  Geschroy  anheben,  dass  die  Nachbarn 
hören  nnnd  ärgerlich  darvon  reden.  Sie  sollen  auch  ihre  Conversationes 
mit  rechten  Leuthen  unnd  nicht  schlechten  Persohnen  haben  und  sich 
nicht  gesellen  zu  schlechten,  leichtferttigen  Gesflndl,  noch  mit  ihren 
geniain  machen,  darauf  die  Hofmaister  sonderlich  Acht  geben  sollen. 


540 


Von  ihren  Diensten  und  Aufwarthen. 

Morgens  vor  8  ühr,  oder  wann  sie  beschaiden  weiden,  sollen  sie 
nach  Hof  gehen,  Ihr  Kay.  Mayt.  in  und  auss  der  Meess  nnd  Kirchen 
belaitheu,  an  welchen  der  Dienst  mit  den  Wündtliccbtern  fieissig,  auif- 
merklich,  zichtig  unnd  guetter  Reverenz  diennen,  da  Ihre  Mayt.  publice 
essen  oder  sonst  andere  Fürsten  verbanden  unnd  ihnen  auffzuwartheii 
befohlon  wirdt.  dassolbig  mit  ihren  Libcreyen  und  Rfickcn  thun,  auch 
fleissig  und  züchtig  seyn  vor  der  Taffei  unnd  allenthalben  zu  HulT. 
sonderlich  in  der  Ritterstuben,  auss  welcher  sie  nicht  heranss  gehen 
sollen,  es  wurde  dann  ihnen  etwa.s  hinauss  zu  tragen  gegeben,  und  wann 
Ihre  Mayt.  spaczieren  roitton  oder  auf  die  Jagt  ziehen,  allweeg  die  Zween. 
die  denselbigeu  Tag  die  Wacht  haben,  oder  mit  den  Windliecht«ru  dienen. 
auBSgenommen  die  gar  Kleinen  oder  weme  es  der  Herr  Obriste  Stalluiaister 
befehlen  wurde,  mit  reitten  sidi  bald  ferttig  machen,  nacher  Hof  auf  den 
Klepper  koniinen,  daselbst  das  Felleis  unnd,  was  sie  sonst  zu  führen 
pflegen,  nemmen  unud  uahendt  hinter  Ihr  Mayt.  reitten,  auch  wass 
snnsten  die  Knaben  boiiürtftig,  alles  ferttig  haben  unnd  sich  Alle  gefast 
halten,  damit  sie  nicht  die  Lezten  seyn.  L'iiud  wann  Ihr  Mayt.  in  oder 
ausser  der  Kirchen  oder  sonst  spat  von  aussen  kommen,  allweeg  mit  vier 
Windliecbtern  leichten  und  sonsten  alle  Tag  dem  Herrn  Obristen  Stall- 
maister  zween  aufwai-then,  umb  halber  achte  in  sein  Losament  sich  ver- 
fuogi^n,  dünsrllinn  nach  Hof  «der  wohin  er  gehet  (es  wurde  dann  von  ihme 
abgcschafrt),  wie  auch  an  den  Feyr-  ami  Sonntagen  alle  miteinandiM 
Morgens  denselben  gen  Hof  und  widor  von  Hof  ablaitten  sollen. 


Von  ihrem  Aussgehen. 

Keiner  nnter  den  Bdlknabon  soll  auss  dem  Hauss  weder  von  nnd 
zu  Hauss  oder  andorstwohin  gehen  ohne  Vorwissen  nnd  Willen  ihrer 
Hofmaister,  sondern  sich  hirinnen  der  Hnfmaister  Anordnung,  die  die 
Zeit  am  besten  wissen,  gebrauchen  und  verhalten,  Aber  die  Gassen  sollen 
sie  alle.sanibt  mit  und  bey  einander  in  guetter  Ordnnng  allezeit  zween 
und  zween  beysamben  unnd  allweegen  die  Kleinsten  voran  gehen,  nit 
etliche,  wie  bisshcro  geschehen,  weith  vorhin  unnd  die  Andern  binden, 
also  auch  züchtig,  still  und  langsamb,  nicht  schreyen  und  lauffen,  Unzucht 
oder  auch  Ungrbordd  treiben  wie  unbesinnto  Lr^uthe.  auch  auf  ihr«  Hof- 
maister Achtung  geben,  damit  sie  ihnen  im  Gehen  gefolgen  könen  und 
bey  ihnen  verbleiben ;  da  ihnen  aber  vom  Herrn  Obristen  Stalimnister  zn 
ihren  BefroBndten  erlanbt  wurde,  sollen  sie  nicht  allein  gehen,  sondern 
ullwog  ihr  Zuchtmaistur  einer  oder  so  deren  Keiner  auss  erheblichen 


4 


541 

[Irsachen  nicht  abkommen  krmte,  doch  ihrer  Diener  einer  mit  ihnen  dahin 
gehen  unnd  bey  ihnen  verbleibon,  nicht  lang  sich  aufhalten,  daselbst  auch 
züchtig  seyn  und  bey  guetter  Tagszeit  sich  widin-umb  heimb  verfQegeu. 

Von  ihrem  Essen. 

Dil*  Knabim  sollen  sieb  auch  zn  rechtpr  Zeit  zu  der  Taffnl  verfflpgi<n, 
bey  derselben  oder  wo  sin  sonstpn  hinkommen  und  seyn  werden,  still 
und  zichtig  verhalten,  sauber  und  nicht  'in  vil  omcn  oder  trunken,  vil 
weniger  Jemanden,  er  sey  auch  wer  er  wolle,  mit  sich  darzue  nenimon  oder 
bringen  oder  laden,  sei  wol  auch  nach  der  Ordnung:,  wie  sie  zu  gehen 
pflegen,  siezen,  Keiner  von  Speiss  und  Tranckh  ohne  Wissf>nschafft  unmi 
Erlaubnoss  geroelter  Hofmaister  was  wegschicken,  auch  beym  Tisch  sich 
aller  nnnilczen,  unzüchtigen  unnd  ungebührlicher  Rede  unnd  unni'ithiges 
übriges  Geschwäzes  gänziich  endthalten;  da  sie  etwann  ihrer  Hcffroflndten 
einen  zu  der  Taffei  bitten  woHen,  soll  solches  mit  Bewilligung  ihrer 
Hofmaister  geschehen.  Es  sollen  auch  die  Hofmaister  selbst  keinf  gemeine 
Leuth,  Herrn-Diener  noch  Jungen,  wie  die  auch  seyn,  zu  der  Knaben 
Taffei  nicht  sezen  lassen  noch  selbst  laden,  TÜi  weniger  solches  den 
Knaben  gestatten  noch  zuelassen,  dass  sie  Jemanden  in  ihre  Taffelstuben 
nicht  ruefften,  von  der  Taffei  zu  essen  oder  zu  tröncken  geben,  Conver- 
sation  oder  Geschwätz  zu  halten. 

In  Krauckhotten  der  Edlknaben. 

Da  auch  einer  kranck  were  oder  sonsten  einen  Schaden  empfangen, 
soll  ers  alssbald  dem  Hofmaister  anzeigen,  damit  die  notliweiidige  Ver- 
ordnung des  Doctors  und  Barbierers  geschehen  könne,  wass  üinen  dann 
nch  von  einem  oder  dem  andern  Arzt  aufferlegt  wird,  demselben  fleigsig 
Ittchkommen,  und  da  die  Krancklieit  etwa  gefährlich,  sich  bald  mit  Gott 
nnserm  Herrn  providiren,  auch  die  Kranckheit  und  Schäden  nit  mueth- 
willig  verursachen. 

Von  der  Liberey. 

Die  Liberey  unnd  ihre  Klayder  Bollen  sie  sauber  halten  und,  wan  sie 
Hof  gehen,  sowohl  am  Wcrcktag,  alss  auch  am  Sontug  unnd  Feyer- 
tagon  in  der  Kirchen  die  sammete  R<>ckhel  tragen,  die  Zeit,  wann  sie  zum 
Reitten  oder  Spazieren  gehen,  damit  sie  deren  desto  mehr  verschonen. 
ihre  corduwanische  GöUer,  die  ihnen  darumb  gemacht  werden,  unlegen. 
sonderlich  Fleiss  anwenden,  wann  sie  vor  Ihr  Mayt.  diennen,  dass  ihre 
Klayder  sauber  unnd  ganz  seyn,  auch  im  wenigsten  nichts  von  der  Liberey, 
weil  es  dem  Hofmaister  (wie  von  altershem  bräuchig)  gehört,  sowol  auch 


542 


sonst  von  ihren  andern  Klaydern  weder  den  Eossbereittern  noch  Jemand 
andern,  wer  er  sey,  ohne  Bewilligung  gedachtes  Hofmaisters,  welcher 
ein  Inventarium  der  Elayder  haben  soll,  was  hinwegschencknn.  Sie  sollen 
auch  allesambt  under  einander  fridlich  leben,  ainig  und  vertrewlich  seyn, 
mit  einander  nicht  schlagen  oder  ranffen,  sonder  einander  wieBrfleder  und 
liebe  Frcündt,  und  nicht  wie  Thicr  tractiron,  nicht  einander  injariren 
mit  verlozlichen  Worten  noch  einigen  Handtscherz  treiben,  daraus  aller- 
handt  Schaden  nnd  Erbitterung  endtstehet,  vill  weniger  fluchen,  schweren. 
scholti>n  nJpr  Gott  vergebentlich  in  Mund  nemmen  und  lästom,  oder 
sonstcn  unnucze,  schändliche,  böse  Ucion  und  Gonversationes  halten. 
noch  ärgerliche  Gemahl,  Büchsen,  Wöhren  weder  heimblich  noch  öffentlich 
haben,  noch  gebrauchen  unnd  durchaiiss  keinen  Hund,  Tauben  noch  ßoss 
halten,  ihre  Diener  mit  keinen  PettschalTten  weder  hin  noch  her  schicken 
ohne  Vorwissen  des  Hüfmuisters,  noch  heimblich  Geschwäz  mit  ihnen 
haben,  dieselben  auch  nicht  fibel  tractiren  oder  schlagen,  sondern  da 
ihnen  von  denselben  nicht  geacbiecht,  was  hillicb,  sich  bey  dem  Hof- 
maistftr  beklagen,  fürni'mblich  aber  den  Über-  und  Under  Hofmaister  oder 
Pranceptorem  in  allen  Ehren  und  Bespect  halten,  wie  sich  es  dann  gebflhrt, 
ihre  Ermahnungen,  Wahrnungon  und  Geheiss  gnetwillig  anneramen,  unnd 
da  der  Ober-Hofmaister  nicht  vorbanden,  den  Unterhofraaister  darfiir 
erkennen  und  halten,  und  dem  mit  allem  Fleiss  nachkommen,  was  sie 
von  ihnen  geheissen  und  wnziie  sie  gewisen  werden,  und  dem  Praeceptori. 
was  er  ihnen  vorlfsen,  zeigen  unnd  underweisen  wird,  dasselbig  mit  Fleiss 
anhören,  vernommen  und  behalten  und  sie  nicht  verachten,  verspotten  oder 
böse  Wort  geben,  villweniger  sonsten  Qbol  oder  ungebührlich  antwortt«n 
oder  scbimpfflich  tractiren  weder  mit  Worten.  Geberden  oder  Wercken. 

Es  sollen  auch  gleichfals  beede  Hofmaister  und  Praeceptores  den 
Knaben  gleicbfahls  allen  gebflbrlichen  Bespect  erzeigen,  sie  nicht  ohne 
Ursach  übel  tractiren,  noch  sie  Schelmen,  Diebe,  Hurenkinder  o<lor  der- 
gleichen (wie  etliche  ungehobelte  Bachanten  im  Brauch  haben)  schelten, 
sondern  ihnen  mit  guetten  Ezempeln  fürgehen,  sie  in  keinerley  Weiss 
ärgern  weder  mit  Worten  noch  mit  Wercken,  ein  züchtiges,  erbares  Leben 
und  Wandel  führen;  da  es  sich  aber  begeben  wurde,  dass  die  Knaben  dem 
Hofmaister  und  Praeceptori  nicht  folgen  oder  ihre  trewe  Erinnerung  bey 
ihne  nicht  stath  funde,  sondern  sich  denen  widersezen,  böse  Wort  geben, 
in  Wind  schlagen  und  für  nicht  halten  wolten,  sollen  sie,  nach  dem  sie 
•»inmahl  oder  zway  dessen  erinnert,  dorn  Herrn  Obristen  Stallmaister 
solches  anzaigen,  insonderheit  da  etwas  hochstratTmässiges  fürfuelle, 
nicht  laug  verbaUen  oder  dissimiiliien,  sondern  laut  oflenbaren,  damit 
die  Notturtlt  vorgenommen  worden  möchte. 


543 


Ober  welche  jezt  erzeltc  Ordnang  unnd  was  eonsten  zu  guetter 
Zucht  und  Erziehung  der  Knaben  gehöi-t,  es  steho  in  disor  Instruction 
oder  nicht,  beedo  Hofmaister  stät  und  fost  halten  sollen,  dass  denselben 
in  allen  und  jeden  Puncten  unverbrüchlich  uiuid  unverweisslicb  nach- 
gelobt werde;  damit  aber  der  Herr  Obristo  Stallmeister  nicht  so  otft 
mollestirt  unnd  behelligt  werde,  sollten  hinfüran  dieselbigen,  so  dieser 
In!»tmction  nicht  nachleben,  von  den  Hofmaister  auft'genierckt  unnd  alle 
Sambstag  wolgedachtem  Herrn  Obristen  Stallmaistor  ihre  dofeclus  unnd 

ten  schrifftlich  vorgebracht  werden. 


Beilage  11. 


1694,  9.  Novembor,  Wien. 
Instruction  für  den  ObriitJägfermüiter  in  Steyer.* 


Erstlichen,  solle  er  Obrist-Jägermaister,  wo  uit  Selbsten,  wenigist 
doch  dnrch  dessen  unterhabenten  Forstniaister  mit  Zueziehung  der  be- 
nöthigten  Jägerey-Pershonnen  Unsere  in  Steier  ligende  Porst-  und  Wil- 
päan,  wo  nicht  jedes,  doch  nach  Vertiiessung  zwiiy-  oder  drey  Jahren 
bereidteu  lassen,  folgents  ein-  unndt  auderseitbs,  so  zu  Bewahr-  und 
HögTing  ünsserer  Willpaan  verordnet  seiu,  von  dennenselben  die  fleissige 
Nachricht  einziehen,  auch  andern  OrUicii.  wie  es  die  Gelegenheitl  geben 
wirdt,  die  nothwendige  Erforschung  undt  Erkhiudigung  thuen,  wie  in 
ÜDsern  Willpäänen,  Forst  und  Gcjaidern  gebaust  unndt  gehandlet  werde, 
unnd  in  Fahl  Beschwäningen,  Mäiigl  undt  Gebrechen  oblisuiden,  so  Dnss 
an  Unsern  Forst-  und  Wildpünnen  unndt  wass  deme  anhengig  zu  Nachtl 
undt  Schaden  auch  Verwüstung  geraichen  thetten,  unndt  Unsere  Forst- 
Mttstcr  unndt  Jäger  sollcbes  ihrer  Pflicht  nach  nicht  verhiettot  noch  ab- 
gestölt  betten,  oder  für  sich  Selbsten  nicht  hfittun  wunden  können  mich 
mögen,  so  solle  er  Obrist-Jägermaister  dem  nach  mit  allen  Fli-iss  unndt 
Ernst  darob  sein  undt  verfuegen,  damit  solche  Unordnungen  unndt  Ein- 
griff nottnrftiglich  abgowendt  unndt  abgestfilt  werden,  wie  sollcbes  zu 
Erhalt-,  Bewahr-  tinuiit  Hüguug  unserer  Forst-Wildpäan  unndt  landts- 
fürstlicbeu  Gejadern  für  das  nuzlichisU>  unndt  nach  deuncn  Umbständen 
am  besten  angesehen  sein  wirdt.  Zum  Fahl  abt^r  ihuir  Unsern  Obristen 
Jigennaistcrn  in  Sachen  zu  Zeitten  etwas  zu  schwär  fahlen  möchte,  so 
für  sich  Selbsten  von  dortans  nit  zn  remedirn  wäre,  sollchcs  solle  allzeitt 
ganz  furderlich  hey  Unsern  I.  ö.  Hof-Cammor  (von  wellcher  Unser  jezig- 


'  Die    IiMtniction    iat  entbalteu    im    Fase.  A.  87   des  grKfl.   Harrach'schen 
Archive«. 
Arthif    LXXXVII.  Bd    n   Hilfl«.  36 


544 


und  khOnfftig«!'  Obrist-Jiigcrmaiater  in  Steuer  ihr  Dependenz  haben  andt 
deroselben  Ober  eio  Obrist-Jägennaister  unndt  das  Jägerey-Weesg«n  in 
Steuer,  so  lang  wier  khcin  anders  verordnen  oder  khein  Landtsfürst  io 
Landt  sich  befindet,  die  Ober-Inspection  gebühren  und  dahuro  auch  sye 
Obrist-Jägermaistev  von  ihre  Unserer  I.  ö.  Cammer  der  Jäge>rey  Torge- 
sUilt,  hingegen  aber  ihme  Obristen-Jägormaisti-r  dasjenige,  was  dcinselb4>n 
von  Bechtswog  zuständig  und  pro  reputatione  officii  et  deoore  familiae 
gereichet,  «ingeranmbt  unndt  gelassen  werden  solle)  angebracht,  und  di« 
gobOhrnnii«  Assistenz  unndt  Remedirung  angesucht  worden. 

Unndt  wann  Andfrtons  ihme  Obrist-Jägormaistern  von  dennen 
For8tniaistcrn,.Tägorn,Jngfr- unndt  Forstknechten  d(>rgleichen  Persobnen 
angoziügt  wurdon,  die  Ilnss  an  Unsern  Hoheithen.  Wildpäänen,  Forst- 
undt  Wildt.[iriidt-  iiud  Ki'isgejadern,  wie  auch  Waldungen,  Gehfllz,  Auen 
uniH  Wiliiprädt-Wässen  Schaden,  Nachthoilkeitcn  oder  Eingriff  gcüiao 
hettcn,  so  solle  er  sich  auf  sollche  Anzaigungen,  in  Sachen  umb  desto 
sich<irer  zu  gchi-n.  auch  bey  aniiorn  unndt  der  Jägerey  nit  incorporirten 
unndt  auBWfiidigen  Pei'sohni'n  dcssoii  erkhundigon  unndt  in  sichere  Er- 
fahrnheitt  bringen,  ob  sollches  wahr  seye  oder  nit?  undt  so  ehr  aolche 
Misshandlungen,  Schäden  undt  Verbrechen  wahr  zu  sein  befindet,  solle 
er  selbe  Porsohuen,  soferen  »iie  Burger-  undt  Pauerslaith  seind,  durch 
ihno  Furgtmaistor  unndt  seine  Instruction  gemäss  citirn  nnndt  die  er- 
fordernde  Verhandlungen  unndt  gebührendte  Straff  ffirnehmben  lassen, 
wann  sye  iiber  von  flpistlichi'n,  oder  vou  Uerru-  undt  Landtleuthen,  auch 
Ritter  undt  Adlstandt,  Verwaldern  unndt  dei-gleichen  wäi'en,  sollen  die 
gewöhnliche  Zueschreiben  boschechon  unndt  die  Satisfaction  begehrt 
werden,  in  casu  renitentiae  aber  solle  er  Obrist-.Tägcruiaister  sollches 
Unserer  I.  Ö.  Hofcammer  alsobaldon  ordentlich  unzaigen,  welcher 
Sachen  schon  recht  wirdet  zu  thuen  wissen. 

So  vernehmben  WOr  auch  Drittens  glaubwördig,  wie  dass  etItcS 
Unsere  Vasallen  von  geist-  und  weltlichen  Stand,  wo  nit  WildprSdt- 
Schflzen  halten,  doch  selbigen  ünterschlaiff  geben  sollen,  unangeseben 
dass  wir  sollclios  durch  olTtormalilige  oft'ene  General-  undt  Mandat  hiebe- 
vorn  zu  mehrmahlen  verbieten  lassen;  dieweillon  Uns  nun  aber  sollcbc^ 
ferers  zu  gedulten  keineswegs  gemainet,  als  ist  Unser  ernstlicher  Befelch, 
das  er  0  brist- Jägennaister  in  dofectn  Unserer  Forstmaister  undt  Jiger 
anwententen  Flciss  auch  selbsten  sich  deijeuigon,  so  dissem  Uusem 
gnedigisten  Befelch  zuwider  handien,  auf  alleweis  erkhundige  unndt  darob 
seye,  damit  dergleichen  WildprädtschOtzen  undt  üntorschlaiffgeber  ohne 
Verzug  abgestfilt  niind  sollche  Delinc|uonten  secunduui  delicti  qnalitatem 
bey  dennen  Forstämbtern  gebühi-ent  abgestrafft  weiden. 


646 


S()  eraignet  es  sich  aber  auch  VierteiiB  zuweillen,  dass  die  in  Ver> 
jb&fft  gezogene  WildprätschQzen  unndt  dergleicheD  Delinquenten  von 
I  keinen  Mitten  uundt  nur  arme  Leütb  seind,  in  aolcben  Fahl  unndt  wan 
,sye  ihr  verwirkhte  Straff  deuuen  Furstmaister  in  Gelt  zu  erlegen  uit  ver- 
:tnögent  sein,  wollen  und  befelheu  Wür  geuedigist,  dass  Bullche  Über- 
(tretter  sich  mit  dem  Forstniaister  wenigist  unib  die  Azung  vui-gleichen 
ronnd  bezahlen,  folgents  aber  zu  Uuseru  Gupeüou,  Stattgräben  udor  der- 
gleichen wenig  oiior  mehr  Wochen  und  Zeith  nach  Beschaffenheitt  des 
'  Terbrechens  zu  arbeiten  verschafft  unnd  wüi'khtich  angehalten,  entlich 
i  woil  auch,  zum  Fahl  die  Misshaudlungen  zum  öffteru  geschehen  oder  so 
»groas  wt»ren,  auf  otlich  Meill  Woogs  von  Uusern  Forst-  unndt  Wildpäänen 
iTerstoBsen  werden  sollen;  casu  quo  aber  der  Delinquent  auch  die  Äzungs- 
lünkhossten  zu  bezahlen  wiüi<i>utlich  nit  haken  solte,  er  destwegen  mit 
(  desto  grösserer  Straft'  belegt,  iluhingegeu  aber  dergleichen  Leuth  nicht  su 
'lang  mit  dem  Kerkher  und  Geföngnus  gepfrengt  unndt  darinnen  aufge- 
i halten,  noch  vill  weniger  mit  ihnen  also  rigoros  unndt  criminaliter  pro- 
'  cediert,  dass  sollcbe  ohnedeme  arme  Persohuen  nach  ansgestandtenen 
onndt  erlasseneu  Arrest  zu  ihrer  Uandtarbcith  unndt  dardurch  suchenter 
{täglicher  Nahrung  ganz  untichtig  gemacht  unnd  deetituii-t,  sondern  ihnen 
.  der  Process  forderlich  gemacht  unnd  sye  mit  der  vordienten  wQrkhLichen 
Bestraffung  belegt  werden. 

Damit  nun  zum  Füntfteu  gloichmessig  allenthalben  durch  Unsere 

I  Forstmaister,  Jäger,  Forst-  und  Jägwrkuucht,  auch  andere  untergebene 

I  Jägerey-Persohnen,  darunter  auch  Unsere  Otter-  und  Biber-Jäger  ver- 

I  standen  sein  sollen,  ihre  Ämbter  und  aufhabentv  Dienst  desto  besser  ob- 

(Servii't  undt  ihrer  Schuldigkhcitt  nachgelebt  werde,  so  solle  mehr  besagter 

f  Unser  Obrist-Jägermaister  darauf  sein  wachtsambes  Aug  tragen,  auch 

i  nit  unterlassen,  jezuwcillen  sowüll  hoy  deunen  iucorporirten  Jägerey-,  als 

'anderen  negst  umbligendeii  Fersohnen  unnd  Partheyen  sich  zu  erkhun- 

fdigen,  wie  Unsere  Jägereybeambte  uund  Bedionti;  sich  mit  Verseh-,  Hey- 

i  unndt  Bedienung  Unserer  Fürst,  VVildprüt-  und  Gejaidern  verhaldten,  ob 

<sye  ihren  Dienst  gebflhrent  obligen  und  aufwaiien?  ob  nit  Jemanden  von 

I  ihnen  vergönnt  uaud  haimblich  zuegelasscn  werde,  Wild  zu  fohlen,  wie 

■  BoUches  dann  zum  öffdern  wirkhlichen  stratTwiirdig  brschehen  sein  solle, 

ob  sye  Gelt  dammben  nemben?  oder  s}'e  seibsten  dergestalten  handleten? 

oder  sich  auch  in  anderweg  ungebrihrlich  hielten,  wie  zumablen  auch 

glaabwilrdig  fürkhomben,  dass  die  untergebene  Jäger-  unndt  Forstknecht 

thails  Pauern  und  Untertbanon,  welche  sonstcn  ins  Jagen  zu  schickhen 

ficbnldig,  dessen  zu  befreyen  und  dieselben  hingegen  mit  einer  gewissen 

Gelt-Anlaag  unndt  andern  dergleichen  Beschwornussen  zu  belegen  and 

3D» 


546 


von  ihnen  abzufordern  Bicb  unterstehen,  wardarch  die  Andern  nmb  desto 
mehrere  graviert  und  beschwert  werden.  Alss  befelchen  Wür  gleich- 
messig,  duss  disses  auf  alle  weiss  abgestClt  werden  und  er  Obrist-Jä£(!t- 
maister  mithin  der  Ursach  willen  auf  sollche,  auch  alle  andere  dergleichen 
von  ihnen  Jägerey-Persohueu  verOebende  Hissbreuch  und  Excess  in 
genere  fieissige  Obsicht  tragen  solle. 

Dnndt  sofern  nun  für  das  Sechste  bey  Ein-  oder  Andern  soUche^ 
ei-funden  oder  auch  warvon  dennen  Forstmaistern,  Hoff-Jägem,  Forst- 
unndt  Jäger-Knechten  unndt  was  der  Jägoroy  incorporiert.  die  wissent- 
lichen Übertretter  unndt  Delinquenten  nit  angezaigt,  vertuscht,  ver- 
schwigen  oder  von  ihnen  selbsten  in  Unssern  WildpSänen-  und  Forsten 
Schaden  gethan  iinnd  änderst  als  ihr  Instruction  und  Schuldigkbeitt  er- 
fordert, gehandlet  wurde,  dessen  er  Obrist-Jägermaister  dan,  wie  obstehet, 
sonderlich  bey  andern  auswendigen  Persohneu  und  Partheyen  sich  unter 
der  Hand  za  erkhundigen  wissen  wird,  in  sollchen  Fahl  RoUe  er  gegen 
dennen  Verbrechern,  wan  sye  Forstknecht  und  dergleichen  Bediente  sein, 
wie  oben  von  dennen  Bürgern  und  l'iiuei-sleOthen  gemeldet  ist,  handlen 
lassen,  wan  sie  aber  Forstroaister  weren,  solle  er  soUches  Verbrechen 
nach  Beschaflfeuheit  der  Sachen  sambt  seinen  änibtlichen  Guetbedunckhen. 
was  zu  thueu  oder  fOr  eine  Straff  gegen  dieselbe  fflrzunemben  sein  möchtr, 
Unserer  I.  Ö.  Hofcammer  zu  Vorkherung  des  weidtorn  und  darüber  erwir- 
tender  Verbschaidung  forderlich  berichten. 

Nacbdeme  sich  Sibontens  in  der  Ei-fahreuhoit  zaigot.  dus  in 
Unsern  Fürst-  undt  Horzogthumb  Steuer,  alwo  Wür  Unsere  Forst-  and 
Wildpäaneii  haben,  zu  denen  nit  geringen  Abbruch  und  Schaden  die 
Waldt-  und  Bohfllzungen  sehr  abgemaisst,  ausgehackht  und  abgeMi-t 
worden,  alls  wollen  wier  erstlich,  dass  auf  dieselbe,  boforderist  aber  auf 
alle  Unsere  aigene  Forsthölzer,  Wälder,  Schachen  und  Auen  ein  flebaig« 
Reobacht-  und  Aiifsehung  durch  die  Wald-  und  Forstmaister.  oder  so 
sonsten  darauf  bestelt  sein,  getragen  und  mit  allen  Ernst  verfüegt  werdr. 
damit  sollche  nit  abgeödet,  geschwend.  noch  unzimblicherwois  vorderist 
an  denen  guethen  Orthen  nnd  Wildprädtständeu  ausgehackht,  verwistot 
noch  verderblich  gemacht,  fürnemblich  aber  disser  Punct  von  Unserem 
Obr.  J&germaister  wohl  beobachtet  werde,  auf  dass  doi'sclbe  bey  Unsern 
Forst-  und  Waldmaister  darob  sein  solle,  damit  alle  Holz-  Verschwent- 
und  Verwiostiing  allersoiths,  zumahlen  in  Unsern  aigenen  Waldungen 
und  Wildprätständen  dergleichen  Schädlichkeiten  fleissigist  verhiettet. 
noch  vill  weniger  aber  dei'gleicben  straffwQrdig-aigennnzige  Anmassongen 
von  ihnen  Forst-  uniid  Waldmaister  selbsten  vt-rüebt  unnd  da  zum  Fahl 
dergleichen    Obei-trettangou   von   ihnen   bescbechen   möchten,    sollche« 


547 


Unserer  Hoff-Cummer  respectii  Unserer  aigenen  Waldungen  zur  gezim- 
bendeu  Hestraffuug  angezaigt  werden  sollen. 

Gleichmessigen  Verstand  hat  es  Acbtens  mit  dem  Roth-  und 
schwanen  Wildprüt,  dass  weillon  wir  thails  Unsere  daselbst  in  Steuer 
ligende  Forst  und  Wildpä&n  cum  reservato  porpetnu  reluitionis  jiu'e 
TcrkhaofTt  and  sollch«  nbzulössen  sich  die  Zeith  eraignen  möchte,  und 
dahcro  ganz  biliich,  da,st<  sullchu  ebnormassen  in  guetem  Stand  crbaiden 
und  durch  die  Kaulls-Partheyon  zuwider  der  wissentlichen  Waidmaus- 
Ordnnng  unnd  zaelüssigen  Gebrauch  nit  ausgeödet  werden,  wordurcli 
zugleich  unsere  negst  anrainendo  noch  wenig  reservierdto  landtsfürstlichu 
Forst  und  Wildpä&n  wegen  Ein-  und  Herwechsluug,  auch  ungewrdinlichor 
Föhlung  des  Qewilds  in  ebenmässigcn  Ruin  und  Schaden  geratheu 
mAesson,  dergleichen  unbofuegt  als  jäperisch  unzeitigos  excessive  Wild- 
präth-Pürsteu  und  Fohlen  abgestölt  unnd  mit  sollchen  Wildpäänen  waid- 
maniscb  und  verandtwortlich  gehandlet  werde.  Als  wirdet  er  Obrist- 
iJü^pnaister  hierauf  nit  weniger  sein  wachtsambes  Äug  zu  tragen,  die 
«imftwende  Partheyen  von  sollchen  Excessen  und  Uubefuegnussen  zeit- 
lichen zu  dehortiern  und  abzuhalten,  in  verspQhrender  Continuatiou 
dessen  aber  sein  weitheres  n-fagiuni  pro  necessaria  assistentia  zu  Uusserer 
I.  0.  Hoff-Cammer  zu  nehmben  wissen. 

Neuntens,  solle  Unser  Obrist-Jägermaister  allen  unnd  jeden  Unsern 
Forstmaistern  befelchen  und  auferlegen,  dass  sye  weder  Forstknecht  noch 
andere  Jägerspersohiien  in  die  Pflicht  an-  und  aufnembon,  weder  selbe 
beschwüren,  noch  von  ihren  Diensten  Verstössen,  es  geschehe  dan  mit 
ünsers  Ob.  Jägermaisters  Vorwissen  unndt  Einwilligung,  auch  ange- 
zaigten  genuegsambou  Ursachen. 

Zehentens,  wo  Jügers-Persobnon  verbanden  wären,  welche  sye  auch 
sein  mögen,  wie  auch  bey  Veränderung  derer  Dienste,  von  dennenselben 
solle  er  Ob.  Jägennaister  in  ünsorn  Nambon  Pflicht  und  Ayd  aufneliraben 
und  empfangen,  und  wo  dieselben  oder  andere  in  der  Jägerstaat-  unnd 
i^hlungsroll  begriffene  Persohnen  zu  statlicher  Veriicbtuug  ihi-es  Dienst 
nit  Befelch-  und  Instniction  geuuegsamb  hetten,  so  solle  er  Unser  Obrist- 
Jägermaister  die  Notbturfft  erwegen  unndt  bodoukhon  unnd,  was  nuzlicli 
unnd  guetb  sein  wirdet,  ihnen  dasselbe  aubefelcbeii  unudt  daneben  auch 
einbinden,  wo  ihnen  was  vorkhomboii  wurdte,  so  ünss  an  Unsern  Hoch- 
heiten. Wildpaan,  Gämbs-  und  Ueisgejadern,  Forsten,  Waldungen,  Ge- 
hälzon,  Wissen  und  Auen  zu  Schaden  raichou  möchte,  dass  sye  sollches 
keineswegs  verschweigen,  sondern  ohne  Vei-zug  es  Unserm  Forstmaister 
»nzeigen.  wellcher  es  sodan  weither  ihme  Unserm  Obrist-Jägermaister  zu 
hinterbringen  schuldig  unud  verbunden  ^oin  solle. 


548 


Änbelangent  aber  ÄylfTtenB  die  J&gerey-Dienst-Erseznngen,  soll«  «r 
Unser  Obr.  Jägermaister  den  Tottfahl  der  Forst-,  Wald-  nnd  KiedenuiaiiHer. 
wie  Blich  Huff-Jägern,  anzaig'en,  und  neben  seinem  Bericht  nnndt  rät- 
licben  Guetachten  zu  Unserer  I.  <V  HofTcammer  erstatten,  dieselbe  aber  die 
Notturfft  der  bisherigen  Observanz  gemäss  femer  an  Unns  mit  räthlichen 
Gaetachten  trelangen  zu  lassen,  und  folglich  ihme  Obrist-Jägermaist« 
Unserer  geschöpfften  gnedigsten  Resolution  zu  verbschaiden  wissen. 

Nachdeme  auch  fDrs  ZwOlffte  etliche  Landtlenth  unnd  Geistlich» 
roth-  und  schwarz  Wildprädt,  so  von  Unss  mit  keinen  Wildpaan  befreye» 
oder  wo  auch  JemandtH  neben  Unsem  Wildpaan  zu  jagen  berechtiget 
wcre,  aldort  aber  einzujagen  nnd  die  limites  zn  flberachreiten  sich  unter- 
standten  hette,  solle  er  Obr.  J&germaister  sollches  Unserer  HofTcammer 
nmbstendiglicbintimieren,  wellche  die  Edierung  dess  titulo  unnd  habendeo 
juris  von  dergleichen  Partheyen  schon  zu  begehren  und  hierüber  daM_ 
Gehörige  weithers  vorzukheren  wissen  wirdt. 

So  haben  Wir  auch  Dreyzehentes  gennegsarabe  Erfahrung. 
Unser  Forst  und  Gehillz  zu  nnd  nmb  tobi  Unsern  Wildpäänen  nicht  tti 
klainen  Abbruch  und  Nachthail  sehr  abgemaisst  nnd  gendet  werden,  dero- 
halben  Wir  dan  wollen,  dass  er  Unser  Obr.  Jägermaister  auf  dieselben 
in  Sonderheit  auch  alle  andere  Unsser  Forsthölzer,  Wälder  unnd  Auen 
sein  fleissige  Achtung  iinndt  Aufsehen  haben  nnd  mit  allem  Fleis  ver- 
fliegen und  darob  sein,  damit  die  nit  geödet,  geschwent,  noch  nnzimb- 
lichermassen  an  denen  gueten  Wildprätständen  die  Orth  verschlagen  noch 
die  Wechsel  des  Wildpräts  verfehlt,  warbey  Wir  aber  gleichwollen  in  so 
weith  allergnedigist  verordnen  und  zulassen,  dass  die  Zefln  zu  Ver- 
waliniug  der  Panerschafft  ihrer  Hunhgriindi  also  moderiert  und  anfgefibrt 
werden  mügen  unmi  sollen,  damit  hierdurch  kheine  Wildpräth-Beschä- 
dignng  verursachet  werden  möge,  und  weilten 

Vierzehentens.  ihme  Obrist-J.lgerraaister  selbst  wohl  bekhandlich 
ist,  wass  massen  die  WöltT,  Lux  nnndt  Bern  in  villweog  beschwärlicb 
und  nachtheillig  soindt,  derohalben  soll  er  auf  alle  Weiss  dahin  trachtoi 
unnd  Verfuogung  thnen,  dass  sowohl  Winters-  als  Sommers-Zeitten  mit 
Anlegung  der  Stachl  nnd  dergleichen  gobreuchiger  Instrumenten,  nicht 
weniger  auf  Desuechung  deren  Geschleitf  sollchen  alt-  und  jungen 
schadh<itTtigon  Thirn  nit  allein  in  Unsem  Wildpäänen  und  territorüs 
von  Unaern  Jägern,  sondern  auch  in  allen  andern  Orthen,  auch  Purckb- 
und  Landtgerichtern  von  andern  Jägerpersohaon  selbigen  als  landtscbäii- 
lichen  Thieren  möglichst  nachgestölt,  anch  gefangen,  vertriben  and  aas- 
getilgt werden  mögen  und  sollen,  wie  er  Obrist-Jägermaister  es  dan  wohl 
zn  thnen  wais;  unndt  ist 


549 


zum  Fünffzebenton  Duser  giiedigister  Befelcfa.  dass  or  ObriBt-JAgor- 
maister  die  Veroniuung  thuo  und  Tsrfaege,  dnmit  uicbt  ullein  die  grosse 
Psioru-Uuiidt  uud  Kioden,  sondern  auch  iill  aiidero  h<ddento,  scliadtiialT- 
tige  und  dein  Gewili  nachsozende  Hiim!,  wan  sollclic  in  Verfolg-  und 
Nüchsezung  des  Wiltpräts  würkhlich  ertappet  werden,  alsobalden  abgo- 
thin  oder  gelembot  worden  sollen,    ündt  zum  Paiil  Wir 

Sechszehutona  in  Unsern  noch  aigontluimblieh  innen  habenden 
FCrst«n  einige  Landtgejaider  ansagen  uud  halten  zu  lassen,  allergnedigttt 
reiolviren  möchten,  so  solle  or  Obrist-Jägermaister  damahlen  dahin  ge- 
dacht sein,  das8  sollche  specialiter  im  Ej'ssenärzt-,  Enns-  uund  Palten- 
thill  oder  auch  Virtl  Zilly,  ziimahleu  Wier,  wie  obgodacht,  unsere  mehriste 
Fömt  in  Untersteyer  keuftiichen  ausgelassen,  füi'genomben  uud  angestelt 
weiden. 

Belangent  Sibenzebenteus  den  Obrist-Jägcrmaisteriscben  Ambts- 
Scbieiber  oder  Seuretarinm,  dicwcillen  befindlich,  dass  seine  Unsere  Ob. 
Jäg(rraai»<ters  Antecessores  die  Befiieguis  gehabt,  dieselben  nach  Belieben 
unnu  Belindcn  Selbsten  aiifzunembun,  also  khan  es  bey  solcher  Observanz 
auch  iuskOnfftig  bey  berührter  Secrotariats-Erlediguug  (znmahlen  Wir 
deu  jeigen  Secretari  Wolff  Simon  Khnopff  zu  dessen  continiiirenden  Ver- 
ricbtuig  ad  dies  vitao  gnedigist  selbst  conlirmiert),  jedoch  dergestalt  sein 
Verbleben  haben,  dass  hienae  jederzeitt  wohl  tauglich  nnndt  qnalificierto 
Persohieu,  welche  yber  alle  fürfallende  Amtshandlungen,  actiones,  vcnti- 
lierendeStroittigkheitton  und  Vorrichtungen  ein  ordentlich  unnd  ausfuhr- 
liches PotbücoU  zu  führen,  wie  dau  h  parte  alle  solche  Acta  und  Uuud- 
luugen,  «  der  Obrist-Jägermaisterischen  Cauzley  quocunque  modo  an- 
hongig  ii  ein  sonderbahr  haldentes  Expeditbuoch  oder  ßeportorinm  zu 
allmahlig  .ezt  unndt  khunfftiger  guetter  Nachricht  registriert  und  ein- 
getragen md  hierdurch  Allee  in  bestendige  guetto  Ordnung  gestölt  und 
arbalten  w<-de  aufgenohmbeii  werden  sollen,  massen  dan  zu  dessen 
würckhlichei  Vollziehung  offt  gedacht  Unssor  Obrist-Jägermaister  hieniuf 
sein  stethes  rachtsamb  Aug  zu  tragen  haben,  zu  dissem  Ende  auch  alle 
Icho  Canzle_.Schi'ifften,  Acta  und  Anihtbueclier  an  einem  sichern  Orth 
ond  Zimerl  (dsrumbcn  er  Unser  Obrist-Jägermaister  bey  Unserer  I.  Ö, 
Hoffcamraer  eicufehouimen  wissen  wirdet)  gebührent  verwahrt  uud  also 
(wie  obgedacht,  alle  Handlungen  und  Acta  in  gueter  Ordnung  uund 
Kichtigkheitt  erhiten  worden. 

Zum  Achtzheuten  befolchen  Wier  ferrers  gnedigist  nnnd  ernst- 
lichen, dass  Unsace  Forstmaister  von  ihren  Ämbtern  ohne  Licenz  Unser 
Jägeimaister  auf  cn  lange  Zeit,  be forderist  aber  ausser  Lamlts  nicht 
abraissen,  auch  ihun  ohu  ehehafite  Ursach  die  Licenz  nit  ertlieülen. 


W  taii 


650 


sondern  vill  mehrers  dahin  anweissen,  dass  sie  persöhnlich  bey  ihrta 
Ämbtern  verbleiben  nnd  selbigen  embsi^  und  treulich  vorstehen  solkn 

Neunzehentens,  die  Befuognus  der  jährlichen  Wildprats-Austhul- 
lung  antor  Unsere  drinige  Räthe  unnd  Ofßcier  anbelangeut,  obzwar,  m 
hiervon  nach  Lauth  nud  Inhalt  Unserer  gnedigist  ergangenen  Resolutbu 
unter  dato  3.  Mai  des  entwichenen  li57ö'"  Jahres,  aus  damahls  vor  ml 
angebrachten  Ursachen  auf  den  damahlig  neu  resoivierten  Cammerpratsi- 
denten  selbige  gnedigist  tninsferiert,  so  wollen  Wir  aber  aaiezo  solid)« 
Befuegnns  der  jährlichen  Wildpräts-Austhaillung  (so  vill  die  gewöhnlidit 
Ordinari-Vertliiüllung  unter  Unsere  I.  0.  Rätho  unndt  Officier  betrfft 
und  gegen  allmahliger  von  Unserer  I.  Ö.  HofTcanimcr  Ober  erholte  Wid- 
prüt-  nnrl  Dcputat-Verthailliing  abforderonde  speciflcicrte  Verzaichnifi) 
auf  das  Übrist-Jäffernmister-Auibt  widerumben  remittiert  haben  Betef- 
fent  aber  das  schwarze  Wildprät,  wellches,  wan  es  etwan  in  ünsern  lOch 
reservierten  wenigen  aigcnthumblichen  Wildpäänen  so  hciiftig  iber 
Uandten  nemben  solle  und  desto  wegen  ainiges  Gejud  fürzukern  undjtw« 
ein  Anzahl  dess  besagten  ilberdissigon  schwarzen  Wildprätbs  zu  fihlsD 
für  nothwendig  crfnndnn  wurte,  auf  sollchen  Fahl  er  Obrist-Jägernwster 
wegen  dessen  Vertbeillung  bey  niehrbesagter  Unserer  drinigen  Hoff- 
cammer  sich  Bescbaids  orhoUen  solle. 

Nichtweniger  auch  zum  Zwainzigisten  die  Besoldung  bereffeut, 
obwolcn  zwar  vor  dissen  die  GrafTen  von  Thannhauson  die  Auäahlung 
derselben  gehabt  haben,  nuib  dass  aber  von  der  .lägurey  unter&hidlicbe 
Beschwärden  and  Klagen  fürkhomben  und  der  Ursach  willen  ihnei  üraffeo 
von  Tliannhaiissen  krafft  ergangener  gnedigsten  Hesointion  de  dato 
20.  Julii  1637  benoniben  und  an  Unsere  I.  Ö.  Uoffcammer  tr-nsferiert. 
folgcnts  von  doi-t  aus  der  Jäger-Staat  ansgezahlet  worden,  so  (rollen  Wir 
demnach  aus  ein-  und  anderer  Ursach  bewogen,  dass  der  vouin  practi- 
cierte  modus  respectu  der  Auszahlung  deren  Besoldungen  (»Is  wellcher 
der  Zeit  nnd  jnxta  modernnm  statiim  Unsers  drinigen  Jfkgf^taat«  ohui' 
das  auf  kein  sonder  hoches  quantum  sich  belauffot)  widerumon  in  vorigen 
Standt  gesezt  und  sollchc  Auszahlung  ünserm  Obr.  Jägenaister  gnedi- 
gist anverthrauUi  haben  der  Gestalten,  dass  er  Obrist<-Jägennaister 
die  erforderliche  Besoldungs-Golder  gegen  seiner  Qaittv>g  uns  Unserm 
I.  ö.  Hoffpfenning-Ambt  quatemberlich  erheben  ui«  soUche  ihnen 
Jägerey-Persohnen  uudt  Bedienten  jedesmahls  richtigarlegeu  und  sich 
hingegen  auch  von  ihnen  Jägerey-Persohnen  dem  alte  bisherigon  modo 
nach  quittiren  lassen  und  dorselbon  Quittungen  mit  «iner  dahin  in  be- 
sagtes Unser  Pfenning -Am bt  hineiugogebeueu  Inte(0i8qiiittuug  guotter 
Ordnang  und  Richtigkheitt  halben  zu  verwechslon  bissen  mfige,  dahin 


I 


«51 


^§ren  Wir  ihne  Obrist-Jageimaister  auch  sein  Doputat-Wildprät,  Holz- 
gelt,  Wissen  und  was  deme  sonst  anhengig  ist,  dem  nltcn  Hcrkomlicu 
gemess,  gnedigst  geniessen  lassen  wollen. 

Damit  aber  fürs  Ain-  und  Zwainzigisto  ins  künfftig  Unser  Obrist 
>llrb-Landt-.Jägerinaister  in  Steuer  wissen,  was  fdr  ein  Juramcnt  ej  ubzu* 
legen,  als  haben  Wir  gnedigist  resolvirt,  dass  selbiges  disser  Instruction 
inseriert  werden  solle  folgenden  Inhaldts. 

Ayds-Kotl. 

Ihr  werdet  angeloben  vind  schwären  zu  Gott  tind  aikm  Iloilligon. 
dass  ihr  dem  alleninrchloüchtigisten,  grossmächtigibton  und  uunborwind- 
lichsten  Fürsten  und  Heim,  Herrn  Leopolden,  erwehlten  Romischen 
Kaysser,  auch  zu  Hungarn  und  Behaimb  Xönig.  Erz-herzogen  zu  Öster- 
reich, ünserm  allergnedigisten  Uerru  und  dcroselben  Erben  getreu,  ge- 
hursamb  und  gewärtig  sein  wollet,  dem  euch  anvertrauten  Obi'isten-Jäger- 
maister-Dienst,  wie  euch  die  desswegen  zuestollende  Instruction  aufer- 
legt, von  Zeit  zu  Zeith  gebührlich,  getreu-  und  gehorsamb  auswarten, 
höchst  ernennt  Ihrer  Kays.  Majestät  Befelch  und  Veriudnung  zu  jeder 
Zeith  gehorsamben,  die  kayserlichen  Wildpäan,  so  vill  möglich  und  an 
euch  sein  wirdet,  schuzen  undt  dawou  nichts  entziehen  lassen,  noch  vill 
weniger  sotlches  für  euch  selbst  thuen.  auf  die  euch  untergebene  Jägerey- 
Persohnen  eaer  fleissiges  Anfmerckhcn,  damit  dieselbe  ihren  Dienst  und 
Verrichtungen  ohne  Klag  auswarthen,  halten  und,  so  sich  zwigclion  donnen 
selben  und  andern  Zwispaldt  erregen,  gleiches  Kocht  füren,  darineii  gegen 
dem  Aimen  als  dem  Reichen,  auch  den  Reichen  als  den  Armen,  gebührlich 
bandlen  und  Keinem  nicht  Widriges  verstatten,  und  Alles  das,  was  aller- 
höchst ernennt  Ihrer  Kay.  Mt.  zu  Gueten  und  zu  Nuzen  khomben  solle, 
bcsstens  Vermögens  thuen  und  handien  wollet,  wie  ihr  soliches  gegen 
Gott  nnndt  eueren  Herrn  unnd  Landtfürsten  verandtwortcn  könnet. 

Wellches  jeder  Zeith  vor  Unserer  I.  Ö.  ßeg.  unnd  Cammer  ab- 
zulegcD. 

Beschliosslichen  soll  er  Unsser  Obrist-Jägermaister  sich  in  allen 
instroirtermassen  gellissen,  emssig  undt  zum  treulichisten  orzaigen  und 
halten,  wie  Wir  dan  nit  zweirtlen  und  in  ihme  dass  gnedigiste  Vertrauen 
Bezen.  Unnd  ob  Wier  zwar  auch  ihme  Olirist-Jägermaistpr  in  Steuer  in 
vill  mehr  weeg  (wie  es  nehmblicb  mit  Ansag  uuudt  Schickhung  in  Unser 
landtsfiirstlicho  Jagen  bey  Änsbleib  unndt  Verwaigerung  dessen  mit  denen 
sowohl  dits  Orths,  als  anderseitliigeu  Wildprät-Strafl'en.  in  Cilier-  und 
Apprehendiernng  der  Wildprätschiixen    unndt  deren  Complicium  unndt 


interessierten,  auch  anterschidlichen  Fohlen  und  anderen  Bttgebenheitca 
in  Jägereysaclien  gehalten  und  observiert  werden  solle)  wnitleüffignr 
punctatim  zu  instniiren  betten,  so  finden  Wür  doch,  soUcbes  umb  dereut- 
willen  für  nnnöthig  unnd  öberflQssig,  alldiewoillen  alle  dergleichen  io 
dem  Jägerey-Weessen  inehrers  erforderliche  Puncta,  Observationes,  auch 
Kegl  und  Ordnungen,  wie  es  mit  ünsern  Forst-Wildpäanon  uund  Jägons- 
gerccbtigkhoilt  zu  halten  ist,  in  der  Unseru  Forstinaister  erth.ülten 
Instniction,  ja  auch  in  Sachen  zu  mehrmahlen  in  Unseren  ausgangenen 
scharffen  Generalien  und  Mandaten  ausführlichen  inseriert,  ausgeführt 
und  vorgeacbrübou  seiut,  in  wcUchen  er  Obrist-J%onnaistcr  sich  d&o 
auch  zu  ersehen  hat  und  dahin  angehalten  wirdt,  dass  er  seinerseiths  üb 
solcli  ausgeförtigten  Foretmaisterischeu  Instruction  und  öffters  erfrisch 
Jägerey-Guneralieu  halten,  selbige  uanutenireu  und  also  Unserer  lan 
fürstliche  Regalien  nnudt  Jägerey-Hohheiten  in  Steuer  nach  seinem  bestteo 
Vermögen  conservieren  und  in  guettem  Standt  erbalten,  und  was  er  seinen 
Krätt'teu  und  Vermögen  nach  zu  Verhiettung  Schadens  unndt  Nnchtbeils 
nit  wendten  unnd  vom  Ambt  aus  selbsteu  nicht  abstöUeu  kau,  sollcbes 
neben  Annectierung  seines  ämbtlicbou  Guetbedunkhens  zu  Vorkhenmg 
des  weitheren  an  Unser  I.  0.  Hoffcammer,  an  die  er  ohne  dass  mit  der 
Dependenz  gewissen  ist,  gelangen  lassen,  und  seine  woithere  NotturtTt 
daselbst  pro  eiigentia  rei  et  causae  verhandlen,  wie  znmahlen  aber  eine 
ausführliche  Relation  von  dem  Stand  der  Jägerey,  auch  was  für  Excessen 
füi'gangen  nud  was  etwo  abzustellen  oder  zu  verbessern  sein  möchte,  von 
Jahr  zu  Jahr  tleissig  eingeben  solle  als  khann,  wellcher  Uns  zum  Fahl 
selbe  deunen  beschehcnden  schä<1lichen  Eingriffen  znofüegenden  Wild- 
paans-  and  WalJungüschäden  und  dergleichen  Inconvenientien  zn  steuern, 
auch  selbsteu  durch  ihre  etwo  aigeiie  habende  Mittl-  und  Compellierungen. 
ja  cammerprocuratorische  Actionen  und  Conventiouen  wider  die  renitent- 
und  widersezliche  Partheyen  nichts  vermöchte,  schon  der  fernere  Vertrag 
7,n  nottürlTtig-  und  gebührendten  Qemedierung  auch  gnodigsten  Reso- 
lution bescheheu  wirdet. 

Geben  in  Unserer  Statt  Wieuu  den  9.  Novembris  in  sechzehn- 
hundert  vier  und  neuuzigisten,  Uunsoror  Reiche  des  Römischeu  im  siben- 
(ind  drcyssigiston,  des  Uungarischen  im  vierzigiston  und  desBöhaimischeo 
in  neun-  and  dreyssigisten  Jahr. 


Leopoldt. 

Julius  Prid.  Gf.  Wuzeleny. 


Ad  raandatum  S.  C.  M.  proprium: 
Job.  Theo,  von  Weissuuberg. 


553 


Beilage   12. 

Eidesformeln. 
Archibnsier. 

Ihr  wurdet  golobon  uuud  schwcreu,  dem  allordurchleüchtii^steii,  Lliin- 
serm  allorgnedigsten  Hoirii  ti'Pii,  geborsainb  iiimd  gewerttig  zu  soiu,  Ibrer 
Kays.  May.  Nutz  unm!  Froiiiineu  lurdiMn,  Nacbthcil  uuud  Schilden  über 
zu  w.iranen  unnd  zu  wunden,  unnd  insonderheit  alss  ihr  zu  Ihr  Kays.  May. 
Archibusier  unnd  Diener  angenommen,  demselben  Dienst  mitt  treuem, 
höchstem  Fleiss  aufzuwartteu,  unnd  Ihr  May.  über  Landt,  auf  Gas.sen 
unnd  Herberg  mitt  euren  gewöhnlichen  Waffen  unnd  Wehren  mittreitteu, 
auch  Tag  unnd  Nachtwacht,  unnd  wass  euch  sonst  zu  Zeitten  von  wogen 
Ihrer  May.  durch  eueru  verordneten  Hanbtman  oder  Leuteiiandt  ange- 
sagt unnd  befohlen  wirdt,  demselben  mitt  Gehorsamb  nacherzukhomnien. 
unud  vollziehen  wollet,  auch  sonst  thuen  unnd  handien,  wie  einem  from- 
men, aufrichten  Archibusier  iiiiiid  Diener,  der  seinem  Herrn  mitt  AydLs- 
ptlicbt  verwandt  ist,  gebüehit  unnd  zustehet.  Alles  treulich  unnd  ohne 
Gefehrde. 

Leibweschin. 

Ihr  werdet  geloben  unnd  schwehren,  dem  allerdurehleüchtigsten, 
Unnsenn  allergnedigsten  Hen'u  treu,  gehorsamb  unnd  Kß'^'oi'ttiB  ^^  ''•^ii, 
Ihrer  Kays.  May.  Nutz  unnd  Frommen  fiirdern,  Schaden  imud  Nachtheil 
zu  warnnen  unnd  zu  wenden,  Ihrer  Kays.  May.  Hembter  unnd  Leibgewandt, 
30  für  Ihr  Kays.  May.  gehört,  durch  die  Camnierdioner,  die  solches  unnder 
Händen  haben  unnd  zu  waschen  geben,  mitt  aigen  Händen  waschen 
unnd  zusammenlegen,  Niemandt  Frcmbden  damittumbgehen  lassen,  wohl- 
verwahrt truckhnen  unnd  damitt  selbst  gen  Hof  gehen,  unnd  nach  der 
Zahl,  wie  Ihrs  von  dem  Cammerdiener  empfangen  habt,  also  ohne  Abgang 
widcrumb  überantwurttcu,  iiiind  sonsten  Alles  das  thuon  unnd  handien 
wollet,  das  einer  getreuen  Leibwäschin  bcy  Ehr  unnd  Aydt  zu  thuen  ge- 
bflert  unnd  zustehet,  getreulich  unnd  ohn  Gefchre. 


Hofcontralor. 

Ihr  werdet  geloben  unnd  schweren,  dem  allordurchlcOchtigsten, 
Unnserm  allergnedigsten  Herrn  treu,  gehorsamb  unnd  gewerttig  zu  sein. 
Ihrer  Kays.  May.  Nutz  unnd  Frommen  zu  fördern.  Nachtheil  unnd  Scha- 
den warnnen  nnnd  zu  wenden,  unnd  sonderlich  alss  Ihr  Kays.  May.  nun 


554 

zn  ihrem  Hof-Contralohr  gnedigist  verordnet  nnnd  befQrdert,  uand  eoch 
derohalben  ein  Instruction  nnnd  Ordnung,  wie  ihr  solch  Ambt  Terrichten 
sollet,  znegestellt  werden  solle,  das  ihr  denselben  mitt  allem  höchsten 
Flciss  unnd  guetem  Aufmerkhen  wOllet  nachkhommen,  anch  zn  jeder  ge- 
wöhnlichen Zeitt  zu  Enchen,  Keller,  Ziergaden,  Tafeln,  Liecht-Cammer, 
Stall  unnd  auf  Wägen,  Fuhr  nnnd  SchifTung,  wer  dieselben  bestelt,  euer 
Heissiges  Aufsehen  haben,  damit  Ihrer  Kay.  May.  in  denselben  Ämptem 
vorschwendtlich,  nachtheilig  unnd  zu  Schaden  nichts  gehandlet  werde, 
wann  unnd  so  offt  Jemandt  von  Ihrer  Kays.  May.  Hofgesindt,  hohes  oder 
uidern  Standts,  von  Hofe  verraisen  würde,  alssdann  daranf  euer  fleissiges 
Aufmerckhen  haben,  wann  der  oder  dieselben  widerumb  ankhommen, 
solches  ileissig  verzeichnen  unnd  aufmerckhen,  den  Hof-  unnd  Eriegs- 
zahlmaister  dessen  erindern,  damit  wegen  ihrer  Absent  der  Hofbesoldnng 
halben  von  Ihrer  Kays.  May.  oder  deroselben  Obersten  Hofmaister  Be- 
schaidt  genommen,  unnd  derselben  Befelch  unnd  Ordnung  nach  (Inhalt 
anfgerichten  Hofstatts)  desto  ileissiger  nachgelebt  werde,  wass  auch  sonst 
durch  den  Obersten  Hofmaister  oder  Vicehofmaister  in  Namen  Ihrer  Kays. 
May.  euch  würdet  befohlen,  demselben  sollet  ihr  Gehorsamb  laisten,  so 
wohl  wie  ihr  auch  auf  den  Baissen  unnd  in  Herbergen  mitt  dem  Letz- 
gelt unnd  andern  angeschafften  Verehrungen  euch  sollet  verbalten,  von 
ihnen  jederzeit  Beschaidt  nemmen,  über  das  auch  sonsten  nnnd  nach 
Inhalt  gedachter  Instruction  Alles  anders  thuen  unnd  handien,  was  einem 
getreuen  Diener  seinem  Herrn  bey  Aydt  und  Pflicht  zu  thuen  schuldig 
unnd  verbunden  ist,  und  sich  im  selben  von  Niemandt  verhindern  lassen, 
alles  treulich  unnd  ohne  Gefehrde. 

Summelier. 

Ihr  werdet  geloben  unnd  schweren,  dem  allerdurchleflchtigsten, 
Uanserm  allei-gnedigsten  Herrn  treu,  gehorsamb  unnd  gewerttig  zu  sein, 
Ihrer  Kays.  May.  Nutz  unnd  Frommen  fflrdern,  Nachtheil  zn  wamnen 
unnd  zu  wenden,  unnd  sonderlich  das  Summelior-Ambt,  darzu  ihr  jetx 
bestcttigt  werdet,  vermög  euer  Instruction,  die  euch  hernach  zuegestelt 
werden  solle,  mitt  getreuem  Fleiss  unnd  Sorg  zu  versehen,  der  Kays.  May. 
Mundtranck  unnd  Brodt  in  fleissiger,  sorgfeltiger,  treuer  Huet  zu  haben 
unnd  zu  verwahren,  auch  wass  euch  sonst  durch  der  Kays.  May.  Kuchel- 
maister  unnd  Contralohr,  auf  welche  ihr  euern  billichen  Respect  haben 
sollet,  in  Ihrer  Kays.  May.  Namen  befohlen  wirdt,  treulich  verrichten, 
auch  sonst  Alles  das  thuen  unnd  handien,  das  einem  getreuen  Diener 
unnd  Summelier  gegen  seinem  Herrn  bey  Ehr  unnd  Aydts-Pflichten  in 
thuen  gebüehrt  unnd  zustehet,  alles  treulich  unnd  ohn  Oefehrde. 


555 


Kachelschreibei 


Nachdem  die  Rom.  Kays.  May.  ünnser  allei^nodigster  Herr  euch 
zu  Ihrem  Kuchelschreiber  allergnedigst  an-  unnd  aufgenommen,  so  sollet 
ihr  darauf  angloben  unnd  schweren,  Ihrer  Kays.  May.  treu,  holdt  unnd 
gewerttig  zu  sein,  deroselben  Nutz,  Frommen  unnd  Bestes  zu  betrachten, 
suchen  unnd  zu  fürdorn,  entgegen  Schaden  unnd  Nachtbeil  nach  allem 
euerra  Vermögen  zu  warnnen,  wenden  unnd  zu  verbieten  unud,  nachdem 
euch  Ihr  Kays.  May.  zum  Kucholschroiberdienst  gst.  befördern,  so  sollet 
ihr  euemi  Ambt  nach  Innlialt  euerer  Instruction,  welche  euch  hernach 
zoegestelt  werden  wirdt,  mitt  KhaufTen,  auch  Empfang  unud  Äussgeben 
desB  Gelts  treulich,  crbarlich  unnd  redlich  handien,  von  solcher  Handlung 
aber  rechte  ordentliche  Tagzettet  von  euer  aigenen  Uandt  schreiben,  dem 
Herrn  Kuchelmaister  unud  Huf-Cuutrahlorn  äberantwortten  unnd  zue- 
stellen,  sonst  auch  wass  euch  gedachter  Herr  Kuchelmaister  unnd  Hof- 
Contralor,  vorab  aber  Ihrer  Kays.  May.  Oberster-  oder  Vicehofmaistei-  feror 
jederzeit  nach  fürfallonder  Uelegenheit  zue  Ihrer  Kays.  May.  NotturlTt  be- 
fehlen würden,  oha  alle  Verwaigerung  gehorsamblich  verrichten  unnd 
bandlen,  in  Allem,  was  seinem  Herrn  ein  treuer  Diener  unnd  Kuchel- 
schreiber bey  Ehr  unnd  Aydtsjtflichten  zue  thuen  schuldig  unud  verbunden 
ist.  Alles  treulich  ohne  Gefehre. 


Muadbeekh. 

Ihr  werdet  gelobten  unnd  schweren,  dem  allerdurchleQchtigsten. 
Unnscrm  allergnedigst.en  Herrn  treu,  gehnrsamb  unnd  gewerttig  zu  sein, 
Ihrer  Kays.  May.  Nutz  unnd  Frommen  fürdern,  Nachtheil  unnd  Schaden 
warnnen  unnd  zu  wenden,  unnd  sonderlich  alss  Ihrer  Kays.  May.  Mundt- 
beckh  das  Brott  nach  höchstem  Fieiss  unnd  Fursichtigkheit  selbst  eigener 
Person,  unnd  dasselbe  kbeincm  Diener  vertrauen,  auch  zue  demselben 
Gebeckh  allweeg  von  dem  allerbesten  Waitzen.  das  schöniste  unnd  saii- 
beriste  Meel  bey  einem  vertrauten  MOllcr  gemiiblen  beraitten  lassen,  das- 
selbe auf  den  Baissen  unnd  Stillagern  in  einem  verwahrten  Gefes  sauber 
bebalten,  unnd  Ihr  May.  Mundtbrott.  welches  Mundtbrott  nach  Gelegen- 
heit der  Wohlfeile  unnd  Tournng  doss  Weitzes  durch  den  Hof-Conlrahlor, 
ao  offt  es  die  NotturlTt  erfordert,  taxiert  werden,  dossgleichen  sollet  ihr 
auch  alles  ander  Brodt  in  dem  Hofkheller  laut  dess  Sumnieliers  schrifft- 
lichen  Instruction  unnd  der  allhieigen  Statt  unnd  auch  au  der  wöchent- 
lichen Stattordnang  unnd  anderer  Ortten,  alda  Ihr  May.  ihr  Uoä%er 
kbOnfftig  haben  möchte,  nach  der  Zahl  unud  dem  rechten  Gewicht  über- 
antwurtten,  unnd  sonst  Alles  das  thuen  unnd  handien  wollet,  das  eineui 


556 

getreuen  unnd  floissigen  Mundtbeckhen  seinem  Herrn  bey  Ehr  annd 
Aydtspflichten  zu  thuen  gebflehrt  unnd  zustehet,  getreulich  unnd  ohn 
Gefehrde. 

Einkhauffer. 

Ihr  werdet  geloben  unnd  schweren,  dem  allerdurchleflchtigst«), 
Uunserm  allergnedigsten  Herrn,  treu,  gehorsamb  unnd  gewerttig  zu  sein, 
Ihrer  Kays.  May.  Nutz  unnd  Fi-ommen  fürdern,  Nachtheil  unnd  Schaden 
abei'  warnnen  unnd  wenden,  unnd  nachdem  Ihr  Kays.  May.  ench  zu  ihrem 
Einkhauffer  gnedigist  befürdei-t,  so  sollet  ihr  euer  Ambt  handlen  nach 
Innhalt  der  Instruction,  so  euch  hernach  zuegestelt  werden  solle,  unnd 
wass  euch  Ihr  Kays.  May.  Enchelmaister  unnd  Hof-Contralohr,  beronb 
aber  Ihr  Kays.  May.  Obrister-Hofmaister  ferer  darfleber  zu  khauffen  er- 
fragen, dieselben  ausskhosten,  hierfieber  berichten  unnd  nach  Befindong 
auch  weitterer  Verordnung  dieselben  erheben,  wass  man  von  einer  Zeit 
zur  andern  begehren  wirdt,  sauber  unnd  fleissig  abziehen,  wohlverwahrter 
aufheben  unnd  nach  Ihrer  Kays.  May.  Hofe  befördern,  auch  alle  ein- 
gebrachte Wein  nach  der  Visier  unnd  was  auf  die  FflU  unnd  ins  Ge- 
leger gangen  oder  wer  dieselben  hinverwendet  ordentlich  verraitten  unnd 
sonsten  Alles  das  thuen  unnd  venichten,  wass  einem  getrenen  Keller- 
maister  unnd  Diener  gegen  seinem  Herrn  seiner  Pflicht  nach  aignet  unnd 
gebüehrt.  Alles  treulich,  gehorsamblich  unnd  ohn  Gefehrde. 

Zuschrötter. 

Ihr  werdet  geloben  unnd  schweren,  dem  allerdurchleflchtigsten, 
Uunserm  allergnedigsten  Herrn,  treu,  gehorsamb  unnd  gewerttig  zu  sein, 
Ihrer  Kays.  May.  Nutz  unnd  Frommen  zu  fürdern,  Schaden  aber  unnd 
Nachtheil  zu  warnnen  unnd  zu  wenden,  unnd  alss  Ihrer  Kays.  May.  Za> 
schrötter  Alles  das,  so  euch  durch  den  Herrn  Kuchelmaister,  Contralohr 
unnd  Kuchelschreiber  von  Ambtwegen  auferlegen  unnd  befehlen,  gehor- 
samblich unnd  fleissig  verrichten,  alles  Bindt-  unnd  ander  Kleinfleisch 
mitt  Wissen  unnd  im  Beysein  dess  Einkauifers,  so  es  anders  die  Gelegen- 
heit erleiden  mag,  bestellen  unnd  abraitten,  das  Fleisch  im  Ziergartten 
fein,  sauber,  luftig  unnd  wohlverwahi-t  halten,  Keinem  den  Schliessel  in 
den  Geweltern,  Fleisch  geben,  auch  Niemandts  Frembden  in  dasselbige 
gehen  lassen,  unnd  nichts  ungescbmackhs  darin  leiden,  sonsten  Alles 
anders  haudlon  unnd  thuen,  das  einem  getreuen  Diener  gegen  seinem 
Herrn  bey  Aydtspflicht  gebfii-th  unnd  zuestehet,  getreulich  unnd  ohn 
Gefehrde. 


557 


Licht-Ciuniinjrer. 


Ihr  werdet  geloben  unnd  schweren,  dem  allerdurchIeüchtigBten, 
Unoserm  allergatett  Herrn  getreu,  gehorBamb  unnd  gewerttig  zu  sein, 
Ihrer  Kays.  May.  Nutz  unnd  Frommen  getreues,  möglichistes  Fleiss 
fördern,  Nachtheil  nnnd  Schaden  zu  warnncn  unnd  zu  wenden,  insonderhfiit 
aber,  weil  i'uch  Ihr  Kays,  May.  zu  Ihrem  Liecht-Cammerer  unnd  Diener 
gnedigdst  aafgenommen,  solch  Ainbt  treulich  unnd  fleissig  versehen,  unnd 
euerer  Instruction,  welche  euch  hernach  zuegcstnlt  werde«  wirdt,  geuuigs 
handien,  wass  euch  noch  darfleher  vtui  Ihrer  Kays.  May.  Kuchohniiister 
nach  Gelegenheit  füifallonder  Ihrer  Kays.  May.  NotturlTt  befühlen  wirdt, 
demsolbou  unwaigorlich  naclikhouimen  unnd  sonst  Alles  das  thuen,  liandkm 
unnd  verrichten,  was  seinem  Herrn  ein  getreuer  Diener  unnd  Licbt- 
Cammeror  bey  Ehr  unod  Aydtspliicht  zu  thuen  schuldig  unnd  verbunden 
ist,  treulich  unnd  ohn  Gefehrde. 

Zörgartner. 

Nachdem  dieBüm.  Kays.  May.,  Unnser  allergnodigsterUerr,  euch  zu 
Ihrem  Zörgarttner  allergnedigst  an-  unnd  aufgenouiiuen,  sn  sollet  ihr 
hierauf  geloben  unnd  schweroii,  Dcrsttiben  getreu,  gehorsamb  uund  ge- 
werttig zn  sein,  Ihrer  Kays.  May.  Nutz  unnd  Frommen  fCrdern,  Nachtheil 
unud  Schaden  aber  warnnen  unnd  zu  wenden  unnd  sonderlich  alss  Dero- 
selben  Zörgai-ttner  allerloy  eingekhautt'te  Victualia,  so  durch  den  Ein- 
khauffer  unnd  sonsten  in  Zürgai'tten  gebracht  unnd  gelifert  wirdt,  in 
getreuer  Verwahrung  halten  unnd  dieselben  ordentlich  zu  verraittun 
schuldig  sein,  auch  was  euch  sonsten  vi>m  Kuchelmaister  unnd  Contralor. 
auf  welche  ihr  nach  dorn  Herr«  Obristou-Hofmaister  euern  gebiiolirouden 
Respect  haben  sollet,  in  Ihr  Kay.  May.  Geschäften  befohlen  wirdt,  dem- 
selben gehorsamblich  nachkhommen,  unnd  Alles  anders  thuen,  das  einem 
getreuen  Diener  gegen  seinem  Herrn  bey  Elir  unndt  Aydtspliicht  zue  thuen 
gebAebrt  unnd  zustehet,  alles  treulich,  gehoreamblich  unnd  ohn  Gefehrde. 

Kellerdiener. 

Ihr  werdet  geloben  unnd  schweren,  dem  allerdurchlefichtigsten,  Unn- 
serm  allergnedigsten  Herrn,  treu,  gehorsamb  unnd  gewei-ttig  zu  sein,  Ihrei- 
Kays.  May.  Nutz  unnd  Frommen  zu  fördern,  Nachtheil  unnd  Schaden  zu 
warunen,  verbieten  unnd  zu  wenden,  unnd  sonderlich  alss  Ihr  Kays.  May. 
euch  zu  ihrem  Kellergehiin'en  gnedigist  aufgenommen,  mitt  lleissigei' 
Warttung  der  Wein  unnd  sonsten  Verrichtung  alier  Kellernotturfft,  so- 
wohl auch  dass  im  Keller  kheinerleyweyss  Schaden  entstehe  oder  Ver- 


558 

schwendung  der  Wein  beschehe,  gnetten  Fleyss  nnnd  Anfinerckhen  n 
haben,  auch  was  euch  jederzeit  durch  den  Herr  Enchelmaister  nnnd 
Summelier,  auf  die  ihr  euern  billichen  Bespect  haben  sollet,  in  Ihr  Kays. 
May.  Keller  euers  Ambts  halben  zue  thuen  befohlen  unnd  geschafft  wirdt, 
demselben  Gehorsamb  laisten  unnd  Alles  anders  treulich  nnnd  guetwillig 
veiTichten,  das  einem  getreuen  Diener  seinem  Herrn  bey  Ehr  unnd  Pflicht 
zue  thuen  gebüerth  unnd  zustehet,  getieulich  unnd  ohn  Gefährde. 

Kellerpinder. 

Ihr  sollet  angeloben  nnnd  schweren,  dem  allerdnrchleflcbtigsten, 
ünnserm  allergnedigsten  Herrn,  getreu,  gehorsamb  unnd  gewerttigzu  sein, 
Ihrer  Kays.  May.  Nutz  unnd  Frommen  zu  fOrdern,  Schaden  unnd  Nach- 
theil zu  wamnen  unnd  zu  wenden,  unnd  nachdem  ihr  vor  diesem  zu  Ihrer 
Kays.  May.  Eellei-pinder  aufgenommen  worden  seidt  unnd  solchem  Dienst 
bisshero  gehorsamblich  abgewarttet,  so  sollet  ihr  denselben  hinffirter  auch 
nitt  wöniger  fleissig,  treulich  unnd  embsig  verrichten,  allem  Hängl  unnd 
Unrath  in  dem  Keller  an  den  Fässern  unnd  Baiffen  mitt  zeittlichem  VoU- 
werekhen  unnd  Finden  fürkhommen,  denselben  wenden  unnd  darauf  tSg- 
lich  sondere  Achtung  geben,  damit  einiger  Schadt  nicht  geschehe,  sonder 
dei-selbe  gentzlich  verbietet  werde;  insonderheit  sollet  ihr  auch  bey  der 
täglichen  Aussspeisung,  so  wohl  der  Wein  alss  dess  Brots,  neben  Andern 
im  Kheller  alle  mögliche  Handlung  thuen,  im  selben  nichts  verschwenden, 
sondern  alle  flberflOssige  unnd  verbottene  Hinaussgebung  bemelter  Sachen, 
so  vil  euch  immer  mfieglich,  verbieten,  da  euch  solches  von  Andern  be- 
schehen  würde,  dasselben  dem  Summelier  unnd  Contralor  zu  gebflehrlicher 
Abstellung  anzaigen  unnd  sonsten  Alles  das,  wass  einem  ehrlichen  unnd 
getreuen  Kellerpinder  zue  thuen  gebfiehrt,  euch  auch  von  Ihrer  Kays. 
May.  Contralor,  Summelier,  oder  in  Abwesen  derselben  durch  den  zuege- 
ordnetcn  KellergehilfTcn  Ihrer  May.  erhaischender  Notturfit  nach  anbe- 
fohlen wirdt,  euei-m  Aydt  unnd  Pflicht  nach  alssbaldt  gehorsamblich, 
treulich  unnd  fleissig  verrichten. 

Mundtkhoch. 

Ihr  werdet  geloben  unnd  schweren,  dem  allerdurchlenchtigsten, 
grossmcchtigsten  Kömischen  Kaysor.,  auch  zu  Hungern  unnd  Bßhaimb 
Khflnig,  ünnserm  allergnedigsten  Herrn  getreu,  gehorsamb  unnd  gewerttig 
zu  sein,  Ihrer  Kays.  May.  Nutz  unnd  Frommen  fürdern,  Nachtheil  aber 
unnd  Schaden  zu  warnnen  unnd  zu  wenden,  unnd  nachdem  euch  ietzo  Ihr 
Kays.  May.  zu  deroselben  Mundtkhoch  gnedigist  bestettigen,  sollet  ihr 


I 


I 


059 

euch  mitt  Kochen  tinud  in  ainlerii  Sachen  eur  Ämbt  unnd  Dienst  betretend 
Dach  ihrer  Kaj-g.  iUay.  Kucbelmaister  unnd  Contralor,  Ajubts-Verweseru 
richten,  unnd  nach  »einem  Befelch  handeln,  auch  gegen  derer  euch  under- 
gebeuen  Knochtcu  aller  gebüehrenden  Bcschaidenheit  gebrauchen,  ihr 
sollet  auch  auf  sein  Erfordern,  8o  offt  es  die  Kottnrfft  oriiaischet,  bey  den 
Haittiingen  die  Empfahung  onnd  Au8!<gubiing  der  Kuchen  anbelangl 
gegenwerttig  sein,  und  euch  aonsten  in  allen  euern  Instructiuneu  ge- 
mess,  die  euch  hernach  zuegestelt  werden  wirdt,  erzaigen,  auch  Alles  das 
thuen  nnnd  bandlen,  wass  einem  gelreuen  Mundtkoch  uund  Dianer  bey 
Ehr  unnd  Aydt  zu  thuen  gcbflnhrt  uund  zustehet,  alles  getreulich  unnd 
iihn  Gefehrde. 

Pastetenkoch. 

Ihr  werdet  globen  nnnd  scbwehren,  dem  allerdurcbleüchtigsten,  Unn- 
serni  allergnedigsten  Herrn  getreu,  gehorsanib  unnd  gewerttig  zu  sein, 
Ihrer  Kays.  May.  Nutz  unnd  Frommen  fördern,  Schaden  nnnd  Nachtheil 
lu  warnen  nnnd  zu  wenden,  unnd  Ihr  Kays.  May.  Kuchelmaister  gehor- 
samb  zu  sein,  auf  denselben  eur  Aufsehen  haben,  unnd  euch  mitt  dem 
Pastetenbackhen  nach  seinem  Befelch  unnd  Gebott  halten,  wass  euch 
durch  den  Kuchelmaister  befohlen,  oder  auch  durch  den  Mundtkoch  uuder 
Händen  gegeben  wirdt,  dasselbe  mitt  grossem  Fleyss  nnnd  FOrsichtigkeit 
backen,  nnnd  alle  Pasteten  unnd  Torlten  dem  Ohr.  Mundtknch  ohne  Ab- 
gang zuesteilen,  unnd  sonst  Alles  das  thuen  unnd  bandlen,  wie  einem 
ehrlichen  Pasteten-Kuch  zustellet  unnd  gebüehi-t,  auch  bey  Aydtspflicht 
schuldig  unnd  verbunden  ist,  alles  getreulich  unnd  ohn  Oefehrde. 

Maisterkoch. 

Ihr  werdet  globen  uund  scbwehren,  dem  uUerdurchleüchtigsten, 
(Jnnserm  allergnedigsten  Herrn  treu,  gehorsamli  unnd  gewerttig  zu  sein, 
Ihr  K.iys.  May.  Nutz  nnnd  Frommen  fördern,  Nachthi-il  unnd  Schaden 
aber  wamnen  unnd  zu  wenden,  unnd  nachdem  Ihr  zn  Ihrer  Kays.  May. 
Ko«h  in  Deroselben  Mundtkuchel  gnedigst  auf-  unnd  angenommen,  so 
sollet  ihr,  wass  euch  von  Ihr  Kays.  May.  Knchelmaister,  Contralorn  unnd 
nachmahls  Ton  dem  Mundtkoch  oder  wer  jederaeit  diesellien  Platz  ver- 
tritt, in  Ihr  Kays.  May.  Dienst  zu  verrichten  befohlen  oder  auferlegt 
wirdt,  das-selbe  ohn  einige  Widerred,  mitt  höchstem  Fteiss  (rehorsamblich 
laiaten,  thuen  unnd  verrichten,  auch  sonst  euch  in  allem  dermassen  ge- 
treu nnnd  ehrlich  verhalten  wollet,  wie  das  einem  ehrlichen,  getreuen 
Diener  unnd  Koch  seinem  Herrn,  (dem  er)  mit  Aidt  nnnd  Pflicht  ver- 

eunnd  zuestehet,  getreulich  unnd  ohne  Gefehrde. 
XXVII.  Bd.  II.  Hilft«.  3C 


I 


560 


Dnderkoch. 

Ihr  werdet  globon  unnd  schweren,  dem  allerdurchieüchtigsten,  gross- 
meclitigsten  Römischen  Kayser.,  auch  zu  Hungern  uuiid  Bebaiinb  KhOnig, 
Unnserm  allerguedigetou  Herrn  getreu,  gehorsamb  unud  gewerttig  n 
Bein,  Ihr  Kays.  May.  Nutx  unnd  Frommen  fQrdern,  Schaden  nnnd  Nuh- 
theil  zn  wiirnnen  unnd  zu  wenden  onnd  insonderhoit  Ihr  Kays.  M»j. 
Kbucbelinaister  unnd  nachninbls  den  Obr.  Mundt-Koch  oder  vriT  jederzeit 
denselben  Platz  vertretten,  in  Allem  dem,  so  er  euch  in  Ihr  Kays.  M«y. 
Dienst  befehlen  oder  auflegen  wirdt,  ohne  Widersprechen  mitt  hr>ch.st«n 
Fleiss  Gehorsamb  zu  laistcn,  darzoe  Alles  das  zu  handlen  onnd  zue  thntn. 
das  einem  gotrewen  Koch  unnd  Diener  gegen  seinem  Herrn,  dem  er  mitt 
A}'dt»pflicht  Tei'bundon  ist,  zue  thuon  gebDohrt  unud  zuestehet,  getreulicl) 
unnd  ohn  Gefehrde. 

Zuesetzer. 

Ihr  sollet  geloben  nnnd  schweren,  dem  allordurchlcüchligsten  Kömi- 
schen Kayser,  ünnserm  allergnedigsten  Herrn  getreu,  gehorsamb  unui 
gewerttig  zu  sein,  Ihrer  Kays.  May.  Nutz  nnnd  Frommen  zu  beffirdem, 
Nachtheil  nnnd  Schaden  aber  zu  wenden,  unnd  niichdcm  Dir  in  Ihr  Kays. 
May.  Kucbol  zum  Zuesetzer  aufgenommen  worden  seyet,  unnd  euem 
Dienst  bissliero  gehorsamblich  versehen  habt,  so  sollet  ihr  euren  Dienst 
treulich,  fleissig  und  embsig  verrichten  unnd  abwartten,  zu  rechter  Zeitt 
unnd  Stundt  in  die  Kuchen  khommen,  mitt  denen  Speisen  unnd  andern 
Sachen,  so  euch  zum  Zuesetzen  unud  sonst  anbefohlen  nnnd  under  die 
Hiuidt  geben  wirdt,  aufs  sauberist  unnd  rechllichist  umbgehen,  durch- 
aass  nichts  verschwenden  noch  verwahrlosen,  wass  auch  ench  sonsteo 
euerm  Aydt  unnd  Pflicht  nach  zue  thuen  gebQehrt  oder  von  Ihr  Kays.  May. 
Contralor,  Muadt-  oder  andern  Maister-Köchen  anbefohlen  wirdt,  dem- 
selben treulich,  gehor.samblich  unnd  uuvcrzüeglich  nachkhommen. 


Knchonbneben. 
Ihr  sollet  geloben  unnd  schwehrcn,  dem  allerdurchieüchtigsten, 
I'nserm  allergnedigsten  Herrn  getreu  gehorsamb  unnd  gewerttig  zu  sein, 
Ihrer  Kays.  May.  Nutz  unnd  Frummen  fürdorn,  Schaden  unnd  Narhtheil 
zu  wai'nnen  unnd  zu  wenden  unnd  auch  sonderlich,  wass  euch  der  Mundt- 
khoch  oder  ein  Anderer,  der  solchen  Platz  vertritt,  alzeitt  befohlen  werden, 
demselben  mitt  allem  Gehorsamb  ohne  Widersprechen,  so  vilmflglich.  ench 
erzaigeu  unnd  vulziehen,  auch  sonst  Alles  das  thuen  unnd  handlen,  das 
einem  getrewen  Kuchenbueben  zugehört,  bey  Vermeidung  seines  Aydte 
unnd  PIlichts  nach  gebüert  unnd  zu  thuen  schuldig  ist.  Alles  treolicb 
unnd  ohne  üefehrdo. 


5ßl 


I 


» 


Euchenthürhütter. 

Ihr  sollet  geloben  unnd  scliwebren,  dem  allerdurchleüchtigsten,  Unn- 
serni  allevgnedigston  Herrn  getreu,  gehortianib  unud  gewerttig  zu  sein, 
Ihrer  Kays.  May.  Nutz  iinnd  Frommen  fürdern,  Nacbtheil  iinnd  Schaden 
zu  warnüen  unnd  zu  wenden,  unnd  uaclidem  Ihr  Kays.  May.  euch  jeUo 
zu  Deroselbcn  KnchidthOrhitter  gst.  an-  unnd  aufgenomaieu,  so  werdet 
unnd  sollet  ihr  fleissig  Achtung'darauf  haben,  das  ihr  Niemanden,  es  sey 
wer  der  wßlle,  der  nicht  in  die  Küchel  gehörig  oder  darinn  nichts  zu  thueu 
hatt,  sonderlich  aber  keine  verdächtige  unnd  frembde  Personen,  einlassen, 
sondern  dieselbe  ab-  unnd  weogschaffen,  wass  euch  auch  der  Obr.  Muudt- 
koch  oder  ein  Anderer,  der  solchen  Platz  ettwann  vertritt,  allzeit  befehlen 
wirdt,  demselben  mitt  allem  Fleyss  unnd  Geliorsamb  ohne  Widereprechen, 
80  vil  möglich,  euch  orzaigen,  unnd  solches  vollziehen,  auch  sonsten  Alles 
das  thuen  unnd  handien,  wass  einem  getreuen  Kncholthürlinoter  zuge- 
hört unud  er  zu  thuen  schuldig  ist,  Alles  getreitllich,  gehursamblich  unnd 
ohne  Gefehrde. 

Kucheltrager. 

Ihr  sollet  geloben  unnd  schwehren,  dem  allei'durchleüchtigsten,  Unn- 
serm  allergnodigsteu  Herrn  getreu,  gehorsanib  unnd  geworttig  zu  sein, 
Ihrer  Kays.  May.  Nutz  unnd  Frommen  zu  fürdorn.  Beiladen  nund  Nachtheil 
zu  warnnen  unnd  zu  wenden,  Ihr  werdet  alle  Nottuifi't  in  die  Kuchin  tragen, 
allezeit  das  Kuchingeschiorr  oinraumuien,  die  Kuchen  säubern,  unnd  fiber- 
laudt  bey  dem  Kuchenge.schirr  bleiben,  von  dem  boy  Tag  unud  Nacht 
nicht  khommeu,  biss  so  lang  die  in  Ihrer  Kays.  May.  Herberg  abgeladen, 
unnd  folgendt  die  Tnichen  wohlverwahrt  an  ihr  gehörige  Ortt  gebracht 
sein;  auch  dieTrucIien  iui  Abladen  nicht  umhstürtzen,  werffen  oder  sonsten 
ungeschickht  damit  umbgehen  lassen,  das  Kuchelgeschirr  verwahren, 
Iinnd  sie  ziuii  Kochen  oder  au  dem.  darzuo  sie  tauglich,  willig  unud  ohn 
Widerred  brauchen  lassen,  unnd  sonsten  Alles  dass  thuen  unnd  haudlcn. 
das  ench  durch  den  Herrn  Kuchtmaister  oder  Mundtkoch  befohlen  wirdt, 
mitt  Fleiss  hanndlou  unnd  vorrichten,  wie  es  einem  getreuen  Trager  unnd 
Diener  seinem  Herrn  bey  Aydtspflicht  zu  thuen  gebiiehrt  unud  schuldig 
itit,  getreulich  unnd  uhn  Gefehrde. 


Cammerern-  unnd  Triichsassen-Tafeldöcker. 

Ihr  sollet  geloben  unnd  schwehren,  dem  allerdurchloQchtigsten.  Unn- 
serm  nllergnedigsteu  Herrn  getreu,  gehorsamb  unnd  gewerttig  zu  sein, 
alzcit  Ihrer  Kays.  Muy.  Nutzen  unud  Froiumon  befördern,  Schaden  unud 

tzu  wai'iinen  unnd  zu  wenden,  uuud  alss  ihr  zu  Ihrer  Kays. 
3ü* 


562 


May.  Caramerern  (Ti'uch8ä88en)-Tafeldeckher  auf-  luind  angenommea 
worden,  so  sollet  ihr  zu  urdentlicher  Stiindt  die  Tafel,  wie  sichs  geböehrt, 
zurichten,  die  aufgetragene  Speisen  ordentlich  aufsetzen,  nniid  nit  allein 
für  euer  Person  mit  Darreichung  der  Notturfl't  nnnd  Einschenckhen 
treulich  aufwartten  unnd  dienen,  sondern  auch  die  Andern  mitt  Aaf- 
wartteude  darzue  halten,  den  Wein  unnd  aufgebebt«  Spejaen  nitt  allein 
für  euer  Person  keiuosweegs  veniutreuea  unnd  abtragen,  sondern  aucli 
Nietnandts  andern  solches  m  thuen  gestatten,  in  allweeg  aber  auf  diu 
Silber  unnd  Zuigesohirr.  so  zue  der  Tafel  gehören  unnd  euch  undergeben 
worden,  daan  auch  auf  das  Tiscbgewandt,  Hanndtücher  unnd  Saluet,  6« 
ihr  umler  Händen  habt,  euer  fleyssig  Aufsehen  haben,  damit  das  Silber 
uund  Zuigeschirr  rein  unnd  sanber  gehalten,  darvon  nichts  verlohren 
noch  veruntreut  werde,  unnd  wuss  ihr  ron  Tischgewandt  zu  waschen 
gebet,  dasselbe  aufzeichnet,  unnd  Ton  der  Wäscherin  widerumb  recht, 
unfehlbar  und  nach  der  aufgemerckhtcn  Zahl  empfahet,  unnd  sonst  Alles 
anders  thuen.  w:is  einem  ehrlichen  Diener  unnd  Tafeidecker  seinem  Herrn 
boy  Aydtspilicht  zu  IhuengebQehrt  unnd  wohl  anstehet,  treulich  unnduhuo 
Gefehrde. 

Ilofkerer. 

Nachdem  Ihr  Kays.  May.  euch  jetzo  zu  Doro  Hofkeror  gnedigst  an- 
nnnd  aufgononiraon,  so  werdet  Ihr  solchem  eurem  Dienst  mitt  fleissiger  unnd 
sonderbarrcr  Adsskhwrung  der  Aiite-Camera-  unnd  Zimmer  gehorsamblich 
verrichten,  auf  denen  Ratsen  bey  dem  Cammerwagen  bleiben,  unnd  denen 
Cammertrabanten  helffen  auf-  uund  abladen,  wass  auch  euch  jedesweils 
durch  den  Canimerfurier  unnd  Uof-ContraJor,  oder  desselben  Ambts- 
Terwabltern,  auf  welche  ihr  euei'n  billichen  Respect  haben  sollet,  in  Ihrer 
Kays.  May.  Sachen  anbefehlen  werden,  demselben  ohne  Widersprechen 
nachUiommon  lumd  solches  verrichten,  auch  souston  Alles  das  thuen,  das 
einem  getreuen  Hofkerer  zugehört  unnd  er  zuthueu  schuldig  üt,  Alles 
treulich  unnd  ohne  Gefehrde. 


Mundtwäschin. 

Ihr  werdet  globen  und  schweren,  dem  allerdurchleflchtigfsten,  Dnn- 
serm  allorgnedigsten  Herrn  getreu,  gchorsanib  unnd  gewerttig  zn  sein, 
Deroselben  Nutz  nnnd  Frommen  zu  fordern,  Nachtheil  unnd  Schaden  aber 
zu  warnnen  uund  zu  wenden,  uund  nachdem  euch  Ihr  Kays.  May.  zn  Dero 
Mundtwäschin  gst.  aufgenommen,  die  Tiscbticher  unnd  Salvet,  so  für  Ihr 
May.  gehOnm  uund  die  euch  Denselben  Ob-  unnd  Undersilbercammerer 
oder,  wer  zu  jederzeitt  denselben  Platz  vertrit,  zu  waschen  gibt,  oder  durch 


563 

die  Silberdiener  annd  Tafeldecker  geben  lasset,  underschiedtlich  nnnd  von 
anderer  Wesch  abgesondert,  rein  nnnd  fleyssig  mitt  aigenen  Händen 
waschen,  trucknen  nnnd  zusammen  legen,  mitt  Niemandt  frembden  die- 
selben gen  Hof  schickben,  sondern  selbst  damit  gen  Hof  gehen,  unnd 
nach  der  Zahl,  wie  ihrs  von  dem  Silberdiener  unnd  denen  Tafeldeckhern 
empfangen  habt,  also  ohne  Abgang  widerumb  überantwortten,  nnnd  sonst 
Alles  das  thuen  unnd  handien,  was  einer  getreuen  Mnndtwäschin  bey 
Ehr  nnnd  Aydtspflicht  zue  thuen  gebüehrt  unnd  zuestehet,  getrenlich 
nnnd  ohne  Gefehrde. 

Hofprofoss. 

Ihr  sollet  geloben  unnd  schweren,  dem  allerdnrchlefichtigsten,  gross- 
mechtigsten  Bömischen  Kayser,  anch  zu  Hungern  unnd  Böhaimb  König, 
Unnsenn  allergnedigsten  Herrn,  treu,  gehorsamb  nnnd  gewerttig  zu  sein, 
Ihrer  Kays.  May.  Frommen  zu  fordern,  unnd  Schaden  zn  warnnen  unnd 
zu  wenden,  insonderheit  aber  alss  euch  Ihr  Kays.  May.  zu  Dero  Hof-Pro- 
fosen-Ampt  gnedigist  fQr  Andern  befördert  unnd  aufgenommen,  das  ihr 
solch  Ampt  mitt  treuem  nnnd  bestem  Fleiss  verrichten,  alle  Tage  zn  Hof 
anfwartten  nnnd  zugegen  sein,  die  ungehorsame,  strafTmessige  Diener, 
so  von  Ihr  May.  oder  Dero  Obr.  nnnd  Vice-Hofmaister  euch  in  gebüehr- 
liche  Verwahrung  unnd  Yerhaiftung  zu  nemmen  befohlen  werden,  solchem 
Befelch  jederzeit  gestrackhs  Vollziehung  thuen,  unnd  gegen  denselben 
mit  gebfiehrender  Straff  ffirgehen,  die  unzächtige  unnd  ärgerliche  Per- 
sonen, so  sich  bey  dem  Hoffgesindt  aufhalten  möchten,  neben  gebüehr- 
licher  Bestraffung  mitt  Ernst  alssbaldt  weegschaffen,  unnd  denselben 
ettwa  nnzimblichen  eurs  Gewins  oder  Nutzes  halben  durchauss  kein  Statt 
oder  ünderschleiff  lassen,  noch  vergünstigen,  auch  sonst  thuen  unnd 
handien,  was  einem  frommen,  aufrichtigen  Diener  unnd  Hofprofossen,  der 
seinem  HeiTn  mitt  Aydt  nnnd  Pflicht  verbunden,  zu  laisten  schuldig  ist, 
treulich  unnd  ohn  Gefehrde: 

Allem  dem,  was  mir  anjetzo  ffirgehalten  worden  nnnd  ich  wohl- 
vemommen  hab,  will  ich  so  getreulich  unnd  fleissig  nachkhommen,  alls 
wahr  mir  Gott  helf  unnd  sein  heiliiges  Evangelium. 


C3 

am 


EIN  VORLAUFER 

DES 

ÄLTESTEN   UEBAE8 


VON 


KREMSMÜNSTER. 


VON 


KONRAD    SCHIFFMANK 


C3  H 

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CD  II 

Lil-.  -4 

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! 


Uie  Urbarien  im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  ent- 
lAnden  wie  anderwärts  so  auch  in  den  Stiftern  des  Landes 
b  der  Enns  erst  gegen  Ende  des  13.  und  zu  Beginn  des 
4.  Jahrhunderts. 

Im  10.  Jahrhundert  ersetzte  sie  das  Traditionsbuch,  im 
1.  Jahrhundert  fieng  man  schon  an,  kleine  Gutsbeschreibungen 
nter  die  Traditionen  aufzunehmen,  im  12.  Jahrhundert  endlich 
rt  ein  allgemeiner  Rückgang  der  Traditionsbttcher  bemerkbar, 
»gegen  werden  die  Versuche  systematischer  Güterbeschrei- 
mngen  häufiger. 

Diese  Vorstufen  zu  den  späteren  Urbarien  haben  noch 
;ein  festes  Schema  und  sind  keine  erschöpfenden  Beschroi- 
nngen  des  ganzen  Gutsbestandes. 

Sie  sind  stets  noch  Aufzeichnungen  administrativer  Natur 
bne  Rechtskraft. 

Sehr  klar  hat  diese  Entwicklung  zuletzt  Susta*  erörtert. 

Die  ursprünglich  halbfreien  Villici,  welchen  die  Sorge 
n  eine  Reihe  von  Hufen  anvertraut  war,  hatten  immer  mehr 
1  Bedeutung  im  Laufe  der  Zeit  gewonnen.  Früher  waren  sie 
osse  Werkzeuge  des  Gutsherrn,  dem  sie  den  ganzen  Rein- 
trag des  Gutes  abliefern  sollten.  Als  aber  die  Besitzungen 
58  Herrn  so  angewachsen  waren,  dass  seine  persönliche  Be- 
eiligung  an  der  Wirthschaflsleitung  einzelner  Besitzungen  immer 
*inger  wurde,  lockerte  sich  das  Verhältniss  des  Maiers  zu 
m.  Er  lieferte  nun  nur  mehr  eine  bestimmte  Abgabenquote 
i  den  Herrn  jährlich  ab.  Die  Versuche  der  Ministerialen 
id  Lehensleute,  Stücke  der  Grundherrschaften  zu  allodisieren, 
Urden  gegen  das  12.  Jahrhundert  hin  immer  häufiger,  und 
'sonders  der  kirchliche  Besitz  litt  darunter.* 

Die  Urkunden  und  mannigfachen  Klagen  der  Zeitgenossen 
iweisen,  dass  man  auch  in  Kremsmünster  so  weit  gekommen 


*  Sitsangaber.  der  kaU.  Akad.  der  Wisseiuch.,  pbil.-hist  Cl.,  188.  Bd.  (1898). 

*  6qsU,  a.  a.  O.,  p.  47  ff. 

IicUt.  LXXXTII.  Bd.  U.  SUIf.  87 


568 

war,  dass  das  Stift  seine  eigenen  Besitzungen  and  Rechte  nicht 
einmal  mehr  genau  kannte.' 

Durch  die  angedeuteten  Verhältnisse  erklart  es  sich, 
dass  man  sich  gelegentlich  durch  schriftliche  Aufzeichnung  zu 
schützen  suchte. 

Nach  diesen  Gesichtspunkten  ist  auch  die  Entstehung 
des  Urbarials  von  KremsmUnster  zu  beurtheilen. 

Obwohl  Abt  Friedrich  I.  von  Aich  (1273—1325),  »nf 
dessen  Veranlassung  das  älteste  Urbar  von  KremsmUnster  an- 
gelegt wurde,  im  prologus  zum  vollendeten  Werke  klagt,  dus 
er  ,nec  ex  ullis  scripture  monimentis'  habe  entnehmen  kGnnen 
,que  possessiones,  quid  soluerc  debeant',  hielt  doch  Abt  Adi- 
leuthner  die  Möglichkeit  nicht  für  ausgeschlossen,  dass  zur 
Zeit  der  Abfassung  des  Urbars  doch  noch  irgendwelche  vr- 
bariale  Aufzeichnungen  vorhanden  waren,  mit  denen  man  die 
Aussagen  der  Unterthanen  verglichen  habe.* 

Diese  Vermuthung  kann  sich  auf  eine  Stelle  in  einer 
alten  Chronik  von  Kremsmilnster  stützen,  welche  lautet:  ,Et 
abhinc  nostra  ecclesia  videtur  abbate  caruisse,  ut  patet  in  re- 
gistro  de  possessionibus,  quas  Arnoldus  dux  vendicavit" 

Es  hat  also  in  Kremsmünster  schon  vor  der  Abfisusung 
des  ältesten  Urbars  ein  Register  existiert,  welches  einen  Theil 
des  Stiftfibesitzes  verzeichnete. 

Loserth*  bemerkt  dazu:  ,Wie  weit  sie  (die  mit  der  An- 
legung des  Urbars  betrauten  Männer)  sich  dabei  auf  das  ältere 
Besitzregister  stutzten,  ist  schwer  zu  sagen.' 

Diese  alten  Aufzeichnungen  schienen  ja  verschollen  m 
sein.  Da  glückte  es  mir,  im  Jahre  1896  ein  altes  Besitzregister 
von  KremsmUnster  zu  finden. 

Gelegentlich  einer  Suche  nach  mittelalterlichen  Schal- 
handschriften entdeckte  ich  in  einem  ehemaligen  Gleinker 
Breviarium,  welches  die  Bibl.  publ.  in  Linz  unter  der  Signatar 


'  L.  Achleuthner,  Das  älteste  Urbariam  von  Kremsiufinster,  Wien  1877, 
p.  Vm  der  Einl. 

»  A.  a.  O.,  p.  XI  der  Einl. 

»  Mon.  Germ.  Bist.  Script.  XXV,  p.  631.  Vgl.  J.  Loserth,  Die  Geschichts- 
quellen von  KremsmUnster  im  XIII.  und  XIV.  Jahrhundert,  Wien  1873, 
p.  21,  Anm.  6. 

*  J.  Loserth,  Sigmar  und  Bernhard  von  KremsmUnster.  Archiv  fllr  Bsterr. 
Geschichte,  81.  Bd.,  Wien  1896,  p.  358. 


p  19  verwahrt,  auf  f.  95'  eine  urbariale  Eintragung,  die  ich 
nächst  gemilss  der  Provenienz  des  Codex  fiii-  ein  Gleinkci- 
sitzregister  hielt. 

Nachträglich    stellte    sich    aber    heraus,     dass    die    Auf- 
eichnung  Besitzungen  von  KremsmUnster  betrifft. 

Das  Brevinrium  sowohl,  wie  auch  die  urbariale  Eintragung 
mmen  aus  dem   12.  Jahrliiindcrt. 

Für  die  Annahme,  dass  das  Güterregister  im  12.  Jahr- 
andert  eingetragen  worden  sein  müsse,  spricht  ausser  den 
laläographischen  Indieien  auch  der  Lautstand  in  den  Porsonen- 
d  Ortsnamen  des  allerdings  nicht  umfangreichen  Denkmals. 
Es  ist  nämlich  von  der  bairischen  Diphtbongisierung  und 
ren  Begleiterscheinungen,  welche  gegen  die  Mitte  des  12.  Jahr- 
underts  im  bajuvarischen  Gebiete  aufzutreten  begannen,'  darin 
lOch  keine  Spur. 

Wann  der  Codex  nach  Gleink  gekommen,  ob  schon  vor  der 

/Abfassung  des  ältesten  Urbars,  lUsst  sich  wohl  kaum  ermitteln. 

Wie  schon  bemerkt  wurde,  sind  die  Urbarialien  des  12.  Jahr- 

lunderts  in  der  Regel  keine  erscht'Jpfendeii  Besehreibungen  des 

puzcn  Gutsbestandes,  sondern  berühren  nur  jene  Punkte,  welche 

Eiomentan  für  den  Grundherrn  Interesse  hatten.*  Das  sehen  wir 
eiin  Baumgartenbcrger  Theilurbar,*  welches  nur  die  Ein- 
Uufie  verzeichnet,  die  aus  einem  Amtshofe  flössen,  ferner  bei 
dem  von  mir  identificierten  und  demnächst  herauszugebenden 
iJondseer  Urbariale  (sacc.  XII)  und  auch  bei  unserem  Denkmal. 
Die  Blattseite,  auf  der  es  eingetragen  ist,  füllt  es  aus, 
»her  die  gleichzeitigen  Urkunden  belehren  uns,  dass  es  nur 
pinen  Theil  des  damaligen  Stiftsbesitzes  enthält. 

Aus  dem  Fehlen  von  Gütern  im  Verzeichnisse  kann  somit 
luf  die  Abfassungszeit  nichts  geschlossen  werden,  die  zeitliche 
Zuweisung  muss  sich  vielmehr  auf  die  positiven  Anhaltspunkte 
pilnden,  welche  das  Denkmal  bietet.  Deren  sind  nun  allerdings 
lehr  wenige. 

Vor  allen  ist  meines  Erachtena  auf  den  Umstand  Gewicht 
la  legen,   dass  unser  Denkmal   eine  Reihe  von  Gütern  in   der 


'  K.  Weiabold,  MittelhochdeutscUe  Grammatik  *,  Paderborn  1883,  p.09,  §  106. 

"  äniU,  a.  a.  O.,  p.  50. 

*  K.  Schiffmann,  Quellen   zur   Wirtliscbaftsgescbichte  OberOsterreichs  etc. 

Stadien  und  Mittheilungen  aus  dorn  Benedictiner- und  Cigtercienserorden, 

XX.  Jahrg.  (I«9y),  Heft  1,  p.  161  flF. 

87» 


570 


heutigen  Ortschaft  Weigersdorf  aufzilhlt.  Diese  praedia  in 
Wigantesdorf  hafte  ein  gewisser  Engilgerus,  camerarius  des 
Stiftes  Kremsmlinster,  von  diesem  zu  Lchr-n  besessen  und  vor 
seinem  Tode'  auf  seinen  Sohn,  den  passauischcn  Diakon  Engil 
gerus,  vererbt. 

Das  Stift  machte  aber  seine  Ansprüche  geltend,  und  so 
entbrannte  der  Streit. 

Bischof  Konrad  von  Passau  entschied  ihn  dahin,  dass 
Engilgerus  gegen  eine  seitens  des  Stiftes  zu  leistende  Ent- 
schädigung auf  sein  ,patrimonium'  verzichten  musste.  Dies 
geschah  mit  Urkunde  vom  27.  Februar  1162.'  Ich  glaube 
hierin  einen  temiinus  a  quo  fllr  die  Abfassungszeit  des  Denkmals 
gefunden  zu  haben.  Denn  es  ist  doch  auffallend,  dass  in  der 
verbultuissmiissig  nicht  umfangreichen  Aufzeichnung  gerade  di»e 
praedia  in  Wigantesdorf  aufscheinen.  Ihre  schriftliche  Fixierung 
hatte  eben  nach  Beilegung  des  Streites  ein  Interesse  für  das  Stifl 

Einen  weiteren  Anhaltspunkt  Air  die  nilhere  Bestimmung 
der  Abfassungszeit  scheinen  mir  die  im  Denkmal  gleich  nacb 
den  plebani  eingetragenen  Namen  Domina  Alheit  caucraria  und 
Dominus  Herwicus  zu  bieten.  Beide  Personen  dienen  die  höclistc 
im  Verzeichnisse  vorkommende  Abgabe,  nttndich  je  2  Pfunde. 

Den  Beisatz  ,cameraria*  halte  ich  nicht  für  den  Gentil- 
namen,  weil  das  Geschlecht  derer  de  Camera  in  den  Krems- 
inünsterer  Urkunden  erst  viel  später  begegnet. 

Ich  glaube  vielmehr,  dass  die  genannte  Domina  Alheit 
eines  der  vier  Hoillmter  bekleidete,  dass  sie  cameraria,  somit 
Ministerialin  war. 

Da  es  sich  um  ein  Denkmal  des  12.  Jahrhunderts  handelt, 
hat  die  Bezeichnung  domina,  dominus,  die  sich  im  ganzen  Ver- 
zeichniss  nur  bei   den  zwei   Personen  findet,    eine  Bedeutung. 

War  nämlich  vorher  dieses  Prädicat  ein  Vorzug  des  frei- 
herrlichen Standes,  so  wurde  es  seit  dem  Ende  des  12.  Jahr- 
hunderts zum  Ehrentitel,  zum  Vorzugspriidicat  für  alle  jene 
Personen,  ganz  gleichviel,  ob  freier  oder  unfreier  Geburt,  welche 
durch  den  Ritterschlag  den  höheren  Rang,  die  Ritterwürde  er- 
halten hatten.* 


•  Th.  Ha^,  Urknndenbnch  von  KremsmUnster,   Wien  1852,   p.  43,  N.  S4. 

*  O.  ▼.  Zallinger,  Die  Becbtsgeschichte  dos  ßitteratandes  und  das  Nibelang«n- 
lied.  Vortrag,  abgedruckt  im  Jahrbuch  der  Leo-OeselUchaft  für  das  Jthr 
1809,  p.  43. 


671 


Da  es  in  Deutschland  keine  freie  Ministerialität  gab,  so 
ist  die  Vennuthung  nicht  abzuweisen,  dass  zur  Zeit  der  Ab- 
fassung unseres  Denkmals  die  berührte  Wandlung  in  der  Be- 
deutung des  Priidicates  , dominus'  schon  eingetreten  gewesen 
sei.  Wir  hätten  somit  die  Aufzeichnung  wahrscheinlich  gegen 
Ende  des  12.  Jahrhunderts  zu  setzen. 

Es  handelt  sich  nun  um  die  Identificierung  der  genannten 
zwei  Personen,  vorerst  der  Alheit  cameraria. 
1^  Die  Urkunden  lassen  uns  die  Wahl  zwischen  der  Gräfin 
Adelheid  von  Wildberg,  der  Gemahlin  des  Grafen  Ernst  von 
Hohenberg  und  Tocliter  des  Vogtes  Friedrich  von  Itegensburg, 
and  einer  Alheit  de  Harde,  die  in  einer  KremsmUnsterer 
Urkunde  vom  Jahre  1206  als  Würzburger  Ministerialin  und 
Gattin  Hartwigs  von  Butenbach,  eines  KremsmUnsterer  Mi- 
nisterialen, genannt  wird. 

i  Adelheid  von  Wildberg  war  eine  grosse  Wohlthilterin  des 

Stiftes,  weshalb  ihr  auch  Abt  Ulrich  I.  im  Jahre  1140  die 
Ehre  der  klosterhchen  Confraternitiit  ertheilte. 
I  In  der  ersten  Urkunde,  in  welcher  ihr  Name  erscheint, 
und  die  um  das  Jahr  1135  angesetzt  wird,  ist  sie  bereits  vidua. 
Dies  und  der  Umstand,  dass  sie  in  den  Urkunden  wohl  als  no- 
biliß  matrona,  comitissa,  domina,  niemals  aber  mit  ihrer  im 
Falle  der  Identität  mit  unserer  Alheit  anzunehmenden  Standes- 
bezeichnung cameraria  aufscheint,  machen  es  unwahrscheinlich, 
lass  sie  im  Urbariale  gemeint  sei. 

Es  ist  eher  anzunehmen,   dass  unter  der  Alheit  imd  dem 
Herwicus    unseres    Verzeichni.sses    das    Ehepaar   Adelheid    von 
Hart  und  Hartwig  von  Butenbach  zu  verstehen  ist. 
I  Letzterer  erscheint  als  KremsmUnsterer  Ministerial  zuerst 

in  einer  Urkunde  des  Stiftes,  die  um  das  Jahr  1177  an- 
gesetzt wird. 

\,  Mit  Urkunde  vom  6.  April  1206  theilten  sich  Bischof 
Heinrich  von  Würzburg  und  Abt  Konrad  von  Kremsmünster 
in  die  Nachkommen  dieses  Ehepaares.  So  wurde  auch  der 
Sohn  Konrad   von   Butenbach,   der  in   unserem   Denkmal   mit 

P[)  Pfennigen  Dienst  aufscheint,   dem  Stifte  Kremsmünster  zu- 
etheilt. 
Wenn   wir   die   eben   erörterte   Möglichkeit   der  Identität 
gelten  lassen,   dann   erklärt  sich  auch,  dass  die  einer  anderen, 
liüheren  Ministerialität  angehürige  Gattin   Adelheid   vor   ihrem 


572 


Gemahl  im  Verzeichnisse  angeflihrt  ist;  dann  haben  wir  ans 
fem  er  das  letztere  kaum  vor  den  Siebzigerjahren  des  12.  Jahr- 
hunderts niedergeschrieben  zu  denken,  da  die  beiden  im  Jahre 
1206  mit  ihren  zwanzig  Kindern  und  Enkeln,  die  sie  damals 
laut  Urkunde  hatten,  wohl  50 — 60  Lebensjahre  ziüilen  mussten, 
Ferner  erscheint  Chrtnrat  de  Aschperc,  den  das  Verzeichniss 
unter  den  Ministerialen  aufzählt,  in  den  Urkunden  von  Krems- 
mllnster  erst  vom  Jahre  1200  ab  öfter  als  Zeuge. 

Bei  der  Lückenhaftigkeit  des  urkundHchen  Materiales 
bieten  uns  die  gegebenen  Anhaltspunkte  allerdings  wenig 
Sicherheit,  so  viel  aber  scheint  mir  doch  festzustehen,  diw 
unsere  urbariale  Aufzeichnung  in  das  letzte  Viertel  des  12.  Jahr 
hunderts  zu  setzen  ist.  Sollte  sie  den  von  Manegold,  dem 
spiiteren  Abte  von  Kremsmilnster,  unternommenen  Versuchen, 
sich  in  den  Besitz  der  StiftsgUter  einzudriingen, '  ihr  Entstehen 
verdanken? 

Mit  dem  in  der  Chronik  erwähnten  registrum  possc*- 
sionum,  qiias  Arnoldus  dux  vendicavit,  hat  unser  Denkmul 
nichts  zu  thun.  Denn  aus  jenem  Registrum  ging  nach  den 
Worten  der  Clironik  hervor,  dass  bis  zum  Jahre  1040  un- 
gefähr Kremsmilnster  eine  Zeitlang  ohne  Abt  war,  was  aus 
unserem  Denkmal,  welches  einen  Freidienst  ad  manus  abbatis 
verzeichnet,  nicht  ersichtlich  ist. 

Wir  wenden  uns  nun  zur  Besprechung  der  Angaben  dw 
Urbfirials  selbst  und  zum  Vergleiche  derselben  mit  dem  ältesten 
Urbar  des  Stiftes. 

Festzuhalten  ist,  dass  das  illtesto  Urbar  und  seine  Vor- 
stufe um  ein  Jahrhundert  zeitlich  auseinander  liegen. 

Die  Anordnung  der  Dienste  geschieht  im  Urbar  nach 
Aemtern,  in  u,  wie  ich  das  Urbariale  der  Kürze  halber  im 
Folgenden  bezeichne,  noch  nicht. 

Der  Herausgeber  des  Urbars  verwies  zum  Beweise  dafUr, 
dass  obiges  Eintheilungsprincip  auch  fllr  die  Unterthanen  Krems- 
mtlnsters  Ulter  sei  als  die  Anwendung  desselben  im  Urbar,  auf 
eine  Urkunde  vom  September  1249. 

Mein  Fund  erwähnt  einen  vilHcus  in  Ekenperge  und  ein 
officium   Engilberti   in   Petinbach,    beweist   also,    dass    man  in 


* 


*  U.  Hartenüchneidor,  Hititorische  und  topographische  Üanitellang  ron  dem 
Stifto  Kremsmilnster  iu  Oesterreich  ob  der  Ennii,  Wien   1830,  p.  41. 


673 


I  Kremsmünster  schon  im  12.  Jahrhundert  die  Unterthanen  unter 
'bestimmte  Amtshöfe  stellte. 

Oberstes  Eintheilungsprincip  ist  aber  in  w  noch  die  Art 
(der  Abgaben  ohne  Rücksicht  auf  die  Aemter.  Dies  wird  in 
^der  Entstehungsursache  des  kleinen  Denkmals  seinen  Grund 
haben.  Der  census  ecclesiaram,  der  dem  Urbar  als  Anhang 
["beigegeben  ist,  steht  in  u  an  erster  Stelle. 
1  Unmittelbar   nach    den    Geldabgaben    verzeichnet    u    ,de 

iLochkirchen  ferra  ad  13  eqnos'. 

'  Ein  Jahrhundert  spätter  erscheint  dieser  Dienst  beinahe  un- 

jVerändert  im  Urbar:  ,De  Diethalming'  et  de  Setal*  babata  et 
l«eropes  ad  XIV  equos  sufferrandos.'  In  diesem  Falle  zeigt  uns  die 
iControle  durch  das  Urbar,  wie  prägnant  die  Ortsnamen  in  m  auf- 
jxnfassen  sind.  Unter  Lochchirchen  ist  nämlich  hier  nicht  der  Ort 
JLaakirchen  selbst,  sondern  ein  Haus  in  der  gleichnamigen  Pfarre 
(«u  verstehen.  Dieses  sichere  Bci.spicl  bestiirkt  mich  in  der  Ansicht, 
jdass  die  bei  den  Gelddicnsten  angegebenen  Betrilge  in  m  wenig- 
JBtens  zum  Theile  summarisch  für  mehrere  praedia  gemeint  sind. 

So  erklärt  sich,  dass  eine  Vergleichung  dieser  summari- 
I sehen  Posten  mit  den  detaillierten  Angaben  des  Urbars  zu 
(keinem  Ziele  führt,  zumal  in  u  mehrmals  statt  der  Höfenamen 
Inur  der  Lehenstriiger  genannt  ist. 

1  Ich   glaube   daher,   dass   beispielsweise   die   5   Schillinge, 

[die  u  ,de  Wizchirchen'  verzeichnet,  nicht  von  dem  Orte  Weiss- 
fltirehen,  sondern  von  Gütern  dieser  Pfarre  kamen. 

Die  Eintragung  ,de  ekenperge  avena  pertinet  ad  manus 
(abbatis  salvo  iure  villici'  in  M  zeigt,  dass  das  im  Urbar  vor- 
, kommende  ,ofticium  Ekchenperg  in  Stainchirchen'  schon  im 
.12.  Jahrhundert  bestand,  und  dass  dasselbe  den  sogenannten 
IFreidienst  an  die  Kammer  des  Prillaten  zu  entrichten  hatte, 
•  ■wovon  wir  im  Urbar  nichts  mehr  Hnden. 

I  Nun   kommt  in    ii.  der  Bierdienst,  das  seruicium  ceruisie 

des  Urbars. 

Im  13.  und  14.  Jahrhundert  war  dieser  Bierdienst,  wie 
llins  das  Urbar  lehrt,  in  der  Regel  mit  einem  Korndienste  ver- 
bunden, und  wo  der  Korndienst  wegfiel,  ist  dieses  als  etwas 
^Seltenes  und  Ungewöhnliches  besonders  hervorgehoben. 


'  Nickigot  in  Diethaming,  Pfarro  Loakircben. 
*  Sedlhof  am  Ajgen,  Pfarre  Winubach. 


574 

In  u  ist  allerdings  das  servitium  frumenti  nirgends  er- 
wähnt, ich  glaube  aber,  dass  es  UberaU  dabei  war  und  nnr 
deshalb  nicht  eigens  bemerkt  wurde,  weil  es  durchgehende 
Regel  war.  Bier-  und  Korndienst  waren  schon  im  12.  Jahr- 
hundert Correlate. 

Auch  hier  sticht  also  wieder  die  Prägnanz  von  u  scharf 
von  der  Ausführlichkeit  des  Urbars  ab. 

Sehr  auffallend  weichen  die  Quantitäten  des  Bierdienstes 
in  beiden  Denkmälern  auf  den  ersten  Blick  von  einander  ab. 

Das  Urbar  verzeichnet  z.  B.  ,De  Petenpach  IV  carrate 
et  VI  Urne',  die  ältere  Aufzeichnung  merkt  ,de  officio  Engil- 
berti  Petinbach  4  umas  et  sextarium'  an.  Vergleicht  man  die 
Quantitäten  des  Bierdienstes,  beziehungsweise  die  Ablösungs- 
summen, welche  laut  Urbar  die  Güter  im  Lindenmairamte  leisten, 
mit  den  entsprechenden  Ansätzen  in  u,  so  findet  man  eine  ganz 
und  gar  unerklärliche  Differenz,  die  nur  zwei  Annahmen  zu- 
lässt.  Entweder  ist  der  Bierdienst  in  100  Jahren  gewaltig  in 
die  Höhe  gegangen,  oder  das  Wort  uma  hat  in  u  die  Be- 
deutung von  carrata. 

Qegen  die  erste  Annahme  spricht  die  im  Mittelalter  sonst 
zu  beobachtende  Stabilität  der  Dienste,  die  sich  in  dem  hier 
anzunehmenden  Grade  kaum  hätten  erhöhen  lassen,  auch  wenn 
man  zugeben  wollte,  dass  die  Androhung  des  dispendium  cor- 
poris atque  rerum  auf  die  Fassion,  die  dem  Urbar  zugrunde 
liegt,  ziemlich  eingewirkt  habe. 

Ich  halte  vielmehr  die  zweite  Möglichkeit  für  hOchst  wahr- 
scheinlich, dass  nämlich  der  Schreiber  von  u  das  Wort  uma 
für  gleichbedeutend  mit  carrata  gebraucht  habe,  obwohl  dieser 
Gebrauch  sonst  imerhört  ist.  Für  diese  Annahme  spricht  ein- 
mal die  ganz  auffaUende  Analogie  bei  den  Angaben  des  Bier- 
dienstes vom  Amtshofe  in  Petenbach. 

Substituiert  man  in  u  für  uma  den  Begriff  carrata,  dann 
ist  die  Schwierigkeit,  die  in  der  grossen  Differenz  liegt,  gelöst 

Es  stimmt  dann  auch  bei  den  anderen  Gütern  die  ziffem- 
mässige  Berechnung  des  Verhältnisses  der  angegebenen  Quan- 
titäten in  u  zur  Ablösungssumme  viel  besser,  ja  zum  Theile 
ganz  genau. 

In  u  tritt  das  Princip  der  Naturalwirthschaft  noch  stärker  zu- 
tage, die  Bierdienste  sind  noch  bei  Gütern  verzeichnet,  die  im 
Urbar  sich  schon  ganz  oder  theilweise  mit  Geld  abgefunden  haben. 


575 


Dass  übrigens  der  Schreiber  bei  einem  Untertbanen  in 
Chrugeldorf  Uber  das  Wort  ,urnam'  5  sol.  geschrieben  hat, 
zeigt,  dass  die  Abiüsung  des  Bierdienstes  auch  im  12.  Jahr- 
hundert schon  vorkam. 

Bei  den  Acmtern  Eggenberg  und  EberstaJlzell  war  iui 
13.  und  14.  Jahrhundert,  wie  das  Urbar  zeigt,  mit  dem  Bier- 
dienste ein  Pfennigdienst  verbunden. 

Das  ist  auch  in  k  bei  zwei  Untertbanen  der  Fall,  nur 
lässt  sich  wegen  Mangels  der  näheren  Bezeichnung  nicht  an- 
geben, ob  sie  auf  Gütern  sassen,  die  zu  den  genannten  Aeratern 
später  gehörten. 

Ueberhaupt  ist  za  bedauern,  dass  in  u  eine  verbilltniss- 
mässig  grosse  Anzahl  von  Untertbanen  bloss  mit  dem  Personen- 
namen bezeichnet  ist,  so  dass  ein  Vergleich  mit  dem  Urbar 
unmöglich  erscheint. 

Andererseits  treten  wieder  in  u  Ortsbezeichnungen  auf, 
die  im  Urbiir  fehlen,  beziehungsweise  durch  andere  ersetzt 
sind.  Ein  Identiricierungsversuch  begegnet  hier  den  grössten 
Schwierigkeiten,  weil  die  Mittelglieder  fehlen. 

Wegen  der  äusserst  geringen  Anzahl  von  Urbarialien  aus 
unseren  Gegenden  bleibt  aber  das  hier  der  Veröffentlichung 
übergebene  Denkmal  sehr  werthvoll. 

Ich  gebe  die  Handschrift  genau  wieder,  habe  aber  die 
Orthographie  und  Interpunction  insofern  geändert,  dass  ich 
Orts-  und  Persimenniimen  durchgehends  mit  grossen  Anfangs- 
buchstaben schreibe,  den  im  Original  fortlaufenden  Text  aus- 
einanderziehe und  die  einzelnen  Posten  der  Uebersichtlichkeit 
wegen  mit  arabischen  Ordnungszahlen  versehe. 

In  den  Anmerkungen  versuchte  ich  unter  hauptsächlicher 
Zugrundelegung  von  Achleuthncr's  Ortsregister  zum  Urbar  die 
Reduction  der  Ortsnamen  und  setzte  zum  Vergleiche  die  ent- 
sprechenden Dienstbeträge  des  Urbars  daneben. 


576 


Der  Text  der  urbarialen  Aufseichnuiig.» 

1.  Plebanus  de  Chirchperc^  2  tal. 

2.  Plebanus  de  Ried*  1  tal. 

3.  De  Viehtwanc*  1  tal. 

4.  Plebanus  de  Wels*  10  sol. 

5.  Domina  Alhnit  cameraria^  2  tal. 

6.  Dominos  Hserwicus*  2  tal. 

7.  ChAnrat  de  Äschperc*  60  den. 

8.  De  Lettindorf'  60  den. 

9.  De  grtlba  EUinhardi*  50  den. 

10.  De  Chünrado  de  Butenbach*  40  den. 

11.  De  Pr*le»  20. 

12.  Hubertus  de  Grub"  50  den. 

13.  De  Liten"  20. 

14.  De  beneficio  Livtarii**  40  den. 

15.  De  Brachramsdorf"  30. 

16.  De  Molnam"  3  sol. 

17.  De  Wizchirchen  **  5  sol. 

18.  De  Stvda"  30  den. 

Summa  13  tal.''  20  den.  minus. 
De  Lochchirchen**  ferra  ad  13  equos. 
De  Ekenperge*'  ayena  pertinet  ad°  manus  abbatis  salvo 
iure  villici. 

l.^De  Richartingen  Dietmar,  Ch Anrät,  Herdin  et  Hainricos^' 
umam. 

2.  Hseinricus  et  Waldman  lunam. 

3.  Walchün  '/g  umam. 

4.  Amolt  de  Teniggen**  umam. 

5.  Günther  et  Hseinricus  de  Haimpvhspach  *•  Y»  urnam. 

6.  Engelbertus  et  Chünrat  faber  de  Chrugeldorf*'  umam. 

7.  Hajinricus  de  Isingesperge'*  sextarium. 

8.  De  Plavantsperge*'  umam. 

*  Die    rStnischen   Ziffern    nnd  KahlwSrter   der  Handschrift   gebe   ich  ■■>> 

Folgenden  durch  arabische  Ziffern  wieder. 
'■  Der  Schreiber  hat  um  ein  Talent  zu  riel  herausgebracht. 
'  Das  WSrtchen  ad  ist  in  der  Handschrift  zweimal  geschrieben. 
^  Vor  diesem  Posten  ist  in  der  Handschrift  eine  Zeile  frei. 


577 

9.  Gotfridus  de  Chrugeldorf^  urnam.» 

10.  Dietmarus  de  Purch**  */,  urnam. 

11.  Vidua  de  Sippach  *^  urnam  et  sextarium. 

12.  Merboto  urnam. 

13.  Filia  sua  »/»• 

14.  Chunrat  de  Hffininge'^  urnam. 

15.  Ortliebus  urnam. 

16.  Phenning»'  2. 

17.  Geselle  sextarium. 

18.  Gotfrit  sextarium. 

19.  Cbunrat  de  Holz"  urnam. 

20.  De  officio  Engilberti  Petinbach*'  4  umas  et  sextarium. 

21.  Hseinricus  de  Pochendorf"  */,  urnam. 

22.  Marquart  urnam. 

23.  Isengrini  filius  de  Jvdendorf  *  '/i  urnam. 

24.  Marquart  de  Clingelbrunne"  Y»  urnani. 

25.  R^dmunt  et  Hseinricus  ^/^  urnam. 

26.  Heeinricus  et  frater  eius  de  Wigandsdorf"  7f  irnam  et 

27.  Albero  urnam. 

28.  Ortwin  et  Herman  urnam. 

29.  De  beneficio  Dietrici  de  Schachen'*  '/,  urnam. 

30.  De  Burcstal'^  '/»  urnam. 

31.  Perhtolt  de  Horbach'*'  sextarium  et  */g. 

32.  Engilbert  de  Wels*  urnam. 

33.  Albero  de  Hunstorf"  */,  sext.'' 

34.  Hubertus  et  Amil'^  7»  urnam  et  7»  sext.  et  3  den. 

35.  Chunrat  de  Churpendorf  sext. 

36.  Item  de  Petinbach  7»  urnam. 

37.  Hseinricus  de  Hunstorf*'  7«  urnam. 

38.  Richgerus  sext. 

39.  Wernhart  de  Churpendorf**  7»  urnam  et  sext.  et  */,  sext. 

40.  Rudolf  de  Churpendorf»  sext.  et  7,. 

41.  Erchinbertus  sext. 

42.  Amolt  de  Horbach'*  sext.  et  7j- 

43.  Vidua  de  Chugeldorf«"  3  sext. 

44.  Chunrat  de  Chrvgeldorf**  sext.  et  78- 

*  lieber  dem  Worte  urnam  steht  ,6  sol.'  von  einer  gleichzeitigen  Hand 
geschrieben. 

^  Von  hier  ab  bis  zum  Schlüsse  in  der  Handschrift  eine  andere  Schrift. 

*  Offenbar  fQr  Chrngeldorf  verschrieben. 


578 

45.  Chunrat  de  Churpendorf**  */,  umam. 

46.  Hseinricas  de  Jagam"  '/>  iu*D&in- 

47.  Snello  de  ^Ispach*"  •/,  umam. 

48.  Wipoto  forstser  urnam,  3  sext.  et  50  den. 

49.  Walchünus  de  Tivrwanch**  umam. 

50.  Reinbertus  urnam  et  V,. 

51.  Gerboto  de  Niwendorf**  */,  umam. 

52.  Rapoto  camifex  3  sext. 

53.  Pemgerus  umam. 

54.  Filius  yiduae  sext. 

55.  Wsesgrinus  de  Gater*'  urnam  et  Walchünus. 

56.  Vbricus  Wiphil  */,  umam. 


Anmerkangen. 

^  Kirchberg,    Dorf,   Ortschaft  und  Filialkirchc,    Pfarre  und 
Bezirk  Kremsmilnster. 

Unter  Abt  Alram  I.  (1093—1121)  wurde  hier  die 
Kirche  gebaut,  aber  erst  1170  unter  Abt  Ulrich  III.  dem 
Kloster  vollkommen,  mit  allen  Einktlnften  incorporiert.  Die 
Pfarrgrenzen  sind  bei  Hagn,  Urkundenbuch  ftlr  die  Ge- 
schichte des  Benedictinerstiftes  Kremsmünster  etc.,  Wien 
1852,  p.  375  zu  finden. 

*  Ried,  Stiftspfarre,  Bezirk  KremsmUnster. 

,De   hac    ecclesia   Ried    olim    dabatur   tantum    nna 
carrata  vini  .  .  .',  vgl.  Hagn,  1.  c,  p.  373.    Am  Feste  Epi- 
phanie  hatte  der  Pfarrer  1  Pfund  (talentum)  pro  Kathe- 
dratico  und  9  den.  zur  Custodie  zu  entrichten. 
'  Viechtwang,  Stiftspfarre,  Bezirk  Gmunden. 

Stiftsbesitz  seit  der  Gründung,  dann  per  manus  lai- 
corum  usurpiert,  unter  Abt  Ulrich  11.  1147  dem  Kloster 
zurückgegeben.  Der  Abt  baute  eine  Kirche  daselbst 
Zur  Zeit  des  Abtes  Friedrich  I.  von  Aich  bezog  der 
Convent  von  dieser  Pfarre  13  Talente,  dazu  1  Talent  pro 
Kathedratico,  das  an  unserer  Stelle  hier  gemeint  ist. 

*  Wels,  Stadtpfarre. 

Da  das  Kathedraticum,  zu  dessen  Entrichtung  der 
jeweilige  Pfarrer   verpflichtet   war,    zur   Zeit   des  Abtes 


679 


Friedrich  I.  1  Talent  betrug,  in  u  aber  10  sol.  verzeichnet 
sind,  so  musa  der  census  ecclesiarum  später  reduciert 
worden  sein.  Die  Welser  Stadtpfarre  war  seit  dem  Jahre 
888  dem  Stifte  zinspfliclitig. 

'  Vgl.  darüber  das  in  meiner  Einleitung  Gesagte. 

'  Der  Edelsitz  dieses  Geschlechtes  war  der  gegenwärtige  Asch- 
bergmairhof  in  der  Nähe  des  Stiftes. 

'  Lettenraairgut,  Ortschaft  Burg,  Gemeinde  und  Pfarre  Ke- 
maten,  Bezirk  Neuhofen,  Amt  Kremszeil. 

Entrichtete  auch  zur  Zeit  des  Abtes  Friedrich  I. 
nodi  laut  Urbar  als  scrvitium  s.  Nicolai  (>0  den.,  wie  es 
unsere  Aufzeichnung  vermerkt. 

*  Wahrscheinlich  Grubergut,  Ortschaft  Burg,  Gemeinde  und 
Pfarre  Kematen,  Bezirk  Neuhofen,  Zehentmairamt. 

U.  1299:  De  Grub  50  den.  (Servitium  s.  Nicolai). 

•  Prielergut,   Ortschaft   Au.   Gemeinde,   PfaiTc   und   Bezirk 
KremsmUnster,  Amt  Au. 

U.  1299:   (In    uativ.  s.  Marie)   an   dem   Pr^l   et   de 

rduabus   pevnt  in  der  Au  40  den.   (Servicium   s.  Nicolai) 
an    dem   Prvl    12   den.     Zusammen    also    wahrscheinlich 
20  den.,  wie  in  anserem  Verzeichniss. 
Vielleicht  Grubmairgut,  Ortschaft,   Gemeinde,  Pfarre  und 
Bezirk  Krcmsraünster,  Amt  Weinberg. 

U.  1299:  De  curia  in  Grub  60  den.  (Servitium  s. 
Nicolai). 

"  Unbekannt. 

'*  Prachersdorf,  Ortschaft  Pesendorf,  Gemeinde  Ried,  Pfarre 
und  Bezirk  Kremsmiinster,  Liudcnmairamt. 

U.  1299:  De  Prahensdorf  «0  den.  (Servitium  8.  Ni- 
colai) und  20  umae  (Servitium  cerevisiae). 

*'  Unbekannt. 

'*  Weisskirchen,  Stiftspfarre,  Bezirk  Neuhofen. 
Alter  Stiftsbesitz  seit  der  Gründung. 

*'  Wahrscheinlich   Ottstorfmair,   Ortschaft  Grub,  Gemeinde, 
Pfarre  und  Bezirk  Kremsmünster. 

U.  1 299 :  De  predio  in  monte  et  de  Staudaech  60  den. 
(Servitium  s.  Nicolai). 


580 

i<>  Laakirchen,  Bezirk  Qmunden.  Hier  ist  sicher  das  Nicki- 
gut zu  Diethaming,  Pfarre  Laakirchen,  Amt  Eberstallzell, 
gemeint.    Vgl.  meine  Einleitung. 

*^  Mairgut  in  Eckenberg,  Gemeinde  Fischlham,  Bezirk  Web, 
Amtshof. 

'*  Vier  Güter  in  der  Ortschaft  Reichharting,  Gemeinde  und 
Pfarre  Steinerkirchen  a.  d.  Traun,  Bezirk  Lambach,  Amt 
EberstaUzell. 

U.  1299 :  De  Rseichharting  2  tal.  den.  (Servitium  den. 
in  nat.  s.  Mariac).  Die  Ablösungssumme  im  Urbar  ent- 
spricht genau  der  in  u  angegebenen  Quantität  des  Bier- 
dienstes. In  diesem  Amte  wurde  nämlich  nach  einer 
Notiz  des  Urbars  der  Eimer  um  4  den.  abgelöst.  Da  die 
vier  Guter  zusammen  120  Eimer  dienten,  so  gibt  das 
480  den.  =  2  tal. 

•'  Wahrscheinlich  Tanningergut,  Ortschaft  Atzing,  Gemeinde 
und  Pfarre  Steinerkirchen  a.  d.  Traun,  Bezirk  Lambach, 
Amt  Fronliofen. 

U.  1299:  De  Toningen  V»  *»!•  (Serv.  den.  in  nat.  s. 
Mariae).  De  Toningen  24  den.  (Serv.  s.  Nicolai).  Die 
Ablösungssumme  stimmt  genau. 

'"  Regauer  undKranzagel  in  Haimpei-sbach,  Ortschaft  Regaa, 
Gemeinde,  Pfarre  und  Bezirk  Kremsmttnster,  Amt  Au. 

U.  1299:  De  Haimp^chspach  1  tal.  (Servitium  in 
nat.  s.  Marie).  Hier  ist  die  Ablösungssumme  um  60  den. 
höher. 

"  Krügeidorf,  Ortschaft  Dürrnberg,  Gemeinde,  Pfarre  und 
Bezirk  KremsmUnster,  Lindenmairamt. 

U.  1299:  De  Chrvgelndorf  12  sol.  Da  die  Summe 
der  Bierquantitäten  nach  u  117  Eimer  betrug,  die  Ab- 
lösungssume  fllr  einen  Eimer  6  den.  war,  so  würde  das 
nicht  ganz  3  tal.  ergeben.  Da  aber  in  u  die  30  Eimer 
des  Gotfrid  de  Chrugeldorf  um  5  sol.  abgelöst  erscheinen, 
so  muss  auch  für  die  anderen  Unterthanen  von  Chrugel- 
dorf der  Eimer  niedriger  berechnet  worden  sein,  da  die 
im  Urbar  angegebenen  12  sol.  sonst  nicht  erklärlich  sind. 

"  Unbekannt. 


681 


"  Blasberg,  Ortschaft  Sölling,  Tieineindp  und  Pfarre  Steiner- 
kirchen a.  d.  Traun,  Bezirk  Lambacli,  Amt  Fronhofen. 

U.  1299:  De  Plafensperg  */»  ^J*  'len.  (Serv.  in  nat. 
8.  Mariae).     Die  Ablösungssumme  stimmt  genau. 

**  Burg,  Dorf  und  Ortscbaft,  Gemeinde  und  Pfarre  Keniaten, 
Bezirk  Neuhofen,  Amt  Kremszeil. 

U.  1299:  De  Pvrcli  der  Pvclichiricliffir  60  den.  (Serv. 
in  nat.  s.  Mariae).  Stimmt  genau,  wenn  der  Eimer  zu 
4  den.  bereclmet  wird,  wozu  allerdings  das  Urbar  keine 
Handhabe  bietet. 

**  Sipbacli,  Gemeinde  und  Pfarre  Sipbachzell,  Bezirk  Krcms- 
manster. 

[aningmair,   Ortschaft  Regau,   Gemeinde,   Pfarre  und  Be- 
zirk Kremsmtinster,  Amt  Au. 

*'  Vgl.  dazu  im  Wilberinger  Urbar(ed.  0.  Grillnborger,  54.  .Tahros- 
bericht  des  Mus.  Franc.-Carol.,  Linz  IS'J6,  Sonderabdruck) 
p.  26,  VIT,  3:  Otho  Denarins.  Es  ist  also  wuli!  aiu-li  an 
unserer  Stelle  das  Wort  Pfenning  als  Eigenname  auf- 
zufassen, da  «  für  die  Münze  ,den.'  gebraucht. 

**  Ein  Gut  in  der  Pfarre  Steinerkirchen,  Bezirk  Lambach. 

Ipettenbach,  Stiftspfarre,  Bezirk  Kirchdorf,  Amtshof. 

Alter  Stiftsbesitz  seit  der  Gründung.  Unter  Abt 
Alrara  I.  wieder  dem  Stifte  zurückgegeben,  nachdem  es 
mehrmals  demselben  weggenommen  worden  {llagn,  1.  e., 
p.  372).  U.  1299:  De  Petenpaeh  4  carr.  et  6  urnae  (Serv. 
cerevisiae).  Hier  war  also  der  Bierdienst  gleich  geblieben 
und  auch  nicht  abgelöst  worden. 

'ochendorf,  Gemeinde,  Pfarre  und  Bezirk  Kremsrafinster, 
LindenmairauU. 

U.  12!«):  Do  Pucbchendorf  40  den.  (Serv.  in  nat.  s. 
Mariae).  De  Pochclu-ndorf  8  urnae.  Die  Ablösungs- 
summe stimmt.  Ein  Theil  des  Bierdienstes  wurde  nicht 
abgelöst. 

"  Irndorf,  Ortschaft;  Heiligenkreuz,  Gemeinde,  Pfarre  und 
Bezirk  Kremsmünster,  Lindenmairanit. 

U.  1299:  De  Judendorf  3  sol.  (Serv.  in  nativ.  s. 
Mariae).  De  Judendorf  30  den.  (Serv.  s.  Nicolai).  De 
Judendorf  20  urnae  (Serv.  cerevisiae). 


582 

'*  Klingelmaier,  Ortschaft  Heiligenkreaz,  Qemeinde,  Pfarre 
und  Bezirk  Eremsmttnster,  Lindenmairamt. 

U.  1299:  De  Chlingelprunn  60  den.  (Serv.  in  nativ. 
s.  Mariae).    De  molendino  in  Chlingelprunn  lö  den.  (Serv. 
8.  Nicolai). 
"  Weigersdorf,  Gemeinde  und  Pfarre  Ried,  Bezirk  Krems- 
mttnster,  Lindenmairamt 

U.  1299:  De  Waeigantsdorf  14  sol.  (Serv.  in  nativ. 
s.  Mariae). 

**  Wintergut  in  Schachen,  Ortschaft  Weigersdorf,  Gemeinde 
und  Pfarre  Ried,    Bezirk  Kremsmünster,   Lindenmairamt 
U.  1229:    De  Schachchen   1  tal.  et  6  den.   (Serv.  in 
nativ.  s.  Mariae). 

"  Burgstall,    Ortschaft    Mitterndorf,    Gemeinde    und    Pfarre 
Pettenbach,  Bezirk  Kirchdorf,  gleichnamiges  Amt 

"  Harbäckergut,  Ortschaft  Weigersdorf,  Gemeinde  und  Pfarre 
Ried,  Bezirk  Kremsmünster,  Lindenmairamt. 

U.  1299:  De  Horbach  »/»  tal.  (Serv.  in  nativ.  s.  Ma- 
riae).   Die  Ablösungssumme  ist  etwas  grösser. 

"  Hundsdorfer,  Ortschaft  Weigersdorf,  Gemeinde  und  Pfarre 
Ried,  Bezirk  Kremsmünster,  Lindenmairamt 

U.  1299:  De  Huntsdorf  7  sol.  et  8  den.  (Serv.  in 
nativ.  s.  Mariae).  Die  Ablösungssumme  stimmt  beinahe 
vollständig,  wenn  man  annimmt,  dass  die  in  u  folgenden 
Unterthanen  Hubertus  und  Amil  ebenfalls  unter  der  Rubrik 
Huntsdorf  im  Urbar  einbegriffen  sind. 

"Kürzendorf,  Ortschaft  Weigersdorf,   Gemeinde  und  Pfarre 
Ried,  Bezirk  KremsmUnster,  Lindenmairamt. 

U.  1299:  De  Churpendorf  2  tal.  (Serv.  in  nativ.  s. 
Mariae). 

'■•'  Jagern,   Gemeinde  und  Pfarre  Kematen,  Bezirk  Keuhofen. 

*•  Fallsbach,    Gemeinde    und    Pfarre    Gunskirchen,    Bezirk 
Wels. 

In  den  KremsmUnsterer  Urkunden  bei  Hagn,  1.  c, 
N.  31,  47   kommen  Volspacher  als  Zeugen  vor  (a.  1140, 

1189). 

*•  Teuerwang,     Gemeinde    und     Pfarre  Vorchdorf,     Bezirk 
Gmunden,  Amt  Eberstallzell. 


583 

**  Neadorf,  Ortschaft  Pesendorf,  Gemeinde  und  Pfarre  Ried, 
Bezirk  Eremsmilnster  (vier  Güter),  Amt  Stadelhof. 

U.  1299:  De  Nevndorf  5  sol.  (Serv.  in  nativ.  s.  Ma- 
riae).   De  Nevndorf  80  den.  (Serv.  s.  Nicolai). 

*'  Das  Urbar  verzeichnet  zwei  Güter  ,bei  dem  Gatem',  Ort- 
schaft, Pfarre  und  Gemeinde  Viechtwang,  Bezirk  Gmunden, 
Amt  Viechtwang,  die  aber  zusammen  nur  eine  Summe 
von  10  den.  zahlen,  die  zu  der  Höhe  des  Bierdienstes  in  u 
in  keinem  Verhältniss  steht. 


iKkiT.  Lixini.  Ba.  n.  nufui.  38 


IC 


Archiv 


ftlr 


sterreichische  Geschichte. 


Herausgegeben 

Ton  dar 

znr  Pflege  vaterländischer  Geschichte  aufgestellten  Ck)mfflission 

dar 

kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Achtondachtzigster  Band. 

Ente  Hälfte. 


Wien,  1899. 


In   Commissioa    bei    Carl   Gerold'a    Sohn 

BnrhhlnillOT  dar  kala.  Akadami«  dar  WitMaachaftaa. 


Inhalt  des  achtnndaehtzigsteii  Bandes. 

Ente  Hälfte. 


Seite 
Biographie   des   FBraten   Kaunitz.    Eiu  Fragment.    Von  weil.  Alfred 

Ritter  von  Arneth 1 

Stadien    za   den    ungarischen    Oeschichtsquellen.    VIII.    Von  Prof.  Dr. 

Raimand  Friedrich  Kaindl 20S 


BIOGRAPHIE 

DES 

JRSTEN  KAUNITZ. 


EIN  FRAGMENT. 


VOK 


WEIL.  ALFRED  RITTER  VON  ARNETH, 

PRASIDEirriiK  DER  KAIS.  AKADEMIK  DER  WISSENSCRArTEN. 


ÜT.  LXXITIU.  Bd.  I.  Rilfte. 


7  -^ 


Im  Jahre  1882  hat  Alfred  von  Arneth  für  die  ,Allgc 
meine  Deutsche  Biographie'  (XV,  487 — 505)  den  Artikel  über 
den  Fürsten  Wenzel  Anton  von  Kaunitz  geschrieben.    Damals 
war  es,  dass  er  den  Plan  fasste,  den  Lebensgang  dieses  Staats- 
mannes   in    einem    selbständigen    Werke     auf    archivalischer 
Qrundlage   darzustellen.     Etwa  zwei  Jahre  lang  beschäftigten 
ihn  die  Vorarbeiten  zu  diesem  Unternehmen;  dann  blieben  sie 
liegen.     Erinnert  man  sich,   mit  welchem  Nachdruck  Arneth 
selbst    (in    der  Vorrede    zum    zweiten   Bande    seiner   Autobio- 
graphie) seine  Abneigung  ausgesprochen  hat,  irgend  etwas  von 
wissenschaftlicher  Arbeit   unvollendet  zurückzulassen,   so   wird 
man   nicht  zweifeln,   dass  es  gewichtige  Umstände  waren,   die 
ihn  jenem  Plane  entfremdeten.    Als  einen  der  entscheidendsten 
hat  er  im  mündlichen  Verkehr  den  bezeichnet,   dass   ihn   die 
Abfassung    der    Biographie    des    Staatskanzlers    bald   auf  ein 
Gebiet    geführt  hätte,   das    er    schon    in    seinem    Hauptwerke, 
der   Geschichte   Maria  Theresias,  zu  einem  grossen  Theile  be- 
arbeitet hatte,  so  dass  er,  insbesondere  vom  Aachener  Frieden 
an,  allzu  oft  genöthigt  gewesen  wäre,  sich  selbst  zu  wiederholen. 
So  bot  der  Nachlass  in  druckfertiger  Ausführung  nur  die 
ersten  Capitel  des  Werkes  dar.    Die  unterzeichnete  Commission 

hat  geglaubt,  dieses  Bruchstück  der  Oeflfentlichkeit  nicht  vor- 

1* 


enthalten  zu  sollen.  Sie  zweifelt  freilich  nicht,  dass  der  Ver- 
fasser, hätte  er  das  Manuscript  noch  einmal  vorgenommen,  hie 
und  da  geändert  haben  würde.  Sie  übersieht  ebensowenig, 
dass  die  Literatur  der  letzten  fünfzehn  Jahre  von  Einem,  der 
jetzt  an  die  gleiche  Aufgabe  heranträte,  nicht  unberücksichtigt 
bleiben  dürfte.  Aber  sie  hat  sich  doch  andererseits  nicht  be- 
rufen gefühlt,  die  Arbeit  des  Meisters,  wie  sie  Tor  drei  Lustren 
aus  seiner  Feder  geflossen  ist,  irgendwie  zu  ergänzen  oder  zu 
berichtigen.  Denn  diese  Arbeit  ist  auch  so,  wie  sie  vorliegt, 
in  keinem  Punkte  des  grossen  vaterländischen  Geschicht- 
schreibers unwürdig. 

Wien,  im  Mai  1899. 

Die  Historische  Gonunission 

der 

kais.  Akademie  der  Wissenscliaften. 


Einleitung. 

lAQ.  allen  Zeiten  ist  die  Gabe,  sich  geeignete  Berather, 
geeignete  Vollstrecker  ihrer  Entschlüsse  zu  wählen,  als  eine 
der  schönsten,  aber  auch  als  eine  der  seltensten  angesehen 
worden,  welche  Monarchen  nur  immer  beschieden  sein  können. 
Nicht  jedesmal  aber,  wenn  die  getroffene  Wahl  sich  als  keine 
glUckUche  erwies,  war  der  Tadel  gegen  den,  der  sie  traf,  auch 
gerecht,  denn  gar  oft  lag  der  begangene  Missgriff  gar  nicht  in 
seinem  Verschulden.  In  der  hohen,  aber  gerade  deshalb  auch 
isolirten  Stellung,  in  welcher  Monarchen  sich  doch  immer  be- 
finden, gelangten  sie  insbesondere  zu  der  Zeit,  in  der  eine 
verfassungsmässige  Vertretung  des  Volkes  nur  in  einem  ein- 
zigen Grossstaate  Europas  bestand,  gar  nicht  dazu,  diejenigen 
kennen  zu  lernen,  deren  Befähigung  und  Charakter  sie  vor 
Anderen  geeignet  gemacht  hätte,  dem  Staatsoberhaupte  mit 
Rath  und  That  zur  Seite  zu  stehen.  Aber  freilich  ereignete  es 
sich  noch  häufiger,  dass  die  Wohldienerei,  die  das  Letztere 
gemeinigUch  umgibt,  ihm  allmälig  mehr  und  mehr  den  BUck 
für  das,  was  ihm  selbst  und  dem  Staate  frommte,  und  das  Ur- 
theil  über  diejenigen  trübte,  deren  Mithilfe  zur  Erreichung  der 
ihm  gestellten  Aufgabe  die  erspriesslichste  gewesen  wäre.  Festes 
Beharren  auf  der  eigenen  Ueberzeugung  und  edler  Preimuth 
in  Wort  und  Gesinnung  werden  gewöhnlich  dort  am  wenigsten 
geschätzt,  wo  sie  am  eifrigsten  gesucht  werden  sollten,  indem 
man  daselbst  nur  allzuleicht  meinungslose  Unselbständigkeit 
mit  persönlicher  Anhänglichkeit  und  Treue  verwechselt. 

Um  so  erfreulicher  ist  es  und  um  so  gewinnbringender  ftir 
den  Monarchen  selbst,  wenn  er  nicht  ntir  auf  seinem  Lebens- 
wege denjenigen  begegnet,  deren  ungewöhnUche  Befähigung 
and  sonstige  Eigenschaften  sie  in  ganz  besonderem  Masse  sor 


G 

Mitwirkung  an  der  Besorgung  der  wichtigsten  Geschäfte  des 
Staates  eignen,  sondern  wenn  er  auch,  nachdem  er  ihren  Werth 
erkannte,  sich  durch  keinerlei  Rücksicht  auf  sich  selbst,  auf 
seine  persönlichen  Sympathien,  ja  man  möchte  fast  sagen  auf 
seine  Eigenliebe  abwendig  machen  lässt,  sie  auf  den  Platz  zu 
stellen,  auf  dem  sie  ihm  und  dem  Staate  von  allcrgrOsstem 
Nutzen  sein  können.  Dieses  Glück,  die  richtigen  Männer  zu 
finden,  der  Scharfbhck,  sie  als  solche  zu  erkennen,  der  Eifer, 
sie  in  der  geeigneten  Sphäre  zu  verwenden,  und,  man  darf  wohl 
hinzufügen,  die  Selbstverleugnung,  hieven  auch  dann  nicht  ab- 
zulassen, wenn  diese  Männer,  ihren  persönlichen  Werth  fühlend, 
nicht  nur  mit  Freimuth  und  Selbständigkeit,  sondern  auch 
manchmal  recht  hartnäckig  an  ihren  eigenen  Anschauungen 
festhielten  und  zu  denen  des  Souverains  in  einen  zuweilen 
ziemlich  schroffen  Gegensatz  traten,  dies  Alles  war,  in  Oestei^ 
reich  wenigstens,  bei  keinem  Oberhaupte  dieses  Staates  in 
höherem  Masse  vereinigt  als  bei  Maria  Theresia.  Unter  den 
Männern  aber,  die  sie  zu  ihren  vornehmsten  Mitarbeitern  bei 
der  durch  sie  vollbrachten  Regenerirung  des  österreichischen 
Staatswesens  erkor,  war  ohne  allen  Zweifel  Kaunitz  bei  Weitem 
der  erste  und  grösste.  Ja  es  hiesse  wohl  seine  Bedeutung  als 
Mensch  und  als  Staatsmann  ungebuhrhch  herabdrUcken,  wenn 
man  ihn  als  blossen  Mitarbeiter  seiner  kaiserlichen  Herrin  hin- 
stellen wollte.  Von  dem  Augenblicke  an,  in  welchem  die  Lei- 
tung der  auswärtigen  Angelegenheiten  in  seine  Hände  gelangte, 
hat  Maria  Theresia  weit  mehr  unter  seinem,  als  er  unter  ihrem 
Einflüsse  gestanden.  Bis  zu  dem  Zeitpunkte,  in  welchem 
Josef  n.  als  Mitregent  seiner  Mutter  die  Stelle  seines  ve^8to^ 
benen  Vatei-s  einnahm,  muss  diese  Einwirkung  des  Staats- 
kanzlers Kaunitz,  wenigstens  insofern  sie  die  politische  Haltung 
Oestcrreichs  nach  Aussen  hin  betraf,  geradezu  eine  dominirende 
genannt  werden.  Und  da  sie  auch  späterhin  noch  lange  Zeit 
hindurch  eine  sehr  mächtige  blieb,  da  sie  sich  ausserdem  auf 
fast  alle  Zweige  des  Staatslebens  erstreckte  und  überall,  wo  sie 
zur  Geltung  gelangte,  dies  in  einem  Sinne  geschah,  der  auch 
heute  noch  Beifall  und  Lobpreisung,  ja  man  wird  sogar  sagen 
dürfen  Bewunderung  verdient,  so  wird  der  Vorsatz,  sein  Leben 
und  Wirken  zu  wahrheitsgetreuer  Darstellung  zu  bringen,  wohl 
keiner  Rechtfertigung  bedürfen.  Nur  als  die  EriUllnng  einer 
Pflicht  muss   der  Versuch   erecheinen,   dem  Manne,   dem  man 


I 

I 

I 


I 


an  dem  Denkmale,  doä  mau  soeben  der  grossen  Kaiserin  in 
der  von  ihr  so  sehr  geliebten  Stadt  Wien  errichtet,  mit  Recht 
den  ersten  Platz  nach  ihr  einräumte,  auch  nach  ihr  ein  solches 
in  der  Geschichte  zu  setzen.  Unzertrennlich  hievon  und  gleich- 
sam von  selbst  wird  sich  hieraus  die  erneuerte  Hinweisung  auf 
die  Bahnen  ergeben,  auf  welchen  die  grössten  und  edelsten 
Gestalten,  welche  die  Geschichte  Oesterreichs  kennt,  durch  die 
auch  gegen  ihre  Bestrebungen  sich  auftiiilrmenden  Hindernisse 
nicht  wankend  gemacht  und  beirrt,  vorwärts  schritten  zum 
Heile  des  ihrer  Sorgfalt  anvertrauten  Staates  und  zu  unsterb- 
lichem Ruhme  für  sich  selbst. 


I.  Capitol. 

Die  Familie  Kaunitz,  schon  seit  Jahrhunderten  in  Bühmen 
und  in  Mähren  zu  den  angesehensten  dieser  Länder  gerechnet, 
verlor  zur  Zeit  des  drcissigjährigen  Krieges  einen  sehr  be- 
trächtlichen Theil  ihres  Besitzes,  kam  aber  in  der  zweiten 
Hält\e  des  17.  Jahrhunderts  durch  Dominik  Andreas  von  Kaunitz 
zu  noch  grösserem  Glänze  und  Rcichthum,  als  sie  je  früher  ihr 
Kigen  genamit  hatte.  1G83  in  den  Reichsgrafenstand  erhoben, 
führte  dieser  (Dominik  Andreas  von  Kaunitz)  fUr  Kaiser  Leo- 
pold I.  der  Reihe  nach  wichtige  Verhandlungen,  bis  er  in  dessen 
Namen  1697  den  Ryswicker  F'rieden  schloss.  Im  folgenden 
Jahre  zum  Reichsvicekanzler  ernannt,  stiftete  er  1704  ein  grosses 
Faraiheniideicommiss  in  Mähren.  Nachdem  er  am  11.  Januar 
1705,  wenige  Monate  vor  seinem  kaiserlichen  Gönner  gestorben 
war,  ging  dieser  ausgedehnte  Besitz  auf  den  zweiten  der  ihn 
Überlebenden  Söhne,  Maximilian  Ulrich,  Über;  denn  der  älteste, 
Franz  Carl,  hatte  sich  dem  geistlichen  Stande  gewidmet  und 
starb  im  Jahre   1717  als  Bischof  zu  Laibach. 

Es  wird  behauptet,  Graf  Dominik  Andreas  habe  im  Jahre 
1690  den  Grafen  Ferdinand  Maximilian  von  Rietberg  aus  dem 
Hause  Zirksena,  welches  Ostfricsland  beherrschte,  zu  dem  Ver- 
sprechen vermocht,  seine  einzige  Tochter  Marie,  die  dereinstige 
Erbin  von  Rietberg,  mit  Maximilian  Ulrich  von  Kaunitz  zu 
vermählen.  In  Folge  dessen  sei  sie,  von  mütterlicher  Seite 
schon  seit  ihrer  Kindheit  verwaist,  nach  Prag  gebracht  worden. 


8 

wo  ihr  Vater  ihre  Erziehung  in  einem  Frauenkloster  vollenden 
liess.  Die  Art,  in  der  dies  geschehen  sein  soll,  wurde  in  einem 
Buche,  das  vor  schon  fast  zwei  Decennien  erschien,*  in  einer 
so  drastischen  Weise  geschildert,  dass  die  Fruchtbarkeit  der 
Phantasie,  der  diese  Darstellung  ihre  Entstehung  verdankt, 
nicht  weniger  Verwunderung  erregen  muss  als  die  Znversicht- 
lichkeit  des  Tones,  mit  welchem  so  handgreifliche  Erfindungen 
als  imbestreitbare  Wahrheit  vorgebracht  werden.  So  steht  in 
directestem  Widerspruche  mit  ihr  Alles,  was  über  eine  Verab- 
redung der  beiden  Väter  gesagt  wird.  Denn  Graf  Ferdinand 
Maximilian  von  Ostfriesland  und  Rietberg  war  schon  im  Jahre 
1687,  also  ein  Jahr  nach  der  Geburt  seiner  Tochter  und  elf 
Jahre  vor  jenem  Zeitpunkte  gestorben,  in  welchem  man  ihm 
den  Abschluss  einer  Vereinbarung  über  deren  zukünftige  Ver- 
mählung unterschiebt.  Seine  Gemahlin  hingegen,  Johanna  Fran- 
ziska, geborne  Gräfin  von  Manderscheid  und  Blankenheim,  war 
seit  1692  in  zweiter  Ehe  mit  dem  Grafen  Arnold  von  Bent- 
heim*  vermählt  und  befand  sich  zur  Zeit  der  Verheiratung  ihrer 
Tochter  erster  Ehe  mit  Max  Ulrich  von  Kaunitz  noch  am 
Leben. ' 

Ebenso  unwf^r  ist  die  Behauptung,  das  junge  Paar  sei 
schon  im  Winter  von  1697  auf  1698  getraut  worden.  Noch 
existirt  das  Original  der  fäepacten,*  welche  am  Z.  September 
1700  zu  Wien  zwischen  dem  damaUgen  Kämmerer  und  Reichs- 
hofrathc  Grafen  Max  Ulrich  Kaunitz  und  seiner  Gemahlin  Marie 
Ernestine  Franziska  gebornen  Gräfin  Rietberg  abgeschlossen 
wurden.  Die  Vormünder  der  Letzteren  waren  Hermann  Werner 
von  Wolff-Mettemich  zu  Gracht,  Bischof  von  Paderborn,  Fried- 
rich Christian  von  Plettenberg,  Bischof  von  Münster,  endlich 
Valentin  Ernst  Graf  Manderscheid,  Grossvater  der  Braat  and 
Vater  jenes  Moriz  Gustav  von  Manderscheid,  f]rzbischofs  von 
Prag,  der  sich  während  Maria  Theresias  erster  Regierungszat 


'  MarieKaniiitz-(Zirk8eiia-)Bittberg  (1688—1766).  EUn  frei  gkiBurtes  Lebens- 
und  Charakterbild  von  Carl  August  Schultz.  Berlin  und  Wriesen  a.  O. 
Verlag  von  H.  Biemschneider,  1867.  (Unter  der  Ueberklebnng  steht 
jedoch:  Anklam,  1867.    Wilhelm  Dietze's  Buchhandlung.) 

*  Graf  Arnold  von  Bentheim  zu  Bentheim,  am  29.  Juni  1663  geboren, 
starb  schon  am  15.  November  1701. 

■  Sie  starb  am  24.  April  1704. 

*  Im  Archive  zu  Jarmeritc. 


9 


dorch  seine  Parteinahme  ftlr  Carl  Albert  von  Baiern  ihre  volle 
Ungnade  zuzog. 

Ausdrücklich  ist  in  diesen  Ehepactcn  gesagt,  dass  die 
Trauung  am  6.  August  169ft '  stattgefunden  habe.  Die  Vor- 
mundschaft gewHhrte  4000  Gulden  Heiratsgut,  der  Vater  des 
jungen  Ehemannes  dagegen  eine  Widerlagc  von  6000  Gulden, 
4500  Gulden  Morgengabe  und  endlich  8000  Gulden  zur  ersten 
Einrichtung.  Er  versprach  ausserdem,  dem  neuen  Ehepaare 
standesgemässen  Unterhalt,  für  den  Fall  des  Todes  seines  Sohnes 
aber  dessen  Witwe  2500  Gulden  jährlich  zu  Theil  werden  zu 
lassen  und  ihr  das  erste  Stockwerk  seines  Hauses  in  Brunn  als 
Witwensitz  zur  Verfügung  zu  stellen. 

Interessanter  sind  die  Dispositionen,  welche  fllr  die  Re- 
gierimg  der  Grafschaft  Rietberg,  sowie  der  übrigen  der  jungen 
Gräfin  rechtmässig  zugefallenen  Herrschaften  und  Güter  ge- 
troffen wurden.  Sie  erkliirtc,  ihrem  Gemahl  die  Verwaltung 
und  Regierung  derselben,  sobald  er  die  AJtersnaclisicht  erhalten 
haben  und  die  Sequestration  der  Gütei'  aufgehoben  sein  werde, 
bis  zu  dem  Augenblicke  zu  übertragen,  in  welchem  sie  selbst 
die  Grossjährigkeit  erreiche.  Dann  werde  sie  zwar  die  Re- 
gierung antreten,  doch  solle  sie  von  Beiden  gemeinschaftlich 
geführt  werden;  auch  die  Huldigung,  sowie  jede  Anordnung 
habe  gemeinschaftlich  zu  geschehen,  es  wäre  denn,  dass  sie 
sich  der  Last  der  Geschäfte  völhg  cntschlagen  und  deren  Lei- 
tung ihrem  Gemahl  allein  übertragen  wolle.  Die  Prägung  der 
Münzen  solle  jedoch  unveränderlich  in  der  Art  vorgenommen 
werden,  dass  ihre  beiden  Bildnisse  auf  rlenselben  angebracht 
würden.  Und  was  schliesslich  die  Einkünfte  betreffe,  so  stimme 
fte  zu,  dass  er  über  dieselben,  er  möge  allein  oder  in  Gemcin- 
■Unkcit  mit  ihr  regieren,  nach  seinem  Belieben  verfüge.  Doch 
behalte  sie  sich  3000,  nach  Tilgung  der  Schulden  aber  4500 
Gulden  als  Stecknadelgeld  vor. 

Max  Ulrich  Kaunitz,  am  27.  März  1679  geboren,  zählte 
in  dem  Augenblicke  seiner  Eheschliessung  erst  20,  seine  Ge- 
mahlin aber,  am  1.  August  IG86  zur  Welt  gekommen,  gar  erst 
13  Jahre.  Es  mag  also  wohl  sein,  dass  man  auch  ein  Jahr 
später,  nach  Abschluss  der  Ehepaeten,  den  ehelichen  Verkehr 
zwischen  ihnen  noch  nicht  zuliess.    Ihr  erstes  Kind,  eine  Tochter, 


'  Demnach  ist  ia»  Datum  bei  Wiagrill,  V,  40,  richtig. 


10 

kam  denn  auch  nicht  früher  als  am  18.  Januar  1704  zur  Welt. 
Ihm  folgten  in  den  kürzesten  Fristen,  welche  die  menschliche 
Natur  nur  überhaupt  gestattet,  noch  15  Geschwister.  Erst  nach 
vier  Töchtern  brachte  die  Gräfin  am  23.  Februar  1709  einen 
Sohn,  Johann  Dominik,  am  2.  Februar  1711  aber  einen  zweiten 
Sohn  zur  Welt,  der  in  der  Taufe  die  Namen  Wenzel  Anton 
Dominik  erhielt. 

Wer  sich  damit  beschäftigt,  das  Loben  einer  geistig  sehr 
bedeutenden  Persönlichkeit  zu  studiren,  wird  den  grössten 
Werth  darauf  legen,  die  Art  und  Weise  ei^Unden  zu  können, 
in  der  sie,  von  den  ersten  Keimen  beginnend,  allmälig  zu  ihrer 
späteren  Entfaltung  gelangte.  Bedauernd  müssen  wir  bekennen, 
dass  wir  uns,  was  die  Jugendzeit  und  den  Bildungsgang  des 
Grafen  Kaunitz,  was  insbesondere  die  Personen  betriäl,  welche 
massgebenden  Einfluss  auf  seine  geistige  Entwicklung  nehmen 
mochten,  vollständig  im  Dunklen  befinden.  War  seine  Mutter 
wirklich  eine  Frau  von  so  viel  Verstand  und  so  scharf  aus- 
geprUgtem,  ja  männlichem  Charakter,  als  welche  man  sie  dar- 
stellt, so  wird  es  wohl  als  selbstverständlich  betrachtet  werden 
müssen,  dass  sie  auf  die  Art  und  Weise,  in  der  ihr  Sohn  zum 
Jüngling  und  Manne  heranreifte,  nicht  ohne  mächtigen  Einfiuss 
blieb.  Umsomehr  muss  man  sich  verwundern,  dass  hievon  in 
der  auf  die  geringfügigsten  Einzelnheiten  sich  erstreckenden 
Darstellung  der  Erziehung,  die  sie  ihren  Töchtern  gegeben 
haben  soll,  gar  keine  Erwähnung  geschieht.  Zieht  man  freilich 
die  Irrthümer  gröbster  Art,  ja  die  offenbaren  Thorheiten  in 
Betracht,  die  darin  vorkommen,  so  wird  dieses  Bedauern  wieder 
ansehnlich  verringert.  Denn  wenn  beispielsweise  die  Behaup- 
tung vorgebracht  wird,*  die  Kaiserin  Elisabeth,  Gemahlin 
Karls  VI.,  habe  der  Gräfin  Kaunitz  ftir  ihren  Sohn  Wenzel  die 
Iland  ihrer  ältesten  Tochter,  der  Erzherzogin  Maria  Theresia 
für  den  Fall  angeboten,  als  sie  sich  nicht  vielleicht  doch  mit 
derjenigen  ihrer  zweiten  Tochter,  der  Erzherzogin  Marianne, 
ftir  ihn  begnüge,  und  die  Gräfin  habe  sich  darauf  vernehmen 
lassen,  sie  hoffe,  ihr  Sohn  halte  sich  im  Ernste  hiefÜr  zu 
gut,  so  muss  freilich  eine  so  unglaubliche  Ungereimtheit  die 
Lust  nach  ähnUchen  Enthüllungen  schon  von  vorneherein  er- 
sticken. 

"  8. 168. 


11 


So  wenip  als  über  den  Einflnss  der  Mutter  auf  ihren  Sohn 
wissen  wir  auch  liber  den  des  Vaters  auf  ihn.  Nach  seinem 
öffentlichen  Wirken  zu  urtheilen.  scheint  Graf  Maximilian  Ulrich 
Kaunitz  ein  wohlwollender,  {lüichttreuer  Manu  gewesen  zu  sein. 
Nicht  so  sehr  bei  den  verschiedenen  diplomatischen  Missionen, 
die  ihm  der  Reihe  nach  übertragen  wurden,  und  von  denen 
eine  ihn  auch  nach  Koui  führte,  trat  dies  hervor.  Aber  als 
Landeshauptmann  von  Mähren,  welche  Würde  er  durch  26  Jahre, 
von  1720  bis  zu  seinem  im  Jahre  1746  erfolgten  Tode  be- 
kleidete, hatte  er  reichlichen  Anlass,  zu  beweisen,  dass  er  jene 
Eigenschaften  wirklich  besass.  Eine  nicht  geringe  Anzahl  wohl- 
tbätiger  Einrichtungen,  die  zumeist  auf  seine  Anregung  ge- 
schaffen wurden,  ftlllt  in  seine  Amtszeit.  Die  Versuche  zur 
Schiffbarmachung  der  March,  die  Errichtung  einer  stUndischen 
Akademie  zu  Olmütz,  die  Verbindung  dieser  Stadt  mit  der 
Landeshauptstadt  Brunn  durch  eine  nach  damaligen  Begriffen 
sehr  gute  Strasse,  die  Reguliruug  des  Steuerwesens  werden 
unter  den  von  ihm  getroffenen  Massregeln  in  erster  Linie  ge- 
priesen. Wenn  hiebei  neben  der  Vertreibung  der  Zigeuner 
aus  Mähren  auch  noch  die  Beschränkung  der  Anzahl  der  Juden 
und  die  Erhöhung  der  Abgaben  als  lobcnswerthe  Handlungen 
angeftihrt  werden,  so  müssen  wir  die  Verantwortung  hiofür 
unserem  landcskimdigen  Gewährsmann  tiberlassen.' 

Von  dem  ältesten  Sohne  des  Grafen  Max  Ulrich  Kaunitz, 
Namens  Johann  Dominik  Josef,  wird  behauptet,  er  habe,  fort- 
während kränkelnd,  unverehelicht  und  in  stiller  ZurUckgczogen- 
heit  in  Böhmen  gelebt,  die  Fidcicommissgüter  seinem  nitchst- 
jüngeren  Bruder  Wenzel  übergeben  und  sei  im  Jahre  1751 
gestorben.'  Die  letztere  Angabe  muss  jedoch  irrig  sein;  denn 
schon  im  October  1724,  als  sich  Graf  Max  Ulrich  Kaunitz,  da- 
mals Botschafter  in  Rom,  zum  ersten  Male  fUr  seinen  Sohn 
Wenzel  bei  dem  Papste  Benedict  XTU.  um  Viiritihmig  einer 
Präbende  bewai'b,  bezeichnete  er  ihn  ausdrücklich  als  seinen 
ältesten  Sohn.' 


*  O'Elvert,    Die  Kaiiiiitze.    In  Wnlny's  TiLscIionbiidie  fUr   die  UMcliichle 
Mälireo»  und  Sclileiiienii.    II.  Jalirg:aii(,',   1827.    S.  148. 
WiMgrill,  V,  S.  40. 

Daas  Johann  Duminik  Kaunits  nicht  bis  luin  Jahre  1761  gelebt  haben 
kOune,  g'oht  »ncli  ans  dem  Deerete  liervor,  welche»  Maria  Tberesin  am 
20.  Juui   1742   orlieos,  den  Grafen   Max  Ulrich   Kauuit«  cur  Aufnahme 


12 

Hieraas  geht  auch  die  Unrichtigkeit  einer  zweiten,  gleich- 
falls oft  wiederholton  Behauptung  hervor,  derzufolge  Wenzel 
ELaunitz,  ursprünglich  fUr  den  geistlichen  Stand  bestimmt,  dem- 
selben erst  nach  dem  Tode  seines  alteren  Bruders  wieder  ent- 
sagt habe.*  Denn  in  dem  AugenbUcke,  in  welchem  der  Papst 
um  Zuwendung  einer  Pfründe  an  ihn  angegangen  wurde,  war 
ja  nach  der  Versicherung  des  eigenen  Vaters  ein  älterer  Sohn 
gar  nicht  am  Leben. 

Auffallend  ist  es  freilich,  dass  ein  solches  Begehren  zu 
Gunsten  eines  jungen  Mannes  gestellt  wurde,  welcher  durch 
die  obwaltenden  Verhältnisse  gleichsam  von  vorneherein  dazu 
bestimmt  zu  sein  schien,  dereinst  einen  ausgedehnten  Guter- 
besitz  zu  übernehmen.  Aber  gerade  in  der  Familie  Kaunitz 
war  ja,  wie  wir  sahen,  ein  solcher  Vorgang  schon  einmal  be- 
obachtet worden,  und  es  wäre  nur  eine  Wiederholung  des  be- 
reits Geschehenen  gewesen,  wenn  auch  noch  ein  zweites  Mal 
der  ältere  Sohn  Priester,  ein  jüngerer  hingegen  Besitzer  des 
FamiUenfideicommisses  geworden  wäre. 

Wie  dem  übrigens  auch  sein  mochte,  die  ganze  Bewer- 
bung ist  so  bezeichnend  für  die  Art,  in  welcher  damals  in  der 
,gnten  alten  Zeit'  die  kirchlichen  Präbenden  zur  Versoi^ung 
von  Mitgliedern  vornehmer  Adelsfamilien  au^ebeutet  wurden, 
dass  es  wohl  gestattet  sein  wird,  einen  Augenblick  bei  ihr  zu 
verweilen. 

Sie  erstreckte  sich  zunächst  auf  ein  Paderbom'sches,  dann 
aber  auch  auf  ein  Münster'sches  Canonicat,  und  obgleich  der 
Knabe,  um  den  es  sich  handelte,  das  vorgeschriebene  vierzehnte 
Lebensjahr  noch  nicht  erreicht  hatte,  scheint  ihm  doch  eine 
der  zwei  erbetenen  Pfründen  schon  im  December  1724  vom 
Papste  zugesprochen  worden  zu  sein.  Bestätigt  wird  diese 
Vermuthung  durch  den  Umstand,  dass  die  Sache  schon  in  der 
Sitzung  des  Domcapitels  zu  Münster  vom  30.  Mai  1726  zur 
Sprache  kam,^   sowie  diurch  zwei   noch  vorhandene  Schreiben 


einer  Schuld  von  12,000  Oulden  auf  seine  mährischen  Fideicommissgüter 
zu  ermäcbtigen.  Denn  er  bedürfe  dieser  Summe,  um  filr  seinen  .ältesten* 
Sohn  Wenzel  die  Kosten  der  Einrichtung  zu  bestreiten,  welche  durch 
dessen  Ernennung  zum  Gesandten  in  Turin  nothwendig  gemacht  werde. 

1  D'Elvert,  8.  149. 

*  SitzungsprotokoU  Tom  30.  Mai  1726.  Archiv  zu  Httnster.  Gef.  Mitthei- 
loug  des  Herrn  Prof.  Th.  Liudner. 


13 


der  Freiherren  von  der  Recke  und  von  Schmising,  Domherren 
zu  Münster,  an  Maximilian  Ulrich  von  Kaunitz.  Nachdem  laut 
seiner  Mittheilung,  erklären  sie  ihm  Beide,  seinem  Sohne  Wenzel 
vom  Papste   eine  Dompräbendc   zu  Münster  verliehen  worden 

'  sei,  seien  sie  mit  Freuden  bereit,  dem  stets  beobachteten  Ge- 
brauche zufolge,  dessen  Stammbaum  beim  dortigen  Domcapitel 
zu  beschwören.^ 

Parallel  mit  dieser  Bewerbung  um  ein  Canonicat  in  Mün- 
ster lief  auch  die  um  ein  solches  in  Paderborn.  Im  Juni  1726 
richtete  der  Papst  ein  Breve  an  den  Kurftlrsten  Clemens  August 
von  Köln,  mit  welchem  er  für  die  V'^erlcihnng  des  ersten  Ga- 
nonicates,  das  in  Paderborn  zur  Erledigung  käme,  an  Wenzel 
Kaunitz  eintrat*  Graf  Maximilian  Ulricli  wandte  sich  gleich- 
falls, und  zwar  bittend  an  den  Kurfürsten.  Im  October  1726 
antwortete  der  Letztere,  er  werde  auf  die  Empfeldung  des 
Papstes  gewiss  jpgliche  Rücksicht  nehmen,  müsse  aber  bei  sich 
ereignenden  Erledigungen  vorerst  seinen  schon  eingegangenen 
Verpflichtungen  nachkommen. 

Wie  in  Paderborn,  ging  auch  in  Münster  die  Sache  keines- 
wegs so  glatt  ab,  als  man  in  der  Familie  Kaunitz  wohl  gehofft 
haben  mochte.  Ganz  eigenthümlichcr  Weise  war  es  eine  Art 
von  Nationalitätstreit,  welcher  das  Project  zum  Scheitern  zu 
bringen  drohte.  Denn  im  Domcapitel  zu  MUnster  wurden  ein- 
flussreiche Stimmen  laut,  welche  behaupteten,  die  Familie  Kaunitz 
könne  als  eine  mährische  nicht  als  dem  deutschen  Adel  ange- 
hörig betrachtet  werden.  Dass  der  Grossvater  in  den  Reichs- 
g;rafenstiind    erhoben   worden,  ja   sogar  Keichsvicekanzler  war, 

I  da88  die  Matter  einem  reindeutschen  Geschlechte  angehörte, 
Messen  sie  ganz  ausser  Acht.  Sic  brachten  es  dahin,  dass  am 
17.  December  172G  das  Domcapitel   den  ftirmlichen  BesclJuss 

I  fasste,  den  Kaiser  dringend  zu  bitten,  er  möge  nimmermehr  ge- 
statten, dass  es  durch  , Einbringung  auswärtigen  fremden  Adels 
zum  Präjudiz  und  zu  nachdrücklicher  Consequenz  aller  Erz-  und 
Stifter  wie  auch  ritterlichen  Ordens-  und  Ritterschaften  im 
heiligen  Römischen  Reiche  teutscher  Nation  betrübt  werde'.* 


'  Recke  and  Schmising  an  Kaanitz.    MOnster,  3.  Jnni  1726.    Jarmeritxer 
Archiv. 

*  Ptt|wtl.  Breve  an  den  Kurfürsten  von  Kittn.     II.  Jnni  1786.    Jarmeritxer 
Archiv. 

*  Concituum  iu  Capitulo,  IT"  Oecemliris  1726.    .larmeritKer  Archiv. 


14 

In  diesem  Sinne  schrieb  nicht  nur  das  Domcapitel  an  den 
Kaiser,  sondern  es  legte  auch  noch  in  der  nächstfolgenden  Zeit 
den  Entschluss  recht  deutlich  an  den  Tag,  bei  seinem  "Wider- 
stände gegen  die  Aufnahme  eines  ,Fremden'  zu  beharren.  Ihn 
zu  brechen,  nahm  Max  Ulrich  die  Beihilfe  des  Reichsvice- 
kanzlers  Grafen  Schönbom  mit  der  Bitte  in  Anspruch,  ihn  bei 
der  Widerlegung  eines  so  ,chican(isen  Einwandes'  unterstützen 
zu  wollen.  Man  scheint  jedoch  mit  diesem  Bestreben  nicht 
glUckUch  gewesen  zu  sein  und  kein  anderes  Mittel  mehr  be- 
sessen zu  haben,  als  an  die  MachtToUkommenheit  des  Kaisers 
zu  appelliren.  Ja  sogar  ein  erstes  Decret  desselben  vom 
14.  Februar  1727  muss  unbeachtet  geblieben  sein,  denn  am 
28.  April  wurde  mit  ausdrücklicher  Beruiung  auf  dasselbe  der 
strenge  Befehl  des  Kaisers  an  das  Domcapitel  erneuert,  dem 
vom  Papste  provisorisch  ernannten  jungen  Grafen  Kaunitz 
gegen  erfolgende  statutenmässige  Aufschwörung  unverzüglich 
jPossession  zu  ertheilen'. 

Nicht  früher  als  am  4.  Juli  1727  entschloss  sich  das  Dom- 
capitel zum  Gehorsam,  aber  doch  auch  gleichzeitig  zu  der  An- 
frage, ob  denn  der  böhmische  und  der  mährische  Adel  dem 
deutschen  gleichzuachten  sei,  da  ihn  auch  der  Malteserorden 
nicht  anerkenne.*  Und  fünf  Tage  später,  am  9.  Juli,  erklarte 
das  Domcapitel,  die  schon  seit  mehr  als  zwei  Jahren  hiezu  be- 
stimmten Domherren  Friedrich  Mathias  Freiherm  von  Korff, 
genannt  Schmising,  und  Freiherm  Johann  Mathias  von  der 
Recke  zur  Aufschwörung,  welcher  der  junge  Graf  Kaunitz  per- 
sönlich beizuwohnen  habe,  zulassen  zu  wollen. 

Ehe  dieselbe  wirklich  vollzogen  wurde,  am  25.  August 
1727,  kam  diese  Angelegenheit  in  einer  Sitzung  des  Domcapitels 
neuerdings  zur  Sprache.  Ein  Schreiben  des  Grafen  Max  Ulrich 
Kaunitz  wurde  verlesen  und  ausdrUckUch  bemerkt,  dass  es  in 
sehr  verbindlichen  Worten  abgefasst  sei.  Gleichwohl  behielt 
sich  das  Domcapitel  ,Satisfaction*  vor  wegen  der  ,herben  ter- 
minis'  in  früheren  Zuschriften.* 

Am  26.  August  geschah  endlich  die  Aufschwörung,  aber 
nicht  der  junge  Kaunitz,  sondern  nur  sein  Mandatar,  der  Dom- 

>  Sitznngsprotokoll  vom  4.  Juli  im  Archiv    zu   Mflnster.    Qef.  Mittheilnng 

im  Herrn  Prof.  Th.  Lindner. 
*  Sitznngxprotokoll  vom  25.  ÄngnBt  1727.    Archiv  zn  Hnnster.    Oef.  Mit- 

theilung  des  Herrn  Prof.  Tb.  Lindner. 


15 


vicar  Mus  wohnte  ihr  bei.  Nachdem  er  im  Namen  des  neuen 
Domherrn  das  katholische  Glaubensbekenntniss  abgelegt,  sowie 
den  Eid  der  Treue  und  des  Gehorsams  auf  die  Statuten  ge- 
leistet hatte,  wurde  ihm  der  geziemende  Platz  im  Domchor  an- 
gewiesen und  die  ,völlige  Possession'  ertheilt.' 

Aber  auch  mit  diesen  Ceremonien  war  der  Gegenstand 
noch  nicht  erschöpft.  In  der  Sitzung  des  Domcapitels  vom 
15.  November  1727  kam  ein  neuerliches  Rescript  des  Kaisers 
zur  Verlesung,  durch  welclies  angeordnet  wurde,  die  einge- 
tretene Verzögenmg  dürfe  dem  Grafen  Kaunitz  nicht  zum 
Nachtheil  gereichen.  Jetzt  waren  auch  die  Mitglieder  des 
Capitels  schon  nachgiebiger  gestimmt.  Obgleich  bisher,  er- 
klärten sie,  nur  der  Zeitpunkt  der  Aufschwöning  als  Mass- 
stab flir  die  Vorrückung  gegolten  habe,  so  sei  doch  zu  er- 
warten, dass  Kaunitz  sich  beschweren  und  vom  Kaiser  Recht 
erhalten  werde.  Ausserdem  würden  sich  auch  früher  oder 
später  gewiss  Streitigkeiten  Über  die  Rangordnung  ergeben. 
Es  sei  daher  besser,  dem  Grafen  Kaunitz  gleich  von  vorne- 
herein den  Platz  einzuräumen,  den  der  Kaiser  ihm  zuaprccJie. 
In  Folge  dessen  erhielt  er  den  Rang  unmittelbar  naeli  dem 
Freiherrn  von  der  Recke  und  vor  Alexander  von  Vehlen,  der 
bereits  am  11.  April   J727  Besitz  ergriffen  hatte.* 

Viel  ungünstiger  noch  als  in  MUnster,  wo  man  wenigstens 
schliesslich  ans  Ziel  kam,  war  der  Verlauf  der  Bewerbung  für 
Wenzel  Kaunitz  in  Paderborn.  Mit  dem  Kurfürsten  Clemens 
August  von  Köln,  der  anfangs  auch  derjenigen  in  Münster 
widerstrebt  und  für  Paderborn  gleichfalls  einen  andern  Candi- 
daten  in  Vorschlag  gebracht  hatte,  war  die  Vereinbarung  ge- 
troffen worden,  dass,  wenn  er  sich  hinsichtlich  Münsters  nach- 
giebig erweise,  man  ihm  in  Bezug  auf  Paderborn  seinen  Willen 
lassen  wolle.  Sei  aber  sein  Schützling  einmal  versorgt,  dann 
müsse  bei  der  nächsten  Erledigung  auch  in  Paderborn  die 
Reihe  an  Wenzel  Kaunitz  kommen. 

Man  scheint  sich  jedoch  keineswegs  streng  an  diese  Ver- 
abredung gehalten  zu  haben.  Wir  kennen  wenigstens  ein 
Schreiben  des  Grafen  Max  Ulrich  Kaunitz  an  ein  Mitglied  des 

*  Sitzuiigsprotokoll  voin  26.  Angnst  1727.     Archiv   zn  MQniiter.     Qef  Mit- 
tbeilung  des  Hnrrn  Prof,  Th.  Limlner. 

*  8itznngH|>rotokoll  vom    15.  NdVBmltor  1727.    Arehiv  xn  MfliintHr.    Gef.  Mit- 
tlieilnng  tiea  Herrn  I'rof.  Th.  Lintlner. 


16 

pftpstlichen  Hofes*,  in  welchem  er  die  Behauptung  aufstellt,  in 
Paderborn  seien  nun  schon  mehrere  Canonicate  erledigt  worden, 
ohne  dass  sein  Sohn  Wenzel  eines  derselben  erlangt  hatte.  TSr  bittet 
nun,  an  dessen  Stelle  den  jüngeren  Sohn  Carl  treten  bu  lassen 
und  ihm  ein  Canonicat  in  Paderborn  zuwenden  zu  wollen. 
Stosse  man  sich  jedoch  vielleicht  daran,  dass  derselbe  erst  drei- 
zehn Jahre  zähle,  so  möge  man  dem  älteren  Bruder  Wenzel 
gegenüber  das  gegebene  Versprechen  erfüllen  und  ihm,  der 
schon  ein  Canonicat  in  Münster  besitze,  ein  solches  auch  in 
Paderborn  zu  Theil  werden  lassen. 

Dieses  Begehren  scheint  jedoch  hinsichtlich  keines  der 
beiden  Brüder  in  Erfüllung  gegangen  zu  sein.  Dagegen  kam 
im  April  1729  die  Nachricht  aus  Rom,  Graf  Cail  Kaunitz  habe 
ein  erledigtes  Canonicat  in  Lüttich  erlangt.  Damit  war  firdlich 
die  Begehrlichkeit  des  Vaters  noch  keineswegs  beschwichtigt; 
wir  sehen  vielmehr,  wie  er  in  Passau  und  in  Olmütz  sich  um 
Canonicate  für  seinen  Sohn  Carl  bewirbt.  Aber  in  so  drängen- 
der Weise  dies  auch  geschah,  so  scheint  es  doch,  dass  diese 
Bemühungen  fruchtlos  blieben  und  Carl  Kaunitz  neben  seinem 
Canonicate  zu  Lüttich  kein  anderes  mehr  als  das  zu  Münster, 
und  zwar  das  letztere  in  Folge  der  im  Jahre  1733  ge- 
schehenden Resignation  seines  Bruders  Wenzel  auf  daaselbe 
erhielt. 

Der  frühe  Tod  des  Grafen  Carl  Kaunitz,  der  am  29.  Marx 
1737  im  22.  Lebensjahre  nach  kurzer  Krankheit  in  Rom  starb, 
scheint  den  Vater  zu  einer  neuen  Bewerbung,  und  zwar  zn 
Gimsten  seines  jüngsten  Sohnes  Johann  Josef  um  ein  Canonicat 
in  Olmütz  veranlasst  zu  haben.  Im  Sommer  1741,  zu  einer 
Zeit,  da  der  Johann  Josef  erst  15  Jahre  zählte,  trat  Max  Ulrich 
Kaunitz  mit  ihr  hervor.  Während  des  Aufenthaltes  in  Preas- 
burg,  somit  in  einem  Augenblicke,  in  welchem  Maria  Theresia 
sich  in  höchster  Bedrängniss  befand,  Uess  er  ihr  durch  ihre 
Obersthofmeisterin  und  vertraute  Freundin  Gräfin  Fuchs  seine 
Bitte  dringend  empfehlen.  Die  Königin  bedauerte  jedoch,  dass 
er  sich  nicht  noch  früher  beworben  habe,  jetzt  sei  der  erledigte 
Platz  schon  einem  jungen  Grafen  Kolowrat  versprochen.  Das 
Domcapitel  zu  Olmütz  aber  machte  das  Versäumniss  des  Grafen 
Kaunitz  wieder  gut,  denn  es  wählte  dessen  Sohn  Johann  Josef 


'  Brflnn,  8.  April  1728.    Jarmeritzer  Arehiv. 


17 

gleich  im  ersten  Wahlgange  mit  18  Stimmen  zu  seinem  Mit- 
gliede.*  Kolowrat  war  fallen  gelassen  worden,  weil  er  das 
canonische  Alter  noch  nicht  besass.  Aber  auch  der  junge 
Kaunitz  erfreute  sich  seiner  Domherrenstclle  nicht  lange. 
Noch  nicht  17  Jahre  alt,  starb  er  am  10.  Mttrz  1743,  und  so 
blieb  denn  von  allen  Brüdern  nur  mehr  Wenzel  Anton  am 
Leben. 

Gewölinlich  wird  erzählt,    derselbe  habe  die  Zeit,  welche 
auf  seine  Wahl   zum   Domherrn    in   Münster    folgte,    auf  ver- 
schiedenen Universitäten    zugubracht,    um    dort    juristische   imd 
politische  Studien  zu  treiben.    Als  solche  werden  Wien,  Loyden 
und  Leipzig  genannt,    während  sich  jedoch  mit  ziemlicher  Bo- 
Btimmtheit   dartliun    lilsst,    dass  er   an    den    zwei   erstercn  Uni- 
versitiUen   niemids   studirt   hat.     Gewiss  ist  dagegen  sein  Auf- 
enthalt in  Leipzig,  und  merkwürdig  erscheint  es,  dass  wir  das 
erste  Zougniss  hierüber  aus  dem  Munde  jenes  Königs  besitzen, 
welchem  Kaunitz  fast  seine  ganze  politische  Laufbahn  hindurch 
feindlich    gegenüberstand.     Mehr    als    ein    halbes    Jahrhundert 
später,    im   Mai    1783,    erzählte   Friedrich  II.  von    Preussen    an 
Beiner  Tafel,  indem  er  von  Kaunitz  sprach  und  sich  über  dessen 
Eigenschaften  verbreitete,  er  habe  denselben  zum  ersten  Male 
j  in  jenem  prunkvollen  Feldlager  gesehen,  welches  König  August  II. 
'von  Polen,    Kurfürst  von  Sachsen,    im  Mai  und   im  Juni   1730 
[bei   Muhlberg   abhalten    Hess,    und    das   auch    König   Friedrich 
[Wilhelm  I.  von  Preussen   mit  seinem  ältesten  Sohne  besuchte. 
Kaunitz   sei   damals  Student   an   der  Leipziger  Universität   ge- 
wesen.* 

Trotz  der  Länge  der  Zeit,  welche  zwischen  diesem  &- 
lebnisse  und  dem  Augenblicke  verfloss,  in  welchem  König  Fried- 
rich hievon  sprach,  soll  doch  die  Richtigkeit  seiner  Mittheilung 
durchaus  nicht  in  Zweifel  gezogen  werden.  Aber  dagegen 
wird  doch  auch  erwähnt  werden  müssen,  dass  Kaunitz  erst 
am  20.  April  1731,  und  zwar  unter  dem  Rectorate  des  Pro- 
fessors   Christian    Ludovici    in    Leipzig    wirklich    immatriculirt 


'  Der  Dompropst  Otto  Graf  Eck  an  Max  Ulrick  Kaanitz.    Olmiits,  19.  t>op- 

teiuber  1741.    Jarmeritzer  Ärcliiv. 
'  Tagebuch  deH  Marquis  Luccliesini  über  die  Tischgespräche  in  Sanssouci, 

11.  Mai  1783.     ,E^H   lo   aveva   conusciutu   al   campu   del   Ki   di  Toloiiia 

vicino  a  Lipxia  ranno  1730.    Allor.t  Knnnitz  era  studento  all' UniversitA.' 

Gel',  Mittheilung  dos  Herrn  I'rof.  K.  Koser  in  Berlin. 
AceklT.    LXXXnn.  Bd.   1  UAlfto.  .2 


18 

wurde.*  Von  diesem  Zeitpunkte  an  gerechnet  kann  er  übrigens 
nicht  mehr  länger  als  durch  anderthalb  Semester  dort  verweilt 
haben,  denn  im  Herbste  des  Jahres  1732  muss  der  Abschlius 
seiner  Universitätsstudien  schon  eingetreten  gewesen  sein. 

Erst  von  diesem  Augenblicke  angefangen  erhält  unsere 
Kenntniss  des  Lebensganges  des  jungen  Kannitz,  fireilich  aach 
jetzt  nur  fUr  einen  verbältnissmässig  sehr  kurzen  Zeitraam,  eine 
ganz  feste  Basis.  In  dem  Familienarchiy  zu  Jarmeritz  in 
Mähren  befindet  sich  eine  sehr  ausführliche  Aufzeichnung,  die 
erste,  welche  wir  überhaupt  von  der  Hand  des  Grafen  Kaimitz 
kennen,  über  die  Reise,  welche  er  damals  von  Paderborn  aus 
über  Münster  und  Osnabrück  nach  Holland  und  den  östet- 
reichischen  Niederlanden  in  Gesellschaft  seines  Hofmeisters  an- 
trat. Den  Namen  des  Letzteren  lernen  wir  leider  nicht  kennen, 
aber  sonst  ist  diese  Sammlang  von  Briefen  oder  dieses  Tage- 
buch, wie  sie  füglich  genannt  werden  kann,  äusserst  charakte- 
ristisch, und  zwar  ebenso  für  die  Persönlichkeit  dessen,  von 
dem  es  herrührt,  als  für  die  eigenthümliche  und  mit  der  jetzigen 
so  sehr  contrastirende  Art,  in  welcher  man  damals  zu  reisen 
pflegte,  und  in  der  dies  insbesondere  von  jungen  Leuten  vor 
nehmen  Standes  geschah. 

In  {i-anzösischer  Sprache  abgefasst,  ist  das  Tagebuch  des 
jungen  Kaunitz  in  den  kleinsten  und  feinsten  Schriftzügen,  die 
man  sich  nur  denken  kann,  fast  ohne  jegliche  Correctur  nieder- 
geschrieben. Ueberall  schenkt  der  Autor  den  Gegenden,  den 
Ortschaften  und  Städten,  durch  die  er  kommt,  sowie  den  Men- 
schen, mit  denen  er  in  Berührung  tritt,  rege  Aufmerksamkeit 
Die  ersteren  trachtet  er  mügUchst  anschaulich  zu  beschreiben, 
und  auch  über  die  letzteren  weiss  er  meistens  in  recht  be- 
zeichnender Weise  zu  berichten.  Nur  um  von  der  Art,  in  der 
dies  von  seiner  Seite  geschieht,  einen  Begriff  zu  gewähren,  mag 
der  Anfang  seines  Tagebuches  hier  Au&ahme  finden.* 

'  Unter  Lndovici's  Rectorat  ist  in  der  Leipziger  UniyerBitätsmatrikel  ein- 
getragen: ,N.  112.  B.  (d.  h.  Bavarus).  20.  April  1731.  Comes  de  Cannib 
et  Ridberg,  Wenceslans,  Viennensis.'  Eine  Exmatrikel  war  HihubI«  ig 
Leipzig  noch  nicht  eingeführt,  es  ist  daher  nicht  mit  ToUer  Bestimintheit 
zu  ergründen,  wie  lange  Kaunitz  dort  studirt  hat  Oef.  Mittheilong  det 
Herrn  Prof.  W.  Arndt  in  Leipzig. 

*  Es  ist  Überschrieben:  .Voyage  de  Hollande  et  d'nne  partie  de  l'Alle- 
magne,  fait  en  i73i  par  le  Comte  W.  de  Ksunita-Rittberg,  4crit  de  main 
propre.' 


19 

,Am  8.  September  1732/  schreibt  Kannitz,  ,gi"g  ich  von 
Osnabrück  weg,  nachdem  ich  von  dem  Kurftlrsten'  —  es  war 
dies  derselbe  Clemens  August  von  Baiern,  der  wenige  Jahre 
früher  sich  in  seine  Wahl  zu  Münster  so  ungern  gefügt  und 
die  zu  Paderborn  ganz  hintertrieben  hatte  —  ,und  dem  Prinzen 
Ferdinand,'  die  mich  Beide  mit  tausend  Bezeigungen  ihrer 
Freundschaft  und  Qnade  beglückten,  Abschied  genommen,  sowie 
dem  Grafen  Plettenberg*  und  den  meisten  Herren  des  Hofes 
Lebewohl  gesagt  •fcatte,  um  meine  Reise  nach  Utrecht  anzu- 
treten. Ich  that,  wie  man  dies  zu  thun  pflegt,  wenn  man  sich 
nach  Holland  begibt  und  unterwegs  nicht  nutzlos  gequilit  wer- 
den wilL  Ich  verabfolgte  die  ganze  Summe  des  Geldes,  das 
ich  auf  jeder  Station  hätte  bezahlen  müssen,  dem  Postmeistor 
zu  Osnabrück,  der  mir  dafür  ein  Billet  ausstellt  und  mich  bis 
nach  Utrecht  befördert.  Ich  gewinne  dadurch,  dass  ich  wegen 
der  Anzahl  der  Pferde,  die  man  nehmen  muss,  und  auch  in 
Bezug  auf  das  holländische  Geld,  in  dem  ich  bezahlen  mttsste, 
und  das  man  sich  nur  mit  Verlust  zu  verscliafTcn  vermag,  nicht 
geplagt  werde. 

,Von  Osnabrück  kommt  man  nach  Ibbenbüren  —  drei 
Meilen,  wo  wir  schlecht  zu  Mittag  assen,  von  da  nach  Rheine, 
«wei  Meilen,  wo  Herr  von  Twickel  Drost  ist,  und  von  Rheine 
nach  Bentheim,  Residenz  der  gleichnamigen  Grafen,  wo  wir 
Bcliliefen.  Dieser  €)rt  liegt  auf  einem  Berge,  und  die  Wege, 
die  zu  ihm  hinauf  fühi'en,  sind  sehr  steinig  und  schlecht.  Wir 
wohnten  im  Posthause,  und  da  wir  den  Postmeister  mit  einigen 
seiner  Freunde  und  Freundinnen  bei  der  Abendmahlzeit  trafen, 
.nahmen  wir  mit  ihm  an  derselben  theil.  Wübrend  des  Abend- 
essens unterrichtete  ich  mich  über  viele  Angelegenheiten  der 
Grafschaft,  und  unmerklich  wollten  sie  mich  glauben  machen, 
nein  Oheim,  Graf  Bentheim,  sei  mit  einer  Grilfin  Kaunitz, 
•einer  Nichte,  vermilhlt.  Mein  Hofmeister  konnte  sich  nicht 
mehr  zurückhalten,   ihnen  zu  sagen,    ich  müsse  dies  besser  als 


■  FerdinAnd  Adolf  Graf  Plettenberg,  1690  geboren,  wurde  1733  erster  Mi- 
nister de.t  Kurftlrsten  von  KOln,  jedoch  schon  1734  entlassen.  Kaiser 
Karl  VI.  ernannte  ihn  nun  in  seinem  Gesandten  beim  niederrbeinisi-ben 
nnd  we«t|)bülisclien  Kreise  und  dann  in  Rom.  Er  starb  aber  vor  seiner 
Abreise  dorthin  am   18.  März  1737  in  Wien. 

•  Wohl  Prinz  Ferdinand  Maria  von  Lenchtenberg,  Klterer  Bmder  des  Kur- 
forsten  Clement  Angnst.    Er  starb  schon  1738. 

8* 


20 

ein  Anderer  wissen,  weil  ja  der  Graf  ein  Bruder  meiner 
Mutter^  und  das  Fräulein,  um  das  es  sich  handle,  meine 
Schwester  sei.  Man  musste  die  Ueberraschung  dieser  Leute 
sehen.  Sie  wussten  nicht,  was  sie  sagen  sollten  und  brachten 
nur  Ausrufe  der  Verwunderung  und  des  Erstaunens  hervor. 
Sie  erhoben  sich  und  wollten  sich  vor  lauter  Ehrüircht  gar 
nicht  mehr  setzen;  ich  hatte  alle  Mühe,  sie  hiezu  zu  über- 
reden. 

,Am  nächsten  Morgen  brach  ich  frühzeitig  auf,  meine 
Reise  nach  Delden  fortzusetzen,  das  sieben  Stunden  von  Bent- 
heim  entfernt  ist.  Die  Gräfin  und  ihr  Sohn,  der  jetzt  sieben  Jahre 
zählt,  wohnen  in  Hessen,  und  der  Kurfürst  von  Köln  fUhrt  tis 
Bischof  von  Münster  die  Verwaltung  der  Grafschaft,*  die  sehr 
beträchtlich  ist  und  jährlich  50.000  Thaler  einträgt.  Vor  drei 
Jahren  wollte  sich  der  KUnig  von  Preussen  nach  dem  Tode 
des  regierenden  Grafen  der  Grafschaft  bemächtigen,  aber  der 
Bischof  sandte  drei  Compagnien  seiner  Truppen  dorthin,  und 
die  Sache  wurde  wieder  beigelegt.  Zwischen  dieser  Grafschaft 
und  Delden  befindet  sich  die  Grenze  des  Landes  Overijssel. 
Wo  Holland  beginnt,  sieht  man  ein  äusserst  flaches  Land, 
Wiesen  mit  Bäumen  bepflanzt,  und  Dörfer,  deren  Anblick  am 
ihrer  Reinlichkeit  willen  Vergnügen  gewährt.  Die  Poststationen 
sind  dort  überaus  lang,  aber  man  ftlhrt  trotzdem  angemein 
rasch.  Die  gewöhnliche  Post  wird  in  grossen  Karren  beft(rdert, 
welche  sie  Polterwagens  nennen,  ein  schreckliches  Geftlhrt,  in 
dem  man,  ich  kann  mir  das  vorstellen,  ganz  elend  zusammen- 
gerUttelt  wird. 

,In  Delden,  wo  wir  zu  Mittag  assen,  sahen  wir  viele  Leute, 
denn  es  war  Sonntag.  Bei  jedem  schlechten  Gerichte,  das  die 
Wirthin  uns  auftrug,  sagte  sie:  „Myn  beer,  dat  ist  ein  schlecker 
bisgcn."  Nachdem  wir  sehr  schlecht  gespeist  hatten,  fuhren 
wir  weiter  bis  Deventer,  welches  acht  Stunden  von  Delden 
entfernt  ist.' 


'  Die  Matter  des  Grafen  Eannitz,  bekanntlich  die  eincige  Tocbter  nnd 
alleinige  Erbin  des  letzten  Grafen  Rietberg,  besasg  keinen  wirklichen 
Bmder.  Es  kann  daher  hier  nnr  der  Stiefbruder  derselben,  Graf  Her 
mann  Friedrich  Bentlieim  gemeint  sein.  1693  geboren,  war  er  mit  einer 
Prinzessin  von  Hessen-Rheinfbls  rerm&hlt  nnd  starb  schon  am  S9.  No- 
vembor  1731. 

*  Graf  Hermann  Friedrich  Bentheim  war  hiezu  untflchtig  erklXrt  worden. 


21 


Wir  widerstehen  der  Versuchung,  diesen  Auszug  aus  dem 
;ebuche  des  jungen  Kaunitz  noch  fortzusetzen,  denn  wir  bo- 
en,  darin  schon  eher  zu  viel  als  zu  wenig  gethan  zu  haben. 
Wir  begnügen  uns  daher,  zu  sagen,  dass  er  in  Utrecht,  welche 
Stadt  er  ausfiihrh'eh  beschreibt,  seinen  Wagen  zurlickheas  und 
auf  dem  Canal  mit  der  Treckschuyte  in  acht  Stunden  nach 
Amsterdam  fuhr. 

,So  schön,  so  gross,  so  reich  und  so  mächtig'  sei  diese 
Stadt,  schreibt  Kaunitz  von  ihr.  dass  sie  .ein  wahres  Wunder 
und  die  Perle  aller  Stitdte  der  Welt  genannt  zu  werden  ver- 
diene'. Ausführlich  beschreibt  er  sie  sowohl  im  Allgemeinen, 
als  hiusichthch  ihrer  vorzügUchsten  Gebttude  und  Einrichtun- 
gen, imd  man  sieht,  wie  sehr  alles  wirkhch  Bemerkenswertbe 
seine  Aufmerksamkeit  fesselt,  und  wie  eifrig  er  darauf  ausgeht, 
sich  mit  belehrenden  Eindrücken  zu  erfüllen  und  in  solcher 
Art  seine  Reise  wirklich  zu  dem,  was  sie  eigentlich  flir  ihn 
sein  sollte,  zu  einer  Bildungsreise  im  wahrsten  Sinne  des  Wortes 
zu  machen. 

Nach  fünftägigem  Aufenthalte  zu  Amsterdam  verftigte  sich 
Kaunitz,  und  zwar  wieder  zu  Schiff  nach  Lcydon,  wo  er  am 
18.  September  eintraf.  Aus  den  Bemerkungen,  die  er  über 
diese  Stadt  und  die  dortige  Universität  macht,  geht  wohl  un- 
widerleglich licrvor,  dass  er  zum  ersten  Male  dahin  kam  und 
eich  nie  früher  daselbst  aufgehalten  haben  kann.  Mit  den  be- 
rühmtesten Professoren  an  der  Hochst-hule,  wie  mit  Burman, 
der  über  Geschichte,  Beredsamkeit  und  griechische  Sprache 
vortrug,  dem  Kechtslchrcr  Vitriarius,  dem  Mathematiker  Sgrave- 
zande  und  dem  grossen  Arzte  Boerhaavc,  der  freilich  damals 
sein  Lehramt  schon  niedergelegt  hatte,  trat  Kaunitz  in  eine 
wenngleich  nur  flüchtige  Berührung.  In  einspänniger,  von  einem 
jHarttraber'  gezogener  Carriole  macht  er  einen  Ausflug  nach 
Katwijck,  die  Nordsee  zu  sehen,  und  kehrt  über  Nordwijck  nach 
Leyden  zurück.  Von  hier  begibt  er  sich  nach  dem  Haag,  wo 
er  zumeist  in  den  Kreisen  der  Mitglieder  des  bei  den  Qeneral- 
Btaaton  beglaubigten  diplomatischen  Corps  länger  als  eine  Woche 
verweilt. 

Noch  mehr  Gelegenheit,  vornehme  Bekanntschaften  anzu- 
knüpfen als  im  Haag,  bot  sich  dem  Grafen  Kaunitz  in  Brüssel 
dar.  Ueber  Delft  und  Rotterdam  kehrte  er  vorerst  nach  Ut- 
recht zurück,  von  welcher  Stadt  an  er  sich  wieder  seines  dort 


22 

zurückgebliebenen  Wagens  bediente.  In  der  Umgebong  von 
Breda  besuchte  er  ein  Lager  von  15.000  Mann  hollandischer 
Truppen.  In  Antwerpen,  wo  er  vor  den  wunderbaren  Ge- 
mälden, vor  Allen  der  Kreuzabnahme  von  Rubens  in  Ekitzücken 
gerieth,*  wandte  er  auch  den  übrigen  Kunstschätzen  dieser 
Stadt,  insbesondere  der  überaus  werthvollen  Sammlang  des 
Domherrn  Lichte  das  grösste  Interesse  zu.  Am  2.  October  traf 
er  in  Brüssel  ein,  wo  damals  die  Erzherzogin  Elisabeth,  die 
älteste  Schwester  des  Kaisers  Karl  VI.,  als  Generalstatthalterin 
der  Niederlande  nicht  gerade  glänzenden  Hof  hielt.  Noch  am 
Tage  seiner  Ankunft  Hess  sie  den  jungen  Kaunitz  zum  Hand- 
küsse zu. 

Diese  Hofhaltung  nun,  die  *r  als  eine  keineswegs  ei^tz- 
liche  schildert,  wird  gleich  der  Stadt  Brüssel,  ihren  vornehmsten 
Gebäuden  und  Kunstwerken  von  unserem  Reisenden  ziemlich 
aosMirlich  beschrieben.  Ganz  besondere  Aufmerksamkeit  wen- 
det er  der  Fabrication  der  Tapeten  zu,  deren  Producte  sein 
lebhaftes  Wohlgefallen  erregen.  Am  meisten  aber  scheint  er 
während  seines  fast  dreiwöchentlichen  Aufenthaltes  in  Brüssel 
von  geselligen  Pflichten  in  Anspruch  genommen  worden  zu  sein, 
wenigstens  ist  das  von  ihm  selbst  angelegte  Verzeichniss  der 
vornehmen  Personen,  mit  denen  er  dort  in  Berührung  trat, 
ganz  ausserordentlich  lang. 

In  Löwen,  wohin  sich  Kaunitz  am  Morgen  des  20.  Octo- 
ber begab,  wohnte  er  einer  Ceremonie  bei,  die  ihn  lebhaft 
interessirte,  der  gleichzeitigen  Creirung  von  vier  Doctoren  der 
Rechte.  Jedem  derselben,  so  behauptet  er,  habe  die  Erlangung 
dieser  Würde  zum  Mindesten  4000  Thaler  gekostet  Er  be- 
schreibt die  ganz  eigenthümUchen  Festlichkeiten,  welche  aus 
diesem  Anlasse  stattfanden,  meint  aber,  es  sei  ein  Verbrechen, 
junge  Leute  aus  guten  Häusern  nach  Löwen  zu  schicken,  weil 
sie  bei  dem  verwahrlosten  Zustande  der  Universität  dort  nur 
das  vei^ässen,  was  sie  vielleicht  anderswo  gelernt  haben 
könnten. 

Von  Lüttich  aus,  welche  Stadt  er  gleichfalls  beschreibt, 
besucht  Kaunitz  den  damaligen  Fürstbischof  aus  dem  Hause 
der    Grafen    von    Berghes    auf    dessen    Lustschlosse    zu    Se- 

>  Je  ne  crois  pas  que  l'art  pmsse  faire  qnelqae  chose  de  plus  Mcompli; 
pour  moi,  je  n'ai  pn  me  lasser  de  l'admirer. 


23 


raing.'  Er  erzählt  die  Art,  in  welcher  derselbe  zu  seiner  hohen 
geistlichen  und  wt-ltlichen  Stellung  gelangte,  lobt  seine  einfache 
Lebensweise  und  die  Beliebtheit,  che  er  sieh  bei  seinen  Untcr- 
thanon  erwarb.  ,Aber  die  Domherren,'  fährt  Kaunitz  wörtlich 
fort,  ,wün8chen  ihn  in  die  andere  Welt,  indem  es  sie  langweilt, 
ihn  noch  in  dieser  zu  scheu,  in  der  er  ihnen  zu  nichts  gut  ist, 
indem  er  nur  bescheiden  lebt  und  ihnen  nicht  durch  Feste, 
Spiele,  Bälle  und  ähnhcho  Lustbarkeiten  solche  Vergnügungen 
verschafft,  wie  man  sie  an  den  Höfen  anderer  geisthcher  Fürsten 
zu  sehen  gewohnt  ist'  Aber  andererseits  wunderte  sich  Kaunitz 
doch  auch  wieder  über  die  geringe  Vertrautheit  des  Bischofs 
mit  den  Angelegenheiten  seines  Capitels.  Er  wusstc  nicht 
einmal,  dass  der  jüngere  Bruder  Carl  Kaunitz  Mitglied  des- 
selben sei. 

Ueber  Aachen,  wo  nicht  nur  die  ehrwürdigen  Altortliünier 
aus  der  Zeit  Karls  des  Grossen,  sondern  auch,  und  es  ist  dies 
im  Vergleiche  mit  seiner  späteren  Richtung  bezeichnend,  die 
zahlreichen  Reliquien  seine  besondere  Aufmerksamkeit  fesseln, 
begab  er  sich,  und  zwar  auf  so  erbilnuUchen  Strassen  nach 
Köln,  dass  er  in  Folge  dessen  nicht  nur  allerlei  unhebsame 
Abenteuer  ausstehen  mnss,  sondern  in  den  Stosscufzer  aus- 
bricht, er  wünsche,  dass  alle  Landesflirstcn,  auf  deren  Geliiet 
in  dieser  Beziehung  so  sträfliche  Nachlässigkeit  hcri'sclie,  durch 
24  Stunden  im  Moraste  ihrer  eigenen  Strassen  rettungslos  stecken 
blieben.  So  gross  waren  der  Acrger,  welchen  Kaunitz  hierüber 
empfand,  und  sein  Widerstreben,  neuerdings  At-hnliches  durch- 
machen zu  müssen,  dass  er  bei  seinem  Aufbruche  von  Köln, 
welche  Stadt  er  die  düsterste  und  traurigste  nennt,  die  er  je- 
mals gesehen,  heber  stromaufwärts  zu  Schilf,  als  auf  der  «Strasse 
und  im  Wagen  seine  Reise  fortzusetzen  beachloss.  Er  mietheto 
zwei  Barken,  welche  aneinander  gebunden  und  von  einem  Pferde 
gezogen  wurden.  Auf  der  einen  befand  er  sich  selbst,  auf  der 
anderen  sein  Wagen,  und  da  jode  Barke  mit  einem  Dache  aus 
doppelter  Leinwand  gedeckt  war,  fand  Kaunitz  sich  ebenso- 
wohl gegen  die  Sonne  als  gegen  Wind   und  Regen  geschützt 


'  Georg  Ludwig  von  Berghes,  91.  Bischof  von  Lfittich.  1662  geboren, 
diente  er  ziiemt  im  Kriegswesen,  wendete  sich  1700  dem  geistlichen  Stande 
■n,  wurde  1724  r.nm  Bischof  gewühlt  und  starb  nach  lOjShriger  segens- 
reicher Regierung  am  6.  December  t743.  Biogr.  nat.  de  Belgiqae  H, 
240—247. 


24 

and  war  daher  mit  seinen  Fahrzeugen  ganz  zofrieden.  Am 
Morgen  des  29.  October  yerliess  er  Köln  und  kam  am  selben 
Abende  bis  Bonn,  wo  ihn  am  folgenden  Tage  die  Gemjüde- 
Sammlung  des  Grafen  Plettenberg  entzückte. 

Nach  fast  viertägiger  Rheinfahrt,  welche  Kaunitz  mit  sol- 
cher Genauigkeit,  ja  vielleicht  Pedanterie  beschreibt,  daas  er 
sogar  die  Namen  seiner  vier  Schiffleute  aufzeichnet,  langte  er 
am  Abend  des  1.  November  in  Mainz  an,  wo  er  bei  dem  Kor- 
flirsten  Philipp  Carl  von  Eltz  die  wohlwoUendste  Aufnahme 
fand.  Der  unermessliche  Reichthum  des  Kirchenschatzes  aber 
veranlasste  ihn  zu  der  Bemerkung,  man  müsse  in  früherer  Zeit, 
wenigstens  nach  dieser  Richtung  hin,  frömmer  gewesen  sein 
als  jetzt.  Ohne  so  viel  Wesens  über  den  Cultus  zu  machen, 
den  man  den  Heiligen  und  ihren  Reliquien  schulde,  wie  dies 
gegenwärtig  der  Fall  sei,  habe  man  für  sie  ohne  Zweifel  weit 
grössere  Verehrung  empfunden. 

Am  5.  November  kam  Kaunitz  nach  Frankfiirt,  dessen 
grösste  Merkwürdigkeiten  er  den  Römer  und  die  in  demselben 
aufbewahrte  Goldene  Bulle  nennt.  Die  ausführliche  Beschrei- 
bung, die  er  von  der  letzteren  entwirft,  bezeugt  das  lebhaile 
Interesse,  welches  er  diesem  für  Deutschland  so  wichtigen 
Documente  entgegenbringt. 

Ueber  Hanau  und  durch  den  Spessart  begab  sich  Elaunitz 
nach  WUrzburg,  von  da  aber  nach  Kitzingen  am  Main,  um 
dem  Bischöfe  Friedrich  Carl  von  Schönbom  seine  Aufwartung 
zu  machen,  der  gerade  in  diesem  Städtchen  unter  grossen  Fest- 
lichkeiten die  Huldigung  seiner  Unterthanen  entgegennahm. 
Hier  bricht  Kaunitz  sein  Tagebuch,  nachdem  er  es  genau  durch 
zwei  Monate,  vom  8.  September  bis  zum  8.  November  1732  ge- 
führt, vollständig  ab,  und  wir  wären  über  seine  Weiterreise 
ganz  im  Dunklen,  wenn  wir  nicht  ein  von  ihm  angefertigtes 
Verzeichniss  der  Personen  besässen,  deren  Bekanntschaft  er  in 
den  grösseren  Städten  machte,  welche  er  besuchte.  Wir  er- 
sehen daraus,  dass  er  sich  von  Kitzingen  über  Nürnberg  und 
Augsburg  nach  München  begab,  wo  er  bei  Hof  erschien  und, 
nach  der  ziemlich  grossen  Anzahl  der  Personen  zu  schliessen, 
mit  denen  er  in  Berührung  trat,  sich  längere  Zeit  hindurch 
aufgehalten  zu  haben  scheint.  Im  December  1732  war  er  noch 
dort,  und  wir  besitzen  einen  Brief  von  ihm  an  den  Comman- 
danten  von  Rietberg,  Namens  Dötinghem,  mit  dem  er  auf  be- 


25 


sonders  gutem  Fasse  stand  und  welchen  er  denn  auch  jetzt 
um  Geldhilfe  angeht.'  Denn  er  muss  vom  Hause  aus  nicht 
allzu  reichlich  mit  pecuniären  Zuflüssen  versehen  worden  sein. 

Von  München  ging  Kaunitz  über  Ettal  und  Innsbruck 
nach  Venedig,  wo  er  offenbar  wieder  geraume  Zeit  verweilte, 
denn  von  dem  Dogen  Carlo  Ruzzini  und  dem  kaiserlichen  Bot- 
schafter Fürsten  Pio  angefangen  figurirt  fast  die  ganze  vor- 
nehme Gesellschaft  Venedigs  auf  seiner  Liste.  Und  bemerkens- 
werth  ist  es,  dass  auch  eine  sehr  grosse  Anzahl  von  Musikern 
sowie  von  Tänzern  und  Tänzerinnen  auf  derselben   erscheint. 

Dem  gleichen  Verzeichnisse  nach  fällt  der  darauf  folgende 
Aufenthalt  des  Grafen  Kaunitz  in  Rom  schon  in  das  Jahr  1733. 
Die  Liste  seiner  dortigen  Bekanntschaften  ist  noch  um  Vieles 
länger  als  die  auf  Venedig  bezügUche.  Dass  der  Papst,  damals 
Clemens  XII.,  aus  dem  Hause  Corsini,  dass  eine  grosse  Anzahl 
von  Cardinälen,  dass  die  Namen  der  vornehmsten  römischen 
Adclsfamilien,  der  Colomia,  Borghese,  Lanti,  Altieri,  KuspoU, 
Corsini  Strozzi  darin  vorkommen,  versteht  sich  gewissermassen 
von  selbst.  Aber  charakteristisch  ftir  die  damaligen  Anschauun- 
gen unseres  jungen  Reisenden  ist  es,  dass  er,  vielleicht  auch, 
weil  es  in  Rom  so  gebräuchlich  war,  den  daselbst  sich  auf- 
haltenden Prätendenten  und  dessen  Gemahlin  den  König  und 
die  Königin  von  England,  ihren  ältesten  Sohn  Carl  Eduard 
aber  den  Prinzen  von  Wales  nennt.  Auch  jetzt  wieder  werden 
sehr  viele  Musiker  und  andere  Künstler  als  neue  Bekannt- 
schaften erwähnt. 

Von  Rom  machte  Kaunitz  einen  Ausflug  nach  Neapel, 
von  wo  er  nach  Rom  zurückkehrte  und  sich  dann  über  Florenz 
und  Bologna  nach  Mailand  begab,  wo  er  in  den  ersten  JuU- 
tagen  des  Jahres  1733  verweilte.  So  wie  es  vor  einem  halben 
Jahre  in  München  der  Fall  gewesen,  befindet  er  sich  jetzt 
wieder  ohne  Geld,  und  er  bittet  seinen  Vertrauensmann  in 
Rietberg,  ihm  ein  Darlehen  von  500  Gulden  nach  Paris  vor- 
auszusenden, lieber  Turin  verfügte  er  sich  dorthin,  und  rück- 
haltslos scheint  er  sich  in  den  vollen  Strudel  des  dortigen 
genussreichen  Lebens  gestürzt  zu  haben.  Sowohl  aus  seiner 
wiederkehrenden  Geldnoth,  wie  aus  den  überaus  zahlreichen 
Bekanntschaften,     die    er    daselbst    machte,     lässt    sich    dies 


*  Kaonite  an  DOtinghem,  2.  Uecember  17S8.   Jarmehtzer  ArctÜT. 


96 


Bchliessen.  Nicht  nur  mit  den  hervorragendsten  Staatsmännern, 
insbesonders  dem  Haupte  der  Regierung,  Cardinal  Fleury,  und 
dem  Siegelbewahrer  Chauvelin,  den  berühmten  Marschällen 
Villars  und  Berwick,  den  Cardinäleu  Polignac  und  Rohan,  son- 
dern auch  mit  zahlreichen  Künstlern  trat  Kaunitz  in  Verkehr. 
Unter  diesen  finden  wir  wieder  besonders  viele  Musiker,  denen 
eine  lauge  Reihe  von  Tänzern  und  Tänzerinnen,  unter  ihnen 
die  talentvolle  Camargo  sich  anschliesst. 

Wir  wissen  nicht,  wie  lange  Kaunitz  in  Paris  verweilte, 
ob  er  mit  diesem  Aufenthalte  seine  , Bildungsreise'  abschloss, 
oder  ob  er  sich,  wie  behauptet  wird,  auch  noch  nach  England 
begab,  worüber  jedoch  keinerlei  Aufzeichnung  mehr  vorhanden 
ist.  Nur  das  lässt  sich  nachweisen,  dass  er  im  Juli  1733  auf 
sein  Canonicat  in  Münster  freiwillig  verzichtete  und  nach  seiner 
Rückkehr  nach  Oesterreich,  wie  es  vor  ihm  sein  Vater  gethan 
und  es  damals  von  Seite  der  Mitglieder  der  vornehmsten  Adels- 
geschleehtcr,  die  sich  dem  Civilstaatsdienste  widmen  wollten, 
fast  ausnahmslos  geschah,  gleich  als  Reichshofrath  in  die  amt- 
liche Laufbahn  eintrat.  Im  Januar  1735  muss  dies  erfolgt 
sein.  Allerdings  ist  das  Decret  seiner  Ernennung  nicht  mehr 
vorhanden,  aber  am  25.  Januar  1735  hat  Kaunitz  die  Formel 
des  von  ihm  abgelegten  Diensteides  unterzeichnet,  und  am 
folgenden  Tage  wurde  er  durch  den  Obersthofmeister  des 
Kaisers  Karl  VI.,  Grafen  Rudolf  Sinzendorff,  in  das  reichsbof- 
räthliche  Collcgium  eingeftihrt.  Die  Erstattung  einer  Probc- 
relation  scheint  von  Kaunitz  nicht  verlangt  worden  zu  sein; 
wenigstens  lUsst  sich  von  einer  solchen  keine  Spur  mehr  ent- 
decken. Sie  sollte  jedoch  nur  dann  liinwegfallen,  wenn  der  zu 
Ernennende  schon  in  vornehmen  reichsständischen  Diensten 
gewesen  oder  seine  Geschicklichkeit  sonst  bekannt  war.* 

Die  in  grosser  Vollständigkeit  erhaltenen  Beschlussproto- 
kolle des  Reichshofrathes  gewähren  die  Möglichkeit,  die  Art 
und  den  Grad  der  Betheiligung  jedes  einzelnen  Mitgliedes  an 
dessen  Arbeiten  aufs  Genaueste  kennen  zu  lernen.  Man  erfilhrt 
aus  diesen  Protokollen,  an  welchen  Sitzungen  jeder  Reichshof- 
rath theilnahm,  bei  welchen  er  fehlte,  ja  sogar,  wann  er  eine 
Sitzung  vor  deren  Schlüsse  verliess.  Man  kann  sich  über  die 
Rechtssachen  unterrichten,  deren  amtliche  Behandlung  ihm  an- 


Uercbenhahu,  0«acliiebte  des  Beichsbufrfttbea  II,  68  f. 


27 


vertraut  war,  und  feststellen,  wann  und  wie  oft  er  jede  ein- 
zelne Angelegenheit  vorbrachte. 

Diese  Protokolle  ergeben  nun,  dass  die  Betheiligung  des 
Grafen  Kaunitz  an  den  Arbeiten  des  Reichshofrathes  nur  im 
ersten  Jahre  seiner  Anstellung  eine  ziemlich  rege  zu  nennen 
ist.  Auch  dann  wird  man  dieses  Urtlieil  kaum  modificiren, 
wenn  man  berlleksichtigt,  dass  er  der  Herrenbank  angehörte, 
während  es  doch  die  Mitglieder  der  öelehrtenbank  waren, 
welche,  wie  der  Geschichtschreiber  des  Reichshofrathes  sich 
ausdrückt,  ,die  Ehre  hatten,  die  wichtigsten  Acten  zum  Vortrage 
zu  erhalten  und  am  meisten  zu  arbeiten'.* 

Die  erste  Sitzung,  welcher  Kaunitz  beiwohnte,  war  die 
vom  26.  Januar  1735,  und  am  H.  Juli  1740  erschien  er  zum 
letzten  Male  im  Collegium.  Während  dieser  Zeit  hat  er  in 
vierzig  Process-  und  zwei  Privilegienangelegenheiton  neunzig- 
mal Vortrag  erstattet,  wobei  sich  freilich  eine  bedenkliche  Ab- 
nahme seiner  Geschäftsthfttigkeit  bemerkbar  macht.  Denn  wäh- 
rend er  im  Jahre  1735  sechsundvierzigmal  referirte,  geschah  dies 
in  den  Jahren  1736  und  1737  nur  noch  zwölf-  und  zwanzigmal, 
1738  und  1739  sieben-  und  fUnfiual,  1740  aber  gar  nicht  mehr. 

Um  den  Werth  dieser  Ziffern  richtiger  beurthcilcn  zu 
können,  Hessen  wir  uns  die  MUhe  nicht  verdriessen,  auch  den 
Umfang  der  amtlichen  Thätigkett  von  vier  seiner  Collegen,  und 
zwar  je  zweier  von  der  Herren-  und  von  der  Gclehrtenbank 
festzustellen.  Von  der  Herrenbank  wurden  die  gleichzeitig  mit 
Kaunitz  angestellten  Grafen  Carl  Cobcnzl  und  Josef  Sinzendorff, 
von  der  Gelehrteubuuk  aber  Dr.  Balthasar  Wernlicr,  frliher 
Professor  der  Rechte  und  Director  der  Universität  Wittenberg, 
und  Heinrich  Bernhard  von  Wucherer,  früher  Geheimer  Rath 
des  Bischofs  von  Augsburg,  ins  Auge  gefasst.  In  der  Zeit  von 
1735  bis  1740  rcferirten  Graf  Cobenzl  241-,  Graf  Sinzendorff 
64-,  Dr.  Wernher  llt20-  und  v.  Wucherer  1416mal.  Hieraus 
lässt  sich  der  doppelte  Sohluss  ziehen,  dass  die  Reichshofräthe 
von  der  Gelehrtenbank  mehr  als  zehnmal  so  viel  als  die  von 
der  Herrenbank  arbeiten  raussten,  und  dass  die  Thätigkcit  des 
Grafen  Kaunitz  sogar  hinter  der  seines  Collegen  Cobenzl  sehr 
weit  zurückbÜeb,  während  sie  sich  über  diejenige  ÖinzendorlTs 
noch  ein  kleinwenig  erhob. 


*  HeichenbabD  II,  8. 


Nicht  ganz  unerwähnt  dürfen  wir  es  lassen,  dass  Kaiinitz 
auch  nach  seinem  Eintritte  in  den  Reichshofrath  sich  in  recht 
bedrängten  Vermögeusverhältnisseii  befand.  Etwa  zwei  Wochen 
nach  diesem  Ereignisse  schreibt  er  wieder  an  Dütinghem,  den 
er  seinen  einzigen  Vertrauten  in  Rietberg  nennt.  Als  Reichs- 
hofrath, klagt  er  ihm,  müsse  er  in  Wien  leben  und  könne  mit 
seinen  kärglichen  Einkünften  nicht  auslangen.  Und  nun  macht 
er  ihm  den  eigenthümlichen  Vorschlag,  er  solle  sich  mit  den 
einflusareichsteu  Landrichtern  in  Rietberg  unterreden  und  sie 
dahin  bringen,  ihm  als  präsumtivem  Erben  der  Grafschaft  und 
somit  künftigem  Herrn  ,au8  Liebe  und  Treue'  jährlich  3000  GiJ- 
den  vorzustrecken.  Er  wolle  sie  mit  sechs  Procent  verzinsen 
und  das  ganze  Darlehen,  wenn  er  nur  einmal  zum  Besitze 
von  Kietberg  gelangt  sein  werde,  von  ihrer  Steuerlcistung  ab- 
ziehen. 

Unter  solchen  Umständen  ist  es  fast  zu  verwundem,  d«ss 
Kaunitz  schon  im  folgenden  Jahre  ein  eheliches  Bündniss  schloss, 
und  das  umsomehr,  als  die  Summen  der  beiderseitigen  Geld- 
leistungen, die  sich  in  dem  Heiratabriefe  angefUhrt  finden,'  den 
er  am  22.  April  1736  der  mit  ihm  verlobten  Gräfin  Emestine 
Starhemberg*  ausstellte,  keineswegs  auf  eine  ansehnliche 
Verbesserung  seiner  Vermögensverhältnisse  schliessen  lassen. 
Allerdings  war  der  Grossvatcr  der  Braut  jener  reiche  und 
auch  als  Staatsmann  hervorragende  Graf  Gundaker  Thomas 
Starhemberg,  der  als  Conferenzminister  und  Präsident  der 
Ministerial-Bancodeputation,  somit  als  Chef  des  Finanzwesens 
eine  der  einflussreichsten  Persönlichkeiten  am  Hofe  Karls  VI. 
war.  Am  6.  Mai  1736  wurde  die  Ehe  vollzogen.  Ihr  ent- 
sprossen ziemlich  rasch  nacheinander  sechs  Söhne  und  eine 
Tochter.  Die  drei  ältesten  Söhne,  Ernst,  Moriz  und  Dominik, 
waren  schon  am  Leben,  als  kurz  nach  dem  Tode  des  Kaisers 
Karl  VL,  und  zwar  im  December  1740,  an  Kaunitz  der  An- 
trag herantrat,  als  Gesandter  der  Königin  von  Ungarn  nach 
Kopenhagen  zu  gehen.  Kaunitz,  der  sich  auch  nach  seiner 
Verheiratung,  wie  ein  im  Juli  1737  seinerseits  neuerdings 
nach    Eietberg    gerichtetes    Begehren    um    ein    Darlehen    be- 


*  Im  Janneritzer  Archiv. 

*  Tochter  dea  Grafen  Frani  Starhemberg,  Obersthofmeigters  der  dAmal!gw~ 
Grzhersugin  Mari«  Theresia,  Grosihersogio  von  Tosoana. 


29 


weist,'  fortwillirend  in  Geldverlegenheiten  befand,  wandte  sich 
um  Beihilfe  an  seinen  Vater,  der  ihm  dieselbe  auch  versprach, 
es  jedoch  lieber  gesehen  haltte,  wenn  sein  Sohn  nach  Regens- 
burg bestimmt  worden  wäre,  weil  man  dort,  wie  er  wohl  mit 
Recht  behauptete,  mehr  als  in  Dänemark  Einblick  in  die  grosse 
Politik  erhalte.' 

Auch  die  Mutter  erklärte  sich  bereit,  ihrem  Sohne  nach 
Kräften  beizustehen.  Ihren  schwer  zu  entziffernden  Briefen 
an  Kaunitz  ist  die  lebhafte  Besorgniss  zu  entnehmen,  die  sie 
bei  dem  Auftreten  des  Königs  von  Preussen  ftir  ihre  Graf- 
schaft Rietberg  hegte.  Auch  ftlr  Mähren  filrchtete  sie,  denn 
sie  meinte,  König  Friedrich  werde  seinen  Einbruch  nach 
Schlesien  dorthin  ausdehnen.  , Armes  Austerlttz,'  schrieb  sie 
am  1.  Januar  1741  ihrem  Sohne,  ,ich  kann  nicht  daran  denken, 
ohne  Thränen  zu  vergiessen." 

Wir  haben  keine  Kenntniss  der  Ursachen,  welche  die 
Entsendung  des  Grafen  Kaunitz  nach  Kopenhagen  vereitelten. 
Aber  wenige  Monate  später,  im  März  1741,  erhielt  er  eine 
andere  Mission,  indem  er  nach  der  Geburt  des  Kronprinzen 
Josef  an  den  Papst,  den  König  von  Sardinien  und  die  in  Tos- 
cana  residirende  verwitwete  Kurfiirstin  von  der  Pfalz,  die  letzte 
Mediceerin,  abgeschickt  wurde,  ihnen  diese  Freudenbotschaft 
zu  überbringen. 

Instructionen,  welche  Kaunitz  mit  auf  den  Weg  gegeben 
wurden,  finden  sich  nicht  vor,  und  auch  die  Berichte,  die  er, 
wie  wir  mit  Bestimmtheit  wissen,  tlber  die  Art  und  Weise, 
in  der  er  sie  vollzog,  nach  Wien  erstattete,  konnten  bisher 
nicht  aufgefunden  werden.  Den  Meldungen  der  ständigen 
Vertreter,  welche  Oesterrcich  damals  in  Turin,  in  Florenz 
und  in  Rom  besass,  lässt  sich  jedoch  entnehmen,  dass  Kaunitz 
am  28.  März  in  Turin  eintraf  und  am  folgenden  Tage  dem 
Könige  Carl  Emanuel  III.,  seiner  Gemahlin  Elisabeth  und  dem 
ganzen  königUchen  Hause  die  glückliche  Geburt  des  öster- 
reichischen Kronprinzen  notificirte.  Wenn  man  sich  erinnert, 
dass  die  Königin  eine  Schwester  des  Grossherzogs  Franz  von 


•  24.  .Tnli   1737.    Jarmeritier  Archiv. 

*  Max  Ulricli  an  Wenzel  Kainiita.    Rrlinn,  22.  December  1740.   jRrmeritüer 
Archiv. 

'  Jarmeritzer  Archiv. 


30 

Toscana  war,  und  dass  die  Mitglieder  des  Hanses  Lothringen 
mit  innigster  Liebe  an  einander  hiengen,  so  Mrird  man  wohl 
zugeben,  dass  die  lebhafte  Freude,  welche  der  König  und  die 
Königin  über  die  ihnen  aus  Wien  zugekommene  Nachricht  an 
den  Tag  legten,'  eine  aufrichtige  war.  Der  Marchese  Balleotti 
überbrachte  den  Glückwunsch  des  Turiner  Hofes  nach  Wien. 

Ueber  Florenz,  wo  er  Ton  der  verwitweten  Knrf^tin  als 
Träger  einer  hochwillkommenen  Botschafl;  mit  einem  kostbaren 
Ringe  und  einer  goldenen  Dose  beschenkt  wurde,'  begab  sich 
Kaunitz  nach  Rom,  wo  er  am  16.  April  eintraf.  Der  öster- 
reichische Gesandte  Graf  Josef  Thun,  der  sich  spftter  als 
Bischof  von  Gnrk  und  schliesslich  von  Passau  durch  segens- 
reiches Wirken  hervorthat,  geleitete  ihn  zum  Papste.  Als  be- 
sondere Auszeichnung  wurde  ihm  gestattet,  den  Degen,  den  er 
trug,  bei  seinem  Eintritte  in  die  päpstlichen  Gemächer  zu  be- 
halten. Benedict  XIV.  erging  sich  in  Ausdrücken  lebhaftester 
Theilnahme  für  Maria  Theresia,  den  Grafen  Kaunitz  aber  be- 
schenkte er  mit  einer  in  Gold  gefassten  Krone  aas  edlem 
Gestein.* 

Durch  etwa  zwei  Wochen  blieb  E[aunitz  in  Rom,  das  er 
ebenso  wie  Turin  und  Florenz  schon  von  früherer  Zeit  her 
kannte,  und  er  sah  dort  am  30.  April  die  Ceremonie  mit  an, 
mit  welcher  der  Papst,  erst  im  vergangenen  Jahre  zu  dieser 
obersten  geistlichen  Würde  der  katholischen  Christenheit  ge- 
langt, sich  in  feierlichem  Aufzuge  nach  dem  Lateran  begab, 
um  von  diesem  Besitz  za  ergreifen.  Uraltem  Gebrauche 
nach  sollte  der  Papst  den  Weg  nach  dem  Lateran  reitend  za- 
rücklegen  und  die  ihn  begleitenden  Cardinäle  das  Gleiche  thun. 
Prospero  Lambertini  hatte  jedoch  nie  zuvor  ein  Pferd  oder 
ein  Maulthier  bestiegen;  er  liess  sich  daher  in  einer  ^bifte 
nach  dem  Lateran  tragen,  und  es  wurde  bemerkt,  dass  nicht 
mehr  als  zehn  Cardinäle  ihn,  auf  Maulthieren  reitend,  begleite- 
ten. Die  übrigen  hatten  sich  früher  nach  dem  Lateran  be- 
geben, den  Papst  dort  zu  empfangen. 


'  Berichte  des  Grafen  Schulenbnrg  aus  Tarin  vom  1.  April  1741. 

»  Wienerisches  Diarium  vom  6.  Mai  1741,  8.  880. 

*  Oraf  Thnn  an  Maria  Theresia.    Born,  22.  April  1741.    «Prima  di  licen- 

ziarlo,   gli  regal6  Sna  Beatitudine  ana  Corona  di  pietra  dara  lafata  in 

oro  .  .  .' 


31 


Am  2.  Mai  verabschiedete  sieh  Kaunitz  vom  Papste;  am 
3.  verliess  er  Koni  und  kehrte  über  Florenz  nach  Oesterreich 
zurück. 

II.  Capltel. 

Während  der  Reise  des  Grafen  Kaunitz  in  Italien  hatten 
die  militärischen  und  die  politischen  Ereignisse  eine  für  Maria 
Theresia  sehr  ungünstige  Wendung  genommen.  Bei  Moilwitz 
waren  ihre  Truppen  von  den  Preussen  geschlagen  worden,  und 
es  gewann  den  Anschein,  als  ob  die  Folgen  dieses  Ereignisses 
für  Oesterreich  die  verderblichsten  sein  würden.  Dass  der 
König  von  Preussen  von  nun  an  in  dem  unbestrittenen  Besitze 
des  grüssten  Theiles  von  »Schlesien  bleiben  werde,  musste  fast 
als  etwas  Selbstverständliches  hingenommen  werden.  Auch  die 
jüngeren  Zweige  des  Hauses  Boarbon  in  Spanien  und  Neapel 
hatten  nicht  erst  der  Niederlage  der  Oesterreicher  bei  Mollwitz 
bedurft,  um  sich  feindselig  gegen  Oesterreich  zu  stellen.  Aber 
darin  muss  wohl  die  entscheidende  Bedeutung  des  Verlustes 
der  Mollwitzer  Sehlacht  erblickt  werden,  dass  er  auch  in  Frank- 
reich die  letzten  Bedenken  beseitigte,  welche  dort  vielleicht 
noch  obwalten  mochten,  die  vertragsmässig  eingegangenen  Ver- 
pflichtungen zu  brechen  und  mit  voller  Macht  auf  die  Seite 
derer  zu  treten,  welche  die  so  günstige  Gelegenheit  auszubeuten 
sich  bemühten,  durch  Erwerbung  sehr  beträchtlicher  Theile 
des  Österreichischen  Staatsgebietes  sich  selbst  ansehnlich  zu 
vergrössern. 

In  dieser  Beziehung  waren  die  Entwürfe  des  Kurfürsten 
Carl  Albrecht  von  Baiern  sogar  noch  weitergehend  als  die- 
jenigen des  Königs  von  Preussen.  Denn  während  dieser 
seine  Begehrlichkeit  wenigstens  vorderhand  nicht  weiter  als 
auf  Schlesien  erstreckte,  hoffte  Carl  Albrecht,  nicht  nur  der 
Nachfolger  Karls  VI.  auf  dem  Kaiscrthrone  Deutachlands,  son- 
dern auch  im  Besitze  Böhmens,  des  Herzogthums  Oesterreich, 
ja  vielleicht  auch  noch  anderer  österreichischer  Gebietstheile 
zu  werden.  So  wie  Preussen  durch  die  Erobenmg  Schlesiens, 
wäre  Baiern  durch  diese  Erwerbungen  herangewachsen  zu  einer 
Macht,  die  nur  von  wenigen  in  Europa  übertreffen  worden  wäre. 

Gewissenhafte  historische  Forechung  hat  in  neuester  Zeit 
den  Beweis  zu  erbringen  sich  bemüht,  die  geheimnissvoUon 
Nyraphenburger  Verträge,  durch  welche  die  Bedingungen  fest- 


gestellt  worden  sein  sollten,  nntor  denen  Baiem  der  gewaffViete 
Beistand  Frankreichs  zugesagt  wurde,  seien  niemals  abgeschlossen 
worden.  Dem  scheint  auch  wirklich  so  zu  sein;  aber  freilich 
wird  hiedurcb  nichts  an  der  Thatsache  geändert,  dass  Frank- 
reich die  Sache  Baiems  ganz  zu  der  seinigen  machte,  dass 
französische  Hilfstruppen  es  waren,  die  den  Kurfürsten  nach 
Linz  begleiteten  und  ihn  von  dort  nach  Wien  führen  zu  wollen 
schienen.  Und  wenn  auch  Carl  Albrecht  zuletzt  diese  Absicht 
wieder  aufgab  und  sich,  nur  mehr  wenige  Stunden  von  Wien 
entfernt,  nordwärts  nach  Böhmen  wandte,  so  nahmen  doch  auch 
jetzt  wieder  die  französischen  Streitkräfte  an  der  Besetzung 
Böhmens  und  der  Einnahme  von  Prag  einen  sehr  hervorragen- 
den Antheil.  Bei  dieser  Unternehmung  wurden  sie  auch  noch 
von  den  Sachsen  unterstützt,  deren  Kurfürst,  welcher  gleich- 
zeitig die  polnische  Königskrone  trug,  anfangs  mit  Maria  The- 
resia verbündet  war,  dann  aber,  und  wohl  gleichfalls  in  Folge 
der  Mollwitzer  Schlacht,  gemeinschaftliche  Sache  mit  denen 
machte,  welche  darauf  ausgingen,  die  letzte  Habsburgorin  ihrer 
rechtmässig  ererbten  Länder  zu  berauben. 

Traurigere,  schmerzvollere  Tage  können  im  Leben  einer 
Fürstin  nicht  leicht  gedacht  werden  als  diejenigen  waren,  wäh- 
rend deren  Maria  Theresia  nach  dem  Verluste  von  Prag  in 
Pressburg  verweilte.  Dort  war  der  ungarische  Landtag  ver- 
sammelt, und  dorthin  hatte  sie  schon  im  September  ihre  Kinder 
vor  den  gegen  Wien  vorrückenden  Franzosen  und  Baiem  ge- 
flüchtet. Jetzt  schien  Alles  verloren,  und  wenn  damals,  liess 
sich  einer  der  getreuesten  und  standhaftesten  Rathgeber  der 
Königin  vernehmen,  in  den  letzten  Tagen  des  November  irgend 
Jemand  Hoffnung  gegeben  hätte,  dass  man  den  Drangsalen,  in 
denen  man  sich  befand,  noch  zu  entrinnen  im  Stande  sein 
werde,  würde  er  sicher  verlacht  worden  sein.  Nur  Eine  verlor 
den  Math  nicht,  und  diese  Eine  war  die  Königin  selbst. 

Unwillkürlich  drängt  sich,  wenn  man  ihre  damalige  Lage 
überdenkt,  die  Frage  auf  die  Lippen,  wo  denn  in  jenen  Tagen 
der  Trübaal  der  Mann  sich  befand,  der  in  späteren  und  gleich- 
falls traurigen  Zeiten  die  festeste  Stütze  für  Maria  Theresia 
war?  Die  Antwort,  die  wir  hierauf  erhalten,  ist  leider  keine 
tröstliche  zu  nennen.  In  der  nächsten  Umgebung  der  Königin 
ist  keine  Spur  von  Kaunitz  zu  entdecken,  und  nur  einmal 
taucht  damals  sein  Name,  aber  leider  in  einer  Weise  auf,  dass 


33 


I 


I 
I 


I 


wir  gerne  darauf  verzichten  wUrdcn,  von  ihm  überhaupt  zu 
vernehmen. 

Noch  war  die  befriedigende  Art,  in  wcldier  Kaunitz  seine 
freilicli  nicht  ebeu  schwierige  Mission  nach  Italien  durchgeführt 
liatte,  in  frischem  Qedüchtniss.  Nichts  war  daher  natürlicher, 
als  dass  man  in  dem  Augenbh'cke,  in  welchem  man  in  Wien 
daran  dachte,  dem  österreichischen  Gesandten  in  Turin,  Grafen 
Schulenburg-Ooynliausen,  einen  Nachfolger  zu  geben,  auf  einen 
Mann  den  Blick  lenkte,  der  gerade  an  jenem  Hofe  einen  sehr 
guten  Eindruck  hervorgebracht  zu  haben  schien.  Um  so 
schwerer  fiel  dieser  Umstand  ins  Gewicht,  als  seither,  am 
3.  Juli  1741,  die  Königin  Elisabeth  in  F'olge  der  Geburt  eines 
Sohnes,  des  Herzogs  von  Chablais,  gestorben  und  Maria  Theresia 
hiedurch  ihrer  Schwilgerin  und  treuesten  Bundesgenossin  am 
Turiner  Hofe  beraubt  worden  war.  Dessen  bekannte  Un- 
zuverliissigkeit  Hess  einen  feinen  Beobachter  und  gewandten 
Unterhändler  dort  vielleicht  mehr  als  anderswo  nöthig  er- 
scheinen. 

Uel>er  die  Richtigkeit  der  Behauptung,  dass  dem  Grafen 
Kaunitz  der  Posten  eines  österreichischen  Gesandten  in  Turin 
angeboten  worden  sei,  er  ihn  jedoch  abgelehnt  habe,  liegt  eine 
amtliche  Nachweisung  nicht  vor,  sie  braucht  nlso  nicht  als  eine 
ganz  unzweifelhafte  Thatsache  hingenommen  zu  werden.  Aber 
es  läast  sich  auch  nicht  leugnen,  dass  sie  von  einem  durchaus 
vertrauenswürdigen  (jewilhrsmanne,  dem  vcnetianischen  Bot- 
schafter in  Wien,  Pietro  Andrea  Capello  herrührt.  Voll  Wohl- 
wollen für  Oesterreich  und  für  Maria  Theresia,  voll  Aufmerk- 
samkeit füi"  divs,  was  um  ihn  her  vorging,  und  insbesondere  in 
dem,  was  die  Beziehungen  Uesterreichs  zu  den  italienischen 
Staaten  betraf,  wohlunterrichtet,  kann  Capello  in  Allem,  was 
er  hierüber  sagt,  nur  vollen  Glauben  beanspruchen.  Er  aber 
berichtete  am  27.  October  1741  an  den  vcnetianischen  Senat 
wörtlich:  ,Graf  Kaunitz,  zu  dem  Könige  von  Sardinien  be- 
stimmt, bat  um  Entschuldigung,  indem  er  den  Mangel  an  hin- 
reichendem Vermögen  als  Beweggrund  hiefür  angab.  Er  ist 
jedoch  einer  der  MUimor,  die  in  der  Ungewissheit,  wer  in  Zu- 
kunft die  Länder  beherrschen  wird,  in  denen  ihre  Lehengüter 
liegen,  sich  genüthigt  glauben,  sich  unter  den  gegenwärtigen 
Umständen  in  der  Annahme  so  ansehnlicher  und  wichtiger 
Aemter    Zurückhaltung    aufzuerlegen.     An    seiner    Stelle    hat 

Arehiv.   LXXXrni.  Bd.   I.  Uuino.  8 


34 

die  Königin  den  Marchese  Bartolomei  flir  jenen  Posten  be- 
stimmt.** 

Es  lässt  sich,  wie  bereits  gesagt,  tlber  die  Richtigkeit  der 
Angabe  Capello's  kein  absolut  sicheres  Urtheil  fallen.  Ist  je- 
doch seine  Behauptung  wahr,  dann  liegt  in  ihr  wohl  das  über- 
zeugendste Merkmal  der  äussersten  Bedrängniss,  in  der  sich 
damals  Maria  Theresia  befand.  Wenn  sogar  ein  Kannitz  in 
Zweifel  gerathen  konnte,  ob  er  ihr  oder  vielleicht  einem  An- 
deren seine  Dienste  zu  widmen  sich  berufen  finden  werde, 
dann  darf  man  wohl  fragen,  auf  wen  überhaupt  die  Königin 
dann  noch  mit  Sicherheit  bauen  durfte? 

Aber  gerade  an  Maria  Theresia  ging  der  fromme  Spmch 
in  Erfüllung:  wo  die  Noth  am  höchsten,  sei  auch  die  Hilfe  am 
nächsten.  Freilich  war  es  keine  Plilfe  von  Aussen  her,  der  sie 
ihre  Rettung  verdankte,  sondern  nur  die,  welche  in  ihrer  eige- 
nen Kraft  und  Entschlossenheit,  welche  in  der  Treae  and 
Selbstaufopferung  ihrer  Unterthanen  lag.  Kaam  war  die  Nach- 
richt von  dem  Verluste  Prags  nach  Pressburg  gelangt,  als  schon 
nach  allen  Richtungen  hin  die  Sendboten  der  Königin  mit  der 
Botschaft  eilten,  so  unheilvoll  auch  jenes  Ereigniss  an  and  ftir 
sich  sein  möge,  so  werde  man  sich  doch  durch  dasselbe  keinen 
Augenblick  abhalten  lassen,  gegen  die  in  Oberösterreich  zurück- 
gebliebene französisch-bairische  Streitmacht  die  OfFensive  zu 
ergreifen.*  So  wie  in  dem  einmal  festgestellten  Plane,  lasse 
man  sich  auch  in  der  Hoffmmg  nicht  irre  machon,  diese  Unter- 
nehmung werde  von  günstigem  Erfolge  begleitet  sein. 

So  geschah  es  denn  auch  wirklich.  Binnen  Kurzem  war 
nicht  nur  ganz  Oberösterreich  wieder  in  den  Händen  ihrer 
Truppen,  sondern  Maria  Theresia  konnte  dieselben  über  die 
eigene  Landesgrenze  hinaus  nach  Baiem  entsenden.  Unaof- 
haltsam  drangen  sie  dort  vor,  und  gerade  in  der  Zeit,  in  wel- 
cher Carl  Albrecht  mit  der  deutschen  Kaiserkrone  geschmückt 
wurde,  ging  ein  grosser  Theil  seines  Landes  mit  seiner  Haupt- 
stadt an  die  Oesterreicher  verloren.  Zwar  wurden  sie  binnen 
Kurzem  bei  Chotusitz  ein  zweites  Mal  von  König  Friedrich  ge- 


'  Arneth,  Geschichte  Maria  Theresias.  II,  S.  503. 

*  Schon  am  2.  Docember  1741  schrieb  Oraf  Philipp  Sinzendorff  ans  Pres»- 
bürg  eigenhKndig  an  den  Marchese  Bartolomei,  damals  noch  in  Wien: 
,.  .  .  qnello,  ch'6  successo  a  Praga,  non  impediri  nna  gran  operaaione.' 


I 


I 
I 
I 

I 


schlagen,  aber  diese  Schlacht,  wenngleich  verloren,  war  doch 
auch  nicht  von  fem  einer  Niederlage  vei^leiehbar.  Ja  sie  tmg 
nicht  wenig  dazu  bei,  den  Kitnig  von  Preusson  «n  dorn  Ent- 
schlüsse zu  bringen,  dem  Kriege  gegen  Ocstorreieh  durch  die 
Breslaner  Friedenspräliminarien  ein  Endo  eu  machon.  Hiedurch 
ihres  gefährlichsten  Feindes  und  durch  den  Frieden  mit  Sachsen 
eines  eweiten  Gegners  entledigt,  durch  eine  schon  um  1.  Fo- 
bniar  1742  mit  Sardinien  abgeschlossene  Convention  aber  einer 
wenigstens  vorläufigen  Verständigung  mit  diesem  StJiatc  und 
dadurch  eines  Stützpunktes  in  Italien  theiihaft  geworden,  befand 
sich  Maria  Theresia  im  Hochsommer  dieses  Jahres  in  einer 
unendlich  viel  günstigeren  Lage,  als  sie  selbst  noch  vor  sechs 
Monaten  zu  hoflfen  gewagt  haben  mochte. 

Es  lässt  sich  durchaus  nicht  behaupten,  gerade  dieser 
Umschwung  habe  Kaunitz  veranlasst,  sich  dem  an  ihn  ergehen- 
den Rufe  nicht  zu  entziehen  und  an  Stelle  des  Marcheso  Hur- 
tolomei,  der  wegen  Irrsinns,  von  dem  er  befallen  worden,'  nicht 
lUuger  auf  dem  Posten  eines  österreichischen  Gesandten  am 
Turiner  Hofe  belassen  werden  konnte,  denselben  zu  illjornchincii. 
Seine  Entsendung  dorthin  war  schon  in  den  ersten  Tagen  des 
Juni  1742,  also  noch  vor  Unterzeichnung  der  Brcslaucr  Friedens- 
präliminarien, eine  feststehende  Sache.  Vom  29.  dieses  Monats 
ist  das  Instrument  dntirt,  durch  welclies  Maria  Theresia  den 
Grafen  Max  Ulrich  Kaunitz  ermilchtigtc,  auf  seine  Fidoicomniiss- 
gßtor  in  Mahren  die  Summe  von  12.004)  Gulden  aufzunehmen, 
deren  er  bedürfe,  um  seinen  Sohn  Wenzel  in  den  Stand  zu 
setzen,  den  ihm  verliehenen  Posten  eines  Gesandten  am  Turinür 
Hofe  auch  wirklich  anzutreten.  Und  am  folgenden  Tage,  driu 
30.  Juni,  wurde  die  Instruction  ausgefertigt,  mit  welcher  man 
Kaunitz  versah;  zu  ihr  trat  am  11.  Juli  noch  ein  Nachtrag 
hinzu.'  Um  jedoch  den  Inhalt  beider  Schriftstücke  rocht  zu 
verstehen,  muss  man  sich  den  Zustand  vergegenwärtigen,  in 
welchem  die  öffentlichen  Verhältnisse  der  italienischen  Staaten 
sich  damals  befanden. 


'  LcgationsaecroUlr    t.  Mareacbal   an  Ulfuldt;   I'ariiia,  28.  Mai   1742.    ,MH 

dem   Herrn   Marclien   liartolomoi    tliDt   e»   nicli   solclinriiinMiiu   vumclilim- 

mem,  dam  die  Veronnft  denselben   alluchon   von  ZoU  zu  '/mü   tu  ver- 

Uis.<<en  anfanget' 

*  Die  Inttmction  filr  Kaunitz   nnd  der  Nacbtrsfr  *\t  denwlbon  rUhron  von 

,  DartciMtein  her. 

8« 


36 

Während  ihr  gleich  nach  ihrer  Thronbesteigung  und  im 
Laufe  des  ersten  Jahres  nach  derselben  von  so  vielen  Seiten 
zahlreiche  und  wahrhaft  furchtbare  Gegner  erstanden,  besass 
Maria  Theresia  in  Italien  zwar  keinen  verlässlichen  Freund, 
aber  doch  auch  eigentlich  keinen  erwähnenswerthen  Feind. 
Denn  der  Papst  und  die  Republik  Venedig,  so  wenig  sie  es 
auch  an  wohlwollenden  Worten  für  die  junge  Herrscherin 
fehlen  Hessen,  erklärten  doch,  in  dem  Streite,  der  sich  um 
deren  Erbe  entspann,  neutral  bleiben  zu  wollen.  Von  dem 
Könige  Carl  von  Neapel  und  Sicilien,  dem  dritten  und  jflngsten 
Kronenträger  des  Hauses  Bourbon,  liess  sich  freilich  nur  volle 
Bereitwilligkeit  voraussetzen,  an  Allem  Antheil  zu  nehmen,  wo- 
durch der  Fürstin,  um  deren  Hand  dereinst  so  eifrig,  aber 
fruchtlos  fttr  ihn  geworben  worden  war,  Nachtheil  zugefügt 
werden  konnte.  Aber  er  selbst  sass  doch  noch  seit  viel  zu 
kurzer  Zeit  und  daher  zu  wenig  fest  auf  dem  erst  vor  einigen 
Jahren  erworbenen  Throne,  sein  Land  war  viel  zu  fem  und 
seine  Macht  zu  gering,  als  dass  von  seiner  Seite  allein  Ernst- 
liches zu  befUrchten  gewesen  wäre.  Fand  sich  jedoch  ein 
anderer,  über  ansehnHchere  Streitkräfte  verfügender  Staat,  der 
es  unternahm,  das  Haus  Oesterreich  in  Italien  zu  bekriegen, 
dann  war  die  Gegnerschaft  des  Königs  von  Neapel  auch  nicht 
mehr  geringschätzig  zu  betrachten. 

Es  bedurfte  keines  grossen  politischen  Scharfblickes,  um 
sehr  bald  darüber  im  Reinen  zu  sein,  dass  schon  in  nächster 
Zukunft  dieser  Staat  sich  finden  und  dass  es  kein  anderer  als 
Spanien  sein  werde.  Denn  die  Königin  Elisabeth  werde,  dessen 
durfte  man  gewiss  sein,  den  so  (iberaus  günstigen  AugenbKck 
nicht  unbenutzt  vorübergehen  lassen,  um  auch  für  ihren  zweiten 
Sohn  Philipp,  wie  es  für  Carl  so  glänzend  gelungen  war,  ein 
Reich  in  Italien  zu  gewinnen.  Im  November  1741  landeten 
ansehnliche  spanische  Streitkräfte  an  verschiedenen  Punkten 
der  italienischen  Küste;  der  Herzog  von  Montemar  ilbemahm 
den  Oberbefehl  über  sie. 

Maria  Theresia  hatte  die  Wichtigkeit,  welche  der  Beistand 
Sardiniens,  des  einzigen  kriegstüchtigen  Staates  in  Italien,  für 
sie  besass,  nie  auch  nur  einen  Augenblick  verkannt;  sich 
dessen  zu  versichern,  war  sie  schon  während  des  ganzen  Jahres 
1741  bemüht.  Aber  sie  schlug  doch  die  Besorgnisse,  mit  denen 
nach  ihi-er  Meinung  der  König  von  Sardinien  die  beabsichtigte 


37 


Qrilndang  eines  zweiten  bourbonischen  Reiches  in  Italien  be- 
trachten musste,  allzu  hoch  an,  wenn  sie  an  die  Möjj^Hclikcit 
glaubte,  dass  sich  Carl  P'manud  auch  ohne  ein  ansehnliches 
Entgelt  zu  bewaffnetem  Widerstände  gegen  dieselbe  bereitlinden 
lassen  werde.  Wie  der  Tariner  Hof  es  von  jeher  gewohnt 
war,  pflog  er  auch  jetzt  wieder  nach  beiden  Seiten  hin  leb- 
hafte Verhandlung,  um  ohne  irgendwelche  Kücksicht  auf  den 
rechthchen  Standpunkt  dem  sich  zuzugesellen,  von  dem  er 
hieflir  die  ausgiebigsten  Zugeständnisse  erhielt. 

Und  in  der  That,  die  Auerbietungen,  diu  ihm  von  Spanien 
gemacht  wurden,  waren  gliinzcnd  genug.  Ihnen  zufolge  sollte 
das  ganze  Ländergebiet  des  Hauses  üesterreich  in  Italien  von 
den  Spaniern  und  Sardiniern  erobert  und  zwischen  Carl  Emanucl 
und  dem  Infanten  Don  Fhiii|tp  getheilt  werden.' 

Hätte  Carl  Emanuel  diesen  Versprechungen  irgendwie 
trauen  dürfen,  so  würde  er  wohl  ohne  langes  Zaudeni  auf  sie 
eingegangen  sein  und  sich  ungesiiamt  auf  die  Seite  Spaniens 
gMtellt  haben.  So  aber  zweifelte  er  nicht,  dass  durch  die 
völhge  Vertreibimg  der  Oesterreicher  aus  Italien  und  durch 
die  Errichtung  eines  zweiten  bourbonischen  Staates  in  jenem 
Lande  sein  eigenes  Schicksal  für  alle  Zukunft  von  der  Gnade 
dieser  übermüchtigon  Regenteufarailie  abliälngig  würde.  Darum 
hcsass  der  geringere  Preis,  den  er  von  Maria  Theresia  für 
seinen  gewaffnetcn  Beistand  zu  erhalten  gewärtig  war,  ver- 
lockendere Kraft  für  ihn  als  die  ungleich  reicheren  Versprochun- 
^D  der  Bourbonen.  D<'imnch  kam  es  noch  immer  zu  keiner 
greifbaren  Abmachung  zwischen  den  llüfen  von  Wien  und 
Turin,  bis  endlich  die  drohende  Haltung  Spaniens  Beide  zur 
Verständigung  trieb.  Am  1.  Februar  1742  >vurde  in  Turin  die 
schon  erwähnte  Convention  unterzeichnet,  derzufolge  die  in 
Italien  befindlichen  österreichischen  Truppen  vorerst  den  Spaniern 
entgegengehen  sollten,  um  vor  ihnen  Modena  und  Mirandola  zu 
besetzen  und  dadurch  ihr  Vordringen  gegen  das  österrcichisdie 
Gebiet  zu  vereiteln.  Zur  Unterstützung  der  Oesterreicher  werde 
Carl  Emanuel  ein  hinreichendes  Armeecorps  bereithalten  imd  ihnen 
nüthigcn  Falles  mit  seiner  ganzen  Streitmacht  zu  Hilfe  kommen. 

Zu  einer  eigentlichen  Gebietsabtretung  an  Sardinien  ver- 
pflichtete sich  Maria  Theresia  noch   nicht.     Dagegen   forderte 


>  Carulti  1,  190. 


38 

sie  auch  nicht,  dass  der  König  seinen  angeblichen  Rechten  auf 
die  Lombardei  entsage;  dieselben  sollten  vielmehr  durch  die 
eben  zum  Abschlüsse  gekommeneu  Conyoutionen  in  gar  keiner 
Weise  berührt  werden.  Ja  es  blieb  ihm  sogar  ausdrücklich 
vorbehalten,  sie  jederzeit,  sei  es  allein  oder  mit  dem  Beistande 
von  Verbündeten,  jedoch  erst  einen  Monat,  nachdem  er  die 
Absicht  hiezu  kundgegeben  habe,  zu  verwirklichen. 

In  solcher  Weise  eines  Stützpunktes  in  Italien  theilhaft 
geworden,  verabsäumte  Maria  Theresia  nichts,  um  ihre  dortigen 
Streitkräfte  so  beträchtlich  zu  verstärken,  dass  diese  im  Vereine 
mit  den  sardinischen  Truppen  den  Spaniern  und  Neapolitanern 
die  Spitze  bieten  konnten.  Dass  der  Herzog  von  Modena  sich 
für  die  bourbonischen  Höfe  erklärte,  brachte  in  den  gegen- 
seitigen Machtverhältnissen  keine  grosse  Veränderung  hervor; 
gerade  seine  Hauptstadt  wurde  dadurch  zum  ersten  Angriffs- 
objecto.  Die  Stadt  Modena  fiel,  ohne  Widerstand  zu  leisten; 
die  dortige  Citadelle  aber  ergab  sich  erst  nach  dreiwöchent- 
Ucher  Belagerung  am  28.  Juni  1742  den  vereinigten  Oester- 
reichern  tmd  Piemontesen. 

Dieser  Augenblick  war  es,  in  welchem  man  in  Wien  an 
die  Ausfertigung  der  Instructionen  für  Eaunitz  schritt.  Ein 
Hauptgedanke  lag  ihnen  zu  Grunde.  Vor  wenigen  Wochen 
erst  hatte  man  durch  die  Breslauer  Präliminarien  die  Abtretung 
des  grössten  Theiles  von  Schlesien  an  Preussen  vollzogen.  Für 
diesen  höchst  ansehnlichen  Verlust  müsse  sich  Oesterreich  in 
Baiem,  das  es  damals  fast  ganz  besetzt  hielt,  und  in  Italien 
entschädigen.  In  diesem  Lande  hätte  es  auch  Ersatz  für  die 
Abtretung  lombardischer  Gebietstheile  zu  finden,  ohne  welche 
man  nun  einmal  auf  den  Beistand  des  Königs  von  Sardinien 
nicht  dauernd  zählen  zu  dürfen  glaubte. 

Derjenige,  auf  dessen  Unkosten  man  diesen  Zuwachs  zu 
erlangen  gedachte,  war  natürlich  kein  Anderer  als  der  freilich 
erst  zu  besiegende  Angreifer,  das  spanische  Königshaus.  Die 
erst  vor  wenigen  Jahren  durch  dasselbe  erworbenen  Länder  in 
Italien  sollten  ihm  wieder  entrissen  werden.  Neapel  hätte  an 
die  Königin  von  Ungarn,  Sicilien  aber  an  den  König  von  Sar- 
dinien zu  fallen,  um  ihn  hiedurch  minder  begehrlich  nach  lom- 
bardischem Gebiete  zu  machen. 

Es  musste  als  ein  fördernder  Umstand  für  diese  Projecte 
erscheinen,  dass  Carl  Emanuel  und  der  die  Oesterreicher  be- 


39 


fehligeiidc  Fcldiuarschall  Graf  Tnuin  nach  dem  Falle  von 
Modena  auch  Mirandola  wegnehmen  konnten.  Hierauf  wendeten 
sie  sich  gegen  das  spanische  Ilecr,  welches  bei  Bondeno,  un- 
weit des  Po  stand.  Der  Herzog  von  Montcinar  trat  nun,  ohne 
seine  Gegner  zu  erwarten,  den  Rückzug  an.  In  langsamen 
Märschen  ging  es  nach  Ravenna,  hierauf  nacli  Riinini  und  end- 
lich nach  Foligno,  wo  er  Halt  machte.  Bis  Cesena  folgten  ihm 
die  Oesterreicher  und  die  Piemontesen,  und  hier  war  es,  wo 
Kaunitz  als  neu  ernannter  österreicliischer  Gesandter  bei  dem 
Könige  von  Sardinien,  vor  welchem  er  nun  zum  dritten  Male 
erschien,  am  H.  August  1742  eintraf.  Dieser  Tag  ist  daher  als 
der  des  Beginnes  einer  jiolitischen  Tiilltigkeit  zu  betrachten, 
die  sich  auf  einen  Zeitraum  von  mehr  als  einem  halben  Jahr- 
hundert erstreckte  und  wohl  zu  den  ruIimvoUsteu  zählte,  die 
auf  dem  Gebiete,  das  sie  umfasste,  jemals  entwickelt  wurden. 

Und  in  der  That,  wohl  nur  sotten  wurde  einem  Manne, 
der  noch  in  jungen  Jahren  utid  ohne  viel  Erfahrung  zum  ersten 
Male  das  glatte  Terrain  diplomatischer  Wirksamkeit  betrat, 
eine  schwierigere  Aufgabe  tibertragen,  als  sie  jetzt  Kaunitz  er- 
hielt. Er,  der  Anfänger,  hatte  es  von  nun  an  mit  zwei  Mälnnern 
von  ungewöhnlichem  Scharfsinne,  von  tiefer  Kenntniss  der  politi- 
schen Zustünde  Europas  und  der  Vorhältnisse  der  einzelnen 
Staaten  zu  einander,  endlich  von  erprobter  Gewandtheit  in  all 
den  Winkelzügcn  zu  tbun,  in  denen  man  damals  die  höchste 
Vollendung  diplomatischer  Htaatskunst  erblickte.  Diese  Männer 
waren  Carl  Enianuol  selbst  und  sein  erster  Minister,  der  Mar- 
chese  Ormea. 

Der  König,  gerade  um  zehn  Jahre  älter  als  Kaunitz,  stand 
damals  in  seinem  43.  Lebensjahre  und  seit  der  im  September 
1730  erfolgten  Abdankung  seines  Vaters  Victor  Amadeus,  also 
seit  fast  zwölf  Jahren  an  der  Spitze  der  Regierung  seines  Lan- 
des. Noch  nicht  zwei  Jahre  hatte  er  sie  gefllhrt,  als  sein  Vater, 
des  znrlickgezogenen  Lebens  in  Chamböry  müde  geworden,  mit 
t'SHa  Erklärung  nach  Piemont  zurückkehrte,  die  Regierung,  der 
sein  Sohn  sich  nicht  gewachsen  erweise,  sei  es  ganz,  sei  es 
wenigstens  in  ihrem  wichtigeren  Theilo  wieder  übernehmen  zu 
wollen.  Dass  Carl  EmanucI  dem  widerstrebte  und  nicht  selbst 
zu  seiner  Unfiihigkcitserklärung  die  Hand  bot,  ist  leicht  be- 
greiflich. Die  durch  nichts  nothwendig  gemachte  und  deshalb 
auch  gar  nicht  zu  rechtfertigende  Härte,  mit  der  er  gegen  seinen 


40 

Vater  verfuhr,  dessen  strenge  Kerkerhaft  in  Rivoli  und  Mon- 
calieri  warfen  jedoch  auf  Carl  Emanuels  Charakter  einen  An- 
schein von  Grausamkeit,  die  ihm  doch  eigentlich  fremd  war. 
Nachdem  er  es  verschmäht  hatte,  den  dringenden  Bitten  seines 
Vaters  nachzukommen  und  ihn  noch  in  seiner  Todesstunde  zu 
besuchen,  um  sich  mit  ihm  zu  versöhnen,  lastete  das  Andenken 
an  diese  dtisteren  Ereignisse  schwer  auf  Carl  Emanuel.  Aei^t- 
lich  vermied  er  es,  jemals  von  ihnen  zu  sprechen,  and  durch 
Milde  und  Sanftmuth  trachtete  er  das  wieder  zu  stthnen,  was 
er  an  seinem  Vater  verbrochen  hatte. 

Diese  Eigenschaften  waren  es  denn  auch,  welche  Kaonitz 
an  Carl  Emanuel,  als  er  zehn  Jahre  nach  jenen  Ereignissen 
bei  ihm  beglaubigt  wurde,  als  für  ihn  besonders  charakteristisch 
hervorhob.  Gottesfürchtig  nennt  er  ihn,  gütig,  freundlich,  leut- 
selig und  ohne  allen  Stolz.  Seine  Liebe  zu  seinen  Kindern, 
die  Massigkeit  seiner  Lebensweise,  seine  Gelassenheit,  seine 
Unerschrockenheit  in  der  Gefahr,  der  er  keineswegs  ausweiche, 
finden  an  Kaunitz  einen  eifrigen  Lobredner.  Des  Königs  gei- 
stige Begabung  scheint  ihm  zwar  nicht  so  hervorragend,  als 
die  seines  Vaters  gewesen  war,  aber  er  rühmt  an  ihm  gesunde 
Begriffe  und  natürlichen  Verstand.  Getadelt  wird  die  Eigen- 
schaft des  Königs,  dass  er.  Jedermann  zugänglich,  auch  An- 
gebereien sein  Ohr  leihe,  wodurch  die  Zwietracht  in  seiner 
Umgebung  und  insbesondere  die  gegenseitige  Anfeindung  der 
Generale  nicht  wenig  geschürt  werde.  Ausserdem  sei  er  lang- 
sam in  seinen  Entschlüssen,  und  manche  wichtige  Massr^el 
werde  hiedurch  ungebührlich  verzögert. 

Grössere  Sorgfalt  noch  als  auf  die  Charakteristik  des 
Königs  verwendet  Kaunitz  auf  die  seines  ersten  Ministers,  des 
Marchese  Ormea.  Obgleich  dieser  nächst  seiner  eigenen  wahrhaft 
seltenen  Begabung  auch  der  Gunst  des  Königs  Victor  Ajnadeus 
sein  Emporkommen  aus  geringen  Lebensverhältnissen  bis  zur 
obersten  Stelle  im  Staatsdienste  verdankte,  war  es  doch  gerade 
Ormea,  durch  dessen  Einfluss  und  Rathschläge  sich  Carl  Ema- 
nuel zu  seinem  tadelnswerthen  Verfahren  gegen  seinen  Vater 
hinreissen  Hess.  Als  Kaunitz  mit  ihm  in  nähere  Berührung  trat, 
hatte  Ormea  das  60.  Lebensjahr  schon  überschritten.  Er  sei 
von  hoher  Gestalt,  sagt  Kaunitz  von  ihm,  schlank  und  doch 
dabei  kräftig;  sein  Aeusseres  müsse  ein  ehrfurchterweckendes 
genannt  werden.   EigentUch  habe  er  weder  sorgfältigen  Untor- 


41 


rieht  genossen,  noch  aus  eigenem  Antrieb  eingehende  Studien 
gemacht,  seine  langjährige  Routine  in  Geschilftssachen  ersetze 
jedoch  diesen  Mangel.  Bewunderungswürdig  findet  Knunita  die 
Urtheilskraft  Ormua's  wie  seinen  Scharfsinn  und  seine  Arbeit- 
samkeit; die  Lebhaftigkeit  seines  Tcmpcrameutes  arte  jedoch 
leicht  in  übertriebene  Hitze  aus,  dabei  sei  er  rachgierig,  voll 
Ehrgeiz  und  voll  Verschlagenheit.  Alles  gehe  durch  seine 
ilände,  und  um  seine  Absichten  durchzusetzen,  bediene  er  sich 
jeglichen  Mittels,  ja  selbst  seiner  eigenen  Fehler,  indem  er,  um 
seinen  Gegner  einzuschüchtern,  sich  oft  aufgebracht  stelle,  wenn 
er  es  auch  in  Wirklichkeit  gar  nicht  sei.  Ebenso  gut  wisse 
er  jedoch  auch  seine  etwaige  Gereiztheit  zu  verbergen  und 
Gelassenheit,  ja  Freundlichkeit  zu  heucheln,  wenn  er  auf  solche 
Weise  leichter  imd  eher  ans  Ziel  zu  gelangen  hoffe.  Falsche 
VertrauUchkeit  zu  zeigen,  sei  bei  ihm  gleichfalls  ein  häutig  an- 
gewendetes Mittel,  die  Gesinnungen  Anderer  zu  erfoi-schen. 
Dabei  besitze  er  sehr  viel  natürliche  Beredsamkeit  und  die 
Gabe,  rasche  und  schlagende  Antworten  zu  geben.  Widerspruch 
bringe  ihn  leicht  in  Hitze,  und  gewiss  gehöre  nicht  wenig 
Standhaftigkeit  dazu,  ihn  von  einer  vorgefassten  Meinung  ab- 
bringen zu  wollen.  Frühere  Gesandte  und  insbesondere  Graf 
Traun,  der  wohl  lieber  einer  Schlacht  beiwohne,  als  sich  mit 
Ormea  in  einen  Wortstreit  einlasse,  hiltten  dies  erfahren. 

Als  Staatsmann  weit  vorausblickend,  sei  er,  lässt  sich 
Kaunitz  über  Ormea  ferner  vernehmen,  voll  von  Ideen  und 
Entwürfen,  dürfe  jedoch  durchaus  kein  Projectenmacher  ge- 
nannt werden.  Reiflich  erwilge  er  vielmehr  alle  in  Betracht 
zu  ziehenden  UmstUnde,  berechne  mit  Vorsicht,  was  etwa  ein- 
treten könne,  und  liebe  es,  sicher  zu  gehen.  Im  Dienste  seines 
königlichen  Herrn  sei  er  eifrig,  ehrlich  und  uneigennützig; 
dies  schon  darum,  weil  er  die  grosse  Anzahl  seiner  Feinde 
und  Neider  kenne  und  sich  von  ihnen  scharf  beobachtet  wisse. 
Ohnedies  schon  habe  man  dorn  Könige  die  Meinung  beige- 
bracht, Ormea  masse  sich  allzuviel  Autoritllt  an  und  wolle  ihn 
selbst  hofmeistem,  ja  Alles  nach  seinem  eigenen  Willen  ein 
richten,  wodurch  dem  Anschon  des  Königs  zu  nahe  getreten 
werde.  Es  scheine  auch,  als  ob  dessen  Liebe  zu  Ormea  im 
Erkalten  begriffen  sei,  aber  er  könne  ihn  nicht  entbehren,  da 
er  Alles  übersehe  und  Eigenschaften  besitze,  die  kaum  so  leicht 
bei   einem  Anderen   anzutreffen  sein  wtii-den.     Durch  Ormea's 


42 


Abgang  wUrdo  der  König  vielmehr  einen  ungemein  grossen, 
ja  unersetzlichen  Verlust  erleiden.  Und  auch  für  Oesterrcich 
besitze  Ormea  eine  ganz  unschätzbare  Eigenschaft.  Sie  bestehe 
darin,  dass  er,  wohl  zunilchst  in  Folge  echt  italienischer  Rach- 
gier, die  Franzosen  wegen  ihres  Verfahrens  während  des  letzten 
Krieges  und  beim  Friedensschlüsse  hasse  und  ausserdem  die 
Getjihrlichkeit  ihrer  Anschläge  richtig  erkenne.  Wider  sie 
könne  man  sich  daher  seiner  gewiss  erfolgreich  bedienen.' 

So  waren  die  zwei  Männer  beschaffen,  mit  denen  Kaunitz 
zu  jener  Zeit  vorzugsweise  zu  thun  hatte.  Seine  Lage  ihnen 
gegenüber  gestaltete  sich  durch  die  fllr  Oesterreich  höchst  un- 
willkommene Wendung,  welche  gerade  damals  die  gemeinsame 
Kriegführung  nahm,  noch  schwieriger.  Denn  während  man  in 
Wien  die  Feindseligkeiten  mit  dem  grössten  Nachdrucke  fort- 
setzen und  sich  möglichst  bald  eines  ansehnhchen  Thciles  des 
Königreiches  Neapel  bemächtigen  wollte,  ging  Carl  Emanuel 
von  dem  bisher  verfolgten  Plane  allmälig  wieder  ab.  Hatte  er 
schon  früher  nur  wenig  Lust  zu  einer  Unternehmung  gegen 
Neapel  gezeigt,  so  wurde  er  in  dieser  Abneigung  durch  die 
bedenklichen  Nachrichten,  die  er  aus  seinen  eigenen  Ländern 
orhielt,  nur  noch  bestärkt.  Von  dem  AugenbHcke  an,  in  wel- 
chem sie  nicht  mehr  daran  zweifeln  konnte,  dass  ihr  Carl 
Emanuel  bei  der  Vollstreckung  ihrer  Entwürfe  nicht  aJs  Mit- 
helfer zur  Seite,  sondern  als  Feind  gegenüberstehen  werde, 
kehrte  die  Königin  von  Spanien  ihren  ganzen  Unwillen  wider 
ihn.  Gegen  seine  Länder  richtete  sie  daher  die  Unternehmung, 
zu  deren  Durchführung  ein  zweites  spanisches  Heer,  über  wel- 
ches der  Infant  Don  Philipp  den  Oberbefehl  Übernahm,  durch 
Sudfrankreich  heranzog  und  bald  Savoyen  besetzte. 

Für  Kaunitz  war  es  ohne  Zweifel  ein  peinliches  Erlebniss, 
dass  er  schon  den  ersten  Auftrag,  der  ihm  von  Wien  aus  für 
seine  neue  Mission  mit  auf  den  Weg  gegeben  worden  war, 
das  Vordringen  gegen  Neapel  zu  beschleunigen,  nicht  zu  er- 
f\Ülon  vermochte.  An  rastloser  Thätigkeit  Hess  er  es  nicht 
felJen,  F'ast  täglich  hatte  er  mit  dem  Könige  von  Sardinien 
und  mit  Ormea  lange  Unterredungen.  Unermüdlich  zeigte  er 
sich,   ihnen   die   Gründe   tUr   einen   raschen   Vormarsch   gegen 


>  KnnniU  an   Ulfulilt,  18   März   1743. 
U.  S.  494— 49U. 


Ameth,  Gearhickte  Marin  TboresiM 


43 


Neapel  recht  einleuchtend  zu  machen,  und  ebenso  eifrig  war 
er,  von  seinem  Jugendfreunde  Binder,  der  ihn  einstweilen  als 
PrivatsecretUr  begleitete,  hiebei  ausgiebig  unterstützt,  in  dem 
Bemühen,  den  Wiener  Hof  durch  häufige  und  ausf\ihrlichc  Be- 
richte fortwährend  von  dem  Stande  seiner  Verhandlungen  in 
genauer  Kcnutniss  zu  erhalten.  Aber  der  übermllchtigen  (Je- 
walt  der  Thatsaehen  gegenüber  bUebeu  alle  seine  Anstrengun- 
gen um  so  machtloser,  als  Ormea  ihn  nicht  lang  darüber  im 
Zweifel  Hess,  dem  Könige  von  Sardinien  sei  es  um  die  ihm  in 
Aussicht  gestellte  Wiedercroberung  Siciliens  gar  nicht  zu  thun. 
Im  Mailändischen  allein  werde  er  die  von  ihm  so  eifrig  be- 
gelurten  Gebictserwerbungen  suchen.  Und  es  müsse  ihm  be- 
denklich erscheinen,  selbst  mithelfen  au  sollen  zur  Vergrössening 
der  Macht  des  Hauses  Oesterreich  in  Italien  und  dadurch  auch 
seinerseits  dazu  beizutragen,  die  ohnedies  schon  vorhandene 
Gefiihrlichkcit  dieser  Niichbarschaft  für  sein  eigenes  Land  noch 
beträchtlich  zu  steigern.' 

Erklärungen  dieser  Art  gaben  einen  Vorgeschmack  von 
den  Schwierigkeiten,  die  bei  der  zweiten  Angelegenheit,  weiche 
damals  zwischen  Oesterreich  und  Sardinien  ins  Keine  zu  brin- 
gen war,  der  Verwandlung  der  blos  provisorischen  in  eine  de- 
finitive Allianz  zu  übenvindcn  sein  würden. 

Wer  sich  ein  möglichst  unbcfangenea  Urtijeil  über  den 
■widerstreitenden  Standpunkt  zu  bilden  sucht,  welchen  die  beiduu 
Verbündeten,  Maria  Theresia  and  Carl  Emanuel  einnahmen, 
wird  zu  dem  Resultate  gelangen,  dass  sich  für  die  Meinung 
des  einen  wie  des  anderen  Theiles  sehr  viel  anführen  lässt. 
Maria  Tlieresia  musste  es  als  den  ersten  Zielpunkt  ihrer  Be- 
strebungen betrachten,  sich  in  dem  Besitze  ihrer  Länder  zu 
behaupten  und  sich  ihrer  nicht  selbst  zu  Gunsten  eines  Anderen, 
wer  er  auch  sein  mochte,  zu  entäussem.  Das  war  ja  auch  der 
Hauptzweck  ihrer  Kriegführung,  während  die  Erlangung  eines 
Schadenersatzes  für  das  unwiderbringHeh  Verlorene  für  sie  erst 
in  zweiter  Linie  stand.  Darum  musste  sie  vor  Allem  darauf 
ausgehen,  jeder  nur  irgendwie  beträchtlichen  Schmälerung  der 
Lombardei  zu  Gunsten  des  Königs  von  Sardinien  vorzubeugen, 
während  dieser  gerade  darauf  angewiesen  war,  hier  und 
nicht  etwa  in  Sicilien  die  begehrte  Vergrösserung  zu  suchen. 


'  Kauuitz  m  Maria  ThoreBia.    Cosoua,  II.  August  1742. 


44 

Was  anmittelbar  angrenzte  an  den  Kern  seines  Staates,  an 
Piemont,  besass  fllr  ihn  unschätzbaren,  hingegen  das,  was  weit 
davon  entfernt  lag  und  ihm  noch  überdies,  selbst  wenn  er 
sich  dessen  wirklich  bemächtigt  hätte,  durch  die  vereinigte  See- 
macht Frankreichs  und  Spaniens  jeden  Augenblick  wieder  ent- 
rissen werden  konnte,  nur  zweifelhaften  Werth.  Hatte  ja  doch 
sein  Vater  Sicilien  schon  einmal  besessen,  nur  um  es  binnen 
Kurzem  wieder  zu  verlieren. 

Ueber  diesen  unleugbaren  Gegensatz  der  beiderseitigen 
Interessen  hinweg  das  Bündniss  zwischen  Oesterreich  und  Sar 
dinien  doch  in  ein  definitives  umzugestalten,  lag  nicht  nur  in 
dem  Interesse  des  einen  wie  des  anderen  Staates,  sondern 
wurde  auch  noch  von  dem  angesehensten  Alliirten  Beider,  von 
England,  mit  ganz  besonderem  Eifer  betrieben.  Denn  erst, 
wenn  jenes  BUndniss,  so  meinte  die  britische  Regierung  mit 
Recht,  die  erforderliche  Festigkeit  gewinne  und  sich  nicht 
jeden  Augenblick  in  sein  Gegentheil  verwandeln  kOnne,  ver- 
möge es  auch  die  erwünschte  Wirkung  hervorzubringen  und 
den  bourbonischen  Höfen  zu  empfindlichem  Nachtheil  zu  ge- 
reichen. In  Wien  wie  in  Turin  arbeitete  daher  England  mit 
Nachdruck  auf  den  Abschluss  der  definitiven  Allianz  hin,  aber 
freilich  stellte  es  sich,  was  den  Kaufpreis  betraf,  der  Oester- 
reich hiefür  zugemuthet  wurde,  fast  rttckhaltslos  auf  die  Seite 
des  Hofes  von  Turin. 

Für  Kaunitz,  dessen  kluges  und  besonnenes  Auftreten 
ihm  die  vollste  Zufriedenheit  seiner  königlichen  -Herrin  erwarb,' 
war  es  ohne  Zweifel  ein  erfreulicher  Umstand,  dass  in  Folge 
dieser  lebhaften  Theilnahme  Englands  die  Verhandlungen  zur 
Zustand  ebringung  eines  definitiven  Bündnisses  zwischen  Oester- 
reich und  Sardinien  nicht  in  Turin,  sondern  zwar  zum  Theile 
in  Wien,  aber  mehr  noch  in  England  gepflogen  wurden,  wo 
Oesterreich  durch  einen  seiner  erfahrensten  Diplomaten,  Ignaz 
von  Wasner,  vertreten  war.  Die  Obliegenheit  des  Grafen 
Kaunitz   erstreckte   sich  daher  eigentUch   nicht  weiter,  als  auf 


*  Maria  Theresia  au  Kaunitz,  16.  September  1742.  .Wir  glauben  andntch 
Alles  zu  erschöpfen,  was  Dir  zu  Deinem  weiteren  Verhalt  su  wissen 
nöthig  ist,  auch  nicht  minder  Unsere  gnädigste  Zufriedenheit  mit  Deinem 
bissherigen  vorsichtigen  und  remänftigen  Betrag  Dir  sattsahm  so  erkennen 
zu  geben.* 


45 


den  König  von  Sardinien  nnfl  Orniea  im  Sinne  der  Instructio- 
nen einzuwirken,  welche  Wasner  von  Wien  aus  erhielt,  und 
die  daher  gleichzeitig  auch  dem  Grafen  Knunitz  mitgetheilt 
wurden.  Und  auch  hiezu  ergab  sich  um  jene  Zeit,  im  Spät- 
herbste des  Jahres  1742,  nicht  viel  Gelegenheit.  Ciirl  Emanuel 
war  nach  Savoyen  gegangen,  um  an  <Jrt  und  Stelle  die  mili- 
tilrischen  Unternehmungen  zur  Vertreibung  der  Spanier  aus 
diesem  Lande  zu  leiten.  Kaunitz  folgte  ihm  zwar,  aber  wegen 
der  Schwierigkeit,  dort  Unterkunft  zu  erhalten,  wo  der  König 
und  seine  Truppen  sich  eben  befanden,  musste  er  durch  melirore 
Wochen  in  Aosta  verweilen.  Von  hier  begab  er  sich  nach 
Moutiers,  und  am  22.  October  sali  er  nach  längerer  Unter- 
brechung den  König  in  Montmölian  wieder,  wo  dieser,  nach- 
dem die  Vei-treibung  der  vSpanier  aus  Savoyen  gelungen  war, 
sein  Hauptquartier  aufgeschlagen  hatte.  In  dem  Dorfe  Cruet, 
das  etwa  eine  Stunde  von  jener  Stadt  entfernt  liegt,  wohnte 
Kaunitz,  und  fa.st  tilglich  begab  er  sich  von  dort  nach  Mont- 
mölian,  um  mit  Carl  Emanuel  zusammenzukommen,  bis  sie  end- 
lich Beide  am  26.  October  in  Chamb^ry  eintrafen,  wo  Kaimitz 
nun  durch  etwa  zwei  Monate  mit  wenig  Unterbrechungen  ver- 
weilte, während  der  König  wieder  nach  seinem  Hauptquartier 
Montmt^lian  zurückging. 

Dorthin  hatte  sieb  also  Kaunitz  jedesmal  zu  begeben, 
wenn  er  Carl  Emanuel  und  Ormea  sprechen  und  sich  ihnen 
gegenüber  der  ihm  von  Wien  aus  zukommenden  Aufträge  ent- 
ledigen wollte.  Die  naclidrllcklichc  Fortführung  des  Krieges 
gegen  Spanien  und  Neapel,  der  Abschluss  des  deJinitiven  Bünd- 
nisses zwischen  Oesterreich  und  Sardinien  standen  bei  diesen 
Erörterungen  in  vorderster  Reihe.  Aber  auch  noch  andere 
zum  Theile  sehr  wichtige  Angelegenheiten,  wie  das  Anerbieten 
Englands,  ein  von  GraubUndtcn  zu  stellendes  Truppencoq)s  zu 
Gunsten  der  Alliirten  iu  Sold  zu  nehmen,  und  die  hiemit  in 
Verbindung  stehende  Erneuerung  der  mailäudischen  Militär- 
capitulationen  mit  Graubündten  kamen  hiebei  zur  Sprache,  und 
eigenthümlich  war  es,  dass  diese  Sache  nicht  etwa  als  blosse 
Gelilfrage  erschien,  sondern  dass  sehr  beachtenswerthe  politische 
und  religiöse  Interessen  hiebei  ins  Spiel  kamen.  England  wollte 
diesen  Anlass  benützen,  um  für  die  Verbreitung  des  Protestan- 
tismus im  Veltlin  f^irdernde  Zugeständnisse  zu  erlangen,  wäh- 
rend die  Graubündtncr  selbst  sich  mit  der  Zusage,   dass   die 


46 


im  Veltlin  sowie  in  den  Grafschaften  Bormio  und  Chiavenna 
begüterten  Reformirten  sich  dort  ungehindert  aufhalten  dürften, 
sowie  mit  der  Erwirkung  einer  genauen  Abgi-enzung  der  geist- 
lichen Jurisdictionsreohte  des  Bischofs  von  Como,  um  etwaige 
Uebergriflfe  desselben  hintanzuhalten,  begnügen  zu  wollen 
schienen. 

Diesem  einen  Begehren  war  Maria  Theresia  geneigt  und 
redete  ihm  in  Rom  das  Wort,  während  sie  auf  das  andere 
nicht  eingehen  zu  können  erklärte.  Hierin  stimmte  ihr  der  sar- 
dinische Hof  in  entschiedenster  Weise  bei,  und  Ormea,  welcher 
mit  dem  päpstlichen  Stuhle  stets  das  beste  Einvernehmen  auf- 
recht zu  erhalten  suchte,  wurde  nicht  milde,  den  üblen  Ein- 
druck zu  schildern,  den  eine  ErftlUung  dieses  Begehrens  in 
ganz  Italien  hervorbringen  mUsste.  Es  scheine  ihm,  erklärte  er 
dem  Grafen  Kaunitz,  viel  Wünschenswerther  zu  sein,  dass  Eng- 
land sein  Geld  für  sich  behalte,  als  dass  es  dasselbe  nur  unter 
Bedingungen  hergebe,  über  deren  schädliche  Wirkungen  man 
sich  keiner  Täuschung  hingeben  dürfe.  Auch  ohne  England 
werde  man  schon  noch  Mittel  finden,  an  das  erwünschte  Ziel 
zu  gelangen.' 

Freilich  gewinnt  es  den  Anschein,  diese  von  sardinischer 
Seite  abgegebene  Erklilrung  sei  kaum  ernst  gemeint  gewesen. 
Denn  gerade  der  Turiuer  Hof  war  es  ja,  welcher  der  Krieg- 
fi'üirung  in  Italien  eine  noch  grössere  Ausdehnung  zu  geben 
und  sie  nicht  nur  gegen  Spanien  und  Neapel,  sondern  auch 
direct  wider  Frankreich  gerichtet  zu  sehen  wünschte,  dem 
gegenüber  er  sich  noch  immer  in  einem  fi-eilich  nur  schein- 
baren Neutral itäts Verhältnisse  befand.  Mit  umso  grösserem  Rechte 
wird  es  ein  nur  scheinbares  genannt  werden  dürfen,  als  die 
spanischen  Truppen,  welche  aus  Savoyen  auf  französisches  Ge- 
biet zurückgewichen  waren,  dort  allen  nur  immer  erdenkbchen 
Vorschub  erfuhren,  um  recht  bald  und  mit  Aussicht  auf  Erfolg 
wieder  die  Offensive  gegen  das  kleine  Heer  des  Königs  von 
Sardinien  ergreifen  zu  können. 

Hiezu  kam  es  denn  auch  binnen  kürzester  Frist  und  unter 
Umständen,  welche  für  Carl  Emanuel  recht  ungünstige  waren. 
In  der  tuiwirthliehen  Hochgebirgsgegend,  in  der  sich  dieser  mit 
seinen  Truppen  befand,  tritt  der  Winter  gar  frühzeitig  ein  und 


'  KauniU  au  Maria  Thereiia.  Cli«mb£ry,  21.  November  1743. 


bringt  flir  diejenigen,  welche  kriegerische  Unternehmungen 
durchführen  sollen,  vielfache  Drangsale  mit  sich.  Gegen  Ende 
des  Jahres  1742  war  dies  in  noch  höherem  Masse  als  gewöhn- 
lich der  Fall.  8chon  im  November  herrschten  eiskalte  Regen- 
güsse, denen  empfindlicher  Frost  folgte.  Die  Soldaten,  welche 
fortwährend  auf  der  Hut  vor  einem  etwaigen  Ueberfalle  des 
nahen  Feindes  sein  musstcn,  litten  schwer  unter  dieser  Uubill 
des  Wetters.  Ihre  Reihen  wurden  durch  Krankheiten,  und  noch 
überdies  durch  Desertion  gelichtet,  welche  insbesondere  in  den 
schweizerischen  Kegimentern  sehr  überhandnahm. 

Die  Spanier  versäumten  es  nicht,  von  dieser  flir  sie  vor- 
theilhaften  Sachlage  Nutzen  zu  ziehen.  Sie  standen  unter  dem 
Befehle  eines  tüchtigen  und  unternehmenden  Generals ,  des 
Marques  de  Las  Minas,  der  an  Stelle  des  Grafen  von  Qliraes, 
welchem  man  in  Madrid  wegen  seines  Rückzuges  aus  Savoyen 
grollte,  an  ihre  Spitze  getreten  war.  Die  Vermiithung,  der 
sich  auch  Kaunitz  hingab,  trotz  dieser  Veränderung  im  Ober- 
befehle sei  von  Seite  der  Spanier  wenigstens  vorderhand  nichts 
zu  besorgen,  erwies  sich  als  irrig.  Als  Kaunitz  dies  nieder- 
schrieb, waren  die  Spanier,  ohne  dass  er  darum  wusste,  schon 
in  Bewegung.  Um  nicht  in  ihre  Hände  zu  fallen,  wichen  Kaunitz 
und  der  englische  Gesandte  Villettes  vorerst  nach  Annecy  zu- 
rück,' dann  aber  begaben  sie  sich,  von  Carl  Emanuel  zu  sich 
berufen,  in  dessen  Hauptquartier  nach  Montm^lian. 

Kaunitz  fand  den  König  in  grösster  Bestürzung  und  Be- 
trUbniss,  aber  doch  nicht  entmuthigt.  Er  sah  ein,  dass  er  sich 
im  Irrthum  befunden  habe,  als  er  es  xmternahm,  mit  verhillt- 
nissrnftssig  geringer  Heeresmacht  ein  durch  keine  Festungen 
geschütztes  Land  den  Winter  hindurch  gegen  einen  überlegenen 
Feind  behaupten  zu  wollen,  und  dass  ihm,  wenn  er  sich  nicht 
noch  grösserem  Unglücke  aussetzen  wolle,  nichts  übrig  bleibe, 
als  mit  seinen  Truppen  nach  Piemont  zurückzugehen.  Kaunitz, 
den  er  hierüber  zu  Rathe  zog,  vermochte  gegen  diesen  Vorsatz 
gleichfalls  keine  Einwendung  zu  erheben.  Er  beschränkte  sich 


Kannits  an  Maria  Theresia.  Chamböry,  17.  December  1742:  .Uebrigens 
hat  ea  rwar  das  Aiiaohen  bisahero  gehabt,  e.i  würden  die  Spanier  nach 
Ankunft  ilires  neuen  commandirenden  Generalen  etwas  liauptsäcliliclies 
unternehmen  wollen;  allein  da  nie  »o  lang  zugewartet  und  annoch  in 
ihrem  alten  Lager  campireii,  so  hat  es  dermahlen  gar  kein  ansehen 
mehr,  da««  etwas  von  ihnen  an  besorgen  seye.' 


tlnrauf,  der  Erwartung  Ausdruck  zu  verleihen,  der  König  werde 
die  Streitkräfte,  die  er  nun  aus  Savoyen  zurückziehen  müsse, 
mit  um  so  grösserem  Nachdrucke  gegen  das  andere  spanische 
Heer  verwenden,  das  sich  wider  ihn  im  Felde  befand.' 

Am  28.  December  verliess  Kaunitz  Montmchan.  Ueber 
den  Mont  Cenis  nach  Turin  zurllckkebrend,  traf  er  am  1.  Januar 
1743  daselbst  ein.  Zwei  Tage  später  war  auch  der  König  wieder 
in  Turin. 

Kaunitz  stellte  es  nicht  in  Abrede  und  Hess  auch  seinen 
Hof  nicht  darüber  in  Zweifel,  dass  der  savoyische  Feldzug,  der 
so  glücklich  begann,  als  verloren  gelten  mUsse  und  der  König 
hiebei  fast  den  dritten  Theil  seiner  Armee  eingebüsst  habe.' 
In  der  Zurückziehung  der  sardinischen  Tmppeu  aus  Savoyen 
nach  Piemont  erblickt  er  jedoch  kein  Unglück,  sondern  eher 
einen  Vortlieil.  Denn  so  lang  der  König,  so  meinte  er,  in  jenem 
Lande  festen  Ftiss  besessen  und  geglaubt  habe,  es  vertheidigen 
zu  können,  würde  er  kaum  dazu  zu  bringen  gewesen  sein,  die 
Mehrzahl  seiner  Streitkräfte  zu  offensiven  Unternehmungen 
gegen  die  spanische  Hauptmacht  zu  wenden,  welche  nicht  mehr 
unter  dem  Herzoge  von  Montemar,  sondern  unter  dem  Grafen 
von  Gages  um  Bologna  concentrirt  war.  Hievon  aber  httnge 
der  Ausgang  des  Krieges  in  Italien  doch  eigentlich  ab.  Gelinge 
es,  die  Spanier  aus  ihren  Stellungen,  ja  aus  ganz  Italien  zu 
vertreiben,  so  sehliesse  dies  auch  die  Wiedergewinnung  Savoyens 
in  sich.' 

Allerdings  riefen  die  Vorstelhmgen,  welche  Kaunitz  in 
diesem  Sinne  an  Carl  Emanuel  richtete,  zunächst  nur  dessen 
analoges  Begehren  hervor,  die  Königin  von  Ungarn  möge  ihre 
eigenen  Streitkräfte  in  Italien  ansehnlich  verstärken  und  ausser- 
dem die  Hand  bieten  zum  Abschlüsse  der  definitiven  Allianz, 
dann,  aber  auch  nur  dann  werde  man  sich  sardinischerseils 
den  gemeinsam  auszuftihrcnden  Offensivuntemehmungen  nicht 
widersetzen.*  Gern  hätte  Maria  Tlicresia  wenigstens  dem  er&teron 
Verlangen  in  ausgiebigstem  Masse  willfahrt,  aber  die  gleich- 
zeitige Kriegführung  in  Deutschland  nahm  ja  die  Mehrzahl 
ihrer  Truppen  vollauf  in  Anspruch. 


'  Kaunits  tax  Maria  Theresia.   MontmiSliau,  '28.  December   1743. 

*  Ksnnitz  an  Maria  Theresia.   Tnrin,  6.  Januar  1743. 

*  Kminitz  an  H.nria  Thnreoia.  Tnrin,  12.  Jniiii.ir  1743, 

'  Kiiiiiiitr.  .in  Maria  Tlicresia.  Turin,  23.  um!  2fi.  Januar  1743 


49 

Während  dieser  Erörterungen  von  Cabinct  zu  Civbinet 
that  ein  kühner  Schwertstreich  auf  dem  Kriegsschau])latze  das 
Beste.  Am  8.  Februar  1743  schlug  der  Feldmarschall  Graf 
Traun  den  gegen  ihn  heranziehenden  Grafen  von  Gages  bei 
Camposanto  vollstUndig  aufs  Haupt. 

Seit  seiner  Rückkehr  aus  Savoyen  hatte  sich  Kaunitz  von 

der  üblen  Wirkung,  welche  die  dort  ausgestandenen  Strapatzen 

auf  seine   Gesundlieit  ausübten,   nicht  recht   erholen  können.' 

Sonderbarerweise  hatte  man  in  Turin  zwar  bald  die  Nachricht, 

!  zwischen  Traun  und  Gages  sei  eine  Schlacht  geliefert  worden, 

'  aber  längere  Zeit  hindurch  keine  Mittheilung  über  ihren  Aua- 

!  gang  erhalten.     In  peinlichster  Spannung  harrte  Kaunitz  einer 

I  solchen,    und   schon   begann   er  das  Aergste  zu  besorgen,  als 

i  endlich  am  11.  die  Siegeskunde  eintraf.     Trotz  der  Mattigkeit, 

j  welche  die  kaum  überstandene  Krankheit  bei  ihm   zurUckge- 

'  lassen  hatte,  eilte  Kaunitz  zum  Könige,  ihn  zu  beglückwünschen 

I  und  um  thatkrUftigen   Beistand  anzugchen,   auf  dass  man  aus 

I  dem  glänzenden  Erfolge,  den  man  errungen,  auch  ausgiebigen 

I  Nutzen   zu  ziehen   vermöge.     Aber  weder  von  Carl   Euianuel, 

,  noch  von  Ormea  erhielt  Kaunitz  die  von  ihm  gehoffte  Antwort. 

Die  sardinischen  Truppen  seien  allerdings  befehligt,  erklärten 

j  übereinstimmend  Beide,  dem  Grafen  Traun  zur  Ausbeutung  des 

Sieges  behilflich  zu  sein  und  zu  diesem  Ende  mit  seinen  Truppen 

I  gemeinsam  dem  Feinde  einige  Märsche  hindurch  auf  dem  Fusse 

I  zu  folgen.    Dann  aber  würden  sie  wieder  zurückgezogen  werden 

(  und   sich    vor   Abschhiss   der  definitiven  Allianz  auf  Offensiv- 

operationen  nicht  einlassen.' 

Kaunitz  war  mit  seinen  Vorstellungen  bei  dem  Könige 
I  und  bei  Ormea  den  Aufträgen  zuvorgekommen,  die  man  von 
Wien  aus  ihm  zusandte,  nachdem  dort  die  Nachricht  von  dem 
Siege  bei  Camposanto  eingetroffen  war.  Nach  Empfang  dieses 
Rescriptes  •''  drang  er  neuerdings  in  Carl  Emanuel,  aber  ohne 
besseren  Erfolg.*  Ja  Kaunitz  sprach  seiner  Regierung  gegen- 
über die  Meinung  aus,  so  lang  die  Fortdauer  der  Kriegfldirung 
in  Deutschland   eine   ansehnliche  Verstärkung  der   österroichi- 


'  Kaoitite  an  Maria  Theresia.  Turin,  9.  Fobrnsir  1743. 
'  Kaunitz  au  Marin  Tlieriwia.  Turin,  U>.  Fobrnar  1743. 
»  Wien,  17   Februar  1743. 
*  Kannitz  an  Maria  Tlierosia.   3.  MKn  1743. 
AnbW.  LXnVin.  Bd.  I.  Hilft«. 


sehen  Armee  in  Italien  unmöglich  mache,  sei  auch  nach  dem 
etwaigen  Abschlüsse  der  definitiven  Allianz  eine  krslftigc  Mit- 
wirkung Sardiniens  an  Oifensivoperationen  gegen  die  spanische 
Armee  unter  Gages  nicht  zu  erwarten.' 

Noch  weiter  als  Kaunitz  ging  der  englische  Gesandte 
Villettes,  ein  kleiner,  verwachsener,  vordringlicher  Mensch,  von 
französischen  Eltern  abstammend  und  in  Piemont  naturalisirt, 
dem  Minister  Orraea  bhndlings  ergeben  und  von  ihm  mit  Vor- 
liebe als  Werkzeug  gebraucht.  Während  des  Winterfeldzagcs 
in  Savoyen  glaubte  sich  Villettes  aus  Anlass  eines  Irrthunis, 
der  sich  bei  der  gemeinschaftlichen  Ankunft  in  C'hamböry  durch 
Zuweisung  der  ftlr  ihn  bestimmten  Wohnung  an  Kaunitz  zuge- 
tragen hatte,  durch  diesen  verletzt,  und  er  machte  den  Versuch, 
sicli  für  die  vermeintliche  Zurücksetzung,  die  er  erfahren,  durch 
belfidigendes  Benehmen  an  Kaunitz  zu  rftchen.  So  fnig  er  ihn 
einmal,  als  von  dem  etwaigen  Transporte  spanischer  Truppen 
zur  See  die  Rede  war,  in  (Gegenwart  Ormea's,  ob  er  denn 
glaube,  dass  die  Kriegsschiffe  des  Nachts  in  Gasthausem  ein- 
zukehren pöegten.  Aber  Villettes  war  damit  an  den  Unrechten 
gekommen;  mit  stolzer  Killte  und  mit  so  vernichtender  Ueber- 
legenhoit  wies  ihn  Kaunitz  in  seine  Schranken  zurllck,  dass 
er  es  seither  nicht  mehr  wagte,  sie  ihm  gegenliber  neu 
dings  zu  überschreiten.  Und  obgleich  Kaunitz  dies  in  Abr 
stellte,  scheint  doch  auch  in  seinem  Gemüthe  die  Abneigung 
gegen  Villettes  vorherrschend  gewesen  zu  sein;  die  Liste  der 
üblen  Eigenschaften,  die  er  ihm  zuschreibt,  lilsst  wenigstens 
hierauf  schliessen.  Er  nennt  ihn  der  Reihe  nach  ,falsch,  geizig, 
ränkesüchtig,  geschwiltzig,  horht'ahrtind.  aufbrausend,  höhnisch 
und  grob'.  Intriguen  anzuspinnen  und  durchzuführen,  darin 
liege  seine  eigentliche  Stärke.  So  unbedingt  stehe  er  unter  dem 
Einflüsse  Ormea's  und  auf  so  ,niedertrilchtigc  Art'  trachte  er 
dessen  Beifall  zu  erwerben,  dass  man  darauf  zählen  dürfe. 
Alles,  was  man  ihm  anvertraue,  werde  er  baldigst  an  ürmea 
weiter  berichten.' 

Es  lag  nahe,  auf  die  V^ermuthung  zu  gerathen,  dass  auch 
das  Umgekehrte  der  Fall  sein  und  <  'rmea  sich  des  englischen 

'  Kannitx  nii  Maria  Tliereiiia.   Tnriii,   18.  hiHrr.  1743. 

*  Eifjonliändiges   Schreiben    des    Grafen    KanniU    an   den   Qrafen  UlfeldL 

Turin,   18.  Mürz  174».  Die  auf  VilleUeR  bezliirliche  Stelle  iat  abgedraclit 

bei  Artioth,  Cieacliicbte  Marin  Tberusias  II,  H.  Säi. 


61 


Gesandten  bedienen  könnte,  wenn  er  an  irgend  Jemand  eint 
Warnung  gelangen  lassen  wollte,  welche  persönlich  auszusprechen 
er  sich  scheute.  Und  darum  verdient  es  wohl  besondere  Be- 
achtung, dass  Villettes  wiederholt  die  Behauptung  vorbrachte, 
es  könne  sich  gar  leicht  ereignen,  dass  Carl  Emanuel,  wenn 
Maria  Theresia  sich  nicht  zur  Abtretung  der  Tom  Turiner  Hofe 
geforderten  sehr  betrilchtlichen  lorabardischen  Gebietstheile  her- 
beilasse, sich  plötzlich  auf  die  Seite  der  bourbonischen  Höfe 
schlage  und  gemeinschaftlich  mit  ihnen  auf  die  gänzliche  Ver- 
treibung des  Hauses  Oesterreich  aus  Italien  hinarbeite. 

Dass  ein  solches  Ereigniss  höchst  wahi-scheinlich  diese 
Wirkung  nach  sich  ziehen  würde,  darüber  gab  man  sich  auch 
am  Wiener  Hofe  keiner  Täuschung  hin.*  Aber  man  ging  dort 
von  der  Meinung  aus,  man  habe  schon  so  viel  angeboten,  dass 
der  Kest,  ausser  wenn  man  mit  vollster  Bestimmtheit  auf  den 
Besitz  Neapels  rechnen  könnte,  mehr  zur  Last  als  zum  Nutzen 
sein  würde.  Und  ausserdem  könne  ja  Sardinien  diesen  Abfall 
nicht  vollziehen,  olme  sich  dem  Joche  des  Hauses  Bourbon 
freiwillig  zu  unterwerfen. 

Gewiss  lag  gerade  in  dieser  Thatsache  der  Schlüssel  des 
jlmzen  bisherigen  Verfahrens  des  Hofes  von  Turin.  Auch  Kau- 
nltz  war  von  der  Gewalt  dieses  Beweggrundes  durchdrungen. 
So  schwer  es  auch  hielt,  auf  seinem  schwierigen  Posten  und 
bei  den  durchtriebenen  Leuten,  mit  denen  er  es  zu  thun  hatte,' 
Ernstgemeintes  von  listiger  Finte  zu  unterscheiden,  so  betrachtete 
er  doch  all'  die  Kundgebungen,  welche  im  entgegengesetzten 
Sinne  an  ihn  gelangten,  nur  als  Schreckschüsse,  durch  welche 
er  vermocht  werden  sollte,  seiner  Regierung  einen  P.irteiwcchscl 
des  Königs  von  Sardinien  als  wahrscheinlich  zu  schildern  und 
sie  hiedurch  zur  Einwilligung  in  alle  Begehren  desselben  zu 
drängen.  Aber  so  wenig  er  auch  an  einen  förmlichen  Uebertritt 
des  Turiner  Hofes  zur  Gegenpartei  glaubte,  für  so  wUnschens- 
wcrth  hielt  er  doch  die  thunlieiiste  Befriedigung  desselben. 
Denn  nur  durch  aufrichtiges  Einvernehmen  und  thatkrälftiges 


'  Maria  Tliere«iA  au  Kaunitz  (von  Bartenstein's  Hand):  ,.  .  .  Mrie  Wir  dann 

ganz  wollt  begreifen,  dusa  der  Sardinixuho  Absprung  den  Verlust  Unserer 

Italiäni.ichen  Lllndor  nacli  sirfa  ziehen  würde.' 
*  Kaunitz  an  Ulfeldt.   18.  MSrz   1743:  .Indessen  erkenne  ich  g;ar  wohl  .  .  ., 

da«s  ich  es  mit  i;e(SlirIichen  Leiithun   zu  thun  habe  and  mein  Oesandt- 

schaftspoJiten  eben  nicht  der  angenohnisto  scyo  .  .  .'. 

4« 


62 


Zusammenwirken  beider  Höfe  und  Englands  könne,  meinte 
Kaunitz,  der  Krieg  in  der  Weise  zu  Ende  geführt  werden, 
dass  man  durch  ihn  zu  dem  allseits  erwünschten  Ziele  gelange. 
Hiezn  sei  jedoch  eine  Verstftndigung  über  die  gegenseitig  ios 
Auge  gefassten  Vortheile  ganz  unerlUsalich.  Die  Erwerbung 
Neapels  durch  das  Haus  (Jesterrcich  werde  sich  nie  der  auf- 
richtigen Sympathie  Englands  erfreuen.  Denn  es  gehe  ja  auch 
nur  auf  seinen  eigenen  Vortheil  aus,  und  da  passe  es  ihm  denn 
ganz  in  den  Kram,  den  jüngeren  Zweig  des  spanischen  Könij 
hauscs  in  der  Herrschaft  über  Neapel  zu  belassen.  Bei  die 
Gestaltung  der  Dinge  befinde  sich  England  fortwährend  in  der 
günstigen  Lage,  Spanien  an  einem  schwachen  Punkte,  deren 
es  sonst  nur  wenige  darbiete,  zu  fassen  und  es  durch  stete  Be- 
drohung zu  zwingen,  sich  für  die  Wünsche  Englands  nach- 
giebig zu  erweisen.  Denn  die  herrschsüchtige  Königin  von 
Spanien  werde  eher  diesem  Lande  allen  möglichen  Schaden 
zufügen,  als  etwas  geschehen  lassen^  wodurch  ihr  Sohn  Gefahr 
laufen  könnte,   aus  Neapel   und  Sicilicn   vertrieben  zu  werden. 

England  scheine  daher  in  ItuHen  einen  dreifachen  Zweck 
zu  verfolgen.  Dem  von  ihm  vollstiindig  abhUngigen  Sardinien 
wolle  es  einen  uauiliafkcn  Machtzuwachs  verschaffen.  Die 
Königin  von  Ungarn  trachte  es  in  der  ungewissen  UoSiiuug 
auf  Erwerbung  des  Königreiches  Neapel  zu  erhalten  und  sie 
hiedurch  um  so  leichter  zu  beti-ächtlichen  Abtretungen  an  Sar- 
dinien! zu  bringen.  Spanien  aber  solle  durch  die  Furcht,  sich 
bald  ganz  aus  Italien  vertrieben  zu  sehen,  zu  einem  für  Eng- 
land günstigen  Frieden  gezwungen  werden. 

Sollte  er  sich  jedoch,  fuhr  Kaunitz  fort,  in  diesen  Vor- 
aussetzungen täuschen  und  England,  wie  es  ja  fortwährend 
versichere,  zur  Vertreibung  des  bourbonischen  Königshauses 
aus  Neapel  und  Sicilien  die  Hand  bieten  wollen,  dann  werde 
es  den  Besitz  dieser  Königreiche  nicht  Oesterreich  zudenken, 
sondern  dahin  trachten,  sie  anderwärts  zu  vergeben.  Es  habe 
Iiiebci  wahrscheinlich  den  Kaiser  Karl  VH.  und  das  kurfürst- 
lich bairische  Haus  im  Auge,  dessen  Stammlande  hiefÜr  Oester- 
reich zuzufallen  liJitten.  Dem  Kaiser  sowohl  als  Oesterreich 
könnte  eine  solche  Vereinbarung  nur  annehmbar  sein.  Dem 
Kaiser,  weil  sein  Haus  hiedurch  eine  Königskrone  und  seine 
Macht  eine  ansehnliche  Vennehrung  erhielte.  Oesterreich  aber, 
weil  hiedurch  sein  Besitz  in  Deutscliland  ausgedehnt  und  sicher- 


53 


gestellt,  ein  geßlhrlicher  Nachbar  und  Nebenbuhler   im  Besitze 
der  Kaiserkrone  aber  dauernd  entfernt  würde.* 

In  einer  zweiten,  nicht  viel  später  entworfenen  Denkschrift 
verbreitete  sich  Kaunitz  noch  weitläliifiger  über  diesen  letzteren 
Gedanken.*  Jetzt  sprach  er  es  geradezu  aus,  es  lasse  sich  kein 
vollkommenerer  und  besserer  Friodcnspliin  ersinnen,  als  der  in 
der  viilligen  Vertreibung   des   Hauses    Rourbon   aus   Italien  be- 

,   stehe.  Neapel  und  Sicilien  sollten  dem  Kaiser  zu  Tbeil,  Baicrn 

'  mit  Oesterreich  vereinigt,  die  noch  weitergehende  Schadlos- 
haltung für  den  Verlust  Schlesiens  und  die  Abtretungen  in  der 

,   Lombardei  aber  in  Gebictstheilen  gesucht  werden,  die  man  mit 

,  vereinigten  Kräften  Frankreich  abnehmen  müsse. 

Das  Iljuiptgowicht  legte  Kaunitz  auf  die  ganz  unvergloieh- 
lichen  Vortheile,  welche  nach  seiner  Meinung  die  Erwerbung 
Baienis  für  Oesterreich  nach  sieh  zöge.  Denn  die  Stilrke  und 
Wohlfahrt  des  Erzhauses  beruhe,  so  Hess  er  sich  vernehmen, 
auf  der  Erhaltung  und  Vermehrung  seiner  deutschen  Erblandc. 
Sie  mUssten  als  der  Kern  der  Monarchie  und  als  die  Quelle 
betrachtet  werden,  aus  welcher  den  übrigen,  entfernteren 
Gliedern  Nahrung  und  Kräfte  zuflös.sen.  Nur  das  deutsche  Land 
Baiem  vermöge  für  den  Verlust  des  deutschen  Landes  Schlesien 

■  einigen  Ersatz  zu  gewähren.  Allerdings  wilre  auch  die  Erwerbung 
Neapels  nicht  schon  von  vorneherein  zu  verwerfen,  und  zur  Er- 
reichung dieses  Zieles  dürfe  keine  Anstrengung  gescheut  werden; 
mit  der  von  Baiern  sei  sie  jedoch  in  gar  keiner  Weise  zu  ver- 

I  gleichen.  Die  Höhe  der  Einkünfte  käme  hiebei  nur  wenig  in 
Betracht.  Aber  Neapel  sei  weit  von  den  übrigen  Ländern  der 
österreichischen  Monarchie  entfernt,  stets  der  Gefahr  eines  An- 
griffes von  Seite  der  bourbonischen  Mächte  ausgesetzt  und  ver- 
wickle die  Erblande  selbst  in  eine  solche.  Wenn  man  zu  be- 
rechnen   vermöchte,   was  Neapel,   so  lang  es  unter  österreichi- 

,  scher  Herrschaft  stand,  gekostet  und  geschadet  habe,  so  wüi-den 
diese  Ausgaben  und  Nachtbeile  wohl  nur  wenig  hinter  den  Ein- 
künften zurückbleiben.  Um  Neapel  zu  behaupten,  bedürfe 
Oesterreich  stets  des  Beistandes  der  britischen  Seemacht,  und 


'  Oieae  Denkschrift  dea  Grafen  Knuuitz  tat  Oberschrieben:  ,Bohe  OetUnken 
und  Reflexionen  über  den  Zastaud  von  Italien.*  Sie  liegt  bei  dem  Be- 
richte vom   18.  März  1743. 

*  Sie  liegt  unter  der  Aufschrift:  .Fernere  Gedanken'  gleichfalls  bei  dem 
Berichte  vom  18.  MKrz   1743. 


54 

es  würde  sich  dadurch  zur  fortwährenden  Abhängigkeit  von 
England  verurtheilt  sehen. 

Aber  nicht  nur  Oesterreich,  sondern  auch  dem  Kaiser  und 
seinem  kurfürstlichen  Hause,  fuhr  Kaunitz  voll  Eifer  fort,  sowie 
England  und  Sardinien  könnte  eine  solche  Vereinbarung  wohl 
nur  willkommen  sein.  Seufze  man  ja  doch  in  dem  Hause  Baiem 
längst  nach  einer  königlichen  Krone,  und  schon  einmal,  zur 
Zeit  des  Utrechter  Friedens  habe  sogar  Frankreich  den  Aus- 
tausch Baierns  gegen  Neapel  und  Sicilien  in  Vorschlag  ge- 
bracht. Jetsst  sei  Baiern  erschöpft  und  für  viele  Jahre  zu  Grunde 
gerichtet;  der  Kaiser  befinde  sich  zu  Frankfurt  in  bedauems- 
werther  Lage,  und  er  werde  allmälig  einsehen,  dass  seine 
bisherigen  Projecte  nicht  durchführbar  seien.  Wolle  er  sich  aus 
dem  Labyrinthe,  in  das  er  gerathen  sei,  und  von  dem  Joche 
Frankreichs  befreien,  auch  bald  zu  erlangende  Ruhe  und  ge- 
wiss zu  erreichende  Vortheile  nicht  weit  aussehenden  chimäri- 
schen Projecten  hintansetzen,  endlich  die  Wohlfahrt  des  Reiches 
nur  einigermassen  beherzigen,  dann  sollte  wohl  die  unzeitige 
Dclicatesse,  seinen  bisherigen  Bundesgenossen  nicht  zu  verlassen, 
keinen  Stein  des  Anstosses  abgeben. 

Das  deutsche  Reich  zöge  aus  einer  solchen  Vereinbarung 
den  ganz  unschätzbaren  Gewinn,  dass  es  nicht  neuerdings,  wie 
dies  nun  binnen  vierzig  Jahren  zweimal  geschah,  durch  ein 
HUndniss  Baierns  mit  Frankreich  zerrüttet  und  an  den  Rand 
des  Verderbens  gebracht  werden  könnte.  England  und  Holland 
würden  ihren  Handel  nach  Italien  und  der  Levante  nicht  nur 
sicherstellen,  sondern  in  noch  weit  grösseren  Flor  bringen 
können.  Sardinien  endUch  müsste  die  Vertreibung  des  Hauses 
Bourbon  zu  grösstem  Vortheil  gereichen,  denn  ohne  sie  be- 
finde es  sich  zwischen  zwei  mächtigen  Feinden,  von  denen 
es,  wenn  ihm  einmal  Oesterreich  nicht  beistehen  könnte  oder 
wollte,  gar-  bald  verschlungen  werden  würde.  Ueberdies  könnte 
man  ihm  Parma  und  Piacenza  zuweisen  und  ihm  hiedurch 
einen  weit  grösseren  Gewinn  zu  Theil  werden  lassen,  als  es  in 
der  Erwerbung  der  Insel  Sicilien  fände. 

Einen  eigenthUmlichen  Verdacht  sprach  übrigens  Kaunitz 
bei  dieser  Gelegenheit  aus,  welcher,  wenn  er  sich  gegründet 
erwiesen  hätte,  die  ganze  Combination  wieder  über  den  Haufen 
geworfen  oder  sie  wenigstens  für  Oesterreich  zu  einer  nach- 
theiligen gemacht  haben   würde.     Ormea  beschäftige  sich,  so 


55 


einte  er,  mit  dem  Gcrinnkcn,  ilcin  kiirftlrstlioh  bairischon 
Hause  Neapel  und  yicilien,  dem  Könige  Carl  Emanucl  hingegen 
"bei  Belassiing  seines  gegenwärtigen  Hesitzstuiifles  ganz  Baiern 
«uzuwcndon.  Festen  Fuss  in  Deutscliland  und  wohl  gar  eine 
kurTürstlicho  Würde  zu  erwerben,  hiezu  dürfte  das  Haus  Sa- 
Toyen  wohl  im  Laufe  von  Jalirhnndfntcn  keine  Gelegenheit 
mehr  finden;  es  werde  daher  die  jetzige  nicht  unbenutzt  vor- 
übergehen lassen  wollen.  Aber  freilich  dUrfc  man  nicht  glauben, 
dass  Ormea  auf  Verwirklichung  eines  so  schwer  durchzufiihren- 
don  Projectes  mit  einiger  Bestimmtheit  zähle.  Er  werde  viel- 
mehr je  nach  der  Gunst  oder  tlcr  Ungunst  der  äusseren  Um- 
stünde sein  Begehren  steigern  oder  verringern  und  daher  im 
Nothfallc  auch  dem  Plane  einer  Erwerbung  Baierns  entsagen 
und  sich  mit  einer  solchen  auf  italienischem  Gebiete  begnügen. 

Für  nothwendig  hielt  Kaunitz,  dass,  ehe  man  sich  noch 
mit  Baiern  einlasse  und  ihm  Aussicht  auf  Erwerbung  Neapels 
und  Siciliens  eröffne,  man  mit  England  und  Sardinien  einig 
werde,  welches  Aequivalent  dieser  Staat  für  8iciiion  erhalten 
und  wem  Baiem  zufallen  solle.  Denn  gelange  man  hierüber 
nicht  schon  im  Voraus  zu  feststehenden  Abmachungen,  so  werde 
die   Begehrlichkeit  Sardiniens   keine    Schranken    mehr    kennen. 

Trotz  den  sich  mehrenden  Anzeichen,  dass  Sardinien  ins- 
geheim auch  mit  Frankreich  und  Spanien  unterhandle,  blieb 
Kaunitz  doch  dabei,  einen  giluzliehcn  Abfall  dieses  Staates  füi- 
Lochst  unwahrscheinlich  zu  haiton.  Er  stützte  seine  Meinung  vor- 
nelimlich  auf  das  innige  Einver-sUlndniss  Sardiniens  mit  England 
und  auf  den  unbestreitbaren  Umstand,  dass  die  britisciicn 
Handelsinteressen,  welche  kein  Ministerium,  ohne  sich  der 
grössten  Verantwortlichkeit  auszusetzen,  vcrnachlilssigen  dürfe, 
einer  Aenderung  der  bisherigen  Politik  Englands  in  Italien 
widersti-ebten.  Aber  durch  Alles,  was  von  Seite  Englands  ge- 
schali,  fühlte  er  sich  stets  neuerdings  in  der  Ansicht  bestärkt, 
England  habe  entw^eder  nie  ernstlich  daran  gedacht,  Neapel 
dem  Hause  Bourbon  zu  cntreissen,  oder  dieses  Königreich  sei 
für  jemand  Anderen  als  Maria  Theresia  bestimmt.' 

In  Wien  war  man  mit  der  ganzen  Haltung  dos  Grafen 
Kaunitz,  mit  der  Schärfe  seiner  Beobachtungen  und  mit  der 
Klarheit  seiner  Berichte  äusserst  zufrieden.     Indem   man   ihm 


>  Kannitz  tu  Maria  Theresia.  Turin,  30.  März  1743. 


56 

dies  kundgab  und  ihn  aufforderte,  fortzufahren  in  seinem  bis- 
herigen Betragen,  fügte  man  gleichzeitig  hinzu,  dass  selbst  wenn 
das  Gegentheil  seiner  Voraussetzungen  eintreffe,  ihm  hieraus 
nicht  die  geringste  Verantwortung  erwachse.  Denn  nur  zu  oft 
ereigneten  sich  jetzt  Dinge,  die  man  in  früheren  Zeiten  für 
unmöglich  gehalten  habe.  Und  nach  wie  vor  betrachte  man 
als  ein  kleineres  Uebel,  in  Italien  gar  keinen  Besitz  mehr,  als 
einen  so  geringen  zu  behaupten,  dass  er  mehr  zur  Last  als 
zum  Nutzen  gereichen  würde.* 

In  den  wärmsten  Ausdrücken  dankte  Kaunitz  ftlr  die  ihm 
zu  Theil  gewordene  Billigung  seines  Verfahrens.  Seitdem  ihm, 
schrieb  er  an  den  Hofkanzler  Ulfeid t,*  die  Versicherung  zu- 
gekommen sei,  dass  er  nicht  nur  auf  der  von  ihm  eingeschla- 
genen Bahn  beharren,  sondern  bei  einem  sich  etwa  einstellen- 
den widrigen  Ereignisse  jeder  Verantwortung  enthoben  sein 
solle,  sei  sein  Gemüth  ,aller  heimlichen  Sorgen'  entledigt  imd 
nur  von  dem  eifrigen  Bestreben  durchdrungen,  seiner  könig- 
lichen Herrin  nach  Massgabe  seiner  schwachen  Kräfte  erspriess- 
liche  Dienste  zu  leisten. 

Man  darf  sich  nicht  darüber  wundern,  dass  der  von  Eaanitz 
mit  so  viel  Eifer  verfochtene  Plan  einer  Verpflanzung  des  kur- 
fUrstUch  bairischen  Hauses  nach  Italien  und  einer  Vereinigung 
seines  Landes  mit  Oesterreich  am  Wiener  Hofe  den  wärmsten 
Sympathien  begegnete.  Indem  man  ihn  jedoch  hier  aufgrüF 
und  ihn  zum  Gegenstande  diplomatischer  Verhandlungen,  vor- 
erst mit  England  machte,  glitt  man  nur  allzu  leicht  über  Be- 
denken hinweg,  die  sich  doch  schliesslich  als  entscheidend  er- 
wiesen; die  Verlockung  der  Erlangung  der  Eönigswürde  und 
grösserer  Einkünfte  konnte  doch  nie  stark  genug  sein,  um 
Karl  Vn.  so  weit  zu  bringen,  dass  er  seine  uralten  Stammlande 
gegen  ein  Königreich  vertausche,  welches  ihm  und  seinem 
Hause  vollkommen  fremd  war.  Und  wie  wäre  die  Beibehaltung 
der  KaiserwUrde,  die  ihm  einen  noch  höheren  Rang  als  den 
eines  Königs  verlieh,  mit  völliger  Besitzlosigkeit  auf  deutschem 
Gebiete  zu  vereinigen  gewesen? 

Entscheidender  noch,  weil  von  ungleich  mächtigerer  Seite 
ausgehend,  war  die  Einsprache,  welche  England  gegen  einen 

'  Maria  Theresia  au  Kaunitz.  13.  April  1743. 
'  27.  April  1743. 


derartigen  Plan  erhob.  Mit  seinem  eigenen  Interesse  wäre  dieser 
zwar  kaum  in  Widerstreit  gcrathcn,  aber  es  liess  sich  wohl 
mit  Bestimmtheit  erwarten,  der  König  von  Preussen  werde  eher 
neuerdings  die  Waffen  ergreifen,  als  eine  solche  Vcrgrösserung 
der  Macht  Oesterreichs  in  Deutschland  zugeben.  Nichts  aber 
meinte  man  in  England  sorgfilltiger,  als  den  erneuerten  Aus- 
bruch eines  Krieges  zwischen  Oesterreich  und  Preussen  ver- 
meiden zu  müssen. 

Auch  in  Holland,  das  sich  in  der  Spaltung,  welche  da- 
mals fast  ganz  Europa  in  zwei  Lager  schied,  nun  mit  mehr  Nach- 
druck als  zuvor  auf  die  Seite  Oesterreichs  und  Englands  stellte, 
waren  die  gleichen  Anschauungen  bei  Weitem  überwiegend.  Es 
brachte  also  keinen  Nutzen,  dass  Kaunitz  bei  Ormea  ziemlicher 
<Jcneigtheit  zur  Verwirklichung  seines  Planes  begegnete.  Aber 
freilich  erklärte  sieh  <^rmea  zugleich  mit  sehr  grosser  Leb- 
haftigkeit gegen  dessen  Vermengung  mit  dem  Abschlusse  der 
definitiven  Allianz,  welcher  hiedurch  eine  neue  und  beklagens- 
werthe  Verzögenmg  erleiden  würde.  Durch  eine  solche  treibe 
man  den  König  dazu,  sich  in  die  Arme  Frankreichs  und 
Spaniens  zu  werfen,  deren  Anerbietungen  wahrhaft  glänzende 
genannt  werden  müssten.  Die  Annahme  derselben  zu  vereiteln, 
habe  er  das  Aeusserste  gethan;  lang  werde  jedoch  sein  Wider- 
stand den  IJebertritt  des  Königs  zu  den  Bourbonen,  wenn 
Oesterreich  sich  nicht  baldigst  zur  Erfüllung  seiner  Begehren 
herbeilasse,  nicht  mehr  aufhalten  können.' 

Auch  die  Zustimmung  des  sardinischen  Hofes  zu  dem 
Projecte  einer  Verpflanzung  de.s  kurfürstlich  bairischen  Hauses 
nach  Italien  dauerte  nicht  lang.  Da  man  die  früheren  Aeusse- 
rungen  der  Sympathie  für  diesen  Plan  nicht  ableugnen  konnte, 
verhielt  man  sich,  nachdem  Englands  Gegenerklärung  bekannt 
geworden,  ihm  gegenüber  schweigend.  Unter  Vorwänden  aller 
Art  trachtete  Ormea  jedes  Zusammentreffen  mit  Kaunitz  zu 
vermeiden.  Der  König  aber  gab  ihm  deutlich  zu  verstehen, 
dass  er  keineswegs  gemeint  sei,  um  dieser  Sache  wilJen  die 
Freundschaft  Englands  zu  verscherzen.* 

Die  ungemeine  Beflissenheit  des  Königs  von  Sardinien,  es 
nur  ja  nicht  mit  England  zu  verderben,  mochte  Kaunitz  neuer- 


•  Kaunitz  nii  Mnrin  TlierOHia.  Turin,  4.  Augiut   1743. 

*  Kauuitz  au  Maria  Tliereiiia.  Turin,  lU.,   14.  ni;d  'i'i.  Augujit  1743. 


58 


dings  in  der  Meinung  bestärken,  die  er  inimer  vertreten  hatte, 
es  sei  dem  Tariner  Hofe  nicht  Ernst  mit  den  geheimen  Vor- 
handlungen, die  er  ununterbrochen  mit  Frankreich  pflog.  Er 
traclitc  durcli  sie  nur  Zeit  zu  gewinnen,  sich  besser  zum  Wide^ 
Stande  zu  rlisten  und  gleichzeitig  Maria  Theresia  zu  möglichst 
grossen  Abtretungen  zu  drängen.  Dass  dies  wirklich  die  Absicht 
der  sardinischen  Regierung  war,  ist  seither  aus  den  vertraulichen 
Instructionen  bekannt  geworden,  die  sie  ihrem  Botschafter  in 
Paris,  dem  Bailli  Solaro,  ertheiltc*  Aber  freilicli  mochte  es 
Ormea  höchst  unwillkommen  sein,  dass  Kaunitz  ihn  durchschaute 
und  in  einem  Sinne  nach  Wien  schrieb,  der  den  so  hoch  ge- 
spannten Begehren  Sardiniens  nicht  eben  günstig  lautete.  Die 
Ursache  der  atiffaliemlcn  Bemühung  (Jrmea's,  allem  Vorkehre 
mit  Kaunitz  aus  dem  Wege  zu  gehen,  mochte  daher  ebensowohl 
in  persönlichem  Widerwillen  gegen  ihn  als  in  dem  Wunsche 
gelegen  sein,  von  ihm  nicht  genauer  beoV)achtct  und  ausge- 
forscht zu  werden.  Denn  immer  näher  rückte  der  Zeitpunkt, 
in  welchem  schliesslich  die  eine  der  zwei  parallel  laufenden 
Verhandlungen  durch  Absehluss  einer  Allianz  beendigt  und  die 
andere  abgebrochen  werden  musste.  Frankreich  that  das 
yXeussorsto,  um  das  Zünglein  der  Wage  zu  seinen  Gunsten  zu 
stellen.  Man  ging  dort  so  weit,  dass  man  erklilrte,  das  von  der 
sardinischen  Regierung  amcndirte  Vertragsproject,  ohne  an 
diesem  auch  nur  eine  Silbe  zu  ändern,  einfach  annehmen  zu 
wollen. 

Dass  wenigstens  von  Seite  Frankreichs  die  Verhandlung 
mit  Sardinien  ernst  genommen  worden  war,  lUsst  sich  hieraus 
wohl  mit  voller  Bestimmtheit  ersehen.  Wer  hingegen  mit  Kaunitz 
der  Meinung  sein  mochte,  Sardinien  unterhandle  mit  Frankreich 
nur  zum  Scheine,  der  hätte  sich  wohl  auch  durch  die  Schritte 
kaum  einschüchtern  lassen,  die  nun  vom  Turiner  Hofe  geschahen. 
Der  französischen  Regierung  erklärte  er,  auch  die  Vorhand- 
lungen mit  OcsteiTcich  und  England  seien  bis  zu  dem  Punkte 
ihres  Abschlusses  gediehen.  Man  habe  dem  Könige  von  EiJg- 
laiid  versprechen  müssen,  sich  bis  zum  EintretFen  der  ans  Wien 
noch  zu  erwartenden  Antwort  nicht  zu  entscheiden,  und  man 
könne  daher  das  gegebene  Wort  nicht  brechen.  Doch  Itabc, 
um  jeden    Zeitverlust    zu    vermeiden,    der    bei    König    Georg 


Cnrutti,  Carlo  EmmiDele.  I,  288. 


beglaubigte  sardinisclie  Gesandte  Ossorio  den  Auftrag  erhalten, 
je  nach  den  letzten  Erklärungen,  die  ihm  von  Oesterreich  und 
Kngland  gemacht  werden  würden,  seinen  Pariser  Collegen  Solaro 
direct  zu  verstjlndigen,  ob  er  mit  Frankreich  abziischliessen 
habe  oder  nicht. 

Nachdem  dies  geschehen  war,  entbot  Ormea  den  GeschUfts- 
trilger  Villettes  zu  sich  und  theiltc  ihm  Alles  mit,  was  Frank- 
reich gegenüber  veranlasst  worden.  Er  fügte  hinzu,  dass,  wenn 
binnen  des  Zeitraumes,  der  zwischen  der  Absendung  eines 
Couriers  und  seiner  Rückkehr  notinvendigerweise  vcrfliessen 
müsse,  die  Sache  nicht  mit  Oeaterreich  und  England  deiinitiv 
ins  Reine  gebracht  sei,  sich  Carl  Emanuel  dem  Abschlüsse  mit 
Frankreich   nicht  lUnger  entzielien  könne. ^ 

So  gewaltig  war  der  Eindruck  dieser  Erklärungen  auf 
Villettes,  dass  er  in  drängendster  Weise  nach  Worms  schrieb, 
wo  damals  in  Folge  dos  Umstandes,  dass  König  Ooorg  von 
England  persönlich  au  der  Kricglilhrung  gegen  Frankreich  auf 
deutschem  IJodcn  theilnahm,  der  Sitz  der  Verhandlungen  war. 
Lord  Cartcret,  der  Leiter  der  englischen  Politik,  glaubte  ent- 
weder wirklich  an  den  Ernst  der  Erklärung  des  Turincr  Hofes 
und  an  die  Möglichkeit  seines  bevorstehenden  llebertrittes  zum 
Feinde,  oder  er  gab  sich  wenigstens  den  Anschein,  daran  zu 
glauben,  um  Oesterreich  zur  Nachgiebigkeit  zu  zwingen.  So 
heftig  drang  er  in  Wasner,  dass  dieser  schliesslich  nicht  länger 
seinen  Drohungen  widerstand  und  am  13.  September  1743  die 
^tAfinitive  Allianz  zwischen  Oesterreich,  England  und  Sardinion 
^>mch  seinerseits  unterschrieb. 

Durch  diesen  Vertrag  erhielt  Carl  Emanuel  für  seinen 
bleibenden  Beistand  gegen  die  bourbonischen  Höfe  und  für  die 
Verzichtleistung  auf  seine  angebhchen  An.sprüche  auf  die  ganze 
Lombardei  die  Stadt  und  das  Gebiet  von  Vigevano,  alles  Land 
am  rechten  Ufer  des  Lage  maggiore  und  des  Tessin,  den  Thcil 
des  Gebietes  von  Pavia,  der  unter  der  Bezeichnung  ,Oltre()(>' 
verstanden  wurde,  Bobbio  und  dessen  Umgebung  mit  inbegriffen, 
die  Stadt  Piaceuza  mit  ihrem  Gebiete  bis  an  die  Nura  und  die 
Grafschaft  Anghiera.  Schliesslich  trat  ihm  Maria  Tlicresia  auch 
noch  die  Rechte  ab,  die  ihr  auf  die  Stadt  und  das  Marquisat 
von  Finale  noch  etwa  zustehen  könnten. 


»  Caratti  !,  236. 


60 


Die  grösste  Wichtigkeit  legte  man  in  Wien  dem  zweiten 
geheimen  Separatartikel  bei,  kraft  dessen  sich  alle  drei  ver- 
tragscldiessendcn  Milchte  zu  nachdrücklichem  Zusammenwirken 
anheischig  machten,  das  Haus  Bourbon  aus  Itahen  überhaupt 
und  insbesondere  aus  Neapel  und  Siclhen  zu  vertreiben.  Ver- 
möchten sie  diese  Absicht  zu  erreichen,  dann  würde  Oestcr- 
reich  das  Königreich  Neapel  und  den  Stato  degli  Presidii,  Sar- 
dinien aber  die  Insel  Sicilien  erhalten. 

Man  weiss,  dass  Maria  Theresia  höchst  unzufrieden  war 
mit  dem  Inhalte  dieses  Vertrages,  der  ihr  Zugeständnisse  abzwang, 
die  für  sie  ungemein  schmerzliche  waren.  Kaunitz  aber  blieb 
schon  aus  dem  Grande  von  ihrem  Unmuthe  verschont,  weil  or 
ja  nie  zu  allzu  weitgehender  Nachgiebigkeit  gegen  Sardinien  ge- 
rathcn  hatte.  Und  binnen  Kurzem  musste  es  sich  zeifjen,  ob 
durcli  dieselbe  der  Zweck  auch  erreicht  wurde,  den  man  vcr 
folgte,  als  man  sich  zu  ihr  herbeiliess.  Für  Oesterreich  bestand 
er  vornehmlich  in  der  baldigen  Eroberung  Neapels,  welche 
allein  noch  für  das  Scheitern  der  Hoffnung,  durch  die  Erwer- 
bung Baierns  für  den  Verlust  Schlesiens  entschildigt  zu  werden, 
und  für  die  ansehnlichen  Abtretungen  an  den  König  von  Sar- 
dinien einigen  Ersatz  bieten  sollte. 

Um  das  Haus  Bourbon  aus  Neapel  zu  vertreiben,  war 
jedoch  vor  Allem  eine  ganz  andere  KriegfUhnmg  nöthig,  als 
sie  bis  jetzt  auf  italienischem  Boden  stattgefunden  hatte.  Der 
Sieger  von  Camposanto,  Feldinarschnll  Graf  Traun,  hatte  aus 
diesem  glänzenden  Erfolge  keine  Früchte  zu  ziehen  gewuast. 
Es  mag  wohl  sein,  dass  das  liauptsächliche  Verschulden  hieran 
der  Weigerung  des  Königs  von  Sardinien  zur  Last  fiel,  seine 
Truppen  an  ferneren  offensiven  Unternehmungen  gegen  die 
Spanier  unter  Gages  theilnehmen  zu  lassen.  Aber  Traim's  Un- 
tliätigkeit  im  Felde,  die  üble  Geldwirthschaft,  welche,  wenn  auch 
nicht  durcli  sein  Verschulden,  doch  in  Folge  seiner  zu  weitgehen- 
den Nachsicht  gegen  seine  Umgebung  nicht  nur  bei  den  unter 
seinem  Befehle  stehenden  Truppenkörpem  und,  was  noch  ver 
hängnissvoUcr  war,  bei  der  ihm  gleichfalls  übertragenen  Statt- 
halterschaft von  Mailand  herrschte,  die  übertriebene  Nachgiebig- 
keit gegen  den  König  von  Sardinien  endlich,  deren  man  ihn 
zieh.  Alles  dies  bewirkte,  dass  sein  Ansehen  in  Wien  und  das 
Vertrauen,  das  man  früher  zu  ihm  gehegt  hatte,  immer  mehr 
dahinschwanden.     Hatte  ja    doch    Maria   Theresia   selbst  von 


ü 


61 


ihm  gesagt,  er  sei  ,alt,  chagrin  und  schwach'.'  Da  war  es 
denn  kein  Wunder,  dass  seine  einflussreichen  Gegner  am 
Wiener  Hofe  nach  und  nach  die  Oberhand  erhielten.  Der 
Hofkanzler  Graf  Ulfeidt  und  der  geheime  Staatsaecretiir  Frei- 
herr von  Bartenstein  standen  hiebei  in  vorderster  Reihe.  Ihrem 
Zusammenwirken  gelang  es  endlich,  die  Zurückberufung  Traun's 
und  seine  Ersetzung  durch  den  Feldmarschall  Fürsten  Christian 
Lobkowitz,  ülfeldt's  Schwager,  zu  erwirken. 

Mag  man  auch  einräumen,  dass  die  Stellung  Traun's  in 
Italien  unhaltbar  geworden  war,  so  muss  es  doch  unbegreiflich 
erscheinen,  dass  man  ihm  keinen  geeigneteren  Nachfolger  als 
Lobkowitz  gab.  Was  man  gegen  Traun  auch  einwenden  mochte, 
jnubestreitbar  war  es  doch,  dass  er  bei  Camposanto  gesiegt  hatte 
tind  sich  in  Folge  dessen  eines  hohen  militUrischen  Rufes  er- 
freute. Lobkowitz  hingegen  war  in  dem  einzigen  Treffen,  in 
welchem  er  selbständig  commandirtc,  bei  Sahay,  empfindlich 
geschlagen  worden.  Seine  Haltung  willirend  der  Belagerung  von 
Prag,  sein  Verfahren  in  der  Oberpfalz  hatten  gleichfalls  scharfen 
Tadel  veranlasst.  Und  deimoch  erhielt  er  jetzt  das  wichtige 
ICommando  in  Italien,  eine  Massregel,  für  welche  sich  nur  zwei 
Beweggründe  anfuhren  Hessen.  Einerseits  mochte  man  hoflFen, 
seine  übelste  Eigenschaft,  die  Unverträglichkeit  dadurch  un- 
schädlich zu  machen,  dass  man  ihm  einen  Posten  gab,  auf 
welchem  er  keinen  Vorgesetzten  und  keinen  Gleichgestellten 
mehr,  sondern  nur  Untergebene  besass.  Und  andererseits  war 
iMcht  zu  leugnen,  dass  er  bisher  ungewöhnliche  Thätigkeit  an 
den  Tag  gelegt  liatte,  so  dass  man  hoft'en  durfte,  er  werde  nicht 
in  den  Fehler  verfallen,  den  man  an  Traun  so  bitter  beklagen 
musste. 

Der  Ernennung  eines  neuen  Oberbefehlshabers  in  Italien 

beabsichtigte  man  eine  betrachtliche  VersUlrkung  der  dortigen 

I  österreichischen   Truppen    folgen    zu   lassen.     Aber   zur   Diu'ch- 

iführung  dessen,  wiis  Maria  Theresia  dort  vor  Allem  erstrebte, 
bedurfte  man  auch  des  energischen  Beistandes  der  beiden 
lAUiirten.  Dem  Einen  derselben,  dem  Könige  von  Sardinien, 
(hatte  Maria  Theresia  den  Preis  seiner  Mithilfe  soeben  im  Voraus 
bezahlt,  aber  es  schien  fast,  als  ob  der  Vortheil,  den  sie  aus 
dem  Wormser  Vertrage  ziehen  sollte,  eher  ein  negativer,  die 


*  Arnetb,  Oeioliichte  Maria  Therosias.  U,  S.  105. 


VerhQhing  des  üebertrittes  des  Turiner  Hofes  zu  dem  Feinde 
als  der  positive  seiner  thatkräftigen  Mitwirkung  an  den  Offensiv- 
operationen gegen  die  Spanier  sein  werde.  Carl  Emanael  und 
Ormea  hiezu  anzutreiben,  darin  bestand  von  nun  an  die  Haupt- 
aufgabe des  Grafen  Kaunitz.  In  deren  Erfüllung  war  er  freilich, 
obgleich  ohne  sein  Verschidden,  keineswegs  glücklich.  Denn 
obwohl  er  dem  ihm  von  Wien  aus  zugehenden  Auftrage,  gegen 
Orraoa  ,wegen  derer  vergangenen  Grobheiten  keine  Gniptind- 
lichkeit  zu  bezeigen','  gewissenhaft  nachkam,  so  vermochte  er 
doch  die  sardinische  Regierung  nicht  zu  energischen  Entschlüssen 
zu  bringen.  Auch  dass  Lobkowitz,  noch  bevor  er  die  ihm  in 
Aussicht  gestellte  Vermehrung  seiner  Streitkräfte  erhielt,  gc|;en 
die  Stellungen  der  Spanier  vordrang,  änderte  hieran  nichts.  Zu 
seiner  Freude  fand  Kaunitz  das  österreichische  Hauptquartier, 
wohin  er  sich  in  der  zweiten  Hälfte  des  October  1743  begab, 
um  mit  Lobkowitz  in  persönlichen  Verkehr  zu  treten  und  mit 
ihm  wichtige  Verabredungen  zu  treffen,  statt,  wie  er  vermuthcl 
hatte,  in  Bologna  oder  in  Imola,  schon  in  Forli,  und  er  hoffte, 
es  werde  binnen  Kurzem  in  Rimini  sein.* 

Dem  war  auch  wirklich  so;  in  Cesena  und  Rimini  trachtete 
Kaunitz  den  Fürsten  Lobkowitz  in  oft  wiederholten  Gesprächen 
vor  Allem  genau  zu  unterrichten,  was  ihm  zu  wissen  nöthig 
war,  und  ihn  insbesondere  mit  Rathschlägcn  ftir  das  gegen  den 
König  von  Sardinien  zu  beobachtende  Verfahren  zu  versehen. 
Am  Abende  des  6.  November  war  Kaunitz  von  Turin  zurück. 
Kurz  nach  seiner  Ankunft  erhielt  er  .lus  Wien  die  vertrauliche 
Nachricht,  Maria  Theresia  habe  üin  ausersehen,  ihrer  Schwester, 
der  Erzherzogin  Marianne,  deren  Vermählung  mit  dem  Prinzen 
Carl  von  Lothringen  nahe  bevorstand,  in  der  Beiden  zu  über- 
tragenden Generalstjitthalterschaft  der  österreichischen  Nieder- 
lande mit  dem  Titel  eines  Obersthofmeisters  als  ihr  vornehmster 
Rnthgeber  zur  Seite  zu  stehen.''  Am  20.  November  wurde  diese 
Ernennung  dem  Grafen  Kaunitz  officiell  mitgetheilt,  und  im 
Janaar  1744  folgte  ihr  die  zum  wirklichen  geheimen  Rathe.* 
Die  Freude,  welche  Kaunitz  über  seine  neue  Bestimmung 
empfand,  mochte  wohl  nicht  wenig  geschmälert  werden,  dass 

'  Kdnipl.  Reflcript  vom  30.  September  1743. 

•  KauiiiU  an  Ulfeldt.  Forli,  25.  October  174,'J. 

•  KannitT!  nn  Ulfeldt.  Torin,  17.  November  174.3. 
'  Dniiksclircibeii  au  Marin  Tlieretiia.  Turin,  26.  Januar  1744. 


63 


er  noch  den  ganzen  Winter  hindurch  in  Turin  ausharren  und 
mit  Ormea  Verhandlungen  fortflihren  musste,  die  diesem  so 
unwillkommen  waren,  dass  er  während  derselben  Kaunitz 
gegenüber  dem  gauzcn  Ungestüm  seines  Temperamentes  die 
ZUgel  schiessen  liess.  Nicht  nur  der  Unwahrliaftigkeit  klagte 
er  ihn  an,  sondern  er  warf  ihm  auch  noch  die  Beschuldigung 
ins  Gesicht,  seit  seiner  Ankunft  in  Turin  sei  er  nur  ,mit  Finessen' 
gegen  ihn  verfahren.  Gegen  solche  stunden  ihm  keine  Mittel 
zn  Gebot;  er  wolle  sich  daher  zu  keiner  Unterredung  mit  ihm 
mehr  herbeilassen;  habe  Kaunitz  kllnftighin  irgend  etwas  an- 
zubringen, so  möge  er  dies  entweder  schriftlich  thun  oder  sich 
direct  an  den  König  wenden.  Ja  so  weit  vergass  sich  Ormea 
in  seiner  Heftigkeit,  dass  er  in  die  Worte  ausbrach:  Kaunitz 
stehe  ihm  zwar  jetzt  in  einem  unantastbaren  Charakter  gegen- 
tlber;  das  werde  jedoch  nicht  immerfort  dauern,  und  wenn  er 
dann  noch  mit  irgend  einem  Begehren  an  ihn  herantreten  sollte, 
80  werde  Ormea,  um  ihm  Rede  zu  stehen,  allzeit  bereit  sein, 
seine  Aemter  niederzulegen.' 

Diese  Ausbrüche  des  heissblütigen  Italieners  brachten 
Kaunitz  nicht  aus  seiner  staatsmtinujschcn  Ruhe.  Da  er  mit 
Ormea  nicht  mit  Aussicht  auf  Erfolg  weiter  verhandeln  konnte, 
trug  er  seine  Anliegen  zugleich  mit  seinen  Beschwerden  gegen 
Ormea  dem  Könige  vor.  Leutselig  empfangen  und  angehört, 
erhielt  Kaunitz  von  Carl  Emanuel  allerdings  nicht  wenig  be- 
grUtigende  Worte,  in  der  Suche  aber,  um  die  es  sich  handelte, 
der  ausgiebigen  Theilnahme  Sardiniens  an  den  offensiven  Ope- 
rationen des  Fürsten  Lobkowitz  gegen  die  Spanier,  vermochte 
er  auch  von  ihm  keine  befriedigenden  Zugeständnisse  zu  er- 
langen. Und  dass  dies  nicht  geschah,  war  nicht  etwa  durch 
UebclwoUen  des  Königs,  sondern  durch  dessen  gegründete  Be- 
sorgniss  veranlasst,  wilhrend  der  Abwesenheit  eines  Thoiles 
seiner  Truppen  in  Unteritalifn  von  den  Franzosen  und  den 
Spaniern  in  seinen  eigenen  Provinzen  mit  Ucbermacht  ange- 
griffen zu  werden. 

Kaunitz  aber  gerieth,  wie  es  scheint,  in  eine  doppelte 
Gefahr.  Einerseits  war  zu  besorgen,  er  werde  durch  sein  un- 
ablässiges Drängen  zu  gemeinsamer  Kriegfühning  wider  den 
gemeinschaftlichen   Feind   in  Turin   immer  unbeliebter  werden 


*  Kaunitz  nn  M.nrin  Thßre«in.   12.  FebrnAr  1744. 


G4 

und  allmalig  allen  Boden  verlieren.  Dagegen  schien  man  an- 
dererseits in  Wien  nicht  ganz  abgeneigt  zu  sein,  ihm  vrenigstcns 
einen  Theil  der  Schuld  zuzuschieben,  dass  sich  nicht  nur  die 
sardinische  Regierung  fortwilhrend  ablehnend  verhielt,  sondern 
dass  auch  die  Berathung,  welche  unter  persönlicher  Theilnahme 
des  die  englische  Escadre  im  Mittelrueore  befehligenden  Admirals 
Mathews  in  Turin  abgehalten  wurde,  um  sich  über  die  gegenseitigen 
Massregeln  zur  Durchftihrung  der  Unternehmung  gegen  Neapel 
zu  verständigen,  zu  keinem  befriedigenden  Ergebnisse  ftlhrte.' 
Dass  sich  Kaunitz  unter  solchen  Umständen  lebhaft  dar- 
nach sehnte,  Turin  bald  verlassen  zu  können,  ist  leicht  zn  be- 
greifen. Aber  nicht  früher  als  am  1.  April  1744  traf  sein  Nach- 
folger Graf  Uichecourt,  der  bisher  die  Administration  Toscanas 
gefuhrt  hatte,  bei  ihm  ein  und  fand  die  zuvorkommendste  Auf- 
nahme.* Da  ihm  Carl  Emanuel  selbst  sein  Wort  daftlr  ver- 
pfilndet  hatte,  Ormoa  werde  ihn  anständig  empfangen,"  stellte 
Kaunitz  den  Grafen  Richecourt  persönlich  dem  Minister  vor. 
Nach  dem  Besuche  bei  Ormea,  dessen  Benehmen  gegen  Kaunitz 
ein  der  Zusage  des  Königs  entsprechendes  war,  verfügten  sich 
Beide  zu  diesem.  Seine  Haltung  that  neuerdings  die  Aufrichtig- 
keit seines  Wunsches  dar,  Kaunitz  möge  Turin  nicht  ,anTeir- 
gnUgt'  verlassen.  Das  gewöhnliche  Abschiedsgeschenk  ftir  Ge- 
sandte, ein  mit  Diamanten  besetztes  Hildniss  des  Königs,  wurde 
ihm  daher  gleichfalls  zu  Theil.  Am  20.  April  verliess  Kaunitz 
Turin  und  begab  sich  von  da  direct  nach  Wien. 

'  xV^itC^''^  des  Tenetianiacheu   Botsch&ftera  Marco  Contarini  vom  21.  Miln 
44.  Bei  Ametb,  Geschichte  Maria  Theresiaa.  II,  S.  640,  Aura.  73. 
'  "icheconrt  an  Ulfeldt.     Turin,  4.  April  1744. 

*  X.iunitz  nii  Maria  Theresia.  Tiirin,  15.  MRrz  1744.  So  Xuüserto  sicli 
der  König:  ,Wie  Er  ...  m  meiner  eigenen  Erwef^ung  nnhoinistellen 
wollte,  dass  wie  ich  Selbsten  wohl  angemercket,  meine  Abreise,  ohn« 
mich  bey  dem  Ormea  ku  benrlanben,  gro8«e8  Aufsehen  und  widrige  Hntli- 
massungeu  nach  sich  ziehen  würde.  Ua  ihm  nun  der  Umstand,  das 
Ormea  sich  niemahlen  bey  mir  wie  bejr  andern  oingofundten,  ganz  uti- 
bekant  gewesen  seye  und  keineswegs  mit  seiner  Willeusmeinitng  Obe^ 
einstimme,  dass  ich  »hnvorgnflgt  von  hier  abreisen  solte,  vielmehr  ihm 
flborhaupt  das  zwischen  Ormea  und  mir  entstandene  MissvergnQg^n  nicht 
änderst  als  unangenehm  falle,  su  hütte  Er  auch  dem  Ersten  bereit«  anf 
eine  solche  Art  geredet  und  würde  es  anf  gleiche  Weise  annoch  wieder- 
holen, da.<i8  mich  vor  da»  künftige  eines  anistäudigen  Betrags  und  Em- 
pfangs von  Ormea  gftntKlich  cn  versehen  bütte,  desfalls  Er  der  KOnig 
mir  das  Wort  gebe.' 


Ehe  wir  mit  dem  Qrafen  Kaunitz   den  Schauplatz  seiner 
neuen  Bestimmung,  die  österreichischen  Niederlande,  betreten, 
haben  wir  einen  Augenblick  bei  den  Ereignissen  zu  verweilen, 
!  die  von  dem  Zeitpunkte  seiner  Vermählung  bis  zu  seiner  Ab- 
reise nach  Brüssel  im  Innern  seines  Hauses  sich  zutrugen.  Aber 
freilich    müssen    wir   bedauernd    gestehen,    dass   wir   über   sie 
kaum  mehr  als  die  Tage  wissen,  an  denen  ihm  der  Reihe  nach 
Beine  Kinder  geboren  wurden.    Fünf  Söhne,  Ernst,  Moriz,  Do- 
minik,   Maximihan,    Franz    Wenzel    kamen    von    1737    an    in 
Zwischenräumen  von  wenig  mehr  als  einem  Jahre,  Franz  Wenzel 
f  am  2.  Juli  1742,  also  kurz  vor  dem  Tage  zur  Welt,  an  welchem 
Knunitz  Wien  verliess  und  sich,  seine  Mission  am  sardinischon 
'  Königshofe  anzutreten,  nach  Italien  begab.    Dass  unter  solchen 
Umstünden  die  Grätin  Kaunitz  noch  in  Oesterreich  zurückbiicb 
'  mid  ihren  Gemahl  wenigstens  vorderhand  nicht  begleitete,  ver- 
'  steht    sich    von    selbst,    und    in    der  That   findet    sich    eine  An- 
'  deutung,  derzufolge  sie  im  März  1743  in  Turin  eintraf.'     Dort 
iBcheint  es  denn  auch  gewesen  zu  sein,   wo  sie  ihren  sechsten 
Sohn,    Josef  Clemens,    am   23.  November  dieses  Jahres  gebar. 
I  Da  Kaunitz  keines  dieser  Kinder  in  deren  ersten  Lebens- 

nahren verlor,  besass  er  sechs  Söhne,  als  er  in  der  zweiten 
Hälfte  des  Jahres  1744  seine  Reise  nach  den  Niederlanden 
'  antrat.  Dass  er  hiebei  von  keinem  Mitgliede  seiner  Familie, 
Bondem  nur  von  seinem  treuen  Freunde  Binder  begiei«^*  •»"»•• 
■wurde  wohl  zunächst  dadurch  veranlasst,  dass  die  GegetUon, 
durch  die  ihn  sein  Weg  führte,  den  Schauplatz  der  Kl'.og- 
führung  bildeten  mid  daher  von  feindlichen  wie  von  befreun- 
deten Truppen  unsicher  gemacht  wurden.  Am  22.  September 
berichtet  Kaunitz  aus  Kegensburg;   von   da  aus  folgte  er  fünf 

■  Märsche  hindurch   der   österreichischen  Armee,  bei  welcher  er 

■  mit  seinem  neuen  Chef,  dem  Generalgouvemeur  der  Niederlande 
Prinzen  Carl  von  Lothringen  zusammentraf,    in    der  Uichtung 

fgegen  Böhmen,  von  wo  er  über  Eger  und  das  Erzgebirge  am 
orgen  des  3.  October  Leipzig  erreichte.* 


M 


*  Kaunitz  nii  Ulfuldt.  Turin,   18.  MKrz   \~i3. 
)      *  Kauuitz  an  Ulfoldt.  Luipzig,  3.  üotober  1749. 

CLXXTUI.  Bd.  I.  BUn«. 



i 


Ohne  ferner  auf  erwähnenswerthe  Hindemisse  zn  stossen, 
gelangte  Kaiinitz  zum  Theile  auf  der  gleichen  Strasse,  die  wir  ihn 
vor  zwölf  Jahren  nach  Vollendung  seiner  Universitiitsstudien  haben 
einschlagen  sehen,  über  Hannover,  OsnabrUck  und  ßentheim, 
hierauf  durch  holländisches  Gebiet  am  Abende  des  17.  October 
nach  Brüssel.  Hier  aber  fand  er  Alles  in  grösster  Bestürzung, 
indem  die  Erzherzogin  Maria  Anna  erst  vor  wenigen  Tagen  ein 
todtes  Kind  zui-  Welt  gebracht  hatte  und  in  Folge  dieser  an- 
glücklichen  Niederkunft  lebensgefUhrlich  erkrankt  war. 

Als  Kaunitz  noch  in  Turin  die  erste  Nachricht  von  der 
Absiebt  erhalten  hatte,  ihn  nach  den  Niederlanden  zu  senden, 
kamen  ihm  auch  Andeutungen  zu,  welche  die  Bcsorgniss  in 
ihm  wachriefen,  man  denke  den  ihm  zugedachten  Posten  des 
grösseren  Theiles  seiner  bisherigen  politischen  Befugnisse  zu 
entkleiden  und  aus  ihm  mehr  eine  eigentliche  Hofansteilung  zu 
machen.'  Mit  beso  ndererLebhaftigkeit  erhob  Kaunitz  Vorstel- 
lungen hiegegen,  und  obschon  wir  nicht  wissen,  ob  irgend  eine 
und  welche  Antwort  ihm  hierauf  zu  Theil  wurde,  so  scheinen 
doch  seine  Worte  nicht  vergeblich  verhallt  zu  sein.  Mindestens 
kann  darüber  durchaus  kein  Zweifel  obwalten,  dass  er  sich  des 
vollsten  Vertrauens  seiner  Monarchin  erfreute.  Mit  den  unzwei- 
deutigsten Worten  sj)richt  Maria  Theresia  dies  in  einem  von 
ihrer  eigenen  Hand  herrührenden  Briefe  an  ihre  Schwester  aus, 
den  sie  Kaunitz  mit  auf  den  Weg  gab. 

,Hier  ist  Kaunitz,'  so  lautet  er,  ,welcher  kommt,  und  den 
ich  Dir  sende,  weil  ich  mir  schmeichle,  dass  er  Königsogg  voll- 
kommen ersetzen  wird.  Ich  bin  hievon  umsomehr  Überzeugt, 
als  er  sich  auf  dem  heiklen  Posten  in  Turin  meine  ganze  An- 
erkennung erwarb.  Ohne  an  seinen  eigenen  Vortheil  oder  seine 
eigene  Annehmlichkeit  zu  denken,  hat  er  die  Befehle  des  Hofes 
befolgt  und  sehr  gut  ausgeführt,  sogar  mit  Selbstaufopferung, 
wofUr  ich  ihm  allzeit  Dank  wissen  werde.  Ich  übersende  Dir 
ihn  in  der  gleichen  Weise  wie  Frau  von  Belrupt,  um  ihn,  wenn 
Du  mit  ihm  zufrieden   bist,  zu  behalten;   wenn  nicht,  wird  er 


'  Kknnitx  an  Ulfeldt.  Turio,  23.  November  1743:  ,.  .  .  worans  ich  kein«« 
anderen  Schluss  ziehen  kann,  als  daas  nach  der  vnreeyenden  uenen 
Niederländischen  Einrichtung  der  Oberhoffmoistcratello  kaum  ein  Schatteu 
von  denen  vonnahls  angeklebten  Verriclitungen  und  Ansehen  Übrig  bleiben, 
«olche  in  OescbSfton  wenig  oder  gar  keinen  EUnflui»  haben,  und  hanpt- 
sAchlich  nur  in  denen  Uofdiensten  bestehen  .  .  .  würde.' 


67 


immer  seinen  Platz  bei  mir  finden,  und  man  wird  ihn  nützlich 
«u  verwenden  wissen;  das  wird  sein  Wirken  beträchtlich  er- 
leichtern. Denn  ich  habe  ihn  davon  verständigt,  dass  ich  Dir 
dies  mittheilen  werde,  und  er  selbst  bat  mich  danngend  um 
Festsetzung  einer  solchen  Bedingung,  da  er  durchaus  nicht  zur 
Last  fallen  will.  Er  erklärt  zwar  das  Möghchste  leisten  zu  wollen, 
doch  überschätze  er  sich  nicht  so  sehr,  um  Alles,  was  er  thue, 
auch  für  das  Richtige  zu  halten.  Wenn  er  fehle,  werde  es  aus 
Mangel  an  Kenntniss,  nicht  an  gutem  Willen  geschehen.  Alles, 
was  ich  Dir  sagen  kann,  ist,  dass  er  mir  Deines  Vertrauens 
würdig  zu  sein  scheint,  dass  er  dieses  nicht  missbrauchen 
nnd  sogar  in  Privatangelegenheiten  guten  Rath  geben  wird. 
Ich  habe  ihn,  während  er  hier  war,  vielfach  und  von  den  ver- 
schiedensten Seiten  betrachtet,  um  über  Alles  Gewissheit  zu 
erlangen,  und  ich  kann  versioheru,  dass  ich  von  ihm  befriedigt 
■war.  Ich  glaube.  Alles  gesagt  zu  haben,  was  ich  nur  immer 
sagen  kann,  und  stelle  das  Uebrigc  Deinem  eigenen  Urtheil 
anheim,  sende  Dir  aber  keine  Nachrichten  oder  Anderes  durch 
ihn,  denn  er  wird  lang  unterwegs  sein." 

Es  kann  leicht  sein,  dass  Maria  Theresia  trotz  der  sehr 
guten  Meinung,  welche  sie  ihren  eigenen  Worten  zufolge  von 
Kaunitz  hegte,  sich  doch  mit  der  Absicht  getragen  hatte,  ihm 
nicht  jene  ausgedehnte  Machtvollkommenheit  einzuräiimcn, 
welche  vor  ihm  dem  Grafen  von  Königscgg-Erps  zu  Thcil  ge- 
worden war.  In  der  Zeit  wenigstens,  welche  zwischen  seiner 
Ernennung  zum  Leiter  der  Regierungsgeschäfte  in  Brüssel  und 
der  Ankunft  der  Erzherzogin  Maria  Anna  und  ihres  Gemahls 
innclag,  war  Königsegg  ja  ganz  unbeschränkt  und  nur  an  die 
Weisungen  aus  Wien  gebunden  gewesen.  Dass  Maria  Theresia 
ihrer  Schwester,  welche  noch  Überdies  an  ihrem  jungen  und 
thatkräftigen  Gatten,  dem  Prinzen  Carl  von  Lothringen,  eine 
verlässUche  Stütze  besass,  und  diesem  selbst  zum  Mindesten 
die  gleichen  Befugnisse  einräumen  wollte,  wie  sie  ihre  Tante, 
die  frühere  Generalstatthalterin  Erzherzogin  Elisabeth  genossen 
hatte,  ist  wohl  kaum  zu  bezweifeln.  Und  nachdem  der  Gemahl 
der  Erzherzogin  naturgcmäss  auch  ihr  vornehmster  und  ver- 
trautester Rathgeber  war,  so  musste  schon  hiedurch  die  Stellung 
des  Obersthofmeisters  eine  weniger  in  den  Vordergrund  tretende 


I      >  Abgedruckt  bei  Ametb,  Qescbiclite  Maria  Theroiias  II,  8.  668,  Anm.  186, 

L_Z1_ 


68 


werden,  ab  sie  es  zur  Zeit  der  unvermiihlten  Erzherzogin 
Elisabeth  war.  Aber  alle  diese  Intentionen,  so  wohlbegründet 
sie  auch  sein  mochten,  zerstoben  doch  vor  der  thatsAchlichen 
Lage  der  Dinge,  wie  Kaunitz  sie  in  den  Niederlanden  vorfand, 
in  nichts.  Die  Erzherzogin  war  todtkrank,  Prinz  Carl  von 
Lothringen  auf  dem  Kriegsschauplatze  in  Böhmen,  Graf  König»- 
egg  aber  im  BegriflFe,  seinem  Nachfolger  den  Platz  zu  räumen. 
Da  war  es  denn  nicht  zu  verwundem,  ja  es  konnte  gar  nicht 
anders  sein,  als  dass  Kaunitz  die  volle  Last  der  Goschüfte  auf 
seine  Schultern  zu  nehmen  hatte. 

Die  Umstände,  unter  denen  dies  geschah,  waren  keines- 
wegs trüstliche  zu  nennen.  Obgleich  französische  Truppen  schon 
seit  fast  drei  Jahren  gegen  Maria  Theresia  kämpften,  hatte 
Frankreich  doch  bisher  an  der  Fiction  festgehalten,  dass  dies 
nur  in  Folge  des  Bündnisses  mit  dem  nunmehrigen  römisch- 
deutschen  Kaiser  Karl  VIT.  geschehe.  Erst  am  26.  April  1744 
waren  die  Kriegserklilnmg  F'rankreichs  an  Oesterreich  und  in 
Folge  dessen  der  Einmarsch  französischer  Truppen  in  die  Nieder- 
lande erfolgt.  Die  österreichischen,  englischen  und  hollttndischen 
Streitkräfte  daselbst  waren  schwach  und  standen  unter  ver- 
schiedenen Befehlshabern,  welche  nichts  weniger  als  einm&thif 
handelten.  Ihnen  gegenüber  hatten  also  die  Franzosen  ziemlich 
leiclites  Spiel.  Mehrere  Festungen  im  Süden  des  Landes  fielen 
rasch  nach  einander,  und  nur  die  Fortschritte  der  Verbündeten 
auf  den  übrigen  Kriegsschauplätzen  machten  denen  der  Fran 
zoscn  in  den  Niederlanden  einstweilen  ein  Ende. 

Die  Anwesenheit  eines  starken  und  ausgezeichnet  gc- 
nUirten  Feindes  im  eigenen  Lande  setzt  wohl  jede  Rcgiorun;; 
auf  eine  sehr  harte  Probe.  Das  Gouvernement,  das  sich  in 
Brüssel  befand,  schien  umsoweniger  im  Stande,  sie  zu  be- 
stehen, als  sein  Haupt,  eine  junge,  unerfahrene  Fran,  noch  über 
dies  todtkrank  war,  und  .sich  ausserdem  in  der  Person  des- 
jenigen, der  an  ihrer  Stelle  die  Geschäfte  zu  leiten  hatte,  ein 
Wechsel  vollzog,  ftir  welchen  der  Augenblick  gewiss  nicht 
günstig  gewählt  war. 

Dass  man  diese  Massregel,  sie  mochte  an  und  für  sich 
notli wendig  oder  auch  nur  nützlich  erscheinen  oder  nicht,  ge- 
rade zu  einem  Zeitpunkte  traf,  für  welchen  man  die  Niederkunft 
der  Erzherzogin  vorhersah,  ist  ohne  Zweifel  als  ein  arger  Mangel 
an  Vorsicht  zu  betrachten.    Einige  Entschuldigung  hiefUr  wird 


übrigens  darin  zu  finden  sein,  dass  Maria  Theresia  ihre  eigenen, 
so  rasch  auf  einander  folgenden  Entbindungen  immer  dcnirt 
leicht  Uberstiind,  dass  sie  unwillkürlich  ein  Gleiches  auch  bei 
U»rer  Schwester  voraussetzen  mochte.  Um  so  tiefer  war  denn 
-  auch  ihre  Bestürzung,  als  das  Ocgcntheil  eintrat;  ein  bisher 
unbekannt  gebliebener  Brief,  den  sie  in  den  ersten  Novembcr- 
tugen  1744  mit  eigener  Hand  au  Ktiunitz  richtete,  gibt  Zeugniss 
'  von  der  Lcbliaftigkeit  der  Besorgnisse,  welche  sie  für  die  Erz- 
herzogin hegte. 

jMeine  Unruhe   über  den  Zustand  meiner  Schwester  ver- 
anlasst mich,'  so  schrieb  sie  an  Kaunitz,  , Ihnen  Engel  zu  schicken, 
meinen  ersten   Arzt,  in  den  ich  grosses  Vertrauen  setze.   Nicht 
dass  ich  glaubte,  sie  sei  unrichtig  behandelt  worden,  aber  mehr 
Augen  sehen  besser,  und  ausserdem   kennt  er  die  hiesige  Heil- 
methode und  meine  Schwester,  welche  immer  nur  sehr  einfach 
behandelt  wurde,  und  die  auch  kein  anderer  Arzt  kennt,  ausser 
Einem,    der  jedoch   von   allen  Aerzten   der  wenigst   glückliche 
■  und  auch  der  wenigst  sachverständige  ist.     Sie  werden  ihn  in 
uor  Weise  einführen,  welche  Ihnen  als  die  zweckmftssigstc  er- 
Wwheint,  und  ihn  zu  allen  Berathungcn  zuziehen  lassen,  auf  dass 
;  wir   hier   einen  verlässlichen   Bericht   erhalten    und   mir  einige 
Beruhigung   zu    Theil    werde,    deren   ich   gar   sehr  bedarf.     Es 
könnte  wohl  sein,   dass  man  nicht  viel  Verti'auen  zu  ihm  be- 
Bässe oder  ihn  nicht  gerne  sUhe.     Aber  ausserdem  dass  seine 
'  Absendung   von    hier   aus  veranlasst   und    von    der    Kaiserin,* 
von  Seiner  Hoheit*  und  von  mir  genehmigt  ist,  um  von  Allem 
unterrichtet  zu  sein,  da  uns  gar  zu  viel  daran  liegt,  wäre  man 
nicht  gehalten,  seinem  Käthe  allein  zu  folgen.    Im  Gegen theilo, 
er  wird   nicht   abgesendet,    um  zu  widersprechen,  sondern  nur 
;  um  gemeinschaftlich    zu    berathen,   auf  dass  man  dasjenige  he- 
I  folge,  was  man  als  das  Beste  ansehen  wird.  Ich  empfehle  Ihnen 
daher  sehr,  ihn  zu  unterstützen  und  hiedurch  in  den  Stand  zu 
setzen,  gute  Dienste  zu  leisten,  denn  ich  kenne  die  Abneigung 
der  Bclrupt*  wider  ihn,  obgleich  sie  hiezu  gewiss  keinen  Grund 

T-     '  Die  Kainerin   Elisabeth,  Witwo    KarlB  VI.  und   MuUor   dar   Erxbeniu^n 
[  Mariannu,  welche  damals  noch  am  Lohen  war  and  bekanntlich  erst  am 

^^81.  December  1750  aUirb. 
^^B  Orossherzog  Franz  von  Tuscana. 

P       •  Zu  Ende  des  Jahres   1743    war   die   verwitwete  GrHfin  Maximiliana  Bel- 
rupt,    geborene    Graun    Wrschowetis,    bisher    Äja    von    Maria    Theresias 


70 

hat,  und  ich  fürchte,  dass  sie  dieselbe  auch  den  Uebrigen, 
welche  ohnedies  eifersüchtig  sind,  ja  sogar  der  lieben  Kranken 
mittheilen  könnte.  Sein  einziger  Fehler  besteht  in  üblen  Manieren 
und  in  unbedachtem  Reden;  er  hat  mir  jedoch  yersprochen, 
nichts  davon  zu  thun  und  die  Anderen  zu  schonen.  Ich  ver- 
lasse mich  einzig  und  allein  auf  Sie,  und  dass  Sie  von  diesem 
Briefe  keinen  Gebrauch  machen,  indem  ihn  Niemand  kennt 
und  Niemand  weiss,  dass  ich  Ihnen  diese  Einzelheiten  schreibe. 
Sie  könnten  sich  auch  in  meinem  Namen  mit  der  Fürstenberg 
einverstehen,  indem  ich  besorge,  dass  man  sonst  die  Kranke 
gegen  ihn  einnimmt.  Kein  Dienst  könnte  mich  mehr  inter- 
essiren  als  dieser,  und  ich  würde  Ihnen  wärmsten  Dank  dafiir 
wissen.' ' 


Kindern,  zur  Obersthofmeisterin  der  Erzherzogin  Marianne  emannt  worden. 
Nach  dem  Tode  dieser  wurde  die  Orilfin  Belrupt  am  6.  April  1745 
Obersthofmeisterin  der  Prinzessin  Charlotte  von  Lothringen.  Sie  starb 
am  6.  December  1762. 

Maria  Theresia  au  Kannitz.  Undatirt  (H.1  November  1744).  Ganz  eigen- 
händig. Staatsarchiv.  ,. . .  l'inqnietnde  dans  laqaelle  je  me  tronve  a  cause 
de  l'etat  de  ma  soeure  m'oblige  de  tous  enrojer  engel,  mon  premier 
medcins,  et  ansquel  surtout  dans  ces  maoz  j'ai  beanooup  de  oonfiance, 
non  que  je  crois  qa'on  ne  Tat  bien  traitö,  mais  plus  voyent  mienz  et  pnit 
il  sait  la  methode  d'ici  et  ma  soeure  n'ayant  jamais  etoit  traitäe  qne  trea 
simplement  et  aucuu  medcin  conoissant,  et  que  le  seul  qui  le  pouroit, 
est  le  plus  malheureaz  et  le  moins  entendus  de  toutes  les  medcins.  vous 
le  ferez  paroitre  comme  hon  il  vous  semblera,  le  ferez  intenrenir  a  tont 
les  consnites  poar  avoirs  une  bonne  relations  ici  et  tacher  de  me  poavoirs 
tranquiliser  un  peu  plus,  j'en  ai  bien  besoings.  ils  se  ponroient  qa'on 
n'auroit  pas  beauconp  de  confiance  ou  ne  le  verrez  pas  volontierB,  mais 
outre  qu'il  est  envoyöe  et  approuväe  d'ici,  de  l'Imp.  de  son  AI.  et  do 
moy  ponr  etre  an  fait  de  tout,  y  ayant  trop  d'interest,  on  ne  seroit  pas 
tenue  de  suivre  «on  seul  conseils.  an  contraire,  ce  n'est  pas  pour  contre- 
dire,  mais  pour  consulter  ensemble  et  suivre  ce  qa'on  tronven  le  mienz 
qu'on  l'envois.  je  vous  le  recomande  dont  beauconp  de  le  soatsnir  et 
mettre  eu  etat  de  pouvoirs  bien  servir,  car  je  sais  l'aversion  que  la  belrupt 
at  contre  Ini  et  ca  bien  sans  sujet,  et  pouroit  craindre  qu'elle  pouroit 
comuniquer  cela  tant  aux  autres,  sans  ca  jaloux,  que  meme  a  la  eher« 
malade,  le  seul  defaut  qu'il  at  d'avoirs  des  mauvaises  fa^ons  et  de  parier 
inconsideremeut,  il  m'at  promis  de  n'en  riens  faire  et  de  menager  les 
autres.  je  me  fie  seul  en  vous  et  vo<is  n'en  ferez  aucune  oaage  de  cette 
lettre,  personne  la  sachant,  que  je  vous  ecris  ce  details.  vous  pouries  en 
mon  nom  anssi  vous  ontendre  avec  la  fUrstenberg,  craignant  qa'on  ne 
pr^vienne  la  malade  contre  lui.  aucune  service  ne  me  pent  intereaser 
plus  fort  que  celui  et  je  vous  en  sanrois  tont  le  gr6.    Marie  Therase.' 


71 

Gleichzeitig  und  in  ähnlichem  Sinne  wie  die  KOnigin 
schrieb  auch  ihr  Qomahl,  der  Grossherzog  von  Toscana,  an 
Kaunitz.  Auch  er  legte  den  Nachdruck  auf  die  Nothwendigkeit, 
es  zu  verliindern,  dass  Engel  sich  mit  den  übrigen  Aerzten 
überwerfe.  Er  sei  nur  abgesendet,  um  ihnen  mit  seinem  Rathe 
beizustehen  und  über  den  Zustand  der  Kranken  wahrheits- 
getreuen Bericht  zu  erstatten.  Einen  solchen  möge  Kaunitz, 
trug  ihm  der  Grossherzog  auf,  auch  von  dem  Geburtshelfer 
abfordern  und  ihm  zu  seiner  alleinigen  Kenntnissnahme  zu- 
senden.' 

Schon  lang  bevor  Engel,  der  zwei  Wochen  auf  der  Reise 
von  Wien  nach  Brüssel  zubrachte,  dem  Grafen  Kaunitz  diesen 
Befehl  des  Grossherzogs  einhändigen  konnte,  hattu  ihn  Kaunitz 
wenigstens  insofern  befolgt,  dass  er  Tag  für  Tag  umständliche 
Berichte  über  den  Zustand  der  Erzherzogin  an  die  Kaiserin 
Elisabeth,  an  Maria  Theresia,  den  Grossherzog  Franz  und  den 
Prinzen  Carl  von  Lothringen  abgehen  Hess.  Auch  an  den  Hof- 
kanzler Ulfeldt  schrieb  er  ausfUhrlich  und,  insoweit  es  sich  be- 
urtheilcn  lässt,  in  einer  Weise,  welche  der  wirkUch  vorhandenen 
Saclüage  entsprach  und  nicht  darauf  ausging,  sie  befriedigender 
darzustellen,  als  sie  wirklich  war.  Aber  freilich  gab  sich  Kaunitz, 
insbesondere  nachdem   er  die  Kranke  gesprochen  hatte,*  Hoff- 

Vou  iler  KOnigin  mit  eigeuer  Hand  gcschriebeue  Adresse:  ,]ia  comte 
Kaunitz,  grand  maitre  de  son  AI.  rarcliidiicliejsse  Gouvernante  des  pais  baji.* 

•  Grossherzog  Franz  an  Kannitz.  Ganz  eigenhKndig.  Staatoarchiv.  ,a  clionn- 
bron  ceSNovanbre  1744.  jny  resn  vos  rclasion  les  i|aol  moret  fnil  bocoup  plus 
de  plesirecilanre  contcnu  quelquo  vhose  de  plus  agreable,  met  la  Rone  an- 
voyan  Egle  poure  sa  propre  sati»fa<iue»ion  of  poure  etre  trauijuil,  je  la  con- 
panie  de  sete  letre  et  .«ouot  tjue  vouü  le  dirigie  toiijoure  de  fassun  ipiil  uo 
broullieu  pas  les  otre  Medeseu  et  ocontre  les  aide  eil  eo  o»  be»oueu, 
cela  ctan  los  entannon  de  In  Rene  com  osi  que  Ion  le  met  ofet  da  vrny 
etta  de  la  mallado,  lacjuel,  si  plet  a  Dien,  sera  et  (en)  tres  bon  recon- 
v.ilesanco  a  son  arivo,  <[Qiiy  que  je  crin  que  sein  ne  sora  de  longo  dnre, 
met  je  vons  prie  dordone  de  ma  pare  a  la  couchenre  Toumon  de 
mecrire  vn  letre  et  me  mande  ongenunian  a  nmy  geul  qnel  suit  ille 
crona  que  cela  poura  avoyre  poure  la  gnit  sona  poure  avoyre  des  eofan 
oa  an  ce  qua  ]Knire  les  otre  aconuheman  ci  cela  ponra  an  enpeche  les 
vn  ou  randre  les  otre  toujonr  extremenmu  dangerenx.  je  luy  demajide 
cela  et  qai  me  lecrive  enmediatleman  a  moy  nieme  et  me  fas  pase  U 
letre  pare  eile:  je  nuit  votre  tre.s  ntT"«  a  vous  semir  Francots.'  Vom 
Orussherxog  mit  eigener  Hand  geschriebene  Adresse:  ,A  Monsieur  Mon- 
sieur le  Comte  de  Kaunitzo.' 

■  Berieht  vom  26.  October  1744. 


72 

nungen  hin,  deren  Mittheilung  die  gleiche  Empfindung  auch  in 
den  nächsten  Angehörigen  der  Erzherzogin  wachrufen  miisste. 
Er  spricht  schon  zu  einer  Zeit  von  ihrer  Rcconvalescenz,  in 
welcher  die  Todesgefahr,  wie  ja  der  ungllickHche  Ausgang  be- 
wies, noch  durchaus  nicht  verschwunden  war.  Und  wenn  er 
binnen  Kurzem  so  weit  ging,  die  baldige  Genesung  der  Era- 
herzogin  mit  ziemlicher  Bestimmtheit  vorherzusagen,  so  stützte 
er  sich  hicbei  nicht  nur  auf  das  Gutachten  der  Aerzte,  sondeni 
er  wurde  auch  durch  andere  Umstände,  wie  z.  B.  durch  den, 
dass  die  Kranke  mit  eigener  Hand  an  ihre  Schwester  schrieb, 
zu  an  und  fUr  sich  noch  nicht  hinreichend  begründeten  Erwar- 
tungen verleitet.'  Dass  sie  es  nicht  waren,  wurde  durch  die 
bald  wieder  eintretende  Verschlimmerung  nur  allzu  deutlich 
bewiesen.  Immer  düsterer,  ja  hoffnungsloser  lauteten  die  Be- 
richte, welche  Kaunitz  nach  Wien  sandte;  trotzdem  liess  er 
keine  Vorkehrung  ausser  Acht,  welche  vielleicht  doch  noch 
von  günstiger  Wirkung  sein  konnte.  Die  bedeutimgsvollste  be- 
stand ohne  Zweifel  in  der  Berufung  des  ausgezeichneten  Arztes 
Gerhard  van  Swieten  aus  Leyden  an  das  Bett  der  Kranken. 
Schon  seit  fast  zwei  Wochen  hatte  Kaunitz  fruchtlos  darauf 
gedrungen,  dass  dies  gesciiehe;  jetzt  aber  trat  man  gleichsam 
von  selbst  mit  einem  solchen  Vorscidage  an  ihn  heran.  Allsoglcich 
ging  Kaunitz  auf  ihn  ein  imd  sandte  einen  Courier  nach  Ley- 
den mit  der  Aufforderung  an  van  Swieten,  sich  anverzUglich 
nach  Brüssel  zu  begeben.' 


'  Kaunitz  an  Maria  Tberonitt.  29.  October.  ,.  .  .  la  ouit  a  aussi  6t6  boaocunii 
plus  trauquillo,  ä.  A.  S""'  ayant  eu  des  tutorvulles  du  sommeil  painblt* 
boaucüup  plii»  longs  <|iie  les  iiuits  präc6<lciit08.  Enliii  jo  pais  avair 
l'huuueur  d'ojwurer  tr&i-humblomQnt  V.  M.  <\i\e  l'ütat  preseut  de  8.  A.  & 
itous  purmot  d'espärer  uu  certiiin  et  houreux  rülablisiiement.  V.  M.  eu 
truuvera  sang  doate  den  asDurances  dans  la  lettre  de  niaiii  propre  de 
8.  A.  S<"  que  j'ai  l'bonueur  de  joiudre  par  son  ordre  n  cette  träs-bnuibl« 
relatioD  .  .  .' 

*  Kauuits  an  Ulfuldt.  6.  November.  ,>ravoM  propoae,  il  y  a  dooae  jour«.  de 
fairo  veuir  lu  mödecin  van  Swieten  de  Leydo  et  lo  plus  habile  chinirgion 
de  PariH  pour  s'eu  serrir  ou  au  moiua  pour  les  uouBulter  sor  ritsl  de 
«antä  de  S.  A.  So«.  L'idäe  n'en  fiit  point  approuvöe  alora  par  c«az  <iai 
apparemmont  nuruiont  voulu  eu  etrc  lo«  auteurs,  maii  eile  vienl  de  m'Stre 
proposdo  tout  u  l'boure  quant  ä  M.  vnn  Swioton,  en  cons^oence  de  qaoi 
Je  Uli  ai  d6j4  öcrit,  ot  lo  courriur  c|ue  jo  lui  envoic,  ra  partir  dans  l'in- 
staut.'   DasB  Kannita  es  war,  der  die  Initiative  xur  Berufung  van  Swieten'« 


73 


Die  Schwankungen  in  dem  Zustande  der  Erzherzogin 
leinen  ausserordentlich  grosse  gewesen  zu  sein,  denn  kaum 
war  jene  Berufung  an  van  Swieten  ergangen,  als  Kaunitz  auch 
schon  wieder  von  einer  auffallenden  BcsstTung  nach  Wien  be- 
richten konnte.  Seine  Freude  hierüber  wurde  dadurch  noch 
erhöht,  dass  van  Swieten,  der  sich  eiligst  nach  BrtisBel  vcrfVigt 
hatte,  seine  Zustimmung  zu  der  bisherigen  Bchandlungswcise 
der  Kranken  crklürte  und  nicht  geringe  Hoffnung  auf  ihre 
Wiederherstelhuig  gab.  Kaunitz  findet  nicht  Worte  genug,  den 
günstigen  F^indruck  zu  schildern,  welchen  van  Swieten  bei  diesem 
Anlasse  auf  ilm  hervorbrachte,' 

Aber  eigenthlimlicherweisc  sollten  sich  die  Hoffnungen, 
welche  nun  auch  von  einem  so  ausgezeichneten  Fachnuinne  wie 
van  Swieten  getheilt  wurden,  neuerdings  als  trügerisch  erweisen. 
Nur  wenige  Tage  hindurch  konnte  Kaunitz  seine  so  glinstig 
lautenden  Nachrichten  fortsetzen;  bald  musste  er  wieder  von 
heftigeren  Schmerzen,  von  Fiebererscheinungen,  welche  bei  der 
Leidenden  eingetreten  waren,  berichten.  Und  als  endhch  der 
Leibarzt  Engel  in  der  Nacht  vom  16.  auf  den  17.  November 
in  BrUssel  eintraf,  hatten  sich  die  Aussichten  auf  baldige  Wieder- 
herstellung der  Erzherzogin  sehr  gctrlibt.  Dennoch  verlor  man 
die  Hoffnung  nicht,  imd  Kaunitz  empfand  es  als  erfreulichen 
Umstand,  dass  Engel  nicht,  wie  man  lebhaft  besorgt  hatte,  mit 
den  behandelnden  Acrzten  schon  von  vorneherein  in  Zwiespalt 
gcrieth.  Insbesondere  werde  sich,  hatte  man  gemeint,  die 
Schrofflieit  seines  Wesens  gegen  Lebzeltern,  den  Leibarzt  der 
Erzherzogin  kehren,  welcher  nach  dem  Zeugnisse  des  Grafen 
Kaunitz  durch  seine  Anhilnglichkeit  an  die  Kranke,  seinen  im- 
ermlidlichen  Eifer  und  die  selbstverleugnende  Pünktlichkeit, 
mit  der  er  die  Anoi-dntingen  van  Swieten's  zur  Ausführung 
brachte,  dasjenige  ersetzte,  was  ihm  au  iirztlicher  (icschicklich- 
keit  vielleicht  abging.*     Und  auch  zwischen  van  Swictou  und 


eifpriff,  bestätigt  auch  der  in  Brüssel  uocb  anwesende  Qraf  KUnij^egg- 
Erpii  nu  Ulfoldt  vom  gloicbeii  Tage.  ,Le  Cointe  de  Kaunitz,'  sclireibt  er 
an  ihn,  ,at  depochi  ce  soir  tiii  cuurier  pour  prier  lo  Medecin  faineux 
du  Luiden  de  se  roiidre  icy,  et  Mr  do  Figiieri>la  et  moy  avons  escrit  .-in 
pdre  Paul  son  ami  ponr  qn'il  employ  tout  son  credit  k  l'engager  k  faire 
ce  voyage.' 

'  Berichte  Tom   11.  November   1744. 

*  KauiiitE  an  Maria  Theresia.    17.  November  1744. 


74 

Engel  war  man  auf  Conflicte  gefasst,  denn  schon  war  Jener 
auf  den  Antrag  eingegangen,  kraft  dessen  er  in  Zukunft  am 
Wiener  Hofe  als  erster  Leibarzt  fungiren  sollte,  während  Engel 
sich,  und  zwar  wohl  nicht  ganz  mit  Unrecht,  als  Besitzer  dieser 
Stelle  betrachtete.*  So  sehr  aber  mangelten  ihm  die  Eigen- 
schafleu, deren  er  hiezu  bedurft  hätte,  dass  der  englische  Q^n 
sandte  in  Wien,  Sir  Thomas  Robinson,  sich  das  Witzwort  (jj^^ 
lauben  durfte,  van  Swieten  werde  glauben,  man  habe  Engel 
nur  in  der  Absicht  nach  Brüssel  geschickt,  um  ihm  zu  beweisen, 
wie  dringend  man  in  Wien  eines  guten  Arztes  bedürftig  sei.* 
Kaunitz  empfand  es  als  einen  erfreulichen  Umstand,  dass 
sich  diese  Besorgnisse  wenigstens  vorderhand  nicht  crflillton. 
Gleich  nach  der  Ankunft  Engel's  in  Brüssel  fand  an  dem  Kranken- 
bette der  Erzherzogin  eine  Consultation  statt,  bei  welcher  der- 
selbe das  von  den  Aerzten  bisher  beobachtete  Vorfahren  gut- 
hiess.  Auch  jeden  Conflict  zwischen  Engel  und  van  Swieten, 
welcher  aus  der  amthchen  Stellung  Beider  in  Wien  hervorgehen 
konnte,  trachtete  Kaunitz  mit  Sorgfalt  hintanzuhalten.  Dass  ihm 
dies  wenigstens  einige  Zeit  hindurch  gelang,  schreibt  er  aller- 
dings zumeist  dem  taktvollen  Auftreten  sowie  dem  milden  und 
versöhnlichen  Charakter  van  Swieten's  zu,  dessen  ausgezeichnete 
Eigenschaften  auch  jetzt  wieder  an  Kaunitz  einen  warmen  Lob- 
reduer  fanden.^ 


Knunitz  an  Ulfoldt.  17.  November  1744. 
Ulfeldt  an  Kaonits.  1.  Oecenibor  1744. 
Kaunita  au  den  Grafcm  SylTa-Tarouca.  4.  December  1744;  ,Naa  deui 
EsculapeH  ^toient  assez  raiHoiiiiabteniout  unsemblo  pour  pouvoir  rcepirer 
le  meiuo  air.  .I'ai  uopendant  fait  oncoro  h  uu  cliaoiiu  Bi^parämcut  l(» 
exbortatioiiR  qui  m'ont  paru  les  plus  convonables  nnx  viios  de  ü.  M.,  cl 
qnoique  colai  de  Vienno,  qui  m'nvoit  communiquä  la  lettre  que  la  char- 
niSDte  Comtesiie  de  Lony  lui  avoit  derit  de  la  part  de  la  Reine,  ait  jagi 
k  propos  de  la  montrer  i\  difTSrentes  personne«,  qaoique  je  lui  efnaM 
conteill^  dv  ne  fairo  puint  parade  de  son  contenn,  qui  davoit  lui  snfBn 
de  snvoir  pour  sa  uonsolation  et  suu  repos,  j'ni  »\  bieii  tAcbi^  da  re(>arer 
le  mal  que  pouvoit  fairo  cette  iniprudenco,  qu'elle  n'a  eo  aacune  suile. 
Lu  Sieiir  vau  Swieten  d'aillenrs,  auqnel  8.  A.  8.  s'eat  «ttachAe  et  qoi  La 
sert  jour  et  nait  avoc  nuo  affection  morvoillense,  est  an  hoinmo  d'nn 
oaractöre  si  doux  et  »i  raisonnablo,  qne  je  me  flatte  que  quant  k  la  bonne 
intelligence  tout  ira  bieii  ii  l'avenir.  C'efft  nn  homme  qne  V.  B.  aimer« 
et  cstimora  quaiid  Elle  le  connaitrn  pcreonnollement.  II  pense  bien  et 
mSmo  nvec  rtÄlicatesBo,  preuvo  do  quoi  je  ne  pnis  point  mc  diapenser 
de  lui  faire  part  des  scrupulea  qui  l'ont  agiti  au  mget  de  la  vBote 


75 


Als  Kannitz  dies  Über  van  Swieten  niederschrieb,  Hlgte 
er  kein  Wort  bei,  aus  dem  sich  schliessen  liesse,  dass  sich  der 
Zustand  der  Kranken  wieder  verschlimmert  habe.  Ganz  plötz- 
lich trat  nach  einer  Reihe  zul'riedensteUendcr  Tage  am  15.  De- 
cember  eine  so  ungünstige  Wendung  ein,  dass  sie  schon  am 
folgenden  Tage,  dem  16.,  den  Tod  der  Erzherzogin  herbei- 
führte.' ErschUtterad  ist  die  Schilderung,  die  Kaunitz  von  den 
Umständen  entwirft,  unter  denen  sicli  dieses  schmerzHche  Ereig- 
niss  vollzog,  und  welche  ihm  folgten,  .Heute  erlebte  ich,'  schrieb 
er  an  den  Grafen  Tarouca,  , einen  fllrcliterlichen  Tag;  auch  bin 
ich  davon  so  aufgeregt,  dass  ich  Fieber  habe.  Dieser  grausame 
Tod  und  unmittelbar  darauf  das  schreckliche  Schauspiel,  indem 
drei  Frauen  der  verstorbenen  Erzherzogin  in  Convulsionen  ver- 
tielon  und  einen  der  Aerzte,  den  alten  Lopez,  eine  Art  Schlag- 
unfall traf,  das  Geheid  von  allen  Seiten  und  nach  alledem  die 
traurige  Function,  die  ich  zu  vollziehen  hatte,  die  Papiere  und 
Nippsachen  zusammunzuniffen  und  bis  1  Uhr  Nachmittags  in 
Gegenwart  des  Leichnams  überall  die  Siegel  anzulegen,  dies 
gehört  zu  jenen  Dingen,  welche  man  leichter  fühlen  als  dar- 
stellen kann.  Ich  darf  übrigens  versichern,  dass,  obgleich  ich 
mir,  Gott  sei  Dank,  genug  Festigkeit  zu  bewahren  vermochte, 
zu    handeln,    während    sonst  Niemand    sich    zu    irgend    etwas 


aa  maisou  4  Leyden.  Devaot  n  faire  incessAmment  et  sa  prisence  y  dtant 
n^essairo  pour  qu'elle  pnitue  se  faire  pla«  aTantageusement,  il  R'est 
pret6  de  1«  uioiHeure  gräce  du  moode  k  abandonner  ses  iutäruU  pour 
rester  ici  taut  qae  S.  A.  S.,  i|ui  auuliaite  qu'il  reste,  le  souLaitera,  ut 
eumme  cela  itaot,  il  ii'y  n  pnint  d'aiitro  expüdieiit  que  do  veiidre  sn 
maison  a  nun  beau  frerc  qiii  offre  de  l'aclieter,  iion  cniitont  d'en  faire 
faire  l'estiiuatiou  par  de«  gevut  ini|Mirtiaax  et  jiiräii,  il  a  vmila  y  attaelier 
la  cooditiou  qiie,  si  dniii  im  an  il  so  truuvu  quulqu'uu  qui  en  offre 
davantage,  aon  dit  beau  fröre  soit  obligö  i  la  cMer  k  ce  plus  offrant  on 
k  payer  lui-müme  le  surpla«,  le  tont  pour  qu'il  De  »oit  point  dit  qu'il 
n'ait  tAvhi  de  la  vendru  au  plus  baut  prix  posaible,  S.  M.  »'etaut  onpagäo 
k  lui  ruuibouner  ce  qui  daua  cctte  vente  il  pourroit  avoir  penlu  sur  In 
valeur  de  8a  dite  maiioii.  O'est  uu  luug  detail  dout  je  demandu  pardou 
n  V.  E.,  mais  que  je  n'ai  poiiit  pu  oi'enipCcbor  d«  Lui  faire,  paree  qae 
Je  uo  peux  point  gaguer  nur  moi  de  ue  pna  rendre  t^'inoignage  A  la 
▼ertu." 

Die  erste  Nachricht  von  ihr  ist  in  den  wenigen  Zeilen  enthaltcu,  welche 
Kaunitz  am  ,16.  December  an  Tarouca  «cbrieb.  Sie  lauten:  ,Nous  avons 
ancoro  ou  aujourd'hni  aprA«  quelques  jonr»  de  bon  an  affroux  change- 
■nent  dang  la  santä  de  S.  A.  8. ;  on  a  tout  k  craindre.' 


76 


briiuchbar  erwies,   ich  sehr  viel  gelitten  habe  und  meine  pein- 
liche Lage  lebhaft  cmjjHmlc' ' 

Sie  zu  einer  solchen  zu  gestalten,  schien  zu  gleicher  Zeit 
Alles  zusammenwirken  zu  wollen.  Vorerst  nahmen  die  Vcr- 
fiigiuigen,  welche  der  Tod  der  Erzherzogin  nothwcndig  machtu, 
und  die  zunilchst  mit  den  Trauerfeierlichkeiten  zusammenhingen, 
Kaunitz  vollauf  in  Anspruch.  Ausserdem  lag  nun  die  ganze 
Last  der  gerade  zu  jener  Zeit  in  erschreckendem  Masse 
sich  anhäufenden  ütfentlichen  Qeschäfte  ganz  allein  auf  seineu 
Schultern.  ,Ich  bin  nicht  so  leicht  zu  Boden  zu  drücken,'  schnob 
er  in  jenen  Tagen  an  Tarouca,  .aber  ich  gestehe,  dass  sowohl 
in  Folge  des  ungeheuren  Umfanges  als  der  Natur  der  auf  mir 
liegenden  Dinge  mein  Kopf  schon  in  Stücko  geht.'  *  Und  schliess- 
lich gesellten  sich  liiezu  auch  die  Verlegenheiten   und    liesorg- 


Kxnnitz  an  TaruiicA.  16.  Decomber  1744:  ,Je  compte  qne  V.  E.  aiira  rova 
1.1  lettre  iiiie  j'ai  en  riiunnour  de  liii  ecrire  ce  mntiu  k  ouze  heures  pu 
OHtaffotte.  EiiviroD  uue  domi-heuie  apres  il  a  plti  enfin  k  Dien  de  uoiu 
eiilovor  notro  SlVönissime  Arcliiducliüsse  A  jamaU  rciipectal>Ic  par  totite« 
SOS  vortUD  et  sa  r&iignation  ä  la  vuluntä  diviiie  an  milieu  de  sea  Muf- 
frances  jusqu'au  dernier  monient  de  «a  rie.  Certaiaomeut  eile  k  6ti 
senrie  par  sea  six  m&leciua  et  particnli6reiueut  par  M.  van  Swieten  toa- 
jonni  sooH  uos  jeux  avec  tout  le  s^Ie  et  tonte  la  dcxt^ritö  imaginable, 
et  je  suis  persnad^  i(ue,  »i  ce  mal  avoit  &t6  do  la  nature  de  ceiix  sur  le«- 
i|iiels  l'art  des  hommes  peut  quelquo  cliose,  colui  que  l'on  a  enipluyi 
poiir  ollo,  ii'aaroit  pas  ^t^  Mins  effct,  ot  mal^rö  toiu  Ics  maurais  propos 
do  M.  Engel  V.  E.  pout  oompter  qiie  ce  quo  j'ai  Plionneur  de  lui  diro  i 
cet  6gard,  est  bien  oxacteinont  vrai.  J'ai  pas8£  aujotird'hui  une  bien 
affreuso  joum^'O;  auiisi  ou  snis-je  si  frappi  quo  j'en  ai  la  66vTe.  Cette 
cmelle  luort,  imm^-diatemout  apris  le  spectacle  affi-eux  do  trois  dea 
femmes  de  foue  S.  A.  S'"»  qui  prirout  den  conviiKsions,  an  des  mMeciiu, 
le  vienx  Loppoz,  que  le  luiisissement  fit  tombor  daos  nne  espöce  d'a 
d'apoplexio,  le»  burlemenl«  de  tout  c6t£  et  aprös  tout  cela  la  trist«  foi 
tiiin  quo  j'ai  ötö  oblig^  do  faire,  de  ramassor  papiera  et  oippea  et  dr 
mettro  les  scoUös  partoat  en  pr&ionco  dn  cadavre  jnsqu'i  qnatre  hourva 
apräs-dtnor,  co  sont  de  ues  choses  qn'il  ost  plus  facilo  do  sontir  que  de 
peindre.  Mais  j'ose  asaurer  k  V.  E.  que,  quuique  grftce  k  Dien  j'ai  cuu- 
üervö  assex  de  ferniet^  pour  pouvoir  agir  (lendaut  quo  tuut  le  tnouile 
ötoit  hors  d'6tat  d'etre  bon  k  quelque  chose,  j'ai  beaneoup  souffnrt  ol 
sens  bien  viTement  tout  ce  qu'il  y  a  de  fächenx  dans  ma  Situation, 
beaacoup  au-dol4  cependant  tout  ce  qu'il  y  a  d'affreux  dAiii  celle  do  do« 
iKins  Maitres  .  .  .' 

Kannitz  an  Tarouca.  21,  Decomber.  Je  ne  suis  pas  facilo  k  »c««Mer, 
niais  j'avouo  cependant  k  V.  E.  <|u'aiilanl  par  rimmonsitö  dea  objets  que 
par  lenr  nature  j'ai  la  tete  toute  en  piecea. 


77 


nisse,  in  welche  seine  eigene  pecuniäre  Lage  ihn  versetzte.  Die 
OeldzuflUsse  von  Seite  seiner  Eltern  scheinen  nichts  weniger 
als  reichlich  gewesen  zu  sein,  der  Staat  aber  schuldete  ihm 
seit  vergangenem  März,  somit  seit  neun  Monaten  den  ganzen 
Betrag  seiner  BezUge.  Inzwischen  hatte  er  sein  Haas  in  Turin 
auflösen,  einen  Theil  seiner  Einrichtung  dort  um  sehr  geringen 
Preis  hintangeben,  den  anderen  aber  mit  betrHchtlichcn  Kosten 
nach  Wien  bringen  lassen  müssen.  Eine  zahlreiche  Dienerschaft 
hatte  er  zu  erhalten,  die  Reise  nach  Brüssel  auf  eigene  Kosten 
zurückzulegen  und  nun  dort  gewissermasscn  die  erste  Rolle  zu 
spielen.  Aufs  Dringendste  bat  er  nitht  nur  um  Tilgung  der  ihm 
schuldigen  Rückstände,  sondern  auch  um  Zuerkennung  und  Aus- 
bezahlung von  Bezügen,  welche  es  ihm  mögUch  machen  würden, 
sich  in  seiner  Stellung  in  Brüssel  mit  Ehren  zu  behaupten. 
Widrigenfalls  zöge  er  vor,  ihr  ehestens  zu  entsagen.' 

Dass  man  in  Wien  für  seine  Klagen  nicht  taub  blieb, 
konnte  Kaunitz  zu  einigem  Tröste  aus  der  ihm  binnen  Kurzem 
zukommenden  Mittheilung  Ulfeldt's  entnehmen,  mit  seiner  Er- 
ncnnang  zum  bevollmächtigten  Minister  würden  auch  seine 
ökonomischen  Verhälltnisse  von  selbst  geregelt  werden.*  Und 
in  der  That  hatte  man  sich  in  Wien  entschlossen,  Kaunitz  die 
dreissigtausend  Gulden,  welche  die  Besoldung  des  Grafen 
Königscgg-Erps  betragen  hatte,  wHhrend  der  Abwesenheit  des 
Gencralgouvemeurs  gleichfalls  zu  Theil  werden  zu  lassen;  ver- 
weilte dagegen  Prinz  Carl  von  Lothringen  in  Brüssel,  so  hatte 
Kaunitz  nur  fUnfundzwanztgtausend  Gulden  zu  beziehen.  Den 
Unterschied  aber,  der  nach  der  Auffassung  des  Wiener  Hofes 
zwischen  der  früheren  Stellung  Königsegg's  und  derjenigen  des 
Grafen  Kaunitz  doch  immerhin  obwaltete,  indem  der  Eine 
ausnahmslos,  der  Andere  aber  nur  während  der  Prinz  aliwcscnd 
war,  an  der  Spitze  der  Regierung  stand,  wollte  mim  durch  den 
Titel,  welchen  man  Kaunitz  beilegte,  zum  Ausdrucke  kommen 
lassen.  War  Königsegg  .bevoUmilehtigter  Minister'  gewesen,  so 
sollte  Kaunitz  nur  ,während  der  Abwesenheit  des  durchlauch- 


'  Kaiinitx  au  Ulfoldt,   11.  Docember;    aa  Taronoa,   16.  and  21.  Decembor 
1744. 

Qnsut  ji  vm  arangoiuonta  oeconomiqnos,  cola  se  retronve  de  soy-ineme 
ani»iUit  i|iii>  l'on  voum  ilnniio  le  caracthöre  de  Mluintre  Pl^nipotentiaire. 
UlfcUt  an  Kaiinitx.    Eig«iiliKiiilie    äl.  Janu.ir   1745. 


i 


78 


tigsten  Gouverneurs  ermächtigter  Minister' '  heissen.  So  lebhaft 
und  80  gegründet  waren  jedoch  die  Einwendungen*  des  Grafen 
Kaunitz  gegen  jede  wenn  auch  nur  scheinbare  Herabdrückung 
seiner  Stellung  im  Vergleiche  mit  derjenigen,  welche  Königsegg 
innegehabt,  dass  er  endlich  mit  Kescript  vom  13.  Februar  1745 
gleichfalls  zum  bevoIimUchtigten  Minister'  ernannt  wurde. 

Schwieriger  war  die  Abhilfe,  insofern  sie  sich  auf  die  ftir 
die  Schultern  eines  Einzelnen  allzu  druckende  Ueberlastung  mit 
Geschäften  bezog.  Diese  Bürde  wurde  dadurch  noch  ansehnlich 
vermehrt,  dass  der  Feldmarschall  Herzog  von  Arenberg,  welcher 
um  jene  Zeit,  im  Beginne  des  Jahres  174Ö,  den  grössten  Thcil 
der  in  den  Niederlanden  befindlichen  österreichischen  Truppen 
an  den  Rhein  führte,  um  dort  die  Franzosen  vom  deutschen 
Gebiete  zu  verdrängen,  dem  Grafen  Kaonitz  auch  noch  die 
Leitung  der  militärischen  Angelegenheiten  übertrug,  für  welche 
ihm  jedoch,  das  lässt  sich  nicht  leugnen,  die  hiezu  erfordcrhchen 
Eigenschaften  abgehen  mussten. 

Ohne  dieses  einzugestehen,  denn  dazu  war  er  ohne 
Zweifel  zu  eitel,  führte  doch  Kaunitz  in  Wien  bittere  Klage 
über  die  überspannten  Anforderungen,  die  man  an  ihn  stellte. 
Interessant  ist  das  Auskunftsmittel,  auf  welches  der  vertraute 
Freund  des  Grafen  Kaunitz,  Don  Manuel  Deswalls  Marquis  de 
Poal,  Mitglied  des  niederländischen  Rathos,  verfiel,  um  Kaunitz 
die  ersehnte  Erleichterung  zu  Theil  werden  zu  lassen.  Aber 
freilich  wurde  dieser  Gedanke  von  dem  Hauptbetheiligten  selbst 
mit  aller  Entschiedenheit  verworfen. 

Poal's  Vorschlag  lief  auf  die  Einsetzung  einer  neuen  Junta 
oder  Rathsversammlung  hinaus,  welche  dem  Generalgouvemeur 
und  im  Falle  seiner  Abwesenheit  dem  bevollmächtigten  Minister 
zur  Seite  stehen  und  ihm  einen  grossen  Theil  der  ihm  obliegen- 
den Geschäftsbesorgung  abnehmen  sollte.  Kaunitz  aber  meinte, 
diu  Durchführung  einer  solchen  Idee  würde  gerade  die  ent- 
gegengesetzte Wirkung  von  der  hervorbringen,  welche  sich 
Poal  von  ihr  verspreche,  ja  sie  würde  nicht  nur  den  Minister, 
sondern  auch  den  in  Wien  befindlichen  niederländischen  Rath 
in  Verlegenheiten  stürzen,  denen  weder  der  Eine  noch  der 
Andere  sich  so  leicht  wieder  za  entziehen  vermochte.     In  der 


*  Ministre  autoria^  |iendaot  l'abiience  du  84&r^issimo  GonTumeur. 

*  Kannitz  An  MariA  Theresia,  26.  Jannnr;  nu  Ulfeldt,  S9.  Januar  I74ä. 
'  Miniiitro  pläoiputentiaire   |><>ur   le  Gunveriiemeut  Gäuiral  den  Pay«-R 


79 


Vereinfachung  einer  Regierung  bestehe  allzeit  die  grösste  Er 
leichterung  derselben,  und  gerade  die  endloBcn  Förmlichkeiten, 
deren  Erfllllung  derjenigen  zu  Brüssel  obliege,  seien  os,  durch 
welche  sie  zur  schwert^illigstcn  in  ganz  Europa  gemacht  werde. 
Dadurch  aber,  dass  man  dem  Generalgouvemeur  auch  noch 
eine  vierte  Rathsversammluiig  an  die  Seite  setzen  wolle,  werde 
man  die  Schwierigkeiten,  die  er  zu  überwinden  habe,  nur  noch 
ansehnlich  vermehren  und  keineswegs  verringern.  Hiezu  komme 
noch  der  oft  beklagte  Mangel  an  tauglichen  Individuen.  Würde 
man  die  Besten  derselben  aus  den  Stellungen  entl'ernen,  die  sie 
jetzt  innehätten,  um  sie  in  den  neu  zu  gründenden  Rath  zu  ver- 
setzen, so  würde  man  jene  Behörden  ihrer  nützlichsten  Kräfte 
berauben  und  dadurch  ihre  ohnedies  nicht  besonders  zu  loben- 
den Leistungen  noch  mehr  entwerthen.  Endlieh  könnte  man 
die  neue  Junta  doch  niemals  zu  einer  executiven,  was  allzu 
gefuhrlich  wäre,  sondern  immer  nur  zu  einer  berathenden  Be- 
hörde machen,  während  die  Entscheidung  jederzeit  dem  Haupte 
der  Regierung  allein  vorbehalten  bleiben  müsste.  Dadurch  wäre 
aber  jede  Erleichterung  seiner  Arbeitslast  schon  von  vorneherein 
vereitelt.  Wolle  man  ernstlich  eine  solche,  dann  möge  man  den 
entgegengesetzten  Weg  einschlagen  und  zur  Vereinfachung  der 
Regierung  die  geeigneten  Schritte  thun. 

Auf  einen  anderen,  ebenfalls  von  Poal  zur  Sprache  ge- 
brachten Gegenstand  übergehend,  erklärte  ihm  Kaunitz,  er  sei 
eben  daran,  dem  Wiener  Hofe  eine  genaue  Darstellung  des 
Zustandes  der  niederländischen  Finanzen  zu  liefern.  Aus  dem 
Umstände,  dass  seine  beiden  Vorgänger,  Graf  Harracli  und 
Graf  Königsegg,  dieser  Aufgabe  nicht  gerecht  zu  werden  ver- 
mochten, dürfe  man  wohl  auf  die  Schwierigkeit  derselben 
schliefisen.  Denn  einerseits  habe  miin  mit  Leuten  zu  thun,  deren 
Interesse  sie  abhalte,  die  Wahrheit  ergründen  zu  lassen,  und 
andererseits  könne  man  doch  auch  ihren  Beistand  nicht  ent- 
behren. Man  müsse  ihnen  also  die  wahre  Absicht  verbergen, 
von  welcher  man  ausgehe.  ,Sie  können  wenigstens  darauf 
zählen,'  sehreibt  Kaunitz  an  Poal,  ,dass  ich  mein  Möglichstes 
thun  werde.  Scheitere  ich  dabei,  so  müssen  Sie  darauf  ver- 
zichten, überhaupt  jemals  die  gewünschten  Aufklärungen  zu 
erhalten.' 

Das  in  diesen  Worten  liegende  Selbstgefühl  begleitet 
Kaunitz  während  seines  ganzen  Briefes  an  Poal  in  uugesehwäch- 


80 


tem  Masse.  ,Ich  werde  die  gleiche  Aufmerksamkeit,'  heia 
in  dem  letzten  Theile  desselben,  ,auch  den  anderen  Punkten 
zuwenden,  von  denen  Sie  mir  sprechen.  Der  Geist  der  Ord- 
nung, mit  welchem  ich  zur  Welt  kam,  kann  Ihnen  als  Bürg- 
Schaft  hieftir  dienen.  Sie  sind  aber  zu  vemlinftig,  um  nicht 
einzusehen,  dass  sehr  viele  Dinge  sich  in  der  Theorie  prächtig 
ausnehmen,  ohne  darum  in  der  Praxis  ausführbar  zu  sein,  und 
dass,  wenn  man  nicht  eine  ganze  Nation  gegen  sich  aufbringen 
will,  man  nicht  gleichzeitig  die  Durchführung  verschiedener 
vorgcfasster  Massregeln  in  die  Hand  nehmen  darf.  Ich  ver- 
spreche Ihnen,  dass  Alles  geschehen  wird  und  geschehen  kann, 
aber  ^an  muss  die  Wahl  des  geeigneten  Zeitpunktes  dem  Eifer 
und  der  Bcurtheilung  desjenigen  anheimstellen,  der  die  Dinge 
an  Ort  und  Stelle  und  mit  eigenen  Augen  sieht.  Fortes  adjuvat 
ipse  Deus.  Unser  Freund  Tibull  verspricht  mir  dies,  und  daraus 
schöpfe  ich  Muth." 

Und  in  der  That,  Muth  bedurfte  Kaunitz  allerdings  in 
nicht  geringem  Masse,  um  die  Pflichten  seiner  schwierigen  Stel 
lung  zu  erfüllen.  Vor  Allem  handelte  es  sich  um  die  Vorkehrun- 
gen, welche  zu  treflfen  waren,  der  Kriegftlhrung  in  den  Nieder 
landen  eine  günstigere  Wendung  zu  geben.  Durch  Vermehrung 
der  dem  Feinde  entgegenzustellenden  Truppen,  durch  entspre- 
chende Ausrüstung  derselben,  vor  Allem  aber  durch  Einsetzung 
eines  einheitlichen  Obercommandos  sollte  dies  geschehen.  Aber 
die  Bemühungen  zur  Erreichung  dieser  Zwecke  hatten  doch 
nur  theilwcisen  Erfolg.  In  England  schien  man  zwar  grössere 
Anstrengiuigen  zu  energischer  Fortführung  des  Krieges  machen 
zu  wollen  als  bisher,  dagegen  erwiesen  sich  die  militÄrischen 
Einrichtungen  der  Holländer  als  vülh'g  erschlafft,  und  Maria 
Theresia  selbst,  durch  die  Kriegführung  in  Deutschland  und  in 


'  Kaunitz  an  Poal.  12.  Januar  1746.  ,J'aurai  la  möme  attention  pour  tons 
le»  natros  point»  qiie  vou.s  tne  KUgg^rez.  L'esprit  d'ordro  avec  lequel  jf 
suis  n6,  pcut  yoiis  servir  du  caution,  mais  voiis  etes  trop  raisonnable 
)H>nr  ne  paa  sontir  quo  bion  des  cUosea  aont  magnifiqaos  en  thiorie,  Btna 
en  dtre  pour  cela  aouTent  pln»  praticablea,  et  que  pour  ne  point  effa- 
roncher  toute  une  nation,  on  ne  peut  paa  raiaoDnablement  entreprondrc 
rexecution  de  planiearg  pointa  odieox  &  la  foia.  Je  vom  prometa  qne  tont 
cola  ao  fern  ot  pourra  ne  faire;  main  il  faut  abandonner  le  choix  du  tenu 
an  z^le  et  au  discornemont  de  celui  qui  voit  les  choses  anr  Ibh  lioui  et 
par  tni-mSme.  Forteii  adjuvat  ipso  Dens.  Notre  ami  Tibulle  me  \e 
proniet  et  cela  m'a  enconragij.' 


81 


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Italien  schon  ilbennässig  in  Anspruch  genommen,  konnte  wenig- 
stens von  diesen  Kriegsachauplätzen  oder  aus  ihren  Erbländcm 
keinen  Succurs  mehr  nacli  den  Niederlanden  senden. 

Mehr  noch  als  die  VerstJlrkung  der  verbündeten  Streit- 
kräfte entzog  sich  die  Lösung  der  Frage  des  Obercommandos 
der  directen  Einwirkung  des  Grafen  Kaunitz.  Nach  langer  Ver- 
handlung zwischen  den  betheiligten  Regierungen  einigte  man 
sich  dahin,  es  in  die  Hände  des  Herzogs  von  Cumberland, 
zweiten  Sohnes  des  Königs  von  England  zu  legen.  Was  diesem 
noch  sehr  jungen  Prinzen  an  Eri'ahrung  abging,  trachtete  man 
dadurch  zu  ersetzen,  dass  man  ihm  den  hochbetagten  Feld- 
marschall Grafen  Königsegg  beigab. 

Nicht  allzuschwer  hätte  man  vorhersehen  können,  dass 
sich  diese  Combination  gegenüber  der  einheitlichen  Führung  der 
Franzosen,  welche  durch  den  Marschall  von  Sachsen  befehligt 
wurden,  als  unzulÄnghch  herausstellen  werde.  Auch  sonst  lagen 
alle  Umstände  zu  Gunsten  der  Franzosen.  Ihre  Armee  war  weit 
zahlreicher  als  die  der  Verbündeten;  sie  bestand  aus  Truppen 
von  einer  und  derselben  Nationalität  und  erhielt  aus  Frankreich 
selbst  ununterbrochenen  Nachschub  an  Kriegsbedarf  aller  Art. 
Der  Marschall  von  Sachsen  schritt  daher  gleich  beim  Beginne 
des  Feldzuges  an  die  Belagerung  von  Tournay,  jener  starken 
flandrischen  Festung,  welche  durch  i>üOO  Mann  holländischer 
Truppen  vertheidigt  wurde.  Diesen  Platz  zu  entsetzen  und  den 
Franzosen  womöglich  die  RUckzugslinie  abzuschneiden,  rUckten 
die  Verbündeten  an  sie  heran.  Kaunitz  versprach  sich  das  Beste 
von  ihrem  Unternehmen,'  aber  der  Angriff  auf  die  Belagerer 
misslang,  und  in  der  so  berühmt  gewordenen  Schlacht  bei 
Fontenoy  wurden  die  Verbündeten  am  11.  Mai  1745  entschei- 
dend geschlagen. 

Unter  den  Kanonen  der  Festung  Ath  zogen  der  Herzog 
von  Cumberland  und  Graf  Königsegg  ihre  besiegten  Truppen 
wieder  zusammen.  Von  dort  aus  setzte  noch  am  Unglückstage 
selbst  Königsegg  den  Grafen  Kaunitz  von  dem  Geschehenen  in 
Kenntniss.  Dem  überlegenen  Feuer  der  Franzosen,  sowohl  der 
Artillerie  als  der  Kleingewehre,  schrieb  er  den  Ausgang  der 
Schlacht  zu.* 


•  Kaunitz  an  UlfeWt.    Brttsnel,  7.  Mai  1746. 

*  Königsegg  an  Kaunitz.   Ath,  U.  Mai  1746. 
AKkiT.  ULXXVUI.  Bd.  I.  Hiin«. 


82 


Man  kann  sich  wohl  denken,  dass  Kaiinitz  durch  die 
unerwartete  Ercigniss  peinlichst  berührt  wurde.  Es  sei  umso- 
mehr  zu  bedauern,  heisst  es  in  einem  seiner  Briefe  vom  folgen- 
den Tage,  als  es  sich  schon  am  Anfange  des  Feldzuges  zutrug. 
Es  werde  nicht  nur  den  Ruin  des  Landes  nach  sich  ziehen,  in 
welchem  die  Franzosen  bis  zur  Ankunft  namhafter  Verstärkun- 
gen der  Verbündeten  ungehindert  den  Meister  spielen  wtirden, 
sondern  ausser  dem  in  der  Schlacht  erUttenen  Verluste  noch 
die  9000  Mann  kosten,  welche  als  Besatzung  in  Toumay  lägen. 

Was  ihn  selbst  angehe,  fuhr  Kaunitz  fort,  dürfe  man  jeder- 
zeit überzeugt  sein,  dass  er  sich  bei  solchen  Vorfällen  nicht 
schläfrig  benehmen  werde.*  Noch  in  dieser  Nacht  wolle  er  sich 
zur  Armee  begeben,  wenn  er  es  thun  könne,  ohne  sich  der 
Gefahr  auszusetzen,  von  den  feindlichen  Streifpartien  aufge- 
hoben zu  werden.  Und  obgleich  aus  diesem  Gninde  die  Äus- 
filbning  seines  Vorsatzes  wenigstens  fiir  jetzt  noch  unterblieb,* 
bot  er  doch  Alles  auf,  was  in  seiner  Macht  stand,  um  die  Folgen 
der  Niederlage  nicht  allzu  unheilvoll  werden  zu  lassen. 

Am  ausgiebigsten  wurde  er  in  diesem  Bestreben  durch 
die  Thatsache  unterstützt,  dass  eine  ruhigere  und  genauere 
Betrachtung  der  Dinge  sie  weniger  trostlos  erscheinen  licss,  als 
man  dies  unter  dem  Eindrucke  der  ersten  Bestürzung  geglaubt 
hatte.  Die  Besorgniss,  welche  damals  Jedermann  hegte,  der 
Feind  werde  aus  dem  von  ihm  errungenen  Siege  und  aus  der 
Verwirrung,  die  gleich  nach  der  Schlacht  in  den  Reihen  der 
Verbündeton  herrschte,  allen  nur  immer  möglichen  Nutzen  zu 
ziehen  wissen,  sie  bis  Ath  verfolgen  und  ihnen  keine  Zeit  lassen, 
sich  wieder  zu  sammeln  und  zu  erholen,  ging  nicht  in  Erfüllung. 
Die  Franzosen  blieben  bei  Tournay  stehen,  verschanzten  sich 
dort  noch  stärker  als  vorher  und  schienen  sich  mit  der  Fort- 
setzung der  Belagerung  dieser  Festung  begnügen  zu  wollen.' 
Am  22.  Mai  ergab  sich  denn  auch  die  Stadt,  die  zahlreiche 
Garnison  aber  zog  sich  in  die  überaus  starke  Citadellc  zurück. 
Freilich  sagte  Kaunitz,  der  so  wie  der  Herzog  von  Cumber 
land  und  Königsegg  über  die  rasche  Uebergabe  der  Stadt  Tour- 
nay sehr  erbittert  war,  auch  der  Citadelle  keine  lange  Verthei- 
digung  vorher,    denn   in  Folge  der  Capitulation  der  Stadt  war 

'  ,qne  je  ne  m'endon  pas  dacs  cos  sortes  d'occjiaiona.* 

*  Kaunits  an  Ulfeldt.  BrOssel,  4.  Juni  1745. 

•  KanniU  .-«n  OTfoldt.  H.  Mai  1745. 


83 


sie  mit  Menschen  so  überfüllt,  dass  schon  der  Mangel  an  Unter- 
halt für  diese  sie  bald  zu  Fall  bringen  niusste.' 

Zu  gi'osser  Genngthuung  gereichte  es  Kaunitz,  dass  man 
sich  auch  am  Wiener  Hofe  durch  die  Schlacht  von  Fontenoy 
nicht  muthlos  machen  liess.  ,In  missliclien  Umstünden,'  heisst 
es  in  einem  von  Maria  Theresia  selbst  unterzeichneten  Schreiben 
an  ihn,*  ,muss  sicli  zum  standhaftesten  bezeiget  und  der  getreue 
Diensteifer  verdoppelt  werden.  Ich  halte  mied  dessen  von  Euch 
gn&digst  sicher.'  Sie  weist  ihn  an,  in  England  und  in  Holland 
auf  Verstilrkung  der  verbtlndeten  Armee  zu  dringen.  Da  sie 
aber  einsah,  dass  beide  Mächte  doch  nictit  so  viele  Truppen 
nach  den  Niederlanden  würden  absenden  können,  um  dort  das 
numerische  Uebergewicht  über  die  Franzosen  zu  erlangen,  ging 
sie  darauf  aus,  diese  durch  eine  mächtige  Diversion  am 
Rhein  zu  zwingen,  sich  durch  Detachirung  eines  ansehnlichen 
Theiles  ihrer  Streitkräfte  dorthin  in  den  Niederlanden  zu 
schwächen,  Der  gemessenste  Befehl,  der  nur  immer  gedacht 
werden  kann,  wurde  zu  diesem  Zwecke  an  den  Herzog  von 
Arenberg  erlassen.'  , Weder  Replik,  Einwendung,  noch  Verzug,' 
schrieb  ihm  Maria  Theresia,  ,gestatte  ich  hierunter  Euer  Liob- 
dcn;  sondern  versehe  mich  der  getreuen,  pflichtschuldigsten 
Befolgung.' 

Eine  rasche  Wirkung  dieser  Befehle,  selbst  wenn  sie  pünkt- 
lich vollzogen  worden  wären,  Hess  sich  übrigens  doch  nicht 
erwarten.  Inzwischen  gereichte  es  Kaunitz  schon  zu  einigem 
Tröste,  dass  aus  England  wie  aus  Holland  nicht  ganz  unbeträcht- 
liche Verstärkungen  eintrafen,  und  dass  sich  auch  die  Citadelle 
von  Toumay  länger  und  tapferer  vcrtheidigte,  als  man  Anfangs 
zu  hoffen  gewagt  hatte.  Aber  war  schon  die  Unthätigkeit  der 
Armee  der  Verbündeten,  welche,  fortwährend  auf  neue  Zuzüge 
wartend,  unbeweglich  bei  Lessines  im  Lager  stand,  nicht  nach 


Kauuitz  aa  Carl  vnu  Lotliringfen.  Brtiüsel,  1.  Juni  1746:  ,V.  A.  8.  sait 
k  präsent  .  .  que,  gräces  &  Dieu,  le  mal  n'a  pas  6t6  si  grand  qu'il  l'a  para 
iVabord.  Ce  seroit  mßme  aiitant  qne  rien,  si  Tonmay  no  »'ötoit  pas  d&- 
fendn  et  rendn  k  la  HoUandaiee.  M.  le  Marichal  et  aurtont  lo  Unc  de 
ComberlaDd  eii  sont  fiirieu».  Le  commandant  de  In  citadullo  a  ordre  de 
la  d^fendre,  mais  par  In  cnpitnlatiun  de  In  ville  olle  o»t  si  »arcliarg^ 
de  boDcheü,  qne  jn  no  mo  flatto  pas  d'uno  longue  defense.' 
E«  i«t  von  Bartoniitein  vorfasHt  und  vom  23.  Mai  1746  datirt 
Am  22.  Mai   1746. 

6» 


84 


seinom  Geschmacke,  so  erftillte  ihn  vollends  die  Nachricht  von 
der  Niederlage,  welche  am  4.  Juni  Prinz  Carl  von  Lothringen 
bei  Hohenfriedberg  erlitt,  mit  grosser  Betrübniss.  ,Bei  alledem,' 
schrieb  er  am  22.  Juni,  drei  Tage,  nachdem  sich  die  Citadelle 
von  Tournay  endlich  ergeben  hatte,  an  den  Uofkanzler  Ulfeldt, 
,hoffe  ich  noch  das  Beste,  und  die  mächtige  Hand,  die  sich  in 
weit  misslicheren  Umständen  kräftig  erzeiget,  ist  nicht  verkünrt 
und  wird  noch  mehrere  menschliche  Anschläge  zunichte  machen. 
Der  anzuhoffende  glückliche  Ausschlag  der  Kaiserwahl  kann 
nicht  anders  als  von  grosser  Folge  sein.  Und  wenn  der  fran- 
zösische Hof  sein  eigenes  wahres  Interesse,  wie  es  vermuthlich 
von  Einigen  geschieht,  recht  erkennen  will,  so  sollte  ihm  die 
Afifaire  in  Schlesien  keine  sonderliche  Freude,  sondern  weitere», 
auf  die  Erfahrung  gegrlindetes  Nachdenken  veinirsachen.' 

Die  Stimmung,  in  welcher  sich  Kaunitz  damals  befand, 
und  seine  Anschauung  Über  die  politische  Lage  im  Allgemeinen 
lassen  sich  am  besten  den  vertraulichen  Aeusserungen  entnehmen, 
in  denen  er  sich  bei  Uebersendung  von  Depeschen  aas  Paris 
nach  Wien  gegen  Ulfeldt  erging.  Von  dem  Marquis  Choiseul 
de  Stainville,  dem  Gesandten  des  Grossherzogs  von  Toscana  in 
Frankreich,  rührten  sie  her.  Trotz  dem  oflFenen  Kriege  zwischen 
diesem  Staate  und  Oesterrcich  meinte  Stainville  doch  immer 
von  friedlichen  Gesinnungen  berichten  zu  dürfen,  welche  ein- 
flussreiche französische  Staatsmänner  hegten.  Lisbesondere  war 
es  der  Cardinal  Tencin,  der  sich  ihm  gegenüber  wiederholt  flir 
baldige  Beendigung  der  Feindseligkeiten  zwischen  Oesterreich 
und  Frankreich  erklärt  haben  sollte.' 

Kaunitz  war  nur  der  Uebersender  dieser  Depeschen  und 
kannte  ihren  Inhalt  nicht,  aber  er  war  von  grosser  Besorgniss 
erfüllt,  dass  dieser  ein  sehr  unbefriedigender  sein  werde.  Er 
konnte  sich  nicht  enthalten,  auch  angefragt  seine  Meinung  da- 
hin auszusprechen,  dass,  wenn  unter  dem  Eindrucke  der  beiden 
Schlachten  von  Fontenoy  und  von  Hohenfriedberg  Frankreich 
darauf  ausgehe,  fUr  sich  und  tUr  Preussen  gleichzeitig  einen 
vortheilhaften  Frieden  zu  erwirken,  hievon  die  übelsten  Folgen 
für  das  Haus  Oesterreich  zu  gewärtigen  wären.  Daher  sehe  er 
auch,  fuhr  er  fort,   keiner  Nachricht  mit  grösserem  Verlangen 


'  StAinville  an  den  Orosshenog.  Parti,  16.  Jani  1746.   Ameth, 
MarU  Theresia«  Ul,  S.  487, 


85 


als  der  entgegen,  dass  sich  die  Verbündeten  nicht  vor  Beendi- 
gung des  Feldzuges  mit  Friedensgedanken  beschäftigen,  'öder 
dass  sie  doch  wenigstens  nicht  auf  einen  allgemeinen  Frieden 
mit  Einschluss  Preusscns  vorfallen  würden,  denn  ein  solcher 
müsste  das  Haus  Oesterreich  derart  schwächen,  dass  es  sich 
hieven  wohl  nie  mehr  erholen  könnte.' 

Dass  er  nichts  für  so  nothwendig  hielt  als  die  möglichst 
energische  Fortführung  des  Krieges,  bewies  Kaunitz  auch  durch 
den  Eifer,  mit  welchem  er  in  den  Niederlanden  selbst  die  Wer- 
bung von  Soldaten  zur  Verstärkung  der  einheimischen  Streit- 
kräfte betrieb.  Da  es  aber  in  Folge  der  dort  obwaltenden 
eigenthlimlichen  Verhältnisse  damit  nicht  so  rasch  vorwärts 
ging,  als  die  Generahtät  wünschte  und  die  Umstände  ver- 
langten, war  Kaunitz  schon  lang  auf  den  Gedanken  verfallen, 
so  wie  es  zur  Zeit  des  spanischen  Successionskrieges  geschehen 
war,  so  auch  jetzt  wieder  eine  dorfweise  Aushebung*  zu  ver- 
anstalten. Die  Schwierigkeit,  hiezu  die  erforderliche  EinwiUigung 
der  Stände  zu  erhalten,  die  sie  voraussichtlich  von  der  Ver- 
ringerung der  Subsidien  abhängig  machen  wtlrden,  die  Hin- 
dernisse, welche  die  Verfassung  des  Landes  der  Durchfllhrung 
seines  Planes  in  den  Weg  legte,  hatten  Kaunitz  bestimmt, 
diesen  Plan  wenigstens  vorderhand  wieder  fallen  zu  lassen. 
Seitdem  aber  die  Nachricht  von  der  unglücklichen  Schlacht 
bei  Hohcnfriedberg  eingetroffen  und  hiedurch  alle  HoflFnung 
auf  Zuzug  aus  Deutschland  vernichtet  war,  kam  Kaunitz  auf 
sein  früheres  Project  wieder  ziuück  und  nahm  dessen  Durch- 
führung energisch  in  Angriff.  Freilich  bestand  das  günstigste 
Resultat,  das  er  sieh  hievon  versprach,  in  nicht  mehr  als  einer 
Verstärkung  der  einheimischen  Regimenter  um  etwa  ein-  bis 
fünftausend  Mann.' 

Man  stellt  sich  gewöhnlich  den  Foldzug  des  Marschalls 
von  Sachsen  in  den  Niederlanden  wie  einen  rasch  dahiubniusen- 
den.  Alles  vor  sich  niederwerfenden  Siegeszug  vor,  in  Wirklich- 
keit aber  ging  auch  auf  französischer  Seite  Alles  ungemein  lang- 
sam von  Statten.  Erst  drei  Wochen  nach  dem  Falle  der  Citadclle 
von  Toumay,  am  11.  Juli  bemächtigten  sich  die  Franzosen  durch 


■  KaaniU  an  Ulfeldt.  S3.  Juni  1745. 

*  ,nne  levöe  par  cluclier'. 

*  Kaunitz  an  Ulfeldt.  Brüssel,  23.  Jani  1746. 


86 

einen  Handstreich  der  Stadt  Gent,  und  nach  wenigen  Tagen 
ergab  sich  ihnen  die  dortige  Citadelle.  Am  18.  Juli  öffiiete 
Brügge  dem  Feinde  seine  Thore,  und  am  21.  fiel  Oudenarde, 
worauf  wieder  eine  längere  Pause  in  den  Fortschritten  des 
Feindes  eintrat. 

EigenthUmlicherweise  erfüllten  die  Franzosen  durch  diese 
Art  ihrer  Kriegführung  einen  der  sehnlichsten  Wunsche  des 
Grafen  Kaunitz.  Da  die  Armee  der  Verbündeten  durch  die  in 
der  Schlacht  bei  Fontenoy  erlittenen  und  noch  immer  bei  Weitem 
nicht  ersetzten  Verluste,  sowie  durch  die  Besatzungen,  die  sie 
nach  Ath,  Mons,  Charleroi  und  Namur  werfen  musste,  gar  sehr 
geschwächt  war,  bekannte  sich  Kaunitz  zu  der  Ansicht,  der 
um  so  viel  stärkere  Feind  könne  ungestraft  unternehmen,  was 
er  nur  wolle.  Brüssel  stehe  in  Gefahr,  jeden  Augenblick  von 
ihm  weggenommen  zu  werden.  £s  sei  daher  dringend  zu  wün- 
schen, dass  der  Feind  seine  Zeit  und  seine  Kraft  nur  an  die 
Belagerung  von  Festungen  wende.' 

Aber  freilich  zog  auch  dieses  Verfahren  der  Franzosen 
sehr  grosse  Nachtheile  fUr  die  Sache  der  Verbündeten  nach 
sich.  Mit  jedem  Platze,  den  der  Feind  wegnahm,  erweiterte 
sich  das  Gebiet,  welches  ihm  ausschliesslich  zugänglich  wurde, 
in  ansehnlicher  Weise.  Die  härtesten  Erpressungen  nahmen  die 
Franzosen  daselbst  vor,  so  dass  die  Provinz  Flandern,  aus 
welcher  die  niederländische  Regierung  bisher  noch  die  verhält- 
nissmässig  meisten  Einkünile  bezogen  hatte,  bald  ganz  ausser 
Stande  war,  noch  irgend  einen  Beitrag  zur  Bestreitung  der  durch 
die  Kriegführung  so  hoch  gesteigerten  StaatsauBgaben  zu  leisten. 
Auch  aus  den  anderen  Provinzen  ging  nur  sehr  wenig  ein,  und 
in  wirklich  Mitleid  erregenden  Worten  schilderte  Kaunitz  die 
Geldverlegenheiten  der  Regierung,  um  schleunige  Abhilfe  bittend. 
Aber  trotz  dieser  Nothlage  war  er  doch  keineswegs  für  wider- 
standslose Unterwerfung  unter  das,  was  zaghafteren  Gemüthem 
imabwendbar  erschien.  Ja  er  drang  in  den  Grossherzog  Franz, 
leichte  Cavallerie  nach  den  Niederlanden  abgehen  zu  lassen. 
Denn  noch  befanden  sich  genug  Plätze  in  den  Händen  der  Ver- 
bündeten, um  von  dort  aus  durch  verheerende  StreifzUge  auf 
französisches  Gebiet  Repressalien  für  die  von  dem  Feinde  in 
Belgien  verübten  Unthaten  zu  nehmen. 


*  Kannitz  an  Carl  Ton  Lothringen.  Brttssel,  9.  Juli  1746. 


87 


Kaunitz  wiisste  wohl,  dass  er  durch  solche  Vorstellungen 
zwar  seine  Pflicht  erftülte,  aber  auf  Gewährung  seiner  Bitten 
kaum  hofi'en  durfte.  Denn  die  Hilfsquellen  der  österreichischen 
Regierung  waren  ja  lang  schon  erschöpft,  und  eine  Schwächung 
ihrer  Streitkräfte  auf  den  übrigen  Kriegsschauplätzen  zu  Gunsten 
der  niederländischen  schien  umsowcniger  thunlich,  als  bei  der 
weiten  Entfernung  ein  dorthin  abgehender  Succurs  ohnedies 
kaum  rechtzeitig  eintreffen  konnte.' 

In  der  Nacht  vom  2.  auf  den  3.  August  erhielt  Kaunitz 
die  vertrauliche  Nachricht,  am  1 .  seien  in  Gent  ein  grosser  Kricgs- 
rath  gehalten  und  der  Beschluss  gefasst  worden,  die  französische 
Armee  in  zwei  Hälften  zu  theilen;  die  eine  solle  auf  Tcrmoude, 
die  andere  direct  auf  Brüssel  losgehen  und  diese  Stadt,  wie  es 
mit  Gent  geschehen  war,  überfallen.  Kaunitz  war  nicht  der 
Meinung,  dass  ein  solches  Vorhaben  in  Brüssel  gelingen  würde. 
Dennoch  versäumte  er  keine  Vorsicht,  diese  Stadt  gegen  einen 
plötzhchen  Angriff  sicherzustellen.  Und  er  hess,  in  etwa  hundert 
Kisten  verpackt,  die  wichtigsten  Acten  der  verschiedenen  Be- 
hörden und  ungefilhr  achtzig  Kisten  mit  den  kostbarsten,  dem 
Hofe  gehörigen  Gegenständen  nach  Antwerpen  abgehen.  Für 
seine  eigene  Person  und  seine  Habe  zeigte  er  sich  unbesorgt 
und  wartete  in  Ruhe  die  Ereignisse  ab.*  Und  an  den  Prinzen 
Carl  von  Lothringen  schrieb  er  noch  am  12.  August,  er  hoffe 
Dicht  von  Brüssel  vertrieben  zu  werden;  denn  die  Eifersucht 
und  Zwietracht  zwischen  den  französischen  Generalen  und  ins- 
besondere den  zwei  Fremden,  welche  jetzt  in  der  Mode  seien 
—  Moriz  von  Sachsen  und  Lüwcudal  —  werden  vioUeieht  doch 
noch  der  Sache  der  Verbündeten  eine  günstigere  Wendung 
geben.* 

An  dem  Tage,  an  welchem  Kaunitz  dies  niederschrieb, 
zog  Termondo  die  weisse  Fahne  auf  und  capitulirte.  Ostende 
folgte  noch  während  des  Monates  August,  und  so  war  um  jene 
Zeit  die  Provinz  Flandern  ganz  in  den  Händen  des  Feindes. 
Der  Fall  von  Nieuport  aber,  das  sich  am  5.  September  ergab, 


'  KAunitz  au  deu  Orossberzog.  21.  Juli  1745. 

*  Kaunitz  su  Ulfeldt   Brüssel,  3.  August  1746. 

*  ^'eapöre  toujours  qu'on  ne  noua  obligora  pas  ä  aUaiiduiiiior  Uruüsolles, 
et  que  la  jalunsie  et  le  peu  de  concert  qu'il  y  a  outre  \ea  i;<Juüranx 
fran^ais  et  le.s  deux  otrnngeurs  qui  sont  &  la  modo  dans  cotte  campogue, 
tournera  i  nutre  avautage.' 


88 

schloss  ftir  längere  Zeit  die  Reihe  der  französischen  Eroberangen 
auf  niederländischem  Gebiete.  Dass  dies  zu  einer  Jahreszeit 
geschah,  welche  gerade  die  günstigste  zur  Fortsetzung  der  Ope- 
rationen gewesen  wäre,  zu  der  eine  so  gewaltige  Uebermacht 
zu  Gebote  stand,  muss  wohl  zu  dem  entgegengesetzten  Urtheile 
über  die  Kriegführung  der  Franzosen  und  des  Marschalls  tob 
Sachsen  leiten,  als  hierüber  gewöhnlich  gefüllt  wird. 

Diese  Unthätigkeit  der  so  weit  überlegenen  feindlichen 
Armee  konnte  auf  die  Streitkräfte  der  Verbündeten  and  die 
Bevölkerung  der  Niederlande  überhaupt  nur  ermathigend  wir- 
ken. Durch  die  Nachricht,  dass  am  13.  September  1745  in 
Frankfurt  die  Wahl  des  Grossherzogs  von  Toscana  zum  römi- 
schen Könige  stattgefunden  habe,  wurde  diese  Stimmung  nicht 
wenig  befestigt,  denn  die  Menge  sah  hierin  einen  überzeugen- 
den Beweis,  die  Sache  des  Hauses  Oesterreich  sei  im  Begriffe, 
den  Sieg  davonzutragen  über  die  auf  sein  Verderben  abzielen- 
den Bestrebungen  seiner  Feinde. 

Aber  freilich  war  die  Freude,  die  man  hierüber  in  den 
Niederlanden  empfand,  und  welcher  Kaunitz  durch  glänzende 
Feste,  die  er  in  Brüssel  veranstaltete,'  Ausdruck  verlieh,  nur 
von  sehr  kurzer  Dauer.  Die  Nachricht  von  der  neuerlichen 
Niederlage,  welche  Prinz  Carl  von  Lothringen,  und  zwar  am 
30.  September  bei  Soor  durch  den  König  von  Preussen  eriitt, 
traf  ungefähr  gleichzeitig  mit  einer  zweiten  dort  ein,  welche 
flir  die  Niederlande  von  noch  grösserer  Wichtigkeit  war.  Die 
glückliche  Landung  des  Prätendenten  Stuart  an  der  schottischen 
Küste,  die  reissenden  Fortschritte,  die  er  dort  machte,  der  voll- 
ständige Sieg,  den  er  bei  Preston-Pars  über  den  englischen 
General  Cope  erfocht,  die  Besorgniss  endlich  vor  einer  En- 
schiffung  französischer  Hilfätruppen  in  Dttnkirchen  oder  Ostende, 
Alles  dies  zusammengenommen  zwang  die  britische  Regierung, 
den  grössten  Theil  ihrer  in  den  Niederlanden  befindlichen  Streit- 
kräfte nach  England  zurückzuziehen  und  auch  den  Herzog  von 
Cumberland  dorthin  zu  berufen.  Er  war  bestimmt,  den  Ober- 
befehl über  das  Heer  zu  fUhren,  welches  man  dem  Prätendenten 
entgegenstellen  wollte. 

Bemerkenswerth  ist  es,  dass  trotz  dieser  ansehnlichen  Ver- 
ringerung der  ohnedies  so  schwachen  Streitkräfte  der  Verbün- 

*  Kaunitz  an  Ulfeldt.  18.  September  1746. 


89 


deten  in  den  Niederlanden  sich  weder  der  Feldmarschall 
Graf  Königsegg  noch  Kaunitz  der  Besorgniss  hingaben,  der 
Feind  könnte  darauf  ausgehen,  von  diesem  fiir  ihn  so  gllnstigcn 
Umstände  noch  während  der  Winterszeit  Nutzen  zu  ziehen. 
Königsegg  übertrug  das  Couimando  über  die  in  die  Winter- 
quartiere verlegten  Truppen  dem  Feldzeugmeister  Grafen  Chan- 
clos und  begab  sich  nach  Wien.  Kaunitz  aber  berichtete  dort- 
hin, er  hege  nicht  die  geringste  Befiirehtung,  dass  der  Feind 
noch  in  diesem  Winter  an  irgend  eine  Unternehmung  zu  schreiten 
gedenke.' 

Es  scheint  wohl,  dass  diese  Meinung  wenigstens  in  Brüssel 
ziemlich  allgemein  getheilt  wurde.  Wenigstens  in  dem  dortigen 
geselligen  Leben  Hess  sich  nichts  von  einer  Besorgniss  vor  einer 
drohenden  Gefahr  verspüren,  und  ein  Vorfall,  der  eich  in  den 
ersten  Tagen  des  December  1745  in  dem  Hause  des  Grafen 
Kaunitz  zutrug,  kann  als  Beweis  gelten,  dass  sich  Viele  mit 
ganz  anderen  Dingen  als  den  politischen  und  den  militärischen 
Angelegenheiten  des  Landes  beschäftigten. 

Am  Abende  des  3.  December  war  .Spiel  im  Hause  des 
Grafen  Kaunitz.  Unter  den  Anwesenden  befanden  sich  der 
kaiserliche  Feldzeugmeister  und  commandierende  General  der 
holländischen  Truppen,  Fürst  von  Waldeck,  und  der  Oberst 
und  Generaladjutant  Mac'Donel.  Dieser,  der  ein  Glücksritter  ge- 
wesen zu  sein  scheint,  benahm  sich  bei  dem  Kartenspiele  mit 
mehreren  Damen,  welche  den  vornehmsten  Kreisen  angehörten, 
unter  ihnen  die  Fürstinnen  von  Waldeck  und  Chimay,  in  so  un- 
schicklicher Weise,  dass  ihm  eine  derselben  dies  verwies.  Fürst 
Waldeck  stimmte  dem  Tadel  bei,  der  gegen  Mac'Donel  aus- 
gesprochen wurde,  worauf  dieser  erwiderte,  von  ihm  werde 
er  wohl  nicht  erst  Höflichkeit  zu  lernen  brauchen.  Ein  heftiger 
Wortwechsel  entspann  sich ;  Fürst  Waldeck  verlangte,  Mac'Donel 
solle  den  Spieltisch  verlassen,  was  dieser  hartnäckig  verweigerte. 

Je  mehr  sich  die  Zankenden  erhitzten,  urasomchr  Kalt- 
ewahrte  Kaunitz,  der  nun  zur  Schlichtung  des  Streites 


blütigke 


'  Kaunitz  an  Ulfeldt.  BrÜAsel,  II).  November  1746:  .Zwar  RoUte  der  eilige 
Ztirückmamch  der  englischen  TrD]»|)eii  die  wnbrscheinliohe  Beyiorg^  ver- 
ursarlieii,  da«8  die  ('einde  bej-  an  nnlimb.'ifter  Vermindernng  der  nllürteu 
Armeen  noch  diesen  Winter  etwas  nnternehmeu  nnd  uns  in  nicht  geringe 
Verlegenheit  setzen  würden.  Ich  bin  aber  dessfalls  von  aller  Forobt  be- 
freiet and  nicht  die  geringste  Bennnibigung  von  diesem  Winter  vermathend.' 


90 

herbeigerufen  wurde.  Um  nicht  selbst  in  denselben  hineinge- 
zogen zu  werden,  hielt  er  sich  nur  an  Mac'Donel.  Er  hätte  von 
ihm,  sagte  er  ihm,  grössere  Achtung  tür  das  Haus  des  bevoll- 
mächtigten Ministers  Ihrer  kaiserlichen  Majestät  und  (üx  dessen 
Person  erwartet.  Und  da  Mac'Donel  erwiderte,  er  werde  diese 
Achtung  nie  aus  den  Augen  verlieren,  forderte  Kaunitz  ihn 
auf,  hievon  einen  überzeugenden  Beweis  zu  geben,  indem  er 
allsogleich  seinen  Platz  und  das  Spiel  verlasse.  Ohne  Zögern 
gehorchte  Mac'Donel,  aber  er  begann  nun  mit  dem  Feldzeug- 
meister Grafen  Chanclos,  der  gleichfalls  zugegen  war,  die  Sache 
so  laut  zu  besprechen,  dass  FUrst  Waldeck  es  hören  musste. 
Hiedurch  sah  sich  Chanclos  genöthigt,  ihn  aus  der  Gesellschaft 
wegzuschicken  und  ihm  Hausarrest  zu  geben. 

Kaunitz  verhehlte  sich  nicht,  das  sich  auch  Fürst  Wal- 
deck durch  seine  Heftigkeit  zu  verschiedenen  allzu  weitgehenden 
Aeusserungen  habe  hinreissen  lassen.  Dessen  Stellung  an  der 
Spitze  der  holländischen  Truppen  erheischte  jedoch  sehr  grosse 
Rücksicht;  Kaunitz  liess  daher  dem  Grafen  Mac'Donel  erklären, 
er  müsse  sein  Benehmen  als  eine  Verletzung  der  Achtung  an- 
sehen, die  ein  kaiserlicher  Oßicier  dem  Hause  des  bevollmäch- 
tigten Ministers  schulde.  Er  befehle  ihm  deshalb,  sich  zur  Fort- 
setzung seiner  Haft  auf  Ehrenwort  nach  der  Citadelle  von  Ant- 
werpen zu  begeben. 

Mac'Donel  weigerte  sich  umsoweniger,  diesem  Befehle 
Folge  zu  leisten,  als  darin  nicht  von  seinem  Zusammenstosse  mit 
dem  Fürsten  von  Waldeck,  sondern  nur  von  seinem  Vergehen 
wider  Kaunitz  die  Rede  war.  Dieser  aber  ftkgte  seinem  ausführ- 
lichen Berichte  nach  Wien  die  Bitte  bei,  Mac'Donel  möge 
künftighin  auf  einem  anderen  Kriegsschauplatze  Verwendung 
finden.* 

Dieser  Vorfall,  welcher  in  den  Salons  von  Brüssel  mit 
grösster  Lebhaftigkeit  besprochen  wurde,*  ist  hier  nur  erwähnt 
worden,  um  das  damalige  Leben  und  Treiben  in  denselben  zu 
kennzeichnen.  Freilich  lässt  es  sich  auch  nicht  von  fem  mit  der 
ausgelassenen  Fröhlichkeit  vergleichen,  welche  unter  der  Aegide 
des  Marschalls  von  Sachsen  im  französischen  Hauptquartiere  zu 

*  Kaunitz  au  Maria  Theresia.  4.  December  1745. 

*  Kr  iat  auch,  weungleich  hie  uud  da  unrichtig,  in  dem  Werke  von 
P.  Kuger  wiedererzählt:  Mömoires  et  Souvenirs  sur  la  Cour  de  Bmxellet, 
S.  66,  66. 


91 


Gent  herrschte.  Was  man  von  dort  hörte,  hätte  Kaunitz  in  seiner 
früheren  Meinung  bestärken  können,  den  Franzosen  liege  nichts 
ferner,  als  noch  in  diesem  Winter  an  die  Wiederaufnahme  der 
Feindsehgkeiten  zu  schreiten.  Aber  man  hatte  woht  auch  in 
Brüssel  Kenntniss  von  den  heftigen  Anklagen,  welche  in  Frank- 
reich gegen  die  Unthätigkeit  des  Marschalls  von  Sachsen  er- 
hoben wurden.  Jlancherk-i  Anzeichen  Hessen  auf  seine  Absicht 
schliessen,  pliitzhch  irgend  eine  wichtige  Unternehmung  ins  Werk 
zu  setzen;  es  könnte  vielleicht,  so  meinte  man  in  Brüssel,  der 
Festung  Luxemburg  gehen,  in  welcher  der  Feldmarschall  Graf 
Neipperg  commandirte.  Auch  Kamnitz  neigte  sich  dieser  Ansicht 
zu,  und  er  liess  sich  die  rechtzeitige  Verstärkung  der  Garnison 
von  Luxemburg  besonders  angelegen  sein.' 

In  Holland  war  man  in  hohem  Grade  imzufrieden  mit 
dieser  Massregel,  welche  naturgemäas  eine  weitere  Verringerung 
der  ohnedies  schon  so  schwachen  Streitkräfte  der  Verbündeten 
in  den  österreichischen  Niederlanden  nach  sich  zog.  Darum 
rief  die  Nachricht,  die  französischen  Truppen  in  Gent  stünden 
zum  Aufbruch  bereit,  die  Besorgniss  wach,  ihre  Absicht  könnte 
entweder  auf  Antwerpen  oder  auf  Brüssel  gerichtet  sein.  Kaunitz 
aber  war  der  Meinung,  die  ziun  Äusmarschc  aus  Gent  bestimm- 
ten Truppen  würden  den  Weg  nach  Ostende  einschlagen,  um 
dort  nach  England  eingeschifft  zu  werden.*  Auch  dann  noch 
blieb  er  bei  seiner  Meinung,  die  Franzosen  seien  weder  des 
Willens,  noch  stark  genug,  etwas  gegen  Brüssel  oder  Antwerpen 
zu  unternehmen,  als  die  holiUndischen  Generale,  auf  ihre  Kund- 
schaftsberichtc  gestützt,  die  entgegengesetzte  Anschauung  ver- 
traten.' 

Peinhch  war  die  Nachricht,  welche  Kaunitz  am  Schlüsse 
des  Jahres  1745  empfing,  dass  nicht  nur  die  englischen  Truppen, 
sondern  auch  die  in  britischem  Solde  stehenden  üÜOO  Ilesacn 
aus  den  Niederlanden  nach  England  eingeschifft  werden  sollten. 
Kaunitz  berief  nun  die  Generahtät,  deren  er  sich  und  ins- 
besondere des  hannoverschen  Generals  von  Uten  mit  Wilrme 
belobte,  zu  einer  Militärconferenz.  Man  einigte  sich  dahin,  die 
ganze    noch   vorhandene   Infanterie   als   Besatzung  in   die  zwei 


>  Ksunita  an  Maria  TLerosia.    18.  Dect<int>er  1746. 

*  Kauniti  an  Ulfoklt.  25.  Uuuembor  ITiö. 

*  Kaunitz  au   LUfelilt.   29.  Decembor  1746, 


92 


Städte  Brüssel  und  Antwerpen  zu  legen  und  vorrugsweiae  auf 
deren  Verthcidigung  bedacht  zu  sein.' 

Indem  Kaunitz  dieser  Massregel  beistimmte,  hoffte  er  von 
ihr,  dass  durch  sie  wenigstens  fUr  die  Winterszeit  eine  hin- 
reichende Sicherstellung  beider  Plätze  vor  einem  feindlichen 
Handstreiche  herbeigeführt  werden  würde.*  An  dieser  Mcinnng 
hielt  er  auch  dann  noch  fest,  als  er  die  Nachricht  von  der  vor- 
bereitenden Thiitigkeit  erhielt,  welche  seit  Kurzem  im  französi- 
schen Heerlager  herrschte.  Dem  Verdachte,  der  Marschall  von 
Sachsen  könnte  der  so  lang  dauernden  Waffenruhe  ein  plötz- 
liches Ende  bereiten,  gab  jedoch  Kaunitz  auch  dann  noch  nicht 
Raum,  als  ein  aufgefangenes  Schreiben  des  Marschalls,  in  wel- 
chem von  einer  beabsichtigten  Unternehmung  die  Rede  war, 
in  seine  Hände  gerieth.  , Sollte  aber,'  schrieb  Kaunitz  um  jene 
Zeit  nach  Wien,  ,eine  feindliche  Bewegung  erfolgen,  so  wollte 
ich  wünschen,  dass  solche  auf  die  hiesige  Stadt  gerichtet  und 
auf  die  wahrscheinliche  Vermuthung  gegründet  wäre,  als  ob 
wir  nebst  den  holländischen  Truppen  schlechte  Conteuancc 
haiton  und  in  der  ersten  Bestürzung  die  Rettungsmittel  verab- 
säumen wtü'den,  massen  ich  der  gänzlichen  Hoffnung  lebe,  dasB 
alsdann  das  Gegentheil  erfolgen  und  der  Feind  sich  in  seiner 
Rechnung  sehr  betrügen  werde.'* 

Die  Erf\lllung  dieses  , Wunsches'  des  Grafen  Kaunitz  lies« 
nicht  mehr  allzulang  auf  sich  warten.  Nach  zehntägiger  Vor- 
bereitung verliesa  der  Marschall  von  Sachsen  am  28.  Januar 
1746  Gent,  und  nun  zweifelte  auch  Kaunitz  nicht  länger,  dass 
sein  Absehen  auf  Brüssel  gerichtet  sei.  Obgleich  von  ernstlichen 
Körperleiden  heimgesucht  und  seit  drei  Tagen  am  Fieber  zu 
Bett  liegend,  erklärte  Kaunitz,  doch  in  Brüssel  aushalten  zu 
wollen.  Nichts  werde,  ftigte  er  hinzu,  verabsäumt  werden,  die 
Vertheidigung  zu  einer  hartnäckigen  zu  gestalten.^ 

Mit  diesem  Berichte  nach  Wien  fand  jedoch  auch  die 
Correspondenz  des  Grafen  Kaunitz  mit  dem  Kaiserhofe  für 
längere  Zeit  ein  Ende.  Von  dem,  was  in  und  vor  Brüssel  vor 
ging,   konnte   er  erst   nach   dem   Falle   dieser  Stadt   Meldung 


'  Kaunitc  an  Ulfeldt.   1.  Jnnuar   1746. 

*  Knunitz  an  Maria  Theresia.   Brilssol,  h.  Januar  1746. 
0  Knunitz  an  Ulfeldt.   BrQssel,   10.  Januar  1746. 

*  Kaunitz  an  den  Präsidenten  des  uiederliindi«chen  Katlies,  Ormfeu  Sjrlra- 
Taroaca.  Brüssel,  29.  Januar  1746. 


93 


erstatten;  denn  so  lange  die  Belagerung  dauerte,  war  es  zwar 
nicht  ganz  unmöglich  gemacht,  hie  und  da  eine  sehr  kurz  ge- 
fasste  Mittheilung  nach  Aussen  gelangen  zu  lassen,  von  einer 
förmlichen  Berichterstattung  aber  konnte  nicht  mehr  die  Rede  sein. 
Die  erste  Kundgebung,  welche  man  als  ein  sicheres  An- 
zeichen betrachten  durfte,  Moria  von  Sachsen  führe  die  Weg- 
I  nähme  Brüssels  im  Sinne,  bestand  in  einem  Schreiben  dieses  Mar- 
schalls an  den  Grafen  Lannoy,  Mihtärgouverneur  von  Brüssel.' 
Er  bat  ihn  darin,  die  etwaige  Verbrennung  der  Vorstädte  dieses 
Platzes  als  eine  zwar  damals  gewöhnliche,  aber  ebenso  nutz- 
lose wie  barbarische  Massregel  zu  unterlassen. 
I  Kaunitz  versichert,  dass  noch  vor  Ankunft  dieses  Briefes 

die   in   Brüssel    versammelte   Generalität  die  Verschonung   der 

»Vorstädte  beschlossen  habe.  Ausserdem  behauptet  er,  sie  habe, 
während  Brüssel  vom  Feinde  umschlossen  wurde,  eine  ziemlich 
kleinmüthige  Sprache  geführt  und  hervorgehoben,  dass  die 
Festungswerke  schwach  und  an  verschiedenen  Orten  leicht  zu 
ersteigen  seien,  so  dass  die  Gefahr  nicht  ferne  liege,  Brüssel 
könnte  durch  einen  nachdrückhchen  Angriff  mit  dem  Degen  in 
der  Faust  weggenommen  werden.  Die  Artillerie  bestünde  ausser 
einigen,  jedoch  nur  sehr  wenigen  Zwölfpfündern  aus  lauter 
kleinen  Geschützen,  welche  dem  Feinde  unmöglich  beträcht- 
lichen Schaden  zufügen  könnten.  Die  Garnison  aber  zähle 
allerdings  siebzehn  theils  holländische,  tlieiis  schweizerische  Ba- 
taillone, deren  wirkhcher  Mannschaftsstand  sei  jedoch  so  gering, 
dass  er  zur  Vertheidigung  einer  so  grossen  Stadt  wie  Brüssel 
bei  Weitem  nicht  zureiche. 

Es  soll  nicht  verschwiegen  werden,  dass  diese  Betrach- 
tungen auch  auf  Kaunitz  einen  gewaltigen  Eindruck  hervor- 
brachten und  er  einen  Augenblick  seines  erst  vor  wenigen 
Wochen  ausgesprochenen  Vorsatzes,  Brüssel  standhaft  zu  ver- 
theidigen,  nicht  mehr  eingedenk  gewesen  zu  sein  scheint.  Er 
selbst  gesteht  zu,  eine  lange  Zeit  im  Zweifel  gewesen  zu  sein, 
ob  nicht  die  Rettung  der  ganzen  Besatzung  den  Verbündeten 
vortheühafter  sein  würde  als  eine  Behauptung  der  Stadt,  von 
welcher   sich    eine   sehr   lange  Dauer   doch   nicht   vorhersehen 


"  Nicht  an  Raanitz,  wie  Weber,  Moriz  Graf  vou  Sacliiten,  Leipzig  ISfiS, 
8.  SU,  und  Taillandier,  Maurice  do  Saxe,  Paris  1866,  S.  284,  irrtliümlich 
berichten. 


94 


Hesse.  Er  besprach  sich  hierüber  mit  dem  Foldzeugmeister 
Grafen  Chanclos  und  fand  ihn  diesem  Vorschlage  geneigt.  Schon 
trafen  sie  unter  sich  die  Verabredung,  dass  Kaunitz  in  Be|;lei- 
tung  der  österreichischen  Husaren  aus  der  »Stadt  ziehen  und 
trachten  solle,  nach  Antwerpen  durchzukommen,  da  soheiterte 
das  ganze  Projcct  an  dem  entschiedenen  Widerstände  des  Ge- 
nerals van  der  Duyn,  Commandanten  der  holländischen  Truppen. 
Er  erklärte  mit  Bestimmtheit,  nicht  auf  den  Aasmarsch  ans 
Brüssel,  sondern  auf  die  Vertheidigung  dieses  Platzes  lauteten 
alle  seine  Instructionen,  und  er  würde  sich  der  grössten  Ver- 
antwortung  aussetzen,   wenn  er  ihnen  zuwider  handeln  wollte. 

War  er  auch  einen  Moment  lang  der  entgegengesetztcu 
Meinung  gewesen,  so  begriff  darum  Kaunitz  doch  nicht  minder, 
dass  dasjenige,  was  man  überhaupt  thun  wolle,  mit  Nachdruck 
und  Entschlossenheit  ausgeAihrt  werden  müsse.  Könne  man  An- 
gesichts der  Weigerung  des  Generals  van  der  Duyn  an  einen 
Ausmarsch  aus  Brüssel  nicht  mehr  denken,  so  müsse  die  Ver- 
theidigung dieser  Stadt  mit  um  so  grösserer  Energie  betrieben 
werden.  Nur  von  dieser  sprach,  nur  in  ihrem  Sinne  han- 
delte er  fortan,  und  es  darf  ihm  daher  auch  kein  geringer  An- 
theil  an  dem  preiswürdigen  Widerstände  Brüssels  zugeschrieben 
werden. 

Mit  so  grossen  Widerwärtigkeiten  hatte  der  Feind  beim 
Beginne  der  Belagerung  zu  kämpfen,  und  so  schwer  wurde 
ihm  insbesondere  bei  dem  heftigen  Regenwetter,  welches  ein- 
getreten war,  der  Transport  seines  schweren  Geschützes  gegen 
Brüssel,  dass  sich  ein  Schimmer  von  Hoffnung  aufthat,  das 
feindliche  Unternehmen  könnte  missHngen.  Die  Belagerer  nach 
Möglichkeit  zu  beunruhigen,  legte  Kaunitz  in  dringenden  Briefen 
dem  zu  Antwerpen  befindlichen  General  von  Uten  ans  Herz. 
Und  dem  Commandanten  zu  Mona,  Grafen  Nava  empfahl  er, 
sich  die  Schwächung  der  französischen  Garnisonen  zunutze  zu 
machen  und  aus  feindlichem  Gebiete  ansehnliche  Contributionen 
einzutreiben. 

Aber  durch  die  Ueberzahl  seiner  Truppen  und  seine  eigene 
Ausdauer  kam  der  Marschall  von  Sachsen  doch  schliesslich  ans 
Ziel.  Nachdem  er  allen  Hindernissen  zum  Trotze  seine  schwere 
Artillerie  vor  Brüssel  geschafft  hatte,  eröffnete  er  in  der 
Nacht  vom  7.  zum  8.  Februar  die  Tranchöen  und  bezog  sie  am 
folgenden  l^Iittag  mit  fliegenden  Fahnen  und  klingendem  Spiel. 


95 


An  demselben  Tage,  an  welchem  sich  dies  vor  Brltasel 
ereignete,  drang  Ktiunitz  in  die  versammelte  Generalität,  mit 
hinlänglicher  Streitmacht  einen  ernstlichen  Ausfall  zu  unter- 
nehmen. Die  Chefs  der  einzelnen  Truppenkürper  zeigten  nur 
wenig  guten  Willen  hiezu,  aber  den  nachdrücklichen  Vor- 
stelltmgen  des  Grafen  Kaunitz  und  des  Generals  van  der  Duyn 
gelang  es  endhch  doch,  sie  zu  diesem  Unternehmen  xu  be- 
stimmen. Als  CS  aber  am  Abende  des  9.  Februar  mit  etwa 
1000  Mann  ins  Werk  gesetzt  wurde,  geschah  dies  mit  so  wenig 
Energie,  dass  nur  etwa  die  ILtlfle  der  hiezu  gewidmeten  Mann- 
schaft aus  dem  bedeckten  Wege  vorrückte  und  sich  nach 
kurzem  Feuer,  ohne  etwas  Erwilbnenswerthes  ausgerichtet  zu 
haben,  wieder  zurückzog.  Von  diesem  Augenblicke  an  gab 
Kaunitz  jeden  Gedanken  an  fernere  AusfHlIe  auf.  Man  müsse 
sich  künftighin,  so  meinte  er,  auf  eine  möglichst  gute  Verthei- 
digung  innerhalb  der  Festungswerke  beschranken. 

Inzwischen  hatte  der  Feind  eine  zweite  Parallele  aufge- 
worfen und  war  am  10.  Februar  mit  dieser  Arbeit  so  weit  ge- 
kommen, dass  er  begann,  Bomben  auf  die  Festungswerke  und 
in  die  Stadt  zu  schleudern.  Van  der  Duyn  liesa  nun  gegen 
Kaunitz  die  Bemerkung  fallen,  man  möge  die  Sache  nicht  zu 
weit  treiben,  sondern  bei  Zeiten  auf  die  Rettung  der  Garnison 
bedacht  sein.  Kaunitz  erwiderte,  er  habe  diese  immer  fllr 
nützlicher  als  eine  nur  um  wenige  Tage  längere  Vertheidi- 
gung  gehalten.  Könne  fllr  die  Besatzung  noch  deren  freier  Ab- 
zug erwirkt  werden,  so  brauche  man  sich  keinen  Vorwurf 
daraus  zu  machen,  Brüssel  mit  Capitulation  zu  übergeben;  im 
entgegengesetzten  Falle  müsse  man  die  Vertheidigung  nach- 
drücklich fortsetzen.  Die  Auf{jflanzimg  der  weissen  Fahne  aber 
hatte  wegen  des  unerwünschten  Eindruckes,  den  sie  auf  Fround 
und  Feind  hervorbringen  würde,  um  jeden  Preis  zu  unterbleiben. 

Um  jedoch  sein  Anbringen,  und  zwar  in  unauffälliger 
Weise  an  den  Marschall  von  Sachsen  gelangen  zu  lassen,  gab 
Kaunitz  ein  an  ihn  gerichtetes  Schreiben  einem  holländischen 
Trompeter  mit,  welcher  freigegebene  Gefangene  nach  dem  fran- 
zösischen Lager  zu  geleiten  hatte.  Fast  nichts  als  die  Ankündigung 
war  darin  enthalten,  man  sei  zur  Uebergabe  bereit,  wenn  der 
Besatzung  freier  Abzug  mit  allen  Kriegsehren  zugestanden  würde.' 


KAnnitz  an  den  Marschall  von  Sachsen.   Brüssel,  10.  Februar  174G. 


96 

Je  einfacher,  ja  lakonischer  der  Brief  des  Grafen  Kaonitz, 
tun  so  kunstvoller,  vielleicht  auch  gekünstelter  war  die  Antwort, 
welche  Moriz  von  Sachsen  am  11.  Februar  aus  seinem  Haupt- 
quartier Laeken  vor  Brüssel  hierauf  ertheilte;  in  Frankreich 
wurde  sie  freilich,  da  sie  fUr  die  dort  so  stark  entwickelte 
Eigenliebe  ungemein  schmeichelhaft  war,  aufs  Höchste  bewun- 
dert.* Statt  das  von  Eaunitz  gestellte  Begehren  rundweg  abzu- 
schlagen, erklärte  ihm  der  Marschall,  er  würde  einer  so  zahl- 
reichen und  tapferen  Besatzung  sehr  gerne  freien  Abzug  mit 
allen  Eriegsehren  gewähren,  aber  Brüssel  sei  weder  ein  halt- 
barer Platz,  noch  dürfe  er  von  irgend  einer  Seite  her  auf  Ent- 
satz hoffen.  Er  selbst  könne  im  Gegentheile  seine  Angriffsmittel 
ganz  nach  Belieben  vermehren,  so  dass  er  nur  noch  etwas  (Ge- 
duld und  einige  Vorsichtsmassregeln  brauche,  um  der  Stadt 
wenngleich  noch  anständige,  aber  immerhin  ziemlich  harte  Be- 
dingungen aufzuerlegen. 

Er  werde  zwar,  fiihr  der  Marschall  fort,  allsogleich  die 
Befehle  seines  Hofes  einholen,  aber  er  fürchte  nur  seine  eigenen 
Soldaten.  Ihnen  seien  die  Schwächen  der  Befestigungswerke 
von  Brüssel  wohlbekannt.  Wie  leicht  könne  es  geschehen,  dass 
sie  bei  einem  nur  etwas  lebhafteren  Angriffe  in  die  Stadt  ein- 
drängen, und  wären  sie  einmal  in  dieser,  dann  mUsste  er 
wohl  zu  ihrer  Unterstützung  herbeieilen.  Die  Unordnung,  die 
Verwirrung,  von  welchen  ein  solcher  Vorfall  begleitet  sein 
würde,  möge  man  sich  nur  recht  vorstellen.  Schmerzlich  würde 
es  für  ihn  sein,  wenn  sein  Lebenslauf  durch  ein  so  trauriges 
Ereigniss  wie  die  Zerstörung  einer  Hauptstadt  bezeichnet  würde. 

In  ausführlicher,  ja  vielleicht  sogar  etwas  schwatzhafter 
Weise  ergeht  sich  nun  Moriz  von  Sachsen  in  der  Erzählung 
eigener  Erlebnisse,  durch  welche  er  die  Unwiderstehlichkeit  des 
französischen  Soldaten  zu  beweisen  trachtet.  Und  er  schliesst 
mit  einer  erneuerten  und  deutlichen  Hinweisung  auf  die  Schreck- 
nisse, welche  eine  Erstürmui^  und  darauf  folgende  Plünde- 
nmg  von  Brüssel  nach  sich  ziehen  mUssten. 

,Der  Sachen  Ausschlag  habe,'  diese  einzige  Bemerkung 
über  die  von  dem  Marschall  von  Sachsen  erhaltene  Antwort 
konnte  Kaunitz   nicht   unterdrücken,   ,die   beste   Widerlegung 


Der  Brief  des  Marschalls  von  Sachsen   an  KanniU  vom  11.  Febmar  ist 
abgedruckt  bei  Taillandier,  S.  286. 


97 


I 


einiger  von  ihm  gebrauchter  ruhmrediger  Anmerkungen  an  die 
Hand  gegeben.'  Er  fllgt  ausserdem  hiezu,  in  Brüssel  habe  sie  die 
entgegengesetzte  Wirkung  von  der  Iiervoi-gobracht,  welche  der 
Marschall  beabsichtigt  haben  mochte.  Denn  nachdem  die  Ploffnung 
auf  freien  Abzug  verschwunden  war,  habe  sich  die  Besatzung 
hiedurch  nur  noch  mehr  zur  Verlängerung  einer  tapferen  Ver- 
theidigung  ermuthigt  gesehen.  Sie  gab  diesem  Vorsatze  durch 
Unterhaltung  eines  lebhaften  Feuers  gegen  die  Belagerer  Aus- 
druck. Aber  freilich  wurde  dieses  mit  solcher  Heftigkeit  er- 
widert, und  die  in  die  Stadt  geworfenen  Bomben  richteten  so 
grossen  Schaden  an,  dass  Kaunita  dem  Magistrate  gestattete, 
ihre  mit  seiner  Erlaubniss  dem  Marschall  schon  früher  durch 
eine  Deputation  vorgetragene  Bitte  um  Schonung  der  Stadt  jetzt 
schriftlich  zu  erneuern.  Moriz  von  Sachsen  schrieb  am  13.  Fe- 
bruar an  General  Lannoy,  er  werde  seine  zu  diesem  Zwecke 
bereits  erlassenen  Befehle  wiederholen.  Aber  widrige  Zufillle 
gänzlich  hintanzuhalten,  stehe  nicht  in  seiner  Macht. 

Vom  13.  bis  zum  17.  Februar  setzte  der  Feind  die  Be- 
lagerung mit  solchem  Nachdrucke  fort,  dass  er  durch  die  Hef- 
tigkeit seines  Feuers  die  Besatzung  zwang,  einen  Theil  des 
bedeckten  Weges  zu  verlassen  und  sich  hinter  die  Traversen 
zu  ziehen.  Das  unaufhörlich  spielende  grobe  Geschütz  legte  an 
zwei  Orten  den  Hauptwull  in  Bresclie.  Und  zudem  war  die 
Garnison,  welche  seit  fast  drei  Woclien  ununterbrochen  unter 
den  Waffen  stand,  so  ermüdet,  dass  in  der  Besorgniss  vor 
einem  Sturme  viele  Officiere  drei  und  mehr  Tage  nicht  abge- 
löst wurden.  Unter  diesen  Umstünden  beschloss  der  am  17.  Fe- 
bruar vom  General  van  der  Duyn  zusammenberufene  Kriegs- 
rath  einstimmig,  die  Capitulation  nicht  länger  zu  verzögern  und 
Chamade  schlagen  zu  lassen. 

Fast  in  dem  Augenblicke,  in  welchem  Kaunitz  Nachricht 
von  diesem  Beschlüsse  erhielt,  überbrachte  ihm  ein  Bauer  ins- 
geheim einen  vom  Fürsten  von  Waldeck  aus  Antwerpen  über- 
sendeten Zettel,  auf  welchem  nur  die  Worte  standen:  ,Der 
Succurs  wird  am  2U.  eintreffen.'  AUsoglcich  eilte  Kaunitz  zu 
van  der  Duyn  und  that  alles  Mögliche,  um  die  hoUilndischen 
Befehlshaber  durch  nachdrückliche  Vorstellungen  von  der  Aus- 
Aihrung  der  gefassten  Beschlüsse  abzuhalten  und  sie  zu  noch 
längerer  Vertheidigung  zu  vermögen.  Ausserdem  berief  er  die 
in  Brüssel  anwesenden  österreichischen  Ingenieure  und  forderte 

ArehiT.    LXXXTIU.  M.   I.  EUlft«.  7 


98 

sie  zu  Vorschlägen  auf,  wie  neue  Werke  anzulegen  und  die 
Belagerung  fortzusetzen  sei.  Aber  obgleich  sich  van  derDup 
seinen  Bemühungen  anschloss,  verharrte  doch  der  versammelte 
Kriegsrath,  unter  dessen  Mitgliedern  wir  auch  den  bekannten 
schweizerischen  Namen  Planta,  Sprecher,  SchUrler  begegnen, 
bei  dem  früheren  Beschlüsse.  Den  von  dem  Fürsten  Waldeck 
angekündigten  Succurs  abzuwarten,  hielt  man  für  allzu  gefidl^ 
lieh.  Und  zudem  sei,  so  meinte  man,  die  hiedurch  erweckte 
Hoffnung  schon  aus  dem  Grunde  als  eine  vergebliche  anra- 
sehen,  weil  Waldeck,  wie  er  es  doch  so  leicht  htttte  thm 
können,  auch  nicht  von  fem  an  die  Hand  gegeben  habe,  wie 
stark  der  Succurs  sei,  aus  welchen  Truppen  er  bestünde  nnd 
von  welcher  Seite  her  er  eintreflfen  solle. 

Die  P^^inwendung  lag  nahe,  dass  Waldeck  die  Mittheilong 
solcher  Einzelheiten  vermieden  habe,  weil  er  doch  nicht  mit 
Bestimmtheit  wissen  konnte,  sein  Bote  werde  nicht  in  feindliche 
Hände  genithen.  Vielleicht  wurde  sie  auch  gar  nicht  gemacht, 
denn  als  Kaunitz  die  Fruchtlosigkeit  seiner  Bemühungen  ein- 
sah, die  holländischen  Befehlshaber  auf  andere  Gedanken  zu 
bringen,  verabredete  er  mit  van  der  Duyn,  dass  kein  Kriegs- 
rath  mehr  zusammenbernfen  werde.  Die  Aufpflanzung  der 
weissen  Fahne  werde  man,  sofern  die  anwachsende  Gefahr  dies 
zulasse,  von  Tag  zu  Tag  und  von  Stunde  zu  Stunde  verschie- 
ben. Habe  man  endlich  den  19.  glücklich  erreicht,  dann  wolle 
man  zwar  die  Vorhandlungen  beginnen,  ihren  Abschluss  aber 
bis  zum  20.  und  sogar  über  diesen  Tag  hinaus  so  lang  ver 
zögern,  als  noch  irgend  eine  Hoffnung  auf  Entsatz  vorhanden  sei. 

,Es  hat  auch,'  berichtete  Kaunitz  später  nach  Wien,  ,der 
Feind  den  1>>.  seine  Arbeit  nicht  viel  weiter  erstreckt,  und  nur 
solche  zu  ilirer  Vollkommenheit  zu  bringen  sich  angelegen  sein 
lassen;  wie  er  denn  nach  dem  Urtheile  der  Kriegsverständigen 
der  Stadt  Brüssel  allzu  viel  Ehre  erwiesen  und  mit  so  grosser 
Mülu!  und  Sorgfalt  seine  Werke  angelegt  hat,  dass  es  vor  einer 
regulären,  starken  und  mit  schwerem  Geschüta  wohl  versehenen 
Festung  nicht  besser  hätte  geschehen  können.' 

Am  Morgen  des  19.  Februar  waren  übrigens  schon  so  viele 
Breschen  gangbar  oder  im  Begriffe,  dies  binnen  wenigen  Stun- 
den zu  werden,  dass  General  van  der  Duyn  den  FUrsten  von 
Waldeek  bonaclirichtigtc,  die  Stadt  sei  aufs  Aeusserste  gebraclif, 
und   die  Capitulationsverhandlungen  könnten  nicht  länger  ver- 


99 


» 


zögert  werden.  Doch  liege  ihnen  vorerat  nur  die  Absicht  zu 
Gninde,  Zeit  zu  gewinnen  und  den  ftlr  den  20.  versprochenen 
Snccurs    zu    «'rwartcn.     Ans   dieser  Ursache   wurde   denn  auch 

Idie  Aufhissung  der  weissen  Fahne  und  die  Absendung  der 
Commissarien  geflissentlich  verzögert.  Der  Feind  aber  unter- 
nahm am  Nachmittage  des  19.,  und  zwar  mit  solcher  Heftig- 
keit einen  Angriff  auf  das  in  Bresche  geschossene  Hornwerk 
vor  dem  Scharbecker  Thore,  dass  der  dort  postirte  Tlieil  der 
Besatztmg  in  Verwirrung  gebracht  und  in  das  Innere  der 
Festungswerke  zurückgetrieben  wurde;  gleichzeitig  drang  eine 
Schaar  Franzosen  daselbst  ein.  Die  Gefahr,  dass  die  Stadt  mit 
dem  Degen  in  der  Faust  weggenommen  werden  könne,  war 
anfs  Höchste  gestiegen.  Da  warf  sich  ein  junger  Hauptmann 
_  vom  Regimente  Waldeck  mit  wenigen  Soldaten  dem  Feinde 
■  entgegen.  Andere  folgten  ihm,  und  binnen  kttraester  Frist 
wurden    die    Franzosen    mit    einem    namhaften    Verluste    von 

ITodten,  Verwundeten  und  Gefangenen  wieder  aus  den  Werken 
verjagt. 
In  dem  diesmah'gen  Misslingen  des  Sturmes  lag  jedoch 
gar  keine  Bürgschaft,  dass  bei  dessen  Wiederholung  der  Aus- 
gang ein  gleicher  sein  werde.  Das  Gegentheil  war  vielmehr 
fast  als  gewiss  zu  betrachten,  und  darum  wiu'de  endlich  am 
Abende    des    19.  Februar   auf  Befehl    des   Grafen    Kaunitz  die 

»weisse  Flagge  aufgehisst  und  liiudiu-ch  der  erste  Schritt  zum 
Beginne  der  Capitulationsverhandlungen  gethan.  Sie  hätten  aber 
im  Verlaufe  des  20.  sehr  leicht  abgebrochen  werden  können, 
wenn  der  versprochene  Entsatz  vor  Brüssel  eingetroffen  wilrc. 
Er  kam  jedoch  ebensowenig  als  irgend  eine  Nachricht  von  dem 

I  Fürsten  von  Waldeck. 
Schon  früher  hatte  Kaunitz  den  Prinzen  von  Stolbcrg, 
Oberst  des  zweiten  neuwatlonisclien  Regimentes,  und  das  Mit- 
glied des  geheimen  Rathes  Herrn  Obin  zu  Commissären  für  die 
Verhandlungen  mit  dem  Feinde  bestimmt.  Oberst  Planta  und 
Major  Stürler  wohnten  denselben  als  Repräsentanten  der  hol- 
hlndischen  Besatzungstnippen  bei. 

Die  Delegirten  des  Grafen  Kaunitz  hatten  von  ihm  den 
Auftrag  erhalten,  vorerst  die  Bewilligung  freien  Abzuges  ftir 
die  Besatzung  zu  begehren.  Wäre  dies  durchaus  nicht  zu  er- 
halten, 80  müssten  sie  sich  schliesslich  auch  in  deren  Krklilrung 
zu    Kriegsgefangenen   ftlgen;   die  Verpflichtung  aber,   eine  bc- 

7* 


100 


stimmte    Zeit    hindurch    nicht    gegen    Frankreich    zu    dienen, 
dürften  sie  sich  durchaus  nicht  auferlegen  lassen. 

Wie  Kaunitz  ihnen  befohlen,  benützten  seine  Dcltigirten 
jeden  Anlass,  der  sich  ihnen  zur  Herbeiführung  einer  Verzöge- 
rung darbot.  Sie  wussteu  es  so  anzustellen,  dass  sie  erst  eine 
halbe  Stunde  nach  Mitternacht  bei  dem  Marschall  von  Sachsen 
eintrafen,  der  sie  mit  grosser  Zuvorkommenheit  empting.  Aber 
freilich  schlug  er  das  Begehren  um  fi-eien  Abzug  der  BesatziiDg 
nindwcg  ab  und  beharrte  darauf,  dass  sie  als  kriegsgefangen 
orklilrt  werde.  Bis  etwa  3  Uhr  Nachts  dauerte  die  Hin-  und 
Widerrede;  endlich  ging  man  un verrichteter  Dinge  auseinander; 
die  Delogirten  des  Grafen  Kaunitz  versprachen  jedoch  dem  Mai^ 
schall,  ihm  am  näclisten  Tage,  dem  20.,  imi  10  Uhr  Morgens  die 
Antwort  zu  iiringen.  Aber  nur  (^bin  begab  sich  in  Begleitung 
des  Majors  Sttlrler  nach  BrUssel  zurück;  die  beiden  Obersten 
Prinz  Stolberg  und  Planta  blieben  im  französischen   Lager. 

ICs  ist  wohl  kaum  zu  zweifeln,  dass  der  Marschall  von 
Sachsen  die  Absicht  seiner  Gegner,  Zeit  bis  zur  Ankunft  des 
vermcintliclien  Entsatzes  zu  gewinnen,  ilurchschaute.  Aber  er 
wusstc  wohl,  ein  solcher  sei  keineswegs  auf  dem  Wego,  and 
darum  drilngte  er  auch  die  Dclegirten  nicht  besonders;  da- 
gegen beharrte  er  um  so  fester  auf  den  von  ihm  ursprüng- 
lich begehrten  Bedingungen.  Den  Delogirten  blieb  schliesslich 
nichts  übrig,  als  sich  ihnen  zu  unterwerfen,  und  nur  flir  die 
Civilstaatsdiener,  insbesondere  ftlr  Kaunitz  selbst  gelang  es  ihnen, 
einige  ZugestUndnisse  zu  erwirken.  Kaunitz  erhielt  die  EmiÄch- 
tigfung,  mit  dem  zu  ihm  gehörigen  Gefolge  Brüssel  zu  vorlassen 
und  sich  frei  dorthin  zu  begeben,  wohin  er  von  nun  an  seinen 
Aufenthalt  zu  vfricgen  gedenke. 

Bis  1)  Uhr  Abends  hatten  diese  Verhandlungen  gedauert; 
um  1 1  Uhr  Nachts  überbrachte  Obin  dem  Grafen  Kaunitx  den 
vereinbarten  Entwurf  dor  L'apituljition.  Unil  nachdem  ihn  Kau 
nitz  gebilligt,  n^edich  er  in  den  Vormittagsstunden  dca  21.  Fe- 
bruar zu  förmlichem  Abschlüsse.' 

Prinz  Stolberg  und  Obin  ernteten  von  Seite  des  Grafen 
Kaunitz    um    der   , Vorsicht    und    des    wahrhaflcn   Diensteifers' 


'  Der  Daratellnngf  der  Ereignüne  in  and  vur  Hrilwel  vom  B«^nne  bU  inr 
Be«ndigiing  der  Belugening  lio^  der  sohr  nii!<riilirliclie  Koricht  des  Orafw 
Kanuitz  an  die  Kaüserin  auii  Antwerpen  vom  16.  M&rz  1746  au  Gmndik 


101 


willen,  mit  denen  sie  zu  Werke  gegangen  waren,  das  wärmste 
Lob.  ,Wie  ich  denn,*  so  lauteten  seine  eigenen  Worte,  ,liaupt- 
sAchlicli  des  Letzteren  nachdrücklichen  und  standliafton  Vor- 
stellungen beizumessen  habe,  dass  mir  der  freie  Abzug,  woran 
iüh  selbst  fast  verzweifelt,  bewilligt  wurde.' 

Auch  die  commandirondcn  Generale  Graf  Ciianolos  und 
van  der  l'uyn,  welcher  eine  Kopfwunde  davongetragen  hatte, 
den  Gouverneur  Grafen  Lannoy  endlich  erwähnt  Kaunitz  mit 
Worten  ehrendster  Anerkc-nnuug  der  von  ihnen  geleisteten  her- 
vorragenden Dienste.  Und  ganz  besonders  hebt  er  den  Eifer 
der  Soldaten  hervor,  welcher  so  weit  gegangen  sei,  dass  durch 
ihn  die  Officiere  angetrieben  wurden,  in  keiner  Beziehung  zu- 
rückzubleiben hinter  ihrer  Mannschaft. 

Am  Frilhmorgen  des  25.  Februar  verliess  Kaunitz  Brüssel, 
denn  er  wollte  nicht  anwesend  sein,  wenn  daselbst,  wie  es  für 
diesen  Tag  bestimmt  worden  war,  von  den  Franzosen  das  Te 
Deum  für  die  Eroberung  der  Stadt  abgehalten  würde.  Im  V'or- 
übcrfahren  besuchte  er  in  Laekcu  den  Marschall  von  Sachsen, 
der  ihm  mit  grösstcr  Höflichkeit  begegnete  und  im  Verlaufe 
des  Gesprilches  mehrmals  die  Andeutung  fallen  licss,  der  König 
von  Frankreich  sehne  sich  nach  dem  Frieden  und  mache  die 
aussersten  Anstrengungen  bei  den  Generalstaaten,  ihn  zu  Stande 
zu  bringen.  Kaunitz  hingegen  richtete  seine  Antworten  um  so 
Hehutsamer  ein,  da  er,  wie  er  selbst  sagt,  seit  seiner  Einschlies- 
sung  in  Brüssel  von  der  Lage  der  politischen  Verhilitnisse  gar 
keine  Kunde  mehr  erhalten  hatte.  Er  besehritnkte  sich  darauf, 
den  Marschall  um  Schonung  der  Stadt  Brüssel  und  des  sie 
umgebenden  Landes  zu  bitten.* 

In  Mecheln  traf  Kaunitz  mit  dem  Fürsten  von  Waldeck 
zusammen,  der  ihm  nähere  Aufklärungen  über  die  Art  utid 
Weise  gab,  in  welcher  er  der  Besatzung  von  Brüssel  hatte  zu 
Hilfe  kommen  wollen.  Aber  diese  Mittheilungen  waren  wohl, 
wie  es  scheint,  nicht  sehr  befriedigcntler  Art.  Wenigstens  heisst 
es  in  einem  vertraulichen  Briefe  des  Grafen  Kaunitz  aas  jenen 
Jen,  der  Succurs  würde  so  imzuhinglich  gewesen  sein,  dass 
Gott  nicht  genug  loben  könne,  dass  es  gar  nicht  zur  Aus- 
fuhrung dieses  Projectes  gekommen  sei.* 

'  Kannitz  an  Ulfeldt.  Autwerpen,  3.  MKrz   174». 

•  K.iunitz  an  Tarout-a.  2.  März  1746;  jo  poii!<e  eiitre  noim,  que  non«  pou- 
voiu  louer  lo  Seigueur  de  ce  que  le  prujet  n'a  pas  eu  lieu.' 


102 

Von  Antwerpen  aus  erstattete  Kaunitz  nicht  nor  einen 
umständlichen  Bericht  über  den  Verlauf  der  Belagerung  von 
Brüssel,  sondern  er  erneuerte  auch  seine  zuerst  im  verflossenen 
August  vorgebrachte  und  seither  mehrmals  wiederholte  Bitte, 
seines  Postens  in  den  Niederlanden  enthoben  zu  werden.  Kicht 
nur  auf  seinen  höchst  unbefriedigenden  Gesundheitszustand,  der 
freilich  bei  einem  Manne  von  fUnfunddreissig  Jahren  Wunder 
nehmen  muss,  hatte  er  sie  gestützt,  sondern  ausserdem  versichert, 
dass  er  sich,  sowie  körperlich  nicht  kräftig  genug,  auch  geistig 
nicht  hinreichend  begabt  fühle,  die  schwierigen  Pflichten  seines 
Amtes  in  befriedigender  Weise  zu  erfüllen.'  Und  als  man  in  Wien 
von  seinem  Begehren  wenigstens  Anfangs  nichts  hatte  hören  wollen, 
war  er  einen  Monat  später  mit  verdoppeltem  Nachdrucke  auf  das- 
selbe zurückgekommen.  ,Ich  beharre  auf  dem  Wunsche,'  heisst 
es  in  einem  seiner  Briefe  an  Tarouca,  ,Ihre  Majestät  möge  mich 
durch  Jemand  ablösen  lassen,  der  Ihres  Vertrauens  würdiger 
ist  als  ich,  und  je  rascher  dies  geschieht,  um  so  zufriedener 
werde  ich  damit  sein,  und  zwar  einzig  und  allein  um  der  Be- 
sorgnisse willen,  die  ich  wegen  meiner  schwachen  Gesundheit 
für  den  Dienst  der  Königin  hege.  Es  ist  wahr,  dass  ich  die 
ganze  Arbeit  verrichte,  die  es  überhaupt  gibt,  und  dass  nichts 
rückständig  ist,  aber  mir  scheint  das  nicht  genügend.  Das  hier 
bestehende  System  gleicht  dem  Zustande  eines  schwerkranken 
Mannes,  der  nicht  nur  an  innerlichen  Uebeln  darniedcrliegt, 
sondern  auch  von  Aussen  her  tiefe  Wunden  erhalten  hat.  Zu 
seiner  Heilung  bedarf  es  einer  umständlichen  Behandlung,  die 
man  nicht  lang  mehr  verschieben  darf,  wenn  man  ihn  über- 
haupt retten  will.  Ich  erkenne  das  Uebel,  aber  ich  fUble  auch, 
dass  CS  mir  an  der  nöthigen  Kraft  des  Körpers  und  des  Geistes 
gebricht,  die  Heilung  zu  unternehmen.  Sie  ist  aber  deshalb 
nicht  weniger  dringend,  und  was  mich  angebt,  so  könnte  ich 
CS  nie  über  mich  gewinnen,  der  Königin  nur  halb  zu  dienen.'* 

Es  würde  wohl  zu  weit  fuhren,  wenn  hier  erwähnt  werden 
sollte,  wie  oft  und  mit  welch'  dringenden  Vorstellungen  Kaunitz 
auf  seine  Bitte  zurückkam.    Mit  verdoppeltem  Nachdrucke  ge- 

'  Kaunitz  au  Taroiica.  Brüssel,  '27.  August  1745.     Abgedruckt  bei  Äruetli. 

Ge.ieliicbto  Maria  Tborosias.  III,  S.  451,  452. 
"  Kaunitz  an  Taruuca.  Brlissol,  'i'i.  September  1745.  Abgedruckt  bei  Anietb. 

Gascliicbtu  Maria  Tberesias.  III,  S.  452 — 454. 


103 


schab  dies,  nachdem  tUe  Anstrengungen  und  Aufref!;migen, 
welche  mit  der  Belagerung  von  Brüssel  in  ujitürlicheui  Zusam- 
menhange standen,  eine  recht  ungünstige  Wirkung  auf  seinen 
(lesundheitszustand  hervorgebracht  hatten.  Seit  zwei  Tagen 
liege  er  wieder,  schrieb  er  am  2t).  Mitrz  aus  Antwerpen  an 
Ulfeldt,  Heberkrank  zu  Bett.  Fa-  fühle  es  mehr  und  mehr,  fügte 
er  hinzu,  dass  seine  Gesundheit  der  Ueberbürduiig  mit  Ge- 
schäften und  Sorgen  erliegen  müsse,  wenn  er  nicht  bald  von 
dieser  Last  befreit  und  ilini  ein  Niiclifolger  gegeben  werde. 

So  sehr  er  sich  nun  auch  ftir  seine  Person  aus  den  Nieder- 
landen hinwegsehnte,  so  widmete  doch  Kaunitz  den  dortigen 
Ereignissen  das  liüchste  Interesse,  und  er  setzte  an  das,  was 
zu  leisteu  ihm  oblag,  seine  letzte  Kraft.  Mit  unbedingter  Zu- 
stimmung begrUsste  er  den  Entschluss  des  Wiener  Hofes,  nach 
der  Zustandcbringung  des  Friedens  mit  Preussen  den  Krieg 
gegen  Frankreich  entschlossen  fortzusetzen.  Vor  Allem  müsse 
dies,  meinte  Kaunitz,  in  Italien  geschehen,  aber  er  freute  sich 
doch  auch  der  anselinliehen  Verstärkungen  der  Österreichischen 
Streitkräfte  in  den  Niedcriiinilcn  und  der  Absendung  des  Feld- 
marächalls  Grafen   Batthyany  dorthin,  sie  zu  comnuuidireu. 

Der  Ankunft  Batthyany's  in  Antwerpen  folgte  die  will- 
kommene Nachricht,  der  König  von  England  denke  sich 
wieder  mit  einer  weit  stärkeren  Truppenanzahl  an  dem  Kriege 
gegen  Frankreich  zu  betheiligen.  Man  könne  sich  also,  meinte 
Kaunitz,  wohl  mit  der  Ilottnung  schmeicheln,  dass  der  nächste 
Feldzug  ein  glücklicherer  sein  werde.'  Aber  zu  einem  solchen 
die  Vorbereitungen  zu  treffen,  erklJirte  er  sich  gleichzeitig  ausser 
Stande.  ,Es  ist  gewiss,'  schrieb  er  am  20.  April  17413  an  Ta- 
rouea,  ,das8  ich  auch  nicht  der  geringsten  Arbeit  melir  fiibig 
bin,  und  höchstwahrscheinlich,  dass  es  mir  das  Leben  kosten 
wird,  weim  ich  während  dieses  Frühlings  und  Sommers  nicht 
die  mir  so  nothwendigcn  Iloibnitlcl  anwenden  kann.  Seit  lilnger 
als  acht  Monaten  harre  ich  in  (jeduld  und  Unterwürtigkeit  der 
Gewfthrung  meines  Entlassungsgcsuches.  <.)hne  mich  entmuthigon 
zn  lassen,  habe  ich  seither  mit  aller  nur  immer  möglichen  Aus- 
dauer fortgearbeitel,  aber  das  kaiui  nicht  so  weitergehen,  und 
es  ist  nicht  daran  zu  denken,  dass  ich  noch  wilhrend  des  be- 
vorstehenden Feldzuges  hier  bleiben  kann.' 


'  K«anits  an  Tarouca,  Autwerpeti,  13.  April  1746. 


104 

Obgleich  schon  seit  zwei  Jahren,  schreibt  Kaiinitz  zehn 
Tage  später  an  Tarouca,  von  seinem  Leiden  heimgesucht,  fllhle 
er  doch,  wie  sehr  dieses  seit  seinem  Aufenthalte  in  Antwerpen 
zugenommen  habe.  Im  ganzen  Körper,  insbesondere  aber  im 
linken  Arme  fühle  er  einen  schwer  zu  beschreibenden,  dampfen 
Schmerz,  und  der  Arm  sei  so  schwach,  dass  er  sich  des- 
selben gar  nicht  bedienen  könne.  So  rasch  verschlechtere 
sich  seine  Gesundheit,  dass,  wenn  er  nicht  bald  Ausgiebiges 
fUr  sie  thun  könne,  er  seine  Laufbahn  als  beendigt  ansehen 
müsse.* 

Die  Vorstellungen  endlich,  welche  Kaunitz  am  4.  Mai  an 
die  Kaiserin  selbst,  an  Ulfeldt,  Tarouca  und  Bartenstein  richtete, 
übertrafen  an  Nachdruck  Alles,  was  er  bisher  in  seiner  eigenen 
Sache  nach  Wien  geschrieben  hatte.  Er  fühle  sich  za  der  Er 
klärung  verpflichtet,  so  lässt  er  sich  vernehmen,  dass  es  un- 
nöthig  sei,  ihm  noch  ferner  Aufträge  zu  ertheilen,  denn  er  be- 
kenne sich  unfähig  zu  ihrer  Vollziehung.  Es  werde  wohl  wenige 
Menschen  geben,  welche  stark  genug  seien,  ihrer  eigenen  Ver- 
nichtung gegenüber  volle  Gleichgiltigkeit  zu  bewahren.  Er 
würde  jedoch  in  Bezug  auf  die  seinige  nicht  viel  Worte  ver- 
lieren, wenn  er  nicht  mit  Schmerz  gewahr  würde,  dass  er  ohne 
alle  Nothwendigkeit,  ja  ohne  Nutzen  ftlr  den  kaiserlichen  Dienst 
zu  Grunde  gehen  müsse.  Die  erste  und  einzige  Gnade,  die  er 
jemals  verlangt  habe,  begehre  er  jetzt,  und  sie  bestehe  in 
nichts  Anderem  als  in  seiner  raschen  Befreiung. 

In  einem  so  hilflosen  Zustande  befand  sich  Kaonitz,  als 
die  Franzosen,  aufgebracht  über  die  Fruchtlosigkeit  ihrer  Be- 
mühungen, die  Generalstaaten  zu  einem  abgesonderten  Friedens- 
schlüsse zu  bewegen,  den  Feldzug  in  den  Niederlanden  mit 
sehr  grosser  Uebermacht  begannen.  Himdertundvierzig-  gegen 
vierzigtausend,  so  wurde  das  beiderseitige  Kräfteverhältniss  von 
Kaunitz  geschätzt,  und  war  diese  Berechnung  nur  annähernd 
richtig,  so  erklärt  es  sich  von  selbst,  dass  sich  Batthyany  auf 
das  Wagniss  einer  Schlacht  nicht  einliess,  sondern  vor  dem  gegen 
Antwerpen  heranziehenden  Feinde  nach  der  holländischen  Grenze 
zurückwich.  Im  Einverständnisse  mit  Batthyany  und  durch  dessen 
Vermittlung  verlangte  Kaunitz,  der  sich  nicht  ein  zweites  Mal 
der  Einsperrung  in  einer  belagerten  Stadt  aussetzen  wollte,  von 


'  Kaunitz  an  Tarouca.   SO.  April  1746. 


105 


dem  Marschall  von  Sachsen  einen  Pass  zur  Abreise  nach  Aachen. 
Als  er  eine  Zeitlang  keine  Antwort  auf  dieses  Begehren  er- 
hielt, liess  er  sich  am  18.  Mai  aus  seinem  Bette  nach  dem 
Wagen  tragen  und  so  naeli  Putte,  einer  kleinen  Ortschaft  un- 
fern von  Antwerpen,  jedoch  schon  auf  holländischem  Gebiete, 
bringen.  Dort  empfing  er  endlich  mit  einem  verbindlichen 
tJchreiben  des  Marschalls  den  gewünschten  Pass  und  begab 
sich  nun  am  20.  Mai  liber  Mecheln  nach  Löwen.  Leider  gorioth 
er  mit  seinem  Wagen  in  die  Colonnen  des  französischen  Heeres, 
und  hiedurch  wurde  sein  Vui-wUrtskommcn  unendlich  verzögert 
und  erschwert.  So  abgemattet  traf  er  in  Löwon  ein,  diiss  er 
zwei  Tage  daselbst  verweilen  musstc,  ehe  er  seine  Reise  fort- 
setzen konnte.  Am  23.  führte  sie  ihn  nach  Macstriclit  und  am 
24.  nacii  Aachen,  von  wo  aus  er  nun,  insofern  dies  sein  körper- 
licher Zustand  und  seine  Entfernung  aus  den  Niederlanden  zu- 
Hessen,  den  Theil  Belgiens,  der  noch  nicht  in  fninzösisclie  Bot- 
mKssigkeit  geratlien  war,  mit  dem  Beistande  der  Beamten,  die 
ihm  nach  Aachen  folgten,  zu  regieren  bcmllht  war.'  Aber  er 
konnte  sich  irgcndwulcher  Ergebnisse  umsowenigcr  rühmen,  als 
er  neuerdings  erkrankte  und  daher  auch  nach  Wien  fast  nichts 
als  die  dringende  Wiederholung  seiner  Bitte  um  schleunige 
Enthebung  von  seinem  Posten  schrieb.  Nach  langem  Harren 
wurde  sie  endhch  erfüllt. 

,Kein  grösseres  Vergnügen  habe  ich  in  mciuem  Leben 
empfunden,'  schrieb  Kaunitz  am  18.  Juni  an  Uifeldt,  .als  da 
icli  endlich  mit  letzter  Post  vom  Grafen  Tarouca  die  zuver- 
lilssige  Nachricht  erhielt,  dass  Ihre  MajestJlt  meine  Abberufung 
gnädigst  beschlossen  und  festgestellt,  mithin  solche  keinen  wei- 
teren Veränderungen   unterworfen  sei.' 

,Die  blosse  Vorstellung,  wie  mein  schwacher  Gesundhoits- 
zustand  zum  merklichen  Nachtlieile  des  Allerhöchsten  Dienstes 
gereichen  würde  und  meine  Kräfte  nicht  mit  dem  Willen  über- 
einstimmten, hat  mich  billig  in  die  Seele  geschmerzt  und  in 
desto  grössere  Sehwermuth  versetzt,  je  reiner  mein  von  Neben- 
absichten befreites  Verlangen  ist,  keinen  unnützen  Diener  ab- 
zugeben und  den  Amts|>fiichten  ein  treues  Geutlgeu  zu  leisten. 
Glücklich  würde  ich  mich  sciiiltzen,  wenn  ich  durch  die  beab- 
sichtigte  Cur   meine   geschwächte   Gesundheit  wiederhei-stellen 


'  Kaanita  an  Taruaca.  Aachen,  26.  Mai  1740. 


106 

und  dadarch  in  den  Stand  gesetzt  würde,  meinen  Diensteifer 
werkthätig  bezeigen  zu  können.' 

Noch  von  Antwerpen  aus  hatte  Kaunitz  den  Rath  ertheilt, 
entweder  den  kaiserlichen  Gesandten  im  Haag,  Grafen  Rosen- 
berg,  oder  den  bevollmächtigten  Minister  bei  dem  Kurfürsten 
von  Köln,  Grafen  Carl  Cobenzl,  zu  seinem  Nachfolger  zu  er 
nennen.*  Er  war  es  übrigens  auch  zufrieden,  dass  auf  keinen 
von  ihnen,  sondern  auf  den  Feldmarschall  und  Ban  von  Croatien, 
Grafen  Carl  Batthyany  die  Wahl  fiel;  denn  in  Wien  mochte 
man  es  fUr  zweckmässig  halten,  wenigstens  fUr  die  Dauer  des 
Krieges  die  Civil-  und  Militärgewalt  in  einer  einzigen  Hand  zu 
vereinigen. 

An  diese  Mittheilung  knüpfte  die  Kaiserin  den  Befehl, 
Kaunitz  möge  allsogleich  den  Staats-  und  Kriegssecretftr  Hein- 
rich von  Crumpipen  mit  den  ihm  beigegebenen  Beamten  zu 
Batthyany  abgehen  lassen.  Die  übrigen  bei  ihm  befindlichen 
Angestellten  hätten  bis  auf  Weiteres  bei  Kaunitz  in  Aachen 
zurückzubleiben.  Und  da  es  nicht  angehe,  das  Generalgouver- 
nement auch  nur  kurze  Zeit  ohne  oberste  Leitung  zu  lassen, 
müsse  Kaunitz  diese  weiterführen,  bis  Batthyany  von  seinem 
neuen  Posten  wirklich  Besitz  ergriffen  und  begonnen  habe,  die 
mit  ihm  verbundene  Gerechtsame  auch  wirklich  auszuüben.* 

Durch  diese  Verfügung  mag  es  verursacht  worden  sein, 
dass  Kaunitz  erst  am  14.  Juli  Aachen  verlassen  konnte.  Er 
begab  sich  vorerst  nach  Spaa,  um  dort  endlich  die  Cur  zu 
beginnen,  von  der  er  sich  die  Wiederherstellung  seiner  gänz- 
lich zerrütteten  Gesundheit  versprach. 


IV.  Capitel. 

Es  scheint  fast,  als  ob  man  in  Wien  den  unablässig  wieder- 
holten und,  man  muss  es  gestehen,  im  kläglichsten  Tone  vor- 
gebrachten Schilderungen,  in  denen  sich  Kaunitz  über  den 
traurigen  Zustand  seiner  Gesundheit  erging,  nicht  vollen  Glauben 
beigemessen  hätte.  Oder  man  war  vielleicht  der  Meinung,  bei 
einem  Manne  von  so  jungen  Jahren  werde  eine  kurze  Erholungs- 

'  Kaunitz  an  Maria  Theresia.   4.  Mai  1746. 
'  Maria  Theresia  an  Kaunitz.   16.  Juni  1746. 


107 


zeit  hinreichen,  um  ihn  in  den  Stand  zu  setzen,  neue  Dienste 
zu  leisten.  Nur  so  liisst  es  sicli  erkliirun,  ditss,  nh  lu.m  daran 
ging,  zu  den  Friediiusverliundlungen,  welche  in  der  holländi- 
schen Grenzstiidt  Breda  eröffnet  werden  sollten,  einen  IJevoll- 
mächtigten  abzusenden,  man  auf  Kauuitz  die  Augen  warf;  denn 
man  hielt  ihn  mit  Hecht  für  den  gewandtesten  Unterhändler, 
der  zu  jeuer  Zeit  zur  Verfügung  stand.  Schon  zu  Anfang  des 
Monats  August,  also  kaum  drei  Wochen  nach  seiner  Ankunft 
in  8paa  gingen  Kaunitz  von  Seite  des  Hofkanzlers  Ulfeldt  die 
ersten  Eröffnungen  liierül>er  zu.  Unverzliglieh  antwortete  Kau- 
nitz,  dass  ihm  zwar  die  Cur  ziemlich  gut  bekommen  habe,  dass 
er  aber  auch  noch  in  Spaa  wiederholt  von  Fieberanfallen  und 
anderen  Uebelu  heimgesucht  worden  und  daher  durchaus  nicht 
im  Stande  sei,  wichtigeren  und  gehäufteren  Geschäften  mit  hin- 
reichender Sorgfalt  vorzustehen.  Wolle  man  ihm  solche  gleich- 
wohl übertragen,  so  setze  man  sich  dadurch  wissenthch  den  sehr 
üblen  Folgen  aus,  welche  seine  plötzliche  Wiedererkrankung 
fast  unfehlbar  nach  sich  ziehen  mtlsste.' 

In  dem  gleichen  Sinne  schrieb  Kaunitz  an  Tarouca.*  Er 
dankte  ihm  aufs  Wärmste  für  die  Erwirkung  einer  Summe  von 
sechstausend  Gulden,  die  ihm  auf  seine  dringende  Bitte  bewilligt 
worden  war,  um  ihn  wenigstens  einigormassen  fiir  die  grossen 
Verluste  schadlos  zu  halten,  die  ihm  hauptsilchlich  durch 
die  übereilte  Verlegung  seines  Hausstandes  von  Brllssel  nach 
Antwerpen  und  von  da  nach  dem  Haag  verursacht  worden 
waren.  Auch  hatte  ihm  die  Gastfreundschaft,  welche  er  gegen 
die  Generale  und  Oberofticiere  der  Armee  der  Verbündeton 
üben  musste,  beträchtliche  (Jpfer  auferlegt. 

Er  werde,  fügte  Kaunitz  der  Mittheüung  an  Tarouca  hin 
zu,  sich  nach  Vollendung  seiner  Cur  in  Spaa  auf  etwa  eine 
Woche  nach  Rietberg,  dem  Besitzthum  seines  Hauses,  von  da 
aber  nach  Wien  begeben.  Den  Winter  hoffe  er  in  dem  milden 
Khma  Italiens  zubringen  und  dadurch  seine  Wiederherstellung 
vollenden  zu  können. 

Am  27.  August  kam  Kaunitz  nach  Rietberg,  wo  er  jedoch 
nicht  eine,  sondern  zwei  Wochen  verweilte.  Er  machte  sieh 
die  Zeit  seines  dortigen  Aufenthaltes   möglichst  zunutzen,  um 


>  Kaanitx  an  Ulfeldt.  Spito,  9.  Aagiut  1746. 
'  10.  August 


108 


seine  eigenen  und  die  ihm  von  seinem  Vater  übertragenen  Ver- 
waltungsgcschufte  von  Rietberg,  so  gut  es  eben  anging,  zu  be- 
sorgen. Denn,  wie  er  selbst  sagt,  hatte  er  sie  seit  mchroreu 
Jahren  in  Folge  der  weit  wichtigeren  Angclegenbciton ,  mit 
denen  er  sich  bescbilftigcn  musstc,  recht  arg  vemachlttssigt.  Am 
10.  oder  11.  September  wollte  er  Rietberg  verlassen  und  sich 
nacii  Berlin  bogeben,  um  dort  den  Versuch  zu  machen,  in  seinem 
eigenen  Interesse  und  in  dem  des  Hauses  Liechtenstein  gegen  die 
unbefugte  Occupation  dreier  ostfriesischer  Heirschaftcn  durch  den 
König  von  Freussen  gütliche  Vorstellung  zu  erheben.  Erst  wenn 
diese  fi'uchtlos  bleiben  sollte,  werde  er  die  oberstrichtcrlicbe 
Hilfe  des  Kaisers  in  Anspruch  zu  nehmen  gezwungen  sein." 

Wie  peinlich  wua*  jedoch  Kaiinitz  überrascht,  als  ihm,  wenige 
Stunden  nachdem  er  dies  niedergeschrieben  hatte,  in  der  Nacht 
vom  H.  auf  Jen  9.  September  ein  nach  dem  Haag  eilender 
kaiserlicher  Cabinetscourier  den  Befehl  überbrachte,  sich  un- 
verzüglich dorthin  und,  wenn  einmal  der  Friedenscongreaa  zu 
Breda  seineu  Anfang  genommen  haben  werde,  nach  dieser  Stadt 
zu  bogeben,  um  Oesterreich  als  bevollmächtigter  Minister  zu 
vertreten.  Sehr  gern  hätte  sie  ihm,  heisst  es  in  dem  Rcscripto 
der  Kaiserin  vom  3.  September,  längere  Ruhe  gegönnt.  Aber 
theils  die  jetzt  obwaltenden,  fUr  sie  und  ihr  Haus  so  Ober 
aus  wichtigen  Umstände,  theils  das  .ausnehmende  Vertrauen', 
das  sie  in  seinen  ,von  allen  Nebenabsichten  gänzlich  befreiten 
Diensteifer  und  seine  grosse  Geschickliclikeit'  setze,  seien  für 
diese  Wald  entscheidend  gewesen.  ,Wir  können  Uns  leicht  vor- 
stellen,' Mirt  die  Kaiserin  fort,  ,dass  es  Dich  hart  ankommen 
werde.  Dich  diesem  Werke  zu  unterziehen.  Allein  Wir  hoffen, 
ilass  Dein  vollkommen  ergebener  Eifer  für  Uns  und  Deine  Liebe 
(ür  das  Vaterland  Dir  dasjenige  leicht  machen  werden,  was  an 
sich  auch  noch  so  beschwerlich  ist  oder  scheinen  möchte,  ab- 
sonderlich da  CS  auf  keine  lange,  sondern  nur  kurze  Zeit  hiebei 
anzukommen  hat,  nachdem  allem  menschlichen  Vermuilien  au- 
folge  der  Congress  entweder  gut  oder  Übel,  auf  die  eine  oder 
die  andere  Weise  sich  bald  endigen  muss  und  Wir  Dir  den 
üblen  Ausschlag  keineswegs  beizumessen,  den  guten  aber 
ein  neues  Verdienst  anzurechnen  gedenken.'* 


■  Kaniüts  au  Ulfeldt.  Kiutberg,  8.  September  174t>. 

'  Du  CoQcept  der  Uaiü.  Depesche  au  Kaunitz  ist  vou  Barteuatoin's  Hand. 


109 


,Ich  miisste,'  antwortete  Kaunitz  schon  am  folgenden  Ta^e 
der  Kaiserin,  ,die  unwürdigste  CVeatur  von  der  Welt  sein  und 
alle  Empfindung  von  Treue,  PflicSit,  Gehorsam  und  Dankbepierde 
abgelegt  haben,  wenn  ich  nicht  durch  diese  neue,  unschlitzbare 
Gnadenbezeigung  bis  in  die  Seele  gertlhrt  und  nicht  bereitferlig 
sein  sollte,  dem  Allerhöchsten  Befehle  mit  grössten  Freuden 
ungesäumte  Folge  zu  leisten  und  zu  dessen  Bewirkung  alle 
meine  Leibes-  und  Gemiithakräfte  anzustrengen.' 

, Allein,  allergnildigste  Frau,  ich  bin  so  ungUicklich,  dass 
mein  fataler  Gesundheitszustand  mich  in  die  Unmi.iglichkeit  ver- 
setzt, schon  jetzt  einige,  wenngleich  nur  geringe  Gcschllfte  be- 
sorgen zu  können,  wie  denn  seit  Jahr  und  Tag  mein  ganz 
ausserordentlicher  Zustand,  welcher  nunmehr  von  den  berllhra- 
testen  Aerzten  einem  scorbutischcn  Geblüt  zugeschrieben  wird, 
darin  besteht,  dass  mir  an  verschiedenen  Stellen  Hilndc  und 
Füsso  anschwellen  und  dabei  Anftlllo  von  Fieber  sich  einstellen, 
welche  das  Blut  in  starke  Bewegung  bringen,  den  Koj>f  ein- 
nehmen, mich  entkräften  und  zu  den  Arbeiten  ganz  untüchtig 
machen.' 

Die  vielfache  Erfahrung,  fUhrt  Kaunitz  fort,  die  er  in 
Brüssel,  Aachen,  Spaa  und  insbesondere  in  Antwerpen  gemacht, 
wo  die  Aerzte  fast  schon  an  seinem  Aufkommen  verzweifelten, 
habe  überzeugend  dargcthan,  dass  sein  Leiden  nicht  etwa  auf 
blosser  Einbildung  beruhe  oder  er  sich  in  Ertragung  desselben 
nicht  stark  genug  zeige.  Man  habe  vielmehr  walirnehmon 
müssen,  dass  dasselbe  durch  die  geringste  Kopfarbeit  oder  Ge- 
müthsbewegung  gesteigert  werde.  Obgleich  die  Cur  in  Spaa 
nicht  ganz  ohne  günstige  Wirkung  an  ihm  vorübergegangen, 
sei  sie  doch  bei  Weitem  nicht  so  ausgiebig  gewesen,  um 
ihm  jetzt  schon  die  Uebernahmc  einer  so  schweren  und 
wichtigen  Aufgabe  zu  erlauben.  Er  habe  sich  hievon  erst 
vor  wenigen  Tagen  bei  Besorgung  seiner  eigenen  Haus- 
angelcgenheitcn ,  die  ihm  doch  bei  Weitem  weniger  am 
Herzen  liegen  als  der  öffentliche  Dienst,  zu  überzeugen  AnJass 
gehabt. 

Kaanitz  endigt  seinen  Berieht  an  die  Kaiserin  mit  der 
offenen  Erklärung,  dass  es  ihm  ganz  unmöglich  sei,  den  ihm 
zugedachten  Posten  anzutreten.  Und  mit  , reinstem  Gewissen', 
fügt  er   hinzu,  rufe  er  Gott  zum  Zeugen  an,  dass  einzig  und 


110 

allein  sein  Krankheitszustand  und  keine  andere  Ursache  oder 
Nebenabsicht  ihn  hiezu  zwinge.* 

An  Ulfeldt  richtete  Kaunitz  zu  gleicher  Zeit  einige  ver 
tranliche  Zeilen,  in  denen  er  dieselben  Versicherangen  noch 
eindringlicher  wiederholte.  Wenn  es  ihm  nur  irgendwie  mög- 
lich wäre,  erklärte  er,  die  mit  jenem  oder  einem  anderen  Posten 
verbundenen  Pflichten  zu  erfüllen,  so  würde  ihn  sogar  die  Ge- 
fahr seines  Lebens  nicht  abhalten,  dem  Rufe  der  Kaiserin  zu 
folgen.  Aber  er  mUsste  sich  als  den  Verworfensten  der  Menschen 
betrachten,  wenn  er,  um  einem  verbrecherischen  Ehrgeize  zu 
fröhncn,  sich  zur  Uebemahme  eines  solchen  Amtes  herbeilassen 
sollte.  Er  fUhle  wohl,  dass  er  sich  durch  seine  Weigerung  viel- 
leicht des  Wohlwollens  der  Kaiserin  verlustig  mache,  und  er 
würde  sich  Zeit  seines  Lebens  hierüber  nicht  trösten  können, 
denn  da  er  keine  Glttcksgüter  begehre,  würde  er  das  Einzige 
einbüssen,  worauf  er  Werth  lege  im  Leben.  Aber  er  woUc 
hundertmal   lieber  eine  Ungnade   ertragen,  als  sie  verdienen.* 


'  An  Maria  Theresia.  Rietberg,  9.  September  1746. 

*  Kaanitz  an  Ulfeldt.  Rietberg,  9.  September  1746.  Gans  eigenhlndig. 
,V.  E.  verra  par  le  contenn  de  la  tr^-hnmble  döpdche  cy-jointe  le* 
malhenrenses  raisons,  qui  ne  me  permettent  pas  de  me  charger  de  la 
commission  que  la  cUmence  de  S.  M.  me  destinoit.  Tont  ce  quo  je  prends 
la  Iibert£  d'y  exposer,  ponrroit  suffire  pour  persuader  V.  E.  qne  je  snic 
absolnment  honi  d'^tat  de  pouvoir  vaquer  k  la  molndre  petite  affaire, 
mais  k  Elle  je  ne  puis  pas  m'empScher  de  Lui  r£p6ter  encoro  one  fois, 
avec  la  confiance  dont  Elle  m'a  toujouTB  permis  d'nser  k  Son  ägard,  qne, 
s'il  £toit  humainement  possible  qne  je  pns  remplir  les  deToin  de  Tem- 
ploi  dont  il  est  question,  on  de  tont  autre  tel  qu'il  pdt  Stre,  ni  la  natare 
de  l'affaire,  ni  la  Situation  du  lien,  ni  la  dcpense,  ni  le  danger  de  rie 
mßme,  enfin  rien  aa  monde  ne  seroit  capable  de  me  faire  balaneer  nn 
instant,  lorsqu'il  est  question  du  Service  de  S.  M.  Mais  je  La  supplie  de 
juger,  si  qnelqu'nn  qui  n'est  pas  une  semaino  sans  6tre  snr  le  grabat, 
et  pas  nn  jour  en  6tat  de  pouvoir  d'icrire  une  simple  lettre  sans  devenir 
enää  dans  tous  sos  membres  avec  de  la  fiivre  et  nn  engonrdiasement 
universell  ne  seroit  pas  le  demier  des  hommes,  si  pour  satiafaire  une 
arabition  criminelle,  il  avait  la  tämäritä  de  se  laisser  employer  dans  cet 
Stat.  Elle  en  conviendra  ponrvu  qu'EUe  pnisse  me  croire,  et  ponr  qn'il 
ne  Lui  reste  ancnn  donte  k  cet  ägard,  je  prens  Oieu  k  tämoin  de  l'ezact« 
värit^  de  tont  ce  qne  cy-dessus,  et .  de  la  doulenr  am6re  dont  je  suis 
pön6tr^,  de  devoir  Stre  inntile  k  S.  M.  qui  ne  peut  certainement  pas 
s'imaginer  l'Stondue  de  mon  attachement  ponr  Elle.  Je  sens  fort  bien 
que  cetto  affaire  icy  pent  me  faire  perdre  pour  tonjonrs  Sa  haate  bien- 
veillance,  dont  je  ne  me  consolerai  de  ma  vie,  paree  qae,  comme  je  ne 


111 


Kaunitz  fllgt  hinzu,  dass  er  die  Absieht,  wegen  seiner  ost- 
iriesischen  Angelegenheiten  nach  Berlin  zu  gehen,  wieder  auf- 
gegeben luibc,  denn  seine  hierauf  bezüglichen  Schritte  würden 
ohnedies  erfolglos  bleiben  und  auch  schriftlich  oder  in  anderer 
Art  geschehen  können.  Auch  mtlsse  er  besorgen,  bei  der  Ge- 
milthsbewegung,  in  der  er  sich  befinde,  bald  von  einem  neuen 
Kiankheitsanfalle  heimgesucht  zu  werden.  Er  gedenke  daher, 
am  11.  September  Rietberg  zo  verlassen  und  auf  geradem 
Wege,  d.  h.  über  Kassel,  Leipzig,  Dresden  und  durch  Böhmen 
nach  Wien  zu  gehen. 

Einen  Tag  später,  als  Kaunitü  dies  niederschrieb,  starb 
ihm  sein  Vater,  der  Landeshauptmann  Graf  Maximilian  Ulrich 
Kaunitz  in  Brunn.  Wir  wissen  nicht,  wo  den  Sohn  diese 
schmerzliche  Nachricht  traf,  und  ob  er  sich,  wie  es  wahrschein- 
lich ist,  gleich  nach  ihrem  Empfange  nach  BrUnn  begab,  nm 
dort  die  Angelegenheiten  zu  oi-dnen,  welche  mit  der  Verlassen- 
schatl  seines  Vaters  im  Zusammenhange  standen. 

Den  testamentarischen  Verfügungen  Maximilian  Ulrichs  zu- 
folge war  dieser  in  dem  Augenblicke  seines  Hinscheidens  Herr 
des  von  seinem  Vater  Dominik  Andreas  Kaunitz  gestifteten 
Fideicommisses,  welches  aus  den  milhrischen  Herrschaften 
Austerhtz,  Ungarisch-Brod,  Mährisch-Pnis  und  Gross-Orzechau,* 
dann  aus  einem  Hause  in  Brunn  bestand,  welches  er  aus  zwei 
von  ihm  ererbten  Häusern  zusanimengcbiiut  hatte.  Das  AUodial- 
vermögen  des  Verstorbenen  begrift'  die  von  ihm  selbst  erkauften, 
gleichfalls  in  Mithren  gelegenen  Güter  Wiese,'  Nezdionitz  und 
Rrziczanowitz,'  dann  die  auf  der  Freiung  in  Wien  befindlichen 
HUuser  in  sich,  welche  früher  in  dem  Besitze  der  Familien 
Palffy    und    Ehrenberg    gewesen    und    von    Dominik    Andreas 


voiu  ni  biens  ni  forttine,  j'aurai  perdn  la  Beule  chose  k  laqnello  je  Roiii 
«enfiiblo  en  ce  monde.  Mais  je  möriterois  nne  dis^rice  ai  j'avois  1a  t&- 
niüritü  ile  me  oliarger  de  ce  dont  actuellBment  je  ne  8uLs  point  capable, 
Ot  commo  il  a'y  a  point  .^  balanucr  eiitre  soulTrir  ou  ätrc  coupable, 
j'aimo  mieax  cent  fois  äprouver  uuo  disgräco  ijne  l'aToir  märitic.  Ja 
compte  ce{>endant  beancoup  sor  l'äquitä  et  la  cliSmence  de  S.  M.,  et  iinr 
leit  bontis  de  V.  A.  Dien  sait  eine  je  ue  fniiR  indigne  ni  de  I'nn  ni  de 
l'autre.  Je  La  Bnpplio  d'en  €tro  persuad^,  autant  (jao  de  la  vi[^ni!ration 
ro.ii>ectueu!io  avec  laqaelle  je  serai  tonte  ma  vie  .  .  .' 
'  Mäliriscli-Pnis  gebort  zu  Au.sterlitz  und  Gross-OniechaH  »n  Ungarisch-Brod. 

•  Ilei  Iglau;  von  Max  Ulricli  Kaimitr.  im  .Inlire  17S7  um  133.000  fl.  erkanft. 

*  Nezdienitz   gehört   zu  Ungarisch  ■lirnd    und  Krziczanowitz  zu  AuBtnrIitz. 


112 


Kaiinitz  angekauft  worden  waren.  Sie  sind  jetzt  in  ein  cinz 
Haus  umgebaut  worden,  welches  dem  Grafen  Hardegg  gehört. 
Und  schliesslich  züiiltc  auch  noch  der  grosse  Qarten,  welchen 
Graf  Max  Ulrich  Kaunitz  sammt  den  hiezu  gehörigen  Htiosem 
in  der  Wiener  Vorstadt  Rossau  besessen  hatte/  zu  dem  von 
ihm  hinterlasseuen  Allodialvermögen. 

Alles  dies  ging  nun,  und  zwar  das  Fideicomniiss  schon  an 
und  fllr  sich  an  den  einzigen  Sohn  Anton  Wenzel  über,  welcher 
gleichzeitig,  von  seinem  Vater  testamentarisch  zum  Universal- 
erben ernannt,  auch  Herr  des  Allixlialvermögens  wurde.  Frei- 
lich traf  ihn  hicmit  auch  die  Verpflichtung  zur  Uebernahme 
der  nicht  unansehnlichen,  zum  grosseren  Theile  noch  von  seinem 
Grossvater  herrührenden  Schulden.  Da  ihm  aber  zu  Gunsten 
seiner  Mutter,  welche  als  Erbgrülin  von  Rietberg  ohnedies  ein 
höchst  ansehnliches  Vermiigen  besass,  und  seiner  beiden  Schwe- 
stern, von  denen  die  ältere,  Antonie,  an  den  Grafen  Johann 
Adain  Questenberg  und  die  jüngere,  Eleonore,  an  den  Grafen 
Rudolf  Palffy  verraühlt  war,  keinerlei  Lasten  auferlegt  wurden, 
wird  wohl  Kaunitz  seit  dorn  Tode  seines  Vatei*s  als  ein  reicher 
Mann  angesehen  werden  dürfen. 

Die  Abwickhing  dieser  Erbschatlssachc  scheint  es  gewesen 
zu  sein,  welche  Kaunitz  einige  Zeit  so  sehr  in  Anspruch  naluu, 
dass  uns  seine  Spur  völlig  verloren  geht.  Erst  im  Deccmber 
1747  taucht  sie  wieder  auf,  als  Kaunitz  berufen  wurde,  den 
Wiener  Hof  auf  dem  Friedcnscongresse  zu  Aachen  zu  vertreten. 

Man  weiss,  dass  Maria  Theresia,  als  sie  die  Conferenzeii 
zu  Breda  beschickte,  noch  an  der  Absicht  festhielt,  welche 
nach  den  Friedensschlüssen  mit  Baiern  zu  Füssen  und  mit 
Freusson  zu  Dresden  bei  ihr  die  leitende  geworden  war:  auf 
italienischem  Boden  Entschildigung  fiir  die  Verluste  zu  erhalten, 
welche  ihr  durch  die  Abtretung  Schlesiens  an  Preussen  und 
ansehnlicher  lorabnrdischer  Districte  an  Sardinien  verursacht 
worden  waren.  Würde  ihr  dieser  Ersatz  durch  die  Erwerbung 
Neapels,  auf  welche  sie  zunilchst  ausging,  nicht  zu  Theii  werden 
können,  so  sollten  wenigstens  die  ihr  so  empfindlichen  Ccssionon 
an  Sardinien  wieder  rückgjlngig  gemacht  worden.  Und  zur 
Durchsetzung  dieser  Forderungen  schien  ihr  nichts  geeigneter 
zu   sein   als   die   nachdrückliche    Fortsetzung   dos  Krieges   auf 


'  Jetst  Ponellangaue  88. 


113 


I 


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I 

I 
I 


niederlänflischem  und  italif-niscliera  Boden.  Eine  ansehnliche 
Vermehrung  ilirer  eigenen  Stroitmaclit  stellte  sie  hiezu  in  Aus- 
sicht, und  sie  drang  in  ihre  Verbtindeten,  ein  (Gleiches  zu  thun. 
Aber  der  Feldzug  dos  Jahres  1747  entspracli  ihren  Erwartun- 
gen nicht.  In  den  Niederlanden  ging  die  Schlacht  bei  Laveid 
und  nach  ihr  die  Festung  Berg  op  Zoom  verloren;  in  Itahen 
scheiterte  die  Belagerung  (ienuaa,  und  die  kühne  Waffen- 
that  der  verbündeten  Oesterreicher  und  Sardinier  gegen  die 
Franzosen  auf  dem  Col  d'Assiette,  sowie  dei'  kurze  Streifzug 
des  Grafen  Browne  auf  französisches  Gebiet  bildeten  durchaus 
kein  Gegengewicht  gegen  das  Misslingen  einer  Unternehmung, 
welche  damals  die  gespannte  Aufmerksamkeit  ganz  Europas 
auf  sich  gezogen  hatte. 

Die  höchst  unbefriedigenden  Resultate  dieses  Feldzuges 
waren  es  wohl  zunächst,  welche  in  den  letzten  Monaten  dos 
Jahres  1747  eine  grosse  Veränderung  in  den  frl'iheren  Anschau- 
ungen der  Kaiserin  hervorbrachten.  Hatte  sie  bisher  die  Fort- 
setzung des  Krieges  gewünscht,  weil  sie  auf  diesem  Wege  zu 
gtinstigeren  Friedensbedingungen  zu  gelangen  meinte,  so  Hess 
sie  jetzt  diese  Uoflnung  fahren  und  dachte  nur  mehr  an  bal- 
digen Abschluss  des  Friedens,  Auch  der  Umstand,  dass  zu  jener 
Zeit  Graf  Haugwitz,  von  dem  sie  selbst  sagt,  er  sei  ihr  durch 
die  Vorsehung  gesendet  worden,  bei  ihr  emporgekommen  und 
mit  wichtigen  Plänen  hervorgetreten  war,  die  sich  auf  die  Um- 
gestaltung der  inneren  Verwaltung  und  hauptsilchlich  auf  die 
Annahme  eines  neuen  Systems  zur  Einbringung  der  Militär- 
contribution  bezogen,  trug  nicht  wenig  dazu  bei,  sie  jetzt  die 
baldige  Beendigung  des  Krieges  dringend  wünschen  zu  lassen. 
Denn  dass  so  weitaussehende  und  tiefeingreifende  Reformen 
nicht  während  der  Dauer  des  Krieges  durchgeführt  werden 
konnten,  darüber  war  sie  wohl  keinen  Augenblick  im  Zweifel. 

Maria  Theresia  verleugnete  die  Lebhaftigkeit,  welche  ein 
80  charakteristisches  Merkmal  ihres  Wesens  bildete,  auch  jetzt 
nicht.  Alles,  was  zur  lierbeiftihruug  des  Friedens  dienen 
konnte,  sollte  möglichst  rasch  geschehen;  so  weit  ging  sie  darin, 
dass  sie  in  den  letzten  Tagen  des  November  1747  den  Mit- 
gliedern der  Conferenz  die  Frage  vorlegte,  ob  es  nicht  am  ge- 
rathensten  sei,  ihren  Verbündeten,  insbesondere  England,  un- 
umwunden zu  erklären,  sie  sehe  sich  durch  den  gänzUchen 
Mangel  an  Geldmitteln   völlig  ausser  Stande,  den  Krieg  noch 

IrchiT.  LXXXTin.  Bd     t.  UUtt».  S 


114 


weiterzuführen,  und  sie  könnte  sieb  nur  dann  hiezu  herbei- 
lassen, wenn  England  die  Auslagen  flir  die  gesainmte  öster- 
reichische Streitmacht  in  den  Niederlanden  auf  sich  nehme. 

Ein  so  demüthigender  Schritt  wurde  der  Kaiserin  von  der 
Mehrzahl  der  Befragten,  am  entschiedensten  von  Bartenstein 
dringend  widen-athen.  Aber  er  zeigt  doch,  dass  Maria  Theresia 
eigentlich  nichts  Anderes  mehr  als  den  Abschluss  des  Friedens 
im  Sinne  führte,  und  wer  sich  nicht  in  Widerspruch  setsen 
wollte  mit  ihren  Tendenzen,  hatte  von  nun  an  in  dieser  Rich- 
tung thUtig  zu  sein.  Auch  Bartenstein,  vielleicht  mit  einziger 
Ausnahme  des  Grafen  Friedrich  Harrach  der  selbständigste 
Charakter  unter  den  Rathgebem  der  Kaiserin,  musste  sich  hiczn 
bequemen,  obwohl  er  mit  dem  ihm  eigenen  Ungestilm  die  etwa» 
seltsame  Meinung  vertrat,  niemals  sei  es  die  Unzulänglichkeit 
der  zu  Gebote  stehenden  Geldmittel,  sondern  immer  nur  eine 
durch  andere  Ursachen  veranlasste  Handlungsweise  gewesen, 
wodurch  Oesterreich  ins  Unglück  gerathen  sei  oder  sich  durch 
eigenes  Verschulden  in  dasselbe  gestürzt  habe.' 

So  wenig  solches  nun  auch  Rartenstein's  persönlicher  An- 
achauungsweise  entsprechen  mochte,  so  arbeitete  er  doch  mit 
dem  ihm  eigenen  eisernen  Fleisse,  aber  freilich  auch  mit  seiner 
gewöhnlichen  pedantischen  Breite  an  den  Instructionen  flir 
Kaunitz.  Der  Sit/Aing  der  geheimen  Conferenz  vom  5.  December 
1747,  in  welcher  ihre  OrundzUge  festgestellt  wurden,  wohnte 
auch  Kaunitz  bei.  Am  13.  meldete  Bartenstein,  er  sei  mit  der 
Instruction  fertig  geworden,  und  wenn  man  in  Beti-aoht  zieht, 
dass  sie  einundzwanzig  Foliobogen  stark  ist,  so  macht  dies 
seiner  Arbeitsamkeit  gewiss  alle  Ehre.  Aber  nicht  weniger 
als  einhundortundvier  Beilagen  fügte  er  ihr  hinzu;  das  Ab- 
schreiben derselben  nahm  gleichfalls  einige  Zeit  in  Anspruch, 
und  als  in  der  Sitzung  vom  20.  December  ein  Mitglied  der 
Conferenz  die  Bemerktmg  fallen  hess,  eine  frühere  Ausarbei- 
tung der  Instniction  und  eine  raschere  Absendung  dos  Grafen 
Kaunitz  wilren  zu  wünschen  gewesen,  nahm  Bartenstein  dies 
als  persönlichen  Vorwurf  und  gerieth  hierüber  nicht  wenig  in 
Harnisch.  Voll  Bitterkeit  schrieb  er  der  Kaiserin,  man  habe 
im  November  1741,  als  sogar  die  Abtretung  des  Königreiches 
Böhmen  an  den  Kurfürsten  von  Baiem  anzuregen  gewagt  worden 


Referat  vom  30.  November  1747. 


115 


sei,  den  Muth  nicht  in  solchem  Masse  sinken  lassen  wie  jetzt. 
Selbst  wer  schon  von  vorneherein  Alles  verloren  gebe,  werde 
doch  daflir  sein  müssen,  dass  man  zum  Mindesten  darauf  aus- 
gehe, so  viel  zu  retten,  als  überhaupt  erreichbar  erscheine. 

Darin  bestand  denn  nun  die  Aufgabe,  welche  die  Instruc- 
tion des  Grafen  Kaunitz  diesem  vorzeichnetc.  Ihr  Vertrauen  in 
seine  grosse  Geschickliehkeit,  in  seine  Erfahrung  und  seinen 
ruhrawlirdigen  Diensteifer  habe  die  Kaiserin  vermocht,  so  heisst 
es  zu  Anfang  dieser  Instruction,  ihn  vor  Anderen  in  den  gegen- 
wärtigen ebenso  verwirrten  als  höehst  geftlhrlichen  Umständen 
zur  Wahrnehmung  der  Interessen  oder  vielmehr  der  Wohlfahrt 
ihres  Erzhauses  bei  den  bevorstehenden  Friedensconferenzen 
auszuersehen.  Da  lebhaft  zu  wünschen  wälre,  dass  noch  vor 
Beginn  des  Feldzuges  ein  wenn  auch  nicht  guter,  so  doch  leid- 
licher Friede  zu  Stande  komme,  möge  Kaunitz  seine  Reise  nach 
Aachen  thunlichst  beschleunigen. 

Die  Natur  jeder  Instruction  bringe  es  mit  sich,  fährt  diese 
oder  vielmehr  ihr  Verfasser  Bartenstein  fort,  dass  sie  in  zwei 
Theile  zerfalle.  In  dem  ersten  müsse  das  bisher  Geschehene 
und  im  Zusammeuhange  mit  den  zu  eröffnenden  Verhandlungen 
Stehende  erzählt  werden,  der  zweite  aber  die  Vorschriften  ent- 
halten, die  als  Richtschnur  zu  dienen  hätten. 

Was  den  ersten  Theil  der  Instniction,  die  Darstellung  des 
bisher  Geschehenen  beti'af,  so  erging  sich  Biirtenstein  hierüber  in 
so  behaglicher  Breite,  und  es  wurde,  was  er  selbst  nicht  erzählte, 
durch  die  siebenuudachtzig  Beilagen  so  erschiipfend  ergänzt, 
dass  er  selbst  die  Ueberzcugung  aussprach,  Kaunitz  sei  nun- 
mehr von  jeder  Phase  der  früheren  Unterhandlungen  so  genau 
unterrichtet,  als  ob  sie  insgesammt  durch  seine  eigenen  Hände 
gelaufen  wären.  Nachdem  er  diese  ihm  als  nothwendig  erschei- 
nende Aufgabe  erftillt  hatte,  wandte  sich  Bartenstein  dem  zweiten 
und  allein  für  uns  wichtigen  Theile  der  Instruction  zu,  durch 
welchen  dem  Grafen  Kaunitz  das  von  ihm  zu  beobachtende 
Verfahren  vorgezeichnet  wurde.  Die  Punkte,  welche  sich  auf 
die  damals  so  hochgehaltenen  Etikette  fragen  bezogen,  wollen 
wir  ebenso  wie  andere  von  wenig  entscheidender  Bedeutung 
übergehen  und  uns  ausschliesslich  mit  Verfiigungen  beschäftigen, 
welche  die  Gebiete  in  Italien  betrafen,  aus  denen  Compensations- 
objecte  gemacht  werden  sollten. 

8* 


116 


Die  Instructionen  ftlr  Knunitz  unterschieden  hiebe!  streng 
zwischen  einer  aligemeinen  Pacification  und  einem  blossen  Frie- 
densschlüsse mit  Spanien.  Jone  als  das  bei  Weitem  wünschens- 
werthere  Ziel  sei  vorzugsweise  zu  erstreben  und  daher  ftir  sie 
auch  ein  grösseres  Opfer  als  Air  den  Friedensschluss  allein  zu 
bringen.  Käme  nur  dieser  in  Betrat-lit,  so  sei  darauf  zu  bestehen, 
dass  der  König  von  Neapel  und  Sicilien  die  Verziohücistung 
der  Kaiserin  auf  diese  zwei  Länder  durch  Abtretung  des  Stat« 
de'  Presidj  an  Toscana  ei-kaufe.  Die  auf  dem  spanischen  Throne 
sitzende  ältere  Linie  des  dortigen  Königshauses,  sowie  kein 
König  von  Spanien  überhaupt  könne  jemals  auch  über  Nea})«! 
und  Sicilicn  herrsehen.  Würde  der  jetzige  König  dieser  zwd 
Länder  zur  Thronfolge  in  Spanien  berufen,  so  erlöschen  d*- 
durch  von  selbst  sein  eigener  Besitztitel  und  der  seiner  Nach- 
kommenschaft auf  die  beiden  aliditalienischen  Reiche.  Den 
Thron  dieser  hätte  vielni*'hr  der  jüngere  Bruder  Don  Philipp  zu 
besteigen.  Sollten  er  und  auch  der  jUiigste  Bruder,  der  Cardinal- 
Infant,  ohne  Hinterlassung  männlicher  Descendenz  sterben  ond 
überhaupt  Niemand  mehr  von  dem  spanischen  Zweige  des 
Hauses  Bourbon  Übrig  sein,  der  solche  besässe,  so  hätte  Neapel 
von  selbst  an  das  Haus  Oesterreich,  Sicilien  aber  an  den  je- 
weiligen König  von  Sardinien  zu  fallen.  Gegen  dieses  Zugo- 
ständniss  sei  man  zur  Emeuening  der  schon  im  Wormser  Trac- 
tate  versprochenen  Cession  Parmas  und  Piaccnzas  an  den 
Infanten  Don  Philipp  bereit.  Die  durch  den  eben  erwähnten 
Vertrag  an  Sardinien  abgetretenen  (Jebiete  hätten  jedoch  an 
Mailand  ztirückzufalien,  wenn  es  nicht  gelänge,  dem  Kaiser- 
hause ftlr  die  Verzichtleistung  auf  Parma  und  Piacenza  eine 
anderweitige  Schadloshaltung  zu  Theil  werden  zu  lassen.  Um 
80  gerechter  sei  ein  solches  Begehren,  heisst  es  in  der  Instruc- 
tion für  Kaunitz,  als  es  sich  bei  dem  Könige  von  Sardinien  um 
eine  Vergrösserung  seines  bisherigen  Gebietes,  bei  dem  Hause 
Oesterreich  aber  um  eine  Vermeidung  einer  ganz  unbilligen 
Schmälerung  desselben  handle.  Oesterreich  habe  die  Last  des 
Krieges  in  Italien  fast  allein  getragen,  während  Sardinien  hiezu 
nur  sehr  wenig  leistete,  sich  zum  Mindesten  höchst  zweideutig 
betrug  und  häutige  Gelegenheiten  versäumte,  dem  gemeinsamen 
Feinde  Abbruch  zu  thun  und  Oesterreich  zur  Erlangung  des 
Besitzes  von  Neapel  mitbchilfiich  zu  sein. 


117 


Wäre  hingegen  Aussicht  anf  Zustandebritigung  des  all- 
'  gemeinen  Friedens  vorhanden,  dann  dürfe  sieh  Kaunitz,  nach- 
dem er  zuvor  Alles  versiiclit,  um  die  Abtretung  des  State 
de'  Presidj  au  Toscana  zu  erlangen,  schliesslieh  hinsichtlich 
dieses  einen  Punktes  nachgiebig  finden  lassen.  Solches  dUrfo 
jedoch  nur  unter  der  Voraussetzung  geschehen,  dass  gleich- 
zeitig die  durch  den  Wormser  Tractat  an  Sardinien  abgetretenen 
Oebietstheüe  wieder  an  die  Lombardei  zurückkamen. 

Zu  der  so  umfassenden  Instruction  für  Kaunitz,  welche 
am  19.  December  ausgefertigt  worden  war,  kam  zehn  Tage 
spitter,  am  29.,  noch  ein  Nachtrag.  Doch  lag  ihm  mehr  die 
Absicht,  Kaunitz  von  dem  in  Kenntniss  zu  setzen,  was  in  der 
Zwischenzeit  von  den  verschiedensten  Seiten  her  nach  Wien 
berichtet  und  von  hier  aus  an  einige  Vertreter  des  Kaiserhofes 
im  Auslande  geschrieben  worden  war,  als  die  Tendenz  zu 
Grunde,  die  ihm  früher  ertheilten  Vorhaltiuigsvorsehriften  in 
wichtigen  Punkten  zu  ändern.  Vollinhaltlich  bÜeben  sie  auf- 
recht, aber  es  mochte  wenigstens  die,  welche. so  energisch  auf 
baldigste  Abreise  des  Grafen  Kaunitz  nach  Aachen  gednmgcn 
hatten,  unangenehm  berühren,  dass  dieser,  wohl  durcli  Un- 
wohlsein gehindert,  erst  am  12.  Januar  1748  von  Wien  auf- 
brach. Und  auch  jetzt  noch  kam  er  nicht  weit;  durch  Krank- 
heit dazu  gezwungen,  blieb  er  eine  Woche  hindurch,  vom  14. 
bis  zum  21.  Januar,  in  Strengberg,  zwei  Poststationen  vor  Linz, 
liegen.  Arger  Schneefall  zwang  ihn  neuerdings  zu  einem  mehr- 
tägigen unfreiwilligen  Aufenthalte  in  Lina;  erst  am  Abend  des 
25.  kam  er  nach  Passau  und  am  Morgen  des  29.  nach  Nlü'n- 
berg,  wo  man  ihn  mit  den  einem  kaiserlichen  Botschafter  ge- 
bührenden Ehrenbezeigungen  empfing.  In  dreimaliger  Abfeue- 
rung  von  vierzig  Kanonenschüssen  von  den  Wällen  der  Stadt, 
sowie  in  der  Aufstellung  einer  Compagnie  von  hundert  Soldaten 
mit  fliegenden  Fahnen  und  klingendem  Spiel  vor  seiner  Woh- 
nung bestanden  sie  zunächst.  Dort  fanden  sich  auch,  um  ihn 
im  Namen  des  Magistrates  zu  begrüsscn,  die  beiden  Patrizier 
und  Mitglieder  des  Stadtrathes  Haller  und  Ki'eas  ein.  Am  fol- 
genden Morgen  aber  erhielt  er  das  sogenannte  Ehrenprälsent, 
einen  mit  neun  Eimern  Wein  beladeneu  Wagen,'  zwei  andere 


'  Vior   Eimor  Rheinwein,    vier  Eimer  Steinwein  and   ein  Eimer  iflnen 
■panischen  Weines. 


118 


Wagen  mit  Hafer  und  drei  Kübel  voll  Fischen.'  Da  er  den- 
selben Tag  schon  nach  Wilrzburg  weiterging,  konnten  Kaunitz 
und  sein  Oetblge  dieses  Geschenk  unmüglich  verbrauchen;  er 
bleibt  uns  jedoch  die  Auskunft  schuldig,  was  damit  gc-scbah. 

Wie  wenig  die  Verzögerung,  die  in  der  Reise  des  <irafen 
Kaunitz  nach  Aachen  eintrat,  seinem  Sinne  entsprach,  wird 
man  auch  daraus  entnehmen  künncn,  dass  er  frühzeitig  eines 
der  schöusten  Häuser  in  Aachen,  das  der  Gräfin  Goldstein,  am 
den  für  die  damalige  Zeit  ganz  betrilchtlichen  Preis  von  zehn- 
tausend Gulden  gemiethet  hatte  und  dass  seine  Dienerschaft 
schon  am  21.  Januar  in  Aachen  eingetroffen  war.  Von  Frankfurt 
aus  beklagte  er  es,  dass  diese  beträchtlichen  Opfer  wenigstens 
vorderhand  fruchtlos  gebracht  wurden.*  Und  aus  Rietberg,  wo  er 
am  5.  Februar  ankam,  erneuerte  er  die  Versicherung,  er  sehe 
mit  Verlangen  der  Gelegenheit  entgegen,  seinen  Diensteifer 
,werkthätig'  bezeigen  zu  können.'  Sehnlich  wünsche  er,  schrieb 
er  vierzehn  Tage  später  von  dort  nach  Wien,  dass  sich  seine 
hiesige  langweilige  ,Ruhe'  binnen  Kurzem  in  eine  ,treueifiTge 
Beschäftigung'  umwandeln  möge.*  Aber  noch  geraume  Zeit  ver- 
ging, ehe  Kaunitz,  der  inzwischen  in  Rietberg  neuerdings  Von 
ernstlichem  Unwohlsein  befallen  worden  war,  diesen  Wunsch 
sich  erflUlon  sah.  Erst  am  12.  März  verliess  er  Rietbcr^,  am 
14.  kam  er  nach   Düsseldorf  und  am   18.  nach  Aachen. 

Kaunitz  hatte  sich  Illingens  bei  seiner  verspäteten  Reise 
nach  Aachen  nur  nach  dorn  Verfahren  gerichtet,  welches  in 
dieser  Beziehung  von  den  Botsch.aftern  der  librigen  Mächte 
beobachtet  wurde.  Die  Vertreter  Englands  und  Sardiniens,  Lonl 
Sandwich  und  Graf  Chavanne  waren  kurze  Zeit  vor  ihm  ein- 
getroffen, während  die  beiden  Repräsentanten  der  Genoral- 
staaten, Graf  Bcntinck  und  van  Haaren,  sowie  der  tranzösischo 
Botschafter  Graf  St.  Severin  erst  nach  ihm  kamen.  Und  noch 
am  3.  April  musste  er  nach  Wien  berichten,  die  Minister  Spa- 
niens, Genuas  und  Modenas  seien  noch  immer  nicht  angelangt. 
Durch  ihr  Ausbleiben  erleide  jedoch  die  Eröffnung  der  Fricdens- 
conferenzen  eine  arge  Verzügenmg. 


'  Kannitc  an  UUeldt.    Nürnborff,  äU.  Jannnr  1718. 

•  An   Ulfoldt.    Frankfurt,  2.  Folmmr  1748. 

•  An  Ulfoldt.    Rietberg,  8.  Februar   1748. 

•  An  Ulfelill.    iiietborg,  22.  Februar   1748. 


HO 


Vorderbund  kam  es  freilich  weniger  auf  die  allgeinoLaen 
Vcrliaiidiiiugren  als  auf  die  ubgesondeftca  an,  welche  zu  einem 
Separatfrieden  zwischen  den  Rufen  von  Wien  und  Versailles  fuhren 
sollten.  Schon  den  ganzen  Winter  hindurch  waren  sie  durch  Ver- 
mittlung der  beiden  Grafen  Lobs  geführt  worden,  von  denen  der 
Eine  den  König  von  Polen  und  Kurilirsten  von  Sachsen  in  Wien, 
der  Andere  ihn  in  Paris  vertrat.  Um  so  grösseres  Gewicht  legte 
der  Kaiserhof  auf  sie,  als  sich  die  Aussicht,  durch  Englands  Da- 
zwischenkunft  zu  einem  leidlichen  Abkommen  mit  Spanien  zu 
gelangen,  immer  mehr  verdüsterte.  Und  man  wurde  hiedurch 
weniger  gegen  den  eigentlichen  Feind,  den  Hof  von  Madrid,  als 
gegen  den  von  Saint-James  erbittert,  der  zwar  die  Rolle  des  Ver- 
mittlers spielte,  dem  aber  kein  (.»pfer  zu  gross  schien,  um  es  nicht 
mit  aller  Ruhe  der  Kaiserin  aufbiirden  zu  können.  Im  Ver- 
gleiche mit  dem  Schicksale,  welches  bei  Beginn  dos  Krieges 
dem  Hause  Oesterreich  gedroht  hatte,  rausste  sie  ja  nach  dem 
Ermessen  der  britischen  Regierung  immer  noch  troh  sein,  so 
wohlfeilen  Kaufes  aus  dem  Kriege  zu  kommen.  Und  von  einem 
britischen  Staatsnianne  wird  der  charakteristische  Ausspruch 
nacherzählt:  ,Die  Kaiserin  besitze  keinen  Kreuzer  Geld  und 
wolle  doch,  dass  sich  Alles  nach  ihrem  WUlen  richte." 

Es  ist  nicht  zu  venvundern,  dass  der  Wiener  Hof  unter 
solchen  Verhälltnissen  von  dem  mächtigsten  seiner  Gegner,  dem 
Könige  von  Frankreich,  bessere  Bedingungen  als  durch  den 
bisherigen  Verbündeten,  durch  England,  zu  erreichen  hoffte. 
So  weit  waren  diese  Verhandlungen  nach  der  Abreise  des 
Grafen  Kaunitz  aus  Wien  schon  gediehen,  dass  man  daselbst 
zur  Abfassung  von  Präliminarartikeln  schritt,  hinsichtlich  deren 
man  sich  mit  der  Hoffnung  schmeichelte,  sie  würden  wenig- 
stens in  ihren  wesentlichsten  Bestimmungen  auf  französischer 
Seite  Annahme  finden.  Sie  wurden  Kaunitz  nach  Rietberg  nach- 
gesendet, und  benierkenswerth  sind  die  Ausdrücke  enthusiasti- 
scher Bewunderung,  in  tlenen  sich  Kaunitz  über  diese  Arbeit 
Bartcnstein's  erging."     ,Ich  gestehe,'  schrieb  er  noch  von  Riet- 


*  Paysietu  an  St.  Sererin.  28.  April,  .quo  la  Reine  d'Hou^ie  n'aToit  pM 
an  ^a  et  qn'elle  ronloit  doiiner  In  loi.' 
'  *  Kannitz  «n  Ulfoldt.  Kietberg,  2*2.  Februar  174S.  .ludesaen  bleibet  mir 
genngaame  Zeit  übrig,  die  yorgiingige  Allerhöchste  Anweissuugen  mit 
denen  neueren  in  vereinigte  Erwegung  zu  ziehen,  den  gnutzen  Zusam- 
menhang   aUer    sowohl   mit   sich  Selbsten   als   mit  duueu  voräiiderlicheu 


120 


berg  am  24.  Februar  an  Ulfeldt,  .dass  ich  nicht  zu  hoffen  ge- 
wagt habe,  die  Verhandlung  werde  in  so  kurzer  Zeit  so  grosse 
Fortschritte  machen.  Ich  besorgte  vielmehr,  der  Dresdner  Hol 
werde  es  nicht  gerade  mit  Befriedigung  ansehen,  dase  wir 
durch  unsere  am  10.  von  Wien  abgegangene  ErklUrung  fort- 
fuhren, auf  einer  Zusammenkunft  mit  mir  zu  bestehen,  indem 
alle  Schritte  der  Grafen  Loss  ihren  Wunsch,  die  Verhandlung 
nicht  aus  den  Händen  zu  verlieren  und  die  guten  Dienste  ihres 
Hofes  in  glilnzendem  Lichte  erscheinen  zu  lassen,  deutlich  dar 
tbuu.  Gewiss  kann  Niemand  dies  tadeln,  der  gleich  mir  nur 
das  Beste  des  Dienstes  Ihrer  Majestät  vor  Augen  hat.  Darum 
hege  ich  auch  den  lebhaften  Wunsch,  der  Graf  Loss  zu  Paris 
möge  das  Glück  haben,  auf  Grundlage  der  ihm  durch  Ihre 
Majestilt  die  Kaiserin  ertheilten  Ermächtigung  in  ihrem  Mamen 
die  Präliminar-  sammt  den  beiden  Separatartikeln  einfach  unter- 
zeichnen zu  können.  Dieses  Werk  ist  meines  Erachtens  ein 
Meisterstück;  es  wilre  mir  unmögUch,  irgend  ein  Wort  hinzu- 
zufügen  oder  hinwegzunchmen,  und  es  ist  mit  einer  Weite  des 
vorausschauenden  BHckes  entworfen,  dass  es  dem  Dresdner 
Hofe  unmöglich  wird,  hievon  auch  nur  den  geringsten  üblen 
Gebrauch  zu  machen.' ' 

Und  in  der  That,  schon  bei  seinem  ersten  Zusammentreffen 
mit  Kaunitz  bemühte  sich  der  Graf  von  St,  Scverin,  ihn  zu 
überzeugen,  dass  der  König  von  Frankreich  nichts  sehnlicher 
wünsche,  als  sich  mit  der  Kaiserin  vollkommen  zu  versöhnen. 
Er  habe  daher,  versicherte  der  französische  Botschatlcr,  von 
seinem  Hofe  den  bestimmten  Auftrag  erhalten,  mit  Kamtitz 
aufrichtig  und  herzlich  zu  Werk  zu  gehen.* 

An  dem  Willen  Ludwigs  XV.,  von  nun  an  in  mögUchst 
gute  Beziehungen  zu  Oesterreich  zu  treten,  braucht  man  nicht 
zu  zweifeln,  wenn  man  gleich  das  Verfahren  seines  Repräsen- 
tanten in  Aachen  gegen  den  dortigen  Bevollmächtigten  Oester- 
roichs  nicht  gerade  ein  aufrichtiges  nennen  kann.  Allerdings 
musste  der  Graf  von  St.  Severin  ein  solches  versprechen,  denn 

WeitlSaften  ttbereiuatinimeiiden  nnd  auf  das  Torsicbtigste  ansgumosteneu 

Maaanehmuii^eD  su  bewnndern  und  Mit  immer  mehrers  in  das  Q<MUobt- 

nuas  au  prügen.' 
'  ,Cela  est  couch6  aveu  uuo  vastitö  de  prövoyance  qni  ne  permet  pa*  qne 

la  Cour  de  Uresdu  eii  piÜHse  faire  lo  moiudro  tnauvais  nsage.' 
*  Kauuitz  an  Maria  Tlioroaia.  Aaclieu,  28.  Man  mn. 


121 


sonst  liätte  er  ja  von  vorneberein  der  abgesonderten  Verhand- 
lung Frankreiclis  mit  Oestcrreich  ullcn  Hoden  entzogen.  Sie 
war  aber,  wie  wir  jetzt  aus  den  Instriu'tioiion  wissen,  welche 
das  Cabiuet  von  Versailles  seinem  Vertreter  mit  auf  den  Weg 
gab,  nieht  gerade  sehr  ernstlidi  gemeint.  Denn  an  der  Spitze 
dieser  Instructionen  finden  wir  den  Satz,  der  Friede  werde 
nur  dann  auf  dauernder  Grundlage  zu  Stande  gebracht  werden 
können,  wenn  Frankreich  und  England  sich  vorlttiiüg,  und  zwar 
nicht  nur  über  ihre  gegenseitigen  eigenen  Zugestiindiiissc,  son- 
dern auch  über  die  für  ihre  Alliirten  festzustelleuden  Friedens- 
bedingungen geeinigt  haben  würden.' 

Auf  diese  Separatverhandlung  mit  England  hatte  denn 
nun  auch  der  Graf  von  St.  Severin  sein  Augenmerk  wenigstens 
in  erster  Linie  zu  richten,  wenn  er  auch  persönlich  der  Mei- 
nung sein  mochte,  eine  vorlilutige  Verständigung  mit  Oestcrreich 
könnte  für  Frankreich  nur  vortheÜhaft  .sein."  Um  so  leichter 
mochte  es  ihm  daher  füllen,  sich  gegen  Kaunitz  das  Ansehen 
zu  geben,  es  sei  ihm  am  nichts  so  sehr  als  um  eine  baldige 
Vereinbarung  mit  Oosterreieh  zu  thun.  Und  dass  er  sich  darauf 
verstand,  in  Aachen  eine  doppelte  Sprache  zu  führen,  wurde 
sogar  von  Versailles  her  ausdrücklich  anerkannt  und  belobt.' 
Darum  wurden  denn  auch  die  Verhandlun«ren  zwischen  Saint- 
Severin  und  Kaunitz  mit  Eifer,  aber  freilich  wohl  nur  von  dem 
Einen  im  guten  Glauben  an  einen  günstigen  Ausgang  ge- 
führt. Lebhaft  befürwortete  St.  Severin  bei  Kaunitz  das  von 
spanischer  Seite  in  den  Vordergrund  gestellte  Project,  dem 
Infanten  Don  Philipp  möge  Savoyen  sammt  der  Grafschaft 
Nizza  zu  Theil  werden,  während  man  in  Wien  einer  derartigen 
Beraubung  eines  freilich  nur  lauen  Verbündeten,  des  Königs 
von  Sardinien,  wenigstens  nicht  gleich  von  allem  Anfange  an 
zustimmen  zu  können  glaubte.  Einerseits  wollte  man  eine  so 
empfindliche  Schildigung  eines  Alliirten  nicht  zulassen,  und 
andererseits  besorgte  man,  hiedurch  nicht  zu  dem  sehnlich  ge- 
wünschten Frieden,  sondern  weit  eher  zu  einer  Erneuerung  des 
Krieges  zu  kommen.     Denn  es  war  leicht  vorherzusehen,  dass 


■  Iiutraction  fOr  St  Severiu.   29.  Februar  1748. 

*  St  Severin  an  den  MArquia  von  Puysiuox.  Aachen,  30.  Mäns  1748. 

*  Pu/aieux  an  St.  Severin.  ,La  maui^Te  dunt  vous  voiu  fites  expliqui  avec 
M.  le  Comte  de  Kaunitz,  tue  prouve  que  voun  aavez  parier  ploa  d'iine 
Uugue.* 


t22 


sich  der  König  von  Sardinion  die  Entreissiing  eines  so  wichti- 
gen Theiles  seiner  .Stammlandc  nicht  ruhig  werde  gefallen 
lassen.  Er  werde  sich  ihr,  so  meinte  man,  entweder  mit  den 
Waffen  in  der  Hand  widersetzen,  oder  andcrwiirts,  gewiss  aber 
zunächst  auf  Oestorreichs  Kosten  hinreichende  Scliadloshaltung 
suchen.  England  werde  ihm  hiebei  nachdrücklich  beistehen, 
und  es  wäre  leicht  möglich,  dass  es  den  König  von  Preussan 
veranlasse,  bei  dem  etwaigen  Ausbruche  eines  Krieges  zwischen 
Oesterreich  und  Sardinien  zur  Unterstützung  dieses  Staates 
neuerdings  die  Waffen  gegen  Maria  Theresia  zu  ergreifen. 

Die  deutliche  Erklärung  des  englischen  Botschafters,  man 
möge  den  Fricdcnsschluss  durch  Annahme  des  Grundsatzes  er- 
leichtern und  herbeifuhren,  dass  der  Wormser  Vertrag  im  Hin- 
blick auf  den  König  von  Sardinien  in  voller  Kraft  verbleiben, 
hingegen  dasjenige,  was  darin  zum  Vortheile  Oesterreichs 
festgesetzt  war,  schon  von  vorneherein  als  nichtig  und  unvcr 
bindlich  angesehen  werden  solle,'  macht  es  begroiäich,  da« 
man  sich  in  Wien  von  einem  Verbündeten,  dessen  Reprä- 
sentant eine  so  verletzende  Sprache  führte,  ärgerer  Schädi- 
gung als  von  einem  offenen  Feinde  versah.  Die  Eindrücke  aber, 
welche  derlei  Kundgebungen  Englands  auf  Kaunitz  hervor 
brachten,  waren  so  mächtig  und  so  tiefgehend,  dass  sie  auf 
seine  politischen  Anschauungen  die  nachhaltigste  Wirkimg 
übten.  Gross  war  die  Erbitterung,  die  er  deshalb  gegen  Lord 
Sandwich  empfand  und  ebensowenig  wie  seine  Abneigung  gegen 
Sardinien  vollständig  verbarg."  Dennoch  vermied  es  Kaunitz  mit 
Sorgfalt,  jetzt  schon  in  Streit  mit  Lord  Sandwich  zii  gerathen. 
Es  würden  sich  ohnedies,  schrieb  er  uni  jene  Zeit  an  Ulfeldt, 
mehr  als  genug  Gelegenheiten  hiczu  finden,  und  man  dürfe 
darauf  rechnen,  dass  er  ihm  zwar  mit  Mässigung,  aber  doch 
mit  Wucher  dasjenige  vergelten  werde,  was  er  jetzt  dem  Sebcine 
nach  von  ihm  liinnehmcn  müsse.' 

Dass  sich  seine  Beziehungen  zu  Lord  Sandwich  so  uner- 
freulich gestalteten  und  von  englischer  Seite  so  Nachtbeiliges 
für  Oesterreich  zu  befürchten  war,  Hess  es  doppelt  bedauerlich 


*  Kaunitz  an  Maria  Tlierenia.  Aachen,  36.  MKrz   1748. 

'  St.  Severin  an  Pnynienx.  30.  Hins  1748.  ,Ju  remarqne  liaiu«  M.  de  Kauniti 
beaucoii|>  de  d^tiance  do  la  Cour  de  Lundres,  et  une  avisreion  bien  ii- 
cMo  pour  Celle  de  Turin.' 

*  Je  le  lui  rendrai  avec  luure,  qnoique  avec  beaucoup  de  rotHliratioD  .  ■ .' 


123 


erscheinen,  dass  auch  die  Verhandlungen  sswischon  Kaunitz 
und  St.  Severin  keine  befriedigenden  Fortschritte  machten.  Sehr 
gern  wSre  Kannitz  noch  vor  dem  Aupenblicke,  in  welcliem  das 
Eintreffen  säinmtlicher  Friedensbevollmilchtigten  die  Eröffnung 
der  allgemeinen  Verhandlungen  möglich  gemacht  hätte,  zur  Zu- 
standcbringung  des  abgesonderten  Uebereinkoramens  zwischen 
Uesterreich  und  Frankreich  gelangt,  aber  noch  immer  zeigte 
sich  keine  Aussicht  auf  Erreichung  dieses  Zieles.  Auch  näherte 
sich  die  zur  Wiedereröffnung  der  Feindseligkeiten  günstige 
Jahreszeit  immer  mehr,  und  Niemand  konnte  auch  nur  mit 
einiger  Bestimmtheit  den  Einfluss  vorhersehen,  welchen  die 
FortTiihning  des  Krieges  auf  rien  ••ang  der  Verhandlungen 
nehmen  werde. 

In  Wien  war  man  äusserst  betrübt,  als  die  Franzosen 
darch  Uraschliessung  von  Mastricht  die  Feindseligkeiten  be- 
gannen, ehe  die  Separatvorbandluugen,  welche  der  Kaiserhof 
einerseits  mit  Frankreich  und  antlererseits  durcli  Englands  Ver- 
mittlung mit  Spanien  pflog,  zu  einem  Resultate  geführt,  ja  so- 
gar ehe  noch  die  jdlgemcinen  Friedensconferenzeu  überhaupt 
ihren  Anfang  genommen  hatten.  Von  England  versprach  sich 
Kaunitz  fi'cilich  nichts  mehr,  wohl  aber  von  Frankreich,  und 
noch  am  26.  A|)ril  schrieb  er  an  UH'cUlt,  die  Separatvcrhund- 
lung  mit  Frankreich  sei  nicht  nur  nicht  abgebrochen,  sondern  mau 
zeige  ihm  sogar  den  lebhaften  Wunsch,  zu  baldigem  Abschlüsse 
mit  dem  Wiener  Hofe  zu  kommen.  Und  Kaunitz  täuschte  sich 
mit  dieser  Wahrnehmung  nicht,  denn  wenige  Tage  zuvor  hatte 
der  Graf  von  St.  8cvcrin  eine  geheime  Depesche  aus  Versailles 
erhalten,  in  welcher  es  hiess,  der  Künig  erwarte  nichts  mehr 
von  England,  das  nur  darauf  sinne.  Sp.anien  von  Frankreich 
zu  trennen  und  mit  dem  Hofe  von  Madrid  eine  abgesonderte 
Vereinbarung  zu  treffen.  St.  Severin  könne  nichts  Besseres  mehr 
thun,  als  eine  solche  zwischen  Frankreich  und  Oesterreich  »ii 
Stande  zu  bringen.* 

Es  ist  um  80  weniger  einleuchtend,  weshalb  dies  nicht 
wirklich   geschah,   als    Kaunitz   gerade   zu  jener  Zeit   an   den 

'  Puysieaz  au  8t.  Severin.   30.  April  1748.  ,Le  Roi  est  penraadä  qne  tuus 
ne  ferez  rien  avec  VAng^Ieterro.     Cette  Paissance  no  songe  i\n'k  x^'pnrer 
l'Etpagne  de  nou»  .  .  .  Uaius  fes  circonstances  le  Roi  m'ordonue  tio  vuus 
oder  qae  voiia  n'ave»  rieu  do  miuii-t  A,  faire  inm  da  liiiir  nvec  la  Cour 
[de  Vieune,  ti  tant  eat  qu'elle  le  veuille  que  ce  auit  avec  aüretö.' 


124 

Grafen  St.  Severin  mit  der  Erklärung  herantrat,  der  Wiener 
Hof  willige  nunmehr  in  die  Abtretung  Savoyens  an  den  In- 
fanten Don  Philipp,  und  er  wolle  f^  sie  den  König  von  Sar 
dinien  durch  die  HerzogthUmer  Parma  und  Piacenza  entsdiS- 
digen.  Der  Bevollmächtigte  Frankreichs  legte  diese  nenen 
Anträge  Oesterreichs  seiner  Regierung  vor  und  erhielt  von  ihr 
die  Antwort,  auch  sie  wäre  zu  ihrer  Annahme  unter  der  Vor- 
aussetzung einiger  Erläuterungen  und  Veränderungen  bereit' 

Indess  hatte  aber  in  Aachen  eine  weit  lebhaftere  An- 
näherung des  britischen  Bevollmächtigten  an  den  des  Hofes 
von  Versailles  stattgefunden.  So  wie  es  Kaunitz  gethan  hatte, 
legte  nun  auch  Lord  Sandwich  dem  Grafen  St.  Severin  einen 
neuen  Entwurf  von  Präliminarartikeln  zwischen  den  zw« 
Mächten  vor.  Anfangs  meinte  St.  Severin  auch  von  dieser  Ve^ 
handlung  keine  besondere  Erwartung  hegen  zu  dürfen,'  aher 
Lord  Sandwich  zeigte  sich  nun  plötzlich  so  voll  Eifer,  die  Sache 
zum  Abschlüsse  zu  bringen,  und  so  willfUhrig,  die  Begehren 
Frankreichs  zu  erflülen,  dass  die  Verhandlung  zwischen  Beiden 
mit  immer  mehr  sich  steigernder  Lebhaftigkeit  fortgesetzt  wurde. 

Dem  Grafen  Kaunitz  entging  es  nicht,  dass  sich  St  Se- 
verin nicht  nur  zur  Eröffnung  der  allgemeinen  Friedensconie- 
rcnzen  bereitwilliger  finden  Hess  als  zuvor,  sondern  dass  er 
auch  mit  Lord  Sandwich  fast  ununterbrochenen  Verkehr  unter- 
hielt. Und  als  sie  vier  Tage  später,  am  30.  April,  mit  den 
übrigen,  Gesandten  bei  ihm  speisten,  bemerkte  Kaunitz  wohl 
dass  etwas  Besonderes  zwischen  ihnen  vorgehe.  Der  Graf  von 
St.  Severin  entfernte  sich  bald,  und  Sandwich  folgte  ihm  nach; 
etwa  drei  Stunden  später  aber  kehrte  dieser  ziu"ück  und  theihe 
Kaunitz  den  Entwurf  der  FriedenspräHminarien  mit,  den  er  so- 
eben mit  dem  französischen  Botschafter  vereinbart  hatte. 

Fassen  wir  hier  nur  den  Theil  derselben  ins  Auge,  welcher 
Oesterreich  anging,  so  haben  wir  anzuführen,  dass  alle  Erobe- 
rungen   zurückgegeben  und   daher  auch  der  Herzog   von  Mo- 

'  Puysieux  ;ui  .St.  Severin.  28.  April  1748.  ,Le  nouveau  projet  de  triiv 
prülimiiiairo  c|ui  vous  a  6tö  communiiiue  par  le  Comte  de  Kaunitz,  p«»' 
etro  adopt6  ä  cortaius  egards,  mais  il  renferme  des  stipulations  qui  d<- 
niandent  de.s  eelaircisseinents    et  des  modifications.' 

'  St.  Severin  an  Puysieux.  26.  April  1748.  ,Jo  crois  que,  conime  ce  ifi 
iutöresse  lo  plus  csseutielloment  l'Augleterre,  ne  dopend  \>ns  de  nom, 
cette  aegouiatiou  n'aura  point  de  suite  sirieuse  .  .  .' 


125 


dena  und  die  Republik  Genua  in  ihre  Besitzthilmer  wieder 
eingesetzt  werden  sollten.  Alle  von  österreichischer  Seite,  sei 
es  in  früherer  oder  späterer  Zeit  geschehenen  Abtretungen  mai- 
ländischen  Gebietes  an  Sardinien  mlissten  aufrocht  erhalten  und 
die  HerzogthUmer  Parma,  Piacenza  and  Guastalla  dem  Infanten 
Don  PhiHpp  ftir  ihn  und  seine  Erben  bis  zur  etwaigen  Erlan- 
gung des  neapolitanischen  Königsthrones  eingeräumt  werden. 
Die  Erwerbung  Schlesiens  durch  den  König  von  Preussen 
flollte  ebenso  wie  die  pragmatische  Sanction  Gewährleistung 
finden. 

Auf  den  ersten  Blick  erkennt  man  den  grellen  Wider- 
sprach zwischen  dem  Wortlaute  dieser  Prilliminarien  und  den 
Wünschen,  welche  der  Kaiserhof  im  Hinblick  auf  den  künftigtm 
Friedensschluss  hegte.  Zu  dem  schon  Vt'riorenen  sollte  er  sich 
noch  in  neue  Abtretungen  fligen  und  jeden  Anspruch  auf  irgend- 
welchen Ersatz  aufgeben.  Darum  liesann  sich  denn  auch  Kau- 
nitz  keinen  Augenblick,  Lonl  Sandwich  gcgenllber  das  gegen 
Oesterreich  beobachtete  Verfahren  in  kurzen,  aber  nachdrucks- 
vollen  Worten  als  ein  nicht  zu  rechtfertigendes  zu  orkliiren. 
Niemals  werde  er  zur  Zustandcbringuiig  eines  auf  so  unbillige 
Bedingungen  gebauten  Friedens  die  Hand  bieten  können  und 
nie  werde  die  Einwilligung  der  Kaiserin  in  einen  solchen  zu 
erlangen  sein. 

Unverzüglich  eilte  Kaunitz  zu  St.  Severin,  um  nicht  nur 
die  Bestätigung  der  unerwarteten  Nachricht  zu  vernehmen, 
Bondern  auch  seine  gegen  Lord  Sandwich  abgegebenen  Erklit- 
rungen  womöglich  in  noch  schärferem  Tone  zu  wiederholen. 
Denn  gegen  den  Vertreter  Frankreichs  war  er  noch  weit  mehr 
aufgebracht  als  gegen  den  Englands,  weil  sich  St.  Severin 
noch  viel  unaufrichtiger  bcnonmicn  und  ihm  noch  vor  zwei 
Tagen  erklilrt  hatte,  er  hoffe  binnen  Kurzem  die  Separatver- 
handlung mit  Oesterreich  zu  befriedigendem  Abschlüsse  zu 
bringen. 

Kaunitz  behauptet,  St.  Severin  habe  ,in  seiner  grössten 
Beschämung'  nichts  Anderes  zu  seiner  Entschuldigung  anfiihren 
können,  als  dass  FiTink reich  wegen  der  schon  sehr  weit  ge- 
triebenen Verhandlungen  Englands  mit  Spanien  und  in  der  Be- 
Borgniss,  jene  Höfe  könnten  ihm  zuvorkommen,  selbst  zu  einer 
ercinbamng  mit  England  -schreiten  nnisste,  zu  welcher  Sandwich 
it  wenigen  Tagen  besonders  eifrig  gedrängt  habe.     Und  mit 


126 

Oesterreich    wäre   es  ja  ohnedies   za   keinem   Abschlösse  ge- 
kommen.* 

Es  mag  sein,  dass  St.  Severin  gegen  Kaunitz  noch  weni- 
ger offen    verfahren   war  als  Sandwich,   und    dass  ans  diesem 
Grunde  der  persönliche  Unmuth  des  Qrafen  sich  mehr  g^n 
St.  Severin  als  gegen  Sandwich  kehrte.    Aber  nicht  dieser  Ge- 
sichtspunkt, sondern  der  des  Verhältnisses  von  Staat  ta  Stut 
muss  als  der  allein  massgebende  angesehen   werden,  und  tod 
ihm    aus    stellte    sich   Frankreich    als    Oesterreichs    bisheriger 
Feind,  England  aber  als  sein  Verbündeter  dar.   Und  in  welch' 
arger  Weise  es  von  diesem  im   Stiche  gelassen    worden  war, 
wird  am  unwiderleglichsten  aus  dem  Munde  eines  Gegners  ent- 
nommen werden  können.  ,Der  Wiener  Hof  und  der  König  von 
Sardinien,'  schrieb  am  1.  Mai  der  Graf  von  St.  Severin  sa  den 
französischen  Minister  des   Aeussem,  Marquis   von   Paysieos, 
, werden    den   Streich    nicht  so  bald   vergessen,    den    die  See- 
mächte   ihnen    spielten,   während    ganz    Europa    einen   Übet- 
zeugenden  Beweis  der  Treue   erhalten  wird,   mit  welcher  der 
König  von  Frankreich  an  seinem  Worte  und   seinen  Verbün- 
deten festhielt.' 

Ueber  Kaimitz  und  den  sardinischen  Gesandten  Chavannei 
iRsst  sich  St.  Severin  nicht  weiter  vernehmen,  als  dass  er  von 
ihnen  sagt,  man  könne  sich  die  Unzufriedenheit  dieser  beiden 
Herren  wohl  vorstellen. 

Die  entgegengesetzte  Stimmung  herrschte  in  Versailles, 
als  man  dort  die  Nachricht  von  der  Unterzeichnung  der  Frie- 
dcnspriUiminarien  erhielt.  Mit  echt  französischer  Lebhaftigkeit 
boglückwlinschte  man  sich  über  den  errungenen  Erfolg,  den 
man  niclit  weniger  anschlug  als  diejenigen,  welche  die  französi- 
sche Armee  in  den  Niederlanden  bisher  davongetragen  hatte. 
Und  die  Vorstellung  von  der  Trübsal,  welche  die  Nachricht  von 
dem,  was  in  Aachen  geschehen  war,  in  Wien  verbreiten  werde, 
konnte  die  Freude  der  Franzosen  über  jenes  Ereigniss  natür- 
licher Weise  nur  noch  steigern. 

Man  kennt  die  naheliegende  Versuchung,  den  Unmuth, 
den  man  über  ein  unwillkommenes  Ereigniss  nothwendiger 
Weise  empfindet,  wenigstens  zum  Theile  auf  den  zu  über- 
wälzen,  der  in  der  Angelegenheit,  in  der  es  sich  zutrug,  unserf 


'  Knuiiitz  an  Maria  Theresia.  Aachen,  .30.  April  1748. 


127 


Interessen  walirzunelimen  die  Pflicht  hatte.  Wie  leicht  und  wie 
vollständig  ihr  Maria  Theresia  bei  aller  Lebhaftigkeit  ihres 
Temperamentes  widerstand,  geht  schon  aus  dem  ersten  Re- 
scripte,  welches  sie  nach  dem  Eintreffen  der  Nachrieht  von 
dem  Abschlüsse  der  Prftlirainarien  zwischen  Frankreich  und 
Kngland  an  Kaunitz  richtete,  unwiderleglich  hervor.  Schon  im 
ersten  Augenblicke,  hcisst  es  darin,  habe  sich  die  Kaiserin  nicht 
beigehen  lassen,  ihm  auch  nur  im  Geringsten  die  Schuld  solch' 
widrigen  F>fblges  zuzuschreiben.  ,Und  in  dieser  Unserer  gnä- 
digsten Bcurtheilung,'  Iflsst  sich  Maria  Theresia  weiter  ver- 
nehmen. ,seind  Wir  noch  mehrers  seithero  durch  Deinen  fer- 
neren Bericht  vom  3**"  und  zwar  vollständig  gestärket  worden, 
dergestalten,  dass  du  den  niuth  nicht  sinken  zu  lassen,  sondern 
dich  vielmehr  zum  behulF  Unsers  höchsten  Diensts,  so  viel  dein 
tjreuer  eyflFer  es  nur  immer  gestattet,  selbsten  auffzumuntem  hast." 

In  dem  gleichen  Sinne  wie  Maria  Theresia  sprach  sich 
auch  der  Hofkanzler  Ulfeldt  gegen  Kaunitz  aus.  Freilich  nalmi 
er  es  als  ein  Verdienst  für  sich  in  Anspruch,  schon  von  Anfang 
an  die  Sache  dem  Kaiser  und  der  Kaiserin  so  dargestellt  zu 
haben,  dass  aus  ihrem  wenngleich  unerfreulichen  Verlaufe  nicht 
der  geringste  Vorwurf  flir  Kaunitz  abgeleitet  werden  könne.  Ja 
er  sei  noch  weiter  gegangen  und  habe  sie  zu  der  Erkenntniss 
gebracht,  wie  glücklich  sie  seien,  dasa  nicht  wie  im  vergange- 
nen Jahre  Graf  Ferdinand  Harrach,  sondern  Kaunitz  Oester- 
roich  bei  den  Friedensverhandlungen  vertrete,  denn  Jener  sei 
bekanntlich  ganz  unter  dem  EinHusso  des  holländischen  Bevoll- 
mächtigten Grafen  Bentinck  gestanden.  Kaunitz  möge  daher, 
was  die  Beurtheilung  seines  eigenen  Verfahrens  betreffe,  ganz 
ausser  Sorge  sein. 

So  wie  seine  bisherigen,  so  erfreuten  sich  auch  die  fer- 
neren Schritte  des  Grafen  Kaunitz  der  vollsten  Billigung  seines 
Hofes,  und  sie  trugen  ihm,  wenn  sie  auch  wenigstens  vorder- 
hand  ohne  Erfolg  blieben,   doch   fortwährend  neues  Lob  ein." 


'  Kai.«.  Kcacript  an  Kniiiiitr,  vnni   14.  Mai  1748. 

*  Ulfoldt  an  Kaunitz.  13.  Mai  1748.  .Ausiti  manvaise  qu'a  &ti  rissne  de 
nostre  nägocintion,  d'antsnt  pliin  j'ai  ce  soin  de  faire  envisa^r  tontte 
chose  .\  LL.  MM.  dann  nn  |>nint  de  vno,  qn'il  dtuit  ulair  que  tont  autre 
a  voütre  place  u'anrnit  jamai»  pu  »e  garantir  plus  qiie  von»  n'av6s  fait 
contra  In  niauvnise  foy  des  nos  ennemiü  et  de  nus  alli&).  Je  rum  nll6 
pliu  loin  et  leurs  ai  fait  sentir  oombiea  qn'ila  etoient  henrenx  que  l'annäe 


128 

Man  fand  sich  oben  in  Wien  in  voller  Uebereinstimmung  mit 
den  Anscliiiuuntjen  des  Grafen  Kaunitz,  und  nur  darin  mochte 
vielleicht  ein  Unterschied  zwischen  der  wechselseitigen  Auf- 
fassung obwalten,  dass,  während  sich  Kaunitz  von  den  Reprä- 
sentanten Englands  und  Frankreichs,  von  St.  Severin  und  Sand- 
wich gleichmilssig  betrogen  erachtete,'  nicht  nur  der  Kaiser, 
dessen  politische  Sympathien  ohnedies  allzeit  weit  mehr  zn 
England  als  zu  Frankreich  hinneigten,  sondern  auch  Maria 
Tlieresia  doch  noch  eher  von  England  als  von  Frankreich  ftr 
sie  Günstiges  erwarten  zu  sollen  glaubte.* 

Diese  Ansicht  wurde  Übrigens  von  einäussreichen  Stoiit*- 
männcrn  am  Wiener  Hofe  lebhaft  bestritten.  Auch  der  Leitar 
der  auswärtigen  Angelegenheiten  Graf  Ulfeldt  gehörte  in 
ihnen,  und  er  klagte  gegen  Kaunitz  libor  die  Fruchtlosigkeit 
seiner  Bemühungen,  den  Kaiser  davon  zu  überzeugen,  ilass 
England  nun  Prcussen  an  Stelle  Oesterreichs  als  denjenigen 
Continentalstaat  betrachte,  mit  welchem  es  das  freundschaft- 
lichste Einvernehmen  zu  unterhalten  und  dessen  Interessen  es 
daher  am  wirksamsten  zu  schützen  habe.  In  dieser  Vorliebe 
für  Preusscn  wie  für  Sardinien  erblickte  Ulfeldt  die  eigentliche 
Ursache  des  sonst  schwer  erklilrbaren  Verfahrens,  welches  Eng- 
land gegen  Oesterreich  beobachtet  hatte.  Bei  Pretissen  aber 
wie  bei  Sardinien  war  das  Wachsthum  beider  Staaten  zumeist 
auf  Kosten  Oesterreichs  criblgt  und  deshalb  die  Besorgniss  nur 


psMÖe  l'on  ne  se  soit  trouv6  dann  le  meme  can,  puLique  celiii  «iiii  etvil 
k  vostre  place,  auroit  fait  de  la  manraue  besoigne,  etaot  absolnmvnl 
dane  le«  principe;!  do  Beutiock  au  dela  de  tontte  outrance,  ainsi  qn«  povr 
ce  qui  reparde  votre  personel,  vou«  ponves  etre  Kiitiercment  tnuii|iiillc 
et  n'nvia  lieii  qne  de  von»  en  affliger  comino  iioiis  tom  \  catine  du  nul 
qn'il  en  rerient  k  la  monarchie,  et  rien  ne  proiive  mienx  vostre  «ap 
cnnduitte  qne  voHtre  relatiun  du  6  arriv^e  le  12  .  .  .' 
Kannitz  an  Maria  Tlieresia.  Aachen,  3.  Mai  1748.  ,.  .  .  unterwerffen  EnC 
Kay».  Ki*!n.  May.  eigener  erleuclite.<iten  Einsiebt  und  Beurtheilnng,  ob  •!><' 
Verstellung,  und  dnM  ich  es  sagen  darf,  der  Betriig  weiters  al»  ron  dem 
Praniösischcn  wie  von  dorn  Englinchen  Minixtro  gescJiehen  int,  betriebe 
werden  kOnnon?  Wolfbes  um  so  befremdlicher  ist,  da  die  bKydc  Minisln 
nicht  einmahl  nOtbig  gehabt  bStten,  auf  eine  so  uiianstäudige  An  m 
Werke  %n  geben  .  .  .  mamen  ich  ohnedem  nicht  im  Stand  geweet  wir*, 
einseitige  Tractaten  zn  unterbrechen  .  .  .' 

Ulfeldt  an  Kannitz.  13.  Mai  1748.  ,L'lmpöratrice  .  .  .  nou  obatant  le  trait 
bleu  noir  des  Anglois  .  .  .  croit  lea  Fran^ois  encore  de  ploa  mauTaiM  Mt 
par  oü  Elle  dout«  i'il  y  aura  quelqae  choae  k  faire,* 


129 


I 


I 


allzu  gegründet,  sie  würden  aucli  fllr  die  Zukunft  nicht  nb- 
weichen  wollen  von  einer  Bahn,  auf  der  sie  bereits  so  Vieles 
erreicht  hatten.  England  werde  sie  hiebei,  besorgte  Ulfeldt, 
noch  fernerhin  untersttitzen  und  dadurch  Oeaterreich  schudigen, 
während  bei  dem  Cabinote  von  Versailles  niemals  eine  ähnliche 
Hinneigung,  sei  es  zu  Preussen  oder  zu  Sardinien  wahrnehmbar 
geworden  sei. 

Man  wird  kaum  irregehen,  wenn  man  in  diesem  Wider- 
streite der  in  Wien  obwalti'nden  Ansichten  ebenso  wie  in  der 
hoben  Meinung,  welche  man  von  der  geistigen  Befilhigung  und 
der  diplomatischen  Gewandtheit  des  Grafen  Kaunitz  hegte,  die 
Ursachen  erblickt,  in  Anbetracht  deren  man  ihm  zur  Weiter- 
fuhrung der  Verbandlungen  in  Aachen  völlig   freie  Hand  Hess. 

Er  habe,  sclirieb  Kaunitz  am  6.  Mai  nach  Wien,  seit  dem 
Abschlnsse  der  Präliminarien  sein  Benehmen  derart  eingerichtet, 
dass  sowohl  Freunde  als  Feinde  wegen  der  von  dem  Wiener 
Hofo  zu  fassenden  Kntschliessungcn  in  Zweifel  und  Sorge  ver- 
setzt und  hiedurch  zu  ntthereii  ErklUrungen  genöthigt  würden. 
Hiednrch  allein  könne  der  Weg  orten  gehalten  werden,  zu  den 
Massrcgetn  die  Hand  zu  bieten,  welche  die  meisten  Vortheile 
versprachen. 

In  diesem  Sinne  hatte  Kaunitz  zu  handeln  geglaubt,  als  er 
am  4.  Mai  den  Bevolluiiiclitigten  der  SeemUchte  eine  Protestation 
zustellen  liess,  durch  welche  er  vorerst  an  die  Abmachungen  des 
Wonnser  Tractates  und  an  die  von  den  AUiirten  eingegangene  Ver- 
pflichtung erinnerte,  nur  im  Einverstilndnisso  und  mit  Zustimmung 
Aller  einen  Waffenstillstand  oder  Frieden  zu  schliessen.  Dennoch 
wolle  die  Kaiserin  in  der  Absicht,  der  Kriegführung  ein  Ende 
zu  bereiten,,  sogar  auf  ihre  eigenen  Kosten  dem  Infanten  Don 
Philipp  bis  zu  seiner  Berufung  auf  den  Thron  von  Neapel  oder 
von  Spanien  einen  Liinderbesitz  zu  Theil  werden  lassen.  Aber 
dies  könne  nur  unter  der  ausdrücklichen  Bedingung  geschehen, 
dass  dann  die  durch  den  Wormser  Vertrag  herbeigeftihrteu 
Abtretungen  an  den  König  von  Sardinien  als  ungiltig  erklärt 
würden  und  Oesterreich  wieder  in  den  Besitz  dieser  Land- 
striche trete. 

In  Wien  stimmte  man  den  Ansichten  und  den  Schritten 
des  Grafen  Kaunitz  ebenso  wie  seiner  ferneren  Aeusserung  bei, 
dass  Alles  auf  der  eigentlichen  Denkungsart  des  Hofes  von 
Versailles  beruhe.    Sie  zu  ergründen,  sei  keine  Gelegenheit  zu 

ArohiT.  LlXXVin.  Bd.  I.  Bülft«.  9 


130 

versäumen  und  >  das  ganze  Augenmerk  auf  diesen  Punkt  za 
lenken,  der  alle  Übrigen  an  Wichtigkeit  weit  übertreffe. 

Die  Hoffnung  des  Grafen  Eaunitz  und  seine  Tendenz, 
von  Frankreich  vielleicht  doch  noch  günstigere  Friedensbedin- 
gungen  für  Oesterreich  zu  erlangen,  als  in  den  Präliminarien 
enthalten  waren,  wurden  denn  auch  von  St.  Severin  geflissentlich 
genährt.  Die  soeben  von  ihm  abgeschlossenen  Präliminarien  be- 
trachte er,  Hess  sich  St.  Severin  in  vertraulichem  Zwi^esprich 
vernehmen,  wie  ein  Stück  weichen  Wachses,  aus  welchem  man 
jede  beliebige  Figur  kneten  könne.  Wenn  also  Oesterreich  der 
Krone  Frankreich  mehr  Vertrauen  bezeigen  und  sich  entschlies- 
sen  wollte,  mit  Beiseitelassung  geringfllgigerer  Dinge  auf  grosie 
Ideen  einzugehen,  so  Hesse  sich  wohl  noch  zu  Verschiedenem 
Rath  schaffen.  Aber  freilich  werde,  fügte  er  gleichzeitig  hinzu,  er 
nicht  zuerst  mit  der  Sprache  herausrücken,  sondern  geduldig 
abwarten,  bis  dies  von  österreichischer  Seite  geschehe. 

Für  Kaunitz,  der  erst  vor  Kurzem  von  St.  Severin  so 
bitter  getäuscht  worden  war,  lag  die  Besorgniss  nahe,  dass 
dieser  auch  diesmal  keinen  anderen  Zweck  verfolge,  als  einen 
vertrauensvollen  Schritt,  den  man  ihm  gegenüber  thue,  neuer 
dings  zu  widrigen  Absichten  zu  missbrauchen.  Aber  ftlr  ihn 
selbst  und  sein  späteres  Auftreten  ist  doch  die  Auslegung,  die 
er  den  Worten  des  französischen  Botschafters  gab,  von  hoher 
Bedeutung.  Unmöglich  habe  St.  Severin,  Hess  sich  Kaunitz  jetzt 
vernehmen,  etwas  Anderes  sagen  woUen,  als  dass  Oesterreich 
von  nun  an  sein  ,einziges  und  das  Hauptaugenmerk  auf  den 
König  in  Preussen  zu  richten  und  desfalls  in  grosse  Ideen 
einzugehen  habe'.* 

Vorderhand  waren  dies  jedoch  nur  ganz  vage  und  weit 
aussehende  Gedanken,  und  Niemand  konnte  ernstlich  daran 
glauben,  dass  sie  jetzt  schon  irgendwelche  Consistenz  gewinnen 
würden.  Ja,  wenn  man  solche  Andeutungen  mit  einem  Aus- 
spruche vergleicht,  der  in  einer  vertraulichen  Depesche  St  Se- 
verin's  an  Puysieux  enthalten  ist,  so  tritt  die  Versuchung  nahe, 
dass  sowie  Oesterreich  bisher  von  England  dazu  missbraucht 
wurde,  seinen  Streit  mit  Frankreich  zu  Land  so  durchzufechten, 
wie  England  dies  selbst  zur  See  that,  die  französischen  Staats- 
männer von  nun  an  daran  dachten,  sich  Oesterreichs  als  eines 

'  Kaiiuitz  .111  M.iri.i  Theresia.  A.ichen,   1.5.  Mai  1748. 


m 


l^erkzeuges  zur  Demllthigung  Englands  za  bedienen.  ,Nud  ist 
Frankreich,'  so  lauten  die  Worte  St.  Severin's,  ,fa8t  an  den 
Endpunkt  seines  grossen  Vorsatzes  der  Erniedrigung  dos  Hauses 
)esterreich  gelangt.  Von  jetzt  an  niuss  es  daran  arbeiten,  den 
gleichen  Zweck  im  Hinblick  auf  England  zu  erreichen,  denn 
lann  hat  es  keine  Macht  mehr  zu  fllrchten." 

Noch  viel  ungünstiger  für  Oesterreich  lautet  eine  zweite, 
gleichfalls  vertrauliche  Aeusserung  St.  Severin's  gegen  Puysieux. 
Wir  ki.innen,'  schrieb  er  ihm  am  11.  Mai,  ,den  Wiener  Hof 
lurch  die  Könige  von  Preussen  und  von  Sardinien  in  Respect 
kalten,  welche  Beide  von  der  Einbusse  des  Hauses  Oesten-eich 
luteen  ziehen  und  daher  Beide  Gegenstand  seines  Neides, 
einer  Eifersucht  und  seiner  Abneigung  sind.  Unsere  Verbin- 
lung  mit  den  Höfen  von  Berlin  wie  von  Turin  muss  daher 
»beneo  in  ihrem  wie  in  unserem  Interesse  eine  innige  werden.'* 

Puysieux  stimmte  zwar  der  Anschauung  St.  Severin's 
Dl  Allgemeinen  bei,  aber  er  meinte  doch,  Frankreich  würde 
lurch  die  Aufiiahme  Preussens  in  die  Reihe  seiner  Verbündeten 
inen  Irrthum  begehen.  König  Friedrich  wllnsche  zwar  lebhaft, 
lie  Gewährleistung  Schlesiens  zu  erhalten,  das  Zustandekom- 
aen  des  Friedens  aber  nicht,  und  es  sei  zu  bezweifeln,  ob  er 
inf  Vorkehrungen  eingehen  würde,  deren  Zweck  darin  be- 
kunde, ihn  dauerhaft  zu  machen.^ 


6.  Mai  1740.  ,VoiIi  la  Fraiiee  presque  4  bont  de  aon  ^rand  desseiu  mr 
rabaissoment  de  la  maUoii  d' Antriebe ;  >1  faut  A  pr&ient  trarailler  ä  cehii 
de  l'Augletcrre  |iuur  ii'avuir  ]>lus  de  PiiimianceK  ä  uraindro.* 
,Nou8  pourroiiB  tenir  I»  Cuitr  de  Vieiiiio  eii  respect  par  le  K»i  de  PruMie 
et  par  le  Roi  de  Sardaigriü,  toii.i  dem  partii-ipans  .'i  l.i  döpouille  de  la 
Maüon  d'Aiitriche,  foiis  doiix  Tobjet  do  l'eiivie,  de  la  j.ilou9ie  et  de  l'a- 
▼arsioD  de  la  Coar  de  Vienoe.  Nutre  nnion  doit  doou  devenir  intime 
avec  Berlin  et  avec  Turin  autant  ponr  leur  propre  int^et  qae  ponr 
le  n6tre.' 

Dieae  Stelle  der  Oepesolie  dea  Marquis  von  Fuysioax  an  St.  Severin  vom 
14.  Mai  map  wegen  der  darin  vorkmnraendeii  sonderbaren  Mittheilun^ 
über  den  KOnig  von  Preuüseu  biur  Aufnahme  finden.  Sie  lautet:  ,VniiB 
pentea  iiae  notia  pouvous  noiis  servir  utilement  dos  Cours  do  Berlin  et 
de  Turin,  ponr  tenir  dorinavant  celle  de  Vienne  en  respect;  je  le  pense 
auMi.  Je  rou»  contierai  &  cette  occaaion  qu'on  m'a  asaar^  qae  le  Roi  de 
Pru8se  avoit  demandä  <Ie«  Miiwionnaires  an  Pape  ponr  les  räpandre  dan.« 
set)  Etat«,  et  qu'il  avoit  pri6  8a  Saiutet^  de  lui  en  choisir  deux  qui 
fiuuieDt  gens  d'enprit  et  äclairüs  pour  l'inittrnire  lui-mßmu  bion  ä  fond  de 
e  religion.    Ce  trait  vom  fera  connoltre  lee  vnes  de  ce  Prince.  II  y 

9« 


132 


Es  wäre  tinnlUz,  sich  ia  Vermuthungen  darüber  zu  ver- 
lieren, welchen  Eindruck  diese  Aeusserungen  in  Wien  hervor 
gebracht  haben  würden,  wenn  sie  daselbst  bekannt  geworden 
wären.  Da  dies  natürlich  nicht  geschah,  trat  dort  auch  Niemand 
mehr  der  Ansicht  des  Graten  Kaunitz  entgegen,  dass,  wenn  aoi 
irgend  einem  Wege,  nur  durch  Frankreichs  DazwischenkonA 
die  Erlangung  minder  drückender  Friedensbedingungen  noch 
möglich  sei.  Nicht  nur  in  Aachen,  sondern  auch  in  Paris  trachtete 
Kaunitz  in  diesem  Sinne  zu  wirken,  und  er  schrieb  an  den 
dortigen  sächsischen  Gesandten  Grafen  Loss  einen  Brief,  welchen 
der  Marquis  von  Puysieux,  zu  dessen  Kenntniss  er  grebracht 
wurde,  ebenso  entschieden  als  wohlüberlegt  nannte.*  Der  KOni^ 
von  Frankreich,  Rlhrte  Kaunitz  darin  aus,  könne  mehr  als  be- 
friedigt sein  durch  die  schweren  Nachtheiie,  die  er  seit  ftnf^ 
zehn  Jahren  dem  Hause  Oesterreich  zugefügt  habe.  Er  sei  je- 
doch zu  grossmUthig  und  zu  aufgeklärt,  um  die  Dinge  sn  weit 
zu  treiben,  Oesterreich  selbst  wieder  von  seinem  Sturze  auf- 
richten zu  müssen.  Und  Puysieux  ftigt  hinzu,  der  Brief  des 
(trafen  Kaunitz  sei  erfüllt  gewesen  von  Bitterkeit  gegen  Eng- 
land und  den  Turiner  Hof 

So  wie  in  Paris,  trachtete  Kaunitz  auch  bei  dem  franaO- 
sischen  Botschafter  in  Aachen  den  Interessen  Oesterreichs  mehr 
Beachtung  als  bisher  zu  erwirken.  Er  trat  an  St.  Severin  mit 
dem  Antrage  heran,  eigene  Präliminarien  zwischen  den  beiden 
Regierungen  abzuschliessen,  und  als  er  hiemit  keine  willfährige 
Aufnahme  fand,  versuchte  er  ihn  wenigstens  zur  Ausstellung 
eines  Schriftstückes  zu  vermögen,  das  er  eine  .französische 
Gleicligiltigkeitserklärung  wegen  der  durch  den  Wormser  Ver- 
trag geschehenen  Abtretungen'  nannte.*  Aber  auch  gegen  dieses 


a  loiigtenig  que  l'on  prätend  que  le  systöme  de  fAiigleterre  est  de  lui 
faire  prendre  \a.  place  de  In  Maison  d'ÄatricIie  dana  l'fiaiope.  Je  ui» 
que  notu)  poavons  nous  serrir  utilement  de  ces  coanoUaances,  taait  elle.< 
doiTent  aasai  von»  faire  JQger,  que  nous  uoiia  troinperioiis  si  noiis  met- 
tiona  le  Koi  de  Pnuse  an  rang  de  nos  Alliö«.  II  sera  fort  tuucbi«  d'avuir 
Ia  ^rantie  de  Ia  Sil^sie,  et  tkcM  que  In  pnix  hoit  faite,  et  je  dont« 
qn'U  veuille  entrer  ou  rien  daua  leg  arrangemeiu  qni  seroicnt  propi 
Ia  reudre  durablu.' 

'  ,unu  lettre  tres-forte  inaU  trJi8-reH6cliie'. 

*  Kaunitx  an  Maria  Theresia.  26.  Mai  1748.  V^l.  auch  die  Abhaiuilaiy 
Hoer's:  Zur  Gctcliichte  den  Frieden»  von  Aachen;  Archiv  fUr  österrei- 
ebiacbe  Qescbicbte,  47.  Ud.,  8.  43. 


Begehren  verhielt  sich  St.  Severin  ausweichend,  wogegen  er  die 
Declaration  zu  bilHgen  vorgab,  durch  welche  Kaunitz  die. Be- 
reitwilligkeit Oesterreiclis  iiussprach,  den  Priiliminarien  insoweit 
beizutreten,  als  sie  die  Streitpunkte  zwischen  den  im  Kriege 
begriffenen  Mächten  betrUfen,  die  sich  bekanntlich  ausser  allem 
Zusammenhange  mit  den  Bestimmungen  des  Wormser  Vertrages 
befänden.* 

,Und  so  wie  es,*  schloss  die  Erklilrung  des  Grafen  Kau- 
nitz, ,allem  göttlichen  und  menschlichen  Rechte  widerstreiten 
wttrde,  nur  eine  Abtretung  zu  gewährleisten,  ohne  dies  auch 
hinsiclithch  der  Clausoln  und  der  Bedingungen  zu  tliuii,  unter 
denen  sie  mit  Zustimmung  der  vertragschliessenden  Theilo  statt- 
fand, kann  es  auch  in  der  Absicht  der  Mächte,  welche  die  Prä- 
liminarien unterzeichneten,  nicht  liegen,  diesem  Grundsatze  ent- 
gegen zu  handeln.  Solches  vorausgesetzt,  widerstrebt  die 
Kaiserin- Königin  in  gar  keiner  Weise,  dass  die  Garantie  des 
Dresdener  Vertrages  einen  Thcil  des  altgemeinen  Friedens- 
schlusses bilde,  und  ich  bin  nicht  allein  ermilchtigt  und  bereit, 
mich  gleichfalls  an  der  Unterzeichnung  der  Präliminarien  zu 
betheiligen,  sondern  habe  sogar,  um  die  rasche  Herbeiführung 
eines  völligen  Zustsvndes  der  öffentlichen  Ruhe  zu  beschleunigen, 
darauf  zu  dringen,  dass  diese  Präliminarien  die  ganze  Geltung 
eines  definitiven  Friedensvertrages  erlangen,  ohne  dass  irgend 
ein  ferneres  Begehren  zu  Ungunsten  einer  der  bis  jetzt  krieg- 
führenden Mächte  zugelassen  werde.'  * 

Die  Bemerkungen,  in  denen  sich  der  Marquis  von  Puy- 
sieux  erging,  als  er  diese  Erklärung  des  Grafen  Kaunitz  erhielt, 
lauteten  weit  weniger  gtinstig  als  St.  Severin's  mündlicher  Aus- 
spruch. .Fe  öfter  er  sie  lese  und  je  mehr  er  Ubcr  sie  nachdenke, 
schrieb  er  am  28.  Mai  an  St.  Sevorin,  um  so  sonderbarer 
finde  er  sie.  Er  halte  sie  ftir  das  verfänglichste  Actenstück, 
welches  jemals  aus  der  Bartenstein'schen  Werkstätte  hervor- 
gegangen sei.  Er  wisse  nicht,  ob  die  Seemächte  mit  ihr  zu- 
frieden  sein    würden;    die   Könige   von  Preussen   und  von  Sar- 


'  ,E1le  ndopte  «uus  r^gerve  tont  le  contena  dea  article«  priliminaires  qai 
Ini  out  6t6  cnminuiiiquds  punr  autant  qu'ila  la  regardent  et  conconient 
les  diff^rends  qni  d'an  comnmn  accord  devoient  faire  runiqae  objet  des 
cnnförence«  qu'uD  ^toit  convenn  de  tenir  en  eette  ville  et  avec  lesqnels 
les  oeuioiu  da  trait6  de  Worms  n'ont  rien  de  commun.' 

*  Declaration  vom  23.  Mai  1748. 


134 


dinion  hingegen  wUrden  es  gewiss  nicht  sein.  Die  Erklärung 
sei  in  einer  Weise  abgofasst,  class,  indem  sie  scheinbar  die  Ver- 
trüge von  Breslau,  von  Berlin  und  von  Dresden  billige,  sie 
ihnen  in  Wirklichkeit  nicht  weniger  Eintrag  thue  als  dem  von 
Worms.' 

Man  mag  auch  noch  so  sehr  auf  seiner  Ilut  sein,  sich  nur 
ja  auf  keiner  zu  weit  gehenden  Parteihehkeit  fiir  den  Wiener 
Hof  betreten  zu  lassen,  so  wird  es  doch  nicht  leicht  fallen,  iu 
der  ErklUrung  des  Grafen  Kannitz  all'  die  tt'ickischen  Kunst- 
griffe zu  entdecken,  welche  Puysieux  in  ihr  erblickte.  Dennoch 
trat  die  französische  Regierung  nicht  offen  in  Opposition  wider 
sie,  und  ihr  Vertreter  schloss  sich  auch  Lord  Saudwich  nicht 
an,  von  dessen  Seite  dies  mit  gewohntem  Ungestlim  geschab. 
Ja  als  auf  die  Nachricht  hin,  der  sardinische  Gesandte  Graf 
Chavannes  habe  den  B«;fehl  zur  Unterzeichnung  der  PrÄlimi- 
narieu  erhalten,  sich  Kaunitz  gleichfalls  hiezu  bereit  erklärte, 
meinte  Sandwich,  dies  könne  niu-  geschehen,  wenn  Kaiuiitx  die 
erst  Tags  zuvor  abgegebene  Ei'klHrung  wieder  zurücknehme. 
Aber  Raunitz  weigerte  sich  ,mit  solch  gelassener  Standhaftig- 
keit',  wie  er  selbst  sich  ausdrückt,  dies  zu  thun.  dass  sich 
Sandwich,  von  St.  Severin  und  dem  ersten  holländischen  Be- 
vollmUchtigten  nicht  unterstützt,  schliesslich  ebenfalls  ftigte. 
Am  2t).  Mai  fertigte  Kaunitz  im  Namen  seiner  Herrin,  olme 
eine  weitere  Bedingung  hinzuzuf\lgeu,  deren  Beitrittserklärung 
zu  den  am  30.  .April  abgeschlossenen  Präliminarien  aus,*  und 
er  that  sich  nicht  wenig  darauf  zu  Gute,  hiemii  dem  sardini- 
schen Gesandten  zuvorgekommen  zu  sein."  Am  31.  Mai  folgten 
Chavannes  und  der  Bevollmilchtigte  des  Herzogs  von  Modena 
dem  Beispiele  des  Grafen  Kaunitz,  so  dass  bis  dahin  nur  noch 
Spanien  und  Genua  den  PrHliminarien  nicht  beigetreten  waren. 

Am  2.  Juni  verliess  St.  Severin  Aachen,  um  sich  nach 
Paris  zu  begeben,  dort  seiner  Regiening  mllndlich    liber  den 


Der  WortUut  dieses  Absatxe«  der  Depesche  Puysienx'  au  8t.  Sererin  bei 

B»ur  tj.  4». 

Sie    lie^   dem    Berichte   de«   Grat'eu  Kannits   an  Maria  Theresia   vom 

26.  Mni  abschriftlich  bei. 

Kaunitz  au  Ulfeldt.    3ü.  Mai  1748.     ,Chavannes  ist  sehr  bestOrtaot,  iam 

ich  ihiue  nicht  nur  in  der  Äccession  bevorgokommeu,  sondern  auch  die 

DeclaratioD    nicht    widerrufen,    noch  aiivli   Mylord   8nndwic)i    mit  einer 

Oegendeclaratiou  sich  verwahret  hat.' 


135 


I 


Stand  der  Verband  Innren  zu  berichten  und  sich  von  ihr  neue 
Verhaitungsvorsclirit'tcn  zu  erbitton.  Erst  am  20.  Juni  kehrte 
er  nach  Aachen  zurück,  wo  während  seiner  Abwesenheit  die 
Geschäfte  fast  ganz  ins  Stocken  gerathen  waren.  Aber  auch 
seine  Wiederkehr  brachte  ihnen  nicht  viel  rascheren  Fortgang, 
insbesondere  bewegten  sich  die  langen  und  häufigen  Besprechun- 
gen zwischen  ihm  und  Kainiitz  in  dem  Kjihmen  der  glänzenden, 
aber  von  ihrer  Erfüllung  sehr  weit  entfernten  Vc-rheissungen, 
welche  St.  Severin  auf  die  nach  seiner  Versicherung  ungemein 
günstigen  Gesinnungen  des  Königs  von  Frankreich  t^ür  Oester- 
reich  und  Maria  Theresia  gründen  zu  dürfen  erklärte.  Nicht 
ohne  tiefen  Unmuth  erinnere  sich  der  König,  behauptete  St.  Se- 
verin, zu  welch'  .unanständigen  und  der  ganzen  Nation  ver- 
kleinerlich  fallenden  Schritten'  ihn  sein  früheres  Ministerium 
jgegen  alle  Billigkeit  sowie  gegen  das  eigene  franzüsische  Staats- 
interesse' verleitet  habe.  Nicht  nur  St.  Severin,  auch  der  Marquis 
von  Puysieux,  die  meisten  übrigen  Minister,  endlich  Frau  von 
Pompadoui-  seien  von  der  gleichen  Gesinniuig  beseelt,  die 
Hauptabsicht  des  fi-anzösischen  Hofes  aber  dahin  gerichtet,  sich 
nicht  nur  das  vollkommene  Vertrauen  der  Kaiserin  zu  erwerben 
und  zu  erhalten,  sondern  auch  mit  ihr  ununterbrochen  in  bestem 
Einverständnisse  zu  leben.  Frankreich  sei  sehr  weit  von  der 
Absicht  entfernt,  das  Haus  Oesterreicb  noch  mehr  zu  schwächen 
und  zu  entkräften.  Es  werde  vielmehr  bei  jeder  sich  hiezu  dar- 
bietenden Gelegenheit  darauf  ausgehen,  ihm  wieder  zu  jener 
Macht  und  jenem  Ansehen  zu  verhelfen,  welche  es  vor  dem 
Erbfolgekriege  besessen  habe.  Um  dieses  Vorhaben  ausführen 
zu  können,  sei  die  französische  Regierung  entschlossen,  die  be- 
gonnenen Friedensverhandlungen  baldigst  zu  einem  gedeihlichen 
Abschlüsse  zu  bringen.  Erlange  sie  hiedurch  nur  erst  wieder 
freie  Hände,  danu  werde  sie  nicht  zögern,  das  von  ihr  zu  be- 
folgende System  nach  den  Grundsätzen  einzurichten,  welche 
den  soeben  entwickelten  Anschauungen  entsprächen. 

Es  liegt  kein  Anzeichen  vor,  dass  Kaunitz  diesen  Ver- 
sicherungen des  französischen  Botschafters  irgendwelchen  Glau- 
ben geschenkt  habe.  Und  sollte  er  sich  hiezu  auch  einen  Augen- 
bhck  geneigt  gefühlt  haben,  so  würde  er  durch  den  Umstand 
wieder  zurückgeschreckt  worden  sein,  dass  sich  St.  Severin 
zwar  recht  fruchtbar  in  der  Ausmalung  grossartiger  Zukunfts- 
pläne zeigte,  sich  aber  gegen  alle  positiven  Begehren  des  Grafen 


Kaunitz,  selbst  wenn  sie  nur  von  geringfügiger  Tragweite  waren, 
ablehnend  verhielt.  Er  könne  sieh  der  Bcsorgniss  nicht  er 
wehren,  schrieb  Kaunitz  nach  Wien,  dass  F'rankreieh  gegen 
Oesterreich  nichts  Qutes  im  Schiide  fUbre  und  einen  Anlau 
vom  Zaun  zu  brechen  suche,  einen  Vorgang  zu  bcniSnteln,  der 
mit  seinen  bisher  80  befriedigend  lautenden  Versicherungen  im 
Widerspruche  stünde.' 

In  der  vertraulichen  Correspondenz  zwischen  Puysieux  und 
St.  Severin  tritt  zwar  nichts  von  einer  solchen  AVisicht  Frank- 
reichs, wohl  aber  dessen  ailmHlig  zunehmende  Hinneigung  zu 
Sardinien  hervor,  welche  nothwendiger  Weise  eine  gewisse  Ent- 
fremdung gegen  Oesterreich  nach  sich  ziehen  musste.  Dessen 
Vertreter  in  Aachen  befand  sich  überhaupt  in  dem  unheim- 
lichen Zustande  vollstiindiger  Isolirung;  wetteifernd  standen  ihm 
die  Ueprilsentanten  der  bisher  mit  Oesterreicli  verbündeten  wie 
diejenigen  der  Mächte,  mit  denen  es  Krieg  geführt  hatte,  feind- 
lich gegenüber.  .Wenn  Sie,'  schrieb  Kaunitz  in  den  ersten 
Tagen  des  Juli  an  Ulfeldt,*  ,sich  die  Mühe  nehmen  wollen, 
über  meine  Lage  nachzudenken,  so  wird  Ihnen  dieselbe  schreck- 
lich erscheinen.  Keinem  der  Minister,  mit  denen  ich  verhandle, 
darf  ich  trauen.  Sie  Alle  verfolgen  Zwecke,  die  tmseren  Inter- 
essen entgegengesetzt  sind,  und  besitzen  Mittel,  um  das  Terrain 
streitig  zu  machen,  über  welche  ich  nicht  verfüge.  Hiezu  kommt 
noch,  dass  ich  jeden  Augenblick  auf  eine  neue  Intrigue  und 
darauf  gefasst  sein  muss,  wieder  ein  Ueboreinkommen  ohne  von 
zu  Stande  gebracht  zu   sehen.' 

Trotz  diesen  wenig  tröstlichen  Berichten,  die  man  von 
Kaunitz  erhielt,  liess  man  in  Wien  noch  immer  die  HotTnmip 
nicht  fahren,  zu  einer  abgesonderten  Vereinbarung  mit  Frank- 
reich gelangen  zu  können.  In  dieser  Absicht  sandte  man  Kaunitz 
ein  neues  Vertragsproject  zu,  in  welchem  das  Scbwergewiclit 
auf  zwei  darin  enthaltene  geheime  Separatartikel  gelegt  wurde. 
Durch  den  ersten  sollte  Frankreich  die  Zusicherung  geben,  es 
werde  etwaige  Bestrebungen  der  Kaiserin  zur  Wiedererlangung 
der  au  Sardinien  gemachten  Abtretungen  nicht  als  Friedew- 
bruch  ansehen;  and  durch  den  zweiten  hatte  es  zu  erklären, 
es  betrachte   die  in  die  Präliminarien   auffjenommene  Gewahr- 


'  Kaanit«  an  Maria  Theresia.  3U.  Juiii  1748. 
»  4.  Juli  I74H. 


137 


ieistung  Preussens  iu  lictu  Besitze  von  Schlesien  nicht  anders, 
als  dass  sich  diese  Garantie  eben  auch  auf  alle  übrigen  Bestim- 
mungen des   Dresdner  Friedens  orstrecko. 

Die  Hartnilckigkeit,  mit  der  man  in  Wien  immer  wieder 
auf  Begehren  zurückkam,  auf  deren  Annahme,  welche  Raunitz 
ganz  rückhaltslos  als  höchst  unwahrscheinlich  erklilrte,  man 
doch  schon  von  vorneherein  nicht  zu  zilhlen  vermochte,  wird 
ohne  Zweifel  nicht  dem  Willen  der  Kaiserin  selbst  von  deren 
geringem  Vertrauen  auf  Frankreich  bereits  die  Rede  war,  son- 
dern dem  ungestümen  Andringen  Bartenstcin's  zuzuschreiben 
sein.  Wir  wissen  ja,  dass  Maria  TlitTcsia  schon  seit  l.'tngerer 
Zeit  der  KriegiVihrung  überdrüssig  geworden  war,  und  dass  sie 
von  dem  Augenblicke  an,  in  welchem  Haugwit/,  ihre  Zustim- 
mung zu  dem  von  ihm  entworfenen  neuen  Miiitilrsysteme  er- 
halten hatte,  diurch  welches  die  bisherigen  Einrichtungen  gründ- 
lich umgestaltet  werden  sollten,  die  Beendigung  des  Krieges 
durch  einen  detiiiitivcn  Friedensschluss  gar  iiiclit  mehr  ei'warten 
konnte.  ,Placet,'  hatte  sie  schon  im  Februar  1748,  als  noch  die 
abgesonderte  Verhandlung  mit  Frankreich  durch  die  beiden 
Grafen  Loss  im  Zuge  war-,  auf  eine  Ausarbeitung  Barten.'ätein's 
geschrieben,'  ,i)lacet,  Gott  gebe  nur  ein  baidos  ende,  besser  und 
nicht  einmahl  also  wird  es,  wan  es  zwey  monath  dauert,  ge- 
endigt werden.'  Und  bei  dem  lebhaften  Wesen  der  Kaiserin 
wurde  diese  Stimmung  durch  den  langsamen  Gang  der  Verhand- 
lungen in  Aachen  nur  noch  gesteigert.  ,Sie  glauben  gar  nicht,' 
schrieb  Ulfeldt  am  30.  Juni  an  Kaunitz,  ,was  wir  von  der  Un- 
geduld der  Kaiserin  zu  leiden  haben,  welche  vorerst  ihre 
Truppen  zurückhaben  will,  um  die  Ersparungen  und  das  Sy- 
stem des  Grafen  Haugwitz  zu  beginnen,  ganz  als  ob  es  von 
aus  abhinge,  wenn  Frankreich  die  Niederlande  nicht  räumen 
und  sich  nicht  damit  begnügen  will,  die  Platze  von  Nieuport 
und  Ostendc  als  Pfand  zu  behalten.  Die  Kaiserin  hat  mir  von 
Mannerstoi-f  gerade  so  geschrieben,  als  wenn  wir  uns  durch  die 
Complimente  St.  Severin's  hinter  das  Licht  führen  Hessen.' 

Nach  mehr  als  zwei  Wochen  kam  Ulfeldt  tlem  Grafen 
Kaunitz  gegenüber  neuerdings  auf  diesen  Punkt  zurück.  ,Was 
mich  am  meisten  schmerzt,'  schrieb  er  ihm  am  17.  Juli,  ,ist  die 
Ungeduld  der  Kaiserin,  ihre  Truppen  zurUckkcliren  zu  sehen; 


*  Vom  11.  Februar 


138 


denn  sie  fürchtet,  dass  durch  eine  Verzögerung  auch  eine  solche 
in  der  Durchftihrung  des  Systems  des  Grafen  ünugwitz  ver- 
anlasst werden  könnte.  Hiedurch  aber  gcrilth  sie  von  Zeit  zu 
Zeit  in  eine  ganz  schreckliche  Ungeduld  und  auf  alle  möglichen 
Gedanken,  wie  beispielsweise  auf  den,  die  Engländer  mit  s&mmt- 
lichen  für  uns  zu  fllhrenden  Verhandlungen  zu  betrauen,  denn 
sie  hofft,  auf  diesem  Wege  den  Abschluss  des  Friedens  und 
die  Rückkehr  der  Truppen  zu  beschleunigen.' ' 

.Ich  begreife  vollkommen,'  antwortete  Kaunitz  am  31.  Juli, 
jdass  Ilirc  M!ij<^stjU  über  mein  so  langes  Zögern,  einen  Courier 
abzusenden,  ungediüdig  sein  muss.  Aber  ich  thue  gewiss  Alles, 
was  menscliliclie  Klugheit  nur  immer  ersinnen  und  meine  »n 
<>rt  und  Stelle  erworbene  Kenntniss  der  Lage  der  Dinge  mir  an 
die  Hand  geben  kann,  um  eine  ihren  Absichten  entsprochende 
T.,üsuiig  der  Fragen  herbeizuführen.  Bisher  gab  es  jedoch  kein 
Mitiel,  irgend  eine  positive  Zusage  zu  erlangen,  und  ich  bitte 
wohl  zu  bedenken,  dass  ich  nicht  der  Herr  von  Dingen  bin, 
welche  von  dem  Willen  Anderer  abhängen.  Aber  noch  immer 
liiibü  ich  nicht  alle  Hoffnung  verloren,  wenigstens  zum  Theilc 
durchdringen  zu  können.' ' 

Aus  dieser  vertraulichen  Aeussorung  des  Grafen  Kaunitz 
gegen  Ulfelrlt  geht  ebenso  wie  aus  seinen  amthchen  Berichten 
an  den  Wiener  Hof  deutlich  hervor,  dass  die  irgendwo  aus- 
gesprochene Behauptung,  er  sei  in  dem  Banne  St.  Severin's 
festgehalten  worden,  jeder  Begründung  vollständig  entbehrt' 
Und  ebenso  unrichtig  ist  es,  wenn  an  der  gleichen  Stolle  ge- 
sagt wird,  Kaunitz  habe  gehofft,  schliesslich  doch  noch  die 
Annahme  der  Vorschläge  Oesterreichs  zu  erwirken.  Wie  gering 


*  Die  Briefe  Ulfeldt'ü  nn  Kanuitz  Tom  30.  Jani  und  IT.  Juli  1748  bei 
Anietli,  Ge.iehichte  Maria  Theresias.  III,  S.  496. 

*  An  LTireldt  31.  Jnli  1748.  ,Je  uompreudü  fort  bien  quo  ä.  M.  doit  Atie 
impatiente  de  ce  tjue  je  tarde  k  däpecher  un  Conrrier,  et  je  faia  assni^- 
meiit  tout  ce  que  la  pmdence  humaine  peiit  imaginor,  et  mes  coiuiui*- 
winceii  mir  les  lienx  penvent  me  permottro  pour  accilerer  la  r&imit« 
des  choses  »elon  8U8  intentionii,  niRis  il  ti'y  a  po«  eu  moyen  jnsqaec  icj 
d'arracber  rien  de  poiiitif .  .  .  Je  la  prie  eii  .ittendaot  de  rouloir  bien 
fsire  r66exion  que  je  ne  suis  pa«  le  maltre  des  cboses  qoi  dependent  dv 
la  voloiit^'  d'autruj;  je  n'ai  ponrtant  point  perdu  eticore  toute  es(i^rsni:s 
de  r^uBRir  an  moint  en  partie.' 

'  Beer,  Zur  Gonchiclite  de«  Friedens  von  Aachen.  Arcbiv  ftlr  Oaterreicbi- 
Hche  Geschichte,  Bd.  47,  S.  60. 


139 


seine  Hoffnung  war,  auch  nur  einen  Theil  davon  zur  An- 
nahme gelangen  zu  sehen,  dessen  hatte  er  nicht  nur  vor 
Ulfeldt,  sondern  auch  vor  der  Kaiserin  selbst  kein  Hehl. 
Immer  wieder  kehrte  er  auf  das  Begehren  zurück,  man  möge 
einen  etwaigen  widrigen  Ausgang  nicht  ihm  zur  Last  legen,' 
worauf  aus  Wien  stets  von  Neuem  die  Autwort  erfolgte,  man 
sei  in  hohem  Masse  mit  ihm  zufrieden  und  durchaus  nicht  ge- 
meint, ihm  dasjenige  anzurechnen,  dessen  Abänderung  nicht  in 
seiner  Macht  liege.  Und  dass  man  sich  auch  in  Wien  keiner 
Täuschung  mehr  über  das  zu  erwartende  I'^rgebniss  der  Aachener 
Verhandlungen  überÜess,  wird  wohl  durch  die  dem  Grafen 
Kaunitz  ertlieilte  Vollmacht,  zum  Abschlüsse  des  definitiven  Frie- 
densvertrages zu  schreiten,  wenn  auch  die  beiden  geheimen  Se- 
paratartikel keine  Aufnaiimc  darin  filnden,^  unwiderleglich  dar- 
gethan. 

Lang  schon  gab  sich  Kaunitz  der  Besorgniss  hin,  dass, 
wie  es  bei  der  Unterzeicbnung  der  Prüliminurien  geschehen 
war,  auch  hinsichtlich  des  definitiven  Friedensvertrages  eine 
vorläufige  Vereinbarung  zwischen  England  und  Frankreich 
ohne  Zuziehung  Oesterreichs  erfolgen  und  diesem  einfach  der 
Beitritt  zu  bereits  unabilnderlich  festgestellten  Bedingungen  an- 
heimgestcUt  werden  könnte.  Aber  nicht  in  Aachen,  sondern 
durch  den  Feldmarschall  Grafen  Batthyany,  der  iliese  Mitthei- 
lung von  dem  Commaudanten  der  englischen  Truppen  in  den 
Niederlanden,  dem  Herzog  von  Cumberlaud  erhalten  hatte, 
erfolir  Kaunitz  Anfangs  August  zuerst,  dass  die  Peinigung  zwi- 
schen Frankreich  und  England  über  den  abzuschliesscnden 
Frieden  bereits  geschehen  sei.  Lord  Sandwich,  von  Kaunitz 
hierüber  befragt,  berichtigte  diese  Behauptung  zwar  dahin, 
dass  der  Friede  noch  keineswegs  zum  Abschlüsse  gediehen 
sei,  aber  er  verschwieg  nicht,  dass  er  selbst  und  Graf  Bentinck 
einerseits  und  St.  Severiii  andererseits  an  der  Zustandebringimg 
desselben  arbeiteten.  Sie  müssten  sich  auch,  fügte  er  hinzu, 
damit  beschäftigen,  Oesterreich  wenngleich  wider  seinen  Willen 
zum  Beitritte  zu  diesem  Frieden  zu  vermögen.  England  müsse  nun 
einmal  dem  schon  so  lang  dauernden  Kriege  ein  Ende  bereiten.  Es 
könne  aber  auch  ohne  gi'clle  Verletzung  von  Ehre,  Treue  und 


^^^«  An  : 


i*  An  Maria  Tberexia.  81.  Juli  1748. 

lUria  Tberetia  an  Kauuit«.  ib.  Juli  1748. 


140 


Uliiiibcn    unmöglich   gestatten,    dass   die   durch    den    Wurmsec 
Vertnm    geschehenen    Abtretungen    an    Sardinien    widerrufai 
wHrdtii    und    um    ihretwillen    Kuropa    in    die    Gefahr    gerieth« 
gU'ii'h  imeh  Beendigung  des  Krieges  in  einen  neuen  verwk 
«u  werden,' 

,Ich  glaub«,'  schreibt  Kaunitz  am  5.  August  an  Ulfeid 
und  bowoist  dadurch  neuerdings,  wie  wenig  er  sich  in  de 
Banne  St.  Scverins  befand,  ,ich  glaube,  man  htttte  vielleicl 
wnuigi'f  Schwierigkeiten  begegnet,  wenn  sich  ein  anderer 
aOaischcr  Minister  hier  befunden  hatte.  St.  Severin  treibt  dii 
Kkischhcit  zu  weit,  und  man  darf  sich  auf  das,  was  er  sa 
in  p»""  keiner  Weise  verlassen."  In  dem  gleichzeitigen  Berichti 
nn  Maria  TheroRJa  aber  sagt  Kaunitz,  dass  auf  St.  Severiii"j 
Worte  durchaus  nicht  zu  bauen  sei,  und  er  nur  mit  ,Fine 
und  Einschillferungen'  umgehe. 

Eine    zweite    Heise    nach    Frankreich,    welche  St.  Sever 
all)    11.  August    antrat    und    bis   zum   21.  ausdehnte,    führte 
ziemlich  die  gleiche  Wirkung  wie  die  erste,  iind  zwar  eine  fre 
lieh  nur  vorübergehende  Stockung   der  Friedensverhandlung 
herbei.  Allerdings  Hcl  in  diese  Zeit  eine  Anfangs  Uberrascheni 
scheinende  Sinnesänderung  der  englischen  Regierung,  indem 
Lord   Sandwich,    welclieni    inzwischen    der   bisherige    britisch 
(icsnndte   in  Wien,   Sir  Thomas  Robinson    beigegeben    werde 
war,  plötzlich  den  Auftrag  erthcilte,  nicht  wie  in  der  letzten  Ze 
die  Verhandlungen  ausschliesslich  mit  St.  Severin  und  Bentinc 
zu   fuhren,   sondern    Kaunitz   in  Alles  einzuweilien,    was  bish« 
geschehen  sei,  und  nicht  ohne  seine  Zuziehung  und  Beistimmui 
an  detinitive  Abmachungen  zu  gehen.  Aber  eine  greifbare  Wt 
kung  zog  dieser  Schritt  der  enghschen  Regierung,  so  aufTallen^ 
er  auch   auf  den   ersten  Bück  sein   mochte,  doch   nicht  nsc 
sich.     Nicht   nur  Kaunitz,   der  sich  von  seinem  zu  jener  Ze 
schon   tief  eingewurzelten   Misstrauen  gegen  England  nicht 
rasch  loszulösen  vermochte,   auch    der  Kaiserhof  kam  England 
mit  viel  grösserer  Lauigkeit  entgegen,  als  man  dort  erwarteief 
denn   in  Wien   war  die  gleiche  Stimmung  vorherrschend   mid 


KannitB  an  Maria  ThereBia.  4.  August  17i8. 
An  Ulfeldt.  5.  AiigtiRt   1748.  ,Jo  croii  quo  Von  .lurnit  pi3Ut-@tre  renconti 
moina   de   difficult^j« ,   si   noaa   KvinnB  ioi  nn  aiitro  Minigtre  frui^oU  qa 
Mr  de  ä'  Sevoriu.  II  i>ous»e  trop  loin  la  faugaet^  et  il  a'y  a  pas  le  momdre 
fond  k  faire  sur  tout  ce  qa'il  diL' 


141 


sie  wurde  durch  die  Oesterreich  so  feindselige  Haltung  Eng- 
lands auf  manchen  so  wichtigen  Punkten,  insbesondere  in  Berhn 
und  St.  Petersburg,  immer  mehr  bestärkt.  Dieser  Umstand  und 
die  BemUbungen  Frankreichs,  nicht  plützlieli  den  Boden  wieder 
zu  verlieren,  auf  welchem  man  sich  mit  so  grosser  Anstrengung 
festgenistet  hatte,  zogen  die  Wirkung  nach  sich,  dass  bald 
nach  der  Rückkehr  St.  Severin's  nach  Aachen  die  dortigen 
Verhandlungen  wieder  die  früheren  Bahnen  einschlugen.  Immer 
mehr  gewann  es  an  Wahrscheiidichkeit,  dass  die  Kaiserin  auch 
in  den  wenigen  Punkten,  hinsichtlich  deren  sie  sich  noch  wei- 
gerte, werde  nachgeben  müssen. 

Ein  Zwischenfall  wird  nicht  ganz  mit  Stillschweigen  über- 
gangen werden  dürfen,  nicht  so  sehr  als  ob  ihm  besondere  Be- 
deutung beizumessen  wäre,  als  der  Ursache  wegen,  dass  er 
Kaunitz  in  einen  Zustand  der  Aufregung  versetzte,  der  zu  seiner 
sonstigen    Gelassenheit   in    eigenthümlichem   Gegensatze    stand. 

In  jener  Zeit  diplomatischer  h'änke  und  Winkelzügc,  in 
welcher  jedes  freie  und  offene  Wort  aus  den  Verhandlungen 
der  Staatsmänner  ausgeschlossen  zu  sein  und  ihre  grösste  Kunst 
darin  zu  bestehen  schien,  einander  zu  überlisten,  war  es  eine 
ganz  gewöhnliche  Erscheinung,  dass  sie  sich  im  Verkehre  mit 
einander  von  Zeit  zu  Zeit  auch  untergeordneter  Mittelsjiersonen 
bedienten.  Deren  Aufgabe  bestand  zunächst  darin,  gleichsam 
von  sich  selbst  aus  Worte  fallen  zu  lassen,  die  miin  hinterher, 
als  nur  ihrem  eigenen  Kopfe  entstammend,  wieder  ableugnen 
konnte,  Aeusserungen  zu  hinterbringen,  welche  sich  möglicher 
Weise  als  nicht  gesagt  darstellen  iiessen,  Anregungen  zu  geben, 
die  man  je  nach  Belieben  aufrechterhalten  oder  auch  wieder 
fallen  lassen  könnte.  Ein  solcher  Zwischenträger  zwischen 
St.  Severin  und  Kaunitz  war  der  sächsische  Gesaudtschafts- 
aecretftr  Kauderbach.  Es  war  eine  Folge  der  Stellung  des  pol- 
nisch-sächsischen Hofes,  der  mit  Oesterreich  befreundet  und 
mit  dem  französischen  Königshause  verschwägert  war,  sowie 
der  Verhandlungen,  welche  seinerzeit  durch  Vermittlung  der 
beiden  Grafen  Loss  zwischen  Frankreich  und  Oesterreich  ge- 
pflogen wurden,  dass  sächsische  Diplomaten  auch  noch  ferner- 
hin von  beiden  sti'eitenden  Theilen  als  Vertrauenspersonen  an- 
■  gesehen  wurden.  Und  wirklich  schien  Kauderbach  eine  Zeit- 
lang sowohl  bei  Kaunitz  als  bei  St.  Severin  in  ungcwöhnHchem 
Vertrauen   zu   stehen.     Sowohl   der  Eine  wie   der  Andere  ging 


142 


tief  mit  Kauuitz  ein  in  die  Erörterung  der  so  vei-schiedenen 
und  hochbedeutsamen  Fragen,  welche  in  Aachen  zur  Entschei- 
dung kommen  sollten.  Mancher  Bericht,  welchen  Kaunitz  nach 
Wien  erstattete,  war  zum  grossen  Theilo  angefüllt  mit  ausAlbr- 
licber  Darlegung  dessen,  was  Rauderbach  ihm  von  St.  Severin 
hintcrbraclit  hatte.  Warmes  Lob  wird  von  Kaunitz  dem  eifrigen 
und  gewandten  Mittelsmannc  gespendet,  und  or  verwendet  sich 
in  Wien  für  Ertheilung  einer  Belohnung  an  ihn. 

Wie  gross  war  daher  das  Erstaunen  des  (j rufen  Kaunitz. 
als  er  von  seiner  Kegicrung  die  Mittheilung  erhielt,  Kauderbacb 
habe  seinen  eigenen  Hof  von  einer  überaus  wichtigen  Erklämiig 
St.  Severin's  in  Kenntniss  gesetzt  In  nichts  Geringerem  als  in 
dem  Rathe,  Oestencich  möge  sich  vorerst  der  Allianz  mit  Russ- 
land  vollständig  vorsichern,  und  dem  Anerbieten  habe  sie  be- 
standen, dass  dann  auch  Frankreich  zu  gewaffnetcni  Beistände 
bereit  sei,  Oesterreich  Schlesien  >vieder  zu  verschaffen.  Aller- 
dings bedinge  es  sich  dann  eine  Gebietserwerbuug  für  sich 
selbst  nach  den  Niederlanden  hin,  und  zwar  Ypem  und  das 
sogenannte  holütndtsche  Flandern  aus.  Dagegen  werde  man 
nicht  nur  die  Niederlande  der  Kaiserin  zurückstellen  und  ihr 
auch  ausserdem  in  Italien  freie  Hand  lassen,  den  Infanten  Don 
Philifip  aber  mit  Savoyen  und  Nizza  abfertigen,  ohne  dass 
Oesterreich  dort  irgendwelche  <.)pfer  zu  bringen  habe. 

Kaaderbach  fügte  hinzu,  er  habe  diese  Aeusserungen 
St.  Severin's  dem  Grafen  Kaunitz  hinterbracht,  von  diesem  aber 
die  Antwort  erhalten,  der  ganze  Plan  sei  so  weitausschond  und 
greife  so  sehr  über  die  ihm  von  seinem  Hofe  gegebenen  Auf- 
trüge hinaus,  dass  er  es  nicht  auf  sich  nehmen  könne,  sie  ihm 
auch  nur  vorzulegen.  Es  wilre  ihm  daher  lieber,  wenn  diese 
Sache  durch  die  Vermittiuug  Kauderbach's  und  der  polnisch- 
sächsischen   Regierung   zur   Kenntniss    des   Kaiserhofos    käme. 

Die  Versuchung  liegt  nahe,  sich  der  Vcrmuthung  hinzu- 
geben, in  Wien,  wo  man  den  Verlust  Schlesiens  noch  nicht 
verschmerzt  hatte,  werde  die  von  Kauderbach  gegebene  An- 
deutung über  die  geheimen  Absichten  Frankreichs  gewaltigen 
Eindruck  hervorgebracht  und  die  bisherigen  Friedensgedanken 
verscheucht  halben.  Denn  dass  der  König  von  PreuRsen  sich 
Schlesien  nicht  ohne  schweren  Kampf  wieder  entrcissen  lassen 
werde,  war  leicht  vorherzusehen.  Gleichwohl  werde  man  es  in 
Wien   gar   nicht  erwarten  können,  an  der  Seite  so  mäclitiger 


143 


Aliiirter  wie  Fraukreicli  und  Ruasland  den  Kampf  zu  beginnen, 
welcher  Schlesien  fllr  Oesterreich  zurückgewinnen  sollte. 

Aber  nichts  von  alledem  geschaii.  In  Wien  war  man  weit 
davon  entfernt,  die  veruiviDtliclien  Erklürungen  St.  Severin's  für 
baare  MUnze  zu  halten,  und  nur  hüchlich  verwundert,  dass 
Kaunitz  in  seinen  Berichten  die  Eröffnungen  Kauderbach's, 
wenn  sie  ihm  wirklich  gemacht  worden  wilren,  so  ganz  mit 
Stillschweigen  übergangen  haben  sollte.  Dass  er  dies  nicht  ge- 
than  hatte,  hielt  man  nicht  für  einen  etwa  von  ihm  begangenen 
Fehler,  sondern  für  ein  ziemlich  sicheres  Anzciclion,  dass  der 
Mittheilung  Kauderbach's  niu-  ein  sehr  geringer  Grad  von  Ver- 
lässlichkeit  zuerkannt  worden  dürfe.  Wahi-scheinlirh  habe  sich, 
meinte  man  in  Wien,  St.  Scverin  gar  nicht  in  dem  Sinne  gegen 
ihn  geäussert,  wie  Kauderbach  dies  behaupte.  Dass  solches  ge- 
^phehen  sei  und  Kaunitz,  von  Kuuderbach  ins  Oelicinmiss  ge- 
zogen, dieses  seiner  Hcgicrnng  vorenthalten  haben  sollte,  sei 
jedoch  ganz  undenkbar,  und  auch  schon  aus  diesem  Grunde 
nahm  man  die  MitthcUung  Kauderbach's,  als  sie  nach  Wien 
gehingte,  nur  mit  dem  äussersten  Misstrauen  gegen  deren  Ur- 
heber auf.' 

Mehr  noch  als  der  Kaiserhof  war  Kaunitz  über  den  Be- 
richt Kauderbach's  verwundert,  ja  seine  Empfindung  kann 
wohl  die  der  Bestürzung  genannt  werden.  Er  zweifle  nicht 
daran,  schrieb  er  nach  Empfang  der  ersten  Mittheilung  hievon 
nach  Wien,  dass  sicli  St.  Severin  über  eine  Wiedererwerbung 
Schlesiens  durch  Oesterreich  niemals  so  entschieden  geUussert 
habe,  als  Kauderbach  dies  behaupte.  Ausserdem  würde  er  für 
Frankreich  gewiss  nicht  nur  Ypern  und  das  hollftndische  Flan- 
dern, sondern  auch  noch  Furnes,  Ostende  und  Nieuport  verlangt 
haben.  Und  schliesslich  möge  man  nur  ja  nicht  glauben,  er 
selbst  habe  von  Kauderbach  irgend  eine  Mittheilung  von  einiger 
Bedeutung  erhalten,  olme  sie  allsogleich  und  treulich  nach  Wien 
weiterzuberichten.^ 

Es  musste  Kaunitz  zur  Beruhigung  gereichen,  dass  er  aus 
der  Antwort  seiner  Regierung  ersehen  konnte,  diese  habe  nie 
daran  gezweifelt,  dass  ihm  durch  Kauderbach  nicht  mehr  liinter- 
bracht  worden  sei,  als  er  nach  Wien  gemeldet  habe.  Da  aber 


>  Marin  Tliercitia  nn  Knuiiitz.    17.  Jnli  und  5.  Angatt  1748. 
*  KauDltz  ou  Ulfeldt.   12.  und  21.  Augiut  1748. 


144 


Kuudcrbach  fortfuhr,  seiiier  Regierung  zu  schreiben,  St.  Severio 
sei  aufs  Höchste  begierig,  durch  Kaunitz  die  Antwort  des  Kaiser 
hofes  auf  seine  Vorschläge  zu  erhalten,  so  mehrte  sich  nur  noch 
der  Verdacht,  den  man  von  allem  Anfange  an  gegen  Kaudcr- 
bach  gehegt  hatte.  Die  bösesten  Absiebten  muthete  man  ihm 
zu;  Kaunitz  aber  wurde  ernstlich  vor  ihm  gewarnt,  aber  doch 
auch  gleichzeitig  beauftragt,  womöglicb  zu  ergründen,  wie  sich 
denn  eigentlich  die  ganze  Sache  verhalte.' 

Da  die  Wahrheit  nie  vollständig  an  den  Tag  kam,  ver- 
lassen wir  hiemit  diesen  Zwischenfall,  dessen  hier  um  des  tiefen 
Eindruckes,  den  er  auf  Kaunitz  hervorbrachte,  und  mehr  noch 
um  des  Umstandes  willen  eingehendere  Erwähnung  geschehen 
mosstc,  dass  die  vermeintlichen  Vorschlüge  St.  Severin's  acht 
Jahre  später  greifbare  Gestalt  unniihmen  und  zur  Grundlage 
jener  grossgedachten  politischen  Comljination  wurden,  als  deren 
Urheber  man  Kaunitz  zu  betrachten  sich  gewöhnt  bat.  Dass 
dieser  damals  schon  grosse  Hinneigung  zu  ihnen  empfand, 
geht  aus  seinen  eigenen  Worten  ganz  deutlich  hervor.*  Aoch 
in  Wien  verhielt  man  sich  keineswegs  ablehnend  gegen  sie, 
sondern  verbarg  vielmehr  den  lebhaften  Wunsch  nicht,  sie  dei^ 
einst  verwirklicht  zu  sehen.'    Aber  man  begriff  doch  auch  die 


'  Mari.i  Theroiiia  an  K.iuiiitx.  25.  Augu.it  1748. 

*  KHUiittz  an  Ulfeldt.  Sl.  August  1748.  .Mni.s  ce  dont  je  snia  tr&s-raorlifi«. 
c'eat  de  ce  qui  m'arrive  uvec  Knudcrbach.  II  o'egt  pas  trop  tard  eneor» 
k  la  väritä,  ai  le  projet  est  vrai  et  li  rtiellement  la  France  a  ponsi  ainil 
Je  crois  aussi  avoir  conduit  In  cliose  de  fai;oD  h,  la  raniener  dans  le» 
voyes  et  k  ri^pnrer  le  tetnpx  perdu.  Mais  il  est  certain  cepeudont  qu« 
ton»  les  inomonts  sout  pri-L-ieu-x,  ut  qu'il  est  toujonrs  difficile  de  ihctoid- 
moder  utio  affaire  g&t^e.  En  tont  es«,  si  Kaudorliach  compLn  it«t  tinr 
d'affaire  par  des  menteries,  il  se  trompe  fort,  puisque  ju  truuTemU 
annrteient  moyeo  de  mettre  la  cbme  an  dair.* 

'  Maria  Theresia  an  Kaunitz.  9.  Sejitember  1748.  .Solch  ficlilietulirlie  Ad- 
weisung  nun  lint  /.wey  linubtgegeuHtJinde,  noniblichoii  tlieiU  die  eliubal- 
digüte  Vollzieliung  derer  Priuliinin.irien  und  ToUkoiumuue  cndscliofft  der 
Friedenühandluog,  und  theilv  die  gelieiuie  einvemtilndnuii  mit  Fraolirmcfa 
über  die  dem  Kauderbach  benchehenc  Öffnung.  Ein  objectnm  ist  mit  dem 
anderen  nicht  zu  vermiscben  nnd  vorzllglich  anff  d."»  orstere  zn  dringen, 
als  Tun  welchem  das  xweyte  eine  folge  zu  .seyn  hat,  umb  willen  die  an*- 
snhnung  vor  der  uHheren  Vereinigung  nach  der  Sachen  nntnr  vorher] 
muNS.  Doch  d.i  mnii  sich  jederzeit  an  die  stelle  dessen,  mit  welchem 
handluug  gepflogen  wird,  zu  npzen  hat,  so  ist  dieser  an  sich  unentltehr- 
liclie  Vorzug  auff  eine  solche  artb  darzustelleu  and  xa  erkennen  au  ^beu. 


145 

Berechtigung    der    Antwort    .St.  Severin's,    mit    welcher   dieser 

I  jedes  DrUngen  nach  einer  näheren  Erkliii-unp  von  sich  wies. 
Vor  Allem  müsse  man,  behauptete  er,  die  Friedensverhandlun- 
gen möglichst  rasch  zum  Abschlüsse  bringen.  Sei  nur  dies  ein- 
mal geschehen,  dann  möge  es  den  Regierungen  selbst  vorbe- 
halten bleiben ,  sich  einander  noch  mehr  zu  nälhern  und  sich 
Über  die  Annahme  eines  neuen  politischen  Systems  zu  verstän- 
digen.    Man   müsse   sich    in    Wien   vollkommen    klar    darüber 

i  werden,  ob  der  Ersatz  für  das  Verlorene  auf  Kosten  Preussens 
oder  Sardiniens  zu  suchen  sei;  bei  Beiden  zugleich  lasse  sich 
solches  nun  einmal  nicht  durchführen.' 

I  Welcher  Art   nun  auch   die  Absichten  der  französischen 

Regierung  für  die  ferner«  Zukunft  sein  mochten,  in  den  zu 
Aachen  gepflogenen  Verhandlungen  trat  hierüber  gar  nichts  zu 
Tage.  Nach  wie  vor  schienen  sie  fast  ausscldiessiich  die  Her- 
beiführung einer  definitiven  Vereinbarung  mit  England  zum 
Ziele  zu  haben;  dass  sich  jetzt  an  ihnen  ausser  Sandwich 
auch  Robinson  betheiligte,  brachte  vielleicht  in  der  Form  des 
wechselseitigen  Verkehres,  aber  kaum  in  dem  Wesen  der  Sache 
eine  Veränderung  hervor.  FreiUch  wurde  St.  Severin  auch  schon 
von  der  Fonn  nichts  weniger  als  angenehm  berührt.  ,Täusche 
ich  mich  nicht,'  schrieb  er  am  28.  August  an  Puysieux,  ,80  kam 
Robinson  mit  einer  gewissen  Voreingenommenheit  für  Oester- 
reich  hieher,  und  er  wird  unser  Werk  verderben,  wenn  er  dies 
vermag.  £r  besitzt  ganz  das  rauhe  Wesen,  das  man  den  Eng- 
ländern gewöhnlich  vorwirft,  ist  dem  Trünke  ergeben  und  ausser- 
dem von  Wien  aus  gewöhnt,  in  herrischem  Tone  zu  sprechen. 
Er   erkennt   noch  den  Unterschied  nicht,  der  darin  liegt,  mit 


dais  Frankreich  auf  den  nrgwnhn  riicbt  verfallen  mnge,  ob  gedächten  Wir 
nach  einmabi  in  der  frieden-shandhiog  erreichten  Absicht  das  zweyte  ob- 
jectiiiD  entweder  ganz  ansner  acht  zu  lassen  oder  doch  nnff  die  lange  bank 
zu  «chiebeu.  So  aber  unsere  meynung  absolute  nicht  ist  und  Frankreich  nmb 
»o  leichter  diessfall»  ruhig  «eyn  kann,  als  Uns  in  dpui  fall,  da  diese  Cron  es 
auffrichtig  meynet,  an  der  zweyten  Handlang  bof^rderung  xnm  meisten 
gelegen  ist  So  sehr  Du  Dich  also  einerseits  zu  hüteu  host,  die  Volliiehung 
derer  Prteliminarien  und  ToUständige  endschafft  der  Friedenahandlung 
von  der  näheren  Vereinigung  mit  Frankreich  abhangen  /.u  machen,  so 
bereitwillig  hast  Du  Dich  unter  einstem  zu  bezeugen,  dass  nach  mass, 
ala  Frankreich  sich  näher  und  positiver  Offnen  wird,  man  auch  hier  im 
mindesten  gewiss  nicht  zurückbleiben  würde.' 
Kannitz  au  Maria  Theresia.  19.  8eptember  174)4. 
ArchlT.    UIXVIII.  Bd.    I   HilKo.  10 


146 

einer  Macht,   die  man  selbst,   oder  mit  einer  solchen  xa  ver- 
handeln, welche  die  Anderen  bezahlt' 

In  Folge  der  Anwesenheit  Hobinson's  fand  St.  Severin  auch 
Lord  Sandwich  weniger  entgegenkommend,  als  er  dies  bisher 
gewesen  war.  Man  wird  jedoch  nicht  irren,  wenn  man  die 
grössere  Zurückhaltung,  welche  die  englischen  Bevollmttcht^ten 
jetzt  beobachteten,  nicht  so  sehr  ihrem  eigenen  Impulse,  als  doi 
Andeutungen  zuschrieb,  welche  ihre  Regierung  ihnen  gab.  Denn 
auch  in  England  fanden  die  Stimmen  mehr  Beachtung  als 
früher,  welche  weniger  Hingebung  fiir  Frankreich  and  mehr 
Rücksicht  auf  Oesterreich  als  wttnschenswerth  erklärten.  Den- 
noch geschah  es  ohne  die  unterstützende  Einwirkung  Englands, 
ja  ohne  dessen  Vorwissen  und,  wie  es  scheint,  sogar  gegen 
seinen  Willen,  dass  in  den  letzten  Tagen  des  September*  zwi- 
schen Eaunitz  und  St.  Severin  eine  Convention  abgeschlossen 
wurde,  durch  welche  sich  sowohl  Oesterreich  als  Frankreich 
anheischig  machten,  je  30.000  Mann  aus  den  Niederlanden  zu- 
rückzuziehen. 

Der  Vortheil  dieser  Vereinbarung  lag  wohl  fast  aosschliess- 
lich  auf  Oesterreichs  Seite.  Schon  früher  ist  erwähnt  worden, 
welch'  hohen  Werth  Maria  Theresia  darauf  legte,  zu  leichterer 
Durchfuhrung  des  neuen  Militärsystems  ihre  Truppen  so  viel 
als  nur  immer  möglich  wieder  zu  Hause  zu  haben.  Ausserdem 
gewährte  die  Verringerung  der  Anzahl  der  französischen  Streit- 
kräfte in  den  Niederlanden  diesen  durch  den  langen  Krieg  so 
hart  mitgenommenen  Provinzen  eine  fUhlbare  Erleichterung, 
während  Frankreich  den  Gewinn  verlor,  den  es  bisher  daraas 
gezogen  hatte,  einen  so  beträchtlichen  Theil  seiner  Heeresmacht 
auf  Kosten  des  fremden  Landes  ernähren  zu  können. 

Inzwischen  dauerten  die  Friedensverhandlungen  zwischen 
Frankreich  und  den  Seemächten  unablässig  fort.  St.  Severin 
und  der  ihm  erst  vor  Kurzem  beigegebene  zweite  Bevollmäch- 
tigte du  Theil  standen  auf  der  einen,  Sandwich  und  Robinson 
auf  der  anderen  Seite.  Ausser  ihnen  nahm  nur  noch  Graf  Ben- 
tinck  für  Holland  an  den  Conferenzen  Theil.  Dieser,  ein 
massvoller,  verständiger  und  doch  zugleich  auch  ein  gewandter 
Mann,  galt  als  den  Interessen  Englands  blindlings  ergeben. 
Dennoch,   und  obgleich  sich  Holland  ganz  im  Schlepptau  der 


'  Am  26.  September. 


147 


englischen  Politik  bewegte,  trat  Rentinck  keineswegs  seinen 
englischen  CoUegen  überall  unbedingt  bei,  sondern  erwies 
sich  rocht  eigentlich  als  ein  kluger  Vermittler  zwischen  ihnen 
and  den  Franzosen.  ,Ohne  den  Grafen  Beutinck,'  schrieb 
St.  Severin  am  25.  September  an  Puyaieux,  , wären  die  Ver- 
handlungen schon  abgebrochen  worden.  Hinsichthch  vieler 
Punkte  brachte  er  die  Engländer  dazu,  von  ihnen  abzugehen, 
aber  freilich  mussten  dagegen  auch  wir  uns  zu  so  mancher 
Nachgiebigkeit  verstehen.'  Und  es  schien  gewissermassen  ein 
ilusseres  Zeichen  dieser  Vermittlerrolle  zu  sein,  dass  gerade  in 
dem  Hause  des  Grafen  Bentinck,  am  18.  October  1748  die 
Unterzeichnung  des  definitiven  Friedens  von  ihm  und  seinen 
hoUUndischen  CoUegen,  sowie  von  den  BevollmKchtigten  Eng- 
lands und  Frankreichs  vorgenommen  wurde. 

Es  lässt  sich  ebensowenig  behaupten,  Kaunitz  sei  an  den 
Friedensverhandlungen  betheiligt,  als  er  sei  von  ihnen  ausge- 
schlossen gewesen.  Dass  er  bei  den  entscheidenden  Bespre- 
chungen zwischen  den  Bevollmäclitigten  Frankreichs  und  der 
Seemächte  gewöhnlich  nicht  anwesend  war,  lässt  sich  durchaus 
nicht  bezweifeln.  Dagegen  ist  es  nicht  minder  gewiss,  dass  ihm 
die  einzelnen  Artikel,  sei  es  von  englischer,  sei  es  von  fran- 
zösischer Seite  mitgetheilt  wurden,  dass  er  sein  Gutachten  ab- 
gab und  gegen  manchen  Punkt  energische  Einwendungen  er- 
hob, welche  wenigstens  hie  und  da  auch  Berücksichtigung  fanden. 

In  so  hohem  Masse  und  so  unangenehm  Kaunitz  seiner- 
zeit durch  die  Unterzeichnung  der  Präliminarien  überrascht 
wurde,  so  wenig  wai-  ein  Gleiches  bei  dem  Friedensschlüsse 
der  Fall.  ,Nach  allem  Anschein  darf  man  das  Ende  der  Ver- 
handlungen,' schrieb  er  am  8.  October  an  Ulfeldt,  ,noch  vor 
dem  des  Jahres  erwarten,  und  ich  habe  meine  besonderen 
Gründe,  damit  sehr  zufrieden  zu  sein,  denn  meine  Börse  wäre 
nicht  länger  im  Stande,  diese  Ausgabe  zu  bestreiten,  und  meine 
Gesundheit  beginnt  neuerdings  die  mmnterbrochene  Geistes- 
arbeit aufs  Schwerste  zu  empfinden.  Gott  gebe  nur,  dass  mir 
das  Glück  zu  Theil  werde,  mich  dieser  so  sclnvierigen,  ja  ge- 
filhrlichen  Commission  zur  Zufriedenheit  Ihrer  Majestät  zu  ent- 
ledigen;  darum   bitte  ich  ihn  täglich    in   inständigster  Weise.'* 


'  .Selon  toutes  le«  apparencea  l'on  peut  espirer  la  6n  de  tont  cecy  avant 
Celle  de  l'annde,  et  j'ai  me*  raiioiu  particalMres  pour  en  Stre  tr6a-aiso, 

10» 


148 

Und  binnen  kürzester  Frist,  fttgte  er  hinzu,  möglicherweise 
schon  in  drei  oder  vier  Tagen  könnte  der  Friede  zum  Ab- 
schlüsse gelangen.* 

Sieben  Tage,  nachdem  Eaunitz  dies  niederschrieb,  geschah 
solches  wirklich.  ,Auf  Eurer  Majestät  höchstfeierlichen  Kamens^ 
tag,'  so  Hess  sich  Raunitz  in  seinem  Berichte  an  die  Kaiserin 
vom  18.  October  vernehmen,  ,8ind  die  nachtheiligen  Prälimi- 
narien unterzeichnet  worden,  und  der  Theresientag  wurde  durch 
Hebung  einiger  der  wichtigsten  Anstände  merkwürdig,  weldie 
bei  den  B^riedensverhandlungen  obgewaltet  hatten.  Denn  da  ich 
diesen  grossen  Tag  sowohl  mit  reinstem  Herzen  als  äusserlichen 
Bezeigungen  feierte  und  alle  hier  anwesenden  Minister  ihre 
Glückwunschcomplimente  bei  mir  ablegten,  so  wurden  solche 
in  Verhandlungen  verwandelt.'  Und  wirklich  gelang  es  Kauniti, 
gleichsam  vor  Thorschluss  noch  eine  wichtige  Abänderung  des 
sechsten  Artikels  zu  erwirken,  der  sich  auf  die  allseitige  Zo- 
rUckstellung  der  gemachten  Eroberungen  und  daher  auch  auf 
den  Wiedereintritt  der  Kaiserin  in  den  Besitz  der  österreichi- 
schen Niederlande  bezog. 

,So  ist  endhch,'  schrieb  Kaunitz  einen  Tag  nach  dem  Ab- 
schlüsse an  Ulfeldt,  ,der  definitive  Friede,  mit  welchem  man 
uns  so  lange  Zeit  hindurch  bedroht,  unterzeichnet.  Ich  halte 
ihn  für  ein  Kartenhaus,  und  man  wird  trachten  müssen,  in  der 
Folge  etwas  Solideres  daraus  zu  machen,  denn  im  jetzigen 
Augenblicke  wünschte  Frankreich  zu  lebhaft  den  Frieden,  um 
auf  das  hören  zu  wollen,  was  seines  Erachtens  den  Abschluss 
noch  hätte  hinausschieben  können.  Was  mich  betriflFt,  so  suchte 
ich  aus  der  Verlegenheit  der  Engländer  und  der  Holländer  den 
grösstmögliclicn  Nutzen  zu  ziehen,  und  ich  würde  die  Sachen 
nocli  mehr  auf  die  Spitze  getrieben  haben,  wenn  ich  nicht  be- 
sorgt hätte,  dass  schliesslich  die  französischen  Minister  gemein- 
schaftliche Sache  gegen  mich  machen  könnten,  denn  sie  waren 

ciir  in.i  bourse  iie  seroit  pas  on  6tat  de  soutenir  plus  longtems  la  d^- 
jieiise,  et  ma  santÄ  recommonce  aussi  de  se  ressentir  tr^-vivement  des 
travaux  contiiiuels  de  Tesprit.  Dien  veuille  seuleroent  que  j'aye  '? 
bonlieur  de  sortir  ä  la  satisfaction  de  S.  M.  de  cette  dangerense  et  epi- 
nouse  oommission;  je  Ini  adresse  pour  cela  tous  les  jour»  les  vocu  \tf 
])lu8  ardeiits  .  .  .' 
•  Kannitz  an  Ulfeldt,  11.  October  1748.  ,V.  E.  peut  compter  qne  je  ftuf 
l'impossible  pour  obteiiir  quelquo  revtiiication  au  traite  de  paiz,  qui  sew 
peut-etre  8ign(>  dans  trois  ou  quatre  jours  d'icy.' 


149 


so  ungeduldig,  ans  Ende  zu  gelangen,  dass  sie  mich  fäst  noch 
mehr  als  die  Engländer  drängten.  Ihrer  überlegenen  Eiusicht 
stelle  ich  aniieim,  zu  heurtheilen,  was  ich  besser  zu  machen  im 
Stande  gewesen  wäre.' ' 

Es  gereichte  Kaunitz  zu  lebhafter  Genugtlmung,  dass 
seinem  Verfahren  von  Wien  aus  die  «nbodingteste  Anerkennung 
zu  Theil  wurde.  ,()line  Ausnahme  heissen  Wir,'  so  lautet  das 
kaiserliche  Rescript,  welches  nach  Ankunft  der  Nachricht  von 
dem  Abschlüsse  des  Friedens  an  ihn  erging,  ,üein  sehr  vor- 
sichtiges und  kluges  Betragen  gnädigst  gut  und  erkennen  in 
vollem  Masse  die  vielen  und  grossen  Schwierigkeiten,  die  Du 
hei  den  fUrgewalteten  ganz  ausserordentlichen  und  seitsamen 
Umständen  zu  überwinden  gehabt  hast,  wie  denn,  da  der  Be- 
richt über  den  wirklich  erfolgten  Beitritt  noch  nicht  eingelaufen, 
die  Hauptursache  der  Absendung  eines  Couriers  an  Dich  ist. 
Dich  ungesäumt  von  unserer  Zufriedenheit  zu  Deiner  vollkom- 
menen Beruhigung  zu  verständigen.'* 

Kaunitz,  welcher  fünf  Tage  nach  dem  Abschlüsse  des 
Friedens,  am  23.  Oetober  den  Beitritt  Oesterreichs  zu  demselV>en 
erklärt  hatte,  dankte  der  Kaiserin  in  gerührten  Worten  flir  die 
Gutheissung  seines  Verfahrens.*  Und  am  folgenden  Tage  schrieb 
er  an  Ulfeldt;  ,Ich  bin  durch  den  Beifall  Ihrer  Majestät  aufs 
Höchste  erfreut  und  Ihnen  für  den  Ihrigen  ungemein  dankbar. 
Nun  wünsche  ich,  dass  die  Conferenzen  über  die  Räumung  der 
wechselseitigen  Gebiete  zur  Zufriedenheit  Ihrer  Majestät  zum 
Abschlüsse  kämen.  Sobald  man  sich  über  den  Plan  hiezu  ge- 
einigt haben  wird,  betrachte  ich  die  Sache  als  beendigt,  und 
es  kann  dann  kein  wesentliches  Hinderniss  mehr  obwalten. 
Nach  wie  vor  halte  ich  es  in  jeder  Beziehung  flir  nützlich,  dass 
dieses  Werk  so  bald  als  möglich  vollendet  werde,  tmi  dann  mit 
mehr  Leichtigkeit  an  wiclitigeren  Dingen  arbeiten  zu  können.* 
Ich  thne  zu  diesem  Zwecke  Alles,  was  nur  immer  von  mir 
abhängen  kann,  aber  ich  vermag  es  den  Franzosen  nicht  übel 
zu  nehmen,  dass  sie  in  den  Niederlanden  sich  nach  dem  richten 
wollen,  was  in  Italien  geschehen  wird.  Die  hiesigen  Botschatler 


*  Im  franzOsUchen  Urtexte  abgedrackt  bei  Beer,  8.  89. 

•  Kais.  Bescript  vom  29.  Oetober  1748. 

•  Bericht  vom  9.  November  1748. 

*  An  Ulfeldt.   10.  November  1748.   ,  . . .  afin  <iuo  Ton  paisse  travaillor  ensuite 
avec  d'autaut  plus  de  faciliti  ä  de  plus  grouds  Arrangements.' 


150 

Frankreichs  betrachten  dies  als  eine  Angelegenheit,  welche  nicht 
mehr  in  den  Geschäftskreis  der  Congressminister  gehört,  und 
sie  erklären  ganz  offen,  dass,  wenn  Schwierigkeiten  auftauchen 
sollten,  wir  um  ihretwillen  nicht  hier  weniger  unnütz  sein  wür- 
den, weil  es  nicht  von  uns,  sondern  unmittelbar  von  unseren 
Höfen  abhängt,  sie  aus  dem  Wege  zu  räumen.  Binnen  Kurzem 
wird  man  hierüber  mit  grösserer  Bestimmtheit  urtheilen  können. 
Die  Auswechslung  der  Ratificationen  und  in  Folge  derselben 
auch  die  Abreise  der  Minister  werden  demnächst  vor  äch 
gehen.' 

Wie  gross  in  der  That  die  Zufriedenheit  des  Kaiserhofes 
mit  Kaunitz  während  der  ganzen  Zeit  seines  Aufenthaltes  in 
Aachen  war,  geht  aus  verschiedenen  Anzeichen  ganz  deutlich 
hervor.  Schon  im  Frühjahre  1748  schrieb  ülfeldt,  als  er  sein 
Gutachten  über  die  beabsichtigte  Ernennung  mehrerer  Ritter 
des  goldenen  Vliesses  abgab,  an  die  Kaiserin:  ,Kaunitz  kömmt 
früh  dazu,  er  hat  sich  aber  durch  seine  Fähigkeit  früh  he^vo^ 
gethan,  und  ich  wünschte  nur,  dass  Eure  Majestät  mehr  der- 
gleichen Subjecte  hätten  und  ein  Vertrauen  auf  dieselben  setzen 
würdjn.'  * 

Wichtiger  war  es,  dass  man  in  Wien,  noch  ehe  Kaunitz 
seine  Aufträge  in  Aachen  zu  Ende  geführt  hatte,  schon  an  eine 
neue  Verwendung  fUr  ihn  dachte.  Die  Versuchung  lag  nahe, 
ihn  wieder  nach  Brüssel  zu  senden,  um  ihn  dort  neuerdings  an 
der  Seite  des  Generalstatthalters  Prinzen  Carl  von  Lothringen 
die  Regierung  der  im  Kriege  verlornen,  durch  den  Frieden 
aber  wiedergewonnenen  belgischen  Provinzen  führen  zu  lassen. 
Aber  Kaunitz  hatte  nach  seiner  ersten  Resignation  auf  diesen 
Posten  mit  solcher  Entschiedenheit  erklärt,  ihn  nie  wieder  über 
nehmen  zu  wollen,  dass  man  jetzt  mit  einem  derartigen  Wunsche 
gar  nicht  mehr  an  ihn  herantrat.  Wohl  aber  machte  man  ihn 
darauf  aufmerksam,  dass  es  demnächst  nothwendig  erscheinen 
werde,  sowohl  in  London  als  in  Paris  kaiserliche  Botschafter 
zu  accreditiren.  Man  stellte  ihm  die  Wahl  zwischen  diesen  beiden 
Posten  frei,  aber  Ulfeldt  rieth  ihm,  dem  in  Paris  den  Vorzug  zu 
geben,  weil  der  dortige  Aufenthalt  für  ihn  gesünder  und  an 
genehmer  als  der  in  London  sein  würde.* 


'  Ulfeldt  au  Maria  Theresia.  29.  März  1748. 
*  Ulfeldt  an  Kaunitz.  9.  November  1748. 


5f 


Kaunitz  nahm  dieses  Anerbieten  so  auf,  tils  ob  es  gemeint 
wäre,  er  solle  sich  gleich  von  Aachen  weg  direct  an  den  Ort 
seiner  neuen  Bestimmung  begeben.  ,Wa8  mich  angeht/  ant- 
wortete er  dem  Grafen  Ulfeldt,  ,8o  gestehe  ich  Eurer  ExccUenz, 
dass  der  Gedanke,  mich  in  diesen  LUndcrn  zurückgehalten  zu 
sehen,  nachdem  alle  meine  GoUegen,  welche  die  Erlaubniss  er- 
langt haben,  sich  zu  den  Füssen  ihrer  Souveräne  zu  begeben, 
abgereist  sein  würden,  und  mich  unverzüglich  mit  einer  neuen 
Commission  zu  beladen,  wie  es  die  zu  Paris  oder  zu  London 
sein  würde,  um  so  schmerzlicher  berührte,  als  sie  mir  von 
Eurer  Excellenz  kommt  und  ich  mir  allzeit  schmeichelte,  dass 
Sie  ein  wenig  Güte  für  mich  empfänden.  Was  England  angeht, 
so  kann  von  diesem  Lande  für  mich  nicht  die  Rede  sein, 
weil  meine  Gesundheit  mir  nicht  gestatten  würde,  in  einem 
solchen  Klima  zu  leben;  es  könnte  sich  somit  nur  um  Paris 
handeln.' 

,Sie  selbst  wissen  am  besten,  was  eine  Botschaft  sagen 
will,  und  was  man  braucht,  um  die  mit  einer  solchen  verbun- 
denen unvermeidlichen  Ausgaben  zu  bestreiten,  in  so  geordneten 
Verhilltnissen  man  auch  sonst  leben  mag.  Wenn  jemals  der 
Dienst  Ihrer  Majestät  verlangte,  diesen  repräsentativen  Charakter 
nicht  zu  erniedrigen,  so  ist  dies  jetzt  der  Fall,  Ich  weiss  so 
gut  wie  irgend  Einer,  mich  einzuschränken,  sobald  es  sich  nur 
um  meine  Person  handelt.  Bei  den  Gelegenheiten  aber,  in  denen 
das  Ansehen  und  der  Dienst  Ihrer  Majestät  ins  Spiel  kommen, 
vermöchte  ich  niemals  den  Schmerz  zu  ertragen,  dasjenige  nicht 
thun  zu  können,  was  die  Umstände  fordern.' 

jAlle  Welt  kennt  oder  kann  wenigstens  den  Stand  meiner 
Angelegenheiten  kennen,  und  ich  habe  schon  vor  einiger  Zeit 
die  Ehre  gehabt.  Eurer  Exccllenz  mitzuthcilen,  dass  ich  die 
Ausgaben,  die  ich  hier  gemacht  habe,  nicht  zu  bestreiten  ver- 
mocht hätte,  wenn  die  hiesige  Versammlung  noch  von  längerer 
Dauer  gewesen  wäre;  was  ich  hiemit  behaupte,  kann  ich  jeden 
Augenblick  darthun.  Seit  ich  hier  bin,  habe  ich  keinen  Pfennig 
von  meinen  Gütern  in  Mähren  beziehen  können,  und  wenn  ich 
auch  die  wenigen  Bauten,  die  ich  in  Austerlitz  vornehme,  und 
welche  das  Einzige  sind,  das  ich  mir  nicht  versage,  einstellen 
liesse,  könnte  ich  von  dorther  nie  mehr  als  zwei-  bis  dreitausend 
Gulden  jähriich  erhalten.  Da  ich  somit  nichts  als  die  Einkünfte 
meiner  Grafschaft  Rietberg  beziehe,  welche  in  gar  keiner  Weise 


hinreichend  sind,  war  ich  zur  Eingehung  von  Schulden  genöthigt. 
Die  Interessen  derselben  verringern  wieder  meine  Bezüge,  und 
auch  der  Credit  hat  seine  Grenzen,  da  Jedermann  weiss,  dass  ich 
nur  FidcicommissgUter  besitze,  so  dass,  wenn  ich  mich  auch 
völlig  zu  Grunde  richten  wollte,  ich  es  doch  nicht  könnte. 
Ausserdem  besitze  ich,  Gott  sei  Dank,  eine  zahlreiche  Familie, 
und  meine  häuslichen  Interessen,  die  ich  seit  sieben  Jahren, 
während  deren  ich  die  Ehre  habe,  Ihrer  Majestät  in  fremden 
Ländern  zu  dienen,  vollsülndig  vernachlässigte,  verlangen  eine 
bessere  Einrichtung  und  meine  Gegenwart,  von  meinem  Oesund- 
heitszustande  gar  nicht  zu  reden,  auf  den  ich  keinen  Augen- 
blick bauen  kann.  Auf  Grundlage  all'  dieser  wahren  und  that- 
Hächlichen  Umstände  appellire  ich  an  das  eigene  Urtheil  Eurer 
Excellenz,  ob  ich  mich  sogar  bei  gänzlicher  Selbstaufopferung 
mit  der  erwähnten  Botschaft  belasten  könne,  wenn  nicht  der 
Hof  die  mit  ihr  verbundene  Auslage  trüge,  denn  was  ich  von 
dem  Meinigen  hinzuthun  kann,  ist  nur  wenig.  Ich  würde  nicht 
verdienen,  mit  den  Angelegenheiten  Ihrer  Majestät  betraut  sn 
werden,  wenn  ich  im  Stande  wäre,  die  meinigen  ganz  zu  ver 
gessen  und  mich  leichtsinniger  Weise  auf  Dinge  einzulassen, 
die  ich  nicht  aufrecht  zu  halten  vermöchte,  und  welche  meinen 
vollstJlndigen  Ruin  herbeiführen  würden.* 

,rhre  Majestät  ist  zu  gütig  und  zu  gerecht,  um  von  einem 
iliror  Vasallen  ein  solches  Opfer  zu  verlangen.  Ich  bin  davon 
überzeugt,  und  deshalb  nehme  ich  mir  die  Freiheit,  Sie  noch 
einmal  um  die  Erlaubniss  zu  bitten,  wenn  diese  Versammlung 
sich  trennen  wird,  nach  Wien  zurückkehren  zu  dürfen,  wohin 
ich  von  heute  in  \'ierzehn  Tagen  an  meine  Leute  und  meine 
Equipagen  zurückzuschicken  denke.' 

,Eure  Excellenz  sind  zu  billig,  um  nicht  selbst  zu  emphn- 
den,  was  das  Publicum  denken  müsste,  wenn  ich  nach  Beendi- 
gung einer  so  wichtigen  Commission  nicht  einmal  die  Gnaden- 
bezeigung erhielte,  mich  vor  meiner  Monarchin  und  an  ihrem 
Hoflager  einfinden  zu  dürfen.  Dies  würde  einem  anatftndigcn 
Exil  gleichen,  und  ausserdem  verlangt  es  der  Dienst  selbst, 
dass  ich  Ihrer  Majestät  und  meinen  Vorgesetzten  mündlich  von 
meinen  Verrichtungen  und  über  viele  Dinge  Kcchonschafl  ab- 
lege, welche  man  schriftlich  nicht  auseinandersetzen  kann.'  • 


'  KaunitK  ao  Ulfeldt.  Aachen,  27.  November  1748. 


153 

Eine  positiv  lautende  Antwort  auf  dieses  Schreiben  des 
Grafen  Kaunitz  findet  sich  nicht  vor,  aber  es  ist  nicht  zu  be- 
zweifeln, dass  wenigstens  seinem  Regehren  willfahrt  wurde,  sich 
vorläufig  nach  Wien  begeben  zu  dürfen.  Allerdings  zog  sich 
seine  Abreise  von  Aachen  sehr  in  die  Lilnge;  insbesondere  war 
es  die  Lösung  der  vielfachen  Fragen,  welche  sich  auf  die  Rilu- 
mung  der  Niederlande  vou  Seite  der  französischen  Truppen  be- 
zogen, die  ihn  dort  weit  länger  festhielt,  als  dies  bei  den  meisten 
anderen  Friedeusbotschaftern  der  Fall  war.  Nur  der  zweite 
französische  Bevollmächtigte,  Herr  du  Theil  verweilte  gleich- 
■  falls  noch  in  Aachen;  mit  ihm  schloss  Kaunitz  am  26.  Decem- 
ber  1748  eine  Uebereinkunft  ab,  welche  die  näheren  Restim- 
mungen über  jene  Rftumung  enthielt.  Da  diese  Vereinbarung 
jedoch  der  Zustimmung  der  französischen  Regierung  nicht  th  eil- 
haft wurde,  musste  Kaunitz,  welcher  am  7.  Januar  1749  Aachen 
verliess,  sich  von  dort  nach  Antwei'pen  begeben,  um  hier  neuer- 
dings mit  du  Theil  zu  verhandeln.  Denn  die  französische  Re- 
gierung wollte  die  Räumung  der  Niederlande  nicht  eher  voll- 
ziehen, bis  dasjenige  ins  Reine  gebracht  war,  was  sie  zu  Gunsten 
ihrer  italienischen  Bundesgenossen  verlangen  zu  dllrfen  glaubte. 

Auch  hierüber  einigte  man  sich  schliesslich,  und  am  11.  Ja- 
nuar kam  in  Brtissel,  am  21.  des  gleichen  Monats  in  Nizza  die 
Uebereinkunft  zu  Stande,  auf  deren  Grundlage  endlieh  die 
Räumung  der  betreffenden  Gebietsthcile  wirklich  geschah.  Am 
30.  Januar  verliess  Kaunitz  Antwerpen  und  begab  sich  von  dort 
in  langsamen  Tagereisen'  direct  nach  Wien,  um  hier  den  Platz 
in  der  geheimen  Conferenz  einzunehmen,  welcher  gerade  in 
jenen  Tagen  durch  den  Rücktritt  und  den  bald  darauf  erfolgten 
Tod  des  Grafen  Philipp  Kinsky  erledigt  worden  war.  Man 
werde  bei  diesem  Tausche,  schrieb  Ulfeldt,  der  ihm  ungemein 
wohlwollte,  an  Kaunitz  nicht  wenig  gewinnen.' 


V.  Capitcl. 

Die  geheime  Conferenz,  dieser  oberste  Rath  der  Krone, 
bestand  in  dem  Augenblicke,  in  welchem  Kaunitz  in  dieselbe 
trat,  ausser  ihm  noch  aus  fünf  Personen.    Der  greise  Obersthof- 


*  Am  14.  Februar  war  er  in  NOrnberg. 

*  Ulfeldt  au  Kannitz.  19.  Jauaar  1749.  Ariioth,  Geschichte  Maria  Theresias 
IV,  S.  534, 


154 


meister  der  Kaiserin,  Feldmiirschall  Graf  Königsegg  führte  den 
Vorsitz;  der  Ilofkanzler  Graf  Ulfeldt,  der  bekanntlich  an  der 
Spitze  der  auswilrtigen  Geschäfte  stand,  der  oberste  Kanzler 
von  Böhmen,  Graf  Fnedrich  Harracb,  der  Reichsvicekanzler 
Graf  Rudolf  (llolloredo  und  der  Oberstkilmmerer  Graf  Josef 
Khevenliüller  waren  die  übrigen  Mitglieder  der  Conferenz. 
Unter  ihnen  war  ohne  Zweifel  Harrach  der  am  meisten  Be- 
gabte. Er  mochte  fühlen,  dass  ihm  jetzt  an  Kaunitz  ein  über 
Icgener  Rival  erstand,  und  es  mag  sein,  dass  auch  aus  dieser 
Empfindung  eine  gewisse  Gegnerschaft  zwischen  den  Beiden 
hervorging,  wenn  auch  deren  Hauptursache  in  der  gänzlichen 
Verschiedetilieit  ihrer  Ansicliten  über  die  wichtigsten  Fragen 
gesuclit  werden  muss,  welche  in  den  obersten  Sphären 
Staatslebcns  zur  Austragung  kamen. 

Sowohl  in  den  Angelegenheiten  der  inneren  Pohtik,  w^eicl 
sich  gerade  damals  in  Oesterreich  in  dem  Stadium  gröaster 
Gährung  und  durchgreifender  Umgestaltung  befanden,  als  in 
denen,  welche  sich  auf  die  Haltung  der  Monarchie  nach 
Aussen  hin  bezogen,  zeigte  sich  dies.  Harrach  war  ein  stand- 
hafter, überzeugungstreuer  Verfechter  des  Althergebrachten, 
Kaunitz  dagegen  durch  und  durch  ein  Mann  der  Reform.  Auf 
dem  Gebiete  der  inneren  Fragen  hielt  er  allerdings  als  ein 
Neuling  mit  seinen  Meinungsäusserungen  noch  vorsichtig  zu- 
rück; um  so  entschiedener  und  schärfer  sprach  er  sich  dagegen 
über  Alles  aus,  was  das  politische  System  anging,  welche» 
Oesterreich  von  nun  an  in  seinen  Beziehungen  zu  den  fremden 
Miichten  befolgen  sollte.  Und  die  Ausführlichkeit,  mit  der  seines 
Votums,  das  er  als  der  Jüngste  im  Kreise  auch  zuletzt  abzu- 
geben hatte,  in  den  Protokollen  gedacht  wird,  kann  wohl  als 
ein  Beweis  des  Wcrthes  angeführt  werden,  den  man  ihm 
beimass. 

Kaunitz  konnte  nur  sehr  kurze  Zeit  in  Wien  zurUck  sein, 
als  schon,  und  zwar  am  ö.  März  1749  bei  Königsegg  eine 
Sitzung  der  geheimen  Conferenz  abgehalten  wurde,  in  welcher 
zum  ersten  Male  jene  Wahrnehmung  gemacht  werden  konnte. 
Es  handelte  sich  um  eine  Mitthciiung  der  sächsischen  Regierung 
über  wirkliche  oder  vermeintliche  Bemühungen  des  Königs  von 
Prcussen,  Frankreich  nicht  in  bessere  Beziehungen  zu  Oester- 
reich treten  zu  lassen.  Er  arbeite  darauf  hin,  eine  Vereiubaning 
mit  Frankreich   herbeizuführen,   welcher   freilich   Anfangs  nur 


155 


ein  defensiver  Charakter  innewohnen  solle.  Aber  man  könne 
leicht  vorhersehen,  dass  dann  von  diesem  zur  Offensive  nur 
mehr  ein  Schritt  sei. 

Man  kann  nicht  sagen,  dass  über  diese  Angelegenheit 
eine  wesentliche  Meinungsverschiedenheit  zwischen  den  einzel- 
nen Mitgliedern  der  Conferenz  obgewaltet  hätte.  Alle  stimmten 
dem  Vorschlage  Ulfeldt's  bei,  dass,  nachdem  die  diplomatisclicn 
Beziehungen  zu  Frankreich  noch  nicht  wiederhergestellt  seien, 
man  den  gleichen  Weg  einschlagen  solle,  auf  welchem  die  Mit- 
thcitung,  die  den  Gegenstand  der  Benithung  bilde,  nach  Wien 
gelangte.  Eine  Denkschrift  sei  zu  entwerfen  und  die  sächsi- 
sche Regierung  anzugehen,  sie  dem  französischen  Cabinet  be- 
kanntzugeben. Man  müsse  sich  benilihen,  durch  ihren  Inhalt 
Frankreich  jenen  Verdacht  zu  benehmen,  der  dort  schon  von 
vorneherein  gehegt  und  von  preussischer  Seite  immer  mehr  ge- 
nährt werde. 

Auch  Harrach  erhob  gegen  diesen  Antrag  Ulfeldt's  keinen 
Einspruch.  Gleichwohl  konnte  er  sich  der  tadelnden  Bemerkung 
nicht  entschlagen,  von  einem  politischen  System,  das  man  von 
nun  an  in  den  ausländischen  Geschäften  beobachten  wolle,  sei 
ihm  gar  nichts  bekannt  geworden.  Das  letzte  wichtigere  Acten- 
stück,  das  man  ihm  mitgethcilt  habe,  sei  die  Instruction  für  den 
neuernannten  üsterreicbischen  Gesandten  in  Dresden,  Grafen 
Stemberg  gewesen.  Er  habe  aber  darin  nichts  als  eine  weitläufige 
Anführung  des  schon  früher  Geschehenen,  eine  Wiederholung 
der  von  Seite  Englands  begangenen  Felder  und  als  Richtschnur 
ftir  die  Zukunft  nichts  Anderes  gefunden,  als  dass  man  still- 
sitzen und  die  Sachen  im  deutschen  Reiche  gehen  lassen  solle, 
wie  sie  eben  gingen.  Er  wisse  nicht,  ob  man  damit  weit 
kommen  werde. 

Eingehender  als  Harrach  vertiefte  sich  Kaunitz  in  den 
Gegenstand  der  Frage,  und  wir  werden  wohl  seine  Ausein- 
andersetzung hier  ausfuhrlicher  erwähnen  müssen,  da  sie  die 
erste  ist,  mit  der  er  im  Schoosse  der  geheimen  Conferenz  her- 
vortrat. Man  befinde  sich  noch  im  Dunkel  und  in  der  Unge- 
wißsheit,  liess  er  sich  veriiehiucn,  was  man  von  der  einen  und 
der  anderen  europäischen  Macht  tlieils  zu  hoffen  und  tbcvls  zu 
befürchten  habe;  darum  müsse  man  Alle  rücksichtsvoü  be- 
handeln und  es  sorgfältig  vermeiden,  bei  irgend  einer  von  ihnen 
begründeten  iVnstoss  zu  erregen.     Insbesondere  möge  mau  die 


156 


Aufmerksamkeit  darauf  richten,  den  französischen  Hof  nicht 
nur  von  feindseligen  Handlungen  abzuhalten,  sondern  ihm  auch 
allen  widrigen  Verdacht  zu  benehmen  oder  wenigstens  zu  ver- 
hüten, dass  er  sich  in  einen  aolchen  immer  mehr  vertiefe.  Denn 
gleichwie  er  glaube,  dass,  wenn  es  gelänge,  Frankreich  alle 
Unruhe  und  Besorgniss  wegen  wcitausschender  Anschläge  zu 
benehmen,  die  man  in  Wien  hege,  es  keine  feindselige  Stellung 
gegen  Oesterreich  einnehmen  werde,  so  zweifle  er  doch  aucb 
nicht,  dass  es  ohne  eine  solche  Bemühung  entfichlossen  sei,  all« 
Mitte!  aufzubieten,  um  die  ihm  vermeintlich  drohende,  obschou 
ganz  unbegründete  Gefahr  abzuwenden.  Das  Wichtigste  be- 
stünde darin,  dnss  die  Denkschrift  so  abgefasst  werde,  dass  sie 
nirgends  Anstoss  erregen  könne.  Um  so  leichter  sei  dies  zu 
erreichen,  als  man  sich  ja  blos  an  die  Wahrheit  zu  halten  und 
darnach  zu  trachten  brauche,  von  dem,  was  ihr  entspreche, 
Frankreich  zu  überzeugen.  Er  rathe  übrigens  auch,  das  Ver- 
langen des  Wiener  Hofes,  die  wiederhergestellten  Freundschafts- 
beziehungen zu  Frankreich  sorgfältigst  zu  unterhalten,  in  der 
Denkschrift  ganz  besonders  zu  betonen.  Um  so  unhedenkhchcr 
sei  dies,  als  es  ja  auch  England  an  Bezeigung  dor  gleichen 
Gesinnung  gegen  Frankreich  nicht  fehlen  lasse.  Von  dem  In- 
halte dor  zu  entwerfenden  Denkschrift  wäre  auch  Russland  «u 
unterrichten.  Ja  er  gebe  zu  bedenken,  ob  nicht  sogar  der 
österreichische  Gesandte  in  Berhn,  Graf  Chotek,  anzuweisen 
wilre,  bei  einer  sich  von  selbst  ergebenden  Gelegenheit  dem 
dortigen  Hofe  den  Irrthura  zu  benehmen,  in  welchem  er  sich 
befinde.  Denn  wenn  man  in  Berlin  die  Grundlosigkeit  des  ge- 
schöpften Verdachtes  gegen  Oesterreich  erkenne,  werde  man 
bievon  auch  in  Frankreich  leichter  zu  überzeugen  sein. 

Es  ist  eine  längst  bekaimte  Thatsache,  wie  hoch  Barten- 
stein, der  unermüdliche  Protokollführer  der  Conferens  and  die 
Seele  der  damaligen  Leitung  der  auswärtigen  Angelegenheiten, 
jedes  tadelnde  Wort  aufnahm  und  durch  ein  solches  in  die 
grösste  Aufregung  versetzt  wurde.  Auch  diesmal  gerieth  er 
durch  das,  was  Harrach  über  den  Mangel  eines  politischen  Sy- 
stems und  darüber  gesagt  hatte,  dass  man  im  deutschen  Reiche 
den  Dingen  unthätig  freien  Lauf  lassen  wolle,  in  tiefe  Elrbittc- 
rung.  Au  der  Hand  einer  umfangreichen  Ausarbeitung,  die  er 
gleich  nach  dem  Abschlüsse  des  Aachener  Friedens  entworien 
und  welche  damals  nicht  nur  die  Zustimmung  der  Conferena- 


167 


minister,  sondern  auch  die  des  Grafen  Kaunitz,  der  sich  zu 
jener  Zeit  noch  nicht  in  dieser  Stellung  befand,  und  schliesslich 
sogar  die  Genehmigung  des  Kaisers  und  der  Kaiserin  erhalten 
hatte,  wies  er  die  Grundsätze  nach,  von  denen  man  im  aus- 
wärtigen Amte  ausgehe.  Sie  bestünden  darin,  dass  man  sich 
trotz  den  leider  so  sehr  berechtigten  Beschwerden  gegen  Eng- 
land von  den  beiden  Seemilchten  nicht  trennen  und  ihnen  auch 
keinen  Anlass  zu  irgend  einer  begründeten  Klage  geben  wolle. 

■  Nach  wie  vor  werde  man  sich  an  den  Mittelweg  halten,  sich 
weder  durch  die  Seemächte  zu  einem  Unternehmen  gegen 
Frankreich,  noch  von  diesem  zu  einem  Schritte  wider  die 
Seemächte  verleiten  zu  lassen.  Man  müsse  sich  vielmehr 
ruhig  verhalten,  die  eigenen  inneren  Kräfte  sammeln  und  stär- 
ken, die  vorhandenen  Gebrechen  aber  verbessern.  Mit  Kuss- 
land müsse  man  aufs  Engste  verknüpft  bleiben  und  durch 
dessen  Vermittlung  die  beiden  Seemächte  zu  einem  billigeren 
und  erfreulicheren  Benehmen  gegen  Oesterrcich  vermögen.  Der 
feindseligen  Gesinnung  [Sachsens  gegen  Preussen  aber  habe  man 
sich  bei  Frankreich  nützlich  zu  bedienen,  um  hiedurch  diese 
Krone  mehr  und  mehr  von  ihrer  Verbindung  mit  Preusseu  ab- 
zubringen. 

Auch  den  Vorwurf,  man  wolle  im  deutschen  Reiche  die 
Hände  iinthätig  in  den  Schooss  legen,  wies  Bartenstein  als  un- 
gerechtfertigt zurück.  Nachdem  aber  durch  die  unglücklichen 
Kriege,  welche  man  geführt  habe,  durch  die  Uebermacht  Preussens, 
durch  die  Unordnungen,  welche  unter  Karl  VII.  eingerissen 
seien,  imd  durch  manche  andere  Ursachen  der  gegenwärtige  arge 
Verfall  des  Reiches  herbeigeflihrt  worden  sei,   erübrige  nichts, 

■  als  sich  künftighin  durch  Niemand,  wer  es  auch  sein  wolle, 
zur  Uebernahme  irgend  einer  Verpflichtung  gegen  Aussen  hin 
verleiten  zu  lassen.     Man    müsse    sich  darauf  beschränken,  die 

■  Antipathie  Sachsens  und  Hannovers  gegen  Preussen  je  nach 
Massgabe  der  Umstünde  zu  benutzen,  die  kleineren,  eine  Unter- 
drückung befürchtenden  Ueichsstilnde  an  sich  zu  ziehen  und 
sich  übrigens  von  einer  unparteiischen,  auf  die  Reichsgrund- 
gesetze sich  stützenden  Justizverwaltung  durch  nichts  abwendig 
machen  zu  lassen. 

Auf  die  ferneren  Auseinandersetzungen,  durch  welche 
sich  Bartenstein  bemühte,  die  Vorwürfe  Harrach's  zu  widerlegen 
und   das  von   dem    auswärtigen  Amte   bisher  beobachtete  Ver- 


158 


fahren  als  ein  conscquentes  und  systemmJissiges  darzustellen, 
kann  hier  nicht  weiter  eingegangen  werden.  Nur  das  wird  ge- 
sagt werden  dürfen,  dass  am  Schlüsse  des  Referates,  mit  wel- 
chem die  Conferenz  die  an  Sachsen  und  durch  dessen  Vermitt- 
lung an  Frankreich  mitzutheilende  Denkschrift  der  Kaiserin 
zur  Genehmigung  vorlegte,  auf  Grundlage  der  Behauptung 
Han-ach's,  es  existire  keine  feste  Richtschnur  ftir  das  in  den 
auswilrtigen  Angelegenheiten  zu  befolgende  System,  um  baldigo 
Vorzeichnung  einer  solchen  dringendst  gebeten  wurde.' 

,Plftcet,'  so  lautet  die  eigenhändig  niedergeschriebene  Ant 
wort  der  Kaiserin,  ,placet,  so  vill  das  memoire  anbetrifft  und 
die  arth  der  puncten  zu  delibrirung,  die  allzeit  in  das  ktinff- 
tige  auch  bey  allen  conferentzen  also  zu  halten  seyn  wird,  und 
selbe  circuliren  lassen  und  nachgehends  von  denen  votis  pro- 
tocol  abfassen  und  mir  abzugeben,  weillen  aber  aus  disen  sehe, 
das  noch  einige  glaubeten,  das  noch  kein  Systeme  ergriffen 
worden,  und  doch  höchst  nüthig,  das  aus  einen  principio  und 
maasicgul  zu  werck  gegangen  werde,  so  solle  ein  jeder  con- 
ferentz  ministre  seine  meinung  zu  papier  setzen  und  in  14  tagen 
mir  zuschicken,  was  nach  nunmehr  geschlossenen  finden,  an- 
scheinenden Unruhen  in  norden  gegen  engeland,  franckreieh  und 
dem  reich  vor  ein  Systeme  zu  ergreiffen  wäre.* 

Wir  wissen  nicht,  ob  es  aus  eigenem  Antriebe  oder  auf 
ausdrücklichen  Wunsch  seiner  Gemahlin  geschah,  dass  sich  der 
Kaiser  seines  hohen  Ranges  einen  Augenblick  entiiusserte,  indem 
er  sich  gewissermassen  in  die  Reihe  der  Conferenzministor  stellte 
und  geradeso  wie  sie  über  das  neu  anzunehmende  und  von  nun 
an  pünktlich  zu  befolgende  politische  System  sein  Gutachten 
abgab.  Auch  jetzt  wieder  blieb  er  den  Anschauungen  treu,  in 
denen  er  sich  immer  bekannt  hatte;  die  Hinneigung  zu  den 
Seemächten,  insbesondere  zu  England,  und  die  Antipathie  gegen 
Frankreich  waren  die  Empfindungen,  in  denen  sie  wurzelten. 
Darum  war  er  vor  Allem  daftir,  dass  an  dem  Bündnisse  mit  den 
Seemächten,  sowie  an  demjenigen  mit  Russland  festzuhalten  sei; 
durch  eine  solche  vierfache  Defensivallianz  werde  man  noch  am 
ehesten  den  König  von  Preus.sen  im  Zaume  halten  können,  von 
welchem  allein  und  nicht  auch  von  den  zwei  anderen  Gegnern 
Oesterreichs,  der  Pforte  oder  Frankreich,   unmittelbare  Gefahr 


'  Referat  vom  7.  Milni   1749. 


159 


I 


I 


drohe.  Aber  auch  mit  Preussen  möge  man  gute  Nachbarst-haft 
halten  und  gegen  den  König  nicht  so  öffentlich  den  freilich 
nicht  unberechtigten  Heiss  zeigen,  den  man  wider  ihn  hege. 

Auch  Frankreich  möge  man  schonen,  aber  ihm  doch 
auch  niemals  vertrauen  und  am  allerwenigsten  dem  trügerischen 
Gedanken  Raum  geben,  man  könnte  durch  Frankreichs  Bei- 
stand je  wieder  iu  den  Besitz  Schlesiens  gelangen.  Nie  werde 
Frankreich  ernstlich  hiezu  mitwirken  und  sich  überhaupt  nie- 
mals von  Preussen  loslösen,  indem  Eines  des  Anderen  nur  all- 
zusehr bedürfe.  Immer  werde  Frankreich  nach  nichts  Anderem 
tracliten,  als  Oesterreich  mit  seinen  bisherigen  Verbündeten  zu 
entzweien  und  es  dann  in  seiner  Isolirung  noch  ärger  zu  schä- 
digen, als  es  dies  bereits  gethan  habe. 

Auch  Königsegg  hob  vor  Allem  hervor,  dass  die  See- 
mächte als  die  Ultesten  Alliirten  Oesteireichs  anzusehen  seien. 
Nimmermehr  dürfe  man  sich  von  ihnen  vollstiindig  trennen, 
wenn  sie  sich  nicht  durch  eine  ganz  unbegreifliche  Verirrung 
auf  ganz  falsche  Bahnen  leiten  Hessen.  Darum  möge  man 
zwar  die  freundschaftlichen  Beziehungen  zu  ihnen  pflegen, 
aber  darin  doch  wieder  nicht  so  weit  gehen,  um  bei  Frank- 
reich oder  irgend  einer  anderen  Macht  Verdacht  zu  erregen. 
Dennoch  wäre  es  erfreulich,  wenn  es  gelänge,  den  König  von 
England  zur  Theilnahrae  an  dem  Bündnisse  zwischen  Oester- 
reich und  Russland  zu  vermögen,  welches  auch  künftighin  die 
Grundlage  des  von  Wien  aus  zu  beobachtenden  politischen 
Systems  zu  bilden  habe. 

Gleich  dem  Kaiser  bezeichnete  auch  Königsegg  die  Pforte, 
Frankreich  nnd  Preiissen  als  Oesterreichs  Feinde.  Aber  die 
Pforte  habe  in  der  jüngstvergangenen  Zeit  ,zu  ewiger  Schande 
der  Christen'  so  überzeugende  Proben  von  Treue  und  Glauben 
abgelegt,  dass  man  wohl  hoffen  dürfe,  sie  werde  den  mit  ihr 
abgeschlossenen  ewigen  Frieden  nicht  brechen.  Freilich  könne 
man  sich  auf  eine  so  barbarische  Nation  nicht  völlig  verlassen. 
Ein  kriegerischer  Nachfolger  des  gegenwärtigen  Sultans,  ein 
brutaler  Qrossvezir,  ja  sogar  der  Ungestüm  der  Janitscharen 
könnten  die  Pforte  auch  wider  Willen  zu  einem  Kriege  gegen 
Oesterreich  zwingen.  Das  Hauptaugenmerk  müsse  also  darauf 
gerichtet  sein,  der  Türkei  durch  friedliche  Nachbarschaft  jeden 
Vorwand  zu  einem  Bruche  zu  benehmen. 


160 


Auch  gegen  Frankreich  empfiehlt  Königsegg  eine  zuvor- 
kommende Haltung.  Da  aber  sein  Hochmuth  und  seine  Herrsch- 
sucht, sowie  seine  Rivalität  gegen  das  Haus  Oeaterreich  niemals 
erlöschen  werden,  so  dürfe  man  in  dem  Vertrauen  auf  Frank- 
reich nicht  zu  weit  gehen,  sondern  müsse  sich  darauf  be- 
schränken, es  zu  überzeugen,  dass  man  nicht  die  geringste 
Feindseligkeit  gegen  dasselbe  hege. 

Die  grossen  Rüstungen  des  Königs  von  Preussen  könne 
man  ebensowohl  etwaigen  Befürchtungen  als  neuen  Erobemngs 
plilnen  zuschreiben.  Was  aber  auch  darunter  verborgen  sein 
möge,  so  solle  man,  ohne  irgendwelche  Besorgniss  zu  verrathen, 
doch  vor  ihm  auf  guter  Hut  sein,  ihn  schonen  und  ihm  ^eich- 
zeitig  zeigen,  dass  man  an  die  Wiedergewinnung  Schlesiens 
nicht  denke. 

Auch  Ulfeldt  war  der  Meinung,  dass  man  anter  den  ob- 
waltenden Umständen  und  so  bald  nach  Abschluss  des  Friedens 
von  keiner  der  europäischen  Mächte  eine  augenblickliche  Ge- 
fahr zu  besorgen  habe.  Sein  Gutachten  ghch  überhaupt  dem- 
jenigen Künigsegg's  in  wesentlichen  Punkten,  aber  freilich  unter 
schied  es  sich  auch  wieder  von  demselben,  und  zwar  insbesondere 
dadurch,  dass  es  geringere  Hinneigung  zu  den  Seemächten  und 
weniger  Misstrauen  gegen  Frankreich  verrieth.  Er  meine  damit 
jedoch  nicht,  erklärte  Ulfeldt  ausdrücklich,  dass  man  sich  mit 
Frankreich  in  etwas  Verfttngliches  einlassen  oder  mit  irgend 
welchem  Anerbieten  an  diese  Krone  herantreten  solle.  Man  möge 
nur  während  der  Dauer  des  Friedens  eine  solche  Haltung  ein- 
nehmen, dass  man  sich  nicht  bei  der  Ohnmacht  Hollands  im 
Falle  eines  erneuerten  Friedensbruches  von  Seite  Frankreichs 
und  wenn  England  seinen  bisherigen  üblen  Willen  nicht  ändere, 
vollkommen  hilflos  und  dadurch  gezwungen  sehe,  die  bisher 
befolgte  Bahn  auch  noch  ferner  zu  verfolgen.  Sie  habe  z« 
nichts  Anderem  geführt,  als  dass  die  Seemächte  nach  Beendi- 
gung eines  Krieges  die  Ruhe  Europas  allzeit  auf  Oesterreichs 
Kosten  erkauft  hätten. 

Nachdem  er  sich  in  einer  ziemlich  langathmigen  Auf- 
zählung all'  der  Vorwürfe  ergangen  hatte,  die  er  gegen  die 
politische  Haltung  Englands  vom  österreichischen  Standpunkte 
aus  erheben  zu  sollen  glaubte,  kehrte  Ulfeldt  neuerdings  lu 
Frankreich  zurück  und  meinte,  man  müsse  abwarten,  welche 
Haltung  es  künftighin  gegen  üestcrrcich  einnehmen  werde.     Sie 


Ifil 


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zu  einer  möglichst  befriedigenden  zu  gestalten,  dürfte  die  bevor- 
stehende Absendung  des  Urafen  Kaunitz  nach  Paris  nicht 
wenig  beitragen.  Frankreich  werde  ebenso  leicht  einsehen, 
woran  Oesterreich  am  meisten  liege,  wie  man  hier  sich  über 
die  Absicht  nicht  tausche,  welche  Frankreich  bei  einem  neuen 
Kriege  verfolgen  würde.  Dass  sie  diesmal  fehlschlag,  habe 
Frankreich  dem  zuzusclireiben,  dass  ihm  der  König  von  Preussen 
durch  einen  einseitigen  Friedensschluss  zuvorkam.  Nie  werde 
es  ihm  dies  vergessen  und  es  sich  zur  Warnung  dienen  lassen, 
ein  zweites  Mal  eher  sich  selbst  als  Preussen  den  Nutzen  zuzu- 
eignen. Solches  könnte  in  einigen  Jahren  wohl  geschehen  und 
Oesterreich  die  einzige  Gelegenheit  darbieten  zum  Ersätze  des 
erlittenen  Verlustes. 

In  entschiedenem  Gegensatze  zu  diesen  Aeusserungen  Ul- 
feldt's  befanden  sich  diejenigen  Harrach's.  Dass  kein  euro- 
päischer Staat,  so  begann  er  sein  Gutachten,  er  möge  noch  so 
mächtig  sein,  ohne  Verbündete  zu  bestehen  vermöge,  werde 
durch  das  Beispiel  Frankreichs  am  besten  bewiesen;  Oester- 
reich müsse  sich  gleichfalls  darnach  richten.  Drei  ,Capitalfetndo' 
besitze  es  an  der  Pforte,  an  Frankreich  und  an  Preussen.  Schon 
gegen  Einen  allein  reiche  seine  Heeresmacbt  nicht  zu,  viel  weniger 
gegen  mehrere  aus  ihnen;  es  bleibe  ihm  daher  nichts  übrig,  als 
Alles  anzuwenden,  um  seine  alten  Allianzen  aufrechtzuerhalten 
und  das  Vertrauen  der  Verbündeten  wieder  herzustellen,  wel- 
ches durch  deren  Fehltritte  und  die  so  empfindlichen  Vorwürfe, 
die  man  ihnen  deshalb  unablässig  gemacht  habe,  nicht  wenig 
erschüttert  worden  sei.  Das  gute  Verhältniss  zu  Russland,  so 
erfreulich  es  auch  genannt  werden  müsse,  stehe  nur  auf  vier, 
ja  vicllciclit  nur  auf  zwei  Augen,  denn  wenn  heute  der  Kanzler 
Bestuschew  die  seinigen  schliesse,  was  bei  seinem  ausschwei- 
fenden Lebenswandel  leicht  eintreten  könne,  wisse  man  nicht, 
auf  welche  Gedanken  vielleicht  ein  neuer  Minister  die  Czarin 
Elisabeth  bringen  werde.  Holland  befinde  sich  in  sichtlichem 
Verfall,  und  selbst  wenn  es  sich  daraus  noch  zu  retten  ver- 
möchte, bleibe  zu  besorgen,  dass  die  Zwistigkciten  wegen 
Umgestaltung  des  Barriereti-actates  nicht  zu  völliger  Erkaltimg, 
und  zwar  nicht  blos  gegen  Holland,  sondern  auch  gegen  Eng- 
land flihren  würden. 
K  Kaum  erwähnt  Harrach  dieses  Reich,  so  kommt  er  auch 

I  schon    wieder    auf   die  Vorwürfe    zurück,   durch    die    man   es 

■  Anbiv.   LlXXrni.  Bd.   I.  HilFIc.  1 1 


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162 

ohne  Noth  aufs  Aeusserste  erbittert  habe.  Diese  Vorwürfe 
seien  entweder  gegründet  gewesen  oder  nicht.  In  dem  einen 
Falle  wäre  es  England  nicht  zu  verdenken,  dass  es  sich  tief 
verletzt  fühle,  sich  nach  so  vielen  Opfern  an  Gut  und  an  Blut 
in  solcher  Weise  behandelt  zu  sehen.  In  dem  anderen  Falle 
aber  dürfte  England,  so  gerecht  diese  Vorwürfe  auch  sein 
möchten,  doch  nicht  zur  Erkenntniss  seines  Unrechtes  zu  brin- 
gen sein.  Aber  selbst  wenn  dies  wider  Vermuthen  geschehen 
sollte,  so  würde  England  dann  doch  nur  die  eigenen  Fehler 
gegen  Diejenigen  zu  compensiren  geneigt  sein,  welche  man  von 
österreichischer  Seite  gleichfalls  begangen  zu  haben  nicht  leugnen 
könne.  Und  nie  würde  sich  Oesterreich  allein  und  ohne  Englands 
Beistand,  so  viel  er  auch  zu  wünschen  übrig  lassen  mochte,  zu 
retten  im  Stande  gewesen  sein. 

Da  nun  England  der  einzige  Staat  sei,  welcher  Oester 
reich  nicht  nur  mit  Geld  zu  unterstützen,  sondern  auch  durch 
seine  Macht  Frankreich  im  Zaume  zu  halten  vermöge,  so  müsse 
man  aufs  Aeusserste  bemüht  sein,  sich  mit  ihm  in  das  beste 
und  engste  Einvernehmen  zu  setzen  und  die  beabsichtigte  be- 
waffnete Defensivallianz  so  bald  als  nur  immer  möglich  m 
Stande  zu  bringen.  Die  Art  aber,  zu  ihr  zu  gelangen,  bestehe 
nicht  in  unablässigen  Vorwürfen,  welche,  je  gegründeter  sie 
seien,  desto  mehr  aufreizen,  insbesondere  wenn  man  sich  ihrer 
gegen  eine  so  hochmüthige  Nation  wie  die  englische  bediene, 
welche  Oesterrcichs  lang  nicht  so  sehr  bedürfe,  als  dies  umge- 
kehrt der  Fall  sei. 

Er  habe  zwar,  so  schloss  Harrach  sein  Gutachten,  aus 
den  in  der  letzten  Zeit  von  der  Staatskanzlei  ausgegangenen 
Instructionen  an  die  Repräsentanten  Oesterrcichs  im  Auslande 
Dinge  ersehen,  welche  ihn  fast  hätten  abhalten  sollen,  mit  so 
grosser  Aufrichtigkeit  seine  Meinung  zu  sagen.  Aber  die  Pflicht 
der  Treue,  die  ihn  an  die  Kaiserin  und  ihr  Haus  fessle,  sei  so 
stark  in  ihm  und  so  rein,  dass,  wenn  auch  sein  Kopf  darauf 
stünde,  dies  ihn  nicht  abhalten  könnte,  insbesondere  nachdem 
die  Kaiserin  ihm  befohlen  habe,  ihr  seine  Gedanken  zu  eröffnen, 
dies  mit  vollster  Aufrichtigkeit  und  ohne  alle  Scheu  zu  thun. 
Er  sage  nicht,  dass,  wenn  sich  eine  günstige  Gelegenheit  da^ 
bieten  soUte,  sich  Frankreichs  gegen  Preussen  oder  Prenssens 
gegen  Frankreich  mit  Nutzen  zu  bedienen,  sie  vorsätzlich 
vernachlässigt  werden   sollte.     Vor  Allem  aber  sei  ein  ,8olides 


1C3 


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Fundament'  zu  legen,  ohne  welches  jedes  politische  wie  jedes 
andere  Gebitude  zusammenstürzen  müsse.  Unter  diesem  soliden 
Fundamente  verstehe  er  eine  Allianz,  bei  der  man  ruhig  zu 
schlafen  im  Stsmde  sei. 

Das  Gutachten  des  Reichsvicekanzlers  CoUoredo  bietet 
insofern  einige  Aehnlichkeit  mit  dem  Harrach's  dar,  als  auch 
er  von  den  drei  Hauplfeinden  Oestcrreichs,  von  Frankreich, 
Prousscn  imd  der  Türkei  spricht  und  es  an  die  Spitze  seiner 
Ausfuhrungen  stellt,  dass  auf  eine  wirkliehe  Aussöhnung  mit 
dorn  Hause  Bourbon,  sowie  auf  eine  dauernde  und  verlUss- 
hchc  Freundschaft  mit  ihm  in  gar  keiner  Weise  zu  baiwn 
sei.  Aber  er  unterscheidet  sich  doch  wieder  von  Harrach  durch 
die  Behauptung,  Oesterreich  habe  keinen  Alliirten,  dem  es 
völlig  vertrauen  könne,  und  er  bemüht  sich,  dies,  insofern  es 
England  angeht,  durch  die  Hindeutung  auf  dessen  Verfahren 
während  des  letzten  Krieges  und  schon  vor  demselben  zu  be- 
weisen. Man  sehe  sich  daher  genöthigt,  den  Mittelweg  einzu- 
schlagen und  weder  den  früheren  Feinden,  mit  denen  man  erst 
Frieden  geschlossen  habe,  Anlass  zu  neuen  Misshelligkeiten  zu 
geben,  noch  sich  von  den  bisherigen  Verbündeten  zu  trennen, 
ja  man  solle  trachten,  die  Zahl  der  Alliirten  womöglich  noch 
zu  vermehren.  Insbesondere  möge  man  über  das  Vergangene 
den  Schleier  der  Vergessenheit  ziehen,  und  wenn  sich  auch 
die  Seemächte  wjlhrend  des  Krieges  nicht  so  bundesmiUssig 
l>enahmen,  als  sie  es  schuldig  gewesen  wilren  und  wie  es  ihr 
eigenes  Interesse  verlangte,  so  hätten  sie  doch  niemals  gleich 
Frankreich  das  völlige  Verderben  des  Hauses  Oesten-eich  ge- 
sucht und  dazu  die  Hände  geboten.  Die  Fortdauer  und  die 
noch  engere  Verknüpfung  der  AUianz  mit  den  Seemächten  und 
mit  Russland  wird  daher  auch  von  Colloredo  als  das  Wün- 
schenswertheste  erklärt. 

Auch  der  Oberstkftmmerer  Graf  Khevenhüllcr  stimmte 
für  ein  möglichst  gutes  Einvernehmen  sowohl  mit  den  früheren 
Gegnern  als  mit  den  bisherigen  Alliirten.  Alle  von  Wien  aus- 
gehenden Kundgebungen  sollten  mit  der  grössten  Vorsicht  ab- 
gefasst  werden,  so  dass  man  überall  daraus  ersehen  könne, 
man  empfinde  wegen  des  Geschehenen  durchaus  keinen  Groll 
mehr  und  sei  nur  von  dem  Wunsche,  den  Frieden  zu  erhalten, 
sowie  von  der  Absicht  beseelt,  sich  mit  dem  gegenwärtigen 
Besitzstande  zu  begnügen. 


164 

So  wie  68  Ton  Seite  seiner  CiAegeu  gcsohali, 
aaeh  Eheveiihttller  der  Haltung,  die  man  von  mm  an  gtgm 
Frankreich  beobachten  soUe,  sein  HaaptaogeiunNk  n.  Ibi 
mOge  eifrig  darnach  trachten,  so  meinte  or,  dem  Hofc  ia 
Versailles  den  Verdacht  an  benehmen,  als  ob  man  in  "Wm 
nooh  in  der  froheren  feindlichen  Geeinnnng  gregen  ihn 
Mit  Aofinerksamkeiten  aller  Art  sich  ihm  mehr  and 
nähern,  solle  man  nicht  geizen,  aber  freilich  sieh  aneh 
band  noch  nicht  tiefer  mit  ihm  einlassen  und  niefat  anf  eis 
neues  politisches  System  eingehen,  dessen  Ghnndlage  in  omt 
engeren  Verbindung  mit  Frankreich  bestOnde.  Denn  man 
sich  TcmUnfliger  Weise  unmöglich  mit  dem  Qeduiken 
cheln,  fVankreioh  schon  in  naher  Zukonft  von 
trennen.  Gleichwohl  möge  man  hieran  nicht  völlig  vi 
und  daher  jeden  Anlass  benfitzen,  der  fianaOaiaehen 
das  Ueberhandnehmen  der  Macht  Preussens  recht  deodidi  fV 
Augen  zu  führen  und  sie  einsehen  au  machen,  daas  sie  te 
einst  von  dort  mehr  als  von  Oesterreich  m  besorgen  him 
dflifte. 

Die  Allianz  mit  Russland  sei  zwar  tibe  Oesteireieh  iqp- 
mein  nützlich,  ja  onentbehriich,  aber  sie  verliere  dadoreh« 
Werth,  dass  man  sich  von  diesem  Staate  keine  Geldhilfe  Ytr- 
sprechen  dürfe,  und  dass  die  gewaltsamen  Umwälzungen,  dena 
er  ausgesetzt  sei,  leicht  einmal  in  ganz  unvorhergesehener 
Weise  auch  das  BUndniss  mit  Oesterreich  zertrümmern  kOmites. 
Darum  solle  man  sich,  um  dann  nicht  allein  zu  stehen,  a>f 
möghchst  freundschafUichen  Fnss  mit  den  Seemächten  steOeo 
und  in  den  Bemühungen  nicht  erkalten,  England  in  die  AlHan 
zwischen  Oesterreich  nnd  Russland  zu  ziehen. 

Bei  Weitem  das  wichtigste  aller  abgegebenen  Gutachtei 
ist  jedoch  ohne  Zweifel  das,  welches  von  dem  jüngsten  IGt- 
glicde  der  Conferenz,  dem  Grafen  E^annitz  herrahrt.  Sehm 
durch  seine  Ausführlichkeit  unterscheidet  es  sich  von  den  ttlsi- 
gen,  indem  es  fast  das  Doppelte  des  Raumes  aller  andern 
Gutachten  ausAlllt.  Aber  nicht  sein  Umfang,  sondern  sein  Inlnk 
ist  es.  der  ihm  seinen  eigentlichen  Werth  verleiht. 

Am  11.  März  1749  hatte  Kaunitz  den  Auftrag  der  Kaisois 
erhalten  und  ihm  schon  am  34.  entsprochen.  Binnen  dreiielB 
Tagen  brachte  er  eine  Arbeit  von  252  Seiten  zu  Stande,  u 
der  er  somit  während  dieses  verhältnissmKssig  kuraen  ZMbaaa» 


1 


165 


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rastlos  thätig  gewesen  sein  inuss.  Bescheiden  bezeichnet  er 
selbst  die  ihr  zu  Grunde  liegende  Kenntniss,  welche  er  sieh  von 
den  auswärtigen  Geschäften,  sei  es  als  Gesandter,  sei  es  als 
Theilnehmer  an  den  Aachener  Friedensverhandlungen  erworben 
habe,  als  blosses  Stückwerk.  Nor  im  Schoosse  der  geheimen 
Conferenz  könne  man  den  ganzen  Zusammenhang  der  Staats- 
geschilfte,  welche  daselbst  wie  in  einem  Mittelpunkte  zusaiumeu- 
fliessen,  durch  mehrjiihrige  Erfahrung  können  lernen. 

Wie  es  auch  von  anderen  Mitgliedern  der  Conferenz  ge- 
schah, theilt  Kaunitz  die  europilischen  Milchte  in  solche,  welche 
als  natUrhche  Freunde,  und  in  andere,  die  als  nattlrliche  Feinde 
des  Erzhauses  OesteiTeieh  anzusehen  seien.  Eine  dritte  und 
letzte  Kategorie  erblickt  er  in  denen,  die  sich  je  nach  den  ob- 
waltenden Umstünden  auf  die  eine  oder  die  andere  Seite 
schlagen  dürfton.  Zu  der  ersten  Gruppe  rechnet  er  vor  allen 
übrigen  Staaten  England,  und  es  sei  hiebei,  so  meint  er,  ganz 
besonders  zu  beachten,  dass  die  allgemeine  Politik  der  Milchte 
nichts  von  Verwandtschaft  oder  persönlicher  Freundschaft  zu 
wissen  pflege,  sondern  in  ihrem  eigenen  Interesse  die  Ilanpt- 
richtschnur  für  ihr  Verfahren  erblicke.  Dieses  bilde  das  stärkste 
Band  für  eine  Allianz.  Höfe,  zwi.scben  deren  Absichten  Wider- 
streit bestehe,  würden  selten  durch  ein  wahres  und  dauerndes 
Einverständniss  verknüpft  sein.  Wohl  aber  sei  ein  solches  zwi- 
schen Staaten  zu  borten,  deren  Wohlfahrt  auf  den  gleichen 
Grundsiltzen  und  Hilfsmitteln  beruhe. 

Zwischen  Ocsterreicli  und  England  bestehe  nun,  vielleicht 
mit  einziger  Ausnahme  dessen,  was  sich  auf  den  niederländi- 
schen Handel  und  den  Barrieretractat  beziehe,  durchaus  kein 
Gegensatz,  während  ihr  beiderseitiges  Interesse  in  der  Nothwen- 
digkeit  übereinkomme,  der  Uebermacht  des  Hauses  Bourbon 
und  dessen  gefalu*lichen  Unternehmungon  Schranken  zu  ziehen. 
Englands  eigene  Wohlfahrt  fordere  daher,  sich  aufs  Aeusserste 
zu  bemühen,  dass  Oesterreich  nicht  nur  von  seinen  Feinden 
nicht  unterdrückt  oder  geschwächt,  sondern  dass  es  vielmehr 
in  seiner  Macht  und  seinem  Ansehen  erhalten  und  seine  Kraft, 
dem  gemeinsamen  Feinde  gehörig  zu  widerstehen,  noch  ver- 
stärkt werde. 

Trotzdem  werde  seit  einiger  Zeit  durch  die  leidige  Er- 
fahrung bewiesen,  dass  England  bei  sehr  vielen  Anlässen  nicht 
nach    diesen  Grundsätzen,   sondern   in   einer   Weise   gehande^ 


166 


habe,  als  ob  seine  eigene  WijliH'ahrt  mit  derjenigen  Oestcrreichs 
in  gar  keinem  Ziisaininenhnnge  stünde.  Die  Hauptursache  hie^ 
von  liege  darin,  dass  auch  England  nicht  frei  sei  von  dem  ge- 
wöhnlichen Fehler,  das  Staatsinteresse  Privatvortheiien  und 
persönlichen  Stimmungen  unterzuordnen.  So  komme  es,  dass 
in  oft  wiederholten  Fällen  die  übertriebene  Sparsaiukeit,  ja  man 
dürfe  schon  sagen  der  Geiz  der  Könige  aus  dem  Hause  Han- 
nover, der  bestllndige  Kampf  der  politischen  Parteien  in  Ver- 
bindung mit  dem  den  Engländern  eigenthümlichen  Ungestüm 
dort  in  Staatsangelegenheiten  den  Ausschlag  geben.  Und  man 
könne  nicht  leugnen,  dass  man  auch  in  Wien  nicht  sorgfilltiff 
genug  darauf  bedacht  gewesen  sei,  jedem  Anlasse  zu  Mise- 
helligkciten  aus  dem  Wege  zu  gehen.  So  habe  man  schon  bei 
der  Errichtung  der  Ostindischen  Compagnie  hauptsilchlich  nur 
den  eigenen  Vortheil  und  gar  nicht  in  Erwägung  gezogen,  uh 
sich  denn  diese  Massregel  mit  den  einmal  bestehenden  Ver- 
tragen vereinbaren  lasse,  und  ob  m<in  sie  ohne  fremde  Unter- 
stützung nur  aus  eigener  Machtvollkommenheit  werde  durch- 
setzen können.  Mehr  Rücksicht  auf  die  Verbündeten  und  etwas 
weniger  Nichtachtung  des  Grundsatzes:  .Leben  und  leben  lassen" 
würde  es  immerhin  möglich  gemacht  haben,  gleichzeitig  auch 
den  österreichischen  Niederlanden  grrössere  Handebvortheile  zu- 
zuwenden, wozu  jetzt  jode  Aussicht  verschwunden  sei.  So  hab« 
man  in  England  und  mehr  noch  in  Holland  die  Abneigung  der 
Bevölkerung  gegen  Oesterreich,  die  sich  durch  diesen  Staat  in 
ihren  wichtigsten  Interessen  bedroht  wJlhnte,  grossgezogen,  den 
Minister  Walpole  aus  einem  anfilnglichen  Anhänger  Oestcrreichs 
in  einen  versteckten  Feind  umgewandelt  und  es  dahin  gebracht, 
dass  sich  seit  ihm  nur  wenige,  ja  vielleicht  kein  einziger  eng- 
lischer Minister  gefunden  habe,  welcher  dem  Kaiserhofe  wahrhaft 
geneigt  und  für  ihn  im  Sinne  der  Allianz  thätig  gewesen  witrc. 
Ohne  die  Erkenntniss,  dass  die  Erhaltung  des  Hauses  Oesterreich 
für  England  nicht  nur  nützlich,  sondern  nothwendig  sei,  hätte 
sich  England  wohl  lang  schon  von  ihm  abgewendet,  und  täg- 
lich zeige  es  sich  nur  allzusehr,  wie  sehr  Walpole's  Geist  und 
seine  Grundsätze  bei  einem  namhaften  Theile  der  massgeben- 
den Persönlichkeiten  in  England  vorherrschend  seien.  Es  kOnne 
daher  auch  nicht  schwer  fallen,  die  Ursachen  zu  ergründen, 
durch  welche  England  veranlasst  wurde,  die  Kaiserin  zu  nöthi- 
gen,  das  Bündniss  mit  Sardinien  und  den  B^neden  mit  Preussen 


167 


mit  so  grossen  Opfern  zu  erkaufen.  Der  Marqiiis  d'  Ormea  habe 
es  verstanden,  England  zu  ühcrredcu,  dass  sich  Sardinien,  je 
mehr  es  an  Madit  zunehme,  desto  mehr  von  dem  Hause  ßour- 
bon  abwenden  und  an  England  anschliessen  werde.  Durch  den 
Besitz  der  Häfen  von  Finale  und  Savona  aber  werde  sich 
Sardinien  in  den  Stand  gesetzt  sehen,  England  in  den  Genuss 
der  eintriigliehsten  Ilaudelsvortheilo  treten  zu  lassen. 

Was  Preussen  angehe,  so  sei  es  zwar  richtig,  dass  ihm 
der  König  von  England,  der  Prinz  von  Wales  und  das  hanno- 
versche Ministerium  feindselig  gestimmt  seien.  Aber  es  lasse  sich 
auch  nicht  verkennen,  dass  es  Preussen  gelungen  sei,  sich  in 
England  einen  starken  Anhang  zu  erwerben.  Es  walte  daher 
ein  sehr  grosser  Unterschied  zwischen  der  englischen  und  der 
hannoverschen  Denkungsart  vor,  und  oft  gelinge  es  dem  engli- 
schen Ministerium,  den  König  durch  Befriedigung  seiner  Hab- 
sucht zu  Jlassregcin  zu  verleiten,  welche  mit  seinen  eigentlichen 
Anschauungen  nicht  im  Einklänge  stlinden. 

Zahlreich  seien  in  England  die  Personen,  welchen  der 
König  von  Preussen  ein  wahres  Idol  geworden  sei.  Zum  Tlieile 
erkläre  sich  dies  aus  den  noch  herrschenden  Grundsätzen  Wal- 
pole's,  zum  Theile  aber  auch  aus  der  Gleichheit  der  Religion, 
oder  wie  es  ein  hervorragender  österreichischer  Staatsmann 
richtig  bezeichnet  habe,  der  Irreligion.  Endlich  möge  auch  die 
glückliche  Kriegführung  des  Königs  von  Preussen  die  Erwartung 
geweckt  haben,  sein  Staat  könne  in  dem  politischen  Gleich- 
gewichte gegen  das  Haus  Bourbon  an  die  Stelle  Oesterreichs 
treten;  seine  Vergrüsserung  sei  daher  eher  zu  fördern  als  zu 
hinterti'eiben. 

Hiezu  komme  noch,  dass  dem  englischen  Volke  die  aus- 
wärtige Macht  seines  Königs  ein  Dorn  im  Auge  sei,  weil  es 
befürchte,  sie  könnte  bei  einer  sich  darbietenden  Gelegenheit 
dazu  gebraucht  werden,  eine  Abänderung  der  englischen  Ke- 
gierungsform  herbeizuführen.  Die  Eifersucht  Hannovers  gegen 
Preussens  Ueberraacht  vermehre  also  nur  die  Hinneigung  Eng- 
lands zu  Preussen,  das  etwaige  despotische  Gelüste  des  Königs 
von  England  lahmlege  und  dessen  hannoversches  Ministerium 
in  steter  Besorgniss  erhalte.  Und  überdies  komme  dem  Könige 
von  Preussen  nach  dem  allfälligen  Aussterben  des  Hauses 
Hannover  das  Throofolgerecht  in  England  zu. 


168 

Gleichwohl  sei  die  Zuneigung  Englands  zu  Preussen  noch 
nicht  zu  dem  Vertrauen  gediehen,  dieses  werde  sich  voll- 
ständig von  Frankreich  abwendig  machen  lassen.  Es  sei  daher 
zu  vermuthen,  England  werde  alle  neuen  kriegerischen  Ver 
Wicklungen  mit  Frankreich  sorgfältig  vermeiden  und,  fiills  ihm 
hiczu  Veranlassung  geboten  würde,  lieber  sich  friedlich  zu  ver 
gleichen  trachten,  als  die  Waffen  ergreifen.  An  einem  etwaigen 
Kriege  Oesterreichs  mit  dem  Hause  Bourbon  werde  es  sich 
wahrscheinlich  gar  nicht  betheiligen  und  am  allerwenigsten  an 
einem  Kampfe  gegen  den  König  von  Preussen,  wenn  dieser  auch 
seiner  Gewohnheit  nach  zuerst  den  Frieden  brechen  sollte. 
Ohne  daher  den  Nutzen  der  von  England  geleisteten  Hilfe  und 
das  Gute  und  Erspriesslichc  verkennen  zu  wollen,  das  man 
sich  von  diesem  Staate  auch  in  Zukunft  versprechen  dürfe,  sei 
doch  die  allgemeine  Betrachtung,  es  müsse  England  nach  wie 
vor  als  der  natürliche  Verbündete  Oesterreichs  angesehen  wer- 
den und  es  müsse  zur  Aufrechthaltung  dieser  AlUanz  das  soge- 
nannte alte  System  fortbestehen,  für  die  Gegenwart  nicht  mehr 
hinreichend  zu  nennen.  Man  habe  vielmehr  auf  den  Unterschied 
der  Zeiten  und  Umstände,  sowie  auf  die  zu  Tage  tretenden 
Gebrechen  gebührende  Rücksicht  zu  nehmen. 

Auch  Holland  zählt  Kaunitz  zu  Oesterreichs  natürlichen 
Alliirten.  Denn  auch  zwischen  diesen  zwei  Staaten  bestünden 
mit  Ausnahme  dessen,  was  sich  auf  den  Barrieretractat  beziehe, 
keine  einander  widerstreitenden  Interessen,  während  sie  sich 
Beide  durch  die  höchst  gefährliche  Nachbarschaft  Frankreichs 
und  Preussens  gleichmässig  bedroht  sähen.  Aber  auch  von  Hol- 
land lasse  sich  wegen  des  sichtlichen  Verfalles  des  dortigen 
Staatswesens  kein  ausgiebiger  Beistand  erwarten,  vielmehr  vor- 
aussehen, dass  es  Alles  sorgfältig  vermeiden  werde,  was  es  mit 
Frankreich  oder  mit  Preussen  in  irgendwelchen  Conflict  bringen 
könnte. 

Weit  grösseren  Werth  für  Oesterreich  misst  Kaunitz  dem 
Bündnisse  mit  Kussland  als  dem  mit  England  und  mit  Holland 
bei,  denn  die  beiderseitigen  Interessen  stünden  im  Hinblick  auf 
die  Pforte,  auf  P'rankreich  und  Preussen,  wie  auch  zum  Theile 
auf  Polen  und  Schweden  in  Einklang.  Aber  mit  voller  Zuver- 
sicht sei  auch  auf  Russland  nicht  zu  rechnen,  denn  der  plötz- 
liche Tod  oder  Sturz  des  Kanzlers  Bestuschcw  könnte  dort 
grosse  Veränderungen    hervorbringen.     Während    der    letzten 


169 


Krankheit  der  Czarin  hätten  die  Dinge  in  Riissland  ein  recht 
gefalirdrohendes  Aussehen  gewonnen,  und  man  wisse  ja,  wie 
leicht  dort  Verschwörungen  oder  andere  verwegene  Unter- 
nehmungen gelängen. 

Hiezu  komme  noch  die  ganz  falsclie  Bahn,  welche  die 
Politik  der  russischen  Regierung  in  der  letzten  Zeit  einge- 
schlagen habe,  indem  sie  sich  mit  Untcrnehmungon  gegen  Schwe- 
den beschäftige,  dagegen  jede  Besorgniss  vor  Preussen  ganz 
ausser  Acht  lasse.  Russland  verwende  seine  Macht,  einen  ohne- 
dies schwachen  Feind  wie  Schweden  noch  mehr  zu  sehwilchen, 
während  es  einem  starken  Gegner  wie  Preussen  die  Mittel  an 
die  Hand  gebe,  zu  noch  grosserer  Kraftentfaltiing  zu  gelangen. 

Auch  den  König  von  Polen  in  seiner  Eigenschaft  als 
KurfUrsten  von  Sachsen  zählt  Kaunitz  wegen  seiner  gleich- 
massigen  Bedrohung  durch  Preussen  den  natürlichen  Verbün- 
deten Uesten-eichs  bei.  Aber  in  Betreff  Sachsens  bestehe  der 
Uebelstand,  dass  es  sich  ausser  Stande  beünde,  an  einem 
etwaigen  Conflicte  mit  Preussen  gleich  Anfangs  als  dessen 
Gegner  Antheil  zu  nehmen,  während  es  doch  im  Verhältnisse 
zu  dem  Werthe  seiner  Mitwirkung  aus  derselben  einen  allzu 
grossen  Gewinn  ziehen  wolle.  Am  meisten  Vortheil  gewähre 
noch  Sachsens  enge  Verbindung  mit  Frankreich,  deren  mau 
sich  zur  Annäherung  an  diese  Macht  nützlich  bedienen  könue. 

Hinsichtlich  Haunovers  behauptet  Kaunitz,  dass  sein 
Staatsinteresse  in  wichtigen  Punkten  von  demjenigen  Englands 
vollständig  abweiche  und  es  auf  seine  Bethciligimg  an  einer 
gegen  Preussen  gerichteten  Allianz  hinweise.  Aber  er  gibt  auch 
zu,  dass  aus  verschiedenen  Beweggründen  auf  Hannover  in  gar 
keiner  Weise  zu  rechnen  sei,  und  wendet  sich  nunmehr  zur 
Aufzählung  derjenigen  Mächte,  welche  Oesterreich  als  seine 
natürlichen  Feinde  ansehen  müsse.  An  deren  Spitze  stellt  er 
die  Pforte,  meint  aber,  dass  sich  über  deren  zukünftige  Unter- 
nehmungen kein  sicheres  Urtheil  fällen  lasse,  da  sie  nicht  durch 
wohlbegründcto  Rücksicht  auf  die  Interessen  des  eigenen  Staates, 
sondern  dui-ch  zufiillige  Empörungen,  Intriguen  im  Serail  oder 
durch  die  jeweilige  Gesinnung  des  Grossvezirs  veranlasst  würden. 
Die  Absetzung  eines  friedfertigen  und  die  Berufung  eines 
geizigen  und  kriegerischen  Grossvezirs  reiche  hin,  plötzliche 
Unruhen  und  einen  allezeit  sehr  geftlhrlichen  Krieg  herbeizu- 
i\ihren.     Je   weniger   sich   ein   derartiges  Ereigniss   im  Voraus 


170 

berechnen  lasse,  um  so  nüthiger  sei  es,  die  Möglichkeit  eis 
Friedensbruches  von  Seite  der  Türkei  nie  ganz  aus  dem  Auge 
zu  verlieren;  dabei  komme  noch  in  Betracht,  dass  sich  die  Pforte 
wegen  der  grösseren  Leichtigkeit,  in  Ungarn  einen  Krieg  lu 
{Uhren  und  sich  dort  die  nüthigen  Subsistenzmittel  Air  ihr« 
Streitkräfte  zu  verschaffen,  allzeit  leichter  zu  einem  Kriege 
gegen  Oesterreich  als  zu  einem  solchen  wider  Uusslund 
schliessen  dürfte. 

In  so  grellem  Gegensatze  befinde  sich  das  Staatsinteresse 
Oesterrcichs  zu  demjenigen  Frankreichs,  dass  dieser  Staat  auch 
nach  Abschluss  des  letzten  Friedens  theils  wegen  seiner  eigenen 
Kraft,  seiner  einheitlichen  Regicrungsform,  seiner  nach  allen 
Seiten  hin  gesicherten  (irenzen,  theils  wegen  seiner  engen  V^cr- 
bindung  mit  anderen  mächtigen  Staaten,  insbesondere  mit  der 
Pforte  und  mit  Preussen,  theils  endlich  wegen  seiner  gewohnten 
Treulosigkeit  und  seiner  weitgehenden  Pläne  als  ein  buchst  ge- 
ßlhrlichcr  Gegner  anzusehen  sei.  Handle  es  sich  um  deren  Ver 
wirklichung,  so  sei  es  allezeit  bereit,  die  kräftigsten  Versiche- 
rungen, die  feierlichsten  Friedensschlüsse  und  noch  so  theuer 
erkaufte  Gewährleistungen  für  gar  nichts  zu  achten. 

Was  Frankreich  seit  Jahrhunderten  an  Oesterreich  ge- 
sündigt und  wie  es  dieses  Verfahren  durch  seine  Handlungs- 
weise gegen  Maria  Theresia  nur  noch  übertroffen  habe,  wird 
von  Kaunitz  in  gar  keiner  Weise  beschönigt,  sundern  im  Gegen- 
theile  kräftigst  betont.  Dennoch  könne  man  hieraas,  so  meint 
er,  nicht  auch  auf  die  Zukunft  einen  ganz  untrüglichen  Schiuss 
ziehen,  denn  vielleicht  sei  gerade  der  jetzige  Augenblick  zur 
HerbeifUhrung  einer  Aenderung  nicht  ganz  angeeignet.  Der 
Marquis  von  Puysieux,  in  dessen  Händen  die  Leitung  der  aus- 
wärtigen Angelegenheiten  liege,  scheine  billig,  gerecht  und 
friodtiebcnd,  ja  sogar,  woraus  die  Franzosen  ihm  einen  Vorwurf 
machen,  allzu  mild  zu  sein.  Er  trachte  die  Entwürfe  der  fran- 
zösischen Regierung  eher  durch  schlau  gewählte  als  durch  ge- 
waltsame Mittel  durchzusetzen.  Sein  Emporkommen  habe  er 
der  Marquise  von  Pompadour  zu  danken;  ihr  gestatte  der  König, 
selbst  nichts  weniger  als  arbeitsam  und  von  viel  Einsicht  in 
die  Geschäfte,  grossen  Einfluss  auf  diese  and  durch  sie  werde 
Puysieux  gegen  den  Marquis  d'Argenson,  das  Haupt  der  Mi- 
litärpartei, gehalten.  Hiedurch  könne  aber  eine  Auffassimg, 
welche  von  derjenigen  verschieden  sei,  die  d'Argenson   bisher 


171 


vertrat,  allmillig  mehr  und  mehr  Boden  gewinnen.  Es  sei  da- 
her wahrscheinlieh,  daas  sich  Frankreich,  selbst  des  Friedens 
bedürftig,  mindestens  während  einiger  Jahre  nicht  leicht  zu 
einem  neuen  Bruche  desselben  verleiten  lassen  werde. 

Auf  Spanien  übergehend,  meint  Kaunitz,  dass,  so  lange 
der  verstorbene  König  Philipp  V,  am  Leben  war  und  dessen 
Gemahlin,  die  nunmehr  verwitwete  Königin  Elisabeth  das  Ötaats- 
rudcr  führte,  auch  dieses  Reich  mit  vollem  Rechte  zu  den 
natlirlichen  Feinden  des  Hauses  Oesten-eich  gezählt  werden 
musste.  Zwar  besitze  die  Königin  -Witwe  noch  einigen,  wenn 
auch  nur  mittelbaren  Einfluss  auf  die  Geschäfte  des  Staates, 
da  das  Ministerium  vorhersehe,  ihr  leiblicher  Sohn,  König  Carl 
von  Neapel  werde  dereinst  den  spanischen  Thron  besteigen. 
Aber  Ferdinand  VI.,  der  ihn  jetzt  innehabe,  sei  nicht  von  so 
unruhigen  und  weitausschenden  Ideen  erfüllt,  wie  sie  unter  der 
vorigen  Regierung  die  herrschenden  waren.  Er  denke  vielmehr 
wie  ein  guter  Spanier  und  erkenne  ebenso  wie  sein  Volk,  dass 
der  vergangene  Krieg  sein  Land  auf  das  Aeusserste  erschöpft 
habe  und  es  zu  seiner  Erholung  dringend  der  Ruhe  bedürfe. 

Bei  den  Friedensverhandlungen  habe  es  übrigens  Spanien 
zu  nicht  geringem  Vortheile  gereicht,  dass  es  die  Mittel  besitze, 
Frankreich  oder  England  wichtige  Handelavortheile  zu  ge- 
währen. Um  dieser  theilhaft  zu  werden,  würden  beide  Staaten 
allzeit  grosse  Rücksicht  auf  Spanien  üben,  so  dass  die  Aufrccht- 
haltung  guter  Beziehungen  zu  dem  Hofe  von  Madrid  besondere 
Beachtung  verdiene. 

Nun  endhch  gelangt  Kaunitz  in  seiner  weitläufigen  Aus- 
einandersetzung an  deren  wichtigsten  Punkt,  das  Vorhältniss 
zu  Preussen.  König  Friedrich  verdiene,  sagt  er,  in  der  Olasse 
der  natürlichen  Feinde  obenan  und  noch  vor  der  Pforte  ge- 
setzt, mithin  als  der  ärgste  und  gefährlichste  Nachbar  des 
Hauses  Uesterreich  angesehen  zu  werden. 

Welch'  unermesslichcn  Nachtheil  die  österreichische  Mon- 
archie durch  den  Verlust  Schlesiens  erhtt,  brauche  nicht  neuer- 
dings in  traurige  Erinnerung  zurückgerufen  zu  werden.  Wenn 
auch  die  Einkünfte  aus  diesem  Lande  noch  zu  verschmerzen 
wären,  sei  doch  mit  Schlesien  nicht  etwa  ein  auswärtiges  Glied, 
sondern  ein  Haupttheil  des  Staatskörpers  von  Oeaterreich  ab- 
gerissen worden;  einem  Feinde,  welcher  eine  der  Zahl  nach  über- 
legene, mit  Allem  wohl  versehene,  gut  einexercirte  und   disci- 


172 


plinirte  Armee  auf  den  Beinen  und  zugleich  das  Geld  vorrÄthif: 
halte,  noch  einige  derartige  Armeen  aufzurichten,  sei  der  Weg 
eröflPnet  worden,  bei  anderwJU-ts  entstehenden  Unruhen,  und 
wenn  er  os  seinem  Interesse  angemessen  erachte,  in  das  Hera 
der  Österreichischen  P>b]iinder  einzubrechen  und  der  ganzen 
Monarchie  den  letzten  tödtlichen  Streich  beizubringen. 

Selbst  der  König  von  Preusscn  könne  keinen  Augenbhck 
daran  zweifeln,  dass  das  durchlauchtigste  Erzhaus  den  Verlust 
Schlesiens  niemals  verwinden  und  daher  keine  sich  darbietend« 
Gelegenheit  luibenlltzt  lassen  könne,  os  wieder  an  sich  zu 
bringen.  Daraus  folge  aber  von  selbst,  dass  die  PoUtik 
I'reussens,  um  die  gemachte  P>oberung  festzuhalten,  immer 
dahin  gerichtet  sein  müsse,  (^esterreich  mehr  und  mehr  zu 
schwächen  und  ihm  liiedurch  die  Mittel  zur  Wiedergewinnung 
Schlesiens  zu  benehmen.  Es  würden  daher  auch  in  Zukunft 
beide  Höfe  in  grösster  Eifersucht  und  unversöhnlicher  Feind- 
schaft gegen  einander  vorharren. 

Von  den  einzelnen  Staaten  sich  der  allgemeinen  politischen 
Lage  zuwendend,  i'rklürt  Kaunitz  sie  ftir  eine  völlig  veränderte, 
indem  man  auf  dun  Beistand  der  SeeniUchte  gerade  dort,  wo 
man  dessen  am  ehesten  bedürfe,  durchaus  nicht  mehr  zUhlen 
könne,  während  Oesterreieh  jetzt  von  weit  mehr  und  viel  stär- 
keren Feinden  als  früher  umgeben  sei.  Habe  es  ehemals  nur 
von  zwei  Mächten,  von  Frankreich  und  der  Pforte  einen  feind- 
liehen Angriff  zu  besorgen  gehabt,  so  drohe  ihm  jetzt  ein  sol- 
cher von  vier  Seiten  her:  ausser  den  schon  erwähnten  Sl.a.'»tcn 
auch  noch  von  Preussen  und  den  bourbonisehen  Fürsten  in 
Italien.  Drei  dieser  aggressiven  Nachbarn  aber  seien,  was  ihre 
Maelitverhilltnisse  angehe,  Oesterreieh  nicht  nur  gleich,  sondern 
zum  Tbeil  sogar  sehr  überlegen.  Einer  so  gefahrdrohenden  Um- 
gestaltung der  äusseren  Lage  gegenüber  genüge  das  Festhalten 
an  dem  jetzt  ganz  unzulänghch  gewordenen  alten  Systeme 
nicht  mehr,  welches  nur  gegen  das  bourbonische  und  nicht 
auch  wider  das  brandenburgische  Haus  gerichtet  gewesen  sei: 
denn  dieses  habe  man  damals  zu  den  Alhirtcn  gezählt.  Jenes 
System  könne  daher  auch  nicht  mehr  als  allgemeine  Kicht- 
schnur  füi*  das  künftighin  zu  befolgende  Verfahren  aufgestellt 
werden. 

Schreite  man  aber  an  die  Beantwortung  der  Frage,  wel- 
ches politische  System  für  Oesterreieh  von  nun  an  das  crspriess- 


173 


) 


liebste  sei,  so  müsse  als  der  erste  und  wichtigste  Staatsgrund- 
satz vorausgeschickt  werden,  dass,  weil  der  Verlust  Schlesiens 
nicht  zu  verschmerzen  und  der  König  von  Proussen  als  der 
grösste,  gefftlirlichste  und  unversöhnlichste  Feind  des  durch- 
lauchtigsten Erzliauses  anüusehen  sei,  auch  die  erste  und  be- 
ständigste Sorgfalt  dahin  gerichtet  werden  müsse,  wie  man  sich 
nicht  nur  gegen  seine  feindlichen  Unternehmungen  sicherstellen, 
sondern  wie  er  geschwächt,  seine  Ueberraacht  bcsciiriinkt  und 
das  Verlorene  wieder  herbeigebracht  werden  könne. 

Man  müsse  sich  darüber  klar  werden,  ob  imd  auf  welche 
Weise  diese  grosse  Absicht  erreicht  werden  könnte  und  welcher 
Mittel  man  sich  hiezu  bedienen  solle? 

Auf  OfTensivuntcrnelimungen,  wie  die  vorgeschlagene  eine 
sei,  dürfe  man  sich  nur  einlassen,  wenn  die  Hoffnung  des  Ge- 
lingens die  Gefahr  des  Scheiterns  bei  Weitem  überwiege  und 
nach  mensclilicher  Beurthcihing  an  einem  glücklichen  Erfolge 
gar  nicht  zu  zweifeln  sei.  Daher  wäre  auch  nicht  rathsam,  in 
der  gewiss  irrigen  Erwartung,  die  übrigen  Mächte  würden 
theilnahmslose  Zuschauer  bleiben,  mit  Preussen  allein  anzu- 
binden. Denn  die  Macht  Preussens  wäre  derjenigen  Oester- 
reichs,  wenn  nicht  sehr  überlegen,  doch  mindestens  gleich  zu 
achten  und  die  Erschöpfung  der  Erbländer  hiebei  nicht  zu 
vergessen.  Die  einzige  Möglichkeit,  eine  so  grosse  Absicht  zu 
verwirklichen,  könnte  dadurch  geschaffen  worden,  dass  Fi-ank- 
reich  auf  die  eine  oder  die  andere  Weise  vermocht  werde,  zu 
einer  solchen  Unternehmung  direct  oder  indirect  die  Hände  zu 
bieten  und  hiedurcli  den  Ausschlag  zu  geben. 

Gewiss  erscheine  es  fast  iils  unmöglich,  Frankreich  dahin 
zu  bringen,  dass  es  auf  ein  derartiges  Project  eingehe,  denn 
gerade  in  der  Erhaltung  der  jetzigen  Macht  Preussens  finde 
es  auch  fllr  sich  ansehnlichen  Nutzen.  Da  aber  für  diesen 
Staat  allzeit  nur  das  eigene  Interesse  die  Richtschnur  seines 
Verfahrens  bilde,  sei  wohl  der  fernere  Schhiss  gestattet,  dass, 
wenn  Frankreich  grösseren  und  ihm  willkommeneren  Gewinn 
bei  dem  Sturze  als  bei  der  Erhaltung  des  Königs  von  Preussen 
fände,  es  künftigbin  ebenso  zu  dem  Einen  wie  bisher  zu  dem 
Anderen  beizutragen  sich  bereit  finden  lassen  würde.  Es  komme 
•oinit  auf  die  Frage  an,  wie  Frankreich  ein  solch'  grösserer 
Gewinn  verschafft  werden  könnte,  und  wenn  er,  Kaunitz  sie 
zu  beantworten  trachte,  so  sei  er  sich  wohl  bcwusst,  dass  diese 


b. 


174 


GedaDken  weder  neu,  noch  von  ihm  herrührend  seien.  Er 
gründe  sie  vielmehr  auf  die  Rescripte,  die  er  von  Wien  aas  in 
Aachen  erhielt,  sowie  auf  mehrmals  wiederholte  versteckte  An- 
deutungen der  französischen  Minister;  er  selbst  habe  nur  beide 
Anregungen  aufs  Reiflichste  tiberdacht. 

Aus  den  Berichten,  die  er  aus  Aachen  erstattete,  werde  man 
ersehen  haben,  wie  sehr  Anfangs  Frankreich  darauf  drang,  dasa 
Savoyen  dem  Infanten  Don  Philipp  zu  Theil  werde.  Allerdings 
sei  es  plützlich  hievon  abgegangen  und  habe  sich,  um  das  Zu- 
Btandekoinmon  des  Friedens  zu  beschleunigen,  den  Vorschlügen 
Englands  anbequemt.  Aber  wiederholt  sei  ihm  von  den  Repri- 
sentanten PVankreichs  zu  verstehen  gegeben  worden,  ihr  König 
wünsche  seinen  Schwiegersohn  nilher  bei  sich  zu  haben.  Gern 
würde  er  daher  eine  Vereinbarung  eingehen,  durch  welche 
jenem  entweder  ein  anderer  Lilnderbesitz  in  Itivlien  oder 
ein  solcher  in  den  Niederlanden  zu  Theil  würde.  Allerdings 
könne  man  sich  für  die  Vertrauenswürdigkeit  der  französischen 
Minister  durchaus  nicht  verbürgen.  Aber  möglich  sei  es  j« 
doch,  dass  ihre  Acusscrungen  den  wahren  Gesinnungen  der 
französischen  und  der  spanischen  Regierung  entsprochon  hätten. 
Für  diesen  Fall  scheine  die  Wohlfahrt  des  Kaiserhauses  luj- 
umgilnglicli  zu  fordern,  dass  ein  immerhin  möglicher  Anlass  «ur 
Erreichung  der  grossen  Absichten  gegen  den  König  von  Preassen 
nicht  schon  von  vorneherein  unbenutzt  bleibe.  Man  müsse  sich 
vielmehr  mit  ebenso  viel  Eifer  als  Vorsicht  bemühen,  die  iSache 
vorzubereiten,  sie  je  eher  desto  besser  zur  Reife  zu  bringen 
und  die  voraussichtlichen  Schwierigkeiten  aus  dem  Wege  «u 
räumen. 

Die  ganze  Combination  hiitte  darin  zu  bestehen,  dass  der 
König  von  Sardinien  vermocht  werde,  das  Herzogthum  Savoyen 
dem  Infanten  Don  Philipp  abzutreten,  wogegen  er  Mailand  und 
dessen  Gebiet,  Oostorrcich  aber  Parma,  Piacenza  und  Guastalla 
erhielten.  Sollte  Don  Philipp  zur  Nachfolge  in  Neapel  oder  in 
Spanien  berufen  werden,  so  würde  Savoyen  an  Frankreich 
fallen.  Dafür  hiltle  dieser  Staat  die  bindende  Verpflichtung 
zu  übernehmen,  wenn  nicht  direct  und  mit  Anwendung  seiner 
ganzen  Macht,  so  doch  indirect  und  durch  seine  Verbündeten 
dahin  zu  wirken,  dass  <  )c8terreicli  in  den  Wiederbesitz  ganz 
Schlesiens  gelange.  Geschähe  dies  nicht,  dann  hätte  auch  der 
Anfall  Savoyens  an  Frankreich  zu  unterbleiben,  indem  Alles 


17£ 


,zu  gleichen  Schritten  und  mit  gleicher  Sicherheit  bewerkstelligt 
werden  müsate'. 

Er  beseheide  sich  von  selbst,  fUhrt  Kaunitz  fort,  dass 
dieses  Project  ,beim  ersten  Anblicke  weit  aussehend,  höchst 
bedenkhch,  unthunlich  und  in  gewissem  Masse  unmöglich,  somit 
chimärisch  erscheinen  müsse'.  Es  sei  auch  keineswegs  in  Ab- 
rede zu  steilen,  dass  auf  allen  Seiten  se.hr  grosse  Schwierig- 
keiten zu  übersteigen  wUren.  Werde  jedoch  die  Sache  nilher 
betrachtet  und  nur  der  einzige  Satz,  dass  Frankreich  aufrichtig 
und  ernstlich  die  Ililnde  bieten  wolle,  als  richtig  angenommen, 
30  dürften  verschiedene  Zweifel  und  Bedenken  von  selbst  liin- 
wegfallen  und  wäre  ein  glücklicher  Ausgang  nicht  fiir  ganz 
unmöglich  zu  halten. 

Die  Zustimmung  des  Königs  von  Sardinien  zu  einem  Plane, 
durch  dessen  Ausfllhrung  er  statt  der  , Wüstenei'  Savoyen  den 
Lustgarten  der  Lombardei  erhielte,  werde  kaum  schwer  zu  er- 
langen sein.  Iliezu  komme  nocli  die  natürliche  Abneigung  zwi- 
schen den  Piemontesen  und  den  Savoynrden,  sowie  der  Um- 
stand, dass  sich  Savoyen  fortwilhrend  in  der  Gefahr  befinde, 
von  französischen  Trappen  Uberflnthet  und  ausgesaugt  zu  werden. 
Jetzt  sei  der  Lilndcrbesitz  des  Königs  von  Sardinien  von  zwei 
Seiten  her  der  bourbonischen  Uebermacht  ausgesetzt,  wilhrend 
er  durch  den  erwähnton  Austausch  auf  der  einen  Seite  ganz 
und  auf  der  anderen  nicht  viel  weniger  von  ihr  befreit  würde, 
da  schon  die  Natur  Savoyen  von  Piemont  durch  eine  sehr  hohe 
Gebirgskette  geschieden  habe.  Durch  Eixichtung  einiger  Festungs- 
werke könnte  dann  Piemont  vor  Frankreich  geschützt  und  diesem 
der  Einmarsch  in  Italien,  wenn  auch  nicht  unmöglich  gemacht, 
60  doch  äusserst  erschwert  werden. 

Allerdings  sei  nicht  zu  bezweifeln,  dass  der  Besitz  des 
MailUndischen  für  Oesterreich  nützlicher  als  der  von  Parma  und 
der  zwei  anderen  Herzogthümer  wäre.  Dagegen  bildeten  sie 
mit  dem  Mantuanischen  und  dem  Grossherzogthum  Toscanft 
ein  ununterbrochenes  Gebiet,  was  auch  für  den  Aufschwung 
des  Handels  sehr  vortheühaft  wäre. 

Wenn  Frankreich  dahin  gebracht  werden  könnte,  seine 
Macht  direct  gegen  Preussen  zu  kehren,  so  wäre  an  einem 
baldigen  und  glücklichen  Ausgange  wohl  nicht  zu  zweifeln.  Da 
aber  auf  einen  solchen  Enischluss  kaum  zu  hoffen  sei,  mUsste 
man  sich  mit  der  indirecten  Mitwirkung  Frankreichs  und  damit 


176 


begnügen,  dass  an  seiner  Stelle  Spanien  offen  wider  Preussen 
Partei  nähme  und  ebenso  wie  Frankreich  ausgiebige  Subsidien 
an  Oesterreich  bezahle.  Ausserdem  hätte  Frankreich  den  Kunst- 
griff, dessen  es  sich  so  oft  wider  Oesterreich  bediente,  nun  auch 
gegen  Preussen  in  Anwendung  zu  bringen  und  möglichst  viele 
Regierungen  durch  die  Aussicht  auf  Erwerbung  preussischer 
Länder  zur  Theilnahme  an  dem  Kriege  wider  Preussen  zu  be- 
wegen. Russland  stehe  ja  ohnedies  schon  auf  dem  Sprunge, 
die  Waffen  gegen  Preussen  zu  ergreifen.  Folge  ihm  Oesterreich 
nach,  so  werde  dies  auch  bei  anderen  Höfen  die  Lust  wecken, 
sich  gleichfalls  auf  Kosten  Preussens  zu  vergrössem.  Die  Ab- 
sichten Sachsens  seien  ja  bekannt,  und  wenn  Frankreich  dem 
pfälzischen  Hofe  seine  Zustimmung  ausspreche  und  ihm  ausser- 
dem vielleicht  auch  noch  mit  Subsidien  beistehe,  so  werde 
dieser  mit  Hinzuziehung  Baiems  und  Kölns  wohl  dem  bisherigen 
guten  Einvernehmen  mit  Preussen  entsagen  und  eine  Verein- 
barung eingehen,  durch  welche  das  Cleve'sche  und  Märkische 
an  Kurpfulz  fielen,  wogegen  es  Sulzbach  und  Neuburg  an 
Baiern  abzutreten  hätte.  Und  wäre  nun  einmal  das  Eis  ge- 
brochen und  keine  Furcht  mehr  vor  Frankreich  vorhanden, 
so  wären  wohl  auch  von  Hannover  und  anderen  deutschen  Höfen 
eine  gleiche  Gesinnung  und  ein  gleiches  Bestreben  zu  erwarten. 
So  schwer  auch  die  Abtretung  Mailands  an  Sardinien  der 
Kaiserin  fallen  miisste,  so  verschwinde  doch  alles  Bedenken 
von  selbst,  wenn  dieser  Verlust  nicht  nur  mit  der  Wieder- 
erwerbung Schlesiens,  sondern  auch  mit  der  von  Parma,  Pia- 
cenza  und  Quastalla  verglichen  würde.  So  ansehnlich  und  un- 
bestreitbar wäre  der  Vortheil  hievon,  dass  gerade  durch  diesen 
Umstand  bei  Frankreich  das  grösste  Bedenken  erregt  werden 
könnte,  trotz  dem  eigenen  Gewinne  die  Hand  zur  Verwirklichung 
eines  Planes  zu  bieten,  der  seinen  althergebrachten  Staatsgrand- 
sätzen direct  zuwiderliefe.  Deshalb  wäre  auch  nicht  unmittelbar 
an  Frankreich,  sondern  mit  äusserster  Behutsamkeit  zunächst 
an  Spanien  und  an  Sachsen  heranzutreten  und  durch  die  leb- 
hafte Zuneigung,  welche  Ludwig  XV.  filr  seinen  Schwiegersohn 
Don  Philipp  und  seine  Schwiegertochter,  die  dem  sächsischen 
Hause  entsprossene  Dauphinc  hege,  Eingang  bei  dem  Hofe  von 
Versailles  zu  suchen.  Ausserdem  könnte  durch  einen  gewandten 
Mittelsmann  auch  auf  Philipp  selbst  in  einem  dem  Projecte 
günstigen  Sinne  eingewirkt  werden.  Endlich  würden  wahrschein- 


177 


lieber  Weise  die  am  französischen  Hofe  herrschenden  Cabaien 
dazu  beitragen,  Vorschläge  annehmbar  erscheinen  zu  lassen, 
welche  zu  anderen  Zeiten  wenig  oder  gar  kein  Gehör  gefimden 
haben  wllrden.  Täglich  müsse  das  französische  Ministerium  von 
der  Militärpartei  und  einem  grossen  Theile  der  Nation  den 
sehr  empfindlichen  Vorwurf  hinnehmen,  Frankreich  sei  aus 
einem  langen  und  siegreich  gcftlhrten  Kriege,  während  dessen 
es  die  ganzen  Niederlande  erobert  und  Holland  in  die  äusserste 
Gefahr  gebracht  habe,  ohne  allen  directen  Vortheil  getreten. 
Nun  aber  werde  ihm  die  Aussicht  eröffnet,  eine  ihm  wohlge- 
legene Provinz  wie  Savoyen  mit  einem  jährlichen  Einkommen 
von  anderthalb  bis  zwei  Millionen  Gulden  ohne  Thoilnahme  an 
einer  neuen  Kriegführung  zu  erwerben.  Hierin  liege  eine  so 
grosse  Verlockung,  dass  die  Heranzifhung  Frankreichs  zur 
Durchftlhrung  des  Projectes  gewiss  im  Bereicho  der  Möglich- 
keit liege.  Und  nachdem  dieses  ausserdem  gar  nichts  ent- 
halte, was  dem  Interesse  der  Seemächte  zuwiderlaufe,  so  sei 
nicht  die  geringste  Wahrscheinlichkeit  vorhanden,  dass  sie  für 
den  König  von  Prenssen  wcrkthätig  Partei  nehmen  würden. 
Der  Plan  erscheine  daher  auch  recht  wohl  mit  dem  Grundsätze 
vereinbar,  man  solle  sich  mit  den  Seemächten  nicht  verfeinden, 
sondern  vielmehr  das  Bündniss  mit  ihnen  anstreben. 

Meinte  Kaunitz,  sich  mit  einer  Mitwirkung  Frankreichs 
an  der  Durchführung  seines  Projectes,  auch  wenn  sie  nicht 
in  der  activen  Theilnahme  an  dem  gegen  Preussen  zu  führen- 
den Kriege  bestünde,  begnügen  zu  müssen,  so  waren  seine 
Anforderungen  an  Kussland  schon  Iröher  gespannt.  Wäre  man, 
fahr  er  fort,  der  Verschwiegenheit  des  Grosskanzlers  Bestu- 
schew  imd  ebenso  derjenigen  der  Czarin  versichert,  so  könnte 
man  ihnen  überzeugend  darthun,  wie  Russlands  eigene  Wohl- 
fahrt die  Schwächung  des  Königs  von  Preussen  verlange, 
und  ihnen  im  tiefsten  Vertrauen  die  Absicht  der  Kaiserin  er- 
öflfnen,  nöthigen  Falles  auch  eine  Provinz  zu  opfern,  um  hie- 
durch  Frankreich  zu  erkaufen  und  demnächst  mit  Preussen 
anzubinden,  wenn  sich  Russiand  an  dem  Kampfe  gegen 
diese  Macht  gleichfalls  betheiligen  würde.  Es  müsste  den 
Anfang  machen,  Preussen  mit  einer  Armee  von  mindestens 
sechzig-  bis  siebzigtausend  Mann  zu  bekriegen.  Nur  wenn  man 
dessen  vollständig  sicher  und  ebenso  gewiss  wäre,  dass  Frank- 
reich   und    Spanien    nicht    blos    müssige    Zuschauer    abgeben, 

Arcbir    LXXXVni.  Ild.  I.  HUtUs.  IS 


178 


sondern  allen  nur  immer  thunlichen  Vorschub  leisten  würden, 
um  dem  Könige  von  Preussen  möglichst  viele  Feinde  auf  den 
Hals  zu  hetzen,  so  dass  er  von  allen  Seiten  mit  weit  überlegener 
Macht  überfallen  würde,  sei  eine  Offensivunternehmung  wider 
ihn  räthhch.  Hiemit  nicht  allzulang  zu  zögern,  sondern  je  eher 
desto  besser  zu  beginnen,  sei  insbesondere  deshalb  zu  empfehlen, 
weil  der  russische  Hof  bekanntlich  sehr  waukelmüthig,  jetet 
aber  gegen  Preussen  ungemein  aufgebracht  sei.  Mindestens  die 
gleiche  Rücksicht  möge  man  auf  die  gegenwäi-tige  Stimmung 
des  französischen  Hofes  nehmen.  Dieser  habe  sich  noch  nicht 
in  neue  politische  Verbindungen  vertieft,  der  Marquis  de  Puy- 
sieux  sei  kein  grundsätzÜcher  Feind  Oesterreichs,  und  dass 
Frankreich  dreimal  von  Preussen  im  Stiche  gelassen  wurde, 
noch  in  frischer  Erinnerung.  Entscheidende  Bedeutung  besitze 
der  Zwiespalt  zwischen  der  gegenwärtigen  französischen  Re- 
gierung und  der  dortigen  Militfirpartei.  Jetzt  sei  der  Einfluss 
Jenes  überwiegend;  träte  jedoch  das  Gegentheil  ein,  so  wäre 
nicht  nur  alle  Hoffnung  auf  Verwirklichung  de«  grossen  Pro- 
jectes  verschwunden,  sondern  zu  besorgen,  dass  Frankreich 
bei  einem  sich  hiezu  ergebenden  Anlasse  seine  Macht  wieder 
gegen  Oesterreich  wenden  und  hiedurch  zu  seinen  alten  Staats- 
grundstttzon  zurückkehren  würde. 

Sollte  man  sich  nicht  dazu  cntschHessen  können,  der  Ver- 
wirklichung des  weitangelegten  Planes  Mailand  zum  Opfer  la 
bringen,  so  sei  er  doch  aus  dieser  Ursache  noch  keineswegs 
aufzugeben,  sondern  es  könnte  Luxemburg  an  Mailands  Stelle 
gesetzt  und  dem  Infanten  Don  Philipp  direct  abgetreten  werden. 

Indem  er  sich  dem  Schlüsse  seiner  weitläufigen  Ausein- 
andersetzung zuwendet,  fasst  sie  Kaunitz  neuerdings  in  die 
wenigen  Hauptsätze  zusammen,  dass  man  trachten  mOsse, 
Schlesien  wiederzuerobem.  Da  man  jedoch  hiezu  niemals  auf 
den  Beistand  der  Seemächte  zählen  könne,  habe  man  sich  um 
den  Frankreichs  zu  bewerben  und  es  durch  Abtretung  einer 
Provinz,  sei  es  in  Italien  oder  in  den  Niederlanden  zu  ge- 
winnen. Nur  dann  dUi-fe  man  sich  auf  das  Unternehmen  ein- 
lassen, wenn  nach  menschlicher  Beurtheilung  dessen  Gelingen 
unzweifelhaft  wäre.  Und  da  die  jetzt  in  Frankreich  wie  in 
Russland  obwaltenden  Umstände  als  günstige  anzusehen,  aber 
auch  sehr  leicht  einer  Veränderung  unterworfen  wären,  so  sei 
die    Ausführung    des   Planes    nicht   auf   die   Zukunft   zu  ver- 


179 


schieben,  sondern  je  eher  desto  besser  Hand  ans  Werk  zu 
legen. 

,Der  eintzige  Fall,'  sagt  nun  Kaunitz  wörtlich,  ,i8t  bereits 
zur  Genüge  erläutert  und  erschöpfet,  in  welchem  mit  anhoflfen- 
dem  grossen  Nutzen  offensive  verfahren  werden  könnte.  Sollte 
aber  dieser  fehlschlagen  oder  vor  unthunlich  angesehen  werden, 
80  bleibet  nichts  anderes  übrig,  als  alle  Aufmerksamkeit,  Vor- 
sicht und  Bemühen  auf  die  Defensivam,  Befestigung  der  Ruhe 
und  auf  die  Sicherstellung  vor  feindlichen  Anfällen  zu  richten.' 

Mit  weit  geringerer  Ausführlichkeit  als  seinen  ursprüng- 
lichen Plan  bespricht  nun  Kaunitz  dasjenige,  was  für  den  Fall 
seiner  Verwerfung  und  des  Entschlusses  geschehen  sollte,  sich 
blos  defensiv  zu  verhalten.  Aber  wie  sehr  ihm  doch  Alles  auf 
die  Hinüberziehung  Frankreichs  zu  Oestcrreich  ankam,  bewies 
er  auch  jetzt  wieder,  indem  er  zwar  die  Forterhaltung  des 
guten  Einvernehmens  mit  den  Seemächten  als  wUnschenswerth 
bezeichnete,  aber  doch  den  .'\bschluss  formlicher  Allianzen  mit 
ihnen  eifrig  widerrieth.  Er  kam  dadurch  in  Gegensatz  zum 
Kaiser,  der  fortwährend  auf  Zustandebringung  eines  vierfachen 
Bündnisses  zwischen  Oesterreich,  Rassland,  England  und  Sachsen 
drang. 

Was  jedoch  das  von  dem  Kaiser  abgegebene  Gutachten 
betraf,  so  scheint  es  nicht  der  gleichen  Behandlung  wie  die- 
jenigen der  sechs  Conferenzminister  unterzogen  worden  zu  sein. 
Wenigstens  sind  es  nur  ihre  schriftlichen  Aeusserungen,  welche 
Maria  Theresia  dem  Freiherm  von  Bartenstein,  nachdem  er 
ihrem  Auftrage  entsprochen  hatte,  gleichfalls  sein  Votum  ab- 
zugeben, mit  dem  Befehle  zukommen  Hess,  eine  übersichtliche 
Darlegung  der  verschiedenen  Gutachten  zu  verfassen  und  klar 
ersichtlich  zu  machen,  welchen  Punkten  einstimmig  beige- 
pflichtet werde,  fUr  welche  hingegen  sich  blos  eine  Mehrheit 
und  für  welche  sich  gar  nur  eine  Minderheit  ausspreche. 

Bartenstein's  leidenschaftliches  Temperament  riss  ihn  wieder 
einmal  so  weit,  dass  er  die  Anordnung  der  Kaiserin  nichts 
weniger  als  pünktlich  befolgte.  Wie  der  Stier  das  rothe  Tuch, 
wenn  dieser  Ausdruck  erlaubt  ist,  sah  er  nur  das  Votum  des 
Grafen  Harrach  und  den  darin  neuerdings  ausgesprochenen 
Tadel  des  verletzenden  Tones  vor  sich,  den  man  in  jüngster 
Zeit  in  verschiedenen  österreichischen  Staatsschriften  gegen 
England  angeschlagen  habe.   Er  flehe  die  Kaiserin  an,  schrieb 

12» 


180 


er  ihr,  dass  er  sich  zur  ,Rettung  seiner  Ehre  und  Unschuld' 
gegen  derlei  ,8ehr  harte  Anklagen'  vertheidigen  dUrfe.  Und  am 
auch  ohne  ihre  Genehmigung  gleich  Ernst  hiemit  zu  machen, 
theilte  er  die  eingegangenen  Gutachten  in  zwei,  freilich  der  Zahl 
nach  sehr  ungleiche  Theile,  indem  er  dem  Votum  des  Grafen 
Harrach  die  der  übrigen  fünf  Minister  gegenüberstellte.  Das 
eine  wollte  er  seiner  ganzen  Ausdehnung  nach  und  abgesondert, 
die  anderen  aber  zusammen  und  blos  übersichtlich  behandeln. 

Mit  richtigem  Tacte  empfand  Maria  Theresia,  wie  et 
scheint,  die  UngcbUlir,  welche  darin  lag,  dass  eine  Sache  von 
80  unendlicher  Wichtigkeit  unter  der  persönUchen  Gereiztheit 
eines  Einzelnen  leiden  sollte.  Wie  aus  einer  vertraulichen  Vor- 
stellung Ulfeldt's  an  sie  hervorgeht,  muss  sie  Hartensteins 
Schrift  ohne  irgendwelche  Bemerkung  oder  Entscheidung  »o 
die  Staatskanzlei  zurückgeschickt  haben.  ,Vergcbens  ist,'  so 
lauten  die  Worte,  welche  sich  Bartensteiu's  Gönner,  Ulfeldt  aa 
sie  zu  richten  erlaubte,  ,da88  Hartenstein  sich  mit  so  vielem 
Schreiben  die  Ml'üie  gebe,  wenn  Eure  kaiserliche  Majestüt  von 
seiner  Arbeit  zu  dem  vorgesetzten  Zwecke  keinen  Gebrauch 
machen  wollen.  Das  Ende  der  grossen  Schrift  kommt  noch 
einmal  abgeschrieben  hier  bei,  weil  Eure  Majestüt  solches  viel- 
leicht zu  brauchen  für  rathsam  erachten  werden.  Ich  lege  auch 
das  mir  zurückgeschickte  Referat  noch  einmal  bei,  weil  Eure 
kaiserliche  Majestät  leicht  etwas  darauf  setzen  könnten,  was 
nnverfdngUch  wäre  und  dennoch  bei  den  Acten  der  Staat»- 
kanzlci  bleiben  und  hier  als  eine  Legitimation  gegen  die  Be- 
schuldigungen des  Grafen  Harrach  dienen  könnte.' 

Man  sieht  also,  nicht  so  sehr  aus  eigenem  Antriebe  als 
zur  Beschwichtigung  Ulfeldt's  und  Bartcnstcin's  brachte  Maria 
Theresia  die  folgenden  Worte  zu  Papier:  ,Dcr  gantze  unter- 
strichene eingang  auszulassen  und  des  harachs  votum  wie  die 
andern  zu  extrahirn,  ohne  von  seinen  particular  anführungen 
und  beklagungen  was  zu  melden,  ich  verlange  dises  sacritice 
und  werde  es  erkennen  vor  nicht  einen  kleinen  dienst,  indem 
ohnedem,  was  noch  erhalten  worden,  allein  der  guttcn  und 
fleissigen  obsorge  beeden,  die  das  werck  geführt,  zu  danckcn 
habe,  und  gar  wohl  mir  bekant,  was  otft  die  besten  Sachen 
echouirn  gemacht.' 

Auch  noch  ausserdem  ordnete  die  Kaiserin  an  den  zwei 
Ausarbeitungen  Bartensteiu's,  sowohl  an  deijenigen,  welche  sich 


181 


auf  das  Gutachten  Harrach's,  als  an  der  zweiten,  die  sich  auf 
die  Aeusserungen  der  anderen  fünf  Conferenzmitglieder  bezog, 
Verftnderungcn  an,  von  denen  hier  nur  einer  einzigen  Erwäh- 
nung geschehen  soll.  ,Die  vota  werden  nicht  gesehen,'  so 
lautete  eine  von  ihr  herrührende  Bemerkung,  .also  etwas  von 
der  substantz  des  Kauniz  meinung  zu  erwehnen.' 

Zwei  Schlussfolgcrungf^n  werden  wohl  aus  diesen  Worten 
der  Kaiserin  abgeleitet  werden  dürfen.  Die  eine  besteht  darin, 
dass  es  in  ihrer  Absicht  kg,  die  Gutachten  der  verschiedenen 
Minister  nicht  im  (.Jriginal  und  somit  in  Uirer  ganzen  Aus- 
dehnung, sondern  nur  in  dem  von  Bartenstein  zu  verfertigen- 
den Auszuge  zur  Kenntniss  der  übrigen  Minister  gelangen  zu 
lassen.  Und  ausserdem  wird  man  auch  ein  gewisses  Wohlge- 
fallen, das  sie  gerade  an  der  Aeusserung  des  Grafen  Kaunitz 
fand,  wohl  aus  ihnen  herauslesen  dUrfen. 

Wenngleich  Bartenstein  die  von  der  Kaiserin  ihm  vorge- 
zeichnetc  Richtschnur  nicht  ganz  ausser  Acht  Hess,  so  behielt 
er  doch  die  von  ihm  gleich  Anfangs  vorgenommene  Gegen- 
überstellung des  Gutachtens  Harrach's  und  derjenigen  der 
fünf  Conferenzminister  sowohl  der  Form  als  der  Sache  nach 
bei.  Der  Form  nach,  indem  er  dem  Votum  Harrach's  eine 
eigene  und  dem  der  anderen  Minister  eine  zweite  Ausarbeitung 
widmete;  der  Sache  nach,  indem  er  die  übrigen  Gutachten 
so  darstellte,  als  ob  diejenigen,  von  denen  sie  herrührten, 
in  Allem  und  Jedem  so  ziemlich  der  gleichen  Meinung  seien, 
während  sich  doch,  wie  man  weiss,  ihre  Anschauungen  in  wich- 
tigen Punkten  gar  sehr  von  einander  unterschieden.  Der  so 
positiv  lautenden  Antritge  des  Grafen  Kaunitz  auf  Wieder- 
eroberung Schlesiens  mit  dem  Beistande  Frankreichs  und 
seines  Käthes,  möglichst  bald  die  erforderlichen  Schritte  zu 
thun,  um  dieses  grosse  Unternehmen  vorzubereiten  und  in  nicht 
allzu  ferner  Zukunft  an  dessen  Verwirklichung  schreiten  zu 
können.,  geschieht  in  dem  von  Bartenstein  gelieferten  Auszuge 
keine  directe  Erwähnung.  Wohl  aber  wird  darin  gesagt,  dass 
des  Königs  von  Preussen  höchst  gefUhrliche  Umtriebe  auf  nichts 
weniger  als  auf  völlige  Zerreissung  des  Bandes,  welches  jetzt 
noch  das  Haupt  des  Römisch- deutschen  Reiches  mit  dessen 
Gliedern  verbinde,  und  auf  Unterdrückung  der  schwächeren 
Stande  ausgingen;  dem  Reiche  könnte  daher  nach  der  Meinung 
der  Grafen  Ulfeldt  und  Kaunitz  kein  grösserer  Nutzen  verschaflFt 


182 


werden,  als  wenn  er  wieder  in  die  rechte  reichssUlndische  Ver- 
knüpfung gezogen  würde.  Da  jedoch  der  König  von  Preuasea 
für  den  grössten,  gefährlichsten  und  unversöhnlichsten  Feind 
des  Erzhauses  zu  halten,  andererseits  aber  uhne  ,fast  mora- 
lische Sicherheit'  eines  glücklichen  Erfolges  nichts  gegen  ihn 
zu  wagen  und  auf  diesen  Erfolg  niemals  zu  hoflFcn  sei,  wenn 
es  nicht  früher  gelUnge,  Frankreich  von  ihm  zu  trennen,  solle 
nichts  unversucht  bleiben,  dieses  Ziel  zu  erreichen,  hiebei  jedoch 
nur  mit  der  äussersten  Behutsamkeit  vorgegangen  werden.  Und 
wie  Ulfeldt  und  Kaunitz,  habe  sieh  auch  KhevenhüUer  dahin 
geäussert,  dass  es  wohl  schwer  fallen,  aber  doch  kaum  ganz 
unmöghch  sein  wtlrde,  diese  Loslüsung  Frankreichs  von  Preoasea 
zu  bewerkstelligen. 

An  der  Oegenüberstellung  einer  Majorität  von  fünf  und 
einer  Minorität  von  einer  Stimme  wurde  auch  dann  wieder  fest- 
gehalten, als  sich  die  Conferenzminister  über  den  ihnen  mitge- 
theilten  Auszug  aus  ihren  Gutachten  neuerdings  geäussert  hatten. 
Harrach's  Erklärung  lautete  so  einlenkend  als  möglich,  ja  sie 
enthielt  sogar  seine  Zustimmung,  dass  man  Frankreich  nicht 
nur  keinen  Anlass  zur  Entfremdung  geben,  sondern  eine  etwaige 
Gelegenheit,  es  von  Preussen  zu  trennen,  nicht  unbenutzt  vo^ 
übergehen  lassen  solle. 

Von  Königsegg  liegt  über  diesen  allerwichtigsten  Punkt 
kein  Ausspruch  vor,  während  Colloredo  an  die  Möglichkeit 
einer  HerUberziehung  Frankreichs  nicht  glaubte  und  ernstlich 
vor  dessen  einschmeichelnden  Kunstgriffen  warnte.  Dennoch 
blieb  die  einmal  aufgestellte  Unterscheidung  zwischen  einer 
fUnfstimmigen  Majorität  und  einer  nur  aus  einer  Stimme  bestehen- 
den Minorität  auch  fortan  aufrecht.  Nur  sie  allein  konnte  Maris 
Theresia  im  Auge  liaben,  als  sie  auf  das  betreffende  Referat 
mit  eigener  Ilaud  die  Worte  setzte:  ,wo  nach  erkhlärung  des 
harach  die  meinungen  gleich  seynd,  so  aprobire  selbe,  wo  aber 
ein  unterschid,  fall  denen  majoribus  bey,  wonach  sich  künfftig 
zu  halten,  sowohl  in  denen  berathschlagungen  als  expeditioncn, 
darnach  sich  allzeit  als  ein  grund  zu  halten.' 

Es  lässt  sich  wohl  kaum  behaupten,  dass  die  Absicht, 
welche  durch  die  ganze  weitläufige  Berathung  und  die  nach 
deren  Abschluss  erfolgte  Entscheidung  der  Kaiserin  erreicht 
werden  sollte,  auch  thatsäcblicli  verwirklicht  worden  sei.  Denn 
ein   ganz    klarer    Ausspruch,    eine    durchaus    keinem    Zweifel 


183 


mehr  unterworfene  Richtschnur  für  das  Verfahren,  das  von 
nun  an  in  den  auswärtigen  Angelegenheiten  befolgt  werden 
sollte,  besass  man  auch  jetzt  nicht;  man  kann  weder  sagen, 
Maria  Theresia  habe  das  Projcct  des  Grafen  Kaunitz,  Frank- 
reich auf  die  Seite  Oesterreichs  zu  zielien,  um  sodann  mit 
seiner  Hilfe  Schlesien  wiederzugewinnen,  förmlich  zur  Staats- 
maxime erhoben,  noch  sie  habe  es  verworfen.  Dies  wurde 
zwar  einmal  mit  sehr  grosser  Zuversicht,  aber,  wie  es  scheint, 
ganz  ohne  hinreichende  Begrllndung  behauptet,'  Man  wird  viel- 
mehr kaum  irregehen,  wenn  man  annimmt,  die  Kaiserin  habe 
es  bei  der  unendlichen  Wichtigkeit  der  Sache  um  so  sorg- 
fältiger vermieden,  einen  ganz  bestimmt  lautenden  Ausspruch 
zu  thun,  als  ja  der  Kern  der  Sache,  der  gegen  Preussen 
gerichtete  Offensivplan  des  Grafen  Kaunitz,  in  seiner  vollstän- 
digen Ausdehnung  und  in  seinen  Details  sogar  den  meisten 
Conferenzministem  nicht  bekannt  geworden  war.  Nur  Ulfeldt 
und  Bartenstein  wussten  wenigstens  damals  von  ihm;  dass 
aber  Kaunitz  selbst  ausdrlicklich  erklärte,*  er  finde  in  dem  Aus- 
züge Bartenstein's  die  Hauptgrundsfttze  wieder,  von  denen  er 
bei  der  Abfassung  seines  Gutachtens  ausgegangen  sei,  und  er 
kOnne  daher  nur  bei  seiner  frllheren  Meinung  beharren,  wird 
wohl  als  schwer  zu  widerlegender  Beweis  dafür  gelten  dürfen, 
dass  er  in  der  thitheissung  dieses  Auszuges  auch  eine  solche 
seiner  Anträge  erblickte. 

Auch  noch  durch  einen  anderen,  wohl  zu  beachtenden 
Umstand  wird  jeder  Zweifel  so  ziemlich  beseitigt.  Im  Mai  1749, 
also  schon  nach  Abschluss  der  ganzen  ministeriellen  Berathung 
kehrte  der  Feldmarschall  Graf  Batthyany  aus  den  Niederlanden 
nach  Wien  zurück.  Er  wurde  zum  Mitgliede  der  geheimen 
Conferenz  ernannt  und  füllte  in  ihr  die  Lücke  aus,  welche 
durch  den  am  5.  Juni  ganz  plützlich  erfolgten  Tod  des  Grafen 
Harrach  entstanden  war.  Wohl  als  die  erste  Aufgabe  in  seiner 
neuen  Stellung  erhielt  Batthyany  den  Auftrag,  Über  das  künftig- 
hin zu  befolgende  politische  System  gleichfalls  seine  Meinung 
zu  sagen.  Man  theilte  ihm  jedoch  nicht  nur  den  Auszug,  wel- 
chen Bartenstein   auf  Grundlage   der  eingegangenen  Gutachten 


*  Beer,    Aufzeichnungen  de«  Grafen  William   Beotinck  Über  Maria  The- 
re,iin.  Wien,  1871  LXIX. 

*  Erklärung  vom  8.  Mai  1749. 


184 

verfasBt  hatte,  sondern  diese  selbst  mit,'  and  es  blieb  ihm 
daher  auch  von  den  Vorschlägen  and  Anträgen  des  Grafen  Kan- 
nitz  gar  nichts  mehr  verborgen.  Im  Hinblick  aaf  verschiedene 
Punkte  und  insbesondere  den,  welcher  das  Verh&ltniss  Oester- 
reichs  zu  Preussen  betraf,  schloss  sich  Batthyany  den  Anschaa- 
ungen  des  Grafen  Kaunitz  an,  von  denen  er  sagt,  sie  seien  ,80 
vernünftig,  so  umständlich  and  mit  so  vielem  Scharfsinn'  ent- 
wickelt, dass  er  ihnen  unmöglich  irgend  Etwas  beifügen  könnte. 
Und  wenn  er  auch  die  Schwierigkeiten  einer  Loslösung  Frank- 
reichs von  Preussen  noch  ungleich  höher  anschlägt,  als  KaunitE 
dies  gethan  hatte,  so  gelangt  er  doch  schUessUch  za  ziemlich 
gleichen  Schlussfolgerungen  wie  Jener.  Er  sagt  nicht  nar  aas- 
drücklich,  der  von  Kaunitz  herrührende  Plan,  Schlesien  mit  dem 
Beistande  Frankreichs  wiederzuerobem,  sei  mit  aller  nur  immer 
ersinnlichen  Vorsicht  eines  so  würdigen  und  in  die  Weltge- 
schäfte so  tief  eingeweihten  Staatsmannes  ausgearbeitet,  ,we8sent- 
wegen  er  auch  den  Beyfall  des  gantzen  Ministen]  insoweit 
überkommen  zu  haben  scheinet,  dass  den  Vorschlag  auszu- 
fUb  en  nicht  unterlassen  werden  solle';  er  erklärt  ausserdem 
gan.i  unzweideutig,  dass  er  den  Plan  des  Grafen  Kaunitz  für 
den  besten  Weg  ansehe,  um  eine  dreifache  gute  Wirkung  za 
erzielen,  und  zwar  die  so  wichtige  Wiedergewinnung  Schle- 
siens, eine  vielleicht  immerwährende  Trennung  Frankreichs  von 
Preussen  und  endlich  die  Wiederherstellung  des  Ansehens 
Oesterreichs  im  Römischen  Reiche,  wodui-ch  es  neuerdings  in 
seine  frühere  vortheilhafte  Lage  versetzt  würde.* 

Wenn  schon  nach  der  vorliegenden  Darstellung  an  der 
Gutheissung  des  von  Kaunitz  ausgearbeiteten  Projectes  von 
Seite  der  Kaiserin  und  seiner  Annahme  durch  sie  kaum  mehr 
gezweifelt  werden  kann,  so  wird  hiefUr  auch  noch  der  Umstand 
in  die  Wagschalc  fallen,  dass  man  fortwährend  an  dem  Vorsatze 
festhielt,  nach  der  Wiederanknüpfung  der  diplomatischen  Ver- 
bindungen mit  Frankreich  Kaunitz  dorthin  als  Botsehafter  zu 
senden.  Er  selbst  musste  ja  von  vorneherein  als  die  geeignetste 
Persönlichkeit  erscheinen,  an  Ort  und  Stelle  Gedanken  Eingang 
zu  vcrschaflfen,   deren  Verwirklichung  eine  vollständige  Umge- 

'  Batthyany's  Votum  vom  18.  Juni.  ,Dio  von  E.  K.  M.  Conferenzministern 
allerunterthänigst  Überreichte  und  mir  allergnädigst  mit^theilte  Mei- 
nungen .  .  .' 

*  Batthyany's  Gutachten  vom  18.  Juni  1749. 


185 


staltung  der  bisherigen  Stellung  der  europäischen  Mächte  zu 
einander  herbeiführen  luusste.  Wäre  hingegen,  wie  behauptet 
worden  ist,  der  Plan  des  Grafen  Kaunitz  verworfen  worden, 
so  hätte  er  sich  wohl  kaum  dazu  hergegeben,  das  Organ  einer 
Regierung  zu  sein,  welche  von  anderen  Gesichtspunkten  aus- 
ging, als  die  er  für  die  richtigen  hielt.  Und  ohne  Zweifel  wäre 
gerade  der  Hof  von  Versailles  der  Ort  gewesen,  an  welchem 
Kaunitz  eine  solche  Rolle  am  allerwenigsten  gespielt  haben  würde, 

VI.  Capitel. 

Es  ist  bekannt,  dass  trotz  dem  langdauernden  Kriege 
doch  nicht  alle  diplomatische  Beziehung  zwischen  Oesterreich 
und  Frankreich  abgebrochen  war.  Sie  wurde  durch  einen  ge- 
treuen Anhänger  des  Hauses  Lothringen,  den  Marquis  Choiseul 
de  Stainville  aufrecht  erhalten,  welcher  schon  zur  Zeit,  als 
■  Kaiser  Franz  nur  Grossherzog  von  Toscana  war,  diesen  am 
französischen   Hofe   repräsentirte.     Auch    nach   dem  Ausbruche 

Ides  Krieges  blieb  Stainville  in  Paris,  und  man  Hess  es  unent- 
schieden, ob  seine  Beglaubigung  erloschen  sei  oder  nr  ht. 
Wenigstens  stand  er  nach  wie  vor  im  Verkehre  mit  dem  Mi- 
nister des  Aeussern,  und  Puysicux  versäumte  keinen  Anlass, 
ihn  der  besten  Intentionen  des  Königs  von  Frankreich  und 
seiner  Regierung  für  die  Kaiserin  Maria  Theresia  und  ihren 
Gemahl,  sowie  für  Oesterreich  überhaupt  zu  versichern.  Nichts 
sei  natürlicher,  sagte  Puysieux  bei  einem  solchen  Gespräche 
dem  Marquis  de  Stainville,  als  dass  die  Kaiserin  nur  wenig 
Vertrauen  zu  Frankreich  hege,  denn  es  habe  ein  solches  um 
sie  nicht  verdient.  Aber  er  hoffe  darauf,  dass  dies  bald  anders 
sein  werde  und  die  Zeit  nicht  mehr  fem  liege,  in  welcher 
Frankreich  dazu  mitwirken  werde,  dem  Hause  Oesterreich 
seinen  alten  Glanz  wiederzugeben.  Um  jedoch  hiezu  zu  ge- 
langen, dürfe  man  nichts  überstürzen,  müsse  die  Zeit  wirken 
lassen  und  von  den  Ereignissen  Nutzen  ziehen.  Schenke  man 
sich  gegenseitig  nur  volles  Vertrauen,  so  könne  die  Verbindung 
zwischen  den  beiden  Regierungen  eine  unauflösliche  werden, 
and  dies  sei  es,  was  sein  König,  in  dessen  Herzen  keine  Spur 
einer  Gereiztheit  oder  Verstimmung  zurückgeblieben  sei,  sehn- 
süchtig wünsche.* 

>  Stminville  an  den  Kaiser.   30.  Marx  1749. 


186 

Wie  aber  die  Stellung  Stainville's  am  französischen  Hofe, 
welcher  übrigens  eine  längere  Dauer  ohnedies  nicht  mehr  be- 
schieden war,  auch  beschaffen  sein  mochte,  eine  wirkliche  Re- 
präsentation Oesterreichs  in  Frankreich  konnte  niemals  ans  ihr 
werden.  Die  baldigste  Wiederherstellung  der  diplomatischen 
Verbindung  zwischen  den  zwei  Mächten  erschien  jedoch  gerade 
denjenigen  höchst  wtlnschenswerth,  welche  sich  auf  gleichem 
Standpunkte  wie  Eaunitz  befanden.  Darum  arbeitete  auch 
dieser  noch  von  Aachen  aus  darauf  hin,  dass  baldigst  eine 
Vertrauensperson  nach  Paris  abgesendet  werde,  der  es  zunächst 
obUege,  die  Vollsti'eckung  der  Abmachungen  zu  fbrdem,  welche 
der  eben  abgeschlossene  Friedensvertrag  enthielt.  Der  Oste^ 
reichische  Botschaftssecretär  de  Launay,  welcher  Kaunitz  wah- 
rend seines  Aufenthaltes  in  Aachen  beigegeben  war,  wurde 
hiezu  ausersehen,  und  um  seine  baldige  Abreise  nach  Paria 
möglich  zu  machen,  liess  ihm  Kaunitz  einstweilen  auf  seinen 
eigenen  Credit  ein  Reisegeld  von  2500  Gulden  verabfolgen.' 
Kaunitz  versah  ihn  ausserdem  mit  einer  eigenen  Instruction;' 
de  Launay  starb  aber  schon  wenige  Tage  nach  seiner  Ankunft 
in  Paris,  am  28.  Januar  1749  ganz  plötzlich  am  Schlagflusse.' 
Es  handelte  sich  nun  darum,  ihm  einen  Nachfolger  zu  geben, 
welcher  bis  zur  Ankunft  des  Grafen  Kaunitz  als  einstweih'ger 
Geschäftsträger  in  Paris  fungiren  sollte,  wie  denn  auch  die 
französische  Regierung  einen  solchen  Namens  Blondel  nach 
Wien  geschickt  hatte.  Die  Wahl  fiel  auf  den  Gesandtschafts- 
secretär  von  Mareschal,  der  im  August  1749  in  Paris  eintraf. 

In  der  steten  Zögerung  Frankreichs,  seinen  neuen  Bot- 
schafter in  Wien,  den  Marquis  de  Hautefort  an  den  Ort  seiner 
Bestimmung  abgehen  zu  lassen,  lag  wohl  die  Ursache,  weshalh 
es  überhaupt  zur  Absendung  Mareschal's  nach  Paris  kam  und 
warum  sich  nicht  an  seiner  Stelle  Kaunitz  selbst,  und  zwar 
als  Botschafter  dorthin  begab.  Denn  zu  diesem  Posten  war  er 
nach  wie  vor  bestimmt,  und  schon  im  Juni  1749  erklärte  er 
Blondel  seine  Bereitwilligkeit  zur  Reise  nach  Frankreich.  Aber 
später  als  am  15.  October,  fügte  er  hinzu,  könne  er  sie 
nicht  mehr  antreten,   weil  ihm  seine  angegriffene  Gesundheit 

*  Kannitz  an  den  Banqnier  Nettine  in  Brilssel.  17.  Janaar  1749. 
'  Antwerpen,  19.  Januar  1749  und  Nachtrag  vom  21.  Januar. 
'  Frau  de  Launay  an  Kaunitz.  Paris,  30.  Januar  1749. 


187 


eine  so  weite  Fahrt  wahrend  der  rauhen  Jahreszeit  nicht  ge- 
statte. Einem  vertraulichen  Briefe,  welchen  Kaunitz  während 
eines  kurzen  Sommeraufenthaltes  in  Austerlitz  an  Ulfeldt  schrieb, 
können  wir  jedoch  entnehmen,  dass  er  diese  Aeussening  nur 
gethan  hatte,  um  Hautefort's  Ankunft  zu  besclileunigen.  Wenn 
der  Dienst  der  Kaiserin  es  erheische,  erklärte  er  zu  jeder 
Jahreszeit  reisebereit  zu  sein  und  sich  durch  gar  kein  Be- 
denken hieven  abhalten  zu  lassen.^ 

Diese  Bemühungen  des  Grafen  Kaunitz  blieben  jedoch  wenig- 
stens vorderhand  ohne  Erfolg.  Nichts  verlautete  von  einer  baldigen 
Abreise  Hautefort's  nach  Wien,  und  so  blieb  denn  auch  Kaunitz 
gleichsam  unfreiwillig,  aber  freiHch  nicht  mtissig  daselbst;  denn 
er  wohnte  nach  wie  vor  den  Sitzungen  der  geheimen  Confcrenz 
bei,  ja  man  kann  sagen,  dass  er  bald  in  ihr  die  einflussreichste 
Stellung  einnahm.  Selbstverstilndlich  erstreckte  sich  sein  Wir- 
kungskreis zunächst  auf  die  auswärtigen  Geschäfte,  in  denen 
er  nun  schon  seit  einer  Reihe  von  Jahren  so  hervorragende 
Dienste  geleistet  hatte.  Eine  unausbleibliche  Folge  davon  war, 
dass  hiedurch  auch  das  Gebiet  berührt  wurde,  auf  welchem 
bisher  Ulfeldt  und  Bartenstein  ziemlich  unumschränkt  geheiTscht 
hatten.  Durch  ihr  unbegrenztes  Vertrauen  zu  Kaunitz  wurde 
I  die  Kaiserin  sehr  häutig  veranlasst,  ihm  Schriftstücke  zur  Be- 
I  gutachtung  mitzutbeüen,  welche  von  Bartenstein  ausgearbeitet 
und  ihr  durch  Ulfeldt  zur  Genehmigung  vorgelegt  worden 
waren.  Man  muss  zugestehen,  dass  Kaunitz  mit  seinem  Tadel 
nicht  sparsam  und  auch  nicht  immer  bemüht  war,  ihn  in  Worte 
zu  kleiden,  welche  des  verletzenden  Stacliels  völlig  entbehrten. 
Ulfeldt's  Empfindlichkeit  hierüber  macht  sich  denn  auch  immer 
deutlicher  bemerkbar,  und  er,  der  während  des  Aufenthaltes 
des  Grafen  Kaunitz  in  Aachen  von  Lobsprüchen  desselben 
überfloss,  lässt  sich  jetzt  manchmal  in  recht  gereiztem  Tone 
über  ihn  vernehmen.  Dass  er  auch  der  Kaiserin  gegenüber  in 
einen  solchen  vertiel,  wird  wohl  als  ein  Anzeichen  gelten  dürfen, 


'  Kaunitz  an  Ulfeldt.  Austerlitz,  17.  August  1749.  Eigenhändig.  ,. . .  lorsque 
je  dis  ü  M.  Blündcsl,  il  y  a  dcux  müis,  que  je  partirai,  si  on  vouloit,  avaut  le 
16  octobre,  maia  quo  ma  santd  no  me  pormettoit  plus  de  voyagor  l'byver, 
cela  n'a  H6  dit  que  dans  le  dessein  d'acc^lärer  l'arriräe  de  ranib.a!u<a- 
deur  fTan<;ai8,  et  n'a  pas  voulu  diro  que  je   ne  me  preterai  pos  4  partir 

^•pri«  le  15  octobre,  s'il  est  da  serrico  de  l'Impäratrice  que  c«Ia  soit 
ftln»,  car  eu  ce  cas  rien  ne  m'arrSte  .  .  .' 


dass  ihm  ein  Gefühl  der  Eifersucht  auf  die  Werthschätzung, 
welche  sie  Kaunitz  zollte,  durchaus  nicht  fremd  war. 

,Des  Grafen  Kaunitz  Schrift,'  so  lautet  ein  Billet  Ulfeldt's 
an  Maria  Theresia  aus  jener  Zeit,  ,Oberweiset  mich  nicht  mehr 
als  seine  frühere  Anmerkung'.  Sie  ist  mit  einiger  Ereifening 
und  so  hochb-abend  geschrieben,  dass  sie  mir  Ekel  verursacht 
Denn  worin  besteht  der  Vorschlag  des  Grafen  Kaunitz,  von 
welchem  er  behauptet,  dass  er  genehmigt  worden  sei,  als  in 
demselben,  was  auch  mein  Vntum  und  die  fibrigen  enthielten?" 

Aucli  dafür  winl  uns  Ulfcldt  als  ein  unverdächtiger  Zeuge 
erscheinen,  dass  er  mit  seiner  Eifersucht  gegen  Kaanitz  am 
Wiener  Hofe  nicht  allein  stand.  Man  kennt  die  Innigkeit  der 
Beziehungen,  welche  zwischen  Maria  Theresia,  insbesondere 
wahrend  ihrer  ersten  Regierungsjahre,  und  ihrem  treuen  und 
bewährten  Rathgeber  in  persönlichen  Angelegenheiten,  dem 
Grafen  Sylva-Tarouca  obwalteten.  Von  ihm  erzUhlt  Ulfelilt 
dass  er  von  Widerwillen  gegen  Kaunitz  erfüllt  sei  und  es  nicht 
über  sich  gewinnen  könne,  irgend  etwas  zu  einem  gedeihlichen 
Ziele  zu  führen,  das  von  Kaunitz  an  ihn  gelange.* 

Aber  mau  kann  wohl  sagen,  dass  diese  gegen  Kaanitz 
gerichteten  Strömungen  ohne  allen  Einfluss  auf  Maria  Thoreait 
blieben.  Gerade  aus  einer  Zeit,  in  der  sie  am  gewaltigsten  zn 
fluthen  schienen,  besitzen  wir  eine  vertrauliche  Aufzeichnung 
von  ihr,  welche  deren  gänzliche  Machtlosigkeit  unwiderleglich 
«larthut.  ,Ich  habe,'  schrieb  sie  am  14.  Mai  17öO  an  ihren  Ca- 
binetssccrctjlr  Koch,  dem  sie  eine  von  Kaunitz  herrührende 
Schrift  über  die  Barriereaugelegenheit  zurücksandte,  ,die  Arbeit 
von  Kaunitz  gelesen  und  war  einen  ganzen  Tag  mit  ihr  be- 
schufligt,  während  dessen  ich  am  Fieber  und  an  starken  Kopf- 
schmerzen litt.  Aber  ich  kann  sagen,  dass,  nachdem  ich  bis 
ans  Ende  gekommen,  ich  auch  durch  die  Befriedigung  wieder 
hcrgoatelit  war,  die  es  mir  gewillirt,  an  ihm  einen  solchen  Manu 
und  die  einzige  Hilfe  fUr  mein  Ministerium  zu  besitzen.  Je 
höher  ich  ihn  schtttze,  umsomehr  zittere  ich  für  ihn  und  seine 
Erhaltung,  und  umsomehr  fülde  ich,  wie  sehr  er  mir  hier  ab- 
gehen wird.  Ich  that  jedoch  noch  mehr;  ich  sandte  die  Arbeit 
dem   Prinzen   Carl,   der   sie   gestern   las,   indem  er  zu  diesem 

*  Vom  20.  Min  1760. 

■  Ulfeldt  an  Botu.  13.  Juli  1750.  Bei  Anietfa,  Oescliicbte  Maria  TheresiaiL 
lY,  S.  632,  Anm.  SÖ8. 


189 


l 


Zwecke  um  5  Uhr  aufstand,  um  sie  noch  vor  den  Ceremonien 
zu  beendigen.  Er  hat  sie  unendlich  bewundert  und  ist  einver- 
standen mit  ihr,  will  aber  dies  nicht  nach  Aussen  hin  zeip^en. 
Er  hat  mir  sogar  noch  mehr  gesagt,  was  ich  jedoch  nur  Kau- 
nitz  wiedererzählen  werde.'* 

In  welch'  hohem  Masse  Graf  Kaunitz,  wohl  ohne  absicht- 
lich darauf  auszugehen,  den  ofiiciellen  Kathgeber  der  Kaiserin 
in  den  auswärtigen  Angelegenheiten,  den  Grafen  ülfeldt,  in 
ihren  Augen  verdunkelt  haben  muss,  geht  auch  aus  einem 
Schreiben  deutlich  hervor,  welches  Ulfcltlt  kurz  nach  der  Ab- 
reise des  Grafen  Kaunitz  nach  Paris  an  Maria  Theresia  richtete. 
und  noch  grösseren  Werth  gewinnt  es  als  Masstab  des  Frei- 
muthes,  mit  welchem  die  Männer,  die  von  der  Kaiserin  ihres 
Vertrauens  gewürdigt  wurden,  zu  ihr  zu  sprechen  sich  er- 
lauben durften. 

jUnglliekselig  sind  Diejenigen,'  so  lässt  sich  Ulfeldt  ihr 
gegenüber  vernehmen,*  gegen  welche  Eure  Majestät  einmal 
prUvenirt  sind;  sie  müssen  allzeit  Unrecht  haben,  und  Alles  wird 
gegen  sie  ausgelegt.  Die  Erfahrung  lehrt  mich  leider  schon  seit 
geraumer  Zeit,  dass  mich  dieses  Schicksal  betrifft,  was  mich 
aber  nicht  hindern  wird,  so  lang  als  es  Eure  Majestät  werden 
anhören  wollen,  es  Ihnen  unbedenklich  vorzustellen,  wenn  Eure 
Majestät  sich  irren.' 

Aus  einem  mit  dem  venetianischen  Botachafter  Tron  vor- 
gekommenen Zwischenfalle  sucht  Ulfeldt  der  Kaiserin  zu  be- 
weisen, wie  sehr  sie  ihm  Unrecht  thue,  indem  sie  ihn  zu  einer 
Art  Ehrenerklärung  gegen  Tron  verurtheile.  Sie  lese,  schrieb 
er  ihr,  die  Geschäftsstücke  ,mit  zu  grosser  Prävention  und  Eil- 
fertigkeit', und  rlaraus  sei  der  bedauerliche  Lrrthum  entstanden, 
um  den  es  sich  handle.  Was  aber  die  gleichfalls  getadelte  Ver- 
letzung des  Amtsgeheimnisses  angehe,  so  werde  eine  cindring- 
I  liehe  Untersuchung  darthun,  wem  sie  zur  Last  falle",  .bis  dahin 
werden,'  sagt  Ulfeldt  wörtlich,  .Eure  Majestät  erlauben,  dass 
ich  bei  meiner  vorigen  Meinung  bleibe.  Damit  aber  Niemand 
I  angehört  verdammt  werde,  habe  ich  darauf  angetragen,  dass 
Eure  Majestät  den  Grafen  Kaunitz  hierüber  vernehmen.  Auch 
dieses  haben  Eure  Majestät  verworfen,  weil  er  abgereist  war; 

I  ■  Arueth,  Oescliicbte  Maria  Tberenias.   IV,  S.  642,  Anm.  398. 

1         *   13.  October  1750. 


190 


so  vermeinte  ich  meiner  Schuldigkeit  nachzukommen,  indem 
ich  die  Sache  nicht  mehr  erwähnte,  wobei  ich  nicht  vorher- 
sehen konnte,  dass  eine  solche  Piece  Eure  Majestät  veranlaäseo 
werde,  ihn  zu  entschuldigen,  mich  aber  zu  verdammen,' 

,Eure  Majestät  wissen,  dass  ich  mir  selbst  schon  mein 
Urtheil  gesprochen  habe.  Ich  bleibe  dabei,  dass  ich  nicht  zn 
hoflFen  habe,  Eure  Majestät  könnten  wieder  eine  bessere  Mei- 
nung von  mir  fassen  und  die  Prävention  ablegen,  dass,  was 
von  mir  kommt,  Unrecht  sei,  bis  mir  nicht  Gott  vielfaltige  Ge- 
legenheiten wie  diese  an  die  Hand  gibt,  Eure  Majestät  zu  über 
zeugen,  dass  ich  in  meinem  ganzen  Thun  and  Lassen  keine 
andere  Absicht  als  Eurer  Majestät  Allerhöchsten  Dienst  vor 
Augen  habe.' 

Maria  Theresia  Hess  sich  jedoch  durch  diese  und  ähnliche 
Ellagen  und  versteckte  Hinweisungen  auf  ihre  Vorliebe  filr 
Kannitz  nicht  darin  irre  machen,  diesen  fortan  als  den  Mann 
ihres  ganz  besonderen  Vertrauens  hinzustellen.  Zur  selben 
Zeit,  in  der  sie  jenes  Schreiben  von  Ulfeldt  empfing,  erneuerte 
und  vei-schilrfte  sie  den  schon  früher  ertheilten  Befehl,  gewisse 
sorgfilltig  geheim  zu  haltende  Schriftstücke  keinem  einzigen 
österreichischen  Repräsentanten  im  Auslande  mitzutheilen,  nur 
für  Kaunitz  müsse  eine  Ausnahme  gemacht  und  ihm  Alles  zu- 
gesendet werden.  Aber  doch  auch  gleichzeitig  darauf  bedacht, 
den  unermüdlichen  Verfasser  aller  wichtigeren,  von  der  Staats- 
kanzlei ausgehenden  Actenstücke  nicht  zu  verstimmen,  ja  wohJ 
gar  zu  enlmuthigen,  fllgte  sie  hinzu:  ,die  arbeit  ist  ungemein  gros 
vor  IJartenstein  und  weiss  nicht  wie  möglich,  dass  er  es  bestreitte. 
Wan  er  nur,  wer  es  wäre,  wen  er  wolle,  findete,  ihme  zu  helffcn." 

Wenn  Bartenstein  die  von  der  Kaiserin  hier  angedeutete 
Erleichterung  der  auf  ihm  ruhenden  Arbeitslast  nicht  auch 
wirklich  zu  Theil  wurde,  so  dürfte  die  Hauptursache  hievon 
kaum  so  sehr  in  dem  Mangel  eines  geeigneten  Gehilfen,  als  in 
ihm  selbst  zu  suchen  sein.  Denn  so  scharf  ausgeprägte  und 
von  der  Erkenntniss  des  eigenen  Werthes  so  durchdrungene 
Charaktere  wie  Bartenstein  finden  nicht  leicht  eine  Persönlich- 
keit, der  sie  rUckhaltslos  die  Fähigkeit  zuerkennen,  sie  zu  ver 
treten.   Und  Lei  der  überaus  hohen  Meinung  Bartenstcin's  von 


Beilage  zn  einer  (Or  tJlfeldt  bestimmten  Anfxeichnnn^  Bartenatein'B  i 
U.  Oetober. 


191 


seinen  eigenen  Arbeiten  würde  er  wohl  kaum  jemals  zugegeben 
haben,  dass  auch  ein  Anderer  im  Stande  sei,  wenigstens  Aehn- 
liches  zu  leisten. 

Trotz  der  Eifersucht,  welche  Ulfeldt  gegen  Kaunitz  em- 
pfand, scheint  er  doch  eingesehen  zu  haben,  dass  es  im  Inter- 
esse der  Monarchie,  der  sie  ja  Beide  mit  voller  Hingebung 
dienten,  und  in  seinem  eigenen  lag,  jene  an  und  für  sicli  doch 
ziemhch  kleinlichen  Regungen  nicht  allzusehr  die  Oberhand  ge- 
winnen zu  lassen.  Nachdem  es  endlich,  etwa  ein  Jahr  später, 
als  es  ursprünglich  geplant  worden  war,  im  Herbste  1750  zur 
Abreise  des  Grafen  Kaunitz  nach  Paris  gekommen  war,  sandte 
ülfeldt  der  Kaiserin  das  folgende  Billet: 

,Dem  grafen  von  Kaunitz  habe  vermeinet  guth  zu  thuen, 
zum  ersten  auf  einen  freundlichen  fus  zu  schreiben,  und  lege 
seine  antworth  hier  allerunterthilnigst  bey."  Leider  ist  uns 
keiner  der  beiden  zwischen  den  zwei  rivalisirenden  Staats- 
männern gewechselten  Briefe  erhalten  geblieben,  und  ungemein 
selten  stossen  wir  während  der  Dauer  der  Mission  des  Grafen 
Kaunitz  in  Paris  auf  eine  jener  vertraulichen  Mittheilungen, 
wie  sie  ihm  während  seines  Aufenthaltes  in  Aachen  von  Seite 
des  Grafen  Ulfeldt  so  häutig  zugegangen  waren. 

Auch  über  die  Art  und  Weise,  in  welcher  Kaunitz  seine 
Reise  nach  Frankreich  zurücklegte,  sind  wir  nicht  näher  unter- 
richtet, und  w^ir  wissen  nur,  dass  sie  ihn  über  Brüssel  führte. 
Nach  einem  wohl  über  eine  Woche  hinaus  sich  erstreckenden 
Aufenthalte  daselbst  traf  Kaunitz  am  27.  October,  fast  zwei 
Wochen  später  in  Paris  ein,  als  Uautefort  in  Wien  ange- 
kommen war. 

Es  lag  nur  in  der  Natur  der  Sache  und  entsprach  der 
damals  herrschenden  Gewohnheit,  dass  Kaunitz  eine  ziemlich 
umständliche   Instruction    mit   auf  den    Weg    gegeben   wurde. - 

1  Grössere  Bedeutung  als  ihrem  Inhalte,  der  keineswegs  als  ein 


I 
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I 
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*  10.  October  1750. 

*  Referat  Tom  10.  December  1700.  ,Kannitz  hat  selbsten  noch  vor  seiner 
Abreiiw  woclientüch  so  unterrichtet,  auch  von  allen  pro  and  contra  liier 
vorfallentlen  Betrachtuogun  belehret  zu  werden  gewunschen,  deme  in- 
folge das  nobenanüchlüasige  weitschUcbtige  Reacript  an  ihn  entworfen 
worden,  worin  8ich  klar  nnteracbieden  befindet,  waa  allein  zu  »einer  ge- 
heimen nacbricht  oder  zo  weiterem  Gebrauch  ihme  mitgothoilt  wird, 
obgleich  diese  Vorsorge  in  Ansehung  seiner  nicht  jnst  nOthig  war.' 


192 

yollkommen  klarer  und  nnzweideutiger  bezeichnet  werden  km, 
wird  der  Thatsache  beizumessen  sein,  dass  ihr  auf  sdnen  eig»- 
nen  Wunsch  eine  Abschrift  jenes  vor  etwa  anderthalb  Jilra 
durch  Bartenstein  angefertigten  Auszuges  ans  den  Gntaclita 
beigefllgt  wurde,  welche  die  Conferenzminister  damaki  tlber  & 
künftighin  von  dem  Eaiserhofc  zu  befolgende  auswärtige  Poülik 
abgegeben  hatten.  Ausdrtlcklich  wird  in  der  Instruction  gesifit, 
dass  dieser  Auszug  die  nach  einer  langwierigen  and  reiün 
Ueberlegung  festgesetzten  Grundsätze  enthalte,  nach  denei 
künftighin  in  den  auswärtigen  Angelegenheiten  zu  ver&hrai 
sei.  Und  nachdem  an  demselben  keinerlei  Veränderung  TOf 
genommen  worden  war,  findet  sich  selbstverständlich  auch  die 
so  überaus  wichtige,  bereits  einmal  erwähnte  Stelle  darin  tot, 
dass  nach  der  übereinstimmenden  Meinung  der  Grafen  UHeldt 
und  Kaunitz  die  höchst  gefährlichen  ,Unterbauangen'  des  KOnig! 
von  Preussen  auf  nicht  weniger  als  auf  völlige  Zerreissong  da 
Bandes  zwischen  dem  Haupte  und  den  Gliedern  des  Dentsdio 
Reiches  und  auf  Unterdrückung  der  schwächeren  Mitstinde 
abzielten.  Dem  Reiche  könnte  daher  kein  grösserer  Nutzen  ver 
schafiFt  werden,  als  wenn  man  den  König  wieder  in  die  redte 
rcichsständische  Verknüpfung  zu  ziehen  vermöchte.  Theib  «us 
dieser  Betrachtung,  theils  aber  weil  der  König  von  Preusses 
als  der  ,grösste,  geftthrlichste  und  unversöhnlichste  Feind'  des 
Erzhauses  Oesterreich  anztisehen,  ohne  fast  gewisse  Sicherbat 
eines  günstigen  Erfolges  jedoch  nichts  gegen  ihn  zu  wagen 
und  dieser  Erfolg  nur  dann  zu  hoffen  sei,  wenn  es  zuvor 
gelUnge,  Frankreich  von  ihm  zu  trennen,  wäre  zur  Es- 
reichung  dieses  Zweckes,  welche  Ulfeldt,  Blhevenhüller  und 
Kaunitz  zwar  für  sehr  schwer,  aber  doch  nicht  für  ganz  un- 
möglich hielten,  nichts  unversucht,  aber  hiebei  doch  ancb 
wieder  keine  nur  immer  erdenkliche  Vorsicht  ausser  Acht  z« 
lassen. 

Deutlich  genug  ist  hiedurch  der  Kern  der  Absichten  be- 
zeichnet, welche  man  trotz  allen  gegen  sie  obwaltenden  Hinder- 
nissen durch  die  Sendung  des  Grafen  Kaunitz  nach  Paris  er- 
reichen zu  köimcn  hoffte.  Sie  werden  in  der  Instruction  nocli 
dahin  erläutert,  dass  die  Bestrebungen  des  Grafen  Kauniu 
vorderhand  darauf  zu  richten  seien,  die  französische  Regiemng 
von  der  Friedfertigkeit  des  Kaiserhofes  und  von  seinem  anf- 
riehtigcn  Verlangen   zu  überzeugen,   mit  ihr  im  Interesse  der 


193 


I 
I 

I 


I 

I 


allgemeinen  Ruhe  und  des  allseitigen  Wohlstandes  ein  ganz 
genaues  Einverständnis»  und  das  beste  Vernehmen  zu  pflegen. 
Erst  wenn  dieser  Grund  gelegt  und  Frankreich  jeder  Zweifel 
an  der  , reinsten  Donkungsart'  des  Wiener  Hotes  benommen 
sein  wUrde,  künne  man  nach  und  nach  daran  arbeiten,  dort 
den  Verdacht  gegen  Preussen  zu  vermehren.  Dies  dürfe  jedoch 
nur  bei  sich  von  selbst  hiezu  ergebenden  AnlUasen  geschehen, 
um  nicht  durch  allzugrossen  Eifer  den  beabsichtigten  Zwack 
zu  gefährden. 

BekanntHch  sei  der  König  von  Preussen  unermüdlich  in 
Verdächtigungen  Oesterreichs  bei  Frankreich.  Ihm  nicht  nur 
entgegen  zu  arbeiten,  sondern  auch  eine  ihm  feindselige  und 
Oesterrcich  günstige  Stimmung  zu  erwecken,  sei  zwar  ungemein 
schwer,  aber  doch  nicht  unmöglich.  Denn  durch  dreimahgen 
Abschluss  eines  einseitigen  Friedens  habe  der  König  von  Preussen 
Frankreich  wiederholt  und  insbesondere  im  Jahre  1743  in  grosse 
Verlegenheit  und  höchst  missHche  Umstände  versetzt.  Da  nun 
der  Krieg,  in  den  es  durch  Preussen  vervvickelt  worden,  ohne 
Nutzen  für  Frankreich  beendigt  wurde  und  es  die  üblen  Nach- 
wehen gar  sehr  empfinde,  da  endlich  ein  noch  weiteres  An- 
wachsen der  Macht  Preussens  dem  wahren  Interesse  Frank- 
reichs durchaus  nicht  erspriesslich  sein  künne,  sei  zu  erwai'ten, 
dass  diese  und  ilhnliche  Betrachtungen  einigen  Eindruck  auf 
den  Hof  von  Versailles  hervorbringen  würden.  Aber  der  Zeit- 
punkt, in  welchem  damit  allmälig  hervorzutreten  sein  würde, 
und  die  Art  und  Weise,  in  der  sie  zur  (Jeltung  gebracht  werden 
könnten,  müsse  den  Eindrücken,  welche  Kaunitz  an  Ort  und 
Stelle  empfange,  und  seinem  eigenen  Ermessen  anhcimgestellt 
werden. 

Vor  nicht  ganz  zehn  Monaten,  in  der  ersten  Hälfte  des 
Januar  175U,'  hatte  Mureschal  an  Ulfeldt  geschrieben.  Niemand 
wünsche  sehnlicher  als  er,  dass  Kaunitz  baldigst  in  Paris  ein- 
treffen möge.  Er  zweifle  auch  gar  nicht,  dass  bei  dessen  An- 
kunft der  erste  Anschein  recht  schön  und  ganz  geeignet  sein 
werde,  glJlnzende  Hoffnungen  zu  erwecken.  Ob  aber  der  Er- 
folg hiemit  übereinstimmen  und  eine  Aenderung  der  bisherigen 
Anschauungen  am  Hofe  von  Versailles  zu  erwarten  sein  werde, 
müsse  erst  die  Erfahrung  lehren.  Und  im  Mai  desselben  Jahres 


L 


8.  Janaar  1760. 
ArohiT.  LrUVlU.  Bd.  I.  Hiina. 


18 


194 


berichtete  Mareschal  nach  Wien,'  gegen  Preuasen  sei  in  Frank- 
reich nimmermehr  etwas  zu  erreichen.  Es  wUre  daher  vielleicht 
besser,  sich  im  Hinblick  auf  König  Friedrich  .gleichgiltig  und 
gelassen'  zu  bezeigen,  denn  es  sei  zu  besorgen,  daes  von  öster- 
reichischer Seite  vorgebrachte  Klagen  und  Vorwürfe  das  ohne- 
hin schon  allzueng  geknüpfte  Freundschaftsband  zwischen 
Frankreich  und  Preussen  nur  noch  festigen  würden. 

Mareschal  gründete  seine  Besorgnisse  hauptsächlich  auf 
den  Umstand,  dass  man  seit  der  Thronbesteigung  des  Kaisen 
Franz  dem  Könige  von  Frankreich  die  Meinung  beigebracht 
habe,  er  werde  von  dem  Kaiser  persönlich  gehasst.  Anfangs 
habe,  fuhr  Mareschal  fort,  diese  Behauptung  nicht  viel  Glauben 
gefunden,  spilter  aber  nur  allzutiefen  Eindruck  auf  ihn  hervor 
gebracht.  Denn  Ludwig  XV.  sei  ,8ehr  schwach  und  unwissend', 
weshalb  er  sich  denn  auch  von  den  Personen  seiner  Un[igebang 
leicht  iiTcleiten  lasse.* 

Man  muss  Mareschal  die  Gerechtigkeit  widerfahren  lassen, 
es  anzuerkennen,  dass  wenigstens  seine  erste  Vorhersmgtug 
buchstilblich  in  ErfiÜlung  ging.  Kaunitz  fand  zwar  am  französi 
sehen  Hofe  und  bei  der  dortigen  Regierung  zuvorkommende 
Aufnahme,  aber  über  deren  starke  Hinneigung  zu  Preussen 
konnte  er  sich  nicht  tÄuschen,  und  bald  musstc  er  es  als  höchst 
unvvahrscheinlich  ansehen,  dass  sie  sich  mit  Vernachlässigtuig 
Preussens  Oesterreich  zuwenden  werde. 

Mit  sehr  grosser  Genugthuung  erftlllte  es  Kaunitz,  als  er 
in  Fontainebleau,  wohin  er  sich  gleich  nach  seiner  Ankunft 
in  Paris  an  das  damals  dort  betindliche  Hoflagcr  begab,  von 
den  französischen  Staatsmännern  die  Mittheilung  erhielt,  Haute- 
fort  könne  sich  dos  Empfanges,  den  er  specicll  bei  dem  Kaiser 
gefunden  habe,  nicht  genug  rühmen.  Mit  so  edlem  Freimuthc 
habe  der  Kaiser  über  seine  vermeintliche  Abneigung  gegen 
König  Ludwig  gesprochen  und  diesen  Verdacht  zu  entkräften 
sich  bestrebt,  dass  Haulefort  sich  eines  tiefen  Eindruckes  nicht 
zu  erwehren  vermochte.  Und  dass  auch  der  König  einen  solchen 
in  sich  aufgenommen  haben  müsse,  schloss  Kaunitz  daraas, 
dass  Ludwig  XV.  in  den  täghchen  Gesprächen,  die  er  während 
des   Aufenthaltes   in    Fontainebleau   mit   ihm   pflog,   wiederholt 


'  An  flfeWt.   14.  Mai  1760. 

*  Mareschal  an  Ulfeldt.  8.  Janti.ir  17&0. 


195 

auf  den  Kaiser  zu  reden  kam  und  sich  das  Ansehen  gab,  als 
erinnere  er  sich  mit  Vergnügen  seiner  persönlichen  Bekannt- 
schaft.^ Raunitz  war  umsomehr  über  solche  Aensserongen 
erfreut,  als  er  behauptete,  er  kenne  nichts  Gefährlicheres 
als  die  persönliche  Feindschaft  mächtiger  Fürsten  gegen  ein- 
ander.* 


'  EUtunitz  an  den  CabinetssecretSr  Baron   Koch.    Fontaineblean,  7.  No- 
vember 1760. 
*  Kaunitz  an  Baron  Koch.  4.  December  1760. 


13» 


Personenregister.' 


Altieri,  Pttrst,  26. 

Arenber^,  Herzog  70ii,  78. 

Argenson,  M&rc  Pierre  d',  170. 

August  n.,  KOnig  von  Polen,  17. 

August  m.,  EOnig  yon  Polen,  32, 
169. 

Balleotti,  Marchese,  SO. 

Bartenstein,  Johann  Christoph  Frei- 
herr von,  S6,  61,  61,  83,  104,  108, 
114,  116,  133,  137,  139,  166,  167, 
179—181,  188,  187,  190. 

Bartolomei,  Marchese,  34,  86. 

Batthyany,  Carl  Graf,  103,  104, 
106,  183,  184. 

Belrupt,  Gräfin  Maximiliana,  66, 
69,  70. 

Benedict  XITT.,  Papst,  13. 

Benedict  XIV.,  Papst,  29—31,  36, 
131. 

Bentheim,  Graf  nnd  QrSfin,  19,  20. 

—  Arnold  Graf,  8. 

—  Hermann  Friedrich,  20. 
Bentinck,  Wilhelm  Graf,  118,  127, 

128,  139,  140,  146,  147. 
Berghes,  Georg  Ludwig,  22,  23. 
Berwick,  James  Fitzjames,  Herzog 

von,  26. 
Bestuchew-Rumin,    Alexis  -  Petro- 

witsch,  168,  177. 
Binder,  Friedrich  von,  66. 
Blondel,  Louis  Auguste,  186,  187. 
Borghese,  FUrst,  26. 
Boerhaave,  Hermann,  21. 


Browne,  Maximilian  Vljtaet  Gnf, 
113. 

Burman,  Peter,  21. 

Camargo,  Marie  Anne,  86. 

Capello,  Pietro  Andrea,  S3,  34. 

Carl  VL  10,  14,  16,  22,  86,  88,  31,69. 

Carl  Vn.  9,  31,  32,  34,  62,  64,  56, 
68,  157. 

Carl  in.,  KOnig  von  Neapel  nndK- 
ciUen,  36,  116,  171. 

Carl  EmanaelüL,  KSnig  ron  Sar- 
dinien, 29,  30,  33,  36 — iO,  48,  4S, 
46-49,  61,  56,  57,  69  —  64,  121, 
122,  124,  186,  129,  131,  133,  174, 
175. 

Carl  von  Lothringen  68,  65,  67, 
68,  71,  77,  83,  84,  86  —  88,  160, 
188. 

Carl  AlbertvonBaierna-CarlVIL 

Carteret,  Lord,  69. 

Chablais,  Herzog  von,  33. 

Chanclos,  Graf,  89,  90,  94,  101. 

Charlotte  von  Lothringen  70. 

Chauvelin,  Gtermain  Louis  Marquis 
de,  26. 

Chavannes  118,  126,  134. 

Chimay,  Fürstin,  89. 

Choiseul  de  Stainville,  Marqnii, 
84,  186,  186. 

Clemens  XH.,  Papst,  25. 

Clemens  August,  Knrfarst  von 
Köln,  13,  15,  19,  106. 

Cobenzl,  Carl  Graf,  27,  106. 


*  Der   Marne   des  Grafen  W.  A.  Kaunitz  wurde  wegen  seines    hXufigen 
Vorkommens  in  das  Register  nicht  aufgenommen. 


^^^HH 

■    Colloredo,OrafRudo1f,l&4,163,182. 

Haag witz,  Friedrich  Wilhelm  Graf,                ^^^| 

■   Colonna,  FOrgt,  25. 

^^M 

W   Contarini,  Marco,  64. 

Hautefort,    Marquis    d',    186,    187,                 ^^| 

~    Cope,  General,  88. 

^^H 

Corsini  25. 

Hessen-Rheinfels,  Prinzessin,  ver-                ^^^| 

■   Crampipen  Heinrich  106. 

mäblt«  Bentheim,  20.                                        ^^H 

W    Camborland,  Wiltielm  Aogust  Her- 

Itten                                                                          ^H 

■        zog  von,  81,  83,  88,  139. 

Josef  11.  6,  29.                                                    ^^M 

DOtinghem  24,  26,  28. 

Kauderbacb   141—144.                                       ^^| 

Dnyn,  van  der,  94,  95,  97,  98,  101. 

K  au  nitz,Anti)nii)Grütin(venn.  Gräfin                 ^^^| 

Eck,  Otto  Graf,   17. 

Questenberg),  112.                                             ^^H 

_     Elisabatli,    Kaiterin     (Gemahlin 

—  Dominik  Andreas  Graf,  7,  111.                     ^^H 

Carls  VI.),  10,  69,  71. 

—  Dominik  Graf,  28,  66.                                     ^^M 

—  Kaiserin  von  Ru.ssland.  177. 

—  Eleonore    Gräfin    (verm.    Gräfin                 ^^H 

—  Therese,  Königin  von  Sardinien, 

Palffj),                                                               ^H 

29,  .30,  33. 

—  Ernst  Graf,  28,  66.                                          ^^| 

—  Königin  von  Spanien,  36,  42,  171. 

—  Franz  Carl  Graf,  7.                                         ^^M 

—  Erxherzogin,  22,  67,  68. 

—  Franz  Wenzel  Graf,  66.                                ^^H 

Eltz,  Philipp  Carl,  24. 

—  Johann  Dominik  Graf,  10.                            ^^^| 

Engel,  Dr.,  69—71,  73,  74,  76. 

—  Johann  Josef  Graf,  16,  17.                            ^^H 

Ferdinand  VI.  von  Spanien  171. 

—  Josef  Clemens  Graf,  65.                                 ^^H 

Figuerol«  73. 

—  Carl  Graf,  16.  23.                                            ^^M 

Flenry,  Cardinal,  2ß. 

—  Marie  Ernestine  Francisca,  geb.                 ^^^^ 

_     Franz  I.  (Grosshenog  von  Toscana), 

Rietberg,  8,  29,  112.                                           ^^^k 

1         29,   69,   71,   84,  87,   88.   127,    157, 

—  Max  Graf,                                                          ^H 

■         158,  179,  186,  194,  195. 

-  Max  Ulrich  Graf,  7—9,  11,  14—                 ^^| 

Franz   III.    (Herzog    von    Modena), 

17,  29,  36,  111,  112.                                          ^^^k 

38,  134. 

—  Moriz  Graf,  28,  66.                                       ^^^k 

Friedrich  U.  von  Prenssen  17,  29, 

Kheveuhnller,     Josef    Graf,    154,                 ^^^k 

31,  35,  67,  88,  108,  12.5,  130—133, 

163,  164,  182,  192.                                              ^^| 

142,  168—161,  167,  168,  171,  173, 

Kinsky,  Philipp  Graf,   168.                                 ^^H 

174,  177,  178,  182,  192—194. 

Koch,  Ignaz  Freiherr  von,   195.                         ^^^H 

Friedrich     Lndwig,     Prinz     von 

Kolowrat,  Graf,  16,  17.                                    ^^| 

Wales,  167. 

KOnigsegg,   Lothar  Josef  Dominik                 ^^^^ 

FriedrtcbWilhelm  I.von  Prenwen 

Graf,  66  —  68,  78,  77-79,  81,  89,                 ^^| 

17. 

154,  159,  160,  182.                                             ^^| 

Fnclia,  Gräfin,  16. 

Korff,   Friedrich    Mathias    Freiherr                ^^^k 

Oages,   Jean  Bonaventura   Thierrj 

^^^H 

dn  Mont,  Graf,  48—60. 

^^1 

Georg  II.  von  England  68,  69,  81. 

Lambertini,  Prospero,  s.  Benedict                 ^^^^ 

108,  167. 

^H 

GH  Dies,  Graf,  47. 

Lannoy,  Graf,  93,  97,  101.                               ^^^k 

Goldstein,  Gräfin,   118. 

Lanti                                                                         ^^H 

Haaren,  van,  118. 

Las  Minas,  Marques  de,  47.                             ^^H 

Haller  117. 

Launay,  Comel  Ludwig,  186.                          ^^^| 

Harrach,  Ferdinand  Graf,   127. 

—  Frau  von,   186.                                                 ^^^| 

■      —  Friedrich  Graf,  79, 114,  154—168, 

Lebzeltern,  Jobann  Leopold  Ritter                ^^^| 

1        161—163,  179'  183. 

^^^1 

198 

Leopold  I.  7. 

Lencbtenberg,    Ferdinand    Maria 

Prinz  von,  19. 
Lichte,  Domherr,  22. 
Lobkowitz,  Christian  Fürst,  61—63. 
Lopez  75,  76. 
Lobs,   Christian   und  Johann  Adolf 

Grafen  119,  120,  137,  141. 

—  Johann  Adolf  Graf,  182. 
Losy,  Gräfin,  74. 
Löwendal,  Waldemar  Graf,  87. 
Lttcchesini,  Marquis,  17. 
Ludovici,  Christian,  17,  18. 
Ludwig  XV.  120,  123,  132,  136,  170, 

176,  185,  194. 
Mnc'Donel  89,  90. 
Manderscheid    und    Blanlienheim, 

Johanna   Francisca   Gräfin   (verm. 

Griifin  Rietberg),  8. 

—  Moriz  Gu.stav,  8. 

Mn reschal,  Johann  Carl  Josef  von, 
35,  18Ö,  193,  194. 

Maria  Josefa  von  Sachsen,  Dau- 
phine,  176. 

Marianne,  Erzherzogin,  10,  68,  66 — 
70,  72—76. 

M.iria  Theresia,  Kaiserin,  6,  8,  10, 
11,  16,  28,  30,  ,32—38,  43,  44,  46— 
51,  55—64,  66—73,  78,  83,  90—92, 
102,  106,  108—110,112—116,119, 
120,  122,  126—130,  132,  134—137, 
139—146,  148—160,  157,  158,  162, 
1Ü4,  166,  170,  176,  177,179-185, 
187-191. 

Montemar,  Horrog,  36,  39,  48. 

Moriz  von  Sachsen  81,  83,  86,  87, 
90,  92—97,  100,  101,  105. 

Mus,  Domvicar,  15. 

Navii,  Graf,  94. 

Noipporg,  Wilhelm  Reinliard  Graf, 
91. 

Notliiu»,  Hanlihaus,  186. 

Ol.iu  99.   100. 

Oiiiu-!»,  Carlo  Vincenzo  1.  Ferroro 
\U<vh<w.>,  ;i9  — 41,  43,  45,  46,  49, 
V.   Nl,  .%:     ,-,9,  62—64. 

v»i»,>ii>>,  viiu.toppe  <r,  59. 

»•»■.!>.  ;<. 


Philipp  y.  von  Spamea  171. 
Philipp  von  Spanien  36,  37,42,li(, 

121,  124,  126,  142,  174,  17«,  lli 
Pio,  Ludwig  Fürst,  26. 
Planta  98,  99. 
Plettenberg,  Ferdinand  Adolf  Gnf, 

19. 
—  Friedrich  Chriatian,  8. 
Poal,  Don  Manuel Deswales ICuqiii 

de,  78—80. 
Polignac,  Melchior  de,  Cardinal,S(. 
Pompadour,  Marquise  de,  170. 
Puysieux,  Marquis  de,  119,  1!1- 

124,  126,  130—136,  140,  170,  ITB, 

186. 
Recke  und  Schmising,  FreihOTW 

von,  13. 

—  Johann  Mathias,  14,  16. 
Bicheconrt,  Heinrich  Graf,  64. 
Rietberg,  Ferdinand  Max  Graf,  ', 

8,  20. 

—  Marie  (verm.  Gräfin  Kaunitz),  7, 
20. 

Robinson,  Sir  Thomas,  74, 140, 14$. 
Rohan,  Cardinal,  26. 
Kosenberg,  Franz  Graf,  106. 
Ruspoli,  Für.st,  26. 
Hnzzini,  Carlo,  2ö. 
Sandwich,  John  Earl  of,  118,  124- 

126,  128,  134,  139,   140,   146. 
SchiJnborn,  Graf,   14. 

—  Friedrich  Carl  Graf,  24. 
Schulenburg-Oeynhausen,  Lud- 
wig Ferdinand  Graf,  30,  33. 

Sgravezande  21. 
Sinzendorff,  Josef  Graf,  27. 

—  Philipp  Graf,  34. 

—  Rudolf  Graf,  26. 
Solari,  Maurizio  di,  58,  59. 
Sprecher  98. 
Starhemberg,      Ernestine     Gräfin 

(verm.  Gräfin  Kaunitz),  28,  65. 

—  Franz  Graf,  28. 

—  Thomas  Gundakar  Graf,  28. 
Sternberg,  Franz  Philipp  Graf,  15''i. 
Stolberg,  Prinz,  99,    100. 

St.  Severin,  Graf,  119—121,  123- 
126,  128,  130,  131,   1.33-147. 


199 


Stuart,  Jakob  (Jakob  III.),  25. 

—  Carl  Eduard,  26,  88. 

—  Maria  (Maria  Sobieska),  26. 
Stürler,  Johann  Endolf,  98,  99. 
Swieten,  Gerbard  van,  72 — 7G. 
Sylra  -  Taronca,    Emannel    Graf, 

74—76,  92,  101—105,  107. 

Tencin,  Cardinal,  84. 

Theil,  du,  153. 

Thun,  Josef  Graf,  30. 

Toumen  71. 

Traun,  Otto  Ferdinand  Graf  39,  49, 
60,  61. 

Tron,  Andrä  de,  189. 

Ulfeldt,  Corfiz  Anton  Graf,  3S,  48, 
60,  51,  66,  61,  62,  64—66,  71—74, 
77,  81,  82,  84,  86,  87—89,  91,  92, 
101, 103—106, 107,  108,  110,  118— 
120,  123,  127,  128,  136—138,  140, 


143,  144, 147—156,  160,  161,  180— 
183,  187—193. 

Vehlen,  Alexander,  16. 

Victor  Amadens  II.,  KOnig  von 
Sardinien,  39,  40. 

V  i  1 1  a  r  8 ,  Claude  Louis  Hector  Herzog 
von,  26. 

Villettes  47,  60,  51,  69. 

Vitriarius  21. 

Waldeck,  Fürst,  89,  90,97—99, 101. 
—  Fürstin,  89. 

Walpole,  Sir  Eobert,  166. 

Wasner,  Ignaz  von,  59. 

We ruber,  Dr.  Balthasar,  27. 

Wolff-Metternich,  Hermann  Wer- 
ner, 8. 

Wrschowetz,  GrSfin  (venu.  Gräfin 
Belmpt),  69. 

Wu  c b  e  r  e  r,Heinrich Bernhard  von,  27. 


Inhalt. 


Vorwort S 

Einleitung ( 

I.  Capitel. 

Familie  Kaanitc v 7 

Die  Eltern  und  Brttder  de«  Qr»fen  Weniel  Kaanitx 8 

Erwerbung  geistlicher  Pfründen 1! 

Aufenthalt  des  Grafen  Wenzel  Kaunitz  in  Leipaig 17 

Reise  nach  Holland,  Belgien,  Italien  und  Frankreich 18 

Ernennung  com  Reichshofrath 36 

Amtliche  Thätigkeit 87 

Vermählung  des  Grafen  Kannitz  mit  der  Gräfin  Emestine  Starhembeig  28 

Sendung  nach  Turin,  Florenz  und  Rom 89 

IL  Caplt«l. 

Lage  Maria  Theresias  nach  der  Schlacht  bei  Mollwitz.     Die  Nymphen- 

bnrger  Verträge Sl 

Sendnng  des  Grafen  Kannitz  nach  Turin SS 

Stellung  Oesterreichs  in  Italien S& 

Carl  Emanuel  und  sein  Minister  Ormea 39 

Neapel  und  Sicilien.  Verhandinngen  wegen  eines  Bttndnisses  Oesterreichs 

mit  Sardinien 42 

Der  savoyische  Feldzug.  Schlacht  bei  Camposanto 47 

Fortsetzung  der  Verhandlungen.  Der  englische  Gesandte  in  Turin,  VUlettea  49 
Englands  Absichten  in  Betreff  Italiens.   Denkschrift  des  Grafen  Kannitz 
Aber  die  Vertreibung  des  Hauses  Bourbon  ans  Italien.  Plan,  das  kur- 
fürstlich bairische  Haus  nach  Italien  zu  verpflanzen 58 

Abschluss  des  Bttndnisses  mit  Sardinien 69 

Veränderungen   im    Conimando:     Graf  Traun  wird  durch  den  Forsten 

Lobkowitz  ersetzt 60 

Abberufung  des  Grafen  Kaunitz  ans  Turin  und  seine  Ernennung  zum 

Obersthofmeister  der  Erzherzogin  Marianne 68 

III.  Capitel. 

Die  Sshne  des  Grafen  Kannitz.  Ankunft  in  Brüssel 6i 

Niederkunft,  Krankheit  und  Tod  der  Erzherzogin  Marianne 66 

Ernennung  des  Grafen  Kaunitz  zum  bevollmächtigten  Miniater;  Poal's 
Vorschlag,  eine  neue  Junta  einzusetzen;  die  niederländischen  Fi- 
nanzen      77 


201 

SeiU 

Feldziifr  in  den  Niedorlanden;  Schlacht  bei  Fontonoy 80 

Fall  der  Citadelle  Ton  Toaniay;  Abberufung  Cumberland's 82 

Waldeck  und  Mnc'Donel 89 

EinscbiSuBig  der  englischen  Hilfstrappen  ans  den  Niederlanden  nach 
England;   Anmarsch   der   Franzosen  gegen   Brüssel;   Kaanitx  setKt 

»ich  für  eine  standhafte  Vertheidignng  Brilssel»  ein 91 

Belagerung  und  Cni>itulation  von  BrüHsel;  Moriz  von  Sachsen      ...  94 
KannitE  verlä-ist  Brüssel;  er  bittet,  seines  Postens  in  den  Niederlanden 

enthoheu  in  werden;  seine  Abberufung 101 

IT.  Capitel. 

FriedensTerhandlungen  m  Breda;  Maria  Theresia  beabsiclitigt,  den 
Grafen  Kannitz  zu  ihrem  BevollmHchtigten  zu  ernennen;  Kannitz 
leimt  mit  Hinweis  auf  seinen  kriinklicben  Zustand  ab IIW 

Tod  und  Nachlass  des  Grafen  Maximilian  Ulrich  Kaunitz 111 

Maria  Theresia  wünscht  Wiederherstellung  des  Friedens;  Instructionen 

für  Kaunitz;  dessen  Abreise  nach  Aachen 112 

Haltung  Englands;  Frankreich;  Verhandlungen  Englands  mit  Frank- 
reich und  Spanion;  Unterzeichnung  der  FriedensprSliminarien  .     .     119 

Einsprache  des  Grafen  Kaunitz;  Verliandlnngen  mit  Frankreich;  Bei- 
tritt Maria  Theresias  zu  den  Präliminarien 124 

Ungeduld  der  Kaiserin  über  den  langsamen  Gang  der  Verhandlungen; 
Einigung  zwischen  Frankreich  und  England  llber  den  abzuscblies- 
■enden  Frieden;  Sendung  Robinson's  nach  Aachen ISü 

Kanderbach  nnd  St.  Severin;  Ab.HclilnB.s  einer  Convention  zwischen 
Knunitz  und  St.  Severin;  Abschlus«  des  Friedens  von  Aachen;  Er- 
nennung des  Grafen  Kaunitz  zum  Coaferenzministor 141 

y.  Capllel. 

Die  geheime  Conferenz;  das  künftige  politische  System;  Harrach  and 
Bartonstoin;  Gutachten  der  Conferonzminister  und  das  des  Kaisers; 
Gutachten  dos  Grafen  Kaunits;  Entscheidung  der  Kaiserin;  Bat- 
thyany's  Gutachten Iö3 

Tl.  Capit«l. 

Ernennung  des  Grafen  Kannitz  zum  Botschafter  in  Paris;  der  bisherige 
Vertreter  Marquis  Cboiseiil  de  Stainville;  Launay;  der  französische 
GescbäftstrSger  Blondel;  Maniuis  Hautefort 185 

Vertrauen  der  Kaiserin  zu  Kaunitz;  Eifersucht  Itlfeldt's;  Abreise  des 
Grafen  Kaunitz  nach  Frankreirb;  Instruction  für  ihn;  freuniiscbaft- 
liche  Aenasemngon  Ludwigs  XV.  über  den  Kaiser 187 


ArekiT.  LUXVIII.  lu.  1.  UUtUi. 


IS»» 


STUDIEN 


zu  DEN 


JGARISCHEN  GESCHICHTSQÜELLEN. 


VIII. 


VON 


pKOF  j)E  liAIMUND  FRIEDRICH  KAINDL 

IN  CZEBNOWITZ. 


•  I    I 


VIII. 

Die  Gesta  lluii!;un>riiiii  vetern,    Nliltcrps  über  Ihr»  (io- 
ntnU,    Ihr  £lnt8t»heii,  ilirc  ({ui>lleii  uiui  ihr  Wertli. 


In  der  VII.  Studio  (Apohiv,  LXXXV.  Bd.,  8.  431  ff.)  ist 
bewißaeo  worden,  dass  bereits  dem  um  1^30  sclirciboudon 
Alberich  von  Trimu  Fontium,  ebenso  dem  gleiuheeitigon  Münchc 
Kiühftrd  (Do  facto  Hungarioe  magnao)  und  hierauf  etwa  vier 
Jahrzehnte  später  dem  anonymen  Notar  und  Keza   pinu    l)isto- 

■  riache  Aufzeichnung  über  die  Ungarn  vorlag,  die  wir  als  ,Ocsta 
Hungaporum  vetcra'  beüeichnet  haben.  Dieser  Titel  beruht 
zunächst  auf  der  Mitthoilung  Hiohards,  da£S  ihm  ,g08ta  lillKÜ' 
forum  C'hristiunorum'  vorlilgen;^  das  ,vetera'  hab^n  wir  hiO' 
zugesetzt,    um  die  Ursprttngliahkeit  der  Quelle  gegenüber  den 

_    anderen  Ungamchroniken   zu   kenn^eiohitfsn.     Ka   ist  aucli  be- 

■  reits  ausgeführt  wurden,  dass  um  ISÜO  diese  Qesta  votera 
neben  Keaa  bei  der  Ht^rstejlung  der  Nationalen  Grundohronik 
oder  Ofener  Minoriteqchrüuik  benutzt  wurden.  Dieselbe  be- 
stand aus  Keza's  Hunengescliichto,  ferner  dem  ebonfalla  von 
Keza  herrührenden  Uebergange  von  dieser  jsurUngarngeaohichte; 
für  letztere  wurden  die  Gesta  vetcra  in  urspriingUeher  Gestalt 
neben    dem    in  Kcaa's  Work    enthaltenen  Texte   derselben  be- 

■  nützt;  Keza's  dUrre  Darstellung  von  Culoman  (bis  zu  welchem 
Könige  die  Gesta  vctera  reichten)  bis  auf  Stoplian  V.  wurden 
aus  einem  genauen  Yurzcichnissu  der  Krönungs-  und  Sterbe- 
jahre der  Könige  und  durch  einzelne,  ot\  irrige  Naehriehten 
erweitert;  seit  Ladislaus  IV.  folgen  aqdann  die  selbständigen 
Nachrichten. 

Auch  über  die  Gestalt  und  den  Umfang  dieser  Quelle  hat 
uns  die  citirte  Untersuchung  der  Hauptsache  nach  bolelirt.  Auf 
rieJfttcho  Weise  sind  wir  zu  dem  ^hluase  gekommen,  dass  die 

'  Endlicher,  Moniimerita  Arpadiana  I,  34S  (zweimal).  Die  Bomorkung 
im  Cliroiiicoii  Budoiut«  S.  93:  ,Eiit  aiitoiu  Rcriptutn  in  antiqtiji<  libris  de 
gostin  Hunnaroru  in  .  .  .'  beiiivlit  Hielt  dafire^Hii  offeittuir  niif  eine 
»udure  Quelle;  vgl.  untere  Au»fUhniueeu  vueitor  nuten  im  Texte, 


306 

nrsprttnglichen  Gesta  Hangaroram  mit  einer  Bewslireibai  te 
Urheimat  (SkTthien)  der  Magyaren  anfingen,  Uannf  WtUt 
langen  über  die  Abstammong  des  Volkes  and  aeaaer  Henahi 
boten,  sodann  sofort  auf  Almas  and  die  EiUlrang  dtaa 
Namen  tlbergingen,  am  hieraaf  die  Gtoechicke  der  üitguB  nt 
diesem  Herzoge  bis  gegen  das  E^de  des  1 1.  Jnhrhanikrti  ■ 
enriüden. 

Der  Zweck  der  folgenden  üntenmohnii|f  wird  ta  oniöh 
ans  aber  die  arsprangliche  Gestalt  der  Gk«t»  nlliflr  nk- 
lehren,  die  Zeit  and  den  Ort  ihres  E^tMehens  im 
endlich  aaoh  ihre  Qaellen  and  ihren  Werth 

Diese  Untersadiangen  Aber  die  Gtost»  veler»  «oBMifc 
mit  einer  Betraohtang  der  bisherigen  Annohten  llbar  du  gq» 
seitige  VerhBltnisB  der  verschiedenen  CShronikeo,  wäldks'll 
Gesta  bentltEten,  beginnen:  also  mit  der  Prlliiiiig  detf'VflM- 
nisses  zwischen  Keza,  dem  Anonymos  and  der 
Chronik.  Es  liegt  nämlich  aaf  der  Hand,  dan  die 
des  richtigen  Verhältnisses  dieser  Bearbeitangeii  ftlr  die  «hi 
angeregten  Fragen  aber  die  arsprOn^dien  Gkstä  'wn  hBiirtff 
'VTichtigkeit  ist.  Wir  werden  hiebei,  geet&trt  auf  die  SiS«b- 
nisse  der  VU.  Studie,  die  genannten  histonschen  DarstalhiiigcB 
nicht  als  einheitliche  Ganze,  sondern  in  ihren  einaeln«i  feat- 
gestellten  Theilen  ins  Auge  fassen  und  das  Verfaalthiss  der  ein- 
zelnen Theile  zu  einander  fixiren. 

Insbesondere  hat  es  unsere  Ao^be  zu  sein,  die  n 
Studie  VII  gewonnene  und  oben  kurz  gekennaeiehnete  Ab- 
schauung  des  Verhältnisses  der  Gesta  vetera  an  Anonjmni, 
Keza  und  der  Nationalchronik  gegenaber  anderen  Ansichttt 
zu  vertheidigen.  Wird  uns  dies  gelingen,  so  ergibt  sieh  un- 
mittelbar daraus  der  Schluss,  dass  ftlr  den  ftltesten  Heil  der 
Ungamgeschichte  (der  sich  mit  den  Gesta  vetera  deckt),  keine 
von  den  drei  genannten  Darstellungen  den  arsprOngfichen  andien- 
tiscben  Text  bietet,  sondern  dieser  durch  Vergleich  der  drei 
Darstellungen  unter  gelegentlicher  Hinzuziehung  der  andon 
Quellen,  welche  die  Gesta  benutzten  (Alberich,  Richard),  kiitisck 
gewonnen  werden  muss.  Hiermit  werden  wir  den  Pfiid  nr 
Bestimmung  der  ursprOnglichen  Gestalt  der  Qesta  vetera  ge- 
funden haben. 

Hierauf  werden    wir   zunächst   im   Allgemeinen   die  nr 
sprUnglichc   Gestalt  der  Gesta  bestimmen,    dann    aa^  iasl»- 


207 


sondere,  d.  h.  die  einzelnen  Theile,  Nachrichten  u.  dgl.  der- 
selben teststellend,  soweit  dies  im  Rahmen  dieser  Studie  und 
unter  Zuhilfenahme  der  vorhandenen  Mittel  zunächst  möghch 
ist.  Denn  leider  muss  ganz  besonders  bei  dieser  Gelegenheit 
beklagt  werden,  dass  die  bisherigen  Ausgaben  der  älteren  un- 
garischen Geschichtsquellen  fast  durchaus  kritiklos  sind.  Bei 
dieser  Arbeit  wird  es  sich  auch  zeigen,  dass  wir  den  Bestand 
verschiedener  Redactionen  der  Gesta  vetcra  annehmen  dürfen. 

Femer  werden  wir  die  Zeit  und  den  Ort  der  Abfassung 
der  Gesta,  sowie  ihren  Verfasser  zu  bestimmen  suchen.  Auch 
ober  die  Quellen  der  Gesta  soll  in  diesem  Abschnitte  ge- 
liandt'lt  werden.  Ilicbci  werden  sich,  wie  übrigens  schon  aus 
den  früheren  Ausführungen,  Schlüsse  auf  den  Werth  der  (iijclle 
ziehen  lassen. 

Endlich  werden  in  einem  Schlusscapitel  die  wichtigsten 
Ergebnisse  kurz  zusammengefasst  werden. 

Darnach  ist  die  Arbeit  in  folgende  Haupt-  und  Unter- 
abschnitte zu  gliedern: 

1.  Kritik   der  bisherigen  Ansichten    über   das  Verhältniss   der 

verschiedenen  ungarischen  Chroniken  zu  einander.  Ihre 
Irrthümer  und  die  Ursache  derselben. 

2.  Näherer  Beweis,  dass  die  Darstellung  der  ältesten  Geschichte 
der  Ungarn  bei  Anonymus,  Keza  und  in  der  National- 
chronik auf  den  Gesta  vetcra  beruht. 

3.  Die  ursprünghcho  Gestalt  der  Gesta  Ilungarorum  vetera. 
a)  Der  allgemeine  Aufbau  der  Gesta. 
h)  Oricntirende  Bemerkungen  über  die  Reichhaltigkeit  und 

Beschaffenheit  des  Inhaltes  der  Gesta. 

s)  Nachweis,  dass  die  Gesta  die  Annales  Altahenses  weit 
spärhcher  als  die  Nationalchronik  benutzt  haben, 
und  dass  sie  die  Legenden  Stephans,  Emerichs, 
Ladislaus'  und  Gerhards  nicht  ausschrieben. 

d)  Anmerkungen  zur  Herstellung  der  Gesta  in  ihrer  ursprüng- 
lichen Gestalt. 
i)  Verschiedene  Redactionen  der  Gesta. 

4.  Zeit  und  Ort  der  Abfassung  der  Gesta.  Ihr  Verfasser.  Ihre 
Quellen.    Werth  der  Gestji. 

Kurze  Zusammenfassung  der  Ergebnisse. 


206 


ursprünglichen  Gesta  Hungaronira  mit  einer  Beschreibung  der 
Urheimat  (Skythien)  der  Magyaren  anfingen,  hierauf  Mitthci- 
tungfjn  über  die  Abstammung  des  Volkes  und  seiner  Herrscher 
boten,  sodann  sofort  auf  Aliuus  und  die  Erklärung  dessen 
Namen  übergingen,  um  hierauf  die  Geschicke  der  Ungarn  ton 
diesem  Herzoge  bis  gegen  das  Ende  des  1 1 .  Jahrhunderts  zu 
erzählen. 

Der  Zweck  der  folgenden  Untersuchung  wird  es  nun  sein, 
uns  über  die  ursprüngliche  Gestalt  der  Gesta  näher  zu  be- 
lehren, die  Zeit  und  den  Ort  ihres  Entstehens  zu  bestimmen, 
endlich  auch  ihre  (Quollen  und  ihren  Werth  festzustellen. 

Diese  Untersuchungen  über  die  Gesta  vetera  wollen  wir 
mit  einer  Betrachtung  der  bisherigen  Ansichten  über  das  gegen- 
seitige VerhUltniss  der  verschiedenen  Chroniken,  welche  die 
Gesta  benutzten,  beginnen:  also  mit  der  Prüfung  des  Verhillt 
nisscs  zwischen  Keza,  dem  Anonymus  imd  der  nationalen 
Chronik.  Es  liegt  nämlich  auf  der  Hand,  dass  die  Feststellung 
des  richtigen  Verhältnisses  dieser  Bearbeitungen  ftir  die  oben 
angeregten  Fragen  über  die  ursprünglichen  Gesta  von  hiVhster 
Wichtigkeit  ist.  Wir  werden  hiebei,  gestützt  auf  die  Ergeb- 
nisse der  Vn.  Studie,  die  genannten  historischen  Darstellungen 
nicht  als  einheitliche  Ganze,  sondern  in  ihren  einzelnen  fest- 
gestellten Thcilen  ins  Auge  fassen  und  das  VerhUltniss  der  ein 
zelnen  Theile  zu  einander  fixiren. 

Insbesondere  hat  es  unsere  Aufgabe  zu  sein,  die  in 
Studie  VII  gewonnene  und  oben  kurz  gekennzeichnete  An- 
schauung des  Verhilltnisses  der  Gesta  vetera  zu  Anonymus, 
Keza  und  der  Nationalchronik  gegenüber  anderen  Ansichten 
zu  vertheidigen.  Wird  uns  dies  gelingen,  so  ergibt  sich  un- 
mittelbar daraus  der  Schluss,  dass  tiir  den  ältesten  Theil  der 
Ungarngeschichto  (der  sich  mit  den  Gesta  vetera  deckt),  keine 
von  den  drei  genannten  Darstellungen  den  ursprünglichen  authen- 
tischen Text  bietet,  sondern  dieser  durch  Vergleich  der  drei 
Darstellungen  unter  gelegentlicher  Hinzuziehung  der  anderen 
Quellen,  welche  die  Gesta  benützten  (Alberich,  Richar»!),  kritisch 
gewonnen  worden  uiuss.  Hiermit  werden  wir  den  Pfad  «or 
Bestimmung  der  ursprünglichen  (Jcstjdt  der  Gesta  vetera 
fundcn  haben. 

Hierauf  werden  wir  zunächst  im  Allgemeinen  die  U^ 
sprliugliche    (jestalt  der   Gesta   bestimmen,    dann    auch    iusbe- 


207 


I 


sondere,  d.  h.  die  einzelnen  Theile,  Nachrichten  u.  dgl.  der- 
selben feststellend,  soweit  dies  im  Rahmen  dieser  Studie  und 
anter  Zuhilfenahme  der  vorhandenen  Mittel  zunächst  möglich 
ist.  Denn  leider  musa  ganz  besonders  bei  dieser  Gelegenheit 
beklagt  werden,  dass  die  bisherigen  Ausgaben  der  älteren  un- 
garischen Geschichtsquellen  fast  durchaus  kritiklos  sind.  Bei 
dieser  Arbeit  wird  es  sich  auch  zeigen,  dass  wir  den  Bestand 
verschiedener  Redactionen  der  Gesta  vetera  annehmen  dürfen. 

Ferner  werden  wir  die  Zeit  und  den  Ort  der  Abfassung 
der  Gesta,  sowie  ihren  Verfasser  zu  bestimmen  suchen.  Auch 
über  die  Quollen  der  Gesta  soll  iu  diesem  Abschnitte  ge- 
handelt werden.  Hiebei  werden  sich,  wie  übrigens  schon  aus 
den  früheren  Ausführungen,  Schlüsse  auf  den  Werth  der  Quelle 
ziehen  lassen. 

Endlich  werden  in  einem  Schlusscapitel  die  wichtigsten 
Ergebnisse  kurz  zusammcngefasat  werden. 

Darnach  ist  die  Arbeit  in  folgende  Haupt-  und  Unter- 
abschnitte zu  gliedern: 

1.  Kritik  der   bisherigen  Ansichten    über   das  Verhältniss   der 

verschiedenen  ungarischen  Chroniken  zu  einander.  Ihre 
Irrthümer  und  die  Ursache  derselben. 

2.  Näherer  Beweis,  dass  die  Darstellung  der  ältesten  Geschichte 

der  Ungarn  bei  Anonymus,  Keza  und  in  der  National- 
chronik auf  den  Gesta  vetera  beruht. 

3.  Die  ursprünghehe  Gestalt  der  Gesta  Ilungarorum  vetera. 

a)  Der  allgemeine  Aufbau  der  Gesta. 

b)  Orientirende  Bemerkungen   llber  die  Reichhaltigkeit  und 

Beschaffenheit  des  Inhaltes  der  Gesta. 

c)  Nachweis,  dass  die  Gesta  die  Annales  Altahenses  weit 
spärhcher  als  die  Nationalchronik  benutzt  haben, 
und  dass  sie  die  Legenden  Stephans,  Emerichs, 
Ladislaus'  und  Gerhards  nicht  ausschrieben. 

d)  Anmerkungen  zur  Herstellung  der  Gesta  in  ihrer  ursprüng- 

lichen Gestalt. 

e)  Verschiedene  Redactionen  der  Gesta. 

4.  Zeit  und  Ort  der  Abfassung  der  Gest^i.   Ihr  Verfasser.  Ihre 

Quellen.    Werth  der  Gesta. 

5.  Kurze  Zusammenfassung  der  Ergebnisse. 


208 


I.  Die  bisherigen  Ansichten  nber  das  Verhältniss   der  verschie- 
denen ungarischen  Chroniken  zn  eintuider.     Ihre  Irrthömer  nnd 
Ursache  derselben. 

Bekanntlich  standen  sich  bisher  betreffs  des  Verbältnisse« 
der  Chronik  des  Kcza  za  den  anderen  Chroniken  —  der  Ver- 
gleich mit  dem  Anonymus  wurde  in  der  Regel  vemachlJSssig( 
—  gfttiÄ  entgegengesetzte  Ansichten  gegenüber.*  Engel, 
Stephan  Horvit  nnd  Lorenz  waren  der  Meinung,  dass  die 
ktirzere  Darstellung  Keza's  die  Grundlage  aller  amlcrcn  Chro- 
niken wurde;  Carl  Szab<^,  Ker^gyilrt<5,  Toldy  und  zuletit 
Marezali  wollen  dagegen  beweisen,  dass  Keza's  Darstellung 
ein  werthloser  Auszug  aus  den  weitläufigeren  Chroniken  sei. 
Etwas  näher  dem  wirkfichen  Sachverhalte  kam  schon  Zeiss- 
berg,*  indem  er  ftlr  die  uns  erhaTtetieti  ungarischen  Chroniken 
eine  gemernsame  altere  Onellc  annahm.  tHoser  Ansieht  folgte 
auch  Rademacher,'  doch  j^laubte  er  noch,  dass  diese  Vor- 
lage bereife  anch  die  Hnnengeachichte  «mifasst  habe,  wt«'  er 
denn  überhaupt  zwischen  den  einzelnen  Theilen  der  Chroniii 
und  ihren  Redactionew  noch  nicht  scharf  schied.*   Zu:  welchen 


'  Ifan  vergleiche  Ware«."«!!,  l/ngarn«  GeschiclitÄqiioIllen,  S.  <r. 
»  ZoiUchrift  für  die  HBterreicIiiiiclisn  Oymna.iiDn  XXVI  (1875),  fi04. 

*  Zur  Kritik  nilgurSscher  Ci«iH;liichtt<t»eV1«n  (Poraehnngen  sni  detttcehea 
Ooschidite  1885,  XXV,  8.  äüSff.).  Man  vergleiche  auch  deueltHsn- Abb^nd- 
lung  ,Dio  ungarische  Clironilc  als  Qaelle  deatscher  Geschichte'  (Progrwani 
lies  Domgymiiaiiiams  zu  Irfersoburg  1S87)  aii<l  seinen  Aufsats  ^ventin 
nnd  die  nngariache  Chronik'  im  Neiieh  Archiv  t887,  XH,  56t  ff.  Wi« 
irrig  nnwehe  VoransaetKangCti  Radetnather'«  sind,  geht  t.  S.  itaa  d(>m 
Umstände  hervor,  daas  er  noch  in  der  leisten  Arheill  8.  561  die  Bildar- 
chrunik  aU  die  wichtigste  von  den  verschiedenen  Redactionen  dar 
ungarischen  Chronik  bezeichnet!  Aaf  Einzelheiten  seiner  AnsfUlirungw 
hoffe  ich  hei  anderer  Gelegenheit  zurilckzakommen.  Hier  sei  nur  gegen- 
über ■einer'  Bemerkung,  die  siish  ebenfaUs  in  der  letzteti  Arbeit,  8.  S7i, 
findet,  zunttchst  kurz  bemerkt,  dass  Avontin  nur  anK  de»  Bilderchronil, 
nicht  aber  aas  dem  Chmnioon  Bndenae  geschöpft  haben'  kSontai  Viel« 
von  den  Naohriobten  bei  Aventin  finden  sich  nämlich  nur  in  der 
Bilderchronik. 

♦  Doch  spricht  er  sich  schon  diihin  aus,  das.i  die  Chronik  kein  einheit- 
liches Werk  sei  (FomeUangen  mir  deutschen  G««chi<<hte  XXV,  S.  MI). 
Nur  ganz  uubaitimmt  tritt  ebenda,  8.  392  die  Vcrmnthung  hervor,  das 
.die  Vorlage  Keza's   nur   bis   ca.   1070  gereicht  habe  nnd  durch  ein  K»- 


209 


I 


I 


IrrschlUssen  dies  Anlass  gab,  ist  zum  Tlieile  schon  bei  einer 
früheren  Gelegenheit  dargelegt  worden.'  Einen  Schritt  weiter 
machte  Heinemann,'  indem  er  die  Hunengcschichte  als  ein 
Werk  Keza's  von  den  ursprünglichen  Gosta  unterschied  und 
auch  bereits  erkannte,  dass  die  ursprüngliche  Ungamchronik 
nur  bis  zum  Ende  des  11.  Jahrhunderts  reichte.*  Auf  eine 
nähere  Untersuchung  der  einzelnen  Theilc  der  Chroniken  und 
ilirer  Kedactionen  geht  aber  auch  er  nicht  ein,  in  Folge  dessen 
viele  Fragen  gar  nicht,  nur  theilweise  oder  auch  unrichtig  ge- 
löst erscheinen.*  Zu  bemerken  wätre  noch,  dass  aucli  Flcine- 
mann  der  Ansicht  ist,  Keza  hlltte  seine  Vorlage  (die  ursprüng- 
licheo  Gesta)  ,ungemein  flüchtig  excerpiert'.* 

Der  Hauptgrund,  weshalb  man  in  dieser  für  die  ursprüng- 
liche Gestalt  der  Gesta  so  wichtigen  Frage  nur  zu  überaus 
unsicheren  Schlüssen  gelangte,  war  der,  dass  man  zwischen 
den  einzelnen  Thoilen  der  Chroniken  nicht  gehörig  schied. 
Wir  werden  bei  der  Beantwortung  der  angeregten  Frage 
sicherer  gehen,  nachdem  wir  die  Bestandtheiic  der  Chroniken 
erkannt  haben. 

Von  den  Gesta  Hunorum  können  wir"  genau  nach- 
weisen, dass  sie  ein  Werk  Keza's  seien;  dieses  schrieb  die 
Nationalchronik  ab  und  veränderte  es.  In  diesem  Theile  hat 
also  Keza  die  Priorität;  für  die  Hunengcschichte  allein  gilt 
also  d,i8,  was  Engel,  Horvdt  und  Lorenz  über  Keza's  Ver- 
hältniss    zu   den   anderen  Chroniken    behaupten,    wenigstens  in 


guter   TOD  Zahlen    and  Namen    fortgeaetzt  gewesen  sei'.     Andererseits 
glanbt  Rademacher,  dass  die  dem  Anonymus  vorgelogene  Quelle  nur  bis 
»ur  Bekelirnng  der  Ungarn  roiclito  (obonda,  8.  391). 
»  Siehe  Studie  VII,  8.  495  ff. 

*  ,Zur  Kritik  ungarischer  Geschichtsquollen  im  Zeitalter  der  Arpaden' 
(Neues  Archiv  XIU,  63ff.  und  in   den  Mon.  Germ.  Script  XXIX,  6'23f.). 

*  Es  sei  hier  gestattet,  auf  die  Bemerkungen  Studie  VU,  S.  436  zu  vor- 
weisen. 

*  FQr  diese  Behauptung  ergeben  die  vorliegenden  Studien  einen  wohl  ge- 
nügenden Beweis.  Ka  sei  z.  B.  auch  bemerkt,  dass  Heinemann  (Neues 
Archiv  XIII,  71)  der  Meinung  war,  dass  die  ältesten  Gosta  unmittelbar 
mit  dem  Einbrüche  der  Ungarn  in  Europa  begannen,  wHhrond  in  der 
Studie  VII  wohl  unzweifelhaft  festgestellt  ist,  dass  die  Beschreibung  der 
Urheimat  und  genealogische  Mittheilungen  vorangingen. 

»  Neues  Archiv  XIII,  66. 

'  Man  vergleiche  die  Studie  VII.  Nüheres  bringt  eine  besondere,  Kesa  ge- 
widmete Stndie. 
AreUiv.   LXIXVIII.  M.  I.  mUft«.  14 


210 

einem  gewissen  Sinne.  Auf  eine  nilhere  Erörterung  über  du 
Verhilltniss  der  Hunengeschichte  Keza's  zu  jener  in  den  Chro- 
niken brauchen  wir  in  dieser  Studie  nicht  einzugehen,  weil 
dies  in  einer  besonderen,  Keza  gewidmeten  geschehen  soll. 
Der  Anonymus  hat  nichts  mit  der  Hanengeschichte  Keza's  g*^ 
mein;   ihm   ist   dessen  Werk    eben  noch  gar  nicht  vorgelegen. 

In  etwas  beschränkterem  Masse  hat  Keza's  Darstellung 
von  Coloman  bis  auf  seine  Zeit  der  Nationalchronik  alt 
Quf^Uo  gedient.  Sie  haben  ihn  nämlich  zwar  in  diesaer  Partie 
auch  benützt,  zum  grossen  Theile  ist  aber  ilire  Darstelliing  au» 
anderen  Quellen  geflossen.  Wir  haben  darüber  bereits  eben- 
falls in  der  Studie  VII,  S.  481flF.  nfther  gehandelt.  Der  An- 
onymus hat  diese  Partien  überhaupt  nicht. 

Es  erübrigt  somit  nur,  das  Verhiiltniss  zwischen  den  ver- 
schiedenen Chroniken  bezüglich  der  Ungarngeschichte  von 
ihren  Anfängen  bis  zum  Ende  des  11.  Jahrhunderts 
zu  bestimmen.  Nach  den  Ergebnissen  unserer  früheren  Unter- 
suchungen, die  an  der  Spitze  dieser  Studie  zusammcngefasst 
wurden,  gehen  in  diesem  Theile  die  verschiedenen  Gruppen  — 
Anonymus,  Keza,  die  Nationalchroniken  —  auf  die  Oesta  Hnn- 
garorum  vetera  zurück.  Dieses  Verhiiltniss  ist  bereits  in  der 
Studie  VII,  besondere  S.  402 — 477  nachgewiesen  worden.  In 
derselben  Studie  (S.  499,  Anm.  1)  ist  aber  auch  bereits  darauf 
verwiesen  worden,  dass  die  Nationalchronik  auch  den  Uebergangs- 
absatz  von  der  Ilunen-  zur  Ungamgeschichte  aus  Keza's  Werk 
entlehnt  hat,  und  da  ihrem  Verfasser  Keza's  Darstellung  der 
Ungarngeschichte  vorlag,  so  nahm  er  in  dieselbe  ebenfalls  Ein 
blick,  wiewohl  ihm  dessen  Quelle  (die  Gesta  vetera)  selbständig 
vorlag.*    lieim  Anonymus  findet  sich  auch  in  dieser  Beziehung 


'  Die  BeeinSassim^  der  Nationalchronik  Horch  Keca  in  diesem  Theile 
(7on  den  Anfingen  dnr  Un^nrngeKchiclite  bis  zum  Ende  des  1 1.  Jabr- 
hnnderte)  iitt  überaus  gering,  weil  filr  den  Verfn.ssor  derselben,  der 
Kesa's  Quelle  (nämlich  die  Oesta)  vor  sich  hatte,  «ich  selten  Veran- 
laisung  bot,  Keza's  Darstellung  zn  berOcksichtigen.  Immerhin  mm) 
aber  die  Beeinfliiasnng  der  Nationalchronik  durch  Keza  anrh  in  dieiam 
Tlieile  Denjenigen  gegenüber  betont  werden,  die  jeden  Einänss  Kmi'> 
auf  die  Chronik  lengnen  mochten.  Noch  mehr  zeigt  sich  das  Cbronicoo 
Pictnm  durch  Keza  beoinüusst;  doch  dies  ist  durch  eine  selbstiniligf 
Benutzung  des  Keza  neben  der  Nationalchronik  zu  erklären.  Das  I^ettun 
hat  diese  wie  ans  anderen  Quellen,  so  anoh  ans  Roaa  orgXiist  V|rl- 
darüber  vorlänfig  Studio  VII,  S.  500  f. 


211 


keine  Spur  einer  Beeinflussung  durch  Keza.  Diese,  wie  be- 
merkt, schon  in  Studie  VII  gewonnenen  Ergebnisse  soUen,  in- 
dem wir  die  anderen  Ansichten  näher  prüfen  und  widerlegen, 
durch  weitere  Gründe  gestutzt  werden.  Gleichzeitig  wird  es 
ans  auch  müglich  sein,  den  eigentlichen  Zweck  dieser  Studie 
zu  erreichen,  nämlich  die  ursprüngliche  Gestah  der  Gesta  Hun- 
garorum  vetera  und  ihre  Abfassungszeit  zu  bestimmen.  Bei 
unserer  Kritik  werden  wir  uns  aber,  da  es  sich  nach  der  eben 
vorangegangenen  Erörterung  nur  um  das  Verliältniss  zwischen 
den  verschiedenen  Chroniken  bczliglich  der  Ungarnge- 
schichte von  ihren  Anfängen  bis  zum  Ende  des 
11.  Jahrhunderts  handelt,  auch  nur  auf  die  Argumente 
beschränken,  welche  aus  diesem  Theile  geholt  sind.  So  hoffen 
wir  die  Fehler  früherer  Untersuchungen  zu  vermeiden,  aus 
welchen  nothwcndigerweise  Irrschllisse  gezogen  wurden,  weil 
die  Beweise  aus  allen  Tlieilen  der  Chroniken  unterschiedios 
entnommen  wurden.  Wie  hieraus  arge  Irrthümer  entsprangen, 
ist  in  der  Studie  VII,  S.  494 ff.  gezeigt  worden. 

Wir  haben  also  zunächst  zu  zeigen,  dass  bezüglich  der 
Ungamgeschichte  von  ihren  Anfängen  bis  gegen  das  Ende  des 
11.  Jahrhunderts  weder  Koza  den  anderen  Chroniken  die 
Quelle  bot,  noch  er  aus  ihnen  schöpfte:  vielmehr  werden  wir 
im  Anschlüsse  an  unsere  Bemfrkurigcn  in  Studie  VII,  S.  476  f. 
zeigen,  dass  für  den  bezeichneten  Tlieil  der  Darstellung  die 
Gesta  vetera  die  gemeinsame  (Quelle  Keza's,  des  Anonymus 
und  der  Nationalehronik  sind.  Der  Umstand,  dass  etwa  der 
Anonymus  die  Quelle  Keza's  und  der  Nationalchronik  gewesen 
sein  könnte,  kommt  ja  gar  nicht  in  Betracht,  da  sich  in  diesen 
Quellen  nichts  von  den  dem  Anonymus  eigcnthUmlichcn  An- 
schauungen findet.  Von  dem  Umstände,  dass  die  Darstellung 
des  Anonymus  nur  bis  zum  Ende  des  10.  Jahrhunderts  reicht, 
sehen  wir  ab,  denn  es  könnte  uns  ein  unvollständiger  Text  vor- 
liegen. 

2.  Näherer  Beweis,  dass  die  Darstellung  der  ältesten  Geschichte 

der  Ungarn  bei  Keza,  Anonymus  und  in  der  Nationalchronik  auf 

den  Oesta  vetera  beruht. 


Mit   der  Anschauung,    dass  Keza's  Ungamgeschichte   die 
Quelle  der  anderen  Darstellungen  sei,  br;tuchon  wir  uns  nicht 

14» 


212 


lange  zu  befassen.  Es  gcnligt,  darauf  hinzuweisen,  dass  in 
diesem  Falle  es  z.  B.  anerklttrlich  wäre,  warum  der  Anonymus, 
wenn  er  Keza's  Ungarngeschichte  ausschrieb,  nicht  auch  Spuren 
der  Benutzung  seiner  Ilunengeschichte  zeigt  (Studie  VII,  S.  460). 
Auch  hat  z.  B.  der  Anonymus  jenes  Capitel  über  die  Geburt 
und  die  Namengebung  Almus',  welches  wohl  die  anderen  Chro- 
niken, nicht  aber  Keza  aufweist  (Studie  VII,  S.  458  f.).  Femer 
steht  der  Text  des  Anonymus  bald  dem  Keza,  bald  den  Chro- 
niken nilher  (man  vergleiche  Studie  VII,  S.  462 — 477),  waa  ganz 
deutlich  auf  eine  gemeinsame  Quelle  aller  hinweist.  Somit  ist 
die  Anschauung,  dass  Keza  sowohl  dem  Anonymus  als  deji 
Chroniken  als  Vorlage  diente,  unrichtig.  Das  Ilauptargnment 
ihrer  Verfechter  war  die  Knapplieit  der  Darstellung  Keza's. 
Dnss  dieser  Beweisgrund  allein  nicht  genügt,  liegt  auf  der 
Hand,  denn  die  knappe  historische  Darstellung  muss  nicht 
auch  schon  die  ursprunglichste  sein,  wenn  sie  auch  die  ur 
sprliuglichere  sein  könnte.  Letzteres  werden  wir  auch  that- 
Däuhlich  von  Keza's  Darstellung  der  Uiigarngeschichte  gegen- 
über jener  der  Nationalchronik  auf  den  folgenden  Seiten  bei 
anderer  Gelegenheit  beweisen  können.  Wir  werden  nftmlich 
finden,  dass  Keza  seine  Vorlage  im  Allgemeinen  in  nrspriing- 
licherer  Form  wiedergibt  als  die  anderen  Chroniken. 

Was  nun  die  Ansieht  betrifft,  dass  Keza's  Geschichte 
der  Ungarn  ein  Auszug  aus  den  betreffenden  Tlieilcu  der 
umfangreicheren  Nationalchronik  sei,  so  wird  dieselbe  ebenfalls 
schon  durch  unsere  Ausführungen  in  Studie  VII,  S.  462 — 477 
widerlegt.  Hier  wollen  wir  insbesondere  noch  MarczaU's  Be- 
weise fllr  dieselbe  in  seinen  ,Geschichtsquellcn  Ungarns'  prüfen, 
der  Alles,  was  flir  dieses  Verhältnis«  in  die  Wagschale  gelegt 
werden  kann,  gesammelt  hat  Daran  werden  sodann  noch 
andere  Gegenbeweise  geknüpft  werden. 

Der  erste  Beweis  Marczali's  (S.  42 — 44)  besteht  in 
Folgendem:  Sowohl  bei  Keza  als  in  den  Nationalchronikeo 
finden  sich  die  Annales  Altahenses '  benutzt,  und  zwar  ist  die 


'  Bekanntlich  h«t  schon  Zeisiiberg  in  «einer  Studie  ,Zur  Kritik  der  An- 
naloii  von  Ältaich'  (Zeitschrift  für  die  dsterreichischen  Oynintision  XXVI 
[1875],  4909'.)  il.iraiif  hiugowiesun,  dass  die  Benutzung  diexur  Aunalen 
sich  auf  die  Jahre  1U41  — 104:6  beachränkL  Kndemacber  Tersnchte  dar- 
aufhin zn  bewcioen,  da«  diese  anf  einen  knnien  Zeitranm  beselir&okta 
Verwandtschaft  Kwitcheii   den  Annalen    und  den  nnfnirixchen  Chroniken 


213 


in  letzteren  ;ius  ihnen  entlelinte  F"üU('  <ler  Nachrichten  weil 
grösser  als  jene  bei  Keza.  Da  nun  dieser  nur  solche  Be- 
richte aus  den  Annalen  bietet,  die  auch  den  Chroniken  eigen 
sind,  80  hat  er  seine  Notizen  aus  dioBen  geschöpft.  —  Diese 
Ansicht  Marczali's  ist  irrig.  Die  von  ihm  beobachtete  That- 
■  Sache  ist  ganz  anders  zu  erkliiren,  als  er  es  thut.  Wir  werden 
*  Leweisen  können,  daas  die  dem  Keza  und  der  Nationalchronik 
gemeinsamen  Nachrichten  aus  den  Annales  Altahenses,  der  ge- 
meinsamen Vorlage  (Gesta  Hungarorum  vetera)  entstammen, 
während  das  Mehr  der  Nachrichten  aus  diesen  Annalen  in  den 
Chroniken  von  diesen  bei  einer  neueren  Benützung  der  An- 
nalen   aufgenommen  wurde.'     Die  Beweise  flir  die  Richtigkeit 


dnrau.s  zu  erklHren  sei,  dass  die  Cliruniken  nicht  ans  den  Annalen, 
sondern  au»  einer  zeitgenössischen  Quelle  »ehOpfteu,  weli'lie  die  Ungarn- 
zilge  UeinrichK  III.  bis  1045  behandelte.  Diese  sei  auch  vou  dou  An- 
nalen benutzt  worden  (vgl.  Furschungen  zur  deutscheu  Gescbiciito  X\V, 
S.  406  und  Neae<i  Archiv  XII,  6C&  und  673).  Dagegen  mUscen  wir  be- 
merken: I.  dass  schon  die  Gesta  vetera  die  Annales  Altnhenses  bei  der 
Schildemng  des  Kampfes  Stephans  gegen  Qyula  ausgegcb rieben  zu  halien 
scheinen,  wie  dies  ein  Vergleich  der  Anuales  anno  10Ü3  mit  Kexa,  g.  ii, 
und  Chronicon  Budeuse,  S.  65,  ergibt;  2.  hat  die  Natiun.tlchronik  bei 
ihrer  unmittelbaren  Benützung  der  Annale.«  Altnhenses  auch  schon  Nach- 
richten über  Naturerscheinungen  aus  den  Jahren  1U2U  und  1021  über- 
nommen (Chronicon  Budonse,  8,  Tu  =:  Anuales  Altahenses,  anno  1U20 
und  1021)  Auf  beide  Stellen  werden  wir  weiter  unten,  wo  der  Bestand 
der  Ge.sla  vetera  im  Einzelnen  besproL-heu  werden  wird,  zurückkommen. 
In  Folge  der  mitgetheilten  Beobachtungen  halten  wir  daran  fest,  dass 
den  ungarischen  Cbrouiston  die  Annalen  selbst  vorlagen, 
doch  nur  der  Abschnitt  bis  1046.  Man  vergleiche  darüber  die  Bemer- 
kungen weiter  unten  im  Texte. 

Darauf  hat  schon  Radomncher  (Forschungen  cur  dentschen  Geschichte 
XXV,  S.  382  und  401  hingedeutet,  wobei  er  aber  1.  die  Wiederbenutzung 
der  Altaicher  Annalen  erst  durch  den  ,Chr»ni,9teu  von  1368'  vor  sich 
geheu  IksHt,  und  2.  für  seine  Ansicht  so  wenig  anzuführen  vermag,  dass 
Ileinemann,  Neues  Archiv  XIII,  ÜG  allenfalls  allzu  leicht  sich  die 
Widerlegung  derselben  gestatten  konnte.  Er  hUtte  sich  hiebe!  die  un- 
richtige und  leicht  wiilerlegbare  Bemerkung  Rademacher's  (8.  384  und 
4Ü1),  dnss  bei  Keza  sich  nur  solche  Nachrichten  nicht  finden,  die  den 
Annalen  entstammen,  nicht  zu  Nutze  machen  sollen.  Das  Richtige  ist, 
dam  die  Nationalchronik  gegenüber  Keza  sowohl  ein  Plus  an  Nach- 
richten besitzt,  die  den  Annalen  entlehnt  sind,  als  auch  solche,  die 
eben  ans  anderen  Quollen  stammeu.  Die  Nationalchronik  bat  sich  so- 
wohl durch  die  Einen,  als  auch  durch  die  Anderen  gegenüber  ihrer  und 
Keza's  Vorlage  (Geata  vetera)  bereicherL 


214 


unserer  Ansicht  sind  folgende:  Zuniiclist  ist  es  klar,  dass  — 
wenn  die  Ansiebt  Marczali's  richtig  wäre  —  Keza  niemals  den 
Annalen  nilher  stehen  könnte  als  die  Chroniken.  Nun  finden 
wir  einzelne  Stellen,  in  denen  Keza,  wenn  auch  nur  in  gering 
tllgigcn  Umständen,  doch  den  Annalen  näher  steht.  Man  ver- 
gleiche z.  B.  : 


Annale«  Altahensus,   S.  3&. 

A.  1044...totanocte 
ßfjuitando  sursum  per 
ripam  cropuBculo  fa- 
cili  vado  transit 


Chr.  Badeuse,  8.  84. 

.   .   .  tota    nocte    equi- 

tantcs  sursum  iuxta  tlu- 

vios    Raba    et    Rabcha, 

quos  illucesconte  sole  f  a- 

I  eile  transienmt. 


Kexa,  S.  tn. 

.  .  .  tota  nocte  ef^ 
tando  orto  sole  f| 
cili  vado  tr 


Noch  interessanter  ist  folgender  Fall: 


A.  1044  (S.  34).  Igi- 
tur  quidam  .  .  .  oinnes 
coniuratos  regi 
(Abae)  prodidit,  in- 
notuit,  quorum  ali- 
quos  iussit  necari  .  .  . 


S.  82  . . .  Quidam  autem  ] 
ex  ipsis  notificavit  regi 
in  necem  eius  coniu- 
ratos, ex  quibua  tos, 
quos  potuit,  captOB  fecit 
interfici  .  .  . 


S.  83  .  .  .  Svi<^ 
dam  prodidit  eaä 
lium;  ex  quihw,  fH 
capere  potuitf . .  .iott 
fecit  ... 


Aus  diesen  Stellen  wird  es  zunälchst  klar,  dass  Keza  nicht 
aus   den   uns   vorliegenden   Chroniken    schöpfte,    sondern  rieJ-     , 
mehr  eine  Vorlage  benützte,   welche  auch  von  den  Chroniken  ■ 
ausgeschrieben  wurde,   und  die  ilirerscits  die  Annalen    benutzt  " 
hatte.     Damit  ist  Marczali's  Ansicht   schon  widerlegt.     Unsere 
weiteren  Ausftihningen  werden  nun  auch  darlegen,  dass  in  den 
Chroniken  thatsächlich  die  Annalen  nochmals  unmittelbar  ver- 
wendet   wurden.     Wer    dies    nicht   zugeben    will,    milsstc  vor 
Allem  erklären,  wie  Keza  mit  einer  ganz  merkwürdigen  Con- 
sequenz  und  einem  ebensolchen  Spürsinne   aus   seiner  Vorlage 
in   vielen    FiUlen   gerade    diejenigen   Nachrichten,    welche   ans 
den  Annalen  herstammen,  weggelassen  hätte.  *    Man  vergleiche 
z.  B.  zunächst  folgenden  Fall: 


'  Dan  bei  Kesn  Dich  oft  die  Nachrichten  der  CbronikeD,  welche  nickt 
aii8  den  Annalm  AltAbenses  herrUhren,  .treu,  fast  wiirtlich'  wioderüodn, 
während  die  a\ia  ihnen  stammenden  zum  g;rocsen  Theile  nicht  rorhandsn 
sind,  bat  bereits  Marcsali  8,  45  bemerkt.  Seiner  Hypothese  la  Li«ix 
hat  er  aber  daraus  nicht  die  nothweudigen  Conceqnenaeo  gasogea. 


215 


Lnnalea  Altaben«es. 
A.  1044.  Interea 
»pulns  terrae  nunc 
regatira,  nunc  singil- 
ttim  venit  et  cesari 
sc.  Heinrico)  victori 
e  dcdidit,    qui    phi- 

ido  suscepit  eos 
"nltu  .  .  .  Inde  simul 
►•ergunt,  Wizenburg 
"eniunt  magno  comi- 
Bto,  regio  excepti  a  p- 
•aratu,  ibique  caesar 
*etrum  regiis  iuscibus 
eetiyit  et  manu  sua 
,acen8  in  sede  sua 
estituit,  et  in  templo 
)eiparae  virginis,  ubi 
rat  congregatio  prin- 
iptun,  et  regia  ad 
opulum  et  populi 
d  regem  facta  est 
econ  ciliatio.  Iliis 
tiam  petentibus  con- 
essit  rex  scita  Teu- 
)nica,  et  relinqticns 
lis    suorum    praesi- 

ia,  ipse  domum  re- 
ut et  Kudus])onam 
enit .  .  .  A.  1U4Ü.  Vv- 
iens  autem  Uunga- 
iam,  regio  more  su- 
ceptos  decenter  est  et 
onorifice  retentus.  In 
psa  sancta  solem- 
itatc  Petrus  rex  re- 
numUngiiriaecum 
iDceadeauratatra- 
idit  caesar i  doniiuo 


coram  oiuui  po- 


Cbr.  Budeiue,  8.  87. 
Interea  Hungari  con- 
gregati  in  uaum  sup- 
plices  vencrunt  ad  cesa- 
rem,  veniam  et  miseri- 
cordium  implorautes;  quos 
cesar  placido  vultu  et 
benigne  suscipiens, 
quod  rogabant,  concessit. 
ludeque  cum  omni  multi- 
tudine  sua  Albam  venit, 
queTeutonice  Weyzcn- 
burg  dicitur  .  .  .  Ibi  ergo 
cesar  imperial!  honore  et 
latissime  prcparatu  ab 
Hungaris  est  lionoratus. 
Petrum  regem  regali  co- 
rone  plenarie  restitutum 
et  sacris  iiisignibus  . . .  de- 
coratum  in  regali  throno 
manu  sua  deducens  in 
basilica  Genitricis  Dei 
semper  virginis  Marie  re- 
galiter  sederc  t'ecit  et  ibi- 
dem regem  Hungaris 
et  Hungaros  regi  re- 
concilittvit,  concessit- 
que  petentibus  Hungaris 
Hiingarica  scita  servare 
et  coDSuetudinibus  iudi- 
cari.  Hiis  itaque  taliter 
ordinatis  cesar  Petro  rege 
cum  presidio  suorum 
in  Hungaria  relicto  .  .  . 
Ratisponam  rediit.  Se- 
quenti  quoquc  anno  re- 
versus  est  cesar  in  iluu- 
gariam,  cui  Petrus  rex 
in  ipsa  sancta  solem- 
nitate     reguum     Hun- 


Keu,  8.  82, 
§.  27.  Cesar  vero  ob- 
tenta  victoria  dcscen- 
dit  Albam  civitatem, 
ubi  Petro  restituit  re- 
gnum  et  sie  tandem 
reversus  et  llatispti- 
nam. 


216 

pnio  suo  et  nostro. 
Post  peractum  vero  re- 
gio luxu  convivium  ob- 
tulit  Uli  etiam  auri  pon- 
dus  maximum  .  .  . 


garie  cum  deaurata 
lancea  tradidit  coram 
Hungaris  simul  et  co- 
ram Teutonicis,  multis 
etiam  insuper  et  magni- 
ficis  muneribus  cesar  ho- 
norificatus  a  rege  .  .  . 


Vergleicht  man  diese  Stellen  mit  einander,  so  wird  man 
es  ganz  unglaublich  finden,  dass  Keza's  Bericht  ein  Auszog 
aus  jenem  der  Chronik  sei,  insbesondere  wenn  man  den  später 
(siehe  S.  226  ff.)  noch  näher  zu  erörternden  Umstand  in  Betracht 
zieht,  dass  Keza  durchaus  nicht  so  eilfertig  seine  Quelle  ex- 
cerpirte,  wie  dies  ihm  manche  Forscher  vorwerfen.  Ist  es 
nicht  wahrscheinlicher,  dass  Keza  in  seiner  Vorlage  einen  aus- 
führlichen Bericht  überhaupt  nicht  vorfand  und  sich  daher  mit 
der  ungenauen  Notiz  begnügen  musste,  während  dem  Ver- 
fasser der  Gnmdchronik  neben  dieser  Vorlage  (der  Gesta  ve- 
tera)  auch  die  Annales  Altahenses  zur  Hand  waren  und  er  aas 
diesen  seine  Darstellung  ergänzte?  Und  wie  mit  dieser  Stelle, 
so  verhält  es  sich  offenbar  auch  mit  den  zahlreichen  anderen; 
man  vergleiche  hiezu  die  Darstellung  der  Annalen  a.  1041 — 1045 
mit  dem  Chronicon  Budense,  S.  78  ff.  und  mit  Keza,  S.  80ff. 
Wir  wollen  nur  noch  die  eine  oder  andere  Stelle  herausheben, 
die  unsere  Anschauung  noch  bestimmter  klarlegen  wird: 


Annales  Altahenses. 

A.  1042  ...  Et  ex 
utraque  Danubii 
parte  porrexit  (Aba) 
terram  Baioariorum 
spoUare  . . .  Incipicntes 
igitur  a  flumine  Trei- 
sama  . . .  Dehinc  circa 
Tullinam  civitatem 
pernoctantes  .  .  .  re- 
dierunt  ovantes. 


Chr.  Budense,  S.  80. 
.  .  .  congrcgatoque 
exercitu  magno  invasit 
Austriam  et  Bavariam 
et  ex  utraque  parte 
Danubii  .  .  .  a  flumine, 
quod  vocant  Treysama 
.  .  .  usque  civitatem  Tul- 
linam, in  qua  pernoc- 
tavit  .  .  .  reversi  sunt 
gaudentes. 


Keza,  S.  80. 
.  .   .    iratus    tnw 
Austriam  et  usqne 
in  fluvium  Trense  s 
liavit   et  post  hec 
reversus. 


Dass  die  Stelle   bei  Keza  mit  ihrer  abweichenden   Dar- 
stellung (usque  in  fluvium  Trense)   aus  der  auf  den  Annalen 


217 


I 


I 


bcrulieudcu  Darstellung  der  Chronik  (a  fluraine)  floss,  ist  an 
und  für  sich  unglaublich.  Ferner  ist  zu  beachten,  dass  bei 
Keza  .Trense'  steht,  in  den  Chroniken,  die  auch  sonst  den 
Annalen  sehr  nahe  stehen,  wie  in  diesen  jTreysainn'.  Vor 
Allem  beachte  man  aber  noch  Folgendes:  Woher  kam  der 
Chronist  (Chronicon  Budense)  zu  seinem  ganz  unsinnigen 
jAustriam  et  Bavuriam'?  Baiern  hatte  doch  der  bis  nach 
TuUn  ausgedehnte  Streifzug  nicht  bertlhrt.  Wenn  in  den  An- 
nales Altahenses  Baiern  allein  genannt  wnrd,  so  ist  dies  ver- 
ständlich, weil  in  jener  Zeit  Oesterreich  ein  Theil  Baiems 
war.  Ebenso  ist  das  ,Austrin'  allein  bei  Keza  richtig.  Der 
Fehler  in  den  Chroniken  kann  nur  aus  einer  Verschmelzung 
der  Gesta  vetera  mit  den  Annales  Altahenses  entstanden  sein. 
Aus  ersteren  stammt  das  der  Chronik  mit  Keza  gemeinsame 
,invasit  Austriam'.  —  Oder  man  vergleiche  z.  B.  auch  folgen- 
den Fall : 


I 


Aiinalea  Altnlieii.seü, 
S.  31f.  QDd  32f. 


i.l042.Incolac(Un- 
riac)  auteni  missa  le- 
tione  promisere  se, 
jcquid  rex  praeci- 
ret,  velle  perficere, 
si  tantum  Petrum 
gem  suum  reci- 
sre,  quod  tarnen 
X  summopere  vo- 
erat  .  .  .  Postquam 
enim  auxilium  suum 
I  promisit,  hoc  in  re- 
tuendo  rcgno  üli 
tendere  cupivit;  sed 
i  adeo  execrabantur, 

nuUum  se  illura  re- 
ptiiros  fatercntur.  No- 
im  ibidem  civitates 
X  deditione  cepit . . . 
Is  itaquc  Dei  adiu- 
rio  patratis  rex  et  sui 


Clir.  Budeiiüo,  S.  81. 

.  .  .  quod  Flungari  in 
Omnibus  starent  ad  man- 
datum  cius,  nisi  quia 
Petrum  in  regem  non 
susciperent,  quod  ta- 
rnen cesar  summopere 
perficere  affectabat, 
obligatus  enim  erat  Petro 
promissione,  quod  ei  re- 
gnum  restitueret.  Hun- 
gari  vero  nullateuus  con- 
sensertmt  et  missis  mu- 
neribuB,  data  quoque  tide, 
quod  captivos  Teutonico- 
runi  abire  permitterent, 
cesar     rediit     festinanter 


contra  insultus  Gotfridi 
ducis  Lotoringorum,  filii 
duciä  Gazzilonis  .  .  . 


Kezii,   8.  80  r. 

.  .  .  logati  .  .  .  pro- 
mittebant  cesari,  ut  in 
Omnibus  satisfacerent, 
nisi  quia  Petrum  in 
regem  non  suscipe- 
rent, quod  cesar 
summopere  perfi- 
cere affectabat,  ob- 
ligatus enim  erat  ei  iu- 
ramento,  ut  ipsum  in 
regnum  Hungarie  ite- 
rato  coUocaret.  Cum 
autem  Hungari  Petrum 
non  admittcrcnt,  missis 
muneribus,  dataque  fi- 
de,  quod  captivos  li- 
bere  permitterent  re- 
moare,  cesar  consUio 
inductus  ducis  Lote- 
ringie 


218 


redierunt    ad    propria  I 
.  .  .  A.  1043  . . .  iUo  (in  I 
Boderabrunnun)      ve-  i 
nere  legati  Ungrorum, 
pacem  cum  nostratibus 
reformare  cupientes,  et 
proinde  .  .  .  promittunt 
scilicet    captivorum, 
quos   haberent,   re- 
missionem,     eorum 
quos    reddcre    non 
possent,     coemptio- 
nem  .  .  .  Feldzug  des 

Kaisers,  Friedens- 
schluss  (hiebei  Frei- 
lassung der  deutschen 
Qefangenen  und  Ge- 
schenke), Rückzug . . . 
unusquisque  domum 
redit.  Mox  convocata 
non  minori  multitudinc 
profectus  est  rex  Ve- 
sontionum,  urbem 
Burgundiae  .  .  . 


Scquenti  anno  Aba  rex  i 
missis  legatis  ad  cesarcm,  | 
que  pacis  sunt,  querebat,  | 


promittens  captivorum 
dimissionem,  quos  ha- 
bebat, eorum  vero, 
quos  reddere  non  po- 
terat,  condignam  com- 
pensationem  .  .  .  Eben- 
so das  Weitere  mit  wört- 
lichen Anlehnungen  an 
die  Annalen.  Aba  gibt 
die  Gefangenen  frei  und 
schickt  Geschenke.  Cesar 
itaque  allectus  muneribus 
et  aliis  gravioribus  nego- 
tiis  prepeditus  rediit  Bi- 
zantium,  quod  est  oppi- 
dum  Burgundie. 


et  plus  allectos  mn: 
ribus  rediit  Bin 
tiam,  Burgundie 
vitatem. 


Wenn  wir  diese  Stellen  betrachten,  so  ergibt  es  sich  zu- 
nächst, dass  sowohl  die  Chronik,  als  Keza  zu  den  Annalen  in 
Beziehungen  stehen.  Nehmen  wir  nun  zur  Erklärung  dies^ 
Umstandes  an,  dass  Keza  aus  dem  uns  bekannten  Texte  der 
Chroniken  floss,  so  stehen  wir  vor  dem  ganz  unerklärlichen 
Umstände,  wie  Keza  mit  Uinweglassung  des  deutlichen  tmd 
ausführlichen  Berichtes  über  den  Feldzug  vom  Jahi-e  1043  die 
Ereignisse  der  Jahre  1042  und  1043  gowissermassen  zusammen- 
schmolz. Dazu  kommt  noch  Folgendes:  Die  Bemerkungen, 
mit  denen  die  Chronik  die  Darstellung  des  Jahres  1042  schliesst 
(et  missis  muneribus  .  .  .),  finden  sich  nicht  in  den  Annalen; 
sie  stehen  in  der  Chronik  ganz  offenbar  auch  an  der  unrich- 
tigen Stolle;  nachdem  die  Unterhandlungen  gescheitert  waren, 
hat  das  in  diesen  Bemerkungen  Enthaltene  keinen  Sinn,  und 
die  wohl  unterrichteten  Annalen  wissen  auch  nichts  davon.  Bei 


219 


Kfza  tiiulcn  sich  ganz  oftenbjir  dieselben  Beaicrkiingcn  rii-litiger 
mit  dem  RUckzupe  vom  Jahre  1043  verbunden,  der  thatsilfii- 
lich  unter  diesen  Bcclingunfjcn  stattfand,  wie  dies  auch  die 
Annalen  und  in  Anlehnung  an  diese  die  Chronik  erzählt.  Der 
Sachverhalt  kann  also  nur  dadurch  crklilrt  werden,  dass  die 
Chronik  den  ausführlichen  Bericht  aus  den  Ännalen  über  die 
Vorgänge  des  Jahres  1043  in  die  kürzere  Darstellung  ihrer 
(bei  Keza  erhaltenen)  Vorlage  einschob,  wodurch  die  Wieder- 
holung der  Angabe,  dass  die  Ungarn  die  Gefangenen  frei- 
gaben und  Geschenke  überreichton,  sich  erklUrt.  Uebrigcns 
ist  auch  aus  dieser  Betrachtung  hervorgegangen,  dass  Keza 
und  die  Chronik  eine  gemeinsame  Quelle  ausschreiben,  die  ihrer- 
seits bereits  die  Annalen  benützt  hatte.  Diese  sind  die  Gesta 
vetera.  —  Aus  unserer  Betrachtung  hat  sich  somit  ergeben: 
1.  dass  Marezali's  aus  der  Benützung  der  Annales 
Altahenses  geholte  Beweis,  Keza  hätte  aus  den  Chro- 
niken geschöpft,  missglückt  ist;  ferner  2.  dass  viel- 
mehr der  Darstellung  Keza's  und  den  Chroniken  eine 
gemeinsame  Vorlage  (nämlich  die  Gesta  vetera)  zu 
Grunde  Hegt,  die  schon  die  Annalen  benützt  hatte; 
endhch  3.  dass  diese  Vorlage  von  dem  Verfasser  der 
Nationalen  Grundchronik  aus  den  Annalen  ergänzt 
worden  sei.  Man  vergleiche  übrigens  auch  noch  die  Ausfüh- 
rungen unten,  S.  229  tf. 

In  sehr  pomphafter  Weise  leitet  Marczali  seinen  zweiten 
Beweisgrund  ein:  ,Noch  eine  Stelle  K(5zai's,'  sagt  er  S.  46, 
.wollen  wir  mit  den  Chroniken  vergleichend  einschalten,  die 
...  ein  directes  Zeugniss  dafiii-  abgibt,  dass  er  die  älteren  un- 
garischen Quellen  benutzte.  Unsere  einheimischen  Foracher 
haben  schon  lange  die  Wichtigkeit  dieser  iStello  erkannt,  und 
das  beweist  wieder,  wie  sehr  unmöglich  oder  doch  wenig  er- 
folgreich es  ist,  ungarische  Geschichte  ohne  Kenntniss  der  un- 
garischen Sprache  zu  studircn.'  Und  hierauf  thut  er  —  wie 
so  oft  —  einen  argen  Fehlschluss.  Er  verweist  nämlich  auf 
die  Stelle  bei  Keza,  8.  75,  in  welcher  derselbe  gegen  die  in 
den  Chroniken  vorhandene  Erzählung  polemisirt,  Leel  habe, 
bevor  er  hingerichtet  wurde,  den  Kaiser '  mit  seinem  Hörne 
erschlagen.  Dass  sich  daraus  nicht  der  Schluss  ziehen  lässt, 
dass  Keza  ans  den  reichen  nationalen  Chroniken  geschöpft 
habe,  liegt  nach  unseren  bisherigen  Ergebnissen  klar  zu  Tage; 


220 


vielmelir  Ingen  ihm  die  Gesta  Ungarorum  vetera  vor,  and  gegen 
deren  Darstellung  nimmt  er  Stellung.  Der  Nationalclironist  hat 
aus  denselben  Gesta  die  Sage  glilubig  aufgenommen. 

Den  dritten  und  letzten  Beweis  holt  Marczali  (S.  47) 
aus  der  mangelhaften  Chronologie  und  sonstigen  Fehlem  oder 
Lücken  bei  Keza.  Diese  beweisen,  ,dass  sein  Werk  nur  ein 
Excerpt  sei'.  Dass  dieser  Schluss  an  und  fUr  sich  unbe- 
rechtigt  ist,  liegt  auf  der  Hand.  Die  mangelhafte  Chronologie 
und  sonstige  Fehler  können  ebenso  gut  dem  Umstände  zu«o- 
schreiben  sein,  dass  die  Quelle  Keza's  un\'ollkommen  war.  Ein 
80  nachlässiges  Excerpiren,  wie  es  Marczali  und  Andere  von 
Keza  annehmen,  können  wir  aber  umsowenigcr  dem  Manne 
zutrauen,  der  offenbar  mit  der  grössten  Mühe  die  erste  xu- 
sammenhängende  Hunengeschichte  geschrieben  hat.  Ka  ist  ganx 
undenkbar,  dass  dieser  Mann  zahlreiche  in  den  Nationalchro- 
nikcn  vorhandene  genaue  Daten  derart  übersehen  habe,  dass 
in  Folge  dessen  die  ärgsten  Fehler  entstanden.  Hier  zunächst 
ein  Beispiel  aus  der  Geschichte  des  10.  Jahrhunderts.  Es  ist 
die  Stelle,  welche  der  Schilderung  des  Kampfes  am  Lechfelde 
vorangeht.  Nach  der  Schilderung  verschiedener  Raabzüge, 
welche  sich  auch  beim  Änonymns  und  Keza  mit  wörtlichen 
Anlehnungen  wiederfinden,  berichten  die  nationalen  C^ironikcn 
(Chronicon  Budense,  S,  56,  und  die  anderen  an  den  ent- 
sprechenden Stellen):  ,(Hungari)  ad  propria  redeuntes,  annis 
Bedecim  immobiliter  in  Hungaria  permansorunt.  Kcgnante  vero 
per  Almaniam  Conrado  Primo  deoimo  septimo  anno  Hun- 
gari  egressi,  tjuibusdam  partibus  Toutonie  dcvastatis'  u.  b.  w. 
Wie  htttto  nun  Keza,  wenn  in  seiner  Vorlage  diese  klaren  und 
bestimmten  Zeitangaben  gestanden  wären,  daraus  Folgendes 
schöpfen  können  (S.  74):  ,.  .  .  ad  projiria  revertuntur.  Trans- 
actis  igitur  paacis  diebus  Lei  et  Bolchu  per  communitatcm 
Hungarorum  in  Toutoniara  destinantur  .  .  .'  Dazu  kommt  nun 
aber,  dass  beim  Anonymus,  der  diese  Stelle  auch  enthält,  sich 
wieder  eine  andere  Angabe  findet.  Es  heisst  nämlich  S.  47: 
,.  .  .  reversi  sunt.  Postea  vero  anno  V  regnante  Counrado 
imperatore  Lelu,  Biüsu,  Botond  incliti  quondam  et  gloriosissimi 
milites  .  .  .  missi  a  domino  suo  partes  Alemannie  irrupucnint.' 
Ist  es  da  nicht  ganz  ofifenbar,  dass  in  der  Quelle  keine  Zeit- 
angabc stand  und  jede  der  späteren  Redactionen  ihrer  An- 
sicht  und  ihrem  Wissen  gemäss  dieselbe  zu  ergänzen  suchte? 


221 


Uebrigens  sind  die  eben  angeführten  Stellen  auch  recht  inter- 
essant, da  aus  ihnen  auch  klar  hervorgeht,  dass  nicht  Kcza 
aus  den  Chroniken  floss,  sondern  diesen,  ihm  und  dem  Ano- 
nymus eine  gemeinsame  Quelle  zu  Grunde  hegt.  Dieser  ent- 
I  nahm  der  Letztere  sowohl  die  Erwähnung  Conrads  als  die 
Mittheilung,  dass  Lei  und  Bulsu  Führer  waren;  Keza  entnahm 

(ihr  nur  letztere  Notiz;  die  Nationalehronik  (in  diesem  Satze) 
nur  die  eratere.  Eine  andere  Erklärung  ist  völlig  ausge- 
schlossen. Ein  ähnlicher  P^ajl  ist  bereits  oben,  S.  218,  besprochen 
worden.  Auch  dort  sind  wir  zum  Schlüsse  gelangt,  dass  die 
chronologisch  wohl  untei-schicdene  Darstellung  der  Ereignisse 
■  der  Jahre  1042  und  1043,  welche  sich  in  der  Chronik  findet, 
erst  auf  eine  Verbesserung  der  Vorlage  zurllckzufiihren  ist,  so- 
mit nii'ht  Keza  die  Scliuld  trifft,  diese  Vorlage  gekürzt  und 
I  verderbt  zu  haben.  Und  wie  in  diesen  Fällen,  so  ist  es  in 
anderen.  Wir  werden  nochinal-s  darauf  zurückzukommen 
haben.  Das  Angeführte  wird  wohl  genügen,  Marczali's  An- 
sicht als  unrichtig  widerlegt  zu  haben. 

IWir  haben  somit  gesehen,  dass  sowohl  die  Ansicht,  dass 
Keza  die  Quelle  der  Nationalehronik  sei,  als  auch  die  ent- 
gegengesetzte, Keza  sei  ein  Auszug  aus  der  Chronik,  verfehlt 
sind.  Wir  sind  vielmehr  neuerdings  zur  Ueberzeugung 
geführt  worden,  dass  sowohl  die  eine  als  die  andere 
Darstellung,    wie    auch    insbesondere   noch  der  Anony- 

Imus  auf  einer  gemeinsamen  Vorlage,  den  Gesta  Ilun- 
garorum  vetera,  beruhen.  Zugleich  sind  wir  zur  Er- 
kenntniss  gekommen,  dass  schon  diese  ursprüngliche 
Darstellung  im  beschränkteren  Masse  die  Annalea 
Altahcnscs  benutzt  hatte;  daraus  erklären  sich  die 
,  ihren  Ableitungen  (Anonymus,  Keza,  Nationalehronik) 
f  gemeinsamen  Berichte  aus  diesen  Annalen.  Der  Ver- 
fasser der  Nationalen  Grundchronik  hat  aber  selb- 
ständig nochmals  seine  Arbeit  ans  den  Annalen  er- 
gänzt und  hiebei  vielfach  die  ältere  Daratclliing  er- 
Iweitert  und  verbessert.  Daraus  ergibt  sich  auch,  dass 
die  Nationalehronik  eine  Fortentwicklung  der  Gesta 
vetera,  nicht  aber  Keza's  magerere  Darstellung  eine 
RUckentwicklnng,  ein  Auszug  aus  derselben  sei. 
1  Nuninelir  können  wir  zur  Bestimmung  der  ursprünglichen 

I    Gestalt   der    Gesta    vetera    übei^ehen,   auf  welche   Frage   sich 


222 

auch   schon    die   letzten   SchlUsse   aus    unserer    vorangehenden 
Betrachtung  bezieben. 


3.  Die  ursprängliche  Gestalt  der  Ocsta  Hongaromm  ▼etera. 

üeber  den  allgemeinen  Aufbau  und  die  Grenzen  der 
Darstellung  dieser  ältesten  Ungarnchronik  ist  bereits  in  der 
Studie  VII  ausführlich  gehandelt  worden.  Durch  Vergleich  der 
veracliiedenen  Quellen,  welche  die  Gesta  vetera  benutzt  haben 
—  Albericli,  Richard,  Anonymus,  Keza,  Nationalchronik  —  sind 
wir  libcr  den  Umfang  der  alten  Ungarnchronik  zu  den  Scbl&sseo 
gekommen,  wek-he  oben,  S.  206,  in  wenigen  Worten  zusammcn- 
gefasst  worden  sind.  Es  sei  nun  gestattet,  im  vorliegenden  Ab- 
schnitte, welcher  die  ursprüngliche  Gestalt  der  QestA  Hunga- 
rorum  vetera  feststellen  soll,  zunächst  etwas  ausführlicher  den 
allgemeinen  Aufbau  der  Gesta  zu  besprechen;  dann  woUen 
wir  insbesondere  auf  ihren  Inhalt  und  die  Fülle  ihrer 
Nachrichten  übergehen.  In  diesem  zweiten  Theile  unserer 
Untersuchung  werden  wir  zunächst  überhaupt  die  Frage  zu 
beantworten  haben,  ob  die  Gesta  vetera  etwa  schon  so  reich 
an  Nachrichten  waren  wie  der  entsprechende  Theil  der  Na- 
tionalclirunik,  oder  ob  sie  darin  mehr  Keza  glichen.  Nachdem 
sich  die  Untersuchung  entsprechend  unseren  schon  oben  ge- 
machten Andeutungen  für  die  dürftigere  Gestalt  der  Oesta  ent- 
schieden haben  wird,  wird  insbesondere  nachzuweisen  sein, 
welche  besondere  grössere  Stoffgruppen  den  Gesta  fehlten. 
Hierauf  werden  wir  in  einem  weiteren  Unterabschnitte,  indem 
wir  alle  unsere  bisherigen  Ergebnisse  zusammenfassen  werden, 
im  Einzelnen  Schritt  für  Schritt  festzustellen  suchen,  was  in 
den  uns  erhaltenen  Chroniken  aus  den  Gesta  herrühren  könne, 
und  was  spätere  Interpolation  oder  Umarbeitung  sei.  An  eine 
eigentliche  Herstellung  des  Textes  der  Gesta  Hungarorum  ve- 
tera kann  so  lange  nicht  gedacht  worden,  als  nicht  von  allen 
Chronikredactionen  —  insbesondere  auch  noch  dem  wichtigen 
ungedruckten  Chronicon  Acephalum  und  der  Handschrift  des 
Sambucus  —  kritische  Ausgaben  hergestellt  sein  werden. 

a)  Der  allgemeine  Aufbau  der  Getto  Hungarorum  vetera. 

Aus  dem  Vergleiche  der  verschiedenen  Quellen,  welche 
die  Gesta  vetera  bcnUtüt  haben,   also   der  Schriften  Albenclu. 


223 


Richards,  jVnonymus',  Kcza's  und  der  Nationalchronik,  ge- 
langen wir  über  den  Aufbau  dieser  Qesta  und  iliren  allge- 
meinen Umfang  zu  folgenden  Schlüssen: 

Die  Gesta  enthielten  nichts  von  einer  Ilunen- 
goBchichte,  welche  jetzt  bei  Keza  und  den  verschiedenen 
Rcdactionen  der  Nationaichronik  der  Ungarngeschichte  voran- 
geht. Deshalb  hat  auch  Alberichs  Chronik  nichts  Gemeinsames 
mit  dieser  ungarischen  Darstellung  der  Hunengeschichte  (.Studie 
VII,  S.  442).  In  Richards  Auszug  unserer  , Gesta  Ungarorura 
Christianorum'  werden  die  Ilunen  auch  nicht  mit  einem  Worte 
ei-wähnt;  es  kommt  gar  nicht  ihr  Name  vor  (Studie  VII,  S.  478). 
Noch  bezeichnender  ist  es,  dass  auch  der  Anonymus  noch  gar 
nicht  die  Hünen  nennt;  er  weiss  daher  auch  nichts  vom  Stamm- 
vater Huuor,  den  Keza  und  nach  ihm  die  Chroniken  als  Bruder 
Magor's  anflihren;  bei  ihm  erscheint  nur  letzterer  als  Magog, 
nach  dem  die  Magyaren  genannt  sind  (Studie  VII,  S.  460). 
Dagegen  weiss  allenfalls  der  Anonymus  schon  etwas  von  Attila 
zu  erzälden;  er  ist  ihm  aber  noch  ein  Nachkomme  Magog' s, 
also  ein  magyarischer  König  (S.  3.  A  cuius  [sc.  Magog]  etiam 
progenie  regis  dcscendit  .  .  .  rex  Athila),  und  die  wenigen  Zeilen, 
welclic  er  über  ihn  niederschrieb,  künncn  natürlich  nicht  als 
Auszug  einer  Uunongcschichte,  wie  sie  bei  Keza  und  in  den 
Nationalen  Chroniken  steht,  aufgefasst  werden.  Aus  all'  dem 
geht  zur  Genüge  hervor,  dass  der  gemeinsamen  Quelle  Albe- 
richs, Richards  und  des  Anonymus,  also  den  Gesta,  eine  Hunen- 
geschichte abging.  Sie  enthielt  wohl  nur  etwas  über  Attila 
als  Ungarnkönig.  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  hervorgehoben, 
dass  von  den  Ilunen  auch  in  der  um  1200  entstanilenen  so- 
genannten ungarisch -polnischen  Chronik  (Studie  III  und  VI) 
keine  Erwähnung  geschieht;  auch  hier  wird,  so  wie  noch  beim 
Anonj'mus,  Attila,  der  in  dieser  Chronik  tjcreits  ebenfalls  er- 
scheint, als  rex  Hungarorum  bezeichnet  (Mon.  Pol,  I,  S.  495, 
497).  Die  mündliche  Ueberlieferung  der  Ungarn  wusste  offenbar 
ursprünglich  gar  nichts  von  den  Hünen;  erst  spilter  erfuhr  man 
aus  abendländischen  Quellen  und  der  deutschen  Heldensage  zu- 
nächst etwas  von  Attila  =  Etzel  (vgl.  Anonymus,  S.  3  und  42: 
Ecilburgum;  Keza,  S.  64:  Echulburc)  und  machte  ihn  zum 
ersten  Ungamkönig.  So  noch  die  Gesta  und  der  Anonymus 
(siehe  auch  unten,  S.  243f.).  Sein  Zeitgenosse  Keza  hat  aber 
schon    auf  gelehrter    Forschung    Näheres    über   die  Geschichte 


224 


der  Hünen  selbst  festgestellt  und  seine  ausführliche  Geschichte 
dieses  Volkes  der  Ungarngeschichte  vorangestellt. 

Die  Gesta  begannen  mit  einer  Beschreibung  Sky- 
thiens  als  der  Urheimat  der  Ungarn.  Auf  diese  Be- 
schreibung weist  Richard  hin,  wenn  er  seinen  Bericht  mit  den 
Worten  beginnt:  Juventum  fuit  in  gestis  Ungarorum  christi»- 
norum,  quod  esset  alia  Hungaria  maior,  de  qua  septem  duces 
cum  populis  suis  egressi  fuerunt,  ut  habitandi  querent  sibi  locom, 
eo  quod  terra  ipsorum  multitudincm  inhabitancium  sustinere 
non  posset.'  Mit  dieser  Beschreibung  beginnt  auch  der  Ano- 
nymus seine  Dai-stellung,  wobei  auch  er  hervorhebt  (S.  4,  6), 
dass  die  Urheimat  ,quamvis  admodum  sit  spatiosa  tarnen  multi- 
tudincm populorum  inibi  generatorum  nee  alerc  sufficiebat  nee 
capere.  Quapropter  septem  principales  personae  .  .  .  constitue- 
runt,  ut  ad  occupandas  sibi  terras,  quas  incolere  possent,  « 
nsitali  discederent  solo'.  Wie  mit  der  Beschreibung  Skythicns 
beim  Anonymus  jene  bei  Keza  und  den  Chroniken  überein- 
stimmt, ergibt  sich  aus  den  Paraüelstclien  unten,  S.  336  ff.  Frei- 
lich erscheint  Jetzt  bei  Keza  und  den  ihm  folgenden  Chroniken 
die  Beschreibung  Skythiens  durch  die  ausfiihrliche  Darsteliang 
der  Ilunengeschichte  von  der  Ungarngeschichte  getrennt,  wie 
ja  auch  schon  der  Anonymus  in  die  Beschreibung  Skytliiens 
seine  wenigen  Nachrichten  über  Attil»  eingeschoben  hat.  Aber 
aus  dem  Vergleiche  aller  eben  citirten  Quellen  ergibt  sich, 
dass  die  Beschreibung  Skythiens  nicht  zur  Huncngeschichtc 
gehljrt,  sondern  schon  an  der  Spitze  der  alten  Gesta  Hungft- 
rorum  stand,  wie  dies  der  Auszug  Richards  andeutet,  vor  Alle 
aber  die  Darstellung  des  Anonymus  ergibt 

An  die  Beschreibung  Skythiens  schlössen  s'it 
die  Erörterungen  über  den  Ursprung  der  Ungarn  und 
ihrer  Führer,  insbesondere  Almus'.  Sodann  folgt  die 
Schilderung  des  Auszuges  aus  der  Urheimat  und  des 
Zuges  nach  dem  heutigen  Ungarn.  Dies  ergibt  sich  lur 
Genlige  aus  den  in  Studie  VII,  S.  464 ff.,  beigebrachten  Parallel- 
steilen  aus  dem  Anonymus,  Keza  und  der  Nationnichronik.  Am 
besten  hat  den  ursprünglichen  Aufbau  seiner  Vorlage  hier  Ano- 
nymus bewahrt,  Richard  hat  zwar,  dem  Zwecke  seiner  Arbeit 
entsprechend,  die  Erörterungen  Über  die  Abstammung  der 
Ungarn  und  ihrer  Führer  nicht  berührt,  wohl  aber  —  wie  wir 
schon   oben   sahen  —  den  Auszug   ans  der  Urheimat  überciu 


225 


I 


stimmend  angegeben,  und  über  die  Wanderung  nach  der  neuen 
Heimat  lautet  sein  Auszug  ebenso  übereinstimmend:  ,Qui  cum 
multa  regna  pertransissent  et  destruxissent,  tandem  venerunt 
in  terram,  quc  nunc  Ungaria  dicitur,  tunc  vero  dicebatur  pa- 
Bcua  Romanorum.*  Die  letztere  Nachricht  findet  sich  an  der 
entsprechenden  Stelle  auch  beim  Anonymus  (S.  10):  ,Quia  post 
mortem  Athile  regis  terram  Pannonie  Romani  dicebant  pascua 
esse  ...  Et  iure  terra  Pannonie  pascua  Rümnuorum  esse 
dicebatur  .  .  .'  Bei  Keza  und  in  den  Chroniken  findet  man 
diese  natürhch  aus  den  Gesta  vctera  herrührende  Nach- 
richt nicht. 

Den  weiteren  Inhalt  der  Gesta  bildete  die  Er- 
oberung Pannoniens  und  die  weitere  Geschichte  der 
Ungarn  bis  gegen  das  Ende  des  11.  Jahrhunderts 
(Coloman).  Dies  ergibt  sich  aus  den  ausführlichen  Unter- 
suchungen in  Studie  VII  mit  vfilliger  Gewissheit.  Wir  haben 
den  dort  enthaltenen  Ausführungen  nichts  hinzuzufügen. 

Nachdem  wir  nun  den  Aufbau  und  Umfang  der  Gesta 
veters  im  Allgemeinen  kennen  gelernt  haben,  wollen  wir 
uns  der  spcci eilen  Betrachtung  ihres  Inhaltes  zuwenden. 


b)    Orientierende   Bemerkungen   über   die   Reichhaltigkeit 
und  Beschaffenkeit  des  Inhaltes  der  Gesta  vetera. 


I    uns 

■  Wir  wollen  zunächst  die  Frage  ganz  allgemein   erörtern: 

waren   die  Gesta   etwa   so   reichhaltig   wie  der   ihnen  entspre- 
chende Theil   der   Nationalchronik,    oder   waren   sie   etwa   nur 
spilrUch  wie  KezaV 
I  Wie  Marczaii   der   von  uns  bereits  widerlegten  Ansicht 

'     huldigt   (vgl.  oben,  S.  213  ff.),    dass    Keza   die  Nationalclironik 
kürzte,   so   hat  Heinemann  (Neues  Archiv  XIH,  S.  66)  sicli 

Idahin  ausgesprochen,  dass  Keza  seine  Vorlage,  also  unsere 
Gesta,  , ungemein  flüchtig  excerpirte'.  Für  diese  Be- 
hauptung hat  er  ,ein  bemerkenswerthes  Beispiel'  angeführt, 
das  aber  unserer  Ansicht  nach  durchaus  nicht  so  ausschlag- 
gebend ist,  wie  er  annimmt.  Er  macht  niimlich  auf  folj^ende 
»Stelle  bei  Keza,  §.  26,  aufmerksam:  ,llungari  .  .  .  duxerant 
Cesaris  exercitum  sursum  juxta  fluvium  Rebclie  et  utraque 
flumina  tota  nocte  equitando,  orto  sole  facili  vado  transierunt.' 
I     Dass  hier  offenbar  ein  Flussname  ausgefallen  ist  und  die  Stelle 

I  Archi>.  LXVXVUI.  M.  I.  Hilft«.  15 


226 


richtiger  wie  im  Chronicon  Budcnse,  S.  84,  ,iuxta  fluvios  Raba 
et  Rabcha'  gelautet  hat,  ist  sicher;  aber  erinnert  man  sieb 
daran,  wie  schlecht  uns  Keza  überliefert  ist,  so  verliert  dieser 
Fall  alle  beweisende  Bedeutung.  Uebrigens  besagen  einzelne 
derartige  IrrthUmer  Überhaupt  wenig;  dergleichen  kann  auch 
dem  aufmerksamsten  und  sorgfältigsten  Schreiber  vorkommen.' 
Auch  kommt  es  durchaus  nicht  auf  den  Nachweis  einzelner 
Verstösse  an:  auf  diese  kann  sich  nicht  unsere  Untersuchung 
stützen,  deren  Zweck  die  Erörterung  der  Frage  ist,  ob  die 
alten  Gesta  näher  der  reichen  Chronik  oder  dem  weit  dQrfligeren 
Keza  standen,  ob  sie  überhaupt  in  ihrer  Beschaffenheit  jeneu 
schon  gleichkamen  oder  vielmehr  der  Darstellung  Keza's  und 
des  Anonymus  entsprachen.  In  dieser  Beziehung  soll  nun  im 
Folgenden  wohl  mit  genügender  Sicherheit  nachgewiesen  wer- 
den, dass  Keza  die  alten  Gesta  in  ihrem  ganzen  Um- 
fange uns  in  ursprünglicherer  Gestalt  überliefert  bat 
als  die  Chroniken.  Diese  haben  dagegen  ihre  Vor- 
lage bereits  bedeutend  erweitert  und  umgearbeitet 
Auch  der  Anonymus  hat  überaus  viele  Interpolationen 
vorgenommen;  insofern  aber  seine  Darstellung  auf 
den  Gesta  vetera  beruht,  hat  er  deren  unvollkommene 
Ursprünglichkeit  ebenfalls  genauer  gewahrt  als  die 
Chroniken. 

Die    Gründe,   welche   fllr  diese   Behauptungen    Sprech 
sind  vielfacher  Art. 

Zunächst  möge  darauf  hingewiesen  worden,  dass  w»r 
keinen  Grund  zur  Annahme  haben,  Keza  hätte  sich 
mit  einem  eilfertigen  Excerpte  begnügt.  Dieser  Vor 
aussetzung  widerspricht  erstens  der  Umstand,  dass  er  offenbar 
die  Geschichte  seines  Volkes  mit  Interesse  verfolgte  und  mög- 
lichst vollständig  verzeichnet  wissen  wollte,  wofür  die  trotz  ihrer 
Unvollkommenheit  mühevolle  Zusammenstellung  der  Hnnen- 
geschichte  ein  gewichtiger  Zeuge  ist.  Femer  aber  darf  man  nicht 
Übersehen,  dass  Keza  in  seiner  Einleitung  sich  an  den  König 
wendet,  dass  er  in  seinem  Auftrage  arbeitet.  Da  ist  es  doch 
nicht  wahrscheinlich,  dass  er  es  gewagt  hätte,  aus  einem  längst 

*  Ebenso  ist  der  Hinweis  Heinemnnn's  S.  7U  uiiüticIihKUig.  Die  OesU 
vetera  haben  ganz  gewiss  auch  Aber  den  HeideiiautstaDil  vom  Jafart 
1040  und  nber  Gerhard  nicht  so  viel  enthalten,  als  Heinomann  Ter 
inuthet.     Mnii  vergleiche  weiter  nntcn  die  Ansfnhmnpen  im  Text«. 


bekannten  und  verbreiteten  Geschichtswerke  einen  gar  so 
schlechten  Auszug  zu  bieten,  als  seine  Ungarngeschichte  den 
Chroniken  gegenüber  erscheint.  Wir  folgern  daraus,  dass 
Keza's  Vorlage,  die  Gesta  vetera,  magerer  als  die  Na- 
tionalchroniken waren.  Zu  demselben  Schlüsse  ge- 
langt man,  wenn  man  die  Darstellung  des  Anonymus 
mit  jener  der  Nationalen  Chroniken  vergleicht.  Wie- 
wohl der  Anonymus  recht  willkürlich  mit  seiner  Vorlage  zu 
Werke  ging,  so  wird  man  doch  zugestehen  mtissen,  dass  seine 
Darstellung  eine  geordnetere  und  der  historische  Gehalt  der- 
selben ein  grösserer  gewesen  wäre,  wenn  ihm  die  reiche  Na- 
tionalchronik vorgelegen  wäre. 

An  zweiter  Stelle  machen  wir  den  UmsUvnd  geltend,  dass 
man  vielfach  nachweisen  kann,  dass  die  bei  Keza  vorhan- 
denen Lücken  und  Ungenauigkeiten  in  der  Chrono- 
logie nur  daraus  zu  erklären  sind,  dass  er  eine  spär- 
lichere Quelle  benützte,  als  es  die  Nationalen  Chro- 
niken sind.  Dies  gilt  auch  betreffs  der  Vorlage  des 
Anonymus.  Ganz  besonders  sind  jene  Fälle  interessant,  in 
denen  man  alle  drei  Quellengruppen  vergleichen  kann.  Ein 
solcher  Fall  ist  bereits  oben,  S.  220,  angeführt  worden.  Hier 
folgt  eine  ausführlichere  Vergleichung  der  chronologischen  An- 
gaben der  einzelnen  Quellen.  Im  Chronicon  Budense,  S.  64 ff., 
wird  mitgetheilt,  dass  nach  der  Eroberung  Pannoniens  die 
Ungarn  sechs  Jahre  ruliten,  hierauf  fielen  sie  im  siebenten 
Jahre  in  Mähren  und  Böhmen  ein;  dann  folgte  ein  Jahr  der 
Ruhe;  .sodann  fand  der  Einfall  nach  Kärnten,  Krain  und  Steier- 
mark statt;  wieder  folgen  drei  Jahre  des  Friedens,  denen  die 
Kämpfe  in  Bulgarien  und  Italien  sich  anreihen ;  hierauf  werden 
wieder  zehn  friedliche  Jahre  gezählt;  im  elften  folgen  Raubzüge 
in  Deutschland;  dann  verharren  die  Ungaru  16  Jahre  in 
der  Heimat,  worauf  sie  im  17.  ausziehen  und  es  zur  Lech- 
feldschlacht  kommt  u.  s.  w.  Vergleicht  man  diese  Darstellung 
mit  jener  bei  Keza  (S.  73 f.)  und  beim  Anonymus  (S.  43  und 
46  ff.),  so  finden  wir  von  allen  diesen  genauen  Bestimmungen 
weder  bei  dem  Einen  noch  bei  dem  Anderen  etwas.  Bei  Keza 
heisst  es:  ,tandem  —  post  hoc  —  abinde  —  tunc  —  tempore  item 
aÜo(!)  —  post  liec'  —  und  schliesslich  steht  statt  jener  16  Jahre 

■  des    Friedens    vor    dem    Entscheidungskampfe    bei    Augsburg: 

■  .transactis  igitur  paucis  diebus'.     Dementsprechend  findet  man 


I 


228 


auch  beim  Anonymus  keine  einzige  Zeitbestimmung,  die  jenen 
in  den  Chroniken  entsprechen  würde;  vielmehr  hält  der  Ver 
fasser  noch  weniger  als  Keza  die  einzelnen  Begebenheiten  aus- 
einander, was  sich  nur  daraus  erklärt,  dass  die  genauen  Zeit- 
angaben in  der  Vorlage  fehlten.  Für  die  grosse  Niederiagc 
versuclit  zwar  auch  er  einen  bestimmten  Zeitpunkt  anzusctzeD 
(postea  vero  anno  V  regnante  Counrado);  aber  gerade  die  ab- 
weichenden Angaben  zwischen  den  drei  Geschichtswerken  zci|:t 
—  wie  bereits  frtlher,  S.  220,  hervorgehoben  worden  ist  —  dass 
auch  an  dieser  Stelle  ihre  Vorlage,  die  alten  Qesta,  keine  be- 
stimmte Angabe  boten.  Und  wie  für  das  zehnte,  so  kOnnen 
wir  den  Mangel  derartiger  genauerer  chronologischer  Angaben  in 
den  Gesta  vetera  auch  für  das  elfte  nachweisen.  Man  vergleiclie 
darüber  die  S.  218  mitgetheilten  Stellen,  aus  denen  wohl  sur 
Genüge  hervorgeht,  dass  Keza  in  seiner  Vorlage  nicht  die  ge- 
naue Auaeiimnderhaitung  der  in  die  einzelnen  Jahre  fallenden 
Ereignisse  vorfand.  Dass  die  grössere  Genauigkeit  in  der 
Nationalchronik  erst  eine  Folge  der  erneuerten  Verwendung 
der  Annales  Altahenses  ist,  wurde  bereits  oben,  S.  214flf.,  aus- 
geführt. 

Im  Anschlüsse  an  die  vorhergehenden  Bemerkungen 
können  wir  als  dritten  Beweis  für  die  kürzere  und  weniger 
vollendete  Gestalt  der  Gesta  Hungarorum  den  Umstand  an- 
führen, dass  gewisse  Stellen  bei  Keza  sich  durchaus 
nicht  als  Auszüge  aus  dem  vorliegenden  Texte  der 
Nationalchroniken  erklären  lassen.  Es  genügt  z.  B.. 
die  Darstellungen  der  Streitigkeiten  zwischen  Salomon  und 
Geisa  und  des  Eingreifens  des  Kaisers  Heinrich  in  dieselben 
zu  vergleichen.  Keza  erzählt  hier  (§.  33,  S.  86)  die  Ereignisse 
in  einer  ganz  anderen  Reihenfolge.  Gleich  zu  Anfang  de» 
Streites  berichtet  er:  ,Rex  autem  Salomon  Cesarem  suum  soce- 
rum  contra  Ladislaum  et  Geicham  per  Nitriam  cum  exercitn 
maximo  introduxit.  Qui  Vaciam  perveniens,  Ladislai  exercilu 
speculatn,  tinxit  se  infirmum,  per  Posonium  in  Austriam  est 
reversus  .  .  .'  Diese  Nachrichten  finden  sich  im  ChronicoD  Bu- 
dense  erst  auf  S.  156—158  mit  wörtlichen  Anklängen,  während 
das,  was  Keza  darauf  erzählt,  hier  bereits  auf  S.  145  ff.  erzählt 
wird.  Wie  eine  derartige  Umstellung  bei  einem  Auszuge  miJg- 
lich  wäre,  ist  schwer  zu  erklären.  Dagegen  sind  die  Um- 
stellungen, Verbesserungen  und  Erweiterungen,   welche  wir  in 


229 


den  Chroniken  gegenüber  Keza  Kiiden,  leirht  als  Merkmale 
eines  mit  reicheren  Hilfsmitteln  arbeitenden  Interpolators  zu 
erkennen.  Den  Nachweis  zahlreicher  Interpolationen  in  der 
Nationalchronik  werden  wir  übrigens  noch  bei  verscliiedenen 
Gelegenheiten  erbringen. 

Ferner  kommt  der  Umstand  in  Betracht,  dass  die  Na- 
tionalchronik ausdrücklich  eine  Erweiterung  ihrer 
Vorlagen  ankündigt.  In  den  verschiedeneu  Clironikredac- 
tionen  findet  sich  nämlich  folgende  SteUe:  *  ,No8  enim  ea  potius, 
que  ab  aliis  seriptoribus  pretermissa  sunt,  brcvitcr  ac  summatim 
scribere  intendimus.'  Diese  Worte  besagen  doch  ganz  offenbar, 
dass  der  Chronist  mehr  bieten  wolle  als  die  verschiedenen  ihm 
vorliegenden  Quellen,  und  er  muss  hiebei  doch  besonders  an 
die  Erweiterung  der  ihm  unzweifelhaft  vorliegenden  Gesta  ge- 
dacht haben,  wenn  auch  der  Gedanke  ihm  nicht  fern  gelegen 
sein  mag,  mehr  als  die  von  ihm  benutzten  Logenden  und 
sonstigen  Quellen  zu  bieten. 

Wir  gelangen  hiermit  schliesslich  zum  letzten,  aber  auch 
höchst  wichtigen  Beweise.  Es  liisst  sich  nämlich  überzeugend 
darlegen,  dass  die  Nationalchronik  die  ursprünglichen 
Gesta  durch  eine  Reihe  von  Nachrichten  aus  ver- 
schiedenen Quellen  erweitert  haben.  Dies  ist  bezüglich 
einer  Reihe  von  Stellen,  die  aus  den  Annales  Altahenses  neu 
von  der  Nationalchronik  übernommen  worden  sind,  bereits  oben 
dargelegt  worden.  Die  weiteren  bezüghchen  Ausführungen 
findet  man  im  nächsten  Unterabschnitte,  in  welchem  wir  uns 
mit  dieser  Frage  insbesondere  beschäftigen  werden. 

Somit  haben  wir  zur  Genüge  festgestellt,  dass  der  In- 
halt der  Gesta  im  Allgemeinen  ein  spärlicherer  war, 
als  jener  der  Nationalchronik  ist. 

c)    Nachweis,  dcus  die  Gesta  vetera  sowohl  die  Amiales  Alta- 
henses  weit  spärlicher  als   die  Nationalchronik  benützt  haben, 
und  dass  sie  die  Legenden  Sfei/hans,  Emerichs,  Ladislaus'  und 
Gerhards  nicht  ausschrieben. 

Schon  die  Gesta  Hungarorum  vetera  haben  die  Annales 
Altahenses  benützt.    Wir  sind  aber  schon  oben,  S.  21 3 ff.,  zur 


>'*  Chrooicon    Budeiuo,    S.   62    ond   die   anderen   an   den   entsprechenden 
Stellen. 


230 

Ueberzengung  gekommen,  dass  die  Nationalchronik  zu  deo  bei 
Keza  bezeugten  Entlehnungen  der  alten  Gesta  aus  den  g^ 
nannten  deutschen  Jahrbilchem  eine  Reihe  neuer  genuere 
Stellen  aus  diesen  hinzufügten.  Dass  auf  die  erneuerte  B*- 
niitzung  der  Annales  Altahenses  die  genauere,  chronologiaek 
geordnetere  Darstellung  der  Nationalchronik  zurilckznftlliia 
ist,  wurde  bereits  ebenfalls  oben,  S.  218  and  228,  bemeill 
Ausser  diesen  Einflüssen  der  Annalen  Hessen  sich  noch  nunek 
andere  anftlhren.    So  ist  z.  B.  bei  Keza,  §.  28,  S.  83,  zu  Uta: 

Tunc  tres  fratres  Albensem  ingressi  civitatn 
ab  Omnibus  episcopis,  nobilibus  omnique  popili 
cum  summa  laude  sunt  suscepti,  et  Andreas  eit 
potior  in  regni  solium  sublimatur. 

Wenn  nun  dem  gegenüber  die  Nationalchronik  (ChnnücoB 
Budense,  S.  101)  Folgendes  bietet: 

Porro  dux  Andreas  a  perturbationibns  hostium 
securus  effectus,  in  regia  civitate  Alba  regalem  co- 
ronam  est  adeptus;  a  tribus  tantum  episcopii, 
qui  in  illa  magna  strage  christianoram  ct*- 
serunt,  coronatus  est .  .  ., 

80   ist  der  Einfluss  der  Annales  Altahenses  völlig  klar.     Diese 
haben  nilmlich  folgende  Nachricht  (a.  1046,  S.  43): 

A  tribus  ergo  pontificibus,  qui  residui 
erant,  accepit  ille  regalem  Ordinationen!  .  .  . 

Auch  noch  einen  zweiten  ähnlichen  Fall  ergibt  die  Ge- 
schichte Andreas'.  Keza  berichtet  über  dessen  Kriege  Folgendes 
(§.  30,  S.  84): 

Cum  igitur  Andreas  diadema  regni  suscepisset. 
cum  Noricis,  Boemis  et  Polonis  guerram  dicitur  le- 
nuissc,  quos  superans  debellando  tribus  annis  fecisse 
dicitur  censuales.  Propter  quod  Heinricus  imperator 
desccndcns  usquc  Bodoct  V  mensibus  Albam  obsedit 
fivitatem  ...  Es  folgt  eine  sagenhafte  Ueberlieferung 
über  die  Niederlage  der  Deutschen. 

Keza  erzählt  also  nur  von  einem  Feldzuge  des  Kaisers 
und  weiss  überdies  nur  ungarische  Ueberlieferung  zu  berichten. 
Anders  dagegen  die  Nationalchronik.  Diese  Redaction  (Chro- 
nicon  Budcnsc)  bietet  zwar  ebenfalls  S.  102  die  Nachricht: 


sai 


Tribus  Idem  annis  Polonos,  Bohemos  et  Australes 
Buis  armis  Hungaris  fecit  censuales  .  .  . 

Dann  aber  folgen  (S.  104 — 107)  allerlei  Nachrichten  Über 
andere  Begebenheiten,  die  sich  zum  Theiic  gegenüber  der  Dar- 
stellung bei  Keziv  deutlicli  als  Einsehlibe  erweisen, '  und  so- 
dann (S.  108)  berichtet  das  Chronieon  Budense  zum  Theile  in 
Uebereinstimmung  mit  den  Annalea  Altahenses  über  zwei  Feld- 
züge des  Kaisers  in  aufeinanderfolgenden  Jahren;  insbesondere 
weiss  es  wie  diese  (a.  1052)  über  die  vergebliche  Belagerung 
von  Pressburg  zu  erzählen;  erst  dann  berichtet  es  (S.  108), 
dass  der  Kaiser  ,appropinquavit  niontibus  Bodouch',  worauf 
wieder  in  ziemlicher  Uebereinstimmung  mit  Keza  dessen  Er- 
zählung folgt.  Die  Verbei5serungen  sind  ganz  offenbar  in  den 
Chroniken  erat  auf  die  erneuerte  Verwendung  der  Annaion 
zurückzuführen.  Vieles  hielier  (iehörige  ist  bereits  auch  oben, 
S.  214ff.,  ausgefllhrt  worden ;  Anderes  wird  unten  bei  der  Fest- 
stellung des  Bestandes  der  fJesta  vetera  noch  besprochen  wer- 
ben (S.  276  flf.).  Wir  bemerken  nur  noch,  dass  bei  diesen  unseren 
Untersuchungen  leider  der  Anonymus  nicht  in  Betracht  ge- 
zogen werden  kann,  weil  seine  Darstellung  bekanntiieb  das 
11.  Jahrhundert  nicht  mehr  umfasst,  für  welches  die  Annales 
Altahenses  benutzt  wurden.  Dasselbe  gilt  leider  auch  fllr  die 
folgenden  Betrachtungen,  die  eben  tusgesammt  die  Geschichte 
des  11.  Jahrhunderts  umiassen.  Wir  müssen  uns  mit  dem  Ver- 
gleiche von  Keza  und  der  Nationalchronik  begnügen.  Aber  es 
ist  wohl  unzweifelhaft,  dass,  wenn  bei  Keza  sich  irgend  eine 
Quelle  nicht  benutzt  findet,  welche  in  den  Chroniken  ausge- 
schrieben erscheint,  man  unmiiglich  annehmen  kann,  Keza  hätte 
die  aus  dieser  Quelle  herrührenden  Nachrichten  seiner  Vorlage 
—  der  Uesta  —  nicht  berücksichtigt.  Vielmehr  ist  nur  der 
SchlusB  möglich,  dass  sie  in  diesen  nicht  vorhanden  waren, 
sondern  erst  durch  den  Verfasser  der  Nationalen  Grundchronik 
oder  Ofener  Minoritenchronik  aufgenommen  wurden.  Wir 
können  auf  diesem  Wege  nachweisen,  dass  in  den  Gcsta  die 
Stephanslcgenden,  femer  jene  Emcrichs,  Ladislaus'  und  Gerhards 


»  So  ist  «.  B.  di6  EraShlun^  8.  104  über  die  nachtrSgliclie  Benifanjf 
Beins  ein  jOngerer  Eiuachub,  douu  uacli  der  Darstellnng  Keza's  (§.  27 
und  28,  8.  83)  kamen  alle  drei  Brllder  (Andreu,  Bela  und  Leventha) 
meu  nach  Ungarn.    Das  Nätiore  vgl.  unten  8.  iH. 


232 


nicht  benutzt  wui-den,  während  dieselben  in  der  National- 
chronik sämmtlich  benutzt  oder  auch  ausdrücklich  genannt 
erscheinen. ' 

Was  zunächst  die  Stephanslegenden  betrifft,  so  zeugen 
folgende  Umstilnde  dafür,  dass  dieselben  in  der  Vorlage  Ken's, 
also  in  den  Gesta,  nicht  benützt  worden  waren.  In  den  Le- 
genden* wird  nusdi'ücklich  der  Kampf  Stephans  gegen  die 
AufstUndigen  (unter  Leitung  Cupan's)  in  den  Anfang  seiner 
Regierung  und  vor  die  Königskrönung  gesetzt.  Bei  Keu 
lesen  wir  dagegen,  §.  24,  S.  77 :  ,Sanctos  namque  rex  Stephaaua 
coronatus  et  tandom  duce  Cuppan  interfecto,  lula  aTuncolosao 
cum  uxore  .  .  .*  Die  Nationalchronik  (Chronicon  Budcnse),  die 
sich,  S.  61,  bereits  ausdrücklich  auf  eine  ,Legenda  sancti  Ste- 
phiini  regis'  beruft,  erzählt  zunächst,  8.  63f.,  den  Kampf  gegen 
Cupan,  erwähnt  sodann,  S.  65,  die  Krönung  ,Porro  beatus  Ste- 
panus, postquam  regie  celsitudinis  coronam  divinitus  est  adeptns' 
und  erzählt  erst  hierauf  den  Kampf  gegen  üyida.  Dass  diese 
RichtigstclJung  auf  den  Einfluss  der  Legende  zurückzuführen 
ist,  kann  nicht  zweifelhaft  sein.  Ueber  die  Erbauung  der  Kirche 
zu  Stiihlweissenburg  berichtet  Keza,  §.  24,  S.  78:  ,.  .  .  quam 
fundasse  perhibetur.'  Diese  von  einer  gewissen  Unsicherheil 
zeugende  Ausdrucksweise  müsste  jede  Quelle  vermieden  haben, 
welche  die  Legenden  kannte.  Dementsprechend  heisst  es  aucli 
im  Chronicon  Budense,  S.  66:  ,quam  ipso  fundaverat.'  Drittens 
möge  darauf  verwiesen  werden,  dass  nach  Keza,  §.  25,  S.  79, 
Peter  der  Sohn  von  Giscilas  Schwester  ist  (Hegina  vero 
Kysla  consilio  iniquorum  Petrum  Venetum  filium  sororis  sue . . .). 
Dieser  Fehler  wäre  wohl  in  seine  Darstellung  nicht  hineinge- 
rathen,  wenn  ihm  oder  seiner  Vorlage  der  klare  Bericht  in  den 
Legenden  Stephans  vorgelegen  wäre,  dass  Peter  der  Solm  der 
Schwester  Stephans  sei  (Vita  maior,  §.  15:  ,.  .  .  primum 
cum  eis  tractavit  de  substituendo  pro  se  rege,  Petro  videlicet 
sororis  sue  filio,  quem  in  Venetia  gcnitum  .  .  .';  vgl.  Hartwicb, 
§.  22).    Die  Nationalchronik  (Chronicon  Budense,  S.  75),  deren 


*  Daranf  hat  scliuu  Ititdemacher  in  dou  Forschiingeu  zar  deutschen  Q«- 
whiehte  XXV,  S.  388f.  in  Kürze  hingewiesen.  Ueinemann,  Nenw 
Archiv  XIII.,  69 f.  echlierat  sich  mir  theilweise  dieser  Ansicht  an.  Vgl. 
weiter  unten  im  Texte  diu  AnsfUhrungen  über  die  Gerhardlef^ende. 

»  Vita  maior,  §.  i;  und  9  (bei  Florianus,  Fönte»  I,  ISff);  ViU  von  Hart- 
wich ebenfalls  §.  ti  nud  9  (ebouda,  8.  39  ff.}. 


2S3 


I 
I 


Verfasser  oftuubar  beide  IjIacLrichten  (UesUi  vutera  und  die 
Legende)  vorliegen,  weiss  sich  nicht  Ratli  zu  schaffen;  er 
macht  einerseits  Peter  zum  Bruder  Qisellas,  weiss  aber  auch 
bereits  —  wie  die  Legende  —  dass  dieser  ein  Sohn  von  Ste- 
pbans Schwester  sei. ' 

Weniger  bestimmt  lilsst  sich  der  Beweis  erbringen,  dass 
dem  Verfasser  der  Gcsta  nicht  die  Emerichslegende  vorlag. 
Dieselbe  bietet  leider  viel  zu  wenig  greifbares  Material  und 
viel  zu  viel  Phrasen,  als  dass  sich  ihr  Einfluss  genau  nach- 
weisen Hesse.  Was  aber  bei  Keza  (S.  78)  über  Emerich  zu 
lesen  ist,  scheint  uns  gegenüber  den  Lobpreisungen  in  der 
Legende  und  den  auf  dieser  beruhenden  Ausführungen  in  der 
Nationalflironik  (Chronicon  Budense,  S.  70;  vgl.  auch  S.  61, 
wo  die  Emerichslcgende  ausdrücklich  citirt  wird)  etwas  zu 
kühl  zu  sein,  als  dass  es  auf  der  Legende  beruhen  würde. 
Wie  dem  aber  auch  sein  mag.  sicher  ist  es,  dass  der  Ver- 
fasser der  Nationalehronik  die  Emerichslcgende  kannte  (vgl. 
Chronicon  Budense,  S.  61 :  ,quique  enim  hoc  scire  voluerit,  ex 
legenda  eiusdem  beatissimi  confessoris  plenam  sanctissime  cius 
conversationis  noticiani  habere  potucrit)  und  aus  dieser  sich  filr 
den  Heiligen  zu  seinen  Lobpreisungen  begeisterte. 

Dass  sich  von  der  Ladislauslegende  bei  Keza  noch 
keine  Spur  findet,  haben  bereits  auch  Radcinacher  und  Heine- 
mann' festgestellt.  Wir  brauchen  darauf  also  nicht  naher  ein- 
zugehen. Dass  Keza  nicht  aus  der  Ladislauslegende  etwa  in 
die  Qesta  vetera  geflossene  Stellen  aus  diesen  entfernte,  liegt 
klar  am  Tage.* 

Von  hoher  Bedeutung  ist  die  Untersuchung  Über  die 
Gerhardslegendc.  Auch  bezüglich  der  Nachrichten  über 
Gerhard  soll  sich  nämlich  Keza  überaus  bedeutende  Kürzungen 

B  '  Nach   der  Chronik   findet   iiSinlich    fnlgendes   Terwaudt8chaftlicliM  Vor- 

I  bältnigs  statt: 

^^^_^  Wilholtn  von  Venedig 

^^^^^  1.  Oemalilin:  Gertrud         2.  Oemablln:  die  Schwester  Stephans 

^V 

^^^B  Kllnigiii  Gisella  Peter 

^^■*  Vgl.  S.  -J33,  Anro.  1. 

^^^m*  Sicher  log  die  Ladislaiulegeude   bereits  dem   Verfasser  der  Nationalen 

^r  Qmndchronik   vor.     Ueber  die  nochmalige  BenQtzang  in   späteren  Be- 

^^^H      dactiuiieu  der  Chronik  ist  xo  vurgteicben  Studie  VII,  Anm.  1!8. 


I 


234 


zu  Schulden  kommen  lassen.  Heinemanu  (Neues  Arcliiv  XIII, 
S.  70f.)  ist  der  Ansicht,  dass  in  der  Vorlage  Eeza's  so  reiche 
Nachrichten  über  den  Heiligen  gestanden  seien,  dass  aus  diesen 
die  Legende  desselben  geflossen  sei;  Keza  htftto  diese  Nach 
richten  weggelassen;  in  den  Nationalen  Chrunikeu  wäre  aber 
neben  diesen  stehen  gebliebenen  Nachrichten  der  Gesta  auch 
noch  neuerdings  die  Legende  benutzt  worden.  Wenn  diese 
Ansicht  richtig  wäre,  so  hätte  sich  Keza  allenfalls  arger  Kür 
Zungen  schuldig  gemacht.  Aber  vergebens  fragen  M'ir  uns  zu- 
nUchst  nach  einem  Grunde,  wnnim  er  von  den  zahlreichen 
wissenswerthen  Nachrichten,  welche  die  Legende  bietet,  und 
die  angeblich  in  den  Uesta  vetera  gestanden  sein  sollen,  so 
wenig  behieltVl  Was  konnte  ihn  doch  wohl  dazu  veranJaot 
haben?  Ferner  erscheint  es  uns  doch  sehr  unglaublich,  daas 
innerhalb  der  jedenfalls  verhältnissmüssig  knappen  Darstellong 
der  Qesta  so  viele  Nachrichten  llber  Gerhard  jemals  Platz  ge- 
funden hätten,  als  sie  Hcinemann's  Ansicht  voraussetzt.  Hien 
kommt  nun  aber  Folgendes:  Unter  dem  Wenigen,  was  bei 
Keza  über  Gerhard  vor  seinem  Auftreten  gegen  Aba  gesagt 
wird,  erfaliren  wir,  dass  er  ,monachus  prius  fuerat  de  Rosa- 
censi  abbatia'  (§.  29,  S.  84).  Dieselbe  Nachricht  tiadet  sich  in 
der  Nationalchronik  (Chronicon  Budense,  S.  97),  und  sie  stand 
daher  auch  sieher  in  der  gemeinsamen  Quelle.  Wenn  nun  die 
Legende  aus  derselben  floss,  warum  erwähnt  sie  diese  Nach 
rieht  gar  nichtV  £s  ist  doch  sehr  unglaublich,  dass  der  Le- 
gendenschreiber,  der  alles  Andere  den  Gesta  entnommen  haben 
soll,  diese  Nachricht  ausgelassen  hiltte.  —  Ebenso  bemerkcns- 
wcrth  ist  folgender  Umstand.  Nach  Keza  (§.  27  und  28,  S.  83) 
kommen  auf  die  Einladung  der  ungarischen  Grossen,  welche 
mit  Peter  unzufrieden  waren,  sofort  alle  drei  jenseits  der  Kar- 
pathen  weilenden  Rriidcr  (Andreas,  Bcla  und  Levcntha)  nach 
Ungarn.  Nach  der  Darstellung  der  Vita  s.  Gcrhardi*  und 
der  Nationalchronik  (Chronicon  Budense,  S.  92  und  104)  kehren 
dagegen  nur  die  beiden  alteren  zurück,  wUhrend  der  jüngste 
erst  spittcr  nachfolgt.  Es  ist  augenscheinlich,  dass  die  National- 
chronik aus  der  Vita  die  Mittheilungen  ihrer  Vorlage  —  der 
Gesta  —  verbessert.  Ganz  willkllrlich  erscheint  aber  die  An- 
nahme, dass  die  Vita  trotz  ihrer  abweichenden  Darstellung  auf 


'  Endliotior,  Hnnumenta  Arpailinna  I,  'Hl. 


335 


I 


den  Gcsta  vetera  beruht.  —  Schliesslich  vergleiche  man    noch 
folgende  Stellen: 


Legende,  S.  22G. 
Alba  comes  palacii 
.  sanctis  quadrogc- 
oe  diebus  honestis- 
Qos  quosque  sui  cou- 
ii  viros  fustibus  et 
lis  velut  junicntii  scii 
Uta  animaiia  ausus 
interficere. 


Koia,  S.  81. 
(Alba)  viroa  quinqiia- 
<,'inta  consiliandi  causa  in 
iinam  donuim  evocavit, 
(luibua  in  eadom  inclusis 
crimen  non  confessos  nee 
convictos  legibus  caput 
l'ecit  detruneari. 


Cbr.  Budeuse,  S.  82. 
Cum  onim  rex  Cha- 
nadiui  Quadragesimain 
celebraret,  in  eadem 
Quadragcsinia  circiter 
quinquaginta  viros  no- 
biles  sub  pretextii  con- 
siliandi in  quadam  do- 
mo inclusit  et  ab  ar- 
matis  milibus  fecit  cos 
obtruncari  nee  contri- 
toa  nee  confessos. 


■  Wir  constatiren,  dass  1.  zwischen  der  Legende  und  Keza 
I  sich  gar  keine  würtlichen  AnklUnge  finden,  was  duch  an  (riescr 
I    Stelle,  die  dasselbe  gleich  ausfuhrlieh  erzählt,  bei  gemeinsamer 

Quelle  ganz  uncrklitrlich  wiirej  und  2.  in  den  Nachrichten  sich 
eine  ganz  merkwürdige  Divergenz  zeigt:  die  Vita  fuhrt  die 
Zeit  an,  Eeza  die  Anzahl  der  Erschlagenen;  die  Vita  be- 
zeichnet die  Ermordeten  als  Ulithc  Abas,  Keza  spricht  nur 
vom  Vorwande  einer  Kathsversammlung;  die  Vita  erzUhlt  die 
Art  der  Ermordung,  Keza  hebt  hervor,  dass  die  Ermordeten 
keine  Schuld  gestanden  hätten  und  auch  keiner  auf  gesetzlichem 
Wege  überwiesen  worden  vviire.  Da  ist  doch  offenbar  keine 
Spur  derselben  directen  Quelle!  Die  Nadonalehronik  hat  da- 
gegen offenbar  die  Nachrichten  der  Gesta  Hungarorum  vetera, 
welche  auch  Keza  vorlagen,  mit  jenen  der  Vita,  welche  aber 
sicher  nicht  auf  die  Gesta  zurllckgeht,  verbunden,   wobei  er  in 

■  unsinniger  Weise   die   Bemerkung    der   Gesta    Über    die    nicht 
stattgefundene    gerichtliche    üeberfllhrung    der   Getödteten    auf 

»Beichte  uud  Comraunion  auslegt. '  Wir  dlirfen  also  als  un- 
zweifelhaft annehmen,  dass  die  Oesta  sehr  wonig  über  Gerhard 
enthielten;  was  jetzt  in  der  Nationalchronik  über  ihn  stellt, 
kam  herein  durch  die  Benützung  der  Vita  s.  Oerhardi  durch 
den  Verfasser  der  Ofener  Minoritenchronik. 


*  So  flisit  bereit«  Magien  die  Stelle  in  der  Nfttionalchronik  auf:  ,. 
lies«  nie  gar  enthaabten  an  alle  peicht'  (8.  43). 


vnd 


236 


Aus  unseren  Aosftllirungen  geht  es  somit  hervor,  dass 
den  ursprünglichen  Gesta  Hungarorum  vetera  gegen- 
tlber  den  nationalen  Chroniken  eine  Reihe  von  Stellen 
aus  den  Annales  Altahenses  und  den  ungarischen  Le- 
genden (Stephan,  Emerich,  Ladislaus  und  Gerhard) 
fehlten.  Ihrer  Reichhaltigkeit  nach  standen  sie  also 
sicher  viel  näher  Eeza  als  den  Chroniken;  Einzelnes 
hat  Keza  allenfalls  vielleicht  ausgelassen,  wie  er  andererseits 
auch  Einzelnes  hinzufügte.  Die  Nationalchronik  hat  die  nr 
sprUnglichen  Gesta  aus  den  eben  genannten  Annalen,  den  Le- 
genden und  wohl  auch  anderen  Quellen,  wie  auch  aus  der 
Ueberlieferung  bedeutend  erweitert. 

d)  Anmerkung  zur  Herstellung  der  Gesta  Hungarorum  vettra 
in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt. 

Entsprechend  unserem  frliher  entwickelten  Plane  schreiten 
wir  nun  daran,  im  Einzelnen  Schritt  für  Schritt  festzustellen, 
was  in  den  uns  erhaltenen  Chroniken  aus  den  Gesta  herrühren 
könne,  und  was  spätere  Interpolation  oder  Umarbeitung  seL 
Unsere  Absicht  kann  es  hiebei  nicht  sein,  eine  eigentliche  Her 
Stellung  des  Textes  der  Gesta  zu  versuchen,  weil  noch  die 
nöthigen  kritischen  Ausgaben  der  verschiedenen  Chronikredac- 
tionen  nicht  zur  Verfügung  stehen.  Wohl  aber  werden  in  diesen 
Paragraphen  manche  Winke  und  Vorarbeiten  für  dieses  Unter- 
nehmen Platz  finden.  Bei  dieser  Gelegenheit  werden  wir  auch 
vielfach  Gelegenheit  haben,  unsere  früheren  Ergebnisse  zu  er- 
proben und  zu  stützen. 

Die  an  der  Spitze  der  Gesta  befindliche  Beschreibung 
Skythiens  als  Urheimat  der  Magyaren  (vgl.  oben,  S.  224)  hat 


A.  889.  A  Scythicia  rcgnis  et 
a  paludibus,  quas  Thanais 
sua  refusione  in  immensum 
porigit.  —  Scythia,  ut  aiunt,  in 
Oriente  extensa  includitur 
ab   uno   latere   Ponto,    ab   al- 


Auonymns. 


S.  2  ff.  Scithia  igitur  maxima 
terra  est,  que  Dentumoger  di- 
citur,  versus  orientem.  Finis 
cuius  ab  aquilonali  parte  ex- 
tenditur  usque  ad  nigrum  pon- 
tum.  A  tergo  autem  habet  flu- 


237 


sowohl  der  Anonymus  (S.  2 — 4)  als  Keza  (S.  56 — 57)  selb- 
Btändig  benutzt,  indem  sie  zahlreiche  Aenderungcn  und  Inter- 
polationen vornahmen.  Die  Nationatclu-onik  (Chronicon  Budense, 
S.  10 — 12)  hat  mit  Kcza's  Hunengeschichte  auch  dessen  Um- 
arbeitung der  Beschreibung  Skythiens,  and  zwar  wieder  mit 
Aenderungen,  übernommen;  hiebei  wurde  offenbar  der  Text 
der  Gesta,  wiewohl  diese  dem  Verfasser  der  Chronik  vorlagen, 
nicht  berücksichtigt,  weil  sich  nirgends  eine  grössere  Verwandt- 
schaft zwischen  dem  Texte  der  Chronik  und  dem  Anonymus 
zeigt,  als  sie  Keza  aufweist.  Dass  die  verschiedenen  Dar- 
stellungen in  der  Beschreibung  Skythicns  so  sehr  abweichen, 
ist  leicht  erklärlich.  Es  lagen  hierüber  die  verschiedenartigsten 
Quellen  vor,  darunter  auch  schon  die  Ergebnisse  der  For- 
schungen des  13.  Jahrhunderts,  aus  denen  die  wahrscheinlich 
knappe  Schilderung  der  alten  Gesta  ergänzt  werden  konnte. 
Die  gemeinsamen,  auf  die  Gesta  zurückgehenden  Stellen  dieser 
Beschreibung  beim  Anonymus,  Keza  und  der  Chronik  sind 
schon  zum  Theile  in  Studie  VII,  S.  462 — 465,  zusammengestellt 
worden.  Dort  ist  auch  unzweifelhaft  bewiesen  worden,  dass 
die  Schilderung  in  den  Gesta  vetera  auf  Regino  beruhte.  Um 
nun  einerseits  den  gemeinsamen,  auf  die  Gesta  zurückgehenden 
Kern,  dann  aber  auch  das  Verhältniss  zu  Regino  besser  zu  be- 
leuchten, folgt  eine  ausführlichere  Zusammenstellung  der  Pa- 
ralJelstellen.  Es  genügt,  besonders  den  Anfang  derselben  genau 
zu  beobachten,  um  aus  den  gesperrt  gedruckten  Citaten  zu 
erkennen,  dass  Anonymus  und  Keza  =  Chronik  aus  den  Gesta 
schöpfen:  nur  so  erklilrt  sich  der  Umstand,  dass  bald  jener, 
bald  diese  dem  Regino  näher  stehen,  alle  drei  Ableitungen 
aber  Gemeinsames  haben,  was  dem  Regino  fehlt  {eursiv  Ge- 
drucktes). 


Kesa. 

S.  57.  Scithicum  enim  re- 
gnum  ...  in  regna  tria  divi- 
ditur  principando,  scUicet  in 
Barsaciam,  Dentiam  et  Mogo- 
riam. 

S.  56.  Scitica  enim  regio  in 
Europa  situm  habet,  exten- 
ditur  enim  verau»  orieiitem;  ab 


Chr.  Budense. 

S.  10.  Scitia  enim  ...  in  tria 
regna  dividitur  principando,  sci- 
licet  in  Barsaciam,  Denciam  et 
Mogoriam. 

S.  10.  Scitia  enim  regio  in 
Europa  situm  habet  et  exten- 
ditur  versu»  orientem:  ab  uno 


tero  montibus  Ripheis,  a 
tergo  Asia  et  Ithasi  flumine. 
Patet  autem  multum  in 
longitudinem  et  latitudi- 
nem.  Hominibas  hanc  in- 
habitantibas  inter  se  nalli 
finos.  —  Ipsi  perpetuo  ab  alie- 
no  imperio  aut  inacti  aut  in- 
victi  mansere.  —  Habundant 
vero  tanta  mnltitndine  popnlo- 


rum,  at  eos  genitale  solum  non 
Bufficiat  alere.  Septentrio- 
nalis  qoippe  plaga  quanto  ma- 
gis  ab  esta  solis  remota  est 
et  nivali  frigore  gelida,  tanto 
salabrior  corporibus  hominum 
et  propagandis  gentibas 
coaptata  ...  ad  exquiren- 


das,  quas  possent  incolere^ 
terras  sedesque  statuerc  vale- 
dicentes  patriae  iter  aripiunt. 


men,  qaod  dicitnr  Thanais, 
cum  paludibas  magnis  .  .  . 
Scithica  autem  terra  maltnm 
patula  in  longitudine  et 
latitudine.  Homines  vero, 
qui  habitant  eam,  Tolgariter 
Deutumoger  dicontor  nsqne 
in  hodiemam  diem,  et  nul- 
lius unquam  imperatoris  pote- 
State  sabacti  fiierant  .  .  .  Sci- 


thica enim  terra  quanto  a  tor 
rida  zona  remotior  est, 
tanto  propagandis  generi- 
bus  salubrior.  Et  quamvis 
admodum  sit  spatiosa,  tarnen 
mnltitudinem  populorom  inibi 
generatorum  nee  alere  suffi- 
ciebat  nee  capere.  Quapropter 


Septem  principales  persone,  qni 
hetumoger  dicti  sunt  .  .  .  con- 
stituerunt,  utad  occupandas 
sibi  terras,  quas  incolere 
possent,  a  natali  discederent 
solo. 


Die  vorstehenden  Parallelstellen  ergeben  den  Kern 
der  Beschreibung  Skythiens  in  den  Gesta.  Da  wir 
annehmen  dürfen,  dass  die  verschiedenen  Ableitungen  doch 
nur  wenig  Wesentliches  übereinstimmend  ausliessen,  so  darf 
man  folgern,  dass  aus  den  vorstehenden  Stellen  der  Bestand 
der  Gesta  sich  ziemlich  vollständig  ergibt.  Das  in  den  ein- 
zelnen Ableitungen  enthaltene  Mehr  an  Nachrichten  wird  man 


239 


ono  vero  latere  ponto  aqnilo- 
nali,  ab  alio  montibus  Ri- 
feis  includitur ...  De  orieDte 
quidem  Asia  iungitur  .  .  .  diio 
magna  flumina,  uni  nomcn  Etui. 
Longitudo  Biquidem  Sciticc 
rcgionis  stadiis  CCC  et  LX 
extendi  perhibetur,  latitudo 
vero  CXC.  Situm  enim  natu- 
ralem habet  tarn  munitum  .  .  . 
propter  quod  nee  Rumani  ce- 
sares,  nee  magnus  Alexander 
.  .  .  potaerunt  in  eam  mtroire. 
S.  56.  Scithica  enim  regio  . . . 
a  torrida  zona  distans. 


S.  56.  In  gentera  validissi- 
mam  succrcscore  ceperunt,  nee 
capere  eos  potuit  ipsa  regio  et 
nutrire. 


S.  57  f.  Igitur  in  etate  sexta 
secoU  multiplicati  Huni  in  Sci- 
tia  liabitando  ut  arena  .  .  .  uno 
corde  occidentales  occuperent 
regiones. 


latere  ponto  aquilonari ,  ab 
alio  vero  Ripheis  montibus 
includitur,  cui  de  Oriente 
Asya,  et  de  occidente  fluvius 
Etui,  id  est  Don. 


ganz  ähnlioli  wie  bei  Keza. 


S.  10.  In  gentem  validissi- 
mam  crescere  ceperunt,  nee  eos 
capere  ipsa  regio  poterat,  aut 
nutrire. 


S.  14.  In  sexta  igitur  etate 
seculi  multiplicati  sunt  Iluni  in 
Scitia  ut  arena  .  .  .  occiden- 
tales  regiones  invadere  decre- 
verunt. 


also  wenigstens  zum  grösstcn  Theile  Erweiterungen  zuzu- 
schreiben haben.  So  waren  vor  Allem  den  Gcsta  eine 
Anzahl  von  Stellen  fremd,  welche  Anonymus,  wie  dies 
F.  Kühl  in  den  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  XXIU, 
S.  601  f.,  nachgewiesen  hat,  aus  den  von  demselben  Forscher 
in  den  Jahrbüchern  für  classische  Philologie  1880,  Bd.  26  (=  121), 
herausgegebenen  Auszligeti    ans    einer    auf  Cassiodor    be- 


S40 


rahenden  gothisohen  ürgeBohiohte  entnommsa  k»t  h 
genügt  hier  innOolut,  anf  denen  allenfiüla  niaht  gäi 
PandlelstellenvenseichniaB  sa  verweiMn.  ZnBltee  Am 
sind  auch  die  Namen  der  in  Skylhien  •votkamaumimtdt 
thiere  (S.  2),  EinaelneB  von  den  hier  «ingeMhobaM»  M itiM 
langen  Über  Attila  (S.  3)^  and  andere  Eleinig^keitegi^  Dbli^ 
merkang  des  Anonymos,  S.  2  and  8,  daaa  in  den  FIIhm 
des  Landes  Edelsteine  and  Gold  gefunden  werd«% 
wird  kaum  aas  Ghiido  de  Colamna  entnommen  aein,  wislfa» 
caali'  and  Rtthl'  mdnen.    Die  Erwthnnng   der  EiUbrntA 


and  Edelsteine  wurde  viehnekr  durch  die  eben 

sage  veranlasst,  die  Angabe  der  FlUwe  als  Fnndock  itfot 

aus  den  Gesta  her,  welche  nach  dem  Antwwae  di 

and  der  Chronik  an  einer  späteren  Stelle  gana  A( 

Siebenbürgen  behaupteten.*    Uebrigens  woaato  AaoBfmm  ik 


I  InsbeaonclAre  lUnd  aneh  nicht  die  Angab«  «l>riwnwn,  dun  Attfls  ^i 
ine.  CCCCLImo  de  tem  SeitUca'  moMog.'  Eeaa,  f.  C,  aali 
diesen  Auazng  ^no  dorn,  ■eptingenteaino';  die  duoBlk  ^ShiMdMeBi- 
dense,  8.  14)  ,CCC  Wcedmo  oeUro'.  W«  darin  von  dae  VsakkÜB 
Aber  Ofen  «tind,  iat  schwer  an  entsohriden.  VgL  unten  den  TaitB.111 

*  Forschnngen  sar  deutschen  Geschichte  XVII,  S.  6SS. 

*  Ebenda  XXIII,  8.  608;  doch  vergleiche  8.  608. 

*  Die  Stelle  bei  Guido  lautet  nach  Harcsali:  ,.  .  .  ditiaBimna  aaro  (I 
gemmis,  que  in  flnmine  Tigri  et  Enphrate  crebrins  inTeninntar.'  DiM 
Stelle  hat  mit  Anonymus  nichts  mehr  als  den  Gedanken,  da«  Flta* 
der  Fundort  von  Gold  u.  s.  w.  sind,  gemein.  Aehnlichea  behanptaa  be- 
kanntlich auch  andere  Schriftsteller:  Isidor,  Originnm,  Üb.  XYl,  eap.  XI, 
§.  4:  ,Mittunt  eam  (rc.  galactitem,  d.  i.  einen  weiaaen  Eldelstün)  Nilit 
et  Ächelous  amnes.*  —  Plinins,  NaL  EUst,  lib.  IV,  116:  ,Tagas  aoiifvii 
harenis  celebratur;  lib.  XXXIII,  66:  rAumm  invenitiir  tribna  modis:  !■- 
minum  ramentis,  nt  in  Tage  Hispaniae,  Pado  Italiaa  .  .  .*  Daxaas  Mit 
noch  nicht,  dass  Anonymus  ans  ihnen  schöpfte.  Sein«  Stell«  benkt 
vielmehr  ganz  offenbar  cunXchst  auf  den  AnscOgen  nnd  auf  den  Gcsla 
Man  vergleiche: 


Anonymus. 

S.  2.  Nam  ibi  habun- 
dat  aurum  et  argentum 
et  inveniuntur  in  flu- 
minibuR  terre  illius 
preciosi  lapides  et  gem- 
me. 


AusiOge. 

1.  Auszog  (Codex 
LaurenUnianus),  Zeile 
140:  aurum  et  argen- 
tum nimis  sicnt  lapi- 
dis  ibidem  invenitnr  et 
mnlta  alia  gemmamm 
diverRitas. 


Oeata. 

B«i  Ajtonjnaai, 
%.  86:  Qnod  lana  iUi 
(Ultrarilvana)  inigaM- 
tnr  optimis  flaviii 
...  in  areak  eonn 
anmm  eoUigereat 


241 


i 


t 


Ungar  sicher,  dasa  aus  dem  Sande  der  Flüsse  Gold  gewaschen 
werde.  Schliesslich  bemerken  wir  noch,  dass  die  in  Keza  und 
der  Chronik  gegebenen  näheren  geographischen  und 
ethnographischen  Erläuterungen  gewiss  erst  auf  den  Er- 
gebnissen der  Forschungen  beruhen,  die  kurz  vor  dem  Nieder- 
schreiben dieser  Chroniken  stattfanden.  Aus  der  Betrachtung 
der  Parallelstellen  ergibt  sich  aber  auch  zur  Gentige,  dass 
bereits  die  Gesta  Regino  benutzt  haben.  Ausschlag- 
gebend ist  hieflir  das  dem  Anonymus  und  Keza  gemeinsame 
,a  torrida  zona  remotior  fdistans)',  was  nur  durch  Vermittlung 
der  Gesta  erklilrt  werden  kann,  denen  hieftir  Kcgino's  Bericht 
,ab  estu  solis  remota'  vorlag.  Bezüglich  einzelner  Stellen,  an 
denen  Anonymus  dem  Regino  näher  steht  als  die  Anderen, 
kann  entweder  angenommen  werden,  dass  dies  aus  einer  selb- 
ständigen Benützung  des  Regino  durch  den  Anonymus  zu  er- 
klären sei,  was  sich  für  gewisse  spätere  Nachrichten  that- 
sUchlich  nachweisen  lässt; '  oder  man  kann  annehmen,  dass 
diese  Stellen  so  schon  in  den  Gesta  standen,  von  Keza  aber 
geändert  worden  sind  und  daher  auch  in  der  Chronik,  die  in 
dieser  Partie  dem  Keza  folgt,  so  erscheinen.* 

Wir  übergehen  nun  zur  Erzählung  vom  Ursprünge 
der  Ungarn  und  ihrer  Führer,  besonders  Arpads.  Nach 
dem  Ausweise  des  Anonymus  gehören  die  ausführlichen  ge- 
lehrten Mittheilungen  über  die  Entwicklung  des  Menschen- 
geschlechtes nicht  den  Gesta  an;  sie  sind  vielmehr  erst  von 
Keza  (§.  2  und  3)  aus  den  verschiedenen  mittelalterlichen 
Schriftstellem  zusammengetragen   worden.     Wohl    enthielten 


S.  3.  Auruni  et  ar- 
gontum  et  |;emmns 
hnbebunt  (Scythae) 
sicut  lapidsfi,  qnia  in 
flnminibaR  eiasdem 
terre  inveniebantar. 


2.     Auszug      (Codex  1        Im   Chronicnn    Bei- 

Bninbergeiiflis)  Zeile     |  densp,  S.  65:    Erdeol, 

127:    aiirum   et  gem-  i  (]iiiid    irrigatnr    pliiri- 

nias     sicut     lapides     mi»  fluviis,   in   quo- 

b  ab  ob  An  t.  |  raiii  nrenin  aurum  col- 

ligitiir. 


*  Siehe  weiter  unten  beaondens  Über  die  Darstellung  der  Kriege  anr  Zeit 
Ottos  de«  Grouen. 

*  Die  Chronik  hat  nHmlich  die  bei  Keca  vnr  Hnnen;«e8ehichte  gezogene 
Beschreibung  Skythiens  mit  dioser  Hunengeschirhte  aus  Keza  über- 
nomineu.  Siebe  oben,  S.  237.  Die*  erschwert  hier  unsere  Arbeit^  weil 
wir  nicht  drei,  sondern  nar  swei  selbständige  Ableitungen  ans  den  Gesta 
besitzen. 

ArehiT.  I,XXX?m.  Bd.  I.  HUfla.  IG 


242 

aber  bereits  die  Gesta  die  Nachricht,  dass  Japheti 
Nachkomme,  Magog,  der  Stammvater  nnd.  NameBi- 
geber  der  Magyaren  war.  Dass  diese  im  Mittelaiter  mit 
verbreitete  Ansicht^  aach  dem  Verfasser  der  alten  Gksta  be- 
kannt war,  ergibt  sich  aus  dem  Umstände,  dass  alle  Abi» 
tongen  sie  enthalten.   Man  vergleiche: 


Anonymus. 
§.1.  Et  primus  rex 
Scithie  fuit  Magog  fi- 
lius  Japhet,  et  gens 
illa  a  Magog  rege  vo- 
cata  est  Moger.  — 
Scithia  igitur  maxima 
terra  est,  que  Dentu- 
moger  dicitur. 


Keu. 
§.  2.  Menroth  (filius 
Thana  ex  semine  Japhet) 
duos  filios  Hunor  scilicet 
et  M  0  g  0  r  .  .  .  generavit, 
ex  quibus  Huni  sive  Hnn- 
gari  sant  exorti.  §.  5.  Sci- 
ticum  enim  regnnm  .  .  . 
in  regna  tria  dividitor,  sci- 
licet in  Barsaciam,  Den- 
tiam  et  Mogoriam. 


Chr. 

S.  7.  NemnlbH 
Tana  ex  semineJifii 
daos  filios  HnMti 
licet  et  Magor... 
neravil^  ex  qmkmi 

sive  Hangln 
egressi.  S.  10.  8i 
...  in  tria  regiai 
ditor  princ^Modo, 
licet  in  Buesä 
Dentiam  et  U» 
riam.  S.  35.  A 
Eleud  ...  in  Mo; 
genuitfiliam.  S.36. 
vulgariter  M»gJ» 
sive  Unni,  latine» 
Hungari. 


Aus  den  vorstehenden  Stellen  ergibt  sich  wohl  zur  GknOge, 
dass  die  Nachricht:  Magog  —  Magor  —  Mogor  sei  Stamm- 
vater der  Magyaren,  schon  in  den  Gesta  stand.'  Hunor  war 
dagegen  in  diesen  noch  nicht  genannt;  daher  weiss 
Anonymus  niclits  von  demselben,    wie  er  auch  nichts  von  den 

'  Sie  steht  Howolil  z.  B.  bei  Isidor,  Originum  Üb.  IX,  cap.  II,  §.  27  (Ui^i 
a  quo  Scytbas  et  Gothos  traxisse  originem),  und  ebenda.  Hb.  XIV,  c*p.  UL 
§.  31  (Scythia  sicut  et  Oothia  a  Magog  filio  Japhet  fertur  cognomintti). 
als  auch  in  den  oben  erwähnten  AnszUgen:  Codex  Laurentinianns,  Zcilt 
136:  ,Magog  filius  Jafeth  eam  incoluit  .  .  .  Gog  et  Mago^  nanenpantai' 
(vgl.  Zeile  ICD);  Codex  Bamberg^nsis,  Zeile  12S:  .primum  in  es  habiti- 
vit  Magog  filius  Jafet. 

*  Was  Marczali  darüber  in  den  Oeschichtsquellen,  S.  92,  anaflihri,  ist 
ganz  irrig ;  er  übersah,  dass  sowohl  bei  Keza  ab  in  der  CShnutik  UofOt 
als  Stammvater  genannt  wird. 


243 


» 


» 


Hünen  erzählt,  ju  nicht  einmal  ihren  Namen  nennt;  erst  Keza 
nahm  neben  Mogor  aach  Hunor  als  Stammvater  der  Hünen 
auf  (vgl.  oben,  S.  223).  Bei  Anonymus  dürfte  also  die  Stelle 
in  ziemlich  ursprllnglicher  Gestalt  stehen.  Auch  seine  folgende 
Behauptung  (S.  3):  ,A  cujus  (Magog)  etiam  progenie  regis  de- 
scendit  nominatissimus  atque  potentissimus  rex  Athüa  qui  anno 
dorn.  ine.  CCCCLIo  de  terra  scithica  descendens  cum  vaÜda 
manu  in  terram  Pannonia  venit  et  fugatis  Bomanis  regnum 
obtinuit'  durfte  bereits  in  den  Gesta  angedeutet  gewesen  sein. 
HiefUr  lassen  sich  verschiedene  Gründe  anführen.  Zunächst 
muss  hervorgehoben  werden,  dass  auch  z.  B.  in  den  anderen 
Ableitungen  Attila  als  Stammvater  der  Arpaden  erscheint.' 
Auch  ist,  wie  bereits  oben,  S.  223,  hervorgehoben  wurde, 
schon  in  der  ungarisch-polnischen  Chronik  Attila  als  erster 
Ungarnkünig,  von  dem  die  folgenden  abstammen,  angeführt. 
Erinnern  wir  uns,  dass  dieser  Chronik  eine  unseren  Gesta  ver- 
wandte Quelle  vorlag  (Studie  VI,  S.  526  f.),  so  kommen  diese 
Umstünde  um  so  mehr  in  Betracht.  Attila  musa  aber  wohl 
auch  deshalb  in  den  Gesta  bereits  genannt  worden  sein,  weil 
die  übereinstimmenden  Aeusserungen  der  Ableitungen  insge- 
Bammt  dahin  gehen,  dass  die  Ungarn  Pannonien  als  Erbe 
Attilas  in  Besitz  nahmen.  Wenn  Anonymus  an  einer  Steile 
(§.  9)  dies  mit  den  Worten  zum  Ausdrucke  bringt:^  ,Post  mor- 
tem Athile  regis  terram  Pannoiiie  Komani  dicebantur  pascuam 
esse  ...  et  iure  terra  Pannonie  pascua  Romanorum  esse 
dicebantur',  so  finden  wir  hierin  auch  enge  Beziehung  zu 
Riehard's  Notiz  (siehe  oben,  S.  225):  ,.  .  .  tandem  venerunt  in 
terram,  que  nunc  Ungaria  dicitur,  tunc  vero  dicebatur  pascua 
Romanorum.'  Dass  dieses  Verhältniss  sich  aber  nur  aus  der 
gemeinsamen  Quelle,  den  Gesta,  erklilren  lässt,  ist  wohl  un- 
zweifelhaft. Wir  dürfen  also  wohl  annehmen,  dass  schon  die 
Gesta  Attila  als  König  der  Ungarn  und  einstigen  Be- 
herrscher von  Pannonien  nannten.  Ihnen  gehört  auch 
die   Bezeichnung   Pannoniens   als  ,pascua  Romanorum' 


»  Vgl.  unten,  8.  246. 

*  Siobe  auch  §.11:  ,qne  etiam  primo  fnisset  terra  Afhile  regia.  Et  mor- 
tao  illo  preoccupassent  Romani  principe»  terram  Panuonie  .  .  .  Vgl.  §.  14, 
S.  15:  ,Dux  Arpad  .  ,  .  respoudit  diceus:  Licet  proavua  meus  potontii»!- 
mua  rex  Atliila  habuerit  terram,  que  iscet  inter  Danubiam  et  Tbysciam.' 

Ebenso,  %.  19.,  

16* 


244 


an.  NähercB  über  Attila  und  die  weiteren  Schicksnli' 
der  Hünen,  wie  sie  bei  Keza,  §.  6 — 15  und  in  der 
Chronik  (Chronicon  Budense,  S.  14 — 32)  gescbildert 
werden,  enthielten  aber  die  Gesta  ganz  sicher  nicht' 
Zu  dem  an  früheren  Stellen  (vgl.  besonders  oben,  8.  223 f.)  dar- 
llber  Gesagten  mag  hier  nur  noch  betont  werden,  dass  ins- 
besondere auch  eine  Zeitangabe  über  den  Auszug  Attilas  und 
der  Hünen  aus  der  Urheimat  in  den  Gesta  nicht  stund,  des- 
halb stimmen  darin  die  verschiedenen  Ableitungen  gar  nicht 
Ubcrein:*  nach  den  Angaben  der  Chronik  verstrichen  zwischen 
Attiln  und  der  Einwanderung  der  Ungarn  nach  Pannonien  etw« 
560  Jahre,  nach  der  Angabe  des  Anonymus  etwa  440,  nach 
jener  Keza's  nur  etwa  180  Jahre,  so  dass  schon  Attilas  Enkel 
wieder  in  Pannonien  einwanderte.  Erwähnt  mag  hier  noch  der 
Umstand  werden,  dass  die  ungarisch-polnische  Chronik  gar 
keine  Unterbrechung  im  Besitze  Pannoniens  durch  die  Ungarn 
eintreten  lilsst  und  zwischen  Attila  und  Geisa  nur  zwei  er 
dichtete  KOnige  (Coloman,  Bela)  setzt.  Beim  Anonymus  wttrdcn 
wir  aber  vergebens  nach  einer  AufklUrung  darttber  suchen, 
wie  es  denn  kam,  dass  die  Magyaren,  mit  denen  doch  schon 
Attiln  nach  Ungarn  kam,  spitter  wieder  aus  Osten  dahin  ziehen. 
Die  wenigen  Bemerkungen,  die  sich  sonst  noch  zn  Attilas  Gfr 
schichte  beim  Anonymus  S.  3  finden,  beziehen  sich  auf  sein«! 
,rogalem  locum",  der  ,per  linguam  huiigaricam  dicitur  nunc 
Buduvar  et  a  Tcothonicis  Ecilburgum  vocatur'.  Diese  Mitthei- 
lung findet  ihr  OegcnstUck  bei  Keza'  und  konnte  somit  wobl 
auch  in  den  Gesta  gestanden  sein,  obwohl  diese  NaDten»- 
kenntniss  natürlich  sowohl  dem  Anonymus  als  Keza  auch  ohne 
eine  Quelle  zugeschrieben  werden  kann.  Allonfalls  sind  wir 
bemilssigt,  anzunehmen,  dass  der  Anonymus  an  dieser  Stelle 
sie  in  den  Text  seiner  Vorlage  einschob,  denn  er  fkhrt  nach 
dem  obigen  Citate  folgendermassen  fort;  ,Quid  plora?  lUr  hi- 


'  Dut  dkfregen  im  Sohluuparagnipb«  der  Hunengeachiahl«  (Keuu  §.  Idi 
und  Chronicon  Budenno,  8.  32f.)  bereits  Einiges  au.i  den  Gast»  <Ml- 
nommeo  ist,  wurde  bereits  in  Btndie  VII,  S.  461),  betont.  Wir  weidap 
gleich  d*naf  b«i  der  EroberungagenGhichta  EurQckkomtnea, 

*  Siehe  oben,  8.  240,  Ajim.  1. 

'  8.  64:  ,.  .  .  Teutonici  interdictum  formidantea  e«ni  Echulbnre  Tocaremut 
Honi  rero  nsque  hodie  .  .  .  euidem  voc>nt  Oubudam  sictit  prioi.'  V;)- 
Chronicon  Budense,  8.  24,  wo  die  Form  ,Uudn  Vara'  orBnhoint 


245 


storie  Umeamim.  Longo  aiitcm  post  tempore  de  progenie  cius- 
dem  regia  Magog  descendit  ügek,  pater  Almi  ducis,  a  quo 
reges  et  duees  Hungaric  originem  duxerunt,  sicut  in  gequenti- 
hu»  dicetur.'  Diese  Fortsetzung  der  Genealogie  folgt  in  §.  3.' 
Hier  setzt  der  anonyme  Notar  ganz  offenbar  wieder  den  Bericht 
der  Gesta  fort:  .Anno  dorn.  ine.  DCCCXVIIII  Ugek,  sieut 
supra  diximus,  longo  prius  tempore  de  genere  Magog  regia 
erat  quidaui  nobilissimus  dux  Scithic,  qui  duxit  sibi  uxorem  in 
Denturaoger,  filiam  Ennedubeliani  ducis,  nomine  Emesu.  De 
qua  genuit  filium,  qui  agnominatus  est  Aliiius.  Sed  ab  eventn  di- 
vino  quia  niatri  eius  .  .  .'  (es  folgt  die  wahrscbeinlicb  ecbte  uu- 
gsrische  Volkssage  Qber  den  Namen  Alinus').  Dass  diese 
Geschichte  von  der  Abstammung  und  dem  Namen 
Almus'  in  den  Gesta  stand,  geht  unzweifelhaft  aus 
dem  Umstände  hervor,  dass  die  Chronik  diese  Er- 
zählung auch  hat  (S.  35),  und  zwar  mit  wörtlichen  An- 
klangen: ,Porro  Elend,  tilius  Ugek,  ex  tilia  Ennodbilia  in  Mogor 
genuit  filium,  qui  nominatur  Almus  ab  eventu,  quia  matri  eius 
in  Boninio  innotuerat  avis,  quasi  in  forma  asturis  veniens  .  .  .' 
Allenfalls  ist  hier  die  Stammfolge  schon  etwas  geändert,  indem 
zwischen  Ugek  und  Almus  ein  Eleud  eingeschoben  erscheint; 
auch  weiss  der  Chronist  bereits  eine  geschlossene  Stammreihe 
bis  auf  Attila  anzugeben  (Almus  —  Eleud  —  Ugek — Ed  — 
Chaba  —  Attila),  ja  er  setzt  sogar  diese  Reihe  bis  aui'Japhet 
and  Nog  fort.  Da  nun  bei  Keza  ebenfalls  einerseits  die  Reihe 
(§.  19)  Arpad  —  Almus  —  Elad  —  Uger  sich  tindet,  andererseits 
(§.  15)  aber  auch  die  Reihe  Ethele  —  Chaba  —  Ed,  so  ist  wohl 
unzweifelhaft,  dass  die  ausführliche  Reihe  bereits  in  der  Keza 
und  der  Chronik  gemeinsamen  Quelle  stand.  Die  Keza  und 
der  Chronik  gemeinsame  Abweichung  (Eleud!)  und  die  grössere 
AusfUhrhchkeit  gegenüber  Anonymus  ist  nun  wohl  nicht  so  zu 
erklären,  dass  der  Anonymus  aus  der  gemeinsamen  Vorlage 
etwas  ausliess,  sondern  man  darf  hier  wohl  mit  Sicherheit  an- 
nehmen, dass  Keza  und  die  Chronik  eine  andere,  bereits  etwas 
erweiterte  Gestalt  der  Gesta  vetera  benützten.  Wir  werden  dar- 
über noch  unten  mehr  zu  sagen  haben.  Man  könnte  aber  hier 
noch  die  Frage  aufwerfen,  ob  nicht  die  Chronik  die  angeführten 


'  Was   ducwisclien   steht,    ist  Elinschab  des  anonjnucu  Notars, 
folgende  Stndie  ttber  denselben. 


Vg\.  die 


246 


Nachrichten  aus  Kozsl  entnahm,  dessen  Darstellung  ihr  doch  vo^ 
lag.  Dies  kann  nicht  der  Fall  sein.  Aus  der  Darstellung  Keu^ 
geht  nftmlich  nicht  genau  hervor,  dass  alle  oben  genannte 
Persönlichkeiten  eine  genealogische  Reihe  bilden,  wie 
Chronik  dies  bestimmt  erklärt,  und  was  sie  doch  auch  nach  , 
des  Anonymus  Auffassung  wUren.  Keza  hat  nämlich,  da  er  il^| 
Gegensätze  zur  Chronik  und  auch  zum  Anonymus '  zwische^^ 
Attila  und  der  Einwanderung  der  Magyaren  nach  Ungarn  nur 
eine  Generation  setzt  —  nach  §.  15  kam  schon  Edemen,  d( 
Bruder  des  oben  genannten  Ed,  nach  Pannonien  zurück  — 
lange  Reihe  nicht  brauchen  können.  Nachdem  er  also  im  § 
die  Reihe  Attila  —  Chaba  —  Ed  festgestellt  und  von  di 
Letzteren  Bruder  Edemen  bemerkt  hat,  dass  dieser  ,cum  H 
gari  in  Pannoniam  secundario  sunt  reversi,  cum  maxima  famil 
patris  sui  et  matris  introivit',  konnte  er  natürlich  nicht  mehr 
Almus  als  den  Urururenkel  Attilas  anführen,  weil  sonst  der  am 
drei  Generationen  ttltere  Edemen  zugleich  mit  Almus  nai 
Ungarn  eingewandert  wäre.  Er  greift  daher  zu  einem  A 
kunftsmittel.  An  der  Stelle  (§.  19),  wo  wir  die  Genealogie  foi 
gesetzt  suchen,  finden  wir  die  Worte:  ,Arpad,  filius  Almi.  fil 
Elad,  filii  Uger  de  genere  Turul.'  Dass  dieses  Genus  Turul 
sich  in  Ed  —  Chaba  —  Attila  fortsetzt,  verschweigt  er.  Ai 
seiner  Darstellung  hätte  somit  die  Chronik  nicht  ihre  dem  A 
onymus  entsprechendere  folgern  können.  Uebrigens  vorwe 
das  ,Turul'  ganz  offenbar  auf  den  ,avi8 — astur'  in  der  ol 
aus  Anonymus  und  der  Chronik  citirten  Sage  über  Almus 
welche  Keza  weggelassen  hat.  Keza  hat  auch  die  Reihe  Alma 
—  Arpad  —  Zoltan  —  Toxun  —  Geisa  nicht  festgehalten, 
während  Anonymus  und  die  Chronik  sie  auf  Grundlage  d< 
Gesta  aufweisen  (Studio  VII,  vS.  474 f.). 

Den  Grund  über  den  Auszug  aus  Skythien  (Ucb« 
völkerung)  haben  sicher  schon  die  Gesta  angegeben. 
Hier  gilt  dieser  Grund  natürlich  aber  ebenso  wie  heim 
Anonymus  und  bei  Regino  (siehe  oben,  S.  238)  über  den  Aus- 
zug der  Ungarn,  während  bei  Keza  und  in  der  ihm  hierin 
folgenden  Chronik  dies  bereits  auf  die  Huncn  bezogen  wird. 
Dio    Zeitangabo    für     den    Auszug     der     Ungar 


'  Mnn  verg:leicbp  oben,  B.  340,  Anm.  1. 
'  Vgl.  hienu  Studie  VU,  S.  469,  Anm.  1. 


247 


I 


Skythien  stand  schon  wohl  in  den  üesta.  HiefUr  spricht 
der  Umst&nd,  dass  alle  drei  Ableitungen  an  dieser  Stelle  ein 
ziemlich  libereinstimmendes  Jahr  nennen.  Die  kleinen  Ab- 
weichungen sind  vielleicht  aus  Absehreibefehlera  zu  erklären: 
Anonymus,  §.7:  ,DCCCLXXXI1I^;  Keza,  §.  18:  ,DCCCLXXII'; 
Chronicon  Budense,  S.  36:  ,octingente8imo  octujigesimo  octavo'. 
Wie  es  scheint,  gehen  die  Zahlen  auf  Regino  zurück,  bei  dem 
zum  Jahre  ,DCCCLXXXVmi'  über  den  Einbruch  der  Skythen 
berichtet  wird.  Anonymus  verweist  an  der  betreffenden  Stelle 
geradezu  auf  seine  Vorlage  oder  seine  Vorlagen  (Gesta  und 
Regino)  durch  die  Worte:  ,sicut  in  annahbua  continetur  cro- 
nicis*.  Die  von  ihm  angegebene  Jahreszahl  konnte  leicht  durch 
Ausfall  des  ,V'  aus  jener  bei  Regino  entstehen.  Die  sieben 
Führer  beim  Auszuge  wurden  gewiss  schon  in  den 
Gesta  genannt,  denn  alle  Ableitungen  fuhren  sie,  wenn  auch 
mit  Abweichungen,  an  (vgl.  Studio  VJI,  S.  464  ff.). 

Den  Zug  nach  Ungarn  schilderten  die  Gesta  wohl 
in  knapper  Form,  wie  dies  bei  Keza  und  in  der  National- 
chronik stattfindet.  In  den  Hauptzügen  stimmt  hierin  auch  An- 
onymus tiberein  (Studie  VII,  S.  466  f.),  nur  hat  er  hier  wie 
sonst  zahlreiche  Erweiterungen  vorgenommen.  Die  Gesta  haben 
nur  kurz  berichtet,  dass  der  Zug  durch  die  Gebiete  der  Ru- 
mänen und  Rathenen  (Kiew,  Susdal)  ging;  ob  auch  die 
Petschenegen  (Bessen)  erwähnt  wurden,  ist  zweifelhaft,  sie  er- 
scheinen nur  bei  Keza  und  in  der  Chronik. ' 

Die  Feststellung  des  Berichtes  der  Gesta  über  die  Nieder- 
lassung in  Ungarn  gibt  Veranlassung  zu  vielen  wichtigen 
Betrachtungen.  Vor  Allem  scheint  es  ganz  sicher  zu  sein, 
dass  die  Gesta  die  Nachricht  enthielten,  die  Ungarn 
seien  von  Nordosten  her  über  die  Karpathen  ins  Land 
gekommen.  Anonymus  und  Keza,  die  direet  von  einander 
völlig  unabhängig  sind,  bringen  diese  Nachricht  ganz  überein- 
stimmend, also  auf  Grundlage  der  Gesta.   Man  vergleiche: 


'  In  der  Ilunengesebichte,  §.  7,  woselbst  Keza  den  Marsch  der  Htmen 
schildert,  indeai  er  ganx  offenbar  auch  den  ebou  erwähnten  Bericht  der 
Gesta  über  den  Ungarnzug  vor  Augen  hat,  werden  Oessen,  weisse  Kn- 
maneo,  Susdal,  Ruthenia  und  die  schwarzen  Kumaneu  genannt.  Ebenso 
CbTonicoD  Bndense,  8.  14,  auf  Keza  gestutzt. 


248 


Kez». 
§.  19.  Hic  igitur  Arpad  (filioB 
Almi)  cum  gente  sua  Rutheno- 
rum  alpes  prior  perforavit  et  in 
fluvio  Ung  primuB  fixit  sua  ca- 
stra.  §.  18.  Et  deinde  in  fluvio 
Hung  yocato,  ubi  castnim  fim- 
davere,  reBederont  A  quo  qni- 
dem  fluvio  Hungari  a  gentiboa 
occidentis  sunt  vocati.  Cumqae 
et  alia  VT  castra  post  hone  fiin- 
davissent,  aliquamdiu  in  illis 
partibus  permansere.  §.  16. 
Hunc  (sc.  Zuataplug  filiom  Mo- 
rot)  quidem  Hungari  de  flavio 
Hung . . .  peremerant  et  ncPan- 
nonic  populis  .  .  .  inceperunt 
dominari. 


Anonymus. 
§.  12.  Tuno  VII  principales 
persone,  que  Hetumoger  di- 
cuntur,  .  .  .  consilio  et  auxilio 
Kuthenorom  Galicie  sunt  in- 
gressi  in  terram  Pannonie.  Et 
sie  venientes  per  silvam  Houos 
ad  partes  Hung  desceoderunt 
. .  .  §.  13.  Dune  duz  Almus  et 
sui  primates  ...  ad  castrum 
Hang  equitaverunt,  ut  cape- 
rent  eum  .  .  .  dux  Almus  ipso 
viyente  filinm  suum  Arpadium 
ducem  ac  preceptorem  consti- 
tuit.  Et  vocatus  est  Arpad  dox 
Hungarie,  et  ab  Hungu  (vgl. 
auch  §.  2  und  39)  omnes  sui 
milites  vocati  sunt  Hungari 
secundum  linguam  alienigena- 
rum  et  illa  vocatio  usque  ad 
presens  durat  per  totam  mun- 
dum.  §.  14.  Anno  dom.  ine. 
DCCCCIU  Arpad  dux  missis 
excrcitibus  suis  totam  terrum 
inter  Thisciam  et  Budrug  usque 
ad  Ugosam  . . .  preoccupavit . . . 
et  milites  Salani  ducis  ...  in 
castrum  Hung  duci  precepit. 


Aus  den  vorstehenden  Parallelstellen  geht  unzweifelhaft 
die  lUchtigkeit  unserer  obigen  Bemerkung  hervor.  Nach  den 
Gcsta  kamen  also  die  Ungarn  aus  Galizien  Über  die 
Karpathen  nach  Ungarn  und  setzten  sich  zunächst  in 
dem  Gebiete  an  der  oberen  Theiss  fest;  nach  Ungvir 
erhielten  sie  ihren  Namen.  Wenn  demgegenüber  die 
Chronik  (Chronicon  Budense,  S.  36  f.)  behauptet,  dass  die 
Ungarn  sich  nach  wunderlichen  Abenteuern  zunächst  in  Sieben- 
bürgen nicderlicssen,  welches  Land  nach  den  daselbst  errich- 
teten sieben  ßur<xen  seinen  Namen  erhielt,  so  ist  dies  bereits 
eine  Neuerung.    Veranlassung  hiezu  bot  die  auf  den  Qesta  be- 


249 


rubeude  und  aUgemein  wiederholte  Nachricht,  diiss  die  Ungarn 
sieben  Heerführer  hatten.  Bei  Keza  findet  sich  schon  der 
Bericht,  dass  sie  ausser  Ungvjtr  noch  sechs  Burgen  bauten. 
Der  Chronist  denkt  nun  an  Siebenbürgen  und  iässt  daher  die  Un- 
garn zuerst  in  dieses  Land  gelangen.  Die  Ableitung  des  Namens 
von  sieben  Burgen  ist  nun  bekanntlich  falsch:  das  Land  hat 
seinen  Namen  ^nelraehr  von  der  Cibin-  oder  Sibinburg,  d.  i. 
Hermannstadt.  An  diesen  richtigen  Sachverhalt  konnte  man  erst 
vergessen  haben,  seit  der  Name  Hermaanstadt  für  Sibonburg 
allgemeiner  geworden  war  und  man  mit  dem  Schwinden  des 
letzteren  Namens  vergass,  dass  nicht  von  sieben  Burgen,  sondern 
von  der  Sibenburg  das  Land  den  Namen  fiihre.  Da  nun  der 
Name  Hermannstadt  1223  zuerst  erscheint,  so  hatte  der  Ver- 
fasser der  Gesta,  die  um  1230  schon  sicher  vorhanden  waren, 
gevriss  nicht  die  oben  angeführte  falsche  Etymologie  aufge- 
nommen.* Mit  dieser  vom  Chroniaten  vorgenommenen  Aendc- 
rung  hilngen  nun  noch  weitere  zusammen.  Weil  er  die  Ungarn 
nicht  bei  ÜDgvAr,  sondern  in  Siebenbürgen  zunächst  lagern 
Ifisst,  80  muflste  er  die  oben  citirte  Stelle  aus  Keza  über  die 
Besiegung  Svatoplug's  ,dc  fluvio  Hung'  folgendermassen  ändern: 
,Hunc  quidem  Hungari  de  Erdeel  (d.  i.  Siebenbürgen)  et  (!) 
de  flumine  Ungh,  muneribus  variis  explorantos'  etc.  (S.  32). 
Ferner  musste  der  Chronist  die  Ableitung  des  Namens  der 
Ungarn  von  Hung  fallen  lassen,  und  daher  heisst  es  bei  ihm; 
,vulgariter  Magyari  sive  Huni,  latine  vero  Hungari  dcnuo  in- 
gressi  sunt  .  .  .'  (S.  36). 

Eine  weitere  Frage  betrifi't  die  Nachricht  der  Gesta  über 
die  Person  des  Führers,  unter  dessen  Leitung  die  Ungarn  nach 
Pannonien  eindrangen.  Nach  den  Gesta  kamen  die  Ungarn 
offenbar  unter  Almus  nach  Ungarn.  Dies  ergibt  sich  aus 
folgender  Betrachtung.     Nach  der  oben  angeführten  Stelle  des 

t'  Interoünant  ist,  dnss  nach  dem  Wortlaute  der  Stolle  im  Chronicon  Bu- 
deii»e  der  dentache  Name  den  Landes  —  wie  es  der  oben  angegebenen 
Ableitung  entspricht  —  nrvprQnglich  Sieben  bnrg,  nicht  aber  Sieben- 
bürgen lautete,  wie  e«  die  Ensiihlang  des  Chronisten  erfordern  würde. 
So  widerlegt  er  selbst  seine  Ausführungen.  Die  Stelle  lautot  uämlich 
(S.  37):  ,Qua  propter  Tentouiei  partem  illam  ab  illo  die  Siebenburg,  id 
est:  Septem  Castra  voraveruut.'  Bezüglich  der  oben  gebrachten  Mit- 
theilungen Ober  Cibin  vergleiche  mau  ROaler,  Ruminiache  Stadien, 
S.   132  f. 


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250 


Anonymus  kamen  die  Magyaren  unter  der  Fuhrung  Almas'  ins 
nordöstliche  Ungarn.  Nach  der  Übereinstimmend  in  den  angft- 
rischen  Quellen  (Anonymus,  Chronik)  vorhandenen,  also  $ad 
den  Gesta  beruhenden  genealogischen  Reihe:  Almus  —  Arpsd 
—  Zoltan — Toxun  —  Geisa  würde  somit  der  letztgenannte 
Herzog  der  fünfte  von  Jenem  sein,  der  die  Einwanderui^ 
leitete:  Deshalb  nennt  auch  Anonymus,  §.  57  .Geysam  quintnm 
ducem  Hungarie'.  Nun  ist  es  bekannt,  dass  auch  die  grossere 
Stcphanslegende  (Vita  maior,  §.  2)  Geisa  bezeichnet  als  ,prin- 
cops  quintus  ab  illo,  qui  ingressionis  Ungarorum  in  Pannonin 
dux  priraus  fuit'.  Erst  die  spätere  Legende  von  Hartvich  nennt 
ihn  den  ,quartu8',  was  der  Mittheilung,  wie  sie  bei  Keza  in 
der  oben,  S.  248,  citirten  Steile  zu  lesen  ist,  entsprechen  würde. 
Da  es  nun  auch  bei  Alberich  auf  Grundlage  der  Gesta  zum 
Jahre  893  heisst:  ,HiiB  diebus  gens  Hungarorum  sub  primo 
duce  8U0  nomine  Alino  (richtiger  Almo)  ex  Scithia  egrcss» 
Pannoniam  inhabitare  cepit',  so  ist  wohl  kein  Zweifel,  dus 
nach  der  älteren  Ueberlieferung  Almus  die  Ungarn  in  ihre  neu« 
Heimat  hineinflShrte.  Erst  nach  einer  jüngeren  Version  geschah 
dies  anter  Arpad.  Der  Chronist,  dem  beide  Versionen  bekannt 
waren,  denn  ihm  lagen  sowohl  die  Gesta  als  Keza  vor,  bat 
offenbar  sich  bestrebt,  dieselben  auszugleichen:  nach  ihm  wftren 
die  Magyaren  wohl  nach  Siebenbürgen  unter  Almus'  Führung 
gekommen;  dann  aber  setzt  er  fort:  , Almus  in  patria  Erdeel 
occisus  est,  non  enim  potuit  Pannoniam  introire';  somit  kamen 
sie  erst  unter  Arpad  nach  Pannonien. ' 

Sicher  haben  die  Gesta  neben  Almus  auch  von 
anderen  sechs  Führern,  zusammen  von  sieben,  Nach- 
richten enthalten.  In  Richard's  oft  genannter  Schrifl  ,De 
facto  Ungariae  Magnae'  heisst  es:  ,Inventum  fuit  in  gestis 
Ungarorum  Christianorum,  quod  esset  alia  Ungaria  maior,  de 
qua  VU  dnces  cum  populis  suis  egressi  fuerant .  .  .'  Anonymus 
nennt  sie  wiederholt  (§.  1  und  7)  die  ,Hetumoger',  d.  h.  ,siebeD 
Ungarn'  (h^t  =  magyarisch :  sieben)  und  zählt  sie  auch  auf' 
(§.  6).   Ebenso  ist  bei  Keza  die  Rede  von  den  sieben  Lagern,  den 


*  Andere  Erkiftrangen  der  abweichenden  Angilben  ,qaintns — qaartos'  (t^I. 
besonder«  BQdinger,  Oesterreicliisohe  Qoscbichto  I,  S.  .394)  sind  rer- 
fehlt.  Auf  Phalitzu,  ala  einen  der  Hensoge  hat  die  ung^ariiche  Ueber- 
lieferung offenbar  nicht  Bttokaicht  genommen.  Vgl.  Übrigens  »uch 
Studie  VI,  S.  624,  Anm.  2. 


251 


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sieben  Heeren  und  den  sieben  Capitünen,  die  auch  aufgczilldt 
werden  (§.  18  und  19).  Dasselbe  ist  auch  in  der  Chronik  (Cliro- 
nicon  Budense,  S.  37,  40ff.  und  45)'  der  Fall.  Zwischen  den 
einzelnen  Quellen  finden  eich  in  der  Angabe  der  einzelnen 
Hauptleute  Abweichungen,  die  aus  den  Parallelstellen  Studie  VH, 
8.  464ff.,  ersichtlich  sind.  Der  wichtigste  Unterschied  ist  allen- 
falls der,  dass  der  Anonymus  zumeist  noch  die  Viiter  (in  einem 
Falle  sogar  den  Orossvater)  jener  Männer  nennt,  welche  bei 
Keza  und  in  der  Chronik  erscheinen.  Wir  finden  hier  also 
etwas  Aehnliches  wie  bezüglich  Almus'  und  Arpads.  Die  Er- 
klärung für  diesen  bemerkenswerthen  Umstand  ist  aber  folgende: 
der  Anonymus  nennt  die  MUnner,  unter  deren  Leitung  die  Un- 
garn aus  Skythien  aufbrachen;  bei  Keza  und  in  der  Chronik 
werden  dagegen  jene  Münner  genannt,  die  von  diesem  Lande 
Besitz  ergriffen.  So  ist  der  Abstand  um  eine  Generation  leicht 
erklärt.  Deshalb  lässt  der  Anonymus  auch  sofort  nach  der 
Eroberung  von  Hung  an  die  Stelle  Almus'  seinen  Sohn  Arpad 
treten,  und  ebenso  lässt  die  Chronik  Almu.s  schon  in  Sieben- 
bürgen sterben;  bei  Keza  kommen  aber  die  Ungarn  geradezu 
schon  unter  Arpad  über  die  Karpathen.  Der  bei  Keza  und  in 
der  Chronik  als  einer  der  Führer  genannte  Werbulchu  er- 
scheint bei  Anonymus  nicht  unter  den  Sieben  genannt.  Wohl 
aber  findet  man  beim  Anonymus,  §.  53,  den  bekannten 
ungarischen  Feldherrn  des  10.  Jahrhunderts  Ridau  mit  dem 
Beinamen  ,vjr  sanguineus',  was  der  bei  Keza,  §.  19,  gegebenen 
Charakterschilderung  des  Werbulchu  entspricht  (v4r  =  magia- 
risch:  Blut).*  Besonders  bemerkenswerth  ist  noch  vor  Allem 
der  Umstand,  dass  in  den  Gesta  neben  den  sieben 
Führern  und  ihren  Geschlechtern  die  Anderen  nirgends 
als  gleichberechtigt  genannt  wurden.  Dies  ergibt  sich 
aas  folgender  Betrachtung:  In  der  Chronik  (Chronicon  Bu- 
dense, S.  44ff.)  wird,  nachdem  über  die  sieben  Führer  be- 
richtet worden  ist.  Folgendes  ausgeführt:  ,Alie  vero  genera- 
tiones,   que   genere   sunt  pares  istis  et  consimiles,  acceperunt 


'  Zur  letzteren  Stelle  ,HM  Magiar'  vgl.  die  AuiifQhrungeii  iiiiteu,  S.  262  f. 

*  Anch  Kesa  sagt  von  diesem  Führer:  ,.  .  .  quud  ijuorundAm  c|uoque 
sangninem  bibit  sicat  vinnni';  doch  leitet  er  den  Nsmen  ganz  unsinnig 
von  lateininch  ,veru'  —  S]iie««  ab  (pliires  Qermanicos  assari  fecit  super 
vern).  Eis  ist  ganz  unzweifelhaft,  dass  die  echte  ungarische  Ueber- 
liefemug  auf  ,vär'  =  IJlut  hinwies. 


252 


sibi  loca  ot  descensum  ad  eorum  beneplacitum.  Cum 
Codices  qnidam  contineant,  quod  isti  capitanei  Septem  Piuuio- 
niam  introierint  et  Hungaria  ex  ipsis  solis  edita  sit  et  pinntata, 
unde  ergo  venit  geneiatio  AkuB,  Hör,  Abe'  u.  s.  w.  Welche 
sind  nun  diese  Codices?  Ganz  offenbar  die  Vorlafi^e  de«  Chr> 
nisten,  die  Gesta.  Thatsiiclilich  findet  sich  beim  Anonymus  gar 
keine  ähnliche  Bemerkung  wie  in  der  Chronik-,  der  Aufzähloog 
der  sieben  Flllirer  folgt  gar  keine  Erwähnung  der  anderen  Ge- 
schlechter, wenn  er  auch  bei  späteren  Gelegenheiten  noch  Ter 
schiedene  Geschlechter  aufzllhlt,  die  sich  bei  der  OccupatioD 
auszeichneten  oder  Landbesitz  erhielten.  Keza  bemerkt  nur 
gleich  nach  der  Aufzählung  der  sieben  Geschlechter  Folgendes: 
,l8ti  quidera  capitanei  loca  descensumquc,  ut  superius  est  dictum, 
sibi  elegerunt.  Similitcr  et  generationes  alio,  ubi  eis  placaiL' 
Von  einer  Gleichwerthigkeit  der  Geschlechter  ist  auch  hier 
aber  noch  keine  Spur.  Aus  dem  Bemerkten  folgt  unmittelbar, 
dass  die  hierauf  bezüglichen  Bemerkungen  im  Chrouicon  Ba- 
dense,  S.  44 — 46,  und  an  den  entsprechenden  Stellen  in  den 
anderen  Kedactionen  erst  Erweiterungen  des  Chronisten  sind, 
mit  denen  er  die  alte  Ueberlieferung  von  den  sieben  hervor- 
ragenden Geschlechtern  zu  entkrilftigen  sucht.  Oass  diese  Aus- 
filhrungen  erst  einem  Zeitpunkte  angehören,  da  das  Arpadeo- 
geschlocht  dahinsank,  möchte  man  wohl  mit  Kecht  aus  dem 
UmsUindc  schliessen,  dass  durch  dieselben  geradezu  jedes 
Adelsgeschlecht  diesem  gleichgestellt  wird.  Man  vergleiche 
ausser  der  oben  citirten  Stelle  (pares  istis  et  consimlles)  auch 
die  Bemerkungen,  Chronicon  Budense,  S.  46:  .Constat  ergo  et 
manifestum  est  ex  hoc,  non  solum  Septem  capitaneos  PannO' 
niam  conquestrasse,  sed  etiam  ahos  nobilcs  quamplures  simul 
cum  illis  de  Scitia  descendisse;  unde  in  ipsis  capitancis  venc- 
rari  potest  nomen  dignitatis  plus  aliis  et  potentie:  nobüitatis 
vero  equaliter.'  Wenn  nun  aber  auch  diese  Gleichstellang 
aller  Geschlechter  auf  eine  jlingerc  Zeit  deutet,  so  ist  doch  die 
Geschichte  von  den  sieben  von  der  Lechfeldschlacht  hoimge- 
kehrten  Ungarn,  mit  denen  der  Chronist  den  Bericht  von  den 
sieben  aus  Skythien  eingewanderten  Hauptlcuten  widerlegen 
will,  nicht  von  ihm  erst  erfunden.  Schon  Alberich  weiss  näm- 
lich zum  Jahre  967  Folgendes  zu  erznhlen:'  ,Et  de  illis  septcm 


'  Mon.  Germ.  Script.  XXIU,  767,  anno  9&7. 


263 


Unparis,  qui  (in  der  Lechfeldsch lacht)  remanseniiit,  iiims  ab 
eis  factus  est  rex.  Hü  venientes  in  terram  snam  totiim  populum, 
qai  non  exierat  cum  eis  ad  beüiini  in  servitutem  redegerunt; 
qui  autem  ex  istis  Septem  nati  sunt,  ipsi  sunt  modo  viri  nohilea 
in  terra  Ungarie,  quamvis  eorum  nobilitas  magne  servitiüi  sub- 
iaceat.'  Diesen  Berieht  hat  Alberich  gewiss  nicht  den  Gesta 
vetera  entnommen,  sondern  vielmehr  aus  der  ungarischen  Ueber- 
lieferung,  und  zwar  im  Anschlüsse  an  Ottos  von  Freising  ent- 
sprechende Bemerkungen.  Dieser  berichtet  nämlich  in  seiner 
Chronik  VI,  S.  20,  (iber  die  Niederlage  am  Lechfelde  und  be- 
merkt hiezu:*  , Barbari  vero,  quod  etiam  credibile  vidotur, 
osque  ad  internecionem,  Septem  tantnm  residuis,  omnes  deleti 
dicitur.':  An  diese  Nachricht  Ottos,  die  Alberich  mit  der  aus- 
drücklichen Einleitung:  jEpiscopus  Otto  hoc  factum  ita  atte- 
statur'  citirt,  schliesst  sich  seine  oben  angeführte  Bemerkung 
,Et  de  Ulis  Septem'  etc.  an.  Der  Schluss  dieser  Bemerkung 
über  die  gedrückte  Lage  des  ungarischen  Adels  entspricht 
aber  vollstilndig  der  Schilderung  Ottos  von  diesen  Verhält- 
nissen, die  er  in  seinen  Gesta  Friderici  I,  §.31,  aus  eigener 
Anschauung  gibt.*  Dass  Alberich  aber  auch  über  die  unga- 
rische Ueberlieferung  belehrt  sein  konnte,  ist  unzweifelhaft, 
denn  einerseits  hatte  er  sicher  viele  seiner  Nachrichten  über 
Ungarn  von  dort  erhalten,'  und  andererseits  geht  es  aus  den 
gleich  zu  erwähnenden  Nachrichten  über  die  auf  die  sieben 
Ungarn  am  Ausgange  des  13.  Jahrhunderts  verbreiteten  Lieder 
hervor,  dass  die  Ueberlieferung  noch  damals  lebendig  war.  In 
den  Gesta  vetera  stand  aber  hierüber  wohl  nichts,  weil  erstens 
weder  Anonymus  noch  Keza  hierüber  erzählen,  und  zweitens, 
weil  nach  der  Darstellung  der  Gesta  die  Regierung  des  Heraogs 
Toxun  wahrscheinlich  schon  als  ganz  friedlich  zu  gelten  hat,* 
während  nach  der  einzigen  in  der  Nationalchronik  überlieferten 
angarischen  Version  der  Sage  von  den  sieben  Ungarn  diese 
Begebenheit  sich  an  einen  Kriegszug  zur  Zeit  dieses  Königs 
knüpft.  Diese  Erzählung  von  den  sieben  Ungarn  kann 
also  in  den  Gesta  nicht  gestanden  sein,^  und  mithin  hat 


>  Mon.  Oerm.  Script.  XX,  238.  *  Ebenda,  XX,  868  f. 

»  V^.  Stndie  VII,  8.  438  f. 
*  Vgl.  unten  im  Texte. 
■"'*  Ob  die  8a^  thatsKchlich  »nf  ein  Ercigniw  vor  Toxun'«  Zeit  sich  bezieht 
—  etwn  nnf  den  Kampf  vom  Jahre  933   oder  966    (vgl.  S.  971,  Ann.  1) 


254 

die  Nationalcbronik  sie  aus  der  Ueberlieferang  geschöpft.  Die- 
selbe erzählt,  dass  in  einer  in  die  Zeit  Toxun's  fallenden 
Schlacht  bei  Eisenach  alle  ungarischen  Krieger  mit  Ausnahme 
von  sieben  getödtet  worden  wären,  weiche  sodann  nach  Ungarn 
zurückkehrten.  Wenn  aber  der  Chronist  daran  die  Bchauptong 
knüpft,  dass  diese  sieben  Flüchtlinge  aus  dem  Westen  die  Ver- 
anlassung von  der  Erzählung  geworden  wären,  dass  aus  dem 
Osten  blos  sieben  Führer  gekommen  wären,  so  ist  dies  eine 
tendenziöse  Bemerkung,  um  die  Ueberlicferuug  von  den  sieben 
hervorragenden  Geschlechtern  zu  entkräftigen,  wie  dies  schon 
oben  bemerkt  wurde.  Ebenso  ist  es  eine  tendenziöse,  und  swar 
recht  ungeschickte  Neuerung,  wenn  femer  in  der  Chronik  im 
Gegensatze  zu  Alberich  behauptet  wird,  jene  sieben  Flücht- 
linge wären  in  Ungarn  zu  schmählicher  Armuth  verdammt  und 
der  Name  ,Het  mogoriek'  *  wäre  ihnen  zur  Schmach  beigelegt 
worden,  die  über  sie  verbreiteten  Lobgesänge  hätten  sie  ab«r 
auf  sich  selbst  gesungen.  Alle  diese  Bemerkungen  sind  vOliig 
unglaubwürdig.  Der  Name  ,Het  mogoriek',  d.  h.  die  sieben 
Ungarn,  kann  kein  Schimpfwort  gewesen  sein,  wie  dies  ancb 
das  ,Hetu  moger'  beim  Anonymus  nicht  ist.* 

Die  Ausführungen  über  die  fremden  Einwanderer 
nach  Ungarn,  welche  Keza  seinen  Gesta  angehängt  hat,  und 
die  sich  in  der  Nationalchronik  bereits  in  dem  Contcxtc  der 
selben  aufgenommen  finden  (Chronicon  Budense,  S.  46 — 54), 
gehörten  nicht  den  Gesta  an.  Der  Anonymus  hat  daher 
auch  nichts  davon. 

Die  Eroberung  und  Besetzung  Pannoniens  begann 
nach  den  Gesta  von  Hung  aus  (vgl.  oben,  S.  248,  die  Citate). 
Nach  Anonymus  wurde  dieser  nördhche  Theil  dem  Fürsten 
Salanus,  nach  Keza  und  der  Nationalchronik  dem  Svatopluk 
entrissen;  auf  welcher  Seite  die  Abweichung  von  den  ursprün;;- 
lichen  Gesta   liegt,   ist  schwer  zu  entscheiden.     Die  Ueberein- 


—  ist  gleichmütig:   die  mit  den  KSmpfen  snr  Zott  Toxun's  yerbnndeoc 

ErzJthliiug  kann  in  den  Oeats  nicht  gestanden  haben,   weil  nach  diMM 

dieaer  Herncher  keine  Kümpfa   führte. 
'  Diese  richtige  Form  bietet  das  Chronicon  Posooiense,  Cap.  39,  woin  aocli 

die  Bemerkungen  des  Hernusgebers  Flori&n  an  der  betreffenden  Stalle 

la  vergleichen  sind  (Fontes  IV,  S.  2b(.). 
*  Aanfnhrlicher  werde  ich  Aber  die  sieben  Ungarn  in  einer   besonderes 

Studie  bondeliL 


265 


Stimmung  Keza's  mit  der  Nationalchronik  kann  entweder  durch 
die  ihnen  vorliegende  Redaction  der  Geata  oder  durch  die  Be- 
nützung Keza's  durch  die  Chronik  veranlasst  sein.  Alle  — 
Anonymus,  Keza  and  die  Chronik  —  verweisen  auf  die  von 
den  Ungarn  bei  dieser  Erwerbung  angewendete  List.  Keza 
sagt  allenfalls  nur  kurz  (§.  16):  ,Hunc  (Zuataplug)  quidem  Ilun- 
gari  de  fluvio  Hung  variis  rauneribus  aliectum  et  nuntiis  ex- 
plorantes,  considerata  illius  militia  immunita,  ipsum  Zuataplug 
irruptione  subita  .  .  .  peremerunt  ...  et  sie  Pannonie  populis  .  .  . 
inceperunt  dominari.'  Dieser  kurze  Bericht  ist  aber  unver- 
kennbar ein  Auszug  aus  der  schönen  Volkssage  über  den 
symbolischen  Kauf  Ungarns,  von  dem  der  Anonymus,  S.  15  f. 
und  32,  und  die  Chronik,  S.  38  f.,  erzählt.  Die  Sage  könnte 
also  schon  in  den  Gcsta  angedeutet  gewesen  sein;  insofern  sie 
aber  der  lebendigen  VolksUberlieferung  entnommen  ist,  kann 
sie  auch  jeder  der  Chronisten  aus  dieser  geschöpft  oder  doch 
ergänzt  haben.  Daher  erklären  sich  auch  die  abweichen- 
den Formen  beim  Anonymus  und  in  der  Chronik.  Sicher 
berichteten  die  Gesta  auch  über  die  Besitznahme  ein- 
zelner Gebietstheile  durch  die  einzelnen  Führer  und 
Geschlechter,  wie  dies  sehr  ausführlich  der  Anonymus 
(S.  16 ff.),  kürzer  Keza  (S.  72f.)  und  die  Chronik  (Chronicon 
Budense,  S.  40 — 43)  berichten.  Auf  die  einzelnen  Abweichungen, 
welche  sich  hierin  besonders  zwischen  der  Darstellung  des  An- 
onymus einerseits  und  jener  bei  Keza  und  in  der  Chronik 
andererseits  finden,  kann  hier  nicht  eingegangen  werden.  Des 
Anonymus  Erziihlung  beruht  hier  ganz  offenbar  auf  Sagen, 
Naniensdeutungen,  wohl  auch  auf  seiner  Kenntniss  der  da- 
maligen Grundbesitzverhiiltnisse  u.  dgl.  Diese  weitschweifige 
Erziihlung  ist  gegenüber  der  knappen  bei  Keza  und  in  der 
Nationalchronik  deutlich  als  Erweiterung  der  ursprünglichen 
Qesta  gekennzeichnet.  Doch  sind  die  Berührungspunkte,  welche 
auf  diese  gemeinsame  Quelle  deuten,  in  allen  Ableitungen  vor- 
handen. *  Mit  dem  §.  53,  wo  sich  die  Darstellung  den  äusseren 
Kämpfen  zuwendet,  verlassen  den  Anonymus  zum  grossen 
Theile  seine  der  ungarischen  Ueberlieferung,  Localsage  und 
Ortskenntniss  entnommenen  Nachrichten,  die  Erzählung  wird 
wieder   knapper,   und   nun   stellen   sich  sofort  die  engeren  Be- 


254 

die  Nationalcbronik  sie  aas  der  Ueberlieferang  geschöpft.  Dit- 
selbe  erzählt,  dass  in  einer  in  die  Zeit  Tozon'B  Meada 
Schlacht  bei  Eisenach  alle  ungarischen  Krieger  mit  Aimilun 
von  sieben  getödtet  worden  wären,  welche  sodann  nach  Ungn 
zurückkehrten.  Wenn  aber  der  Chronist  daran  die  Behaaptng 
knüpft,  dass  diese  sieben  Flüchtlinge  ans  dem  Westen  die  Y» 
anlassang  von  der  Erzählung  geworden  wären,  dasa  aas  im 
Osten  blos  sieben  Führer  gekommen  wären,  so  ist  dies  a 
tendenziöse  Bemerkung,  um  die  Ueberlieferang  von  den  mtki» 
hervorragenden  Geschlechtem  zu  entkräftigen,  wie  dies  i^ 
oben  bemerkt  wurde.  Ebenso  ist  es  eine  tendenziöse,  ond  im 
recht  ungeschickte  Neuerung,  wenn  femer  in  der  Chronik  ia 
Qegensatze  zu  Alberich  behauptet  wird,  jene  sieben  FlB^ 
linge  wären  in  Ungarn  zu  schmählicher  Armath  verdammt  nsi 
der  Name  ,Het  mogoriek'^  wäre  ihnen  zar  Schmach  bdgdegt 
worden,  die  über  sie  verbreiteten  Lobgesänge  hatten  se  »bcr 
auf  sich  selbst  gesungen.  Alle  diese  Bemerkungen  sind  völlig 
unglaubwürdig.  Der  Name  ,Het  mogoriek',  d.  h.  die  siebet 
Ungarn,  kann  kein  Schimpfwort  gewesen  sein,  wie  dies  and 
das  ,Hetu  moger'  beim  Anonymus  nicht  ist.' 

Die  Ausführungen  über  die  fremden  Einwanderer 
nach  Ungarn,  welche  Keza  seinen  Gesta  angehängt  hat,  und 
die  sich  in  der  Nationalchronik  bereits  in  dem  Contexte  der 
selben  aufgenommen  finden  (Chronicon  Budense,  S.  46 — bi), 
gehörten  nicht  den  Gesta  an.  Der  Anonymus  hat  dahs 
auch  nichts  davon. 

Die  Eroberung  und  Besetzung  Pannoniens  begann 
nach  den  Gesta  von  Hung  aus  (vgl.  oben,  S.  248,  die  Citate). 
Nach  Anonymus  wurde  dieser  nördliche  Theil  dem  Fürstai 
Salanus,  nach  Keza  und  der  Nationalchronik  dem  Svatoplok 
entrissen ;  auf  welcher  Seite  die  Abweichung  von  den  ursprOng- 
liehen  Gesta   liegt,   ist  schwer  zu  entscheiden.     Die  Ueberein- 


—  ist  gleichmütig:   die  mit  den  Kämpfen  zur  Zeit  Toxnn's  TerbnodeM 

Erzählung  kann  in  den  Gesta  nicht  gestanden  haben,   weil  nach  diam 

dieser  Herrscher  keine  Kämpfe  führte. 

Diese  richtige  Form  bietet  das  Chronicon  Posonienae,  Cap.  29,  wora  aaci 

die  Bemerkungen  des  Herausgebers  Flori&n  an  der  betreffenden  Stalle 

zu  vergleichen  sind  (Fontes  IV,  S.  26  f). 

AusfOhrlicber  werde  ich  über  die  sieben  Ungarn  in  einer   besondereD 

Stndie  handeln. 


•timraung  Keza's  mit  der  Nationalchronik  kann  entweder  durch 
fdie  ihnen  vorliegende  Redaction  der  Qesta  oder  durch  die  Be- 
nützung Keza's  durch  die  Chronik  veranlasst  sein.  Alle  — 
Anonymus,  Keza  und  die  Chronik  —  verweisen  auf  die  von 
den  Ungarn  bei  dieser  Erwerbung  angewendete  List.  Keza 
sagt  allenfalls  nur  kurz  (§.  16)r  ,Hunc  (Zuataplug)  quidera  Hun- 
gari  de  fluvio  Ilung  variis  niuneribus  allectum  et  nuntiis  cx- 
plorantes,  considerata  illius  militia  immunita,  ipsum  Zuataplug 
irruptione  subita  .  .  .  peremerunt ...  et  sie  Pannonie  populia  .  .  . 
inceperunt  dominari.'  Dieser  kurze  Bericht  ist  aber  unver- 
kennbar   ein    Auszug    aus    der    schönen   Volkssage    über    den 

kymbolischen  Kauf  Ungarns,  von  dem  der  Anonymus,  S.  16  f. 
und  32,  und  die  Chronik,  S.  38  f.,  erzählt.  Die  Sage  könnte 
filso  schon  in  den  Gesta  angedeutet  gewesen  sein;  insofern  sie 

liier  der  lebendigen  Volksüberlieferung  entnommen  ist,  kann 
Bie  auch  jeder  der  Chronisten  aus  dieser  geschöpft  oder  doch 
ergänzt  haben.  Daher  erklären  sich  auch  die  abweichen- 
■den  Formen  beim  Anonymus  und  in  der  Chronik.  Sicher 
1>erichteten  die  Qesta  auch  über  die  Besitznahme  ein- 
zelner Gebietstheile  durch  die  einzelnen  Führer  und 
fGeschlechter,  wie  dies  sehr  ausführlich  der  Anonymus 
(S.  16  ff.),  kürzer  Keza  (S.  72  f.)  und  die  Chronik  (Chronicon 
Budense,  S.  40 — 43)  berichten.  Auf  die  einzelnen  Abweichungen, 
welche  sich  hierin  besonders  zwischen  der  Darstellung  des  An- 
onymus einerseits  und  jener  bei  Keza  und  in  der  Chronik 
andererseits  finden,  kann  hier  nicht  eingegangen  werden.  Des 
Anonymus  Erzählung  beruht  hier  ganz  offenbar  auf  Sagen, 
Namensdeutungen,  wohl  auch  auf  seiner  Kenntniss  der  da- 
maligen Grundbesitzverhältnisse  u.  dgl.  Diese  weitschweifige 
Erzählung  ist  gegenüber  der  knappen  bei  Keza  und  in  der 
Nationalchronik  deutlich  als  Erweiterung  der  ursprünglichen 
Gesta  gekennzeichnet.  Doch  sind  die  Berührungspunkte,  welche 
auf  diese  gemeinsame  Quelle  deuten,  in  allen  Ableitungen  vor- 
handen. '  Mit  dem  §.  53,  wo  sich  die  Darstellung  den  äusseren 
Kämpfen  zuwendet,  verlassen  den  Anonymus  zum  grossen 
Theile  seine  der  ungarischen  Ueberlieferung,  Localsage  und 
Ortskenntniss  entnommenen  Nachrichten,  die  Erzählung  wird 
wieder   knapper,   und   nun   stellen   sich  sofort  die  engeren  Be- 


I 


»  Vgl.  hioau  Sttidie  VII,  8.  468  f. 


258 


A.   901.     Anno    dorn.    ine. 

DCCCCI  gens  Hungarium 
Longobardorura   fines  ingressa 
cacdibiis,   incendiis  ac  ra- 
pinis   crudeliter  cuncta  de- 
vastat.    Cuius 


violcntiae  ac 
beluino  furori  cum  terrae 
incolae  in  unura  agmen 
conglobati   resiatere  cona- 

rertur,  innumerabilis 
inuUitudo  ictibus  sagitta- 
ram,  periit,  quam  plurimi 
cpiscopi  et  eomites  truci- 
dati  sunt.  Liudwardus  epi- 
scopus  Vercellensis  eccle- 
siae  Caroli  quondam  impera- 
toris  familiarissimus  et  t'on- 
stliarins  a  secroto,  assump- 
tis  secnm  opibus  atque 
incomparabilibus  thesan- 
ris  quibus  ultra,  quam  esti- 
mari  potest,  habundabat, 
cum  effugere  eoruni  cruen- 
tarn  ferocitatcm  omnibus 
votis  elaborarct,  saper  eos 
inscius  incidit  ac  mox  intcr- 
ficitur;  opes,  qnae  secum  fere- 
bantur,diripiuntur.  Eodem  anno 
Stephanus  comes,  frater 
Walonis,  cum  in  secessa 
residens  nocturnis  buris 
alvum  purgaret,  a  qaodam 
per  fonestram  cubiculi  sa- 
gittae   toxioatae   ictu    gra- 


§.  53.  Et  per  forum  Jubi  ir 
marchiam  Lombardia  veneninl, 
Dbi  olritatem  Padaam  ce- 
dibus  et  incendiis  et  gladio 
et  rapinis  magnis  crudeliter 
devÄStavemnt.  Ex  hinc  intran- 
tes  Lombardiam  multa  mala 
facere  ceperunt.  Quorum  vio- 
lentie  ac  belluyno  furori 
cum  terre  incole  in  unnm 
agmen  conglobateresistero 
conarentur,  tunc  innume- 
rabilis multitudo  Lombar- 
dorum  per  Uungaros  icti- 
bus sagittarum  periit^quam 
plurimis  episoopis  et  co- 
mitibus  trucidatis.  Tone 
Lutuardus  episcopus  Vercel- 
lensis ecclesie,  vir  nomina- 
tissimus,  Caroli  rainoris  qaon- 
dam  impcratoris  familiarissimus 
araicus  ac  fidelissimus  a  secreto, 
hoc  audito  assumptis  se- 
cum opibus  atque  incom- 
parabilibus thesauris,  qui- 
bus  ultra  quam  estiroari 
potest  habundabat,  cum 
omnibus  votis  effugere  U- 
boraret  eornm  crnentam 
ferocitatem,  tunc  inscius 
super  Uungaros  incidit  et 
mos  ab  eis  captus  interficitnr, 
et  thesaiirum  cstimationem  ha- 
manam  transcendentem,  quem 
secum  ferebat,  rapuemot  Eo- 
demque  tempore  Stepha- 
nus  frater  Waldonis   comi- 


259 


res  eorruissent .  .  .  Kriegs- 
fläne  Conrads  .  .  .  Kampf 
mit  den  Bulgaren.  Tem- 
pore item  alio  per  Forum  Jtüü 
intrant  Lombardiam,  nbi  Lui- 


tardum,  Wercellane  civitatis 
episcopum,  imperatoris  Caroli 
eonslliarlnm  fidissimum  occi- 
dentes,  ex  ipsius  ecclesia  the- 
saoram  maTimum  rapaemnt; 
totaque  pene  Lombardia 
demolita  cum  maximapre- 
da  in  Pannoniam  rever- 
tuntur.  Post 


ad  nallas  partes  perrexerunt. 
Anno  aatem  quarto  Bnlga- 
riam  invaserunt)  .  .  .  Post- 
quam  autem  memorata  regna 
deicerunt,  per  Forum  Juüi 
usque  in  marchiam  Longobar- 
die  intraverunt,  nbl  clTltatem 
Padaam  igne  ac  gladio  con- 
sumserunt.     Ek  hinc  intrantes 


Longobardiam  Linthar  Vercel- 
line  civitatis  episcopum,  impe- 
ratoris Caroli  consiliarium 
fidissimum  occidentes,  ex  ipsius 
ecclesia  thezaurum  maximum 
rapuerunt,  totamque  pene 
Longobardiam  spoliantes, 
cum  maximo  spolio  in  Pan- 
noniam cum  victoria  re- 
dierunt.   Post 


17* 


260 


viter  valnoratur,  ex  quo 
vnlnero  eadem  nocte  ex- 
tingitur. 


A.  907.  Bawarii  cum  Unga- 
riis congressi  multa  cede  pro- 
strati  sunt.  A.  908.  Ungarii . . . 
Saxonlam  et  Turlngam  va- 
staverunt.  A.  909.  Ungarii  Ala- 
manniamingressisunt.  A.910. 
Franci  In  confinio  Bawarlae 
et  Franeiae  Ungariis  con- 
gressi miserabiliter  aut  victi 
aut  fugati  sunt. 


tis  cum  in  secessu  residens 
super  murum  castri  in 
nocturnis  alunm  purgare 
vellet,  tunc  a  quodam  Han- 
garo per  fenestram  cubi- 
culi  sui  sagitte  ictn  gra- 
viter  vulneratur,  de  quo 
Tulnere  eadem  nocte  ex- 
tingitur.  §.  54.  Dein- 


de  Lotorigiam  et  Alema- 
niam  devastaveront  Franeos 
quoque  orlentales  in  confi- 
nio Franeonle    et   Bararie 


multls  mlllbns  eomm  eesls 
ictibas  saglttanun  in  tsr- 
pem  fagam  conrerternnt  Et 

omnia  bona  eorum  accipientes 
ad  ducem  Zultam  in  Honga- 


A.  911.   Cnonradns  ...  in  i  riamreversi  sunt  §.55.  Postea 


regno  successit.  A.  912.  Un- 
gari  .  .  .  Franciam  et  Turingam 
vastaverunt.  A.  913.  Ungarii 
partes  Alamauniae  vastave- 


vero  anno  V  (richtiger  II)  re- 
gnante  Connrado  imperatore 
Lelu,  Bulsu,  Botond  .  .  .  missi 
a  domino  suo  partes  AU- 
mannie  irripuerunt  et  multa 
bona  eorum  acceperunt  Sed 
tandem  Bavarorum  et  Aleman- 


261 


hec  Saxonlaiu,  Thnrine:tam, 

Sueviam  Keno  circa  Magun- 
tiam  transpassato  orieDtalcm 
Franciam  et  BuTgundiavi 
demoliti  ecclesias  etiam  plures 
destruxerunt.  Et  cum  Renuin 
in  Constantia  in  reditu  per- 
transissent  et  cum  maximo  ho- 
nore  venissent  in  Buviiriani 
circa  castriitn  Abah  Ala- 
mannicua  exercitus  iptos 
invadit   ex   abrupto.     Qui- 


bu8  viriliter  resistontibus  prelio 
confecto  Teutonici  sa^ittls  de- 
vincuntur,  iibi  capitur  Hertin- 
dus    de    Suarchiunburc    impe- 


ratoris     marischaicus, 

id 

est 

inilitie    siic     princcpa, 

et 

alii 

cjuamplures     nobilos 

cum 

eo- 

dem  .  .  .   perforantur. 

Et 

sic 

tandem  cum  victoria  et  pr©- 
da  maxinm  ad  i)ropria  rever- 
tuntur.  §.  21.  Transactis  ipitur 
paucis  diebus  Lei  et  Buichu  per 
commnnitatem  Hungarorum  in 
Teutoniam  destinantnr  et 

cum  Auguttam  j)ervenis- 
sent  ultra  fluvium  Lyh  .  .  . 


hec  (deeem  annis  repausantes 
anno  undecimo)  Saxonlam, 
Tu r Inflam,  Sveviam,  Fran- 
cosque  oricntalps,  id  est 
Burgundos,  demoliti  in  con- 


HlliiM  Bavarle  ultra  ca- 
»trum  Abah  circa  Danubiura 
Almanorum  exercitus 
ipsos  ornatos  in  reditu 
invaterunt  ex  abruptu; 
quos  [S.  56]  Hungari  In  fn- 
£;am  turpiter  i^oiin^rteniiit, 
cests  mitltls  milllbiis  ox 
elsdeiu.  (In  quo  quidem  con- 
flictu  ex  Hun^aris  tria  millia 
vironim  pcriorunt);  qui  vero 
ovaserunt  ad 


propria  redeantes  (annis  se- 
decim)  iramobiliter  in  Hunga- 
rios  permanserunt.  Regnante 
vero  per  Almaniam  Conrado 
primo  (decimo  scptirao  anno) 
Hungari  egreasi  quibusdam  par- 
tibus  Teutonie  devastati  cum 
ad    urbem   Augustavt    per- 


262 


mnt  et  iuxta  In  fluvium  a 
Bawariis  et  Alamannis  occisi 
sunt 


A.  915.  Ungarii  totam  Ala- 
maDniam  igne  et  gladio  va- 
stavenmt,  sed  totam  Turingam 
et  Saxoniam  perraserunt  et 
usque  ad  Fnldam  monaste- 
rium  pervenerunt.  A.  917,  Un- 
garii per  Alamanniam  in  Alea- 
tiam  et  usque  ad  fines  Lotha- 
riensis  regni  pervenerunt. 
Erchanger  et  Berabtold 
decollantur.  A.  924.  Ungarii 
orientalcm  Franciam  vastave- 
runt.  A.  926.  Ungari  totam 
Franciam,  Alsatiam,  Galliam 
et  Alamanniam  igne  et  gladio 
vastaverunt.  A.  932.  Ungarii 
per  orientales  Francos  et  Ala- 
manniam multis  civitatibos  igne 
et  gladio  consumptis  iuxta 
Wormatiam  Bheno  transito 


norum  nefandis  fraudibos  Lein 
et  BuIbuu  capti  sunt  et  iuxta 
fluvium  Hin  in  patibnlo  so- 
spensi  occiduntur.   Bo- 


tondu  et  alü  Hungaromm  mi- 
lites  .  .  .  audacter  et  viiilitar 
steterunt  .  .  .  viotores  buob  . . . 
vicerunt  et  gravisBima  cede  pro- 
stravemnt.  Felix  igitor  Hnn- 
garorum  embola  .  .  .  totam  Ba- 
variam  et  Alemaniam  ac 
Saxoniam  et  regnam 


Lathariense  igne  et  ^adio 
consumpserunt  et  Ercbange- 
num  atque  Bertoldum  duces 
eorum  decollaTemnt.  Eine 
vero  egressi  Franciam  et  Gal- 
liam   expugnaveront    et    dorn 


Quos  (Lei  et  Bulchu)  cesar 
iudicio  auspendii  condem- 
nando  Ratispone  fecit  oc- 
cidi  in  patibulo.  Quidam 
vero  ipsos  aliter  dampnatua  fa- 
bulose  aaaeverant,  quod  cesari 
presentati  unua  illorum  cum 
tuba  in  caput  ipsum  ccsarem 
occidisset  feriendo.  Que  sane 
fabula  verosJmiÜ  adversatur . . . 
Verum  quidem  est  et  libri  con- 
tinent  Cronicarum  .  .  .  ut  Hun- 
gari  audjerunt,  ut  cesor  sie 
ipsos  occidisset,  omnes  capti- 
vos  teutonicos  tarn  mulieres 
qnam  parvulos  usque  ad  XX 
toilia  iugularunt.  §.  22.  Alius 
vero  exercitus,  qui  dista- 
I  bat  ab  Augutta,  macht  viele 
Deutsche  zu  Gefangenen :  Quos 
quidem  ut  ceperunt,  omnibua 
Caput  detruncarnnt  pro  exse- 
quüs  sociorum.  Fuerant  autem 
numero  milites  et  scutituri  quasi 
VIII  milia,  quorum  capits  sunt 
tnmcata.    Abinde  egressi  post- 

»modum  Danubii  fluvium  in 
Ulma  transicrant  et  ad  Wil- 
tense  cenobium  cum  venissent, 
thesaurum  magnum  exinde  ra- 
puerunt.  Et  post  hoc  tota  Sue- 
I  via  [demolita]  Roniliu  Wor- 
inatietransicriint,ibiqucduos 
duces,  scih'cet  Lotharingie  et 
Saevie,  cum  maximo  exercitu 
contra  eos  venientes  invene- 
runt.  Quibiis  devictis  et  fu- 
gatis   tandem  Franciam  intra- 


2G3 

venissent  .  .  .  ex  una  parte 
fluvio  Lili  .  .  .  ahnlich  wie 
bei  Keza,  doch  wird  hier  die 
Geschichte  von  der  Tödtung 
des  Königs  durch  einen  der  Ge- 
fangenen (Lei)  mittelst  seines 
Hornes  ohne  jede  zweifelnde 
Bemerkung  erzählt. 


fehlt. 


S.  57.  Alius  autem  exer- 
citus . .  .  ühnlich  wie  bei  Keza, 
doch  wurden  die  Gefangenen 
(deren  Zahl  nicht  angegeben 
ist)  nicht  getödtet,  sondern  (cum 
quibus  socios  saos  Ratispone 
detentos      redemerunt).      Ipsi 


vero  exinde  tali  fortuna  eis  oc- 
currente  monastcrtum  de  Fnlds 
combussere,  ubi  multum  de  auro 
haurientes  abinde  .  .  .  Bono 
[S.  58]  transpassato  Lotorin- 
gensem  ducatum  igne  et  gladio 
vastaverunt,  ubi  circa  Stroz- 
burg  in  quodam  prelio  Ekhar- 
dura  ducem  Lotoringe  et  Per- 
toldum  ducem  Brabancie,  qui 
ei  venerat  in  auxüium,  capti- 
vantes  decollarunt.  Inde 


364 


usque  ad  mare  oceanom  Gal- 
liam  devastantes  per  Italiam 
redlemnt.  A.  934.  Heinricus 
rex  Ungarios  multa  caede 
prostravit,  pluresqae  ex  eis 
conprehendit. 


A.  954.    Ungarii  ducentibus 
inimicis  regia  in 


quadragcsima  Rfaeno  tran- 
sito  pei-vadentes 


Oalllam  inaudita  mala  in  ec- 
clesias  Dei  fecerunt  et  per 


inde  victores  reyerterentor  ex 
insidiis  Saxonam  magna 
strage  perieruot.  Qui  autem 
ex  ipsis  evaseront,  ad  propria 
redierant  (Trauer  über  ätsa 
Tod  Lelu's  und  Bulsu's;  Zoni 
gegen  die  Deutschen;  Geburt 
Toxun's). 

§.  56.  Eodma  anno  inimici 

Athonis  regis  TTieotonicortunm 

necem  eins  detestabili  facinon 

machinabantur.    Qui  cum  per 

te  nichil  malt  ei  facere  potHi$- 

sent,  auxilium  Hungarorum  ro- 

gare    ceperunt  .  .  .   Tkme    Uli 

inimici  Athonis   regia   Teotho- 

nieorum  miterunt  nuncio»  $wu 

ad   Zultam    ducem  .  .  .  Dux 

vero  ZuUa  . .  .  mint  exertätvm 

magnum.  contra  Athonem  regtm 

Teothonicorum  .  .  .    Qui   cum 

egressi    essent    a    duce    Zulta 

rursum     Bavariam,    Aleman- 

niam  et  Saxoniam  atque  TV 

ringiam    in    gladio    pereu$ie- 

runt.     Et    exinde    egret$i   in 

quadragesima  transierunt 

R  e  n  um  ßuvium  et  regnum  La- 

tariensem  in  areu  et  sagittis 

exterminaverunt.       Universam 

quoque    Oalliam    atroelter 

affllgentes,     eccleslas    dei 

!  crudeliter  intrantes  spoliave- 

j  nmt    Inde  per  abrupt«  8e- 

'  nonensinm,  per  popalos  afi- 

I  minos(?),  ferro  sibi  Tlam  et 

:  gladio  aperuerunt.     Superatis 

I  ergo  Ulis  bellicosissimis  genti- 


verunt,  ubi  christianis  et  ce- 
nobitis  persecutio  valida  facta 
est  per  eosdem.  Exinde  autem 
egressi  usqae  iluvium  Rodanum 
Tenientes  duas 


vero  Cfalliam  atrociter  aflU- 
gcntes,  cradeliterqae  In  ee- 
cleslam  dei  sevientes  Metense, 
Treverense  et  Aquisgranense 
territoriaigne  devastarant.  Dein- 
de  per  abrnpta  Montium  8e- 
nonensinm  per  popnlos  eter- 
ni  Martis  Tiam  sibi  giadio 


866 


Italiam 


redienint. 


A.  956.  Ungarii  oam  tarn 
ingenti  maltitadine  ezean- 
tes,  at  non,  nisi  terra  eis 
dehisceret  vel  caelum  eos 
obrueret,  ab  aliquo  se  vinci 
posse  dicerent,  ab  exercitu 
regis  apad  Lichom  fluviam 
tanta  cede  Deo  prestante 
prostrati  sunt,  ut  nunquam 
ante  apud  nostrates  victoria  ta- 
lis  audiretur  aut  fieret  Cuon- 
radus 


boB  . . .  montes  Senonnm  tanr 
oendemnt  et  Sflgosam  eef» 
ront  oiviUitam.  DoindiB  ij^M 
TamniHB  oisilalaB  qyhrf» 
■Biam  oqnigiimTemnt.  Elpoik- 
quam  plaiuun  regkMMm  Li» 
bardie  aspexerant^  tobun  paM 
Italiam  bonis  omnibm  afflo» 
tem  et  enbenuiteiii  omuiUk 
conibaB  spoliaverant  DcbdB 
. . .  fetid  ▼iotoii»  haeut»  ad 
propna  regna  -  revortnnliir. 


Tanc  Hoto  rex  Teothonieo- 
ram  posuit  inBidifts  ioxt« 
Benom  flavium  et  cum  omm 
robore  regni  sui  eos  inTa- 
dens  maltoB  ex  eis  inter 


267 


itates,  scilicet  Segasam  et 
arinam,  spoliarunt,  per  Alpes 
lie  sibi  viam  preparando.  Et 
n  planum 

üssent  Lombardie  concitatis 
•sibus  spolia  multa  rapuerunt, 
sie  tandem 


aperientes  paraverunt.  Ubi  si- 
quidem  Segpisam  Taurinamquo 
civitates  destraxeruiit,  montes- 
qne  prefatos  perforantes  planum 

Longobardie  cum  vidissent,  to- 
tam  pene  provinciam  concitatis 
cursibus   vastavere,   et  ita  ad 


beiden 


propria  revertuntur.  Seither 
seit   dem   Tode   Lel's   und 

Ichu's  —  geben  die  Ungarn 

!  Furcht  alle  EinfiUle   nach 

utschland    auf   bis  auf  die 

iten  Stephans  I. 

dafür  wird  hier  in 
Quellen  (Keza,  §.  23,  und 
Chronicon  Budense,  S.  59)  mit 
wörtlichen  Anklängen  (vgl. 
ticut  gygana  emittitur  — 
aicut  gigaa  emisaus;  parva 
hora  in  luctando  — parva 
hora  dimicantes;  ad  aua 
palatio  perrexerunt  —  per- 
gentes  ad  palacium;  au- 
rum,  gemmas,  armenta  in- 
finita  —  aurum,  gemmas 
et  armenta  infinita)  der 
Zug  nach  Constantinopel  und 
die  Hcldenthat  des  Botond  er- 
zählt, welche  Anonymus  an 
einer  früheren  Stelle  (§.  42) 
mit  den  Worten  zurückweist: 
,Sed  ego  quia  in  nullo  codice 
historiographorum  inveni,  nisi 
ex  falsis  fabulis  rusticorum 
atidivi,  ideo  ad  presens  opus 
scribere  non  propusui.' 


proprium  regnum  cum  victoria 
revertuntur. 


*'vs 


<|ii«ii<l«ai  dax  ibi  occiditar. 


fecit.  Botond  et  Vrcon  ac  rdi- 
qni  exerdtiu ...  in  eodem  bello 
qaeodam  magnam  dncem, 
virum  nominatisaimam 
interficiant .  .  .  Tod  des  Bo- 
tond nach  der  Heimkehr.  Sed 
istud  notom  sit  omnibns  scire 
volentibos,  quod  milites  Hmt- 
garorom  bec  et  haiosmodi  beUa 
usque  ad  tempora  Tuesnn  da- 
cis  gesseront 

§.  57.  Zaitas  letzte  Regie- 
rungsjahre sind  friedlich.  Toc- 
sun  wird  als  Friedensfttrst  ge- 
schildert.  Thocsnn  vero  dox 
cum  Omnibus  primatibas  Han- 
garie  potenter  et  pacifice  per 
omnes  dies  vite  sae  obtinoit 
omnia  iura  regni  soi.  Et  audits 
pietate  ipsius  .  .  . 


Aus  dem  Studium  der  vorstehenden  Stellen  ergibt  sich, 
dass  die  Gesta  vetera  flber  die  Zeit  der  Raubzuge 
Folgendes  erzählten:  Sie  berührten,  auf  Regino  gestützt, 
die  Kämpfe  mit  den  Bulgaren  und  Mährern,  dann  die  Ein&De 
nach  Karantanien  und  den  Raubzug  nach  Oberitalien,  wobei 
ihnen  der  Bischof  Liutward  zum  Opfer  fiel;  auch  haben  die 
Gesta  zu  erzählen  gewusst,  dass  Padua  gebrandschatzt  wurde.' 
—  Sodann  haben  sie,  auf  Regino's  Fortsetzung  gestützt,  über 
die  seit  907—912  erfolgenden  Einfälle  nach  Sachsen  und  Thü- 
ringen, dann  Süddeutschland  berichtet,  wobei  aber  die  einzelnen 


'  Diese  Nachricht  stand  sicher  in  den  Gesta,  weil  sie  Anonymus  and  die 
Nationalcbronik  enthalten,  welche  sonst  unabh&ngig  sind.  Kesa  lien 
diese  Nachricht  seiner  Vorlag'e  aus.  Die  Stelle  ist  mit  ein  Beweis,  dass 
der  Chronik  die  Oesta  im  Orig^ale  Torla^n  (neben  Kesa). 


269 


§.  23.  . . .  Communitas  itaquc 
Hungarorum  cum  suis  capita- 
neis  seu  ducibus  . . .  usque  tem- 
pora  ducis  Geiche  liinc  inde 
huic  mundo  spolia  et  pericula 
dinoscitur  intulisse. 


vgl.  oben  den  Scbluss  von  §.  22. 


S.  60.  .  .  .  Communitas  ita- 
que  Hungarorum  cum  suis  ca- 
pitaneis  sive  ducibus  hec  et  alia 
huiusmodi  usque  ad  tempora 
Toxan  ducis  gessisae  perbi- 
betur. 

S.  44  f.  (Äccidit  autem  tem- 
poribus  Toxon  Hungarorum 
exercitum  versus  Galliam  pro 
accipiendis  spoliis  ascendisse. 
Qui  cum  in  reditu,  Reno  trans- 
meato,  divisi  forent  in  tres 
partes,  due  sine  lionore,  una 
cum  honore  in  Hungariam  de- 
scendebat:  quam  dux  Saxonie 
apud  Isnacum  civitatem  sine 
Septem  Hungaris  omnino  inter- 
iecit. ) 


5üge  nicht  auseinandergehalten/  sondern  vielmebr  in  Einen 
zusammengezogen  wurden.  Besonderes  Gewicht  wurde  hicbei 
nur  auf  die  bei  Regino  zum  Jahre  910  erzählte  Niederlage  der 
Deutschen  im  Grenzgebiete  von  Baiern  und  Franken  gelegt, 
welche  nach  Keza  und  der  Chronik  beim  ,ca8trum  Abah'  statt- 
gefunden haben  soll.  *    Letztere  Nachrieht,  sowie  die  Erwähnung 


^  Die  Hinzufügani:  Lothringens  an  dieser  Stolle  fällt  wohl  erst  dem 
Anonymus  zur  Laat;  Uiirgnrid  »tnnd  aber  wühl  .tclmn  in  der  Keza  und 
der  Nationnlchronik  vorgelegenen  Redaction  der  Genta,  wie  überhaupt 
vieles  Keza  und  der  Chronik  Gemeiusame  (siehe  die  getperrt  curtiv  ge- 
druckten Stellen)  auf  diese  Weise  zu  erklären  sein  wird.  Siehe  unten 
im  Texte,  8.  270. 

*  Aus  der  Chronik  hat  Aventin  snm  Jahre  907  diese  Nachricht  (Leipziger 
Ausgabe  Tun  171U,  S.  4öl).  Vgl.  Rademacher,  Aventiii  uud  diu  un- 
garisi-he  Chronik  (Nene»  Archiv  XII,  S.  üC2). 


270 


Burgunds  an  dieser  Stelle  dürfte  in  der  vom  Anonymus  be- 
nutzten Redaction  der  Gesta  noch  nicht  gestanden  sein;  da- 
gegen gehört  sie  wohl  schon  der  Redaction  an,  aus  welcher 
Keza  und  die  Nationalchronik  schöpften.  Hätte  nämlich  letztere 
die  Nachricht  erst  aus  Keza  entlehnt,  so  wäre  sie  ihm  auch 
im  sonstigen  Wortlaute  der  Mittheilungen  gefolgt,  wjlhrend  die 
Chronik  hier  grössere  Verwandtschaft  mit  Anonymus,  also  mit 
den  Gesta,  zeigt  als  Keza  (man  beachte  die  fettgedruckten 
Stelleu!).  Auch  hätte  der  Chronist  dann  doch  etwas  von  den 
in  dieser  Partie  vorkommenden  selbständigen  Nachrichten  Ken's 
entlohnt,  was  ebenfalls  nicht  der  Fall  ist  (siehe  die  unterstrichenen 
Stellen).  —  Hierauf  erzählten  die  Gesta,  indem  sie  oft'cnbar  wie- 
der die  Ereignisse  nicht  schieden,  von  einer  grossen  Niederlage 
der  Ungarn  zur  Zeit  Konrads,'  vom  Tode  Lel's  und  Bulsu's, 
von  den  Rachekämpfen  der  Ungarn,  die  sofort  ein  deutsches 
Heer  vernichten,  ihren  Plünderungen  in  Deutschland  (wobei 
Fulda  und  Worms  genannt  wurden*),  in  Lothringen  und  Frank- 
reich und  über  die  Rückkehr  durch  Italien  nach  Ungarn.  Diese 
ganze  Darstellung  war  offenbar  in  den  Gesta  ohne  alles  chrono- 
logische Gefühl  niedergeschrieben,  alle  Ereignisse  zu  einem 
grossen  Raubzuge  zusammengezogen.  Die  Veranlassung,  die 
grosse  Niederlage  der  Ungarn  in  die  Zeit  Konrads  zu  verlegen, 
war  offenbar  die  von  Regino  zum  Jahre  913  erwähnte  erste 
grosse  Niederlage  der  Ungarn.  Der  alte  Schreiber  der  Gest« 
kannte  aus  der  UebcrUeferung  nur  eine  entscheidende  Nieder- 
lage der  Ungarn  (am  Lech  bei  Augsburg),  nach  der  aach  Lei 
und  Bulsu  ihren  Tod  am  Galgen  fanden.  Sobald  er  nun  in  seiner 
Vorlage  (Regino)  beim  Jahre  913  auf  die  erste  Erwähnung  einer 
Niederlage  der  Ungarn  stiess,  glaubte  er  diese  mit  der  ihm  ant 
der  Ueberheferung  bekannten  identificiren  zu  können;  dass  Re- 
gino hier  von  einer  Niederlage  am  Inn  spricht,  störte  Utn  nicht, 
wie  er  überhaupt  die  weiter  bei  Regino  noch  erwähnton  Nieder- 
lagen (anno  934  und  955)  nicht  mehr  beachtet.'  Was  nftmUch 


'  Sowohl  AnonymUB  als  die  Chronik  nennt  Konrad.  Die  Zeitangabe  beim 
Anonymus  ISsst  sich  sogar  mit  jener  bei  Regino  (anno  913)  in  Einklang 
bringen,  wenn  man  die  oben,  S.  260,  angedeutete  Corrector  des  ,V'  >B 
,11'  gelten  liisst.     Keza  hat  die  Erwähnung  Kourads  unterlassen. 

*  Man  vergleiche  die  Parallelstellen  8.  260f. 

*  Sollte  Tielleicht  die  Notiz  bei  Kegino  inm  Jahre  965  ,Cnonrad<u 
quondam    dux    ibi   ouciditnr'    zu    der   Soge,    dasa   KOnig  Konrad   nach 


271 

jetzt  bei  Anonymus  darliber  steht,  ist  ganz  gewiss  einer  di- 
recten  Benützung  des  Regino  durch  den  Notar  entsprungen. 
Elr  hat  erst  wieder  den  Kampf  zu  Konrads  Zeit  (anno  913) 
an  den  Inn  verlegt,  hielt  aber  daran  fest,  dass  damals  Lei  und 
Bulsu  hingerichtet  wurden ;  er  hat  auch  erst  die  Niederlage  von 
934  und  die  Kämpfe  und  die  Niederlage  zur  Zeit  Ottos  aus 
Regino  aufgenommen.  In  den  Gcsta  stand  von  diesen  Ereig- 
nissen nichts,  wie  dies  sich  aus  der  Betrachtung  unserer  Pa- 
rallelstellen deutlich  ergibt.'  Dagegen  haben  sie  (wie  bereits 
oben  erwähnt  wurde)  die  anderen  Raubzüge  von  915 — 954 
als  eine  zusammenhätngende  grosse  Unternehmung  geschildert, 
wobei  sie  bereits  viele  Einzelheiten  boten,  die  bei  Regino  sich 
nicht  finden  (man  vergleiche  besonders  die  Mittheilungen  über 
den  Rückzug  durch  Italien).  —  Die  in  diesen  Zeilen  enthaltene 
Volkssage  vom  Home  des  Lei  scheint  in  den  Gesta  nicht  ge- 
standen zu  haben.  Diese  Erzählung  von  der  Ermordung  des 
Königs  Konrad  durch  Lei  berührt  Anonymus  nilmlich  gar 
nicht;  Keza  sagt  von  ihr:  ,quidem  .  .  .  fabulose  asserverant' 
und  stellt  eine  andere  Nachricht  mit  den  Worten:  , Verum  qui- 
dem  est  et  libri  continent  cronicarum'  entgegen,  was 
voraussetzt,  dass  er  die  Sage  in  keiner  Chronik  fand,  sondern 
aus  mündlicher  Ueberlieferung  kannte;  auch  finden  sich  keine 
näheren  Beziehungen  zwischen  Keza's  bezüglichem  Texte  und 
der  Erzählung  in  der  Nationalchronik:*  diese  scheint  also  die 
Sage  ans  der  mündlichen  Ueberlieferung,  vielleicht  durch  Keza 
aufmerksam   gemacht,    aufgenommen    zu    haben,    weil    sie    ihr 


der  Schlacht  am  L«cbfelde  von  Lei  ^etcdtet  wurde,  in  Beziehung 
stehen  ? 

'  Die  bereit)  oben,  S.  252  f.,  besprochene  Nachricht  der  Nationalchrooik 
Ober  die  Niederlage  der  Ungarn  bei  Eisenach  und  von  den  sieben  Un- 
garn hat  diese  nicht  in  die  xusammonhängende  historische  ErzKfalung 
einzureihen  versucht.  Sic  rOhrt  gewiss  nicht  aus  den  Oesta  her,  wie  be- 
reits oben,  S.  263,  bemerkt  wurde,  Allenfalls  dürfte  aber  die  Sage  in 
der  Niederlage  in  Sachsen  oder  in  jener  am  Lecbfelde  ihren  Ursprung 
genommen  haben;  an  ersteres  Ereigniss  knflpft  sie  Äventin  (S.  4fi8), 
der  sie  aus  der  Chronik  entlehnt,  an  letzteres  Alberich  und  Otto  von 
Freising  (oben,  S.  352 f.).  Vgl.  Kademacher,  Forschungen  zur  deutschen 
Geschichte  XXV,  S.  395f.,  Anm.,  der  aber  Alberichs  Hittheilongen  und 
jene  Ottos  von  Freising  nicht  kennt. 

*  Ueber  die  mOgliche  Veranlassung  der  Entstehung  dieser  Sage  siehe 
8.  270,  Anm.  3. 


272 


glaublich  erschien.  —  Aus  unseren  Parallelstellen  ergibt  sich 
schliesslich,  dass  die  Erzählung  vom  Zuge  nach  Constantinopel 
und  der  Heldenthat  des  Botond  wenigstens  in  der  dem  Anony- 
mus Torgelegenen  Redaction  der  Gesta  nicht  stand,  weil  er  sie 
zwar  berührt,  aber  ausdrücklich  bemerkt,  er  habe  sie  in  keiner 
Aufzeichnung  gefunden.  Dementsprechend  lässt  er  diesen  Hel- 
den nach  seiner  Rückkehr  aus  Deutschland  sofort  in  Ungarn 
sterben.  Dagegen  mag  sie  in  der  Redaction,  welche  Keza  und 
der  Verfasser  der  Nationalchronik  benutzten,  bereits  enthalten 
gewesen  sein.  Doch  kann  auch  das  Vorkommen  der  Sage  bei 
beiden  letzteren  mit  wörtlichen  Anklängen  so  erklärt  werden, 
dass  Keza  die  Sage  aus  der  Ueberlieferung  aufnahm,  der  Ver- 
fasser der  Nationalchronik  aber  bei  seiner  Arbeit  Keza  einsaL 
Uebrigens  ist  es  bekannt,  dass  die  Ungarn  nach  der  Lechfeld- 
schlacht  thatsächlich  noch  mehrere  Raubzüge  (961 — 969)  nacb 
Griechenland  unternahmen,  bis  auch  diesen  das  gerade  damals 
erstarkende  oströmische  Reich  ein  Ende  setzte.'  —  Schliesslich 
ist  zu  betonen,  dass  in  den  Gesta  vetera  gewiss  schon  bemerkt 
wurde,  dass  nach  der  grossen  Niederlage  die  Ungarn  eine 
friedlichere  Politik  zu  verfolgen  begannen.  Dem  entsprechend 
betont  Anonymus,  dass  seit  jenem  Ereignisse  Zulta  und  sein 
Sohn  Toxun  friedlich  regierten,  und  Keza  berichtet  ebenso, 
dass  wenigstens  nach  Westen  fortan  kein  Einfall  mehr  statt- 
fand. Der  entgegengesetzte  Bericht  der  Nationalchronik,  dass 
noch  zur  Zeit  Toxun's  die  Ungarn  nach  dem  Westen  Raab- 
züge unternahmen,  ist  offenbar  nicht  den  Gesta,  sondern  der 
Ueberlieferung  entlehnt.*  Dass  die  bei  Anonymus,  Keza  und 
in  der  Nationalchronik  vorkommende  Bemerkung  des  Inhaltes: 


'  Was  Marecali  in  den  OescbichtwiQellen,  S.  87—91,  über  Botond  uu- 
fUbrt,  beweist  die  spSte  Ankiiilpfun^  der  SA^e  an  diesen  Namen  nnd 
ibre  Fixierung  in  der  uns  rorliegenden  Fonn.  Wenn  er  aber  troti  der 
auadrücklichen  Bemerkung  dus  Anonymus,  dass  er  von  Botond's  Helden- 
tbat  vor  Constantinopcl  nirgends  in  einer  geschriebenen  Quelle  Nncb- 
ricbt  fand,  das  Qegentbeil  annimmt,  so  kann  man  ihm  hierin  nicht 
folgen.  Die  späte  Sago  stand  eben  noch  nicht  in  den  ani]>rflnglichen 
Oesta.  Wenn  Botond  der  heldenmUtbige  deutsche  Graf  Poto  ist  (Annales 
Altabenses,  anno  1060),  so  kann  die  Naniensflbertragung  erst  mindesten* 
swei  Menschenalter  später  erfolgt  sein.  Der  Verfasser  der  Geota  ist  aber 
wohl  schon  ein  Zeitgenosse  Colomans  gewesen.  Siehe  weiter  ontw 
im  Texte. 

*  Vgl.  biean  oben,  8.  S63,  nnd  die  Anm.  1,  8.  271. 


273 


» 


jÜies  also  warew  die  Kriege,  welche  die  Ungarn  bis  zur  Zeit 
Toxun's  führten',  den  Gesta  angehörte,  ist  ganz  unzweifelhaft; 
und  zwar  wurde  in  derselben  sicher  Toxun  genannt,  wie  bei 
Anonymus  und  in  der  Nationalchronik,  nicht  aber  Gcisa,  was 
offenbar  erst  eine  Neuerung  Keza's  ist,  der  Toxun,  wie  auch 
seinen  Vater  Zulta  überhaupt  nicht  nennt. 

Aus  unserem  ParalIeJstellenverzeichnisse  ergeben  sich  ferner 
auch  zum  grossen  Theile  die  Aenderungen  und  Zusätze,  welche 
von  den  verschiedenen  Bearbeitern  der  Gesta  vetera  herrühren. 
—  Der  Anonymus  bat  neben  den  schon  auf  Regino  beruhen- 
den Gesta  nochmals  Regino  benutzt,  wie  dies  aus  den  in 
stehender  Schrift  gesperrt  gedruckten  Stellen  zu  ersehen  ist. 
Iliebei  hat  er  z.  B.  in  ganz  unsinniger  Weise  auch  die  Ge- 
schichte des  Stephanus  Frater  Waldonis  übernommen,  die 
doch  gar  nicht  mit  den  Ungarn  in  Beziehung  steht.  Es  sei 
noch  bemerkt,  dass  die  grössere  Anlehnung  des  Notars  in  ein- 
zelnen Worten  und  S.'itzen  an  Regino  immerhin  auch  daraus 
erklärt  werden  kann,  dass  er  hierin  den  Gesta  enger  folgte, 
oder  dass  er  eine  ursprünglichere  Redaction  derselben  benutzte; 
aber  die  eng  an  Regino  angelehnten  umfangreichen  Nachrichten, 
welche  Keza  und  der  Chronik  fehlen  (vgl.  die  näheren  Be- 
richte über  Liutward  und  den  eben  erwähnten  Stephanus,  ferner 
den  Kampf  am  Inn,  jenen  von  933/4  und  954/5)  sind  ohne 
Zweifel  direct  entlohnt.  Ausserdem  hat  der  Anonymus  einzelne 
ihm  allein  eigenthümliche  Zusätze  gemacht;  sie  sind  durch 
eursive  Schrift  bezeichnet.  —  Gegenüber  dem  Anonymiis  ent- 
halten Keza  und  die  Nationalchronik  viele  gemeinsame 
Nachrichten,  die  Jenem  fehlen;  dieselben  sind  durch  cursiv 
gesperrten  Druck  bezeichnet.  Es  ist  schon  oben  angedeutet 
worden,  dass  für  das  gemeinsame  Vorkommen  dieser  Stellen  in 
Keza  und  in  der  Chronik  gegenüber  der  Daislcllung  des  An- 
onymus verschiedene  Erklärungen  möglich  sind.  Hie  und  da 
wird  vielleicht  der  Anonymus  aus  den  Gesta  etwas  ausgelassen 
haben,  was  die  anderen  Ableittmgen  übernahmen.  In  anderen 
Fällen  wird  wohl  das  Mehr  an  gemeinsamen  Nachrichten  bei 
Keza  und  in  der  Chronik  daraus  zu  erklären  sein,  dass  ihnen  be- 
reits eine  erweiterte  Redaction  der  Gosta  vorlag  (man  vergleiche 
besonders  die  obigen  (S.  269  f.)  Bemerkungen  zum  Kampfe 
bei  Abah  und  jene  über  Botond  (S.  272).  Da  schliesslich  dem 
Verfasser  der  Chronik  gewiss  auch  Keza's  Gesta  vorlagen,  aus 

ArchlT.   LXJXVni.  Ud.  I.  Ililflo.  18 


274 

denen  er  die  Hunengeschichte  schöpfte,  so  ist  es  nicht  «uge- 
schlossen,  dass  gewisse  der  Chronik  mit  Keza  gemeinsame  Nadi- 
richten  in  der  Ungamgeschichte  aus  Eeza's  Bearbeitong  floeiea 
(vgl.  hiezu  oben,  S.  210).  —  Weiters  bemerken  wir  Stellen, 
die  nur  Keza  eigenthümlich  sind;  dieselben  sind  dnrch  unter 
Streichung  ausgezeichnet.  Es  sind  vorzüglich  zwei  Nachrichten 
über  Rheinübergänge  (bei  Mainz  und  Constanz),  eines  üebw- 
ganges  über  die  Donau  bei  Ulm,  dann  genauere  NachriditeB 
über  verschiedene  Grausamkeiten  der  Ungarn  gegenüber 
deutschen  Kriegsgefangenen.  Alle  diese  Nachrichten  scheinet 
wegen  ihrer  Zusammengehörigkeit  doch  wohl  irgend  einer 
deutschen  Quelle  entsprungen  zu  sein,  die  Keza  zugftn^iii 
war.  *  —  Endlich  bemerken  wir  Nachrichten,  sie  sind  zwischen 
(^  )  gesetzt,  welche  nur  in  der  Nationalchronik  sich  finden. 
Zu  denselben  gehören  die  bestimmten  Zeitbestimmungen,  die 
freilich  nichts  weniger  als  verlässlich  sind.  Man  vei^Ieiche  hie- 
zu auch  oben,  S.  227  f. 

Nach  jener  bereits  oben  (S.  273)  besprochenen  Bemerkung 
des  Inhalts:  ,Dies  also  sind  die  Kriege,  welche  die  Ungan 
bis  zur  Zeit  Tocsun's  führten',  setzten  die  Gesta  vetcr« 
ganz  offenbar  mit  der  Genealogie  seit  Toxun  weiter 
fort.  Nach  dem  Ausweise  des  Anonymus  und  der  Chronik 
wurde  hier  gewiss  Toxun  als  Vater  Geisas  und  also  als  Gross- 
vater  Stephans  des  Heiligen  genannt.-  Keza  führt  dagegen 
auch  an  dieser  Stelle  Toxun  nicht  an,  nachdem  er  bereits  in 
der  eben  angeführten  Bemerkung  statt  Toxun  bereits  Geis» 
genannt  hat,  wie  dies  S.  273  besprochen  wurde.  Die  sonstigen 
genealogischen  Daten  und  der  Wortlaut  der  Stelle  lassen  sich 
aus  Keza  und  der  Chronik  leicht  bestimmen.  Zu  dem  ur- 
sprünglichen Texte  der  Gesta  vetera  gehört  vor  Allem 


'  Die  oiiio  dieser  Nachrichten  von  der  Ermordung  von  20.000  deutecheis 
tiofang^enen  hätte  Kademacher  (Aventin  und  die  ungarische  Chromlt 
Neues  Archiv  XII,  S.  575)  gar  nicht  mit  Aventin's  Mittheilniig  von  der 
Niedermacliung  der  mehr  als  20.000  Menschen  in  Italien  zuMmmen- 
stellen  sollen.  Die  botreffende  Stelle  bei  Aventin  steht  in  der  mir  n- 
gänglicheu  Leipziger  Ausgabe  von  1710,  S.  446. 

*  Anonymus,  §.  57:  ,Dux  vero  Thocsnn  genoit  filiam  Geysam,  qnintnm 
ducem  Ilungario  ...  ad  tempora  sancti  regia  Stephani,  nepotis  dncii 
Tocsun.'  -  Chronicon  Bndense,  8.61:  ,Porro  Toxun  genuit  Geydii» 
.  .  .  Geyclia  vero  .  .  .  genuit  sanctum  Stepbanum   regem.' 


275 

aach  die  Nachricht,  dass  Sarolta  die  Mutter  des  hei- 
lligen  Stephan  war.  Dies  ergibt  sich  nänilich  aus  dem  Um- 
stände, dass  sich  die  Nachricht  beim  Anonymus  und  in  der 
Chroniii  findet,  die  bekanntlich  direct  einander  nicht  beein- 
fiussten.  Reza  hat  diese  Nachricht  wie  manches  Andoro  in 
der  genealogischen  Reihe  ausgelassen.  ^ 


lonymas,  §.  S7. 

Geula  genuit  duas 

qwarum  .  .  .  al- 

^roltii;  et  Surolt 

Mter  sancti  regis 

Am. 


Keza,  g.  24. 

Anno    vero    Dominice 

incarnationis 

DCCCCLXVII  üeicha 

dux     divino     premonitus 

uraculo     genuit    siinctum 

regem  Stephanum. 


Chr.  Budense,  8.  61. 
Geycha  vero  divino 

premonitus  oraculo  an- 
no Dominice  incarna- 
tionis DOCCCLX  nono 
. . .  genuit  sanctum  Ste- 
phanum regem  ex  Sa- 
rolth  filia  Gyule. 


Ferner  dürfte  auch  die  Angabe  des  Geburtsjahres 
Stephans  bereits  den  Gesta  angehört  haben.  Die  kleine 
Abweichung  zwischen  Keza  und  der  Chronik  dürfte  sich  leicht 
aus  einem  Schreibfehler  erklären.  Dass  beim  Anonymus  die 
Zahl  feldt,  darf  nicht  als  Gegenbeweis  angeführt  werden,  weil 
das  Citat  aus  Anonymus  einer  vorgreifenden  Bemerkung  des- 
selben entnommen  ist;  sein  Werk  bricht  vor  der  eigentlichcMi 
Behandlung  der  Geschichte  Stephans  ab.  Wenn  aber  an  der 
oben  auspunktirton  Stelle  im  Citate  aus  der  Chronik  daselbst 
die  Worte  stehen  ,quemadmodum  in  Legenda  sancti  Stephan! 
regis  scriptum  est',  so  ist  diese  Bemerkung  nicht  etwa  so  auf- 
Eufnssen,  als  ob  diese  Nachricht  erst  aus  einer  Vita  s.  Stephani 
entnommen  worden  sei.  BekanntUch  Mhrt  übrigens  keine  der 
Biographien  Stephans  das  Geburtsjahr  desselben  an.^   Die  Mög- 


Doch  nennt  auch  er,  §.  24,  Jula  den  Avunculus  Stephans.  Die  Voran- 
la.vinng,  das  Torwandtschaftliche  VerhiltnUa  zu  bestimmen,  boten  den 
Qesta  Ubrigenii  bereits  die  Annales  Altahennes.  Vgl.  S.  276,  Anm.  2. 
Die  Ansicht  Podhrnczky's  in  der  Ansgabe  des  Chronicon  Budense, 
S.  62,  als  ob  der  Chronist  insbesoiidero  das  Geburtsjahr  Stephans  aus 
einer  Legende  dc.«selben  entnommen  habe,  und  dass  daher  an  eine  ver- 
lorene Logende  zu  denken  sei,  ist  sicher  unrichtig.  Alle  Nachrichten 
Über  Stephan,  welche  sich  sonst  in  der  Chronik  £nden,  sind  —  wenn  sie 
nicht  den  Gesta  angehören  —  in  den  bekannten  Vitae  nachweisbar.  Der 
Chronist  hat  eben  seinen  Verweis  auf  die  Legende  an  unrichtiger  Stelle 
eingeschoben. 

18» 


276 

lichkeit,  dass  aber  die  Chronik  diese  Nachricht  erst  ans  Kot 
entnommen  haben  konnte,  darf  uns  weder  hier  noch  in  ila- 
lichen Fällen  —  wo  uns  die  Controle  durch  den  Anonymus  fdik 
—  ohne  zwingenden  Grund  zur  Annahme  bewegen,  dass  äe 
betreffende  Nachricht  nicht  schon  in  der  Qaelle  des  Keza,  ak 
in  den  Gesta,  vorhanden  war.  Allenfalls  dürfen  wir  es  m 
nicht  verhehlen,  dass  für  das  11.  Jahrhundert  unsere  Forechmf 
sehr  dadurch  erschwert  wird,  dass  uns  der  Anonymus  nidt 
mehr  zur  Seite  steht;  seit  Toxun  bietet  er  eben  nur  in  wemgea 
vorgreifenden  Bemerkungen  noch  Vergleichsmaterial.  —  Anderer 
seits  sind  (wie  bereits  oben,  S.  232  f.,  gezeigt  wurde)  gewi« 
auf  den  Legenden  Stephans  und  Emerichs  beruhende  Nach- 
richten der  Chronik  nicht  in  den  Gesta  enthalten  gewesen.  Ent 
die  Nationalchronik  hat  diese  aus  den  Legenden  entnommen, 
wie  sie  auch  auf  dieselben  ausdrücklich  hinweist.  Mit  des 
Worten  ,Noa  enim  ea  potius,  que  ab  aliis  scriptoribos  pr^er 
missa  sunt,  breviter  ac  summatim  scribere  intendimus'  *  deutet 
der  Verfasser  der  Nationalchronik  gleich  im  Anfange  seiner 
Darstellung  der  Geschichte  Stephans  die  Absicht  an,  seine  Vor 
läge  zu  vervollständigen.  Wie  die  Chronologie  des  Aofstandei^ 
den  Cupan  unternahm,  von  der  Chronik  gegenüber  Keza  dnrdi 
die  Benützung  der  Legende  richtiggestellt  wurde,  ist  schon 
oben,  S.  232,  mitgetheilt  worden.  Die  Gesta  haben  g»ni 
gewiss  diesen  ersten  Aufstand  gegen  Stephan  nicht 
ausführlich  geschildert.  Die  Chronik  hat  für  ihre  Dar- 
stellung hier  ausser  der  Stephanslegende  auch  Keza's  ,De  no- 
bilibus  advenis'  benützt,  woher  die  Nachricht  über  Hunt  und 
Pazman  entnommen  wurde.  Die  Jahreszahl  (1002)  des 
Kampfes  gegen  Gyula  scheint  den  Gesta  fremd  ge- 
wesen zu  sein  und  wurde  von  dem  Verfasser  der  Nationil- 
chronik  wohl  erst  aus  einer  anderen  Quelle  (wahrscheinlich 
den  auch  sonst  von  ihm  benutzten  Annales  Altahenses)  ein- 
gesetzt; *  Keza  hat  diese  Zahl  nicht,  und  aus  dem  Vergleiche 
seiner  Darstellung  mit  jener  der  Chronik  geht  überhaupt  her- 
vor,  dass    die  Gesta  nicht  annaUstische  Daten  enthielten.    Die 

'  Chrouicon  Budcnse,  S.  62. 

'  Sic  haben  diese  Nachricht  zum  Jahre  1003.  üeber  die  Benfitznn;  ia 
Äiinalen  durch  den  Verfasser  der  Nationalcbronik  siehe  oben,  S.  829ti 
und  weiter  nnten.  Schon  die  Gesta  beruhten  aber  hier  aof  den  Annsl» 
Alt.iheusea.   Mau  vergleiche: 


277 


an  dieser  Stelle  in  der  Chronik,  enthaltene  Beschreibung 
Siebenbürgens  (Chronicon  Budense,  S.  65)  gehört  dagegen 
nach  dem  Ausweise  des  Anonymus  (§.  25)  bereits  den  Gcsta 
an.  Der  Kampf  gegen  die  Bulgaren  und  die  damit  verbun- 
denen Ereignisse  sind  in  den  Gesta  sicher  nicht  so  ausfiihrlich 
erzilhlt  worden,  wie  sie  die  Chronik  schildert  (Chronicon  Bu- 
dense, S.  66 — 68);  man  vergleiche  dagegen  Keza's  knappe 
Darstellung.  Dass  sich  auch  hier  in  der  Darstellung  der 
Chronik  der  Einfluss  der  Stephanslegende  deutlich  zeigt,  ist 
bereits  oben,  S.  233,  bemerkt  worden;  Keza  sagt  noch,  dass 
Stephan  die  Marienkirche  in  Stuhlweissenburg  jfundasse  per- 
hibetur';  in  der  Chronik  wird  bereits  in  Uebereinstimmung  mit 
der  Stephan  siegen  de  bestimmt  gesagt:  ,quam  ipse  fundaverat'. 
Durch  die  Stephanslegendo  kamen  auch  in  die  Darstellung  der 
Chronik  wohl  erst  die  mildernden  Bemerkungen  über  Gisela;' 
bei  Koza  ist  von  dergleichen  nicht  die  Rede,  und  Alberich, 
der  bekanntlicli  auch  die  Gesta  benützt  hat,  berichtet  ebenfalls 
über  die  Königin  nichts  Günstiges.*  Die  Nachrichten  über  die 
merkwürdigen  Naturerscheinungen  zum  Jahre  1022,  welche  sich 
in  der  Chronik  finden,  sind  sicher  erst  späterer  Zusatz;  sie 
fehlen  nicht  nur  bei  Keza,  sondern  auch  noch  in  dem  Chro- 
nicon Posonicnse,  wo  allenfalls  eine  Kürzung  stattgefunden 
haben  dürfte;  den  Gesta  waren  sie  sicher  fremd,  weU  diese 
überhaupt  solche  anualistische  Aufzeichnungen  nicht  enthalten 
zu  haben  scheinen.    Der  Verfasser  der  Nationalchronik  hat  sie. 


AnoaleB  Altahennes. 

A.  1003.  Stopiianus 
res  UngaricoB  super 
avuncnlum     snam     Ju- 


Keca. 

§.  21.  Jnlu  avuncnlo 
suo  cum  uxore  et  duo- 
bas  Ciliia  de  seplem  ca- 


lam    regem    cum    exer-    stris  in  Hnngariam   ad- 
citn    venit,    quem    cum    dacto. 
adprelioiidissot  i-um  uxo- 
re ac  liuobuK  eius  Uliia, 
regnum    vi   ad  chriatia- 
niamnm  compalit 


Chr.  Budense. 

S.  65.  Bellum  gessit 
contra  proavunculum 
snum  ,  . .  anno  . . .  mil- 
lesimo  sccnndo  .  .  .  ve- 
pitGyulam  diicem  cnm 
uxore  et  duobus  fiUia 
suia  et  in  Hnngariam 
transmiait. 


*  Vgl.  Chronicon  Budeuae,  8.  68,  über  die  Freigebigkeit  der  Kflnigin 
gegen  ungarische  Kirchen.  Uiezu  Vita  maior  a.  Stephan!,  §.  10,  und 
Vita  von  Uartwich,  §.11. 

*  Mon.  Germ.  Script.  XXIII,  779:  ,.  .  .  aed  iUa  Gialu  regioa,  at  dicunt 
(Hangari),  multas  malitias  in  terra  ilta  fecit  .  .  .' 


278 


wie  manches  Andere,  wahrscheinlich  direct  den  Annales  Alta- 
henses  entlehnt.   Man  vergleiche: 


Annales  Altahenses. 

A.  1020.  In  multis  terrarum 
locis  multa  et  magna  incendia. 

A.  1021.  Ingens  terrae  mo- 
tus  im.  Idus  Mai  hora  X.  diei 
feria  sexta  post  ascensionis  Do- 
mini, quasi  duo  soles  visi  X.  Kai. 
Julii. 


Cbr.  Bnddnse. 
S.  70.  Anno  Domini  millesi- 
mo  vigesimo  sccondo,  in  multis 
locis  incendia  multa  et  magna 
facta  sunt;  ingens  etiam  terre 
motus  contigit  quarto  Idus  Maii 
decima  hora  diei  sexta  feria 
post  ascensionem  Domini,  quasi 
duo  soles  visi  sunt  decimo  Ka- 
lendas  Julii. 


Auch  die  den  König  wegen  seines  Verhältnisses  zu  Waznl 
entschuldigenden  Bemerkungen  (Chronicon  Budense,  S.  72: 
,quem  recluserat  rex  propter  iuvenilem  lasciviam  et  stulti- 
tiam,  ut  corrigeretur;  .  .  .  scd  impediente  egritudinis  molestia 
debitam  penam  malefactoribus  impendere  non  potuit')  sind 
sicher  erst  späteren  Ursprungs:  sie  rtlhren  bereits  aus  einer 
Zeit  her,  da  die  Wärme  fUr  den  heiligen  König  nicht 
mehr  genügt,  um  alle  Handlungen  desselben  zu  legalisiren.' 
Die  Dauer  der  Regierungszeit  Stephans  (46  Jahre) 
findet  sich  bei  Keza  und  in  der  Chronik  und  stand  somit 
sicher  auch  in  den  Gesta.  Zu  lesen  ist  wahrscheinlich 
,XLIV',  wie  auch  das  Königsverzeichniss  anführt  (Studie  VE, 
S.  443),  was  den  Jahren  von  995 — 1038  entspricht,  wenn  man 
Anfangs-  und  Endjahr  mitzählt.  Buda,  den  die  Chronik  als 
Rathgeber  und  Helfer  Giselas  und  Peters  wiederholt  nennt 
(Chronicon  Budense,  S.  72,  75  und  78),  erscheint  bei  Keza 
nirgends  genannt.  Von  Buda  stand  also  wohl  in  den 
Gesta  nichts,  vielmehr  nahm  die  Nationalchronik  ihn  erst 
bei  der  erneuerten  Benützung  der  Anuales  Altahenses  auf. 
Man  vergleiche: 


Keza. 
§.  24.    Quo   audito 
Kysla    regina    habito 


Chr.  Budense. 
S.  72.   Audiens  autem 
hoc   Keysla    regina    iniit 


Annales  Altafaena«. 


*  Man  vergleiche  damit  die  Zosfitze  des  Schreibers  des  Pester  Codex  (am 
1200)  der  Stephanslegende  von  Hartwicb,  §.  19  (qood  ob  terrorem  incn- 
ciendum  reliqui.i,  zelo  onm  iosticie  fecisse  credendum  est)  und  §.  SS 
(digna  eos  maltavit  sententia).   Vgl.  dazu  unsere  Studie  I,  S.  344. 


279 


isilio  infiduliuni  misit 
Ditem  Sebus,  qai  re- 
nuntiumpreveniens, 
\zui  oculos  effoderet, 
•esque  eius  plambi 
asionc  obturaret,  fii- 
•etque  abinde  in  Bo- 
aiiam. 

§.  25.  Regina  vero 
ysla  consilio  iniquo- 
im  Petrum  Venetiim 
ium  Bororis  sue  .  .  . 
§.  26.  Petro  itaque 
i  regno  efTagato  Uli 
ranni,  quorum  con- 
lio  afflicti  erant  Hun- 
iri,  sunt  detecti.  Ex 
libus  unum  in  frustra 
jonciderunt,  oculos 
loruni  filioruni  i-ius- 
im  erucntes ;  alios 
iro  in  manganis  fer- 
iaconfrcgerunt,  quos- 
nn  lapidibus  obrucn- 
3.  Sebus  vero,  qui 
'azul  oculos  eruerat, 
idibus  confractis  uc 
|tnibus  in  rota  pere- 
erunt. 


consilium  cum  Buda  viro 
nephando  et  festinantis- 
sime  misit  nuncium  no- 
mine Sebus,  filium  ipsius 
Buda,  ad  carcerem,  in 
quo  Vazul  detinebiitur. 
Sebus  ituque  proveniens 
nuncium  regis,  etTodit  ocu- 
los Vazul  et  concavitates 
auriiim  eius  piumbo  ob- 
turavit  et  recessit  in  Bo- 
hemiam. 

S.  75.  At  regina  Kcysla 
cum  Buda  sateilite  Petrum 
Alemanum  vel  potiua  Ve- 
nctum  .  .  . 

S.  78.  Petro  itaque  per 
fugam  de  raanibus  Hun- 
garorum  elapso,  Hungari 
Bceleratissimum  Budam 
barbatum  omnium  ma- 
lorum  intentorem,  cuius 
consilio  Petrus  Hunga- 
riam  afflixerat,  in  frustra 
coneidentes  interfe- 
cerunt,  et  duorum  filio- 
rum  suorum  oculos  eflfo- 
derunt.  Sebus  autem,  qui 
oculos  Vazul  eruerat,  con- 
fractis inanibus  et  pedi- 
bus  peremeriint,  quosdam 
vero  lapidibus  obruentes, 
alios  autem  in  manganis 
ferreis  coeiderunt  vastan- 
tes. 


A.  1041.    t^iio  per- 
specto   principes  Ulius 

regionia  unanimiter 
inierunt  consilium,  ut 
interficereut  quendara 
illi  fidelem,  nomine  Bu- 
donera,  horum  omni- 
um malorum  aucto- 
rera,  cuius  omnia  fe- 
cerat  consilio  .  .  .  raox 
eum  comprebendcntes 
interfecerunt  ipsum 
in  frustra  conciden- 
tes  et  diiobus  parvulis 
eius   oculos  eripientes. 


Aus  den  vorstehenden  Parallclstellen  geht  es  wohl  zur 
Genüge  hervor,  dass  in  der  Vorlage  Keza's  Buda  nicht  ge- 
nannt war;  er  hiltte  doch  nicht  an  allen  Stelion  seinen  Namen 
ausgelassen.    Vielmehr  ist  leicht  zu  erkennen,  dass  die  Chronik 


280 


aus  den  Annalen  bei  deren  wiederholter  Benutzung  den  Namen 
entnalim  und  ihn  an  mehreren  Stellen  einsetzte,  indem  sie  in- 
gleich  sich  au  einer  Stelle  auch  mehr  dem  Wortlaute  der  An- 
nalen nähert:  Das  .omnium  malorum  intentorem  (auctoremV 
kann  erst  mit  der  Erwilhnung  Buda's  aus  den  Annalen  ent- 
nommen worden  sein.  In  der  Darstellung  der  Bestrebungen 
Giselas  nach  dem  Tode  Stephans,  wie  sie  die  Chronik  erzählt 
(Chronicon  Budense,  S.  75),  sind  schon  oben,  S.  232f.,  Spuren 
der  Umarbeitung,  veranlasst  durch  die  Benützung  der  Stephans- 
legende, nachgewiesen  worden.  Die  in  der  Chronik  (Chronicon 
Budense,  S.  77)  stehenden  Schmähungen  gegen  Deutsehe  und 
Itaüoner  sind  wohl  auch  neuen  Datums;  Keza,  §.  25,  hat  nichts 
davon. 

DasB  die  Ereignisse  1041 — 1045  in  den  Gesta  viel 
spilrlioher  behandelt  wurden  als  in  der  Chronik,  ist  schon 
oben,  S.  214ff.  und  229ff.,  gezeigt  worden.  Dort  wurde  nachge- 
wiesen, dass  gegenüber  dem  der  Darstellung  der  Gesta  offen- 
bar nilher  stehenden  Keza  die  Chronik  ihre  Erzählung  durch 
dirccte  Benützung  der  Annales  Altahenses  bereichert  habe. 
Bezüglich  der  Buda  betreffenden  Nachrichten  zum  Jahre  1041 
ist  dies  soeben  ausfulirlich  gezeigt  worden.  Dasselbe  g^Ut  von 
der  Darstellimg  zum  Jahre  1042.  Man  vergleiche  ausser  dem 
bereits  oben,  S.  216f.,  Gesagten  noch  auch  die  Mittheilung  in 
der  Chronik  (Chronicon  Budense,  8.  bO)  ,Kex  igitur  Aba  .  .  . 
a.  D.  millesimo  «juadragesimo  secundo  misit  nuncium  ad 
cesarom,  ut  perquirerct,  an  inimicaretur  ei  .  .  .  an  etiam 
pacem  stabilem  cum  eo  posset  habere'  mit  Annales  Alta- 
henses: ,A.  1042  (Obo)  misit  legationem  talem,  ut  perquire- 
rotur,  an  certas  inimiciciaa  sperarc  deberct  an  stabilem 
pacem.'  Da  Keza  (§.  26)  nur  die  Notiz  hat:  ,yuod  Aba  dum 
scivisset,  nuntios  mittens  ad  cesarom  probavit,  si  cum  eo  pacem 
posset  ordinäre  vel  minime',  so  ist  kein  Zweifel,  dass  die 
Chronik  fiir  ihren  Text  die  Annalen  selbständig  benutzt  hat 
und  insbesondere  aus  ihnen  die  Jahreszahl  heraushob.  Ebenso 
gehören  hieher  die  dasselbe  ergebenden  Ausführungen  oben, 
S.  217  f.,  ilie  schon  auch  in  das  Jahr  1043  greifen,  wie  denn 
überhaupt  auch  die  Darstellung  der  Chronik  für  die  folgenden 
Ereignisse  bis  zur  Ucbergabe  der  goldenen  Lanze  durch  Pctcr 
an  Heinrich  III.  (1045)  erst  durch  die  Wiederbenützung  der 
Annales    Altahenses   ihre   gegenwärtige   Gestalt   erhielt     Mao 


h 


981 


ergicichc  liiezu  oben,  S.  214 flF.;  ferner  sind  noch  in  Bctnifht 
u  ziehen:  Annaies  Altahenses,  a.  1044:  ,Et  ecce  turbo  vehe- 
lens  ex  parte  nostratiuin  ortus  pulverem  nimium  adversiirio- 
um  ingessit  oblutibus'  verglichen  mit  der  Cliroivik  (Chronicon 
Judense,  S.  84):  .Tradunt  autem  Teutonici  .  .  .  tiirbo(|ue  vehe- 
lens  .  .  .  terribilem  pulverem  obtutibua  ingessit  Hungaroruin'; 
emer  Annales,  a.  1044:  ,Denique  caesar  diseaiciatus  et  laneia 
,d  carnem  indutus  ante  vitale  crucis  lignum  procidit,  idemque 
lopulus  una  cum  principibiis  fecit,  ipsi  reddentes  honorem  et 
[loriam,  qui  illis  dederat  tantam  victoriam,  tarn  miriticam,  tarn 
acruentem  .  .  .'  mit  der  Chronik  (Chronicon  ßudense,  S.  8ö): 
Desar  autem  reversQS  ad  castra  ante  sacrosanctum  b'gnum 
alatifere  crucis  se  humiliter  ac  devote  prostravit,  diseatceatus 
,d  pedes,  cilicio  ad  carnem  indutus,  una  cum  omni  populo  suo 
aisericordiam  Dei  glorificavit,  que  ipsum  illo  die  liberavit  de 
nanibus  Ilungarorum/  '  Zu  der  eben  beliaiidelten  Partie  sind 
loch  folgende  Bemerkungen  zu  machen:  Die  MitlheiJungcn 
iber  die  Niederlage  der  Ungarn  durch  ,(jotfridus  Austrie  mar- 
;hio',  welche  sich  bei  Keza,  §.  26,  und  sonst  nur  im  Chronicon 
'ictum,  S.  14s,  findet,  geliört  sieher  nicht  in  dieser  Form  den 
Jesta  an;  man  vergleiche  darliber  Studie  VII,  S.  öOOf.  An 
lern  an  dieser  Stelle  gefundenen  Ergebnisse,  dass  dieser  Wort- 
aut  der  Nachricht  erst  von  Keza  herrührt  und  von  diesem  in 
las  Chronicon  Pictum  überging,  werden  wir  bei  dem  Umstände, 
lass   alle  ursprünglicheren  Chronikredactionen  *  einen  anderen 


'  FQr  eiuselne  Einschiebungen  der  Chronik  aa>  den  dentschen  Ännaleo 
ist  die  Bemerkung:  ,Traduut  autem  Teutonici'  (S.  84)  oder  .([ue  (Alba) 
Teutonico  Woyxenburg  dicitur'  (S.  86)  bozeiulinoud.  Zu  eraterer  Be- 
merkung (lieht  sich  der  Chronist  veraulaast,  weil  er  die  betreffende  Oe- 
Bchicbte  von  der  Naturerauheinnng  den  Anntilen,  a.  1044,  entnimmt,  zu 
letzterer,  weil  er  in  den  Gesta  den  Namen  Alba,  in  den  Annalen  an 
der  betreffenden  Stolle  (a.  1044)  aber  Wixonburg  fand.  Interessant  iat 
auch,  wie  der  Chronist  die  nun  den  Annalen,  a.  1044,  entnommene  Nach- 
richt über  das  Dankgebet  Ueinrichs  III.  für  den  unblutigen  Sieg  und 
die  geringen  A'erluste  seines  Heere»  mit  der  bereits  in  den  Gesta  (siehe 
Keza!)  stehenden  Sage  Ober  die  Niedermetzeluug  der  Deutschen  ver- 
bindet. Er  ISsst  Heinrieh  beton,  weil  Gott  ,ipsum  illo  die  liberavit  de 
mauibus  Hungarorum'  (Chronicun  Budenae,  S.  86). 
'  Nach  Florian  lU,  S.  53,  und  Luciu.s,  Inscriptiones,  S,  83,  fehlt  im  Vat. 
der  Satz  ,Gottfridns  .  .  .  marchionoa';  ebenso  im  Aceph.,  Rl.  4a,  Sam., 
Ul.  21 K,   und  in  den   anderen  Chroniken.     Mit  dem  Fictum   bat   sie  nur 

.4esson  Auszug    (Chronicon   Monaceuse,    S.  233)    gemein.     Hiebci    ist   zu 


282 


Wortlaut  aufweisen,  festhalten  mllsscn;  obwohl  andererseits  eo- 
gestanden  werden  wird,  dass  schon  die  Gesta  vetera  auf  Grund- 
lage der  Annales  Altahenses,  a.  1042,  über  den  Eänfdl  der 
Ungarn  nach  EUlmten  berichtet  haben  werden  und  auch  viel- 
leicht Gottfrieds  Namen  aus  ihnen  übernahmen.  Diesen  hStte 
dann  Eeza  beibehalten,  indem  er  Gottfried  zu  einem  Markgrafen 
von  Oesterreich  machte  und  daran  die  Bemerkung  knüpfte: 
,Tunc  enim  Austria  non  duces,  sed  habebat  marchiones';  die 
Nationalchronik  hat  dagegen  offenbar  den  Namen  GK>ttfiried 
nicht  aufgenommen,  und  deshalb  entbehren  desselben  alle  Se- 
dactionen  bis  auf  das  Pictum  (und  dessen  Auszug  das  Chro- 
nicon  Monacense),  welches  ihn  wie  Anderes  aus  Keza  über 
nahm.  An  einer  anderen  Stelle  scheint  allenfalls  Keza  eine 
bereits  in  den  Gesta  vorhandene  Nachricht  aus  den  Annales 
Altahenses  weggelassen  zu  haben.    Man  vergleiche: 


Keza. 
S.  81.  Cesar  igitur 
.  .  .  cum  exercitu  No- 
rico  et  Bohemico  Au- 
striam  introivit,  dissi- 
mulans  se  in  Hunga- 
riam  intraturum. 


Chr.  Budense. 
S.  84.  Cesar  igitur  .  .  . 
cum  exercitu  Norico  et 
Bohemico  et  Flandris 
aulicorum  suorum  bel- 
licosissimisvenitinMar- 
chiam  Austriae,  dissimu- 
lans  se  .  .  . 


▲niutles  AltahaaML 
A.  1044.  Porto 
enim  res  .  . .  genÜH 
tantnmmodo  dncea 
exercitum  NoricnD 
Boiemicum.  De  n 
quis  regni  sui  partib 
nullos  nisi  aulic 
SUDS  habebat 


In  der  Chronik  zeigt  sich  also  ein  kleines  Plus  an  Nach- 
richten, die  allenfalls  auf  die  Annalen  deuten,  auf  denen  aber 
nach  dem  Ausweise  des  Keza  bereits  der  Text  der  Gesta  über 
haupt  beruhte.  Da  nun  der  Text  der  Chronik  hier  dem  Kesa 
sonst  ganz  nahe  steht  und  sich  dtirch  die  Satzconstruction  der 
Annalen  gar  nicht  becinflusst  zeigt,  so  ist  es  sehr  wahrschein- 
lich, dass  die  Worte  ,et  Flandris  .  .  .  bellicosissimis'  ans  den 
Gesta  herrühren;  Ecza  hätte  sie  dann  ausgelassen,  nicht  aber 
die  Nationalchronik  sie  erst  aus  den  Annalen  entlehnt.  Schliess- 
lich ist  noch  zu  bemerken,  dass  schon  in  dieser  Partie  die  Ein- 
schlibc  aus  der  Vita  s.  Gerhardi  beginnen  (Chronicon  Budense, 
S.  82),  worüber  bereits  oben,  S.  235,  die  Rede  war. 


beachten,  dass  das  Pictum  ron  der  arsprOnglichen  Redaction  am  wei- 
testen absteht. 


I 

\ 

I 


Für  die  Zeit  der  inneren  Wirren  boten  die  Gesla 
recht  spärliche  Nachrichten.  So  ist  zunächst  ihre  Er- 
zählung über  die  im  Auslande  lebenden  arpadischen  Prinzen 
Andreas,  Bela  und  Leventha  und  das  Auftreten  des  Planes 
ihrer  Kückberufuni^  durch  die  unzufriedenen  Ungarn  wohl  nur 
80  knapp  gewesen,  wie  sie  sich  bei  Keza,  §.  27,  findet,  während 
die  ausführlicheren  Mittliuilungen  in  der  Chronik  (Chronicon 
Budense,  S.  88 — 91)  wolJ  erst  durch  Interpolationen  herbeige- 
führt wurden.  Als  Quelle  mögen  hiebei  wie  bei  anderen  Er- 
weiterungen in  dieser  Partie  dem  Verfasser  der  Nalionajchronik 
die  von  ihm  (Chronicon  Budense,  S.  93)  citirten  ,antiqui  libri 
de  gestis  Hungarorum*  gedient  haben,  von  denen  wir  keine 
näheren  Nachrichten  haben.  Auch  über  Gerliard  ist  in  den 
Gesta  vetera  wenig  enthalten  gewesen.  Die  Chronik  hat  zur 
Erweiterung  ihrer  Erzählung  von  der  Legende  des  heil.  Ger- 
hard reichlich  Gebrauch  gemacht,  wozu  ausser  den  Aus- 
ftlhningen  oben,  S.  233 ff.,  noch  Folgendes  zu  vergleichen  ist. 
Die  ausführlicheren  Mittheilungen  der  Chronik  über  die  Bot- 
schaft der  Ungarn  an  die  arpadischen  Brüder  in  Polen  (Chro- 
nicon Budense,  S.  91)  beruhen  auf  der  Legende.  Man  ver- 
gleiche : 


p  Keu. 
§.  27.  Tunc  in  Che- 
d  omnes  in  unum 
nvenerunt,  consilio- 
e  habito  communiter 
filiis  Zar  Ladislai 
[nsmittunt,  unde  ad 
pum  remcarent.  Qui 
m  in  Pest  advenis- 
it  .  .  .  statira  . . .  per 
ntios  trium  (!)  fra- 
trum  prociamatur, 
od.  ...  §.  28.  Tunc 
8(!)  fratres  Alben- 
n  ingressi  civitatcm 


Clirouik. 
Chr.  Budense,  S.  91. 
Tunc  nobiles  Hungarie 
...  in  Chanud  in  unum 
convcnerunt  consilioque 
habito  totius  Hungarie, 
nuntios  miserunt  so- 
iemuea  in  Rusciaui  ad 
Audream  et  Levente  di- 
centes  eis,  quod  tota  Ilun- 
garia  eos  tideliter  expeeta- 
ret  .  .  .  Cum  autem  venia- 
sent  (nur  Andreas  und 
Bela!)  ad  Novum  Castruui 


Vita  8.  Gerhnrdi. 
§.  19.   Ungari 


raiseruntsolempncs 
nuntios  post  öliosWa- 
zul :  Endre,  Bela  et  Le- 
venthe  . . .  petentes  cos, 
ut  de  Polonia  ad  Unga- 
riam  vonirent.  Sicquc 
Bela  ibidem remanente, 
Endre  et  Leventhe(!) 
ad  Ungariam  veneruiit 


Aus  den  vorstehenden  Stellen  ersieht  man  leicht,  dass  die 
Chronik    die   Darstellung    der   Gesta,    wie    sie    uns    bei    Keza 


284 


entgegentritt,  aus  der  Uerhardlegende  interpolirt  hat,  indem  er 
aus  ihr  sowohl  einzelne  Ausdrücke  entnimmt,  als  auch  die 
ursprlingiiehe  Darstellung,  dass  alle  drei  Brüder  sofort  n«cb 
Ungarn  zogen,  dahin  berichtet,  dass  nur  Andreas  und  Leventh« 
zunilchst  Polen  verliessen,  der  dritte  Bruder  aber  dort  verblieb. 
—  Wenn  nun  bei  Keza,  §.  27,  das  Meiste  der  folgenden  Dar 
Stellung  in  der  Chronik  (Chronicon  Budensc,  S.  92 — 99)  fehlt, 
dieses  Plus  an  Nachrichten  aber  wiederholt  die  engsten  Be- 
ziehungen zu  der  Legende  aufweist,  so  sind  nothwendiger 
Weise  auch  alle  diese  Nachi'ichten  den  Gesta  fremd  gewesen 
and  erst  aus  der  Legende  in  die  Chronik  geflossen.  Hieher 
gehört  die  breite  Erzählung  von  dem  Wiederaufleben  des 
Heidenthums,  S.  92 — 94  (bis:  .  .  .  ecclesias  dei  destruxerunt), 
die  den  Mittheilungen  in  der  Legende,  S.  228  (bis:  .  .  .  eccle- 
sias destruxere),  entspricht;  im  Heidenflihrer  Vata  der  Chrooik 
erkennen  wir  den  Bacha  der  Legende  wieder;  nur  Wenig» 
von  den  hier  enthaltenen  Mittheilungen  hat  die  Chronik  einer 
anderen  Quelle  entnommen,  aus  der  vielleicht  auch  manche 
andere  selbsülndige  Nachricht,  besonders  in  dieser  Partie,  her- 
rührt. Der  Chronist  sagt  hier  nilmlich  unter  Anderem:  ,Est 
autem  scriptum  in  antiquis  libris  de  gestis  Uungarorum,  qaod 
omnino  prohihituui  erat  Christianis,  uxorem  duccre  de  con- 
sanguineis  Vata  et  Janus  .  .  .'  Diese  Nachricht  finden  wir  in 
keiner  der  uns  sonst  bekannten  ungarischen  Quellen;  dass  sie 
nicht  den  Gesta  vetera  entstammt,  ist  augenscheinlich.  Die 
weitere  Erziihlung  im  Chronicon  Budense,  S.  94,  ist  dagegen 
offenbar  aus  dem  bei  Keza  aufbewahrten  Texte  der  Gesta  aai 
der  Legende  zusammengeschmolzen.   Man  vergleiche: 


Keza. 


(Siehe  unten!) 


§.  27.  .  .  .  statim  in 
curia  Petri  regis  una 
nocte  in  equis  veloci- 


Chronik. 
Chr.  Budense,  S.  94. 
Deinde  contra  Petrum 
regem  rebellantes  univer- 
soB  Teutonicos  et  Latinos, 
qui  in  officiis  diversis  pre- 
fecti  perllungariam  sparsi 
fuerant,  turpi  neci  tradi- 
derunt.  Mittentesque  in 
Petri  castra  in  equis  velo- 
cissimis   nocte   trcs   pre- 


Logiende. 


19. 


285 


per  nuntios  triam 
:ruiii     prociamatur, 

»d  omnes  Teutonici 

Latini,    ubicunque 

enti    periniantur   et 

umatur  ritus   paga- 


lus.  Mane  ergo 
cto  scistitatus  Petnis 
cti  causam  pro  certo 
icognovit,    ipsos   esse 

Hangaria.  Et  licet 
mienso  dolore  tactus 
«et,  se  letiun  demon- 
rabat.  Tunc  clara  mit- 
ns  suos  nuncios  ut 
Ibam  oceuparent,  re- 
ilato  consilio  Plungari 
sr  omnia  loca  inci- 
unt  rcbellare,  ooci- 
mtes  uno  tempore 
eutonicos  et  Latinos, 
ulieribus  quoque  in- 
ntibus  et  sacerdoti- 
18,  qui  per  Petrum 
erant  prepositi  pleba- 

et  abbates,  non  par- 
intes.  Et  cum  in  Albam 
iquisset   introire  .  .  . 


cones,  qui  deberent  pro-  I 
clamare  edictum  et  ver-  | 
bum  dominorum  Andree 
et  Leventhe,  ut  ipsi 
episcopi  cum  clero 
sint  necati ;  deciraator  tru- 
cidetur;  traditio  resuma- 
tur  paganisma;  peuitus 
obolenda  sint  collecta; 
cum  suis  Teutonicis  et  La- 
tinis  Petri  pereat  me- 
moria in  eternum  et 
idtra.  Mane  igitur  facto 
sciscitatus  est  rex  rei 
factum  et  certissime  ex- 
periens,  quod  isti  fratres 
redisseut  eorumque  intui- 
tu  Bui  prefecti  per  Hun- 
garos  fuissent  trucidati, 
non  se  ostendit  perterri- 
tum  de  rumoribus,  sed 
letum  se  demonstrans  et 
suo  Castro  de  loco  remu- 
tato  transivit  Danubium  in 
Sitva-Tn  Albam  cupieus 
introire.  Hungari  autem 
prescientes  eius  velle  pre- 

(Siehe  oben!) 

venerunt  occupantes  cam- 
panilia  et  turres  civitatis 
et  seratis  ianuis  excluse- 
runt. 


destruere,  etprecones 
proclamare  edictum 
Endrec  et  Leven- 
the, ut  episcopi  cum 
clericis  et  monachis 
et    Cliristianis    interfi- 


ciantur  et  memoria 
eorum  pereatin  eter- 
num et  ritus  patnim 
nostrorum  reassuma- 
tor.  Quo  audito  .  .  . 


Bei  Keza  folgt  nun  auf  die  eben  abgedruckte  Stelle  so- 
fort die  Nachricht  von  Peters  Flucht  nach  Musun -Wiesel- 
barg und  Stuhlweissenburg,  von  seiner  Gefangennehmung,  Blen- 
dung und  seinem  Tode;  sodann  wird  in  §.  28  der  Einzug  der 
drei   Brüder   in    Stuhlweissenburg   und   die   Krönung  Andreas' 


286 


—  doch  ohne  die  JahremuhJ  —  erzählt.  Diese  Nachrichtec  sind 
in  der  Chronik  von  den  eben  mitgetheilten  Nachrichten  über 
den  ersten  inissgllickten  Zug  nach  Alba  durch  ausfdhrlicbe 
Nachrichten  über  den  MUrtyrertod  des  heil.  Gerhard  und  die 
denselben  begleitenden  Umstände  getrennt.  Die  ErzSUang 
der  Chronik  (Chronicon  Budense,  S.  95 — 99)  beruht,  wie  ein 
Vergleich  der  Legende  Gerhards,  S.  228  ff.,  zeigt,  zum  grössten 
Theile  auf  dieser.  Mit  Keza's  fUnf  Zeilen  umfassendem  Berichte 
Über  diese  Ereignisse  (§.  29)  hat  die  Chronik  eine  Nachricht 
gemeinsam  (Gerhardus  monachus  prius  fuit  de  Rosa- 
ccnsi  abbatiaj,  welche  der  Legende  fehlt.  Diese  Nachricht 
mit  kurzen  Bemerkungen  über  Gerhard,  wie  sie  etw« 
Kcza  bietet,  gehörte  also  den  Gesta  an.  Dem  Verfaaser 
der  Nationalchronik  lagen  Übrigens  auch  hier  die  Annalef 
Altahenses  wieder  vor.  Viel  konnte  er  ihnen  hier  nicht  ent- 
nehmen, wiewohl  auch  sie  diese  Episode  recht  aiisfiihrlich 
zum  Jahre  1046  schildern.  Diesen  entnahm  er  offenbar  die 
Jahreszahl  der  Krönung  Andreas',  die  (wie  eben  bemerkt  wurde) 
nach  dem  Ausweise  Keza's  den  Gesta  gefehlt  haben  muss.  Er 
setzt  jedoch  die  Krönung  zum  Jahre  1047,  während  sie  in  den 
Annalen  zum  Jahre  1046  gemeldet  wird.  ^  Den  Annalen  eot- 
nalim  er  auch  die  Nachricht,  dasa  der  grausamen  Verfolgung 
nur  drei  Bischöfe  entronnen  seien  und  Andreas  von  diesen  ge- 
krönt worden  sei  (Annales,  a.  1046  ^  Chronicon  Budenw, 
S.  101).  Sehr  interessant  ist  folgende  Betrachtung  über  die 
an  die  Krönung  anschliessenden  Bemerkungen  Über  die  Ab- 
stammung Andreas'  und  seiner  Brüder.  Nach  der  gemeinsameii 
Nachricht  Keza's  (§.  24,  S.  77  und  78;  §.  27  und  28)  und  der 
Chronik  (Chronicon  Budense,  S.  61,  72  und  102)  gilt  folgende 


Abstammuugsreihe : 


Toxun 


Geycha 

I 
Stephan 


Midiael 


Calvus  Ladizlaus 


Vazul 


Andreas 


Bela 


Leveutha 


Nun   findet  sich   bei   Keza  (§.  28)  und  in  der  Chronik 
(Chronicon  Budense,  S.  102)  folgende  Übereinstimmende  Stelle: 


'  Vf;l.  Ober   solch'  eine   kleine  Suhw.mkiing   nuch   oben,    8.  376,   Aitm. 
und  S.  U78.     HieicD  ist  nm-h  unten,  8.  3911  f.,  xii  vergleicIiMi. 


287 


Keia. 

Quidam  autcm  istos  fratres 
ex  duce  Wazul  progenitos  as- 
severant  ex  quadam  virgine  de 
genere  Tatun  non  de  vero 
thoro  oriundos  et  pro  tiili  mis- 
sitalia  illos  de  Tatun  nobilita- 
tem  invenisse.  Frivolum  pro 
I  certo  est  et  pessime  enarra- 
f  tum.  Absque  hoc  namque  no- 
biles  sunt  et  de  Scitia  oriuudi, 
quia  isti  sunt  filii  Zar  Ladislai. 


Chronik. 

Tradunt  quidam  istos  trea 
fratres  filios  fuisse  VazuJ  ducis 
ex  quadam  puella  de  genere 
Tatun  non  de  vero  thoro  ortos 
esse  et  ob  hanc  coniiinctionem 
illos  de  Tatun  nobilitatem  ac- 
cepisse.  B^lsum  pro  certo  est 
et  pessime  enarratum;  absque 
namque  hoc  sunt  nobiles,  quia 
isti  tilii  sunt  Caivi  Ladislai. 


Der  Kampf  gegen  die  Ansicht,  dass  die  drei 
Brüder  Söhne  Wazul's  seien,  fand  sich  also  offenbar 
schon  in  der  gemeinsamen  Quelle  Reza's  und  der 
Chronik,  d.  i.  in  den  Gesta  vetera,  in  welchen,  nach 
dem  Ausweise  Keza's  und  der  Chronik,  bereits  auch  ihre 
Aufzählung  als  Sühne  Ladislaus',  des  Bruders  Wazul's, 
sich  befand.  Die  Nachricht,  dass  Wazid  der  Vater  der  drei 
Brüder  war,  ist  hiemit  älter  als  die  Gesta^  diese  Nachricht 
finden  wir  aber  auch  in  der  Vita  s.  Gerhardi  —  vgl.  oben, 
S.  283  —  welche  gewiss  in  den  ältesten  Theilen  bis  ins  11.  Jahr- 
hundert hineinreicht.  Von  Ladislaus  weiss  diese  Vita  dagegen 
nichts.  Die  eben  mitgetheilte  Beweisführung  der  Gesta  vetera 
gegen  diese  ältere  Ansicht  steht  ganz  offenkundig  auf  sehr 
schwachen  Füssen:  sie  stellt  dieser  blos  eine  andere  gegenüber. 
In  Kticksicht  auf  diese  Umstände  wird  man  wohl  nicht  mit 
Unrecht  vermuthen  dürfen,  dass  Wazu]-(Basiliu8-)Ladislaus  die- 
selbe Person  sei;  solche  Zweinamigkeit  kommt  nämlich  in  der 
älteren  ungarischen  Geschichte  wiederholt  vor:  man  vergleiche 
jDewix-Geisa,  Waic-Stephan,  König  Geisa  I.  und  II.  =  Deuca, 
jüngere  Gylas  =  Procui, '  Bela  I.  =  Pugil  =  Benin  *  und  Aba 
^=  Samuel.*     Diese  Annahme  würde  den  Widerstreit  zwischen 


*  Die  Nachweise  in  meiner  Schrift:  ,Beitr8ge  zur  illteren  angarischen 
Geschichte',  S.  H,  Anm.  32.  Zn  Gylaa-I'rocui  vgl.  jetat  auch  Balzer, 
Geneslogia  Piastöw  (Krakan  1806),  S.  5öU,  und  meine  Gegenbemerkung 
in  ,Mittheilungen  .ins  der  historinclien  Literatur'  XXV,  8.  175. 

»  Vgl.  Studie  VII,  S.  440. 

'  Anonymu.i,  g.  3'2.     Vgl.  hier  auch  §.  '27  .Cnroldu'  und  .Saroltu*. 


den  alteren  Nachrichten  —  den  Quellen  der  Gesta  vet«ra  und 
der  Vita  s.  Gerhard!  —  und  den  jüngeren  Berichten  der  Gesta 
(erhalten  bei  Keza  und  in  der  Chronik)  erklären.  Damit 
sind  aber  noch  nicht  alle  Schwierigkeiten  gelöst:  nach  den 
Annales  Altahenses,  a.  1041,  war  der  Vater*  der  verbannten 
Prinzen  geblendet  worden,  welche  Nachricht  auf  Wazul  passt 
(Kcza,  §.  24;  Chronicon  Budense,  S.  72);  dieser  Vater  war  aber 
ebenfalls  nach  den  Annalen  ein  Sohn  des  Bruders  Stepbans 
(filium  fratris  sui  .  .  .  cecavit  es  parvulos  eiusdem  exilio  relega- 
vit),  darnach  mllsste  Michael  (Wazuls  Vater)  als  Bruder  Stephans 
aufgefasst  werden,  nicht  aber  als  Vetter  (Vaterbruder)  desselben, 
wie  dies  Keza  und  die  Chronik  thut.  Wir  fllgen  noch  hinzu,  das« 
der  Anonymus  nichts  von  Michael  weiss,  sondern  (§.  57)  nur 
Geisa  als  Sohn  Toxun's  anfuhrt; "  hingegen  nennt  auch  er,  §.  15, 
Andreas  einen  Sohn  ,calvi  Ladisl  y',  wobei  er  natürlich  den 
Gesta  vetera  folgt.  —  Die  Mitth«'  ung  der  Chronik  über  den 
frühen  Tod  Leventa's  und  die  nun  folgende  Berufung  des  in 
Polen  zurückgebliebenen  Bela  (Chronicon  Budense,  S.  102  and 
104)  kann  in  den  Gesta  vetera  sicher  nicht  so  gestanden  sein, 
»»"'^'  nach  diesen  —  wie  wir  oben,  S.  284,  sahen  —  alle  drei 
Anriijr  zusammenkamen.  Bei  Keza  steht  auch  nichts  davon. 
nahlCita  lässt  die  ungarisch-polnische  Chronik,  die  mit  den 
nnv'n  eine  gemeinsame  Quelle  hatte,  sechs  Monate  regieren;* 
ku.)  Nachricht  von  dem  frühen  Tode  Leventa's  könnte 
S.  *  auch  den  Gesta  angehört  haben  und  wttre  töi.  ■""» 
nicht  aufgenommen  worden.  Die  Nachricht,  dass  Andre..» 
das  Kloster  Tyhon  gründete  (Chronicon  Budense,  S.  107), 
gehört  auch  den  Gesta  an,  denn  auch  Keza  sagt,  §.  31: 
,Andreas  autcm  obüt ...  et  in  Tyhon  monasterio  proprio... 


'  Der  Name  wird  nicLt  genannt 

*  Die  nngarisck-polniscbe  Chronik,  welche  für  die  LOann^  dieser  Frage 
Doch  hiltte  herbeigezogen  worden  kOunee,  int  leider  so  TorderbL,  das» 
sie  nicht  berilck^sichtigt  werden  kann.  In  derselben  {%.  11  und  li)  er- 
scheinen Loventa,  Bela  und  Peter  als  SObne  Stephans.  Im  Titel  n 
g.  10  hoisst  es  gar:  ,De  succossione  Albae  in  regnum  post  mortem  patris.' 
Ich  oitire  nach  der  Ausgabe  in  Bielowski's  Mon.  Pol.  1--I  I;  Ke- 
trzjrnski's  neu  edirter  Text  ist  ein  jüngerer  Aussog  (rgl  otndie  TI, 
besonders  8.  634). 

*  Mon.  Pol.  bist.  I,  S.  612:  ,Pnst  sex  menses  nuntiant  sibi  Lerantara  ism 
niortnnm.' 


Jitur.  •  Die  Nachricht,  dass  Andreas  mit  einer  ruthe- 
shen  Fllrstentochter  vermählt  war  (Chronicon  Bu- 
»e,  S.  107),  stand  wohl  schon  in  den  Gesta  vetera, 
,  diese  Nachricht  zwar  nicht  bei  Keza,  wohl  aber  beim 
inymus  in  einer  vorgreifenden  Bemerkung  sich  wiederfindet 
15).  Von  den  Söhnen  Andreas'  werden  in  beiden  Ablei- 
jen  Salomon  und  David  genannt  (Keza,  §.31;  Chronicon 
lense,  S.  107),  von  jenen  Belas  kommen  ebenso  Geisa  und 
ÜBlaus  vor;  diese  nannten  also  auch  die  Gesta 
era.  Alle  diese  Nachrichten,  welche  im  Chronicon  Bu- 
ße, S.  102 — 107,  sich  vorfinden,  stehen  hier  an  unrichtiger 
le  und  werden  vielmehr  in  den  Gesta,  soweit  sie  in  den- 
len  standen,  an  der  dem  §.31  Keza's  entsprechenden  Stelle 
setzen  sein.  Die  Chronik  hat  offenbar  die  diesem  Para- 
phen Keza's  entsprechen  »n  Nachrichten  der  Gesta  vetera, 
3in  sie  dieselben  erweiteru^,  an  einer  frllljeren  Stelle  einge- 
sben.  Uieflir  sprechen  folgende  zwei  Umstände:  Erstens 
;en  wir  in  der  Chronik  an  einer  späteren,  dem  §.31  Keza's 
iprechenden  Stelle  (Chronicon  Budense,  S.  115,  und  voU- 
idiger  in  dem  ursprünglicheren  Chronicon  Posoniense,  §. 
lelae  dieser  Nachrichten  wieder,'  und  dies  ist  ein  Fiö, 
^Hass  sie  wohl  hier  alle  vereint  standen.  Zweitens  i  ' 
cn    diese    Nachrichten    der    Chronik    (Chronicon    Budeif 


icht 


03 — 1071  die  zusammengehörige  Erzählung  ilber  die  KUmi'' 
.»•^(vi  JJeutschen  in  den  Fi^nfzigerjahren  zerrissen.  Betrach  "  . 
c  nämlich  Keza's  Darstellung  dieser  Kämpfe  im  §.  30,  so 
es  klar,  dass  seine  Nachrichten  über  die  ersten  glücklichen 
inpfe  der  Ungarn  mit  den  Norikern,  Böhmen  und  Polen  ganz 
nbar  sich  auf  den  fUr  die  Deutschen  unglücklichen  l'\'!dzug 
.  1051  beziehen;  damals  führte  Heinrich  thatsächlich  auch 
em,  Böhmen  und  Polen  nach  Ungarn.'  Aber  auch  die 
teren  Mittheilungen   ,Propter  quod  Heinricus  Imperator  .  .  .' 


hr- 


Der  eitirten  Nachricht  bei   Keza  entspricht  Cbronicun  Budenso,  S.  116. 
1—  Die  Nachricht  von  der  OrUndang  dieses  Klosters  durch  Andreas  findet 

sieh  anch  in  der  Vita  s.  Gerbardi,  §.  21. 

Bier      Aet  sich  die  Nachriebt  über  Tyhon  und  Andreas'  Sohn  David  in 

derselb'Ai..  Wei.<)e   wie   bei    Keza,   §.  31.     Ueber  die  Urspriliiglichkeit  des 

Chronicon  Posoniense   siehe   .Studie  VII;    Näheres    in    einer   künftigen 

Arbeit. 

Vgl.  Haber,  Oeschichte  Oesterreicbs  I,  S.  19S. 
trobiT.  L.\XXVni.  M.  I.  UUrie.  19 


290 


beziehen  sich  ganz  unzweifelhaft  auf  diesen  Feldzug,  denn  die 
von  Keza  gemeldete  Belagerung  Albas  und  die  Erwähnung 
von  Bodoct  (Bodouch)  kann  nur  auf  den  1051  von  Südwesten 
erfolgten  AngriÜ'  auf  Ungarn  Bezug  haben.  In  der  Chronik 
erscheinen  nun  ganz  unpassend  die  Bemerkungen  (Chronicon 
Budense,  S.  102)  über  jene  Kilmpfe  mit  Böhmen,  Polen  und 
Oesterreichem  (statt  Norikem)  von  der  weiteren  Erzählung  des 
Feldzuges  von  1051  (Chronicon  Budense,  S.  108)  durch  die 
oben  envilhnte  Interpolation  der  Rückberufung  Belas  (S.  104) 
und  durch  die  anderen  erwähnten  Notizen  (S.  107)  zerrissen. 
Was  nun  die  Schilderung  der  Kämpfe  anlaugt,  so  ist 
diese  in  der  Chronik  ausführlicher  als  bei  Keza,  aber  man  er- 
kennt sofort  die  verwirrenden  Interpolationen.  Gewiss  war 
schon  der  Text  der  Gesta  vetera  über  diese  Kämpfe 
in  den  FUnfzigerjahren  dürr  und  sehr  mangelhaft; 
dies  sieht  man  klar  aus  Keza's  Erzilhlung.  Er  weiss  nur  von 
der  schon  erwüiinten  und  erklärten  Hesiegung  von  Norikem. 
Bühmen  und  Polen  zu  erzählen.  Daran  fügt  er  die  Mittheilung, 
dass  in  Folge  dieses  Sieges  die  Ungarn  durch  drei  Jahre  die 
Oberherren  der  Besiegten  wurden,  worunter  wahrscheinlich 
deren  glückliche  Erfolge  bis  1054  zu  verstehen  sind.  Heinrich 
versucht,  hiefllr  die  Ungarn  durch  einen  Kriegszug  zu  strafen. 
Was  über  diesen  Kj'iegszug  erzählt  wird  (Belagerung  von  Alba. 
Iluiigersnoth,  die  .Sage  vom  Mens  Barsunus),  bezieht  sich  offen- 
bar auf  den  Zug  vom  Jahre  1051.  Mit  diesem  wird  auch  schon 
die  VerniithJung  (tradcret  in  uxorem)  des  ungarischen  Prinzen 
Salomon  mit  .Sophie  in  Verbindung  gebracht,  während  doch 
erst  die  Verlobung  1058  stattfand.'  Uebcr  den  zweiten  Zag 
vom  Jahre  1052  und  die  Belagerung  Pressburgs  weiss  Kew 
ujchts  zu  erzUlden.  Dom  Verfasser  der  Nationalchrouik  standen 
nun  gewiss  ausücr  den  Gesta  auch  andere  Nachrichten  lur 
Verfügung.  Woher  er  sie  schöpfte,  wissen  wir  nicht  bestimmt: 
die  Annales  Altahenses  lagen  ihm  hiefür  otYenbar  nicht  mehr 
vor.  Die  letzten  der  Chronik  mit  diesen  gemeinsamen  Nach- 
richten  gehören  nämlich  dem  Jahre  1046  an  (siehe  oben,  S.  230|»,j 
und  es  scheint  somit  die  Annahme  richtig,  dass  bei  1046  in 
den  Annalos  Altahenses  ein  Abschnitt  zu  machen  ist:*  nur  der 


'  Uebrigens  üt  Salomon  nach  den  Annales  vet.  Vng.  eist  1Ü5S  g«boren. 
*  Vgl.    durnbor    dio    ge.<;animelten    Notizen    bei    Kademaoher   ta   J?ot- 
scbiin^on  xnr  üeutsckeu  Geichiclite'  XXV.  8.  403. 


291 


Theil  bis  1046  war  den  ungarischen  Goschichtsschreibern  zu- 
jiftnglich  geworden ;  ßlr  die  folgenden  Jahre  können  wir  weder 
bei  Keza.  noch  in  der  Chronik  überhaupt  die  Verwendung  der 
Annalen  nachweisen,  also  waren  sie  auch  nicht  in  den  Gesta 
vetera  verwendet  worden.  So  erklärt  sich  die  geringe  Geschicht- 
liclikeit  der  Ausführungen  bei  Keza,  ebenso  aber  in  der 
Chronik.  Wie  diese  einen  Tlieil  des  zum  Feldzuge  von  1051 
gehörenden  Berichtes  losgelöst  hat,  ist  bereits  oben  mitgetheilt 
■worden.  Ebenso  unrichtig  ist  die  Erwähnung  der  Belagening 
von  Pressburg  vor  der  Fortsetzung  des  Feldzuges  von  1051 
angesetzt  (Chronicon  Budense,  S.  108),  denn  diese  Belagerung 
gehört  erst  zum  zweiten  Feldzuge  von  1052.  Auch  sonst  hat 
die  ganze  Erzälduug  einen  verworrenen,  sagenhaften  Charakter. 
Statt  der  Sage  vom  Mons  Barsunus  findet  sich  hier  jene  vom 
Orte  Vertes-Hegye  (Chronicon  Budense,  S.  110).  Beide  sind 
nach  der  ausdrücklichen  Bemerkung  bei  Keza  (usque  hodie)  und 
in  der  Chronik  (ustjiie  modo)  der  lebendigen  ungarischen  Volks- 
überlieferung entnommen.  In  den  Oesta  stand  wohl  nichts  davon.' 
VerhältnissmUssig  richtig  sind  die  Bemerkungen  der  Chronik 
über  die  Vermählung  Salomons  mit  Sophie  (Ciironicon  Budense, 
S.  113).  Unrichtig  ist  die  Bemerkung,  dass  Andreas  erst  nach 
dieser  Vermählung  krank  wurde,  denn  nach  den  Annales  vet. 
Ung.  ist  dies  schon  1057  geschehen.  Ebenso  ist  es  unrichtig, 
dass  die  Königskrünung  Salomons  erst  nach  der  Vermählung 
stattfand  (Chronicon  Budense,  S.  114);  sie  fkUt  nach  den  An- 
nales  vet.  Ung.  ebenfalls  schon  in  das  Jahr  1057.  *  Das  Fehlen 
dieser   mehr   detaillirten,   dabei  freilich  zum  Theile  ungenauen 


'  Anonymus,  §  L,  zeigt  an  einer  vorgreifenden  Stelle  ebenfallii  Bekannt- 
sclinft  mit  der  in  der  Cliroiiik  enthaltenen  Sage  (que  n  n  n  e  vertua  vo- 
cntur  propter  ulipeoM  Tlieotouicoriun  iiiibi  demio-sos).  NatUrlicb  kaun 
ancb  er  sie  aus  der  lebende»  Sage  entnommen  babeu,  worauf  das  ,nuuc* 
deutet. 

*  Die  Zeitbestimmungen  des  Chronisten  lassen  sieb  allenfalls  erklären. 
Er  setzte  die  KrOtiung  Andreas'  in  das  Jahr  1047  (statt  1046);  nun  fand 
er  in  den  Oesta  vetera  (siehe  unten  im  Texte)  die  Bemerkung,  die 
KttnigskTflnimg  Salomons  sei  ,anno  imperii  XII"  des  KOnigs  Andreas  ge- 
schehen, als  diejter  ,confectu.s  eenio'  war.  Aus  diesen  Zeitangaben  ergab 
«ich  ihm  das  Ende  des  Jahres  1058  oder  10fi9,  und  da  er  wohl  die  Ver- 
mählung in  seiner  Quelle  zum  Jahre  1U5Ü  vorgemerkt  fand,  setzte  er 
die  Krankheit  des  alten  und  die  KrOnnng  des  jungen  Königs  nach  diesem 
Ereignisse  an. 

l'J* 


292 


Berichte  bei  Keza  ist  ein  Fingerzeig,  dass  sie  in  den  Oeatk 
vctera  nicht  so  ausführlich  standen.  Was  Über  die  Königs- 
krönung Salomons  und  ihre  näheren  Umstände  in  der 
Chronik  (Chronicon  Budense,  S.  114f.)  erzählt  wird,  ist  detu 
knappen,  offenbar  auf  den  Gesta  beruhenden  Berichte 
Keza's  in  §.  31  geradezu  entgegengesetzt.  Nach  dessen  Dar- 
Stellung  geschah  die  Krönung  des  jungen  Prinzen  mit  Zu- 
stimmung Belas,  des  Bruders  Andreas',  und  ebenso  mit  Zu- 
stimmung der  Söhne  Belas.'  Die  Darstellung  in  der  Chronik 
ist  dagegen  durchaus  zu  Ungunsten  Andreas'  geftirbl.  Der 
Chronist  des  ausgehenden  14.  Jahrhunderts  kann  diese  Aende- 
rung  nur  auf  Grundlage  einer  zweiten  Quelle  vorgenommen 
haben.*  Näheres  wissen  wir  freilich  nicht  über  dieselbe.  Es 
lässt  sich  nur  vermuthen,  dass  aus  ihr  auch  manche  andere 
der  Chronik  eigenthUmliche  Nachricht  Boss,  und  dass  sie  viel- 
leicht mit  jenen  von  der  Chronik  ausdrücklich  genannten  ,aiiti- 
qui  libri  de  gestis  Hungarorum'  zusammenzustellen  sind  (vgl. 
oben,  S.  284).  Was  hier  über  den  Kampf  Andreas'  mit  Bela 
und  den  Untergang  des  Ersteren  erzählt  wird  —  Keza  schweigt 
darüber  —  deutet  wie  andere  Anzeichen  darauf,  dass  diese 
,antiqui  libri'  eine  beachtenswerthe  Quelle  waren. 

Unstreitig  gehören  den  Gesta  vctera  die  bei  Ke>a, 
§.  31,  und  in  der  Chronik  (Chronicon  Budense,  S.  113f.) 
stehenden  Zeitbestimmungen  an.  Dieselben  interessireu 
uns  ganz  besonders,  und  daher  wollen  wir  bei  diesem  Gegen- 
stände etwas  länger  verweilen.  Dass  diese  Zahlen  bereits  den 
Gesta  angehören,  geht  aus  dem  Umstände  hervor,  dass  sie  sich 
bei  Keza  und  in  der  Chronik  finden,  ferner  auch  bei  Albericli 
mit  geringen  Abweichungen  vorhanden  sind.'  Um  nun  über 
diese  Angaben  näher  handeln  zu  können,  wollen  wir  sie  zu- 
nächst anführen: 


Keza. 
§.  31.     Post  mortem   itaquc 
sancti  regis  Stephan  i   trnnsacti 


Chr.  Buderuie. 
S.  113.   Ebenso. 


*  Dies  konnte  man  nach  aus  der  Darstellung  der  Annales  vetarea,  a-  lOiT 
and  IÜ60,  folgürn. 

*  Das   Chronicon  Picturo,  8.  163,  hat  beide   Berichte,  da  ea  bekanaliick 
die  Nationalchronik  und  Kexa  benutzt. 

■  Vgl.    Studio  VH,    8.  444.     Die  Abweichungen    bei    Alberich   sind  dort 
S.  464  erklärt 


i 


I 


sunt  anni  XI  mcnscs  IV  usque 
ad  annum  primum  imperii  An- 
dree  regia.  Interea  vero  Petrus 
rex  primo  et  secundo  regnavit 
annis  quinque  et  dimidio.  Aba 
vero  regnavit  annis  trihus. 

Andreas  aulonj  coniV-ctus  se- 
nio  anno  imperii  stii  XII  filium 
Buum  Salomonem  .  .  .  regem 
constituit. 

Ipse  aiitem  obüt  anno  regni 
8ui  XV. 


I 

I 


S.  1 14.    Ebenso. 


S.  115.  Fehlt;  dafllr  bietet 
Alberich  die  Bemerkung,  dass 
Andreas  14  Jahre  regierte 
(1047— 106Ü). 


T)aran  knüpfen  wir  folgende  Bemerkungen:  Beide  Ab- 
leitungen bieten  als  Abstand  von  Stephan  bis  auf  Andreas 
11  Jahre  und  4  Monate;  also  stand  dies  sicher  schon  in  den 
Gesta  vetera.  Die  Zahl  scheint  irrig  zu  sein,  aber  sie  wird 
sofort  völlig  richtig,  wenn  wir  die  so  leichte  Versehreibung  von 
,XI'  statt  ,IX'  annehmen. '  Die  Zahl  entspricht  dann  nicht  nur 
den  mit  5*/,  -+-  3  angegebenen  Rogierungsdauern  Peters  und 
Abas,*  sondern  auch  dem  historisch  feststehenden  Zeiträume 
von  1038 — 1U4(3,  vom  Tode  Stephans  bis  zur  Krönung  Andreas', 
wobei  Anfangs-  und  Endjahr  mitgezUhlt  erscheinen.  Aber  auch 
die  Angabc,  dass  Salomon  im  12.  Jahre  von  seinem  kranken 
Vater  auf  den  Königsthron  erhoben  wurde,  stimmt  mit  den 
historischen  Thatsachen  überein:  von  104ö — 1057  sind  nitmlich, 
wenn  man  Anfangs-  und  Endjalir  mitzählt,  12  Jahre.  Weiter 
stimmt  ebenso  die  Angabe  der  löjilhrigen  Regierungsdauer, 
nämlich  1046 — 1060.  Wir  sehen  also,  dass  die  Angaben  richtig 
sind:  aber  sie  stimmen  nur,  wenn  man  das  Jahr  1046  in  Rech- 
nung zieht,  welches  auch  aus  den  Annaics  Aitahenses  feststeht, 
nicht    das  Jahr   1047,    das   die  Chi'onik  jetat   bietet  (vgl.  oben, 


'  Vgl.  hiexu  oben,   S.  278,  die  Bemerknogen   Über  Stephniu  Begierungii- 

daaer. 
'  Vgl.  hiuzu  die  in  Studie  VII,  a.  a.  O.,  nngefiibrton  Spccialaiigabon,  doch 

ist   hier   aus   Chrouicon  Budeniie,  S.  100,  nacliziitragen:    ,(Petrus)  vitam 

.  .  .  finivit . .  .  anno  tertio  regni  ani',  die  bei  Keza,  §.  27,  fehlt;  auch  die 

Notizen  der  Annales  ret  Ung.  sind  zu  rergleiuhen. 


294 

S.  286).  Diese  Jahreszahl  (1047)  gehört  eben  nicht  den 
Gesta  an,  wie  überhaupt  dieselben  alle  derartigen  An- 
gaben fast  ganz  entbehrten.'  Dagegen  mttssen  wir  be- 
tonen, dass  ihre  Angaben  über  Dauer  u.  dgl.  der  Re- 
gierungen verlässlich  erscheinen. 

In  der  Erzählung  über  die  Regierung  Belas  hat  die 
Chronik  vorzüglich  die  Schilderung  des  zweiten  Heidenaof- 
standes  sehr  erweitert  (Chronicon  Budense,  S.  1 19).  Aach  diese 
ausführlicheren  Nachrichten  mögen  jenen  ,antiqui  libri  de  gestiB 
Hungarorum'  entstammen,  denen  der  Verfasser  der  National- 
chronik auch  nähere  Angaben  über  den  ersten  Heidenaufstand 
entnahm  (vgl.  oben,  S.  284).  Ebendaher  dürften  die  Nach- 
richten über  die  Todesursache  Belas  herrühren.  Die  ungarische 
Erklärung  des  Klosternamens  Sceug  Zard,  die  sich  bei  Eeza, 
§.  32,  findet,  ist  erst  ein  Zusatz:  Diese  Erklärung  findet  sich 
in  keiner  der  anderen  Chronikredactionen,  mit  Ausnahme  des 
Pictums  (S.  168),  das  sie  aus  Keza  wie  manche  andere  Nach- 
richt entnahm. 

Die  verhältnissmässig  bedeutendsten  Interpolationen  er- 
folgten in  der  nun  folgenden  Partie  über  Salomons  Regiernng 
and  den  Thronstreit,  der  dieser  ein  Ende  setzte.  Keza's  Dar- 
stellung, §.  33,  ist  überaus  anvollkommen  und  spärlich;  ganz 
gewiss  hätte  er  dieselbe  nicht  so  gestaltet,  wenn  ihm  eine 
aach  nur  im  Entferntesten  so  reichliche  Erzählung,  wie  sie  die 
Chronik  bietet  (Chronicon  Budense,  S.  123 — 159),  vorgelegen 
wäre.  Aus  der  Darstellung,  wie  sie  die  Chronik  umfasst,  konnte 
aber  gar  nicht  Keza's  Erzählung  entstehen,  denn  wir  werden 
sehen,  dass  die  Ereignisse  bei  Keza  in  ganz  anderer  Reihen- 
folge erzählt  werden  als  in  der  Chronik.  Ganz  gewiss  boten 
also  die  Gesta  vetera  hier  nur  spärliche  Nachrichten, 
und  erst  der  Verfasser  der  Nationalchronik  hat  sie  aus  einer 
über  diese  Ereignisse  besonders  ausfuhrlich  handelnden  Quelle 
erweitert.  Die  Vermuthung,  dass  es  dieselben  ,antiqui  libri' 
waren,  welche  der  Chronist  als  eine  seiner  Quellen  bei  früheren 
Erweiterungen  über  die  Heidenführer  Vata  und  J  a n  u  s  (Chro- 
nicon Budense,  S.  93)  nannte,  liegt  nahe.  Dazu  kommt  noch 
folgender  Umstand.    In   einer   der  jetzt  zu  besprechenden  Er- 

'  Nur  die  Jahre.<!xahl  aber  den  Einzug  der  Ungarn  nnd  Über  Stephans  I. 
Geburt  scheinen  sie  enthalten  zu  haben.   Ueber  Ladislsus  s.  unten,  8.  SOI. 


295 


S.  125)   wird   über 


Er- 


weiterungen   (Chronieon  Budei 

eigniss  berichtet,  das  mit  jenem  Heidenfuhrer  Vata  zusammen- 
hängt. Es  wird  nämiicli  behauptet,  dass  Sulomon  und  sein 
IJruder  David  deshalb  keine  Kinder  hatten,  ,fjuia  quandci  An- 
dreas prirao  in  Ilungariam  reversus  est  cum  Leventhe  fratre 
sun  propter  hoc,  quod  ipso  regnum  possct  obtinere,  pcrmisit 
Vatlium  prophauum  et  :dios  pcssimos  multorum  sanctorum  san- 
guinem  fundere'.  Ferner  haben  die  Erweiterungen  in  dieser 
Partie  wie  mit  vielen  der  früheren  das  Gemeinsame,  dass  sie 
Ereignisse  behandeln,  welelie  Bela  und  seine  Nachkommen  be- 
treffen, dass  sie  ferner  diesen  geneigt  sich  zeigen,  dagegen 
Andreas  und  seiner  Familie  feindlich  gesinnt  sind.  —  Wir 
gehen  nun  daran,  die  Unterschiede  in  beiden  auf  uns  ge- 
kommenen Darstellungen  (Keza  und  Chronik)  festzustellen. 

Entsprechend  seiner  Nachricht,  dass  Andreas  seinen  Sohn 
Salomon  mit  Zustimmung  Bclas  und  dessen  Söhnen  krönte, 
berichtet  Keza  bekanntlieh  auch  nichts  über  den  Kampf 
zwischen  Andreas  und  Bela.  Daher  beginnt  er  auch  seine 
Darstellung  über  den  Thronstreit  nach  dem  Tode  Belas 
mit  den  Worten:  , Tandem  vero  inter  Salomonem,  Ladislaum 
et  Geicham  gravis  discordia  suscitatur,  aluiapni  patriae  inter 
se  dividuntur.  Qtiidam  enim  Salomoni,  aliqui  Ladislao  et  Geiche 
adheserunt.'  Nun  folgt  die  Erzählung  über  das  Eingreifen 
Heinrichs  IV.  zu  Gunsten  Salomons.  Eiu  Vergleich  der  Dar- 
stellung Keza's  mit  jener  der  Chronik  lehrt,  dass  bei  Keza 
sich  nur  die  Schilderung  des  zweiten  Unternehmens  Heinrichs 
(1074)  findet,  dagegen  das  erste  (1063)  gar  nicht  erwilhnt  wird; 
es  fehlt  somit  bei  Keza  die  Darstellung  des  Chronicon  Budense, 
S.  122  f.,  ferner  aucli  Alles,  was  sich  in  der  Chronik  über  das 
Verhältniss  Salomons  zu  den  Sühnen  Belas  und  über  sonstige 
Ereignisse  bis  zum  Ausbruche  der  Streitigkeiten  findet,  welche 
die  zweite  Intervention  Heinrichs  herbeiführten  (Chronicon  Bu- 
dense, S.  123 — 144).  Aber  auch  das,  was  sich  bei  Keza  über 
die  zweite  deutsehe  Intervention  findet,  ist  nicht  nur  gegenüber 
der  Erzählung  in  der  Chronik  sehr  spUrlich,  sondern  weicht 
von  derselben  auch  überaus  ab.  Insbesondere  wird  Vieles,  was 
in  dieser  der  Intervention  vorangeht,  bei  Keza  derselben  nach- 
I  ig^etzt.  Aus  der  folgenden  Zusammenstellung  wird  man,  wenn 
■man  die  Seitenzahlen  in  Betracht  zieht,  sowohl  über  die  Spär- 
lichkeit    der   Nachrichten    bei   Keza    gegenüber  jenen   in   der 


296 

Chronik,  als  auch  Über  die   erwähnte  Umstellung   der  Nach- 
richten Näheres  ersehen. 


Kesa. 
S.  86,  §.  33.  Kex  autem  Sa- 
iomon  Cesarem  suum  socerum 
contra  Ladislaum  et  Geicham 


per  Nitram  cum  exercitu  ma- 


ximo  introducit.  Qui  Vaciam 
perveniens  Ladislai  exercitu 
speculato  finxit  se  infirmum, 
per  Posonium  in  Austriam  est 
reversus,  dimisso  de  Boemis 
et  Noricis  sufficienti  auxilio 
Salomoni.  Tunc  Cesare  retro- 
gresso  prelium  in  Munorod 
inter  ipsos  est  commissum.  Et 
quid  ultra?  Salomon  devin- 
citur,  prostrantur  Teutonici  et 
Boemi.  Et  dum  se  suosque  dc- 
victos  cognovisset,  fugam  iniit. 
Danubium  in  Scigetfeu  per- 
transiens  inde  in  Musunium 
se    collegit.     In    prelio    autem 


Chronik  (Chr.  Bndense). 
S.  156.  Imperator  ergo  rer- 
bis  Salomonis  permotus  com 
magno  exercitu  intravit  in  Han- 
gariam  (2.  Feldzag;  über  den 
1.  siehe  S.  122)  .  .  .  Cum  ve- 
nisset  imperator  ad  Samen  Vag, 
Salomon  . . .  equitavit  . . .  super 
Nitriam.  —  S.  167.  Quesivit 
(imperator)  itaque  a  Salomone, 
si  apud  Geysam  et  Lsdizlanm 
essent  multi  tarn  boni  mi- 
lites  .  .  .  si  ita  est,  talibus  mi- 
litibus  repugnantibas  non  reca- 
perabis  regnum.  Rex  autem 
Geysa  audiens  imperatorem 
pervenisse  Vaciam  .  .  .  S.  159. 
Cesar  autem  .  .  .  simolans  se 
Salomoni  in  posterum  auxilia- 
turum,  destructis  navibus  in 
Teutoniam  reversus  est  — 
Teutonici  und  Bohemi  we^ 
den  als  Theilnehmer  an  den 
ungarischen  Kämpfen,  S.  144, 
genannt.  *  —  Hierauf  folgt 
schon,  S.  145,  der  Kampf  am 
Berge  Monyorod.  —  S.  150. 
Rex  autem  Salomon  fere  Omni- 
bus suis  interfectis  aufugit  in 
Zigetfeu  Danubium  trans- 
iens  .  .  .  venit  tandem  in  Mu- 
sun  ad  matrem  suam  et  uxo- 


*  Dock  stehen  nach  der  Chronik  die  Deutschen  auf  Seite  Salomons,  die 
Böhmen  auf  der  seiner  Qegner.  Deshalb  heisst  es  auch  weiter,  S.  146: 
,Ceduntur  Teutonici,  fngiunt  Latini'  (von  letzteren  weiss  Kexa  nichts); 
und  obenäo  S.  150:  ,Teutonici  aut  Latini  ceciderunt*,  während  hier  bei 
Keza  iTeutonici  aut  Boemi'  steht. 


297 


Munorodino  iion  solum  Tcu- 
tonici  aut  Boemi  cccide- 
runt,  sed  etiam  maior  pars 
de  militia  rcgni  periit.     Sa- 


lomon   ergo   nietuens    fratres 

suos  cum  tota  familia  in  Sti- 
riam  introivit,  ubi  iu  Ag- 
ni und  monasterio  familia  sua  de- 
relicta  in  Musunium  est  re- 
versus,  volens  colligere  exer- 
citum  iterato.  Sed  cum  de  die 
in  diera  deficeret  (S.  87) 
illorumque  proceasus  reciperet 
felicia  increnienta,  confusus 
rediit    ad    Cesarcm    adiuto- 


rium  peliturus.  Et  licet  pro 
militia  solidanda  affluon- 
tem  pecuniam  tradidisset, 

Teutonici  ob  timorem  Hun- 
garoram    recipere   noluerunt. 


rem  ...  In  praefato  naiuque 
prelio  non  solnm  Teutonici 
aut  Latini  ceciderant,  sed 
maior  pars  milicie  regni 
IlHugariiie  dicitur  corruisse.  — 
S.  15&.  Postea  autcm  rex  Sa- 
lomon  nietuens  Geysani  re- 
gem et  ipsiua  fratrem  cum  re- 
bus et  familia  Stiriam  in- 
troivit et  in  claustro  Agmund 
raatre  et  uxore  relictis  in  Mu- 
sun  est  reversus  volens 
collccto  cxcrcitu  invadere  am- 
bos  fratres.  Ouinque  de  die 
in  diem  Salomon  deficeret, 
sed  illorum  processus  re- 
ciperet felicia  incrementa, 
confusus  ad  Cesarem  direxit 
gressus  suos,  requirens  eum,  ut 
ei  auxiliuni  tribueret  in  Hun- 
gariam  revcrtcndi.  Et  licet 
pecuniam  dedisset  affluen- 
tcr  pro  militibus  solidan- 
dis,  Teutonici  tjimen  et  Latini 
cum  ipso  ob  metum  non  vcne- 
runt  Hungarorum.  S.  156/9. 
Folgt  nun  die  Schilderung  des 
'2.  Feldzuges;  Salonions  Rück- 
zug nach  Pressburg;  Geisa 
wird  König;  Versölmungsan- 
st^vlte.n;  Tod  öeisas;  Salomons 
Versuche  dauern  in  der  Zeit 
der  Regierung  Ladislaus'  weiter 
fort  (S.  165-l«ft).  —  Bei 
Keza  findet  sich  dagegen  die 
kurze  Notiz  über  Geisas  Königs- 
berrschaft  erst  §.  34,  sonst  ist 
hier  aber  von  allen  eben  aid"- 
gezäblten  Ereignissen  nichts 
enthalten.     Andererseits  ßnda 


298 


Unde  spe  omni  destitutus  rediit 
in  Agni  und  ad  reginam,  cum 
qua  dies  aliquos  cohabitans  in 
veste  monachali  deinde  Albam 
venit.  Et  cum  Ladislaus  frater 
eius  in  porticu  ecciesie  Beate 
virginis  manibus  propriis  pau- 
peribus  eleemosynam  arogaret, 
ipse  ibi  inter  eos  dicitur  acce- 
pisse.  Quem  mox  cognovit  La- 
dislaus ut  inspexit.  Reversus 
autem  Ladislaus  a  distributione 
eleemosine  inquiri  fecit  dili- 
gcnter,  non  quod  ei  nocuisset. 
Sed  ille  malum  presumens  ab 
eodem  secessit  inde  versus 
mare  Adriaticum,  ubi  in  civi- 
tate  Pola  osque  mortem  in 
summa  paupertate  in  penitentia 
finiens  vitam  suam,  in  qua  et 
iacet  tumulatus,  nunquam  re- 
diens  ad  uxorem  usque  mor- 
tem. Regina  vero  Sophia  uxor 
eius  in  maxima  castitate  per- 
severans  .  .  .  (man  vergleiche 
darüber  Studie  YU,  S.  499) 
.  .  .  raigravit  ad  dominum  et 
in  prefato  monasterio  tumulata 
sicut  sancta  vcneratur. 

S.  87,  §.  34.  Post  Salomo- 
nem  vero  regnavit  Geicha 
annis  tribus  et  mortuus  est. 
Vacie,  quam  fundassc  dicitur, 
tumulatur. 


sich  in  der  Chronik  iiiehts  von 
seiner  zweiten  Reise  nach  Ad- 
mont.  Das  Wiedererscheinen 
in  Ungarn  wird,  S.  169,  in  die 
Zeit  Colomans  verlegt  (Visus 
est  etiam  semel  in  Hungaria 
tempore  regis  Colomani;  sed 
statim  delituit,  nee  unquam  am- 
plius  comparuit). 


S.  169.   Aehnlich. 


Weiss  davon  nichts,  sondern 
hat  nur,  S.  169,  die  I^otiz: 
,Uxor  autem  eius  et  mater  in 
Agmund  rcquicscunt'  (siehe 
Studie  VII,  S.  499). 

Vgl.  die  Bemerkungen  oben. 


Die  Schilderung  bei  Keza  umfasst  also  nur  die  S.  86 
und  87  in  der  Ausgabe  bei  Florianus,  während  die  entspre- 
chende Erzählung  in  der  Chronik  die  S.  144 — 159  und  165 
bis  169  umfasst,  wobei  freilich  die  zahlreichen  Anmerkungen 
Podhradczky's  in  Abschlag  zu  bringen  sind.  Auch  ersieht  man 


299 


ans  der  Reihenfulge  der  Citate  ans  der  Chrouik,  dass  diese 
eine  ganz  andere  Reihonfolpje  der  Begebenheiten  aufweist,  und 
zwar  ist,  d.-is  muss  austlrücküch  betont  werden,  die  Darstellung 
in  der  Chronik  auch  eine  verhiülniasmiissig  verlUsslichc.  Dies 
ist  nach  unserer  oben  begründeten  Annahme  aus  der  Be- 
nützung einer  ungarischen  Quelle  zu  erklären,  die  wahrschein- 
lich mit  den  im  Chronicon  Budense,  S.  93,  ausdrücklich  ge- 
nannten ,antiqui  lihri  de  gestis  Hungarorum'  identisch  ist.  Zu 
diesen  Erweiterungen  gehurt  auch  die  beachtenswerthe  Nach- 
richt über  die  Petschencgen,  S.  154.  Sie  stand  nicht  in  den 
Qesta,  deshalb  hat  auch  Keza  nichts  darüber.  Anonymus  hatte 
aber  etwas  über  diese  Petschencgen  und  ihren  Führer  Zolta 
gehört   und   setzt   sie  daher  in  die  Zeit  des  Grossherrn  Zulta 

(§■  57).; 

Ejin  Theil  der  besprochenen,  auf  dieser  Quelle  beruhen- 
den Erweiterungen  (S.  Ifjö — 169)  filiit  bereits  in  die  Darstellung 
der  Regierung  Ladislaus',  welche  im  Chronicon  Budense 
die  S.  161 — 178  umfasst.  Neben  den  eben  erwähnten,  auf 
Salomon  bezüglichen  Erweiterungen  enthält  aber  die  Chronik 
auch  noch  andere,  von  denen  sich  bei  Keza  nichts  findet,  um- 
fasst doch  seine  Schilderung  der  Regierung  Ladislaus'  im  §.  35 
kaum  sieben  Zeiieti!  Davon  gehören  übrigens  mehr  als  tünf 
—  die  Schiklerung  des  Kampfes  am  Berge  Kyrioleis  *  —  noch 
in  die  Zeit  vor  Ladislaus'  Regierungsantritt,  und  dementsprechend 
wird  im  Chronicon  Budense  hierüber  schon  S.  128  f.  erzählt, 
was  übrigens  wieder  ein  Beweis  der  starken  Umarbeitung  dieser 
Partie  auf  Grundlage  einer  ausführlichen  Quelle  ist.  Aus  dieser 
flössen  neben  den  auf  Salomon  bezüglichen  Enveiterungcn  oflFen- 
bar  auch  die  Nachriditcn  über  die  Eroberung  von  Dalraaticn 
und  Kroatien.     Anderes   hat   die  Chronik   der   späten  Legende 


'  Wm  MarczAÜ  darüber  in  den  OesohichlsquelleD,  S.  9S  f.,  sngt,  wt  kaum 
geeignet,  den  nüthigcn  >S.ic.hverh..ilt  klnrzulogpn.  Aus  der  Chronik  liat 
AnonymuH  doch  seine  abweichende  Nnchricht  nicht  geschöpft.  Kllr  das 
,nalie  Verhältnis«  des  Anonymus  zur  Chronik',  eigentlich  cu  der  ge- 
uioinsanien  Cjucllu  beider,  lasseu  sich  andere  nnd  zahlreichere  Daten 
anfuhren.  Man  vergleiche  unsere  Zut^amnienstellnng  in  Studie  VII  und 
VIU. 

*  Man  beachte  den  Umstand,  daas  Keza  hier  von  Bessen  spricht,  während 
die  Chronik  (Chronicon  Bndense,  S.  128)  von  Cnnen  —  Cumanen  be- 
richtet. Dnch  werden  die  KSmpfe  mit  den  Bessen  gleich  darauf  erzählt. 


300 


des  Königs  entnommen,  so  die  Deutiing  seines  Namens  (Chro- 
nicon  Budense,  S.  161,  =  Legenda  St.  Ladislai,  S.  236,  bei 
Endlicher);  ferner  die  Aufzählung  seiner  Tugenden  (Chronicon 
Budense,  S.  163,  =  Legende,  S.  237);  auch  die  Nachricht,  dass 
Ladislaus  Aussicht  hatte,  auf  den  deutschen  Königsstnhl  er- 
hoben zu  werden,  hängt  wohl  mit  der  Mittheilung  in  der  Le- 
gende zusammen,  dass  die  ,duces  Francorum,  Lothoringomm 
et  Allemanornm,  idem  peregrinacionis  iter  convoyentes,  pium 
regem  Ladislaum  sibi  suisque  ducem  et  preceptorem  fore  con- 
corditer  pecierunt'  (S.  240  f.).  Unzweifelhaft  ist  es  dagegen, 
dass  die  nationale  Grundchronik  aus  der  Legende  nicht  auch 
die  Nachrichten  über  den  Böhmenzug  Ladislaus'  und  Ober 
seine  Erkrankung  auf  demselben  aufgenommen  hatte.  ^  Die 
Angabe  des  Todesjahres  Ladislaus'  rührt  nicht  aus 
den  Gesta  vetera  her.  Man  vergleiche  darüber  die  Be- 
merkungen weiter  unten  im  Texte. 

Auf  die  dürren  Notizen  über  Ladislaus  folgen  bei  Keza 
reichliche  Mittheilungen  über  Colomans  erste  (nur  über  diese) 
Regierungsjahre.  Dieselben  sind  durchaus  zutreffend,  wiewohl 
sie  zum  grossen  Theile  auswärtige  Angelegenheiten  betreffen. 
Diese  Ausführungen  hat  auch  die  Chronik.  Zwischen  ihrem 
und  Eeza's  Texte  sind  nur  wenige  Abweichungen  zu  nennen. 
So  meldet  Keza  mit  keinem  Worte  etwas  Abfälliges  von  Colo- 
man;  die  betreffenden  Mittheilungen,  welche  sich  in  den  ver- 
schiedenen Redactionen  der  Nationalchronik  finden,  sind  bei 
ihm  nicht  vorhanden.  Diese  abfälligen  Berichte  über 
Coloman  standen  daher  offenbar  auch  nicht  in  seiner 
Vorlage;  Keza  erzählt  an  dieser  Stelle  gerade  sonst  breiter 
als  die  Chronik  und  theilt  Manches  mit,  was  dieser  fehlt.  Man 
vergleiche  z.  B.: 


Keza,  §.  36. 
Iste  quoque  in  regnum  Dal- 
matie     misso    exercitu    occidi 
fecit  regem  Petrum,  qui  Hun- 


Chr.  Budense,  S.  181. 
Iste  Dalmacie   regnum,    oc- 
ciso   suo   rege  Petro  nominato 
in  montibus  Petergazia,  Hun- 


*  Man  Tgl.  Studie  VII,  S.  489,  Anm.  2.  Doch  musste  ich  mir  die  endgiltige 
Entscheidung  bis  zur  Einsicht  der  Redactionen  Vat,  Sam.  und  Aeepfa. 
Torbehalten.  Bei  der  Correctur  sei  nun  constaUrt,  dass  Aceph.,  Bl.  23«, 
Sam.,  Bl.  39  a  und  Vat.  nach  Lucius,  Inscriptiones,  S.  88,  jene  Entleh- 
nungen nicht  enthalten. 


301 


garis  in  montibus,  qui  Gozd 
dicuntur,  occurrens  est  devictus 
in  moutibus  memoratis  et  oc- 
cisus.  Unde  iidem  moiites 
usque  hodie  in  Hungarico  Pa- 
tur  Gozdia  nominantur.  Sedes 
eniiu  liuius  regis  in  Teneu  erat 
civitate.  Hoc  ergo  facto  et 
rcgno  Daimatie  conquistato  ga- 
leas  uaves  et  teritas  cum  Ve- 
netis  solidavit .  .  . 


garie  adiunxit.  Galeas  quoquc 
Venetoruni    et    naves   solidans 


In  einem  ähnlicben  Verhältnisse  stellen  auch  die  folgenden 
Mittheilungen  Keza's  zu  jenen  in  der  Chronik.  Da  er  also 
sichtlich  bestrebt  ist,  hier  ausfuhrlich  zu  erzählen,  so  hätte  er 
sicher  nicht  jene  Bemerkungen  über  Colomans  Schattenseiten 
vermieden,  wenn  sie  in  seiner  Vorlage  gestanden  wären;  nach 
mehr  als  anderthalb  Jahrhunderten  können  ihn  ohnehin  keine 
besonderen  Rlicksichten  hiezu  bewogen  haben.  Von  den  Be- 
merkungen, welche  nur  bei  Keza  sich  finden,  ist  die  Notiz 
,Unde  iidem  montes  usque  hodie  in  Hungarico  Patur  Gozdia 
nominantur'  sicher  seine  Einschicbnng.  Auch  sein  Zeitgenosse 
Anonymus  kennt  diesen  Namen  für  jenen  Gebirgszug  im  Süden.' 
Mit  den  genauen  Ausführungen  über  Colomans  erste 
Regierungsjahre  schlössen  die  Gesta  vetera. 

Am  Schlüsse  unserer  Bemerkungen  über  die  ursprling- 
liche  Gestalt  der  Gesta  vetera  — •  denn  mit  den  eben  behan- 
delten reichlichen  Mittheilungen  über  Colomans  erste  Regierungs- 
jahre brechen  dieselben  ab  —  möge  noch  betont  werden,  dass 
dieselben  seit  Stephan  die  Dauer  der  einzelnen  Re- 
gierungen angaben.  Eine  Zusammenstellung  der  betreffen- 
den Daten  aus  Keza  und  der  Chronik  ist  Studie  VII,  S.  442 ff. 
geboten.  Dagegen  gehören  die  Jahreszahlen  nach  Christi  Ge- 
burt nicht  den  Gesta  an.  Man  vergleiche  hiezu  die  Bemer- 
kungen oben,  S.  293  f  Mit  der  Angabe  des  genauen  Todes- 
datums des  heil,  Ladislaus  (lOfö)  beginnt  die  Chronik  bereits 
ihre  Mittheilungen  aus  dem  ausführlichen  Königsregister,  dem 


'  Cap.  43:  ,BuI«iin,  Leiii  et  Hotnnd  hinv  ßgreswi  «ilvnin,  qne  dicitnr  Petnr- 
gox,  dosrendeiiUiH,  iiixUi  tluriiini  ('iiljhe  rA.strn  inutati  sunt.' 


302 

sie  auch  die  weiteren  genauen  Daten  über  Anfang  and  Ende 
der  Regierungen  jedes  folgenden  Königs  entnimmt  (Studie  VII, 
S.  486). 

e)    Verschiedene  Redactionen  der  Gesta. 

Am  Schlüsse  unserer  Ausführungen  über  die  ursprüngliche 
Gestalt  der  Gesta  möge  noch  Folgendes  bemerkt  werden:  Man 
darf  nicht  vergessen,  dass  diese  nicht  gerade  in  ihrer  ursprüng- 
lichen Gestalt  von  den  Schriftstellern  des  13.  Jahrhunderts  be- 
nützt wurden.  In  der  Zeit  von  ihrem  Entstehen  bis  zur  Herstel- 
lung jener  Chroniken,  aus  deren  Vergleiche  wir  auf  den  Inhalt  der 
alten  Gesta  schliessen,  können  diese  in  Einzelheiten  manche  Aen- 
derung  erfahren  haben.  Mit  diesem  Umstände  muss  man  stets 
rechnen,  bevor  man  aus  einzelnen  Ausdrücken  oder  Angaben 
weitgehende  Schlüsse  ziehen  wollte.  Auf  einzelne  Nachrichten, 
welche  als  Erweiterungen  einer  jüngeren  Redaction  der  Gesta 
aufgefasst  werden  können,  ist  z.  B.  oben,  S.  245,  %5,  272  und 
273,  aufmerksam  gemacht  worden.  Die  Auffindung  dieser  Nach- 
richten ist  mit  einiger  Gewissheit  jedoch  nur  filr  diejenigen 
Partien  möglich,  für  welche  uns  noch  der  Anonymus  zur  Seite 
steht.  In  diesem  fehlende  Nachrichten,  welche  gemeinsam  bei 
Keza  und  in  der  Chronik  vorkommen,  können  Erweiterungen 
der  den  letzteren  vorliegenden  Redaction  der  Gesta  sein,  wenn 
nicht  etwa  auf  Seite  des  Anonymus  eine  Kürzung  vorliegt  oder 
die  Chronik  die  Nachricht  aus  Keza  entnahm,  unsere  Fo^ 
schung  wird  überhaupt  sehr  dadurch  erschwert,  dass  des  An- 
onymus Arbeit  nicht  das  11.  Jahrhundert  umfasst.  Alberich 
und  Richard  bieten  leider  bei  diesen  Studien  wenige  Anhalts- 
punkte, weil  sie  die  Gesta  nur  in  beschränktem  Masse  be- 
nützten. Ebensowenig  bietet  der  Vergleich  mit  der  ungarisch- 
polnischen  Chronik,  weil  diese  uns  in  einer  völlig  verderbten 
Gestalt  vorliegt.  Man  vergleiche  darüber  die  Bemerkungen  in 
Studie  VI,  S.  527,  und  Studie  VII,  S.  443.  Die  an  letzter  Stelle 
gemachte  Bemerkung,  dass  Alberich  in  gewissen  Nachrichten 
der  ungarisch-polnischen  Chi-onik  näher  steht  als  die  anderen 
ungarischen  Chroniken,  ist  mit  ein  Beweis  für  das  Vorhanden- 
sein verschiedener  Redactionen  der  Gesta.  Ein  anderer  Beweis 
hiefür  ist,  dass  z.  B.  nur  der  Anonymus  mit  Richard  den  Aus- 
druck   ,puscua  Romanorum'   (siehe   oben,   S.  243)  gemein  hat, 


303 

•wHlirend  derselbe  sowohl  Eeza  als  der  Nationalchronik  fehlt; 
offenbar  benützten  also  die  beiden  Ersteren  eine  andere  (ältere) 
Redaction  der  Gesta.  Andurerseits  bat  z.  B.  der  Anonymus 
auch  mit  der  polniscli-ungarischen  Chronik  die  Bezeichnung 
von  Gran  und  Saros  als  Grenzpunkte  gegen  Polen  geraein  (vgl. 
Studie  III,  S.  617  f.,  und  die  §.  17,  18  und  34  beim  Anonymus), 
was  ebenfalls  auf  die  Benützung  einer  ursprünglichen  Redac- 
tion der  Qesta  deutet. 


4.  Zeit  und  Ort  der  Abfassung  der  Qesta.     Ihr  Verfasser. 
Quellen.     Werth  derselben. 


Ihre 


Wir  wenden  uns  nun  der  Abfassungszeit  der  Gesta 
zu.  Wie  bei  der  Erörterung  anderer  Fragen,  so  war  es  auch 
bei  der  Behandlung  dieser  verhiingniasvoll,  dass  man  zwischen 
den  einzelnen  Theilen  der  Chronik  nicht  scharf  unterschied. 
Wir  haben  bereits  in  der  Studie  VII  darüber  gehandelt,  indem 
wir  die  Gründe  prüften,  welche  die  Abfassiin^^  der  Chronik  über- 
haupt erst  um  1200  oder  noch  viel  später  wahrscheinlich  machen 
sollten.  Wir  sind  dort  zum  Schlüsse  gekommen,  dass  diese 
Gründe  wohl  mit  Bestimmtheit  beweisen,  dass  die  Gesammt- 
redaclionen  der  Chroniken  thatsächHch  in  so  späte  Zeit  fallen; 
ist  doch  diejenige  Keza's  überhaupt  die  erste  vollständige  Dar- 
stellung dieser  Art.  Für  die  Entstehungszeit  der  einzelnen 
ursprünglichen  Theile  der  Chroniken  seien  aber  jene  Gründe 
nicht  massgebend,  weil  sie  eben  erst  auf  Nachrichten  der  Chro- 
niken beruhen,  die  als  spätere  Zusätze  u.  dgi.  zu  erklären 
seien.  So  haben  wir  schon  nachweisen  können,  dass  jene  vom 
Chronicon  Pictum  und  von  Magien  für  die  Geschichte  der  ersten 
Jahrzehnte  des  12.  Jahrhunderts  benützte  Quelle  eine  zeitge- 
nössische war.  Ebenso  glauben  wir  annehmen  zu  düi-fcn,  dass 
die  Gesta  Hungarorum  vetera  am  Anfange  des  12.  Jahr- 
hunderts vielleicht  noch  unter  Coloman  verfasst  wur- 
den.    Unsere  Gründe  für  diese  Annahme  sind  folgende: 

Bereits  in  der  Studio  VII  und  nun  auch  oben,  S.  300f ,  ist 
genügend  hervorgehoben  worden,  dass  die  ursprllnglichercn 
Redactioncn  der  Chroniken,  also  z.  B.  Keza  und  das  Chronicon 
Budense,  naclidem  sie  rlio  ersten  Regierungsjahre  Colomans 
noch    sehr    ausrührlich    behandelt    haben,    plötzlich   abbrechen. 


304 

Schon  vom  Durchzuge  der  Kreuzfahrer  durch  Ungarn  ist  keine 
Rede.  Nur  von  Colomans  Tode  und  der  Beerdigongsstfttte 
geben  noch  die  Chroniken  Kunde,  wobei  sie  jedoch  bereits 
aus  anderen  Quellen  schöpfen.  Der  Verfasser  der  Gesta  Hon- 
garorum  vetera  hat  also  seine  Darstellung  mit  einer  verhtlltniBS- 
mässig  sehr  ausführlichen  Schilderung  der  ersten  Regierangs- 
jahre Colomans  geschlossen.  Aber  diese  Schilderang  ist  audi 
60  genau,  dass  selbst  der  kritische  Geschichtsschreiber  ihr  an- 
beirrt zu  folgen  sich  veranlasst  sieht.  Sie  kann  also  nar  von 
einem  Zeitgenossen  herrühren. 

Zu  demselben  Schlüsse  ftihrt  uns  die  Beobachtung,  dass 
bei  Keza,  der  hierin  wie  sonst  die  Gesta  vetera  getreuer  be- 
wahrt haben  wird,  kein  Wort  der  Missbilligung  oder  Schmähung 
gegen  den  König  Coloman  sich  findet,  wie  sie  auf  Grundlage 
anderer  Ueberlieferung  in  den  anderen  Chronikredactionen  ei^ 
scheint.  Dies  deutet  darauf  hin,  dass  der  Verfasser  der  Gesta 
noch  zur  Zeit  dieses  Königs  schrieb,  vielleicht  noch  vor 
dessen  abscheulichem  Wüthen  gegen  seinen  Bruder  Almus  and 
dessen  Sohn  Bela,  welche  Schreckensthat  nicht  zum  geringen 
Masse  die  späteren  Schmähungen  gegen  diesen  König  veran- 
lassten. 

Dass  die  Gesta  bereits  um  diese  Zeit  aufgezeichnet  war 
den,  wird  femer  durch  den  Umstand  sehr  wahrscheinlich  ge- 
macht, dass  in  ihnen  —  wie  mit  voller  Bestimmtheit  oben, 
S.  232  f.,  nachgewiesen  wurde  —  keine  Spur  der  Benutzung  der 
Stephanslegende  sich  nachweisen  lässt.  Dies  können  wir  nur 
aus  dem  Umstände  erklären,  dass  dem  Verfasser  der  Gesta 
die  Legenden  noch  nicht  zugänglich  waren,  was  aber  nur 
denkbar  ist,  wenn  er  zu  der  von  uns  angenommenen  Zeit 
schrieb.  Auch  nur  wenige  Jahre  später  hätte  jedem  literarisch 
thätigen  Manne  in  Ungarn  die  durch  den  König  Coloman  ver- 
anlasste Biographie  von  Bischof  Hartwich  bekannt  sein  mttssen,' 
und  ebenso  sicher  ist  es,  dass  sie  dann  in  den  Gesta  Verwen- 
dung gefunden  hätte. 

Femer  ist  noch  auf  folgenden  Umstand  zu  verweisen. 
Bekanntlich  wird  noch  in  der  Vita  s.  Stephani  maior,  §.  2, 
Geisa  als  ,princep8  quintus  ab  illo,  qui  ingressionis  Ungaro- 
nun  in  Pannonia  dux  primus  fiiit'  bezeichnet,  während  bereits 


'  Die  anderen  Biographien  haben  in  Ungarn  geringe  Verbreitung  gefanden. 


305 


in  der  Vita  von  Hartwich  an  derselben  Stelle  Geisa  als 
,quartu8'  bezeichnet  wird.  Dieselbe  merkwürdige  Schwan- 
kung finden  wir  nun  auch  in  den  ungarischen  Chronikredac- 
tionen,  doch  augenscheinlich  so,  dass  man  nachweisen  kann, 
in  den  ursprünglichen  Gesta  sei  Geisa  als  der  flinfte  aufge- 
ftiiirt  gewesen,  und  erst  in  den  jüngeren  abweichenden  Bear- 
beitungen sei  die  der  Vita  von  Jiartwich  entsprechende  Aen- 
derung  vorgenommen  worden.  Um  den  Sachverhalt  klarzu- 
legen, müssen  wir  zunächst  die  Berichte  der  Chroniken  kennen 
lernen : 

Beim  Anonymus  (§.  12  und  13,  S.  13  f.)  wird  noch  aus- 
drücklich Almus  als  derjenige  bezeichnet,  unter  dessen  Führung 
die  Ungarn  über  die  Karpathen  in  ihre  Heimat  kamen.  Er 
berichtet  nämlich:  ,Et  sie  venientes  per  silvam  Houos  ad  partes 
Hung  descenderunt  .  .  .  Dune  dax  Almus  et  aui  primates  .  .  . 
ad  castrum  Hung  eqmtavenmt  et  caperent  eum  .  .  .  Quarto  aiitem 
die  inito  consilio  et  accepto  iiu-amento  omnium  suorum,  dux 
Almus  ipso  vivente  filium  suum  Arpadium  ducem  et  precepto- 
rem  constituit,  et  ab  Hungu  omnes  sui  milites  vocati  sunt  Hun- 
gari  secundum  linguam  alicnigenarum.'  Da  nun  auf  Almus  in 
den  imgarischen  Chroniken  bekanntlich  Arpad,  Zoltan,  Toxun, 
Geisa  folgen,  so  ist  nach  dem  Anonymus  Geisa  thatsächlieh 
der  ,quintus',  was  er  auch  im  §.  57,  S.  51  in  dem  Satze:  ,Dux 
vero  Thocsun  genuit  filium  nomine  Geysam,  quintum  ducem 
Hungarie'  ausdrücklich  constatirt. 

Bei  Kcza  finden  wir  nun  auch  sowohl  im  Schiusscapitel 
(§.  ItJ)  der  Hunengeschichtc,  als  auch  im  ersten  Capitcl  (§.  18) 
der  Ungarngoschichte  (hier  natürlich  an  der  ursprünghchen, 
den  alten  Gesta  entsprechenden  Stelle)  erwähnt,  dass  sich  die 
Ungarn  am  Flusse  Hung  niedorliessen,  ,a  quo  quidem  fluvio 
Hungari  a  gentibus  occidentis  sunt  vocati'.  Aber  wir  finden 
andererseits  bereits  den  Bericht  (§.  19):  ,Arpad,  filius  Almi, 
.  .  .  cum  gente  sua  Ruthenorum  alpes  prior  perforavit  et  in 
fluvio  Hung  primus  fixit  sua  castra.'  In  dieser  Darstellung 
findet  sich  augenscheinlich  die  Ansicht  wieder,  der  schon  Hart- 
wich durch  seine  Aenderung  des  Textes  der  Vita  maior  Rech- 
nung trug,  und  die  seither  zur  allgemeinen  Ueberzeugung  ge- 
worden zu  sein  scheint. 

Auch  die  Nationalchronik  hat  niimlich  diese  Anschauung 
zu  der  ihrigen  gemacht.     In  ihrer  Darstellung  haben  wir  aber 

AreUr.   LXXXVUI.  Bd.  I.  Hilft«.  20 


306 

auch  den  besten  Beweis,  dass  nicht  etwa  Keza,  sondern  der 
Anonymus  den  älteren  Bericht  der  Gesta  uns  bietet  In  der 
Nationalchronik  finden  wir  nämlich  ganz  unzweideutige  Sporen, 
dass  ihr  derselbe  Bericht  vorlag,  wie  ihn  der  Anonjmos  uns 
bietet,  und  dass  sie  diesen  mit  der  neueren  Anschanong, 
welcher  der  Notar  aus  irgend  einem  Grunde  keine  Rechnnng 
getragen  hatte,  in  Einklang,  zu  bringen  sucht.  Daher  setrt 
die  Chronik  (Chronicon  Budense,  S.  32)  da,  wo  Keza  am  Ende 
der  Hunengeschichte  den  Aufenthalt  der  Ungarn  am  Flosse 
Hung  erwähnt,  hinzu:  ,de  Erdeel'  (Siebenbürgen);  sodaim  be- 
richtet er  (S.  37),  dass  die  Ungarn  unter  Almas  nach  Erdeel- 
SiebenbUrgen  kamen,  wo  dieser  ,occi8US  est  non  enim  potent 
Pannoniam  introire';  erst  unter  seinem  Sohne  geschah  dies. 
Dass  diese  Darstellung  nur  den  Zweck  hat,  welchen  wir  ihr 
beilegen,  ist  offenbar  unzweifelhaft.  Daraus  ergibt  sich  abw, 
dass  in  den  Gesta  vetera  noch  Almus  als  derjenige  bezeichne 
wurde,  unter  dem  die  Magyaren  nach  Ungarn  kanaen;^  dies 
entspricht  aber  noch  der  Anschauung,  wie  sie  in  der  Vit» 
maior,  nicht  aber  mehr  in  der  Vita  von  Hartwich  sich  geltend 
machte  und  seither  allgemeine  Anerkennung  fand.  Daraos 
folgt,  dass  die  Gesta  vetera,  wenn  sie  schon  nicht  älter  als  die 
Vita  von  Hartwich  sind,  doch  nicht  viel  jtinger  sein  können. 
Dies  stimmt  somit  völlig  mit  dem  Uberein,  was  wir  oben  ans 
dem  Bestände  der  letzten  Nachrichten  der  Gesta  vetera  schlössen. 
Auch  hat  wohl  der  Umstand  etwas  für  sich,  dass  ebenso  wie 
die  imgarische  Umarbeitung  der  Vita  s.  Stephani,  so  auch  die 
Abfassung  der  ersten  zusammenfassenden  Ungamgeschichte  in 
die  Zeit  des  bUcherkundigen  Königs  oder  doch  bald  nachher 
zu  setzen  sei. 

Schliesslich  muss  noch  betont  werden,  dass  das  Fehlen 
näherer  Ausführungen  über  die  Hünen  (siehe  oben,  S.  223  und 
242  f)  in  den  Gesta  darauf  hindeutet,  dass  diese  Quelle  früh  auf- 


'  Waram  in  der  urspranglichen  naiveren  Ueberliefemng^  die  Ungarn 
schon  unter  Äimns  nach  Ungarn  kommen,  ist  offenbar  daraus  m  er- 
klären,  dass  diese  Barzahlung  sich  die  Wanderung  von  der  Uriieimat  nadi 
Ungarn  ab  verbKltnissmässig  rasch  vollendet  vorstellte.  Die  jfingere  Si- 
Zählung  corrigiert  diese  Auffassung.  In  dieser  Hinsicht  ist  wohl  n 
beachten,  dass  der  Anonymus,  §.  6,  als  Qeffihrten  Almas'  beim  Annuge 
die  Väter  jener  Männer  nennt,  die  nach  der  Chronik  nch  mit  Arpad  in 
Ungarn  festsetzten.  Vgl.  oben,  S.  261. 


307 


gezeichnet  worden  ist.  Im  Laute  des  12.  Jahrhunderts  hat  sich 
die  Anschauung  von  der  ZusammcngehiJrigkeit  beider  Völker 
immer  mehr  ausgebildet  und  erscheint  zunächst  in  der  ungarisch- 

P  polnischen  Chronik  (um   1200)  tixirt. ' 
Man  wird  nun  vielleicht  gegen  diese  Ansicht  einwenden, 
da«8  ein  etwa  um  1115  lebender  Chronist  weit  mehr  über  die 
Geschichte  der  letzten  Vorgänger  seines  zeitgenüssischcn  Königs 
hätte  wissen  müssen,  als  nach  dem  Ausweise  Keza's  die  Gesta 

■  vetera  enthalten  zu  haben  scheinen.  Dieser  Einwurf  muss  jedoch 
überhaupt  als  unhaltbar  zurückgewiesen  werden.  Er  setzt  vor- 
aus, dass  dem  .Schreiber  die  besten  Ueborlieferungcn,  weit- 
läufige Mittlicilungen  vorlagen,  dass  er  die  nöthigen  Kenntnisse 
und  die  Absicht  hatte,  ausführlich  und  genau  zu  erzählen. 
Muss  denn  dies  immer  der  Fall  sein?  Werden  sich  doch  auch 
gegenwärtig,  wo  die  Zeitungen  und  Bücher  in  ganz  anderer 
Weise  als  vor  Jahrhunderten  die  Kunde  der  Tagesereignisse 
verbreiten,  doch  wohl  nur  Wenige  finden,  die  nach  einer  Reihe 
von  Jahren  ein  genaueres  Bild  der  Ereignisse  werden  bieten 
können.  Der  Verfasser  der  Gesta  verfügte  ganz  offenbar  nicht 
über  die  nöthigen  Hilfsmittel  und  Kenntnisse,  um  die  schwie- 
rigen, ineinander  geschachtelten  Begebenheiten  der  Kegie- 
rongen  Salomons,  Geisas  und  Ladislaus'  zu  behandeln.  Dass 
er  kein  besonderer  Kopf  war,  dafür  zeugt  schon  die  Art, 
wie  er  die  ihm  vorUegende  Chronik  Regino's  und  die  An- 
nales Altahenses  (bis  1146)  benützt  hat.  Seit  der  ihm  vor- 
liegende Theil  der  letzteren  versiegte,  ist  er  jedes  sicheren 
Führers  beraubt  gewesen.  Erst  die  Begebenheiten  der  letzten 
Jahre    standen    ihm    klar    vor   Augen    und    boten    auch    nicht 

■  die  eben  hervorgehobenen  Schwierigkeiten.  Um  übrigens  von 
der  Unrichtigkeit  der  Anschauung  sich  zu  überzeugen,  dass 
jeder  Chronist  sich  wenigstens  über  die  Begebenheiten  der 
letzten  Jahrzehnte  gut  unterrichtet  zeigen  müsse,  genügt  eine 
Durchsicht  dessen,  was  Keza  um   1275  über  die  letzten  eut- 


I 


*  Dem  eben  Mitgetheilteii  widerspricUt  durcbaiiH  nicht  der  oben,  S.  ^49, 
berTorgehubene  UmaUiiii,  iIhüs  Attila  bc>rciU  in  den  Genta  genannt  sei. 
Attila  ist  schon  im  II.  J.nlirhumlerte  in  die  ungarische  Uoberliefening 
siifgenoinmeu  worden  (vgl.  M.irc7.nli,  OeschlchtstiuoUen,  S.  56,  Anm.  19); 
aber  erst  seit  etwa  1200  finden  wir  nber  ihn  in  ungarischen  Quellen 
Näheres. 

20* 


308 

schwnndenen  Jahrzehnte  zu  erzählen  weiss!  Auch  möge  nun 
die  Bemerkungen  in  Betracht  ziehen,  die  obeo,  S.  303, 
Abschnitt  e),  gemacht  worden  sind.  Mancher  Irrthum  mag 
sich  erst  in  die  späteren  Redactionen  der  Gesta  eingeschlichen 
haben. 

Ueber  den  Ort,  wo  etwa  die  Gesta  vetera  verfasst  wot- 
den,  and  über  ihren  Verfasser  finden  sich  keine  bestimmtai 
Anhaltspunkte.  Hervorgehoben  wurde  schon  bei  anderer  Ge- 
legenheit —  Studie  VI,  S.  528  f.  — ,  dass  die  der  ungamch- 
polnischen  Chronik  und  den  Gesta  gemeinsame  dUrftige  Quelle 
auf  Gran  hinweist.  Auch  ist  dort  die  Vermuthung  ausgesprochen 
worden,  dass,  wo  diese  ursprünglichen  spärlichen  Nachrichten 
aufgezeichnet  worden  sind,  durch  Verbindung  mit  anderen 
Quellen  auch  die  ausführlichere  Quelle,  also  die  Gesta  vetera, 
entstanden  ist.  Zur  Stütze  dieser  Vermuthung  ist  auch  der 
Umstand  angeführt  worden,  dass  Alberich  seine  ungarische 
Quelle  (die  Gesta)  wahrscheinlich  über  Gran  erhielt  Indess 
ist  natürlich  dies  Alles  recht  unsicher.  Wir  finden  freilich 
auch  keine  Kennzeichen,  die  mit  grösserer  Bestimmtheit  aof 
einen  anderen  Ort  deuten  würden.  Sehr  auffällig  ist  der  Mangel 
an  ausführlichen  localen  Mittheilungen;  Nachrichten  zur  Ge- 
schichte der  Kirchenfürsten,  Klöster  u.  dgl.  fallen  höchst  spar 
lieh  aus.  Daraus  dürfen  wir  wohl  schliessen,  dass  der  Ver- 
fasser kein  Geistlicher  war.  Die  auf  einen  solchen  weisenden 
Züge  kamen  in  die  ungarische  Chronik  erst  durch  den  Ver- 
fasser der  nationalen  Grundchronik,  die  im  Ofener  Minoriten- 
kloster  entstanden  ist.  Noch  bei  Keza  findet  sich  weit  we- 
niger davon. 

Ueber  die  Quellen  unserer  Gesta  Hungarorum  vetera 
ist  bereits  an  früheren  Stellen  wiederholt  gehandelt  worden, 
so  dass  wir  hier  nur  die  früheren  Ergebnisse  zusammenza- 
fasscn  brauchen.  Für  den  ersten  Theil  seiner  Darstellung,  also 
von  der  Beschreibung  der  Urheimat  bis  zum  Ausgange  der 
Raubzüge,  diente  Regino  und  dessen  Fortsetzung  als  Haupt- 
quelle. Man  vergleiche  darüber  die  Bemerkungen  in  Studie  VE, 
S.  463  und  471,  und  vor  Allem  oben,  S.  236 ff.  und  256ff.  Aus 
unseren  Parallelstellen  ergibt  sich  auch,  wie  nachlässig  diese 
gute  Quelle  in  den  Gesta  benutzt  worden  sein  mag.  Aus  der 
wohlgeordneten  chronologischen  Darstellung  des  deutschen  Chro- 
nisten ist  kaum  mehr  als  ein  wirrer  Auszug  geworden.     Dasn 


309 


küiniuen  allcrlüi  Willkürlichkcitcn  und  Missverstllndnisse.  Als 
ein  Beispiel  der  letzteren  mag  nur  auf  die  Art  verwiesen  wer- 
den, wie  die  Gesta  die  Ilinrichtunpf  der  Herzog'e  Erchanger  und 
Bertold  mit  den  Ungarncinfällen  zusammenbringen  (S.  2()2f.). 
Für  die  folgende  Zeit  standen  dann  die  oben  erwähnten  Gran  er 
Aufzeichnungen  zur  Verfügung,  die  Ton  Stephan  bis  La- 
dislaus  reichten  und  wohl  noch  dem  11.  Jalirhundcrte  angc- 
liörten  (vgl.  Studie  VI).  Sie  enthielten  allenfalls  nur  spärliche 
Aufzeichnungen  und  waren  gewiss  nicht  annalistischen  Cha- 
rakters, sondern  gaben  höchstens  die  Dauer  der  Regierungen 
u.  dgl.  an  (Studie  VI,  S.  Ö25f.).  Hiezu  kam  flir  das  11.  Jahr- 
hundert vor  Allem  ein  Theil  der  Ännales  Altahenses,  die 
aber  ähnlich  wie  Regino  überaus  nachlässig  benutzt  i\'urden, 
worüber  die  Ausführungen  oben,  S.  214 ff.,  genügend  Auskunft 
ertheilen.  Besonders  betont  muss  werden,  dass  in  den  Gesta 
allenfalls  nur  der  Theil  der  Annalen  bis  1046  benützt  wurde 
(S.  286),  doch  nicht  etwa  nur  eine  die  Jahre  1041 — 1045  um- 
fassende Quellschrift  derselben  (vgl.  S.  212,  Anm.  1).  I)azu 
kam  vor  Allem  noch  die  Ueberlieferung,  die  damals  noch 
lebendig  war,  und  aus  der  eine  Fülle  von  Nachrichten  be- 
sonders über  die  Heldenzcit  des  Volkes  tloss.  Schliesslich  zeigen 
die  Nachrichten  über  Coloman  zeitgenössischen  Cha- 
rakter. 

Aus  den  vorstehenden  Bemerkungen  Über  die  Benützungs- 
art der  Quellen,  aus  denen  die  Gesta  aehüpften,  sowie  aus  den 
AuatVihrungen  S.  236 — 302  ergibt  sich  zur  Genüge,  dass  die 
Gesta  eine  ziemlich  minderwcrthige  Quelle  waren. 


5.  Kurze  Znsamnienfaiiang  der  Ergebnisse. 


Am  Schlüsse  wollen  wir  alle  bisherigen  Ergebnisse  über 
die  Gesta  Hungarorum  vetera  kurz  zusammenfa.sseu. 

Die  Gesta  vetera  sind  wahrscheinlich  noch  zur  Zeit  Colo- 
mans  oder  doch  nicht  viel  später,  und  zwar  vermuthlich  in 
Gran  entstanden.  Ihrem  Verfasser  standen  ausser  älteren 
Graner  Aufzeichnungen,  die  später  vom  Verfasser  der  unga- 
risch-polnischen Chronik  benützt  wurden  und  bis  auf  Ladisluus 
reichten,  noch  Uegino  und  die  Annales  Altahenses  (bis  1046) 
zur    Verfügung.     Die    deutschen    Quellen    wurden    schon    von 


310 

diesem  Chronisten  vielfach  entstellt;  die  Benützung  der  Ad- 
nales  Altahenses  scheint  überdies  nur  eine  verhältnisam&sag 
spärliche  gewesen  zu  sein.  Ausser  aus  den  genannten  schrift- 
lichen Quellen  schöpfte  der  Chronist  aus  der  Ueberlieferong. 
Die  ungarischen  Legenden  sind  von  ihm  nicht  benutzt  worden. 
Die  Gesta  begannen  mit  einer  Beschreibung  der  Urheinut  der 
Ungarn  (Skythiens),  enthielten  sodann  Mittheilungen  über  die 
Abstammung  des  ungarischen  Volkes  und  seiner  Herrscher, 
besonders  über  Almus  und  seinen  Namen,  und  erzählten  hier 
auf  die  Wanderung  nach  dem  Westen,  die  Niederlassang  in 
Ungarn  und  die  fernere  Geschichte  bis  etwa  auf  Colomans 
erste  Regierungsjahre.  Warum  der  Verfasser  hier  seine  Dar- 
stellung abbrach,  ist  uns  unbekannt.  Die  Quelle,  von  der  es 
übrigens  wohl  verschiedene  Kedactionen  gab,  haben  um  1230 
Richard  und  Alberich  benutzt;  etwa  40  Jahre  später  hat  der 
anonyme  Notar  und  Keza  sie  ausgeschrieben;  und  wieder  etwa 
30  Jahre  später  wurde  sie  vom  Verfasser  der  nationalen  Grund- 
chronik (Minoritenchronik)  neben  Keza  benützt.  Richard  hat 
uns  den  Namen  der  alten  Quelle,  ,Gesta  Ungarorum  [veter»]*, 
aufbewahrt;*  sonst  bringt  er  nur  in  wenigen  Schlagworten 
einen  ganz  kurzen  Auszug  derselben  bis  auf  Stephan.*  Albe- 
rich benutzte  sie  schon  im  ganzen  Umfange,  bringt  aber 
nur  wenige  Nachrichten  aus  derselben.'  Der  Anonymus  hat 
sie  nur  bis  auf  Geisa  benützt  und  aus  ihrem  weiteren  b- 
halte  nur  einige  vorgreifende  Nachrichten  in  seine  flrzählong 
eingefügt*   Keza'   und    der  Verfasser   der  nationalen  Grund- 


'  Endlicher,  Mon.  Arpadiana,  S.  2i8. 
»  Vgl.  besondere  Studie  VU,  S.  478  f. 

*  Ebenda,  S.  438  ff.  und  442  ff. 

*  Siehe  oben,  S.  276  und  289.  Näheres  darilber  in  einer  besonderen  Stndie 
über  den  Anonymns.  Derselbe  verweist  an  zwei  Stellen  —  wenn  auch  nicht 
ganz  bestimmt  —  auf  unsere  Qesta:  §.  7  (sicnt  in  annalibus  coutinetar 
cronicis),  wozu  oben,  S.  247,  zu  vergleichen  ist;  femer  §.  43  (quia  in 
nullo  codice  historiographomm  inveni),  wozu  oben,  S.  872,  nachzulesen 
wäre.  In  beiden  Fällen  müssen  wir  die  Gesta  in  die  vom  Anonymu 
benützten  allgemeinen  Ausdrücke  fUr  seine  schriftlichen  Quellen  einge- 
schlossen denken. 

*  Bei  diesem  findet  sich  nirgends  ein  directer  Hinweis  auf  die  Gesta. 
Die  §.  21  genannten  libri  cronicarum  sind  nicht  diese  Quelle.  Siebe 
oben,  S.  271. 


311 

chronik'  haben  sie  im  ganzen  Umfange,  und  zwar  wohl  er- 
schöpfend, ausgenützt.  Jeder  von  den  letztgenannten  drei  Chro- 
nisten hat  Erweiterungen  vorgenommen,  im  geringsten  Masse 
Keza.  Nur  durch  Vergleichung  aller  Ableitungen  lässt  sich 
ein  annähernd  richtiges  Bild  der  alten  Gesta  gewinnen.  Aus 
dieser  Betrachtung  ergibt  sich,  dass  dieselben  eine  ziemlich 
spärliche  Quelle  von  geringem  Werthe  waren. 


'  Yerweise  anf  die  Qesta  finden  sich  im  Chronicon  Bndense,  S.  44  (Cnm 
igitur  Codices  qnidam  .  .  .;  vgl.  oben,  S.  852);  ferner  8.  62  (que  ab 
aliis  scriptoribos  pretennissa  snnt  .  .  .;  vgl.  oben,  8.  229).  —  Hingegen 
bezieht  sich  der  Verweis  8.  93  (in  antiqnis  libris  de  gestis  Hangaroram) 
nicht  aaf  die  Oesta  vetera.  Vgl.  oben,  8.  283,  284,  292,  294  f.  and  299. 


Archiv 


ita 


Österreichische  Geschichte. 


Herausgegeben 

TOD  dar 

zur  Pflege  vaterländischer  Geschichte  aufgestellten  Commission 

der 

kaiserliehen  Akademie  der  Wissensehaften. 


Achtundachtzigster  Band. 

Zweite  Hälfte. 


Wien,  1900. 

In   CommiBsion    bei   Carl   Gerold'«   Sohn 


Archiv 


fDr 


sterreichische  Geschichte. 


Herausgegeben 

Ton  der 

zur  Pflege  vaterländischer  Geschichte  anfgestellten  Commission 

der 

kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Achtundaohtzigster  Band. 


Wien,  1900. 


In  Commission  bei  Carl  Gcrold's  Sohn 

BukkUdlw  im  kalt.  Akadmi«  4<r  WiMMUdisnni. 


Inhalt  des  achtondaehtzigsten  Bandes. 


Seite 
Biographie   des   FBrsten   KannitK.    Ein  Fragment.    Von  weit.  Alfred 

Bitter  von  Arneth 1 

Studien   za   den   nngarischen    Oeachichtsqaellen.    Vm.    Von  Prof.  Dr. 

Raimnnd  Friedrich  Kaindl 203 

Ein  Hochrerrathsprocess  ans  der  Zeit  der  Gegenreformation  in  Inner- 

Osterreicb.    Von  J.  Loserth 313 

Stadien  su  den  nngarischen  Geschichtsqaellen.    IX.,  X.,  XI,  und  XII. 

Von  Prof.  Dr.  Raimnnd  Friedrich  Kaindl 367 

Klesl's  Briefe  an  K.  Radolfs  II.  Oberstliofmeister  Adam  Freiherrn  von 
Dietriclistein  (1683 — 1689).  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  Klesl's  und 
der  Gegenreformation  in  NiederOsterreich.    Von  Dr.  Victor  Bibl    473 


EIN 

HOCHVERRATHSPROCESS 

AUS  DER  ZEIT  DER 

GE  GENßEFORMATION 


IN 


INNEßÖSTERREICH. 


NACH  DEN  ACTRN  DES  K.  U.  K.  HAUS-,  HOF-  UND  STAATSARCHIVS  IN  WIEN 
UND  DES  STEIBRHlfiKISCHEN  LANDESAECHITS  IN  OKAZ 


VON 


J.  LOSERTH, 

00BBE8F.  MITOUCDI  DIB  KAU.  AKADEHIE  DIB  WISIIHSCBAmH. 


AnhiT.  LXXXVUI.  Bud.  □.  Hilft«.  81 


V\  enn  man  die  von  katlioÜBcher  Seite  ausgegangenen 
Rechtfertigungsscliriften  über  das  Vorgehen  Ferdinands  II.  gegen 
den  innerösterreichischen  Protestantismus,  deren  bedeutendste 
von  dem  Stainzcr  Propste  Jakob  Rosolenz  herrührt,  durchliest,  so 
findet  man  in  ihnen  mit  mehr  oder  minder  starker  Betonung 
als  angebliche  Thatsache  in  den  Vordergrund  gestellt,  dass 
Ferdinand  II.  zu  diesem  seinem  Vorgehen  genötbigt  war,  weil 
der  Gehorsam  gegen  die  Obrigkeit  allenthalben  im  Lande  scliior 
erloschen  war  und  man  unter  den  Protestanten  nichts  fand  als 
Widersetzlichkeit,  , Tumult  und  Rebellion'.  Das  ist  ja  schliess- 
lich die  Ansicht  Ferdinands,  ja  schon  die  seines  Vaters,  des 
Erzherzogs  Karl  II.,  gewesen.  Schon  in  der  Motivirung  seines 
Decretes  vom  10.  December  1580,  in  welchem  er  die  Anord- 
nung traf,  dass  in  allen  landesflirstlichen  Städten  und  Märkten 
auBScbliesalich  die  katholische  Religion  ausgeübt  werden  dürfe, 
klagt  er,  dass  der  Landesfürst  ,bej  ir  vilen  und  vilen  die 
schuldig  gehorsamb  schier  durchaus  verloren  .  .  .',  dass  man 
nicht  blos  mit  eigenwilligen  Leuten,  sondern  auch  mit  den  Ver- 
ordneten , disputieren  und  sich  gleichsamb  von  inen  in  ihrem 
thuen  syndicieren  lassen  müsse,  als  wann  er  ein  gemalter  oder 
papiemer  landtsfiirst  wäre'.'  Trotz  aller  Widerlegungen  seitens 
der  steiermärkischen  Landschaft*  und  wiewohl  die  Sache  an 
sich  ganz  baltlos  ist,"  findet  sich  der  Vorwurf  auch  später  in 
Correspondenzen    und    geschichtlichen  Werken    wieder:    so    in 


'  Acten  und  Correapondeniea  zur  Geschichte  der  Gegenreformation  in 
InnerOaterreicb  notor  Erzherzog  Karl  II.    Fontes  rer.  Austr.  L,  7!1. 

*  Die  eingehende  Erwiderung  darauf  (,anf  solche  schimpfliche  Reden',  die 
man  dem  LandesfUnten  .einbilde')  S.  92. 

'  Loserth,  Geschichte  der  Reformation  nnd  Oegenrefonnation  in  Innor- 
Osterreich  im  16.  Jahrhundert,  8.  334.  Loserth,  Der  Hnldignngsstreit 
nach  dem  Tode  Erzherzog  Karls  II.  (Forschungen  zur  Verfassnngs-  und 
Verwaltungsgeschichte  der  Steiermark  11,  2),  S.  23,  und  Beziehungen  der 
steiermilrkischen  Landschaft  zu  den  UnireraitAten  Wittenberg  etc.,  S.  17. 

•21» 


316 

einem  höchst  interessanten  Schreiben  Ferdinands  II.  an  den 
Herzog  Maximilian  I.  vom  7.  Mai  1601.  Der  bairische  Herzog 
hatte  nach  Graz  berichtet,  wie  übel  dem  Erzherzoge  im  Reiche 
seine  Religionsreformation  von  den  Unkatholischen  aasgelegt 
werde.  Da  antwortet  Ferdinand  H.:  jDiese  Leute  kennen  den 
Grund  der  Sache  nicht.  Er  habe  dies  zur  Salvierung  seines 
Gewissens  und  vorkommender  Unzukömmlichkeiten  wegen  thnen 
müssen.  Er  habe  lange  genug  über  die  Anmassong  der  Pri- 
dicanten  Geduld  getragen;  von  den  wider  die  katholischen 
Fürsten  und  andere  auf  den  Kanzeln  ausgesprochenen  Schmä- 
hungen wolle  er  nichts  sagen  und  nur  so  viel  bemerken,  dass 
sie  in  aUen  Städten  und  Märkten  den  Bürgern  den  Unge- 
horsam gegen  die  Obrigkeit  eingebildet,  dass  sich  an  mehreren 
Orten  Rebellion  erzeigt,  und  wenn  es  der  Allmächtige  nicht 
verhütet  hätte,  hätte  Blutvergiessen  erfolgen  können.  Ea  wurde 
uns  kein  Respect  mehr  erzeigt,  als  wären  wir  nur  ein  ge- 
malter Landesfürst*  Es  war  also  kein  anderes  Mittel,  als 
diese  Prädicanten  und  ungewaschenen  Aufbläser,  die  auch  mit 
nicbten  der  Augsburgischen  Confession  anhängig,  sondern  Secten 
angehören,  auszuschaffen  .  .  .'*  Man  weiss  heute,  dass  es  diese 
viel  verrufenen  Prädicanten  und  mit  ihnen  der  in  seiner  un- 
entwegten Treue  gegen  das  angestammte  Herrscherhaus  so  sehr 
und  80  unrecht  verdächtigte  Herren-  und  Ritterstand  gewesen 
ist,  der  ein  Blutvergiessen  verhindert  hat,  und  dies  in  einer  Zeit 
und  unter  Umständen,  die  flir  ein  etwaiges  Vorgehen  mit  den 
Waffen  in  der  Hand  nicht  günstiger  liegen  konnte  —  ich  will 
hier  nur  vorgreifend,  denn  die  Sache  soll  an  anderer  Stelle  be- 
handelt werden,  an  das  Jahr  1609  erinnern,  in  welchem  die 
Lage  Erzherzog  Ferdinands  eine  derart  kritische  war,  dass  er 
in  dringenden  Schreiben  sich  an  Erzherzog  Maximilian  nach 
Tirol  um  Geld-  und  bewaffnete  Hilfe  wandte.  Nichtsdesto- 
weniger hat  man  auch  damals  den  Herren-  und  Ritterstand  in 
seiner  Treue  verdächtigt,  und  diese  in  Correspondenzen  und 
Acten  vorkommenden  Anwürfe  haben  ihren  Weg  in  die  Ge- 
schichtswerke  alter  und   neuerer  Zeit  gefunden.'     Von  einer 

'  Somit  genau  dieaelben  Worte,  die  sein  Vater  zwei  Decennien  frfiber  ge- 
braucht hatte. 

*  Original  im  Staatsarchiv  zn  Mttnchen  30/14. 

'  Ich  will  ans  dem  .Gründlichen  Qegenbericht'  des  Boaolens  nur  eine  Stelle 
heransheben ;  ,leh  hab  im  ersten  Thail  dises  meines  Gegenberichts  nach 


317 

Widersetzlichkeit  gegen  die  Verftigungen  der  Obrigkeit  ist  seitens 
der  Herren,  Bürger  und  Bauern  keine  Rede,  wenn  man  etwa 
von  den  ,groben  Ennsthalern'  absieht,  die  in  ungeschickter 
Weise  von  den  Commissären  gereizt  wurden  und  diese  1587 
,mit  gewehrter  Hand'  empfingen. '  Am  wenigsten  haben  die 
Herren  und  Ritter  an  einen  Aufstand  gedacht.  Es  kommt  im 
ganzen  Verlaufe  der  Gegenreformation  ein  einziger  Fall  vor, 
wo  Verhaftungen  von  Bediensteten  der  steiermürkischen  Land- 
schaft vorgenommen  wurden,  weil  der  Verdacht  des  Hoch- 
verrathes  vorlag.  Dass  dieser  Verdacht  begrllndet  war,  konnte 
selbst  von  einem  so  ausgesprochenen  Anwalt  der  Gegenrefor- 
mation in  Innerösterreich,  wie  es  Friedrich  von  Hurter  war, 
nicht  erwiesen  werden;*  es  ist  dies  der  Fall  mit  dem  inner- 
österreichischen  Agenten  am  kaiserfichen  Hofe  in  Prag  Hans 
Georg  Kandelberger  und  dem  steiermärkiachcn  Landschafts- 
secretÄr  Hans  Adam  Gabelkofer,  die  im  Juni,  beziehungsweise 
October  1599  gefangen  genommen  und  einem  peinlichen  Ver- 
höre unterzogen  wurden.  Selbst  der  hierüber  gefllhrte  Process 
hat  den  Beweis  nicht  erbringen  können,  dass  diese  Slänner  in 
der  That,  wessen  man  sie  beschuldigte,  versuchten,  den  Erz- 
herzog Ferdinand  H.  und  seine  Familie  aus  dem  Lande  zu 
jagen,  ja   zu   tüdten.     Der   Fall  ist  als  solcher  dunkel  genug. 


lengüt  angezaigt,  wie  man  in  Städten  anii  Märkten,  wie  auch  auf  dem 
Lande,  der  neuen  lieli^un  balbcr  tumultuiert,  rebelliert,  Con- 
apirationea  und  verbottene  Verbilndniusen  gemacht,  tiI  Anfrnbr  er- 
weckt and  »ich  dermassen  erzaigt,  als  wSll  man  I.  F.  D.  keinen  gehorsam 
mehr  erzaigen.'  Eine  wirkliche  Rebellion  wQn.ichte  z.  B.  der  Nuntiiu 
Malaspina:  .Damit,'  nagte  er,  .wollten  wir  gar  bald  ansore  Schulden  be- 
zahlen.' Sieh  den  Brief  Hoffmanu'B  an  die  Verordneten  von  Steier- 
mark de  dato  Btrechau,  1587  August  29  in  den  Acten  und  Correspondenzeu 
zur  Oeachichte  der  Gegenreformation  in  IimerSsterreich,  S.  628.  Iloff- 
raann  weist  S.  626  ganz  richtig  auf  den  |irincipiellen  Unterschied  bin, 
der  hierin  zwischen  der  A.  C.  aud  den  Calvinem  obwaltet.  Zur  Frage 
der  HaltQDg  des  Herren-  und  Ritterstandes  ist  auch  sein  Brief  von  Ende 
Mai   1587  (ebenda,  S.  615)  belangreich. 

'  Sieh   meine  Geschichte  der  Reformation  und  Gegenreformation,  S.  022  fif. 

*  Geschichte  Kaiser  Ferdinands  II.,  IV,  S.  224.  E^  ist  ganz  faUcb,  wenn  ihn 
Hurter,  Maria,  Erzherzogin  zu  Oesterreich,  Bild  einer  christlichen  Fürstin, 
8.  270,  zum  Abgeordneten  blos  des  unkatboliscben  Theiles  der  Landleute, 
oder  wenn  er  ihn  (ebenda,  S.  299)  eine  Hauptperson  der  unkatholischen 
Partei  nennt.     Das  war  Kandelberger  mit  nichten. 


318 


Was  Harter  und  neuestens  Schuster'  hierüber  bringen,  Idlrt 
die  Sache  nicht  auf.  Völlig  aufgehellt  wird  sie  auch  durch  dit 
unten  folgenden  Acten  nicht,  die  dem  k.  u.  k.  Haus-,  Hof  und 
Staatsarchiv  und  dem  steiermärkischen  Landesarchiv  ent 
nommen  sind.  Namentlich  ist  das  völlige  Verschwinden  Kandd 
berger's  seit  dem  Jahre  1602  schwer  zu  erklären.  So  tbI 
dürften  sie  aber  erkennen  lassen,  dass  von  einem  Verbrecl« 
Kandelberger's  nicht  geredet  werden  darf. 

Kandelberger  —  es  ist  derselbe,  der  1587  in  Geschlfta 
in  Padua  weilte,  noch  ein  junger  Mann,*  denn  in  einem  nntai 
folgenden  Actenstüeke  wird  ,von  seinem  noch  jungen  Leib'  g»- 
sprochen  —  war  einer  jener  Agenten,  wie  sie  seit  den  Tagta 
Erzherzog  Karls  II.  in  Prag  gehalten  wurden,  um  am  kaiset 
liehen  Hofe  die  Einlieferung  der  vom  Reiche  von  Zeit  lu  Zeit 
bewilligten  Tilrkenhilfe  zu  betreiben.  Seine  adelige  HerkiuA, 
die  Dienste,  die  sein  Vater  dem  Erzherzoge  Karl  II.  als  detMO 
Kammerrath  und  er  selbst  in  verschiedenen  Stellungen  geleüW, 
werden  in  der  unten  mitgetheilten  jintercession'  vom  8.  Deceo- 
her  1600  (Beilage  Nr.  15)  mit  gebührendem  Lobe  hervorgehoben. 
Am  19.  August  1598  sandte  ihm  die  Landschaft  noch  ein  Dank- 
schreiben ,wegf'n  der  überschickten  kaiserlichen  Resolution  be- 
züglich der  6000  Gulden,  die  von  der  Landschaft  fiir  Provianl- 
zwecke  dargeliehen  worden  waren*'.  Er  wird  sich,  al«  die 
Verfolgung  der  Protestanten  ausgebrochen  war  und  die  Land- 
schaft sich  an  den  kaiserlichen  Hof  um  Vermittlung  gewandt 
hatte,  in  diesem  Sinne  auch  bei  den  Vertretern  der  proteetao- 
tischen  Reichssülnde  bemüht  haben.  —  Ebenso  wie  Kandel- 
berger hatte  sich  Gabelkofer  im  Dienste  der  Landschaft  her 
vorgethan.  Er  weilte  mit  der  innerösterreichischen  GesandtBchafl 


'  Martin  Brenner,  S.  410.  Die  in  der  Note  dort  ^maclite  Mittliailnf 
konnte  teioht  die  Ansicht  herrornifen,  dau  im  RteierniSrkischen  Landai- 
archive  über  die  Eitikerkening  und  |ieiuliche  Unterencbang  KaoM- 
berger's  andere  Acten  vorhanden  seien  als  jene,  die  nuten  mitggthailt 
werden.  Dies  sind  die  eijizigeu.  Andere  finden  sich  meinea  Wiani  dir 
selbst  nicht. 

'  Wie  ich  den  Aufsteichnnngen  Prof.  v.  Luschin's  entnehme,  «raebeint  Jo- 
hannes Qeor^iug  Kandelberger  Styms  als  Procnrator  der  daatKte 
Juristen  zu  Padua,  und  awar  von  Ende  Juni  1687  bis  Ende  NoremW 
1688.  Er  verweilte  noch  1691  in  Padua,  wo  er  am  8.  Februar  als  Ak- 
gesandter  der  Nation  in  Angelegenheiten  zweier  anderer  Steinr  Imb 
Dogen  vermittelte. 


319 


die  durch  den  Seckauer  Bischof  Martin  Brenner  und  den  Land- 
marschall von  Krain  Herwart  von  Auersperg  vertreten  war,  am 
Reichstage  in  Regensburg,  um  vom  Reiche  eine  ausgiebige  Hilfe 
gegen  die  Türken  zu  erlangen.  Am  1.  Februar  lö98  theilte  er 
den  Verordneten  ,die  Beschaffenheit  des  werdenden  Reichstags' 
mit.'  Drei  Wochen  später  bestätigen  sie  ihm  ,den  Empfang  der 
Reiclistagsbewilligung'.  Noch  war  damals  die  Katastrophe  über 
das  protestantische  Kirchenwesen  in  Steiermark  nicht  hereinge- 
brochen. Daher  vermahnen  sie  ihn  auch  noch,  »nach  einem 
tauglichen  Pastor  (für  Graz  an  Stelle  des  verstorbenen  Pastors 
Zimmermann)  fleissig  Umschau  au  halten'.*  Für  seine  in  Regens- 
burg erworbenen  Verdienste  wurde  er  am  24.  März  1598  zum 
Obersecretär  der  steirischen  Landschaft  ernannt.*  Als  dann 
seit  den  Augusttagen  dieses  Jahres  die  oiFene  Verfolgung  der 
Protestanten  in  Steiermark,  Kärnten  und  Krain  platzgriff,  ent- 
sandten sie  ihn  in  der  ersten  Novemberwoche  an  den  kaiser- 
lichen Hof  nach  Prag,  um  dort  eine  Intercession  in  diesen 
kirchhchen  Dingen  zu  erhalten.*  Sie  theilten  dies  am  10.  No- 
vember den  Kärntnern  mit  der  Frage  mit,  ob  sie  sich  nicht 
dem  Schritte  anschiiessen  möchten.  Wie  die  Dinge  in  Graz 
lagen,  musste  die  Sendung  daselbst  , geheim'  bleiben.^  Am 
18.  November  schreiben  ihm  die  Verordneten,  dass  man  mit 
Verlangen  seiner  ,Commi88ionsverrichtung'  entgegensehe."  Wenn 
man  bedenkt,  dass  dazumal  das  evangelische  Kirchen-  und 
Schulministerium  in  Graz  schon  ganz  aufgelöst  war,  so  musste 
es,  falls  dieser  Brief  mit  anderen,  wie  es  wahrscheinlich  ist, 
saisirt  wurde,  einen  schlimmen  Eindruck  machen,  dass  man 
darin  auch  den  Auftrag  fand,  200  Gulden  an  Dr.  Schleipoer 
zukommen  zu  lassen,  dem  man  die  Pastorsstelle  in  Graz  zu- 
gedacht hatte.'  Am  25.  November  berichtete  er  nach  Graz, 
,wie  er  das  Schreiben  an  I.  K.  M.  wegen  der  steirischen  Re- 
ligionspersecution  überliefert'  und  was  ,hinc  inde  flirgeloifen 
and  vorgenommen  wurde'.  Letzteres  wUrdc  man  ja  gern  wissen, 


'  Registratur. 

*  Ebenclü  .Der  alltnKcbtige  Qütt,'  beiut  es  in  einem  gleichzeitigen  Be- 
richte, ,gebe  (juade,  doiiM  iinü  der  Gabelkufer  eiueu  gelehrten  und  treuen 
Pastorem  berabbringe.' 

'  Ebenda. 

*  Sieh  unten  Beilage  Mr.  3.  '  Ebend*. 

*  Registratur.  ^  Ebenda. 


320 


denn  darin  scheint  das  Motiv  seiner  späteren  E^inziehong  ge- 
legen zu  sein.  Einstweilen  konnte  er  sich  ungestört  in  seiBe 
Heimat  zurückbegeben.  Am  18.  December  war  er  wieder  da- 
heim und  fragte  bei  den  Verordneten  an,  ob  er  sich  zn  ilmen 
nach  Voitsborg  begeben  oder  sie,  da  der  Landtag  auageschriebeo 
sei,  in  Qraz  erwarten  solle.'  Im  Februar  1599  feierte  er  seine 
Hochzeit.  Der  Sitte  der  Zeit  und  des  Landes  entsprechend, 
hatte  er  die  Verordneten  hiezu  eingeladen  and  diese  ihren 
Landmarschall  Hans  Friedrich  HoSmann  gebeten,  ,sich  auf  des 
SecretÄrs  Gabelkofer's  Hochzeit  von  E.  E.  Landschaft  wegen 
gebrauchen  zu  lassen'.'  Als  neuerliches  Zeichen  der  Aner 
kennnng  seiner  Verdienste  Uberliessen  sie  ihm  einen  landschaA- 
lichen  Garten  gegen  den  massigen  Zins  von  30  Gulden.*  Als 
Kandelberger  im  Juni  eingezogen  wurde,  hatte  Gabelkofer  ge- 
wiss noch  die  weitläufige  Correspondenz,  welche  diese  Ange- 
legenheit hervorrief,  zu  führen. 

Noch  hatte  Kandelberger  in  den  letzten  Monaten  mit  den 
Verordneten  correspondirt.  Aber  diese  Correspondenz  betraf 
nur  jene  geschäftlichen  Dinge,  um  derentwillen  er  nach  Prag 
gesendet  worden  war.  Am  3.  März  hatte  er  nach  Graz  be- 
richtet, ,wasmassen  die  Erledigung  oder  Anschaffung  des  hinter 
stelligen  Petrinischen  Profiantrestes  von  der  Hofkammer  der 
K.  M.  geschehen*.*  Die  Landschaft  hatte  allen  Grund,  mit 
seiner  Thätigkeit  zufrieden  zu  sein.  Da  erscholl  nun  mit  einem 
Male  die  Nachricht,  dass  er  in  Prag  eingezogen  wurde.  Am 
7.  Juni  1599  schreiben  die  Verordneten  an  Hans  Friedrich  Frej- 
herm  von  Herberstein,  dass  Hans  Georg  Kandelberger  in  Prag 
,gefUnglich  eingezogen  und  verwahrter  allher  aufs  Schloss  ge- 
bracht worden  sei'.'  Tags  darauf  wurde  Ernreich  von  äaurau 
hievon  verständigt  und  um  ein  Gutachten  gebeten,  was  man 
seinetwegen  bei  der  F.  D.  anbringen  solle.  Zugleich  wurden 
,etUche  Herren  and  Landleute  zur  Berathschlagung  wichtiger 
Sachen  und  sonderUch  des  eingezogenen  Kandelberger's  wegen 
nach  Graz  erfordert'.  Herberstein  antwortete  am  9.  Juni,  und 
schon  am  10.  wurde  ein  vorläufiges  Gesuch  an  Erzherzog  Fer- 
dinand um  Befreiung  Kandelberger's  gerichtet.  Bei  alledem 
wusste  die  Landschaft  nicht,   um  welche  Sache  es  sich   hiebei 


'  Re^trstnr.  *  Ebenda.  *  Ebenda. 

'  Ebenda  and  so  auch  du  Weitere. 


•  Ebenda. 


321 


handle. '  Verschiedene  Gerüchte  schwirrten  umher,  deren 
Niederschlag  wir  in  einem  späteren  Schreiben  Kepler's  und 
jenem  Jüchlinger's  noch  begegnen  werden.  Bald  war  Alles  er- 
fiiilt  von  der  angeblichen  Thatsache,  man  sei  einer  Verschwö- 
mng  auf  die  Spur  gekommen,  die  nichts  Geringeres  als  die 
Entfernung,  wo  nicht  geradezu  die  Ermordung  des  Erzherzogs 
bezweckt  habe.  Ob  sich  Kandelberger  etwa  in  Gesprächen  mit 
den  Gesandten  protestantischer  ReichsstUnde  in  Prag  etwas  un- 
vorsichtig geäussert,  entzieht  sich  nach  dem  uns  vorliegenden 
Actenmateriale  der  genauen  Berechnung.  Es  fragte  sieh,  wie 
die  steiermärkische  Landschaft  die  Sache  aofnehiuen  würde. 
Im  steiermärkiscben  Verordnetencollegium  kam  die  Angelegen- 
heit wegen  Kandeiberger's  am  10.  Juni  zur  Sprache.'  Der 
Liandeshauptmann  mahnte  zur  Vorsicht:  man  könnte  sonst  viel- 
leicht in  der  ersten  Hitze  etwas  zu  viel  thun.  Kandelberger 
habe  nichts  Anderes  zu  thun  gehabt,  als  die  Reichshilfe  zu 
solhcitiren.  Was  er  gesündigt,  wisse  man  nicht.  Man  müsse 
eine  , Fürschrift'  an  den  Hof  senden  und  darin  betonen,  daas 
er  nur  zu  diesem  Dienste  bestellt  gewesen  und  ihn  zur  allge- 
meinen Zufriedenheit  verrichtet  habe.  Mit  Betrübniss  habe  man 
vernommen,  dass  viele  seiner  Briefe  aufgerissen,  er  selbst  ver- 
haftet imd  hiehergeführt  worden  sei.  Man  spreche  die  Hoff- 
nung aus,  , Erzherzog  Ferdinand  werde  als  ein  sanftmUthiger 
Herr  von  Osterreich  mit  1.  f.  Gnade  gegen  ihn  procedieren  und 
ihn  zu  seiner  Verantwortung  kommen  lassen'.  Wilhelm  von 
Gera  hält  für  gut,  dass  alle  drei  Länder  für  Kandelberger  ein- 
treten, da  er  von  allen  dreien  bestellt  gewesen  sei.  Amman 
weist  auf  die  Instruction  hin,  die  er  gehabt.  In  Bezug  auf  das 
gegen  ihn  eingeschlagene  Verfahren  sei  zu  bemerken,  dass  die 
Herren  von  Oesterreich  bisher  niemals  gleich  mit  thätlicher 
Hand  dreingefahren.  Gottfried  von  Stadl  bringt  die  Sache  mit 
der  Rehgionsfrage  zusammen.  Der  Erzherzog  soll  vermeldet 
haben:  Man  möge  nur  ja  nicht  denken,  dass  er  einen  Landmann 
evangehscher  Religion  befördern  werde.  Im  Sinne  der  gefallenen 
Worte  wurde  dann  der  Bescbluss  gefasst,  ,mit  einer  beschei- 
denen Intercession  einzukommen,  damit  Kandelberger  auf  freiem 


'  Am  19.  Juui  wusste  auch  Erzherzogin  Maria  Über  die  Motive  der  Ver- 
baftan^  noch  nichts;  siebe  Hurter,  Maria,  S.  270:  ,Mein  Kind,  was  wird 
das  flu-  ein  Handel  sein  mit  dem  Kandelberger.' 

»  V.-Prot 


322 


Fasse  seine  Verantwortung  than  könne'.  Die  Bittschrift  ging 
denn  auch  mit  dem  Datum  des  10.  Juni  an  den  Hof. '  Wenige 
Wochen  später  —  am  3.  Juli  1599  —  überreichten  die  Ver 
ordneten  ein  zweites  Bittgesuch,'  damit  der  Gefangene  auf 
freien  Fuss  gesetzt  und  seine  Verantwortung  billiger  Weise  thm 
könne.  Die  Geschäfte,  die  Kandelberger  in  Prag  zu  besorg«! 
hatte,  übergaben  sie  an  Dr.  Heher  und  überreichten,  da  die  bi>- 
herigen  zwei  Bittgesuche  ohne  Antwort  gebheben  waren,  am 
20.  Juli  ein  drittes '  mit  dem  Bemerken,  der  Erzherzog  möge 
noch  vor  seinem  Verreisen  üans  Georg  Kandelberger  des  ,tiii- 
verdienten'  Gefängnisses  erledigen,  und  zwar  ,auf  Wiederstellung*. 
Auch  dieser  Schritt  war  wie  alle  bisherigen  ohne  alles  Er- 
gebniss.  Nun  tagte  in  der  ersten  Augustwoche  ein  Ausschiut 
zu  Radkersburg,  der  nicht  blos  über  seine  eigentliche  Aufgabe, 
,dle  Landmusterung',  berathschlagte,  sondern  die  jüngsten  Vor- 
kommnisse in  kirchlichen  Dingen  in  Erwägung  zog.  Man  hatte 
eben  in  Erfahrung  gebracht,  dass  Magister  Holzer  wegen  einer 
,beim  Leichenbegängnisse  eines  Fräuleins  Stürckh  verrichteteB 
Danksagung'  an  die  Erschienenen  ins  Gefilngniss  gelegt  und 
der  Kanzleischreiber  Neflf  vor  die  Regierung  citirt  wurde.  Dies 
Alles  eingehend  zu  erwägen,  legte  man  den  Verordneten  nahe, 
namentlich  aber  mögen  sie  Kandi'lberger's  halber  eine  neuer- 
Hebe  Eingabe  machen.^  Das  geschah  am  10.  August.^  Endlich 
am  16.  sandte  der  Erzherzog,  der  sich  in  Eisenerz  aufhielt, 
seine  Resolution  an  die  Verordneten."  Sie  fasste  alle  dies« 
Punkte  zusammen  und  enthielt  bezüglich  Kandelberger's  die 
ausweichende  Antwort:  Kandelberger  sei  nicht  auf  setueo, 
sondern  auf  Befehl  des  Kaisers  verhaftet  worden.  DemgemXa 
richteten  die  Verordneten  nunmehr  ein  Bittschreiben  an  Ru- 
dolf n.,  ,Hans  Georg  Kandelberger  als  wirkhchen  Diener  der 
Landschaft  des  Gefängnisses  mit  Gnaden  zu  bemüssigen,  weil 
er  laut   Decret   des   Erzherzogs  Gefangener   Sr.  Majestftt  sein 


'  Registrmtnr.  *  Ebenda. 

'  Ebenda.     Nuch   iuinitir   hat  auch   die   Enherzogin    nichts   Näher««  Qb«r 

die  Schuld  Kandelberger's  erfahren   können:     ,Wie    warte   ich,'   achmbt 

sie  am  28.  Juli,  .so  «ehngUcbtig,    zu   vernehmen,   waa   der   Kandelb6f{er 

pfeifen  wird.'     Hurter,  1.  c,  S.  282. 
*  Bericht  der  Verordneten   an   den   Landniaracball   Emraick    von   Saanu, 

de  dato  7.  Aug;nst.     Re^stratur. 
»  Ebenda.  •  Ebenda.  


323 


soll'.  Im  gleichen  Sinne  wurde  an  die  kaiserlichen  Geheim- 
räthe  und  andere  PersönHchkeiten  in  Prag  geschrieben.'  Wenige 
Tage  später  wurde  von  den  Verordneten  ein  grösserer  Ausachuss, 
bestehend  aus  den  Herren  und  LandJeuten  Rudolf  von  TeufTen- 
bach,  Georg  Christoph  von  Stubenberg,  Hans  Adam  Schratt, 
Hans  Christoph  von  Gera,  Wilhelm  von  Rottal,  Karl  von 
Herberetorff,  Christoph  Galler,  Christoph  von  StadJ,  Hans  Jakob 
von  Stainach,  Wolf  Wilhelm  von  Herberstein,  Otto  von  Herbers- 
torff,  Sigmund  von  Saurau  und  Hans  Rindschaidt,  zusammen- 
berufen. Er  trat  mit  den  Verordneten  am  2.  September  zu- 
sammen. Wie  es  scheint,  sind  es  die  ,Raitscomniissäi-e',  die 
,erfordert'  worden  waren.  Wenigstens  geht  von  diesen  unter 
dem  Datum  des  2.  September  ein  Intcrcesaionsschreiben  für 
Kandelberger  an  den  Erzherzog  ab,  damit  der  Gefangene  ,mcht 
allein  zu  gebUrlicher  Verantwortung,  sondern  auch  gegen  genüg- 
same Blirgschaft  auf  freien  Fusb  gelassen  werde'.*  Wie  dem 
auch  sei,  die  Versammelten  hatten  vier  Punkte  auf  ihre  Tages- 
orduung  gesetzt:  die  Hauptresolution,  die  Frage,  was  mit  den 
Kirchen-  und  Schuldienem  zu  geschehen  habe,  die  Processe 
gegen  Kandelberger  und  Holzer  und  militärische  Angelegenheiten. 
Heben  wir  aus  der  Debatte  heraus,  was  in  der  Kandelberger- 
frage  gesagt  wurde.  TeufFenbaoh  betont,  man  mttase  dessen 
Freiheit  verlangen.  Wäre  Kandelberger,  lüsst  sich  Georg  von 
Stubenberg  vernehmen,  der  die  Reichshilfe  zu  betreiben  hatte, 
nicht  frei,  so  bliebe  diese  stecken.  Amman  meint,  aus  all'  den 
Verkommnissen  müsse  man  entnehmen,  dass  ein  , Imperium' 
gegen  des  Landes  Freiheiten  aufgerichtet  werde.  Das  Resultat 
der  Berathung  war  die  obenerwähnte  Interccssion.  *  Während 
noch  diese  Angelegenheit  Kandelberger's  bei  dem  Erzherzog 
Ferdinand  II.  und  Kaiser  Rudolf  H.  betrieben  wurde,  vernahm 
man  eine  fast  noch  achmerzhchere  Nachricht:  Am  4.  October 
melden  die  Verordneten  dem  Landeshauptmanne  und  den  beiden 
Mitverordneten,  dass  der  Landschaftssecretär  Hans  Adam  Gabel- 
kofer  plützlich  verhaftet  worden  sei.*  Zwei  Tage  später  sind 
schon  die  Verordneten  Sigmund  von  Wagen  und  Hans  Adam 
Schratt  nach  Leibnitz  unterwegs,  um  sich  seinetwegen  bei  dem 


>  1699  August  28.     Ebenda. 
■  L.-P.  1599  September  S. 
*  Ke^tntur. 


*  Ebenda. 


324 


Oberstho&neistor  Balthasar  Schrattenbacb  anzumelden.  *  Ejs 
Bittgesuch,  das  sie  Gabelkofer's  wegen  eingaben,  wurde  ab- 
weislich  beschieden;*  an  demselben  Tage  werden  .etliche 
Herren  und  Landleute'  avisirt,  dieweilen  so  wichtige  Dinge 
vorkommen,  am  13.  October  in  Graz  zu  erscheinen.*  Von  dem- 
selben 6.  October  ist  ein  Brief  des  Kammerprocurators  Wolf- 
gang Jöchlinger  an  Erzherzog  Ferdinand  datirt,*  der  endlicli 
etwas  Licht  in  die  immer  noch  mysteriöse  Sache  bringt:  So- 
wohl Kandelberger  als  Gabelkofer  seien  von  den  Herren  gflt- 
lich  jwieder  besprecht'  worden.  Jener  habe  die  vornehmsten 
Punkte  seiner  früheren  ,peinlichen  Aussage'  wieder  zurück- 
genommen, nttmlich,  dass  er  darauf  ausgegangen,'  den  En- 
herxog  zu  fangen  oder  zu  tödten,  auch  die  verwitwete  Herzogin 
Maria  sammt  der  jungen  Herrschaft  gefangen  zu  nehmen,  und 
dass  man  sich  zu  diesem  Ende  ,des  durch  den  Herrn  Obersten 
gesuchten  fremden  Regimentes  und  der  Gränzer  bedienen 
wollte'.  Kandelberger  sagte  weiter  aus,  die  früheren  Geständ- 
nisse seien  ihm  ,aus  übriger  Peinigung'  erpresst  worden. "  Gabel- 
kofer soll  ziemlich  glaubwürdige  Aeusserungen  gethan  haben, 
wie  ihm  die  CoramissUre  mittheilten.  Heute  —  am  6.  October 
—  sei  der  Scharfrichter  abermals  hinaufgegangen,  Kandelberger 
gebunden  und  ihm  die  Tortur  gezeigt  worden,  doch  nicht  in 
der  Absicht,  ihn  foltern  zu  lassen.  Man  werde  sie  Beide  ,der 
Schriften  wegen'  examinircn.  Die  Verordneten  seien  bei  ihm 
erschienen  und  hätten  gefragt,  ob  man  Gabelkofer  seiner 
eigenen  oder  wegen  angeblicher  Verbrechen  der  Landschaft 
eingezogen.  Er  habe  sie  an  den  Erzherzog  gewiesen,  doch  so- 
viel gemeldet,  dass  es  sich  um  Privatverbrechen  Gabelkofer's 
handle.  Aus  dem  Berichte  Jöchlinger's  gehen  zwei  Punkte 
klar  hervor:  dass  Kandelberger  seine  ihm  unter  der  Tortur 
erpressten    Aussagen    widerrief    und    Gabelkofer    eine    glaub- 


'  Regiatratur. 

'  Ebenda.    ,1.  F.  D.  Bescheid  anf  der  Verordneten  Eingabe  wpi;.' 

faiigeneii  üabelkofer.' 
'  Re^stratur. 

*  Sieh  unten  Beilage  Nr.  6. 

*  ,Don  eingegangenen   Tractat';  das   lisst   auf  die  Annahme  riner  filmi- 
lichen  VerschwOning  auhliessen. 

'  Man  kann  demnach  mit  Harter,  IV,  8.  224,  nicht  sa^n,   aa  sei  ihm  die 
Tortnr  nur  gezeigt  worden. 


325 


würdige  Entschuldigung  vorbrachte.  Die  ganze  Anklage  stand 
somit  auf  schwachen  Füssen  und  stellte  sich  schon  jetzt  als 
haltlos  heraus. '  Gleichwohl  waren  in  der  Stadt  alle  Vorsichts- 
massregeln gctroflFen,  als  ob  es  sich  thatsilchlich  um  eine  Ver- 
schwörung handeln  würde:  ,Die  zwei  Stadtthore  seien  gesperrt 
worden,  allenthalben  in  Stadt  und  Schloas  wird  fleissig  Wacht 
gehalten,  dies  erzeigt  an  allen  Orten  grosse  Furcht  und  viel 
Nachdenken.'  Auch  der  Landeshauptmann  sei  bei  Jöchlinger 
gewesen  und  habe  ihm  ,eine  Apologie  seiner  Unschuld  entdeckt', 
die  er  dem  Erzherzoge  nach  seiner  Hieherkunft  vortragen  will. 
Die  Kunde  von  den  Grazer  Vorgängen  hatte  auch  in  Kärnten 
und  Krain  grosse  Bestürzung  erweckt.*  Die  Sicherheit  der 
Correspondenz  war  unterbrochen,'  und  in  Graz  selbst  sah  man 
den  Berathungen,  die  von  den  Herron  und  Landleuten  Mitte 
October  gepflogen  werden  sollten,  mit  Spannung  entgegen.  Die 
vielen  in  den  letzten  Tagen  vorgefallenen  schroffen  Verletzungen 


'  Leider  vermochte  ich  nicht  alle  jene  Briefe  aufzufinden,  auf  die  sich 
Hnrter,  IT,  8.  224,  bezieht.  Weder  die  Ausxag'e  des  dort  erwähnten 
Dänen,  noch  die  Briefe  Calais  sind  mir  zu  Gesicht  gekommen.  Dagg  sie 
aber  nicht  einmal  so  viel  Licht  in  die  Sache  bringen  wie  der  einzige 
unten  mitgetheilte  Brief  JUchlinger's,  ist  aus  den  weiteren  ÄosfUhrungen 
Hurter's  zu  entnehmen,  welcher  xagt;  ,Indegs  w&lt«t  Qher  dieser  Sache 
ein  Dnnkel.  Wir  wissen  blos,  das«  ein  schriftlicher  Befehl  des  Kaisers 
Torlag,  Kandelbergern  gütlich  nnd  peinlich  zu  befragen,  und  dass  der 
Erzherzog  unter  dem  10.  November  jenem  eigenhändig  die  Anzeige 
machte,  der  Verhaftete  habe  sich  in  seinen  Anzeigen  widersprochen. 
Vermuthlicb  lauteten  sie  so,  dass  sie  zu  keinem  bestimmten  Geständnisse 
führten,  auch  sonstige  Beweise  nicht  beigebracht  werden  konnten.  Denn 
wäre  eine  auffallende  Strafe  erfolgt,  so  würde  sich  gewiss  von  derselben 
Kunde  erhalten  haben.*  Die  Sache  steht  eben  so,  dass  Jemand,  peinlich 
befragt,  in  den  meisten  Fällen  gesteht,  was  man  will,  beziehungsweise 
die  genau  formulirten  Fragen  wollen;  gütlich  befragt,  alle  seine  früheren 
Anssagen  als  Unsinn  erklärt.  In  den  Briefen  der  Erzherzogin  Maria, 
die  Harter  gedruckt  hat,  ßndet  sich  einer  de  dato  Belica  (Bielitz), 
16.  October  1699.  Dort  heisst  es:  ,Von  dem  Harrer  habe  ich  mit  Freuden 
and  Verwunderung  Nachricht  empfangen,  wie  es  mit  dem  Kandelberger 
steht.  Dem  ewigen  Oott  sei  Lob,  dass  dir  Gott  deine  Feinde  in  die 
Hände  gibt.  Du  bist  ihm  viel  zu  danken  schuldig,  wie  wir  alle.  Das 
war'  ein  Haushalten  gewesen.  Ich  erwarte  mit  grossem  Verlangen,  wie 
der  Qabelkofer  pfeifen  wird.  Sofern  es  ist,  wie  der  Kandelberger  sagt, 
fUrchte  ich,  er  werde  weit  springen;  insonderheit  der  Oberst,  dem  wird 
der  Pelz  zittern.'    Hurter,  IV,  8.  800. 

*  Sieh  anten  Beilagen,  Nr.  6,  9,  10.  '  Ebenda. 


326 


von  Mitgliedern  des  protestantischen  Herrenstandes,  das  Vor- 
gehen der  Regierung  gegen  die  protestantische  Stiftskirche, 
endlich  nicht  am  wenigsten  die  Behandlung  landschaftlicher 
Beamten  hatten  nämlich  den  Landeshauptmann  und  die  Ver- 
ordneten bewogen,  für  den  13.  October  eine  Anzahl  steirischer 
Herren  und  Landleute  zu  einer  Sitzung  einzuberufen.  Auf  die 
Tagesordnung  wurden  ftlnf  Punkte  gestellt.  Nur  mit  dem  letzten 
haben  wir  uns  hier  näher  zu  beschäftigen:  ,Puncto  Secretari 
Oablkovers  Einziehung,  was  bisher  scinethalben  fUrgangen  und 
was  ferrer  zu  thuen,  auch  des  Kandelberger  halben.' '  Dm 
Wort  ergriff  zuerst  der  Landeshauptmann.  Es  seien  ge- 
wichtige Gründe,  um  derenthalben  man  die  Herren  und  Land- 
leute beschrieben  habe.  Was  die  Stiftskirche  betreffe,  sei 
dahin  zu  wirken,  dass  die  Drohungen  des  Hofes,  sie  einza- 
ziehen,  nicht  ausgeführt  werden.  Diese  Kirche  sei  nicht  in 
gewaltthfttiger  Weise,  sondern  durch  Kauf  in  den  Besitz  der 
Landschaft  gekommen.  Es  werde  gut  sein,  die  Eggenberger, 
von  denen  man  sie  erkauft  habe,  anzugehen.  Da  der  Sohn 
dieses  Eggenberger's  bei  Hof  in  hohem  Ansehen  stehe,  dOrfe 
man  gewärtigen,  er  werde  etwas  helfen.  Der  Erzherzog  habe 
ohnedies  gestattet,  die  Conditionen  des  Kaufes  einzusehen.  Die 
nächsten  Punkte  wurden  zum  Theile  vertagt,  theils  rasch  vor- 
genommen. Da  man  die  Hoffnung  hegte,  die  exulirenden  Pre- 
diger, die  jetzt  in  Petanitza  weilten,  \vieder  ins  Land  ziehen  za 
sehen,  gab  man  ihnen  gern  eine  Unterstützung,  um  die  sie  an- 
suchten. Am  längsten  wurde  über  die  Verhaftung  Gabelkofer's  ver- 
handelt. Diese  That  hatte  Alle  tief  ergriffen.  Man  darf  hier  an 
das  Vorgehen  erinnern,  das  einstens  Karl  U.  auch  gegen  einen 
Landschaftasecretär,  gegen  Caspar  Hirsch,  eingeschlagen  hatte.' 
Man  durfte  gewärtigen,  dass  sich  sämmtliche  Mitglieder  der  L."ind 
Schaft  für  ihre  verletzten  Rechte  ebenso  warm  einsetzen  würden  als 
damals  —  die  katholischen  nicht  ausgeschlossen.  So  war  es  auch; 
ja  man  wird  bemerken,  dass  der  Fall  Gabelkofer  ein  besseres 


'  Alle»    nach    den    Landta^protokollon,    in    die    dieM   Ding«   «in^l 
wurden,  wenngleich  es  kein  LiindUg  war,  auf  dem  sie  bot  Verhani 
kamen.     Ed    war   nur   ein   grosserer   Ausschnss,    der   vom   LaandU^ 
Vollmacht   hatte,    in   dringenden  Fällen,    weun   der  Landtag   nicht  T«r- 
sammelt  war,  sich  zur  Berathung  einzufinden. 

*  Sieb  hierüber  meine  Oeschichte  der  Reformation  und  Oe^nreformatioo 
8.  417—481. 


üü 


J 


327 


Ende  hatte  als  jener  mit  Hirsch.  Indem  nun  der  Landes- 
hauptmann auf  die  Verhaftung  Gabelkofer's  zu  sprechen  kam, 
schilderte  er  den  ijanzen  Vorgang  in  drastischer  Weise:  der 
Erzherzog  habe  ihn  —  den  Landeshauptmann  —  ,gen  Hof  er- 
fordert: es  war'  schon  eingespannt.  Ihre  Durchlaucht  be- 
gehrten stark,  den  Gabelkofer  zu  erfordern'.  Hätte  der  Landes- 
hauptmann den  Erzherzog  ,nit  so  entferbt'  gesehen,  hätte  er 
ohne  Bedenken  nach  dem  Secreülr  geschickt.  So  aber  ent- 
schuldigte er  sich;'  worauf  der  Erzherzog  einen  Kammerdiener 
herbeirief  und  seinerseits  um  Gabelkofer  schickte.  Der  Kammer- 
diener meldete  dem  Secretär,  der  Landeshauptmann  verlange, 
dass  er  nach  Hof  komme.  Auf  das  hin  stellte  sich  Gabelkofer 
ein  und  wurde  nun  sofort  durch  zwei  Trabanten  aufs  Schloss 
geftihrt.  Der  Erzherzog  rief  dabei  aus:  ,Wan  Er  lauter 
sanftmueth  brauchet,  wurde  man  in  letztlich  aus  dem 
land  jagen.'  Gleichwohl  entschiddigte  sich  der  Erzherzog,  ,er 
habe  nicht  befohlen,  ihn  ins  Türkengewölb  zu  legen'.  ,In 
examine,'  fuhr  der  Landeshauptmann  fort,  ,werde  Gabelkofer, 
wie  er  hoffe,  aufirecht  erfunden.'  Später,  nach  der  Rückkehr 
des  Erzherzogs,  habe  dieser  gemeldet,  Gabelkofer  sei  nicht  als 
Landschaftssecretär,  sondern  als  Adelsperson  citirt  worden. 
,Da8  sei  nun  ein  Process,  der  das  ganze  Land  angehe  und 
nicht  etwa  blos  eine  Privatsache  betreffe.  Die  Landschaft  sei 
nicht  versammelt,  imd  der  gute  Mann  sitze  hinter  Schloss  und 
Riegel.  Man  könne  vorläufig  nichts  Anderes  thun,  als  wegen 
seiner  Verhaftung  Klage  zu  erheben  und  ,8ich  mit  Leib  und 
Gut  auf  seine  Freistellung  gegen  Alles  zu  erbieten,   dessen   er 


*  Da  in  den  Lxndnchaftspratokollen  meisteiia  nor  die  Schlagworte  citirt 
werden,  so  ist  es  an  manchen  Stellen  nißg;Uch,  dass  .sie  auch  anders  ge- 
deutet werden  kOnnen,  wenn  z.  B.  ein  Pronomen  auf  eine  oder  die 
andere  Peraon  belogen  werden  kann.  Ich  tilge  daher  die  Stelle  aus 
den  Verordnetenprotokollen  der  grosseren  Vorsicht  wegen  wnrtlich  an: 
,Pnacto  secretari  Qablkover  bericht  er,  dass  ine  I.  D.  gehn  hof  erfordert, 
wllr  schon  eingespant.  I.  D.  begerten  stark  den  Gablkover  in  er- 
fordern und  da  (schreibt  der  Protokollist)  berr  landesfaauptniann  I.  F.  D. 
nit  so  entferbt  gesehen,  het  er  ohn  bedenken  nach  im  geschickt, 
aber  sich  entschuldigt.  Auf  welchen  fall  I.  D.  ein  camerdieuer  gemefft, 
denselben  umb  in  geschickt.  Der  saget,  herr  landeshaahtman  begeret 
seiner  gehn  bof;  über  welches  er  compariert;  hernach  ine  stracks  durch 
»wei  trabanten  aufs  schloss.  I.  D.  meldet,  wan  er  lanter  sanfftmueth 
brauchet,  wnrd  man  in  letztlich  ans  dem  land  jagen.' 


328 


beschuldigt  werde.  Dabei  müsse  man  auch  Kandelberger's  ge 
denken'.  Auch  seine  Sache  sei  eine  solche,  die  das  ganze 
Land  betreffe:  ,Der  ehrliche  Mann  kommt  des  Landes  wegen 
ins  Spiel.'  Sollte  er  unter  der  Tortur  erliegen,  so  würden  seine 
Aussagen  auch  gegen  die  Landschaft  und  den  Landeshaupt- 
mann resentirt  werden.  Daraus  folge,  dass  man  seinetwegen 
an  den  Erzherzog  und  den  Kaiser  schreiben  mllsse.  Man 
mtlsse  Protest  dagegen  einlegen,  dass  (von  den  Mitgliedern  der 
Landschaft)  Niemand  bei  der  Tortur  gewesen  sei.  Könne  in 
Zukunft  noch  ein  Steircr  in  Ehren  bei  den  Zusammenktlnften 
sitzen?*  Eine  Beschwerdeschrift  sei  abzufassen  und  dort  sti 
sagen,  ,weil  man  die  Feder  schier  nicht  passieren  lasse,  fidle 
es  den  Verordneten  schwer,  bei  solchen  Processen  noch  Unger 
in  Dienst  zu  bleiben.  Man  werde  bitten,  dass  man  um  Gotte*- 
willen  die  Landschaft  endlich  einmal  anhöre'. 

Nach  dem  Landeshauptmanne  ergriff  der  Landesver 
weser  das  Wort:  Die  Sache  mit  Gabelkofer  sei  ein  ,ge- 
schwinder  Process'.  Bald  wird  es  Mehrere  ebenso  treflFen.  Von 
einem  Verbrechen  Kandelberger's  oder  Gabelkofer's,  meint 
Wilhelm  von  Gera,  wisse  man  kein  Wort  Es  sei  geradezu 
erbärmlich,  in  solcher  Weise  zu  procediren.  Was  mit  Gabel- 
kofer vorgegangen,  sei  ftir  die  ganze  Landschaft  in  hohem 
Grade  präjudicirlich.  Wo  bleiben  die  alten  Ilandlungen?  Viel 
schärfer  äussert  sich  Ernreich  von  Saurau:  Das  werde 
bald  jedem  Landmanne  zugeftigt  werden.  Die  Unterscheidung 
,Landschafts8ecretär'  und  , adelige  Person'  sei  , eitle  Cavillienuig'. 
Das  Examen  geschieht  aus  Misstrauen  gegen  die  Lande.  Von 
ihren  eigenen  Rechtsgelehrten  sind  viele  damit  gar 
nicht  einverstanden.  Kandelberger  komme  gar  nicht  dazu, 
sich  zu  rechtfertigen.  Die  Examinatoren  seien  Kläger  und 
Richter  zugleich.  Mit  hohen  Beschwerden  und  Fulminiren  ist 
jetzt  nichts  gethan.  Man  könnte  ftlr  Gabelkofer  eine  Caution 
stellen:  In  Criminalibus  gelte  sie  ja  wohl  nicht,  aber  man  weiss, 
dass  man  es  mit  ihm  nicht  zu  einer  Criminalsaohe  bringen  kann. 

Georg  von  Stubenberg  ftlrchtet,  das  Streben  der  Re- 
gierung gehe  dahin,  das  Land  um  alle  seine  Privilegien,  die 
Landleute  um  Hab  und  Gut  zu  bringen.    ,Wa8  sie   heut"  ge- 


*  .Kandelberger  habe  nur  dem  betrfibten  Status  ta  helfen  gecacht,  daa  Mi 
seine  ganze  Sttnd'.'    L.-P. 


329 


winnen,  ist  Uinen  morgen  zu  wenig.*  Hans  Sigmund  Wagen: 
£ine  Beschwerde  biete  der  anderen  die  Hand.  Noch  seien 
nicht  einmal  die  Generalien  beztiglich  der  geistlichen  Lehen 
mit  den  Landen  verglichen.  Seyfried  von  Rindtschaidt 
meint:  Man  lese  in  der  Kärntner  Chronik,  dass  in  König 
Ottokars  Zeit  Einer  Namens  Seyfried  von  MUhrenberg  vom 
Könige  wegen  eines  üemuieianten  um  das  Seinige  gebracht 
wurde.  So  könnte  es  heute  auch  in  Steier  ,fUrlaufen*.  Sig- 
mund von  Saurau  ist  der  Ansicht,  durch  solche  Processe 
wolle  man  die  Landleute  vom  Dienen  abschrecken:  , Werden 
sieh  dann  wohl  Pfaflon  finden.'  Wie  habe  man  sich  einstens, 
ruft  der  alte  Amman  aus,  des  Kalenders  wegen,  oder  wenn 
es  sich  um  die  Verletzung  des  Postgeheimnisses  handelte,  der 
Sache  angenommen,  wie  sei  man  in  der  Angelegenheit  des 
Secretärs  Hirsch,  dessen  Schuld  doch  , wissend'  gewesen,  drein- 
gegangeu.  Und  doch  lassen  sich  alle  diese  Fälle  mit  dem 
jetzigen  nicht  vergleichen.'  Vom  Anfang  an  habe  man  in  der 
Sache  nichts  Anderes  gesucht,  als  wie  man  die  Landstände 
zur  Ungeduld  bringe  und  einen  Aufstand  hcrvonnife.  Da  könnte 
man  ja  gleich  an  die  Güter  heran.  Unter  der  Tortur  ,mücht' 
Einer  seinen  eigenen  Vater  verleugnen'. 

Dass  wohl  nicht  allein  Amman  die  Ueberzeugung  hegte, 
man  beabsichtige  einen  Aufstand  hervorzurufen,  um  dann  grlind- 
lich  aufzuräumen,  ist  ziemheh  sicher;  demi  noch  gab  es  viele 
Mitglieder  des  Herrenstandes,  die  sich  die  Worte  des  Nuntius 
Malaspina  eingeprägt  hatten:  ,Ja  ein  Aufstand.  Wollte  Gott, 
damit  könnten  >vir  unsere  Schulden  zahlen.'  *  Gleichwohl  muss 
gesagt  werden,  dass  derartige  Beftirchtungen  wenigstens  fUr 
den  Augenblick  unbegründet  waren.  Da  standen  schon  die 
auswärtigen  Verhältnisse  im  Wege.  Amman  war  der  letzte 
Sprecher.  Dann  wurde  über  die  einzelnen  Punkte  ein  Be- 
Bchluss  gefasst.  Bezüglich  Gabelkofer's  und  Kandelberger's 
lautete  er:  .Puncto  Gablkofer's  mit  einer  glimpflichen  Schrift 
sich  an  I.  F.  D.  zu  wenden,  damit  er  gegen  eine  Caution  der 
Landscliaft  freigelassen  werde.     Des  Kandlberger  auch  zu  ge- 


'  Ueber  die   erwähnten  Streitigkeiten   sielie   meine  Oeachichte  der  Refor- 
mation and  Gegenreformation  in  InnerOBterreich,  8.  417,  441. 

*  Ebenda,  ».  627. 
ArchiT.  UXXVni    M.  H.  Fmift«.  32 


330 

denken'.  Die  Berathang  und  Beschlussfassung  hatte  vier  Tage, 
vom  13.  bis  16.  October,  in  Anspruch  genommen.^ 

Am  15.  October  gaben  die  Verordneten  den  Ständen  von 
Kärnten  und  Krain  Meldung  von  dem  Geschehenen:*  nicht 
blos,  dass  der  Erzherzog  durch  drei  seiner  Regimentsräthe 
,die  der  Landschaft  frei  eigenthümlich  zugehörige  Stiftskirche 
mit  Gewalt  habe  aufbrechen  und  eröffnen  lassen,  es  sei  auch 
der  der  Landschaft  verpflichtete  Diener  Herr  Adam  Gabelkofer 
vor  etlichen  Tagen  durch  einen  f.  Kammerdiener  gen  Hof  er- 
fordert' und  ,unvermeldet  ainicher  ursach'  ins  schwere  Türken- 
gef^ngniss  im  Hauptschloss  geworfen  worden.  Wiewohl  man 
sofort  eine  Beschwerde  sowohl  mündlich  als  schriftlich  bei  Hof 
angebracht  habe,  ,so  will  doch  das  alles  im  Wenigsten  nicht 
angesehen  werden'. 

Der  Tag  für  eine  Berathung  von  Ausschüssen  aller  drei 
Länder,  für  dessen  Abhaltung  Graz  ersehen  war,  wurde  nun 
der  Infection  wegen  abgesagt  und  Klagenfurt  hiefÜr  in  Vor- 
schlag gebracht  £in  Abgesandter  der  Landschaft,  Hans 
Schweighofer,  wurde  nach  Klagenfurt  und  Laibach  entsendet, 
um  dort  die  Sache  durchzuflihren. '  Der  Bitte  der  Landschaft 
wegen  der  Freilassung  Kandelberger's  und  Gabelkofer's  gegen- 
über verhielt  sich  der  Erzherzog  ablehnend.*  Am  20.,  be- 
ziehungsweise 2ö.  October  liefen  die  Condolenzen  Kärntens  und 
Krains  über  diese  Vorgänge  ein.  Für  eine  gemeinsame  Be- 
rathung wurde  Klagenfurt  ausersehen  und  als  Tag  der  15.  No- 
vember bestimmt.^  Die  Verordneten  von  Steiermark  liessen 
indess  die  Sache  auch  in  der  Zwischenzeit  nicht  liegen.  Sie 
fassten  am  5.  November  den  Beschluss,  fUr  Gabelkofer  neae^ 
lieh  eine  Bittschrift  einzureichen.^  Von  dem  Schicksale  der 
Gefangenen  erfährt  man  aus  den  vorliegenden  Protokollen 
nichts.  Ein  Brief  Kepler's  vom  12.  November  an  Mästhnus 
wirft  ein  helles  Licht  auf  die  kritische  Lage  der  Protestanten 
in    Steiermark.     Ueber    die    beiden    Gefangenen    findet    sich 


>  V.-Prot. 

'  Conc.  L.-Archiv,  Cbron.-R. 

'  Schreiben  vom  17.  October  1599.     Conc.  L.-Archiv,  Chron.-R. 

*  Schreiben  der  Verordneten  an  Wolf  von  Saurau  vom  17.  October  1599: 
,Was  uns  erst  heute  des  Kandelberger's  und  Qablkofer's  von  hof  in  be- 
schaid  erfolgt,  das  hat  der  herr  hiebei  zu  sechen  . .  .' 

»  Reg.  •  V.-Prot. 


331 


folgende  Bemerkung:  Der  ständische  Agent,  der  in  Prag 
weilte  (Kandelberger),  wurde  vor  einem  halben  Jahre  in 
Fesseln  nach  Graz  gebracht  und  vor  einem  Monate  der  Tortur 
unterworfen. '  Ebenso  wird  der  Secretär  der  steirischen  Stände 
(Gabelkofer)  gefangen  gehalten.  Es  geht  die  Rede,  es  sei  über 
die  Ersetzung  des  Fürsten  durch  einen  anderen  berathen 
worden  (Forunt  deliberatum  de  alio  principe),  daher  sei  fiir 
den  Agenten  die  Todt^sstrafe  bestimmt.  Man  sprach  auch  da- 
von, dass  dem  L  Secretär  die  Tortur  nicht  erspart  geblieben 
sei.  Eine  Andeutung  Über  den  Process  findet  sich  wieder  in 
dem    Schreiben    der   Erzlierzogin    Maria    vom    14.   November: 

I  ,Wa8  sich  weiter  mit  dem  Dano  (einem  Zeugen  gegen  Kandel- 
berger) und  der  Forca  seither  zugetragen,  erwarte  ich  mit 
Verlangen;  und  weil  die  Aussagen  so  unbeständig,  lasse  ich 
mir  auch  nicht  misfallen,  dass  der  Bericht  an  den  Kaiser  bis 
zu  mehrerer  Gewissheit  eingestellt  werde.'  Daraus  ist  wohl  er- 
sichtlich, dass  die  Untersuchung  wider  Kandelberger  bisher 
nichts  ergab,  was  filr  die  Anklage  sprach. 

Die  folgenden  Monate  vergingen,  ohne  dass  in  der  An- 
gelegenheit der  beiden  Gefangenen  ein  weiterer  Schritt  gethan 
wurde.    Dagegen  nahm  sich  der  Landtag,  der  im  Jänner  1600 

■  tagte,  ihrer  auf  das  Lebhafteste  an.  Nach  althergebrachter 
Sitte  wurden  vor  der  Eröffnung  alle  die  politischen  und  kirch- 
lichen Beschwerdepunkte  zusammengestellt,  die  seit  der  letzten 
Tagung  eingetreten  waren.  Da  klagte  man,  ,da8s  mit  E.  E.  L. 
etlich  iar  hero  bestelltem  diener  und  gewestem  agenten  am 
kaiserlichen  hoff  zue  Prag  Hans  Georgen  Khandelberger  einem 
jederzeit  in  ehren  wolerkennten  aufrichtigen  gelehrten 
pidersmann  ein  hievor  in  diesen  landen  nie  erhörter  ganz 
schmerzlicher  process  fürgenommen;  welcher  noch  vor  sieben 
ganzen  monateu  zu  Prag  bey  nachtlicher  weil  gfanglich  einge- 

I  zogen  und  in  eisen  verschmitter  alheer  auf  E.  F.  D.  haubt- 
schloss  Graz  getiert,  nach  langwieriger  gefangnus  volgends  zu 
unterschidlichen  malen  guetlich,  vil  mehr  aber  mit 
der  schrecklichen  tortur,  auch  teuer  und  prand  aufs 
gretllich-  erbarmlichist   gemartert   wurde'.     Hätte   man   ihn   zu 

'  Hierüber  findet  sich  bei  Kepler  die  Bemerknng  (VIII,  S.  712):  ,Id  literis 
d.  d.  13.  Oct.  Zebeutniaierus  refert,  Kaudelbergerum  virum  ogregiaiii  et 
poüticum  in  eqauleo  fuiue  immauiMime  enectnm  et  secretarium  Qabel- 
koferam  exquiaito  tortnrae  geuere  excruciatum. 


332 

seinem  ordentlichen  Rechte  kommen  lassen,  so  würde  er  ,die 
beste  Auskunft  zu  geben  wissen'.  Noch  lebhafter  lanten  die 
Klagen  über  das  Verfahren  mit  Gabelkofer,  , dessen  Treue, 
Ehrbarkeit  und  Aufrichtigkeit  zur  Genüge  bekannt  sei',  und  der 
seit  seiner  Gefangennahme  mehrmals  unter  Androhung  der 
Tortur  scharf  examinirt  wurde.  In  den  Dienern  der  Lmi- 
Schaft  wolle  man  diese  selbst  treffen,  was  man  aus  dem  Wort- 
laute der  von  dem  Erzherzoge  über  die  Heligionsbeschwerdeii 
herabgelangten  Hauptresolution  entnehmen  mtlsse,*  wo  gesagt 
werde,  ,dass  sich  die  dem  Erzherzoge  verpflichteten  Vasallen, 
Landleute,  Räthe  und  Diener  unbescheiden,  ärgerlich,  verattndet, 
vergriffen,  vom  rechten  Weg  der  Sitten  abgewichen,  den  gemeinen 
einfältigen  Mann  im  Land  zum  Ungehorsam  und  zur  Verach- 
tung der  1.  f.  Obrigkeit  angereizt'  u.  s.  w.  ,Ja,  es  hätten  diese 
fremden  im  Lande  umherziehenden  italienischen  Examinatoren 
und  Commissäre,  die  zur  Inquirirung  und  Torquirung  der  beiden 
Gefangenen  bestimmt  wurden  und  bei  denen  sich  auch  ein  in 
die  steirische  Landsmannschaft  erst  aufgenommener  Mann  Ka^ 
mens  Ludwig  Camill  Suardo  befand,  das  Gerücht  in  alle  Welt 
ausgestreut,  dass  die  Landschaft  man  weiss  nicht  was  für  einen 
Vcrrath  gegen  den  Landesfiirsten  angesponnen  habe.'  Solche 
Unwahrheiten  müssen  in  Erwägung  der  Unschuld  des  Herren- 
und  Kitterstandes  diesem  tief  zu  Gemüth  gehen.  Der  Erz- 
herzog werde  zu  erwägen  haben,  ob  und  inwieweit  das  in 
Gefahr  stehende  Grenzweseu  derartige  Unzukümmhchkeiten  zu 
entgolten  habe.  Der  Bericht  geht  dann  auf  die  übrigen  ge- 
waltsamen Vorgänge  gegen  den  protestantischen  Herren-  und 
Kitterstaiid  näher  ein  und  führt  aus,  dass  es  unter  diesen  Um- 
ständen einem  Verordneten  geradezu  unmöglich  gemacht  werde, 
sein  Amt  zu  bekleiden,  denn  fast  alle  Landsassen,  namentlich 
die  au  der  Grenze,  werfen  ihren  Groll  auf  sie.  * 

Dem  Erzlierzoge  kamen  diese  Dinge  im  höchsten  Gradt' 
ungelegen.  Er  forderte  den  Landtag  auf,  sich  unter  Beiseitc- 
sctzung  aller  unnützen  Disputate  in  die  1.  f.  Proposition  einzu- 
lassen.    Die  Antwort  darauf^  enthielt  die  obenangeführten  Be- 


>  Sie  ist  gedruckt  Harter,  Geschichte  Fenlinamls  II.,  IV,  S.  496 5'2S,  trä?! 

lüts  Datum  dos   letzten  Aprils   159Ü,    wurde  den  Ständen   aber  erst  »ra 

i^.  Juli  herabgegebeu. 
»  juW--*  auten  Beilage  Nr.  11. 
-  ft-!v«.  ;>>^  J.Huner  14. 


333 


schwerdepunkte  und  bat  um  Abhilfe,  gegen  derlei  auf  das 
Treiben  missgCmstigcr  Widersacher  und  Delatoren  vorgenom- 
menen Processe.  Es  waren  ja  nicht  die  einzigen  Klagen, 
welche  sie  in  diesen  Tagen  an  den  Hof  gelangen  Hessen.  Am 
19.  Jänner  baten  sie  den  Erzherzog,  mit  der  Zerstörung  der 
Kirche  und  des  Friedhofes  zu  Scharfenau  ,bi8  zu  der  zu  er- 
boffendcn  Vorgleichung'  innezuhalten. '  Man  sieht,  in  welchen 
falschen  Iloffnuugen  sich  dieser  Herrenstind  noch  wiegte.  An 
demselben  Tage  überreichten  sie  eine  ausftihrliche  Beschwerde- 
schrift Hbcr  die  jüngst  erflossene  ungünstige  Erledigung  ihrer 
Religionsbeschwerden  und  die  gewaltsam  vorgenommene  Re- 
formation in  Eisenerz,  Aiissec,  Schladming,  Gröbming,  Rotten- 
mann u.  8.  w.  ein.*  Dass  der  Erzherzog  aber  nicht  geneigt 
war,  in  kirchlichen  Dingen  der  Landschaft  irgendwie  entgegen- 
zukommen, konnte  man  daraus  entnehmen,  dass  die  gewalt- 
same Durchfuhrung  der  Gegenreformation  ihren  ungehinderten 
Fortgang  hatte.  Am  20,  Jänner  erfolgte  die  Gegenreformation 
in  Windisch-Feistritz,  Cilli  und  Gonobitz,^  am  folgenden  Tage 
wurden  Grazer  Bürger,  die  sich  geweigert  hatten,  den  katho- 
lischen Eid  zu  leisten,  in  ihrem  Begehren,  .ihre  Läden  wieder 
eröffnen  zu  dürfen',  mit  dem  Bemerken  abgewiesen,  ,weil  es 
ihnen  sowol  als  mit  andern  burgern,  welche  den  neuen  aydt- 
Bchwur  zu  laisten  sich  vei'waigem,  allerdings  einen  gleichen 
verstand  hat'.*  Gleichwohl  scheint  es,  als  sei  die  Lage  Kandel- 
berger's  —  Gabelkofer  wurde  endlich  frei  —  in  diesen  Tagen 
eine  bessere  geworden.  Alan  hatte  durch  ein  reiches  Geld- 
geschenk die  Gunst  des  Burggrafen  des  Grazer  Schlosses  fllr 
ihn  zu  gewinnen  gewusst.  *  Bis  nach  Baiern  hinein  machten 
sich  Einflüsse  zu  seinen  Gunsten  geltend.  Am  24.  Jänner  über- 
sandten nilmlich  die  Verordneten  ein  Schreiben  an  den  bairi- 
schen  Rath  und  Oberkuchelmeister  Karl  Kulmer  mit  der  Bitte, 


'  Conc.  L.-Archiv,  Chron.-K. 

•  Conc.  1111(1  Co|).  L.-Archiv,  Lniidtngsacteii  iiuil  LaudUg8li«iidUiiig«n. 
SflUiiii^er,  l,  S.  586''— 5Ö1. 

•  Roxnleiiz,  Fol.  41«. 

•  L.-Arcliiv,  Chron.-K. 

'  Die  Verordneten  weisen  den  Landeseinnebmer  an,  dem  Burggrrafcn  Scar- 
lichio  für  die  bei  der  Verhaftuo;:  und  lan^^wierigen  Gefangenschaft 
Gshelkofer's  nnd  K.'jndelberjer'n  eraeigte  Cortesia  nnd  gnte  Willfahmng 
100  Dncjiten,  seinen  Leuten  30  Thaler  ansisuzahlon.  Siehe  nnten  Bei- 
lage Nr.  12. 


384 

dasB  er  auch  seine  Fürbitte  wegen  Befranng  Kmdelberyr'i 
bei  dem  ^erzoglidien  Frttnlein  in  Baien  als  zakflnftigar  Laad» 
fbrstin  einwenden  solle'.  ^  Die  allgemeine  politiaofae  Lage  sdaei 
Übrigens  nicht  ongfinstig,  damit  den  dringendsten  Besckweria 
der  Landstände  A.  C.  Abhilfe  gethan  werde. 

Man  sieht  die  Noth  der  Zdt  ans  einzeinezi.  Ponkten  der  In^ 
athmigen  Resolntion  herauslenchten,  die  am  84.  Jänner  1600  n 
die  Landschaft  herabgegeben  wurde.  Li  allen  Punkten,  (Et 
nicht  gerade  das  kirchliche  Gebiet  berObren,  wie  in  den  inBi- 
tilriscfaen  und  den  damit  znsammenhftngenden  finanxieDen  vai 
steuerpolitischen  Dingen  kommt  der  Ershersog  der  Landidifi 
bereitwillig  entgegen.  Es  wird  sogar  offen  gestanden,  daai  «in 
Theil  der  politischen  Beschwerden  gerechtfertigt  sei,  and  n- 
gegeben,  dass  eine  Abordnung  von  Landleuten  nch  m  dm 
gefangenen  Kandelberger  yerftkge,  um  eine  Anfklttning  fllier 
einen  Scholdposten  entgegenzunehmen.  Ja  sogar  das  Odiu 
dieser  Verhaftung  wird  von  dem  Erzherzoge  abgewtlzt  nal 
dem  Kaiser  zugeschoben.  Sie  sei  ,aDf  die  gefundenen  Vw- 
dächtigkeiten  hin'  von  Rudolf  IL  angeordnet  worden,  and  ,& 
Schuld  seines  unglücklichen  Zustandes  habe  sich  Kandelberger 
selbst  zuzuschreiben'.  Gabelkofer  sei  gegen  Bttigschaft  schon 
auf  freiem  Fasse.  Die  Citinmg  landschaftlicher  OfiGciere  und 
Diener  dürfe  man  nicht  so  unwillig  aufnehmen ;  sei  der  Landa- 
fUrst  doch  befugt,  auch  Herren  und  Landleute  selbst  zu  citireD. 
Dabei  wird  die  Annahme,  als  ob  ein  Verdacht  der  Untreue 
auf  Land  und  Leute  falle,  aufs  Schärfste  zurückgewiesen  nnd 
den  Herren  und  Landleuten  ein  glänzendes  Zeugniss  über  ihre 
in  allen  Zeiten  und  allen  Lagen  bewiesene  unentwegte  Treae 
ausgestellt,  das  umsomehr  ins  Gewicht  fällt,  je  Öfter  und  nach- 
drücklicher vor  und  nach  diesen  Tagen  in  jesuitischen  Kreisen 
die  Verdächtigung  des  steirischen  Herren-  und  Ritterstandes 
betrieben  wird;  der  Erzherzog,  heisst  es  da,  wisse  nichts  Anderes, 
als  dass  diese  Landschaft  gegen  seine  Vorfahren  seit  unvor- 
denklichen Jahren  her  in  bester  Treue  und  Aufrichtigkeit  ret- 
harre,  er  halte  die  Mitglieder  der  Landschaft  sammt  und  sondeis 
für  solche  Biedersieute,  denen  man  keinerlei  ,Lifidelität  oder 
Diffidenz',  wohl  aber  nur  Gutes  und  Liebes  zutrauen  dOrfe. 
In  dieser  Treue   würden  sie  auch  in   Zukunft   sich  stets  be- 

'  Regütratnr. 


335 


währen  und  sich  , durch  keinerlei  Zustand  davon  abwendig 
machen'.  Diese  Hoftnunp  des  Erzherzogs  hat  sich  an  dem 
innerösterreichisclien  Ilerrenstande  bekanntlich  bis  aufs  Wort 
erflilit.  Der  Erzherzog  geht  in  seinen  Behauptungen  noch 
weiter:  Die  Verletzung  des  Briefgeheimnisses  bedeute  gar  kein 
Misstrauen  gegen  die  Landschaft,  sondern  sei  nur  ein  Mittel. 
damit  , etlicher  Privatpersonen  bereits  gespürte  untreue  An- 
schläge besser  an  den  Tag  kämen  und  künftiger  Verrath  ver- 
mieden werde'.  *  Er  spricht  den  Grundsatz  aus  —  an  den  er 
sich  freilich  nicht  hält  —  dass  ein  LandesfiU-st  gut  thue,  bei 
der  Besetzung  der  Aemter  sicli  zuniichst  an  Eingeborene  zu 
halten.  Mit  grosser  Deutlichkeit  lässt  er  durchblicken,  dass  er 
die  steirischen  HeiTen  und  Landleute  gern  befijrdern  werde, 
jwenn  sie  sich  auf  seiche  tugendliche  und  ritterliche  Sachen 
begeben,  die  sie  zu  dergleichen  Würden  tauglich  machen',  d.  h. 
wenn  sie  katholisch  werden.  Wider  die  Anwürfe  brutalen  Vor- 
gehens der  Jteligionsreforraationscommisailrc  im  oberen  Enns- 
thale  nimmt  er  diese  in  Öcliutz:  ,Wem  aus  den  Landicuten  ist 
ft  verborgen,  dass  l.  D.  dazu  gezwungen  wurde?  Der  ungehor- 
samc  Trotz,  vielfacher  Despect  und  Rebellion  bei  diesen  groben 
bethörten  Leuten  habe  dermassen  überhandffeuommen,  dass  die 
1.  f.  Autorität  und  Reputation  in  Gefahr  stand,  ja  ein  allge- 
meiner landschädlicher  Auflauf  befürchtet  wurde.'  Dem  habe 
»man  begegnen  müssen,  und  dies  sei  mit  glimpflichen  Mitteln 
geschehen,  wo  aber  diese  nicht  halfen,  sondern  diese  Leute  ,in 
ihrer  unsinnigen  Halsstarrigkeit  verharrten,  mussten  schärfere 
_  angewendet  werden,  und  es  sei  nur  billig,  dass  der  Erzherzog 
I  dies  nicht  an  seinen  eigenen  KammergefUllen  zu  entgelten  habe'. 
Sogar  der  ,EingriflF  ins  Landhaus'  wird  als  etwas  Unverftlng- 
liches  hingestellt,  ,solcher  Actus  werde  dem  Lande  an  seinen 
Freiheiten  nicht  präjudicierlich  sein',  .dem  BuchtXlhrcr  aber  auf 
sein  Anhalten  gebllrlicher  Bescheid  gegeben  werden'.  Was  die 
landschaftliche  Druckerei  betreffe,  seien  nur  die  Vei-fÜgungen 
der  allgemeinen  Mandate  in  Anwendung  gekommen,  deren  In- 
halt keiner  besonderen  Auslegung  bedürfe  und  von  dem  die 
hiesige  Druckerei  nicht  exempt  sei.* 


'  Duch  wieder  ein  Hinweis  auf  Knudelberger.    Siehe  nnten  Beilage  Nr.  13. 
*  L.-ArchW,  LandUgMcteo,  L.-H.,  tom.  XLVI,  97—106;  siebe  nnten  Bei- 
lage Nr.  13. 


336 


Die  Landschaft  antwortete  hierauf  am  5.  Febnur:  sie 
dankt  fllr  das  bewiesene  Entgegenkommen,  bringt  aber  oen« 
Klägern  wegen  der  bei  der  Post  und  gegen  Kandelbergor  und 
(fabelkofer  gescbfihenen  Uebergriffe  vor.'  Den  im  Lande  au»- 
gestreuten  Reden  nach  handelte  es  sich  gar  nicht  am  diece 
beiden  Personen.  .Durch  die  Torquiernng  Kandelberger's  and 
die  Examinieruiig  Gabelkofer's  sollten  hauptsächlich  eiDC  ehr- 
same Landschaft  und  derselben  getreue  Mitglieder  gcanclit 
werden,'  was  diese  nicht  auf  sich  sitzen  lassen  durften.  Um 
so  erfreulicher  sei  ihr  nunmehr  das  vom  Erzherzoge  ausge- 
stellte glänzende  Zeugniss  ihrer  unentwegten  Treue.  Sie  dürfe 
erwarten,  der  Erzherzog  werde  auch  in  Zukunft  durch  ihre 
Gegner  sich  von  dieser  Ueberzeugung  nicht  abbringen  lassen. 
Allerdings  sei  die  Citation  von  OtTicicren  der  Landschaft  an 
sich  keine  Neuerung:  sie  dürfe  aber  nicht  in  dieser  Weise  ge- 
schehen. Man  habe  gegen  eine  verbale  Citation  nicht  viel, 
sehr  viel  aber  gegen  diese  reale  einzuwenden,  nach  welcher 
auf  das  blosse  Angeben  ihrer  Missgönner  Landschaftsdiener 
gleich  nach  .geschehener  Aufforderung  zu  erscheinen  indicfa 
causa,  unverhört  und  unüberwunden,  ins  GcfUngniss  geworfen 
oder  aus  dem  Burgfrieden  gewiesen,  ja  selbst  aus  dem  Laiidi" 
geschafft  werden'.  Am  5.  Februar  wurden  seitens  der  Land- 
schaft Veit  Pelsshofer  und  Karl  Viechter  aufgefordert,  sich  bei 
dem  Regimentsrathe  Dr.  Angelo  Costedi  ,wegen  verwilligter 
Zulassung  zum  verhafteten  Kandelberger'  anzumelden,  am  bei 
ihm  ,wegen  des  ihm  anvertrauten  Proviantscheines  Erkundigung 
einzuziehen'.*  Diese  fand  in  den  nilchsten  Tagen  statt.  Am 
16.  Februar  richten  niimlich  die  Verordneten  ein  neuerliches 
Anbringen  an  den  Erzherzog,  , weilen  Kandelberger  tiber  die 
gehaltene  Besprechung  wegen  des  ihm  anvertrauten  kriege 
zahlmeisterischen  Proviantscheines  so  viel  Auskunft  gegeben, 
dass  er  denselben  uebst  den  anderen  Sachen  hieher  überschickt 
und  er  hierorts  in  Verwahrung  liegen  soll,  so  bitten  sie,  die 
Examinationscomniissäre  anzuwei.scn,  die  Herausgabe  zu  ver- 
ordnen'.' Das  mochte  wohl  geschehen.  Kandelberger  aber 
wurde  damit  selbst  noch  nicht  erledigt.  Wllhrend  sein  Leidens- 
genösse  Hans  Adam  Gabelkofer  längst  wieder  im  Diensto   i\'-r 


*  Conc.  null  Cop.  L.-Archiv,  L.-M.    Siehe  unten  Beil«^  Nr.  14. 
'  RegriKtrntiir.  '  Ebenda. 


337 


Landschaft  stand  und  seit  der  Äusschaffung  des  tandschafllichen 
SecretÄrs  Fischer  mehr  als  vordem  beschäftigt  war,  lag  Kandel- 
berger  immer  noch  in  Banden.  Am  8.  December  1*300  gaben  die 
im  Landtage  versammelten  Herren  und  Landleute  eine  neuer- 
liche Bittschrift  an  den  Erzherzog  ein.'  Sie  erinnern  daran, 
daas  sie  bereits  im  verflossenen  Landtage  eine  solche  einge- 
reicht, ja  schon  am  IG.  October  1599  um  die  Entlassung 
Kandelberger's  gebeten  hätten.  Man  möge  doch  nicht  die 
Excesse  des  Agenten,  falls  solche  vorgekommen  seien,  von 
denen  man  aber  nicht  das  Mindeste  wisse,  bedenken,  sondern 
seiner  in  die  17  Monate  währenden  Gefangenschaft  eingedenk 
sein,  dass  er  Hab  und  Gut  verloren,  seine  gute  Bestallung  ein- 
gebüsst,  ja  des  edelsten  Kleinods,  das  ein  Mensch  besitzen 
könne,  seines  guten  Namens  verlustig  gegangen.  Wenn  er 
irgendwelche  Privatexcesse  begangen  haben  sollte,  so  seien 
diese  durch  .seine  sehmerzüclie  und  ,fa8t  übermenschliche 
Tortur,  Marter,  Folter,  Pein  und  Brand  mehr  als  genugsam 
gebüsst*.  Man  möge  schliesslich  auch  die  früheren  Verdienste 
Kandelberger's  erwägen,  die  Dienste,  die  er  dem  Erzherzoge 
selbst,  seiner  Mutter  und  dem  Erzherzoge  Maximilian,  jener 
,in  gehaltenen  emsigen  Corrcspondenzen',  diesem  ,mit  Beför- 
derung des  Proviantwesens  im  Petrinischen  Feldzug'  geleistet. 
So  könne  er  bei  seinen  ausgezeichneten  Qualitäten  auch  fllrder- 
hin  noch  gute  Dienste  leisten.  Schliesslich  werden  auch  noch 
die  Verdienste  seines  ganzen  , adeligen*  Geschlechtes,  nament- 
lich die  seines  Oheims  um  Erzherzog  Karl  II.,  dessen  lapg- 
jähriger  Kamraerrath  und  Diener  er  gewesen,  stark  herausge- 
strichen; seine  Brüder  und  die  übrigen  Verwandten  und 
Verschwägerten  hätten  sich  sowohl  inner-  als  ausserhalb  des 
Landes  stets  wohl  verhalten,  noch  gegenwärtig  stehe  seiner 
Mutter  Bruder  Kulmayer  (Kulraer)  am  bairischen  Hofe  in 
sonderer  Gunst  und  sei  dort  seit  etlichen  Jahren  , Küchen- 
meister'. Der  Erzherzog  möge  die  dcmüthigen  Fürbitten  seiner 
ganzen  , ehelichen  Freundschaft',  wie  sie  der  Landtag  bei- 
schliesse,  gnädig  betrachten  und  ,den  armen  gefangenen  Krüppel 
noch  wäiirend  des  Landtags  an  deme  herzunahenden  freuden- 
reichen Weihnachtsfeste  dieses  zu  Ende  gehenden  Jubeljahres' 
begnadigen. 


>  Siebe  Beilage  Nr.  16. 


338 

Auch  diese  im  demlithigsten  Tone  abgefasste  Bittschrift,  an 
der  der  gesammte  Landtag,  die  katholischen  Mitglieder  einge- 
schlossen, Antheil  hatten,  blieb  vorläufig  ohne  Erfolg.  Schon 
wenige  Wochen  später,  am  22.  Jänner  1601,  sandte  die  Land- 
schaft eine  neuerliche  ,Anmahnung  wegen  Liberierang  Hans 
Georg  Kandelberger's'  an  den  Hof,*  und  erneuerte  dann  am 
24.  Mai  ihre  Bitte  um  eine  gnädige  ,Resolution  auf  die  im  Land- 
tage für  den  Gefangenen  eingebrachte  Intercession'.'  Auch  an 
die  Braut  Erzherzog  Ferdinands  war  in  der  Angelegenheit 
Kandelbei^er's  ein  Intercessionsschreiben  gerichtet  worden, 
aber  wie  alle  fillheren  erfolglos  geblieben.'  Wie  es  scheint, 
erhielten  die  Verordneten  und  die  gesammten  Landtagsmit- 
glieder auf  ihre  letzten  Bittschriften  nicht  einmal  eine  Antwort.* 
Gleichwohl  Hessen  sie  nicht  ab,  eine  Intercession  nach  der 
anderen  an  den  Hof  zu  senden.  So  bat  die  gesammte  Land- 
schaft am  23.  März  1602  ,die  alte  Frauen,  Wittiben,  Maria 
Erzherzogin  von  Osterreich',  sich  bei  ihrem  Sohne  um  Er- 
ledigung Kandelberger's  zu  verwenden.*  Auch  diese  Verwen- 
dung hatte  zunächst  noch  keinen  Erfolg,  denn  noch  am  3.  April 
1602  schreiben  die  Verordneten  an  Erzherzogin  Maria,  ,sie 
wolle  bei  ihrem  geliebtesten  Herrn  Sohn  Ferdinand  fiir  Hans 
Georg  Kandelberger  wegen  seiner  langwierigen  Gefängnus  die 
Erledigung  sollicitieren  und  intercedieren'.  Damit  schliessen  die 
Nachrichten,  die  wir  über  diesen  Mann  besitzen.  Es  scheint, 
dass  er  bald  nach  dem  genannten  Datum  die  langersehnte 
Freiheit  erhalten  hat;  es  wäre  sonst  sicherlich  noch  das  eine 
und  andere  Intercessionsschreiben  an  den  Hof  gegangen;  die 
landschaftliche  Registratur  aber,  die  sehr  sorgfältig  geführt 
wurde,  weist  hiertlber  nichts  aus.  —  Peinlich  hat  einst  die 
Meinung  ausgesprochen,  dass  die  Freilassung  Kandelbei^er's 
und  die  Schenkung  des  einstigen  protestantischen  Stiflsgebäudes 
seitens  der  Landschaft  an  die  verwitwete  Erzherzogin,  die  das 


'  Registratur.  '  Ebeuda. 

'  Siehe  Peinlirh,  Die  Egkennperger  Stiift  zu  Graz  im  16.  und  16.  Jahr- 
hundert, S.  60:  ,weil,'  heisst  es  dort,  wofiir  ich  in  den  Acten  aber  keinen 
Beleg  gefunden  habe,  ,derselbe  die  abverlangte  Verantwortung  auf  die 
Anklage  wegen  Hochverrathes  noch  nicht  zu  Stande  gebracht  hatte.' 

*  Sonst  miisste  sich  in  den  Registraturbücherii  der  Landschaft  irgend  ein 
Vermerk  finden,  was  aber  nicht  der  Fall  ist. 

»Beg. 


339 


Gebäude  zu  einem  Kloster  für  die  Clarissinncn  UEOgestaltete, 
mit  einander  in  einem  engen  Zusammenhange  stehen.  Die 
Landschaft  habe  durch  diesen  Act  des  Entgegcnkoramniis  auf 
die  Erzherzogin  einwirken  wollen,  dass  die  lang  ersehnte 
Freilassung  Kandelberger's  endlich  erfolge. '  Die  Sache  ist 
möglich,  aber  man  muss  doch  betonen,  dass  sich  in  der 
Schenkungsurkunde  nicht  der  mindeste  Anhaltspunkt  für  diese 
Behauptung  Hndet.  Ist  Kandelbergor  schliesslich  entlassen 
worden,  weil  sich  fllr  seinen  angeblichen  Hochverrath  trotz 
Ketten  und  Folter  kein  Beweis  erbringen  Hess?  man  darf  es 
annehmen.  Wie  hätte  sich  Kosolenz  irgend  etwas,  was  einer 
Schuld  des  Angeklagten  gleichsah,  entgehen  lassen,  ohne  dies 
in  seiner  Weise  gegen  den  Herren-  und  Ritterstand  und  die 
ganze  protestantische  Beamtenschaft  des  Landes  auszunützen? 
Es  hat  Stimmen  gegeben,  wie  die  v.  Kalcliberg's,  die  gemeint 
haben,*  Kandelbcrger  habe  seine  Verbrechen  dui-ch  Enthauptung 
gebUsst.  Daran  ist  kein  wahres  Wort.  Denn,  abgesehen  davon, 
dass  die  Landschaft,  die  den  Angeklagten  stets  fllr  unschuldig 
hielt,  in  offenem  Landtage  laut  Beschwerde  erhoben  hätte,  wo- 
von sieh  aber  keine  Spur  findet,  finden  wir  ihn  im  Jänner  des 
Jahres  1(304  auf  freiem  Fusse.  In  den  Ausgabenblichorn  des 
Landes  findet  sich  unter  dem  28.  Jänner  d.  J.  eine  Zahlung  an 
ihn  gebucht:  ,Herr  Hans  Georgen  Kandelbcrger  3135  fl.'  Hält 
man  diese  Thatsache  zu  der,  dass  nach  dem  oben  erwähnten 
Intercessionsschreiben  vom  3.  April  1602  kein  weiteres  mehr 
abging,  während  die  Landschaft  zuvor  in  dieser  Richtung  un- 
ermüdlich thätig  war,  so  lUsst  sich  wohl  kein  anderer  Schluss 
ziehen  als  der  oben  angegebene.  Gleichwohl  erscheint  es  immer 
räthselhaft,  dass  seiner  fürderhin  in  den  Acten  der  Landschaft 
mit   Ausnahme   jener    einen   Stelle    nicht   mehr   gedacht    wird. 


*  Poinlich,  Dio  Egkennperger  Stiflft,  S.  60,  Note.  Die  Schenkuiigsnrkimde 
in  Peiiilich'«  Geschichte  der  evangeÜBcbeii  StiftMchule,  8.  31.  Siehe 
«ach  Schuster,  Martin  Brenner,  S.  696.  Wenn  Schulter  meint,  dssa  der 
bessOgliche  LandtagsbeschluHS  gefnsst  wurde,  weil,  wie  es  ach  eint, 
grOsstentheils  Katholischo  .inwesend  waren,  ao  ist  bei  F.  M.  Meyer,  Ge- 
schichte der  Steiermark,  S.  264,  die  Behauptung:  ,der  katholische 
Theil  der  StSnde  fasate  den  Bcscbluas,  dies  Gebäude  im  Namen 
E.  E.  Landschaft  an  die  Erzherzogin  au  schenken*.  Weder  für  das  Eine, 
noch  filr  rlaa  Andere  liegt  ein  Beweis  vor. 

*  Der  Gratzer  Schioasberg,  Graz  1866,  S.  37.  Siebe  dagegen  schon  Ro- 
biCsch,  Geschichte  des  Protestantismos  in  der  Steiermark,  S.  194. 


S40 

Man  kann  das  nur  ao  deuten,  daaa  er  nach  den  tnmngen  fr 
fahnuigen,  die  er  batte  madien  mOaaen,  sich  «na  don  Offat- 
liehen  Leben,  dem  mch  Ghibelkofer  nacli  seiner  FreikHai 
inuneiliin  noch  gewidmet  hatte,  ganx  znillckxog;.  Die  FraU^ 
die  er  eriangte  —  nnd  dies  trotz  der  den  protestantii^ 
Sttnden  so  wenig  günstigen  Stimmnngen  ba  Hof  —  mi»  ib 
ein  weiteres  Zeichen  angesehen  werden,  daas  sich  ftr  aeiM 
Sehiild  keine  Beweise  ergaben. 


BEILAGEN. 


Die  Verordneten  von  Steiermark  an  die  von  Kärnten:  tJMfei»  iknen  mt, 
dass  sie  vor  wenigen  Tagen  ihren  Seeretär  Hans  Adam  CttMkofir  m 
den  kaiserlichen  Hof  nach  Prag  gesandt  haben,  um  dort  beim  Kaisir 
um  eine  Intercession  in  diesem  betrüblichen  BeUffionseuatande  ann- 
langen, und  fragen,  ob  sie  dies  nicht  auch  thun  wotlen.  Sie  miSehte»  m 
diesem  Falle  die  Bittschrift  durch  diesen  eigenen  Boten  senden;  um 
tperde  sie  an  Chbelkofer  beßrdem.   Gras,  1598  November  10. 

(Cone.  Steiermark.  L.-Archiv,  Chron.-R.) 


Die  Verordneten  von  Kärnten  an  die  von  Steiermark:  bestätige»  ien 
Empfang  des  vorigen,  durch  einen  eigenen  Boten  Übersandten  SdtreibeK, 
dass  sie  ,in  Geheim'  ihren  Seeretär  nach  Prag  abfertigen.  Sie  hätteim 
gern  gesehen,  wenn  man  sie  früher  benachrichtigt  hätte,  denn  wenn  mm 
bei  Sr.  M'.  mit  einem  Bittgesuch  erst  so  lange  ,hintnach'  konane,  xirie 
es  I.  M*.  ein  besonderes  ,Nachgedenken'  verursa<^en.  Sie  fürchten,  et 
werden  alle  drei  Länder  bald  in  die  Lage  kommen,  ihre  Beschwerden 
bei  L  M*.  amubringen.    Qrae,  1598  November  16. 

(Orig.  Steiermark.  L.-ArohiT,  Chron.-B.) 


341 


3. 


Die  Verordneten  von  Kärnten  an  die  von  Steiermark:  Gutachtcfi  wegen 
einer  Zusammenkunft  von  Abgesandten  aller  drei  Länder,  die  nicht  in 
Crrae,  sondern  an  einem  anderen  Orte  erfolgen  möge.  Thcilen  mit,  ices- 
halb sie  Dr.  Schleipncr  nicht  aufnehmen  können.   Klagenfurt,  1599 

Odobcr  12. 

(Ori^.  Steiermilrk.  L.-ArchiT,  Clhroii.-R.) 


.  .  .  halten  die  von  den  herrn  .  .  .  angedeutß  znsaiuenkunft  zwar 
aach  irestails  für  aiu  sondere  hohe  notturfft  .  .  .  dieweil  inen  aber  dise 
tag  glaubwürdig'  fürkunien.  dasB  uit  allein  mit  Hans  Ger)rgra  Ehaadl- 
berger  ain  ganz  scliarfnr  process  fürgcuümen,  sondern  auch  nach 
E.  E.  Steyrischen  L.  secretarien  Hans  Adamen  Gablkhofer  gegriffen, 
derselb  gefengmisst  umJ  alberatt  ubl  tractirt,  daneben  aber  auch  noch 
anderen  mehr  wolgenanter  landschaft  ofh^icren  nachgestellt  worden  sein 
solle,  so  haben  sy  die  herrn  und  landleut  .  .  .  sollicbe  .  .  .  Zusammen- 
kunft in  Grätz  anzustellen  .  .  .  iimb  so  vil  mer  sondere  hohe  bedunkeu, 
seitenialen  auch  1.  F.  U,  in  der«  resolution  denen  Khürnern  und  Craiuern 
ir  jOngste  dahinkunft  gegen  Grätz  (als  I.  F.  D.  aigcuthumblichen  statt) 
und  aldorten  gehaltnor  couveuticl  zum  höchsten  ungnedigist  verweisen 
und  aufs  künftig  inhibiru,  sondern  hielten  dieselb  etwo  an  ainem  andern 
gelegnen,  I.  D.  nit  aigentbumblichen  angohOrigen  ort  anzustellen  für  so 
ganz  rathsamb,  als  sj  dessen  ehiste  vertreuliche  benennung  von  den 
herrn  erwarten  und  sodann  auch  etlicb  qualiQcierte  herrn  und  landleuth 
Jarzue  fürnemen  und  zu  vergiicbner  zeit  dabin  absenden  wellen. 

Als  wol  wir  auch  nit  unterlassen,  »ngedeute  f.  resolution  .  .  . 
etlichen  unsern  theologis  und  rechtsgelerten  zu  notwendiger  ponderir- 
und  gebürlicher  fundierter  beautwortung  und  ablainung  .  .  .  zuezu- 
stelleu. 

lielangent  .  .  .  Dr.  Schleipner,  wollten  wir  .  .  .  gern  willfaren,  es 
fallen  aber  sowol  bey  uns  als  denen  andern  herrn  und  landleuten  dise 
ainhellige  .  .  .  bedenken  für,  dass  wan  df^rgleichen  sonderlich  aber  die 
aus  I.  D.  landen  geschalTnen  prediger  (wie  es  von  denen  in  Crain 
begert  worden)  alber  genomen  wurden,  man  I.  F.  D.  auch  dieses 
hieig  ev.  christliche  miuisterium  .  .  .  nmb  so  vil  merere  anzufechten  ur- 
sach  geben,  auch  besorgenlich  dieselben  alher  genommnen  praedicauten 
mit  ebenmässiger  scherff  von  dannen  widerumb  ausgeschaifen  werden 
mrichten  .  .  . 


342 

4. 

liic  Vrrordndin  von  Kärnten  an  (Im  ErhuutermiirschtiU  ton  Stehrifir 
Wolf  Freiherrn  ron  Saiirau :  Da  rirle  durch  Boten  abgesandte  S<:hn-M>: 
diesen  durch  die  Graser  Guardia  und  andere  Personen  abgen-'miiht 
irerden.  senden  sie  obiges  Schreiben  an  ihn  mit  der  Bitte,  es  diu  .J/f- 
reririindtnr  siilomtnen  .-«  hissen.    Klagen/'art,  l't'J!)  Oct<>ber  IJ. 

(Ori;:.  Stoierinärk.  L.-Arfliiv,  Cliron.-R.) 

Poii  einen  Tlioil  <les  obifton  Sclireiben.s  orledig^ou  die  Steircr  iliirri 
«Liio  Zuschritt  an  die  von  Kärnten  und  Krain:  Da  der  ,Stcrl>eIäuft--  iu  ün 
««-o-^on  die  Zusammenkunft  dort  nicht  müglidi  sei,  lialteii  si«  Klagcnt'crt  i'- 
_— ^»n^nit,  ersuchen  um  die  Uonenniiii);  eines  Tapes;  man  worde  fiiut  lii* -r' '. 
H«?:r«-n  liinsenden.  Mittheihni);  de»  linitjilen  Vorjrtdioiis  (rejr>.Mi  die  (irü' 
-ir .  tY*kirohe   und   pe-fcn  Uahelküfor.     Graz,   15S>'J  Octuher   1:"»    (Cunc.  •-i«'W'i 


^;^/-k)»:r,ir/(  Wotf'iianp  Jöchlinger  an  Ferdinand  II.:   Krstnttet  Ihr"'' 
,^,«'1     ".IS    Verhör    mit    Kandelbenjer  und    Gabetkofcr.     Graz.   Ij'i 

< Mober  (!. 

II.-  II.-  u.  t<t.-A..  Steiermark.  Fase,  it.) 


;j.3,r'-- 


■.v".-.'.ti:>.'1iii^'istcr  .  .  .  I)i'i>«'ll>i-ii  solireibou  Vi>iii   5.  liit»  li:t:' 
::;  •.iu<.hli:ss  .  .  .  eui]d'aii^'Oii.    Daraiif  aucli   stiaw?  ii:i'.:. 


..-«■■..ir:  ll.ir:-. ;•  ir> schickt  uii.i  iinr  bi'volcin'ii.  liass  i-r  K.  l).  scliiv.:--.. 

^^t  ':.•'.■<:■:■  tr.iu  mutt-r  liem  lionn  .-n-ietari  W  <'st>'iiiai;li>.'r  i-iii.-.ii.  ■--  . 

,-   ^.  »o'.!.c:;!#  o:-  uii/wrifriilich  volzviriMi  iiiiil  K.  1).  .  .  .  .-iflbst  ■►■i''.:- 
<».■>  l  * 
'   ■  -r      i*ie  hr!Tii  CvMMiui^sirü  habi'ii  iiacht''n  s^i-woU  Jen  Khanil:.'!-].:-':  ^  ■ 

•  ,;  kh'^ •'•■.■  s:-^t;iu'  wi.i..M-  bespradit.    Ixt  ■•biir-    wi.leri  u.-l't    ili.>  lu::!- 

l '  *  •     j  1  ■    1  1     ■  ■  1 

■  -1  »■■■''  V-"»-"-  >t"'!i''i'  pfiudlichcii  ;ni--<air  Siii.|(.'r.icli..'U  a.n  .•iii_'!:i.'::  : 

~  .TJi\  K-  ^-  1^-  -'i'  J":»cheii  (uliT  /.u  tiitt.-!!.  al>  •  aucli  .It-r^i-ib.-ii  fnV': 

IT**' 

_-or  Ulla  -lie  juiisTe  hor!>chaft  zu  lachi^i:  al^.i  ar.di  ..la.ss   las  Jiwvli  ■'.-: 

,.j-v  obhswu  tfrsucclite  froiiibiie  roirimoin  niui  iiii>  irniuitzt;i   zu  .ii.-i': 

"^  ^^    i"..  Vraucbru.   Er  sairt.  er  iiabs  au^  i;i>risr'-r  i>fiMii:uiiL'  l'.kh':.' 

_  "     ,_, iV.kiivver  >.«ll  zinibliclie  irlaubivir.li<ri-  au.ssair  L'othaii   lia';"::!.  ">. 

*    .    ^j-i  f.'r.:x*äarii  ansrezaigt.    ILut  haben 'iio  i.'omnii>saiii  d<u  yä-.vS 

^ — ■  ».>•:  iinaaff  brinaron.  den  Kbaii,ili"ri,"i"  bin,i.:-u  iml    iie  i.:;-ii 

»^  rf=i-i.  L.ö  Licül  in  willen  iiie  zu  tOMiuiien.    Was  nun  sein  -..i;: 

_-.iz.>:  •  »;~rr  ilmendo  aussasr-'U  mit  sich  biinff..-u.  werd-u  <i'.' 


343 


E.  F.  D.  strags  erindera.  Der  Bchriften  wegen  werden  sie  beede  auch 
vleissig  befragt  werden,  wie  ichs  inen  commissarien  von  E.  F.  D.  wegen 
bevolhen,  und  wirt  nirgeiit  ainiger  vleiss  gespart. 

Gestern  sein  die  herrn  verordneten  zu  mir  khomen,  bittent  inen 
anzuzaigen,  ob  I.  D.  den  Gablkhofor  seiner  oder  E.  E.  L.  verprechen 
willen  einziehen  lassen.  Da  babe  ich  inen  zu  bescbaid  geben,  sie  soIIpu 
ir  notturfft  bei  E.  Ü.  anbringen  und  wo  vill  mir  bewOsst,  war  er  nur 
seiner  verprechen  willen  t<iiizog(;n  worden.  Unib  das  heutig  examen  hab 
ich  noch  kein  wissen,  denn  die  commissarii  den  ganzen  tag  üben  im 
gschloss  sein.  Ir  veiTichtung  kombt  hinnach.  Der  secretari  Harrer 
khombt  zu  E.  F.  D.  mit  einer  autiende  hinab.  Die  habe  ich  mit  h.  stat- 
halter  beratschlagt;  die  werden  E.  F.  D.  von  imo  Harrer  gn.  anhören. 

Die  zwai  stattthör  sein  spört  und  werden  allenthalben  vleissig 
wacht  in  der  statt  und  gschloss  gehalten,  diss  niiicht  allenthalben  grosse 
forcht  nud  vill  nachdenkens. 

HeiT  1.  haubtmann  ist  heut  auch  bei  mir  gewöst  und  hat  mir  ein 
ausfürliche  apoiogiam  seiner  Unschuld  entteckt,  die  E.  F.  D.  zu  derselben 
gläcklichen  herkonfft  ich  geh.  referiern  will.  Sonst  stehen  alle  sachen 
alhie  in  gueton  terniinis  und  wünsche  E.  F.  D.  von  Gott  dem  allmechtigen 
lange  glQkhselige  regierung,  nberwindiuig  iror  feinde  und  alles,  was  iro 
leib  und  seil  nützlich  und  aiigenerab  ist.  Beinebens  derselben  mich  zu 
genaden  underth.  bevelhent.    Grätz,  den  6.  tag  Octobris  anno  99. 

E.  F.  D. 

underthenigister  diener 


(Orig.,  Siegel  .-rnfgedrückt.) 


W.  Jöchlinger. 


Die  Vcrwdncten  von  Steiermark  an  die  von  Kärnten  und  Krain:  Die 
genteinsame  Zusammenkunft  könne  der  Infection  tccgeti  in  Gras  nicht 
Stattfinden.  Es  empfehle  sich  Klagenfurt.  Bitte,  den  Tag  festzuseteen. 
Miliheilung  dn  Gewaltthnt  gegen  die  Stiftskirche  in  Oraz,  den  Secretär 
Gabelkofer  und  die  evangelischen  Leute  in  Obersteier.   Graz,  1599 

October  15. 

(Cono.  Steiermark.  L. -Archiv,  Cbron.-R.) 


Wir  haben  gleichwol  den  herrn  vom  B.  .  .  .  Septembris  bei  aignem 
potten  sovil  fr.  angedeut,  dieweil  auf  I.  F.  D.  .  .  .  in  dem  betrueblichen 
religionswesen  ervolgte  haubtresolution,  wie  sie  genennt  will  werden, 


344 

diser  getreuen  Steyr-,  Eärner-  and  Crainerischen  evangelischen  iand- 
stende  höchst  unvermeidliche  notturfft  in  alweg  erfordere,  zu  haabtsach- 
licher  beautwortung  derselben  ein  gesambte  reife  und  wolerwogene 
beratschlagung  mit  allerehistem  farzunemen,  welche  die  n^st  alhie 
besambiet  geweste  Steyi'ische  herrn  und  landleuth  under  die  schienst  ta- 
gehunde  Steyrische  laudts-  und  hofrechten,  so  auf  Montag  nach  Martini 
iren  lauif  haben  sollen,  anzustellen  und  damals  von  den  herrn  aas 
Kärnten  wie  auch  den  Herrn  aus  Crain  etlich  fürneme  herrn  und 
landleut  alher  zu  erscheinen  für  thuelich  und  rathsamb  erachtet,  da- 
her wir  auch  nicht  zweifeln,  die  herrn  ires  thails  durch  deren  theo- 
logoB  und  Juristen  auf  dato  in  Sachen  ein  guete  fürarbeit  thnen  und 
ire  wolgegründte  behelf  zusamen  und  aufs  papier  werden  haben 
bringen  lassen,  nun  aber  sichs  laider  mit  denen  sterbsleuffen  alhic 
in  Stelr  an  vilon  unterschidlichen  orten  je  mer  und  mer  so  g^iicb 
thuet  erzaigen,  dass  umb  desselben  willen  berüerte  Steirische  rechten 
und  die  landshauptmannischen  verhören  under  jetziger  der  Steiri- 
schen  herrn  und  landleut  alhieigen  starken  versamblong  bis  nach 
Trium  Begum  negstvolgenden  1600  iars  haben  müessen  verschoben 
werden  und  jedoch  die  lengere  difTerierung  obangedeuter  höchst  notwen- 
diger zusamenkunft  und  resolutionsberatschlagung  wolgedachten  dieser 
lande  treuen  ev.  ständen  auch  sovil  tausent  interessierten  christlichen 
Seelen  und  glaubeusgenossen  zu  höchster  verderblicher  seelengefahr  ge- 
raichet,  also  und  zu  mflglichister  maturiernng  derselben  haben  obwol- 
eimelte  jetzt  hiewesende  Steirische  herrn  und  landleuth  nicht  aus  dem 
weg  zu  sein  befunden,  weil  bei  den  herrn  zu  Clagenfurth  wegen  der 
sterbslnflf  bis  dato  gottlob  noch  gueter  luft,  dass  sy  ihnen  verhoffenüich 
bemolte  .  . .  berathschlagung  daselbst  anzustellen,  auch  iresthails  selbs 
ein  anzal  Eärnerische  herrn  und  landleuth  darzuezuziehen  von  E.  E.  L. 
wegen  nicht  werden  entgegen  sein  lassen;  auf  welchen  fall  ebenmässig 
von  hie  aus  fünf  oder  sechs  Steirische  herrn  und  landleuth  ohne  ferrem 
langen  aufzug  hinein  abzufertigen  und  was  damalen  in  Sachen  zu  be- 
trachten und  zu  beantworten  für  unumbgenglich  befunden,  solches  mit 
bstendigem  giund  und  ansfüorung  zusamengetragen  werden,  auf  iass 
man  hernach  zu  negstkunftigen  Steirischen  landtag  damit  gefasst  sein, 
auch  die  herrn  aus  Eäi'nton  und  Crain,  wie  heuer  beschehen,  ire  ge- 
sandten widerum  alherschickon  und  solche  haubtsachliche  beautwortung 
gesambter  I.  F.  D.  geh.  zu  überraichen  glegenheit  suechen  mügen.  Zu 
disem  ende  nun  wir  von  den  alhieigen  Steirischen  herrn  und  laudleoten 
wegen  zu  den  herrn  zaiger  dits  Hansen  Schweighofer  mit  sonderm  fieiss 
wolmainlich  abzufertigen  nicht  haben  underlassen  sollen,  fr.  und  nach- 


345 


bai'lich  gesianent,  sj  wellen  Bich  hieiüber  fr.  erclären,  auf  welchen  on- 
verlengten  fm-derlicben  tag  inen  diso  obangezogne  höchst  notwendige 
zusamenkunft  olda  zu  Clagenfuit  gelegen  und  solches  nicht  allain  stracks 
zurück  durch  eignen  potten  sondern  auch  den  herrn  verordonten  in  Crain 
bei  disem  unserni  abgefertigton  offlcier,  dem  wir  seinen  weg  dabin  in 
Crain  zu  nemen  beveJcb  gehen,  unbeschwert  erindorn,  sodan  es  unsers- 
thails  mit  unverzüglicher  hiuabfertigung  der  deputierten  Steirischen  herrn 
und  landleuth  nicht  solle  erwinden.  Uiebei  wir  sonsten  die  herrn  mit 
sonderer  betrilebnus  unberichtet  nicht  sollen  lassen,  die  werden  es  auch 
aus  den  eiuschlüsseii  mitleidig  Ternehmen,  dass  sich  ein  bochbeschwar- 
licher  unfaü  nach  dem  andern  bei  uns  alhio  erreget,  seitemal  I.  F.  D. 
nicht  allein  vor  zweien  tagen  durch  drei  derselben  n.  C.  regimentsrath 
E.  E.  L.  frei  aigenthninblich  zugehörige  alhieige  stifTtkLi'chen  mit  gwalt 
aufbrechen  und  eröffnen  lassen,  sondern  es  ist  auch  derselben  diener 
und  Terpflichter  secretari  herr  Adam  Qablkhover  vor  etlichen  tagen 
durch  ein  f.  caint^rdiener  gen  hof  erfordert  und  unvenneldet  ainichor  ur- 
sach  von  denen  herrn  auf  dem  albieigen  f,  haubtschloss  anfangs  in 
schwere  tflrkengefängnus  geworfen  worden  und  obwol  die  anwesende 
heirn  und  landleuth  von  E.  E.  L.  wegen  in  aim  und  andern  die  notturfft 
ausfüerlich  und  stark  genueg  schritft-  und  mündlich  bei  I.  F.  D.  auge- 
bracht, so  will  doch  solches  alles  iiu  wonigisten  nicht  angesehen  werden. 
Also  ziehen  auch  von  underen  des  lands  vierteln  etlich  hundert  I.  D. 
underthanen  im  Eisenärzt,  alda  die  armen  leutb  umb  ire  seligmachende 
cv.  religiousbekantnus  willen  aufs  feindlichist  und  h««ftigist  zu  tribulieru 
Daraus  besorgenlich  gar  bald  landverderblicher  uni-atb,  aufstand  des  ge- 
Diiiin  raans  und  alles  fibel  möchte  ervolgen.  Gott  welle  sich  .  .  .  Grätz, 
den  15.  Uctober  99. 

■  Yerordente. 

■  In  simili  an  die  .  .  .  in  Crain  mutatia  mutandis. 

Die  Verordneten  von  Steiermark  an  die  von  Kärnten:  Antwort  auf  deren 
Schreiben,  betreffend  die  Zusammenkunft  von  Beptdirten  aller  drei 
Länder  und  die  Berufung  Dr.  Schleiptter's.    Grae,  1599  October  17. 

(Conc.  SteiermSrk.  L.-Archiv,  Chron.-S.) 

Was   uns  die  herrn  .  .  .  den   12.  d.  .  .  .  zugeschriben  .  .  .  haben 
wir  vernauien.    Nachdem   wir  aber  auf  der  in  mehr  betrüebten  und 

Arehir.  LXUVUl.  tld.  U.  llUfte.  88 


346 

wichtigen  Sachen  jetzt  hie  wesenden  Steirischen  herm  und  landlenth  ge- 
messnen  Verordnung  den  herm  noch  vom  voi^estrigen  dato  in  angeregter 
höchst  wichtigisten  msteri  ir  der  Steirischen  herm  und  landlenth  md 
unser  volmainlich  geschöpftes  intent  mit  mehrerm  schriftlich  angaffiegt 
und  auch  destwegen  gemeiner  landschaft  diener  Hansen  SchweigichoTer 
mit  sonderm  fleiss  zu  den  herm  nach  Clagenfurth  abgefertigt,  als  werden 
sie  aus  solchem  der  herrn  schreiben  und  sein  Schweighofer's  mttndliehw 
relation  die  notturfTt  zum  benfiegen  haben  zu  vernemen.  Bitten  allein 
die  herrn  freundlich,  sie  wellen  uns  in  sachen  den  durch  sj  bestimbten 
tag  unverzfiglich  ehist  zu  wissen  machen,  darnach  sy  die  Ton  den  Steiri- 
schen ditsorts  deputierten  herrn  and  landlenth  zn  richten  und  hinein  n 
befördern  wissen. 

Im  übrigen  den  Dr.  Schleupner  betreffend  ist  solcher  ans  disea 
lande,  weil  er  sein  tag  nie  darin  gewest,  auch  niemalen  daraus  relegirt 
worden,  daher  es  bei  den  herrn  auf  vernemung  der  sachen  eigentlichen 
beschaffenheit  unsere  verhoffens  destweniger  bedenken  haben  wirdet . . . 
Welten  wir  inen  neben  communiciemng,  was  wir  des  Kandelbergers  vni 
Gabelkofers  halb  erst  heut  pro  resolutione  empfangen,  fr.  anf&egen  . . . 
Grätz,  den  17.  October  1599. 

8. 

Die  Verordneten  an  Wolf  Freiherm  von  Saurau:  sieh  triftiger  Dinge 
wegen  unverzüglich  eu  seiner  Verordnetensteüe  eu  verfügen.  Grae,  1599 

October  17. 

(Conc.  Steierm&rk.  Ii.-ArchiT,  Chroii.-R.) 

Post  scriptum:  Was  uns  erst  heut  wegen  des  Kandelbergers  ond 
Gablkovers  von  hof  zu  bescbaid  ervolgt,  das  hat  der  herr  hiebei  zu  sehen, 
als  wol  wirs  auch  den  verordneten  in  Kärnten  eingeschlossen  haben. 


Die  Verordneten  von  Kärnten  an  die  von  Steiermark:  Hatten  mit  Bt- 
trübniss  von  dem  unerhörten  Process  gegen  die  evangelische  Stift^rdu 
in  Grae,  gegen  den  Secretär  Hans  Adam  Gabelkofer  und  den  Agenten 
Hans  Georg  Kanddberger  vernommen.  Zur  Zusammenkunft  ist  Klage»- 
fürt  wohl  geeignet,  doch  könne  sie  vor  dem  15.  November  nicht  statt' 
finden.   Klagenfurt,  1599  October  20. 

(Orig.  Steierm&rk.  Ii.-ArcliiT,  airoB.-B.) 


347 


.  .  .  Haben  mit  ganz  mitleidenlicher  betrfiebnus  vernomen,  was  be- 
scbwärlicher  hievor  gewisslich  unerhörter  procesB  sich  abermallen  vor 
wenig  tagen  mit  .  .  .  E.  E.  L.  aigenthumblicli  angehörigen  in  der  stat 
Qrätz  gelegeneu  stifftkircheu  durch  Iren  unversehens  durch  einen  camer- 
diener  gen  hof  Gitterten  und  volgends  iinbewust  der  Ursachen  gefänglich 
eingezogenen  secretariu  Hans  Adamen  Gabelkhofer  und  dstnn  dem  nun 
ain  gnete  zeit  an  dem  fürstlichc^n  haubtschlüäs  Grätz  in  gefiingknuB  ligen- 
den  auch  iro  der  Steyrischen  landschaft  iliener  und  iu  Prag  gehabten 
agenten  Hans  tieorgen  Khandiberger  ereigent  nnd  wie  ganz  enfrig  sich 
zwar  die  heixn  neben  denen  anwesenden  herrn  und  landleiiten  der  Sachen 
angenomen  aber  über  alles  geil,  tiehen  und  bitten  noch  bisheru  nichts  erlangt 
. .  .  Wie  nnn  ...  in  albeg  zu  verhoffen,  des  obgemelten  gefangnen  secre- 
tarij  Gabeifchofers  und  übel  tractierten  Kandlbergere  Unschuld  werde  inen 
zu  irer  efaeisten  erledig-  nnd  freistellung  erspriessen,  also  sullen  wir  den 
herrn  .  .  .  anzudeuten  nit  unterlassen,  dass  in  umbstendiger  erwegung 
.  .  .  die  .  .  .  Zusammenkunft  .  .  .  alher  in  (iie  stat  Ciagenfurt  anzustellen 
so  wenig  zuwider  sein  solle,  als  wir  ilieselb  zwar  unsere  thails  gern  mQg- 
lichist  befürdern  wolteu,  demnach  aber  die  .  .  .  f.  resolution  erst  nach 
jängster  der  Khärnerischen  herrn  und  landlenth  alhieigen  auwesenheit 
etlichen  vTolerfarnen  zu  deren  eifrigen  erwegung  und  gebürlich  wolfun- 
dirter  ablainung  .  .  .  zugestelt  worden,  auch  das  .  .  .  landrecht  nun  .  .  . 
am  montag  nach  Omnium  Sanctorum  sein  anfang  erraichen  wird  ...  so 
kau  dannenhero  solliche  Zusammenkunft  vor  dem  15.  .  .  .  Novembris  nit 
wol  fürgenummen  werden  .  .  . ' 


10. 


Die  Verordneten  von  Steiermark  an  die  von  Kärnten:  .Antwort  wegen 
der  zuvor  in  Kärnten  berathscMagten  Beputatiomschriß  in  Religions- 
sachen' (und  dass  deshalb  die  Nothwendigkcit  erfordere,  zum  Zwecke 
weiterer  Berathschlagung  während  des  steirischen  Landtages  Gesandte 
hieher  abeuschicken.  ,Item  wegen  Erstattung  der  ihnen  dargeliehenen 
Kandlbcrgerischen  200  Thaler').    Orar,  1600  Jänner  9. 

(Conc.  StaiennÄrk.  L. -Archiv,  Chron.-R.) 

"^    "Und  nachdem  den  herrn  noch  vor  disem   200  taller,  so  Hanss 
Georgen    Khandiberger    Ton    inen    zu    verehren    bewilligt,    sein    der- 


•  Wird  von  den  Verordoeten  von  Steiermark  am  21.  October  be»ntwortet 
Der  Tafr  der  Zusammenkunft  wird  anf  den  IG.  November  fest^setzt. 

23* 


348 

gleichen  durch  die  unlängst  zu  Clagenfnrth  geweste  Steyrischen  com- 
missari  so  munt-  als  schriffUich  wegen  der  widerbezalung  sein  (aie)  solli- 
citirt  worden,  als  ersuechen  die  herm  in  namen  diser  E.  E.  L.  wir  hienit 
abermallen  freundlich,  sy  wollen  auf  die  eheste  widererstattang  on&ilbir 
bedacht  sein. 

11. 

Aus  dtm  am  10.  Jänner  1600  dem  Landtage  erstatteten  Beruhte  der 

steiriseken  Verordneten  über  die  politisehen  und  kirdUichen  Beaekwerde», 

romekmlieh  über  die  Behandlung  Kanddberger's  und  Oabdkofer's. 

(SteiermXrk.  L.-ATchiT,  Landtagsscten  and  Landtagshandlnngen,  Cod.  46, 

Pol.  Sli-ff.) 

Die  neuerlichen  beschwärungen  aber,  so  E.  E.  L.  dises  vergälle 
iar  hero  znegefflegt  worden,  sein  thails  laider  dermassen  betrfleblich  be- 
schaffen, dass  do  zu  vorverschinen  Zeiten  und  iaren  sy,  £.  E.  L.,  etwo  in 
gemain  und  landlenth  in  particulari  zuwider  alt  herkomen,  g^et  gwohn- 
hait  und  landshandvest  am  guet  und  dgl.  gravirt  worden,  es  jetio  darbej 
nicht  thuet  verbleiben,  sondern  iio  haben  derselben  und  unsers  gemainen 
gliebten  vatterlands  unbilliche  widerwertige  durch  allerhand  gschwindt 
gfährllche  process  an  irem  in  zeitlichen  dingen  alleredlisten  schätz  als 
des  von  undenklich  und  vil  hundert  iaren  treuerworbnen  und  wolher- 
gebrachten  löblichen  Steyrischen  gueten  namens  ehr  und  leimunds  ein 
solche  ganz  nuTerscbuIdte  maculam  fnrsetzlich  anzuheng^n  sich  nnder- 
wunden,  dass  es  nunmehr  nicht  nur  land-  sondern  durch  die  geschribnen 
avisen  &8t  weltkundig  worden,  besorgentlich  wol  auch,  wie  oft  in  andern 
^len  ungüetlich  beschicht,  unlang  gar  in  druck  divnlgirt  werden  mecht«, 
was  nemlich  E.  £.  L.  für  allerlay  unerbar  unpidermannische  practic  und 
untreu  wider  I.  F.  D.  .  .  .  zu  unterdrück-  und  Terstossung  des- 
selben mit  vergessner  beiseitsstellung  ihrer  pflicht,  treu  und  erbholdi- 
gung  gefährlicher  weis  molirt  haben  solte,  daher  dan  and  weil  auf  sj 
dergleichen  unbillicher  verdacht  geworffen,  seind  bald  nach  fertigem  land- 
tag  bey  allen  posten  die  schreiben  intercipirt  und  aller  ansechlich  ge- 
treuist erfundener  mitglider  brief  und  Sendschreiben,  wo  die  auf  der  post 
oder  bey  andern  potten  angetroffen  und  zu  I.  F.  D.  gehaimem  rath  und 
hofvicecanzler  getragen  und  alda  eröffnet,  darauf  auch  bald  hernach,  weil 
aus  denselben  allen  dergleichen  untreue  gewiss  nimmermehr  zn  spfiren, 
mit  irem  E.  E.  L.  etlich  jar  hero  besteltem  diener  und  gewesten  agenten 
am  kaiserlichen  hoff  zue  Frag  Hans  Georgen  Khandelberger,  einem 


349 


jederzeit  in  ehren  wülerkeDnten  aufrichtigen  golerten  pidersmann  ein 
hievor  in  diesen  landen  nie  erhörter  ganz  schmerzlicher  und  gefährlicher 
process  förgeunmen,  welcher  noch  vor  7  ganzen  monaten  zu  Prag  bey 
nächtlicher  weil  gfanglich  eingezogen  und  in  eisen  verschmitter  alher  auf 
E.  F.  D.  haubtschloBB  Grätz  gefiert,  nach  langwieriger  gefangnuH  volgends 
zn  undersehidlichen  malen  gfletlich,  vil  mehr  aber  mit  der  schreck- 
lichen tortur,  auch  feur  und  prand  aufs  greulich-  erbarm- 
lichist  gemarttert,  worauf  er  aber  examinirt  worden,  davon 
wurde  er,  wan  es  zu  ordenlichen  gebQrlichen  process,  den  gemainen 
rechten  gemäss  kommen  solle,  die  beste  auskunft  zu  geben  wissen.  Also 
und  zu  noch  mehrerm  E.  E.  L.  unablcBchlichem  spott  ist  auch  derselben 
verpllii-bter  dlener  und  geschworner  laudsecretari  Hans  Adam  Gablkover, 
welcher  E.  E.  L.  in  gemain  und  den  herrn  und  landlonthon  insonders 
von  seiner  treu,  erbar-  und  aufrichtigkuit  zum  benüegen  bekant,  ainsmals 
und  noch  vor  ainem  viertel  jar  unversehens  durch  ainen  camerdiener 
gehn  hof  erfordert  und  als  er  seines  gueten  gwissens  halb  unbedenklich 
erschinen,  stracks  unverhört  auf  gemelts  hieigs  f.  haubtschloss  in  ein 
bscbwärliche  gfangnus  gelegt  und  seithero  zu  mehrniainn  mit  starker  be- 
droung  gleichuiässiger  tortur  scharf  examinirt  worden,  und  ob  nun 
gleichwol  wir  verordenten,  wie  auch  die  verschinen  iars  zu  ctlich  malen 
besamblet  gewebte  herrn  und  laudlouth  bei  I.  F.  D.  ditsorts  gehorsambist 
einkomben  und  dessen  im  namen  E.  algemeinen  L.  wie  billich  zum 
höchsten  erclagt  und  umb  auskiinfft.  warumen  doch  mit  solchen  E.  E.  L. 
erlichen  offlcieru  und  verpflichtem  secretair  so  beschwer-  und  schmerz- 
lich procedirt  werde,  in  underthenigkeit  gebetten,  uns  aber  auch  hierauf 
ainicher  gwerlicher  bschaiil  nit  erthailt  noch  ureach  ires  Verbrechens 
angezaigt  worden,  inmassen  solches  aus  denen  hinc  inde  abgangnen 
schrifften  und  decretis  hiebey  sub  litera  I.,  do  es  die  notturfft  erforderte, 
mehrers  zu  vernemen  wäre,  so  erscheint  jedoch,  dass  durch  jetzt  ge- 
meiten  process  nicht  fürnemlich  dise  E.  E.  L.  gefangne  diener  sondern 
haubtsächlich  sy  E.  E.  L.  und  die  getreuen  herrn  und  iandleuth  selbst 
ganz  gfllbrUcber  weis  gemaint  und  gesuecht  werden,  seitemal  dasselb 
neben  andern  sonderlich  aus  I.  F.  D.  an  die  herrn  und  laudleuth  in 
disen  drei  landen  Ä.  C.  ervolgten  religionsresolution  mehr  als  überflüssig 
zu  spueren,  darinen  sich  nachfolgunde  starke  anzug  lauter  be&ndt,  wie 
sich  nemblich  dieselben  als  I.  F.  D.  mit  aid  und  pflicht  multipliciter  ver- 
pundene  vasaln,  landleuth,  räth  und  diener  unbeschaiiien,  orgerlich  ver- 
gflndet,  vergriffen,  vom  rechten  weg  der  sitten  abgewichen,  item  den 
gemainen,  ainfeltigen  man  im  land  zum  ungehorsam  und  Verachtung  der 
I.  f.  übrigkait  angeraizt,  die  grenitzen  von  ireni  fürnemen  gegen  den  erb- 


350 


feind  abgebftlten,  die  Venediger  zu  irem  uralten  gegea  das  .  .  .  haos 
Österreich  tragenden  bass,  neid  and  feindthatlichkeit  wider  I.  F.  D 
land  and  leuth  zu  verarsachen  und  dergleichen,  ja  es  haben  auch  nicht 
weniger  mit  iren  uhne  scheuch  öffentlich  divulgirten  beschwärlichen  reden, 
diejenige  thails  frembde  Italianische  commiBsarien  und  examinatorra, 
welche  bisher  zn  inquirir-  und  torquirung  ements  Kandelberger's  ood 
des  secretari  Gabelkovers  depntirt  gewesen,  ander  denen  sich  auch  ein 
Steirischer  neu  angenommener  landmann  Ludwig  Camil  Snardo  befunden. 
fOrsetzlich  verursacht  und  so  weit  spargirt,  dass  nunmehr  commnms 
fama  daraus  worden,  wie  dise  E.  E.  L.  zumal  derselben  Stejrische  lObl. 
ritterschaft  wider  mehr  höchstemente  F.  D.  waiss  nicht  mit  was  fftr  no- 
treue und  gefährlicher  prodition  ires  aignen  vaterlandts  sich  rergriffen 
und  ullerlay  atrocissima  laesae  maiestatis  crimina  selten  begangen  haben, 
zu  dessen  inquirir-  und  torqairang  derselben  diener  und  ofScier  eing^ 
zogen  und  mit  inen  auf  dato  solchergestalt  procedirt  seje.  Wie  hoch  dan 
nun  solchs  alles  E.  E.  L.  in  erweg^ng  derselben  Unschuld  zu  gemOeth 
und  hei'zen  gehn  und  neben  andern  hieraus  folgenden  inconvenientien 
dasselb  nun  auch  das  gemaine  land-  und  hoch  periclitirende  grenrweetn 
muess  entgelten,  das  hat  E.  E.  L.  .  .  .  zn  ei-wegen.  Wir  als  dersvlben 
verordente  haben  solchs  fürgeloffnen  process  effectum  dahin  auag»- 
schlagen  befunden,  dass  E.  E.  L.  .  .  .  credit  in-  und  ausserlands  .  .  .  w 
sehr  gefallen,  dass  .  .  .  das  geringest  geltlehen  nicht  mehr  ist  aufoi- 
bringen  .  .  .' 

Also  wirt  auch  ferrer  mit  andern  E.  E.  L. .  . .  verpflichten  dieoem 
zuwider  otTenbarer  landsfreiheiten  .  .  .  und  zu  .  .  .  confundiemng  der 
.  .  .  verglichnpii  Instanzen  .  .  .  von  hof  ab  executione  .  .  .  procedirt  .  .  . 
inmassen  nicht  allein  etliche  derselben  auf  etwo  blosse  relation  der  wider- 
wertigen  bald  für  disen  bald  für  ainen  anderen  f.  geh.  rath  wie  £.  E.  L. 
canzleiregistratori  Carln  Viechter  und  dem  canzleiverwondten  Alexander 
Neffen  dis  verschine  jar  begegnet,  citiert  werden,  sondern  es  ist  auch 
gemainer  L.  geschworner  schrannenadvocat  M.  Ulrich  Holzer  vor  wenig 
monaten,  damalen  I.  F.  ü.  im  Eisenärzt  sich  befunden,  für  den  herrn 
Statthalter  erfordert  und  unverhört  auch  unangezaigt  ainicher  arsach  io 
gfftjigliche  verhafftung  ain  guete  zeit  genunien  worden.  E.  E.  L.  hat  sich 
zu  berichten,  was  sie  im  fertigen  Inndtag  wegen  derselben  g'ewest«D 
haublinans  und  bstelteu  buechdiiickers  Hansen  Schniids  in  iren  landtags- 
schrifften  bey  I.  F.  D.  geh.  angebracht,  bey  welchem  es  I.  F.  D.  auch 


'  Fol^n  weitere  AnsfBhmngen   der  Fol(ren  des  Niedergange«   der  Credit- 
verbJUtaisse  für  die  Landesvertheidigung. 


351 


damals  haben  lassen  verbleiben,  nnd  als  wir  zn  noch  mehrerm  Qberflnss 
den  herrn  hofvicecanzler  bienimen  mündlich  ersuecht,  hat  er  uns  selbe 
lanter  angezaigt.  wie  es  sein,  des  Schmidfi  halber  seinen  gneten  weg 
haben  solle,  aber  dessen  ungeachtet  ist  er  seithero  mit  grossem  ernst 
von  binnen  geschafft  und  aller  I.  D.  erblande  auf  ewig  verwiscn  worden, 
dessen  dann  laider  nicht  weniger  auch  andere  E.  E.  L.  getreue  officier 
und  diener  ...  zu  befahren  und  zu  besorgen  haben  .  .  .' 

Nach  gwalttbätiger  aufprecb-  und  entziehung  E.  E.  L.  alhieiger 
über  32  iar  aigentbumblich  possedirten  stifftlrirchen  (dabei  sich  ob- 
ennelter  .  .  .  Suardo  unlandsmannischer  weis  mi.ssbrauchen  lassen),'  auch 
des  proTosens  eingrif  in  derselben  stifftcoUegiun  ist  iro  gemainer  land- 
schaft  zn  merklichem  präjudicio  und  Terschimpfung  an  dero  .  .  .  land- 
haus  zuwider  der  ...  in  banden  habenden  freiheiten  diser  spot,  gwatt 
nnd  beschwärung  zugefüegt  worden,  dass  .  .  .  der  alhieige  bürgermeistcr 
and  Stattrichter  sambt  der  statt  guardi  nnd  vier  Jesnitern  unversehens 
eingefallen  und  nicht  allain  in  die  darin  vil  lange  iar  gewoste  buoch- 
läden  ohn  alles  vorgehundes  verpot  und  ungewarnt  eingriffen,  was  sie 
von  ev.  bflechern  alda  gefunden,  dieselben  sambt  vilen  andern  weltlichen 
philosophischen  nnd  historischen  bQechern  hinweg  genommen,  auf 
etlichen  w%en  zn  den  Jesuitern  hinaufgofiert  sondern  auch  beede  thfir 
darinnen  im  landhaus  mit  bewehrter  wacht  und  überzognen  lianen  an 
den  roren  dennassen  besetzt  und  verstanden,  dass  sie  solchen  halben 
nachmittag  fast  uiemands  ein-  noch  ausgelassen;  und  ob  wir  uns  nun 
dessen  im  namen  gemainer  landschaft  bey  I.  F.  D.  zum  höchsten  be- 
schwärt, ist  uns  doch  diser  bschaid  ervolgt,  dass  sy  zwar  solchen  eingrif 
ins  landhaus  und  wegnehmung  der  buecher  verordent,  aber  E.  E.  L.  an 
irer  .  .  .  freiheit  nichts  präiudicirt  sein  solle  .  .  . 

Etlichen  .  .  .  herrn  und  landleuten  sein  dises  verwichne  iar  hero 
zu  vilmalen  ire  mobilia,  auch  zu  bewehrtuiacbimg  des  10.  und  5.  maus 
nnd  irer  aignen  henser  auf  dem  land  von  den  cramern  und  ans  E.  E.  L. 
Zeughaus  in  der  statt  alhie  erkaufte  arma  und  rüstung  bei  den  statt- 
tbören  mit  gwalt  aufgehalten  worden  und  als  sie  sich  dessen  erclaget, 


'  Klagen  über  den  in  Folge  dessen  einreiasenden  Mangel  an  tauglichen 
Officiuren,  über  die  i^egeii  den  Vorschlag  der  Land-ichaft  erfolgte  Be- 
setzung der  Oberlmuptmauiisstolle  zu  Kreuz,  über  die  vom  LandesfUraten 
begehrte  Absetzung  des  Profosen  Bitfaner,  über  die  Ausweisong  von 
BQrgem,  deren  Verhaftung,  das  gewaltthStige  Vorgehen  der  Boligions- 
roformationscxminisaüre  im  Ennsthalo,  die  brutalen  Uewalttliaten  in 
Strechsu,  die  Eingriffe  in  die  Stiftskirche  (siehe  oben)  etc. 

*  Die  eingeklammerten  Worte  ausgestrichen. 


353 


presente,  quäl  li  111°''  S'  iil  paese  et  V.  S.  mi  fano,  quäl  nii  ä  conzeso  di 
acetarllo,  ancor  che  io  non  abia  servitto  V.  S.  dt  tal  favor,  mi  riservo  a 
bocba  ringratiar  il  111"°  capitanio  et  li  111""'  S'  et  V.  S.  di  core  mi  ofero  et 
ricomando. 

D.  V.  S.  molto  .  .  . 

Carlo  Scarlichio. 


13. 

IHe  Erledigung  der  politischert  Beschtcerden  der  steiermärkischefi  Land- 
schaft: Anerkennung  der  Berechtigung  eines  Theilcs  ihrer  Beschtoerden 
und  ihrer  unentwegten  Treue.  Nur  Eineeine  Mtten  sich  vergangen  wie 
Kandelbergcr ;  Gdbelkofer  sei  auf  freien  Fuss  gesetzt.  Die  Besetzung 
der  Ofßdersstellen  sei  keine  Neuerung.  Das  Vorgehen  der  Beligions- 
reformationscommissäre  im  Ennslhale  sei  eu  Erhaltung  der  landes- 
fürstlichen Autorität  nothtcendig  gewesen.  Der  Actus  im  Landhause 
und  gegen  die  Druckereien  bedeute  keinen  Eingriff  in  die  Landesfrei- 
heiten etc.   Graz,  1600  Jänner  24. 

(Cop.  Steiermark.  L.-Archiv,  Landtagsacten  1600.) 

Hit  was  beschwäfungea  .  .  .  dise  E.  E.  L.  ...  ualaDgst  ein- 
korabou,  haben  1.  F.  D.  .  .  .  vernomben.  Und  wie  sie  nun  dieselben  mit 
gnaden  .  .  .  abgehört  .  .  .  also  müessen  sie  auch  anfänglich  der  warheit 
zu  Steuer  .  .  .  bekennen,  gy,  die  getreue  1.  habe  zu  süllichem  anbringen 
.  .  .  guetes  thails  nit  unbefuegto  Ursachen,  darumben  ay  dann  auch 
I.  F.  D.  gn.  wilfahrige  erscheiniing  umb  so  vil  mehr  im  werk  spüern 
sollen:  die  dann  unter  andern  dies  E.  E.  L.  mit  nichten  gönnen,  dass  sy 
in  den  angedeuten  Schuldenlast  geruuneu  und  sich  mit  den  fürgeloffnen 
anticipationen  so  hoch  vertiefen  müssen.  Aber  solche  und  andere  unge- 
legenhaiten  .  .  .  sein  fürnemlich  den  beti-üebten  leQffen  .  .  .  zuezn- 
scbreiben.  Nach  wellicher  verstreichung  sich  auch  der  lengst  ge- 
wünschten refocilliening  nnd  erquickuug  zu  getrosten  .  .  . 

Und  ist  fürs  erste  ja  ein  hochbeschwärliche  sach  .  .  .  dass  von 
den  alten  und  neuen  reichshilfsgeföllen  gar  nichts  einkomben  .  .  . 

Die  F.  D.  wissen  sich  .  .  .  wol  zu  erindern,  wie  noch  vor  disem  des 
k.  kriegszallmaisters  Hans  Georgen  Eandelberger  um  11.641  fl.  10  kr. 
lautunileu  Scheins  willen  ein  begern  an  sy  gelaugt  und  darüber  ain  com- 
mission  zu  beeprechung  sein  des  Kandlberger's  verordent  worden,  dahero 
nnn  I.  F.  D.  gänzlich  dafür  gehalten,  die  darüber  zu  beden  thailen  aus- 
gangne  Verordnungen  betten  alberait  dazumal  ir  billiche  volziehung  er- 


354 


langt.  Weil  es  aber  mit  I.  F.  D.  nicht  gerini^r  befrembdang  noch 
dato  nit  goechnhen,  haben  I.  F.  D.  dero  n.-ö.  regimentsrath  Dr.  An- 
gelo  Costedi  vom  neuen  auferlegt,  alsbald  sich  die  von  £.  E  L 
verordneten  commissarien  anmelden  .  .  .  doss  er  sich  stracks  6ad«o 
lasse  .  .  . 

Ob  ja  wol  I.  F.  D.  ungern  daran  komben,  dass  sy  aus  dem  jflnftt 
herein  gelieferten  gelt,  den  reichshilfsgefiMlen  E.  E.  L.  portion  mi 
dritten  thail  davon  nemben  lassen,  so  ist  doch  wissentlich  vrohin  es  4 
pur,  lauterer  noth  als  nämlich  auf  das  desolierte  haus  und  vestnng  I^ 
trinin  .  .  .  angewendet  worden,  dann  weil  weder  dise  noch  die  andern 
landschaften  zu  derselben  erbaltung  nichts  contribuiem  wtillen,  I.  F.  D. 
auch  ihren  «Iftern  protestationen  gemäss  anderwärts  nichts  zu  erhöben 
gewist,  haben  sy  zugleich  kain  anderes  miti  das  nothleidende  kriegtrolk 
zn  trösten  und  weiter  zu  erhalten  für  die  haudt  zu  nemen  gevist, 
welches  nun  E.  E.  L.  versehentlich  so  hoch  nit  empfinden,  znmall  di« 
noth  kaincm  ge-satz  nnterworffen,  sondern  ob  dem  .  .  .  znfriden  sein 
werden,  dass  ihnen  dise  her  dann  genombne  entlehnte  geltsumma  ans  des 
nagst  einkommenden  reichshfilfsgefäUen  wQrklich  erstattet  .  .  .  werden 
solle.  Dass  die  mitleidenden  statt  und  markt  .  .  .  sogar  ein  geringes  .  . . 
an  iren  fertigen  aiischlag  entrichtet  haben  und  sonst  mit  irer  steoer- 
erlegung  so  saumbig  erscheinen  und  an  den  drej  nSf^st  verflosseoen 
jaren  so  ainen  grossen  ausstand  hinterstöllig  sein  sollen,  befrembdat 
I.  F.  D.  nit  wonig.  seitomall  sy  in  einbringung  der  alten  .  .  .  stcosr- 
restantcn  aincn  sollicben  modum  und  linderung  ...  zu  bnucba 
pflegen,  dardurch  die  stOtt  und  markt  zu  sollicher  saumbsälligkeit  «ul 
kain  ursach  haben  sollen  .  .  .  Damit  aber  ...  die  statt  und  markt  in 
der  gebflr  .  .  .  gehalten  werden,  haben  I.  F.  D.  an  dero  n.-6.  regierung 
und  camer  .  .  .  Verordnung  ausgehen  lassen  .  .  . 

Ain  gleichniässic^e  Verordnung  soll  auch  auf  die  pfandschaftter,  aof 
kefiffer,  auf  widerkauf  und  I.  D.  aigenthumblichen  hurrschufteu  wegen  n 
(«rlegnng  irer  binderstelligen  ausstände  ausgehen  .  .  . 

I.  F.  D.  wollen  dr>r  hofcamer  auferlegen,  eheist  bedacht  in  seio, 
hinföro  (iu  den  anticipationen  der  bewilligten  zapfenmass)  .  .  .  mit 
mehrcrm  reservat  fOrzugehen. 

In  (lern  punct  der  entsprungenen  Wallachen  Unterhaltung  and  die 
für  sy  zu  etlich  malen  dargebne  profiautierung  wie  auch  derselben  .  . 
eretattung  wfdlen  I.  F.  D.  .  .  .  E.  E.  L.  antwort  erwarten  .  .  . 

Mit  sondern  gnaden  vermerken  ...  I.  F.  D.  und  E.  E.  L.,  disssy 
ungeacht  solcher  .  .  .  beschw&rungen  mit  der  landtagserclärnng  nnd  be- 
willigung  vortschreiten  .  .  . 


355 


Und  Bovil  in  specie  Otten  von  Horberstorff  .  .  .  mit  seinem  brueder 
Andreen  .  .  .  rechtshandl  betrifft  .  .  .  weil  die  verhoffte  erörterung  bis 
dato  nit  volgen  wollen,  gedenken  I.  F.  D.  die  Bchleinige  .  .  .  befürderang 
wirklich  zu  verorden  .  .  . 

I.  F.  D.  wissen  sich  von  zeit  an  ires  gedenkens  kaines 
andern  zu  erindern,  haben  es  ancb  niemals  änderst  ver- 
nomben  and  befanden,  dann  dass  diese  E.  E.  L.  in  Steyr  so- 
woll  gegen  I.  F.  D.  als  iron  .  .  .  vovfordern  von  undenklichen 
iaren  hero  in  beständiger  treu  ond  aufrichtigkeit  jederzeit 
verharrt,  halten  nach  die  mitglider  derselben  sament  und 
sonders  für  solliche  pidersleuth,  dass  sy  inen  anders  nichts 
als  alles  liebs  und  guets,  noch  immerfort  und  durchaus  kain 
infidelität  .  .  .  zuetrauen,  sein  auch  diser  gentziichen  hoffnnng,  ay 
werdnn  sich  auch  hinfflro  nicht  minder  in  diser  hochrüem blichen  treu 
unaufhörlich  erfinden  nnd  sich  von  kainerlay  zaestand  davon  ab- 
wendig machen  lassen  .  .  . 

Dass  aber  auf  ein  zeit  die  clagte  intercipierung  und  Affnung  der 
brief  und  Sendschreiben  von  I.  D.  verordnet  worden,  ist  mit  nichten  zu 
dem  ende,  dass  in  E.  £.  L.  ein  mistrauen  gesetzt  oder  sy  aines  un- 
gleicheu  bezigen  werden  solle,  sondern  .  .  .  destwillen  beschechen,  damit 
etlicher  privat-  und  particularpersoneii  alberait  gespuerte  untreue  au- 
schlög  besser  an  den  t^  komben  und  künftiger  unrath  verhüetet  werden 
möchte,  also  dass  E.  £.  L.  iro  diss  so  hoch  nit  zu  herzen  gehen  lassen 
noch  gedenken  solle,  dass  sy  dardurch  an  mehr  orten  iren  bis  dato  er- 
haltnen  gueten  credit  in  die  schanz  gesetzt  het«,  dann  weill  solches  sy 
nit  angehet,  .  .  .  hat  sie  auch  dessen  gar  nit  zu  entgelten  sondern  ist 
ditsorts  allenthalben  fär  entschuldigt  zu  halten. 

Alsvil  aber  ermeltes  Eandelbergers  einziehnng  belangt,  in- 
massen  dieselb  'lu  Prag  auf  die  gefundne  verdächtigkeiten  von  I.  K.  M. 
selbst  vcrordent  worden,  also  hat  auch  dero  gn.  bevekh  mit  weiterer 
procedierung  iilhie  volzogen  werden  sollen,  und  hat  Kandelbei-gor  sonst 
niemandts  andern  die  schuld  dises  seines  unglücklichen  zuestands  znezu- 
messen.  Darbey  sich  dann  I.  F.  D.  gn.  erbotteu  haben  wollen,  ime  wider 
recht  und  die  billigkait  nichts  widerfahren,  sondern  auf  sein  defeusion 
gebürlichermassen  erkennen  zu  lassen;  dessen  nun  zu  erwarten,  wie 
dann  der  eveutus  des  handele  beschalTenhait  mehrern  dilucidiern  winiet. 

Und  weil  E.  E.  L.  secretari  Hans  Adam  Gablhofer  auf  ir  der 
ganzen  landschaft  embsiges  anlangen  und  in  gehorsam  angebottne 
widerstetlung  seiner  Verhaftung  fierait  erlassen  und  auf  freyen  fuess  ge- 
stellt worden,  ist  seiner  umb  so  vil  weniger  derzeit  weitere  meldnog  zu 


356 


thun:  aber  aiumal  ist  nit  in  abred  zu  steilen,  dass  er  sich  obangedenter 
Kandelbergeriscben  verdiichtigkaiten  nit  wenig  thailhafftig  gemacht  und 
also  T.u  seiner  person  Torhaitnng  genuegsambe  arsach  geben. 

Die  citierung  E.  E.  L.  und  diener  in  I.  D.  namen  ...  ist  fQr  kain 
80  hoch  bescbwarlichc  npnerung  anzuziehen,  dann  sevtemail  T.  D.  die 
landleuth  selbst  zu  erfordern  befnegt  .  .  .  warumbcn  solten  iro  dieoff 
ain  mehrer  freyhait  and  vortl  ditsfals  haben?  Es  ligt  aber  alles  an  dem, 
dass  E.  E.  L.  und  dero  berrn  verordenten  gemelte  ire  officier  and  diener 
in  officio  und  dahin  halten,  sich  gegen  dem  herrn  und  1.  forsten  nad 
seineu  gebotten  trutziger  weiss  nit  au£ctiiainen  .  .  .  damit  bedürfte  ei 
kainer  sollicher  fOrforderung  .  .  .  welches  sich  aber  in  dem  HansSehmidt 
puechdiTicker  mit  nichten  befunden  .  .  . 

Raines  andern  sein  I.  F.  D.  jemals  gesinnet  geweseu.  dann  eben 
ire  getreue  landleuth  vor  allen  andern  frenibden  zu  furnemben  iiiengt«D 
und  ämbtern  zu  befürdern  .  .  .  wann  sj,  die  landUuth  sich  nor 
änderst  selbst  durzue  qualifi eiert  und  derselben  ümbter fähig 
machen  werden  .  .  .  Darombun  es  dann  an  sonderlich  an  dem 
hierin  erwinden  wirdet,  dass  sich  jetzt  ermelte  Stejrisehe 
landleute  auf  solche  ritter-  und  tngenliche  Sachen  begeben, 
die  s;  zu  digniteten  habilitiern  .  .  .  Und  I.  F.  D.  hotten  auf  di« 
widerholung  dises  propositi  und  des  jetzigen  burggrafen  hieigen  haubt- 
schloss  kainen  gedanken  mehr  gemacht,  umb  dass  solicher  articl  TormaU 
mit  gnueg8amb(>r  ausfüerung  ablaint  und  I.  D.  darunter  gebrauchter  fneg 
ad  oculum  demonstriert  worden;  darbei  es  dann  auch  billich  verbleiben  lu 
lassen  und  dise  antung  desto  unnotwendiger  zu  halten,  allweil  der  schlose- 
faaubtmau,  als  deme  die  haubtvestung  principaliter  vertraut,  ain  Stejri* 
scher  landtman,  der  «ihne  das  aineu  burggrafen  oder  leitenarobt  mit 
vorwissen  I.  I).  seines  gefallens  gegen  seiner  Verantwortung  aufzuuemea 
befuegt. 

Und  ob  sich  gleichwoll  I.  F.  D.  mit  der  .  .  .  ersetzung  der  uber- 
haubtmannschafft  Grenz  aines  nngewAhnlichen  modi  gebraucht  haben 
möchten,  so  getrOsten  sich  doch  I.  F.  D.  gegen  E.  E.  L.  .  .  .  nicht  alli^in, 
sy  werde  wider  Felixen  von  Schrottenpach  freyherms  person  alt 
ainen  landman  und  mitglied  kein  bedenken  haben,  sondern  anch  er  sich 
zu  des  lands  und  gemeinen  wesens  angenemben  satisfaction  jederzeit 
verhalten.  Und  zu  diser  promotion  haben  ine  seine  treugoloiste  dienst 
hefürdert,  dessen  sich  dann  auch  andere  seinesgleichen  in  fOrfallenden 
gelegenheiten  zu  vergwissen.  Im  Obrigen  aber  wollen  I.  F.  D.  E.  E.  U 
ditsfalls  beschochnen  .  .  .  anmeldens  konftiger  zeit  unvergessan  nad  aUo 
weitere  befuegte  clagen  zu  verhfieten  bedacht  sein, 


357 


I.  F.  D.  ist  zwar  nit  lieb  sonder  vil  mehr  allerdings  zuwider  ge- 
west,  die  bewOste  commiesion  im  nagst  verecbinen  herbst  nach  dem 
Ennsthal  abzufertigen:  aber  wcnne  aus  den  getreuen  landleuten  ist  ver- 
porgen,  dass  I.  D.  gleicbsamb  darzue  genötigt  und  bezwungen  worden? 
Dann  der  ungeborsambe  trotz,  vilfeltige  despect  und  rebellion  bey  denen 
groben  betörten  leuthen  deruiasseu  überhand  nemben,  dass  I.  D.  1.  f. 
reputation,  autoritet  und  würdigkait  nit  mit  geringer  besorgnng  aines 
algemainen  landschädlichen  auflaufs  nnnmehr  gänzlich  periclitieren 
wCUen.  Ist  nun  aineni  und  dem  andern  zu  handhabung  der  gerttchtigkait 
und  erhaltung  des  schuldigen  gehorsambs  was  beschwäiliches  begegnet 
(wiewol  sieh  I.  F.  D.  kainer  so  grossen  particular  bedrangnus  zu  be- 
richten wissen),  haben  sy  es  nur  selbst  überflüssig  Terursacht  und  inen 
die  ganzliche  schuld  in  deme  zuezuniessen,  dass  sy  weder  den  gfletlidien 
vordem  gebrauchten  mitlu,  noch  denen  zu  mehrmallun  an  sy  ausgangnen 
Warnungen  nit  stattgeben,  sondern  in  irer  unsinnigen  hals- 
starrigkait  verharren  wollen,  also  dass  sy  irer  verbrochen  und 
dern  thaühaftigmachung  billiuherweis  nur  selbst  und  I.  D.  aus  iren 
camersgefOllen  gar  nit  zu  entgelten  haben  sollen,  und  B.  G.  L.  wßUe 
für  gewiss  halten,  dass  I.  D.  in  einbringung  der  angcdenten  anschlOg 
alle  gebürliche  modoration  gebrauchen  zu  lassen  gedenken. 

Von  denen  ans  dem  hieigon  landthans  genumbnen  pfle- 
chern  wollen  I.  F.  Ü.  kain  weitere  ausfüerliche  meidung  thuen,  sondern 
über  dasjenige,  so  sy  in  diser  materi  voimals  beantwortt,  altaiu  diss 
widerhülen,  dieweilen  sy  sich  iilberait  lauter  dahin  ercläi't,  sollicher  actus 
solle  E.  E.  L.  an  iren  habenden  und  wolhergebrachten  freyhaiten  gänz- 
lich unnachthaillig  und  unpraejudicierlich  sein,  inmassen  sy  es  dann 
nochmallen  cläriich  mit  gnaden  widerholen,  dass  demnach  sy,  E.  getreue 
L.,  dcstwillen  (I.  D.  zuversichtlichem  versehen  nach)  nunmehr  zufriden 
sein,  sich  darunter  guetwillig  acquietiern  und  zu  ruhe  begeben  werden. 

Dem  puechfüerer  aber  soll  auf  sein  anhalten  gebürlicher  be- 
schaid  gegeben  und  ime  zumall  auf  die  befundene  unverschuldung  nichts 
unbüliches  zuegefüegt  werden. 

Demnach  I.  F.  D.  rath,  camrer,  bestöUter  obrister  und  stattguardj- 
hanbtman  albie  Christoph  Farudeyser  alberait  hieber  wider  an- 
kocnben,  wirdet  er  dem  empfangnen  bevelch  nach,  den  bewüsten  ßind- 
schaidtsohen  mit  der  stattguardj  vor  dem  tbor  fürgelofTnen  rumor- 
handl  der  gebür  nach  wol  zu  rechtfertigen  und  die  erkennte  verprecher  zu 
straffen  wissen  .  .  . 

Höchstermelter  F.  D.  von  wegen  der  buechdruckereyou  im 
landthaus  ausgegangne  generali  sein  aines  so  lautern  Inhalts,  dass  sy 


358 


kainer  anslegung  bedürfen,  nnd  obgleich  woU  von  E.  E.  L.  alhieigen 
druckerey  kain  sonder  meidung  beschiebt,  so  ist  doch  dieselb  darron  mit 
oichten  eximiert,  wie  sich  dann  I.  F.  D.  kaines  andern  zu  erindem  als 
dasa  sy  aiu  absonderliche  Inhibition  noch  am  21.  tag  Septembris  ver- 
schinen  99.  iare  vermfig  beiliegnuder  abscbrifft  an  die  berrn  rerordeotaa 
abgehen  lassen,  mit  diser  andeatung,  es  möge  I.  D.  buechdrncker  der 
Widmanstötter  die  fOrfallende  Steuer-  und  andere  generali  ebenso 
woll  und  geschwind  drucken.  Und  so  nun  I.  F.  D.  solliche  Ursachen  and 
motiven  sy  zu  ermClter  eiiistellung  bewögendt  mitlaufen  lassen,  die  sj 
nochmalleu  nit  zu  improbieren  wissen,  so  sein  sy  demnach  dises  gn 
Versehens,  wolermelte  E.  E.  L.  werde  sich  hierin  kainer  verrer  difficoltet 
gebrauchen  .  .  . 

Umb  die  durch  Jonasen  von  Wilfersdorf  angebrachte  b»- 
schwärong  die  vorhaltnng  seines  unterthans  aus  Hungrischen  belangent 
haben  I.  D.  gar  kain  wissen;  darumben  wollen  sy  in  Sachen  eheiaten 
grändlicheu  bericht  einziehen  und  darüber  was  sich  gebOrt  .  . 
ordnen  .  .  . 

Der  letzte  . . .  pnnct  kombt  I.  F.  D.  darumben  wnnderlich  fUr,  daat 
sy  von  kainen  bestölteu  oder  im  lauf  haltenden  Soldaten  wissen,  also  daM 
es  von  den  abgedankten,  gartierenden  scbüdlichen  knechten  ain  nnwar- 
hafftes  fflrgeben  und  weil  dann  zu  verschonnng  des  armen  ohne  das  vil 
kommernuB  aussteuuden  maus  ernst-  nnd  würkliche  Verordnung  und  ab- 
stellung  der  disfalls  im  land  giassierenden  Unordnung  in  alweg  nina- 
iiemben  von  nötten,  so  lassen  I.  D.  disen  articl  notwendiglich  gleich  be- 
rathschlagen  und  soll  volgundts  die  notturfft  aintweder  durch  genenUl- 
oder  privatmandat  unvenüglich  ausgefertigt  werden. 

Und  so  vil  ... ' 

Decretum  per  Ser"""  archidncem 
24.  Jan.  1600 

P.  Casal. 


14. 

Antwort  der  Landschaft  auf  die  Erledigung  der  politischem  Bes 

durch  Erehereog  Ferdinand  II.  vom  24.  Jänner.  Grat,  1600  Februar  5. 


(CoDC.  und  Cop.  L.-Arcbiv,  L.-H.) 


'  Zam  Scbtone  die  Hoffnung,  die  Landichaft  werde  mit  dieser  Erledi^on^ 
snfrieden  and  versichert  Heia,  4-  ^'  werde  noch  zu  ainer  mehrem  rae- 
lendnug  iu  aioem  und  dem  audem  .  .  .  begierig  sein'. 


359 


Dank  für  das  Eingehen  in  die  finanziellen  Beschwerden  und  das 
Versprechen  ihrer  Abhilfe.  Klagen  über  die  Nichtbezahlung  der  Aussen- 
stände  in  Städten  und  Märkten  etc.  Ursachen  hievun.  Erneuertes  Ein- 
gehen in  die  Eiugritfo  bei  der  Post,  gegen  Kandelberger  und  Gabelkofer. 
Motivimng  der  tVGheren  Klage  über  den  Auwurf  lier  Untreue.  Neuer- 
liche Klage  wegen  des  Citirens  der  Hurren  und  Landleute  und  der  Be- 
förderung von  Ausländern,  wegen  der  Vorgänge  im  Enusthale.  Heber 
die  letztgenannten  Punkte  wird  Folgendes  bemerkt: 

Dass  auch  sonderlich  E.  E.  L.  .  .  .  erwogen,  was  E.  F.  D,  zu  gu. 
entschuldiguug  der  .  .  .  intercipier-  und  erofnung  der  brief  und  Sond- 
schreiben, auch  eiuziehung,  gefenguus,  examiuierung  und  torquieruug 
£.  £.  L.  bestelten  dieners  .  .  .  Hans  Greorgen  Khandelbergers,  wie 
auch  .  .  .  Gabikovers  .  .  .  dardurch  E.  E.  L.  in  gomain  bei  aus-  und 
inleudischen  iu  nicht  geriugeu  verdacht  und  beschuldigte  untreu,  su  nj 
gegen  iren  herrn  und  landfflrsten  moliert  haben  solle,  geraten,  geh.  ein- 
wenden, kann  E,  E.  L.  geh.  nicht  unterlassen,  E.  F.  D.  in  unterthenig- 
keit  sovil  lu  entdecken,  dass  sy  zu  dero  in  vorigen  iren  und  derselben 
verordenteu.  auch  der  Steyrischen  herrn  und  landleut  oftern  anbringen 
beschechnen  .  .  .  beschwerden  wider  all  iren  willen  gedrungen,  sUe- 
weilen  communis  fama  und  die  avisen  hin  und  wider  wais  nicht  was  für 
bochbeschwarliche  reden  spargirt,  dass  mit  torquierung  gedacbts  Kandtsl- 
bergers,  auch  des  secretari  Gabelkovors  exaniiniernng  nicht  sie  als 
ofBcier  fflruemblich  sondefn  haubtsächlich  E.  E.  L.  und  deraelben  ge- 
treue mitglieder  geauecht,  welches  E.  E.  L.  je  billich  umb  dero  unschalt 
willen  ob  iro  nicht  erligen  lassen  kfinnen.  Dass  aber  anjetzo  E.  F.  D. 
E.  E.  L.  iu  gemaiu  und  deren  getreue  mitglider  samet  und  sonders  mit 
solchem  erfreulichen  testimonio  irer  bis  dahero  in  allen  notfullen  mit 
geh.  begierden  erzaigteu  treu  und  beständigkeit  .  .  .  begäbet  und  sie  für 
solche  aufrichtige  pidersleut  erkennet,  welchen  sie  nochmalen  änderst 
nichts  dan  alles  liebs  und  guets  und  durchaus  kein  diffidenz  oder  die  ge- 
ringste inßdelitet,  wie  die  gn.  verba  formalia  lauten,  nicht  allein  nicht 
zuemessen,  dass  auch  die  angedeute  der  brief  iatercipierung  nicht  zu 
dem  ende  beschechen,  dass  in  E.  E.  L.  ainiches  misstrauen  gesetzt  oder 
sy  etwas  ungleichs  bezigen  worden  sein  solle,  dessen  thuet  sich  E.  E.  L. 
geh.  fleisa  bedanken  in  underthenigkeit  verhoffent,  E.  F.  D  sich  von 
dero  .  .  .  Intention  durch  ainiche  widerwertige  .  .  .  einbildung  .  .  .  nicht 
abwenden  lassen  wellen  .  .  . ' 


'  Folgen  Versicherungen  unverbrQchlicIier  Treue.     Da  durch  die  Processe 
der    landschaftliche    Credit     ins    Mitleiden     gezogen    ist,     mOge    I.    D. 


360 


Dass  .  .  .  E.  D.  die  citieiung  E.  E.  L.  ofGcier  ...  für  kaiu  . . . 
neuerung  halten  .  .  .  stelt  E.  E.  L.  in  kein  vernainen,  sondern  iro  alUio 
in  disem  frembd  und  betrüblich  fürkumbt,  indem  sich  dieselb  nicht  »i 
stark  contra  verbalem  sondern  allein  realem  citationem,  da  E.  E.  L 
diener,  wann  sie  durch  ire  missgonstige  hinterrucklings  ttng:netlich  aa- 
gebcD,  auf  beschechnes  oifordern  .  .  .  erscheinen,  indicta  causa,  ud- 
verhört,  auüberwuiiJon  de  facto  gefaugnnsst.  etliche  aber  gar  aus  den 
piirkfriden  oder  wol  ganzen  landt  geschafft  werden  .     ^ 

Aus  was  Ursachen  alsdann  E.  F.  D.  die  Enstallerische  comniissiao 
mit  solcher  anzal  Soldaten  auszufertigen  bewegt,  ist  nnnot  .  .  .  zd  reo- 
tilieren  und  befindet  sich  E.  E.  L.  fürnemblich  in  dem  hOchst  beschwirt 
.  .  .  das  E.  F.  D.  .  .  .  sich  vernemen  lassen,  wie  sie  in  eiubringnng  dtc 
commissions  nncosten  nar  ein  gebürliche  moderation  gebrauchen  n 
lassen  gedenken,  so  doch  E.  E.  L.  aller  exactioneu  statlicb  befreyet  .  .  . 
von  den  verderbten  undertbanen  (nichts)  einzubringen,  nicht  weniger 
auch  die  heurige  bewilligung  zu  leisten  unmöglich  fallen  (wQrde),  .  .  . 
indem  da.s  ausgeschickte  reformationskriegsvolk  von  den  armen  leutes 
mit  gwalt,  bedroung  der  hänsei-  and  städlabbrennung,  notzw&ng,  list  und 
beredung  vil  herauszupressen  sich  hochstrafmässig  unterstanden;  in- 
massen  .  .  .  alsbald  etliche  unterthanen  ohne  ainiches  vorbeschechnac 
erindern  oder  ersnechen  durch  gerichte-  und  andere  diener  erfordert,  das 
ausbleibenden  mit  dem  prant  gedroet,  volgente  sein  dieselben  lands- 
knecht  bei  nächtlicher  weil  in  etliche  hänser  eingefallen,  alles  was  vor- 
handen aufgebrochen,  zerhackt,  zerrissen,  gepiQndert.  verstrent,  die  lest 
umb  hochs  gelt  prantgeschätzt  und  nichts  desto  weniger  noch  empfan- 
genen gelt,  vieh  und  traid  alles  hinwoggenommen  und  den  raub  mit  der- 
selben armen  unterthanen  aignen  zug  binwegzufdhren  benötigt. 

Also  haben  nach  der  herrn  commissarien  verraisen  die  angesetito 
umi'ktrichter  zu  Schladming  und  Gröbming'  den  armen  der  herru  und 
landlcut  undertbanen  .  .  .  eine  hohe  anlag,  welche  die  jarlicheu  zius  und 
Tärkensteuern  übertreffen,  wider  1.  freiheit  angeschlagen,  dieselb  mit 
feindthütigen  bedroungen  abgefordert,  denen,  so  sich  ditsfalls  auf  ire 


bedacht     sein,     dass     der    Landschaft    ,Bbren'     nothdiirftig     restitwH 
werden. 

Bitte,  auch  hierin  die  Sachen  beim  alten  Herkommen  verbleiben  n 
lassen.  Gegen  die  Ernennung  Schrattenbach's  zur  Hanptmannsstelle  in 
Crem  habe  man  nichts.  Aber  die  Nichtbeachtung  der  durch  die  Land- 
schaft gemaditen  Vorschläge  sei  für  die  Landschaft  sowohl  als  Ar  dk 
Vorgeechlagenen  schmählich. 
AtugMtriuhen ;  .welche  schlechte  L<eat  seien*. 


361 


obrigkaiten  referiert  spOttlich  genntwort,  dass  ay  bei  denen,  so  sich 
selbst  nicht  schätzen  kännen,  ja  weilen  E.  E.  L.  freiheit  schon 
aafgebebt,  kain  rath  noch  hülf  suechen  können  .  .  .'  Ueber  das  hat 
E.  F,  D.  landtsptteger  zu  Wolkensiain  Georg  Mayr  mit  hilff  der  zu  Äussee 
ligenden  soldat«n  bei  nächtlicher  weil  uachermals  etliche  unterthanen  ia 
Iren  heisern  überfallen,  neben  dvu  burgern  ron  Gröbtning  gebunden  in 
gcfangnuss  wegfüeren  laseen,  darbei  dann  sonderlich  die  knecht  grossen 
fräfl  und  muetwillon  gotriben,  die  arme  leit  umb  gelt  benetigt,  weib,  kind 
nnd  mägd,  weilen  etliche  bauern  ans  schrecken  entwichen,  mit  angebür 
angesprengt,  darunter  oiaer  aiTDOii  kindbettorin  nit  vorschont  .  .  . 
Gleichfalls  iu  abwexlung  der  giiardi  zu  Aubsüd  habou  dio  knecht  am  hin- 
auf- und  herabraisen  wo  es  inen  gefallen  mit  gwalt  einkhert,  ganze  nacht 
trunken,  nichts  bozalt  und  ,in  etlichen  orten  die  dörfer  umb  gelt  ge- 
schätzt, welches  alles,  do  es  ungestraft  verbleiben  und  den  armen  unter- 
thanen die  empfangnen  schaden  der  billichkait  nach  nicht  widerkehrt 
und  erstat  werden  solle,  daraus  bald  andere  confusion  erfolgen  wurde  . . . 


15. 


,R  E.  L.  Intcrccssion  an  I.  F.  B.  teerten  des  KmtdeUicrgers  anno  1600,' 

(Decdttber  8.) 

(Conc.  Steiermark.  L.-Archiv,  Chron.-R.) 

Zu  den  werken  der  gott  höchst  wollgoßlligen  barmhorzigkeit  wer- 
den alle  chrigtglatibige  durch  die  zeugnussen  der  hl.  schrifTt  und  mit 
sonderlichem  ffirgeatelltom  oxempl  des  barmherzigen  himlischen  vatters, 
ia  zumal  auch  die  ungläubigen  durch  die  natur  und  sanftmOetigkait  des 
menschlichen  geblQets'  wie  gegen  ieden  also  bevorab  gegen  den  nächsten 
menschen  vermahnet  und  bewegt,  auch  iu  den  historien  darumben  bil- 
lichen  zu  ewiger  ihrer  gedächtnus  und  andern  gloicbmcssigcn  nacbfolg 
hochgerflhmet  und  geprisen.  Und  da  sie  einer  oder  mehr  aus  den  lai- 
digen  unvermQgen  dergleichen  hohe  werk  andern  würklich  zu  erweisen 


•  Folgt  die  Bitte  nm  eine  Schadlüsverschreibang  wegen  der  EiiigriCTe  in 
du  Landhftiu,  dasa  diese  nimlich  den  Landesfreilieiten  nichts  PrSjadi- 
cirliches  bereiten  »ollen,  dann  Klagen  Über  die  brutalen  Gewaltthaten 
dea  Kriegsvolkes  zu  Auxaee  und  die  gartierenden  Knechte  r.n  Judenburg, 
die  bei  ihren  Qewaltthaten  sich  auf  Specialbefehle  dea  Enihorzogs 
berufen. 

■  Noch  einige  nicht  gans  deutliche  Wort«  darDber:  ,ein  natürliche  8710- 

patia  und  compatientia'. 
ArchiT.  UIXVUI.  Bd.  II.  Biin«.  34 


362 


verhindert  and  abgehalten  worden,  so  seindt  dieselben  nnvermflgi^M 
?on  christlicher  lieb  und  natar  wegen  doch  bei  denen  TermOgern  and  to 
TOD  dem  allffl&chtigen  dahin  begnadtcn  mit  intorcession  und  ffirbitteo 
sich  freundlichen  und  mitleydeut  zu  erzaigcn  Iure  divino  et  naturali 
verbunden.  Weliches  commiserationis  et  aequitatis  moderanicD  iustitiie 
divinae  et  humane  nichtis  derogiert  sundern  für  derselben  temperi- 
meutnm.  medicamentum  et  condimentnm  biliichen  gehalten  wirdet. 

Also  seindt  anfangs  die  herrn  verordenten,  folgents  die  zu  zeittea 
versammbiet  gewesten  lierrn  und  landlent  nnd  E.  allgemeine  E.  L.  in 
nägstverwichon  wie  auch  an  jetzo  gegenwärtigen  landtiig  tarn  ex  meto 
condolentiae  proprio  quam  ad  impetrationem  partis(?)  et  counngni- 
nenrum  vil  mohrers  verursacht  nnd  bewegt  worden,  E.  F.  D.  mit  ihrer 
vorigen  und  hiemit  geh.  widerholten  intercession  in  deploratissim*  et 
deploranda  causa  U.  E.  L.  an  kais.  hoff  in  reichahilff,  Agrunischen 
starkhen  (sie)  propbiantrest  nnd  andern  parteien  bestellt  greveotw 
agentens  Hans  G.  Eh(andelberg6r)  zn  behölligen.  damit  sie  E.  £.  L.  is 
ander  weg  E.  F.  D.  gleichwoll  zum  liebsten  underth.  zn  verschonen  g»- 
sinnet  und  beflissen,  alles  diemOetigisten  fleiss  bittent,  wie  E.  F.  D.  die 
vorigen  unterschidlichen  fQrschreiben  mit  f.  gnaden  vermerkt  nnd  angc- 
nnmben,  auch  daniber  gn.  Vertröstung  und  sonderlich  noch  vom  16.  Oc- 
tober  nsUj'st  verschinos  99.  iahrs  gethon:  also  wOlle  E.  F.  D.  hienaf 
auch  diese  gegenwärtige  geh.  fürschrifTt  nicht  mit  geringem  1.  f.  gna 
beherzigen  sondern  lant  derselben  angezogen  vatterlichen  vertrOs 
dieser  betrfiebten  Sachen  ein  lang  geh.  in  höchster  gedult  deeider 
erwünschtes  endt  zu  jetziger  verhoffentlicher  hierzu  gelegensamer  nnd 
von  gott  geschickter  rechter  zeit  gn.  machen  und  hierin  nicht  so  fast 
sein  des  armen  Kandelborgers  villeicbt  filrgelofne  excess  (weilen  wir 
umb  sein  vorbrechen  kein  aygentliches  und  gründtliches  wissen  tragen) 
sondern  vill  mehr  sein  so  langwierige  in  die  17*  monat  lang  and  so 
betiHobliche  und  höchst  beschwärte  straff  und  buess  als  mit  verlienmg 
und  distrahieruug  seiner  paarschalTt  und  mobilien,  entziehang  seiner 
guetgebabten  bestall-  nnd  besoldung  und  zeitlichen  narung,  ja  mit  Ver- 
diener- und  Schwächung  seines  auf  ordeu  besten  kleinndts  des  gueteo 
namens  und  laimnndts  und  gentzlichen  unwidurbringlichea  verlast  seines 
andern  edelsten  gehabten  Schatzes  seines  jungen  leibs  gesundtheit,  mit 


'  Die  17  Monate  würden  allerdings  dainfUbren,  die«  Schreiben  «nf  Ok- 
tober «tatt  auf  December  zn  setxou,  da  die  Verhaftung  Kandelb 
im  Juni  1599  erfolgte;  aber  diu  Datum  ergibt  fich  aus  der  Land 
registratur,  wo  diese  Intercesaion  zum  8.  December  angesetst  Ut,  wibronJ 
zum  October  niuhts  vermerkt  ist. 


363 


wsilichen  allen  hajden  der  höchst  schmerzlichen  und  fast  übermensch- 
lichen tortur,  marter,  folter,  pein  und  prandt,  geschweigent  er  seine  be- 
gangne privatexceBa  mit  eollichea  nimmermehr  privat  sundern  mehrers 
pnblickhen  demonBtrationen  verhofTetitlich  genaegsamon  gebQesb  haben 
solle  nnd  werden  mit  überaus  1.  f.  christlichen  angebornen  sanft  Oster- 
reichischen vatters  angen,  obren  und  herzen  gn.  ponderirn,  ruminiern 
und  ihm  daniber  mit  gn.  frejstellung  begnaden  und  hierinnen  abermallen 
nicht  allein  jetztbeinjerter  sein  dos  Khandlbergers  ausgestandtner  guets- 
und  gemuets,  lebe-  und  leibsstraffen  und  bnessen  gn.  consideriren  and  zu 
gemflet  führen  sondern  zugleich  seiner  E.  F.  D.  derselben  vülgeliebston 
frau  muetter  unserer  gn.  frauen  in  geh.iltnon  embsigen  correspondenzen, 
I.  F.  D.  erzherzog  Maximilian  zu  Österreich  mit  befürdorung  des  pro- 
phiantwesens  im  Petrinischen  feldzug  und  in  ander  weg  und  dem  ganzen 
löbl.  hans  Österreich  und  der  werten  christenheyt  treugemainten  auch 
woUersproBsnen  geb.  dienste  und  uicht  weniger  ins  künftig  dergleichen 
nnd  mehrere  sei-vitia  (so  ihme  E.  F.  D.  mit  gn.  erfi-eulicher  freystellung 
und  der  hanuberzige  himmlische  vatter  mit  la;dentlicher  leibsgesuudheit 
begnadet),  darzu  er  dann  wegen  seines  sonderlichen  erkandten  talents 
als  khunet,  Vernunft,  gescbicklichkeyt,  erfahrenheyt,  beredthait,  sprachen 
und  andern  stattlichen  qualiteten  tauglichen  (sie),  gn.  bedenken,  wir 
dann  darnmben  auch  vermüg  der  kais.  altgeschribnen  rechten  secundum 
1.  ad  bestias,  ff.  de  poenis  mit  dcrgloivben  personen,  so  dei'  mensch- 
lichen societet  mit  ihren  künston  und  diensten  mebrers  nützlich  sein 
künnen,  als  sie  mit  ihren  verbrechen  schädlich  gewest,  billich  woll  zu 
dispensieren.  Und  neben  seinen  aygnen  qualiteten  wolle  S.  F.  D.  sich 
auch  seines  ganzen  adelichen  geschlechts  und  befreundten  wolvorhalton 
gn.  erindern,  alsdann  seines  vattern  bruedern  N.  E.  F.  D.  in  gott  nihen- 
den  geiiebsten  herrn  herrn  vatters  christmildister  loblicher  gedächtnnss 
Till  iahr  lang  gethi'ener  und  gehorsamister  cammorrath  und  diener  ge- 
wesen, seine  gebrüeder  und  beiderseits  eheliche  befi'enndte  inner  und 
ausser  landts  sich  woll  verhalten,  seiner  muetter  brueder  Culmayer  noch 
an  dem  f.  Payrischen  hoff  in  sondern  gnaden  und  etliche  iahr  daselbst 
khnchclmaister  ist,  wie  dann  seine  ganze  eheliche  freundtschaft  in  bey- 
gelegtem  ihren  düemüetigisten  suppliciern  neben  E.  F.  D.  allezeit  ge- 
treuer landschaft  für  ihn  iutercediert: 

also  wolle  E.  F.  D.  neben  jetzt  gedachter  intercession  auch  dieses 
E.  allgemainen  geh.  L.  fiehentliches  fürbitten  gn.  ansehen  und  erhören 
und  sy  E.  E.  L.  neben  dem  armen  gefangenen  khrüppel  dem  Khandel- 
berger  in  noch  wehrenden  landtag  zu  denen  freudenreichen  herzne- 

nachenten  hohen  fest  der  Weihnachten  dises  zu  endt  lauffenden  saeculi 

24» 


364 


oder  genannten  iabeliahrg,  dergleichen  in  100  iahren  nimmermehr  und 
von  ietzt  lebenden  woU  gar  m  wenigen  zn  erleben  nnd  in  E.  F.  D.  ersten 
iahr  deroselben  erfreneten  ehelichen  standt  anch  gn.  erft^nen  und  ein 
1.  f.  angenatnrtes  sanft  österr.  christliches  rätterliches  ia  göttliches  an- 
fangs angezognes  nnd  hoch  gerflembtes  nnd  im  jetzigen  schlness  wider- 
holt  gebetnes  werk  der  barmherzigkejt  mildiglich  erzaigen.  Solliches . . . 
(Ohne  Datierung.) 

Am  äusseren  umschlage:  E.  £.  L.  Intercession  an  I.  F.  D.  wegen 


des  Ehandelbergers  anno  1600. 


Nachtrag. 


Im  Cod.  43  des  Linzer  Landesarchivs  findet  sich  ein 
gleichzeitiger  Bericht  über  die  Zerstörung  von  protestantischen 
Kirchen  etc.  in  Innerösterreich  (Forschungen  zur  deutschen 
Geschichte  XX,  S.  543 — 545).  Dort  werden  am  Schlüsse  auch 
Gabelkofer  und  Kandelberger  erwähnt  (fol.  307**): 

Der  Gabichoff  er  ist  wider  ledig  und  in  seinem  vorigen  dienst  bei 
der  landtschafft. 

Der  Kandelberger  ist  in  der  tortnr  dermassen  verderbt,  dass  er 
auf  den  füessen  keine  sollen  mehr  hat,  auch  sonst  an  leib  so  zermartert 
worden,  dass  sich  I.  F.  D.  an  jetzo  selber  über  in  erbarmt  und  last  in 
durch  die  hofbalbierer  und  medicos  haillen.  Es  kombt  aber  ffir,  dass  er, 
wann  er  heil  worden,  nichts  desto  weniger  für  recht  gestelt,  aber  das 
urthail  begnadet,  aus  dem  landt  Terwisen  nnd  entgegen  diejenigen,  dar- 
auff  er  bekhent  (Don.  [sie])  und  darauff  sterben  wurd,  vil  übler  als  er 
gepeiniget  und  gar  zum  todt  verurtheilt  werden  sollen  .  .  . 

Dieser  nachträgliche  Fund  bestätigt  in  der  Hauptsache  die 
Ergebnisse  der  obigen  Studie  und  verdient  die  grösste  Beach- 
tung. Zum  Schlüsse  möchte  noch  eine  Mittheilung  an  dieser 
Stelle  Platz  finden,  die  auch  in  diesen  Zusammenhang  gehört 
Die  Landesverordneten  tibergaben,  wie  man  den  obigen  Acten 
(S.  352)  entnimmt,   dem  Bnrghanptmanne  von  Graz   ein  Ge- 


365 

schenk,  weil  er  die  Gefangenen  in  humaner  Weise  behandelte. 
Wie  mir  Herr  Regierungsrath  y.  Zahn  mittheilte,  findet  sich 
in  den  hiesigen  Acten  ein  Stück  (es  konnte  im  Augenblicke 
nicht  aufgefunden  werden),  in  welchem  Erzherzog  Ferdinand  11. 
auf  die  Bitte  des  Burggrafen,  das  Geschenk  der  Landschaft 
annehmen  zu  dürfen,  nicht  blos  eingeht,  sondern  als  Motiv  die 
humane  Behandlung  anflihrt  und  den  Umstand,  dass  das  Ge- 
schenk nicht  vor,  sondern  nach  der  Untersuchung  gegeben 
werde, 

II. 

Zu  der  obigen  im  Linzer  Cod.  enthaltenen  Nachricht  ge- 
hört noch  das  folgende  Decret  Rudolfs  Tl.,  das  nun  die  Kandel- 
bergerfrage  zu  einem  gewissen  Abschlüsse  bringt: 

Kaiser  Rudolf  IL  an  Er  eher  zog  Matthias:  ,Da  Erehereog  Ferdi- 
nand n.  den  lange  verhafteten  KandeJberger  auf  seine  Urfehde  und  die 
seinetwegen  geschehene  Intercession  hin  begnadigt,  doch  aus  etilen  seinen 
Landen  abgeschafft  hat,  so  werde  er  gemahnt,  dass  in  Böhmen  und 
dessen  Nebenländern  nicht  blos  Kandelberger,  sondern  auch  die  anderen 
der  Beligion  wegen  aus  Steiermark  Abgeschafften  nicht  eugelassen  wer- 
den. Prag,  1602  November  2.' 

(Cop.,  Cod.  Linz  43,  fol.  243".) 

Dazu  am  Umschlage  auf  der  einen  Hälfte:  ,22.  November 
1 602.  Copia.  Des  k.  Schreibens  an  die  F.  D.  erzherzogen  Mäthiasen  zu 
Osterreich:  Der  n.-ö.  regierung,  die  wirdt  auf  dises  der  E.  K.  M. 
schreiben  sowol  in  disen  landt  als  in  Österreich  ob  der  Enns  bey  der 
landtshaubtmannschafft  die  nottnrfft  zu  verordnen  wissen.  Ex  consilio 
deputatorum  12.  Nov.  1603'  (sie).  Auf  der  anderen  Hälfte:  ,Fiat, 
wie  I.  E.  K.  M.  und  F.  D. . . .  bevelchen,  und  dise  resolution  dem  h.  landt- 
marschalckh  und  absonderlich  herrn  bischoffen  und  thnembcapitl;  also 
auch  die  universitet  alhier,  heiTn  anwald  der  landtshaublmanschafft  ob 
der  Ennss  und  gleichfalls  die  von  Wien  wie  gebreuchlich  zu  erindem. 
2.  Novembris  1602.* 


sttjdie:n^ 


zu  DEN 


UNGAEISCHExN  GESCHICHTSQÜELLEN. 

IX,  X,  XI  UND  XII. 


VON 


pEOF  pE.  RAIMUND  FRIEDRICH  KAINDL 

IN  CZEBNOWITZ. 


IX. 


Die  Gesta  Dan^^aroram  de»  Anonymus.  Ihr  Yerliältnlss 
zu  den  Gesta  Hnngarorum  retera.  And(>rc  von  Ihnen 
benutzte  Quellen.   Die  Zeit  ihres  Entstehens.   Ihr  Werth. 

In  den  zwei  letzten  Studien  haben  wir  durch  die  kritische 
Zergliederung  der  verschiedenen  bekannten  ungarischen  Chro- 
niken die  , Gesta  Hnngarorum  vetcra'  als  älteste  Grundlage 
derselben  erkannt  und  diese  alte  Quelle  näher  kennen  gelernt. 
Unsere  nächste  Aufgabe  ist  es  nun,  über  die  Ableitungen  dieser 
ältesten  Gesta  zu  handeln.  Diese  sind;  die  Gesta  Hungarorum 
des  Anonymus,  die  Gesta  Hungarorum  Keza's,  endlich  die 
Nationalchronik  oder  Ofener  Minoritenchronik  in  deren  ver- 
schiedenen Rcdactionen.  Jeder  dieser  drei  Quellen  ist  im  vor- 
liegenden Hefte  eine  Studie  gewidmet.  Sciiliesslich  werden 
wir  auch  einige  kleinere  ungarische  Qeschichtsaufzeichnungen, 
welche  in  Keza's  Ungarngeschichte  und  in  die  Nationalchronik 
Aufnahme  fanden,  und  die  bei  der  Zergliederung  der  Chroniken 
in  Studie  VII  zumeist  schon  genannt  wurden,  su  behandeln 
haben. 

Wir  wenden  uns  nun  zunächst  den  Gesta  Hungarorum 
des  Anonymus  zu. 


1.  Das  VerhältnisB  der  Qesta  des  Anonymus  zu  seiner  Haupt- 
quelle, den  Qesta  vetera.    Umfang  seines  Werket. 

In  den  Studien  VII  und  VHI  ist  zur  Genüge  bewiesen 
worden,  dass  die  Gesta  Hungarorum  des  anonymen  Notars  mit 
der  Huncngeschichte,  wie  sie  sich  bei  Keza  und  in  der  National- 
chronik findet,  nichts  gemein  haben,  dass  dagegen  alle  eben 
genannten  drei  Quellen  bezüglich  des  älteren  Theiles  der 
Ungarngeschichte  auf  den  Gesta  vetera  beruhen. 


370 

Ueber  die  Hünen  enthält  das  Werk  des  Anonymus  Ober- 
haupt nichts;  er  erzählt  nur  wenige  Zeilen  über  Attila,  während 
seine  Erzählung  über  die  Geschicke  der  Ungarn  überaus  breit 
angelegt  ist.  Das  Fehlen  ausführlicher  Nachrichten  über  die 
Hünen  ist,  wie  ebenfalls  in  den  zwei  vorangegangenen  Studien 
zur  Genüge  dargelegt  wurde,  aus  dem  Umstände  zu  erklären, 
dass  in  seiner  Vorlage  noch  nichts  von  der  Hunengeschichte 
stand,  die  wir  bei  Keza  und  in  der  Nationalchronik  finden. 
Hätte  ihm  seine  QueDe  eine  solche  geboten,  so  würde  sie  der 
Notar  gewiss  ebenso  ausgenützt  und  vielleicht  noch  erweitert 
haben,  wie  er  mit  der  Ungamgeschichte  veriuhr.  Indess  kommt 
beim  Anonymus  der  Ausdruck  Hüne  überhaupt  nicht  vor;  über 
Attila  weiss  er  aber  nur  Folgendes  zu  erzählen:  Nachdem  er 
Skythien  beschrieben  und  bemerkt  hat,  dass  Magog,  der  Sohn 
Japhets,  der  erste  König  dieses  Landes  war  und  nach  ilim  die 
Magyaren  ihren  Namen  führen,  fährt  er  fort  (S.  3):  ,A  cnios 
etiam  progenie  regis  (Magog)  descendit  nominatissimus  atque 
potentissimus  rex  Athila,  qui  a.  dom.  ine.  CCCCLP  de  terra 
Scithica  descendens  cum  valida  manu  in  terram  Pannonie  venit 
et  fugatis  ßomanis  regnum  obtinuit.  Et  regalem  sibi  locom 
constituit  iuxta  Danubium  supra  calidas  aquas  et  omnia  antiqus 
opera,  que  ibi  invenit,  renovari  precepit  et  in  circnito  mnro 
fortissimo  edificavit,  que  per  linguam  Hungaricam  dicitur  nunc 
Buduvar  et  a  Teothonicis  Ecilburgum  vocatur.  Quid  plura? 
Iter  hystorie  teneamus.  Longo  autem  post  tempore  de  progenie 
einsdem  regis  Magog  descendit  Ugek,  pater  Almi  ducis,  a  quo 
reges  et  duces  Hungarie  originem  duxerunt.'  —  Das  ist  AUes, 
was  er  über  Attila  weiss.  Er  ist  ihm  also  eigentlich  ein  Ma- 
gyaren- oder  Ungamkönig.  Deshalb  betont  er  in  der  Folge 
wiederholt,  dass  die  Ungarn  Pannonien  als  Erben  Attilas  in 
Besitz  nahmen  (S.  10,  15,  19,  20  f.y 

Dass  der  Bericht  über  Buduvar  an  dieser  Stelle  ein  Ein- 
schub  in  den  Text  der  Gesta  ist,  beweisen  zur  Genüge  die  am 
Schlüsse  des  obigen  Citates  stehenden  Worte:  ,Quid  plura? 
Iter  hystorie  teneamus',  mit  denen  der  Anonymus  zum  Text 
seiner  Vorlage  zurückkehrt,  die  nach  der  Beschreibung  Skythiens 

'  Vgl.  besonders  S.  16:  Licet  proavus  mens  potentissimas  rex  Athila  habne- 
rit  terram,  qae  iacet  inter  Danubium  et  Tbysciam  ...  S.  19:  . . .  petens 
ab  eo,  quod  de  insticia  attbavi  sni  Attjrle  regis  sibi  ooncaderet  temun  » 
flnvio  Zomua  . . . 


371 


und  der  Erwähnung  Magogs  als  Stammvater  der  Magyaren, 
sowie  wohl  nur  einer  ganz  kurzen  Erwähnung  Attilas  als  ersten 
Ungarnkönig  und  Eroberer  von  Pannonien  sofort  auf  Ugek  u.  s.w. 
überging  (Studie  VIII,  S.  223,  239  f.  und  243  f.).  Dasa  die  Er- 
zählung der  ersten  Eroberung  Pannoniens  durch  die  Ungarn 
unter  Attila  nicht  einer  wohldurchdachten  Darstellung  ent- 
nommen ist,  geht  z.  B.  auch  noch  aus  dem  Umstände  hervor, 
dass  der  Anonymus  nirgends  mit  einem  Worte  erwähnt,  wie 
denn  die  Ungarn  Attilas,  mit  denen  er  offenbar  Pannonien 
erobert  hatte,  wieder  nach  dem  Osten  kamen,  um  von  dort 
zurückkehrend  die  zweite  (eigentliche)  Eroberung  des  Landes 
vorzunehmen.  Das  wissen  Keza  und  die  Nationalchronik  bereits 
ganz  glatt  zu  erzählen.  Allenfalls  ist  der  Anonymus  mit  der 
Etzi-isage,  wie  sie  im  Nibelungenliede  fixirt  ist,  vertraut. 
Darauf  weist  das  ,Ecilburgum'  im  obigen  Citate,  ebenso  S.  42 
jEelburgn'  und  ,Elciburgu'  (S.  40  civitas  Atthile  regis).  Von 
Buda,  dem  Bruder  Attilas,  weiss  der  Anonymus  nichts,  und  so 
findet  sich  bei  ihm  auch  nicht  jene  Erklärung  des  Namens 
Buduvar,  die  Keza  und  die  Nntionalchronik  bieten.'  Schliess- 
lich mag  niu-  noch  auf  einen  Umstand  hingewiesen  werden, 
welcher  bezeugt,  dass  dem  Anonymus  nicht  die  bereits  in 
Keza's  Hunengeschichte  tixirte  Ueberlieferung  vorlag.  Nach 
diesem  Berichterstatter  hat  sich  bekanntlieh  Chaba,  der  Sohn 
Attilas,  mit  einer  Chorasmierin  vermählt;  aus  dieser  Ehe 
stammten  Edemen  und  Ed,  von  denen  der  Erstere*  der  Ahne 
des  nachmaligen  Geschlechtes  Aba  war  (§  15),  während  der 
Letztere  in  Skythien  zurückblieb.  Nach  dem  Berichte  des  Ano- 
nymus sind  dagegen  Ed  und  Edumen  kumauische  Fürsten,  mit 
denen  sich  Almus  auf  dem  Marsche  nach  Pannonien  verbunden 
hatte  (§  10).  Beide  kommen  nach  Pannonien  und  ,ex  quorum 
etiam  progenie  longo  post  tempore  rex  Samuel  descendit,  qui 
pro  sua  pietate  Oba  vocabatur'  (§  32).  Solche  Widersprüche 
zeigen  zur  Geniige,  dass  die  Quelle  unserer  Chronisten  die 
schwankende  Ueberlieferung  ist.* 


^  Vgl.  Keza  S.64:  Fecerat  (Bada)  enim  Sicsmbriam  suo  noinino  appellari  . . . 

Vgl.  Chronicon  Bud.,  8.24,  wo  die  ganze  Stelle  viel  doutliclier  stilisirt  ist. 
*  So  igt  offenbar  die  Nachricht  annzulegen,  da  auBdrücklicb  gemeldet  wird, 

da»8  Ed  in  Skythien  zurOcfcblieb. 
■  Wa-i  Marczali  in  .Ungarns  Geschieh tjfquellen'  8.  91  f.  darüber  ausfuhrt, 

ist    vou    ziemlich    zweifelhaftem    Werthe.     Wenn    er    glaubt,    da.«s    der 


372 

Die  Ungar ngescliichte  des  Anonymus  beruJbt,  wie  dies 
in  den  Studien  Vü  und  Vlll  ausführlich  gezeigt  wurde,  auf 
den  Gcsta  Hungarorum  vetera;  insbesondere  sind  in  der  letrt- 
genannten  Studie  die  Zusammenstellungen  der  Parallelstellen 
S.  236  ff.  und  S.  256  ff.  zu  vergleichen.  Diesen  gehört  also 
schon  die  Grundlage  der  Beschreibung  Skythiens  an;  ans  ihneu 
entnahm  er  die  Mittheilungen  über  den  Ursprung  der  Magyaren 
und  ihrer  Fürsten,  über  Magog,  Attila,  Ugek  und  insbesondere 
über  Almus;  sie  bilden  auch  die  Grundlage  ftir  seine  Krzähluog 
von  dem  Auszuge  der  Ungarn  aus  Skythien  und  ihren  ferneren 
Schicksalen  bis  auf  Geisa.  Ins  Einzelne  brauchen  wir  an  dieser 
Stelle  nicht  auf  die  aus  den  Gesta  geschöpften  Nachrichten 
des  Anonymus  einzugehen,  weil  diese  sich  aus  den  eben  citirten 
Stellenverzeichnissen  und  den  daran  geknüpften  Erörterungen 
zur  Genüge  ergeben.  Auf  seine  Vorlage  weist  der  Anonymus 
an  zwei  Stellen  hin.  An  der  Spitze  des  §  7  lesen  wir  nämlich 
die  Worte:  ,Annü  dominice  incarnationis  DCCCLXXXIIII  sicut 
in  annalibus  continetur  cronicis  septem  prineipaJes  per 
sone,  qui  Hetumoger  vocantur,  egressi  sunt  de  terra  Scithüi 
veraus  occideutem.'  Da  diese  Zeitangabe  mit  geringen  Schwan- 
kungen sich  auch  in  den  anderen  Ableitungen  der  Gesta  ^bei 
Koza  und  in  der  Nationalchronik)  findet,'  so  darf  man  an- 
nehmen, dass  sie  bereits  in  den  Gesta  stand  and  der  Anony- 
mus also  unter  den  annalibus  cronicis  neben  Kegino  (vgl.  unten) 
auch  die  Gesta  verstanden  hat.  Im  §  42  linden  wir  aber  beim 
Anonymus  Folgendes:  ,Sed  quidam  dicunt  eos  (Hungaros)  ivis« 
usque  ad  Constantinopolim  et  portam  auream  Constantinopolis 
Botondium  cum  dolabro  suo  incidisae.  Sed  ego,  qaia  in  nuilo 
codice  historiographorum  inveni,  nisi  ex  falsis  fabulis  rusti- 
corum  audivi,  ideo  ad  presens  opus  scribere  non  proposui.' 
Unter  den  Geschichtsbüchern,  auf  welche  Anonymus  hier  hin- 
weist, sind  natürlich  auch  die  Gesta  vetera  zu  verstehen.  In 
der  dem  Anonymus  vorliegenden  Redaction  derselben  war  also 
die  Heldcnthat  des  Botond  noch  nicht  enthalten.' 


Anooymuii  ,wohl  winteii  miisüte,  das.s  diu  Hnus  Aba  roio  ungArisrii  war', 
so  irrt  er.  Weder  die  Nacliriclit  Koxa's,  noch  jene  des  Aaonjrmiu  scheinen 
dafUr  >ii  sprechen.  Weun  aber  die  spütere  Natinnalchronik  dios 
hauptet,  80  ist  dies  ebea  späterer  Ziisatx.  Man  rergleiche  Studie  V'III,8w  i 

•  Vgl.  Stndie  Vni.  S.  247. 

•  Vgl.  Studie  VIII,  S.  273. 


373 


Es  ist  bereits  erwJlhnt  worden,  dass  die  uns  vorlieponde 
Darstellung  des  anonymen  Notars  nur  bis  Geisa,  dem  Vater 
Stephans  des  Heiligen,  reicht.  Aus  diesem  Umstände  schloss 
Rademacher,'  dass  der  Notar  , vielleicht  Mangel  an  Quellen 
litt,  nachdem  Kegino  versiegt  war'  und  ,die  ihm  bekannte  ein- 
heimische Chronik  vielleicht  nur  bis  zur  Bekehrung  der  Ungarn 
reichte'.  Andererseits  ist  Marczali*  der  Ansicht,  dass  uns 
des  Anonymus  Werk  nicht  vollständig  erhalten  sei.  Dieser 
stutzt  seine  Anschauung  auf  die  Bemerkung,  dass  der  Notar 
ein  jEreigniss  aus  der  Zeit  der  Könige'  erwähnt  und  hinzu- 
setzt: ,wie  wir  sehen  werden'.  Da  nun  ,die  57  uns  erhaltonen 
Capitel  nicht  einmal  bis  Geisa,  den  Vater  Stephans  des 
Heiligen  reichen',  so  mtlsste  das  Werk  unvollstündig  überliefert 
sein.  Dass  aus  der  Bemerkung:  ,wie  wir  sehen  werden'  noch 
nicht  folgt,  dass  der  Notar  auch  wirklich  die  Geschichte  seit 
Stephan  geschrieben  habe,  bemerkt  Rademacher  ganz  richtig. 
Aus  dieser  und  ähnlichen  Stollen,  denn  es  gibt  deren  mehrere,' 
kann  billiger  Weise  nur  gefolgert  werden,  dass  der  Autor  die 
Absicht  hatte,  auch  das  11.  Jahrhundert  zu  behandeln,  nicht 
aber,  dass  er  auch  wirklich  dieses  Vorhaben  ausgeführt  hat. 
Wir  haben  überhaupt  kein  Mittel  zur  Verfügung,  das  in  ent- 
scheidender Weise  die  Lösung  dieser  Frage  ermöglichen  würde, 
denn  auch  eine  zweite  Frage,  welche  mit  dieser  zusammenhangt, 
kann  fUglich  nicht  als  entschieden  betrachtet  werden.  Es  ist 
dies  nämlich  die  Streitfrage,  ob  der  einzige  uns  erhaltene  Codex 
das  Autograph  des  Verfassers  sei.  Würden  die  jüngst  wieder 
von  Florianus''  diifUr  geltend  gemachten  Gründe  entscheidend 
sein,  80  wäre  die  Frage  gelöst:  der  Anonymus  hätte  thatsäch- 
lich  nur  die  Erziiblung  bis  auf  Geisa  fortgeführt.  So  aber 
bleibt  die  Frage  zunächst  unentschieden.  Denn  auch  die  oben 
mitgetheilten  Gründe  Rademacher's,  die  üin  zur  Annahme 
bewegen,  das  Werk  des  Anonymus  wäre  wegen  Quellen  mangels 
nicht  weiter  gediehen,  sind  ganz  hinMlig.  Wir  wissen  näm- 
lich, dass  die  von  ihm  benutzten  und  ausgeschriebenen  Gesta 
Hungarorum  vetera  ganz   gewiss   bis   zum  Ende  des  11.  Jahr- 


*  Zar  Kritik   ungarischer  QeschicIiUquellmi   (Porscbungon  zur   deutschen 
Geschichte  XXV),  8.  391. 

*  Ungarns  Gesuhichtsquellen,  S.  8G  und  94. 

*  Vgl.  weiter  unten  im  Text. 

*  Fontes  ü,  301  f. 


374 


hunderts  reichten.  Aber  vielleicht  lag  ihm  ein  unvoUstaodiges 
Exemplar  derselben  vor?  Auch  das  ist  nicht  der  Fall  gewesen. 
Jene  Verweise:  ,wie  wir  im  Folgenden  sehen  worden'  verbunden 
mit  vorgreifenden  Bemerkungen  ergeben  allenfalls  nicht  den 
Schluss,  dass  der  Anonymus  die  Qeschichte  der  fol^nden 
Zeit  schrieb,  wohl  aber  beweisen  sie,  dass  ihm  f\ir  dieselbe 
eine  Quelle  vorlag.  Und  diese  Quelle  waren,  wie  uns  Ver- 
gleiche lehren,  die  Gesta  vetera.  HiefÜr  werden  wir  aber  nicht 
nur  eine  Stelle  anfuhren  können,  auf  die  Marczali  hinweist, 
sondern  mehrere.  Abgesehen  von  den  einzelnen  auf  das  11.  Jahr- 
hundert bezüglichen  Nachrichten,  die  sich  diu-ch  Keza  und 
die  Nationalchronik  nicht  als  Bestandtheil  der  Gesta  vetera 
nachweisen  lassen,'  können  wir  folgende  Mittbeilungen  des 
Anonymus  zur  Geschichte  Stephans  und  seiner  Nachfolger  im 
11.  Jahrhundert  ganz  unzweifelhaft  auf  die  Gesta  veter» 
zurUckflihren.  So  wird  am  Ende  des  §  15  berichtet,  duB 
König  Andreas  der  Sohn  des  calvus  Ladislans  und  dass  seine 
Frau  die  Tochter  eines  ruthenischen  Fürsten  war;  auch  wird 
auf  die  Feldzüge  des  deutschen  Kaisers  hingedeutet,  welche 
dieser  unternahm,  um  Peter  zu  rächen:  ,ut  in  sequendbns 
dicetur*.  Dies  Alles  steht  in  Uebereinstimmung  mit  der  National- 
chronik  (Budensc,  S.  102  und  108  fiP.)  und  zumeist  auch  mit 
Keza,  S.  84,  rUhrt  also  aus  der  gemeinsamen  Quelle,  den  Gesta 
vetera,  her  und  ist  ein  Beweis,  dass  diese  dem  Anonymus  ancb 
für  das  11.  Jahrhundert  vorlagen.  An  zwei  anderen  Stellen, 
(§  24  und  27)  wird  über  das  Schicksal  des  Fürsten  Gyula  von 
Siebenbürgen  und  seiner  zwei  Söhne  in  ganz  ähnlicher  Weise 
berichtet  wie  kurz  bei  Keza  (S.  77)  und  ausfllhrlicher  in  der 
Chronik  (Budense,  8.  65).     Man  vergleiche  insbesondere: 


Anooymiu. 

§  24.  Nam  terram  ultrasilva- 
nam  posteritas  Tuhutum  usque 
ad    tcmpus    s.   regia    Stephan! 


Chr.  Budeiue. 


S.  65.  Beatus  rex  Stephanus 
cepitGyulam  ducem  cum  uxore 
et  duobus  tiliis  suis  et  in  Hon- 


'  Iliolier  gehört  die  Nachricht  am  Ende  des  §  11,  dam  Achtnm   tat 
Stephans  des  Heiligen  Ton  Sunad  getOdtet  worden  i«t  (vgl.  hieiD  na 
im  Text  S.  379 f.).     Femer  die  Nachrichten  Aber  KOnig  Samuel  Aba  I 
§  32,  Über  welche  ehenfnlls  unten  im  Text  S.  377  EU  vergleichea  ist.  Ebd 
die  Kfittheilungen  §  07   Über  die  grausame  Hinriobtung  des  Thonnaoba 
zur  Zeit  Stephans. 


375 


haLuernnt  et  dinciua  liabiiissent, 
81  minor  Gyla  cum  duobus  filiis 
suis  Bivia  et  Bucna  Christian  i 
esse,  voluissent,  ut  in  seqiienti- 
bus  dicetur.  §  27  .  .  .  Zumbor 
vero  genuit  minorem  Geulam, 
patrem  Bue  et  Biicne;  tempore 
cuius  8.  rex  Stephanus  subiuga- 
vit  sibi  terram  ultrasilvanam  et 
ipsum  Geiihim  vinetum  in  Hun- 
gariam  duxit  et  per  omnes  dies 
vite  sue  carcei-atum  tenuit,  eo 
quod  in  fide  esset  vanus  et 
nolait  esse  christianus  et  multa 
contraria  faciebat  s.  regi  Ste- 
phane, quamvis  fuit  ex  cogna- 
tione  matris  sue. 


gariam  transmisit.  Hoc  autem 
ideo  fecit,  quia  scpiesime  fuit 
ammonitus  a  beato  rege  Ste- 
phane, nee  ad  fideni  Christi  con- 
vcrsus  est,  nee  ab  infcrenda 
Hungaris  iniuria  conquievit. 


Schliesslich  verweisen  wir  noch  auf  eine  Stelle  des  Ano- 
nymus, die  ganz  unzweifelhaft  auf  den  Gesta  beruht  und  hier 
mit  der  Geschichte  des  11.  Jahrhunderts  verbunden  gewesen  sein 
düi-fte.  Es  ist  dies  nälnilich  die  Beschreibung  Siebenbürgens, 
welche  beim  Anonymus  allenfalls  schon  mit  den  Eroberungen 
beim  Einzüge  in  Pannonien  verbunden  erscheint,  nach  dem 
Ausweise  der  Nationalchronik  aber  in  die  Zeit  Stephans  gehört. 
Man  vergleiche: 


Anooymtu. 

§  27.  Quod  terra  illa  irri- 
gatur  optimis  fluviis  ...  Et 
quod  in  arenis  eorum  aurum 
colligerent  et  aurum  terrc  illius 
Optimum  esset. 


Chr.  Badenae. 


S.  65.  Erdeel,  quod  irrigatur 
plurimis  fluviis,  in  quorem  are- 
nis aurum  colligitiu-,  et  aurum 
terrc  ilJius  Optimum  est. 


Weniger  Gewicht  ist  darauf  zu  legen,  dass  beim  Ano- 
nymus (§  43)  das  Gebirge  Peturgoz  genannt  wird ,  das  bei 
Keza  (§  36)  und  in  der  Nationalchronik  (Budense,  S.  181)  in 
der  Geschichte  Koloraans  genannt  erscheint;  die  Erwähnung 
geschieht  bei  verschiedenen  Gelegenheiten  und  musB  nicht 
durch  die  gemeinsame  QueUe  veranlasst  worden  sein. 


376 


Fassen  wir  das  Ergebniss  unserer  Untersuchungen  su- 
aammen,  so  werden  wir  sagen  dürfen:  Die  aufgezählten  Pairaliel- 
steilen  legen  es  klar  genug  dar,  dass  die  Quelle  des  NoUin 
sich  auch  noch  über  das  1 1.  Jahrhundert  erstreckte,  wie  die» 
von  den  Gesta  vetcra  auch  vorausgesetzt  werden  mass.  Bis 
in  die  Mitte  des  Jahrhunderts  (Andreas!)  finden  wir  ganz  deut- 
liche Beziehungen  zwischen  der  Darstellung  des  Anonj-mus  und 
dieser  älteren  Chronik;  und  wenigstens  eine  Andeutung  ist  vor 
banden,  dass  ihm  auch  noch  die  Erzählung  derselben  über 
Koloman  vorlag.  Aus  dem  Mitgetheilten  folgt  aber  noch  nicht, 
dass  der  anonyme  Notar  auch  die  Geschichte  Stepbans  und 
der  Könige  des  11.  Jahrhunderts  geschrieben  habe.  Da- 
gegen wird  man  die  Bemerkungen  ,ut  in  sequentibus  dicetur* 
(§  15,  §  24)  u.  dgl.  durchaus  nicht  als  blosse  Flickworte  auf- 
fassen müssen,'  da  der  Anonymus  doch  ganz  wohl  die  Absicht 
gehabt  haben  kann,  auch  die  fernere  Geschichte  zu  schreibeD, 
und  CS  vielleicht  auch  gethan  hat. 

Bezüglich  des  Verhältnisses  des  Anonymus  zu  seiner  Haupt- 
quelle,  den  Gesta  Hungarorum  vetera,  ist  noch  Folgendes  zu 
bemerken :  In  einzelnen  FiÜlen  hat  der  Anonymus  den  ursprüng- 
lichen Text  der  Gesta  bewahrt.  Dies  kommt  zunächst  in  der 
Unbeholfenheit  und  dem  Mangel  an  chronologischen  Daten 
zum  Ausdrucke.  Wenn  femer  der  Anonymus  Pannonicn  als 
pascua  Romanorum  bezeichnet  (§  9)  und  sich  derselbe  Aus- 
druck auch  bei  Richard  ,De  facto  Ungariae  magnae'  wieder 
findet,*  nicht  aber  bei  Kejsa  und  in  der  Nationalchronik,  so 
kann  dies  in  Anbetracht  der  geraeinsamen  Quelle  aller  eben 
genannten  Ableitungen  der  Gesta  vetera  nur  daraus  erklUrl 
werden,  dass  der  Anonymus  hier  eine  ursprüngUche  Nachricht 
der  Gesta  bewahrt  hat.  Ebenso  ist  die  Nachricht,  dass  di« 
Ungarn  bereits  unter  Almus  Pannonien  einnahmen,  welche  sich 
beim  Anonymus  findet,  ursprUngUcher  als  die  bei  Keza  und  in 
der  Nationalchronik  enthaltene,  dass  dies  erst  unter  Arpad 
geschah  (Studie  VIII,  S.  249  f.  und  304  ff.).  Auch  der  Umstand, 
dass  dem  Anonymus  Nachrichten  fehlen,  welche  bei  Keza  und 
in  der  Nationalchronik  enthalten  sind,  könnte  zum  Thcil  so 
gedeutet  werden,  dass  Anonymus  hierin  ursprünghcher  ist    Vicl- 


*  V^I.  Caaiel,  Magyarische  AlterthOmer,  8.  46  f. 
'  Endlicher,  Monumenta  Arpadiana,  8.348. 


377 


I 

I 
I 


I 


leicht  wird  dies  so  zu  erklären  sein,  dass  dem  Anonymus  über- 
haupt eine  ursprünglichere  Redaktion  der  Gesta  vorlag  als 
Keza  und  der  Nationalcbronik.  Man  vergleiche  hiezu  die  Be- 
merkungen in  Studie  VIII,  S.  302.  Andererseits  könnten  auch 
einzelne  Nachrichten,  welche  Anonymus  mehr  hat  als  Keza 
und  die  Chronik,  ebenfalls  aus  einer  ursprünglichen  Redaction 
der  <iesta  herrühren,  so  z.  B.  der  Name  Samuel  für  Aba  (§  32). 
Vielleicht  ist  auch  auf  diese  Art  eine  Beziehung,  die  sich 
zwischen  der  Darstellung  des  Anonymus  und  der  polnisch- 
ungarischen  Chronik  findet,  zu  erklären,  wozu  noch  zu  be- 
merken ist,  dass  bekanntlich  diese  Chronik,  oder  eigentlich  ihre 
Quelle,  zu  den  Gesta  vetera  in  gewissen  Beziehungen  stand.' 
Die  eben  erwähnten  Beziehungen  bestehen  in  Folgendem:  In 
der  ungarisch-polnischen  Chronik  wird  Gran  und  castrum  saUs 
(d.  i.  SaroB  an  den  Toplaquellen)  als  Grenze  gegen  Polen  ge- 
nannt.' Nun  wird  auch  beim  Anonymus  {§  17)  von  der  Er- 
oberung des  Landes  usque  ad  fluvium  Souyou  et  usque  ad 
castrum  salis  gesprochen,  und  nach  §  18  ist  auch  dort  die 
Grenze  gegen  Polen  zu  suchen.  Ferner  ist  aber  auch  der 
Granfluss  vom  Anonymus  als  Grenze  gegen  Polen  aufgefasst, 
wenn  er  (§  34)  von  dem  Beschlüsse  der  Heerführer  erzählt, 
dass  sie  hier  ,facerent  in  confiaio  regni  munitiones  fortes  tam 
de  lapidibus  quam  etiam  de  lignis,  ut  ne  aliquando  Boemy  vel 
Polony  possent  intrare  causa  furti  et  rapine  in  reguum  eorum'. 
Wir  erinnern  noch  daran,  dass  auch  zwischen  Alberich  und  der 
ungarisch-polnischen  Chronik  sich  gewisse  engere  Beziehungen 
aufweisen  lassen,  die  auch  nur  dadurch  erklärt  werden  können, 
dass  die  von  Albe  rieh  benützte  Redaction  der  Gesta  vetera 
hierin  der  ihr  mit  der  ungarisch-polnischen  Chronik  gemein- 
samen Quelle  nahestand.' 

Wenn  aber  auch  der  Anonymus  in  gewissen  Fällen  den 
ursprünglichen  Text  der  Gesta  vetera  bewahrt  hat,  so  ist  damit 
durchaus  nicht  gesagt,  dass  er  überhaupt  Aenderungen  des- 
selben, Interpolationen  u.  dgl.  unterlassen  habe.  Er  hat  vielmehr 
die  Darstellung  der  alten  Gesta  vielfach  verändert  und  erweitert, 
wie  dies  aus  dem  folgenden  Abschnitte  zu  ersehen  ist. 


»  Vgl.  Stndie  VI,  8.  625  ff.  und  629;    VH,  8.  443;   VUI,  8.  802  f. 
»  Vgl.  Studie  UI,  8.  617  f. 
»  Vgl.  Studie  VI,  S.  626  und  VUI,  8.  302  f. 
ArehiT.  LXXXVUI.  Bd.  tl.  Bim«.  26 


378 


2.  Andere  änellen  des  Anonjmns  and  wie  er  aas  ihnen  seine 
Hanptqaelle  (die  Oesta  vetera)  erweitert. 

Unser  Anonymus  oder  —  wie  er  sich  selbst  in  der  Ein- 
leitung seines  Werkes  bezeichnet  —  ,P.  dictos  magister  ac 
rjuondam  memorie  gloriosissimi  Bele  regia  Hungarie  notarias' 
war,  wie  schon  seine  Titel  zu  bezeichnen  scheinen,  ein  ftr 
seine  Zeit  wohlgebildcter  Mann.  Davon  zeigt  auch  seine  Be- 
merkung von  seinem  Schulbesuche  und  seine  Mittheilongen 
Über  die  Beschäftigung  mit  den  Schriftstellern,  die  über  den 
trojanischen  Krieg  geschrieben  haben.'  Auch  bemerkte  er  aus- 
drUekiich,  dass  er  ,secundum  tradicionos  diversorum  hystorio- 
grai>horum'  seine  Ungarngeschichte  schreibe.  Sind  diese  Be- 
merkungen richtig,  und  welcher  Quellen  hat  er  sich  neben  der 
Gesta  vetera  bedient? 

Thatsächlich  lässt  sich  nachweisen,  dass  dem  anonymen 
Notar  mehrere  Quellen  vorlagen,  und  dass  er  eine  verhältniss- 
mässig  grosse  Belesenhcit  besass;  doch  hat  man  ihm  wohl  bi«- 
her  der  Ehre  zu  viel  erwiesen  und  ihm  auch  die  Benutzung 
manches  mittelalterlichen  Schriftstellers  zugeschrieben,  den  er 
wohl  gar  nicht  vor  sich  gehabt  hatte.  Andererseits  hat  man 
freilich  auch  manches  Interessante  in  dieser  Beziehung  über 
sehen. 

So  muss  vor  allem  betont  werden,  dass  er  neben  den 
desta  Hungarorum  vetera  noch  eine  andere  einheimische 
Quelle  benutzt  hat. 

Wer  die  Darstellung  des  Anonymus  mit  den  anderen 
ungarischen  Chroniken  vergleicht,  wird  leicht  finden,  dass  er 
über  die  Geschichte  Ostungams  viel  mehr  zu  berichten  weiss. 
Man  vergleiche  insbesondere  die  Capitel  11,  20 — 28,  50 — 52. 
Wir  kennen  nur  noch  eine  Quelle,  welche  sich  über  diese  Ver- 
hältnisse ebenfalls  unterrichtet  zeigt,  nämlich  die  Vita  s.  Ger- 
hard!. Zwischen  der  Darstellung  des  Anonymus  und  jener 
der  Vita  sind  nun  ganz  unverkennbare  Beziehungen  vorhanden. 
Zunächst  mag  darauf  hingewiesen  werden,  dass  der  Anonymus 


'  Im  Prolog:    ,DDm   olim   in  Scolari  studio  aimnl   easemna  et  in  bjvtorii 
troiaiifi,  quam  ego  cam  sammo  amore  complexns  ex  libris  Darethis  PlirifU 
ceteroriimqne    aactoruin,    sicut    a    magiatriH    meia    andiveram,    in    aooo 
Volumen    proprio   atilo   compilaveram ,    pari    voluntato   le^remus 
(Fontes  U,  S.  1). 


379 


I 


I 
I 


ebenso  ivio  die  Vitji  besonders  den  priccliischeii  EiiiHiiss  in 
Ostun^arn  vor  yteplian  I.  betont.  So  lässt  ■/..  B.  Anonymus  (i?  14) 
den  ,dux  Salamis'  folgendermassen  zu  Arpad  und  seinen  Un- 
garn sprechen:  ,.  .  .  njnndavit  eis,  ut  mala  facta  sua  enienda- 
rent  et  fluviura  Budrug  nuUo  modo  transire  auderent,  ut  ne 
ipse  veniens  cum  adiutorio  Grecorum  et  Bulgaronim  .  . .';  hie- 
zu  ist  auch  noch  §  38—42  zu  vergleichen.  Ebenso  legt  der 
Notar  (§  20)  dem  Fürsten  Menumorut,  als  dessen  Gebiet  das 
Land  zwischen  Maros  und  Sanios  genannt  wird  (4?  11),  folgende 
Aeussennig  in  den  Mund:  ,.  .  .  terram  hanc  .  .  tanien  modo 
per  gratiam  domini  niei  imperatoris  Constautinopolitani  nemo 
potest  auferre  de  raanibiis  meis.'  Mit  dieser  Anschauung,  die 
sich  sonst  nirgends  in  den  ungarischen  Quellen  findet,  stimmt 
ganz  der  Bericht  der  Vita  s.  Gcrhardi  Ubcrein.  wo  es  Über  Acbtum, 
den  Beherrscher  des  südöstlichen  Ungarn,  hcisst:'  ,.  .  .  accepit 
autem  potestatem  a  Grecis'.'  Hierzu  kommt  nun  aber  der  Umstand, 
dass  über  Achtum,  den  wir  eben  genannt  haben,  ebenfalls  nur  der 
Anonymus  und  die  Vitas.  Gerhardt  etwas  zu  berichten  wissen; 
keine  andere  ungarische  Quelle  erzilhlt  etwas  über  denselben. 
Was  aber  in  den  beiden  genannten  Quellen  über  ihn  mitgethcilt 
ist,  stimmt  fast  völlig  Qberein.     Man  vergleiclie: 


Anonjrmua  §  11. 

Terram  vero  que  est  a  fluvio 

Morus  usque  ad  castrum  Ursia 

■  (=  Orsova)  prcocuppavisset  qui- 

dara  dux  nomine  Glad,  de  Bun- 

dyn  Castro  egressus.  . . . 

P  Ex  cuius  progenie  Ohtum 
fuit  natus,  quem  postea  longo 
post  tempore  sancti  regis  Ste- 
phan! Sunad  filius  Dübuca  ne- 
pos  regia   in   Castro   suo  iuxta 


Vita  B.  Gerhardt  §  10. 

S.  215.  Scrviebat  nanique 
eidera  viro  (Acbtum)  terra  a 
fluvio  Keres  usque  ad  partes 
Transilvanas  et  usque  in  Budin 
et  Zeren  (d.  i.  Zewrin  oder 
Severin  unterhalb  Orsova).  — 
S.  214.  Achtum  .  .  in  civitate 
Budin  fuerat  baptizatiis. 

S.  217.  Achtum  vero  inter- 
fectuB  est  in  loco  prelii  ab  exer- 
citu  Chanadini.  S.  214  et  usur- 
pabat  sibi  (Achtum)  potesta- 
tem super  sales  regis  descen- 


*  Monumenta  ArpadiKDA,  S.  216. 

•  Dum  diese  Naclirichten  liistoriscli  begrrBndet  sind,  ist  kanm  zweifelbaft. 
Man  vergleiche  darüber  meiue  ,Beiträge  zur  älteren  ungariauhen  6e- 
■chicbte*  (Wien  1893),  S.  1  ff. 

^^^      26» 


380 


Morosium  interfecit,  eo  quod 
preilicto  regi  rebellis  fuit  in 
oranibus.  Cui  etiam  predictus 
rex  pro  bono  servitio  suo  uxo- 
rem  et  castrum  Ohtum  cum 
Omnibus  apendiciis  suis  condo- 
navit.  Siu  enim  mos  est  bono- 
rum dominorum  suos  fideles 
remunerare;  quod  castrum 
nunc  Sunad  nuncupatur.  Quid 
ultra?  .  .  . 


dentes  in  Morosio.  .  .  S.  217.  • 
Chanadinus  vero  linguam  (des 
Aehtum)  de  bursa  exponens  a 
rege  sublimatur,  quem  consti- 
tuit  principem  domus  re^gis  et 
doraus  Achtura.  Ait  enim  rex 
ab  hac  die  urbs  illa  non  voca- 
bittir  Morisena  sed  urbs 

Clianadina,  pro  eo  qnod  innm- 
cum  meum  interfecisti  .  .  .  pro- 
vincia  Chanadiensis  vocetur 
osque  generationes. 

Aus  den  vorstehenden  Parallelstellen  ist  zu  ersehen,  da» 
die  Erzählung  in  allen  Hauptpunkten  übereinstimmt,  wobei  nicht 
vergessen  werden  darf',  diiss  die  Mittheilungen  des  Notars  im 
§  11  nur  vorgreifende  Bemerkungen  sind,  da  seine  Darstellaog 
nicht  in  die  Zeit  Stephans  reicht,  wo  wir  allenfalls  die  Elrzähluns: 
breiter  und  dann  auch  wohl  zu  jener  in  der  Vita  noch  ähn- 
licher gefunden  hätten.  Auch  das  ,Quid  ultra?',  mit  welchem 
der  Anonymus  seine  Mittheilungen  schliesst,  deutet  auf  den 
Einschub  an  dieser  Stelle.  Wir  dürfen  also  wohl  uanohmen, 
dass  dem  Anonymus  entweder  die  Vita  s.  Gerhard! 
oder  doch  eine  dieser  nahe  Quelle  vorlag.  Hiebei  mag 
nochmals  betont  werden,  dass  sich  sonst  Nachrichten  über 
Aehtum  in  keiner  anderen  Chronik  finden.'  Dass  übrigens 
sonst  keine  Berührungspunkte  zwischen  der  Darstellung  des 
Anonymus  und  der  Vita  s.  Gerhardi  sich  finden,  ist  leicht  er- 
klärlich :  die  Erzählung  des  Notars  reicht  nicht  bis  in  die  Zeit, 
bei  deren  Schilderung  er  seine  Quelle  hätte  vollauf  ausnützen 
können. 

Von  sonstigen  einheimischen  Quellen  hat  der  Anonymus 
sonst  nachweisbar  nur  noch  die  mündliche  üeberlieferang 
benützt.  Dass  er  diese  wohl  kannte,  verräth  er  deutlich  genug. 
So  lässt  er  sich  im  Prolog,  wie  folgt,  vernehmen:  ,Et  si  tarn 
nobilissima  gena  Hungarie    primordia   sue  geuerationis  et  fortia 


*  Schon  dies  wetat  den  Gedanken  zurück,  nis  ob  etwa  die  Geata  rttata 
auch  die  Quelle  (Qr  die  Vita  a.  Gerhardi  gewesen  wXre.  Man  vergleich« 
dieabesüglicb  Studio  VIII,  8.  233  ff. 


381 


queque  facta  sua  ex  falsis  fabulis  ruaticonim  vel  a  garrulo 
cantu  iocuJatoruin  quasi  sompniando  audiret,  valde  indecorum 
et  satis  indecens  easet.*  Und  an  einer  anderen  Stelle  f§  42) 
lesen  wir:  , Quorum  etiam  bella  et  fortia  queque  facta  sua 
(siehe  das  vorige  Citat!)  si  scriptis  presentis  pagine  non  vultis, 
credite  garrulis  cantibus  iociilatoruna,  qui  fortia  facta  et  bella 
Hungarorum  usque  in  hodiernum  diem  obüvioni  non  tradunt. 
Sed  quidam  dicunt  eos  ivisse  usque  ad  Constan  tinopol  im  et 
portam  auream  Oonstantinopolis  Botondium  cum  dolabro  suo 
incidisse.  Sed  ego,  quia  in  nullo  codice  bystoriographorum  in- 
veni,  nisi  ex  falsis  fabulis  rusticorum  audivi,  ideo  ad  presens 
opus  scribere  non  propoaui.'  Aus  den  vorstehenden  Stellen' 
geht  zur  Genüge  hervor,  dass  zur  Zeit  des  Anonymus  die 
Ueberlieferung  reichlich  floss,  und  dass  er  dieselbe  zum  guten 
Theile  kannte.  Wenn  er  nun  aber  mit  dünkelhaftem  Gelehrten- 
stolz von  den  VolksgesUngen  und  -Sagen  wenig  zu  halten  scheint 
und  z.  B.  die  Fabel  von  Botond  zurückweist,  die  andere  Chro- 
nisten doch  wieder  aufnahmen,*  so  ist  dies  noch  durchaus  kein  Be- 
weis, dass  er  die  Tradition  überhaupt  ganz  ausseracht  Hess.  So  hat 
er  ganz  gewiss  die  schöne  Sage  vom  Kaufe  Pannoniens  durch  die 
Ungarn  aus  der  Ueberlieferung  aufgenommen  (§  14),  aus  welcher 
sie  auch  der  spätere  Nationatchronist  kannte.^  Kaum  ist  es 
zweifelhaft,  dass  auch  vieles  Andere,  was  er  in  der  Eroberungs- 
geschichte erzählt,  aus  der  Ueberlieferung  herrührt.*  Vieles 
hievon  wird  aber  freilich  nicht  echte  Volkssage  sein,  sondern 
zum  guten  Theile  etymologische  Erfindung.  Uie  Entscheidung 
wird  zumeist  wohl  schwer  fallen.  Aus  einzelnen  der  Etj-mo- 
logien  geht  hervor,  dass  der  Anonymus  des  Slavischen  mächtig 
war.*     Am   Schlüsse    der    Eroberungsgeschichte    verschwinden 


Man  rer^loiche  auch  noch  §  35:    Ut  dicnnt  nostri   iocnlatores :   omnea 

loca  sibi  acquirebant  et  nomen  bounm  accipiebant. 

Vgl.  Studie  VIII,  S.  267  und  272. 

Studie  Vin,  8.  26B. 

Man  verifleicbe  z.  B.  §  11:    ...  dux  Moroni,  cains  nepo«  dieti»   e.it  nb 

Hnngsri»  Mennmoront,  eo  qnod  plures  habebat  smica*;  und  die  gegen 

die   Ueberliefernng    von    Morot    gerichtete   Polemik    bei   Keza,   §  16 

and  18,   (Tradunt  «{oidam  quod  Hungari  Morot  .  .  .;  usque  hodie  fabulose 

Morot  i[)suin  fuisse  axseverant.) 

EUerher  gebWrt  die  Erkilirnng  von  Mnnca:)  =  labor  (§  12),   fluvius  Ketel 

=  Keteliiotaca  (§  16),  Surungrad  =  nignim  caatrum  (§40).  Ätlenfalis  sind 

einxelne  der  «lavisclien  Worte  magyariaches  Spracheigenthnin  geworden. 


382 


diese   auf  Ortskenntniss  u.  dgl.   beruhenden  Mittheiitingen 
Notars;   fUr   die  Zeit  der  Raubzüge   muss  er  sich    wieder   mii 
seiner  Vorlage,  den  Qesta,  und  Regino  begnllgen. 

Nun    wenden    wir    uns    der   Erforschung   der    fremden 
Quellen  zu,  welche  der  Notar  benützt  hat. 

Zur  Erweiterung  der  Beschreibung  Sky thiens  (§  1 ),   welche 
ihm    die  Gesta  vetera   darboten,   hat  er  zunächst    eine    Quelle 
benutzt,    auf  die   in   neuerer  Zeit   F.  RUhl   hingewiesen    bat 
Derselbe  hat  zunüchst  im  Jahre  1880  in  den  ,Jahrblleheni  für 
classischc  Philologie',  Bd.  26  (=  121),  S.  549  flf.  aus  dem  Codes 
Laurentianus  66,   40,    saec.  X    und   dem   codex    Bambergensis 
E,  lU,  14  zwei  auf  Cassiodor  beruhende  AuszUge  aas  einer 
gothischen  Urgeschichte  veröflfentlicht  und  hierauf  im  Jahre 
1883   in   den   Forschungen   zur   deutschen  Geschichte,   Bd.  23, 
S.  601  ff.   darauf  hingewiesen,    daas   diese   oder   vielmehr  eine 
ihnen   engverwandte  Vorlage    vom  Anonymus   ftir  die  Erweite- 
rung   des    §  1    benutzt   wurde.     Diese    Quelle    würde    damach 
der  Notar  (§  1)  unter  den  ,hystoriographi,  qui  gesta  Komanomm 
scripserunt'  und  einige  Zeilen  weiter  unter  ,quidam  .  .  hystorio- 
graphi'  verstanden   haben.     Dieser  Nachweis  Rühl's    ist   sehr 
dankenswerth   und    der  Hauptsache   nach  auch   richtig.     Doch 
wird    man    bezweifeln    und    wohl  auch  bestreiten  müssen,   dass 
«11(3  Stellen,   die  liiihl    auf  die  gotbische  Urgeschichte    zurück- 
Bihren  will,   auch    wirklich   aus   derselben    herrühren.     Er  hat 
bei   seinen  Äusfllhrungen   an    ein   Doppeltes   vergessen:    1.  aa 
den   Vergleich    des   Anonymus    mit  den    anderen    ungarischen 
Quellen,    und   2.  an    den  Umstand,    dass  gewisse    Nachrichten 
sich   in    vielen    mittelalterlichen  Schriftstellern   in    so   ähnlicher 
Form  wiederholen,  dass  es  sehr  schwer  ist,  deren  genaue  Her 
kunft  und  Aiihängigkeit  nachzuweisen.     So  ist  des  Anonymos 
Bestimmung  der  Lage  Skythiens  nicht  aus  Laur.,  Z.  161  —  163 
und  Burab.,   Z.  121  — 123   geflossen,    sondern    bereits    aus    den 
Gesta  vetera,  weil  Anonymus  hier  mit  Keza  und  der  National- 
chronik , versus  orientem'   und   ,a(iuilonali'  hat,   was    weder  im 
Laur.    noch    im   Bamb.    sich    findet.'     Ebenso    muss    die    B«- 
merkung   des   Anonymus:    ,ubi   ultra   modum   habundanter  in- 
veniiintur    zobolini,    ita    quod    non    solum    nobiles    ac    ignobile« 
vestiuntur  inde,    verum  etiaiu  bubulc:   et  subulci  «c   opiliones 


Vgl.  Studie  VIII,  8.  236  ff. 


383 


decorant  vestimenta  in  terra  illa'  nicht  auf  Laur.,  Z.  139 
und  Bamb.,  Z.  127  zurückgehen,  weil  diese  Stelle  nichts  mehr 
Gemeinsames  haben  als  die  Mittheilung,  dass  den  Skythen 
Pelzwerk  als  Bekleidungsmaterial  diente,  was  sich  doch  schon 
in  Regino  findet  (pellihus  tantum  ferinis  ac  murinis  induuntur), 
der  sowohl  den  Qesta  vetera  als  auch  direct  dem  Anonymus 
zugänglich  war.'  Die  folgenden  Mittheilungen  Über  das  Vor- 
kommen von  Edelmetallen  und  Edelsteinen,  sowie  Über  Gog  et 
Magog  könnten  wohl  auf  die  Auszüge  zurückgehen,  doch  ist 
einerseits  die  Bemerkung,  dass  die  Flüsse  FundstÄtten  dieser 
Kostbarkeiten  seien,  bereits  in  den  Gesta  vetera  vorhanden* 
und  andererseits  haben  schon  gewiss  diese  Gesta  Magog-Mogor 
als  Stammvater  der  Magyaren  gekannt."  Die  Bemerkung  über 
die  Unbesiegbarkeit  der  Skythen  findet  sich  schon  bei  Re- 
gino und  stand  in  den  Gesta  vetera.*  Den  Auszügen  ent- 
nommen sind  die  Bemerkungen,  dass  die  Skythen  ,antiquiores 
populi'  sind,  und  vielleicht  auch,  dass  Magog  der  Sohn  Japhcts 
war,  denn  in  den  anderen  ungarischen  Quellen  wird  eine  etwas 
andere  Genealogie  geltend  gemacht.^  Was  nun  bei  Anonymus 
folgt  (et  gens  ilta  a  Magog  —  originem  duxerunt  sicut  in  sequenti- 
bus  dicetur),  ist  theils  aus  den  Gesta  vetera  entnommen,  theils 


'  Vgl.  dnröber  weiter  nnteii.  —  Zum  Beweise  unnerer  obigen  Bemerkung, 
wie  schwer  es  oft  sei,  die  wirreu  :^bbKngigkeitiiverlifiltnisso  der  mittel- 
alterliclieu  Quellen  zu  enträthseln,  dient  auch  ein  Vergleich  der  eben 
in  Uede  stebenden  Stellu.  Wir  setzen  zu  diesem  Zwecke  neben  die 
oben  citirte  Stelle  aus  Anonymus  die  entsprechenden  .lus  Regino,  Lanr. 
and  Bamb.: 


Regino  a.  889: 

Lanae  Ins  usus  ac  ves- 
tium  ignotus,  et  qnam- 
quam  continais  frigori- 
bu8  afficiantur,  pellibua 
tantum  ferinis  ac  mu- 
rinis indanutar. 


Lanr.,  Z.  189: 

restem  laneficie  ig- 
noti,  aed  pellis  ferarum 
morenarnm  ad  veati- 
menta  ntendo. 


Bamb.,  Z.  127: 

vestiti  erantdepellibns 
ferarum. 


Darnach   steht   Laur.  dem   Regino   am    nXchsten,   trotadem   keine 
directen  Beziehungen  zwischen  ihnen  aufzuweisen  sind. 

•  Vgl.  unten  S.  387  f. 

»  Vgl.  Studie  VIII,  8,  242. 

•  Ebenda,  8.  288  f. 
>  Ebenda,  S.  242. 


384 

Lntcrpolirt  (siehe  oben  S.  370  f.).  Nun  folgt  ein  grosserer  Ein- 
Schub  aus  den  Auszügen,  der  wieder  mit  der  Notiz  Ober  die 
Skythen  als  ,antiquiore8  populi'  beginnt,  sowie  mit  dem  deut- 
lichen Hinweise  aui'  seine  Quelle  (de  quibus  hystoriographi,  qoi 
gesta  Uomanorum  scripsenmt).  So  geht  es  in  bunter  Folge 
weiter.  Im  Einzelnen  das  bunte  Gewirr  dieser  Compilimn^ 
aufzulösen,  hat  wolil  keinen  Zweck.  Es  genügt,  nachgewiesen 
zu  haben,  dass  der  Notar  ftlr  seine  erweiterte  Darstellong 
Skythiens  wohl  eine  den  Auszügen  nahestehende  Quelle  be- 
nutzte, dass  er  aber  durchaus  nicht  alle  Nachrichten,  die  sidi 
auch  in  den  Auszügen  finden,  diesen  entnommen  haben  mnat. 
Vieles  von  diesen  verwandten  Nachrichten  steht  nämlich  bd 
Kegino  und  stand  also  auch  in  den  auf  diesem  beruhenden 
Gesta  vetera;    diese  Quellen  lagen  aber   dem  Anonymna  vor.' 

Längst  ist  es  bekannt,  dass  der  Notar  die  trojanische 
Geschichte  des  Dares  Phrygius  benützt  hat,  die  er  auch 
selbst  im  Prolog  nennt.  Das  Nähere  darüber  bei  Marczali, 
in  den  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte,  Bd.  17,  S.  625. 

Ebenso  ist  wohl  die  Benützung  von  ,Alexandri  magni 
über  de  preliis'  durch  den  Anonymus  sichergestellt.  Hierza 
ist  Marczali,  a.  a.  0.  S.  627 — 630  und  Rühl  in  den  Forschungen, 
Bd.  23,  S.  607  zu  vergleichen.» 

Die  Benützung  des  Guido  de  Columpna  ist  sehr  zweifl^ 
haft.  Die  von  Marczali,  a.  a.  O.  S.  631  f.  angeführten  StelUQ^ 
die  eine  »freiere  Benützung  des  Gnido'schen  Werkes'  beweisen 
sollen,  sind  allgemein  verbreitete  Phrasen,  die  man  wohl  eben- 
so in  einem  anderen  Schriftsteiler  finden  würde.  Die  einzige 
etwas  mehr  Beachtung  verdienende  Stelle  wäre  jene,  aus  welcher 
der  Anonymus  die  Notiz  genommen  hätte,  dass  die  Flüsse 
Skythiens  Ivleinodien  führen.  Diese  besticht  auch  Kühl  (S.  603), 
einen  Augenblick  daran  zu  glauben,  dass  Guido  de  Columpna 
eine   Quelle   des   Notars   wäre.     £r  hat,   ebenso   wie  Marezoli, 

'  Ein  anderer  Irrthum  Rlibr»  besteht  darin,  dass  er  gUulit,  Alles,  wa« 
der  Nutar  g:eineiDBam  mitRegino  habe,  müsse  diesem  ditect  eutoomm^n 
sein.  Aach  das  ist  irrig:  viele  dieser  Machrichteo  kamen  aach  darcb 
die  Gesta  dem  Anonymus  za. 

*  Irgend  eine  Redavtion  des  Aloxandermmans  war  auch  dem  Tni  fiwir 
der  iingnriscb-polniiiubeii  Chrunik  bekannt,  S.  Ö07  der  Anagabe  in  Mon. 
Pol.  Hist.  I  heisst  es  nfimlich,  dass  Stephan  sich  erinnert:  ,rerbomm 
Alexaudri  regis,  qoi  dixerat:  stare  pro  patria,  patrüa  titulia  et  honorv 
invigilare  decet'. 


385 


nicht  gewusst,  dass  der  Anonymus  diese  Nachricht  aus  seiner 
■  HauptqueUe,  den  Gesta  vetera,  entnahm,  aus  welcher  sie  auch 
in  die  spätere  Nationalchronik  floss. 
Man  vergleiche: 


i 


Anonymus. 

l  1,  S.  2.  Nam  ibi 
bundat  aurura  et  ar- 
itum  et  inveniuntur 
fluminibus  teiTO  il- 
3  preciosi  lapides  et 
nme. 

5  1,  S.  3.  Aunira  et 
;entum  et  gemmaa 
bebant  sicut  lapidcs, 
ia  in  fluminibus  eiua- 
m  terre  invenieban- 

§  25.  Et  qnod  in  are- 
eorum  (fluviorum) 
riim  colligerent,  et 
rum  terre  illius  opti- 
im  esset 


Chr.  Budense. 


S.  65.  Erdeel,  quod  irri- 
gatur  plurimis  fluviis,  in 
quorum  arenis  auruin  col- 
iigitur,  et  aurum  terre 
illius  Optimum  est 


Guido. 


ditissimus  aui'o 
et  gemmis,  que  in  flu- 
raine  Tigri  et  Eufrate 
crebriuB      inveniuntur. 


Wir  bemerken  zu  den  vorstehenden  Parallelstellen,  dass 
der  Notar  die  Zusammenstellung  aurura — argentum — ^gemmas 
aus  den  Auszügen  übernahm;'  aus  den  Oesla  brauchte  er  also 
nur  den  Gedanken  an  die  Flüsse  als  Fundort  entnommen  zu 
haben.  Er  konnte  dies  übrigens  als  Ungar  auch  aus  eigener 
Erfahrung  gewusst  oder  sonst  woher  geschöpft  haben,  ohne 
gerade  den  Guido  zu  kennen.*  Dazu  kommt  nun  aber  Rühl's 
Nachweis,    dass  Guido    sein   Werk   erst   1288   vollendete,   der 

'  Laar.,  Z.  140:  aiiriim  et  arpentnm  nimis  sicnt  lapidis  iliidom  Invenitur 
et  mnlta  aliu  gcmmanmi  divorsit.is.  —  Bamb.,  Z.  1*27:  aiinim  et  argeutum 
et  gemmas  sicttt  lajndea  habebaut.    Vgl.  Studie  VIII,  S.  240,  Anm.  4. 

*  So  finden  wir  x.  B.  auch  bei  Isidor  die  Nachricht  (Originum  lib.  XVI, 
cap.  XI,  §  4):  Mittuut  eam  (ec.  galnctitem,  d.  i.  einen  weissen  Edelstein) 
Niln»  et  Achelous  ninuos.  —  Pliiiiu»,  Nat.  Hist.,  lib.  IV,  §.  115:  Tagua 
anriferis  hnrenia  celebratur;  lib.  XXXIIl,  §.66:  Aiinini  invenitur  tribus 
modis:  fluminnm  raraentis,  nt  in  Tngo  Hispanine,  Pado  Italiae,  Hebro 
Tliraciae.  .  .  . 


386 


AnonymuB  aber  doch  wohl  schon  froher  leine  Geste  geechriiha  I 
hat    Also  werden  wir  wohl  doch  dem  von  BllU  (8.  606)  i»  < 
gesprochenen  Zweifel  tlber  die  BenOtmng   Gxddos  dnrefa  im 
Notar  beistinunen. 

Die  von  Marczali,  a.  a.  O.  S.  636  f.  behauptete  verderUek« 
Beeinflussung  des  Notars  durch  die  Etymologien  dei  Itiiw 
wird  von  Rühl,  a.  a.  O.  S.  603  wohl  mit  Recht  gelengnet  W« 
der  Notar  nach  Marczali  aus  Isidors  Dantelliuig  entDomm 
haben  soll  (Magog),  steht  eben  schon  in  den  AoaaOgen  {üA» 
oben!).  So  wird  man  wenigstens  an  eine  directo  A^fn"™t 
nicht  denken  müssen. 

Dasselbe  gilt  von  der  von  Marcaali,  a.  a.  O.  S.  6%  gdtoi 
gemachten  Benützung  des  Justinus.  Alle  Stellen,  wdche  te 
Notar  angeblich  aus  diesem  geschöpft  hat,  finden  moh  ia  Ütar 
lieberer  Form  in  den  AuszOgen.    Man  veigleicbe: 


Anonymn«. 

§  1,  8.2.  Scithici 
enim  sunt  antiqnio- 
respopuli.  —  Eben- 
so S.S. 

§1,S.4.  ...Darium 
regem  Persarum 
cum  magna  turpi- 
tudine  Scithici  fece- 
runt  fugere  et  perdi- 
dit  ibi  Darius  octo- 
ginta  milia  hominum 
et  sie  cum  magno  ti- 
morefugitinPersas. 

Ebenda:  Gens 
enim  Scithica  dura 
eratadsustinendum 
omnem  laborem,  et 
erant  corpore  mag- 
ni  Scithici  et  fortes 
in  hello.  Nam  nichil 
habuissent  in  mun- 
do, quid  perdere 
timuissent  pro  illata 


AnasOge. 

Laur.  Z.1S4.  Ezitian- 
tiqaioris  popnlns.  — 
Bamb.,  Z.  121.  Sdthe  an- 
tiquiores  populi. 

Bamb.,Z.133.  Daryum 
regem  cum  turpitudi- 
ne  feceruntfugere  pre- 
dicti  Scithe,  et  perdi- 
dit  ibi  Daryus  centum 
milia  hominum  et  sie 
cum  timore  fugit  in 
Persas. 

Bamb.,  Z.  139.  Quia 
gens  illa  dura  erat  ad 
sustinendum  omnem 
laborem,  in  hello  for- 
tis,  corpore  magna. 
Nichil  habebant,  qnod 
perdere  timerent; 
quando  victoriam  ha- 
bebant, nihil  de  prae- 
da  volebant,  nisi  tan- 


ScyttuuuiagM 
qniaaunaa 


DariuB  .  .  .  ui 
LXXX  milibah 
nam  trepidm  vi 
(steht  hier  also  m 
der  Zahl  dem  Ni 
näher). 


nihil  parare,  qnodi 
tere  timeant,  nibü 
tores  praeter  gio 
concupiscanL 


387 


tum     laudem     exiade 
querebant. 


i  iniuria.  Quando 
m  Scithici  victo- 
m  habebant  ni- 
iJ  de  preda  vole- 
at  .  .  sed  tantum- 
de  laudcia  exin- 
querebant. 


Wie  wir  sehen,  wiederholt  sich  hier  dasselbe,  was  wir  bereits 
oben  betont  liaben:  Die  ilhnlichen  Gedanken  sind  in  diesen 
Dingen  noch  durchaus  kein  Beweis  für  directe  Abhängigkeit 
der  Quellen.  Ganz  offenbar  hat  auch  hier  der  Anonymus  nicht 
aus  Justinus  geschöpft,  sondern  aus  der  den  Auszügen  ganz 
nahestehenden  Quelle. 

Ebenso  hintllllig  ist  die  auf  Grundlage  einer  einzigen  Be- 
obachtung behauptete  Benützung  des  Geographen  Solinus 
durcii  den  Notar.  Dieses  Verhiiltniss  steht  durchaus  nicht,  wie 
Marczali,  a.  a.  O.  S.  G2ö  behauptet,  , ausser  Frage'.  Es  ist 
richtig,  dass  der  Notar  den  Bluteid  der  Skythen  wie  Solinus 
beschreibt,  aber  es  ist  unrichtig,  dasa  aus  den  ihnen  blos  ge- 
meinsanaen  Worten  ,in  unum  vas'  schon  die  directe  Abhängfig- 
keit  gefolgert  werden  könnte.  Der  Notar  könnte  doch  sehr 
wohl  diese  Kunde  aus  einer  anderen  Quelle  haben,  wie  doch 
auch  Solinus  sie  von  irgendwo  erhalten  hat.  Zum  Vergleiche 
folgen  noch  hier  die  Stellen: 


AnonymOB. 

§  5.  Tunc  supra  dicti  viri 
pro  Almo  duce  more  paganismo 
fusis  propriis  sanguinibus  in 
unum  vas  ratum  fccerunt  iura- 
mentum. 


Solinus. 

Cap.  15.  . . .  haustu  mutui  san- 
guinis in  unum  vas  foedus  san- 
ciunt. . . .  (Scythamm)  ne  qui- 
dem  foedera  incrucnta  sunt, 
sauciant  se,  qui  paciscuntur, 
exeniptumque  sanguinem,  ubi 
^^^  permiscuere,  degustant. 

^^^       Bezüglich  der  Benützung  Regino'a  muss  betont  werden, 

I     dass    dieser    einerseits   mittelbar    durch    die  Gesta  Hungarorum 

I     vetera,    andererseits    nochmals   unmittelbar    vom  Notar   benutzt 

wurde.     Es   genügt,   auf  Studie  VII,  S.  463  und  471    und  vor 

Allem  Studie  VIII,  S.  241,  2ö8  f.  und  273  zu  verweisen,   sowie 


388 

die  Parallelstellen  ebenda  S.  236  ff.  und  256  ff.  Es  möge  mir 
hier  nochmals  betont  werden,  dass  nicht  alle  Roginostellcn, 
welche  Anonymus  bietet,  und  die  sich  bei  Keza  und  in 
der  Nationalchronik  nicht  finden,  direct  erst  vom  Kot&r  aus 
Regino  entlehnt  sein  mllssen.  Man  kann  auch  annehmen, 
dass  er  hierin  entweder  enger  als  Keza  und  die  Chronik 
sich  an  die  Gesta  anschloss,  oder  dass  in  der  Redücdoo 
der  Qesta  vetera,  welche  Keza  und  der  Nationalchronisi 
benutzte,  bereits  einige  Nachrichten  aus  Regino  weggefall^H 
waren,  dio  noch  in  der  Redaction  der  Gesta,  welche  dem  No4^^| 
vorlag,  enthalten  waren.  Dies  gilt  aber  gewiss  nicht  z.  B.  von 
den  Stellen,  welche  Studie  VTII,  S.  273  namhaft  gemacht  sind. 
Vielleicht  sind  auch  einige  Züge  in  der  Beschreibung  Skj-thiens 
direct  aus  Regino  entnommen,  worüber  Studie  VIII,  S.  236 — 241 
zu  vergleichen  ist. 


3.  Das  Zeitalter  des  Anonymus.    Der  Werth  seiner  üngarn- 

geschichte. 

In  den  vorangegangenen  Studien  haben  wir  wiederhoh 
dio  Ansicht  ausgesprochen,  dass  der  anonyme  Notar  ein  Zeit- 
genosse Keza 's  war,  also  etwa  um  1275  sein  Werk  verfasat 
habe.  An  dieser  Ansicht  glauben  wir  mit  Marczali  geg^^ 
die  neuere  Untersuchung  von  Florianus  festhalten  zu  mUssi^H 
Auf  andere,  insbesondere  die  ältere  Literatur,  ist  wohl  nicbt 
nöthig,  hier  näher  einzugehen;  man  vergleiche  darüber  die 
Mittheilungen  bei  Marczali,  Geschichtsquellen,  S.  94  ff. 

Der  Verfasser  unserer  Chronik  nennt  sich  gleich  zu  An- 
fang seines  Werkes  ,P.  dictus  magister  ac  quondam  bone  me- 
morie  gloriosissimi  Bele  rcgis  Hungarie  notarius'.  Es 
entsteht  nun  die  Frage,  welchem  König  Bcla  der  Anonymus  ge- 
dient hat.  Dass  der  erste  (1061— 1063")  und  zweite  (1131—1141) 
Künig  dieses  Namens  nicht  in  Betracht  kommen,  ist  onzweifel- 
haft.  Mao  vergleiche  übrigens  dartiber,  was  Florianus  in  seinen 
Fontes  II,  S.  261-274  ausfuhrt.  Es  bleibt  somit  niir  Bela  III. 
(1173—1196)  und  Bcla  IV.  (1235—1270)  übrig.  Für  Ersteren 
entscheidet  sich  Florianus,  fUr  Letzteren  Marczali. 

Florianus  führt  zuniichst  Alles  an,  was  nach  seiner  An- 
sicht dagegen  spricht,  dass  der  Notar  im  letzten  Drittel  des 
13.  Jahrhunderts  geschrieben  haben  künnte  (Fontes  II,  S.  27Ö 


bis  284)     Seine  Ausführungen  scheinen  durchaus  unstichhiiltig 
zu  sein.    Wir  wollen  sie,  um  dies  nachzuweisen,  näher  prUfen. 

Zunächst  macht  Florianus  geltend,  dass  die  Cumanen  zur 
Zeit  Bclas  IV.  schon  langes  Kopf-  und  Barthaar  trugen,  Ano- 
nymus spricht  dagegen  von  rasirten  Köpfen  der  Cumanen,  also 
könne  er  nicht  dieser  Zeit  angehören.  —  Dieser  Beweis  ist  unhalt- 
bar. Ohne  dass  wir  auf  die  Kopftracht  der  Cumanen  des 
13.  Jahrhunderts  näher  eingehen,*  können  wir  nämlich  gegen 
die  Beweisführung  Florian's  Folgendes  einwenden:  An  der  be- 
treffenden Stelle  (§  8)  .Tonsa  capita  Cuiuanorum  Almi  ducis 
milites  mactabant,  tanquam  crudaa  cucurbitiis',  spricht  der 
Notar  nicht  von  den  Cumanen  seiner  Zeit^  sondern  von  jenen, 
mit  denen  angeblich  Almus  gekämpft  hat.  Hatten  nun,  wie 
dies  auch  Florianus  anzunehmen  scheint,  noch  die  Cumanen 
des  12.  Jahrhunderts  rasirte  Köpfe,  so  durfte  der  Notar  mit 
Recht  deren  Vorfahren  diese  Eigenschaft  zuschreiben.  Nichts 
berechtigt  uns  ferner  zur  Annahme,  dass  ihm  aus  seinen  Quellen 
nicht  bekannt  war,  dass  die  alten  Cumanen  ihren  Kopf  rasirt 
haben,  und  er  nothwendigerweise  sie  so  schildern  musste,  wie 
sie  etwa  zu  seiner  Zeit  umhergingen.  Dazu  kommt  nun  aber, 
dass  auch  die  um  1300  entstandene  Nationalchronik  nach  Aus- 
wei.s  ihrer  Ableitungen  von  rasirten  Köpfen  der  Cumanen  spricht. 
Im  Chron.  Bud.,  S.  129  heisst  es  nämlich  von  den  Cumanen, 
gegen  welche  Ladislaus  (der  Heilige)  kämpfte:  ,Capita  quippe 
Cumanorum  noviter  rasa,  tanquam  Cucurbitas,  ad  maturitatem 
nondum  bene  perduetas,  gladiorum  ictibus  discidunt.'  Mit  Recht 
vermuthet  Marczali,  GeschichtsqueUcn,  Ö.  93,  dass  beiden  Stellen 
irgend  eine  alte  ungarische  Redensart  zu  Grunde  liegt.  Ein  Be- 
weis lässt  sich  also  aus  dieser  Stelle  durchaus  nicht  ziehen. 

An  zweiter  Stelle  macht  Florianus  den  Umstand  geltend, 
dass  der  Notar  gern  vorgreifende  Bemerkungen  mache;  da  er 
nun  keine  auf  die  Zeit  Belas  IV.,  insbesondere  auf  den  Tataren- 
cinfall  bezügliche  biete,  so  müsse  er  früher  sein  Werk  vollendet 
haben.  —  Dagegen  muss  bemerkt  werden,  dass  der  Anonymus 
wohl  einige  vorgreifende  Bemerkungen  macht  (vgl.  oben  S.373ff.); 
daraus  folgt  aber  durchaus  nicht,  dass  er  für  gewisse  Perioden 
und  Ereignisse  solche  Bemerkungen  gemacht  haben  müsse. 
Unbillig  ist  es,   zu  fordern,    dass  er  in  seiner  nur  bis  auf  den 


^  Vgl.  flbrigeni)  CABsel,  Magynriaclie  AltertliUmer,  S.  lT'2f. 


390 


Herzog  Geisa  geftlhrten  Darstellung  auch  schon  das  13.  Jahr- 
hundert berücksichtigt  haben  solle.  Würde  dieses  Beweis- 
verfahren Florians  seine  Richtigkeit  haben,  dann  müsste  der 
Anonymus  dem  11.  Jahrhundert  angehören,  denn  von  seinen 
vorgreifenden  Bemerkungen  hat  keine  auf  das  12.  Jahrhundert 
Bezug.     Man  vergleiche  oben  S.  373  ff. 

Seinen  dritten  Beweis  holt  Florianas  aus  folgender  Be- 
merkung des  Notars  (§57):  ,Dux  vero  Zults  post  reversionem 
militum  suorum  fixit  metas  Hungariae,  ex  parte  Qrecorum 
usque  ad  portam  Wacil  et  usque  ad  terram  Raey.'  —  Diese 
Notiz  —  sagt  Florianus  —  kann  nur  bis  zur  Zeit  EmericJis 
gegolten  haben ;  .post  captam  onira'  —  fthrt  er  fort  —  ,»  La- 
tinis  pridie  idus  Aprilis  1204  Constantinopolim,  Graeci  finitimi 
Latinis  esse  desierunt*.  Diese  Beweisführung  —  auf  sonstige 
Umstände  gehen  wir  nicht  ein  —  ist  von  der  Ansicht  diclirt, 
dass  der  Anonymus  in  jeder  Beziehung  die  Zustände  seiner 
Zeit  in  die  Vergangenheit  übertragen  habe.  Nun  ist  das  aber 
eine  sehr  unrichtige  Anschauung.  So  wie  er  aus  seiner  alteo 
Vorlage  über  die  Grenze  bei  Gran  und  Saros  (vgl.  oben  S.  377) 
Kunde  erhalten  hatte,  so  kann  auch  seine  obige  Nachricht, 
gleichviel  ob  sie  richtig  oder  unrichtig  ist,  dieser  oder  einer 
anderen  Quelle  entsprungen  sein.  Die  Berechtigung,  aus  der 
Angabe  dieser  Grenze  das  Zeitalter  des  Anonymus  erschliessen 
zu  wollen,  ist  ebenso  verfehlt,  als  wenn  man  aus  einer  der 
anderen  Grenzangaben,  z.  B.  der  oben  erwUhnten  Gran — Saro«, 
diesen  Schluss  ziehen  wollte. 

Femer  macht  Florianus  Folgendes  geltend:  Der  Notar 
erzählt  Manches  Über  die  Familie  Bors.  Diese  ist  1243  bereits 
ausgestorben.  Es  ist  nicht  anzunehmen,  dass  der  Notar  diese 
Mittheilungen  aufgenommen  hiltte,  wenn  er  erst  nach  dem  Aus- 
sterben der  Familie  geschrieben  haben  würde.  —  Darauf  ist 
zu  antworten,  dass  der  Notar  dann  überhaupt  nichts  oder  nur 
sehr  wenig  geschrieben  htttte,  wenn  er  von  der  ihm  von  Flor 
nus  zugeschriebenen  Gesinnung  erftlllt  gewesen  wttre.  Uel 
die  Ereignisse,  die  mit  der  Geschichte  einer  bedeutenden 
Familie  zusamraenhUngen,  wird  der  Historiker  wohl  auch 
einige  Jahrzehnte  nach  deren  Aussterben  mit  Interesse  be- 
richten. Wir  fügen  hinzu,  dass  im  Berichte  dea  Anonymus 
durchaus  keine  Andeutung  vorhanden  sei,  als  ob  er  von  Zeit- 
genossen schriebe. 


391 


Fünftens  macht  Florianiis  auf  folgende  Stelle  des  Ano- 
nymus (§  28)  aufmerksam:  ,(To8U  et  Zoboisu  duces)  in  portu 
Drugm.i  fluviiun  Thyscie  transnavigantes;  ubi  etiam  per  gratiam 
Arpad  ducis  cuidam  Cumano  militi  nomine  Huliot  magiiam 
terram  acquisiverunt,  quam  posteritas  eius  usque  nunc  habue- 
runt.'  Er  verweist  nun  darauf,  dass  dieses  Gebiet  mit  IJhot, 
Ohat  und  Hahothmunustura  zusammenfalle;  da  nun  1219  und 
1248  ein  abbas  de  Uhot  erscheine,  sei  jenes  Gebiet  bereits 
geistlich  gewesen,  und  der  Notar  hätte  nicht  jene  Bemerkung 
^usque  nunc  haberunt'  gebrauchen  können,  wenn  er  Belas  IV. 
Notar  gewesen  wäre.  —  Aber  auch  dieser  Beweis  liat  eine  Reihe 
von  Schwächen.  Zunächst  finden  wir  Hahothmunustura  gegen 
das  Ende  des  Jahrhunderts,  wie  dies  Florianus  selbst  anfuhrt, 
wieder  in  dem  Besitze  von  Laien;  dies  beweist  eine  Urkunde 
von  1299.  Die  Vollständigkeit  der  obigen  Ausflihrungen  hätte 
erfordert,  dass  1.  nachgewiesen  werde,  ob  nicht  die  in  der  Ur- 
kunde von  1299  genannten  Privatbesitzer  etwa  aus  der  Familie 
des  Huhot  entstammten  oder  wenigstens  dies  vorgaben;  und 
2.  wäre  es  möglich,  dass  die  Besitzer  seit  1248  mehrmals 
wechselten  und  das  Gut  zur  Zeit,  da  der  Anonymus  schrieb, 
sich  in  dem  Besitze  der  Nachkommen  des  Uuhot  befunden 
hätte.  Dazu  kommt  aber,  dass  wir  absolut  nicht  wissen,  ob 
jene  dem  Huhot  verliehenen  Ländereien  sich  völlig  mit  der 
Besitzung  des  Hubothmünsters  deckten.  Schliesslich  ist  der 
Ausdruck   des  Not^irs  ,UBque  nunc  habuerunt'   sehr  auffällig. 

F"erner  macht  Florianus  darauf  aufmerksam,  dass  die  vom 
Notar  (§  50)  als  fons  Sabarie  bezeichnete  Quelle  beim  Martins- 
berg in  einigen  Urkunden  des  13.  Jahrhunderts  nicht  unter 
dieser  Bezeichnung,  sondern  als  Pannosa  oder  Pounsa  erscheint. 
—  Gegen  diesen  Beweis  niuss  eingewendet  werden,  dass  das 
ganze  13.  Jahrhundert  hindurch  die  Oertlichkeit,  wo  das  Martins- 
kloster lag,  Sabaria  genannt  wird,'  somit  die  berühmte  Quelle 
dortselbst  von  jedermann  und  jederzeit  als  Fons  Sabarie  be- 
zeichnet werden  konnte.  Diese  Bezeichnung  wird  durch  die 
von  Florianus  geltend  gemachte  durchaus  nicht  ausgeschlossen, 
da  beide  Benennungen  nebeneinander  gebraucht  werden  konnten. 


'  Die  Belege  findet  man  im  ,Index  nlphabeticna  codicij  dipl.  Arpadiani 
conttnuati  per  QiiataTum  Wenzel.  .  .  .'  von  F.  Kovics  (Budapest  1889), 
8.  590  f. 


392 

Sodann  will  Ilori«m8  ans  dem  ünutande^  da«  beimHikr 
(§  1)  noh  ttber  Ofen  die  Bemerknng  ,dicitiir  nnne  BiidiitB' 
findet^  den  Sehloss  ziehen,  er  mflaae  vor  Bela  IV.  geadniak« 
haben.  Nadidem  nlmlioh  1266  dieser  KOnig  die  neoe  Bmf 
in  Pest  erbaut  hatte,  hatte  man  üch  gewOhsty  Ofen  ab  Tda 
Bnda  xa  bezeichnen.  —  Indessen  darf  man  wohl  mit  Bestimit- 
heit  annehmen,  dass  der  Name  Badavar  nidht  ao  rasdi  tv- 
achwand,  als  dass  er  etwa  1276  nicht  noch  im  Oebmodw  wb. 
Bei  Eeza  wird  an  der  entsprechenden  SteDe  allemfiJIs  nnrOt- 
bada  (Ältbada)  genannt  (8.  64):  ,Fecerat  enim  (Bnda)  Saan- 
briam  sao  nomine  appellari  . . .  Hnai  vero  .  .  naque  hodie  asa- 
dem  Tocant  Oobadam  sicnt  prios.'  Die  Nationalchnniik  (Btr 
dense,  S.  24)  schiebt  an  dieser  Stelle  der  von  ihr  «nsgeachriebw 
Hunengeschichte  Keaa's  neben  der  neuen  wieder  aoeh  dis  ab 
Namensform  ein,  sie  war  also  dem  Chronisten  offenbar  aodb 
geläofig:  ,Nam  Sioambriam  sao  nomine  feoerat  nominari  Bids 
Vara  .  . .  at  eadem  civitas  non  Buda  Vara,  sed  orbs  Atik  voea- 
retor  . . .  Hongari  vero  . .  adhuo  eam  ö  Bndam  nsqoe  bodi» 
▼ocant  et  appellani'  Schliesslich  mflsste  noch  in  Befatadit  g»> 
sogen  werden,  dass  die  Bemerknng  ,nnnc  dicitDr*  laidt 
durch  die  Vorlage  (die  G«sta)  beeinflusst  sein  konnte.  Ytr- 
gleiche  Studie  VIU,  S.  244. 

Nachdem  Florianas  die  verschiedenen  Umstände  anfgeffilirt 
hat,  welche  nach  seiner  Meinung  dagegen  sprechen,  dass  der 
Notar  um  1275  sein  Werk  verfasst  haben  könnte,  vergleidit 
er  (S.  284 — 291)  dessen  Werk  mit  demjenigen  Keza's  und  ver- 
sucht so  zu  zeigen,  dass  zwischen  beiden  ein  grosser  Zeit- 
abstand angenommen  werden  mtlsste.  Wir  wollen  auch  diese 
Ausfllhrungen  im  Einzelnen  prttfen. 

Zunächst  versucht  Florianus  aus  dem  umstände  Schlösse 
zu  ziehen,  dass  beim  Anonymus  fllr  Siebenbürgen  der  Name 
,terra  ultrasilvana'  (§  27),  bei  Eeza  aber  bereits  die  Bezeichnung 
,septem  castra'  (S.  77,  §  24)  sich  findet.  Da  nun  aber  in  der 
Nationalchronik,  die  bekanntlich  erst  um  1300  entstand,  sich 
dieselbe  Bezeichnung  findet  wie  beim  Anonymus  (Chronicon 
Posoniense,'  §  34:  ,tociu8  ultra  silvam  regni  gubemacnlt'; 
Pictum,  S.  140:  ebenso;  Budense,  S.  65  und  Dubnicense,  S.  44: 


'  Ueber  die  UnprBngUcbkeit  dieser  Bedaction  riebe  Stodie  XL 


393 


,tocias  transilvani  regni'),  so  fkllt  die  ganze  Beweisftlhrang  in 
nichts  zusammen. 

Dass  aus  den  beim  Anonymus  und  bei  Keza  vorhandenen 
verschiedenen  Bezeichnungen  ftir  die  Führer  der  Ungarn  kein 
bindender  Schluss  gezogen  werden  könne,  gibt  Florianus  selbst  zu. 

DasB  in  der  Beschreibung  Skythiens  bei  beiden  Unter- 
schiede vorhanden  sind,  ist  sicher.  Der  wichtigste  ist  allen- 
falls der,  dass  der  Anonymus  in  seiner  Beschreibung  noch 
keinen  Gebrauch  von  den  Forschungsergebnissen  des  13.  Jahr- 
hunderts gemacht  zu  haben  scheint.  Es  fehlen  an  dieser  Stelle 
bei  ihm  einige  geographische  Namen,  welche  sich  bei  Keza 
und  in  der  Chronik  finden;  er  hat  es  hier  vorgezogen,  seine 
Darstellung  aus  anderen,  älteren  Quellen  zu  interpoliren  (vgl. 
oben  S.  382 f.).  Dafür  zeigt  aber  Anonymus  in  den  Para- 
graphen, in  welchen  er  über  den  Zug  der  Ungarn  nach  dem 
Westen  berichtet,  sich  weit  besser  als  seine  QueUe  und  die 
anderen  Ableitungen  derselben  (Keza  und  die  Chronik)  unter- 
richtet.' Man  vergleiche  seine  Ausführungen  (§  7  ff.)  mit  den 
kurzen  Bemerkungen  Keza's  S.  (58  f.  und)  71  und  des  Chronicon 
Budense,  S.  (14  und)  36.  Vor  Allem  findet  sich  beim  Anonymus 
auch  nicht  die  confuse  Zusammenwerfung  des  Don  mit  dem 
Etui  (Wolga),  die  sich  bei  Keza  (Ö.  56)  und  nach  ihm  in  der 
Chronik  (Chron.  Budense,  S.  10  und  11)  findet.  Es  ist  also 
durchaus  kein  Grund  vorhanden,  die  Gesta  des  Notars  unbe- 
dingt vor  die  Entdeckungen  des  13.  Jahrhunderts  anzusetzen. 
Wir  sehen  davon  ab,  dass  dem  Notar  nicht  nothwendigerweise 
alle  Ergebnisse  dieser  Entdeckungen  bekannt  geworden  sein 
mtlssten. 

Völlig  verfehlt  ist  auch  der  Beweis,  den  Florianus  aus 
dem  Verhältnisse  des  Notars  und  Keza's  zur  Sage  von  Botond 
folgert.  Das«  diese  Sage  (vgl.  Studie  VIII,  S.  272)  in  der  dem 
Anonymus  vorgelegenen  geschriebenen  Quelle  nicht  enthalten 
war,  ist  richtig.  Unsicher  ist  die  Annahme,  dass  in  der  Quelle 
Keza's  sie  fixirt  gewesen  sein  mUsste.  Völlig  verfehlt  ist  aber 
der  Schluas,  dass  aus  dem  Umstände,  weil  dem  Notar  die  Sage 
noch  nicht  aufgezeichnet  vorgelegen  wäre,  Keza  sie  aber  schon 
(angeblich)  in  einer  Chronik  gefunden  hätte,  ein  zeithcher  Ab- 
stand  zwischen   beiden   angenommen    werden   mUsste.     Es   ist 


*  V^l.  biezu  auch  Cassel,  Magyarische  AlterthQmer,  S.  171  f. 


ArebtT.  LIX.WHI.  üi.  II.  BUft«. 


26 


394 


sehr  leicht  möglich,  dass  ihnen  zu  derselben  Zeit  ihre  Qaelle 
(nach  unseren  Ausfllhrungen  die  Gesta  vetera)  in  Terschiedenen 
Redactionen  vorlag. 

Ebenso  können  andere  Unterschiede  in  beiden  Dar- 
stellungen, welche  Florianus  im  Schlussabsätze  dieses  Ab- 
schnittes aufzilhlt,  erklärt  werden,  ohne  dass  man  zeitlicbe 
Unterschiede  annimmt  (Abweichungen  in  den  Angaben  über 
die  ältesten  Führer  der  Ungarn  und  Über  die  Zeit  der  Ver 
bindung  der  Cumanen  mit  den  Mag^'aren). 

Aus  dem  Vorstehenden  ersehen  wir,  dass  auch  der  Ver- 
such Florians,  aus  dem  Vergleiche  der  Nachrichten  bei  Ano- 
nymus und  bei  Keza  einen  grösseren  Zeitabstand  swischeo 
beiden  nachzuweisen,  keine  bindenden  Ergebnisse  xu 
förderte.  Es  ertlbrigt  uns  noch,  seine  Beweise  zu  pr 
welche  direct  fiir  die  Zeit  Belas  III.  sprechen  sollen  (S. 
bis  300). 

Er  macht  zunächst  darauf  atifmerksam,  dass  zwischen 
den  vom  Anonymus  berichteten  EidschwUren  der  ilteeten 
Führer  der  Ungarn  (§  5)  und  den  Decreten  Adreas'  U.  von 
1222  und  1231  sich  Aehnlichkeiten  nachweisen  lassen.  Wir 
lassen  dies  gelten.  Wenn  aber  Florianus  sich  der  Ansicht  zu- 
neigt, dass  die  in  diesen  Vereinbarungen  ausgesprochenen  Ge- 
danken zunächst  beim  Notar  und  dann  erst  in  den  Decreten 
fixirt  worden  seien,  so  scheint  wohl  gerade  das  Umgekehrte 
richtiger  zu  sein. 

Was  Florianus  mit  dem  Hinweise  auf  die  (übriffcns  auf 
Regino  beruhenden  und  den  Gesta  entnommenen)  Nachrichten 
des  Notars  (§§  50  und  51)  Qber  die  Kämpfe  mit  den  Mährem 
und  die  sich  daran  knüpfende  Bemerkung,  dass  die  Ungarn 
das  diesen  entrissene  Gebiet  ,usque  in  hodiemum  diem'  be- 
sitzen, bezweckt,  ist  nicht  abzusehen.  Die  den  Mährem  ent- 
rissL-nen  Landstrecken  besassen  die  Ungarn  doch  auch  im 
13.  Jahrhundert. 

Florianus  nimmt  ferner  ßüschlich  an,  dass  die  bei  Anony- 
mus (§  9)  vorhandene  Bemerkung  , Et  jure  terra  Pannonie  pascua 
Romanorum  esse  dicebatur'  die  Quelle  flLr  andere  Berichte  des 
13.  Jahrhunderts  geworden  ist,  insbesondere  für  Richard's  Be- 
richt (Mon.  Arp.,  S.  24Ö).  Indessen  ist  die  gemeinsame  Quelle 
beider  in  den  Gesta  vetera  zu  suclion.  Veri,'ieiche  Studie  VII, 
S.  479  und  VIII,  S.  243.     Die  an  obige  Bemerkung  gekuUplle 


396 


I 


ironische  Notiz  des  Notars  ,nani  et  modo  romani  paBcwntur  de 
bonis  Hungarie*  hat  viel  zu  allgemeine  Bedeutung,  als  dass  man 
den  Satz  an  eine  bestimmte  Zeit  knüpfen  könnte.  Man  wird 
daher  auch  der  von  Florianus  geltend  gemachten  Beziehung 
auf  die  Zeit  Belas  III.  und  seiner  Söhne  nicht  beistimmen 
können. 

Beim  Anonymus  schenkt  Arpad  dem  Fürsten  Salanua 
Kameele  {§  14).  Im  Jahre  1189  beschenkt  Bela  III.  den 
Kaiser  Friedrich  mit  Kameelen.  Daraus  schliesst  Florianus, 
der  Notar  müsse  ein  Zeitgenosse  Belas  III.  gewesen  sein. 
Dass  dieser  Beweis  sehr  hinfällig  ist,  braucht  kaum  hinzu- 
gefügt zu  werden. 

Von  dem  Bischof  Turda  sagt  Anonymus  durchaus  nicht, 
dass  er  sein  Zeitgenosse  sei.  Die  Worte:  ,a  eius  progenie 
Turda  episcopus  descendit'  (§  19)  dürfen  durchaus  nicht  so 
aufgefasst  werden,  sonst  könnte  man  den  Anonymus  auch  zum 
Zeitgenossen  Attilas  machen.  Man  vergleiche  §  1  der  Geata 
des  Notars:  ,A  cuius  [Magog]  etiam  progenie  regis  descendit 
nominatissimus  atque  potentissimus  rex  Athila.'  Ebenso  heisst 
es  beim  Anonymus:  , Longo  autem  post  tempore  de  progenie 
eiusdem  regis  Magog  descendit  Ugek,  pater  Almi'  (§  1). 
Somit  sind  alle  au  die  Erwiihnung  Turda's  geknüpften  Folge- 
rungen Florians  hinfällig. 

Was  schliesshch  den  Beweis  aus  gewissen  alterthüiulichen 
Sprachformen  anlangt,  so  dürften  diese  wohl  weniger  für  das 
Zeitalter  des  Anonymus  als  für  dasjenige  seiner  Vorlage  mass- 
gebend sein.  Uebrigens  kommen  ähnliche  F'ormen  —  wie  Flo- 
rianus selbst  zeigt  —  auch  in  Urkunden  bis  in  die  Dreissiger- 
jahre  des  13.  Jahrhunderts  vor  und  könnten  somit  auch  noch 
etwas  später  im  Gebrauch  gewesen  sein. 

Wie  wir  sehen,  ist  also  Florianus  durchaus  nicht  der 
Beweis  gelungen,  dass  der  Anonymus  nicht  dem  ausgehenden 
13.  Jahrhundert  angehören  könne,  sondern  um  die  Wende  des 
12.  und  13.  Jahrhunderts  angesetzt  werden  mUsste.  Es  kann 
nun  andererseits  nicht  geleugnet  werden,  dass  auch  manche 
Gründe,  welche  Marczali  iür  das  ausgehende  13.  Jahrhundert 
als  Zeitalter  des  Notars  geltend  macht,  nicht  gerade  stichhältig 
sind.  Aber  man  kann  wohl  den  von  ihm  beigebrachten  noch 
einige  neue  hinzufügen. 

26» 


896 

Unsere  Qrttnde,  welche  daftr  ipreohen,  d«w  dar  km- 
nymiu  Notar  ElOnig  Belas  lY.  und  somit  ein  ZeitgenoMB  Kaa'i 
war,  sind  folgende: 

1.  Mit  BOsler,  Hnnfalvy  und  Maresali 
conttohst  darin  ttberein,  dass  die  Nacbriohteii  des 
ttber  die  aahlreiohe  walacbische  Bevidkenmg^  Siebenbtaga 
aar  Zeit  der  magyarischen  Landnahme  erst  «n  ^*flylwr*>T' 
aas  den  Verhältnissen  des  18.  Jahrhnnderta  aeia  konnten.^ 

2.  Mit  Recht  betont  fonter  Marcaali  (S.  96)  den  UnMlnd^ 
dass  beim  Anonymus  die  Cnmanen  als  treue  Oenoasea  ai 
Hilfitrappen  der  Ungarn  erscheinen  (siehe  »iieh  oben  8.  Uli). 
Da  nun  aber  bis  mm  Einbräche  der  Mongolen  da«  VariilWB 
awisohen  beiden  Völkern  stets  ein  feindliches  war  und  ot 
Boither  sich  änderte,  so  kOnnen  jene  Anschaanngen  des  Aa»- 
nymos  nur  der  Zeit  am  1275  angehören. 

Za  diesen  GhrOnden  ftgen  wir,  indem  wir  von  aadm 
bffl  Marcaali  geltend  gemachten  hier  absehen,  noch  tolgmk 
hinzu: 

3.  Es  ist  bekannt,  wie  gross  der  griediisdhe  Einflm  ii 
Ungarn  während  des  12.  Jahrhonderts  war,  and  wieviele  Kied» 
lagen  die  Ungarn  durch  den  kriegerischen  Kaiser  Manael  (f  llWi 
erlitten.  Demgegenüber  spricht  der  Notar  von  den  griechiachen 
Ejriegem  überaus  geringschätzend:  ,.  .  .  qui  assimilantur  nostiis 
feminis  et  sie  timeamns  multitudinem  Greconun,  sicut  mnhi- 
tudinem  feminarum'  (§  Ö9).  So  gering  hätte  doch  der  Not» 
Belas  m.  über  die  Griechen  nicht  genrtheilt. 

4.  Anonymus  lässt  die  Krieger  Arpads  Turniere  aufftiliren 
(§  46:  ,cum  clipeis  et  lanceis  maximum  tomamentum  faciebanf). 
Da  nun  die  Turniere  erst  im  12.  Jahrhundert  in  Ungarn  bekamit 
geworden  sein  konnten,  so  hätte  dies  der  Notar  Belas  IH  dod 
wohl  wissen  müssen,  und  dann  hätte  er  kaum  die  Uebung  der 
selben  schon  in  die  Zeiten  Arpads  verlegt. 

5.  Nach  der  Nationalchronik  (Budense,  S.  154)  erscheinen 
zur  Zeit  des  Thronkampfes  zwischen  Geisa  und  Salomon  an  der 
Westgrenze  Ungarns  (de  Musun  et  Poson)  Bessenen-Fetsdie- 
negen  unter  ihrem  Führer  Zolta,  die  Geisa  im  Kampfe  geges 
Salomon    unterstützen.     Da    in    dieser    Zeit    das    Reich   der 


>  Vgl.  meine  Geachichte  der  Bokowinal  (1.  Aofl.,  1888)  und  BeiMII* 
cur  Uteren  ang&riacben  Geschichte,  8.  SS  ff. 


397 

Petachenegen  durch  die  Cnmanen  zerstört  wurde  und  an  der 
österreichischen  Grenze  noch  am  Beginne  des  13.  Jahrhunderts 
Petschenegen  vorkommen,  so  ist  es  sehr  wahrscheinUch,  dass 
es  sich  um  eine  Ansiedlung  von  Petschenegen  handelt.^  Allen- 
■  falb  wusste  man,  solange  diese  Petschenegensiedlungen  existirten, 
wann  sie  entstanden  seien,  und  insbesondere  hätte  dies  der  Notar 
König  Belas  III.  am  Ende  des  12.  Jahrhunderts  gewusst.  Nun 
setzt  aber  der  Anonymus  die  Ansiedlung  dieser  Bissenen  (ultra 
lutum  Musun)  in  die  Zeit  des  Herzogs  Zutta,  indem  er  ganz 
offenbar  den  Petschenegenflirsten  Zolta  mit  dem  Grossherrn  dieses 
Namens  verwechselt.  Man  darf  annehmen,  dass  dieser  Irrthum 
kaum  dem  Anonymus  passirt  wäre,  wenn  er  zur  Zeit  Belas  III. 
gelebt  hätte.  In  den  Gesta  vetera  stand  davon  natürlich  nichts; 
deshalb  hat  Keza  nichts  darüber;  Anonymus  und  die  National- 
chronik bieten  aber  abweichende  Nachrichten. 

6.  Aus  dem  Umstände,  dass  der  Anonymus  etwa  gleich- 
seitig mit  Keza  entstand,  würde  sich  auch  die  gegenseitige  voll- 
ständige Dnabliängigkeit  der  beiden  Quellen  von  einander 
leichter  erklären.  Ebenso  ist  auch  der  Umstand,  dass  der 
Anonymus  auch  sonst  keine  besondere  Verbreitung  und  Be- 
achtung gefiinden  hat,  leichter  zu  verstehen,  wenn  man  an- 
nimmt, dass  er  ziemlich  gleichzeitig  mit  der  allenfalls  an- 
sprechenderen Chronik  Keza's  und  nur  kurz  vor  der  alle 
anderen  Darstellungen  schliesslich  verdrängenden  National- 
chronik entstanden  sei. 

Diese  sind  die  Gründe,  welche  den  Schreiber  dieser  Zeilen 
veranlasst  haben,  den  Notar  für  einen  Zeitgenossen  Keza's 
zu  halten  und  die  Abfassung  seines  Werkes  am  1275 
anzusetzen.  Daran  wird  man  wohl  auch  festhalten  müssen, 
80  lange  nicht  schlagendere  Beweise  als  jene  Florians  dafür  an- 
gefUhrt  werden  können,  dass  der  Anonymus  der  Notar  Belas  III. 
war.  Unsere  sonstige  Beweisführung,  besonders  bezüglich  der 
Ausfuhrungen  des  Verhältnisses  zwischen  den  Gesta  vetera  und 
dem  Anonymus,  könnte  durch  diesen  Nachweis  durchaus  nicht 
beeinflusst  werden.  Näheres  über  die  Person  des  Anonymus 
erforschen  zu  wollen,    liegt  ausser  der  nüchternen  Möglichkeit. 


'  Vgl.  Marczali,  a.  a.  O.  S.  93.  —  Dass  diese  Kachrichten  der  Chronik 
wahrecbeinlich  auf  den  leider  verlorenen  .antiqui  libri  de  gestis  Ungaro- 
mm'  beruhen,  warde  schon  Studie  VUI,  S.  290  betont. 


Man  vergleiche  übrigeiu  Maroiali,  a.  a.  O.  S.  101  £  Die  ▼■>■ 
mathimg  BOder'B,  4<u*  ^  **u  dem  (todiohen  Ungarn  atun^' 
liat  Manohee  Air  aidh:  der  Notar  legt  nlmlieh  beaagüdi  OM- 
noganiB  besondere  Kenntniaae  an  den  Tag. 

SchlieBBÜoh  mOgen  noch  dnige  Bemerkniigen  ftbor  im 
Werth  der  Gesta  des  Notin  hier  Plats  findesu  Deruamgm 
Notar  ist  nach  ROaler'  ^ebensowohl  ein  gnaaer  Ignonitt  ab 
ein  groaaer  Fülsoher  gewesen';  nnd  an  einer  amdeieB  Stab 
hmt  er  sein  ürtheil  dahin  snaanunen,  ,daa8  von  sanen  67  CtfUih. 
keines  eine  werthTolle  Nachricht  liefert,  daaa  aeme  DantaBaag 
im  Grossen  wie  im  Kleinen  unvereinhar  ist  mit  den  Hack- 
richten  der  gleichseitigen  Sohnftateller'.*  Dieaem  CMab 
werden  wir  nicht  beiatimmen  können,  wenn  wir  auush  andsnr 
aeits  der  Ansicht  Marcaali's*  beipflichten,  daas  die  Ociaaiaiat 
darstellung  des  Notara  insbesondere  (Hr  die  Z«t  der  Erobcnaf 
Ungarns  nicht  ala  Quelle  dienen  kann.  Nach  dmn,  waa  obai 
über  die  Quellenkenntniaae  des  Notara  auagefllhrt  wurde,  kSnm 
wir  ihn  mit  Bückaioht  auf  die  Verh&ltniaae  seiner  Zeit  wader 
für  so  unwiaaend  halten,  wie  Bösler  ihn  hinstellt,  noch  li^gt  cia 
Grund  vor,  ihn  fUr  einen  wissentliohen  FOlK^er  sa  bebaieiitHL 
Der  Hauptwerth  seines  Werkes  liegt  eineraeits  in  der  Bolle, 
welche  dasselbe  bei  den  kritischen  Untersuchungen  über  die 
Gesta  vetera  spielt,  andererseits  bietet  dasselbe  doch  vide 
Nachrichten,  welche  bei  kritischer  Benutzung  als  werthvoll  be- 
zeichnet werden  mUssen.  D(ihin  sind  vor  Allem  seine  Mit- 
theilungen über  die  ostungarischen  Verhältnisse  zu  zfthlen, 
welche  diejenigen  in  der  Legende  Qerhard's  ergänzen,  ferner 
die  Mittheilungen  familiengeschichtUchen  Inhalts  und  jene  fiber 
die  damit  zusammenhängenden  BesitzverhiÜtnisse. 

4.  Znsammenfaisnng  der  wichtigsten  Srgebniaae. 

Die  Gesta  Hungarorum  des  Anonymus  enthalten  im  Qegea- 
Satze  zum  Werke  Keza's  und  der  Nationalchronik  nur  eine  Ge- 
schichte der  Ungarn;  mit  der  ausführlichen  Hanengeschichte, 
welche  die  eben  genannten  Darstellungen  der  Ungamgeschichte 

'  Rninänigche  Studien,  S.  224. 

*  Ebenda,  S.  186. 
»  A.  a.  O.  8.  229. 

*  Oeschichtsquelleu,  8.  108. 


399 


Yoranschicken,  hat  seine  Erzählung  nichts  gemein.  Er  nennt 
gar  nicht  die  Hünen.  Attila  wird  von  ihm  als  einer  der  ersten 
ungarischen  Könige  und  als  erster  Eroberer  Pannoniens  ge- 
nannt. Sonst  weiss  er  nur  über  Buduvar-Ecilburgum  etwas  zu 
sagen.  Vergebens  suchen  wir  bei  ihm  nach  einer  Aufklärung 
darüber,  wie  es  denn  kam,  dass  die  Magyaren,  mit  denen  doch 
schon  Attila  nach  Pannonien  gekommen  war,  später  wieder  aus 
Osten  dahinzogen.  Die  Erwähnung  Attilas  ist  eben  nur  eine 
gelegenthche,  in  die  Beschreibung  Skythiens,  der  Urheimat  der 
Magyaren,  eingefügt:  dort  stand  sie  auch  schon  in  den  Gesta 
vetera  Ungarorum,  der  gemeinsamen  Vorlage  des  Notars,  Keza's 
und  der  Nationalchronik  für  die  ältere  Ungarngeschichte.  Aus 
ihr  hat  der  Notar  die  Hauptzüge  der  Beschreibung  Skythiens, 
des  Ursprunges  der  Ungarn  und  ihrer  Könige  (Magog,  Attila, 
Ugek,  ALmus  .  .  .)  entnommen;  nach  dieser  alten  Quelle  er- 
zählt er  sodann  die  Auswanderung  der  Magyaren  aus  der 
Urheimat,  den  Zug  nach  dem  Westen,  die  Eroberung  Panno- 
niens und  die  folgenden  Raubzüge  bis  auf  die  Herzoge  Toxun 
und  Geisa.  Aus  der  folgenden  Darstellung  der  Gesta  bringt 
Anonymus  nur  einzelne  vorgreifende  Nachrichten.  Wir  wissen 
nicht,  ob  er  seine  Erzählung  überhaupt  nur  bis  Geisa  geführt 
hat,  oder  ob  sein  Werk  uns  unvollständig  überliefert  vorliegt; 
ist  die  einzige  uns  unbekannte  Handschrift  das  Aulograph  des 
Notars,  dann  wäre  das  Erstere  anzunehmen.  Seine  Vorlage  hat 
aber,  wie  schon  aus  den  ihr  entnommenen  vorgreifenden  Be- 
merkungen zu  schliessen  ist,  jedenfalls  noch  das  11.  Jahrhundert 
umfasst.  Zur  Ergänzung  dieser  Vorlage  hat  er  ausser  der  un- 
garischen Ueberlieferung  und  seiner  Localkenutniss  auch  noch 
die  V'ita  s.  Gerhardi  oder  doch  eine  ihr  nahestehende  Quelle 
benützt.  Ausser  diesen  einheimischen  Quellen  lagen  ihm  vor: 
irgend  eine  auf  Cassiodor  beruhende  Darstellung  der  gothischen 
Urgeschichte,  die  trojanische  Geschichte  des  Dares  Phrygius, 
femer  Alexandri  magui  über  de  prehis.  Dagegen  entbehrt  die 
Annahme,  dass  er  auch  die  Werke  Guidos  de  Columpna,  Isidors, 
Justinus'  und  Solinus'  benützt  habe,  der  Begründung.  Die  Be- 
nützung Reginos  ist  doppelt:  zunächst  mittelbar  durch  die 
Gesta  vetera,  denen  der  deutsche  Chronist  schon  Quelle  war; 
und  nochmals  unmittelbar  direct  durch  den  Notar.  Der  Ano- 
nymus war  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  Notar  Belas  IV.;  er 
ist  also  ein  älterer  Zeitgenosse  Keza'a.   Der  llauptwerth  seines 


400 


Werkes  liegt  in  der  Rolle,  welche  dasselbe  bei  den  kritiscben 
Untersuchungen  über  die  Gesta  vetera  spielt.  Auch  sonst  bietet 
dasselbe  mancherlei  Nachrichten,  welche  bei  kritischer  Benützung 
von  Werth  sein  könnten.  Die  Gesammtdarstellong  des  Notsn 
kann  dagegen  nicht  als  Quelle  dienen. 


I 


Keza^H  Chronik.  Seine  Oesta  Ilunornm  nnd  Ihre  Quellen. 
Seine  Redaction  der  tiesta  Han:;arortiiu  vetera  und  Ak 
anderen  Bestandtbeile  Keiner  Ung:amg:eschlchte.  Die  Be- 
deutung seines  Werltes. 

Die  ,Ge8ta  Hungarorum'  des  Magisters  Simon  de  Keza, 
des  ,fidelis  clericus'  Ladislaus'  des  Rumänen  (1272 — 1390),  wie 
er  sich  in  dem  an  diesen  König  selbst  gerichteten  ,Prohemiam' 
seines  Werkes  nennt,  sind  für  uns  schon  deshalb  von  grosser 
Bedeutung,  weil  dieses  Werk  die  erste  ungarische  Chronik  ist. 
die  ihre  Entstehungszeit  selbst  genau  angibt. 

Aus  den  früheren  Studien  ist  der  Leser  mit  den  Haupt- 
ergebnissen unserer  Untersuchungen  über  diese  Chronik  bereits 
vertraut.  In  der  vorliegenden  sollen  diese  Ausführungen  im  Za- 
sammenhange  vorgetragen  und  vertieft  werden. 

Wir  werden  also  zunächst  genauer  nachweisen,  dass  der 
die  Hunengeschichte  behandelnde  Theil  (Gesta  Hunoram)des 
Werkes  von  Kcza  dessen  Originalarbcit  ist.  Für  diesen  Theil 
seiner  Chronik  boten  ihm  die  Gesta  vetera  nur  sehr  wenig. 
In  diesem  Abschnitte  soll  auch  Einiges  über  die  Quellen  Keza's 
für  seine  Hunengeschichte  und  ihren  Werth  angeführt  werden. 

In  einem  weiteren  Abschnitte  soll  sodann  über  die  V^er- 
knüpfung  dieser  Hunengeschichte  mit  den  Gesta  Hungarorum 
vetera  und  anderen  Quellen  gehandelt  werden.  Wir  wollen  also 
in  diesem  Theiie  sowohl  die  eigentliche  Ungarngeschichte 
Keza's  und  deren  Quellen  behandeln,  als  auch  ihren  Werth 
feststellen. 

Schliesslich  aollen  die  Ergebnisse  kurz  zusammengefasst 
und  die  Bedeutung  des  Gesammtwerkes  Keza's  charak- 
terisiert werden. 


401 


1.   Keza's  Qesta  Hnnonim. 


a)  Die  Gesta  Hunorum  sind  Keza's  originales  Werk. 

Bereits  in  der  Studie  VII,  S.  456  fF.  ist  darauf  verwiesen 
worden,  dass  zwischen  der  Hünen-  und  Ungarngeschichte,  wie 
sie  uns  bei  Keza  und  sodann  in  den  Nationalchroniken  ent- 
gegentreten, eine  deutliche  Naht  bemerkbar  ist,  die  sich  nur 
aus  dem  Umstände  erklären  lässt,  dass  beide  Theile  nicht  eiaem 
ursprünghch  einheitlichen  Werke  angehörten. 

Es  ist  zunächst  darauf  aufmerksam  gemacht  worden,  dass 
die  Einwanderung  der  Ungarn  zweimal  erzählt  werde:  einmal 
am  Ende  der  Hunengeschichte  und  das  andere  Mal  in  den 
ersten  Capiteln  der  Ungarngeschichte.  Diese  Bemerkung  kann 
man  sowohl  bei  Keza,  als  auch  in  den  anderen  Chroniken  machen. 

Es  ist  femer  darauf  hingewiesen  worden,  dass  nach  den 
Gesta  Hunorum  mit  den  Ungarn  Attilas  Enkel  Edemen  wieder 
nach  Pannonien  kam.  In  der  Ungarngescliichte,  wo  alle  Führer 
aufgezählt  werden,  geschieht  aber  gerade  dieses  Mannes  keine 
Erwähnung,  trotzdem  man  doeh  mit  Recht  erwarten  sollte,  dasB 
der  Nachkomme  des  berühmten  Attila  nicht  vergessen  würde. 
Auch  diese  Bemerkung  gilt  sowohl  von  Keza  als  von  den 
anderen  Chroniken. 

Einen  anderen  Widerspruch  hat  Keza  beseitigt,  in  den 
Chroniken  tritt  er  aber  deutlich  zu  Tage.  Keza  läest  im  §.  6 
der  Hunengeschichte  dieses  Volk  im  Jahre  700  (anno  dorn, 
septingentesimo)  nach  dem  Westen  aufbrechen.  Da  er  nun  die 
Einwanderung  der  Uugaru  (unter  Almus-Arpad)  in  ziemlicher 
Uebereinstimmung  mit  den  Gesta  Hungarorum  ins  Jahr  872 
setzt,  so  konnte  er  im  §.  lö  seiner  Hunengeschichte  die  oben 
citirte  Mittheilung  machen,  dass  ein  Enkel  Attiias  bei  der  Ein- 
wanderung der  Ungarn  oder,  wie  er  es  auffasst,  bei  der  Rück- 
wanderung der  Hünen  betheiligt  war.  Dem  widersprach  nun 
aber  die  nach  dem  Ausweise  des  Anonymus  und  der  Chroniken 
in  den  Gesta  vetera  vorhandene  Angabe,  dass  Almas  zwei  oder 
gar  drei  und  Arpad  gar  drei  oder  vier  Generationen  jünger 
als  Edemen  sei,  da  ersterer  als  Enkel  oder  Urenkel  des  Ed, 
Bruders  Edemens,  erscheint. '   In  Folge  dessen  Hess  Keza  dieses 

'  Mach  den  Chroniken  gilt  folgende  Äbstammangsreihe:  Attila-Cbabs-Ed- 
Ugek-Eleud-Älmas.  Nach  dem  Anonymna  würde  Almus  ein  Sohn  de« 
Ugek  «ein. 


ganze  Capitel  der  Gesta  vetera  aus  und  führte  vorsichtiger 
Weise  die  Genealogie  Arpads  nur  bis  auf  Uger  zurück;  statt  der 
weiteren  Fortsetzung  auf  EdChaba-Attila  setzt  er  ,de  genere 
Tnrid'.  Daraus  ersehen  wir  deutlich,  wie  Keza  die  Gresta  Ha- 
norum  und  die  Gesta  Hungarorum  in  Einklang  za  bringen 
sucht.  Ebenso  klar  bemerkt  man  dieses  Schweissen  in  den 
Chroniken.  Dieselben  haben  die  Einwanderung  der  Hünen  in« 
4.  Jahrhundert  zurückgesetzt'  und  konnten  daher  den  Beriobt 
der  Gesta  vetera,  dass  die  Führer  der  Einwanderung  der 
Ungarn  (Almus  und  Arpad)  der  fünften  und  sechsten  Gene- 
ration Attilas  angehörten,  aufnehmen.  Hiebei  übersah  aber  der 
Verfasser  der  Grundchronik,  dass  er  doch  zu  einem  anderen 
Berichte  der  Gesta  Hunorum  in  Widerspruch  trete,  nämlich  zu 
der  bereits  citirten  Notiz  derselben,  dass  schon  ein  Enkel  Attiiaa 
die  Einwanderung  der  Ungarn  mitmachte. 

Aus  den  bisher  geschilderten  Umständen  geht  also  klar 
hervor,  dass  die  Gesta  Hunorum  und  die  Gesta  Hungarornm 
ursprünglich  selbststUndige  Werke  waren,  die  erst  später  ver- 
bunden wurden.  L)azu  kommt  noch,  dass  zwischen  der  Honen- 
gescliichte  und  der  Ungarngeschichte  auch  darin  ein  Unter 
schied  sich  geltend  macht,  dass  jene  auch  äusserUch  schon  al< 
ein  gelehrtes  Werk  uns  entgegentritt.*  In  der  Einleitung  (Pro- 
hemium)  kündet  der  Verfasser  mit  Wohlgefallen  seine  Belesen- 
hcit  an:  ,.  .  .  historias,  quas  diversis  scartabellis  per  ItaÜam, 
Franciam  ac  Germaniam  sparse  sunt  et  diffuse,  in  volumen  unum 
redigi  procuravi,  non  imitatus  Orosium  .  .  .'  Aehnlich  zJihlt  er 
im  §.  2  allerlei  Quellen  auf:  ,.  .  .  divereas  historias  diversi  de- 
Bcripserunt,  prout  Josephus,  Isidorus,  Orosius  et  Gotfridus  »lii- 
quc  quamplures,  quorum  noraina  exprimere  non  est  opus.*  Eben- 
so heisst  es  gleich  im  §.3:  ,sicut  refert  Josephus',  ^sicut  dicit 
Josephus*.  §.  13  beruft  er  sich  auf  eine:  ,Cronica  veteronun', 
citirt  aus  ihr  und  verweist  sodann  auch  auf  andere  Qaellen, 
welche  eine  andere  Ansicht  vertreten  (,quidam  autem  .  .  .  opi- 
nantur').     Durch  diese  Verweise  kennzeichnet  sich  die  Hünen- 


*  ChroDicon  Pos.,  §.  6  —  Bud.,  S.  14  haben  das  Jahr  338;  daratu  entataad 
in  Folge  einen  Versebene  Muglen'«  in  der  Deutschen  Chronik,  S.  4,  nnii 
in  der  Reimcbronik,  8.  7,  1028,  indem  offenbar  statt  ,CCO  gelMeo 
worde  ,M'.  —  Pic,  S.  107  >=  Mon.,  S.  216  =  Dub.,  8.  8  (das  hier  au  Pic 
schöpft)  =  Thnroc»,  8.  56  steht  ,37.V. 

*  Dies   hat  auch  Marczali,   Ungarns  Qeachichtsquelleu,   8.  b6,   bemerkt 


403 


geschichte  ausdrücklich  als  ein  gelehrtes  Werk  im  Sinne  des 
Mittelalters,  was  von  den  Qesta  Hungarorum,  die  höchstens 
auf  die  ungarischen  Quellen  verweisen,  nicht  gilt.  Wir  dürfen 
daher  annehmen,  dass  die  Gesta  Hunorum  und  die  Gesta  Hun- 
garorum nicht  nur  ursprtinglich  getrennte  Werke  waren,  sondern 
dass  sie  auch  nicht  von  demselben  Verfasser  herrühren.  Dies 
geht  übrigens  auch  aus  den  Widersprlichün,  die  sie  enthielten, 
klar  hervor. 

Da  wir  uns  mit  den  Gesta  Hungaronxm  hier  nicht  weiter 
zu  befassen  haben,  da  dies  bereits  an  anderer  Stelle  geschah 
(Studie  VIII),  so  ist  die  Frage  zu  erürtem,  wer  der  Verfasser 
der  Huuengeschichte  sei.  Als  solchen  nennt  sich  bekanntlich 
in  dem  Prohemium  .magister  Simon  de  Keza'.  Ist  nun  aber 
auch  dieser  Mann  thatsächlich  der  Verfasser  der  Huncii- 
geschichte?  Marczali  und  alle  Forscher,'  welche  Keza  nur 
als  Epitomator  betrachten,  sind  natürlich  nicht  dieser  Ansicht. 
Ihnen  ist  die  Hunengcschichte  Keza's  ebenso  wie  seine  Ungarn- 
geschichte  nur  ein  Auszug  aus  der  Chronik,  ,nur  dass  hier  — 
wie  Marczali  bemerkt*  —  die  Abkürzung  nicht  so  bedeutend 
ist'.  Dagegen  waren  andere  Forscher  bekanntlich  der  Ansicht, 
dass  nicht  nur  die  Huneugeschichte,  sondern  auch  die  Ungam- 
geschichte  Keza's  Originalwerke  seien,*  und  neuerdings  hat 
dies  Heiuemann*  wenigstens  für  die  Hunengcschichte  wieder 
behauptet.  Er  verweist  darauf,  dass  die  Hunengeschichte  ein 
Werk  des  13.  Jahrhunderts  sei,  weil  in  demselben  der  Ein- 
fluss  des  Nibelungenliedes  in  der  Gestalt,  welche  es  im  An- 
fange des  13.  Jahrhunderts  empfing,  unverkennbar  sei.  Ferner 
verweist  er  darauf,  dass  der  Prolog  und  die  Einleitung  zur 
Huuengeschichte,  wie  sie  bei  Keza  stehen,  sich  auch  im  Codex 
Sambucus  wiederfinden  (dass  die  Einleitung  sich  auch  im  Chro- 
nicon  Posoniense  und  in  Muglen's  deutscher  Chronik  findet,  hat 
er  übersehen);  dieser  ,gewichtige  Umstand'  spreche  ausdrück- 
lich daflir,  dass  die  Hunengeschichte  vom  Verfasser  der  Chronik 
nicht  in  den  Gesta  Hungarorum,  sondern  nur  in  Keza's  Bear- 
beitung derselben  vorgefunden  worden  wäre. 


«  Vgl.  Studie  VIII,  S.  208. 

*  tjng«rn.i  GuscUicliUquellen,  S.  47. 

*  Vgl.  Studie  VIII,  a.  H.  O. 

*  Neues  Archiv  XIII,  S.  78. 


a  da  ■ 
iDhJ 


4M 


Die  Bemerkangen  HeinemaDn's  Bind  an  sich  riclitig;  »W 
ne  bewasen   noch   durchaus  sieht,   wsa    sie    beweisett  sdla. 
DsM  das  Werk  dem  13.  Jahrhunderte  angehört,   ist  Doeh  k«n 
Beiraig,   daas   es  nicht  vor  Keza  bestanden   hat ;    und  da»  der 
Yeeüuaer   der   Groodchronik   dasselbe    in    dem  Werke  Een'f 
b«DtLtzte^    ist    nicht    daftlr   beweisend,    dass    dieser   es  Tedtssi 
hl^.     Wie    Keza    dia    ÜDgarng'e schichte    auaschrieb,   tob  düj 
■wir  genftu  wissen,  dass  sie  vor  ihm  bestand,  ohne  dass  er  i 
aar  mit  einem  Worte  bemerkt  hätte,   dass  er  diese  seine 
rtefltmg  den   Bemühungen    eines  Änderen    verdanke,   so  Idtli 
wr   auch    eine    bereits    vorhandene    Htinen^eschiehte    benfttKQ 
köünen.     Und   so  hat   denn   thatsäcblich  Ueinemann  nicbt  dm 
Ansicht  Marczali's    (S.  48)    widerlegt,    dass    eig'entlich    Ke^tlfl 
JEiigMitham  nicht    viel    mehr   als   die   Einleitung    sei,    and  djv< 
darin   (S.  ÖO)   nur    die    haarsträubenden    Etymologien   Oripid 
seien.     Dass   im    Mittelalter   geistiges   Eigenthum  Gemeinbesiti 
im  vollsten  Umfange    des  Wortes   war,    ist  allgemein  bekanntj 
Und  gerade  die  ungarischen  Geschichtsquellen  bieten  mehr  i 
mnen  Fall.  *   Hartwich  schreibt  ohne  viele  Umstände   die  Vll 
maior  wOrdich  ab;  der  Pester  Schreiber  fil^  ohne  wetterei 
merknng  die  Vita  minor  hinzu.    Der  Ventaeeer  der  anganKk^* 
polnischen  Chronik  pltindert  in  umfassender  Weise  die  Vita  Tun 
Hartwich   aus,   ohne   darauf  hinzudeuten.     Und  Magien  leölet 
darin  schon  wahrlich  Unanständiges.   Selbst  die  von  den  Om- 
niken  aus  Keza  entlehnte  Einleitung  behält  der  ^te  Mann  bei 
und  gibt  doch  das  ganze  Werk  fUr  sein  Eigenthora  ans:  JA 
dy  alten  maister  —  beginnt  er  seine  Darstellon^  —  und  die 
beschreiber  der  hystorien  vnd   der  ding,   dy  begangen  aepi, 
beschriben  haben,  als  Josephus  vnd  Ysidoras,  Oromos  vod  ?*■ 
lerius,  also  wil  ich  Heinrich  von  Muglen  auch   knrtatich  be- 
schreiben  dy  hystorien   der  Hewnen,   wie   sy  herkamen  äai, 
in  lob  dem  hertzogen  Rndolffen  dem  virden  von  Osterreich . .  ■' 
Damit  wir  es  glaublich  finden,  dass  Keza  der  Vahaie 
der  Gesta  Hunorum  sei,   moss  zunächst  nachgewiesen  wrfdea, 
dass  vor  ihm  keine  derartige  geschichtliche  DarsteDong  bettaad. 
Prüfen  wir  zu  diesem  Zwecke  die  ungarischen  Geschichtswerke, 
welche  vor  Keza  geschrieben  sind,  so  'finden  wir,  dass  mir  i* 
der  sogenannten  ungarisch-polnischen  Chronik  mok  Einiges  fiber 


*  Vgl.  nun  Folgenden  meine  Stadien  I,  n,  HI  und  VL 


405 


» 


die  Hunengeschichte  findet.   Was  aber  hier  über  diesen  Gegen- 
stand  gesagt  ist,   beschränkt   sich  auf  einige  Ueberlieferungen 
über  Attila  mit  nur  sehr  spärlichen  Anklängen  an  die  spätere  un- 
garische Chronik.  Von  einem  engeren  Zusammenhange  zwischen 
der  hier  wohl  zum  ersten  Male  in  naiver  Weise  aufgezeichneten 
Ueberlieferung  und  zwischen  der  Darstelhing  bei  Keza  und  in 
den  nationalen  Chroniken  ist  keine  Spur  vorhanden;   vielmehr 
finden   wir  zwischen   beiden   Erzähkmgen   bedeutende   Wider- 
sprüche, auf  die  bereits  in  Studie  III,  S.  614  hingewiesen  wurde 
und  die  daher  dort  nachgelesen  werden  mögen.     Dazu  kommt 
noch,    dass    in  der  ungarisch-polnischen  Chronik  sich  noch  gar 
keine  Bekanntschaft  mit  der  Etzelsage  zeigt,  wie  sie  um  1200 
in  Deutschland  fixirt  wurde,  während  die  späteren  ungarischen 
Chronisten  mit  derselben  völlig  vertraut  sind;  nicht  einmal  der 
Name   der  Hünen   kommt  in  der  ungarisch-polnischen  Chronik 
vor.  Aus  dem  Gesagten  darf  man  mit  einiger  Sicherheit  schliessen, 
dass  um  12Ü0,  als  die  ungarisch-polnische  Chronik  verfasst  wurde, 
noch  keine  Hunengeschichte  im  Sinne  derjenigen  Keza's  in  Un- 
garn vorhanden  war.    Ist  nun  etwa  zwischen  diesem  Zeitpunkte 
und  der  Thätigkeit  Keza's  eine  verfasst  worden?  Es  ist  immerhin 
bemerkenswerth,  dass  der  Mönch  Alberich  (um  1230),  der  für  Un- 
garn ein  besonderes  Interesse  zeigte  und  die  Gesta  vetera  sich  zu 
verschaffen  wusste,  von  einer  ungarischen  Darstellung  der  Hunen- 
geschichte   keine  Spuren   zeigt.     Ausschlaggebend  ist  aber  ein 
anderer   Umstand.     Wir  greifen   nach   der   Chronik    des  Ano- 
nymus, der  nach  den  Ergebnissen  unserer  Untersuchungen  ein 
Zeitgenosse  Keza's  war.    Was  finden  wir  da  über  die  Hünen? 
Er    nennt   noch   dieselben    gar   nicht.     In   kaum   zehn    Zeilen, 
welche  der  Beschreibung  Skythiens  eingefügt  sind  (§   1),  fertigt 
er   die  Geschichte  Attilas   als    eines    der   ersten    Ungamkönige 
ab.     Wohl   hat   er  schon  von  der  deutschen  Etzelsage  Kunde, 
denn  er  bemerkt  ausdrücklich,   dass  Buda  von  den  Deutschen 
Ecilburgum    genannt   werde;    aber  von  einer  ihm  vorhegenden 
ausffihrlicheren    Geschichte    der    Hünen    ist    keine    Spur    vor- 
handen.   Wäre  aber  eine  solche  schon  in  Ungarn  bekannt  ge- 
wesen,   so    würde  sie  ihm  wohl  nicht  entgangen    sein,    weil   er 
nicht  nur   eine   ziemlich  ausgebreitete  Literaturkenntniss  hatte, 
sondern  insbesondere  auch  die  über  die  Geschichte  der  Ungarn 
I       bestehende  Aufzeichnung  kannte  imd  diese  wie  sein  Zeitgenosse 
I       Keza  benützte.    Wir  kommen  somit  zu  dem  Schlüsse,  dass  vor 


406 


dem  AnoDTTaas  und  also  anch  vor  seinem  Zeitgenossen  Kezai 
noch  keine  ausführliche  Aufzeichnung  über  die  Hünen  bestand. 
Und  nun  gewinnt  allerdings  die  Annahme,  dass  die  von  Keza 
eingeleiteten  Gesta  Hunorum  auch  sein  originales  Werk  seien, 
überaus  an  Sicherheit. 

Um  nun  noch  völlige  Gewissheit  zu  erhalten,  das«  Eexa 
der  Verfasser  der  Hunengeschichte  sei  und  aus  ihm  die  Chro- 
niken schöpften,  nicht  aber  das  verkehrte  Verhältniss  obwalte, 
wollen  wir  die  beiden  Texte  vergleichen  und  zu  bestünmen 
suchen,  welcher  der  ursprünglichere  sei.  Ergibt  es  sich,  dast 
die  Darstellung,  wie  wir  sie  bei  Keza  finden,  nothwendiger 
Weise  die  Grundlage  jener  in  den  Chroniken  sei,  so  dürfen 
wir  dann  mit  voller  Gewissheit  die  Gesta  Hunorum  als  Keza's 
Werk  bezeichnen.  Einige  Fälle  werden  genügen,  um  den  ^ 
wünschten  Nachweis  zu  erbringen. 

Keza,  §.  4,  S.  67,  hat  die  Nachricht,  dass  in  Skytbieö 
jBvesque  legerfalc  que  hungarice  Kerechet  appellantur'  vorhan- 
den seien.  Da  es  bekannt  ist,  dass  der  Verfasser  der  Gesta 
Hunorum  mehr  als  an  einer  Stelle  deutsche  Ausdrücke  herbei- 
zieht (vgl.  z.  B.  §.  10  die  Erklärung  des  Namens  Strassburg, 
femer  §.11  jene  von  Echulburg),  so  ist  kaum  zu  zweifeln, 
dass  Keza  an  der  citirten  Stelle  , legerfalc'  geschrieben  habe. 
Alle  anderen  Chronikredactionen  haben  aber  das  Wort  nicht 
verstanden  und  lesen  .Legisfalk'  (Chronicon  Pos.,  S.  6  =  Bud., 
S.  12  =  Dub.,  8.  8  =  Pic,  S.  106). 

Keza  berichtet  §.  10,  S.  62:  ,Egressu8  (Ethele)  de  Sicam- 
bria  primo  Illiricos  subiiciens,  deinde  Ren  um  Constantie  per- 
transivit.'  Es  ist  ganz  unzweifelhaft,  dass  hier  an  einen  Ueber 
gang  des  Rheins  bei  Constanz  gedacht  wird,  und  dies  ist,  wemi 
auch  nicht  richtig,  doch  immerhin  noch  ein  erklärlicher  Fehler. 
Dagegen  haben  alle  Chroniken  sinnlos  daraus  ein  ,Con8tancie 
regnum'  gemacht  (Chronicon  Pos.,  8.  12  =  Bud.,  S.  20  = 
Dub.,  S.  14  =  Pic,  S.  112). 

Wie  in  diesen  und  ähnlichen  Fällen  das  Richtigere  bei 
Keza  darauf  hindeutet,  dass  sein  Text  der  ursprttnghchera  sei, 
so  deutet  in  anderen  die  deutlichere  Fassung  oder  die  bessere 
Anordnung  in  den  Chroniken,  dass  sie  Keza's  Darstellung  in 
dieser  Beziehung  umiirbeiteten. 

So  heiäst  es  z.  B.  bei  Keza,  §.  6,  8.  58;  ,Quicunque  ergo 
edictum  contempsisset,  pretendere  uon  Valens  rationem,  lex  Sei- 


407 


tica  per  medium  cultro  huiusmodi  detruncabat.*  Diesem 
schiefen  Ausdrucke  gegenüber  ist  der  Satz  in  den  Chroniken 
, cultro  dividi  per  medium  lex  Scitica  sanxiebat'  sicher  als  Ver- 
besserung aufzufassen  (Chronicon  Pos.,  S.  7  ^  Bud.,  S.  14  = 
Dub.,  S.  9;  Pic,  S.  107  hat  irrig  ,eultu  divino'). 

Keza,  §.  10,  S.  62 f.  erzählt:  ,(Ethele)  expugBavit  (Argen- 
tinam)  diruendo  mumm  eius,  ut  cunctis  adeuntibus  via  libera 
haberetur,  edictum  facicns,  ne  vivente  eo  rnutaretur.  Propter 
quod  eadem  civitas  postmodum  Strosburc  non  Argentina  usque 
hodie  est  vocata.'  An  Stelle  dieser  ganz  unklaren  Diction  hat 
die  Chronik  folgende:  ,Argentinam  .  .  .  ipse  Atiia  expugnavit, 
diruendo  murum  eius  in  diversis  locis,  ut  cunctis  adrenientibus 
sine  gravitate  via  libere  preberetur,  edicens  Hrmissime,  ne  ipsius 
murus  ipso  vivente  muraretiir,  ut  eadem  civitas  non  Argentina 
sed  Strosbiu-g  vocaretur  propter  viarum  pluralitatem,  quas 
in  muro  eius  fecerat  aperiri'  (Chronicon  Pos.,  S.  12  =  Bud., 
S.  20  =  Dub.,  S.  14  =  Pic,  S.  112).  Es  ist  klar,  dass  Keza 
diese  klare  Ausdrucksweiso  nicht  vermieden  hätte,  wenn  sie 
ihm  vorgelegen  wäre. 

Ebenso  ist  die  Stelle  über  die  Umnennung  von  ,Sicambria' 
in  jBuda',  wie  sie  uns  in  den  Chroniken  begegnet,  eine  offen- 
kundige Verbesserung  der  betreffenden  Nachrichten  bei  Keza. 
Man  vergleiche  Keza,  §.  11  (Fecerat  enim  [sc.  Buda]  urbem 
Sicambriam  suo  nomine  appellari.  Et  quamvis  Hunis  .  .  .)  mit 
Chronicon  Pos.,  §.  15,  und  Bud.,  S.  24  (Nam  Sicambriam  suo 
nomine  fecit  nominart  Wudawura.  Et  quamvis  .  .  .).  Ebenda 
Keza:  ,Teutonici  ,  .  .  eaui  Eciiulburc  vocaverunt';  Chronicon 
Pos.  und  Bud.:  jEzelburg  eam  vocant,  id  est  urbs  Atile.' 

Man  vergleiche  aucli  Keza,  §.  lö:  ,Istud  enim  est  preiium, 
quod  Huni  preiium  Crumhelt  usque  adhuc  nominantes  voca- 
verunt' mit  Chronicon  Pos.,  §.  20:  ,Istud  est  ilJud  preiium,  quod 
Hungari  .  .  .'  =  Bud.,  S.  30.  Ganz  offenbar  ist  das  ,Hungari* 
statt  des  in  diesem  Zusammenhange  unpassenden  ,Huni'  Ver- 
besserung. Dazu  kommt  noch  Folgendes:  Keza  erzählt  zu- 
nächst von  der  Niederlage  der  Germanen,  dann  von  derjenigen 
der  Hünen  und  lüsst  erst  dann  die  obige  Bemerkung  ,Istud 
prebum  .  .  .'  folgen  mit  dem  Beisatze,  dass  damals  so  viel  Ger- 
manenblut  vergossen  wurde,  dass  man  durch  viele  Tage  das 
I  Wasser  aus  der  Donau  nicht  trinken  konnte.  Daran  schliesst 
I    sich   aber   sofort   wieder   die   Bemerkung   von   der  Flucht   des 


408 


Chaba  und  des  Restes  der  Hünen.  In  der  Chronik  (und  zwar 
schon  im  Chronicon  Pos.,  §.  20)  wird  dagegen  in  passenderer  Weise 
an  die  Nachricht  von  dem  ersten  Kampfe  und  der  Niederi»ge 
der  Deutschen  die  Bemerkung  über  den  Krimhildkampf  und  die 
Menge  des  yergossenen  Germancnblutes  geknüpft;  dann  folgt 
die  Erzählung  über  die  Niederlage  der  Hünen  und  ihre  Flucht. 

Schliesslich  verweisen  wir  nur  noch  auf  die  wirre,  ler- 
rissene  Darstellung  der  Geschicke  des  Chaba  bei  Keza,  §.  1&, 
gegenüber  der  deutlich  zusammengefassten  in  den  Chroniken 
an  den  entsprechenden  Stellen  (Chronicon  Pos.,  S.  20  =  Bad., 
8.  31  =  Dub.,  S.  22  =  Pic,  S.  119). 

Als  Ergebniss  unserer  Betrachtungen  ergibt  sich  somit 
Folgendes: 

Die  Gesta  Hunorum  sind  ein  originales  Werk  Keza's. 
Vor  ihm  bestand  keine  umfassendere  Aufzeichnung  über  die 
Geschichte  der  Hünen.  Noch  der  Anonymus,  der  Zeitgenosse 
Keza's,  musste  sich  daher  mit  wenigen  Zeilen  über  Attila  be- 
gnügen, ohne  die  Hünen  zu  nennen.  Keza  war  der  Erste, 
welcher  die  ausführliche  Hunengeschichte  der  Ungamgeschichte 
voranschickte. 

b)  Die  Quellen  Keza's  ßir  seine  Getta  Hunorum. 

Es  wäre  wohl  eine  interessante  Arbeit,  wenn  man  soan- 
sagen  Satz  für  Satz  nachweisen  könnte,  woher  Keza  seine  Aus- 
führungen in  der  Hunengeschichte  schöpfte.  Man  würde  dar- 
aus sich  ein  Bild  seiner  Belesenheit  in  den  mittelalterlichen 
Quellen  bilden  können  und  in  die  Art  seiner  Arbeit  einen 
tieferen  Einblick  gewinnen.  Indess  hat  diese  Arbeit  aus  den 
schon  oben,  S.  382,  bemerkten  Gründen  keine  Aussicht  auf 
einen  sicheren  Erfolg.  Die  Nachrichten  über  die  Hünen  in  den 
verschiedenen  mittelalterlichen  Quellen  bilden  eine  sich  so  viel- 
fach durcJikrcuzende  Familie,  dass  die  Entrftthselung  ihre* 
Stammbaumes  oft  geradezu  unmöglich  ist,  in  der  Regel  aber 
wenigstens  zweifelhaft  bleibt.  Wir  werden  uns  daher  auf  einige 
allgemeinere  Nachweise  seiner  Quellen  beschränken. 

Unzweifelhaft  hat  Keza  für  seine  Hunengeschichte  Manche« 
aus  den  Gesta  Hungarorum  vetera  entnommen.  Diese  Quelle 
benützte  er  fllr  die  Beschreibung  Skythiens  und  für  die  ü^ 
geschichto  der  Hünen;  nach  derselben  gibt  er  auch  die  Gründe 
ihres  Auszuges  aus  der  Urheimat  an  (S.  65 — 57):  was  die  G« 


409 


vetera  über  die  Anfänge  der  Magyaren  erzählten,  das  überträgt 
Keza  in  dieser  Partie  auf  die  Hünen.  Man  vergleiche  darüber 
die  Ausf\ihruDgen  in  der  Studie  VIII,  S.  230ff.,  236f.  und  240f. 
Auch  was  er  über  den  Zug  der  Hünen  nach  dem  Westen  er- 
zählt (S.  58f.),  kommt  dem  aus  den  Gesta  in  die  verschiedenen 
Ableitungen  derselben  geflossenen  Berichte  über  den  Marsch 
der  Ungarn  nach  Pannonien  gleich.  Siehe  Studie  VÜI,  S.  241. 
Endlich  enthält  der  Schluss  der  Hunengeschichte  Manches,  was 
bereits  den  Gesta  augehört;  es  wird  daher  Einzelnes  bei  Keza 
zweimal  erzählt.  Man  vergleiche  darüber  oben,  S.  401  und 
Studie  Vn,  S.  456  und  468  f. 

Dem  Fingerzeige,  welchen  uns  Keza  in  den  ersten  zwei 
Paragraphen  seiner  Hunengeschichte  gibt,'  folgend,  müchten  wir 
zunächst  ziu*  Annahme  geneigt  sein,  dass  er  Orosius  benützte. 
Aber  was  er  da  von  Orosius  erzählt,  verrätb  sofort,  dass  er 
seine  Schriften  nicht  zur  Hand  hatte.  Er  behauptet  nämlich 
S.  52,  dass  Orosius  ,favore  Ottonis  cesaris,  cui  Hungari  in  di- 
Tersis  prelüs  confusiones  plures  intulerant  multa  in  libellis  suis 
apocrypha  contingens  ex  demonibus  incubis  Hungaros  asseruit 
generatos.  Scripsit  enim,  quod  Filimer,  magni  Adalrici  regia 
Gothorum  filius,  dum  fines  Scitie  armis  impeteret,  mulieres 
quedam  nomine  Baltrame  nominantur,  plures  secum  in  exercitu 
suo  dicitur  deduxisse.  Que  ...  de  consortio  exercitus  eapropter 
expulisse.  Que  quidem  pervagantes  per  deserta  Httora  paludis 
Meotidis,  tandem  descenderunt  .  .  .  incubi  demones  ad  ipsas 
Tenientes,  concubuisse  cum  ipsis  iuxta  dictum  Orosium  refe- 
runtur'.  Schon  die  Eingangsbemerkung  zu  dieser  Stelle  ,favore 
Ottonis  cesaris*  beweist,  dass  Keza  die  Schriften  des  Orosius 
nicht  kannte,  er  hätte  ihn  sonst  nicht  zu  einem  Zeitgenossen 
Ottos  I.  gemacht.  Vergebens  würde  man  aber  auch  bei  Orosius 
etwas  von  der  mitgetheilten  Sage  suchen.  Der  nächste  Gedanke 
ist  nun,  dass  Keza  in  irgend  einer  anderen  Quelle  diese  Geschichte 
als  aus  Orosius  geschöpft  fand,  oder  dass  er  den  in  seiner  Vor- 
lage genannten  Orosius  irrthümlich  mit  der  Sage  in  Verbindung 
bringft.     Von   allen   von   uns  eingesehenen   Quellen    bietet  nur 


'  S.  62:  ,.  .  .  non  imitatus  Orosiani,  qui  farore  Ottonia  cesaris  .  .  .'  und 
6.  63:  ,Multifarie  multisque  modis  olim  in  veteri  testamento  et  nunc  sub 
etate  sexta  seculi  diversas  historias  divers!  descripserunt,  prout  Josephns, 
Isidorui,  Orosius  et  Qotfridus,  aliique  quamplures,  quorum  nomina  ex- 
primere  non  est  opus.' 

XicUt.  LXXXVm.  Bd.   II.  U41ft«.  27 


Jordanis  allein  Aufklärung.  Wir  lesen  bei  ihm  Folgendes:'  ,1 
autem  non  longi  temporis  intervalio,  ut  refert  Orosius,  Hu- 
norum  gens  omni  ferocitate  atrocior  exarsit  in  Gothos.  Nsm 
ho8,  ut  refert  antiquitas,  ita  extitisse  conperimue.  Filimer  wi 
Gothorum  et  Gadarici  magni  filias  .  .  .  qui  et  terraa  Scytfaieu 
cum  8ua  gente  introisse  superius  a  nobis  dictum  est,  reperit  in 
populo  suo  quasdam  magas  mulieres,  quas  patrio  eermone  Ha- 
Uurunas  is  ipse  cognominat,  easque  Habens  suspectas  de  medio 
Boi  proturbat  longeque  ab  exercitu  suo  fiigatas  in  soUtudinem 
coegit  errare.  Quas  spiritus  inmundi  per  herimum  vagaatei 
dum  vidissent  et  eorum  complcxibus  in  coitu  miseoissent,  genos 
hoc  ferocissimum  ediderunt,  quae  fuit  primum  inter  palades 
minutum,  tetrum  .  .  .*  Aus  der  Bemerkung  ,ut  refert  Oro- 
sius''  liesse   sich   leicht  Reza's   Irrthum  erklären.     Trotzdem 


*  Jord&nia,   Oetic«,  §.  24,  Mon.  Germ.  büL  Äact.  uitiqausimi  V,  1,  8.  89. 

—  In  <len  nnderen  Chroniken  fehlt,  so  weit  wir  seben,  die  ErwUmniif 
des  Orosius.  Man  vergleiche  Hist.  misc.  (Landulfus).  Mon.  Germ,  hiil 
Anct.  antiquissimi  II,  S.  344:  ,.  .  .  Ostrogothe  id  est  orientales  Gothi  rast 
dicti.  Ea  tempest&te  gens  Hunorum  diu  inaccessis  leclasA  montibiu  r»- 
pentina  mbie  percita  exorsit  in  Gothos  eosqae  conturbatoa  ab  «ntiqois 
sedibus  expulit.  Nnm  hos,  ut  refert  antiquitas  . .  .'  wie  Jordania^  bot 
steht  , Aliruninas',  ferner  folgt  nach  ,coegit  errare':  ,quaa  ailveetraa  ho- 
mines,  quos  nonnulli  phannos  phicarios  vouant,  per  desertam  va^antat 
dum  vidifsent  ,  .  .'  —  Ottonis  Chronicon,  Mon.  Genn.  Script.  XX, 
B.  203:  ,Non  multo  post  Gothis  iam  inter  se  pacatis,  UuDorum  geus  horri- 
bilis,  tanquam  ex  incubis  et  meretricibus,  ut  Jordanis  refert,  ori^nea 
traUens,  ducAta  cerrae  de  Maeotidis  paludibas  egressa.'    Tgl.  auch  8.  86d(. 

—  Ekkebardi  Chronicon,  Mon.  Germ.  Script.  VI,  S.  13!3.  Wie  die 
Hist.  misc.  Insbesondere  steht  hier  auch  nichts  von  Orosiua;  es  werdaa 
die  .Alininas'  genannt;  auch  finden  wir  den  Satz:  .Qnidam  autem  dicnnt, 
quod  silvestres  homines,  quos  Fannos  ficarios  Tocant  .  .  .'  (Dieser  Sati  ist 
also  weder  Ekkohards  Eigenthum,  noch  ann  Jordanis,  wie  dies  ans  lloii. 
Germ.  Script,  herrorzugeben  scheint.)  —  Sigeberti  Chronica,  Mon. 
Genn. Script.  Vl,ä.3Ül.  Die  Stelle  ist  nach  der  Hist.  misc.  wiedergegeben. — 
Gottfried  von  Viterbo:  Pantheon,  Mon.  Germ.  Script.  XXII,  S.  183  (nach 
Ottos  Chronik  IT,  S.  16):  ,.  .  .  gen.«  terribilis  Hunorum  advenit  Qua 
gens  secundum  scripta  Jordanis  ipsurum  interpretis  et  auctoris  ex  iuenbis 
et  meretricibus  est  procreata,  infra  Meotidas  paladea,  que  sunt  in  con- 
finiis  Asie  et  Earope.   Nee  gens  conducta  .  . .' 

*  Jordanis  hat  hier  in   der  That   die  Darstellung   des  Orosius   vor  An 
aber  nur  filr  die  Thatsache  des  Ueberfalles  der  Gothen  durch  die  Hu 
Man  vergleiche  des  Orosius  Hiat.  Lib.  VII,  Cap.  33:   .siquidem  gens  Hn- 
nomm,   diu  inaccessis  seclusa    montibus,    repentina   rabie   peroita,  ex- 


411 


■werden  wir  kaum  annehmen,  dass  dem  ungarischen  Chronisten 
Jordania  vorlag;  vielmehr  wird  man  annehmen  müssen,  dass 
irgend  eine  von  uns  nicht  aufgefundene  Quelle,  die  auf  Jor- 
danis  beruhte,  jene  Bemerkung  aufgenommen  hatte  und  sie 
ihm  bot.* 

Ferner  nennt  Keza  Josephus  als  seine  Quelle.  Aber 
auch  von  diesem  können  wir  nacliweisen,  dass  er  Keza  nicht 
vorlag  und  dieser  ihn  nur  dem  Namen  nach  kannte.  S.  54  be- 
richtet Keza  über  den  Thunn  Babel:  ,Fecerunt  enim  in  turri 
memorata,  sieut  dicit  Josephus,  deorum  templa  ex  auro  pu- 
rissimo,  palatia  lapidibus  pretiosis  fabricata,  eolumpnas  aureas  . . .' 
In  Josephus  Antiqu.  Jud,  I,  §.  4,  wo  über  den  Thurmbau  und 
die  Sprachverwirrung  gehandelt  wird,  ist  absolut  nichts  Aehn- 
liches  vorhanden.  Ebenso  findet  sich  bei  Josephus  unseres 
Wissens  keine  Stelle,  auf  die  sich  unmittelbar  Keza's  Bemerkung 
(§.  2):  ,Dum  autem  tribus  iste,  sicut  reiert  Josephus,  lingua 
ebraica  uterentur,  dicto  (deinde)  primo  anno  .  .  .'  beziehen 
wUrde. 

Unter  den  Schriftstellern,  welche  vor  ihm  Geschichts- 
bücher schrieben,  nennt  Keza  femer  den  Isidorus;  natürlich 
ist  der  von  Sevilla  gemeint.  Es  entsteht  nun  die  Frage,  ob  er 
ihn  direct  benützt  hat.  Die  Entscheidung  derselben  ist  nicht 
leicht:  Isidors  Etymologien  sind  für  so  viele  Schriftsteller  directe 
oder  indirecte  Quelle  gewesen,  dass  es  schwer  zu  bestimmen 
ist,  ob  einzelne  mit  ihm  gemeinsame  Nachrichten  unmittelbar 
seinem  Werke  entnommen  sind  oder  durch  Vermittlung  eines 
anderen.  So  bleibt  auch  unentschieden,  ob  Keza  direct  die 
Arbeit  des  gelehrten  Bischofs  benutzt  hatte.  Anklänge  finden 
sich  zur  Genüge  vor.  So  findet  sich  bei  Isidor,  Hb.  IX,  cap.  2, 
§.  27,  die  Nachricht:  ,Magog  (der  erste  der  „filii  Japhet"), 
a  quo  arbitrantur  Scythas  et  Gothos  traxisse  originem.'*  Diese 


mrsit    in    Gothos    eosque    sparsim    cootorbatoa    ab    antiquis    gedibos 

expulit' 
'  Rademacher,  Die  ungarische  Chronik  als  Quelle  deutscher  Geschichte 

(Programm  des  Domgymiia-ilums  in  Merseburg,  Ostern  1887),  meint  zw.ir 

S.  3,  dass  der  augarische  Chronist  Einzelnes  .naroentlich  dem  Jordanes' 

entlehnte;  aber  gerade  das  ,metns  orbis',  auf  das  er  hinweist,  deutet  mehr 

auf  Gottfried.    Siehe  weiter  unten,  S.  414. 
•  Vgl.  ührigena   auch    lib.  XIV,  cap.  3,  §.  31;     ,8cythia  sicut  et  Qothia  a 

Magog  filio  Japhet  fertnr  cogoominata  .  .  .' 

27* 


412 


weit  verbreitete  Ansicht  fand  sich  nun  schon  in  den  Gesta  veten; 
aus  der  Verbindung  dieser  Nachricht  mit  einer  anderen,  nur  bei 
Isidor  vorfindlichen,  brachte  vielleicht  aber  Keza  in  die  ongv 
rische  Etymologie  ,Thana'  hinein  (§.  2).  Bei  Isidor  heisst  es 
nämlich  lib.  XITI,  cap.  21,  §.  24:  .Tanus  fuit  rex  Scythamm 
primus,  a  quo  Tanais  fertur  fluvins  nuncupatns.'  Da  femer  die 
Skythen  durch  Magog  von  Japhet  abstammen,  so  muss  nos 
auch  jThana  ex  semine  Jafet  oriundus'  sein  (Roza,  §.  2).  Be- 
sonders beachtenswerth  ist  folgende  Stelle: 


bidor. 

Lib.  XIV,  cap.  3,  §.  12.  Per- 
sida  tendens  ab  ortu  ...  In 
Persia  primum  orta  est  ars 
magica,  ad  quam  Nemroth  gy- 
gas  post  confusionem  lingua- 
rum  abiit,  ibique  .  .  . 


Keia. 

§.  3.  Menroth,  qui  gygans 
post  lingiiamm  inceptam  con- 
fusionem, terram  Eailath  in- 
troivit,  que  regio  Perside  isto 
tempore  appellatur,  et  ibi  duoe 
iilios  .  .  . 


Andere  gemeinsame  Nachrichten,  etwa  über  den  Thurm- 
bau  durch  Nembroth  (Isidor,  lib.  VII,  cap.  6,  §.  22),  die  Sprach- 
verwirrung und  die  hiedurch  entstandenen  73  oder  72  StÄmmc 
((ebenda,  lib.  IX,  cap.  2,  §.  2),  das  Wohnen  der  Hiinen  an  der 
Maeotis  (ebenda,  lib.  IX,  cap.  2,  §.  66),  die  Erwähnung  des 
,Tanais'  (Don),  der  ,ex  Riphaeis'  fliesst  (ebenda,  hb.  XIII,  cap.  21, 
§.  24),  die  Erwähnung  von  den  Edelgesteinen  Skythiens  und 
den  dieselben  bewachenden  Raubvögeln  (ebenda,  lib,  XFV,  cap.  3, 
§.  32),  alle  diese  Nachrichten,  die  sich  auch  bei  Keza,  §.  2 — 4, 
finden,  müssen  nicht  aus  einer  directen  Benützung  Isidors  durch 
den  ungarischen  Chronisten  erklärt  werden. 

Schliesslich  nennt  Keza  auch  Gottfried  als  Geschichts- 
schreiber. Gemeint  ist  Gottfried  von  Viterbo,  den  Keza  auch 
thatsächltch  benützt  zu  haben  scheint.  Aus  Gottfrid  könnte  zu- 
nächst Keza  seine  Kenntniss  von  Josephus  erhalten  haben. 
Man  vergleiche: 


Gottfrid. 


Speculum  regum  (Mon.  Germ, 
Script.  XXII)  S.  30.  .  .  .  Egre- 
diente  patre  veniunt  tres  ordine 
fratres:  Josephus  et  Moyses 


Ke». 

§.  2.  Multifarie  multisqne  mo- 
dis  olim  in  vetori  testamento 
et  nunc  sub  etate  sexta  secofi 
diversas  historiaa  descripsenmt 


m 


413 


referunt  hec  omnia  late.  S.  31  f. 

Musa  virum  prome  Nembrot 
I  de  germine  Noe  .  .  .  Josephus 
'    hunc  iuvenem  pingit  .  .  .   Iste 

primus    Babel    studuit   compo- 

nere  turrem. 


prout  Josephus  .  .  .  Dura 
autem  tribus  iste,  sicut  refert 
Josephus.  lingua  ebraica  ute- 
rentur,  dicto  primo  anno  post 
diluvium  Meoroth  gygans  .  .  . 
turrem  construere  cepit 


Aus  Gottfried  könnte  auch  Keza  zu  seiner  Behauptung  ge- 
langt sein,  dass  Menroth  der  Stammvater  und  also  auch  erster 
König  der  Hünen  gewesen  sei.  In  den  Gesta  vetera  war  dieser 
noch  nicht  genannt;'  hier  erschien  noch,  wie  auch  beim  Anony- 
mus, Magog  als  Sohn  Japhets.  Magog  als  Stammvater  der  Ma- 
gyaren hält  auch  Keza  fest.  Da  er  aber  auch  die  Hünen  in  die 
Geschichte  einfuhrt,  so  setzt  er  ihm  einen  (erdichteten)  Bruder 
Hunor  als  deren  Stammvater  zur  Seite.  Beide  Brüder  er- 
scheinen aber  bei  ihm  nicht  mehr  als  Söhne  Japhets,  sondern 
als  Nachkommen  Menrotba.  Eine  Erklärung  für  diese  Hinetn- 
zerrung  dürfte  folgende  Stelle  bei  Gottfried  geben:  Memoria 
Seculorum  Mon.  Germ.  Script.  XXII,  S.  101 :  ,Quia  reges  omnes 
tarn  Francos  quam  Italicos  de  proienie  Sem,  filii  Noe  et  Jarari, 
patria  primi  regis  mundi  nomine  Nembrot  descendisse  superius 
demonstravimus,  oportet  etiam  omnes  Romanos  imperatores  ab 
eadem  propagine  descendero  .  .  .'  Es  ist  doch  sehr  wahrschein- 
lich, dass  die  Behauptung  Gottfrieds,  dass  alle  anderen  Könige 
von  Nembrot,  dem  ersten  Könige  der  Welt,  abstammen,  Keza 
bewog,  auch  die  ungarischen  auf  ihn  zurückzuführen.* 

Aus  Gottfried  könnte  ferner  Keza  zu  seiner  völligen  Iden- 
tificirung  der  Runen  und  Ungarn  gelangt  sein.  Man  vergleiche 
Memoria  seculorum,  a.  a.  0.,  S.  102:  ,Ungarorum  regna  duo 
esse  legimus,  unum  antiquum  aput  Meotidas  paludes  in  iinibus 
Asie  et  Europe,  et  alterum  quasi  novum  .  .  .,  quam  Pannoniam 
Donnulli    novam    Ungariam    vocant.     Ungari    etiam   Huni    sunt 


»  Vgl.  Studie  VUI,  8.  242  f. 

*  Diese  Nachricht  Gottfrieds  beruht  aber  wohl  wieder  in  ihrem  uraprüog- 
licheren  Kerne  auf  der  Aoschanung,  die  sich  bei  Isidor,  Hb.  VU,  cap.  6, 
§.  22,  findet:  .Nembroth  interpretatar  tyranntu.  Iste  enim  prior  arri- 
puit  insuetam  in  populis  tyrannidem.'  —  Vgl.  anch  t.  B.  Hieronymns 
(ed.  VoUarsius,  Verona  1736,  III,  S.  32Ü),  wo  sich  dieselbe  Behauptung 
findet;  doch  wird  hier  Nemrod  noch  als  Nachkomme  Chams  bezeichnet. 
—  Schliesslich  Josephna,  Antiqu.  Jud.  I,  4,  2,  ebenso. 


414 


appellati.      Sub    quomm    viribas   Atili    et   Totila    qaond; 
gnantes  multa  regna  in  Italia  et  in  Oalüs  desolavenint  . 

Auch  erscheint  bei  Gottfried  ebenso  wie  bei  Keza  .B»^' 
unter  dem  Namen  .Sicambria'.  Man  vergleiche  SpecaJum  regnm, 
a.  a.  O.,  S.  62:   ,Urbs  ornata  viris  noTa  dicta  Sicambria  crevit, 
miiltiplicata  nimis  Troiana  potentia  sevit  .  .  .  (Ms.  3b  in  tanr^i 
addit:  .in  Ungaria  Czkamber  prope  Budam'). ' 

Vor  Allem  scheint  aber  noch  folgende  Stelle  ftlr   die  Be- 
nutzung des  Gottfried  durch  Rcza  bezeichnend  zu  sein 


i 
1 


Kewi,  S.  60. 


Ip.te  KOtein  »eip- 
Bum  Hnnorum  re- 
geln, metum  orbts, 
flagellnm  Dei  a 
subiectu  suis  fecit 
appellari.  Erat  enim 
. . .  rex  Ethela  colore 
teter,  ocnlis  nigriii  et 
für  10 Bis,  pectore 
lato,  elatuB  incesia, 
Btatiira  ItreviB,  bar- 
baiu  prulixam  .  .  . 


Gottfredi    Pantheon, 
8.  188. 

late  eat  Atila  me- 
tns  orbis,  flagel- 
lnm Dei,  «nperbna 
inceun,    ocnlos    fu- 

riosas  circnmfe- 
rens,  amator  belli, 
maua  propria  tem- 
peratnm  consilio  va- 
lidiu  . .  .  forma  bre- 
▼ia,  pectore  lato,  mi- 
nutis  ocuUb,  .  .  . 
rara  bnrba  .  .  .  co- 
lore tetro  .  .  . 


Jordanis   Getica, 

8.  106  (=  Hü»t  mi»c., 

8.  3ti2). 

Vir   in  concnssio- 
ne  gentium  natiu  in 

mundo,  terramm 
omniam  meto«,  quL, 
nescio  qua  . . .  «uper- 
bos  incessu,  hnc  at- 
qne  illur  circumfe- 
rens  ocnlos  .  .  .  bel- 
lorum  qaidem  ama- 
tor, ied  ipse  mann 
temperana,  oonsilio 
ralidissimnii  .  .  .  for- 
ma breviB,  lato  pecto- 
re .. .  miniiti«  oculia, 

rams  barba,  teter 
colore  .  .  . 


Ottoni*  Cfart 

Hie     Bit 
qai.   at  ipiii 


ebenso. 


Zu  den  von  Keza  benützten   schriftb'chen  Quellen    gehe 
auch    die   Cronica   veterorum,    der    er   §.   12    die  Nachricht 

'  E!a  ist  hier  wohl  nicht  nStbig,  die  Frankensage  weiter  znrQuk  m  rer- 
folgen.  Man  Tergleiche  übrigens  die  Geata  Fnncomm  (Üb.  hist.  Fnue.) 
in  Script,  rer.  Mer.  II,  S.  242:  4ngrea8i  (Troiani)  Meotidas  palndes  nari- 
gantes  perreneruiit  intrn  terminos  Pannoniarum  iuxta  Meotidas  palad» 
et  coeporunt  aedificare  civitatem  ob  memoriale  eornm  appellnremntqas 
eam  Sicambriam;  habitavernntque  illic  annis  multis  crevemutqDe  io 
gentem  magnam.'  —  Fredegar  (ebenda,  8.  9S):  ,.  .  .  Besidaa  e«mai 
(Troianomm)  pars,  qno  super  litore  Dannbii  remanserat .  .  .  ibiqne  roeati 
»unt  Turchi.'  —  Gregor  Ton  Tours  (ebenda,  I,  8.  77):  ,.  . .  tradant  eoin 
mnlti,  eosdem  de  Pannonia  fuisse  degressos.'  Weiteres  in  der  neuen 
Arbeit  Ton  O.  Dippe,  Die  fränkischen  Trojanersagen.  Ihr  Ursprung 
und  ihr  Einflnas  auf  die  Pocvsie  und  die  Gescliicbtssclireibnng  im  Mittel- 
alter.   Progr.'inim  des  Matthias-Clandius-Oyranasinms  zu  Wandsbeck  1896. 


415 


jVeneti  siquidem  sunt  Troiani  etc.'  entnimmt;  doch  wissen  wir 
nicht,  welche  Quelle  er  meint. 

Am  Schlüsse  unserer  Bemerkungen  über  die  durch  Keza 
für  seine  Hunengeschichte  benützten  schriftlichen  Quellen,  die 
übrigens  durch  die  oben  behandelten  nicht  erschöpft  sind,' 
mag  noch  die  Bemerkung  gemacht  werden,  dass  Keza  die 
eine  oder  andere  Quelle  vielleicht  einmal  gelesen  hatte,  nicht 
aber  beim  Niederschreiben  seiuer  Chronik  wieder  benützte. 
Daraus  würde  sich  manche  Eigenthümlichkeit  der  Darstellung 
Keza's  und  zugleich  auch  die  Schwierigkeit  des  Nachweises 
seiner  Quellen  erklären. 

Ferner  hat  Keza  vor  Allem  noch  die  mündliche  üeber- 
lieferung  benützt.  Aus  ihr  rührt  her  die  offenbar  von  den  Ungarn 
auf  die  Hünen  übertragene  Nachrieht  von  den  108  Geschlechtern 
(§.  9  and  7)  und  von  den  bis  auf  die  Zeiten  Geisas  geltenden 
Recbtsbestimmungen  (§.  6).*  Mit  der  Nibelungensage  und  deren 
in  Ungarn  bekannter  Ueberlieferung  hängen  die  zahlreichen 
Erwähnungen  Dietrichs  zusammen  (§.  7  und  8).  Bemerkens- 
werth  ist  in  §.  8  die  Bemerkung:  ,Pro  qua  enim  invasione 
Ditricus  acerbatus  in  campum  Tawarnueweg  exivit  cum  Hanis 
committens  prelium  cum  suorum  et  Macrini  maximo  interitu 
ac  periculo,  fertur  tarnen  Hunos  in  hoc  loco  potenter  devicisse.' 
Hierher  gehört  auch  die  etymologische  Sage  über  Cuweazoa  in 
der  zweiten  Hälfte  dieses  Paragraphen.  Ebenso  gehören  ein- 
zelne Züge  in  der  Charakteristik  Ethelas  ebenso  wie  diese 
Namensform  der  Ueberlieferung  an;  was  über  Etzels  Banner 
(§.  9)  gesagt  wird,  ist  aus  der  ungarischen  Ueberlieferung  auf  die 
Hünen  übertragen.'    Der  Ueberlieferung  ist  femer  entnommen 


*  Ans  diesen  Quellen  rührt  auch  die  Erzählung  von  der  Hirschkuh  {%.  3), 
die  Sage  von  der  Eroberung  Aqiiilejiu  (g.  12),  die  Schilderung  der 
Schlacht  auf  den  catalanni»chen  Gefilden,  insbesondere  die  Sage  vom 
Anschwellen  des  Baches  durch  das  Blut  der  Erschlagenen,  die  Ge- 
schichte von  der  Begegnung  Attilas  mit  Papst  Leo  (§.  IS)  und  vom 
Tode  Attilas  (§.  U). 

*  Aehnliches  berichtet  ebenfalls  auf  Grundlage  der  mOndlichen  Ueber- 
lieferung die  ungarisch-polnische  Chronik  S.  496  (Mnu.  Pol.  hist.  I), 
worauf  schon  Studie  III,  S.  614,  Anm.  3,  verwiesen  wurde. 

*  ,Banerium  qnoque  regiü  Ethele,  quod  in  proprio  scuto  gestare  consue- 
verat,  similitudinera  avis  hnbobat,  que  hungarice  Tnrul  dicitnr,  in 
capite  cum  corona.  Istud  enim  baneriam  Enni  osqoe  tempora  ducis 
Geiche,  dum  se  regerent  pro  commani,  in  ezercitu  secum  semper  gcsta- 


416 


die  Sage  über  die  Umnennung  von  Etzolbui^  in  Budavar  (§.  11) 
und  die  Nachricht  über  die  Späherketten  Attilas  (ebends). 
Schliesslich  gehört  der  Sage  auch  das  Meiste  von  dem  Inb 
der  zwei  letzten  Paragraphen  (15  und  16)  an:  so  insbesond 
die  Erzählung  über  den  Krimhildkarapf  (Jstad  enim  eet  pre- 
lium,  quod  Huni  [Hungari]  prelium  Crumhelt  usque  adhac 
nominantes  vocaverunf);  femer  die  Mittheilungen  über  den  Ur- 
sprung der  Szekler  (Zaculi)  und  ihre  Sage  über  Chaba  (,üade 
vulgus  adhuc  loquitur  in  communi  .  .  .');  desgleichen  über  den 
Ursprung  der  generatio  Aba.  Schliesslich  vergleiche  man  noch: 
,Tradunt  quidam,  quod  Hungari  Morot  .  .  .*,  verglichen  mit 
§.  18:  ,.  .  .  usqne  hodie  fabulose  Morot  ipsum  ftusse  tsse- 
verant."  Bei  dieser  Gelegenheit  muss  aber  die  Anschauung 
zurückgewiesen  werden,  als  ob  die  Hunensage  ursprUngbehea 
nationales  Eigenthum  der  Ungarn  gewesen  wäre,  wie  dies  etw» 
Flegler*  mit  ungarischen  Historikern  anzunehmen  geneigt  Trar. 
An  einen  directen  Uebergang  der  Ueberlieferung  von  den 
Hünen  an  die  Ungarn  kann  nicht  gedacht  werden.  Den  An- 
stoss  zur  ungarischen  Gestaltung  der  Hunensage  kann  nur  die 
deutsche  Etzelsage  geboten  haben.  Aus  der  Nachricht  Lam- 
berts von  Hersfeld*  über  das  Schwert  Attilas,  das  sich  in  dto 
Händen  der  Ungarn  befand,  und  das  die  Mutter  des  Köaigs 
Salomon  dem  Herzoge  Otto  von  Baiern  geschenkt  hatte,  geht 
allenfalls  schon  hervor,  dass  im  11.  Jahrhunderte  bereits  die 
Hunensage  in  Ungarn  Eingang  gefunden  hatte.  Ausgebildeter 
erscheint  dieselbe  schon  in  der  ungarisch-polnischen  Chronik. 
Keza  hat  sie  mittelst  gelehrter  Forschung  möglichst  auszubauen 
versucht.^     So  mag  sich  die  Sage  dann  auch   unter    das  Volk 


▼ere.'  —  Keza  nennt  bekanutlicli  Aas  Geschlecht  der  Arpaden  über- 
haupt ,genu8  Tuml'  (§.  19:  .Uper  de  genere  Tuml').  Damit  Ut  n 
vergleichen  die  Sage  Ober  die  Geburt  Almus',  die  durch  einen  ,usUf 
verkflndet  wird  (Anonymus,  §.  3;  Chronicon  Bndenae,  8.  36). 
'  Die  Sage  yon  Morot  hat  auch  Anonymas,  §.  11 ;  sie  war  offenbar  ia 
Ungarn  allgemein  verbreitet.  Keza  führt  den  faistoriichen  Sratoplog  eio 
nnd   veraacbt  seine   Darstellnng  mit  der  Ueberlieferung  ansaagleicbaD. 

*  A.    Flogler,    Beiträge    zur   Würdigung    der    ungarischen    Oeacbicht»- 
Schreibung.     Historische  Zeitschrift  XVU  (1867),  S.  S23f. 

*  Mon.  Genn.  Script.  V,  S.  186,  anno  1071. 

*  Vgl.  auch  Rade mac her,   Die  ungarische  Chronik  als  Quelle  dentieber 
Geschichte,  6.  4:     ,Wa8   also   in  der  ungarischen  Chronik  Aber  Attila 


417 

■weiter   verbreitet    haben,    wie    dies   ungarische    Gelehrte   nach- 
,  anweisen  suchen. 

c)  Bemerkungen  über  den   Werth  der  Gesta  Hunorum 
und  über  ihren    Verfatser. 

Aus  dem  eben  Ausgeführten  ergibt  sich  leicht  der  Schluss, 
dasB  die  Hunengeschichte  als  historische  Quelle  werthlos  ist. 
Nur  das  Wenige,  was  etwa  aus  der  Ueberiieferung  herrührt, 
kann  eben  als  ungarische  Tradition  einige  Beachtung  verdienen. 

Ueber  die  Person  und  das  Zeitalter  des  Verfassers  wissen 
wir  nur  so  viel,  als  er  in  seinem  ,Prohemium'  selbst  sagt.  Er 
bezeichnet  sich  als  ,magi8ter'  und  nennt  sich  ,fideli8  clericus' 
des  Königs  Ladislaus  des  Knmanen  (1272 — 1290).  Ebenso 
geht  aus  den  einleitenden  Paragraphen  seines  Werkes  zur  Ge- 
nüge hervor,  dass  er  ein  für  seine  Zeit  gelehrter  Mann  war 
(vgl.  oben,  S.  402  und  408 ff.).  Damit  stimmt  der  Umstand  über- 
ein, auf  den  schon  MarczaU  verwies,'  dass  Keza  vielleicht 
italienische  Bildung  genossen  hatte.  Vor  Allem  muss  aber  noch 
betont  werden,  dass  er  offenbar  auch  mit  der  deutschen  Sprache 
vertraut  war.  Dies  beweist  nicht  nur  seine  Vertrautheit  mit  der 
deutschen  Nibclungensage, *  sondern  auch  folgende  Umstünde: 
S,  57  spricht  er  von  ,legerfalc',  was  offenbar  aus  .Jägerfalk' 
verderbt  ist;  S.  61  spricht  er  von  ,maristalla* ;  S.  63f.  wird  der 
Name  von  ,StraB8barg*  aus  ,via'  erklärt;  vor  Allem  heisst  es 
aber  S.  55:  ,.  .  .  gygas  Menroth  uxorcs  alias  sine  Enee  perhibetur 
habuisse,  ex  quibus  absque  Hunor  et  Mogor  plures  filios  et 
filias  generavit:  hy  sul  filii  et  eorum  posteritas  .  .  .  parum  dif- 
ferunt  in  loqucla,  sicut  Saxones  et  Thuringi.'  Letztere  Be- 
merkung deutet  eine  wohl  nur  durch  nähere  Kenntniss  des 
Deutschen  gewonnene  Erkenntniss  an.  Dazu  kommt  noch,  dass 
Keza  sich  offenbar  selbst  mit  localen  deutschen  Ueberlicferungen 
vertraut  zeigt ;  so  z.  B.  erzählt  er  in  §.  1 1  von  der  Hofhaltung 
Etzels  in  Eisenach,  was  Tics  wieder  auf  Thüringen  führt.   Auch 


berichtet  wird,   ist  der  deatscben  Heldensage  eotnommen  oder  anderen 

Schriften  entlehnt.' 
'  Oeachichtsquellen,  S.  49. 
*  Auf  die  dentschen  Elemente  verweist  auch  Rademacher,  Die  ungarische 

Chronik  als   Quelle   deutscher   Geschichte,   8.  16.     Hiebei   wirft  er  aber 

Alles,  was  Oberhaupt  sich  hievon  in  der  Chronik  6ndet,  zusammen,  ohne 

swischen  deren  einzelnen  Theilen  zu  scheiden. 


418 

mag  daran  erinnert  werden,  dass  Eesa  —  wie  selmi  in  Stiii 
VJü,  S.  274,  bewiesen  wurde  —  mit  dentachen  QneDa  i» 
traut  war.  Trotzdem  werden  wir  ihn  nicHt  für  einen  DeniMbi 
halten  kOnnen.  Man  rei^Ieiche  llbrigena  seine  Bemakuif » 
§.  15:  ,In  quo  quidem  prelio  tantos  sangois  Germanieiu  ■( 
effnsus,  qnod  a  Tentonici  ob  dedecos  non  celarent . . .'  fr 
spricht  von  den  Deutschen  also  ganz  offenbar  wie  von  Frsmdk. 
Betont  muss  aber  werden,  dass  bei  ihm  die  OehSsaigkeit  gapi 
diese  Nation  noch  nicht  so  herrortritt,  wie  dies  in  der  Nstioat^ 
chronik  der  Fall  ist  ^  Als  besonders  auffallend  aaius  noefc  im 
Umstand  betont  werden,  dass  der  geistliche  Standpunkt  fa 
Verfassers  nirgends  scharf  hervortritt  Es  ist  dies  flbaiteqi 
in  den  ungarischen  Chroniken  der  Fall:  der  nationale  Sn^ 
ponkt  überwog  bereits  damals  alles  Andere. 

8.  Xeia'i  eigeatUehe  Vngangeaehielita. 

An  die  von  ihm  yerfasste  Hunengeschichte  kntlpfkeXM 
auch  eine  Darstellung  der  eigentlichen  Ungamgeaehichte.  ik 
Verbindungsglied  schrieb  er  den  kleinen  §.  17 :  ^Digestis  «i* 
Hunorum  natalibus,  preliis  felicibns  et  sinistris  .  .  .  presenti  op» 
culo  apponere  dignum  duxi.' 

Es  ist  uns  nun  aus  den  yorhergehenden  Stadien  bekimtr 
dass  Keza  für  diesen  Theil  seiner  Chronik  vorzfiglick 
der  Qesta  Hungarorum  vetera  sich  bediente.  Dieselba 
boten  ihm  fast  ausschliesslich  das  Material  für  seine  DarsteUmg 
von  den  AniUngen  der  Ungarn  bis  auf  Koloman.  In  diesen 
Theile  hat  er  nur  verhältnissmässig  Weniges  hinzugefügt,  mt 
ihm  wahrscheinlich  aus  irgend  einer  anderen  (wahrscheinlicb 
deutschen)  QueUe  bekannt  geworden  ist  (siehe  unten  im  Texte). 
Auch  auf  sonstige  Abweichungen  von  seiner  Vorlage  ist  bereib 
in  Studie  VIII  hingewiesen  worden.  Man  vergleiche  daselblt 
besonders  die  Ausführungen  S.  236 — 302.  Ebenso  ist  daselbst 
S.  226ff.,  nachgewiesen  worden,  dass  die  Annahme  unrichtig 
sei,  Keza  hätte  seine  Vorlage  beträchtlich  gekürzt.  Es  ist  vid- 
mehr  gezeigt  worden,  dass  dieselbe  im  Grossen  und  Gsokb 
im   ursprünglichen  Umfange   von   Keza   bewahrt  wurde;  nicbt 

^  Man  vergleiche  Chronioon  Bndense,  S.  77:  ,Postqnani  «atam  Patraf  tt 
fautns  rex  .  .  .  tentonico  Airore  seriens  .  .  .  eam  TaatonieU,  beIhDi> 
feritate  mgientibns  .  .  .* 


419 

Xeza  hat  die  Gesta  vetera  gekürzt,  soudem  der  Verfasser  der 
nationalen  Grundchronik  hat  sie  verbessert  und  erweitert.  Der 
Hauptwerth  dieses  Theiles  der  Darstellung  Eeza's  liegt  also 
darin,  dass  er  uns  die  alte  Ungarngeschichte  in  ge- 
treuerer Form  bewahrt  hat  als  die  anderen  Ablei- 
tungen. Unrichtig  ist  es  aber,  dass  er  in  diesem  Theiie  die 
Quelle  ftlr  die  anderen  Chroniken  gewesen  ist.  Der  Verfasser 
der  Nationalc'hronik  oder  der  Ofener  Minoritenchronik  hatte 
gewiss  die  eigentlichen  Qesta  vetera  vor  sich  und  hat  deren 
Redaction  bei  Keza  nur  nebenher  benützt.  Dass  auch  diese 
Redaction  ihm  vorlag,  ist  unzweifelhaft,  weil  er  doch  Keza'a 
Werk  überhaupt  vor  sich  hatte  und  aus  demselben  die  Hunen- 
geschiehte  entnahm.    Man   vergleiche  Studie  VIII,  S.  273f 

Für  diesen  Theil  der  Darstellung  hat  Keza  —  wie  soeben 
bemerkt  worden  ist —  auch  eine  unbekannte,  wahrschein- 
lich deutsche  Quelle  benützt,  aus  welcher  er  einige  Nach- 
richten für  die  Zeit  der  Raubzüge  entnahm,  die  allen 
anderen  Chronikredactioneu  fehlen.*  Man  vergleiche  darüber 
I  Studie  VIII,  S.  274,  und  die  betreffenden  Ausweise  im  Pa- 
ralleistellenverzeichnisse  daselbst,  S.  2ül  ff.  Dieser  Quelle  ent- 
stammen also  vorzüglich  zwei  Nachrichten  über  Rheinüber- 
g&Dge   bfi  Mainz    und  Constanz,    eines    Ueberganges   über   die 


'  Wa»  Radem&cher  in  den  Forschungen  XXV,  S.  386f.  über  die  selbst- 
stSodigen  Nauhricliten  Kuza's  bietet,  leidet  1.  an  dem  Umstände,  dass 
er  zwischen  Hünen-  und  Ungarng&'<cbichte  nicbt  anseinanderhält,  und 
8.  daai  er  von  den  Natiunalcliroiiikcn  nur  das  Pictum  zum  Vergleiche 
herbeizog,  üeber  da*  Unstatthafte  des  ersten  Vorgange.'  ist  hier  nicht 
nOthig,  weiter  zu  sprechen.  Aus  dem  zweiten  Umstände  ergab  sieb 
seine  irrige  Anschauung,  als  ob  nur  Keza  vom  Tburmban  >u  Babel  er- 
zählte, während  hierüber  auch  das  Chronicon  Pos.,  §.  '2;  Bad.,  S.  3  f.  u.  s.  w. 
berichten.  GboiLtu  kommt  Scevem  nicht  nur  bei  Keza,  §.  lU,  gondern 
auch  im  Chrnniton  Pos.,  §.  12;  Bud.,  8.  19  u.  s.  w.  vor.  Der  Fluss  Racus 
erscheint  ausser  bei  Keza,  §.  16,  noch  beim  Anonymus,  S.  39.  Ebenso 
falsch  ist  Rademacher's  Bemerknng,  dass  nur  bei  Keza,  §.21,  der  Lech 
genannt  wird;  das  Pic,  S.  135,  bat  bier  eben  einen  Schreibfehler;  Bad., 
8.  60,  bat  ,Ltli',  ebenso  Dub.,  ä.  39.  In  diesen  Fällen  handelt  es  sich 
aUo  darcbaus  nicht  uiu  selbstständige  Machrichten  Keza's;  «ie  ent- 
stammen vielmehr  schon  seiner  Vorlage,  den  Qesta,  vetera  nnd  sind  nnr 
im  Pic.  ausgelassen  worden.  Nebenbei  sei  bemerkt,  dass  einige  Notizen 
über  sellMtständige  Nachrichten  Keza's  sieb  auch  bei  Marczali,  Go- 
achichtsquellen,  S.  48,  und  bei  Uuber,  Mittheiluugea  des  luititutes  fttr 
Osterreichische  Qeschichtsforschang  IV,  S.  132,  finden. 


420 


Donau  bei  Ulm,  dann  genauere  Nachrichten  über  verschiedene 
Grausamkeiten  der  Ungarn  gegenüber  deutschen  Kriegsge- 
fangenen. 

Einzelnes  hat  Eeza  wohl  auch  aus  der  mündlichen 
Ueberlieferung  geschöpft.  So  die  Sage  vom  Home  des 
Lei,  vielleicht  auch  jene  über  die  Heldenthat  des  Botond  vor 
Constantinopel,  die  Sage  vom  Mons  Barsunus,  die  angarische 
Erklürang  des  Klostemamens  Sceug-Zard,  endlich  seine  breite 
Erzählung  über  Sophie.  Man  vergleiche  dazu  Studie  VHI, 
S.  271,  272,  291,  294,  und  zum  letzterwähnten  Punkte  Studie 
VU,  S.  499. 

Die  Fortsetzung  der  Darstellung  von  Eoloman  bii 
Stephan  V.  rührt,  wie  in  Studie  VII,  S.  481  ff.  nachgewieees 
wurde,  von  Keza  her.  Er  hat,  so  gut  es  gieng,  die  Lücke  von 
Koloman  bis  auf  seinen  gefeierten  König  Ladislaus  zu  über 
brücken  gesucht.  Hiebei  wird  er  vielleicht  aus  irgend  einem 
dürren  Königsverzeichnisse  die  Regierungsdauer  fax 
Bela  IL,  Stephan  III.,  Ladislaus  II.  und  Stephan  IV.  ent- 
nommen haben. 

Die  Darstellung  der  Geschichte  Ladislaus  FV.  des 
Kumanen  ist  zeitgenössisch.  Freilich  ist  diese  Erzählocg 
nur  ein  trauriger  Beweis,  wie  auch  Aufzeichnungen  von  Zeit- 
genossen werthlos  sein  können. 

Wir  gelangen  nun  zur  Besprechung  des  ersten  Appendix, 
,De  nobilibus  advenis'.  Die  erste  Frage,  welche  sich  ans 
aufdrängt,  ist  die,  ob  dieses  Verzcichniss  der  adeligen  Ein- 
wanderer von  der  Zeit  des  Herzogs  Geisa  bis  auf  Bela  IV. 
Keza's  Originalwerk,  sei  oder  ob  ihm  dafür  schon  eine  Vor- 
lage zur  Hand  war.  Leider  lässt  sich  diese  Frage  nicht  mit 
Sicherheit  lösen.  In  der  Nationalchronik  befindet  sich  dieses 
Verzcichniss  bereits  in  den  Context  der  Chronik  aufgenommen, 
und  zwar  gleich  nach  der  Erzählung  über  die  Einwanderung 
der  Ungarn  nach  Pannonicn.  Dass  die  Verlegung  an  diese 
Stelle  gegenüber  Keza  bereits  eine  zweite  Stufe  in  der  Ent- 
wicklung bedeute,  ist  unzweifelhaft.  Es  entspricht  dies  auch 
ganz  dem  Umstände,  dass  Keza's  Darstellung  die  ursprüng- 
lichere ist.  ^    Zwischen  beiden  Verzeichnissen  findet  sich  neben 


'  Du«  Obri^ens  die  Stellang  de«  Appendix  am  Schlase  der  Chronik  di« 
ursprflngUcbe   ist,    beweist   auch   die   Bemerkung   Keia'i   im    ).  6  ȟati 


421 

vielem  Gemeinsamen  auch  manchee  Abweichende.  Wenn  Mar- 
czali  in  den  Geschichtsquellen,  S.  49,  sagt,  dasB  die  Ueberein- 
stimmung  zwischen  beiden  Darstellungen  ,nie  wörtlich'  sei,  so 
ist  das  falsch.   Man  vergleiche: 


Keza. 

§.  52.  Postea  Wolfer  cum  He- 
derico  fratre  suo  introtvit  .  .  . 
cum  XL  militibus  phaleratis. 
Huic  datur  mons  Kiseen  per  de- 
scensum,  in  quo  castrum  fieri 
facit  ligneum  .  .  . 

§.  50.  .  .  .  qui  .  .  .  sanctum 
regem  Stephanum  in  flumine 
Goron  Teutonico  more  gladio 
müitari  accinxerunt. 

§.61.  Comitum  vero  Simonis 
et  fratris  eius  Michaelis  gene- 
ratio,  qui  Mertinsdorfarii  nomi- 
nantur,  .  .  . 

§.  64.  Intraverunt  quoque 
temporibus  tarn  ducis  Geiche 
quam  aliomm  regum  Boemi, 
Poloni  .  .  . 


Cbr.  Budeose. 

S.  47  f.  Post  hec  .  .  .  Volph- 
gerus  cum  fratre  suo  Hederico 
.  .  .  cum  trecentis  dextrariis  fa- 
leratis  introivit,  cui  dux  Geycha 
montem  Kiseen  pro  descensu 
eterno  contulisse  comprobalur, 
ubi  castrum  ligneum  edificavit. 

S.  48.  .  .  .  qui  sanctum  re- 
gem Stephanum  in  äumine  Ga- 
rany  gladio  Teutonico  more  ac- 
cinxerunt. 

S.  53.  Simonis  enim  et  fratris 
eius  Michaelis  generatio  Mor- 
tundorf  nominantur  .  .  . 

S.  53.  Intraverunt  autem  in 
Hungariam  tarn  tempore  regis 
Geyche,  sancü"  regia  Stephani, 
quam  diebus  regum  aliorum 
Bohemi,  Poloni  .  .  . 


Wörtliche  Beziehnungen  sind  also  zwischen  beiden  Be- 
richten vorhanden.  Ebenso  decken  sich  dieselben  inhaltlich 
zum  gröBsten  Theile.  Keza  ziihlt  nur  drei  Geschlechter  auf 
(§.  55,  60  und  63),  welche  in  der  Chronik  nicht  erscheinen, 
•während  diese  wieder  über  Deodatus  (Chronicon  Bud.,  S.  47) 
und  Kyqinus  und  Rynaldus  (S.  50)  berichtet,  diu  bei  Keza 
nicht  genannt  werden.  Ausserdem  hat  freilich  bei  den  ein- 
zelnen Berichten  bald  Keza,  bald  die  Chronik  ein  kleines  Mehr 
oder  Weniger  an  Nachrichten  oder  auch  abweichende  Angaben; 
auch   muss   noch    constatirt  werden,   dass   die  Reihenfolge  der 


Qesta:  iQuomm  er^  adreiutmni  generatio  in  fine  bniiu  libri  apponetnr 
leratim.* 


422 


einzelnen  Geschlechter  abweicht,  ohne  dass  man  erkennen 
würde,  was  zu  dieser  geänderten  Folge  Veranlaesaag  gegeben 
haben  könnte:  denn  weder  die  eine  noch  die  andere  Zusammen- 
stellung ist  etwa  nach  irgend  einem  Gesichtspunkte  völlig  streng 
geordnet.  Alle  diese  Beobachtungen  genügen  jedoch  nicht  tttr 
die  Entscheidung,  ob  die  Chronik  nur  auf  Keza  beruhe,  oder 
ob  beiden  eine  dritte,  ältere  Quelle  vorlag.  Für  letzte  Annahme 
könnte  wohl  Folgendes  geltend  gemacht  werden:  1.  dorch  die 
Annahme  einer  älteren  Aufzeichnung,  die  der  Chronik  neb«n 
Keza  vorlag,  könnten  sich  leichter  die  verschiedenen  Ab- 
weichungen erklären  lassen,  insbesondere  die  ohne  sichtbareo 
Grund  geänderte  Reihenfolge,  die  Überdies  in  der  Chronik, 
wenn  nicht  schlechter,  so  doch  nicht  besser  als  bei  Keza  ist;' 
2.  ist  es  leicht  denkbar,  dass  irgend  eine  Art  von  Addc- 
matrikel  o.  dgl.  vorhanden  war;  andererseits  ist  es  wohl  sehr 
zweifelhaft,  ob  Keza  etwa  alle  mitgetheilten  Nachrichten  von 
den  einzelnen  Geschlechtern  durch  mündliche  Ueberlieferung 
erhalten  hätte;  3.  endlich  spricht  dafUr  folgende  Beobachtung: 
Im  Texte  seiner  Ungamgeschichte,  wo  Keza  über  Geisa  und 
den  heil.  Stephan  erzälilt,  zeigt  er  keine  Bekanntschaft  mit  der 
Stephanslegende;  er  begnügt  sich  da  mit  ganz  spärlichen  Mit- 
theilungen seiner  Vorlage  (der  Gesta);  man  könnte  darnach  ge- 
neigt sein,  anzunehmen,  dass  ihm  die  Stcphanslegende  onzo- 
gänglich  war;  nun  zeigt  der  Eingang  zum  Appendix  (§.  48) 
ganz  unzweifelhafte  Verwandtschaft  mit  der  grösseren  Legende 
des  heil.  Stephans.    Man  vergleiche: 


Kou. 

§.  48.  .  .  .  quia  manus  gesta- 
bat  sanguine  humano  madatas, 
nee  erat  idoneus  ad  fidem  con- 
vertere  .  .  . 


Legende. 

§.  3.  Non  tibi  concessum 
quod  meditaris,  quia  manus 
lutas  humano  sanguine  g 


Ebenso  beruht  das,  was  über  den  heil.  Adalbert  und  über 
das  Herbeiziehen  der  Fremden    durch  Geisa   sich   in  der  Ein- 


'  Hiezn  sei  noch  bemerkt,  dass  schon  eine  der  nnsprünglichsten  Chronik- 
redactionen,  dais  Cbronicon  Pos.  (vgl.  Studie  XI),  §.  31,  alle  Eigvo- 
thQmliohkeiten  der  Nstionftlcbronik  ceigt,  wie  wir  sie  im  ChroniMB 
Bud.  fiaden. 


423 


leitung  des  Appenrlix  findet,  auf  der  Legende.  Da  also  Keza 
nach  Ausweis  der  Erzählung  über  Qeisa  und  Stephan  in  der 
Ungarngeschichte  die  Legende  des  heil.  Stephans  nicht  benutzte, 
andererseits  diese  in  dem  Appendix  benützt  erscheint,  so  wtlrde 
das   darauf  hindeuten,    dass    letzterer   in  seiner  ursprünglichen 

■  Gestalt  nicht  von  Eeza  herrührt.  Bestärkt  wird  man  in  dieser 
Auffassung  noch  durch  den  Umstand,  dass  in  der  Einleitung 
zum  Appendix,    wie   sie   uns   bei  Keza   bewahrt  ist,    trotz  der 

■  Verwandtschaft  derselben  mit  der  Legende,  doch  wieder  sich 
Widersprüche  mit  dieser  ergeben.  Nach  der  Legende,  §.  3, 
ist  Geisa  schon  vor  der  Ankunft  Adatberts  sammt  seiner  Fa- 
milie zum  Christenthume  übergetreten  und  getauft  worden  (,cre- 
didit  ipse  cum  familiaribus  suis  et  baptisatus  est');  in  der  Ein- 
leitung zum  Appendix  lesen  wir  dagegen:  ,licet  ipse  et  domus- 
que  eins  per  sanctum  Adalbertum  baptismi  gratiam  accepisset'. 

■  Dieser  Widerspruch  erklärt  sich  wohl  leichter  bei  der  Annahme, 
dass  Keza  bereits  eine  auf  der  Legende  beruhende  kurze  Dar- 
stellung vorlag;  wäre  ihm  die  klare  und  völlig  deutliche  Dar- 
stellung der  Legende  selbst  bekannt  gewesen,  so  hätte  er  diesen 
Irrtimm  nicht  begangen.  Die  Chronik  hat  diese  Einleitung  in 
sehr  gekürzter  und  umgearbeiteter  Gestalt  wiedergegeben,  so 
dass  sich  wenig  aus  dem  Vergleiche  ergibt.  Sichere  Schlüsse 
würden  nur  dann  raögheh  sein,  wenn  uns  der  Appendix  noch 
wenigstens  in  einer  dritten  Ueberlieferung  erhalten  wäre. 

Noch  weniger  lässt  sich  über  den  zweiten  Appendix 
,De  Udwornicis'  ausführen.  Diese  Aufzeichnungen  finden 
sich  in  den  anderen  Chroniken  nicht.  Wir  können  daher  an 
dieser  Stelle  über  sie  hinweggeben. 


3.   Die  Bedeutung  der  Chronik  Eeza's. 

In  diesem  Schlussabschnitte  wollen  wir  zunächst  in  Kürze 
die  Ergebnisse  unserer  vorangehenden  Untersuchung  zusammen- 
fassen und  sodann  die  Bedeutung  des  Gesammtwerkes  Keza's 
mit  wenigen  Worten  charakterisiren. 

Keza's  Hunengeschichte  ist  dessen  originales  Werk.  Er 
hat  für  seine  Darstellung  ausser  der  ungarischen  Ueberlieferung, 
indem  manches  den  Ungarn  Geltende  auf  die  Hünen  übertragen 
wurde,  auch  die  Gesta  Hungarorum  vetera,  ferner  wahrschein- 
lich die  Werke  Gottfrieds  von  Viterbo  und  vielleicht  auch  Isidors 


424 


Etymologien,  dann  auch  eine  uns  nfther  nicht  bekannte  ,Cn>- 
nica  veterorum'  benutzt;  dagegen  nennt  er  Orosios  und  Jo- 
sephus,  ohne  dass  er  deren  Werke  gekannt  hat.  An  diese  troti 
ihrer  gelehrten  Grundlage  doch  ziemUch  werthlose  Uonen- 
geschichte  —  denn  nur  das  der  Ueberlieferung  Entstammende 
beansprucht  einigen  Werth  —  knüpfte  er  sodann  die  Gesta  Hon- 
garorum  vetera  an,  welche  bis  auf  Koloman  die  Grundlage  seiner 
eigentlichen  Ungamgeschichte  bilden.  Er  hat  diese  alte  Quelle 
ziemlich  getreu  erhalten;  Einzelnes  mag  er  immerhin  ge&ndert 
und  ausgelassen  haben,  wie  er  auch  andererseits,  wie  es  Bcheiot, 
aus  einer  deutschen  Quelle  und  auch  aus  der  Ueberlieferosg 
fUr  die  Zeit  der  Raubzüge  einige  Zusätze  machte.  Von  Eol» 
man  führte  er  die  Darstellung  wohl  unter  Benutzung  einfii 
dUrren  Königsregisters  bis  auf  seine  Zeit  fort.  Die  DarstclloBf 
der  Geschichte  des  Königs  Ladislaus  IV.  (1272 — 1290)  ist  zeit- 
genössisch. FUr  den  ersten  Appendix  seines  Werkes,  nftmlicli 
für  das  Vcrzeichniss  der  von  Herzog  Geisa  bis  auf  Bela  IV. 
eingewanderten  Fremden  dürfte  Keza  eine  ältere  Vorlage  be- 
nützt haben.  Ueber  den  zweiten  Appendix,  der  über  die  Mi- 
nisterialen in  Ungarn  handelt,  lässt  sich  zunächst  nichts  Be- 
stimmtes sagen. 

Keza  hat  in  seiner  Chronik  die  erste  Gesamratdarstellong 
der  ungarischen  Geschichte  geboten,  und  zwar  einschliesslicii 
der  Hunengeschichte,  die  nach  der  seit  dem  11.  Jahrhunderte 
immer  mehr  in  Ungarn  zur  Geltung  kommenden  Anschauung  sor 
ersteren  gehörte.  Der  Versuch,  etwas  Aehnliches  «u  bieten, 
war  zwar  schon  etwa  80  Jahre  früher  in  der  ungarisch-pol- 
nischen Chronik  gemacht  worden,  doch  konnte  dieser  auch 
wohl  in  seiner  ursprünglichen  Gestalt  missglUckte  Versuch  (rgl. 
Studie  111  und  VI)  nicht  befriedigen.  Keza  hat  durch  sein 
Werk  f\lr  die  folgende  ungarische  Geschichtsforschimg  den 
Weg  geebnet.  Die  um  1300  entstandene  Ofener  Minoriten- 
chronik,  die  Grundlage  der  verschiedenen  Kedactionen  der 
Nationalchronik,  beruht  zum  grossen  Theile  auf  Keza.  Was 
die  Hunengeschichte  anlangt,  ist  Keza  überhaupt  für  die  ganae 
folgende  ungarische  Geschichtsschreibung  massgebend  geworden. 
Dieselbe  hat  fortan  nur  auf  den  weiteren  Ausbau  und  die  Fort- 
setzung der  Ungamgeschichte  Gewicht  gelegt. 


eliroiiik.     Ilir«^    verM-liiedciien    Ahleitaii^vn    und    d*>n'ii 
Vcriiültiii.sis  zur  ürundt-lirunik  und  zu  einander. 

Als  die  letzte  ungarische  Quelle,  in  der  die  Gesta  Hun- 
garorura  vetera  Verwendung  fanden,  ist  die  nationale  Chronik 
zu  behandeln.  Wir  wollen  zunächst  kurz  die  Ergebnisse  der 
Studien  VII  und  VIII  liber  die  Entstehung  und  die  Quellen 
der  nationalen  Grundchronik  oder  Ofener  Minoritenchronik 
wiederholen,  sodann  die  verschiedenen  Redactionen  und  ihr 
gegenseitiges  Verhältniss  betrachten. 


1.    Die    Entstehung    der    nationalen    Qnudchronik    oder    Ofener 
Minoritenchronik.     Ilire  ftnellen;  Ort  und  Zeit  ihres  Entstehens. 

Die  nationale  Grundchronik  ist,  wie  uns  aus  Studie  VII 
und  den  folgenden  Studien  bekannt  ist,  aus  der  Verbindung 
der  Hunengeschichte  von  Keza  mit  den  Gesta  Hungarorum 
vetera  entstanden.  Da  dem  Verfasser  der  Grundchronik  natür- 
lich Keza's  Geschichtswerk  in  seinem  ganzen  Umfange  vorlag, 
so  hat  er  aus  demselben  auch  den  Uebergang  von  der  Hunen- 
geschichte ziu"  Ungarngeschichte  übernommen  (,Dige3tis  ergo 
.  .  .  dignum  duxi*)  und  hat  auch  seine  Darstellung  der  Ungarn- 
geschichte eingesehen.  Vor  Allem  hat  er  ferner  das  bei  Keza 
als  1.  Appendix  mitgetheilte  Verzeichniss  ,De  nobilibus  advenis' 
in  den  Context  der  alten  Gesta  eingeschoben,  wobei  er  viel- 
leicht auch  eine  ältere  Redaction  desselben  zur  Hand  hatte, 
aus  der  vordem  auch  Keza  geschöpft  haben  würde.  In  Studie 
VHI  ist  ferner  ausfiilirlich  dargethan  worden,  wie  der  Ver- 
fasser der  Grundchronik  die  Gesta  vetera  aus  den  Annales 
Altahenses,  die  ihm  jedoch  nur  bis  1046  vorlagen,'  und  den 
ungarischen  Legenden  (Stephan,  Enierich,  Gerhard,  Ladislaus) 
ergänzte.  Für  die  Zeit  des  12.  und  13.  Jahrhunderts,  von  Ko- 
loman bis  auf  Stephan  IV.,  wurde  Keza's  dürre  Aufzeichnung 
aus   irgend    einer   genauen    chronologischen   Zusammenstellung 


>  Nicht   über  eine   Theilquelle   der   Annaleii.     Vgrl.  Stndie  Till,   8.  818, 

Anm.  1. 
AroUr.  LSXZVm.  Bd.  II.  B&lft*.  2S 


426 

der  Krönungs-  und  Todesdaten  der  Könige  *  ergänzt  und  dnitl 
einige  Nachrichten  erweitert.     Seit  Ladislaos  IV.  beginnt  fie 
selbstständige  Aufzeichnung;    schon    die    DarsteUung   der  Ge- 
schichte dieses  Königs  weicht  von  derjenigen    bei  Ken  A 
Aus   der  Darstellung  der  Chronik  aber  diesen  Herrscher  id 
die  folgenden  ist  ganz  offenbar  zu  erkennen,    dass  wir  Üb 
bereits    zeitgenössische   Berichte    vor    uns     haben.     Damit  mI 
nicht  etwa  gesagt  sein,   dass  die  uns  vorliegende  Dantdki 
der  Chroniken  bereits  für  das  Ende  des  13.  Jahrhanderts  etn 
gleichzeitig  oder  auch  nur  bald   nach  den  Ereignissen  adft 
zeichnet   wurde.     Dies   ist   wohl   erst   seit    dem    Anfimge  da 
14.  Jahrhunderts  der  Fall,  seit  welchem  Zeitpunkte  die  Beti^ 
recht   ausfuhrlich  werden   und  bald  auch    Jahr   ftir  Jahr  ie 
wichtigsten  Ereignisse  verzeichnen.     Wohl    aber    warm  D» 
jenigen,  welche  diese  Aufzeichnung  am  Anfange  des  14.  Jib 
hunderts  veranlassten,    die  wichtigsten   Ereignisse   der  letda 
Jahrzehnte  noch   wohl   bekannt,    so   dass   dieselben  im  ASp- 
meinen  richtig   erzählt  werden,   wenn  auch  manche  Irrtb&DKr 
und  Lttcken  vorhanden   sind.     Da  in   diesen  Au&eichnnngci 
das  Minoritenkloster   in  Ofen    besonders    berücksichtigt  «iid, 
femer   die  Chronik   sich    besonders   betreffs    der    in  Ofen  und 
Pest  stattgefundenen  Ereignisse  wohl  unterrichtet  erweist,  end- 
lich auch  zum  Jahre  1325  die  Gründung  des  Minoritenklosters 
in  Lippa   an    der  Maros   in   allen   Redactionen    ausführlich  er- 
wähnt   wird,    so    ist   die   von    Marczali   vertretene    Ansicht  m 
billigen,  dass   diese  (aber  nur   diese)  Aufzeichnungen  im 
Minoritenkloster  zu  Ofen  stattfanden.    Hier  ist  aber  auch 
otVonlmr  die  Grundredaction  der  nationalen  Chronik  entstanden, 
ilio  nmn  deshalb  auch  ,Ofener  Minoritenchronik'  nennen  könnte 
l)io   Aufzeichnung    der   Grundchronik   begann    nach    den  vor 
stfliondon  Bemerkungen  etwa  1300  und  wurde  sodann  bis  1342 
fortjjosctzt. 

Auf  der  so  entstandenen  nationalen  Grundchronik  oder 
Ofout>r  Minoritenchronik  beruhen  alle  anderen  Redactionen 
llnsoro  Aufgilbe  ist  es  nun,  zu  untersuchen,  in  welchem  Ver- 
hiihnisst'  dieselben  zu  der  hypothetischen  Qrundchronik  und 
Ml  oinimilor  stehen. 


•   l)i».Ho   botriiiiion    mit   der  Angabe   des  Todeüdahims    Ladislaus'  I.    Siefcf 
Studio   XU. 


427 


2.   Die   verschiedenen   Bedactionen   der   nationalen  Chronik, 
ihr  Verhältniss  zur  Omndchronik  und  zn  einander. 

Bisher  sind  uns  folgende  13  Kedactionen  der  ungarischen 
Nationalchronik  bekannt:  Chronicon  Acephalum;  Chronicon 
Budense;  Chronicon  Dubniecuse;  Chronicon  Monacense;  Mu- 
glen's  Chronik;  Chronicon  Pictum,  Vindobonense  oder  Marci; 
Chronicon  Posoniense;  Lateinische  Reimchronik;  Chronicon 
Sambiici;  Thurocz'  Chronik;  Chronicon  Varadiense;  Chro- 
nicon Vaticanum;  endlich  Chronicon  Zagrabiense.  Nttheres 
über  die  letzten  Publicationen  dieser  QeschichtsqueDen  findet 
man  in  der  Einleitung  zur  Studie  VII.  Die  noch  ungedruckten 
Chroniken  Acephalum  und  Sambuci  habe  ich  in  der  Hand- 
schrift benutzt. 

In  welchem  Verhältnisse  stehen  diese  Chroniken  zur  Qrund- 
chronik  und  zu  einander? 

Unser  leitender  Grundsatz,  der  aus  der  Entstehung  der 
Grundchronik  sich  von  selbst  ergibt,  ist  folgi*nder:  Jene  Re- 
■  daction,  welche  in  der  Hunengeschichte  Keza  am  nächsten 
steht,  und  deren  Ungamgeschichte  der  Darstellung  bei  Keza 
und  beim  Anonymus,  also  auch  der  gemeinsamen  Quelle  aller 
(den  Gesta  vetei-a)  am  meisten  gleicht,  ist  die  ursprüng- 
lichste 

a)  Chronicon  Posoniense. 

Ein  sorgföltiger  Vergleich  ergibt  nun,  dass  das  Chroni- 
con Posoniense,  trotzdem  es  sonst  alle  charakteristischen 
Merkmale  der  Chroniken  trügt,  also  nicht  etwa  eine  aelbst- 
ständige  Ableitung  aus  Keza  ist,  sondern  thatsächheh  schon 
auf  der  aus  der  Verbindung  von  Keza's  Hunengeschichte  mit 
den  erweiterten  Gesta  Hungarorum  entstandenen  Grundehronik 
Ooss,  den  beiden  Theilen  Keza's  vielfach  näher  steht  als  die 
anderen  nationalen  Chroniken. 

Zunächst   stellen   wir   eine    Reihe   voii   ParftUeUtellen   zu- 
sammen,   weiche   den   Beweis   erbrititjgn     daas    das  CWonicon 
Posoniense  thatsil.hlich  zu  den  anonymen  n»^tvoxva\eT\ CWonVketv 
gehurt.    Wh-  vergleichen  Keza,  das    r^^,    „^licOTV  Y«»'  ^*^"^"  ^** 
Chronicon  Bud.:  V.»' 


428 


Kesa. 
§.  2.  Porro  cum  per 
cladem  dilavii  preter 
Noe  et  tres  filios  eias 
deleta  esset  omnis  ca- 
ro  .  .  . 

§.3.   ...  sine  mari- 
bu8  in  tabemacolis  per- 
manentes oxores  ac 
pueros  filjorum    Belar 
casu  repererunt  .  .  . 


§.5.  Sciticum  enim 
r  e  g  n  u  m  comprehen- 
sione  una  cingitur,  sed 
in  regna  tria  dividi- 
tur  .  .  . 

§.  6.  Igitur  in  etate 
sexta  seculi  multipli- 
cati  Huni  in  Scitia  ha- 
hitando  ut  arcna  anno 
domini  seplingente- 
simo  in  unum  congre- 
gati  .  .  . 

§.  G.  Quicunque  ergo 
edictum  contcmpsissct, 
pretcndere  non  Valens 
rationem,  lex  Scitiea 
per  medium  cnitro 
huiusmodi  detrun- 
cabat,  .  .  . 

§.  9.  Ipsc  autem  seip- 
sum  Hunorum  regem, 
metiim  orbis,  flagcllum 


Chr.  PoaoniMM. 
§.  2.  Porro  com  per 
cladem  dilavii  preter  Noe 
et  tres,  qoi  erant  filios  (!) 
eius,  ac  uxores  eornm 
deleta  esset  omnis  caro  . . . 


§.4.  ...  sine  maribns 
in  tabemacalis  permanen- 
tes oxores  et  pueros  filio- 
rum  Wereta,  cum  fea- 
tum  tube  colerent  et 
choreas  ducerent  ad 
sonitum  simphonie, 
casu  repererunt  .  .  . 


§.  5.  Scitia  enim  com- 
prehensione  una  cingitor, 
sed  in  tria  regna  dividi- 
tur. 

§.  6.  In  sexta  igitur 
etate  mundi  vel  seculi 
multiplicati  Huni  in  Sci- 
tia habitando  ut  arena  an- 
no domini  CCCXXVIII 
congregati  in  unum    .  .  . 


§.  6.  Quicunque  ergo 
edictum  contempsisset, 
non  Valens  pretendere  ra- 
cionem,  cultro  dividi 
per  medium  lex  Sci- 
tica  sanciebat  .  .  . 

§.  10.  ...  vocarique  se 
facicns  Hungarornm  re- 
gem, metum  orbis,  flagel- 


Ck.  Ba 
S.  1  Pon 
dadem  düu 
Koe  et  tres 
ac  oxores  i 
leta  esset  o 

S.9.  ... 
bos  in  dese 
tabemacalis 
tes  oxores 
filionun  Ber 
festom  ta 
rent  et  chi 
cerent  ad 
simphonie 
perierunt  .. 

S.  10.  S( 

comprehea 

cingitnr,  sed 

gna  dividitD 

S.  14.  In 
tur  etate  se 
plicati  sunt 
Scitia  ut  a 
est  in  litore 
no  Domini 
simo  octa 
gati  in  una 

S.  14  gel 
Chronicon  1 


S.  17f. 
quidem  sui 
forma   scri 


429 


a  sabiectis  suis  i'e- 
ippellari. 


,  1 2.  Pannonte,  Pam- 
5e,   Macedonie,    Dal- 

iie  et  Frigie  civita- 
13.    .  .     petentes, 
exiret    de    finibus 
ibardorum,  propter 
(ood  ei  et  censum  per- 

Bolvercnt  et  gentem 
larent,  quam  vetlet. 
^  §.  14.  ...  quam  qui- 
lem  adamassc  in  tan- 
bin  perhibetur,  quod 
^cessit  modum  in  ha- 
»endo.  EadcQi  enim 
locte,  cum  ipsam  car- 
laliter  cognovisset,  plus 
Kcesserat  more  solito 
a  potando  .  .  . 

§.  15  nicht  vorhan- 
en  (zwischen  ,nationcs 
c  cognatos'  und  ,Qiii 
um  äcithiam  introis- 
9t'' 


I 


§.  19.  Ex  istis  ergo 
jipilanois  Arpad,  tilius 
Umi,  tili!  Elad,  Ulli 
Jger    de   genere   Tu- 

i 

§.  18.  DCCCLXXII 
i.  ab  ine.  J.  Ch.  Huni 


lum  Dei,  Attiia  Dei  gra- 
tia  filiua  Wendeguz,  nepos 
raagni  Nemproth,  nutritus 
in  Engadi  .  .  . 

§.  17.  Pannonie,  Pam- 
tih'e,  Frigie,  Macedonie  et 
Daimatie  civitates  .  .  . 

§.18.  ...  petens  eum 
ex  parte  Romanorum,  ut 
acciperet    consus   et   ser- 

vicia,  quamdiu  viveret 
ipse  Attiia. 

§.  19.  Quam  in  tantum 
adamasse  perhibetur,  ut 
modum  excesserat,  sicuti 
ei  moris  erat,  in  potando. 
Factoquc  tine  coitus  pueMc 
usuque  consumato  de  na- 
ribus  eius  sanguis  egre- 
diens  etc.  etc. 

§.20.  Man8erat(Chaba) 
namquc  in  Grecia  apud 
Honorium  duodecim  an- 
nis,  sed  rcdiit  in  Scitiam 
propter  disturmiam  (!)  uno 
anno.  Hie  autem  in  Sci- 
tiam adiendo  uxorem  de 
Scitia  non  accepit  .  .  . 

§.  24.  Porro  Eleud  fi- 
lius  Ugck  ex  fiiia  Ewid- 
bilia  in  Mogor  genuit  H- 
lium,  qui  nominatur  Almus 
ab  erentu  .  .  . 

§.  25.  Anno  octingen- 
tesimo  octuagesimo  octavo 


Atiia  Dei  gratia  ßhus 
Bendekuz,  qui  est  nu- 
tritus  in  Engaddi,  ne- 
pos magni  Nemrotb  . . . 
S.  24  genau  wie  das 
Chronicon  Pos. 


S.  27  desgleichen. 


S.  28  ebenso. 


8.  31.  ...  nianserat 
namque  Chaba  in  Gre- 
cia cum  Honorin  annis 
tredecim;  sed  rediit  in 
Scitiam  anno  uno  pro- 
pter viarum  discrimina 
et  difticiihatcm  passa- 
giorum.  Hie  autcm  in 
Scitia  .  .  . 

S.  35.  Porro  Eleud, 
tilius  Ugek,  ex  filia  En- 
nodbilia  in  Mogor  ge- 
nuit tilium.  qui  nomi- 
natur Almus  ab  even- 
tu  .  .  . 

S.  36.  .  .  .  anno  oc- 
tingentesimo    octuage- 


480 


sive  Hungari  denuo  in- 
gresBi  in  Pannoniam 
transierant  per  Regna 

Bessorum,  Alborum 
Comanorum  et  civita- 
tem  Kyo  et  deinde  in 
fluvio  Hung  Tocato,  ubi 
caatrum  fundavere,  re- 
Boderunt  .  . . 
§.  24.  ...  duce  Cup- 

pan  intorfecto,  Jula 
avunculo  suo  cum  uxo- 
re  et  duobus  filiis  do 
soptom  castris  .  .  . 


§.  24.  ...  de  ipsius 
thesauro  beatac  virgi- 
nis  ecclesiam  de  Alba 
ditare  non  omisit,  quam 
fundassc  perhibc- 
tur. 

§.  27.  Tunc  in  Cbe- 
nad  omnes  in  unum 
convencrunt,  consilio- 
quo  habito  communiter 
j>r\>  tiliis  Zar  Ladislai 
tnkusmittunt,  undc  ad 
r\'srnum  remearent  .  .  . 
l'Uf.o  t  r  0  s  fratrcs  .  .  . 


^  ^  und  30  Thron- 
ilK-Uuiij:  Andreas  ohne 
'aluvNAtiKI. 


ab.  ine.  J.  Ch.  Hangari  in- 
gressi  sunt  Pannoniam  et 
deveneront  in  Herdewel, 
ibique  Septem  castra  ter- 
restia  preparaTenint. 


§.  34.  Post  hoc  beatas 
Stephanus  bellum  gessit 
anno  Dom.  KU  contra 
Gulam  avunculnm  saom, 
qui  tunc  tocius  ultra  sil- 
vam  regni  gubemacula 
possidebat. 


§.  35.  Ex  hac  itaqne 
gaza  sanctus  Stephanus 
Albensem  basilicam  quam 
ipse  fundaverat,  pluri- 
mum  ditavit. 


§.39.  Tunc  nobiles  Hun- 
gari in  Canad  convenerunt 
consilioquo  tocius  Hunga- 
rie  nuncium  miserunt  in 
Rusciam  ad  Andream  et 
Levcntham,  filios  calvi 
Ladislai . . .  dicentes,  quod 
totalis  Hungaria  eos  fide- 
liter  expectaret  .  .  . 

§.  40.  Porro  dux  An- 
dreas anno  MXLVII  co- 
ronatus  est. 


simo  octavo 
Ch.  vulgarit( 
sive  Honi,  i 
Hangarides 
snnt  Panno 
seilicet  in  E 


S.  65.  Po 
Stephanus  . 
gessit  conti) 
ctüom  SDOi 
Gyula,  qm 
poris  tocinsl 
regni  gaben 
sidebat.  Ai 
D.  millesin 
do  ...cepit( 

S.  66.  Ex 
gaza  multipl 
rex  Stephai 
mum   locupl 

bensem  « 
quam   ipse 
rat  .  .  . 

S.  91.  Tu 
Hungarie,vi 
la  gentis  su 
nad  in  unui 
runt,  consilio 
totius  Hum 
cios  miseru 
nes  in  Rusc 
dream  et 
dicentes  .  . 

S.  101. 
Andreas  .  . 
est  a.  Dom 
timo. 


431 

Diese  Stellen  mögen,  um  unser  Verzeichniss  nicht  allzu- 
sehr anschwellen  zu  lassen,  genügen.  Sowohl  in  den  Gesta 
Hunorum  als  in  den  Gesta  Hungarorum  zeigt  also  das  Chro- 
nicon  Pos.  bereits  alle  Merkmale  der  nationalen  Chroniken.' 
Nun  wollen  wir  aber  die  SteUen  zusammentragen,  aus  denen 
es  hervorgeht,  dass  dieses  Chronicon  dem  bei  Keza  über- 
lieferten Texte  der  Hünen-  und  Ungarngeschichte  näher  steht 
als  die  anderen  Redactionen: 


Keza. 
$.  2.  Multifarie  mul- 
^wqne    modis    olim    in 
,  veteri  testamcnto  et 

lunc  sub  etate  sexta 
-36culi  diversas  histo- 
.nas  diversi  descripse- 
rant,    prout    Josephus 

ks.  w. 
|.  3.  . . .  quam  (Meo- 
bm)  undique  pontus 
:  preter  vadum  unum 
jparvissimum  girovallat, 
Bnminibus  penitus  ca- 
rens,  erbis,  ügnis,  vo- 
latilibuSjpiscibus  etbes- 
tiis   copiatur. 

§.  4.  Habet  etiara  de 
occidcnte  vicinos 
BcssoB  et  Comanos  al- 
bos. 

g.  11.  Erant  enim 
Boli  Huni  preter  ex- 
teras  nationcs  CCC  mi- 
Lia  XXX  milia  et 


Clir.  Poaonieiue. 
§.  1.  Multipharie  multis- 
que  modis  olim  in  veteri 
tcstamento  et  nunc  in  eta- 
te sexta  scculi  diversas 
diversi   historias   doscrip- 

serunt,  prout  Josephus 
u.  s.  w.* 

§.4.  ...  quam  undique 
preter  vadum  unum  pon- 
tus girovaUat;  fluviis  ea- 
rens,  herbis,  silvis,  pi- 
scibus,  volucribus  et  bos- 
tüs  copiatur. 


§.5.  ...  cui  de  ocei- 
dente  vicini  sunt  Bessi 
et  Cumani  albi. 

§.  13.  Erant  enim  soti 
Huni  adversus  Mirmama- 
niam  destinati  LXV  mi- 
lia,   secundum    quoadam 


Chr.  Biiflense. 

Fehlt. 


S.  9.  Quam  undique 
[treter  vadum  pontus 
giro  valiat;  fluviis  cur- 
rentibus,  herbis,  sil- 
vis, piaeibus,  volucri- 
bus et  bestiis  copiatur. 


S.  11.  Guido  oricnti 
vicini  sunt  Bessi  et  Cu- 
mani albi. 

S.  22.  Erant  enim 
soh,  qui  adversus  Mira- 

mammonam    destinati, 
sexaginta    quinque 


'  Aus  deu  letiten  CiUten  peht,  aoweit  dies  bei  dieser  stark  gokQniteu 
RedactvoD  möglich  ist,  ancli  hervor,  dnns  ihre  Vorlage  bereits  auch  die 
Legenden  ausgeschrieben  und  die  Aouales  Altabenses  wiederbeuOtzt 
hatte.     Man  vergleiche  darttber  die  Studie  VIII. 

■  Zu   dieser  Stelle   vergleiche   man  auch  die  Bemerkungen  unten,  S.  449. 


432 


XXXII  Huni.  Ex  bis 
etiam  Hunis  plures  . . . 

§.  12.  Qaidam  autem 
Venetos  de  Sabaria 
fuisse  opinantur.  Saba- 
ria vero  habitata  fue- 
rat  Longobardis  .  .  . 


§.  13.  ...  inter  col- 
loqaia  contigit,  Ethe- 
lam  sursum  aspicere, 
superque  caput  suum 
in  aSre  hominem  pen- 
dere  .  .  . 

§.  15.  Propter  quod 
e  Scitia  uxorem  non 
accepit,  sed  tradoxit 
de  gente  Corosmina. 

Fehlt  bei  Eeza;  da- 
ftlr  ist  beim  Anony- 
mus wiederholt  die  Re- 
de (§.  1,  5,  7flF.)  von 
den  ,septem  principales 
persone,  qui  Hetumo- 
ger  dicti  sunt'  (Hetu- 
moger  =  7  Ungarn). 

§.24fehltdie8eNach- 
richt;  doch  ist  ,Sicam- 
bria',  das  im  Chronicon 
Pos.  vorkommt,  der 
ältere,  ursprünglichere 
Name,  wie  er  bei  Ke- 
za  erscheint. 

§.  31.  Ipse  (Andreas) 
...  in  Tyhon  monaste- 


libros  CCCZXZ  milia  in 
Hunis  excepta  extranea 
nacione.  Ex  hys  . .  . 

§.  17.  Veneti  quidem 
non  accipiunt  originem  de 
Sabaria,  ut  quidam  opi- 
nantur; nam  Sabariam 
Latini  Longobardi  inha- 
bitant. 

§.  18.  Nam  cum  idem 
rex  oculos  superius  ele- 
vasset  vidit  super  caput 
suum  pendere  quemdam 
hominem  .  .  . 

§.  20.  Hie  autem  in 
Scitiam  adiendo,  uxorem 
de  Scitia  non  accepit, 
sed  traduxit  de  Corosme- 
nia. 

§.  29.  Qui  quidem  .  .  . 
het  mogoriek  sunt  vocati 

(wobei  Florianus  IV, 
S.  26,  Anm.,  zeigt,  dass 
,het  mogoriek'  im  älteren 
Magyarischen  die  rich- 
tige Form  sei  =  ,septem 
Hungari'). 

§.  35.  Et  etiam  de  the- 
sauro  dicti  Kan  fundavit 
(St.  Stephanus)  ecclesiam 
in  honore  apostolorum  Pe- 
tri  et  PauU  in  Sicambria. 


§.  40.  ...  et  sepultus  in 
Tyhon  iuxta  lacum  Wa- 


millia,  excepta 
natione. 

S.  26.  Vene 
dem  non  accipii 
ginem  de  Sabar 
de  Troia  civita; 
matissinoa,  nam 
rie  Latini,  Loi 
di  videlicet,  in 
bant. 

S.  28.  ...  vii 
pra  caput. 


S.  31.  Hie  ao 
Scitia,  dum  veni 
rem  ex  ea  non 
sed  de  Corosmei 
duxit. 

S.  45.  Qui  . 
. . .  Het  Magiar  e 
sunt  vocati  Qm 
in  den  anderen 
tionen  —  vgl 
nus  IV,  S.  26, 
—  schon  verdei 

S.  67.  Deindes 
rex  venit  in  civ 
que  Vetus  Buda 
tur  .  .  .  statim  . 
thesauro  predict 
.  .  .  cepit  in  me 
vitatis  edificare  ( 
cenobium. 

S.  115.  Sepull 
autem    in    mon 


433 


I  cnm  David  iilio  8uo 
pelitur. 


» 


latun   cum   suo   tilio   Da- 
vid. 


Aniani  confessoris, 
quod    idem    rex    con 
atruxit  in  Tyhon,  iuxta 
lacum  Balatun. 


Die  Anzahl  dieser  Parallelstellen  lieaso  sich  vielleicht  noch 
um  die  eine  oder  andere  vermehren;  doch  werden  die  ang'c- 
t\ihrtcn  genügen,  um  die  oben  ausgesprochene  Ansicht  zu 
rechtfertigen,  dass  das  Chronicon  Pos.  dem  Grundstöcke  der 
Chroniken  näher  stehe  als  alle  anderen  Redactionen.  Die 
Beibringung  der  Parallelstellen  ist  schwierig,  weil  das  Chro- 
nicon Pos.  uns  nur  im  Auszuge  vorliegt.  Für  die  von  uns 
angenommene  Reihenfolge  der  Redactionen  spricht  übrigens 
auch  z.  B.  noch  folgender  Vergleich:  Keza,  §.  2,  sagt,  dass 
der  babylonische  Thurm  ,ab  uno  angulo  ad  alium  .  .  .  passuum 
longitudinis  milia  XV'  hatte;  das  Chronicon  Pos.,  §.  2,  spricht 
von  ,mille  quindecim',  das  Chronicon  Bud.,  S.  4,  hat  daraus 
,mille  et  quindecim'  gemacht:  es  ist  klar,  dass  diese  Lescartcn 
nur  in  der  von  uns  angegebenen  Reihenfolge  sich  aus  einander 
entwickeln  konnten.  F]s  sei  nun  noch  bemerkt,  dass  mitunter 
auch  eine  der  anderen  Clirontkrodactioncn  wie  das  Chronicon 
Pos.  mit  Keza  nilher  übereinstimmt;  doch  wird  man  in  keinem 
Falle  eine  so  enge  Verwandtschaft  linden,  oder  die  betrefTendc 
RedactioD  ist  durch  vorhandene  Erweiterungen  u.  dgl.  bereits 
■  als  eine  spätere  gekennzeichnet.  Wenn  aber  sich  z.  B.  im  Chro- 
nicon Pic,  ferner  im  Chronicon  Dub.  einzelne  grössere  Stellen 
I  finden,  welche  mit  Keza  übereinstimmen,  so  ist  dies  auf  eine 
Wiederbenützung  Keza's  neben  einer  älteren  Chronikredaction 
zu  erklären,  wie  dies  bei  den  genannten  Chroniken  unten 
näher  ausgeführt  werden  wird.  Schliesslich  haben  wir  noch 
zu  erwähnen,  dass  das  Chronicon  Pos.  bereits  mit  der  Notiz 
über  die  Niederlage  Kart  Roberts  in  der  Walachei  im  Jahre 
1330  schliesst,  während  alle  anderen  Redactionen  wenigstens 
einige  Jahre  später  abbrechen;    hiebei  sei  noch    bemerkt,    dass 

Iwohl  noch  die  Notiz  zum  Jahre  1328  über  den  Brand  der 
Marienkirche  in  Stuhlweissenburg  sich  eng  an  den  Wortlaut  der 
anderen  Redactionen  hält,  nicht  aber  mehr  der  eben  genannte 
Bericht  über  die  Niederlage.  Wenn  nun  aber  auch  die  Chronik 
nur  ein  Auszug  ist,  so  deuten  doch  die  Worte,  mit  welchen  sie 
schliesst,    ,(Explicit)    Cronica    regni    Hungarie',    dass    sie    ihre 


434 


ganze  Vorlage  cxcerpirte  und  uns  vollständig  erbalten  ist.  Aacli 
daraus  geht  also  hervor,  dass  diese  Chronik  dem  Grundstöcke 
der  nationalen  Chroniken  näher  steht  als  andere  Redactionea 

Mit  diesem  Grundstocke  ist  aber  das  Chronicon  Pos. 
nicht  identisch;  denn  einerseits  ist  es  eben  nur  ein  Auszug, 
und  andererseits  bietet  es  bereits  auch  eigenthamtiche  Nach- 
richten, welche  den  anderen  Redactionen  durchaus  fremd  sind. 
Hierher  gehören  vor  Allem  die  Ausftihningen  über  die  J^enl 
Lazar'  im  §.  29;  die  Aufzählung  der  verschiedenen  Adek- 
geschlechter  in  demselben  Paragraphe  am  Ende,  die  der  Her 
ausgeber  Florianus  ganz  unrichtig  an  dieser  Stelle  im  Tcxtf 
ausliess,  weil  sie  angeblich  bereits  im  §.  24  genannt  worden 
waren;  ferner  die  Nachricht  über  den  bei  Mohi  gefallenen  Eri- 
bischof  Ugrinus  (§.  47);  in  demselben  Paragraphe  auch  die 
Sätze  .Tartari — Weginarum'  und  ,In  qua  ecclesia — requiescif; 
schliesslich  auch  noch  einige  andere  Stellen  in  den  folgendes 
Paragraphen,  welche  Florianus  durch  besonderen  Druck  ge- 
kennzeichnet hat. 

Fassen  wir  die  Ergebnisse  unserer  Untersuchung  über  d« 
Chronicon  Pos.  zusammen,  so  werden  wir  sagen  können,  dasf 
dasselbe  der  Grundchronik  sehr  nahe  steht  und  aus  derselben 
offenbar  etwa  im  Jahre  1328/29  ausgezogen  wurde.  Leisten; 
Annahme  würde  es  erklären,  wanim  im  Chronicon  Pos.,  wie 
bereits  oben  ausgeführt  wurde,  die  Notiz  zum  Jahre  1328  Qber 
den  Brand  der  Stuhlweissenburger  Kirche  überaus  eng  sich  «n 
den  Wortlaut  der  anderen  Redactionen  anschliesst,  dagegen 
von  der  in  diesen  folgenden  Geschichte  über  das  Verbrochen 
des  Felicianus  im  Jahre  1330  keine  Rede  mehr  ist  und  die 
kurze  Bemerkung  über  die  walachische  Niederlage  des  Köni^;« 
in  demselben  Jahre  mit  den  Berichten  der  anderen  Chroniken 
keine  nähere  Verwandtschaft  aufweist.  Das  Chronicon  l'os 
wird  in  vielen  Fällen  ftir  den  Inhalt  und  die  Gestalt  der  Grund 
chronik  massgebend  sein.  Leider  ist  es  aber  nur  ein  Auszog,, 
und  daher  musste  auch  in  den  vorstehenden  UntersuchuDgen 
nicht  dieses,  sondern  in  der  Regel  das  Chronicon  Bud.  citirt 
werden.  Doeh  muss  ausdrücklich  hervorgehoben  werden,  dass 
hiobei  stets  die  gehörige  Vorsicht  angewendet  werden 
weil  die  genannte  Chronik  mitunter  doch  wieder  von  dem 
mcinsamcn  Kerne  der  Chroniken  (der  Grundchronik)  abweicht 
Vgl.  die  Ausfllbrungen,  S.  455ff. 


435 


Als  Scheniii  der  hislveripen   Ausführungen  ergibt  sich: 

1328  (1330) 


Nationale  örunduhronik 


Chronicon  Poaoniense 


h)  Chronicon  Zagrabiens»  und  Chronicon  Varadiente. 

Wahrseheinlich  noch  frilher  als  das  Chronicon  Posoniense 
ist  aus  der  Onindchronik  ein  anderer  Auszug  geflossen,  auf 
dem  die  Agramer  (Chronicon  Zagrabiense)  und  die  Gross- 
wardeiner Chronik  (Chronicon  Varadiense)  beruhen.  Diese 
Chroniken  sind,  da  sie  uns  nur  in  Gestalt  dürftiger  Auszüge  ent- 
gegentreten und  nur  einige  selbststÄndigo  Nachrichten  bringen, 
ihrem  Inhalte  nach  ziemlich  werthlos.  Nur  ein  Umstand  macht 
uns  dieselben  merkwürdig:  ihre  Vorlage  ist  offenbar  aus  der 
(irundchronik  geflossen,  bevor  noch  in  derselben  die  Nachricht 
über  die  Königskrönung  Karl  Roberts  eingezeichnet  war.  Dies 
ergibt  sich  aus  folgendem  Umstände: 

Es  ist  zunächst  unzweifelhaft,  dass  beide  Chroniken  iiuf 
eine  gemeinsame  Vorlage  zurückgehen.  Wenn  wir  nämlich  beide 
Chroniken,  die  Florianus  s(4)r  bequem  neben  einander  im 
III.  Bande  seiner  Fontes  abdrucken  liess,  mit  einander  ver- 
gleichen, Bo  finden  wir,  dass  sie  fast  denselben  Wortlaut  auf- 
weisen, und  zwar  auch  an  denjenigen  Stellen,  die  mit  der 
Grundchronik  nicht  übereinstimmen.  Dies  könnte  nun  auch  so 
erklärt  werden,  dass  etwa  die  eine  aus  der  anderen  tioss.  Dem 
steht  aber  folgender  Umstand  entgegen.  Die  ältere  von  den 
beiden  Chroniken  ist  unstreitig  die  Agramer.  Dieselbe  ist  uns 
nämlich  (vgl.  Florianus,  a.  a.  O.,  S.  2t)2)  im  ,Liber  statutorum' 
des  Agramer  Capitels  erhalten,  das  im  Jahre  1334  begonnen 
und  bis  zum  Jahre  1354  fortgesetzt  worden  war.  In  der  Chronik 
selbst  tinden  wir  im  letzten  Capitel  die  Bemerkung  (S.  2öl): 
,(Karola6)  vitam  finivit  relictis  tiliis  tribus:  .  .  .  8tephano  Dal- 
matiae,  Slavoniae  et  Croatiae  duce,  qui  nunc  in  ipso  suo 
ducatu  existit,  scilicet  anno  doraini  MCCCLIV.'  Somit  ist 
die  Niederschrift  der  Chronik  vor  diesem  Jahre  gesichert.  Die 
Grosswardeincr  Chronik  befindet  sich  dagegen  im  .Liber  sta- 
tutorum'  des  Grosswardeincr  Capitels,   welches  erst  nach  dem 


436 

Jahre  1374  niedei^eschrieben  worden  ist  (vgL  Florianns,  a.  a.0., 
S.  263).  Auch  lautet  die  der  oben  über  Stephan  citirten  Nach- 
richt entsprechende  Stelle  foigendermassen:  ,Qm  Stephams 
obüt  in  vigilia  beati  Laorentii  anno  millesimo  trecentesiiiio 
quinquagesimo  qnarto,  de  exercitu  moto  contra  Rascianoe/  Ei 
ist  also  klar,  dass  diese  Chronik  jünger  ist  als  die  Agramer. 
Wenn  also  eine  von  ihnen  die  Quelle  der  anderen  wftre,  so 
müsste  die  Grosswardeiner  aus  der  Agramer  geflossen  sön. 
Das  kann  aber  nicht  stattgefunden  haben,  weil  die  Ghrosswar- 
deiner  der  Grundchronik  mitunter  nfther  steht  und  manche  ans 
derselben  geschöpfte  Nachricht  besitzt,  welche  in  der  Agramer 
fehlt,  wie  man  dies  z.  B.  aus  der  unten  stehenden  Parallelstdle 
ersehen  kann.  Da  nun  aber  beide  einander  sehr  verwandt 
sind,  so  folgt  daraus,  dass  beiden  bereits  ein  Aiusag  ans  der 
Grundchronik,  den  wir  ,W'  nennen  wollen,  zu  Grunde  li^ 
wie  wir  dies  bereits  oben  bemerkt  haben.  Diesen  hat  die 
Grosswardeiner  Chronik  vollständiger,  die  Agramer  gekfint 
wiedei^egeben. 

Dieser  Auszug  ist  jedenfalls  vor  1354  angefertigt  worden, 
weil  schon  die  auf  ihm  beruhende  Agramer  Chronik  in  diesem 
Jahre  beendet  wird.  Nun  constatiren  wir  beim  näheren  Ver- 
gleiche unserer  Chroniken  mit  der  Nationalchronik  Folgendes: 
In  den  Ausführungen  derselben  über  Andreas  HI.  and  über 
die  in  die  Geschichte  desselben  eingeflochtene  Abstammung 
Karl  Roberts  finden  wir  zwischen  der  Agramer,  Grosswar- 
deiner und  den  anderen  Chroniken  noch  unverkennbare  Ver- 
wandtschaft.  Man  vergleiche: 


Aipramer  Chr. 

Fehlt 


Gronwardeiner  Chr. 
§.23.  Hic( Andreas  m.) 
.  .  .  tandem  anno  domini 

millesimo  trecentesimo 
primo  in  die  sancti  FelicLs 
in  Pincis  moritur  et  in  Ca- 
stro Budcnsi  apud  fratres 
minores  sepclitur. 


Chr.  BadMiae. 
S.218.  Interims 
domini  millessimo 
centessimo  primo  ii 
sto  sancti  Felicis 
Pincis  idem  rex 
dreas  in  castro  Budi 
requievit  in  domini 
sepultos  est  in  eccl 
sancti  Johannis  & 
geliste  apud  fratres 
nores. 


437 


§.  23.  Supradictus 
tem  rex  Stephauus, 
08  Bclae,  habiiit  tilLaa 
«;  ex  quibus  una  vo- 
batiir  IVIariu,  quae 
t  tradita  in  consor- 
a  magno  Carolo  regi 
iilie  etc. 


I 


I 


I 
I 


§.  24.  Supra  dictus 
autem  Stepliauus  rex, 
quartus  tilius  Belae  qimrti, 
habuit  tiliaä  tres;  ex  qui- 
biis  una  vocabatur  Maria, 
quae  fuit  tradita  in  con- 
sortem  Carolo  claudo,  iilio 
Caroli  uiagni  regia  Sici- 
liae,  .  .  . 


S.  216.  Rex  Stepha- 
nus  QuintuB,  filius  Bele 
quarti  regis  Ilungarie, 
inter  alias  tilias  liabuit 
unam  nomine  Maria 
vocatam,     qui    Kurolo 

Ciaudo,  filio  Karoli 
magni    .   .   .   tradiderat 
in  uxoreni  .  .  . 


Bisher  (1301)  ist  also  ganz  offenbar  die  Vorlage  der 
Agramer  und  Orosswardeiner  Chronik  aus  der  Nationalchronik 
geflossen.  Dagegen  findet  man  zwischen  den  folgenden  Aus- 
führungen über  Karl  und  Ludwig  keine  nähere  Berührung  mit 
der  Nationalchronik.  Aber  noch  mehr:  sowohl  in  der  Agrauier 
als  in  der  Qrosswardeiner  Chronik  findet  sich  folgende  Be- 
merkung: ,(Carolua)  fuit  coronatus  anno  domini  MCCC  et  re- 
gnavit  annis  XLII'  (I).  Diese  StelJc  gehört  also  bereits  der  Vor- 
lage an,  und  da  sie  den  in  der  Nationalchronik  Uberlieterten 
Nachrichten  völhg  widerspricht,  wo  die  Künigskrönung  Karls 
ausdrllcklich  zum  Jahre  1310  geschildert  wird,'  so  ist  es  ganz 
offenbar,  daas  der  unseren  Chroniken  zu  Grunde  liegende  Aus- 
zug (W)  aus  der  Nationalchronik  floss,  bevor  wohl  noch  diese 
und  die  folgenden  Nachrichten  in  derselben  aufgezeichnet 
wurden.  Bemerkt  sei  noch,  dass  unsere  Chroniken  an  keiner 
Stelle  sich  zur  Grandchronik  in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt 
im  Widerspruche  befinden.  Ueberall  liegt  ihnen  oder  richtiger 
ihrer  Vorlage  die  ursprüngliche  Gestalt  der  Nationalchronik  ohne 
alle  Erweiterungen  zu  Grunde.  Neu  hinzugekommen  sind  einige 
Bemerkungen  localen  Charakters. 

Am  Scldusse  möge  noch  auf  den  Umstand  hingewiesen 
werden,  daas  unsere  Chroniken  von  der  Hunengeschichte  nichts 
enthalten  und  auch  auf  diese  gar  nicht  hinweisen.  Es  könnte 
dies  dahin  gedeutet  werden,  dass  tue  Vorlage  dieser  Ciirouiken 
nicht  aus  der  bereits  mit  der  Hunengeschichte  verknüpften 
Nationalchi'onik    floss,    sondern    ihr    vielmehr    blos    die    erwei- 


Vgl.  Chr.  Dnb.,  S.  IIB,  und  Pic,  S.  234;  wenn  im  Bml.,  8.  2:J2,  ,a.  <1. 
mill6Himn  tricenteaimo'  steht,  ro  iitt  dies  ge^nUber  den  im  Vorliergi>hen- 
den  angefClltrten  Zahlnn  nur  Sclireib-  nder  Druckfehler. 


438 

terten  Qesta  Hungarorum  vorlagen.  Doch  wUrde  dieser  Schluss 
Wühl  gewagt  sein,  da  fUr  die  Zwecke  der  lucalen  klösterlichen 
Aufzeichnung  es  dem  Anfertiger  des  ersten  Auszuges  genügen 
mochte,  mit  dem  Einzüge  der  Ungarn  zu  beginnen.  Seine  Dar- 
stellung hobt  er  mit  den  Worten  an  (S.'2öO):  ,£t  qaoniam  supra 
describitur  obitiis  beatissimi  regis  Ladislai,  visum  fuit  etiam  du- 
cnm  a  tempore  ingressionis  eorum  in  Pannoniam  et  omnium 
regum  Hungarie  tarn  nomina  quam  tempora  regimium  desori 
bere.'  Bemerkenswerth  sind  auch  die  folgenden  Bemerkungen: 
,Kelatio  enim  Hungarorum  in  scriptis  ab  olim  redact«,  inter 
cetera  complura  habetur,  quod  .  .  .' 

Hiemit  ergibt  sich  folgendes  Verhältniss: 

1301 

Urundcbronik  "• 


w 


Zug.  Var. 


c)  Die  Redactionen  Muglen  (deutsche  Protachronik  und  laUinitekt 
Reimchronik),  Samhucus,  Acephalus,  Pictvm  und  Monacent«. 

Hat  sich  die  Vorlage  der  Agramer  und  Qrosswardeiner 
Chroniken  früher  als  das  Chronicon  Posoniense  von  der  Grund- 
chronik abgezweigt,  so  ist  andererseits  etwas  später  als  dieses 
eine  Handschrift  entstanden,  welche  einerseits  die  Grundlage 
der  Redactionen  Muglen,  Samhucus,  Acepiialus,  Pictnm  und 
Monacense  ist,  und  der  andererseits  der  Codex  Vaticanus  sehr 
nahe  steht,  Indem  wir  die  Betrachtung  der  letzteren  Redaction 
dem  nächsten  Abschnitte  überweisen,  haben  wir  hier  zanftchsl 
über  die  erstgenannten  Redactionen  zu  handeln. 

Die  Redactionen  Muglen,  Sambucus,  Acephalus,  Pictum 
und  Monacense  bilden  wie  das  Zagrabiense  und  Varasdieme 
eine  besondere  (Jruppe  der  Chroniken,  deren  äusseres  Merk- 
mal zunächst  diirin  besteht,  dass  der  gemeinsame  Theil  der- 
selben über  das  Chronicon  Posoniense  hinaus  reicht  and  nocli 
den  italienischen  Zug  Karl  Roberts  umfasst.  Als  letzte  Gruppe 
der  Chroniken  werden  wir  —  am  die»  gleich  hier  zu  erwähnen 


439 


—  das  Budense  und  Dubnicense  keimen  lernen,  deren  geinein- 
eame  Grundlage  über  jenen  Zug  Karl  Roberts  fortgesetzt  er- 
scheint. Jede  dieser  Gruppen  hat  ihre  Eigcnthiimlichkeitirn, 
die  einerseits  ihre  enge  Zusaniuiengehörigkeit  beweisen,  anderer- 
seits aber  sie  von  der  Grundchronik  untersehciden.  In  diesem 
Abschnitte  ist  es  zunächst  unsere  Aufgabe,  die  EigenthümUch- 
keiten  der  Gruppe  des  Pictum  festzustellen  und  hierauf  das 
Verhältniss  der  verschiedenen  Glieder  dieser  Gruppe  zu  ein- 
ander zu  bestimmen. 

Vor  Allem  erweist  sieh  das  Chronicon  Pictum  durch 
die  Fülle  von  Nachrichten, '  welche  es  Über  den  Inhalt  der 
anderen  nächst  verwandten  Redactionen  hinaus  bietet,  als  das 
Endghed  tlieser  Entwicklungsreihe.  Besprochen  wurden  bereits 
an  einer  früheren  Stelle  {Studie  VII)  die  umfassenden  Erwei- 
terungen von  Ladislaus'  I.  Ende  angefangen  (S.  200)  bis  auf 
Geisa  II.  (S.  220);  viele  derselben  hat  der  Schreiber  dieser  Re- 
daction  aus  der  von  uns  an  der  eben  angeführten  Stelle  nach- 
gewiesenen Quelle  entnommen,  von  deren  erweiterter  Gestalt 
auch  Muglen  aelbstständig  Gebrauch  machte;*  eine  andere  hat 
das  Chronicon  Pictum  bereits  aus  seiner  Vorlage  Übernommen, 
weshalb  es  dieselbe  auch  mit  dem  Acephalum  gemein  hat  (vgl. 
unten  S.  444f ).  Eine  grosse  Anzahl  von  Nachrichten  des  Pictums 
in  dieser  Partie  sind  aber  allen  anderen  Redactionen  fremd 
mit  Ausnahme  des  Chronicon  Monacense,  welches  ein  Auszug 
aus  dem  Pictum  ist,  wie  weiter  unten  gezeigt  werden  wird. 
Ebenso  weist  das  Pictum  auch  in  dem  vorhergehenden  Theile 
(^Ö.  IGO — 200)  eine  Fülle  von  Nachrichten  auf,  welche  zumeist 
nur  noch  in  dem  eben  erwilhnten  Monacense  vorkommen;  eine 
ist  jedoch  auch  im  Acephalum  vorhanden,  was  sich  aus  der 
gemeinsamen  Vorlage  erklärt  (siehe  unten  S.  4423".).  In  diese 
interpolirten  Theile  des  Pictums  (vgl.  Studie  V,  S.  öOSf.)  fällt 
auch  die  Benützung  der  Aniiales  Albenses,  deren  Spuren  sich 
allein  in  dieser  Redaction  mit  Bestimmtheil  nachweisen  lassen. 
Auch  weist  das  Pictum  am  Anfange  der  Hunengeschichte  eine 
Reihe  eigen  thümlicher  Stellen  auf,  die  nur  noch  vom  Dubni- 
cense benutzt  wurden  (vgl.  unten  S.  459 f.).    Zu  den  Eigenthihu- 


'  Diese  veraeiclinet  auch  Floriaiius  in  den  Kuntoa  111  als  Lwearten  «um 

Clironicnn  Dubnicense. 
'  Vgl.  die  folgende  ätndie. 


440 


lichkeiten  des  Pictums  gehört  auch,  doss  es  das  letzte  Capitel 
der  Uunengeschichte  direct  aus  Keza  ergänzt  (vgl.  Pictum, 
S.  12()t'.,  und  Keza,  Ö.  701".,  bezüglich  der  Stellen:  ,Cum  i^wr 
Chaba  adiens  üi  Scithiam  .  .  /,  und  ,Tradunt  quidam  ...  in  dornt 
nando  novus  erat'),  ferner  Keza  auch  an  anderen  Stellen  benUtztr 
(man  vergleiche  Pictum,  Cap.  XXV:  ,Po8t  hec  intrant  .  .  .'  mit 
Keza,  §.  56,  gegenüber  Posoniense,  §.31:  .Geueracionem  vero 
Ratoldi . . .'  und  ebenso  Budense,  S.  51 ;  femer  Pictum,  Cap.  XXIX: 
,eapropter  quod  exercitum  .  .  .'  mit  Keza,  §.61,  gegenüber  Bu- 
dense, S.  53  [Posoniense  fehlt];  vgl.  ferner  Pictum,  S.  14S:  ,OoM 
fridus  autem  Austrie  marchio  .  .  .'  mit  Keza,  §.  26:  ,C(ot£riilus 
Austrie  marchio  .  .  .'  gegenüber  Budense,  S.  81,  und  den  anderen 
Redactionen,  denen  diese  Notiz  fehlt;  ebenso  Pictum,  S.  lt>3: 
,Dicunt  ahi  quod  Bela  duce  .  .  .'  mit  Keza,  S.  31:  ,.  .  .com 
consensu  fratris  sue  Bele  .  .  .'  [allen  anderen  fehlt  diese  Kotii]; 
schliesslich  Pictum,  S.  168:  ,Hic  enim  Bela  erat  cäIvus  .  .  .*  mit 
Koza,  §.  32:  ,Hic  enim  calvus  erat .  .  .'  gegenüber  Posonienie, 
§.  40,  Budense,  S.  121  u.  s.  w.,  wo  davon  nichts  steht).  An 
Schlüsse  der  Huncngeschichte  setzt  das  Pictum  schliesslich  der 
in  allen  Chroniken  über  die  Kegierungszeit  Attilas  cnthalteoen 
Nachricht  ,Kegnavit  autem  Atjla — annis'  den  Satz  voraus  ,Ham 
autem  applicuerunt  fluvio  Tyscie,  et  de  Tyscia  egressi  quinti) 
anno.  A  proelio  Kezumaur  usque  regnum  Atile  annus  fluxit 
unus'.  An  jene  Notiz  knUpft  er  aber  die  Nachricht  ,Mortuus 
est  autem  etc.'  über  Attilas  Sterbejahr  und  die  Geschichte  von 
Traume  des  Kaisers  Marcian  (Attilas  zerbrochener  Bogen)  in 
der  Nacht,  da  der  llunenkönig  starb.  —  Dies  also  sind  in  aller 
Kllrze  aufgezählt  die  charakteristischen  Merkmale  des  Pictums, 
insoforne  wir  sie  hier  zu  beachten  haben.  Da  eine  Fülle  dieser 
Nachrichten  in  den  anderen  Redactionen  nicht  vorkommt,  so 
liegt  es  auf  der  Hand,  dass  sie  eigenthUmliche  Zusätze  des- 
selben seien.  Uebrigens  kann  man  die  Arbeit  des  Interpolators 
oft  genug  deutlich  erkennen.  Schon  der  eben  besprochene 
Schluss  der  Uunengeschichte  zeigt  die  unverkennbarsten  Spuren 
der  Interpolation.  Im  Cap.  61  hat  der  Interpolator  an  die  Worte 
jMüites  vero  Salomonis'  (vgl.  Budense,  S.  löl*)  anknüpfend  eine 
längere  Stelle  eingeschoben  und  setzt  dann  wieder  mit  den 
Worten  ,Milite8  vero  eiusdem  Salomonis'  den  unterbrochenen 
Wortlaut  fort.  Dergleichen  könnte  man  noch  mehr  anführen; 
indess   ist   dies    wohl    Uberdüssig,   da   nach   allem  Angcfuhrtan 


Ol 


Ni 


id   bezweifeln    kann,    dass   das  Pictum 


iemand  bezweifeln  kann,  dass  das  fictum  nur  als  Fortent- 
wicklung der  ursprünglichen  Chroniken,  nicht  aber  diese  als 
RUekentwicklung  jenes  aufgefasst  werden  künnen.  Erwähnt  sei 
nur  noch,  dass  hiefür  auch  der  Umstand  beweisend  ist,  dass 
keine  der  im  Pietum  vorhandenen,  aus  den  Annales  Albenses 
geschöpften  Nachrichten  sich  in  einer  der  anderen  Redactionen 
nachweisen  Iftsst.  Natürhch  ist  es  unmöglich,  dass  diese,  als 
Auszüge  gedacht,  mit  Absicht  oder  durch  Zufall  alle  diese  im 
Pictum  verstreut  vorkommenden  Stellen  vermieden  hätten. 

Ein  Auszug  aus  dem  Chronicon  Pictum  ist  das  Chronicon 
Monacense.  Dasselbe  hat  keine  sei bstständige  Bedeutung.  Dem 
excerpirenden  Schreiber  stand  wohl  auch  keine  andere  Redac- 
tion  zur  Verfügung,  denn  er  schHesst  mit  einer  Notiz  über  den 
walachischen  Feldzug  Karls  von  Anjou,  in  dessen  Schilderung 
bekanntlich  das  Pictum  abbricht.  Um  zu  beweisen,  dass  dem 
Monacense  thatsächlich  das  Pictum  mit  allen  seinen  Erwei- 
terungen zu  Grunde  liegt,  mögen  eine  Anzahl  von  Parallel- 
stellen angeführt  werden. 
■  MoQ.  §.  1:  ,anno  ab  ine.  dorn.  CCC-o  LXXIII-o  tempore 

Valentis  imperatoris  et  Celestini  prirai  papae  Huni  multiplicati  in 

»Scitia'.  Pic.  S.  107  ebenso.  —  Dagegen  Pos.  §.  6:  ,In  sexta 
igitor  etate  mundi  vel  seculi  multiplicati  Huni  in  Scitia  .  .  . 
anno  dom.  CCCXXVIU.'    Bud.  S.  14  ebenso. 

MoD.  §.  4:  ,Atyla  dei  gracia  filius  Beudekus,  nepos  magni 
Magor,  nutritus  in  Engadin.'  Pic.  8.  110  ebenso.  —  Dagegen 
Pos.  §.  10:  jAthila  Dei  gratia  filius  Wendeguz,  nepos  magni 
Nemproth  nutritus  in  Engadi.'     Bud.  S.  18  ebenso. 

Mon.  §.11:  ,{Atyla)  mortuus  post  Hunorum  ingressura 
anno  LXXII,  ab  incamacione  dom,  CCCCXLV  tempore  impe- 
ratoris Marciani  et  Gelasy  papae  primi.'  Pic,  S.  121  ebenso. 
—  Pos.  §.  22  fehlt  diese  Zeitangabe.     Bud.  S.  33  ebenso. 

Mon.  §.  12:  ,Ingrediuntur  ergo  Huni  Pannoniam  secundo 
de  anno  dom.  VICLXXVII  (677),  a  morte  Atyle  CIV-o,  tem- 
pore Constantini  imperatoris  tercy  et  Zacharie  pape.'  Pic. 
S.  122  ebenso.  —  Dagegen  Pos.  §.  26:  ,Anno  octingentesimo 
octuagesimo  octavo  .  .  .  ingressi  sunt  Pannoniam  .  .  .'  Bud. 
S.  36  ebenso. 

Mon.  §.  31 :  ,Post  hoc  misit  bellatores  in  Carinthiam,  qui 
plnres  nacti  a  Godfrido  marchione  Austrie  prope  Petoviam  sunt 
superati.'    Pic.  8.  148  ebenso  (aus  Keza  §.  26;  vgl.  Studie  VUI, 

Arcbir.  LXXXVUI.  Bd.  M.  Hülfte.  Sä 


L 


442 


S.  281  f.).  —  Pos.  ist  hier  überhaupt  sehr  gekürzt.    Bud.  S.  81 
wird  von  Gottfried  nichts  erwähnt. 

Mon.  §.  38  =  Pic.  S.  160  über  den  Taucher  Zothmimi 
wovon  in  allen  anderen  Redactionen  keine  Spur  ist. 

Mon.  §.  40:  , Andreas  rex  confectos  senio  Salomaaca 
iUium  suum  V  annorum  in  regem  fecit  inungi.'  Pic.  S.  163 
ebenso  (aus  den  Annales  Ungarici;  vgl.  Studie  V,  S.  Ö08).  — 
Dagegen  haben  die  anderen  Chroniken  die  genaue  Alterbesdm- 
mung  nicht. 

Mon.  §.  42:  ,Nocte  sequenti  ecclesia,  palacia  omni»  cnm 
edificys  .  .  .  Pic.  S.  169:  ,Nocte  autem  secuta  etc.'  —  Dagegen 
hat  Bud.  S.  124  nur:  ,In  eodem  autem  anno  ducibus  ibidem 
existentibus  ecclesia  horribiliter  est  cumbusta.' 

Mon.  §.  46:  , Interim  vero  Ladislaus  pro  Salomone  denn 
exorabat,  ut  ad  legem  Christi  converteretur.'  Pic.  S.  194  ebenw 
—  Dagegen  Pos.  §.  43  und  Bud.  S.  165   haben    nichts  davon. 

Derartige  Parallelstellen  könnten  wir  noch  in  ^osser  Zahl 
anführen.  Es  sei  nur  noch  hervorgehoben,  dass  das  Monacen» 
auch  die  weitläufigen  Erweiterungen  von  Koloman  angefangen 
mit  dem  Pictum  gemein  hat.  Kurzum  wir  sehen  diese  Chronik 
in  jeder  Beziehung  völlig  abhängig  von  dem  Chronicon  Pictum 
mit  allen  seinen  Erweiterungen. 

Dem  Pictum   und  Monacense   am   nächsten  steht  die  Re 
dactioii  im  Codex  Acephalus.    Da  derselbe  erst  in  dem  Ab- 
schnitte,   der   über   den   Krieg  Stephans    des   Heiligen    gegen 
Oyula  handelt  (1002),  mit  den  Worten  .regnum  illud  Hungarice 
ErdelV  beginnt,  so  bietet  er  nur  beschränktes  VergleichsmateriaL 
Am   wichtigsten   erscheinen   für  die  Verwandtschaft  beider  Re-  ■ 
dactionen   zwei   in   beiden  vorkommende,  zum  Theile  einander 
überaus  nahestehende  Berichte,  welche  den  anderen  KedactioneD 
fehlen.     Hieher   gehört  zunächst  der  ausführhche  Bericht  über 
die  Verfeindung   des  Königs  Andreas  mit   seinem  Bruder  Bcla 
wegen    der  Krönung  Salomons.     Wir   bringen    diese    und   ein« 
andere  Stelle  zum  Abdrucke,   weil  sie  auch  von  Florianus 
nicht  oder  nur  unvollkommen  mitgetheilt  werden: 


( 


( 


Codex  Acephalus. 

Bl.  10b.  Quta  plerumque  car- 
nali«  amor  et  consanguinitatü 
affectio    impedire    solent   eqiii- 


Chronicon  Piotnin 

S.  163  f.  Quia  vero  camalis 
amor  et  sangnineitatis  affectio 
solet  impedire  voritatem,  rieit 


fe 


443 


tatem,  ideo  filialis  amor  in  An- 
drea rege  vicit  iusticiam.  Nam 
Jüium  »uum  Salomonem  adhuc 
jmerulum  anno  imperii  sui 
duodecimo  confectus  senio  üi 
regem  fecit  inungi.  Cumque  in 
coniecracione  eius  caneretur: 
JSsto  dominus  fratrum  tuorum, 
et  hoc  per  Interpretern  Beele  du- 
ci  inotuisset,  quod  Salomon  in- 
fantulus  gibt  dominus  consti- 
tuereiur  graviter  est  indigna- 
tus.  Tradant  quidam  qaod 
Beela  duce  et  filiis  eius 
Oeysa  et  Ladizlao  cunctis- 
que  op(t)imatibu8  regni 
consencientibus  Salomon 
consecratus  fuit  in  regem; 
sed  postmodam  seminatori- 
bus  discordie  instigantibuB 
ortum  est  inter  eos  odium. 
Suggerebant  namque  regi 
Andree  non  posse  regnare 
filium  suiim  Salomonem  ni- 
Bi  fratre  auo  Beela  duce  ex- 
tincto.  Dicto  vero  Beela 
persuadebant,  quod  tom- 
pus  opportunum  esset  ei 
regnum  acquirere  .  .  .  wie 
im  Chronicon  Pic.  mit  ganz  ge- 
ringfügigen Abweichungen;  so 
hat  Aceph.  das  richtige  ,non 
causa  cupiditatis  aed  pro  pace 
regni'  an  Stelle  des  unsinnigen 
,perditione  regni'.  Der  Schluss 
der  Interpolation  lautet:  Sini- 
stris  itaque  auggestionibus 
iiialorum  bominum  rex  An- 
dreas et  dux  Beela  discor- 
daverunt.  Dax  autem  Beela 


amor  filialis  in  Andrea  rege 
iusticiam,  et  rupto  federe  sue 
promissionis,  quod  in  regibus 
esse  non  deberet,  u.  s.  w.  mit 
allerlei  Erweiterungen  des  allen 
Chroniken  gemeinsamen  Tex- 
tes ..  . 


indignatus  est.  Dicunt  alii 
quod  Bela  duce  et  filiis 
eius  Qeycha  scilicet  et  La- 
dizlao cunctisque  regni 
optimatibus  consencienti- 
bus .Salomon  unotus  esset 
in  regem.  Postmodum  so- 
minatoribus  discordie  in- 
stigantibus  odium  ortum 
est  inter  eos.  Sussurrato- 
res  enim,  quales  nostris 
temporibus  compiaceut, 
precipue  suggerebant  regi 
u.  s.  w. 


Tandem  siniatris  augge- 
stionibus malorum  homi- 
rium  rex  et  dux  discorda- 
verunt.  Dux  autem  erat  sicut 
sagacissimus,  precavens  sibi . . . 
29* 


444 


cum  esset  sagaeissimi  consilxi 
precaveiis  sibi  .  .  . 


Zu  der  vorstehenden  Parallelstelle  ist  noch  zu  bemerken, 
dass  das  in  der  Stolle  aus  dem  Acephalus  cursiv  Gedruckte 
noch  völlig  mit  dem  Wortlaute  der  ursprünglicheren  Redactionen 
(vgl.  Bud.  S.  114;  Dub.  S.  69;  Sam.  Bl.  28a;  im  Pos.  §.  40  ist 
diese  Darstellung  ganz  ausgelassen;  Mug.  Cap.  30)  Überein- 
stimmt; das  Pictum  ist  bereits  davon  abgewichen  und  hat  den 
Text  auch  hier  selbststilndig  erweitert.  Die  fast  wörtlich  über- 
einstimmende grosse  Erweiterung  im  Acephalus  und  Pictum, 
welche  oben  in  gesperrtem  Drucke  erscheint,  entnahmen  da- 
gegen beide  bereits  ihrer  Vorlage. 


Bl.  22b.  Anno  igitur  domini 
MCX  .  .  .  pntentiores  proceres 
Stephanum  filium  Colomani  in 
locum  patris  sui  subrogaverunt; 
erat  autem  adhuc  inpubes.  An- 
no autem  X  nono  regni  sui  in- 
travit  Dalmatiam  et  a  Dalma- 
tenis  honorifice  est  receptus. 
Inde  revertens  missis  cxerciti- 
bus  devastavit  Poloniam.  In- 
terea  imperatrix  Constantipo- 
litana  Hlia  regis  sancti  Ladislai 
nuncciavit  regi  8tephano,  Im- 
perator Maurtnas  maritus  eins 
improperasset  regi  Stephane 
diccns:  regem  Hungarie  esse 
hoiiiiuem  suum,  quod  et  eam 
sibi  tradentem  (!)  imperator  cas- 
tigasset.  Quod  cum  audisset 
rex  pro  magna  iniuria  reputa- 
vit  et  collecto  exercitu  impetu 
Spiritus  sui  invasit  partes  Gre- 
cie   Brudinsiam   atqne   Scarbi- 


S.  207.  Potentiores  regni  Ste- 
phanum Colomani  filium  in  re- 
gem coronavemnt;  erat  enim 
adhuc  inpubes,  sed  spiritus  eins 
in  manibus  eins.  Anno  autem  I 
nono  regni  sui  intravit  Dalma- 
tiam et  a  Dalmatiensibus  hono^ 
rifice  est  sosceptua.  Inde  rever  | 
sus  missis  exercitibus  suis  fines 
polonicos  devastavit  . .  .  S.  210. 
Interca  imperatrix  Constantino- 
politana  tilia  regia  Ladizlai  no- 
mine Pyrisk  nunciavit  regi  Ste- 
phano  dicens,  regem  Hungarie 
esse  hominem  suom,  qoam 
etiam  contradicentem  impet»- 
tor  castigavit. ' 

Cum  autem 
audisset  rex,  pro  nimia  roputs- 
vit  iniuria  et  collecto  exeroito 
in   impetu   spiritus    sui    invasit 
partes  Grecie*  atque  alias  ci- 


'  Die  Stelle  ist  offenbar   verderbt.     Der  Sinn  ergibt  sieb  aus  dem  Wort- 
laute Aea  Ai-eph. 
*  Bier  fielen  offenbar  die  im  Aoeph.  genannten  Stidte  ans. 


445 


cium  (!)  nee  non  ctiam  Nijs 
aliasque  civitates  Orecorum 
igne  et  gladio  vastaverunt,  et 
cecidit  tiinor  eius  super  otünes 
provincias  illas,  qiic  imperio 
constantipolitano  subdite  fue- 
rant:  timebant  enim  omnes  re- 
gem Stcphanum  tanquam  ictum 
fulminis.  Uude  etiam  infantes 
vagientes  in  comminacione  no- 
niinis  regis  Stephani  conquies- 
cere  conpeltebanUir;  cum  rex 
ille  dicebatur  a  parentibus  illis 
infantibus,  qui  vagiebant:  ,ecce 
rex    Stephanus    venit'    statim 

conquiescebant,  pre  tiraore 
etiam     eius     murnturare     non 
iiudebant.    Regnavit  autem  an- 
nia  XVIII  mensibut   quinqne  ; 
inigravit   autem   ad  Dominum 

anno  Domini  MCXXXI. 
Cuius  coi-pus  Waradini  quiet- 
dt. 


vitates  Grecie  igne  et  gladio 
devastavit,  et  cecidit  timor  su- 
per omnes  civitates  provincio 
illius. 


Timcbantquo  omnes  reges 
Stcphanum  regem  tanquam 
ictum  fulminis,  unde  infantes 
vagientes  comminationc  Homi- 
nis regis  Stephani  quiescerc 
cM)mpellabantur.     Habebat  rex 

secum  septingentoB  milites 
Francos  .  .  . 


ä.  213.  8ed  cum  esset  in  ar- 

tiuiilo  mortis  monachalem  ha- 
bitum,  relicto  rcgno,  8U8ce|»it, 
anno  regni  sui  Xo  VIIIo  et  se- 
pultuE  est  Varadini. 


Die  letzteren  Bemerkungen  des  Acephalus  stimmen  völlig 
mit  den  ursprünglicheren  Redactionen  llberein  (Bud.  S.  183, 
Dub.  §.  115,  Pos.  §.  45),  während  das  Pictum  an  den  mit  .  .  . 
bezeichneten  Steilen  noch  seitenlange  Interpolationen  aufweist 
und  anders  schliesst.  Einen  Theil  seiner  Erweiterungen  hat  es 
aus  der  mit  Muglen  gemeinsamen  Quelle  entnommen.  Vgl. 
Studie  VII  und  XH. 

Ausser  diesen  dem  Pictum  und  Acephalus  gemeinsamen 
Nachrichten  sind  noch  zahlreiche  ihnen  eigenthiimliche  Les- 
arten in  Betracht  zu  ziehen.  Viele  derselben  theilt,  wie  gleich 
hier  bemerkt  werden  mag,  auch  der  Codex  Sambuci  und  zum 
Theile  auch  Muglen.    Z.  B.: 

Pic.  Cap.  37:  ,Erdeelw';  Äceph.  81.  la:  ,Erdelv';  Sam. 
Bl.  17b:  ,Erdeelu'.  —  Dagegen  Dub.  S.  44  und  Bud.  S.  65: 
,Erdee]'|  Pos.  S.  29:  ,Erdewei'. 


446 


Pic.  S.  192:  ,in  currentibus';  Accph.  BI.  20a  and  Stm. 
Bl.  37  b:  .inciirrentibus'.  —  I>agegcn  Dub.  S.  92  und  Buil. 
S.  159:  .intercurrentibus'.   [Pos.  S.  32  stark  gekürzt.] 

Pic.  S.  232:  ,TIoc  factum  est  castrum  Budense  qaodam 
diclo  Peturmano  regente.'  Aeeph.  Bl.  28a  ebenso  (castrum  Bu- 
dense, Peturmano).  Sam.  Bl.  44b:  ,Hoc  factum  est  castrum  Bu 
dense  quodam  dicto  Petromano  rogentc'  —  Dagegen  Dub.  S.  114: 
,Hoc  factum  est  in  Castro  Budenai  quodam  dicto  Petcrmano  re- 
gente Budensem  civitatem';  ebenso  Bud.  S.  225.  [Pos.  §.  53  S.  42 
und  Mug.  Cap.  66  kürzen  hier  willkürlich  sehr  stark.] 

Pic.  S.  114:  ,Erdelw';  Aceph.  Bl.  28b:  ,Erdela';  Sam. 
Bl.  46a:  .Herdelu'.  —  Dagegen  Dub.  S.  114:  ,Erdeel';  ebenso 
Bud.  S.  227.  Pos.  §.  53  S.  42:  ,in  Transsilvanis  partibus'  (vgl 
aber  oben  S.  29:  .Erdewel'  und  §.  25:  ,Hordowel').  Mug.  S.  88: 
,Erdel'. 

Pic.  S.  233  und  Aceph.  Bl.  28b:  ,Martunherman';  Sam. 
Bl.  45b:  ,Mortunherman';  Mug.  S.  88:  .mertein  und  herman'. 
—  Dagegen  Dub.  S.  115:  ,Marctim  Herman*;  ebenso  Bud. 
S.  231.    [Pos.  §.  53  S.  42  übergeht  dies.] 

Pic.  Cap.  99  und  Accph.  Bl.  30b  lässt  aus  nach  ,ordinis 
fratrum  minorum'  die  Worte  ,Et  positum  .  .  .  beati  Francisci", 
welche  die  anderen  aufweisen  (Sara.  Bl.  46  b,  Dub.  S.  119  nnii 
Bud.  240).  [Pos.  S.  44  und  Mug.  S.  90  fehlt  in  Folge  der  will- 
kürlichen Kürzung.] 

Pic.  S.  241,  Aceph.  Bl.  32a  und  Sam.  Bl.  48a  geben  nach 
,in  insulam  marinam'  die  Worte  ,per  cruciferos*  hinzu,  welche 
den  anderen  Kedactioneu  fehlen  (Dub.  S.  122  und  Bud.  S.  213). 
[Pos.  reicht  nicht  mehr  hierher;  Mug.  S.  91  lässt  den  ganseii 
Satz  aus.] 

Pic.  S.  242,  Aceph.  Bl.  32b  und  Sam.  Bl.  48a  geben  nach 
den  Worten  ,Bazarad  woyvode  Vlachonun  ad  induccionem'  hin- 
zu: ,Thome  woyvode  Transilvani  et',  welche  den  anderen  fehlen 
(Dub.  S.  123,  Bud.  S.  246).  [Mug.  S.  92  lässt  überhaupt  den 
Satz  aus.] 

Pic.  S.  243  und  Aceph.  Bl.  33a  haben  statt  ,verbum  aspe- 
rioris  comminationis'  (Sam.  Bl.  48b,  Dub.  S.  124,  Bud.  S.  247), 
die  Worte  ,verbum  superbie  et  comminacionis'.  Letzterem  ent- 
spricht Mug.  S.  93:  ,redt  hoffertiglich'. 

Pic.  S.  243,  Aceph.  Bl.  33b  und  Sam.  Bl.  49a  lassen  die 
ganze   Stelle   , Quorum   quidem  .  .  .  flebilis   est'   (Dub.  S.  125, 


447 


Bud.  S.  249)  aus.  Ebenso  ist  von  dieser  Stelle  bei  Mug.  S.  93 
nichts  vorhanden. 

Pic.  S.  244':  ,Re\  autem  cum  tali  eventii  venit  in  Vysse- 
grad';  Aceph.  Bl.  34a:  ,Rex  autem  cum  tali  eventu  venit  in 
Vysagrad*;  Sam.  Bl.  49b:  ,Rex  autem  cum  tali  eventu  venit  in 
Wiseprad';  Mug.  S.  94:  ,In  der  weyss  kom  der  kunig  aus  der 
Wolochoy  gen  WeyB8enburg(!).'  —  Dagegen  Dub.  S.  126:  ,Kex 
autem  cum  tali  eventu  venit  ad  Themesvar,  et  sine  mora  venit 
deinde  ad  Vyaegrad';  ebenso  Bud.  S.  250. 

In  denjenigen  Theilcn,  für  die  das  Chronicon  Pictum  schon 
fehlt  oder  das  Aceph  al  um  noch  nicht  begonnen  hat,  lässt  sich 
wenigstens  die  Verwandtschaft  zwischen  den  beiden  anderen 
Codices  nachweisen.  So  kann  man  noch  zwischen  dem  Codex 
Acephalus  und  Sambuci,  nachdem  das  Pictum  uns  schon  im 
Stiche  gelassen  hat,  noch  mehrere  enge  Beziehungen  aufweisen, 
wiewohl  auch  die  in  diesen  Handschriften  vorhandenen  Fort- 
setzungen nur  noch  1 — 2  Seiten  umfassen; 

Aceph.  Bl.  34a:  jinpressius';  Sam.  Bl.  49a:  ,impre8iu8'.  — 
Dagegen  Dub.  S.  126  und  Bud.  S.  250:  ,uberius'. 

Aceph.  Bl.  34a  und  Sam.  Bl.  49a:  ,corripit'.  —  Dagegen 
Dub.  S.  126  und  Bud.  S.  250:  ,corrigit'. 

Aceph.  Bl.  34a  und  Sam.  Bl.  49b:  ,ad  pctitionem  regni 
Sicilie  coronaret  in  regem'.  Mug.  Gap.  72:  ,von  pete  des  volkes 
.  .  .'  —  Dagegen  Dub.  S.  127:  ,ad  instanciam  et  peticioncm  in- 
clitissimi  regis  Roberti,  regis  Sicilie,  regnique  eiusdem  coronaret 
in  regem';  ebenso  Bud.  S.  251  und  Vat.  (vgl.  Florianus  III, 
S.  127,  Anm.  2,  und  Lucius,  Inscriptiones,  S.  91). 

Aceph.  Bl.  34a:  ,Lombardus';  Sam.  Bl.  49b:  ,Lumbar- 
dus'.  —  Dagegen  Dub.  S.  127  und  Bud.  S.  251 :  ,Longobar- 
dus  .  .  .'. 

Aceph.  Bl.  34b  und  Sam.  Bl.  49b:  ,puer  succoderet  me- 
raoratus  in  regnura'.  —  Dagegen  Dub.  S.  127  und  Bud.  S.  252: 
,puer  in  rcgniim  suecederct  memoratus'. 

Aceph.  Bl.  34a  und  Sam.  Bl.  öOa:  ,de  culmine  regie  maic- 
statis  dum  viveret'.  —  Dagegen  Dub.  S.  127  und  Bud.  S.  252: 
,de  culmine  dum  viveret  regie  maiestatis'. 

Andererseits  kann  man  enge  Beziehungen  zwischen  dem 
Picttim  und  Sambucus  in  den  Anfangspartien  n.ichweisen,  welche 
der  Codex  Acephalus  noch  nicht  enthält:    So  hat  z.  B. : 


448 


Pic.  S.  107:  ,Welle  filius  Chele',  und  Sam.  Bl.  3b:  ^veDe* 
—  Dagegen  die  anderen  Pos.  §.  G,  Dub.  §.  5,  Bud.  S.  14:  .fiele* 
und  Mag.  S.  5:  ,bola'. 

Pic.  S.  116:  ,Roalth',  Sam.  Bl.  7b:  ,roalt',  Mug.  S.  14:  ^- 
der'.  —  Dagegen  Pos.  S.  17:  ,Bealt',  Dub.  S.  18:  ,BcaIth'  (Bud. 
S.  26   hat   der   Herausgeber  Podliraczky   verbessert:    .Kealtb' 
nach  seiner  Bemerkung  S.  378   stand  aber   im   alten  Drui 
.Bealf). 

Pic.  S.  123:  ,Erdelw',  Sam.  Bl.  10b:  ,Erdelu',  Mag.  S.  II 
,Erdeleb'.  —  Dagegen  Pos.  §.  25:  ,Herdewel',  Dub.  S.  27: 
deel',  ebenso  Bud.  S.  37. 

Pic.  S.  123  und  Sam.  Bl.  10b:  ,Simburg'.  —  Dagegen  D 
§.  27:  .Sibenburg',  Bud.  S.  37:  ,Siebenburg',  Mug.  S.  19:  ,sib 
purgen'.    Pos.  §.  25  kürzt. 

Vor  Allem  ist  aber  noch  eine  wichtige  Paraliolstelle  lu 
beachten:  Wie  das  Pic.  S.  121,  so  weist  auch  Sam.  Bl.  10a  ün 
Schlusscapitel  der  Hunengeschichte  den  Satz  ,lluni  autem  apli- 
cuerunt  fluvio  Tiscie  et  de  Tiscia  egrcssi  quinto  anno.  A  proe 
lio  Zecesummaur  usque  regnum  Atyllc  efluxit  (annus)  unua^j 
Regnavit  autem  Atylla'  u.  s.  w.  Dieselbe  Stelle  hat  auch  MofH 
Cap.  10:  jDonoch  tzugen  die  Hewnen  vntz  an  dy  Tcyssc.  Dcr^^ 
kunig  Etzel  reichte  und  was  kunig'  u.  s.  w.  Acoph.  hat  leider 
noch  nicht  diese  Partien,  aber  es  ist  ganz  offenbar,  dass 
diese  Stelle  auch  hatte. 

Fassen  wir  nun  die  Ergebnisse  aus  den  Paralielstellcn 
sammen,  so  ergibt  sich: 

Am  nttchsten  steht  dem  Pictum  der  Codex  Acephalus, 
weil  er  mit  demselben  die  oben  S.  442ff.  bezeichneten  grösseren 
Stellen,  die  den  anderen  Redactionen  fehlen,  gemein  hat,  und 
weil  sich  beide  Codices  in  den  Lesarten  zumeist  viel  näher  stehen 
als  allen  anderen.  Hierzu  müssen  wir  nun  aber  hinzufii: 
dass  der  Codex  Acephalus  vieles  EigenthümUche  hat.  So  z 

Aceph.  Bl.  3a,  b:   ,rex    autem  laustu  superbie  inflatns  ae 
fiirore  maliciam,  quam  in  corde  gerobat  et  in  animo,  cum  tolo 
veneno  cffudit  in  patulo  ita  dicens  .  .  .'  —  Dagegen  Pic.  S.  1'^^ 
=  Sam.  Bl.  20a  =  Dub.  S.  51  =  Bud.  S.  77:  ,Rex  autem  fauiB 
superbie  infiatus  pestiferum  preconcepti  veneni  fetorem  in  pro- 
patulum  effudit  dicens. 

Aceph.  Bl.  30a  folgt  nach  ,terre  gremio  commendatur'  eia 
Capitel  ,De  archiepiscopo  Chanadino'  (vgl.  Florianus  H, 


ucr  ' 
idcr  I 
i  er    j 


»hen     I 


449 


das  sich  bei  allen  anderen  nicht  findet  (Pic.  S.  238,  Sam.  Bl.  47  a., 
Dub.  S.  laO  und  Bud.  8.211). 

Acoph.  Bl.  32a  folgen  nach  .percipcrct  portionera'  folgende 
Worte:  ,Unde  versus:  Vir  nimis  insanus  qui  regem  Feheianus 
perdere  temptavit,  quem  rex  iiirens  trueidavit',  welche  sonst 
fehlen  (Pic.  S.  241  =  Sam.  Bl.  47  b  =  Dab.  S.  122  =  Bud. 
S.  213). 

Aceph.  Bl.  34b  hat  endlich  auch  Über  Karls  Tod  und  die 
Nachfolge  Ludwigs  einen  selbstständigen  Schluss:  ,.  .  .  prepro- 
pere  obedivit.  Porro  sepedictus  rex'  u.  s.  w.  (vgl.  Fiorianus 
U,  S.  245). 

Aus  diesen  Eigenthümtiehkeiten  des  Codex  Acephalus  er- 
gibt sich,  dass  er  nicht  etwa  die  Vorlage  des  weiterentwickelten 
Pictums  sein  könne,  sondern,  dass  beide  aus  einer  gemeinsamen 
Uedaction  schöpften,  die  im  Schema  S.  452  und  463  mit  ,Z'  be- 
zeichnet wird. 

Sehr  nahe  verwandt  dem  Acephalus  und  Pictum  ist  fenier  der 
Codex  Sambucus;  man  vergleiche  darüber  besonders  die  oben 
S.  448  citirte  Stelle  ,iluni  autem  aplicuerunt  .  .  .'.  Doch  weist 
derselbe  noch  nicht  die  grösseren,  S.  442  ff.  angefllbrten  Stellen 
auf,  welche  Aceph.  und  Pic.  gemein  haben.  Es  ist  also  klar, 
dass  er  vom  Grandstocke  sich  ablöste,  bevor  noch  jene  Stellen 
in  demselben  interpohrt  wurden.  Dieser  Codex  steht  also  der 
Ungarngeschichte  in  der  ursprünglichen  Oeatalt  näher  als 
Aceph.  und  Pic;  daher  weist  er  auch  noch  die  Keza  ent- 
nommene und  noch  im  Pos.  ebenfalls  enthaltene  Einleitung 
zur  Hunengeschichte  ,Multifarie — pronior  erat'  auf,  während 
dies  dem  Pic.  fehlt.  Dass  der  Cod.  Sam.  gegentlber  dem 
Pos.  auch  das  ,Proheniium'  aus  Keza  hat,  ist  natürlich  nicht 
dahin  zu  erklären,  dass  er  ursprünglicher  als  das  Chron.  Pos. 
Bei;  es  lässt  sich  vielmehr  leicht  dadurch  erklären,  dass  das 
Chron.  Pos.  als  Auszug  das  ohnehin  nicht  mehr  passende,  an 
König  Ladislaus  gerichtete  Vorwort  ausliess,  wie  dies  auch 
eben  andere  Redactionen  gethan  haben.  Der  selbststäudige 
Schluss  des  Sam.  Bl.  50a:  ,.  .  .  prepropere  obedivit.  Anno 
domini  milleaimo  trecentesimo  .  .  .'  (vgl.  Fiorianus  III, 
S.  127,  Anm.  11)  deutet  darauf,  dass  diese  Redaction  nicht 
etwa  die  directe  Quelle  des  Aceph.  und  des  Pic.  ist. 

Den  drei  genannten  Redactionen  steht  endlich,  wie  wir 
sahen,  auch  Mugleu's   deutsche  Prosachrouik    nahe;  man 


450 


'  .Derselbe  kunig  Lasla  kom  an  die  stete  .  .  .  kayser  tou  kriechAn.* 

*  .Doaelba  hat  er  viel  tzoichen  ^tan,  als  uiu  die  muncb  amgen.'  Letatan 
Bemerkaug  deutet  auf  eine  miliidlicho  Q\ielle,  wie  schon  Enget  ifl 
Kovachich's  Sammlung  kleiner  noch  uugedrackter  Stücke,  8.  XXXII  an- 
nahm.  Die  der  citirten  Stelle  Torangehende  Erzählung  ttber  SaJomon 
als  BottelniSnch  und  seine  Beschenkung  durch  Ladislans  findet  »eb 
aber  nicht  nur  bei  Keza  S.  87,  sondern  auch  im  Chr.  Dnb.  S.  96,  wo  iM 
deutlich  als  Interpolation  zu  erkennen  ist  (vgl.  die  Bemerkungen  Flo- 
rians 111,  S.  96  Ober  den  Zustand  der  Handschrift).  Wie  et  scheint 
haben  alle  drei  diese  Nachrichten  unabhängig  von  einander  ana  der 
Ueberlieferung  übernommen. 

*  ,.  .  .  wan  er  (Ladislans)  ein  gemaynes  gut  wax  aller  der  wereld.'  Ueber 
die  Torangehenden  Nachrichten  vom  BOhmenauge  dieses  KOnigs.  tseintr 
Krankheit  u.  s.  w  vgl.  Studie  VII,  8.  489,  Anm.  3.  Die  Aosfaiining  dorV 
selbst  wird  dadurch  bestätigt,  dass  Aceph.  BI.  22a,  Sam.  Bl.  39a  ood 
Vat.  ^nach  dem  Ausweise  von  Lucios'  InicriptioDea  Dalmatic 


vergleiche  die  oben  S.  446ff.  citirUm  Stellen:  ,Martcin  und  Her 
man'  =  ,Martunherman,  Mortanliennan'  (Pic,  Acepli.  und  Sam.^; 
,redt  hoffcrtiglich'  =  ,verbum  superbie'  (Pic.  und  Aceph."):  das 
Fehlen  der  Uebersetzung  der  Stelle  ,Quorum  quidem  ...  Ar- 
bilis  est',  welche  auch  Pic,  Aceph.  und  Sara,  auslassen;  ,KeaI- 
der'  =  ,Realth,  realt'  (Pic.  und  Sam.);  ferner  die  Mittheilunp 
.Donoch  tzugen  die  Hewnen  vntz  an  dy  teysae'  =  ,Huni  autein 
aplicucrunt  .  .  .'  (Pic.  und  Sam.).  Alle  anderen  Erweitenuigen 
fehlen  ihm  aber  wie  dem  Cod.  Snra.  Wie  dieser,  so  weist  er 
auch  die  Einleitung  in  die  Hunengeschichte  auf,  freilich  om- 
gearbeitet.  Das  .Proemium'  hat  er  nicht.  Dass  Mug.  aber  eine 
der  Grundchronik  näher  stehende  Redaction  benutzte  als 
Cod.  Sam.,  geht  z.  B.  aus  einer  Nachricht  hervor,  die  er 
dem  Pos.  und  Dub.  (das  Bud.  hat  hier  gegenüber  dem  Dab. 
die  gemeinsame  Vorlage  gekürzt)  gemein  hat,  während  sie  dem 
Sam.  Bl.  46b,  Aceph.  Bl.  30a,  Pic.  Cap.  97  und  Mon.  §.  68 
fehlen.  Es  ist  dies  die  Notiz  zum  Jahre  131H:  ,Eodcm  anno 
rcx  liabuit  tiham  de  concubina  sua,  quam  acceperat  do  magna 
insiila  Donubii,  quem  appellavit  Colomannum,'  welche  sich  vor- 
lindet:  Pos.  §.  55,  Dub.  S.  119  und  Miig.  S.  90:  ,In  dem- 
selben iar  het  der  kunig  einen  sun  pey  seiner  ammen  and 
nante  den  Coloman  und  macht  in  pischoff  tzu  Rab.'  Der 
letztere  Theil  der  Nachricht  zählt  bereits  zu  den  Mug.  allein 
eigenthUmlichen  Stellen.  Zu  letzteren  gehören  z.  B.  auch  die 
Mittheilungen  am  Ende  des  44.  Capitels,  *  femer  die  Bemer 
kungen  am  Schlüsse  des  46.'  und  47.;'  dann  eine  Mittheilung 


451 

über  dict  Mordthat  des  Baukban  Cap.  60'  und  über  jene  des 
Felicianiis  Cap.  70;*  schliesslich  auch  die  bestimmte  Mittheilung 
Cap.  72,  dass  Herzog  Andreas,  der  Sohn  Karl  Roberts,  sich 
mit  Johanna  von  Sicilien  verniilhlt  liabe.  ^  Ueber  die  Ent- 
lehnungen Muglen's  aus  jener  Quelle  des  11.  Jahrhunderts, 
welche  auch  dem  Pictum  vorlag  (siehe  oben  S.  439),  wird  in 
der  folgenden  Studie  gehandelt. 

Die  Verwandtschaft  zwischen  den  genannten  Rcdactionon 
äussert  sich  schliesslich  noch  auch  in  dem  Umstände,  dass  sie 
an  derselben  Stelle  schliessen.  Das  Pic.  bricht  mitten  in  einem 
Satze  der  Schilderung  des  walachischen  Feldzuges  Karls  von 
Anjou  ab:  es  ist  unvollendet  geblieben.  Das  Mon.  schliesst 
ebenfalls  mit  diesem  Feldzuge,  weil  es  aus  dem  Pic.  floss. 
Sam.,  Aceph.  und  Mug.  gehen  noch  in  den  Schilderungen  des 
Zuges  Karls  nach  Italien  auf  eine  gemeinsame  Quelle  zurück 
(bis  zu  den  Worten  .prepropere  obedivit').  Mug.  bietet  weiter 
überhaupt  nichts;  Sam.  Bl.  50a  und  Aceph.  Bl.  34b  haben  noch 
Mittheilungen  über  den  Tod  Karls  und  die  Thronbesteigung 
Ludwigs;  aber  sie  sind  in  diesen  Nachrichten  von  einander 
unabhängig  (siehe  oben  S.  449).  Daraus  hegt  der  Schluss  nahe, 
dass  die  Chronikredaction,  welche  der  Gruppe  zu  Grunde  Hegt, 
bis  zu  dem  erwähnten  itahenischen  Zuge  (inclusive)  reichte, 
wozu  noch  die  weiter  unten  folgenden  Bemerkungen  über  den 
Cod.  Vat.  zu  vergleichen  sind. 

An  dieser  Stelle  müssen  wir  noch  Einiges  übor  die  latei- 
nische Reimchronik  mittheilen.  Diese  für  die  Geschichte 
weitlilose  Quelle  ist,  wie  Roethe  in  der  Zeitschrift  für 
deutsches  Alterthum  XXX,  S.  345fiF.  überzeugend  nachge- 
wiesen hat,  ein  Werk  Muglen's.  Zu  den  von  ihm  beigebrachten 


Diohta    von    diesen    der    Ladixlausle^ende    enUtammenden    Nachrichten 
haben.    Vgl.  Studie  VIII.  S.  300. 
'  ,.  .  .  do   slug  er   die    kiinigin    tzu   tode  und  nam  ir  belau  und  coloman 
Ton  den  arm  und  »prach:  meinen  erbherren  tun  ich  nicht.' 

•  ,(Felician)  waz  weyaes  rate«  und  der  kuuip  het  yn  lieb.  Derselb  viltzinii, 
do  der  kuni^riu  [iruder  .  .  .  mit  der  kunif^in  willen';  und:  .darnach  hiea 
die  kunigin  ...  an  das  virde  glid ' 

*  Von  sonstigen  Interpolationen  Muglen's  in  die  Chronik  sei  noch  anf  die 
aus  Hnrtwicli's  Stephanslogende  entnommene  Erzählung  über  die  Qe- 
gandtscbaft  um  die  Krone  (Cap.  IH)  hingen ie.^en.  Ueber  die  oben  be- 
handelten Interpolationen  Muglen's  hat  schon  Engel  a.  o.  a.  O.  ge- 
handelt; doch  sind  ihm  mancherlei  Kehler  unterlaufen. 


452 

Beweisen  mag  hier  noch  ein  schlagender  hinzugefügt  werdea. 
Nach  dem  Chi'on.  Pos.  §.  6  und  dem  Chron.  Bad.  S.  14  eifdgte 
der  Aufbruch  der  Hünen  aus  Skythien  anno  CCCXXVni;  uek 
dem  Chron.  Pic.  CCCLXXVm.  In  Muglen's  deutscher  Chronik 
lesen  wir  dag^en  im  Cap.  2:  ,Nach  Christas  gepurt  tauod 
iar  and  acht  und  tzwaintzig  iar  do  wart  der  Hewnen  Boviet  ii 
tzittia  .  .  .'  Und  ebenso  finden  wir  in  der  lateinischen  Bd» 
chronik  S.  7:  ,Anno  Christi  millesimo  octavoque  vicesimo  » 
tervas  Honi  convocant  .  .  .'  Daraus  wird  es  Töllig  klar,  daa 
beide  Werke  demselben  Verfasser  EUKUSchreiben  sind,  ü^rigea 
ist  es  auch  offenbar,  dass  Muglen  seine  Angabe  aas  der  m>- 
sprünglichen  Jahreszahl,  wie  sie  bei  Pos.  and  Bad.  stdtt 
(CCCXXVIII),  bekam,  indem  er  die  vielleicht  undeatüeh  ge- 
schriebenen ,CCC'  als  ,M'  las.  Auch  darin  steht  er  also  wie 
sonst  der  ursprtlnglichen  Form  der  Chronik  näher  als  das  Pic, 
und  zwar  gilt  dies  sowohl  bezüghch  der  deutschen,  als  aach 
der  lateinischen  Chronik.  Auch  sei  noch  bemerkt,  dass  Heim 
in  jüngster  Zeit  die  Abfassung  der  lateinischen  Chronik  in  die 
Jahre  1352/Ö3  verlegt  (Paul  und  Braune,  Beitrage  zur  Ge- 
schichte der  deutschen  Sprache  und  Literatur  XXI,  S.  243). 
Unrichtig  ist  seine  Bemerkung,  dass  die  Verwandtschaft  dieser 
Chronik  mit  derjenigen  vom  Jahre  1358  (dem  Pictum)  danos 
zu  erklären  sei,  dass  jene  dieser  vorlag.  Ebenso  falsch  die 
Behauptung,  dass  das  Pic.  ,die  directe  Vorlage  zu  Heinrieb 
deutscher  Ungamchronik'  sei,  und  daher  ist  auch  der  Schloss, 
die  deutsche  Chronik  müsse  nach  1358  angefertigt  worden  sein, 
falsch.  Helm  weiss  nichts  von  der  älteren  gemeinsamen  Vor- 
lage der  Chroniken.  Dass  Muglen  das  Pic.  nicht  schrieb,  geht 
aus  den  von  Roethe  und  mir  constatirten  Abweichungen  klar 
hervor.  Dieser  Gedanke  hat  also  durchaus  nicht  so  viel  an 
sich,  wie  Helm  anzunehmen  geneigt  ist. 

Aus  unseren  Bemerkungen  ergibt  sich  somit  für  die  näher« 
Anordnung  der  Gruppe  folgendes  Schema: 


Y  11»- 


Pic. — Mon. 


Mag.  Sam.  ^  Aceph. 

(deutsche  u.  lat. 
Chronik) 


453 


Unter  ,Y'  ist  eine  Redaction  verstanden,  die  vor  Allem 
bereits  im  letzten  Capitel  der  Hunengeschichte  die  Sätze  ,Hani 
autem  applicuerunt  flimio  Tiscie'  etc.  enthielt,  welche  das  ge- 
naeinsame  Merkmal  aller  Redactionen  dieser  Gruppe  ist  (beim 
Aceph.  kann  der  Passus  nicht  nachgewiesen  werden,  weil 
dessen  Anfang  fehlt;  doch  muss  dieser  Codex  ihn  auch  gehabt 
haben).  Utese  Redaction  schloss,  wie  oben  bemerkt  wurde, 
mit  der  Schilderung  des  itaHenischen  Zuges  Karls  (bis  ,.  .  . 
prepropere  obedivit').  Ueber  ihr  Verhältniss  zur  Qrundchronik 
werden  wir  im  Zusammenhange  mit  den  folgenden  Ausfllh- 
rungen  über  den  Codex  Vaticanus  handeln.  ,Z'  ist  jene  Re- 
daction, die  bereits  vor  Allem  die  dem  Aeepb.  und  Pic.  ge- 
meinsamen grösseren  Nachrichten  enthielt. 

d)  Codex   Vaticanus. 

Der  Codex  Vaticanus  steht,  wie  bereits  S.  438  ange- 
deutet wurde,  der  Grundlage  der  Gruppe  des  Pictum  sehr 
nahe.  Er  schliesst  nämlich  wie  alle  Redactionen  dieser  Gruppe 
mit  der  Schilderung  des  Zuges  Karls  nach  Italien  (bis  zu  den 
Worten  ,prepropere  obedivit'.  Vgl.  Florianus  IIl,  S.  127,  und 
Lucius,  Inscriptiones,  S.  91).  Dieser  Umstand  weist  zweifelloB 
darauf  hin,  dass  er  der  Gruppe  des  Pictura  nahe  steht.  Anderer- 
seits entbehrt  aber  die  Redaction  der  vaticanischen  Handschrift 
alle  weiteren  Eigenthümlichkeiten  jener  Gruppe.  Hieraus  allein 
ergibt  sich  schon,  dass  er  der  Grundchronik  näher  steht.  Nun 
könnte  man  annehmen,  er  sei  die  Quelle,  aus  welcher  die  von 
uns  in  den  vorhergebenden  Ausführungen  mit  ,Y'  bezeichnete 
Redaction  (die  Grundlage  der  Gruppe  des  Pictum)  floss.  Dies 
kann  nun  aber  schon  ans  dem  Grunde  nicht  der  Fall  sein, 
weil  z.  B.  das  Chr.  Vat.  in  der  Geschichte  Salomons  (vgl.  Flo- 
rianus ni,  S.  88,  Anm.  1)  den  Satz  ,ob  quam  causam  victus 
in  proelio  ob  tiraorem  ducum,  ibi  sc  recepit'  nicht  enthttlt, 
während  derselbe  sowohl  in  der  Gruppe  des  Bud.  (S.  150) 
und  Dub.  (S.  88),  als  in  jener  des  Pic.  (S.  18ß),  Aceph.  El.  19a 
and  Sam.  El.  35b  vorhanden  ist.  Es  kann  somit  nur  folgendes 
Verhältniss  stattfinden:  Das  Chr.  Vat.  und  ,Y'  gehen  auf  die- 
selbe bis  zum  Zuge  Karls  nach  Italien  reichende  Abzweigung 
der  Grundchronik  zurück.  Nennen  wir  dieselbe  ,X'  so  er- 
^bt  sich: 


464 


Grundchronik  •- 


1333 


Vat. 


Während  nun  ,Y'  bereits  Erweiterungen  aufweist  and  die 
folgenden  Redactionen  dieser  Gruppe  immer  weitere  Inter 
polationen  erfuhren,  hat  der  Cod.  Vat.  die  Form  der  bis  zum 
Zuge  Karls  nach  Italien  fortgeführten  Grundchronik  bis  auf 
unbedeutende  Aeuderungen  (vgl.  oben)  gewahrt.  Im  Ganzen 
und  Grossen  konnten  zwischen  dem  Vat.  und  der  bis  zum  oft 
erwjlhnten  Zuge  Karls  fortgeführten  Grundchronik  ,X'  nur  ge- 
ringe Unterschiede  vorhanden  sein.  Deshalb  steht  das  VaL 
auch  vielfach  den  noch  zu  behandelnden  Gruppen  des  Bud. 
und  Dub.  nahe,  welche  auf  der  directen  Fortentwicklung  der 
Grundchronik  über  jenen  Zug  hinaus  beruhen.  Man  vergleiche 
z.  B.  folgende  Fälle:  Das  Chr.  Pos.  berichtet  §.  49  Folgende«: 
,rex  a.  d.  MCCXC  feria  secunda  ante  festum  Beate  Mai^arete 
prope  castrum  Chyrusug  ab  ipsis  Cumanis,  videlicet  Arbaz 
Turtel  ac  aUis,  quibus  ipse  adheserat,  miserabiliter  est  inter 
emptus.  Nicolaum  fratrem  Aydua  dictum  üdem  lethabiliter 
vulneraverunt.'  Vergleichen  wir  nun  die  anderen  Chroniken,  so 
finden  wir,  dass  das  Chr.  Vat.  (Lucius,  Inscriptiones,  S.  90), 
das  Bad.  (S.  210)  und  Dub.  (S.  108)  diesen  Bericht  besonders 
im  zweiten  Theile  umgearbeitet  und  erweitert  haben.  Die  he- 
treÖenden  Stellen  stimmen  fast  würtUch  Uberein;  bemerken» 
werth  ist,  dass  der  Cod.  Vat.  die  dorn  Pos.  näher  stehende 
Namensform  Ayduce  aufweist,  während  in  Bud.  und  Dub.  die 
Form  Edue  erscheint.  Dagegen  hat  Mug.  S.  84,  8am.  Bl.  42b, 
Aceph.  Bl.  26a,  Pic.  S.  227  und  Mon.  §.  61  die  Stelle  in  über 
aus  gekürzter  Form,  was  klar  darauf  hindeutet,  dass  sie  einer 
seitwärts  liegenden  Gruppe  angehören.  Der  Bericht  lautet 
nämlich  bei  den  genannten  Chronisten  folgendermassen :  Mug. 
Cap.  63:  .Darnach  kurtzlich  wart  der  kunig  erslagen  pey  der 
purg  Zerezech  genant,  von  den  heyden.  In  desselben  kunig 
Lasla  Zeiten  .  .  .';    Sam.  Bl.  42  b:    ,post   in    brevi  tempore  rex 


465 

anno  domini  MCCXC  feria  secunda  proxima  ante  festum  sancte 
Margarete  virginis  prope  caatrum  Cyriszeg  ab  ipsis  Curaanis, 
quibuB  adheserat,  est  miserabiliter  interfectua.  Tempore  enim 
huius  regia  .  .  .';  Aceph.  26a  ebenso  (nur  ,beate  Margarete'); 
Pic.  Cap.  87:  ,Post  hec  in  brevi  ipse  rex  a.  d.  MCCXC-o  ferio 
aecunda  proxima  ante  festum  s.  Margaretlie  virginis  et  martyria 
prope  castrum  Kereszeg  ab  ipsia  Cumanis ;  quibus  adheserat,  est  mi- 
serabiliter interfectua.  Tempore . . .';  Mon.  §.  61 :  ,Po8t  hoc  est  mi- 
serabiliter a  Cumanis  interfectua  rex  ille.  Eius  enim  tempore  .  .  .' 
Aehnlich  ist  folgender  Fall:  Dub.  S.  127  und  Bud.  S.  251,  femer 
(nach  dem  Zeugnisse  von  Florianus  III,  S.  127,  Anm.  2)  auch 
Vat.  weisen  folgende  SteLe  auf:  ,.  ,  .  ut  iiiium  suum  per  vo- 
luntatem  summi  pontiiicis,  domini  scilicet  Joannis  XXII.,  et  ad 
instanciam  et  peticionem  inclitiesimi  regia  Roberti, 
regia  Sicilie,  regnique  eiusdem  coronaret  in  regem.'  Da- 
gegen heisst  es  bei  Sam.  Bi.  49b  und  Aceph.  Bl.  34a:  ,et  ad 
petitionem  regni  Sicilie  coronaret  in  regem.'  Bei  Mug. 
Cap.  72:  ,von  pete  des  volkea  .  .  .'.  Die  Kedactionen  Pic.  und 
Mon.  haben  die  Stelle  nicht  mehr. 

e)  Chronicon  Budense  und  Dubnicense.  Die  Chronik  des  Tkurocz. 

Wir  gelangen  achliesslich  zur  Betrachtung  der  Gruppe 
des  Chronicon  Budense  und  Dubnicense.  Zunächst  läsat 
sich  überzeugend  nachweisen,  dass  Bud.  und  Dub.  an  einer 
grossen  Anzahl  von  Stellen  einander  näher  stehen  als  einer  der 
anderen  Chroniken. 

Bud.  S.  23:  .omnes  contra  se  restantea,  quos  ibi  reperit'; 
Dub.  S.  11  ebenso.  —  Dagegen  Pos.  §.  14:  ,omne8,  quos  ibi 
reperit';  Pic.  S.  113  ebenso;  Sam.  BI.  6b  wie  Pos.;  Thurocz 
S.  68  frei  bearbeitet;  Aceph.,  Zag.  und  Var.  beginnen  erat 
später;  Mug.  8.  12:  ,sie  allzumal';  Reimchr.  S.  12  nicht  ver- 
gleichbar; Mon.  §.  6:  , omnes,  quoa  ibi  reperit', 

Bud.  S.  26:  jVeneti  quidem  non  accipiunt  originem  de  Sa- 
baria,  sed  de  Troia  civitate  opimatissima,  nam  Sabarie' 
etc.;  Dub.  §.  16  ebenso.  —  Dagegen  Pos.  §.  17:  ,Veneti  quidem 
non  accipiunt  originem  de  Sabaria,  ut  quidam  opinautur,  nam 
Sabariam  .  .  .':  Pic.  S.  116  (auch  Keza  S.  66)  imd  Sam.  Bl.  7  b 
ebenso.  Auch  Thurocz  S.  73  nennt  Troja  nicht.  Aceph.,  Var. 
und  Zag.  beginnen  erst  später.  Mug.  Cap.  8,  Reimchi".  S.  13, 
Mon.  §.  7  Hessen  die  Stelle  aus. 


Bad.  S.  27 f.:   ,et   dum  Atila   promissa   ce&sam   et 
imperialis    maiestatis   audivisRet   Romanonim  •  .  /;     Dab.  §.  l' 
ebenso.   —   Dagegen  Pos.  S.   18:    ,Et   dum    promissa    et  verl 
audisset  Romanonim  .  .  .';  Pic.  S.  117  und  8am.  BI.  Ha^  b  el 
so;  Thurocz  S.  75  frei  bearbeitet;    Aceph.,   Zag.   und  Var. 
ginnen    erst   später.     Mug.  Cap.  8   8.  15   sagt   nur:    .umb 
ewigen  tzins'.     Reimchr.  S.  13:  ,.  .  .  se  .  .  .  offerunt  cen: 
Mon.  §.  8  spricht  nur  von:  ,cenaum  Romanorum'. 

Rud.  iS.  31:  ,Hic  antem  in  Scitia  dum  venit,  uxorera 
ea  non  duxit,  sed  de  Corosmenia  traduxit  .  .  .';  Dnb.  §.  18 
ebenso.  —  Dagegen  Pos.  S.  20:  ,Hic  autom  in  Scitiam  adiendt 
uxorem  de  Scitia  non  accepit,  sed  traduxit  de  Corosmenia'j 
Pic.  S.  119:  ,Hic  autem  in  Scitiam  patemam  seilicet  sedeis 
adiendo,  uxorem  de  Scitia  non  accepit,  sed  traduxit  de  Co- 
rosmenia'; Sam.  Bl.  9b:  ,Hic  autem  in  Scithiam  paternam  soded 
adiendo  uxorem  de  Scithia  non  accepit,  traduxit  de  Corosme- 
nia.' Thurocz  S.  77  frei  bearbeitet,  doch:  ,Adita  igiliir  Scj^i»'. 
Aeeph.,  Zag.  und  Var.  beginnen  erst  spftter.  Mug.  Ubcrsetit 
frei.     Reimchr.  S.  16  und  Mon.  §.  9/10  lassen  aus. 

Bud.  S.  45:  ,omnia,  que  habuenmt,  amisserunt';  Dnb.  §.38 
ebenso.  —  Dagegen  Pos.  §.  29:  ,ut  omnia,  que  habobant,  ami*- 
serunt*;  Pic.  S.  128  und  Sam.  Bl.  12b  ebenso;  Thurocz  S.  86; 
,Nam  omnia,  que  habebant,  amisemnt.'  Aceph.  be^nnt  en( 
später.  Zag.  und  Var.  kürzen  hier  überaus.  Mag.  Cap.  IS 
und  Reimchr.  S.  20f.  lassen  sich  nicht  vergleichen.  Mon.  §.  Ift 
lässt  aus. 

Bud.  S.  65:  ,tocias  Trunsilvani  regni';  Dub.  §.  62  ebenso« 
—  Dagegen  Pos.  §.  34:  ,tocius  ultra  silvam  regni  .  -  .*;  Pioii 
Cap.  37,  Sam.  Bl.  17b  und  Thurocz  S.  95  ebenso.  Aceph.  be- 
ginnt erst  einige  Zeilen  später  mit  den  Worten:  ,regnum  illiii 
Hungarice  Erdelv,  quod  .  .  .';  Zag.  und  Var.  fehlt;  Mag.  S,  35: 
,in  sibcnpurgen';  Reimchr.  S.  37:  ,in  terra  Transilvania':  Mon. 
§.  25:  , partium  transilvanarum'. 

Bud.  S.  82:  ,Unde  beatus  Oerardus  canonica  severitatv'; 
Dub.  §.  54  ebenso.  —  Dagegen  Pos.  §.  38:  .Gerardus  cpisC'Opui 
Canadensis  canonica  severitate';  Pic.  S.  149  ebenso  (auch  KeM 
8.  81);  Sam.  Bl.  21b:  ,unde  beatus  Oherardus  Chanadiensis 
episcopuB  canonica  severitate';  Aoeph.  Bl.  4b:  ,ande  beatua 
Gerardus  Chanadiensis  episcopus  canonica  severitate';  Tburocs 
8.   102  ebenso.     Zag.  §.  5    und   Var.  §.  5   fehlt;    Mug.  S. 


457 


,pi8choff  von  schanaden,  der  hiess  Gerhart';  Reimchr.  S.  38  fehlt; 
Mon.  §.  32  auBgelassen. 

Bud.  S.  178:  ,Post  ipsum  autcm  regnavit  Colomannus,  filius 
regia  Geyse.  Ipse  enim  Belam,  tilium  Almus  ducis  .  .  .  exce- 
cavit';  Dub.  §.  114  ebenso.  —  Dagegen  Pos.  §.  44:  ,Po8t  ipsum 
regnavit  Colomanus,  filius  Geycha  regis,  in  cuius  tempori- 
bu8  mala  sunt  miilta  perpetrata.  Ipse  enim  Welam  filium' 
u.  s.  w.;  Pic.  S.  200:  ,Colomanus  itaque  filius  regis  Geyse  de 
Polonia  festinanter  rediit  et  coronatus  est  et  duci  Älmus  du- 
catum  plenarie  concessit.  In  uuius  etiam  temporibus  multa 
mala  sunt  perpetrata,  ut  inferius  patebit  .  .  .';  Thurocz  S.  135 
=  Pic.;  Sam.  Bl.  39a:  ,Post  ipsum  regnavit  Colomanus  tihus 
regia  Geyse,  in  cuius  temporibus  multa  mala  sunt  propterea  (!). 
Ipse  euim  Belam  .  .  .';  Vat.  (Lucius,  Inscriptiunes,  S.  88,  und 
FlorianuB  III,  S.  97,  Anm.  5)  ebenso,  doch  ,perpetrata*;  Aceph. 
BI.  22  a   wie   Sam.,    nur   dass   zwischen   , regis    Geyse'  und  ,in 

I  cuius  temporibus'  die  Sätze  ,lBte  Colomanus  episcopus  fuit'  bis 
,persülvebat'  eingeschoben  erscheinen;  auch  hat  Aceph.  das 
richtige  ,perpetrata'.  Zag.  §.11  und  Var.  §.11  fehlt.  Mug, 
Cap.  48:  ,Nach  sant  lasla  dem  kunig  wart  zu  kunig  koloman, 
kunig  geysan  sun,  derselb  waz  ungestalt  an  der  person  und 
■  waz  gar  lystig.  In  dez  Zeiten  wart  begangen  vit  possheit.' 
Reimchr.   reicht   nicht  mehr   in   diese  Partie.     Mon.  §.  48  wie 

tPic,  doch  Hess  es  die  Worte  ,In  cuius— perpetrata'  weg. 
Bud.  §.  197:  ,Cuius  corpus  Varadini  ad  pedes  sancti 
Ladizlai  requiescit';  Dub.  §.  122  ebenso,  knüpft  aber  daran 
aucl»  noch  die  aus  Pic.  (vgl.  unten)  entnommenen  Worte: 
, Cuius  corpus  in  monasterio  de  Egrus  fehciter  requiescit'.  — 
Dagegen  Pos.  §.  46  nur:  ,Cuiti8  corpus  in  monasterio  abbatum  de 
I^res  iuxta  fluvium  Moros  requiescit';  Pic.  S.  223:  , Cuius  corpus 
in  monasterio  Egrus  feUciter  requiescit*;  Sam.  Bl.  41a:  ,Cuiu8 
corpuB  in  monasterio  de  Egrus  feÜciter  requiescit';  Aceph.  Bl.  24b 
wie  Sam.  (,de  Egrus');  Thurocz  S- 149  ebenso;  Zag.  §.  19  und  Var. 
§.19:  jCuius  corpus  in  monasterio  suo  Egres  requiescit';  Mug. 
S.  82:  ,der  kunig  andreas  ligt  begraben  zu  weyssenburg  (?!)  im 
munster';  Mon.  §.  58:  ,8epelitur  in  monasterio  Egrus'. 

Bud.  S.  199:  ,Beia  rex  iuxta  fluvium  Sayo  preUans'; 
Dub.  §.  124  ebenso.  —  Dagegen  Pos.  §.  36:  ,Wela  res  iuxta 
flnuium  Seo  .  .  .  prelians';  Pic.  S.  224  ebenso;  Sam.  Bl.  41b: 
, iuxta  flumen  Seo';  Aceph.  Bl.  24b  und  Thurocz  S.  150  ebenso; 

ArckiT    UCIXVUI.  IM.  U.  UiUrU'.  30 


468 

Zag.  §.  20  und  Var.  §.  20  fdilt;  Mag.  Csp.  61:  ,pey  (Ur  iü^, 
Mon.  §.  59  fehlt 

Bad.  S.  249:  ,Qaorom  qoidem  müerafailem  evcnta» 
▼enea  et  aeaes,  domine  com  anoQlia  in  cmstro  Themei-fii; 
qaod  idem  rex  fondaaae  perhibetor,  deplanxeront;  et  earir 
bata  est  illo  die  et  hora  feliz  Pannoni».  ^ooh  dolar  ftufmA 
Ulis  amaritadinem,  cnioB  memoria  flebiÜB  est';  Didt.  &  II 
ebenso.  —  Dagegen  (Pos.  fehlt  berats)  Pio.  S.  843  tiitt  im 
Stelle,  ebenso  bei  Thnroca  S.  164,  bei  Sam.  BL  49a  aad  AetfL 
BL  33b.   Zag.  §.  24,  Var.  §.  24  and  Mog^.  S.  93  fehlt 

Aas  den  vorstehenden  Stellen,  die  leidit  ▼ennehit  mim 
könnten,  ergibt  sich  aar  Q«nttge,  daas  die  Chroniken  Bodow 
and  Dabnicense  eine  Grappe  bilden.  In  welchem  alhoa 
Verhfiltnisse  stehen  sie  nan  einerseits  onr  Ghrandchraiiik  ■! 
andererseits  za  einander? 

Was  zonächst  die  erste  Frage  anbelangt,  bo  iat  befduii 
der  Studie  VII  geltend  gemacht  worden,  cUas  die  dieacaCk» 
niken  gemeinsamen  Nachrichten  vom  Zage  Karla  nach  JbSm 
bis  an  seinem  Tode  (1342)  aaf  ceitgenOansoher  FortaeUamte 
Ghrandchronik  berohen.  Weiter  ab  bia  aam  eben  gansala 
Zeitpunkte  ist  die  Grandchronik  Uberhaupt  nickt  fwtg«Htt 
worden.  Aus  dieser  so  fortgesetzten  und  abgeachloaaenen  Qmir 
chronik  schöpfte  nun  zunächst  das  Budense  und  fbhite  St 
Darstellung  durch  Anschluss  der  Geschichte  Ludwigs  L  ym  J^ 
hann  von  Kikkulew  und  einiger  Notizen  Über  die  folgenden  Herr 
scher  bis  auf  Matthias.  Das  Dubniceose  erscheint  aber  deatlickali 
eine  Fortbildung  des  Budense,  und  zwar  wegen  der  Fortsetsnig 
der  Geschichte  Matthias',  wegen  der  in  Studie  VH  beiprocheM 
E^schiebung  der  Darstellung  des  Franziskaners  Johann  m 
der  Zeit  Ludwigs  I.  und  endlich  wegen  der  weiter  unteo  » 
erörternden  Verquickung  mit  dem  Chronicon  Pictom.  Dodi  itt 
hervorzuheben,  dass  das  Dubnicense  auf  dem  im  Jahre  14<3 
in  Ofen  von  Andreas  Hess  hergestellten  (von  Podhracky  1B38 
ebenda  erneuerten)  Drucke  nicht  beruhen  kann.  Es  gäiBS* 
z.  B.  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  Bud.  S.  241  weda 
die  Nachricht  über  Karls  natürlichen  Sohn  Coloman,  noch  jot 
ttber  den  Tod  des  Palatins  Matthäus  bringt,  welche  beide  das 
Dub.  S.  119  aufweist,  und  die  nach  dem  Aasweise  von  Pol 
§.  65  (enthält  beide),  Mag.  S.  90  (beide),  Pic.  Cap.  97  (die 
letztere),    Thurocz   Cap.  91   (die  letztere),   Sam.   BL  46b  (die 


469 


letztere),  Aceph.  Bl.  3üa  (die  letztere,*)  Mon.  §.  68  (die  letztere) 
sicher  in  der  Onindchronik  standen.*  Andererseits  kann  das 
Dub.  aus  dem  Bud.  auch  deshalb  nicht  geöosscn  sein,  weil  es 
nicht  die  offenbar  erst  von  Hess  eingesetzten  und  daher  nur 
dem  Budense  eigenen  Capitelüberschriften  mit  chronologischen 
Angaben  u.  dgl.  aufweist.  Wir  müssen  daher  annehmen,  dass 
der  Verfasser  des  Dub.  die  Handschrift  (L),  welche  Hess  vor- 
lag, oder  eine  ihr  sehr  nahe  stehende  benutzte.  Wir  dllrfen 
daher  etwa  folgendes  Verhältniss  annehmen: 

.Bad. 


Grundchronik 


1342 


■*L< 


^Dub. 


Es  erllbrigt  noch,  Einiges  llber  die  Redaction  Dub.,  femer 
über  das  Verhiiltniss  Thuroez'  zu  unserer  Gruppe  hinzuzufügen. 

Aus  den  vorangegangenen  Bemerkungen  ist  es  ganz  zweifel- 
los, dass  die  Dubniczer  Clironik  nicht  zur  Gruppe  Pic.  gehört; 
Vieles,  was  ebenfalls  daftir  spricht,  werden  wir  noch  weiter 
unten  kennen  lernen.  Wenn  somit  das  Chr.  Dub.  dennoch 
Manches  mit  dem  Pic.  gemein  hat,  so  ist  dies  daraus  zu  er- 
klären, daas  für  diese  gegen  das  Ende  des  lö.  Jahrhunderts 
geschriebene  Redaction  neben  der  auch  im  Bud.  erhaltenen 
noch  diejenige  des  Pic.  verwendet  wurde.  Aus  letzterer  hat 
der  Schreiber  allerlei  geschöpft,  das  ihm  genug  wichtig  er- 
schien, in  seinem  Codex  mitgetheilt  zu  werden.  So  hat  er  die 
Vorrede  ,Anno  domini  millesimo*  etc.  übernommen,  trotzdem 
die  in  derselben  enthaltene  Notiz,  ,ista  Cronica'  sei  13Ö8  zu 
schreiben  begonnen  worden,  wenig  für  den  Zeitpunkt  seiner 
Arbeit  passt.  Ebenso  hat  er  die  Einleitxuig  ,Por  me  reges'  dem 
Pic.  entlehnt.  Derselbe  Einfluss  zeigt  sich  in  den  Anfangs- 
capiteln  (man  vergleiche  z.  B.  den  Wortlaut  von  §.  1,  ferner 
die  Zeitbestimmung  am  Anfange  des  §.  5,  ebenso  den  Anfang 
von  §.  7  mit  den  betreflfenden  Stellen  Pic.  8.  102,  107  und  1 10). 


*  BemerkonHwertb  ist,  daas  Aceph.  ,comes  de  Trincbinio'  zaaetst,  was  dem 
,TOii  Treiitz'  bei  Mii^.  entspricht. 

*  Vat  hnt  wahnicheiulic)!   auch   beide  ätellen;  doch   kann  ich  dies  nicht 
mit  Sicherheit  constatiren,  weil  mir  dieser  Codex  nicht  Torlie^ 

30* 


460 

Dann  aber  zeigt  sich  die  entschiedene  Verwandtschaft  mit  Bii 
{jgl.  die  Zosammenstellimg  oben  S.  455  ff.).  EIrst  am  Ende  dir 
Honengeschichte  ist  wieder  das  Pic.  mehr  zu  Rathe  gewopa. 
Hier  erkennt  man  auch  an  der  Form  des  Gebotenen  die  Ter 
Schmelzung  zweier  Vorlagen.  Nachdem  Dub.  nanolich  übereis- 
stimmend  mit  dem  Bud.  berichtet  hat  (§.  24):  ^Regnavit  ulea 
Atila  annis  XLHU,  ducatum  tenoit  annis  quinque;  vixit  antat 
centum  et  viginti  quinque  annis',  setzt  es  hinzu:  ,Qnot  uuii 
Atila  regnavit  atque  vixit,  hie  prenotatur',  und  sodum  fiilgt 
die  aus  dem  Pic.  herrührende  Stelle:  ,Tradunt  qoidem,  qnoi 
Hungari  .  .  .  Huni  autem  applicuenmt  .  .  .  Mortuns  est  sota 
Atila  post  .  .  .  qui  tunc  Constantinopolim  morabator.'  Naek 
dem  allen  Chroniken  gemeinsamen,  von  Keza  herrfihrenda 
Uebergange  vom  ersten  Theile  zum  zweiten  (^Digestis  igitu^ 
duci')  entnimmt  es  wieder  die  Zeitbestimmung  (,Anno  ab  ine. . . . 
hoc  modoQ  dem  Pic,  worauf  sich  wieder  ein  interessanter  Fifl 
der  compilirenden  Thätigkeit  des  Schreiben  des  Chr.  Dnb. 
zeigt.  Seine  Vorlage  enthielt  nach  Ausweis  von  Pos.  §.  2i  md 
Bud.  S.  35  die  Nachricht,  Almus  sei  in  Mogor  geboren  yratia. 
Im  Pic.  S.  122  fand  er  die  Mittheilung,  dass  dies  ,in  Scytia'  p- 
schehen  sei.  Und  nun  schreibt  er:  ,EUeud  ...  in  Scitia  Magor 
genuit  fihum.'  Fortan  zeigt  sich  aber  wieder  der  völlig  tw- 
wiegende  Einfluss  der  mit  dem  Bud.  gemeinsamen  Vorlage  (v^ 
schon  die  Zeitbestimmung  am  Anfange  von  §.  26).  Zwar  hx 
der  Schreiber  noch  z.  B.  S.  103  neben  die  Nachricht,  dass  An- 
dreas .Varadini  ad  pedes  s.  Ladizlai  requiescit'  aus  dem  Pic 
(S.  223)  die  Notiz  ,Cuius  corpus  in  monasterio  de  Egrus  fet 
citer  requiescit'  gesetzt,  aber  von  allen  dem  Pic.  eigenthüm- 
lichen  Erweiterungen,  über  die  wir  gehandelt  haben,  enthih 
das  Dub.  nichts.  —  Ueber  die  sonstigen  Erweiterungen  und  die 
Fortsetzung  des  Dub.  sind  die  Bemerkungen  oben  S.  458  n 
vergleichen,  ferner  Studie  VII,  S.  505. 

Betreffs  des  Verhältnisses  der  Chronik  des  Thuroci 
zu  unseren  Chroniken  ist  Folgendes  zu  bemerken:  Wie  wir 
aus  den  oben  angeführten  Parallelstellen  ersehen,  weist  diese 
in  allen  verglichenen  Stellen  nicht  die  EigenthümUchkeiten 
des  Bud.  und  Dub.  auf.  Ein  weiterer  Vergleich  lehrt,  dass 
Thuroez  die  Redaction  des  Pic.  ausschrieb,  da  er  die  demselben 
eigenthümlichen  Stellen  aufweist.  Diese  übrigens  bereits  allge- 
mein bekannte  Thatsache  näher  durch  Belegstellen  zu  erörtern. 


461 


würde  wohl  Uberätissig  sein.  Interessant  ist  aber  der  Umstand, 
dass  Thurocz  offenbar  die  auch  uns  allein  bekannte  Wiener 
Handschrift  dieser  Redaction  vorlag.  Nur  so  weit  nHmlich  diese 
reiciit,  steht  Thurocz  den  Redactionen  des  Bud.  und  Dub.  fem; 
aus  diesem  Theile  sind  auch  alle  obigen  Citate  geschöpft.  Von 
den  letzten  Sätzen  der  Wiener  Handschrift  des  Pic.  angefangen, 
begegnen  wir  dagegen  in  Thurocz  alle  dem  Bud.  und  Dub. 
eigenthUmlichen  Lesarten,  so  dass  sich  Thurocz  hierin  also 
auch  von  den  der  Gruppe  des  Pic.  angohörigen  und  noch 
einige  Nachrichten  über  dieses  hinaus  bietenden  Cod.  Sam. 
und  Aceph.  entfernt.  Daraus  folgt  ganz  klar,  dass  Thurocz 
keine  andere  als  die  uns  bekannte  Wiener  Handschrift  des  Pic. 
benützt  hat,  denn  eine  zweite  hätte  doch  den  Text  nicht  ebenso 
mitten  in  der  Erzählung  abgebrochen  wie  die  gemalte  Wiener 
Handschrift;  ein  fortgesetzter  Text  der  Redaction  des  Pic.  hätte 
aber  wie  die  früheren  Theile  mit  den  verwandten  Redactionen 
des  Sam.  und  Aceph.  übereinstimmen  müssen.  Wir  lassen  hier 
die  betreffenden  Quellenstellen  folgen: 


Pic.  S.  244  f. 

Res  autem  cum 
i  eventu  venit 
n  Vysitegrad. 
rro    cum    Hungari 
tiuima  et  dnrinsi- 
la  prelia  nbique 
«ssent,    i.^tnd  ta- 
rn eis  accidit,  ne 
jpter    victoriarum 
iquenciam     8U}ier- 
rent,  vel  certe  po»t 
[terbiam  prei-eden- 
D  corripereutiir  ut 
umilitatem  disce- 
rent  et  docerent 


•tenus  (hier  bricht 
9  Pic  mitten  in 
r  Zeile  ab). 


Aceph.   Bl.  34  a.    — 
Sam.  Bl.  49  b. 

Rex  niitemcum 
tali  eventu  venit 
in  Vjrsagrad.  Por- 
ro  cum  Hungnri  for- 
ti.«9ima  et   durissima 
]>reUa  nbique  gesiris- 
Bont,  istud  eisdem  ac- 
cidit,  ne  propter  vic- 
toriarum freqnen- 
ciam  .luperbireot  vel 
certo  post  superbiam 
precodentem  eorri- 
perentnr,    ut  humili- 
tatem  discereiit  et 
docerent. 


quatenns 

divine  dilectioni« 

gratiam  per  pateme 

correcctoni«    flagella 

inpreHBius  mere- 

rentur,  quia 


Thurocz  S.  164  f. 

Rex  antom  cum 
tali  eventu  venit 
ad  Tumesvar,  et 
sine  mora  venit 
dainde  ad  Wysse- 
grad.  Porto  cum 
Ungari  fortissima 
et  durissima  proelia 

ubique  gessissent, 
igtad  eisdem  accidit, 
ne  propter  victoriam 
freijnentem    superbi- 
rent,   vel   certe   pont 
suporbiam  preceden- 
tem  corripereutur,  ut 
hnmilitatem  disoe- 
ront  et  docerent, 
quatenus    divine   di- 
lectionis  gratiam  per 
patornae  correctionis 

flagella  uberius 
merereDtur,qni.H  illos 


Bud.  8. 250  f.  =  Dub. 
8.   126  f. 

Rex  autem  cum 
tali  eventu  venit 
ad  Temes-Var  et 
sine  mora  venit 
deinde  ad  Vise- 
grad.  Porro  cum 
Hungari  fortissima 
et    durissima    prelia 

ubique  gessissent, 
istud   eis   accidit    ne 

propter  viutoriam 
frequentem   snperbi- 
rent,   vel   certe   post 
Buperbiam  preceden- 
tem  corriperentnr,  ut 
humilitatem  disce- 
reiit et  docerent, 
quateuuR    divine    di- 
lectionis  gratiam  per 
pateme    correctionis 

flagella  nberins 
mererentar,   quia  il- 
los 


462 


corri- 
pit  deuB  pater  qnos 
diligit  .  .  .  Anno  do- 
mini  MCCCXXXni 
egressiu  est  rex  de 
VyBa^kd  cum  An- 
drea filio  sno  pnero 
8ex  annomm  in  men- 
se  lalii  et  perrezit 
cnm  bona  comitiTa 
militum  per  Zaj^- 
biam  ultra  mare,  nt 
filinm  snnm  per  vo- 

Inntatem  summi 
pontificU  domini  sci- 
licet  lobannü  XXII 
et  ad  Petitionen! 
regni  Sicilie  co- 
ronaret  in  regem. 
In  cnios  regia  .  . . 


corrigit  deos  pater, 
qnos  diligit  ,  .  .  An- 
no domini  millesimo 
trecentesimo  triceä- 
mo  tertio  egressns 
est  rez  de  Wyssegrad 
cam  Andrea  filio  sno, 
pnero  sex  annomm 
in  mense  lolü  et 
perrexit  cum  bona 
comitiTa  militnm  per 

Zagrabiam  ultra 
mare  at  filinm  sanm 
per  volnntatem  sam- 
mi  pontificis,  domini 
scilicet  Johannis  vi- 
ceeimi secundi,  et  ad 
instantiam  et  pe- 
titionem  incly- 
tissimi  Boberti, 
regis  Siciliae,  re- 
gni  eiusdem  coro- 
naret    in    regem. 
In  cuina  regis  .  .  . 


corrigit 
Pater,    qnos 
.  .  .     Anno    i 
millesimo 
mo    tri( 
egressns  est  m 
VtsegradcoDAii 
filio  sno  pnan 
annomm    in  ■ 
lalü  et  peneiü 
bona  comitin  i 
tum   per  ZsgnUi 
altra  man  m 
snnm  per  Tolm 
summi  pontifiÄt 
mini   scilicet 
nis  (X)XXII  etil 
instantiam  «tfl 
titionen  inelitii 
simi  regt«  BoM 
ti  regis  Sicilicil 
gnique  eiaito 
coronaret  is  '' 
gem.  In  cniaNf 


Wie  wir  sehen,  wendet  sich  da,  wo  das  ihm  vorliegende 
Pic.  ihn  zu  verlassen  beginnt,  Thurocz  der  Redaction  des  Bud. 
zu.  Noch  wenige  Zeilen  früher  weist  er  —  man  vergleiche  die 
letzte  Parallelstelle  oben  S.  458  —  die  kürzere  Fassung  des 
Pic.  und  der  ihm  verwandten  Redactionen  auf.  Die  Be- 
nützung des  Bud.  oder  richtiger  der  ihm  zu  Grunde  liegen- 
den handschriftlichen  Redaction  reicht  bei  Thurocz  bis  «um 
Tode  des  Königs  Karl  Robert  (1342),  worauf  er  dann  die 
Schrift  des  Johannes  von  Kikkulew  über  Ludwig  anschliesst 
Man  vergleiche  darüber  die  Studie  VII,  S.  505  f. 


3.   ZuammenfoiBung  der  Ergebnisse, 
der  Chronik. 


Verfasser  und  Werth 


Die  Ergebnisse  unserer  Betrachtung  lassen  sich  somit 
folgendermassen  zusammenfassen.  Die  Zahlen  bedeuten  das 
Jahr,  bis  zu  welchem  beiläufig  die  Grundchronik  fortgeschritten 
war,  als  die  betreffende  Redaction  sich  ablöste: 


463 


[ll 


W' 


1301 


1328  (1330) 


1333 


1342 


W 


Chr.  Zigr.        Chr.  Var.       Chr.  Pob.     Cod.  Vat.  Y      Chr.  Bnd.        Chr.  Dub. 


Mug.  (deutsche  a.  lateinische  Chr.)  ■ 


Cod.  Sam. 


Cod.  Aceph.        Chr.  Pic. 


Chr.  Mon. 


Aus  unseren  Ausführungen  ging  auch  hervor,  dass  die 
Grundchronik  bereits  am  Anfange  des  14.  Jahrhunderts  bestand 
und  sodann  bis  1342  gleichzeitig  fortgeführt  wurde.  Das  Nä- 
here über  ihr  Entstehen  und  Über  die  Eigenart  der  einzelnen 
Redactionen  wolle  man  auf  den  vorangehenden  Seiten  nach- 
lesen. Es  sei  noch  hier  bemerkt,  dass  die  früheste  Erwähnung 
der  ungarischen  Chroniken  in  der  um  das  Jahr  1320  vollendeten 
Schrift  ,Vita  et  miracula  s.  Kyngae'  sich  findet.*  Hier  lesen 
wir  nämlich:  ,Legitur  in  cronicis  Ungarorum,  quod  Andreas 
accepta  uxore  .  .  .',  worauf  oft  wörtlich  Sätze  aus  unserer 
Chronik  über  die  Geschichte  Andreas'  II.  und  Belas  IV.  citirt 
werden.  Später  heisst  es  nochmals  ,prout  tradunt  dicte  chro- 
nice'.  Allenfalls  werden  in  diese  Mittheilungen  allerlei  Notizen 


1  Vgl.  K^trcyriski  in  Mon.  Pol.  hist.  IV,  S.  678f.  und  683f.    K$tnynski 
war  80  gUtig,  mich  besonders  darauf  aufmerksam  zu  machen. 


464 


eingcflocliten,  die  in  keiner  der  Clironikredactionen  stehen,  so 
z.  B.  der  Zusatz  bei  Belas  Todesdatum  ,8cxto  Cslendanun  <5cto- 
bris';  femer  die  näheren  Mittheilungen  über  die  Abstammung 
Marias,  der  Gemahlin  Belas  IV.;  endlich  die  ausführlichen  N«cb- 
richten  über  die  Kinder  Belas  IV.,  von  denen  sonst  das  Chr. 
Dub.'  nur  die  zwei  Söhne  Bela  und  Stephan  nennt.  TroU 
der  zum  Theile  abweichenden  Nachrichten  und  trotz  des  PIoj 
an  Mittheilungen, 'die  sich  sonst  in  den  ungarischen  Chronika 
nicht  finden  und  hier  zum  Theile  ausdrücklich  als  aus  diesen 
stammend  bezeichnet  werden,  wird  man  übrigens  nicht  an- 
nehmen müssen,  dass  dem  Verfasser  des  Heiligenlebens  eine 
besondere  Redaction  der  Chronik  vorgelegen  habe.  Es  ist  ja 
bekannt,  dass  mittelalterliche  Schriftsteller  zwischen  dem,  was 
sie  der  citirten  Quelle  wirklich  entnahmen,  und  eigenen  Zusfttseo 
nicht  genau  scheiden.*  So  hat  auch  unser  Legen denschreiber 
die  Nachricht  von  der  Gemahlin  Belas  IV.  .Maria  filia  impe- 
ratoris  Graccorum'  aus  der  Chronik  entnommen,  und  darauf 
bezieht  sich  die  Bemerkung  .prout  tradunt  dictc  Cronice';  da» 
aber  dieser  ,imporator  vero  ipse  de  stirpe  Neronis  cesaris,  im- 
peratrix  autem  de  genealogia  sancte  Catharine  virginis  et  mar- 
tiris  oximie'  waren,  sind  seine  eigenen  Zusätze.  Ebenso  könnte 
es  sich  in  den  anderen  Fällen  verhalten. 

Aus  unseren  Ausführungen  geht  auch  hervor,  dass  man 
von  einem  ,Verfasser'  der  Chronik  nicht  sprechen  kann.  Schon 
die  Grundchronik  ist  aus  verschiedenen  Bestandthcilcn  xa- 
sammcngcsetzt.  Man  kann  daher  auch  nicht,  wie  dies  noch 
Rademacher  that,  auf  die  Frage  eingehen,  ob  der  Verfa»ser 
der  ungarischen  Chronik  ein  Deutscher  wäre'  Völlig  vcrfchh 
ist  es  aber,  mit  Rademacher  aus  allen  Theilen  der  Chronik 
unterschiedslos  die  deutschen  Elemente  zusammenlesen  «u 
wollen.     Man  muss  wohl  zunächst  Alles  absondern,   was  schon 


'  S.  104:  ,et  genuorat  duos  filios,  scilicet  StephAnum  et  Bel&m,  fiai  bnaiu 
»ppoUatur.'    Kt'trzyAski  hat  nur  das  Pic.  zam  Vergleiche  herbeipttuc*». 

"  Mnn  vergleiche  x.  B.  die  Bemerkung  der  ungarischen  Chrnnilc  (Hoil 
S.  61):  ,Annn  Dom.  ine.  DCCCLX  nono,  quemadmodam  in  LeK*n& 
R.  Stephan!  regia  scriptum  est,  gennit  Stephnnum  .  .  .*,  vr&hr«nd  ia 
keiner  der  Stephanslegenden  das  Gebortsjahr  genamit  ist.  Vgl 
Studie  Vni,  8.  375. 

*  Die  ungarische  Chronik  als  Quelle  deutscher  0«8chielit»  { 
Domgjrmnasinms  eu  Memehurg   1887),  S.  16. 


465 


in  Keza's  Hiinengeschichte  steht  (vgl.  Studie  X).  Anderes  rührt 
schon  wahrscheinlich  aas  den  Oesta  vetera  her.  Dahin  mtisscn 
wir  vor  Allem  die  etymologisircnde  Nachricht  zilhlen,  dass  ein 
Schhichtort,  auf  welchem  die  Deutschen  arge  Verluste  erlitten 
hätten,  ,eorum  lingua  usque  hodie  Flovum  paiar  (verlorene 
Batern)  est  vocatus  et  Weznemut  nostra  lingua',  denn  dieselbe 
findet  sich  fast  gleichlautend  wie  bei  Keza  §.  26  (S.  82),  so 
auch  in  der  Chronik  (Bud.  S.  85).  Aber  auch  nach  der  Aus- 
scheidung der  Keza  allein  angehörenden  Stellen  und  ebenso  der 
etwa  den  Gesta  vetera  entnommenen  bleiben  noch  allerdings 
Kennzeichen,  dass  der  oder  die  Compilatoren  der  Nationalchronik 
des  Deutschen  kundig  waren.  So  setzt  z.  B.  erst  der  Schreiber 
der  Gnmdchronik  zu  Keza's  Nachricht  über  .Echulburc'  (§.  1 1 
S.  64)  hinzu  ,id  est  urbs  Atilae'  (Chr.  Pos.  §.  15  und  Clu-.  Bud. 
8.  24).  Auch  die  prftciscre  Erklärung  des  Namens  Strass- 
burgs  in  der  Chronik  (Pos.  §.  12  S.  12  und  Bud.  S.  20:  ,proptor 
viarum  plui-alitatem')  gegenüber  Keza  S.  63  gehört  hierher. 
Ebenso  Chr.  Bud.  S.  49,  Pic.  S.  131  (Pos.  S.  28  fehlt):  ,Poth 
fuit  apellatus,  quia  internuncius  erat'  gegenüber  Keza  §.  53,  wo 
von  dieser  Erklärung  des  Namens  nichts  steht.  Femer  Chr. 
Bud.  S.  37,  Pic.  S.  123  (Pos.  §.  25  fehlt):  ,.  .  .  terreis  castris 
Septem  preparatis  .  .  .  qua  propter  Teutonici  partem  iUam  ab 
Ulo  die  Siebenburg,  id  est;  Septem  castra  vocaverunt',  gegen- 
über Keza  §.  18.  Auch  auf  Chr.  Bud.  S.  87  =  Pic.  S.  151 : 
,Albam  venit,  que  teutonice  Weyzenburg  dicitur'  könnte 
verwiesen  werden,  doch  könnte  dieser  Zusatz  auch  von  einem 
des  Deutschen  Unkundigen  aus  der  entsprechenden  Stelle  der 
Annalea  Althahenses  anno  1044  (,Wizenburg  veniunt')  herüber- 
genommen sein.    Keza  hat  §.  27  hievon  noch  nichts. 

Schliesslich  ergibt  sich  auch  aus  den  vorhergehenden 
Ausführungen,  dass  der  Werth  der  Chronik  in  ihren  verschie- 
denen Theilen  auch  verschieden  ist.  Man  wird  sie  also  weder 
ganz  verwerfen,  noch  ihr  überall  folgen  dürfen;  sowohl  in  der 
einen   als  in  der  anderen    Richtung  ist  man  bisher  häufig  über 

I    die  richtige  Grenze  gegangen. '   Man  wird  sich  also  stets  fragen 
müssen,    welcher  Redaction   und   welcher  Partie   derselben  ge- 

,     hört  die  Nachricht  an.     Dabei  darf  man  nicht  vergessen,  dass 

I  '  Mtinche  bemerkenswerthe  Notix  bringt  Rademacher,   Die  uu^arinche 


466 

z.  B.  einzelne  Theile  selbst  in  den  erweitei 
hohem  Werthe  sind,  wie  z.  B.  die  Interpola 
und  Mug.  für  das  12.  Jahrhundert  gemeini 


xn. 


Kleinere  nngarlsehe  Geschieh tsqaelle 
Chroniken  Tcrwendet  wn 

Schon  in  Studie  VII  ist  bei  der  allgei 
der  ungarischen  Chroniken  darauf  hingen 
dieselben  iUr  die  Ungarngeschichte  nel 
und  den  bekannten  ungarischen  Legende 
kleinere  einheimische  Geschichtsqnellen 
Spuren  sich  eben  nur  in  diesen  Chronikei 
den  folgenden  Studien  ist  bei  verschiede 
diese  Qeschichtsaufzeichnungen  wieder  hin 
der  vorliegenden  Studie  soll  nun  über  dies 
hange  in  aller  Kürze  gehandelt  werden. 

Studie  VII,  S.  481—486,  ist  gezeigt 
ftlr  seine  magere  Darstellung  von  Rolom 
Zeitpunkte,  da  ihn  die  Qesta  vetera  im  Sti 
seinen  zeitgenössischen  König  Lad 
knappes  Königsverzeichniss  benutzt  h 
wenigstens  iUr  Bela  IL,  Stephan  III.,  Ladislai 
auch  die  Regierungsdauer.  Stephan  11.  un 
den  bei  Keza  gar  nicht  genannt,  und  zwar  ki 
S.  482,  gezeigt  wurde,  nicht  die  Schuld  ai 
fehlem  liegen.  Jedenfalls  war  die  Quelle 
Dass  derartige  Königsverzeichnisse  auch  s 
banden  waren,  ist  bekannt.  Man  erinner 
das  1210  niedergeschriebene  (Studie  V,  S. 

Ein  ausfuhrliches  Verzeichniss  ( 
Sterbejahre  der  Könige  lag  dem  Ve 
chronik  vor.  Aus  demselben  schöpfte  ei 
genaue  Angabe  des  Todesdatums  Ladii 
S.  171:  ,Migravit  autem  ad  dominum  a.  d. 
quinto,   quarto  Kai.  Augusti,   feria  prima') 


467 

das  erste  dieser  Art  in  der  Chronik  ist.  Ebenso  gehören  dem- 
selben die  weiteren  ähnlichen  Daten  für  die  ibigonden  Könige 
an  bis  ins   13.  Jahrhundert. 

An  dritter  Stelle  nennen  wir  jene  Quelle,  welche  die  ver- 
schiedenen Redactionen  der  Nationnlchronik,  also  auch  schon 
die  Orundredaction,  als  ,antiqui  libri  de  gestis  Hungaro- 
rum'  citiren.  An  einer  von  uns  bereits  in  Studie  VIII,  S.  284, 
als  Interpolation  in  den  Text  der  Gesta  vetera  erkannten  Stelle 
in  der  Geschichte  des  ersten  Heidenaufstandes  sagt  der  Chro- 
nist (Chr.  Bud.  S.  93)  nSmlich  unter  Anderem:  ,Est  autcni  scrip- 
tum in  antiquis  libris  de  gestis  Hungarorum,  quod  omnino  pro- 
hibitum  erat  Christianis,  oxorcm  ducere  de  consanguineis  Vata 
et  JanuB  .  .  .'  Diese  Naclu-icht  linden  wir  in  keiner  der  uns 
sonst  bekannten  ungarischen  Quellen;  dass  sie  nicht  den  Costa 
vetera  entstammt,  ist  augenscheinlich;  deshalb  hat  Keza  auch 
nichts  davon.  Nun  wird  aber  auch  an  einer  späteren  Stelle 
der  gerade  in  diesen  Partien  gegenüber  Keza  und  also  auch 
den  Gesta  vetera  an  Erweiterungen  so  reichen  Nationalcbronik 
(Bud.  S.  125)  über  ein  Ereigniss  berichtet,  das  mit  jenem 
Heidenfiihrer  Vata  zusammenhitngt.  Es  wird  niimlich  behauptet, 
dass  Salomon  und  sein  Bruder  David  deshalb  keine  Kinder 
hatten,  ,qma  quando  Andreas  primo  in  Uungariam  reversua  est 
cum  Leventhe  frntre  suo  propter  hoc,  f|uod  ipse  reguura  posset 
obtinere,  permisit  Vatham  proplianum  et  alios  pessimos  multo- 
rum  sanctorum  sanguinem  fundere'.  Der  Gedanke  liegt  sehr 
nahe,  dass  die  Ictztcitirte  Nachricht  aus  derselben  Quelle  her- 
rührt, aus  welcher  auch  die  erste  über  Vata  und  Janus  her- 
stammte, also  aus  den  ,Antiqui  libri'.  Dann  ist  es  aber  auch 
ebenso  folgerichtig,  wenn  wir  annehmen,  dass  auch  zahlreiche 
der  anderen  Erweiterungen  der  Nationalchronik  gegenüber 
Keza  und  den  Gesta  vetera  aus  den  Antiqui  libri  herrühren. 
Hiezu  kommt  noch,  dass  viele  dieser  Interpolationen  das  Ge- 
meinsame aufweisen,  dass  sie  Ereignisse  behandeln,  welche 
IJela  I.  und  seine  Nachkommen  betreflPen,  dass  sie  ferner  diesen 
geneigt  sich  zeigen,  dagegen  Andreas  und  seiner  Familie  feind- 
lich gesinnt  sind.  Im  Einzelnen  den  Bestand  der  Antiqui  libri 
de  Gestis  Hungarorum  festzustellen,  ist  schwer;  sie  sind  uns 
oben  mir  in  einer  Ableitung  erhalten.  Vermutlilich  aus  dieser 
verlorenen  Geschichtsquclle  herrührende  Nachrichten  sind  in 
Studie  VIII,  S.  283,  284,  292,  294  und   299   namhaft  gemacht 


46» 


worden.  Die  Berichte  dieser  Quelle  sclieinen  zum 
Theile  yerlttHÜch  gewesen  zu  sein.  Zieht  man  aotb  mtk  a 
Betracht,  daas  diese  Quelle  von  dem  Verfasser  der  Naäoul^ 
chronik  ansdrücklieh  als  ,alt'  (antiqui  libri)  bezeichnet  «H 
was  von  anderen  dtiiim  Quellen  nicht  hervorgehoben  wrti, 
so  wird  man  wohl  mit  Becht  annehmen,  dass  diesos  vw- 
lorene  Gl^eschiohtswerk  um  1100  entstanden  ist 

An  Tierter  Stelle  iet  jene  Gegchichtsquelle  dei 
12.  Jahrhunderts  anzoftthren,  welche  Mn^.  und  Pic.  selU 
ständig  und  von  einuider  unahbäng^ig  ausgeschrieben  hib«, 
wie  in  Studie  VII,  S.  488ff.  ausführlich  gezeigt  werden  \A 
Nähere  Anftkhmngen  über  diese  alte  und  werthvoUe  Qatllr 
werden  durch  die  ttberans  schlechte  Ausgabe  der  Cbmiü 
Muglen's  bei  Kovachich  sehr  erschwert.  Um  einen  Einblid 
in  die  Nachtiol^n  dieser  Quelle  zu  ermöglichen,  mQgeii 
Folgenden  jene  Notiaen  mis  Muglen's  Darütellung  und  dm 
Chr.  Pic.  znsunmengestellt  werden,  welche  diesen  zwei  EedJ^ 
tionen  oder  nur  Mug.  allein  eigen  sind  und  also  aus  der  sobü 
veriOTenen  Quelle  stuamen. 


Magien. 

Cap.  48:  derselb  (Kolo- 
man) waz  ungestalt  an  der 
person  und  waz  gar  lystig. 

Ebenda:  Wan  der  heilig 
kunig  Lasla  het  geschickt, 
daz  Almas,  Kolomans  prü- 
der, solt  nach  ym  kunig 
werden,  wann  er  west  wol, 
daz  er  nutz  wer  dem  reych. 
Do  entwaich  Almas  und 
Hess  yn  (sc.  Koloman)  ku- 
nig werden,  wan  er  der  el- 
dest  was. 

Ebenda:  Der  kunig  Co- 
loman  het  mit  seiner  ersten 

hawssfrawen  tzwen  sun: 

Lasla  und  Stephanum. 
Nach  Christus  gepurt  taus- 
sent  iar  und  in  dem  ein  und 


Pietum. 

S.  200:  Erat  namque  ba- 
bitu  corporis  coutemptibilis, 
sed  astuus  et  docilis. 

Ebenda:  Beatusautem  La- 
dizlaus  sie  ordinavit,  ut  post 
ipsum  Almus  regnaret,  qui 
sinccra  simpÜcitate  ductus 
honoravit  fratrem  suum  Co- 

lomanum,   preferendo  sibi 
coronaui  rcgni,  taaquam  cui 
iure  primogeniture  videbatur 
competere. 

S.  203:  Kex  autem  de 
prima  uxore  sua  genuit  La- 
dizlaum  et  Stephanum  anno 

domini  MCI  .  .  .  Anno   do- 
mini  M-o  C-o  VI-o  reversns 


le  ÖBdü* 
ftlfanag«* 

vn,  a  « 


469 


tiaten  iar  do  kam  Al- 
es kunigB  prüder,  zu 
inig,  wann  er  vor  ym 
n  waz.  Do  het  der 
willen,  yn  zu  vahen. 
ED  andernmal  do  floh 

Do  wart  er  aber  ver- 
ölt dem  kunig.  Dar- 
Jz  der  kunig  Coloman 
isheit  waz,  also  Hess 
prüder  Almum  vahen 
»Ines  prüder  aun  Be- 
id  Hess  ym  die  äugen 
hen,  daz  er  der  ku- 
Bn  ere  nicht  wirdig 
Daz  räch  die  hym- 
•ewalt  swerlich,  wan 
.nig  viel  in  ein  siech- 
u-nach  und  starb  und 
graben   zu  waradein. 

49:  Der  Inhalt  dieses 
littes  rührt  ganz  aus 
eile  des  12.  Jahrhun- 
her.  Mug.  entnahm 
Iben:  die  Erhebung 
Ds  n.    zum    Könige; 


krakterzeichnung  des- 
,derselb  kunig  waz 
lohen  hertzen.* 
siegi-eichen  Kilmpfe 
en  und  Griechen,  die 
der  Nachbarn  vor 
»treithaften  Könige, 
He  sagenhaften  Züge. 


est  dux  Almus  de  Patavia, 
qui    propter    regis    timorem 

illuc  fugierat  ...  S.  204: 
Rex  autem  iratus  voluit  ca- 
pere  eum  .  .  .  Dux  autem 
.  .  .  fugit  iterum  ad  Patavos 
.  .  .  S.  205 :  Post  hoc  rex  re- 
duxit  ducem  Almum  ad  pa- 
cem.  Confirmata  autem  pace, 

tandem  rex  cepit  ducem  et 

filium  eiuB  Belam  infantulum 
et   obcecavit  eos  .  .  .    Post 


hec  autem  rex  cepit  egro- 
tare  graviter  .  .  .  (S.  207: 
Ouiuä  corpus  Albe  quiescit.) 


Das  Pic.  S.  207  erzählt 
diese  im  Anschlüsse  an  die 
Ei-weiterungen,  die  sich  in 
der  ihm  und  dem  Aceph. 
vorliegenden  Redaction  der 
Nationalchronik  finden. 

Ebenda:  Sed  Spiritus  eins 
in  manibus  eius. 

erzählt  diese  (S.  207  und 
210)  in  Ucbereinstimmung 
mit  Aceph.  breit  und  mit 
anekdotenhaften  Zligen. 


Dms  Chr.  Pic. 
hat  dir^  Darstel- 
lung (Ibi'rauB  er- 
weitert. Die  an- 
deren Chroniken 
Ilaben  niclit«  da- 
von. 


Wie  das  Pic. 
nennen  aiivU  die 
anderen  Redau- 
tionen Alba  als 
Grabstätte. 


Vgl.  die  Paral- 
lelatellen  oben, 
S.  444. 


Diesen  Cha- 
rakterzug betont 
das  Aceph.  nicht. 

Vgl.  die  Paral- 
leUtelleu  oben, 
8.  444. 


470 


In  den  tzeiten  tet  der 
keyser  von  kriechen  den 
ungern  grossen  schaden  (ge- 
walt)  und  slug  ir  vil  zu  tode. 

Vorliebe  des  Königs  für 
,die  heyden  und  die  tatter*. 
Die  Niederlage  derselben 
durch  die  Griechen,  die  ge- 
wiss in  der  Quelle  stand,  ist 
mit  jener  der  Ungarn  zu 
einer  gemacht,  daher  die 
Verwirrung  bei  Mug.,  welche 
nur  durch  die  Hinzuziehung 
des  Pic.  gelöst  werden  kann. 
Krankheit  des  Königs.  Be- 
drängung der  Heiden  (Ku- 
manen)  durch  die  Ungarn. 
Drohungen  des  Königs,  seine 
Schützlinge  zu  rächen.  Sein 
Tod. 

Cap.  50:  Derselb  kunig 
Bela(jd)  vermayd  alle  poss- 
heit  und  naiget  sich  zu  red- 
licher Sache  tzu  allen  stun- 
den. Und  seit  er  got  liep 
het  in  seinem  hertzen,  so 
gab  ym  got  gelucke  in  allen 
dingen  und  satzt  sein  sun 
auf  den  stul  seines  vaters. 
Derselb  kunig  Bela  slug  Be- 
linum,  den  kunig  von  Polan, 
umb  mit  allem  seinem  beer. 
In  des  kuniges  Zeiten  waz 
ungerlant  in  fi-ied  und  in 
gnad. 


S.    210  f. 
Niederkge 
lieh. 


erzählt     diese 
sehr     ausfUhr- 


S.  212:  Res  autem  Ste- 
phanus  diligebat  Kunos  tunc 
temporis  plus  quam  deceret 
Quorum  dux  nomine  Ta- 
tar, qui  a  cede  imperatoris 
cum  paucis  ad  regem  fiige- 
rat  u.  8.  w.  wie  Mug. 


Fehlt.  Da  Pic.  S.  216  über 
den  König  auch  Ungünstiges 
zu  berichten  weiss,  so  hat  er 
wohl  diese  Nachrichten  nicht 
aufgenommen. 


Pic.  S.  214f.  erzählt  diese 
Kämpfe  sehr  ausführlich  (vgl. 
Studie  VII,  S.  497). 

S.  216:  Postquam  autem 
regnum  confirmatum  esset 
in  manu  regis  Bele  .  .  . 


Aeept 
TOD  and ' 
g«ndeii 
mehr. 

Um 

chebian 
dieVn,  I 

Der  Ta 
Pic.  ist  i 

gemeiM 

baaur.  '. 

QneDel 
noch  lud 
Tatareo 
du  ,TiUI 

Mni;.  «■ 
irrig  aa*^ 
tar*. 


Mag. 
nochms 
Schlaue 
piteU  li 
Bemerk 
aber  dM 

.denell) 
wax  gai 
and  s8i 
reicht  a; 
.  .  .'  D 
spricht  • 
dieser  S 
der  Kati< 
nik  (Bni 

Stehen< 

foit  pii 
Pic.  ha 

Bemei 
nicht,  i 
Mitgethe 
gibt  sich 

interpo 
Thttigka 


471 


[Sap.  öl :  Der  Inhalt  dieses 
ptels  ist  wieder  ganz  der 
teOe  des  12.  Jahrhunderts 
tnommen : 

rhronbesteigung  und  Lob- 
üsung    des    Königs   Gei- 

n. 

Kampf  mit  Heinrich  II. 
D  Oesterreich. 


Zug  der  Kreuzfahrer 
rch  Ungarn. 

Bericht  Über  zwei  Zttge 
eh  Oalizien. 


Z!ap. 


52 :      Ausfuhrliche 
«bilderang  der  Kämpfe 
isas  II.  mit  den  Griechen. 


Pic.  S.  816. 


S.  217  f.  erweitert  und  ver- 
derbt (vgl.  dazu  Studie  VII, 
S.  497 f.;  ferner  ,Beleban' 
statt  ,Boleslau'  [Polislau]). 

S.  218f.  erweitert. 

S.  220  doch  weniger  klar 
als  bei  Mug. 


Diese  Nachrichten  ebenso 
wie  alle  folgenden  hat  Pic. 
nicht  mehr. 

Fehlt. 
Fehlt. 


Hiezu  sind  die 
Correcturen  Stu- 
die VII,  8.  494, 
Änm.  1,  zu  be- 
achten. 


[d  des  kuniges  tzeiten  waz 
igerland  in  grossen  frid. 
Dap.  53,  54  und  55  aus- 
nhrliche  und  werthvoDe 
hilderung  der  folgenden 
ironstreitigkeiten  bis  zum 
de  Stephans  UI.  (1172 
er  1173). 

Mit  den  Nachrichten  Über  die  Züge  nach  Galizien  hat 
unsere  Quelle  in  der  kürzeren  Gestalt  geschlossen;  Muglen  lag 
bereits  die  bis  1172/73  erweiterte  Redaction  vor,  worüber 
Studie  VII,  S.  493  f.  zu  vergleichen  ist.  Nachdem  diese  Quelle 
versiegt  ist,  bietet  Muglen  weiter  nur  wieder  den  gemeinen 
Text  der  Nationalchronik.  Entstanden  dürfte  unsere 
Quelle  bereits  um  1175  sein,  worüber  Studie  VII,  S.  494 ff. 


len's;  2.  dan  sei- 
ne Chronik  nicht 
aus  dem  Pic.  floss. 


Hier  schloss 
die  dem  Pic.  vor- 
gelegene  kttrzere 
Redaction.     Vc^l. 

Studie  VII,  8. 
493  f. 

Von    hier   be- 
ginnt   die    fort- 
gesetzte Redac- 
tion, die  Mug. 
vorlag. 


472 


zu  vergleichen  ist.  Schliesslich  sei  bemerkt,  dass 
wohl  eine  zusammenhängende  Geschichte  von  Eoi«- 
man  his  Stephan  IQ.  hot.  Da  die  Daten  Über  Throobestdgoig, 
Regierungszeit,  Beerdig'ungsorte  in  ihr  und  der  Nationalcluvii 
sonst  wenig  abwichen,  so  ist  in  dieser  Beziehiing  eine  Scheidmg 
zwischen  den  beiden  Vorlagen  Muglen's  und  des  Pictiun  schwierif. 
Äusser  den  vier  bereits  genannten  Quellen  sind  m  vk 
garischen  Schriftwerken,  welche  in  die  Chronik  oder  einf^M 
Redactionen  derselben  Auftiahme  fanden,  noch  zu  nennen:  dw 
Werk  Johanns  von  Kikkulew,  des  geheimen  Notars  KJnif 
Ludwigs,  in  welchem  er  die  Geschichte  dieses  Königs  be- 
schreibt, und  das  Hir  diesen  Zeitraum  vom  Chronicon  BudesM« 
Dubnicense  und  von  Thuroez  ausgeschrieben  wurde.  Fem« 
die  Aufzeichnung  des  Franziskaners  Johannes  im 
Geschichte  Ludwigs  in  den  Jahren  1345 — 1355,  w«lck 
das  Chronicon  Duhnicenae  in  den  Context  der  eben  genanstei 
Darstellung  von  Kikkulew  eingeschoben  hat.  Endlich  hat  QOci 
Thuroez  bei  seiner  von  Ludwigs  Tod  an  selbstständig  bk  Mtt 
thias  fortgeführten  Chronik  einige  Quollen  benutzt,  die  er  &acl 
näher  bezeichnet.  Auf  diese  bekannten  und  verhältnisstaia^ 
recht  klaren  Dinge  braucht  hier  nicht  eingegangen  zu  werdtn. 


KLESL'S  BRIEFE 

AN 

K.  RUDOLFS  n.  OBERSTHOFMEISTER 
ADAM  FREfflERRN  VON  DIETRICHSTEIN 

(1583—1589). 

EIN  BIITRAG  ZDB  GKSCBICBTK  ILKSL'S  UND  DIB  QKOKinurORIiTION 
m  »KDBKÖSTKBBIICB. 

VON 

D''  VICTOR  BIBL. 


AnhiT.  LXXIVm.  Bd.  H.  HUfto.  Sl 


Einleitung. 


Die  Actenbestände  des  Münchner  allgemeinen  Reichs- 
archives  (Oeaterreichische  Keligions-  und  (Jorrcspondenzaeten, 
Tom.  VII,  XI,  XII  Orig.)  und  des  Wiener  Haus  .  Hof-  und  Staats- 
archives  (Oesterroichische  Acten,  N.-Oe.  Fase.  8  Orig.)  ermög- 
lichen es  uns,  die  Anfänge  der  katholischen  Gegenreformation 
in  Niederösterreich  grösstentheils  aus  dem  Munde  des  gewaltigen 
Führers  derselben,  Melchior  Klesl,  selbst  zu  vernehmen,  indem 
dort  aus  der  Zeit  von  lö8U — 15iS9  zwei  Correspondenzen  von 
ihm  erhalten  sind:  die  eine  mit  dem  Herzog  von  Baiern 
Wilhelm  V.  dem  Frommen,  von  1580 — 1582,'  und  die  andere 
—  von  der  hier  die  Rede  sein  soll  —  mit  dem  glaubenseifrigen 
ObersthofmeisterKaiser  Rudolfs  II.,  Adam  Freiherrn  von  Dietrich- 
stein,* von  158.3  —  1589;  durch  sie,  in  Verbindung  mit  den 
gleichzeitigen,  an  den  bairisehen  Hof  gerichteten  Berichten  des 
Wiener  Professors  und  Kcichshofrathes  Dr.  Georg  Eder,  erhalten 
wir  nämlich  wichtige  Aufechlfisse  über  die  religiös-politischen 
Vorgänge  in  diesem  Lande  und  das  allmiihlicbe  siegreiche  Vor- 
dringen der  katholischen  Restauration.  Als  Klesl  im  ÖpÄt- 
berbste   1583  die  Correspondenz  mit  Dietriclistein  begann,    mit 


*  V^l.  meine  Arbeit:  Klesl»  Briefe  an  Henog  Wilhelm  V.  von  Baiero 
(1580 — 1582).  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Gegenreformation  in 
NiederQaterreiub  unter  Kaiser  Hudulf  II.,  MittbeiliiiiKen  äea  Instituts  für 
OsterreicbiscLe  Geschicbtsforscbuiig  XXi,  19U0  (im  ErBcheinon  begriffen). 
Ueber  Klesl  vgl.  den  Artikel  von  Ritter  in  der  Allgemeiueii  deutschen 
Biographie  XVI,  1882,  8.  107  f.   (s.  dort  weitere  Ldteratur). 

*  Vgl.  über  ihn  (f  1590)  den  Aufsatz  von  Zeissberg  in  der  Allgemeinen 
deatschen  Biographie  V,  1877,  S.  197;  Stieve,  Briefe  deH  Keichshufratiies 
Dr.  G.  Eder  etc.,  Mittheilungen  des  Instituts  fUr  (Saterreichische  Geschicbts- 
forscbung  VI,  1886,  S.  441;  HAnsen.  Muntiatnrberiobte  ans  Deutschland 
m,  Abth.  U,  S.  171. 


L 


81* 


476 

dem  er  wohl  bei  der  längeren  Anwesenheit  des  kaiserlichen 
Hofes  in  Wien  (December  1581  bis  October  1583)  bekannt 
und  vertraut  geworden  war  —  er  nennt  sich  auch  dessen 
Caplan  —  hatte  er  trotz  der  kurzen  Zeit  seiner  Wirksamkeit 
als  Dompropst  in  Wien  (seit  4.  September  1579)  und  Genenl- 
vicar  des  Bischofs  von  Passau  fiir  Niederösterreich  (seit  2.  Februar 
1580)  bereits  die  Bewunderung  der  katholischen  Welt  und  die 
Aufmerksamkeit  des  Hofes  auf  sich  gelenkt.  Das  Wandermittel, 
durch  das  er  seine  bisherigen  glänzenden  Erfolge  errang,  be- 
stand darin,  dass  er,  von  dem  reformatorischen  Zeitgeiste  be- 
seelt, bevor  er  den  Kampf  mit  dem  in  Oesterreich  weit  vor- 
gedrungenen und  dem  Katholicismus  weniger  an  Zahl,  als  an 
Macht  und  geistigem  Ansehen  überlegenen  Glegner  aufnahm 
und  zur  Ofltensive  schritt,  die  Schäden  seiner  Kirche  an  der 
Wurzel  erfasste  und  zunächst  mit  i-astlosem  Eifer  für  einen 
ttlchtigen  Clerus  sorgte,  um  so  wenigstens  dem  weiteren  Ab- 
falle von  ihr  zu  begegnen  und  ihre  sittliche  Kraft  zn  heben. 
Wenn  es  auch  bei  dem  Antritte  seines  verantwortongsvc^en 
Amtes  unter  den  ihm  unterstehenden  900  Geistlichen  etwas 
mehr  als  bloss  fünf  gut  katholische,  wie  er  ihre  Zahl  angibt, 
gewesen  sein  dürften,  so  war  immerhin  der  Zustand  der  Seel- 
sorge, besonders  auf  dem  Lande,  ein  trostloser.  Vor  allem 
waren  es  die  Prälaten  selbst,  welche  sich  sehr  wenig  um  ihren 
geistlichen  Stand  kümmerten  und  mit  einer  staunenswerten 
Indolenz  ruhig  dem  Verfalle  ihrer  Kirche  zusahen.  Auf  ae 
war  er  auch  nicht  günstig  zn  sprechen.  ,Interim  nehmen  ihnen 
die  Prälaten'  —  äusserte  er  sich  einmal  —  ,Tag  und  Nacht 
gute  Mädl,  desgleichen  thnn  auch  die  unreformierten  Priester, 
so  sich  in  allerlei  Leichtfertigkeit  Tag  und  Nacht  legen  .  .  ., 
also  wann  Gott  nicht  Ursach  hätte  zu  zürnen,  so  geben  ihm 
doch  wir  Geistliche  selbst  genugsam  Ursachen.  Noch  will  man 
dergleichen  gottlose  Priester  erst  fragen,  ob  man  zu  ihrer  Re- 
formation ein  Seminarium  soll  aufrichten  oder  nicht.*  Dieses 
Priesterseminar,  das  er  bei  dem  grossen  Mangel  an  Seelsorgern 
überhaupt  —  gar  nicht  zu  reden  von  sittlich  tadellosen  und 
wissenschaftlich  gebildeten  —  als  dringende  Nothwendigkeit 
erkannte,  bereitet  ihm  viele  Sorgen.  Seit  dem  Jahre  1580 
bemüht  er  sich  unausgesetzt,  seinen  Bischof  und  den  kaiser- 
lichen Hof  für  diesen  Plan  zu  gewinnen;  mehrmals  erschien 
auch   von   dieser  Seite  die  Verwirklichung  ganz   nahegerUckt, 


477 


doch  immer  wieder  wurde  sie  hinausj^esL-hobcn,  und  erst  im 
Jahre  1595  kam  ein  bischöflich  passaiiisches  AUuunat  ziistaude. 
Uebcrhaupt  werden  ihm  boi  seinen  auf  die  Hebung  der  katho- 
lischen Kirche  abzielenden  Bestrebungen  von  Seite  der  Katho- 
liken selbst  fast  ebenso  viele  Schwierigkeiten  bereitet  wie  von 
Seite  der  Protestanten-  bald  sind  es  die  ,geistlosen  Räthe',  wie 
er  den  Klosterrath  bezeichnet,  mit  dem  er  beständig  in  Conflict 
lebt,  bald  exemte  Stifter  und  Orden,  die  sich  über  seine  Ein- 
griffe in  ihre  Jurisdiction  beschweren.  Erst  im  Jahre  1584 
gewinnt  er  freie  Hand,  als  er  durch  den  päpstlichen  Nuntius 
in  Prag  Vollmacht  zur  Visitation  der  gesammten  Welt-  und 
Ordensgeistiichkeit  (mit  alleiniger  Ausnahme  der  Bischöfe)  erhielt. 
Inzwischen  hatte  er  auch  bereits  nach  den  landesfürst- 
lichen Städten  und  Märkten,  welche  durchgehends  protestan- 
tisch gesinnt  waren,  seine  , katholischen  Netze'  ausgeworfen. 
Im  Juli  1582  war  er  an  der  Spitze  einer  landesfürstlichen  Com- 
mission  in  Stein  erschienen,  hatte  dort  einen  katholischen  Pfarrer 
eingesetzt  und  trotz  des  Widerstandes  der  Bürgerschaft  von 
der  Spitidskirche  imd  der  Kirche  auf  dem  Berge  Besitz  ge- 
nommen. Damals  dachte  er  auch  schon  an  die  Rückgewinnung 
der  benachbarten  .Kotzergrube'  Krems,  die  er  nun  im  Früh- 
jahre 1584  wirklich  in  Angriff  nahm  (vgl.  Nr.  VIIH.  l>as  Mittel, 
das  Klesl  hier  anscheinend  zum  crstenmale  anwandte,  war 
äusserst  wirksam.  Bevor  sich  die  Commission  hinausbegab, 
wurden  einige  der  angesehensten  Bürger  von  dort  unter  irgend- 
einem Verwände  nach  Wien  citiert  und  mittlerweile  festgehalten; 
kam  es  nun  dort  zu  Gewaltthätigkeiten,  konnte  man  der  Menge 
drohen,  dass  es  ihre  Mitbürger  entgelten  müssten.  Freilich  war 
mit  der  Einsetzung  eines  katholischen  Pfarrers  in  Krems  und 
Stein  und  der  Vertreibung  der  dortigen  Prädicanten  die  Macht 
des  Protestantismus  in  diesen  Städten  noch  nicht  gebrochen; 
noch  im  Jahre  1588,  als  schon  fast  alle  Städte  dieses  Landes 
dem  alten  Glauben  wiedergewonnen  waren,  und  Klcsl  über 
seinen  dorthin  unternommenen  Siegeszug  berichten  konnte, 
musste  er  neben  St.  Polten,  Ybbs  und  Baden  auch  diese  beiden 
Städte  ausnehmen.  Hier  sollte  durch  ein  anderes  Mittel  allmählich 
Wandel  geschaffen  werden.  Schon  in  dem  zu  Ende  des  Jahres 
1577  von  der  Regierung  festgesetzten,  von  Baiern  stark  beein- 
flassten  Restaurationsprogramm  war  die  Kathoiisierung  der  magi- 
stratischen Aemter  gefordert    worden.     Da   die  Regierung   die 


478 

Bestätigung  der  gewählten  Bilrgermeistor,  Richter  und  Stadt« 
räthe  verweigern  konnte,  so  war  es  natürlich,  dass  man  darauf 
Rücksicht  nahm  und  nur  solche  Bürger  wählte,  welche  ihr  voraoi» 
sichtlich  genehm  waren.  In  Wien,  wobereits  Ende  1577  ein  katho^ 
lischor  Bürgermeister  eingesetzt  worden  war,  hatte  man  damit 
schon  gute  Resultate  erzielt,  wie  es  das  Verhalten  der  Wiener  Abge- 
ordneten auf  den  Landtagen  1579  und  1580  beweist,  von  denen 
sich  nur  ein  kleiner  Theil  denen  der  Landstädte  angeschlossca 
hatte.  Ende  Dcccmber  1583  (Nr.  U)  konnte  Klesl  Dietrich- 
stein  die  Mittheilung  machen,  dass  die  Rathswahlen  .gen  Hof 
—  bisher  entschied  darüber  die  niederösterreichische  Re^erung, 
die  aber,  weil  in  ihr  gröastentheils  Protestanten  sassen,  sehr 
nachsichtig  war  —  gezogen  werden,  und  mit  ihm  fleissig  Corrft- 
spondenz  geführt  werde,  , damit  diese  befördert  werden,  so  def 
Regienmg  am  tauglichsten  sein'.  Für  das  erste  musste  maa 
sich  in  Ermanglung  von  Katholiken  —  ,denn  die  sein  noch: 
wenig  zu  finden'  —  damit  begnügen,  dass  es  wenigstens  .fried' 
liebende  Leute'  wären  (Nr.  III).  Freilich,  solange  die  StSdtA 
bei  der  Aufnahme  zu  Bürgern  ireie  Hand  hatten,  konnte  sie^ 
wie  Klesl  einmal  darüber  Klage  ftihrt,  einem  Katholiken  ein- 
fach verweigert,  und  die  Katholisierung  dadurch,  besondere 
wenn  dazu  die  bereits  im  Besitze  des  Bürgerrechtes  befind- 
lichen Katholiken  durch  allerlei  Umtriebe  zur  Auswanderung 
genöthigt  wurden,  erfolgreich  durchkreuzt  werden 

Ende  1585  erfolgte  hier  eine  entscheidende  Wendung: 
mit  Decret  vom  22.  December  ergieng  an  sämmtlichc  Stadt« 
Niederösterreichs  die  AuflForderung,  nur  denjenigen  das  Bürger 
recht  zu  verleihen,  welche  sich  eidhch  verpflichteten,  sich  dca 
Anordnungen  des  Kaisers  sowohl  in  Religions-  als  in  weltlichen 
Dingen  fügen  zu  wollen.  Die  Magistrate  wurden  femer  ange« 
wiesen,  ,quatemberlich'  ihre  neuen  Bürger  bekanntzugeben  und 
auch  die  gewühlten  Mitglieder  des  äusseren  Rathes  namhaft 
zu  machen,  woflurch  man,  wie  Klesl  fireudig  berichtet,  in  der 
Lage  war,  die  Kathohkcn  .lustig  und  sine  strepitu'  zu  befördern 
(Nr.  XIX).  Wenn  in  dem  vorhin  erwähnten  Decret  vom  22.  Da« 
cember  der  Bürgerschaft  auch  strenge  untersagt  wurde,  de! 
Gottesdienst  ,ausser  ihrer  ordenthchen  Pfarre'  zu  suchen,  und 
den  Ungehorsamen  zuerst  ein  Verweis,  dann  vierzehn  Tag« 
Gcftlngnis  ,bei  Wasser  und  Brot'  und  endlich  ,ZastifhtDg  und 
Räumung    des   Landes   innerhalb   sechs   Wochen'    in   Aussiciil 


479 


gestellt  wurde,  so  war  dies  ein  Schlag,  der  dem  Protestantismus 
an  den  Lebensnerv  gieng,  umsomehr,  als  Klcsl  auch  fUr  die 
Ausftlhrang  dieses  Befehles  sorgte.  Die  Restauration  der  Magi- 
strate macht  jetzt  reissende  Fortschritte.  Im  Jänner  1587  konnte 
Kiest  Dietrichstein  melden,  dass  es  seines  Wissens  ausser  Krems, 
Stein  und  Ybbs  keine  Stadt  gebe,  die  nicht  ihren  katholischen 
Richter  hätte,  und  einen  Monat  später  (Februar  7),  dass  die  Stadt- 
schreiber, die  bisher  immer  die  Bürgerschaft  verführt  hätten, 
nunmehr  überall,  Ybbs  allein  ausgenommen,  katholisch  wären. 
In  diesem  Jahre  beginnt  er  die  Rückkatholisierung  der  Städte 
in  grossem  Stile  zu  betreiben  und  ist  fast  überall  vom  Erfolge 
begleitet. 

Erscheint  Klesl  bei  allen  diesen  einschneidenden  Mass- 
regeln gegen  die  Landstädte  als  geistiger  Urheber  und  treiben- 
des Element,  so  war  er  es  nicht  minder  bei  dem  Vorgehen  des 
Hofes  gegenüber  der  Hauptstadt  Wien.  Man  darf  ihm  glauben, 
wenn  er  auch  sonst  gerne  prahlt,  was  er  am  23.  April  1584  an 
Dietrichstein  schreibt:  ,1.  D'  müssen  mit  mir  auch  ein  übriges 
thun,  da  ich  fast  alle  Wochen  komm  und  klopf  an.'  Trotzdem 
man  hier  in  der  Residenzstadt  mit  erhöhtem  Nachdruck  an  die 
Zurüekdrängung  des  Protestantismus  gegangen  war,  und  in  den 
Hauptkirchen  eine  Reihe  von  trefflichen  Predigern  wirkte, 
leistete  er  doch  ungemein  zähen  Widerstand.  Wiederholt  werden 
die  Schulen  und  Buchläden  durch  eigene  Commissäre  visitiert, 
die  Universität  sowie  die  Bürgerschaft  strenge  angewiesen,  weder 
in  noch  ausserhalb  der  Stadt  den  evangelischen  Gottesdienst 
zu  besuchen,  die  Fuhrleute  verhalten,  niemand  zur  Predigt 
hinauszuführen,  die  Hebammen  verpflichtet,  kein  Kind  zu  Prädi- 
canten  zur  Taufe  zu  tragen,  die  Uebertreter  mit  hohen  Geld- 
strafen belegt,  in  Inzersdorf  und  Vösendorf,  wo  die  beiden 
Adeligen  Geyer  und  Hofkirchen  einen  evangelischen  Gottes- 
dienst unterhielten,  eigene  Spione  aufgestellt:  doch  der  Auslauf 
dorthin  will  nicht  aufhören;  immer  wieder,  wenn  er  schon 
nachzulassen  scheint,  tritt  er  neuerdings,  womöglich  noch  stärker, 
auf.  Durch  ihn  aber,  sowie  durch  die  in  den  Stadthäusern 
der  Adeligen  aufgehaltenen  Prediger  erhielt  der  Protestantismus 
stets  neue  Nakrung. 

Solange  man  es  mit  der  Bürgerschaft  allein  zu  thun  hatte, 
machte  man  besonders  nach  dem  Jahre  1585  kurzen  Proceas; 
wollte  man   aber   dem  Auslauf  gründlich   beikommen,   muBste 


480 


man  auch  die  evangelischeD  Prediger  zur  Rechenschaft 
Hier  kam  man  nun  den  beiden  Adelsständen,   weiche  sich 
des  vierten  Standes  nicht  sehr  warm  annahmen,  in  das  Qel 
die   man  aber,  wie  Klesl   bitter  bemerkte,   nicht   ,offendii 
durfte,  weil  sie  sonst  einen  Aufstand  erregt  oder  zum  mini 
auf  den   Landtagen   Opposition   gemacht    hätten.     Wenn 
ihnen  auch  im  Jahre  1578   den  Landhausgottesdienst  in 
entzogen   und   alle    ihre  Bitten  um  Restituierung  desselbea 
harrlich    abgeschlagen    hatte,    wobei    man    sich    aber  auf 
Wortlaut   der  Religionsconcession,   welche    die   Städte    von 
Religionsfreiheit  ausschloss,   berufen  konnte,    scheate  man 
doch,   ihnen  diese  nun    auch    auf  dem  Lande    einzuschrfti 
und   sie    dadurch   noch   mehr   in  Harnisch   zu   bringen.    1 
obzwar  der  Hof  nach  dem  Jahre  1580  bei  dem  damaligen  S 
der  Dinge   die  Gefahr    einer   gewaltsamen  Erhebung  der  £i 
ligen  für  beseitigt  halten  konnte   und  er  infolge  des  auf  J 
hinaus  gesicherten  Waffenstillstandes  mit  den  Ttlrken  auf 
Opferwilligkeit  nicht  so   stark  angewiesen  zu   sein   schien, 
man   doch  bei  der  vollatändigon  Erschöpfung   der    kaiserti 
Cassen    fortwährend    gezwungen,    ilire  Geldbewilligungen 
Schutze  der  Grenzen  u.  dgl.  in  Anspruch  zu  nehmen. 

Aus  diesem  Grunde  wollte  man  also  bei  Hofe  nicht 
an  ihrer  Concession  rütteln,  obwohl  sie  bereits  in  vielen  P' 
überschritten    war.     Den   Restaurationsbestrebungpen   so 
ein  gewaltiges  Hindernis  entgegen   und   war    daher  allen 
gesinnten   Katholiken    ein    Dorn   im  Auge.     Die    Landleui 
klagte    Klesl   —   nöthigen   auch  jene   Unterthanen,    weicht 
katholischen  Pfarren  gehörten,  zum  Besuche  ihres  evangel 
Gottesdienstes,  so  dass  der  Pfarrer  allein  bleibe,   verhel 
dazu,   ilun   den  Zehent  zu  verweigern,   und    diesen    d&ftir 
Prädicanten  zu  geben.     Will  der  Priester  klagen,  ist  er 
Lebens  nicht  sicher   und   zieht   es  vor,   sie  ganz  im  Stic 
lassen.     Die    auf   ihrem    Grunde    Hegenden   Fiiialkirchen 
Beneficien  ziehen  sie  ein,  bauen  neben  den  Pfarrkirchen  ,1 
gegen'   und    errichten    neue   Friedhöfe.     Das    alles    musB 
die  jSchändliche'  Concession  decken.    Strengt  man  einen  Pi 
an,  muas  man   nicht  zwei   oder   drei,    sondern  viele  Ja! 
eine   Entscheidung   warten;    ,interim   sterben    wir,    die 
werden    verlegt   und    männiglich   unlustig'.     ,Lcgt    man 
Theil  was  auf,  so  zeigt  derselb  auf  zehn  andere,  die  «'< 


481 


thun,  und  ist  nit  möglich,  dass  der  schöne  Waizen  unter  diesem 
so  gössen  Unkraut  soll  aufgehen.'  Die  Katholiken  selbst  trugen 
leider  dazu  bei,  wenn  z.  B.  der  Kaiser  au  Protestanten  Güter 
verpiUnde,  ohne  sich  die  Pfarrlehen  vorzubehalten. 

Da  die  Entscheidung  in  derlei  Rechtsstreitigkeiten  die 
niederösterreichische  Regierung  und  oft  wohl  auch  die  Kammer, 
welche  noch  mehr  als  jene  in  protestantischen  Händen  lag, 
innehalten,  erschien  der  Erfolg  freilich  sehr  fraglich.  Klesl 
Hess  sich  aber  auch  hier  nicht  abschrecken,  die  Rechte  seines 
Bisthums  zu  verfechten,  und  machte  den  Landleuten,  wie  ihre 
Beschwerdesehriften  und  die  Processacten  aus  dieser  Zeit 
zeigen,  gehürig  zu  schaffen.  Um  weiters  ihre  Prädicanten  zu 
zwingen,  sich  fremder  Seelsorge  zu  enthalten,  hatte  er.  wie  er 
Dietrichstein  am  2.  Jänner  1587  meldet,  ein  vorzügliches  Mittel 
in  Bereitschaft:  Man  citiere  sie  za  Hofe  und  verlange  von  ihnen 
die  Ausstellung  eines  darauf  bezüglichen  Reverses.  Stellen  sie 
ihn  aus,  g;ut;  verweigern  sie  ihn,  dann  steht  ihnen  das  Land 
offen.  In  der  That  wurden  in  diesem  und  den  folgenden  Jahren, 
nachdem  Klesl  schon  frtlher  aus  eigener  Macht  Vorladungen 
ergehen  Hess,  gegen  welche  ,Anmassung'  sich  auch  die  Stände 
energisch  verwahrten,  mehrere  Prediger,  namentlich  die  von 
Inzersdorf  und  Vöscndorf,  zu  welchen  die  Wiener  ausliefen, 
vor  die  Hofkanzlei  beschioden  und  ihnen  ein  Revers  vorgelegt, 
worin  sie  sich  verpflichten  mussten,  alle  nicht  zu  ihrer  Pfarre 
gehörigen  Personen  abzuweisen.  Als  sie  sich  dann  weigerten, 
diesen  auszustellen,  wurde  ihnen  befohlen,  binnen  sechs  Wochen 
und  drei  Tagen  die  Erbländer  zu  verlassen.  Wie  empfindlich 
dieser  Schlag  die  zwei  Stände  traf,  beweist  die  Thatsnche,  dass 
sie  in  dem  kurzen  Zeiträume  von  1588 — 1590  nicht  weniger 
als  fünf  Gesandtschaften  an  den  kaiserlichen  Hof  nach  Prag 
abfertigten,  um  die  Abstellung  dieser  harten  Massregel  zu  er- 
wirken. Um  diese  Zeit  trügt  sich  Klesl,  wie  ein  aus  dieser 
Zeit  von  ihm  herrllhrendes  (iutachten  bezeugt,  bereits  mit  dem 
Gedanken,  einen  Schritt  weiter  ku  gehen  und  ein  kräftiges 
Mittel  zu  finden,  um  die  verderbliche  Concession  selbst  aufzu- 
heben. So  feston  Boden  fühlt  er  nach  zehnjähriger  Reform- 
arbeit unter  sich,  dass  er  auch  dieses  wagen  konnte. 

Unausgesetzt  sucht  er  die  ,rostigen  Eisen*  hervor,  lun  sie 
bei  Hof  wiederum  .polieren*  zu  lassen,  und  sorgt  nicht  nur  fiir 
die  Sti-afedicte,  sundern  auch  für  deren  stricte  Handhabung;  denn 


482 


.statuiere  man  kein  Exempel,  so  sein  die  Verweisangen  » 
mein,  dass  man  gleich  darttber  lacht  and  fUr  eine  Hofgewot 
heit  hält'.  ,Ich  sehe,'  ruft  er  im  Jahre  1587  befriedi^'t 
,da88  im  ganzen  Lande  Furcht  ist;  lasset  man  nur  einmal 
80  haben  wir's  verloren.'  Nicht  auf  einmal,  mit  roher  Gew 
sondern  nach  und  nach,  mit  sanftem,  aber  ununterbrochen 
haltendem  Nachdrucke,  ,fortiter  und  suaviter',  wie  sein  Wi 
Spruch  lautete,  hatte  er  alles  das  erreicht,  ,daran',  wie  Ei 
bewundernd  anerkennt,  ,jedermann  verzweifelt  gehabt'. 

Mit  seinem  glühenden  Eifer  fUr  die  WiederherstcUaif 
alten  Glanzes  seiner  Kirche  verband  Klesl  auch  einen 
gen  persönlichen  Ehrgeiz  —  der  ihr  freilich  mittelbar  m 
zugute  kam  — ,  und  so  nimmt  er  Dietrichsteins  Einäusa  l 
nur  zu  ihren,  sondern  auch  zu  seinen  Gunsten  oft  m  Ampn 
An  Gunstbezeigungen  des  Hofes  hatte  es  ihm  bis  zu  dem  2 
punkte,  da  er  diese  Correspondenz  begann,  wahrhaftig 
gefehlt.  Er  führt  sich,  kann  man  sagen,  mit  kaiserlichen 
pfehlungen  in  die  Geschichte  ein  und  erhalt  in  jungen  Jah 
das  ehrenvolle  Doppelamt  eines  Dompropstes  und  Univi 
kanzlers.  Während  des  Aufenthaltes  des  Kaisers  in  Wieo  ' 
sieht  er  provisorisch  das  Hufpredigerarat;  doch  als  man  dun 
dessen  Abreise  (Herbst  1583)  die  wirkhche  HofprSdicatar 
trug,  in  welcher  Eigenschaft  er  aber  nach  Prag  hätte  mitre 
müssen,  schlug  er  sie  aus,  trotzdem  damit  die  Würde  c 
Bischofs  von  Wiener-Neustadt  verbunden  gewesen  wilre. 
seinen  an  die  Geheimen  Räthe  Trautson  und  Rumpf  gericht 
Schreibon  t\ihrt  er  eine  Reihe  von  Gründen  ins  Treffen 
fehle  ihm  an  Geschicklichkeit  und  körperlicher  Eignung, 
dem  sei  er  mit  anderen  und  nicht  geringeren  Aemtem  bet» 
worden,  die  er  jetzt  nicht  ohne  weiteres  im  Stiche  lassi 
und  in  welchen  er  der  katholischen  Kirche  grösseren' 
schaffen  könne.  Wenn  man  (wie  z.  B.  P.  M^Stan')  diese 
schuldipung  als  schönen  Beweis  ansieht,  .wie  sehr  Klesl 
gelegen  war,  dass  er  durch  die  Hofprädicatur  nicht  seinem 
gonnenen  Werke  der  Reformation  vor  der  Zeit  entzogen  w« 
so  mag  das  dahingestellt  sein.  Gewiss  mögen  ja  diese 
sichten   bei   seinem  Entschlüsse   mitgespielt  haben,    aber 


'  Eegesten  «ur  Gescbichte  den  Ckrdinals  M.  Klosl;  Kop»lUk,  K«g«tW1 
Oeuchichte  der  ErzdiOcese  Wien  U,  1894,  ä.  236. 


483 


er  durchaus  im  Lande  bleiben  wollte  und  auch  im  Jahre  1ÖB4 
in  einem  Schreiben  an  Dietrichstein  Wien  als  den  wichtigsten 
Platz  flir  sein  Wirken  bt^zeiclinet,  warum  hatte  er  sich  dann, 
wie  wir  dies  aus  Flders  Correspondenz  ganz  genau  wissen,'  ein 
Jahr  spilter,  im  Jahre  1585,  nach  dem  Tode  des  Bischofs  Martin 
Gerstmann  von  Breslau  ganz  ernstlich  um  diese  einflussreiche 
Stelle,  womit  auch  die  Landeshauptmannschaft  von  Schlesien 
verbunden  war,  beworben  V 

Allerdings  könnte  man  hier  einwenden,  dass  ihm  nach 
dem  unliebsamen  Zwischenfalle  vom  Jahre  1584,  auf  den  wir 
gleich  zu  sprechen  kommen  werden,  der  Boden  unter  den 
Füssen  brannte  und  er  die  nächste  Gelegenheit  ergriff,  um 
seiner  unangenehmen  Position  ein  Ende  zu  bereiten.  Aber  auch 
zwei  Jahre  darauf,  1587,  wo  die  Verhültnissc  für  ihn  durchaus 
nicht  günstiger  lagen,  lehnte  er  eine  neuerliche  Berufung  als 
Hofprediger  nach  Prag  ab,  und  zwar  wieder  mit  der  Begrlin- 
diing,  er  könne  in  diesem  Lande  nicht  ,so  viele  1000  Seelen 
negligieren',  weil  er  in  dieser  unverändert  schwierigen  Lage 
keinen  nur  halbwegs  tauglichen  Nachfolger  zur  Hand  habe. 
Wenn  er  also  diese  Stelle  mehrmals  ausschlug,  hatte  er  wohl 
andere  Gründe,  die  nicht  weit  zu  suchen  und  sehr  begreiflich 
sind.  Abgesehen  davon,  dass  er  in  einem  zum  grossen  Theil 
fremdsprachigen  Lande  als  Prediger  einen  weit  geringeren 
Wirkungskreis  gefunden  hiltte  als  unter  seinen  Landsleuten, 
hatte  die  Stelle  finanziell  wenig  Verlockendes  an  sich.  Die  Ein- 
künfte des  völlig  verschuldeten  Bisthums  Wiener-Neustadt  waren 
sehr  gering,  die  Besoldung  als  Hofprediger  hiltte  wohl  kaum 
annähernd  so  viel  ausgemacht  wie  sein  Gehalt  als  Dompropst, 
der  nach  Klesls  Angabe  allerdings  nur  292  fl.  betrug,  und  als 
Ofticial  des  Bischofs  von  Passau,  von  dem  er  —  nach  Eders 
Angabe'  —  im  Jahre  1585  800  Thaler  bekam;  und  selbst  wenn 
sie  gut  dotiert  gewesen  wäre,  würde  es  noch  sehr  fraglich  ge- 
wesen sein,  ob  er  bei  dem  damaligen  traurigen  Stande  der  kaiser- 
lichen Finanzen  —  Eder  wusste  davon  zu  erzählen  —  auch 
wirklich  alles  ausgezahlt  bekommen  hätte.  Wenn  er  auch,  wie 
er  Dietrichstein  gegenüber  mit  Beziehung  auf  die  Wiener  Stel- 


*  E!der  an  Herzog  Wilhelm  vuii  Baieni,    1586  Juni   1,   Juli  19  (MUncbon. 

ReichsarehiT,  Oeaterr.  Religiousacteii  Xu,  fot.  217,  319). 
'  Eder  an  Herzog  Wilhelm  1686  Juli  19  (ebendaselbüt  fol.  219). 


«>4 

nni£  "hrgfiLt.  .weder  nach  Ansehen  noch  Einkommen'  sah,  s 
■mtJiit  <r  ädi  doch  ,priesterlich  unterhalten  und  der  Eirdi 
nnier  £«b<?d'  können,  daher  er  wenig  Lust  verspürt  haben  ma( 
MÖb**  am  finanziell  nicht  genügenden  Posten  in  Wien  m 
-tÖHni  Boch  schlechteren  in  Prag  zu  vertauschen.  Ei  modi 
ätk  Sfonrdies  mit  der  Aussicht  trösten,  dass  er,  einmal  in  de 
t««Bät  des  Kaisers,  mit  Hilfe  seiner  einflussreichen  Gönner  tat 
ät  Wien  eine  seinen  ■  Ehi^eiz  befriedigende  Anerkennung  a 
hos^n  würde. 

Gleich  in  seinem  zweiten  Briefe  vom  13.  December  158 
wendet  er  sich  deshalb  an  Dietrichstein  mit  der  Bitte,  er  mSg 
seiner  gedenken  und  mit  Trautson  dahin  wirken,  dasa  de 
Kaiser  ihn  als  Dompropst  ,bei  Gelegenheit  mit  Ghiaden'  Im 
denken  wolle.  E^  geschehe  nur  zu  dem  Zwecke,  versichei 
er,  um  dem  bösen  Gerede  einiger  Leute  ein  Ende  zu  mach« 
als  sei  er  bei  Hofe  in  Ungnade  gefallen  und  ihm  deshalb  di 
Hofkanzel,  die  er  eine  Zeitlang  versehen  hatte,  ^eder  entzöge 
worden.  Im  nächsten  Jahre  (Nr.  VHI)  schlägt  er  Dietricbst« 
die  Verleihung  des  Rathstitels  vor  und  bewirbt  sich  auch  m 
die  Propstei  Ardagger  (Nr.  IX).  Da  trat  im  selben  Jahre,  wü 
rend  er  gerade  auf  einer  Commission  in  Passau  weilte,  einfi 
eignis  dazwischen,  das  ihn  empfindlich  traf  und  bald  alle  sei» 
Pläne  vereitelt  hätte.  Wir  folgen  hier  bei  der  Erzählung  des 
selben  dem  Berichte  eines  unparteiischen  Zeugen,  des  Dr.  Eder. 

Der  Pfarrer  von  St.  Michael,  Johann  Harborty,  der  nebei 
Kies!  und  den  Jesuiten  den  grössten  Zulauf  hatte,  sich  »ucl 
der  Gunst  des  Erzherzogs  Matthias  erfreute,  war  filr  das  durel 
Gruters  Tod  erledigte  Bisthum  Wiener-Neustadt  vorgeschlagei 
worden.  Als  auf  kaiserliche  Anordnung  über  ihn  Erkund; 
gungen  eingezogen  wurden,  kamen  mehr  als  dreissig  Artike 
zutage,  die  ihm  , Unzucht,  Ehebruch  und  Sodomiterei'  zur  Las 
legten,  darunter  auch  zwei,  welche  Kies!  stark  compromittiertei 
Diis  Ganze  beruhte  auf  der  Aussage  eines  Knaben,  der  si 
ilbrigeus  später  widerrief  Nun  hätte  man  guten  Grund  gehab 
diesen  Fall  nicht  an  die  grosse  Glocke  zu  hängen,  aber  de 
Wionor  Bischof,  mit  der  Untersuchung  betraut,  fuhr  mit  alk 
SohUrfc  drein,  Hess  Harborty  verliaften  und  unterzog  ihn  einei 

>  Kilor  an  Herzog  Wilhelm  1584  Sept.  7  (Mttnchen,  Reichsarcbiv,  Ost« 
Kolicionsacteii  XII,  fol.  178). 


485 


I 

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scharfen  Verhör,  bis  er  auch  ,adnlterium  und  fornicationem' 
eingestand.  Klesl  aber,  der  auf  die  Kunde  von  der  gegen  ihn 
ausgegossenen  Verdächtigung  sofort  nach  Wien  geeilt  war,  wurde 
vom  Bischof,  trotzdem  ihm  keine  Jurisdiction  über  jenen  zu- 
stand, vom  Predigen  suspendiert.  Es  gab  einen  Riesenscandal, 
die  Protestanten  bemilchtigten  sich  dieses  Vorfalles  in  ihrer 
Predigt,  und  die  Folge  davon  soll  gewesen  sein,  dass  gegen 
3000  Personen  mehr  ausliefen  als  früher.  Eder  gibt  dem  Herzog 
auch  eine  Erklärung  dafür,  warum  der  Bischof  mit  solcher 
rücksichtslosen  Strenge  gegen  den  Pfarrer,  der  allerdings  schul- 
dig war,  und  gegen  Klesl,  den  er  für  unschuldig  hält,  verfuhr. 
Eb  sei  hier,  meint  er,  unzweifelhaft  Eifersucht  im  Spiele,  be- 
sonders gegen  Klesl,  zu  dessen  Predigt  in  der  Ötephanskirche 
ein  weit  grösserer  Andrang  herrachte.  Dieser  bestand  nun  auf 
eine  strenge  Untersuchung  und  erhielt  hierauf  vom  Erzherzog 
Ernst,  der  die  Sache  nicht  noch  mehr  an  die  ( lefFentlichkcit 
bringen  wollte,  die  schmeichelhafte  Versicherung,  dass  man  gar 
keinen  Ghiind  dazu  fände.  Mit  diesem  Beeret  wussten  Klesis 
Biographen  nichts  Rechtes  anzufangen.  Nach  Hammer-Purgstall,' 
der  es  zuerst  publiciert  hat,  war  ihm  ,die  zu  harte  Behandlung' 
des  eingesperrten  PfaiTers  zur  Last  gelegt  und  er  nun  durch 
Erzherzog  Ernst  gerechtfertigt  worden j  bei  M^Stan*  heisst  es 
kurz,  ,in  seiner  Streitsache  mit  dem  Pfarrer  zu  St.  Michael' 
habe  er  ein  Zeugnis  seiner  Unschuld  erhalten. 

Doch  ungeachtet  der  ihm  durch  den  Erzherzog  zutheil 
gewordenen  Genugthuung  hatte  sein  Ansehen  einen  gewaltigen 
Stoss  erhtten.  ,Aber  der  Has  liegt  halt  im  Pfeffer,'  sehreibt 
Eder  Herzog  Wilhelm,  ,und  ist  schwarz  worden,  einer  glaubts, 
der  andere  nit,  und  hält  man  soviel  nit  mehr  von  ihm  als  zu- 
vor." Um  seine  gesunkene  Autorität  wieder  zu  heben,  betreibt 
jetzt  Klesl  mit  Eifer  die  Verleihung  des  Rathstitels,  den  er  auch 
am  16.  Februar  1585  erhielt.  Sein  Verhältnis  zum  Bischof 
wird  trotz  der  Vermittlungsversuche  des  Erzlierzogs  und  vor- 
übergehender Vergleiche  stets  gespannter,  und  Klesl  leidet 
schwer  unter  dem  Drucke  dieses  Zerwürfnisses.  Wieder  wendet 
er   sich  an  Dietrichstein   und    beschwört   ihn,    diesem   ftlr   die 


>  Khle<i)'!<  Leben  I,  1847,  8.  49. 

<  Kopallik,  a.  a.  O.  S.  237. 

*  1686   Jänner   23    (München,    Reichsarcbiv,    Oesterr.  Beligiousaclen    XII, 

fol.  202). 


4@6 


Dauer  unleidlichen  Verhältnisse  ein  Ende  zu  machen.  D 
Kaiser  möge  ihm  wieder  ein  Zeichen  seioer  Gunst  Euwend 
und  dem  Bischof  zu  erkennen  geben,  dass  er  sein  Vorg«iii 
gegen  ihn  nicht  billigej  dann  werde  er  gleich  gemässigter  u 
treten.  Nach  vielen  Verzüge  rangen,  die  er  den  Intriguen  sm 
RivaJen  zumisst,  erhielt  er  endlich  das  Decret  vom  25.  Api 
1588,  worin  er  zum  Ho^rediger  ernannt  wnrde,  jedoch  in  i 
Weise,  dass  er  in  Oesterreich  und  in  seiner  bisherigen  Stelki 
verbleiben  solle.  Dem  Bischof  wurde  zugleich  aafgetrsgen.  tt 
in  seinem  Predigtamte  nicht  zu  behindern.  KJesl  hatte  jet 
Ruhe;  mit  Genugthuung  berichtet  er  DietricliBtein  seine  dani 
erfolgte  Aussühnung  mit  dem  Bischofj  die  seine  frühere  Bi 
hauptung  rechtfertige:  ,dass,  so  bald  I.  M'  öffentlich  etwas  m 
den  demonstrieren,  so  sei  es  alles  richtig'.  Im  selben  Jahn  a 
hielt  er  auch  die  Administration  des  Bisthums  von  WieM 
Neustadt,  allerdings  —  wie  es  scheint  —  gegen  seinen  Willa 
denn  es  befand  sich  in  einem  vollständig  verwahrlosten  2i 
Stande,  der  ihm  viel  Mühe  und  Geld  kostete.  So  hatte  Ski 
mit  geschickter  Ausnutzung  seiner  Freunde  am  kaiserlichem  Hof 
jene  Stelle  erlangt,  die  ihm  schon  vor  fUnf  Jahren  an^e^oU 
worden  war,  ohne  aber  das  Feld  seiner  ihn  ganz  ausfäUeo^i^ 
Missionsthätigkeit  in  der  eigenen  Heimat  verlassen  zu  habes.0 
konnte  nun,  unterstützt  von  dem  Ansehen  und  der  Würde  aiiif; 
Bischofs  und  Hofpredigers,  mit  doppelter  Kraft  an  die  VoUtn 
duDg  seines  begonnenen  Restaurationswerkes  schreiten. 

Bei  der  Herausgabe  dieser  Briefe,  welche  durchwegs  eiga 
händig  von  Klesl  geschrieben  sind,  behielt  ich  mit  Biieksichi 
auf  dessen  bedeutende  FersünUchkeit  die  Schreibweise  aoTf 
ändert  bei.  ■< 


I.  

Wien,  1883  November  8. 

Wolgeborner  gnediger  herr.  E.  G.  sein  mein  getioream  scliiildig 
und  willig  dienst  zuvor.  Gnedigor  herr,  mier  will  niclit  zwuifleu,  E.  G. 
werden  nun  alberait  zu  Prag  gjüclihljcb  and  woll  mitt  sambt  den  irigon 
sein  ankbumen.  Der  allmecbtige  Gott  wolle  dieselb  laug  »einer  heiltigen 
kbirchen  zum  besten  erhalten,  amen. 

Auf  E.  G.  beghern  und  meiner  Obligation  nach,  hab  ich  nicht  sollen 
nndterlassen,  mitt  disem  meinem  ainfeltigen  schreiben  E.  G.  gehorsam 
ZQ  besuchen,  weill  ich  wais,  das  E.  G.  irer  gegen  mier  guedigun  nuigung 
nach  meine  schreyben  woll  werden  leiden  mögen.  So  haben  wier  alhie 
nichtes  den  den  sterben,'  well  icher  stych  in  und  ausser  der  statt  aus  unn- 
ordnung  der  stattobrigkhait  mehr  und  mehr  einreist,  innsonnderhait  im 
landt  hin  und  wider,  da  die  pfarrer  so  woll  alls  scbetleiu  sterben,  und  ist 
ein  solliches  schreiben  und  seufzen  nach  den  pfarherrn,  das  mier  mein 
herz  wee  thueth.  Ich  kban  yho  ainmal  mitt  leuthen  nicht  aufkhumen, 
müessen  die  armen  leuth  ou  peucht  und  communion  sterben.  Noch  bleibt 
das  semioarium  alls  ein  Sachen,  daran  dem  ganzen  relig^on  wesen  gelegen, 
verhündtert,  das  ich  khainen  weg  nicht  mehr  wais,  wie  dasselb  möcht 
angerichtet  werden.  Hab  sorg  aus  lang  man  die  praelateu  werde  fragen 
wie  doctor  Uillinger  *  rath,  so  laug  wierdt  dises  heillige  werckh  aufge- 
balten werden.  Meinen  tbaiU  hab  ich  be;  der  sachen  gethau,'  ich  lass  es 


'  Im  Vorjahre  (October  16)  wiiaste  der  Bischof  Johann  Kupar  von  Wien 
bereits  von  der  in  Bshmen  und  SacfaseD  Biiftretenden  Pest  zu  berichten, 
die  ihre  Vorboten  nach  Oesterreich  zu  senden  scheine  (Kopallik,  b.  a.  O. 
n,  8.  168).  In  diesem  Jahre,  ans  dem  auch  das  erste  amtliche  Pest- 
^tacbten  herrührt,   war  sie  auch  wirklich   in  Oesterreich  ausgebrochen. 

*  Dr.  Christof  Uillinger,  Protonotar  des  apost.  Stuhles,  gewesener  Official 
des  Bischofs  von  Passau  in  NiederOsterreich,  Klosterrath.  Wiedemann, 
Geschichte  der  Reformation  und  Gegenreformation  im  Lande  unter  der 
Enus  U,   1880,  S.  197;  Kupallik,  a.  a.  O.  U,  1894,  S.  160. 

*  Klesl  hatte  sieb  schon  im  Jahre  lö8U  um  die  Errichtung  eines  Seminare 
in  Wien  bemüht;  vgl.  BibI,  Briefe  M.  Klesl's  an  Herzog  Wilhelm  V.  von 
Baiem  etc. 


488 


nun  mehr  anndere,  so  damn  schnldig,  verantworten.  Die  grAvin  n 
Schmidan'  hatt  ein  neuhe  khirchen  anfgepaut,  darinnen  sy  predigl 
lasset,  die  ist  anf  mein  starkh  anhalten  hergefnrdert  ghen  Wien,  wien 
so  lang  von  I.  D'  verarrestiert,  bis  sy  die  khirchen  widerum  abgebrochi 
nnd  2000  Dncaten  verwirgten  pehnfall  erlegt  hatt. 

Herr  Palphi*  hatt  bey  dem  nuncio  apostolico*  den  17.  nnd  18.  oeti 
bris  angehalten,  er  boI!  mier  auferlegen,  das  ich  sein  herrschafll  Pihefl 
pnrg*  reformieren  mOcht,  welliches  herr  nnncius  mier  den  18.  so  thi 
bevehle(n).  Bin  aüso  den  19.  vortgeraist  nnd  den  20.  zn  Piberspai 
ankhnmen,  die  lutherischen  predigkhandten.  deren  3  gewesen,  f&r  mi( 
erfordert,  aus  Gottes  wortt  mitt  beistandt  Gott  des  b.  Geistes  iren  irtho 
zu  erkhennen  geben,  aus  wellichen  die  8  ghar  hemm  getretten,  der  tri 
aber  ein  bedacht  genumen  hatt.  Den  22.  hab  ich  die  prophanierten  kbii 
eben  reconciiiert,  die  nnderthanen  alle  auf  den  23.  durch  veronlnn: 
herm  Palphi  zur  predig  bemffen  lassen,  in  wellicher  ich  einen  aasn 
nnnserer  ganzen  h  religion  gmacht  nnd  gschlossen.  das  solliches 
ire  aigne  predigkhandten,  welliche  zugegen  gwesen,  bestehen  mfless« 
nnd  bstandten  haben,  auch  khunfitig  vor  innen  bestehen  werden.  H 
nach  sein  predigkhandten  und  nnderthanen  ins  schloss  noch  vor  dem  ess 
berneffen  worden,  da  hatt  Innen  herr  Palphi  vorgehalten  sein  mainu 
und  sich  auf  mein  predig  referiert.  Allso  sey  sein  will,  das  maus  gla^ 
nnd  hallten  soll,  wie  dan  ire  aigne  predigkhandten  solliches  seihtit 
stehen  mfiessen  nicht  ans  forcht,  sonnder  der  warhait  zum  besten.  Ott 
auf  ich  sy  alle  trei  von  artickhi  zu  artickhl  sonnderlich  das  sy  das 
ment  nicht  khOnnen  geben,  examiniert.  Da  haben  sy  alles  ordi 
bstandten.  Anf  djs  hab  ich  die  gmain  und  alle  underthanen  deren  etU 
hundert  so  vill  mier  mflglich  7.um  cathoiischen  glauben  vermahnet.  Dani 
sy  alle  zugleich  herrn  Palphi  und  seiner  gmahel  angelobt,  bey  diser  kbi: 
chen  zu  bleiwen  nnd  sterben,  wie  sy  dan  mitt  empfahnng  des  hocbwier 

'  Anus  Maria,  Witwe  den  Onfen  Heinrioli  von  Hardegg,  Be8itx«ria 
Uerrscbaft  Schmida  (Bex.  Korueubnrg).    Sie  hatte  trotx  de«  kaiaerliehai 
Befehles   vom   4.  März   16tt2   bei    ilirem  Schlosie  in  Wolfpaaüa^   ia 
Nähe  der  Pfarrkirche  ein  protestamtiaches  Bethaua  errichten  lasMn;  t^ 
Topop-aphie  von  NiederOsterreich  IV,  S.  143. 

*  Es  int  ohne  Zweifel  Niklas  (II.)  Freib.  v.  Palflfy  (f  1600),   einer  der 
rUbmteeteD   Helden   seiner  Zeit,   Obergespan  des   Pressburger 
und  Coiumandaut  der  Festung  Komom;  er  erhielt  von  den 
Ständen  die  Herrschaft  Bibersburg  equi  Geschenk.    Wisagrill,  F 
in  der  heraldisch-genoalogisohen  Zeitschrift  ,Adler'  lU,  1873,  &. 

*  Johann  Franz  Bonomi,  Bischof  von  Vercelli. 
'  Im  Pre88bai;ger  Comitste. 


489 


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I 


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digen  sacraments  von  den  cathoiischen  prlestern  soUiches  auf  khnnfftige 
weinachten  wollen  beweiBcu.  Dessen  sich  herr  Palpbi  und  wier  alle  er- 
freihet,  Gott  föer  sein  wolthatt  danckh  gesagt  und  die  i>farlierrn  so  ca- 
tboHsch  innen  füergesteldt  und  eingesetzt.  Wior  haben  denpredigkhandten 
kbaam  tnügeu  gnueg  schütz  halten,  so  sein  dio  unilertban^n  über  sy  er- 
bittert gwesen.  Was  aber  herr  Palphi  füer  ein  Ordnung  in  religione  hatt 
publiuiern  lassen,  haben  E.  G.  bienebens  zu  empfahen. 

Das  schreyb  E.  G.  ich,  das  sy  sich  auch  mitt  uns  allen  woltten  er- 
freihen,  Gott  danckh  sagen  und  bey  irem  herrn  söhn  dahin  arbaiten,  da- 
mit doch  Sanct  Georgen,'  wo  ich  meine  frenndt  hab,  auch  einmall  mijcht 
reformiert  werden.  Ist  doch  Pösing  lutherisch  nrfti  niemant  sagt  Jarwider, 
warum  woltte  nicht  herr  Maximilian  auch  das  eeinige  thuu,  seinem  Gott 
zu  ebrn  und  gehorsam  die  wahr  und  rechte  religion  pflanzeu  und  predigen 
lassen.  Hab  mich  woU  bey  S.  Georgen  angemeldt,  I.  G.  aber  sein  nicht 
daselb;  wer  sonnst  nicht  hinweckh  gezogen,  man  bette  mich  meiner  bitt 
müessen  gewehren.  Will  noch  glauben,  E.  G.  werden  nicht  feiren,  damit 
das  arm  vClkhlein  aus  disem  irthum  khumen  möchte. 

Die  religion  alhie  last  sich  Gott  lob  woil  an,  Sanct  Stephan  khir- 
chen  wierdt  zimblich  voll  und  khumen  die  leuth  wegen  des  Sterbens  fein 
zur  bekherung.  Will  an  mier  nichts  erwindon  lasseu,  leib  und  leben  bey 
meinen  landtslenthen  zaesezen,  doch  danebens  mich  haltten,  damit  ich 
mich  nicht  selbst  one  ursach  in  gfarr  seze.  I.  D'  ruhen  ietzunt  mitt 
dem  auslauff  ghen  Inzerstorff*  wegen  des  lesens  und  damitt  es  nicht  so 
gschwündt  auf  I.  M'  verruckhen  geschehe,  hoff  aber  baldt,  es  soll  ein 
anders  ansehen  ttlliie  zuwegen  bringen.  Es  ist  schon  ein  grössere  forcht 
verhandten  und  ist  meniglich  ruhig  und  still,  erwarttent  des  ausgangs. 

Im  landt  khan  ich  der  zeit  nichts  thnn  propter  infectionem,  allso 
hab  E.  G.  ich  daher  nichts  zu  schreyben.  Leb  ich  aber  und  bin  gsundt, 
du  ein  wenig  die  pestis  aufhöret,  so  will  ich  gnueg  materi  machen,  E.  G, 
zu  schreyben. 

Mit  dem  alten  besessnen  böhmischen  weib  ist  herr  bischofT 
starckh  public«  in  der  arbait,  hatt  aber  noch  nichts  merckhlichs  aus- 


'  Dieaer  Ort  und  das  folgende  PSsing,  beide  im  PreMburger  Comitate 
gelegen,  waren  Maximilian  von  Dietrichstein  durch  .«eine  Heirat  mit 
Helene  Krossitsoh  de  LufjoglsTia  sagefallen.  Wiasgrill,  a.  a.  O.  II, 
8.  243  f. 

*  Incersdorf  am  Wienerberg,  dem  Adam  Geyer  von  Osterbarg  gehörig.    Ea 
war  nach  der   im  Jahre  l&7ä   erfolgten  Aufhebung   des  Landhausgottes- 
dienstes  in  Wien  der  ZuSuchtsort  der  proteatantischen  StadtberOlkemDg 
geworden;  vgl.  Topographie  von  NiederOsterreich  IV,  8.  466. 
AiehiT.  LUXVin.  Bd.  II.  BUfto.  32 


(gerichtet.*    Est  res  nova,  die  ich  nicht  reratehe,  will  aber  nicht  u; 
lassen,  was  nambhafftiges  geschehen  wierdt,  dessen  E.  G.  in 
berichten. 

In  dem  Qberig:eu  allem  thue  R.  6.  ich  mich  gehorsamblicb  berdüM, 
bitt  dieselb  die  wollen  mein  gnediger  herr  sein  und  bleiwen,  wie  ich  midi 
dan  auf  E.  G.  nach  Gott  vill  und  maistes  verlassen,  sy  werden  alleat- 
balben  was  etwan  bey  I.  M'  ond  derselben  gehaimen  rätb  wegen  vamm 
gwissens  resolution  halben,  so  ich  der  hoffcsuiil*  wegen  thun  hab  soUmi, 
wider  mich  sich  erzaigen  wollt,  abwehren,  weill  ich  mich  noch  hentt  n 
tag  annderst  nicht  hett«  resolvieru  khQnnen,  und  sag  meinem  Gtilt 
danckh,  der  mir  halt  heraus  geholffen.  Unser  lieber  berr  und  Gutt  nr- 
leihe  E.  0.  und  den  irigen  zeitliche  and  ewige  wolfart.  Amen.  DatOB 
Wien,  den  6.  novembris  a.  83. 


E.  G.  gehorsamer  caplan 


Melchior  KhlesI  m.  p 
prnepoaiUu  ViennensU^ 


II. 


Wien,  1683  December 

Wolgeborner  gnediger  herr.  E.  G.  sein  mein  gehorsam  scholdi; 
und  willige  <üenst  zuvor.  Gnediger  herr,  E.  G.  den  6.  tag  Tim  Pra^  dtm 
alten  calender  nach  datiert  ausgingen  gbar  ausfOerlich  an  mich  schrtj» 
bell  hah  ich  den  23.  unserem  reformierten  calender  nach  empfan^n, 
bedanckh  mich  der  gnedigeu  correspondents  gehorsamblich,  bitt  auch  die- 
selb ohenermassen,  E.  G.  woltten  in  disen  iren  schweren  und  villfaltigm 
occupationibns  wider  ir  gelegenhait  nicht  thnn,  wan  ich  naer  wais,  du 
E.  0.  meine  schreyben  haben  empfangen. 

Und  hatt  sich  gnediger  herr  der  zeitt  bey  ans  neahes  nichts  n»- 
tragen,  allain  werden  die  rathswahlu'  ghen  Hoff  genumen  ond  mitt  mier 
woll  guette  correspondents  gehalten,  damitt  dise  beföerdert  werden,  M 
der  religion  zum  tauglichisten  sein. 

Der  predigkhandten  sein  in  der  statt  rill,  brauchen  ir  exerdtiaD 
wissentlich  und  unwissentlich,  aber  es  bleibt  wie  mans  hatt  rerli 
woll  auch  der  aasiauff  ghen  InzerstorfT. ^    So  ^ben  mior  alle 


'  Sie  war  nim  Biichof  von  einein  Herrn  ▼.  itosenberg  aus  Bnliin« 
iichickt  worden.  Eder  an  Heriog  Wilhelm  von  Baiem,  Wien  tSH.S, 
ber  80   (München,    BeichMrohiv,  Oerterr.  Reli^ooiacteo  XII,   fol 

*  ä,  oben  ».  48g. 

*  In  den  lnni)e!<ninitlichen  8UUIt«n  nnd  MRrkten. 

*  Vgl.  S.  489.  Anm.  2. 


491 


Sachen,  ao  ich  bey  I.  M'  schon  7.u  ansohentlicher  resolotion  gebracht, 
wideruin  Kuruckh,  und  mues  ietzunt  disputiern,  wellicbes  ich  zuvor  nicht 
bin  gwehnt  gwesen.  Wier  werden  schwerlich  halben  thaill  vermügen 
ietzunt,  alls  wier  zu  zeitten  des  redlichen  eifferigen  und  catholischon  man 
herrn  Gutten'  gethan  haben,  so  wier  doch  Gott  lob  ietzunt  zwainzig  mall 
mehr  nrsach  alls  zuvor,  ja  die  sachen  alle  in  uonseren  handten  haben. 
Das  schreyb  E.  6.  ich  in  vertrauen;  kundte  ich  in  specie  sicher  schrey- 
ben,  woltte  ich  gwislich  E.  G.  die  sacheii  bösser  endteckhen.  Was  das 
seminarium  betreiTent,^  ist  dasselb  mehr  zuruckh  geschlagen  worden,  alls 
ich  mein  lebelang  gehofft.  Ich  will  ghar  gheru  weichen  und  nicht  impor- 
tuniern,  aber  khaiu  tag  ist  aus  dem  himel,  da  nicht  etliche  sehlen  iämmer- 
Hch  sterben  und  ewig  verderben,  die  alle  leichtlich  erhalten  wurden.  In- 
terim nemen  innen  die  i>raelat«n  tag  und  nacht  guette  mQedl,  desgleichen 
auch  thun  die  un reformierten  priester,  so  sich  in  allurlai  leichtferdtig- 
kbait  tag  und  nacht  legen,  ir  guett  und  geltt  allso  in  sündt  und  laster 
snebringen,  allso  wan  Gott  nicht  ursach  bette  zu  zürnen,  so  geben  im 
doch  darzue  wier  geistliche  selbst  ghnuegsame  Ursachen.  Noch  will  mau 
dergleichen  gottlose  priester  erst  fi-agen,  ob  man  zu  irer  reformation  ein 
seminarium  soll  aufrichten  oder  nicht,  ob  sy  darzue  woltten  contribuiern 
und  dergleichen.  Aus  wellichem  E.  G.  selbst  hochveruünfftig  schliessen 
khOnnen,  ob  das  nicht  sey  ein  rath,  das  seminarium  ganz  und  ghar  zu 
verhfindtern ;  dau  wio  sy  bisher  nahet  ein  halb  jar  schon  berichten  sollen, 
allso  Werdens  sy  es  noch  zeheu  und  mehr  jar  aufzQhen,  iaterim  vill 
hundtert  tausent  sehlen  zu  grundt  und  poden  ghen.  Und  do  sy  schon 
berichten,  werden  sy  denselben  allso  stellen,  das  aus  dem  seminario  wenig 
wierdt  werden.  Zu  disem  endt  last  sich  brauchen  herr  Gerger'  mitt  seiner 
camer  wider  mich  ausfOerlich,  die  clöster  weren  sonst  bschwert,  man  soll 
dem  Passauerischen  official  neuhos  nichts  einräumen  etc.  und  füret  fast 
alle  die  argumenta,  welliche  ain  rath  mitt  namen  Cristopherus  Hillinger 
doctor^  in  seinem  guettbedunckhen,  wellicbes  ghen  hoff  contra  semina- 


*  Helfreich  Quet.  Er  war  im  Jahre  1584  Oeheimer  Ruth  geworden  (Ecler 
an  Herzog  Wilhelm,  1584  December  31;  Manchen,  Reichgarcbir,  Oesterr. 
Keligionsacten  XII,  fol,  189)  und  »tarb  im  nächsten  Jahre,  von  der  ka- 
tholischen  Partei  stark  betrauert  (Eder  an  denselben,  1686  Juli  19; 
ebenda,  fol.  319). 

*  Vgl.  8.  489,  Anm.  2. 

*  Uelmhard  Freih.  v.  JOrger  xn  Tollet,  ErbiHndhofracister  in  Oesterreich 
ob  der  Enns,  PrIUident  der  niederOstcrreichischen  Hofkammer.  Stanter, 
Beiträge  zur  Qeauhiclite  der  uiederOaterreichischen  Stattbalterei,  1897, 
8.  426. 

*  Vgl.  8.  487,  Anm.  *. 

82* 


492 


rium  fibergeben  hatt.  Allao  helffen  lutherische  und  znichtig«  catholisehe 
einandei'  und  was  ich  ein  ganze  wocheu  paa.  werffen  sy  in  ainer  staodt 
nider;  dan  mein  uuthoiitet  ist  gegen  innen  schlecht,  meine  gnettbe- 
dnnckhen  gering,  die  Sachen  an  ir  selbst  bey  innen  schwer  and  anmfi^ 
lieh.  Khan  allso  alhie  mitt  meinem  seminario  nichts  rerrichten,  ist  hb 
und  verloren,  Gott  im  himel  wolle  es  erbai-men.  Hab  I.  D'  woU  auf 
einen  guetten  weg  gebracht,  auch  nicht  änderst  verhofft,  die  Sachen  soll 
einen  guotten  ausgang  gewingen.  aber  wie  es  in  rath  khumen,  so  ist« 
haltt  bey  dem  guettbedunckhen  der  praelaten,  welliches  sy  auf  m«in  b*- 
gheru  in  hac  re  thun  sollen,  verbiiweu.  Und  ist,  gnediger  herr,  ietznot 
nner  ein  uiniger  modus  iuvandi  hoc  seminarium  verbanden,  das  I.  M' 
von  hoff  ans  etliche  ansehentliche  commissarios  verordneton,  com  pleoi- 
tudin«  potestjitis,  das  dieselben  die  prelaten  erfordoi-ten,  zugleich  amk 
die  pfarrer  I.  M'  leben  mitt  in  alsbaldt  tractierten,  ire  argumenta  wider- 
legten und  alles  das  h&ndlcten,  was  zu  fortpflanzung  dises  h.  werckia 
nnzlich  und  füerderliuh  wer.  Darzne  gehören  verstendtige,  ruhige  uoil 
gwissenhäfftige  lenth,  sn  nicht  privatum  commodum,  sonnder  atilibttem 
ecciesiae  suchen,  alls  da  ainer  ist:  reverendissimus  noster  Viennensis,' 
herr  Fugger,*  herr  von  Ötth  canzler,'  herr  doctor  Eder,*  herr  Htgen- 
mfillcr.^  Die  khundteu  de  loco,  praeceptoribns,  sustentationo  handien  aui 
I.  M'  mitt  guettbedunckhen  ansfüerlich  berichten.  Und  eben  das  isis, 
was  ich  herm  Trautsamb*  I.  M'  gehaimen  rath  in  diser  Sachen  ietnut 
hab  znegeschriben.  Verhoff  wan  E.  G.  Gott  des  herrn  sollicitator  werdta 
sein,  daran  mier  nicht  zweiflet,  wier  wollen  noch  per  indirectunt 


'  Der  Bischof  Johann  Kaap&r  NeabOck. 

'  Victor  Anglist,  Freih.  »u  Kirchberg  nnd  Weisaenhom.  Pfarrer  in  KireJ»- 
berg  am  Wagram,  xuletzt  Präxident  den  Kloüterrathea.  Itergmano,  Me- 
daillen auf  berühmte  nnd  ansgeteichnete  Mftiiner  des  OstarreicIiicriicB 
Kailerstaate«,  1868,  II,  S.  87-,  Wiodemann,  a.  a.  O.  II,  8.  &U;  Q«K:hiekl- 
liclio  Beitrüge  lu  den  Conaistorialcurroiiden  der  DiOceae  8t.  PDitea  L 
1678,  8.  106  f. 

*  Dr.  Higmnnd  v.  Oedt,  Professor  der  Rechte  an  der  Wiener  Uoirenililk 
Kanzler  der  niederOsterreichischen  Regierung.    Starser,  a.  a.  O,,  8.  ML 

*  Dr  (ieorg  Eder,  Reicbahofrath,  Professor  der  Rechte  au  der  Wiener  Ott- 
versititt.  AAchbach,  Geschichte  der  Wiener  Universiült  III,  1 888,  S.  IMt; 
Stieve,  Briefe  des  Reichshofratbes  Dr.  G.  Eder  in  Hittheilungen  des  In- 
stituts fOr  Österreichische  Oaschichtsforschung  VI,   1886,  S.  441  f. 

*  Dr.  Johann  HognomOUer,  Hofrath.    WiH<griU,  a.  a.  O.  IV,  S.  836. 

*  Es  ist  oflfenbar  Johann  (U.)  Freih.  v.  Trautson  (f  1Ö89),  Vater  des  Paul 
Sixt;  Tgl.  Kroues  in  der  Allgemeinen  deutschen  Biographie  XXSi^lll. 
1894,  S.  519;  Tnrba,  Venet.  Dep.  Ol,  1896.  8.  Si. 


493 


seminarium  hait(«n   and  dadurch  das  reich  Gottes  täglich  mehren,   zu 
wtillichem  sein  göttliche  allmächt  w5ll  gnadt  und  sogen  geben. 

Mein  person,  gnediger  herr,  belangend!,  bin  ich  ein  zeitt  woU  üb! 
auf  gwesen,  und  will  mier  das  ofßciabt  yhe  lenger  yhe  weniger  daugen, 
wegen  der  grossen  mhQe  nnd  arbait,  die  ich  schon  in  das  4.  jar  gehabt, 
and  sovill  dabey  nicht  nnsgericht,  alls  ich  verhoffi  hette,  wiewoll  icli  in 
meinem  ambt  allain  von  den  geistlichen  räthen  bin  verhiudtert  worden, 
allso  das  ich  ghar  nicht  gedacht  bin  dem  von  Passau  in  die  leng  zu 
dienen,  sonnder  irae  ein  anndere  person,  umb  welliche  ich  täglich  trachte, 
abzurichten,  wellicher  das  wesen  mOchte  continuiern.  Bin  sonnsten  füer 
mein  person  noch  der  xeitt  ghar  nicht  entschlossen  auf  aller  ansuchung 
mich  TOD  Wien  annderstwohin  zu  begeben.  Allain  wollen  E.  G.  auch  zu 
gmflett  füren,  das  ich  alls  ein  thumbprobst  aiamall  alhie  nicht  mehr  cin- 
khnmens  hab  alls  292  f,  so  doch  die  schlecbtisteu  pfarrer  auf  dem  landt 
mehrers  haben,  so  khan  ich  mich  in  warhait  mitt  allen  meinen  leuthon 
uiitt  1 200  f  nicht  aushalten,  das  ich  aber  alles  von  dem  von  Pussau  hab. 
dämmen  ich  dise  Jurisdiction  administrier.  Nun  frag  ich  weder  nach  an- 
sehen, noch  einkhumen,  allain  das  ich  mich  priesterlicb  nndterhalten  und 
der  khirchen  ruhig  dienen  khQnnet.  Deswegen  ich  auch  hoeherrooltoiii 
herrn  Trautsam'  geschriben.  das  I.  G.  bey  I.  M'  meiner  uuer  so  weilt 
wiilttcn  gedenckhen,  das,  wan  es  die  gelegenhait  gebe,  I.  M'  mich  alls 
einen  thumbprobsten  initt  gnaden  woltten  bedenckhen.  Sonnsten  was 
meine  labores  belangdt,  die  ich  zu  hoff  gehabt,*  begher  ich  weitters  nichts; 
allain  weill  mier  täglich  von  allerlai  geistlichen  und  weltlichen  personon 
föergeworffeu  wierdt,  I.  M'  betten  mich  mitt  Ungnaden  von  der  hoffcanzl 
abgeschafft  etc.,  wellichs  dan  unnseren  Widersachern  wider  mich  gmüett 
und  herz  machet,  das  doch  I.  M'  nur  irer  gnedigisten  atfection  nach  mier 
Bovill  zeugnuB  geben,  das  sy  mein  gncdigister  khayser  and  herr  weren. 
Dan  ich  ainmal  nicht  wüst,  warum  I.  M'  mier  dise  gnadt  soltten  waigern, 
in  bedeuckhung  ich  (ohne  rhum  zu  melden)  in  I.  M'  landt  alhie  mein 
ensserist  vormügen  und  iugent  daran  gestreckht  und  bis  in  mein  grueben 
zu  arbaiten  nicht  aufhören  will.  Das  ich  aber  mich  ghen  Prag  nicht  hab 
begeben  khunneu,  der  sein  gar  viU  ursacb,  und  reuhet  mich  nichts,  was 
ich  gethan,  dan  mein  Gott  wais  es  das  es  mitt  seinem  heüligen  willen 
geschehen  ist,  dem  ich  die  zeitt  meines  lebens  vill  mehr  in  simplicitate 
dan  eusserlichen  pomp  begher  zu  dienen.    Weill  dan  ich  zu  E.  G.  mein 


Vgl.  8.  492,  Anm.  6. 

Klesl  batto  währond  der  Anweeenheit  de«  Kaisers  iii  Wien  eine  Zeitlang 

bei  üof  gepiedigt;  vgl.  8.  482. 


494 


hilliche  znetlucht  hab,  E.  6.  auch  miervor  irem  verraiscn  allerlai  gnedtg« 
und  vätterliche  vertr'^stung  gethun,  welliche  ich  in  zeit!  meines  lebeiu 
nicht  wier  verdiouon  khQnnen,  allso  bitt  E.  0.  ich  gehorsamblich,  ^7 
wollten  auch  in  disor  Sachen  moln  gnediger  herr  sein  und  naer  so  «litt 
die  Bachen  hellfeD  dirigiern.  damit  ich  von  I.  M'  dennoch  die  gnadt  \uttt, 
das  meine  fenndt  vill  mehr  der  religion  feandt  sehen  und  spüren  mochten, 
das  8j  weitt  irreten  nnd  allso  za  schandten  mOesten  werden.  Geltt  vii 
gnett  begher  ich  nicht,  allso  auch  khain  heneficium.  allein  zu  I.  M'  gn»- 
digisten  guett«n  gelegenhait  nner  sovill  wie  E.  G.  oben  verstandten.  Je- 
doch begher  ich  auch  dise  gnadt  nicht,  wan  I.  M'  dieselben  dahin  woUtM 
richten,  das  ich  auf  ein  nenhes  soltte  verobligiert  sein  nnd  mich  zu  Pntr 
brauchen  lassen,  will  mich  auch  diser  gnadt  ghern  begehen,  soll  die  cl*a* 
sula  daran  gehengt  werden,  sonder  das  was  ich  begher,  geschiecht  alMo 
derer  wegen,  so  mier  mitt  allerlai  nachreden  zuewöllen.  Und  du  h>k 
E.  G.  ich  alls  meinem  gn.  herrn  und  summo  patrono  wollen  xneschreybai, 
verhuffcntlich  E.  6.  werden  dise  mein  ainfolt  zum  bJ^sten  Tcr8t«hen  imJ 
aufnemen,  mein  guedigor  hoiT  in  disem  nnd  andern  sein  und  bleiwu. 
Ich  will  Gott  dem  allmecfatigon  (dem  ich  E.  G.  bevehlen  thoe)  in  mvtBai 
gcpctt  anrOffen  und  bitten,  das  er  wolle  der  bolohner  sein.  Datum  Wita 
in  die  S.  Lucio  dorn  reformierten  calendario  nach  a.  83. 


E.  G.  gehorsamer  capplan 


Melchior  Khlet»!  m.  p. 


m. 

Wien,  1583   Dec«a>b«r  U. 

Wolgebornor  gnediger  herr.  Ich  bin  an  gestern  bey  der  F.  D'  ge- 
wesen und  etlicher  religionssacben  audiontiam  gehabt,  anch  das  gere4t. 
was  ich  pro  conscientin  zu  reden  schuldig  gwesen.  Und  weill  auch  «1- 
hiehigc  religionssacben  zu  handien  fncrfallcn,  haben  sy  die  F.  D'  gh»r 
ansehontlich  nnd  catholisch  auf  ein  nouhos  erclärt.'  Erstlich  dem  berra 
hischoTen  zu  Wien,  mier  und  dem  burgermaistcr  aufferlegen  lafscn,  lii» 
buochlüden  fleissfger  zu  visitiern,  die  sectischen  bOecher  zu  nnnseren 
handten  zu  nemen,  die  bnechtruckher  alle  zugleich  erfordern,  iwen  aus 
denselben  bestellen,  den  aidt  von  innen  anfnomen,  die  anndern  aborallt 
abschafen,  damit  man  desto  bösser  auf  dieselben  möchte  Hchtung  be- 
stellen, derer  buechstäben  forai  und  dergleichen  sollen  wier  beschaoeo, 
auch  on  vorgehende  unnserer  approbatiou  nichts  tmckhen  lassen.    Allso 


Vgl.  Raupacb,  Evang.  Oesterreich,  S.  168  f. 


495 


sollen  wier  auch  ghen  Vesondorff'  und  Inzerstorff*  bey  den  predigen 
leutb  bostelleu,  welliche  die  burger  khennon,  dise  anmigen,  damit  sy  der 
üottiirlTt  nach  möchten  gestrafft  werden.  Zum  anndern  liatt  die  uuiversitot 
gioichesfalü  ein  starckhes  decretum  empfangen,  diis  sy  auf  ire  mombra. 
80  zu  den  sectischen  predigen  ghen,  gnette  achtung  bstellen  sollen,  die- 
selben voriger  Verordnung  empffindlich  stniffen,  Äilso  sollen  sy  die 
schiielhalter  Golttberg'  und  Sanct  Michael*  fiier  sich  erfordern,  denselben 
aufferlegen,  das  gy  ir  anzall  schuellerpuehen  halten,  denen  gwisse  gsang 
zu  singen  föerschreyben,  die  catholisch  sein,  und  undter  predig  niemants 
singen  lassen.  Wo  sy  aber  anndere  über  die  zall  woltten  einschleichen, 
sollen  die  pueben  selbst  und  sy  nach  denselben  greiffen  und  irem  ver- 
mfigen  voll  tractiern  oder  den  stattricliter  zu  htlff  nemen.  Zum  tritten 
ist  denen  von  Wien  ir  nnfleis,  wellichen  sy  bisher  gebraucht,  zum  ensseri- 
sten  verwisen  worden  und  bey  schwerer  I.  M'  und  F.  D'  straff  und  im- 
gnadt  aufferlegt,  das  sy  hinvorthan  I.  M'  und  F.  D'  bevehlen  mehrers 
respectiei'pn  und  denselben  allen  nachleben  sollen,  den  anslanff  straffen, 
die  fnerleuth  alle  zugleich  füer  sy  erfordern,  ins  glüh  nemen  und  do  ainer 
darüber  betretten,  abschaffen,  desgleichen  auch  die  hevamen,  so  die  khOn- 
der  zu  sectischen  predigkhandtcn  tragen,  ebenermassen  ausschaffen,  den 
bargern  solliche  l.  M^  gneiligiste  Verordnung  von  haus  zu  haus  lassen 
ansagen,  innen  bey  derselben  ungnadt  betroeu,  das  sy  sich  der  sectischen 
predigen  und  haimblichen  predigkhandten  woltten  enthalten,  die  Über- 
treter hernach  zum  exempt  allao  straffen,  damit  I.  D'  nicht  ursitch  hab 
selbst  einsehen  zu  tun.  AUso  wierdt  innen  bevohlen  die  predigkhandten, 
sonderlichen  Hannsen,  so  bey  S.  Ulrich  sich  aufhaltet,  in  und  ausser  der 
statt,  wo  sy  diso  betretten  khflnnen,  oinzuzühen,  wie  dan  der  leultenambt 
gleichsfais  bevelich  empfangen,  innen  mit  seinen  khnechten  guetten  bci- 
standt  zu  thun,  I.  D'  hernach  berichten,  damitt  sy  die  sterckhere  Ver- 
ordnung mfichten  fnernemen.  Zum  4.  wierdt  den  commissariis  die  schoell- 
ordnung^  auf  ein  neuhes  ernstlich  bevolhen,  das  die  schueltmaister  und 


•  Vösendorf,  unweit  von  Wien.  Die  Herrschaft  gehörte  dem  Präsidenten 
de»  Hofkriegsrathes  Wilhelm  von  Hofkirchen;  vgl.  Wiedemann,  a.  a.  O. 
UI,  8.  678  f. 

»  Vgl.  oben  8.  489,  Anm.  2. 

'  Es  war  ein  nach  dem  Beneficiaton  Hans  Goldberger  benannte«  Stndenten- 

conrict  anf  dem  alten  Floi.schmarkte  (errichtet  1469).   Schimmer,  Häuser- 

cbrouik,  1849,  8.  18Ö. 

*  Bei  der  Pfarre  8t.  Michael  in  der  Habsburgergasse. 

'  Ex  ist  die  im  Jahre  1679  auf  Erzherzog  Emsta  Beiubl  publicierte  Schul- 
ordnung; vgl.  Raapacb,  Cont  I,  8.  318. 


496 


schuellhalterin  catholisch  and  alles  was  catholisch  in  im  schi 
füren  sollen,  bey  straff  der  abschaffung,  wer  darwider  tbu«tt. 
weill  heiT  von  Heussenstain  *  und  herr  Julius^  ire  khünderdi 
khandten  öffentlich  alhie  haben  dauffen  lassen,  wierdt  innen 
verwisea  und  raitt  I.  M'  resolution  betroet.   AJlso  hatt  sich  Pi 
doctor  und  eamerrath  ein  rädlffirer  nndter  den  secten,  so  ein 
schädlicher  mau  ist,  und  spJ)ttlich  ufft  von  der  khaj.  M'  und 
tholischeu  redet,  undterstaadten,  gleichesfals  cum  solennitate 
ainen  sectischen  predigkliandten  alhie  in  der  statt  taulfen  za 
wierdt  gleichesfals  dises  verwisen  und  mitt  I.  M'  troet,  da 
catholische,  weill  diser  unserer  khirchen  doch  ghar  ein  böser 
man  werde  an  im  ein  exemplum  statuiern  and  seines  dienst 
darzue  E.  G.  ghar  woU  helffeu  khünnen,  wie  ich  sy  umb  die  lieb, 
sy  zue  khirchen  und  unnserer  b.  religion  tragen,  will  gebetten 
Ich  wiat  nicht,  wie  man  der  zeitt  Gott  ein  wollgefelliger  werckh 
khünnet,  alls  eben  diaes.    Dergleichen  hatt  sich  der  uen  und 
lutherischen  practiciei'ter  cauiei-procurator*  undterstandten 
in  meiner  nachtpärschafft  auch  lassen  tauffen,  mitt  wellichen 
gleichesfals  deigleichon  exemplum  möcht  statuiert  werden.    Den' 
cano  ist  Gerger  ^  und  andere  seines  gleichen  von  herzen  fenndt,  ci  1 
auch  niemants,  wie  diser  in  rath  kbumen  ist,  wie  ich  woU  von  L  M' 
haimen  räthen  verstandten  hab.  Allso  ist  der  camei-procnrator  im  ittii 
landtag  auf  der  post  befflerdert  worden ;  wer  ghar  schlechter  schadt,  t 
dens  wenig  innen,  wan  sy  schon  bade  sollen  entsetzt  werden.   Oul 
tuiert  mau  khaiu  exemplum,  so  sein  die  Verweisungen  so  gmain,  da»  < 
gleich  darüber  lacht  und  füor  ein  hoffgwohnhait  haltet,  wellichee  L 
dennoch  zum  schein  thun,  damitt  sy  ir  wesen  nicht  billichen.  Allso 
den  E.  G.  füer  sich  selbst  bey  I.  M'  und  dan  durch   den  alten  1 
Trautsam  Gott  zu  ehrn  und  der  religion  zur  fQerderung  den  sachen 
zu  thun  wissen. 

Zum  6.  hatt  man  auch  den  mäixkhten  PetterstorfT,  Mödling 
Gumplskhirchen  iren  auslauf  ghen  Voboudorff  und  Inzerstorff  znm 


'  Hans  T.  Heussenatein  za  Stahremberg,  Kämmerer.    WüsgrUl,  a.  i.  IX 

8.  232. 
■  Wohl  Julias  t.  Salm. 
'  Dr.  Johann  Ambrosina   Brasaicanng,    Neffe    da«    berühmten 

Job.   Alexander   B.,    Professor    der    Rechte,    Hofk&mmcirrath.    W> 

a.  «.  O.  I.  S.  378. 
*  Dr.  Wolfgang  ächwanser. 
'  Siehe  oben  S.  491,  Aum.  3. 


497 


sten  verwisen,  innen  auch  hovolben,  sy  bey  der  pfarrkbirchen  fänden  zu 
lassen,  auch  die  schueiurdniin^,  wie  dieselb  alhie  zu  Wien  gehatten,' 
gleicbesfala  bey  innen  auf  I.  D'  hevelicb  anrichten,  wie  dan  eben  dieselb 
I.  H'  statt  und  märckbten  in  Osterreich  zu  halten  zuegeschickht  und 
aaberohlen  wierdt. 

Zum  7.  wierdt  auch  der  neu  calender  statt  und  märckbten  auf  ein 
neubes  übei'Bcbickht  und  sich  desselben  zu  halten  ernstlich  bevohlen,  wie 
dan  alle  andere  calender  den  bMochfürem  geuumen  und  aufbehalten 
werden. 

Zum  8.  so  ist  die  grävin  von  Schmida,*  so  ein  neuhe  lutherische 
khirchen  gebaut,  alhie  her  gleicbesfala  auf  mein  so  starckh  anhalten  und 
beghem  von  I.  D'  erfordet  worden,  die  wierdt  alhie  so  lang  verarrestiert, 
bis  sy  dise  khirchen  wideruni  niderbricht  und  zu  ainem  haus  oder  stadl 
macht. 

Zum  8.  (!)  procediei't  man  noch  mitt  den  stattwahin  wie  zuvor,* 
wierdt  mitt  mier  guotte  corrospondenta  gehalten,  damitt  in  stött  und 
märckbten  die  befüerdort  werdeu,  so  der  catbolischen  khirchen  wo  nicht 
ghar  zuegethon  (dan  der  zeitt  wenig  dergleichen  zu  fänden),  doch  aufs 
wenigist  fridtliebende  leuth  sein. 
■  Das  hab  gnediger  heiT  ich  E.  G.  khurzlicb  wollen  zueschreyben, 

P  wie  man  nun  ob  disem  allen  haltten  und  was  daraus  entstehen  wierdt, 
bericht  E.  G.  ich,  leb  ich  und  bin  gsundt,  wills  Gott  hinach.  Hab  aber 
guette  hoffnung  alle  sacben  sollen  zu  ainem  guetten  endt  khunicn,  zu 
wellichcm  eudt  der  allmochtig  Gutt  (in  dessen  schuz  E.  G.  ich  zusambt 

^den  irigen  gohorsamblich  bevehlen  thue)  helffen  wOlle,  amen.  Datum 
Wien,  den  16.  decembris  a.  83. 


E.  G.  gehorsamer  caplan 


Melchior  Ehlesl  m.  p. 
Thurobprubst  zu  Wien. 


Aines,  gnediger  berr,  hab  ich  vergessen,  das  herr  Unverzagt*  hier- 
iiinen  das  beste  tbucth,  werden  wier  in  verlieren,  wie  er  darnach  tracbt, 
so  ist  dem  religionwesen  bey  uns  zimblich  geholffen,  schreyb  es  E.G.  zur 
avisa,  wan  seines  urlaub  acmeu  etwas  fQerkhem. 


<  Vgl.  oben  8.  495,  Anm.  6.  *  Vgl.  oben  8.  488,  Anm.  1. 

»  Vgl.  oben  S.  490,  Anm.  3. 

*  Wolf  V.  Unverxagt,  Freiherr  von  Ebenfiirlb  und  Ret»,  Hofsocretär.  Vgl. 
Kop»lIik,  a.  a.  O.  11,  S.  248  f.;  Stieve,  Die  Verhandlungen  Aber  die  Nach- 
folge Kaiser  Rudolfs  II.,  Abhandlungen  der  bairischen  Akademie  der 
WissenscbAften,  Ol.  Cl.,  XV,  &  187. 


Wien,  1&S4  Jfcnner  1. 

Wolgphorner  pneHiger  lierr.  E.  G.  sein  neben  wünsch nng 
freydenreichens  glückhseligen  neuhen  jiirs  und  erbittung  von  Gwtt 
herrn  alles  was  derselben  za  sehl  und  leib  nnzlich  ist,  meine  gehi 
schuldige  dienst  zuvor,  gnedipor  herr.  Was  E.  G.  ich  neuhlicb  yoü 
alhieigen  reformation  des  seminari  und  dan  meiner  soeben  selbst  gl 
schriben,'  das  werden  E.  G.  hoffentlich  bisher  empfangen  haben.  Wi 
dan  den  ersten  punct  bolangdt,*  haben  herr  bischoff,  probst  bey  St.  Dor 
thea,  biirgermaistor  und  ich  die  pnec.hfflrer,  puechtruckher.  brieff-  ni 
kharttenmallcr,  khupforetecher  ffler  uns  orfordert,  innen  iren  muettwill< 
und  angehorsamb  bisher  gedriben  zum  höchsten  verwisen  und  bey 
lierung  irer  ehr  und  guett  anfferlegt,  dos  sy  nichts  sectisch  tnickhea, 
landt  füren,  mallen  oder  in  khnpfer  stechen  wollen,  and  das  nns  aii^ 
loben,  welliches  alle  partheion  getban,  die  zwen  pnechtruckber  aber 
hiibrn  wior  in  leiblichen  aidt  gonumen.  Ist  allso  nuer  iezunt  vonnSI 
das  wier  daranf  guett  Achtung  bstellen,  damit  sy  irer  verhaissung  oi 
khumen. 

Die  universitet  hatt  vermög  ires  decrets  den  doctorom  Reichl. 
sein  khindt  tauffen  lassen  ainen  soctischen  predigkhandten,  um  30  f  g* 
strafft. 

Allso  sein  vorgestern  4  borgor  in  den  thurm  gworffon  worden  n 
hatt  der  anslaufT  ganz  nnd  gar  abgenumon,  das  neuhlich  nuer  ein  ainigl 
bnrger  draussen  gwescn  ist.    Gott  verleihe  I.  D'  langes  leben  ani 
halte  sy  in  disem  aiffer. 

In  den  statten  und  märckhtcn  fahren  I.  D*  fortiter  et 
mitt  den  ratspersonen  fortt,  lassen  an  mich  derer  wähl  gnedigist  in 
trauen  khumen,  so  hab  ich  meine  register  Ober  die  statt  nnd  mircki 
allso  ilas  ich  ein  ganzes  jar  wissen  khan,  wer  beucht  oder  nicht  beac 
catholisch  oder  nicht  catholisch  ist,  allso  das  wier  schon  Closterneubu 
Khurneubnrg,  Tulln,  Paden,  Pertotstorff,  Langenlens,  MMIing,  Gumpli 
khirchon,  Zwetl  in  unnseren  handten  haben.  Stehen  noch  aus:  Ehremi 
Stain,  St.  Pöidcn,  Ybbs.  Sonst  wais  ich  wenig,  was  ich  mitt  den  luutdei 
in  religiune  fiiernimb,  die  legen  sy  alle  zum  gehorsamb,  das  all&i« 
dem  ainigun  mitl  geschieht. 

Wils  Gott,  nach  diser  h.  zeitt  will  ich  mich  an  die  Ton  Klim? 
sezen  nnd  ire  predigkhandten  beben,  daselb  auch  die  catholisch  religt' 
wo  dieselb  gfallen,  widernm  eiufüren.  Zu  Ybbs  hatt  mier  Gott  g«holff«i 


•  Vgl.  Nr.  m. 


499 


das  der  pfarherr  gstorhon,  so  mues  ich  iezunt  ainen  catboligchen  eia- 
sezen.  Ist  allso  gnediger  herr  der  Bcbnitt  gros,  allain  sein  ghar  kImine 
arbaiter  vorhandten,  Irh  soll  allentbalbeii  lontb  hahpn,  kban  aber  mitt 
grosser  mhße  kbaiim  füer  den  berrn  Rümpfen'  bekbunien.  Und  wierdt 
das  Seminar  nicht  in  khOrz  beffierdert,  so  verlieren  wior  die  Sachen,  die 
wier  halb  gmingen  fest  in  handten  haben.  Das  wissen  E.  0.  selbst  woll, 
die  werden  boCFentlich  bey  der  »achen  das  irige  tbun. 

Der  leuttenambt  alhie  ist  seinem  ambt  fibl  nacbkhumen,  dun  alls 
ainer  in  meiner  gsssen  ein  sectischer  predigkhant  ain  frau  versehen,  ir 
brott  nnd  wein  geben,  ich  in  mitt  seiner  wacht  erfordert,  der  F.  D'  so 
ernstlicher  beveüch  erindert,  hatt  er  weder  angroiffen,  verwachten,  noch 
im  bans  suchen  wnilen;  bin  allso  selbst  mitt  meinen  dienern  gangen, 
den  prwligkhandten  über  das  dach  ausgeiagt,  das  pt  in  ein  anders  haus 
gfallen,  hernach  mich  zu  der  sterbenton  person  verfüegt,  die  Sachen 
mitt  ir  so  weitt  gehandlet,  das  sy  gebeucht,  catholisch  und  sub  una  com- 
mnnicicrt,  darzue  auch  ertremam  unctionera  genumen,  lebt  noch  und 
wierdt  nmb  sy  augenscheinlich  bfisser.  Gott  sey  allain  ehr  und  danckh 
gesagt. 

In  der  Neustatt  hatt  man  wol)  allerlai  reformationes  wie  alhie 
wollen  füernemen,  aber  seitt  des  frumen  herrn  bischoffs  tott*  lauffen  die 
maisten  burger  aus,  die  geistlichen  rauffcn  und  schlagen  einander,  fQren 
ghar  ein  ergerlich  leben,  allso  die  landtlenth  nemen  die  pfarrn,  der  welt- 
liche administrator,  so  von  dem  verstorbnen  herrn  bischoff  des  diennst 
entsozt  worden,  ist  guetter  gsell  und  schlagt  selbst  die  priester  aus  dem 
bischoffsboff.  Wie  kban  dan  dises  in  die  leng  bestehen!  Das  schreyb 
ich  gnedigcr  herr  derhalben,  weill  dise  tag  sich  bcy  mier  etliche  ange- 
meldt  und  den  handl  erzoUt  haben.  Dan  sonnsten  wissen  E.  6.  mein 
gmüctt  in  diser  i^achen  ghar  woll,  wessen  ich  mich  resolviei-t  hab,  allain 
wünschet  ich  das  dennoch  dasselb  bistbumb  mcbrer  correspondents  mitt 
uns  hette  und  fein  gleich  einzübet,  auf  das  die  ehr  Gottes  befüerdort  und 
der  beillig  catholisch  glanb  ausgebraittet  wurde.  Es  sein  vill  biscboff, 
wellicho  zu  irem  btsthumen  auch  administrationes  haben  cum  dlspensa- 
tione  S.  Pontificis,  wai-uinh  khnndte  nicht  annsor  herr  bischoff  alls  ein 
frumer  aifFrigor  herr  auch  das  bisthnmb  Nenstatt  administriern,  so  wurde 
baden  bisthumen  vill  ersparet  und  der  religion  woll  gedienet.  Ich  woltte 
das  meinige  alhie  nnd  auf  dem  landt  meinem  eusseristen  vermögen  nach 


'  Wolfgang  Sigmand  Rumpf  «nni  Willross,  Oberstkümmerer  «d<1  Qoheim- 
rath  Kaiser  Riidotfa  U.  Vgl.  über  ihn  Stieve  in  der  Allgemeinen  dent- 
achen  Biographie  XXiX,  1889,  S.  668  f. 

*  Lambert  Qniter,  Mofprediger,  gest.  3.  Aagust  1682. 


L 


MO 


Uion,  nuer  damit  etwas  geschehe,  bis  das  I.  M'  auf  ein  anndere 
gedacht  were. 

Das  schreyb  E.  G.  ich  aus  guettem  ainfeltigen  herzen,  alU 
der  von  herzen  wQnschet,  damit  doch  der  h.  glaub  seineu  schleinig 
forttgang  bekhume.   E  G.  werden  im  wissen  nachzugedenckben. 

Denen  von  Prugg  an  der  Leitta  wierdt  ein  starckher  filz  gescbrili 
das  sy  die  weiuachten  nicht  mit  ans  haltten,  auch  sonnstea  in  religi 
ghar  verweislich  sein.    Wierdt  dem  alten  herrn  von  Harrach '  bevohli 
denen  von  Prugg  iren  ungehoream  zum  höchsten  zu  verweisen. 

Meiner  Sachen  werden  E.  G.  zu  irer  guotton  gelej^nhait  wia 
ingedenckh  zu  sein,  in  sonderhait  weill  sich  das  gschrai  nicht  allain  al 
will  mehrn,  sonnder  ich  wier  auch  von  Prag  aus  avisiert,  das  man  n 
mier  nicht  soll  zufrieden  sein.  Ich  hab  Gott  und  E.  G.,  die  wissen,  < 
ich  meinem  vermögen  nach,  weill  ich  zu  hoff  predigt,  hab  gethan,  «i 
warumb  ich  aiiimall  mich  änderst  nicM  hab  resolviern  khüunan,  und  i 
Gott  noch  danckh  diser  resolution  halben.  Bitt  E.  G.  die  wollen  m 
gnediger  herr  und  putronus  sein  und  bleiwen.  Wan  ich  das  hab,  wie 
dan  hoff  und  glaub,  so  wier  ich  mitt  desto  ringern  gmüett  meine  labol 
alhie  verrichten.  Sehen  E.  G.  bei  I.  M'  meiner  person  halben  etwas 
wider,  so  bitt  E.  G.  ich  die  wollen  von  meinetwegen  ir  bey  I.  M'  kl 
ungelegenhait  machen;  dan  was  ich  begber,  das  ist  nuer  ein  schein,  i 
ich  mitt  I.  M'  gn.  sey  erlassen  worden,  welliches  man  anch  aadt 
lüuthen  gibt.  Was  das  einkhumen  meiner  probstei  belangdt,  das  wii 
Gott,  dem  £.  G.  ich  bevohlen  thue,  woU  schickhen.  Datum  Wien  ia 
circumcisionis  domini  a.  84. 

E.  G.  gehorsamer  caplan 

Melchior  KhlesI  a' 
Gleich  gestern  ist  der  von  Molart*  ex  Hispania  khumen. 


Wien,  1584  Jionor  IX 

Wolgeborner  gnediger  herr.  E.  G.  sein  neben  wünscbung  ei 
freydenreicheu  ueuheu  jars  mein  gehorsamb  schuldig  dienst  zuvor.  G 
diger  herr,  £.  G.  von  Prag  aus  am  tag  Joannis  datiert  schreyben  hab 


'  Leonhard  Freih.  v.  Htrrach  der  Aeltere,  Oberster  ErbsUlImeUter  i 
Oeiterreicli  and  Geheimratb  unter  Kaiser  Maximilian  II.  und  Rndolf 
MoriU:  Die  Wahl  Kaiser  Rndolf«  II.  etc.,  1891,  S.  76;  Süeve,  Briefe  l 
Reichdhofrathes  Dr.  O.  Eder  etc.,  S.  141. 

'  Eis  wird  vielleicUt  Peter  Freih.  v.  Mollart,  Oeheimrath,  gemeint  «ein. 


501 


den  10.  januari  empfangen  und  hetten  E.  G.  deren  <<nt8cliuldignng  gegen 
meiner  peraon  ghar  nicht  bedüerfft«.  weill  ich  woll  wais,  wie  E.  6.  occn- 
piert  nnd  in  nöttigern  sacheu,  daran  ans  allen  gelegen,  zu  schreyben 
haben;  niier  ist  gniieg,  wan  ich  durch  meinen  vettern  nuer  wier  be- 
richt,  das  E.  G.  meine  schreybeii  empfangen  haben.  Sy  schreyben  zu  irer 
ghar  guetten  gelegenhait.  Das  aber  E.  G.  meinetwegen,  damit  E.  G. 
meinen  an  I.  M'  underthenigisten  beghern  antworten  khundten,  desto 
lenger  die  antwort  aufgeschoben  haben,  khan  ich  mich  in  warhait  diser 
gnedlgen  affection  gegen  meiner  porson  nicht  gnuegsamb  bedanckhen 
nnd  wais  weitters  nichts  dan  Gott  füer  E.  G.  und  die  irigen  täglich  zu 
bitten,  das  er  der  reich  belnhner  sein  wtMI.  Was  aber  E.  G.  mitt  mier 
werden  schaffen,  sein  E.  G.  von  mier  vergwist,  das  ich  alles  mitt  gnettcm 
gmQett  meiner  mügligkhait  nach  die  zeitt  meines  lebens  geharBainhlich 
thun  will.  Und  darff  weitter.s  meiner  Sachen  halben  E.  G.  nicht  bitten, 
weill  sy  sich  so  giiedig  und  vätterlich  derselben  vor  ir  selbst  mehr  all» 
ich  beghern  düerffen  annemen,  thue  allain  mich  E.  G.  zu  dero  gnedigen 
affection  gegen  mier  gehorsamblich  bevehlen. 

In  unsern  Sachen  alhie  wais  E.  G.  ich  wenig  zu  schreyben,  allain 
das  man  halt  die  landleuth  ghar  nicht  offendiern  will.  Die  grävin  von 
Schmida^  ist  auf  I.  M'  resolution  alhieher  etfordert  worden,  weill  sy  ein 
neube  khirchen  gepaut  hatt,  der  mainung  sy  soll  nicht  hinweckb,  diso 
sinagog  sey  dan  abbrochen.  Aber  man  hatt  sy  lassen  zühen,  nimbt  ir 
entschnldigung,  haltt  neuhe  cnmmtssiones  et  consultationes.  Ist  es  ir 
erlaubt,  so  werden  wier  in  ainem  jar  mehr  sectischo  dan  geweihte  khir- 
chen im  landt  haben  nnd  das  ist  der  modus,  ir  bJ^se  und  der  h.  khirchen 
schedliche  concession  zu  dilatiem,  uns  aber  nndterzutnickhen,  zu  welli- 
chem  werckh  die  helffon,  welliche  E.  G.  ich  in  meinem  ersten  schreyben 
hab  nanibhafft  gemacht  Ich  wOr  mich  sovill  ich  khan,  sag  I.  D'  deusch 
wie  ich  soll,  befündt  dieselb  auch  woU  geaaigt,  aber  wan  ich  haltt  khaino 
anndere  resointiones  wier  haben  dan  dise,  ao  mues  ich  haltt  das  wesen 
lassen  ghen  wie  es  ghehet,  ciuia  uon  sum  sufficiens  wider  I.  ü'  oder  der- 
selben gehaime  räth  zu  streitten. 

Herr  önverzagt*  thueth  in  warhait  bey  diser  Sachen  das  böste,  aber 
er  ist  nicht  allezeit  verhandten  und  sihet  das  sein  aitfer  iiu  khunfftig 
mehr  schaden  dan  nuzen  wurde.  Bisher  hub  E.  G.  ich  nichts  von  der 
predig  bey   landtmarschalch'  und  Hotfkhirchens*  gschriben,    weill  ich 


>  Vgl.  oben  B.  497,  Anm.  2.  *  Vgl.  oben  8.  497,  Aiim.  4. 

•  HnnH  Wilhelm  Freih.  v.  Rogeiulorf. 

*  Wilhelm  Freih.  v.  Uufkircheu,  liuflcriegBrathiiprSaident.   Wiioigritl,  a.  n.  O. 
IV,  8.  367. 


502 

nicht  bin  gwiss  gwesen,  nnn  aber  ietzunt  bin  ich  desto  gwiaser  and  gkir 
zu  gwisa,  dan  auch  die  handtwerger  auf  der  gassen  einander  laden  nm 
wortt.  Was  nun  daraus  wierdt  werden,  bringt  die  zeitt.  Ich  sihe  ate 
woU,  wo  es  hafFt,  I.  D'  haben  guetten  aiffer,  daran  zweifelt  niemants. 

Sonsten  in  der  statt  khan  E.  G.  ich  bey  meiner  warhait  sagen,  du 
die  Uiirchen  anfahen  lär  zu  werden,  seitt  so  viller  winckhlprediger,  osi 
ist  das  Tolckh  nimmer  so  rertrealich  alls  zuTor,  sonnder  alles  angesflndtet, 
wierdt  das  fenr  nicht  baldt  gelescbet,  so  wierdt  nichts  gnetto  darans  wer- 
den. Allso  sein  diso  ganze  wochen  in  der  zetl  von  den  hevamen  nicht 
mehr  dan  15  khflnder  einkhumen;  raitten  £.  G.  wie  vill  man  nicht  gt- 
taufft  hatt  in  ainer  so  grossen  statt.  Aber  die  catholischen  haben  nickt 
mehr  dan  15  getanfft. 

Heutt  nmb  6  uhr  morgens  ist  herr  probst  zn  Clostemeaborg'  in 
Gott  entschiaffen,  dem  Gott  gnadt.  Herrn  Preiner*  oratorem  zn  Constu. 
hatt  man  den  9.  jan.  bey  den  schotten  alhie  b^raben,  ich  hab  im  die 
leichpredig  gethan. 

Die  Tonaw  ist  alhie  so  gros,  das  khain  schifiein  dorch  die  schlag- 
pmckhen  nicht  khan  fahren,  und  halben  (1)  alhie  lautter  regenwetter; 
allso  auch  die  Wien  ist  so  angeloffen,  das  sy  ghar  an  die  staine  praekhaa 
raicht. 

Ich  schickhe  E.  G.  hienebens  ein  khlaines  briefl  an  herm  nnnciaa 
apostolicum,  allain  derhalben  damit  es  desto  gwisser  ime  herm  nnnei» 
zaekhume;  bitt  E.  G.  die  wollten  ime  es  unbeschwert  laestellen  lassen. 
Danebens  thue  E.  G.  hiftmit  ich  dem  allmechtigen  Gott  bevehlen.  Datna 
Wien,  den  13.  jan.  a.  83(1).' 

E.  G.  gehorsamer 

M.  Ehlesl  m.  p. 
praepomtoa. 

VI. 

Wien,  1584  Februar  9. 

Wolgeborner  gnediger  herr.  E.  G.  sein  mein  gehorsam  schuldig 
und  willig  dienst  zuvor.   Gnediger  herr,  E.  G.  schreyben  den  27.  jan.  n 


'  Caspar  ChristUni  (1678—1584).  Topogrraphie  von  NiederOsterreicli  V, 
S.  230  (dort  der  16.  Jänner  ab  Todestag  angegeben). 

*  Friedrich  Freih.  v.  Bränner,  Qeundter  zn  Constantinopel,  starb  anch  dort 
am  10.  August  l.'iSS.   Wissgrill,  a.  a.  O.  I,  S.  381. 

'  Klesl  hat,  wie  aus  dem  Inhalte  des  Briefes  und  namentlich  ans  deo 
zwei  Todesnachrichten  berrorgeht,  irrthflmlich  noch  daa  alt«  Jahr  ge- 
schrieben. 


503 


Prag  datiert  hab  ich  den  5.  febr.  alhie  empfangen,  und  wie  vorhin  oCft 
gemeldt,  so  ist  es  ainmall  ghar  zurill  das  E.  G.  ir  sovill  lufaden  mitt 
Bchrejben;  ich  bin  woll  zufriden,  wan  ich  nner  wais,  das  E.G.  meine 
schrejben  empfangen  haben.  Was  ich  aber  E.  G.  auf  dise  so  gnedige 
und  im  werckh  i^rzaigte  erbieten  antworten  soll,  wais  ich  mehr  nicht,  dan 
das  ich  ohne  das  E.  G.  obligatissimus  bleiwe,  weill  ich  leb,  und  Gott  geb 
mier  die  guadt,  welliche  mich  auch  zu  dem  danckhparen  werckh  bringe, 
damit  ich  was  fleissiger  in  meinem  ambt  und  gepett  für  E.  G.  »ey  alls 
bisher  beschehen.  Es  hatt  mier  woll  herr  Trauttsamb '  gestern  auch  ge- 
schriben,  das  er  das  testimonium.  so  von  I.  M'  durch  E.  G.  ich  beghert, 
nicht  fQer  ein  notturfft  haltet,  und  will  mich  zu  annemung  der  hoBcanzI 
Terrors  persuadiern.  Weiil  aber  ich  in  ista  simplicitate  Gott  und  seiner 
khircheu  zu  dienen  ainmall  entschlossen  bin,  so  bedauckh  ich  mich  gegen 
E.  G.  der  bemühung  halben  gehorsamblich,  will  gleich  mitt  gedult  tragen, 
was  mier  von  etlichen  unbillich  nachgeredt  wiardt,  and  es  Gott  bevehlen, 
dan  wie  B.  G.  wissen,  hab  ich  nicht  allatn  mitt  wolbedachten  Ursachen 
dise  von  I.  H'  mier  aufgedragne  condition  abgeschlagen,  sondern  do  mier 
soll  was  mebrers  und  ansehenlichers  darzue  geraicht  worden  sein,  hette 
ich  es  gwissena  halben  damallns  nicht  thun  khünnen,  vill  weniger  ietzunt, 
wie  es  mich  dan  bis  daher  nicht  gereuhet,  wierdt  mich  auch  huffentlich 
binvorthan  auch  nicht  reuhen,  weil!  ich  nicht  des  ansehens,  sonder  wegen 
der  nott  der  khirchen  und  nuz  derselben  bin  geistlich  worden.  Bitt  allain 
E.  Q.  wollen  mich  den  irigen  sein  lassen. 

Das  alhieige  wesen  last  sich  Gott  lob  woll  an,  ist  still  und  luufl't 
niemants  aus,  dan  man  stratft  ghar  häfftig,  derer  Sachen  fleissiger  ver- 
mahner iüt  herr  Unverzagt,*  den  Gott  lang  wolle  erhalten,  das  er  I.  D' 
disen  beistandt  laiste,  hab  aber  sorg,  er  werde  ans  ausschieasen,  so  ist 
wärlich  niemants,  der  sich  der  Sachen  anneme. 

Dem  burger,  wellicher  sich  in  religione  so  ftbl  verhalten  und  nicht 
gehorsamen  wollen,'  ist  der  termin  auf  6  Wochen  lang  erlengert  worden, 
interea  mnes  er  zuestift'ton  und  aus  I.  M'  erblender  zühen,  das  macht 
ainen  grossen  schreckhen  nnd  schafft  mehr  frucht  alls  vill  predigen,  wan 
mans  nuer  zu  zeitten  bej  hoff  verstehen  wolltt  und  braucht  das  argn- 
meut  6ffter. 

Die  khirchen  bey  Sanct  Stephan  wierdt  voll,  die  lenth  bleiwen 
fleissig  bis  znm  endt,  allso  ist  es  bey  den  herrn  jesuitern,  St.  Michael,  predi- 


»  Vgl.  oben  8.  492,  Anna.  6. 
*  Vgl.  oben  8.  497,  Anm.  4. 
»  Vgl.  Nr.  IV. 


gern  gleichesfals,  zu  hoff  hatt  pater  Scberer'  zimblich.    Bin  zu 
ganz  tröstlichen  hofTnuog,  er  werde  ans  dise  fasten  einen  reichen  schnii 
geben  in  dem  Wienerischen  weingartten,  wie  dan  aine  vom  adl 
bergerin*  genaniJt  etlich»  predigen  bey  mier  besuecht,  hernach  mi 
gehandiet,  zu  uneerm  heiliigen  glunben  getretten  ist. 

Deswegen  landtmarschalch  iren  herrn  erfordert,   and  ime  im 
solliches  seinem  weib  gestattet,  zum  eusseristen  verwissen.  Aber  er  seil 
der  guett  berr  ist  auch  in  via  conversionis,  darzne  Oott  sein  gmdX 
leihen  wolle.  Der  sein  vill,  gnediger  horr,  die  wier  nicht  wissen,  w«Uiel 
täglich  von  Gott  erleucht  werden. 

Die  Sachen  des  seminarii,  der  Visitation  und  ganxen  r«fi>niiatiai 
In  Osterreich  ist  von  I.  D*  mier  zn  berathschlsgen  aofgetra^n  nnd  I 
vohlen  worden,  damit  I.  D*  hernach  ansfäerlicb  I.  H'  niüchtea  >i 
schreyben  und  derselben  gnedigisten  rosolution  darüber  erwarttun.  DiM 
Sachen  ursacher  ist  der  alt  herr  von  Harrach,'  der  dreibt  täglich 
batt  mitt  mier  ansfflerlich  davon  conversiert.  Do  non  E.  G.  nicht  sondi 
bedeuckhen,  khundte  nicht  schaden,  das  E.  0.  ime  herrn  von  Harrad 
gratulierten  in  ainem  clainen  briefl,  das  er  diser  ansehentlichen 
ursacber  sey,  welliches  villeicbt  dorn  herrn  von  Harrach  mehr  gmflej 
und  herben  zur  suchen  machen  wurde,  Hab  auch  khaiu  bedenckben,  di 
E.  (i.  meiner  meidung  thun,  das  ich  der  nrsacher  sey,  so  E.  Q.  das  m 
geschriben.  Ufigen  sy  allso  E.  Q.  gwisslichen  darauf  verlassen,  dae  io 
an  Ulier  nichts  will  lassen  «rwandten,  damit  ich  nicht  ursacber  sey  k 
sovillor  sehlon  verderben,  und  so  baldt  ich  wier  ferdtig  werden,  will  E.  0 
ich  dasselb  guettbedunckhen  überschickhen.  Aas  wellichem  allen  S.  Q 
abnemen  khOnnen.  mitt  was  gwissen  ich  m^cht  von  hinnen  raisen, 
der  hoffcanzl  abwartten,  sonderlich  bey  der  vorhabenden  Visitation,  daral 
viller  tansent  seblen  seligkhait  gelegen.  Oportet  ma  Deo  magis  obedii 
quam  bominibos.  Wollen  es  die  menschen  nicht  erkhennen,  so  wais  < 
Gott,  der  bozalt  reichlich.  Ich  bette  sonnsten  woll  alls  E.  G 
sehentliche  vocationes  gehabt,  do  ich  mich  aus  Osterreich  bette 
wollen,  die  mier  noch  hentt  zu  tag  bevorstundten,  aber  wan  ich  ais 
herrn  dienen  woltt,  wer  ich  meinem  landtsf&rsten  mehr  don  allen 


'  Oeorg  Scherer,  Jesuit,  Hofprediger  Erxhenog  Ernst*.    AllgemoiDe 

sehe  Biographie  XXXI,  1890,  S.  102  f. 
'  Es  ist  ohne  Zweifel  Florentinn.  die  Gattin  dos  Ludwig  Obronbei^ 

letzten  seines  Stammes,  gemeint.  Wiäsgrill,  Cunt.  Heraldiach-genealq 

Zeitochrift  .Adler'  lU,  S.  102. 
■  Vgl.  oben  S.  600,  Anm.  I. 


505 


zu  dienen  verobligiert,  mein  dienen  soll  sein  Gott  und  seiner  khirchen 
wo  es  am  nottwendtigisten  ist. 

Der  pfarrer  von  Nicicblspnrg  ist  in  die  14  tag  alhie  gwesen  prie- 
ster  halben,  derer  khatner  verhandten,  liab  21  pfarrn  zu  ersezen,  da  khain 
ainiger  mensch  ist,  wcliichen  ich  khundte  brauchen,  wer  sonnsten  E.  G. 
freilich  sehr  verobligiert,  das  macht  der  teuB,  wellicher  das  seminariuni 
4  ^iizer  jar  verhündtert  hatt  uud  noch  tfiglich  zu  verhündteren  nicht 
aufhr>ret. 

Ich  wais  iezunt  nichts  sonders  neuhes  mehr  zu  echreyben,  dan  das  das 
landt  voll  mitt  bösen  teuth  wierdt,  allso  lias  schier  khain  mensch  sicher 
auf  der  Strassen  wandlen  khan ;  man  richtet  woll  vill,  aber  hilift  nichts, 
ja  in  der  statt  selbst  ist  es  unsicher.  Gott  in  dessen  schnz  E.  G.  ich  ge- 
horsamblich thue  bevehlen,  sey  mitt  uns  allen  und  wendte  das  üb\  gnedig- 
lich  ab.    Datum  Wien,  den  9.  febr.  a.  84. 


E.  G.  gehorsamer 


M.  Khlesl. 


Wais  E.  G.  auf  den  faschung  nichts  zu  schickhen,  allain  dis« 
khartten  zum  spilln.  deren  etliche  exemplar  der  hoffbuechfflrer  bey  der 
burgg  alhii!  ins  landt  ffleren  wollen,  die  im  aber  fein  genumen  worden 
vom  herrn  bischnven  zu  Passau  an  der  mautt.  Mitt  dem  besessnen  weib* 
fahrt  man  nner  fortt,  er  blaset  ieznut  im  padt  liechter  aus,  wier  hoffen 
täglich  erledigung. 


L» 


VII. 


Wien,  1684  AprU  22. 

Wolgeborner  gnediger  herr.  E.  G.  sein  mein  gehorsamb  schuldig 
und  willig  dienst  zuvor.  Gnediger  herr,  E.  G.  schreyben  hab  ich  empfan- 
gen, daraus  denselben  gnedigen  gmäett  und  gegen  meiner  person  »ffec- 
tion  verstiindteu.  Was  ich  nicht  khan  bezallen,  das  wierdt  der  allmechtig 
Gott  welliclien  ich  darum  bitten  will  reichlich  thun.  Er  wais  allain  das 
ich  mitt  disem  und  andcrm  khain  zeitliche  ehr  suche,  sonnder  allain  da- 
mit ich  seine  feundt  confundiern  und  seiner  khirchen  mitt  mehrern  am 
dienen  khOnne,  will  allsD  ghar  ghern  mitt  gediilt  erwartten.  wessen  sich 
I.  M'  resolvieru  werden.  Herr  Unvei-zagt*  hatt  zum  ersten  mall  mich 
an  dise  sachen  bracht.  Ist  es  nnn  nuzlich,  so  wierdt  es  woll  geschehen, 
80  es  aber  schedlich  ist,  wierdt  es  Gott  wohl  verhflndtern. 


>  Vgl.  oben  8.  490,  Anm.  1. 
*  Vgl.  oben  S.  4117,  Anui.  4. 
AnhiT.  LXXXTIII.  Bil.  t[.  BUtU. 


sa 


S.  6.  cmUm  i>i  bv  mkt  alki*  gurnnp»  vi«  die 
Init,  da8  er  aUain  all«  beucht  hitret,  die  i^4ßv  yftwt, 
■lMralhiot&oMul,«B«igt.  lAitnuiini»  vap  aiMiaiwahwMl 
IMgqpritt  geb,  er  sqU  4Hut  mfrid«»  ^ib,  (MMlIiHk  hak.  tt  ■>■ 
■iehk  seUtifwui  wftUoa,  4»  ratb  wUm*  «eia  Batv  MMmI  gWAa 
te  ))Mi^  80  aoll  er  deasettteB  raeWteait  erwarttoa»  dM  ««teil 
Yvteiaam  Itttt.  E.  0.  itilgwi  nie«  gwjwlinli  i^MdMa,  te  idk  fti 
S7  pfurn  80  m  ereeten  nicht  einen  ainigen  priester  Inben  Uhhl  MI 
«cbemba  im  hiiael,  dp«  ae  veoig  iMtk  wteaMm  aräi,  aOaaaniiBB 
.  a»  ptieoter  iemnt  tbwnllen.  By  nta  w»  qf  nfUen,  «aa  af  an«  cA» 
liaoh  ond  piriester  sein;  laan  kbaa  dennoch  l^nia»  bakkaaaw.  Waia 
B.  0.  sUbo  der  eaohe«  well  la  than  iriiaea. 

WaeftterUnilb  di— h.  ÜMtea  ewawnaidart.  >al»aa»  aeMathiKft 
idi  hiemit;  sab  ntraqne  haben  vier  ante  aaaaaB  b«|f  9,  SlifiNa  fkU 
600.  Gk>tt  lob,  08  will  allee  bOsser  werden.  Ea  eommaaicieni  aoA  n» 
üglich  die  lenth,  wie  dan  hentt  aneh  lenth  bey  nnauH 
mnniciert  haben.  Be  ist  bey  S.  Stephan  seliaia,  waa  hvf  den  l 
tarn  tagUdi  geaohieeht. 

Anf  dm  1.  aiai,  wills  Gott,  iflha  idi  ^mh  Khnate,  4ie  pdir 
khandien  daaelb  in  heben.  Vnaer  hen-  wrialha  vm  gnaü,  da  «  n 
seiner  ehr,  firidlich  und  woU  forttghehe,  wie  mier  dan  g^iar  nkht  nralit 
Was  sich  aber  in  particnlari  bey  diser  handlang  TorianfFen  wierdt,  minfi 
E.  G.  ich  hernach,  hab  woU  sorg,  die  Sachen  weirden  wnnderbirtid 
abghen. 

Der  alt  herr  von  Harrach '  thaett  sonnst  bej  der  religion  aUiie  du 
böste,  wier  haben  anch  ondter  den  r&then  zu  im  annaer  maiate  ineflnckt 
Ich  ffler  mein  person  hör  nicht  auf  I.  Q.  zn  importoniem,  weill  ich  illü 
procnratnr  sein  maes  nnd  khainen  gesellen  hab.  I.  D*  mttessen  aitt 
mier  auch  ein  ttberiges  thnn,  dan  ich  &st  alle  wochen  khnm  und  kfakyi 
an,  weill  ich  aber  sihe,  das  I.  D'  khainen  Terdros  haben,  aonnder  mitt 
lieb  und  freiden  alles  ghern  aafnemen,  thne  ich  es  deato  lieber  und  «u 
schon  khaines  w&r,  woltte  ich  doch  mitt  göttlicher  hilff  das  an  thnn  aidt 
undterlassen  was  ich  ratione  conscientiae  meae  thnn  aoil  nnd  mOest«. 

Die  infection  will  alhie  und  aof  dem  landt  tfiglich  inenemen;  oiiMr 
herr  stehe  uns  gnediglich  bey. 

Doctor  Hillinger'  ist  den  17.  diz  in  Qott  Tersohiden  nnd  den  tob 
Otth'  canzlern  in  die  2000  f  verlassen.  Allso  ist  die  frsu  Hwnbeigcrii 


>  Vgl.  oben  S.  600,  Anm.  1 .  ■  Vgl.  oben  S.  4M,  Airni.  S. 

■  Vgrl-  oben  S.  487,  Anm.  8. 


507 


hen'n  canzlers  tochter  gestern  mitt  ainem  söhn  erfreihet  worden,  und 
sovill  hab  E.  G.  ich  auf  derselben  ghar  gnedig  schreyben  gehorsambtich 
beantworten  soll  (1).  Gott,  in  dessen  gnedigen  schätz  E.  G.  ich  befehlen 
thue,  wolle  dieselb  mit  sambt  den  irigen  langes  leben  sezen  und  bene- 
deiung verleiben,  mich  zu  derer  gnaden  ganz  dfieniQetig  bevehlen.  Datum 
Wien,  den  22.  aprilis  a.  84. 

E.  G.  gehorsamer  caplan 

M.  Ehlesl  m.  p. 

Beilage.' 

Numeriia  communicantinm  a.  1584  Vienuae  Austriae  pro  tempore 

pascbali, 

,  ™  „.     ,  ,   »na  2450 

Apnd  S.  StephanoB sub    ^ 

^  *^  utraijue     100 

una  226 

Apnd  D.  Michaelem sub    ^ 

utraque     258 

una  30 

Apud  Scotos sub    , 

utraque         6 

Apud  Societatis  Jesu  Patres  confessi  sunt  .     .  3541 

communicarunt 3200 

In  Xenodochio  civili sub  una  582* 

Apud  S.  Dorotheam ,      ,  32 

Apud  AugUBtinianos ,  1 

Apud  Praedicatores ,  50 

Apud  Frauciscanos n      n  ^^^ 

In  Xenodochio  Imperatoris      .     .     .       ,      „  90 

Apud  Minoritas „      n  60 

Summa  communicaiitium  .     .  7330 

sub  una    .     .     .  6966 

sub  utraque  .     .  364 


VIII. 


Wien,   1684  Hai  30, 


Wolgeborner  gnedtger  herr.    E.  Q.  sein  mein  gehorsam  schuldig 
und  willig  dienst  zuvor,    önediger  herr,  E.  0.  den  6.  tag  may  zu  Prag 


*  Eine  Zusamineiiiitelhing  der  CommunicAulen  vom  Jahre  16K1  bis  1684 
nach  den  bictebuflicheu  Protoküllen  befindet  .licli  im  Cod.  100  des  Wiener 
Haus-,  Hof-  und  Stutaarchiva,  Bd.  XIll,  fol.  119. 

«  628;  Cod.  100. 

38* 


508 


ausgangen  schrejben  hab  ich  den  14.  diz  empfangen,  daraas  allen  p»- 
digen  and  vätterlichen  willen  mier  zu  sondern)  trost  verstandten.  HetU 
darauf  alsbaldt  geantwort,  do  nicht  die  schwere  und  gferrlich  Khrembw- 
rische  reformation,  an  wellicher  ich  nun  lange  zeitt  gedriben,  eingfillm 
wer.  Dan  den  7.  may  bin  ich  nach  Khrembs  verraist  uod  hab  E.  G. 
schreyben  oben  zu  Ehrembs  empfangen,  den  25.  bin  ich  widunim  biehtr 
khnmon,  etwas  schwach  wurden,  allso  das  ich  den  modicuni  noch  brsodi. 
das  ist,  gnediger  herr,  meines  stillschweigen  nrsach,  und  eben  roo  ie 
ui-sach  will  ich  dis  mein  schreyben  anfangen. 

Ich  hab  bey  der  F.  D'  augehalten,  man  soll  3  rädlfflrer  ans 
rath'  zu  Khrembs  ghen  Wien  erfordern,  dieselben  arrestiern,  so 
wier  alle  sachen  zu  Ehrembs  verrichtet  haben.  Sein  allso  dieselben  i 
den  4.  niay  zu  Wien  aukhumen,  darauf  ich  den  7.  verraist,  herr  tob 
SiglstortT^  und  herr  ductor  Engimair'  waren  fürstliche  commissarieo 
Den  9.  may  ist  der  rath  erfordert  und  mitt  im  ad  longum  gehaudlet  wor- 
den, sy  sollton  die  predtgkhandten  abschaffen,  dos  schuelwesen  nider- 
legen, alles  frembten  exercitti  sich  enthalten  etc.  und  weill  sy  sich  ouh 
langem  starckhen  znesprechen  erbotten  zu  gehorsamen,  haben  wier  di« 
prodigkhandten,  schuelmaister  und  alles  bey  scheineter  sonnen  aus  dtr 
statt  geschafft.  Die  haben  woll  difficultiert,  aber  lezlich  die  volg  geb«D. 
Interim  sein  in  die  100  man  mitt  spiiesson,  wehrn  und  pflchsen  fflerd*n 
pfarhoff  gangen,  gstossen,  gschlagen  ins  thor,  geschossen  und  sich  gani 
und  ghar  zum  lerman  gesteldt,  niemants  änderst  dan  mein  person  b«- 
ghert.  Woill  ich  aber  damalln  noch  nicht  geessen,  hab  ich  ghar  nicht 
derweil  gehabt  zu  innen  zu  khumen;  so  baldt  aber  die  predigkhaodtto 
aus  dem  pfarhoff  gel.issen,  hatt  sich  der  tumult  gelegt.  Darauf  handleo 
wier.  sy  soltten  uns  die  zwo  khircben,  so  sy  innen  gehabt,  mitt  dea 
schlQssl  einantworten ;  das  woltt  ghar  nicht  ghen.  Allso  mOest  ich  in  di< 
ascenssionis  um  3  uhr  morgens  auf  dem  wasser  ghen  Wien  zu  I.  D'  miU 
der  commissari  relation  verraiseu,  umb  neuhe  bevelich  anhalten,  wellicbe 
ich  baldt  und  scharf  gnueg  erlangdt.  Bin  allso  den  12.  may  widemm 
zu  Khrembs  ankhuiiien  und  den  13.  tag  hernach  abermallns  Till  stondt 


'  Es  sind  dies  die  zwei  Kntlislierren  Oour^  Straub,  Willielm  PillerstoriTer 
uud  der  Stadtjschreiber  Hsus  Knozer.  NiederOsterreichiacb«*  Ljuida»- 
vchir,  B.  III.  26;  Kerschbaumer,  Oesohichte  der  SUdt  Kreiua,  188t, 
8.  277. 

*  Albert  Kreih.  t.  Sig^ndorf,  Comthur  des  Deutschen  Ordens  so  Wien  and 
Wieoer-Neuatadt.    Staner,  n.  a.  O.,  8.  4^8. 

*  Dr.  Stefan  Engelmayr,  Professor  der  Rechte  an  der  Wiener  UnirenitU. 
niederOaterreichischer  Regiernngarath.   Starter,  a.  a.  O.,  S.  488. 


509 


allain  miit  den  sclilQssI  zuegebracbt,  bis  sy  auch  dioBelben  orlogt  haben 
com  illa  protestatione,  bj  betten  gsandte  zu  I.  D'  abgfp.rdtigt,  man  solle 
nuer  sorill  gednit  baben  bis  morgen  umb  7  ubr,  da  verhofften  sy  ent- 
licher resolutiün,  wellicben  termin  wior  innen  znegelasaen.  Äbents  zwi- 
schen 8  und  9  erbebt  sieb  ghar  ein  sehr  gferrlicher  tnmait  mitt  rill 
blossen  webrn,  stainen,  (»rögln,  spiosaen  etc.  widemm  an  das  Ihor  und 
begherton  abcrmalln  meiner;  ich  hab  aber  auch,  nreill  es  schon  zeitt 
gwesen  ist  schlaffen  zu  gben,  daraalln  nit  kbumen  khQnncn.  Wellichen 
lerman  hernacb  der  liurgermaister  gestüdt  hatt.  Morgens  frue,  welliches 
warder  14.,  sein  sy  der  rath  noch  wilder  gwesen,  allso  das  ich  abermalls 
denselben  tag  auf  Wien  verraiscn  und  bey  I.  D'  das  sy  bey  verlierung 
iror  stattfreihaiten  gehorsam  laisten  sollen,  ainen  bevelich  ausbringen 
mflessen  und  bin  mitt  demselben  den  17.may  abents  ankhumon.  Den 
18.  haben  wier  sy  abermalln  erfordert,  aber  in  proposito  halsstärrich 
gfnndten.  darauf  umb  B  ubr  ainen  catbolischen  pfarrer  zu  Khrembs  ein- 
gesezl  magna  cum  solennitate.  Die  commissari  sein  hinweckh  gezogen, 
ich  bin  die  pfingsten  zu  Stain  bliwen,  hab  den  gottsdienst  daselb  ver- 
richtet und  die  khircben  zimblicb  voll  gehabt.  Gott  lob,  alle  aachen  sein 
still.  Innen  ist  6  wachen  termin  geben  worden,  was  sy  haben  wider 
mich  einzubringen,  das  ay  dasselb  fflerderlich  thnn.  Interim  werden  dise 
gesellen  allliie  aufgehalten.  Und  das  ist  ghar  khurzlich  die  summa  des 
ganzen  handl;  dan  was  sich  in  meiner  predig  zu  Stain  zuegetragon, 
das  will  ich  von  mior  selbst  nicht  schreyben.  Dem  wesen  ist  nicht  zu 
helffen,  ain  cathuÜKcher  anwalt  sey  dan  im  rath.  Darauf  sein  E.  G.,  bitt 
ich  umb  Gottes  willen,  auch  gedacht,  wan  ay  mitt  dem  alten  herrn  Traut- 
sam' reden,  und  helffen  uns  in  diaer  ansebentlichen  sachen  so  vill  sy 
khönnen.  Herr  vicecanzler,*  E.  G.  in  gehorsamen  vertrauen  zu  melden, 
soll,  wie  ich  von  innen  selbst  bericht,  gnett  khrembserisch  sein,  aber 
Gott  wierdt  alle  sachen  zu  aineui  guetten  ondt  hoffentlich  wenden.  Khain 
catholischer  mensch  ist  verhandten;  es  last  auch  der  rath  khatnen  ein- 
khnmen,  der  atattschreyber  ist  gifftig,  Eaufft  zu  landtmarachalch^  und 
Gerger*  umb  rath  alhie,  wie  er  selbst  bekhennet.  Lassen  wier  die  ge- 
legenhait  aus  der  handt  und  sezen  khainen  catholischen  anwalt,  so  ist 
alles  umbsoust.  Gelegouhait  iat  verhaudten,  dau  bey  verlierung  ii"er  privi- 


'  Vgl.  oben  8.  492,  Anm.  6. 

*  Dr.  Rudolf  Viehäuser,  seit  '23.  April  1577;  Tgl.  Kretschmayr,  Das  deut- 
gebe Reichsvicekanzleramt,  Archiv  (Ür  Osterr.  Qeaohicbte  LXXXIV,  18B8, 
8.  421  f. 

»  Vgl.  oben  S.  501,  Anm.  3. 

*  Vgl.  oben  S.  491,  Anm.  3. 


legiea  ist  innen  das  auferlegt  worden,  dem  s;  nuer  ain  viertl  geTclgtt 
haben.  Das  hab  E.  G.  alls  ainem  aifferer  der  catholischen  religion  ick 
wollen  in  gehorsam  communiciern,  hoffentlich  sy  werden  soUiche 
ainfalt  mit  gnaden  annemen  und  helffen. 

Was  meine  aigen  sachen  betrefTont,  da  thae  E.  G.  ich  ia  mehr  du 
zuvill  inhfle  and  arbait  auf;  wie  soll  ich  aber  weil  annderst  than;  wull 
ich  Kunnst  niemants  hab,  der  sich  umb  mich  wirckhlich  anaeme,  dadorck 
ich  ein  wenig  E.  6.  verschonen  mOcht.  Der  alt  herr  Trauteamb  ist  ghar 
zu  fiberladen,  herr  Rumpf  nicht  wollaulT,  mitt  herrn  vicecanzler  bin  tcb 
nicht  Imkhandt,  ailso  ia  tragen  E.  G.  >iie  hurdt  alluin,  and  wen  sy  miek 
verlassen,  so  bin  ich  schon  geschlagen.  Ich  bitt  aber,  E.  6.  wollen  («i< 
sy  sich  dan  erbieten)  mein  gnediger  herr  sein  und  bleiwon. 

Das  bisthum  Neastatt  botreffent  bleiwe  ich  der  moinang  unveres- 
dert,  wessen  ich  mich  ainmal  resolviert,  das  ich  es  neben  der  hoffcaul 
nicht  annemen  khundte.  Ällso  auch  do  mier  das  bistbom,  so  an  im  ruhig 
und  guott  ist.  vrunle  on  die  hofTcanzl  eingoantwort,  doch  das  ich  bia 
sein  soll  und  dasotb  blciwen,  khundte  ich  es  mitt  gnettem  gwissea 
seitt  nicht  thun.  Der  schnitt  durch  Österreich  ist  gros,  der  &rliait*r 
schier  niomants,  alle  Sachen  lassen  sich  woll  an.  nncr  das  man  forttfihr 
und  arbailer  in  schnidt  sendte;  warum  wollte  ich  dan  in  bac  iuventuu 
mea  iugum  domini  fliihen  und  mich  in  ain  statt  geben,  daneben  ein  ganiM 
landt  verlassen,  darvor  Gott  mich  ewiglich  hchfietten  wolle.  Mnee  , 
aber  yhc*  in  ainor  statt  arbaiten,  warum  nicht  vill  mehr  alfaie  in  der  i 
Wien  (nach  wellicher  die  andern  sich  müessen  richten)  dan  anderstwo, 
Hette  ich  dein  reirhthura  woUnn  nuchtrachten,  so  wer  ich  alhie  und  io 
dison  landen  nicht;  mein  begbern  ist  nichts  änderst,  das  wais  Gott  im 
himol,  dan  die  verfQerten  sohlen,  so  Christus  so  thenr  erkhanfft.  lom 
rechten  weg  der  warbait  zu  bringen;  was  es  mich  auch  khostet.  das  gib 
ich  schuldig.  Ällain  wottte  ich  mich  ghern  allso  versehen,  damit  ich  nach 
gethauer  arbait  müclit  ruhen  und  mcrckhen,  das  dennoch  ich  vor  anden 
alls  I.  M'  undorthan  bedacht  wurde.  Weill  es  aber  dise  mainung  katt, 
das  der  khunfftig  bischoff  in  der  Neustatt  hoffprediger  sein  soll,  nnd  iu 
I.  M'  genzlich  gedacht,  das  bisthumb  auf  dise  weis  zu  ersesen,  mach  ich 
mier  weitters  khainen  ainigeu  gedanckhen  mehr.  Und  den  gedanckben, 
so  ich  mier  zuvor  gmacht,  hab  ich  aus  dem  fundament  geschöpft,  du 
I.  M'  mier  die  administration  disos  bisthumbs  möchten  aus  sonnderer  gnä- 
digsten affection  gegen  meiner  person  vertrauen,  damit  ich  nach  meiMf 
mhüe  nnd  arbait  mCchte  cum  honore  in  patria  mea  ruhen.    Nun  ab«i 


*  Vgl.  oben  8.  499,  Anm.  I. 


511 


fallet  diser  mein  gedanckhen  ganz  billich  und  waiB  ainmsl  khain  anodore 
gelegenhait  diser  zeitt  im  ganzen  landt  nicht,  alls  eben  dise  so  mier 
ainer  ob  der  Enns  fOerschlagt,  wie  B.  G.  aus  disem  seinem  an  mich  ge- 
thanen  scbreyben  abnemen  khünnen.  Die  probütei  Zwotl  and  pfare  Ögen- 
bnrg  sein  von  I.  D'  mier  woll  gnedigist  antragen  worden,  aber  ich  will 
mich  initt  khainein  b^nefltio  beladen,  so  curam  animarum  faatt.  Diser 
aber  ist  noch  im  leben,  aber  aiu  khündt;  gßell  mier  die  gelegenbait  nicht, 
•0  kbundte  ich  es  allezeit  endern;  werden  allso  E.  6.  der  Sachen  zu  thun 
wissen.  Was  den  rathstitl  belangdt,  da  hab  ich  doch  gbar  nichts,  das 
ich  von  hoff  bracht  bette,  so  tragt  mier  diser  nichts  in  die  kbiichl,  allain 
bewaist  dennoch,  das  I.  M'  mier  nicht  uiignedig,  macht  mier  in  allen 
religionsbandlungen  mehren  respect  und  forttgang,  wan  os  nun  on  Bonn- 
derliche  arbait  khündt  geschehen  nnd  nfizlich  wer,  so  thun  E.  G.  nach 
irem  gfallen.  Es  hatt  der  weichbisjchotT  zu  Bamberg  niemalln  dient  und 
dennoch  den  rathstitl  gehabt.  Glaub  I.  M'  wurden  villeicht  mitt  meiner 
person  weniger  difficultiern,  doch  stelle  E.  G.  ich  alles  haiinb.  Den  heiTn 
Fugger'  betrefTent,  der  ist  schwacbait  halben  woll  etwas  zu  lang  aus,  ich 
kban  aber  in  disem  meinem  officio  mitt  bösserem  gwissen  doppelt  mehr 
der  khirchen  dienen  alls  berr  Fugger  in  dem  seinigen,  dan  das  seinige 
ist  nner  wierttschafft,  mein  officium  ist  geistlich  nnd  ein  apostolisch  offi- 
cium. Hoffe  dem  haus  Osterreich  nichts  zu  vergeben  oder  Qbl  zu  handien. 
Der  geistlich  rath  ist  so  übl  bsteldt,  das  ich  nicht  wais  was  er  nuzot; 
ich  lag  aber  verstcndtigere  iiidiciorn  und  davon  discuriern.  Ich  hab  mein 
rais  ghen  Passau  und  Mütiichen  noch  3  wochon  wegen  der  von  Khrembs 
verschoben,  will  von  E.  G.  in  ainer  und  der  andern  sachen  ain  guetten 
bschaidt  erwarttcn.  Thue  dieselb  zusambt  den  irigen  Gott,  mich  aber  zu 
dero  gnaden  gehorsamblich  bevehlen.    Datum  Wien  den  30.  may  a.  84. 

E.  6.  gehorsamer  caplan 

Melchior  Ehlesl  m.  p. 
Thuinbprobst  m  Wien. 

IX. 

Wien,  1684  Juni  33, 

Wolgeborner  gnediger  herr.  E.  6.  sein  mein  gehorsam  schuldig 
and  willig  dienst  zuvor,  gnediger  herr,  und  hab  E.  G.  schreybcu  den 
18.  junii  empfangen.  Bedanckh  mich  geborsaiublich,  das  E.  G.  i-ich  umb 
meiner  Sachen  so  woll  und  embsig  annemeu,  ich  khan  und  wais  es  nicht 

•  Ygl.  oben  8.  492,  Anm.  2. 


512 

zu  Terdienen.  Gott  wolle  der  belohner  sein.  E.  G.  Bollen  es  sehen,  das 
ich  mit  Gottes  kilff  alles,  darzne  E.  G.  mier  helffen,  allso  will  uüegen, 
daran  E.  6.  ein  gnedig  und  sonnderlich  wollgefallen  haben  werden.  Ich 
hab  auf  der  weltt  in  meiner  vocation  annderst  nichts  alls  mich  selbst  lor 
arbait,  damit  die  h.  religion  iren  forttgang  haben  möchte,  au&aopfero, 
welliches  ich  gethan,  mitt  göttlichen  beistandt  bis  zum  endt  bleiwen  will 
Weill  aber  die  crefften  in  grosser  arbait  weichen  und  nuer  weniger  wer- 
den, so  wollte  ich  anch  ghern  hernach,  wan  die  rahig  arbait  anghehet, 
mein  ergözligkhait  und  undterhaltnng  haben,  wie  E.  G.  zuvor  von  mier 
ausfaerlich  haben  verstandten.  Wan  ich  nun  die  probstei  Ardarckher* 
dahin  bschaffen  befündt,  das  es  sich  thun  last  (wie  ich  es  dan  ghern  will 
versichern)  su  bin  ich  desto  mehr  verobligiert  mein  lebelang,  und  begher 
es  ghar  nicht  fOer  die  thumbpropstey  (wiewoU  es  ein  hohe  nottorfft),  wall 
es  nicht  sein  khan,  wan  nner  mier  pro  tempore  geholffen  wurde. 

Das  seminarinm*  haben  I.  D'  schon.  Bitt  E.  G.,  wan  es  hineii 
khnmbt,  sy  wollen  irem  vermögen  nach  helffen  schfleben  und  bef&erdem. 
Und  thne  E.  6.  in  den  segen  Gottes  mich  zu  derselben  gnaden  gehör- 
samblieh  bevehlen.   Datum  Wien,  den  23.  junii  a.  84. 

E.  G.  gehorsamer  caplan 

M.  Ehlesl  m.  p. 

X. 

Wien,  1584  Ao^ost  17. 

Wolgeborner,  gnediger  Herr,  E.  G.  sein  mein  gehorsam  schaldig 
and  willig  dienst  zuvor.  Gnediger  herr,  ich  bin  nun  Gott  lob,  den  11.  die 
zu  Wien  alhie  glQckhlich  und  gsundt  ankhumen  und  ob  ich  woU  vill  an- 
sehentliche  Sachen  zu  verrichten  gehabt,  so  der  religion  zum  besten 
gwesen  wären,  hab  ich  mich  wegen  des  grossen  gschrai,  so  von  mier 
lose  leuth  ausgebracht,  alls  wer  ich  zu  Passau  gfangen  etc.,  mflessen 
alher  begeben  und  hab  gestern  widerum  zu  predigen  angefangen.  Die 
ursach  dises  gschrei  ist  der  pfarrer  von  S.  Michael,^  wellicher  ain  haimb- 
liches  leichtferdtiges  und  unpriesterliches  leben  soll  gefuert  haben  und 
dainimen  vom  herm  bischoff  von  Wien  eingezogen  worden  sein,  wie  es 
dan  war  ist.  Ich  aber  weill  ich  mitt  im  gmainschafft  gehabt,  sollen  eben 
der  sein  etc.    Mier  ist  diso  schmach  ein  solliche  mortification  alls  ich 


'  CoUegiatsttft  Ardagger  in  NiederOsterreich. 

»  Vgl.  oben  8.  487,  Anm.  3. 

*  Johann  Hsbortins;  vgl.  oben  S.  484  f. 


^ =^^7 ' 

mein  lobelang  nicht  empfundten;  dan  nicht  allftin  ich,  Bonnder  vil  anndere 
ansehentliche  leuth  haben  gmainschafft  tnitt  im  gehabt,  leib  und  sehl 
vertraut,  werden  darumen  unnerhars  nicht  bezöchtiget,  allaia  ghehet  es 
alles  über  mich.  Nun  hali  ich  dises  dings  die  zeitt  meines  priesterlichen 
ambts  noch  woll  mehr  ausgestandten,  aber  es  khumbt  so  weitt  und  so 
starckh,  das  ich  es  etwas  nähners  empfündte  alls  anudere  perturbatinnes, 
weill  diwiurch  vill  armer  sohlen  verhündtert  werden,  bei  wellichon  allen 
ich  mich  meiner  nnschaldt  nicht  entschuldtigen  khan,  und  kl^  es  Gott 
und  E.  G.  von  herzen,  das  ich  diso  5  jar  in  meinem  vattorlant,  bei  welli- 
chem  ich,  ono  rhum  zu  melden,  sterckh,  cretTt,  ehr,  loib  und  leben  der 
roligion  halben  zuegesezt,  mehrers  nichts  alls  Bolliche  schmach  auch 
thaills  bey  meinen  glaiibensguossen  soll  verdient  haben.  Ich  bin  mein 
lobelang  dem  laster  feundt  gwoson,  und  wierdt  khuin  ehrliebender  man 
mich  otwas  unzüchtiges  mitt  warhait  nicht  zeihen  khünnen,  darumen  ich 
dan  zu  erhaltung  meiner  ehrn  and  guetten  namens  hergeraist  and  mitt 
leiJi  und  guett  stehe,  wer  mich  etwas  leichtferdtigos  wierdt  bezeihen 
khilnnen.  Wierdt  sich  aber  mitt  warhait  etwas  beffindton,  so  bitt  E.  G. 
ich  nmb  Gottes  willen,  das  sy  ghar  nicht  wollen  deckhen,  aonder  die 
Sachen  dahin  befüerdern  holffen,  damit  an  mier  ein  öffentlich  oxemphim 
statuiert  werde,  daran  sich  anndore  priester  zu  etossen,  Wo  aber  nicht, 
so  werden  E.  G.  in  voriger  gnadt  forttfahrn  und  hoffentlich  mich  bey 
menigtich  entschuldigen,  woill  E.  G.,  ob  Gott  wöll,  nicht  verstehen  lassen, 
wie  ich  mich  dan  mitt  der  hillf  Gottes  bisher  beflissen  hab,  das  ich  denen, 
so  mich  conimendiert,  mitt  meinem  leben  und  thun  bin  gratus  gwesen. 
Das  Bcbreyb  G.  G.  ich  derhalben,  damit  sy  mich  do  aucli  das  gmain  gschrai 
hinein  khem  bey  ir  mitt  der  warliait  möchten  entschuldiget  haben,  mier 
auch  diu  gniult  thun  und  bey  anndern,  do  es  die  rede  geb,  gleichesfals 
zn  entschuldtigen. 

Mitt  dem  rathstitt,  gnediger  heiT,  ob  dorseib  woll  villen  sectischen, 
so  nnverschambt  ausgeben  ich  sey  von  I.  M'  deswegen  ghen  Prag  citiert 
worden,  die  meuUer  stopfet,  wer  ich  der  mainung,  das  derselb  so  lang 
aufgehalten  wurde,  bis  diser  pfarrer  wurde  sententiert,  and  mein  un- 
schuldt  erkhendt.  Wie  ich  dan  gedacht  bin  durch  hilff  E.  G.,  das  I,  D' 
erzherzog  Ernst  mich  scdbst  darumen  füernemen  and  hören.  Soll  ich 
iezunt  was  beghern,  so  wurde  ich  das  gschrai  grösser  und  den  handl 
erger  machon.  Das  schreyb  E.  G.  in  dem  gehorsamen  vertrauen  zue,  in 
wellichom  ich  loben  und  sterben  will.  Umb  des  pfarrers  Sachen  wais  ich 
nit,  allain  ist  es  sovill,  das  es  in  der  statt  und  ganzen  landt  ain  gpi'osses 
gschrai  gibt,  will  niemants  seine  khOndw  schier  bey  S.  Michael  tauffon 
lassen,  die  khirchen  bsuechon,  und  werden  vill  ehrlich  matronen  verdacht, 


'M 


die  ir  lebelang  gwislichen  uonerbarkhail  sein  feundt  gweoMli 
unser  hoilligun  religion  nicht  ein  wenig,  die  khezer  iuhiliern,  die  achwMb- 
glaubigon  fallen  ab,  die  im  weg  gwosea  zur  bckhening,  weichen  zunckb, 
die  lindem  werden  ye  lenger  yhe  halsstarriger,  sonnderlich  aber  sein  difc 
in  schwerer  betrüebnus,  welliche  im  ire  Sünden  vertraut  haben.  Der  Pro- 
cessus ist  villeicht  dem  pfarror  an  seiner  seblen  uiiz,  d&n  die 
miies  gestrafft  werden,  hergegen  ist  es  vill  handterten  ja  unserer 
religion  schadt,  werden»  gwislich  in  vill  jarn  nicht  ausleschen,  solka 
iinnders  (wie  man  sagt)  seine  peccata  ghen  hoff  füer  die  seculares  khamn, 
wcilirho,  ob  sy  woll  catholisr.h,  dennoch  allerlai  zu  betrachten  ist(I).  Br 
ligt  ^<chwerlich  gfangen  und  billich  niomauts  ist,  der  sich  seinar  annnnbl, 
woill  niemiints  recht  wais,  was  er  gethan,  und  last  in  zu  khainer  rer- 
antwortung  khumen.  Trag  hefftig  sorg,  er  werde  sich  hernach  an  ann- 
dern  örttern  hefftig  bokhiagen,  das  er  aus  scherff  der  gfeuckhnns  be- 
khennvn  bab  müessen,  das  er  sein  lobelang  nicht  gedacht,  hernach  fim 
unnsercr  alten  religion  in  dem  zorn  und  bittorkhait  ghar  abweichen,  tein 
sohlen  sambt  villen  tausont  in  agriindt  der  höUen  füeren.  Sed  noio  ponan 
OB  in  coelom.  Ich  schreybe  es  E.  6.  in  vertrauen  aus  dem  christlicbeu 
gmainen  mitleiden,  so  ich  mitt  der  khirchen  und  religion  trag.  Gott 
wolle  geben,  das  dise  sacheii  »n  mehrere  und  grössere  ergernue  alls  bis- 
her beschehen  binauBghehe,  und  thuo  E.  G.  hiemit  seiner  gOttlicheo 
gnaden  bevehlon.    Datum  Wien,  den  17.  aagusti  a.  84. 

E.  G.  gehuraarner  caplan 

M.  KhlesI  m.  p 


XI. 

Wien,  IA84  Septenbar 

Wolgeborner,  gnediger  herr.  K.  G.  sein  mein  gehorsamb  und  schai- 
dige  dienst  iederzeit  zuvor.  Gnädiger  herr,  E.  G.  mitt  aigner  handt 
füerlich  und  den  27  augusti  datiert  schreyben  hab  ich  den  2.  sepi 
empfangen  und  mue.s  doch  bekhennen,  das  an  E.  G.  ich  nicht  alliiin 
gnedigen  horrn,  sonnder  ainen  vattern  hab,  weill  £.  G.  so  ghar  spi 
treulich  mitt  mier  handleu.  MQgen  mier  E.  Q.  in  der  wu-hait  glattbes, 
das  ich  zum  ou.sBeristen  betrüobt  gwesen.  allain  derhalben  das  etwaa  4tr 
argwöhn  werde  beleiwen  und  ich  zu  khainer  Verantwortung  gelaaMS 
werden.  Alls  ich  aber  E.  6.  tröstlich  schreyben  gelesen,  khau  ich  ana- 
derst  nicht  dan  die  warhait  bekhennen,  das  mich  solliches  widemni  aaf- 
gemundert  und  ein  freihers  gmOeth  gmacbt  hatt.  E.  G.  werden  miar 
solliche  eupfQudligkhait  hoffentlich  allso  verstehen,  das  ich  thaills  gnMi' 


515 


nrsacli  gehabt,  thaills  aber  derwegen  weill  ich  auch  ein  mensch  bin  und 
menschliche  passiones  empfümite.  Ich  will  mich  mitt  Gottes  hilff  in  lehr 
imrl  leben  hinvortban,  wie  bislior  meiner  mügligkhait  nach  allsu  ver- 
halten, das  E.  G.  in  irem  gnedigen  vertrauen  nicht  allain  sollen  confir- 
miert  werden,  eonndern  von  tag  zu  tag  darinnen  zuenemen.  Gegen  I.  D' 
will  ich  mich  nichts  desto  weniger  entschuldtigen  und  die  person,  so  auf 
mich  soll  etwas  geredt  und  bekhendt  haben,  mier  nauibhafft  zu  machen 
underthenigist  beghern,  damit  man  erstlich  mein  unscbnldt  ofentlich 
sehe,  hernach  auch  khünuo  in  erfahrung  briugen  den  authorem,  von 
wellichom  soUichc  üble  aullagen  iren  Ursprung  genumen,  und  denselben 
anmicrn  zum  exempl  straffen.  Es  mOchto  sonnsten  ein  iodlicher  böser  bueb 
ainem  ehrlichen  man  seines  gfallens  sein  ehr  abschneiden  und  darüber 
von  brisen  itffectionierten  leuthen  gtdobt  und  dofendiert  werden,  wie  in 
itisem  handl,  alls  E.  G.  khunITtig  in  erfährung  werden  kbumeii,  vil)  ge- 
ücheben.  Meines  thaills  bedanckh  ich  mich  gehorsamblicb  gegen  E.  6. 
umb  das  gnedig  vertrauen,  so  E.  G.  zu  mier  tragen;  ich  hab  nichts  welli- 
ches  ich  E.  G.  füer  aollicho  wolthatt  geben  khundte,  bin  sonnsten  mein 
lebelang  in  meinem  gebett  E.  G.  und  den  irigen  verobligiert  und  bletw 
CS  hiuvürthiin  die  zeitt  meinoB  lebons.  Es  Bchaffen  aber  G.  G.  auch  ein- 
mal was  mitt  mier.  so  werden  sy  erfahren,  ob  ich  der  wolthatt  vergessen 
oder  nicht.  Ich  wais  aber  woll,  dag  E.  G.  von  mier  mohros  nichts  begehrn 
alls  dae  ich  dersolhon  von  mier  gfasten  gnodigen  opinion  ein  guüegen  thue, 
deesen  ich  mich  dan  beflcissen  und  füer  E.  G.  wie  bisher  Gott  den  all- 
mechtigen  bitten  will.  Was  dau  meine  Sachen  belangdt,  die  seLu  zu  meiner 
ehr  recht  und  woll  aufgehalten  worden,  dan  wan  sy  iezunt  khumen,  so 
ist  es  loco  resotutionis,  das  I.  M'  mitt  mier  gnedigst  woll  zufridon  sein, 
allain  trag  ich  sorg  etliche  möchten  alhie  sich  bo(ÜeiBBen)  mich  zu  vor- 
händern; aber  dem  allen  werden  £.  G.  woll  füerzukhumen  wissen. 

Der  auslauff  alhie  ist  starckh  und  erstreckhet  sich  Aber  2000  per- 
son. Ich  hab  woll  zu  predigen  angf(angou),  aber  baldt  ich  von  Zell '  khu- 
men, ist  herr  bischoff  persuadiert  worden,  alls  sollte  ich  wider  in  ge- 
prediget haben  und  hatt  mier  das  predigen  eiugegtoldt.  Es  wissen  aber 
E.  G.  woll  wie  I.  M'  noch  vor  3  jarn  die  canzl  bei  S.  Stephan  zu  ver- 
sehen mier  gnädigist  bevohlen  haben,  w«llichem  bevelich  ich  meiner  müg- 
ligkhait  bisher  nachgelebt,  aber  so  offt  haltt  herr  bischoff  übl  affectionicrt, 
so  hatt  er  mitten  in  meiner  materia  angefangen  zu  predigen  und  das 
Tolckh  widerum  verdriben.  Das  sehreyb  E.  G.  ich  dorhaibon,  wan  etwas 
fSerkhem  das  ich  nicht  prediget,  damit  sy  mich  wüsten  füer  entschuldtigot 


•  WalifahrtBort  Klein-Mariazell. 


516 


zu  halt(<n.  Bin  auch  weitters  zu  predigen  nicht  gedacht,  ich  wi»«  dn 
von  I.  M'  die  zeitt  sontag  und  fenrtäg  wan  ich  predigen  bvU,  8o  wierick 
ainmal  des  ewigen  plagens  und  vexierens  los.  ÄIlso  hatt  khaiMr  Pwlt 
nnndus  auch  ein  Ordnung  ginacht  mitt  dem  pontificicren.  Ds  hatt 
bischoff  seine  festa,  wie  auch  der  thumbprobst  seine  abgonnJerlich«  f( 
die  er  der  herr  bischoff  gleichwoll  wan  es  im  g^ellig  mier  auch  hin' 
nimbt.  Nun  hatt  es  mitt  herrn  bi8chofen  nnd  tbnmbprobst  alhie  di( 
nang,  das  der  thumbprobst  summo  pontifici  immediate  nndterworffen  nl 
dämm  der  herr  reverendissimus  mitt  im  nichts  zu  bevelhen.  Das  gibt 
ursach  zu  erhaltung  meiner  privileginn,  und  das  er  mich  so  harit 
binvorthan  das  zu  than  was  mier  alis  ainem  thumbprobstea  gebäert: 
hnb  5  jar  mich  hcfftig  dubdet  (!)  nnd  dissimuliert,  ich  sihe  ab«r,  dai 
die  Sachen  nuor  böser  gmacht  hnb.  Das  schreyb  E.  6.  ich  in  fertnoM 
gehorsam  bittent,  sy  wultten  dem  herrn  bischoffen  daTon  nicht* 
sinniern,  ich  predig  im  landt  ausser  der  statt  in  pace  ond  sein  di« 
mitt  mier  zufriden. 

Was  den  pfarherr  bey  S.  Michael  betrifft,'  der  batt  weder  procan 
torem  noch  adTocatnm,  ligt  noch  und  ist  gfangen,  bisher  xa  sfincir 
antwortung  nicht  gelassen  worden,  so  khan  ich  nicht  wissen,  ob  tu 
oder  unrecht  gschiecht.  Das  wais  ich  aber  wojl,  da,ss  der  pueb  den  UM 
wider  den  pfarrer  allen  golangnet,  dämm  der  pfarrer  quoad  illad 
df'lictnm  c.oram  consistorio  per  sententisim  publice  4*  die  d(>cei 
absolviert  worden,  was  aber  adult«rium  et  fornicationcm,  die  er 
soll  hekhendt  haben,  betrifft,  hatt  man  in  ad  omnum  in  pane  et  aq« 
in  carcere  zu  bleiwen  condemniert.  Ich  trag  aber  noch  sorg,  ar 
khnnfTtig  sich  des  proces  halben  sehr  bekblagen  alls  bette  er  bekheoi 
müessen,  so  im  doch  niemants  ausser  des  knabens,  so  was  übl  tob 
gesehen,  filergesteldt  ist  worden,  aHain  was  er  selbst  bokheonet. 
hatt  er  stai-ckh  betrogen,  Oott  verzeihe  ime  es.  nnd  in  einen 
schimpf  gesezt.  Was  er  nun  gothan,  so  i.stdoch  gwis,  d:i8  er  vill 
ist,  er  ein  sollicher,  dämmen  in  Gott  dan  billich  zächtiget. 

Auf  der  Zelloriscben  khirchfartt  sein  in  die  10000  und 
Personen  gwosen,  und  haben  den  maisten  thaill  cummuniciert.    Ootl, 
dessen  schnz  E.  G.  ich  bevelhen  thue,  mehr  den  catholischon  bai 
tfiglich,  amen. 

Datum  Wien  den  7.  Septem  bris  a.  84. 

E.  G.  gehorsamer  caplan 
M.  Khlesl  m.  p 


Vgl.  Nr.  X. 


517 


Gleich  disen  augenblickh  khumbt  tnier  podtschafft  vom  herrn 
bischofT,  der  last  micli  bitten  widerum  auf  khunfftigeu  sonUg  über  acht  tag 
zu  predigen.  Mich  möcht  das  arme  volckh  erbarmen,  das  ich  ein  übriges 
thätt,  aber  dennoch  wier  ich  umb  gwishait  anhalten,  weil  mier  der  spott, 
dem  voickb  aber  der  grosse  schaden  offt  geschehen  ist,  und  er  heiT  biscboff 
schier  kbain  andern  modam  zur  räch  hatt  alls  diaen.  Ich  pfleg  aber  in 
alweg  E.  G.  rath,  darum  ich  gehorsamblich  bitten  thue. 

XU. 

Stein,  1684  September  17. 

Woigeborner  gnediger  herr.  E.  G.  sein  mein  gehorsam  schuldig 
und  willige  dienst  zuvor.  Gnediger  herr,  was  E.  6.  ich  verschinen  tagen 
meiner  aacben  halben  geschriben,  werden  E.  G.  alberait  empfangen  haben. 
Bitt  E.  G.  geborsamblich,  sy  wollen  meiner  so  groben  cmpf'Qndligkhait 
halben  mitt  mier  ein  mittleideu  haben.  Dan  ich  khum  erst  auf  die  spuer 
woher  dises  ist  practiciert  worden,  und  tbuett  mier  desto  weher,  weill  es 
meine  nächsten  und  glaubensgnoasen  selbst  gethan,  welliche  dock  umb 
mein  leben  und  lehr  inwendig  und  auswendig  wissen.  Gott  sey  es  aber 
alles  bevohlen,  weill  ich  dennoch  sihe,  das  ich  ex  altera  parte  consola- 
tionem  von  denen  empfahe,  so  dergleichen  laster  von  mier  nicht  glauben. 

Den  11.  septembris  hab  bey  I.  F.  D'  ich  audientiam  gehabt  uud 
meine  sachen  füerbracht,  wie  das  werden  E.  G.  aus  hiebeigeiegter  meiner 
suppljcation  vernemea.  Gott  lob,  das  auch  I.  D'  dergleichen  unbilüche 
auflagen  von  mier,  wie  sy  mier  gesagt,  nicht  glauben  kbünnen,  jedoch 
wollen  sy  mich  zu  meiner  eutscbuidigung  zuelassen.  Es  habeu  woll  etliche 
dises  I.  D'  mier  gethanes  zuesagen  wollen  verhOndtern ;  weill  aber  der 
alt  herr  von  Harrach '  mein  gnediger  herr,  den  ich  zuvor  um  Gottes  willen 
gebetten,  man  woltte  mich  zu  meiner  Verantwortung  khumen  lassen,  starckh 
angehalten,  ist  es  bey  der  F.  D'  zuesagung  verbliwen.  Uuid  erwartte 
allso  täglich  iezunt  wan  mier  dieselb  von  hoff  aus  werde  ttberschickhet 
werden.  Uundterdessen  khan  E.  G.  ich  unverhalteu  nicht  lassen,  das 
mein  gnediger  fürst  und  herr  der  von  Passau  mitt  dem  aus  Bairn  auf  ein 
nenhes  in  ainen  grossen  haudi  geratten,^  wellicher  khuntl'tig  undter  uns 
catholischen  nicht  wenig  ergernus  möchte  anrichten,  allso  das  weitters 
iezunt  nicht  dan  die  arma  zu  baiden  soitten  erfordert  werden,  wie  es  sich 
dan  auf  den  schlag  sehen  lasset.  Weill  aber  ich  in  meinem  obenaein  bey 

>  Vgl.  oben  8.  600,  Anm.  1. 

'  EU    sind    hier    wohl    die    langwierigeu    Streitigkeiten    wegen    den    Salt- 

handels  gemeint;   vgl.  Buchiuger,   Geschichte   des   Filrateuthums  Pa-saau 

(1816),  S.  329  f. 


518 


dem  aus   Bairn   die  sachen  auf  ein  commission  und   zusamenkhoil 
bäderseitts  rätk  gerichtet,  dieselb  anch  auf  kliunfftigen  l.octobri« 
forttgang  nemen  soll,  haben  mein  gnediger  fürst  und  herr  der  von  Pa 
mich  daraue  bey  aller  lieb,  so  ich  zu  I.  F.  G.  hab,  erfordert,  ingleich 
der  canzlei  alls  durch  seinen  canzler  mier  lassen  zuescbreybeu  nml 
aigner  handt  selbst  znegeschriben.    Es  sein  aber  die  sachen  an  ir  8«II 
allso  schwer,  dass  ich  mich  rill  zu  gering  befündte,  der  sachen  zu  nadi 
windten;  sy  sein  auch  so  gferrlich,  das  sy  sine  laesione  unias  parüi^ 
woll  khünnen  abghen.  ^^1 

So  ist  die  gferrligkhait  der  residenz  zu  Wien  und  in  Aasma^ 
gros,  das  sy  buespredigen  und  derer  so  sy  sezen  sollen,  woll  bed&rfft 
sonnderlicb  zn  Wien  wierdt  der  auslaaff  so  gros,  das  ich  bona  consciei 
mitt  dem  herrn  bischofen  von  Wien  wie  er  mich  auch  bisher  traktiert 
ista  difTerentia,  was  das  predigen  belangdt,  nicht  stehen,  sonuder  all« 
halben  nachgeben  und  gestern  zu  predigen  anfahen  wAllen,  doch  a] 
damit  ich  mitler  zeitt  khundte  von  hoff  aus  ein  decision  hab«>n,  auf 
allerlai  ergernus  und  schaden  kbunlTtig  verhQettet  wurde.  Es  stcrt 
anch  die  pfarrer  im  [andt,  wan  ich  nicht  verbündten,  so  ist  khain  ordm 
iider  doch  wenig.  So  hab  ich  allerlai  religi(mshandlungen  zu  hoff  anheo| 
gmacht,  liarnn  der  religion  nicht  wenig  gelegen,  die  ebenfals  mein 
wierdt  haben  wr>||en,  ausser  disor  sachen,  welliche  mein  ehr  und  gtwtt 
namen  anghehen,  die  ich  durchaus  tanquam  pereona  publica  nicht  üt 
ligen  lassen.  Dise  und  andere  bedenckhen  haben  mich  bewegt,  iat 
mich  nicht  resolviern  wollen,  sonnder  meine  schreyben,  so  von  I.  F. 
mier  von  Passan  aus  sein  zuegeschickht  worden,  sambt  disen  meiiien 
denckhen  der  F.  D'  orzherzog  Ernsten  darch  den  Jonosen  I.  D'  ob 
dienern  lassen  zuekhumeu,  mitt  undertbeniger  bitt,  das  sy  mier  an 
gnedigen  fUrston  und  berru  woltten  ein  schreyben  orihailen,  das 
wegen  gehörter  Ursachen  ans  dem  landt  der  zeitt  nicht  lassen  khOnd 
Nachdem  aber  I.  D'  die  schreyben  gelesen,  meine  Ursachen  erwi 
haben  sy  sich  gnedigist  dahin  resolviert,  das  sy  den  Ton  Passan  fä) 
wollen  offendiem  and  in  der  wichtigen  sachen  lassen,  mier  allso  foi 
zühen  gnedigist  erlaubt,  wie  ich  dan  gestern  den  16.  dis  alher  ghen 
ankhumen  bin.  Ich  khan  aber  E.  G.  nicht  verhalten,  das  ich  unani 
diser  erlaubnus  wegen  viller  bedenckhen  in  conscientia  mea  bsch 
sonderlich  weill  die  sachen  weltlich  ist,  gleichwoll  ergernus  auf  sich 
das  ich  tempore  tani  periculoso  soll  so  vi  II  armer  schäfl  in  Osterreich  villi 
auf  ein  lange  zeitt  verlassen,  bevor  aber  weill  auch  pater  Georgias 


Tgl.  oben  S.  604,  Anm.  1. 


519 


I.  D'  hoffprediger  in  Tyroll  zu  zühen  erlaubnus  bekhumen  batt  und  heutt, 
wie  er  mir  gsagt,  von  Wien  binweck  zQbet.  W<}llte  allso  gbern  das  ich 
vom  khayserlichen  hoff  aus  dnrcb  ein  starckb  scbreybeu  zum  baitnbzug 
vermahnet  wurde,  Sachen  halben,  die  I.  M'  zu  Wien  niitt  mier  zu  handien 
gnedigist  verordnet  betten,  welliche  meiner  gegenwierdt  alabaldt  durchaus 
erforderten,  und  khundten  kliaineswegs  aufgehoben  werden.  Es  woltten 
auch  I.  M'  weder  von  mier  noch  anndern  ainige  entschuldigung  nicht  an- 
nemen  etc.  Und  betten  I.  M'  iiierinnen  gbar  recht,  weill  das  seminarium 
and  die  Visitation  pur  lantter  auf  mier  allain  iezunt  beruhet,  daran  dem 
ganzen  landt  gelegen.    Das  aber  dürlTt  nicht  gemeldt  werden. 

Ich  bette  es  dem  atten  herrn  Trauttsam '  ghern  gescbinben  und 
E.  6.  veracbonet.  hab  allain  mich  besorget,  der  alte  heiT  mftchte  es  auu- 
derst  verstehen.  Bitte  aber  E.  6.  gehorsamblicb,  so  sy  meine  bedenckhen 
fOer  erheblich  haltten,  sy  woltten  dergleichen  scbreybeu  auf  Münicheu 
zue  zum  allerebisten  lassen  von  der  khayserlichen  canzlei  mier  zueferdti- 
gen,  damit  ich  nicht  zu  ainem  bleiblicben  commissario  der  ganzen  saclien 

»bis  zum  endt  beyzuwohnen  von  baden  forsten  der  religion  zum  böclisten 
schaden  filrgenumen  werde.  Dan  ich  gwislicben  in  3  monaten  nicht  woll 
wurde  abkhumen  mOgeu.  E.  G.  khundten  es  mit  herrn  Trantsam  meinem 
gnedigen  herrn  woll  dabin  dirigiern  und  khäm  villen  armen  sehlen  zu 

Inuz  und  ewiger  wolfartt.  So  es  aber  nicht  sein  khan,  so  erwartte  ich 
doch  wessen  ich  mich  verbalten  soll  E.  0.  antwort. 
Neuhes  ist  zu  Wien  nichts,  allain  das  der  pfarrer  den  Ib.  dises 
seinen  sentents  empfangen  auch  von  hoff,  das  es  I.  D'  bey  des  herrn 
bischoffen  von  Wien  seinem  seutents  gnedigist  verbleiweu  lassen.  Ist 
I  allso  wegen  seiner  gferrlicben  und  schweren  khranckbait  der  gfenckbnus 
auf  G  Wochen  erlassen  worden  und  wierdt  in  seinem  pfarrboff  curiert. 

IGott  geb  im  orkbandtnus  seiner  Sünden  und  grosse  gpdult. 
Des  auslauffs  halben  batt  man  von  baua  zu  haus  widernm  eingesagt, 
und  weill  die  von  Wien  in  bestraffung  der  ungehorsamen  was  nachlässig 
gwesen,  aigne  commissarien  verordnet,  so  die  straff  hiovortban  sollen 
füernemen.  Ich  hab  von  Pintg  raeinei'  Sachen  halben  noch  nichts  em- 
pfangen, ist  daran  nichts  versaumbt,  vielleicht  hab  ich  das  glOckb  in 
Bairlant,  das  ich  mein  khnndtschafft,  wie  ich  mich  zu  hoff  verhalten,  be- 
khume.  Thue  hiemit  K.  G.  znsambt  den  irigeu  göttlichen  gnaden  beveblen. 

(Datum  Stain,  den  17.  septembris  a°  84. 
E.  G.  gehorsamer  caplau 

M.  KhlesI  m.  p. 


>  Vgl.  ob«ii  8  492,  Anm.  6. 


520 

Wan  E.  6.  aines  neuen  decani  halben  zu  Wien  wurde  was  fli 
khamen,  ainer  MartinuB  Englhardt  den  ain  capitl  erwölH,  khan  i 
gwissens  halben  nicht  undterlassen  B.  6.  in  gehorsamen  Tertranen  x 
erindern,  das  derselbe  aines  pfaffen  sohns,  ain  eheweib  soll  an  im  habe 
nngelert  ist  nnd  zum  regiern  ghar  nit  tauglich.*  Sonaten  iat  im  caq« 
mitt  namen  ainer  Jacobns  Schwendter*  Viennensis  juris  ntrinsqne  doch 
Professor  auf  der  nniversitet  und  so  in  etlichen  commissionen  istgebruc 
worden.  Der  hatt  gelegenhait  iezunt  zum  hohen  stifiFt  Passan  zu  traeUt 
den  haltte  ich  fber  tauglich  und  er  wurde  sich  gwislich  brauchen  ItsM 
Bitt  E.  6.  die  wollen  zu  füerfallenter  gelegenhait  der  thumbkircheii ) 
nnz  darauf  gedacht  sein,  doch  meiner  unvermeldt. 

XIII. 

Passan,  1684  September  tt. 

Wolgebomer,  gnediger  herr.  E.  6.  sein  mein  gehorsam  schall 
und  willig  diennst  zuvor.  Gnediger,  E.  G.  ansfüerlich  schreyben  de 
12.  septembris  zu  Prag  datiert  hab  ich  den  26.  dis  empfangen.  Ehi 
E.  6.  gwislichen  nicht  schreyben,  wie  hoch  auch  dises  ir  schreyben  mic 
getrost  und  erfreyt,  dan  wan  ich  alle  meine  dienst,  so  E.  G.  ich  nei 
lebelang  erzaigt,  erwege,  entgegen  aber  E.  G.  wolthatten,  wier  ich  billic 
mein  lebelang  derselben  Schuldner  bleiwen  sollen,  wie  ich  mich  dan  alli 
zeit  daffier  erkhendt  hab  und  bis  an  mein  endt  erkhenue.  ich  hab  vol 
aus  grossen  argumenten  an  E.  G.  lieb  und  gnedigen  afiTection  niemalli 
zweiflen  khfinnen,  bin  aber  in  diser  meiner  gegenwierdigen  grossen  not 
noch  mehr  confirmiert  worden,  Gott  im  himel  wolle  es  E.  G.  tausentfetdif 
bezallen. 

Was  dan  I.  D'  belangdt,  werden  E.  G.  mein  schriffUich  anbringa 
schon  empfangen  haben;  glaub  ich  werde  wider  derselben  Titterlich«! 
rath  nicht  getban  haben,  weill  ich  mehr  mein  unschnldt  zn  probiem  g»- 
dacht,  dan  mich  gegen  ainigen  menschen  zu  rechen.  Den  herm  bischoffu 
zu  Wien  betreffeot  wollt  Gott,  E.  G.  sollten  von  andern  ansehentlichei 
Personen  wissen,  wie  er  mich  nun  ganzer  5  jar  nacheinander  ron  da 
stund  an,  da  er  gesehen,  das  das  gmain  Tölckhl  ein  lieb  zu  mier  bekhnmes. 
tractiert  hatt,  so  wurden  sy  mit  mier  nicht  allain  ein  mittleiden  trag«n, 


'  Durfte  trotzdem  Domdechaut  geworden  sein,  weil  er  in  einem  Deentt 
de«  päpstlichen  Nnntiui  vom  16.  Jftnner  lö90  als  solcher  ^nannt  wild. 
Kopallik,  a.  a.  O.  II,  S.  162. 

*  Dr.  Jakob  Scliwendtner,  Professor  der  Hechte  an  der  Wiener  Unirersitit. 
Klosterrath  (1686—1692).    Wiedemann,  a.  a.  O.  II,  S.  683. 


521 


sonnder  sich  villeiebt  verwundern,  wie  icli  es  bisher  hab  aiisHtehen  khünnon 
nnd  nicht  vill  mehr  zu  erledigung  diser  meiner  bschwernus  die  von  I.  M' 
mier  angebottne  mitt  an^jenumen  bab.  Aber  ich  woUtt  unghem  E.  Q. 
betrOeben,  aonnder  hin  willijj,  wan  E.  G.  mier  noch  mehrers  sollten  be- 
vehlen,  dan  dises  alles  niitteinander  meiner  uiügligkbait  nach  zn  thun. 

Iünd  hilft  mier  Gott  haimb,  so  sollen  E.  G.  innen  werden,  das  ich  der- 
selben willen  alsbaldt  will  ins  werckh  setzen,  predigen  so  lang  ich  khan 
und  mag,  damit  das  arm  vülckhlein  diser  unnserer  privatdiffercnts  nicht 
entgelte. 

Wie  ich  dan  eben  deswegen  E.  G.  znegeschriben,  damit  ich  Ton 
diser  Bairischen  tractation  durch  die  kays.  M'  widerum  zu  den  armen 
Wienerischen  schäfflein  abgefordtTt  wurde.  Wie  es  nnn  E.  G.  füer  guett 
ansihet,  allso  wiillen  es  E.  G.  deren  wollgefallen  dahin  nchten.  Aber  ich 
ffler  mein  person  will  auf  der  weltt  mchrers  nichts  bcghern,  dan  das  ich 
nach  E.  G.  willen  und  walgefallen  mich  möchte  verhalten  und  das  alles 
von  irentwegen  ghern  thnn,  was  sy  mier  werden  bevelhen.  Das  fiberig 
mitt  dem  herru  bischoff  will  ich  auch  zu  seiner  zeitt  anbringen,  dan 
weder  im  noch  mier  vill  weniger  dem  armen  völckhlein  gedient  ist,  das 
wier  allso  das  predigen  wechsln  und  deucht  mich  in  warhait  ein  wunder- 
bärliche  raach  sein,  das  man  sich  an  dem  armen  man  rechet  der  nichts 
verschuldt  hatt. 

Den  pfarherr  betreffent  bey  S.  Michael,*  soll  fornicationem  et  adul- 
terium  bekhendt  haben.  Was  die  fornicatores  in  iure  canonico  füer  ein 
straff,  wie  das  concilium  Trident.  zu  procediern  füerschreybt,  das  alles 
werden  E.  G.  bösser  alls  ich  wissen.  De  adulteris  haben  wier  dergleichen, 
doch  das  die  circumstantiae  woll  betracht  werden.  Dem  ist  allso  forni- 
catores et  adulteros  iudicabit  Dominus;  wie  vill  mehr  sein  wier  verobli- 
giert,  nnd  thuc  man  mitt  dem  pfarrer  was  man  wöU :  si  volumus  considerare 
ipsum  peccatnm  und  wie  schwerlich  er  Gott  ofTendiert,  hatt  er  es  alles 
doppelt  verschuldet.  Allain  weill  vill  seines  gleichen  und  laider  ghar  zu 
vill,  bin  ich  allezeit  der  niainung  gwosen,  man  soll  procediern  mitt  im, 
das  man  auch  gegen  andern  dergleichen  fOernemen  khan  und  gleiches 
recht  haltten,  damit  khain  affection  nicht  khßnne  verrauottot  werden.  So 
wissen  E.  G.  hochvorstendig  woll  sententiam  sanctorum  patrum  in  hac 
materia,  das  Gott  über  vill  verbeuget  das  sy  fallen,  nt  habeant  maiorem 
■  occasionem  poenitendi,  und  tragen  mitt  anndern  sflndern  grOssers  mitt- 
leiden, sein  auch  hiiivorthan  bey  innen  selbst  nicbl  zu  erniessen,  wie 
wier  dan  in  sacris  literis  et  historiis  herrliche  exempl  derer  so  von  der 


>   Vgl   Nr.  XI. 
ArcUir.  tXXXVlII.  Bd.   H.  U&lfl«. 


34 


522 

baes  zu  gaaden  angenumea  und  ffleiireffliche  leuth  nachmalln  worden 
sein.  Ich  khundte  auch  aus  meiner  Jurisdiction  ainen  auspundt  guettei 
leuth  geben,  die  von  mier  irer  fleischlichen  mishandlnngen  halben  starckli 
gezichtiget  worden,  ieznnt  grossen  frucht  in  der  khirchen  schaffei^  Sonn> 
sten  ist  mier  khain  mensch  auf  der  weltt  so  unrecht  gwesen  alls  disei 
pfarrer.  Er  hatt  mich  in  verdacht  meiner  ehr,  nmb  mein  gsondt  vüi 
schier  thaills  leben  gebracht.  Mier  ist  aber  entgegnen  nmb  sein  amu 
sohlen  laidt,  item  das  er  mitt  vill  schönen  gnaden  von  Gott  begabt  ist 
die  er  an  anndern  orten  der  khirchen  zum  besten  anlegen  khflnnet,  nn« 
lezlich,  das  woll  auch  mitt  anndern  sfindern  ist  gmidt  geschehen,  jedod 
wier  ich  füer  in  nimmermehr  bitten,  ob  woll  vil  ansehentUche  catholischi 
Personen  an  mier  gewesen.  Wie  er  im  gebett  hatt,  allso  schlaff  und  lif 
er.  Weill  ich  aber  mitt  E.  6.  frey  handle  und  Sy  in  mein  person  all( 
macht  haben,  so  lass  ich  mich  von  herzen  ghern  dieselbe  weisen,  wo  id 
unrecht  hab,  und  wais,  E.  6.  werden  mier  dises  mein  gehorsambs  vertnaei 
zum  besten  Termerckhen. 

Heine  Sachen  die  stehen  alle  an  E.  G. ;  wie  sie  dieselben  machen, 
allso  ist  es  alles  guett.  AUain  hab  ich  billich  scrupulum,  das  E.  G.  gwii 
sich  meiner  mehr  annemen  alls  ires  leiblichen  befrenndten  ainen.  Ichkliaii 
doch  nicht  zallen,  allain  Gott  bitt  ich  die  zeitt  meines  lebens,  das  er  der 
belohner  will  sein.  Morgen  frQe  zühe  ich  auf  Mfinichen.  Khnmen  I.  M' 
schreyben  an  mich  nicht,  so  wais  Gott  wan  ich  widerum  zu  haus  kham. 
Ich  hoff  aber  I.  M'  werden  mier  haimb  helffen.  Thue  E.  G.  in  den  schoti 
Gottes,  mich  aber  zu  derselben  gnaden  gehorsamblich  bevehlen.  Datna 
Passau,  den  26.  sept.  a.  84. 

E.  G.  gehoi-samer  caplan 

H.  Ehlesl  m.  p. 

XIV. 

Wien,  1584  October  31. 

Wolgeborner,  gnediger  herr.  E.  G.  sein  mein  gehorsam  schuldig 
diennst  zuvor.  Gnediger  herr,  E.  0.  den  29.  septembris  von  Prag  ans  an 
mich  datiert  schreyben  hab  ich  zu  Stain  alls  ich  abeuts  spatt  von  Passso 
herab  daselb  bin  ankhumen,  woll  den  16.  octobris  empfangen,  datao! 
E.  6.  ganz  vätterlich  gmüeth  wie  allezeit  verstandten.  Und  wer  mier  aal 
der  weltt  lieber  nichts  gewesen,  dan  das  ich  bette  zu  Wien  mQgen  bleiwen 
wie  E.  G.  aus  meinem  an  sy  von  Stain  aus  gethanem  schreyben*  nuil 

•  Vgl.  Nr.  XII. 


523 


beghern  leichtlicb  haben  ahiiemen  khfinncn.  Ich  bin  aber  von  meiniMii 
heim  dermassen  so  starckh  auf  iille  lieb,  so  zu  I.  F.  G.  ich  trag,  mitt  aigner 
haadt  vermahnet  worden,  lias  ich  ehrentbalben  den  Sachen  woll  nicht 
änderst  hab  thun  mügen.  wie  es  dan  I.  D'  selbst  darffier  haben  gehalten. 
Ich  bin  aber  Uott  inb  /.u  Wien  gsiiudt  und  frisch  ankhunuMi,  hab  auch 
mitt  Gottes  hilff  eben  die  Sachen  allso  helfTen  neben  andern  richten,  daran 
bade  Ire  F.  G.  hoffentlich  wnU  znfriden  sein  werden.  Der  ganze  streitt' 
ist  auf  ein  cumpromissuni  büchlosseu,  zum  obmann  hatt  baden  ffirsten 
gfallen  herr  bischoff  zu  Äugepurg.  Allso  hab  E.  6.  ich  auch  der  mhüe 
überhebt  des  begherten  von  I.  M'  an  mich  bevelich,  dan  wie  E.  G.  ver- 
melden alle  Sachen  langsam  vorttghen,  wie  ich  dan  heutt  zu  tag  den  er- 
langten von  I.  M'  rathstitl  nicht  empfangen  hab,  wcUichen  herr  Ersten- 
berger'  E.  G.  zu  gehorsamen  gfallen  langst  hette  ferdtigen  khfinnen  und 
solliches  I.  D'  erindern,  wie  ich  dan  noch  iezunt  hutV,  woül  die  bowilli- 
gung  auf  E.  G.  sonndorlitbe  commendatian  von  I.  M'  gnedigist  beschehnn, 
er  werde  es  auch  nicht  difficultioren,  so  wier  ich  gleich  in  disem  nieinom 
handl  etwas  restituiert.  Was  aber  meinen  haudl  betrifft,^  da  sein  niier 
die  artickhl  den  28.  octobris  zackhumen.  Wie  aber  dieselben  wie  man 
sagt  auf  den  schi-aufTen  gestetdt,  das  khain  mensch  so  es  ausgesagt,  bey 
dem  namen,  dan  .illain  ein  pueb  genandt  wierdt,  khau  E.G.  davon  ich  nicht 
gnoegsam  suhreyben.  Summa,  was  ich  in  dem  will  anfahen,  das  mues 
zur  ergernus  geraichen.  Do  es  aber  wider  mein  person  in  meinem  ab- 
wesen  gangen,  so  ist  es  alles  evangelium  gwesen,  wier  allso  gepunden 
und  gspert,  greiffo  ichs  da  an,  ofTondo  principem,  will  ich  dem  andern  zue, 
so  ghehet  es  über  den  heirn  bischoff.  Was  ich  thue,  will  bedenckhiich 
sein.  Wollte  sonnsten  dison  pneben  haben  lassen  ergreiffen  und  einzühen, 
in  nnd  anndere  personell  auf  ein  nenbes  oxaminiorn  la.'isen  und  noch 
anndere  vill  porsonon  füerstellon  wollen,  wer  der  author  so  den  khuaben 
snbiiiniert  wollen  wissen,  oder  do  er  es  von  sich  selbst  gethan  (wie  ich 
nit  glanb)  die  gebiiriich  straff  bogheii,  damit  anndere  büse  pneben  ein 
exemphim  nemen,  khainoi- ehrlichen  pcMSiiu  ir  ehr  abzuschneiden.  Was  aber 
dises  alles  föcr  ein  erweitleriing  geben,  die  villeicht  one  ergernns  nit  hett 
abghen  mügfin,  haben  E.  G.  verstendig  woll  zu  erwegen,  wan  sy  betrach- 
ten, wollin  lozlich  (wie  man  sagt)  die  schnitten  hetten  springen  khfinneii. 


•  Vgl.  oben  8.  517,  Anro.  2. 

•  Dr.  Andrea«  Erstenberger,  Reich.ihofrathaoecretär,  Verfasser  des  Tractat« 
de  AuttnHimi«.  Morit»,  n.  a.  O.,  S.  2.S9  f.;  Stieve,  Briefe  und  Act«n  «nr 
Gescliiclite  des  dreinsigjährigen  Krieges  IV,  1878,  S.  159  f. 

»  Vgl.  Nr.  XIU. 

34» 


as  oMr 

:  Uqdj 


524 


Ich  hab  aber  hierinnen  mehr  dem  eitern  herrn  Ton  Harroch,^  den 
deshalben  gefragt  und  iu  vertrauen  mier  hierinnen  za  helffen  gebett 
:ills  luier  selbst  und  meiner  affoction  volgen  wi'illen.  Weil  der  bueb 
kliindt  and  mier  spöttlich  wer,  mitt  ainem  sollicheu  dergleichen  gepr 
anzuheben,  solle  ich  mich  in  genere  entschnidigen,  welliches  ichtuglQe 
lieber  aakhunfTt  widerum  ghon  Wien  I.  D'  Erzherzog  Ernsten  gleich  i 
äbergehen  will.  Wie  hoi'h  mich  aber  das  inwendig  schmerzet,  das 
nicht  gleiches  recht  haben  soll,  wais  allain  Gott  im  himel,  der  mein 
schaldt  erkhennet;  dem  sey  alle  raach  bevohlen.  Haben  E.  G.  ein 
deuckhen,  so  bitt  ich  dieselb  ganz  gehorsamblich,  sy  wollen  miers  li 
zuekhiimen  und  mein  gnediger  herr  wie  allezeit  sein  und  bleiwen.  Noa 
wais  ich  nichts,  dan  die  Österreicher  werden  selbst  ganss  hauffen  nen 
zoittung  niittbringen.  So  bin  ich  nicht  ghar  zu  lang  hie,  was  aber 
abwesen  I.  D'  verluufl'on  wierdt,  will  E.  6.  ich  allezeit  fleissig 
nnd  E.  0.  in  den  srhntz  Gottes,  mich  aber  zu  derselben  gnad< 
saroblich  bevehlen.    Datum  Wien,  den  31.  octobris  a.  84. 

E.  G.  gehorsamer  capluu 

M.  KhlesI  m.  p. 

XV. 

Wien,  1684  Dee«mber 

Wolgebomer,  gnediger  herr.  E.  G.  sein  mein  gehorsam  schnli 
und  willig  dienst  zuvor.  Gnediger  herr,  das  E.  G.  ich  ein  zeitt  hero 
geschriben,  ist  die  nrsach,  weill  ich  gewist,  das  E.  0.  in  ihrem  hol 
ambt  sehr  werden  wegen  I.  D'  und  annderer  fürsten  occnpiert  sein.  Wi 
aber  I.  D'  iezunt  am  hiiimbraisen  sein,  hab  ich  nicht  wollen  nndterlass« 
bei  E.  6.  mich  mitt  discm  khlainen  brieÜ  gehorsam  anzumelden,  und 
bey  uns  alhie  neuhes  nichts  alls  dises,  so  E.  G.  ich  zuvor  geschribMi,  i 
sy  one  zweifl  werden  von  den  Wienern  guette  relation  empfangen  habl 
dasderauslaiifTlaiderghen  InzerstorfTnuertäglich  grösser  wierdt  nndschi 
kbain  straff,  wie  auch  dieselb  namen  haben  möchte,  helffen  will.  Allso 
der  ander  Geier*  willens,  zu  Herrnais  ein  nouhe  predig  anzustellen,  wi« 
dan  khurz  verscliinen  wochen  schon  angriffen  und  versuecht  hatt.  Es  In 
auch  mein  khnndtschafft,  das  er  allain  auf  ainen  predigkb&ndt«n  warü 
so  möchte  es  hernadi  alhie  nocli  übler  zaeghen.  Was  die  sectischen  p( 
digkhandten  belangdt,  derer  sein  ein  ganzer  hauffen  in  den  vorstätt»n  alb 


■  Vgl.  oben  S.  600,  Anm.  1. 

•  Wilbttlm  Geyer.   Topugrraphie  von  NiederQsterreich  IV,  8,  191. 


d 


525 


so  in  die  statt  khuuicn,  dauffen,  trösten  und  sacraiuentiwn  die  lenth.  Nio- 
muutfi  ist  Bo  darauf  acbtung  gibt,  uwi  wan  man  es  schuu  wais,  so  will 
uiemauts,  wie  man  sagt,  den  fuclisen  poissen.  Ain  thaill  schiebt  es  auf 
deu  leittcnambt,  der  will  mitt  seinen  khnechten  niomants  angroiffen; 
disor  auf  die  von  Wien,  die  babea  kkaine  quardiam,  et  ita  patitur  religio. 
Was  I.  0'  belangdt,  nihil  desideratur,  ist  alles  stattlich  und  zum  an- 
sehentlicbisten  verordnet,  aber  niemaiits  ist,  so  darauf  halttot.  Man  soll 
die  schueien  visiticrn,  die  buccblädon,  die  hevanieu  sub  iuramento  eiami- 
niem,  wo  sy  die  khünder  hintragen  zur  taoff,  die  puecht:-ucker  visitieru, 
die  schädlichen  psalmen  und  lieder  in  der  statt  abstellen;  scd  nihil  horuiu 
fit.  Das  medium  dadurch  das  volckh  bislier  tliailis  ist  erhalten  worden, 
nämblicli  durch  fleissigo  bost«llung  der  canzl,  bey  S.  Michael  ist  khain 
pfarrcr,  bey  den  Dominicanern  khain  prediger,  darzue  das  volckh  ein 
naigung;  bey  Sanct  Stephau  ist  niier  das  predigen  vom  herrn  bischoven 
so  weitt  eingesteldt,  das  ich  mehr  nicht  predigen  soll,  alls  wan  es  im 
gfoUig;  daher  iezunt  der  herr  bischuff  batdt  aus  den  herrn  josuitern  baldt 
ain  octornarius  prediget  und  wiordt  das  volckh  dermassen  irre,  das  sy  nit 
wissen,  wo  sy  hinghen  sullon,  wie  »y  dan  horrn  burgcrmaistor,  alls  er 
etliche  iri's  auslaufifs  halben  zn  redt  gosteldt,  eben  auf  den  schlug  geant- 
wort  haben,  und  herr  burgormaister  solliches  horrn  Beckhon'  berichtet, 
wie  or  niior  ange/.aigt.  Was  mein  person,  gnediger  horr,  bolangdt,  so  wais 
uusor  herr  im  bimel,  das  ich  alle  mier  aunerbottne  dignitateti  allain  derhalbon 
ausgeschlagen  hab,  damit  ich  meinem  vatterlant  woll  dienen  mücht.  Hier 
werden  aber  alle  meine  dienst  iozuut  füer  ein  hoffart  und  das  ich  mior 
bey  dem  gmainen  man  soll  einen  namen  machen,  vom  herrn  bischoven 
alhie  ausgelegt  und  vcrstandten,  wie  er  herr  bischoff  mier  dan  superioribus 
diebus,  alls  ich  zu  predigen  beghert,  durch  ainen  meiner  loulh  uiitt  meh- 
rer'm  zu  entputten  liatt.  Nun  perturbiort  mich  dises  nicht  so  ghar  solir, 
ob  ichs  woll  empfündtc,  weill  der  herr  bischolT  von  der  zeitt  an  er  ge- 
sehen, das  das  volckh  zu  imo  wenig  und  mier  mehr  naigung  tragt,  allso 
auch  ich  unwierdiger  von  I.  M'  ein  zoitt  bin  gebraucht  worden,  allezeit 
mitt  mier  übl  geatandten  ist.  Allain  orbarmbt  mich  dos  volckhs,  welliches 
ich  müessig  und  sy  mich  wio  einen  frembtcn  sehen  horumzüben,  und 
khlage  es  E.  G.  treulich,  dan  ich  gwis  wais,  das  sy  Diitt  mier  ein  rechtes 
mitleiden  haben  und  mier  es  gwislich  nicht  gunnon.  Darumeti  mier  auch 
desto  ringer  wierdt,  wan  ich  es  nuer  khlagcn  darfT.  Bey  anndorn  mues 
ich  schweigen  wegen  der  ergernus;  bey  E.  G.  hab  ich  weniger  bodeuckhen, 

*  Uieronymua  Beck,   Geheimrath.    Wiasfrill  I,  S.  3'i'J;  Stieve,  Briefe  des 
BeicIiBbofrathes  Dr.  O.  Eder  etc.,  8.  444. 


526 


dan  E.  6.  khennen  mich  innen  nnd  aussen.  Contra  episcopnm  will  oicr 
nit  gebüem  zu  reden;  wan  man  aber  wissen  soll,  wie  ich  nun  5  jarbii 
tractiert  worden,  möchten  sich  vielleicht  vill  dessen  verwundern,  wie  idi 
so  lang  hette  tragen  khOnnen.  Ich  wills  aber  dem  bevehlen,  vellidur 
unser  aller  herr  ist,  der  wierdt  es  zu  seiner  zeitt  well  disponiem.  Bin 
allain  E.  6.  do  man  meiner  zu  redt  wurde,  warum  ich  nicht  predige,  sj 
wollten  mich  allso  gnedig  füer  sich  selbst  entschnldtiget  haben  nnd  sod 
bey  anndem,  wo  es  die  gelegenhait  gab,  mein  gnediger  hen*  sein  und 
mich  entschuldigen,  auch  alles  das  was  E.  6.  von  mier  in  diser  und  ano- 
deren  Sachen  zu  thun  beghern,  liberrime  mitt  mier  schaffen,  will  gwislitii 
E.  G.  und  allen,  so  meine  Ursachen  nicht  ffler  erheblich  halten,  gkan 
gehorsamen. 

Was  aber  belangdt  die  religion  auf  dem  landt,  da  ghehet  es  in 
warhait  auch  abl  zue,  bey  unns  catholischen  sein  ergerliche  nnd  hi-st 
haushalter,  an  wellichen  weder  straff  noch  ichtes  anders  hil£ft.  Die  m»Mn 
schlaffen  und  sein  in  ainen  dieffen  schlaff  gefallen,  davon  sy  nit  wollen 
aufgemundtert  werden.  Anndere  sein  nicht  verband ten,  und  niemantsgibt 
dessen  acbtung.  De  seminario^  videtur  altnm  esse  silentium,  und  wierdt 
auf  ein  neuhes  ghar  auf  das  weitt  mör  zu  ainer  lengern  bersthschlagmif 
gezogen.  Die  statt  und  märckht  blelwen  sectisch  den  mehrem  thaills, 
haben  und  haltten  ire  predigkhandten.  Ehlagt  man,  so  will  man  ioncii 
unser  khlag  allezeit  zu  irer  Verantwortung  zueschickhen.  Wer  woltt  sein« 
lebens  sicher  sein  in  die  leng  und  do  sy  ainen  gleich  umbrächten,  bliwen  -y 
nichts  desto  woniger  halsstarrig,  daher  auch  wier  lezlich  waü  anzubringen 
hohe  bedencklien  haben.  Die  mandata  principis  sein  auch  bey  den  statten.-' 
gering  worden,  das  sy  wenig  dar.iuf  geben,  sonnder  selbst  regiern,  tbain» 
catholische  biirgor  aufnemen  und  do  sy  auf  ainen  einen  argwöhn  bal-en. 
so  lang  an  im  poisscn,  bis  er  selbst  mues  hinweckh  zühen.  Allso  gheliet 
iiieiiiant.s  in  die  pfarrkhirchen,  halten  starckh  auf  einander,  mulcstierr. 
die  pricster  und  haltten  sy  so  hfirtt,  das  sy  auf  den  pfarrn  nicht  woll-r 
lilciwon.  Und  sein  sonnderlich  Stain  und  Khrembs,  S.  Pöldten  do  i^" 
richter  ucuhlich  ainen  priestcr  in  ain  (salvo  lionore  zu  melden)  in  i' 
gaisstall  durch  dem  schcrgen  legen  lassen,  und  do  I.  D'  ime  und  aniem 
bevohlen  bey  der  catholischen  religion  zu  halten,  so  baldt  er  nuer  haim-- 
khumen,  hatt  or  die  burgerschafft  gfordcrt  und  ein  neuhes  juramentac 
das  sy  boy  der  Augspurgcr'schen  confession  sterben  und  bleiwen  wollen. 
aufgenumen.  Allso  ist  Ipps,  Neustadt  und  der  marckh  Mödline.  I'i'^ 
laudtlcuth  Wo  die  pfarrn  uns  catholischen,  die  undterthanen  aber  innen 

'  Vgl.  oben  S.  612,  Anm.  •.'. 


527 


zucgehöron,  balton  sy  in  iron  schlössorn  predigkhandten  und  nötten  ire 
underthanen  hinoinzughen.  So  bleibt  der  pfarrer  allain  in  der  khirchen. 
Item  sy  verhezon  liie  undortliiinon,  das  wy  innen  den  /ehent  tiit  geben, 
sonder  dorn  predigkhandten  im  scliloH.  Will  der  priester  khlagen,  so  ist 
er  des  lebens  nicht  sicher;  khiagt  er  nicht,  so  khan  er  sich  nicht  erhalten. 
So  lassen  sy  die  pfarrn  lig:on  und  zühen  hinwpckh.  Allso  wo  tiliiila  sein, 
Bo  zu  den  catholischon  pfarrn  gehören  nnd  ligeu  bey  iren  underthanen, 
die  zühen  sy  ein.  Item  wo  allain  beneficin  gestifft,  tbun  sy  dergleichen 
nnd  setzen  predigkhandten  darein:  da  müessen  die  underthanen  gkiicbßs- 
fals  hinghen,  die  pfarrer  aber  ire  gerechtigkhaidton  verlieren.  Item  sy 
pauen  von  grundt  auf  zu  den  catholischen  pfankbirchen  neue  Synagogen. 
Was  ire  underthanen  sein,  die  müessen  alle  darein  ghen  und  die  catho- 
lische  khirchen,  darein  sy  gepfart,  meiden,  Allso  hüben  sy  neuhe  freudt- 
hdff  in  ainer  grossen  anzall,  alles  zur  schmellerung  der  catholischen 
khirchen  aufgerichtet.  Das  alles  mues  die  concession  deckhen.  Und  do 
man  sy  bekhiagt  wie  ich  meinem  gTvissen  nach  gethan  und  thue,  so  mues 
man  nit  zwai  oder  trei  jar,  sonder  etlich  haben,  ehe  mau  ainige  resolution 
bekhumen  mag.  Ist  dicselb  wider  sy,  so  haben  sy  widerum  etliche  jar; 
interira  sterben  wier,  die  Sachen  werden  verlegt  und  meniglich  darob  un- 
lustig. Das  schreyb  E.  (!.  ich  khiirzlich,  aber  hoffentlich  mitt  ainem  sol- 
lichen  grundt,  das  ich  nichts  schreyb,  wellicbes  E.  G.  I.  M'  nit  selbst 
lesen  nnd  ich  in  specie  probiern  khflndte.  Allso  werden  E.  Cr.  selbst 
schliessen  khönnen,  wie  die  seelischen  per  indiroctum  unser  liebes  vatter- 
lant  ga.m.  und  ghar  werden  inliriern  und  undter  sich  bringen,  das  es 
niomants  wierdt  acht  nemen,  allain  dise,  welliche  dergleichen  sacben  täg- 
lich tractiorn,  aufmerckhen  und  behalten.  Wie  ich  niier  dan  gänzlich 
fOergonumen,  das  zu  annotiern,  durch  was  lüst  der  bflse  geJst  dises  unnser 
vatterlant  in  glaubenssachon  undter  sich  zu  bringen  befieist.  Und  wierdt 
in  substantia  gwis  nichts  änderst  sein  alls  K.  6.  ich  iezunt  angedentt 
hab,  damit  man  nach  meinem  t<itt  dennoch  fflndo,  das  ich  nicht  ghar  in 
disem  landt  das  brott  utubsonnsten  geesson  hab. 

Was  meine  Sachen  betreffent,'  stehen  gnediger  herr  dieselben  allso: 
weill  der  pneb  alle  sachen.  so  er  wider  mich  ausgesagt,  seiner  ansehent- 
licbcn  freundtscbalTt,  welliche  in  auf  mein  beghern  in  meinem  beiscin 
examiniert,  laugnot,  und  andere  authores,  von  wellichen  er  das  zu  sagen 
angelernt  worden  sein  soltt,  so  begher  ich  zu  gwisser  erkhundigung  der 
warhait  von  I.  D'  commissarien,  wellichen  den  pueben  auf  ein  neubes 
güettig  und  wo  die  nit  woltt  bafTten  mitt  der  scharff  oxaminiern  sollen. 

•  Vgl.  Nr.  XIV. 


538 


Was  sy  UUD  in  der  aussag  wiordt  befunden,  darnach  will  ich  mein  schhS 
t«n  sf)llcn.  Und  werden  K.  G.  aus  diser  ainigen  action  hoffentlich  sehe; 
wie  man  mitt  niicr  in  meinem  abwesen  umbgangen  ist  und  wie  ghern 
mich  in  disen  schändlichen  dingen,  davor  mich  Gott  mein  lebelang  ht 
hüetteu  wfille,  ergriffen  hette.  Aber  sy  werden  zn  schandten  werden,  i> 
sy  all  ir  argumentum  auf  aines  unbestendtigen  und  leichtferdtigen  piM 
bens,  wellicher  beult  wider  mich,  morgen  wider  andere  und  sy  mIII 
redet,  gestelt  und  gesezt  haben.  Das  aber  alles  bleibt  E.  6.  oUs 
gnedigen  herrn  hernach  zum  endt  diser  Sachen  unverburgen. 

D;ts  E.  G.  sich  meiner  wegen  der  prubstoi  Ardackher'  so  Tättcrli< 
und  treulich  angenumen  haben,  dessen  thue  ich  mich  gehorsambUeh  U 
dancklien,  und  wais  ghiir  woll,  das  E.  G.  an  irem  fleis  gwislichen  nich 
haben  orwinden  lassen.  Wie  mich  aber  I.  M'  ausgeschlossen  und  aj 
weltliche  person  so  umb  die  khirchen  das  geringist  noch  nit  verdiM 
füergezugen  haben,*  wais  ich  nicht,  mues  es  gleich  Gott  bevehlen,  wei 
I.  M'  mitt  mier  und  uns  allen  zu  schaffen  haben.  Ob  es  mier  aber  Lnweodj 
nicht  Bull  wee  thun,  mflgen  B.  G.  alls  ein  hochverstendiger  abnemen.  w; 
sy  betrachten,  das  ich  bey  der  religion  gsundt,  iugenth,  wolfarU 
(ono  rbum  zu  melden)  mein  loben  zuegesezt  hab.  Mein  einkhumcn  viaM 
E.  G.,  hen-  Trauttuam^  und  moniglich.  Nun  mues  ich  mich  weill  es 
schebon  nuer  willig  darein  geben,  und  wer  zufridon,  wan  ich  nur  wisti 
das  es  nicht  aus  ainor  ungnadt  oder  dises  meines  handls  geschehen  wet 
7iur  ungnadt  1ial>  ich  mitt  wissen  nit  ursach  geben,  in  meinem  handl  bi 
ich  noch  niemalln  gehöii  worden,  mich  aber  der  purgntion  angebott« 
und  deswegen  gheii  Wien  khuuion,  wie  ich  dan  alberait  im  werckh  bii 
BefQndt  es  sich  allso  wie  man  mich  undüchtig  bezQgen,  da  gib  I.  M'  i( 
mich  zu  straffen  kiiain  Ordnung.  Sie  schaffen  mich  zum  landt  aus  udi 
lassen  Ulier  annderen  zum  cicmpl  meine  recht  thun.  Wo  aber  nit,  i 
wultto  ich  dennoch  göhorsamist  gobetten  haben,  I.  M'  die  erzaigton  mii 
alis  irem  unwterdigem  undorthan,  das  sy  mein  allergnedigistcr  hcrr  würi<i 
damit  ich  ainmall  den  bOsen  zuugen  irc  meuUer  möchte  stopfen,  ni 
mcntglich  so  von  mier  schreybon  und  reden  zu  schaudteu  machen.  Dl 
ratlistill  ist  mir  woll  bewilliget,  aber  davon  nichts  zuekhamen.  Fallet  olwi 
füer,  weill  es  yhe  mit  diser  probstei  verlorn,  so  bitt  E.  G.  ich  gehorsjunl 


«  Vgl.  oben  S.  512,  Anm.  1. 

•  Nach   Oswald   Grütler's  Tode   folgte  im  Jshro  1585  Andreas   Birk, 
gister  der  freien  KQnste  and  Erzieher  der  Prinsen  de*  Ersheraoga 
milian;  Friesg,  Geschichte  des  einstigen  Collegiatstiftes  Ardaggvr,  AreU 
für  österreichisclie  Geschichte  XLVI,  1871,  8.  419. 

*  Vgl.  oben  S.  492,  Anm.  6. 


529 

lieh,  sy  wollen  in  liiscui  und  andern  noch  wio  zuvor  allezeitt  mein  gnodi- 
ger  herr  sein;  will  mich  in  meiner  vocatiun  vermütls  guttlicher  gnadeu 
allso  verhalten,  daran  E.  G.  LofTentlich  sollen  zufrideu  sein. 

Der  wegen  si-iner  leichtfcrdtikhaiteu  bejS.  Michael  ontsozle  [ifarrer' 
ist  den  1.  decembris  umb  essenzeitt  wie  oiu  büswicht  entruunen,  ein 
Bchroyben  zatjambt  ainem  neuhen  schlüesl  mitt  wellichem  er  sich  ledig  ge- 
macht auf  dem  tisch  undter  im  verlassen.  Das  schreybon  lauttet  an  horrn 
bischüff,  der  Inhalt  aber  deätselben  ist  mier  uubewüst.  Wo  er  hin  sey, 
varia  dicuntar,  aber  ich  bin  der  mainnng,  er  werde  auf  Sachsen  in  sein 
patriam  gezogen  sein,  und  daselb  villoicht  an  sehl  und  leib  verderben. 
Die  frau  Unverzagtin^  ist  den  4.  tag  decembris  umb  t  ubr  nach  uiittem 
tag  verscbiden,  derer  Gott  wOll  gnedig  sein.  Der  sterben  ist  bey  uns 
etwas  leidlichcrs,  gleichwoU  die  zoitton  zimblich  vorronderlich,  grosse 
khelton  und  jähliche  wärm,  stinckheto  und  grosse  warme  windt,  feucht 
und  dergleichen.  Gott  in  dessen  schuz  E.  6.  ich  bovchlcn  thuc,  wöll  sich 
unserer  aller  erbarmen,  amen.    Datum  Wien,  den  6.  decembris  u.  84. 


E.  0.  gehorsamer  caplau 

Melchior  Khlesl  m.  p. 
Prae|i08itug  VieaneuHw. 


XVI. 

WioD,  1685  Jänner  10. 


■  Hoch  und  wolgoborner,  gnediger  herr.  E.  ü.  wünsche  ich  von  Gott 

y  dem  allmechtigon  ein  froidenroiches  noubes  jar,  das  sy  dises  ganze  jar 
mitt  sanibt  allen  den  irigen  in  haucta  pace  et  bnnedicliono  Dci  lebeu,  die 
khirchon  befüerdon  und  in  allen  iren  Sachen  guottcu  forttgang  haben 
khüunen.  Meiner  gehorsamen  affettion  nach  wollte  ich  gliorn  viil  wün- 
schen, sy  ist  aber  weitt  grösser  alls  ich  mitt  wortten  expliciern  uud 
schreybon  khan ;  sy  werden  vill  mehr  das  guett  gmüett,  dan  mehrere  aus- 
füerung  ansehen.  Euer  Gnaden  schreybeu,  den  24.  decembris  dos  84.  jar 
zu  Pr^  datiert,  hab  ich  den  3.  januarii  dis  85.  jar  mitt  freiden  empfan- 
gen und  den  inhalt  magna  mea  consolationo  verstandtcn.  Wais  in  war- 
hait  nicht,  gnediger  beiT,  wio  ich  gnucgsum  mich  möcht  bedanckheu. 
dan  wan  niemants  ist,  der  mitt  mier  ein  mittloiden  trugt,  so  khumen 
£.  G.  allezeit  und  wollen  mich  on  trost  nicht  lassen.  Ob  ich  woll  etwas 
E.  G.  bevelich  und  gnädigen   willen  gethan,  ist  doch  solliches  ratione 


»  Vgl.  Nr.  Xin. 

*  Gattin  des  Hofsecretiri  Wolf  Ton  Unverzagt. 


530 

officii  mei  geschehen  und  von  E.  G.  langst  doppelt  verdienet  word« 
Was  sy  nur  iezunt  thnn,  das  ist  alles  gnadt,  die  ich  nimmer  bezall 
khan,  Gott  aber  der  reichist  vergeltte  es  B.  Q.  auch  reichlich.  Wie  mi 
meine  nächste  fteundt  in  meinem  abwesen  haben  angriffen,^  wissen  E. 
mehr  dan  zu  woll,  aber  wie  Gott  den  nnschnldigen  nicht  last  zuschand 
werden,  allso  haben  die  F.  D.  sich  gnedigist  auf  mein  eingebrachte  wi 
hafftige  entschnldigong  Gott  lob  resolviert,  wie  E.  6.  ans  hiebeigelegl 
I.  D'  resolution  gnedig  za  sehen  haben,  ünnd  wiewoU  mier  auf  der  we 
lieber  nichts  war  gwesen,  dan  das  ich  die  commission  den  pneben 
examiniem,  hotte  erlangen  khfinnen,  wie  dan  derselb  alberait  in  mein« 
beisein  von  der  frenndtschafft  Aber  die  wider  mich  eingebrachte  artid 
examiniert  worden  ist,  die  anthores  wer  in  angelernet  haben  sollt,  du 
was  scharffe  nnd  linde  er  bewegt  worden,  so  hab  ich  doch  zn  rermeidn 
schwerer  ergernus  dan  auch  I.  D'  zn  sondern  gehorsamen,  ehm  und  al: 
derer  aathoritet,  so  hierdurch  hotten  mflgen  offendiert  werden,  sehwind 
und  fallen  lassen.  Gott  ist  der  recht  richter,  der  wierdt  eu  seiner  » 
alles  erthailen,  dem  will  ich  alle  raach  haimbgesteldt  haben  und  gwisli 
hiorinnen  E.  G.  treulich  und  gehorsamblich  ToUgen.  Do  aber  E.  6.  aa 
mein  cntschuldigungscbrifTt  beghern,  will  ich  dieselb  ghern  schickhe 
Was  nun  den  herrn  bischoven  allhie  zu  Wien  belangdt,'  da  gla 
ich  woll,  er  werde  sein  Sachen  duich  seinen  guetten  freundt  alnen  ailei 
halben  zu  Frag  ghar  guett  und  recht  gmacht  haben,  weill  er  gewist,  qn 
altera  pars  non  sit  praesens.  Aber  E.  G.  khennen  mich  Gott  lob  allso  d 
ich  mier  nicht  fürchte,  wer  anch  was  bey  E.  G.  gsagt  haben  möcht;  di 
da»  wissen  E.  6.,  wie  schimpflich  ich  nun  5  ganzer  jar  vom  herrn  bisch 
von  alhie  bin  tractiert  worden  nnd  wie  ich  allezeit  ad  evitandum  sca 
dalum  hab  an  mich  gehalten  und  alle  sacheu  dissimuliert,  aber  dan 
nuer  sovill  erhalten,  das  wolgemelter  herr  bischoff  allerlai  imperia  in  m« 
person  gsuecht,  von  der  canzl  wan  nnd  so  offt  es  im  gfallen  gestoss« 
dadurch  das  arme  völckhlein  ist  verwirret  und  geergert  worden,  und  d 
dreiht  er  iezunt  mitt  mier  schon  etliche  monath,  allso  das  ich  zu  vertan« 
tung  allerlai  Verdachts  bey  dem  gmainem  volckb  zu  der  heilligen  zeittm 
erlaubnus  der  F.  D.  aus  der  statt  in  ainem  marckh  Khirchperg*  genan 
zu  herrn  Fugger^  hab  zühen  und  daselb  predigen  müessen,  Gott  1< 
nicht  one  frucht.  Wider  den  herrn  bischoff  gebüert  mier  tanquam  i 
foriori  nicht  zu  schreyben,  es  werden  aber  es  E.  G.  hoffentlich  von  annde 

•  Vgl.  Nr.  X. 

'  Vgl.  Nr.  XV. 

•  Kirchberg  um  Wagram. 

•  Vgl.  oben  S.  492,  Anm.  2. 


erfarn,  wie  niitt  mier  umbpanijeii  und  goliantüpt  wienit.  Ich  referipr  iriich 
auf  I.  D'  selbst,  iiltcn '  und  jungon  lierni  von  Harrach,'  auch  anudere 
I.  D'  räth,  wie  ich  mich  leiden  mucs.  Res  est  plana  et  manifesta,  da8 
nicht  allain  ich,  sonnder  alle  anuriere,  seitt  herr  Unverzagt/''  von  Prag 
khumen,  von  herin  bischoven  khain  gnett  wortt  haben.  Aber  allen  hind- 
angesezt,  haben  R.  G.  bei  mier  nicht  zu  bitten,  Bonnder  mitt  mier  zn 
schaffen,  unnd  verhais  derselben  hiemitt,  da«  ich  mich  gegen  dem  herrn 
bischoff  allso  freundlich  und  christlich  will  erzaigeii,  wie  ich  dan  istis 
argumenti»  bisher  snaiu  bonevolentiam  aller  mügligkhait  nach  gesuecht 
und  doch  nicht  erhalten  khünnen,  das  herr  bischoff  billich  sull  on  khlag 
und  E.  G.  mitt  niior  woU  zufi-iden  sein,  allain  das  mein  privilegiis  dadurch 
nichts  entzogen  und  alle  mein  arbait  vergebens  geacht  werde.  Hab  nuer 
sorg,  ich  werde  villoicht  so  wenig  alls  bisher  richten,  dan  wo  der  herr 
bischoff  wais,  das  er  innerhalb  S  monatt  so  perfoctus  in  omnibus  rebus 
Wurden,  das  er  auch  khünnet  geistlicher  [iniesident  und  noch  luehrers 
werden,  wierdt  er  gwislich  khainem  menschen  weichen;  will  an  mier, 
gnodiger  herr,  nichts  manglen  lassen,  damit  ad  minimum  ich  E.  G.  be- 
ghern  ein  gnüegen  thue. 

Den  auslauff  stellet  man  der  mQgligkhait  nach  fortiter  et  siiavilor 
ab.  Gott  geb  aucli,  lias  die  canzl  alhie  allso  besczt  sein,  wie  villeicht 
anuderer  ortten  vi>n  Wien  ghon  Prag  gschribon  wierdt.  I'ator  Juannes* 
hatt  sein  guottcs  aridithorium  ot  cum  fructu,  die  anndern  sein  allsu  bc- 
sozt,  dos  der  gmain  man  etwas  raohrers  begbert.  Mehr  will  ich  nit 
schroyben  dan  ich  bin  discr  Sachen  interessiert.  Das  seuiinariuni*  will 
ich  wider  dreiben,  es  mncht  sich  aber  an  dem  stossen,  das  wier  nicht  alle 
aines  sinnes  sein;  dan  wie  mier  der  unverzagt  neuhlich  gsagt,  so  wßlle 
sich  herr  biüchoff  nebou  meiner  nicht  brauchen  lassen.  Das  stelle  ich 
Gült  haimb,  tniste  mich  dessen,  das  herr  bischoff  khain  andere  ursach 
alls  isbtm  upinionem  hatt,  imo  werde  es  alles  rocht  gehaisscn.  Will  mich 
aber  dennoch  accoiuodicrn  und  sovill  uiüglicli  nit  lassen  fouudt  sein. 
Was  den  rathstitl  gnediger  herr  belangdt,  ob  dorsolb  woll  Vdu  I.  M'  mier 
ist  bewilliget  worden  und  zu  rettung  meiner  uuschiildt  hoc  tempore  mier 


*  Vgl.  oben  S.  500,  Anm.  1. 

*  Leonliardt  (V.)  von  Harrach;  vgl.  Wissgrill,  TV,  8.  154. 
»  Vgl.  oben  S.  497,  Anm.  4. 

*  Eb  ist  der  Jesuiten pater  und  Hofgirodiger  Kr7.lier>iug  Karls,  Johannes 
Koinel,  gemeint.  Eder  an  Herzog  Williolm,  Wien,  l'J.  Mär/.  1585  (Mün- 
chen, Reichsareliiv,  Oestorr.  Religions-  und  Correspondenuicten  XII, 
fol.  212V 

>  V|;l.  obeo  S.  626,  Anm.  1. 


532 

sehr  dienstlich  sein  möchte,  tiag  ich  doch  sorg,  ich  werde  denselbei 
schwerlich  bekhumen  khOnnen;  dan  ich  (!)  die  Termnettung  man  wtrd« 
mich  nicht  allerdings  woll  comendiert  haben.  Ich  will  aber  an  E.  G.  ghai 
nicht  zweiflen,  unangesehen  was  andere  flbl  comendiem,  werden  87  miei 
in  zum  nenhen  jar  schickhen,  wan  es  annderst  sein  khan  und  nicht  anden 
bedenckhen  eingfallen. 

Die  buechläden  hebt  man  an  sn  visitiern,  bin  der  hoffnnng,  d« 
Sachen  sollen  algemach  in  meliorem  statum  nach  dem  landtag  gebracli 
werden.  Anndere  sachen  auf  dem  landt  stehen  woll  was  gferrlich  diu 
bedüerffen  grosser  aufmerckhung,  wie  E.  6.  ich  zuvor  auch  ad  longom  g» 
Bchriben;  will  an  meiner  person,  wo  ich  nuer  helffen  wier  khfinnen,  nichti 
manglen  lassen.  Gott  verleihe  mier  und  allen,  so  helffen  mflgen,  seil 
göttlichen  segen  darzue,  das  sy  es  alles  willig  und  allain  in  seiner  eki 
thun.  Und  thue  E.  G.  Gott  dem  allmechtigen,  mich  aber  in  derselbti 
gnaden  gehorsamblich  bevehlen.   Datum  Wien  den  10.  januaiii  a.  85. 

E.  G.  gehorsamer  caplan 

Melchior  Khlesl  m.  p. 

xvn. 

Wien,  1686  Min  4. 

Hoch  und  wolgeborner  gnediger  herr.  E.  0.  sein  mein  gehorsunli 
schuldig  und  willige  dienst  zuvor.  Gnediger  heiT,  E.  G.  den  9 .  febr.  m  Png 
datiert  schreybeu  hab  ich  den  18.  desselben  monats  empfangen.  Hetti 
alsbaldt  darauf  geantwort,  so  haben  mich  die  tractation  mitt  dem  prilatea- 
standt,  ersezung  der  pfarr  Saabs,'  mitt  wellichen  ich  immerzue  occupierl 
gwesen,  daran  verhfindtert;  bitt  derhalben  £.  G.  umb  Verzeihung.  Dt- 
nebens  soll  ich  mich  woll  bedanckhen,  das  E.  G.  in  meiner  aignen  sadiei 
so  staickh  alls  wan  sy  ir  aigen  wer  occupiert  sein;  weill  aber  die  gnadu 
80  hoch  das  ich  nuer  lenger  und  mehr  schuldig  wier,  mues  ich  nuer  Gotl 
bitten,  das  or  alls  der  reicbiste  dise  grosse  schuldt  mitt  seinen  gnad« 
zailcn  wöllo.  Es  ist  nicht  weniger,  das  mier  an  disem  ratetitl  der  leiti 
vill  gelegen,  dan  dadurch  wier  ich  in  vilweg  restituiert  und  mache  dien 
schandton,  welliche  vcrmainen,  das  I.  H*  mitt  mier  nit  znfriden  odei 
das  ich  diser  losen  des  gwesten  pfarrers  sachen*  interessiert  sey.  Weil 


'  Der  Pfarrer  Jakob  Strigl  wurde  seiner  Stelle  seines  Ergerlichen  Leben» 
wandeis  wegen  enthoben  und  Anton  Stromair  am  22.  Februar  von  KM 
dort  installiert.  Geschichtliche  Beilagen  sn  den  Consiatorial-CorreDdei 
der  DiOcese  St.  Polten  I  (1878),  8.  288  f. 

'  Vgl.  Nr.  XV. 


533 


l 


es  aber  nunmehr,  wie  der  alt  lieiT  Trautsam '  mier  schreybt,  zu  dem 
khumen,  das  es  allain  an  der  ferdtigung  gelegen,  klian  E.G.  in  gehor- 
samen hohem  vertranen  ich  nit  pergen,  das  ich  von  Prag  ans  dessen  bin 
avisiert  worden,  all»  soltto  herr  canzler*  gleichwoll  die  ferdtigung  aber 
doch  in  comniii  foriau,  weill  khain  supplication  verhandteu,  bevohlon 
haben.  Bitt  demnach,  E.  G.  wollen  bey  dem  herm  vicecanzler  das  böste 
thun,  wie  ich  im  dan  selbst  geschriben,  meiner  an  gedenckhen;  dan  mier 
ist  ein  mehrere  ehr  und  gnadt,  das  I.  M'  proprio  motu  mier  was  bewilli- 
gen, alls  wan  ich  hette  suppiiciert.  Ich  mach  mier  ghar  khainen  zweifl, 
do  herr  vicecanzler  wierdt  wissen,  das  E.  6.  mier  solliche  gnadt  gnnnen 
nnd  ghorn  befüeniert  sehen,  er  werde  den  stilum  in  meliori  forma  le- 
vehlen,  damit  ich  mich  dessen  trOsten  und  erfreihen  khünnet.  Woltte  es 
ghern  um  E.  G.  verdienen,  fündte  mich  aber  wie  vorgemelt  zu  wenig, 
weill  ich  one  das  E.  G.  gehorsamer  raplan  bleiwe  weill  ich  leb. 

Uitt  herrn  bischotTen'  von  Wien  hab  ich  mich  gau7.  und  ghar  ver- 
glichen, und  bin  mitt  I.  Hochw.  woll  zufrieden,  wie  ich  dan  dieselb  alweg 
billich  geehrt  hab,  was  mier  auch  füer  ungelegenhaiton  zuegestandtcn. 
Wais  auch  nicht  änderst  I.  Hochwierden  werden  mitt  mier  ganz  woll  zu- 
friden  sein,  in  bedenckhnng  ich  mitt  den  predigen  (darumen  nicht  ein 
khlainer  stritt  sein  wollen)  bin  gewichen  und  las  den  herrn  bischoven  in 
propria  ecclesia  billich  seinen  cathedrani.  Hette  mich  dessen  niemallns 
auch  undterfaugen,  do  ich  nicht  ordentlich  auf  I.  D'  bevelich  mitt  woler- 
meltes  herrn  bischoven  Torwissen,  damit  dem  auslauffmöcht  gwehii  wer- 
den, dasselb  thun  raflessen.  Sonnsten  bin  ich  alls  ein  thumbprobst  zu  Wien 
zu  dem  predigambt  ja  nit  verbunden,  darum  die  thumbprobstei  was  ring, 
und. ein  iedlicher  thumbprobst  so  änderst  ein  wenig  seinen  standt  halten 
will,  anndon<  gelegenhaiten  suechen  miies,  wie  ich  selbst  mitt  herrn 
bischoven  von  Passau  gethan  hab.  Gott  wolle  uns  in  diseui  verataudt 
erhalten  and  den  bösen  leuthen,  so  allain  an  aller  unainigkhait  schuldig, 
steuren  and  gnediglich  wehren,  amen. 

Mitt  den  praelaten  stehe  ich  noch  in  der  tractation,  das  ich  alle  ire 
pfarrer,  so  ainoa  gottlosen  lebens  sein,  unverhßndtert  irer  Privilegien 
straffen  und  visitiern  khüune,  damit  allso  im  landt  nudter  den  geistlichen 
ein  feine  forcht  und  gleichait  möchte  angesteldt  werden.  Khan  aber  auf 
dato  noch  nichts  richten,  allain  hab  ich  etliche  gefangen,  so  sy  mitt  mier 
einlassen  wQlIen.  Verhoff  dis  werckh  soltto  unnserer  heilligen  retigion 
sehr  nuzlich  sein. 

*  Vgl.  oben  S.  492,  Anm.  6. 

*  Ist  natürlich  der  Vicekancler  Viehioser.    Vgl.  oben  S.  509,  Anm.  2. 

*  Vgl.  Nr.  XV. 


534 

AUbo  hab  ich  den  ansehentlichen  pfarrer  zn  Raabs  seiner  p&n. 
nmb  das  er  aines  gottlosen  lebens  gwesen,  entsezt  and  der  ganxen  P»- 
sanerischen  diocoes  verwisen,  dieselb  aber  mitt  ainem  catholischen  exea- 
plarischen  priester  mitt  Toi-wissen  der  F.  D'  meines  gnedigisten  betn 
ersezet.'  Will  nicht  feiern,  auch  die  anndern,  wan  nuer  leuth  verhiodto. 
anzugreiffen  and  innen  ein  mehrere  sorg  machen. 

Das  seminarinm^  stehet  in  bonis  terminis;  verhoffe  wier  soQa 
dise  tag  zur  sachen  greiffen,  darzne  ich  auf  I.  D'  bevelich  aUeriai  pnt- 
pariert  hab.  Gott  verleihe  disem  ansehentlichen  werckh  dermaUnaiMi 
feinen  forttgang. 

Auf  khunfftige  wochen,  wills  Gott,  soll  ich  den  marckh  Hötinbiii;^ 
auf  gnediges  ersuchen  herzog  Wilhälmb  aus  Bairn'*  meines  gned^ 
fflrsten  und  herrn  (weill  diser  marckh  dem  Abbten  von  Fambach^  ii 
Bairn  ligendt  zuegehSrig)  und  dan  auch  auf  sonndere  I.  D'  enherzog  En- 
sten  gnedigiste  Verordnung  in  die  catholische  disciplin  nemen,^  and  la 
dan  nicht  will,  mitt  guetten  und  bösen  wortten,  ja  auch  mitt  der  za«stif- 
tung,  wo  es  nott,  straffen  etc.,  welliches  ich  mitt  göttlichem  beistandt  in- 
werckh  zu  richten  gedacht  bin.  Thue  E.  G.  hernach  meiner  verrichtans 
relation.  Sonnsten  pfleg  ich  ann  sontägeu  in  den  nächsten  dörffern  ui 
märckhten  bey  Wien  und  dan  auch  auf  den  raison  in  den  statten  n  pn- 
digen,  sihe  den  maisten  thaill  zum  catholischen  glauben  woll  geioi^ 
allain  sein  nicht  arbaiter  verbandten,  wie  dan  alhie  in  der  statt  selbst  ic 
sehen,  da  noch  heutiges  tags  khain  pfarrer  bey  S.  Michael  khan  gefuniM 
werden,  do  es  doch  hoc  sacro  tempore  die  eusserist  nott  wäi\  Aüie  isi 
der  auslauff  zimblich  starckh,  hoff  aber,  er  solle  nach  dem  landtagab- 
nemen.  In  der  statt  alhie  lassen  sich  vill  predigkhandten  sehen,  wellici^ 
in  winckhln  zimblich  schaden  thun,  wie  vor  wenig  tagen  ainer  gest"rbet 
Hoff,  man  werde  dem  wirtt  so  in  aufgehalten  seinen  lohn  geben.  Die  lanü- 
leutli  sein  mitt  gwalt  heillig  worden  zu  diser  fasnacht  und  wollen  m^ 
glauben  schier  horausnöttigcn,  glaub  sy  werden  nicht  aufhören,  bis  ?J 
die  schedlicho  concession,  welliche  vill  hundterttausent  schien  schon  vtr- 
fiiert,  auch  verloren  haben ;  das  gob  Gott,  amen. 


'  Vgl.  üben  S.  532,  Anm.  1. 

»  Vgl.  oben  S.  531,  Anm.  5. 

'  Markt  Herzogenburg  in  Niederüsterreich. 

*  Wilhelm  V.  der  Fromme.    Vgl.  Riezler,   Geschichte    ßaierns   IV  (If*- 

S.  fi25  f. 
'  JSenedivtinerabtei  Formbacli,  welche  hier  vom  Ende  des  12.  .JahrbnniJ«ro 

bis  zur  Aufhebung  derselben  im  Jahre  1804  die  Omndherrschaft  ba*«* 
"  Klesl   war  auch   am  7.  und   28.  d.  M.  in  Herzogenburg.     Hammer-PiK- 

stall,  Khlesl's  Leben  I,  Urkunde  Nr.  44. 


535 


Die  von  KUrembs  umi  Staiii  luiltten  in  iron  heusein  in  die  ü  pnc 
digkhuinlton  auf,  la^seu  wich  klilageii  und  I.  D'  schaffen,  sy  thun  was  »y 
wollen.  Das  ist  die  aiidatia  derer  rermainteu  evangelischen.  HeuU  hab 
1.  D'  ich  übergeben  dise  landtlouth,  so  noch  den  neuhen  calender  nicht 
haltten,  daruudter  herr  landtmarschalch'  und  Heimat  Uerger^  die  ersten 
sein.  Summa  die  flaccianer  neinen  in  disem  landt  dermassen  überhandt, 
das  E.  Ci.  nit  glauben  khünnnn.  Dise  nennen  I.  M'  mitt  iiauien  aiuen 
tyrannen  auf  der  canzl  und  vill  mehr;  hab  sorg,  wierdt  mau  nicht  baldt 
wehren,  die  sacben  werden  sy  so  weitt  einreissen,  das  man  nimmer  wierdt 
waren  khünnen.  Und  so  vill  hah  E.  G.  ich  in  roligionssaehen  iezuntoecu- 
piern  und  mein  herz  lären  wollen.  Thue  E.  G.  zusambt  allen  den  irigen 
in  den  schaz  Gottes  bevehloii.    Datum  Wien,  den  4.  martii  a.  8b. 

R.  G.  gehorsamer  cnplan 

Melchior  Khlesl  m.  p. 

XVIII. 

Wien,  1686  Mmi  23. 

Hoch  und  wolgeborner,  gnediger  heiT.  E.  Q.  sein  mein  gehorsam 
schuldig  und  willig  dienst  zuvor,  gnt'digfr  herr.  Das  E.  G.  meinem  vottorn 
so  gnedig  erlaubt,  mier  auch  wie  bisher  alle  gnaden  anboiitt,  bcilanckh 
ich  mich  gehursamblich,  und  hab  os  bisher  im  werckh  allso  erfahrn,  das 
ich  wie  ufft  genieldt  bis  in  mein  grneben  ein  Schuldner  bleiw.  Ich  hab 
gnediger  herr  an  E.  G.  affection  niemalln  zweillet,  und  das  ich  vituliini 
cum  titnlo  nicht  hab  empfangen,  daran  haben  E.  G.  khaiu  srliuldt,  dau 
es  gwislich  au  irem  gnedigen  willen  nnd  starckher  bemühung  nit  ge- 
manglet. Gott  wierdt  es  zu  seiner  zeitt  mier  zum  haül  wie  bisher  alles 
disponiern,  allain  wOllen  E.  G.  zu  füerfalleuter  gelegenhait,  damit  ich 
meiner  bschwernus  etwas  möcht  enthebt  werden,  meiner  in  irem  me- 
morial  nit  vergessen.  Will  mich  gwislich  der  khirchou  mitt  beistandt 
göttlicher  gnaden  allso  arbaitsam  erzaigen.  das  E.  G.  ir  commendation 
und  befüerderung  nicht  gereuhon  soll. 

Die  religionssachen  stehen  bey  uns  in  der  statt  alhie  zimblich  woll, 
wan  nuer  die  nachgesezte  i.ihrigkhait  etwas  embsigers  sein  vndtt.  Äaf  dt^m 
landt  aber  will  es  nicht  recht  forttghehen;  wir  worden  haltt  von  der 
schändlichen  concession  allenthalben  verhündtert,  und  khan  der  anslaufT 
airgents  gewehrt  werden,    hegt  ntan  ainem  tbaill  was  auf,  so  zaigt  der- 


'  Bogendorf. 

*  Vgl.  oben  S.  491,  Anm.  3 


536 

selb  anf  xehen  ander  die  eben  das  thnn,  nnd  ist  nit  m&gtich,  das  der 
schöne  waizen  nndter  disem  so  grossen  unkhrantt  soll  ansehen.  So 
geben  wir  thaills  nrsaeh,  dan  laider  iezunt,  wo  I.  H'  p&ndtsehilling  tv- 
khanffen,  so  geben  sy  die  p&rm  and  armen  sehlen  mitteinander  hin, 
deren  exempl  ich  etlich  eneUen  woltt,  gnueg  sey  die  ainig  hemduüR 
Grienaa,  so  Heimat  6«rger'  ist  geben  worden,  weUicher  den  catholisdia 
priester  alsbaldt  veriagt  nnd  ainen  sectischen  eingesext  hatt,  danm« 
sich  alle  onderthanen  gegen  dem  von  Passan  ganz  erb&rmblich  nnd  am- 
f&erlich  bschwert.  Aber  da  ghehet  aines  nach  dem  andern  nobis  do^ 
mientibns  laider  hinweckh,  nnd  weill  ich  dis  E.  6.  in  gehorsamen  Te^ 
tränen  zneschreyb,  bitt  E.  6.  ich  nmb  Oottes  willen,  sy  wollen  ad  partco 
I.  M'  aTisiem.  In  warhait  ist  es  ein  schwere  nnd  widitige  gwiasens- 
sachen,  wan  die  sehlen  am  iflngsten  tag  werden  räch  schreyhen;  dann 
ainmall  khain  mensch  schnldig  ist  alls  die  obrigkhait,  dämm  in  denen 
Sachen  grosses  nachfragens  bedOerfftig.  Die  congregationes  mrales  per 
Austriam  inferiorem  hab  ich  angesteldt,  nnd  bin  willens  den  4.  junii  di« 
erste  zu  Bez,  alda  ich  146  priester  hinbeschriben,  halten.  Gott  wolle 
sein  gedeien  geben.  Was  alda  verriebt,  bleibt  E.  G.  nnverborgen.  Das 
seminarinm,'  sine  quo  nihil  fiet,  bleibt  schon  in  die  3*  wochen  bey  herm 
bischoffen  von  Wien,  weUicher  seiner  schwachait  halben  die  commissvien 
nicht  khan  zasamenbringen.  Glanb  der  böse  feundt  werde  es  noch  ein 
etliche  jar  Terhftndtem,  nnd  Gott  ans  znr  straff  verhengen.  Ich  will  abtf 
za  sollicitiem  nicht  anf  hören;  Gott,  in  dessen  schnz  E.  G.  ich  beTilieh, 
wolle  sein  benedeiang  darzne  verleihen.  Datnm  Wien,  den  23.  mai  a.  85. 

E.  G.  gehorsamer  caplan 

Melchior  Khlesl  m.  p. 

XIX. 

Wien,  1687  Jinner  1 

Hoch  and  wolgeborner  gnediger  herr.  E.  G.  sein  neben  wOnschnng 
aines  freydenraichen  neuhen  jars  mein  gehorsam  schnldig  nnd  willig 
dienst  zavor.  Gnädiger  herr,  E.  Q.  antwoi-tschreyben  hab  ich  mitt  frej- 
den  empfangen  nnd  bedanckh  mich  des  ganz  gnädigen  erbietens,  will  es 
nmb  E.  G.  und  derselben  zugethanen  in  meinem  armen  gebett  gegen  Gott 
meiner  mfigligkhait  verdienen.  Was  aber  das  ortt  nnd  die  statt,  welliche 
vom  hussitiscben  zum  pickhardischen  glanben  gfallen   nnd  derselben 


>  Vgl.  oben  S.  491,  Anm.  3. 
*  Vgl.  oben  S.  354,  Anm.  2. 


537 


namea  belan^dt,  hab  E.  G.  ich  geBctariben  ond  ist  mier  laidt,  das  ich  aus 
der  bebmischen  Jandtagsproposition,  die  ich  milt  allem  fleis  angehflrt, 
mehr  nicht  gelernet  hab,  dan  das  man  mein  behmische  schrifft  nicht  lösen 
bhan.  Das  nrtt  haist  Schäslau,  du  der  Schiscita,  so  Behaimb  verhört,  be- 
graben ligt.'  Das  ist  allererst,  wie  in  meinem  vorigen  schreyben  ange- 
deutet wierdt,  aeahlich  abgefallen,  und  haben  ay  I.M'  g<rislichen  annderst 
nichts  alls  annderer  statt  volg  und  was  alsdan  füer  inconveniontia  aus 
derselben  bluetdierstigen  sect  der  pickharditen  herücust,  zu  gctrCsten; 
dem  allen  nun  werden  E.  6.  faersukhnmen  wissen,  weill  sy  anch  boy 
denun  in  Märhern  ein  iandtman  sein. 

Der  pfarrer  zu  Nickholsparg  ist  bey  mier  gwesen  und  umb  befüer- 
derung  angehalten.  Ich  hab  im  aber  von  E,  Q.  wegen  so  grob  abgedanckht, 
das  gwislich  E.  G.  weder  schrifft:  noch  mfindlich  viileicht  nit  getlian. 
Der  arm  man  erkbennet  sein  grobhait  ghar  woll  und  wierdt  mitt  schaden 
wizig.  leb  hab  gesehen,  das  der  guott  man  in  seinem  sfin  ghar  zu  gelert 
und  bey  sich  selbst  verständig  ist;  ist  haltt  ein  Tyroler,  denen  man,  sonn- 
derlich  weill  er  die  bewüsten  jar  noch  nicht  orraicht  hatt,  etwa»  passiern 
möcht.  Es  hatt  heiT  doctor  Eder*  mier  seinuthalben  zuegeschriben  und 
mitt  mier  auch  selbst  goredt.  Bade  befunden  wier  das  er  gros  unrecht 
ist  und  woll  aines  schärfferu  proces  verdient  hett.  Weill  aber  E.  G.  gmüett, 
lieb,  naigung  und  sanfftinuett  nicht  alluiii  so  sy  gegen  den  priestern 
Bonnder  allen  anndern  fQeren,  meuiglich  bekhandt,  und  weder  diser  noch 
vill  höhere  alls  diser  pfarrer  ist,  an  irem  guetten  namen  und  aiffer.  weli- 
chen  sy  in  ziglung  und  forttpflanzung  der  catholischen  khirchen  haben, 
nichts  schädliches  oder  verclienerlicbes  thnn  khan,  auch  nicht  thun  wiordt, 
hieltten  wier  füer  rathsamb,  E.G.  möchten  ime  aus  sonndern  gnaden  und 
damit  er  nicht  in  khlainmOetigkhait  khumb,  allaia  dessen  khundt»ichafft 
erthailen,  worinnen  er  sich  erbär  und  woll  verbaltteii  hatt.  Damit  wur- 
den sy  ime  glßende  kholl  auf  sein  haubt  samblen,  das  bös  mitt  gnettem 
vergeltten,  die  gerechtigkhait  uiitt  der  gnaden  mildern,  ime  sein  böses 
manll  (welliches  gleichwoll  E.  G.  nichts  schaden  khnn)  stopfen  und  ann- 
deren  prieatera  ain  herz  machen,  das  sy  desto  lieber  E.  G.  dienen  wur- 
den. Das  hab  ich  aus  der  erbannnns  und  mitleiden,  so  ich  mitt  diseni 
gfallnen  priester  trag,  E.  G.  gehorsamblich  wollen  zueschreyben,  die  wei'- 
den  es  hoffentlich  mitt  gnaden  von  mier  aufnemen. 


'  Da«  Grabmal  (log  Htissitonfeldhcrrn  Johann  Zi.ska  von  Trocnow  (f  1424), 
das  sich   in   der  Peter-  und  P-xulükirclie   zu  Caslan   befand,   wurde  IRS.S 
auf  kaiDerlichen  Befehl  abgebrocheu. 
«  Vgl.  oben  S.  492,  Auni.  4. 
AtcbiT.  LIXXVIII.  Bd.   U.  lliUrto.  35 


538 

Alhie  ist  der  landtag  Gott  lob  glflckhlicli 
hatt  die  khayserliche  resolution*  nnnsere  land 
Sanll  zu  poden  geschlagen,  and  do  sy  Aber  ein  ] 
herz  gefast,  so  khnmbt  der  tott  und  nimbt  de: 
und  aurigam  ires  ganzen  wesens  hinweckh;  darb( 
Weill  dan  zn  erhaltnng  der  catholischen  religi 
ist,  dan  das  die  predigkhandten,  so  uns  eing 
ferdtigang  allerlai  revers  gehalten  werden,  wel 
I.  H'  ine  ans  dem  landt  schaffen,  die  anndern 
haltten,  mitt  gleicher  mflnz  bezallen,  so  werde] 
Diser  Sachen  haben  wier  ainen  anfang  gmacl 
gelegtem  revers  copi  abzunemen.  Und  ghehen 
die  Sachen  alle  tag  bösser  fortt,  wie  dan  auf 
sechs  predigkhandten  auf  khunfftige  wochea 
welliche  das  revers  aintweders  ferdtigen  oder  aus 
Darauf  haben  sy  nun  I.  M'  gnädigist  resolvi 
diser  predigkhandt  reversiert.  Jezunt  ist  die  b 
im  landt  vor  der  handt,  die  wollen  I.  D'  so  spe 
die  personen,  welliche  sy  in  äussern  rath  und  und 
mitt  irem  nämen  zn  wissen  beghern,  dan  durch  i 
catholischen  lustig  und  sine  strepitu  befflerden 
woll  schwär  an,  aber  sy  geben  sich  willig,  weill 
der  mitl  alls  der  gehorsam  vor  der  handt  sey.  I 
Stain  und  Ipps  khain  statt  oder  marckh  im  ganx( 
welliche  nicht  iren  catholischen  stattrichter  hett. 
und  Stain,  S.  PClden,  Zwetl,  Waidthoven  an  d 
Clostemenbnrg,  Prugg,  Langenleus,  Pei-tolstorfl 
alle  ire  catholische  marckh-  und  stattschreyber, 
achtens  zur  religionsreformation  nicht  ein  schlecfa 
auch  nun  hinvorthan  khain  nnderthan  angenu 
aidt,  das  er  der  khais.  M'  in  religionssachen  wöl 
nemen  die  catholischen  auf,  die  anndern  aber 
catholischen  noch  900  und  etlich  und  ffierzig  p 
der  gegonthail  aber  nuer  165.  Betten  wier  ni 
den  predigkhanten  allenthalben  angst  gnueg  m: 
das  faist  von  den  pfarrn  nemen,  das  überige  den  j 


'  Es  ist  ohne  Zweifel  die  kaiserliche  Reaolation  < 
1Ö86  gemeint,  welche  den  Ständen  tun  8.  D 
NiederOsterreichisches  Landesarchiv,  B.  2.  4,  ( 

*  Christian  Thalhammer,  Landschaftssecret&r. 


539 


schaittl  geben,  das  sj  sich  kbaiim  erlialten  kh&nnen,  daher  die  maisten 
grobe,  aiafeltige,  ungelante  und  achleclite  louth  sein,  die  ire  hon-n  die 
ganze  wocben  za  allerhandt  arbait  geiirauchen.  Summa,  ich  sihe  haltt, 
wo  nuer  I.  M'  das  religionwesen  angreiffen,  so  gibt  Gott  wider  aller 
menschlichen  veruunift  gnadt  und  sterckb,  entgegen  yhe  mehr  man  dem 
gegenthail  aachsihet  und  respectiert,  desto  vermessner  und  sterckher  wer- 
den sy  tag  und  nacht.  Daher  ich  mier  khaiuen  zweifl  mach,  das  die  K.  M' 
noch  mitt  iren  äugen  werden  sehen,  welliches  herr  ehn  und  vatter'  un- 
möglich geachtet  haben.  Ällain  will  es  vonnötten  sein,  das  wier  auf  dis 
werckh  guetto  und  unverdrossne  achtung  geben,  dan  der  sy  in  engl  des 
lichts  verwandlet,  ghehet  umb  die  zeitt  des  schlafs  herum  und  suechet 
wen  er  mOge  verechlingen.  Es  ist  in  warhait  alles  reifl*  und  grosse  zeitt 
zum  schnidt,  wan  man  nuer  räum  machet  und  schnidter  per  seminarium 
verordnet.  Zu  fürchten  ist  niernants,  dan  die  feundt  fürchten  sy,  cum 
habeant  malam  causam  und  Gott  innen  die  forcht  schickhet;  sollen  wier 
uns  auch  fürchten,  so  wurden  sy  forttfahren  und  uns  verwundten,  vilt 
auch  zu  tott  schlagen.  Das  schreyb  E.  6.  ich  derhalben  zne,  weill  es  die 
warhait  selbst  ist,  E.  G.  sich  mit  uns  zu  freihen  ursach  haben,  Gott  danckh 
sagen,  loben  und  preisen,  qui  haec  omnia  fecit,  lezlich  damit  E.  G.  allent- 
halben wo  sy  nuer  erschrockhne  lenth  ht")ren  inüammiem  khünnen,  diso 
heillige  Sachen  befOerdern  helffen,  ut  in  propusito  sancto  persistauius, 
weder  auf  rechte  noch  linckhe  seitten  weichen,  sed  per  medium  svaviter 
forttfaren.  Alhie  zu  Wien  laider  will  es  abnemen,  nicht  allain  in  khirchen 
allenthalben,  sonnder  das  man  wider  hizige  und  sectischo  persoaon  so 
woll  in  innern  alls  äussern  rath  befüerdert,  welliches  den  catholischen 
schlechte  hoffnung,  den  sectischen  aber  freidt,  vermessenhait  und  in  irem 
irthum  7.U  verharren  grossen  trost  machet.  Woher  aber  dis  khumbt,  da 
wuis  ich  ghar  nichts,  weill  ich  mich  alhic  in  geistlichen  sachon  aus  villen 
Ursachen,  die  E.  G.  ich  thails  alhie  vermeldt  bab,  nicht  einmische.  Ich 
will  aber  zu  Gott  hoffen,  es  werde  auch  hie  bösser  werden.  Ich  bin  ieziint 
ein  zeitt  wegen  der  rathswahl,  so  im  landt  geschehen,  alhie;  so  baldtabor 
dieselben  füerüber  werden  sein  (welliches  vor  lichtmes  nicht  wiordt  ge- 
schehen), so  wil  ich  mich  in  Gottes  namon  wideram  auf  das  landt  begebtiu. 
Bisher  bin  ich  nirgents  hingeraiset,  allain  hatt  die  frau  KhuenLn^  etlich 
und  secbtzig  flaccianische  böse  halsstarrige  verschmizte  paurn  gehabt, 
die  sich  catholisch  gesteldt,  inwendig  aber  mehr  als  ich  verhoffen  khünnen 


'  Kaiser  Ferdinand  I.  und  Maxiinilinn  II. 

*  Wirrl   wolil  Murin  Mngil;ilena  Khuoii,   die  Witwe  des  1581  verstorbenen 
Freihemi  Rudolf  Kbnea-BolaBy  Beiu.    Vgl.  Wissgrill  V,  S.  111. 

36* 


L 


540 

inficiert  gwesen,  wellicbe  aber  alle  innerhalb  8  tagen  durch  Gk>tte8  gnad 
zum  cathoUschen  glauben  sein  bekherdt,  absolviert  und  comoniciert  ww 
den.  Jezunt  haben  I.  ü'  etliche  bnrger  von  Pruckh  fäer  mich  geschaift. 
Was  Oott  mitt  innen  wierdt  wirckhen,  schreyb  E.  G.  zu  irem  trost  icl 
hernach.  Gott  in  dessen  schuz  ich  E.  G.  und  die  irige  bevehlen  thoe 
verleihe  allenthalben  sein  gnadt  und  sogen,  amen.  Datum  Wien,  d« 
2.  Jan.  a.  87. 

E.  6.  gehorsamer  caplan 

H.  Ehlesl  m.  p. 

XX. 

Wien,  1687  Febnur  7. 

Hoch  und  wolgebomer  herr.  E.  G.  sein  mein  gehorsam  schnldij 
und  willig  diennst  zuvor.  Gnädiger  herr,  das  E.  G.  den  pfarrer  zu  Nickhl» 
purg  herm  doctoris  Ederi'  auch  meiner  intercession  genieasen  lassen 
dessen  thue  ich  mich  gegen  E.  6.  gehorsamblich  bedanckhen,  der  tröst- 
lichen hofnung  und  Zuversicht,  das  es  E.  G.  nit  vierdt  reuhen,  dan  menig- 
lieh  bewflst  wer  E.  G.  sein,  und  wierdt  diser  schlechte  man  E.  6.  so  weni( 
schaden  khSnnen,  das  er  noch  in  sein  gwissen  ghen  und  von  herzen  wai 
er  aus  grober  ainfalt  begangen  laidt  tragen  wierdt.  Hier  gebfiert  gnädi- 
ger herr  nicht  zu  urthailen,  aber  mier  will  danebens  derer  lenth,  so  siel 
von  der  weltt  ganz  und  ghar  begeben,  intention,  process  und  wesen  jhc 
lenger  yhe  weuger  gfallen,  dan  eben  auf  disen  schlag  hatt  Pater  Scherar' 
nenhlich  die  Hausseckische  bekherung,  wie  sich  daselb  die  paum  lom 
glauben  begeben,  in  truck  verferdtiget.^  Gott  geb,  das  es  gnetter  mai- 
nung  geschehe,  aber  ich  fflndte  es  gwislich  nit  allso.  Patri  Michaeli' 
ist  zu  Begenspurg  vom  capitl  das  predigen  im  thnmb  eingesteldt  worden, 
und  khumbt  nach  ostern  ghen  BHirembs,  so  er  doch  auf  ^/,  jar  ^en 
Begenspurg  ist  deputiert  worden.    Allso  wurde  er  ein  bOsen  hoffprediger 


'  Erzhenogliches  Decret  vom  S6.  December  1686.  PrOlI,  Die  G«^Il^eia^ 
mation  in  der  landesfUrstlicben  Stadt  Brack  a.  d.  L.,  1897,  8.  71. 

*  Vgl.  oben  8.  492,  Anm.  4. 
'  Vgl.  oben  8.  604,  Anm.  1. 

*  Ursachen  der  Bekehrung  der  Herrschafft  Ober  and  Nider  Hansaeck  im 
hochlObl.  Erzhersogthamb  Oesterreich  n.  d.  E.  so  vom  Latheithninb  itr- 
innen  sie  hievor  aber  26  Jar  leider  gesteckt,  wideramb  anm  oraltan 
alleinseligmachenden  catholischen  Glauben  die  nechst  verschinen  Fasten 
and  Osterzeit  dises  jetzt  schwebenden  1686.  Jars  Gott  lob  gebracht  w(>^ 
den.    Gepredigt  durch  G.  Scherer  .  .  .    Ingolstadt  1686.  4*. 

"  Es  ist  wohl  P.  Michael  Alvarez  gemeint,  der  kaiserlicher  Beiehtrater 
war.   Wiedemann  I,  S.  246. 


541 


» 


abgeben,  8onu(lorlii>h  auf  dtin  reichRt^i^.  Muiaom  ginliinckheii  .sola  das 
die  bösten  leiith,  ei  in  vocatione  sua  iiontianserint;  hd  baldtsy  aber  wollen 
regieren,  so  thuett  ea  nit  allezeit  guett.  Das  schreyb  E.  6.  ich  in  ver- 
trauen, bin  ^^üui^tcii  der  irigo  und  derselb  stirb  ich. 

Die  religiiinssachen  wollen  alliie  nit  zum  bOsten  forttghen,  daii  die 
maiston  Hochzeiten  werden  zu.  Vesendorff'  copiiliert,  so  schleichen  die 
predigkliandt^D  ghar  in  die  statt.  Burgemmister  last  alles  gben,  was 
auch  1.  U'  bevehlen.  Es  will  aach  woli  an  fleissiger  sollicitatur,  ernst 
unii  unverdrossenen  aitfer  vill  erwflndteu,  woUicher  gleichesfals  von  villen 
begbei't  wierdt  und  bafTentlich  hoch  nuzen  mOcht.  Hier  aber  will  nicht 
gebüren  in  frembte  Jurisdiction  zu  greiffen. 

Der  rath  zu  Ybbs,  Stain,  S.  Pöldten  und  etliche  burger  von 
Khroinb!j  sein  auf  mein  anhalten  alher  erfordert  worden,  damit  sy  be- 
richten, wessen  sy  in  roligionssachcn  hinvorthan  resolviert,  damit  sy  von 
irem  iiibiimb  abstehen  und  zum  catbulischca  glauben  möchten  porsuadicrt 
werden.  Wie  es  nun  Gott  schleicht,  sein  B.  G.  ffier  gwis,  das  ich  es  in 
truckh  nicht  la»  nusghen ;  sy  wären  gwislichen  sonston  die  ersten,  wan 
ichs  aus  irem  bevelich  nicht  thun  soll,  die  miers  ffler  ein  holTart  verstund- 
ten  und  aufraitetcn.  Ich  woltt  dennoch  Gott  lob  sonst  etliche  khünncn 
iu  truckh  geben,  wan  es  Gott  nit  durch  mich  armen  Sünder  gethan  lu'tt. 

Was  E.  G.  von  den  stattsclircyborn  andeuten,  ist  die  warhait  selbst, 
das  sy  das  laudt  verfQert  haben,  daher  wier  Gott  lob  alle  stattschreyber 
80  Boctisch  aus  den  statten  gehebt,  stehet  sUain  an  dem  stattschreyber 
von  Ypps,  der  soll  gwislichcr  zu  1.  D'  ankhunfft  auch  den  sackh  haben. 

So  ist  khain  statt  ausser  Khrembs,  Stain  und  Ypps,  darinnen  nicht 
ein  katholischer  richtcr  war.  Die  predigkhandten  herrn  .Job  Hartmans 
von  Trautmanstorff,  des  von  Prag,  herrn  Heimat  Gergers,  Weiskhirchers, 
SenfFtenberg  und  herrn  Tonrädls  sein  zu  ferdtigTing  des  revers  erfordert; 
thun  sy  es  nicht,  so  stehet  innen  das  landt  offen.  Sein  noch  achte  im 
register,  die  will  ich  zu  seiner  zeitt,  wan  die  anndern  abgeferdtigt  sein, 
such  anbringen. 

Denen  statt  und  märckhten  ist  vor  3  jarn  auferlegt  worden,  das 
sy  quatemerüch,  wie  sy  die  religionssachen  bey  innen  anlassen,  wen  sy  zu 
burgor  annemen,  die  F.  D'  berichten  sollen,  welliches  sy  aber  bisher  nicht 
gethan,  dessen  ich  mich  neuhlich  bey  I.  D'  underthäuigist  bschwärt  und 
boghert  hab,  innen  Iren  ungehorsarab  mitt  ernst  zu  verweisen  und  dahin- 
zuhalton,  das  sy  dem  vorigen  auJlagen  entlich  woll  nachkhumcn.  Welliches 
I.  D^  begherter  massen  gnedigist  bewilliget  und  die  ausfcrdtigung  allso  ins 


1  Tgl.  oben  8.  496,  Anm.  1. 


542 

werckh  zu  richten  gnedigist  beTohlen.  Ich  sihe,  das  im  ganzen  lu 
forcht  ist.  Lasset  man  nner  ainmal  nach,  so  haben  wiers  verloren;  fiu 
man  aber  fortt  in  Gottes  namen,  so  ist  causa  Dei  erhalten  nnd  seh 
alles  zum  schnidt  beraitet.  War  ist  es,  das  es  zu  zeitten  verdrus  gibt,  a] 
alle  ding  sein  leicht,  wan  man  gedenckht,  das  Oottes  ehr  interessiert,  < 
nach  disem  das  ewig  leben  geben  wierdt.  Weill  dan  E.  G.  ieinnt  n 
I.  D'  zu  reden  guette  gelegenhait,  werden  sy  hoffentlich  derselben  aif 
gehorsamist  rhOemen  nnd  zur  bständtigkhait  vermahnen.  Das  alles  wiei 
der  religion  zum  hosten  khumen.  AUso  data  occasione  bitt  E.  6.  ich 
woltten  I.  D*  mich  zum  besten  commendiem,  das  I.  D'  sehen,  das  der 
herr  von  Diettrickhstain  mein  gnädiger  herr  nnd  patronns  sey. 

In  meiner  Sachen  *  und  wie  es  mier  ghehet,  will  E.  Q.  ich  disii 
nit  behelligen,  sonder  die  offension  abbeissen  lassen,  hernach  aber  i 
zu  E.  G.  ich  umb  getreuhen  rath  flflehen,  auf  das  ich  mein  gelegenfa 
allso  anstellen  khnndt,  damit  ich  der  khirchen  Oottes  bösser  nnd  Mdlicb 
vorstehen  möcht.  Damit  thue  E.  6.  ich  in  den  schuz  Gottes,  mich  a1 
zu  derselben  gnaden  geborsamblich  bevehlen.  Wien,  den  7.  febr.  a.  i 

E.  6.  gehorsamer  caplan 

H.  Ehlesl  m.  p. 

XXI. 

Wien.  1587  April  1 

Hoch  und  wohlgeborner  gnädiger  herr.  E.  G.  sein  mein  gehorsai 
schuldig  und  willige  diennst  zuvor.  Gnädiger  herr,  E.  G.  hab  ich  vor  ( 
zeitt  in  meiner  aignen  Sachen  znegeschriben,  und  weill  ich  so  hohes  { 
horsambliches  vertrauen  in  dieselben  seze,  gebette(n)  mier  darinn 
zurathen  und  zu  helffen.  Darauf  ich  aber  bis  daher  khain  antwort  I 
khumen;  bin  aber  tröstlicher  hoffnung  Eur  G.  werden  es  alberait  e 
pfangen  haben  und  sy  vill  mehr  wichtige  geschafft,  die  heillige  zeitt  u 
das  sy  mitt  irem  herrn  söhn  gnnegsam  zu  thun,  alls  etwas  annde 
davon  abgehalten  haben.  Undterdessen  khumbt  mier  von  herrn  Pi 
Sixten  Trautsam,*  Böm.  khays.  M'  rath  und  hoffmarschalch  etc.  nun  sei 
zum  anndernmal  schreyben,  darinnen  I.  G.  mier  abermaln  die  hoffca 
füerschlagen  und  antragen,  zu  wellicher  ich  mich  mehrmaln  nntaugl 
erkhennet  hab  und  noch  allso  befflndte,  welliches  E.  G.  ich  in  gehorsan 


•  Vgl.  XVIL 

'  Paul  Sixt  Freiherr  von  Tranteon,  Sohn  des  Geheimnthe«  Johann  (I 

Geheimrath,  Obenthofmanchall,  BeichshofraUuprSsident.  Vgl.  Allgeme 

deutsche  Biographie  XXXVUI,  1894,  S.  522  f. 


543 


verti'auon  communiciern  wollen,  ohne  zweifl  dieselben  werden  schon  langst 
deswegen  ein  wisHenachaift  gehübt  haben ;  weill  sy  uiier  aber  davon  nio- 
maln  was  geschribcu,  liab  ich  es  gleich  solbst  wagen  sollen.  Bis  daher 
ist  Trautsam  von  niier  disos  puucts  lialbcu  nicht  beantwort  worden,  woill 
ich  allezeit  verhofft,  E.  G.  antwortschreybeu  wurden  mier  zuekliumen, 
damit  ich  mich  mitt  mehrerm  fundament  hotte  orkhiäron  khQnuon.  Es 
wissen  aber  E.  G.  wessen  ich  mich  t;mdom  aliquando  nuch  so  vill  erlidtnem 
schmerzen  gedacht  und  allain  an  dem  stehe,  wie  ich  etwanbey  I.  M'  diosachen 
zum  fäeglicliisten,  damit  mier  weder  uugnadt  noch  auch  ainige  üble  vcr- 
inuetung  daraus  ontsprnnge,  angreiffon  möcht.  Das  war  mier  das  liebst^ 
meiner  schien  und  gwiss<;n  auch  das  allorböste.  Dan  solle  ich  I.  M'  lioir 
continue  beiwohnen;  haben  E.  G.  leichllich  ahzunomen,  das  ich  vill  tau- 
sont  sohlen  negligieret,  in  bcdeuckhung  ich  so  wenig  alls  zuvor  aiuigon 
snccessorem  bckhumeu  khan.  Leichthch  fündte  ich  aiuen  officialera,  aber 
der  das  geistlich  und  die  religion  bey  den  statt  und  mürckhton  im  landt 
tractieret,  das  ist  schwärer  alls  ich  selbst  vermaint  hab.  So  aoin  die 
Bachen  iezuut  weitt  gfcrrlicher  alls  im  anfang,  weill  Gott  lob  der  aller- 
höchste täglich  sein  gnadt  sichtiglich  gibt,  daher  sich  der  bOse  feuudt 
desto  mehr  bearbeitet,  dis  zu  verhiindtorn.  Ich  wais,  das  I.  G.  der  hcrr 
Trautsumh  solliches  mier  zu  ohrn  und  zum  bilston  vcrmaincn,  damit  ich 
allao  mit  lieb  vom  herrn  bischüfftMi  leilig  und  bey  meinem  landtsfurston 
sein,  auch  dem  vatterlaut  desto  reichlicher  dienen  khünne,  wie  mier  dau 
nit  zweiflet,  horr  btschoff  wurde  mich  in  aincr  anndern  khirchen,  die  im 
selbst  dai-zno  gfollig  war,  hornath  ghern  predigen  lassen  und  zufriden 
sein,  weill  I.  M'  mitt  dem  sich  öffentlich  erkhlärten,  das  sy  mitt  mier 
gnädigist  woll  zufridcn  wären.  Wie  aber  E.  G.  zum  allorbösten  wissen, 
was  es  fäer  diflicultates  zu  baden  thitilen  halt,  und  wie  ich  wegen  des 
vattorlauts  schuldig  bisher  meine  aigue  Sachen  ghern  beiseits  gesezt; 
aber  ich  woltt  haltt  ghern  uiemants  ofTendiern;  sonndei'  mich  gegen 
meinem  iandtsfürsteu  alle  die  zeitt  maines  lebons  underthänigist  danckh- 
pär  erzaigou.  danebeus  auch  mein  gwissen  allso  dirigiern,  damit  ich  vor 
Gottes  angäicbt  bsteheu  khundte.  Weill  dan  zu  E.  G.  ich  die  zeitt  meines 
lebens  mein  gehorsam  vertrauen  seze,  allso  bitt  ich  dieselb  zum  höchsten, 
sy  wolttea  mier  uiitt  rath  und  hilff  gnadig  beistehen.  Dessen  wiordt  der 
allmächtige  hoffentlich  reichlicher  belohner  sein,  und  ich  thuo  E.  G.  mich 
zu  ikro  gnadon  gehorsamblich  bevohlen.    Datum  Wien,  1.  aprilis  a.  87. 

E.  G.  gehorsamer  caplan 

M.  Khlesl  m.  p. 


M4 


Bitt  E.  G.  die  wollwi  n«iit  guhcirsiim  vertnuien  be^  ir 
d«n  herrn  Traatsam  hab  i^  mehi-  nit  Ms  nuer  umb  lengorn  Indidt 
geachriben,  w«U  B;  ö.  kh  gebetteu,  di»  ga«hen  bo;  I.  M.  dahrnnf» 
poniein  heUEan,  damit  ich  beoucU  guotten  b&cliaMlt  cdang^eo  klturiti 
Bey  LD*  vill  idi  es  andi  anlniikg«!!,  so  bab  mit!  dem  aiten  ii«mi4 
Harraeh*  ich  lübenit  bey  I.  ]y  micli  zu  coinendiern  auch  schoa  gtiaallt 
und  gebetten. 

xxa 

Wie»,  1S87  iptOlS 

Hoch  und  volgebomer,  gnädiger  Lerr.  E.  G.  sein  mein  püunm 
schuldig  und  villige  diennst  suvor.  Gnädigei-  berr.  dei-setben  to  niii 
ganz  gn&dig  nnd  vSifterlieh  aasfUeiiich  schreyben  bab  Ich  zu  HSItkh  «• 
pfongen  und  vie  E.  G.  ich  ohne  das  alle  die  tag  mdines  lebens  ven*biif'*it 
bleiw,  allso  erkhenne  ich  miech  aUe  tag  mehr  schuldig-,  in  erwegan^  K  (t 
ainmiü  mitt  iren  leiblidien  sOhneD  melirers  and  annderst  nicbu  a!li<  «i' 
ey  mitt  mier  thnn  handlea  kfaoadten,  Gott  w5ll  «s  alles  bezaliea.  im 
darzae  Till  zn  wenig  bin.  Was  abtr  die  sochea  selbst  aalangdt,  ha^E 
ich  hieTor  geschriben,  anf  was  weie  ich  ghern  die  K.  M'  prae< 
sShe,  derentwegen  ich  mich  so  woll  zn  I.  D*  alle  dem  hen-n  wm  Ht 
gehorsamist  eingesteldt  und  am  erlsaguiig  meines  inteots  gebetteo  bk^ 
Sollen  aber  I.  M'  deswegen  offendiori  werden  oder  ichtes  änderst  nfaiBk 
vermuetten,  war  es  mier  Till  bösser,  das  ich  niemalu  daran  gedacht,  iü 
I.  M'  mitt  ainem  nnzeitigen  begbern  itnportuniert  hett.  Der  boifaui 
wie  E.  G.  zum  bOsten  wissen,  hab  ich  mm-  vorzustehen  □iemailo  guniA. 
wie  auch  noch  nicht;  neben  and  bey  dei'selben  sein  allerlai  bedenckbtii  Ji- 
maln  eingfallen,  füernemblich  abej-  das  ich  nit,  in  dem  ich  rhoe  osi  ff- 
legenhait  suchet,  mier  die  höchste  uurhue  und  meiner  sehlen  iiiig«l«f«i>- 
hait  schaffet,  in  dem  Till  tansent  armer  aehlen  Tilleicht  wären  m  gninJt 
gangen,  welliche  alle  die  g^adt  Gottes  erhalten  nnd  anfgenumiiitD  kitt 
dem  allain  ehr  und  lob  sey  in  ewigkhait.  Nnn  es  aber  laider  amh  mrai 
person  ein  solliche  gelegenhait  bekhumen,  dass  ich  one  grosse  gäiroei- 
ner  sohlen  und  bschwemus  meines  gwissens  ainmal  lenger  weder  blttwci 
noch  mich  allso  schimpflich  nnd  unanfherrlich  bey  so  grosser  meiBV 
arbait  und  mbüeseligkhait  so  ich  nun  in  das  achte  jar  hab  tractinn  hssa 
khan,  mier  auch  khunfftig  mein  ehr  nnd  wolstandt  darauf  bemhet,  woHte 
ich  von  dem  allmächtigen  w&nschen,  I.  M'  wären  boois  mediis  dahin  n 


'  Vgl.  oben  S.  600,  Anm.  1. 
*  Ebendaselbst 


54Ö 


vtumügen,  liiimit  ich.  weill  ich  noch  in  gnaden,  niitt  fritlt  und  rbue  zu 
meiner  pfarr  und  canonicat  gnädigist  gelassen  wurde.  Dan  Gott  im  hiniol 
wais  CS,  dasj  diso  mein  rssulution  mior  von  ganzem  meinem  herzen  ghehet, 
ist  auch  billich  das  der  weniger  dem  innisten  weiche.  Soll  ich  aber  füer 
I.  M'  niitt  dergleichen  beghern  khiimen,  diesell)  offendiern  oder  zu  un- 
gleichem godenckheu  und  ungiiädigister  affection  bringen,  ist  mior  vill 
bösser  ich  schweig  und  hittt«  Gott,  das  er  mier  andere  mitl  zu  salviemng 
dises  meines  gwissens  eingeben  wilU.  Soll  ich  aber  im  landt  diser  meiner 
Tocation  und  grossen  arbait  bleiwen,  so  ist  es  mior  ainmal,  do  es  auch 
mein  leben  khosten  soll,  allso  zu  thun  nit  müglich.  E.  G.  bekhenne  ich 
schuldig,  das  ia  ein  guetter  schnidt  ist,  aber  wie  diser  horr  bischoff  Vr- 
banus'  tfUtlich  ist,  allso  möchte  sich  auch  unnser  alhieiges  rogiment  ver- 
ändern und  villuicht  den  forttgang  nicht  wie  iezutit  haben,  ich  aber  mitt 
doppelter  motten  gestrichen  werden.  Dem  allen  nun  ich  billich  »ach- 
denckhe,  inn  sonderhait  das  vill  Sachen  auf  des  herrn  von  Passau  seitten 
richtig,  wcUiche  bey  I.  M'  disputiorlich  et  e  diverso  sein,  die  gleiehwol 
bis  duher  meiner  mQgügkhait  nach  in  der  mitten  gohandlet  und  den  fridt 
erhalten  hab.  Aber  weill  nicht  alle  Zeiten  gleich  wie  auch  die  suchen 
undtorschideu  sein,  woltte  ich  derselben  zeitt  nicht  ghern  erwartten.  So 
khan  ich  in  isto  gradii  et  hac  occasioue  neben  dem  herrn  bischoven  hie 
ghar  nicht  bestehen,  wiewoll  ich  mich  aller  ergernus  enthalte  und  auf 
seine  schimpfliche  tractationen  gegen  niemants  was  füeruimb,  sonnder 
khlag  OS  Gott  und  denen,  ho  mier  helffen  khönnen,  will  auch  noch  nichts 
thun,  sonnder  den  herrn  bischoven  ehrn  und  wie  billich  seinem  ambt 
fridlich  abwartten  lassen.  Woltte  Gott  er  der  herr  bischov  war  in  gleichem 
auch  gegen  mier  gesinnet.  War  ist  es,  wie  E.  G.  schreyhen  und  ich  mitt 
derselben  wünschet,  das  ich  baden,  I.  M.  und  dem  ganzen  landt  dienen 
khuudte,  so  trag  ich  khainen  zweifl  alle  Sachen  wurden  sich  bösser  haltten 
und  baldt  mitt  der  gnadt  Gottes  za  rhue  khumen.  Wie  es  aber  sein 
kbundte,  davon  khan  ich,  weill  es  mier  nnmüglicb  ffierkhumbt,  nicht 
discurriern,  trag  nllain  sorg,  do  wier  büde  allso  stättes  beieinander  bliwen, 
88  möchte  in  die  leng  die  gedult  brechen,  weill  ich  khain  engl  sonnder 
auch  ein  mensch  bin.  Der  hoffcauzl  hab  ich  mich  sounston  bey  mier  aus 
nott,  do  ich  das  erste  ghar  nicht  erlangen  khundto,  so  vill  resolviert,  das 
ich  khainer  handlung,  do  ich  annderst  nit  ghar  bschwärt  wier,  weill  die 
condition  iezunt  nicht  wie  zuvor  ist,  zuwider  sein  will,  mit  meiner  schrifTt- 
lichen  resolution  aber  so  lang  innen  haltten,  bis  E.  G.  mir  widerum 
rathen,  oder  die  F.  D*  alher  ghen  Wien  khumen,  dan  ich  befündt,  das  es 


Von  Paasaa. 


K 


646 

B.  G.  gans  gnUig  und  vlttvlieli  mitt  aü«'  rxaimen,  <l«t«i  idi  nka 
gnadea  gehonanibijfitt  thne  benhlen.  iBabim  Wi««,  4mbl  96.  ^riba-tl 

E.  0.  galutrMniiwr  et^Uun 

'M.XUaida.y. 

XXTTT. 

Hodi-  und  wdgeborBer,  gnidigar  Imr.  JB.  6.  aeia 
Mhaldig  and  villig  diennst  nror.  Onidigtt'herr,  iaklü  teilt. j 
am  9  ohr  in  dar  naeht  allur  Ummes  «ad.  den  kaabtaim  aiat  d 
nidit  importoniem,  sondw  lülain  £.  Q.  Iffiof  aohleUiea  wAHm.  9t 
dar  gnatt  ahrlich  num  w<dl  sohoa  in  sdner  cfane  i;«legw^  Uk  «rai 
aofg^Btandten,  sonndar  aneh  sn  miar  khamm,  aicii  iliii  iinmini  iw  IH 
wagen  hMich  nnd  voll  arsaig^  daa  ar  mich  naib  KtnUhim 
•ambt  dem  von  S.  6.  näar  yarfanoten  inngan  Elntaa  ia  das 
nnd  daaselb  flbar  nacht  babarbergi  Interim  Umiab&I.  D^ 
auch  iiurockh,  der  traetiart  meh  mitt  raatten  damuuMa 
weder  rtteran  no<A  pflegen  hab  khflnnan.  AUao  habaa  L  D*  ncklii«* 
9  gestera  aufgehalten,  da  kk  kfaaia  nwthrtnndt  Hb.  adtaang  gnH^ 
die  ich  allain  mich  gegen  derselben  £.  G.  zu  badanckfaen  amgalegt  Ml 
Bitt  allso  gehorsamblich  um  Verzeihung.  Nicht  weniger  hatt  herr  buM- 
man  wie  ein  getreuer  hansvatter  in  meinem  abwesen  an  den  meinui  gi- 
than.  Gott  bezalle  es  E.  Q.  tausendfeltig,  dan  ich  bin  mitt  so  Till  bene- 
fitiis  von  E.  G.  flberhanfft,  das  ichs  weder  gnuegsamb  verdanckhen  wA 
verdienen  khan.  Ich  will  iezunt  fortt,  damitt  I.  D*  bevelich  von  bht 
ein  gohorsamist  gnflegen  geschehe.  Weill  aber  der  brief  nit  sichorghtM, 
schreyb  E.  6.  ich  hernach,  wils  Gott,  derselb  wolle  ir  das  padt  gegita 
und  seiner  khirchen  haill  ad  multos  annos  woll  anschlagen  lassei, 
amen.  Thue  E.  G.  mich  gehorsamblich  bevehlen.  Datum  Nikhlspnrg,  da 
18.  junii  a.  87. 

E.  G.  gehorsamer  caplan 

M.  Ehlesl  m.  p. 

Das  höchste  hab  ich  vergessen,  der  caplan  ist  der  nnd  ainer  u- 
sehentlichorn  pfaiT  wierdig.  E.  G.  trauen  mier  darum  und  nemen  in  nf 
mich  an.  Ich  will  dem  officialn  zu  Ohnflz  davon  sagen.  £.  6.  m^ 
frClich  befüerdern. 


547 


XXIV. 

Znaim,  1687  Juli  1, 

Hocli  und  wolgeborner  gnädiger  Lorr,  E.  G.  sein  mein  gehorsamh 
schuldig  und  willig  liiennst  zuvor.  Gnädiger  herr,  ich  bin  den  23.  junii 
zur  NoisB  in  der  Schlesien  glückhlidi  ankhumon,  von  dem  herrn  bischoven 
auch  wegen  der  alten  khundschafft  ansehentlith  und  stattlich  empfangen 
worden,  vill  mehr  aber  hernnch,  do  I.  F.  G,  bcfundten,  warum  ich  hinein 
gezogen  und  aus  was  bevelich  »i^llicheB  geschehen  sey,  Ebon  disen  tag 
ist  anch  der  Scotus  khumcn,  wellicher  mitt  treien  guttschi  ghar  stattlich 
in  Puln  vorraisct.  Zu  der  Neiss  bin  ich  gebliwcii  a  vigilia  Petri  et  Pauli 
bis  auf  den  27.  junii  sag  ich  a  vigilia  S.  Joaunis  Baptistae,  die  nyaiste 
zpit  aber  ghar  fihl  aufgewesen,  ja  dermasseu  erschlagen,  das  ich  nit 
ghen  mflgen,  sonder  mich  meine  dioncr  haben  weisen  mQcssen,  ist  aber 
Gott  lob  was  bössera  worden.  Herr  bischoff  hatt  an  mier  starckh  das  ich 
nach  Preslau  vcrraiscn  soltt  angehalten.  Aber  weill  ich  nit  von  mier 
selbst  I.  F.  G.  haimbzusuechen,  sonder  aus  bevelich  1.  ü'  khumon,  hin 
ich  den  27.  junii  widorum  vermiaet,  und  heiitt  alhic  zu  Znümb  ankhumon. 
Euer  G.  kliüunen  nit  gl.'iuhen  was  füer  ein  lutherischer  weg  ist,  den  ich 
mein  lobelang  nie  geraiset  bin ;  wan  ich  unib  3  frne  auf  bin  und  fahr  bis 
auf  sechse  abents  ausser  des  mittagmals,  khan  ich  ntitt  4  rossen  den 
ganzen  tag  über  4  maill  nicht  fahren,  ich  aber  uiuess  den  maisten  wog 
zu  fuess  ghen,  das  ist  ein  khirchfartt  ohne  verdiennst,  dan  ich  zu  zeilton 
inpatiens  bin.  Von  Znämb  soll  ich  auf  1. 1)'  bevelich  hinauf  ghen  Passau 
verraisen,  da  möchte  ich  nun  ein  zeitt  nicht  ghen  Wien  khuinen,  mier 
allsü  E.  G.  beraubt  wider  all  meiu  verhoffon  und  fallet  mier  alle  freudt 
in  prunnen,  auch  aller  trost,  den  ich  in  meinen  nignen  Sachen  bey  E.  G. 
gesuecht  hette,  der  ghehet  mitt  der  ungelegenhait  hinweckh,  welliches 
ich  Gott  klilag  und  hevilich,  der  wierdt  es  zu  seiner  zeitt  umb  mich  bösser 
schickhen,  ich  aber  bitte  E.  G.  die  wollen  meiner  nit  vergessen,  and  wie 
ich  einmal  aus  diser  Sachen  khämb,  mier  anch  mOchte  gehollFen  werden, 
gnädig  gedenckhen-,  ich  will  mich  gegen  E.  G.  mitt  meinem  armen  gebett 
nnd  der  ganzen  religion  allso  danckhpär  erzaigen,  das  E.  G.  irer  mhfle 
nicht  reuhen  soltt.  Hienebens,  gnädiger  herr,  schickh  E.  G.  ich  ainon 
form  des  abechidts,  wellicher  dem  Ingolstätterischen  licentiaten  möchte 
gegeben  werden,  alles  zu  E.  G.  verbösserung,  dan  ich  in  im  wirttshaus 
auf  der  rais  gesteldt,  damit  sy  dises  mans  dormalu  ains  los  wurden.  Der 
haubtman  zu  Nickhlspurg  hatt  mier  von  ainem  buech,  so  er  herr  Chri- 
stoph von  der  pfarr  vorhalten  soltt,  auzaigt,  war  ich  der  mainuug,  E.  G. 
mochten  den  abachidt,  bis  er  die  restitutiou  gethan,  zoruckh  haltten.  Den 
stifftbrieff  betreffent  mues  mitt  E.  G.  ich  znvor  noch  reden,  alsdan  will 


548 

ich  mein  ainfalt  ghern  verfassen.   Jeznnt  wais  i 
E.  6.  ich  in  den  schuz  Gottes,  mich  aber  zu 
Datum  Znämb,  den  1.  juli  a.  87. 

£.  G.  gehorsamer  caplan 


XXV. 


Wi 


Hoch  und  wolgeborner  gnädiger  herr,  E. 
schuldig  und  willig  dieunst  zuvor.  Gnädiger  berr, 
mich  den  29.  augusti  zu  Prag  datiert  hab  ich  d< 
gen  und  wie  ich  allezeit  E.  6.  ffier  meinen  gnädig 
gehalten,  allso  hab  ich  in  in  disem  negetio  eifahrn 
brauchten  aiffers  ganz  gehorsamblich,  Gott  den  al 
bittent,  das  er  E.  G.  dises  und  anders  reichlich  wi 
aber  danebens  nit  bergen,  das  sy  I.  M*  hievor  gleich( 
jar  gnädigist  resolriei-t,  das  man  nämblich  den  herri 
vernemen  soll.  Weill  aber  die  F.  D'  gsehen,  wi 
zwischen  dem  herrn  bischoren  und  mier  fOer  eii 
neuhe  erweitterung  geben  wurde,  das  auch  derer  vi 
und  langhergebrachter  gebrauch  darundter  verwa 
denckhen  gezogen  und  der  E.  M'  darüber  nochma 
achten  gehorsamist  Oberschickht,  auf  welliches  i 
alls  iezunt  die  erste  ervolgt.  Wan  es  nun  der  E.  M' 
so  bin  ich  schuldig,  derselben  zu  gehorsamen,  o 
posteriora  peiora  prioribus  sein  werden,  nit  alla 
bischoven  in  mein  person  zu  invehiern  grosse  nrs 
dem  das  auch  mier  ehrn  halben  änderst  nicht  wi 
die  Verantwortung,  dadurch  aber  dem  wösen  wedei 
thaill  ain  guüegen  gethan  wierdt.  Der  herr  bis 
seiner  mainnng  alls  hette  ich  in  bei  I.  H'  baia 
spensus,  das  ich  nit  wais,  wessen  die  E.  H'  ge{ 
schlössen.   Die  statt  leidet  hernach  den  grösten  i 

I.  D'  erzherzog  Maximilian  rflsten  sich  stal 
dan  füer  die  Polackhen  der  Saurer  behansung  i 
lassen;  vill  wSUen  alhie  wenig  davon  halten  au 
tractation,  aber  ich  hoff,  Gott  werde  disem  haui 


*  Ueber  die  Candidatur  des  Erzherzogs  Mazimil 
B&thory's  Tod  (12.  Oecember  1686)  erledigten  Tb 
Geschichte  Oesterreicba  IV,  1893,  S.  871  f. 


549 


E.  G.  mehr,  weill  mier  mitt  iinnserPin  fUnrtlein  aaf  Zell  raisen,  khumfin 
dise  giiette  zeittungen,  von  wellicher  rais,  weill  ich  ilabey  gwesen,  ich 
nichts  schreyben  will,  hoff  aber,  sy  sey  nit  flbl  abgangen.  Ist  zu  Zoll 
ein  feine  andacht  gesehen  worden,  stehet  bey  I.  G.  rier  frauen,  ob  sy 
schier  auf  sein  will,  so  khumen  wier  gleich  Ober  ein  jar  hinein.  Alhie 
uni!  im  landt  ist  der  religion  zum  bSsten  bisher  nichts  fQergeniimmeD, 
(Jan  die  Poläckhen  sollichos  alles  verhimitert ;  ich  suech  aber  ieziint  die 
alten  rostigen  eissen  liei-filor,  die  ich  zu  hoff  widerum  will  poliern  lassen. 
Gott,  in  dessen  schuz  E.  0.  ich  bovehlen  thue,  verleihe  zu  altem  guetten 
sein  gnadt  und  segen,  amen.  Die  brieff  ghen  Passau  will  ich  morgen 
schicklien  und  sollen  E.  G.  sich  zu  mier  anndorst  nicht  versehen,  dnn  das 
ich  dei'selben  wo  ich  bin  gehorsamer  caplan  und  diener  bleiwe,  weill  ich 
leb.    Datum  Wien,  den  5.  September  a.  87. 

E.  Q.  gehorsamer  caplan 

Er  M.  Khlesl  m.  p. 

Wan  ich,  gnädiger  horr,  nuer  fQer  gwis  bin,  das  I.  M'  mitt  mier  nit 


XXVI. 

Wien,  1687  September  24. 

Hoch  und  wolgeborner,  gnädiger  herr,  E.  G.  sein  mein  gehorsam 
schuldig  und  willig  dioiinst  zuvor.  Gnädiger  herr,  dersolbeu  gnädig  und 
vätterlicli  schreyben  hab  ich  empfangen,  was  ich  antworten  soll,  wais  ich 
nit;  Gott  wolle  es  K.  G.  alles  bezallen.  Diesacheuhabich  bey  I.  D'soUicitiert 
und  um  Gottes  willen  gebetten,  dieselb  wolten  mier  doch  von  disem  un- 
ertr^Iichen  last  helffen  und  weill  sich  I.  M'  herrn  bischoven  zum  bösten 
nun  schon  zum  andermaln  rcsolviert,  I.  D'  sollen  I.  Hochw.  darüber  ver- 
nemen,  so  bäte  ich  gehorsamist,  man  woltte  doch  I.  H'  resolution  nach- 
khumen.  Das  herr  bischoff  werde  invehiern,  an  meinen  ehrn  mich  an- 
greiffen,  ungleich  berichten,  erst  gh»r  nimmermehr  zu  vorsüenen  sein, 
darffier  haltten,  alls  sollt  ich  in  haimblich  bekhlagen,  I.  M'  wider  in  ver- 
hezen  etc.,  das  er  noch  höher  werde  steigen,  alls  wollten  I,  M'  in  nicht 
olTendiorn,  daraus  mich  bösser  truckheu,  seine  Schriftsteller  wol  ge- 
brauchen etc.,  dos  alles  wüste  ich  das  es  I.  D'  bedenckhen  macheteu, 
darum  sy  herrn  bischoff  I.  M'  allergnedigiste  resolution  zu  publiciern  be- 
denckhen betten.  Weill  es  aber  bey  hoff  alberait  dahin  gericht,  I.  M'  re- 
solviert,  herr  bischoff  von  den  seinigen  dessen  schon  erindert  worden  ist, 
60  sollen  I.  D'  mier  zu  gnaden  dem  wesen  seinen  lauff  lassen,  mich  aber 
unverhSrt  nit  urthailen,  weill  dieselb  herrn  biscboffs  procedieru  in  propria 


k 


560 

persona  selbst  erfahrn,  entgegen  mitt  meiner  person  ein  gnedigist  mit- 
leiden tragen  hetten.  Aber  ich  khan  I.  D'  mitt  bitten  and  betten  dahin 
nicht  vermügen,  das  sy  unnsere  accasationes  et  defensiones  woltten  an- 
hören, weil]  dieselb  ohne  sonndere  grosse  ergernus  nicht  geschehen 
khünnen  und  alda  zu  decidiern  sich  nit  gebfierten.  I.  D'  haben  mitt 
herm  hoffmarschalch'  geredt,  wellicher  I.  D'  zuegesagt  bey  I.  M'  di« 
Sachen  zu  ainem  goetten  weg  zn  richten.  Ich  hab  auch  mitt  I.  6.  danuu 
gehandlet  und  guette  affection  gespüert.  Aber  ich  stehe  halt  an,  nnd  Qott 
im  himel  wais  es,  das  mier  nnrecht  bschiecht,  dan  ich  bin  in  disem  landt 
gebliwen  allain  aus  lieb  zu  meinem  vatterlant,  allso  hab  ich  in  diser  statt 
khainer  anndern  nrsach  geprediget,  niemants,  das  wais  er  der  höchst 
zum  hosten,  zn  neidt  oder  leidt  oder  aber  mier  allain  zum  rhnm,  das  will 
ich  mit  allen  meinen  zuehörern  bezeugen.  Er  der  herr  bischoff  wierdt  mier 
selbst  mfiessen  beifallen,  das,  so  lang  ich  bey  unser  franen  gepredigt  and 
er  bey  S.  Stephan  nit  predigen  wollen,  dieselb  an  mich  beghert,  so  oft 
dasselb  geschehen,  hab  ich  die  privatpredig  eingsteldt  und  f&er  den  herm 
bischoff  in  der  thnmbkhirchen  geprediget.  Noch  ist  er  nitznfridengwesen, 
sonder  ich  soltt  das  predigen  ghar  einstellen  und  allain  predigen,  wan  er 
woU  gegen  mier  affectioniert  ist.  Annderst  ist  man  zu  Prag  bericht,  ich 
wöU  ime  zn  trnz  predigen,  allso  ich  hett  zugleich  mitt  im  angfangen  zo 
ainer  stnndt;  gschiecht  mier  nnrecht,  dan  ich  allezeit  ein  halbe  stundt 
später  angehebt,  die  andern  prediger  alle  aber,  deren  siben  sein,  heben 
zu  gleich  mitt  herrn  bischer  an;  aber  niemants  hindtert  in  alls  nner  ich. 
Das  lezte  so  herr  Unverzagt^  gschriben  ist:  ich  soll  licentiam  vom  herm 
bischoff  beghern.  Das  hab  ich  flexis  genibus  more  debito,  baldt  ich  thnmb- 
probst  worden,  gethan,  darauf  er  mier  potestatem  concionandi  geben  per 
nniversam  civitatem,  der  hab  ich  mich  allezeit  braucht  nnd  hatt  dieselb 
herr  bischoff  canonice  von  mier  nicht  aufgehebt,  vill  weniger  legitimas 
rationes  darzue  gehabt,  ich  war  dan  haereticns  gwesen.  Das  sein  alle 
behelff,  die  herr  bischoff  durch  die  seinigen  allso  spargiern  lasset,  wellich« 
ich  E.  6.  derhalben  schreyb,  das  sy  mich  zu  irer  gelegenhait  bey  denen, 
so  fibl  informiert,  entschnldigen  khünnen. 

Weill  aber  tota  quaestio  an  dem  stehet,  was  ich  alhie  zn  thun,  ob 
es  I.  M'  willen  sey,  das  ich  bey  aller  meiner  arbait  vom  herrn  bischoffen 
80  schimpflich  mfiesse  tractiert  werden,  sonnsten  auch  nit  wierdig  sein 
auf  ainige  canzl  ordinarie  zn  trotten,  und  weill  ich  alberait  gedacht 
khainem  menschen  ergernus  zu  geben,  so  haben  I.  H'  desto  mehr  orsacfa 


'  Paul  Sixt  Freiherr  von  Traatson.    Vgl.  oben  S.  542,  Anm.  S. 
*  Vgl.  oben  S.  497,  Anm.  4. 


der  Sachen  ii-  (!)  abznhelfen,  i^amit  ich  in  congcientia  mea  entschuldiget 
sey  und  mein  talentiim,  welliches  ich  nahet  3  jar  in  diser  statt  wegen 
des  losen  neidts  vergraben  müessen,  anfs  wenigist  annderer  ortten  mitt 
mehrerin  fnicbt  anlegen  kbundte.  Die  Sachen  wiet'dt  auf  die  ankhuntTt 
berrn  Kuuipfens'  verschoben,  welicbe  wan  sy  gschiecht  Gott  wais;  darzue 
werden  I.  G.  mitt  iren  sachen  aufgehalten  und  sy  nicht  ghern  mitfremb- 
ten  beladen,  allso  will  ich  gleich  noch  dis  monats  mich  gedulden. 

Der  Salz.burgerisch  doctor  ist  gewichen  und  halt  das  buech  bey 
mier  gelassen,  das  will  ich  mitt  nächster  golegenhait  ghen  Nickhlspurg 
schickhen. 

Der  marckh  Gumpolskhirchen  hatt  sich  Gott  lob  ausser  ainer  person 
allain  auch  geben  und  werden  znm  zaichen  den  4.  october  alle  beuchten 
und  comuniciern;  Gott  erhalte  sy,  amen.  Jezunt  soll  ich  forttraisen, 
aber  dise  handinng  macht  mich  alls  ainen  menschen  Tun  herzen  ver- 
drossen, das  mein  billiche  und  schuldige  mhüe  so  gliar  nit  soll  in  re 
iustissima  bedacht  werden.  Ich  hab  sonsten  willens  auf  den  3.  oder 
4.  octuber  nach  Passau  zu  verraisen,  im  lösen  verriebt  man  alhie  wenig, 
soll  ich  aber  zu  Prag  in  meiner  aignen  Sachen  etwas  verrichten,  wurde 
mich  khntne  khosten  theuren,  aber  so  E.  G.  sich  bemühen,  vill  weniger 
wurde  ich  erhalten  khünnen.  Thue  E.  6.  in  den  schuz  Gottes,  michabor 
zu  deru  gnaden  gehorsamblich  bevehlen.  Datum  Wieu,  den  24.  Septem- 
ber a,  87. 

E.  G.  gehorsamer  caplan 

M.  Khlesl  m.  p. 

XX  vn. 

Wien,  1587  September  30. 

Hoch  und  wolgeborner  gnädiger  herr.  E.  G.  sein  mein  gehorsam 
nnd  willig  diennst  zuvor.  Gnädiger  herr,  was  die  F.  D'  mit  herrn  Piiuln 
Sixten  Traiit-^un '  R.  K.  M.  rath  und  hoffraarschalch  geredt,  das  bleibt  mier 
auch  auf  embsiges  anhalten  verborgen,  ausser  dessen  was  ich  vennueten 
khan,  das  I.  D'  ghern  alle  ergernus  und  erweitternng,  welliehe  zn  mehrer 
Verbitterung  ursach  geben  möchten,  flühen  woltten,  dan  I.  D'  sehen,  das 
man  zu  Prag  bey  der  canzlei  meine  Sachen  mitt  lioiss  verlegt  und  alles 
dises,  80  die  F.  D.  meiner  person  non  iu  hoc  .ued  toto  negotio  religionis  et 
reforaiationis  hnius  proviuciae,  was  ich  bey  der  sachen  gethan,  das  I.  M' 
mier  gnedigist  aflfnctioniert  machen  khünnen,  mitt  der  warhait  geschriben, 
das  alles  ist  niemaln  fOerkhumen;  aus  wellicben  E.  G.  loichtlich  abnemen 
khOnnen,  was  es  bey  hoff  hilft,  wan  ainer  die  canzlei  auf  seiner  seitten  hatt. 


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>  Vgl.  oben  S.  499,  Änm. 


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:  — s.iii:»;!!   :."•«•  «j'^npiern   lasset:    i-:L  iiir." 
.     1"    . ..;.:!  _;-i-£hunibt.  -leii  kiiaa  .'^^  ^ri-: 
...-•     -üi-jr  ::n    in  hac  ^K^rrr.r'.-iZi.z- 
.     .. ;    :;•?-■  :i  ••::iadea  seraich-a  ^•"•■i:'» 
..::    .::-    T-.'h'w'är  :ii"chte  eraa;t.?ii  T^r:-: 
-?«,u:aüvii.     .a  ;:ii  in  disem  lanir.   is:::  -i 
-.;:.  i  -Äjie.    las    die   K.  M"    ö  =_-r  ; 
.„Vi      n:.    .-  r.  il*   iiener,  in  I.  M*  j,;:- 
»■■-■1  ■•a  ■  ::2art.  oiOohte  iio<:hnialn   :I«rj 
;  ..••      .  .-  »üionen   md   weltlich-ia  r^r---' 
.-    A    '.'  .iLiLt  :iucn  nichts  b<>iiumi*n  zz: 
.^st,     .^^  .Jö  .'.h  i«?n.  namen  m  irr-  zz: 
■-,   ;  ..  ;;>••  imen  alls  d*n  lai-r.—.  t-. 

■.•    :.-r<    :.ia  it   -;:•;.  ji-n:-:    :i 
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-  .  .  -•  ■uij-.-ii^a.  m-iiu  a  :t  :-  :        .: 
./riLictiriir-^a  >.i-'tz  miiz  c--t-:i.:L 
■_- .     :.:a'.;vü:i:.;a. 

■^iuvriaa'  iei;  mar.jkhi  '.iu._--.  -i 

-..    -••■'raaiten  haben.-    4.    .::    r 

■■■i-   '.»uciit  UBil  comiia:.-.  i-ü-: 

-  .-.:     .T-vz  zeb  I.  M'  l^ns-irs  l~:-z.  : 

.     ...    1   ieu  Stätten  un i  mir.sätrw  j 

-•>  iad*  ankhunfft  fün  iea  ni:..h:-L 

.-    .>ri-  TPsatii.in  entledigr-t  w:: :-. 

...     11  +  oey  den  statten  vem-.itTi 

_    ^    .    »  «.il  thue  und  arbeit  d;i<  c-ni: 


in:-» 
•z  .ei-:- 


V.M. 


553 


alles  znm  vßrdrus.  Gott,  in  dessen  schuz  E.  G.  ich  bevehlen  thue,  wierdt 
mier  zu  seiner  zeitt  auch  helirpii,  der  wais  lias  ich  mich  uinb  des  vatter- 
lants  haill  »ejbst.  ziinickh  gstehU  hab.  Datum  Wien  den  30.  septemb 
a.  87. 

E.  G.  gehorsamer  caplan 

M.  Khlpsl  m.  p. 

XX  vm. 

Wien,  1687  November  6. 

Hoch  und  wülgnborncr  gnädiger  herr.  E.  6.  sein  mein  gehorsam 
scliiildig  und  willig  dienst  zuvor.  Gnädiger  herr,  E.  ß.  ganz  trri.stlicli  und 
vätterlich  achreybon  ist  mier,  alls  ich  von  Salzbnrg  hainibkhumini,  nber- 
antwort  worden,  und  do  ich  verhofft,  alte  meine  Sachen  sollen  an  ein  ortt 
sein,  fnndte  ich  dieselben  eben  im  alten  standt,  nämblicli  das  I.  D'  dem 
herrn  Pauln  Sixton  Trautsam'  gleichwol  durch  ein  schreyheii  seither  den 
15.  october  datiert  angmalint,  aber  bis  daher  von  wolgcilachtem  herru 
khain  «ntwort  empfangen;  mier  haben  I.  G.  zwaimal  goschriben  von 
meinen  Sachen  nt  supra  et  semper.  Da  khfmnen  E.  G.  abnemen,  wie  ich 
steckh.  und  mag  mitt  meinem  gwisson  bezeugen,  daranf  ich  sterben  woltt, 
(las  an  disem  aufzng,  erweitterung,  orgernus  und  vexation  kliain  mensch 
alls  die  secrotArien  (E.  G.  in  vertrauen  zu  melden)  daran  schuldig.  Dan 
sollten  I.  M'  ad  pai-tem  wie  es  in  religionssacben  alhie  ein  gstaldt,  die 
canzln  in  der  statt  bsteldt,  der  anslauf  fOer  ein  gelegenhait,  der  herr 
bischiiff  so  wnll  in  der  khirchen  atls  sonstnn  (!)  hause  incjuiBiHon  ein- 
zöhen,  wurde  man  sehen,  ob  nicht  die  pur  lautter  afTection  und  neidt  mehr 
alls  die  warhait  mitluffe,  und  mich  deucht,  es  khQnnet  ghar  weil  sein. 
Wan  aber  die  bemelten  herrn  iren  diensten  und  schreyberei  abwartteten, 
disen  und  ihenen  nit  incitierten,  fein  die  warhait  berichteten,  so  wurden 
dergleichen  machen  in  cwigkhait  so  weitt  nit  khnmen  sein,  dan  I.  D'  erz- 
herzog  Ernsten,  mein  gnädigister  herr  starckh  inquiriert  und  befundten, 
das  mier  vor  Gott  unrecht  geschiecht,  ich  auch  gnoegsame  nrsach  hab  mich 
zu  bschwäron.  Sy  haben  selbst  in  persona  mit  herrn  B."  gchandlet  und 
befundten,  mitt  was  grossem  affect  und  nngestilomb  er  mitt  mier  proce- 
diert,  daher  sy  bewegt  worden  dise  wortt  zu  melden:  I.  M'  sein  bisher 
mitt  des  thumhprobsten  Verrichtung  zufriden  gwosen,  und  werden  in 
von  eurentwegen  nit  lassen  undtertmckhen,  ir  werdet  in  neben  each 
mOessen  leiden,  er  thuett  sonsten  das  seinige,  ir  hettet  dan  seines  wandls 


•  Vgl.  oben  8.  542,  Anm.  2. 
'  Dor  Bisdiiif. 
Arcbir.  LUXVUI.  Od.  II.  lUinc. 


M 


554 

lehr  sonderliche  bedenckhen.  So  baldt  der  hei 
I.  D'  meiner  erbarmen  nnd  annemen,  hatt  er 
verdiene.  Ich  hab  auf  E.  G.  schreyben  erst  geE 
I.  D'  angehalten,  so  fiberlanff  ich  mitt  zetlen 
von  Harrach  ^  täglich,  ich  khan  aber  I.  D'  zu  U 
bringen  dan:  warum  ich  den  bischoff  nit  will  fi 
geschriben,  das  auch  I.  M*  alls  khayser  und  lai 
es  ir  gefaldt,  das  thun  khflnnen,  was  ire  vor 
denen  khirchen  alhie  und  im  ganzen  landt,  das  ei 
erfordert  etc.  Weill  I.  M'  sich  noch  nit  resolviei 
nnd  Bumpfen'  lassen  schreyben,  I.  H'  bey  dem  c 
geschriben.  So  khan  ich  mich  nicht  resolviern, 
nach  nit  gfallen.  Die  erlassang  enrer  person 
daran  ir  nicht  solt  gedenckhen,  dan  sy  mitt  m 
wierdt.  Das  ist  allso  mein  abschidt.  Ich  will  an 
nichts  thun.  Mier  rath  aber  der  alt  herr  von  Hi 
ein  14  tag  oder  3  wochen  gedult  haben;  geschii 
so  soll  ich  selbst  nach  Prag  und  meine  Sachen  n 
zu  dem  endt  werden  I.  D'  mich  mitt  ainem  guc 
Ich  wier  ieznnt  von  I.  D'  ghen  Zwetl,  Weytran, '' 
Häderstorff,  Khorneuburg  geschickht,  die  h.  c 
forttzupflanzen,  woltte  ich  gleich  von  Weittra  ai 
nemen,  ich  verhofF  aber,  das  es  nit  werde  bedüe 
rath  hierinnen  billich  volgen,  allain  ist  mier 
meinen  händlen  behellige,  die  sonst  vill  zu  tl 
bnrgerischer  rath  hatt  ein  grobe  san  aufgehabt 
nnd  er  selbst  seiner  wiz  nach  erzellet  hatt,  da 
ainen  marckh  wolt  reformiern,  haben  in  die  pau 
nichts  zu  essen  geben,  biss  er  sich  mitt  seinei 
lebelang  an  dasselb  ort  nit  zu  khumen.  Hoc  e 
fecit  dominus  licentiatus  noster.  Zu  Salzburg, 
wenig,  sein  maull  ist  gross,  darum  ich  im  redl 
sonderlich  weill  herzog  Wilhälmb*  in  Baim  au( 
ehern  er  ein  gnettes  gehör  hatt,  bin  ich  mitt 
gwesen  und  den  licentiatum  woU  mitt  seineu  : 


•  Vgl.  oben  S.  500,  Anm.  1. 
»  Vgl.  oben  S.  492,  Anm.  6. 
'  Vgl.  oben  S.  499,  Anm.  1. 

*  Vgl.  oben  S.  634,  Anm.  4. 


556 


weilt  ich  verraerckhen  khönnea,  das  er  sein  böses  maull  zu  weitt  anf- 
gethan.  I.  F.  0.  haben  aber  mier  znegoben,  das  er  ein  geist,  und  dess- 
wegen  leichtlich  abnemon  khönnen,  wie  er  affectioniert.  Das  hab  ich 
data  occasione  gegen  dem  liovrn  orzbischovcn  (bpy  dem  ich  Gott  lob  In  ainein 
guetten  credit  bin)  so  wdO  dorn  von  Passau  et  publice  in  mousa,  do  I.  M' 
derselben  räth  nnd  officier  gedacht  worden,  das  meine  der  warhait  nach 
7.U  thun  nit  undterJassen,  dan  E.  G.  und  derselben  erben,  diener  und 
caplan  bleiw  ich  weill  ich  leb.  Wie  es  zuogangon,  was  ich  davun  haltt, 
das  ist  der  federn  nit  ghar  zu  trauen.  Hmt  erzbischov'  ist  iung,  frisch 
und  kriochsmännisch,  danebens  verstendig,  gelert,  voll  der  sprachen,  in 
historien  woll  erfahrn,  resolutissimus,  in  religione  ailTerig  et  tanta  authori- 
tate  quill]  timeant  illum  omnes,  gegen  khuufftiger  refonuation  boiiao  vo- 
luntatis,  dem  hans  Österreich  Ober  die  raassen  affectioniert,  von  wellichem 
er  vill  goredt  nml  mit  mier  tractiert  hatt,  desselben  gsundt  und  wolfartt 
über  der  tafl  uiitt  starckhen  gläsern  in  beisoin  bäder  gebrüeder  der  her- 
zogen aus  Baii-n  vilmaln  gedacht  etc.  Ist  was  stattlich  und  brächtig  an 
seinem  holT,  mit  trabauton,  rittmaisteru,  khnechten,  welliche  er  mit  dem 
Spill  auf  die  wacht  abonts  und  morgens  fOercn  lasset,  das  die  statt  darob 
erzittert,  seine  pauckhen  und  9  trameter,  sein  stattliche  capein,  sovill 
sich  zum  anfang  thun  lasset,  magistrum  caeremoniarnm  alles  rflniisch, 
und  wais  nicht,  was  disem  hen'n  zu  ainom  fürsten  manglet  alls  die  ge- 
biirtt,  sonsten  ainer  rechten  manslenge,  schön  von  angoaicht  und  in  allen 
seinen  gebertten  adelich  und  fOerstlich,  I.  f.  G.  haben  soneten  woll  ein 
schissige  natur,  und  bey  dem  baldt  ausgedient;  sed  haec  sufficiant.  Ich 
hab  nit  undterlassen  guett  österreichisch  zu  sein,  wie  es  mein  vatterlant 
mitt  sich  bringt.  Ich  bin  sonst  ein  schöne  Jungfrau  daselb  gwosen,  umb 
weliiche  etliche  gebuelt  haben,  aber  mein  Gott  wöll  mich  behiietten,  das 
ich  meinem  landtsfüei-steu  soll  so  untreu  und  undanckhpär  sein,  das  ich 
ohne  sein  vorwissen  nnd  erlaubnus  etwas  thun  woltt.  Sy  werden  aber 
ainer  und  der  ander  thaill  mitt  1.  M'  selbst  tractiern  lassen,  dahin  ich 
mich  remittiert;  stehet  bey  I.  M'  mier  guädigist  zu  erlauben  oder  nicht. 
Gott  geh  mier  einmal  fridt  und  das  ich  E.  G.  böasor  khünne  brauchen  alls 
auf  die  weis  inportuniera.  Thne  E.  6.  in  den  schnz  Gottes,  mich  zu  dero 
gnaden  gehorsamblich  bevehlen,  neben  undterthäniger  bitt,  E.  G.  WDitten 
iren  gmaholn  meiner  gnädigen  frauen  sambt  biWeu  E.  G.  söhnen,  herra 
Maximilian  und  Francisco  meinen  gnädigen  herrn  mein  gniess  und  armes 
gebett  ofTeriern  nnd  mich  innen  bevehlen.  Datum  Wien  den  5.  novemb. 

ä"  87.  E.  0.  gehorsamer  caplan 

M.  Khlesl  ra.  p. 


•  Wolf  DieterieL  v.  RAitenau  (1587  —  1617). 


86» 


k 


556 

Was  erzherzog  Ferdinsndt  auf  Salzburg 
zuegeschriben,  haben  E.  6.  hiebey  zu  empfahen. 


XXIX. 


Wi 


Hoch  und  wolgeborner  gnädiger  herr,  E. 
schuldig  dienst  zuvor.  Gnädiger  herr,  ich  hab 
erst  gestern  E.  G.  tochter  ableiben  verstandten 
von  herzen  ein  mitleiden.  Weill  ich  aber  danebeni 
lieb  Gottes  empfQndten,  dieselb  auch  allen  ande 
fflersezen,  nicht  allain  sich  selbst,  sonuder  alles 
vertrauen,  allso  will  mier  ghar  nit  zweiflen,  E. 
willigem  herzen  dise  haimbsuechung  von  dem  al 
nnmen  und  seinem  heilligen  namen  in  ewigkbai 
bedenckhung  diss,  was  zeitlich  verlorn,  in  ewigkfa 
zfier  und  herrligkhait  nmbgeben  wierdt  gfnndt 
person  belangdt,  will  ich  füer  E.  G.  treulich  bitt 
schlecht,  dass  derselb  wolle  E.  6.  beistehen 
geist  geben. 

Mitt  meinen  sachen  will  E.  G.  ich  yezunt  a 
laidt  beladen,  sonnder  derselben  billich  verschone; 
halt  in  die  handt  lauffet,  so  bitt  ich  meiner  gnäd 
ich  in  pristinum  honorem  widerum  restituiert  w 
Rümpfen*  alls  ainem  gehaimben  rath,  wie  von  di 
gist  erindert  worden  bin,  alle  sachen  de  novo  zn^ 
bewüsten  personen  den  andern  thaill  schon  starc 
sorg,  sy  möchten  yezunt  noch  sterckher  arbaite 
werden  uns  allen  dermaln  ains  wollen  abhelffe 
ainer  sollichen  demonstration  geschehen  khan,  ( 
das  bey  I.  M'  ich  noch  in  khayserlichen  gnaden 
sonsten  gnädigist  vermeldet,  das  sy  yezunt  ir  endt 
dem  wesen  allein  so  weil  gegen  dem  herm  bische 
volckh  alls  dem  ganzen  landt,  wo  etwan  ein  b6i 
mOchte  abgeholffen  werden,  herm  Bumpfen  I.  U 
gehaimen  rath  haben  zuegeschriben,  dabey  sy  es  ( 
was  es  nun  ist,  das  bevil  ich  Gott,  ich  hoff  ab« 
mein  bissher  gehabte  arbait,  Qble  belohnnng,  mei 
des  ganzen  landts  faaill  und  nuz,  damit  ich  endli 

•  Vgl.  oben  S.  499,  Anm.  1. 


557 


kbämb.  Ich  fQrchto  wuU  (E.  G.  in  grosser  gobaimb  za  melden),  weill 
auch  mitt  herra  hoflfiuarBchalch'  ist  gehandlot  worden,  das  herr  Rumpf 
mein  gnädiger  herr  möchte  ein  bodonckhen  nomon,  oder  doch  der  ander 
thaill  ouipfündtcn,  und  ich  lezlich  entgeltten  müesson.  Wau  ich  aber 
za  hoff  verstandten,  das  es  allain  dei'wegen  geschehen  sey,  damit  herr 
Rumpf  alls  ein  gehaimbor  rath  im  rath  und  ad  pai-tem  das  negotium 
möchte  befüerdern,  und  es  allezeit  bösser  wo  mehr  aines  herzen  sein  et 
unum  finem  haben  alls  do  nner  ainor  allain,  diso  Sachen  auch  verners 
ohne  sondern  schaden  der  roügion  nit  khan  aiifgoschobon  werden.  Es 
khünuen  auch,  gegen  E.  ti.  zu  melden,  vill  dise  ofßcia  et  impedimenta 
bey  I.  G.  herrn  Rümpfen  alls  bey  herrn  Trautsan  nit  erzaigen  (I).  Wo 
E.  6.  gelegenbait  haben  alles  böses  weiter  abztiwendten,  bitt  dieselb  ich 
tanqnara  primum  ot  praecipuum  meum  patronum,  sj  wölleu  es  zu  thuu 
nit  undterlassen  uud  bey  I.  M'  auch  das  bögto  thuu.  Alhio  ist  ghar 
nichts  uouhes,  allain  das  I.  D'  an  gestern  nach  Prossburg  verraiset;  Gott, 
in  dessen  schiiz  E.  G.  ich  bevehlen  thuo,  helffo  derselben  baldt  herwider. 
Datum  Wien  den  10.  novorab.  a.  Ö7. 


: 


E.  G.  gehorsamer  caplan 


M.  KhlesI  m.  p. 


XXX. 

Zwottl,  1587  November  24. 

Hoch  und  wolgeborner  gnädiger  herr,  E.  G.  sein  mein  gehorsam 
schuldig  und  willig  dienst  zuvor.  Gnädiger  herr,  E.  G.  schreyben  den 
16.  november  datiert  hab  ich  alhie  empfangen,  Gott  wais  das  E.  G.  ich 
mehr  scliuldig  bleiw  alls  ich  mein  lobelang  wier  bozallon  khüunen,  dan  ich 
siho  mitt  was  gnädiger  affection  mich  E.  G.  tractieru,  mag  auch  derselben 
bey  meiner  warhait  bekhennen,  das  ich  in  villen  meinen  resolutionen 
zurackh  gangen  und  nicht  prucodiern  vill  woniger  meinem  khopf  volgen 
wollen.  Wie  aber  E.  G.  sehen,  das  auch  diu  gedultigisten  in  die  long 
möchten  ungedultig  werden,  wegen  doss  bsehwärlichen  langen  aufzugs; 
ich  khan  gloichwol  gedonckhen  das  I.  M'  vill  mehr  dan  mitt  mier  zu  thun 
haben,  aber  es  ist  nun  schon  das  füorttc  jar,  dus  ich  coutinuo  in  diser 
voxntion  lige,  die  I.  M'  in  ainer  vicrtlstundt  erledigen  khünuen.  Weill 
aber  iezunt  auch  I.  M'  gehaimbor  rath  und  obristor  camerer  etc.  herr 
Rümpft  mein  gnädiger  herr  von  1.  D'  meine  sachon  empfangen,  bitt  E.  6. 
ich  gehorsambliuh,  sy  wollen  daselb  auch  mein  p^itrouus  sein  und  dahin 


'  Paul  Siit  Freih.  v.  Traulaon.    Vgl.  oben  S.  542,  Anm  2. 
*  Vgl.  oben  S.  499,  Anm.  1. 


1[ 


558 


i| 


helfen  dirigiern,  damit  es  denen  nicht  in  die  ha 
communiciern  ehe  I  D'  was  wissen.  Mier  zweifli 
schon  hinein  khnmen,  I.  D'  auch  mitt  irem  guei 
sich  resolviert,  diss  alles  zugleich  wolei-meltem 
geschickht  worden  sein,  I.  D'  werden  eben  das 
schriben,  nämblich  die  avisa  geschichen  und  d 
haben,  damitt  I.  M'  ad  partem  snfficionter  der  gs 
horsamist  erindert,  nnd  sy  mitt  gnaden  resolvieri 
I.  G.  der  herr  Bumpf  in  hoc  negotio  zneschreib 
Tornemen;  desswegen  stehe  ich  starckh  an,  ob  i 
richten  oder  wartten  soll,  damitt  ich  nicht  etwan  ( 
dieret,  alls  woltte  ich  bey  so  geschaffner  vertrösti 
person  sezen,  davor  mich  Gott  behüette.  Ich  wol 
das  ich  lenger  soll  aufgehalten  werden,  und  wider 
in  die  h.  zeitt  fallen;  bitt  demnach  E.  G.  die  wolle 
wessen  ich  mich  meiner  raiss  halben  nach  Pra 
das  ich  es  ffierderlich  angreifen  oder  aber  diff 
hinein,  so  wier  ich  mein  örttl  gwisslich  bsuechen 
verdi'ingen  lassen.  I.  M*  haben  sich  schon  vo: 
zwischen  uns  resolviert,  aber  die  resolution  ii 
habens  I.  D.  aufsuechen  lassen  und  Gott  lob  ; 
(wie  ich  bericht  wier)  iezunt  auch  hinein  dem 
schickht.  Bekhum  ich  iezunt  khaine,  so  hab  icl 
allain  das  ich  noch  ainen  vorthaill  flberig  hab. 
der  alt  herr  Trautsam*  von  mier  woU  informie 
aber  die  leutb  sub  specie  recti  praeoccupiern  d 
zweiflen  will,  weill  es  alles  nach  irem  willen  w: 
Was  mein  raiss  ghen  Inspruckh  belangdt, 
forderbrieffs  abschrifften,  ich  hab  mich  aber  ge 
doch  allso  wan  ich  auf  ein  andere  zeitt  wier  mnc 
laubnns  bekhnmen,  das  ich  mich  zu  I.  D'  undertl 
neben  gehorsamister  bitt,  so  der  casus  nicht  s( 
selben  mier  schriftlich  gnädigist  zuekhumen  1 
mich  darauf  meinem  ainfältigen  verstandt  nach  u 
darüber  ich  aber  noch  nichts  empfangen.  Was 
langdt,  khäme  mich  dieselb  nit,  allain  das  ich 
disem  ortt  gebom  und  erzogen,  sonnder  auch  d 
ich  allso  umbsonsten  die  ganze  zeitt  soll  gearbai 


'  Vgl.  oben  8.  492,  Anm.  6. 


bschwening,  tnhüe,  undtertruckhung  und  veiatioa  lengor  zu  bleiwcn,  das 
war  mier  iiu  seht  und  loib  scliadt.  Ich  tiufT  dif  K.  M',  diu  mich  proprio 
motu  ailurgnüdigiMt  fQoi'gonuuiun  und  ullu  uieinu  gologeuhititeu  boisoits 
sezeu  lassen,  werden  mior  mehr  guadt  uiclit,  dan  nuor  was  I.  M'  selbst 
fücr  redit  und  biUich  haltten,  gn.'kdigist  crzaigen.  Au  dun  von  Passau 
will  ich  Bchanzon  ffler  miub  selbst,  und  mier  die  Sachen,  woill  ich  I.  F.  G. 
solbüt  afTcutioniert  darzue  befi'iudt,  alls  muin  aiguo  und  wo  müglich  gwis- 
licbon  mehr  lassen  bovohlen  sein,  darauf  B.  6.  sich  verlassen  mügen. 

Ich  bin  alhie  soitt  des  IT),  novomber  und  batt  Gott  lob  die  ganze 
statt  ZwetI  vorechinen  sontag  gcboucht  und  communiciort.  Und  woill  ich 
8  tag  zuvor  ein  predig  getban,  bey  wellicher  ein  lutherischer  predigkhandt 
gwesun,  hatt  er  eben  am  vorscbinen  sontag  publice  in  der  khircbon  zu 
Zwotl  abiurieii  und  mitt  denen  von  Zwoti  communiciert  sub  una;  ist  ein 
schöner  actus  gwesen  zu  sehen.  Eben  dise  die  vorige  wochen  bin  ich  mitt 
meinen  mittconiissaricn  glien  Waidthofon  an  der  Teya  gezdgen,  in  wel- 
licher statt  ein  gelerter  verschlagner  lutheraner,  ains  prodigkhandten  son 
stattschreyber  ist,  alda  ich  auch  gepradiget,  berüerten  stattschroyber  von 
der  gmain  abgesondert,  und  mitt  Gottes  gnadt  die  ganze  burgcrschafTt 
erhalten,  das  sy  auf  khunfftigcn  freitag,  wellichos  ist  der  27.,  alle  in 
moinum  beisoin  cumuiuniciorn  wollen,  dessen  haben  sy  sich  verschribon 
mitt  irem  stattsigill  verferdtiget.  Don  stattscUi-eyber  hab  ich  mitt  mier 
ghcn  Zwotl  zuruckh  gefüert,  tÄglich  mitt  imo  gebandlot  und  Gott  lob  auch 
erhalten.  Ist  ein  wunder  zu  sehen,  wo  zu  3  jaru  feundtschaffton  sein, 
dio  werden  da  vorglichen  und  niemants  absolviert,  or  rerobligier  sich  dan 
an  aidts  süitt  sein  lebelang  catholisch  zu  blciwen,  darauf  sy  dan  couiuni- 
ciern.  Die  puncta  der  reverss  will  E.  G.  ich  hinach  schickhen.  Auf  khunff- 
tigen  sambstag  züheu  wier  gheu  Weytra,  dasolb  wollen  wier  das  catho- 
lisch  nez  auch  auswerffen,  Gott  verleihe  sein  göttliche  gnadt  darzue. 
I.  D'  habtm  mier  souston  volmacht  und  unftborschribno  an  geistliche  und 
weltliches  standts  porsonon  crodontsschreybcn  geben,  damit  ich  iliosolb 
zu  boiständteu  pro  diversitato  locorum  erfordern  khundt,  woliches  auch 
allso  gsehiecht.  Das  E.  G.  ich  gehorsamblich  zuuschroybcn  wollen,  und 
bitt  dieselb  wollten  mior  einen  gruoss  bey  irem  gmahelu  und  sühnen  ver- 
leihen. Thuo  E.  G.  Gott  dem  bcrrn,  mich  aber  zu  derselben  gnaden  ge- 
horsamblich bevchlon.    Datum  Zwetl  den  24.  novemb.  a.  87. 


E.  6.  gehorsamer  capian 


M.  Khicsl  m.  p 


560 

XXXI. 

Weitra,  1587  December  3 

Hoch  and  wolgeborner  gnädiger  herr.  E.  6.  sein  mein  gehors 
schuldig  und  willig  dienst  zuvor.  Gnädiger  herr,  ich  hab  derselb 
schreyben  alhie  empfangen,  weill  ich  iezunt  schon  in  die  fflertte  woch 
nicht  bey  haus  bin,  sonndern  zühe  im  landt  wie  ein  landtfarer  heru 
was  ich  aber  auf  diser  raiss  mitt  Gottes  gnadt  neben  anodern  gericl 
werden  E.  G.  von  I.  H'  gehaimben  rath  und  obristen  camerer  dem  her 
Bumpfen,*  wellichem  ich  hac  occasione  originaliter  die  reverss  der  st 
bey  aignem  podten  zuegeschickht,  vernemen.  Gott  lob  ist  auch  dise  sti 
biss  an  zwo  personen  gewungen,  heutt  heb  ich  mitt  den  anderthanen » 
dem  landt  an,  Gott  verleihe  auch  sein  gnadt  darzue.  Was  ich  wolenni 
tem  herrn  Rümpfen  bey  disem  aignem  podten  znegeschriben,  hab  E. 
ich  in  gehorsamen  vertrauen  wollen  zueschickhen,  dan  ich  niemants  ghe 
offendiern  und  mich  mehrers  verhOndtern  woltt,  entgegen  aber  will  mi 
die  zeitt  zu  lang  werden,  das  ich  zu  diser  h.  zeitt  mich  zu  Wien  der  gstal 
soll  sehen  lassen.  Bitt  E.  G.  sy  wollen  wie  bissher  mein  gnädiger  h( 
sein,  mier  belffen  und  wo  es  nott  befflerdern,  Gott  wierdts  E.  6.  bezalle 
in  dessen  schnz  ich  dieselb,  mich  aber  zn  dero  gnaden  gehorsamblich  b 
vehlen  thue.    Datum  Weytraa,  den  3.  decemb.  a.  87. 

E.  G.  gehorsamer  caplan 

M.  Ehlesl  m.  p. 

Beilage.' 

Eitract  auss  ainem  schreiben  an  herrn  Eumpffen  gethon 

Was  aber  meine  Sachen  belangt,  stehe  ich  an,  dan  ich  mich  V( 
hertzen  schäm,  das  ich  dise  heilige  zeit,  meniglich  zu  schandt  und  spo 
soll  in  der  statt  herumb  ziehen  und  nit  wierdig  sein  ainige  cantiel  i 
betretten.  Hette  ich  gewüst  genediger  herr,  das  der  herr  bischoff  < 
Sachen  mit  mir  also  treiben  soll,  het  ich  mir  gahr  lengst  bessere  nie 
schaffen  mügen.  Vermainen  E.  6.  das  ich  mich  selbst  bey  I.  M'  stell 
soll,  damit  I.  M'  genedigist  sehen,  das  es  mir  ernst  soy  und  ich  mi 
khännet  bekhlagen  und  verantwortten,  so  bitt  E.  G.  ich  gehorsambli« 
sie  lassen  mich  ihr  mainung  wissen.  Beger  ich  doch  weder  den  her 
bischoff  noch  iemandts  andern  zue  offendiern,  vil  weniger  I.  M'  ungelegt 
halt,  allain  das  ich  möchte  mit  I.  M'  gnadt  und  aUergenedigisten  erlat 
nus  mir  selbst  ruehe  schaffen.    Es  wissen  I.  D'  wol,  wie  hoch  ich  I 


'  Vgl.  oben  S.  199,  Anm.  1.        ■  Nicht  eigenhändig. 


Echwärdt  wii-t,  und  das  sich  der  horrbiBcboff  weniger  patronen,  mich  aus 
dem  landt  znotreifaon,  beliilfft;  aber  viloicbt  biiben  I.  D*  bedenckbeu,  aioem 
oder  dorn  andern  abzuolegcn,  will  ich  doch  als  der  weniger  gern  woichon, 
dan  also  ist  nicht  müglich,  das  es  in  die  leng  guet  thuot,  dan  zuo  dem 
ich  täghch  boschwärt,  friss  ich  mir  selbst  haiinblich  das  leben  ab,  das  ich 
in  meiuQQi  vatterlandt,  dem  ich  zue  hob  (ohne  ruemb  zuo  melden)  vil 
guetor  golegeubait  verlassen,  in  disem  spütt  bleiben  sull.  I.  M'  erzaigen 
sich  niu'  duBS  sie  dergleich(sn  nicht  mügen  leiden,  wir  werden  uns  her- 
nach selbst  baldt  vergleichen,  aber  so  lang  er  vermaint,  das  man  meiner 
nit  achte,  muess  ich  sein  schlang  (!)  sein.  Das  hab  ich  propter  coutinuum 
dolorem  unvermeldt  iiit  lassen  sollen,  und  mues  es  denen  khlagen,  die- 
mier  nach  GoU  allaiu  helffon  khQnnen  etc. 


XXXII. 

Wien,  1587  Oecember  22. 

Hoch  und  wolgeboraer  gnädiger  herr,  E.  G.  sein  mein  gehorsam 
schuldig  und  willig  dienst  zuvor.  Gnädiger  herr,  derselben  zwei  schreybon 
hab  ich  empfangen,  budauckh  mich  gehorsamblich  der  so  gnädigen  luor- 
sorg.  Ich  muess  ainuial  bokhonncn,  das  E.  G.  mehr  thun  alls  ich  mein 
lebelang  wier  verdienen  khüunen.  Es  haben  sich  gleichwoll  E.  G.  discs 
schnidts  billich  zu  freien,  weill  es  das  aufucmou  unserer  h.  rcligion  an- 
trifft, aber  umb  sovill  desto  mehr  das  E.  G.  an  disem  auch  ursacher  ge- 
wesen sein,  dan  ich  miig  mitt  meinem  gwissen  bezeugen,  wären  dieselben 
und  der  alt  herr  von  Harrach'  nit,  ich  woltte  mier  dieser  bschwär  langst 
abgeholfTen  haben,  wie  mier  dan  an  der  güettc  und  bainibherzigkliait 
Gottes  auch  an  anndorn  Crttern  nit  zweiflet,  aufs  wenigist  war  mein 
gwissen  ringer  und  mein  ehr  so  hoch  niomuUn  angriffen  worden;  aber  so 
es  der  höchste  allso  haben  will  und  ich  aus  disem  kholich  trinckhen  soll, 
so  geschehe  sein  h.  willen,  hoffent  er  werde  mich  mitt  seiner  gnadt  er- 
retten und  aus  disera  last  erledigen,  alles  zu  seiner  zeitt.  Villeicht  will 
mier  Gott  durch  dise  truebseligkbait  ein  annderon  standt  zaigen,  do  ich 
imo  bösser  und  meiner  schien  nuzlicher  dienen  khan,  aber  alles  zu  seinem 
heilligon  gfallon. 

Was  nun  gnädiger  herr  die  hoffcanzi  beinngdt,  khumbt  diss  von 
I.  D'  her  wie  ich  verstandten  guotter  mainung,  woill  I.  bischolliche  Hochw. 
mich  ainmal  so  spflttlicb  tracticru,  mitt  allorlai  zuontpieten  und  schmach- 
wortcn,  so  well  auch  eusserlichon  demonstnitionen,  allso  dum  gmainen 
man  zu  verstehen  geben,  alls  sey  ich  von  L  M'  und  moniglich  Verstössen, 


■  Vgl.  oben  S.  600,  Anm.  1. 


B62 

iQb  dui  dn  Mini  (?),  so  Imj  I-  V*  MariwIlfaHio  Iwch—Iigirtw  g«ii 
nu  tiachnth  gwesen,  Ton  d«m  herm  biadioTsni  ald«  miagnitä 
ist,  spargiert,  wie  ar  auch  zuvor  mitteUiialimsearatia^dnia»  «•!■■■ 
harr  bisehoff  and  der  ünvenagt^  TerfacMit,  geäum  nad  »kr  adM«! 
nigk,  die  idi  heraaeh  allao  gsehafsn  beftmdion;  daait  au  aari^i 
•ehe,  das  I.  M*  müt  mier  giddigiBi  nflidfln,  und  «•  att  aOi^  «•■ 
vermnett,  haben  I.  D*  dergleichett  demonstnuöoa  ftar  ü»  alhclMii 
halten. 

Zorn  andern,  waill  I.  D*  «iawn  und  gMehen,  das  jhaMhrLI'ri 
haben  n  derselben  gnaden  gelogen,  desto  BMhr  katt  sieh  4er  kar  IM 
mitt  mier  vertragen  nnd  es  anf  glekshem  thafll  g«h«tltn,  daaiti*« 
im  BoUe'  dienen,  aber  do  er  nun  ein  aadw  eonoapt  und  vaxaiaiBtalill 
sey  abgeschnitten,  ghehet  er  aa<^  mitt  mio:  «inen  andern  w^  i 
tmdchet  mich  biss  ondter  die  erden. 

Znm  tritten,  damit  er  hinvorthan  nit  nraach  h^,  aUa  L  IPiM 
liebem  diener  mier  snensenn  nnd  sohmidüiek  sa  «ntUatea,  anai 
billich  den  respectieret  dessen  diener  iah  wir,  dadaroh  daa  aUaU«! 
ans  wnrde  ao^irehalten  nnd  verfaftettet  werden. 

Zum  viertten  so  khnndte  heir  bisohoff  sieh  Till  mitt  waaigMa  Kk 
bekhlagen  oder  auch  dflerffen,  wan  ich  in  der  stett  prsdigai  soO,  te 
vill  bösser  mag  entschnldiget  werden,  das  mich  L  M*  in  ir  a%iu  W 
statt  stelleten  alls  Iren  prediger,  Iren  onderthanen  zu  predigen  und  i 
selben  den  h.  glauben  za  lernen. 

ündter  anndern  ist  auch  lezlich  dise,  damitt  ich  bey  dem  gm 
landt  in  ffiergenummer  reformation  desto  mehrer  ansehen  and  in  meiB 
predigen  forttgang  und  volg  hette,  dan  bey  dem  gmainen  man  ofi  i 
mehr  das  eusserlich  alls  alles  annderst  hilfFt  and  fCkerdert. 

Der  F.  D'  mainnng  aber  ist  nie  gwesen,  ja  sy  haben  mien  n 
höchsten  widerrathen,  das  ich  ans  dem  landt  zfihen,  das  ganze  «* 
lassen  und  mich  an  I.  M'  hoff  begeben  soll,  sonnder  allain  obangeiogntia 
surdis  füerzukhumen,  und  wan  I.  H*  anf  ainen  reiche-  oder  landt^;  niat 
oder  aber  alhie  wären,  das  ich  alsdan  derselben  canzl  vertretten  nfckl 
Diss  mitl  hatt  ime  herr  Paul  Sixt  Trantsam'  nit  allain  ffter  du  bfe 
lassen  gfallen,  sonnder  darfOer  gehaltten,  es  werde  ghar  khain  nott  m 
dlfficultet  haben,  ja  I.  M'  damit  gnädigist  woll  zofriden  sein.  E.  6.  il 
im  gehorsamen  rertranen  znmelden,  so  hab  ich  vom  herrn  Paoln  Salt 
khain  wortt  mehr,  seitt  die  sachen  I.  6.  dem  herm  Bompfen'aaak 


>  Vgl.  oben  S.  497,  Anm.  4. 

*  Vgl.  oben  8.  642,  Anm.  2.        *  Vgl.  oben  &  4W' .      mL  t. 


563 


vohlon  worden.  Ich  umichuldiger  aber  woltte  es  nii  ghorn  ontgelttea. 
Ist  nun  diss  miti  nit  gnott,  so  hab  icb»  aufs  wenigist  nit  ordaclit,  wais 
aber  iitich  khain  iuiiidors,  alls  dat«  ich  os  Gutt  bovilich.  Was  in  hac  causa 
I.  G.  ilcr  lierr  liumpf  niier  zuoschrnybon,  d;is  liabon  E.  G.  hieboj  zu  om- 
pfabcn,  bilt  dieselb  wollten  es  boy  ir  behallten.  Ich  bin  aber  aus  diaer 
treier  statt  refonnation  so  müott,  orschliigen  und  luatt  worden,  das  ich 
biss  dabcT  mich  aüain  dabaimbt  haltte  und  bleiw,  und  wais  umb  die  roso- 
lution  noch  nichts,  khan  woU  erachten,  es  wordo  wedur  nach  I.  D'  ratli 
noch  meinem  uuderthänigisten  beghcrn,  das  ich  n.nmblich  einmal  erlediget 
wurde,  gschaPTen  sein.  Und  das  hab  E.  G.  ich  gehorsarablich  wollen  zur 
anlwort  zueschieyben  und  bitt  diosolb  wollen  mich  armen  vorlassnun  und 
betrangten  catholiBchon  priestor  ir  bevohlen  Boin.  Gott,  in  dessen  schuz 
E.  G.  ich  bovchlen  thuc,  wierdt  der  belohner  sein.  Allso  wollen  E.  G. 
micr  zu  gnaden  irem  gniahel  und  sehn  meinen  gehorsamen  gruess  vor- 
luelden  und  mein  armes  gebett  offeriorn.  Datum  Wien  den  22.  decemb. 
a.  87. 

E.  6,  gehorsamer '  caplan 

M.  KhlesI  m.  p. 

Bitt  E.  G.  die  venseihen  mier  mein  underschrcjben,  wais  Gott  das 
ich  nit  wais  was  ich  offt  thne. 


xxxin. 

Wien,  1687  December  31. 

Hoch  und  wolgobornor  gnädiger  herr,  E.  G.  sein  mein  gehorsam 
schuldig  und  willig  dienst  zuvor.  Gnädiger  herr,  wie  ich  bisshi'r  mitt 
E.  G.  gi^tandten,  das  wissen  sy  selbst  zum  bi^sstcn,  allso  das  ich  ver- 
borgen undter  meinem  herzen  nichts  gehabt,  wolliches  E.  G.  ich  unan- 
gozaigt  lassen  hott,  das  dringt  mich  das  ich  auch  diso»  schreybon  thue 
und  E.  G.  behellige.  Eur  G.  tragen  guett  wissen,  das  I.  D^  alhio  mitt 
herrn  Pauln  Si.tten  Trautsam*  meiner  person  halben  gehandlet,  wollichor 
sich  bey  I.  M'  alle  saeben  zu  tractiern  orbottcn,  das  sich  aber  nach 
seinem  verraisen  über  I.  D'  anmahnen  ganzer  zwai  monatt  verzogen, 
ilarauf  haben  die  F.  D'  herrn  Rümpfen*  I.  M'  gohaimben  rath  die  ganze 
Sachen,  wie  sy  sich  von  anfang  biss  daher  zwischen  herrn  bischoven  und 
mier  verlotfen,  auch  wie  dem  ganzen  handl  und  roligiuuswosen  abgeholffen 
und  befüerdert  werden  möchte,  entlich  resolviort  und  ir  guettbedunckhen 


'  Hier  standen  ureprilnglich  andere  Zeichen,  die  aber  durchatricben  sind. 
»  Vgl.  oben  8.  542,  Aiim,  2. 
•  Vgl  oben  8.  ■»09,  Anm.  1. 


H>4 

Jiuekliameii  lassen,  wie  ich  dessen  Ton  L  D'  alhie  Tor  irem  vemisen 
thjtfiuüden  worden,  darauf  ich  in  Gottes  namen  foritgezogen  und  das  W( 
äa  die  handt  gnnmen  hab.  Interim  khnmbt  dem  ünTenagten  ^  die  r 
lution,  wais  nit  woher,  zoe,  I.  M'  wollten  mich  bey  dem  religionswi 
im  landt  erhalten  nnd  achteten  darfüer,  ich  khfinne  alda  mehr  dan 
hoff  gnetts  schaffen.  In  diser  khayserlichen  resolution  aber  geschi 
nicht  mitt  ainem  wörttl  herm  Bompfens,  sonnder  nner  dess  herm  Tn 
sambs  soUicitatnr  meldnng,  so  doch  I.  6.  der  herr  Bnmpf  totam  caot 
fnndamentnm  caosae  nnd  was  I.  D'  mainong,  schrifftlich  hatt.  Weil! 
nun  dises  Ton  dem,  so  es  vom  herm  ünveiugt  hatt,  Terstandten,  hab 
mich  bej  hoff  angemeldt  nnd  die  Sachen  ebenennassen  allso  gscha 
befandten.  I.  D*  khfinnen  sich  selbst  nit  gnnegsam  Terwnndem,  wo 
modus  procedendi  herkhnmbt.  Nun  wais  Gott,  das  ich  nnTerdienter  sac 
nndterlig,  ich  habs  weder  nmb  die  statt,  das  landt,  noch  anch  dem  h( 
bischoTen  nnd  die  ime  anhangen  nit  verdient.  I.  D*  mainnng  ist  nien 
gwesen,  das  ich  mich  an  hoff  soll  begeben,  ich  hab  khainen  gedanck 
darauf  gehabt,  und  wais,  das  ich  mitt  Gottes  gnadt  alda  in  ai 
Wochen  mehr  dienen  khan  dan  bey  hoff  in  ainem  monatt.  Was  aber  I. 
füer  ein  medium  zu  sein  rennainen,  das  haben  sy  herm  Bumpfen  a 
fierlich,  wie  sy  vermelden,  zueschreyben  lassen,  wie  £.  G.  ich  nachma 
im  nächsten  schreyben  auch  andeutung  gethan  hab  und  sy  dasselb  £ 
dubio  alberait  von  wolermeltem  herm  haben  verstandten ;  was  I.  D' , 
schichen,  das  wan  es  in  die  canzlei  khumen  werde,  so  wisse  es  der  b 
bischoff  gwiss,  dasselb  geschiecht  ieznnt.  und  allso  weil]  er  sihet,  < 
alle  meine  Sachen,  zu  denen  man  mich  alhie  multis  argumentis  persi 
diert,  ich  soll  darein  ghen,  damit  I.  D'  ein  ffierschlag  thun  möcht 
znmckh  ghen,  triumphiert  er  desto  bösser,  dan  er  ainen  g^etten  st 
darinnen  hatt.  Aus  disem  allem,  so  E.  G.  ich  in  gehorsamen  vertia) 
zueschreyb,  sehen  sy,  wie  mitt  mier  wierdt  gehandlet.  Ich  aber,  w 
I.  G.  der  herr  Bumpf  auf  I.  D'  schreyben  noch  nicht  geantwort,  will : 
mahnung  thun  und  bitten,  damit  ich  ainen  endlichen  bschaidt  hal 
möcht.  Ich  bitte  aber  E.  6.  umb  Gottes  willen,  sy  erlauben  mier  aus 
sprengen,  dan  Gott  wais  das  ich  bissher  E.  G.  nnd  den  alten  herm  ^ 
Harrach*  allain  respectiert,  ich  woltt  mier  sonnsten  langst  abgeholl 
haben.  I.  M'  wissen  mein  ellendt  nicht,  und  wie  ich  spöttUch  in  ii 
landt  und  bey  diser  meiner  arbait  tractiert  wier;  wo  ich  hinthnm  will 
mich  mitt  der  warhait  verthättigen  khfinnen,  das  ich  nmb  derselben  wil 


'  Vgl.  oben  S.  497,  Anm.  4. 
»  Vgl.  oben  8.  600,  Anm.  1. 


565 


» 


I 


von  denen  neidigen  lonthen  bin  veriagt  worden.  E.  G.  sein  dessen  vei- 
gwist,  wo  ich  sein  wier,  da  will  ich  Gott  und  seinar  khirchen  iJienen, 
E.  G.  diener  und  caplan  leben  und  sterben,  nuer  das  ich  derselben  gnadt 
«inrch  diso  mein  gezwungne  resolution  nit  olTendior.  dau  dpr  wollt  ich 
mich  nicht  begobon.  Es  hilfft  doch  I.  M'  nichts,  das  ich  alhie  geplagt  und 
gepeiniget  wier,  lass  es  alles  Ober  ainen  haulTcn  gben,  dan  ich  wier  flbl 
tradiert  nnd  bin  khain  engl,  sonnder  ein  mpnsch,  dem  sein  ehr  auch  lieb 
ist  und  nicht  ghern  umbsonst  woltt  gearbait  haben;  soll  ich  niitt  spott 
bleiwen,  so  will  ich  in  Gottes  namen  mitt  spott  abzQhen,  so  höret  derselb 
auf,  da  lig  ich  tag  und  nacht  darinnen,  nnd  mügen  E.  G.  mier  trauen,  ich 
will  initt  brott  und  wasser  verguettnemen,  che  ich  mich  lenger  soll  alls» 
tractiern  lassen,  bitt  E.  G.  sy  lassen  dises  schrejben  passiern,  weill  mier 
mein  hon?  aufgebrochen  ist,  und  ich  lenger  nicht  haltten  khilnnen.  Gott, 
in  dessen  schuz  ich  E.  G.  bevehlen  thne,  helff  mier,  damitt  ich  seinem 
willen  in  rechter  gedult  möchte  mich  gleichförmig  machen,  amen.  Datum 
Wien  den  lezten  decemb.  a.  87. 


E.  G.  gehorsamer  caplan 


M.  Khlesi  m.  p. 


Was  ich  herrn  obristen  camerer  in  mea  causa  ziieachreyb,  haben 
E.  G.  hiebey  zu  empfahen.  E.  G.  resohiern  sich  nuer,  ich  will  der  reso- 
lution, die  in  inHinitum  möcht  ghen,  nit  erwarten. 


XXXIV. 

Wien,  1688  Jänner  28. 

Hoch  und  woigeborner  gnädiger  herr.  E.  G.  sein  mein  gehorsamh 
schuldig  nnd  willige  diennst  zuvor.  Gnädiger  herr.  E.  G.  so  ghar  gnädig 
vätterlich  und  wolmainent  schroyben  hab  ich  empfangen,  bette  auch  darauf 
gleich  und  alsbaldt  geantwort,  do  ich  wissen  khünnen,  wo  und  wie  meine 
Sachen  geschaffen  wären,  weill  ichs  aber  erst  vor  wenig  tagen  erindert, 
.so  hab  ich  es  bis  daher  verschOobon  wollen.  Mier  ist  laidt,  da.s  E.  G.,  alls 
welliche  ohne  das  hoch  nnd  vill  occupiert,  mitt  diser  meiner  Sachen  ich 
behelligen  mW,  es  macht  aber  E,  G.  gegen  mier  so  gnädigen  affection  und 
mein  so  gehorsam  vortrauen,  lezlich  das  die  betrOebten  vilinal  mehr  alls 
innen  sonnsten  woll  anstehet  thun,  und  bitt  E.  G.  desswegen,  wie  ofTt 
geschehen,  gehorsamblich  umb  Verzeihung.  Bedanckh  mich  so  hoch  ich 
khan  dess  so  gnädigen  trosts  und  zuesprechens  dOemtletiglich,  Gott  so 
reich  ist  wolle  es  alles  befallen.  Ich  tnues  woll  zusambt  villen,  so  in 
disem  ofen  der  trflebseligkhait  ligen  bekhennen,  das  ich  im  zn  zeitten 
etwas  zn  vill  thne,  wan  aber  E.  G.  sollen  wisBen,  wie  ich  in  continua 


666 


Toxatione  sine  restitntione  meae  &mae  et  boni 
persona  bleiw,  so  war  nicht  ein  wander,  auch 
darflber  zn  zeitten  nngedaltig  werden,  sonnde 
selbst  und  was  sy  dennoch  irem  concept  nach  t 
bösser  füer  die  angen  stellen,  wie  auch  mit  im 
sy  weder  zu  rechtlichem  process,  extraordinari 
gelassen  werden  khünnen,  sonnder  gleidi  wie 
spem  et  metnm  steckhen  und  beleiwen  mflesi 
dingen,  so  alberait  schon  langst  determiniert,  de< 
den  sein.  Aber  ich  will  dises  alles  auf  E.  G.  am 
beiseits  sezen,  mich  auch  so  lang  dulden,  das  1 
resolution  hoffentlich  billichen  werden,  ans  ursa 
weltt  will  verlieren,  alls  mein  gwissen  lenger  b 
die  ganze  weltt  gewnng,  mein  sohl  aber  in  gi 
alls  nuer  ich  daran  schuldig  sein.  Cum  charii 
ich  meinem  vatterlant  und  der  ganzen  khirchen, 
zu  thun  schuldig.  Weil!  ich  nun  befQndt,  das  e 
mier  nicht  thun  wurde,  so  werden  E.  6.  mier  dei 
do  ich  zu  zeitten  anf  das  mitl  khumb,  welliche 
nach,  und  das  sich  alle  meine  feundt  erfreien  « 
sein  gedeucht,  der  sehlen  aber  nnz  und  nothwe: 
abermaln  an  I.  H*  (wie  sy  mich  vorgestern  gn 
meiner  Sachen  halben  schreyben  oder  geschril 
gehorsamer  gedult  auch  diser  Sachen  endt  e 
dem  herm  Rümpfen'  ich  nuer  dise  gnadt  erl 
selb  ad  partem  I.  H*  statum  totius  causae,  t 
(alls  ich  bericht  wier)  ghar  ausfierlich  endteckh 
ten,  so  mag  ich  dulden  der  bischoff  von  Wien 
sein  das  sy  dabey  sizen  und  votiern  mfigen,  c 
I.  M'  sein,  wie  sy  auch  meine  geringe  dienst  w 
nuer  von  meines  glaubens  gnossen  den  geistli( 
verfolgt,  traduciert  und  wunderbärlich  umb  m 
Tillen  gebracht  worden,  wie  ghem  sy  auch  me 
selben  summo  studio  gesuecht  haben,  so  zweiflei 
in  ainer  viertlstundt  cum  honore  aus  diser  gai 
das  nit  geschiecht,  was  auch  I.  D'  werden  schri 
wierdt  den  alten  gang  gwingen,  wie  der  process  1 
gelernet  hatt.  Bitt  demnach  E.  G.  ganz  gehorssi 


'  Vgl.  oben  S.  499,  Anm.  1. 


567 


gnadt  bcy  I.  G.  dem  herni  Rümpfen,  wellichera  ich  desswegen  geachjiben 
und  gebetten  hab,  erhalten,  dan  allso  wier  kb  ans  allen  meinen  Sachen 
V(ir  der  h.  zeitt  iler  faston  khiimen  mögen.  Sonsten  disputiert  Jiser  das, 
ein  annder  wiorfft  etwas  andorst  ein;  so  baldt  I.  M'  werden  sagen,  das 
geschehe,  so  ist  nns  gehoiffen.  Das  flberig  thue  E.  G.  ich  geborsamblicb 
bevchlen,  dan  dieselben,  alls  wellicbe  diss  negotium  neben  andern  meinen 
gnädigen  herrnen  mier  zu  gnaden  über  sich  gontimen,  werden  im  zu 
thun  wissen,  und  Gott  wolle  E.  G.  sanibt  derselben  /.negethanen  gnfidig- 
lich  vor  allem  Qbl  behücten,  in  gnetter  gsundthait  und  langem  leben  er- 
halten, amen.    Datum  Wien  den  28.  jan.  a.  88. 

E.  0.  gehorsamer  caplan 

M.  Khlesl  ro.  p. 

XXXV. 

Wien,  1&88  Febniar  tl. 

Hoch  imd  wolgoborner  gnediger  herr.  E.  G.  sein  mein  gehorsam 
schuldig  unrt  willig  diennst  znvor.  Gnediger  herr,  derselben  scbreyben 
hab  ich  gestern  empfangen,  tbuo  gegen  E.  G.  ich  mich  dessen  gehorsanib- 
lich  bedanckben,  gwisslichen  bin  ich  diser  gnaden  nit  wierdig,  hab  es 
noch  khan  ea  auch  nit  verdienen  umb  E.  G.  mein  lobelang,  weil!  ey  sich 
meiner  person  nicht  allain  hoch  anneraon,  sonndorn  uiehrer  thun  nicht 
kbOndten;  weill  aber  E.  6.  sehen,  das  dise  mein  bschwärnus  billich,  allso 
wollen  sy  der  gerechtigkliaidt  favorisiern.  So  wiordt  die  goreclitigkhait, 
wellicho  Gott  ist,  diso  mir  erzaigto  gnaden  hoffentlich  reichlich  belohnen. 
Was  E.  G.  wegen  der  widerwertigen  gericht  und  denselben  bösen  leuthen 
füerkhnuien  sein,  das  tstin  warbait  mier  zu  gnaden  einhohe  nottni-fftgwesen, 
lian  eben  was  ich  mich  besorgt,  möcht  mier  alberait  widerfahrn  sein.  Aber 
es  haist  nit  erbar  mit  mier  gehandlet,  das  haben  meine  Widersacher  in 
allen  meinen  Sachen  bissher  gespilt,  dieselben  auch  aufs  wenigist  in  die 
leng  gebracht,  wie  sy  jozunt  dan  ebensfals  und  nicht  weniger  thun  werden. 
Wcill  aber  meine  sachcn  Gott  lob  alberait  praeoccupiert  und  meine  gnä- 
dige herrn  sufficienter  informiert  sein,  trag  ich  nunmehr  bey  diser  ge- 
.  rechten  handlung  khainen  zwoifl,  insondorhait  weill  der  allmächtig  Gott 
scheinbäi-lich  ire  häiindl,  wellicbe  sy  bissher  haimblich  und  vorborgen  ge- 
triben,  durch  die  irigen  selbst  will  offenwahron.  Bitt  E.  G.  die  wollen 
meiner  mitt  gnaden  gedenckhen,  dan  seitt  I.  Ü'  schreyben  hineinkhumen 
ist,  fallet  nicht,  das  die  conespondenzon  gross  werden,  wiewoll  ich  mier 
Glitt  lob  woniger  alls  zuvor  furcht. 

Danobons  khan  E.  G.  ich  in  sonndern  vertrauen  nit  bergen,  das 
man  mier  fäer  gwiss  gesagt,  E.  G.  söhn  herr  Sigmnndt  aol  in  khors  hinab 


568 

ins  Niderlant  rerraisen.  ünnd  mflgen  mier  E.  G.  diss  woU  glanbcn,  k 
ich  es  sine  cansa  nit  schreyb.  Nnn  wais  ich  woU,  das  E.  6.  von  diu 
nichts  bewflst,  und  bitt  dieselb  nmb  Gottes  willen,  sy  wollen  diseo  tei« 
cassiern,  damit  niemants  darüber  khnmb,  aus  nrsach,  die  ich  in  mm 
zeitt  melden  will;  das  ich  aber  E.  G.  avisier,  bewegen  mich  die  tüIih 
erzaigten  gnaden  darzne,  nnd  werden  im  dieselb  zn  thnn  wissen. 

Nenhes  ist  albie  nichts,  der  landtag  ghehet  still  ab,  von  ia  rd 
gion  wierdt  nichts  gehandlet.  Was  mier  ffler  neuhe  zeittnng  P.  Uckai 
schreybt,  will  E.  G.,  weill  es  geringe  sacben,  ich  nit  behelligen.  Gott,  i 
dessen  schnz  E.  G.  ich  bevehlen  thne,  erhalte  dieselben  bey  gsnndt  m 
langem  leben,  amen.   Datam  Wien,  den  11.  febr.  a.  88. 

E.  6.  gehorsamer  caplan 

H.  EhIesI  m.  p. 

XXXVI. 

Wien,  1688  lOn  K. 

Hoch  nnd  wolgeborner  gnädiger  herr,  E.  G.  sein  mein  gdiom 
schuldig  dienst  zuvor.  Gnädiger  herr,  derselben  schreyben  den  9.  mii 
datiert  hab  ich  gestern  abents  empfangen  und  mitt  sonndem  freiden  re 
standten,  wie  E.  G.  ir  mein  resolution  lassen  angelegen  sein  alk  n 
dieselb  ir  aigne  person  antreffen  soll;  Gott  im  himel  wolle  es  E.  G.  alls 
bezallen.  Aber  nit  allain  das  ich  davon  nichts  wais,  sonndem  1.1 
bschaiden  mich  abermaln  auf  Prag,  das  ist  schier  in  infinitum;  weill  k 
aber  so  lang  gedult  gehabt,  so  will  ich  es  gleich  am  endt  nit  verlien 
villeicht  haben  meine  Widersacher  gleich  die  böste  freudt  allso.  Hoff  ^lii 
I.  M'  werden  den  derraaln  ains  auf  den  gnindt  khumen  und  dadurch  i 
entlichor  und  gnädigister  resolution  bewegt  werden,  es  verdreass  dai 
nach  wem  es-  wöll.  Der  Erstenberger '  h.itt  sich  gegen  dem  CvTUil 
allerlai  böser  reden  vernemen  lassen,  alls  sollen  I.  D'  nichts  an  bh 
vorwissen  thun,  der  alt  herr  von  Harrach*  und  Westernacher'  wir? 
khetten  daran  ich  hanget,  es  khundte  nichts  guetts  daraus  khnmeD.  s 
werde  dan  zcreissen,  Westernacher  esse  und  trinckhe  täglich  bfj  mi*: 
comunicier  mier  I.  M'  gehaimb  alle  etc.  Das  sein  böse  unzeitige  ua 
hantige  reden,  die  will  ich  zu  seiner  zeitt  sparen,  weill  ich  mitt  Corneli 
in  handlung  stehe,  das  er  miers  bstehon  soll.  Wan  ich  woltt  lerman  an 


•  Vgl.  oben  S.  623,  Anm.  2. 
'  Vgl.  oben  S.  500,  Anm.  1. 

'  SebMtian    Westemacher,    kais.   Hofsecretär,    dem    Erzbenog   Ernst  i»- 
getheilt. 


569 

richten,  ich  wfiste  woll  wie  maa  mitt  mier  gehandlet  hett,  ubor  es  inOeste 
es  doch  die  religion  hernach  entgelten,  weill  ich  sihe,  das  die  affcctus 
dem  gTwissen  fflerzühen,  alles  zu  seiner  zeitt.  Wo  nun  mein  kbayserliche 
resolution  hinkhumeu  wierdt,  wsis  Gott,  ich  glaub  aber  das  sülliche  ge- 
seilen  sub  specie  recti  den  spott  daraus  dreiben  und  weder  I.  M'  noch 
derselben  Privilegien,  khünfftiges  tibi  und  erschreckhliche  orweitternng 
nicht»  gedenckhen,  modo  illit>  satis  fiat.  Bitt  E.  6.  die  helfen  wie  biss- 
hor  guttdiglich,  dumitt  ich  doch  dtse  h.  zeitt  möchte  aineu  bscliaidt  haben. 
Herr  Sigmundt*  ist  gestern  spatt  zu  inier  khumen,  dem  hab  E.  6. 
resolution  ich  gelösen,  ist  dermasaen  desperatus  von  mier  gescbaiden, 
das  ich  nit  wais  was  ich  schreyben  soltt,  die  luss  lieb  bringt  sein  ver- 
derben, batt  mier  anzaigt,  ehe  er  E.  G.  mit  der  heuratt  belaidigen  soll, 
er  wolt  ehe  sterben,  es  hett  in  aber  die  teuflisch  lieb  (dan  allso  sein  die 
reden)  dermassen  eingennmeu,  das  im  weo  soy,  wo  er  nucr  hiukhäm. 
Die  schulden  sein  in  die  6000  tallcr,  fQrcht  sich  allenthalben,  summa  er 
wais  nit  wo  aus  oder  ein.  Ist  heutt  in  Märhern  mit  berrn  Septimo  von 
Liecbteustain.  Was  sich  nun  mitt  dem  von  Scbönkbirchon  und  im  vor 
der  Wolfspiuckhen  zuetragen,  wierdt  der  hoffmaister  E.  G.  schreybeu. 
Der  guett  man  der  holTmaister  khumbt  mitt  waiaenten  äugen  und  bitt 
umb  r&tb,  was  er  tbun  soll,  aber  ich  kban  im  nit  belffen;  Gott  wierdt 
hoffentlich  das  büste  thun.  Ich  woltt  meines  tbaills,  er  zöge  ein  waill  bei- 
seits  der  herr  Sigmundt,  dan  die  schulden  nnd  lieb  werden  in  in  grosse 
gferrligkhait  bringen,  aber  da  ist  khaiu  heller  noch  pfeniiig,  trag  nuer 
sorg,  das  ime  nichts  übls  widerfahr,  ich  will  gleichwoU  uiitt  dem  Patri 
Michaeli  Älvarez'  reden,  ob  wier  in  möchten  reduciern.  Das  geb  Gott, 
in  dessen  schuz  ich  E.  Q.  bevehlen  thue  mitt  gnaden.  Datum  Wien,  den 
17.  martii  a.  88. 

E.  Q.  gehorsamer  caplan 

M.  Ehlesl  m.  p. 

xxxvu. 

Wien,  1688  April  28. 

Hoch  und  wolgeborner  gnädiger  horr,  E.  G.  sein  mein  gehorsam 
schuldig  und  willige  dienst  zuvor.  Gnädiger  herr,  das  E.  G.  sich  so  hoch 
meiner  angenumen,  hab  ich  zuvor  bedanckht  und  bleiw  danckbpär  und 
schuldig  ewiglich.  Ich  hab  gleich  in  Gottes  namen  dominica  palmaruni 
in  nnser  frauen  khirchen  den  passion  angefangen,  darauf  mier  der  herr 


»  Von  Dietrichstein.    Vgl.  Nr.  XXXV. 
•  Vgl.  oben  8.  540,  Arno.  B. 
Archir.   LXIXVIII  BU.   II.  HUfto.  S7 


F 


570 


bischoff  den  montag  hernach  ein  scharffe  zetl  g' 
nichts  hindtern  lassen,  sonnder  ime  khnrz  nnc 
halt  geantwort,  wier  wolten  es  mflntlich  undte 
veneris  sancto  zusamen  khnmen,  nns  mitteinai 
und  allso  biHederlich  Terglichen,  das  wier  bade 
seine  werckhzeug  sollen  nun  hinvorthan  wider  i 
vergleichung  hatt  Oott  allain  gmacht,  wie  dan  kh 
ist,  aus  wellichem  E.  6.  gesehen,  was  ich  ir  vc 
das  so  baldt  I.  M'  öffentlich  etwas  werden  dem 
richtig.^  Ich  predige  ieznnt  bey  S.  Stephan  wc 
flbl  anf  ist,  sonnsten  mitt  seinem  ghar  guetten 
an  der  gstetten,*  und  sein  allso  wie  ain  herz 
Gott  verleibe  uns  bstendtigkhait,  wie  ich  an  mit 
erwindten  lassen,  sonnder  alls  der  iflnger  accon 
mfiglich  ist.  Wier  nemen  nns  ietzunt  anf  ein 
gleich  an,  hoff  der  allmächtig  werde  seinen  se( 
reich  durch  uns  erweittert  werden  müge,  daran« 
desswegen  sy  gwisslich  von  dem  allmächtigen  de 
Ist  nun  der  hoffpredicatnr,  das  ich  in  das  buec 
was  mehrers  vounötten,  das  alles  stelle  ich  E.  € 
mich  noch  bekhenne,  gehorsamblich  haimb,  dii 
machen  zum  hosten  wie  es  sein  mag,  dan  ich  geb 

Weitter  khan  E.  Q.  ich  nit  verhalten, 
söhn'  alhie,  wie  mier  alle  seine  leuth  werden 
mhfie  und  arbait  gehabt,  damit  ich  in  zu  ehr  seine 
schafft  in  ofBcio  erhalten  khnndte.  Er  ist  ai-m,  p 
melancolisch  nnd  lasset  sich  allso  an,  das  ich 
böse  schödliche  und  ganz  bschwirliche  melancoli 
khumen,  dan  er  weder  isset  noch  schlaffet,  ist 
wunderbärlich,  wierdt  zimblich  khindisch,  und  t: 
den  anf  die  lezt  sehl  und  leib  schaden.  Wie  hoc 
maln  offendiert,  wi«  er  sich  verhalten,  was  E.  Q 
nussen  haben,  das  wais  ich  thaills  von  E.  G.  s« 
ime  dem  hen-n  Sigmnndten  verstandten.    Das 
zeitten  nngebüerliche  reden  schiessen  lasset,  er 
frau  gemahel,  dadurch  Gott  so  hoch  offendiert,  d 


'  KlesI  war  nSmlich  mittlerweile  za  K.  Bndolfii 
den.    Vgl.  oben  S.  486. 

*  Maria  am  Qestade. 

•  Sigmund.    Vgl.  Kr.  XXXVI. 


571 


barinbbei'zigkhait  verltofTon  khiin,  er  mOeBSo  dan  die  ganz  zeitt  seineb 
lebens  die  »acheu  allso  iinstcllen,  damit  die  ganz  wcltt  erfahr,  das  im  von 
horzfln  laidl  sey.  Er  bewaint  und  erkhennet  seine  Bündt  tag  und  nacht, 
liab  in  ad  coiifesBionem  gebracht  und  was  mier  niüglich  iat  gwösen  go- 
tban.  Gott  wais,  das  E.  6.  reputation  ich  in  alweg  suecbe  and  dieselb 
biss  in  mein  grueben  ehren  und  mitt  willen  nicht  offendiern  will,  aber, 
gnädiger  hcrr,  die  soeben  ist  in  extremis  und  laider  geschoben,  aber  doch 
alleo  das  mich  gedeucht  bCsser  ein  khlainer  dan  ein  unwiderbringliclier 
schaden.  Das  herr  Sigmundt  sich  soll  aufhalten  alhie,  nunquam  suadee, 
daher  khumbt  sein  verdorben,  sonnder  im  war  nuz,  er  thätt  ein  jar  oder 
swai  bncss  und  lernet  die  frembt  und  ellendt  erkliennen,  allain  das  dise 
Bchuldon  thails  und  mit  gelegenhait  von  jar  zu  jar  möchten  bozalt  werden, 
er  bliw  in  oflicio,  lernet  die  armuet,  daneben»  wurde  seinem  namen  und 
ehr  gehollTen;  doch  damit  auch  er  sähe,  das  soUiches  cum  difficultate  zue- 
gieng.  Ich  mains  ainmal  trenhei'zig,  das  wissen  E.  G.,  daher  ich  hoff,  ich 
werde  dieselb  nit  offendiern,  sonnder  irre  ich.  mehr  simplicitati  meac  und 
obligationi  gegen  E.  G.  alls  ainiger  andern  ursach  zueschrcyben.  Ich 
stehe  an,  wais  nit  wie  ich  in  tractiern,  das  negotium  suspendiern,  oder 
was  ich  im  rathen  soll,  vellom  conservare  ipüins  auiuiam  et  honorem  libon- 
ter,  do  es  miiglich  war;  aber  orfiihr  ich,  das  es  wider  E.  ü.  sein  soll,  von 
diser  sachen  mehr  zu  schreyben,  so  verobligier  ich  mich  dieselb  nit  mitt 
ainem  wortt  weitter  zu  behelligen,  und  thuo  E.  G.  in  den  schuz  Gott  dess 
allmächtigen,  mich  alier  zu  dero  bständtigou  gnaden  gehorsamblich  bo- 
vehlen.    Datum  Wien  den  28.  aprilis  a.  88. 

I  E.  G.  gehorsamer  caplan 


M.  Ehlosl  m.  p. 


xxxvin. 

Wien,  1588  October  4. 

Hoch  und  wolgeborner  gnädiger  herr,  E.  Q.  sein  mein  gehorsamb 
schuhiig  und  willig  diennst  zuvor.  Gnädiger  herr,  ich  khan  nit  umbghen, 
£,  G.  zu  behelligen,  weill  ich  derselben  in  der  pnluischeu  tumults  berath- 
scblagung,  do  sy  gleich  zum  bäfftigisten  occupiert  gwesen,  ein  schi-eyben 
von  meinem  gnädigen  forsten  und  herrn  sambt  meinem  zuegeschickht, 
darauf  aber  khain  antwort  bekhumeu  hab.  Ob  nun  dieselben  schreyben 
E.  G.  zuekhumen  sein  oder  nicht,  das  ist  mier  onbewüst,  bitt  E,  G.  die 
wollen  mich  zu  irer  ghar  guetten  gelegenhait  berichten  lassen. 

Ich  bin  Bonsten  von  meinen  zwäen  raissen  von  Passau  widerkhumen, 
auch  daselb  herra  biscboven  frisch  und  gsundt  verlassen,  die  controversiae 

37» 


572 

zwischen  ainem  capitl  and  I.  F.  6.  sein  Gott  '. 
I.  F.  6.  iezunt  bey  gnetter  rhue,  wiewoU  es  in  ^ 
dfierfft  hatt. 

Herr  Maximilian  *  hatt  sich  anf  der  Zeller 
wie  anch  zu  Faden  sehr  frßlich  und  goetter  diu 
laider  nicht  besnechen  khfinnen  wegen  der  so 
nun  bey  2  monatten  khanm  zwen  tag  bin  za 
aber  E.  6.  nit  verhalten,  das  ich  von  ime  herrn 
alls  hab  er  willens  widemm  ghen  Prag  zu  raisen 
aufzuhalten,  das  werden  E.  0.  von  anndern  mefa 
standten  haben.  Ich  thue  aber  alles  ghern,  wac 
mit  er  derselben  khain  ungelegenhait  mache. 

Nenhes  ist  alhie  nichts  dan  das  b&de  sti 
dise  tag  in  meinem  beiwesen  ainhellig  gebeuch 
wollen  anch  bey  dem  h.  catholischen  glauben  le 
leibe  innen  Gott,  amen.  Jeznnt  sein  in  dis 
Ehrembs,  Stain,  S.  PCldten,  Ipps  und  Faden  n 
Ipps  und  Faden  Gott  lob  weil  disponiert  ffindti 
Gottes  dieselb  baldt  zu  reduciern.  Aber  gleich 
dem  lösen  zu  raisen  willens,  da  hangen  I.  D'  mi 
nämblich  das  ich  das  bisthumb  Neustadt  admini 
ich  der  sachen  nachgedacht,  anch  solliche  bede 
mier  nit  allain  bschwerlich  sonnder  schier  unmfl) 
auf  so  gmessne  der  E.  H'  gnädigiste  resolution, 
gethan,  sonnderlich  auf  die  so  starckhe  mitt  mii 
horsamist  mich  so  weitt  erkhlärt,  das  ich  der  K. 
thenigisten  gehorsamisten  ebrn  auf  versueche: 
cum  illa  protostatione,  do  ich  mich  untauglich  w 
mier  zu  Ungnaden  nit  woltten  vermerckhen,  1 
resignieret.  So  mier  aber  der  allerhöchste  anch 
ordnet,  will  ich  in  mitt  gehorsamb  flbernemen,  i 
der  E.  M'  unterthänigist  flberantwortten  und 
abwartten,  dan  ich  vili  lieber  in  ista  simplicit 
gwissen  zu  beladen  begher. 

Noster  Christopherus  ist  vonn  I.  F.  D'  d« 
stundt  gleich  alls  dieselb  in  die  khirchen  zur  m 
Ungnaden  geschafft  worden,  allso  war  im  bOssei 
purg  dan  der  geistlich  i-ath  zu  Salzburg. 


•  Von  Dietrichstein. 


^ 


Pater  Micbael'  schi-eybt  mir  offt  von  E.  G.  gauzo  brief  und  uiiion 
häufen  vun  den  brücdorn,  villeicht  vermaiut  ei-,  das  ich  dicsolbon  schiT^bon 
alle  E.  G.  7,uoschickho  und  sy  maistoin  wöll;  aber  weil)  ich  wais  und  E,  6. 
kheniio,  sti  Wültt  ich  mitt  dergieichon  unzeitigen  schroybon  E.  G.  nit 
ghern  behOlligoo.  Was  ich  aber  inio  F.  Michaeli  von  Coli  aus  goantwui*!, 
wiordt  horr  Maximilian,  doiuD  ich  dassclb  schreyben  gelöBoii,  xuni  böston 
K.  G.  roferieru  khünnen.  Sounsten  thuett  sich  Pater  Michael  E.  G.  go- 
hursamblich  bevehlen. 

Der  auslauf  allhio  zu  den  sectischon  predigen  wiordt  nitgomündtort, 
sonnder  houffet  sich  von  tag  zu  tag;  os  deucht  uiißb  schier,  wier  wollen 
verdrossen  werden,  aber  Gutt  ist  (!)  alle  ding  müglich.  Jeiunt  nit  mehr 
dan  das  ich  E.  G.  in  den  schuz  dess  allerhöchsten,  mich  aber  zu  dero 
gnaden  ganz  geh oi'sam blich  bevehien  thuc.    Datum  Wion  den  4.  octub. 

1      a.  88. 

I  E.  G.  gehorsamer  caplan 

^^^<  H.  Khlesl  m.  p, 

^^  XXXIX. 

^^^  Wien,  1Ö88  October  86. 

~  Hoch  und  wolgebornor  gnädiger  heiT,  E.  G.  sein  mein  gehorsam 

schuldig  und  willig  diennst  zuvor.  Gnädiger  heiT,  E.  G.  schreyben,  dess 
datum  den  11.  octobris  zu  Prag  ist,  hab  ich  erst  gestern  abents  do  ich 
aus  der  Neustatt  khumen  empfangen,  und  bedarf,  gnädiger  herr,  khainor 
entschuldigung,  weill  ich  wais,  dasE.  6.  mier,  wan  sj  schon  nit  antworten, 
nichts  desto  weniger  mitt  bständigen  gnaden  wol  gwögen  verblei  wen. 

I  Mier  ist  allain  umb  das  gwOsen,  das  ich  nit  gewist,  das  E.  G.  meine 
schreyben  zuekhumen  sein;  sonnsten  wan  es  wider  derselben  gelegenhait 
nit  ist,  erfreyen  und  trösten  mich  E.  G.  schreyben  von  herzen.  Unnserem 
herrn  Maximiliano  bab  ich  verscbinen  sambstag  den  bschaidt  anzaigt, 
darauf  er*  sich  dessen  resolviert:   weill  er  sihet,  das  er  nicht  verbunden, 

I  80  wöll  er  die  verenderung  dess  f  (I)  nicht  mehr  urgiern.  sonnder  in  dem 
fall  E.  G.  nit  offendiem.  Was  aber  das  beuratten  betrifft,  khenne  er  sich 
selbst  zum  besten,  so  hetten  im  E.  G.  zuegesagt  der  hcuratt  halben  in  in 
nicht  zu  dringen,  darauf  ich  weitters  nicht  gangen,  sonnder  es  zum  anfang 
füer  gnueg  gehalten;  werden  E.  6.  darüber  denen  sachon  woll  zu  thuu 
wissen;  ich  bin  und  gehör  in  das  haus;  was  E.  G.  schaffen,  wissen  sy 
woll,  das  ich  derselben  geboi'samer  caplan  leb  und  stirb. 


'  Älvarez.    Vgl.  oben  8.  640,  Anm.  6. 
»  Wohl  Sigmund.    Vgl.  Nr.  XXXVI. 


574 

Wegen  der  rais  ghen  Prag  ist  zwischen  ai 
dan  der  herr  in  Hangern  geailt,  hoff  aber  gwi 
seinem  rath  nit  ansschliessen,  so  wierdt  er  von 

Den  herrn  von  Fassao  betreffent,  wais 
derselb  E.  6.  znegschriben,  ansser  dessen  das 
verstehe,  das  aber  so  gwiss  alls  meinen  namen, 
ligkhaiten,  ja  die  allergeringsten  nit,  verhandte 
tentnm  allain  dahin  gstandten  ist  nnd  noch,  E. 
alte  vertranligkhait  zu  bringen,  damit  wan  flbe 
gnetter  frischer  gedächtnns  wären.  Sonsten  1 
Stamberg  nnd  Eoffman  vor  20  jam  anf  die  weil 
thaills  verschwigne  thaills  aber  strittige  leben 
alle  ieznnt  nihig  besizen,  wie  sy  dan  deren 
Steireckh^  herrn  Wolfen  Gerger*  znegehörig,  so 
aber  herr  Gerger  nicht  gständtig,  die  alle  auf  i 
I.  F.  G.  namen  dasselb  bstreitten  wOllen,  ann 
(wie  billich)  I.  F.  G.  den  alten  herrn  von  Harra 
wegs  offendiern  wollen.  Allso  khan  ich  mitt  gu 
schuldigen ,  das  sy  diser  zeitt  gwisslichen  annd( 
haben,  und  glaub  nit,  das  yill  felligkhaiten  sieb 
derst  alls  anf  dise  weiss  znegetragen.  Ich  will 
miers  rerbietten,  nit  uudterlassen  dise  alt  rertr 
erhalten,  damit,  wan  Ober  nacht  ein  gelegenha 
gniessen  khündten;  ad  hnnc  finem  hab  ich  die  i 

ünnsere  Österreicher  sein  mitt  irem 
bschaidt*  ghar  in  der  still  haimbkhnmen,  ich  hi 
disputierlich  in  disen  landen  worden,  ist  khain 
serer  h.  religion  so  nnzlicher  bschsidt  nit  khoi 
herr  geb  allain  die  bstendige  execntion,  dere 
Ordnung  confundiert  werden,  damit  alles  woll 
sollicitiern  und  anbringen  soll  es  gwisslichen  n 

Alhie  sein  die  wein  übl  geratten,  und  ge 
leuth  noch  bey  der  pröss,  do  der  most  herabrini 


'  In  OberOsterreicb. 

'  Brader  des  bereit»  mehrfach  erwühnten  Hein 

'  Vgl.  oben  S.  600,  Anm.  1. 

*  Es  ist  die  kaiserliche  Resolution  vom  28.  S< 
sandten  der  Stände  Adam  v.  Pnchheim  nnd  Fi 
in  Prag  zogestellt,  von  den  Stftnden  aber  erst 
wnide.    Wiener  Hof  bibliothek  Cod.  8314,  foL 


576 

den  eimer;  anf  dem  hTing«rischen,  darinnen  dess  bisthumbs  Neustatt  alle 
wein^arttea  fast  Ugen,  haben  es  die  menss  goessen,  welliche  dennassen 
überhandt  nemen,  das  sy  auch  die  neu  saatt  fressen  nmi  man  iezunt  ein 
neiihes  anbaut,  welliche  mitt  soilicbein  banffen  sich  samblen,  das  etlich 
hundert  in  ninent  grossen  lucb  gfandton  werden,  die  khumen  auch  schon 
hfi'anf  biss  an  die  Scliwoohätt.  ßott  wi'dle  uns  allen  gnädig  sein,  in  Jessen 
gnädigen  schuz  ich  E.  G.  und  alle  die  ii'ige,  midi  aber  zu  derselben  gna- 
den gohorsiunlilidi  bevchlen  thiie.    Datum  Wien,  den  25.  üctob.  a.  88, 

E.  G.  gehorsamer  caplan 

M.  Khlesl  m.  p. 

Ich  bitt  E.  G.  die  wollen  meiner  bey  I.  M'  zu  guetter  gelogenhait 
nit  vergessen,  derentwegen  ich  sy  durch  herrn  Maximiliaiium  ansprechen 
lassen. 

^  XL. 

^^K  Wien,  1688  November  26. 

^^K  Hoch  nnd  wolgeborner  gnädiger  herr,  E.  G.  sein  mein  gehorsam 
schuldig  and  willig  dicnnst  zuvor.  Gnädiger  herr,  ich  bin  gleich  iezunt 
nach  ainer  stuiidt  willens  mich  auf  den  weg  in  die  Nenstatt  zu  machen, 
und  daselb  auf  khunfftigen  pfingstag  wills  Gott  die  reforniation  filer  die 
handt  zu  nemen.  Es  werden  one  zweifl  von  anmlei-n  E.  G.  erindert  wor- 
den sein,  in  was  gferrligkhait  leibs  und  lebens  ich  iezunt  bin,  allenthalben 
lauren  sy  auf  mich  nnd  ist  dos  gschrai  nie  so  gross  gwesen,  aber  ich 
muess  es  Gott  bevehlen  und  ime  danckhen,  der  mier  ire  falsche  listen 
und  practickhen  eröfnet.  Was  ich  aber  bey  diser  ganzen  österreichischen 
refüraiatiDU  vordient,  schickh  derselben  ich  ein  argumentum  von  unserem 
P.  Michaeli '  originaliter  zue,  wie  ghar  der  mensch  das  regiment  und  do- 

*  miniern  nit  lassen  khan,  welliches  mier  gleichwoll  dise  zeitt  auch  von 
etlichen  anndern  aus  irer  societät  geschehen  ist,  welliche  iezunt  nit  allain 
rnhen,  sonnder  die  Sachen  in  öffentlichen  truckh  innen  selbst  zu  spott, 
alls  die  das  contrarium  zuvor  gesagt,  vermelden.  Welliches  als  ich  alls 
von  meinen  praeceptoribus  zu  Vermeidung  mehrer  ergernus  bis  daher  mitt 
gedult  ausgestandten,  und  vill  mehr  in  effectu  das  contrarium  beweissen 
wollen,  aber  lieber  Oott,  das  ich  auch  ainem  yedlichen  soll  undterworiTon 
sein,  das  will  mier  schier  zn  stnrckh  werden.  Hab  allso  niemants,  dem 
ich  ea  khlag  alls  E.G.  und  borrn  Bumpfen,^  meinen  gnädigen  herrnen; 


'  Jesuit  AlvareK.    Vgl.  oben  8.  640,  Anm.  6. 
»  Vgl.  oben  8.  499,  Anm.  1. 


676 

wo  ich  mein  mundt  will  aufthun,  da  mns  ich  etgemas  halben  bill 
schweigen,  dan  ich  mehr  guetts  von  diser  societ&t  empfangen  hab,  i 
ich  bezallen  khan.  Was  ich  aber  disem  jesniter  geantwortet,  haben  E. 
hiebey  auch  za  vernemen,  alles  zu  dem  endt,  weill  ich  allenthalben  w 
angriffen,  das  man  mich  nit  etwan  auch  bey  E.  0.  verunglimpfen  wolt 
wiewoll  ich  bey  derselben  versichert  bin.  und  bitt  E.  6.  ganz  geh« 
samblich  sy  woltten  mich  data  bona  occasione  bey  herrn  nnncio  com« 
diem,  das,  wie  zu  zeitten  man  leuth  fflndt,  wo  dieser  P.  Michael  an 
khumen  war,  ich  dennoch  dämmen  gehört  wurde,  wie  woU  ich  nit  hofl 
will,  das  herr  nnncins  dergleichen  sachen  glauben  sezen  soltt;  do  erat 
nichts  soll  wissen,  wie  ich  ans  I.  G.  schreyben  nichts  vermnetten  klu 
so  ist  dennoch  auf  khunfftiges  nit  schädlich.  Allso  trag  ich  billich  soi 
es  möchte  I.  6.  mein  gnädiger  herr  durch  die  miti,  welliche  dergleich 
leuth  sehr  im  brauch  haben,  der  herr  Bumpf  flbl  informiert  werden; 
bitt  E.  G.  ich  gehorsamblich,  sy  woltten  dennoch  ine,  so  etwas  daran,  me 
antwort  lesen  lassen.  Woltte  Gott  unsere  sachen  stundten  allso,  das  wi 
undter  ainst  alles  recht  machen  khundten,  aber  es  ist  iecnnt  nit  zei 
wie  dan  ieznnt  in  die  40  landtlenth  wegen  der  khayserlichen  resolutic 
und  dess  Praggerischen  bschaidts  ^  alhie  in  starckher  berathschlagnng  ni 
versamblnng  sein,  sich  auch  mitt  ernst  nmb  ir  sachen  annemen.  üi 
ob  woU  nit  zu  zweiflen,  die  göttliche  M*  werde  es  alles  snm  hosten  wei 
den,  so  mnes  man  doch  die  mitl  und  den  verstandt  brauchen  und  nit  al 
ding  in  lufft  handien.  Herr  Maximilian  ist  frisch  auf,  hatt  ein  wail  na« 
Prag  postiern  wollen,  desswegen  das  E.  G.  ime  nichts  geschriben,  w 
ich  hör,  so  stelle  er  es  ein.  und  thue  E.  G.  hiemit  sambt  derselbe 
gmahel  in  göttlichen  schuz  und  bewahrung,  mich  aber  zn  dero  gnade 
gehorsamblich  bevehlen.   Datum  Wien,  den  26.  novembris  a.  88. 

E.  G.  gehorsamer  caplan 

M.  Ehlesl  m.  p. 

XLI. 

Wien,  1689  Febmar  18. 

Hoch  und  wolgeborner  gnädiger  herr,  E.  G.  sein  mein  gehorsan 
schuldig  unnd  willig  diennst  zuvor.  Gnädiger  herr,  ich  hab  mitt  sonnder 
höchsten  freyden  derselben  gsnndthait  veratandten,  und  will  die  sache 
derhalben  nit  disputiern,  weill  der  effectus,  dem  ewigen  Gott  sey  danck 
gesagt,  orvolget,  der  wolle  E.  G.  ad  multos  annos  nach  seinem  willen  ei 


Vgl.  oben  8.  674,  Anm.  4. 


577 


halten.  Ich  bin  meines  leibs  halben  ghar  flbl  auf  und  donnasson  auf- 
gearbait,  alls  war  ich  vill  jar  all;,  iczunt  wier  ich,  a!ls  ich  zum  storckhistcn 
sein  üoll,  über  alle  mt>ine  so  starckho  entschuldigung  von  I.  D'  ghen 
Ebrembs  und  Stain  gnädigist  dise  faston  verordnet,  und  ob  ich  woU  die 
grosso  gferrligkbait  leibs  und  lobens  daselh  waia,  so  thuo  ich  ea  desto  bil- 
licher,  weill  es  uipin  beruef  erfordert  und  ich  os  meiiiom  vatteriant  zu  thun 
schuldig  bin,  allain  wier  ich  disen  sturmb,  welliche  schon  vill  angoloffou, 
leibsunvermügligtthait  halben  schwärlich  khCinnen  ausstehen,  iedoch  trau 
und  bau  ich  auf  den  so  mich  sterckhet,  und  hitt  E.  Q.  die  woUon  sambt 
ircm  gmahcl  meiner  gnädigen  fraucn  und  herrn  Maximiliano  in  irem  ge- 
bett  nner  mitt  ainem  ave  Maria  lassen  bcvuhlen  sein,  dan  ich  mich  ge- 
troste solliches  werde  mier  ghar  vill  hclffen.  Pater  Michael'  batt  inier 
widerum  ghar  ein  böses  briell  zuegeschriben,  das  ligt  auf  dem  tisch,  hoff 
er  soll  entlich  mflett  werden,  dai-zue  ime  mein  stilschweigen  wierdt  ur- 
sach  geben. 

In  anndern  soeben,  gnädiger  herr,  fahreu  wier  alhie  zimblich  fortt 
und  ghehet  uns  nichts  alls  die  continuation  ab,  welliuhe  das  religionwüsen 
ci'fordei-t,  dan  so  baldt  mau  dem  feuudt  rhue  lasset,  ist  in  sich  zu  sterckheu 
gelegenhait  geben,  villeicbt  wierdt  es  einmal  geändteret.  Damit  thue 
E.  0.  ich  mich  gehorsamblich  bevohlen,  mitt  bitt  dieselb  wollen  irem 
gmahel  und  herrn  söhn  meinen  gehorsamen  grueas  vermeliien.  Datum 
Wien  den  18.  febr.  a.  89. 


E.  G.  gehorsamer  caplan 


M.  Ehlesl  m.  p. 


XLH. 

Wien,  1689  Mira  8. 

Hoch  und  wolgebomer  gn&diger  herr,  E.  6.  sein  mein  gehorsam 
dienst  zuvor.  Gnädiger  herr,  derselben  schreyben  den  24.  februarii  datiert 
hab  ich  den  4.  martii,  alls  ich  widerum  von  Fassau  khumen,  empfangen 
und  bedanckh  mich  dess  ao  gnodigen  erbietens  ganz  gehorsamblich,  wie 
ich  mich  dan  änderst  niemaln  versehen,  im  werckh  auch  erfahrn  hab, 
Gott  geb,  das  ich  es  widerum  verdienen  khünno.  Mein  raiss  ghen  Khrembs  ^ 
ist  auf  so  ernstlichen  I.  D'  bevelich  woU  forttgangen,  was  aber  dieselb 
füer  ainen  bluettigen  ansgang  schier  genumen,  werden  E.  G.  zweifle  on 
von  anndern  berichts  empfangen  haben.   Sovül  allain  ist  es  in  summa 


*  Alvarez.    Vgl.  oben  S.  640,  Anm.  6. 

*  Vgl.  über  die  tumultuarigcben  VorgSuge  in  Krems  Kertcbbanmer,  a.  a.  O. 
S.  27  f. 

AtohiT.  LXIZVIU.Bd.  n.  Hilft«.  38 


Mspua 
hderi^ 

tlicto  J 


678 

im  iah-aiinHBliiwiÜtt  dem  leben  bin  davon  kfinmcn.  d&n  a)!s  ich  11 
wdmjbtai  dem  nfii  m  Klirembs  Qberantwortet,  diser  die  gm%iE,  «dupltit 
Mlmi'die  gmain  auf  dam  näaoB  alriwMt 
aiiiam  aidt  Terbondten,  laib  nndielMa  Mi^uuMbraaJ 
gMfpanrt,  in  tath  gedrungen,  sy  a ollen  innen  die  BchlQssl  zum  Ms^mM 
UUL  thftarnai  geben,  oder  gj  wollen  handt  anlegen,  dessea  sich  i«  i 
•Bfawholdigat  nnd  sovill  mQglicb  abgewieen.  Sy  aber  haben  mich  j 
auf  ein  nenhes  sieb  rerobligiert,  das  sj  mich  zertretteti,  berai^i 
kragen,  in  Btuclchen  zerreissen  etc.,  wie  solliches  die  au»eag  etlictoi 
dem  nth  mitt  sich  bringet.  Do  nun  bade  statt  Stain  and  Kbrembi  u 
erdine  auf  mich  warttent  und  sich  nit  abtreiben  lassen,  sonatell 
latentom  in  das  wenUi  ridrtte  wgUen,  Mn  fall  im  QaHea  «a— *■ 
mitten  doreh  sy  in  ainam  magtOaBeBiragwi  küuMuidtaaMB,  mdiri* 
so  Mantem  in  dea  vw  Faaaan  atatt  aalnettihMroaik  aIhvfknIfiB 
Terrsist  und  I.  D'  solliches  gehorsamiat  nferiart,  dte  «i  aa  LViV 
disem  aignen  oniler  gdaagan  laaaea.  Was  «na,  awf  ^mrhuHmt^ 
rahet,  khflnnen  E.  G.  leidittiflh  rtnemen,  das  Mitt  iSmt.  mät,  äA  tk 
statt  und  maitAiht  naeh  der  andern  Teniänan  Inaaet,  wad  aaea^^MaB 
finistreetat  greüten  will.  Das  hab  E.  6.  ibhmagwiwwiiuijfanjl»  "'*^ 
aonderlidi  weill  dise  saehen  ieznnfc  }Mif  aigaan  «ozier  md»  dbr  K.  K*  gri' 
digisten  i«Bolation  naeh  Prag  gaaehlekbt  «iardt,  damit  B.  G.  dataaHiriw 
alU  ein  glidt  der  khirchen  was  sy  nner  khflnnen  beffterdem  helffiaa.  Ual 
thae  derselben  mich  zu  gnaden  gehorsamblich  bevehlent,  mitt  bitt,  1. 6- 
wollten  Iren  gmahel  mein  gnädige  frau  und  gehorsamen  söhn  hermHtii- 
milian  Ton  meinetwegen  grüessen  und  irem  and&chti^en  gebett  bareUea. 
Datum  Wien  den  8.  febr.  (!)^  a.  89. 

E.  0.  gehorsamer  caplan 

H.KhleBlB.p. 

XLm. 

Wien,  1689  DeoMnb«  U. 

Hoch  und  wolgebomer  gnädiger  herr,  E.  Q.  sein  mein  gelxffsuiiM 
diennst  zuvor.  Gnädiger  herr,  derselben  schreyben  in  die  S.  AndicM 
datiert  hab  ich  mitt  freyden  gestern  abents  empfangen,  weill  dasselbTOB 
mitt  trost  und  gnaden,  hab  ich  desto  mehr  orsach  mich  erstlich  pro  domo  du 


Nachdem  dieser  Brief  die  Antwort  aaf  Oietriehatain'a  SelmibMi  vm 
24.  Febmar,  das  Elesl  am  4.  MUn  erhalten  hatte,  wiid  es  obae  Zwaütl 
März  heissen  sollen. 


wie  ain  maurn  zu  sßzon  mich  auch  davon  dise  wollen  desto  weniger  ab- 
halten zu  hissen,  weil!  ich  siho,  dns  mein  heix  sich  allain  stellet  alls  waa 
er  schlief  and  doch  in  warliait  allain  das  vertrauen  und  die  zutlucht  zu 
ime  snechet  und  ennumlern  will.  Darumen  ich  billich  auch  mehrer  herz  in 
disem  streitt  haben  soll,  weill  ich  täglich  die  gwaltige  handt  Gottes  em- 
pfündto,  und  sihe,  das  B.  G.  mich  zu  disem  khampff  mitt  trost  und  bei- 
standt  animiern.  Sein  allso  dieselb  von  mier  versichert,  das  ich,  so  lang  ein 
adem  sich  in  meinem  leih  rflert  und  ich  den  athen  empfündte,  mitt  Gottes 
gnadt  nit  will  aussezen,  sonnder  oportune  et  importune  omnem  lapidem 
moviern,  wie  der  feundt  sein  ßterckh  möchte  mehr  und  mehr  verlieren, 
darzue  helf  uns  unnser  lieber  hen\ 

Was  den  bewußten  vom  adl  anlangdt,  worden  E.  G.  wils  Gott  von 
mier  ein  ganze  historien  vernemen  und  gleich  wie  ein  öffentlichen  khampf, 
den  ich  nnd  der  teufl  umb  dise  sehlen  gehabt,  mit  last  vorstehen.  Tan- 
dem veritas  vicit,  und  hatt  mier  diser  redliche  vom  adl  den  1.  decembris 
in  der  Neustatt  gebeucht,  sein  haeresin  abiuriert  und  aus  meinen  handten 
das  h.  sacrament  sub  una  empfangen.  Gott  dem  alle  ehr  sey  wOll  in 
sterckhen,  E.  G.  aber  denselben  mitt  gnaden,  weill  er  von  allen  wierdt 
verracht  werden,  lassen  bevohlen  sein  und  noch  (wie  er  mich  häfftig  ge- 
betten)  allain  bey  ir  der  frauen  und  herrn  Maximilian  bleiwen. 

Das  mier  der  magister,  so  bekhert  worden,  communiciert,  dasselb 
hab  dem  alt«n  herru  von  Harrach '  ich  znegestelt  und  schickh  E.  G.  hie- 
nebeus  ein  exemplar.  Dise  lenth  suechen  bey  calvinischen  und  flaccianern 
wider  I.  M'  hilff,  glaub,  wan  der  teufl  selbst  verhandten  war  und  soll  nuer 
wider  I.  M'  innen  helffen,  sy  wurden  in  ersnechen.  Noch  brangt  man 
mitt  denen  lenthen,  und  fündten  mitt  disem  modo  nuer  mehr  gnadt,  so 
lang  biss  sy  I.  M*  allen  gwalt  guumen  haben,  das  wier  ire  knecht  werden, 
deren  doch  maistes  thaills  aintweders  lautter  betler  oder  doch  durch  hilff 
derer  herrn  alleo  auf  khumen  sein.  lezunt  sehen  I.  DV,  das  mein  prophezei 
wahr  ist  und  die  Sierningerischen  paurn^  nit  allain  widerumb  in  hard- 
nisch  sein,  sonder  lautter  schreyben,  do  man  innen  ainen  ainigen  men- 
schen mehr  einzQhen  werde,  wollen  sy  alle  cl6ster  blindem  welliche  noch 
überig.  Ällso  geschiecht  es,  wo  man  unnser  feundt  guettbedunckhen 
approbiert  und  nicht  verdächtig  hältt. 

Was  nun  lezlich  K.  G.  raiss  belangdt,  soll  die  von  meinem  mundt 
khainem  menschen  communiciert  werden,  wie  ich  dan  mit  meiner  raiss 


»  Vgl.  oben  8.  600,  Anm.  1. 

*  Ober  deu  Aufruhr  der  Sieminger  vgl.  Pritz,  Geachichte  dea  Landes  ob 
der  Eaoi  U,  1847,  8.  281  f. 

38« 


Itstill  procedier,  dsB  es  biss  daher  khain  menäch  waU.  Aber  m  Png 
üeln  on  E.G.  wäi'  mior  wie  ainem  iu'mon  »chäfl,  das  sein  liierdteu  udJ 
einem  der  seia  khopf  nit  hett,  darnmon  biingt  mich  khain  raenBoh  oo 
E.  G.  bin,  es  war  mier  ain  tag  lengordan  sonsteii  ein  14,  suiiderlkb  wtiti 
ich  waiB,  das  bey  E.  G.  ich  dahatmbt  bin  und  ins  baus  gehdr,  auch  »iiUicb« 
lieb  und  gaadt  deren  sie  sich  gegen  mier  uawierdig'en  nit  altain  in  lütm 
E.  G.  und  allen  andern  schreybeu  erkhlärt,  sonnder  offBiitlich  im  werekii 
gegen  mier  demonatriert  haben,  danuiib  ich  in  ewigtfaaidt  E.  G.  oBdallrr 
derselben  an  gehörigen  aigner  und  verpftichter  dieoer  bleiw,  derhalbpn 
will  ich  micb  auf  dieselb  zeiU  gefast  macbeu  und  amdter  dem  $cb«iii  liüs 
woltte  ich  dloielb  einmal  haimbsuechen  von  binnen  gben  Mckhlspiirf, 
leb  ich  und  bin  gsundt,  Terraisen.  Es  haben  mich  I.  D'  gnädigist  m- 
sprechen  lassen,  ich  soll  mich  ante  festum  circumcisionis  wegen  der  nÜa- 
vabln  80  hinnndwider  geschehen  und  ich  darauf  berichten  moes,  um 
binnen  nit  begeben,  wellicbes  mier  ieiunt  zu  meiner  grossen  gelef«Dliait 
geraichet,  Bedanckh  micb  gegen  E.  Q,  ganz  geboi'samblich.  das  sf  midi 
allso  gnädig  wüllen  au&iemen,  wi(er)  mich  allso  verhalten  das  E.  G.  s>.il}n 
gnädig  znfriden  sein.  Und  bitt  di(e8elb)  ganz  geh ors&m blich,  sy  »ollen 
ir  die  allergeringist  ungelegenhait  von  meinetwegen  nit  machen,  mich 
fQor  den  wie  sy  mich  im  herzen  khennen  haltten,  dan  ich  mein  rosi  ODiJ 
wogen  hab,  und  mier  wierdt  gnneg  anch  mehr  alls  zuvill  sein,  wan  icii 
nner  mitt  E.  G.  gleiche  tagraiss  machen  nnd  E.  G.  von  fernen  mittireii 
häufen  sehen  und  auffwartten  khan.  Soiinsten  worden  mier  E.  6.  müt 
Irer  ungelegenhait,  die  sy  Ton  meinetwegen  thätten,  mehr  nngnadt  te 
gnadt  eraaigen.  Und  thne  E.  ß.  mich  gehorsamblicb  bevehlen  mitt  ondw- 
thfiniger  danckhaagung,  das  I.  6.,  die  firan  und  herr  Maximilian  dennodi 
meiner  noch  gedenckhen.  Aber  was  ich  thne  in  meinem  armen  geb^ 
thne  ich  schnldig  uid  gliar  ^1  za  wenig,  bitt  E.  Q.  die  wollen  mich  LG. 
der  franen  und  herrn  Maximilian  neben  erbiettung  meines  eilenden  ge- 
betts  und  gehorsamen  dienst  bevefalen.  Wien  den  11.  decembris  a.  8$. 

E.  6.  gehorsamber  caplan 

H.  EhlesI  m.  p. 


fHnifil 

J  tlOS  001  3S3  SH7 


STANFORD  UNIVERSITY  UBRAI 

Stanford,  California         ^