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Archiv
fllr
Österreichische Oeschichte.
Herausgegeben
Ton in
zur Pfl^e vaterländischer GeseMchte aufgestellten Commission
dar
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Siebenundachtzigster Band.
Erste Hftlfte.
Wien, 1899.'/
In Commission bei Carl Gerold's Sohn
■»rthliicllir tn >»!«. Itafliwii im rntttmiOaltm.
Draek tob Adolf Holshaaien,
k nd fe Bat- «aa VninnttlU-BMhdnacar te WtM.
Inhftlt des siebennndachtzlgsten Bandes.
Ente HSlfte.
Die KSmten-Krainer Frs^ und die Territorialpolitik der ersten Habt-
bai^r in Oesterreich. Von Dr. Alfona Dopsch 1
Die Organisation des evangeliachen Eirchenwesens im Enheraogthnm
Oeaterreich n. d. Enns ron der Ertheilnng der Belifriona-Concenion
bis zn Kaiser Maximilians 11. Tode (1668 — 1676). Ton Dr. Victor
Bibl 118
Itinerarinm Maximiliani I. 1608—1618. Mit -einleitenden Bemerkungen
über das Kanzleiwesen Maximilians I. Herausgegeben von Victor
y. Kraus 229
DIE
KÄRNTEN-KRAINER FRAGE
UND
DIE TEMITOßlALPOLITIK
DER
ERSTEN HABSBURGER
IN ÖSTEEEEICH.
VON
D'' ALFONS DOPSCH,
PROrESSOR ÄH DER WIEHER UNIVERSITÄT
ArehiT. LXXXVU. Bud. I. HUfte.
Unter den grossen politischen Problemen, welche die
Wahl Rudolfs von Habsbiirg auiu deutschen König aufwarf,
musste dem Neugewähiten selbst die Regelung der südost-
dcutscbcn Herrschaftsverhältnisse als besonders vital sieh dar-
stellen. Denn zu derselben Zeit, als Rudolf zum deutschen
König ausgerufen wurde, stand Otakar von Böhmen auf dem
Ilöhepunkte seiner Macht (1273). Er war auch der Einzige,
welcher Rudolf als König nicht anei-kannte, ja gegen dessen
Wahl förmlich Protest erhob. Die gewaltige TerritorialheiT-
schaft, die er im Angesichte einer ohnmächtigen Reichsgcwalt
Qber den Südosten Deutschlands hin auf Kosten des Reiches
zu Unrecht aufgerichtet hatte, war mit dem neuen, allgemein
anerkannten deutschen Königthuui schlechterdings unvereinbar.
Sollte dasselbe denn dauernd zur Machtlosigkeit cingescbriinkt
bleibeni' Nur wenn durch Rückgewinnung der dem Reiche
entfremdeten Länder die Eindämmung jener seiner gefUhrlichsten
Gegenmacht gelang, war Rudolfs Reichsgewalt eine Zukunft
beschieden. Diese Ueberzeugung musste sich ihm unmittelbar
aufdrängen. Eine Auseinandersetzung war absolut nothwendig.
Aber sie konnte selbst nur der erste Schritt zur Lösung des
Qesammtproblems sein. Aus der Erledigung eines so bedeu-
tenden Länderbesitzes resultirte die vielleicht noch schwierigere
Frage, wer diese Länder in Zukunft dauernd und zu Recht
besitzen sollte. Ihre Lösung musste ftir die ganze nachfolgende
Entwicklung von der weittragendsten Bedeutung werden. Neben
der specifisch österreichischen Frage erhob sich eine solche auch
hinsichtÜch Kärntcn-Krains. Die Lösung der politischen Frage
war gegeben, sobald man die Rechtsfrage aufwarf. In nega
tiver Beziehung mindestens. Denn hatte Otakar Oesterreich
und die Steiermark in einer rechtlich nicht unanfechtbaren
Weise in Besitz genommen, so war er bei der Erwerbung
Kärnten-Krains geradezu gewaltüiätig vorgegangen.
N*turj^nu8ss konnte bei der definitiven Regelung dieser
Vorl»*luüs*o, die ob ihrer Schwierigkeit grossartige politische
"IVansaotionon erforderte, nicht die Rechtsfrage allein in Be-
tntoht koiumon. Es wirkten dabei selbstverständlich auch po-
Utii'vho KrwÄgungon und Rücksichten persönlicher Art mit, in
dvm Masse, als der gesicherte Besitz dieser Länder ein con-
stituirtMulos Element für die Gestaltung der Machtfrage in
IVutsi'hland bildete.
Der Kärnten-Krainer Frage ist bis jetzt keine zusammen-
hängende Untersuchung zu Theil geworden. ' Man hat lediglich
oinon Punkt derselben, die Belohnung der Habsburger mit
Kärnten, besonders behandelt, das Uebrige aber nur insofern,
als die literarische Polemik, welche über die sogenannte Kärntner
Bolehnungsfrage entstand, zu näherem Eingehen auf die Kärntner
Verhältnisse um jene Zeit führte. Auf die bedeutsame Rolle,
die Krain dabei gespielt hat, ist man nicht eigentlich auftnerk-
sam geworden.
Indem ich nun versuche, den ganzen Complex dieser
Kragen im Zusammenhange darzustellen,* ist es nothwendig,
eingangs etwas weiter auszugreifen.
Die Kärnten-Krainer Frage reicht weiter zurück, als man
gemeinhin annehmen möchte; sie wird erst recht verständlich,
wenn man die weite Verzweigung ihrer Details auf die Wurzel
zurückverfolgt. Entsprechend der Vielgestaltigkeit und grossen
Verschiedenheit der Besitz- und Herrschaftsverhältnisse in diesen
Ländern ist eine Vielheit von Einflüssen und Motiven dabei
' In jttugtiter Zeit haben darüber gehandelt: E. Katz, Der Gang der Er-
werbung Kärntens dnrch die Habsbarger nnd die sagenhaften Heeres-
zOge der Margaretha Maaltasch. Programm des Gymnasiums zu St. Paul
1897 und 1898, und F. O. Hann, Wie Kärnten an das Haus Habsburg
kam. Carinthia I, 88 (1898), 161 ff. Beide Darstellungen sind, da sie
weder auf die Quellen selbst zurückgehen, noch etwas Neues bieten, im
Folgenden nnberücksichtigt geblieben.
* Es sei mir an dieser Stelle verstattet, der freundlichen ünterstOtzang
auch zu gedenken, die mir bei dieser Arbeit zu Theil wurde. Vor Allem
fühle ich mich Herrn Prof. Dr. Oswald Redlich, dem besten Kenner
dieser Zeiten, zu grossem Danke verpflichtet; er hat mir auch seine
handschriftlichen Materialien zur Verfügung gestellt; femer Herrn A.
Rittor V. Jaksch, Landesarchivar von Kärnten, und Herrn A. Anthony
V. Siegenfeld im k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien, die
beide meine archivalischen Forschungen wesentlich gefordert haben.
6
wirksam geworden, welche die Entwicklung dieser Frage we-
sentlich bestimmten. Wie die Landkarte Kärnten Krains von
damals, bieten diese historischen EinzelzUge ein buntes Mosaik
dar, dessen Gesamnitwirkung überrascht. Sie sind cluiraktc-
ristisch ftir die territorialgcschichtlichc Entwicklung überhaupt
ebenso wie die Rechtsfragen, die sich erhoben, in der Begrün-
dung sowohl als in ihrer Lösung nicht uninteressant erscheinen
mögen ftir die Geschichte des deutschen Territorial-Staatsrechtes.
Die Neugestaltung dieser Länder in staatsrechtlicher Beziehung,
mit der diese Entwicklung abschiiesst, verdient besondere Be-
achtung. Auch die Kärntner Belelmungsfrage selbst erfährt
eben in diesem Zusammenhange eine eigenartige Beleuchtung.
Im Hintergrunde dieses farbenreichen Bildes aber wird
die Persönlichkeit Rudolfs deutlich, der mit ungemeinem poli-
tischen Geschick diese schwierigen, vielgestaltigen und überaus
verwickelten Verhältnisse zur glücklichen Lösung brachte und
djunit sein ausserordentliches staatsmännisches Talent auch hier
^ grossartig bethätigte.
M Anders als in Oesterreich und Steiermark lagen die Ver-
hältnisse in Kärnten und Krain, als mit der Rückforderung
dieser Länder an das Reich die Besitzrechte (.Hakars ange-
fochten wurden und die Frage sich erhob, wer in Zukunft
H dieselben zu Recht besitzen sollte. Dort war das legitime
Herzogageachlecht der Babcnberger im Mannsstamrae thatsäch-
lich erloschen, den überlebenden weiblichen Seitenverwandten
aber stand bei dem Mangel der Collatoralcrbfolgo ein Suc-
■ eeflflionsrecht nicht zu. Otakar hatte das Land über Einladung
etoes Theiles der Landesgrossen (1251) in Besitz genommen
ond nachher (1252) durch seine Vermählung mit Margaretha,
»der Schwester des letzten Babenbergers, die immerhin von der
^öffentlichen Meinung im Lande als , wahrer Erbe' angesehen
wurde, sowie durch die allerdings nicht verfassiugsmässig voll-
xogone Belehnung König Richards (1262) da wenigstens den
Schein des Rechtes zu wahren gesucht.
In Kärnten ■ Krain dagegen lebte noch ein männlicher
echter Sprössling des alten Herzogsgeschlechtes der Sponhcimer:
Philipp, der Bruder des letzten Herzogs Ulrich III., der 1269
I
I
kinilurl(>8 guBtorben war. Er durfte durchaus als erbberechtigt
golton. Denn er war 1249 nicht nur zugleich mit seinem
lirudor von KOnig Wilhelm zu gesummter Hand mit diesen
Lllndorn bolclint, sondern gleichzeitig damit auch bevorrechtet
worden, dass er dieselben unbeschadet seiner geistlichen Würde
bnNitzcn solle, falls sein Bruder ohne entsprechende Nach-
kommenschaft sterbe. ' ( Jtakar konnte seine Ansprüche nur auf
eine testamentarische Verfügung stützen, zu der er Ulrich kurz
vor dessen Tod vermocht hatte.* Eine Ucbertragung von Seiten
Reiches aber hatte nicht stattgefunden. Sicherlich konnte
lem TcBtamente Ulrichs, durch das er Otakar zum Erben
aoiner Lilndcr einsetzte, der rechtlichen Natur jenes Besitzes
nach nur eine beschränkte Recht.swirksamkcit zukommen. Allein
in joner Zeit, da die Reichsgewalt des deutschen Königs blos
auf dem Papiere stand, mochte dasselbe praktisch nicht oline
Worlh sein. Konnte auch Ulrich ein Verftlgungsrecht über
die Rcichslchen, welche er innehatte, das heisst also auch das
llerzogthum selbst , überhaupt niuht in Anspruch nehmen, so
waren dieselben auch filr den factischen Besitz jener Länder
damals sicherlich nicht mehr die Hauptsache. Man wird ftlr
die richtige Beurtheilung dieser Verhilltnisse und insbesonders
der Besitzfrage das Gewicht richtig abschätzen müssen, mit dem
die einzelnen Ilcrrschaftscomponenten in die Wagschalo fielen.
Die territoriale Entwicklung von Kärnten und Krain, die
Besitz- und Herrschaftsvorhilltnisse in diesen Ländern sich zu
vergegcnwftrtigen, " scheint mir hier besonders geboten, da
damit am besten jene Abschätzung ermöglicht wird. Vor Allem
ist festzuhalten, dass sowohl der territoriale Zusamraonschluss
nach aussen, als die Consulidirung der Herrschaftsgewalt nach
innen keineswegs an weit gediehen war als etwa in Ocsterreich
und der Steiermark. Die historische Vergangenheit hier und
dort war eine grundverschiedene. Dort hatte die Thatsachc,
dass ein und dasselbe Qeschlecht sich — zunächst ohne Erb-
■ Vgl. die Urkunde KOuig Wilbelnu vum 21. Muri 1-249 (BOUmer, Acta
inip. 2U7), über (loroii Eclitkait J. Fiükor, Ueivlisfilrxttiiüttniiil I, 255 f., uud
in dcNselbou Boiträge xiir UrkunJunlebre 1, 'ilH, ifuliitiiilolt hat.
' Uodruukt boi ticbiimi, Archiv filr Heimatlduide 1, 79.
' Vgl. dnrflber im Allgumuiuou v Kroucä, Uie duiiUche Bmtiedoliiug der
Ostlicbeu Alpeuländer, iotbusoudere Stoiermarkti, Kärntenii und Kraiiui,
nach ihren genchit-btlichen uud Ortlichen Verhältnissen. Stuttgart 1889.
recht — nicht nur fortlaufend im Besitz der Markgrafachaft zu
halten verstand, sondern auch durch zwoiundeinhalb Jahr-
hunderte stets ttber eine kritftige Naclikoniincnscliaft verfügte,
an sich ein stetiges Anwachsen der Macht desselben zur Folge
gehabt, durch fortgesetzte Erworbung von Grundbesitz sowohl,
als durch Festigung der Amtsgewalt. Hier musstc der häufige
Wechsel der Herzoge, der zum Thcii aus persiinliehcn Rück-
sichten nothwendig ward, und das wicdei'holtc Erlöschen dos
hcrzogUchen Hauses einer so geradlinig aufsteigenden Ent-
wicklung von vornherein hemmend entgegenstehen.
Und wenn auch der Umstand, dass in Kärnten die her-
zogliche Gewalt bereits viel länger als dort bestand, den In-
habern derselben ursprünglich eine grüssere Fülle von Rechten
sicherte, so will das gegenüber den Vortheilen, welche die in
Oeaterreich bestehende Markverfassung in sich schloss, wenig
bedeaten, umsomehr, als dieselben auch nach der Erhebung
Oeeterreichs zum Herzogthum fortdauernd nachwirkten (Mark-
h«raogthum). ' Das Interesse, welches die lieichsgewalt aus
politischen Rücksichten (die Bedeutung der Mark als Gronz-
bollwerk) au der Erslarkung einer concentrirtcn Amtsgewalt
dort hatte, sicherte die Inhaber derselben nicht nur vor dem
bestehenden Leihezwang der Grafschaftsrechte innerhalb ilires
Bezirkes, es legte zugleich dem Künigthum eine gewisse Zurück-
haltung in der Eilheilung von Immunitätsrechten daselbst auf.
Und wahrend so die Bildung reichsunmittelbarer Grafschaften
dort vorhindert ward, vermochte auch die Immunität, da nach
der Erhebung Oestcrreichs zum lierzogthume die Inhaber des-
Belben das Exemtionsrecht für sich in Anspruch nahmen,
nicht jene zersetzenden Wirkungen auf die Zersplitterung in
territorialer Beziehung zu äussern als anderswo. Die also exi-
mirten Kirchen und deren Besitz blieben landsilssig und damit
von der Gewalt des Landesherrn bis zu einem gewissen Grade
abhängig.
In Kärnten dagegen, dem Herzogthume selbst — die dazu
ursprUngUch gehörenden Marken wurden allniUlig abgegliedert
— war, da es vermöge seiner Verfassung jener Vortheile nicht
' \fl. flb«r dies uud dos B^olgoude U. Brunuer, Du gericbtliche EUem-
tioiurecbt der Babeuberger, iu den SiUnugsber. der Wiener Alutd. 47,
SSO ff.
tlieilhaftig ward, nicht nur dio Möglichkeit zur Entstehung reichs-
unmittclbarov Grafschaften innerhallj seiner Greuzen gegeben,
es hatte auch die Immunililt hier eine ganz andere, der Aus-
bildung einer geschlossenen Territorialgewalt abtriigliehc Be-
deutung.
Zunächst hat das Erliischen des Kärntner Herzogshauses
der Eppcnsteiner (1122) durch Vererbimg weit ausgedehnter
Eigengliter desselben an die trauogaiüschen Otakare niclit nur
zur Vcrsclbständigung der Kärntner Mark und zur späteren
Entstehung des steirisehen Herzogthums den Anlass gegeben,'
CS wurde damit zugleich auch der Grund gelogt zur nach-
maligen Erwerbung von Eigengütern in Kärnten seitens der
üsteiTeichischen Herzoge. Sie, die Babenberger, haben mit
dem Erlöschen des steirisehen Herzogsgcschleehtes als dessen
Erben auch die Besitzungen jener in Kärnten liberkommen
(1192).»
Neben den Öponhoimern, den Nachfolgern der Eppen-
steiner im Kärntner Herzogthume, treten so alimälig iui 13. Jahr-
hundert eine Reihe von an sich reichsunmittelbaren Geschlech-
tern hei-vor, die beträchtlichen Eigenbesitz in Kärnten inne-
hatten. Nicht nur die österreichischen Babenberger. Vor Allem
waren dort auch die Görzer Grafen reich begütert, im Puster-
thal, das damals noch zu Kärnten gerechnet wurde, ebensowohl
wie im oberen Drauthal, im Jaun-, Gail- und im MiiUthal,-'
Ferner kamen besonders noch die Grafen von Orten bürg in
Betracht. Ihre Besitzungen* lagen hauptsächlich im oberen
Drauthal.
Auch die Grafen von Steruberg waren damals noch
in weniger abhängiger Stellung, da sie erst im 14. Jahrhundert
ihren Besitz den Kärntner Herzogen zu Lehen aullrugeu.^
' Vgl. Zaliii iu der FtMteclirift zur Erinnenin^ an die vor 700 Jahren atatt-
pt<t'uiiilu!iu Erlioliuiip (lur 8toit>rmHrk -ium Henogtliunie (1180), S. 1 1 ff.
* Vgl. <Juuu»lrigia uiacUion. de Stire, Mou. Uorm. ää. 124, 72, und dazu A.
V. Jalucli in Carinthia lt)96, S. 16.
* Vgl. K. Tangl, Handbuch der Qeschichte des HerssogthuDu Kirnten IV,
1, 73 und CzOrnig, GOrz, 8. 613.
* Vgl. K. Tangl, Die Grafen von Ortenburg in Kärnten, Archiv für öatorr.
Oescli. 36, 1 ff., inabesondere 8. 15 ff.
* Ebenda 160.
I
Geringere Bedeutung mocbton die Besitzungen der Grafen
von Tirol' und jene der bnirischen Grafen von Bogen" ge-
habt haben. Sie giengcn Übrigens im Verlaufe des 13. .lahr-
hundertä nach dem Erlöschen dieser Häuser durch Erbschaft
an die Görzer, beziehungsweise andere Geschlechter über,
soweit sie nicht von den Grafen von Bogen selbst noch zu
frommen Zwecken waren vergeben worden.^
Gleichfalls ansehnlich begütert waren endlich auch noch
die jedenfalls landsüssigon Grafen von Hcunburg* und Pfann-
berg,* sie beide im Besitze der Güter, welche einst die
Grafen von Zeltschach innegehabt (im Gurk-, Trixner- und
Olödnitz-, sowie Lavantthal).
War durch diese Eigenbesitzungen zahlreicher Grafen- und
Adelsgeschlechter bereits eine weitgehende Gliederung des
Kärntner Territoriums bedingt, so gewinnt dieselbe geradezu
den Charakter einer vielgestaltigen Zersplitterung, wenn wir
dazu noch die Stellung der Kirche in Betracht ziehen.
Mehr als anderswo hat das Kirchengut in Kärnten bei der
territorialen Entwicklung eine Rolle gespielt, indem das Land
von demselben förmlich durchsetzt war. Bamberg vor Allem,
aber auch Salzbui^ und Aquileia hatten einen ausgedehnten
Besitz daselbst inne, und auch das Landcsbisthum Gurk, die
Snffragane Salzburgs, war da ebenso wie Brisen und Frei-
sing begütert. Die reichen Güter der genannten Hochstifter
stellten exterritoriale Bezirke dar, die vermöge der ihnen von
der Reiehsgewait zugesicherten ImmunitHtsrechte für das Landcs-
herzogthum ebenso eine Einschrilnkung seiner Gewalt bedeu-
teten, wie jener ausgedehnte Eigenbesitz der vorgenannten
Adelsgeschlechter. Uebrigens verdient noch hervorgehoben zu
vrerden, dass auch die Landesbisthtlraer Gurk und Lavant zu
■ Vgl. AeU Tirolensia 1, 172, uud Mou. bist. Ducat. Knrintb. I, 162, Nr. 201,
Vorbeuierkuii);.
' Vgl. die Urkuude des Grafen Albert von Biigun fllr Victring vum Jabre
1171. Notixbl. der Wiener Akad. -.' (1862), Sil und daxu Jakoch, Muu.
hist Ducat. Karintb. 1, Nr. 160.
* Vgl. BraunniQtler, Die . . . Grafen von Bogen, in Verhandl. des bist.
Vor nir Niederbaiem 19, 63.
' Vgl. K. Tangl, Die Gru/en von Heunburg, Arcbiv fUr Osterr. Qescb. U),
49 ff.; 26, 157 ff.
• Vgl. K. Tangl, Die Grafen von Pfamiberg, ebenda 17. 209 ff.; 18, 116 ff.
10
Folge ihrer Unterordnung unter die Obergewalt Salzburgs dem
Herzogthunie gegenüber eine unablitlngige Stellung cinuahmcD,
inrlem sie sich derselben Rechte erfreuten wie jenes. ' So war
die EinflusssphSre der IvHrntncr Herzoge, da sich ihre (auch
im Exenitionsrocht zum Ausdruck gelangende) Obergewalt nur
auf die wenigen und nicht sehr begüterten Landesklöster er-
streckte, der grossen Masse des Kirchengutes gogenlibcr auf
die Erworbung der von demselben ausgethanen Kirchenlehen
und der Vogtcirechte an jenem beschränkt.
Im Ganzen betrachtet ergibt sich somit, dass die Stellung
der Kärntner Laudesherren keineswegs eine so überragende
war als jene der Herzoge in Oesterreich oder Steiermark.
Gegenüber der von der Reichsgewalt geförderten Conccntr/ition
dort tritt uns hier ein Herzogthum entgegen, dessen Muclit, an
sieh lockerer gefügt, durch die Eigenart der historischen Ent-
wicklung noch mannigfach eingeengt und beschriinkt wai'.
Aehnlich wie Kärnten wies auch Krain im 13. Jahrhun-
dort hinsichtlich seiner Besitz- und HorrschaftsverhUltnisso eine
solche Zersetzung auf, dass man zunilchst da überhaupt nicht
von einem einheitlichen Territorium sprechen kann. Neben
grossen geistlichen Imniunitätsbezirken, den Besitzungen von
Aquileia, Brixen und Freising, auch hier zaidreiche Herrschafts
gebiete weltlicher Adcisgeschlechter (Andeclis-Meranier, Spon-
heimer, Babcnbcrger, die Orafen von Bogen, (iörz, Ortenburg,
Heunburg und Sternberg). * Ein Unterschied bestand höchstens
insofern, als die Kirchcngiiter hier geschlossener auftraten,
indem jene von Brixen und Freising sich hauptsächlich im
nördlichen Theile des Landes concentrirtcn, Aquileia aber in
Unterkrain und der Mark dominirend war. Eine einheitliche
Landesherrschuft hat es hier zunächst wenigstens überhaupt
nicht gegeben, wenn auch Aquileia Ende des II. Jahrhimdcrts
die Markgrafschaft Krain übertragen ward.''
' Vgl. J. Hirn, Kirchen- und reiclisrechtliche Verbältnüae de« iiaUbnrgiRchen
Suffraganbisthums Ourk, ProgrAuim des Gymnaalum» in Krems 1872,
S. 10 ff., und A. V. Jaksch iu dor Einleitung 7.u Mnii. Diicat. Knriutb.
1, Off.
• Vgl. darilbor die Ziiaamnioiuitelluiigön bui A. Meli. l)io liistorischo und
tenritoriHlo EntHicklung Krainu vom 10. bis ins 13. .Tabrbuudert, 8. 130 ff.
* Neben Moll bandolu darübor Uuber in den Hicth. d<» Instituts für
nsterr. Geschicbtsfurvchung 6, 388 ff. uod lÜ, 146 ff., und neneatons
11
Älluiälig, erst im Vorlaufe des 13. Jahrhunderts, haben
sich nach einander' einzelne der daselbst am meisten begü-
terten Geschlechter zu torniliclien Laudesherren von Krain aut-
geschwungen. Zaniichst erscheinen die Moranicr als douiini
terre. Nachdem sie ausgestorben, hat dann von den Babcn-
bergem, welchen es bereits 1229 durch Ankauf Freising'scher
Lehensgllter gelungen war, in Krain festen Fuss zu fassen,
Friedrich II. 1232 auch den Titel , dominus Carniole' förmlich
angenommen. Seine Vorraiihlung mit Agnes von Mcrnn, durcli
die er in den Besitz der reichen EigengUter dieses Hauses ge-
langte, bot dazu die Begründung. Erst nach dem Aussterben
der Babenberger hat dann der Sponheiraer Ulrich, Herzog von
Kumten, der wohl auch sonst seine Abstammung von ilen
Babenbergern (mlUterlicherseits) betonte," sich denselben Titel
beigelegt.
V. HaMnShrl, Deutschland» südn»tliche Marken im 10., II. und 12. Jntir-
faundert, Archiv filr ß^-terr. Oeach 82, 518 Sf.
' Di« Unrichtigkeit der Annahme Mell's von einem Nebeneinander ver-
•diiedener .Dominia Carniole' hat, nachdem Laschiu (OesterreichiHche
i BciehagMchichte S-t, Anm.) bereits darauf hingedeutet, ein SchUler deti-
L selbeo, W. Lotbc, Die krainischen Landbandfeaten (Mitth. de» lustiluts
t&r dsterr. Geichichtiforschuiig 19, 2S0 f.). mit meines Erachten» zu-
treffendeu Gründen dargelegt.
Sehr beieicbnend dafilr sind, wa» bis jetxt nicht beachtet wurde, die
Tuppen, deren er sich bediente. Als Mitregent seines Vaters hat er
lliiofat den Kilrntner Panther, sondern in guapaltouem HchiUl vnni iliu
Stammwappen der Babenberger (Löwen), im liinteren Part aber d:t» nlte
Batinerbild der Herzoge von Oestorreich (ein weisser Ualkeu in Roth)
gufQhrt. Nach dem Tode seines Vater» aber (f 1265) nahm er als llor-
»>g (war den Pautburschild seines Hauses an, führte jedui-b zu diesem
dw Kleinod von Ooaterreich (Pfauenstoss aaf gekröntem Topf heim).
Vgl. darüber A. Anthony v. Siegenfeld's Ausführungen in der von Zahn
reraiut&lletcu Herausgabe des ,steiormärkischen Wa|ijienbu€hes von
'Zachorias Bartsch 1567', Anhang, S. 51 ff. — Ueber die Kittstehung des
erstoren Wappens Ulrichs aber berichtet Jobann von Victring: Fridoricns
[dux Austrie] . . . Ulricum ducem captivavit. Qui dum sicut ab antiquo
ad eam devenerat, pantliere Hgura in .nigniri militaribus uteretur, con-
fonni» in hoc principatui StyrioiiBi, Fridoricus dux Australis hoc ferre
non Valens, clyppoi et armoriim Anstralinra dimidiacione sibi indnita,
priori abolita onm dimisit. Cui ex origino stirpis, nt dicitnr, de ipin
pater suus ex maternu sauguiue prucesserat, texuit reliijuam partem sci-
Uoot triam leoniculorum et sie clippeum et armonim suorum effigiem io-
Itegravit. Böhmer, Font. 1, 281. Die Mutter von Ulrichs Vater, Herzog
12
Eben dieser Letztere hat es dann auch verstanden, nicht
nur seinen Eigenbesitz durch geschickte Heiratsverbindungen
gewaltig auszudehnen, sondern insbesonders auch gegenüber
Aquileia einen bedeutsamen Erfolg davonzutragen. Indem er
sich in erster Ehe (124^) mit Agnes, der Witwe des Baben-
bergcrs Friedrich IL, verinilhlte, brachte ihm diese den reichen
Besitz der Andechs-Meranior zu. Zugleich mochte Ulrich hoffen,
dass er durch diese Verbindung auch Ansprüche auf den habs-
burgischcn Besitz in Krain werde begründen können. Diese
seine Ansprüche wurden dann noch verstärkt, als es ihm ge-
lang, nach dem Tode seiner ersten Gemahlin (1262) in zweiter
Ehe die jugendliche Tochter Gertruds (der Nichte Friedrichs II.)
und des Markgrafen Hermann von Baden (f 1251) sich zu
vermählen. ' Diese zweite Gemahlin Ulrichs, die gleichfalls
Agnes hiess, hat nachmals als einzig überlebender Spross des
babenbergischen Geschlechtes thatsächlich Ansprüche auf jenen
Besitz ihres Oroasoheims erhoben (127(J).*
Anderseits aber waren die letzten Sponheimer Herzoge,
auch Bernhard, der Vater Ulrichs, bereits emsig an der Arbeit,
nicht nur den ihnen von den I lochstiften übertragenen Besitz an
Kirchenlchen in Kärnten und Krain zu erweitern, sondern wo-
niüglich auch darüber hinaus kirchliche EigcngUter in ihre Gewalt
zu bekommen. Hatte schon Herzog Bernhard geistliches Gut, vor
Allem auch die Freisinger Kirchcnlehen, welche Friedrich U.
von Babonberg in Krain innegehabt, gewaltsam in Besitz ge-
nommen, so zog sein Sohn Ulrich gegen den Kirchenbesitz
planmässig zu Felde. Die in diesen südostdeutsclien Gebieten
auf Seiten der Laienaristokratie ganz allgemein hervortretende
Tendenz, die politischen Gegensätze (Kaiser-Papst) und Ver-
wicklungen zur Bereicherung am Kirchengute auszunützen,''
Bernhard, Agnes, war die Tochter Heinrichs II ,JaaomirgDU' und eine
Schwester Herxog Heinricim von Mtidling;.
' Die Bedeutung dieser «weiten Heirat Ulrioha für die AuHbildung der
Sponlieimur Herrschaft iu Krniii linde ich uirgondii hervurgehulioii. Auch
MelJ, a. a. O., S. 9ü ff. (Krain unter Ulrich von Sponhoim) hat das nicht
beachtet.
* Vgl. den Eingang de« Vertrages, welchen •liene Agnes (als Gomnhliu des
Urafeu Ulrich vun Huuiiburg) im Jahre t'27!l mit KOuig Kudulf »bsuhloss.
Beil. Nr. H.
* Vgl. darQber O. Lorenz, Deutsche Gesch. 1, 73 ff.
13
Dicht nur in Krain den Bestrebungen der milchtigen Herr-
Bschlechter zur Ausbildung der Landeshoheit wirksam
in.
Mit Salzburg sowohl als mit Aquileia hat Ulrich iang-
währende Streitigkeiten gehabt. Wie einst sein Vater ward
auch er ob seiner zahlreichen UebergrifTe auf das Kirclicngut
[mit dem Kirchenbanne bedi'oht. ' Und da er schÜesslich mit
Salzbarg Frieden schloss' und mit Aquileia einen Ausgleich
I traf, * hat er in beiden Füllen trotz scheinbaren Nachgebens
'einen nachhaltigen Erfolg davongetragen. Indem er auf seine
\ Ansprüche verzichtete und zum Schadenersatz ftlr die verübten
Bedrückungen des Kirchengutes sogar einen Theil seiner Eigen-
güter den beiden Hochstiften zu Lehen auftrug, wuastc er doch
[gleichzeitig für die von ihm gemachten Concossionen die Ueber-
tragong weiterer Lehensgüter und wichtiger Hoheitflrechte
seitens dieser Kirchen durchzusetzen. Man darf ob des ilusscren
Wortlautes dieser Vertrüge die tiefere Bedeutung ihrer Be-
1 Stimmungen nur nicht übersehen. Mit der gesteigerten Feuda-
Esirung des kirchlichen Besitzes ward die thatsächliche Ent-
fremdung desselben ja sicher vorbereitet.
Für Krain insbesondere hat diese zieibewusste PoHtik
Ulrichs \'or Allem die Ausbildung einer einheitlichen Landes-
herrschafl ungemein gefördert. Gestützt auf den grossen Eigen-
hesitz, den er in seiner Hand vereinigte, liat er durch den
Vertrag mit Aquileia vom Jahre 1261, da ihm die gesaramte
Jurisdiction der Marchia Camiole übertragen wurde, der Spon-
heimischcn Herrschaft politisch das Ucbergewiclit in Krain ver-
I Bchafil und mit der Festigung ihres Zusammenhanges die alte
Abhängigkeit Krains vom Kärntner Herzogtbum neu begründet.
Die Eigenart dieser territorialen Entwicklung Kärntens
und Krains wird man sich vor Augen halten müssen, wenn man
das Testament Herzog Ulrichs von 126^, durch das er König
Otakar zu seinem Erben bestellte, seiner politischen Bedeutung
> V,;l dsrilber A. Mull, a. a. O., 8. 96 flf.
• lißS, Jiili 13. Reg. in (Kleinmym'ii) Jnvavia, 8.868 n. c (zu 16. Juli).
Zor Ei^nznn^ dieses Auszuges muss doch bemerkt werden, dass Ulrich
daniAls zugleich da.s Cnotnim Linth mit ZugfchOr (60 Mark Einkünfte)
iieo hinxnverliehen nurde. Orip. Wiener Staatsarchiv.
l'rknnde vom 24. November 1261 bei Schumi, Urkunden- und Regesten-
tiiich des nerr-ogthams Krain 2, 223, Nr. 290.
"W
nach recht verstehen will. Gewiss, Ulrich konnte über das
Ilerzogthum eine Verfiigiuig überhaupt nicht treffen. Aber er
that es eigentlich auch nicht, da von dem Herzogthume selbst
in jenem Testament überhaupt niclit die Rede ist. Der Wort- I
laut jener Bestimmungen ersclieint uns nach den früheren Aus-
fuhrungen nun in einem anderen Liciit. Wenn auch Ulrich
keinesfalls ,seine Länder, Eigenbeaitzungen sowohl als Lehen',
Otakar schlankweg vermachen konnte, ftir den factischen Be-
sitz dieser Länder war bei der Eigenart ihrer Herrseliaftsver-
hältnisse die Bedeutung eines solchen Testamentes nicht zu
unterschätzen.
Wir werden, meine ich, kaum fehlgehen, wenn wir im
AnschlusB an die früheren Austlihrungen annehmen, dass der
Besitz Herzog Ulrichs an Reichslehen keinesfalls sehr bedeutend
war. Das ursprünglich ausgedehnte Reichsgut in diesen Län-
dern war längst durch Schenkung an geistliche und weltliche
Grosse übergegangen, und zudem hatte sich nachweisbar auch
vielfach der Unterschied zwischen Reichsieh en und Eigengut,
vermuthlich in Folge lang dauernder Inhaberschaft, bereits
verwischt. '
Nicht so sehr das Herzogthum und die Reichslehen, son-
dern vielmehr die Eigengüter und Kircheiilehen mussten unter
solchen Umständen für den thatsächhchen Besitz dieser Länder
entscheidend sein. Hinsichtlich der Eigengüter nun konnte
Ulrich jedenfalls ein Verfügungsrecht in Anspruch nehmen.
Allein demselben war damals (1268) bereits iflsofern präjudicirt,
als Ulrich mit seinem Bruder Philipp nach dem Tode Uircs
Vaters Bernhard (•)• 1255) über das väterhche Erbe einen be-
sonderen Vertrag geschlossen hatte. Indem eine Thcilung der
Im Jahro 1370 weigerte aich OUikar, da er mit dem Erzstift Salzburg
einen Vertrag über die ihm xii Qbertrageiiden Kirckenlehen abschlotis,
die frUlier seitens Ulrichs erfolge Lehensnnftriigiing {gewisser Besitzungen
in Kärnten xu Händen des Ensstiftes (vgl. oben S. 13) anxuorkennen mit
der Mutivirung: .(juudsi ipsa castra ... ad princijiatnm Karinthio perti-
neant tali modo, quod non potuerit ipsa alienaro permutore veudoro Tel
donitro in preiadicium priucipatus Kariuthie dux predictus.' Wiener
Jahrb. d. Lit. 108, 184. Im Testamente Philipps aber vnu 1S79 wird
hinsichtlich einzelner Besitzungen (Sicherberg und Orotschin), die Phi-
lipp vergnbto, doch ein Zweifel bezüglich ihrer ZugehOk-igkeit ziun Aus-
druck gebracht: ,Utrum hoc ad imporinm pertinuat an ui>u, nescimus.*
KInn's Ärciiiv für die Landesgeiich. des Herzogthuma Kraiii 1, 230.
15
Besitzangen in Kärnten und Krain vorgenommen wurde, ward
zugleich bestimmt, dass nach dem Ableben Uh'ichs und seiner
Erben dessen Güter insgcsammt an Philipp übcrfrelien sollten. '
Was aber die reichen Kirchenlclien, die Ulrich von den ver-
schiedenen Hochstiften innehatte, betrifft, so konnte derselbe
darüber ebensowenig frei verfügen als über die Keichsleheu.
Wie diese fielen vielmelir auch jene, falls nicht vertragsmUssig
besondere Bestimmungen vereinbart worden waren, nach dem
Erlöschen der directen miinnliehen Dcscendenz ab erledigt an
die betreffende Kirche zurück. Tiiatsilchlich war denn auch
in dem Vertrage Ulrichs mit Aquileia (1261) seinem Bruder
Philipp ftir eine Reihe von Besitzungen, die Ulrich dem Pa-
triarchate damals zu Lehen auftrug, ein Erbrocht zugesichert
worden. *
So besass denn Philipp in dreifacher Beziehung, sowohl
hinsichtlich dos Herzogtlmuis und der Reichalehen (kraft der
Urkunde König Wilhelms von 1249), als auch bezüglich der
Eigengüter und gewisser Kirchenlehen wohlbcgründete Erb-
rechte. Er durfte sich mit Rocht als Erben von Kärnten und
Krain betrachten. Und er hat dieses sein Recht auch bereits
xa Lebzeiten seines Bruders Ulrich zum Ausdruck gebracht,
indem er sich in der Umschrift seines Siegels ,here8 Karin-
ihie et Carniole' nannte (1263)* und neben seinem Bruder
geradezu den Titel , dominus Karintlüe et Carniole' annahm.*
Allein Otakar hatte umsichtig bereits Alles vorbereitet,
am jenen Ansprüchen Philipps erfolgreich zu begegnen. Indem
' Et (i, qaod absit, nos heredesqae nostros coiitingeret Holvere iura car-
DU, omniÄ bona no«tra ad fratrem DuaUiim iure liereditario devolventiir.
Urkunde vom 4. Ajiril 1266 (Lichtonwnld) bei Schumi, Archiv für Hoimat-
knnde 1, 77.
IBeaflglich Laibachs und fiiuf dazugehöriger Kurj^on (GürUchach, Ilartoii-
'trarg, Falkenberg, Igg und Auorsberg) ward bestimmt; ,Quod iJictii.H d.
dax et lieredes sni legitime ab ipso deficendentes et divtus d. Plii-
li(ipuii frater eins et heredes iiui logitimi . . . debeant horeditarin
recipere ea in fendo ab ipao d. patriarcha . . .' Bcbaini, Urkundenbuch
2, 226.
* Vgl. die Urknnde Ulrich« fOr da« Johanniterordenshaus Mailberg vom
18. Jänner 1263 im Archiv filr flstcrr. Geach. 76, 401 nnd die Bemer-
kungen von J.iksch, ebenda, 402, Note.
* Vgl. die beiden Urkunden Philipps vom 18. nnd 2.S. Juli 1267 in den
Wiener Jahrb. d. Lit. 108, 179 nnd 180.
16
er Ulrich in Podiebrad (December 1268) zu jener testamenta-
rischen Bestimmung vermochte, schien mindestens die Möglich-
keit geboten, auf Gmnd dieser IctztwilÜgen Verfügung die
Giltigkeit der früher (1256) zu Gunsten Philipps erfolgten Ver-
einbarungen anzufechten. Kurz vor dem Tode Ulrichs hat
denn Otakar noch eifrig sich bemüht, im Vereine mit diesem
die Wahl Philipps zum Patriarchen von Aquileia durchzusetzen,
was auch thatsKchlich gelang (September 1269). Damit aber
war dem Bestreben < Hakars, Philipp in Kilmten und Krain
unmöglich zu machen, am wirksamsten vorgearbeitet. Nicht
nur weil dies ein neuer Grund sein konnte — wie seinerzeit
wegen der Wahl zum Erzbischof von Salzburg ^ Schwierig-
keiten gegen die Nachfolge Philipps in Kärnten zu erheben,
es ward insbesondere dadurch dessen Actionsfreiheit behindert,
da er in neue Verwicklungen hineingezogen werden musste.
Denn es war vorauszusehen, dass der Papst seine Wahl nicht
bestätigen werde, anderseits aber der Conflict noch nicht bei-
gelegt, der zwischen dem Patriarchat und dem mächtigen Grafen
Albert von Görz entstanden war. '
So waren die Aussichten ütakars, als einen Monat spftter
(27. Oetober 1269) Herzog Ulrich von Kärnten starb, die denk-
bar günstigsten. Die einflussrciehsten Machthaber in Kärnten
und Krain standen auf seiner Seite. Vor Allem waren die
Bischöfe Berthold von Bamberg und Konrad von Freising ent-
schiedene Parteigänger desselben, Bischof Dietrich von Gurk
ihm treu ergeben, und auch der Lavantcr Bischof Herbord
bekundete eine freundliche Haltung. Aber auch auf die welt-
lichen Grossen in jenen Gebieten durfte Otakar zählen. Graf
Albert von Görz, von früher her ein Gegner Philipps, trat sofort
auf seine Seite, was umsomehr in Betracht kam, als er auch
die Vogtei der Kirchen von Aquileia und Brixon innehatte.
Die Grafen von Ortenburg waren damit als Schwäger Alberts
zugleich auch gewonnen. * Ueberdics scheint Otakar wie seiner-
zeit bei der Erwerbung Oesterreichs auch jetzt rechtzeitig mit
dem Adel dieses Landes in Verbindung getreten zu sein. Am
Beginn des neuen Jahres 1270 linden wir bereits auch die
* Vgl. O. Lorenz, Deutsche Gusoh. 1, 888 flf.
* R. Tangl, Oescb. Kärnten« IV, 1, 28, unil ilaicii die Urkaude rom 11. No-
vember 1269 iu den Font. rer. Änatr. II. 1, lOU.
17
Orafen von Stemberg, Heunburg und Pfaunberg au seinem
Hofe in Wien.* Damals jedenfalls, im Verlaufe des Monates
Jänner, sind die entscheidenden Abmachungen hier in Wien
bereits getroflfen worden. Kärnten und Krain waren von Ota-
kar bereits gewonnen, noch ehe er auch nur einen Mann ins
Feld rttcken liess, diese Lilnder selbst in Besitz zu nehmen.
Am 2. Februar 1270 übertrug Bischof Konrad von Freising in
Wien alle Lehen seiner Kirche, die durch den Tod Ulrichs,
Herzogs von KÄmten und Herrn von Krain, freigeworden waren,
an Otakar. Und wie ihn zugleich Konrad officiell als dux Ka-
rinthie und dominus Camiole et Marchic anerkannte, so nahm
Otakar selbst damals bereits diesen Titel an.*
Philipp seinerseits war allerdings nicht gewillt^ die Rechte,
welche er auf diese Länder erworben, freiwillig aufzugeben.
Auch er bat den Titel eines Herzogs von Kärnten und Herrn
von Krain angenommen,' doch hat er nur die Ministerialen
«of seinen Eigengütern (Laibach, Auersberg und Hertenbei-g),
sowie jene, die ihm als Patriarchen von Aquileia lehenrechtlich
Terpflichtet waren, zur Anerkennung seiner Rechte vermocht. *
Mit deren Hilfe vermuthlich ist es ihm denn auch ge-
langen, mehrere Burgen und feste Plätze in Krain und Kärnten
in Besitz zu nehmen.* Während er nun in Friaul gegen einige
Vasallen des Patriarchates von Aquileia zu Felde zog und
' Vgl. die Zengenreihen in den beiden Urkunden rom 2. Febniar 1270.
Font. rar. Anstr. II. 31, 309 und 310.
* Ebenda.
* Vgl. Biancbi, Documenta hint. Forojul. s. XIII im Archiv für (toterr. Geach.
92, 386 ff. und dazu unten S. 21, Note 2.
* Vgl. die beiden ErkISrnngen der Mininterialen vom S. November 1270
(T»ngl, a. a. O. IV. 1, 4) nnd Archiv für ÖHterr. Gesch. 22, 386, Nr. 346.
Die unmittelbare AbhHngigkeit dieser Ministerialen von Philip]) bat Levec
(a. a. O. 262 f.) Übersehen, wenn er in diesen Erklärungen die Inanspruch-
nahme eines förmlichen Optionsrechtes seitens der Krniner Ministerialen
■eben will. Wie wenig sie politisch Uborliaupt und speciell ein ,Selbst-
boRtimmnngsrecht' bedeuteten, lehrt am besten die Tbatsache, das« wir
einzelne dieser Ministerialen bereits einen Monat später im Lager Ota-
kan finden. Levec, a. a. O., 263.
Vgl. den Brief Otaknrs an Philipp vom I.April (1271) bei Mone, Zeit-
•cbrift für Gesch. de« Oberrheins 11, 288 (zu 1270). Da in diesem
Briefe bereits auf eine Verbindung Philipp« mit den Feinden Otakar»
angespielt wird, ist da« Jahr 1270 wohl nicht wahrscheinlicfa. Nach dem
Itinerar Otakars 1271 ebensogut mOglich.
Arc^T. LXUVU. Bd. I. Htm«. 2
18
vorübergehend auuli einzelne. Erfolge dort errang,' eröffnete
sich ihm von Osten her eine grossartige Aussicht.
König Stefan V. von Ungarn, der eben damals nach dem
Tode seines Vaters Bela IV. (f 3. Mai 1270) auf den Thron
gelangte, schien keineswegs gewillt, diese neuerliche Ausbreitung
der Macht Otakars ruhig hinzunehmen. Da sich gleichzeitig
eine persönliche Veranlassung zum Bruche mit Otakar ergab,*
Hess er an diesen die Kriegserklärung ergehen. Und er hatte
aUen Grund dazu, die Besitzergreifung Kämten-Krains durch
Otakar zu verhindern.
Nachdem Ungarn, der langjährige Rivale Otakars, die Er-
werbung Ocsterreichs nicht zu verhindern vermocht (1251), ja
nachher auch seinen Beuteantheil an dem babenbergischen
Lilnderbesitz, die Steiermark, hatte herausgeben miLssen (I2ti0),
besass es gerade an Kämten-Krain ein besonderes Interesse.
Nicht nur, weil Otakars Macht damit eine neue, erhebliche
Kräftigung erfuhr, es wurde damit seine Einflusssphäre bis ans
Meer vorgeschoben, Ungarn aber mit einer solchen Frontal-
iiusdehnung des otiikarischen Reiches geradezu umklammert
und an jeder Ausbreitung nach dem Westen hin gehindert.
Man darf übrigens auch nicht übersehen, dass Ungarn seiner-
zeit bereits einen Rechtstitcl auf den Besitz Krains speciell
erworben hatte, da die ehemalige Herzogin von Kitrnten, Agnes,
die Mcranerin, welche mit Bela IV. verschwilgert war," diesem
ihr Erbgut übertragen hatte. Nach ihrem Tode (f 1262) hat
Bela IV. dasselbe denn mu-h thatsftchlich in Anspruch ge-
nommen, speciell aber auch das ,dominiiun Karniole'.*
Indem Stefan V. nun Otakar in den Weg ti-at und sich
mit Phihpp verband, scheint er doch selbst auch Ansprüche auf
Kämten-Krain erhoben zu haben. ^ Allein es kam zunächst
nicht zu einem ernsten Waffengange, man suchte vielmehr
* Tangl, n. a. O., S. 15 ff.
' Vgl. darOber Huber, Oestorr. Gesch. 1, &66 ff.
* Vgl. Meli, a. a. O., 106. Agnes' Vater, Otto VII. ron Andeclm-Meran,
war eiu Bruder Gertruds, die Andreas II., der Vater Beins IV., in erster
Ehe geheiratet hatte. Vgl. Oefele, Geacli. der Grafen von Audechs.
* Urkunde Bela IV. Tom 7. Jänner 1263. Fejär, Cod. dipl. Hung. IV,
3, 100 ff.
' Darauf deuten die Bestimmungen des Friedensvertrages rom Juli 1271.
Siebe S. 3Ü, Aiim. 1.
19
beiderseits die Entscheidung hinauszuschieben, indem ein
Waffenstillstand geschlossen wurde. Noch ward Philipp in
denselben aufgenommen; allein schon Ende Juli schloss ihn
Stefan davon aus. Philipp nahm nunmehr (im August) eine
Reise nach Ungarn in Aussicht, ' augenscheinlich am Stefan für
seine Sache und zu energischem Handeln zu bewegen. Doch
(lieser Hess ihn fallen* und willigte (im October) in eine weitere
Verlängerung des Waffenstillstandes auf zwei Jahre. Ein
schwerer Fehler in der Politik Stefans, der sich auch durch
den Einfall desselben in Oesterreich, welchen er unbeschadet
der Waffenruhe dann unternahm, nicht wieder gutmachen Hess.
Denn anterdessen hatte Otakar durch einen Zug nach Krain
and Kärnten (November 1270) diese Länder selbst erobert und
iugleich auch Agnes, die Witwe Ulrichs von Kärnten, welche
Termöge ihrer Abstammung und der Ausstattung durch ihren
verstorbenen Gemahl gewisse Ansprüche erheben konnte,' un-
schftdlich gemacht. Indem er sie unter ihrem Stande mit
Ulrich von Heunburg, einem Vasallen des Kttrntner Herzog-
thums, verheiratete, wurde sie zugleich gcnöthigt, gegen eine
Abfindungssumme auf ihre Rechte zu verzichten. * Ihr Gemahl
Ulrich aber wurde zum Hauptmann in Kärnten eingesetzt.'
Um dieselbe Zeit war es Otakar bereits auch gelungen,
die Uebertragnng der reichen Kirchcnleheu Salzburgs, welche
einst die Herzoge Bernhard und Ulrich von Käi-nten inne-
gehabt, durchzusetzen (December 1270).^
So war die Herrschaft Otakars in Kilmtcn und Krain
bereits gesichert, als Stefan den Waffenstillstand brach und ihn
mit Krieg liberzog. In raschem Vordringeu konnte Otakar
nan Elrfolge erringen, die ihm einen guten Frieden sicherten.
' Vgl. die beiden Urkunden vom 9. nnd 10. Aa^iut tS70 bei Tangl, a. a. O.,
S. 33 nnd 23.
I Stefsn erkannte OUkiir doch sclion bei dieser zweiten Verliingerang dea
Waffenütillataudea im October 1270 als diLX Korinlliio und domiuna Cor-
niole an. Urknnde bei Erben-Emier, Reg. Boh. 2, 279, Nr. 722.
Vgl. oben 8. 12.
^'B. den Eingang der Urkunde Agnes' vom 22. October 1279, Beilage
Nr. n.
• Tugl, a. ». O., 8. 81, Anro. 2.
■ Vgl. die Urkunden Otukars vom 12. December 1370. Wiener Jahrb. d.
Ltt. 108, 183. Anm.
2»
30
In demselben (Juli 1271) verzichtete denn auch Stefan unter
Anderem feierlich auf alle Ansprüche, die er bezüglich Kärntens,
Krains und der Mark erhoben hatte. '
Nun wurde auch die Stellung Philipps, der sich unter-
dessen mit wechselndem Erfolge in Friaul herumgeschlagen
hatte,* immer mehr unhaltbar. Wohl wurde ein Waffenstill-
stand zwischen ihm und den Grafen von Görz-Tirol, Albert
und Meinhard, vermittelt," welche, wie es scheint, auch einige
Salzburger Lehensgilter, die einst Herzog Ulrich innegehabt,
in Besitz genommen hatten.* Noch tritt dabei König Stefan
von Ungarn als Schiedsrichter hervor (2. April 1271),
Allein im nächsten Frühjahr (1272) hat dann Ulrich von
Dilrrenholz, der Landeshauptmann Otakars in Kärnten, Krain
und der Mark, auch Friaul erobert und die Anerkennung Ota-
kars als ,Generalcapitän' dortselbst für die Dauer der Erle-
digung des Patriarchates von Aquileia durchgesetzt.^
Phihpp blieb nichts übrig, als sich Otakar zu unterwerfen,
was gelegentlich einer Reise desselben an Otakars Hof," ver-
muthlich noch Ende dieses Jahres 1272, geschah. Indem auch
er genöthigt ward, auf alle seine Ansprüche zu verzichten,
Hess ihm Otakar die Würde eines jbeständigen Statthalters des
Herzogthums Kärnten' zutheil werden. ^ Jedoch lassen sich nur
■ Urkonde (OUk.ara) vom 14. Juli 1S71 bei Theiner, Man. bist Bang. 1,
298: glnanper doniinuii ätepbAiiiis rei Hnngariae renuntiavit omni iuri
et aotioni, quod et que sibi videbautur cumpotere, sea etiani compete-
bant in docatibu« Styrie, Kariuthie et dnminüa Carninle, Marchie nuUam
de cetero «no vel herednni snonim nomine contra noB et heredes nostron
8iiper illi.t motnriis uiaterinni ({iiestioiii«.'
* Darüber Tangl, a. n. O., 8. 64 ff. und 96 ff.
' Vgl. die beiden (identutchen) Urkundenrogesten bei Taagl, S. 56, Nr. 1,
nnd 8. 56, Nr. 1 (2. April).
* In dem Vertrage Albert» von Otin mit seinem Bnider Meinhard von
Tirol vom 4. M&rx 1271 ver]iflictitet sich dieser, die Uebertragung des
,ca«tnim Linte com suis pertinenciis' an Albert bei dem Erzbischof von
Salitburg dnrcbsnsetzen. Font rer. Aostr. U. 1, 122. Vgl. dazu oben
S. 13, Anm. 2.
' Tangl, a. a. O., 8. 100 ff.
* Von derselben bOreu wir in dem Antwortschreiben de« Patriareben Rai-
mund von Aquileia (vom 8. August 1274) auf die Propositionen Otakars.
Siehe unten S. 22, Anm. 1.
* Vgl. die beiden Urkunden aus dem Jahre 1273, die Tangl, a. a. O., S. 124
und 1:26, bietol; davon dutirt die erste (das Julian von tieebnrg) vom
21
wenig Spuren einer wirklichen BethUligung Philipps in dieser
Stellung nachweisen. Es dttrfto nicht viel mehr als ein schöner
Titel gewesen sein, da neben ihm hesondt-rc Landeshauptleute
in jenen Gebieten die eigentliche Verwaltung führten.' In
seinem Siegel hat er wohl auch nachher noch den Titel ,heres
Karinthle et Camiole' gefUhrt.*
So hatte sich Otakar der Länder Ulrichs von Kärnten-
Krain ganz und voll bemilchtigt und war schliesslich in den-
selben auch von den in Betracht kommenden Factoren aner-
kannt worden.
Nur Aquilcia fehlte noch. Als nun Ende December 1273
in Raimund de la Torre nach längerer Sedisvacanz dort ein
neuer Patriarch bestellt worden war imd dieser im Frühsomraer
de« folgenden Jahres (1274) die Regierung daselbst autrat, be-
warb sich Otakar sofort bei demselben um die Verleihung der
amfangreichen Kirchenleben des Patriarchates. Allein sein An-
suchen, ihm alle Lehen zu übertragen, welche die Herzoge von
Oesterreich, der Steiermark und KUrnten innegehabt hatten,
wurde im Wesentlichen abschlftgig beschieden. Nur jene davon
wiirden ihm vielmehr zuerkannt, die einst die Babenberger
Leopold und Friedrich in der Steiermark besassen und mit
welchen Otakar auch bereits früher von dem Patriarchen
Gregor war belehnt worden. Die Lehen aber, welche Herzog
Ulrich in Kärnten, Krain und der Mark innegehabt hatte, seien
— so ward ihm geantwortet — da derselbe ohne legitime Erben
35. Mai. lieber eine AUfindiinp mit Perseabeii^ und der Mnutli und Qe-
rieht Ton Krems (Steir. Reimcbrouik, Mon. Germ. 1, 14t) a. unton 8. 37,
Aom. 1.
El iit bii jetzt nur eine Urkunde (vom 1. Juni 1'2T4) bekannt geworden,
welche von der Ausübung einer gewissen Amtsgewalt Philipp» Zeugnis»
gibt. In derselben beurkundet er die Beilegung eines Streites xwiscben
dem Klortor St. Georgen und einem Privaten (Dietmar vun Hafnerburg)
um Grundbesitz in Kärnten. TaogI, S. 146, Aiim. I. Demgegenüber
treten die Landeshauptleute, welche nach dem Tode Ulrichs von Dilrreu-
bols (t 137,?) für Kärnten einerseits (Ulrich von Taufers) nnd fUr Krain
und die Mark anderseits (Ulrich von Hausbach) von Otakar besonders
I bestelll worden waren, kräftiger hervor. Vgl. die Urkunden bei Tangl,
S. 139 ff.
* Erhalten in drei Exemplaren, und zwar der Urkunde Philipps vom
I. Juni 1274 (Tangl 8. 146, Anm. I) and den beiden oben S. 80, Anm. 7
citirten Urkunden, die Philipp mitbesiegelte.
22
gestorboD, als erledigt zu bclruuhtea und köantcn Niemand
ohne besondere £rmäclitigimg seitens des Papstes verliehen
werden. Im Uebrigen berief man sich auf den (1261) mit
Herzog Uli-ich abgeschlossenen Vertrag und nahm demzu-
folge die damals von diesem zu Lehen aufgetragenen Eigen-
güter in Anspruch, da auch Philipp die ihm für die Zeit seines
Lebens zugesicherten Rechte der Kirche von Aquileia schcn-
kungsweiso Übertragen habe. Gleichzeitig wurde an Otakar
die Aufforderung gerichtet, alle Besitzungen Aquileias, welche er
in Kärnten, Krain und der Mark oecupirt hatte, gemäss dem
vom Papst au ihn bereits ergangenen Mandat zurückzustellen. '
Man sieht, die Folgen der Königswahl Rudolfs machten
sich in dieser Haltung Aquileias bereits bemerkbar. Mit der
allgemeinen Anerkennung Rudolfs im Reiche musste auch die
Frage nach dem rechtlichen Besitze Kärntens und Krains acut
worden. Die RechtsprUche, welche auf dem Reiclistage von
Nürnberg (November 1274) über Rudolfs Initiative von dem
Fürstengerichte geftillt wurden, waren auch für diese Länder
entscheidend.* Sie nahmen allerdings insofern eine besondere
Stellung ein, als Otakar mit ihnen niemals vom Reiche aus be-
lehnt worden war, sondern sie nur gewaltsam in Besitz ge-
nommen hatte. Daher kam für Kürntcn-Krain nur der erste
jener Rechtssprüche in Betracht. Indem Rudolf durch den-
selben ermächtigt ward, alle seit den Tagen Kaiser Friedrichs II.
dem Reiche gewaltsam entrissenen Reichsgüter einzuziehen und
im Falle der Widersetzlichkeit mit Gewalt vorzugehen, um dem
Reiche zu seinem Rechte zu verhelfen, war die Rechtsfrage
bezüglich Kärntcn-Kruins, soweit sie Otakar betraf, bereits ent-
schieden, da die Instruirung eines besonderen Lchcnsprocesscs
hier enttiel.
Anderseits aber kamen die Ansprüche Philipps da noch
in Betracht. Sie mussten keineswegs unanfechtbar erscheinen.
Sicherlich haben rcchtliclie und politische Motive dabei zu-
sammengewirkt, Rudolf ztir unmittelbaren Anerkennung dcr-
' Vgl. die Antwort des PHtriarohen Raimund von Aiiuileiit auf daa An-
suchen Otakars vom 7./.S. Angnat 1274. Font. rer. Austr. II, 40, 9.
* Vgl. dnrUber die Ausraiiriingcu v. Zeiftsberg'» im Archiv fllr Osterr. Qoach.
6'i, 1 ff. : Ueber doa Kecbtsverfahreu Rudolfs vun Habsburg gegen Otto-
kar von Böhmen.
I
selben ru veranlassen. Wie der Ktinig bestrebt war, bei der
Regelung all' jener Fragen ,die strengsten Formen des Kcclites
SU beobachten', so wusste er sich zugleich mit ,geschicktem
Schacbzug' der Person Philipps zu bedienen, um den spon-
heimischen Anhang in jenen Ländern fllr sieh zu gewinnen
und den Gegnern (Jtakars daselbst einen Krystallisationspunkt zu
rerschaffon. Das hat v. Zeissberg sehr trefl'end ausgeführt.'
Indem Rudolf sich zur Anerkennung der Rechte Philipps ent-
schioss, belehnte er ihn nach dem Reichstag von WUrzburg
(23. Jänner 1275) mit Kilrateu, Kruin und der Mark* und erliess
am 27. Februar darauf ein ObOdienzmandat ,an alle Grafen,
Barone, Edlen, Dienstmanncn und Vasallen' in diesen Ländern
mit der Aufforderung, Philipp zur Vertheidigung seiner Rechte
wirksamen Beistand zu leisten.^
Hiilipp, der sich an den Hof Rudolfs begeben hatte, er-
scheint nunmehr als Zeuge mit dem Titel ,dux Karinthie* in
deu Urkunden des Königs;* zu seiner vollen Titulatur, die er
selbst verwendete, gehört auch das ,domina8 Carniole et Mar-
chie'.*
Allein der Versuch Philipps, aus dieser rechtlichen Aner-
kennung seiner Ansprüche die entsprechenden Conseriuenzcn
hinsichtlich der Lllnder Kilrnten und Krniii zu ziehen," blieb
ohne praktischen Erfolg. Ütakars Herrschaft daselbst bestand
bis zur Eröffnung des Reichskrieges wider ihn, im Herbste 1276,
* A. a. O., 8. 40 ff.
' V^L Osw. Roilliob, Die Anlange KOnig Rudolfs I., in den Mittb. des In-
ititiiU fiir 0»terr. GtMcLiclitsfuncliung lü, 303. DurBolbe bat aucli die
Bddeiiken beseitigt, welobe v. Zei.isborg zu der Aniiuluno vorniil.i.'töt ti.itton,
als *ei riiiliiip nur mit deu Koichalebeii, nicht aber aueb mit dem ller-
xo^bumo belehnt worden. Auch ich halte uiuo solche Unterscheidung
für nicht wahr!>cheinlicb.
* Bfihmer-Ficker, Acta Imp. sei. 323, Nr. 403.
* \gl. in der Neaausgabe der liegosteu KOuig Biidol& (nach J. BUhmer)
TOD 0«w. BedUcb die Nr. SM nod 385 (17. Juni) und 44U, 442 (21.0cto-
ber 1275).
* Vgl. die Urkunde Philipi« fUr seinen Notar Kudulf vom I.Juli 1275 in
den Wiener Jahrb. d. Lit. 52, 241. Uebor das Datum Tangl, a. a. O.,
S. 180 f.
* Philipp verleiht am 1. Jnti 1275 zwei genannte UOfe au» seinem Eigon-
bc«itx, die von seinem Vater Bernhard zu. Luhen ansgethan worden
waren, da sie ihm (durch Mannfull) ledig wurden, nn seinen Notar Bu-
dolf. Urkunde Wiener Jahrb. d. LiL 52, 241.
hflü
24
aulVecht, Philipp selbst vermochte dort unterdessen nicht feston
Fuss zu fHsscii. Wir änden ihn durcli das ganze Jahr 1275
und aucli am Beginn des folgenden Jahres im Gefolge König
Rudolfs/ nach Kärnten-Krain scheint er nicht gekommen zu
sein. Man musa doch auch beachten: Otakar konnte sich ihm
gegenüber immerhin auf den Verzicht stützen, der bezüglich
dieser Länder seinerzeit zu seinen Gunsten von Seiten Philipps
erfolgt war. Die Giltigkeit desselben aufzuheben, schien jeden-
falls im Interesse Philipps geboten. Auf sein Ansuchen ist
denn auch am 22. Jänner 1276 zu Nürnberg die förmliche
Nichtigkeitserklärung jener Verträge und Abmachungen durch
König Rudolf erfolgt, nachdem sie durch einen Rechtspruch dos
Fürstengerichtes ob ihrer zwangweisen Erpressung als nicht
rechtsverbindlich erklärt worden waren.*
Doch auch jetzt hat Philipp sicherlich wenig Anklang in
Kärnten-Krain gefunden; er bat vor Allem bei der Eroberung
dieser Länder und dem Zusammenbruch der Herrschaft Ota-
kars dortselbst gar keine Rolle gespielt. Es waren vielmehr
Graf Meinhard von Tirol und sein Bruder Albert von Görz,
die nunmehr entscheidend auf den Plan traten. Letzterer hatte
Otakars Partei definitiv verlassen, vermuthlich auch aus Rück-
sichten auf seinen Bruder, der König Rudolf bereits durch
Familienboziehungen verbunden war. Während Meinhard von
Tirol aus in Kärnten eindrang, hatte Albert gleichzeitig, wahr-
scheinlich mit Unterstützung Aquilcias, Krain und die Mark in
Besitz genommen.' Sie beide mussten Rudolf vor Allen ge-
eignet erscheinen, die Occupation dieser Länder durchzuführen,
nicht nur wegen Meinhards nahen Beziehungen zu seinem
Hause, und weil sie Anrainer dieser Gebiete, ihre nächsten
Nachbarn waren, sondern noch mehr vielleicht ob ihres Eigen-
besitzes in denselben, ihrer wcrthvollen persönlichen Verbindun-
gen an Ort und Stelle, sowie als Inhaber der Vogtei von Aquileia
und Brixen. Ohne Schwierigkeiten ward denn auch diese
Occupation alsbald vollzogen, mit ihr aber und dem Uebertritt
' Er erscbeint alii Zeuge in zwei Urkunden KUnig Uudulfa vom 31. Octo-
ber l'aiö ddo. Langaiiiiu. Kedlieli, Heg. RudolfM, Nr. 440 und 442. Vgl
dazu ebondH Nr. 6U3 und Mittli. des lustituts für Oaterr. Gesobicbta.
forsubuug lU, 393.
* Böhmer, Acta 326.
• Vgl. Kodlich, Keg. Hudolfa, Nr. 688''.
1
25
I
der steirischen und Kärntner Miniaterialen aui' Seite Rudolfs,
der gleichzeitig (19. September) erfolgte, die Herrschaft Otakars
thatsäclilich beseitigt.
König Rudolf nun hat sofort nach der Unterwerfung dieser
Länder von Neuem an die Käratner und Krainor ein Ob-
9dicnzmandat zu Gunsten Philipps erlassen (24. September). In-
dem er alle Grafen, Eidlen, Ministerialen und Vasallen von
Kärnten und Krain aufifordert, Philipp, dem Herzog von Kärnten,
zu gehorchen, darf die Wiederholung dieser bereits am Beginn
dep Vorjahres (1275) an dieselbe Adresse erlassenen Mahnung
an sich bezeichnend erscheinen. Noch deutlicher aber spricht
der Schlnsssatz, welcher in diesem aweiten Mandat gegenüber
jenem ersten neu erscheint. Rudolf verkündet zugleich eine
allgemeine Amnestie im Namen Philipps flu* alle jene, die sich
dessen Gunst jemals verscherzt hätten, sofern sie sich diesem
unterwerfen. • Man sieht: Philipp war offenbar bis daliin in
K&mten-Krain nicht nur nicht anerkannt worden, wir hören
geradezu von einer Partei, die ihm — scheint es — feindlich
entgegengetreten war. Und das werden wir nach Philipps Ver-
gangenheit auch vollauf erklärlich linden. Die kirchhche Partei,
hier besonders ausschlaggebend, mochte sich jetzt ebenso-
wenig fllr ihn erwärmt haben als zuvor, da Otakar seine Herr-
schaft dort begründet hatte. Alte Gegensätze auch von früher
her haben da vermuthlich noch nachgewirkt. Und der mäch-
tige Laienadel auf der anderen Seite hatte jetzt erst recht keinen
Grund, sich ftir Philipp zu erklären. Vielmehr mussten nun-
mehr die Familienbeziehungen, über welche Meinhard von Tirol
and sein Bruder Albert von Görz durch ihre Verschwägerung
mit den mächtigen Grafen von Ortenburg und Pfannberg ver-
fügten,* da entscheidend einwirken. Es ist doch bezeichnend,
dass in der Erklärung des Kärntner und steirischen Adels,
durch welche dessen Uebertritt auf König Rudolfs Seite zu
rechtsverbindlichem Ausdruck gelangte, die Persönlichkeit
' Ceterum nosse vus Tolumus, quod omne« qui a predicti dncis gracia ali-
<lU]Uido seclusi faerint, od pristiiie grauie siiium per ipgum ducom favo-
rabUitiir sunt rocepti, dunimodo Uunen iidem per debita subiecciuiiis re-
vereociam prefati domini beuepUcitis siut couforme«. v. Zeissberg, a. a. 0.,
8. 48, Aiim. 1.
• Vgl. Tangl, a. a. O., S. 376 ff.; Mon. hUt. duc. Karinth. 2, 106, und Archiv
für Oit«rr. Ge«cb. 36, -J& f.
Philipps gar nicht beachtet erscheint, obwohl derselbe doch von
König Rudolf als Herzog von Kärnten formlich anerkannt worden
war. An der Spitze dieses Obüdieuzreverses aber zu Gunsten
Rudolfs erscheinen die Grafen von Heunburg und Pfannberg.'
Meinhard von Tirol und Albert von Görz hatten Kärnten
und Krain für König Rudolf erobert und die Macht daselbst
thatsüchlich in den Händen. Es war nur natürlich, dass Mein-
hard vom Könige, vermuthlich unmittelbar nach der Occupation
dieser Länder, die Hauptmannschaft Über dieselben übertragen
wurde.* Rudolf konnte die grossen Verdienste Meinhard» um
seine Sache nicht unberücksichtigt lassen. Er war auch der
einzig richtige Mann filr diese Stellung. Was hätte der alters-
schwache und kränkelnde Philipp dazu getaugt? Seine an _
Misserfolgen reiche Vergangenheit war dafür sicherlich kein I
guter Empfehlungsbrief.
So hat er denn trotz der formellen Anerkennung durch
König Rudolf die Herrschaft in Kärnten und Krain thatsäch-
iich nicht angetreten. Keine einzige Urkunde von ihm ist uns
aus dieser Zeit (nach 1276) bekannt, die von einer weiteren
Beziehung zu diesen Ländern Zcugniss geben würde. Ausser
Landes, zu Krems in Oesterreich, hat er seine letzten Lebens-
jahre zugebracht. Dort ist er auch drei Jahre darauf, 1270,
gestorben.' König Rudolf, der ihn in klug berechneter Politik
Otakar gegenüber ausgespielt hatte, sah sich angesichts der ge-
änderten Sachlage nunmehr genöthigt, ihn fallen zu lassen. Es M
war auch keine Aussieht vorhanden, dass er sich in Kärnten ■
und Krain würde halten können. Anscheinend ward noch Endo
1276 ein Abkommen mit ihm getroffen, nach welchem er that-
[Bfichlich zurücktrat, aber im Besitz seiner Würde und Eigen-
I guter belassen wurde.* Als Entschädigimg für seinen Verzicht
' Schwind und Dopsob, Ausgewithlte Urkunden Kur VerfaHSungagoscliichto
der deutuch-üsterroichisuben ErUlaude im Mittetaltor 1U&, Nr. 61,
* Doi ergibt »ich au» dorn Scbreiboii dos Erabi-sobofa Friodricli von Salz-
burg an KUnig Kudulf vom Anfang October 1276. ßodliub, liug. Kudolfs,
Nr. 605.
' Vgl. unten S. 33, Aum. 3.
' Dos beweist sein Testament, durch welches er als ,dux Karinthie domi-
nut Carniote' über seine Eigengflter in Kitmton und Krain letztwillige
Verfügungen traf. Es ist in xwoi gloichlautendou (besiegelten) Origi-
nalen noch im Wiener Staatsarchiv (aus dem Salzbnrgor Capitolsarchiv)
erhalten. Gedruckt in Klun's Archiv für die Laudesgesch. Krains 1, 233 ff.
27
hat ihm König Rudolf eine Rente verliehen, die ihm jährlich
von der Mautb in Stein verabfolgt wurde.*
11.
Die Ansprüche Philipps von Sponheim auf Kärnten und
Kraiu waren damit beseitigt. Die Kärnten-Kraiiicr Frage ti'at
nunmehr in ein neues Stadium. Äilurdings, die nächste Zeit
weist insofern noch keine volle Klärung auf, als die Thatsaehe
von Philipps ursprünglicher Anerkennung durch König Rudolf
doch auch jetzt noch nachwirkte. Das wird deutlich, wenn
wir die staatsrechtliche Stellung näher betrachten, in der sich
die Länder Kärnten und Krain in diesen Jahren (Ende 1276
bis 1379) befanden. Zunächst künnen wir verfolgen, dass
Rudolf sich durchaus als Herrn dieser Länder betrachtete, und
zwar nicht nur im Sinne der ihm als König zukommenden
lieicbsobergewalt. Er hat nicht uur die Privilegien früherer
Könige* für Kirchen und Klöster in diesen Ländern bestätigt,
sondern auch solche früherer Landesfürsten. " Er hat in gleicher
Weise Verfügungen über Dienstleute (Ministerialen uud Ritter)
der Landesfiirsten von Kärnten und Krain getroffen, wobei die
Zo^hörigkeit derselben zum Lande ausdrücklich hervorgehoben
* Du ergibt sich aa» einem neuentdocktoii Brief» Philipp« au doii Ijurg-
grafen Friedrich von NQrnborg iu der Wiener Briufaammluiig, Mitth.
aiu dem vaticsnisofaen Archiv 2, 138. Dnrub ihn gewinnt die bisher
unverbürgte Nachricht (vgl. Iluber in Mitth. dos Instituts fltr Osterr. Ge-
KbichtBforschnug 4, 67) dea Kteirischou licimchronistcn an Glaubwürdig-
keit, der irrthttmlich znm Jahre 1270 (der Eroberung Kürnten-Krains
durch Otakar) meldet:
Her Philippe muoste tuou
Qf diu lant verxiht.
dats Krenue daz geriht
und die m&te man im lies,
unde swUK er het geniez
der bürg dats PerBenbiugo.
er muoit sich mit der Hmiugo
betragen uns an sineu tot
Mun. Germ., Deutsche Chron. V, 1, 141.
Vgl. nnter Anderem die Urkunden Rndolfs Rlr Ourk vom IC. April 1277
(Kedlicb. Reg. Rudolfs, Nr. 742) und 17. Jänner 1278 (ebenda, Nr. 017).
Urkunde Rudolfs fOr Victring vom 30. August 1277 (liedlich. Reg. Ku-
dolft, Nr. 863) und für Oberburg (dos damals Kur Mark gehörte) vom
lt. UBra 1277 (Redlich, Reg. Rudolfs. Nr. 71ti).
wird. ' Ja er hat geradezu wiederholt auch die Executive selbst
gehandhabt; sei es, dass er — wie 1277 zu Gunsten Victrings
— im Anschlüsse an ein dem Kloster veriieiienes ZoHprivUeg
durch ein Specialraaudat an die betreffenden Verwaltungsorgane
die Beobachtung der vurÜehencn Freiheiten einschärfte,* sei es
auch, dass er im Falle der Rechtsverweigerung die iandesflirst-
liche Schutzgewalt zu Gunsten dos Klilgers ausübte.*
In diesem Zusammenhange verdienen auch zwei weitere
Thatsachen noch entsprechende Beachtung. Einmal, dass der
Landfriede, den Rudolf am 3. December 1276 verkündete, auch
für Kärnten und Krain erlassen ward,* dann aber die Einlei-
tung der Landfrage in Kärnten am Beginne des Jahres 1279.
Könnte erstere Erscheinung durch die Stellung Rudolfs als
König genügend erklärt werden, wiewohl es sich nicht um einen
Keichslandfrieden handelte, so übt Rudolf hier durchaus Jandes-
fürsüiche Rechte aus. Nach Allem, was wir über dieses Straf-
verfahren gegen schädliche Leute wissen, ist es durchaus der
Landesflirst, der unter Beirath der Landherren dasselbe an-
ordnet, mindestens soweit darunter wie hier eine ausserordent-
liche Massregel zu verstehen ist, die von Zeit zu Zeit besonders
beschlossen und im ganzen Lande durehgetlihrt wurde.'
In beiden Fällen hat Rudolf wie ein Landesfürst unter
Beiziehung und nach Rath der Landesgrossen " Verftigungen
■ Vgl. dio Urkunde (iiidolf» vom 18. Mai 1*277 über die Tbeiluug der
Kiuder aua der Ehe laudonfUrstlicher (Krniii) und froising;' gelier Mini-
oterialen. Funt. rer. AuHtr. II, ■tl, 36t, und dazu die Urkunde für Ourk
vom i2. Ait^st 1279 in gleicher AugelegeuhoLt. Diese ist allerdings
bereiUi einen Monat nach dem Tode Phlli|i]i8 ausgeiitellt. Beil. Nr. I.
* Redlich, Keg. Rudolfs, Nr. 864.
* 8o hat er 1278 den Bischof von Bamberg (in Abwesenheit Moinhards)
mit der rechtlichen Entscheidung der Streitigkeiten betraut, dio zwischen
dem Propst von W<irtli und einigen dessen Kirche bedrUckendL'u Laien
bestanden (Redlich, Reg. Rudolfs, Nr. 913); so hat er 1279, als die t'utonen
des Klosters St. Peter von Salzburg xu Wieting in Kärnten eine» Strike
veranstalteten, ein Verbot erlassen, sie eu unterstützen (Redlich, Reg.
Rudolfs, Nr. 1086).
* Vgl. Schwind und Uopsch, Ausgewählte Urkunden r.ur Verfassungs-
gescbicbte der deutach-Osterreicbiscbeu Erblando im Mittelalter 106, Nr. 62.
' Vgl. O. T. Zallinger, Das Vorfahren gegen die landschädlicheu Leute in
Saddentschland, S. 86 IT., insbesouders S. 96 und 97.
' Der oben citirto Landfriede wurde erla-tscn: ad consilinm principum tarn
ecclesiaaticorum quam secularium comitum baronuiu ministerialium Austrie
29
getroffen, die flkr das ganze Land rechtsverbindliche Geltung
hatten.
Als Hauptmann in Kärnten, Krain tind der Mark war,
wie bereits bemerkt, Graf Mcinhard von Tirol vom Könige
bestellt worden.' Er stand als solcher an der Spitze der Ver-
waltnng und war das oberste Executivorgan des Königs, dessen
Weisungen vor Allem an ihn gerichtet sind.* Zum Zwecke
der Verwaltung setzte er wohl auch selbst Beamte (Richter und
sonstige Amtleute) ein, die an seiner Statt dieselbe flihrten.*
FestzJihalten ist jedoch, daas er seine Gewalt nirlit zu eigenem
Rechte ausübt, sondern im Namen des Königs und liber dessen
Auftrag.*
Styrie et Karinthie et Carniole «c Marctiio, nnd in der Urkunde
Dber die Landfrage in Kärnten heisut oh: ,No8 de stAtu terre . . . cum
principibua et Gdelibas nostris ao specialiter qnibnsdnm miniatorialibus
terre predicte ad boc etiam advocatis tractatiim liabiiiinus.' Hormayr'ii
AnhiT 18S8, S. 783.
' Vgl. oben 8. 26 und dazu die Urkuude de-i Hermann Schenk zu Oster-
«üt (bei Tang], 8. 356), sowie den Vertrag Rudolfs mit Gurk Über die
Kirchenlehen vom Jahre 1280 (Redlich, Reg. Rvidolfs, Nr. 1174), wo en
TOD Meinhard mit Bezug .luf dieae frühere Zeit (s. unten 8. 39) heisst;
.tunc capitanei Karinthie, Carniole ac Marchie.' Die Annahme Tangl'«
(S. U4), das« Meinhard anch ,Reichgverweiier der Steiermark' gewesen
•ei, ist unrichtig.
' Vgl. die Mandate KOnig Rudolfs vom 4. und 15. Februar 1277, Redlich,
Reg. Rudolfs, Nr. 682 und 689, sowie die in Anm. 8 citirten Urkunden.
Zu beachten ist anch, dass KOnig Rudolf, da or einmal den BiKchof von
Bamberg im Delegationswege mit der Entscheidung vnn Kärntner Rechte-
■treitigkeiten betraut, in der betreffenden Urkunde ausdriiuklicb hervor-
hebt, dass Meinhard damals abwesend war. Vgl. oben 8. 28, Anm. 3.
' Vgl. das Mandat Meinhards vom 32. Februar 1277 zu Qansten Victrings
(Tang], 8.254): ,nniver8is indicibus suis per Carinthiam et Camiolam con-
stitatis'. nnd die Urkunde Radolfs vom 5. Jftoner 1278, Font. rer. Austr.
II. 3t, 377: ,cnm propter dilecti nobis Meinhardi comitis Tyrolensis affi-
nis nostri karissimi abseutiam et etiani propter snomm procnratorum et
ofScialinm inpotenciaro sen desidiam, qnoa loco sni regimSni terre
Karinthie prefecit . . .*
Als Meinhard in dem oben (unter Anm. 3) citirten Mandat den Richtern
in Kirnten die Beobachtung der Freiheiten dos Klosters Victring ein-
•cbUrfle, sagt er von diesem (nach dem Originale im Archiv des KKrntner
> OMehiehirrereines): ,Cnius posaeilionea et homines in seronissimi domini
l'liostri regia Romanorum et nostmm protectionom specialiter dnximus
1 •Mvaieodnm.' Die 8chutagewalt Meinhards ist alao nur eine stellver-
tretende, keiue eigene (landesherrliche).
30
Fassen wir nun alle diese Beobachtungen zusammen, so
ergibt sich, dass König Rudolf in den Jahren 1276 (Ende) bis
1279 thatsächlich mindestens in Kiirntcn' wie ein Landesfilrst
schaltete und waltete, Mcinhard aber als Verweser und Haupt-
mann daselbst zu betrachten ist. Qlcichwohl ist aber nicht an-
zunehmen, dass der König KUrnteu und Krain als erledigte
Reichslehen betrachtet habe. Denn es muss auflallen, dass
König Rudolf in der bekannten Urkunde über das Reichsvicariat
des Pfalzgrafen Ludwig von Baiern vom Jahre 1276* diesen
flir den Fall seines Todes als Reichsverweser nur in den Län-
dern Oesterreich und Steier, nicht aber auch Kitrnten und Krain
bestellte. Es war das offenbar eine Rftcksichtnahnie auf die
Person des noch lebenden Phih'pp, der, von Rudolf förmlich
anerkannt, bis zu seinem Tode den Titel dux Karinthio domi-
nus Camiole fUhrte.
Diesen Verhältnissen nun, wie wir sie hier entwickelt
haben, entsprach auch das Vorgehtm Köoig Rudolfs in Sachen
der Kärnten-Krainer Kirchcnlehen. Welch' grosse Bedeu-
tung ihnen gerade in diesen Ländern zukam, ist eingangs bei
der Betrachtung der Herrschaftsvcrhiiltnisse von Kärnten und
Krain auseinandergesetzt worden. Wir sahen auch, dass Ota-
kar, als er nacii dem Tode Ulrichs von Sponheim daran gieng,
die Herrschaft über diese Länder an sich zu reissen, vor Allem
auf die Erwerbung der Kirchenlehen Bedacht nahm. Die Ueber-
tragung derselben seitens der geistlichen Hochstifter hatte ihm
thatsächlich einen wchtigen Vorsprnng Philipp gegenüber ge-
sichert.
König Rudolf seinerseits hat denn auch die Bedeutung
eines solehon Vorgehens sofort richtig erkannt. Die Action,
welche er deshalb einleitete, ist in ihrem vollen Umfang noch
nicht recht gewllrdigt worden. Er hat nämlich nach dem
definitiven Verzicht Otakars auf Oesterreich, Steier, Kärnten,
Krain und die Mark dann die förmliche Erklärung veran-
lasst, dass die Kirchenlehen, welche die Fürsten dieser Länder
' Die hier beigebrachton Belege bezieben «ich doch vorwiegend Auf Kum-
ten. Vgl. dazu den Excurs.
* Bernheim und Altmann, Ausgewählte Urkunden zur Erläuterung der
Verfasflungsgeschichte Deutichland« im Mittelalter, 2. Aull., 6. S7. Vgl.
daKU Tangl, S. 324 f. Ueber die Uatirung Osw. Kedlicb in Mittb. des In-
Btituta für Osterr. OeachicbtsforachuDg, Erg.-Bd. 4, 136, Anm. 1,
31
itine^habt hatten, als erledigt zu betrachten seien.' Die Ab-
sicht, welche Rudolf dabei leitete, ist kliir. Indem er jene Er-
klärung nicht auf Otakar allein bezog, ward mit dieser allge-
meinen Fassung zugleich hinsichtlich der von den Sponheimern
einst innegehabten Lehen Klarheit geschaffen und insbesondcrs
auch jedes Hindcrniss beseitigt, welches die Person Philipps
eventuell noch bereiten konnte."
Nunmehr, so schien es, war die Bahn frei, um die vor-
bereitenden Schritte zur definitiven Regelung der südoatdeut-
schen Frage zu thun. Rudolf hat nun alsbald, am Beginn des
neaen Jalires (1277), mit den geistlichen Lehünsberren Ver-
handlungen angeknüpft, um dieselben zur Uebcrtragung jener
Lehensgüter an seine Söhne zu bewegen. Seine Hemüliungcn
waren von Erfolg begleitet. Allerdings sah er sieh dabei ein-
zeben dieser Hochstifter gegenüber zu nicht unwichtigen Con-
cessionen genöthigt. ' So haben denn noch im Verlaufe des-
selben Jahres (1277) Regensburg, Salzburg, Freising, Passau
'Kao beachte die bis jetxt nicht Terwerthete Stelle in der Verleihnngv-
tirknnde des Bischofii Peter von Paiwau vom 24. November 1277 (Schwtni]
and Dopsch, a.a.O., 8. 117): ,Sano cum post remotionem illiutria ]>riii-
kcipis Ottnkari Boeioonun regia et ipniiui vuluntarinm ccHnionein de torri»
Aiutrie, Styrie, Knrintliie, Camiole et Marchio fuerit declaratum, qnod
feuda qne principe« predictamm terranim a nobis et a Patavien«! eccle-
i pomidebant, vacarent nobis et ecrlesie Patarieusi . . .' Dieselbe darf,
Iwiewohl sie in den Obrig;en Verleih iin(r»urknnden nicht .inch aufgenommen
i<t, doch eine allgemeine Geltung beaugpmuhen, da die Faasang jener
dem vollkommen outspricht. 8. unten 8. 32, Anm. 1.
' Vgl. oben S. 16, Anm. 2.
' So inabosonden bei Panxau. Vgl. dazu im Allgemeinen O. Lorenz,
Oeotoehe Oeich. 2, 168. M.-in mum doch beachten, dass damals ein
Tbe3 der biaherigen LehensgOter der Paosaner Kirche »Im Dominicaignt
Bberiaaten wurde. Vgl. die Urkunde vom 24. November 1277, Schwind
and Dopsob. a. a. O.. 117. Kerner mCchte die stattliche Keihe von Gunst-
briefen KOnig Radutfs filr den Frei.tiuger Bischof eben um jene Zeit
(vgl. Font rer. Anstr. ü. 31, 348 ff.) nicht aafUUig sein. Dem Salzburger
Ersbtaeiiof aber schenkte Rudolf fUr die grosse MHhe, welche er gehabt,
und feine Atulagen, sowie die erlittenen Schäden 300 Mark Silber Ein-
künfte, die vor der Uebertragang der Saixburger Kirchenlehen nn seine
^Sohne davon abgezogen werden sollten. Vgl. die Urkunde Kndolfs vom
SI. .Inli 1277, Juvavia, 384 (c). Ebenso erhielt auch Bischof Dietrich
von Gark filr seine entgegenkommende Ilaltnng bei der Uebortragnug
der Kircbenlehen 100 Mark Einkünfte. Vgl. die S. 32, Anm. 1 citirte
Urkunde far Gnrk.
32
und auch Gurk ,alle jene Lehen ihrer Kirche, welche einst die
Fürsten von Oesterreich, Steier, Kärnten, Krain und der Mark
innehatten', an die Söhne Rudolfs übertragen.* Wir wissen,
was diese allgemeine Fassung der Lehensbriefe zu bedeuten
hatte. Sie wird übrigens durch die Urkunde des Erzbischofs
von Salzburg noch besonders erklärt mit der ausdrücklichen
Bemerkung, dass in diese Uebertragung auch jene Güter ein-
geschlossen sein sollten, welche einst Herzog Ulrich von Kum-
ten von seinem Eigenbesitze der Kirche von Salzburg zu Lehen
aufgetragen hatte. *
Man hat nach dem Wortlaut jener Lehenbriefe mit Recht
auf die Absicht Rudolfs geschlossen, seinen Söhnen nicht nur
Oesterreich und Steiermark, sondern auch Kärnten und Krain
zuzuwenden. Als auffallend muss die Thatsache bezeichnet
werden, dass gerade das in Kärnten am meisten beg^iterte
Bisthum Bamberg in jener Reihe fehlt, dass die Ueber-
tragung der Kirchenlehen von Seite dieses Hochstiftes an
die Söhne Rudolfs erst zwei Jahre später, 1279, erfolgte. Man
wird sich mit der einfachen Constatirung dieses Factums kaum
mehr zufrieden geben können. Da anzunehmen ist, dass Rudolf
sich zu derselben Zeit wie an die anderen geistlichen Lehens-
herren auch an den Bamberger Bischof gewendet haben dürfte, '
muss diese so lang währende Verzögerung einen bedeutsamen
Grund gehabt haben. Sie ist weder durch eine Sedisvacanz
des Bamberger Stuhles um jene Zeit, noch durch eine feind-
liche Haltung des damaligen Bischofs zu erklären. Sie cr-
* y^I. aagser den bereits S. 31, Anm. 3 citirten Urkanden fDr Pamau,
Freuing nnd Salzburg jene tou Regensburg vom 16. Juni bei Licbnowaky,
Qencbicbte des Ilauses Habsburg 1, CLXII, Nr. V, and die Urkunde
Rudolfs vom 23. Marx 1280 fQr Ourk (Marian, Austria sacra 6, 499), ans
der sich ergibt, dass schon Bischof Dietrich von Ourk (f 1278) jene Ver-
leihung vorgenommen hatte.
» Wiener Jahrb. d. Lit. 109, 265.
■ Die Erklärung Tangl's (g. 326), daaa Rudolf ,in Würdigung der be-
drängten Lage des Bisthums' ,bis 1279 xugewartet und erst in diesem
Jahre den Bischof um die Verleihung seiner Lehen ersucht haben
mochte', ist unzutreffend. Denn KOnig Rudolf hStte sonst auch bei Salz-
burg und Gurk ein Gleiches thun m{l8,sen, dn auch sie, wie es in den
betreffenden Urkunden (s. oben Anm. 1) ganz ähnlich heisst, in gleicher
Weise viel Schaden erlitten und Auslagen iu seinem Interease gehabt
hatten.
33
I
I
icheint aber behoben kurz nach dem Tode Philipps von Spon-
heim. ' Dieses ZusammentrotTen dürfte kaum zut)illig soin. Ich
meine, dass eben damit der .Schlüssel zur Erklilnuig jener aiif-
r&IIenden Erscheinung gegeben sei. Als Substrat datUr aber
kann der Inhalt des Bamberger Lehensvertniges selbst* dienen.
Wie der Passauer in Oesterreich, so wusste der Bamberger
Bischof in Kärnten die Neuverleihung der erledigten Kirchen-
lehen geschickt dazu zu benützen, gegenüber dem neuen Lehens-
trttger günstigere Bedingungen als bisher zu erwirken. Die
>ssionen, zu welchen sich Rudolf im Namen seiner Söhne
id, machen einen Grosstheil der Vertragsurkundc aus.
Unter Anderem aber verzichtete er auch im Namen des künf-
tigen Herrn von Kilmten auf Rechte (an Vogtei und Grund-
, besitz daselbst), die bisher dem Herzog dieses Landes als
lem zustanden. Da wird meines Erachtens begreiflich, dass
Rudolf einen solchen Vertrag, der dauernde Rechtsverttussc-
ningen zum Nachtheiie des Kärntner Herzogs involvirte, erst
abschluss, als der von ihm selbst als dux Karintliie anerkannte
Sponheimer Phihpp bereits verstorben war.
Man sieht, Philipps Persönlichkeit legte König Rudolf auch
in dieser Beziehung gewisse Rücksichten auf, die ihn liimlertcn,
Kärnten ganz und gar als erledigtos Reichslehen zu betrachten.
Diese Rücksichtnahme, welche die zur Erledigung der
Kärnten -Krainer F'rage nothwendigon Schritte lilhuicnd becin-
flnaste, entfiel nun mit dem Tode Philipps (Ende Juli 1279).»
Kirnten und Krain waren nunmehr endgiltig erledigt. König
Rudolf aber hatte damit freie Hand bekommen. Er traf denn
auch sofort alle Anstalten, jene Frage ihrer Lösung näher zu
bringen. In Wien noch wurden, vermuthlich im August, die
LWereinbarungen mit dem Bamberger Bischof wegen Uebor-
ing der Kirchenlehen an seine Söhne getroffen.^ Im Sep-
tember aber unternahm Rudolf eine Reise nach Steiermark.
* 8. ntten Anm. 4.
* Urkniidenbucli des Landes ob der Enn« 3, 602 ff.
* Er starb iini 21. oder 'l'l. Juli. Vgl. Chron. Magni presb. Contiii , Mon.
Germ. SS. 17, 634, niid dam die Eintragung des Salzhurger Necrulu-
iciiimi (zum '21. Jnli). Mon. Qerni. Nevrol. 2, 1.^2.
' Daa Datum der au Baoiberg aiifigestotlten Verioiliung«urknnde (17. Sep-
tember) enUpricht der ii|iUteren Benrknmlnng:, die iCeu(^n der su Wien
früher erfolgton Handlung. Vgl. Redlich, Kep, Rudolf», Nr. 1128.
ktthii. LlXXVIl. Bil. 1. Uäirto. 3
34
Schon in Graz hatten sich Ende dieses Monates eine Reihe
Kärntner und Kniiner Adeliger eingefunden, die Bischöfe von
Luvant und Gurk weilten dort bei ihm. ' Älitte October aber
beriet' dia- KOnig die Grossen beider Länder mich Judeuburg
zu einer förmlichen Versammlung ein:
Da besaut der kunic ma^ru
die von Kruin iinil dio Kuriuere.
die körnen alle euo im dar
und n&iiioii flixiulicheii war
«ins gfebots und sine« willen.
ix dheiuer Uez sich bevillen,
ir ticite gern dax beste
an swiu so er weate
dem knnic wol gevallen.*
Er war, wie die am 17. September ausgestellte Verleihungs-
urkunde des Baniberger Bischofs zeigt, auch jetzt noch ent-
schlossen, Kärnten und Krain seinen Sülincn zuzuwenden.* Auf
der Judenburger Tagung wird sich Gelegenheit geboten haben,
daftir unter dem Adel und Clerus Stimmung zu machen. Vor
Allem war der König bestrebt, die Uechtsfrage zu ordnen,
indem er die Ansprüche befriedigte, die hinsichtlich dieser
Länder privatrechtlich noch erhoben werden konnten. Agnes,
die Gemahlin des Grafen von Heunburg, nämlich hatte nach
dem Zusammenbruch von Otakars Herrschaft die Anerkennung
ihrer von Otakar vorenthaltenen Rechte bei Rudolf durchzu-
setzen gesucht,* jener sowohl, dio ihr als Erbin des letzten
Babenbergcrs zukamen,^ wie auch der ihr von üirem ersten
Gemahl, Herzog Ulrich von KiU-nten, als Aussttittung später
verliehenen. Sie war von den Amtleuten (Offieiules) Rudolfs
jedoch abgewiesen worden mit dem Hinweis auf den ihrerseits
geleisteten Verzicht zu Gunsten Otakars, dessen Rechte nun-
mehr auf König Rudolf übergegangen wären.
' V^l. die Zeugenreihen der beiden von KOnig Kadnlf am 29. September
in Graz ausgustellten Urkunden. Uedlich, Heg. Rndolfs, Nr. 11S9 nnd
1130.
' Steirische Reimuhronik, Mon. Genn., Deutsche Chron. V, 1, 249.
• Vgl. dazu Lorenz, Deutsche Qesch. 2, 262.
* Vgl. fUr das Folgende den Eingang der Urkunde Graf Ulrichs von Henn-
burg und seiner Gemahlin Agnes vom 2S. October. Beilage Nr. II.
» 8. oben 8. 12.
I
36
Agnes nun, welche die Rechtsgiltigkcit jenes Ver/icbtes
nicht anerkennen wollte, d« er ihr abgenöthigt worden sei,
wendete sich jetzt neuerdings an Rudolf.
Es ist begreitlich, dass dieser, ganz abgesehen von di>ni
Rechtsstandpunkt, gerade um jene Zeit zu einem Ausgicieli sich
bereit zeigte. Bei seinen Plänen hinsichtlich dieser Länder
hatte er ja ein Interesse daran, sich dortselbst keine Feinde zu
sehaifen. So ward denn Jener Verzicht zu Gunsten Otakars
thatsäcblicb als ungiltig erklärt und Agnes fUr die Ueber-
tragung ihrer Ansprüche auf Rudolf, welche unter Uebergabe
einer Abschrift der sie verbriefenden Urkunden erfolgte, eine
ÄblösoQgssumme von 6000 Mark Silber zugesichert. Als Pfand
filr dieselbe aber wurden ihr von Rudolf, da er über kein
Baargeld verfügte, eine Reihe von Besitzungen in Untersteier-
mark übergeben. Dieser Vertrag mit Agnes und ihrem Ge-
mahl, Ulrich von Heunburg, wurde am '22. October noch in
Judenburg ausgefertigt. Drei Tage darauf hat Rudolf (iu Rotten-
oumn) die Gegenurkunde über den Lehensvertnig mit Bamberg
»OBgestellt. ' Alles schien auf das Beste geordnet.
Da trat eine Wendung ein, unerwartet und üben-nschcnd.
Sie war geeignet, Rudolfs so wohl eingeleiteten Plan völlig zu
durchkreuzen. Mit neuen Ansprüchen auf Kärnten und Krain
trat ein Mann hervor, dessen Pcrsöiilichkcit und weitwurzelndc
.Stellung in diesen Ländern ihnen politisciics Vollgewicht vei'-
lieh: Graf Meinhard von Tirol. Die bei Johann von Victring*
überlieferte Nachricht, dass er sieh um jene Zeit an Rudolf mit
der Bitte gewendet habe, ihm einen Thcil der ncuerwurlieiiun
Länder zu überlassen, birgt aller Wahrscheinlichkeit nach einen
eckten historischen Kern in sich. Es ist auch bereits dargelegt
worden, wie sehr ein solches Begehren Meinhards von seinem
Standpunkte aus begreiflich und begrllndet erscheinen musate.*
Nicht nur wegen der damit verbundenen Herzogswlirde and
des Fürstenstandes; eine zugkräftige Territorialpolitik kam darin
liolbewusst zum Ausdruck. Man betrachte nur die Landkarte.
Kirnten bildete zwischen den beiden grossen C!omplexen der
Bentzimgen seines Hauses das so wichtige Verbindungsglied.
' (Trkuiiilenbuch den Laixluii ob der Eons 3, 606.
' IVibmer. Font. rer. Qerni. I, 3i:V
' ßndlicli, BiTitth. dea Institut» filr Osterr, Oenchichtrforechniig, Erg.-Bd. 4,
Uöfl-
3«
36
Mit diesem Land und Krain dehnte sich die Herrschaft der
Görzer von Tirol Über das Pusterthal bis zu den östlichen
Görzer Besitzungen, die Adriiv in mächtigem Bogen umspannend.
Und das wollte in dem vorliegenden Fallo doppelt viel besagen.
Wir kennen die kräftig ausholende Kirchenpohtik Meinhards
und seines Bruders Albert von Görz. Sic beide eifi"ig be-
strebt, ihre MachtsphKre auf Kosten der benachbarten Hoch-
stifte (Trient, Brixen und Aquileia), deren Vogtei sie inne-
hatten, zu erweitern. Das Vorgehen Meinhards in Tirol, Trient
gegenüber, findet sein Pendant in dem Verhilltniss Alberts zu
Ai^uileia. Eben damals, als Ulrich von Kärnten starb, haben
die Uörzer mit Aquileia lang fortwJlhrende Verwicklungen ge-
habt. Und Meinhard scheint seinem Bruder in der äusseren
Politik verbunden gewesen zu sein.*
So wird man die Bedeutung gerade Kärntens und Krains
für die Görzer auch nach dieser Richtung hin in Erwägung
ziehen müssen. Mit dieser Erwerbung ward der kräftig inau-
gurirten Politik derselben gegenüber Aquileia die ErlUllung
verheissen. Von dem eisernen Ring der Görzer Macht um-
klammert, musste der Patriarclienstaat an der Adria früher oder
später das Schicksal Triont-Brixens ihcilen.
Grossartige Aussichten und von einer Tragweite, dass sie
Meinhards Begehr an Rudolf wohl verständlich erscheinen lassen.
Den Konig aber mahnte melir als eine Erwägung, dieselbe
ernsthaft zu berücksichtigen: die alte Freundschaft mit Mein-
hard, dessen Verschwägerung mit dem königlichen Hause, vor
Allem aber die grossen Verdienste, welche derselbe sich bei
der Begründung der Habsburgerherrschaft in Oesterreieh zuletzt
noch erworben. Und auch in anderer, negativer Beziehung.
Rudolf durfte Meinhard nicht zu seinem Feinde werden lassen,
schon aus Rücksicht auf die im Reiche sich allmälig bildende
' In dem Vertrage Meinhanla and Alberts vom 4. März 1371, durch deu
8io die Besitzangen ihres HauMs unter uich thoUten, wird Moiohard
nicht nur verpHichtet, seinem Bruder während dos Kriet;os mit Aquileia
bownffiiote Hiltu xu leisten, er soll auch bei Abschhiss des Friedens per-
sCnlich mitwirken. In ähnlicher Weise wird ebendaselbst die Unter-
stützung Meinhards Albert auch in seinen Ansprüchen gegenüber dem
Salzborger Erxbi.ichof zugesichert. Font. rer. Austr. n, 1, 122, Vgl. auch
das Regest bei Taugl && (zum Jahre 1271),
37
l
1
Son.' Noch mehr aber vielleicht Angesichts der Stellung,
über die Meinhard in Kärnten und Krain selbst verRigte. Das
ist bis jetzt nicht berücksichtigt worden. Die Görzer hatten,
wie eingangs dargelegt wurde, ^ nicht nur einen stattlichen Be-
sitz an Eigengutem in diesen Ländern, sie verfügten auch in
Folge Verschwägemng mit den dasell)s<t mäclitifrcn Ortenburgern
and Pfannbergem über wichtige Verbindungen unter dem Iloeli-
adel. Die Erbvogtei über die Brixener und Aquileier Kirche
masste ihren Einfluss dort verstärken. Dazu kommt noch, dass
sie — ihre ausgezeichnete Finanzverwaltung ist bekannt' —
aber reiche Geldmittel geboten, die sie bei der Geldnoth, in der
sich das Königthum damals ob seiner grossen Ausgaben stets
befand, wirksam zu verwertlien wussten. So hat Rudolf 1277
einige Besitzungen in Krain (Hchloss Meichau und Markt
Tschernembl) um 600 Mark an Albert von Görz verpfilndet*
nnd auch die bekannte Verpfilndung des ganzen Landes Krain
an Meinhard (filr 20.000 Mark) ist ein sprechendes Zeugniss
dafiir.*
Hatte Meinhard damals also Krain bereits als Pfandbesitz
ood auch Kärnten als Landeshauptmann thatsächlieh innc, so
wÄre es unter den geschilderten Umstünden keinesfalls leicht
gewesen, die Herausgabe dieser Länder zu erwirken. Er selbst
schien daran auch gar nicht zu denken, sondern vielmehr ge-
willt zu sein, seine Macht im Lande noch mehr zu festigen.
Besonders der Kb:che gegenüber, indem er, ohne Rücksicht
auf die bestehenden Privilegien, willkürhch gegen dieselbe vor-
ging und sie in ihrem Besitz beeinträchtigte. Für die Freising-
schen Besitzungen in Krain lässt sich das sicher nachweisen.
Nachdem König Rudolf Meinhard bereits Anfang des Jahres
1277 ausdrücklich gemahnt hatte, die Freiheiten der Freisinger
Kirche in der Gerichtsbarkeit auf dessen Krainer Besitzungen
(insbesondere Lack) zu respectiren, " sah er sich drei Jahre
»p»ter, 1280, neuerdings genöthigt, zu Gunsten des Freisinger
' Redlich in den Mitth. des Institntii fOr OHterr. OoRchichtsforarhaDj:, Erg.-
Bd. 4, 147.
* Vgl. oben 8. 8.
' LorenE, Deutsche Gesch. 1, ütte.
* B«d1ich, Keg. Rndolf», Nr. 676; Tgl. »acli Np. 872.
* Vgl. den Eicnro.
« Foul rer. Ani.tr. 11, 31, 346.
38
Bischofs zu interveniren. * Meinhard liatte, ohne jenes Mandat
des Königs zu achten und entgegen den von Rudolf selbst an-
erkannten Rechten Freisings, das Landgericht Lack in seine
Gewalt gebracht.
Nicht unerwähnt müchtcn in diesem Zusammenhange auch
die Reibungen und Gegensätze bleiben, welche 1277 auf 1278
in Kärnten zwischen Bamberg und iVlbert von Gürz bestanden. *
König Rudolf seinerseits beobachtete dem Begehren Mein-
hards gegenüber zunächst jene Haltung, die der gegebenen
Sachlage nach einzig möglich war, eine dilatorische. Eine Er-
ledigung kurzer Hand wäre verfassungsmässig ja auch gar nicht
zulässig gewesen. So verwies er Meinhard ob des nöthigen
Consenses der Kurfürsten auf den nächsten Reichstag. ' Die
Annahme, dass die Verpfandung Krains an Meinhard ,al8 Ab-
schlagszahlung ftir das kaum abzuweisende Begehren' Mein-
hards erfolgt sei,* dürfte kaum stichhältig sein. Denn diese
ward bereits früher und zu einer Zeit vorgenommen, da Rudolf
noch durchaus seine Söhne als künftige Landesherren von
Kärnten und Krain ansah.* Vielleicht liaben gerade die Ver-
träge mit Bamberg und Agnes von Heunburg, die Rudolfs Ab-
sichten deutlich enthüllten, Meinhard veranlasst, mit seinen
Ansprüchen hervorzutreten. Der König nun mochte alsbald
einsehen, dass er ihnen werde Rechnung tragen müssen. So
ist denn sehr bald, früher als man bisher annahm,'' die ent-
scheidende Wandlung in Rudolfs Haltung gegenüber der Käm-
ten-Krainer Frage erfolgt.
Meinhard, der bei der Judenburger Tagung nicht zugegen
war, erscheint Anfang November zu Linz wieder in der Um-
* Vgl. Ana Mandat KOnig Rudolf» an Meinhard (vom 20. Mai 1880), Font,
rer. Äustr. II, 31. 391.
* Vgl. den Soiiiedgpruch über die Beilegung dieser Streitigkeiten vom
17. Mära 1278, Font. rer. Auntr. U, 1, 196.
* So Johann von Victring. B'lbmer, Font. rer. Austr. 1, 313.
* Redlich in Mitth. des Instituts für Usterr. Geschichtsforschung, Erg,-Bd. 4,
146.
' Vgl. den Excnra.
* Nach Hedlich (Mitth. de.i lustituts für Osterr. Geschichtsforschung, Erg.-
Bd. 4, 148) wäre Rudolf ,um die Wende von 1*281 und 1282 so gut
wie entsc-blossou' gewesen, ,Kämlcn dorn Grafnu Meinhard zu verleihen*.
Unber ((}usoh. Oosterreichs 2, 7, N. 1) setzt diesen Zeitpunkt doch schon
ein Jahr früher an.
39
des Königs. Dort stellte bemerkenswerther Weise auch
tüudolf einen Wiilebrief ftir die römische Kirche aus.' Und
Bon am Anfang des niichsten Jahres lassen die Verhältnisse
in Kärnten eine wesentliche Aenderung erkennen. Ich möchte
annehmen, dass sie bereits in der Urkunde vom 23. Miirz 1280^
mm Ausdruck kommt, durch die König Rudolf die Rechts-
«nsprüche von Gurk einer definitiven Regelung zuführte. Wir
gewinnen da insofern einen nähereu Einblick, als diese Urkunde
«uch über die frühere Zeit (vor 1279) sich verbreitet. Aehn-
lich wie den anderen Hochstiften hatte König Rudolf auch Gurk
{&JC die ihm während des Krieges mit Otakar geleisteten Dienste
sowie die Willfllhrigkeit bei der Verleihung der Kirchenlehen
an seine Söhne eine Summe Geldes zugestanden, die von Jonen
Lehen in Abzug gebracht werden sollte. Um die Auszahlung
derselben, welche in Folge vorzeitigen Todes des Gurker
Bischofs Dietrich (■?• 12. November 1278) unterblieb, bewarb sich
nun dessen Nachfolger Johann. Indem König Rudolf dartiber
hier bestimmte Vereinbarungen Irifift, ist die Stellung beachtens-
werth, in der Graf Mcinhard beidcmale erscheint. Seinerzeit,
unter Bischof Dietrich, habe Rudolf an ihn als ,tunc capitaneo
nostro in Rarinthia, Camiola et Marchia* den Auftrag ertheilt,
«lie Gurk zugesicherte Summe anzuweisen. Das neue Ab-
kommen aber wird, wie ausdrücklich hervorgehoben erscheint,
,de consilio comitis prenotati' getroffen.'
* Hedlieh, 'Rog. Kudolf«, Nr. 1161. Unter den dazu Bernfenuu war Mein-
hard der einzige, welcher nicht dem FQrsttinütaude angehörte. Vgl.
Kttltenbmnoer, Mitth. dos Instituts für österr. Gesrhi(;litit'(>rsi'liunp, Erg.-
Bd. I, S83. Sollte dn» vielleicht gnr bereits ein Wechsel nuf die Zukunft
■ein? Vgl. auch den Exuurs.
' Mariao, Aastria sacra, &, iW ff.
* Indem nunmehr die Schuldsumme Kßnig Rudolfe nicht mehr von den
Kircbenlehen in Abzng gebracht, sondern ztim Theil auf genannte
UOter in der Mark, zum Theil aber in Kärnten angewiesen wird,
hwbt der Klinig nicht nur bei diesen beiden Bestimmungen Meinhards
Zustimmung (cnnsilinm) hervor, sondern betont auch am Srhiii.sso noch
inxliesunduro, das« diese Aendening gegenüber den früheren Verein-
barungen ,de CMOsilio comitis' erfolgt sei. Wird die Erwähnung Mein-
hards im enteren Theile deshalb wenig besagen, weil die EUnholnng
■einer Zustimmung ob der Verpfändung der Mark an ihn erforderlich
Min mochte, so ii«t dieselbe im zweiten Theile doch um so bezoirhnender.
Nicht nur weil es sich um eine Anweisung in Kärnten handelt, sondern
auch wegen der Eveutualbestimmung, dass der KOnig dem Bischof die
Die Verschiedenheit in der Bezeichnungsweise Meinhards
könnte an sieh in Folge der Hervorkehrung des ,tunc' im
erstcren Falle auf eine unterdes erlblgte Veränderung scUiessen
lassen. Noch mehr aber spricht da{\ir die damit correspon-
dirende Thntsachc, dass dort Meinhards nur im Sinne eines
Executivorgancs des Königs gedacht wird, welchem die Aus-
fülirung der vom König selbständig getroffenen Vereinbarung
zukommt, während er hier von vornherein neben dem König
als eine Persönlichkeit erscheint, deren Zustimmung zum Ab-
schluss des Vertrages eingeholt und besonders hervorgehoben
wird. Die Bedeutung dieser auffallenden Erscheinung wird
noch deutlicher durch das, was wir über die Ausführung jenes
Vertrages wissen. Es kam nitmlich zu der in demselben
vorgesehenen Eventualität, dass die dem Gurker Bischof in
Känitcn angewiesene Summe nicht zur Auszahlung gelangte.
Dem zufolge hatte nunmehr, als Compensation dafür, die
Uebertragung der Blutgerichtsbarkeit an Gurk zu erfolgen.
Der König, von dem die Verleihung ausgeht, hebt auch in der
Intimation derselben (die Verleihuiigsurkunde ist uns nicht mehr
erhalten) an die Verwaltungsorgane luiter ausdrilcklichem Hin-
weis auf eine Urkunde Meinhards hervor,' dass er sie ,acce-
dentc beneplacito et consensu spectabilis viri ac comitis Tjto-
lensis' vorgenommen habe. Die t"ijrmlichc Uebertragung selbst
l\ihrte Meinhard ,ex speciali mandato sorenissimi domini nostri
RudolH Koiuanorum regis' durch.*
Man sieht: der König, der das Verftigungsrecht über die
den Kftrntner Herzogen zukommenden Hoheitsrechte damals in
Ermangelung eines Herzogs ausübte,^ hat in Fällen, wo mit der
bis dahin Ton den Kärntner Herzogen atugeObte Blntgerichtobarkeit aaf
dessen Gütern verleihen wolle, im Falle Meinlinrtl diese Anweisang
innerhalb des bestimmten Termines nicht vollziehe.
Archiv fUr Oeterr. Qesch. 14, 28.
Vgl. die Urkunde Meinhards vom 11. December 1280, Beilage Nr. Ol.
An demxelbon Tage, an welchem joner Vortrag mit Gurk abgatchlosson
ward, bustätigte KDnig Rudolf dem Bischof von Gurk ein landesfürstliches
Privileg über die Vogtei des ITerzogs auf den Stiftsgiltern (Winkelraann,
AcU Imp. 2, IUI, Nr. 12S; vgl. Ankerahofen, Archiv für Osterr. Gesch. 8,
H67, Nr. 396), und vier Tage nach jener Intimation wegen Uebertragung
dor ßlutgoricht«barkoit an Gurk (vgl. Anm. 1) hat Rudolf mit demselben
Bischöfe ein Abkommen Hbor die Nachkommenschaft aus Ehen l&ndes-
fUmtliclier Dienslleute und solchen der Oiirker Kirche getroffen (Redlicbi
Brang solcher eine Schmjilorun^ der landesherrlichen
bte sich ergehen musste, der Zustimmung Meinhards sich
TCTsichert. Offenbar hatte Rudolf seinen Ansprüchen damals
bereits eine weitgehende Berücksichtigung zutheii werden lassen.
Er war unter Verzicht auf seine früheren Pläne im Frühjahre
1280 schon geneigt, in ihm den künftigen Landeshemi von
Kärnten zu sehen. Zur Dlustrirung der Sachl.age von damals
kann eine überaus bezeichnende Bemerkung dienen, die sich
in einer (noch im Original erhaltenen) Privaturkunde vom
14. Febmar 1280 über Meinhard findet: .Qui de conscnsu do-
luini Radolphi Komanoioim regis dominum Karinthie tunc se
I
MögHchcrweise ist in diesem Sinne auch noch eine andere
tte aufzufassen, die sich allerdings nur in einer IJriefformcl
erhalten hat.* Indem König Rudolf Meinhard ersucht, zwei
Bürgern von St. Veit seinen Schutz angedeihen zu lassen, hcisst
CS von diesen: ,Sub districtus tui dominio tenentibus mansio-
nem.* Sollte der Charakter dieser Quelle eine prägnante Auf
fa^snng dieses Ausdnickes verstatten, so würde dominium vom
Standpunkte des Königs kaum t^r die Amtsgewalt eines Landes-
hauptmannes die adüqunte Bezeichnimgsweise sein.
Die Thatsache, dass König Rudolf seine einstigen Ab-
sichten zu Gunsten seiner Söhne bereits aufgegeben und sich
ilareingefiinden hatte, in Meinhard den künftigen Landcsherni
von Kumten zu erblicken, kam dann auch im folgenden F'rüli-
jnhr (1281) zum Ausdruck, als er nach mehrjährigem Aufent-
halt Oesterreich verlicss. Indem er damals, im Mai 1281, seinen
Sohn AJbrecht zum Reichsverwescr in den erledigten Herzog-
ihUmem einsetzte, wurde deraelbe doch nur tlir Oesterreich und
Steiermark bestellt." Kärnten und Krain blieben nach wie vor
in der Hand Meinhards.
Reg. Rodolfii, Nr. 1244). V^l. aucb noch die Urkunden Rndolfii bei RmI-
Uch, Re^. Radolf«, Nr. 1369, 1290, 143Ü.
' Tanfl, 8.349; vgrl. daxa Redlich, Mitth. des Inatituts fSr Osterr. Qeiichichts-
fotwhuDi;, Er|^.-Bd. 4, 14.5. Anm. '.'.
' Bodmuui, Cod. Epist. Rudolli regis 16U. Vg\. dasa Redlich, Reg. Rudolfs,
Nr. 1319.
* I>ie Aunahmc Tanf^V« (S. il73), dass Albrecht ancb viim Reichsverwescr
▼OD Krmin und der Mark bestellt worden sei, onicheint durcli die be-
luuinto Erklfcning Albrecbt« selbut in dem Ninderlagspririlei; fllr Wien
42
Wenn gleichzeitig damit die Städte und die Ritterschaft
in Ueaterreich sicli ver|)flichteten, den Ende des Jahres ab-
laufenden Landfrieden König Rudolfs von 127G durch weitere
zehn Jahre zu beobachten,* so ist vielleicht bemerkenswerth,
dass eine gleiche Erklitruug aus Kärnten und Krain nicht vor-
liegt, obwohl, wie wir sahen, jeuer Landfriede auch ftir diese
LUnder erlassen wurde. Jedocti kann dieser Ei-scheinung des-
halb eine grössere Bedeutung nicht zuerkannt werden,* weil
derselbe Mangel auch für die Steiermark besteht.
Es ist nur natlirlich, dass König Rudolf damals, als er
Oesten"eich verliess, Meinhard gegenüber eine entgegenkom-
mende Haltung eingenommen hat. Vermuthlich sind vor seiner
Abreise noch entsprechende Verabredungen getroffen worden.
Meinhard war damals in Wien. Im Mai noch wurde ein Ab-
kommen zwischen ihm tmd dem König wegen der Verheiratimg
eines Sohnes Mcinhards mit einer Nichte der Königin vereinbart.
Rudolf selbst scheint das Heiratsgut für die Braut ausgesetzt
zu haben.'' Ein neues Band, das die Familienbeziehungen noch
mehrte.
Auch das Verhalten Meinhards in der nächstfolgenden
Zeit spricht ftir die frühere Annahme. Das rein äussere Mo-
ment der Urkundenstatistik kann vielleicht da einen Fingerzeig
gewähren. Es ist nämlich für die Zeit von Rudolfs Abzug bis
zum Ende des folgenden Jahres 1282, für rund einundeinhalb
Jahre, keine Urkunde Meinhards für Kärnten Krain bekannt
geworden. Auch des Königs nicht. Aber dies mag thatsäch-
lich in dessen Entfernung, zum Tlieilc wenigstens, begründet
sein. Umsomehr jedoch filllt da jener Mangel an urkundlichen
Zeugnissen für die Wirksamkeit des eigentlichen Herrn von
Kärnten auf, zumal derselbe, wie aus einzelnen Urkunden Pri-
vater henrorgeht,* im Lande weilte.
vom 24. JiiH (.Schwiiiil anil Dopscli, a.n. O., l'J6), sowie den Titel deuelben:
per Au.Htriniii ot .Stiri.'nn vicariiui ^enernlis (vgl. tue Urkunden im ür-
kamlHiil)Ui:be doa Lnuden ob der Rnnii H, 532, 5-16, 648 n. A.) widerlegt.
> Schwind und Uoparh. ä. 125; vgl. dazu Redlicli, Ueg. Uudulfs, Nr. 1289.
* Oazn sciieint Tangl, 8. 374, geneigt.
■ Vgl. die Urkunde Meinliards vom 19. Mai. Redliuh, lieg. Rndolfs, Nr. 1291;
dazu Tangl. 8. 370 f.
* Vgl. die Urkunde den (trafen Friedrich von Ortonhurg vom 3. Juni 1281
bei Tangl, 8. 376 ff.
43
Wenn er sich auch als Herrn von Kärnten gab, so ist
Meinhard damals — scheint es — nicht besonders horvor-
(jetrelen. Nur indirect hören wir, dass er unausgesetzt an der
Erweiterung und Festigung seiner Macht arbeitete. Auf der
ProTinzialsynode zu Salzburg im November 1281 wurden Klagen
über ihn laut.' Die Beschlüsse derselben* gegen die Ucber-
griffe und Bedrückungen von Laien kehren sich deutlich aucli
gegen ihn. Nicht in Tirol allein durfte er seine Silcularisations-
politik betrieben haben.
Das Vorhaben König Rudolfs nun, Kärnten an Meinhard
zu vcrleilien, mochte alsbald bekannt geworden sein. Denn
noch im Jahre 1281 haben sich iSchwierigkeiten erhoben, welche
gegen die mit der Verleihung des Herzogthums verbundene
llrhebung Meinhards in den Keichsfiirstenstand gerichtet waren.
Man suchte diese, wie es scheint, zu vereiteln, indem man ein-
wendete, dass Meinhards Grafschaft zum Herzogthume Baicni
oder Schwaben gehöre.' Nach den Grundsätzen des deutschen
LehcDsrechtcs konnte bekanntlich eines LaienfUrsten Vasall
nicht dessen Genosse im ReichsfUrstenstande werden.
Die Annahme Fickers, * dass dieser Widerstand anf An-
sprüche Baienis zurückzuführen sei, hat alle Wahrscheinlichkeit
Itir sich. Denn wenn auch der Pfalzgraf Ludwig damals mit
Meinhard gute Beziehungen unterhielt,'' so befand sich dessen
ulu^eiziger Bruder, Heinrich von Niederbaiern, gerade um jene
Zeit in der schärfsten Opposition gegen den König."
' V^l. das Schreiben de» ErzbUchofii Friedrich von Salisbiirg vom 15. MSrx
1283. Juvnvia, 8. 335, N. e. Da der Trienter Bischof bei der Synode
nicht iiigegon war, kOiineii diene Beacliwerden im Hinblick :iiif da« üben
geschilderte Vorgehen Meinhards gegenflber Freising (vgl. 8. 37 f.) »elir
wohl auch an/ Kimten-Krain bexugen werden.
liansiz, Germania sacra 2, 891.
' Vgl. ilje Erklärung den Biitchofs Konrad von Chnr vom 811. Jänner 12(J2
(aber das Datum Kopp, Reichsgcsch. 1, 613, Anm. 1). Mohr, Cod. dipl.
Bliaetiae S, 9.
* Uebcr die Entstehangsxeit de» Schwabenspiegols Sittnogsber. der Wiener
Akad. 77, 85« f
' Da» hat Redlich dagegen geltend gemacht. Mitth. des Instituts fllr nsterr.
OeBehichtsfor<f-hiing, Erg.-Bd. 4, 148. Laoscfa, Die kämtenische Beleh-
uongifrage, 8. r>U, bonclitet boi seinen Bemerkungen Qber (loinrichs
8teIluDg den Z«it|iiinlrt nicht, um den es sich hier handelt.
• Redlich, -h >> <• Ulf
44
Am 20. Jiinner 1282 erschienen mit der Erklärung des
Bischofs von Chur über die lehensrechth'che Stellung Meinhards
jene Schwierigkeiten belieben. Meinhard war um jene Zeit
augenscheinlich bestrebt, alle Hindernisse, die sich seiner Er-
iiebung in den Weg stellen kf.lnnten, zu beseitigen. So ward
vier Monate darauf, am 25. Mai, vom König auf Bitte Mein-
hards der Rechtspnich beurkundet, dass dieser mit zwei Edlen
aus dem Land im Gebirge den Nachweis seiner landrechtlichen
Stellung erbringen könne. '
König Rudolf aber unternahm nunmehr die letzten Schritte,
die noch zu thun waren, um die definitive Verleihung der süd-
ostdeutschen Herzogthümer ins Werk zu setzen: die Einholung
der kurTürBtlichen Willcbriefe. Sie wurden im Sommer 1282
successive ausgestellt. Der erste davon, jener des Kölner Erz-
bischofs vom 27. .luli, filllt durch seine ganz allgemeine Fassung
auf, da er, ohne jede Besclirilnkung ertbeilt, dem Könige völlig
freie Hand Hess; er konnte darnach seinen Söhnen welches
Fürstcnthum er wollte verleihen und wann er es wollte.' Eine
Unsicherheit der Lage drückt sich darin aus, wenn wir damit
die gleichlautend bestimmte Fassung der übrigen Willebriefe
zusammenhalten. Jene der beiden sächsischen Kurherren, .Jo-
hanns und Albrechts, sowie des Markgrafen Otto von Branden-
burg, sie alle vom 22. August datirt, und endlich die letzten
des Mainzers, Heinrichs von Trier und des Pfalzgrafeu Lud-
wig (diese vom 22. September). ' Sie lauteten insgesammt nicht
nur auf Oestcrreich und Steier, sondern auch auf Kärnten,
Krain und die Mark.
Man merkt, dass sich unterdes eine entscheidende Wen-
dung vollzogen hatte, dass Rudolf nunmehr gewillt war, auch
Kärnten und Krain seinen Sühnen zu verleihen. In dem Briefe
an den König von England vom 1. December hat er es direct
' Mohr, Cod. dipl. 3, S6. So ist wohl, wenn nuin den Wortlaut recht be-
achtet, KU iiberaetien: ,quod ad iustantiam «pectabilia viri Meinhardi
oomitis Tyrolensifl . . . coram uobi<i per eimtentiam est ubtontnm, qnod
idem comea cum duobus principibu.s vel uuljilibu.s du turni Mi>ntinin
probare poasit et legitime obtiiiore, cui terre attinero debeat Tel
cuius terro iure ^andere.'
' LicbnowflUy, Oesch. des Hnnsea Habsbarg 1, CLXVin, Nr. X.
» Vgl. Kedlicli, Reg. Rudolf», Nr. 17U.
45
I
I
rochen.' Bald darauf, zwischen dem 1(3. und 22. dieses
Monats, fand auf dem Reichstag zu Augsburg, wie bekannt,
die feierliche Belehnung der Söhne Rudolfs statt. Sie bildet
einen Markstein auch in der Geschichte der Kärnten-Krainer
Frage.
in.
Albrecht und Rudolf, die Söhne des Königs, wurden zu
Augsburg mit den HerzogthUmern (Icsterreich und Steier, sowie
mit Krain und der windischen Mark belehnt. Das i.st unum-
stösslich sicher, das sagt uns die Belehnungsurkunde selbst* in
klaren, deutlichen Worten. Mit grösseren Schwierigkeiten ist
dagegen die Entscheidung der Frage verbunden, ob dieselben
auch mit dem Herzogthunie Kärnten belehnt worden seien. Sie
hat lange Zeit den Gegenstand einer lebhaften wissenschaft-
lichen Controverse gebildet. Heute darf sie als abgeschlossen
gelten. Denn die Urkunde König Rudolfs über die Belchnung
Meinhards mit Kärnten vom 1. Februar 1286 und der mit ihr
reinstimmende Willcbrief, den Herzog Albrecht von Sachsen
IJ5U ertheilte (28. März 1285), sind ftir die Thatsache jener
Belehnung ein historisches Zeugniss, gegen das sich, da ihre
Echtheit unzweifelhaft feststeht, ein begründeter Einspruch nicht
mehr erheben lässt. Mit Recht durfte Oswald Redlich, als er
diese Streitfrage zuletzt zusammcnfMsend behandelte, jene Be-
leimung der Habsburger auch mit Kärnten als eine Thatsache
bezeichnen, ,so gut bezeugt wie nur irgend eine der mittel-
alterUchcn Geschichte'.*
Es ist allerdings wahr: mit der sicheren Feststellung jener
Thatsache allein ist nicht auch eine volle Klärung der mit ihr in
Verbindung stehenden politischen Vorgänge gegeben. Im Gegen-
tbeile. Eben damit verdichten sich die vorhandcneu Suhwicrig-
koiten zu einem förmlichen Problem.
Ebenda, Nr. 1731. Krain wird in dem Schreiben allerdings nicht ge-
nannt Vgl. unten S. 68, Änni. 2.
' Zeimberg in den Bl&ttem des Vereine« für Landeskunde von Nieder-
naterreich 16, 346 ff.
* Mitth. das InaütatH für «sterr. Oescliichtsforschuug, Brg.-Bd. i, 144 flf.
Hier auch die nähere» Literatnrnauhweise.
46
Erwägen wir nur die Sachlage: die Söhne Rudolfs haben
in der folgenden Zeit bis 1286, da sie auf Kärnten verzichteten
und dies Herzogthum an Meinhard definitiv Übertragen wurde,
in Kärnten keine Herrschaftsrechte ausgeübt. Nicht eine Ur-
kunde von ihnen, die auf dieses Land Bezug hätte, ist uns aas
dieser Zeit bekannt geworden. Ja sie haben nicht einmal den
Titel eines Herzogs von Kärnten angenommen. Und ebenso-
wenig wurden durch jene Belehnung Verpflichtungen der Unter-
thanen dort begründet. Es fehlt jede Spur davon selbst dort,
wo man sie geradezu erwarten müsste. Im Gregensatz zu
Oesterreich und Steier erging nach erfolgter Belehnung kein
Obödicnzmandat von Seiten des Königs an die Kärntner. Sie
hatten auch bei Acten von hervorragender staatsrechtlicher Be-
deutung, wie z. B. bei der Abänderung der 1282 begründeten
Herrschaftsverhältnisse durch Erlassung der Rheinfeldener Con-
stitution vom 1. Juni 1283, keinen Antheil. Nur die österrei-
chischen und steirischen Landesgrossen wurden damals als land-
schaftliche Vertretungskörper zur Mitwirkung berufen.*
Ja noch mehr. Es fehlt nicht nur jedes materielle Zeug-
niss dafUr, dass jene Belehnung praktisch rechtswirksam ge-
worden sei, es wissen von ihr weder die Belehnungsurkunde
der Söhne des Königs selbst, noch auch die tiberwiegende Mehr-
zahl der gleichzeitigen Geschichtsquellen etwas zu berichten.^
Air diese Umstände nun haben in ihrem Zusammenscbluss
die Folgerung begründet, dass es sich bei jenem historisch be-
glaubigten Vorgang, der thatsächlich erfolgten Bclehnung auch
mit Kärnten, nur um eine Schcinbelehnung gehandelt haben
könne, dass die Söhne Rudolfs von vornherein mit bestimmter
Absicht darauf verzichtet haben müssen, in den materiellen
Genuss der ihnen damals verliehenen Rechte einzutreten.*
Dieser Vorgang muss jedenfalls höchst auffallend erschei-
nen, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass König Rudolf längst
' Vgl. das feierliche Recognitionsdiplom deriielben zu jener vom 11. Juli
1283, Schwind und Dopsch, Ausgewählte Urkunden, S. 136, und dssn
Ulätter des Vereines für Landeskunde von Niederösterr. 27, 246.
Vgl. StOgmann, Ueber die Vereinigung Kärntens mit Oesterreich, Sitzungs-
berichte der Wiener Akad. 19, 190, und Lausch, Die kSmtenische
Belehnung8frage_(G0ttingor Diss. 1877), S. 20 ff.
' So ratschte ich mit Rücksicht auf meine späteren Darlegungen die bis-
herige Ansicht präciser formuliren.
47
bereit war, die wohlbegrllndeteu Ansprüche Meinbanls durch
die Verleihung Kämtuns zu befriedigen. Er scheint um so
selhafter, als die frühere Annahme, dass darin ein foind-
jea Vorgehen des Königs gegen Meinhard zu erblicken sei, '
ala haltlos nachgewiesen wurde. Meinhard erscheint nach wie
vor in freundschaftlichem Verkehr mit Rudolf und dessen Söhnen,
er war auch bei der Belehnung dieser selbst zugegen; ja er hat
die Belehnungsurkunde selbst mit als Zeuge unterschrieben.
Sie ist also mit seiner Zustimmung erfolgt, er war offenbar auch
darüber wohlunterrichtet, was auf der Tagesordnung des Augs-
burger Reichstages stehe. Weun dort aus Kärnten überhaupt
keine Abordnung der Landesgrossen erschien," so deutet das
meines Eracbtens darauf hin, dass dies alles mit Meinhard vor-
her vereinbart sein mochte.
Zar Erklärung dieser comphcirten Verhältnisse nun hat
V. Zeissberg zuerst jene Nachrichten herangezogen,* nach
welchen, wie wir sahen, sich der Erhobung Mcinhards in den
Kcichsftlrstenstand formelle Schwierigkeiten in den Weg stellten.
Da die Beseitigung derselben sich verzögerte, Rudolf aber mit
der Verfügung über die erledigten Ilerzogtliümer nicht länger
zuwarten wollte, habe er zu jenem Ausweg seine Zuflucht ge-
nommen. Indem er auch Kärnten an seine Söhne verlieh,
sei dies ohne Veränderung der Verhältnisse im Lande in der
Absicht erfolgt, dieses an Meinhard, den eigentlichen Herrn
desselben, zu übertragen, sobald jene llindurnisse behoben
wÄren, .oder falls dies unausführbar war, seinem eigenen Haiusc
zu erhalten*.
Mit dieser Annahme v. Zeissberg's schien thatsächlich der
Scfaittssel zur Lösung jener vielumstrittenen Bclehnungsfrago
gefunden, und es ist sehr begreiflich, dass sich ihr in der Folge
alle Forscher, die sich mit derselben beschäftigten,* gleich-
* So Sf'gTnanu, n, ». O., 8. 194 f., und Olinifil, D.i.s ßoelit des Hauses Habs-
bnrp auf Kärnten, Sitzungsber. der Wiener Aknd. 20, 171.
' Nach dem ausführlicbeu Bericlite des steirischeii Roiiiiclironisteu, Mon.
(ieriD., Deutoche Chnm. V. 1, 262. Vgl. gegen die irrige Anffaasang von
Loreux, DeuUclie Gesch. 2, 274: Redlid), a. a. O., 150. ,
* Kndnlf Ton Habsburg und der Österreichische Slaatsgedanke, Ulätter de«
Voretoes fllr Landeskunde von NiedorOsterr. 16, 333.
* 8o Uuber, Oesferr. Gesch. 2, 7. Lindner, IJeutache Gesch. unter den
Uababurgern und Luxemburgern 1, 62 ff., und Kedlicli, a. a. O., 149 f.
48
massig ansclilossen. In scharfsinniger Weise waren damit die
süheiabarcn Widerspruche und Schwierigkeiten behoben, welche
die Forschung bis dahin aufgeworfen hatte.
In jüngster Zeit erst hat A. Baehmann eine durchaus andere
Auffassung zum Ausdruck gebracht. Kr hat geradezu die That-
sache der Belehnung von Rudolfs Söhnen auch mit Kilrnten
neuerdings in Zweifel gezogen. Indem er von deren Belohnung
mit Oesterreich, Steiermark, Krain und der Mark spricht, meint
or: ,Dass auch die ßelehnung mit Kilrnten in Aussicht genommen
war, zeigen die Willebriefe der Kurfürsten, doch weiss der
Lehenbrief {vom 27. Docember) von einer Belohnung mit
Kärnten nichts. Offenbar liess Rudolf Kilrnten nur einstweilen
in der Hand des Tiroler Grafen, so lange, bis er ihm ander-
weitig Bi'lolinung für seine wichtigen Dienste verschaä"t. Dann
sollte auch Kärnten dem Hause Uabsburg worden. Als aber
dies bis 128fi nicht gelang, erhielt Meinhard Kilrnten selbst,
und zwar direct vom Reiche."
Wir können von dieser singujären Annahme zunälehst
wenigstens absehen, zumal Bachmann die Gründe, die ihn dazu
veranJassten, noch nicht vorgebracht hat. Aber die frlihore,
allgemein acceptirte Ansicht. Ob ihr Aufbau wohl nilheror Be-
trachtung Stich hält? Sie hat recht bedenkliche points d^licats,
die gerade bei der zusammenfassenden Behandlung der ganzen
Frage deutlich sichtbar werden. Als einzigen greifbaren Grund,
weshalb Rudolf seine deutliche Absicht, Kärnten an Meinhard
zu verleihen, nicht habe ausfülu'en künnen. wird jenes Hinder-
niss bezeichnet, das die lelienrechtiiche Stellung Meinhards be-
reitete. Allein dasselbe war thatsiichlich bereits beseitigt, als
Rudolf daran ging, jene Verleihung vorzunehmen. Das muss
besonders betont werden. Denn schon im .Jiinner 1282 war
die Hauptschwierigkeit gelöst mit der Erklilrung des Biscliofs
von Chur, dass Meinhard keines Laienfllrsten Vasall sei. Und
wenn anderseits dessen Bitte, seine landrechtliche Zugehörigkeit
mit zwei Edlen seines Territoriums zu erweisen, im Mai bereits
stattgegeben wurde, so kann man sicherlich annehmen, dass er
diesen Nachweis alsbald erbracht haben werde. Es ist doch
ganz unwahrscheinlich, dass er nicht zwei tiroiische Edle ge-
fumlen haben sollte, die dazu bereit und auch in der Lage
Lulirbuixb dur Oaterr. Uoiuhsgescli. (1895), S. 68, Äum.
1
49
waren, denselben zu liefern. Das hat Lausch' schon hervor-
gehoben. Erwägt man dazu, dass der Rechtssprucli, den Rudolf
am 25. Mai beurkundete, niclit, wie man bislier annahm, eine
Autforderung an Meinhard, sondern vielmehr eine Erm!ich%unp;
ftlr ihn enthielt, jenen Nachweis zu erbringen,* so crfJUirt, da
dieselbe auf seine Bitte hin ertheilt wurde, der ganze Vorgang
eine wesentHch andere Beieuchtung. Man darf annehmen, dass
Meinhard mit dieser Bitte erst hervorgetreten sein wird, als
er aach in der Lage war, von jener Ermächtigixng wirklich
QebrAnch zu machen.
Dass jene formellen Schwierigkeiten noch vor dem Reichs-
tag Ton Ängsburg thatsUchlich beseitigt waren, bezeugt endlich
auch noch ein wichtiges .testimonium a silentio': p]s ist in der
ganzen Folgezeit nicht wieder darüber verhandelt worden.'
Man mQssto aber, da dies der einzige greifbare Qrund der
Verhinderung von Meinhards Relehnung gewesen sein soll,
erwarten, dass sich später noch die Spuren wenigstens einer
Nachwirkung zeigten.
Entbehrt somit die bisherige Ansicht, weshalb Küuig Ru-
dolf Meinhard entgegen seinen deutlich bekundeten Absichten
12H2 mit Kärnten nicht belehnte, meines Erachtens der zurei-
chenden Begründung, so möchte mir auch der andere Theil jener
Erklärung nicht überzeugend erseheinen: die Beantwortung
nJiralich der Frage, warum denn Rudolf, wenn schon Meinhard
«lamals nicht mit Kärnten belohnt werden konnte, dieses seinen
Söhnen verliehen habe. Sie ist verschieden gegeben worden:
weil Rudolf nicht auch die Belehnung seiner Söhne verzögert
sehen wollte und es wohl uothunhch schien, Kilrntcn auch
weiterhin noch un vergeben zu lassen;* oder: weil Rudolf sicli
Meinhard noch mehr zu verpflichten gedachte, indem dif^ser
Kärnten nicht den Kurfürsten, sondern ganz allein ilira und
seinen Söhnen verdanken sollte;* endlich: weil Rudolf damit
Kärnten, im Falle die Uebertragimg an Meinhard sich als unaus-
TÜirbar erweisen sollte, seinem eigenen Hause erhalten wollte.''
» A. a. O., 8. 69.
* Vgl. oben 8. 44, Anm. I.
• \'g\. dam LauHcli, a. a. O., 8. 59.
• Li
Redlich,
ndner, a.
.. a. O., 8 149.
O., 8. 63.
• T. Zeüiberg. »- <^ O., 8. .'t33 f.
Archiv. UXXVII. Bd I. Hlklfi«.
50
Man sieht: so viele Hjpotb«sea ab AeuMmngen überv
haapt Es scheint, daas Niemand von den bereits versuchten
Erklinmgen sich sehr befriedigt föhlte. Doch sehen wir nahet
SU. Da dtiifte nach der oben .gegebenen Vofgeschichtc der
ganxen Frage jener zaerst angeftlhrte ErkUrangsversach kaum
wahrscheinlich sein. Die KSratoer Angelegenheit war durchs
aus eine Sache fUr sich und braaclite die Beldinung der Sühne
Kadolis mit Oesterrcich and Steiermsirk mit nichten zu ver-
■Sg«ii. Kärnten konnte um so leichter znnSchst noch unveiv
geben bleiben, als dasselbe erst drei Jahre nach jenen beiden
L&ndern (1379, mit dem Tode Philipps) dem Bdche ledig wurde.
Aber anch die Annahme Lindner's bat, bevor er sie selbst
formnlirte, bereits gewichtigere Anfechtong erfahren. Huber
hatte niUnlich schon 1878' die in diesem Punkt analoge Auf-
fitasung von Lausch mit der Motivkni^ verworfen, dass Mein-
liard ,dooh nicht erst ana dem Lelwafanef xu erfahren brauchte,
wem and welchen Motiven er den Besita von Kärnten ver-
danke*. Uebrigens wurde sa der £Mtiscben Belehnung Mein-
hards im Jahre I2S(^ doch auch die ZastänmuBg der Kurfllrsten
von Hudolf eingeholt,* so dasa Meinhard Kirnten thatsAch-
lieh nicht ^rana allein' ihm ond seinen Sohoen verdankte.
Konnte doi>h BAchmann. wie wir saben, in jfiagster Zeit gerade
das Oegentl>eil davon behaupten.*
Am ehesten konnte meines Erachteos anter solchen Um-
ständen die von v. Zeiasbarir vocgetngeae Aaiacht bestechen.
Vei^fgeuulrtigea wir ans aber dSe «iigaiigs geschilderten
Tcnitoriiihrariridtiiias« Kmtaas, sowie die Entwicklung der
Käralon-Krainor Frage bis sa jenem Knilimiifc t, so dürfte eines
klar geworden sein: Wira es nickt mSgiieh gewesen, Kärnten
an Meinhard aa ftbettragta, so konnte bei dem Charakter
der Herrsdiafta- ond BwiiiUvt^rliihnisBw im Laade ausser ihm
aismand Anderer in Betracht kommen ak thea die Söhne
ÜMlelf«, die äoli bereits im Besüae d«r wiekÜgstea Kirchen-
Mmu b«Autd«B. E» isl doMi sneh, so Tiel wir wiaseo, von
keiner anderen Seite her ein AmftmA auf Kimtea damals
erhoben worden.
• TffL 4m WUMtW ll«nu«« AlkivcM ^m«
(MHai^itir. 4w WtMi«r AkaA. IK MI).
TMi 29. lOra 1286
51
Zorn Schlüsse noch ein Wort zur Kritik der Ansicht
fiichmnnn's. Ich sehe davon ab, auf die neuerdings aufgewor-
fenen Zweifel hinsichtlich der Belehnimg selbst einzugehen.
Das betrachte ich, wie bemerkt, als abgeschlossen. Gegenüber
der Erklllrung selbst ist man in der misslichen Lage, die OrUnde
nicht zu kennen, welche den Autor dazu bestimmten. So mögen
meine Zweifel an der Richtigkeit derselben zunächst nur in
einigen Fragen ihren Ausdruck finden. Kudolf soll beabsichtigt
haben, Meinhard, in dessen Hand Kumten nur ,einstwcilen'
belassen wurde, .anderweitig Belohnung* zu verschaffen, um
dann, sobald diese erfolgt wftre, auch dieses Land seinem Hause
zaravrendon. Man fragt sich unwillkllrlich, wie sich denn wohl
Bachnuinn jene ,anderweitige Belohnung' vorgestellt haben mag?
Salute es eine Geldentschädigung sein? Daran ist bei der
schlechten Finanzlage Rudolfs um jene Zeit gar nicht zu denken.
Gerade Meinhard schuldete der König bereits so stattliche
Summen, dass er sich zur Verpfandung Krains genöthigt sah.
Oder sollte es — ein Drittes ist schwer möglich — ein
anderes Fürstenthum sein? Aber welches? Darf man gespannt
sein, darauf überhaupt eine haltbare Antwort zu bekommen, so
liat eine solche Combination von vornherein Alles gegen sich.
Wir wissen ja, weshalb Meinhard gerade Kärnten zu gewinnen
«achte. Eben mit der Erwerbung dieses Landes ward seinen
Interessen am meisten gedient, kein anderes konnte ihm damals
l^leichwerthig erscheinen. Und vor Allem auch: In keinem
anderen war seine Stellung so gesichert als eben dort.
Uebrigens hätte die dauernde Uebertragung auch Kärntens
tn die Söhne Rudolfs im Reiche nur böses Blut gemacht. ^
Schliesslich spricht auch die weitere Entwicklung der
Kftmten-Krainer Frage gegen die Ansicht Bachmaun's. Ihre
LOsong vollzieht sich allmähg, in einer Reihe von gleich gerich-
teten and zusammenhängenden Vorgängen, wie bereits Redlich
dargelegt hat.* Das schliesst eine Umkehr Rudolfs auf halbem
Wege, das Aufgeben des ursprünglichen Planes aus.
Die Tbatsache, dass Meinhard Kärnten 1286 ,direct vom
Reiche' erhielt, besagt gar nichts. War denn bei Verleihung
eines Herzogthums ein anderer Vorgang überhaupt möglich?
■ Vgl. Redlich, a. a. O., 8. Ul f.
* Ebenda, 8. IM.
52
üeberblicken wir nunniclir den Stand der Frage, so
werden sich, meine ich, aus der Besprechung und Kiitik der
bisherigen Ansichten einzelne sichere Anhaltspunkte gewinnen
lassen. Man wird annelimen dürfen, dass die formellen Schwie-
rigkeiten, die sich der Erhebung Moinhards entgegenstellten,
thatsÄchlich zur rechten Zeit bereits bereinigt waren. Es lag
somit ein ilusseres iiinderniss kaum mehr vor, das Rudolf
hätte abhalten können, auf dem Reichstag zu Augsburg KUmten
an Meinhard zu verleihen. Schaltcto dieser seit Jahr und Tag
— schon 1280 — ganz offen wie ein Herr in diesem Lande,
so war Rudolf gerade damals, nachdem er einen so vollstän-
digen Sieg über die Opposition der Ftlrsten im Reiche davon-
getragen hatte," eher denn je in der Lage, seine längst deut-
lich bekundeten Absichten zu Gunsten Mfinhards auch durch-
zusetzen.
Er hat es gleichwohl nicht gethan. Er wollte es also da-
mals offenbar gar nicht thun. Wenn er vielmehr seine Sühne
auch mit Kärnten belehnte, so ist anzunehmen, dass er daran
ein ganz bestimmtes Interesse geliiibt habe. Und da dasselbe
weder auf den materiellen Genuss der verliehenen IlerrschaflB-
rechte, noch auf den dauernden Besitz des Landes gerichtet
war — das sahen wir Jrüher — so kann es sich nur auf die
Belehnung selbst, den staatsrechtlichen Act bezogen haben, der
mit ihr als Thatsache gegeben war.
Anderseits lässt sich aus der Vorgeschichte dieser ganzen
Frage nach der früheren Darstellung noch iiisbcsonders Eines
ableiten: Direct betljciligt an der Sache, um die es sich da-
mals handelte, konnten nur Meinhard und die S^jhne Rudolfs
sein, da sie allein und niemand Anderer für den Besitz Kärn-
tens damals in Frage kamen. Somit muss sich jenes Interesse
der Söhne Rudolfs an der Belehnung auf Meinhard bezogen
haben, es kann das Substrat desselben nur in dem Verhältniss
des Letzteren zu ihnen gesucht, die Erklärung aber demzufolge
nur aus der Betrachtung ihrer Beziehungen gewonnen werden.
So ziehen die Vorgänge von der Belehnung der Söhne
Rudolfs (December 1282) bis zu jener Meinhards (1. Februar
1286) unser Interesse auf sich. Die Zustände im Lande selbst
rllcken in den Vordergnmd. Man hat ihnen in der Literatur
> Redlicli. B. R. O., S. 143.
53
I
I
über die Kärntner Belob nungsFrajjo miiulostoiis seit Lausch zu
wenig Beachtung geschenkt Ks ist ja wahr: mit unserer
Keontnias davon ist es recht schlecht bestellt. Nur spärlich
stehen uns Quellen dafür zu Gebote. Aber wir werden uns
gerade hier auch erinnern müssen, dass das Kärnten von da-
mals nicht isolirt betrachtet werden, dass man Krain daneben
nicht aus dem Auge verlieren dürfe, da es zuvor seit Längerem
die Geschicke Kärntens getlicilt hatte.
In Kärnten selbst wurde — so nahm man übereinstimmend
aii — durch die Belehnung der Söhne Rudolfs keine Verän-
derung geschaffen, es blieb nach wie vor in der Hand Mein-
harda, der daselbst die Verwaltung Aihrte. Wir konnten früher
verfolgen,* dass er, seit Ende des Jahres 15J76 capitancus Ka-
rinthie Carniolo ac Marchie, nicht lange nach dem Tode Phi-
lipps von Kärnten, etwa vom Beginn des Jahres 1280 an, doch
Khon in eine selbständigere Stellung vorgerückt war; wie
Rudolf selbst seine Ansprüche auf Kärnten, die er vermuthlich
bald nach dem Tode Philipps geltend machte, soweit schon
berücksichtigte, dass er als Herr im Lande erscheinen konnte.
Er hat nunmehr wahrscheinlich auch nicht den Titel capitancus
mehr geführt. Allerdings trat er zuletzt, wenn wir den Mangel
jedweder Urkunde seinerseits ftir Kärnten so deuten dürfen,
nur wenig hervor.
Das ändert sich nun merklich seit 1283. Es ist uns eine
Urkunde Meinhards vom 28. Juni dieses Jahres erhalten,* durch
die er die Beilegung eines längeren Streites zwischen dem
)st von Wörthseo und einem Kärntner Edlen (Konrad von
»deis) um liegendes Gut in Kärnten beurkundete. Sie ist in
Klagenfurt ausgestellt und liegt noch im Originale vor. Da tUllt
nan der Titel, den Mcinhard sich hier selbst beigelegt, vor Allem
»af: ,herre des herzcntümes ze Chemdcn, ze Chrayn unde der
Windischen March*. Es ist auch bemerkcnswerth, dass er von
Julian von Seeburg als ,xinserem vizt<lm von Chernden* spricht.
Man hat diese Urkunde früher vielfach commentirt und
■ie insbesonders auch zur Entscheidung der Frage zu verwerthcn
icht, ob die Habsburger 1282 mit Kärnten belehnt worden
ieo oder nicht. Man hat geradezu ,oino unerhörte Anmassung'
> V^l. ob«n 8. 3» ff.
■ Pout. rer. Austr. U, 1, 313.
54
Moinhards darin sehen ' oder aus ihr mindestens auf die ,oppo-
sitiüuelle ätelluug Meinluirds gegen Rudolf schliessen wollen.*
In der jüngeren Literatur über die KÄrntner Beielmungs-
frago blieb dieselbe merkwürdiger Weise ganz unbcrüeksiehtigt.
Lauäcli, der sich zuletzt mit ihr beschäftigte, hat ihr allerdingB
jede Bedeutung absprechen wollen. Da sie ,da8 einzige Bei-
spiel fUr die Anwendung der erwilhnten Bezeichnung von Seiten
Moinhards' sei und , daher eine ganz exccptionelle Stellung'
einnehme, meinte er sie aus Mcinhards Eigenschaft als Reichs-
verweser genügend erklHren zu können, zumal sie ,aus KJagcn-
fijrt datirt', ,einc rein [ocale, interne kiirnthenische Landes-
angelegenheit' behandle.
Die Urkunde verdient jedenfalls an sich Beachtung. Sie
gewinnt aber doppelte Bedeutung, da sich auch noch eine
zweite, bisher nicht verwerthete Urkunde' Meinhards nach-
weisen Ittsst, die ihr vollauf zur Seite tritt. Meinhard hat niim-
Ik-h im folgenden Jahre, 1284, dem Kloster Heiligenkreuz in
üesterreich alle Rechte bestätigt, die dasselbe einstens von den
Kärntner Herzogen Bernhard und Ukich innegehabt hatte,
insbesonders Zollfreiheit innerhalb seines Gebietes.
Und auch hier — die Urkunde ist ebenfalls noch im
Original erhalten — die gleiche Erscheinung.
Meinhard tritt mit dem Titel auf: ,ducatus Karinthie et
Karniole dominus'.
Zwei Belege also aufs Beste beglaubigt, die sich gegen-
seitig unterstützen. Die letztere Urkunde aber gestattet einen
näheren EinbUck in die Verhältnisse von damals. Dass Mein-
hard als jHerr des Herzogthums Kärnten und zu Krain' Privi-
legien früherer Kärntner Herzoge bestätigt, ist von vornherein
bedeutungsvoll. Diese Bestätigung aber bezieht sich auf eine
Rechtsveräusaorung von einem Regal (Zoll), einem Hoheitsrechte
also, als dessen Inhaber der Landesfürst (Herzog) sonst er
scheint. Indem Meinhard sie ausdrücklich anerkennt (recogno-
scimua), spricht er bei Ertheiliuig der Bestätigung unter directer
Bezugnahme auf bestimmte frühere Kärntner Herzoge doch
* L&iuoh, A. «. O., 8. SO.
' Stögmann, «. a. O., 8. 197.
» Font. rer. Au«lr. 11, 11, 238.
55
von seinen Beamten und seinem Territorium. ' Tritt er somit
im Ganzen als Rechtsnachfolger der Herzoge von KUrnton hier
suf, so können diese letzteren Ausdi'Ucke sich eben auch nur
auf dieses Land beziehen.
Als Empfänger dieser Urkunde nuu ei-scheiiit ein öster-
reichisches Kloster. Da die Aussti^llung dei-selben aber, wie
natargemäss anzunehmen ist, auf eine Bitte des Empftlngcrs
hin erfolgte, so erhellt daraus, daas Meinhard um jene Zeil
thatsilchlich als Herr und Rechtsnachfolger der Herzoge von
Ktirnten weithin anerkannt war. Mau hiltte sich sonst niclit
von Oesterreich aus an ihn gewendet, die Bestätigung von
Privilegien und Rechtsvergabungen der früheren Herzoge jenes
Landes zu erlangen.
Endlich aber hat Meinhard diese Urkondo in Wien aus-
gestellt. In der Residenz des österreichischen Herzogs also,
gewissermassen unter den Augen Albreuhts, des Sohnes Rudolfs.
Efi ist klar, dass dieser Sehritt somit nicht in Opposition gegen
diesen geschehen sein kann; man wird darin uumügUeh ein
eigenmächtiges oder widerrechtliches Vorgehen Meinhards er-
blicken können.
Er war demnach, das ist die nächste Folgerung, damals
auch von den Söhnen Rudolfs als ,Herr des Herzogthums
Kärnten' anerkannt. Frliher schon (seit 1280) im thatsächlichen
Besitze der Macht wie ein Herr im Lande schaltend, trat er
nunmehr ofBciell als Landesherr daselbst auf und Qbte in ver-
schiedener Beziehung dessen Rechte aus. Das illustriren jene
beiden Urkunden in zureichender Weise. Denn auch die erstere
erhält ein ganz anderes Relief, wenn man die Vorgeschichte
der durch sie verbrieften Rechtsentscheidung hinzu hält. "•' Mein-
* Mandiimiu Bin^lis et universis indicibus, miitarüs et ufficiatü nostris,
qui nUDC snnt vol qiii pro tempore fueriut, ut dicto monasterio et fratri-
haa eiiudem uleum et alia )iue<|ue victiialia, si qaa per districtus
nostroe et locn miiLiria ad usus siios dedaxerint, sine omni voxatiune
et mpediiDento ac otiani sine exactioue mute vel pedaü cuiuslibet ainaut
libere pertransire.
* Schon «eit Langem war die Kirche von WOrtliseo iu Streitigkeiten mit
einivlneu Laien verwickelt and von diesen bedrängt worden. KCuig
BodoU hatte, wie frtiher bereits or>vnlint wurde, am Beginn des Jaiire«
läTS den Bischof von Bniuborg im Delegutiouswoge mit der Unter-
■uchuug derselben betraut. Uebor den Procem gegen einen von jenen
Laien (Otto von Finkonstein) sind wir noch des Näheren unterrichtet. KOnig
5G
hard ci-scliciut aui-li lii«.'r in dun-haus selbsUliidiger 8tc-llut)g;
von der Obergewalt, diu Rudolf frlViier (127H) in der gleichen
lieuLtssaclic übte, ist hier nicht mehr die Rede. '
Für das neue Verhältiiiss ist auch der Titel Meinlmrds
bozoichnend: herre des herzentAmes ze Chemden (dominus
ducatus Karinthie). Schon Stögmann hat erklärt,* daes ,hcrre
des Landes' jedenfalls mehr bezeichnen müsse als die Würde
eines Reichsverwesers. Aber Meinhard nennt sich nicht ,Herr
von Kärnten', sondern — der feine Untcrechiod ist zu beachten
— ausdrücklich ,IIerr des Herzogtliums Kärnten'. Eben diese
Titulatur nun entspricht um jene Zeit einer ganz bestimmten
staatsrechthchcn Stellung. Sie trat in Verwendung, wenn der
Besitz eines Fürstcnthiims bereits zur Thatsaehe geworden war,
dem Inhaber desselben aber noch die formelle, staatsrechtlich
wirksame Anerkennung fehlte.'
So hat sich Ötakar von BUhmcn in der Zeit nach dem
Tode seines Vaters {f 1253) bis zur Krönung (12(51) dominus
Badolf hat dann .lucU die Entsclieidung solbat farmlicli bestätigt
(vgl. Font. rar. Austr. II, 31, 377 6:.). Gegen die auderen Bi3kla):;ton follte
der Bamberger nach dem Wortlaut dos kitiiigliehen Auftrage» in gleicher
Weise vorgehen, ^peciell ancb gegen die von Paraduis. Die Beilegung
dieaer Streitigkeiteu aber verzügerte sich. Die Umstände nun, unter
welchen lio schliesslich erfolgte, lassen eine bedeutsame Veränderung
der Sachlage erkennen. Meinhard ist es, der zwei ,aeiner getreuen
Diener', darunter den Vizthum von Kärnten, als Schiedleuto bestellt mit
dem Auftrag, ,an seiner Statt' jenen Streit zur Entscheidung zu bringen.
Et selbst beurkundet auch — in dem vorliegenden Stücke — den de-
finitivoo Sohiedspmch.
' Die vqn StOgmaiin (a. n. O., S. 366) verwertbete Urkunde Moiohards von
Zeuzleinsdorf Ober die Auflragung einer vom Iiandeshorrn lohourUhrigeu
Mautb an K'inig Kudolf kann doshalb hier nicht in Betracht kommen,
weil sie (uudatirt) jedenfalls in die Zeit vor Juli 1282 gchOrt. Denn
damals ist Graf Heinrich von Pfaunberg, der in ihr noch am Leben er-
scheint, bereits gestorben. Vgl, T.ingl, Archiv für tSsterr. Gesch. 18, 161.
Keine Bedeutung mtlchto ich der Bezeichnung Muinhards als ,dominns
noster' in Urkunden von Kärntner Landesinsassen um jene Zeit boilegou.
(Vgl. jene des Meinhard von Zeuzleinsdorf bei StOgmauu, a. a. U., 856,
Nr. IX und jene des Abtes von Ossiach aus dem Jahre 1286, Beilage
Nr. V.) Auch KOnig Kudolf — und vielleicht noch mancher Andere —
würden von ihnen so genannt worden sein.
• A.a.O., 197.
* Vgl. Ficker, Vom Kcichsfiirstonstand, S. 250.
57
regni Bohcniiae genannt,' so auch dessen Sohn Wenzel 11. vor
soiner Belehnun^j dominus et heres regni Boiicmiae (1284).^
Philipp von Kärnten hat sich doch nur als heres oder dominus
Karinthie bezeichnet, solange sein Bruder Uhich das Ilerzog-
thum selbst noch innehatte.^
Die Thatsache, dass Mcinhard nach der Belohnung der
Söhne Rudolfs mit Kilrnten — anders als früher — gerade mit
einem solchen Titel auftritt, und zwar nicht nur in Kärnten,
sondern auch in Oesterroich selbst, legt die Vermnthung nahe,
ilass damals bestimmte Abmachungen getroffen wurden. Die
Uaitnng Meinhards um jene Zeit den Habsburgern gegenüber
8|incht ganz dafür. Wenn er am Augsburger Tage persönlich
erschien und in der Belehnungsurkundo der Söhne Rudolfs selbst
als Zeuge auftritt, so kann die Verleihung auch Kiirntens an
diese, die gleichzeitig statthatte, nur erfolgt sein, nachdem ihm
zavor bestimmte Zusagen gegeben und die Frage nach dem
litze des Landes vollauf klargestellt war. Er war von da
bereits thatsächlich ,Herr des Hcrzogthums Kärnten'. Auch
ftlr die Söhne Rudolfs; es wird begreiflich, dass sie, wie wir
wissen, sich jeder HerrschaftsUbung dortselbst enthielten. War
lins eine Folge jener bei der Belehnung getroffenen Verein-
barungen, so mochte es ebenso einer Rücksicht auf Meinlmrd
ualspringen, dass Kärnten nicht in die Belehnungsurkunde selbst
mit aufgenommen wurde.*
Was den Besitz des Landes selbst betrifft, so war, scheint
es, eine weitere Auseinandersetzung materieller Art kaum mehr
erforderlich. Die Gründe, weshalb gleichwolil die formelle
Uebertragung damals noch nicht erfolgte, müssen somit in einer
anderen Richtung gelegen sein. Wir haben bis jetzt aber gjir
nicht beachtet: Jleinhard nennt sich in jenen beiden Original-
urkunden aus den Jahren 1283 und 1284 auch ,Herr zu Kraiu'
(dominus Camiole). Gerade das schien geeignet, jener Annahme
von einer anmassonden Opposition Meinhards wider die An-
sprüche der Söhne Rudolfs besondere Begründung zu verleihen.
> V(;l. Bociek, Cod. dipl. Morav. 3, 176 ff.
> Ebenda 4, 388 ff.
* Vgl oben 8. 15.
Vgl. doia auch Bedlivli, n. a. O., l.'iO: ,AU (lauernder Zuiitand war aber
Kirnton in Meiiihardg lUnd boabsichlii;! und gedacht, also Weist man m
io der Urkunde fUr Rudolfü SObiie aus.'
58
Wissen wir doch, dass nach dem W'.>rtlaut der Belehnungs-
urkunde Kmin und die (windische) Mark diesen ausdrücklich
dauernd verh'chen wurde.'
Lausch suchte die Annahme dieses Titels durch die That-
sache zu erklären, dass Mcinhard Krain und die Mark damsils
im Pfandbesitz hatte.* Allein diese scheinbar bestechende An-
sicht erweist sich sofort als unhaltbar, wenn wir sehen, dass
weder Mcinhard noch seine Sühne später (nach 1286) jemals
wieder diesen Titel in ihren Urkunden geführt haben, obwolil
jener Pfandbesitz nach wie vor andauerte. Doch auch die
Auffassung Htögmann's ist nicht zutreffend. Die Annahme des
Titels ,Herr zu Krain* verstiess an sich nicht gegen die Rechte
der Habsburger, sie schlössen sich mindestens nicht gegenseitig
aus. Bei der Eigenart der Uerrschaftsverhliltnisse in Krain
und der Mark konnte dieser Titel im Sinne einer grundherr-
liehen BegUterung in Krain wohl neben dem von den Habs-
bürgern gefllhrten Titel eines Herrn von Krain bestehen, der
den Anspruch auf die Herrschaft über das Land überhaupt,
dio Landesherrschaft schlechthin, involvirte.' So hat doch
auch Agnes von Meran, als nach dem Tode ihres Gemahls
Friedrichs II., des letzten Babenbergers, Ulrich von Sponheim
1247 den Titel dominus Caniiole annahm, noch vor ihrer Ver-
heiratung mit diesem den Titel gefilhrt: ducissa quondam
Austric et Stiric, Cnrniolc domina.* Sie hat ihn auch, nach-
dem ihre Ehe mit Ulrich bereits gelöst war, beibehalten (1258).'
Uebrigens nalim auch der Patriarch von Aquileia den Titel
marchio Carniole vorübergehend in Anspruch.''
So konnte Meiuhard diesen Titel neben den Herzogen
TOD Oestcrreich, die seit ihrer Belchnung im Jahre 1282 ständig
* Stegmann, a. a. O., 8. 197.
* A. s. O., S. 32 f. Ebenso auch t. Kronoi, Handbuch der Oescb. Oeater-
reichs, 2, 4.
' Vgl. anten 8. 64 und auch Tangl, a. a. 0., 8. 407.
* Das wird dnrcb eine Origin/tlurknndo vom 16. April 1248 boxungt (Font,
rer. ÄUütr. II, 1, 9), während die iiäpsüiche Di.ipuiui zur Eingebniig ihrer
Ehe mit Ulrich erst am 16. November 1S48 ertheilt wird. Vgl. Schumi,
Urkunden- und Regeirtenbtivh 2, 122.
' Vgl. die von ihr als pnlatiiia Burgundie im Jahre 1258 aungratellte Ur-
kunde (Original) für Micbelstettuu. KonL rer. Auütr. 11, 1, 46.
' Vgl. die Urkuudeuregestou bei Biancbi im Archir flir Oeterr. Geacb. 24,
440, Nr. 451 und 441, Nr. 154 (1279).
59
:ils , Herren von Krain' erscheinen, annelimen; vr bedeutete that-
siiciilicb keinen directen Eingriff in die Gechtsspiiiirc jener.
Aber er bezeugt etwas Anderes: Duss Meiuhartl, der , Herr
des Herzogthums Kälrnten', sieh als Rechtsnachfolger
der Kärntner Herzoge auch in deren ausgedehntem
Eigeobesitz in Krain betrachtete; dass er gewillt war,
die Stellung, welche die letzten Sponheimer innehatten,
ihrem ganzen Umfang nach festzuhalten. Man hat diese so
wichtige Thatsache bisher gar nicht beachtet, obwohl sieh bei
nilhercm Zusehen dafllr eine Kcihe weiterer und gewichtiger An-
haltspunkte finden Ittsst, wenn man die Naehriehten Über Mcin-
biirds Verhalten in jener Zeit recht zusammcniüilt. Man muss
lein Vorgehen im Ganzen betrachten, in Kärnten und Krain.
Erinnern wir uns nur. Mehr als anderswo kam es hier
bei der weitgehenden territorialen Zersplitterung auf den Besitz
rücher EigengUter und jenen der ausgedehnten Kirchenlehen
an. Deshalb hatte auch Rudolf sich sofort bemUht, letztere
seinen Söhnen zu sichern. Ward von ihnen damit ein wich-
tiger Vorsprung fllr die Erwerbung der Landosherrschaft ge-
vonnen, so bedeutete der Besitz der Kirchenlehen in ilirer Hand
«ine wesentliche Beschränkung jener, im Falle nicht sie dazu
gelangten.
Meinhard erscheint nun eifrig bemUht, seine Stellung in
jenen Ländern auf Kosten der Kirche zu festigen. Weldie
Erfolge durch eine zielbewnsste Politik da zu erreichen waren,
hatte er bereits in Tirol gezeigt. Wir wissen, dass auf der
Provinzialsynode in Salzburg im Jahre 1281 bereits Klagen
gegen ihn vorgebracht wurden. Im März 1283 ergeht an ihn
und seinen Bruder Albert von (iürz unter Berufung auf jenje
Beschwerden eine förmliche Mahnung des Erzbischofs Friedrich
von Salzburg, von der widerrechtlichen Bedrückung der Kirche
abzuLissen. ' Derselbe Kirchenfllrst hat, vermuthlich gleich-
zeitig damit, auch ein Rundschreiben an sHmmtliche Kirchen-
rorat&ndc seiner Diöcese erlassen, durch das er dieselben an-
weist, gegen jede Bedrückung und widerrechtliche GUterent-
lichung seitens der Laiengewalten energisch vorzugehen. Mit
specieller Bezugnahme auf die ßedrängniss des Kärntner
Klosters Victring ist dieser Schritt geschehen. Im Jahre 1285
■lufATia, 8. 236, Anm. o, Tgl. daza oben ti. 43.
m
aber wird von dem Naclifoljjer Friedrichs, Kiulolf von Salzburg,
jener Erlass von Neuem eingeschärft. Diesei- datirt aus Friesach,
einer salzburgischen Besitzung in Kärnten. ' Sie waren beide
offenbar aucli gegen Meinhai'd gerichtet.
Wie Salzburg so hatte auch Freising unter dem Vorgehen
Meinhards viel zu leiden. Schon früher, 1277 und 1280, musste
König Rudolf wiederholt zu Gunsten des Bisthums interveniren.'
Allein die Uebergrifte Meinhards uud seiner Besunteu hurten
ti'otz jener Mahnungen Rudolfs nicht auf. Sein Bruder Albert
von Görz war dabei mit im Bunde. Wir sind allerdings nur
dürftig dai'über unterrichtet. Wir hören, das» der Freisinger
Bischof im Jahre 1283 einige Dienstmannen Meinhards und
seines Bruders gefangen genommen hatte; Mciuhard und Albert
von Görz vermitteln nun im Juni zu Gciselmannsdorf bei LaiLach
einen Vergleich.* Es ist aber bezeichnend, wenn Meinhard
selbst in einer darüber ausgestellten Urkunde sich vei-pfbchtet:
,daz der bischof von Vrcysingen, sein gut uud seine leute, swa
si gesezen sint, von mir und von aUen meinen leuten und
dieneren . . . immer sicher sein' solle. Man kann aus diesen
bescheidenen Bnich stücken der Uebcrheferung nur annähernd
die Ziele ermessen, auf die Meinhards Politik gerichtet war.
Deutlicher heben sie sich aus den Nachrichten ab, die uns
über sein Verhältniss zu Aquileia zu Gebote stehen. Die weiten
Kirchcnlehcn des Patriarchates waren ja für den Besitz Krains
vor Allem wichtig, zumal sie nach dem Vertrage mit dem
letzten Spouhoimer, Ulrich, noch an Ausdehnung gewonnen
hatten.'* Man hatte dieselben Otakar verweigert, als er nach
dem Tode Ulrichs (f 1269), dann im Jahre 1374 sich darum
' Taugl, a. a. O., S. 421. Ds Erzbischof Friedrich bereits am 7. Äjiril 1384
starb, durfte (ein Erlass noch in dasi Jahr 1288 gehOrou.
* Vgl. oben 8. 37 f.
* Vgl. die Urkunde Alberts von QOn vom 18. Juni 1283, zu Geiielmauna-
dorf bei Laibach aungostellt (Font. ror. Austr. LI, 3t, 307} und jene Mein-
hards vom lö. Juni (ebenda 398). Letztere allenlings ohne Aiisstellangii-
ort, doch lüsst die innere Beziehung zwischen beiden und die Urkunde
dos Uiscliofs Emicho von Freising fUr Meinhard vom Sl. Juni (fu Tnzen
bei Laibach ausgestellt, ebenda 399) diu Anwesenheit aach Meinhards
obendort vermnthen. Am 28. Juni urkundct er zu Klagenfnrt (Font. rer.
Austr. [1, 1, 218), am 28, August in Laibach (Sitzungsber. der Wiener
Akad. 19, 257; vgl. dazu unten H. 6b, Anm. 1).
* Vgl. oben S. 13.
Cl
bewarb. ' Es lUsst sich nun erweisen, dass Meinliard sie bald
nach dem Zusammenbruch von Otokars Herrschaft gewaltsam
in Besitz nahm.
Der Umfang aber, bis zu welchem er seine Ansprüche
damxils ausdehnte, will beachtet sein. p]r hat nilmlich nicht
nur jene Besitzungen occupirt, die einst Herzog Ulrich dem
Patriarchate zu Lehen aufgetragen hatte (so insbesondcrs Lai-
bach mit den dazu gehörigen Burgen), sondern geradezu auch
Eigengüter von Aquileia in Kärnten und Krain. Ueberdies
aber zog er noch Besitzungen an sich, die früher den Spon-
beimem zu Eigen gehörten und von diesen an Aijuileia waren
verpfltndet worden (die Burg Nassenfuss in Krain).'
Meinhard hat zwar spftter, als er nach der Belehnung mit
dem Ilerzogthum Kärnten von Aquileia zur Herausgabe jener
Besitzungen aufgefordert wurde, erklärt, dass er einzelne der-
selben nur im Namen dos Königs innehabe. Allein diese nach-
bftglicbe Entschuldigung entspricht sicher nicht den ursprüng-
lichen Absichten Meinhards bei der Besitzergreifung, sondern
iüt durch die geänderte Sachlage von damals deutlich beein-
.* Was er ursprünglich anstrebte, geht vielmehr noch
■tlich aus einer Bemerkung hervor, die er gelegentlich jener
späteren Erklärung dem Patriarchen gegenüber machte.* Die
Stellang der früheren Kärntner Herzoge und speciell Ulrichs
llWBt.
Vgl. oben S. 31 f.
Vgl. das ActeiutQck vom 14. Febniar t3S8 ilher die Forilerungen des
Patrinrchen von A(|iii1oin au Moiulinrd. Font. ror. Au.str. II, 4U, 19.
B jeno Besitr.orpToifnng liereit« vor dem Jnhru 1280 orfolgto, beweist
• Vortrag KOnig Rndoirs mit Gnrk vom 2.1. MXr« diesen Jabrea (Marian,
AoRtrüi Mcr» 6, Mi), der dieselbo (mindestens bozUgUch der Bnrg
Namenfaffi) bereit« voraas8Qtr.t. Vermatlilich erfolgte «ie bereits iui
Herbst 1276, als Meinlinrd und Albert von GOrx KHrnten nnd Krain fUr
Bndolf eroberten. Die Köckfordemng selbst mnss Übrigens auch vor
dem Jahre 1388 geschehen sein, da unter dorn gleiclion Datum (14. Februar
|138S} bereits auch die en<t nach längcrem Uoberlegon spSter erfolgte
'. Antwort Meinhards regintrirt erscheint. Ebenda, 8. 21.
' Vgl. nuten S. 81 f.
; Mach der bereits citirten Anfaeichnung Ober die Antwort Meinhards soll
' dieser bexUglich der Rückgabe von Na.ssenfuss erklärt haben, er wOrde
mit dem grSssten VergnUgen (libentissime) das Vierfache der dafBr ver-
langten Summe geben; si dominus patriarchn facorot, qnnd dominn«
dnx esset hxres prefati i|uondam dnmini Ulriri dncis Karin
tbie. Vgl. dazn auch 8. 81 f.
G2
nach dieser Richtung hin in ihrem vollen Umfange festzuhalten,
deren Erbe gewissermassen auf der ganzen Linie anzutreten,
war sein reger Wunsch.
Im Zusammenhange mit diesen überaus werthvoUen Zeug-
nissen ans Aqnileia gewinnt nun auch ein anderer Vorgang
wichtige Bedeutung. Eine bisher ganz irrig und ungenügend
verwerthete Urkunde gibt darüber Aufschluss. Offo von Lans-
trost, Gerlochns, Herrn Ottos Sohn, Nicolaus von Sichirberk
und Gerlochus, Castellan von Sichirberk, geloben feierlich, dass
sie ihrem Herrn, dem Grafen Meinhard, mit der Burg Sichir-
berk zu dienen bereit seien ,de omnibus iuribus que ab
antiquo tempore apud ducem Karinthie nsque hie sunt
devoluta'. • Die Urkunde, noch im Original erhalten, ist un-
datirt. Sie kann aber nach den früheren Ausführungen über
Meinhards Verhalten erst nach dem Tode des letzten dux Ka-
rinthie Philipp (f 1279) ausgestellt sein.
Stögmann hat in ihr eine Erklärung ,kärntncrischer Herren'
sehen wollen; er wurde damit auf eine ganz falsche Bahn gfe-
leitet.* Wir haben thatsUchhch Krainer (Landstrass, Sichel-
burg) vor uns, wie Dimitz bereits bemerkte.' Man muss sich
aber zur richtigen Beurtheilung auch gegenwärtig halten, dass
Sichclburg nach Ausweis des Testamentes Philipps zu den
Eigengütem der Sponheimer in Krain gehörte.* Eben damit
gewinnt nun jener Dienstrevers eine wichtige politische Bedeu-
tung. Auf Verlangen Meinhards ist er ja offenbar ausgestellt
worden zu einer Zeit, da sich dieser mit Zustimmung König
Rudolfs bereits als Herr von Kärnten gerirte. Er hat, indem
er die Dienstmannen auf Sponheim'schen Eigengütem in Krain
also in Pflicht nahm, sich auch all' der Rechte versichern
wollen, welche die Herzoge von Kärnten hier einst besassen.
Das wird durch diesen Obödienzrevers in klaren Worten un-
zweideutig bewiesen.
Eine überraschende Perspective von mächtiger politischer
Tragweite eröffnet sich uns. Meinhards ganze Kirchenpolitik
in Kärnten und Krain um jene Zeit, sein Vorgehen insbeson-
> Ktzangsber. der Wiener Akad. 19, S64, Nr. V.
» A. a. O.. 196 f.
■ Geocb. Kraiiu 1, 209, Aiiin. 1.
* Vgl. Klun's Archiv 1, SS5.
63
ders gegen Freising und Aquileia, die Verpflichtung von Dienst-
Diiinnen auf Krainer EigenglUcrn der früheren Kärntner Her-
loge, endlich aber die förmliche Annahme des Titels ,Herr zu
Krain* (dominus Camiole) — das Alles sind Glieder einer Kette,
Zeugnisse, die sich zu einem Beweise kräftig vereinigen. Mein-
h»rd hat nicht nur Ansprüche auf Kärnten, sondern
aach auf den sponheimischcn Besitz in Krain erhoben
aad er hatte, wie jene Urkunden aus den Jahren 1283
und 1284 zeigen, dieselben noch keineswegs aufge-
geben, als die Söhne Rudolfs mit Krain und der Mark
in Augsburg (December 1282) feierlich belehnt wurden.
So tritt hier ein Gegensatz von Bestrebungen zu Tage,
aus dem sich naturgemäss Schwierigkeiten ergeben mussten.
Nicht als ob — wie man früher annahm' — in jenen Vor-
gängen eine direct feindselige Haltung Meinbards den Habs-
liorgem gegenüber zu erblicken wäre. Der Titel ,Herr zu
Krain" verstiess ja nicht an sich gegen deren Rechte. Meinhard
bleibt fortgesetzt in freundschaftlichen Beziehungen zu König
Rudi)If und dessen Haus. Im Jahre 1283 hat er, als zwischen
Albrecht und dem Herzog von Baiern ein Krieg auszubrechen
drohte, den Frieden vermittelt. In Wien selbst hat er eine
Urkunde als dominus Camiole ausgestellt (1284). Unbehindert
von Rudolfs Söhnen, den damaligen Lehensträgern Kärntens,
hat Meinhard mit neuen Erwerbungen damals seine Stellung in
diesem Lande noch mehr gefestigt. Bei dem Ankauf der Moos-
Imrgischen Güter stand Pfalzgraf Ludwig, König Rudolfs ge-
treuer Schwiegersohn, ihm hilfreich zur Seite.* Kleinere Besitz-
erwerbungen gingen nebenher.' Eben damals, schon 1283,
wurden auch bereits Schritte bei den geistlichen Lehensherren
gemacht, welche die Rückübertragung der Kirchenlehen an
Meinhard zum Zwecke hatten. Am 17. December dieses Jahres
gab der Bischof von Bamberg die feierliche Erklärung ab, dass
er alle OUter im Herzogthum Kärnten, welche die Söhne Rudolfs
' So Stflgnuion, a. a. O., S. 196. Vgl. dazu Lausch, a. a. O., S. 33 f.
* V^L die Urkunde des Pfalisgrnfen Ludwig vom 30. December 1282 (bei
Bta^mann, S. S66, Nr. VU). Uebor dos Datum Rcdlicb, Reg., Nr. 1752.
' So kaufte er 1283 von Meinhard von ZeuKleinsdorf dessen Hof zu Reif-
oiU am WOrthersee (Urkiinde bei Stligmaiin, S. 236, Nr. IX), 1285 aber
vom Kloster Oiwiach nenn Mansen bei der Barg Lowonbnrg. (Beilage
Nr V.}
64
von ihm zu Lehen hUtten, an Meiohard llbertragen werde, so-
bald jene darauf verzichUiten. ' Das ist allerdings zunächst nur
eine Verpflichtimg zu Gunsten des Tiroler Grafen. Gewiss.
Aber dieser Schritt ist, wie bei den nahen Beziehungen des
Bambergers zu den Flabsburgern' anzunehmen ist, offenbar
unter Vorwissen Letzterer erfolgt. Sie scheinen also damals
kaum mehr abgeneigt gewesen zu sein, jenen Verzieht zur That-
sache werden zu lassen.
Anderseits aber waren die Sühne Rudolfs fest entscldossen,
Krain und die Mark ganz für sich in Anspruch zu nehmen.
Während Kärnten in der Belehnungsurkunde selbst, ebenso
wie in dem Rheinfcldcncr Hausgesetz vom 1. Juni 1283 fehlt,
erscheint Krain und die Mark in beiden aufgenommen. Die
Habsburger haben denn auch, obwohl diese Gebiete an Mein-
hard verpfilndet waren, sofort nach der Belehnung den Titel
,dominus Carniole et Marchie' angenommen, was sie hinsichdich
Käi-ntens nicht thaten. Allerdings hat Meinhard, wie man ein-
wenden kann, dies auch gethan. Aber gerade da wird bei
näherem Zusehen doch ein wichtiger Unterschied Meinliard
gegenüber bemerkbar. Der unbestimmte lateinische Titel do-
minus Carniole et Marchie wurde von beiden Seiten, wie die
klarere Ausdrucksweise der deutschen Originalurkunden aus
jener Zeit beweist, doch wesentlich verschieden gefasst. Während
Moinhard sich ,Herre ... z e Chrayn onde der Windischen
March' nennt,' hat Albrecht sich als ,herre von Kraien vnt von
der March' bezeichnet.* Kann jener Titel im Sinne von grund-
herrschaftlichen Rechten in Krain und der Mark gedeutet
werden, so bringt dieser unzweifelhaft weitergehende Ansprüche
zum Ausdruck, indem die Herrschaft hier auf das Land schlecbt-
hin, das heisst auf das ganze Land bezogen erscheint. Ist somit
die von Meinhard gewählte Form seinen blos auf die Spon-
heimer Eigengüter in Krain gerichteten Ansprüchen adilquat,
80 scheint eine Berücksichtigung der habsburgischen Rechte auf
' Urkunde bei Stahmann, a. «. O., 8. 254, Nr. IV.
* Bischof Berthold uontit die SOhiie Kadolfn in der Urkunde gelbst ,eon-
itangoinei nostri dilecti'. Er war nucli kurr. zuvor in Wien. V^l. Ur-
kundenbucli den Landes ob der Eiin.s i, 12 (lU. Octobnr).
' Font rer. Austr. U, 1, 2U.
* Vgl. die Urkunde Albrechta vom 83. November 1284. Font, rer. Austr
II, 31, 420.
4
65
das Land Krain seinerseits auch dann gelegen, dass er in Ur-
kunden, zu deren Ausstellung er als Pfandbesitzer von Krain
berufen war, sich jenes Titels überhaupt enthielt. '
Die Habsburger waren aber nicht gewillt, auf jene An-
sprüche Meinhards einzugehen. Sie betrachteten vielmehr Krain,
trotzdem es jener pfandweise thatsKchlich besass, als ihr Land
und übten dortselbst, mindestens über ihre Lehensloutc und
Dienstmannschaften, sowie als Inhaber der Kirchenlehon eine
gewisse Oberherrlichkeit aus.*
So bestanden zwischen den Söhnen Rudolfs und Meinhard
Schwierigkeiten, die zwar nicht den Charakter einer acuten
Spannung annahmen, aber ein latentes Hindernis für einen
definitiven Ausgleich beiderseits bildeten. Sie weisen einen
directen Znsammenhang mit der Frage nach dem Kärntner
Herzogthum auf, da sie ja aus der verschiedenen Auffassung
von dem Umfang der damit verbundenen Rechte, vor Allem
auch in Krain, entstanden waren. Unwillkürlich lenkt sich sn
der Blick auf die vielumstrittcne Bclehnungsfrage selbst zurück.
SoOte damit etwa der richtige Schlüssel zu ihrer Erklärung
gegeben sein?
Die bisherigen Lösungsversuche haben meines Erachtens
Doch eine recht schwache Seite, die ich bisher noch gar nicht
hervorgehoben habe. Wenn wirklich nur formelle Schwierig-
keiten im Jahre 1282 das Hindernis bildeten, Kiirnten definitiv
an Meinhard zu übertragen, bleibt es denn nicht höchst merk-
irürdig, dass zu deren Bereinigung nachher noch mehr als drei
Jahre nöthig waren? Wenn wir sehen, dass bereits ein Jahr
später (12S3) die Rückübertragung der Kirchenlehen in Aus-
sicht genommen erscheint, warum wurden dann ernstliche
Scliritte zur definitiven Lösung erst im Jahre 1285 eingeleitet?
Damals erst wurden die Willebriefe der Kurfürsten zur
' V^l. die Urkunde Meinb^rds für dss Kloster MicheUtetten in Krain vom
28. Angost 1883. SiUnugsber. der Wiener Akad. 19, 267 (mit verlesener
Datinuigsieile. Im Originale: Uli die exeunte nugnsto indictione an-
.deeima). Duselbe iat auch in den Urkunden Meinhards für Tirol an
' Terfolpen. — Vgl. daau auch die unten S. 83, Anm. 1 citirten Urkunden.
' Vgl. den Obndienirever» Wilhelms von SchKrfenberg vom 8. Mai 1284
(Beilage Nr. IV) und dazu die Urkunde Albrecht» vom 23. November
1284 (tVinL rer. Anitr. U, 81, 420), durch die er den Vergleich doaaelben
mit Freising beurkundet.
inkir. LXUVH. Bd I. Hilft«. '
66
Bdehnang Meinhards mit dem Ilerzogthume Kärnten ein-
geholt. *
Oeatohen wir es uns nur: Die einzelnen Etappen in der
w«iterea Entwicklung jener Frage weisen zeitliclie Spatien auf,
fllr die nach den bisherigen Hypothesen eine befriedigende
Krklnnmj? nicht zu finden ist.
Sonderbar kann erscheinen, dass in der Literatur über
dio Kärntner Belehnungsfrage den Ereignissen, die der that-
•tti'hlichon Lösung jener Schwierigkeiten unmittelbar voran-
gingen, nicht mehr Beachtung zutheil ward. Auffallen muss
An der Vertrag vom 23. Jänner 1286, der zwischen Herzog
Albroüht von Oesterreich und Meinhard geschlossen, von dem
Kflnigo selbst beurkundet wird.* Ei- enthält die Bedingungen,
unter welchen das Herzogthum Kärnten an Meinhard verliehen
werde sollte. Eine genaue Abgrenzung der Rechte zwischen
ihm als ktlnftigem Herzog dieses Landes und Herzog Albrecht
hat er zum Zwecke. An allererster Stelle aber finden
wir die Bestimmung, dass Meinhard auf Grund der
Ucbertragung des Herzogthums oder der Landesherr-
schaft von Kärnten durchaus kein Hecht in den Län-
dern Krain und der Mark erwachsen, sondern diese viel-
laohr mit allem Zugohör dem Sohne Rudolfs verbleiben
sollten. Ganz besonders wird letzterem der Besitz vorbehalten,
den einst die Herzoge von Kärnten in Krain uud der Mark inne-
hatten; auf ihn soDte Meinhard keinen Rechtsanspruch haben.'
' Ba üt aus allerdingü nnr ein solcher (jeuer Herzog Albrecbts tod
Sacbsen) erhalten. Er datirt vom 29. März 128&. StO^manu, a. a. O.,
S. 261.
» Ebenda, S. 268.
* Dio in Betracht kommende Stelle, bei Stngmann recht fehlerhaft wieder-
gegeben, lautet: ,Quod ex collacione ducatus sive principatns
terre Karinthie, quo dicti cumitia titulum ampliare disponimus, eidem
in terris Carniole et Marchie Sciavice que vulgo \Vindi.icbmarich
dioitur, nnllum ius penitns acquiratnr, quam pocius dicte terre cum
ministerialibus, castris. oiritatibas, bonis, bominibus, advocaciis et ceteris
suis pertiuenciis nnivertis libere apnd filinm nostrom predictnm perma-
neant cum omni iuris plenitndine, sicut enndem iam pridera apud Augu-
stam sceptro nu^tro regio investivisse recolimus de eisdem; salria per
omnia filio nostro predicto castris, civitatibu», mini.iterialibus ac ceteris
bonis et iuribiui quocanque nomine een.'eantnr, ei qua in terria predictis,
scilieet Carniole et Marchie ab olim principe« sive duces Karinthie quo-
canque iure vel titulo pu68ederunt, ad que dictus comes pretextu
67
Man sieht, was bei dieeem Vertrage die Hauptsache war.
Meinhard sollte das Herzogthum Kärnten erhalten. Aber nur
unter ganz bestimmten Bedingungen und Reservaten. Aus-
drücklich wird denn auch im zweiten, positiven Theil des Ver-
trage«, der die Zusicherung an Meinhard enthält, nochmals
hervorgehoben, dass derselbe das Herzogthum im Allgemeinen
Ewar mit all' den Rechten und Ehren besitzen solle wie einst
die Herzoge Bernhard und Ulrich zu Zeiten der Herzoge
Leopold und Friedrich von Oesterreich Steier, jedoch mit einer
Aasnahme: der Besitz jener Herzoge in Krain und der Mark
sollte Albrecht verbleiben und von der Herrschaft über diese
KiDe LSnder selbst nicht abgeschieden werden (et ab ipso ter-
tuiun suarum dominio nuilatenus sequestrentur).
Diese Beschränkung der mit dem Herzogthum Kärnten
bisher verbundenen Rechte muss umsomehr auffallen, als eine
Reciprocität auf Seiten der Herzoge von Oesterreich hinsicht-
lich des Besitzes ihrer Vorgänger in Kärnten nicht platzzu-
irreifen hatte. Es werden vielmehr alle Rechte, welche einst
die Herzoge Leopold und Friedrich von Oesterreich-Steier in
Kärnten besassen, auch Albrecht wiederum zugesichert.
Der Umstand, dass der Belohnung Meinhards mit Kärnten
ein solcher Vertrag vorangeht, ist hoehbedeutsam. Noch mehr
aber, dass die Stipulationen desselben auch in die Belehnungs-
orkunde selbst mit aufgenommen wurden. Der innere Zu-
luniuenhang tritt so auch äusscrhch zu Tage. Die Begründung
nun, mit der jene Vertragsbedingungen hier aufgenommen
werden, ist bezeichnend: ,Ne ex infeodacionc predicta inter
preftttum Albertum filium nostrum suosque successores in du-
eatibns sive dominus supradictis ex una et iam dictum Mcinhar-
^^Btn duccm suosque successores in ducatu Karinthie ex parte
ulla in posterum dissensionis mntcria valeat sub-
oriri.' Man muss dazu aber auch noch den Motiven bericht in
jenem Vertrag selbst hinzuhalten: ,Perpetuc pacis et ami-
ücie f edera inter illustrem Albertum ducem Austrie et Stirie
dominum Camiole, Marchie et Portusnaonis principem filium
nostnira dilectum ex una et spectabilem virum Mcinhardum
comilcm Tyrolensem socerum suum ex parte altera vigore por-
collacionic leu infeodaoionia ducatns Karinthie nallain nm-
<|a»m inri« Ant r.^^.ti respectTini hah<>bit.
5»
petuo affectantes tarn filio nostro predicto quam ipai comiti
in futurum taliter providemus.'
Kann man eine deutlichere Sprache da noch verlangen?
Ich glaube, dr-r Einblick, den wir :dso gewinnen, ist voll und
klar: Es hat damals thatsäehlich nicht die Aussicht
auf eine perpetua pax et amicitia zwischen Herzog
Albrecht, dem , dominus Carniolc', und Meinhard be-
standen, und die ,di8sensionis matoria', welche für die
Zukunft aus der Welt geschafft werden sollte, ist in dem
Inhalt des Vertrages vom 23. Jänner zu finden, das hoisst
in der staatsrechtlichen Stellung, die Krain fürdcr ein-
nehmen sollte. So wird unsere Auffassung von den Vorgängen
der Jahre 1283 — 1286 tind specicll auch die Annahme von Mein-
hards Ansprüchen auf Krain hier auf das Glänzendste bestätigt.
Gleich nach der Beilegung jener Differenzen zwischen Herzog
Albreclil und Meinhard ist die Belehnung des Letzteren mit
dem Ilerzogtbuni Kärnten erfulgt auf Bitten der Söhne Rudolfs,
die darauf freiwillig (in die Hand des Königs) verzichtet hatten.'
Offenbar ist damit die Belehnungsfrage erst flott geworden, oder
mit anderen Worten, es waren eben dies die Schwierigkeiten,
welche die Belehnung selbst bis dahin verzögert hatten.*
Wir wissen nun, weshalb Meinhard 1282 nicht mit dem
Ilerzogthum Kärnten belehnt wurde. Es wird aber auch be-
greiflich, warum dasselbe damals vielmehr an Rudolfs Söhne
verliehen ward. Wollte der König ihnen das Land Krain in
seinem ganzen Umfange zuwenden, so war vor Allem nöthig,
dasselbe aus dem Verbände zu lösen, in dem es zuletzt mit
dem Herzogthum Kärnten gestanden hatte. Denn es war natur-
gemäss vorauszusehen, dass der neue Inhaber dieses letzteren
auf Grund jener früheren Verbindung Ansprüche darauf geltend
machen werde. Die Sonderstellung und Verselbständigung des
Landes Krain in staatsrechtlicher Beziehung ward aber dem-
* Vgl. die Belehnungfsurknnde für Meinhnrd rom 1. Februar 1286. Schwintl
und Dopscli, Ausgewählte Urkunden, S. 189.
' Vielleicht darf man im Hinblick darauf ancii der Thatsauhe eine tiefere
Bedeutung tumcssen, da.«s KOuig Rudolf in dorn Bripfe vom 1. Oer«inber
1282, durch welchen er dem KOnig von Enginnd die bevnrsleliende Be-
lehnung Reiner Snhne mittheilt (vgl. oben ä. 4.'>, Anni. 1), unter den I>än-
dem, die er diesen verleihen wollte, neben Oesturreii^li niid Steiermark
wohl KKrnten, nicht aber auch Kraiii anführte.
69
gtf^ndbcr in rechtsgiltiger Form vollzogreri, wenn (U-n zukünf-
lilEfen Landesherren auch das Herzogthum Kärnten seihst
wenigstens formell übertragen wurde, der neue Herzog aber,
in dessen Hand KUmten dauernd gedacht war, dasselbe erst
snf Grund i^ines Verzichtes jener in der neugeplanten und
vertragsmässig festgestellten B'orm erhielt. So wird zugleich
aach die frühere Beobachtung erklärt, dass es sich bei der
Bdehnang der äöhne Rudolfs auch mit Kärnten lediglieh um
eisen formellen Act gehandelt habe, ohne dass dieselben in
den materiellen Oenuss der ihnen verliehenen Rechte eintreten
wollten. König Rudolf hat ein solches Vorgehen beob-
achtet nicht um sich Meinhard noch mehr zu verpflichten,
sondern um die beabsichtigte Veränderung des staats-
rechtlichen Gefüges von Krain und Kärnten in einer
rechtlich unanfechtbaren Form sicherzustellen.* Des-
halb hat er auch die 1282 vollzogene Belehnung seiner Sühne
in der Belehnungsuikunde Moinhards ausdrücklich hervorgeho-
ben, während sie in dem Lehenbrief vom 27. Deccmber 1282 fehlt.
Lassen sich bei dieser Auffassung alle Schwierigkeiten,
die gegen die bislier gegebene Erklärung der K.'lrntner Be-
Ichnnngsfrage geltend gemacht werden konnten, lösen, so wird
meines Erachtens nur ein Punkt noch der Aufklärung bedürfen.
Man wird mit Recht die Frage aufwerfen, was denn wohl
Meinhard gerade damals zum Verzicht auf seine Ansprüche
Kinsichtlich Krains vermocht habe, nachdem er sie zuvor so
lange hartnäckig aufrecht erhalten hatte. Der Einwand darf
um so begründeter erscheinen, als der Vertrag vom 23. Jänner
1286 thatsächlich eine völlige Capitulation Meinhards vor den
habsburgischen Forderungen bedeutet und nicht, wie man etwa
rten könnte, einen Compromiss zwischen den beiderseitigen
Brüchen darstellt.
T;l. lUxa Lindner, a. a. O., S. 63. Ala Analo^n könnte mau vielleicUt
die bekannten Vorgänge bei der Erbobuug Oetiterreicbs zam Henogthum
rkerbeixiehen, da es lich dort gleichfalls am die VeraelbsUludigung eines
dahin ia einer gewisien Verbindung mit dem benachbarten Hur-
ogthiini (Baiern) befindlichen Territoriiinia (dur Mark Oeaterreicb) ge-
Plkandelt hat. Nach dem Venticht Heinrichs Jnsomirgott auf das Herxog-
tbnm Baiern und der Uebertragnng desselben an Hoinriuh den LOwou
wird die damit verbundene Mark Oeaterreiob unter besouderun Formu-
litäten jenem zurückgegeben und dann erst zum llerzogthum erhoben.
Vgl. ächwind und Dupacb, Aosgewühlte Urknnden, 8. 8.
70
Koch am Ausgang des Jahres 1284 sehen wir Mcinhard
auf seinen Ansprüchen fest beharren.* So muss der Umschlag
sich im Laufe des Jahres 1285 vollzogen haben. Er bleibt
um so merkwürdiger, als Meinhard in jenen Jahren (seit 1283),
wie wir früher sahen,* mit grossem Geschick an der Befesti-
gung seiner Stellung in Kärnten und Krain gearbeitet hatte.
Nicht unerwähnt möchte in dieser Beziehung auch das Heirats-
project bleiben, das im Jahre 1283 zwischen Meinhards Bruder,
Albert von Görz, und Graf Ulrich von Heunburg vereinbart
wurde. Dem gleichnamigen Sohne des Ersteren, Albert, wurde
damals eine der Tüchter des Heunburgers versprochen.' Wir
erinnern uns, dass die Heunburger Grafen in Kärnten und
Krain reich begütert waren; wir wissen, welche Rolle Ulrich
bereits in der Kärnten- Kratncr Frage gespielt hatte. So ^vurden
neue Familienbeziehungen angeknüpft, deren Bedeutung bei
dem Charakter der territorialen Verhältnisse von Kärnten und
Krain keineswegs zu unterschätzen war.*
Alles zusammengenommen wird Eines, glaube ich, klar.
Es muss ein bedeutendes Motiv gewesen sein, das Meinhard
zum Aufgeben seiner langgehegten Wünsche und Forderungen
bewogen hat. Nur unter einem Hochdruck von aussen kann
sich Meinhard zum Abschlüsse des Vertrages vom 23. Jänner
1286 herbeigelassen haben.
Ich glaube nun nicht irrezugehen, wenn ich als einzig
mögliche Erklärung dafür die Nachrichten heranziehe, die uns
über die Ansprüche König Wenzels von Böhmen auf
Kärnten überliefert sind. Erst in jUngster Zeit hat Oswald Ked-
lich jene bedeutsame politische Action ins rechte Licht gerückt.'
König Wenzel, Otakars Sohn, hatte eben um jene Zeit den Plan
gefasst, die Länder, welche einst sein Vater besessen, womöglich
I
I
' Die oben S. 54 beaprochene Urkunde Meinh&rds fUr HoiligenkreuK Ut
am B. December ausgestellt.
* Vgl. 8. 69 r.
* Original Staatsarchiv Wien. Ein Auszug bei Tangl, S. 401 f.
* Vgl. oben S. 9 ff. Beachtet man Überdies auch die Namen der Bürgen,
die der Heunburger dem Grafen Albrecht sur Sicherung dieses lleirals-
projectes stellte — es sind: Graf Priedricli von Ortenburg, Ulrich von
Schärfenberg, Otto von Emmerberg and Otto von Weisseneck — so ent-
hüllt sich uns ein förmliches Gewebe von persOnUchen Beziehungen
unter dem Adel jener Länder.
» A. a. O., 8. 160 ff.
d
71
zurQckzugewinuen. ZanäcLst Kiirnten. Sicher bereits im Jahre
1286 hat er sich an König Rudolf selbst gewendet mit der
Forderung, seine angeblichen Rechte auf dieses Land anzu-
erkennen. Ja er ging alsbald noch weiter. Indem er unter
Ignorirung der Belehnung Meinhards Kärnten als sein Land
betrachtete. Icpte er im Mjlrz 1287 auf die Nachricht, dass
Meinhard sich um die Bamberger Kirchenlehen bewerbe, da-
gegen bei dem Bischof dieses Hochstiftes förmlichen Protest
ein. ' Wie auf das Land Kärnten selbst, so hat er insbesondere
auch auf diese Kirchenlehen ErbansprUehe geltend gemacht.
,0b schon vor der Belehnung Meinhards,' sagt Redhch, ,wissen
wir nicht, jedenfalls aber nicht lange darnach.' Da nun Wenzel
selbst in jenem Schreiben an den Bamberger Bischof erklärte,
dftss er bereits einige ]\Ialc (aliquociens) an König Rudolf mit
jenem Ansinnen herangetreten sei, anderseits aber als eigent-
liche Seele jener Revindicationspolitik des Böhiiienkönigs dessen
Stiefrater, Zawisch von Faikenstein, zu betrachten ist, der den
König bereits seit dem Jahre 1284 durchaus beherrschte,* so
steht der Annahme nichts im Wege, dass jene Ansprüche that-
siU;hlicb bereits vor der Belehnung Meinhards erhoben wm-den.
Damit wird die plötzliche Veränderung in der Haltuug
Meinhards verständlich. Er sah sich so unerwartet vor eine
pobtische Constellation gestellt, der gegenüber es für ihn kein
Bedenken mehr geben konnte. So hat er, da seine Herrschaft
in Kärnten selbst neuerdings bedroht erschien, in der Krainer
Frage nachgegeben, um sich die Geneigtheit der Habsburger
and speciell des Königs auch zu sichern. Der Vertiag vom
23. Jänner und die eine Woche später erfolgte Belehnung
Meinhards mit dem Herzogthum Kärnten sprechen eine deut-
liche Sprache.
Der Böhme aber gab auch in der Folge nicht nach. Ja
Bint, dass eben sein König Rudolf liochst unbequemes
5n auf jenen Ansprüchen geradezu der Grund gewesen
ist für die Spannung, die zwischen ihnen beiden im Frühjahr
1287 merklich wird.' Aus demselben Grunde offenbar ist denn
' T^L den Brief WenxeU an Bischof Arnold von Bamberg Tom 17. März
(1387) bei Kedlich, a. a. 0., 161. In douiselbon bezeichnet er Moinhnrd
Dar als ,comeB de Thyrol', Karuton aber als .terra nustra'.
• Vgl. RcdUch, a. ». O., S. 150.
* Ebenda 8. Iö4 und dazu desselben Beg. HudoUb, Mr. 8089.
79
auch Meinimrd seinerseits spiltcr nie wieder auf seine früheren
Fonlerungcn zurückgekommen, sondern vielmehr Herzog
Albrecht in dauernder Freundschaft verbunden geblieben. Die
Gemeinsamkeit der Bedrohung von Seiten Böhmens war das
sicherste Unterpfand daftir. Nicht auf Kärnten allein be-
schränkten sich ja die Ansprüche des Böhmen, auch auf Oester-
reich und Steier richtete sein Ehrgeiz begehrlich die Augen.'
Fortlaufend ist dieses Leitmotiv der böhmischen PoHtik dann
zu Ungunsten dos Hauses Habsburg wirksam geworden: 1290
sind König Rudolfs Bemtihungen, die deutschen Fürsten auf
dem Erfurter Tage zur Ortbiung der Nachfolge (Wahl Albrechts)
zu gewinnen, an dem Widerstände Wenzels gescheitert.* Er
ist es auch gewesen, der nach dem Tode Rudolfs 1292 die
Wahl Albrechts zum deutschen König vereitelt liat.' Ja, er
hat nicht nur den neuen König Adolf von Nassau gleich nach
dessen Wahl zu dem Versprechen bewogen, seine Ansprüche
auf Uesterreich, Steiermark, Körnten und Zugehör unterstützen
zu wollen,* einen förmlichen Fürsteubund hat er damals im
Jahre 1292, zu bilden gesucht zu dem Zwecke, Herzog
Albrecht die Steiermark und Kärnten Meinhard zu entreissen.*
Durch diese von ihrem Standpunkte aus gewiss gross-
artige Politik Böhmens war die Hakung der Habsburger hin-
sichtlich Kilrntens ebenso vorgeschrieben, wie der endgiltige
Verzicht Jleinhards auf seine einstigen Forderungen in Krain
bedingt. Die Kärnten-Krainer Frage ist, da jene Aspirationen
thatsächlich keinen praktischen Erfolg zeitigten, dadurch in der
Folge nicht mehr tangirt worden. Sie war im Wesentlichen
bereits am Beginne des Jahres 1286 thatsächlich gelöst.
Das königliche Diplom über die Belehnung Meinhards mit
dem Ilcrzogthura Kärnten vom 1. Februar 12B6 darf so eine
eminente politische Bedeutung für sich in Anspruch nehmen.
Noch grössere Wichtigkeit aber kommt demselben in staats-
■ Redlich, a. a. O., S. IdS ff.
' Pregor, Albrecht von Oesterreicb und Adolf von Nassau, 2. Aufl., S. 7 ff.
' Bussun, Beitr. zur Kritik der steirischen Reimchronik and zur Reichs-
geschichte im 13, und 14. Jahrhundert (II. Die Wahl Adolfs von Nassau),
äitzuugsbor. der Wiener Akad. 114, 36.
♦ Prcger, a. a. O., 8. 30 und 50.
* Vgl. darüber niuineii Aufsatz: ,Ein iiutibiibsburgisi'hor FUrslonbund im
Jahre 129ä.' Mittb. des Instituts für Ostorr. Geschichtsforschung, 31. Bd.
73
rechtlicher Beziehnnp zu hinsichtliih KUmtens selbst sowohl, als
insbesonders für Krain. Nicht mit Unrecht hat es ein illterer For-
scher in diesem Sinne geradezu als ,ein wahres Staatsgrundgesetz'
bezeichnet.' Krain nimmt von da ab tliatsjlchlich eine andere,
selbständige Stellung ein. Die frülieru Verbindung mit Kärnten
w»r tormlich und in staatsrechtlich giltiger Weise aufgehoben.
Zugleich aber ward durch die Vereinigung dos ehemals babcn-
bergischeu und sponheimischen Besitzes daselbst die Einheit-
lichkeit dieses Territoriums begründet. Die allniUlige Säculari-
sirung des reichen Kirchengutes im Lande konnte für die also
gefestete Stellung der landesfürstiichcn (Jcwalt nur mehr eine
Frage der Zeit sein. Sie ist denn auch bereits unter Albrecht I.
wirksam in Angriff genommen worden.*
Die Schwierigkeiten, welche die Krainer Vcrhilltnisse der
definitiven Kegelung der KUrntncr Frage bereitet hatten, waren
so rechtlich durchaus bereinigt. Allerdings blieben Krain
und die Mark zunilchst thatsilchlich in der Hand Meinluirds,
^ dem sie König Rudolf verpftlndet hatte. So ist es nothwendig,
■ zum Schlüsse noch die Geschichte dieser Verpfilndung näher
I zu untersuchen, um über die rechtliche Natur und politisclie
I Bedeutung derselben ein sicheres Urtheil zu gewinnen. Das
I erscheint hier umsomehr geboten, als Luscliin in jüngster Zeit
I darttber eine Ansicht geäussert hat, die nicht unbesprochen
bleiben kann, da sie an einer bedeutungsvollen Stelle' vor-
getragen und thatsächlich bereits auch von einem Schüler Lu-
Ischin's weiter verbreitet wurde.*
Es wird nothwendig und zugleich am einfachsten sein,
dieselbe hier wörtlich wiederzugeben. Seit 12G1 (dem Vertrage
Ulrichs von Sponheim mit Aquileia), meint er, ,theilten Ober-
und Unterkrain die Schicksale von Kärnten und gingen nament-
lich 128ß auch an Herzog Meinhard über, obgleich die Bc-
> Tangl, a. s. O., 431. Vgl. dazu Dimitz, Gesch. Krains 1, 206.
i* Vgl. nnteo S. 89 f.
r* Oesterroicbüclie Ruicbggesch., oin Lelirbacb, S. 94.
• W. Lerec, Die krainiscben Landhandventen, Mitth. de« Inntituüi für önterr.
icbtfforschung 19, 256.
74
lehnong der Habsbarger mit Krain vom Jahre 1282 in Kraft
blieb. Die Erkenntniss, dass dies wichtige und bedrohte Grenz-
land zn seiner Behauptnng der mihtärischen Anlchnang an
Kärnten bedürfe, die Besorgniss. dass Reinhard den Sponhei-
mischen Besitz als Zagchör seines Herzogthtuns einfordern
könnte, endlich die ErwJlgung, dass die Grafen von Görz schon
von früher her (1248) als Erben der Meranier in der Mark
reich begütert waren, mögen die Herzoge von Oesterreich zu
einstweiligem Verzicht auf Krain bestimmt haben, wobei sie die
Form der Verpfändung wfihlten, um ihre Ansprüche nicht ganz
aufgeben zu müssen. Mit dem Anfalle von Kärnten im Jahre
1335 gelangte auch Krain in den Besitz der Habsburger, die
sich Herren von Krain und der windischen Mark nannten.'
Diese weittragende und bedeutungsvolle Annahme ist,
glaube ich, bereits durch die früheren Ausfllhrungen in allen
einzelnen Punkten widerlegt. Sie basirt vor Allem auf der
ganz irrigen \'oraussetzung, dass Krain erst damals, 1286, an
Meinhard verpfändet worden seL War aber diese Verpfändung,
wie man früher bereits annahm und auch als urkundlich mehr-
fach beglaubigt erwiesen werden kann,' wahrscheinUch bereits
im Jahre 1276 eine vollzogene Thatsache, so kann es unmög-
lich ein politisches Auskunflsmittel gewesen sein, zu dem König
Rudolf erst 1286 gegriffen habe. Selbst wenn ursprünglich
(1276) ähnliche Erwägungen, wie sie Luschin vcrmuthet, den
König zum Theile mit zu jener Verpfändung bestimmt hätten,^
so waren dieselben bereits durch die Ereignisse der nächsten
Folgezeit überholt worden. Der Herzog von Oesterreich,
Albrecht — seit 1283 war nur mehr einer — hat sich keines-
wegs auch nur zu einstweiligem Verzicht auf Krain bestimmen
lassen, sondern vielmehr seine Ansprüche ihrem vollen Umfange
nach erfolgreich durchgesetzt. Meinhard aber, der thatsächlich,
wie wir sahen, den Sponhcimischen Besitz als Zugehör von
Kärnten eingefordert hatte, sah sich genötlngt, nicht nur auf
denselben feierlich zu verzichten, sondern geradezu die Rechte
Albrechts auch darauf formlich anzuerkennen.
Das kam überdies darin zu bedeutungsvollem Ausdruck,
dass Meinhard, der sich 1283 und 1284 den Titel ^dominus
• Vgl. den EUcan.
* Ebendü S. 98.
75
Carniole' beigelegt hatte, denselben vom Jahre 128(3 ab nie
wieder ftlhrte, ebensowenig als seine Söhne, die Krain gleich-
falls in Pfandbesitz hatten. ' Dagegen haben Albrocht und
dessen Nachfolf;;er im österreichischen Herzogthum von der
Belchnung im Jahre 1282 ab diesen Titel stÄndig geführt, er
erscheint auch in die Umschnitt ihrer Siegel aufgenommen,*
ein staatsrechtlich nicht unwichtiges Moment, das dort gleich-
falls fehlt.»
Gegen die Richtigkeit der Annahme Luschin's sprechen
femer auch die Nachrichten, welche über die Bolehnung Mcin-
liards mit Kilraten (128(5) vorliegen. Gorade aus ihnen hat
man friüier allein die Thatsache der Verpfandung Krains ent-
imen. Es wird ihrer n.'imlich in dem Vertrage vom
Jänner, welcher der Belchnung vorausging, gedacht.
' QegenQber der grossen Masse von Urkunden, in denen er Obereiu-
■timmend fehlt, kann die eine Aosuahme vom Julire 13U3 nichts besagen,
wo eine Schenkung eines Kärntner Ministerialen durch einen ,dux Ka-
riuthie et Carniole' (!) — der Name fehlt — bestätigt wird. Tanpl,
a. a. O., 779. Die uns vorliegende Form des StUckos (nach freundlicher
Miltbeilnng A. v. Jaksch' nur in Copie s. XV und XVI erhalten) k.nun
nicht als authentisch betrachtet werden. Die in dnr Beilage Nr. VII ab-
gedruckte Urkunde aas dem Jnbre 1293 aber, in welcher Meinbard
als .dominus Carniole' bezeichnet wird, ist nicht von diesem selbst, sondern
TOD Herzog' Albrecbt von Oesterreich ausgestellt.
' Vgl. Sava, Die Siegel der Bstorr. Regenton bis zu Kai.ier Max I. Wenn
auch unter Albrecht I. noch nicht die volle Titulatur in die Siegel-
I^ende aufgenommen erscheint (nur dtix Austrio et Styrie) [ebenda S. 100],
•o hat doch die Gemahlin Albrechts I., Klisabeth, beroitä als Herzogin
auch den Titel ,domina Carniole, Marcliie ac Portusnaonis' in der Siegel-
nmacbrift geführt. Vgl. Sava, Dia Siegel der österr. Fürstinnen im
Mittelalter S. ».
** Nicht unerw&hnt mCchte ich hier auch lassen, dass Meinhard und sein
Sohn Otto nachher zu dem Wappen von Kumten wohl, so wie eiust
Ulrich von Sponheim (s. oben S. 11, Anm. 2), dou Pfauenstosa von
Oe«terreich Obomahmen, nicht aber auch die Krone wie jener. (Vgl.
Anthony v. Siegenfeld, a. a. O., 8. 52.) Offenbar ward ihnen dies von
Kndolf und den Habsbnrgem nicht mehr gestattet. Dieser Unterschied
ge^nOber dem letzten Sponhoimer ist um so beacbten.iwertlier, als das
neue Herzogshaus von Kärnten auch sonst hinsichtlich des Wappens
dtnselbon Brauch befolgte wie Ulrich. Die Beschreibung des Wappen-
adiiides, das Herzog Heinrich in der äehlacht bei GtiUheim führte
(Hirrelin, Böhmer, Font. 3, 483), stimmt genau zu jenem, dessen sich
ülrieh Ton Sponheim als Mitregent seines Vaters bediente. (S. oben
a. 11. Anm. 8.)
Die Art und Weise nun, wie dies geschieht, ^vill doch
liouvhtot sein. Nur in Form einer Salvirungsclausel zu der
Hostininuitig, dass Meinhard auf die Besitzun.u;en der früliercn
Kllnitner Herzoge in Krain und der Mark keinen Reeiits-
nn8|irueh haben solle. ' Eben hier lag also ein directer Aniass
vor. .Meinhard eine Sicherung zu ertheilen ftir die Schuldfor-
dorung, wogen der ihm König Rudolf seinerzeit (iam duduml
oben jene Lßnder verpftlndet hatte. Beschränkt sich die Er-
wllhiiung jener Verpfiindung hier schon auf diesen rechtlich
grboteneu Vorbehalt und wird ob der näheren Details hier
bereits auf Urkunden Rudolfs und Albrechts verwiesen, die
Meinhard darüber besonders ausgestellt worden waren, so fehlt
diene Stolle in der Belehnungsurkunde Meinhards überhaupt.
Und das ist um so auffallender, als die anderen Bestimmungen
dieses Vertrages in jene wörtlich übernommen wurden. Man
sieht, die Verpfslndung Krains und der Mark hatte mit den
wichtigen politischen Transactionen von damals gar nichts zu
Bchafifen und war keineswegs dauernd gedacht. Meinhards
Besitz war unabhängig davon, und zwar ftiiher bereits be-
gründet und durch die rechtliche Natm- des Besitztitels an sich
liraitirt. Er wurde durch die staatsreditiich so wichtigen Vor-
gänge des Jahres 1286 überhaupt nicht berührt. Sobald die
Schuldforderung beglichen wurde, hatten auch jene Länder an
Albrecht oder dessen Erben zurückzufallen.
Dieser unseren Auffassung entspricht denn auch das, was
wir über die weitere Greschichte jener Verpfllndung wissen.
In negativer und positiver Beziehung. Als nacli dem Tode
Meinhards (f 1295) dessen drei Söhne dann von dem neuen
deutschen König Albrecht im Jahre 12!'9 mit dem lierzogthum
Kärnten belehnt wurden, geschah dabei der Verpfandung Krains
ebensowenig Erwähnung wie im Jahre 1286. König Albrecht
belehnte vielmehr die Söhne Meinhards mit dem Herzogthum
' Bei StOginami, u. a. O., S53: .salvo tarnen eo ilumtAxat comiti meniorato,
qaod ipse conies sepedictas torras Csrniolam et Marcliiam Sclavicam,
qaas pro quadam samma pocanio seil .irgenti sibi iani ciuduiu assigua-
rimQa obligatas, tain diu qiiiote possideat, ({uousque dicta »uninia pecii-
nie, que noetris ac Hlii nostri predilecti litcru sibi desiipor traditis est
oxprsMa, eidom plenarie fuerit por.iolutji. Qua .süluciono coinpleta diite
terre ad filium uostrum Albertum Tel saog heredea cum omiiibus perti-
uoncüs suis et iaribus, sicut suporius expressuiu, libere reverteutuj-.
^
77
Kilmtcn in demselben Umfange — so lautet die Urkunde selbst'
— wie dies einst König Kudoif an Meinhard verlieben hatte.
Anderseits aber ist wichtig und verdient besonders her-
vorgehoben zu werden, dass bei den späteren Belehnungen der
Hnbsburger auch Krain und die Mark stets unter den ihnen
rom Reiche verÜehencn Ländern erscheinen, ohne dass dabei
des fortdauernden Pfandbesitzes der Kilmtner Herzoge auch
nur mit einem Worte gedacht wUrde. So 1292 (König Adolf),*
— über die Belehnung Meinhards durch König Adolf besitzen
wir keine urkundliche Nachricht — so 129S (König Albi'echt), "
80 1309 (^König Heinrich VII.),* so endUch auch 1331 (Kaiser
Ludwig).* Dadurch schon wird die Annahme jener poli-
tischen Bedeutung dieses Pfandbesitzes widerlegt. Noch mehr
aber wohl durch die Vorgänge nach dem Erlöschen des
KAmtner Herzogshauses im Jahre 1335. Als nunmehr auch
ilas Herzogthura Kärnten an die Habsburger Übertragen wurde,
Krain und die Mark aber gleichzeitig ihnen dctiiiitiv zutielon,
nahm Kaiser Ludwig keine neue Belehnung mit letzteren
Lilndcrn vor, und auch in der Urkunde über die Belehnung
mit Kärnten" geschieht derselben keinerlei Erwähnung. Wohl
I
Kopp, Oe»c)i. iler cidgenß»«. BUnde 3. 2, 407, Nr. 3: ,ip80B de duc«tu
Karinthie, et quemlibet eoniin in solidam, de qao claro recordacionis
dominus Rndolfoa Koniaiionini rex predecessnr et genitor noster kariiui-
miis, recolende meinorie quondam MeinhiU'dani dncem Earinthie, patreni
ipaomm nmiliter investivit, cnm omnibui sais inribus iurisdictionibiis
pnMoaiionibuä et pertinenciis quibuBcumiiue et generaliter de otnnibus
(eodis et bonis feudnlibus, qiie iidem duces et coDiites habere tenere et
poMidero a nobis et imperio dinoscuntur, ceptro nostro regio inventiviimi».
I'ebcr diene liegen keine Urkunden vor. Jedoch sagt AlbrecUt in
■einem «pSteren Rechtfertigongsscbrcibon an den Pnprt (vom Jahre 1.H02)
mit Bezog anf die der Wahl Adolfs von Nassau folgende Zeit ausdrürk-
licb: ,nos ab ipso rege [te. AM/o] dncatum nojtrum Änstrie et Styrio
necnon domioia Carniole, Marcbie, PortuannonLs in foodum rece-
pimas.' Kopp, Keichsgosch. 3>>, 409. Vgl. Ober die December 129*2 (zn
Uagenan) erfolgte Belebnang Albrochts Christian Kuchimeister's ,NUwe
Ctsja Mon. ». Oalli' c. 62 (ed. Meyer von Knonau, St. Qaller Geschichts-
•laellen 6, 247) und Johann von Victring (Böhmer, Font. 1, 331); dazu
Ann. Sindelfing, Mon. Germ. 8S. 17, 307.
Vgl. Schwind and Dopsch, Ausgow&hlte Urkunden zur Verfassnngs-
guschicbte, 166.
SchrCttor, Abhandl. ans dorn Osterr. Staatsrecht S, 360.
Ktnyerer, Comnicnt. pro bist. Alberti 11. ducis Anstr., 82.
Schwind und Dopsch, a. a U., 169.
w
aber hat im folgenden Jahre (1336) König Johann von
BOhiuon, da er im Frieden von Enns für sich, seinen
gleichnamigen Sohn, sowie die beiden überlebenden
Töchter des letzten Kärntner Herzogs zu Gunsten der
Habsburger auf Kärnten definitiv verzichtete, in dem Renun-
ciationsinstrumeDt zugleich auch den Verzicht auf alle Rechte
in den Ländern Krain und der Mark zum Ausdruck gebracht. '
Der Unterschied tritt klar hervor. War eine neuerliche
Uubertrngung von Kniin und der Mark an die Habsburger
deshalb nicht nothwendig, weil sie als eigentliche Besitzer dieser
Länder (zu LchenrecJit) von der Reichsgewalt bereit» aner-
kannt worden waren (1331), so musste auf der Gegenseite, von
den thatsächlichen (Pfand-) Inhabern jener Länder, ein förm-
licher Verzicht erfolgen, da es sich hier um Forderungsrechte
handelte, die vermöge ihrer privatrechtlichen Geltung auch aof
die weibUchen Nachkommen des letzten Pfandinhabers über-
gingen.
Dem entspricht denn auch diu-chaus die Auffassung, welche
die österreichischen Herzoge selbst damals, und zwar noch vor
ihrer Belehnung mit Kärnten, bekundeten. In der Antwort
Albrechts H. an Abt Johann von Victring, der von den Hinter-
bliebenen Herzog Heinrichs abgesandt war, um ihre Ansprüche
bei jenem zu vertreten, kommt das Kechtsverhältniss klar zum
Ausdruck: Carniola ad nos pertinet, sicut constat, quamvis
vadis nomine pater eius a nostro patre pro tempore tenuerit,
quam nunc apprehendere curamus tamquam ad nos per diiap-
sionera tcmporum devolutam. Karintliia nobis liberalitate im-
perii est collata.^
Für die Erkenntniss des Charakters jener VerpfUndung
lassen sich auch noch weitere qualitative Momente nach-
weisen. Zunächst, dass die Pfandsumme, der Satz an dem
Pfandobject, in der Folge einmal erhöht,' später jedoch um
» Steyerer, a. s. O., 97.
* A. Fonmier, Abt Johann von Victring und sein liber certarum bistoriii-
rom, S. 114. Die gleiche Antwort erhielten Auch die Gesandten de«
BObmenkOnigB von Albrecht ü.: sibi Knrintliiam liberalitate imperii
condonatam, Carniolani vadinioninni avuncali morte ad oo intte et
legitime reversatam. Ebenda.
* Das geschah 1298 dnrcb Albrucht von Oetiterreich, als es sich darum
bandelte, seinen ächwagor Heriog Heinrich von KÄmten für dir Hei-
I
79
Vieles mehr herabgemindert wurde;' eine Erscheinung also, die
wohl dem variablen Stand privater Schuldforderungen, nicht
aber einer besonderen politischen Qualität jenes Pfandvertrages
entspricht.
•fc Dann aber, dass die RUcklösung des Pfandobjectes (Krain
nnd der Mark) nachher thatsilchiich, lange bevor das Kärntner
Herzogshaus erlosch, nicht nur in Aussicht genommen, sondern
geradezu bereits eingeleitet worden ist, zu einer Zeit, als es
den Habsburgem gelungen war, ihrerseits eine namhafte
Sohuldforderung gegenüber den Kärntner Herzogen zu be-
gründen.
Als nämlich nach dem Tode des böhmischen Königs Ru-
dolf aus dem Hause Habsburg (f 1307) Heinrich von Kftrnten
mit Umgehung der österreichischen Brüder Rudolfs zum König
von Böhmen gewählt wurde, gelang es den Herzogen von
Oesterreich, in dem zur Wahrung ihrer Rechte geführten Kriege
wider Heinrich unter Anderem auch beträchdiche Gebietstlieile
von Kärnten und Krain zu erobeni. Dieselben blieben auch
nach den Bestimmungen des Znaimcr Friedens (14. August
130>?),* in welchem Herzog Friedrich von Oesten-eieh unter
Zusicherung der Rückgabe jener auf seine Ansprüche auf
Böhmen und Mähren gegen eine Entschädigungssumme von
45.000 Mark Prager Groschen verzichtete, als Pfand für letztere
im Besitz des Herzogs von Oesterreich. Es ist nun bisher
nicht beachtet worden, dass damals zugleich auch zur theit-
weisen Tilgung dieser Schuldsumme die RUckantwortung von
Krain und der Mark an die Herzoge von Oesterreich in Com-
bination gezogen wurde." In dem Frieden aber, den Königin
(t«Ilun^ Ton Hilfstmppen in dem Feldzage gegen KOnig Adolf zu ent-
»ehädigen. Vgl. Joh. von Victring (Böhmer, Font. 1, 33G): ALbortui
Beinricnm dacem KaruitLie com adiectione amplioris ittmme ad Car-
niolam prin« obligatam otipendiat.
< Im Jabie 1311 (auf 6000 Hark Silber). Siehe unten S. 80.
' 0«draekt l)ai Lichnowttky, Oe«ch. des Hauses Habsburg 3, DLXXXI.
' bt aber, das wier [ffemrieh von KHmien] mit nnsen brueder willen und
gmul da« laut ze Chrayn und di Windiscben Marrh, daz winr inne
kabeo, geutalicli ledich machen und dem vorgenanten hertzogi^n [Fried-
rieh von OetterreieH] ledichlich nntwnerten, so sullen di rorgeuanteu pfaut
w llerbem . . . nna ledich aein fuer daz guet, darumb wiur ledicli
laiaen Chrayn und di VVindiKchen Mftrcb. Ebenda, OLXXXil.
80
Elisabeth, die Mutter Herzogs Friedrich von Oestcrreich und
Scliwester Heinrichs von Kärnten, nach Vertreibung des Letz-
teren aus Böhmen zwischen ihnen beiden im Jahre 1311 ver-
mittelte, kam man darauf von Neuem zurück. Für die Heraus-
gabe der Eroberungen in Kilrnten und den Verzicht auf die
von jenen 45.000 Mark nocli übrige Schuldforderuno: wurde
damals Herzog Friedrich von Oestcrreich nicht nur eine Herab-
minderung des Satzes auf Krain und die Mark (auf 6000 Mark)
zugestanden, sondern zugleich auch das Gebiet um Feistritz
und das Sannthal aus demselben gelöst und ihm überant-
wortet.' Beide Gebiete hatten bisher zur Mark gehört* Uebor-
dies war gleichzeitig damit die Einlösung von Krain und der
windischen Mark beabsichtigt.-'' Es hatte sich nicht nur Hein-
rich von Kärnten, wie eine bisher ungedruckte Urkunde von
' Dus beide zar alten Krainer Pfandscliaft gelulrtuu und das Sannllial
nicht von Kürnten ab(,'etrennt wnrde, wie Laschin (Oesterr. Eeichsgesch.
118) meint, ergibt (rieh au» dem Wortlaut der Urltnnda EliNabctb» Tom
14. Juli li)l 1 ans Salzburg (Kurz, Oesterreich unter Kflnig Friedrich dem
SchUnen, 428): ,und sprechen aber schiedlich von dem gewalt den si
baide uns gegeben habent, doz Feustritz und daz öfiuntnl mit alle dem
daz von alter darzu gohOrt hat enhalb nnd dishalb der Sawe, unaerm
Torgenantera sun bertzog Fridrichen nnd seinen brUdem ledig sol sein
Tnn dem satze den unser vorgenanter brnder daronf het von
nnserr sune vodom, chnnig Rudolfen und chnnig Albrechten von Rom
säligen mit brifen oder swi ur si gehabt hat. Wir sprechen oacfa, daz
der satz, den unser vorgenant bruder het onf den landen ze C'hrayn nnd
onf der Windischen Marich gKutzlich ab sol sein untz an secbstausent
markh silber Wienner gewichtes' (vgl. dazu auch Krone.", Die Freien
von Saneck, S. 48), sowie insbeeonders ans der darauf Bezug nehmenden
Erklärung derselben Königin vom folgenden Tage (1.5. Juli), ihrem
Bruder Heinrich 2000 Mark Silbers geben zu wollen: ,fUr daz gut, das
wir in abgeschaiden liaben au den landen ze Chraj-n und zu der Win-
dischen Marich di im ze phande stant.' Kurz, a. a. O., 433.
• Das beweist für Feistritz die in Font. rer. Austr. II. 39, 168 registrirto
Urkunde vom Jahre 1279, fOr das Sanuthal vgl. Krones, a. a. O., 8. 98,
nnd Tangl, a. a. O., 8. 141.
• Wir sprechen onch, daz wir den spruch von der losunge der
lande ze Chrayn und der Wiudischen Mnricli uns behalten und
behebt haben, daz wir uu zemal ze Salzburg darüber nihl sprechen
wellen, nnd wellen denselben sprach verziehen untz daz di vorgensnten
ousor bruder oder sun selber oder mit irer gewizzer botschaft und briefen
ez an uns vodernt. Und swenne wir von in buiden oder von ir ainem
also gemant werdi?u, so gnllen wir nah der manung in einem mannd
darüber sprechen. Bei Kurz, a. a. Ü., 43Ü.
81
ihm beweist, ' dazu schon bereit erklärt, auch Königin Elisabeth
betrachtete sie bereits als berorstehend.*
Wenn es nun zu dieser Einlösung dann thatsächlicL auch
nicht gekommen ist, so bleiben nichtsdestoweniger jene Vor-
fSnge für uns von grosser Wichtigkeit. Sie zeigen, dass die
Verpßtndung Krains und der Mark keineswegs eine unfrei-
willige Concfssion poHtischer Art seitens der Habsburger an
Meinhard und dessen Nachkommen in sich schloss, sondern
einer echten Schuldforderung letzterer entsprach, mit deren
Befiiedigung jene zu cessiren liatte. Es war sicherlich nicht
hios eine andere Form der Uebertragung jener Länder an Mein-
bard. Das bezeugt auch die Auffassung, welche er selbst
darüber um jene Zeit bekundete. Wir können es aus seinem
eigenen Munde hören. Man muss nur die Antwort beachten,
die er zwei Jahre nach seiner Belehnung, 1288, dem Patri-
u-chen von Aquileia crthtilte, als dieser eine Reihe von Krainer
Besitzungen von ihm ziu-lickforderte. ' Er habe, heisst es da
von Laibach, das einst Philipp von Kärnten au Aijuileia ver-
macht hatte, dasselbe nur im Namen König Rudolfs inne
and sei jederzeit bereit, das zu thun, was jener darüber ver-
fügen werde.* Noch bezeichnender aber äussert er sich gleich-
' Vom 16. Juli I31J. Ein kurios Hegest bei Lidiuowüky. 3, CCCXXXVIl,
Mr. ISO, und in den Mittb. des bist. Vereines fUr Krain (1862) 17, 46.
Vgl. Beilage Nr. VIII.
' Die SOOO Hark Silber, welche Elisabeth ihrem Brnder fQr die Abschei-
dau^ jener Gebiete von Krain versprochen hatte (siehe S. 80, Anm. I),
rtoUton aosgoiahlt werden: ,swnnne es chumpt ze der lusunge der vor-
(gananteD awaier lande' (Kurz, a. a. O., 433). Es kann also diese, da
jene SOOO Mark die EnticbUdigungf filr eine bereits erfolgte Abtretung
«ein sollten, kaum tut einen viel spHteren oder gar unbestimmten Zeit-
punkt gedacht gewesen sein.
■' Vgl. oben 8, 61.
' Font. rer. Anstr, II. 40, 21: ,super Laybaubo . . . respondit, quod illa
lenpbat nomine sorenissimi domini Kudulfi iucliti Komauo-
rum regis et paratua erat nuncium suum uuacuui nuuciis dicti domini
patriaxcbe ad ipsum dominom regem super hils luittere et de ipsis fa-
eere, siont dominus rex dnxerit ordinandum, sive de restituendo, sive de
»•Und faciendo.' Vgl. auch ebenda, 3.^3: ,tum per contentacionem et con-
cessionem facta» pfr mni;nificum Meynardum ducem Karintie revoren-
diwimu douiiuo Kayaiondu patri.irche, quod penitas uullum ins ba-
bebat in dicta Marehia C'arniole, sed eam nomine imperatoris
tUttbat et secuodum eius mandatum de »a facere intondebat.'
linUv. LXXiriL Bd. I. Uiiri«. 6
zeitig über die Rückstellung der einst Sponfaeimiscben Be-
sitzung Nassenfuss, sowie eine von Herzog Ulrich an Äqoileia
versprochene Entschädigungssumme. ,Wenn der Patriarch be-
wirken könnte, dass er (Meinhard) das Erbe Herzog Ulrichs
von Kärnten Überkomme, so würde er ihm nicht nur die be-
anspruchte Summe von 1000 Mark, sondern sehr gern das
Vierfache davon geben."
Aus dieser Antwort klingt, meine ich, deutlich ebensowohl
der Wunsch hervor, jenes Erbe der Sponheimer zu gewinnen,
als auch die Ueberzeugung von der vollen Aussichtslosigkeit
solcher Hoffnungen. Nicht als einen Besitz zu eigenem Recht
und dauernder Geltung hat Meinhard selbst jene Pfandschaft
betrachtet, sondern nur als ein durch die rechtliche Natur des
sie begründenden Vertrages beschränktes Recht an fremder
Sache.
Ucberdics ist in diesem Zusammenhange auch wichtig zu
beobachten, dass in den Augen von Zeitgenossen Krain und
die Mark trotz jener Verpfändung an Meinhard doch als Herzog
Albrecht von Oesterreich zugehörend galten.'
Wir besitzen leider das Vertragsinstrument nicht mehr,
durch welches jene Verpfändung beurkundet wurde. Auch die
Recognitionsurkunde Albrechts* ist verloren. So entziehen sich
die näheren Bestimmungen jenes Vertrages unserer Eenntniss-
nahmc. Die Verpfändung sicherte als solche dem Pfandinhaber
den materiellen Genuss des Pfandobjcctes zu, des Landes also
als solchen und der zu demselben gehörigen nutzbaren Rechte.*
' Ebenda, 22: ,8uper facto Nassenvdz reapondit, quod gi dominus patri-
archa facerot, quod dominus dux esset heres prefati quondam domini
Ulrici ducis Karinthio, ipse non solum mille marchas, verum et qnatuor
milia libentissime sibi daret.'
• In dem Obödionzrevers, welchen Wilhelm von Schärfenberg am 8. Mai
1284 dem Herzog von Oesterreich ausstellte, wird auch Krain unter den
letzterem gehörigen Ländern angeführt. Vgl. Beilage Nr. IV.
• Diese wird nicht nur in dem Vertrage vom 23. Jänner 1286 von KOuig
Rudolf erwähnt (s. oben S. 76, Anm. 1), sondern ebenso auch in der
Urkunde der KSnigin Elisabeth vom 14. Juli 1311 (Kurz, Friedrich der
Schone, 8. 428), durch die der Ausgleich zwischen Friedrich dem SchOnen
und Heinrich von Kärnten beurkundet ward.
• Vgl. ab Analogie dazu die Verpfändung steirischer Gebiete an Ulrich
und Agnes von Heunburg durch KOnig Rudolf, die am 22. October 1279
bankniidet wnrde (Beilage Nr. II). Da wird dies ausdrücklich hervor-
g Dementsprechend sehen wir denn aucli Meinhard und
e Nachfolger wtthrend der Zeit jener Verpfandung ganz
un Öinne von Landesherren schalten und walten. Sie bestätigen
und ertheilen Privilegien, nehmen Schenkungen und Verpfiin-
rlungen vor und haben auch ledig gewordene Lehensgüter aufs
Nene aasgethan. ' Doch ist, wie bereits bemerkt, wohl zu be-
achten, das» sie sich dabei niemals des Titels , dominus Car-
niole* bedienen, sondern in den dartiber ausgestellten Urkunden
vielmehr ohne jeden auf Krain beztlglichcn Titel auftreten.
Entsprechen diese Beobaclitungen im Allgemeinen dem,
was sich auch sonst bei aiideren Pfand verhilltnissen dieser Art
verfolgen lässt, so ist eine gewisse Einschritnkung dabei gleich-
wohl unverkennbar. Die Habsburger haben sich auch während
der Dauer dieser Verpftindnng keineswegs jeder Ingerenz in
diesen Ländern begeben. Sie nahmen nicht nur Vcrplilndungcn
daselbst vor — so Herzog Albrecht 1286 (Schloss Siebenegg)*
— sie haben auch hinsichtlich der Vogtei gewisse, dem Landes-
herm vorbehaltene Rechte nach wie vor ausgeübt.
Das veranschaulichen die Nachrichten über das Kloster
überbarg im Sannthal, " welches damals noch zur Mark go-
Ivflrte.*
gehoben : ,praedictaa sutem poMesaionea et praedia nobis obligarit, proiit
praedi« et bona ipsa ioxlrnctn et inataurata sant, cum eoloni« maiicipiU
•t caeteria appendiciis eortindeni iiidicii« iuri.sdictiunibiis advncatiis di-
(Irictibiis cam ntilitnte et fructu piscationibus vouatioiiibiu et omni
caiua et «iuipliciter, sicuti priiicipes terrarum iimariim . . , oadem
iMoa et praedia powcdernnt.'
' Vgl. Font rer. Anstr. 11. t, 229; ibid. 35, 162 191; 39, 186. 199; 40, 35.
36. Schiuni'a Archiv fflr liciniatkuude 2, 248. Tan^l IV, S. 7L'l. Klnn's
Archiv fUr die Laudesgescb. Krain« 1, 19. Mittb. des bist. Vereines für
Krain 17, 46.
' Vgl. die in den ,Ke8tgnben /.u Ehren Max BüdinpcrV (Innsbruck 1898)
8. S23 gednickte Urkunde den Grafen Ulrich von Heunbnr^ vom 26. Juli
l!M6 und daso die VerpfSudang' Meicbaua und Tüchemembls an Albert
von Gore (1277), Redlich, Keg. Kttnig Kudolf«, Nr. 676.
' Ergibt sich «ua der Urkunde des Ornfen Ulrich von Hoanbnrg vom Juni
1S86 (Marian, Anstria Sacra 7, S6&), dass dem Landejborm aU solchem
die Obergewalt in Sachen der Vogtei von Oberburg zukam, au ist die
durch die Urkunde Friedrichs von Pettau vum 27. Mai 1288 (Beilage
Kr. VI) bexeogte Thatsache ihrer Auftragung an Hereog Albreoht von
0«aterreiob ebenso bemerkenswerth wie deren Neuverleihnng durch diesen.
' Vgl. oben 6. 80, Anm. 2.
6»
k
84
Sicherlich wird man bei Beurtheilung dieser VorgÄnge'
nicht ausser Acht lassen dUrfen, inwieweit dabei etwa der
Eigenbesitz an liegendem Gut oder aber specifische Dienst-
verhältnisse mitwirkten. Eine gewisse Latitude wird man so
offen lassen milssen. Aber man wird auch die Möglichkeit in
Betracht ziehen dürfen, dass die Habsburger bei jener Ver-
pfUndung sich bestimmte Rechte vorbehalten haben. Ich möchte
da aul" eine bis jetzt nicht beachtete, bedeutungsvolle Analogie
aus derselben Zeit hinweisen, über die klare Angaben vor-
liegen. König Rudolf hatte, wie wir fi'üher sahen, im Jalire
1279 eine Reihe von Besitzungen und Gütern in Untersteier-
mark an Agnes und Ulrich von Heunburg verpfilndet zur
Sicherung einer Geldsumme, die denselben als Entschädigung
für den Verzicht auf ihre privatrechtlichen Ansprüche an Kärn-
ten und Krain war zuerkannt worden. In diesem Pfaud-
vertrage nun hat König Rudolfsich ausdrücklich vor-
behalten, dass die innerhalb des verpfändeten Gebietes
wohnhaften Edlen und ritterlichen Dienstmannen nicht
in die Verpfändung einbezogen sein sollten. Ohne hin-
dern zu wollen, dass sie sich dem Pfandinhaber gegenüber
dienstbar und ergeben beweisen, hat Rudolf gleichwohl das Ver-
fügungsrecht über dieselben seinem Gutdünken vorbehalten.*
Es ist klar, was das zu bedeuten hatte. Eine sichere
Beherrschung des verptUndeten Gebietes in militärischer Be-
ziehung sich zu wahren und jederzeit die Möglichkeit zu haben,
die dortselbst vorhandenen Dienstmannschaften aufzubieten, war
der tiefere Sinn jener Bestimmung. Hält man sich dies vor
Augen, so gewinnen in solcher Beleuchtung nunmehr auch
einige Vorgänge ausdrucksvolle Bedeutung, deren innerer Zu-
sammenhang sonst leicht verborgen bleiben könnte.
Als Herzog Albrecht 1280 die Burg Siebenegg in Unter-
krain mit dazugehörigem Besitz an Graf Ulrich von Heunburg
verpfändete, Hess er sich einen besonderen Revers von diesem
' Vgl. dazu anch die obuu S. 65, Aum. 2 erwäbuten Uoobachtungoo (ur
das Jahr 1284.
* Caeleriim viri inilitarM et nobilea, ijui in districtibug |>raedicti pignoria
habitant, in banc Obligationen! non veninnt, Red eosdem praedictos do-
niinnn noiter ad sua beneplacita reservabit, qui tarnen plene peruiittit
eiadem, at se nobia servile« exhibeant et derotos. (Beilage Nr. LI.)
ansstelleu, ' dasa er die Hurg selbst mit ihren Befestigungen
ihm (Albrecht) zurückstellen wolle, wann immer er es von ihm
wrlangen würde.
Um was es sich dabei handelte, zeigt der Umstand, dass
dieser Vorbehalt nicht auch gemacht wird fl\r die zur Burg
gehörigen Besitzungen, sowie die anderen Pfandgüter. Diese
Süllen vielmehr, das wird neuerlich zugesichert, nach wie vor
dem Pfandiiihaber verbleiben.'
Ein sprechendes Gegenstück dazu stellt ein Vorgang aus
tii-m Jahre 1318 dar. Heinrich von Klirnten liat daniais die
Burgen Ober- und Niederauersberg an zwei seiner Ministerialen
(Volker und Herword von Auersberg) verliehen und ihnen die
Erlaubniss ertheilt, diese beiden Festen wieder aufzubauen. In
der darüber ausgestellten Urkunde aber hebt er ausdrücklich
hervor,' dass dies ,mit Wille und Gunst' nicht nur des römi-
tchea Königs Friedrich, sondern auch der Herzoge von Oester-
rcich, Otto und Albrecht, der Brüder jenes, geschehe. Erwälgt
mau, dass das Recht des Burgenbaues ursprünghch den Cha-
rakter der Regalitilt an sich trug, nachher aber an die Erlaub-
niss des Landesherm gebunden war,* so erscheint damit wenn
nicht geradezu die Obergewalt der Habsburger, so doch min-
destens die Thatsache bezeugt, dass sie hinsichtlich der Be-
fegtignngen im Lande (Krain) sich bestimmte Rechte vor-
behalten hatten.
Wird dadurch auf Seite der Habsburger das Bestreben
deutlich, ihre miHtiirischen Interessen an den verpfUndeten Län-
dern Krain und der Mark zu wahren, so lassen sich gerade-
ai Anhaltspunkte daftir nachweisen, dass König Rudolf bei
deren Verpftindung an Meinhard einen ähnlichen Vorbehalt
' Abgedruckt in den ,Festgftben zu Ehren Max BUdioger's' (Innobniok
1898), S. 223.
* Inter domiDum aostrum serenissimDm ducem Anstrie et Styrie ex pnrto
aoA et no> ex altera super caatro in Sybenekke est taliter diffinituin,
qood qnandocuntque per eum a nobis dictum cnstrum fncrit repetitum,
fibi ipsam reatituere debeamns, aicat muri ambitu est conclnsum, Poa-
tewione* yero ad ipaum caitruni pertinentea cum nliis bonis per eundem
Dobis obligatis nput nos titiilo pignoris renianebunt «erratiH tarnen cou-
didonibOB, que in Utteris patentibn» antedicti domini noatri nobia anper
boc coDceeais plenina continentiu'. Ebenda.
* Honnajrr, SSmmtl. Werke 8, CXK.
* R 8rhr>-tder, Ueutacbe Kecbtageacb. ■ S. CS-i f.
86
gemacht haben dllrfte wie in dem Vertrage mit Agnes von
Heunburg (22. October 1279). Schon der Urfehdebrief Wil-
helms von Scherfenberg auf Herzog Albrocht vom 8. Mai 1284
verdient da einige Beachtung. Man bedenke doch nur: Einer der
hervorragenderen Krainer Ministerialen verpflichtet sich hier
dem Habsburger eidlich, niclit nur des.sen LiUider Steiermark,
Krain und die Mark fortan unbehelligt zu lassi'n, sondern auch
bezüglich seines Aufenthaltes in denselben AJbrechts Befehlen
nachzukommen. *
Dann aber noch ein weiterer Beleg. Im Jahre 1308 hat
ein anderer, gleichfalls innerhalb des verpfändeten Gebietes, im
Sannthal, ansässiger Edler, Ulrich von Saneck, seinen Besitz
dem Herzog von Oesterreich, Friedrich, zu Lehen aufgetragen.
Zwei Burgen, Scheineck und Liebenstein, befanden sich
darunter.* Allerdings filllt dieses Ereigniss in die Zeit kriege-
rischer Verwicklungen zwischen den Habshurgern und dem
Kärntner Herzog, so dass Schhissfolgenmgen daraus nur mit
Vorsicht gezogen werden können. Allein Ulrich von Saneck
konnte einen solchen Schritt mit Aussicht auf eine dauernde
Geltung doch nur unternehmen, wenn er dem Kärntner Herzog
gegenüber, der das Saimthal vorher imd nachher im Pfandbesitz
innehatte, Actionsfreiheit besas.s. *
Im Ganzen betrachtet lassen sich diese Beobachtungen
dahin zusuminenfassen, dass die Habsburger als rechte Ober-
herren in Krain und der Mark unbeschadet ihrer Verpfilndung
eine bestimmte EinflusssphUrc sich vorbehalten und
mit deutlicher Politik es vor Allem verstanden haben,
sich dieser Gebiete fortlaufend militärisch zu ver-
sichern. Das militärische Talent, das insbesonders der erste
habsburgische Herzog von Oesterreich, Albrecht, auch sonst
bekundete,* tritt hier wirksam in die Erscheinung.
Diese Haltung der Habsburger spricht nun entschieden
gegen jene Annahme, als ob die Verpfändung Krains nur eine
• Vgl. Beila^ Nr. IV. I
* Vg\. i\ie Urkuuile Ulrichs von Sanock vom 22. Ai>ril 1.S08 bei Krones, 1
Die B'roieii von Saneck, 8. 118, Nr. 4. 1
> 8o faiMt docli auch v. Krnnea (allerdingR in anderem ZuMimnenhange) |
diesen Vorgang auf. A. a. O., S. 47.
' Vgl. darabor Hnber, Qeach. Oesterreiuhs 2, 9 f., und die daselbst oitirta
Literatur (Anm. I).
87
tero Form ftir den thatsächlidicn Verzicht derselben auf
dieses Land gewesen sei. Sie ist aber durchaus der SteUung
adSquat, in welcher sie nach dem Wortlaut ihrer Beleh-
nangsbriefe fortlaufend erscheinen. Wie dort treten sie auch
hier als die eigentlichen Besitzer dieser Reichslehen uns ent-
gegen, während Meinhard und seine Nachkommen blos Pfand-
inbaber an diesem ihren Besitze sind.
Nach Loscbin, dem Vertreter jener Ansicht, wurden die
Herzoge von üesterreich ,zu einstweiligem Verzicht auf Krain'
auch durch die Erkenntniss bestimmt, ,dass dies wichtige und
bedrohte Grenzland zu seiner Behauptung der militiirischen An-
lehnung an Kärnten bedürfe'. Ich will die Frage hier gar nidit
erörtern, von welchem Lande aus Krain und die Mark leichter
und dauernder behauptet werden konnton: von dem geogra-
phisch in sich abgeschlossenen Kärnten mit seinem mächtigen
Grenzwall gegen Krain, den Karawanken, oder von Steiermark,
ans dessen nach Süden geötfiicten Grenzen mindestens ebenso
bequeme Uebergänge hinUberftiliren. * Eines aber scheint mir
unzweifelhaft: Gerade vom militärischen Staudpunkte aus
inassten die Habsburger, einmal im Besitze der Steiermark, alles
daran setzen, auch Krain und die Mark für sich zu gewinnen.
Nicht nur wegen der gegen Süden oflenen Grenze. Mit diesen
lieten ward ihr Machtbereich bis nahezu ans Meer vor-
:hoben und damit zugleich auch Ungarns Machtgellisten
dauernd ein Riegel vorgeschoben.
Das konnte damals bereits nicht mehr unwichtig erschei-
nen. Gerade die Vorgeschichte der KUruten-Krainer Frage
wies nachdrücklich darauf hin. Zweimal bereits hatte Ungarn
den Versuch gemacht, in Krain festen Fuss zu fassen. Unter
Bela IV., der sich von der ihm verschwägerten Meranerin
Agnes deren EigengUter übertragen liess und nach ihrem Tode
' Einen leicht pa.<.<iirbaren Zogan;^ vnn Kumten nnch Krain bietet nnr die
Stramo vun Tarriit iiacli Weiaseiifels, während suwohl der Uebergan);
am tioibi (1370 M.), wie jener am 8eeberg (Kisenkappel-Kankerthal,
IS18M.) Passagen darstellen, die fUr niilitnrische Operationen niittelnlter-
liehen Stile« — beaonders im Winter — kaum geeignet erscheinen.
Dagegen erSffnen »ich von Untersteierniark aus raindentens awei natür-
liche Zngangslinien dabin, beide ohne bedeutende Torrninschwierigkeiten ;
die eine von Cilli durch das iiannthal nach Trojana-Laibach. die andere
der Sritia entlang (Windiiich-Feiatritz, Lnmlxberg, Rann, Landstras«).
88
thatslichlich auch das , dominium ELamiole' in Ansprach nahm
(1263)/ anderseits aber nach dem Tode Ulrichs von Sponheim,
als Stefan V. gegen ütakar von Böhmen sich mit Philipp von
Kärnten verbündete. Im Frieden mit Otakar vom Jahre 1271
hat Stefan förmlich auf seine Ansprüche auf Steiermark,
Kumten, Krain und die Mark verzichtet.*
In diesem Zusammenhange muss doch auch auf die Be-
strebungen hingewiesen werden, die das Haupt der ungarischen
Maguatenpartei, Joaoliini Pectari, gegenüber König Rudolf selbst
noch bekundete. Anfang des Jahres 1274 hat er, der damalige
Spiritus rector der ungarischen Politik, die Uebertragung ein-
zelner Gebietstheile in Steiermark von iiim gefordert.' Und
wenn auch die Anschuldigung König <.)takars von Böhmen, als
ob jener geradezu eine der von ihm innegehabten Provinzen
verlangt hätte,* den Thatsachen nicht entsprach, so erhellt
daraus doch, wie sehr die alten Ambitionen Ungarns nach einer
Ausbreitung im Westen noch fortwirkten. Das musste flii* die
Habsburger ein deutlicher Fingerzeig sein.
Aber niclit nur Rüeksiclitcn der Präventivpolitik drängten
auf die Erwerbung Kraina bin. Sie war tinanziell ob der reichen
Erträgnisse des Landes werthvoll* und erüflfnete auch weiter-
hin verlockende Aussichten. In handelspolitischer Beziehung,
da so der Zugang zum Meere wesentlich erleichtert ward und
Italien auch von hier aus erreichbar wurde. Gerade die Zeit
der ersten Habsburger lässt eine mit grossem Geschick unter-
nommene und zielbewusste Handelspolitik erkennen.'
Und auf der anderen Seite der Patriarchenstaat Aquileia.
Der kränkelnde Mann an der Adria, Was war da nicht alles
Zugewinnen! Ulrich von Sponheim hatte bereits den Weg dazu
gewiesen. Albert von Görz aber ihn nachher erfolgreich be-
schritten. ^ Der Aufschwung Venedigs, mit dem Aquileia be-
> Vgl. oben 8. 18.
* Oben 8. 20,
■ Vgl. den Urief KOnig Rudolfe an Ladialatu von Ungarn (1274), Bedlicb,
Reg. Rudolfs, Nr. 838.
* Erben-Emier, Reg. Uob. S, 368. Vgl. dazu Redlich, a a. O., Nr. 154.
' Vgl. Redlich, Mitth. den lugtitubi (ür tiaterr. Qeschichtsforschung, Erg.-
Bd. 4, 148.
' Ijngchin, Die Handülüpolitik der (interr. TlerKcher im Mittelalter, S. 13 ff.
' Vgl. üben ä. 12 f. und ä. 36.
89
reits triederholt iii kriegerische Verwicklungen gerathen war, '
maaite dasselbe immer mehr ins Gedränge bringen.
Den »Stantsiufinnem in der Umgebung König Rudolfs,
welche die ConstcIIation der politischen Verhultnisse in diesen
südöstlichen Territorien niiturgemilss in Erwägung ziehen
ninssten, konnten diese günstigen Conjiincturen kaum ver-
borgen bleiben. Sollten sie König Rudolfs politischem Scharf-
blick entgangen sein?
Die thatsHchliche Entwicklung in der Folgezeit gibt dariiuf
eine deutliche Antwort. Bereits 1292 schliesst Aquikia mit den
Gegnern Herzog Albrechts ein förmliches Bündniss ab. Nicht
trnr mit Salzburg,* auch mit dem im Aufstand wider Albreclit
begriffenen Heunburger Grafen' trat es in Verbindung. Albrecht
wird geradezu als Feind und Angreifer des Patriarchates (hos-
tis et offensor) bezeichnet. Gegen ihn vor Allen und Mein-
hard von Kärnten sichert sich der Patriarch in den Ländern
Kärnten, Saunien, Krain und der Mark, sowie Friaul eine
Unterstützung jener.
Das will umsomehr beachtet sein, als jene Lilnder ja gar
nicht in der Hand Albreehts sich befanden. Auch das Sanu-
thal war mit Krain und der Mark an Meinhard verpfiliidet.
Und in demselben Jahre noch, 1202, finden wir den Patriar-
ehen aach in jenem bedrohlichen Fürstenbund, der sich ge-
waltig gegen Albrecht sowohl als Meinhard zusammenballte.
Aqoileia neben Salzburg, dem Böhmenkünig und Otto von
Baiem, Schulter an Schulter mit den gefUhrlichsten Feindon
des habsburgischen Hauses.*
Fß kann nicht anders sein: Albrecht, der bekanntlich die
landesfllrstliche Gewalt allseitig mit grossem Nachdruck geltend
machte,^ mnss auch Aquileia gegenüber eine empfindliche
' VgL Bomanin, StorU docnmentats di Venesia 2, 814 ff., und dazu
W. Lenel, Die Entttehung der Vorherrecbaft Venedig» «n der Adria,
9. 88 und 74, «owie den Brief KOnig RodoUa an den Dogen von Vene-
dig Tom 18. März 1277. Redlich, Heg. KOnig Rudolf, Nr. 720.
* Vgl den Brief des Enbischofa Konrad von Salzburg an den Patriarchen
Raimund von Aqnilea vom 12. August 1292 bei Zahn, Font. 11. 40, 22.
' Ebenda U. 40, 23.
' Vgl. darüber meine Ausführungen in den Mitth. des Instituts fBr Osterr.
Geschichtsforschung, 21. Bd.
t* Vgl. Blätter des Vureines für Landeskunde von NiederOaterr. 27, 241 ff.
( Xroiisivpolitik bethatigt haben. Die reichen Besitzungen des
l'iilriiirnhates in Steiermark, Krain und der Mark waren oflFen-
bar ilir Zielobjoct. Langsam, aber sicher wurden dieselben mit
der Ausbildung der Landeshoheit in jenen Ländern (aucii
Kärnten) aufgesogen.
Auch unter den Nachfolgern AUtrechts in Oesterreich sind
Beziehungen derselben zu Aquilcia fortlaufend nachweisbar.
Allerdings stehen damals Herzog Friedrich und der Patriarch
Ottobon aus gemeinsamen Interesse wider die Kilmtnor Her-
zoge zusammen (13U8). ' Allein wie sehr auch die Voränderung
der politischen Lage da voriiborgehend eine Wandlung schaffen
konnte, so ist doch auch dann eine bestimmte Richtung in
der Politik der österreichischen Herzoge deutlich er-
kennbar.
Bereits im Jahre 1308 haben sie durch die Lehcnsauftra-
gung der Besitzungen Ulrichs von Saneck im Sannthal einen
festen Stutzpunkt gewonnen.' Einzelne militärische Massnah-
men, welche sie gleichzeitig im Feldzug wider die Kärntner
Herzoge trafen, bezeugen, wie sehr ihr Vorgehen von strate-
gischen Rllcksichten bestimmt war. Auf die Besetzung von
Windischgraz waren sie, das hebt doch auch der steirische
Reirachronist hervor,* insbcsonders bedacht. Mit der Weg-
nahme dieses Ortes, welchen die Kärntner von Aquileia zu
Lehen trugen, beherrschten sie die Verbindungslinie zwischen
dem Drau- und Sannthale. Und da sie nach siegreichem Feld-
zug dann Frieden schlössen, haben sie die Abtretung des letz-
teren von ihren Gegnern gefordert. Im Jahre 1311 ward
das Sannthal seiner ganzen Ausdehnung nach, wie wir
bereits sahen, aus der Krainer Pfandschaft gelöst und ihnen
thatsächlieh zurückgestellt. Aber nicht nur dies; auch (Win-
disch-) Feistritz ward damals zugleich von der Mark
abgeschieden und mit Steiermark vereinigt.
Man hat diesen Erwerbungen der Habsbiu-ger bis jetzt
kaum eine Beachtung geschenkt; sie schienen an sich wenig
' Vgl. d&rttber den Bericht iles steirUchen Reimchroiiisten, Mcm. Ocnii. V.
2, 1316, und daitu (neben Taugl, a. «. O., 8. 889) die beiden Briefe Her-
aog Friedrichs bei Zahn in den Font. II. 40, .38 (ku MOP. nirlit 1310
gehörig).
• Vgl. oben S. 86.
' Mon. Oerm. V 8, 1339; Tgl. duu Tangl, a. a. O., 8. 80O.
91
xa bedeuten. Anders allerdings stellt sich die Sache dar, wenn
nun in diesem Zusammenhange ihre geographische Lage des
Nttiieren in Betracht zielit. Die Einsenkung bei Windiseh-
feistritz vermittelt von Marburg oder Pettau her ebenso den
Zagang nach Cilli wie das Sannthal von dort ab den Ueber-
ffang nach Krain. Schon die alte Rönierstrassc von Pettau niicli
jach hat diese Linie befolgt. ' Sie stellt die natürliche Ein-
)forte aus Steiermark nach Krain dar. Nicht nur als Ver-
kehrsweg für den Handel hat sie vor Allem auch eine emi-
nente strategische Bedeutung. Mit ihr war die militilrische
Beherrschung Krains von Steiermark aus gegeben; sie bot zu-
■ gleich, da sie von Laibach aus ihre directe Fortsetzung hat —
die alte Römerstrasse fülirte von da über Oberlaibach und
Wippach nach A([uileia* — die sichere Operationsbasis gegen
■ den Patriarchenstaat an der Adria. Schritt für Schritt sehen
wir die Machtsphärc der Habsburger nach dem SlUlen vor-
rücken. Eine Überraschende Perspective crüflnct sich uns
mit diesen bis jetzt gar nicht beachteten Vorgilngcn auf
die italienische Politik der Habsburger im 14. Jahr-
hundert.
Wir bhcken von diesen Ereignissen der Folgezeit auf die
Kämten-Kratner Frage nunmehr zurilck. Ihre definitive Lösung
war, wie wir sehen, thatsllchiich mit der Neuordnung der staats-
rechtlichen Verhältnisse dieser beiden Liinder im Jalirc 128(3
bereits gegeben. Zielbcwusst und mit politischem Scharfblick
haben die Habsburger den Besitz Krains angestrebt und sich
desselben versichert, nachdem es ihnen unter geschickter Aus-
nutzung einer dafllr günstigen politischen Constellation gelungen
war, die Ansprüche Meinhards auf dieses Land endgiltig zu
beseitigen. Die lange zuvor erfolgte Verpfilndimg Krains und
der Mark an ihn, die ursprünglich einer gewissen politischen
Bedeutung nidit entbehrt haben mochte, hatte dieselbe damals
sicherlich bereits verloren.
' V^l. d&rQber R. Knabl, Der wahre Zii^ der rOmiscbeu Militjir.4tras8e von
Cilli uftch Pettaii, Archiv filr Osterr. Gesch. 2G, 45 ff. Fenier Alf. Mdllner,
EmoiiB, S. 81 ff.; Fr. Kenner, Noriciim nnd l'annonia, Mitth. de» Altcr-
thamrereines Wien U, 16 ff. und 94: endlich neben Oehlniann, Die
A]penpiUiie im Mittelalter (Jahrb. für scliweizerische Uesch. 4, '279 ff.),
aach Mommsen, CIL III. 2, C2ßf, 645 nnd 698, dazu Karte IV
* MOiluer, a. a. O., tU9; Oelihuaun. a. a. O., 380, und CIL III. 1, 483.
92
Die Habsburger haben dessenungeachtet als eigeatliche
Besitzer dieser Länder sich daselbst einen bestimmten Einfluss
vorbehalten und waren insbesonders fortlaufend darauf bedacht,
sich derselben zur Wahrung ihrer Interessen militärisch zu Ter-
sichem.
Das Jahr 1286 ist aber nicht nur ein Schlusspunkt;
es stellt zugleich auch den Ausgangspunkt einer neuen, ver-
heissungsvollen Entwicklung dar. Eben damals wurde so recht
eigentlich auch der Grund gelegt zur weiteren Ausbreitung der
habsburgischen Herrschaft nach dem SUden.
So enthüllt die zusammenfassende Betrachtung der Kämten-
Erainer Frage zugleich auch eine Territorialpolitik der ersten
Habsburger vor unseren Augen, die durch die Grossartigkeit
der Conception ebenso überrascht wie durch das ungemeine
diplomatische Geschick, mit dem sie erfolgreich ins Werk ge-
setzt wurde.
K^
X C 11 i- ö.
Feber den Zeitpunkt der VcrpfJindun;; KraiuM und der
Mark an Heinliard von Tirol.
Aus dem Gang der frllhereu Darstellung dürfte klar ge-
worden sein, wie viel die clironologische Bestimmung der Ver-
pfandung Krains an Meinliard für die BeurtlrciJung der KUrnten-
Krainer Frage bedeutet. Man war frllher in dieser Beziehung
in einer unangenelimcii Lage, insofern man nämlich — die be-
treffenden Urkunden sind ja, wie bereits bemerkt, nicht mehr
erhalten — dafür lediglich zwei Quellen kannte, auf Grund
•leren eine auch nur annähernd sichere Bestimmung sich that-
sKclilich nicht gewinnen liess. Die Urkunde über den Verti*ag
Meinhards mit Albrecht (23. Jänner 1286), in der jener Ver-
plindnng gedacht wird, lilsst uns über den Zeitpimkt derselben
ebenso im Unklaren' als der Bericht Johanns von Victring,
"elcher gelegentlich der Belehnung der Sühne Rudolfs (irrig
Jti 1280), ohne seiner Gewahrsmilnner sicher zu sein, auch
bemerkt, dass Krain an Meinhard für 20.U0U Jlark verpfändet
wurde.*
So konnte die frühere Forschung sich nur auf Grund all-
gemeiner Erwägungen innerhalb des damals möglich scheinenden
Zeitraumes (1276 — 1286) für einen bestimmten Ansatz ent-
* 8. oben S. 76, Anm. 1.
'Böhmer, Font. 1, 317: .Atbortnm dacem Äustrio et Stirie, dominam Csr-
njole, Rndoltum ducera Swevie, Meinbardum dncem Karintlue de.5ipnAvit,
qui tri^inta inilia uiarcarum reg;i dicttur o[<tu)i»iie, alii dicuut Caruiolnm
•ibi impiguoratam pro viginti milibus marcariim ad Alberti geoeri sai
■ floriam prosequendam.'
94
scheiden. K. Tangl, ' Dimitz* und Suklje* hatten überein-
stimmend das Jahr 1276 angenommen, indem sie sich anschei-
nend von der Erwägung leiten Hessen, dass Meinhard, der mit
seinem Bruder Kärnten und Krain für König Rudolf erobert
hatte, zugleich mit der Uebcrtragung der Hauptmannschaft
über diese Länder auch eine Sicherung für das Rudolf offen-
bar zu Kriegszwecken gemachte Darlehen also geboten worden
sein dürfte. Demgegenüber hat dann in jüngerer Zeit Oswald
Redlich* — v. Krones sowohl als Huber haben in ihrer Dar-
stellung der Geschichte Oesterreichs sich darüber nicht näher
geäussert — auf das Jahr 1279 als muthmassliche Zeit jener
Verpfandung verwiesen. Konnte Redlich darthon, dass da-
mals, nach dem Tode Philipps von Kärnten, Meinhard an König
Rudolf herangetreten sei mit der Bitte, ihm eines der neu ge-
wonnenen Länder zu überlassen,^ so musste in der That die
Combination sehr verlockend erscheinen, es sei nunmehr ,als
Abschlagszahlung fUr das kaum abzuweisende Begehren des
vielverdienten Tiroler Grafen' die Verpfandung von Krain an
Meinhard erfolgt.
Für einen noch späteren Ansatz — das Jahr 1286 — ist
Luschin eingetreten. Ihn hat mindestens seine fi^her bespro-
chene Auffassung der Stellung Krains um jene Zeit zur Voraus-
setzung. "
Dies der Stand der Frage. Sieht man näher zu, so lassen
sich doch darüber hinaus eine Reihe von Anhaltspunkten aus
den Quellen gewinnen, die eine annähernd sichere Entschei-
dung ermöglichen dürften. In jüngster Zeit hat schon Redlich '
auf eine Urkunde Meinhards vom 19. Mai 1281 aufmerksam
g(tnincht, als ,ein bisher noch nicht verwerthetes Zeugniss für
dio Vcri)f^ndung Krains' an diesen. Meinhard erklärt nämlich
I A. «. ()., 8. 209.
» A !«• <>•, »• 19»-
• A«»trlJHk<> Modvladje in Ustanovitev Uabsburlko vlade na Anstrijskem
yialtt ISH«) in dem von der Matica Slovenska (Laibacb) 1883 herans-
yi^^Wnon 8|K>nienik o Seststoletnici Zaietka Habsbur&ke vlade na SIo-
«ttM»k<>m, H. 7ft.
« Mitth. <J«w liiHtitutd ftlr Osterr. Geschicbtsforgcfaung, Erg.-Bd. 4, 146.
* tt« &.3«>« K««>«>irR, Nr. 1291.
95
duä 1200 Mark von dem Satze auf Krain König Rudolf
ledig sein sollen, falls die Heirat seines Sohnes mit einer Nichte
der Königin, Rudolfs Gemahlin, in Folge Todfalles eines der
beiden nicht zu Staude komme. '
Damals also, im Frühjahr 1281, war die Verpfandung
siclier bereits vollzogen. Aber der Terminus ad quem lässt
»ich noch weiter zurückschieben. Ich habe es oben schon an-
gedeutet.* Auch der Wortlaut der Urkunde König Rudolfs
fUr Gurk vom 23. Milrz 1280" setzt die VerptUndung bereits
voraus. Wenn Rudolf dort bei der Verpfändung genannter
Güter in der Mark die Zustimmung Meinhards dazu eingeholt
Imt, so ist dies kaum anders zu erklären, als dass dieser eben
bereits Pfandbesitzer derselben gewesen sei.*
So muss die Verpfändung Krains spfttestens 127i' statt-
gefunden haben. Es liegt aber nur dann ein Grund vor, sie
in dieses Jahr zu setzen, wenn die Annahme Rcdlich's, dass sie
auf jene Forderungen Meinlmrds hin erfolgt sei, sich als zu-
treflfend erweist. Jedenfalls nach dem Tode Pliilipps von
Kärnten (f 22. Juli 1279) erst milsste sie also vorgenommen
worden sein. Anderseits aber cntliäit der Vertrag König Ru-
dolfs mit Agnes von Hcunburg eine bis jetzt unbeachtete Stelle,
iuis der wohl geschlossen werden darf, dass damals diese Ver-
.iftadung schon perfect war. König Rudolf verpflichtet sich
dlmlich, da er Agnes für die ihr zugesicherte Geldsumme von
6000 Mark bestimmte Besitzungen in Unterstoiermark verpfslndet,
ihr diesen Besitz zu überantworten frei von allen Ansprüchen
Jedermanns: ,et specialiter spectabilis viri Meiuliardi coiuitis
Tyrolensis manibus et potentia iiberataui'.'' Allerdings handelt
es sich hier zunächst nicht um Besitzungen, die in Krain ge-
ie|;en waren. Allein der Tenor dieser Stelle besagt, im Ganzen
betrachtet, meines Erachtens nicht nur, dass Meinhard jene an
die Mark angrenzenden Gebiete — etwa als Landeshauptmann
— in seiner Gewalt hatte, sondern zugleich auch im tieferen
Sinne, dass er bestimmte Forderungsrechte grösseren Umfanges
■ Hormayr, 8&inmtl. Werke 2, CI.
I|» \g\ oben 8. 39.
** MAfiAD, Austria sacra 6, 499.
' Vgl nhen S. 39, Aam. S.
* Vgl. Beilage Nr. U.
Vgl. dazu üben 8. 43.
96
in jenen Gegenden bereits geltend machen konnte. Man kann
doch wohl nicht annehmen, dieselben hätten sich gerade auf
die hier genannten Besitzungen and nur auf diese bezogen.
Ich glaube somit kaum irrezugehen, wenn ich annehme,
dass auch diese Stelle ihrer tieferen Bedeutung nach auf jene
Verpfändung bereits zurückweise. Die Urkunde über den Ver-
trag mit Agnes aber ist am 22. October 1279 ausgestellt.
Nun war andei-seits zu einer solchen Verpfiindung nicht
nur verfassungsmässig die Einholung des kurftirstlichen Con-
senses durch den König nöthig, man muss auch, wenn ihr jene
pohtisclie Geltung zukam, annehmen, dass sie gelegentlich einer
persönlichen Begegnung Meinhards mit dem Köm'ge erfolgt sei.
Das aber ist nach Allem, was sich fiir jene Zeit, vom Tode
Philipps (22. Juli) bis zum Abschlüsse dieses Vertrages, histo-
risch feststellen lüsst, schlechterdings ausgeschlossen. König
Rudolf weilte im Sommer 1279 in Wien. Dort wird er die
Kunde von dem Ableben Philipps, jedenfalls noch im Juli, er-
halten haben. Im September zog er von da nach der Steier-
mark und kam, nachdem er dort bis Ende October sich auf-
gehalten, in den ersten Novembertagen nach Oberösterreich.
Am 4. November urkundet er in Linz.'
Meinhard dagegen war vermuthlich während dieser ganzen
Zeit in Tirol, sicher aber nicht wUhrcnd der Reise des Königs
bei diesem, sondern stiess erst in Linz wieder zu ihm.*
Nehmen wir — was bei dem Itincrar Meinhards sehr un-
wahrscheinlich ist — selbst an, dass derselbe sofort auf die
Nachricht von dem Ableben Philipps nacli Wien zu Rudolf
aufgebrochen sei, so ist noch eine andere Schwierigkeit kaum
zu beseitigen. Von den Kurfürsten befand sich im August
« Vgl. die Reg. Rudolfs von Osw. Redlich, Nr. 1115 ff.
* Er urkundot am 7. Jnni bei Milhlbai-h (vgl, die beiden Urkunden fOr
Neustift, Font. II. 84, 156 und 1&4) und \m 3. August in Eppan (Original
im Wiener Staatsarchiv; vgl. darUber Egger im Programm dos Staata-
gymnasiums Innsbruck 188&, S. 16). (Für die Mittheiluug dieser Daten
bin ich Herrn Prof. Ludw. SchOnach in Innsbruck, der sich seit Längerem
mit der Geschichte Meinhards baschSftigt, unisomehr dankbar, als die
Feststellung des Itinerars Meinhards im Jahre 1*279, mangels entspre-
chender Quellen, recht schwierig ist.) Uebor Meinh.irds Anwesenheit in
Linz vgl. Redlich, Keg. Rudolfs, Nr. 1144, und die dort citirte Stelle des
steirischen Reimchronisten.
lJi7i( nur Albrecht von äachsen in der Umgebung des
Königs. '
Ist es da wahrscheinlich, dass es König Rudolf in vier
Wochen gelang, die Willebriefe der Übrigen sechs KurJursteu
zu dieser VerpfUndung rechtzeitig einzuholen, um dieselbe ge-
legentlich einer neuen Anwesenheit Meinhards in Wien — eine
solche mtlsste man in weiterer unwahrscheinlicher Hypothese
nooli annehmen — dann vor seinem Aufbruch nach Steiermark
noch vornehmen zu können?
Doch wenn selbst König Rudolf es bei dieser VerpHin-
düng mit dem kurfürstlichen Conscns nicht allzu genau nahm
~ er erfolgte ofl auch erst nachträglich oder ohne förmliche
Willebriefe — und wenn auch jene Stelle in dem Vertrage mit
AgacB von Heunburg nicht in dem früher vertretenen Sinne
efasst werden darf oder man an einen noch späteren Zeit-
pvinkt dieses Jahres denken wollte, so sprechen gewichtige Er-
wägungen allgemeiner Natur auch dagegen. König Rudolf sah
ach zu der Verpfändung jener Gebiete in Untersteiermark au
A|^es von Heunburg genöthigt, da er damals, wie in der Ver-
tragBorkunde ausdrücklich hervorgehoben wird, über keine
Baarmittel verfllgte. * Sollte König Rudolf, wenn ihm Meinhard
kurz Bovor 20.000 oder gar 30.000 Mark vorgestreckt hatte,
jetzt schon nicht einmal so viel mehr verblieben sein, um die
600O Mark an Agnes zahlen zu können?
Allein noch ein anderes, viel bedeutsameres Argument. Wir
konnten oben nachweisen, ' dass Rudolf sich bereits früher als
bisher annahm, schon am Beginne des Jahres 1380, ent-
n seiner früheren Absicht dazu entschlossen hatte, Kärnten
an Meinhard zu übertragen. Nun kann — nach den firülicreii
Ausführungen — Meinhard mit seinen Forderungen hiusielitlich
dieses Landes erst gelegentlich seiner Zusammenkunft mit dem
König im November (Linz) hervorgetreten sein. Möglicher-
weise könnte schon die auffallende Thatsache,* dass hier Mein
' V^I. die Zeagenroihe der Urkunde Künig Rudolfii bei Redlich, a.
Nr. 1128.
' El ((nia üscus regalis paratam ad mauus pecuaiani non liabebnt,
[Rndolfns rex] nobis tttnlu ypotece vel pignori« oblignvit bona
Beitage Nr. U.
• Vgt. oben 8. 3'J.
* Klieodurt, Aiiio. 1.
Itclui. LUIVU. IM. t. lUin*. 7
n. O.,
ipse
98
hard unter den Fürsten erscheint, die König Rudolf Willebriefe
fllr die römische Kirche ausstellten, im Sinne einer gewissen
Berllcksichtifi;un^ von Mi-inliards Begehren jircdeutet werden.
Aber auch abgesehen davon lässt die verhilltnissiniissig rasche
Wandlung in den Entsclilüssen des Königs zu Gunsten Mein-
hards kaum einen Platz für ein noch dazwischenliegendes Sta-
dium, einer vorläufigen Abschlagszahlung fiir jene Forderungen,
als wt'lcho man die Verpfändung Krains und der Mark im
Jahre 1271) auffassen mlisstc.
Von verschiedenen Seiten her weisen also gewichtige Mo-
mente auf einen früheren Zeitpunkt. Als solcher kann aber
der ganzen Sachlage nach thatsäehlich nur das Jahr 1276 an-
genommen werden. Damit lösen sich nicht nur all' die er-
wähnten Schwierigkeiten auf, es sprechen auch eine Reihe
positiver Gründe geradezu daf\ir. Nicht nur, dass dann das
Begehren Meinliards nach dem Tode Philipps von Kärnten noch
begreiflicher ersciieint. ' Auch die Annahme, dass zm" Ver-
pßindung eines ganzen Landes an Meinhard pohtische Erwä-
gungen und Beweggründe mitgewirkt haben mochten, bleibt be- '■
stehen. Gerade damals, zu Ende des Jahres 1276, lag fiir König
Rudolf noch ein Grund mehr vor, sich zu dieser Verpfälndung
zu entschliessen, da Meinhard, der mit seinem Bruder Kärnten
und Krain für ihn erobert hatte, allein auch in der Lage war,
sie gegenüber seinem noch mächtigen Gegner Ottokar zu halten.*
Damals hat KOuig Rudolf sicherlich auch noch viel mehr der |
grossen Geldmittel bedurft, wie sie das Darlehen Meinhards I
bezeugt. In der folgenden Zeit boten ihm doch die grossen
Steuererhebungen des Jalires 1277 einigen Rückhalt." Damals
Hess sich jene Verpfändung auch leichter durchführen, da die
Zustimmung der Kurftlrsten kurzer Hand eingeholt werden
konnte. Sic befanden sich grüsstcntheils in der unmittelbaren
Umgebung dos Königs.'' ;
Aber nicht nur allgemeine Erwägungen lassen sich zu
Gunsten dieses Ansatzes (1276) geltend machen. Auch ganz
• Vpl. dazu auch Tniigl, a. n. O., 8. 219. j
» Vgl. oben S. 24 ff. I
' Vgl. die Urkunde Kfliii^ Rudolfs vom 28. Mai 1277 bei Scliwiud und Dopacli,
Ausgewählte Urkunden zur Verfassungag^uhichte Oostorreichs 111, und '.
die daselbst augeflihrtQn Anaalengtollen. I
♦ Vgl. Redlich, Reg. Rudolf», Nr. 624 und 633.
99
^cielle Beobachtungen hinsichtlich tler llaltunp Meinhards
■M^en dafür. Er hiitto, wie bereits trüber erwähnt. Ant'anff
des Jahres 1377 die Rechte der Freisinger Kirche in Krain
arg beeintrilchti^t und das Land^ericlit Lack geradezu an sich
^«rissen. König Rudolf intervenirte zu Gunsten des Freisinger
Bischofs. Das» es sich hier nicht etwa, wie man nach dem
auch an die Adresse der übrigen Amtleute in Krain (beson-
ders den Grafen Friedrich von Ortenburg) gerichteten könig-
lichen li»ndat vom 4. Februar dieses Jahres' meinen könnte,
lediglich um UebcrgrifFe handelte, wie solche in Zeiten ki'iege-
riscbcr Verwicklungen leicht vorkommen konnten, lehrt eine
spfttere Urkunde König Rudolfs. Derselbe sah sich im Früh-
jahr 1280 neuerdings veranlasst, für Freising einzutreten. Indem
er sich nunmehr nur an Mcinbard wendet, weist pr ihn auf
eine Klage des Bischofs hin direct an, jene Entziehung des
Lacker Landgerichtes rückgUngig zu machon, da dieselbe gegen
die verbrieften und auch von ihm {König Rudolf) anerkannten
Rechte der Freisinger Kirche Verstösse.*
Ein solches Vorgehen Meinhards kann unmöglich aus
»einer Stellung als Landeshamitmann von Krain genügend er-
klärt werden. Denn als solcher hatte er gar kein Interesse
daran, die Rechte eines mit seinem Oberherrn befreundeten
Kirchenfiirsten zu beeinträchtigen.
Anders allerdings, wenn Jleinliard damals, bereits 1277,
das Land Krain im Pfandbesitze hatte. Dann lag es in seinem
eigenen Interesse, die Einkünfte aus den damit verbundenen
nutzbaren Rechten (Landgericht) zu mehren, wenn er die erst
von König Otakar vorgenommene Ucbortragung der Land-
gerichtsbarkeit in Lack nicht beachtete.^ Das ZurUckgroifeu
«of die Rechtsverhältnisse vor Otakar entspricht übrigens auch
«einer späteren Haltung in der Kämten-Krainer Frage.*
I FoDt rar. Äagtr. U. 31, 346.
' Ebenda 391, Nr. 366.
' Ebendn 328 (1274). Die Ancrkonnimg der Exemtion der freisingn»cben
Gäler Tou der landesfUrstlicben Oericbttibiirkeit soitenii Herzog: Ulrichs
Tom Jahre 1366 (ebenda 260) hexog sich doch nur auf Outenwerth und
den in der Mark gelegenen Besitz diese« Hocbstiftes. (Bestätigt durch
Otakar 1274. Ebenda 337, Nr. 306.)
* Vgl. obeo S. 69 ff.
7»
100
So gewinnen wir damit (wenn auch indirect) geradezu
einen positiven Anhaltspunkt daftlr, dass Krain wirklich schon
1276 an Meinhard verpfändet wurde.
Anderseits lassen sich endlich auch keine Argumente in
negativer Beziehung dagegen geltend machen. Philipp von
Kärnten hatte damals eben auf seine Rechte förmlich verzichtet; ^
die Rücksichten aber, die König Rudolf auch nachher noch
auf seine Persönlichkeit hinsichtlich Kärntens nahm,' konnten
hier um so eher hinwegfallen, ab jener ja nicht Ansprache auf
das ganze Land Krain als solches besass, sondern nur auf
die wenn auch reichen Eigengüter der Sponheimer. Diese
aber blieben, wie alle privaten Berechtigungen überhaupt, von
jener Verpfilndung des Landes unberührt.'
Wir dürfen an dem in früheren Darstellungen vorgenom-
menen Ansatz somit festhalten: Die Verpfändung Krains
an Meinhard wurde aller Wahrscheinlichkeit nach
thatsächlich bereits Ende des Jahres 1276 vollzogen.
Das ergibt auch die kritische Untersuchung der dafür zu Qe-
bote stehenden historischen Quellen.
« Vgl. oben S. 26 f.
* Vgl. oben S. SO und 33.
' In diesem Sinne kann auch die Verpfändung einzelner BeBitcaogen in
Krain an Albert von OOrz, welche KOnig Budolf 1277 vornahm, nichts
gegen unseren Ansatz besagen. Solche VerpHndungen kamen Übrigens
auch nachher (z. B. 1286) noch vor. Vgl. oben S. 37, Anm. i, und S. 88,
Anm. 2.
BEILAGEN.
Nr. I.
ATAitp Budolf bestimmt, dnss die aus der Ehe des Gurker Ministerialen
Otto von Alhfxk mit Diimud, der Tochter seines Ritters PUtfrim ran
WuHros, hervorgehenden miinnlidien Nachhymme» ewischen der Kirche
»nd dem Bischof von Giirk gleich getheilt werden sollten. Wien lä7U,
August 23.
■
Orig. im Archiv des Kilrntner Oescliichtxvoreine» zu Klagenfurt.
Beg>Mten yerteichnet von Redlich, Re^. KOni^ Rudolfs, Nr. U2t.
Rudolfns ilei gratia Konmnonnn rox somper atiguatus iiniversiB
fiddibiis sacri imperii gi'utiaiii Huam et umiie honiiii]. Noverit uiiivorüitAH
legtra, quod cnm Otto dictas do Albeke iiiiniBteruilis r>cclesie Gurceuais
cum DiiD&de filia Pilgerimi militis nostri dicti de Wilres uiütriiuoiüinn ct>!i-
tnhere decrevisset, nos ad instantiiim veuerubiliu .Tuhaimis Gurceusiü
«pLscopi principis nostri dilecti sie diiximuB statuenduni, ut puori qui
nusreniar et nxurgent ex matrimonio supi°adicto, cum ecctesia Gurcenüi
•t «ins episcopo eqnaliter diviilantnr, non obstante quod dicta Dimfidis
ad dominium terre nostre Kannthie portinet de pttrsnau. In ciiiii.s rei
testimonium preeentes sigilii nostri muuiiiiine iussimus ruborari.
Datum Wienne, anno domini M-CCLXXVIFII, XI Kai. septembr.,
i Tero nostri anno sexto.
Sig. pend.
Nr. II.
OrafUlricIt tw» llrunburg und dessen Gemahlin Agnes verzichten tu
GiMUten König Rudolfs gegen eine Summe fon fiOOO Mark Silber, für
iie amen von jenem genamnUBesittungen in Untersteiermark verpfätulel
werden, auf alle Ansprühe, die sie in Oestetreich, Steiemuirk, Kärnten
und Kraiu von frültcr her besassen. Judenburg 1279, October 22.
Orig. Wien, Staatsarchiv (A).
ÜBViilUtiindig (in «wei Theilen) gedruckt bei Herrgott, Mini.doin.Anstr.il.
I CNummutheca 1) 250 ^ Larobacher, Oeaterr. Interregnum, Anhang, I7S.
102
DontBche Uebersetzang bei Mucbar, Qesch. der Steiermark ö, 420 ff. and
Tangl, Gesch. KSmtens IV. 1, 387 ff., sowie Archiv Ar Osterr. Gesch. 25, 186
und 192. Regesten bei Lichnowskjr 1, Nr. 571. Krones, Verfassang und
Verwaltung des Herzogtbums Steier 584, Nr. 212, und Redlich, Reg. KOnig
Rudolfs, Nr. 1138.'
[Uj^niversis presentes litteras inspecturis. Nos ülricns comes et
Agnes comitissa de Heunnburch tenore presencium declaramus, quod
postquam Serenissimus dominus noster Budolfus liomanornm rex semper
augustus provincias Austriam Stiriam Karinthiam Cai-niolam et Marchiam
quas quondani dominus 0 [takarus] Boemie rex illustiis tennit occupatas,
sibi subiecit et llomani imperii dicioni adiecit, ego Agnes predicta pre-
dicto domino cum humilitate debita supplicavi, ut iora michi in predictis
terris competencia ex successione progenitorum meorum et maxime bone
memorie quondam Friderici ducis Austrie propatrui mei, cnias bona et
propriotates ad me spectare dlcebam, recognosceret graciose; petiri etiam
bona illa, quibus magnificns princeps qnondam üliicns dnx Karintbie
olim maritus mens et dominus me dotavit et michi in donacione propter
nupcias assignavit. Ego quoqne TJiricus comes predictus a predlcto do-
mino meo rege Bomanorum petivi, ut comitatum de Fernekke et oppidnm
Drozendorf cum omnibus eorum attinenciis et qnedam bona alia in par-
tibus Austrie ad me ex hereditaria successione spectancia mihi faceret
assignari.
Hiis nostris peticionibus nobiles terramm predictarum et ofBciales
domini nostri predicti taliter responderant, quod inter regem Boemie pre-
dictnm ex una parte et nos ambos ingales ex altera eo tempore quo ma-
trimoninm simul contraximus, de premissis questio rertebatur et quod
post tractatus plurimos inter regem Boemie predictum et nos habitos ami-
cabilis composicio intercessit, cuius preteitu omne ins nostrum, quod in
terris predictis ex causis premissis habuimus, eidem regi dicimur assi-
gnasse et in enm omuia iura nostra liberaliter transtulisse; qui rex idem
ins qnod a nobis redemit, in dominum nostrum Romanorum regem trans-
tulit eo tempore quo sibi predictas provincias resignavit.
Sed ex pai-te nostra extitit replicatum, quod quicquid cnm rege
Boemie tractavimus vel contraximus in premissis, hoc totum a nobis ex-
torsit eius improbitas violenta et teiTibilis metus incussio nobis facta, qni
merito cadere poterat in constantes. Ex aliis quoque causis et racionibns
* U fehlt; freier Raum fOr die Initiale A.
• Muchar, Tangl und auch noch Krone« nahmen, durch die Drucke irre-
geführt, die Existenz von swei verschiedenen Urkunden an.
103
üeebarans. qnod ea que inter re^om Boemio preiHctnm et nos gesUx vel
icta sant, cassa fuerant et irrita ipsu iure. Tiiudem quia predicto doiDJiio
no8tro Bonianorum regi qnodammodo diflicile et nnbis inntilo videbntur
p«r gtrictaras legum et iudiciorum augustias discutere iura uostra, en
i|Ood nos gni gralia recognoscit sibi astrictos vüiculo uaturali, nos qno-
qao nun iniprobal>ilitor estimaiiteei i)uod pliira commuda imbis pott^rnnt
provenire ex gratia dumiiii uostri ])i'edicti, ciii dos subieciuins rontidenter,
qum Bi cam eo per iudicii »trepitnm contendainuB, sie itaque uommiinicakt
uuicorum et fideliuiii nostrürum consiiio omnia et sin^iia do <)i)ibus 8u-
perius feciiuns mencionern cnin omni iure tjucd nobis in ipsis coiipeciit vel
eunp«tere videbator, ad Dianas prodicti domini uostri Kumanoruin re^is
pro nnbis et nostris hcredibus ac liereduni hnredibus libere resignavimus
«t spont« transtalimus in enndem ratifiuantcs et innovantes reniincia-
ciiines composiciunes transactionos et dnuaciones qnas regi Boomie feci-
inus in premiesis.
Dictns vero domintis noster Kflinainiruni rex devociooem noHtrani
rnnsiderans et atteudetis prouiiiiit. nobis et iiobtris heredibus utriiisqiie
»eins sex niilia marcarum argenti leg^lis et boni Wiennensis ponderis se
ditnroiD. Et quia fiscns regalis parntam ad oianiis pecuniam nun bnhc-
btt, ipse nobis titulo rpotece vel pignoris obligavit bona pussessiones et
predia municiones et castra, que inferius suis nominibus oxprimuntur.
Primn iudicinm in Voitsperch pro ducentis mareis. Item Judicium in Tobel
pro sex mai-cis. Item in dccimis octoginta modios diiri gnini pro octü-
l^nta niarcis. Item avene centoui niodios et quinquaginta pro noniiginta
ntrcis. Item vinnm in Voitsperch et in Rorbah pro Iriginta et octo mar-
eis. Item in mansis centum porcos pro quinquaginta mareis. Itoiu in
«'ensn qnadringentos quinquaginta et sept«in virlingos duri graui pro
(joinquag-inta et Septem mareis et viginti denariis. Item in avena octin-
rontos et quadraginta virlingos pro sexaginta et tribus inarcis, Itpni in
'•insphenning triginta et qnatuor marcas. Item in steura centum marcas.
It«m in marichdienst nongentos et quinquaginta virlingos avene pro sexa-
ginta et octo mareis. Item in Tobel, in Mnuttondorf, in Promstotnn, in
ftrbüum redditne qnatoordecim marcamm. Item oppiihim Voitsperch cum
■i« snperiore et inferiore et castvum in Tobel. Itoni in Tyner redditus
trec^ntarani marcarum de officio quatuor schepfonnm : In officio sche-
phonis Oerdei, in officio schcphonis Leutoldo, in officio schuphonis
Inrizla, in officio schcphonis Zaschitz; in hii^ vero qnatuor officiis sunt
nobis assignnte qningente viginti et quatuor bnebc cum dimidia exceptis
»rtractis inter qua« sunt supani centum et duo. Summa vero triiici de
illis qoatuur ofticiix treceuti quinquaginta et duo modioli et due mensure
104
qui faciiint nmtMgintn modios Anstrales cum dimidio, summa huins iu
doniiriis 8ephtaginta ronrce cnm iliiuidia. Summa totalis avene qningenti
viginti et nnvem modii, qui faciunt centum et quatnor mndios Au8trales.
Samma huias in denariis quinqnaginta et due marce. Summa porcornm
c«ntum septuaginta et tres pro undecim marci8. Summa totalis ovium
centimi sexaginta et sex cum tot aguis pro quiudecim marcis. Item in
offlciis qnatuor schephonnm in Tyner et circa Sabsenwart in vino et in
perchreht septuaginta u\arca8. Item de officio soptuaginta marcas. Item de
foni in Snhsunveld viginti maixas. Item castra Salis^nwart. Tyner, Vreu-
ilunckk et Chlousenstein.
Predictas autem poBsessiones et predia nobis obligavit, pront pre-
dia et bona ipsa instructa et instaunita sunt cnm colonis mancipiis et
ceteris appendiciis ooruniiem iudiciis iurisdictionibus advocatiis districti-
bns cum utiiitato et l'nictu piscacionibus vonacioiiibiis et omni causa et
sinipliciter, sicut principes turranim ipsanun qnondain Linpnldus et Fri-
dei'icus ducpH Austrie et Stirio eadeni bona ot proiJia possedenint.
Cetenim viri niiiitjires ot nivbites qni in disttictibus piedicti pignoris
habitant, in hanc obligacionem non veniunt; sed eosdem predictns domi-
ituB noster ad sua beneplai-ita lesewabit, qui tamen plene permittit eis-
dem, ut se nobis sei-vilus cxhibeaut et devotos.
Frnctns antem dictornm bonorum sepefattis dominus noster uobis
et liberis nostris ntriusque seius contulit ypoteca dnraate ad hoc ut
liberalitatnni regiani magis nobis favurabilnm Kencianins.
Reniinciainiis itaque pn» nobis et in'redil)us nostris omni auxilio
legum et canonum et cuilibet consuetudini patrie per que possent predicta
in toto vel parte aliqua retrnctari. Promittentes nichiiominus fide data
ad inanus rogias vice prestiti sacranicuti, qnod contra predicta nunquam
veniiHUUs vorbo vel facto, sed ea (ideliter et logalitt-r toucbimur observare.
Dictne ctiam dominus noster rex provisiunn regali nostris volens in-
dcnipiiitutihiis prtuavere ordinavit ütstaf uit, utdicta bona nobis ypotecataa
uobis vel nostris borcdibun nullo modo auferanlur pt-r successores snos in
Bomano imperio vul pur dominum aut duuiiuoti, si quis vul si qui in supra-
dictis provinciis sivo tcrris fimriut ordiiiati, aut capitaueoB eorundem,
donec nobis vel nostris heredibus dicta pecuuia integre persolvatur, no-
lens ut particulari solucione pi'u<Iicta bona particulariter redimantur, sed
ut ttita ypotbecu cum integris fructibus apud nos maneat, donec integra et
logalis solncio noliis liat.
Si qua vero de bouis predictis uobis pignori obligatis ad feoda filio-
rum ipsius domini nostri pertinent, bec tata de ipsorum quam etiam
I
105
dominornm a qnibus ea tenent, henotilacito ot consenBn nexu pignoiis
obligata manobnot.
PoBBe88iouem quoque bonurnm nobis titulu pipfnoris tradeiniornm
wu assignandorum uobis prodictUB not<tcr dominus plt^iifiiu iissignabit :il)
iap«ticione cniuslibet et epecialiter spectabilis riri Meinhardi* coniitia
TTn^lenaiB manibas et potencia liberatam.
Dicta»> etiaui doniiuu» noster rex et sui snccessores nobis et nostris
hereditms teuebantur predicta bona dnrante pignore de iure defendere et
<le erictioDP. si per aliquem ip$>iiin pi^nns vi^l pars aliqan in iudicio ßvin-
catur et ad oinne paritor intoresBO, sie quod ips» ovictio nobis et nostris
beredibDB nnllnm iuris vel facti inferat nocunientnni. Rt si forte pecunia
DoD solutA (iredictam ypotecam a nobis vel nostris heredibus de iu]'i<
«inci vel auferri rontigerit violenter per Romanuriuii regom vel irapera-
toreiu 8eu dominos vel alios eorum nomine, extunc de noBtro conscniiu
mit et Btatnit sepedictns dominus noster decroto irrefragabili, nt predicte
r«nuntiaciones cessioneB transactiones vel donacionea tarn ei quam rogi
{t<«nii« facte uobis ant noRtriB beredibus non officiaut, sed si nobis pla-
cwrit, omne iug quod aute rennnciauioneB cessiones transactiones vel do-
ntcioneB predictas nobis conpeciit, plene et integre reviviscat. Decot enini
iiiibliini<m Bae glorie maiestatem, ut ex eins actibus suisque contractibus
nun resultet iniuria, ne aliqua capciosa subtiiitas oriatur.
Ad hec copiam ot transcriptum oninium inetniiiiptitorum ot privi-
Itgiortim predictas causas contingencinm quo hubenius ad proscns, ipsi
ilomino nostro sub nostris et venerabilinin patrum dominoniin Friderici
S»ltJ!pnrgen8i8 archiepiscopi, Jobannis Gnrcensis, Wornhardi Secoviensis
i>t Gerhard) Laventine ecciegiaruni cpisroporum ot illustris Ail>(>rti ihmis
■Suonie sigillis assiguabimus, reiuinciuuteä hiis ot uliis instrumentis et
pririlegiifl idam negocium contingentibus, si qua ad manus nostras vel
iuin noatrornm pcrvenerint in futiiro, n quoruni tonore nnbis vpI
iß heredibus vel coberedibus ins aliqnod posset cornpetere in predtcti»,
<|ue etiatn omniaexnnnccaBsamns et anullamnB et nullius flrmitatis esse
tnlnmus nee aliqaid iuris ex hiis nobis competerp iiunciimquo tempore pro-
'locantur, dum tarnen ipsins ypotece dispnsicin et plena fnictuum porcepcio
Uftbis et nostris heredibus utriusqne sexns inaneat, donec nobis et nostris
bitredibus supradicti argenti qnantitas inxta modum expressum snperins
integre persolvatur.
Testes sunt venerabiles pati-es et domiui Fridericns archiepiscopus
Stltzpnrgensis, Johannes Ourcensis, Wemhardus Secoviensis, Gerbardus
* Da* letzte i von derselben Hand und Tinte nna u ourrigirt.
md
Luventine ecclosiarura episcopi, Chnnratlns electus Chimensis et Heinricus
abbas Admuiiteusis; illustris dominus Albertus dux Siixonie, nobiles viri
domini videlicet PVidericus bnrcbkravius de Nureuberch, Burchardus de
Hohenberch, Hugo de Werdenberch, Eberhardus de Chaczenellenbogen,
HnpxäeMnnteforti, . . de Kienekke, Fridei'icus de Ortenbnrch et Heinricus
do Pbiinnt>(>rcli comites, strcnui viri FridericiiB de Potovia, Wlvingn» de
Stnbenberch, Otto de Liehtenstein et alii quam plures.
Kt iit predicta oinnia et gin^iila (Irma etiilibata pemmnoaiit et nnllo
nnquiiin tempore per nosvel nostros beredes refricontiir, pregentes litteras
sein'ilicto douiino nostro regi tradimus nostronim et predictoniui venera-
biliiim patrnm dominomm (Yiderici Saltzpiirgensis archiepiscopi, Johaniiis
Guicensis, Wernhardi Secoviensis et Gerhardi Laventini episcoponim
sigillorum robore communitas.
Nos dei gratia Fridericus Saltzpiirgensis arcbiepiscopus, Johannes
nnrcensi», Wenibardus Secoviensis et Qorhardus Laventiiio ecclesiarnm
episcopi, qiiia predictis interfuimus et sie acU cognovimus, ad iiistnnciam
predictaniiii spectabilium pt-rsonarum Ulrici comitis et Agnetis comitisse
li« llniiniibnrcli sigilia nostra unacnm suis prosentibns duximus appen-
doiifla.
Itatum et actnm apud Jadenbuixh, XI Kalend. novembr., anno
dduiini iniilegimo ducentosimo septtiagesimo nono.
FQnf Siegel: 1. Ulrich von Hounburg.
ä. Friedrich von Salzburg.
3. Johann von Gurk.
4. Agne.i von Hounburg.
6. Gerhard von Larant.
Zwei weitere Einschnitte ohne eingeliSngte Siegel (fehlen).
Nr. m.
Graf Meinhnrrl von Tirol Lriigt Kol von Seldenhofen und den übrigen
Auilleuiat in Kärnten auf, dass sie die Uebcrtrntfung der Blutgerichts-
barkcii im Bischof Johann von Gurk, welche er über Auftrag Ki'mig
Uudolfs rorgennmmcn halte, respectiren sollen. Kloster Louka ' 1279,
Drcentber 11.
Copie s. 18 in Hu Nr. 2/S7 (Gnrker Copialb. IV) p. 169, Nr. 69. Archiv de«
KHnitner GeBcliichtsvereines (C).
Klostarbmck bei Ziuüm in Mihren.
107
Imi Redlich, Reg KHnig Badolfti, Nr. 1231 (aiioli Tangl, Qoacli.
Kärntens IV, S. 369).
Haynardus comes Tyrulis et Goricie, A(|)iiIpienBig Tridentinao ot
Brixinensis ecdesitinim ailvocatus Colnni' de Seldeuove ccteriKiiiio iiidi-
ribus et ofBcialibus per Kuriuthiaiu salutem ot urane bonum. Omne indi-
«Diu sangninis et criminum, quod clare memorie oliin dnces Karinthie in
honis et hominibiis Giircensis ecclcsie exurciienmt de cousiifitudine vol dp
iure, ex speciali mandato Serenissimi domiiii mistri K[iidu]fi]'' Ki)in;iDoriim
regis semper augiisti tradidiinus ot assignavimus venerabili jmtii domino
■TaanDi Gurcensi episcupo et ecdesie sue tenendum et piissidendum seciin-
Jnm formam modum conditiones et pacta, nue in Jitteris ijatoiiUbiis
jirpJicti domini nostri regis eideni episcopo tiaditis i.'untinentur. lAm-
qne discretioni vestre committimuB et mandamas, qnatenus eum vel eus,
rai vel qiiihns prefatas episcojxis uhm iiidiciiim diixfrit comiuittendiim,
ipsum iudicium exercere libere pormittatis niilliuw diffictiitatis voi iiiipedi-
mtinti obstanaium, sod magis promotionis auxilium apponentes.
Datiun in claiistro sanctc Marie in Lara iiixta ZDnomaiii, anno
domini MCCLXXX, III idns decembres.
Nr. IV.
WSheltH fow Scherfcftberg schwört Herzog Albrecht von Oesterreich Ur-
[(kde für drei Jahre unter Ancrkcnmtttg seiner Dingp/licht gegenülier
dem steiriscJwn Landlaiding. Wien 12S4, Mai 8.
Orig. Wien, StutaarchiT.
Rege«t bei Lichnowsky 1, Nr. 822.
Ego Wilhalmus de Scherfeuberch protflstans signißco preseiiciiim
inspectoribus iiniversis, rae magnitici princijiis domini mei Alborti diu-is
Aostrie et Stirie gracie cui ingratus cxtitorain, esse rofonnatiim condioio-
nilrns infrascriptis, ad quanim observacionem inramento mo Obligo ot
Mtringo. Videlicet nt ipsius domini Al[berti] dncis terrarum Stirie, Kar-
niolr et Mar<-hie et aliarum qnarnmiibet nullatenus amodo »im offeiisor
debeiis, dum reqnigituB fnero per iittcras atit nuucios einsdom domini mei,
abinde od quataor ebdomodas Stirie Karniole et Marchie exLre terrainos,
ad Msdem nullo modo nisi admissns de meinorati domini mei favore et
gracia reversonis; etiam gom-ralia piacita iudiciti proviiiciaÜH Stirie fre-
Colonis C.
*> R. (oempe Rudolph!) C.
()U«>atur« tenebor, dnm idem index me citandum duxerit et Tocandnm in-
tliuiu. Strictius et iure iurando sponte promitto, nt si qnod absit ipsi
ditiiiiiiu ineo duci me rebellem oponam, si castrum Tel castra qnacmnqae
iiiachinaciono subegero apngnavero vel mee illicite attraham potestati, si
fautoBum aliquem virum militem vel militaris condicionis captiTavero Tel
iiccidam deliberacione preTia de certa sciencia et animo preconcepto, et si
bouum pacis commune violans seu contempaens in terris prelibati domini
mei spolinm commisero manifestum, uniTerse etsingule poBsessiones mee
pioprietarie et feodales quocumque nomine censeantnr, prenotati domini
mei ducis usibns ordinacionibus et potestati simpliciter et precise snb-
iaceant et attineant nuUo michi vel meis heredibns competente iare
inantea de eisdem. Ad ampliorem insuper et cerciorem huins reconcilia-
cionis cautelam, si in premissis excedam, duodecim viri potiores ex michi
fidelitatis vel propriotatiB astrictis vinculo antefato domino meo duci ad-
berere subieccione perpetua tenebuntur nnllum ad me extnnc habituri
respectum. In cuius rei testimoninm presentem dedi litteram mei sigilli
munimine communitam condicionibus prescriptis a feste pentecostes pro-
ximo ad triennium valituris.
Datum Wienne, anno domini millesimo ducentesimo octogesimo
quarto, YIII" idus maii.
Sig. pend.
Nr. V.
Abt Berthold und das Capitel von Ossiach beurkunden den Verkauf von
neun Mansen bei der Burg Lewenburg um 40 Mark an den Grafen
Meinhard von Tirol. 1285.
Orig. Wien, StaatsarchtT.
In nomine domini amen. Cum natura hominum fragilis et eomm
memoria sit iabilis, expedit actus qui fiunt sub tempore, ne simul cum
fluxu temporis diluantur, digno littero testimouio eternari. Hinc est quod
nos Berbtoldus miseratione divina Ozziacensis abbas et totum capitulnm
ibidem tarn presentium memorie quam futurorum noticie duximns incul-
candum, quod cum per novem mansos, quos aput castrum Lewenburch
nostra ecclesia habuit situatos, infra longa tempora modicos fructus dicta
uostra ecclesia percepisset, ipsos novem mansos cum omnibus suis atti-
nentiis deliberato animo et unanimi consilio et consensu quadraginta mar-
carum Aquilegensiura pietio douiino nostro clarissimo comiti Tyrolensi
nomine Meinhardo vendidimus sibiqne ac suis heredibns aproprietavimus
I
pleno iure sperantes memoratam peccuDiiim* pur uiiaium possossiuiiiiiii
«mptionom ad iitilitatom nostre domus convertore pociorom. Ut autoin
Ulis nostra venditio per Bnccessores nostrog rata omaimudis übsoi'vntur
et non possit calutnpniandi occasione iilitjuatiMiiiB rovocari, pronoutout
littoram conscribi feciinus ut sigilli nostri monuäkM-ii caractoru conmuniri.
Acta sunt hoc anno ab incarnationo domini miilceimo dnccntesimo
octogesimo quinto.
Sig. pond.
Nr. VI.
von Pettau gelobt dem Grafen Ulrich von Unrnhurg, die Vogtei
•bürg llereog Albrecht von Ocsterreich außtihagen, auf dass
dieser sie jenem verleihe. J'ellau li'SS, Mai 27.
Orig, Wien, StSAtsarcbiv.
Ich Fridereich von Petawo vergihe mit disem brievo unt tfien allen
den chunt die in sehent h&rent oder lesent, doz ich inoinom liebem horren,
dem edilem graven Ulroichen von Hcunerihnrdi polobt han, die voytaoy
u Obernburch unt die manschafft aufzogobeii in mctinos honen haut,
h«rsogen Äibrehtes von Osterreich nnt vou Steyor, also das ci' ira tint
«einen orbon die leihe ze rehtem lehen mit allem reht zwissclien hinno
nnt sand Qeoiiontago der nu chiimt, swannc er oz acisscliet. ünt ob mein
nibt enwaoro, so sulen im mein erben des gcliibdos gepunten sein: »tiirh
ner er in der vrist, so sei ich seinen erben des gelabdes sein gepuntou.
Und taet ich des niht, swelhen schaden er oder sein erben davon naeiiion.
den solen si haben auf mir unt auf meinen erben unt auf olioii liiu unt
wier haben. Unt daz daz also staete sei, han ich im unt seinen erben
g^beu disen brief mit meinem iusigel versigelt ze »einem urchuniie der
«vhaeit unt sint dos gezeuge: her Seyfrid von Chrancliperge. lur Hcrt-
nojrd von Stadekke, Fridoroich von Weizzonokkc, Offo von Emberberch,
Ulreicb von Schaerphonborch, IJoinroich unt Älbrehtdio Wiithausaor. her
(Videreioh von Jablanach, her Eborhart von Sand Peter, her Heinroich
TOD Griven, Woitol von Treztonilz, Fridereich der ochafTaer unt ander
biderb« lente.
Ditz ist geschehen unt Avx brief gegeben ze Pettawo, nach Christos
glbart tausent iar zwei hundert iar unt in dem aht unt ahtzogixtcm iare,
des phincztages nach dem sannetage der Drivaltichaeit uusors berren.
Big. pend.
110
Nr. VII.
Herzog Alhreeht von Oesterreich überträgt auf Bitte des Abtes und Con-
ventes des Klosters Ossiach die Vogtei über die Kirche St. Jakob in Ras
an Herzog Meinhard von Kärnten. Lienz 1293, Jänner 12.
Orig. Wien, Staatsarchiv.
Paläographiscber Abdruck (mit vielen Fehlern) bei Melly, Vaterländische
Urkunden 27, Nr. XXIX.
Regest bei Böhmer (1246—1313), S. 489, und Tangl, Gesch. Kärntens 4,
S. 606.
Excollenti et msgnifico principi domino Meinhardo, illustri duci
Karinthie et domino Caiaiole, ecclesiarum Aquileieosis Tridentine et
Briiinensis advocato Al[bertns] dei gratia dux Austrie et Styrie cum
sincera fido promptam ad boneplacita voluntatem. Ad instaaciam honora-
bilis viri domini Bich[ardi] abbatis et monachoram monasterii Ozziacensis
adTOcaciam super ecclesiam sancti lacobi in Ras cum pertinentibus ad
oandem vestre providencie vice et loco nostri, tanquam eam quam iuxta
necessitatem snam propter locorura distanciam non possumus defendere,
commictimus protegendam instanter potentes, quatenus ultra statutum ius
de dicta advocacia nichil penitus velitis exigero salvo tarnen predicto
abbati et suo monasterio iure prespiteros secundum timorem dei et statuta
canonum in eadem ecclesia ordinandi et ordinatos viciosos foii« repertos
absque impedimento aliquo removeudi. Scituri certissime, qnod per hoc
beate virgini prefati monasterii patrone et nobis gratum obsequium im-
pendotis.
Datum in Lunz, anno dominice incarnationis miliosimu ducen-
tesimo nonagosimo tercio, pridie idus ianuarias.
Sig. pend.
Nr. Vni.
König Heinrieh von Böhmen verpflichtet sich, die ihm verpfändeten
Jjänder Krain und die Mark Herzog Friedrich von Oesterreich an dem
von der römischen Königin Elisabeth eu bestimmenden Termin zur Ein-
lösung eu geben. Salzburg 1311, Juli 15.
Orig. Wien, Staatsarchiv.
Regest bei Lichnowsky 3, Nr. 130, und OOth in den Mitth. des bist. Ver-
eines fUr Krain 17 (1862), 46 (aus Copie in den SchatEkammerbUchern des
Stattbaltereiarchivs in Orae).
Wir Heinrieb von gotes gnaden chunich ze Behaim und ze Polan,
herzog ze Chernden, graf ze Tirol und ze Gorcz, vogt der gotesheaser ze
111
Agiay ze Trient und ze Brixin venohen und tun chnnt an disem offen
priefe allen den di in sehent horent und lesent, daz wir unserm liben
i^heim dem edeln herzog Fridorichen von Osterich und seinen bmdern und
erben den lant Chraiu und di Windisch March, di er uns ze phando gesaczt
hat nmbe sechs tousent march lötiges Silbers W!nner gewichtes, als
unser vrowe und swester vrowe Elzbet weilent chunigin von Böm zwissen
ans gesprochen hat, ze ISsen geben wellen und suln auf di zeit di unser
Torgenant swester di Bömisch chunigin gesprichet, als si ir selben den
Spruch über di lösung derselben lande behalten hat.
Und geben in darüber ze urchund disen prief versiglt mit unserm
insigl ; der ist geben ze Saltzburch, nach Christes gehurt über dreuzehen
hundert iar darnach in dem einleften iar, des phiucztags nach sant Mar-
greten tach.
Big. pend.
DIE ORGANISATION
DES
EVANGELISCHEN KIRCHENWE8EN8
IM
ERZHEßZOGTHUM ÖSTEßEEICH U. D. ENNS
VON DER ERTHEILUNÖ DER RELIGIONS-CONCESSION
BIS ZU KAISER MAXIMILIANS II. TODE
(1568—1576).
vojr
D" VICTOR BIBL.
AicUt. LXXXTII. Bd. I. BUA«.
Vorwort
iJer Plan zu dem vorliegenden Aufsätze reifte in mir
g:entlich meiner Vorstudien zu einer Geschitrlite der Gegen-
reformation in Niederösterreich unter Kaiser Rudolf II. Eine
monographische Behandlung der religiösen Bewegung in diesem
Lande unter seinem Vorgänger Kaiser Maximilian II. hätte ja
von vorneherein nach den in letzter Zeit erschienenen gründ-
lichen Arbeiten von Otto' und Hopfen* wenig erfolgreiche Aus-
sichten eröffnet. Die Beiden haben in harmonischer Weise
gerade jene Lücken ausgefüllt, welche Wiederiiann's , Geschichte
der Reformation und Gegenreformation im Lande Oesterreich
unter der Enns' ofFenliess. Ich denke gewiss nicht daran, die
Verdienstlichkeit dieses Werkes, welches mit ebenso vielem
Fleiss wie Liebe zum Gegenstand gearbt^'itet ist und durch die
Fülle des darin gebotenen Materiales zugleich mit dem alten,
aber noch immer nicht veralteten Werke von Ranpach" ein
aberaus nützliches Handbuch iTir den Forscher bildet, in Ab-
rede zu stellen. Das reichhaltige ftirsterzbischötliche Consislorial-
archiv in Wien zum ersten Male in umfassender Weise wissen-
schaftlich vcrwerthet zu haben, ist und bleibt sein unbestrittenes
Verdienst. Ausser diesem Archiv benützte Wiederaann noch,
wie er selbst in seinem Vorworte bemerkt, ,da8 nicht minder
wichtige und reichhaltige Klosterrathsarchiv, das Archiv des
niederosterreichischon Regimentes (1), das nicdorösterreichische
Lehensai'chiv und die Passauer Acten in der Registratur der
k. k. Statthalterei von Niederösterreich', das ist also etwas
*■ OescbicLte iler ReformAtion im Erzherzogthum Oesterreich unter Kaiser
Maximilian II. (1563-1576), 1889.
* Kaiser Maximilian nnd der Compromisskattiolicismus, 1896.
' Erang. Oesterreich etc. 1741.
8»
116
kürzer und verständlicher ausgedruckt: das k. k. Archiv für
Niederösterreich (damals noch die Registratur der k. k. nieder-
österreichischen Statthalterei). Er verwerthete übrigens auch
noch andere Archive, wie z. B. das des k. u. k. Reichs-Finanz-
ministeriums in Wien, die er hier aus unbekannten Gründen
verschweigt; dagegen hat er aber ein ungemein wichtiges und
grosses Archiv vollständig ausser Acht gelassen: das nieder-
österreichische Landesarchiv in Wien, welches, um in der
Wiedemann'schen Ausdrucksweise zu bleiben, das Prälaten-,
Herren- und Ritterstandsarchiv enthält und bei der hervor-
ragenden Einflussnahme der Stände auf die Entwicklung des
Protestantismus in Oesterreich sicherlich der Benützung werth
gewesen wäre. Ebenso hätte es sich wohl der Mühe verlohnt,
den Acten der ehemaligen k. Hofkanzlei nachzugehen und zu
diesem Zwecke die Archive des k. k. Ministeriums für Cultus
und Unterricht, des k. k. Ministeriums des Innern und vor
Allem das k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien in
den Bereich der Forschung zu ziehen.
Es war daher eine sehr willkommene That, als Otto zehn
Jahre nach dem Erscheinen des ersten Bandes das nieder-
österreichische Landesarchiv und Hopfen 16 Jahre später
namentlich die drei anderen genannten Archive zur Forschung
heranzog, und somit die Geschichte der religiösen Entwicklung
in Oesterreich unter Kaiser Maximilian U. abgeschlossen er-
schien.
Ich war nun bestrebt, Wiedemann's Geschichtswerk auch
für die Zeit seines Nachfolgers entsprechend zu ergänzen. Weil
aber gleich aus seinen ersten Regierungsjahren wichtige Ver-.
handlungsacten der Stände, welche Raupach im zweiten Theil
anführt und verwerthet hat, in dem niederösterreichischen Landes-
archive vollständig abgehen, war ich gezwungen, diesen näher
nachzuforschen. Er schöpfte die Kenntniss derselben aus blossen
Ueberschriften, die er in einem Index verzeichnet fand, über
den er sich auf S. 200 (Anm. f) wie folgt äussert: ,Durch
geneigte Communication eines unsterblich verdienten Theologi
unserer Kirchen habe einen Indicem oder Register über ein so-
genanntes grosses Religionsbuch in Ms. erhalten, aus welchem zu
ersehen, dass in diesem Volumine Ms. die Documenta von den
vornehmsten Religions-Handlungen, so zwischen den k. Hof und
denen evangelischen Ständen in Nieder-Oesterreich von anno 1571
117
bis 1590 inclusive vorgefallen, enthalten sind und überall
786 Seiten, in Folio geschrieben, ausmachen. Anderweitig sind
wir von gewisser Hand vorsichert worden, dass dieses Volumen
von dem vormaligen Herrn Besitzer desselben vor vielen Jahren
an dem Landhauso zu Wien verschenket sei und daselbst
annoch verwahrlieh aufbehalten werde.' Dieses Reiigionsbuch
zu erlangen, erschien mir als nilchste Aufgabe. Nachdem <\s in
»der Manuscriptensammlung der niedcrüsterreichischcn Landes-
bibliothek nicht zu finden war, forschte ich in einigen Osterrei-
chischen Stiftsbibliotheken nach, doch vergebens. Endlich fand
ich dasselbe in der k. k. Hofbibliothek in Wien, wo ich es
nrsprünglich nicht vermuthet hatte, da ich annehmen konnte,
dass sonst Wiedemann, der mehrere Handschriften derselben
citirt, dieselben also in ihrer Gesammtheit gekannt haben mlisste,
gewiss darauf gestossen wilre und es wenigstens genannt hiltte.
Eb ist dies der Codex Nr. 8314: ,Ducenta quinque acta, de-
creta, resolutiones, instructiones, snpplicationes etc. inter Maxi-
mihanam II. et Kudolphum H. iniperatores et ordines auatria-
carura ditionum aliosquc tarn in materia religionis praescrtim
quoad exercitium Augustanac i-onfessionis in iirbc Vicnna ab
ordinibus identideni postulatuni, ab imperatoribus semper dene-
firatam, quam aliorum incidentium negotiorum mutuo exhibitue,
ab anno 1570 usque ad anniim 15{)0; gcrmanice (Jur. civ. 12)
eh. XVI. 788 fül.' Wann und wie dieser Coilex, der zweifellos
in der stündischen Kanzlei verfasst und dort auch aufbewahrt
worden war, in die Hofbibliothek kam, konnte ich nicht er-
mitteln.
Auf diese Art sah ich mich wider Erwarten in dem Be-
sitze eines überaus interessanten Matoriales über die letzten
KegiemngBJahre Kaiser Maximilians H. (1570 — 1576), das
durch die Acten des k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchivs
eine ungeahnte Bereicherung erfahr, indem nilmlich einige tiber
Auftrag Kaiser Rudolfs H. von der Wiener Hofkanzlei ver-
fasste und auf ein gründliches Studium der dort vorgefundenen
Religjonsactcn zurückgreifende Berichte über die Verhandlungen
mit den evangelischen Ständen, beziehungsweise über die Be-
rechtigung der von ihnen erhobenen Ansprüche manche bisher
unbekannte Quellen aus der Zeit seines Vorgängers theils im
Original oder in Abschrift beigeschlossen, theils inserirt ent-
hielten. Du überdies zu der Arbeit Otto's, der in die Acten
118
des niederösterreichischea Landesarchivs selbst nicht Einsicht
nahm, sondern nur die von dem gewesenen niederösterreichi-
schen Landesarchivar Karl Denhart (gest. 1876) mit erstaun-
lichem Fleiss und Gewissenhaftigkeit gearbeiteten ,Excerpte aus
den in der niederösterreichischen Landschafts-Eegistratur vor-
handenen evangelischen Religionsschriften von 1421 — 1637*
benützte, Manches nachzutragen oder zu berichtigen war,
glaubte ich mich berechtigt, diesem fUr unsere Landesgeschichte
so bedeutungsvollen Abschnitt eine selbstständige Darstellung
zu widmen.
Zum Schlüsse fühle ich mich gedrungen, dem Herrn
Director der k. k. Hofbibliothek, Hofrath Dr. Heinrich Ritter
von Zeissberg, dessen gütiges Entgegenkommen es mir ermög-
lichte, den Codex im Landesarchiv benutzen zu können, meinen
ehrfurchtsvollsten Dank auszusprechen, ferner der liebenswür-
digen Bemühungen der Herren Dr. Anton Mayer, Landes-
archivar, und Johann Paukert, Haus-, Hof- und Staatsarchivar,
dankend zu gedenken.
Wien, im Jänner 1899.
Dr. Yictor Bibl.
Erster Ahsehnitt.
Die Religions-Concession und Assecuration.
1. Eiuleitang.
Lirx. Beginn des Jahres 1526 hatten die Stünde des Erz-
herzogtUums Oesterreich unter der Enns im Vereine mit den
anderen österreichischen Erhländern dem Erzherzog Ferdinand
auf einem für den 11. November 1Ö25 nach Augsburg einbe-
rufenen Ausschusslandtag* zum ersten Male* um die Zulassung
der evangelischen Lehre gebeten. Die Erhebung der Bauern
■ in Tirol und die auf dem Innabrucker Landtag vom Erzherzog
gemachten Concessiouen bildeten die Äussere Veranlassung.
,Dieweil allenthalben,' lautet es in ihrer Beschwerdeschrift vom
■ 16. Februar, ,bei dem gemeinen Mann geacht und dafllr ge-
balten, als ob ihnen das heilige, wahre, lautere Gotteswort nit
klar und wie der Text vermag, durch die Prediger und Priester
mitgetheilt und gepredigt werde, die dann auch vergangner
Empörung an etlichen Orten nit kleine Ursach geben hat, dem-
nach ist der getreuen Erbland unterthiliiigste Bitt, dass E. F. D.
in den österreichischen Erblanden durch die Prediger und ge-
schickten Priester das heilige, wahre Gotteswort und Evange-
lium klar, lauter und rein, ohne allen Zusatz und ohne alle
* Vgl. If. Mayr, Der QenerallandUg der Oaterr. Erbllülder in Au^burg
(December 1626 bis MSrz 15ä6) in der Zeitadirift des FerdinandeDiiui
fflr Tirol und Vorarlberg, 3. Folge. 38, 8. 1 f.
,• Also Dicht 1539, wie Huber (Gescbichte Oesterreichs IV, I89S, 8. 96)
und aocb die stlndischen Bittgesuche vom Jahre 1662 (abgedruckt bei
Ranpacb, Beilage mm I. Theil, 8. 1 16) and vom Jahre 1666 (s. Otto,
a. a. O., S. 14) angeben. Vgl. auch unten.
120
Forcht oder Sorg uns auf weitere Ordnung auf nächstkunftigen
Reichstag oder auf ein gemein Consilium dem Volk zu predigen
und zu verkündigen gnildigst zulassen, damit die Speis der-
selben (die allein das Gottwort ist) niemands verhalten noch
entzogen werde, wie denn E. F. D. solches derselben E. F. D.
filrstlielicn Grafschaft Tirol untcrthälnigsten Landleuten gnftdig-
lieh zugeben und bewilligt hat.' ' In der Schlussantwort vom
1. Mälrz hatte sich der Erzherzog auf die Reichstagsabschiede
von Worms, Nürnberg und Augslnirg und die von ihm sowohl
als dem Kaiser ausgegangenen Reiigionsedicte, von denen er
auch jetzt nicht abzugehen gewillt wäre, berufen und das der
Grafschaft Tirol gemachte Zugeständniss als im Einklänge mit
diesen geschehen hingestellt, indem er allerdings dem genannten
Lande ,das Evangelium wie der Text anzeigt zu predigen,
gestattet, doch die Bedingung daran geknUpft hätte, ,da8s kein
Prediger das zu Aufruhr und Ungehorsam auslege'. Er habe
daher, fUgte er hinzu, auch gegen das Predigen des Evangelii
,obangezeigter Äleinung' in den übrigen Ländern nichts einzu-
wenden.' Wie sich Ferdinand diese Verktindigung des Evange-
liums vorstellte, bekundeten seine bald darnach ausgegangenen
scharfen Mandate. Im Jahre ir>32,'' also nicht gar lange nach-
dem der Protestantismus durch die Uebergabe des evangelischen
Glaubensbekenntnisses auf dem Reichstage zu Augsburg eine
staatsrechtliche Bedeutung gewonnen hatte, waren die Stünde
auf dem Innsbrucker Ausschusstage neuerdings um die Bewilli-
gung zur Verkündigung des .klaren Wort Gottes ohne allen
menschlichen Zusatz' eingeschritten.* Aohnliche Petitionen waren
dann 1541 durch eine ständische Deputation der flinf nieder-
österreichischen Erbiänder zu Prag' und 1548 zu Augsburg,
* N.-O. Landesarohiv, M«. Nr. 80, Fol. 23; vgl. Mayr, a. a. O., 8. 71.
* N.-ö. Landesarchiv, ebeuda, Fol. 02; vgl. Mayr, a. a. O., 8. 94.
' Nicht tü34, wie Otto (a. a. O., 8. 19) angibt. Der Irrtbum rührt durch
Denhart bor, der in seinen Excerjiten (siehe Vorwort, 8. 118) statt ,yor
Si Jaren' (also von 160G gerechnet: 1632) 1534 geschrieben hat.
'Landesarchiv, Landtagvverhandliiug.sprotukoll 1631 und 1&3S, Fol. 81;
dieses offenbar auch die Quelle, die fiuchholz, Qoachichte der Regierung
Ferdinand» 1., VIII (1838), 8. 153, benützt bat.
* Es findet sich in den erwähnten Petitionen von 1662 und 166G (siehe
oben 8. 119) angegeben: ,iteiu zu End des 42. Jahrs xu l'rng mit dem Fuss-
fall', was wohl auf einem Irrthnm beruhen wird. Das Bittgesuch iat am
18. November 1541 überrpiubt (Landesarchiv, B. 3. 26, Abschrift; abge-
121
endiicb 1554 — 1558 und 1562 — 1567 auf den unter-der-ennai-
schen' Landtagen zn Wien erfolgt, doch immer vergebens.'
Auch Maximiliiin IL, dessen Regierungsantritt die Protestanten
mit grossen Hoffnungen erfUllte, hatte ihr Begehren um Frei-
gabe der Aogsburgischen Confession stet^ abgeschlagen.
In Maximilians religiöser Haltung war nUmlich nach
nnseen hin zu Beginn der Sechzigerjahre ein merklicher Um-
schwung erfolgt. Hatte man frllher, namentlich seit dem Jahre
1556 sogar an die Möglichkeit seines offenen Uebertrittes zum
Protestantismus gedacht, so war man jetzt in eingeweihten
katholischen Kreisen darüber beruhigt. Maximilian war mittler-
weile zur Einsicht gelangt, dass er gut daran thue, mit seinen
von der katholischen Kirche abweichenden Anschauungen nicht
mehr so offen wie früher hervorzutreten und mit den katho-
lischen Mücbten in gutem Einvernehmen zu leben. Es waren
zunUchst dynastische Interessen, die ihn zu diesem Verhaken
drängten: die Aussicht auf die römische Königswahl, auf die
VermUhlung seiner Töchter mit dem spanischen Thronfolger Don
Carlos und mit dem König von Portugal, später bei der immer
klarer zu Tage tretenden Regierungsunfilhigkeit des Ersteren
auch auf die Nachfolge seines Sohnes Rudolf in Spanien. Ausser-
dem aber — und dieses Moment muss ganz besonders her-
vorgehoben werden — hatte er im December 1561 vom Papste
Piu8 IV. die päpstliche Dispens für die geheime Communion unter
drarkt bei Ranpach, Beilagen xum enteuTheil, S. 74) und im nächnten
Jahre gedruckt worden. Die ob-dur-ennBiscben SUinde beriefen sich auch
in einem Gesuche auf das Jahr 1541; Tgl. Otto, a. a. O., S. 14; Losertli,
Die Reformation uud Gegenreformation in den innorOgterreichisehen
Landern im 16. Jahrhundert. 1898, 8. 78f.
Vgl. die Petitionsuchrift vom 7. December 1666 (Otto, a. a. C, 8. 19;
Lonorth, a. a. O., 8. 97 f). Obwohl e« unwahrscheinlich i«t, das« die Stände
im Jahre 1&07 ihre Bitten nicht erneuert haben sollten, so fehlt doch in den
Landtag«Terliand1ungsacton de* n.-ts. LandeHarcbivs jeder Nachweis, dass
auf dem Landtage diese.i Jahres die Religinnsfrage erUrtert worden sei.
Ich entnahm diese Angabe dem gut informirten uud aujs den Acten der
Hofkanzlei geiogenen ,InHtnimentum, in quo solide demonstratur, Luthe-
rana« religioni» exercitiom in nrbibns et oppidis Anstriae semper fuisse
prnhibitum', das sich abschriftlich im k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv
XU Wien (Ocsterr. Acten, Fase. 7) befindet. Auch Gienger's Outachten vom
Jahre 1570 besafrt, dass die Stände bis auf das 68. Jahr heftig nm die
,RatijGcatioo und Versicherung der A. C angehalten haben; vgl. Hopfen,
a. a. O.. S. S44.
122
beiderlei Gestalten erlangt; es war somit für ihn der wichtigste
Grund zum Austritte aas der alten Kirche weggefallen.*
In gleicher Weise dachte er auch nicht daran, in seinen
Erbliüidern die Lostreunung der evangelisch gesinnten Unter-
thanen von der römisch-katholischen Rehgion, die Bildung einer
separaten protestantischen Kirche zu furderu oder auch nur zu
dulden, sondern bestrebte sich vielmehr, eine alle Untcrtlianen,
Katholiken und Protestanten gleichmässig bindende Ordnung
herzustellen, an die sie sich in der Lehre und im Gottesdienst
zu halten hätten ; * in diesem Sinne hatte er sich auch bei dem
Papste um die Gestattung des Laienkelches und der Priesterehe
bemüht. Von einer Freigabe der Augsburger Confession aber
war bisher nie die Kede gewesen. Um so unerwarteter musste
es daher erscheinen, als Maximilian am 18. August 15ü8, dem
Tage der Landtagseröffnung, dem Drängen der zwei Stände
der Herren und Ritterschaft nachgab und ihnen unmittelbar
nach der Verlesung der Landtagsproposition, nachdem die
anderen zwei Stände der Prälaten und Städte abgetreten waren,
die Religionsconcession ertheütc. Noch im Jahre 15G6 hatte er
die beiden Adelsstände auf die ihnen zugesicherte Vollendung
seines Reformationswerkes vertröstet und am Ende des nächsten
Jahres durch eine aus weltlichen und geistlichen Personen zu-
sammengesetzte Commission einen Entwurf zu einer kirchlichen
Vereinigung ausarbeiten lassen, dem dann die Berufung des
bairischen Propstes Eisengreiu und des Protestanten Camerarius
folgte.»
Nun that er einen Schritt, welchen man vielfach als
eine vollständige Schwenkung in seiner religiösen Politik be-
zeichnet hat, doch mit Unrecht. Was ihn veranlasste, seinem
schon unter Kaiser Ferdinand angefangenen Religionswerkc
vorzugreifen, war keineswegs die resignirte Erkenntniss, daas
seine langjährigen BeuiiUuingen an den unüberbrückbaren
Gegensätzen der Katholiken uud Protestanten scheitern müssten
— den Gedanken an eine Einigkeit im Glauben und in der
' Vgl. (Turba), VenetiaoUche Depeschen vom Kaiserhofe III, 1895, S. XXVIl;
Schlecht, Dos geheime Diapensbreve Pins IV. etc. im Histor. Jabrbncb
XIV, 1893, 8. 1 f.
* Vgl. Über seiue Einigungsveniache: Hopfen, B. n. O.. S. 88 f.
* Vgl. Kitter, Deutache Ueschicbte im Zeitalter der Qegeureformation und
des dreiasigjübrigeu Krieges 1, 1889, ä. 394.
123
Lehre, an eine alle Länder und Untertiianen bindende Religions-
Ordnung hatte er damals trotz aller traurigen im Reiche ge-
machten Erfahrungen noch nicht auf>regebcn — : es war viel-
mehr wirklich die bitterste Noth. Man darf ihm glauben, was
er seinem Bruder Erzherzog Ferdinand bald darnach schrieb,
doas CS ,wider seinen Willen' und .aus äusserster unumgllng-
licher Nothdurft* geschehen sei.' In der erwilhntcn Landtags-
proposition ersucht der Kaiser die Stände um die Uobcrnalime
der liauptsächUch durch die vielen Türkenkriege* verursachten
Hofschulden in der beträchtlichen Höhe von 2,000.000 fl. und
Abzahlung derselben sammt den auflaufenden Interessen inner-
halb eines Zeitraumes von 10 Jahren, damit der Hof wieder
in den Stand gesetzt werde, seine verpftindeten Kammerguter
«uszulüsen und seinen Haushalt ohne fernere Anlehen zu be-
streiten.' Die Stände bewilligten auch ohne langes ZOgern und
die üblichen Abstriche am 22. September eine Summe von
2,500.000 ä., die sie jedoch auf unbestimmte Zeit zu zahlen
Tersprachen.* Man erkennt hier unschwer einen causalen Zu-
sammenhAng. Es war auch gar kein Gelieimniss: der Cardinul
Commendone sagte es dem Kaiser in seiner ersten Audienz
gsmz unverhohlen, wie sehr es dem kaiserlichen Ansehen
schaden mtlsse, wenn die Lutheraner dann behaupten würden,
sie hätten die ReUgionsconcession um Geld erworben.'* Obwohl
OS gewiss nichts Befremdendes auf sich hat, wenn die Stände
{tar die Uebernahme einer so bedeutenden, anssergewöhnlichen
Leistung auch ihrerseits ein Zugeständniss verlangten, mochte
* ddo. Wien, 6. September 1568: nbgedrnckt von Hopfen, a. a. O., 8. 274 f.
* Der letzte war im Jalire 1&6S — 1566; vgl. Wertheimer, Zur Gescliiclite
de« TOrkenkriegeii Maximilian ü., 1665 — 1666, im Archiv fBr Osterrei-
chiache Geschichte 63, S. 43 f.
* N.-O. Landeearchiv, Landtagshandlungen 1668. Schwarz gibt die Hohe der
verlangten Summe nicht ganz genau mit 2,600.000 tl. au; vgl. seinen Auf-
■atz .Gutachten des bairischen Kanzlers S. Eck gegen die oflicielle Dul-
dung dos Protestantismus in Oesterreich' in der von Ehsea herausge-
f«beaeo Featachrifl zum Jubilgnm des Campo Santo 1897, S. 237.
* Voranagieguigen waren die Antwort der Stünde auf die Proposition ddo.
12. September, in welcher sie die Uebernahme der 2 Millionen jedoch
ohne Interessen innerhalb 10 Jahren bewilligten, und die kaiserl. Dnplik,
ddo. 18. September, worin der Kaiser erklärte, dass ihm damit nicht
geholfen sei; n.-O. Laudeaarcbiv, Landtagsh.indlungen.
* Venetianische Depeschen lU, S. 459; Wiedemann, a. a. O., I, 8. 360;
Ranpacb, a. a. O., 8. 100,
i
124
der Kaiser Joch dfts Verletzende dieses Vorwurfes gefühlt
haben, und wir yerstehen, was seine Seele bewegt haben rausste,
wenn er seinem Bruder Erzhcrzof; Karl den Rath erthpilt, er
möge die Landtagsverhandlungen bei den steirischen iSliinden
so einrichten, dass die Stände ,die Gränz- und Schuldenhilfen
iiit in den RcHgionti'actat oder den Raligioiitractat in die Hilfen
vermischen, auf dass es weder I. F. D. noch der Stände theils
bei fremden das schimpflich Ansehen nit habe, als ob mit der
Kriigion Kaufmannschatz getrieben und dieselbe um Geld ver-
kauft werde'.' Die evangelischen Stünde machten auch wirk-
lich gar kein Hehl daraus, dass sie die Religionsfreiheit mit
schwerem Geldc erlangt hätten. Durch ihre Bittschriften, dio
sie an Jlaxirailians Nachfolger Kaiser Rudolf II. und dessen
Statthalter Eraherzog Ern.st zum Zwecke der Wiederherstellung
des Religionswesens in der Stadt Wien richteten, schlingt sich
dieses Ai-gument, als alle anderen versagten, wie ein rother
Faden hindurch.' Als im Jahre lü04 zwischen den katholischen
und protestantischen Standen ein schwerer Conflict ausgebrochen
war, beschwerte sich der kiitlioli^chc Herrcnstand in einer Ein-
gabe an den Erzherzog Matliias: .Dann erstlich ist die unheil-
same und schädliche Concession denen unseligen Suppücanten
deswegen bewilliget worden, dass sie entgegen 2,öOÜ.()00 fl.
für Kaiser Maximilian secundo zu zahlen über sich genommen;
da wir nun der Sachen nachschlagen, befindet sich, dass unsere
Vorfordern und wir Katholische drei Thcil, also drei doppelt
einer Confession, so unsorm Gewissen zuwider und die noch
heunt zu unserer Untcrtlumcn Verderben gereichet, bezahlen
und erkaufen müssen, da doch I. M. persuadirt worden, solches
alles käme allein von unkatholischen Particularghcdern her,
wie dann heunt zu Tag solche lutherische Stand in allen ihren
Religionsschrifteo, als hätten sie die Concession so theuer erkauft,
I. M. fUrwerfen und dieselb ihrem Unfug längers zuzusehen
persuadiren wollen."
Man wird es auch begreiflich finden, dass seine arge
finanzielle Bedrängniss, die gerade in diesem Jahre ihren Höhe-
' ddo. Wien, 13. September 1671; Hopfen, n. «. O., S. 853.
* So nm 26. November 1588. Cod. 8314, Fol. 640 f.
* L(inda«arcbir, A. 4. 4. Die ßewillignng dieier Knniino in diesem Zii-
saniineDb.inge envähut .inch der Brief de« Einenfp^iu an Herzog
Albrecht von Baiern, ddo. Wien, 17. September 1&Ü8 (Hopfen, a. a. O.,
125
pankt erreichte,' ihn das Bedlirfniss ftlhlen Hess, in einem guten
Eiinverncbmen mit den zwei müchtigen Adcisstiindcn zu leben,
die ja doch — • nach dem bisheris^cn Verlaul' der Ereignisse zu
schliessen — nicht mehr von ihren Forderungen abzubringen
waren und urasoinehr ein Entgegenkommen von seiner Seite
beanspruchen konnten, als von dem neuen Papste Pius V. nicht
das geringste Zugestilndniss zu erwarten stand, derselbe viel-
mehr die von seinem Vorgänger erfolgte Bewilligung des Laien-
kelches wieder zurücknahm.* Wenn auch damals noch gar
keine Anzeichen einer gewaltsamen Erhebung der .Stände vor-
handen, und diese nicht einmal nucli bei dem Mittel der Steuer-
verweigerung angelangt waren, so mochte der Kaiser doch unter
dem frischen Eindrucke des niederländisclien Aufstnndes mit
der Möglichkeit einer solchen rechnen, jedenfalls aber daran
denken, dass auch ihre Opferwilligkeit bei beständiger Abwei-
sung ihrer Bitten einmal eine Grenze haben würde. So kam
es also, dass er sich mit den Ständen, als diese vor der Eriifl-
nung des Landtages ein namentlich unterzeichnetes Gesuch um
die Bewilligung öffentlicher Religionsübung nach der Augsburger
Confession überreichten, in Unterhandlungen einliess, welche
nach einer pcrsünlicben, am 17. August abgehaltenen Vorbe-
sprechung zur Ertheilung der Concession fUhrten.*
2. Die Ertheilung der Keligionsconocssion.
Man hat bisher von dem Inhalt der Rcligionsconcession
sehr wenig gewusst,* zumal da auch die Landtagsverhandlungen
keinen Aufschluss darüber gaben; den authentischen Text
kannte man jedenfalls nicht. Glücklicherweise ist uns der des
Conceptes durch die Berichte der kaiserlichen Hof kanzlei über
die zwischen dem Hof und den evangelischen Ständen vom
S. 89t) and der Bericht des Possaniichen OfBciaU in Wien an Reinen
Bischof, ddo. Wieu, 23. September 15ßS (VViedemsnn, a. a. O., I, H. 367f.).
' Er Mb «ich sugnr genOthigt, vor dem Landtage die Aobte niid Prioren
ansammenzabenifen, von denen er dann eine .Siihsidie' von 46.000 (1.
erhielt: vgl. Venetiaiiisuhe Depeschen III, S. -168, Anm. 1. Vgl. auch
Hopfen, a. a. O., S. 163 und 139.
' Vgl. Venetianische Depeschen III, S. 443,
' Vgl. Kittor (Deatscho Oeschichte I, S. 397), der diese Angaben den Dis-
pacci Veneti des Wiener Stnatsnrchives entnommen hat.
• Vgl. Hopfen, a. a. O., 8. U4; Schwarz, a. a. O., S. 236 f.
126
Mai 1578 bis März 1579 g;efllhrten Verhiiiidlungen, welche auf
ein gründliches Quellenstudium zurückgehen, erhalten worden.'
Derselbe lautet wie folgt:
jNftchdem I. k. M. etc. mit Vergünstigung der Augs-
burgischcn Confeasion gern nach Möglichkeit gewähren wollten,
dass darauf I. k. M. etc. gleichwohl nit ungewillt, beiden an-
rufenden zweien Ständen von Herrn und Ritterschaft mit ge-
bUrender Mass in ihren Schlössern, Häusern und Qebieten auf
dem Land die vielbemeite A. C. Kaiser Carl bochlöblichister
Gedaclitnus zu Augsburg anno 30 übergeben und kein andere
durch gnädigste Geduldung nachzusehen und zuzulassen, wo-
fern man sich änderst zuvor der gottseeligen Ceremonien und
Rituum halben ungefitrlich nach dem Gebrauch der ältesten
Kirchen solcher Confession zugetlian und wie es bald nach
Verfassung derselben zum meistenteil gehalten worden, ver-
gleichen könnte. Dabei dann I. k. M. kraft der Wort (mit ge-
bürender Mass)' etliche sondere Articl und Conditiones verfassen
und ietzt angeregter Antwort beilegen lassen, des Inhalts:'
,Dass erstliehen sich solche Nachsehung allein auf die
Augsburgerisch Confession anno 30 übergeben und durch die-
selben zween Stand in ihren SchRiasern, Häusern und Gebieten
auf dem Land exerciert werden soll. Zum andern, dass ihre
der zween Stand Kirchendiener sich allein derselben Confession,
Lehr und Ceremonien gleich halten, darauf Zusag, Gelübd und
Versprüchnus thun sollen, ausser dessen L k. M. sie in ihren
Königreichen und ErbJandendition nit leiden wollen. Zum
dritten wollten ilinen I. k. M. die Statt und Mtirkt als dero
eigen Kammergut bevorbehalten haben und denselben sondere
Mass und C)rdnung nach dero christlichem Gutachten geben etc.
Zum vierten könnten l. k. M. den zweien Ständen von Herrn
und Kitterschaft ihrem üftern Begehrn nach in dero landesftlrst-
' .Summarischer und frnindlicher Begriff, wa« durch dio R. k. M. nnseren
allorgnädigHton Uerrii in Relig^ioniuichon I. k. M. erbeigenthumblicbe
Stadt Wien betr. in vergangnen Monat Mai und Juni des laufenden
78ten Jahn gebandelt worden' (Abschrift im k. n. k. Hans-, Hof- und
Staat^archir, fisterr. Acten, Fase. 7) und .Sunimarium und Relation an die
k. M. was von Anfang her in der nsterreichischen Religionsachen h\s
auf den Martium anno 1679 gohandlet wurden' (Original ebenda).
' In der kaiserl. ErklKrung, ddo. 18. August; siehe unten, 8. 129, Aiim. 2.
* Im ,Summarium etc.' als Beilage A verzeichnet und in Abschrift beigelegt.
127
liehen Haupt- und Residenzstadt Wien ein sondere oflFne Kirchen,
Kanzel und Predipstubl nit vergönnen, einräumen oder bewilligen,
sondern sollen sich an obstehenden bonügen und I. k. M. des
Predigstnhls halben verschonen mit Ausftlhrunp der Ursachen,
wamm ea sonderlichen zu Wien, da I. k. M. dero k. Gemahel
und Kinder Hofhaltungen, auch das Zureisen von allen Orten
der Christenheit wilren, nit sein, es auch I. k. M. gar nit tluin
könnten. Fürs fUnfte, dass die zween Stände und ihre Kirchen-
diener die katholischen Personen, ihre Religion und Güter nit
verachten, schmähen oder sonst beleidigen. Und ftirs sechste,
dass ihre der zween Stand Kirchendiener sich alles Drucks und
Bücherschreibens in und ausser Lands enthalten sollen."
Dieses Schriftstück, auf welches sich die Hofkanzlei be-
rief, war von dem zweiten Vicekanzler Dr. Johann Ulrich Za-
sius* verfasst* worden und bildete die Grundlage zur späteren,
näher ausgeführten ,Hauptrcsolution', über die in den beiden
Berichten vollständig geschwiegen ist, von der uns aber einige
Bruchstücke überliefert sind.*
< Im .Sammarinm etc.', BeilAgß B. Der zweite Bericht ,Suiiiinari.<>c]ior iinil
^rQndlicIier Bericht' inserirt beide Theile nach den Worten: ,Es l)abeii
«ber I. R. k. M. ans allen demselben mehrers oder änderst nichts licGnden
können, als dass mehr hUchstgedachte nilchstrorstorbne k. M. allein nnd
blOssIich denen zweien Stenden von Herrn nnd Ritterschaft, soviel sich
deren damalen der A. C. angenommen, anf ihr Öfters flehentliches Bitton
^kM sondern Gnaden dnreh eine Schrift, datiert den 18. August verschienes
1 68ten Jahrs mit diesen Worten angedent.' Auch das ,In8tmmentum' citirt
dieses Schriftstück.
• Ueber ihn, den Sohn des berühmten Freiburger Hnmaniaten, seit 1564
Vicekanzler, gest. 27. April 1670, vgl. Kretschmayr, Das deutsche Reichs-
Tie«kanzlerarat im Archiv fUr Osterr. Geschichte 84, 8. 426 und den Auf-
ntB von Qoetc in der Allg. d. Biographie, 44. Band, 1898, S. 706f.
* ,8nmmarinm etc.* Gegen ihn als Verfasser um] rormeintlichen Urheber
der ConcessioD kehrte sich anch der ganze Unmiith der Katholiken.
Der Bischof Otto von Augsburg bezeichnet ihn in einem Briefe an Her-
, »og AJbrocht von Bayern als ,Erz-Papat- und Pfnffenfoind' und seine
Briefe, die er , wider die PSpste, Cardinäle, Conciliuni nnd Geistlichen
■o verbitterlich und gottesISsterlich geschrieben', ,teufliscli, unehri.stlich
nnd erschrecklich'; vgl. Wiedemann, a. a. O., I, 8. 360. Man that ihm
»her darin sehr unrecht; vgl. Hopfen, a. a. O., S. 102 f.
' leb folge hier den Angaben des ,Instrumontiim'. Ob sie aber je den
StSndeo ansgefolgt wurde, ist sehr fraglich; vielmehr dürfte sie in der
Hofkuulei verblieben sein. Damit wäre auch zu erklKren, dass die
8tinde in so völliger Unkenntniss des Inhaltes der Concession befangen
128
Es wird in derselben betont, dass durch diese Concession
die katholische Kirche keinen Schaden erleiden sollte, und des-
halb , ernstlich' befohlen, dass ,nftch diesem Zulassen und Nach-
sehen die beiden tStönde von Herrn und Ritterschaft samint
ihren Ministern, Prädicanten, Kirchendienern und Seelsorgern
die alte katholische Iteligion und derselben Verwandte, hoch und
niedern Stands, wer sie auch sein, nicht verachten, noch mit
lästerhchen Scheltworten antasten, noch auch jemand derselben
geistlichen und weltlichen sammt ihren Unterthanen einige
Beschwärung der Religion halben zuftlgen, an ihren Gütern,
Renten, Zinsen, Zehenten und allen anderen Einkommen,
ausserordentlichen Rechten nichts entziehen, noch in ihren
Possessionen zu turbiern oder auch sonst in anderweg weder
an Leib imd Gut beschweren, noch von den ihrigen au
beschehen gestatten, wie dann denselben in geist- und welt-
lichen Stand auch desgleichen gegen den andern auferlegt . . .
sei. Und neben dem furnehmlich auch das bishero geübet
schädlich und äi'gerliche Schänden und Schiiui>fen in den
Predigten und andern ihren Versammlungen gänzlich auf-
hören und weiter nicht geduldet werden sollen, gegen schwerer
I. M. Ungnad und Straf nach Gestalt des Verbrechens und I. M.
Erkanntnus gegen den Ungehorsamen zu verfuhren'. Die Aus-
übung des evangelischen Gottesdienstes wird ausdrücklich als
ein Provisorium bezeichnet: , Wofern nun alles und jedes wie
jetzt erzählt, nit allein in wUrkiiche Richtigkeit gestellt, son-
dern auch von den zweien Ständen, so viel deren der Confes-
sion verwandt, denselben aliein also getreulich und festiglich
nachzukommen geloben, auch Asseciu-ation darüber gethan
wUrdet, so wollen alsdann I. k. M. aus den anfangs gemelten
besondern milden Gnaden die melirbestimmte A. C. von anno
1530 in denselben Buchstaben und Inhalt angeregten zweien
Ständen, die es belangt, in dem Namen des Allmächtigen zu-
lassen und nachsehen, so lang bis etwo seine ewig göttüche All-
milehtigkeit durch die ordentlichen und christlichen Mittel eine
waren, bis ihnen Stroin, der diese durch den Seoretilr Unveraagt sujs
der Hofkanxlei requirirt hatte, die Augen Öffnete. Es wäre auch auffal-
lend, daiu die Stünde, als die am 6. Juni 1578 über die kaiserliche
Aufforderung vom 30. Mai alle ihre Docuuiente, wie die beiden Aasecnra-
tionen vorlegten, nicht auch die Concession beigeschloKaen hätten, bexie-
huDgaweise dass dieselbe vuiu Uot'e nicht retjuirirt wurden wäre.
I
129
I
ganz gemeine Vergleichung derselbig Glaubenssachen in dem
heiligen Römischen Reich deutscher Nation vermittelst seines
hochheiligen Segens gottselig erlangt und getroffen oder aber
I. M. wol angefangen Werk einer vollkommenen und gänzlichen
Universal-Religion, Ordnung für Ihr Königreich, Erbfllrstenthum
und Land zu gewünschter Vollendung zukünftig bringen mögen.'*
Das ist also der Inhalt der berühmten Heligionsconcession,
die ohne Zweifel im Einvernehmen mit den Stunden ausgearbeitet
worden war und jedenfalls im Ooneepte bereits vorlag, als der
Kaiser am 18. August den beiden Stünden die Erklärung abgab:
,8. M. erinnere sich gnUdig und viitürlicli ihrer oftmaligen Hitten
am Gewährung der Augsburgischen Confeasion, sowie der von
seinem Vater und ihm oft ernstlich in Aussicht gestellten allge-
meinen Ordnung, wonach in allen Königreichen das Wort
Gottes gepredigt, die heiligen Sacramente gereicht und die Ce-
remonicn verwaltet werden sollten. Zu diesem Werke, das die
Einheit der Religion wiederherzustellen bezwecke, seien schon
zu Lebzeiten Kaiser Ferdinands von gelehrten Männern des
geistlichen und Laienstandes die Fundamente gelegt. Schwere
Kriege, sowie die Abhaltung von Reichs- und Landtagen hiltten
den Kaiser bisheran gehindert, das glücklich angefangene Werk
zu vollenden. Auch jetzt noch machten sehr wichtige Gescliätle
die schnelle Erledigimg dieser Sache unmöglich. Im Hinblick
aid" die anhaltenden Bitten der Stünde sei der Kaiser jedoch
geneigt, ihnen entgegenzukommen, soweit er es vor Gott ver-
antworten könne und die anderweitigen Interessen, auf welche
er nolhwendig Rücksicht nehmen müsse, es gestatteten. S. M.
wollte ihnen daher in ihren Schlössern, Herrschaften und Dör-
fern' die A. C. von 1530 und keine andere allergniidigst ge-
statten, wenn sie sich vorher über eine Ordnung der kirch-
lichen Gebräuche verglichen. So lange die Welt stehe, hätte es
keine Religion ohne eine derartige Ordnung gegeben, welche
das unerfahrene Volk zur wahren Frömmigkeit und zu christ-
lichem Gehorsam aneifere. Die Confessio sei blos ein Lehrbuch,
welches bei den Ständen des Reiches eine Reihe von Agenden
notiiwendig gemacht habe. Eine solche herzustellen, erachte
' Im .Instramentnm in quo etc.' Beilage O, H und K.
* ^it gebUreiidor Msita iu iliron ScblO.isorn, Uäiusem und Gebieten auf
dem Land' lautet der Text nach der im Münchner Reichwurcbiv aufbe-
wahrten Copie; Tgl. S. 130, Anni. 1.
AieUr. LXXXTII. Bl. I. UUft«. 9
130
der Kaiser für das Nothwendigste, und er erkläre sich daher
bereit, zu diesem Zwecke erprobte, friedliebende, leidenschafts-
lose Männer zu deputiren, welche unter dem Vorsitze eines
Mitgliedes des geheimen Rathes mit den in gleicher Anzahl zu
wählenden Deputirten der Stände die Agende vereinbaren
sollten. Er zweifle nicht, dass die Deputirten fleissig arbeiten
würden, so dass die Angelegenheit noch während des Land-
tages zum erwünschten Ende geführt werden kOnne.'^
Diese Religionsireiheit bezog sich ausdrücklich nur auf
die zwei Stände der Herren und Ritter. Der vierte Stand blieb
ausgeschlossen. Auf dem Landtage des Jahres 1566 hatte Ma-
ximilian n. den Abgeordneten der Städte und Märkte streng-
stens verboten, in Religionssachen mit den zwei oberen welt-
lichen Ständen zu gehen,' und eine darauf erfolgte Beschwerde
der Letzteren rundwegs abgeschlagen. Die landesfürstlichen
Diese« interessante Actenstttck, welches sich in keinem Wiener Archive
verpfänden hat, ist von Schwarz nach der im Vaticanischen Archiv
befindlichen ,Responsio Caesaris ad daos statns Anatriae de confessione
Augnstana d. 18. An^. 1568' im Ausznge mitgetheilt worden; a. a. O.,
S. 236 f. (Eine durch Dr. Kder au Herzog Albrecht gesandte Abschrift
fand ich nach Abschluss dieser Arbeit in dem Münchner allgem. Beicha-
archiv, Oesterr. Beligionsacten Tom. X, P. 1, Fol. 205.) Aus welchen
Gründen er aber so bestimmt behauptet, dass diese ErkUrung vom
Kaiser gemacht worden sei, ,ohne noch erst in diesen Angelegenheiten
angegangen zu sein', ist mir nicht ganz klar. Das Wort .responsio*
(vgl. auch ,die Antwort' im Concepte der Concession, S. 126) ISsst schon
auf das Gegentheil schliessen. Abgesehen davon, dass gar kein Grund
einzusehen ist, weshalb die Stände von ihrem schon fast zur Gewohnheit
gewordenen Dr&ngen um Religionsfreiheit so plötzlich abgestanden sein
sollten, so wäre es ja ganz gut denkbar, dass sie ihre Sache — so wie
später — durch den geheimen Eath Reichard v. Strein fahren Hessen,
der, wenn er auch vielleicht damals noch nicht Präsident der Hofkammer
gewesen ist, doch sicherlich schon einen grossen Einfluss auf die finan-
zielle Gebahrung ausübte und auf diese Weise den Kaiser beeinflussen
konnte, was ihm bei der grossen Gnade, die er bei diesem genoss, nicht
so schwer gefallen wäre. Der venetianische Gesandte Micheli erwähnt
aber ausdrücklich diese Petition der Stände (siehe oben, S. 126, Anm. 8),
und auch das ,Instrumentnm etc.* bemerkt, dass die Stände ,anno 68
abermalen um eine Kirchen und Prädicanten allhie angehalten', worauf
dann am 18. August die ,Hauptresolntion' erfolgt sei. (Beilage F.) Vgl.
übrigens auch das Outachten des Gienger, S. 121, Anm. 1.
' Auf dieses Verbot berief sich auch Rudolf U., als die Städte im Land-
tage des Jahres 1579 mit den anderen evangelischen Ständen gemein-
same Sache machen wollten.
131
Stsdte und Mftikte worden damals ausdrücklich als Kainmergut
erklärt, über welches dem Kaiser das alleinige Verfllgungsrecht
sastiinde.' Daran wurde auch in dem Landtage 1568 nichts
geändert. Aber nicht nur diese selbst, sondern auch — und
das ist höchst wichtig — die darin befindlichen Häuser der
AdeUgen waren von der Concession ausgeschlossen. Das Merk-
würdigste daran war aber, dass die zwei Stände, auch ihr
Wortführer, keine Ahnung davon hatten, bis ihnen ein Jahr
später — wie wir sehen werden — bei der Durchsicht der
bezüglichen Verhandlungsacten die Augen geöffnet wurden.'
Die Fassung der an die Concession geknüpüten Bedingungen^
hätte gewiss noch etwas klarer sein können; vielleicht aber
war sie absichüich etwas zweideutig gehalten. In diesem Falle
hatte der Kaiser seinen Zweck vollkommen erreicht. Das den
Worten ,in ihren Schlössern, Häusern und Gebieten' angefügte
,aaf dem Land' (Punkt 1) bezogen die Stände offenbar auf
die Gebiete allein. Und den 3. Punkt, dass sich nämlich die M.
die Städte und Märkte als ihr Kammergut vorbehalten habe,
konnten sie — wie sie das auch wirklich thaten* — dahin
deuten, dass dieselben im Sinne der früheren Deci-ete nicht in
die Concession einbezogen werden sollten, diese vielmehr aus-
tchliessUch für den Adel ertheilt sei; und zwar war diese An-
nahme um so berechtigter, als das im nächsten Punkte enthal-
tene Verbot des Religionswesens in der Residenzstadt Wien
sich nur auf eine ,be8ondere offene Kirche, Kanzel oder Predigt-
stuhl' bezog, somit also der Privatgottesdienst in den Häu-
sern der Stadt Wien, sowie der öffentliche Religionsdienst in
den anderen Städten und Märkten erlaubt erschien.
3. Die BcUglonsconferenz. Depntirtenwahlcn.
Die Stände gaben in dem guten Glauben, dass ihnen
vollständige Religionsfreiheit gewährt worden sei, drei Tage
später, am 21. August, ,aus inbrünstigem Herzen' ihrer Freude
and ihrem , höchsten, demüthigsten, unterthänigsten Danke'
darüber Ausdruck, dass ihnen die Lehre und Religion nach
' Vgl. Otto, a. a. O., S. ITf. • Vgl. unten.
* Die apitere Fassung hat, nach den erhaltenen Proben sa aoblieaseo,
in ne«entlicher Hinsicht nichts oder sehr wenig geändert
' VgL ant«D.
9»
132
der Confessio Auguütana ,iii iliron Schlüssern, Häusern und
Gebieten nun forthin frei und offenbar zu gebrauchen' gestattet
sei. Von dem Zusätze .auf dem Lande' ist, wie man sieht, gar
keine Rede mehr. Den vom Kaiser geUusserten Wunsch, den
Religionstractat ,noch in währendem Landtag zur gebiirlichen
EndsciiafV zu bringen, beantworteten sie damit, dass sie auch
ihrerseits von demselben Verlangen durchdrungen wären, sie
hätten aber — und damit stellten sie sich und ihren Theologen
gerade kein sehr schmeichelhaftes Zeugniss aus — ,llber fleissigs
Nachgedenken und in gehabter Umfrag unter ihrem Mittl der-
gleichen Personen, die sich einer solchen hochwichtigen Hand-
lung anmitchtigcn wollten, nicht befinden können, wissen auch
die jenen, welche sie zu diesem Werk gelehrt und tauglich
sein achten, in so kurzer Zeit nicht daher zu bnngcn'. Sie
baten schliesslich um eine Frist und um die Erlaubniss, sich
mittlerweile bis zur Beendigung der Religionsconferenz einer
der drei gedruckten Agenden, iiiiralich der Pfalzgraf Wolfgang-
Bchen, der Wtlrttembergischen oder der Strassburgischen be-
dienen zu dürfen.'
Der Kaiser antwortete den Ständen am 23. August, er
könne nicht glauben, dass , unter der Gottlob so stattlichen
Menge von beiden der löblichen Herren und Hitterscliaft Stände
so vieler geschickter, verständiger und wohleriahrner Personen
ein solcher Mangel und Abgang' sein könnte. Sie werden doch
einen gelehrten Theologen im Lande haben, welchen sie zu den
Verhandlungen deputiren könnten, so dass es fllglich überflüssig
sei, eineu solchen erst aus dem Auslande kommen zu lassen.
Es solle von ihm aus nichts Übereilt, sondern Alles ,wohlbe-
dächtiglich' geliandelt werden. Den Gebrauch einer der drei
vorgeschlagenen Agenden könne er mit gutem Gewissen nicht
billigen, weil er sie noch nicht gesehen habe. Sie mögen sich
daher bis zur Confcrenz gedulden, in der dann nicht nur die
erwähnten drei, ,sondern auch mancherlei andere mehr christ-
liche wohlborUhmte Agenden, wie deren nit wenig in Druck
* Daa Original aiit dem kaiserlichen Vermerk ,praesontata 21. Au^nisti' im
k. n. k. Haus-, Hof- und 8taatiuirchivo (Beilage C des ,Summarinm etc.').
Abachrift im n.-O. Lande.iarchir, B. 3. 26; vgl. auch Otto, a. a. O., 8. 24.
Von einer Bitte um Mittheilung dieser drei Agenden, die Otto dort an-
fOhrt, ist darin nichts enthalten. Dieser Irrtbum gebt wieder auf Denbart
surück (siebe Vorwort 8. 118),
133
ausgaogen, genugsam vorhanden', vorgenommen und miteinander
▼erglichen werden könnten. Zum Schlüsse ersucht sie der Kaiser
Täterlich, .sie wollten doch alle diese Gelegenheit und UmsUlnde
anderwärts und besser betrachten und zu Gcmütli ziehen, nun-
mehr die Sachen, nach denen sie mit ihrem stäten flehentlichen
Bitten und Rufen so lang und Iieftiglich gestrebet und fifeworben.
selbst zu ihrem gewünschten Ziel und gebührenden wirklichen
Fortgang fÜrdern' and womöglich noch diese Woche zur Wahl
ihrer Deputirteu schreiten.'
Die Stände brachten hierauf am 26. August den Land-
marschall Hans Wilhelm von Rogeudorf und Rüdiger von
Starhemberg aus dem Ilerrenstande, Leopold von Grabner iiiid
Wolf Christof von Enzersdorf aus dem RittersUuule, ft-rncr den
Universitiltskauzler und Propst der Stiftskirche von Tübingen,
Dr. Jakob Andrea, der ihnen ,fUr einen trefflichen, gelehrten,
christlichen, feinen Mann' gerühmt worden war, und den Grab-
ner'schen PfaiTer in Rosenburg, Christof Reuter, iu Vorschlag und
baten ihrerseits um Bekanntgabe der kaiserlichen Deputirten.*
Die Wahl des Andreil, unstreitig eines der bedeutendsten
Theologen seiner Zeit, als ,Lutberus secundus' im ganzen Reiche
bekannt, hatte wohl nicht viel Aussicht, vom Kaiser bestiltigt
zu werden. Denn trotz seiner unermüdlichen concordistischen
Thätigkeit, die ihm auch von Seite des Kaisers zwei Jalire
später dessen Lob eintrug, war er ein starr-orthodoxer Luthe-
raner und ein eingefleischter Gegner der Melanchthon'schen
Partei, wodurch er sich von vorneherein in einen schroffen
Gegensatz zu dem stark von Melanchthon und der Vermitt-
lungspartei beeinflussten Kaiser stellen musste.^ Ei' hatte auch
gegen das Leipziger Interim äusserst scharf gepredigt, und
ausserdem wird seine heftige und leidenschaftliche Natui-, die
ihn z. B. auf dem Augsburger Reichstage des Jahres 1569
hinriss, den dortigen katholischen Domprediger während der
' N.-fi. LandemrebiT, B. 3. 26, Abacbrift; v^l. Otto, a. >. O., S. 84.
■ Ebend«.
* Vgl. über Kaiser Maximilian's Verhültniiw zu Melaucbthon's L<ebre
Haapt, Melaochtboiu und Heiner Lehre Eiodaas auf Maxiuiilian II. von
Oerterreich (Prograium des Molanchtbou-Gymnasiumii Wittenberg 1897,
Nr. 264), und Loeacbe, Melaiicbtbon's Ueziehungen zu Oe^terreicb-Ungam
im Jahrbncb der Gevellscbaft für die Qescbicbte des Protentantismus in
Oecterreicb XVUl. 1897, S. 1 f.
134
Predigt öffentlich zu sclimähen, dem Hofe genügend bekannt
gewesen sein.'
Der andere Theologe, Reuter, war insoferne gut gewählt,
als er, obzwar auch ein entschiedener Lutheraner, doch damals
bereits eine sehr gemilasigte Richtung vertrat und eine Art
von Mittelstellung zwischen den Parteien — namentlich später
in dem Erbsündenstreit — einnahm.*
Mit dem kaiserlichen Deeret vom 28. August bestätigte
Maximilian II. die von den Ständen vorgeschlagenen Deputirten
mit Ausnahme des Andrea, gegen dessen Annahme er ohne
nähere Begründung , besondere Bedenken' zu haben erklärte,
und em()fahl ihnen dafür den Professor der Theologie zu Wit-
tenberg, Dr. Paul Eber, oder den sächsischen Superintendenten
und Prediger des gefangenen Herzogs Joiiann Friedrich von
Sachsen, Mag. Ambrosius Roth. Gleichzeitig wurden die kaiser-
lichen Delegirten namhaft gemacht: der Bischof von Wr.-Neu-
stadt," Christof von Carlowitz, Dr. Sigmund von Oedt, nieder-
östeiTeichischer Regierungsrath, Lorenz Saurer, kaiserhcher
Landschreiber, und Prof. Joachim Camerarius. Ein Theologe
sollte noch ernannt werden. Zum Präsidenten wurde der erste
Reichsvicekanzler Dr. Johann Baptista Weber bestimmt.* Es
waren also, wie der Kaiser besonders hervorhob, auch zwei
Protestanten, allerdings der gemässigsten Richtung, die man sich
nur denken kann, im Collegium: der namhafte Staatsmann
Carlowitz* und der Leipziger Humanist Camerarius,* beide in-
time Freunde und Gesinnungsgenossen Melanchthons.
Die Wahl dieser zwei Vermittlungstheologen entsprach
gewiss ganz der Gesinnung des Kaisers, nahm aber auf die
' Ueber ihn, den ,Vater der Concordie', Tgl. den Aufsatz Ton Wa^nmann-
Kolde in der Bealencylcloptldie fQr proteatantische Theologie and Kirche,
3. AiiBage, I, 1896, S. 061 f., wo auch die weitere Literatur angegeben
ist; ygl. auch don Artikel von Hefele in Wetzer und Weite'» Kirchen-
lexikon, 2. AuflaRp, I, 1880, 8. 818f.
• Er wurde deslialb von den Flacianem ein .Nicodemer*, ,Weltklögling'
und .stummer Huud' genannt; vgl. Über ihn Kaupaeh, Presbyterologia
Austriaca, S. 148 f. * Christian NaponSus Itadiducius, gest. 1671.
• N.-O. LandesarchiT, B. 3. 26, Abschrift; vgl. Otto, a. a. O., 8. 25.
' Geb. 18. December 1507, gest. 8. Jinner 1674; vgl. Ober ihn: Langenn,
Christof von Carlowitz. 1856.
• Geb. 12. April 1600, gest. 17. April 1674; vgl. Realencyklopädie für pro-
testantische Theologie, 3. Auflage, III, 1897, 8. 687.
i
135
religiöse Richtung der Stände wenig Rücksicht Bei diesen trat
nttmlich immer deutlicher und unverhohlener das strenge ultra-
radicale Lutherthum zu Tage, das durch die scharenweise aus
allen Theilen des Reiches nach Oesterreich gewanderten ortho-
doxen Prediger rasch verbreitet worden war. Fanatische Hetz-
prediger waren es vor Allem, die wegen ihrer halsstarrigen
Heftigkeit und ihrer dofiinalischcn Unduldsamkeit von dort ver-
trieben worden waren und nun unter der Maske des reinen
tind unverfulschten LutlRrthums ihre giftigen Waffen gegen alle
Andersgliiubigen kehrten. Namentlich viele Parteigenossen des
leidenschaftlichen Istrianers Matthias Vlacich (Flacius lllyricus),'
welche die Streitsucht und Härte ihres Meisters, nicht aber
seinen durchdringenden Verstund besassen, die allerextremsten
anter den Gnesiolutheranern, waren nach dem unglücklichen
Aosgaoge des synergistischen Streites und ihrer Vertreibung
durch den Herzog Johann Friedrich von Sachsen, ihren ein-
stigen Schutzherrn,' in starker Anzahl hierher nach Oesterreich
gezogen und daselbst mit Rücksicht auf den gi-ossen Mangel an
ordinirten Predigern mit offenen Armen aufgenommen worden.'
Chytrftus konnte wohl ohne Uebertreibung sagen: ,In Austria
libertas rehgionis fere nimia est. Confluunt erim illuc inipune
omnes qnacunqne de causa ex alüs Oermaniae locis dimissi.'*
Die zwei Jahre vorher von mehreren Predigern in Oesterreich
ausgegangene jCoufessio oder christliche Bekanntnus des Glau-
bens etc.' hatte bereits Farbe bekannt und der Abneigung gegen
Mehinchthon und seine Partei scharfen Ausdruck verliehen.* Seit-
her hatte diese Bewegung unter den österreichischen Predigern
keineswegs abgenommen und obendrein bei einem grossen Theile
der Stilnde festen Boden gefasst. Vor Allem waren es — wie
wir in der Folge noch zu sehen Gelegenheit haben werden —
die Religionsdeputirten selbst, wie der Laudmarschall'' und be-
' V^I. aber ilin (gast, 11. MSrz 1575) Kuwerau in der Realencyklopäilie fUr
proUwt Theologe, 3. Anflo^re, VI, 1899, S. 83f; Preger, M. Flaciiu niyri-
eoa, 1869—1861, S Bde.
'■ Ebeod«, U. S. 101 f.; Ritter, Deatxcbe Oeschichto I, S. 207.
I* Beiiipiele bietet xar Oeniige Raupach's Preibyterologia Austriaca.
' 18. October 1574; vgl. D. Chytraei Epistolae, 1614, 8. 149.
' Ranpacb, Evang. Oesterr., S. 77 f.
* Er galt als einer der hartnSckigsteii, wie dies die 8telle aiu einem
Briefe Melchior KlosPs an deu kaiserlicben OberKtbofmeixter Adnm
136
sonders Rüdiger vou Starhemberg, dessen Gut Eflferding in
Oesterreich ob der Enns lange Zeit eine Hochburg des Flacia-
nisinus war,' welche sich zur flaclanisclien Richtung bekannten
und sie auf das Eifrigste begünstigten. Auf diese Weise pflanzten
sich alle die erbitterten und langwierigen dogmatischen Streitig-
keiten, die nach Luthcr's Tode die protestantische Partei in
Deutschland im luneru diirchtobten, und die luasslosen AngritTe
gegen Melanchthon und seine Vermittlungspolitik, die in dem
unglllcksoligen Leipziger Interim einen markanten Ausdruck
gefunden hatte, auch nach Oesterreich fort. Die orthodoxen
Lutheraner waren es ja, die unter der geistigen Führerschaft des
Flacius und Anderer Melanchthon beschuldigten, in den Interims-
verhandlungcn nicht nur in glcichgiltigen Dingen, sondcra auch
in fundamentalen Glaubensartikeln allzuviel zu (»unstcn der
kathoHschcn Kirclie nachgegeben zu haben und von dem reinen
Luthertlium entweder nach der katholischen Seite, wie in der
Lehre vom freien Willen und von den guten Werken, oder
nach der calvinischen Seite in der Lehre vom Abendmahl ab-
gewichen zu sein. Hauptsächlich der Abendmahlstreit, der im
Jahre 1552 durcli Westphal von Neuem ausgebrochen war,
hatte eine tiefgehende Erbitterung gegen die Philippisten ver-
ursacht. Melanchthon hatte nitmlich die lutherische UbiquitUts-
lehre verworfen und sich stillschweigend der calvinischen Abend-
mahlslehre angeschlossen. Das hatte zur Folge, dass Alles, was
sich zur Fahne des radicalen Lutbcrthums bekannte, ihn und
seine Anhänger, welche allmäÜg die beiden kursächsischen Uni-
versitllten Leipzig und Wittenberg beherrschten, als Krypto-
calvinisten auf das Aergste befehdete. Da der Kurfürst August
von Sachsen dem Corpus doctrinac Philippicuin im Jahre 15G4
gesetzliche Kraft in seinem Lande verlielicu hatte, kann man
sich die Abneigung der strengen Lutheraner gegen alle säch-
sischen Prediger erklären.*
I
Freihorrn von Dietriohstein, ddo. Wien, 4. MSrz 1686 (Original im
k. a. k. IIau8-, Hi)f- und Sbiatsarcliir) bowoiitt: , Heilt hab I. D. ich über-
geben diese Lfuidleut, .so nocli den neuen Kalender nicht halten, darunter
Herr Laudmarscliall und Helmhard Uerger die ernten sein. Summa: die
Flaciaucr nehmen in diesem Land dermassen Überhand, dnss E. O. nit
glauben ktinnen.'
Vgl. Otto, a. a. O., 8. 69.
Vgl. Ritter, OeutAohe Oerchichte I, 8. 91 f.
I
137
Namentlieli der Wittenberger Siiperintenclpnt Paul Eber,
der nach Melanchthon's Tode vielfach als das Haupt der Phi-
lippisten angesehen wurde, inusste daher bei den sUlndischen
Depntirten starke Opposition hervorrufen. Er hatte zwar bald
darauf, wie sich dies auf dem Dresdener Convent (25. Milrz
1563) geäussert hatte, seine ursprüngliche Zuneigung zur Genfe-
rischen Lehre theilwcise aufgegeben und eine Mittelstellung
zwischen Luther und Melanchthon eingenommen, die auch in
seiner Schrift ,vom h. Sacrament des Leibs und Bluts unseres
Herrn Jesu Christi' zum Ausdruck kam; der Erfolg war aber
nur der, dass er es sich mit den offenen und geheimen Calvi-
nisten verdarb und ausserdem von den meisten Lutheranern
als verkappter Calvinist misstrauisch angesehen wurde' Man
wird es also begreiflich finden, wenn die sUlndischen Deputirten
am 4. September dem Kaiser entgegneten: Eber sei ,wie auch
fast der meiste Theil der Wittenberger mit dem calvinischen
Irrthum befleckt', und Roth liabe in Sachsen , allerlei Unrath'
angerichtet. Sie schlugen statt dessen neuerlich den Andrea
oder den Magdeburger Superintendenten Dr. Johann Wigand,
der ,auch für einen gelehrten, christlichen, reinen, alten Theo-
logiim erkannt ist', vor.* Den Kaiser musste der Vorschlag des
Letzteren wie ein offener Hohn berühren, da Wigand bisher als
einer der eifrigsten Mitstreiter des Flacius stets die lutherische
Orthodoxie verfochten, gegen Eber eine Streitschrift verfasst hatte
and wegen seiner leidenschaftlichen Angriffe gegen den Herzog
Johann Friedrich zusammen mit Flacius am 9. November 1561
durch eine herzogliche Commission aus Weimar ausgewiesen
worden war.' Auf keinen Fall aber konnte er, der sich selbst
gegen das Sectenwosen und besonders gegen die Ausbreitung
dea , calvinischen Giftes' ausgesprochen hatte,* diesen Vorwurf
ruhig hinnehmen. Er erwiderte daher am 9. September ziem-
lich scharf und spitzig: Es seien ihm die wider Eber seines
Calvinismus wegen geäusserten Bedenken umso befremdlicher,
als derselbe ,durch ein sonder gedrucktos Tractiill wider die
angeregte calvinische Sect stattlich und mit grossem PMeiss ge-
' Heber ibo (geb. 8. Nov. 1611, gcst 10. Dec. 1660) vgl. den Artikel von Kaweran
in der Be«loncylilo|i&die (\\r protattAntisckc Theologe I (1890), S. 118f.
» N.-O. Landenarchiv, Abschrift; vgl Otto, «. n. O., 8. 26.
• Vgl. über ihn (geat 1687) Allgom. d. Biogr 42. Band, 1897. 8. 452 f.
* Vgl. Ritler, Deutiche QeaahioUte I, 8. 216.
138
schrieben. I. k. M. glauben auch, dass weder der Kurfllrst zn
Sachsen noch seine Wittenbergische Schul und Kirchen gern
geständig sein würden, dass daselbst zu Wittenberg der Cal-
vinismus angoregtermassen überhand genommen'. Auch von
Roth habe er nie etwas Nachtheitiges gehört and wisse nicht,
was das ftlr ein Unrath sei, ,e8 wäre denn, dass er sich wie
viel andere und der grösste Theil aller Augsburgischen Con-
fession verwandten Kurfth-sten, Fürsten und Stünde, Theologi
etlichen wenig zitukischen Leuten, so sich in allen Landen ein-
zuflicken und ihren unruhigen Samen sonderer Lehr und Aus-
tilgung guter und zulässiger Ceremonien einzuftlhren unter-
stehen, vielleicht auch widersetzt hatte'. Die von den Ständen
empfohlenen Theologen Andrea und Wigand könne er niclit
approbiren, namentlich den Letzteren nicht, , dessen Abschied
aus einer namhaften I. k. M. und des heiligen Reichs Stadt
und daneben einem andern seinem Gesellen' von dünnen un-
ruhiger und zum Theil aufrührerischer Lehren halben sehr
schimpflich ausgeschafft worden, und anders mehr, so in dem
ganzen Römischen Reich von solchem Wigando ruchbar, 1. M.
ganz unverborgen ist'. Er könne nicht durch die Annahme
solcher Theologen das ganze Religionswerk in einen Misscredit
kommen lassen. Uebcrhaupt komme es ihm , etwas fremd' vor,
,da8s solche beide Stilnd sonst keine anderen Leut zu ihrem
Theil benennen, als die bei dem meisten und grössten Theil
der Augsburgischen Confession verwandten KurfUrsten, Fürsten
und Stünden nit allein keinen Platz haben, sondern auch in
einem nit guten Namen und Ruf seien. Damit aber die zwei
I. M. getreue Stünde spürlich abzunehmen, dass I. M. der
Sachen zu gebürlicher, fUrderlicher Fortsetzung je gern geholfen
wissen wollten, so seien I. k. M. allergnildigst zufrieden, dass
sie die zwei Stände aus den beiden Kurfürstenthümern Sachsen
imd Brandenburg, also auch aus Markgrafen Hannsen und
Markgrafen Georg Friderichen, auch zu Brandenburg und
dann aller Herzogen zu Braunachweig, Lüneburg, Mechlburg,
item aller Herzogen zu Pommern, beider Herzogen zu Hol-
stein, der beiden Fürsten von Anhalt, auch der vornehmsten
See- und Hanse-Stfldt, als da sein Lübeck, Hamburg, Braun-
schweig, Rostok, Gosslau, Stettin, ja auch da sie wollten aus
^ Flaeia*; Tgl. oben, 8. 137, Anm. 3.
139
den beiden Königreichen Dcnnierkt und Schweden einen oder
mehr Theologen erkiesen und zu ihrem Theil namhaft machen'.
Nachdem der Kaiser so im Allgemeinen seinen Standpunkt
gekennzeichnet hatte, empfahl er ihnen die beiden , vornehmsten
Rostockischen Theologen', den Superintendenten Dr. Simon Pauli
und den Professor der Universität, Dr. David Chyträus.' Diese
Auswahl war nicht schlecht, denn beide verfolgten, von Me-
lanchthon ausgehend, eine gemässigte Richtung, ohne sich aber
yfie 2. B. der vom Kaiser berufene Gamerarius durch die Theil-
9»hme an dem Leipziger Interim bei den Lutheranern verhasst
^macht zu haben. Besonders Chytriius (Kochhasc), ,der letzte
der Väter der lutherischen Kirche*, musste durch seine ansehn-
liche Gelehrsamkeit und reiche Erfahrung zu diesem Amte ge-
eignet erscheinen.^
Die Stände erklärten am 11. September dem Kaiser, über
diese beiden Theologen Erkundigungen einholen zu wollen.
Ein kaiserliches Decret vom IG. d. M. ermahnte sie darauf zur
Beschleunigung ihrer Wahl, damit sie bis zu Martini alle bei-
sammen wären, indem er ihnen zu bedenken gab, wie schwer
es ihm falle, die beiden aus dem Auslande bereits eingetroffe-
nen Deputirten* selbst nur bis dorthin, geschweige auf noch
längere Zeit zu erhalten, ,da doch der eine des Hin- und Wieder-
reisens tiber Land Alter und Blödigkeit halber nicht vermög-
lich'.* Die Stände entschlossen sich cndlicii flu- Chytriius, dessen
Schriften ihnen besser als die des Pauli bekannt waren,'^ und
baten den Kaiser am 22. September um seine Vermittlung."
Drei Tage später ergingen zwei kaiserliche Schreiben, das eine
an die Herzoge Johann Albrecht und Ulrich von Mecklenburg,
das andere an die Rostocker Universität mit dem Ersuchen,
' B«ila^ D des ,8ummariiim etc.' in Abgcbrift. Aach im n.-O. Lnndeo-
archir, B. 8. 16, abschriftlich; vgl. Otto, a. n. O., 8. 26 f.
* Vgl. über ChytrSns (geb. 1531, gest. ItiOU) den AufiiatK vou Loesche in
der Bealencyklopjtdie fUr protestantische Theologie, 3. Auflage, IV, 1897,
S. It2f; Qber Pauli den Artikel von Krause in der Allgein. d. Biugr.
S6, 1887, 8. 273.
* Cunerarioii war am 8. September in Wien eingelangt; Tgl. Wiedemann,
a. a. O., I, 8. 369; Otto, a. a. O., 8. 30. Carlowitz begab »ich einstweilen
auf sein Gut Rothenhaus in Böhmen; Tgl. Langenn, a. a. O., 8. 319f.
* Abschrift im n.-ö. LandesarchiT, B. 8. 26; vgl. Otto, a. a. O., 8. 2(5.
* ReUUon der Depntirten, ddo. 8. Miirz 1876; Cod. 8314, Fol. 93.
* Abschrift im n.-O. Landesarchiv. B. 3. 26; vgl. Otto, a. a. O., 8. 26.
140
Chyträus zur Verfassung einer Kirchenagende nach Wien
kommen zu lassen.' Wolf Christof von Mamming aus dem
Rittei"stande erhielt von den Standen den Auftrag, nach Rostock
zu reisen, dort persönlich anzuhalten und ihn nach Oesterreich
zu geleiten.*
4. Einstolliing rt»'s Roligionstractntes.
Clehoimc Fortfülirniis; desselben. Verfassuns einer eran-
gelisehen Kircheiiordntiiig.
Es wird bei den Deputirtenwahlen die ungeduldige Hast
aufgefallen sein, mit welcher der Kaiser das Zustandekommen
des Rehgionstractates betrieb. Er sah oftenbar bald nach jenem
denkwürdigen 18. August das drohende Unwetter vom katho-
lischen Lager her aufsteigen und wollte daher sein Ver-
gleichungswerk noch vor dem Losbruehe unter Dach und Fach
gebracht wissen. Es Hess auch nicht lange auf sich warten. Bereits
zwei Tage später wusste der kaiserliche Hofprediger Eisengrein,
der überhaupt von den folgenden Vorgilngen am Hofe ziemlich
gut unterrichtet war, diese üben'aschende Neuigkeit dem Her-
zog Albrecht von Baiern zu melden. Der Hoirath Dr. Georg
Eder hatte es jenem .mit weinenden Augen' angezeigt.' Eisen-
grein wollte sofort Audienz bei dem Kaiser begehren, obwohl
er das GefiihI hatte, dass sie nichts helfen würde. Als einzigen
Ausweg erkannte er: wUhrend ,8ie mit Vergleichung der Cere-
monien umgehen, das noch eine Zeit erfordern würde', sollte
der Herzog und Erzherzog Ferdinand, nölhigenfalls auch der
König von Spanien und der Papst ,ein inipcdimentuni darin
machen; allhie ist gewisslich sonst niemand, der wehren kann*.*
Maximilian beeilte sich, .dem böswilligen Geschwiltz scldecht
Unterrichteter' zuvorzukommen und seine That bei den mass-
gebenden Persönlichkeiten zu rechtfertigen. Er schrieb in diesem
Sinne an den Erzherzog Ferdinand, seinen spanischen Gesandten
Adam von Dietrichstein und an den Gesandten in Rom, Pros-
pcro Grafen Arco, der überdies eine ausführliche Instruction
mitbekam: er habe keinen anderen Ausweg gewusst, um noch
' Äbacbrift im n.-O. Landesarcliiv, B. 3. 26; vgl. Otto, a. a. O., S. S6,
* Relation der Depntirten, ddo. 8. Mars 1676.
» Vpl. Hopfen, a. a. O., 8. 272.
* Ebend.% 8. 273.
141
I
I
grössere Relijanousspaltungen, das Einroissen der tjecten und
einen Aufstand der Stilnde zu verhüten.' Man Hess sich indessen
nicht so schnell beruhigen. Wie man kntholischerscits die Con-
cession und ihre schwerwiegenden Folgern beurtheilte, bringt
das ohne Zweifel biild darnach vcrfasste Gutachten des bairi-
schen Kanzlers Simon Thaddäus Eck za kinreiu Ausdruck,
in welchem auch die vom Kaiser zur Entschuldigung vorge-
brachten Gründe, als sei er zur Concession im Interesse der
Ruhe und der Verhütung des Sectenwesens gezwungen worden,
eine scharfe Zurückweisung erfuhren.* Papst Pius V., dem
Arco am 13. beptember die Botschaft hinterbrachte, war tief
bewegt und klagte mit Thrilnen in den Augen, dass nunmehr
die Religion zu Grunde gehen werde, da der Kaiser den For-
derungen der Abtrünnigen nachgebe, und wies auf das verderb-
liche Beispiel für Frankreich und die Niederlande hin. Zwei
Tage später erhielt Graf Arco den Auftrag, dem Kaiser zu
melden, dass der Papst mit dem grössten Bedauern von diesem
ZogestUndniss Kunde erhalten habe, und dass er ihn beschwüre,
seinem begonnenen Werke Einhalt zu thun.' Man sprach schon
davon, dass der Papst den kaiserlichen Botschafter in Rom
verabschieden und den Nuntius am kaiserlichen Hofe abberulViii
wolle.* Von allen Seiten drang man auf den Kaiser ein. In-
zwischen hatte sich der Papst zu einem oneigisehen JSchritt
entschlossen: er sandte den Cardinal Johann Franz Gommendone
nach Wien, damit er, wenn die Concession noch nicht erthetlt
sei, Alles in Bewegung setze, sie zu vereiteln, im anderen Falle
aber ihre Zurücknahme zu erwirken. Dieser schlaue und ge-
wandte Diplomat, mit dem Maximilian IL einmal schon uilher
zu thun gehabt hatte, traf ungeachtet, dass ihn der Kaiser in
Innsbruck zur Umkehr autfordern Hess, in Begleitung des spä-
teren Wiener Nuntius Johann Delfino und des Secretärs Anton
> Vgl. Hopfen, n. a. O., 8. 274; Schwan, a. a. O., S. 238. Vgl. aadi seine
■ptteren Bomijrkiingoii za Coinmoridone: ,Cbi vi ripnreria o mi difenderia?
Ho io foree 8pagiiuli o altri di altra natiune, per opponere K quesU pro-
rinciali? . . . Noiitio, io ho «ei figUoli, et non lio altra liereditjk da la-
wiarli che questi pochi gtati patrimoniali. 6e qaeoti si distruggessero, di
che viTeraiiiio?' Vgl. Venetiutii.sclie Deposcheu III, S. 4ü0.
' Abgedruckt bei Schwarz, a. a. O., 8. 239.
■ VgL ebenda, S. 238.
* BiaeDgretn an Herzog Albrecht, ddo. Wien, 15. October 1568; Hopfen,
a. a. O., 8. 3y2 und S. 156.
142
Maria Gratiani am 28. October in Wien ein.' Wenn man im
AllgemeincD die grössten Erwartungen auf das persönliche
Einwirken des Cardinais setzte, so konnte sich Eisengrein,
dieser scharfe Beobachter am Wiener Hofe, doch der leisen Be-
sorgnis nicht erwehren, man werde sich unterstehen, ,dem Car-
dinal mit guten Worten eine Nase zu machen, bis sie ihn wieder
hinwegbringen'. " Eisengrein täuschte sich nicht. Commendone
war wohl ,cin geschwinder, listiger Vogel*, aber Maximilian
war diesmal noch listiger, und hatte er einst in Augsburg jenem
gegenüber den Kürzeren gezogen, so zahlte er es ihm jetzt
zurlick. Der Kaiser versicherte ihn, dass er genau denselben
Zweck verfolge wie die römische Curie, nur mit anderen Mit-
teln, und erklärte ihm schUesslich, er wolle die Religionsconfe-
renz, da er gesehen habe, dass sie dem Papste ,8o heftig zu-
wider' sei, alsbald einstellen. Und wirklich wurde Camerarius
nach Hause geschickt,' die Stände entlassen und Carlowitz, der
wieder erwartet wurde, abbestellt.* Commendone berichtete
jubelnd seinen Erfolg nach Rom. Dass aber Chyträus bald darauf
in ( )esterreich eingetroffen und in dem nahen Spitz a. d. Donau
bereits an die Verfassung einer evangeHachen Kirchenordnung
geschritten war, und die Stände die beruhigende Versicherung
erhalten hatten, dass die Verhandlungen fortgesetzt werden
sollten, das hatte ihm der Kaiser wohlweislich nicht gesagt.
Indess einen Zweck hatte das Auftreten de» Commendone,*
namentlich aber die Einmischung des Königs Phlhpp, der mit
der zwischen ihm und des Kaisers jiltoster Tochter Anna pro-
jectirten Heirat ein treftliches Mittel gewonnen hatte, Maximi-
lian zur Nachgiebigkeit zu bewegen, doch erreicht: der Reh-
gionstractat kam nicht mehr zu Stande." Dem Kaiser war nach
allen diesen Vorgängen, dem ganz ungeahnt heftigen Austilnnen
der vereinten katholischen Mächte die Lust an der Fortsetzung
' Am 31. October hatte er bereits die erste Audienz; Venetisnische De-
peschen III, S. 461, Anm. 1.
* Vgl. H. Eisengreiu's Schreiben, ddo. 6. November 1568; Hopfen, a. a. O.,
8. 296.
* Er trat Ende November seine Heimreise an. Venetianische Depeachen
m, 8. 469, Anm. 2.
* Vgl. Hopfen, a. a. O., S. 146f.
* Reiste Ende Jünner ab; vgl. Venetianische Depeschen III, S. 465, Anm. 4.
* Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte I, S. 401 f. nnd besonders die Venetia-
nischen Depeschen UI, S. 460 f.
143
I
des Vergteichungswerkes gründlich vergangen. Er erkaiinlo
mit Wchmuth ,einen grossen Unterschied zwischen der dama-
ligen und jetzigen Zeit'; damit meinte er den früheren Papst
Pills IV., ,mit dem gut zu handeln gewest, der sich auch ganz
tractabilem finden lassen', und seinen Nachfolger Pius V., der
hingegen , eines solchen scharfen und heftigen Gemtiths, wie
die von mftnniglich bekannt ist, der auch in viel geringeren
Ursachen als eines solchen Tractats wegen sich aufs Aeusserste
irritiren Hesse'.' Ueberdies mussten ihn auch die in den bis-
herigen Verhandlungen mit den Standen über die Deputirten-
wahl 8U Tage getretenen religiösen Gcgensiltae unter diesen
und die Anfeindungen, welche üamerarius von Seite derselben
erdulden musstc,* an einem nur halbwegs gedeihlichen Ausgang
der Conferenz vorzweifeln lassen.^
Dagegen wurden jetzt die Verhandlungen ganz im Ge-
heimen und in einem etwas geÄnderten Cours zwischen den
ständischen Deputirten, denen Reuter zugezogen blieb, einerseits
and einigen geheimen Käthen, sowie dem Kaiser andererseits ge-
pflogen. Als Mittelsperson fungirtc dabei der ebenso als Staats-
mann wie als Gelehrter hervorragende geheime Kath Reichard
Freiherr von Strcin, der am Hofe in der nächsten Umgebung
des Kaisers weilte und die Gnade, die er bei diesem in hohem
Masse genoss, dazu verwandte, um sich seiner Glaubens- und
Staodesgenossen wärmstens anzunehmen und ihm im vertrauli-
chen Zwiegespräch manches Zugeständniss an die evangelischen
Stände herauszulocken. In kirchlichen Dingen gehörte er der
Vermittlungspartei an und wird sich für manche Forderungen
der Stände, namentUch später, als die radicalen Strümungcn
immer mehr die Oberhand gewannen, zweifellos mehr aus Stan-
desrilcksichten als aus innerer Ueberzeugung eingesetzt haben.*
' Maiimilian II. «n Erzherzog Carl, ddo. Wien, 6. November 1569; Tgl.
Hopfen, a. a. O., 8. 332.
' Vpl. ebenda, 8. 147; Ott«, a. s. O., S. 31.
* Vgl. Venetianiacbe Depeschen III, S. 463 f. Dieser UmBchwang drückte
«icb «ehr deutlich in Mazimilian's Briefe an Erxhonog Carl, ddo. Ebors-
dor^ 30. October 1669, aus, in welchem er ,die Nutzlosigkeit solcher Col-
lationes and Colloqiiiae' bespricht; vgl. Hopfen, s. a. O., S. 331.
* Strein (auch Streun, nie aber Stein, wie ihn Hopfen, a. a. O., 8. 145,
nennt) stammt aus einem der ftltesteu Usterreichiscben Adolsgesehlechter
htr. Lüngstens seit 1571 veraab er das verantwortungsvolle Amt einea
Prisidenteu der Hof kammer. Im Jabre 1587 vertrat er bei der polnischen
144
Seine ausführlichen Berichte, die er im Jahre 1571 gele-
gentlich der Uebersenduiig der ReligionBassecuration ' und dann
im Jahre 1578, als die Stünde gegen die von Kaiser Rudolf 11.
verfügte Aufhebung des Rcligionswesens in der Stadt Wien
Sturm liefen, über seine mit Kaiser Maximilian II. geführten
geheimen Verhandlungen verfasste,^ lüften den Schleier, der
bisher über den grössten Theil derselben gebreitet war.^
Als Chytrilus am Tage der heiligen drei Könige des
Jahres 1569 in Ousterreich eingetroffen war, hatte Christof
Reuter über Aufforderung der stilndischen Dejnitirten bereits
eine Agende ,al8 Fürarbeit zu künftiger Handlung' entworfen.
Dieses Concept, das der Kaiser auf sein Begehren vom Land-
marscLall überreicht erhalten hatte, scheint keineswegs seine
Knnigswnhl in Wanicbau die Candidntiir dos Erzherzogs MatUiias und
wurde anch sonst uoi'li zu wiclitigeu rli|ilouiatiaclieii Missiouun butraul.
Unter Kaiser Uudulf 11. versah or bis zu seineuj Tode (8. November 1600)
die WUrdo eines Curators der kai.sorlichen Hofbililiothuk zu Wien. Nicht
minder verdient seine gelehrte Thiitigkeit hervorgehoben zu werden.
Wenn er sich auch durch seine zahlreichen historischen, genealogischen
und pulilischen Schriften keinen ersten Platz errungen hat, ist ihm doch,
wie Honiiayor bemerkt, ,die Oeschichte Oesterreichs die Rettung unz&h-
liger Denkmale schuldig, welche sonst durch den Vandalismus für immer
verloren gegangen wHren*. Dos n.-O. Landosarchiv in Wien und dos
o.-S. Landosarchiv in Linz enthalten viele Werke von ihm. Einige
Rtaatsmännischo Schriften, darunter das interessante, an den Erzherzog
Mnttliias gerichtete .Guthednnken wegen des Bauernaufstand anno 1598'
ddo. Freidogg, 12. Februar löää, sind in der KalteobSck'scheu Oesterr.
Zeitschrift für Geschieht«- und Staatskuude (I und III) abgedruckt. Vgl.
nber ihn Haselbach. Richard Freiherr von Strcin in den Blättern de« Ver-
eines fllr Landeskunde vou Niedor-Oesterr., Neue Folge II, 1868, S. 89f.,
107f. u. 120f.; F. Krakowitzer, Das SchlUsselburger Archiv im 37. Berieht
Ober das Museum Francisco-Cnrolinum, 1879, S. 8f. Stieve, Die Vorhaud-
luugcu Über die Nachfolge Kaiser Rudolfs U. in den Abhandlungen der
kOnigl. bairi.<chcn Akademie der Wissenschaft, 16. Band, 188U, S. 26 f.
' , Herrn Reicharten Streins letztes Schreiben an die Herrn Deputirteu . . .
den 14. Janunri nnno etc. Iö71 zu I'rag datirt.' Cod. 8314, Fol. 1 — 6.
* .Herrn Keicharten Streins Relation, was zwischen weil. Kaiser Maximi-
lian den Andern hochl. Gud. und dou zweien Stünden vou Herrn und
Ritterschaft in Oesterreich u. d. E. in Ueligioussachen de anno 68 bis
in das 76. Jahr, in welchem Jahr I. k. M. tOdtlich abgangen, durch ihn
Herrn Strein allenthalben gehandlet worden.' s. d. (1678, Juni); ebenda
285—291.
* Einiges bringt Hopfen durch die Veröffentlichung von Gienger's Gutachten
.Summari Verzaichuus etc.', ddo. 1. August 1&7Ü; vgl. a. a. O., S. 343 f.
14Ö
volle Billigung gefunden zu liaben, wenn sicli iiucli die Sülnde
dadurch, wie sie später behaupteten, bei ihm von dem Ver-
dachte reinwuschen, ,als ob sie nicht allerdings der A. C, son-
dern etwa fremde Opiuionen vor sich Jiättuii und keine Ordnung
leiden möchten'. Der Kaiser, von der Ankunft des (Jiiytriius
in Koantniss gesetzt, fand es ,au3 sondern Ursachen', unter
denen die Anwesenheit dos Cardinais Commendone gewiss den
ersten Platz eingenouimcn hatte, für geratlien, ,dass die Sache
nicht aUbier, sondern auf dem Land fUrgenommen würde'.'
So begab sich also Chytrilus nach Spitz, wo er im Sehhisse
des Ritters Leonhai'd von Kirchberg bis nacli (Jsteni verblieb
und im Vereine mit Reuter nach den besonderen Weisungen
des Kaisers eine evangelische Kirchenordnuug ausarbeitete. Er
benutzte dazu die Sächsische (1528), Ntimbergischc (l.'iSO) und
Brandenburgische Agende (1540), das Agendenbüchloin von
Veit Dietrich (1543), die vom Erzbischof Hermann von Köln
sanctionirte Reformation (1543) und die Pfalz-Zwcibi'Ueken'ache
Kirchenordnung (1557).*
Ende Februar war sie bereits fertiggestellt' und wurde,
bevor sie an die Stände gelangte, dem Kaiser vom Landiuar-
schail ganz im Ucheimcn — nicht einmal die Stände durften
etwas davon wissen — allein mit Vorwissen der geheimen
Räthc Strein und Zasius zur Durfbsicht übergeben.* Es war
eine 8chr umfangreiche Arbeit; denn sie enthielt nicht blos
,die Ceremoniaha', sondern auch ,das ganze DoftrinaJ, Instruc-
tion des Consistorii, Examen theologicum und anderes'. Noch
vor Ostern fuJjren Chytrilus und Reuter nach Wien und über-
gaben ihr Concept den ständischen Dcjjutirten, die dasselbe
wieder dem im vorigen Landtage gewählten und jetzt einbe-
rofenen grossen Ausschuss von 24 Personen vorlegten. Nach-
dem das Elaborat von diesem corrigirt und apprnbirt worden
war, wurde es am 29. April von den Deputirten nebst einer
ziemlichen Anzahl von Landleuten dem Kaiser in feierlicher
Audienz überreicht, hierauf von Strein und Weber, sowie
dem Landmarschall in aller Stille auf Weber's Schloss Bisam-
' Belatiou der Deputirten, ddo. 8. März 1676.
' Vgl. Otto, «. a. O., S. 33; Hopfen, a a. O., 148.
' Hie erschien anch im Jiüiru 1678 xn Kngtock im Druck; vgl. Otto, n. a. O.,
8. 40 £.
• Vgl. Otto, a. n. O, ö. 34; Hopfen, a. a. O., S. 148.
iicIiiT. LIUVII. Ud. 1. Uuiric. 10
140
licrg durclibcrathcn, theilwcise geändert und »Icn Doputirtcn
, insgeheim und im Vertrauen' mit der Bemerkung wieder zuriick-
gcstcUt, die k. M. begehre, .dicwcil die Agenda allein ein Ccre-
monial- und nicht Doctriualbucb sein soll', dass sie ,dic Doc-
trtnalia und anders in diesem Buch auslassen und allein die
Cercmoniaha darinnen behalten sollen'.' Der Kaiser hatte sich
schon bei der ersten Einsichtnahme in diesem Sinne geäussert,
doch war damals, offenbar weil dieselbe ohne Vorwissen der
Stände geschehen, und sie daher auch nachträglich nichts davon
wissen sollten, noch keine Aendcrung erfolgt. Den Depiitirtcn
Hei diese Verordnung sehr beschwerlich, und erst als ihnen
nach einigen Debatten die Zusicherung gegeben wurde, ,das8 sio
ein sonders Doetrinal aufrichten, darinnen die richtige, reine
Lehre und Gcgenlehre, thesim et antithesim setzen sollen und
mögen und sie auch darüber insonders des Doctrinals halben
assocuricrt werden sollen', nahmen sie das Werk wieder zur
Hand und brachten es in eine neue Form, nachdem sie vor
Allem die Lehrpunkte, die Consistorial- imd Examinationsord-
nung ausgeschieden hatten.*
Hierauf übermittelten die Deputirtcu dem Kaiser ihre
ItX) Bogenblätter starken , Schriftlichen Bedenken, Begriff und
Ftlrarboit, darnach eine Kirchcnagcnda in diesem Lando für
sie tlie zwei Stände angerichtet werden möcht" in zwei gleich-
lautenden Exemplaren, wovon das eine bei Hofe blieb, das
andere wieder den Ständen zurückgestellt wurde, und knüpften
daran die Bitte, ihnen nunmehr die Assecuration zu ertheilen.*
Doch diese erfolgte nicht. In dem Decrete vom 26. Juli
1569 gab der Kaiser dem Wunsche Ausdruck, dass nach der
.aus eingefallenen Verhinderungen* erfolgten Einstellung und
Suspcndirung des Kehgionstractatcs ,die Sachen dcrmasscn ge-
schaffen wären, auf dass sich I. M. der Stände Begehren nach
ausserhalb aller ferneren Tractation jetzo alsbald entschlicssen
' Belatiou der Dcputirten, ddo. 8. Man 157S; Strein's Relation 1678.
• Kolatinu der Uejjutirtoii, ddo. 8. März 1675,
' Kiiixorliclies Occrct an die Stünde, ddo. 26. Juli 1569; n.-O, Landes-
archir, B. 3. 26, Absclirift.
* Relation der Dcputirten, ddo. 8. Marx I67ö, ZasiiLs sclirieb am 10. Juli
1569 dorn Herzog Albreclit von Baiom, es sei ihm unrntiglicL, diese
.ÖBtorreirbinche Ikolig-ioiissclirin' r.u ilbersenden, ,weil I. M es bisher in
unger Geheim erhalten'; vgl. Uopfen, a. a. O., 8. 324.
möchten'. Doch befinde er ihre Hitte ,in uiohr Wcfj so hoch-
wichtig, zum Theil auch weitern Bedenkens nöthig und ein
irich Werk sein, daran vieler tausend clirist^'laubifjer Menschen
Seelen Heil und Sehjrkoit, also dass I. k. M. hierüber zcitliehs
lind geraumes stattlichs Bedachts wolbcdtirfcn, und will I. k. M.
als obristem weltlichem Haupt der Christenheit in Kraft ihres
tragenden kaiserlichen, königlichen und landesfitrstlichcn Amtes
in allweg gebUren, liierinnen aufs allerbedäclitiicliste filrzugclin
und zu handien und also dies grosse Werk der unvermeidlichen
Nothdurft nach in fernem Bedacht zu nehmen und sich mit
ehester Möglichkeit hierfiber gnädigst zu resolvicni'. Da er in
irichtigen Regicrungsgcschäfton demnächst verreisen müsse,
mögen die Stände sich gedulden, unterdessen sich aller , ver-
botenen Sectcn und Neuerungen' enthalten, in seiner Hauptstadt
Wien jkcine Prildicanten an keinem Ort aufstellen' und sich
aller Schmilhungcn und Lästeningen der Katholischen enthalten.
Er wolle inzwischen die verfasste Kirchcuordiuing .durch ctliclie
erfahrne, fromme, gelehrte, schiedliclic und friedliebende Theo-
' Iken und Personen' bcrathschlagcn lassen.*
Htt In Wahrheit hatte ihm die von Chytrilus und Reuter ver-
BHnte Agende nicht sonderlich gut gefallen, und er dieselbe
1 nur als eine Vorarbeit betrachtet," denn sie setzte — was er
eben vermeiden wollte — eine vollständig getrennte, protesUm-
I tische Kirche voraus. Viel zu dieser ablehnenden Haltung des
Kaisers werden auch einige seiner geheimen Käthe beigetragen
haben. Namentlich der alte Qienger, mit dem er alle Verluind-
langen über das Trienter Concil, die Priesterehc und den Laien-
kelcb gearbeitet hatte, und auf dessen Kath er grosses Gewicht
legte, hatte dagegen gesprochen und die Abweisung des stän-
ilischen Begehrens beantragt.' Auch Zasius konnte sich mit
der jetzigen Lage der Dinge, da nicht mehr Vermittlung, son-
dern Toleranz das Schlagwort bildete, nicht sehr befreunden.
Die von den Stünden begehrte Assecuration wird ihm als eine
besonders gefilhrliche Sache erschienen sein, die man, wenn
sie durchaus erfolgen sollte — das war auch der Standpunkt
des Kaisers — so lange als nur möglieh aufhalten musste.
' Vgl, oben, S. 146, Anm. 3.
, * Zwitu a,u Herzog Albrecht vou Baiern, ddo, 31. Juli 1569; vgl. Hopfen,
I
■ gtischickt worden war. Gienger kam alsbald dieser Auffor
mich und verfusste ein (iutacliten, das nicht viel besser
I
I
I
••» l'Vdör rllhrt auch das oben erwähnte Decret her,
«ik» Sunde mit Uirem Ansuchen auf spätere Zeit
wurden.' Am 13. August erhielten die Stände eine
uoh»< Uusolution des Inhalts, dass or ihnen ein Consisto-
fniW »Hmmt einem Superintendenten, sowie eine eigene Kirche
»u NN iou nicht bewilligen könne.* Drei Tage darauf reiste
i'h^Vtritus mit einem Dankschreiben des Kaisers von Wien ab.^
Maximihan II. begab sich noch im selben Monate nach
TroBsburg.* Von dort aus sandte er Weber nach Wien zu
Hiongcr und forderte dessen Bericht über die Kirchenagende
dos Chyträus ab, die nach dem abweisUchcn Bescheide vom
20. Juli auf Grund der von Gienger zusammengestellten Mängel
von den Stünden neuerdings ,in etlichen Artikeln verändert*
und hierauf durcii den Landmarschall dem Kaiser dorthin naeh-
dorung
ausge-
fallen sein wird als sein erstes. Seine leitende Idee, die auch in
seinem späteren Referate vom 22. (12.) December ziuu Aus-
drucke gelangte, blieb unvcrrückt dieselbe: es sollte , durch der
k. M. gnädigste Beförderung die strittige Rehgion nochmals
durch ein gemein Werk und Reichshandlung zu christlicher
Vergleichung oder doch in bessern Stand gebracht und dadurch
der <.)esterreicher unzeitig, unvollkommen, mangelhaftig und sehr
sorglich Werk länger eingestellt und damit besserer Gelegen-
heit erwartet werden'.* Das war gewiss auch Kaiser Maximi-
lian's Herzenswunsch; doch ein Zurückgehen gab es jetzt nicht
niulir. Die Stände hatten sich schlauer Weise bezüglich der
Zahlung der Uofschulden an keinen bestimmten Termin ge-
bunden, sondern nur so viel zu zahlen versprochen, als dies die
Einkünfte des Landes zuiiessen. Damit hatten sie auch das Heft
in Händen: sie zahlten ganz einfach nicht früher, bis sie nicht
die ABsecuration in der Hand hatten.'' Bis zu diesem Zeitpunkte
' Za?iu.s an Herzog Albrectit von Baiem, ddo. Wien, 31. Juli 1569; vgl.
Hopfen, H. a. O., 8. 326.
» Vgl. Otto, ». *. O., 8. 37.
> Ebenda, 8. 40.
* Er reiste nm 17. Äugast von Wien ab und kain erst am 31. October
wieder zurück; vgl. Veiieliauisclie Depeschen lU, 8, 488, Anm. i.
' Uioiiger's Gutauliten; vgl. Hupfun, a. a. O., S. 347.
" In der Steiermark lagen die Uiugo ganz genau so wie hier; vgl. Losertli,
a. a. O., 8. 160.
149
Imtten sie noch keinen Pfennig ausgelegt. Im niichston Lsind-
tage des Jabrcs 1570 kam es deshalb zwischen den kaiserlichen
Commissären und den die Zaiiiung verweigernden Stunden zu
lungeren Auseinandersetzungen.' Und erst in den Landtagsver-
handlungen des nächsten Jahres, zwei Monate nach der Erthei-
lung der Assecuration, stossen wir auf die Nachricht, dass die
Stände etwas, wenn auch sehr wenig gezahlt hatten.* Unter diesen
Umständen erklärt es sich wohl, dass der Kaiser, sosehr er sich
anch gegen die Assecurirung striluben mochte," doch diese Con-
sequenz aus der Concession zu ziehen sich genöthigt sah.
5. Die Ansfertii^iiiig der Assccuvation.
Ais der Kaiser nach einem kurzen Aufenthalt in Wien
gegen Schiass des Jahres 1560 nach Prag übersiedelt war,*
<«kand man schon so weit, dass die Agenda ,über die beschehene
Tertrauliche Communication wenig Bedenkens mehr auf sich
gehabt*, worauf sie zusammengefasst und von den Deputirten
dem am Hofe weilenden Strein , neben noch zweier Artikeln
von Bann und Besuchung der Kranken und der Prilfation, so
hievor nicht vcrfasst noch versehen gewesen', Uberschickt wurde,
sie dem Kaiser mit der Bitte zu überantworten, ,di6 Stünde
sowohl der verwilligten Augsburgerischen Confession, als der
Agenda und Doctrinal halber der Nothdurft nach flir sich selbst
und ihre Erben zu assecuriem und zu vergewissern'. Die
;enda wurde nun abermals durch Weber imd Strein dui'ch-
fesehen, welche dann einige Bedenken, die sie noch dagegen
hatten, auf kaiserlichen Befehl den Deputirten schriftlich mit-
theiltcn. Diese erklärten sicii damit einverstanden, ,doch der-
gestalt, dieweil die Lehre allerdings von den Ceremonien ab-
gesondert wurde, dass ihnen bevorstehe, wie auch solches in
' N.-S. Landesarchir, Landtagsverhandluiigeu vom 16. März bis 1&. April
1670.
* Ebenda, 14. Itlilrz 1671.
* Vgl. den Brief Kaiser Maximilians II. an Erzherzog Carl, ddo. Wien,
18. September 1671, worin or diesem den Ratli gibt, ,nIlo ilasserstc er-
denkliche Mittel nnd Weg' in vorsnchen, bevor er in eine schriftliche
A.«securation willige; vgl. Hopfon, a. n. O., S. 354f.
* Er hatte Wien nm 28. November verlassen nnd war am 15. December
dort angekommen, wo er vier Tage spjlter den Landtag erltfFnote; vgl.
Vonptianische Dopeschen III, R. 489, Anm. 1.
IM
«W oratcn Tr>icUUv>n* wäre verwilligt worden, derwegen ein
•ondent Doctrinal «u vcrfasaen'.
IWimuf erlüelt Strciii vom Kaiser eine Abschrift der von
X«A)U» v«>rffrtigten Aasceuration zugestellt, in welcher die Ge-
iiomlüUuMl: 4» ihren Scblössem, Häusern und Gebieten' ent-
linltoii wur, mit di^r aber die Deputirtcn, die sidi darüber im
l«i4itdlti>;t< mit dem ganzen Ausschusse bcralhen hatten, , nicht
lufViodoii gowcsen, sondern eine andere Note verfasst und ob-
wohl »\v c>» darin bei der GenenUität vorgemeldetor Clausel
vmliloiben licasen, so haben sie doch daneben in dieser Asse-
iMiruUt)» die Agenda, Doetrinal, Instruction, Anordnung und
I >o|>utiition einzuverleiben und etliche andere Correctur zu thun
begehrt".
Mittlerweile wurde die Kirchenordnung ,der Correctur
geuiilsH* reingeschrieben, nach Prag geschickt und von Strein
dem Kaiser am ( ^stersonntag des Jahres 1570 ,in dein Oratorio''
Obcrreiclit, der diese darauf durch einen eigenen Courier zu
Gionger nach Enns zur neuerlichen Begutachtung senden liess.
AU dessen Bericht darüber eingelangt war, wurde sie in der
letzten Fassung , ausser des Lieds: Erhalt uns, HeiT, so ausge-
lassen werden soll', approbirt. Die Assecuration wurde auf Be-
fehl Kaiser Maximilians neu concipirt, und zwar , etwas kürzer
als die vorige und ohne Inserirung der Agenda und des Doc-
trinals', und hierauf sammt der Agende dem zu diesem Zwecke
von den Deputirten aus ihrer Mitte nach Prag abgefertigten
Rüdiger von Starhemberg durcli Strein zugestellt.* Nachdem
dann noch die Frage einige Schwierigkeiten bereitete, ,ob die
Agenda solle gedruckt und pubhciert oder allein in mehr
Exi-mplaria abgeschrieben und privatim ausgctheilt werden',
willigte endlich der Kaiser in die Drucklegung derselben, doch
unter der Bedingung, dass die Vorrede, , darin I. k. M. und der
Stünde Namen ausgelassen werden soll', dahin geändert und der
Druck ,in der Still' angestellt werden sollte.
Es hiitte nun die officielle Ausfertigung der Assecuration
erfolgen können, wenn sieh die Deputirten mit dem bisher
» Vgl. oben, S. 146.
■ Sie ist vom 30. Ma! 1570 (Prag) datirt Absctiriften im Staalurehiv
(Beilage F des ,Siiiiimiiriuni') und im Landosarrhiv B. 3. 26. Vgl. auch
Otto, a. a. O.. S 42.
151
Erreichten zufrieden gegeben hatten.' Sie hatten aber noch
Allerlei Bedenken, und zwar beztlglich der Agende: ,dass der
Stände in der Priifation nicht solle gedacht werden', welchen
Einwand sie aber ,über beschehene Erliluterung' fallen lieascn,
und bezüglich der Assecuration : ,erstlieh, dass gemeldet wurde,
dass allerlei Secten im Lande eingerissen, deren sie sich ihres-
teils nicht teilhalitig wissen, zum andern diewcil ihnen allein in
ihren eigenen Hilusem und Gütern der Religionsgebrauch zu-
' 80 erklftrt sicli, wie m/in nns dem Fulgendeii sehen wird, die VerzOge-
nxag vom 30. Mai lö70, dem IMtiim der ersten Anofertigung', bin zum
14. Jänner 1571, dem der zweiten und ücUliegslichen, auf ganz natflr-
licbe Weise; und mau braucht nicht, wie Otto (a. n. O., S. 43; vgl. auch
Hopfen, a. a. O., 8. 160) den Anfxchub damit zu begründen, dam der
KAt«rr die Vermahlung seiner TOchtor Anna und Elisabeth an swei
•tntog kathulische Regenten, Phili|ip 11. tou Spanien (12. November)
und Karl IX. von Frankreich (8C. November) vorQborgohen lassen wollte;
antserdem die beiden HtUiide noch vor der wirklichen Ausfertigung einen
Itetrag von 900.000(1. aufzubringen hatten. Der letztere Grund ist jeden-
falls vollstjindig hinfSllig. Otto hat sich hiebei auf Fitzinger (Venmch
ainer Geschichte des alten n.-O. Landhauses 1869, S. 16) und dieser
wiederum ohno nühere Bexeichnung auf ein Bergenstamm'sches Manti-
•cript belogen. Sich auf ein solches zn berufen, ist alleniiugB eine ge-
flUirlieho Sache, da Uergeustamm Äusserst selten seine Quelle angibt
and man daher auf den guten Glauben angewiesen ist. In diesem Falle
wird die Quelle nicht weit zu .luchen sein: es ist Raupach (a. a. O.,
8. 183), der sich diesmal trotz seiner sonstigen ausserordentlichen Oe-
nanigkeit geirrt hat. Br hat nämlich diese Notiz aus Stratamannns,
(Tfaeatnim historicnm etc., 1696, S. 819) geschttpft. Wie verlässlich
Obrigena diese Quelle ist, zeigt gleich das Jahr IfißO als Jahresdatura
der Ertheilnng der Concession. Nun beziehen sich aber die im 2. Absatz
nachher angefahrten 9 Tonnen Goldgulden gar nicht auf Kaiser Maxi-
milian nud Oesterreich unter der Euns, sundern auf Erzherzog Carl und
di« Steiermark. So kam es, dass diese 9U0.UOO fl., denen Uergenstamm oder
Pitstnger wohl durch einen Lesefehler noch 90.000 hinzugefllgt hatte, bis
anf die jQngste Zeit Erwiitinnng finden, z. B. bei Deutsch, Zur Geschichte
der Kcformation in Oesterreich-Ungarn (Jahrbuch der Gesellschaft ftlr
Oeschichte des Protestantismus in Oesterreich X, 1889, 8. 180). Den
Sttndeo wird t» übrigens schwerlich eingefallen sein, eine so horrende
8unime auf einmal zu erlegen, ohne vorher die Assecuration in Händen
gehabt zn haben. Die Landtagsverhandlungen (siehe oben S. 149, Anm.S)
bcBtätigen die« auch, indem aus denselben hervorgeht, dass die Stände
bi» «um Jahre 1670 gar nichts, im Jahre 1571 aber nur wenig gezahlt
hatten. E« ist auch nicht richtig, dass, wie Ritter (Deutsche Goschichle I,
8, 405) behauptet, die Ausfertigung wegen der Abreise de« Kaisers nach
S|M«ipr unterblieb.
152
gelassen, dass dadurch die Pfandschafter und Bcätundleut aus-
geschlossen wilrden, zum dritten, dass sie sich der Religion in
ihren Schlössern, Hilusern und Gütern, doch ausser I. M. Stadt
und Milrkt gebrauchen sollen, welches danini beschwerlieh,
diewcil ihnen in ihren Häusern zu Wien zu predigen hievor
üupelassen und hiedurch wieder eingestellt wtlrde,' zum vierten,
dass in der Assccuratioii weder der Agenda noch des Doctri-
nnls Meldung beschehe*. Zugleich machten sie sich erbütig, das
IJdclriuale vor der Publication den Universitäten Rostuck, Wit-
tenberg nnd Tllbingen zur Censur vorzulegen.'
Während so die Verhandlungen zwischen dem Hofe und
den Ständen ihren ruhigen Verlauf nalimen, trat ganz plötzlich
ciu Eroigniss dazwisclien, das die zwei Stunde in grosse Auf-
regung versetzte und auch den Kaiser, der mittlerweile nach
Speier gereist war' und den dortigen Reichstag am 13. Juli 1570
eröffnet hatte,'* sehr unangenehm berühren niusste. Die Stftnde
hatten auf Grund der kaiserlichen Bewilligung im Sclieibeiihof
in der Nuhe von Stein eine Druckerei errichtet, um die Kir-
chenordnung zu publiciren. Da erging am 7. September über
Uefchl des Statthalters Erzherzog Carl'' von der Regierung im
Namen des Kaisers ein ,offenes Patent' an alle Obrigkeiten,
worin denselben bekanntgegeben wurde, ,wic etliche Personen
sich unterstehen sollen, eine ungewöhnliche, verbotene und
heimliche Druckerei am Scheibenhof bei Stein aufzurichten und
daselbst ihres Gefallens llücher zu drucken, daraus mehrerlei
Nachteil zu besorgen und zeitliche Einsfluing vonnöthen'. Der
Untcrmarsi'liall der niederüsterreichischcn Regierung, Hans
Hohenberger, und der kaiserliche Thürhdtor, Georg Siben-
blii'ger, wurden gleichzeitig beauftragt, ,das8 sie solch neue
Druckerei aufheben, die Personen, so sich dessen unterstanden,
in Verwahrung bringen, was gedruckt ist, zu ihren Händen
' Dm war eben nii-lit richtig; vgl. unten, 8. 1Ä8.
' Stroin'« Kolatiun 1578. Diese vier I'nnkte fillirt mich die stXndiRche Pe-
tition nn den Kaiser vom fl. Juni 157S an; Cod. fol. 232f.
' Er hatte Prag am 1. Juni vorlassen und war dort am 18. oingetroffon;
vgl. Vonetianische Depewhon III, S. 391, Anm. 3.
* Vgl. Rittor, DonUclie Geschichte I, 432 f.
'^ Uelicr spino Rmunnung zum iStatthnlter während Kaijier Moximitian'g
Abwesenheit von Wien, vgl. Venetianisohe Depeschen ITI, S. 4SS,
Aniu. 2.
153
nehmen, den Druckereizeug aber und was sonsten vorhanden
ist, in Arrest legen sollen', und die Behörden angewiesen, den
Beiden allen erforderlichen Beistand zu leisten.' Zwei Tage
später, am 9. September, wurde der Buchdrucker Blasius Eber
nebst seinen ftlnf Gesellen unter Intervention des Richters von
Stein und etlicher bewaffneter BUrger im Scheibenhof verhaftet
and nach Stein in den Arrest geführt, die Druckerei aber
beschlagnahmt und versiegelt. Zu diesem Schritte war natür-
lich die Regienmg, die von der kaiserlichen Genehmigung
der Druckerei keine Kenntniss hatte, vollkommen berochtigt,
denn der Artikel 6 der Religionseoncession enthielt ja die aus-
drückliche Bestimmung, dass die Stände sich des Bücherdruckes
zu enthalten hUtten. Die stilndischen Deputirtcn erhoben sofort
in einer Eingabe an den Statthalter Protest gegen diese Mass-
regetung und beriefen sich nach einer kurzen Darlegung ihrer
bisherigen Verhandlungen mit dem Kaiser auf dessen Zuge-
stündniss.* Das hatte zunächst nur den Erfolg, dass die Regie-
rung dem Richter von Stein am 30. September 1570 befahl,
strenge darauf zu sehen, dass die Arrestanten ,von männiglich
anbeschwert und aller Geblir nach gehalten werden'." Die De-
potirten richteten überdies mehrere schriftiiclic Eingaben an den
kaiserlichen Hof in Speier, zuletzt ordneten sie sogar einen
Landmann dahin ab und baten den Strein, dass er ihre Be-
^ Mit diesem Patente wnrdo also die Druckerei nufgelioben und nicht, wie
M bei Raup.icb (."». a. O., I. Forts., S. 200) und dann auch bei Wiedc-
niann (.a. a. O. I, S. .^48) und Otto (.-u a. O., 8. 48) lieisst, errichtet. Der
Irrthnin rniirt daher, dam Itaupach, der auf Grund einer nemerkunf^ den
Chytränfl (Bpist, S. 530) ganz richtig die Errichtung einer stiindi.ichen
Dmckcrei in ätein augenumman hatte, sich verleiten Hess, die in dem
Index zu diesem Codex (siehe Vorwort, 8. 1 16) verzeichnete Uobenichrift
.Offen Patent wegen der Buchdmckerei, den 7. Soptonibor anno 70 er-
gangen' gerade verkehrt zu denten.
» Cod. fol. 9' f.
• Ebenda, Fol. 11 f. Freigelassen wurden sie aber erst am 17. November
aof Gmnd das kaiserlichen Befehles, ddo. Kornouburg, den 14. Nuvoniher
1670; ebenda, Fol. U'. Dass es den Häftlingen Ubrigen-s nicht »ehr schlecht
gegangen ist, beweist die nach der Enthaftniig gelegte Rechnung, welche
fOr die sechs Personen vom 9. September bis 17. November ltt3 Gulden
4 Schilling fOr Speise, 34 Gulden U Schilling ftlr Wein mul 20 Gnlden
für Zimmer, Holz und Licht, «bo im Ganzen 159 fl. lä Ur. «llürnachte i
ebenda, Ful. IIT
154
schwerde sammt den über die Assecuration vorgefallenen Be-
denken dem Kaiser vortragen inöclitc.*
Trotz der bevorstehenden Abreise* des Kaisers erbielt
Strein auf sein ,Hnaufhörlich und schior etwas ungestümes An-
halten' die Zustimmung zur Fortsetzung des Druckes and zur
AbUndening der Assecuration nach den ständischerseits gestell-
ten Antrügen mit Ausnahme des Punktes betreffs der Ausübung
der Religionsfreiheit in den Städten und dann des Doctrinals. Strein
bemilhte sich, auch über diese zwei Punkte hinwegzukommen,
,aber es war auf dem letzten Grad, wie man sagt, des Aufbruchs',
so dass es zu keiner Erledigung mehr kam, und er auf Dinkels-
biilil oder Nürnberg vertrustet wurde. Dazu kam noch, ,da8s,
obwohl I. M. Resolution zu Speier begehrtermassen ergangen,
doch die Sioglung allda von wegen des Kurfürsten von Mainz,
in dessen Gewalt sie dazumal stund, nit hätte beschehen kön-
nen'. Denn sobald der Reichskanzler bei Hofe anwesend war,
musste ihm das Siegel übergeben werden; und so wÄre der Erz-
biflchof Daniel in die sonderbare Lage versetzt worden, eine
zu Gunsten der evangelischen Religion ausgestellte Urknnde
siegeln und unterfertigen zu müssen, was er hüchstwahrscheinlich
verweigert hätte. Als man nach DinkelsbUhi gekommen war,
,hat es sich von wegen Markgraf Jörg Friederichen Gegenwart
und stätem Aufwarten bei I. M. nit schicken wollen'. Erst in
Nürnberg fand Strein Gelegenheit, dem Kaiser ,mit genügsamer
Ausfllhrung' die beiden noch ausständigen Punkte neuerdings
vorzutragen und um deren Genehmigung zu bitten, worauf
sich dieser in gnädiger Weise dahin äusserte, Strein wisse sich
zu erinnern, ,das8 I. M. derselben eigenthümliche Städte je und
allweg bevorgenommen, wisse auch wol, was eine zeither bei
etlichen ihren Predigten zu Wien ftlr Unordnung ftlrgeloffen,''
was auch I. M. in mehr Weg für Ungelegenheiten darauf be-
ruheten, das hätten I. M. ihm zum oftcrmal gnädigst vertraut'.
,Strein,' ftlgte der Kaiser hinzu, ,ich wiissle der Sachen wol
recht zu thun, wann ich euer, meiner getreuen Unterthanen,
die ihr ohne das erschöpft seid, nit verschonet, dann wir uns
kaum von dem einen Feind aufhalten können; um mein Person,
• Rel.'ition «ler Deputirten, iHo. 8. März 1576.
* Diosf'Uio erfolgte .im 18. December 1578; vgl. Venetinniitche Depeaclien
III, H. 61S, Anm. 3.
■ Siehn unten, S. 164 f.
155
glaubt mir. darum war es mir tiit zu tliun'.' Strein replicirte,
dass sich die MajesUit allerdings die Städte und Märkte vor-
behalten, es habe aber diese Beschränkung seinem Erachten
MHsh diesen Sinn, ,das8 die Städte sich beider Stünde Conces-
Mn nit hätten zu gebrauchen. Dass ihnen aber dadurch das
exercitium religionis in den Städten verwehrt oder durch I. M.
hiemit nit zugelassen sein sollte, wäre dem zu entgegnen, dass
I. M. in derselben ersten Resolution, vergangen 08"° Jahrs
im Landtag beschehen, beiden Ständen die Uebung der Lehr
der Augsb. Confession frei und ungehindert ohne alle Exception
zugelassen'. ,1. k. M. hätten sich auch,' fuhr er fort, ,gnädigBt
in besinnen, wie beschwerlich es denen fallen würde, so I. M.
beiwohnen oder sonst ihrer Dienst halben von Wien nit ab-
kommen mögen, da sie ein ganz Jabr über der Predigten, auch
Reichung und Verrichtung der Sacramente vorzllgen sein sollen
oder mit was Ungelegenheit sie sich jederzeit auf das Land
derwegen begeben mUssten, geschweigen wa.** bei niilniiiglieh,
nnderlich denen im Reich für ein Nachgedenken bringen würde,
il.i uns anjetzo das expresse verweigert, so hievor tacite zuge-
äehen und nit verwehrt worden, dann unsere Widers.icher dar-
über triiimphieren, den andern aber unsers Teils das Herz
ganz und gar entfallen würde, so verhoffe ich auch, da einige
Unordnung bisher flirgeloflen, die I. k. M., wie ich verstund,
zuwider gewest wäre, es sollte derselben eben durch diese unser
Anordnung der Agenda gewelirt und fürkommen werden, dazu
#^ollte I. k". M. ich dessen vergewissern, wann die Deputierten
n jederzeit verstehen würden, worin L M. diesfalls üffcndicrt
tmd beleidigt werden möcht, dass sie das nach aller Möglichkeit
wllrden abstellen, sonderlich da L k. M. diese Sach in dem
^ädigstcn Vertrauen und Verstand wie bisher, und wie mir
nit zweifelt, würden erhalten wollen, dabei dann allen dergleichen
Unrath, der sich etwa bisher, dass man nit gewusst, woran man
war, ftlrzukommen'.*
' strein fühlte «ich bemdMigt, diese Worte bei«on(!r>rs henrorznhebon, .da-
mit auch etwa uii!>ere NActikommcii selion, »io gutherzig ea I. M. mit
•••li Oesterreivherii ^mcint hnt, j^leichwol der Allmaditigkeit Gottes in
""lllen mehr und billicher ßetrnnt nin mif allo menscliliche
rtlen soll, denn Flei.ich int Fli-iwh'.
I.
156
Strein schlug dann noch, als er merkte, dass der Kaiser
entschieden gegen die Weglassiing des Zusatzes ,doch ausser
unserer Städte und MUrkte' war, einen Mittelweg vor. Da nach
seiner Ansicht der Kaiser mit dieser Clauscl ja doch nur ,den
Zulauf abzustellen vermeinte*, so sollte dieselbe bleiben, doch
die Worte ,ohne was ihre Fliluscr darin sein, darin sie für sich
selbst, ilir Gesind und Zugehörige sich dieser Confession ge-
brauchen mögen etc.' hinzugefügt werden, womit aber nicht
verstanden sein solle, ,da8S sie f\lr sich selbst die Besuchung
der Predigt den Bürgern wehren und abschaffen sollen'.' Er
unterliess auch nicht, auf Erzherzog Carl hinzuweisen, der den
steirischen cvangehschen Ständen die öffentliche Predigt in der
Stiftskirche von Graz eingei'ilumt habe, und bat unter Uober-
rcicliung eines Memoriales in diesem sowie in dem anderen
Punkte bezUgUch des Doctrinales, den er näher erllluterte, um
eiucn gnädigen Bescheid. Maximilian vorsprach sein Möglichstes
zu thun und sich unterwegs zu i'esolvircn. Doch weder in Sulz-
bach, wo sich der Kaiser mit Weber darüber besprach, noch
in Weiten und Pilsen konnte Strein trotz seines Anhaltens eine
Resolution erhalten.
In Prag* endlich, am 13. Jänner 1571 erhielt er, nachdem
der Kaiser auf seine neuerliche Werbung mit Weber conferirt
hatte, durch Letzteren den erbetenen Bescheid: »Erstlich be-
langend die Druckerei, sei I. M. nochmals wie zu Speier mit
Gnaden zufrieden, dass dieselbe fortgesetzt und mittlerweil, als
I. M. hie sei, publiciert werde, wie dann I. M. dem Herrn
Statthalter, damit wann es zu der Publicierung kommt, nit wieder
Irrung einfallen, solches ad partem und mit eigner Hand za-
schreiben wolle." Die Forsetzung der Druckerei begehrten I. M.
gnädigst, damit die zur Verschonuug I. M. irgend auf der Mär-
herischen Grunz bcschehe, und dass gleichsfalls die Publicierung
mit der Bescheidenheit fürgenonnncn werde, damit nit viel Ge-
tümmels daraus erfolge, sondern I. M. achteten, dass am Weg
' Strein'« Kelation 1578.
' Am 10. JAnuer 1671 dort eingelangt; vgl. Venetinnischo Depeschen HI,
S. 612, Anm. 3.
• Kaisorliche» Docret an die n.-O. Regierung, ddo. Prag, 10. Febni.ir 1571,
worin dor Kaiser dersolben auftrug, diu.4 künftig Alles, was Ober die zwei
evangeli.schen Stünde oder deren Deputirte vorkäme, ,rM Vorlitttnng son-
derer Benchwerd nndWeitlAnligkuit' ibni zuvor bericbtet werde; Cod.fol. IS'.
157
sei, dass die Depatierten solche Austheiliing unter die beiden
Stände selbst thiltcn, also dass die Agenda nit düi-f'e zu feilem
Platz kommen, die übrigen Exemplaria würden bei einer LjuhI-
sohaft Händen aufgehalten . . ., für das andere so soll der
Artikel mit den eiureissenden Seeten begehrtermassen eomgicrt
werden, zum dritten, das Wort ,eigen' bei den Häusern und
8ch]ö8sem ausgelassen und zum vierten die Agenda in spccie
vermeldet werden. Soviel aber belangt das Doctrinal, solches
kjinnten I. M. derzeit in die Assecaration nit kommen lassen,
aas Ursach, dass es I. M. noch bisher nit gesehen. I. M. wUrcn
iber des gnädigsten Erbietens, hätten auch allbercit die Ver-
ordnung getbau, dass dem Strein derwegcn ein Decret sollte
gefertigt und zugestellt werden, wann solches durch die für-
geachlagnen Universitäten würde ersehen und I. M. hernacher
füt^ebracbt, dass sicli I. M. nit weniger, als mit der Agenda
beschehen, mit allen Gnaden gegen beiden JStände verlialtcn
Iten, die Stünde auch nit Ursach haben, einigen Zweifel
db in I. M. zu setzen. Letzlich bei dem Artikel mit den
Städten könnten sich I. M. derzeit noch nit cntschliessen, sondern
äiu wollten CS bis zu I. M. . . Hiuauskunft mit tfiiaden angestellt
haben und in dem Wesen wie bislier verbleiben lassen, alsdann
«rollten I. M. sehen, wie sich alle Sachen werden anlassen, auch
uach Gelegenheit derselben sich mit Gnaden hernacher woiters
ilesswegen erklären.'
Zu weiteren Zugeständnissen Hess sich der Kaiser nicht
herbei. Strein fand es für gerathen, nachdem er darüber noch
mit Weber, ,der sich in diesem Handel ganz geneigt und in
Samma als ein gutor Landmann erzeigt hat', vertraulich con-
fcrirt hatte, derzeit nicht weiter in den Kaiser zu dringen, und
erklärte sich zur Annahme der Assecuration und des Dccretes
über das Doctrinale bereit.' Was ihn hauptsächlich veranlasste,
ron seinem weiteren Begehren abzustehen, war eine sehr un-
liebsame Entdeckung, die er im Verlaufe seiner Unterredungen
' ,Mit den Doctrinal und 8tadten,' sagt er Aber seine BemUbungon,
jflAuben mir die Herren für gewiss, ilaiu icti an mir in dieseui «o wenig
*ls mnderin nichts linb orwiudon luiwen, und will,H ohne Bubm gemelt
baben, man frag Uoctor Weber, der wird sugcii, wie er'» denn gesagt
hat, das* von keinem andern, wits dennoch durch micli erhalten worden,
bitte erhalten werden mügen, bei so uuajigllchou Einwürfen und vielen
nderungen der OemQtber, davon nit xu scbreiheu.'
158
mit dem Kaiser gemacht hatte. Naclidem er nilmlich wiederholt
dem Kaiser vorgehalten hatte, ,die Bewilligung anuo 68 be-
sclielien, die liess den Stünden das Exercitium Religionis aller
Orten zu', in welclier Meinung er aueh durcii ein Schreiben
der Deputirtea bestilrkt worden war, liess er sich, um seinen
Vorstellungen grösseren Nachdruck zu verleihen, vom Secrctär
Unverzagt die Landtagsverhimdlungcn kommen und fand jetzt
zu seinem Erstaunen ,gerade das Widerspiol', dass nämlich
,1. M. sonderlich Wien, dioweil sie allda ihr Hoflugcr, mit aus-
drücklichen Worten ausschleusst'.' Er trug also Sorge, dass im
Falle seines heftigeren Drängens ,8olchen Scliriften nachgesehen
und man ihm um so viel mehr mit Grund begegnet wäre'.
Er war übrigens, wie er selbst gestand, froh, so viel er-
reicht zu haben, denn das Verhttngniss wollte es, dass gerade
zu dieser Zeit in Linz ein Losenstein'scher Prädicant den Hof-
predigor der Königin von Polen gröblich insultirt hatte. Auch
tröstete er sich mit dem Gedanken, dass die beiden fraglichen
Punkte zu einer späteren Zeit in günstigem Sinne erledigt
würden und dann Jederzeit ein andere Asseeuration mit Ver-
leihung dieser beiden Artikel gefertigt oder aber destwegen
ein Nebenschein genommen werden mag'. Hatten einerseits die
jüngsten Ausschreitungen der evangelischen Stände und ihrer
Prediger seiner Ansicht nach viel zu dem wenig befriedigenden
Ausgang seiner Unterhjuuliungcn beigetragen, so lag anderseits
die Schuld, wie es Strein den Ständen oifen heraussagte, an
dem Kaiser selbst, der nämlich aus sehr begreiflichen Gründen
die Stände, , indem dass nit abgeschlagen und nit zugelassen
wird, in einer Sorg erhalten wollte';* denn auf diese Weise
erhielt er sich dieselben seinen ferneren Forderungen gefügig
und konnte auch grösseren Uebergriffen bei Anrichtung ihres
Religionswesens einigermassen steuern. Die Religionsassccuration
wurde nun nach den mit den Stünden vereinbarten Correcturen
in das Keine geschrieben, wobei der Sccretär Unverzagt , durch
Uebcrsehung' die drei Worte: ,in denen sie' ausliess. Es hätte
also der Wortlaut eigentlich lauten sollen: ,Da8S wir darauf
' Vgl. oben, 8. 126f. (Punkt 4 der Concession).
' Dioso Wnrto erinuern unwillkürlich an den RaIIi, den Kaiser Maximi-
lian 11. dorn Erxlierzug Carl ertheilte, dius er »ich nämlich den 8teiri-
üchen Ständen gegenüber so verhalten mOgo, daas er nichts abschlage,
aber doch auch nicht« bewillige; vgl. Hopfen, a. a. O., S. 332.
159
I
Jetzüch ermclten beiden Stünden aus vielen hoehbewcgliehcn
Ursachen, sonderlich aber, damit den beschwerlichen jetzt hin
lud wider schwebenden Seelen desto mehr in unsern nieder-
Aterreichischen Landen gewehrt würde, gnildigiich bewilligt, ver-
gOnnt und endlich zugelassen, dass sie . . . sich auf und in allen
ihren Schlössern, Häusern und Gütern, doch ausser unserer
SUdt und Markt, in denen sie fUr sich selbst, ihr Gesind
und ihre Zugehörige, auf dem Lande aber und bei ihren zu-
gehörigen Kirchen zugleich auch ftlr ihre Unterthanen solcher
Confession . . . frei gebrauchen mögen ctc' Obwohl Strcin diesen.
Fehler gleich merkte, so wollte er doch aus dem Grunde keine
Einsprache dagegen erheben, weil nach seiner Meinung diese
drei ausgelassenen Worte an dem Sinne selbst nichts ilnderten.
.Und dann', folgte er hinzu, ,da mens Imperatoris in diesem Fall
sollte disputiert werden, so könnte man Icichtlich aus diesen
Worten erzwingen, dass die Zulassung in Städten sei i\xr unser
Gesind und Zugehörige, dieweil es auf dem Land für die Unter-
ihauen mit ausgedruckten Worten speeificiert wierdot, wie danu
allweg posterior relatio ad priorem sein muss.' '
Die Stände zogen auch thatsächlich unter Rudolf II. dicsoi
Folgerung und behaupteten in ihrer Petition vom 1. Juni 1578
allen Ernstes, es hätten ja die Worte ,auf dem Lande aber
iuch für ihre Unterthanen' gar keinen Sinn, ganz ab«
itoaehen davon, dass die auf ihr Ansuchen erfolgte Correctur des '
iirspriinglichen, in der früheren Assecuration vom 30. Mai 1570
cntlialtcnen Wortlautes (für sich und ihre Unterthanen und
l«i ihren zugehörigen Kirchen auf dem Lande) an und für
«ich beweise, dass nunmehr die Städte und Märkte als in
die Concession einbezogen zu gelten hätten, weil ja sonst die
erste Fassung beibehalten worden wäre. , Sollen sie aber',
erklärten sie, ,was bedeuten, so muss unwiderspreuhiich folgen,
dlM aaf dem Land zugleich auch für die Unterthanen uud in
E. k. M. Stadt und Märkten beide Stände in ihren Iläuseni
für sich selbst, ihr Gesind und Zugehörige des exercitü reli-
gionis befugt seien'.* Aehnlich äusserten sie sich ftlnf Tage
später: ,Dass aber jetztgcmelter von wegen der Stadt und
Markt erklärter Anhang keinen andern als obbegriffncn Ver-
stand haben könnte, das erscheint nit allein aus beiden Altcr-
■ Strein's Relation 1571.
• Cod. fol. 220.
180
Dativen (auf dem Land aber und zugleich), welche sonsten g
meiner Vurnimft zuwider, weil alle andere beider ötUnde in
habende Güter, es seien Schlösser, Städte, Märkte oder Dürfer
ohne das unter denen Worten (auf dem Land etc. und in allen
ihren Schlössern, Häusern und Gutem otc.) begriffen, gar ver-;
gebenlieh stünden ..."
Wenn es auch dem Strein nicht glückte, wesentliche Aeu"
doningen der Assecuration zu Gunsten der Stände zu erwirkenj
so setzte er wenigstens einige ganz unbedeutende Zusätze z
naehdrückücheren Hervorhebung einiger Worte durch. So ka
statt des früheren ,die Lehre und Ceremonicn . . . anstellen';
,8owohl die Lehre als die Ceremonien anstellen und in das Werkii
ziehen mögen'.*
Am 14. Jänner empHng Strein die langersehnte Asseca
rationsurkuudo' zugleich mit einem an ihn adressirten Decre^'
in dem ihm mitgethcilt wurde, dass S. M. dem Ansuchen der
zwei Stände wegen Abfassung einer Lehrnorm (üv die cvau
gelisehen Geistlichen Folge zu geben geneigt sei, doch solli
dieselbe ihrem Erbieten gemäss früher den drei Universitäto;
zu Wittenberg, Rostock und Tübingen zur Begutachtung über
mittclt und dann S. M. zur Entscheidung vorgelegt werden.*
Die Einliündijning der Asseeuration geschah in aller Stille
und dürfte auch längere Zeit geheim gehalten worden sein.*
Strein Uberschicktc beide SchriflstUcke zugleicli mit seiner Rel
tion an die Stände und vergass auch nicht, ihnen einige wo
gemeinte Kathschläge zu ertheilen. Als geeignetsten Ort für die
Fortsetzung des Druckes der Kirchenordnung emiifahi er, da
dieselbe über kaiserliche Anordnung an der mährischen Grenze
1-
I
hiM
' Ebenda, Fol. SS4. Vgl. auch die Bittacbrift, ddo. 2a. Juni; eb
Fol. 276.
• Strein's Kelation 1571; V(,'l. dnzu Otto, «. ». 0., 8. 4-J.
' Abgedruckt uiitor Auderem bui Otto, a. a. O., 8. 4öf. ; vgl. auch S.
Der Codex entbUlt obonfalls eine Copie (Fol, 6).
* Cod. fol. 8 etc.; vgl. Otto, a. n. O., S. 48.
' Am 14. Fulirunr 157*2 tuncUte der Kaiser dem Erzherzog Carl darübe
Mittheilung und bat, Niemaixlein etwas davon merken zu laüsoa. Ui»i1
Sache solle zur Verhütung von Weiterungen ,iu grOsater Enge bleiben';
Tgl. liOaerth, a. a. O., S, 193. Selbst der gut informirte Eder kannte sie
bis sum Jahre 1578 nicht, wie aas seinem Briefwechsel mit lierzog
Albrecht von Uaiern (Münchner Allgemeines Koichsarchiv, Beligiunsacta
Tom. XL, V. a, Fol. 6) hervorgeht
161
stattfinden aollte, das dem Wolf von Lieciitenstein gehörige
Schloss Mcidboi'g, damit ihnen niclit der Bischof oder der
Landeshauptmann ,ein neuen Liirmon' machte, und tlieiitc ihnen
£um Beweise, wie ilire Gegner ,aui' sie und ilir Thun lauern',
im Vertrauen mit, dass gleich nach des Kaisers Ankunft in
Pr-'g der Burggraf Rosenberg diesem die Meklung erstattete,
i]ass die Stände eine Zusammenkunft abgehalten und einen
Ausschuss hieher zur Ueberreichung der Agende abgeordnet
hätten, worauf aber der Kaiser die Bemerkung gemacht hätte:
,Ich kenne meine Paschkaler woi, wann sie was dergleichen
Torhütten, so wollt ich auch darum wissen.' Er rieth ihnen auch.
Alles aufzubieten, dass die Prädieanten in Wien mit Bescheiden-
heit und Mass auftreten möchten, nur dann wäre es noch mög-
lich, ,unangesehen aller Teufelslist, ob Gott will, die Sachen
dahin zu richten', dass er auch den Artikel bezüglich der
Städte durchbrächte.
Zum Schlüsse forderte er sie auf, ihm die Agende, falls
sie bereits reingeschrieben, gefertigt zu übersenden, damit die-
selbe dem Kaiser überreicht und in der llofkanzlei hinterlegt
werden könnte.'
C. Inhalt und Bedeutuii;:; dvr Concesston und Asscciiratiwu.
Weitere Zui;e!4tUndttlsse des Kaisers.
Am Tage der Ausfertigung der Assecuration erging auch
an die Städte und Märkte ein kaiscrliclies Dccrct, worin den-
selben ihr Ansuchen um Zidassung der Augsburger Oonfcssion
mit dem Hinweise auf die wiederholten früheren Entscheidungen
abgeschlagen und die Elrwartung ausgesprochen wurde, sie
würden sich diesen gemäss verhalten und sich gehorsam
enteigen.* Ftir die Beweggründe zu dieser Ausschliessung
Uefem die Rathschläge und Ermahnungen des Kaisers an Erz-
herzog Carl, der sich in einer ganz ähnlichen Situation den
steirischen Ständen gegenüber befand, einen ausftihrlichcn Com-
mentar. ,üenn solle,' schreibt er ihm, ,den Städten und Märkten
gleiches Nachsehen in der Religion geschehen, so hätten E. L.
besorglich nit allein in kurz den Abfall der katholischen Rcli-
» Strein's Relnlion lf>7l.
* Beilage Q de« .Iiistniinentnm'.
ArekW LXXXTII. Bd. I. HUfUi.
U
res
gion, sondern uucli das zu gewarten, dass neben Abnehmung
des schuldigen Gehorsams gegen E. L. die Stildtc und Märkte
nichts anders, denn eine Aufhaltung, Versammlung und Erzie-
lung aller bljsen, verbotncn und verführerischen Secten sein
und ein jeder Bürger und Inwohner in Stildtcn das thun wlirdc
und vielleicht müsse, das von einer Zeit zur andern ein Bürger-
meister oder Vorgeher der Stadt entweder schaffen oder mit
Fleiss oder aber durch Nachlilssigkeit nachsehen, verstatten
und zugeben würde.* Die Folge davon würde sein, dass sie
, schier alle Jahr einen neuen Glauben und Seelsorger haben
und annehmen müssen'.' Die Stände nahmen sich auch, wie es
der Kaiser erwartet hatte, des vierten Standes weiter nicht
mehr an,' und so war der Kaiser einer grossen Sorge enthoben:
die Assecuration l)lieb wenigstens auf einen verhilltnissmälssig
kleinen Tiieil des Landes bescliritnkt, wenn er schon sonst nichts
mehr dagegen machen konnte. Befreundet hat er sich wohl
nie mit ihr, aber der Gedanke mochte ihn trösten, dass sie eben
nur ein Provisorium und im Grunde genommen noch ein ganz
glimpflielier Ausweg war; denn er hatte den zwei Ständen,
wie er das mit gutem Gewissen behaupten konnte,' bei Weitem
nicht 80 viel eingerilumt, als manche — vor Allen sie selbst —
glaubten, und sich kluger Weise noch einige Zugeständnisse
ziirUckbelialten.
Vorderhand — und diesen Zweck hatte er erreicht —
waren die Stünde, wenigstens die Mehrheit, zufriedengestellt.
Denn einige, wie z. B. Carl von Zelking, scheinen heftige Op-
position gemacht zu haben. Das ist auch der eigentliche Grund,
weshalb der vom Kaiser in der Assecuration verlangte Revers
noch am 16. September 1572 nicht gefertigt und dem Kaiser
übergeben worden war. Die Fertigung desselben wäre gewiss
auch damals nicht in der Sitzung beschlossen worden, hätten
sie nicht zur Erlangung einer offenen Kirche in Wien, um die
sie anhalten wollten, die Fürsprache Strein's benöthigt, der ihnen
dieselbe aber aus dem Grunde abschlug, weil er durch die bis-
herige Vorenthaltung des versprochenen Reverses vor dem
' ddo. Wien, den 3. JKiiner 1572; ygl. Hopfen, a. «. O., S. 369.
* Znni Untcnichiedo von den steiriavhen Ständen, die sich wenigsten« im
Anfange »ehr unergiscli für die Stfidte eiuHetzten; Tgl. Loxortb, a. a. O.,
S. 180 f.
* «. B. zum Bischof Urban von Paasan; vgl. Tlopfen, a. a. O., S. 162 u. 154.
163
Kaiser, der darob ,Missfallen trage', als ein ,unwahrhafter llunn'
dastünde. ' Der letze Versuch, den der Landinarschall machte,
am der Assecaration den gewünschten Sinn zu gt'ben, indem er
im Texte des von Strein verrassten Reverses nach den Worten:
,doch ausser unserer SUldt und Märkte' den Zusatz maclite:
fdarin wir nicht Iläuser halien', missglUckte, denn or wurde
vom Kaiser gestrichen.* Indessen ob die Stände zufrieden waren
oder nicht: sie kümmerten sich sehr wenig um den Inhalt der
Assecuration und legten die Worte derselben, dass sie sich der
Confession ,frei gebrauchen' könnten, so frei als nur möglich
aus, während der Kaiser, wie ihnen dies Strein später erklärte,
damit nur ,ohne Scheuch, Sorg, Gefahr und Hinderung' gemeint,
nicht aber, wie die Stände dachten und auch darnach vorgingen,
mit diesen Worten die schrankenlose Ausübung, wie z. ß. den
Zugang fremden, nicht zu ihnen gehörenden Volkes zu ihren
gottesdienstlichen Handlungen gestattet hatte.^ Welche Rechte
ihnen eigentlich die Religions-Concession und Assecuration ge-
währten, lernten die Meisten erst unter Kaiser Rudolf II., der
sich streng an den Wortlaut derselben hielt, kennen. In den
Städten und Märkten Hessen sie ganz ungescheut den evangeli-
schen Gottesdienst ausüben, an welchem sich auch BUrger und
N.-O. LundeMrchiT, Concept, B. 3. 24. Das von Otto (a. n. O., S. 47) an-
gegebene Datnm vom 4. Februar 1672 kann daher iinmi)|;Iicli der Wirk-
lichkeit entsprechen. Wenn er das Concept, daji er mich citirt hat (a. a. O.,
ä. 61) angesehen hStto, ao wäre er auf diesen Wider.ipnich gekouimen.
Wie das genannte Datum in diese Cnpie, die sonst alle ohne eingesetzte
Daten sind, hineingekommen, ist eine andere Frage. Sicher ist eines, dass
aoch nach dem 16. September 1672, an welchem Tage die Fertigung des
Beyersea betrieben wurde, noch eine geraume Zeit verstrichen sein muss,
bis derselbe dem Kaiser überreicht werden konnte; es Kndct sich nitm-
licb in den Acten des Landesarchivs (U. 3. 24) folgender Vermerk; ,Die
Fertiger des Kitteratand, so den Revers hent, den 22. Tag Febmarii a.
73 entzeschreiben : Herr Sigmund Niclas von Aursporg, Wolf Wilh. von
Althan, Serv. von Neydegg, Leonh. Neuhoffer, Christof von Kundt«perg,
Wolfh. PemestorfTer.' Sie scheint aber Oberhaupt gar nicht zu Stande
gekommen zu sein.
Das Originalconcept von Strein befindet sich im .Siimmarium' al."i Bei-
lage 4; daselbst auch zwei Copien des von dem LandmarHcliall geänderten
Beversea. Die Streicliniig dieses Zusatzes erwKhnt auch der Erzhonsog
Matthias in seinem Gutachten an Kaiser Rudolf 11. vom Jahre 1604; vgl.
darüber Otto, a. a. O., S. 47.
' Strein'* Bericht 1586.
11»
1R4
Handwerker betlieiligten.' Da Maximilian II. ein miWer und
gnädiger Herr war, kümmerten sie sich auch nicht viel um seine
Verordnungen und Hessen sich allerlei Ueberschreitungen der
Assecuration zu Schulden kommen, gewiss nicht zu ihrem Vor-
theilo. Denn darüber kann kein Zweifel hen'schcn — und das
gab ihnen auch Strcin zu verstehen — , dass ihnen der Kaiser
sicherlich noch grössere Zugeständnisse, mindestens dieselben, die
Erzherzog Carl den steirischen SUlnden ertheilt hatte, gemacht
hätte, wenn sie sich nur halbwegs in den rechtlichen Grenzen
bewegt und seine Erlilssc etwas besser berücksichtigt hätten.
Der Kaiser hatte den Ständen wiederholt aufgetragen,
keine Prsldicanten in den Städten, vor Allem nicht in Wien zu
halten und sich keine Feindseligkeiten gegen die Katholiken
zu erlauben. In dem bereits erwähnten, vor seiner Abreise von
Wien ausgefertigten Decrete vom 2G. Juli 15G9 hatte er sie
besonders eindringlich ersucht, sie möchten sich ,aller verbotnen
Secten und ärgerlichen Neuerungen enthalten, auch keine un-
bekannte streichende Scctarios und Schwärmer aufhalten noch
befVmlcrn und insonderheit in dieser k. M. Hauptstadt Wien
keine Prädicanten an keinem Orte aufstellen, sich auch sonst
gegen allen und jeden geistlichen und weltlichen Landständen,
Nachbarn und miliiuiglich sowohl in Religion als andern zeit-
lichen Sachen gana friedlich, freuiullich und nachbarlich be-
weisen, niemand freventlich verdammen, lästern noch schmähen,
sondern einander in christlicher Geduld und Lieb vertragen
und sich allenthalben bescheidenlich, christlich und gcbürlich
halten und erzeigen',* oder kürzer gesagt, sie niöcblcn die Con-
ccssion nicht Ubei-schreiten. Wie unangenehm und peinlich
musste CS ihn aber berühren, als unmittelbar nach seiner Ab-
reise aus Wien von allen Seiten Beschwerden über das Ver-
halten der evangelisdien Prädicanten einliefen. In äusserst un-
gnädigen Worten hielt er ihnen daher in dem Decret ddo. Prag,
den 28. Jänner 1570 vor: ,wie alsbald von unscrm nächsten
' Die gtoiriüclio Landselmft berief nicli .nurli in ihrer Landtagsscbrift vom
10. DcuoD)ber 1572, in der sie gegen die Ansscblios!<nng ihrer Städte
nnd Märkte von der freien Religionsttbung proteatirteo, nuf Oesterreich
ob und nnter der Enns, wo in den 8tltdton die evangelische Keliglon
,ohn(4 irgend eine Verhindening gnnx frei und ofleii im Schwung nud
«ttter Übung sei'; vgl. Loserlh, a. a. O., S. 184.
* Sieht) oben, 8«ite 146, Anm. 3.
165
Verrücken von Wien ein Prttdicant udcr rfanlierr in der
Kirchen ad 8aIvatorein daselbst aufgcstandeu, wcIcLcr sich
sonder Zweifels mit eurem Vorwissen und Zuf^cben nit allein
öffentlich zu predigen unterstanden und in solchen seinen Pre-
digten des hochverbotnen, unpriestcrlit-hcn und ärgerlichen Ca-
lumniem, Schmilhen und Lüstern neben Oebrauchung mannig-
faltiger, ungewöhnlicher Neuerungen ungeschickt und scctisch
beflissen, sonderlich auch zu Anstiftung, Unruhe und Untreue
mehr sectische Priester nach seiner Confossion, Art und Eigen-
schaft an sich zu ziehen, und ibm dadurcti bereits von denen
gemeinen Stadt- und Handwerksleuten einen solclien Ooncurs
und Zulauf gemacht, dass derselb nach Gelegenheit dies Orts
bald einen grossen Schaden und Nachteil bringen und verur-
sachen kann, inmassen man bei der Domkanzol St. Stefan wol
yerspüret, wasmassen das christliche Volk von dannen abge-
sperrt und gezogen werde, sintemalen die sonn- und feiertäg-
lichen Predigten bei weitem nicht mclir in solcher Anzahl und
Menge als hiovor besucht werden'. Er wisse zwar nicht, ob
dieser Prttdicant vor seiner Abreise schon daselbst gepredigt
habe, oder ob es ein anderer sei; wenigstens habe er frllher
von ihm nichts gehört, es mlisstc nur sein, ,dass er vielleicht
jetzo auf unser Abwesen sich eines mehreren untei'stchet und
vormesse, als er in unser persönlichen Gegenwart thun dürfen'.
Es sei aber wie es wolle, ,80 muss es ein fast büser und unar-
tiger, freventlicher Mensch sein, dass er sich dergleichen auf den
Trost unsers jetzigen Abwesen ohne allen Scheuch unserer
kinterlasseucn nächstnachgesetzten Obrigkeit . . . unterstehet'.
Er habe von den Ständen nicht erwartet, dass sie in seiner
Gegenwart, viel weniger in seiner Abwesenheit , dergleichen
Prädicanteu auf Pfarren in unser Stadt Wien fürdcrn, noch
ihm diesem Calumniatoren sein Schmiihen, unverschämt Lästern,
gebrauchende neue und ander Ritus, Ceremonien, dass er auch
annoch ander mehr dergleichen Gesellen zuziehe, und ilime
dadurch von den gemeinen Leuten und armen, unvcrstiindiiien
Volk, das sich dann allweg zu solchen VcHVdirern Icichtlicher
als KU denen, davon sie Nutz und Frucht bekommen, zu Ver-
achtung und Schmälerung der Domkanzel einen nachteihgeu
Zulauf machen thut, gutheissen, nachsehen und gestatten'
würden, da sie sich doch der wiederholten, kürzlich an sie
gerichteten Ermahnungen zu erinnern wüsstcn. Er zwcitlc
166
nicht, dass den Ständen das Treiben dieses Präldicanten unver-
borgen gewesen sei, weshalb es sich schon längst, ohne es erst
auf diesen Befehl ankommen zu lassen, gebührt hiitte, diesen
,8cctischen' Prediger ,sauimt seinen Consorten' der Seelsorge zu
entheben und ihn derart zu strafen, , damit er dergleichen fort-
hin zu thun und seinen unartigen, höchstschädlichen Samen aus-
zustreuen gar nicht Ursache gehabt hätte*, und zwar umsomehr,
da sie wüssten uud darauf zu sehen verpflichtet seien, ,was
etwa dergleichen unter dem gemeinen Volk und Handwerks-
gesind flir Nachteil zu entspringen pflegt uud wie bald der
Gehorsam gegen die Obrigkeit von solchen Schreiern und
Lästerern geschwächt wird und sonderlich weil wir dergleichen
bisher bevorab in der Nahcnt um Wien nicht gelitten, dass
wir viel weniger dasselbe gutlieissen oder gestatten werden*.
Sein Befehl gehe also dabin, unverzüglich nach Empfang dieses
Decretcs den Pfarrer seiner Stelle zu entsetzen und ihm nicht
vielleicht eine andere Seelsorge zu verschaflfen, widrigenfalls er
genöthigt wäre, selbst einzuschreiten; desgleichen hätten sie
ausftihrlich zu berichten, , woher solcher Prädicant bürtig und
kommen, in was Officio davor gewesen, was er auch für Testi-
monia seiner Studien, Lehr, Leben und Wandt habe, wer ihn
also zu dieser Pfarre befürdert und aus wes Schutz und Ver-
theidigimg er bisher sich so ungeschickt und unleidenlich ge-
halten . . .'. Ausserdem lege er ihnen ernstlich auf, ,wo bei den
andern Pfarrern ihrer Lehenschafl, es wäre nun im Bürger-
spital zu St. Marx oder anderer Orten in- uud ausserhalb der
Stadt, ebenmässige Calumniatores und zum predigen untaugliche
und unbescheidene sectische Personen wären', dieselben alsbald
abzuschaffen und ihre Stellen ,mit ehrbaren, gelehrten, beschei-
denen, gottosfurchtigcn und katlmtischen Priestern' zu versehen,
die von jeder ,Neuerung in Lehr und Kirchen, Ceremonicn
frei sein, sich eines priesterlichen Thuns befleissen, ruhige und
friedliebende GemUther haben, den Gehorsam gegen Gott und
der Obrigkeit pflanzen und wol zuvor ihre Formata und Testi-
monia zur Nothdurft und völligen Genügen fürlegen'.*
Zwei Jahre später sah sich Kaiser Maximilian neuerlich
zu einem Einschreiten genöthigt, und zwar richtete es sich dies-
' BeÜAgfo qq des ,In8truiuuiituin'. Diusu AbscUaffung erwäliuuu auch du
^SummariuiQ*, uud der ,SiiuimarücUe Begrifl*.
167
mal gegen Geyer, den Besitzer der Herrschaft Ilernttls, dessen
Prediger einen grossen Zulauf fremden Volkes aus allen benach-
barten Orten, namentlich aus der Stadt Wien verursachte.' Es
verdient diese Massregel umsomehr hervorgehoben zu werden,
als sich die Stände Kaiser Rudolf U. gegenüber, der den Aus-
lauf von Bürgern und Handwerkern nach Inzersdorf, Vösen-
dorf und anderen Orten, wo der evangelische Gottesdienst
versehen wurde, untersagte und die zuwiderhandehidcn Prädi-
canten vor die Hofkanzlei vorladen Hess, stürmisch und lieflig
darüber beschwerten, gegen die Vorladung ihrer Prediger pro-
lestirten und sich auf die Conecssion bcriefeu, die ihnen auf ihren
Landgütern den freien und uneingeschriluktun Gebraucli ihrer
Religion gestatte. Wir sehen nun, dass Rudolf U., dessen Mass-
nahmen die evangelischeu Stände in so grossen Aufruhr ver-
setzten, im Anfange seiner Regierung nichts Anderes that, als
dass er sich streng auf den Boden der RcÜgioiisconcfssion stellte
und sich dabei stets, wie er das auch that, und die Berichte
der Hofkanzlei beweisen, auf die von Kaiser Maximilian ausge-
gangenen Decrete beziehen konnte.
Am 13. Jänner 1572 wurde Geyer saramt seinem Pfarr-
provisor vor den Obersthofmeister und den Vicekanzlcr citirt
und ihnen sodann vorgehalten: ,1. wie I. k. M. gewissen Bericht
habe, dass sein Provisor sich im Predigen aller Unbeschciden-
heit gebrauche; 2. die Obrigkeit, den Papst und alle Gläubigen
lästere und schmähliclie Lieder singe; 3. die Bürger von Wien
uud anderer Pfarren Untcrthanen zu sich hinausziehe; 4. gar
herein in die Stadt greife und die Sacramente administrire.
Da» könnten L k. M. nit leiden, bevor dies Orts am Ilofzaun,
und hätten L k. M. sich zu dem Geyer eines solchen nit ver-
sehen, weil sie wissen, was ihnen I. M. hievor befohlen. Solle
es demnach abstellen, denn wo es nit geschehe, wollen I. k. M.
sie beide ernstlich und nach Ungnaden sti-afen.* Geyer recht-
fertigte sich dahin, dass er davon keine Kcnutnisa gehabt habe,
und erbot sich, diese Uebergriffc abzustellen. Auch der Prädi-
ciint entschuldigte sich, dass die Ertheilung der Communion in
' E> ict gewim iiiteressniit zu vernehmeu, dass in der Steiermark die Ro-
güsmugarfttlje des Erzherzog!« Carl selbst es waren, welche die Stände
•of dieteu Auslauf als bestes Auskunl'tsmittul aufmerksam machten;
l^serlh, a. a. O., 8. iiti.
168
der Stadt mir auf etlicher Leute ausdrückliches Begehren erfolgt
sei, und versprach, sich derselben künftig zu enthalten.'
Das scheint aber nicht sehr gut eingehalten worden zu
sein, denn am 25. November d. J. erging abermals ein Decret
an den Oeyer, er solle seinem Prediger gebieten, ,8ich des
Schmähen, item Eingreifung andern Pfarren in ihr JurisdiL-tion,
Hinausziehung der Stadtleute und dergleichen zu enthalten; denn
da CS nit beschehen, wollten I. M. gegen den Herrn und
Pfarrer mit Straf verfahren. Denn den Landicuten die Bewilli-
gung allein auf ihren Häusern und ihren Leuten und gar nit
auf fremde Personen beschehen sei, auch das SchmJlhen ex-
prosso verboten'.* Noch im letzten Jahre seiner Regierung am
30. Mai 157G sah sich der Kaiser veranlasst, die Geyer in
Hernais anzuweisen, ihrem Prädicanten alle gottesdienstlichen
Handlungen in der Stadt strenge zu verbieten.'
Der Kaiser hätte übrigens ohne jeden Zweifel die Aus-
übung des evangelischen Oottesdienstes in den Stadthäusern
der Adeligen für sie selbst und ihr Gesinde stillschweigend
gediddct, wenn es dabei geblieben wäre. Als er aber bald
nach der Ertheilung der Assecuration wieder in Wien residirte,*
bemerkte er zu seinem höchsten Unwillen, dass ,die Predigten
in etlicher Landleute Häuser nit allein von ihnen, den Land-
leutun und den ihrigen, sondern auch von der Biirgcrschaft
und gemeinem Mann besucht werden'. Er gab daher dem Strein
den Auftrag, sofort durch den Landmarschali die EinsteUung
der Hauspredigten verfügen zu lassen, da diese ,zuwider der
Assccuration' geschähen. Der Landmarschall entschuldigte sieh
alsbald bei dem Kaiser und erklärte, ,es stUnde bei 1. M., die
Einstellung der Predigten zu verordnen, werde aber über die
erfolgte Assccuration mit grosser Betrübniss beider Stände er-
folgen. Da aber L M. je des Zulaufens und der Predigten in
so viel Häusern Bedenken tragen, so könnte der Saal im Land-
haus dazu fürgenommen und entgegen die Hauspredigten aller-
dings eingestellt werden. Es würde auch der Zulauf so weit
eingestellt, dieweil im Saal nit so viel Leut Platz hätten als in
' Staatsarcbir, Oesterr. Acteu, Fase. 7, Concept.
' Staatsarchiv, Oesterr. Acten, Fase. 7, Coneept.
* Eboucia, Abschrift.
* ADgekommen am 10. Juli 1671; Tgl. Venetianiscbe Dopescbou lU, S. öl2.
Anm. 3.
169
iligte
vier iläusem/ allda jetzt gepredigt wird, uud alles an diesem
Ort mit besser Ordnung zugehen'.
Darauf cntschloss sich der Kaiser, ,dass die andern Pre-
,en in Häusern abgestellt und allein in des Herrn Laiid-
ichallen Haus gepredigt werden soll, dahin die Laudleut
sämmt ihrem Weib und Gesind ersehcincn möchten, uud dass
dabei der Zulauf und alle Unordnung verhütet werde', und
schrieb dem Strein mit eigener Hand auf einen Zettel, der
neben zwei anderen im Folgenden erwähnten* unter Kudolf II.
eine nicht unbedeutende Kolle spielt:
,LJeber Strein. Ihr wollet darob sein, bei dem Landmar-
Bchall, damit er die Sachen des Predigen dermassen anrieht,
damit sieh nit was ungleichs zutrag, des dann leichtlieb bo-
SL'helien mOeht, und ich weiss, dass mir der ehrlich Mann nit
gönnen wlirde, dann sieh daraus allerlei zutragen mücht, des
auch ihm viel weniger gönnen wollt, denn Ihr wisst, wie treu-
lich und cinHiltig ichs mit einer ehrsamen Landschaft und iu-
Mnderheit mit dem Landmarschall vermein.'"
Als aber trotzdem der kaiserliche Kath Oswald von Eitzing
in seinem Hause predigen hess, verbot ihm dieses der Kaiser.
Es dauerte auch nicht lange, so hatte der Zulauf in das Haus
des Landmarschalls derart zugenommen, ausserdem sieh dessen
Prädieant , etwas unbescheiden' verhalten, so dass sich der
Kaiser im JuU 1573 veranlasst sah, Ötrein doshalb nach Wien
zu erfordern ,und sich über den Zulauf, sowohl des Prlldieanten
Unbeschcidcnhcit und eines vvällischcn Doctors halber, so die
Stände aufgenommen haben sollen, bcschwei-t und deren jedes
abzustellen begehrt'. Darauf erbot sieh der Laudmarsehall fUr
sich und die übrigen Deputirteu, den wiüschen Doctor zu
entlassen, den Prädicanten, über den üim übrigens nichts
* Gemeint sind damit ohue Zweifel oebitt dem Hauao des Landmaracballs
die UStuer der Herren vuii Hofkirclien, Eitzing und Enxorsdorf, welche
auch im ,Sammariiim' namentlich angeführt werden. Otto (n. a. O., S. 40)
erwShnl noch mehr, wie Salm, Polheim, Auentperg und Liechtenstein.
Siehe nnten, S. 17'J und 175.
Abschrift im Stoataarchiv a. a. O. uud n.-U. Landosarcbiv, B. 3. 27. Die Ein-
rSumang de« Landmnrsch.iU'üchnn Hnusas erwähnt auch ein Schreiben de«
Heno^ Albreoht von Uaieni, ddo. 24. Juli 1577; vgl. Ritter, Deutsche
Oeechichte II, S. 89, der dieiio Nachricht aber, weil er offenbar nur um
die Bewilligung des Landhaussanles wusste, als , ungenau' bezeichnet.
170
Ungebührliches zu Ohren gekommen »ei, auf seine Herrschaft
Frauendorf zu transferircn und statt dessen einen andern zu
bestellen, und zwar auf Grund gewisser Artikel, die Strein vor-
schlug und der Kaiser dann genehmigte.
,Den Zulauf aber,' erklilrte der Landmarschall, ,könne er
ftlr seine Person nit abstellen, allein, dass er etlichen furnehmen
Bürgern, so die Predigt besuchen, I. M. Meinung wollte an-
zeigen. WoUten aber I. M. solches dem Stadtrath zu thun be-
fehlen, das stünde bei I. M. gnädigstem Gefallen. Er hielt auch
das Haus gesperrt, bis man gleich wollte zu predigen anfuhen;
bald das Haus eröffnet würde, so sei der Sachen und dem
Gedräng ungewehrt. I. M. möchten derwegen selbst Erkundi-
gung einziehen lassen. Damit aber diese Ungclegenheit in
Häusern verhütet werde, hielt er dafür, dass diesem entweder
mit einer offenen Kirchen oder dem Saal im Landhaus
geholfen werden möcht'. Der Kaiser nahm ihr Anerbieten bezüg-
lich der Entfernung der beiden Prädicanten an und erklilrte,
die Einräumung einer ,offenen' Kirche oder des Landhaussaalea
in Bedacht zu ziehen. Mittlerweile aber sollte der Zulauf abge-
stellt werden. Zugleich erbot er sich. Alles, was in Rcligions-
aachcn vorfiele, künftig immer durch Strcin mit dem Landuiar-
sehall und den anderen Deputirten verhandeln lassen zu wollen,
welchen Vorgang sie auch ihrerseits einzuhalten hätten. Sehr
bald darauf schritten die Stände bei dem Kaiser abermals um
die Bewiüigung des Landhaussaalea ein, wurden aber abge-
wiesen.'
Die evangelischen Stände hatten seit dem Jahre 1566^
wiederholt eine eigene öffentliche Kirche verlangt. Im Land-
tage des Jahres 1574 fassten sie nun den Beschluss, durch ihre
Religionsdeputirten bei dem Kaiser neuerdings ,mit Fleiss und
Ernst' um die Genehmigung zur Einrichtung einer solchen,
sowie zur Bildung eines Consistoriums anzuhalten. In einer aus-
ftihrlichen Bittschrift fassten sie alle Beweggründe zusammen.
Nur wenn ihnen dieses zugestanden wäre, würden alle Unord-
nungen in ihrem Reh'gionswesen, über welche sich ihre Gegner
so häufig beschwerten, aufhören. Es sei nicht nothwendig, ,da88
ein jedweder Landmann einen sondern Prädicanten, einer dorten,
' Streiii's Relation 1678.
• Vgl. Otto, a. a. O., 8. 16.
171
der SDdere da habe. Wo auch an einem oder dem andern Ort
etwas UDgleichs sich begäbe, kann dasselb durch Kath und
Zolaasung desselben ordcnlicJien Consistorii emcndicrt und jje-
besscrt, endlich auch eine solche Discipliu allenthalben f;ehalteu
werden, darob männiglich ohne Beschwerde sein und dessen
E. M. noch jemand bei andern einige Nachrede haben kann'.
Der Kaiser möge beherzigen, was es für ein unf,'evvühnliehe3
Ansehen habe, wenn man ihnen wohl die Ausllbung der evan-
gelischen Religion, nicht aber einen Ort dazu bewilh'gte, ,denn:
quo mihi Fortuna, si non conceditur utiV* Wenn sie auch, wie
man Tielleicht einwenden werde, auf dem Lande in ihren
Schlössern und Häusern den Gottesdienst versehen künnten,
seien das doch nui- ,Privatörter', aber keine Kirchen, und sie
sowohl als ihre Prediger müssten sich die Spottnamen ,Winkel-
cbristen', ,Wlnkelprädicanten*, ,Gartenbnider' u. dgl. gefallen
lassen. Dazu kilme, dass viele Landleute, welche in kaiserlichen
Diensten stünden und mit ihren Familien ständig in Wien zu
wohnen bemüssigt seien, des Gottesdienstes gänzlich verlustig
gehen müssten, wenn sie nicht die nöthigen Mittel zur Erhaltung
eines eigenen Hausprftdicanten in Wien besässen. Was aber
fUr Unordnung daraus entstünde, wenn ein jeder in Wien
lebende Landmann einen eigenen Prädicantcn halte, da doch
schon die wenigen jetzt so viel zu schaffen machten, sei leicht
abzusehen.' All der Hader und Zwist, welcher in ihrer Kirche
herrsche, alle Ausschreitungen und Uebergriffe, welche sich
Einzelne zu Schulden kommen Hessen, würden in dem Augen-
blick aufhören, da ihnen ein Consistorium, das dieselben strafe,
and eine öffentliche Kirche, nach der sich alle anderen Prediger
auf dem Lande richten könnten, eingeräumt sei, und sich nicht
mehr wie früher ein jeder nach seinem Gefallen flir einen .Bischof
and Herrn in seiner Kirche* halte. Wenn die Juden, ,dic doch
öffentliche Feinde Christi und der heiligen Jungfrauen Maria
seiner Mutter sein', hier in Wien ihre Synagogen hätten, warum
wollte man gerade ihnen, die sie , Christum für einen einigen
Heiland erkennen, glauben und rühmen, die heilige Jungfrau
Gebür ehren' und auch ,au8 Grund göttlicher Schriften
' Die St&nde scheuteu sieb, wie man hier sieht, gnr nickt, iu einer offi-
eiellen Bittschrift den Haasgottesdienst in der ätnilt, der ihnen doch aiis-
drflcklich Toronthalton war, als eine feststehende Tliatnache hinzustellen
172
noch zur Zeit nit widerlegt' seien, eine eigene Kirche ver-
weigern. In der ganzen Welt dulde man die Kirchen der
Ändoi*sgläiibigen, sogar bei den Türken könnten die Christen
öficntlich ihren Ueligiousdienst verrichten.' Diese SuppHcation
schickten die Deputirten am 27. Juli 1574 mit der Bitte an
Strein nach Prag, er möge dieselbe durchsehen und ihnen sein
Gutachten und seinen Kath, wie sie dieselbe am besten über-
reichen könnten, zukommen lassen.* Strein bezeichnete sie als
sehr gut, sandte sie aber am 24. August, weil er ,de modo
praesentandi' noch einige Bedenken hUtte, zurück, indem er sie
aui" seine Rückkehr vertröstete. Maximilian werde, versicherte
er sie, ihren Wünschen so entgegenkommen, dass sie zufrieden
sein sollen.'
Im folgenden Jahre nun, während der Kaiser in Prag
Hof hielt, übersandten die Deputirten die SuppHcation dem
Strein mit dem Auftrage, er möchte, wenn die Kirche nicht
durchzusetzen sei, nochmals um die Bewilligung des Landhaus-
saales einschreiten. Als sich die kaiserliche Resolution darauf
hinauszog, fertigten die Stände eine Gesandtschaft, bestehend
aus dem Landmarschall, Niclas Grafen Salm, Hans Stockhomer
und Maximilian von Mamming nach Prag ab, die neben einigen
politischen Angelegenheiten auch die Bitte um die Kirche, , da-
mit alle Unordnung, so bei den Häusern fürgcloffen, abbestellt
werden', vorbrachte. Der Kaiser gab aber ihrem Ansuchen
keine Folge und Hess dem Strein folgende eigenhändige Zu-
sclirift zustellen:
, Lieber Strein. Ihr werdet Euch wohl wissen zu erinnern,
was wir gestern mit einander geredet haben. Nun befind ich
in der Wahrheit, dass es jetzt nit allein nit de tempore, sonder
würde sich gar nit thun lassen. Derweil es dann an dem, so
wäre das beste, dass man es dieser Zeit also verbleiben liesse,
denn Gott weiss, dass ichs nit änderst als gut und vons besten
wegen vermein. Maximilian etc.'*
Auf diese Abweisung hin begehrton die Gesandten im
Sinne ihrer Instruction durch Strein den Landhaussaal, den der
* Undmtirt. Cod. Fol. 87.
» Ebend», Fol. 86'.
<■ Ebenda, Fol. 92.
* Eh Ut der zweite Zettel (»iolio obeu, S. 169); «bscbriftlicb im d.-B. Landes-
arcbiv, B. 3. 26, nnd im titaabiarchiv «. a. O.
I
173
Kiiser endlich am Tage vor seiner Abreise nach Regensburg'
jlltB conditione et istis verbis' bewilligte: ,8trcin, Ihr mögt den
Gesandten anzeigen, der Predigt Iialber im Landhaus soll es
oit Noth haben, doch dass entgegen ihrem Erbieten nach alle
andern Predigten in Httusem abgestellt werden, und dass mit
Transferierung der Predigt aus des Herrn Landmarschalien Haus
in das Landhaus verzogen werde, bis ich wieder in das Land
komm.' Die Gesandten, durch Strein von dieser kaiserlichen
Entschliessung verstandigt, waren damit ziifrieden und drückten
durch diesen ihren Dank aus. Die Stunde warteten aber die
Rückkehr des Kaisers nach Wien* nicht ab, sondern nahmen
iobon einige Tage früher die Uebersiedlung in den Landhaus-
saal vor. Der Kaiser, unwillig darliber, beschied am 2. December
Strein durch zwei eigenhändig geschriebene Briefe nach Wien
und beklagte sich darüber, dass der Landmarschalt ohne sein
Vorwissen bereits die Predigt im Landhause angestellt hätte,
dessen er sich keineswegs versehen. Er möge daher diesem
anzeigen, dass er den Landhausgottesdienst alsbald wicdenim
abstelle. Strein entschuldigte die Stünde damit, dass sie ohne
Zweifel die Worte des Kaisers in dem Sinne aufgefasst haben
werden, als genügte die Ankunft des Kaisers in das Land über-
haupt Doch ]\Iaximihan bestand auf seinem Befehl, folgte indess
hinzu, ,man könne hernach wol weitere Wege finden'. Der
Landmarschall Hess nun zu seiner Rechtfertigung dem Kaiser
vermelden, dass er und seine Amtsgenossen keineswegs ihn
vorsUtzlicli übergehen wollten, sondern dass sie, wie dies auch
Strein angegeben hatte, die Prager Resolution falsch ausgelegt
h&tten, und bat, sie bei dem einmal gemachten Zugestilndniss
zu belassen, indem er zu bedenken gab, ,mit was Scandalo und
Befremdnng die Abstellung beschehen würde'. Schliesslich liess
sich auch der Kaiser erweichen und erklitrte sich zu Strein :
,Sie hätten gleich Ursach, dieweil man I. M. also übergangen
hält, bei Ihrer Meinung zu verhaiTen, Sie wollen es aber den
Stünden zu Gnaden dabei verbleiben lassen und zusehen, wie
man sich dabei verhalten und ob man die andern Predigten
abstellen werde, doch soll man auch den Zulauf abstellen und
' FMolgte am 86. September 1676; vgl. Venetianische Depeschen lU, S. 0C8,
Anm. 2.
* Er reiste am 4. November von Regensbiirg' nb und kam um die Mitte
d. Munats nach Wien; vgl. VenetianiHvhe Depeschen III, 8. 672, Anm. 2.
174
sehen, damit keine Unordnung fürfielc und erfolge'. Diese Ent-
schliessung tlieiltc Strein dem Landmarsuhall mit, der sich dar-
auf erbot, der kaiserlichen Forderung nachzukommen, mit
Ausnahme ,de8 Ziüaufes'. ,üas stünde,' erklärte dieser, ,in
Beiner Macht nit, jemand den Zugang zu verwehren. Da aber
I. M. das thuu wollten, dabei hält er I. M. nit Mass zu geben.
Sonst wollte er wol darob sein, dass sich einiger Unordnung
nit zu besorgen sein soll. Der Ilauspredigt, hätte er kein Zweifel,
wOnle jeder gehorsamlich nachkommen, derwegen er auch Ver-
ordnung thun wollt, allein hätte Herr Wilhelm von Hofkirchen
derzeit eine. Achtet es unterthänigst dafür, dieweil er I. M. fUr-
nehmer Diener, dass ihm solches I. M. selbst gnildig auflegen
Hessen.' Der Kaiser nahm des Landmarschalls Erklärung an
und verlangte nochmals des Zulaufs wegen, ,dass derselb und
alle Unordnung soviel möglich verhütet werde'.
Erst später, als er Wien eben verlassen hatte, erinnerte
sich Strein, dass ihn der Landniarscliall ersucht hatte, bei dem
Freiherm von Hofkirchen auf die Einstellung seiner Haus-
predigten zu dringen, erstattete daher von Tulbing aus dem
Kaiser darüber Bericht und schrieb überdies selbst dem Frei-
herrn in dieser Angelegenheit. Darauf erhielt Strein vom Kaiser
ein eigenhändiges Schreiben, worin er neuerlich an die Bewil-
ligung des Landhaussaales die Bedingung knüpfte, dass alle
anderen Predigten abgeschafft werden sollten.' Dem Hof kirchen
wurde diese ausdrücklich vom Kaiser untersagt, und als er da-
gegen Vorstellungen erhob, iiess ihm jener am 29. Mai 157(3
anzeigen: ,Das8 I. K. k. M. ihm sein Hausprädicanten allhie in
der Stadt Wien öffentlich zu predigen und die Seetsorg zu
treiben abgeschafft, das sei von I. k. M. aus keinen Ungnaden
gegen seiner Person gemeint, sondern dieweil dassolb aus-
drückhch wider I. k. M. denen zweien Ständen gethane Bewil-
ligung ist, so könnten I. R. k. M. solche Neuernng weder ihm
noch einigen I. M. Kath oder Landmann zu einem gemeinen
Eingang nit gestatten, inmassen dann I. k. M. dasselb anderer
Orten allliie auch abgeschafft haben. Daran er also zufrieden
und mit dem, was die zwen Stilnd ingomein haben, benügt
' Dieses Schreibon, dan in Btrein's Bericht alx BeiU^ Nr. 3 angeführt ist,
scheint leider nicht erhalten zn Rein. Er wird aach von den StSnden und
dem Kaiser RudnlT II. nicht erwiihnt.
175
sein wird. Seind ihm aber sonsten mit Gnaden gewogen."
Nach einiger Zeit beschwerte sich Maximilian von ßegensburg''
aus an Strein, der damals in Wien weilte, ,dass aus dem Land-
haas ein Kirchen gemacht sein soll, nit allein mit Stiililen,
sondern auch Altar und andern Sachen'.' Strein nahm alsbald
einen Localaugenschein vor und berichtete sodann an den
Kaiser, ,dass kein Altar war als ein Tisch zu der Commuuion,
der wäre umschrilnkt von wegen des Oedrängs, item die Stuhl
und Gang wären darum angericht, dieweil der Platz eng',
worauf ihm dieser zurUckschrieb, ,raan hätte I. M. viel änderst
bericht, wann's nit änderst war, so hätte es seinen Weg'.
Im Landtage des Jahres 1576 versuchten die Stünde noch
einmal, die Bewilligung einer Landschaft-skirche zu erreichen;
doch vergebens. In einem Handschreiben erinnerte der Kaiser
den Strein an ihre frühere Unterredung und seine ihm im Ver-
fcnen mitgetheilten Gründe gegen dieses Zugeständniss, aus
welchem ihnen nur allerlei Schwierigkeiten erwachsen würden,
and Hess die Stünde auffordern, ,auf diesmal zufrieden zu sein'.
4ch will aber,' fuhr er fort, ,den Sachen treulich nachgedenken,
wie etwa zu einer bessern und glegnern Zeit dieser Sachen
möge abgeholfen werden und die Stünde nach Möglichkeit
mögen zufrieden gehalten werden, denn Ihr wisst, wie treulich
und gutherzig ichs gegen bemelten Ständen jederzeit und noch
mein und in nichts anders suche, allein damit Fried und Einig-
keit erhalten werde, zudem dass die zyreen Stand ohne das
nunmehr in Religionssachen unbctrlibt seint und ihnen kein
Irrung beschieht, so rauss auch solche Sachen also wohl in der
Still als die Bewilhgung der Agenda gehalten und tractiert
werden.'*
Wenn nach dem vollkommen glaubwürdigen Bericht des
biederen Strein kein Zweifel besteht, dass den Ständen das
Religionsexercitium im Landhause vom Kaiser bewilligt worden
' Ataaiaarcliiv, Oe«terr. Acten, Fisc. 7, Concept.
* Er liAtte Wien am 1. Juni znni letzten Male verlassen nnd langte dort
am 18. ein; vgl. Venetianisclio Depexchen HI, S, 689, Anm. 1.
* In Strein'a Relation als Keiloge Nr. 4 beieiclinet; docli eboiifnlls nielit
EU finden gewesen.
Ec Ut der dritte Zettel. Hopfen, der ihn ans dem MUnchner ßeicbsarchiv
abgedruckt hat fa. a. O., S. 321 f.), reiht ihn irrthümlich in das Jahr
1509 ein.
176
war, so hatten sie doch zu ihrem Unglück nach dessen Tode
nichts Authentisches in Hunden, das sie zur Begründung ihrer
rechtliehen AnsprUchc darauf hätten vorweisen können. Dia
von Strein mit seinem Berichte vorgelegten Schreiben des ver-
storbenen Kaisers, sowie die drei von demselben herstammenden
Zettel,' mit welchen die Stände den Beweis erbracht zu haben
glaubten, erwiesen sich als unzulänglich: man befand aus ihnen
»vielmehr das Contrariam'.*
Die vom Kaiser Rudolf II. über die ständischen Forde-
rungen angestellte Untersuchung hatte nur ein Decret Kaiser
Maximilians II. an seinen Bnider Carl, ddo. Prag, den 28. Juni
1575, zu Tage gefördert, aus dem wenigstens die Einräumung
des Landmarschairschen Hauses für den evangelischen Gottes-
dienst — aber nicht mehr — hervorging, wenn es auch sonst
nicht sonderlich zu Gunsten ihrer Prätensionen sprach und
Rudolfs Vorgehen gegen die Protestanten völlig gerechtfertigt
erscheinen Hess. Man findet in diesem interessanten, von der
Ilofkanzlei wiederholt angezogenen ActenstUck alle Elemente
der Kcligionspolitik enthalten, welche Kaiser Rudolf II. und der
von den Ständen weit mehr als dieser geftirchtete Erzherzog
I*>nst während seiner ganzen Statthalterschaft (1576 — 1590)
befolgte. ,Auf E. L.,' heisst es darin, , brüderliche Erinnerung
und unsers Bischofs zu Wien, auch seiner untergebenen
Pricsterscliaft Beschwerung wegen der Prädicanten, so sich in
unserer Stadt daselbst mit oflFentliclien Predigen und Admini-
stration der hochheiligen Sacramenta aufhalten, ist unser brü-
derliche Erklärung, auch gefUlliger Willen, dass keinem, er
sei was Stands oder Thuens er wolle, ausser unsers Land-
marschalls kein offne Predig oder Seelsorg in Häusern der
Stadt nit gestattet werden solle. Gesinncn auch darauf an E. L.
freundlich, Sie wollen den von Hofkirchen, Enzersdorf und
alle andere, soviel ihrer bisher in ihren Häuseni Predigen oder
durch ihre Prädicanten hin und wieder in der Stadt Kranken
* OiMM drei wurden von den Ständen Kugleieh mit ihrer Supplik am
6. Juni 1678 dem Kaiser Überreicht. Ueber die anderen, die jedenfalls
noch weniger Beweiskraft hatten, ge.ichieht weiter keine ErwHhnnn(^ mehr.
MJig1ii'lißrwei.so sind sie gar nicht vorgelegt worden, weil der Kaiser die
Einvprnahme de» Strein abschlug. Vgl. ilie Petition der Stünde an den
Kaiser, ddo. 38, Jnni 1678. Original im Staatnarcbiv, Oeaterr. Acten 7.
' iSummarischer BegriJf.
*
177
oder Gesunden die Sacramente austeilen lassen, ftir sich per-
sönlich erfordern, solchen iliren Unfug verweisen und bei Ver-
meitlung unserer Ungnad auflegen, bei denselben ihren Priidi-
canten alle Predigen und Seelsorg in der Stadt iilsbald abzu-
schaffen, damit wir nit Ursach gewinnen, selbst Wendung zu
thun, denn wir gar nit bedacht, solches zuwider aller flirgeloffnen
ü&ndiung zu gestatten, wie sie auch wol wissen, dass sie das
mit nichte befugt. Da sie nun demselben gehorsame Folg leisten
(darauf dann E. L. Erkundigung halten lassen wollen), wol gut;
_ wo nit, so wollen E. L. uns dessen alsbald berichten, die weitere
P Nothdurft zu bedenken haben. Hielten sich dann sonsten in der
Stadt von Hernais oder anderer Orten herrnlose Prildicanten
auf, so sich der Seelsorg gebrauchten, so wollen E. L. dieselben
für unser Klosterräthe erfordern und ihnen innerhalb 8 Tagen
■ aus der Stadt ihren Pfenning weiter zu zehren bieten, und da
sie nit gehorsameton, sie durch den Profosen einziehen, alsdann
gegen Urfecht, dass sie in die Stadt weiter nit kommen sollen,
laufen lassen; damit wirdet versehentlich vielem Unrath ge-
holfen sein."
Die im Vorausgehenden erwähnten Hofdecrete zeigen
deutlich, wie Maximilian H. die Religions-Concession und -Asse-
caration verstand, und dass er keine Ucberschreitungen der-
selben durch die Herauziehimg der Bürgerschaft und der Nicht-
unterthanen dulden wollte. Dass es trotzdem zu diesen kam,
daran war nicht so sehr seine protestantenfreundliche Gesinnung,
die übrigens gegen Ende seiner Regierung immer mehr in den
Hintergrund trat, als vielmehr die ganzen inncrpoHtischen Ver-
hältnisse dieses Landes Schiüd. Die evangelischen Stände,
der ganze Hochadel, repräaentirten eine gar gewaltige Macht,
sie hatten die weitaus tiberwiegende Majorität im Landtage
und besassen durch ihre Steuerbewilligungen eine sehr ge-
filhrliche Waffe in Händen. Auch dem Erzherzog Ernst, der mit
nnerbitthcher Strenge und weitaus grösserer Energie zu Werke
ging, gelang es nicht, wie wir sehen werden, den Uebergriffen
der beiden Stände völlig Einhalt zu thun, und er hätte es nicht
einmal eo weit gebracht, wenn ihm nicht der Wiener Dompropst
' Oripnal im ,8anuD«rinin' alB Beilage I. Der .Sammarisobe Begriff etc.*
erwiUiDt netut dieaer nocb eine Uinlioh gehaltene Inatruction für den
Ermherzog Ernst.
AtcUt. LXZXm. Bd. I. Btlft«. IS
178
und nachmalige Cardinal Melchior Klesl mit den Waffen seines
glaubenseifrigen Feuergeistes und seiner eisernen, vor nichts
zurückschreckenden Willenskraft zu llilfe geeilt wäre.' An einem
aber hielt Maximüiiin II. bis an sein Lebensende strenge fest: an
der in der ReUgionsconcession ausgesprochenen Forderung de«
friedlichen Zusammenlebens beider Parteien. Wer die Gegenpartei
schmähte oder gegen sie hetzte, erregte seinen höchsten Unwillen.
Wenn er deshalb wiederholt gegen die evangelischen Stilnde
und ilirc Prediger, namentlich den ersten Landschaftsprediger
Josua < tpitz, Stellung genommen hatte, so duldete er hinwiederum
auch keinerlei Feindseligkeiten gegen diese von Seite der Ka-
tholiken. Der angesehene Hofi-ath Georg Eder, der in seinem
Buche , Evangelische Inquisition' eine ganze Reihe der auser-
lesensten Schmähungen gegen diese ,neue, widerwärtige, hoch-
schädliche Rotte' vorgebracht und ihn Überdies persünltch durch
den Ausdruck ,Iiofchristentlium' schwer beleidigt hatte, musste
bekanntlich ziemlich hart daftlr bilssen.* Das unduldsame Vor-
gehen eines katholischen Priesters gegen die Protestanten führte
ebenfalls zu einer Intervention zu Gunsten derselben. In Mitter-
Stoekstall war im Jahre 1575 eine arme Witwe, eine geborene
Adelige, gestorben, und der dortige Pfleger des Landunterraar-
Schalls, Christof von Obcrhaim, begleitete die Leiche zum Pfan--
friedhof in Kirchberg am Wagram. Der l'farrer aber — es war
der Passauische Domherr Victor August Fugger — weigerte
sich, das kirchliclie Bcgräbniss vorzunehmen, indem er vorgab,
dass die Verstorbene bei ihm iiiclit communicirt habe. Darüber
kam es zu einem heftigen Streit, der sogar in Thätlichkeiten
ausartete und damit endete, dass der Pfarrer dem Passauischen
Richter und seinen Schergen befahl, die Leiche zum , Diebstein'
zu fuhren, wo die Malefizpersouen beerdigt wurden. Dort lag
die Leiche vier Tage lang, bis endlich das Landgericht den
Verwandten bewilligte, sie an einem ehrlichen Orte begraben
zu dürfen. Diesen, sowie einen anderen, ganz ähnlichen Vor-
fall brachten der Landuntermarschall und der Freiherr Bern-
hard Turzö den Ständen zur Kenntniss.' Darauf beschwei-ten
' Ich werde darauf in kürzester Zeit gelegentlich der Herauigabe von
Klegr« Correspondenx mit dem Obersthoftneister Kaiser Rudolfs, Adam
Freiherm von Dietrichstein, eingehend zu sprechen kommen.
» Vgl. Hopfen, «. a. O., S. 115.
» Cod. Fol. 11»' und 121".
179
äeh diese am ö. Juli bei dem Kaiser wider diese ,ungeblirliche
Qnd fast abscheuliche Handlung' und beriefen sich auch auf
den ihnen in der Assecuration gewährleisteten Schutz, sowie
auf einige unmittelbar vorausgegangene kaiserliche Entschei-
dungen, nach welchen zwei kaiserliche Beamte trotz der Wei-
gerung des Wiener Bischofs auf dem Stefansfriedhofe beerdigt
worden waren.' In der Resolution vom 12. September wurde
den Stünden mitgetheiit, dass dem Pfarrer seine Gewaltthat mit
Ernst verwiesen und ihm befohlen wurde, ,dass er sich fortbin
dergleichen gänzlich enthalten, alle Verstorbene unter seiner
Pfarr sesshaft, sie seien katholisch oder der Augsburgischen
Confession, sie haben auch unter ilim oder anderer Orten com-
municiert, ohne die wenigste Widerred gebürlicher Weis wie
von Alters Herkommen begraben, desgleichen jt'der Person auf
EIrsuchen das hochwUrdig Sacrament sub uua et utraque dem
Beschloss des Trieulisclieu Concilii gemiiss mit guter Ordnung
reichen lassen und also alle Sachen in aitlierkommencm Stand
and Wesen dormassen erhalten soüe, damit man dergleichen
Beschwerung und unsers landsfUrstiichen Einsehens übrig sein
möge, und sein des gnädigisten Versebens, er werde sich hierin
un verweislich halten'.* Als der Pfarrer aber diesem Befohle
zuwiderhandelte, und die Stände wiederum Beschwerde erhoben,
wurde Fugger mit dem kaiserlichen Decret vom 13. Mai 1576
neuerdings ernstlich zum Gehorsam vermahnt.^
Der Kaiser hatte den Ständen trotz aller ihm gegenüber-
lenden Schwierigkeiten und gegnerischen Anfeindungen die
iftliche Assecuration über die ihnen gewährte Religionsfrei-
heit gegeben und war auch jederzeit zu ihrem Schutze einge-
treten.
Es lag nun an den Ständen, von derselben die Nutz-
anwendung zu ziehen. Das erste Erforderniss war natürlich,
die bereits ausgearbeitete Kircbenordrung publiciren zu lassen
und für deren sinngemässe Handhabung zu sorgen, ferner um
allen dogmatischen Streitigkeiten wirksam entgegenzutreten,
eine Erklänmg der Confessio Augustana oder Lelirnorm (Doc-
trinale) zur Anerkennung zu bringen, nach welcher auch die
m
> Cod. Fol. 119'.
» Ebenda, Fol. 123'.
> Ebenda. Fol. 124.
12«
180
neuen Prediger examinirt werden sollten. Die zweite Hauptauf-
gabe lag dann in der Bildung eines tüchtigen Kirchenregimentea,
das die Beaufsichtigung der Prediger und die oberste Entschei-
dung in allen kirchlichen Fragen und inneren Zwistigkeiten
haben sollte.
Zweiter Abschnitt.
Die Ausgestaltung des evangelischen Kirchen-
wesens.
I. Die KIre]ieii(»rt]nung. Angriffe gegen dieselbe.
]>»8 Doctrinale.
Die Kirchenagende, auf die sich die Assecuration berief,
gelangte im Juni des Jahres 1571 unter dem Titel: .Christliche
Kirchenagenda, wie die von den zweien iStänden der Herrn
und Ritterschaft im Erzherzogthum unter der Enns gebraucht
wird etc. Iö71'' zur Ausgabe. Sie hatte aber nicht die Fassung,
die ihr Chjträus gegeben, in allen Punkten unverändert beibe-
halten, sondern sich einige Zusätze und Abstriche gefallen
lassen müssen. Dieser führte auch in einem Schreiben an die
ständischen Deputirten* einige solcher Veränderungen auf, an-
gebUch um ihnen zu zeigen, wie verschiedenartig die Meinungen
der Theologen sein können, doch mit einem unverkennbaren
Anflug von Gereiztheit. So wäre in seiner Agende ausdrückhch
gesagt gewesen, ,dass der kleine Catechismus Luthcri ohne
einige Aenderung, Zuthuung oder Verrückung einiges Worts
oder Syllaben behalten werden sollte, item dass die Form der
Tauf, wie sie aus Pfalzgrafen Wolfgangs Ordnung ihrem Be-
richt nach in vielen Kirchen in Oesterreich bisher gebraucht,
unverändert bleiben soll; so hätte er den Form, die alten zu
taufen, item den langen P^orm der Confirmation, wie er in der
gedruckten Agenda stünde, nie gesehen; so sei das Sttick vom
* Vgl. Otto, a. B. O., 8. 49.
* 4. Aognst 1672; Cod. Fol. 31.
181
Bann und von der Absolution der Verbannten vielftlhig geändert.
Desgleichen hfttte er die Collecten und Litaneien, die Einsetzung
der Eheleute vorhin nie gesehen, geschweige dass in der Vor-
rede etliche Sentenz und Wort ausgelassen, dass die übrigen
Wort nicht gar congrue an einander hangen'.*
Wie bereits erwähnt wurde, hatte der Kaiser nach dem
unliebsamen Zwischenfall, der sich wegen der ständischen
Druckerei in Stein ereignet und den Druck um ein halbes
Jahr hinausgeschoben hatte,' den Wunsch ausgesprochen, dass
derselbe zur Vermeidung jedes Aufsehens an der mährischen
Grenze fortgesetzt werde, und zwar war von Strein das Schloss
Meidburg vorgeschlagen worden.' Es unterliegt wohl keinem
Zweifel, dass das dem Deputirteu Leopold von Grabner gehö-
rige Schloss Rosenburg dazu ausersehen worden war.* Der
Umstand, dass Reuter, der nach des Chyträus' Abreise die
Redaction in Händen hatte, dort Schlossprediger war, und auf
diese Weise der Druck besser beaufsichtigt und beschleimigt
werden konnte, mag bei dieser Wahl bestimmend eingewirkt
haben. Auf keinen Fall aber erschien diese Ausgabe in Stein,
wie das von Raupach zuerst behauptet und von Wiedemann
und Otto nacherzählt wurde.* Ganz abgesehen davon, dass es
ein etwas provocirendes Aussehen gehabt hätte, wenn die
* Uebflr diene Unterschiede vgl. Uaupscli, a. a. O., S. \ii); Schutz, a. a. O.,
8. 111. Es dOrfte sich abrigena dieses xnletzt Angeführte auch aas einigen
Druckfehlern erklären lassen; es heisst nämlich in dem vcin Backmeister,
Keuter nnd Anderen verfasateo Gutachten vom l'J. März l&W (Landes-
archiv, B. 3. 27, Abschrift), ,da«8 der Drucker durch seinen Undeias et-
liche nötige Wörter und wol p;au£u Zeilen und Suntentien ausgelassen*.
' Dejiutirte an Chyträus, ddo, 6. Juli 1&71; Cod. Fol. 14".
■ Siehe üben S. 160.
* Sicher ist, wie aus den Acten des n.-H. Landesarchivs (B. 3. 27) hervor-
geht, dass Orabner eine stäuditche Druckerei besass. Vgl. dazu Beuter
an W. Wucherer, ddo. Rosenburg, 25. October 1571; ,Ich schicke aber-
mals diesen gegenwärtigen Uruckergesellen, dii< Exemplare der Agende
gmr SU collationieren. Wenn ich zunächst auf Wien reise, will ich
dem Herrn die 80 EUemplare auch mitbringen und richtig machen';
Lsodeaarchiv. B. 3. 27, Abschrift
Vgl. Baopach, a. a. O., 110 und l. Forts. 8. 200 f. (Ueber die Entstehung
dieses Irrthoms siehe oben, S. 163, Anm. 3); Wiedemann, a. a. O. I, S. 364 f.
und Otto, a. a. O., 8. 48 f. Wohl wäre es denkbar, dass einzelne Exem-
plare noch vor der Beschlagnahme (siehe S. 163) im Jahre 1&70 zu Stein
fertiggebracht wurden, womit dann der in die Rechnung des Wucherer
Stände an demselben Ort, an welchem ihre Druckerei bescl
nahmt worden, eine andere errichtet haben wtkrden, heisst el
im Deputirtenbericht vom 8. MUrz 1575 ausdrücklich, das
ihnen nach der Aufhebung der Steiner Druckerei und de:
Enthaftung der Buchdrucker .wieder ein ander Ort zur Buch
druckerei' zugelassen wurde.' Desgleichen sind die anderen voi
Raupach, Wiedemann und (.Hto angeführten, im selben Jahn
erschienenen liturgischen Bücher,* wie der Katechismus, da
Enchiridion u. a. aus der Grabncr'schen Presse in der Kosen
bürg und nicht in Stein gedruckt worden.' In Befolgung de:
kaiserliehen Anordnung, dass die gedruckten Exemplare da
Agende nicht öffentlich verkauft, sondern im Landhause de
ponirt und dort auch ausgegeben werden sollten,* ergin(
von den Deputirten mittels Rathschlags vom 26. Juni 1571 ai
den standischen Kanzleibeamten Wolf Wucherer der Befehl
die im Landhause zu seinen Händen aufbewahrten StUcki
allen denen, welche dem Herren- und Ritterstande angehör
ten und im Gültbuche eingetragen seien, auf deren Elrsuchei
in gewünschter Anzahl um die festgesetzte Taxe von 1 Ouldei
Rh. auszufolgen und ihnen dabei im Namen der Deputirten um
Verordneten anzuzeigen, ,da88 sie solche Agenda und Exempla
am meisten gebrauchen zu Anordnung ihrer Kirchen um
Schulen, und dass sie angezogene Exemplare in keine b«
Bchwerliche Erweiterung kommen lassen wollen'. Sonst abo
sollten sie Niemandem ausser mit ausdrücklichem Befehle eine
der Verordneten solche ausfolgen.* Noch am selben Tage b«
gann dann der Verkauf an die einzelnen Landlcntc."
eingestellte Posten: ,Cbristopli von Eiuersdorf lant Schein empfange
Nr. 1 den 24. Angust *.. 70 . . . 60, Nr. 2 den letzten Juni 1571 . .
7 Exemplare etc.* stimmen konnte.
» Cod. Kol. 94*.
* Ranpacli, a. a. O., S. 202; Wiedemann, a. a. O. I, 8. 376; Otto, a. a. 0
8. 49.
' Ich schliCDSO dies ans dem von Grabncr verfertigton .Verzeichniss d«
Bücher, so ich von Rosenborg horiib gen Wien gebracht', und zw<
Grosser Katochismus . . 3888, kleiner Katochismirs 36I>6, Psalter 3701
SI. Pftalm 3433, Enchiridion 40&9 Exemplare; Landosarchiv, B. 3. 2'
Abschrift.
* Siehe oben, 8. 167. ' N.-8. Landesarchir, B. 3. 27, Abschrift.
* ,Vorzeichnus der Kirchonagendn, so ich Wolf Wucherer laut des Herr
Verordneten Knthschlag um bare Bezahlung ausgeben, den 36. Juni i
71'; ebenda Ab.schrift.
183
DasB die evangelische Kirchenordnung bei ihrem Erscheinen
ron den Katholiken nicht sehr beifällig aufgenommen wurde,
stand nicht anders zu erwarten. Der Bischof Urban von Passau
erhob über Auftrag seines Metropoliten, des Erzbischofs Johann
Jakob von Salzburg, bei Maximilian II. gegen sie Einsprache,'
und Herzog Albrecht von Baiern veranstaltete durch die Ingol-
städter Theologen de Torres und Clenck eine Widerlegung."
Weit unangenehmer aber mussten die Stände dadurch betrotTen
werden, dass sich aus ihrem eigenen Lager ein Sturm der
Unzufriedenheit erhob. Freilich hätte derselbe nicht so uner-
wartet kommen sollen. Es war ja geiviss schwer, es Allen recht
zu machen, besonders, da ja Oesterreich durch den Zusammen-
tluss von Pri'digern aus allen Landern und Landeskirchen der
•Sammelpunkt aller müglichi.-n kirchlichen Anschauungen* war,
und obendrein durch das Vorwiegen der radicalen Elemente
das geringste Entgegenkommen im Punkte der althergebrachten
Ceremonien auf Widerstand zu stossen Gefahr laufen musste.
Aber um so vorsichtiger hätten die Deputirten sein sollen, und
es muss ihnen als ein schwerer Fehler angerechnet werden,
doss sie, wie dies auch Chyträus rügte,' mit Ausnahme des
Reuter keinen einzigen der österreichischen Prediger zu den
Bernthungen über die Agende zugezogen hatten. Durch die
Ausschliessung musste von vornherein eine gereizte Stimmung
gegen sie aufkommen, die sich auch bei ihrem Erscheinen so-
fort in den heftigsten Angriffen Luft machte.
Am lautesten schrieen die Prädicanten Peter Eggerdes in
Frauendorf, Wilhelm Eck in Göllersdorf und Philipp Burbatus in
Sierndorf, die auch eine ausführliche Streitschrift gegen sie ver-
fassten.^ Die Verordneten und Deputirten sahen sich veranlasst,
»m 19. November 1571 an etliclie Landleute ein bewegliches
Schreiben zu richten, um dem Gezanke ein Ende zu bereiten:
» VgL nopfen, ». ». O., 8. 152.
• Vgl. Otto. a. «. O., 8. 50.
• Reuter an Chemnitz, ddo. 14. Juni 1672: ,Vor Jnhren wnr o» uns allein
an dem g;elegen: wenn wir nur mORhten von k. M. allein die Religion
erlangen, hofften wir, es wtlrde alles gut. Da ea nun lu dem kommen,
irit das Feuer gar im Dach. D» kommt einer von Wittenberg, der andere
aus Schwaben, Bayern, Pfalz, Württemberg, Meissen, Schlesien, jeder
will Hahn im Korb sein. Ist also im Lande eitel Völlerei, Prahlerei und
ZAnkerei'; vgl. Janssen, a. a. O., 8. 423.
• Vgl. 8. 188. • Vgl. Otto, a. a. O., 8. 50.
184
Seit dem Jahre 1526, also 45 Jahre hätten die Stände bei
Kaiser Ferdinand und dem jetzt regierenden Kaiser, eine Zeit-
lang auch im Vereine mit den Städten um die Zulassung ,der
wahren christliclien Religion' nach dem Augsbui'gcr Religions-
bekenntniss unablässig angehalten und endlich im Landtage
des Jahres 1568 das Zugeständniss freier Kcligionsttbung unter
der Bedingung erhalten, dass man sich frliher über eine Kirchen-
agende vergleiche. Nachdem diese nach vieler Mühe und grossen
Schwierigkeiten endlich fertiggestellt und gedruckt sei, hätten
sie gehofft, ,es sollen beide Stand sammt ihren christlichen
Prädicanten und Kirchendienern sich desselben ihres aus-
gerichten Werks nit weniger als sie selbst mit höchstem er-
freuen, dem allmächtigen Oott darum herzlichen Dank sagen
und nunmehr am nächsten dahin trachten, dass es auch in
wirkliche Hebung gebracht würde', zumal da diese Agende
einigen ,evange!ischen Universitäten und anderen ausländischen
Kirchen und gutherzigen Christen' vorgelegt wurde, ,welche
dieselbe ftlr christlich, dem h. Wort Gottes und der A. C. gleich-
massig halten, approbieren und zum höchsten rühmen'.' Indess
bemerkten sie zu ihrer , höchsten BetrUbnus', wie «etliche unter
den beiden Ständen oder derselben Prädicanten und Kirchen-
dienern vorhanden sein sollen, welche in derselben Agenda
Einred und Mängel zu haben vermeinen, ungezweifelt allein
aus Mangel Bericht», warum es so gleich auf diesen Weg ge-
stellt ist', worüber sie sich nattirHch ,zum höchsten entsetzen',
weil eben jetzt die Gefahr bestünde, ,dass etwa durch einfal-
lende Disputationen das ganze christliche Werk, darnach ihre
Voreltern und sie so lange Jahr mit grossem herzUchen Eifer
geseufzet, gearbeitet und getrachtet, welches auch Gott Lob
nunmehr naJiend zu gutem gewünschtem End erlangt ist, gar
leichtlich wiederum zerrüttet oder unwiederbringlich verloren
werden mag'. Es sei daher nothwcndig, dass sie , deren Mängel,
die einer oder der ander anzuzeigen hätte, ein fürderliches,
gründliches und Iiiuters Wissen haben', worauf sie ,8olchen
christlichen guten Bericht zu thun verhoffen, dadurch allen
Teilen zu Kuh geholfen werden kann'. Ersuchten daher, falls
' 6o die pfalxgriiflicb Simmern 'sehen Theologen, welche Ober Aoftrag des
Herzogs Richard tou Pfiilz-Simmern ein zustimmendea Gutachten ab-
gaben. Cod. Fol. 40.
185
sie selbst oder ihre PiUdicanten in der Agende , einige Irrung
oder Mängel' ftlnden, ihnen diese , inner vier Wochen' rlick-
baJtslos und vertraulich zukommen zu lassen und auf ihre Pre-
diger dahin zu wirken, dass sie sich inzwischen aller Disputa-
tionen und Angriffe auf dieselbe enthalten möchten.'
Dass die Zahl der l^nzufriedenen keine geringe war,
beweist das Verzeichniss derjenigen Landleute, an welche
dieae» Schreiben erging: Carl Ludwig von Zelking, Michael Lud-
wig von Pufhheim, Sigmund und Heinrich Graf zu Hardegg,
Nidas (Traf zu Salm, Erasmus von Schilrffenberg, Hartmann
von Liechtenstein, Wilhelm von Hofkirchen, Veit Albrecht
und Dietrich von Puchheim, Christof und Helmhard Jörger
a. A.' Die zwei Stände, die auch eine Vertheidigungsschrift
über die Agende ausarbeiten Hessen, einigten sich am 3. Fe-
bruar 1572 auf einem zahlreich besuchten Tage und erklärten
feierlich, dass sie diese ,ungeacht der Mängel, die jetzo dawider
TOD etlichen angezogen und künftig auf solche Weg einkommen
möchten, nach zeitiger, wolbedäuhtiger Berathsohlagung hiemit
aach angenommen haben, die auch bei ihren Kirchen mit
nächster Gelegenheit ins Werk richten und dabei bleiben'
wollten. Bezüglich der gegenwärtigen und künftigen Einwände
sollten die Depatirten .denen, welche also Mängel zu haben
vermeinen, auf ihr Ersuchen allen nothwendigen Bericht thim,
ob es mit ihnen zu Richtigkeit gebraclit werden möchte'. Die
Deputirten sollten ferner dahin trachten, dass ,da8 Doctrinale
mit ehister Gelegenheit verglichen und ins Werk gericht, aber
Tor »einem Beschluss den Ständen zum Ersehen flirgebracht
werde*.'
Doch fuhren auch dann noch etliche Prädicanten fort,
ans jihrem verbitterten, hartsinnigen, hässigen, ehrgeizigen Ge-
mat, dann von Not wegen' wider die Agende .ganz beschwer-
lich zu schreiben, predigen und schreien' und liessen sich auch
« Cod. Pol. 21.
* Ebend«, Fol. 22'. Du» ziemlich viel darauf einlief, leigt die Anmer-
kung des Copisten im Codex (Fol. 23'): ,Nota: wag über obstehende
AnMchreiben von etlichen Herrn und ihren Predigern für schriftliche
Bedenken einkommen, die sein dor Ureachen, das« etliche derselben
weitlänfig und grosse, lange Schriften, so ein sonders Bnch bedürftig,
daher lu «chreiben unterlassen worden.'
* Hit SS Unterschriften; Cod. Fol. 23'.
186
nicht .durch giltit^ christliche Vermahnnng* davon abhalten,
so dass die Depatirten keinen andern Änaweg mehr sahen als
,Rath zu suchen, wie doch der fernem Erweitening dieses
boschvreriichen Handels, dem Unnith, der hierinnen leider steht,
soviel möglich bei guter 2^it f^kommen nnd geholfen werden
m«k*hte\ Weil sie ach aber diesen im Lande selbst ^ns Hangel
gelehrter Theologen* nicht holen konnten, sie aosserdem noch
kein ordentliches Oonsistorinm hatten, vor das diese Handlangen
hätten gebracht werden kC$nnen. wandten sie sich am 1. Juni
1572 an Chytrilus and an die Rostocker Universit&t und ttber-
schiokteu ihnen gleichzeitig die über die Agende ,in Eäle' ve^
fasste Ätiologie zur Prüfung und Begutachtnng. Namentlich der
Bur Puchheim" schon Herrschaft Göllersdorf gehörige Prftdicant
in Sitzendorf und der dem Landmarschall unterstehende Pfarrer
zu Frauendorf Potor Kggerdes machten ihnen tüchtig zu schaffen.
Der Krstoro beantwortete die Bitte seiner Pfiirrgemeinde, mit
KUoksioht auf die gerade herrschende Thenemng in einen Auf-
schub iluvr vorsprochenen Abgabe zu willigen, ^allein nm des
zcitlichiMi willou* damit, dass er sie in^resammt in den Bann
that, kein Saci-aniont mehr spendete, die Verstorbenen nicht
auf dem Friodhofo. sotulorn auf dem Felde begraben Hess und
trotz aller Krutnhmuigou dabei blieb. Der Zweite unterfing sieh
seit der Yorv>rtVutliol»»ug der Kirchenordnung ,aus sonderer
Hitz und gefasstem Widerwillen* nicht allein öffentlich und mit
grosser Verachtung, doch ohne datlir einen stichhaltigen Omnd
anführen zu können, wider dieselbe zu predigen nnd zu
s'rhr'iiS^n, sondern weigerte sich auch dem Landmarschall
sarnmt. h'Mner Familie und seinen Dienstleuten ein Sacrament
zu r':if:hf;n, bevor sie nicht das ausdrückliche Bekenntniss ab-
gelegt liätten, dass die Agende .ein ketzerisch Buch' sei. Als
ihm der Landmarschall nach vergeblichen Bemühungen, ihn
umzustimmen, seinen Dienst kündigte, erklärte jener, er ginge
nicht fort, ausser man fahrte ihn .auf einem Karren* hinweg.*
Chj'träus bedauerte in seinem Antwortschreiben vom
4. Angnst 1572 den ,betrübten, jämmerlichen Zustand der an-
gsfinigenen Kirchenreformation', tröstete die Deputirten aber
&reh den Hinweis, dass, falls der Kaiser seine Meinung hin-
> nM^MbtB *a die Boatocker UniTeraitSt; Cod. Fol. 36'. Dieselben an
ntqWhM; nhnrii. Fol. 27'.
«.^,
187
gjühtlich des Consistoriums Dicht geändert habe, und die Herren
bst über die I-^hre und die Agende nicht uneins würden,
3nrch die Bestellung eines tiiclitigen Superintendenten bald
Frieden geschaflfen werde. Zur Ausübung der wahren, evange-
lischen Religion sei erforderlieh: 1. das Evangeliumj 2. Per-
sonen, welche diese heilsame Lehre ausbreiten, .wie Superinten-
denten, Pastores, Prediger und Ordination, Institution, Kirchen-
gericht oder Consistorium, Kirchenvisitation und Synodi der
Priester, recht bestellte Studia und Schulen und gute Ueld-
dot«tion' und 3. ,die Uusserlichen Ceremonien in Kirchen als
Lectioncs, Gesänge und andere Kirchenübungen, welche man
in den Agenden vorzuschreiben pflegt'. Bei der Anordnung der
j^ende gebe es mehrere Wege: Man mache es entweder wie
tk vor zwanzig Jahren in seinem Lande gehalten worden sei,
da der regierende Herzog Albrecht durch einen Superinten-
denten etliche Theologen und weltliche, aus dem Adels- und
Gelehrtcnstand gewählte Kiltlio die vornehmsten Landeskirchen
visitiren und etwa vorkommende Missbräuche in den Ceremo-
nien abzuschaffen und die publicirte Agende zu halten befehlen
Hess. (.>der aber uuin gehe dabei ganz langsam vor und heisse
die Pastoren nicht, wider ihren Willen ihre gcvvohnten Cere-
monien aufzugeben; nach ihrem Tode oder Abzug aber ver-
halte man die neuen Prediger zur Annahme der in derselben
vorgeschriebenen, weicher Weg besonders bei der gegenwär-
tigen Erbitterung zu empfehlen sei. Denn bei der Verschieden-
artigkeit der Ansichten, die sich gleich in der ursprünglichen,
von ihm verfassten, und der jetzt gedruckt vorliegenden Agende
äussere, könne man beispielsweise die Prediger, ,welche die
gewöhnliche Form von Luthers kleinem Catcchismus ohne alle
Zusatz, item die gewöhnliche Form der Taufe aus des Pfalz-
grafen Wolfgang Ordnung oder Luthers Taufblichlein, item
das gcwöhnhche Traubiichlein behalten wollen, ob sie sich
gleich Metten und Vesper und andere Stücke der Agenda zu
halten weigern', wenn sie nur nicht ein öffentliches Geschrei
dagegen erbeben, ruhig dabei lassen, bis ein Superintendent
oder ein anderer Theologe den dritten Weg versucht hätte.
Dämlich in einer öffentlichen Versammlung den Predigern Er-
ki&rungen und Erläuterungen zur Agende zu geben und sie
zur Uebergabe ihrer Bi'denken aufzufordern, ihnen überdies
das Recht einzuräumen, bei wichtigen Berathungen aus ihrer
188
Mitte drei oder vier der tüchtigsten abordnen zu dürfen. Auf
solche Art würden die Prediger, wenn sie nicht schon ,niit kai-
nischem Hass' erbittert seien, besänftigt werden. Jedenfalls aber
möge man Alles aufbieten, dass die unzufi-iedenen Prttdicanten
wenigstens aufhörten, gegen die Agende zu predigen. Sie zu ent-
lassen, habe wenig Sinn, weil sie dann in anderen Ländern ihr
Unwesen treiben, von vielen Herren übrigens gar nicht beur-
laubt würden und man ausserdem bei dem grossen Mangel an
Predigern nicht so bald einen Ersatz fände. Nur die aljer-
grössten Schreier, die sich zu gar keinem Entgegenkommen
verstünden, seien aus dem Lande zu weisen. Unterdessen sollten
sie sich mit den Ständen von Oesterreich ob der Enns und der
Steiermark vereinigen und alle wichtigen Relig^ionsfragen mit
ihrem Einvernehmen vollziehen, zu welchem Zwecke man auch
auf halbem Wege einen Versammlungsort für die Delegirten
vereinbaren möge. Endlich sei der Kaiser zu bewegen, ihnen
die Kirche bei dem Landhaus in Wien' ,zu vollkommener
Anrichtung der Kirchenagenda, evangelischer Metten und
Vesper zum Exempel anderen Kirchen auf dem Land und
damit alle Winkelpredigten in der Stadt Wien abgeschafft
werden' zu gestatten. Was die wider die Agende ausgegangenen
Schmähschriften betreffe, so habe er zwar auch anfangs an
die Verfassung einer Apologie gedacht, doch sei er sowohl als
seine CoUcgen der Kostocker Universität später zu dem Schlüsse
gekommen, man könne die ärgste Anklage wider jene, dass
man nämlich ,dem Papst heuchle und keinen Unterschied
zwischen der wahren, evangelischen und der papistischen und
anderer Secten Lehre mache', nicht früher grUndHch wider-
legen, bevor nicht ,das Doctrinal oder Lehrbuch' publicirt sei,
da sie Ja bekanntlich aus der Agende die Darstellung and
Widerlegung der päpstlichen Missbräuche, besonders jener bei
dem heiligen Abendmahl ausscheiden mussten und damit auf das
Lehrl>uch vertröstet wurden. Ihm graue vor der Anfechtung
des Doctrinales, das sie nach dem Wortlaute des kaiserlichen
Decretes vom 14. Jänner 1571 an drei Universitäten zu schicken
hätten,* weit mehr als vor den .Lumpenschartecken wider die
Agenda'. Es würden die unruhigen Pastoren, wenn man es
nicht früher mit ihnen durchberiethe, ebenso wüthcnd darüber
* Es iit dies (iio Minoritenkirche.
' Siehe oben. S. 160, Anm. 4.
herfallen wie über die Agenda und ,die Namen: MajoriBten,
Osiandristen, Synergisten, Adiaphoristen oder vielleicht jetzt
auch Reuterischen oder Davidisten darin haben wollen'.
Erst dann solle man eine gründliche und aasführliche
Schutzschrift verfassen. Jetzt aber, ehe die Agende in die
Wirklichkeit umgesetzt sei, werde die beste Verantwortung sein,
wenn man so schnell wie möglich ,erstHch die Lehre, man be-
halte gleich allein die Augsburgische Confession, Apologia,
Catechismus Lutheri und Schmalkaldische Artikel', wie Chem-
nitz meine, ,oder aber das Lehrbuch, das auf der Deputirten
Befehl vor drei Jahren daselbst gestellet ist, oder alle beide,
welche der Grund ist aller Kirchenniformation, richtig mache,
darnach das Kirchenamt mit dem Superintendenten, Consisto-
riom ordenthch bestelle, auch die Agenda durch eine christ-
liche Visitation oder anderweg in den meisten Kirchen, da sich
die Pastores gutwiUig zu begeben, ins Werk setze': dann werde
(das Lästergeschrei und die SchmUhschriften von selbst wie der
Schnee an der Sonnen zerlaufen und verschwinden'. Wenn sie
äch aber jetzt mit den , eigensinnigen, zänkischen Schreiern'
in einen schriftlichen Disput einüesseu, sei zu besorgen, dass
noch ,eiii viel grössers Feuer zu ewigem Nachteil dieser neu-
gepäanzten zarten Kirchen entbrennen' und es selbst, wenn
diese zum Schweigen gebracht würden, nach dem alten, von
Luther citirten Verse gehen werde:
,Hoc Bcio pro certo, qaod ai cum storcore certo,
Vinco vel Tincor, 8emp«r ego maculor.'
Die Lästermäuler werden schon von selbst verstummen,
man brauche gar keine öffentlichen Massregeln gegen sie zu
ergreifen. Bezüglich der zwei Prädicanten von Göllersdorf und
Franendorf sei er nebst seinen Universitätscollegen der An-
sicht, dass ihnen, obzwar man sie mit gutem Rechte aus dem
Lande schaffen könnte, noch einmal bedeutet werden sollte,
es stünde ihnen frei, bis zu einer künftigen Visitation die
kirchlichen Gebräuche gewohnterweise auszuüben, doch mögen
»ie sich des unordentlichen Bannens gänzlich enthalten. Wollten
sie das nicht, dann sollte man sie mit Gewalt ausschaffen.'
Die Deputirten Uessen hierauf durch den eigens zu diesem
Zwecke von den Ständen mit Zustimmung der kaiserlichen
' Cod. Fol. 31— 40'.
Räthe bestellten Johann Friedrich Cälestinus' aus der ersten
Fassung und den beiden von Chytriius und Chemnitz verfer-
tigten Schutzschriften eine neue Apologie zusammenstellen,
welche von deu beiden Ständen im Landtage angenommen'
und hierauf an ChytrUus zur Begutachtung gesandt wurde.'
Dieser erklärte sich im Vereine mit Chemnitz, G. Cälestinus
und Pouchenius, die bei ihm weilten, mit derselben einverstanden,
doch rieth er ihnen die Veröffentlichung derselben durch den
Druck entschieden ab, weil sie 1. unter den jetzigen Verhält-
nissen die Aufregung unter den Predigern gewiss nur steigern
und 2. den Papisten imd anderen Feinden des Evangeliums
einen Einblick in ihre inneren Streitigkeiten gewähren würde,
was entschieden verhütet werden müsse. Das beste Vertheidi-
gungsmittel, erklärte er neuerdings, wäre, wenn zuerst eine
Lehrnorm ausgebildet, dann das Kirchenregiment ordentlich
bestellt und drittens die Agende durch Visitationen oder andere
Mitte! in denjenigen Kirchen, in welchen sich die Pastoren
gutwillig in dieselbe fügten, durchgeführt wäre. Das Erseheinen
des Lehrbuches würde freilich noch lauge währen, falls es
wirklich bei der kaiseriichen Entscheidung bliebe,* denn gleich
das erste über die Agende eingelangte Universitätsgutachten
— es war aus Wittenberg — hätte zu verstehen gegeben, dass
man dort kein neues Lehrbuch haben wollte, und zur Annahme
ihres ,Corpu8 doctrinale' gcrathen.^ Man möge daher bei Hofe,
wenn der Kaiser wirklich nicht von dieser Bedingung abzu-
bringen sei, einfach die Confessio Angustana und Luther's
Katechismus vorschlagen. Der Superintendent aber milsse eine
eigens vcrfusste , Formida doetrinae, darin alle zu dieser Zeit
strittige Artikel christlich und deutlich und doch auf das kür-
zeste erkläret', bei sich haben, die er den Ordinanden nach
dem Examen zur Unterferligung vorzulegen und bei der Visi-
tation zu gebrauchen hätte. Sie könnte mit der Zeil auch
gedruckt und hernach ,ein vollkommenes Doctrinal' pubÜcirt
* Ueber ihn vgl. Raupach, Presb. Amt., S. 18 f.
* Relntion der Do|mtirten, ddo. 8. tiirt 1676.
■ Depntirte an Chyträiu, ddo. Wien, 16. Augnat 1673; Cod. Fol. 44.
* Siebe oben S. 160, Anm. 4.
' Dntirt vom 13. August 1671; abgedruckt bei Raupnch, a. a. O., 1. Porta.,
Beilagen, S. 144r.
191
werden. Q. Cälestinus werde voraussichtlich diese ,Formula
concordiae' und das Doctrinale mich Wien mitbringen.'
Die Stände sahen auch wirkhch von der Publication der
Apologie ab.^ Der Lärm aber verstummte nicht, sondern wurde
immer ärger; alle guten Kathschläge des Chyträus und Be-
DiOhaogen der Dcputirten, die Prediger zu beruliigen, waren
vergeblich. Die zwei Prediger des Carl Ludwig von Zelking
and Christof Freiherm von Jörger, ferner die zwei der Brüder
Qilleis thaten sich besonders hervor und scheuten sioh nicht,
auch ihren Landesfllrsten — wie das die Flaciancr überhaupt
mit Vorhebe thaten — in eine im Druck erschienene Schmäh-
schrift wider die Agende hineinzuziehen. Da sie überdies noch
gegen die Katholiken loszogen, sah sich der Kaiser veranlasst,
gegen «liese vier Prediger am 1. März 1574 ein scharfes Decret
tu erlassen, in welchem er den Deputirten den Befehl ertheilte,
die nöthigen Schritte zu thun, dass diese vier, sowie alle ande-
ren Prädicanten ,so zu dem verfa.ssten Schandbuch Kath. That,
Consens, Hilf und Förderung gegeben, innerhalb sechs Wochen
von dato nnzuraitten, gcwisslich aus dem Lande geschafft und
sich darüber daiinnen nit butruten noch erfahren lassen, auch
sonsten dergleichen widerwärtigen friedhässigen Leuten im Land
kein Platz gegeben werde; denn wo das nit gcscliehe, würden
I. k. M. kraft des bewussten Beschluss und zu Erhaltung Ruhe
und Einigkeit zwischen beiderseits Rehgionsverwandten selbst
auf gebUrende Mittl zu trachten verursacht, dessen sie lieber
überhoben wären'.' Die Stände übermittelten diesen Befehl un-
verzüglich den Dienstgebern der vier Prediger. Jörger hatte
den seinen bereits entlassen. Der des Herrn von Zelking über
g»b eine schriftliche Entschuldigung und vereprach, dass er die
Kirchenagenda unterschreiben, , künftig dergleichen vermeiden,
sondern sich unverweislich und friedlich verhalten wolle'. Die
anderen zwei erklärten mündlich, dass sie der k. M. zuwider
auf der Kanzel oder sonst in argem nie gedacht, sich auch
künftig davor hüten wollen'.* Der Kaiser drückte in seiner
' Cbytriiiu, Chemniti, CKIestinus and Pouclieniiu au Depatirte, Udo. Solt-
«inellen, den 26. September 1673; Cod. Fol. 46'— 49.
E» Deputirte au Chyträns, ddo. 26. October 1573; Cod. Fol. 49—60'.
* Abschrift im Cod. Fol. 7:!'— 73' and im Staatsarcbive (Oe«t. Acten, Faac. 7);
abgedruckt Ton Hopfen, a. a. O., 8. 376f.
* Der Verordneten and Deputirten Bericht, ddo. 9. April; Cod. Fol. 73'— 74'.
ilarauf erfolgten Resolution vom 20. April seine Befriedigung
darüber aus, dass der Prediger des Jürger bereits abgeschafft
sei, doch wlisste er nicht, ob dieser ausser Landes sei und
nicht vielleicht bei einem andern Landmann ,8ein Unterschleif
suche und finde' und nun dort geradeso sein Unwesen treibe
wie vordem; daher der Landraarschall Nachforschungen pflegen
und, falls er noch im Lande sei, seine Ausweisung verfligen
sollte. Wegen des Zelking'schen Predigers wolle er sich für
diesmal mit seinem Widerruf begnügen, wenn er sich seinem
Versprechen gemäss ,nach der Apologia und Kirchenagenda'
verhalte, obwohl er lieber hätte, wenn er ,weit von dannen
wäre'. Die Frediger der Herren von Gilleis seien nochmals zu
ihrer Entschuldigung zu verhalten, und falls sie auf , ihrer Opi-
nion' verharrten, bliebe es bei dem ersten Decret. Das Schand-
buch aber und die darauf bezüglichen Schriften sollten, wo
man sie anträfe, gesammelt und vertilgt werden.'
Wenige Monate später geschah ein grosser Schritt nach
vorwärts. Chyträus war über neuerliche Aufforderung der De-
putirten* im Juni von Graz, wo er für die steirische Landschaft
das evangelische Kirchen- und Schulwesen eingerichtet hatte,*
nach Oesterreich gekommen. Alsbald berief man nach Stein
einen Convent ein, an welchem sich unter seinem Vorsitz
Reuter, Fr. Cälcstinus und andere Prediger betheiligten. Zur
endgiltigen Herstellung eines Consenses unter den streitenden
Predigern wurde die von Chyträus ausgearbeitete ,Norma
doctrinac** neuerdings durcLberathcn und angenommen, die
Vornahme von Visitationen beschlossen, vor Allem aber die
Nothwendigkeit der Ennchtung eines Consistoriums und der
Wahl eines Superintendenten zur Erhaltung und Wahrung der
Eintracht betont.^
> Cod. Fol. 74— 76".
■ Oeputlrte ao Cbyträua, ddo. 16. März 1674; vgl. Loserth, a. a, O., S. 21t.
• Vgl. ebenda.
* gNorma doctrinae oder richtige Form heilsamer und gesunder Lehre von
der Erbsünde, wie dieselbe vun beiden iKbiichen SUinden der Herren
und Kittenchaft des Erzhorzogthumii Oetiterreii^h unter der Enns in allen
ihren Versammlangen und KatliscliISgen einhellig bekannt und dabei als
der einigen Wahrheit zu bleiben entschlossen, auf den forraulam nnno 74
geatellot nnd nach erfolgenden Censuren hornach besser erkläret etc.%
s. d. Abschrift im Landesarcbir, R. r. I.
■ Vgl. Wiedemann, a. a. O. I, 8. 382 f.; Otto, a. a. O., 8. 62.
193
Der Mangel eines tüchtigen und erfahrenen Kirchcnregi-
tes mit einem erprobten Superintendenten an der Spitze
liAtte sich bisher in allen den nach der Veröft'entlichnnsr der
evangelischen Kirchenordnung ausgebrochenen Sti-eitigkeitcn
tasserst fühlbar gemacht. Die Religionsdeputirten, die dasselbe
einstweilen ausübten, bewiesen dabei ihre vollständige Unfiihig-
keit. Selbst der radicalen Partei angehörig, thaten sie nicht
viel, um die ausgebrochenen Differenzen zu beseitigen. Und
Reuter, der einzige Theologe und der gemässigtesto unter ihnen,
war viel zu schwach, um ihnen Widerstand zu leisten, und
tiess sich vielmehr von ihnen in das Schlepptau nehmen.
L
3. Bemilbungcn der Stände um die Besetzung
des Snpertntendentenamtes.
Schon im Jahre 1569 hatten die zwei evangelischen Stünde
ihr Allgenmerk auf den Braunschweiger Superintendenten Martin
Chemnitz ' gerichtet. Dieser, unstreitig einer der bedeutend.sten
lutherischen Theologen, durch seine tiefe Gelehrsamkeit, be-
sonders aber durch seine Schrift , Examen coneilii Tridentini'
berühmt, war eine der Säulen der reinen lutherischen Lehre
und trotz seiner Verehrung für Melanchthon ein Gegner der
Kryptocalvinisten, dabei aber von einer auch gegnerischcrseits
anerkannten Milssigung, so dass diese Wahl gewiss eine treffliche
war. Zu diesem Zwecke hatten sich die Deputirten zuerst
durch Chyträus* und dann durch einen ihrer Landleute, Wolf
Christof von Mamming, der diesen von Rostock nach Oesterreich
begleitete*, persönlich bei Chemnitz angefragt, ob er eine Be-
mfang nach Oesterreich annehmen wollte; doch war darauf
keine Antwort erfolgt* Am 5. Juli 1571 wandten sich nun die
l)eputirten neuerdings an Chyträus mit der Bitte, er möge ihnen
'; Ilhüäich sein, den von ihm und anderen .hochgerühmten'
Chemnitz dahin zu bringen, dass er ,zu Reformierung der öetor-
reichischen Kirchen und Anrichtung und beständiger Erhaltung
' Ueber ilin (geb. 9. November 1522, gest. 8. April 1586) vergleiche den
AuÜMtz von Sclimid-Kunze io der RealencyklopHdie für proteatantische
Theologie IIl. 3. AuO. 1897, S. 796 f.
Vgl. Raupach, a. ä. O., 8. 108; Otto, a. a. O., 8. 61.
* Siehe oben, S. 140.
« Vgl. ChytrSn« an Depntirta, ddo. Berlin, 20. Angurt 1571 ; Cod. Fol. 15'— 17".
ArctiiT. LXXXTU. Bd. I. Hilfte. 13
der Agenda' das Amt eines Superintendenten Übernehmen
wolle. Sie schlössen auch ein Schreiben an Chemnitz bei, worin
sie ihm mittheilten, dass die Benifunp: mit Vorwissen Kaiser
Maximilians erfolge, und versprachen, ,er solle von den Stftnden
so gehalten werden, daran er versehentlich wol vergnilgt sein
werde'. ' Chemnitz antwortete den SUlnden am 13. August, er
habe diesen Ruf, der ihn sehr schmeichle, durch acht Tage
allein und mit Anderen wohl erwogen und ihn darauf dem Stadt-
rath zur Entscheidung unterbreitet, dessen Erklllnuig er nun
beisende.
Darnach könne er nicht mit gutem Gewissen ,in diesen
geiahrhchen Zeiten, sonderlich des Calvinismi halben' die dortige
Kirche verlassen. Nach seinem Dafürhalten sollte Chyträus,
der ja die Agende verfasst habe, dieselbe auch zur Durchführung
bringen und deshalb auf ein Jahr nach Oesterreich berufen
werden, währenddem man eine andere taugUche PersönHchkeit
finden könnte. *
Chyträus schlug den Deputirten in seinem Antwortschreiben
ddo. Berlin, 20. August 1571 (ür den Fall, dass Chemnitz die
Berufung nicht annehmen sollte, den kurbrandenburgischen
Theologen Dr. Georg Cälestinus, ' einen Bruder des später in
Oesterreich bediensteten Predigers Johann Friedrich, vor, den
er mit dem österreichischen Adeligen Sigmund Leisser auf
seiner Rücki-eise von Oesterreich in Berlin persönlich kennen
gelernt hatte, ,eineu gottseligen, bescheidenen, friedliebenden,
wolerfahrnen, gelehrten und beredten Mann, der nun viel Jahre
durch das heilige Kreuz wol probiert und dennoch dabei fröh-
lich und leutselig ist'. Derselbe sei ,nun über zwanzig Jahr
an kur- und fürstlichen Höfen mit Leuten umgangen, wie er
dann jetzunt in das achte Jahr des Kurftirsten zu Brandenbarg
Hofprediger und de.s reformierten Stifts allhio zu Berlin Dom-
propst ist und zuvor bei einem Fürsten zu Plauen zu DrUsingen,
eine Wegreis von Prag filnf Jahr gedient'. Er zweifle nicht.
' Oeputirte an CliytrSus, Cod. Fol. 14'. Dieser Brief und die Antwort vom
30. An/Bnist beweisen, dass Raupach nicht Recht hat, wenn er (a. a. O.,
S. ISO) sagt, dass Chyträtis, dnrrh die mit der Agende vorgenommenen
Aenderungen verletzt, mit seiner Correspondenz nach Oesterreich llngere
Zeit innehielt.
* Chemnitz an Deputirte; Cod. Fol. 18*.
* Ueber ihn Jtfcher, Gel. Lex. I, S. 1098.
196
daas ihn der Kurfilrst von Brandenburg ftir ein oder zwei
Jahre beurlauben werde, damit er ,einen jungen, wolbegabten
Mann in dem Superintendentenamte unterweisen könne'. *
Die Stände ersuchten nun am ü. Juni 1572 nochmals Ohem-
nitJ!, die Superintendentur bei ihnen zu Übernehmen,* und hielten
unterdessen mit der Berufung des Cälestinus aus dem Grunde
inne, weil jener bereits dem Kaiser vorgeschlagen, diese Aus-
wahl von ihm auch gebilligt worden war, und sie daher nicht
gleich einen anderen berufen konnten. Gleichzeitig richteten
sie an Chyträus die Bitte, er möchte, wenn Chemnitz ablehnte,
selbst auf ein Jahr zu ihnen kommen und die Ordnung des
evangelischen Kirchenwesens in seine Hand nehmen, und er-
klärten sich bereit, seine Hausfrau und Kinder auf Landes-
kosten sicher herbringen zu lassen, ihm fiir ein Jahr tausend
Gulden Rh. sammt einer ihm passenden Wohnung und einem
ausreichenden Holz-, Wein- und Getreidedeputat zu geben und
ihn nach Ablauf des Jahres, falls er nicht länger bleiben wollte,
sammt den Seinen wiederum unentgeltlich zurückzubringen. Sie
ersuchten ihn auch, ihnen einen tauglichen Prädicanten zur
Unterstützung des Superintendenten zu verschaffen oder gleich
milzabringen. Dieser würde ebenfalls im Namen der zwei
Stände und der Deputirten in Wien angestellt und erhielte nebst
Wohnung, Holz, Wein und Getreide ein Anfangsgehalt von
circa 300 Gulden. Ausserdem wollten sie zur Entlastung dieses
Prädicanten, der mit den Wochenpredigten und der Admini-
stration der Sacramente and dergleichen Kirchendiensten, noch
dazu bei der keineswegs kleinen Gemeinde mehr als genug zu
than haben würde, einen Diakon bestellen, der ,die Verhör der
Beicht aufnehme, die Kindlein taufte, die Communion hielt, den
Catechismum und die Collecten der Agendaordnung nach ver-
en thät'.
Diesem Geistlichen, zu welchem ihnen Chyträus eben-
falls behilflich sein möchte, wollten sie neben Quartier und einem
Natitraldeputat gegen 100 Gulden geben.'
' Chytriiu >o Depntirte; Cod. Fol. IQ'.
* Vgl. Otto, ■. a. O., ä. 51. Dieses Berufangiuchreiben wurde unter dem
gleichen Datum an Chytränii gesandt.
» Depatirte an ChytrSuii, ddo. Wien, den 6. Juni 1572; Cod. Fol. 27'— 31.
13*
196
Chytrilus schlug darauf zum Prediger den schon genannten
Georg Cfllestinus ' und zum Diakon den wohlgelehrten und
frommen Mag. Mento Gogrcvius* vor. Was ihn selbst aber
betreffe, tauge er nicht ,zum Predigtamt, noch zu Weltsachen
oder mit andern Leuten stattlich imd fruchtbarlich zu handeln*,
ausserdem werde er tÄglich schwächer. Er wisse auch nicht,
ob seine Vorschlüge bezüglich der Anordnung der Agende, wozu
er ,neben einem andern hochbegabten, verständigen Super-
intendenten' gerne helfen wollte, den Deputirten genehm seien.
Wenn dies aber der Fall sei, so wolle er ihrer Berufung
ohne weiteres Folge leisten, auch einen Prädicanten und
Diakon mitbringen und nach Michaeli zu ihnen reisen. Doch
sei es unnöthig, dass sie sich bei seiner Herreise neuerlieh in
80 grosse Unkosten stürzten; es gentige, wenn ein österreichi-
scher Edelmann an den Kurfürsten zu Brandenburg des CiÜe-
stinus, an den Ratb zu Braunschweig des Chemnitz und an
die Herzoge Johann Albrecht und Ulrich von Mecklenburg
seinetwegen mit einigen hundert Thalern filr die Reise abge-
fertigt werde.
Chemnitz hatte an diese nunmehr zum dritten Male erfolgte
Berufung nach Oesterreich gewisse Bedingungen geknüpft, die
nicht so einfach gewesen zu sein scheinen. Wir kennen eine
von diesen, venmithlieh ist es auch die, welche Chytrilus als
die , bedenklichste' bezeichnete, nämlich ,eine offene Kirche'.
An diesem Punkte scheinen auch die Verhandlungen, welche
Streiu im Namen der Stünde mit dem Kaiser führte, gescheitert zu
sein; denn im Principe hatte er damals die Bestellung eines Super-
intendenten genehmigt — aber nur, wie dies als sicher angenom-
men werden kann, in der Bedeutung eines ersten Landschafls-
predigers,' ohne die mit jener Stellung verbundene kirchengericht-
Vgl. oben, S. 194, Anm. 3.
ITober ihn Tgl. Kanpnch, s. n. O., I. FortsoUinng, 8. 248 f. und Presb. Austr.,
8. 48 f.
D.iinif stimmt &<i linnn, wenn einorsuiU die Stjlnde im LandtAgnberichte
vym 8. März 1575 beli.Tuptoten, d.iss ihnen dioao Stelle vom KiiisAr be-
willigt worden soi, anderseits der Kaiser (siehe iinton, S. 224) nach diesem
Zeitpnnkte gegen die ,Jnri8diction' des Consistoriunis Bedenken iags«rte.
Ea erklHrt sich auch, wenn Strein in seiner Relation vom Jahre 1&78
den späteren Landhausprediger Opitz als Superintendenten aufführt. Die
Stunde aber unterschieden sehr wohl zwischen dem Snperintendenten-
nud dem LandschaftJipredigeramt.
_^ 197
liehe Ingerenz.' Die Staude liessen daher auch, als die Be-
rufung des Chemnitz nicht zu erlangen war, durch Strein den
Rostocker Superintendenten Simon Pauli vorschlagen, gejjen den
der Kaiser nach ihrer Meinung umso weniger irgendwelche Be-
denken haben konnte, als er ihn seiner Zeit selbst zur Ver-
Cusung der Agende vorgeschlagen hatte.*
3. VcrhaudlnuKen der Stftiidt» wewt'ii Anstolliinu; von
Landsehaftijprediiforii. Ucnifiiiiu; des 0|(itK und Itochcr.
Aiisbriu-h des Erbsilndonstreltes.
So verging über diese Verhandlungen mit dem Kaiser ein
^nzes Jahr, bis sich die Stünde entschlossen, damit in drr
Bildung des Kirchenwesens kein weiterer Stillstand einträte, in-
zwischen G. Cälestinus und Gogrevius zu bestellen, nachdem
sie von dem Kaiser mit Rücksicht auf den Mangel an ein-
heimischen gelehrten und geübten Predigern ,zum Theil' die
Bewilligung dazu erhalten hatten.^ Am 15. August 1573 wurden
die darauf bezüglichen üecrete an G. Cälestinus* und an seinen
Herrn, den Kurfürsten Georg von Brandenburg,* sowie an
Gogrevius" ausgefertigt.
Dieser antwortete am 18. September, dass er ein ganzes
Jahr vergebens auf seine Berufung gewartet, sieh darüber in
noeso Unkosten gestürzt und, nachdem er mehrere Posten aus-
gMchlagen, unlängst einen angeiiommon habe, doch wolle er
bis Ostern eine Entscheidung treffen.' Die Stände nahmen
dieses Anerbieten dankend an und wiesen ihm 5ü Thaler bei
Chyträus an.'
' VgL Nobbe, Das Suporiiiteodentenamt, seine Stellung und Aufgabe nach
<Ieo evangelischen Kirchenurdnungen; Zeitschrift fUr Kircheugeachichte
XIV (1894), 8. 666 f., XV (1896), S. 44 f.
* Siebe oben, S. 139.
• Deputirte au Chyträus, ddo. 16. August 1573; Cod. Fol. 44.
* Deputirte an Cülestiuus, ddo. 16. August 1678, dann 36. October 1673;
ebend«, Fol. 66 und 60.
Deputirte an den Kuritlnteu, ddo. 16. August nnd 26. September; ebenda
Fol. 63 u. 64.
Deputirte an Gogrerius, ddo. 16. August; ebenda, Fol. 67.
' Cod. Fol. 6«.
• Eb«nda, Fol. 68 (auf Fol. 69 folgt irrlhümlich wieder Fol. 68).
198
Cälestinus erklärte sich am 4. October bereit, das Amt
eines Predigers auf ein Jahr zu übernehmen, yoraosgesetzt,
dass der EurfUrst seine Erlaubniss dazu gebe; bat aber, man
möge auch seinen Freund Chyträus, der ohnedies in die
Steiermark reisen müsse, bestellen, da er ohne ihn ,weiiig
Nutzen' schaffen könne. Qegen die seinem Berufimgsdecret
beigeschlossenen Ordinationsartikcl habe er keine Bedenken.'
Die Deputirten gaben darauf am 26. October ihrer freudigen
Erwartung seiner baldigen Ankunft Ausdruck und wiederholten
durch einen eigenen Boten bei dem Kurfürsten ihre Bitte.'
Dieser stimmte auch zu und setzte Maximilian 11. brieflich da-
von in Kenntniss. Cälestinus trat also seine Reise nach Oester-
reich an, und zwar in Begleitung des Chyträus und eines Ge-
sandten der steirischen Landschaft,' dem er — und dies ist
gewiss etwas merkwürdig — ebenfalls bereits zugesagt hatte,
sich zur ,Aufrichtung der Kirchen- und Schulordnung' in ihren
Dienst zu begeben,^ ohne dass er den österreichischen Ständen
ein Wort davon erwähnt hätte. Nun wäre das aUein noch nicht
so schlimm gewesen, weU er ja nach Verrichtung seiner steiri-
schen Mission seine Stelle in Oesterreich hätte antreten können;
er hatte aber, wie es sich später herausstellte, überhaupt nni
ein Vierteljahr Urlaub und war insofeme schon wortbrüchig
geworden, als er sich ihnen auf ein ganzes Jahr verpflichtet hatte.
Unterwegs aber, in Meissen, hatte sich G. Cälestinus mit
dem steirischen Gesandten zerschlagen, imd dieser schrieb des-
wegen an die österreichischen Stände, worauf die ganze Sache
aufkam. Als jener daher ganz unerwartet in Wien erschien
und den Deputirten in einer besonderen Eingabe seine Dienste
anbot, worin er, schon von der Besorgniss erfüllt, seine Bestellung
könnte von den Ständen ,um der zwischen ihm und dem steiri-
schen Gesandten fürgefallenen Irrungen willen' rückgängig ge-
macht werden, bat, den von diesem wider ihn , ausgegossenen
Auflegungen und Beschwerungen' nicht gleich zu glauben und
seine durch die Herreise entstandenen Unkosten zu berück-
sichtigen, wurde ihm von den Deputirten einige Tage darauf,
' Cod. Fol. 67.
« Ebenda, Fol. 60'.
» Es war Lerch, Cod. Fol. 114.
* Ueber seine Verhandlungen mit den steirischen Ständen ygl. Loserth,
a. a. O., S. 209.
199
am 28. December, kein aebr gnädiger Bescheid zu Theil. Sie
hätten, heiset es darin, auf des Chyti'äus Rath sowohl durch
diesen als durch eigene Schreiben mit ihm wegen der Annahme
der Predigerstelle verhandelt, in die er auch brieflich einge-
willigt habe. Darauf sei ein eigener Bote au ihn geschickt
worden, in der Voraussetzung, er nehme zunächst , diese östor-
reicbische und gar keine andere oder gleich doppelte Vocation'
an, weil er von der anderen Berufung, wovon er doch damals
bereits Kenntniss gehabt haben musste, keinerlei Meldung gethan
habe, und die ganzen Unterhandlungen in dem Sinne geführt
worden seien, dass er die Stelle, wenn nicht länger, so doch
auf ein Jahr annehmen solle.
Nun stelle sich aber heraus, dass er sich sowohl in die
Steiermark als hieher habe berufen lassen und also ,oine dop-
pelte Vocation' angenommen habe, wie er dies selbst bekenne
und auch aus dem Schreiben seines Kurflirsten an den Kaiser,
besonders aber aus dem Briefe eines steirischen Verordneten
ddo. 17. December hervorgehe, , darinnen die Herren Verord-
neten, in Steyr den Herrn Cälestinum seines bei ihnen ange-
nommenen Berufs allererst begeben und herüber nach Oester-
reich weisen'. Dazu komme noch, dass er vom Kurfürsten nur
ein Vierteljahr für Steiermark oder Ocstorreich Urlaub habe,
während die Berufung auf ein ganzes Jahr laute; daher es
wohl in der Ordnung gewesen wäre, dies den Ständen früher
mitzutiteilen und ihren Bescheid zu erwarten. Ohne auf seinen
Streit mit dem steirischen Gesandten, der allerdings zwischen
den beidon Landschaften, wenn man ihn darauf hin bestelle,
einen Zwiespalt herbeizuftihren geeignet sei, näher einzugehen,
m| die Sache selbst, um die es sich dabei gehandelt habe, eine
■Siehe, ,die nun bei vielen ausgebrochen und etwa noch immer-
dar mebrers fUr die Leut kommen mag, daher auch bei den
Feinden oder "Widerwärtigen der christlichen Religion desto
mehr Aergemiss, Unruhe, Gezänk und Verachtung des Wort
Gottes oder andere Anstöss erfolgen würden'.
Man kann unschwer errathen, was die Deputirten mit
dieser Andeutung meinten: es war der Streit über die Natur
der Erbsünde, ob diese nämlich die Substanz selbst oder nur
ein Accidenz sei, in welchem (i. Cälestinus offenbar eine de-
cidirte Haltung angenommen hatte, und zwar, wie man zu ver-
mathen berechtigt ist, gegen die flacianische Auslegung derselben
200
als Substanz, weil im andern Falle die Deputirten — ihr
weiteres Verhalten wird es zeigen — gewiss keine Bedenken
gehabt hätten, ihn trotz seines unehrlichen Verhaltens und seines
Streites mit dem Gesandten als Prediger anzunehmen. Sie be-
willigten ihm, da er die Reise in steirischen Diensten gemacht
habe, nur filr seine Bemühungen bei der Durchsicht der Apo-
logie und flir die Widmung seiner Tractate, ,Wie sich ein Diener
des Wort Gottes halten solle' betitelt, 535 Thaler, doch unter
der Bedingung, dass er dem A. Pouchenius davon 50 gebe, die
bezeichneten Schriften zu ihren Banden erlege und sie nicht
weiter verbreite, oder wenigstens ihren Namen nicht nenne,
weil sie ihnen .ethchermassen zuwider' seien, dass er endlich
so bald als möglich abreise und über das V^orgefallene voll-
kommenes Schweigen bewahre. '
Cälestinus nahm das Geld und reiste ab. Als er aber
wieder in Berlin war, schlug nv Lilrm, verlangte beglaubigte
Abschriften der von Chjträus und dem steirischen Gesandten
,hinterrücks' geschriebenen Briefe und nahm die Autorität seines
Kurfürsten in Anspruch, der deshalb dreimal * an die De-
putirten schrieb und sogar mit einer kaiserlichen Intervention
drohte, bis endlich Cillestiuus auf die energischen Vorstellungen
derselben Ruhe gab."
Da wurde den Deputirten von einer .vertrauten Person'
ein Schreiben zugestellt, das Dr. Jcromias Hornberger von Lau-
ingen aus, wo er als Theologieprofessor wirkte, einem Augs-
burger Freunde gesandt hatte. In diesem rühmte or die öster-
reichische Agende, stellte ihr das Zeugniss aus, dass sie den
prophetischen, apostolischen Schriften und der Confessio Augu-
stana vollkommen gemäss sei, und bot der evangelischen Kirche
in Oesterreich seine Dienste an. Homberger erhielt nun durch
diese Mittelsperson die Aufifordening, herzukommen und einige
Probopredigten zu halten, der er auch Folge leistete, worauf
dann die beiden Theologen Friedrich Cälestinus und Reuter
' Depntirte an CJÜeatinuB, ddo. 28. December; Cod. Fol. 63'.
' 12. September 1674 (fehlt im Codex), '.'Ü. December 1574; ebenda, FoL 114
und 23. Februar 1675; Fol. 115.
* Cälestinua an den KurfUrsten, g. d. Fol. 114. Deputirte an den Kur-
fürsten, ddo. 25. Jftiuier und 16. MHrz 1576; Fol. 111' und 117. Deputirte
an CUlestinUH, ddo. 16. MSrz; Fol. 117'.
201
ewiesen wurden, mit ihm wegen Uebernahme des stUndischen
Predigeramtes Unterhandlungen zu pflegen. Man forderte haupt-
Mchlich, ,das8 er sich des ärgerlichen Streits de accidcntc pec-
eati originis, welchen er bald im Anfang in seiner geschiiebenen
Confession gesetzt hätte, mlissig gehen and diese noch zarte,
junge Kirche mit Erregung dieses Streits nicht turbiren, ja
weder das Wörtl substantia noch accidens gebrauchen, sondern
bei der Form, so die Propheten und Apostel, Lutheruß, ja der
Herr Christus selbst in dieser Materia gebraucht hätte, bleiben
solle', wogegen er wolil einwandte, ,dass er diese seine Mei-
nung de accidente nicht könnte fallen lassen in Bedenkung,
dass er seine Meinung vielen Pastoren commuuiciert, die ihm
^^Hptch Beifall gethan, auch in privatis et publicis lectionibus
^^^kuen Discipeln dicticrt, welche er alle schwerlich, da er von
^^■jner Meinung fallen solle, ärgern wUrde'. Doch nach vielem
B^Xm'eden der beiden Theologen und der Deputirteu, namentlich
" durch deu Hinweis, dass er nur unter dieser Bedingung ange-
stellt werden könnte, gab er dann am 6. April 1574 die schrift-
liche Erklärung ab, ,dass er dieses Streits, so lang er in ihrem
Dienst sein würde, ganz mlissig gehen, ja da er je von jemand
so hoch dazu gedrungen wtlrde, seine Meinung zu vertheidigen,
ao wollte er solches doch mit ihrem Vorwissen thun, ja lieber
Urlaub haben, denn Unruhe erregen'.
Damit gaben sich die Dcputirten zufrieden, verschoben
aber die Bestellung bis zu ihrer nächsten Zusammenkunft nach
Ostern, weil einige von ihnen, wie sie vorgaben, in dringenden Ge-
schäften abreisen mussten. In Wahrheit aber war ihnen an
ihm nicht viel gelegen. Hornberger war allerdings einst ein
Anhänger der flacianischen Lehre von der Erbsünde gewesen
und hatte auch über Wunsch des Flacius eine Elogie darauf
verfasst, welche dieser dann in seiner RepUk auf die , Streitschrift
des Andrea' abdrucken Hess. Er hatte sich aber später in
einem Briefe an Flacius von seiner Meinung losgesagt und
war also zu dieser Zeit — was die Deputirteu otfenbar früher
mcht gewußst hatten — ein ,Accidenzler'. ' Diese hatten übri-
gens die Predigerstellc, vorausgesetzt, dass das Datum des Be-
* Vg\. M. Mayer, Jeremias Hornberger. Ein Beitrag zur Qeacbichte Inner-
OaUmicba im 16. Jahrhundert, Archiv für esterreicbiscbe Geschichte 74,
1»&9, S. 208.
202
Btallungsbriefos richtig ist, bereits am 13. April, jedenfalls aber
bald nach der Eröffnung der Uiitcrliandhingen mit ihm, an
einen erklärten Fiacianer, den unmittelbar vorher seiner Lehre
wegen aus Regensburg ausgewiesenen Mag. Josua Opitz vor-
geben.
Sie hüteten sich jedoch, mit Hornberger oflPen zu brechen,
weil sie den Verdacht, als begünstigten sie den Flacianismus,
bei der anderen Partei der zwei Stände vermeiden wollten, und
unterharulelten mit ihm weiter. Er aber, der ihre Absichten
durchscliaute, dürfte sich in ihrer Abwesenheit über ihr Vor-
gehen beschwert haben; wenigstens warfen sie ihm in ihrer
Landtagsrelation vom 8. März 1575 vor, er habe sich während-
dem unterstanden, seine Lchrmeinung über das Accidenz der
Erbsünde .heimlich bei holien und niederen Ständen zu spar-
giem und insinuieren' und auch die beiden Theoingen, die im
Auftrage der Deputirtcn mit ihm conferirt hätten, zu ver-
dächtigen, als würden sie ihn nur dealialb nicht anstellen, weil
er die These, die Erbsünde sei die Substanz selbst, nicht ver-
theidigen wollte, und ihm daher allerlei Schwierigkeiten
machten.
Als die Deputirten wieder versammelt waren, wurde ihm
am 17. Mai die Bestallungsurkundo im Concepte übermittelt und
von ihm ein gleichlautender Revers verlangt, worauf or sie
dann mit etwas veränderter Formulirung den in Baden weilen-
den Deputirten Leopold Grabner und Wolf Christof von Enzers-
dorf übergab. Als diese mit Rücksicht auf die eigenmächtigen
Aenderungen keine Entscheidung zu treffen erklärten und diese
ganze Angelegenheit ihren Amtscollegen nach Wien berichteten,
kam Hornberger einige Tage später zur Reise gerüstet nach
Baden und zeigte den Beiden an, er wolle sich nach Graz zu
Chyträus begeben, weil ihm dieser geschrieben habe, dass die
dortige Landschaft ohne Prediger sei. Chyträus hatte aber
bereits die Steiermark verlassen und kam im Juni 1574, wie
schon erwähnt wurde, nach Stein. ' Als ihn nun Flomberger
in Graz nicht mehr antraf, reiste er ebenfalls dorthin und be-
sprach sich mit ihm, der ihm zur Annahme der von den
österreichischen Deputirten angebotenen Stelle rieth.
> Siebe oben, 8. 192.
203
4. Opposition der Stünde gegen die 'Depntirten und die
Landschaftsprediger. Cont'ordieiiformel.
Inzwischen war der bereits im Keime bestehende Zwie-
spalt unter den Ständen und ihren Predigern zum offenen Aus-
bruche gekommen, wozu Horaberger's Anwesenheit in Wien
nicht wenig beitrug. Die Mehrheit der Stilnde, dai'unter auch
die evangelischen Rathgeber Kaiser Maximilians,' ergriff für
Hornberger Partei und wandte sich mit heftigen Angi'iffon gegen
die Anhänger des Flacianismus, hauptsKchlich gegen die Depu-
tirten, indem sie diesen vorwarf, dass sie ihn nur deshalb
nicht zum Landschaftsprediger ernennen wollten, weil er das
Accidcnz nicht faUen lassen wolle, hingegen sich nicht gescheut
hätten, Opitz, der öffentlich die Substanz vertheidigt habe, zu
berufen. Die Verhandlungen mit Homberger wurden nun fort-
gesetzt und führten am 4. Juli zu seiner Anstellung als zweiter
Landschaftsprediger, nachdem er im Beisein der Stande erklärt
hatte, die in dem ersten Anstell ungsdecret enthaltenen Be-
dingungen anzunehmen. Man fasstc aber den Beschluss, dass
er ,seine phrases, die er im Predigen gebrauchen wollte, schrift-
lich alsbald Übergeben' sollte, desgleichen auch Opitz, sowie der
vor Kurzem ernannte Diakon Laurenz Becher, der ebenfalls ein
Flacianer war. Die von diesen drei Predigern vorfassten
Schriften wurden nun geprüft und ,was in einem oder andorm
zu einiger Disputation Ursach geben möge*, ausgeschieden. So
entstand die ,Formula Concordiae, aus beider Theil Schriften
in dieser Sachen, der heiligen biblischen, prophetischen, apostoli-
schen Schrift, Dr. Luthers Lehre, der Augsburgischen Con-
fession, Schmalkaldischen Artikeln und der österreichischen
Agenda allerdings gemäss gestellt', die hierauf beiden Parteien
vorgelegt wurde.
Jetzt brach aber der Sturm erst recht los. Beide Theile
üelen über diese Concordienformel her. Hornberger, der be-
sonders heftig gegen sie zu Felde zog, konnte jetzt nicht mehr
gehalten werden und schied noch im selben Jahre aus Oester-
reich.* Es ist kein Zweifel, dass er durch seinen üebereifer
' OiMer drQckte auch dem Strein sein Befremden du-Uber aiu, dani sie
dieaen .feinen gelehrten Mann' wegziehen liesaen ; vgl. 8. '216.
* Depatirteobericbt vom 8. März 1676.
804
und seiim Leidensuhaftliclikoit der evangelischen Kirche io
Ocsterrcich in der Folge geschadet hätte; jedenfalls aber häi
er unvergleichlich Besseres und Verdienstlicheres geleistet all
der Flacianer, den die Deputirtcn ihm vorgezogen hatten, näm-
lich Opitz.*
Dieser war, wie schon bemerkt, am 13. April 1574 auf
ein Jahr zum Prediger der zwei evangelischen Stände ange- j
stcUt worden, am ihnen und den Ihrigen ,derzeit in des Land^sd
marschalls Behausung oder was ihnen Gott sonsten und kunftig-
Uch für eine zum gemeinen Gottesdienst geben und bescheren
möchte, das heiUge Wort Gottes, Gesetz und Evangelium inhalt
der prophetischen und apostoUschen Schriften rein und lauter,
in rechtem, walirem Verstand, wie der in den alten Symbolis
Apostolico, Nicaeno, Athanasiano et Ambrosiano, auch obbe-
melter Augsburgischer Confession, desgleichen in den Schmal-
kaldischeu Artikeln und Catechismis und Bekenntnissen Lutheri
kürzlich verfasst, ohne allen menschlichen Zusatz, Irrthum und
Corruptelen, zur Busse und Vergebung der Sünden im Namen
ihres Herrn Jesu Christi flirtragen und predigen solle, für seine
Person die heilige Bibel und die berülirten Schriften selbst
äeissig lesen und studieren und nach S. Pauli Befehl mit allem
Ernst ob dem Wort halten, das gewiss ist und lehren kann,
treulich und fleissig seine Sonntage, Feste und geordnete Feier-
tag- und Wochenpredigten thue, gleichfalls auch im Falle der
Noth mit dem Diacon, so die zween Stände insonderheit ange-
nommen, in Rcichung der heiligen hochvvürdigcn Sacramenta
guten Beistand thun oder im Fall seiner Abwesenheit solches
selbst verrichten solle . . .' Verlangten, dass er ,zur Hinderung
oder Zerrüttung gemeines Friedens und chrisdicher Einigkeit
dieser Lande Kirchen nichts thue noch fümehme, alles unnöthigen
Gezänks, Wortkrieges, ungeistlichen Geschwätzes, thörichten
Fragen und unnützen, unpüsslichi.m Disputationen und Pre-^^
digtcn von der Ubiquität, von der Höll und Himmelfahrt deS^H
Herrn Jesu Christi, von der ewigen, göttlichen Vorsehung, von
der Substanz oder Accidenz der Erbsünde, soll davon reden,.^^
wie in der Formula concordiae begriffen und dergleichen, auch^V
' lieber Mine wahrhaft bedeutende organiaatnriscbe Thiltigkeit in Gra»
und seine s{iitere Ausweisung vergleiche M. Mayer, a. B. O., S. 209 f., und
Losorth, a. a. O., S. 208 f.
205
/reventlichen Richtens und Bannens müssijr ifehe und sich in
Verrichtung seiner Kirchenilmter, so viel möglich und Ort, Zeit
und andere Umstünde geben, der in ihrem und der zweier
8t&nde Namen publicirten Agenda und derselben Apologia ge-
brauch und gleichförmig erzeige und nichts dawider handle
nnd mit gottseligen eingezogenen Leben und Wandel, wie ainein
Diener Gottes gebürt, die Lehre Christi in allen Stücken ziere
und sich sonderlich in seinem Dienstamt keiner Herrschaft
über den Diaconum und seine Mitbrllder, auch über die Zu-
hörer anmasse, keine unehrliche oder Kirchendienern ilbel an-
ständige Hantierung treibe, sich des Vollsaufcns, Zutrinkens,
öffentlicher Weinhiluser, leichtfertiger Gesellschaft, Spielens,
Hadems, Raufens, Schiagens, Wucherns enthalte und um aller
Gefährlichkeit und sorglicher ZufUlle willen die päpstisehen
Kirchen und Schulen und andere gefilhrliche Oerter inner und
Bnner der Stadt Wien so viel möglich meide und sein Weib
■«M Kind mit Ernst zu Gottesfurcht, guten Tugenden und ehr-
lichen Arbeiten oder Künsten halten und gewöhne, damit weder
durch ihn noch die Seinen jemand geärgert, und den Wider-
wärtigen wahrer christlichen Religion sein Amt und Person
und ganze Lehre des heiligen Evangelii zu verachten und zu
verlflstcm Ursach gegeben werde'. Dafllr sollte er sich ihres
wirksamen Schutzes erfreuen und ein Jahresgehalt von 350 Gid-
den Rh. sammt freier Wohnung, 18 Klafter Holz und 50 Gulden
fUr den Transport seiner Familie und des Gepäckes nach Wien
erhalten. Am nächsten Tage stellte er den Revers aus. '
I Seine Gegner, namentlicii Jakob Andrett,* von dem auch
I ein gedrucktes Sendschreiben gegen Flacius ausging,' beeilten
sich alsbald, diesen Prediger bei den Ständen unmöglich zu
* Cod. Fol. 69'— 77 und 77'. Ich glaube nicht, das« die Erwälinung dieser
Fonnala concordiao die Richtigkeit des Datnms (13. and 14. April 1574)
^^^K «luschliesge. Hlglicherweiae hat man die im Sommer 1574 verfasnte
^^^VFormel nachträglich dem Bestallungsdecret eingefilgt. Jene braucht
^^^H*ber gm nicht mit dieser identisch zu »ein; erwHhnt doch schon Chyträus
^^riii seinem Schreiben vom 25. September 1573 (Cod. Fol. 45') eine ,Formula
r concordiae', die er schicken wollte. Es ist auch nicht leicht anzn-
I nebmen, dasa sich der ungemein gewissenhafte Copist zweimal naohein-
I ander geirrt habe.
; • Vgl. S. 134, Anm. I.
* Dopatirte an Andrea, ddo. 10. Februar 1576; Cod. Fol 1S8'.
206
machen.' Sie hinterbrachten ihnen, dass er wegen seiner
flacianischen Gesinnung vom Stadtrath in Regensburg, wo er
als Superintendent gewirkt hatte,* kurz vorher seines Amtes
enthoben worden sei,' und Hessen ihn durch die Deputirten auf-
fordern, sein Abschiedsdecret vorzuzeigen. Opitz rechtfertigte
sich darauf in zwei ausführlichen Bericiiten. Er wUrde sich,
sagt er darin, nie in den Streit von der Erbsünde eingemengt
haben, wäre er nicht von dem Regonsburgej- Stadtrath selbst
hineingezogen worden, weil dieser nämlich von ihm verschiedene
Censuren über anderwärts ausgegangene Schriften verlangt habe.*
Nicht viel besser erging es den zwei anderen bei den Ständen
bediensteten Predigern Friedrich Cälestinus * und Becher, denen
man ebenfalls nichts Geringeres zur Last legte, als dass sie ihrer
flacianischen Lehre wegen von anderswo ausgewiesen worden
seien.*
Die Deputirten setzten sich in der zum Landtage des
nächsten Jahres zusammengestellten Relation äusserst energisch
für ihre drei angegriffenen Prediger, deren Wiederanstellang
für das folgende Jahr sie beantragten, ein und griffen zu einem
ungemein wirksamen Mittel: sie baten, man möchte sie des
Depntirtenamtes entheben, das sie nun seit dem Jahre 1568,
also schon in das siebente Jahr ausgeübt hätten, ohne irgend
etwas Anderes als bei dem grösseren Theil der Stände Undank
geerntet zu haben.' Das machte auch wirklich Eindnick. Die
Stände baten sie in ihrer Erwiderung, im Amte zu verbleiben,
nahmen ihre Entschuldigung wegen des Homberger an, obwohl
Etliche unter ihnen ,fast gern gesehen', dass derselbe bei ihrer
GbendB ist sein Schreiben an die Depntirten, ddo. 30. September er-
wShnt.
Seit 1671 an Stelle des verstorbenen Nirolaas Oallos.
Die Keg-ensbnrger lieiMen .«ogar im nSmIichen Jahre einen gedruckten
Bericht ausgehen; vgl. Raiipach, a. a. O., 1. Forts., S. 2&4 (. Opitz ver-
fasstt) darauf im Jahre 1578 einen gründlichen Gegenbericht; Tgl. Preger,
a. a. O. U, ä. 392.
Cod. Fol. 79' -86.
Namentlich durch den Qrafon QUnther von Schwaribnrg. Er recht-
fertigte Hieb auch in einem besonderen Schreiben an die Uepntirten,
ddo. 18. Mai 1674; ebenda, Fol. 86.
Vgl. die folgenden Landtagsschriften.
8. März 1676; Cod. Fol. 92— 102'.
207
Kirche bestellt worden wttre. Bezüglich der Wiederverwendung
der drei des Flacianismus beschuldigten Theologen fanden sie,
,dass fast g^t wäre, zu Vei-hütiing allerlei Unraths, so hieraas
folgen möchte, sich hinfüro dergleichen Leut, so viel möglich
kann, za enthalten, wie sie denn Air gut achten, dass die
lerm Deputirten darauf gedacht sein wollen, Theologos oder
Prädicanten, so anderer Orten vertrieben und abgefertigt, nicht
zu promovieren, zumal weil luRrdurcJi der k. M' Ursach geben
werden möchte, denen Ständen dergleichen Leut abzuschaffen,
sondern vielmehr solche Leut befürderu, die eines guten Lobes
reiner Religion und guten Namens sein. Soviel aber Dr. Cäle-
pitinum belangt, haben die Stünde seiner Person halben auch
kein ander Bedenken, allein dass denen Ständen fUrkommen,
wie er fast in grossem Verdacht bei männiglicheu, dass er in
der Religion nit allerdings lauter und deswegen anderer Orten
vertrieben sei worden; und weilen sonderlich die Stände be-
linden, dass er nunmehr diisjenig, dazu er bisher gebraucht,
vollendet und man seiner nit mehr bedürftig sein werde oder
zu einem Superintendenten zu gebrauchen sei, so erachten die
Stande, er Cälestinus möchte mit ehiater Gelegenheit und gutem
Fug seines Dienstes erlassen und ferner in der Landschaft Dienst
nit aufgehalten werden.
,Des Herrn Opitii und Herrn Loreuzen Becher sein gleich-
wol etliche unter denen Ständen der Meinung gewest, dass sie
beide auch alsbald ftirnehmlich der Ursachen, weil sie anderer
Orten auch Übel abgeschieden und allerlei wider sie geschrieben
werde, zu Verhütung mehrerlei Verdachts geurlaubt und weg-
geschaflFt werden sollen, die meisten aber dahin geschlossen,
dass sie beide noch zur Zeit bei ihren Diensten doch unver-
banden bleiben, und sollen ihnen alle Tractätl und anders, was
bisher wider sie einkommen, um ihre Verantwortung zugestellt,
alsdann dieselbige Handlung alle etlichen Universitäten um ihr
laditium, ob sie Gewissens halben zu erhalten sein, Uberschicken.
Da nun befunden, dass ihre Verantwortung für genugsam er-
kannt, möchten sie länger bei ihren Diensten bleiben; wo sie
aber nit für genugsam gehalten, dass sie entweder ihren Irr-
thum öä'entlich revociercn oder da sie das nit tluiii wollten,
alsbald, so wol auch andere Prädicanten, so in diesem Verdacht
nnd Irrthum sein, abgeschafft würden. Zum Fall sich auch
einer oder der ander entzwischcn in seinem Predigtamt ver-
208
däclitlich hielte, sollen sie ohne Mitte! geurlaubt, sonsten aber
bis zur Aufrichtung des Consistorii und der Superintendenten
sollte neben den Herrn Deputierten und Herrn Christoffen
Reuter noch ein gelehrter Tlieologus, so reiner, unverfälschter
Lehre, gehalten und hierinnen keine Unkosten erspart werden.' *
Die Religionsdeputirten Hessen sich auf diese so entgegen-
kommende Replik hin zur Weiterfilhrung ihrer Amtsgeschäfte
herbei, erklärten aber, des Cälestinus, der llbrigens mit kaiser-
licher Bewilligung aufgenommen worden sei, ,zu Aufrichtung
des Consistorii und anderer f\lrfallenden Sachen' gar nicht ent-
rathen zu kijnnen. Sollten die künftigen Deputirten die Reli-
gionsgeschftfte mit einem anderen Theologen richten können,
so hätten sie nichts dagegen.
Wenn vorgegeben werde, er sei aus anderen Städten
vertrieben worden, beruhe dies auf einem Irrthum.* Bezüglich
der von Regensburg wider Opitz verbreiteten Anklagen er-
klärten sie sich bereit, seine Verantwortungsschrift mehreren
unparteiischen Kirchen zuzuschicken und deren Ccnsuren zu
erwarten, denn von den Universitäten werde kaum eine in
ganz Deutschland zu finden sein, die nicht bereits ftlr die eine
oder die andere Lehrmeinuug Partei ergriffen hätte. Becher
aber habe sich nie an dem ErbsUndenstreite betheiligt und sei
nnr deshalb von den kurftii-stlich-sächsischcn Theologen seines
Dienstes enthoben worden, weil er Melanchthon's Doctrinale,
wogegen er einige begründete Bedenken hatte, nicht unterfertigen
wollte.'
Der festen, entschlossenen Haltung der Deputirten gegen-
über gaben endlich die Stände — nicht zum Heile der evan-
gelischen Kirche in Oesterreich — nach und entschuldigten
sieh noch obendrein in ihrer Schlusserledigung vom 30. Mürx:
Sie hätten nur gedacht, man würde des Fr. Cillestinus, den sie
übrigens nie im Verdachte ,uni-echter Religion' gehabt hätten.
nach Vollendung des Lehrbuches, der Apologie ■»'^ undorcf
dogmatischer Schriften nicht rael - ' ' '
ferne die Deputirten aber weitr- ■;■,
' Grleili^nni; ilor Stünile,
' Er war th.ttaäclilicli
An«tr., S. 18.
» Cod. Fol. 106—106*.
209
sie oichts dagegen einzuwenden. Becher sei nunmehr durch
verschiedene eingelaufene Berichte vollkommen gerechtfertigt
worden. Auch gegen die Belassung des Opitz trtigen sie keine
weiteren Bedenken, falls er sich seinem Reverse gemäss ver-
hielte, und seine Rehabilitation seitens einer oder mehrerer Uni-
versitäten erfolgt sei. Nicht gegen die vertriebenen Prädicanten
überhaupt wendeten sie sich, sondern lediglich gegen die,
welche , einer irrigen Lehre halben' vertrieben worden seien.*
5. Xenerlichc Verhandlimücn ober die Wahl eines Super-
intrndcnten. Errichtung einer evangellsclien Laiid-
schaftsscbule.
Im Landtage desselben Jahres unternahmen die Stände
eiaen ernsthaften Schritt zur Ausgestaltung ihres Kirchenwesens.
E» wurde beschlossen, das Doctrinale, auf welches sich die
gedruckte Agende berief, und das nun endlich fertiggestellt
war, einem Ausschuss von je sechs Landleuten aus dem Hcrren-
und Ritterstand neben den Deputirten und einigen gelehrten
Theologen zur Begutachtung vorzulegen, hierauf im Sinne der
kaiserlichen Resolution vom 14. Jänner 1571 den drei Uni-
versitäten Tübingen, Wittenberg und Rostock zur Censur zu
schicken und im Falle ihrer Zustimmung in den Druck zu
legen; falls aber in einem oder dem andern Punkte Bedenken
geftossert würden oder, wie zu erwarten stand, einander wider-
sprechende Gutachten einkUmen, sollte es vorher entsprechend
umgearbeitet und der Stände ßeschluss darüber eingeholt
werden. Auch sollten die Deputirten an die evangelischen
Stände des Landes Oesterrcich ob der Enns die Anfrage
ergehen lassen, ob sie zur Ueberprüfung dieses Doctrinals ihre
Verordneten hersenden und sich ebenfalls ,um christlicher
nachbarlicher Einigkeit willen' dazu bekennen wollten. Nach
Erledigung dieses Punktes sollte die Apologie im Ausschusse
vorgenommen werden, doch ohne sie einstweilen durch den
Druck zu veröflFenthchen.
Auch die Errichtung eines Consistoriuma mit einem Super-
intendenten trat wieder in den Vordergrund. Seitdem der im
'^*ire 1673 vorgeschlagene Pauli bei dem Kaiser nicht durch-
« Cod. Fol. 107—108'.
kn%iy. LTimi. Bd. I. HUne.
14
210
zubringen gewesen war,' war von der Besetzung dieser Steile
nicht mehr gesprochen worden. Die Deputirten wurden jetzt mit
der Bildung desselben betraut und erhielten den Auftrag, ,8ich
alsbald um eine wo! qualiHcierte Person, welche zu einem Super-
intendenten und Anrichtung eines solchen Werks zu gebrauchen,
auch andere dazu gehörige Personen vermüg der verfnssten
Consistorialordnung umzusehen, denselben Superintendenten, wo
vonnöthen, der k. M. namhaft zu machen'. Wenn das geschehen,
hätten die Stttnde nichts dagegen, ,inmassen sie sich auch auf
die Assecuration reversiert,* sich mit ihren Kirchen und Pre-
digern dem Consistorio, soviel die Ordnung geben und sich
thuen lassen wird, doch ihres jeden Vogt- und Lehensgerech-
tigkeit unbenommen, zu unterwerfen'.
Für diese Stelle eines Superintendenten wurde nun von den
Deputirten Mag. Michael Besler zugleich mit einem anderen,
nicht näher Genannten, vorgeschlagen. Falls jener aber zu diesem
Amte nicht tauge oder angenommen werden könne, sollen ,die
Herrn Deputierten andere Personen mehr, deren der Stände
Erachten nach sonder Zweifel im Reich noch wol zu Knden
sein sollen und sonderlich auch bei dem Herrn Davide Chj'trÄo
nachforschen und alsdann, wo ihnen einer zum tauglichsten
berühmt wird, demselben zuvor seine Instruction und änderst,
darauf er zu bestellen und sich reversiren solle, zuschicken, da-
mit, wenn er sich darauf nit bestellen lassen wollt, er nicht
vergeblich und umsonst ins Land gesprengt und grosse Un-
kosten verwendet werden. Insonderheit aber sollen die Herrn
Deputirten vor allen Dingen darauf bedacht sein, dass eine
wiche Person berufen werde, die sich des neuen, leidigen
Streits von der Erbsünde nicht tlieilhaftig gemacht, noch den-
selben dieser Lande Kirchen zuzuziehen gesinnet und sonsten
reiner, unverfälschter Lehre und der Augsburgischen Confession
wahrhaftig zugethan und eines guten Namens, Lebens und
Wandels sei. Wenn dann das Consistorium dermasscn bestellt.
Maximilian hatte gegen dessen Person , Bedenken' getragen; Strein's Re-
lation 1578; Fol. 288". Siehe 8. 197.
Üie Fertigung des Reverses scheint aber trotidem nnterblieben zu sein
(vgl. ä. 163, Anm. 1), wenigstens beruft sich Kaiser Rudolf in seiner
Instrnction fUr Erzherzog Ernst, ddo. 11. März 1&79 (Manchner Allge-
meines Reichsarchiv, Oesterr. Ret. A. VO, Fol. 1 10) auf den «verglichenen,
aber noch angefertigten Revers'.
211
sollen alsdann femer durch dasselbe auf dem Lande vier
Viertelinspectorea oder Specialsiiperintendenten auch geordnet
werden, mit dem Befehl, dass dieselben auf die benachbarten
Kirchen und PfaiTer Gutachtun^ haben und aDerlei Lrrthümer
und klinftige Strittigkeit und Aergemiss soviel möglich ver-
hüten, oder wo das durch sie nit bescbehcu könnte, an das
Consistorium um gebürliches und nothwendigcs Einsehen ge-
langen lassen, doch dass auch solche Personen hieüu gebraucht
werden, welche eines friedliebenden, schiedlich en Geistes, reiner
Religion und in göttlichen Sachen ziemlicher Erfahrung und
Verstandes sein, welchen sie dann, ob sie wol ihre eigene Pfan*-
dienste haben, eine geblirliche Ergötzlichkeit für ihre Mühe er-
folgen und solche Ordnung, da es vonnöthen, auch mit Vor-
wissen der k. M. ins Werk richten sollen'.
Auch einigten sich die Stünde dahin, bis zur vollständigen
Aufrichtung des Consistoriums bei der Aufnahme von Prädi-
canten und Lehrern eine Ordnung ,zu Verhütung allerlei künf-
tigen Unraths und Aergernissen' zu bestimmen, auf welche sich
dieselben künftig reversiren sollten. Ferner sollte , allen der
Stände Priidicanten hiemit lauter verboten sein, einige Bücher
oder Streitschriften wider jemand andern inner oder ausser
Landes ohne der Herrn Deputierten Vorwissen auszusprengen
oder in den Druck zu geben oder auch, wiewol bishero von
etlichen geschehen, auf öffentlicher Kanzel namhaftig wider den
andern zu predigen'.
Endlich wurden auch bezüglich der Errichtung einer
evangelischen Landschaftsschule und Bewilligung einer ,offenen
Kirche' Beschlüsse gefasst'
Durch solche Mittel hofften die Stände das hereinbre-
chende Verderben ihrer jungen Kirche aufhalten zu können.
Noch wilre vielleicht Alles gut geworden, wenn sie an Stelle
der Flacianisch gesinnten Religionsdeputirten andere, gemiissig-
lere Männer gesetzt hutten. Diese glaubten allen Ernstes, mit
der beantragten Landesverweisung des Dr. Johannes Matthllus
Alles zur Ordnung des evangelischen Religionswesens gethan
zu haben, und stellten sich auch in ihrem Rechenschaftsbericht
vom 8. März 1575 das ehrende Zcugniss aus, das aus ihrem
Munde allerdings etwas sonderbar und wie die reinste Selbst-
■ Instniction filr die Depatirten, ddo. 91. Jtiiii 1676; Cod. Fol. 110.
212
ironie klingt, soviel durch Gottes Gnade ausgerichtet zu haben,
,dass die gräulichen Abgöttereien, so vor dieser Zeit fast in
allen Winkeln dieses Landes gewesen, mehrers teils abgeschafft,
die reine, prophetische, apostolische Lehre, wie durch den
treuen Werkzeug Gottes Dr. Luthern an Tag gebracht, ge-
pflanzet, auch allen Corruptelen und Irrthümern, Secten und
Schwärmereien, wie die immer Namen haben mögen, gewehrt,
dass dieselben bei dieser ihrer Administration nicht eingerissen,
und da sie etwas dergleichen vermerkt, soviel sich thun hat
lassen, dasselbig abgestellt, also dass sie hoffen, dass ausser
des Johannes Matthäi obbemelt jetziger Zeit kein falscher
Lehrer oder Pfarrer bei der zweier Stände Kirchen öffentlich
ins Predigtamt kommen, darüber auch nicht geringen Kampf
mit ihren Widersachern ausstehen müssen, dazu auch soviel
möglich alle ärgcrUche Gezänk und Streit verhütet, also diese
Kirchen bishero in ziemlichen Frieden erhalten worden'.'
Johann Matthäus, damals unstreitig einer der tüchtigsten
Prediger in Oesterreich, der nachher in Krems a. d. Donau in
wahrhaft mustergiltiger Weise sein Seelsorge- und Schulmeister-
amt verwaltete, war den Ständen von Andrea empfohlen worden
und predigte einstweilen im Hause des Freiherm von llofkirchen.
Weil er aber kein Flacianer war, hatten sie alsbald heraus-
bekommen, ,dass dieser nicht der reinen Lehre und Augsbur-
gischen Confession zugethan, sondern ein Calvinist sei, welcher
sich hievor lange zu Heidelberg gehalten und am selben Ort
von den calvinischen Theologen zum Doctorat promoviert und
hernach zu Amberg in der obern Pfalz Superintendens worden,
von dannen er etliche reclitschaffene evangelische Prediger
vertreiben und verfolgen lassen helfen und doch Ictzlich auch
vom Kurfürsten zu Heidelberg des verdachten Arrianismi
lialbcn seines Amtes und Dienstes dies Orts entsetzt worden'.
Dieser Vorwurf entsprach allerdings den Thatsachen und
bildete auch, obwohl er im nächsten Jahre zu Regensbur^
Beine calvinischen Irrthümer widerrief, die Grundlage für seine
spätere Ausweisung durch Kaiser Rudolf U." Der Landmar-
schall fand es daher fUr angezeigt, den Herrn von Hofkirehen
' Depntirtenbericht, ddo. 8. Mürz 1675.
* Vgl. aber ihn Raapacli, a. a. O., 1. Fortsetzung, S. 302 f.; Presb. Aiutr.
B. 113 f. nnd Sappl. 8. 63.
213
ioBgeheim vor seinem Prediger zu warnen, der darauf seine
Rechtfertigung bezüglich des ArrianiBinus und sein Bckenntniss
aber das heilige Abendmahl einschickte. Weil aber in letztcrem
die .antithesis oder die Gegenlchrc' fehlte, vermoclite er nicht
den Verdacht zu beseitigen. Er musste daher ein neues aus-
arbeiten und darin ,thesis und antithesis* setzen, über welches
dann die Deputirten und ihre Theologen zu Gericht sassen.
Ihre darüber verfasste Censur wurde dem Freiherrn mit dem
Ersnchen mitgetheilt, ,dass er ihn als einen Calvinischen nicht
befördern, sondern fahren lassen soll'. Nun erschien Matthilus
selbst bei dem Landinarschall und erbat sich ein Oolloquium
mit den ständischen Predigern, in welchem Anliegen er auch
von Hofkirchen unterstützt wurde. Hio Deputirten gaben darauf
die Gründe, , warum sie den Dr. Matthäum für einen Calvi-
nisten halten', bekannt und verweigerten seine Zulassung zum
CoUoquium und seine Anstellung als Prediger. , Könnten ihm
auch,' fügten sie hinzu, , nicht rathen, dass er ihn ferner für-
dem solle, in Ansehen, dass wir in allen unsern Suppliciem
der Religion halben der vorigen und der jetzigen k. M. klar
und lauter zugesagt und verheissen, uns auch gegen dieser k. M.
reversiert hätten, dass wir keiner fremden, falschen Lehre, wie
die immer geheissen werden möchte, uns teilhaftig machen,
. .|todern allein bei der Augsburgischen Confcssion verharren
Eliten und keinen fremden oder falschen Lehrer bei uns halten
oder flSrdem'. Hofkirchen bestand aber auf dieser Conferenz
und legte eine neuerliche Erklilrung seines Predigers bei. Die
darauf seitens der Deputirten erfolgte Erwiderung wurde dem
Hofkirchen in Gegenwart etlicher Landleute übergeben, , darin
des Dr. Johannis Matthtti Irrthura lauter dnrgetlian und erwiesen,
dass er nicht der Augsburgischen Confession verwandt, sondern
calvinisch und ein Sacramentierer ist'.' Auch die Stände schlössen
sich endlich dieser Anschauung an und beauftragten in ihrer
Schhisserklärung vom 30. Mai 1575 die Deputirten, darauf zu
sehen, , damit er aufs fürderiichste aus dem Land gebracht
werde'.*
Wie genau übrigens dieser Auftrag befolgt wurde, beweist
die Thatsache, dass Matthäus noch im selben Jahre als Stadt-
< Deputirtenberieht, ddo. 8. MHrz 1676 ; Cod. Fol. 100 f.
* Ebend*. Fol. 107'.
214
prediger nach Krems berofon wurde und dort bis zu seiner
Ausweisung (24. Juni 1578) sein Amt versah.
Die Rücksichtnahme auf den Kaiser und auf ihren Revers
hinderte aber die Deputirten nicht, Prediger in ihre Dienste
aufzunehmen, ,die als Fanatiker mit eisernem Reif um Hirn
und Herz Kaiser Maximilian an der Herstellung des Friedens
verzweifeln Hessen' ' und zuwider den Bestimmungen der Con-
eession und dem Wortlaute ihres Reverses die Katholiken auf
das Gröbste befehdeten. Namentlich Opitz trieb es so argi dass
sich der Kaiser, der doch sicherlich dem Flacianismus gegen-
über duldsam war,* veranlasst fand, am 30. März 1575 an den
LaudmarsehaU und die Verordneten ein sehr unj^uädiges Decret
ergehen zu lassen, worin er sich Über die Landleute und
namentlich über Opitz beschwert. ,Wir zweifeln gnitdigst nit,*
heiset es dai-in, ,eueh sei rinvcrborgen, was den 23. Martii an
S. Michaelskirchen oder Freithofsthür für ein Schmachzettel
inliegender Abschrift gemäss öflenüich angeschlagen befunden
worden. Wiewol uns nun der Autor über bestellte Inquisition
unbewisst, so erscheint doeh aus derselben klärlich, dass solche
Schmachzettel von einer oder mehr Personen den Landleuten
der Augsburgcrischcn Confession zugehörig herfliesse, dieselb
auch also unbedächtlich gestaltet, dass es mehr zu des gemeinen
Manns Aergemiss, auch etwa zu allerhand Unruhe zwischen
den Ständen, denn zu guter Einträchtigkeit gemeint, welches
ims ganz missfallig und von keinem Teil, er sei was Religion
er wolle, zu gestatten sein will. Ist derhalben hiemit unser
gnädigster Befehl, da ihr den Autorem wisset, dass ihr uns
denselhen alsbald wollet namhaft machen, die Gebür zu haiidlcn
haben, daneben aber bei cudi und bei allen Landleuten die
FUrsoluuig und Bestellung thun, damit solches forthin nit allein
durch dergleichen Anschlagen, sondern auch im Predigen und
Schreiben sowol heimlich als öffentlich unterbleib. Denn da es
nit geschehen und solche jetzige ärgerlichi* Schmäluingen zu
des gemeinen Manns Bewegung und Ausspinnung Gefilhrhch-
keit mehr also pubUeiert würde, zumal in unser Stadt Wien,
' Vgl. Looticho, Mskiicbtlioii'i) Beziehungen zu Oeüterreich-Ungaru; Jahr-
buch der GeselUchaft für Geschichte des Protestantismus in Oesterreich
XVin, 1897, 8. 14.
* Vgl. meinen Aufsatz .Nidbrnck und Tauner' im Archiv für Österreichische
Geschichte, S5. Band, 18U8, S. 401 f.
215
ilarlnnen diesen Leuten kein solcher Platz und Freiheit zugo-
Ussen ist, wUrden wir gegen denselben selbst Abstellung zu
thun nit unterlassen können. Sonsten ist weniger nit denn dass
der Opitius eines bösen Lobs tUr friedhässig und haderig, auch
in seiner Lehre sträflich berühmt und aller Orten, da er sich
vor gehalten, mit schlechtem AVillen abgeschieden, inmassen
denn unser und des Reichs Stadt Kegensburg ihn nit allein mit
Unwillen von sich gebracht, sondern ein ganz Tractat oder
Bücher wider ihn öffentlich in Druck ausgehen lassen, welches
demnach Ursach genug, dass eure Landschaft seiner und seines-
gleichen mlissig stellen und sich besserer und tauglicherer Leut
gebrauchen möchten."
Die Deputirten beeilten sich durchaus nicht, dieser kaiser-
lichen Aufforderung nachzukommen, und Opitz trieb nach wie
vor sein Wesen. Als der Kaiser gegen Ende dieses Jahres Strein
wegen der vorzeitigen Aniichlung des evangelischen Gottes-
dienstes im Landhause zu sich beschied, wiederholte er unter
Anderem auch sein Missfallen darüber, ,das8 die Deputirten einen
Prädicanten aufgestellt hätten, welcher von Regensburg seines Irr-
thums und dass er allerlei Unruhe in der Stadt erweckt hätte,
weggeschafft worden, welches nit recht war. Die Staude machten
ihnen im ganzen Reich ein bös Geschrei, dass sie alle, die so
nirgends gelitten würden, nur gar gern aufnehmen. Hätt's jetzt
vergangen vom Kurfürsten zu Sachsen zu Regensburg selbst
anhören müssen. Könnten sie doch wol sonst Leut genug haben
Eichsen, Braunschweig, Württemberg, die nit verdächtig
Er Hess daher dem Landmarsclifiil anzeigen, er möge
verordnen, ,das8 der Predigstuhl mit einer andern, tauglichen,
unverdächtigen Person versehen werde, wie denn 1. M. ver-
stünde, dass sie einen feinen, gelehrten Mann, davon er (Strein)
I. M. hievor gesagt hätte (er meinte Hornberger), wegziehen
lassen, welchen sie billig behalten sollen^.'
Der Landmarschall führte zu seiner Entschuldigung an,
68 wäre allerdings wahr, dass Opitz aus Regensburg abgeschafft
worden sei, doch wäre ihm dabei Unrecht widerfahren. Dieser
stünde auch im Begriffe, sich deswegen zu rechtfertigen. Sie
hätten ihn nur deshalb dem Hornberger vorgezogen, weil
* Abschrift im u.-O. LAndesarchiv, B. 3. 26.
* Siehe oben, S. :!03.
216
dieser keinen Revers darUber ausstellen wollte, dass er sich
des Streites llber die Erbsünde enthalten vrürdc, während Opitz
sich deswegen und noch auf andere vom Kaiser genehmigte
Artikel verpflichtet hätte. Der Landmarschall erbot sich hierauf
im Namen der Deputirten, Opitzens VerantwortTingsschrift
innerhalb zweier Monate an zwei unparteiische Universitäten,
und zwar nach Rostock ' und Frankfurt zu schicken und deren
Censuren darüber einzuholen, welches Anerbieten er am so
leichter stellen konnte, als die Deputirten von den Ständen
bereits dazu beauftragt worden waren.* Wofeme nun diese Cen-
suren gegen Opitz ausfielen, wollton sie ihn ohneweitcrs entlassen,
im anderen Falle aber erhofften sie des Kaisers Zustimmung.
Mit dieser Erklärung gab sich der Kaiser zufrieden. Nur sollte
die Einholung derselben möglichst betrieben werden, und Opitz
sich iinterdesaen ,gebürlich und bescheiden' verhalten.*
So war also der Angrifi" auf Opitz glücklich abgewehrt.
Gegen Andrea aber, der am meisten zu dessen Verfolgung
beigetragen und in dem Sendbrief an M. Flacius die Uneinig-
keit der österreichischen Stände hervorgehoben hatte, kehrte
sich jetzt ihr ganzer Unmuth. Es komme ilinen, schrieben sie
ihm, etwas fremdartig vor, dass er, der firüher ihren Eifer
bei der Unterdrückung der Secten gelobt hätte, kurze Zeit dar-
auf ihre Uneinigkeit tadle und sie beschuldige, als nähmen sie
,solche irrige, falsche und verdammte Lehrer an und auf, die
sonsten im ganzen Reich deutscher Nation bei keinem Kur-
fürsten, Fürsten, Stand oder Stadt des Reichs Augsburgerischer
Confession Platz haben sollen, dergleichen denn seines Erachtens
insonderheit sein solle ihr bestellter Prediger allhie zu Wien,
den neben anderen Predigern, wie er sie verhasslich nennet,
alle Christen bei Verlust ihrer Seelen Seligkeit fliehen und
meiden sollen'.
Mit einer merkwürdigen Unverfrorenheit erklärten sie
dann, dass ihnen von einer .solchen Zerstörung vcrhoffter
Ewigkeit' in ihrer Kirche nichts bekannt sei, mit Ausnahme
des einen Falles Hornberger, den sie aber auch schon aus dem
Lande gebracht untl durch Opitz ersetzt hätten. Diesen und
andere aber btos dosshalb für irrige Lehrer zu halten, weil
* Ueber dieeea Gatacbten vgl. Baapacb, a. a. O., S. 142 f.
* Siehe oben, S. 2Ü9.
' Strein's RelaUon 1578.
217
sie aus anderen Städten vertrieben worden, dazu hätten sie
keinen genügenden Grund, zumal da sie wUssten, ,da8S es zu
allen Zeiten den beständigsten Lehrern göttlichen Worts in
der Welt also gangen, wie S. Paulus selbst bekennet'. Dagegen
wÄren sie gerne von diesem ,alten, landkundigcn und verschla-
genen Sacramentierer und dazu beschuldigten Arriancr, der
eben dieser Lehrer einer ist, so nicht allein bei den Reichs-
Btänden der A. C, sondern auch den Zwingiianern und Catvi-
nisten selbst keinen Platz finden können* — sie meinten Mat-
thSuB — verschont geblieben.'
In einem solchen Tone sprachen die Deputirten zu einem
der grössten Theologen ihrer Zeit, der es sich in der uneigen-
nützigsten Weise zur Aufgabe gestellt hatte, die Uneinigkeit
unter den Protestanten zu beseitigen — demselben, den sie vor
acht Jahren als Theologen zu dem von Kaiser Maximilian an-
geordneten Religionstractat in erster Linie vorgeschlagen hatten
— bloss dcsshalb, weil er ihnen in der besten Absicht die unver-
hullte Wahrheit gesagt hatte. Sie wollten aber nicht mehr hören
and rannten auf der abschlissigen Bahn weiter — geradeaus
in das Verderben der ihrer <Jbhut anvertrauten Kirche.
Die Deputirten holten nun in Vollziehung des StUnde-
beschlusses über den von ihnen zum Öuporintendcnten vor-
geschlagenen M. Besler ,bei ehrlichen und christhchen gelehrten
Leuten zu Nürnberg und anderstwo' Erkundigungen ein, die
natürlich, weil er ein erklärter Flacianer war, nicht anders als
gut ausfallen konnten, worauf er dann, obwohl er von Nürn-
berg vertrieben worden war, nach Wien berufen ward. Die
Gegner der Flacianer aber setzten am 1. December 1575 den
Beschluss durch, dass man sich bei dem Stadtrath von Nürn-
berg selbst erkundigen solle, aus welchen Ursachen er seines
dortigen Kirchenamtes enthoben worden sei. Man wandte sich
also drei Tage später an diesen und bat um die Bekanntgabe,
jbevorab welcher Gestalt und wie lang Besler ihren Kirchen
vorgestanden, ob er sieh einiger Lehre, so Gottes Wort und
Augsburger Confession zuwider, heimlich oder öffentlich teil-
haftig gemacht, sonderhch aber in dem jetzigen ärgerlichen
Streit de substantia et accidentc peccati originis einigerlei Weis
verwandt sei, wann und aus was Ursachen er sich wiederum
' Depatirt« mo Andrei, ddo. 10. Februar 1676; Cod. Fol. 138'.
218
aus dem Kirchenamt wirklich begeben, ob er ihnen mit Dien-
sten oder sonst noch verbunden und wie es summariter um
sein Thun und Wesen allerseits geschaffen'.'
Am 23. Deccmber erfolgte die Antwort: Besler habe
22 Jahre lang bis zum Jahre 1569 in ihrem Dienste gewirkt,
zuerst in der Vorstadt Wörth, dann in der Stadt selbst an der
Frauen- und an der Predigerklosterkirche, während welcher
Zeit man an seinem Lebenswandel und an seiner Lehre nichts
auszusetzen gehabt. Als aber vor einigen Jahren der Flacia-
nische »Streit ausbrach, und sich auch einige von ihren Prädi-
canten und Lehrern hineinmischton, seien sie bemUssigt ge-
wesen, diese Streitigkeiten zuerst auf gütHchem Wege, dann mit
strengen Massregeln abzustellen. Weil nun , Besler sich dieser
Flacianischen Spaltungen auf dem Predigstuhl und sonsten auch
angenommen und über ihre väterliche, wolmeinende Warnung
und Abhaltung derselben zu viel nachgedenkt und ihm solche
Unruhe vielmehr denn die christUche Einigkeit und Wolstand der
Kirchen erwählt und belieben lassen', er auch seines Alters wegen
um seine Enthebung von der Predigerstelle an der Klosterkirche
gebeten habe, so sei ihm dieses nicht niu" nicht bewilhgt, son-
dern er auch des anderen Amtes an der Frauenkirche, sowie
der Supcrintendentur entliol>cn und ihm eine jährhche Gnaden-
gäbe unter der Bedingung, dass er sich ruhig verhalte, zuge-
sprochen worden. Ob er sich aber ,an dem jetzigen ärgerlichen
Streit de substantia et accidente peccati originis' betheiligt habe
oder nicht, könnten sie, da derselbe erst nach seiner Suspen-
dirung vom Amte ausgebroehen sei, nicht angeben. Gegen seine
Berufung hätten sie vom dienstlichen Standpunkte nichts ein-
zuwenden, weil er bei ihnen keine Sielte mehr bekleide."
Dieses Schreiben war gewiss deutlich. Die Flacianische
Partei aber fand es ,unfomihch und dunkel' und sprach sich
trotzdem für die Berufung des Bester aus. Indess drang in der
Sitzung vom 21. Jänner 157(j der Antrag der Gegenpartei
diufch, der dahin ging, die Zuschrift des Nürnberger Stadt-
rathes dem Besler zur Gegenäusserung zuzustellen, was auch
am selben Tage geschah.^
' Deputirte na deu Stadtrath; Cod. Fol. 124. Depatirtenbericht, ddo.
I.Februar 1576; ebenda, Fol. 134f.
' Nömberger Stadtrath an die Deputirten; Cod. Fol. 125" — 127.
' Deputirtenbericbt, ddo. 2. Februar lö76; Cod. Fol. 134' f.
219
Dieser rechtfertigte sich alsbald: er habe nichts Anderes
gethan, als gegen die durch die Annahme des Interim und
durch die Adiaphoristen eingerissenen Irrthiimer ,vom freien
Willen, von gnädiger Rechtfertigung und guten Werken, dass
sie auch zur Seligkeit nötig', Stellung zu nehmen und seine
Zuhörer davor zu warnen. Diesen IrrthUmera habe , Matthias
Flacius Illyricus neben etlichen andern beständigen Kirchen-
dienern nothalben widersprechen müssen, daher sie denn von
dem Gegentheil und Vertheidigern gedachter interimistischer
Handlungen imd Corruptelen Flacianer genennt und den Ober-
kciten hiu und wieder mit Schreiben und Schreien, mit Spa-
rong aller Wahrheit, Gottesfurcht und Redlichkeit bis auf diese
Stund verungUmpft und die Sache dahin gebracht worden, dass
nun alle, so dem lutcrim und den daraus hergeflossenen Cor-
raptelen widersprochen und sich noch zur alten unverruckten
Augsburgischen Confession und zum reinen, beständigen, evange-
lichen Bekenntnis der Schriften Luthcri halten, Flacianische
Secton und Flacianer sein und als die älrgsten Ketzer verfolgt
werden müssen*. Bezüglich der Lehre von der Erbsünde stehe
er noch auf dem Staudpunkte der vom Nürnberger Stadtiath
verfassten ,Formula concordiac', die er auch unterschrieben
habe.*
Die Deputirten waren mit dieser Rechtfertigung vollständig
zufrieden und stellten daher im Landtage den Autrag: ,Die
Stände sollen im Namen Gottes mit ihm schliessen und ihn
entweder zum völligen Superintendenten oder nur Vice-Super-
intendenten und Pastoren, ob mittlerwcil Gott bessere Gelegen-
heit bescheren wollte, annehmen', und zwar aus folgenden
Gründen: 1. Haben die Stünde selbst in seine Berufung ein-
gewilligt. 2. Bezeuge das Schreiben des Nürnberger Stadtrathes,
,dass er sich bei ihnen eine Zeit lang im Wandel, Lehr und
Leben wol und cliristhch verhalten'. 3. Habe ihm dereelbe
keine näher angeführten L'rlehren nachgewiesen, sondern nur
im Allgemeinen ,Flacianisches Gezänk' vorgeworfen, wogegen
er sich bereits genügend vertheidigt habe. 4. Wilssten sie der-
zeit den Ständen ,keino anderen und besseren' vorzuschlagen,
weil selbst ,zu Wittenberg, Leipzig, Jena und dergleichen be-
rflhmten Orten, da doch viel Schulen sind und studierende
' Becler's Beautwortuiig, Jäauer 1676; ebenda, Pol. 127—128'.
220
Personen erzogen werden, an dergleichen Leuten und andern
reinen, beständigen und geachickten Lehrern und Predigern
selbst merklicher Mangel' herrsche, 5. Würden ihre kirchlichen
Verhältnisse immer ,schwerer und fUhrlicher" werden, je länger
man die Besetzung des Superintendentenamtes und des Consi-
storiums anstehen liesse. 6. Käme es ihnen ,Gewi8sen und Ehren
halben' nicht zu, mit so hohen Sachen Qott und seine Diener
betrefiFend so liederlich umzugehen und unter den Dienern und
Predigern göttlichen Worts ihres frefallens zu wählen und sich
selbst den Leuten dadurch ins Maul zu geben, als sein sie
nicht eins und können nirgends keinen Superintendenten oder
Kirchendiener finden, die ihnen eben und annehmlich wären,
wie denn bereits dergleichen Reden von ihnen bei ausländi-
schen Leuten fallen sollen'. 7. Wenn sie die gegenwärtigen
verwerfen möchten, wtlrde ihnen Gott statt dieser .aus Zorn
zur Strafe' Leute zuschicken, an denen sie nur , wenig Ehre
und Gewinn für Gott und rechten Christen' haben wiu-den,
,wie denn Gott zu Samuel sagt, da ihn die Juden aus Ftlrwits
nicht mehr zum Regenten und Superintendenten haben wollten:
Sie haben nit Dich, sondern mich verworfen, und drohet auch
der Welt durch Ezcchielem und S. Pauluni, dass er solche
Lehrer und Lehren geben wolle, die nicht gut sein and sie
ums ewige Leben bringen'. 8. Habe sich Besler gegen sie ,der-
massen zu verhalten und zu reversieren erboten', dass sie billig
zufrieden sein können.
Was aber den Vorwurf selbst betreffe, dass Besler näm-
lich wegen des Flacianischen Streites seines Predigeramtes ent-
setzt worden sei, so habe derselbe wohl jetziger Zeit bei der
Welt einen grossen Schein, aber bei verständigen Christen und
ehrbaren Leuten nicht also', und würde auch vor dem welt-
lichen Gericht eine ,so dunkle, ungewisse Anklage' schwerlich
angenommen werden. Denn ,rait sonderer List' seien in dem
erwähnten Schreiben all' die Punkte, Über die er gestritten,
verschwiegen, ,damil man sich nicht bei verständigen Christen
zu bloss gebe, wenn man ausdrücklich melden sollte, dass er
wider das Interim und interimistische IrrthUmer gepredigt habe'.
Es sei nun ,reichs- und landkundig', dass der Rath von Nürn-
berg sich dem verderblichen Interim angeschlossen habe, und
sich dadurch verschiedene ,Corruptclen und Irrtbümer' dort
eingenistet haben, gegen welche nebst vielen Anderen, wie
9»1
i^lacios, Ämsdorf, Gallus, die silchsischen Städte etc. auch
j2esler, der ein Schiller Luther's und von diesem auch ordinirt
>eei, aufgetreten und ,in seiner Kirchen das seine auch gethan,
"wiewol fast eher zu wenig als zu viel'.
I Deshalb habe er nun ,den verhasston Namen der Fla-
cianer* bekommen, obwohl er doch nichts Anderes lehre, als was
l^och heutzutage zu Rostock, Hamburg, Lübeck, Braunschweig
tund vielen anderen berühmten Kirchen Augsburgischer Confession
gelehret wird und auch D. Jacobus Andreas, der gleichwol zuvor
viel Jahr geschwankt, noch neulich in seinen sechs Predigten (den
' einigen neuen Streit von der Erbsünde ausgenommen) geschrieben,
gelehret und vertheidiget'. Die Stände selbst hätten ja diese
'ihre Meinung bisher getheilt und aus diesem Grunde auch vor
[«cht Jahren keinen Theologen, der sich der erwähnten Irr-
jthümer schuldig gemacht hatte, berufen woUeu. ,Des verworre-
nen Schulstreits von der Substanz und Accidenz der Erbsünde'
wollten sie sich ihrestheils vollständig enthalten, im Uebrigen
ftber bei der ,einßtltigen, wahren Lehre' bleiben, wie sie die-
selbe in der vor drei Jahren verfassten und von Chyträus,
( Chemnitz und anderen Theologen gebilligten Apologie bekannt
' haben.
,Soll aber je,' schlössen sie ihren Bericht, ,dies unser
I treuherzig Rathen, Bitten und Ermahnen bei Euch nichts
gelten und alles, was wir seit des G8. Jahrs her Euch und ims
and dem ganzen Vaterland zum besten mit viel Mühe und
grossen Unkosten gerathen und gethan und in Schriften bringen
lassen, vernichtiget oder umgekehrt, desgleichen auch Beslerus
tun der üederlichen Beschuldigung willen des NlbTibergerischen
Schreibens Verstössen imd die andern zwei ' etwa auch geur-
laubt werden: so protestieren und bezeugen wir hicmit, dass
wir uns solcher Sünden nit teilhaftig machen, noch in unniitige
Veränderungen und unbillige Verachtung und Verfolgung un-
schuldiger Diener Gottes wilLgen können oder gewilligt haben
wollen mit der deutliehen Erklärung zu unserer notwendigen
Verwahrung in futurum eventum, dass, da dergleichen, was wir
doch nit hoffen, geschehen und künftig ein verdächtiger Super-
intendens oder Consistorium Gottes und unsern bisher geführten
Glaubensbekenntnissen, auch gestelleten Doctrinal, Consistorii-
' Opitc nnd Fr. CUestinus.
222
und Schulordnung zumder bestellet werden sollten, dass wir
uns und die unsem derselben Jurisdiction zu unterwerfen nicht
gesinnet, sondern unsere Kirchen und Schulen in jetzigem
ihrem Stande ruhig bleiben zu lassen gJlnzlicli entschlossen,
der Zuversicht, ihr werdet uns die unsere christliche und not-
wendige Protestation zu keinem Argen ausdeuten und alle Sachen
mit reifen Betrachtungen in Gottesforcht erwägen und zu guten
christlichen Wegen richten helfen.'*
Durch diese etwas ungewöhnliche Art von Antragstellnng
eingeschüchtert, betraten die Stände einen Mittelweg und fassten,
da sie ohnedies wussten, dass Besler nie die kaiserhche Bestä-
tigung erlangen werde, den Beschlnss, ,die Herrn Deputierten
sollen ihm Beslero in beider Stände Namen anzeigen, dieweil
die k. M. seiner Person halben um des Nümbergerischen
Schreibens willen Bedenkens, die Stände aber ohne I. k. M.
gnädigstes Vorwissen das Superintendentenamt nit zii besetzen
hätten, dass demnach ihnen den Ständen noch derzeit mit ihm
Beslero zu schliessen nit gebiiren wollte, sondern sie wtlrden
bewegt, um eine andere Person zu trachten. Ob man aber
dieselb nit erlangen möchte, wären die Stände nit gedacht,
dies Supcrintendentcnarat in die Läng unersetzt zu lassen,
sondern vielmehr zu versuchen, ob I. k. M. ungeacht jetzt
habender Bedenken in sein Besleri Person gnädigst wollten
verwiiligen, auf welchen Fall sie, die Stände ihn hernach mit
einer ehrlichen Abfertigung zu seinem billigen BenUgcn be-
denken, ihm auch mittlcrweil die notwendige Unterhaltung zu
reichen verordnen, die ihn bencbens insonderheit vermahnen
Hessen, dass er solche Zeit lang nochraalen aus gehörten Ur-
sachen Oeduld zu tragen und bei dem Kirchenwesen sein
bestes zu thun unbeschwert sein wolle*.
Die Deputirten erhielten Vollmacht, schleunigst einen
oder zwei Herren aus dem Ritterstande mit einem Schreiben
an Chyträus abzufertigen, um ihn neuerlich zu bewegen, bei
ihnen das Superintendentenamt, wo nicht länger, so doch auf
ein Jahr oder mindestens bis zur Aufrichtung des Consistoriums
und der Landschaftsschule zu übernehmen. Im Falle seiner
Weigerung sollten die Deputirten wenigstens seinen Rath ein-
holen, ,wic und wo sie etwa eine andere qualificierte, in Lehre
• üppatirtenbericht, ddo. 2. Febrtmr 1576; Cod. Fol. 141.
223
xmd Leben unbefleckte, sonderlich dem jetzigen neuen ärger-
lichen Streit de snbstantia et accidente peccati originia ganz
unverwandte Person zu solchem Amt erlangen, danmter denn
sie die Gesandten ihm Chytrüo Dr. Simonem Pauli und Jo-
hannem Kaufmann zu Nürnberg, als welche denen Ständen
auch für tauglich gerühmt, ob er wider sie kein Bedenken
hätte, benennen und ftlrscliiagen'. Doch sollte jedenfalls früher
die kaiserliche Zustimmung eingeholt werden.^
Die Deputirten entgegneten darauf am 26. März, die
Stände möchten sich bezüglich Besler's etwas näher erklären,
,wie and welcher Oestalt demselben auf eine Zeit das Kirchen-
wesen zu befehlen, was mittlerweil bis auf Ankommen eines
gaius völligen Superintendenten sein Amt und Werk sein, wo-
hin er endlich verordnet und wie er unterhalten werden solle,
sintemal ihm auf eine solche Ungewissheit zu dienen und zu
verharren beschwerlich sein würde und er ihrethalben zu
Nürnberg sein versprochen Gnadengeld verlieren möchte und
wie zu besorgen bereits verloren hat'.
Qegen die Delegirung eines oder zweier Landleute zu
Etyiräos hatten sie einzuwenden, dass abgesehen von den be-
utenden Kosten einer derartigen Mi.ssion, dieser schwach
und krank sei and erst vor wenigen Monaten in einem
Briefe an einige Ständemitglieder geschrieben habe, man möge
ihn mit der Revision des Doctrinals seiner Leibesschwachheit
und vieler Geschäfte wegen verschonen, ausserdem wolle er
ihnen sowohl als anderen künftighin keinen Kirchendiener
empfehlen, man wollte denn diesen selbst , zuvor gegenwärtig
eine Zeit laug prubieren, hören und sehen und seiner Lehre
halber Kundschaft einziehen'. PauÜ könne man vielleicht zur An-
nahme bewegen, doch sei dies sehr fraglich. Ueberhaupt werde
man unter gelehrten, ansehnlichen Theologen schwerlich einen
finden, ,der gedachtem Streit von der Erbsünde ganz unver-
wandt sei'. Ihr Vorschlag gehe dahin, dass man sich einfach
schriftlich bei Chyträus erkundige und ihm zugleich die In-
struction, die Consistorial- imd Schulordnung zusende. Der vor-
geschlagene Joh. Kaufmann sei, wie sie hörten, ,noch jung und
anerfahren and zu solchem hohen Amt wol weniger als M. Bes-
leros qualificiert'. Uebrigens sei jenem vor etlichen Jahren auf
BMcbeid der Stände, ddo. 21. MHrz 1576; ebenda, Fol. 142.
einig« Zeit die Predigt entzogen worden, er dürfte d&her vom
NUmbt^rpcr Stadtrath keinen besseren Abschied als Bealer
orhalton Imben, .daraus man denn abermalen leicht Ursach
haben und nehmen irOrde and könnte, dieselbe Person auch
Rtt verworfen und sie and beide löblichen Stände in neuen
Spott und Schaden, auch Unkosten zu führen'. Zum Schlüsse
ihrer Koplik, aus der man recht deutlich hört, dass sie keinen
anderen als Besler xom Superintendenten haben wollten, drohten
sie neuerdings, im Falle als die Stände ihren Beschluss aufrecht
hielten, ihr Mandat niederzulegen.*
Inzwischen war der Landtag geschlossen worden und der
grÖBSte Theil der Stände nach Hause gereist. Die Deputirten
wurden auf den für den 1. Juni festgesetzten Zusammentritt
des grossen Religionsausschusscs vertröstet und gebeten, bis
dahin in ihren Aemtem zu verbleiben.* Die grossen Erwar-
tungen, welche sich an diesen Landtag geknüpft hatten, warea
vollständig gescheitert.
Die Ordnung für das Consistoriiun, das aus je drei Mit-
gliedern der beiden Stände, zwei Theologen und einem Rechts-
gelehrten hiltte bestehen sollen, sowie die Instruction für den
Superintendenten lagen ausgearbeitet vor. Auch der Kaiser
scheint stillschweigend der Aufrichtung eines Kirchenministe-
riums zugestimmt zu haben, nachdem Strein seine letzten Be-
denken zerstreut und ihm versichert hatte, dass die Stände
durch dasselbe sich keine Jurisdiction in der Stadt anzumassen
willens seien, dass sie vielmehr nur ,eine Deputation auf dem
Land von beiden Ständen, auch etlichen Oeistlicbcn anzustellen
vermeinen, welche gleich als Inspectores sein sollen, damit die
Lehre und Ceremonien bei richtiger Mass und Ordnung gebtlr-
licli erliatten werden mögen, wie sich denn die Agenda filmehm-
lich im Artikel vom Bann auf eine solche Deputation lehne'.*
So fehlte also nur mehr eines, freUich das Wichtigste:
oin erfahrener Superintendent und ein ttlchtiges Consistorium.
Unter solchen Umständen darf es nicht Wunder nehmen, wenn
der Ausbau des evangelischen Kirchenwesens, zu dem man
' Replik der DepuUrtaa, ddo. 26. März I67G; ebendn, Fol. 142'.
* Schreiben der Stünde an die Deputirten, ddo. 30. März 1576; ebenda,
Fnl. U6'.
* Strein'« Relation 1678; Tgl. oben, S. 196, Aom. 3,
»
L
225
•eh im Landtage des Jahres 1575 einen Anlauf genommen,
wieder bedenklich ins Stocken gerieth.
In dem eben genannten Landtage hatte man auch die
Nothwendigkeit erkannt, ,dass eine christliche gemeine Land-
schaftsBchule ohne langem Verzug aufs fürderlichste angerichtet
werde, damit dieser Lande Jugend in Ciottesfiircht und guten
Künsten wol und christlich unterwiesen und junge Leute zu
Schul- und Karchendiensten, zu weltlichen Hegimcnten und
Schreibereien und dergleichen nöthigen und ehrlichen Aemtern
aa%ezogen und prilparirt werden und man nicht allezeit fremde,
unbekannte und ausländische Personen nicht ohne Gefahr an-
nehmen und bestellen dürfe*. Die Deputirten wurden daher
aufgefordert, in dem alten Schuihause der Landschaft so bald
als möglich eine , christliche, gemeine Schule' aufzurichten, doch
,im Anfang bis zur Aufrichtung des ganzen Ministerii und Con-
sistorii', weil hicfilr noch keine finanzielle Bedeckung vorhanden
sei, möglichst geringe Kosten dazu zu verwenden. Zur Bestrei-
tung der erforderlichen Geldmittel sollte der Kaiser von den
Deputirten im Namen der Stände gebeten werden, die für die
kaiserliche Landschaftsschulo bei den Dominikanern bestimmte
Dotation mit Rücksicht auf die geringe Anzahl der dort unter-
gebrachten Schüler auf die neu zu errichtende evangeUsche
Schule zu übertragen. Ferner sollte ein , tüchtiger Oeconomus'
angestellt und eine Schulbibliothek eingerichtet werden, für
welche die Deputirten ,die nötigsten und nützlichsten Bücher
und Autores' anzukaufen, aber anfUnglich den Betrag von 500
Oalden nicht zu überschreiten hätten.'
Im Landtage des Jahres 1576 legten die Deputirten den
ttknden eine ausgearbeitete Schulordnimg vor und beantragten,
sie ,der Säulen eine, darauf das Land, Regiment und Kirchen
stoben soll und muss, und auch viele Landleute eine lange Zeit
sehnlich gehofft und durch sie vertröstet worden' schleunigst
Leben zu rufen. Nach dieser sollten unter Anderem
fUnf zu schaffenden Classen fünf ,Präeeptores' und ein
Rector mit einem jährlichen Gehalt angestellt und zwölf ,Sti-
pendiaten Theologiae, die ktlnftig im Predigamt zu brauchen',
au%ezogen werden.*
' InstructioD fQr die Deputirten, ddo. 31. Juni 1676; ebendB, Fol. IIS'.
* Sie enthUt ferner die Bestimmungou Aber die Beaoldaug der Lehrer,
Ko(t- and Schulgeld, Bofrciiuni; der armen Kinder vom Schulgelde,
AttVtr. LXIXTU. IM I. BUtUi. 15
226
Die Stünde gaben hierauf den Deputirlen Vollmacht,
mittlerweile bis zur völligen Bildung des Consistorinnis zwei
oder drei Classen zu errichten, doch zuvor beim Kaiser um
die Erlaubniss dazu anzuhalten. Diese bestellten auch noch im
Juli desselben Jahres Patd Sesser fiir die zweite, Simon Schul-
tes fiir die dritte, Philipp Schlorsbach filr die vierte und Geoi^
Geisler, an dessen Stelle am 1. November Johannes Riedlinger
trat, ftlr die fünfte Classe. Doch dürften sich diese mit Aus-
nahme des Sesser' nur ganz kurze Zeit gehalten haben.'
Zum Schulükonomcn wurde der schon einmal genannte Wolf
Wucherer ernannt.'
Das scheint aber auch Alles gewesen zu sein, was die
Stände in dieser so wichtigen Angelegenheit thaten. Die weitere
Ausgestaltung des Schulwesens wurde einem Ausschusse zur
eingehenden Berathung anvertraut, der sich aber nicht viel
danim kümmerte und, wie die Deputirten im Landtage des
Jahres 1577 klagten, bis zu diesem Zeitpunkte viermal ver-
gebens zu einer Sitzung einberiifen wurde.* Nachdem bereits
die Schule theilweise errichtet war und der Kaiser schon dar-
um wusste, suchten die Deputirtcn auch um seine Bewilligung
an, doch die Erledigung kam nicht mehr." Am 12. ( ►ctober
157G hatte Maximilian II. zu Regensburg für immer die Augen
geschlossen.* Zu spät erkannten die Deputirten die nach
SehUlerehor etc. Bericht der Deputirten, ddo. 2. Febmar 1576; ebenda
Fol. l.'»7'— 140".
• Er wiirdo im .Iftlire 1578 siuiuninen mit OpitE uiid Tettelbach «iM-
^ewieften luid scheint dnnialii ilio einzige Lehrperaoii gewesen zu sein.
' Zum Canlor war um 12. April 1674 Jncob Donatus bestellt worden.
8ein Anntellungsdecret im Cod. Fol. 131.
• Er starb nicht lanpe nachher; es wurde daher am 28. MSrz 1678
die Neubesetzung der durch neineu Tod erledigten Stelle beantragt;
ebenda.
• Deputirtenbericbt Tom 9. Februar; ebenda, Fol. 149.
' Die Hofkanzlei warf ihnen .luch vor, dn.mt sie die Schule, welche «ie
laut ihrer dort vorgefundenen Originalsupplication .allein zur Leruung
und nlt zn dem Religioa^exercitio begehrt*, .unerwartete:) Bescheid»,
weil sie sich viel mehr Abschlagens al.« Bewilligung versehen, aufgerichtet'
hätten; vgl. ,8nmmari.'<cher Begrifl'' etc. Auch Strein, der für die Stünde
intervonirt hatte, bemerkt in seinem Bericht (1578): ,e» ist aber solche
Supplication mit I. k. M. Kidtlichem Abgang unerledigt geblieben*.
• Vgl. Moritz, Die Wahl Rudolfs II, 1895, 8. 437 f. Die medicinische Seit«
behandelt Sonfelder, Kaiser Maximilians 11. letzte T..ebensjahre nnd
227
seinem Tode eingetretene ,gro8se Aenderung*.' Durch eigene
Saumseligkeit und Verblendung liatten sie die gUnstige Ge-
legenheit, welche ihnen die Regierung des milden und keines-
wegs protestantenfeindiichen Kaisers darbot, um ibrcm Kirchen-
wesen eine feste Organisation zu geben, vorübergehen lassen.
Acht Jahre waren seit der Ertheilung der liehgionsconccssion
verstrichen, und sie standen um keinen Schritt weiter als da-
mals. Dagegen herrschte jetzt Uneinigkeit und Zwietracht
unter den Ständen und ihren Predigern, wodurch ein ein-
milthiges und erfolgreiches Vorgehen bei der Ausgestaltung
ihrer Kirche unmöghch gemacht wurde.
Der erste Landschaftsprediger in Wien, Josua Opitz,
fand vor dem grösseren, nicht flacianisch gesinnten Theil der
Stünde keine Gnade. Selbst als die von den Universitäten
Rostock und Frankfurt über seine Rechtfertigung und die
Fortnola concordiae verlangten Censuren nur wenige Bedenken
ftusserten und ihn Air einen .rechten Lehrer' erklärten, gab
sich die Gegenpartei nicht zufrieden und erklärte im Landtage
des Jahres 1578, wenige Monate vor seiner Ausschaffnng, ihn
nur anter der Bedingung in seinem Dienste zu belassen, wenn
auch seine zu Mannsfeld gedruckte, noch in Regensburg ge-
schriebene Erklärung von der Rostocker Universität gebilligt
werde.* Dass er auch von dem Kaiser nicht gerne gesehen
war, beweist das bereits besprochene Beeret, worin mit seiner
Aasweiaung gedroht wurde.* Wenn sich auch dieser durch die
Vorstellungen des Landmarschalls von einem weiteren gewalt-
samen Vorgehen gegen Opitz abhalten Hess,* schadete doch
sein Wideinville der evangelischen Sache ungemein und bot
dem Kaiser Rudolf IL eine willkommene Handhabe zu seiner
Landesverweisung.
Gegen die Deputirten selbst wurden die heftigsten An-
klagen laut, und im Landtage des Jahres 1576 mussten sie
sogar hören, ,man wüsste nicht eigentlich, was der Deputirten
Glaube wäre und wollte demnach vonnöten sein, sich diesfalls
Tod; BIfttter des Vereines für Lauiieskundo, XXXU. Jahrgang, 1898,
Nr. 2. 8. 47 f.
■ Depntirtenbericht vom 9. Febriiitr 1677; Cod. Fol. 149.
* Instruction fUr die Deputirten, ddo. 26. März 1678.
• Vgl. 8. 216.
♦ Vgl. 8. S16.
15»
228
gegen den Ständen zu erklUren', welchem Verlangen die Depu-
tirten auch nachkamen.'
Vergebens hatten die Stünde im Jahre 1575 den Be-
schhiss gefasst, dass sich ihre Prediger der Worte ,Sub8tanz' und
,Accidenz' gänzUch enthalten und sich darauf reversiren sollten,
und hatte auch Opitz diese Erklärung unterschrieben : * der
Streit wurde immer wUthender und erbitterter.
Wenige Jahre später auf dem Landtage des Jahres 1583
mussten die Verordneten das traurige Bekenntniss ablegen:
,Wa8 das Kirchenwesen auf dem Lande betrifft — in der Stadt
Wien hatten sie keines mehr — , da hat bisher der leidige,
unglückselige Streit von der Erbsünde und was dem anhängig,
wie es die Herrn Verordneten zu ihrem Theil befinden, änderst
nit verstehen könnten, alle guten Ordnungen verhindert und
dagegen eine solche Zerrüttung hin und wieder geursacht, dass
es billig hoch zu beklagen und wofern es nit verbessert werden
sollte, ist in der Wahrheit zu besorgen, es werde das ganze
Wesen aus Gottes gerechter Strafe ohne unserer Widersacher
Zuthun für sich selbst einen Bruch gewinnen'.'
Hätte die neue Regierung ein innerlich gefestigtes und
einheitlich geordnetes Kirchenwesen und eine geeinigte Pro-
testantenpartei angetroffen, die Gegenreformation hätte wahr-
haftig einen schwereren Stand gehabt ;^m
' Anbringen der Oeputirten .wegen etlicher ergangener Reden', ddo.
20. MKra 1676; ebenda, Fol. 146'. ^-
' Ebenda. ^B
' Relation der Verordneten Nie. v. Pairhheim, Wolf v. Liecbtenstäin,
Maximilian v. Maniming und Franz v. Gera, ddo. 1. MSrz 1683; ebenda,
Fol. 464'.
ITINERARIUM
MAXIMILIANI I.
1508—1518.
MIT EINLEITENDEN BEMERKUNGEN
ÜBER DAS KANZLEIWESEN MAXIMILIANS L
HERAUSQEQEBEN
VON
VICTOR V. KRAUS.
Einleitende Bemerkungen.
Als sich Chr. Frd. .SUllin an den gewiss dankenswertheo
rsnch machte, auf Grund rjuellonmässigen Materiales die
fenthaltaorte Kaiser Maximilians I. seit seiner AUcinlierrschaft
)3 bis zu seinem Tode 1Ö19 (in , Forschungen zur deutschen
schichte', Bd. I, S. 349 ff.) sicherzustellen, verhehlte er sich
K den bedenklichen Werth einer Feststellung, die zum Tbeil
rGnind der Datirungszeilen der Urkunden Maximilians er-
5t war. Bei aller Anerkennung der mühevollen Leistung
Llin's ist das über die Aufenthaltsorte Maximilians gewonnene
sultat nur mit äusserster Vorsicht aufzunehmen und ist jede
izelne Angabo in Bezug auf die ihr zu Grunde liegende
teile einer Ueberprüfung zu unterziehen. Stützt sich die
ifenthaltsangabe auf die ausdrückliche Mittheilung eines ver-
slichen und gutuuterriclitetcn Zeitgenossen, so kann sie, ab-
sehen von vereinzelt vorkommenden Irrthümeni in der Ueber-
ferung, als glaubwürdig hingenommen werden. Der Aufent-
It des Fürsten innerhalb der Stadt, sein Kommen und Gehen,
den schon mit Rücksicht auf die liuanziello Tragweite des
ifenthaltes für den städtischen Chronisten ein so bedeutsames
eigniss, dass genaue Mittheitungen über des Herrschers Ver-
üb ganz naturgemäss erscheinen. Gesandtenberichte, Mitthei-
igen von Personen am Hofe und solcher in unmittelbarem Ver-
hr mit dem Kaiser über dessen Aufenthalt bilden ebenfalls
le vorzügliche Quelle für die Feststellung <!er Aufenthaltsorte.
Zweifellos ist der Umfang dieses schon von SUtlin heran-
EOgenen Quellenmateriales seit StUlin's Publication um ein
itrfichtliches erweitert worden. Dennoch dürften die Beleg-
Jlen dieser Art für die Anlegung eines von Tag zu Tag die
Regierungszeit umfassenden Itinerars niemals genügen.
232
Und die grossen, über Monate hin sich erstreckenden Lücken aus
zufiillen, sollen nun die in den Briefen Maximilians enthalten«
Datirungszeilen herangezogen werden. Damit beginnt di<
Schwierigkeit. Tragen diese Briefe bestimmte Merkmale ai
sich, durch welche die persönliche Mitwirkung Maximilians at
der Ausfertigung ausser jeden Zweifel gestellt wird, dann kam
der Datirungsort der Urkunde unbedenklich als Aufenthaltsor
des Kaisers gelten. Andererseits stellt fest, dass Briefe untci
dem Namen des Kaisers ausgefertigt wurden, die nicht unmittel
bar vom Kaiser, sondern von den Reichs-, Hof- und Landes
bchörden (Hofrath, Regimente und Kammern) sowohl bei An
Wesenheit des Kaisers, als in dessen Fernsein und ohne desset
Wissen ausgefertigt wurden, bei denen ein RUcksclduss aui
dem Datirungsort der Urkundenden Behörde auf den Aufent
haltsort des Kaisers nicht vorgenommen werden darf. De
späteren Untersuchung vorbehaltend, ob und in welchem Um
fange bestimmte Arten von kaiserlichen Briefen fUr die Zweck(
eines Itinerars verwendbar erscheinen, genüge zunächst die Be
merkung, dass eine wahllose Heranziehung der im Namen dcj
Kaisers ausgefertigten Briefe in das Itinerar des Kaisers nu:
Verwirrung zu bringen vermöchte.
Unter diesen Umständen kann es als glttckhche FUgunj
angeschen werden, dass von Personen in der nächsten Umgc
bung des Kaisers lediglich aus Gründen der Verrechnungs
tcchnik genaue Feststellungen über den Aufenthalt des Kaiser
gemacht, hierüber Listen angelegt und uns Theile derselben
welche die Regierungsperiode 1508 — 1518 umfassen, überliefer
wurden. Das gräflich Falkenhayn'sche Schlossarchiv zu Wal
persdorf in Niederösterrcich enthält einen Actenfascikel mit de;
Aufschrift neueren Datums: , Reisen des römischen Kaiser
Max L von 1508 — 1518 betreffend, grösstenthoils Rechnungen.
Dieser enthält einen in Buchform gehefteten, aus 56 Folioblätten
bestehenden Fascikcl mit der Ueberschrift: ,Verzaichnes de
Raisen, so die Rom. Khay. Jlt. etc. Maximiliani der Erste von
monat Nouembris anno 1508 bis zu Auszgang des monats Fe
bruary anno 1518 volbracht haben.' Je eine Seite diese
Reisebuches enthält die Angaben für einen Monat, obenan Monats
und Jahresangabe mit folgenden Monats- und Wochentagen um
beigefügten Ortsnamen. Die Aufzeichnung ist mit Oenauigkeil
von Blatt zu Blatt, das hcisst von Monat zu Monat durchgef\lhrt
233
Nur zum 23. und 24. März 1509 und zum 19. Juni 1516 fehlen
die Ortsnamen. Ankunft und Abgang sind nicht vermerkt.
Die Schrift gehört der ersten Hälfte des Ui. Jjihrhiinderts an,
die Aufzeichnung ist durchgängig von einer Hand, mit einer
Tinte und in einem Zuge gemacht und erscheint demnach als
eine Aufstelhing auf Grund vorgelegoner Einzclaufzeichnungen. '
' Einen Anhaltspunkt über diu Art der Verrochnnngen und über die dabei
sieb ergebeodeu gesicberton Daten bezfiglicli doa Aafenthaltcs liefert uns
ein im Innsbrucker StAtthaltereiarchitr (Max. 90) erhaltener Rechen-
zettel für Ausgaben den Herzogs Siegniund von Tirol. Wurden für eine
die ganie Regierung»periode oder doch einen grossen Theil derselben
umfassende Schlussabrechnung alle offenbar instructtonsgemäss abge-
gebenen Rechenzettel gesammelt und die Daten ausgezogen, so ergab
sich für den Nachweis der Acfenthaltaorte ein ganz ausgezeichnetes Re-
sultat. Der Rechenzettel lantet:
Leonharton Rosanenhamer sein schultzedl etc.
Item am eritag vor sant Fetter stulfeyr ist mein g. her gen Hall
komeu rnd daz nachtmal zu Fryczena mit XXXVIII pforden vnd zu
Hall vbemacht belyben vnd daz morgenmall da genomen 92°.
Vermerckt speyß vnd tieczetl als m. g. h. vnd m. g. fr. auff das
Seneld sind gezogen vnd ubernacht zu Ziorl sind belyben an freuta^
nach sant VIrichstag im 93".
Item wie nil ich wein vnd prott auff die person laut der sieczotl
veqiraucht hab zu Hall von niontag zu nacht pi» pfiiistag nach dem
mall vnd auf die übrigen peraun laut des kuchlschreibors zeti au mon-
tag vor sant Alexi 92°.
Vermerck die fietzetl vnd ander ausgeben im Seirain beschehen
aDoh EU Achsamß am liin in vnd lioraußziehen au suntng, montag, ery-
tag vor Hargeten 92".
Sonntag zu Achsams am hineinziehen erytag heransziebeu.
Vermerckt die liotxettl ahi m. g. h. vnd m. g. f. zu Hall getagt
haben am mantag vnd erytag nach dez hayligea creutz erhohungtag
im 92».
Item am freutag vor der herren faßnacht im 92" Ut mein g. h. gen
Hall komen vnd da belyben pis auff anntag der herrti faßnacht nach
dem mal vnd heruach volgt mein ausgeben.
Vermerckt die fieter vnd speylizetl all» mein g. h. auff das Seueld
ist gezogen am freytag nach Judica im 93". (Item m. g. h. ist auff
Fragenstatn gelegen etc.)
Item an sant Valenteinstag im 92 ist m. g. h. gen Zirl körnen md
da belyben zwo nacht vnd hernach volgt mein anßgeben.
Item mein gnedigiater herr ist kamen gen Uali an Limbstag nacb
vnser lieben frawenlag weQchwurrz vnd da belyben piß auff sambstag
nach Bartholomei im 93" vnd volgt hernach mein auDgeben.
234
Dafür, sowie für die geringe Vertrautheit des Scbreibers mit
den von ihm verzeichneten Ortsnamen sprechen die h&ufigen
Verballhomungen derselben. Angaben über den Schreiber,
aber das zu Grunde gelegte Material und über den Zweck der
Zusammenstellung fehlen.
Ueber den letzteren wird man aber durch weitere fünf
Fascikel orientirt. Einer, ohne besondere Aufschrift, enthält
Verrechnungen über Ausgaben und Einnahmen, die ihrer Natur
nach sich unmittelbar auf die Person des Kaisers und zumeist
auf das Jahr 1504 beziehen. Die weiteren vier Fascikel führen
die Aufschriften: 1. ,Hierin etlicherlay Khaisers Maximiliani des
ersten hochseligster gedechtnus zalmaister (darunter durch-
strichen phennigmaister) raittung, emphang vnd ausgab, dabei,
was etlich dienern abgesprochenn.' Mit Wochen- and Monats-,
aber ohne Jahresangaben lassen sich diese zahlreichen Rech-
nungen auf Ausgaben des Jahres 1517 zurückführen. 2. ,Tag-
zettln, was auf der Rom. Khay. mt. hoffgesindt in die khuchel
einkhaufiFt, darbei was für fleisch vnd anders auffgangen sambt
andeim zettln.' Ein Convolut von gleichartig abgefassten Küchen-
zetteln,^ je ein halber Bogen für eine Hoftafel, mit Zeitangaben
Aus diesem einzigen Vermerkzettel lassen sich nachfolgende gesichert^
Daten für Herzog Siegmunds* Aufenthalt leicht zusammenstellen:
1492. 14.— 16. Febr. Zirl. (Dieser Ort und alle nachfolgenden
liegen bei Innsbruck in Tirol.)
ül. Febr. Hall und Fritzens.
22. Febr. Hall.
< 2.-4. März Hall.
6. — 7. Juli auf dem Seefeld und Zirl.
8. — 10. Juli Axams und Seirain.
10.— 19. Juli Hall.
18.-26. Aug. Hall.
17.-18. Sept. Hall.
* Dass unter der Bezeichnung: m. g. h. nur Sieg^und und nicht der KOnig
Maximilian gemeint sein konnte, erhellt aus der Tbatsache, daas Maxi-
milian nachweisbar in der im Rechenzettel angegebenen Zeit nicht za
Innsbruck weilte (s. V. v. Kraus, Max I. Beziehungen zu Siegmund vod
Tirol, S. 47, Nr. 33 — 39), überdies im Zettel von einer ,gn. fran' (offen-
bar Katharina von Sachsen) gesprochen wird, Maximilian damals aber
noch Witwer war.
' Aus diesen für die Geschichte der Preise lehrreichen Küchenzetteln
bringen wir nachfolgenden (aus dem Jahre 1610) zum Abdruck:
235
wie in den Stücken des vorgenannten Fascikels. 3. ,Tagzettln
oder auszgaben auf der Rom. khay. mt. khayser Maximiliani
des ersten hochseeligster gedeehtnus stallparthey oder füette-
nmg.' Fast durchgängig über Ausgabonposten des Jahres 1504.
4. ,Etlich (wenig) zettbi der ausgaben durch den liechtcamerer.'
Fünf Blätter ohne Jahresangaben.
Eine Vergleichung des Inhalts der fünf Fascikel mit den
Aufzeichnungen des Keisebuches weisen nach Schrift und Tinte
auf einen gemeinsamen Schreiber hin. Die auf übrigens losem
Umschlag angebrachten Ueberschriften des ersten und dritten
Fascikels, in denen die einzelnen Rechnungsbelege als Blätter
zumeist chronologisch eingelegt waren, sprechen von dem be-
reits verstorbenen Kaiser (•{• 1519). An mehreren Stellen cr-
wfthnt der Zahlmeister eines Bruders, von dem er Geld zur
Verrechnung in Empfang nahm und solches an ihn abgeliefert
habe. Beide Brüder scheinen also in HofkammergeBebuften
Maximilians verwendet worden zu sein, und liegt uns hier das
Material zu einer umfassenden Rechnungslegung nach Maxi-
milians Ableben vor.
Am moutag den vu. tag Jauuary gespeUt zu Botzeuu Ro. kay.
mtt Tud i'xL personnen.
rmb III haseun i st. 13 kr. 39 kr.
Tmb VI veldhanner i at. 7 kr. 43 kr.
iTmb vnt bennen 48 kr.
rmb vogll per Pisyony.
rmb m kapaun 34 kr.
vrab milch 28 kr.
■nnb easicb ö kr.
Tmb aalz 12 kr.
vmb scbmalx ...28. Rh.
rmb gerstenn IS kr.
vmb scbonmell . 9 kr.
Tmb haiuennplatter 27 kr.
Tmb aanrkrautt 24 kr.
Tmb roubenn Tnd klioll-
krautt 28 kr.
rmb opffell 8 kr.
(Die Recbnang Tom vorigen Tag — Bonntag, 6. JSnner 1610 — betrug
18 6. Rh. lU kr. und enthalt neben den obigen Artikeln: ain star weiQ
arbiS für der kay. mt. mundt 1 fl. Kli.; Tmb ri sew zu wintteii kaufft
auf beaelcb kay^ m** & 6. 14 kr.; vmb darmb zun wirsten 12 kr.; Tmb
kamch dorau 4 kr.)
vmb zwyfell 9 kr.
vmb pirnn 6 kr.
vmb buneratz 8 kr.
vmb u par schuch der offi-
cir kacbinknoben .... 20 kr.
vmb holz 48 kr.
Summa . . 8 fl. 41 kr.
Vermerckt das Qaiach Tmb
IUI '^ X tt rindtflaiscb
kalbflaisch vnd schaf-
üaiseh i it. per 1 kr.
facit 6 fl. 50 kr.
Tmb 1 kalbekopff ä kr.
Summa . . (! fl. 55 kr.
Sumarum . . 16 fl. 36 kr.
236
Bezüglich des Namens des Zahl- oder Pfennigmeisters sind
wir nur auf unsichere Vermuthimg verwiesen. Die Hofkammer-
ordnung vom Jahre 1498 flUirt uns unter dem Reich sschatz-
mcister Balthasar Wolf einen Jörg von Eck als Pfennigmeister
an, dem Castus Hacquenay als Rcgistrator zur Seite stand. In
der Hofkammerordnung vom Jahre 1501 erscheint der Letztere
als Schatzmeister oder Rechenmeister. Auch geschieht eines
Johann Lucas als königlichen Controlors bezüglich der Ausgaben
zur Unterhaltung von Tafel, der Truchsesse und Diener in der
Garderobe und Küche, im Keller und der Lichtkammer Er-
wähnung, der die Ausgabe der für diese Etats erforderlichen
Summen durch den Pfennigmeister Sebastian Hofer besorgen
lässt. Casius Hacquenay, noch im 16. Jahrhundert wegen seiner
pünktlichen Registrirung der Hofkammeracten gertihmt, besass
einen Bruder Jörg Hacquenay, seit 1502 Gehilfe des Einneh-
mers der extraordinären Einkünfte am Hofe. Endlich wird im
Jahre 1513 Ulrich Pfintzing als Zahlmeister genannt.'
Welchem Zweck auch immer ursprünglich das oben-
erwähnte Reisebuch diente, so viel steht fest, dass die um die
Person des Kaisers dienstlich beschäftigten Hofbeamten in erster
Linie befjlhigt waren, uns und der Forschung über alle Vor-
ftllle am Hofe, die, wie die fortgesetzten Reisen, für den Hof-
etat von finanzieller Tragweite waren, werthvolle Aufzeich-
nungen zu machen. Sache der Kritik bleibt es, durch ein-
gehende Untersuchung den Grad der Verlässlichkeit zu prüfen
und ihnen nach dem Ma8S der sichergestellten Glaubwürdigkeit
Siebe S. Adler, Die Organisation der Centralrerwaltung unter Maxi-
milian I., Leipzig 1886, in dem die Hofkammer behandelnden Capitel.
Jörg von Hacquenay führte, wie aus einer Motiz im Innsbrucher Statt-
baltereiarchiv hervorgeht, auch den Titel eines Pfennignieist«rs. Dia
Notiz lautet:
JOrigen Uackanejr pbenningmaister auf sein aemng md mder-
lialtung in abslag seines liuergelts geben laut qoitt l gnid. R.
Freitag 8. Nov. Ratteoburg ans beuelch meines bmedern Jor^r
Heckennoy glichen auff raittung, so er genn Innspruckh woldt reitten.
L gniden R.
Zn Geysennfeldt dem Jorign Ueckenney aalt, so er für meinen
bruedeni für zerung ausgeben hatt xxi kr.
Hat betsalt von Hans tod Steten 1200 ü. auff das aUber.
Nach dieser Notii kllme neben dem Hacqneoay noch ein »weites BrQder-
paar (Ptintaing?) in Betracht.
r
i
237
t
die als Hauptquelle für ein Itinerar Maximilians zukommende
Stellung anzuweisen.
Aus der Gnippe der Quellen, deren Nachrichten über
den jeweiligen Verbleib Maximilians Anspruch auf unbedingte
Glaubwürdigkeit erheben können, greifen wir die Berichte der
Rathsboten an die Stadt Frankfurt ' und die daran sich an-
schliessenden Archivsnoten zum eingehenden Vergleich mit den
Angaben unseres Reisebuches heraus. Der Bericht aus Worms
21.— 22. April 1509 (Nr. 952) meldet, dass der Kaiser am
21. April 1509, ß Uhr Abends, in Worms zum ReichstJig ein-
gezogen sei. Das Itinerar enthält die Daten: 1509, 21. April
Nieder-Olm, 22. April Worms. Man beachte die Verschiebung
um einen Tag. Nach dem Wormser Bericht vom 24. April
1509 (Nr. Ö54) ritt der Kaiser an demselben Tag zur Mittagszeit
von Worms nach Speyer weg. Das Itinerar berichtet: 1509,
22. — 26. April Worms, 27. April Speyer. Aus Nr. 955 erfahren
wir auch, dass der Kanzler Serntein und mit ihm offenbar auch
die kaiserliche Kanzlei noch bis zum 26. April zu Worms ver-
weilt, um dem Kaiser nach Speyer nachzuziehen. Die Frank-
furter Räthe melden ihrer Stadt am 27. April 1509 (Nr. 950),
dass der Kaiser zu Speyer weile, und melden am 29. AprU aus
Worms (Nr. 957), dass er am 27. April von Speyer nach Briissel (!)
abgereist sei. Das Itinerar berichtet: 1509, 27. April Speyer,
28. April Bruchsal. Heller berichtet dem Frankfurter Rath aus
Augsburg 4. Februar 1510, dass der Kaiser dem Mainzer Erz-
bischof geschrieben hätte, er wolle sich um Kaufbeuren und
Füssen auflialten, um beim Eintreflfen der Stünde in Augsburg
auch dort zu erscheinen (Nr. 988), und derselbe Bote an Frank-
furt am 14. Februar 1510 (Nr. 992), dass der Kaiser in Mindel-
heim verweile. Das Itinerar berichtet: 1510, 4. Februar Reutte,
5. Februar Nesselwang, 6. Februar Kempten, 7. B^ebruar Lie-
benthan, 8. — 11. Februar Kaufbeuren, 12. Februar Angelberg,
13. — 17. Februar Mindelheim. Am 18. Februar 1510 berichtet
Heller an Frankfurt (Nr. 993), der Kaiser reise um Augsburg
herum, die Kanzlei traf erst an diesem Tage in Augsburg ein.
Nach dem Itinerar finden wir Maximilian zwischen 7. — 21. Fe-
broAT 1510 zu Kaufbeuren, Mindelheim, Angelberg, Puchloe
■ Frankfurts Reichscorretpondenz, heraangegeben von Joh. JanMen, IT. Bd.,
U. Äbtb., 1872.
238
und Schwabnillnchen. Am 25. Februar 1510 berichtet Heller
(Nr. 995), der Kaiser sei am 21. Februar nach Augsburg ge-
kommen. Das Itinerar meldet: 1510, 22. — 28. April Augsburg.
Auch hier wieder eine Verschiebung um einen Tag. Am
10. März 1510 berichtet Heller an Frankfurt (Nr. 997), der
Kaiser sei iiacli Dillingen geritten und werde in vier Tagen
wieder nach Augsburg zurückkehren. Das Itinerar berichtet:
1510, 5. März Wertingen, G. März Dillingen, 7. März Donau-
wörth und Wertingen, 8. März und folgende Tage Augsburg. Also
auch hier die Verschiebung um einen Tag, die wir in der Folge
nicht mehr besonders hervorheben. Es ist klar: Der erste im Itine-
rar angesetzte Monatstag ist der Tag der Abreise und nicht der
der Ankunft. Max verlässt am 4, März Augsburg, trifft Abends
in Wertingen ein, wo er vom 4. — 5. März übci-nachtet, und
zieht am 5. März von Wertingen weiter. Carl von Henszberg
berichtete am 22. April 1510 an Frankfurt (Nr. 1016), der
Kaiser sei von Augsburg abwesend, er soll zu seiner Schwester
nacli München geritten sein. Das Itinerar berichtet: 1510, bis
18. April in Augsburg, 19. April Mering, 20. April Fürstenfeld-
bruck und Naynnhofen, 21. April Dachau, 22. April P'iirstenfelil-
brück, 23. April und folgende Tage Augsbui^, Die Reise zeigt
die Richtung bis in die Nähe Münchens. Am 19. Februar 1511
berichtet Heller aus Freiburg an Frankfurt (Nr. 1047), der Kaiser
sei am 18. Februar nach Colraar geritten. Das Itinerar berichtet:
1511, 15.— 18. April Freiburg, 19. April Breisach, 20. April Col-
mar. Dr. Itechlinger schreibt am 20. December 1511 aus Augs-
burg an den Frankfurter Rath (Nr. 10G7), jüngst sei ihm die
Nachricht zugekommen, dass sich der Kaiser , neulich' zu Mautcr-
bach (!) oder ungefilhr auf den Rotteumann aufgehalten und nach
Steiermark zu ziehen willens gewesen sei. Er werde daher
vor Weihnachten nicht nach Augsburg kommen. Das Itinerar
berichtet: 1511, 2. — 3. December Mauterndorf, 11. December
Rottenmann, von wo Max nach Aussee zieht. Johann Kes-
seller zu Nassau schreibt am 24. Febniar 1512 an Frankfurt
(Nr. I0G9), er habe ghuibhaft gehört, dass der Kaiser gestern
(23. Februar) in Karlstadt gelegen, heute (24. Februar) zu
GmUnden nnd morgen (25. Februar) in Gelnhausen liegen werde.
Das Itinerar berichtet: 1512, 23.-24. Februar ^^'ürzbu^g,
25. Februar Karistadt, 2G. Februar Graünden, 27.-28. Februar
Gelnhausen. Nach Nr. 1071 kam der Kaiser am 28. Februar
1512 nach Frankfurt n. M. Das Itinerar berichtet: 27. — 28. Fe-
bruar Gelnhausen, 29. Februar bis I. März Frankfurt. Am
18. Mai 1512 berichten die Frankfurter Boten aus Trier an
ibre Stadt (Nr. 1076), der Kaiser sei am 17. Mai nach den
Niederlanden abgereist. Nach dem Itinerar verlässt Maximilian
am 17. Mai ir)I2 Trier und zieht gegen die NiiHleriande. Be-
richt Heller's an Frankfm-t aus Köln am 17. Juli 1ÖI2 (Nr. 1084),
der Kaiser sei am 16. Juli nach Köln gekommen. Itinerar:
1512, 16. — 31. Juli Köln. Derselbe theilt derselben aus Worms
1. December 1512 mit, dass der Kaiser noch zu Landau weile.
Das Itinerar berichtet: 1512, 13. November Neustadt, 14. bis
19. November Landau, 20. — 22. November Speyer, 23. — 27. No-
vember Landau. Die kaiserlischcn Commissäre zu Worms am
10. Juni 1513 theilen den wartenden Stunden das Heranziehen
des Kaisers mit (Nr. 1112). Itinerar: 1513, 10. Juni Geislingen,
12. — 13. Juni Esslingen, 14. Juni Stuttgart und Egiisheim, 15. Juni
Vaihingen, 16. Juni Maulbronn und Bretten, 17. Juni Bruchsal
and Hausen, 18. Juni Speyer und Oggersheim, 19. — 25. Juni
Worms. Der Woraiser Rath theilt (Nr. 1113) dem Frank-
furter am IS. Juni 1513 mit, dass der Kaiser die letzte Nacht
«n Speyer gewesen und heute in Worms eintreffe. Der Fraiik-
fiirter Kath theih am 28. Juni 1513 (Nr. 1116) dem Jliihl-
hausner mit, Maximilian sei am 26. Juni nach Frankfurt gekommen
und sei noch dort. Das Itinerar berichtet: 1513, 26. Juni Darm-
stadt, 27. Jani und folgende Tage in Frankfurt. Eine Frankfurter
Archivsnote (Nr. 1154) theilt mit, dass der Kaiser am 13. Juni
1517 dorthin gekommen, acht Tage verweilte und am 21. Juni
gegen Aschaffenburg geritten sei, und am 22. Juni 1517 erhält
der Rath zu Ilagenau die Au.skunft (Nr. 11.55), dass der Kaiser
abgezogen sei und in der Nacht vom 22. — 23. Juni zu Milten-
berg liege. Das Itinerar berichtet: 1517, 13. Juni Wiesbaden
and Höchst, 14. — 20. Juni Frankfurt, 21. Juni Frankfurt und
Seligenstadt, 22. Juni Aschaflfenburg und Obernburg, 23. Juni
Miltenberg und KUlsheim.
Die Genauigkeit in der chronologischen Anordnung und
in Verzeichnung bestimmter Thatsachen und Vorf)il!c reiht die
uns vom Kittcr Siegmund von Herberstein hinterlassenc und mit
besonderer Sorgfalt vom Verfasser revidirte Selbstbiographie'
• Heranii^. von Th. v.Kar^nn in Font. rer. Auxtr., I.Abtb., 1. DJ., Wien 1855.
^^^^^ ^^B
i
■■
^^H anter die werthvoUsten QaellenschriFten für die Perio«!
^^H aasgehenden Mittelalters und
ftlr den Beginn des 16J
^^H hunderts. An den von Ilerberstein verzeichneten Date^
^^B des Kaisers Aufenthalt soll nun
im Folgenden die VerÜfi
^^^ keit unseres Iticerars Uberprilft
werden. J
^^^^H Herberitein
Intinerar ^^
^^^^ p. 79. Der Kaiser
^^^^^_ zieht gegen Cilli und von
1514,
7. Juni St. Paul am
^^^^^B dort nach Laibach um
wald, nördhch von
^^^B den 7. Juli 1514
1514,
8.-9. Juni Cilli.
^^^^^ p. 84. ist am 21. Nov. 1515 zu
1515,
17.— 2I.N0V. üln«
^m Ulm
^^m p. 8ö. ist am 8. Dec. 1515 zu
1515,
5.-8. Dec. Fttssej
^^H Füssen
^^H p. lÜO ff. zieht gegen Tannheim
(1516,
12.— IS.JuniEhra
^H^ am 12. Juni 1516
i
14. Juni Tann
^^^^^K zieht gegen Immen-
1516,
15. Juni ImmenstaJ
^^^^H Stadt am 13. Juni
Rothenstein.
^^^H
.
^^^^H zieht gegen Rothen-
1516,
16. Juni Staufen.
^^^^H fcls und Staufen am
^^^H U.Juni 1516
'
^^^^H zieht gegen Wangen
1516,
17. Juni Wangen.
^^^^^1 am 15. Juni 1516
^^^^^1 zielit gegen Tcttnang
1516,
18. Juni TettnanJ
^^^^1 und Buchhorn am
Buchhorn. 1
^^H
jl
^^^^^1 zieht gegen Constanz
fl516,
19. Juni Constanz.i
^^^^^1 am 17. Juni 1516
i
20.— 26.JuniConai
^^^^^B zieht gegen üeberlin-
1516,
27.— 28. Juni Uel
^^^^^1 gen am 28. Juni
gen.
^^^1
^^^^H zieht gegen Buchhorn
1516,
1. Juli Buchhorn.
^^^^H am 1. Juli 1516
^^^^H zieht gegen Lindau
1516,
2. — 3. Juli Lindau
^^^H Er trifft den Kaiser
1516,
10.-21. Juh Fttss
^^^H am 19. Juli 1516 zu
^^^^1
1
■m
Hj^^^^^^^^ 241 ^^H
p. 104 ff. Beschreibung einer Re
ise des Kaisers von Fttssen nach ^^M
Hagenau im Elsass,
Oetober bis Deconibcr lölO. ^H
AmSO.Octobermacht sieh Herberstein auf den Weg und holt ^H
den Kaiser zu Fllssen ein. Be
der nun folgenden Darstelhing ^H
iler Reise gibt er nur einen
an. In allen Füllen ist der
Monatstag — 2. November — ^^M
Vergleich der Reiseroute bei ^H
Herberstein und im Itinerar w
chtig flir das Urtheil tlber den ^H
Werth des letzteren.
■
^K Herberstein
Itinerar ^H
[(nach 24. Oct. 1516) zu Füssen
1516 ^1
26.-27. Oct. Füssen und ^M
1
Reutte. ^M
^^V zu Reutte
28. Oct. Reutte. ^M
^B
29. Oct. Reutte und Nessel- ^H
^^B „ Tannheiin
wung. ^H
30. Oct. Tannheim. ^M
^^^ „ Fluchenstein
31. Oct. Fluchenstein. ^M
L *. Not. 1516 zu Immenstadt
2. Nov. Fluchenstein und Im- ^H
1
menstadt. ^H
^^^ zu Staufen
3. Nov. Staufen und Scheid- ^H
^V
eck. ^H
^^1 „ Ueberlingon
8.-9. Nov. Ueberlingen. ^H
^^M „ Salmansweiler
10. Nov. Salmansweiler und ^H
^^V n Ueberlingen und
Ueberlingen. ^^M
11. Nov. Constanz. ^H
^^V Constanz
^1
^^B „ Zeil am Untersec
12. Nov. ZeU. H
^^^^^^ n Engen und Islin-
13. Nov. Engen und Gei- ^H
^^^^ „ Fttrstenberg, ITüfin-
singen. ^H
14. Nov. Hufingen. ^M
^H „ Neustadt
15. Nov. Neustadt. ^M
^H
16. Nov. Freiburg. ^H
I7.N0V. Freiburg und Dachs- ^H
wang. ^H
18. Nov. Breisach. ^^^
^^V „ Freiburg
^^
^^^^^ „ Breisach
19. Nov. Breisach und Jebs- ^^M
^v
heim. ^^|
[ ktt^ir. Laxni. Bd. I. Hilft«.
^H
242
Herberstein Itiserar
Colmar entlang 1516
Bergheim 20. Nov. Bergheim und
Scherweiler.
Oberehenheim 21. Nov, Oberehenheim.
gegen Schlettetadt
in Neuweiler 22. Nov. Neuweiler.
Ingweiler 23. Nov. Ingweiler.
Hagenan 24. — 30. Nov. Hagenau.
Am 14. Dec. lölöHerberstein's bis 15. Dec. Hagenau.
Abfertigung, Hagenau
Johann Cuspinian's Tagebuch (1502—1527)« enthält nach-
folgende zum Vei^leich mit dem Itinerar geeignete Daten:
Itinerar
1511, 24.-3. Dec. Linz.
1514, 6.-10. Mai Wien.
1515, 11.-15. Juli Wien.
1515, 18.-28. Juli Wien.
1517, 10. Sept. Wien.
29. JuH 1515 Abreise von Wien 1515, 29. Juli Wien und Neu-
dorf.
Auch hier sehen wir im Itinerar den Anfang des Aufent-
haltes auf den nächsten Tag verlegt. Es wird also der Tag
der Abreise ohne Rücksicht auf den noch an demselben Tage
erreichten Ankunftsort zu dem Abreiseorte gerechnet. Damach
verzeichnet das Itinerar folgerichtig: 1517, 6. — 8. Jänner Trier,
9. Jänner Wittlich, obwohl der Kaiser am 7. Jänner 1517 seiner
Tochter Margarethe aus Trier schreibt,* er werde den nächsten
Tag, also den 8. Jänner, Trier verlassen, d. h. an demselben
Tage das nahe Wittlich erreichen. Zum Beleg a contrario kann
die verlässliche Notiz aus dem Nürnberger Archiv: ,An sant
Blasiustag den 3. Febr. rit k. Maximilian hie zu Nürnberg ein.
darnach am sontag den 15. Febr. zug der keyser hinweg*, heran-
gezogen werden. Das Itinerar berichtet: 1512, 3. Februar Neu-
Cntpinian
berichtet zum
des Kaisers
23. Dec. 1511
Ankunft
in Linz
5. Mai 1514
n
„Wien
10. JuH 1515
n
„Wien
17. Juli 1515
n
„Wien
9. Sept. 1517
n
„Wien
> ed. Th. V. Karajan in Font. ror. Austr., I. Abth., I. Bd., 1866.
« Le Glay, Corr., Tome II, Nr. 646.
Barkt, 4. — 15. Februar Nürnberg, IG. Februar Kadolzburg und
»angenzcn. Der Kaiser verliess Neumarkt am 3. Februar, traf
ensciben Tag in Nürnberg ein, erreiclitc nach dein Ausritt von
limberg am 15. Februar noch an demselben Tage die wenige
Uometer entfernte Kadolzburg. Trotzdem verzeichnet das
inerar als Anfangstage 4. und IG. Februar. Die zweitägige
iffercDz im ersten Tagesdatuni bei jedem Orte zwischen Herber-
sin und Itinerar wird dadurch erklärt, dass Herberstein den erst als
siseziel am nächsten Tage zu erreichenden Ort mit der angeführten
igeszahl verbindet, dagegen das Itinerar den der Ankunft erst
ichfolgenden Tag als ersten zu diesem Orte einzeichnet.
Aus der Masse der unter kaiserlichem Namen hinaus-
igebenen Briefe greifen wir zur Vergleichung mit dem Itinerar
IT die besondere G nippe heraus, bei der durch die Bedeu-
ag der behandelten Materie und die hervorragende Stellung der
■iefempfilnger die unmittelbare Mitwirkung des Herrschers an
IT Ausfertigung und damit die Anwesenheit desselben an dem
Lisstellungsorte oder doch in nächster Nähe ausser aller Frage
sht. Allerdings filllt es schwer, für die Zugehörigkeit zu
Bser Gruppe eine von vorneherein feststehende Regel auf-
istellen. Hier kommt es wesentlich auf die aus der innigen
Brtrautlieit mit der Sache gewonnene Schärfe des llrtheils an.*
Am 20. April 1509 schreibt Max zu Rüdesheim an
retini über die Abweisung eines venetianischcn Seere-
ra. Itinerar: 1509, 19. — 20 April Rüdesheim. Max an Veit
Fürst über ßelehnung des Papstes mit italienischen Reichs-
ten, Innsbruck, 5. August 1510. Itinerar: 1510, 1. — 7. August
insbruck. Im October 1510 wurde mit ungarischen Gesandten
n Vertrag zu Constanz abgeschlossen. Itinerar: 22. — 30. Sep-
snber Constanz, 1. — 14. October Constanz, 15. October Con-
anz und Wollmatingen. Max an Bischof M. von Gurk über
ichtige politische Vorftlllc, Breisach, 5. November 1510. Itinerar:
510, 3. — 7. November Breisach. Max an denselben, Eusisheim,
9. November 1510. Itinerar: 15. — 21. November Ensisheim.
Die bier angeführten Briefe haben iu der trefSiclien Danotelliing der
Geschichte Maximiliana I. von H. Ulmann bereit« ihre Würdigung ge-
fnnden. Werden auch Ulmonn's Angaben im Giiizolnen durch das
Itinerar nowesentliche Corrccttiren erfahren kOniien, so vermag doch der
Vergleich mit dem Itiuemr nur die ungemein grosse Sorgfalt Ulmann's
der chronologischen Anordnung der Vurfülle an bekrtftigen.
16»
244 [
Max an Georg von Sachsen, Innsbruck, 24. Juli 1511, ESn-
ladung der Stände nach Trient. Itinerar: 1512, 24. Juli Ste^
zing (da Max am 22. — 26. Jtmi zu Innsbrack weilt, so liegt
die Vermuthung eines Schreib- oder Druckfehlers bei Ulmann,
n, p. 562, vor). Zwei Schreiben: Max an Herzog Wilhelm von
Baiem von Lienz, 30. September 1511 und an König Ferdinand
von Arragon, Trient, 1. September 1511, mit politischen Nach-
richten. Das Itinerar: 1511, 28. September bis 6. October
Lienz, 1511, 29.— 31. August Trient, 1. September Selva bei
Levico, am 9. September wieder nach Trient zurück. Maximi-
lians Beitritt zum Georgsorden am 10. November 1511 zu Inns-
bruck und Max an den Bischof von Trient in diplomatischer
Angelegenheit, Innsbruck, 12. November 1511. Itinerar: 1511,
10. — 19. November Innsbruck. Max an Christian von Limburg,
Sillian, 25. November 1511. Itinerar: 1511, 25. November Sillian.
Max an Andrea de Burgo, Wiesbaden, 2. März 1512. Itinerar:
1512, 2. März Wiesbaden. Max an Paul v. Liechtenstein,
Trier, 29. März 1612. Itinerar: 1512, 27.— 30. März. Maximilian
an den Bischof M. von Gurk und Semtein, Brüssel, 28. Mai
1512. Itinerar: 1512, 26.-29. Mai Brüssel. Max an den
Herzog von Cleve, Köln, 28. JuU 1512. Itinerar: 1512,
16. — 31. Juli Köln. Max an den römischen Orator Grafen
Carpi in insulis (Lille), 12. September 1513. Itinerar: 1513,
11. — 14. September Lille. Max an den König von Polen, Tour-
nay, 22. September 1513. Itinerar: 1513, 16.— 24. September
im Feld vor Tournay. Max an das Innsbrucker Regiment,
Windischgrätz, 4. Juni 1514. Itinerar: 1514, 4. — 5. Juni Win-
dischgrätz. Quittungsbrief Max' über 100.000 Goldgulden seitens
Frankreich, Graunden, 1. August 1514. Itinerar: 1514, 16. Juli
bis 22. August, Gmunden. Max' Instruction für Semtein u. A.,
Mindelheim, 24. April 1515. Itinerar: 1515, 24. April Mindel-
heim. Nach gleichzeitigen Nachrichten gelangt Max im mw-
ländischen Feldzuge am 22. März 1516 nach Fontanella und
bewerkstelligt bei Rivolta am 24. März den Uebergang über die
Adda. Itinerar: 1516, 22. März Fontanella, 23. Carava^o,
24. März Rivolta a. d. Adda. Maximilians Ausschreiben an die
Stände, datirt vom 24. März 1516 zu Pioltello. Itinerar: 1516,
26. — 28. März Pioltello. (Nach dem ganzen Verlauf des Mar-
sches die Angabe des Itinerars viel glaubwürdiger.) Nach
Brewer weilte Max am 1. April 1516 zu Pontoglio, von wo er
r
am 4. April nach Ce8to(!) rückt. Itinerar: 1ÖI6, 1.— 4. April Pon-
toglio, 5. April Costa di Mezzate. Carl Trapp berichtet dem
Innsbrucker Regiment über Vorfälle aus des Kaisers Umgebung
aus dem Lager zu Borgo di Terzo, 5. April 151(1. Itinerar: 1516,
6. April Borgo di Terzo. Max an den Bischof von Trient,
Terzolas, 20. April 1516. Itinerar: 1516, 17.— 22. April Terzolas.
Max. Instruction für Casimir von Brandenburg an R. Pace der-
zeit zu Augsburg, Landeck, 3. Juni 1516. Itinerar: 1516, 3. Juni
Landeek und Zams. Max an den Cardinal von Sitten. Iiiist, 9. Juni
1516. Itinerar: 1516, 7. — 10. Juni Imst. Max an den Hochmeister
des deutschen Ordens Ueberlingen, 27. Juni 1516. Itinerar:
1516, 27. — 28. Juni Ueberlingen. Secretilr Renner an Schatz-
meister Casius. Reutte, 8. Juli 1516. Itinerar: 1516, 8. Juli Tanu-
heim, 9. Juli Reutte. Max sichert Hilfe zu Gunsten Veronas
zu. Imst, 21. August 1516. Itinerar: 1516, lä. August Imst und
Zams, 19. — 21. August Zams, 22. August Imst. Max an Wolcken-
stein und Serntein. Hagenau, 1. Deceniber l.")16. Itinerar: 1516,
1. — lö. December Hagenau. Instruction Max für Casimir von
Brandenburg an den Kurfllrsten Joachim von Brandenburg. Neu-
stadt, 20. November 1517. Itinerar: 1517, 12.— 20. November
Neustadt. Max an denselben. Milhldorf, 22. Jänner 1518.
Itinerar: 1518, 22. Jänner Mühldorf und Schwindkirch.
Endlich wollen wir jene brieflichen Nachrichten, die von
dem Kaiser selbst oder aus dessen nächster Umgebung stammen,
und die sich direct mit der Aufenthaltsfrage des Kaisers be-
schäftigen, soweit uns solche aus Archiven bekannt wurden, mit
den durch das Itinerar überlieferten üaton vergleichen. Am
18. Juli 1510 schrieb Maximilian aus München an Paul von
Arnstorffer,* er habe die vergangene Nacht (17. — 18. Jidi) bei
dem , heiligen Perg' (Kloster Andaclis am Ammersee) liegen
and heute (18. Juli) in Weilheim sein wollen, aber seine
Schwester und deren Kinder hUtton ihn zu München festge-
halten; heute wolle er sich jedoch erheben und morgen (19. Juli)
zu Weilheim sein. Das Itinerar berichtet: 1510, Juli 15. — 18.
München, 19. Juli Starnberg und Heiligenberg, 20.— 22. Juli Weil-
heim. Am 16. Mai 1511 schrieb Maximilian an seinen Kanzler
Cjprian von Serntein aus Weilheim,* dass er gestern (15, Mai)
Conccpt im Innubnicker Statthaltereiarchiv, fiwc. 15.
' lonabnioker Statthaltereiarchiv, Maximiliaiui XIV.
246
und heute mit ,den rayger' so viel zu schaffen gehabt hätte,
dass er ihm nicht schreiben konnte. Doch lasse er die Falken
hier zurück und ,ziehen wir heute gegen Heiligenberg'. Dort
soll er allen Bescheid erhalten. Uebermorgen (18. Mai) wolle
er mit dem Herzog Wilhelm jagen. Das Itinerar berichtet:
1511, 16. Mai Weilheim, 17. Mai HeUigenberg, 18.— 19. Mai
Fürstenfeld und Brück, 20. — 21. Mai München. Abgesehen von
der völligen Uebereinstimmung mit den Angaben des Kaisers
wird hier auch, da der Kaiser ausdrücklich seine Abreise
nach Heiligenberg am 18. Mai angibt, das Itinerar den Kidser
dort am 19. Mai als anwesend verzeichnet, die schon besprochene
Verschiebung um einen Tag ausser Frage gestellt Der Auf-
enthalt in Fürstenfeld und Brück entspricht dem beabsichtigten
Jagen auf bairischem Gebiete. EndUch ziehen wir zwei Schreiben
des Secretärs Finsterwalder an den Kanzler Serntein ' heran,
welche uns fUr die geradezu minutiöse Genauigkeit des Itinerars
Zeugniss ablegen. Im ersten tbeilt Finsterwalder am 18. Sep-
tember 1515 aus Magerbach von der Hirschjagd mit, dass der
Kaiser ,heint zu Kematen übernacht liegen wird'. Im zweiten
vom 10. December um 11 Uhr in der Nacht aus Ehrenberg,
der Kaiser habe tagsüber auf Gemsen gejagt, 7 Stück gefangen,
,so lustig als es in langer Zeit nie gewesen'. Morgen (11. De-
cember) zöge der Kaiser um 9 Uhr von hier weg und werde
zu Lermoos liegen. Das Itinerar berichtet: 1515, 18. September
Magerbach und Sils, 19. September Kematen, femer 1515,
10. December Ehrenberg an der Klausen, 11. December Ehren-
berg an der Klausen und Heiterwang, 12. December Lermoos
und Nassereit.
Aus der vorangegangenen Untersuchung ergibt sich mit
vollster Evidenz: 1. Die unbedingte Verlässlichkeit der Angaben
des Itinerars. Dasselbe kann als vorzügliche Quelle in allen
mit dem jeweiligen Aufenthalt des Kaisers zwischen 1508 — 1518
zusammenhängenden Fragen verwendet werden. Die Angaben
sind so verlässlicli, dass umgekehrt bei gegensätzlichen Nach-
richten in anderen Quellen die Untersuchung auf die Richtig-
keit dieser letzteren erst angestellt werden muss. 2. Der
Verfasser des Itinerars hat nicht alle von Maximilian vom Ab-
gangsorte bis zum Orte der nächsten Nachtruhe berührten Ort-
' Innsbrucker Statthaltereiarchiv, Maximiliana XIV, ParteiMchen.
247
Schäften zu den Aufenthaltstagen eingezeichnet. Werden zu
einem Tage mehrere Orte genannt, so legt der Zweck des
Itinerars die Vermuthung nahe, dass die zur getrennten Unter-
bringung des Kaisers und seines bekanntlich nicht kleinen Hof-
staates — häufig an 100 Personen und darüber — verwendeten
Orte gemeint sind. 3. Die Ankunft des Kaisers kann in der
Regel auf den Tag, der dem im Itinerar genannten Tage voran-
geht, verlegt werden. Es ergibt sich also bezüglich des An-
kunftstages eine Verschiebung um einen Tag zurück, nicht aber
bezilglich des Abfahrtstages. Die zwischen Ankunft und Abfahrt
liegenden Tage werden in ihrer richtigen ISteilung niclit berührt.
4. Aas Versehen unterlaufene Fehler konnten auf Grund sorg-
f^tiger Vergleichung nicht nachgewiesen werden. 5. Kurze
Aosfliige nach nachbarlichen Orten ohne Nachtunterkunft bei
Iftngerem Verweilen an einem anderen Orte erscheinen nicht
verzeichnet und haben nachgewiesener Massen stattgefunden.
Die Untersuchung kann jetzt den umgekehrten Weg
nehmen. Das Itinerar gilt uns für die zehnjährige Periode als
feststehend. Darnach sind die Datirungen aller Briefschaften
Maximilians — der gedruckten wie ungedruckten — zu prüfen
und zu versuchen, ob sich nicht im Allgemeinen verlllssliche
Kriterien für die Heranziehung bestimmter Gruppen dieser
Briefschafton flii* die Zwecke eines Itinerars gewinnen lassen.
In erster Linie handelt es sich bei Beantwortung der
Frage, ob der Ausstellungsort auch der Aufenthaltsort des Kaisers
sei, um den Nachweis des persönlichen Mitthucns des Kaisers
an der Fertigstellung des Briefes. Dieses erscheint bei den
vom Kaiser eigenhändig geschriebenen Briefen ausser alle Frage
gestellt. So werthvoll daher die Autographc Maximilians ftlr
die Feststellung des Aufenthaltsortes sind, so ist doch erstens
die Zahl der überheferten gegenüber der Gesammtbricfschaft
verschwindend klein, und überdies ist der weitaus grösste Theil
der Autographe durch den Mangel von Zeit und Ortsangabe
ftir die Zwecke eines Itinerars unbrauchbar. ' Es entsprach
' Die Autographe Maximilian» aiiid — soweit ich fesbtellen konnte —
durcbauH epistul. clnuti, cliart. ohne kanKleigemSsie Form, zumeist mit
dem Rin^iegel Mniimilian.t verschlossen. Die wenigen in den Archiven
zu Innsbruck und Wien liegendeu Autographe entbehren innieist einer
voUstJludigen Datiniugszeile. Von den von Le ülay, Corr., Ud. I u. II
veröffentlichten 32 franzOttischen Autographen kommen fUr das Itinerar
248
nur 5 in Uetraclit Jeder Datirung entbobrcn C. Ausstellungszeit, aber
keinen Ort enthalten 21. Von den mir bckannteu 13 deutschen Auto-
graplion im Weimarer Ernoatinischen Staatsarchiv kommen nur 4 (sKmmt-
lieh Tur Ilerbsl 1608) in Betracht. 4 Stücke haben Zeit-, aber keine
Ortsangabe, 1 Stück Orts-, aber keine Zeitangabe, 3 Stücke weder das
eine noch das andere. Gacliard theilt in Lettre» inäd. Max. I, Nr. l'.'l
(ComptQ rendu, Serie II, Bd. 2 u. 3), nur 1 Antograph mit.
eben dem Wesen des Kaisers, sich nicht allzu peinlich an
kanzleimJlssigc Formen zu binden. Was nun den grossen Be-
stand der theils veröffeiitlieliten, theila noch in den verschiedenen
Archiven rulienden Briefe mit kanüloigemässer Fertigung an-
langt, 80 liisst sich Folgendes auf Grund eingehender Unter-
suchung feststellen; Nicht die von der Kanzlei gewählte Form '
der Ausfertigung, sondern der Inhalt des Verbrieften kann mit
der Frage der Verwendharkeit der Datirungszeile für das
Itinerar in Zusammenhang gebracht werden. Je bedeutsamer
der Inhalt, je hervorragender der Briefempfönger, je mehr der ,
Inhalt die Nothwendigkeit einer unmittelbar vor der Verbriefung- '
erfolgten Entschliessung des Kaisers voraussetzt, desto werth- i
voller erscheint die Datirungszeile ftlr das Itinerar. Genaue
Regeln sind in dieser Beziehung nicht festzustellen. Einen ^
Zusammenhang zwischen der gewählten Ausfertigungsform und
der Anwesenheit des Kaisers am AuBstcliungsorte lüsst sich nicht
ermitteln. Der Form nach theilen wir die Kanzleibriefe ein
in: I. Epistolae patentes membran. (Pergaraentumschlag unten,
anhangendes Siegel, aussen keine Adresse, unmittelbarer An-
schluss der Titelzeile an den Urkuiidentext, Ankündigung des
Siegels und darauffolgende Datirungszeile. Je nach dem Grade
der feierlichen Ausfertigung [Diplomata], nach den Abweichim-
gen in einzelnen Theilen des Protokolls, ins besonders in Bezug
auf die von Maximihan gewählte Unterschrift lassen sich die
Diplomata in verschiedene Arten gruppiren.) II. Epistolae pa
tentes chartac. (Kein Umschlag, rUckwärts in der Mitte aufge-
drucktes Siegel. Im Urkundentext und Protokoll der Gruppe I
gleich. Die Lehenssachen werden insbesonders durch die Pa-
tente erledigt. Die Unterschrift des Kaisers und der Kanzlei
erfolgt in abweichenden Formen. Oefters fehlt die erstere.)
in. Instructionen. (Aeussere Form wie Gruppe II, jedoch mit
unmittelbar unter dem Text aufgedrücktem Siegel.) IV. Epistolae
claus. membranac. (Rückwärts Verschlusssiegel, rückwärts
249
Adresse. Die kaiserliche Namens- und Titelzeilo unterhalb des
Brieftextes im Anschlüsse an die Datiningszcile. Wechselnde Art
der Unterschrift. Selten, wohl nur im Verkehr des Kaisers mit dem
P»pst, angewandte Briefform.) V. Epistoliie claus. chartac. (Rück-
wärts Verschlusssiegel, rückwärts Adresse. Name und Titel des
Kaisers in getrennter Zeile oberhalb des Brieftextes. Unterschrift
des Kaisers und der Kanzlei in verschiedenster Form. Oftmals
'ehlt die Unterschrift des Kaisers, öfters steht dieselbe allein.
X)er Brieftext beginnt mit dem Titel des Empfängers. In dieser
[«m stärksten vertretenen Briefform erfolgt die Erledigung der
LVielseitigsten, das Verwaltungs- und Finanzwesen berührenden
Angelegenheiten.) VI. Concepte mit Datirungszeile und mit Ver-
kesserungen aus der Kanzlei oder von der Hand des Kaisers. (In
len mannigfachsten Formen von flüchtiger Festsetzung des In-
lialtes [^Rathschhiges'] auf losem Blatte bis zur Form einer im
letzten Stadium nicht abgefertigten epistola.) Den Conccpten reihen
"*rir an die Kegistratursabschriften (CopialbUchcr) mit ausdrück-
licher Bezeichnung der von des Kaisere Hand in den Briefen
Keinachten Znsätze. Die lateinischen Briefe,' die französischen
«lus der burgundischen Kanzlei gleichen im Allgemeineo der Form
^nacb den Ausfertigungen der deutschen Kanzlei. In dem fran-
kösischeo ep. claus. schhesst sich manchmal die kaiserUcbc
Samens- und Titelzeile unmittelbar an den Brieftext an.*
t Sehen wir von den Autographen ab, so steht fest, dass
rllcksichtlich der Verwendbarkeit der Datirungszeile für ein
lünerar keine der vorgenannten sechs Briefarten von vorne-
herein auszuschliessen ist. Wohl aber werden sich bestimmte
Unterabtheilungen dieser Briefarten für diesen Zweck nicht
gut verwenden lassen. Immer steht die Frage nach dem un-
mittelbaren Mitthuen des Kaisers an der Fertigstellung des
Briefes am Datirungsorte obenan. Wenn Maximilian der
IElrlcdigung einer Beschwerde des österreichischen Kanz-
' SecretSr in der lateiniBckeu Kanzlei war durch viele Jabro Collauer.
* B«EÜglich dieser Briefe »iehe Corre8|iundanco de Max I. et de Mar^ucrite
d'Autricho 6A. Le Glay, U. Ud., 1839. Oacbard'» (Lettres inMitea Max I,
1478— 1&08 iu Compte reiidu, Serie II, Bd. 2 u. 3, 1861 — 1862) entlialteii
3«> Stücke Maximiliani! (daruuter eines, Nr. 30, in äilniischer Spracbe,
ein Äutograpb und eine epist. pat.). Maximilian bediente sich auch der
flXmischen Sprache und machte iu dieser autographe ZusStze (siebe
Mimoires de Jean de Dadixelle äd. M. Kerryn de Lettenhove).
260
lere Johann Waldner von Innsbruck, 22. Jänner 1498 (ep.
claua. chart. lunsbrucker Archiv), die eigenhändige Bemer-
kung beifligt: ,Las dich niemt erschrecken vnd handl hin
als beer, das wellen wier in gnaden alczeit gegen dier er-
kennen, p. m. p.', wenn Maximilian, dieselbe Person zu nutz-
bringender Thätigkcit am Wiener Landtag aufmunternd, von
Innsbruck, 18. Februar 1500, seinem kleinen Handzeichen die
Worte beisetzt: ,hab fleis in der sach. p. m. p.' (ep. claus. chart.
Innsbrucker Archiv), wenn Maximilian von derselben Person
die Abtretung zweier Pflegschaften von Innsbruck am 28. Jänner
löÜO mit dem eigenhändigen Zusatz: ,La8 dier dy sach bevolhen
sein vnd slach dy vns nicht ab. belln wier alczeit gegen dier
mit gnaden erkennen p. m. p.' (ep. claus. chart. Innsbrucker
Archiv), wenn das Copinlbuch des Innsbrucker Statthai lerei-
archivs 1496 einen Brief des Kaisers an Cyprian von Serntein
vom 26. August 1496 aus Carimate mit der Ik'mcrkung regi-
strirt, dass er den Zusatz von des Kaisers Hand entliillt: ,Fürder
die sach vnd bevilich ernnstlich, das dem eranstlich zu ange-
sichl nachkomcn werd, dann wir tannczen hie steligs an ain
pheiffer vnd auft' ainer stelczen p. m, p.', wenn ^laximilian
am 13. April 1503 aus Hai im Hennegau den Hofräthen iu Inns-
bruck befiehlt, dort beisammen zu bleiben und seines Bescheides
wegen der Silberlosung zu harren, und seinem kleinen Hand-
zeichen folgende eigenhändige Nachschrift voranstellt: .dann wir
ewch kurczlich weiter vnser mainung auff die sach verkünden
wellen, nachdem sich dy sach verlengt' (ep. claus. chart. Inns-
brucker Statthalterciarchiv), wenn Maximilian in Erledigung
einer Angelegenheit des Haller MUnzmeisters Behaim dem Inns-
brucker Regiment und der Haitkammer aus dem Lager za
jMcnduU bei Mantua' am 14. März 1516 mit dem autographon
Zusatz neben dem kleinen Handzeichen sehreibt: ,Tuct im also
propter causam p. m. p.' (epist. claus. chart. Innsbrucker Archiv,
fasc. 8), so erscheinen die Aufenthaltsorte: 1496, 20. August
Carimate, 1498, 22. Jänner Innsbruck, 1500, 28. Jänner und
18. Februar Innsbruck, 1503, 13. April Hai im Ilennogau, 1516,
14. März Medole unbedingt verbürgt. In der That verzeichnet
auch unser Itinerar: 1516, 14. März Medulla.
Schwieriger steht die Sache, wenn zur Beglaubigung des
Aufenthaltes die persönhche Unterschrift des Kaisers allein
herangezogen wird. Der Unterschrift: ,M. Ko. kunig p. m. p.'
Vbdiente sich der Kaiser nur in seltenen Fällen' und da zu-
meist bei eigenhändigen Mittheilungen mehr vertraulichen und
freundscliaftlichen Charakters. .Sie wurde aumeist in den Formen
des sogenannten grossen und kleinen Handzeichens geleistet.
Das grosse lautet: , Maxis' mit einer anschliessenden ziemlich
kunstreichen VcrschnfJrkelung* und den angedeuteten Buch-
staben ,sps.' (subscripsi). Das kleine lautete: ,per regem per
se'.' Ein Kriterium bezüglich der Verwendung des einen oder
anderen ist schwer festzustellen. Im Allgemeinen entsprach der
feierlicheren Beurkundungsform die Verwendung des grossen
Namenshandzeiehens. Da, wo sie vom Kaiser persönlich ge-
leistet wurde, ist ein KUekschluss auf den Aufenthaltsort zu-
liissig. Doch bleibt die PVage offen, ob die Uiitcrsehrift unter
allen Umständen durch des Kaisers Hand erfolgte, und ob
nicht eine Art von Biancozeichnung vorgekommen ist. Vor
Erledigung dieser Frage wollen wir tms die bei Ausfertigung
der Kanzleibriefe massgebenden Umstünde vergegenwärtigen.
Ueber Maximilians persönlichen Antheil bei der Fertigung
der aus seinen Kanzleien ausgehenden Briefe werden wir durch
die Bestimmungen der ,Hof- und Kegimcntsordnung' vom 13. De-
cember 1497, der , Schatzkammerordnung' vom 13. Februar 1498,
endlich eines Instructionsentwurfes fUr den Ilofkanzler s. d. *
* So in einer ep. claus. chart. Ton Prsceti, 35. November 14U6, im Wiener
SUatMTcbiv.
Fr. W. Cosmnnn, Vuu dem grossen Naroenshandzeichon Maximilians I.,
Uaiuz 1786, deutet diese Verzierung als ,rex'. Er erwähnt anch eines
monograminatisclion Handzeichens, einer doch wohl nur vereinzelten
diplomatischen Spielerei.
Daas ,per regem etc.* wirklich als Uandzeichon galt, wird durch den
Brief Maximilians nn die Hufkammer, Viliingon, 24. April 1497, in wel-
chem Walsee auf Onind eines wiedergefundenen Lehensh<icliex als (ister-
reichisches Lehensgiit bezeichnet wird, und durch eine Urkunde Max I.,
Aoguhurg, 2tj. Februar 1618, im Streitfall mit Michael v. Eytzing be-
glaubigt (ep. claus. Chart, und op. pst. menibran., Wiener Staatsarchiv).
Iin Text wird ausdrücklich auf das nachfolgende .Handzeichen', das in
obiger Form danu folgt, verwiesen. Vereinzelt kommt auch in den
letateo Regiorangsjahren ,per Ceaarem' vor. Doch wird die Formel ,per
regem' auch nach Annahme des Kaisertltels fast durchgängig beibehalten.
Die zwei erütgeuaunteu Ordnungen im Wiener Staatsarchiv. Der Ent-
warf im Innsbrucker Statthaltereiarchiv, die Schatzkammerordnung, wie
den Entwurf hat B. Adler im Anhange zur .Organisation der Central-
verwaltung unter Max I.' abgedruckt. Doch fehlt in dem gedruckten
252
(zweifellos derselben Zeit zugehörig) zur Geniige infonnirt. Nach
der Hof- und Regimentsordnung gibt der König thatsächlich einen
Theil der ihm bisher vorbehaltenen Machtbcfugniss an seine
Hofriithe, in erster Linie an seinen Statthalter, den Kurfürsten
Friedrich von Sachsen (,stattverwalter vnseres regiments') ab,
als oberste Regenten treten sie an die Stelle der bisher ,in un-
seren eigenen Geschäften' gebrauchten Hoiräthe. Herzog Fried-
rich von Sachsen zeichnet die Uriefe in des Königs Namen,
keiner der hohen und niederen Beamten am Hofe darf irgend
eine Angelegenheit mit Umgehung des Hofrathes direct an den
König bringen (,Procurey treiben'). An des Königs statt nimmt
Herzog Friedrich den Schlüssel zur grossen ,Rathstruhe' an
sich. Nur gewichtige Angelegenheiten sollen durch Herzog
Friedrich und die HofriUhc an den König gebracht und dessen
Bescfaluss an den Rath zurUckgeleitet werden. In allen Ver-
waltungsangelegenheiten, das Reich so gut wie die österreichi-
schen Erblande betreifend, konnten also Verfügungen im könig-
lichen Namen (per regem) hinausgehen, ohne dass der König
an der Ausfertigung sich persönlich betheihgte. Die in den
Briefen Maximilians so häutig vorkommende Unterschrift ,per
regem' will daher nichts Anderes sagen, als dass eine dem
,Entwurf bei Adler nach dem Abschnitt : .Item djiz die ku. mL den statt-
halteru . . . fUrderlicIioii der ka. mt. znscliickhen' iiactifol^oiider Abschnitt:
4n simili dem haubtiiian statbaltem vnd i-egenten zu VVienn auch n-
aolireibeii vud zabeuelhen, daz ay ron wegen tax der canucxleien auch
von stundan ratsla^en vnd ordtinng fiirnemen vnd denselben im ratslag
vnd Ordnung der kn. mt. fllnlorlichen in schrifft zuschicken, als dann
■o ma^ die kn. mt. aus denselben ratslci^on nach seiner mt. willen vnd
geuallon ein Ordnung farnemou vnd sliesKon, was für ainen yedeu brief
gegeben sol werden, damit die vndertanen vnd ander durch die hof-
cannczlei noch die cannczleien zu Innsprugk vnd Wienn nit beswert
noch Uberuomen werden.' Bezüglich der ,Hof- und Uegimentsordnung'
rauss bemerkt worden, dass im Wiener 8tant<iarchir zwei von einander
abweichende Ausfertigungen vorliegen. Uer ausführliche (auf Pergament),
nline Siegelung und Unterschriften versehene Entwurf blos mit der
Jahresaugabe 14U7, dann eine mit Maximilians und C. Stürtzers Hand-
zeichen versebene viel kürzere epist. pat. mombran. mit dem Datum
13. December 1497 (mit verändertem Hchlusspassus und üinweglaiMiTing
der llber die Secreläre, Registratur und Kanzleischreiber handelnden
Capitel). Trotz der gründlichen Untersacbungen Adler's und Ulmann's
aber Wesen, Bestand und Umwandlung der kaiserlichen Aemterorgani-
sation von 1497 an ist in der Sache ein vOUig sichergestellte« Reaaltat
noch nicht gewonnen.
*
2n3
königlichen Willen entsprechende, allenfalls nach mündlich oder
schriftlich gepflogenem Einvernehmen mit dem König oder auf
schriftlichen oder milndlichen Auftrag von ihm erfolgte Aus-
fertigung vorliegt. Daher in den Briefen von 1497 und 1498
die so hftuflg wiederkehrende Untersehriftsforrael : ,per regem'
und darunter ,Fridericus' mit dem ausdrücklichen Hinweis auf
die consihar erfolgte Erledigimg des Gegenstandes.
Die an den Hofrath gerichteten oder ihm zugewiesenen
Stücke werden in die offene Rathssitzung gebracht. Dort legt
der Hofmeister die causa dar, und der Hofmarschall stellt durch
Umfrage den Beschluss fest. Vor Schluss der Sitzung verliest
der oberste SecretÄr denselben (,Ratlischlag'), nach dessen Gut-
heissung vom Kanzler oder obersten Secretttr der Entwurf des
Briefes und nach Genehmigung desselben durch Unterstlirift
einer der Beiden die Ausfertigung in der Kanzlei angeordnet
wird. Letztere gelangt in die nächste Rathssitzung, wird nach
neuerlicher Verlesung approbirt und nunmehr an des Küuigs
statt vom Herzog Friedrich und dem Kanzler (oder obersten
Secretür) unterfertigt und von den zwei Secretärcn besiegelt.
Daneben steht zweifellos fest, dass Maximilian sich völlig freie
EntSchliessung auch ftlr die Jahre 1497 — 149B — im noch
höheren Masse galt dies wie in der vorangehenden Periode ftlr
die dem Zerfall dieser Regimentsnrdnung nachfolgenden Jahre
— vorbehielt. Viele Eingaben wandten sich unmittelbar an
seine Person. Es gab ja ausser den , Händeln, Sachen und
Geschäften, die künftig vom heil. Reich deutscher Nation, ge-
meiner Christenheit oder von unseren erblichen Füi-stenthümern
and Landen herfliessen, femer Sachen, die den Hof und dessen
Zugehörige betreffen', auch den König höchst persönlich be-
rührende Angelegenheiten. Die Competenzgrenze zu ziehen
blieb dem Könige vorbehalten, der sie allerdings zu Gunsten
seiner persönlichen Machtvollkommenheit zu verrücken verstand.
Die Kanzleiinstruction verftigte nun, dass alle Briefe, Auf-
träge, sowie Verschreibungen vom Kanzler von Wort zu Wort
gelesen und von ihm mit Unterschrift und mit einer nach dem
jeweiligen Auftraggeber wechselnden Clausel versehen werden
sollten. Kam der Auftrag vom Rathc, d. h. auf Grund eines
Rathsbeschlusses, so hat sie zu lauten: ,commi8sio domini regis
in coDsilio'; erfolgt die Ausfertigung über mündlichen Befehl
des Königs: .commissio domini regis propria'. Ist der Auftrag
254
des Königs durch Vermittlung einer Amtsperson (.GeschafU-
herr*) dem Kanzler zugekommen, so ist der Name dieser Amts-
person (per dominum
an das ,propria' zu fügen. Die
Clausel zur Bezeichnung der königlichen Zustimmung (per regem)
konnte sich nun durch den Zusatz: ,per se' zur Clausel der
durch ihn, den König selbst, (per se) ausgedrückten königlichen
Zustimmung, d. h. also zu dem von ihm persönhch gemachten klei-
nen Namenszeichen erweitem, das seit 1497 das früher vielfach
gebrauchte, in späteren Jahren nur auf besonders feierliche
Ausfertigungen beschränkte, grosse Handzeichen verdrängte.
Für das Itinerar wichtig ist also die Thatsache, dass die
Anwendung des kleinen Handzeichens die Anwesenheit des
Königs am Ausstellungsorte im Allgemeinen verbürgt, dass die
Clausel der Consiliarcommission zwar in Verbindung mit der
Clausel ,per regem' mit nachfolgender Statthalterzeichnung, nicht
aber — mit einer einzigen, sofort zu behandelnden Ausnahme —
in Verbindung mit dem kleinen Handzeichen (per regem per
se) nachgewiesen werden kann. Die Proprial-Coramissionsclausel
muss zwar nicht, wird aber thatsUchlich sehr hftufig in Ver-
bindung mit dem kleinen Handzeichen angewandt.
Endlich gibt es Briefe, die abseits von der Kanzlei ledig-
lich unter dem kleinen Handzeichen hinausgehen. Wir können
füi" sie die Bezeichnung , Privatbriefe des Königs' gebrauchen
und bemerken, dass ihre Ausstellungsorte für das Itinerar von
besonderem Werthe sind.
Der Stellung der Statthalter und HofrUthe in .Regiments-
sachen* analog war die der fünf Statthalter der Hofkammer
(Melchior Bischof von Brixen, Martin Herr von Polheim, Heinrich
Prüschenck, Walter von Stadion, Hans von Landau) ' in allen
Finanzangelegcnheiten. Vielleicht in noch höherem Äfasse ging
hier — handelte es sich doch um eine wirksame Bindung der
königlichen Maclit — die königliche Machtfülle an die Stell-
vertretung und ijire consiliare Gewalt über. Die Regimentsord-
nung, soweit sie in den Kanzleiausfertigungen zum Ausdrucke
kommt, war mit dem Abgang des Kurfürsten Friedrich längst
gefallen,* als noch Consiliarausfertigungen der Hofkammer mit
> Siehe Adler, n. a. O., p. 82.
* Die Cuntroversfrago, ob nach 1498 ein Eofratliscollegium noch weiter
in Permanens blieb, ixt fiir die lediglich in Bezag anf dni Itinerar ge-
macht« Untersuchung irrelevant.
256
der Claascl ,per regem' und dem beigefügten Namen eines Statt-
halters im Gebrauche blieben. Dies läsat sich durch zuhljeiche
Ausfertigungen in Finanzsachen aus den Jahren 1500, 1501
and 1502 mit den Unterschriften E. Brixinensia (1498 und
1500), H. von Landau (150O, 1501, 1502), P. von Liechtenstein
(1500) und den Secretiiren Casius ITagkeney und Blasius Hölzl
erweisen. Das C'ap. 18 der .Schatzkammerverordnung vom
13. Febrnar 1498' verfügte, dass alle Aufträge in Hinkunft
wegen I'flegopfandschaften, Aemteni, heimgefallenen Lehen etc.
(an den Kammerverwalter und den oberstcu ^Schatzmeister)
zugleich vom königlichen Hof und vom Ralh hinausgegeben
werden. Dieselben sollen mit dem Hofkamniersecret gesiegelt,
mit dem königlichen Handzeichen signirt und von einem der
Superintendenten (Marginainote: ,von zwei .Statthaltern') und
dem Uofkammerregistrator unterzeichnet werden. Wir haben
es also hier mit der schon frliher erwähnten einzigen Ausnahme
der Verwendung der Consiliar-Comraissionsclausel neben dem
kleinen Handzeichen (vereinzelt auch dem grossen Handzeichen)
zn ihun. Die Briefe dieser Gruppe sind jedoch von den übri-
gen der Hofkammer leicht zu erkennen. Während die letzteren
neben der Unterfertigung des Statthalters unter den Worten:
,per regem' und des Kammorsecretitrs die Clausel: ,in consilio
camere' enthalten, ist in den ersteren dem ,per regem per se'
der Name des Statthalters [E. Brixinensis (Freiburg, 18. Juni
1498, eodem 14. August 1498, eodem 25. August 1498 Wiener
Staatsarchiv, 18. Februar löOO Innsbrucker Archiv), P. von
Liechtenstein (Augsburg, 19. Milrz 1500 Innsbrucker Archiv,
Augsburg, 12. Juni 15(X>, Innsbruck, 27. September 1500, Linz,
3. JUnner und 18. März 1501 Innsbrucker und Wiener Archiv),
H. von Landau (Linz, 4. Jänner und 11. Februar 1501 Wiener
und Innsbrucker Arciiiv), IL G. zu Hardeck (s. 1. .Sl. August
1500 Wiener Staatsarehiv)], der Secrctäre (Casius oder Holtzl)
die Formel: ,visa in consilio camere' beigefügt. Wir haben
es also mit königlichen EntSchliessungen unter königlicher Ferti-
gung, jedoch unter gleichzeitiger consiliarer Controle — es
handelt sich durchwegs um Finanzsachen — zu thun.
Aus der Wendezeit des Jahrhunderts sind uns Kanzlei-
fertigangen eines staatsrechtlich recht interessanten, jedoch sehr
' diabe Adler, a. a. O., Anhang, p. 622.
256
kurzlebigen reichssUindischen Institutes — des Nürnberger
Reichsregrimentes — erhalten. Die bezttglicben Briefe fallen in
die Zeit vom 16. September 1500 bis 21. März 1502. Die mir
bekannten Stücke haben sämmtlich Nürnberg als Ausstellungs-
ort und nachfolgende Subscription: ,pcr regem', darunter ,B.
archiepiscopus Mogunt. sspt.', daneben ,in consilio imperii* und
die Unterschrift ,Sixtus Ölhafen secretarius'. An Stelle des
Erzbischofs Berthold von Mainz erscheint auch Waldemar,
Fürst von Anhalt als Unterfertiger. Obwohl unter Maximilians
Namen ausgestellt, steht der Inhalt der Briefe (pat. und clans.)
den EntSchliessungen des Kaisers ferne, ja einige derselben sind
nachweisbar gegen die Absicht des Königs hinausgegeben wor-
den. Für die Zwecke eines Itinerars erscheint diese Briefgruppe
völlig unbrauchbar.
In der in das 16. Jahrhundert fallenden Regierungsperiode
Maximilians sind zwar mehrmals Anläufe zu durchgreifender
Aemterreform unternommen worden, aber zu einer bleibenden
Abgabe der königlichen Macht an eine das Reich und die
Erblande umspannenden Centralamtsgewalt am Hofe ist es nicht
gekommen. In der Form der Briefschaften tritt die persönliche
Willensmeinung des Fürsten wieder mehr in den Vordergrund,
die Hofrttthe um seine Person werden wieder wie vor 1498 in
,unseren eigenen Geschäften' gebraucht. Von den zwei Haupt-
gmppen, mit Proprial-Commissionsclausel und mit Consiliar-
Commissionsclansel, tritt die erstere bedeutend in den Vorder-
grund. Damit im Zusammenhange steht die sich mehrende
Verwendung des kleinen Handzeichens ,per regem per se'.
Das grosse Handzeichen hat, soweit ich sehen konnte,
während der ganzen Regieningszeit Maximilians an seiner typi-
schen Form gar keine Veränderung erlitten. Dasselbe gilt im
Grossen und Ganzen auch von dem kleinen Handzeichen. Die
Annahme des Kaisertitels am 10. Februar 1508 schaffte das ,per
regem', das sich bis zu des Kaisers Tode siegreich gegenüber
dem vereinzelten Gebrauche von ,per Cesarem' behauptet, durch-
aus nicht aus der Kanzlei.
Briefschaften mit der Proprialclausel in Verbindung mit
dem Naraenshandzeichen Maximilians werden immer — das
ergab ein eingehender Vergleich ihrer Datirungszeilen mit den
Angaben des Itinerars vom November 1508 bis Februar 1518
— mit Nutzen flir die Feststellung der Aufenthaltsorte ftir die
t
I
I
im Itinerar nicht behandelte Regierungszeit verwendet werde«
können.
Der Verwendbarkeit nach gehen Autographe, Briefe mit
aatographen Zusätzen, endlich Briefe, die nur die Unterfertigung
,per regem per se' tragen, allerdings voraus. Je unansehnlicher
der äusseren Form nach, je mehr den Charakter des losen
Zettels — Maximilian bediente sich selbst dieses Ausdruckes —
an sich tragend, desto näher stand diese Briefschaft der Hand
des Kaisers.' Briefe mit der Proprial-Commissionsclausel in
Verbindung mit der Unterschrift eines Steilvertretei-s des Kaisers
(Augsburg, 15. Mai 1510 per regem. P. v. Liechtenstein. Com-
missio etc. propria) kommen in der Periode nach 1498, be-
ziehungsweise 1503 selten vor. Nicht sehr häufig sind Briefe,
die nur die Commissionsclause! (sowohl .Proprial' als ,Consihar')
als Unterschrift tragen (Worms, 13. Mai und 5. August 1495,
Augsburg, 14. Februar 1496, Schwilbisch-Würth, 18. MUrz 1496).
Sie kommen für das Itinerar nicht in Betracht.^
Als Proben üolclier .PriTatbriefe' theile ich hier mit: I&IO, 6. Aiignst
Innabriick (Inusbriickor Stattlialteroiarcbiv, fase. 24): ,Mii;liol freyherr ku
Wolokennataiii. vnnser beaeih iat, das du iu dur saehen Kwixchon vnnserm
ohaim md fnrsten herczog Wolfgauugen von Bayern vud Wolffen von
Freyberg auff vnnser ausgegangen citacion als vnnser richter in di»er
Sachen rechtlichen banndUt. daran tust du vnnser emnstliche meynnng.
actnm Ynspnigkb am fünften tag Augusti anni> deciino. per regem per 88.
Nach dem Itinerar weilte M. vom 1. — 7. August 1510 zu Innsbruck. —
29. Jali 1611, Tricnt (Inniibruckcr Stattbalteroiarcbiv, faiic. 2.^): Zyprian
von Serntein vnnxur cnnnczler. vnnser ernstlicher beaeih ist, das du graf
Lienbartg zum Uag diener, zaiger dits zettle, von stund an zcning ver-
ordnest, damit er mit der Vngerischen hanndlung zu gemeltem seinem
lierm furderlicheu reytte vnd ime die zubringe, daran tnstn vnnser
ernstliche meynung. actum Trieiit am XXVIIII tag Juli anno etc. im
•ylfften. per regem per ne. Das Itinerar verzeichnet 1611, 29. Juli
Xeaenmetz, 30. Juli Trient. Wir sehen auch hier, dass der zum Ort
eingetragene Tag der iler Abreise ist, an dem der nachfolgende Ort noch
erreicht wird. Als weiterer Beleg hiefUr ep. claus. chart. Innsbrucker
Archiv, fasc. 25 mit Proprialclausel und kleinem Namensaeichen : Der
Kjü«er verlangt vom Regiment in luu^briick die Absendung dos Blasius
Hsltzl und Anderer zur Aufrichtung einer guten Ordnung an der
(imundner Saline, Trier, 26. März 1612. Das Itinerar verzeichnet 26. MSrz
Echtemach, 27.— 30. März Trier.
' Die Unterschriftsformel: ,per regem proprium' und daneben ,commissio
CoMree mtü. propria.' I>. Kuttenfelder finde ich nur einmal in einer ep.
cUiis. pap. 8. W. Staatsarchivs, Linz, iü. Uecembor 1617, betreSeud die
Archiv. LXXXni. Bd. I. Hiin«. 17
258
Die ComiuissioDsclausel erlitt im Laufe der Zeit einige
die Sache nicht berlllirende Aenderungen. Statt der Formel:
jCommissio domini regis propria', beziehungsweise ,in consiliu'
wird öfters die Formel gebraucht: ,ad mandatum domini regis
proprium', beziehungsweise ,in consilio' zumeist in Patenten, mit
denen sich der Künig an die Untcrthanen im Allgemeinen oder
an eine Gruppe von Unterthanen wendet, femer wird seit 1508
an Stelle des ,regis' ,CaesariB' eingefügt, um jedoch bald (be-
stimmt seit 1509) dem Worte ,iraptratoris' und in den letzten
sechs Jahren dem hUuHg angewendeten ,Cc8arec majeatatis'
Platz zu machen.
Wir haben im Allgemeinen die Verwendbarkeit der epi-
stolae mit Proprial-Commissionsciausel in Verbindung mit
dem kaiserlichen Handiseichen flir das Itinerar hervorgehoben.
Dennoch fordern bestimmte Ueberlieferungen aus der kaiser-
lichen Kanzlei zu einiger Vorsicht auf. Am 23. August 1513
schrieb Maximilian aus dem Lager vor Therouane (nach dem
Itinerar weilte er an diesem Tage wirklich dort) an Serntein
und Vitlinger in Innsbruck, er schicke ihnen die ihm einge-
sandten, den Vertrag mit dem Landvogt von Schwaben, Jakob
von Landaa, betreffenden Briefe, nachdem er sie mit seinem
Zeichen gefertigt habe, hiemit zur endgiltigen Ausfertigung zu-
rück (Innsbrucker Archiv, Max., fasc. 25). Die Briefe, in Inns-
bruck , ingrossiert', enthalten Innsbnick als Ausstellungsort.
Hier könnte die eigenhändige Unterschrift Maximilians leicht
zur irrthtimlichen Annahme führen, der Kaiser verweilte am
23. August 1Ö13 statt an der französisch-belgischen Grenze in
den Tiroler Bergen. Aber es geschah in dieser Richtung noch
viel Bedenklicheros. Der Band ,Gescheft v. Hof 1ÖU2', fol. 205
(Innsbrucker Statthaltereiarchiv) enthält die Abschrift einer vom
Kaiser und Secretür Ziegler unterfertigten cpistola an das Inns-
brucker Regiment von Ellwangen am 9. December 1502 (der
König weilte damals wirkhch in dortiger Gegend), in welcher
er Paul von Liechtenstein auftrügt, in den in einer Schuldsache
betreft'end den Grafen Johann zu Sonneberg auszufertigenden
Credenzbriefen an seiner Stelle das ,per regem per se' zu unter-
schreiben. Auf eine iihnliche Verfügung hin muss wohl das
dem Linxer Franxisksnerorden zu reichende Weinrittion. Ich Termathe,
dus hier lediglich »in KanitleiTeraehen rorliegt.
259
Vorkommen des kleinen Handzeichens in Verbindung mit der
Proprialclausel in dem »bekennen' (epist. pat. chart.) von Inns-
bruck, 1. Mai 1509, in welchem er dem Peter Meiehsner und
seiner Frau einen Garten zu Steinach abkauft (Innsbrueker
Statthaltereiarchiv, Max. XIII, fasc. 13), zurückzuführen sein, da
der Kaiser nachgewiesenermassen am 1. Mai 1509 zu Stuttgart
weilte.' Selbst die Anwendung des grossen Handzeichens
schliesst wenigstens kleine Verschiebungen bczügÜch des Auf-
enthaltsortes nicht aus. Ein also gefertigtes Creditiv des Kaisers
für Hjins Koler wegen Zahlung von 40O ti. Rh. an Marquart
Breisacher, 29. September 1514 (Innsbrucker Statthaitereiarchiv,
Max. XIV, fasc. 17), enthtllt Hall als Ausstellungsort, obwohl
unser Itinerar den Kaiser zu Ian.sbruck weilen läset. Allerdings
schliesst Halls Lage nächst Innsbruck einen kurzen Aufenthalt
am ersteren Orte an diesem Tage nicht aus.
Endlich unterliegt es gar keinem Zweifel, dass der Kaiser
sich bei seiner Namensfertigung namentlich in den letzten Re-
gierangsjahren eines Stempels bediente, und dass dieser that-
säehlich aus den Händen des Kaisers in die seiner Vertrauten
zum Gebrauche wanderte.* Schon auf dem Reichstag zu Con-
stanz Ende Juli 1507 zeigte Maximilian den Keichsständen in
der offenbaren Absicht, sie ftir seinen vorhabenden Komzug zu
gewinnen, die Anfertigung eines Stempels mit seinem Namens-
und die Ueberlassung desselben zu dritter Hand, d. h.
ständische Vertrauenspersonen an.^ Am 20. Mai 1511
* Dus anch ron FgUchungen der Unterschrift des Kaisers die Rede war,
neigt ein Schreiben oinOM Uugeuannten aus der k.iiserticheii Kanzlei an
Johann Viusterwalder, Innsbruck, 24. Juni 1514 (Inn.«brucker Statthaiterei-
archiv, Max. XIV, fasc. 26), in welchem ein gewisser Erhard von Waldt
einer solchen beschnidig't wird. Ob die Unterschrift des Kaisers echt sei,
innige dieser selbst entscheiden, das Handxeichen des Villinger sei be-
stimmt falsch. Es soll zur Klarle[^ung dos Falles dein Erhard ein Uechts-
lag vor dem Re^mont angesetait werden.
* Eines Stempels «nr Unterschrift bedieiitp »irli anch Serntein. Das kai-
serliche Mandat an den Hartrogt und die Forstkupchte auf der ,Haidt*,
durch welches sie zum Oehoraam gegenüber den Anordnungen des ober-
sten Forstmeisters Balthasar von Andlo in Forst- und Jagd.<achen ver-
balten werden. VOlleuberg, 14. Juli 1501 (Innsbmcker Statthaitereiarchiv,
Parteis. XIV, fasc. 23), weist einen solchen Stempeldruck des Namens
Serntein aof.
* Jannsaen Reichscurrespondeur. Frankfurts, Ud. 2, p. 739. ,Item so will
der konigl. maj. zu schwer und nnraogUch sin, hinfiir alle prieff in Sachen
17»
260
schrieb Maxiiuillnti von Mllnulien an den Hof und tirolischen
Kanzler Semtein, derselbe möge eilends ,vnser katschett vnn-
sors hanndtzaichens' von Dr. Peutinger in Augsburg zur Ferti-
gung des gedruckten kaiserlichen Äusschreibens an das Reich
absenden. Am 24. Mai schrieb hierauf Semtein, er habe nach
Erluilt des kaiserlichen Briefes sofort das Katschett versiegelt
durch einen Einspännigen des Regiments an Peutinger in der
Erwartung geschickt, dass dieser es am 25. Mai Nachts oder
26. Mai Früh erhalten werde. Iti gleichem Sinne schrieb Semtein
an den am Hofe Maximilians weilenden Secretär Pfinzing.
(Siiranitlieiie Stücke im Innsbrucker Statthaltereiarchiv.) Das
gedruckte Mandat Maximilians, durch welches er die Gefangen-
nahme der zu Broscia, Verona und Roveredo meuternden und
zum Feinde übergegangenen Landsknechte zu Füssen am
24. Juli 1516 anordnete, ist mittelst eines aufgednickten Stem-
pels ,« p Cc8are(m")' gezeichnet. In diesem Falle führte er, da er
sieh uadi dem Itinerar am 24. Juli in der Nahe Füssens, in
der Ehrenberger Klause, aufhielt, die Stampiglie in nächster
Nähe. Auf dem Mandat an die Reichsstitnde, durch welches
der Landgraf Philipp von Hessen und Ritter Franz von Sickingen
unter Androhung von Acht und Aberacht zur Ruhe aufgefordert
werden, von Augsburg, 20. September 1518 ist der Trocken-
dnick der Stampiglie des Namenszeichens, dessen Furchen
nachher mit Tinte ausgefüllt wurden, deutlich zu erkennen
(Innsbrucker Statthaltereiarchiv, Max. XIII, Miscell. V, Abthei-
lung 13). Auf die nicht zur Ausführung gelangten Bestim-
mungen des Innsbrucker Libells vom 24. Mai lylH, durch welche
unter Abschaffung des l^leinen HandKeichena die Verwendung
des Kat.schetts in allen Ausfertigungen des Hofrathi-s und die
des grossen Handzeichens (jUnseres Namens') in wichtigen
Sachen, insbesonders denen der Kammer angekündigt wurde,
haben wir nicht einzugehen.
du liaili^ riuli, Cüstilien, Osterich, Btirfrund, nnder ziirnlleml liendel be-
rftrend oelbs ze zeichnen, wie ir mnj. byßliAr gcühuii lintt. uß große der-
selben kanigrioh nnd furstenthiimb, und halt de.«liR]heii ainen tniok itiner
Bigiiattir mncben lasucn nnd allxo geonhiot, dm« dnnnocbt alle brief darcb
die dritte Ii.ind byli r.S gnntzor vertipung gon mQsiiend. Item kongl. miy.
will nin erbern huH'r.lt verordnen, so da« ir inaj. verboff, die steud nnd
lueDigklicb soll dnran kaiiien maugel haben.'
261
I
Die mit der Consiliar-Commissionsclausel gefertigten
Briefe . lassen sich nach dem Ansfertigungsoite leicht in zwei
grosse Gruppen scheiden. Die Kiinzleicn dar in Innsbruck
— theils stündig, theils vorübergehend — amtin>nd('n Behörden
(Hofrath und Hof'kammer, Regiment und Haitkiimmer (Schatz-
kammer) der tiroiisch-vorderösterreichischen Lande) urkiindeten
ebenso im Namen des Kaisers wie die ftlr die niederöstcrreichi-
scheu Lande bestellten Aemter (niederösterreichisches Hegiment
und Rechnmigskammcr in Wien, Hofguricht in Neustadt etc.).
Dass die Zahl der mit der Proprial-Commissionsclausel ge-
fertigten Briefe in den Kanzleien der niederösten-eichiBchen
Lande eine verhältnissmässig kleine war, findet ebenso sehr
in der die obersten Spitzen in Innsbruck oder am jeweiligen
Hoflager des Kaisers zusammenfassenden Aomterorganisation
wie in dem verhttitnissmässig beschränkten Verweilen des
Kaisers in den nicderösterroichischen Landen genügende Er-
klärung. Unter dieser Form gehen die zahlreichen von den
Aemtem an einzelne Amtspersonen (Pfleger, Burg- und Salz-
verwalter, Vieedome etc.) hinausgegebenen Briefe, die Erledi-
gung des sich laufend abwickelnden AmtsgeschUftes sowohl in
Verwaltungs- wie Uoehtssuchen geringerer Bedeutung, die Corre-
spondenzen der Aemter untereinander (innerer Amtsverkehr)
hinaus. Im Gegensatze zu den aus Innsbruck und vom kaiser-
lichen Hotiager stammenden Ausfertigungen lässt sich bei den
niederösterreichische Angelegenheiten behandelnden, d. h. also
aus niederösterreichischon Kanzleien (insbesonders aus Wien)
stammenden Briefen mit Consiliar-Commissionsclausel wohl durch-
gehends in der Datirungszeile der Mangel des Datirungsortes
nachweisen. Diese (niederösterreichischen) Coiisiliarausfertigungen
kommen deshalb ftir die Itinerarfrage nicht in Betracht.
Wohl aber müssen die aus Innsbruck und vom Hofe
stammenden Consiharfertigungen Maximilians mit Dutirungsort
einer desto genaueren Prüfung rUck.sichtlich der Verwendbarkeit
fiir das Itinerar unterzogen werden. Wir haben aus der Fülle
dieser selbstverständlich ohne die Clausel ,per regem per se'
hinausgegebenen Briefe eine Anzahl (theils epist. claus., theils
pat.) zur Vergleichung mit beglaubigten Aufenthaltsnotizen und
insbcsonders mit unserem Itinerar herangezogen. 1. Maximilians
Oonärmationsbrief für das St. Clara-Kloster nächst Feldkirch.
Innsbruck, 14. Juni 14U7 (Wiener Staatsarchiv). Maximilian
262
verweilte damals in der Gegend nm Füssen. 2. Max fordert
in einer zwischen Georg von Thum und Simon von Hungers-
bach schwebenden Rechtssache die Wiener Universität zur
Begutachtung auf. Innsbruck, 2. November 1503 (Innsbrucker
Statthaltereiarchiv). Maximilian weilte damals in oder um Augs-
burg. 3. Maximilian beauftragt den Hauptmann zu Steinach,
Hildebrand von Spaur, und den Schwazer Bergrichter Leonhard
Mültl, den Pfarrer Pearl um ein Darlehen von 1000 fl. Rh. an-
zugehen. Innsbruck, 2. Juni 1508 (Innsbrucker Statthaltcrei-
archiv). Maximilian weilte damals am Rhein. 4. Derselbe an die-
selben in derselben Sache. Innsbruck, *.>. Juni 1508 (Innsbrucker
Statthaltereiarchiv). Der Kaiser weilte am Rhein. 5. Maximilian an
den Zolleinnehmer am Luog, Hans StUntzl. Rechtfertigung wegen
Zollbeschwening der Schmelzer zu Taufers an die Innsbrucker
Raitkammer. Innsbruck, 27. Juni 1508 (Innsbrucker Statthalterei-
archiv). Der Kaiser weilte damals am Rhein, (i. Maximilian
an den Pfleger zu Sigmundskron, Adam von Weinegg, und
Andere in Sachen des von Peter Tainell zu Margreit wegen
Wasserschadens erbetenen Zinsnachlasses. Innsbruck, 2. April
1509 (Innsbrucker Statthaltereiurchiv). Der Kaiser weilt an
diesem Tage zu Xanten am Rhein. 7. Maximilian an den Haus-
kiimmerer Wolfgiing Ilaller in Sachen der vom Seehüter Kom-
man zu Spiegelfroud für Raukosten angesprochenen Mehrfor-
dorung. Innsbruck, 8. November 1501' (Innsbrucker Statthalterci-
archiv). Der Kaiser weilt an diesem Tage zu Arco in Südtirol.
8. Maximilians Autforderung an die Erben des Siegmund Sprenng
zur Zahlung des noch rlickstiiudigen Steuergeldes von 12 fl. Rh.
Innsbruck, 29. August 1510 (Innsbrucker Statthalterciarchjv).
Der Kaiser weilte an diesem Tage zu Trient. 9. Maximilian
übersendet dem Bergrichtcr zu Taufers, Claus Pelle, die Suppli-
cation des Manng Iluber zur gütlichen Erledigung. Innsbnick,
7. November 1510 (Innsbrueker Stattlialtereiarchiv). Maximilian
weilte an diesem Tage zu Freibuig im Breisgau 10. Maximilian
an den Reichsschatzmeister Hans von Landow und die zu den
Eidgenossen geschickten Räthe wegen gütlichem Vergleich im
Streite zwischen Balthasar von Schelleiiberg und Jakob von
Rapoltenstein. Füssen, 11. Mai 1511 (Innsbrucker Stattlialterei-
archiv). Maximilian weilte an diesem Tage zu Kaufbeuren.
11. Maximilian setzt dem Jörg von Rot im Streit mit Fuggcr
einen neueriichen Rechtstag zu Augsburg. Innsbruck, 4. October
263
1511 (Innsbrucker Statthalteruiairhiv). Der Kaiser weilte an
diesem Tage zu Lienz nahe der ksirntnerischen Grenze.
12. Maximilian an den Merancr Landrieliter .Siegmiiud Eison-
schmied, betreffend die Schuld von 40 Mark Berner des Hans
Raidl zu Obermais. Innsbruck, 2. März 1513 1 Innsbrucker Statt-
lialtereiarchiv). Der Kaiser weilte an diesem Tage zu Landau
in der Pfalz. Eine epist. claus. mit der Proprial-Commissions-
cluusel von demselben Tage führt wirklich Landau als Aus-
fertigungsort. 13. Maximilians Aufforderung an alle bis 8tockach
sesshallen Postboten, den in drinfC'^nder Sache abgegangenen
Ulrich Marschall von Pappenheim mit Pferden zu versehen.
Innsbruck, 30. August 1514 (Innsbrucker Statthaltereiarchiv).
Der Kaiser weilte an diesem Tage zu Vöcklamarkt und Strass-
walchen in Oheröstcrrcieh. Daneben existirt im Innsbrucker
StatthaltereiarchiT eine epist. pat. chartac. ganz gleichen Inhaltes
mit der Zeichnung ,per regem per se' und der Proprialclauscl
Wels, 26. August 1514. Nach unserem Itinerar weilte er an
diesem Tage wirklich zu Wels (nicht weit von Strasswalchen
and Vöcklamarkt). Es ist ganz deutlich: der Kaiser urkundet
ron seinem Aufenthaltsorte weg, der Auftrag geht an das Inns-
brucker Regiment in derselben Sache, und dieses gibt vier Tage
spAter sein Patent mit gleichem Inhalte von Innsbruck hinaus.
14. Maximihan fordert den Ulrich Sawrwein zur Vorlage seiner
Wasser- und Fisch-Gerechtigkeiten an die Innsbrucker Rait-
kammor auf. Innsbruck, 22. November 1514 {Innsbrucker
Statthalterciarchiv). Der Kaiser weilte an diesem Tage {wohl
zufällig) zu Innsbruck. 15. Maximilian an den Hauptmann
von Kufstein, Degen F'uchs von Fuchsberg, wegen unerlaubten
Bierbrauons von Seite etlicher Unterthanen von Kufstein.
Innsbruck, 5. Februar 1515 (Innsbrucker Stiitthaltcreiarchiv).
Der Kaiser weilte an diesem Tage zu Innsbruck. Hl. Maxi-
milian an den Buzener Amtmann Jakob von Wanng, er solle
dem Zöllner an der Zollstangc, Stoffl Ut, unter Androhung
der Amtsentsetzung zu grösserem Fleisse crmahnen. Inns-
bruck, 26. April 1515 (Innsbrucker Statthaltereiarchiv). Der
Kaiser weilte an diesem Tage zu Mindelheim. 17. Maximihan
an den Stadt- und Landrichter von Rnttenberg, Bartholomüus
Anngst, er solle den Metzger Ulrich Steinberger zu Bri.xlegg
in der Ausübung seines Handwerkes beschützen. Innsbruck,
22. April 1516 (Innsbrucker Statthaltereiarchiv). Der Kaiser
264
weilt« an diesem Tage zu Terzulas bei Cles in Südtirol.
18. Maximilian übersendet den Rälthcn Wilhelm Freiherm von
Wolkenstein und Dr. Ludwig Rainolt eine Supplication in Berg-
werkssachen. Innsbruck, 4. Miirz 1517 (Innsbrucker Statthalterei-
archiv). Der Kaiser weilte an diesem Tage zu Termeren in
den Niederlanden. 19. Maximilian übersendet dem Bozeuer
Amtmann Jakob von Waugg eine äupplication des Christian
Hofereyder um Zinsnachlass wegen erlittenen Schadens. Er
soll der llaitk.'imuiur berichten. Innsbruck, 2. Mai 1517 (Inns-
brucker Stattlialtereiarchiv). Der Kaiser weilte an diesem Tage
zu Tholeu in den Niederlanden. 20. Maximilian an Jakob
Grewtter. £r soll seinen Anspruch auf Ersatz der alten Mühl-
steine durch neue von amlswcgon bezüglich der Mühle Dry-
faggen bei Pruz nachweisen. Innsbruck, l*i. Juni 1517 (luns-
brucker Statthalterciarchiv). Der Kaiser weilte damals zu
Augsburg.
Die im Vorangehenden durchgeführte Vergleichung dürfte
zur Genüge die Unverwendbarkeit der Briefe mit Consiliar-
Commissionsciausel für die Anlage eines Itinerars darthun.
Fassen wir daher das Ergebniss unserer Untersuchung
kurz zusammen. Als Quellen zur Anlage eines Itinerars sind
die unter Maximilians Namen gehenden Briefschaften rücksicht-
Itcli ihrer Verwendbarkeit in nachfolgender Abstufung zulässig:
1. Autugraphe Briefe Maximilians (leider nur selten mit
ausreichender Datirungszeile). An Werth kommen ihnen gleich
Briefe (op. claus. und pat. mit dem grossen und kleinen Hand-
zeichen Maximilians oder ohne dasselbe) mit Zusätzen von d^^
Kaisers Hand. ^^H
2. Briefe (ep. elaus. oder pat.), die ausser dem Handzeiche!^'
des Kaisers keinen weiteren Ausfertigungsvermerk enthalten
(sogenannte Privatbriefe des Kaisers).
3. Briefabschriften in den amtlichen CopialbUchem mit
ausdrücklicher Hervorhebung der vom Kaiser eigenhändig ge-
machten Zusätze. Ihnen reihen sich Concepte mit Datirungs-
zeile und Correcturen von des Kaisers Hand an.
4. Briefe (ep. elaus. oder pat.), die neben der Clausel: ,Com-
missio domini regis (imperatoris oder Cesaree majestatis) propria'
oder ,ad mandatum domini regis (imperatoris oder Cesaree maje-
statis) proprium' das kloine oder (seltener) das grosse Namens-
handzeichon des Kaisers führen (Briefe mit Proprial-Coramissions-
265
cJausel). Doch ist bei Verwendung der Datirungszeilc fiir die
Zwecke des Itinerars mit KUcksieht auf den nieht ausgeschlos-
senen Missbrauch bei Anwendung des Handzeichens (Stempels)
Vorsicht geboten. Dieser CJruppc können die llofkararacrsachen
(Finanzangelegenheiten) berührenden Briete mit Consiliiir-Com-
missionsclausel in der Form: ,vi8a in consilio camere' und dem
kleinen Namenshandzeichen Maximilians angereiht werden.
5. lieber die Verwendbarkeit der mit der Clausel in con-
silio oder in consilio camere (Hofratha- oder Hofkammei-sachen)
and mit ,per regem' mit beigefügten Namen des Statthalters
(in Stellvertretung des Kaisers im Hofrath wie in der Hof-
kammer) unterfertigten Briefe kann von vorneherein nicht ent-
schieden werden. Es ist in jedem Falle der Nachweis über
die Anwesenheit des Ilofraths-, beziehungsweise Hofkammer-
coUegiums am Uoflagcr zu erbringen.
6. Nicht verwendbar für das Itinerar sind die Briefe (ep.
claus. oder pat.) mit der Clausel: ,Couimissio domini regis (im-
peratoris oder Cesaree majestalis) in consilio* oder ,jid man-
(latum domini regis (imperatoris oder Cesaree majestatis) in
consilio' (stets ohne Handzeichen mit Ausnahme der in 4. er-
wähnten Gruppe von Kammerbriefcuj. (Briefe mit Consiliar-
Commisaionsclausel.) Ihnen sind die aus der Kanzlei des Nürn-
berger Reichsregimentes (InOÜ — 1502) mit der Unterschrift des
Erzbischofs Bertbold von Mainz und des Secretärs S. (Jlhafen
auBgefertigten epistolac (elaus. oder pat.) anzureihen.
Es verlolint sich nicht der Mühe, durch eine Zusammen-
stellung der Angaben in Staelin's Itinerar mit denen des hier
zum Abdruck gebrachten von Tag zu Tag, d. h. durch einen
Vergleich zweier an sich nicht gleichartiger Grössen den Irr-
tlillmern im Einzelnen nachzugehen. Es mögen einige Be-
merkungen geniigen. Für die Uriontirung, in welcher Gegend
sich Maximilian — nach grösseren Jahresabschnitten gerechnet
— aufhielt, erscheint Staelin's Itinerar itnmcrliin brauchbar. Die
^hwüche seiner Publication ruht vielmehr in den zahlreichen
Bn gebliebenen Lücken, deren es in jedem Monat recht viele
gibt. So entstehen für die Periode 150H — 1518 zahlreiche
SprUngc: von Februar bis Juni 1510, im Juli 1511, von Juli
bis November 1512, vom 1. September 1514 bis 7. MUrz 1515.
Auffallendere Unrichtigkeiten wttren zu verzeichnen: Am
Juni und 31. Juni 1511 weilte Max nicht in Sterzing und
266
Brixen, sondern an beiden Tagen zu Innsbruck. Unrichtig ist
die Angabe von Maximilians Verweilen am 5. Jänner 1514 za
Rattenberg. Am 18. Mai 1514 weilte Maximilian niclit in Wien,
sondern zu Brück a. d. Mur. Am 1. September 1514 nicht zu
Innsbruck, sondern zu Trostberg. Am 16. November 1515 weilte
Maximilian nicht in Innsbruck, sondern zu Krumbach nächst
Ulm. Vielfach falsch sind die Angaben zum März 1517. Auf-
fallend ist die Angabe St. Polten, 20. November 1516 (Quelle
Mittheilung Birk's), nachdem er doch unmittelbar vorher Maxi-
milian zu Breisach und Bergheim verweilen lässt. In Wirklich-
keit verweilte Maximilian am 26. November 1516 zu Hagenau
im Elsivss. Möglieherweise liegt bei StaeUn eine Verwechslung
mit dem 26. November 1517 vor, an wtlehem Tage Maximilian
wii'klich zu 8t. Pulten weilt. Endhch sei als Curiosum ver-
zeichnet, dass Staelin — ebenfalls Über freundhche Mittheilung
Birk's — in sein Itinerar einen 31.(!) Juni 1511 mit dem Auf-
enthalt Brixen eingeschmuggelt hat. Der Kaiser weilte in Wirk-
lichkeit vom 28. Juni bis 7. Juli 1511 zu Innsbruck.
Ein besonderes Interesse bietet es, die umfassende und
inhaltlich so reichhaltige Oorrespondenz zwischen Maximilian
und seiner hi den Niedorhmdon weilenden Tochter Margarethe
in der durch unser Itinerar umspannten Zeitperiode von No-
vember 1508 biß Februar 1518 einer kurzen Besprechung unter
Bezug auf die im Itinerar sichergestellten Aufenthaltsorte zu
imterzichen. Die auch hier gebotene Unterscheidung zwischen
der Gruppe der von Maximilian unterzeichneten und der ledig-
hch von der Kanzlei (,per regem') in dessen Auftrag hinaus-
gegebenen Briefe tritt für die Frage des jiersönlichen Mitthuns
dos Kaisers bei der Abfertigung und damit für die des Aufent-
haltsortes gegenüber der hervorragenden und verwandtschaft-
lichen Stellung der Empfilngerin und dem Inhalt der doch vor-
zugsweise auf persönliche Entschlüsse des Kaisers beruhenden
Nachrichten zurück. Man kann annehmen, dass von den in
der Correspondenz behandelten Dingen das Meiste unmittelbar
vorher mit dem Kaiser besprochen, ja von diesem den Secre-
tären sozusagen in die Feder dictirt wurde. Eben deshalb ist
ein Vergleich der in den Briefen gegebenen Datirungen mit
den Itinerarangaben sehr werthvoU.
Derselbe ergibt im Grossen und Ganzen eine überraschende
Uebereinstimmuug der in beiden QueUen enthaltenen Aufent-
267
haltsdaten. Dass es im Einzelnen an Abweichungen nicht ge-
bricht, kann ebensowenig gegen die Vcrlässlichkeit unseres
Itinerars zeugen, wie umgekehrt die nunmehr an der Hand iler
Ilinerarangaben mit Sicherheit vorzunehmenden Correcturen der
von Le Glay verofFentlichten Briefschaften den Wcrth dieser
Publication zu verringern vermögen.'
Zunächst wollen wir constatiren, dass die schon früher er-
wähnte Verschiebung des Anfangsdatums beim Aufenthaltsorte
im Itinerar durch zahlreiche Briefe eine schlagende Bestätigung
erfahrt (siehe die Briefe Bd. I, Nr. 92, 97, 9S, 99, 143, 144, 170,
215, 228, 232, 235, 259, 337, 340, 360; Bd. II, Nr. 389, 393, 395,
460, 464, 514, 599, 640).
In 30 Fällen lässt sich die Abweichung in den Ortsangaben
des Itinerars und in denen der Briefdatiningszcilcn leicht durch
eine gleichzeitige räumliche Trennung des Kaisers von seiner
Kanzlei erklären. Hieher gehfJren die Briefe I. Bd., Nr. 87, 117,
120, 122, 135, 136, 148, 149, 187, 220, 229, 234, 240, 267, 330,
345, 346, U. Bd., Nr. 442, 445, 497, 510, 531, 539, 550, 551, 598,
611, 617, 620; Append. Nr. 6. Wenn z. B. (Nr. 120) der Kaiser
am 25. Mai 1509 seiner Tochter aus Riertc (Reutte) schreibt, das
Itinerar zum 25. Mai Nessolwang als Aufenthaltsort angibt, so ist
ganz gut möglieh, dass der Kaiser, am 25. Mai Nesselwang ver-
lassend, noch an diesem Tage das nachbarliche Ueutte, ja wahr-
scheinlich schon die hiebei gelegene Ehrenberger Klause (Itine-
rar: 26. Mai, Ehrenberger Klause) erreichte. In diesen imd
ähnlichen Fällen braucht sogar eine räumliche Trennung des
Kaisers von der Kanzlei nicht angenommen zu werden. Am
* Correspondiuice de l'eiiiperour Maximilien I et de Marguerit« d'Autriche
da 1507 a. 1519, pabl. par M. le Glay. ParLs 1839. 2 Bde. Für die Zeit
dea Itineran kommen über 420 Briefe des Kaigora au seine Tochter in
Betracht Mit Aiianahrne von drei Briefen in lateiniticlier Sprache sind
olle franzOnisch, fa«t durchgängig nach Originalion. Abgesehen von den
schon früher erwähnten AtUugraphen haben vier Briefe kurxe autograpbu
ZiuJUze. Die Briefe sind theiU in der Formel: .vostre bon pere Ma-ii'
(oder MAximilien) oder ,per regem', in beiden Fällen mit nachfolgendem
Kamen de» i>ecretär8 (zumeist Kenner, oflmnlit Hannart oder Botechnu,
▼ereinzelt Jac. de BnunisHi», Waudripont, Ledere, tianetou, Vogt, Ohcerls,
Erohem [wohl Semteiu]. Ghodemart und Marotou) unterzeiuhuet. In
dieser Briefgattung (wie immer in den Antographeu [unterfertigt: ,de la
rnnin de vostre bon p^ro Maxi*]) fehlt der Name des SeurotKrs nur ganz
vereinxelt.
268
24. Juli 1510 schreibt Max aus Wcilheim (Nr. 229), das er nach
dem Itinerar am 22. Juli verlassen hatte, um sich an dem
ersteren Tage (wahrscheinlich schon am 23. Juli Abends) bereits
in dem sUdlicherun Füssen zu befinden. Hier kann an eine
Trennung von Kanzlei und Kaiser gedacht werden. Andere
FäUc, wie Nr, 187 (der Kaiser schreibt von Augsburg am
21. März 1510 [1509 Osterstil], wUhrend er nach dem Itinerar
Augsburg am 20. Milrz verlassen, am 21. März zu Buehloe,
am 22. März zu Kaufbeuren und Buehloe, am 23. März [viel-
leicht schon am 22. März Abends] wieder nach Augsburg zu-
rückkehrt), oder Nr. 234 (der Kaiser schreibt von Innsbruck
am 8. August 1510, während er nach dem Itinerar sich an
diesem Tago in Innsbrucks Umgebung [Fragenstein, Zirl, Ivo-
mathen] aufliillt), oder Nr. 267 (der Kaiser schreibt von Frei-
bui^ am 28. November 1510, während er nach dem Itinerar,
Freilnirg bereits am 25. November verlassend, vom 26. Novem-
ber [vielleicht schon 25. November Abends] bis 30. November
zu Breisach weilte), oder Append. Nr. 6 (der Kaiser schreibt
von Linz am 30. April Ihl-i, an welchem Tage er nach dem
Itinerar, Linz am 25. April verlassend, in dem nachbarlichen
Enns weilte) beweisen nur, dass die Kanzlei nicht alle unbe-
deutenden Ausflüge des Kaisers mitmachte, öfters dem vom
Kaiser gewählten grösseren Aufenthaltsort voraneilte oder den-
selben etwas früher verlicss. Bedurfte man der Unterschrift des
Kaisers, so wurde sie einige Tage später ftlr den schon nach
dem jeweiligen Aufenthaltsorte der Kanzlei fertiggestellten Brief
nachgetragen.
Auffallendere und allein durch den vorgenannten Vorgang
nicht leicht zu erklärende Differenzen weisen acht Fälle auf:
Nr. 173 (Bozen, am 28. Jänner 1510 [1509 Osterstil]. Itinerar:
28. Jänner 1510 Innsbruck. Der Kaiser kommt zunächst nicht
nach Bozen, wo er vom 21. Deccmber 1509 bis 13. Jänner 1510
verweilte, zurück), Nr. 240 (31. August 1510 Innsbruck. Nach
dem Itinerar hat der Kaiser Innsbruck, auf der Heise zum
Bodeusee begriffen, bereits am 7. August verlassen), Nr. 246
(13. September 1510 Buchhorn. Itinerar: der Kaiser dorthin erst
am 18, September). Nr. 264 (Kufstein = KuussteinV, 18. No-
vember 1510. Itinerar: 18. November 1510 Ensisheim!), Nr. 317
(12. September 1511 Brixen. Itinerar: 12. September 1511 Trient.
Der Kaiser kommt erst am 16. September 1511 nach Brixen),
269
Nr. 487 (27. April 1513 Augsburg. Itinerar: der Kaiser hat
Augsburg am 20. April verlassen und kehrt dorthin erst am
15. Mai zurück), Nr. 608 (30. November 1515 Angsburg. Itinerar:
der Kaiser veriiess Augsburg am 12. November, ohne dorthin
jurOckzukommen), Nr. 629 (21. November 151G Strassburg.
Itinerar: 21. November Oberehnheim flihrt wähi-end des da-
maligen Aufenthaltes im Elsass Strassburg als Aufenthaltsort
gar nicht auf).
In mehrfachen Fällen wird durch die Angaben des Itinenirs
die Venuuthung zur Qewissheit, dass — sei es durcli Versehen
des Herausgebers oder infolge der schon in der kaiserlichen
Kanzlei unterlaufenen Verstösse ' — sich in die Datirungszeilen
Unrichtigkeiten eingeschlichen haben:
Nr. 101. Datirt mit letztem Jahrestag 1508. Ist nicht nach dem
Osternstil zum 7. April, sondern nach dem römischen
Stil zum 24. oder 31. üecember 1508 Antwerpen
(nach dem Itinerar weilt der Kaiser an diesen Tagen
im nachbarlichen Mecheln) einzureihen.
213. Die von Le Glay ergänzte unleserliche Stelle in der
Datirungszeile ist nicht mit Juni, sondern Jitnner zu
ersetzen. Daher nicht: Freiburg, 10. Juni 1510, son-
dern Freiburg, 10. Jänner 1511 (1510 Osternstil).
Dürfte statt Buchorn, 13. September 1510 zu lesen sein:
Buchorn, 18. September 1510.
Statt: Breisach, 12. November 1511 ist zu lesen: Brei-
sach, 12. November 1510 (Itinerar: Max weilte am
11. [beziehungsweise 10. Abends] bis 14. November
1510 zu Breisach, am 12. November 1511 zu Inns-
bruck).
350. Statt Munde (Graunden), 29. December 1511 ist wohl
zu lesen: Gmunden, 19. December 1511.
Statt Trier, Mai 1512 kann ergänzend gelesen werden:
Trier, 2. Mai 1512.
Statt Bitberg, Juli 1513 kann ergänzend gelesen wer-
den: Bitburg, 18. Juli 1513.
521. .Statt Coblenz, Juli 1513 kann ergänzend gelesen wer-
den: Coblenz, (9.— 14.) Juli 1513.
246.
335.
386.
520.
' Dem Herausgeber dieses Itineran sind die von Le Olajr veritffentlichten
Uriafe im Origiuale nur Durchsicht nicht vorgelegen.
270
Nr. 559. Statt Landau, 20. December 1514 ist zu lesen: Landau,
20. December 1512 (nach dem Itincnir weilte Max
am 20. December 1512 in Landau, am 20. December
1514 zu Innsbruck).
„ 606. Statt Innsbruck, 16. November 1515 ist zu lesen: Inns-
bruck, 16. November 1514 (nacli dorn Itinerar weilte
Max am 16. November 1514 zu Innsbruck, 16. No-
vember 1515 in der Ulmer Gegend).
„ 622. Statt Ueberlingen, 28. Mai 1516 wohl zu lesen: Ucber-
lingen, 28. Juni I51G (nach dem Itinerar weilte Max
am 28. Mai zu Laatsch in Tirol, am 28. Juni zu
Ueberlingen).
„ 189 ist ,le dernier jour de mars' 1510 (1509 Osternstil) statt
30. mit 31. März 1510 aufzulösen. Mehr als Curiosums
sei auch eines Versehens von Maximilians Hand
(Nr. 182 Autograph) erwflhnt, der einen Brief vom
39. Februar 1510 datirt.
Nach dem Itinerar können entweder schon in der Aus-
fertigung oder aber bei der Herausgabe arg verstümmelte Orts-
namen richtiggestellt werden: Nr. 105 St. Weir = St. Goar,
Nr. 120 Rierti = Reutte, Nr. 127 Inan = Ivano, Nr. 154 Ary =
Avio, Nr. 228 Willamen = Weilheim, Nr. 205 Enghessen = Ensis-
heim, Nr. 329 Emvcls = Heimfels, Nr. 340 Munde = GmUnd in
Kärnten, Nr. 350 Munde = Gmunden in Oberösterreich, Nr. 366
Vintzer = Windsheim, Nr. 611 Fycnshe = Füssen, Nr. 621
Metz = Neuenmetz (Mezzotombardo) in Südtirol, Nr. 624 Sartera-
berzc = Ilörtembcrg in Tirol, Nr. 637 Muessen = Mulsen (Mals
in Tirol), Nr. 645 Englistat = Ingolstadt.
Die burgundische Kanzlei Maximilians bediente sich zur
Rechnung des Jahresanfanges des in den romanischen Gebieten
üblichen Osternstiles (mos gallicanus). ' Le Glay hat ihn auch
' Wenn L'art de vÄrifier, Tome I, p. 16, sagt, Maximilian habe die Epo(?he
des 1. JSnner in die kaiserliche Kanslei (hiebei ist nur an die denUuli«
Kanzlei gedacht) oingefQhrt, so iat dies doch wohl nnr ao ku verstehen,
dasB die deiitüche K.niiT'.lei Maximiliau.s sich bereits der Jahresreclinanf
ab 1. Jänner bediente. Thatsächlirh machte sich ein starkes Schwanken
in der Koehniing nach der locariiation (26. December) und nach dem
1. Jftnner bemerkbar. Auffallende Belege, dass man sich zu gleicher Zeit
und an demselben Kanzloiorte beider Rechnungen bediente, liefern zwei
271
bei der Herausgabe der Conrespondenz des Kaisers beibehalten
and darnach die einzehien Stücke eingereiht. Da er jedoch
aelbst der Vermuthiing Kaum gab, dass die Kanzlei sich den
in den jeweiligen Aufenthaltsgebieten üblichen Jahresrechnungen
anschmiegte, in einigen Fällen auch ausdrücklich die Verwen-
dung des römischen Stiles (Weilinachten) oder der Rechnung
ab 1. Jänner constatirte und zwei Stücke darnach richtig ein-
reihte, ohne in eine weitere Untersuchung bezügHch anderer
Stücke mit mindestens fragliclior Jahresrechnung einzugehen,
hat er in die chronologiscJic Einreiluing der Briefe ziemliche
Verwirrung gebracht. In der That enthält die Sammlung mehr
Stücke mit römischem Stil, als Le Glay vermuthete. Wir zählen
Bie nachfolgend auf:
Nr. 96 ist einzureihen zum 28. Jänner 1Ö08 (nicht 15Ü9).
, 280 „ „ „ 10. Jänner 1510 (nicht 1511).
Briefe (ep. clatu. clisrt.) vom 29. Deceraber l&ll mit der Ferti^ng .per
regem per se', von denen der eine von U. Ptinfzinp, der nndere von
0. Vogt niitgefertigt ist Beide haben das Datam 2!). Ducember und als
I)alimDg;sort Lim. In dem einen wird Semtein znr Aasfol^ng von
50 Stück achwarzea Tnch .an Phintzing aufgefordert. Das Datum 1autt<t:
19. Deceraber anno etc. diio decimo. Im zweiten werden Regiment und
Kaitkammer zu Innsbruck aufgefordert, seinen Diener Medlinger xammt
vier Husaren in Innsbruck vollständig bei den Wirtbeu auszulosen. Uier
lautet das Datum: 29. December anno etc. nndecimo. Ein drittes StUck,
eb«nfalls mit der Fertigung .per regem per se' und der Mitfertig^ng
8. Vogt aas Bozen vom 29. December 1600 ,vnd im zehennden' (Mandat
an den Zöllner Hermann Eiclilioni am Uuterrain, wodurch er einer
Schuld von 100 11. Kh. ledig gesprochen wird) gehört dem 29. December
1509 an. Die Kanzlei bediente »ich hier also der Rechnung dos Weih-
nacbtajahreRanfangea. (Sämmtliche drei Stücke im Innsbrncker Statt-
lialtereiarchiv.) Auch das Testament Maximilians (abgedruckt bei F. v.
Bucholti' Geschichte Ferdinande I^ Band I, p. 47))) beginnend mit den
Warten ,Am 30. Tag Decembris anno etc. im neunzehendten Jar' (30. De-
cember 1618), wXhrend das letzte Cndicill das Datum: ,6. Januar im
19'™' fuhrt, bedient sich der Weihnacbtsrechuung. Hier »ei noch er-
«ribnt, dass seit Deginn des 16. Jahrhunderts in der Maximiliani.schen
Kanzlei die Vern-endung der Hciligennamen gegenüber der fortlaufenden
Nomerirung der Mon.itstage in den Hintergrund tritt. Es entsprach dies
einer am 25. Mai 1500 von Augsburg von der Hufkammor an die Inns-
brncker Raitkammer ergangenen Weisung unter ausdrücklicher Betonung
der bei der Zählung nach Heiligentagen sich so liKufig ergebenden
Ittangen. (tnnibrocker Statthaltereiarchiv, Qesch&ft bei Hof a. löOO.)
272
Nr. 281 ist einzureihen zum 13. Jänner 1510 (nicht 1511) und
ist statt Brüssel zu lesen: Bolzane
(Bozen).
„ 351 „ „ „3. Jänner 1511 (nicht 1512).
„ 352 ^ „ „ 4. Jänner 1511 (nicht 1512).
„ 467 ^ „ „29. März 1512 (nicht 1513).
, 560 „ „ .., 28. März 1513 (nicht 1514).
„ 633 , „ „1. Jänner 1516 (nicht 1517).
, 634 „ „ «18. Jänner 1516 (nicht 1517).
„ 635 ., „ „ 25. Jänner 1516 (nicht 1517).
« 637 _ „ „ 26. Februar 1516 (nicht 1517) und
statt Muessen zu lesen: Mals.
, G46 „ „ «7- Jänner 1517 (nicht 1518),
„ 674 „ „ „ 18. Jänner 1517 (nicht 1518; diese
zwei letzten Stücke sind vor
Nr. 636 zu setzen).
„ 616 Augsburg, 5. Jänner 1516 hat Le Glay unter Hervor-
hebung des römischen Stiles richtig in das Ostern-
jähr 1515 nach December 1515 eingereiht.
Wären wir Über Maximilians zerfahrenes und ruheloses
Wesen nicht gut aus anderweitigen Quellen berichtet, wahrlich
der Inhalt unseres Itinerars mttsstc uns darüber zur Genüge
bolohron. In der Periode von nicht ganz zehn Jahren sehen
wir den Kaiser einem fahrenden Scholaren gleich von einem
<.^rt zum anderen wandern. Xaoh Hunderten zählen die Orte,
in denen der Kaiser nicht über eine Tagesfrist Aufenthalt
nahm. Ott sind es kleine Ortschaften, verlorene Weiler, in-
iwisohon längst versohwundene Burgen, die den hohen Gast
btfherborgteu. Der Mangel an häuslicher Bequemlichkeit, die
Schwierigkeiten der Unterkunft C\\r das der Kopfzahl nach nicht
^e^•ri^^ Gefolge an Menschen und Thieren. der wirthsehaftliche
:z-i ."a'Turelle Tiefstand der so oftmals besuchten Gemeinden
£.-i.-:v3 .;*s Keiseu zu Beginn des h». Jahrhunderts nicht zu
i.;:r?T--.i:^«.'hi.eiten des Daseins gemacht haben. Wenn wir den-
'äs- iC x*»er auch besser situirtc Orte, wie Innsbruck oder
'■%'«ni'~ -rsidls auf kleineren, nur lur wenige Tage berech-
ne«»: . js^iT'K verlassen sehen, so kann wohl nur die Freude
x- ..^.^ "Viidwerk in den so oft von ihm aufgesuchten
_— ■..!-^."..i2. ^ourkeu südwärts vv^s: Augsburg, auf dem
-'•>• -» ar jxaac Wand, in der Kuhetai. an den schroffen
Behängen des Innthales in Tirol, Erklärung filr diese räthsel-
ufte Wanderlust bieten. Nur ganz vereinzelt be(|uemte sich
aer Kaiser zu längerem Aufenthalte an einem und demselben
orte, am öftesten in Augsburg, wo wir ihn viermal, vom
t3. März bis 1«. April 1510, vom 30. April bis 8. Juni 1510,
trom 27. November bis 26. Deeember 1518 und vom 26. Janner
bis 25. Febniar 1518 antrefifen, am längsten in Köln von Mitte
^^uli bis Anfangs November 1510. Vier Wochen verweilte Maxi-
milian im Winter von 1510 auf 1511 zu Freiburg im Breisgau.
Sweimal erstreckte sich ferner über eine grössere Periode sein
Verweilen zu Innsbruck und dessen Umgebung (18. September
1514 bis 21. März 1515 und 2. September 1515 bis 27. October
1515). Wien gehörte durchaus nicht zu den bevorzugten Orten.
t>ort hielt er sich dreimal ganz kurz (6. — 10. Mai 1514, 11. —
E5. Mai 1515, 10. September 1517) und nur einmal durch 16 Tage
^23. October bis 8. November 1517) auf.
i An der Fland unseres Itinerars begleiten wir den Kaiser
feehnmal nach Tirol, viermal (in den Jahren 1508 — 15Üi), 1512,
1513 und 1517) nach den Niederlanden, dreimal nach dem El-
teM \JbIovember 1510 bis April 1511, Endo November 1512 bis
BintiMifln März 1513, November bis Deeember 15m), endlich
■weimal za kriegerischen Unternolimungen nach Italien (August
^is Ende October 150'J, Mitte Mflrz bis Mitte April 1516). Oft-
^nals weilte er auf deutschem Reichsboden, zog den Main und
den Rhein entlang und fuhr über den Bodensee. Böhmen und
Ungarn hat er in der Zeit unseres Itinerars nicht betreten. Am
(Weitesten nordwestlich stand sein Fuss zu Lille auf heutigem
jfranzösischen Boden, sUdlich drang er bis an die Thore Mai-
SUnds vor.
Zu drei Monatstagen (23. und 24. März 1509 und 19. Juni
(1516) hat der Schreiber des Itinerars die Eintragung des Auf-
[enthaltsortes unterlassen. Nach den ,Lettre8 de Louis XII',
p[, lül, lässt sich für den 23. Milrz 1509 Bergen op Zoom und
poB einer lit claus. chart. des Innsbrucker Statthaltereiarehivs
t[Max theilt mit der Fertigung ,per regem per se' seineu lUUben
SU Trient mit, dass er von König Karl und ,hier zu Constauz'
lurch den englischen Gesandten Face englische Hilfsgeider zu
Itrlangen hoffe, Constanz, 19. Juni 1516) für den 19. Juni
1516 Constanz als Aufenthaltsort mit ziemlicher Sicherheit fest-
Itellen.
Aichir. LXXXVn. Bd. I. Hilfta.
18
Nur in zwei Fällen ist es nicht gelungen, die Existens der
im Itinerar angeführten Ortschaften (Weiler oder Bu^en) nach-
zuweisen. Es sind dies: 1513, Mai 12, Enndthofen; 1514,
Juni 18, Eybiswald. Ob hier von Seite des Copisten ein Ver-
sehen in der Wahl des Namens im zweiten oder eine arge
Verstümmelung in der Namensschreibung im ersten Falle vor-
liegt, bleibt dahingestellt. Ein Eibiswald in Krain lässt sich
nicht erweisen, so wenig wie ein bei Fürstenfeldbruck in Baiem
gelegenes Enndthofen. Doch können wir in beiden Fällen den
gemeinten Ort der Lage nach auf das Genaueste bestimmen.
Für Eibiswald kommt nur ein Ort in nächster Nähe Krainburgs,
für Enndthofen ein solcher in der Nähe der bairischen Orte
Schmiechen und Fürstenfeldbruck in Betracht.
Zum Schlüsse reihen wir eine Anzahl für ein Itinerar
Maximilians werthvoUer Daten, soweit sie den unserem Itinerar
beiliegenden Rechnungsfascikeln zu entnehmen waren, hier an.
Orts-, Monats- und Wochentagsangaben sind den einzelnen
Rechnungsposten beigeschrieben, in den meisten Fallen war das
Jahr leicht festzustellen. Wenn auch nur bei der einen Hälfte
der Daten die Anwesenheit Maximilians ausdrücklich vermerkt
ist, so kann doch bei der anderen aus der Art der Ausgaben
auf die Anwesenheit am Ort der Ausgabe ziemlich sicher
geschlossen werden.
1500
1500
I.
30. Innsbruck.*
rX. 19. Steinach.«
IL
20. Innsbruck.
25. Innsbruck.
UI.
28. Augsburg.«
29. Seefeld.'
IV.
4., 16. Augsburg.*
30. Innsbruck.
vin.
l.,4.,18.,24. Augsburg.«
X. 31. Wörth.8
IX.
5. Zirl.»
XL 7. Nürnberg.»
6. Weilheim.*
XII. 5. Batimgartenberg.''
13. Telfs.6
13. Persenbeug."
1. Hauptstadt Tirols. 3. Augsburg am Lech w. von Hünchen.
3. Im Innthal w. von Innsbruck. 4. Weilheim s. vom Ammersee in
Baiem. 5. Tclfs im Innthal w. von Innsbruck. 6. Steinach am
Brenner s. von Innsbruck. 7. Seefeld n. von Zirl in Tirol. 8. Donau-
wörth in Baiem. 9. Nürnberg in Baiem. 10. Banmgartenberg 6.
von Linz in Oberösterreich, nahe der Donau. 11. Persenbeug ö. vom
vorigen, an der Donau.
276
1500
1504
Ttn. 26.
Linz.*
IX.
19. Oeisenfeld.'«
1501
20. Wollnzach."
III. 22.
27. Linz.
21. ludersdorf.'*
Vn. 28.
Gries.*
22.-24. München. 1»
29.
St. Siegmund' und
28., 29. Schwaz."
^
Gries.
30. Schwaz und Ratten -
ü 30.
Axams,* Keniaten*
berg.*'
und Vellemberg.''
X.
1. Rattenberg.
15(U
2. Langkampfen.'*
IV. 2-
—17. Aupsburg.
3. Auerdorf.''
18.
Füssen.'
4. Langkampfen.
19.
Möhringen* und
5—20. Im Felde vor
Augsburg.
Kufatein.»*
P 24-
—29. Augsburg.
21., 22.,23.,24.,25.Ro^en-
^ 30.
8.1.
beim."
V. 1.
St. Leonhard " und
26., 27. Kufstein.
k
Immenhof en.'"
28., 29. Aschau.^"
1 '-
Friedberg."
30. Morklstein."
» 3.
Donauwörth.'*
31. Traunstein."
9.
Dillingen."
XI.
1. Traunstein.
10.
Höchstftdt.'*
2., 3. Biiumburg."
11.
, 12. Aislingen."
4. Oping.*»
1. Linz, Hauptstadt von Oberösterreich. 2. Oriea im Molach-
thal so. von Innsbruck. 3. S(. Sigtsmund w. vom vorigen. 4. und
S. Ajcaius und Komaten nahe bei Innsbruck. 6. Vellonberg;, Ruine
ob Vels bei Inasbrnck. 7. Fü.ssen in Baiom an der Tiroler Grenze.
8. Mrrinp !>ö. von Augsburg. 9. ? bei .VugBbnrg. 10. Inchenhofen nw.
von Aujjfsburg. 11. Friedberg bei Augsburg. 12. Siehe Nr. 8, p. 46.
13. DiUingen a. D. zwischen ITlm und Donauwörth. 14. Höchstädt
TOm vorigen. 15. Aislingen b. von Dillingcn. Iß. Geisenfeld so.
Ingolstadt. 17, Wolnzach s. vom vorigen. 18. Indersdorf n.
von Dachau. 19. MUnuhon, Hauptstadt von Baiem. 20. Sohwnz
Innthal nö. von Innsbruck. 21. Rattenborg am Inn ö. vom vorigen.
Am Inn s. von Kufstein. 23. Ober-(Niodor-)Audorf aminn n. von
Ku&tfin. 24. Kufstoin, tirolisch-bairische Orenzfeste. 25. Rosen-
beim in Baiem n. von Knfstein und so. von München. 26. Ai<chau
rw. vom Chiemsce. 27. Marquartsstein an der Achen sw. vom Chiem-
g«e. 28. Traunstein ö. vom Chiem.see. 29. Baumburg hart bei
Altenmarkt nw. von Traunstein. 30. Obing so. von Wasserburg am Inn.
18«
276
1504
XI. 5., 6. Rosenheim.
7. Eufstein.
8. Rattenberg.
9. 8. 1.
10. Rattenberg.
11. HaU.»
12. Hall und Innsbruck.
13 — 15. Innsbruck.
16. Schwaz.
17. Kundl« und St. Jo-
hann.*
18. Lofer.*
19. Reichenhall.'^
20., 21., 22., 23. Salzburg.«
1504
XI. 24., 25. 8. 1.
26. Salzburg.
27. Reichenball.
28. Lofer und Kirchdorf.'
29. SöU.8
30. Schwaz.»
1508
IV. 1. Ulm.»
2. Ehingen.»«
3. Ehingen, Martel ^^ und
Blaubeuren.^*
4. Ehingen und Elrbach."
5-9. Ulm.
1. Hall am Inn ö. von Innsbruck. S. Kundl am Inn nö. ron
Rattenberg. 3. St. Johann ö. von Eufstein. 4. Lofer sw. von Salz-
burg. 5. Beichenball sw. Ton Salzburg und nö. von Lofer. 6. Salz-
burg, Hauptstadt des gleichnamigen österreichischen Herzogthums.
7. Kirchdorf n. von St. Johann. 8. Soll ö. von Wöi^l am Inn.
9. Ulm, württembergische Stadt an der Donau. 10. Ehingen sw. von
Ulm. 11. Obermarchthal a. D. w. von Ehingen. IS. Blaubenren
n. von Ehingen. 18. Erbach zwischen Ehingen und Ulm.
* Obige Daten wichtig für den Nachweis Ober die persönliche Theil-
nahme Hax' am Landshater Erbfolgekrieg 1504 (vgl. damit die yon H. Uimann,
Kaiser Maximilian I., Bd. ü, p. 230 ff. und G. t. Uaretich, Kaiser Max I.
▼or Knfstein 1604 im Organ der mil. wiss. Vereine, Bd. 37, 1888 beigebrachten
Daten).
Itinerarium 1508—1518.
(Für jeden im Itinerar vorkrtuiDienden Ort ist iu den unten.itohenden An-
merknn^Q eine topo^aphische Erläuterung rersucht worden. Da diese nnr
l>eiin ersten Vorkommen des Ortsnamens gegeben wurde, so ist sie beim
Torkommen von Ortsnamen ohne Erläaterung durch Zurückgehen in den
Anmerknngeu zu »uchen.)
1508
1508
XI. l(Mittwoch)— 4.'Annd-
Xn. 17. Lyer.
torfr.ä
18—31. Mechell.
5. MecheU.»
1509
■ 6. Runsst.^
I. 1 (Montag) —22. Mechell.
■ 7. Tembss."
23—29. PrüsseD."
U 8—20. AnDdtorflF.
30. MecheU.
21. Lycr.«
31. Prttssell.
22—25. ÄlecheU.
n. 1 (Donnerstag) — 8. PrUs-
26—30. Lyer.
seU.
XTT. 1 (Freitag)— 3. Lyer.
9. Mechell.
4-5. Sanntfluet.'
10. E^lÜfordt.»»
6 — 13. Pergen am
11—22. PrüsseU.
^^k Sanndt.«
23. Termondt."
^^^4. Sanntfluet.
24—27. Ghenndt.i»
15— lü. Anndtorff.
28. Allsst.»
1. Maximilian weilt in den Niederlanden. 2. Antwerpen.
3. Uechelo. 4. Rumpat, Dorf in der Provinz Antwerpen, recht« a. d.
Nethe, n. von Hecheln. 5. Tempsche (Tomise) in Osliiandem w.
von RUpelmonde an der iSchelde. 6, Licr (Lierre) so. von Antwerpen.
7. Santvliet an der Mündung der Scheide n. vom Fort Lille. 8. Bergen
op Zoom im niederländischen Nordbrabant. 9, Brüssel. 19. Vil-
Torde (Vilvoorden) n. von Brüssel, Marktflocken in der belgischen l'ro-
rinz Brabant. 11. Dendermonde (Termonde) nw. von Brüssel in der
belgischen Provinz Oslflandem. 12. Gent(lJand). 18. Aalst (Alost)
DW. von Brüssel im belgischen Oatflandcrn.
278
1509
1509
III. 1 (Donner8tag).Termondt.
2—5. Ghenndt.
IV.
12—13. Syburg."
14. Anndernach."
6—8. Termondt.
15—17. Koblenntz."
9—10. MecheU.
18. Sanndt Qwer."
11—16. Lyer.
19—20. Rudishaim.»»
17—22. Anndtorff.
21. Nider OUm."
23. 8. loco.»
22—26. Wormbs.»»
24. s. ioco.
25. AltennpÜBch.»
26. Predaw.*
27. Lon.»
28. Hertzogenpusch.*
29-31. Grab."
V.
27. Speyer."
28. PruesseU."»
29. Faychingen.*»
30. Stuetgartten."
1 (Dienstag). Stuetgart-
ten.
IV. 1 (Sonntag). Kalckharan.«
2. Gsanndten.'
3. Deusbui^.*
4. DysseUdorff.»
5 11. Colin."
(Ostertag 8./IV.)
2. Göppingen.**
3_4. Vllm.*»
5. Weyssennhom.**
6. Rockhennburg.**
7. Phaffennhawsen.**
8—9. Mundlhaim.»'
1. Oadenboscb in der niederländischen Proyinz Nordbrabant.
S. Breda in derselben Proyinz. 3. Loon op Zand nö. TOn Breda.
4. 's Hertogenbosch (Bois Ic dno) nö. yon Breda. 5. Graye a. d. Maas
in der niederländischen Proyinz Nordbrabant. Maximilian yerlässt die
Niederlande. 6. Ealkar, Flecken im preassischen Begiemngsbezirke
Düsseldorf. Maximilian betritt deutschen Beichsboden. 7. Xanten
a. Rh. 8. Duisburg s. yon Xanten. 9. Düsseldorf n. von Köln.
10. Köln a. Rh. 11. Siegburg s. von Köln. IS. Andernach n. von
Coblenz. 13. Coblcnz in der Rheinproyinz. 14. St. Goar a. Rh.
s. von Coblenz. 15. Rüdesheim a. Rh. im preussisohen Regierungs-
bezirke Wiesbaden s. von St. Goar. 16. Nieder-Olm im Grossherzog-
thum Hessen s. von Mainz. 17. Worms a. Rh. im Grossherzogthum
Hessen. 18. Speier a. Rh. in der bairischen Pfalz. 19. Bmohsal im
Grossherzogthum Baden n. von Carlsruho. 30. Vaihingen in Württem-
berg nw. von Stuttgart. 81. Stuttgart. 88. Göppingen in Württem-
berg ö. von Stuttgart. 83. Ulm a. D. in Württemberg. 84.Wei8sen-
hom in Baiem so. von Ulm. 85, Roggenburg, Dorf so. von Weissen-
born. 86. Pfaffenhausen so. von Roggenburg und sw. von Augsburg.
87. Mindelheim s. von Pfaffenhansen und sw. yon Augsburg.
• Der hier fehlende Aufenthaltsort ist verUsslich ab Ber^n op Zoom
festzustellon (s. Lettres de Louis XU., I, 161).
279
1509
V.
VI.
10.
Puechlo.»
11-
-20.
Kawffpeyren.*
21-
-22.
MundJhaim.
23.
Liebennthan.'
24.
Kempten.*
25.
NesselLannp:.*
26.
Emnberg an der
Clausen.^
27.
Lemioss.'
28.
Naaareyth.®
29.
Stambs.»
30.
Frage nnstain vnd
Zierll.""
31.
Ynnspruckh."
1
(Freitag) — 'S. Inns-
pruckh.
4.
Mattron."
5—8.
Slertzing."
9.
Brj'chsen."
1509
VI. 10. Potzen.«
11. Newennmarckht.'*
12—17. Trienndt."
1»— 19. Arch.'B
20. Rofereydt.'»
21—30. Trienudt.
VII. 1 (Sonntag)— 4. Yfonn,"
5—6. Veiters.»'
7—10. Ziuidatt."
11—12. Velltcrs.
13. zu der Laytter*'
vnd Carpignatz.**
14 — 15. Marrostica.'*
16. Passonn.**
17. Marrostica.
18. Passon.
19. Carpygnon.»'
20—22. zu der Laytter.
23—24. Grym.»»
1. BucMoe ö. von Mindelheim. 2. Kaufbouem a. von Buch-
loe. 3. Weiler Liebcnfhan ssw. von llonsberK, w. von Kaufbüuorn.
4. Kempten s. von Mommingon. 5, Nessclwung nahe der tirolischon
Grenze. Maximilian vcrUisst das Reich. 6, Vase bei der Ehrcubcrgcr
Feste, womit Maximilian diu österrcichischüu ErblandobotriU. 7. Ler-
mo» in Nordtirol. 8, Nasscrcit s. von Keuto. 9. iStams um Inc.
10. Bargmine Frageustein, LieblingBaufentholt des Kaiserii, und Zirl
L.flB FuBs der Martinswond am Inn w. von Innsbruck. 11. Innsbruck.
I?. Matrui an der Brenncrstrasse s. von Innsbruck. 13. Stcrzing,
liroUeches Städtchen s. vom Brenner. 14. Brisen, tirolischcr Bischofs-
sitxs. von Stcrzing. 15. Bozen (BoLzano), Stadt in Südtirol. 16. Neu-
markt a. d. Etsch 9. von Bozen. 17. Trient (Trento) g. von liozen.
18. Arco im Sarcathal sw. von Trionl und n. vomGardoaee. 19, Rove-
redo s. von Trient, ö. von Arco. 20. Ivano ö. von Trient, ein links
Ton Slrigno auf bewaldeter Felswand Htehcndcs Schloss. 21. Keltre
ö. von Strigno an der tirolisch-venetianisehen Grenze. Maximilian be-
tritt italienischen Boden. 22. Cividule nö. von Palma nnova. 23. De
\» Scnla, SchloBs bei Frimolano. 24. Caqiano bei Valstagna n. von
Bassano (Carpanedo im Brentathal?). 25. Marostica ö. von Baasano.
89. Bassano, Stadt n. von Padua. 27. Daa früher erwähnte Carpane (?).
28. Qrigno im Val«ngana ö. von Strigno.
1509
1509
1
vn.
25.
EU der TiAytter.
IX.
19—30.
im hör vor Badn»
26—31.
Yfonn.
inSanntfiekimi^
vm
1 (Mittwoch)— 4. Yfonn.
doster.
5—9.
Basson.
X.
l(Mon
tag) — 3.imhSr7or
10—13.
im veldt vor Ba-
dna.'
Badua im Sannt
Eelennacloster.
14—18.
im veldt bey
Lymna.*
4—6.
im veldt vnd hör
bey dem slo^
19—24.
im hör oder veldt
Lymna.
bey Tanckeröl-
7.
im veldt vnd h5r
la.»
zu Companisa.'
25.
im hör oderveldt
bey Selichs.*
8—9.
im veldt vnd hör
KU Lungara.^
2&— 29.
im veldt oder
hör bey Monn-
10—17.
im veldt vnd hör
m. Custosa.»
tesellitz.'
18.
Altouilla."
30—31.
im veldt vnd hör
19.
sannt Bonifacy.**^
vor Badaa.
20.
Bemn."
IX.
1 (Samstag') — 10. im
21—23.
Soaui."
veldt vnd hör
24—26.
Bemn.
vor Badua.
27—29.
Vollami.»*
11—14.
im veldt vnd
30—31.
Aui."
hör bey Bofa-
XI.
1 (Donnerstag) — 12. Ro-
lenntz.*
fereydt.
15—18.
im veldt vnd hör
13.
Kaldenatsch.*^
vor Badua.
14—15.
Yfonn.
\
1. Padua. 3. Limena n. von Padua. 3. Tencarolo bei Padoa.
4. Monselice s. von Padua. 5. Der vorgenannte Ort, dessen Schloss
Maximilian am 27. August einnahm. 6. Bovolenta n. von Gonselve,
8. von Fadna. 7. Companisa ö. von Padua. 8. Longaro s. von Vi-
oonza. 9. Costozza s. von Vicenza. Da Costozza etwas östlicher als
Longaro liegt, so mnss Maximilian eine Bückzugsbewegung gemacht
haben. 10. Altavilla an der Strasse von Vicenza nach Verona. 11. San
Bonifacio ö. von Verona. 12. Verona. 13. Soave n. von S. Boni-
laoio und ö. von Verona. 14. Volargne n. von Verona. Maximilian
vorlässt das venotianische Gebiet. 15. Avio sw. von Ala a. d. Etsch.
Maximilian kehrt vom Kriegszug nach Tirol zurück. 16. Caldonazxo
büim Eingang ins Valsugana bei Levico ö. von Trient.
281
1&09
1510
XI. 16.
Perschen.'
I. 1
(Dienstag) — 13. Potzen
17—18.
Trienndt.
oder Pulson.
19.
Rofereydt.
14.
Brixner Clawsen."
20.
Nussdorf"* vnd
15.
NewennstySt.'»
am Ötain.*
16.
Stertziug.
21—26.
zum Stain am
17.
Mattron.
Gallian.*
18-
-20.
HftU im Inntall."
27—28.
im sloss zu Aui.
21-
-25.
InnspruL-kh.
29.
Prannthain.^'
26.
tiait im Inntall.
30.
Arch.
27-
-31.
InnspniL-kh.
Ul. 1 (Samstag). Trienndt.
II. 1
(Freitag). Telffs."
2.
Perschen.
2.
Stambs.
^ 3.
Ziuitzan vnd am
3.
Lermoss.
w
Nouis.*
4.
Reutten."
1 '
Newenmetz.''
5.
Nesselbanng.
1 ^■
Khaltarn.«
6.
Kempten.
r, 6—15.
Potzen.
7.
Liebcnnthan.
16.
Newenmarckht.
8-
-11.
KautFpeyren.
17-18.
Trienndt.
12.
Anngiberg.'*
19.
Newenmetz.
IS-
-17.
Mundlhaim.
20.
Newenmarckht.
IS.
Annglberg.
21—31.
Potzen oder Pul-
19-
-20.
Puechlo.
sou. ■
21.
Mcnnchingen.'*
1. Pergine an der Strasse zwischen Trient und Levico. 3. Volano
n, ron Roveredo, von den Deutschen Folgarios heute noch Nnssdorf go-
aonnt. 3. Cast«!! alla Pietra unlerbalb CiiUiano n. ron Roverodo, auch
.Stain* genannt; Stein am Gallian hat auch ein Ausschreiben Maxi-
milians an die Hanptleute des Fussrolkes zu BasMino, ddo. 22. NoTcmbor
1509. Schloss Stein, am 24. November 1509. Ma.ximilinn an den
Vicedom Lorenz Saurer. 4. Das vorgenannte Stain bei Cnlliano.
5. Breotonico (.') am M. Baldo zsvischL-n der Etsch und dem Onrdasec.
6. Zivozzano zwischen Trient und L'orgiue. 7. Mezzoiombardu n. vou
Trient bei S. Michelc. 8. Kaltem n. von Bozen. 9, Au Stelle der
Brixner Klause jetzt die Franzcnst'este. 1 0. Kloster Ncuf^tif t bei Brisen,
1 1. Hall, Städtchen ö. von Innsbruck n. Inii. 12. Telfs a. Inn w. von
Innsbruck. 13. Reutte am oberen Lech an der tirolisch-bairischen
Grenze. Maximilian verlii-sst Tirol. 14. Weiler Angelberg bei Tussen-
liaosen nö. von Mindelhoim. 15. Schwabmüncheo s. von Augsburg.
282
1510
1510
n. 22—28. Aogspurg.»
VI. 6. Geckhingen.
IQ. 1 (Freitag) — 4. Augspurg.
1 — 8. Augspurg.
5. Werchtingen.*
9. Grosa3rttingen '
6. Tyllingen.»
vnd Mennchin-
7. Werdt vnd Mar-
gen.
dingen.*
10. Puechlo vnd
8—20. Augsburg.
ZeU."
21. Puechlo.
11—13. Eaufi^jren.
22. KauflFpeyren vnd
14 — 15. Mundlhaim vnd
wider zu Puechlo.
Annglbei^.
23—31. Augspurg.
16. Mennchingen vnd
(Ostertag 31./m.)
GrosayUingen.
IV. 1 (Montag) — 18. Augs-
17—30. Augspurg.
purg.
Vn. 1 (Montag) —2. Augs-
19. Momigen.*
purg.
20. PruckhjFürstenn-
3. Gockhingen vnd
feldt vnd Naynn-
Grosayttingen.
hofen.*
4. Puechlo vnJ
21. Tachaw.'
ZeU.
22. Pruckh vnd Fttr-
ö — 6. Kauffpeyren.
stennfeldt.
7. Annglbei^.
23—28. Augspurg.
8. Grosayttingen
29. Göckhingen.«
vnd Pobingen."
30. Augspurg.
9 — 10. Augspurg.
V. 1 (Mittwoch)— 31. Augs-
11. Gockhingen.
purg.
12. Frydtberg vnd
VI. 1 (Samstag) —5. Augs-
Newennhofen.
purg.
13. Esslingen."
1. Augsburg. S. Wertingon nw. von Aagsborg. 3. Dillingen
a. D. w. von Wertingen. 4. Donauwörth und Mertingen. Letzterer
Ort 8. von Donauwörth. 5. Mering oder Merchiog. Beide Orte,
3 Em. von einander entfernt, liegen so. von Augsburg. 6. Brück,
zwischen Angsburg und München, eine Viertelstunde südwärts das
frühere Cistercienserkloster Fürsten feld. Nannhofen nw. von Brack.
7. Dachau nö. von Brück und nw. von München. 8, Qöggingen s. von
Augsburg. 9. Grossaitingen s. von Augsburg, zwischen diesem und
Schwabmüncben. 10. Oster- oder Oberzeli ö. von Eanfbenem. Beide
Orte hart aneinander. 11. Bobingen s. von Angsburg, zwischen diesem
und Grossaitingen. IS. Esting nö. von Fürstenfeld.
283
1510
IM ,
1510
vn. 14.
Fürstennfeldt
vnd Meuntzin-
gen.«
vm. 8-
-9.
Fragennstain,
Zierll vnd Ke-
mattun."
15—18.
MUnichen.'
10-
-11.
Axßambs*' vnd
19.
Starchenuljerg'
vnd zum Heyl-
Wennlenn-
berg.'*
ligenberg.*
12.
Kematten.
20—22.
Weylliaim.*
13-
-14.
im Sellrayn, am
23.
Staingaden.''
Griess vnd in
24—26.
Fu essen,'
der Khuettey
► 27.
Reutten vnd
Aytterwauug."
am Gembson-
geiaidt.'*
28.
Ernnberg vudAytter-
15-
-16.
Stambs.
'
wanng.
17.
Magei-pach '^
29.
Lermoss.
vnd FrewnntB-
30.
Nasareyth vod
haim.
Frewnnts-
baim.^
18-
-19.
Nasareyth.
20.
Lanndcjrkb ""'
31.
Flawerling '"
vnd Fragenn-
stain.
21.
vnd Lawd-
egkh."
Lawdeckh.
rai. 1
(Donnerstag) — 7.
22.
Laiideckb vnd
Ynnspruckh.
Bernegkh.'*
1. Obcrmenzing aw. von Miiiiohen. 8. München. 3. Htorn-
beig a. von Münuben am Nordende dcfl Wärmsees. 4. Kloster Andudis
auf dem , heiligen Berge" am Ostafer des Ammersces. 5, Weilheira
»ö. von München und s. vom Ammeraeo. 6. Hteingaden sw. von Wcil-
beim. 7. Füssen a. von Steingaden an der bairiscb-tirolischen Grenze.
Maximilian verlösst dentachcn ReichsbodüD. 8. Hoiterwang s. von
R«atte. Maximilian betritt Tirol. 9. Freundshcim, früher Sigmundg-
l'rcud. Schloss bei Obermimmiugon ö. von Niissereit. 10. Flaiicrling
am rechten Innufer ö, von Tclfs. II. Konmteu w. von Innsbruck.
12. Axams 8. von Komalen, w. von Innsbruck. 13. Vellenberg,
lUenes Sohloss ob Yels. 14. Sclraiu, Uriea und Knhetey am Fuss
iGomskopfes aö. von Zirl und Innsbruck. 15. Wirthsbaus zu Mager-
bsch am Ion gegenüber Haimingen w. von Stams. 16. Laudeck
am Ina w. von Stams. 17. Ituine Laudegg über Prutz rechts auf
•t£ilcr Felswand. 18. Bomeck, Schloss im Kauaserthal bei Landeck.
284
1610
1510
vm.
23—25. Bemnegkh.
X.
1 (Dienstag) —14. Co-
26 — 27. im Kawserthal
Btenntz.
bey dem Fern-
15.
CoBtenntz vnd
ner.*
Wolmaettingen.**
28—29. Bemnegkh vnd
16—17.
ZJell am Vnnder-
Brutz.»
see."
30. Lanndeckh.
18.
Ach."
31. Zambs.'
19-20.
Ennttenburg **
vndGayRÜngen"
IX.
1 (Sonntag)— 2. Wys-
21.
Villingen.**
perg.*
22—24.
Ennttennboi^ an
3—4. Pottnnoy.»
der Parr.
5. zum Closterlen*
25—29.
Villingen.
vndBludenntz.'
30.
Ennttennborg an
6. Bludenntz.
der Parr.
7. Rennsperg.*
31.
In der Neastat"
8 10. Veldtkirch.»
vnd Freyburg.*'
11—12. Bregenntz.»»
XI.
1 (Freitag) — 2. Frey-
13—17. Lynndaw."
bürg.
18. Puechhom."
3—7.
Preysach."
19—21. Vberlingen.»»
8—10.
Freyburg.
22—30. Costenntz."
11—14.
Preysach.
1. Eauner- oder Eannserthal so. von Prutz. S. Frutz am Inn 8.
von Landeck. 3. Zams n. von Landeck. 4, Wiesberg, verfallenes
SchloBs am Ausgang des Faznannerthales w. von Landeck. 6. Pettnea
im StanzertheJ. 6. Elösterle yr. vom Arlberg. 7. Bludenz in
Vorarlberg. 8. Rönsberg in der Gemeinde Schlins zwischen Blndenz
und Feldkirch. 9. Feldkirch in Vorarlberg. 10. Bregenz am Boden-
see. Maximilian verlässt die österreichischen Erblande. 11. Lindau
am Bodensee. Maximilian betritt den deutschen Reichsboden. IS. Buoh-
hom, jetzt Friedrichshafen am Bodensee, die kleinste ehemalige Reichs-
Stadt. 13. üebcrlingen am Bodensee. 14. Constanz am Bodensee.
15. Wollmatingcn nw. von Constanz. 16. Radolfszell am Nordrande
des Zeller Sees. 17. Aach n. von Radolfszell. 18. Jagdschloas
Entenburg zu Pfohren a. d. D. zwischen Geisingen und Donauesohingen.
19. Geisingen nw. von Aach. SO. Villingen n. von Donauesohingen
und nw. von Geisingen. Sl. Neustadt ö. von Freiburg. SS. Frei-
burg im badisohen Broisgau. S3. Alt-Breisaoh im Groasherzogthtun
Baden, zu Maxens Zeit im österreichischen Besitz.
1510
1511
XL 15—21. Ennsishaim.'
11
16—18.
Freyburg.
22. Preysach.
19.
Breysach.
23—25. Freyburg vnd
20.
CoUmar.
Krotzingen.*
21—24.
Ennsishaim.
26—30. Breysach.
25.
Breysach.
XII. 1 (Sonntag)— 5. Brey-
26—28.
Freyburg.
sach.
III.
1 (Samstag) —3. Frey-
6—11. Frey bürg.
bürg vnd Krot-
12. Newennburg.'
zingen.
13. Breysach vud
4.
Taxwanng.'
heylligf (sie!).*
6—8.
Breysach, Perck-
14—17. Colhnar.»
haim vnd Kennt-
18—19. Breysach.
ziugen.*
20—31. Freyburg.
9—10.
Kenntzlngen.
1511
11—15.
Slettstadt.»
I. 1 (Mittwoch)— 17. Frey-
16-18.
Collmar.
burg.
19—20.
Ennsishaim.
18. Breysach vnd
21—23.
zum heylling
Opfingen.*
Creytz.
19—26. Freyburg.
24.
Ruffach. '«
27. Breysach.
26—26.
Ennsishaim.
28 — 31. Ennsiahaim.
27.
Ruffach.
n. 1 (Samstag) — 3. Ennsia-
28.
Collmar.
haim.
29-30.
Slettstadt.
4—6. Collmar.
31.
Obernnechnen."
7—9. Breysach.
IV.
1 (Dienstag) — 4. Stras-
10—13. Freyburg.
bürg.'*
14. Breysach.
5-G.
Offennburg."
t. Ensiabeim 9w. von Broifiach, im ElsanR. 8. Krotzingen bei
Ehren!it«tt«n »w. von Froi bürg. 3. Neuenbürg in Baden am Rhein s.
von Breisach. 4. HciligkriMiK im EUaas w. von Brci'<uch. 5. C'ol-
■tar im Elsass w. von Breisach. ft. Upfingen n. von Thiengen, zwinchen
Brei— eh aod Freiburg. 7. Wcik^r Dauhswungon s. von Gottcnhcim.
8. Barkheim n. von Altbreisach und Kenzingen nö. von Burkheim.
9. Scblettstodt n. von Colmar. 10. Kufacb zwischen Colmar und Eusis-
heim. 11. Überehnhoim auf dem Wege von Schicttstadt nach Strass-
trarg. 12. Strassbnrg im Eisaas. 13. Offenbnrg in Baden so. von
Stnasbarg.
286
1511
1511
IV. 7-
-11.
Genngenbach.^
V. 8.
Anngiberg vnd
12-
-16
OflTennburg.
Kaoffpeyren.
17-
-21.
Genngenbach.
9-
-12
Eawffpeyren.
(Ostertag
20./IV.)
13.
Puechlo.
22.
OflFennburg vnd
14.
Leder.»
Puchell.»
15.
Schonnga."
23.
Puchell.
16.
Weylhaim.
24.
Nider Paden.'
17.
Heyllingpei^.
25.
Ottlingen.*
18-
-19.
Ftlrstennfeldtvnd
26.
Phortzen.»
Pruckh.
27.
Weyll« vnd
20-
-21
Münichen.
Hernnberg.'
22.
Gruenwaldt."
28-
-29.
Tybingen * vnd
Metzlingen.'
23.
Ebersperg** vnd
zum Hag.*'
30.
Reydiingen.*"
24.
25.
zum Hag.
HagvndHawnn."
V. 1
[Donnerstag). Mynn-
26.
MuldorflF.»
singen.^*
27.
Ottingen.»«
2.
Echingen."
28.
Burckhawsen.*'
3.
Vllm.
29-
-30
Brawnaw."
4.
Weyssennhom.
31.
Borckhawsen vnd
5.
Rockhennburg.
Ottingen.
6.
Pfaffenhawsen.
VI. 1 (Sonntag) — 2. Muldorff.
7.
Mundlhaim vnd
3-
-4.
Ottingen.
Anngiberg.
5.
Muldorff.
l.Qengenbacha. von Offenbarg. S. Buhl s. von Baden. S.Baden
im Grossherzogthum Baden. 4. Ettlingen s. von Carlsruhe. 5. Pforz-
heim in Baden ö. von Ettlingen. 6. Weil die Stadt in Württemberg
•w. von Stuttgart. 7. Hcrrenbcrg s. von Weil die Stadt. 8. Tü-
bingen am Neckar b. von Stuttgart. 9. Mctzingon ö. von Tübingen.
10. Reutlingen zwischen Tübingen und Metzingen. 11. Münsingen
w. von Ulm. 12. Ehingen a. D. sw. von Ulm. 13. Loeder in Baiem
so. von Buohloe. 14. Schongau s. von Leeder. 1&. Grüitwald,
Dorf bei München rechts a. d. Isar. 16. Ebersberg ö. von München.
17. Haag ö. von München. 18. Haun an der Strasse von Haag nach
Mühldorf. 19. Mühldorf am Inn ö. von München. SO. Neu- und
Alt-Oetting ö. von Mühldorf. Sl. Burghausen a. d. Salzaoh so. von
Oetting. SS. Braunau, früher bairische, jetzt österreichische Stadt am
Inn nö. von Burghausen.
287
1511
VI. 6. Hag.
7. Rosennhaim.'
8—9. Kopfstaiii.»
10 — 11. Kattennburg am
Im.'
12—13. Hall im InnUll.
14 — 20. Innspruckh.
21. Hall im Inntall.
22—26. Innspruckh.
27. Mylianiis* vndssu
Hall im Inntall.
28 — 30. Innspnickh.
VXL 1 (Dienstag) — 7. Inns-
pruckh.
8. Axsambs.
.9. Axsambs, Wel-
lennberg vnd
Kematten.
1511
vn.
27.
Potzen.
28.
Kaltharn.
29.
Newenmetz.
30.
Trienndt.
31.
Roffereydt.
VIII.
1
( Freitag) — 2. Hoffe
reydt.
3.
Trienndt.
4—8.
Persen."
9.
Trienndt.
10-
-28.
Perschen.
29-
-31.
Trienndt.
IX. 1 (Montag). Sellffynn
oder Zhylff.»
2—7. Yfonn.
8. Selfynn oder
Zhylff.
10.
Axsambs vr
idKe-
9—12.
Trienndt.
matten.
13.
Newenmarckht
11.
Telffs vnd
Stu-
14.
Potzen.
bach.*
15.
BrixnerClawsen
12-
-22. Staynach.«
vnd NeustyffL
23.
zum Lueg.
;
16—18.
Brychsen.
24.
Stertzing.
19 22.
Mulbacher
26.
Bryxen.
Clawsen.'"
26.
Bryxner
Ckw-
23.
Brawnegkhen."
Ben.
24.
Toblach."
1. Rosenheim, bairischo Stadt am Inn aö. von München. Maxi-
milian vcrliUst den jetzigen deutschen Reichsboden. 2. Kufstoin,
frülier boirische, jetzt ö.ttcrrcichische Stadt am Inn b. von KoBenheim.
Maximilian iibcncbreitet die jetzige österreichische Rcichagrenzo.
5. Rattenberg am Inn .sw. ron Knfstein. 4. Milii bei Hall in Tirol.
6. StntMÜ s. von Innübmck. 6, Steinauh am Brenner. 7. Burgruine
Lag oder Laeg am Fnss dt-s Bronners bei Gries am Ende de« Obembcrg-
tbalea. 8. Pcrgino an dor Strosse zwischen Trient und Ilvico.
9. Selva bei Lcvico. 10. Mühlbach bei der Franzensfeste an der
Mfindang des Valserthalcs. 11. Bruneck im Fusterthal. 18. Toblach
, von Bruneck,
288
1511
1511
IX.
25—27. HaynnfeUs» vnd
Syllion.*
XI.
22.
Mfilbacher Claw-
sen.
28—30. Luenntz.»
23.
Brawnnegkhen.
X.
1 (Mittwoch)— 6. Luenntz.
7. Syllion.
8. Innchingen.*
9 — 15. HaynnfeUs vnd
Syllion.
16. Ynnchingen.
17—20. Toblach.
24.
25.
26.
27,
Toblach.
Syllion.
Luenntz.
Traburg* vnd
Qreyffennburg.^
28.
29.
30.
Greyffennbui^.
Sachsennborg.*
Qmündt*
21. zu den Hayden.^
22—26. Toblach.
XII.
1
(Montag). Qmttndt
27. Brawnegkhen.
28. Mtilbacher Claw-
atxn
2-
4.
5.
-3.
Mauttemndorff."
Thembsweg.»»
Mueraw.**
29. Stertzing.
30. Stainach.
6.
Scheyffling"vnd
Huntzmarckht "
31. Hall im Inntall.
7-
10.
-9.
Judennburg."
Zeyring.**
XI.
1 (Samstag) — 6. Inns-
11.
Rottenman."
pruckh.
12.
Mytternndorff."
7—9. Hall im Inntall.
13-
-14
Ausse.**
10—19. Ynnspruckh.
15-
-16
Yschl«» vnd zu
20. Stainach.
sannd Wolf-
21. Stertzing.
gang.»»
1. Bnine Ueimfols bei Sillian ö. von Toblach. 8. Sillian a.
d. Dran ö. von Toblach and Innichen. 3. Lienz a. d. Dian, östlichste
Stadt Tirols. 4. Innichen zwischen Lienz und Bruneck. 5. Auf
der Toblacher Heide. 6. Ober-Draubnrg in Kärnten. 7. Greifen-
bnrg, Markt an der Dran ö. von Obcr-Draubui^. 8. Sachsenborg ö.
von Greifenbnrg. 9. Gmünd n. von Sachsenbnrg. 10. Maatemdorf
im Taurachthal im südöstlichen Salzburg n. von Gmünd. 11. Tams-
weg an der oberen Mur ö. von Mautemdorf. 13. Murau in Steiemtark
ö. von Tamsweg. IS. Scheifling ö. von Murau. 14. ünzmarkt an
derMurn. vonScheifling. 15. Judenburg ö. von Unzmarkt. 16. Ober-
Zcyring zwischen Unzmarkt und Judcnbnrg. 17. Rottenmann im
Paltenthal n. von Zcyring. 18. Mittcmdorf w. von Rottenmann.
19. Aussee w. von Mittemdorf. 80. Ischl a. d. Traun im oberÖBter-
reichischen Salzkammergut. 81. St. Wolfgang w. von Isohl.
289
lall
1513
Xn. 17—20.
Gmunden.'
L
30.
Geyslhering."
21.
Lambach.*
31.
Regennspurg."
22-23.
Wells.»
n.
1 (Sonntag). Regenns-
24—31.
Lynntz.*
purg.
J5I3
2.
Hemaw."
I. 1 (Donnerstag) — 3.
3.
Newenmarckht."
Lynntz.
4—15.
Nuernnberg.'"
1 *
Ebersperg."
16.
Karlspurg " vnd
■ »-8.
Wells.
Lanngentzen."
9.
Sachsennburg.*
17—20.
zu der Newatatt."
10.
Wells.
21.
Wynntzbaim.*"
11—13.
Lynntz.
22.
Ochsennfurt.**
14.
WeUs.
23—24.
Wiertzburg."
15—20.
Lynntz.
25.
Carllstatt."
21.
WellB.
26.
Gemiinnen.**
22.
Lambacli.
27—28.
Geylhawsen.*'
23.
Puecliaini.'
29.
Frannckhfortt."
24,
Veckhlstorff.*
m.
1 (Mor
itag). Frannckfort.
j 25.
Mattigkhofen.'
2.
Wyspaden.*'
1 26—27.
Brawnaw.
3.
Rudishaim.
1 28.
Pharkirchen."
4.
Oberwesel.**
' 29.
Trfiiindaw."
5-6.
Koblenntz.
1. Omandcn n. von Ischl. Z. Lambacli n. von Gmimden.
3. Wela nö. von Lambach. 4. Linz, Hauptstadt Oboröstorreicbs a. D.
5. Ebelsberg bei Linz. 6. Scbloss Sachsenburg bei Höraching a. von
Linz und rw. von Ebelsberg (== Neu-Sachsenburg). 7. Bucbhoim bei
Vöcklabmck sw. von Lambacb. 8. Vöcklamarkt n. vom Attersee.
9. Mattighofen so. von Brannau am Inn. Maximilian vorlösst die öster-
michischen Erblande. 10. Pfarrkirchen n. von Brannau. Maximilian
betritt den Rcicbsbodcn. 11. Landau an der unteren Isor nw.
von Pfarrkirchen. 18. Geiselhöring sw. von Straubing. 13. Regcns-
borg o. D. 14. Heman nw. von Bcgensburg. IS. Neumorkt so.
von Nürnberg. 16. Nürnberg. 17. Kodolzburg w. von Nürnberg.
18. Langenzenn n. von Kadolzburg. 19. Neustadt nw. von Nürnberg.
80. Windsheim sw. von Neustadt. 21. Ochsenfurt s. von Würzburg.
88. Würzburg a. M. 83. Carlstadt n. M. n. von Würzburg. 84. Oe-
münden a. M. n. von Carlstadt. 85. Gelnhausen a. d. Kinzig nö. von
Frankfurt a. M. 86. Frankfurt a. M. 87. Wiesbaden n. von Mainz.
88. Otier-Wesel am linken Bboin unterhalb Bingen.
Anlur. LXXXVn. Bd. t. BUIX«. 19
290
1513
ni. 7. Kochaim.»
8. Zell am Hamen.*
9. Bernn Casstl.»
10. Newmagen.*
11—20. Tryer.»
21. Mackharn.*
22. Tiettennhofen.^
23—25. Lutzennburg.*
26. Achternach.*
27—30. Tryerr.
31. Grymberg.»«
IV. 1 (Donnerstag), sannd
Wenndl."
2. Schelling.»*
3—18. Trierr.
(Ostertag 11. /IV.)
19. Scheypflingen."
20. Casstl" vnd Los-
haim.*'^
1512
IV. 21
V.
VI.
Pockhingen."
22. Hauspach."
23—30. Trierr.
1 (Samstag) — 4. Trierr.
5. Mackharan.
6—17. Trierr.
18.
Achtemach.
19.
Tiettennkirch."
20—21.
Bastennach.'*
22.
Marsch.»»
23.
Namnr.*^
24.
25.
Jemphlue.»»
Lofen.»»
26—29.
PrusseD.
30—31.
Hall inHonigaw.'*
1 (Dienstag). Hall in
Honigaw vnd
Gh-uenntall."
2.
zu der Fewer.**
1. Kochern a. d. 'Mosel sw. von Coblenz. 2. Zell a. d. Mosel s.
von Kochern. 3. Bcmkastcl a. d. Mosel s. ron Zell. 4. Neumagen
a. d. Mosel nö. Ton Trier. 5. Trier a. d. Mosel. 6. Königsmachem
im nördlichen Lothringen sw. von Trier. 7. Diedenhofen im nörd-
lichen Lothringen. 8. Luxemburg, Hauptstadt des Qrossherzogthums
Luxemburg. 9. Echtemach in Luxemburg nw. von Trier. 10. ßuine
Grimbnrg n. von Wadem und w. von Birkenfeld. 11. 8t. Wendel so.
von Trier. IS. Schillingen nw. von Qrimbnrg. 13. Der Hof Reip-
lingen beim Dorf Fahn, von Saarburg die Lenk aufwärts (g. v. Restorf,
Hist.-topogr. Beschreibung d. Rheinprovinzen, 1830). 14. Castel a.
d. Saar s. von Saarbnrg. 15. Losheim s. von Trier. 16. Beckingen
zwischen Trier und Saarlouis. 17. Hausbach w. von Beckiogen.
18. Diekirch in Luxemburg. Maximilian verlässt den Reichsboden.
19. Bastogne im südöstlichen Belgien. Maximilian betritt die Nieder-
lande. 20. Marche nw. von Bastogne. 31. Namnr in Belgien am
Zusammenflüsse der Maas und Sambre. 32. Gembloux nw. von Namor.
33. Löwen ö. von Brüssel. 34. Hai im Hennegau s. von Brässel.
35. Groenendacl s. von Brüssel, nordwärt-s von Waterloo. 36. Ter-
vuercn ö. von Brüssel, nicht mit dem südlicher gelegenen Waveren zu
verwechseln.
291
1513
1512
VI. 3.
Mecliell.
VIL
10—12
Mastrycht.*
4.
Fdfoi-tt.
13.
Ach.»
5-7.
Prussell.
14.
Gullcb."
^ '
Fewer.
15.
Perckhaim^'
9.
Fulfordt.
vnd Sonntz.'*
. 10.
Mechell.
16-
-31
Colin.
1 H.
Lyerr.
VIII.
1
(Sonntag) — 31.
12—13.
Mechell.
Chölln.
14-16.
AnnfltorflT.
IX.
1( Mittwoch) -30. Colin.
17.
Persehgadt' vnd
X.
1
(Fre
itag) — 14. Cölb.
1
zu sant Bernn-
15-
-16.
Niderwesell. "
1
hart im closter.
17.
Dewaburg.
1 18.
Thembss.
18-
-23.
Newss.'*
19—20.
Repelmundt'vnd
24—29.
Sonntz.
WiiU.»
30--31.
Colin.
21.
Mechell.
XI.
1
(Montag) — 4. Colin.
22.
Mec'hel vnnd Ful-
6.
Syburg.
fordt.
G.
Lynnss.'*
23—25.
Fewr.
7.
Anndemach.
26.
Arscligadt.^
8.
Koblenntz.
27.
GejU.«*
9.
Pophartten.'"
28—30.
Turnolt.«
10.
(Jberwesell.
VlI. 1 (^ Donnerstag)— 6. Tur-
11.
Creytzonach.''
noutt.
12.
Altzhey."
1 ^-
Gheyll.
13.
zu der New-
■ 8—9.
'l'yesst.'
BUtt.»»
1. Wacrscboot (Wert siir Escaut) s. vou TempBchc. 2. Rupel-
mondc s. von Antwerpen. 3. Waolhom nw. von Mechcln, nahe bei
Rampst. 4. Aerschot ö. von Mochcln. 5. Qheel, Arrondiitsemcnt
Tumhontn. von Aeraobot. 6. Turnhoiit n. von GUeel, nahe dorniedcr-
lündi^ben Orenze. 7. Die.st ö. von Aerschot. 8. Maastriuht n. von
Lattich iu den südlichen Niederlanden. Maxini ilian vcrlä.'wt die Nicder-
( lande. 9. Aachen ö. von Maastricht. Maximilian betritt den Kcicha-
i«D. 10. Jülich nö. von Aachen. 11. Kerghuim zwischen Jülich
nnd Köln. 12. Zons n. Rh. n. von Köln. 13, Wtael a. Rh. n. von Köln.
14. >'ouss a. Rh. r. von Dusseldorf. 15. Linz a. Rh. a. von Bonn, gegon-
SberSinzig. 16. Boppard a. Rh. a. von Coblcnz. 17. Kreuzonaoh a.
d. Nahe s. von Bingen. 18. Alzey ü, von Mainz im Qro.s.sherzogthnni
Hessen. 19. Neustadt in der bairischen Pfalz ö. von Kaisoralautuni.
19»
292
1513
XI. 14—19. Lanndaw.»
20—22. Speyer.
23 — 27. Lanndaw.
28. Weyssennburg. *
29—30. Hagennaw.»
Xn. 1 (Mittwoch) — 3. Ha-
gennaw.
4. Yungweyller.*
5 — 6. Hagennaw.
7 — 11. Weyssennburg.
12 — 23. Lanndaw.
24 — 31. Weyssennburg.
1513
I. 1 (Samstag) — 7. Weys-
sennburg.
8 — 14. Lanndaw.
15. Weyssennburg.
16 — 20. Hagennaw.
21. Puschweiller.*
22 — 24. Hagennaw.
26—28. Yungweyller.
29. Reyshofen.*
30 — 31. Weyssennburg.
U. 1 (Dienstag) — 8. Weys-
sennburg.
9. Lanndaw.
10—14. Speyer.
15 — 17. Lanndaw.
18. Weyssennburg.
19 — 21. Lanndaw.
22. zu der Newnstatt
1513
n. 23—28. Lanndaw.
m. 1 (Dienstag) — 2, Lannd-
aw.
3. zu der Newnstatt
4 — 5. Lanndaw.
6. Speyer.
7. . Speyer vnd Haw-
sen.'
8. Bruessell.«
9. Faychingen.
10. Stnetgartten.
11. Eslingen.»
12. Göppingen.
13—14. Geyslingen."
15—16. Vlm.
17. Phaffennhawsen.
18. Mennchingen.
19 — 31. Augspurg.
(Ostertag 27./in.)
IV. 1 (Freitag) — 11. Augs-
purg.
12. Wertungen.
13—17. Angspui^.
18. Gockhingen.
19 — 20. Augspurg.
21. Gk>ckhingen.
22. Grosayttingen.
23. Mennchingen vnd
Annglbeig.
24. Mundlhaim vnd
Pfaffennbawsen.
1. Landau in der bairisohen Pfalz s. von Neustadt. S. WeisMB-
burg im nördlichen Elaass s. von Landau. 3. Hageoau im Elaan a.
von Weisaenburg. 4. Ingweiler w. von Hagenan. 5. Buchsweiler
8. von Jungweiler. 6. Beichshofen n. von Hag^nau. 7. lUiein- oder
Oberhanaen am rechten Rheinufer Speier gegenüber, n. von Philippa-
bnrg. 8. Siehe 1509, 28./IV. 9. Esslingen so. von Stuttgart.
10. Geislingen so. von Göppingen.
293
■ 1513
1513
■
1 IV. 25—27.
Mundlhaim vnd
V.
31.
Mennchingen.
1
Angiberg.
VI.
1 (Mittwocli). Burckh-
1 28.
Paechlo.
waklt vnd Vet-
1 29.
KawflFpeyren vnd
tingen.'"
k
Eyryshofen.'
2.
Vettingen vnd
mW 30.
Lanndsperg.*
Grosskretz."
V. 1 (SonnUg) — 2. PuecUo.
3—4.
5.
Rockhennburg.
Weyssennhorn.
Vllm.
3—4.
Kauffpeyren vnd
6—8.
Ebennhofen.'
9.
Plapeyren.**
5.
Liebennthan.
10.
I ■>/
Geyslingen.
6—10.
11,
Kauffpeyren.
Puechio vnd
11.
12-13.
Geppingen.
Eslingen.
Lanudtsperg.
14.
Stuetgartten vnd
12.
Schmyha/ Enndt-
Eglisbaim."
hofen* vnd Fiir-
15.
Fayehingen.
stennfeldt.
IG.
MawUprun" vnd
13.
Furstennfeldt vnd
Pretten.'*
Tachaw.
17.
Bruessell vnd
14.
Aychach * vnd
Hawsen.
Frydlperg.'
18.
Speyerr vnd
15—23.
Augspurg.
Obershaim.'^
24.
Augspui-g vnd
19—25.
Wonnbs.
Burckhwjildt.*
26.
Danubstutt."
25.
Borckliwaldt vnd
27—30.
Franncklifordt.
Myekliawsea.'''
VII.
1 (Freitag) — 3.
26—30.
Mundlhaina.
Frannckhfort.
1. Earicbsbofen r. von fiuehloo. 'i, Landsberg am Lech s.
ron .\agsbarg. 8. Ebenhofen zwiseheii Kuufbeuorn und Oberdorf.
4. Schmiechen so. von Schwiibmüncben rechts vom Leeb. 5. Nicht
auffindbar. Doch igt die Luge dos Ortes durch die mitgcnannteti Orto
•Schmiechen und Fürstenfcld bestimmt. 6. Aichach nö. von Augsburg.
7. Friedberg, hart an der Ostseite Augsburgs. 8. Burgwaldeo sw. von
Aogsborg, n. von Schwabmünchen. 9. Mickhansen bei der Ortschaft
Mttnster nw. von Schwabmünchen. 10. Jettingen nw. von Augs-
bnig. 11. Gross-Kötz b. von Oünzburg. 18. Blaubeuern w. von
Ulm. 13. Eglosheim nw. von Lndwigsbnrg und n. von Stuttgart.
14. Ifaiilbronn nw. von Vaihingen. 15. Bretten nw. von Maulbronii.
16. Oggorsbuim s. von Worms. 17. Darmstadt nw. von Worms.
294
1513
1513
vn. 4.
Frannckhfort
vrn,
l(Mon
tag) —5. Aadenar.
vnd Hoflfhaim.*
6.
Sottickhaim »
5.
Wyspaden vnd
vnd Tennsee."
WaUauff.«
7.
Tennsee.
6—7.
Pynngen.'
8.
Ruslar.«
8.
Oberwesel vnd
sannt Gwer.
9.
Bellen" vnd
Ary."
9-
-14.
Koblenntz.
10-17.
Ary.
15.
Chardam.*
18.
Aryvndimveldt-
16.
Kochaim * vnd
vor Terwona.'**
Wettüch.«
19.
im veldt vnd hör-
17.
Wettlich.
vor Terwona.
18.
Bytburg.'
20—22.
im veldt vor Ter-
19.
sannt Veyt*
wona vnd zu
20.
Marsch.
Ary.
21-
-23.
Namur.
23.
im veldt vnd hör
24.
Gemplaw* vnd
vor Terwona.
Wauers.»«
24.
Terwona vnd
25.
Lofen.
sant Thomar."
26.
Fewer.
25—26.
sannt Thomar.
27-
-28.
Brussell.
27—31.
Ary.
29.
Hall in Honigaw.
IX.
1 (Donnerstag) — ö.Ary.
30.
Graudtmont."
6—7.
Venanntz.**
31.
Audenar.**
8.
Nowy.'i
1. Hofheim zwischen Frankfurt a. M. und Wiesbaden. 2. Wallnf
am rechten Bhein nächst Mainz. 3. Bingen w. von Mainz an der
Mündung der Nahe in den Bhein. 4. Karden a. d. Mosel sw. von
Coblenz. 5. Kochern a. d. Mosel sw. von Karden. 6. Wittlich s.
von Kochern. 7. Bitburg w. von Wittlich, nahe der luxemborgisohen
Grenze. 8. St. Vith n. von Bitburg. Maximilian verlässt den Beiohs-
bodcn und betritt die Niederlande. 9. Gembloux nw. von Namni.
10. Waveren (Wavre) n. von Gembloux. 11. Grammont (Gcertsbergen)
w. von Ual. 12. Gudenaarden (Audenarde) nw. von Grammont.
13. iSottegom nö. von Audenarde. 14. Deynze n. von Audenarde.
15. Kousselaerü (Lille) in Frankreich an der belgischen Grenxe.
16. Bailleul zwischen Lille und Aire. 1 7. Aire in Frankreich w. von
Lille. 18. Thorouane, Arrondissement St. Omor, Departement Galaia,
19. St. Omer, Departement Calais. 20. St. Venant w. von Aiie,
21. Neuve-Chapelle ö. von 8t. Venant.
295
1513
1513
K. 9—10.
Lephenoy.'
X.
15.
Enngers.**
11—14.
Rüssel.»
16-
-18.
Lannstain.'"
15.
Baysien.'*
19.
sannt Gwer.
16—24.
im veldt vnd hör
20-
-25.
OberweselL
vor Tornneckh.*
26.
Pynngen.
25.
Torunegkh
vnd
27.
Wyspaden.
P
I.»moy.*
28-
-30.
Frannckhförtt.
26.
Tonmegkh.
31.
Aschoftennbiirg.'*
27—29.
Annthou.''
XI.
1
(Dienstag) — 2. Myl-
30.
Seile.'
tennburg.'*
X. 1 (Samstag). Adt»
vnd
3.
BißchofFehaim."
Bergen."
4.
Weyckhers-
2.
Bergen.
haim."
3.
Miirlauwytz.
10
5.
Rottennburg an
4.
Floru" vnd
mur.
Na-
6.
der Tawber.'*
Tuncklilspucbel.'^
5-6.
Namur.
7-
-8.
Nordlingen.^"
7.
Marsch.
9.
Werdt.
8—9.
sannt Veyt.
10.
Werttingen.
10.
Byttburg.
11-
-23.
Augspurg.
& 11—12.
Wettlich.
24.
BarckhwahU.
' 13.
Kochaim.
25.
Mcnnchingen.
14.
Khardan.
26.
Burcklnvaldt.
^ 1, Laventie w. von Lille. 8. Lille oder Ry.tsel in Frankreich
^Hle der belgischen Grenze. 3. Baisien w. von Tourmiy und u. von
Bouviaos. 4. Toumny (Doornik) in Belgien. 5. L»nnoy zwischen
Lille und Toumay. 6. Antoing so. von Tournay. 7. Ellozelle« s.
von Oudenaarde ?, wenn nicht hier von Seite dos AbMehreibers eine Ver-
wechslnng mit dem besser in die Route passenden Melles ö. von Tournay
vorliegt. 8. Ath ö. von Tuurnay. 9, Mons so. von Ath. 10. Morlan-
welz ö. von Mons. 11. Flenms w. von Namur. Maximilian verliisst
die Niederlande bei Miirchc uiid betritt zu St. Vith den Kcichsboden.
12. Engers am rechten Itbuinul'er u. von Coblcnz. 13. Labustcin a.
d. Lahn ö. von Coblcnz. 14. Aschaflenburg 8Ö. von Frankfurt a. M.
15. Miltenberg s. von AschafFenbnrg. 16. Tauberbiscbotsbeim im
nördlichen Baden ö. von Miltenberg. 17. Weikersbeim bei Mergeutbcira
iin nördlichen Württemberg u. von Tauberbiscbofsbeim. 18. Rothen-
burg a. d. Tauber so. von Weikersheim. 10. Dinkelsbiihls. von Rothen-
burg. SO. Nördlingen n. von Donauwörth.
296
1513
XI. 27—30. Augspurg.
XII. 1 (Donnerstag) —26.
Augspurg.
27. Frydtperg.
28. Furstennfeldt.
29—30. Münichen.
31. Schefflem im
closter.*
1514
I.
1 (Sonntag). Benedicten-
peyren.*
2. Mjrttenwaldt»
ynd auf dem
Seefeldt*
Fragenstain vnd
Zierll.
Ynnspruckh.
Hall im Inntall.
9—12. Ynnspruckh.
13. HaU im InntaU.
14 — 16. Ynnspruckh.
Stainach.
Stainach vnd
Hall im Intal.
Innspruckh vnd
zu Myllanss.
Hall im Inntall
vnd zu Kolsos.*
3.
4—7.
8.
17.
18.
19.
20.
1514
I. 21. SchwatE* vnd
Ratteimbeig.
22—25. Rattennberg am.^
Inn.
26. Schwatz.
27. Hall im InntaU.
n.
28 — 31. Innspruckh.
1
(Mittwoch). Hall im
Inntall.
2-
-14.
Radtennberg am
Ynn.
15.
16.
Khopfstain.
Rosennhaim.
17.
18.
19.
Troschperg.'
Tyttmaning.*
Lauffen.*
20.
21.
22-
-23
Mattigkhofen.
Veckhlapruckh.^«
Gmunden.
24.
Tiambach.
25.
Wells vnd March-
trennckh.'^
26.
Newsachsenn-
27-
-28
burg.
WeUs.
m.
1 (Mittwoch). Wells.
2. Newsachsenn-
1. Schäftlam a. d. Isar, Bezirk München, heute ein Benediotiner-
priorat. 3. Benediotenbenem s. vom Würmsee nahe der bairisoh-
tirolischen Grenze. 3. Mittenwald s. von Benediotenbeaem, hart an
der tiroliaohen Qrenze. Maximilian verlässt den Reichaboden. 4. See-
feld in Tirol s. von Mittenwald. Maximilian betritt die ÖBterreiohischen
Erblande. 5. Kohass im Innthal ö. von Hall. 6. Sohwaz im Imithal
ö. von Kolsass. 7. Trostbei^ a. d. Alz nö. von Bosenheim. 8. Titt-
moning a. d. Salzach n. von Salzburg. 9. Laufen zwischen Tittmoning
und Salzburg. 10. Vöcklabruck nw. von Qmnnden. 11. Marobtienk
nö. von Wels.
^^^^^BIH
^^^^^^^l^^^^^^^^^^^^^l
[ 1514
1514 ^M
bürg vnd Ebers-
IV. 4. Efferdingen.» ^1
pcrg.
5 — 6. Lynntz. ^^M
m. 3—4.
Enns.'
7. Lynntz vnd Ebers- ^^^
1 5—8.
Steyer.»
perg. ^H
H ^•
sannt Florian im
8. Wells vnd March- ^H
■
closter.^
trenckh. ^^^
10-14.
Lynntz vndEbere-
9—17. WeUs. ^H
perg.
(Osterto^ 16. /IV.) ^H
15.
Einns.
18. Wells vnd March- ^M
16.
sannt Florian.
trennckh. ^^M
17—18.
Enns vnd Florian.
19. Wells vnd Lewni- ^^M
_ 19.
Ebersperg vnd
^M
■
Sachsenburg.
20. Krembsniunster."' ^^M
r 20.
Sachscnnburg
21. Marchtrennckh ^^M
^
vnd March-
vnd Saxenburg. ^^H
■
treuckh.
22—25. Lynntz. ^H
21—22.
Wells vnd
26. Ebersperg. ^H
Sachsenburg.
27. Sachsennburg, ^^M
23.
Ebersperg,
Ebersperg vnd ^^M
24.
Wells vnd Lam-
sannt Florian. ^^M
bach.
28. Enns. ^H
25 26.
Gmunden.
29. sannt Florian. ^H
27.
Veckhiapruckh.
30. Enns. ^M
^^ 28.
Mattigkhofcn.
V. 1 (Montag). Enns vnd ^^M
^ 29—31.
Brawnaw.
Perg.» ^M
rV. 1 (Samstag). Brawnaw
2. Pawmgarttenperg ^H
vnd Scbarding.*
im closter.'^ ^^M
2.
Starding.*
3. Poscnnpeug.^' ^^M
3.
Passaw " vnd
4. Posenpeug vnd ^^M
Aschach.^
Ypps.>* ^H
1. Eons
ö. von Linz. Z. Stcyr s. von Enn.^. 3. St. Florian ^^H
^^■■iscben Lim
s und Enns. 4. Schiirding .s. von Passau. 5. Der vor- ^^H
H^pDanntc (Jrt.
6. Passau, bairiache Urenzfestung am Einfluss des Inn ^^^
in die Donai
1. 7. Ascbauh a. d. D. zwischen Passau und Linz. ^^H
8. EfTerding w. von Linz. 9. Lambach sw. von Wols. 10. Krcras- ^^|
münster, au
der Strasse von Wels nach Steyr, so. von dem erstoren. ^^H
11. Perg ö. von Linz. 13. Baumgartcnbcrg;, ehemaliges Ci.ttercionaer- ^^|
klostor ö. voc
1 Perg gegenüber Wallsee a. D. 13. Persenbeug a. D. ^^f
14. Ips a. D.
gegenüber rorsonbeug. ^^H
298
1514
1514
V. 5.
Krembs.*
V.
27.
Wüdan.
6-
-10.
Wienn.«
28—31.
Grätz.
11.
Petteredorff.»
VI.
1 (Donneretag). Grätz.
12-
-13.
zu der Newenn-
2.
Leybnytz.
8tat.*
3.
Maydennburg."
14.
Schadtwienn.''
4-5.
Wynndisch-
15.
Reychennaw* vnd
grätz.»«
Noyperg im clo-
6.
CyUi."
ster.^
7.
Brawalt»«
16.
Merttzueschlag.*
8 9.
CyUi.
17.
Kynngberg* vnd
10.
Franntz.»»
Kapfennburg."
11.
Stain in Craynn.*'
18.
Prueckh an der
12—13.
Craynnburg.**
Muer."
14.
im sloss zu Fled-
19.
Fronnleytten '*
nnegkh."
vnd Strassingen
15—17.
Craynnburg.
im closter.*'
18.
Craynnbui^ vnd
20-
-22.
Grätz."
Eybiswaldt.»
23.
Leybnytz.^*
19.
Craynnbui^ vnd
24.
Wyldan."
Tragembl.»«
25-
-26.
Grfitz.
20.
Tjaybach.*'
1. Krems a. D. nw. von Wien. 8. Wien. 3. Petorsdorf (Perch-
toldsdorf) 8w. von Wien. 4. Wiener-Neustadt s. von Wien. 5. Schott-
wien am Fnsse des Semmering. 6. Beicbcnau am Fusso des Schnee-
berges sw. von Wiener-Neustadt. 7. Neuborg, ehemaliges Cistcroienser-
kloster im Mürzthal nw. von Mürzznschlag. 8. Mürzzuschlog s. vom
Semmering in Steiermark. 9. Kindborg und 10. Kapfenberg, beide
sw. von Mürzznschlag. 11. Brück a. M. am Zusammenflusse der Mürz
und Mur s. von Kapfenberg. 12. Frohnluiten n. von Graz. 13. Strass-
engel, jetzt Wallfahrtskirche bei Gradwein n. von Graz. 14. Graz,
Hauptstadt der Steiermark. 15. Leibnitz s. von Graz. 16. Wildon
zwischen Graz und Leibnitz. 17. Marburg a. d. Drau s. von Leibnitz.
18. Windischgrätz w. von Marburg. 19. Cilli s. von Marburg.
30. St. Faul am Fragwald w. von Cilli. 31. Franz w. von Cilli.
Z'i. Stein ö. von Krainburg. 33. Krainburg nw. von Laibach.
34. Flödnig (Ruine Stari grad) so. von Krainburg. 35. Eibiswald in
Krain unauffindbar. Doch muss der gemeinte Ort nahe bei Sjrainburg
liegen. 26. Dragomol bei Krainburg. 37. Laibach, Hauptstadt von
Krain.
^^^^^^^^^^ 299^^H
1514
H
VI. 21. sannt Martein.'
VII. 13. Rottenman. ^M
22. Rotechacli.^
14. Myttcrnndorf ^^M
23. Cylli.
vnd Äussue. ^^|
24. Cylly vnd Noy-
Y»L'hll. ^1
^^^ kirchcn.^
16 — 31. Gmunden. ^^M
^^ 25. Weyttenstain *
VIII. 1 (Dienstag) — 22. ^M
vnd sunt Gilgen.*
Gmunden. ^^M
26—27. Seldennhofen.«
23. Puechaim. ^^M
28. Eybennswald.'
24. Wells. ^M
29—30. Leybnytz.
25. WclIsvDdMarch- ^M
VTi. 1 (Samstag). Grätz.
trennckb. ^^|
2. Fronnlejifen.
26—28. Wells. " ]
^^n 3. BruckL an der
29. Lambach vnd ^^M
^^M Mucr.
Veeklapruckh. ^^|
^^B 4. Lewben ^ vnd
30. Veckhlstorff ^M
^^^^^F vordem Eysen-
vnnd Strass- ^^M
^^^B ärtzt."
walchen.'* ^^H
^^M 5 — 8. Eisenniirtzt im
3 1 . Lauffen. ^^M
^^^ ynndern perg.'"
IX. 1 (Freitag). Trosehpurg. ^H
^^^r 9. Keychelbanng."
2. Rosennbaim. ^^|
^^1 10. Gayshorn " vnd
3. Kuefstain. ^^|
^^B inderTruoben.'^
4. Rattennberg ^^M
^^H 11. Uottenman vnd
vnd Scbwatz. ^^|
^^H auf dem Thaw-
5—7. Hail im Inntall. ^H
^H.
8 — 11. Ynnspruckh. ^^M
^^B" 12. in der Trueben
12. Vellennberg. ^^|
^^H vnd zum Rotten-
13. Kliomattcn. ^^M
^^P
14. Innspruckb. ^^M
1. ßl. Martin bei Littay ö. v
on Laibach. 2. Ratacboeh ö. von ^^H
Littog. 3. Neukirchen bei Uoche
negg n. vou Cilli. 4. Weitenstein ^^H
n. von Neukirubeu. 5. St. Ilgt
an DW. von Weitenstvin, zwischen ^^H
diesem nnd Windiscbgrätz. 6. 8al
denhofen a. d. Drau w. von Marburg. ^^H
7. Eibiswnld n. von iSnIdcnUofen.
8. Leoben in der nordwo.'tllichen ^^H
.Steiermark w. von Brück a. M.
9. Vordcrnborg n. von Leoben. ^^H
10. Der innere Ber<; zu Kisonerz.
1 1. Kallwang nw. von Leoben bei ^^H
Mautcrn. 12. Goiahom nw. vou
Kallwaug. 13. Trieben so. von ^^H
Bottenmann. 14. Straaswalohen
in Oberöstorroich w. von Vöckla- ^^H
■wrkt.
1
300
1514
IX. 15. Hall im Inntall.
16. Malannss.
17 — 21. Innspruckh.
22. Hall, AmbrosB*
Tnd Innspruckh.
23—30. Innspruckh.
X. 1 (Sonntag) —3. Inns-
pruckh.
4. Ynnspruckh ynd
inn des Hawsers
heysl.
5. HallvndAmbross.
6. Stainach.
7. inn Schmiem*
vnnd im Valser-
tall.»
8. Stainach.
9. Stainach ynd im
Vemner tall.*
10. Lueg ynd zu
Stainach.
11—17. Ynnspruckh.
18—19. Hau im Inntall.
20—26. Ynnspruckh.
27. HaU.
28—31. Ynnspruckh.
XI. 1 (Mittwoch). Ynnspruckh.
2. Vyllss.s
3. im Stubacher tall.
4. Stubach.
5 — 9. Ynnspruckh.
10. zu sannt Martins-
wanndt.*
1514
XL 11 — 14. Ynnspruckh.
15. HaU ynd Myl-
lanss.
16 — 25. Ynnspmckb.
26. Ambross im sloss.
27. HaU im InntaU.
28—30. Innspruckh.
Xn. 1 (Freitag) —4. Ynns-
pruckh.
5. Inspruckh vnd
Pamkirchen.^
6. Schwatz.
7. HaU im InntaU.
8 — 10. Innspruckh.
11—12. HaU im InntaU.
13—21. Ynnspruckh.
22. HaU im InntaU.
23—31. Ynnspruckh.
1515
I. 1 (Montag). Ynnspruckh.
2—3. Schwatz.
4. HaU im InntaU.
5 — 15. Ynnspruckh.
16. HaU im InntaU.
17—30. Ynnspruckh.
31. HaU im InntaU.
H. 1 (Donnerstag). HaU im
InntaU.
2—28. Ynnspruckh.
m. 1 (Donnerstag) — 21.
Ynnspruckh.
22. VeUennberg ynd.
Fragennstain.
1 . Ambraa, Schloss bei Innsbruck. 3. Schmirnerthal bei Steinaoh
am Brenner. (Schmiem so. von Steinach.) 3. Yalserthal mündet bei
Mühlbach an der Bienz. 4. Vennathal an der Ostseite des Brenners.
5. ViU 3. von Innsbmck. 6. Martinswand bei Zirl w. von Innsbrnok.
7. Baumkirchen im Innthal zwischen HaU und Schwaz.
■
\
^y
^
^^^^^ 301 ^^^H
151&
1615
^1
m. 23.
Flaweriing vnd
Stambs.
rv.
23.
Chrumbacb' vnd ^^M
Pfaffeuliawsen. ^^H
24.
Stambs vnd
24.
Mundlkaim. ^^H
Ymbst.'
25.
Mundlhaim vnd ^^H
25.
Ymbst.
Angiberg. ^^H
26.
Nasareyth vnd
Byberwier.*
26.
Puechlo, Zell vnd ^^H
Wall.' ^H
27.
Aytterwanng vnd
27.
Lanndtsberg. ^^H
Reutten.
28.
Lanndtsperg, ^^H
28.
Fuessen vnd Stat-
ten.»
Puechlo vnd Py- ^^H
dingen.'" ^^H
29.
Kawffpeyren vnd
Osterzell.*
29.
Kawffpeyren vnd ^^H
Puechlo. ^^H
^P 30.
Puechlo vnd
Mennchingen.
30.
Puechlo vnd ^^H
Mennchingen. ^^|
L 31.
Bui-ckhwaldt vnd
V.
1 (Dienstag). Gockhingen. ^^|
iP
Augspurg.
2-^.
Augspurg. ^H
rV. 1 (Sonntag) — 13. Augs-
5.
Wertungen. ^^H
purg.
6—20.
Augspurg. ^H
(Ort«rUg8
./IV.)
21.
Augspurg vnd ^^H
14.
Qockhingen.
Wellcnnberg." ^^H
15.
Vettingen vnd
Noyburg.^
22.
Burckhwaldt vnd ^^H
Bubingen. ^^H
16.
Gynntzbiirg."
23.
Mennchingen vnd ^^H
■ ^^-
Weyssennhorn.
Puechlo. ^H
^ 18-
20.
Vllra.
24—27.
Mundlhaim. ^^H
1 21
Vllm vndTyBsen.''
28.
Phalfennhawsen ^^M
1 22.
Weyssennhorn.
vnd Annglberg. ^^H
1 1. Imst
im GuTgltbal s. von Naasereit. 8.
Bicberwier n. von ^^H
1 Naaseraii.
Maximilian verläsat die österreiclviüchen Erblando bei ^^|
Reutle.
3.
Stetton zwischen Oberdorf und Fünoen. Maximilian be- ^^H
- tritt den
Reichsbodon. 4. Osterzell ö
von Kau
fbcucrn. 5, Nen- ^^^^
1 barg 8W.
von
Jettingen. 6. Oünaburg
an der Mi
iodnng der Gnnz in ^^^B
■ die Donai
nw
. von Jettingen. 7. liiert
issen 8. von Ulm und Weissen- V
1 boni. 8
. Kl
Timbach so. von Weisscnbom. 9. Wanl so. von Tiuchloe. ^^J
■ 10. Bidin^n
am Hühnerbocb, einem Zufluds der
Wertach, zwischen ^^^|
1 Olxirdorf und Scbongnu. 11. Wöllenbnrg nahe bei Göggingcn «. von ^^J
^^^g»bnrg
m
1
302
1515
1515
V. 29.
Puechlo vnd
Lanndtsperg.
VI.
16.
17.
Sosennhaim.
Wasserbui^.''
30.
Wessobnm* vnd
Weylhaim.
18.
19.
Alten Ottingen.
Porckhawsen
31.
Weylhaim vnd
Heyligenperg.
vnd Mawer-
kirchen.*
VI. 1
(Freitag). Weylhaim
20-
22.
-21
Mattigkhofen.
Veckhlstorff vnd
vndfollingen im
Veckhlapruckh.
2.
Murnnen' vnd
Porttenkirch.*
23.
24.
Vecklapruckh
vnd Chamer.'
Lambach.
3.
Myttennwaldt
vnd auf dem See-
feldt.
25.
26.
Wells.
New Sachsenn-
bui^.
4.
Fragennstain *
27-
-30.
Lvnntz.
vnd Zierll.
vn.
1 (Sonntag) — 3. Lynntz.
5.
Ynnspruckh.
4.
Lynntz vnd sannt
6.
Hall im Inntall
vnd Myllans.
5.
Florian,
sannt Florian.
7.
Ynnspruckh.
6.
Enns.
8.
Ynnspruckh vnd
Vellennberg.
7-
9.
-8.
Persennpeng.
Khrembs vnd
9.
Innspruckh.
Nusdorff."
10—11
Hall im Inntall.
10.
Hackhingen.**
12.
Schwatz.
11-
-15
Wienn.
13-
-14
Rattemberg vnnd
Wergl.«
16.
17.
Trawtmeretorff."
Lachsennbut^."
15.
Knefstain.
18-
-28
Wienn.
l.Wessobrunn so. von Landsborfi;, zwischen diesem und Weilbeim.
Z. Fölling B. von Weilheim. 3. Mumau s. von Weilheim und Fölling.
4. Fartenkirchen s. von Mumau. Maximilian vcrlüsst bei Mittenwald
den Ileicbsboden. 5. Maximilian kehrt zu Scefeld nach den öster-
rcicbischen Erblanden zurück. 6. Wörgl s. von Knfstein in TizoL
7. Wasserburg am Inn n. von Rosenhoim. 8. Mauerkirohen in Ober-
österreicb, zwischen Braunau und Mattighofen. 9. Kammer s. von
Vöcklabmck am Nordende des Attersces. 10. Nussdorf, Vorort n. von
Wien. 11. Hacking, Vorort w. von Wien. 12. Trautmannsdotf so.
von Wien. 18. Lazenburg, Schloss a. von Wien.
H^ ^ ^ ^1
1 1516 ^^"
^M
1 VIT. 29. Wienn vnd Noy-
Vm. 13. Aschach (!)" ^1
1 dorff.'
vnd Enns. ^^M
^^_ 30. zu der Newen-
Enns. ^M
^^
15. sannt Florian. ^^M
W 31. zu der Newstat
16. sannt Florian ^^m
1 vndEbennfurt.'
vnd Enns. ^^B
1 V 1 1 1. 1 (Mittwoch) -2. Ebcnn-
17. Enns vnd Ebers- ^^M
1 fiirt.
^H
^^H 3. Ebennfurt vnd
18. Ncwsachsenn- ^^B
^B Medling.'
bürg vnd March- ^^B
^^B 4 — 6. saniit Veif* ynd
trenckh. ^^B
^^H Hackhing.
19—21. Wells. ^M
^^^^^_ 7. Huekhing vnd
22. Lambai'h. ^^M
^^^^^H Mawerpach.''
23. Veckiapruckb, ^H
^^^^ 8. TuUn ^ vnd Tras-
Vcckblsdortl' ^^B
^^H mawer.''
vnd Frannckhen- ^^M
^^H^ 9. Kreinbs.
marckht.'^ ^^B
^V 10. Krembs, Stain"
24. Straswalchen ^^B
^^ vnd Spitz.»
vnd Lauffen. ^^B
^^ 11. Emersdorff'»
25—26. Lauffen vnd ^H
^^B vnd Persen-
Tennckhling.i^ ^H
^V
27. Troschburg. ^^B
^^B 12. Persennpeug,
28, Rosenhaim vnd ^^B
^B Plinttcn-
Visebpach."' ^H
^^B marckht'^ vnrl
29. Kuefstain vnd ^^H
^™ Aschpaeh.'*
Wergl. ^M
1. Nendorf bei Mödling a. von Wien. 2. Ehonfurt nö. von ^^B
Wiener-Neustadt. 3. Mödling s. von Wien, nahe boi Laxonburg. ^^B
4. St. Veit, Vorort w. von Wien. 5. Mauerbaeh im Wienerwald w. ^^B
von Wien. 6. Tiilln a. D. nw. von Wien. 7. Traiamauor w. von ^^B
Tulln. 8, Stein unmittelbar bei Krems. 9. Spitz a. D. w. von ^^H
Traiamaner. 10. Emmeradorf a. U. gegenüber Melk. 11. Sünden- ^^H
markt rw. von Persenbeug. 12. Ascbbacb w. von Amatettcn und Blin- ^^H
dcnmarkt. 13. Offenbar liegt hier ein iSchroibtchlcr vor und iat da.<i ^^H
vorgenannte Aschhnch gemeint. Allerdings oxistirt westlich von Linz ^^H
ein Asichach an der Donnu, das jedoch nicht in die Reiseroute pasat. ^^B
14. Fmnkenmarkt, hurt an Vöcklnmarkt. !!>. Tengling n. vom ^^B
Waginger See, nw. von Salzburg. 16. Fischbach am Inn a. von Rosen- ^^B
^^B
^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^H
304
1515
1515
vm
30. Rattembei^.
X. 4 9.
Ynnspruckh.
31. Schwatz.
10.
Ynnspruckh vnÄ
IX
1 (Samstag). Hall im
AmbrosB.
Inntall.
11.
HaU im InntaU.
2 — 3. Imispruckh.
12—17
Ynnspruckh.
4. Hall vnd Vol-
18.
Tnspruckh vnd
derss.*
Matters* am ge—
5 — 6. Ynnspruckh.
iaidt.
7. Ambross.
19 22
Ynnspruckh.
8 — 9. Ymispruckh.
23.
Hall im Inntall.
10. Vellennbei^.
24—27
Ynnsprackh.
1 1 . Vellemiberg vnd
28.
Hall im Inntall.
Axsambs.
29.
Hall vnd auf des
12, Flawerling vnd
Hawsers heysl.
Herttennberg.*
30.
Fragennstain vnd
13. Herttennberg.
ZierU.
14. Herttennberg
vnd Frewnts-
31.
Herttennberg vnd
Phaffenhofen.»
haim.
15 — 16. Herttennberg.
XI. 1 (Donnerstag). Herttenn-
17. Herttennberg
berg.
vnd Stambs.
2.
Herttennberg vnd
18, Magerpach vnd
Stambs. »
Syltz.
3.
Ymbstvnd Nasa-
19. Kematten.
reyth.
20—24. Ynnspruckh.
4.
Lermoss vnd
25. Hall im Inntall.
Puechlpach.*
26—30. Innspruckh.
5—6.
Emnberg an der
X.
1 (Montag) — 2. Ynns-
Clawsen vnd zu
pruckh.
Fuessen.
3. Hall vnd
7.
Stetten vnd Py-
Thawer.»
dingen.
1. Volden am Inn gegenüber Yila bei Hall. 2. Hörtenbeq;,
ycrfallenes Schloss am Inn bei Ffaffenhofen w. von Innflbruck. 3. Thanr
nw, von HaU. 4. Mnttems s. von Innsbruck links von der Sill gegen-
über Igels. 6. Ffaffenhofen bei Tclfs am Ino w. von Innsbmok.
6. Büchelbach s. von Keutte. Maximilian verlässt die österreichiatiheii
Elrblande und betritt bei Füssen den Beichsboden.
^ 305 ■
1515 ^^"
1515 ^M
XI. 8. Puechlo vnd
XII. 1 (Samstag)— 2. Kawff- ^H
Hyltafingen.*
peyren.
9. Burckhwaldt
3. Kawffpeyren vnd
vnd Bobingen.
Ebennhofen.*
10. Gockhingen vnd
4. Stetten vnd
Augspurg.
Fuessen.
11 — 12. Augspurg.
5 — 8. Fuesaen.
13. Wellennberg vnd
9. Fuessen vnd
Burckhwaldcn,
Reutten.
14. Burckhwaldt vnd
10. Ernnberg an der ^^
Myckhawsen.
clawsen. ^^H
15. Myckliawsen
11. Ernnberg an der ^^H
vnd Krumpacli.
clawsen vnd ^^H
16. Krumpacli vnd
Aytterwang. ^^H
B Waldstetten.»
12. Lermoss vnd Na- ^^H
1 17-21. VUm.
sareyth. ^^H
■ 22. Weyssenhorn.
13—14. Ymbst. ■
■ 23. Rockhennburg
15. Ymbst vnd auf
^^^L vnnd Ketzenn-
der Myllss.
^^K ryedt.^
16. Lanndegkh vnnd
24. Babenliawsen*
Grynnss.'"
vnd Memingen.^
17. Pottnoy vnd auf
25 — 27. Meminngen.
dem Adlberg zu
28. Meminngen vnd
sannt Cristoffl. "
Erckhaim.*'
18. Pliidenntz.
29. Ottenpeyren '
19—20. Veldtkirch.
vnd Thienngen.'
21. Bregenntz.
30. Kawffpeyren.
22. Bregenntz/
1. Hiltefingen anmittelbar sw. von Sohwnbmünchen. 8. Wald-
"*-«Ken nö. vou Weisscnhom. 3. Ritziaricd nö. von nierti8.«en.
*• Babenhatwen zwischen Weisscnhom und Mindclheim. 5. Mem-
***«ngen w. von Mindelheim. 6. Erkheim zwischen Memmingen nnd
^Jndelhcim. 7. Ottobeucrn aö. von Memmingen. 8. Unter-Thingan
''^. von Kanfbencm. 9. Ebenhofen zwischen Oberdorf und Kaufbeuem
*• Ton letzterem, ifaximilian yerliisst bei Ehrenberg den Reichsboden
^ftd betritt die österreichischen Erblande. 10. Grins w. von Landeck.
M. St. Christof am Arlberg.
• Maximilian TerllUst die Osterreichischen Erblande nnd betritt den
ticidubodea.
AcehiT. LXXIVIt. M. t. Hiin«. 80
1515
1516
i
Lyimdaw vai
I. 25—27.
Mandlhaim.
Lsngenai^en.'
28.
Mnndlhaim vnd
xn. 23.
Lanngenargen
PoBweilimdorff."
vnd Tettenam.*
29.
SLanffpeyren vnd
24—27.
Rauennspurg.'
Vnndertingen."
28.
Waldtsee * vnd
30.
läebennthan.
Essendorff.*
31.
Liebennthan vnd
29.
Byberach * vnd
Eberepach."
Obersymentin-
n. 1
(Freitag) —4. Kawff-
gen.»
peyren.
30.
Echingen vnd
Ringingen.®
5.
Kawffpeyren vnd
Ebennhofen.
31.
Vllm vnd Weys-
sennhom.
6.
Stetten vnd Ebenn-
hofen.
1516
7.
Obemndorff*' vnd
I. 1 (Dienstag)— 2. Weys-
Roshaubten."
sennhom.
8.
Fuessen.
3.
Weyssennhorn
vnd Waldstet-
9.
Faessen vnd Reat-
ten.
ten.
10.
Aytterwanng vnd
4.
Vettingen vnd im
Lermoss.
dorf Byburg.*
11.
Nasareyth.
5—22
Augspurg.
12.
Ymbst vnd auf der
23.
Qockhingen vnd
Myllfl.
Bobingen.
13.
Lanndegkh vnd
24.
Mennchingen
Gryuss.
vnd Anngiberg.
14-
-17
. Pottnnoy.
1. Langeargen am Bodenaee w. von Lindan. 2. Tettaang n.
von Langeargen. 3. Ravensburg n. von Tettnang. 4. Waldaee nö.
von Ravensburg S. Unter-Essendorf bei Stadt Winterstetten n. von
Waldsee. 6. Biberach n. von Waldsee. 7. Ober-Solmetingen sw.
von Ulm. 8. Ringingen zwischen Schelklingen und Erback sw. von
Ulm. 9. Bibttrg w. von Augsburg. 10. Baisweil s. von Mindelheim
im Landgericht Eaufbeaem. 11. Das früher schon genannte Unter-
Thingau sw. von Kaufbeaem. IS. Ebersbach bei Ober-Günzbnrg w.
von Eaufbouern. 18. Oberdorf s. von Eaufbeuem. 14. Rossbaapten
n. von Füssen. Maximilian yerlässt bei Füssen das Reich und betritt
bei Reutte die österreichischen Erblande.
307
L51
6
1516
n
18.
Pottnnoy vnd zum
III.
3-
-6.
Pensen.
Strenngen.'
7-
-S.
Tryenndt.
19.
Lanndegkh.
9.
Tryenndt vnd
20.
Lanndegkh vnd
auf der Mylss.
10.
Nusdorff.
Rofereydt.
21-
-22.
Yrabst.
11.
Auy.
23—24.
Lanndegkli.
12.
Cauayon.'*
25.
Bemneckh vnd
Phundta.»
13.
14.
Muntzabona."
Medulla.'*
26.
Nawder8*vndauf
Maiser haydt*
zum fcderspill.
15-
17.
18.
-16
Kcmedel."
Ramodella.'*
Bratalban."
27.
Churburg.'
19.
VyoroUy Verra-
28.
Latsch'' vnd am
Zoll zu Tyll.'
20.
risch.'*
Cabayon."
29.
Ameron^vndTer-
ren.'
21.
22.
Ludria. *"
Fonntefella.'"
in.
1
(Samstag). Potzen vnd
23.
Carobatz."
BranntzoU.»"
{Ortertag
23./III.)
2.
Sallurnns" vnd
am Nouiss.
24.
25.
Ryuallta."
Lyscad t.**
I
1. Btrengon im Stanzerthal z^rischon Pettnou und Landeck.
Z. Pfands im oberen Innthal sw. von Landeck. 3. Naudors s. von
Pfands im oberen Inntbal. 4. Die Malsor Haido 8. von Nanden.
5, Churburg, Schloss zu Scbludems bei Mals. 6. Laat.acb im oberen
Etscbthal w. von Mcran. 7, WirthahauB am Toller Hattel, der das
Vitttschgan vom Etschthal trennt. 8. Meran im Pllschthal. 9. Tcr-
lan nw. von Bozen. 10. BranzoU und 11. Kalurn, beide .i. von
Bozen. 18. Cavnjon bei Bardolino am BÜdöstlichen Ufer des Garda-
•eca. 13. Monzanibnno r. vom Gardosce, zwiRchcn Pcscbiora und
Valcggio. 14. Medolo sw. von Uonzambano und so. von Carpene-
dnlo. 15. und 16. Remedello di sopra und Romodello di sotta
9W. von Modolo. 17. Pratboino n. d. Mella so. von Verola nnova.
18. Verola uuova oder vecchia zwi.schen Cremona und Brescia.
19. Gabbianu nw. von Verola nuova. 20, Ludriano, nahe am Oglio
sw. von Brescia. 21. Fontanella w. von Ludriano. 22. Coravaggio
an der Strasse von Mailand nach Brnscia w. von Fontanella. 23. Ri-
Tolta a. d. Adda w. von Coravaggio. 24. Liscate bei Mclzo ö. von
20*
308
1516
1516
TTT. 26—28.
Pyontella.^
IV.
27.
NewenmetE vnd 1
29.
Pyschgiera.*
am Nauiss.*«
30.
Busna.'
28—29.
Trienndt.
31.
Pollackh * vnd
Carobatz.
30.
Petzan" vnnd
Arch."
IV. l (Dienstag) — 4. Pann-
V.
l (Donnerstag) —9. Reyff
thoy.«
am Gkrdtsee.''
5.
Costa.«
10.
Reyff am Gardt-
6.
Alburg de Tertz.'
see vnd zu Ka-
7—8.
Louers.*
den.»»
9.
Bree.»
11—22.
Trienndt.
10.
Medulla.»»
23.
Trienndt vnd
11.
Ponteiegno.*'
Wessan.*'
12.
Tormey.'*
24.
sannt Michaeli»*
13 15.
Tertzulass."
vnd Newe-
16.
Tertzulass vnd
marckht.
Chaldess."
25.
Potzen.
17—22.
Tertzulass.
26.
Ameron vnd am
23.
Tertzulass vnd
TerU.»«
Caldess.
27—28.
Latsch.
24.
Gless.»"*
29.
Glurnns."
25-26.
Newenmetz.
30.
Nawders.
1. Pioltello, zwischen Hailand und Melzo ö. von Mailand.
2. Peschiera bei Mailand 8. von Pioltello. 3. Bisnate a. d. Adda ö.
von Peschiera. 4. Falazzo s. von Caravaggio und Treviglio. 6. Poa-
toglio nö. von Caravaggio und n. von Chiari. 6. C!osta di Meszate ö.
von Bergamo und n. von Pontoglio. 7. Borgo di Terzo in Vall Caval-
lina nö. von Trescorre und ö. von Bergamo. 8. Lovere, am Nord-
ende des Iseo-Sees. 9. Breno nö. von Lovere. 10. Edolo n. von
Lovere. Dieses wie jenes im Yal Camonica. 11. Ponte di Legno und
18. Termcnago im Yal di Sole. 13. Terzolas zwischen Mal^ und
Caldes w. von Cles. 14. Caldes mit altem Schloss im Yal di Sole bei
Cles. 15. Cles im Sulzberg n. von Trient. 16. Nave n. von Trient
bei Lavis. 17. Yezzano w. von Trient. 18. Arco n. vom Gardasee.
19. Kiva am Nordende des Gardosees. 80. Cadine w. von Trient.
21. Das früher genannte Yezzano. 88. S. Michele a. d. Etsch n. von
Trient. 83. Terlan zwischen Bozen und Meran. 84. Gloms im
Yintschgau s. von Mals.
309
1516
1516
V. 31.
Phundts.
VI.
30.
Costenntz vnd
VI. 1
[Sonntag). Ryedt' vnd
Pnitz.
VII.
Morsperg.'"
1 (Dienstag). Puechliorn.
2-
-3.
Lynndaw.
Bregenntz.
Bregenntz vnd
StawiFen.
r
Lanndeckli.
Lanndegkh vnd
ZambsB.
4-
6.
-5.
1 ^-
Ymbst.
7.
Sunthofen.»'
■ 5-6.
Magerpach.
8.
Tannhaim.
7-
-10.
Ymbst.
9.
Rewtten.
11.
Nasareytli vnd
Lermüss.
10-
22.
-21.
Fuessen.
Fuessen vnd
12-
-13.
Emnberg an der
klawsen.*
Ernnbergan der
clawsen.'"
■ 14.
Thannhaim.'
23.
Aytterwanng.
15.
Ymestatt' vnd
24—25.
Enmberg an der
i
Rottennstain.*
clawsen.
■ 16.
Slauffen.*
26.
Rewtten vnd in
m ''•
Wanugen."
desHochstetters
■ ^«•
Puecbliom vnd
Tettimnng.'
27.
hmten.
Emnberg an der
- 19.
sine loco."
clawsen vnd
1 20—26.
Costenntz.
Aytterwang.
27-
-28.
Vberlingen.
28.
Lermoss.
29.
Vbcrlingenvndin
der Maynnaw.'
29.
Lermoss vnd
Nasareytli-
1. Ried s. von Pmtz im oberen Inothal. 2. Tannheim an der
Nordgrenze Tirols ö. von Honthot'en. 3. Immenstadt ö. vom Uoden-
»ee. 4. Rotlient'els nw. von Immensfadt. 5. Stauten, zwischen
Bodensec und Immcnxtadt. 6. Wangen nö. vom BodcnBce. 7. Tett-
nang n. vom Bodensce zwi.<!cben Friedrichshafen und Wnngon. 8. Auf
tiruiid eines Briefes Mnximilians an die Kriegaräthe von Triont, 19. Juli,
Constcutz (Innsbrucker Statthaltereiarchiv), kann Constanz als Aufent-
haltsort eingesetzt werden. 0. Mainau auf der gleichnamigen Inael im
Ueberlinger See. 10, Mcrsbuvg zwischen Uebcrlingiui und Friedrichs-
hafen am Bodensec. 11. 8onthofen so. von Immonstadt.
* Maximililin rerlSsst die Osterreichischon Erblande nnd betritt den
R«ichsboden. *> Msximitinn verIXsgt das Reich and betritt die Osterreichi-
scden Erblande.
SlO
1516
1516
VII. 30.
Frewnntshaim
vnd Stambs.
vni.
30.
Lennoss vnd
Aytterwang.
31.
Herttennberg.
31.
Emnberg vnd
Vm. 1 (Freitag). Herttenn-
Reutten.
bergvndinder
IX.
1
(Montag) — 2. Emu-
Pettnaw.»
berg vnd Reut-
2.
Fragenstain vnd
ten.
Kematten.
3.
Fuessen.
3.
Kematten vnd
4.
Kauffpeyren.
Velss * im
5.
Kauffpeyren
Weyrheysl.
vnd Stetten.
4^7.
Ymispruckh.
6—9.
Fuessen.
8.
Feilennberg.
10.
Aytterwanng.
9—10
Fragennstain.
11.
Reutten vnd
11.
Fragnstain vnd
Aytterwanng.
auf dem See-
12.
Fuessen.
feldt.
13.
Fuessen vnd
12—13.
Fragennstain.
Nyderhofen.*
14.
Fragennstain
vnd Telffs.
14.
im closter zu
Staingaden.*
15—16.
Stambs.
15-
-17
Kaufipeyren.
17.
Magerpach.
18.
Myckhausen
18.
Ymbst vnd
Zambss.
vnd Burck-
waldt
19—21.
Zambss.
19-
-30.
Augspurg.
22.
Ymbst.
X.
l(Mitl
woch) — 6. Augs-
23.
Nasareyth vnd
purg.
Lcrmoss.
7.
Augspurg vnd
24—28.
Ernnberg' vnd
öockhingen.
Reutten.
8-
-19
Augspurg.
29.
Reutten, Ernn-
berg vnd Ayt-
20.
Augspurg vnd
Radaw.«
terwanng.
21.
Bobingen.
1 . Siehe 1510, 3.— 4./IX. 3. Vcls w. von Innsbruck. 8. Maxi
miliua vorlUsst die österreichischen Erblande und betritt den Beicha
bodan. ^- Niederhofcn nö. von Füssen. 5. Steingaden n. von Nied«
hofen. *■ ^^^^^ ^- von Göppingen.
m^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^ 311 ^^^H
X516
H
■ !^S. 22. Mennchinpcn viul
XI. 7. Ljnndaw vnd ^^M
ft Hyltatingcn.
Puechhorn. ^^H
^^ 23. Puechlo vrind
8—9. Vberlingen. ^H
^P Wall.
10. Sallmerschweyl- ^^|
^^^ 24. Kawffpeyren.
^H
^^—^ 25. Stetten vnd Ros-
i I . CoBtenntz. ^^^
^^H hopten.
12. Zell am Vnnder- ^H
^^ 26—27. Fuessen' vnd
^^H
B Reutten.
13. Enngen'^vndGus- ^H
■ 28. Reutten.
lingen.^ ^^^
1 29. Reutten vnd Nes-
14. Huftngen.^ ^^H
1 selbnnn^.
15. zu der Newen- ^^|
^^^ 30. Thannliaim vnd
Btat ''vnd Kyrch- ^^|
^^H Hinderlanng.'
^H
^^^ 31. Fluechenstain.^
16. Freyburg. ^^M
■ ^^I. 1 (Samstag). Fluechen-
17. Frey bürg vnd ^^M
■ stain vnd Öunt-
Taxwanng. ^^M
^ lioten.
18. Preysach. ^^M
^^B 2. Fluechenstain vnd
19. Preysach vnd ^^M
^^1 Ymcstat.
Yebshaini." ^^H
^^H 3. Stauffen vnd
20. Berckhaim" vnd ^H
^^H Schaideckh.^
Scherweill.'» ^H
^^H 4 — 5. Bregenntz.
21. Obernncclmen. ^^H
^^H 6. Bregenntz vnd in
22. Neuweylier.'^ ^H
^^H der Aw im clo-
23. YuDgweyUer. ^^M
ster.
24—30. Uagennaw. ^H
1. Maximilian verlässt das Reich und betritt die ö8t«rrcicfai!icheD ^^H
Erblande. Z. Hindclung in Baiern üwiscben Tnnabeim niid Sonthofen. ^^H
8. Fluchenstein ö. von i^oDthulcn. 4. Hcboidcgg w. von Stanfcn und ^^H
n. von Bregenü. Bei letzterem Ort« verltisst Muximiliun die oater- ^^H
rcichischen Erbhindo und botritt dim lleicbsboden. 5. Salmiinnsi- ^^H
Weiler, heute 8alcm am Nordoter des Bodensees. 6. Eugen im Uros.q- ^^|
hensogtbnni Baden w. vom Bodensee. 7. Goisingen nw. von Kngen. ^^|
8. Hntingen w. von Uetsingcn. 9. Xcnstadt ö. von Freibnrg im Breis- ^^H
gan. 10, Kiroh/arten zwischen Freibnrg und Neustadt. 11. Jcbs- ^^H
heim im Elsass n. von Alt-Breisach und Colmor. 18. Bergheim ^^H
nrLschen C'olmar und Schlettstadt. 13. Scherweilcr nw. von Schlett- ^^|
■tadt. 14. Nouweilcr w. von Buchswoilor. ^^H
312
1516
1517
xn. 1
(Montag) — 15. Har
I. 11—12. Mayen.«
gennaw.
13—14. Arweyller.»
16.
Hagennaw vnd
15. Reynnpach."
Werdt.»
16. Zulph."
17.
Werdt hiebey
17—18. Theyem."
Hagennaw.
19. Altennhofen."
18-
-19
Hagennaw.
20—22. Mastricht.
20.
Hagennaw vnd
23. sannt Troyen."
PhafFennhofen.*
24—25. Thynen.«
21.
Jungweyller vnd
26—27. Thyesst" vnd
Puschweyllpr.
GeU."
22.
Yungweiller vnd
28. Toumoudt.
Newburg* im
29—30. Lierr.
closter.
31. MecheU.
23-
-29
Hagennaw.
H. 1 (Sonntag). MecheU vnÄ
30.
Hagennaw vnd
Fulfordt.
Reyahofen.
2—3. Mechell.
31.
Reyshofen vnd
4. MechellvndTyffl.»*
Pytsch.*
5—8. AnndtorfF.
1517
9. AnndtofiF (sie!) vnd.
I. 1
(Donnerstag). Pytsch.
Berschgadt.
2.
Zwapruckh.^
10. Lyerr.
3—4.
Ottweyller.«
11. Mechell.
5.
Gryemberg.
12. MecheU vnd Ful-
6-
-8.
Trierr.
fordt.
9.
Wettlich.
13—18. PrusseU.
10.
Kaysersesch.'
19—20. Hall in Honigaw.
1. Wörth n. von Uagenan. 2. Pfaffenhofen w. von Hagenan.
8. Weilor Neaborg a. d. Moder w. von Hagenan nnd nw. von Freibnii;.
4. Bit8ch im nördliobston Elsass nw. von Uagenan. 5. Zweibriioken
in der bairischon Pfalz n. von Bitsch. 6. Ottwoilcr in der Bhein-
provinz nw. von Zweibrückon. 7. Kaisorsech n. von Kochern a. d.
Mosel. 8. Mayen w. von Coblonz. 9. Ahrweiler a. d. Ahr n. von
Mayen. 10. Bheinbach sw. von Bonn. 11. Zülpich nw. von Bhein*
bach. 12. Düren zwischen Aachen und Köln. 13. Aldcnhofen bei
Jülich. Maximilian verlässt das Beich und betritt die Niederlande.
14. St. Trouydcn (St. Trend) nw. von Lüttich. 15. Tienen (Tirlemont)
w. vom vorigen Orte. 16. Diest n. von Tienen. 17. Gheel zwischen
Diest und Tnmhont, n. von ersterom. 18. Düffel n. von Mooheln.
813
1.517
1517
U.
21-
-22.
Prussell.
III.
17-
-18.
Allsst.
>
23.
Prussel vnd Fiü-
fordt.
19-
21.
-20.
Termondt.
Fulfordt.
24-
-26.
MecheU.
22.
Fulfordt vnd im
27.
Lierr vnd Kunt-
tickhen.*
closter zu Aimer
(Aiuier)."*
28.
Anndtorff.
23.
Posfordt" vnd
m
1
[Sonntag). Anndtorff.
Fultordt.
2.
Mechcll,
24.
Meclietl vnnd
3.
zu der Fewer vnd
Lyerr.
m
Gruenntall.'
25-
-29.
Anndtorff.
F
4.
zu der Fewer.
30.
Anndtorff vnd
5.
Fdfordt.
Ymerssell."
b
6.
Mechell.
31.
Furstlers.
■'
7.
Lyerr vnd Fürst
IV.
1
(Mittwoch) — 2. Tur-
P
lers.'
nout vnd Gyerl-
8-
-11.
Anndtorff.
le."
12.
Anndtorff und
Schwüideckh.'*
3.
Tournoudt vnd
Barlle '* im dorff.
13.
Beuerss.*
4.
Predaw '* vnd
U.
Hülset " vnd
Hochstrass.'^
^
Kembseckh.'
5-
-6.
Bredaw.
1
15.
saunt Niclass ' vnd
Wasmunster.'
7.
Altennpuach "
vnd im dorff
■
16.
Termondt.
Lewren.'*
--^
I. Contich zwischen Licr und Antwerpen. 8. Groenendael s.
'Von Brüssel. 3. Viersei nö. von Lierre, zwischen Antwerpen und
^vrcnthals. 4. Zwyndreeht w. von Antwerpen. 5. Beveren w. von
Antwerpen. 6. Hülst nw. von Antwcrj)en. 7. Kemsekc s. von
Hulsl und n. von ^it. Nicolas. 8. St. Nicohis w. von Antwerpen.
9. Waesmnnster s. von St. Nicolas. 10. Offenbar hat die Vorlage
Aiaier vorzoichnct. aus dem der Copist Aimer machte. Ay wieres (Aivier),
eine 1796 zerstörte Abtei nahe bei Muransart, liegt in der Mitte
zwischen Nivelles and Wavre s. von Boitsfortin Brabaut. 11. Boitsfort
(.Boschvoordo) sw. von Brüssel und nahe dem nö. gelegenen Tervucren.
IS. Immvnieel ö. von .Antwerpen. 13. tiicrle a. von Turnhout.
14. Baarlu im huilandischen Nordbrabont. 15. Breda in den Nicdor-
landcn. 16. Uoogstraeten in Belgien s. von Üroda. 17. Oudenbosch
w. von Breda. 18. Leur zwischen Oudenbosch und Breda.
^M 1517 ^
1517 ^^I^^^H
^1 IV. 8—13. Bredaw.
V. 7. Toll im Seelandt^l
^H (Oiterta^ l'i./rV.)
8. Pergen am Sam \nm.i
^^^^^ 14. Hochstrass vnd im
zu Rosenntall.'
^^^B dorff Osstmall'
9. AltenpuBch vnd
^^^^1
Lowem.'
^^^^^ Lyerr.
10. Predaw.
^^^^H 16. MecbelvndLyerr.
11. Osterhout' im slosiS
^^^H AnndtorfT.
za Lann'** vnd su
^^^H 18. Anndtorif vnd
Gyerlle. j
^^^^^1 Berscbgadt.
12. BarUe. 1
^^^B 19—20. Lyerr.
13. Tumoudt, Gyerllöi
^^^H Anndorff.
vnd Furstlers. i
^^^^^B 22. Anndtorff vnd im
14. Lyerr. 1
^^^^H dorff Schwind-
15—16. MecheU.
^^^^V
17. TyffI \Tid Kant-
^^^H 23—24. Anndtorff.
tickh.
^^^H 2Ö. Sanntfluctt.
18. Berscbgadt J
19. Anndtorff.
^^^^H 26 — 28. Pergen am
^^^^H
20. im bIössI bey Wal.-
^^^^H 29. PergeuamSanndt
lam.» '
21. MocbeU. ,
^^^^H vnd im dorf zu
^^H
22 25. TyffeU.
^^^^^P 30. Altennpusch vnä
26. Lyerr vnd Furstl»-
^^^^^ Styenpergcn.''
27. Hen-nt^iU'» vnd
^^^B V. 1 (Freitag) —5. Tool im
Wosterllo."
^^^H
28. Arsehgadt vnd
Binckhaim.'*
^^^1 6. ThoU im Seelnndt
^^^^H Marttes-
29. Thynnai^vndTyr-
^^P
man."'
^^H 1. Ostmalle bw. von Tnrnhout
S. Offenbar da» früher genannte
^^m Zwyndrocht. 3. VVoiiw nö. von I
Jergen op Zoom. 4. Steenbergen
^^m B. von Bergen op Zoom. 5. Tholc
•n nw. von Bergen op Zoom auf der
^H Scheldeinscl Tholon. 6. St. Maart
cnsdyk w. von Tholen. 7. Bozen-
^^H daal nö. von Bergen op Zoom. 8, 1.(
jwcren in Nordbrabant. 9, Ooster-
^^H hout n. von Breda. 10. LoonopZ
nnd n. von Tilburg. 11. Waolhero '
^^H n. von Mecheln und rw. von Düffel.
18. Uerc'uthals s. von Tnrnhout.
^^H 18. Wosterloo so. von Hcrenthols.
14. Binkom ö. von Löwen nnd
^^H iiw. vonTirlemont. 15. Tienen(T
rlemont) so. von Löwen. 16. Dor-
^^^^^ macl auf der Strojso von Tirlemont a
aoh St. Trond, w. von dem lotzMron. ■
i
315
VI.
30.
sannt Troyen vnd
Gottcrshaim.*
31.
Mastricht.
l(Mot
itag). Mastricht vnd
Gulpa.»
m2.
Ach ^ und in uinem
f
slossn.
3.
Theyren.*
4.
Lechnich.*
5—6.
Chölln.
7.
Pundt.«
8.
Anndernach.'
9—11.
Lannstain.*
12.
Lannstain , Nas-
stetten" vnd laim-
B
gen Schwab-
P
lach.'»
13.
Wyspaden vnd in
aincm stadl ge-
nannt HöcliBt."
14—20.
Frannckhibrdt.
21.
Francklifordtvtid
Seilingstatt.'*
22.
Asehoffcnnburg
1517
VI. 23.
24.
25.
vnd Ober-
inarckht."
Myltennberg vnd
zu Khulsam."*
Bischoffshaim '*
vnd Merget-
haim.'*'
Weyckhershaim '^
vnd Schwartzen-
prunn.'*
26 — 28. Rottennburg an
der Thauber."
29. Rotteniiburg an
derThaubervnd
Waldhawscn.**'
30. Tunckhels-
puchel*' vnd
Frembdingen.**
VII. I (Mittwoch). Nördlingen
vnd Mager-
pam.*^
2. Werdt.
3. Werdt vnd Wert-
ungen.
t Köln.
1. Cortesscm nw. von St. Trond und s. von Haaselt. 2. Gulpcn
0. Ton Maastricht. Maximilian verlüsst die Niederlande und botritt
(len Reichsboden. 3. Aachen. 4. Duron. 5. Lechenich sw. von
Köln. 0, Bonn s. von Köln. 7. Andt-rnoch am Rhein nw. von Cob-
8. Lahnstein in der Nähe von Coblenz. 9. Nastiitlen s. von
10. Langenschwalbach bei Wiesbaden. H. Höchst w. von
Fitnkfnrt a. M. 12. Seligenstadt ö. von Frankfurt a. M. 13, Obern-
Sf a. Rh- n. von Miltenberg. 14. Külsheim. 15. Tiinberbinehofsheim
von Würzburg. 16. Mcrgontheim s. vom vorigen, 17. Wciekors-
tan nahe bei Morgcnthcim. 18. Schwarzbronn nw. von Rothonburg
li. Timber. 19. Rothenburg a. d. Tauber so. von Morgenthoim.
Waldhauseu nw. von Fcuchtwang. 21. üinkclsbühl sw. von Ans-
ih. "iZ. Frumdingen s. von Üinkclsbühl. 33. Magerbein (über-
id Unter-) an der Strasse zwischen Deggingen und Bissingen, s. von
AönlUngen and nw. von Donauwörth.
316
1617
1617
vn. 4.
KjUenntall bey
WeatendorflF.'
vin. 17.
A jchach ' vnA
Gerspach.'
6—9.
Augspurg.
18.
Phaffennhofen ^
10.
Augspurg vnd
Lechausen.*
vnd Eunigs-
feldt.8
11.
Augspurg.
19.
Gteysennfeldt*
12.
Augspurg vnd
Gockhingen.
vnd Meni-
ching.**
13.
Bobingen vnd
20—22.
Ynnglstadt."
wider zu Augs-
23.
Khelhaim."
purg.
24.
Regennspurg. **
14—23
Augspurg.
25.
Strawbing.**
24.
Augspurg, sannt
Eadigundt '
26.
Passaw vnd
Ennglhartzell.»'
vnd Wellenn-
27.
Lynntz.
berg.
28.
Lynntz vnd
25.
Augspurg.
Ebersperg.
26.
Augspurg vnd
Dyenndorff.*
29.
Lynntz vndNe^^'
sachsennburg.
27-
-31
Augspurg.
30-
-31
Newsachsenn-
VIII. 1 (
^Samstag) — 5. Augs-
burg.
purg.
IX. 1
(Di
enstag). New-
6-
-7.
Bobingen vnd
Gockhingen.
saxennburg
vnd Ebersperg.
8-
-15
Augspurg.
2.
Enns.
16.
Augspurg vnd
Frydtperg.
3.
Greynn" vnd
Persennpeug.
1. Eüllenthal bei Westendorf n. von Biberaoh zwischen Mertingen
und Angsburg. 2. Lecbhausen n. hart an Augsburg. 8. and 4. bei
Augsburg. 5. Aichach nö. von Augsburg. 6. Gerolsbach ö. von
Aichach nahe bei Pfaffenhofen. 7. Pfaffenhofen nw. von Freising
a. d. Isar. 8. Königsfeld bei Wollnzach n. von Pfaffenhofen. 9. GM-
senfeld bei Eeichertshofen n. von Eönigsfeld. 10. Manching a. d. Paar
nw. von Geisenfold and n. von Keichort-shofen. 11. Ingolstadt a. D.
sw. von Regensbnrg. 12. Kelheim a. D. zwischen Ingolstadt und
Begensburg. 13. Hegensburg a. D. 14. Straubing so. von Begensbni^.
15. Engelbartszell a. D. ö. von Passau. Maximilian verlässt das Reich und
betritt die österreichischen Erblande. 16. Orein a. D. ö. von Enna.
317
1517
151^
ß. 4-6.
Persennpeug.
XI.
5-
-7.
Wienn.
6.
Persennpeug vnd
Krenibs.
8.
Wienn vnd Lach
im dorff.'
7—9.
Krembs.
9-
-10.
Paden.
10.
Wienn.
11.
Enntzisfeldt.
11.
Hackhingen.
12-
-20.
zu derNewenstatt
12.
Lachsennburg
21.
Paden.
vnd Hymberg.'
22.
Medling vnd
13.
Lachsennburg.
Heyllingstatt.*
14.
Enntzisfeldt.»
23.
Closteniewbiirg.
15—21.
zu der Newenstat.
24-
-25.
Tullnn.
22—23.
Laxennburg.
26.
Tuiln vnd lann-
24—30.
zuPadenimpadt.'
gen Mamers-
X. 1 (Donnerstag) — 11. Pa-
torff.»
den.
27.
sannt Polten.**
12.
Enntzisfeldt.
28-
-29.
Melckh."
13—17.
zu der Newenstat.
30.
Zum Newen-
1&— 20.
Paden.
marckhtea "
21.
Paden vnd Qunt-
vnd Ypps.
tersdorff.*
XII.
1
(Dienstag). Perseno-
22.
Laxennburg.
peug.
23—29.
Wienn.
2.
Persennpeug vnd
. 30.
Wienn vnd Clo-
im Struden."
1
sternwburg.*
3.
Pawmgartten-
31.
Wienn.
perg im closter.
XI. 1 (Sonntag) — 2. Wienn.
4.
Ejins, sannt Flo-
3—4.
Wienn vnd Ebers-
dorff."
rian vnd Ebers-
perg.
1. Himberg 8. von Wien nnd nö. von Laxenbnrg. 2. Enzes-
feld bei Lcobcrsdorf n. von Wioner-Nou.stadt. 3. Baden s. von Wien
und sw. von Laxenbnrg. 4. Onnlrarocdort' nahe bei Laxcnburg.
5. Klostcmeubarg a. 1). nw. von Wien. 6. Kaiser- Fibersdorf bei Wien.
7. Entweder Loab bei Bri'itcnfurlb aw. von Witn oder Ober- und Untcr-
Laa am Liesingbach s. von Wien. 8, Heiilgenstadt, Vorort n. von
Wien. 9. Manuersdorf an der Strasse von TuUu nach S(. Polten, nö.
von letzterer Stadt. 10, St. Polten w. von Wien, 11. Molk a, D. w.
von St. Polten. 12. N^eumorkt, hart an Blindenmarkt ö. von Amstetten.
13. Stniden a, ü, bei ürein.
818
1617
1518
xn.
5—9.
Lynntz.
vnd Menixter
10.
Lynntz vnd
fingen.*
Ebersperg.
I. 14.
Mattigkhofen
11.
Enns vnd Nea-
Mawerkirchei
saxennbarg.
15—19.
Brawnaw.
12.
WeUa.
20.
Burckhawsen.
13.
Wells vndMarch-
trennckh.
21.
Burckhawsm
Ottingen.
14-31
. Lynntz.
22.
Muldorff,«
1518
Schwindtkird
I.
1 (Freitag) — 3. Lynntz.
23.
Dorffen' vnd
4.
Lynntz vnd New-
dingen.'
saxennburg.
24.
iVeyning' vn
5—7.
Wells.
Camerbei^.*
8.
Wells vndMarch-
trennckh.
25.
Ynnderstorff*
Maltzhawsen.
9.
Wells.
26—31
Augspurg.
10.
Lambach vnd
n. 1 (Montag) — 25. A
Puecbhaim.
purg.
11.
Veckhlaprnckh.
26.
Aogspiu^ vn<
12.
Veckhlapruckh
GhMjkhingen.
vnd Frann-
27.
Bobingen vnd
ckhenmarckht.
Mennchingen.
13.
Straswalchen
28.
WaU»»vnndZ«
1. Hnnderfing g. von Mattighofen. 2. Mauerkirchen n.
Mattighofen. Maximilian verlässt die österreichischen Erblande
botritt boi Bratinaa den Beichsboden. 3. Mühldorf w. von 1
Oettingcn. 4. Schwindkircb ö. von Dorfen. 5. Dorfon s. von La
hut -und w. von Mühldorf. 6. Erding so. von Freising. 7. Frei
a. d. laar n. von München. 8. Eammerberg nö. von Freising. 9. Im
dorf nnd Kloster Indersdorf n. von Dachau nnd w. von Eammerl
10. Malzhansen, Hof ö. von Friedberg bei Augsburg. 11. Siehe II
26./IV. 12. Siehe 1510, lO./VI.
Archiv
fllr
österreichische Geschichte.
Herausgegeben
ni Pfl^e raterländischer Geschichte aufgestellten Cominission
der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Siebenundachtzigster Band.
Zweite Hälfte.
Wien, 1899.
In Commisnion bei Carl Gcrold'a Sohn
BochUsdlcr dar kaU. Akadanf« dar WimaaMhaRaB.
Archiv
für
Österreichische Geschichte.
Herausgegeben
Ton der
zur Pflege vaterländischer Geschichte aufgestellten Conunission
der
kaiserllchoii Akademie der Wlstteiischafteii.
Siebenundachtzigster Band.
Wien, 1899.
In Commission bei Carl Gerold's Sohn
Boclihtiidlvr d«r luii. Akftdemi« d«r WiuMitebftflm.
Druck ron Adolf RolihBOMO,
k. «ad k. Hof- and UiilT«niat**B«ehdrac|wr in Wl«o.
Inhalt des slebennndaehtzigsten Bandes.
Seite
*^« Kirnten-Krainer Frage und die Territorialpolitik der ersten Habs-
baiger in Oesteireich. Von Dr. Alfons Dopsch 1
^>e Organisatiun des evangelischen Kirchenwesens im Erzherzogthnm
Oesteireich n. d. Ems Ton der Ertbeilung der Keligions-Conceasion
bis zu Kaiser Maximilians IL Tode (1668—1676). Von Dr. Victor
Bibl 113
»inerarinm Haximiliani I. 1608 — 1618. Mit einleitenden Bemerkungen
über das Kanzlei wesen Maximilians I. Heraasgegeben von Victor
V. Krau» 229
Der bairisch-franzOsische Einfall in Ober- and Nieder-Oesterreich (1741)
und die Stände der Erzherzogthttmer. I. Theil : Karl Albrecbt und
die Franzosen in Ober-Oesteneich. Von Dr. J. Schwerdfeger 319
Beiträge zur Geschichte der kaiserlichen HofSmter. Von Ferd. Mendfk 447
Ein VorlSofer des ältesten Urbars von Kremsmttnster. Von Konrad
Schiffmann .... 665
DER
BAIRISCfl-FRANZÖSISCHE EINFALL
IN
5ER- UND NIEDER-ÖSTERREICH
(1741)
UND DIE STÄNDE DER ERZHERZOGTHÜMER.
I. THEIL:
iRL ALBRECHT UND DIE FRANZOSEN IN OBER-ÖSTERREICE
TON
D« J. SCHWERDFEGER.
AicUt. UUXTII. Bd. II. Hiina 21
Vorwort.
Uer erste Theil nachstehender Arbeit stützt sich der
Hanptsftche nach auf jene Actenstticke des k. u. k. Haiis-,
, Hof- und Staatsarchivs in Wien, die unter der Bezeichnung
'»Am der Kanzlei der Verordneten des Erzherzogthums
*^>esterreich ob der Enns' die Fascikel 342 und 343 der
Kriegsacten desselben bilden. Sie enthalten in fast lückenloser
Reihenfolge die Eingaben der Landschaft an die Regierung
*eit dem Frühjahre 1741, die Originalrescripte Maria Theresias
*n die Verordneten, die Kundgebungen dos KurfUrsten Karl Al-
urecht an die oberösterreicbischen Stände, endlich eine Fülle
'^on Stücken, die sich auf die Huldigung am 2. October 1741
'•nd die bairische Administi'ation bis Deccmber 1741 beziehen.
Wie jener Theil der oberösterrcichischen Verordneten-
»anzlei nach Wien kam, erhellt aus einer Stelle des Schreibens
Maria Theresias an den Grafen Khcvenhiller, den Wieder-
eroberer Ober-Oesterreichs, vom 21. Jänner 1742 (bei Arneth,
Maria Theresia 11, 462, Anm. 28): , Weiters hast Du allen Fleiss
•orgftiltig anzuwenden, damit Du alle die dem Feind ohnver-
»ntwortlich geleiste Huldigung betreffende Acten und Schriften
*'i Deinen Händen bringest.'
E^ lag darum die Vermuthung nahe, dass im Linzer
I^iidesarchiv nichts Erhebliches in Bezug auf das Jahr 1741
vorliege, eine Vermuthung, die durch freundliche Zuschrift des
"«rrn Landesarchivars Dr. Krakowizor bestätigt wurde.
Da auch die sogenannte Peter'sche Sammlung des k. u. k.
■"*U8-, Hof- und Staatsarchivs durch die Abtheilung ,Aus dem
{Archive der Stadt Enns 1716—1742' werthvolle Ergänzungen
8«b, ebenso das niederösterreicliische Landesarehiv, so glaubt
.^cr Verfasser, eine im Allgemeinen actcnmässig sicherstehende,
322
wenn auch keineswegs alle Details erschöpfende Dantellong-
der Ereignisse von 1741, soweit die oberOsterreichischen Stände^
dabei betheiligt waren, geben zu kOnnen. Es ergibt sich au»-
derselben allerdings die Irrigkeit der Ansicht, die St&nde hätten,
dem KurfUrsten die Huldigung angetragen, und manches Crasse^
das Über dieses Geschehniss verbreitet ist, erscheint im milderen
Lichte; dennoch aber zeigt sich bei dieser Gelegenheit dio
ganze Trostlosigkeit auch der inneren Verhältnisse beim Regie-
rungsantritte Maria Theresias in greller Färbung. Um so grOsser
muss die Bewunderung vor der hohen Frau sein, die aus
diesen Zuständen heraus ihren achtunggebietenden Staat scha£
Das Thema im Allgemeinen, den Zug Eari Albrechts bii
in die Nähe Wiens in seiner Einwirkung auf die zonftdut
betroffenen Länder Ober- und Nieder^Oesterreich zu behandeln,
war für den Verfasser als gebornen Nieder-Oesterreicher von
hohem Reiz.
Für die ihm bei dieser seiner Arbeit in reichem Haan
zu Theil gewordene Förderung bittet er die Direction des
k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchivs seinen ergebensten
Dank entgegenzunehmen, wie es ihm auch eine angenehme
Pflicht ist, der Herren Haus-, Hof- und Staatsarchivare Johann
Paukert und Franz Baron Nadhemj, der Herren Archive-
concipisten Dr. Joh. v. Voltelini und Dr. Tankred Stokka, so-
wie der Herren: Landesarchivar Dr. Anton Mayer, Custos Dr.
M. Vancsa und Universitätsdocent Dr. Heinrich Kretschmajr
mit geziemendem Danke zu gedenken.
Troppau, 6. Jänner 1899.
Dr. J. Schwerdfl^.
In der Nacht vom 19. auf den 20. October 1740 verschied
in seinem Schlosse Favorita, dem lieutigcn Theresianum in Wien,
Kaiser Karl VI. ohne männliche Nachkommen, und gemäss der
wn ihm zu einem Gesetze von europaischer Giltigkeit erhobenen
tagmatischen Sanction folgte seine älteste Tochter Maria
Iheresia.
Kurze Zeit nachher erschien jedoch sowohl bei den Con-
hrenzministern als bei den fremden Botschaftern der bairische
gesandte Graf Perousa, um im Namen seines Herrn, des Kur-
Irsten Karl Albrecht, zu erklären, der Münchner Hof verweigere
|e Anerkennung Maria Theresias als Gesammterbin der öster-
eichischen Länder. Zugleich verlangte er Einblick in das Te-
Iftment Ferdinands I. vom 1. Juni 1543 und das Codicill zu
temselben vom 4. Febniar 1547. Nach seiner Behauptung habe
uimlich Ferdinand I. in Testament und Codicill verfügt, dass
fkch dem Aussterben der männlichen Linie des Hauses Oester-
eich das Recht der Erbfolge übergehen sollte auf seine Töchter,
ind zwar zuerst auf die mit dem bairischen Herzog Albrecht V.
rermählte älteste Tochter Anna. Der Fall sei eingetreten, und
lamm erhebe Karl Albrecht als Nachkomme Annas und AI-
Vecbts V. seine Erbansprücho.
War es schon dem natürlichen Rechtsgefllhl keineswegs
inileuchtend, dass die Tochter des letzten Besitzers zurücktreten
lolle gegenüber der Desccndenz einer vor zwei Jahrhunderten
in einen auswärtigen Fürsten verheirateten Tochter eines frü-
leren Besitzers, so zeigte vollends die Prüfiang des Original-
estaments die Hinftlligkeit der bairischen Ansprüche. Am 3.
ind 4. November 1740 legte der oberste Hofkanzler Graf
^nzendorff das in drei gleichlautenden Exemplaren ausgefer-
igte Originale den Vertretern der fremden Mächte und speciell
lern Grafen Perousa vor, ein Schritt, der schon bei Lebzeiten
324
Karls VI. gegenüber den Ansprüchen des Kurftlrsten hfttte
geschehen sollen. Im Testament, respective im Codicill hiess es
nämlich blos, dass nach dem Aussterben der ehelichen Nach-
kommen Ferdinands die älteste Tochter desselben, jene an den
bairischen Herzog Albrecht V. verheiratete Anna folgen sollte.
Dieser Fall war aber gar nicht eingetreten, vielmehr blühte
Ferdinands I. und seiner Söhne eheliche Descendenz vor Alleoi
in der Tochter Karls VI., Maria Theresia, die noch dazu darch
die allseits (auch von Baiern) anerkannte pragmatische Sanction
zur Thronfolge berufen war. Es wurde dem bairischen Ge-
sandton gestattet, das Testament durch bairiscbe Beamte auf
das Genaueste copiren zu lassen und die Copien mit dem Ori-
ginale zu vergleichen (vom 8. — 14. November) — nirgends fand
sich die Spur eines Widerspruches oder einer Fälschung. Am
17. November erschien Perousa selbst noch einmal im Biblio-
thekszimmer SinzendorflTs, wo die Pergamente lagen, und unter-
suchte sie nochmals in Gegenwart des kaiserlichen Käthes
Schneller, jbesahe die Schrift a facie et a tergo, nahm sie ger«d
und Uberzwcrk, ander sich und über sich, hielte das Blatt,
wo Eheliche Leibeserben befindlich, gegen das Taglicht, auf
das allergenauest, zweifelsohne umb nur mit aller augensch&rffc
zu ergründen, ob ja nicht etwas irgendwo radiert sein möchte'
— umsonst, unverrüikbar fest standen die Worte Ferdinands
im Codicill, die da lauten: ,Und nachdem wir in vilbenanntem
unserm Testament gesetzt und geordnet haben, Wo alle unsere
geliebte Soue one Eeliche leibs Erben (das Gott gnedighch
verhuetten welle) abgiengen. Das alsdann aus unsern Töchtern
aine unsere Kunigreich Hungern und Behaim mit sampt dc^
selbigen anhengigen Landen als Rechte Erbin innhaben und
besitzen soll' etc. ' Zwei Tage später verliess Graf Perousa
Wien, trotz seiner entschiedenen diplomatischen Niederlage im
Auftrage seines Hofes den eingangs erwähnten Protest er-
neuernd.
Es begann nun vorerst ein Federkrieg zwischen MUnchou
and Wien. Die bairischen Juristen stellten die gewagte Behaup-
' Hierüber Heigel, Der nsterreichische Erbfolgestreit und die KAiMm8.hl
Karls Vn., NOrdlingou 1877, S. 28—32 und 322, Anm. 69; Ameth, Mwi»
Thereeia I, 8. 96 und 97. — Heigel hat zuerst wieder nach 130 Jahren
diese im k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv befindlichen Urkunden
tintersucht und ihre völlige Echtheit und Unvonebrtheit bestiltigt.
326
tnng auf, anter eheliche Nachkoniinen habe Ferdinand nur die
männlichen verstanden wissen wollen, gaben aber bald ihre
unhaltbare Position fast ganz auf und beriefen sich zur Ver-
tfaeidigung der angeblichen Rechte ihres Kurfürsten auf die
Ehepacten Albrechts V. und Annas. Der mit Recht erbitterte
Wiener Hof warf wieder dem Kurfürsten vor, er habe sich
durch eine gefälschte Testamentsabschrift — man nannte sogar
den Namen des Fälschers — hinters Licht fUhren lassen.
Auch wies man treffend auf das älteste österreichische Grund-
gesetz, das Privilegium Kaiser Friedrichs I. von 1156 hin, in
dem Überhaupt nur von einem Erbrecht der ältesten Tochter
(filia maior) des letzten Besitzers, nicht von dem der Tochter
eines früheren Besitzers oder Acquirenten die Rede war.*
Auffallen muss es nun, dass trotz dieser gleich beim Ab-
leben Karls VI. hervortretenden offen feindseligen Gesinnung
des bairischen Kurfürsten und seiner Drohungen, zu den Waffen
EU greifen, österreichischerseits nichts geschah, um das im Falle
einer kriegerischen Action zunächst geftlhrdete Ober-Oesterreich
KU schützen, dass erst im März 1741 Schritte in dieser Hin-
sicht gethan wurden, und zwar auch nicht umfassend und
energisch. Der Grund hiezu ist in dem Umstände zu suchen,
dass der Prätendent trotz des publicistischen Lärms, den seine
Ansprüche hervorriefen, seiner thatsächlichen Machtstellung
nach nicht sonderlich gcfUhrlich war, solange ihn nicht eine
europäische Grossmacht stützte.*
Wenn sich auch die kaiserliche Armee beim Tode Karls VI.
in einem recht betrübenden Zustande befand, so wäre sie doch
noch immer trotz des preussischen Einfalls in Schlesien der
Macht Karl Albrechts an und fiir sich gewachsen gewesen.
12.600 Mann Infanterie und 3500 Reiter, das war das ganze
reguläre Militär des KurfUrsten. Und selbst diese kleine Macht
konnte nur mit schier unerschwinglichen Opfern seitens der
Landschaft auf die Beine gebracht werden. Damit konnte Karl
> Die Druckschrifton die«ea Federkrieges füllen den Faso. 381 der Kriegs-
•cten de« k. u. k. Haiu-, Hof- und Stsatuirchivs.
* leb kann mich hierin nicht der Ansicht Heigel's Q. c, 8. 7) aiuchlieraen,
welcher sagt (von den Franiosen, dem sp&teren Bundesgenossen Karl
Albrechts wird an dieser Stelle nocb abgesehen): .Alles in Allem schien
die Wage xwischen Habsburg ood Witteisbach liemlicb gleich in
Albrecht weder seine Ansprttche auf Oesterreich, noch soine
Plftnc auf Erwerbung der Krone Karls des Grossen durchsetzen.
Auch die — weitaus nicht erreichte — Vollstärke des bairi-
schen Heeres betrag nur 21.000 Mann regulärer Miliz und
9000 Mann .Landfahn*. Unter den 6000 Mann .Landfahn', die
thatsHchlich aufgeboten werden konnten, waren wieder nur die
des Gebirges und des Bairischen Waldes , durch Patriotismus
und Rauflust ausgezeichnet'.' Verlangte doch der Kurfürst selbst
am 23. November 1740 von Frankreich eine Million Gulden,
um seine Armee, wenigstens auf 17.000 Mann bringen zu können,
während ihm der leitende französische Staatsmann Cardinal
Fleury ,vorlftufig' nur 400.000 fl. bewilligte.»
Die bairische Infanterie war ,niittelmäa8ig geUbt, schlecht
gekleidet und ausgerüstet', die besten Truppen waren im un-
glücklichen Türkenkrieg 1738/39 zu Grunde gerichtet worden,
,die Cohäsion war gering, die Disciplin mangelhaft'.' — Nicht
besser stand es mit der Führung. Zwar zählte die kleine Armee
nicht weniger als einen Feldmarschall (Törring), 5 General-
heutenants, 3 Generahvachtmeister 2 Brigadiers der C'avallerie,
4 der Infanterie,* aber das Urtheil über diese zahlreiche Gene-
ralitilt klingt vernichtend, nämlich: ,So schleppte man in den
Reihen des höheren P^Uhrerpersonals einen Wust von Italienern
und Franzosen, ab und zu mit nicht bairischon Deutschen, aber
verhältnissmässig wenig mit Baiem gemischt nach sich, die-
meisten Zierden des Hofes, aber nicht der Armee.'*
Auch die Person des Prätendenten war nicht darnach
angethan. das Missverhältniss zwischen dem Wagniss und den
Mitteln, mit denen es unternommen wurde, wettzumachen.
Zwar hat Ileigel überzeugend nachgewiesen, dass der Charakter
Karl Albrechts keineswegs jenem Zerrbilde entspricht, das
Schlosser von ihm entworfen hat. Wenn auch — wie im Fol- •
gendeu sich ergeben wird — häutig durch die steife Grandezza
Ueber die StreitkrSfte Karl Albrechts vgl. den trefflichen Aufiwts dea*
Qntfen Ermimus Oeroy, k. bair. li^or k la snite: .Beitrüge xar Geschiebte
des Osterrpichisclien Erbfolgekrieges' in den VerbAndlungen dos histori-
schen Vereines für Niederbaiem XX, 1878; Obiges, 8. 418.
Heigel, 1. c. 74.
Deroy, L c. 417.
Heigel, l o. 166.
Deroy, I. o, 419.
A
327
die im Geschmacke der Zeit war, bei Karl Albrecht Leiit-
■eligkeit und Humanität durchschimmerten, den Vergleich hKlt
er weder mit seiner grossen Gegnerin Maria Theresia, noch mit
seinem Bundesgenossen Friedrich II. von Preussen aus. Nament-
lich zum Eroberer fehlten ihm alle jene Eigenschaften, die
guten wie die schlimmen, über die sein glücklicherer AUiirter,
der preussische Künig, in so reichem Masse verfügte. Das Feld-
hermtalent Max Emanuels war nicht auf den Sohn überge-
gangen, wenn es auch Karl Albrecht an persönlicher Bravour
nicht fehlte, wohl aber dessen Vorliebe f\lr prächtigen Hoflialt
und die unselige, von den Traditionen des Ahnherrn Maximilian
so ganz verschiedene Hinneigung zu Frankreich, die schon den
Vater im spanischen Erbfolgekriege am Land und Leute ge-
bracht hatte.
War es bei der gewaltigen Gegnerin Karl Albrechts,
Maria Theresia, die durch nichts zu erschütternde Festigkeit
in der Vertheidigiing ihres guten Rechtes, die sie aus einem
erbitterten, achtjährigen Kriege als eigentliche Siegerin hervor-
gehen liess, so war es bei dem Kurfürsten ein ebenso durch
nichts zu erschütternder Wahn von der Rechtmässigkeit seiner
Ansprüche auf Oesterrcich, der ihn, sein Haus und sein unglück-
liches Land in das grösste Elend bringen sollte.
Karl Albrecht konnte erst von dem Augenblicke an ein
l^efiihrlicher Gegner werden, in dem sich das Haus Jiourbon
seiner bediente. Von der Haltung Frankreichs hing es daher
zunächst ab, ob man sich eines Angritfes auf Ober-Oesterreich
oder Böhmen werde versehen können. Und diese schien sich
nach einigen Schwankungen zu einer beruhigenden zu gestalten.
Schon 1737 anlässlich einer Sendung Törring's nach Versailles
hatten es die französischen Diplomaten für wenig logisch und
natürlich gefunden, dass die Tochter des letzten Besitzers dem
Nachkommen einer Seitenlinie nachstehen sollte.* — Cardinal
Fleury zögerte freilich anfangs recht bedenklich, bis das
Schreiben Maria Theresias, in welchem sie Ludwig XV. den
Tod ihres Vaters und ihren eigenen Regierungsantritt anzeigte,
mit der gewünschten Titulatur , Königin' beantwortet wurde,
trotz der wahrhaft ungeheuren Opfer des verstorbenen Kaisers
and seines Schwiegersohnes Franz von Lothringen im polnischen
' Heigel, Der Osterreirhischo Erbfolgekrieg, 8. 19.
328
Erbfolgekriegc flir die Anerkennung der pragmatischen Sanction
durch die französische wie spanische Linie des Hauses Bourbon.
Als der österreichische Gesandte in Paris Fürst Liechtenstein
dem eben mit dem Minister Amelot arbeitenden Staatsmanne
das Schreiben seiner Herrin an Ludwig XV. mit der Aufschrift:
,Serenis8imo et Potcntissimo Regi' überreichte mit der Bemer-
kung, der König werde wohl Maria Theresia den gleichen
Titel geben, sahen sich Fleury und Amelot fragend an, und
der Cardinal erwiderte langsam, es liege hier ein neuer Fall
vor, er müsse erst in den Archiven nachsehen lassen.' ,Ich
bin,* meinte etwas später der alte Cardinal klagend und ent-
schuldigend zum österreichischen Agenten Freiherm v. Wasner,
,in mcdio pravae et perversae nationis*.' Endlich traf aber den-
noch das vom 20. Jänner 1741 datirtc Handsohreiben Lud-
wigs XV. in Wien ein. Schon die Aufschrift ,A la Trfes haute,
Trfes excellente, Tr^s Puissante Princesse Notre Tris Chfere et
Tris Aimee Bonne Seure et Cousine La Reine de Hongrie et
de Boheme' bedingt die Anerkennung Maria Theresias seitens
des französischen Hofes, umsomehr, als sich auch der Inhalt
in den höflichsten Worten bewegt, wenn man denselben freilich
etwas dürftig nennen muss.' Immerhin konnte man also von
Frankreich vorderhand nichts Böses voraussetzen. War ja noch
im Mai und Juni des Jahres 1741 zur Zeit des angeblichen
• Heigel, 1. c 72.
' Arneth, Maria Theresia I, S. 389, Anm. 26.
* DieeeH nur bei Arueth I, 188, kurz berührte Schreiben, das nach nnaerer
Ansicht für die Lage Maria Theresia« im Jahre 1741 buchst bedeutsam
ist, hat den Wortlaut : (Anrede wie oben angeführt) ,La lettre da 21 N»-
vembre demi6re annäe jiar laqaelle Votre Majestö Nous a notifiö le
decis de Nutre trän Chere et trös Aimt Fröre et Cousin l'Empereur
Charles VI, Son Pore, nons exprime anssi l'itendue de l'afflictioD de
Votre Majeste en ce triste cvänement, la considiration de sa juste doa-
leur augmente les regrots, ({uo Nous cause la perte d'nn Prince, poor
<iui, depuis l'union Sincdre qu'il arait contractee avec Nous, notre amitii
£toit devenue aus«! parfaite, que Notre eetime la toujours il6, et les sen-
Ümens, que Votre Majwtii Nous timoigne, ne penvent qne fortifier et
perpätuer ceuz qne Nous avons pour Elle; «ur ce Nous prions Dien qn'il
vous aye, Tr6s haute, TrAs excellente et TrÄs Pnissaote Princesse Notre
Chire et Tr^s Aimäe Bonne senr et Cousine en sa Sainte et digne
garde. Ecrit k Versailles le 20 janv. 1741. Votre Bon FrÄre et Cousin
Loais.' K. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Kriegsacten, 1741,
Fase. 341.
329
Nymphenburger Tractats ,das französische Cabinet keineswegs
gesonnen, sich zur Unterstützung des Kurftlrsten in einen Krieg
mit Oesterreich einzulassen'.' Erst im Juli 1741 trat der Um-
schwung ein. Freilich war man in Wien auch weit entfernt
davon, anzunehmen, dass man auf Frankreichs Untei-stützung
bei den Angriflen auf die pragmatische Hanction rechnen könne.
Wenn — worauf Alles hindeutete — Frankreich blos ruhig
zusah, und das hohe Alter des Cardinais schien einer solchen
Politik auch geneigt, war Baiern nicht gefährlich.
Ein anderer Factor, mit dem Karl Albrecht rechnete, und
der ihn schon ohne fremde Unterstützung zu einem geföhriichen
Gegner gemacht hätte, wäre eine Erhebung in den von ihm
prätendirten Landcstheilen zu seinen Gunsten gewesen. Meinte
er doch selbst mit einer merkwürdig falschen genealogischen
Begründung: ,Die üesterreicher würden sich gerne fügen in
das Dominium ihrer alten Herren, der vom Hause Bayern ab-
stammenden alten Markgrafen zurückzukehren.'* — Allerdings
war die Stimmung, wie schon der verewigte Arncth ausgeführt
hat, beim Regierangsantritte Maria Theresias nicht überall eine
befriedigende. Sagt doch die Kaiserin selbst in einer späteren
Denkschrift, in der sie die Schwierigkeiten auseinandersetzt,
mit denen sie 1740 und 1741 zu kämpfen hatte: .Das Volk in
der Hauptstadt Selbsten so zaumlos als schwierig und auf die
nemhche Art fast in denen Ländern.'* Doch handelte es sich
hiebe! keineswegs um irgendwelche politische Strömungen zu
Gunsten eines auswärtigen Prätendenten, sondern um die ma-
terielle Unzufriedenheit einiger catiünarischer Existenzen aus
den niederen Volksschichten, was sich in Wien in gelegent-
lichen Straascnaufläufen, auf dem Lande im Zusammenrotten
der Wilderer äusserte. DaftLr liegen zwei merkwürdige Zeug-
nisse vor. Im September 1741 berichtet der ständische Ober-
commissär ftlr das Viertel ober dem Manhartaberg aus Krems
an die niederösterreichiscben Verordneten, dass in seinem Viertel
, etliche ganz verarmte Untertbanen sich häutig und ganz oflfent-
> Heikel, I.e., S. 141.
* Ebend«, 8, 10.
* Anteth, Zwei Deiikachriften der Kaiüeria Mnri> Theresia, Archiv filr
rOsterr. G«8ch., 47. Bd., 8. 326; vgl. auch Arneth, Marin Theresia I, 89;
Jnbo, Steiermark «rührend de« Ootorr. Erbfglgekrieges, Jahrusberit-ht deü
' I. Staatagymnaiiams in Grai, 8. 4 ff,
380
lieh vernehmen lassen, wofeme der Feand mit gewalt seine
Subsistenz abzunehmen den Anfang machen wurde, sie dem-
selben vorzukommen sich beeyfferen werden und von der Blin-
derung, wo nur etwas anzutreffen, sich nicht werden enthalten
lassen'.^ Ebenso verordnet der Stadtrath von St. Polten am
12. September 1741: ,weil ein und anderer von Tagwerkern
sich verlaut lien lassen, wenn es über und über gehet, wollen
sie auch nicht die Letzte sein, sondern schon ehender dazn-
Bchauen, — es ist daher all' und jeden diesen unverschambten
Bösewichtern zur Nachricht, dass ein solcher auf frischer That
bctrettener Kauber »llsogleich eingezogen und ohne einigen
Process am helliechten Galgen aufgehängt werden solle'.*
Solchen anarchischen liegungen und Worten folgten jedoch
keine Thaten. Die junge Herrscherin verstand es in kürzester
Zeit, die grosse Masse der bUrgerhchen und bäuerhchen Unter-
thanen fllr sich zu gewinnen, so dass, wie aus dem Späteren
sich ergeben wird, das bairisch-franziisische Ueer bei der wirk-
lich erfolgten Invasion seitens der Bevölkerung nicht die min-
deste Förderung fand. An einer Agitation flir die Ansprüche
des Kurfürsten fehlte es allerdings nicht, und zwar reichte sie
bis nach Ungarn, wenn sie dort auch erst zur Zeit der Be-
setzung Ober-Oesteri'eichs kräftiger einsetzte. So Hegt ein Flug-
blatt vor ,Epistola ad Regni Proceres*, dessen Verfasser sich
als ,nobili8 Hungarus' darzustellen sucht.' Dem Anonymus ist
es hauptsächlich darum zu thun, die Ungarn vor einem Auf-
treten gegen die Streitkräfte Karl Albrechts abzuhalten, erst
in zweiter Linie stand die Propaganda für die Ansprüche des
Kurfürsten. Er meint, die ,neu verssmblete und ohne Ordnung
herumschwärmende Reyterey' werde dem Feinde wenig Furcht
machen, dessen Armee ,aus denen nach der genauesten Kricgs-
zucht versambleten Soldaten' bestehe. Die Ungarn würden den
Giganten gleichen, die in eitlem Wagen den Himmel stürmen
wollten. Ein guter Freund habe ihm, dem Pamphletisten, die
des Langen und Breiten erörterten Erbansprüche des Kur-
' N.-O. LandesarchiT, .Land-Defeiuiion vom Jahre 174 t', Faso. E 80, 6.
* Fshmip^uber, ,St. Polten', I88&, 8. 269 ans den Ratluprotokollen von
8t. Polten.
* ^renici de C . . . nobilia Ilunpari Eputola ad Regni Procerea', lateinisch
und in handuchriftlicher deutscher Uebersetcnng, k. u, k. Hans-, Hof-
und Staatsarchiv, Kriegsacten 1741, Fase, 341.
331
fbrsten ausgelegt, und sie erscheinen ihm natürlich dennassen
einleuchtend, dass er gar nicht begreift, ,wa8 die durchlauch-
tigste Ertz-Herzogin darwider einwenden wollte'. ,0 Himmel,
wie glücklich würde nicht Hungam unter dem bairischen Lewen
blühen!' ruft er aus. Es wäre billig, demselben die Krone auf-
zusetzen schon im Hinblick auf die Verdienste Max Emanuels
um Ungarn in den Türkenkriegen. Das Libell fand schlagfertige
Erwiderung durch einen ,StephauuB Igazhdzi de Szabad-Szaba'.'
Nicht ohne Witz meint der Verfasser dieser Gegenschrift, der
angebliche ungarische Edelmann Irenicus v. C. dürfte viel-
mehr ein jbairischer Hungar' sein. Bescheiden meint er: ,Ich
gebe zu, dass die Welt vor Ungarn nicht erzittern werde,
verlange auch nicht, dass unsere Feinde aus blosser Furcht
verschwinden sollten' — aber man werde sehen, was 50.000 bis
60.000 Ungarn statt der bisher (in Schlesien) verwendeten 5000
bis 6000 ausrichten könnten. Der Werth leichter ungarischer
Reiterei wird militärisch richtig gewürdigt. ,Hat euch der gute
Freund nicht auch erinnert,' heisst es weiter, ,an den Land-
tag 1687, auf welchem überhaupt erst ein Erbrecht von den
Ungarn anerkannt wurde, an die Anerkennung der pragmati-
schen Sanction von 1723?' Die Ungarn seien überzeugt, glück-
licher unter Maria Theresias Regierung zu leben als unter dem
bairischen Löwen, ,der annoch mit hungerigem Rachen und
blutigen Klauen herumstreiffet, rugiens, quaerens, quem devoret'.
Ironisch wünscht der Autor dem Kurfürsten Qlück zu der ihm
von Frankreich und dessen ,Stipendiariis' bestimmten Kaiser-
krone; doch könne gar leichtlicb auf des Kaisers Schwert ver-
gessen werden ,durch den süssen Geruch der Lilien und wohl
gar durch verrätherische Krähung des Hahnes die Kaiserkrone
auf des Löwen Haupt erzittern'. Was die Kraft der Argumente
und des Stiles anbelangt, erweist sich ,Stephanus Igazhäzi de
Szabad Szaba' seinem Gegner bei Weitem überlegen.
Auch in den Alpenländem erfuhren die Versuche, unter
dem Adel Stimmung für Karl Albrecht zu machen, temperament-
K. n. k. H«a»-, Hnf- und Staatsarchiv, Fase 841 (1741). Antwort eine«
wahren seiner Königin und dem Vaterland treugesinnten hnngarischen
Edelmanns auf das von Irenico oder besser zn sagen Ironico v. C,
einem dem Namen und Sinne nach bayrischen Uungam, an die StSnde
des KGuigreichs abgelassenen Sclireiben.'
332
volle Abwehr, wie die im Wiener Staatsarchiv befindliche Ab-
schrift eines Flugblattes, , Schreiben eines steyrischen Grafen
an einen bairischen* beweist, das sich als Antwort auf ein nicht
mehr vorliegendes bairisches Libell bezieht. * Der steiriache
Graf verwahrt sich gegen die bairische Gratulation su der bald
erfolgenden Vereinigung mit Baiem .nicht dass mir die bairi-
■che Nation unangenehm, sondern weilen die Steyrer gegen
unsere ErblandfUrstin treu und so gewillet als verpflichtet sein
und dabay allen Ursach zu verbleiben haben . . . 450 Jahr ist
es uns mit unseren Grafen von Habsburg wohl ergangen! . . .
Und was vor Linderung hätten wir wohl von Baiem zu hoffen?
Wurden wir besser als seine Unterthanen gehalten werden?
Befindet ihr euch etwan weniger beladen als wir? Habt ihr
mchrer Geld und weniger Schulden als wir? Die missrathene
Jahr flagellieren uns wohl sehr empfindlich, aber ist dies nicht
auch in Baiern und noch ärger? Hat daran ein Landesftlrst
Schuld? Oder könnte uns davor ein ChurfÜrst in Bayern jezo
gleich lossprechen imd künfftig davon behüten?' — Den bairi-
Bchen Ständen wird das Unglück ins Gedilchtniss gerufen, das
vor 36 Jahren Max Emanuei, des KurfUrsten Vater, durch ein
ähnliches Beginnen Über Baiem gebracht habe. Dringend
warnt der Steirer vor Frankreich und spielt auf die trüben
Jahre des Exils Max Emanuels an. , Erinnert auch Eweren
Landsherrn, wie hart seinem Herrn Vater selig und dessen
Herren Bruder, dem verstorbenen Kurfürsten von Köln, bei
währendem vorigen spanisch - Successionskrieg der Aufenthalt
zu Paris worden, wie klein Monsieur de Baviere et Monsieur
de Cologne damals zu Paris selbst waren und was disfnlls
beede nach Ihrer Zuruckkunft vornehmlich aber der Kurfürst
von Köln flir Reu und Warnungspredigen fllr alle teUtsche
Fürsten gemacht haben.'* Eine bairische Partei unter dem
alpenlilndischen Adel war also keineswegs vorhanden, wenn
auch die schon von Arneth so scharf gerügte Indolenz eines
Theiles des oberüsterreichischen Adels der Huldigung in Linz
beim Einrücken Karl Albrechts keinen Widerstand entgegen-
setzte, ebenso wie aus demselben Grunde zwei Monate später
die Huldigung in Prag möglich wurde.
' K. n. k. Harn-, Hof- aud Stiwtsarchiv, KriogiMcten, Fmc. 941 (1741).
* Ebenda.
333
Aber direct feindselige Handlungen gegen die rechtmäs-
lige Herrin sind auch von denen nicht ausgegangen, die am
2. October 1741 in Linz huldigten; Niemand zog das Schwert
ftlr die vermeintlichen Rechte Karl Albrechts. Da also der
Kurfllrst auf eine mächtige Partei in der Osterreichischen Be-
völkerung nicht rechnen konnte — war ja selbst unter seinen
eigenen Unterthanen die Stimmung über das gewagte Unter-
nehmen sehr getheilt — und da das Schreiben Ludwigs XV.
Tom 20. Jänner 1741 bezüglich der Haltung Frankreichs
einigermassen beruhigte, so begann man in Wien die bairische
Frage als nicht sehr gefUhrlich zu betrachten, ja man schöpfte
aas ihr die Anregung zu einem Tauschproject, wie ein Memo-
fandam des Qrossherzogs Franz Stephan, des Gemahls Maria
Theresias, beweist. Baiem soll gegen die österreichischen Be-
titzangen in Italien, die Lombardei, Parma, Piacenza und
Hantua eingetauscht werden, dem Rurfiirsten wird die Erhe-
umg zum König der Lombardei zugedacht.'
^w ' Welch' gewaltiger Abstand im Vergleiche zu den hohen
Anerbietungen, mit denen der Wiener Hof im August 1741
die durch Frankreichs offenen Anschluss an die Sache des
Kurfürsten drohende Gefahr abzuwenden trachtete, Anerbie-
tiingen (die Niederlande, Breisgau, Vorarlberg und das österreichi-
sche Schwaben), durch die Karl Albrecht ein mächtigerer Fürst
geworden wäre als einst Karl der Kühne, Zugeständnisse, wie
sie der furchtbare Druck der V^erhältnisse, der ungltickhche
Krieg in Schlesien der jungen Monarchin aufnöthigte.* Der
verblendete Karl Albrecht ging nicht darauf ein, zog es vor,
mit den Erbfeinden des deutschen Reiches in öesterreich ein-
zufallen and verlor durch dieses Beginnen schon im Februar
1742 Land und Leute, wie sein Vater zu Beginn des Jahr-
hunderts durch den Anfall auf Tirol.
' K. o. k. Haos-, Hof- nnd Stoatuirchiv, Kriegsacten, Faso. 341. ,Uii projet
poar le contenteman d. 8. A. E. de Bitviere et pour luy faire aroyre le
titre de Koy.' (Ganz eigenhändig.) Die Schrift int wahracheinlich in den
Anfang de« Jahre« 1741 zu setaen. Der entscheidende Satz lautet: ,lon
(Hiuret trouvere le moyen de faire uu change de la Raviere . . . contre
le Milan et Parme et piaoens et les Mantuau a quoy ou pouret ijou-
andre le titre de Roy de lonpardie.'
» Vgl. darüber Ameth I, 237 aud 8.
334
Dass man aber noch zu Anfang des Frühjahres 1741
den Kurfürsten nicht als ausgesprochenen Feind gleich Fried
rieh n. von Prcussen betrachtete, beweist das Schreiben, mit
dem Grossherzog Franz am 13. MUrz 1741 dem Kurfürsten
die Geburt eines Sohnes (des nachmaUgen Kaisers Josef IL)
mittbcilte.' Es wurde in München durch den zum Special-
gesandten bestellten Unter- Silberkämmerer t. Moser Über
reicht. Zwar wurde v. Moser in München gut aufgenommen,
trotz des kurfürstlichen Podagras in Audienz empfangen, und
der kurfürstliche Hof erschien am nächsten Tage in herrlicher
Gala.' Dennoch stiess Karl Albrecht die durch das freudige Er-
eigniss gebotene Gelegenheit einer Verständigung mit Maria The-
resia zurück. Zwar Hess er durch den Truchsess v. Gariboldi
ein aus München den 21. März 1741 datirtes Schreiben über-
reichen, in dem er versicherte, an allen Franz von Lothringen
betreflFenden Ereignissen freund-vetterlichen Antheil zu nehmen,
und zugleich den Wunsch aussprach, der neugeborne Prinz
möge von Gott in bester Gesundheit zu seiner Eltern Trost
imd seines Hauses Aufnahme erhalten bleiben. Aber wie Ironie
klingt dies, da Karl AJbiecht gerade in diesem Schreiben
^ Der Oronherzog an den Korfilraten, Wien, 13. MKrc 1741. .Darohlaarb-
tigster Chnr-FUrat, Frenndlich-Tielpeliebter Herr Vetter. Von Eurer Lieb-
den sch&tzbarsten Freundscbaft« Me^rnnug, bin ich schon Toraus toI-
kommentlich gesichert, das* dieselbe an denen mich betreflfenden Begvb-
nasten einen freund- vetterlichen Antheil zu nehmen belieben, und
darum habe nicht anstehen mOgen, Ener Liebden sofort die höchst ar-
frenliohe Nachricht hiermit mittelst eigener Abachicknng meines Unter-
Silber-Canimerers des von Mosers lu erthuilen, dass der KOnigin ao
Ungarn und Bühnien, meiner geliebtesten Frauen Gemahlin Uajest&t
mit einem gesund und Wohlgestalten Erta-Herzogen zn boedeneits
Unseren ungemeinen Trost anbeunt gegen 2 Uhr in der Frühe glQck-
lich entbunden worden; Ich wllnsche anbey nichts mehrem, als dasi
Gott Euer Liebden und Ihro Chur-Hauss mit vielfältigen BeglQckungen
seegnen nnd ich Offters die angenehme Gelegenheit haben mOge, Ihro
Selben darüber meine wahre Mit-Frende nnd aufrichtige Antheilnehmang
bezeigen und anmit an Tag legen zn knnnen, dass Ener Liebden zu
Erweisung freund -vetterlicher Dienste mit gantz ergebenen Gemlltli
allezeit willig und geHissen verbleibe Euer Liebden dienstwilligster
Vetter Franz.' K. n. k. Hans-, Hof- und Staatsarchiv, Fase. 841.
' Aus einer anonymen Gesandten-Relation vom Wiener Hofe, auf der
RQckseite bezeichnet als ,Ministre-ReUtion' vom 29. Mkra 1741 ; ebenda
Fase. 347.
wieder seine anf Zertrümmerung der Macht Maria Theresias
Jehentlen Ansprüche aufrecht erhält, indem er die Königen
dos als jGrossherzogin', ihren Sohn statt als Erzherzog als
Örossprinz' bezeichnete.'
\ Nun begann man in Oesterreich langsam zu rüsten auch
igen die von Westen her drohende Gefahr, zumal der April
T41 das Unglück von Mollwitz auf dem nördlichen Kriegs-
^auplatze gebracht hatte. — Wie es bei der damaligen
derativen Gliederung des Staates nicht anders möglich war,
delten bei diesen Vorkehrungen die Stände der bedrohten
Inder Ober- und NiederOesterreich die Hauptrolle. Es war
e letzte grosse Action der alten Stunde. Während nun die
ederösterreichischen Stände eine Opferwilligkeit und Thätig-
^t zeigten, wie sie an die glorreichen Zeiten von 1683 er-
jBerte, bot dagegen die Haltung der oberennsischen ein trost-
Bes Bild particularistischer Lauheit und Unbehilflichkeit,
eiche im Vereine mit dem Vorgang vom 2. October 1741
teht wenig dazu beitrug, dass die kraftvolle Herrscherin in
bn nächsten Jahren nach dem Erbfolgokriege mit den ständi-
$hen Verfassungen zu Gunsten des Centralismus und Absola-
kmas au&ftumte, ihnen nur mehr ein Scheindasein gewährend,
is allerdings noch bis 1848 dauerte. Doch erwarben sich auch
i Ober-Oesterreich während der Invasion und Occupation
Ip^h die Franzosen einige ständische Cavaliere und Beamte
%s unzweifelhafte Verdienst, die Noth des Landes nach Kräften
Bliodert zu haben. Die grosse I\Iasse des Volkes blieb trotz der
•ezwuDgenen freiwilligen Huldigung', wie sie ein sUlndisches
l^an entschuldigend nennt, im Herzen ,gut königlich' gesinnt,
US die Ereignisse von 1742 und der Jubel bei der Huldigung
pn 1743 beweisen.
L
' Karl Albert an den Grossherzog, MUnchea, 21. März 1741. ,Mir ist wohl
ionderlich lieb zu vemebmen gewesen, wag gestalteu Dero Frau Oe-
mabliii Orosa-Herzogin Liubdon mit einem gesunden und woblgegtalten
Printxen gl&cklicb entbunden und erfreuet worden. Wie nun Euer Lieb-
den Tersichert «eyn kßnnen, das» von allen Dero zustehenden Begeg-
no«en jedenteit freund-vetterlichon Antheil nehme, so gratuliere xu
diewm Ehe Seegen von aufrichtigen Hertson und wünsche danebenR,
da«s der neugebohrne Orons-PrintK zu beeder Liebden Trost und Dero
Kauaes Aufnahme unter den Scliutx dos Allerhöchsten fortan in bester
Qeaundhoit erhalten werde.' K. u. k. Hans-, Huf- und ätaat»rohiv, Kriegs-
acteu, Fase. 341.
inUr. LlXirn. Bd. II. HUfU. tt
::-z -.ZL Herbste 1741 aber uni'.
;-z rlrzherzusrthUmem seilen
.•^ir-tv.iuK»-«i ar ■-auu»*^«*iVa<ionTonOber-Oestent
Uta il«* vinde.
■ "- -.■•-•.r^r.f Maria Theresia ihr ei
^. --■... .;- loi: :js .0 der Enns; es cnti
..-..- ^ •• ■: T^-ii-iin erfolgten zeitlichen
<^ . vi » ■• i i::i:i. katholischen May. H
» -. - -. •• M.i.-a Theresias Regierungsai
•. -i .- j-^:.:: }i-:r Erbkönigreiche und Lai
. ,s LT '.r-;r«:oht Ausdruck, die Stl
_.,^_ . ■ ■»; .-•• iKii: Kaiser auch ihr ,mit i
,^^. _ -. -.. .i» V . ::t.i;-T.r;:i» unter die Arme greif
♦ »V --.::■•::: ol. Hctober bekunden
^^..^ - .>,..». -•;:!;;■ iber den Todesfall, pn
i T^ •:.-.. :>v'ii.';'. >ancti>m zum Ausdnieke
,^ 'fc.: .. -^ ":■'< Vierstorbenen Kaisers. D
.,._ :• -;»-'.■ :■-.•.:•. "X ivA vviedcr bei der Erbh
■; -■• "v-:*! '.H'siätigte Grundgesetz crkl
^, .. N. • '••Hr- ■::cvn zu wollen und Alles
^ ^ . »iii^i.:.- itT Königin und der gesami
^ _^ „. . . . .1. . .-. :r\' isohen mag. DafUr bitter
'^ k.».* ■-' •.v'stvrreichischen Stände war c
. » . -; >f«:-.j»;«»i: Jiir die Steuern pro 1741 j
, *y..-^i». - vvvruHi geneigt.
j, , >wM>^«M »cv.»4vu bewilligt 300.000 fl., znhlbai
E, i»^ ^s«(M t. iu vVtem, .Bartlmei' (24. Ang
all«
y^,( «^. •' «« }«Ma«rvhiT. Osterr. Acten, Fase. 14. C
> Aus ,•■■-'»
j^d^.jj^ «> « «. Tiaii ir" ri~ Cnteir, Acten, Faso. 14. C
Fa.sc-. :n - '^ »• ^ "'•*=^' ^''- ••
987
fod am Ende des Jahres, als Extraordinarium 50.000 fl. und
|]s ,SuperextraordiDariiim von wegen deren nach dem Todfall
fcrer kayserl. May. in Schlesien erfolgten Kriegstroublen*
0.000 fl., im Ganzen also 400.000 H. Von dieser Summe ist
ceilich nur ein kleiner Theil im April und Mai 1741 wirklich
ler Regierung bar bezahlt worden (48.(XK) fl.), der Kest
rurde für Militilrauagaben imd ftlllige Zinsen frilhei'er Dar-
ren in Abzug gebracht, und schon zur Zeit des feindlichen
Unfalles im Herbst 1741 war durch diese Abzüge und Prilnume-
^dozahlungen für 1742 die Laudesbewilligung um 6742 fl.
ß'/, kr. überschritten. Werthvoller fllr die Regierung war
piher das Darlehen, welches die Stände am 11. Jänner 1741
pwährten: 200.000 fl.«
I Die gesammte Schuldenlast des Landes betrug nach einer
tingabe der ständischen Verordneten vom 12. Juli 1741 vier
[illionen Gulden. — Die Landesbewilligung war im Steigen
Ogriffen. So hatte sie 1703, als ebenfalls ein bairischer Einfall
^hte, blos 200.000 fl. betragen.' Namentlich die Kriege
Carls VI. kamen in der Finanzlage 01»er-(Jestcn'eichs, wenn
ian die der Regierung gewährten Darlehen überblickt, zum
iosdrucke. 1717, während des ersten Türkenkrieges Karls VL,
i»tten die Stände 150.(XXJfl. vorgestreckt, im Friedeasjahre 1729
fl. Besondere Opfer erforderte der polnische Erbfolge-
1734 bewilligten die Stände zuerst ein Darlehen von
1.000 fl., dann 80.000 fl., neuerlieh zu Ostern 1735 42.000 fl.
I^cfa Beendigung des unglücklichen zweiten Türkenkrieges
i
I * ITeber die (^nansU^ des Landes Oesterreicb ob der Eons nnterricbtet
I nna dju Stück: ,Uofi-Nothdarft' vom 9. October 1741. Der KnrfUrst Untte
I nämlicL während der UccapntioD den sUlndUchoii Verordneten aiif-
getragon. Ober die Finanzlage de« Landen zu berichten. Die«er Ue-
richt k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarcbiv, Kriegaacten, Fase. 343,
' ,*as der Kanzlei der Verordneten des Erzherzugthnma Oeoterreich ob
der Enns'.
l* Die Verordneten an die Regierung um 7. nnd 18. Jnli 1741; k. u. k.
' Hau5-, Hof- und Staatsarcbiv, Kriegsacteu, Faac. 34Ü. Die Htändiscben
I Verordneten bii zur bairischen Occupatioii waren; Alexander, Abt zu
, Krenunianster, Johann Wilhelm Oraf TtiUrheim (zugluicb Pr&ies), Jo-
I liAiui Achaz Uottfried Willinger von der An und Josef Gubatta ans
I Freiatadt. Abt Alexander Fixlmillner von KreuismUnster erwarb aioli (nach
, Ameth, Maria Therestia iV, 20) auläa.sliL'b der späteren Hangwitz'sclien
Finauzreforui Verdienste um ät«at und Land.
«2«
k
338
gewährten die Stände am 20. Jali 1740 100.000 fl. Bur ,Bef^
deriing deren churbairischen in Hungam gestandenen Aaxiliar-
truppen', und nicht sehr viel später, wie eben bemerkt, am
11. Jänner 1741, 200.000 fl. Von einer regelmässigen Zinsen-
zahlung seitens der Regierung war indess keine Rede. So
wurden die rückständigen Zinsen von der jeweiligen jährlichen
Landesbewilligung abgezogen und schmälerten die factischen
Einnahmen des Staates. Darlehen wie Landbewilligung waren
für die damalige Zeit vorhältnissmässig hoch: Tirol z. B. zahlte
nur 70.000 l\. jährlich, Vorder-Oesterreich 65.000 fl., Steier-
mark 300.000 fl. Am stärksten war Böhmen mit 2,750.000 fl.,
Mähren mit •.»26.66« fl. 4 kr. und Schlesien mit 1,833.333 i
20 kr. bedacht, während Ungarn, allerdings ohne Siebenbürgen
Slavonien und Syrmien, nur 2,500.000 fl. zahlte.* Trotz dieser
Opferwilligkeit war aber dennoch nicht, wie die Stände ver
sicherten, die äusserste Grenze der Leistungsfähigkeit Ober-
Oesterreichs erreicht. Dies beweist am besten die wenige Jahn?
nachher in Kraft tretende Haugwitz'sche Steuerreform, durcb
welche unter gerechterer Vertheilung der Steuern auf Obpr-
Oesterreich 906 000 fl. entfielen und auch ohne sonderliches
Widerstreben der Stände bewilligt wurden.*
Mit der Gewährung des Darlehens vom 11. Jänner 1741
schien jedoch die Opferwilligkeit der Stände zu Ende zu sein.
Als im April 1741 die Regierung die Gefahr eines feindlichen
Einfalles ernstlicher ins Auge fasste — sclion im März war flV
rigens der Oberstkriegscommissär F'ML. Graf Salburg nach
( )her-Oe.8terreich abgegangen — und zur Verstärkung der im
Lande liegenden Dragonerregimenter Savoyen und Khcven-
liillcr 3000 Warasdiner Grenzer abordnete, ftir welche die
Lanilschaft Vorspann stellen und einen kleinen Betrag auf die
jMundportiones' darreichen sollte, erregte dies bei den Ständen
grossen Unmuth. Eine fbrmliche militärische Abhandlung ging
' Vgl. .Der Brterreichiiiche Erbfolgekriegf*, bearbeitet jn der kriegage-
schichtlichen Abthoilan^ de» k. u. k. KriegsarchiTi«, ITI. Bd., 8. 130.
' Anielh, Mnria Theresia IV, S. 20 u. 607, Anoi. 6. Nicbt ohne Inter
i»t e» »u vergleichen, was 1740 der n.-ö. Landtag bewilligte: Ordinarium
ond Extraordinarium 700.000 fl., ,pro iiQbsidio exlraordinario' 200.000 fl..
die Bezahlung der Stadtgiiardia und der Milii in Raab, endlich ,gutwillige
8ervice-Prao9tatiun fllr die einquartierte Milix ohne kOnftige Ein- und
Abrechnung'; n.-O. Landesarcbir, Landtagsverbandlungen 1740.
339
»nun am 17. April 1741 nach Wien ab. Zwar erklärten sie sieh
bereit, ,noch diesmal' Vorspann zu stellen und 2 kr. auf jede
Mundportion zuzulegen, doch meinten sie, die Erfahrung lehre,
mit kleinen Forderungen fange das Militär an, die dann am
Ende sehr druckend würden. Die ständischen Verordneten
schlagen vor, dass diese VV^arasdiner die Grenzen (Jber-Oester-
reichs nicht betreten sollten ,bei dermalen gottlob hierzulundt
mehr entfernet als nilhcren Feindsgefahr'. Die Grenzer sollten
sich vielmehr blos ,in der Nahe' des Landes aufstellen, und
zwar, damit nicht etwa die Niederösterreicher mit ihnen be-
schwert würden, jenseits der Leitha. Von dort ans könnten
sie ja in 10 — 12 Tagen zu dem in Ober-Oesterreich befind-
lichen Corps stossen, umsomehr als sie nicht so schwer bepackt
seien als die deutscheu Truppen, ,sye auch ohndeme als ein
flüchtigeres und mehr abgehärtetes Volk auch geschwind an
IOrt und Ende khomen werden'.'
Die Regierung konnte sich natürlich mit diesem Vor-
schlage, Truppen, welche zum Schutze Ober-Ocsterrcichs be-
stimmt waren, in Ungarn zu postiren, nicht befreunden, und
die Warasdiner näherten sich den oberösterreicbischen Grenzen.
Da wandten sich die Verordneten am 29. April 1741 mit der
Bitte nach Wien, die Warasdiner sollten hinter der Enna
bleiben. Die Rücksicht auf die Niedcrösterreieher war somit
schon gefallen. In Nieder-Ocsterrcich seien ,Trayd und Fleisch,
Strohe und Holz wissentlich leichter und wohlfeiler herbeizu-
I schaffen*.*
Bittere Klage führte die Landschaft gleichzeitig auch
Über ,Quartier8ungcmach und Uncosten', welche die beiden
,ganz unverhofft' nach Ober-(>esterreich verlegten Dragoner-
Regimenter Savoyen und Khevenbiller verursachten. In einer
Eingabe vom 30. April 1741 wandten sich die Vorordneten in
dieser Angelegenheit sogar an Franz von Lothringen, den Ge-
mahl Maria Theresias, um ein Anhalten der Warasdiner jen-
seits des Ennsfluflses durchzusetzen." Bevor noch jene beiden
» 3offB Nothdurfft' vom 17. April 1741; k. u. k. Hau»-, Huf- und Slaats-
archiv, Kriegascteu, Kasc. 34*2.
* .Uoffa Notbdurfft' vom 29. April 1741; ebenda.
* K u. k. H»n«-, Hof- and 8t«*tsarchir, Krieg»»cten, Faso. 342.
340
Stücke vom 29. und 30. April erledigt sein konnten, erflnss
jedoch ein königliclies Kescript: ,Wir haben bei ftlrwaltenden
Conjuncturen unserus und des Publici Dienstes zu seyn be-
funden, dass die in Oesterreich ob der Enns gewidmeten
3000 Mann Warasdiner Gränitzer ru unserem in Schlesien
stehenden Kriegs-Corpo gezogen werden."
Bestand ständischerseits die Ansicht, dass die Feindes-
gcfahr .gottlob mehr entfernet als ntther sei', so war dies seit
April 1741 nicht mehr die Ansicht der Regierung. Bereits am
19. April erfloss ein königliches Rescript, die Aufstellung eiues
,gemeinen Land-Aufbotts' betreft'end. Dies fand ständischerseits
durchaus keinen Anklang. In ihrer Antwort vom 30. April er-
klären die ständischen Verordneten, dass ein solches Aufgebot
bei der Nachbarschaft (id est Baiern) grosses Aufsehen erre^n
mUsste und gerade den beftirchteten Einfall seitens ,einer aus-
wärtigen Potenz' nach sich ziehen könne. Auch geriethen hie-
durch die Steuerzahler in ,Kleinniüthigkcit'. Wenn es schon
Ernst sei mit dem .Aufgebot, solle ein solches auch in Böhmen,
Nieder-Oesterreich, Steiermark, Kärnten und Tirol anbefohlea
worden.*
Diese wenig crmuthigendc Haltung der Stände und dis
Zaudern des KurfUrsten, mit dem Einfall Ernst zu machen,
scheinen die Regierung bewogen zu haben, von ihrem Plan«
vorläufig abzusehen. Wenigstens verfloss der Mai und Juni,
ohne dass vom Defensionswerk die Rede war. Da trafen be-
unruhigende Nachrichten ein. Das Militär in Baiern werde
verstärkt und zusammengezogen, die Landfahnen aufgeboten.
Maria Theresia beauftragte nun die Landschaft, sich bezüglich
der Vertheidigung von Ober-Oestcrreich mit dem Landeshaupt-
mann Ferdinand Graf WoissenwoiflF und den bereits im Man
nach Ober-Oesterreich geschickten ,Obristen-Kriegs-Commi88a-
riuß' FML. Grafen Franz Ludwig von Salburg ins Einverneh-
men zu setzen imd ihr über das Resultat der Berathungen zu
berichten.' Die erste diesbezügliche Confercnz fand am 7. Juli
1741 auf dem Linzer Schlosse statt. Von Seiten der Landschaft
betheiligten sich die Verordneten der drei oberen Stände.
' K. a. k. Hans-, Hof- und Staatsarchiv, Kriegsacten, Fase. 342.
* Ebtiuila.
' Maria Theresia an die Verordneten, Pressbnrg, I. Jali 1741; ebenda.
341
Besonders willig zeigten sich die StÄnde hiebci nicht, wie
koB dem 12 Seiten langen Lamento, das sie noch am Tage der
ersten Berathung abfassten, erhellt.* Die Verpflegung einer zur
Defension von Ober-Oesterreich abgeschickten Armee oder
«lies Corps könne nicht aus Landesmitteln geschehen, soudern
die hiezu nöthigen Victualien seien aus den anderen Ländern,
keineswegs aber aus Obur-Oesterreicb herbeizuführen. Die Or-
gane der Regierung wiesen dagegen liiu auf die patriotische
Opferwilligkeit, welche das Land anno 1702 und 1703 in ähn-
licher Lage bewiesen habe. Darauf wurde ihnen erwidert: Da-
mals sei man am Anfange eines Krieges gestanden ,wo wür
anitzo de anno 1733 mit Kriegs Troublen umbgeben, wofür
iederzeit die cusserste Crüflten angespant worden soynd*.
Damals war die Landesbewilligung 20Ü.ÜÜ0 fl., jetzt 400.000 ti.
Das Aeusserste, wozu sich die Landschaft verstehe, sei eine
Anticipation in Geld ,ungefilhr von 16 oder 20.000 fl.' gegen
Bebonification an der Laudesbewilligung, ,unib zu zeigen, dass
wir nach Thunlichkeit zur beuorstebenden Landcs-Defension
gern Alles contribuieren, zu einem mehrern aber künncn wir
aas Mangel der Befolgungsmöglichkeit uns nicht einlassen'.
Eine weitere Conferenz fand am 12. Juli statt. Verhandelt
wurde:
1. Ueber das Landesaufgebot, dasselbe wurde in gleicher
Weise ,von dem Militari sowohl, als auch der Landshauptmann-
schafl und uns Verordneten' fllr unthunlich befunden. Es wür-
den nur Haufen unabgcrichteter, nicht mit Feuergewehren
verBehener Handwerker und Bauern zusammenkommen; die-
selben würden hiedurch von ihrer Hantirung und vom Feld-
bau abgehalten und — wovon sich die Stände immer den
jffössten Eindruck auf die Regierung erhofften — vom Steuer-
MJilen. Ausserdom würden sie .bei Erblickung einer kleineu
Anaahl regulirter Truppen, wie in vorigen Zeiten geschehen
ist, auseinanderlaufen, derohalbon dann von einem Landtaufbott
ein guter Effect nieraahlen zu hotfen seye'.
2. Die Anlage von Schanzen gegen Baiern erklärt die
für unnUtz.
' .Itwinnatuni an die löblich© Lnn(1t<(h.iuptiiiann5ch«ft wegen der bey houn-
ti^r Confereni im Schleuse lur Landasdefeiiiiion nöthigen regulierten
Tronppen und der dem Laudt zumuthonden Proviantberschaffung; 7. Juli
1741; k. u. k. Haus-, Uof uud Staalsarchiv, Kriegsacten, Fase. 342.
342
3. Die Forderung der Regierung: Conscription der Jüger,
Schützen und anderer Personen, die mit dem Feuergewehr
umgehen könnten, findet den Beifall der ständischen Verord-
neten, freilich mit der kleinen Nörgelei, dass jene Conscription
1702 und 1703 von den Verordneten ausgegangen sei, w&hrend
sie jetzt von der Landeshauptmannschaft ,prütendirt' werde,
4. Die Löhnung jener Schützen wird vom Lande gegen
künftige Abstattung von der LandesbewUligung übernommen.
Aus dem 5. Verhandluiigspunkto erhellt, dass sich im
Linzer Zeughause 3600 Oentner Pulver und 1520 Flinten be-
finden.
6. Zur Vertheidigung des Landes seien wenigstens 15.000
Mann regidärer Truppen nöthig. ,Allein, da eine Invasioas-
gefahr nach allen sicheren Nachrichten — gottlob —
80 nahe nicht,' wären bei der Unmöglichkeit, eine solclie
Macht auch nur kurze Zeit ohne Zugrunderichtung desselben
zu erhalten, die Truppen in die Nachbarschaft nach Böhmen,
Niedorösterreich, Steiermark und Tirol zu verlogen, wo sie
bald (?) bei der Hand wilren.
Zum 7. Verhandlungspunkte erklären die Verordneten:
auf die von der Landcshauptmannschaf^ ,zumuthcnde' Lieferung
von Proviant, Fourage imd Schlagvieh kann das Land un-
möglich eingehen.
8. Von der Regierung wird die Errichtung eines Magazins
zur Verpflegung der Truppen verlangt. Auch hiefür könnten
sich die Stände nicht erwärmen, ,indeme hiediu'ch der Feind
aus seinen wissentlich mit einer annoch grösseren Trayd Theue-
rung geplagten Land, in dieses Land gelocket werden
könnte'. Mit einer ähnlichen Begründung hatten die Stände
schon am 30. April das Landesaufgebot abgelohnt.
Zum Schlüsse spricht die Landschaft die Bitte an Maria
Theresia aus, reguliirt: Truppen, namentlich Infanterie zur Ver-
theidigung des Laudos zu schicken; diese sollten aber vorder
band in den benachbarten Ländern halten.'
' .Nottnrfft auf das kOnigl. Reacript vom !*<"> July 1741: Die Concertie-
rnng; der Undesdefension mit beim LnudUliaubtinnnn und dem herrn
Franz Ludwig Grafen von Salburg, khUnigl. Folaiiirschall-LieuL und
obersten Kriegs-Comniissario betref. 12. July 1741.' K. u. k. Uana-, Hof-
nnd StaatfliuraUiv, Kriegnaoteu, Fase iü.
343
•' Nach dem bisher Mitgetheilten wird man wohl den herben
Worten Alfred v. Arneth's zustimmen müssen: ,Unglaublich ist
die kleinliche Engherzigkeit, mit welcher die oberösterreichi-
Bchen Stände zu Werke gingen, jede ihnen durch die Natur
der Sache zufallende Last von sich möglichst fernzuhalten
sachten und dadurch die Massregeln, welche die Regierung
zum Schutze des Landes zu treflfen sich bemühte, weit eher
hemmten als unterstützten.'
Während aber die Stände sich und die Regierung damit
trösteten, dass eine Invasionsgefahr ,nHch allen sicheren Nach-
richten — gottlob — so nahe nicht', erfolgte von bairischer
ßeite bereits der entscheidende Schlag. Am frühen Morgen des
81. Juli 1741 überrumpelte der kurfürstliche General Oabrieli
Passau, und somit stand Ober-Oesterreich dem Feinde offen.
Noch am selben Tage berichteten dies die Verordneten, die
durch einen Schiffsmann von der Einnahme von Passau, die
^eunt in der Frühe Nach 4 Uhr' vor sich gegangen war, be-
nachrichtigt worden waren, nach Wien; ausserdem verlangten
sie Rath, wie sie sich bei dieser ,fatalen Begebenheit' zu ver-
lialten hatten.'
Aber selbst dieses Ereigniss vermochte die Landschaft
von ihrer bis jetzt eingeschlagenen Taktik nicht abzubringen.
Am 26. Juli hatte die Regierung für 2000 Mann Fuasvotk
und 200 Husaren von Warasdiner Grenzern, die durch Ober-
Oeeterreich marschirten, um zu dem bei Pilsen sich bildenden
jObservationscorps' des Fürsten Lobkowitz zu stossen, Vorspann
und einen Geldbeitrag verlangt, in ähnlicher Weise wie früher
Bchon fllr 3000 dieser Grenzer. Am 2. August 1741 erklärte
■ich wirklich die Landschaft hiezu bereit und gab einen Bei-
trag von 3 kr. tüglich zur Gage der Ober-, von 2 kr. zur
Gage der Untorofliciere und 2 kr. zur Löhnung der Gemeinen,
Wenn sie dafl\r verlangte, die Truppen sollten die ,genaue8te
Kriegsdisciplin' halten und nicht etwa ,durc;h Anverlangung
einiger Naturalien ohne Bezahlung in denen Nachtquartieren
nnd auf den Strassen' lästig fallen, so war dies nur billig. Aber
wieder erklären die Verordneten, falls jene Truppen im Lande
' Arneth, Maria Theresia I, 218.
* ^ErinnemDgsnotkurfft an den khOaigl. UoO vom 31. Jali 1741. K. u. k.
iaus-, Hof- und Stnataarcbir, Kriegsacton, Fase. 342.
hliubon, möge sie das Aerar verpflegen, da Ober-Oesterreich
wegen Misswacha, Fleischmangels und der ohnedem schon im
Lande liegenden zwei Dragoner-Regimenter nicht leistungs-
fähig sei. Wieder wiicl bei dieser doch keineswegs belang-
reichen Durchzugsangelcgenheit der Umstand ins Treffen ge-
führt, der Unterthan könne vorzagt werden und die mit Ende
dos Jahres fälligen hohen Steuern nicht bezahlen.'
Nach der Einnahme Passaus wurde die Regierung zu
regerer Thiitigkcit angespornt. Nunmehr war kein Zweifel
mehr an den feindlichen Absichten Baierns. Im Ungewissen
war man blos, ob der Kurfürst direct in Ober-Oesterreich ein-
rücken werde, oder ob die Ueberrumpelung Passaus nur den
Zweck gehabt hatte, des Kurfürsten Stammland, falls er in
Böhmen einfallen wUrde, vor einer Diversion aus Ober-Oester-
reich zu schätzen. Man beschloss ein ,ObservatioDscorps' so-
wohl ftir Ober-Oesterreich als für Böhmen in der Pilsener Ge-
gend aufzustellen, und am 2. August unterzeichnete Maria
Theresia die Instructinn fllr den Führer desselben, den Fcld-
marschall Christian Fürsten von Lobkowitz. Das Corps soll
bestehen aus den fllnf Ktirassier-Regimentem Caraffa, Lnbo-
mirsky, Carl Palffy, Hernes und St. Ignon, den drei Infanterie-
Regimentem Seckendorff, Moltke und Waldegg. Auch die in
Ober-Oesturreich stehenden Dragoner-Regimenter Savoyen und
Khevenhitler gehören zum Corps, bleiben aber bis auf Weiteres
noch auf ihrem Posten. Lobkowitz' Befehl unterstanden noch
die schon erwähnten 20OO Warasdiner zu Fuss und 200 Reiter,
400 — 500 berittene Theisser und Maroscher Grenzer und
2000 Mann zu Fuss ,von denen Sclavoniern'. Die ArtiUerie der
kleinen Lobkowitz'schen Armee bestand aus 8 Feldstücken
und 2 Haubitzen. Der grösste Theil von Caraffa und ganz
Bernes standen bereits in Pilsen, die übrigen Truppen waren
auf dem Marsche dahin. CompJet waren freilich nur die Gren-
zer und die beiden Dragoner-Regimenter. Von Auxiliartruppen
konnte der Fürst vielleicht auf 3200 Hessen und 1000 Würa-
barger hoffen. Aus den verschiedenen Umständen, sagt Maria
ITieresia, ,ergibt sich der Schluss, dass das Ilime (Xiobkow^itz)
anverthrauende Corpo ein blosses Observations-Corpo derzeit seje;
* .Hoffg-Notturfft' Tom 2. An^^t 1741. K.
archiv, 1. c.
k. Haas-, Hof- nnd Staats-
jUas selbes zur Defendicning von Böheimb nicht minder nis
iron Ober-Oesterreich gewidmet vnd dass es, sovill immer mög-
Bch, beisamb, mithin in stant zu halten seyc, wohin die Um-
itAnde erfordern, aufbrechen zu können; dnss daher seine, dos
Fllrstens Obs<jrg, ohngeachtet das Corpo nacher Pilsen der Zeit
angetragen ist, nicht nur auf ßüheimb, sondern auch auf Ober-
Oesterreich zu richten und alles dermasaen von nun an vorzu-
bereithen scye, damit einem feindlichen Einfall, an was Ort er
immer geschehe, nach Erfordcmus und Möglichkeit Einhalt
gethan werde', Vorerst müsse sich der Fürst nach Ober Oester-
(eich begeben, um dort mit dem Landeshauptmann und den
Itändischen Verordneten zu conferiren, wie das Land am besten
Bu vertheidigen sei. Nur an Ort und Stelle könne der Fürst
entscheiden, wo man die Donau sperren müsse, ob dies bei
Engelhartszell geschehen solle oder weiter stromabwärts an der
Ranna oder am Spielberge bei Enns, wodurch allerdings nur
Nieder-, nicht aber Ober-CJesterreich gedeckt werde. Den Ständen
habe Maria Theresia ebenfalls geschrieben und sie aufgefordert,
jetzt, wo die Ernte zum Theil schon hereingebracht sei, für
Verpflegung der Truppen das Möglichste zu thun, .nachdem
ein jeder das Seinige doch lieber uns als Lands Mutter als
einem zu des Lands Unterdrückung eindringenden Feind wird
bergeben wollen'. Es werde dem Fürsten auch zweckdienlich
lein, in Linz zu erfahren, was in den Jahren 1702 und 1703
Veranstaltet wurde. Nach des oberösterreichischen Landea-
panptmanns Bericht seien Jäger und Schlitzen bereits aufge-
boten, wa« um so wichtiger, als fast nur Cavallerie im Lande
|ei, Infanterie zur Grenzvortheidigung und zur Deckung des
lo erträgnissreichen Siilzkammergutes aber höchst nöthig wäre,
ie zunächst ankommenden Warasdiner sollten vermischt mit
ewaffnetem Landvolk ins Salzkammergut gelegt werden. —
D kundiger Officier, der Ingenieur-Oberstlioutenant Steiger,
e ins Linzer Zeughaus abgeschickt, ebenso 300 noch leid-
kriegstüchtige Invaliden aus Wien zur Abrichtung de»
^•andvolks. Mit Neipperg, dem Oberbefehlshaber gegen die
Preussen, und Ogilvy, dem Comraandanten von Prag, habe Lob-
kovitz Correspondenz zu pflegen.'
* Ich entnehme diese Dftten der Originillnitruction MAria Theresias an
LobkowiU, ddo. 2. August 1741. K. u. k. Haas-, Hof- und Staatsarcbir,
Kriegnctan, Fase. 866.
346
Der Instruction lag der Bericht bei, welchen der erwÄhi
Ingenieur-Oberstlieutenant J. Steiger, als er sich mit dem Grafen
Salburg im Frühjahre 1741 nach OberOesterreich begeben hatte,
erstattete. Derselbe klang, was die Sperrung der Grenze gegen
Baiern anbelangte, keineswegs ermuthigend. Steiger beschreibt
ausfiibrlich die Verhaue und Sicht^rheitsvorkehrungen im Jahre
1703 und stützt sich hiebei theils auf Berichte alter Leute, theils
auf den eigenen Augenschein dort, wo Spuren der Grenzbefesti-
g^mg noch erkennbar waren. Zwar wurde damals die von den
Baiern auf der Passauor Poststrasse erbaute Schanze zu St. Willi
bald von den Oberosterreichcm genommen, sonst ist aber Steiger's
Gesammturtheil, ,dass die Grttntzen damals schlecht verwahret ge-
wesen, es seye denn ein considerables Corpo zugegen gewesen.'
Nach Steiger's Vorschlägen wäre die Donau bei Engel-
hartszell durch eine starke Kette und ein Seü^ welche beide
auf kleinen wohlverankerten Schiffen zu ruhen hiltten, zu sper-
ren. Längs der grossen Kette seien auf dem Wasser drei Block-
häuser zu verankern und ausserdem an beiden Ufern je ein
starkes Blockhaus mit Graben und Pallisadon anzulegen. Sonst
sollten die Grenzen dort, wo Wälder sich erstreckten, ver-
hackt, dort, wo das Land offen, eine 6 Stunden lange , Linie'
angelegt werden mit dahinterstehenden Blockhäusern. Bei An-
lage dieser Linie wird man sich nicht ängstlich an die Grenze
halten, sondern, um von den Vortlieilen des Torrains zu ge-
winnen, bald von der Grenze nach einwärts, bald ins bairische
Territorium hinaus abweichen müssen, wie schon 1703 gesche-
hen. Doch könnte trotz aller dieser Anstalten ein feindliches
Corps etwa bei Passau die Donau übersetzen und auf dem
anderen Ufer bis Linz marschircn, wie dies eine Episode im
Bauernkrieg von 162(J beweise, wo doch das jenseitige Land
viel rauher und unwegsamer war.'
Von Steiger's Vorschlägen fand hauptsächlich der Plan
der Donausperre Anklang, wenn ihn auch später der von Lob-
kowitz bestellte Landescommandirende Graf Palffy nur zum Theil
verwirklichen wollte. Bei Engelhartszell gedachte er zwei
Blockhäuser zu errichten, dieselben mit Landvolk zu besetzen
und den Strom mit einer Kette zu sperren." Doch kam es
-' ' Bericlit Stei^r'i (dsmala Inifonienr-Major), ddo. Lin», 23. April 1741.
K. a. k. Hau.i-, Hof- and SUatsarcliiv, Kriegsacteii, Fase. 359.
* Der Iluflu-iegsrath an Lolikowiti uach PUsen am 19. August 1741; ebenda.
I
347
auch hieza nicht. Der Hofkriegsrath schreibt am 19. August
klagend an Lobkowitz, dass keine eisernen Ketten vorhanden
seien, ,and woher solche herzunehmen, nachdem die Landschaft
sich zu deren Beschaffung nicht verstehen wUl"?**
So schwammen denn am 13. und 14. September die
äen Donaukuhne mit den Franzosen gemllchlich die Donau
inter und standen noch eher als der KurHlrst vor den Thoren
von Linz.'
Zweites Capitel.
Das oberOsterreichlsche Landesanfgcbot von 1741.
Ziemlich gleichzeitig mit der Instruction an Lobkowitz,
am 3. August 1741 hatte Maria Theresia auch an die stiindi-
schcn Verordneten in Linz ein Rcscript erlassen. Sie theilt den-
selben mit, dass auf die Nachricht vom Falle Passaus und der
Feste Oberhaus hin FUrst Lobkowitz nach Linz abgeschickt
worden sei, um mit den Verordneten die nöthigen Vorkeh-
rungen zu berathcn. Da reguläre Infanterie nicht vorhanden
sei, 80 empfehle es sich, Jilger, Schlitzen und überhaupt
alle wehrfUhige Mannschaft aufzubieten. Dem Landesaufge-
bote sei aus dem Linzer Zeughause aller möglicher Vorschub
zu leisten.
Ebenso gehen aus dem Wiener Invaiidenhause 300 noch
dienstfiihige alte Soldaten zur Abrichtung des Aufgebotes nach
Ober-Oesterreich ab. Die Königin hofft — wie sie schon in der
Instruction an Lobkowitz gesagt hatte — die Stände würden
,zur Vertheidigung des armen Unterthans gerne alles anwenden
und viel geneigter sein, ziir Erhaltung des Landes das Aeusserste
aufzusetzen, als durch eine einbrechende feindliche Macht ihre
Habschaften verschlingen zu sehen'. '
' Voriges Schreiben.
' Vg\. Heikel, Der Onterreichigcbe Erbfolgekrieg, 8. 194.
' Königliches Rescript an die oberflsterreicliischon Verordneten, Preubnrg,
3. Aof^tut 1741, K. u. k. Uaos-, Hof- und StastiMUchir, Kriegsacten,
Fuc. n-2; vgl. Anhang, Nr. II.
348
Unter dem gleichen Datum erhielt auch der Landeshaupt-
mann ein königliches Rescript aus Pressburg.
Lobkowitz hatte sich bereits am 2. August nach Linz
begeben. Schreiben des Hofkriegsrathes an ihn vom 2., 4. und
5. August sind nach Linz adressirt und am 7. August dortselbst
prttsentirt. Am 9. August war er indess schon nicht mehr in
Linz, denn eine Ordre des Hofkriegsrathes muss iiim nach
Prag nachgeschickt werden. Inzwischen waren die oberöster
reichischen Stände im Plenum zusammengetreten. Der Feld-
marschall beauftragte sie am 7. August mit dem Aufgebote des
Landsturmes und der Beschreibung der Schätzen.
In der Plenarversamralung der Stände am 8. August er
klärten sieh diese zunächst mit der ständischerseits zu ge-
scliehonden Werbung und Bestellung des regulären Recruten-
contingentes von 1109 Mann einverstanden.
Am 9. August erschien das diesbezügliche ständische
Patent, womach von je 40 Feuerstätten ein Recrut im Alter
von 20 — 45 Jahren zu stellen sei. Die Assentirung sollte vom
26. August an im Landhause unter Leitung des landschaft-
lichen Chiriirguä Sigmund Lech! stattfinden. Auf die Qualitlit
der Geworbenen kam es der Landschaft nicht an, wie folgender
culturhistorisch nicht uninteressanter Passus des landschaftlichen
Patentes beweist: ,worBU nun (zu Recruten) benantlicb die an-
gewohnte Gässelgeher, Rauffer, Spihler, Vollssuffcr,
item die öffters botrettene Fornicanten (liederlichem
Lebenswandel nachhängende junge Leute), wann selbe vorhin
etwann nicht schon abgestrafft worden seynd und sonderbahr
die Vagabundi, so ohne authenti.selicn Passen, Handwerks
Urkunden und Attestaten im Land herumstreichen, mithin dem
Publico sowohl als Privatu imd sondcrbabr dem Land-Mann.
Bürger und Bauren auf den Strassen und zu Hansa obnedeme
zur Last seynd freiwillig und wider iliren Willen ap-
pliciert und genommen werden können. Die Obrigkeiten also
durch heimlieh und öfftere Visitationes zuforderist in denen ab-
gelegenen Würtlishilusern solche aufzubringen von Selbsten ge-
richt sein werden . ' Bis Ende September gedachten die Stände
' Stflndiachen Patent rom 9. An^rnat 1741. K. ii. k. Hanx-, Hof- and Staats-
archiv. Peter'üche 8amnilaiig: Aus dem Archive der Stadt Enns (Varia)
1716- 1742.
349
mit diesem Elitecorps zn Stande zu sein. Freilich überschritt
schon am 11. September der Kurtllrst die Grenze und bis da-
hin waren erst 253 Recruten assentirt. '
Am selben 8. August genehmigten die Stände indess auch
das Landesaufgebot. Jeder zehnte Mann wurde auf-
geboten und dieser Beschiuss durch das ständische
Patent vom 11. August allenthalben kundgegeben.
Am 13. August wurde der Regiemng der Plan vorgelegt,
nach welchem der Landsturm aufgeboten und organisirt werden
sollte.* Es lässt sich nicht leugnen, dass derselbe uni.-^ichtig
und zweckdienlich angelegt war. Leider Hess die Ausführung
sehr viel zu wünschen übrig. Im Punkte 1 des Planes wird
darauf hingewiesen, dass mittelst des Patentes vom 11. August
die Aufbietung des Landsturmes bereits erfolgt sei.
Punkt 2 des Planes bringt das allerdings richtige Axiom:
dass es nicht rathsam sei, den Landsturm ,wie eine Herd Schaf
einem rcgulirten Militär entgegcnzustyllcn und aufzuopfern. Dem-
nach soll das ohne die landesflirstlichen Städte etwa 4000 Mann
zählende Aufgebot in 13 Compagnien zu je 300 (350) M:inn
getheilt werden.
, 3. Sammel- und Musterplätze flir die Landescompagnien
sind: Im Hausruckviertel: Schwanstadt, Orieskirchen, Wels
und Eferding. Im Traun viertel: Steyr, KremsmUnster, Neu-
hofen, Kirchdorf oder für die beiden letzten Orte Enns und
Ebelsberg. Im MUhlviertel: Rohrbach und Ottensheim. Im
Machlandvicrtel: Nenmarkt bei Freistadt, Pabnenkirchen,
Markt Perg.
Das Aufgebot soll ,in profixo tennino' (derselbe ist leider
aus den Acten nicht ersiciitlicli, da das Patent vom 11. August
nicht vorliegt) so viel als möglich mit Ober- und Untergewehr
Bammt Pulver und Blei für 24 Schüsse erscheinen. Die Unbe-
' Stindischer Bericht &n den KnrfUrsten Tom 9. Outober 1741. K. n. k.
Haiu-, Hof- and Staatsarchir, Kriegsacten, Fnsc. 343.
* ,Siiteina de« entworffenen Plans, welchorgestalton auf eingelangten kOnigl.
a11erg«ten Befehl and darauf von denen gesamten lUbl. Ständen dieses
Erzlierzogthnm» Ü. o. der Enns unverweilt geschupften EntschlUssnngen
de dato 8''» carrentis mensis Aogusti dieses laaffendeu 1741t<»> Jahrs
Ton denen hierzu cnm libera beTolImüchtigton Landschaftsverordneten
der wUrklich ergriflfeno Landaufbott des 10. Manns reguliert und in
ErfiHInnp na setzen getrachtet wirdet' (Concept Tom 13. Ati^uat 1741).
Kbenda, Fase. 342.
360
waffneten aber sollten die ,Bewöhrung' g^egen herrschaftliche
Gutstehung in Linz erhalten.
4. Für jedes Viertel sind von der Landschaft Commissire
zu besteilen aus kriegskundigen Cavalieren, die in kaiserlichen
Diensten gestanden sind; diese hätten darüber zu wachen, dass
nur taugliche Leute gestellt, dass Musterrollen für jede Com-
pagnie angelegt, Pulver und Blei untersucht würden.
5. Zur Uebemahme der Uauptmannsstellen in den ein-
zelnen Compagnien sind .Landsmitglieder und adelich Patrioten'
durch eigene Ersuchschreiben zu requiriren.
6. In allen Städten und Märkten seien durch öffentliche
Patente ,die qualiticierte Subjecta ftlr Lieutenants, Feldweibel,
Führer und Korporals, weillen die wöhrhatfte Invaliden in ge-
nügsamer Anzahl nicht zur Hand seind, invitiert und berufen
worden'.
7. Ober- und Unterofficiere sind allsogleich den Muster-
plätzen zuzutheilen und sollen dort ,mit bchöriger Positions-
Anweisung nebst aUer übrigen patriotischen Pflichts-Ennahnung,
jedoch ohne körperlich Jurainent ftlrgestellet werden'.
8. Da zwischen dem commandirendcn General der regu
lären Truppen und jedem einzelnen Landaufbotshauptmann die
Correspondenz zu beschwerlich war, so stellten die Verordneten
über alle Compagnien ihr Mitglied Herrn Josef Williuger von
der Au, ,einen absonderlich in re militari viel Jahr geUbten
Lands-Kavalieren, zu einem Oberhauptmann oder Oapitain-
Commandanten', der auch jene Correspondenz zu führen hatte.
Ebenso wird 9. zur leichteren Durchführung aller Veranstal-
tungen dem commaudirenden General Grafen Palfy ein eigenes
Landschaftsmitglied zugegeben.
Diesem Plane ist auch ein Kostenvoranschlag beigefügt:'
Von den 14.075 Feuerstätten des Hausruckviertels ist die
1. bis inclusive 4. Compagnie ohne Ober- und Unterofficiere je
351 Mann auszuheben. Die Gemeinen erhalten monatlich 2100 fl.
per Compagnie, die Ober- und Unterofficiere 327 fl. Damit
kommt eine Compagnie des Hausruckviertels dem Lande auf
2433 fl. monatlich zu stehen.
Das Traunviertel stellt von 12.763 Feuerstätten die 5. bis
inclusive 8. Compagnie zu je 314 Mann ohne Officiere. Der
,Sobema des SchUtaeuauniutba in Ö. o. der Eutu', L c.
3Ö1
Id beträgt monatlich 1914 fl. per Compagnie, die Gesammt-
Bten für eine Compagnie des TraunvierteU monatlich 2241 fl.
Das MUhlviertel stellt von 5548 FeuersUltten die 9. und
. Compagnie mit je 277 Mann. Sold der Officiere 327 fl.,
r Gemeinen 1662 fl,, also 1989 fl. monatlich per Compagnie.
Ana dem Machiandviertel mit seinen 9065'/» Feuerstätten
irutirt sich die IL, 12. und 13. CompagTiie mit je 302 Mann,
fordemiss monatlich 327 fl. für die Officiere, 1812 fl. für die
innschafl; im Ganzen somit pro Compagnie 2139 fl. monatlich.
Die Gesammtstilrke des Aufgebots soll sich von 41.451'/,
merstätten des ganzen Landes auf 4140 Mann mit 234 <)bcr-
d Unterofficieren belaufen; die Totalkosten wllrden 29.091 fl.
•natlich betragen; hiebei sind aber die Ausgaben für Waffen,
mition, Patrontaschen, Schanzzeug, Arbeiter, Fuhrwerke, Apo-
jker und Feldscherer nicht mit eingerechnet.
Dies der von den Ständen der Regierung unterbreitete
>bili8irung8plan für das Landesaufgebot; freilich fehlte gleich
m Anfange der gute Wille, ihn durchzuführen.
Bereits am 10. August hatten die Stände auf ein die
mdsturmangelegenheit betreibendes Promemoria des Grafen
lü'y erwidert: ,dass wür von diesen unexcrcicrton Paucrn-
Ik die erwünschte Landesdefension und Sicherheit nicht ver-
röchen können, sondern einem eintzigen regulierten Infaiiterie-
igiment mehrer Cräfften zum widerstandt, als einem doppelt
d dreyfachen Aufbott von dem Landvolkh zuetnuien'.
Dem .Sistema des cntwortennn Planes' selbst fügt die
indschaft einen Schwall von allerlei Bedenken bei. Nament-
h an Munition, Pulver und Blei mangle es. Die vorhandenen
inten seien von ungleichem Caliber, das Landvolk sei unab-
richtet. Gerade jetzt habe man die Bestände des Linzer
oghauses nach Enns gebracht. Letzterer Einwand war in
r That in etwas begründet. Am 14. August wird attestirt,
BS durch die Kegieiiing 2119 alte Musketeuschlössor, sowie
6 neue in das Ennser Stadtzeughaus gebracht worden waren.
lAlr worden indess im Aufti'age des Hofknegsrathes für Linz
stimmt: 2 sechspfündige ,Falkhaunen', 8 dreipfündige ,Re-
nents-Stukh*, 2000 Stückkugeln, 60 Centner Musketenpulver,
Centner Kugelblei, 6000 Flintensteine und 2 Centner Lunten.
Lu Weiteren verweisen die Stände auf die grossen Kosten
8 Aufgebotes, welche die landschaftliche Casse , zumal in
Arckir. LXXXVU. Bd. II. Hilfte. 83
352
gegenwärtiger creditloser Zeit' nicht wird bestreiten können.
Zudem sei die Grenze gegen Baiem offen und weitschichtig,
das Land ohne Festung. ' Wieder klingt am Schlüsse der alte
Refrain: Durch alle diese Anstalten könne unter den Steuer-
zahlern ,Bc8türzuüg' entstehen and die Zahlungen derselben
stocken. *
Eine andere Angelegenheit war den Ständen ebenUls
Gegenstand heftigen Unmuthes, bewies aber den gänzlichen
Mangel an Gemeingeflihl mit den übrigen Ländern. Palffy hatte
am 10. August von der Landschaft Arbeiter und Holz zur An-
lage zweier Redouten auf der Insel Spielberg und dem Dorfe
Enghagen bei Enns begehrt. Hierüber beschweren sich die
Verordneten bei der Königin und melden, dass sie an Palffr
,erindert hätten, dass diese redoutenaufwerffung an der Landt-
GrUniz abwerts zu Bedeckung dieses lands nicht dienlich seie
und wann es auf bede Redouten, wie auch die Stadt Enns
annoch ankhommet, das völlige Land von einer feindlichen
Macht von oben herab schon libergewjlltigt und verschlungen
sein mtisse'. '
Allerdings erhielt der landschaftliche Pfleger in Steyregf
Befehl, Holz auf Pallisaden und Faschinen, sowie Handwerb-
' Hierin hatten die Stinde recht, wie durch ein neueres niilitäri*che<
Urtheil (Iber den damnligen Zustand von Linz, Enns und Stejr k<-
stätigt wird. .Das durch seine Lage im Donnuthale und an der ynt-
zfl^licbsten Vorrilckungslinie des Gegners wichtige Lins, damals 17.000
Einwohner zählend, hatte nur eine altartige, wenn auch bereits anWr
dem Eintliiss der Pulvergeschlltzo entstandene Befestigung ans mit ErJ-
wKlleu voMtärkten Mauern, an deren ausspringenden Winkeln lur Gt-
schntzverthoidigung eingerichtete Rondelle angebracht waren. Aoascn-
werke fetilten völlig. Die ganze Anlage, die in Folge der Uang«!-
haftigkeit und des Zustandes ihrer Werke den Namen Testiuig nicht
mehr venlionta, war Überdies von dem nürhsten Umterraiu voUkommm
dominirt und entbehrte daher bei Ausbruch des Krieges nahezu jedtr
Vertheidignugsfähigkeit. Ebenso besosseu Enns und Steyr nur halb-
verfallene Stndtmanem.' Oesterreichisober Erbfolgekrieg, herausgegeb«D
vom Kriegsarchive, I, 8. 779.
* ,Sistoma' vom 13. August 1741. K. n. k. Hans-, Hof- und 8t«ataai«liir,
Kriegsacten, Fase. .342. — Das Attest über die nach Enns gebrachten
Bestände des Linzer Zeughauses: ebenda, Peter'sche Sammlung. Bft-
zHglich der nach Linz zu bringenden Munition: Der Hofkriegi<rath a«
Lobkowitz am 16. August 1741; ebenda, Kriegsacten, Fase. 369.
* .Hoffs-Nottnrffl' vom 16. August 1741. K. u. k. Uaus-, Hof- nnd Staats-
archiv, Fase. 342.
353
leate und Arbeiter fUr die bei Enns auszuftJlirenden Arbeiten
zu stellen, doch die Stände konnten nicht unterlassen, jene
Werke als unnütz hinzustellen; auch verwiesen sie die Re-
gierung auf die Nieder-OesteiTcicher. Diese vcrfehJte nicht, die
niederösterreichischen Stände heranzuziehen. ' Letztere nahmen
sich in der That der Sache mit Eifer an upd verausgabten ftir
jene Schanzen auf oberösterreichischem Grunde nach und nach
13.0()0 fl.»
Mittlerweile gingen die Stände daran, den mit Patent
vom 11. August aufgebotenen Landsturm zu organisircn, jedoch
ohne rechte Freude an der Sache, so dass schon am 19. August
der Hofkriegsrath an Lobkowitz schreibt: ,mit dem Landvolk
gehet es langsamb vor sich, auf welches auch ausser zu Ab-
haltung deren Streifungen kein grosser Staat zu machen'.'
Bevor nun am 22. August wirklich die 1. Compagnio zu
Peuerbach gemustert wurde, versuchten die Verordneten noch
einmal, die Regierung von dem Plane der Aufbietung des
Landstiu-mes abzubringen. Am 14. August richteten sie eine
diesbezügliche Vorstellung an Maria Theresia, wie sie auch den
Landeshauptmann und den General Palffy in dieser Angelegen-
heit schon öfters ,erindert' hatten. Zum Theile wiederholen sie
bereits Geäussertes, zum Theile kommen sie mit neuen Be-
denken angerückt. Sie zweifeln sehr, ob wirklich jeder zehnte
Mann sich auf den Musterplätzen einfinden wird. Beschämend
ist ihr Geständniss, dass von den ,adolich Patrioten', welche
Hauptmannsstellen übernehmen sollten, sehr wenig sich ange-
meldet hätten mit der Begründung, ,weilen jedermann zwar
sein Guet und Blueth für Eur Khönigl. May. und das werthe
Vaterland willfiihrig sacrificieret, aus Mangel eigener Kriegs-
erfahrenheit aber, oder auch weilen er von dem gar nicht ab-
gerichten Landvolk verlassen zu werden billig befürchtet'.
Femer wird die Besorgniss ausgesprochen, .dass auf den ersten
Anfall einer feindlichen Parthei das ohnedeme von Natur
forchtsame Pauernvolkh die Posten verlasset und ausseinander
' KOniglichefl Decret vom 16. August 1741 an die niederOsterreichischeii
Stände; niederOsterreichucbe« Landesarchir, Fase. E, 20, 6.
^* Belation vom 23. Noveuber 1741 im niederOaterreichischen Landes-
archiv, 1. c.
' D«r Hofkriegsrath an Lobkowiu, 19. August 1741; k. u. k. Unns-, Hof-
und Staatsarchiv, Fase. 359. ^^^^^
23»
364
laufet', ein Vorwurf, der in gar nichts begründet ist. Der
Kenner der oberösterreicliischen Landbevölkerung wird gewiss
energisch verneinen müssen, dass dieselbe ,von Natur forcht-
sam' ist. Auch war das Verhalten der Bevölkening während
des Einmarsches der Feinde and der Besetzung des Landes
ein durchaus untadeliges; sie blieb gut österreichisch und unter-
stützte — wie au einem Beispiele im Folgenden gezeigt werden
wird — mit Lebens- und Vermögensgefahr die Rückeroberung.
Auch die von der Regierung zur Abrichtung geschickten 300
noch rüstigen Invaliden sind der Landschaft ein Gegenstand
des Missfallons, ,wpilen sye den zum gewöhr ungeschickten
Paurs-Mann mit Schlög tractieren, mithin noch mehr verzagt
machen und zur Desertion veranlassen dörfften'. In Wirklich-
keit verhielten sich jene alten Exerciermeister bei wirklich er-
folgter Invasion weit besser als manche Landesmitglieder und
konnten mit allen Ehren abziehen. Das Oeld ftlr das Landes-
aufgebot erklären die Verordneten geradezu für hinausgeworfen.
Wieder scliliesst die Reihe der ständischen Argumente mit den)
Hinweise, sie müssten, um die Beschaffenheit der Dinge in ihrer
jUatUrlichen Färb' zu entwerfen, bekennen, dass die Unterthanen
in einigen Herrschaften ,bci gegenwärtig geftlhrlichen Zeiten
und Unistilndeii Steuer und Gaben zu reichen verweigern'.
Sie bitten nun um ,den allerhöchst khönigl. Befclch hier-
über, ob wir nemblich bey so gefährheh sich äussernden Umb-
ständen mit der so kostbahr fallenden Aufrichtung deren 13 Com-
panien von unerfnhrencn Pauernvolkli indenoch fortzufahren
haben'. Wie Ironie klingt es, wenn die Vertreter der Land-
schaft am Schlüsse der Hoffnung Ausdruck geben, die Königin
werde in diesen und allen anderen Dingen den ständischen ,blin-
den Gehorsam aUermildest erkennen'.'
Auf diese Klagen und Vorstellungen antwortete Mari*
Theresia durch das Rescript de dato Pressburg, 26. August
1741.* Mit grosser Nachsicht sagt die Königin, sie wttrdigf
zwar die Erheblichkeit des Vorgebrachten, es ginge aber doch
nicht an, das Land ,ohne einige Verfassung' zu lassen. Die
' .Hoffs-Notturfft den Landenschatzen-Aiifbot betreff.' Lins, 19. Aagai^
1741. K. u. k. HAas-, Hof- und Staatsarchiv, Kriegsacten, Faac SÜ
(Anhang III).
* Maria Theresia an die Verordneten, Pretsburg, S6. August 1741; ebenda.
Fase. 342.
355
Compagnien des Landesaufgebotes könnten sowohl dem Feinde
Widerstand, als dem regulären Militär Unterstützung gewähren.
Den wahren in den Geldauslagen zu suchenden Grund des
ständischen Widerstrebens gegen den Landsturm beseitigte
Maria Theresia kurz durch die Verfügung, die Kosten seien
der Landschaft aus den Contributionsraten fiir das künftige
Jahr zu erstatten.
Damit war nun der Stein des Anatosses beseitigt, und ge-
wissermassen frohlockend bemerkten die Verordneten am
29. August auf dem königlichen Rescripte in dorso: ,Die8
allergnädigste Rescript in originali mit besonderem Fleiss
bei der Canzley aufzubehalten.' Zugleich ergingen vidimirte
Abschriften des königlichen Schreibens an das landschaftliehe
Generaleinnehmeramt und den landschaftlichen Kriegscassier,
damit die Unkosten , durch besondere Rechnung dem königl.
Hof an denen Contributionsratis angesetzet werden können*.
Nunmehr scheint etwas mehr Thäitigkeit in der Landesaufgebots-
angelegenheit entfaltet worden zu sein. Ein Theil der Com-
pagnien trat wirklich in voller Stärke zusammen, 3 wurden an
der Grenze aufgestellt, eine Compagnie bei den Schanzen in
Spielberg, Enghagen und Ebelsperg, eine stand in Steyr, je
eine auch in Schwanstadt, Kremamünster und Kirchdorf. Doch
war immerhin am 6. September, fünf Tage vor dem Ein-
märsche des Kui-fUrsten, von den fünf Compagnien des Mlihl-
und Machlandviertela auch noch nicht eine gemustert. Kost-
bare Zeit, vom 8. August, dem Tage der Beschlussfassung, bis
zum 29. August, von wo an man die Sache ernergischer be-
trieb, war verflossen. Mittlerweile hatte sich das drohende Ge-
witter immer finsterer zusammengeballt.
Am Himmelfahrtetage (lö. August) nämlich begannen die
ersten Colonnen der Franzosen den Rhein zu überschreiten.
Wie sie auf dem rechten Rheinufer angelangt waren, erschien
die blauweisse bairische Cocarde auf ihren Hüten, keinen
Zweifel lassend über ihre Bestimmung. lu langsamen Märschen
Q&herten sie sich dem kurfürstlichen Lager bei Schärding.'
OberCeterreich schien nun ziemlich sicher das Object des ersten
' Ameth, MAria Theresia I, 8. 248. Die vöUipo Vereinigung der Fran-
xoseo mit den Baiern erfolgte indessen er»t in Ul)or-Oe8terreich, da sich
die Franzosen bei Donanwitrth einschifften und dann su Pflitter unweit
Begensburg ein Lager aufschlagen (nach Heigel, 1. c, S. 176).
356
AngriflFes. Geschehen war dort herzlich wenig. Die ganze
Haltung der Stände in der Frage des Aufgebotes war eine
derartifjo pjewescn, dass sie auch auf die Regierung cntmu-
thigeud eingewirkt zu haben scheint. Als Mitte September
der böhmische Obersthofkanzlor Graf Kinsky den Plan eines
, Land- Auf bots' in Böhmen anregte, ging der Hof, offenbar
durch die Erfahrungen mit den oberösteiTeichischen Ständen
hiezu veranlasst, nicht darauf ein, da davon ,eine gar geringe
Wirkung zu erwarten sein würde'. ' Am 6. September schon
enthess Palffy den grössten Theil der Aufgebotsmänner und
verzichtete auf die Musterung der noch ausständigen ftinf Com-
pagnien.* Gewehre und Munition worden den Leuten kurz nach
dem Einmärsche der Bavaro-Franzosen auf Befehl der kur-
fUrstlichen Behörden von der Landschaft wieder abgenommen.*
Am 19. September erfloss das landschaftliche Patent, nach
welchem die LandesschUtzen verhalten wurden, die ihnen vor-
dem abgegebenen Waffen, ,so in einer Flinten, Bajonett oder
Säbel bestanden', an das landschaftliche Depositorium zurück-
zubringen.*
So endete sang- und klanglos das Aufgebot des Landes
ob der Enns, wie sich auch bei der herrschenden Stimmung
der Stände nicht anders erwarten Hess. Kein Schuss fiel, «Is
am 11. September der Kurfürst einrtlckte, und ohne eine Spur
eines Widerstandes besetzte Karl Albert eines der StammlSnder
des habsburgischen Staates. Zeit zur Organisation eines wirk-
samen Landsturmes hätten die Stände genugsam gehabt. Früh-
zeitig, schon im April, forderte die Regierung hiezu auf. Ja
* Maria Theresia au Lobkowitz, Pressbnrg-, 14. September 1741. K. D. k.
Hnas-, Hof- und Staatsarchiv, Kriegsacton, Fase. 367.
* ,Oi)gen Pro-Memoria' des Grafen Palffy an die Verordneten, Linz, ß. Sep-
tember 1741. Ebenda, Fase. 342.
* Protiikull von der Mand den ständischen Syndicus r. Fridel su der Con-
ferenz am 16. September 1741. Anwesend ,dio kurfilrstl. Ministri H. Gt-
Preysiug:, H. Bar. von Braiteulohn et reliqui mihi ignoti . . . Pnncl 4:
seye das gewOhr nnd mnnition von den burgern und panrschafl sbiu-
fordem und solches nacher Linz zu brin^n'. Auch die landschafUiotjft j
Verordneten schreiben dem KurfUrsten am 17. September: Das
und die Munition, .welches auf Verlangen des Generals Palfy an '
LandesschUtzen ausgetheilt wurde, ist an die Landschaft allerdings '
Kulieforu*. Ebenda.
* Original mit aecha Siegeln. Ebenda, 1. c.
noch nach der Eröffnung der Feindseligkeiten durch die Weg-
ttfthme Passaas vergingen sechs Wochen bis zum wirklichen
Einrücken Karl Albrechts. Es wäre freihch unnlUzes Bhitver-
giessen, ja Wahnsinn gewesen, mit dem ,Lan<lfahn' allein die
Grenzsen gegen Baiern und das flache Land halten zu wollen
ohne reguläres Militilr. Doch in dem gebirgigen Theile, zumal
im Salzkammergute, hätte das Landesaufgebot, nach dem glor-
reichen Muster der Tiroler anno 1703 gegen Max EmanucI,
von grossem Nutzen sein können. So indess fiel auch das Salz-
kammergut mit seinen reichen Vorräthen und Einkünften ohne
Widerstand, während der Feind ohne sonderliche Mühe durch
jdie auf Benachrichtigung des wackeren Leonsteiner Pflegers
Franz Michael Grezmillner vom Admonter Prälaten aufge-
botenen steirischen Bauern am Ueberschreiten des Pyrnpasses
imd am Einfalle in das steirische Ennsthal gehindert wurde. ^
Dass das oberösterreichische Landesaufgebot keineswegs zu
unterschätzen war, das beweist der Eifer, mit welchem die
Begierung und diesmal auch die Stände im Herbste 1742 die
Verfügung trafen, alle im Lande betindlicheu Jäger und Scharf-
ichützen seien auszuheben und dem General Bemklau zur Be-
^tzung von Passau, Schärding, Braunau und Burgliausen zu
überlassen, der illnfte Mann im ganzen Lande, das gesammte
Landvolk an der bairischen Grenze sei aufzubieten, um dem
drohenden Einfalle des bairischen Generals Seckcndorf mit Er-
Jblg zu begegnen. Das Salzkaramergut soU mit 400 oberöster-
reichischen Scharfschützen besetzt werden. Schnell und dringend
verlangen die Stände von der Regierung für ilir Landvolk Ge-
wehre, Pulver, Blei und Säbel.*
Wie sehr ist diese Haltung von der im Jahre 1741 ver-
schieden 1
* Bericht Grezmillner's. K. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchir, Fa<c. 14.
OberOaterreicb 1650—1749.
' Die LancUcbaft an Maria Theresia am 17. October 1742. Ebenda.
358
Drittes Capltel.
Die letzten Zelten v«r dem Kliiiiiiirschc der Bafcm iiud
Franzosen in Ober-Oesterrclch.
Schon in der Conferenzsitzung vom 12. August war sich
der Wiener Hof über das ernstlich Bedrohliche der bairischcn
Rüstungen klar «rcwordcn. Die Conferenz constatirte die That-
sachen, dass alier Orten längs der Donau und des Innstromes
Schiffe gesammelt würden; einige bairische Regimenter hätten
ein Lager bei Schärding bezogen, der Rest stünde in Straubing
und Ingolstadt; die von den Franzosen an die Ulmer gestellte
Durclizugsforderung lasse vermuthen, dass sie auf der Donau
nach Ober-Oesterreich herabzukommen Willens seien. ' In einer
solchen Stärke hatte man sich aber die französische Hilfeleistung
an den Kurfürsten kaum vorgestellt, wie sie das mächtige fran-
zösische Heer nun erwies, das seit Mitte August in glänzender
Ausrüstimg durch den schwäbischen und bairiachen Kreis
heranzog. Dieser Thatsache gegenüber sah sich bereits am
19. August der Hofkriegsrath unter Klagen über die Unzuläng-
lichkeit des Landaufgebots und die Unmöglichkeit der Donaa-
spcrre (vgl. S. 347) genöthigt, den Laudescommandirenden Grafen
Palffy durch Lobkowitz dahin insfruiren zu lassen, ,er habe bey
allzustark auf ihme anruckheude feindliche Macht sich anfangs
über die Traun, und wan er auch von dannen weichen müsste,
über die Enns zu ziehen'.*
Noch düsterer stellt der Hofkriegsrath die Lage in seinem
Berichte vom 30. August 1741 dar. Ein Theil der Franzosen,
schreibt er an Lobkowitz, dürfte anfangs September in Donau-
wörth eintreffen; ein anderes französisches Corps wird, wie aus
einem vom Marschall Belleisle an den Nürnberger Magistrat
ergangenen Requisitionssehreiben erhelle, seinen Weg durch
Franken und die Oberpfalz nehmen. In Schärding stehen
10.000 Baiern, viele Schiffe und Flösse sind gesammelt, für die
Vorproviantirung wird vorgesorgt, die Strassen sind für den
* Eztract aus dem CouferenxprotokoUe vom 12. Aug^t 1741, Beiln^ t*.*-
dem Schreiben des Uofkrie^rathes aq Lobkowitz vom 19. Augast 1741 -^
K. u. k. Uaus-, Hof- uod StMitsarchiv, Kriegsacten, Fuc. S&9
* Voriges Scbreibeu.
359
Marsch der Truppen in Stand gesetzt, ,68 ist mit einem Worte
alles dermassen zubereitet, dass die Ruptur, wo nicht vor der
Conjunction mit den Franzosen, doch gleich darauf vor sich
geben kann'. Der Fürst möge einen Plan einsenden, wie er
lieh im Falle eines Angriffes der feindlichen Uebermacht von
Oberösterreich und der Oberpfalz her retiriren wllrde. Bezüg-
lich Oberösterreichs heisst es wie schon früher, ,dass, sobald der
KurfUrst einruckhet, Graf Palffy nichts anderes thun kann, als
mit denen 2 Regimentern über die Traun und von da über
die Enns sich zu retirieren', ja sollte der Zug weiter nach
Niederösterreich gehen, so könne der Fürst ,8ich selbsten ein-
bilden, was vor einen Widerstand die zwei Dragoner-Regi-
menter allein gegen einer den Ennsfluss mit Ernst passieren
wollenden feindHchen Macht zu leisten vermögend wären'. ^
Die einzige grössere Armee, die Oesterreich aufzuweisen
hatte, die Neipperg'sche, war durch die Preussen am nördlichen
Kriegsschauplatze zurückgehalten. So betrat man noch ein-
mal den Weg der Unterhandlungen.
Noch in der zweiten Augustwoche hatte man den Aus-
gleich mit dem Kurfürsten ftlr leicht und ohne sonderliche
Opfer durchführbar gehalten, trotz der im Juli gepflogenen
Vergeblichen Unterhandlungen, die der oberste Hofkanzler
Ludwig Graf Sinzcndorff und der bairische Kanzler v. Unertl
iurch das Medium des sowohl in Wien als in München an-
Ittssigen Wolf Wcrthheiraer gefuhrt hatten. Noch am 9. August
tchrieb Maria Theresia an ihren Vertreter am sächsischen
Hofe: ,Wir sind ebcnmässig vest entschlossen, unsere teut-
iche Erbländer nicht zu schmälern, sondern allenfahls Chur-
Bayem von entfernten Ländern zu befriedigen.'* Die Hoff-
nung, mit Baiem zu einem leichten Abkommen zu kommen,
ftTwies sich jedoch bei der geänderten Stellung Franki-eichs
kls eine trUgei'ische. Maria Theresia unternahm es aber noch
r
' Der Hofkriegsratli an Lobkowitz am 30. Aug^t. K. u. k. Baus-, Hof-
nnd Staatsarchiy, Fase. 36&.
' ,EUtractag Rescripti an Graflfen von Wratulau a. KbeveDhUller, Presbni;;,
en 9t*» Augnst 1741.' Ebenda. Uurt heisst es auch: ,Ein leichtes
nrde Ewar sein, sich mit Cbur-Bayern auch ohne sonderlichen Ab-
brach unserer Gerechtsnme einzuverstehen.' lieber die Verhandlungen
Sinsendorff'B mit Unertl vgl. Arnetb, Maria Theresia I, S. 236 flf.
860
einmal, durch eine persönliche Unterhandlung den von Westen
her drohenden Einbruch selbst mit schweren Opfern fernzu-
halten. Am 26. August 1741 fand eine lebhafte Unterredung
zwischen ihr und des KurfUi'sten Schwiegermutter, der Kai-
serin Amalie, Witwe Josefs I., statt. Maria Theresia bot
dem Kurflirsten die Niederlande oder sämmtliche Besitzungen
des Hauses Oesterreich in Italien, freilich gegen die Ver-
pflichtung, sie vor einem üebietsverluste dem ])reussi8chen
Feinde gegenüber zu bewahren und ihrem Gemahl die Stimme
bei der Kaiserwahl zu geben. Dieses Angebot wurde von der
Kaiserin Amalie im Namen ihres Schwiegersohnes abgelehnt
und als Gegenforderung aufgestellt: Abtretung der Vorlande
und des Landes Oesterreich ob der Enns, Erhebung zum Künige
von Schwaben oder Franken. Vergeblich erklärte sich Morik
Theresia endlich selbst bereit, zu sämmtlichen Niederlanden
auch deutsche Besitzungen, die Vorlande (den Breisgau, Vorarl-
berg und das österreichische Schwaben) abzutreten; vergebens,
der verblendete, von den Franzosen und seinen GrossmachU-
träumen völlig umstrickte Kurfürst ging selbst hierauf nicht
ein. ' Damit war jede Aussicht auf eine friedüche Lösung der
bairischen Frage erloschen.
Umsomehr jammerten die Stünde Ober-Oesterreichs, die
wieder zusammengetreten waren, als ihnen diese Thatsache klar
wurde. Sie beklagten sich jetzt, dass die Regimenter CaraSa und
Saint Ignon nur auf dem Durchmarsche im Lande seien, und dass
auch die durch Nieder-Ocsterreich marschirenden Regimenter, so-
wie die mehrerwähnten 2000 Warasdiner und 200 Husaren gegen
Böhmen zögen, sie, die früher gegen jede Vermehrung der Be-
satzung die grössten Schwierigkeiten erhoben hatten. Der Ton
ihrer Eingabe vom 1. September 1741 ist ein ganz anderer,
wiUigerer als der in den früheren Schriftstücken, leider zu spät.
Sie schicken nun ihr Mitglied, Otto Karl Grafen von Hohen-
feld, an die Königin, um zu bitten, ,allerhöchst dieselbe geruhen
uns durch schleunige Hilfsleistungen mit zuelängig regulierten
Trouppen allermildest zu Hilf zu kommen'.*
Wenn sie auch in demselben Actenstücke, in welchem
sie um Verstärkung des regulären Militärs ansuchen, in den
> Ueber diese Verhandlungen AmeUi, Maria Theresia I, S. S37, 238.
* Die Stände an Maria Theresia, Linz, 1. September 1741. K. u. k. Ha
Hof- und Staatuurchiv, Fase. 342.
361
alten Fehler verfallen und der Regierung vorjammern, wie
schwer es sei, die beiden im Lande liegenden Dragonorregi-
menter (1400 Mann) mit Fleisch zu versehen, so helfen sie
doch diesmal der Beschwerde aus Eigenem ab; schon am
nächsten Tage erschien ein ständisches Patent, laut welchem
von je 40 Feuerstätten ein schlagbares Rind zu hefern sei,
gegen Vergütung von 4 kr. per Pfund. '
Graf Hohenfeld reiste noch am 1. September mit dem Schrei-
ben der Stände nach Wien ab. Daselbst angekommen, wandte
er sich an jenen, den man fUr den einfluasreichsten unter den
Conferenzministem der jungen Königin hielt, den 77jährigcn
Grafen Gundaker Starhemberg. '
Starhemberg wies ihn nach Pressburg an den obersten
Hofkanzler Philipp Ludwig Grafen Sinzcndorff. In Pressburg
fand nun in Hohenfeld's Gegenwart beim Hofkriegsrathsprä-
aidenten Grafen Harrach ' am 3. Seplembcr eine Conferenz
statt Der dringendste Punkt, den Hohenfeld vorbrachte, war,
wie sich die Stände im Falle des Verlangens einer Huldigung
von Seiten des Feindes verhalten sollten. Oh die Königin die
Huldigung verbiete? ,ob wer solche umb sein Haab und Gutt
zu salviren getrungener praesstiren wurde, in landesfürstUche
Ungnaden verfallen thäte?' Die Mitglieder der beim Grafen
Harrach versammelten geheimen Conferenz beschlossen:
1. Hohenfeld hat bei der Königin Audienz zu nehmen
and ihr Über die Lage des Landes und die Stellungen des
Feindes Bericht zu erstatten.
2. Die Truppen sind von Pilsen nach Budweis zu di-
rigireo.
3. Die Stände sollten sich im Falle einer Invasion nicht
in corpore versammeln; Jeder thue wohl, sich auf seine Güter
' StSodiaches Patent vom 2. September 1741. K. a. k. Haus-, Hof- und
StaatsarehiT, Fase. 342.
• Ueber Gnndaker Starhemberg, den Stiefbruder des Verthoidigera von
Wien, den trefflieben und redlichen Finsnzmann, GrUnder dos , Wiener
Stodtbanco', dem noch sterbend Kaiser Karl Tochter und Schyriegersobn
empfohlen hatte, vgl. Ameth, Maria Theresia I, S. 67 ff. Ebenda, S. 63 ff.
das Teruichtende Unheil über den feilen Sinzendorff.
* Feldmarschall Graf Josef Harrach, seit 1738 Hofkriegsrathspräsident,
war ebenso nie sein Slterer Bruder Raimund, der im kritischen Jahre
1700 Gesandter in Madrid gewesen war, ohne Bedeutung. Vgl. Ameth,
1. c, 8. 70
362
xa retiriren, ,aIlwo ihme jedoch frey gelassen wirdtet, nach
Möglichkeit in privato sich zu behelfen'.
Hohenfeld nahm ailsogleich nach dieser Berathung Andienz
bei Maria Theresia. Die junge Monarchin empfing ihn mit der
grÖBSten Güte und versicherte in wahrhaft königUcher Huld
und QroBsmuth, sie werde das nicht ungnitdig aufnehmen, was
wegen der Uebermacht nicht zu vermeiden oder abzuändern
sei. Sie bedauere herzlich, nicht im Stande zu sein, den sich
zu ihr Flüchtenden den Lebensunterhalt gewähren zu können.
Wie eine Mutter sei sie den Ständen im Allgemeinen und Jedem
im Besonderen gewogen.*
Am nächsten Tage erging an Hohenfeld auch ein Hof-
decret, das denselben Inhalt hatte wie das ihm von der Kö-
nigin mUndlich Mitgetheilte. Im Falle der Invasion hätten die
Stände ,straks auseinanderzugehen'. Im Uebrigen aber
werde Maria Theresia ,in Ungnaden nicht vermerken wollen,
was wegen der Übermacht nicht zu vermeiden oder nicht zu
ändern ist'. Aus dem Contexto ergibt sich, dass jene gnädigen
und rücksichtsvollen Worte nur auf den Privatverkehr jedes
einzelnen Landeamitgliedes mit dem eingedrungenen Feinde zu
beziehen seien, keineswegs aber auf eine Huldigung, die durch
* Hohenfeld'» Berieht an die Stände ohne Datam (prSsentirt 7. September
1741). K. n. k. Haut)-, Hof- und ätaat«archiv, Fase. 342. Die Stolle be-
züglich der Audienz lautet: ,Es haben allerhöchst dieselbe auch (naeb
Bestätigung des in der Conferenz üescbloaseneD) sich nicht weniger allein
mildest verncmiin lusen, wie dau sye Endlich Jenes in Ungnaden nicht
vermerkhen wurden, was wegen dur Uebermacht nicht zu vermeiden
oder nicht abzuändern ist, gestalten sje herzlich bedauerten, dass sye
deiienjenigen, welche zu ihr sich begeben wollen, nicht zu leebea geben
khUntc, wo hingegen höchst dieselbe jedoch denen Ständen in corpore
und jeden in particulari mit allen gnaden gewogen und eine Matter su
verbleiben die allerhöchste Versicherung vonsichgegeben.' Da« die Kö-
nigin liiebei aber keineswegs auch die Huldigung dem Feinde gegen-
über ventaaden haben wollte, beweist am besten das Patent Maria Tbe-
resiaa au die OborOsterreichischen Stände vom 28. September 1741, als
ihr die Nachricht zukam, von Seiten des Kurfürsten würden Vorbe-
reitungen für die Huldigung getroffen: ,Nun versehen wir ans zwar za
eurer unversehrten Treu, Liebe und Devotion, dau ihr derley unbe-
rechtigten Zumuthungen von Selbsten kein GehOr geben, mindera Folge
leisten werdet; allermassen Wir auch ein Solches euch sammt und sonder)
mit gemeoaenen Ernst hiemit verbieten.' NiederOsterreiohiaches Lande»-
Archiv, Landeadefension 1741.
368
das Auseinandergehen des Landtages und das Verbot des
Wiederzusammentrittes unmöglich gemacht werden sollte.'
Aeusserst gütig war auch das Rescript gehalten, das
Maria Theresia an die oberösterreichische Landschaft von Ho-
htsch aus auf deren Schreiben vom 1. September ergehen Hess.
Tröstlich und wohlgeftlUig sei ihr dasselbe gewesen; sie hofft,
die Stände wlirden in diesen Gesinnungen verharren, über-
Oesterreichs VertLeidigung werde durch das Lobkowitz'sche Corps
unterstützt werden. Im Pralle des feindlichen Einbruches hätten
die Stände allsogleich auseinanderzugehen. Auch Hohenfetd
werde ihnen mündlichen Bericht erstatten.'
Hohenfeld eilte nach Linz zurück. In einem Punkte ver-
langten die Stände noch nähere Auskunft: Sind unter den
.Ständen', die sofort auseinander zu gehen hätten, auch die
ständischen Verordneten mit inbegriffen? Man nahm dies nicht
an, sondern erklärte — vorbehaltlich der Genehmung des Ilofeß
— die Verordneten ,keinesweg8 für unseres ständischen Cor-
poris Repräsentanten' (was sie in Wirklichkeit doch auch waren),
^^ndem für Besorger der allgemeinen Lands-Oekonomie'; sie
lifttten demnach mit dem Präsidenten Johann Wilhelm Grafen
Thürheim beisammen zu bleiben, ei-sterer ,in seiner inhabenden
Landhauss-Wohuung' zur besseren Wahrung der Landesinter-
essen und damit nicht etwa Archive, Kanzleien und Cassen
dem Feinde wie herrenloses Gut zufielen, eine Vorsorge, die
selbstverständlich nur gebilligt werden muss. Noch am 7. Sep-
tember, dem Tage, an dem ihnen Hohenfeld Bericht erstattete,
schickten sie den landschaftlichen Secretär Tobias Schmidpauer
mit diesen Vorschlägen an die Königin zugleich mit der Ver-
* Hofdecret an Hnheiifeld ddo. Holi>8ch, 4. September 1741: ,Da ist
Ihrer kOnigl. May. allergiiniü^te Intention, dans in solchem Fall (der
Invasion) die thren fj^ehorsambste ätfiude straks auseinandergehen und
alle Vorsamblung in Corpure üuaserist Termayden sollen, wie aber
aia jeder ihme selbst in privato holffon kOnne, solches wird ihnen fllr
dergleichen Fall freigelassen, massen Ihre köiiigl. May. endlich in Vn-
gnadeu nicht rennerken wollen, was wegen der Übermacht nicht zu
Tenneiden oder nicht na Sndem ist.' K. n. k. Hana-, Hof- und Staats-
arehiv. Fase. 342.
* Rescript Maria Theresias an die obertisterreich Ischen Stünde, Holitsch,
4. September 1741; ebenda. Am 5. September wurde auch iiobkowitx
nach Budweis commandirt; ebenda, Fase. 359.
364
Sicherung, dass auch mitten unter der feindlichen Uebermacht
die 80 viele Jahrhundorte fllr das Erzhaus gewahrte Treue ,un-
auslöschhch bevestiget und in unsere allersubmissesten Herzen
eindrucket' werden würde.*
Auf die Sendung Schmidpauer's erfolgt ein königliches
Rescript aus Pressburg am i*. September. In demselben werden
die VerflSgungen der Stände bezüglich der Verordneten und des
Präsidenten Thürheim genehmigt; von jedem der vier Stände
.soll ein Verordneter zur Besorgung der laufenden Geschäfte in
Linz bleiben, alle anderen Landesmitglieder aber sich nach
Hause entfernen ,und zu unserem Nachtheü, wie wir uns ohne-
dem gänzlich versehen, unter keinerlei Vorwand was vorge-
nommen werden'. *
Mit diesem Rescripte schliesst die reguläre Correspondenz
der oberösterreichischen Stände und der Regierung. Denn schon
am selben 9. September crliess der Kurftirst von seinem Lager
zu Schärding aus ein Schreiben an die Stände.
Viertes Capitel.
Der Einmarscli des bairischen Kurfürsten In Ober-
Oesterrclch.
Am Nachmittage des 7. September 1741 verliess Karl
Albrecht seine Hauptstadt München und begab sich nach dem
bairischen Hauswallfahrtsorte Altötting, um den Segen des
Himmels ftlr sein gewagtes Unternehmen herabzuflehen. Von
dort aus eilte er zur Armee nach Schärdiug. 12 Bataillone
Infanterie, 10 Escadronen Cavallerie und 2 Dragonerregimenter,
die der Kurfürst in seinem Tagebuche als Waffengattung, die
sowohl zu Pferd als auch zu Fuss verwendet werden konnte,
gesondert anftlhrt, bildeten den Bestand des Schärdinger Lagers.
Mit dieser kleinen Macht unternahm es Karl Albrechi, aller-
' Die stände an die KOnigin, Linz, 7. September 1741. K. n. k. Hani-,
Hof- nnd Staatdareliiv, Fiwc. 342.
* Maria Theresia an die Stände, Preubnrg, 9. September 1741. Ebenda.
366
dings gestutzt auf Frankreichs werkthätigen Beistand, einen
Grossstaat anzugreifen und, wenn schon nicht zu vernichten,
doch um ein betrilchtliches Stück zu schmälern. Selbst diese
Truppen waren aber noch nicht völlig complet, und so setzte
rieh der Kurfilrst noch nicht in Marsch. ,Ich verlor/ so er-
zählt er, jWährenddem keineswegs die Zeit, sondern schickte
einen Trompeter nach Linz, ausgestattet mit einem Schreiben
an die Stände von Ober-Oesterreich, sowie mit der (sc. ge-
druckten) Begründung meiner Erbrechte and meinem Mani-
fest, kündigte ihnen meinen bevorstehenden Eintritt in Oester-
reich an, mit dem Befehl, sich meinem Willen zu unterwerfen,
mich als ihren Landesherm anzuerkennen und mit Fourage
und Lebensmitteln für das Heer zu unterstützen."
So langte denn am 10. September 1741, nach 10 Uhr Vor-
mittags, ,ob der Post' in Linz ein bairischer Trompeter mit
einem Handschreiben Karl Albrechts ein; an die , würdigen
und ersamben in Gott, hoch und wohlgebomen Edlen, Vesten
auch FUrsichtigen, ehrsamben und weisen, besonders Lieben*.*
An Höflichkeit und Wahrung der althergebrachten ständischen
Formen Hess es also der Kurfürst nicht fehlen, wie denn über-
haupt der Ton des Schreibens ein überaus sanfter ist. Der
Kurfürst betrachtete sich nicht als eindringenden Feind, sondern
als rechtmässigen Landesherrn, der, gestützt auf das Testament
Ferdinands I., sein Erbe in Besitz nimmt Er zweifelt nicht,
,das8 Sye (die Stände) das, was unserem Churhaiis der Güet-
tigste Gott verschaffet und selbigem deren löbl. StUndten ge-
weste nunmehr in Gott ruehende Kaysern und Landsfllrsten
. . . zuegedacht, allerdings gönnen, mithin uns filrohin fllr ihren
natürlichen und rechtmässigen Erb-Herm erkennen und bereit-
willigst sich mit Oehorsamb und Unterthänigkeit untergeben
werden'. Es ist kein Zweifel, dass Karl Albrecht persönlich
noch immer von der Richtigkeit seiner Erbansprliche überzeugt
war, trotz der Niederlage Perousa's am 3. November 1740, als
* K. Tb. Heigel, Dm Tagebuch Kaiser Karls VU., Manchen 1883, S. 20.
Der KurfUrst bemerkt: ,Ce fnt le 10.' Doch ist das Schreiben vom 9.
itatirt; am 10. kam es allerdings nach Linz.
' Karl Albrechts Haiidschreibeu an die oberOaterreichischen StSnde, Schär-
ding, 9. September 1741. Original im k. u. k. Hans-, Hof- und Staats-
trcUr, Fase. 342. Vgl. Anhang, Stttck IV.
366
die österreichische Regierung die Originale von Testament und
Codicill Ferdinands I. vorgelegt hatte.
Im Weiteren versicherte der Kurfürst, er werde die Frei-
heiten und Privilegien des Landes bestiltigcn, und stellte völligen
Schutz gegen MUitärexcesse in Aussicht i\lr den Fall, als die
Subsistenz der Armee sichergestellt werde. Dies könne auf
zwei Wegen erzielt werden. Entweder die Armee fouragire,
oder die nöthigen Subsistenzmittel würden von der Landschaft
ins bairische Lager so lange geliefert, ,bis sich eine Abänderung
vor diese Gegend hervorthun, folgsam die Erleuchterung er
geben wirdet'.
Ersteren Weg hält der Kurfürst fUr unzweckmässig, da er
nicht .ohne des Landes grosser Beschwemus ablaufen könnte'.
Der zweite Weg, die ordnungsraUasige Lieferung ins Lager, sei
weit entsprechender; nur dadurch könnten Militärexcesse ver-
mieden werden.
Ausserdem überreichte der Trompeter einen Folioband,
in welchem durch des Kurfürsten gelehrten Juristen Ickstatt
weitläufig und nach seiner Ueberzeugung ,ohnabneinlich' be-
wiesen wurde, dass ,wcder die so benamste pragmatische Sane-
tion, noch die von der durchleuchtigsten Gross-Herzogin von
Toscana eigenmächtig vorgenommene Besitz - Ergreifung er-
wehntcr Königreichen und Landen zu Recht bestehen könne'.
Die unbändige Länge und Weitschweifigkeit der im fürchter-
lichsten Advocatendeutsch damaliger Zeiten abgefassten Schrift,
die noch dazu bis ins graue Alterthum zurückgreift, Hess den
Kurfürsten Eintrag Tür ihre Beweiskräftigkeit befiirchten. Schon
von seines Kanzlers Unertl umfangreicher Schrift über denselben
Gegenstand hatte er einen kurzen französischen Auszug an-
fertigen lassen, ,um den alten Cardinal (Fleury) durch die
Weitschichtigkeit nit abzuschrecken'. Auch jetzt war der Fo-
liant Ickstatt's von einem immerhin noch drei Druckbogen starken
Manifest begleitet, das in kürzerer Form die Prätensionen Karl
Albrechts darlegte. Es heisst in demselben: ,Die Sr. churfiirst-
lichen Durchlaucht von Rechts wegen angefallenen ErbKönig-
reiche und Lande werden ebenfalls, so es nur immer möglieb,
bei allen diesen Unternehmungen verschont bleiben,' falls sich
Stände wie Unterthanen dem Kurftirsten als ,rechtmässigen,
angestammten König und Erbherrn' bereitwillig unterwerfen
würden. Aus dem Titel ,Köiiig' erkennt man auch, dass
>
die Absichten des Kurfürsten nächst Ober-Oesterreich auf
Böhmen gingen, dem mit den Franzosen verabredeten Plane
gemäss.'
Die ständischen Verordneten nahmen das Schreiben des
Kurfürsten in Empfang, wie es scheint, mit einiger Henihigung.
Dem Einrücken der feindhchen Armee warm niimtich Tage
des Schreckens und der Verwirrung, der Furcht um Geld und
Gut vorausgegangen, Tage eifrigen Einpackena in Klöstern und
Schlössern.' Die Furcht vor Plünderungen milderte sich jetzt
etwas. Correct war der Beschluss der Verordneten, das Schreiben
Karl Albrechts in Abschrift an den königlichen Hof nach Wien
zu senden, mit der Anfrage, wie man sich dem kurfürstlichen
Rescript gegenüber verhalten solle, nicht correct und von un-
gehöriger Zaghaftigkeit zeugend das sofortige Eingehen auf die
Intentionen Karl Albrechts, indem sie ihn in ihrem Antwort-
schreiben titulirtcn: ,Dera durchlcuchtigsten Fürsten und Herrn
* Die Dedaction der bairischen AiisprUcbe: k. □. k. Haus-, Hof- nnd Staats-
arcliW, Fase. 381 gUrilndlirlie Aimftlhmng und klarer Bowoiss derer
dem dnrchlenchtigsten Chnr-Haiuie Bayern zustellenden Erbfol^ nnd
sonstigen Rechts-An.iprüchen auf die von weiland K.iy.ier P'erdiiiaiiden
dem Ersten besessene, durch den am 20. October 1 74U erfolgten nnver-
hofften Todesfall Seiner kaysßri. Mnjpjttät Karl dos .Sechsten hKchst-seel.
Angedenkens erledi)rte Königreiche Ungarn nnd B'tlieim, wie imgleichon
nnf da» Erz-Herzngthu»i Oestorreich und allerseits nngehOrige Fllrsten-
thnniur nnd Lande, welche anx denen Xlteren waiirhalften OeKcliieliten
und ächten ITrkiindou getreulich hergeleitet etc. etc. etc. Mit Beylagen
ron Lit A bis T inclusive. Mit knrfUrstl. gnädigstem und des II. Rüm.
Reiclua-Vicariats-Pririlegio, Mflnchon gedruckt und zu finden bei Johann
Jacob Vötter 1741.' Da» kürzere Manifest: ebenda, Kringssclen, Fase. .'Ul.
Es wurde der Österreichischen Regierung aus dem Hn.'ig zugeschickt, htut
dem Vermerk: ,a la Haye ce lim« Sept. 1741, Elsackor.' Ueber Ickstatt:
Heigel, 1. c, S. 190.
* Vgl. Ameth, Maria Theresia I, S. 261, nach dem .Flebile Promemoria
oder Diarium, was sich bei französischen und chnrbairischen Einfall annis
1741 n. 1742 zuegetragen' des Propstes Johann Georg von St. Florian.
Aach das 8taat<archir besitzt im Fase. 341 der Kricgsacten einen ,Ex-
tract aus der Beschreibung deren aus dem Land ob der Enn« nacher
Kämdten goäilchteten nnd von denen nuclier GrStx transportierten
8«cheD'. Diese« Verzeichniss entging dem -icharfen Auge des Fiscus
nicht. In einer Einlage zu dem ActenstUcke Hussort sich ein Finauz-
roann zwar: ,Derer consecrterten Sachen kann man sieh nicht wohl
prilvaUeren,* doch kOnnte namentlich der Abt von Kremsmflnster atif
seine Kostbarketten ,eiu proportioniertes Kapital' aufnehmen.
Ankiv UXIVII Bd. n. HUft«. 84
368
Carl Albrecht etc. unserem gnädigsten Kurfürsten und
Herrn."
Sie theilen mit, dass sie das ,in den gnädigsten Terminis
erlassene Rescript' in Abwesenheit der vier Stände erbrochen
und zugleich den Beschluss gefasst hätten, den Herrn Josef
Willinger von der A» nach Peucrbach an den Kurftlrsten zu
senden, um die Forderung des bairischen Kriegscommissariates
entgegenzunehmen.' Sie klagen über die unzulänghche Fcchsung
der Jalire 1740 und 1741, die es nothwendig gemacht habe,
fUr die früher im Lande stehende österreichische Gai-nison Zu-
fuhr aus Ungarn kommen zu lassen. Der RurAlrst möge es
auch nicht übelnehmen, dass sie einen Expressboten mit der
Anzeige des kurfürstlichen Schreibens und der Bitte um Ver
haltungsbefehle nach Wien geschickt hätten.
Noch am 10. September erging auch das Ersuchschreiben an
Josef Wilhnger von der Au, er möge sich als Deputierter der
ständischen Verordneten nach Peuerbach begeben; zugegeben
wurde ihm der Kanzlist Stephan Gassner und der Pfleger vob
Peuerbach. Später war auch der ständische Secretär Schmidt-
pauer bei ihm. Der Pfleger wird bezeichnet als ein ,in mili-
tari besonders angerienibt wohl erfahrener Beambter'. Die Ve^
ordneten gaben der Hoffnung Ausdruck, die Sendung Wil-
linger's würde auch die Genehmigung des königlichen Hofes
finden.*
Schon hatte Willinger aus Peuerbach seinen ersten Bericht
abgeschickt, als ein Rescript Maria Theresias in Beantwortung
der Anfrage vom 10. September in Linz eintraf* Die Königin
' K. u. k. H.atiA-, rtof- and StaAtsarchiv, Faac. 34*2, Concept vom 10. Sep-
tembor 1741. — Am l^nde des StQckeü hat eine niidere (alte) Huiil
bemcärkt: .Diese Titulatur iHt vor der Huldigung gegeben wurden.'
* Es war derselbe Jnsof Willinger von der Au, welcher zum ,Oberhaupl-
mann nnd Kapitain-Comnisndanten' den Landesanfgebotes anserseJien
gewenen war (vgl. 8. 360).
* ,Emiecl>-^cbreiben dem Herrn Joseph Wiellinger ron der An, 10. Sep-
tember 1741.' K. u. k. Han«-, Hof- und Staatsarchiv, Fasr. 342. K«
beiflut dort: fio orauchon wOr denselben hiednrch nnd geben liieniit in
Hoffnung der von Ihro Khnuigl. May. nnf die von uns erlassene aller-
nnterthiinigste Anfrag erfolgende allergnHdigKte Oenembhaltuog die Cotn-
mission nnd Vollmacht.'
* Rescript Maria Theresias an die oberfisterreichisclien Verordneten, Press-
biirg, 12. September 1741. Ebenda.
369
I
»
verwies auf ihre Roscripte vom 4. und 9. September und
schärfte nochmals ein, von jedem .Stande solle nur ein Verordneter
in Linz bleiben, jede Versammlung der Stände in pleno und
die ,euch etwa zumuthende Hiddigung' sollten auf das Aeusserste
vermieden werden Wahrhaft iiochherzig und landesmütterlieh
sind die Worte, mit denen anch jetzt wieder die Monarchin ihr
Schreiben schliesst, die letzten, welche sie vor dem Einfalle
an die Landschaft richtet: , Übrigens versehen wir uns zu eurer
Treu und Liebe gegen uns und dem werthen Vaterland, dass
ihr alle zu dessen Erhaltung erforderliche Veranstaltung sorg-
iUItig fortsetzen und in specie dahin antragen werdet, dass aller
min des Landes vermieden und das, was man nicht verhindern
kann, mit Ordnung beygeschaffet werde.' Ganz im gleichen Sinne
hatte sich die Königin mündlich am 3. September zum Grafen
Hohenfeld geäussert, sie werde nicht in Ungnaden aufnehmen,
was w^egen der üe hermacht nicht zu vermeiden oder abzu
&ndem sei. Actionsfreiheit fehlte also den stilndischen Ver-
tretern gewiss nicht, was zu vermeiden war, bUeb einzig die
Huldi^ng.
Herr v. Willinger traf am IL September, Abends 9 Uhr,
in Peuerbach ein. Drei Viertelstunden zuvor hatte der bairi-
sche Trompeter auf seinem RUckritte zum Kiirfiirsten den f rt
passirt und beim Postmeister angefragt, ob noch kein stän-
discher Commissär aus Linz angekommen sei, ,indem sein gnil-
digster Kurfürst sehr grosses Verlangen um eine Antwort auf
sein gestriges Zuschreiben tragen thäten'. ' Der Postmeister
theilte ihm mit, es seien für Herrn v. Willinger Postpferde be-
stellt; der Trompeter liess sich den Namen notirou und ging
,ganz wohl zufrieden' ab. Willinger fand die (Jegend in der
Nähe der damaligen Landesgrenze bei St. Willibald von ein
paar hundert Baiern besetzt und schickte noch um Mitternarlit
den landschaftüchen Trompeter Josef Kilmer auf Foatpferden
nach Schärding ins Hauptquartier Karl Albrechts. Am Morgen
des 12. September war Kärner, nachdem er seinen Aufh-ag
aasgerichtet hatte, bereits wieder bei Wilhnger in Peuerbach.
» BoricJit V. Willinger'« Tom 11. September 1741, Nr. I. .A Son Excelleiice
Moiuieur Jean aiiillaume lo Comte de Ttiiorheim, Cliambellant et Con-
»ilier anlic Intime de In Mt« Ini|ieriAle lo Cliarles VI. et President dici
pai» Sur l'Onnse poiir pras. a Lince.' K. u. k. H.-iiia-, Hof- und Staats-
archiv, Fa«c. 342.
a4»
1^ KtirAtrMt hatte ihn freundlich angeredet und Hess Wil-
|j^|tt »luit'li ihn versichern, dass, wenn fUr die Verpflegung
VM^t^r^o getrofTen würde, ,kein Mensch, ja auch kein Stein
WKiitÜKot werden solle'. Auch der bairische Feldmarschall
(Uttl T'jniing Hess durch den landschaftlichen Trompeter mel-
den, (\\r den 12., an welchem schon 15.000 Mann in das Lager
Voll Wcideiiholz in der Nähe von Waizenkirchen einrtlckteo,
•ni wohl durch Nachfuhr aus Baiem gesorgt. Für den nächsten
Tag aber schon habe das Land ftlr Pferd- und Mundportionen,
wiwie Brennholz aufzukommen, das mache, wie Willinger xa
•einem nicht geringen Schrecken erfuhr, für die Cavallerie
allein 2OO0 Metzen Hafer, 1280 Centner Heu, 8000 ,Schab'
Stroh, eine Forderung, die er in seinem Berichte als , verzückt'
bezeichnet. Doch iieas er durch den Pfleger zu Weidenhok
bei den nächstgelcgenen Herrschaften, Pfarren, Märkten und
Bauernschaften Proviantvorkchrungen treffen. Bairischerseits
war ihm wohl die Quittirung alles Empfangenen, Jedoch ver
muthlicli ohne Zjihlungsversicherung', versprochen worden.'
Inzwist'hen hatte Karl Albrecht am 11. September seinen
Uubikun überschritten, in der Nilhe von St. Willibald war er
über die Grenze gegangen, von seiner Umgebung in dem
Augenblicke be'jubeH, als er den Fuss auf österreichisches Ge-
biet setzte.' Fast mühelos sollte ihm vorerst zwar die Herr-
schaft über Oberösterreich und die böhmische Königskrone zn-
fallen, ja sogar die Krone Karls des Grossen sein Hanpt
schmücken. Im weiteren Verlaufe brachte ihn jener Schritt
um Land und Leute, Hess ihn als Kaiser ohne Land und von
der Franzosen Gnaden das Brot der Verbannung essen. Es
war gerade jener 11. September, an welchem Maria Theresia
im schwarzen Traucrklcide, mit der Stephanskrone auf dem
Haupte im Audienzsaale des Pressburger Schlosses vor den un-
garischen Ständen erschien, der Tag einer von der Le.gende
•BO stolz ausgeschmückten Scene.*
Am 12. September erschien der Generaladjutant Karl
Albrechts ,zu 2 mahlen' bei dem ständischen Oommissftr imd
• Zweitur Beriulit Willinger'» sii dio obernnterrBichi.schen Verordnet<>n,
Peiierbach, 12. 8«ptember 1741. K. n. k. Haus-, Huf- und StaiitAiiri'liiv.
Fase. S4S.
* Ueigel, Tagobnch Karls VII., H. 80.
■ Arneth, Unria Theresia I, S. 298—300.
t
371
bedeutete ihm, er mOge doch dein Kurflirstcn entgegenkommen
uad mit ihm sprechen. Herr v. WUlinger fuhr hierauf mit dem
ständischen Secrctjlr Sulimidtpauer ,eine und andere hundert
Schritt' aus seinem t^uartier dem Kurfürsten, der sich mit der
lieneralitilt — ausdrücklich erwähnt Wiliinger den Grafen
Schmettau an Karl Albrechta Seite — zu Pferde befand, ent-
ffgen. '
*^ Sobald der Kurfürst und seine Suite Halt gemacht hatten,
trat Wiliinger vor und brachte seine .Aufwartung* an, theiltc
mit, dass er samuit einer kleinen Kanzlei aus Linz im Auftrage
des sUSndischen VerorduetencoUegiums eingetroffen sei, um die
llegelung der Proviant- und FourageUeferungen vorzunehmen
und so Excesse zu verhttteu. Karl Albreclit hörte dem Vortrage
Willinger's zu Pferde sitzend, doch mit lioflieb abgezogenem
Hute aufmerksam zu und antwortete dann mit ,deüttlicher Ex-
pression', er werde diese Fürsorge der Stände (,ich aber hab'
nur den Namen der Verordneten gebrauchet', bemerkt Wil-
iinger) nachdrücklichst unterstützen und au den Oberüstcr-
reichem nicht anders als ein Vater an seinen Kindern handeln.
Sollten — wider Verhoffen — doch Excesse erfolgen, so werde
er ,sofortige Remedur und Ersetzung des Schadens verfügen*.*
Damit war die Unten^edung vorlilufig zu Ende. Wiliinger
sah nun etwas dem Einmärsche der Truppen zu und bericlitot,
daä Heer des Kurfüi-stcn bestehe aus schönen Leuten und
Pferden, fast durchwegs deutsches Kriegsvolk. Die Franzosen
stünden mit der Artillerie bei Passau und würden wohl zu
' Dritter Bericht Wiliinger'» (ao die Verordneten), Pfarrliof Waizenkirclien,
t'2. September 1741. K. u. k. Haiui-, Huf- und StaAtfiarubiv, 1. c, vgl.
Anbaug V.
' Bericht Wiliinger'«. PfnrrliofWaizenkirchon, 12. September 17-11. Ebenda,
I. c Nach dem Tagebuch und nach dem Grafen Doroy (vgl. S. 326) über-
schritt der Kurfürst am 11. September die Grenze, nach lieigel am
18. September. Jedenfalls fand die Zusammenkunft Karl Albrechts mit
dem ständischen Abgesandten nicht, wie der Kurfürst angibt (Tagebuch,
8. SO), am 11. September und bei Gelegenheit der Gronzüberschreitung,
sondern erst am 12. September auf der Strasse zwischen Peuerbach und
Waizenkirchen statt. Wiliinger k.iin nach seinem eigenen Berichte .-im
II. September erst um i) Uhr Abends nach Peuorbach. Karl Albrocbt
emlblt: ,Je continois ma marclie le lendomain 11. et recus les coin-
plimena de ceux, qai m'accompagn£rent le moment memo, qne je mis
le pied en Antriebe. Les deput^s des itats rirent au devaot de mo/
poor attendre ines ordre«.*
372
Wasser herabkommen. Auch die Absichten des Feindes suchte
Willinger behufs Berichterstattung nach Pressburg zu ergrün-
den, ob der Marsch auf Wien losgehe, oder ob der Kurfdrst
bei Linz, vielleicht auch erst bei Stein die Donau Übersetzend
in Böhmen einzufallen gedenke. Jedenfalls, so schreibt er den
Verordneten, sei die österreichisclie Generalität jenseits der
Enns, der königliche Hof in Pressburg und das Kreisamt in
Budweis von dem bisherigen Verlaufe der Dinge zu vorstäln-
digen. Von Unwillen wiirde Willinger darüber erfasst, dass
dem Kurfürsten in Waizenkirchen ,ohne mich zu fragen mit
LäuttuDg aller Glocken die landesfUrstliche BegrUssong abge-
stattet wurde'.* Wenn auch v. Willinger nachmals dem Kur-
fürsten huldigte, bei dieser Gelegenheit hat er sich streng loyal
benommen.
Noch am selben 12. September berief der KurfUrst, der
sein Hauptquartier im kuefsteinischen Schlosse Waizenkirchen
aufgeschlagen hatte — ,un fort beau chateau' nennt er es in
seinem Tagebuche — nach geendeter Mahlzeit Willinger zu
längerer Unterredung zu sich. Er wünsche, bemerkte Karl
Albrecht, dass es niemals zu dieser ,Extremität' hätte kommen
müssen, und dass ein Vergleich zu Stande gekommen wäre.
,Nun aber müsste es schon also geschehen, damit Sie (der Kur-
fUrst) bey Gott und dero Nachkommen keine Verantwortung auf
sich ladeten und dasjenige Recht behaupteten, welches Ihro
Gott und die Natur gegeben hätten.'*
Man sieht wieder, Karl Aibrccht zog mit unerschütter-
lichem Glauben an die vermeintliche vor Gott imd der Welt
zu rechtfertigende Billigkeit seiner Ansprüche in den gefähr-
üchcn Kampf Gerade in jenem Schlosse Waizenkirchen erhielt
er auch günstige Nachrichten von Belleislo bezüglich der
Kaiscrwahl."
Recht bezeichnend aber ftir die kläghche Abhängigkeit
des Kurfürsten von den Franzosen ist seine Acusserung Wil-
linger gegenüber, er sei weit mehr auf gute Vcrproviantirung
der französischen Auxiliarvölkcr, als der eigenen Truppen be-
' Bleiatiflbemorkung Willinger's auf dem erwähuten Berichte. Vgl.
Anhang V.
* Bericht Willinger's Nr. 4, ebenfalU Pfarrhof Waizenkirolieii, IS. Sep-
tember 1741. Vgl. Anhang VI.
• Heigel, Tagebuch KarU VU., 8. 20.
373
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dacht, denn die Franzosen seien eine fast doppelte Fleisch-
portion als die Baiem gewohnt, auch zu Excessen und ,Im-
pertinenzien' weit mehr geneigt. Sein Marsch gehe mit den
baiiischen Truppen nach Eferding, erklärte Karl Albrecht
weiter, 9000 Franzosen würden zu Wasser kommen, die fran-
zösische Cavallerie zu Lande dem Hauptcorps folgen. Zu Linz
werde er mit den Ständen bezüglich des Aufhörens der Steuer-
leistiingen an die österreichische Regierung verhandeln, in allen
Stücken aber das Land möglichst verschonen, ,wohl wissend,
dass selbiges seit vielen Jahren hart mitgenommen und ge-
schröpfet worden sei'.' Bisher, erklärt Willinger in seinem
Berichte sei Alles gut abgegangen; der Kurftirst selbst habe
die ,durcli Uebereilung der Zeit' geschaflfene Lage gar wohl
gewürdigt.
Die Berichte Willinger's gelangten mit grosser Verzögerung
an die Verordneten nach Linz, denn am 12. September gibt
der Landschaftssyndicus v. Friedcl in einem Briefe an den
Willinger begleitenden Landschaftssecretär Schmidtpauer dem
£rstaiinea Ausdruck, dass noch keine Relation in Linz einge-
troffen sei. In Wirkhchkeit hatte Herr v. Willinger jedoch schon
drei Berichte durch StafFetten nach Linz geschickt. Er be-
filrchtet deshalb in seinem vierten Berichte, dass die früheren
Delationen ,intercipirt' worden seien. Das war nun freihch
nicht der Fall. Doch war der Verkehr insofern von der ge-
'«röbnlichen Route abgelenkt worden, als Nachrichten aus Linz
— wie z. B. jener Brief Friedel's — nicht auf der gewöhn-
lichen Poststrasse über Eferding, sondern auf dem grossen
Umwege über Schärding nach Waizenkirchen ins Hauptquartier
lumen. *
Vom bairischen Feldmarschall Törring erhielt Willinger
den Entwurf, was ftlr die bairischen Truppen in das für den
13. September zu Eferding ausgestecktc Lager zu liefern sei.'
«iOOO Pfund Fleisch ftir die Infanterie, 5700 Bund Stroh zu je
l'O Pfund, Holz in nicht näher angegebener Menge, endlich
40 mit je 4 Pferden bespannte Wagen. Brot und Hafer wurden
fllr ganz kurze Zeit aus den bairischen Magazinen nachgeschafft.
L
Bericht Willinger's Nr, 4, Pfarrhof Waizenkirchen, 12. Soptembor 1741.
Anhang VI.
* Ans dem Berichte Willinger's Nr. 4.
• Zettel TOrring's dem Berichte Willinger's Nr. 4 beiliegend.
374
Türring bemerkt ganz in Ucboreinstimmung mit der oben er-
willinten Aeusserung seines Herrn, des Kiirfilrstcn, der Entwurf
gelte nur für die Baiern, für die französischen Hilfsvölker sei
.allenthalben mit weit mehreren Mund- und Pferdporliunen,
auch Holz, Stroh, Brot und Bier anzutragen', welche schmSb-
lichc Zurücksetzung der eigenen Landeskinder später das Ver-
hältniss zwischen Franzosen und Baiem zu einem so gespannten
machte, dass es unmöglich wurde, französische und bairiscbe
AbtheUungen zusammen cantoniren zu lassen. Die Franzosen
machten sich auch bald im ganzen Lande verhasst, während
man dem buirischen .Militär nichts nachsagen konnte, so dasa,
wenn es sich um Garnisonen handelte, der Kurfürst flehentlich
um Baiem und ja keine Franzosen gebeten wurde. '
Zum Tröste für die schweren Lieferungen versicherte
Törring den stiludiscfaen CommissKr, der gemeine Soldat werde
fast alles Essen und Trinken mit barem Gelde bezahlen.
Am 13. September campirte die bairische Armee am
Eferding, und vom dortigen Pfarrhofe aus — der Kurfilrat
hatte sein Quartier im Schlosse — schrieb Willinger seinen
letzten Bericht an die Verordneten.* Zu Waizenkirchen ww
am 12. September noch Alles glücklich abgelaufen. Wo t»
nicht stimmte, wurde der Abgang ,ganz bescheidentlich dis-
simulieret'. Willinger hatte schon von Peucrbach aus an die
benachbarten Herrschaften Aufträge mit Angabe der ins bai-
rische Lager nach Woidenholz zu liefernden Quanten ge-
schrieben , gegen künfftigc Ersetzung'.' Nur beklagt er sich,
dass er nie recht wisse, wann und wohin die Lieferungen zu
dirigiren seien, ,gestalten alle kuri\lrstlichen Dispositiones bis
auf die letzte Stund in Geheim gehalten und alsdann ganz
^ Aiwaeben der Ennser beim Korffirsten, 30. September 1741. K u. k.
HauB-, Hof- und Stantsarcliiv. Peter' sehe Sammlung.
' Uoricbt Willinger'» Nr. 6. Seineu vierten Bericht batto Willinger in der
Nacht TOiu 12. auf den 13. September nauh Linz nbp;eiu:bickt. Der Kur-
fUnit gibt in seinem Tsgebucbe irrthümlielicrweiso den l'J. 8e|>tamb«r
ala Tag seines Aufenthaltes im Efferdinger ScblusM (,nu cliuteau magni-
fiquo a|ipartouant au comte de Starenberg') au. Da« Lager befand sidi
uuweit von Eferdiug bei Hartheim. Vgl. Pritz, Ueachichte des Laadu
ob der Enns, Linz 1847, II. Bd., ä. 492?.
* Ein solches StUck. bei der dem bcrOhmlen Genealogen Freibcmi
V. llohenegg gehörigen liorrncliaft Schllisselbcrg am 12, September 1741
pHisontirt, liegt den Boricbtou Willinger's bei.
375
pressant an mich notificiert werden'. Schwere Sorgen bereitete
WUlinger der Gedanke, wie fllr die nächsten Tage die Sub-
sistenz ftlr die nach der Vereinigung mit den Franzosen vor-
läufig 24.000 Mann betragende Armee zu beschaffen sein werde,
Eumal bei dem , ungemeinen Tross, welche alle leben wollen'.
Fleischhauer, Bilcker und Brauhäuser konnten dem Bedarfe
nicht mehr genügen. Stroh für das Lager mangelte am meisten,
und Wülinger ging sogar so weit, den barbarischen Plan zu er-
■ wägen, auch das unausgedroschene Stroh sammt der Frucht
bei der umliegenden Bauernschaft durch militünsehe Execution
liinwegnehmen zu lassen; freilich setzt er hinzu: , welche Ex-
tremität jedoch Ihro Durchlaucht dem Kurfürsten so wenig als
mir lieb und anständig seyn würde'.' Auch Holz fllr die
Wachtfeuer ,bei jetzigen schon kalten Niichteu' war dringend
von Nöthen. Ueberdies beantragte der ständische Commissär,
die Verordneten möchten ein Patent an die Fleischhauer, Bäleker
und Brauer erlassen und wies besonders darauf hin, dass die
Baiem bisher selbst das Brot stück- und kreuzervveise bei
Bürgers- und Bauersleuten, wenn nur kein zu unbilliger Preis
gefordert wurde, bar bezahlt hätten.
Da ftir den 14. September schon Linz zum Mittelpunkte
des Lagers ausersehen war, so hielt Willinger von der Au seine
Sendung flir beendet und begab sich nach der Landeshaupt-
stadt zurück.
Noch bevor er aber heimgekehrt war, hatten die Ver-
ordneten auf seine Anregung hin Vorkehrungen ftlr die Vcr-
proviantirung getroffen; wie seinerzeit am 2. September, als das
Landesaufgebot noch unter Waffen stand, erliessen sie auch
jetzt ein Patent, nach welchem von je 40 Feuerstätten ein
schlagbares Rind abzuliefern und ftlr 4 Kreuzer per Pfund aus-
zuschlachten sei. Unverweilt musstcn auch Korn und Hafer
■ aasgedroschen werden, damit kein Mangel an Stroh entstehe.*
Zum Theile wörtlich sind Ausdrücke des Patentes vom 2. Sep-
tember in diesem vom 13. wiederkehrend. ,In hac extrema
necessitate', ,so schwär und hart es auch immer ankommt',
heisst es hier wie dort.
I
I
* Beriolit Willinger'» Nr. 6. PfArrhof Eferdinfr, 13. September 1741. K. a. k.
Ilaiui-, Hof- und äUatsarcbiv, Fiuc. 342.
ndisoben Verordoeteu vom 13. September 1741. EbendA.
376
Besondere Fürsorge Hess die Landschaft der Zabereihing
des bairischen Lieblingsgetrilnkes, des Bieres, angedoihen. Ein
weiteres ständisches Patent vom 15. September setzte vorerst
den Preis der Mass auf 4 Kreuzer herab (auch das Pfund
Fleisch kostete nicht mehr!), nicht nur tUr die Afiliz, sondern
auch für das civile Publicum; ausserdem werden ,dic herrschaft-
lichen und Privat- Brau- liauss-Inhaber, sonderbar aber jene.
welche in der landesfürstlichen Stadt Linz allhier der Bier-Zu-
und Einfuhr sich prävalieren hiedurch ermahnet zu besorgen,
dass unverzüglich und so viel immer möglich ist, Bier gebriluet
und solches in dafi Lager zugei^ltret werde, damit an solchem
kein Mangel und Abgang erscheine'.'
Am 14. September hielten die Baiern, mit denen sich auch
ein Theil des französischen Hilfsheeres vereinigt hatte, im Lager
vor EfFerding Rasttag. 2 Bataillone des bairischen Leibregi-
mentes mit 2 Compagnien Grenadieren schickte der Kurfürst
am Morgen des 14. September zu Wasser nach Linz, um die
Stadt zu besetzen, was auch zur Zufriedenheit Karl Albrechts
erfolgte. Bei dem Zustande der Befestigung wäre auch jeder
Widerstand gänzlich nutzlos gewesen. Gleich nach der Be-
setzung von Linz begann auch die Administration des Landes
auf Befehl des Kurftlrsten.*
' Patent der stSiidischeu Vorordueten vom 15. September 1741. K. u. k.
Hang-, Hof- und Staatsarcliiv, Peter'tiche Sammlang. WiUinger von der
Au hatte den Venirdneteii am 13. September geüuhrieben, man werde
aucli, wenn das Bier uicUt ausreichte, Most und gAschaoer' Weiu ,mu
Hilf nehmen mUiuien. Auch die nachrilckeiideu Franzosen befreundeten
sich rasch mit dem b.'ijuv.irisch-germatiisülmu Liebliugagetrftnke. In der
Zeit vom 17. big 23. September 1741 wurden von der franzKsiachen Be-
satzong von Enns ans den acht Wirthshjlnsem der Stadt, namentlich
,de la briukserie du Maire de la ville' (.von mein Statt-Richters Braa-
hausH*) 1484'/, Mas« Bier coiisumirt und ebenso wie 2'Jti'i Pfund Fleisch,
2783'/, Pfund Brot und 357 Pfordeportionen zwar in Bezug auf
richtigen Empfang quittirt (auch II Quittungsxettel frauzOsischer Ser-
geanten liegen bei), aber niclit bezahlt. Der Dolmetsch .Fraufois Louis
Motinot interprete de la Commission de Mn les Etats' aborsetste den
Eniisem die ,8pecificatioti de ce qui a 6t6 livrÄ par Ordre de M' le
Commandant Comte de Montemar . . . eu tout en biere que viande' etc.
ins Deutsche. Ebenda.
* Bezüglich der Massnahmen der Bavaro-Franzosen für den 14. September
erhielt das Vororduetencolleginm schon am 13. September (wahrschein-
lich durch Willioger) eine ,Nota für die lObl. Herren Verordneten w
M
«TT
Kurz vorher hatte sich der Vertreter Maria Theresias, der
Landeshauptmann Ferdinand Bonnaventura Graf Weissenwolf,
aas Linz entfernt, indem er auch aus seiner Amtswohnung auf
dem Schlosse, in welcher der Kurfürst residiren sollte, Alles,
was tragbar war donauabwärta hatte bringen lassen, so dass
nichts als die kahlen Wände blieben und der Feind das Schloss
.völlig ausgeraumet' vorfand, was den Kurfürsten mit grossem
Zorne gegen Weissenwolf erftlUto. '
Die Agenden Weissenwolfa übernahm der Landesanwalt
Johann Augustin Fortunat Graf Spindler. Im Vereine mit dem
Torläufiger Nachricht and Information Ober die anheot als IS''» 71>ri*
1741 aufgestellte Ordre zum morgigen Rast -Tag und reapectivo bis Lins
mm Theil verordneter Einruckung deren ciiurbayr. und französischen
onppen'. Sie enthält 7 Pankte:
1. Am 14. September werden 6 Bntaillone zu je 685 Mann von
Efferding und ebensoviel von PaiMau nach Linz abmanschiron. Das Lager
wird zwischen Linz und KleinmQncUen gegen Ebelsberg zu abgesteckt
werden.
2. 2 Bataillone Kurbaiern und 2 Compagnien Grenadiere werden
am 14. September Früh die Thore von Linz beeetzou und sich iu der
Stadt beqnartiren.
3. Die übrigen Truppen halten zu Efferding am 14. September
Rasttag und rücken am 15. September ins Lager bei Ebelsberg nach.
4. Die Baiem sind bis inclusive 19., die Franzosen bis 21. Sep-
tember mit Qold, Hafer, Heu, Brot und Zoltstroh versehen; sie hraucbea
Brot, Fleisch, Bier, Holz; die Franzosen ausserdem noch süsses Kraut.
6. Aus einem beiliegenden Entwürfe kOniieu die Verordneten ent-
nehmen, was die Armee bei Efferding und dann bei Lina ohne Cavallerie
brauchen wird.
6. In Abwesenheit des Landeshauptmannes hat sieb der ,Lands-
walt nebst einem oder anderen H. H. Landrath nacher Eferding' au
ben; sie sollen iiftmtich zur Verwaltung der Polizei- und Justiz-
aachen designirt werden.
7. Die kiirbairisvlieu alten und die französischen neuen Lonisd'ors
rind gangbar zu machen ,nach ihrem daraussigen valour'. Die liollän-
(lim-hen, kaiserlichen and Kremnitzer Ducaten bekommen ein Agio nach
der kurbairischen Valuta, was ,per patentes Electorales unter Trompoten-
_ind Paaken-Schall publicierot und sodann ad valvas affigiert werden solle*.
K. a. k. Hau.-)-, Hof- und Staatsarchiv, Fase. 342.
icht des nicderOsterreichisch-stfindischen Obercommiiuiärs für das
lertel Obermanhartsberg Franz Friedrich Graf Engl ddo. 24. September
1741. Miedernsterroichisches Landesarchiv, ,Landdefension 1741*. Bei
Spaun: ,Lebensbeschreibung des Johann Georg Adam Freiherm za
Hoheneck', VI. Bericht des Miueums Francisco-Carolinum in Linz 1842,
wird Weissenwolf irrthUmlich als ,Schlo8shauptmann' bezeichnet.
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378
,Land-Ratli und LnnrlScliroiber' Micliael Ernst von Springen
i'els erliess er noch am 14. September ein Mllnzpatent, ebenso
wie die kurfürstliche geheime Ktinzlei ein solches von Eferding
aus ergehen liess und beauftragte die Verordneten am selben
Tage eine Taxe fUr alle Lebensmittel auszuarbeiten, damit die
Soldaten nicht iiborhalten würden.*
Während die feindliche Macht Linz besetzte, beantwortete
das Verordnetencollegium das Reacript Maria Theresias vom
12. September. Sie dankten der Monarchin für die Erlaubnis«,
wonach zur Vermeidung des Landosruines ,das, was man nicht
verhindern kann, mit Ordnung beigeschaft't werde'. Dies habe
verhindert, dass bis jetzt von Seiten der 24 Bataillone und
fjscadroncn bairischer und französischer Soldaten, die in und
um Linz stehen, keine Exeesse verübt wurden. Die Verord
ueteii schliessen ihr Schreiben mit den Worten: ,Bei dieser
äussersten Desolation geraichet allein zu unserer Consniation
die Hoffnung unter die sanftmüthigst österreichische
Regierung bald wiederumb zu kommen.'*
Kurze Zeit darnach, am Mittage des 15. September 1741
brach der Präsident der Verordneten, Graf Thürheim, auf, um
den Kurfürsten mit wohlgesetzter Rede zu empfangen. Um
2 Uhr Nachmittags hielt Karl Albrecht, umgeben von den
französischen, preussischon und sächsischen Gesandten, seinen
Einzug in Linz. Die alt« Stadt, die seit den Tagen Leopold
des Glorreichen in Freud' und Leid die Geschicke Oosterreichs
und seines Uen-scherhauses mitgetragen hatte, beherbergte nun
* Ein bairischer Do|>p«l-Karoliu aoUte 9 ü. 30 kr. gelten, ein einfocher
4 (1. 46 kr. Ein neuer frnnz{>8Uclier Louis<l"or 7 fl. 30 kr., ein alter 7 fl.
3ä kr. Ein firrosser neuer rrnnz'tsisclier Tlialer 2 fl. 28 kr. und 2 Pf., ein
franiitniachoii .Vier-Stüokl' 7 kr. Ein kurbairi«clier halber Gulden S? kr.,
ein Fünfzehner 13 kr. 2 Pf. Ein bairischer Dopiielffroschen 6 kr., eitt i
einfacher 3 kr. MUnzpatent, Linis, 13. .September. K. u. k. Hau«-, Hof-
und Staatsarchiv, Fase. 342. Doch bald beklagten sich die Stände, da»
die Uuterthanon geuOthigt wurden, diu MQnzen anzunehmen ,(iber den.
Werth der emanierten Patenten' (.Hofh-Notturft* vom 6. October 1741)-
In einem eigenhändig unterzeichneten Resoripte schärfte darum Karl AI—
brecht die genaue Befolgung des Miinzi)atentes ein (Lins, 6. October^
1741). Ebenda.
• Die ständischen Verordneten an Maria ThereBi», 14. September 174t_
Ebenda; vgl. Anhang VII. Heigel (8. 196) ISsst diese« Schreiben irr-
thümlich vom Linzer .Stadtrath' ausgehen.
379
in ihren Mauern einen Fürsten, der nicht als blosser militäri-
scher Feind, sondern als Prätendent mit Herrschaftsansprttchen
über das Land ob der Enns erschien, Unterwerfung und Hul-
digung fordernd. Ueberraschend schnell schienen sich in den
nächsten Tagen Karl Albrechts HerrschaftsansprUche auf Ober-
Oesterreich zu verwirklichen.*
Fünftes Capitel.
Karl Albrecht In Linz und Enns.
Einen Tag nach dem Einzüge des Kurfürsten, bereits am
16. September 1741, traten die ständischen Verordneten mit den
bairiseben hohen Beamten zu einer Berathung zusammen. Der
landschaftliche Syndicus v. Fricdel fllhrte Protokoll und er-
wlhnt unter den Anwesenden: ,die kurfürstlichen Ministri
' Ueber des Empfang des Knrfttrsten schreibt der niederOsterreichisclie
Obercommissür Graf Engl in seinem oben angeführten Berichte an die
onterennsischen Verordneten: ,Dor Herr Präses deren H. He» Verord-
neten solle bis Calvari-Berg dem ChurfUrsten entgegengekommen sein
nnd ihme alda gar wohl angeredet haben, wie er denn anch gar gut an-
gesehen sein solle.' NiederOsterreichisches Laudesarchir, ,Landdefen-
•ion 174 1*. Der Kurfürst selbst schreibt in seinem Tagebache: ,Je
arriTois l'apres diner a Lintz, oa le monde accourut en fonlle. Je passois
»vec ma cavallerie tout au travers du camp, on je vis 12 bataillons des
Francois, qni y etoieut dejas campfo. A mon arrivi dans la rftsidence
le comte Tirheim pr£»ident et l'abbä de Kremsmunster me complimentSrent
»a nom des 6taU' (Heigel, Tagebuch Karls VII., S. 20). Demnach hätte
die Begrüssong erst im Schlosse stattgefunden. Doch mag die Angabe
Karl Alberts nicht verlässlich sein, da er auch irrthOmlich den 13. Sep-
tember als Tag des Einzuges bezeichnet, statt den 15. September. Mit
gleicher Unbefangenheit wie am 15. September 1741 vor dem KurfUrsten
tuid sich Oraf ThUrheim auch am 24. Jänner 1742 ein, um bei der
Wiedereroberung von Linz den einziehenden Grossherzog Franz, den
Gemahl Maria Theresias, zu begrflssen. Er wurde aber nach dem, was
rieb «m 8. Oetober 1741 zugetragen hatte, vom Grossherzog nicht vorge-
bsien nnd rnnsste sich auf seine GOter entfernen. Später wurde er
wieder zu Gnaden aufgenommen, geheimer Kath und 1746 Präsident der
oberOsterreichischen Commerzien- und Manufacturs-Hofcommission. Vgl.
Ameth, Maria Theresia II, S. 12.
380
H. Graf v. Preysing und H. Baron von Braitenlohn'. Es müssen
sich aber bairischerseits noch mehr Personen an der Conferenz
betheiUgt haben; denn Friedel setzt hinzu ,et reliqui mihi
ignoti'. ^
Der erste Punkt der Verhandhingen betraf die Verpflegs-
angelegenheiten. Wahrhaft horrend erschien den Verordneten
das Oeforderte. 263.000 Portionen Hafer und ebensoviel Heu,
mehr als dreissigtausend Pfund Stroh, fast 2000 Klafter Holz,
300 Ochsen, Alles im Gesammtbetrage von 117.523 fl. 25 kr.
waren bis inclusive 4. October zu liefern, beziehungsweise zu
zahlen. Selbst nach dem ständischerseits angestrebten massi-
geren Voranschlage belief sich das zu Liefernde noch immer
auf einen Geldbetrag von 100.075 fl.* Was bedeuteten dem
gegenüber die Verpflegskosten fUr 2 Dragoner- Regimenter und
eine Handvoll leichter ungarischer Reiter, ja selbst für das ober-
österreichische Landesaufgebot I
40]
' FriedeVs Protokoll voin 16. September 1741. K. a. k. Hau«-, Hof- udJ
Staatmirchiv, Fase. 342; vgl. S. 366, Anm. 3.
* Die Forderungen des Feinden sind niedergelegt in einem ,Entwnrff Über
die darch knrfQratlichos Rescript gnidigat anbegehrte portioni-liffening
vnd derselben betragnns in gelt* (ebenda). FUr die damaligen Preiae
Ton Interesse:
263.620 Portionen haabem, jede derselben zu 1 ft, for-
dern 32.952'/, Metzen, ieden zu 1 fl. 30 kr. . 49.428 fl. 45 kr
2r.3.S20 portiones heü, iede zu 16 ß, fordern 43.936
Conten 60 iW., weillen bey ieden Centen we-
nigst 10 ft auf die tieil-bliimen vnd staub
zunickb bleiben, folglich der Centen vor
90 ii heu angeachlagen nnd vor 1 fl. ge-
re<'hnot vrirdtet 43.936
30.360 blind Strohe A 7 kr 3.642
1,872 Claffter Holz, jede zn ;t (1 6.616 „ — •.
900 Centen Fleisch, fordern wenigst 300 ochsen
nnd ieden «u 3 Centeu, in gelt aber k 60 fl. 16.000 , — _^J,
117.623 0. 86 ■»*'
Ausserdem waren unter Einem noch zu liefern: 43.620 Portiois — '
Hafer i 7'/, Pfnnd, 43.620 Portionen Ken ä 16 Pfund, 16.260 .Schaa
Stroh k 18 Pfund nnd 184 Klafter IIoIk für einige noch im Ann
begriffene französische Abtbeilungen.
Die Landschaft suchte in einem von ihr ansgearbeiteten ,Entw
nnd Designation' die Kosten auf tOO.076 fl. zu ermässigen. K. u
Haus-, Hof- und Staatsarchiv, I. c.
881
und wie hatten einst die Stände über jene verhältniss
massig geringen Lasten geseufzt! Jetzt hatte der am 14. Sep-
tember Maria Theresia gegenüber geäusserte Wunsch, bald
wieder unter die sanftmüthigste österreichische Regieiimg zu
kommen, seine vollste Berechtigung.
Landschaftticherseits wurde den Baiem und Franzosen
gegenüber geltend gemacht, daes schon der Transpurt bedeu-
tende Kosten verursache, die in jenen Fällen, wo die Lebens-
mittel aus der Feme herbeigeschaflFt werden müssten, den Werth
des Naturales überstiegen. Derb aber richtig meinten die Ver-
ordneten, dass bei solchen Forderungen ,Leuth und Viech aus
Hungersnoth crepieren müssen'. '
Der zweite Punkt der Conferenz betraf die Herausgabe
von Gewehr und Munition seitens der Bürger- und Bauernschaft.
Hievon war schon an früherer Steile (S. 35G) die Rede. Die
Entwaffnung der unteren Stände, denen man feindlicherseits
nicht traute, wurde durchgefllhrt.
Und nun wurde in Punkt 3 die heiklichste Frage, das
Begehren nach der Huldigung aufgeworfen, nach Aenderung
der Wappen und Livreen; das Ende war, dass die Ablegung
des Homagiums in die Hände des KurAlrsten innerhalb einer
Frist von zehn Tagen gefordert wurde.*
Ueber das von den bairischen Bevollmächtigten in der
Conferenz vom 16. September Begehi-te richteten die Verord-
neten schon am nächsten Tage an den Kurfui-sten selbst ein
,Pro-memoria'.' Vorerst baten sie um Abzug der ständischen
Unkosten für das Heer von der Landosbewiliigung. An den
Gedanken, den Kurfürsten als Souverän zu betrachten und ihm
die GeftlUc abziiliefeni, hatte man sich also schon gewölint.
Der Abzug sollte indess nicht von den für 1741 bewilligten
Geldern erfolgen, da dieselben schon aufgebraucht waren, son-
dern von der Landesbewiliigung flir 1742.
' jKntwnrf nnd Desigiuitioii'. K. u. k. Haiiit-, Ilof- und .SbuitsarchiT 1. c.
* Protokoll Friedel's: ,8U<> wUrdat die Huldigaiig bogebret; rnd wann
«olche geficlieheu «oUe, zn überlegen . . . innerlialb 10 Tngon und vor
dem landsfUratou persOlinlich abzulegen . . . geind die wappen, liberey
und ander Sachen m endem.*
' Die sttndiachen Verordneten an den Riirfilrsten am 17. September 1741.
K. a. k. Hau»- Hof- und Staatiuurcliiv, 1. c.
382
Die ungeheuren Lieferangen ,auf eine so zahlreiche, in
diesem Erzherzog:thumb nieinahlen zu ersehen geweste Armee'
rauchten beschränkt werden.
Wie elend die Lage des Bauernstandes selbst in dem
wohlhabenden Ober-Oesterreich war, geht aus der Begründung
dieser Bitte hervor. Der Kurfürst möge nämlich hauptsächlich
die unerträghchen Forderungen an Hafer (263.Ü20 Portionen,
gleich 32.952'/» Motzen) vermindern, sonst wttrden nicht allein
die Pferde der Bauern aus Mangel an Lebensmitteln zu Grunde
gehen, sondern auch unter den Leuten selbst Hungcrsnoth aus-
brechen, ,wcillen die mehreste nur das Haberbrot ge-
niessen'. Auch das Holz sei im Lande schwer aufzutreiben.
In Bezug auf die Ablieferung von Gewehr und Munition
erklären die Verordneten, dem kurfiirstlichen Befehle nach-
kommen zu wollen. In Betreff der Huldigung wurde der Kur-
fürst durch die Verordneten »gehorsambst crindert', dass die
Einladung tiiezu, beziehungsweise zur Versammlung des Land-
tages jederzeit Sache des LandesfUrsten war; in der Verord-
neten Kräften sei es blos gelegen, dem Kurfürsten in einer
Beilage die mit den oberösterreichischen Erbämtern begnadeten
Geschlechter namhaft zu machen.
Um das Herz Karl Albrechts zu rühren, legten die Ver-
ordneten ihrem Promemoria den Bericht des laudschafllichen
Obercoramissarius Josef Freiherm v. Clam bei über das un-
geheuerliche Ansinnen des französischen Intendanten ScchelloB,
300 Süick Ochsen, noch dazu gratis, binnen wenigen Tagen au
liefern. Wollte man dies aueführcn, so müsse man den Bauern
namentlich im Gebirge da Zugthier ausspannen.'
Auf dieses Promemoria antwortete Karl Albrecht in einem
eigenhändig unterzeichneten Kescripte vom li'. September:* Es
' Jener Sechellen, dem wir noch elnigemale begegnen werden, begleitete
Karl Albrecht mich nach Bühmen und wnr nach dem niiglUrklicheii
AuBgange dieneii Zuges bei der franKODinchen Armee in den naterreii-lii-
schen Niederlanden. Ueberall erwia» er sich als arger Peiniger. Beim
Aufkomnien der Pompadour schloM er sich diei>er au und erlangte diiri'li
sie den Posten eines Generalcontroleurs der Finanzen. Arneth. Mari»
Therp.8ia III, 8, 247. 362. Bei den Verhandlungen vor Ausbruch dex
siebenjährigen Krieges spielt« er eine grosse Rolle.
' Hosoript Karl Albreehts vom M.September 1741. K. u. k. Hans-, Hof-
und Staatsarchiv, Kasc. 342.
Üiae ihm leid, dass er habe zti den WaflFen greifen mllssen;
die Sache habe sich nicht so gefügt, dass Stände and Unter-
thanen des Kriegsungemaches hätten enthüben bleiben können.
Auf dem Geforderten miisse er indess bestehen, sonst sei es
von Nöthen, die Truppen in verschiedene Abtheilungen zu zer-
legen .und selbe ihre Snbsistenz gelbsten suchen und nehmen
zu lassen'. Aus besonderer Gnade verfüge er jedoch, dass für
leine eigene bairische Cavallerie Hafer- und Heuportionen von
geringerem Gewichte geliefert werden könnten. Auch die Bitte
am Abzug der Kosten von der Landesbewilligung für 1742 will
Karl Albrecht gewähren, wenn nur die von der bairischen
General-Proviantdirection geforderten 263.620 Portionen Ilaftir
etc. aufgebracht würden.
Scchelles zu einem Nachlasse bezüglich der geforderten
300 Ochsen zu bewegen, gelang den bairischen Behörden selbst
nicht. '
Ständischerseits wurde dieses Rescript des Kurftirsten mit
einer neuen Beschwerde erwidert.* Die kaiserlichen Heiter
blltten sich seinerzeit mit 6 Pfund Hafer und 8 Pfund Hen pro
Pferderation begnügt. Die Franzosen dagegen begehren 7'/,
Pfund Hafer und 15 Pfund Heu. Das Pfimd Rindfleisch müsse
den Truppen um 3 kr. ausgehackt wrerden, während es doch
za 4 und 4'/j kr. im Preise stehe. Aehnlich sei es beim Brot.
Der Kurfürst möge die Forderungen der Franzosen herabsetzen,
Fleisch, Mehl und Brot zum grösseren Theüe aus Baiem nach-
lihren lassen.
Der Kurfürst Hess es aber bei seinem früheren Bescheide
bewenden, indem er wohl die Rationen für seine eigene Ca-
vallerie herabsetzte, nicht aber die für die Franzosen; letzteres
konnte er nicht, auch wenn er gewollt hätte. Denn trotz des
' ,Pro Memoria titl. H"" Baron von Clam wirdet gezimond vemachrich-
tiget, waagestalten der kOnigl. Uumlis. General-Intendant MonHieur
le Sechell anf seiner gemachten aufforderung unabweislich verharre,
crafft welcher »eiber verlanget, daas in Zeit von S"» Tag mithin bis
den 22««° dieses 100 stnck schUigbares Rind-Vieh, die übrige 200 stuck
aber bis den 'l'«" näch-stkonftig Monats bey Vermeidung unmittelbarer
Execution geliferet werden. Datum im llaubtjjuartier *u Linz, den
20ien 71.ri» 1741.' KurfQrsttiches Foldkriegscommissariatsamt, Kram
Qoltlieb Edler von Hochmiller. K. u. k. Haas-, Hof- und Staatsarchiv,
Fase. 342.
* Die Verordneten an den Knrfilrsten, 19. September 1741. Ebenda.
AnsUr. LXXXVIL Bd. U. BUfto. 26
384
jjomphaften und wortreichen Patentes, mit dem ihn Ludwig XV.
zum Qenerallieutenant der in Deutscliland befindJichen fran-
zösischen Armee bestimmt hatte,' war weniger er der Herr
über die Franzosen, als diese es über ihn waren.
Bald gelangten Klagen über Aergeres durch die Veronl-
neten an den KurfUrsten. Aus den ständischen Magazinen
wurde allerlei Fourage ohne Bescheinigung auf angeblich kur
fürstlichen Befehl geholt, auf den Strassen Holz und Stroh von
den Wagen gerissen und die Pferde ausgespannt, Scheunen und
Speicher aufgesprengt, das Hornvieh ohne Unterschied, ob es
schlagmüBsig oder nicht, aus den Ställen fortgeschleppt. Die
ünterthauen wurden hicdtirch trostlos, verzagt und kleinmttthig;
Manche drohen schon Haus und Hof zu verlassen.*
Bald sollten dem Lande neue Lasten erwachsen. Für den
25. September wurde eine französische Cavalleriedivision in
Waizenkirchen erwartet. Stilndischerseits wurde ihr der Graf
Philibert Fuogcr entgegengeschickt. Mit dem, was der bairi-
sche ,General - Proviant • Commissftr' v. Perkhaimb für diese
französische Abtheilung per Tag verlangt hatte,' war dieselbe
nun durchaus nicht einverstanden. Perkhaimb z. B. hatte
18 Klafter Holz beantragt, die Franzosen begehrten 120. Dazu
6725 Portionen Hafer, 6500 Portionen Heu, 2400 Bund Stroh,
300 Vorspannpferde, 5 — 6 Ochsen, 30 — 40 Schafe, 8—9 Kälber,
80O Pfund weisses und 1200 Pfund gutes schwarzes Brot ,aaf
icden Tag'.
Nachdem ohnehin schon so viel geliefert worden war und
OS unmöglich schien, noch mehr zu leisten, sahen die Verordneten
dem Eintreffen der 1. französischen Division — eine 2., 3. nnd
4. war auch schon avisirt — mit einer gewissen dumpfen Re
signation entgegen. ,SoIlten sich,* schrieb der Landschafb-
syndicus an den Grafen Fueger, ,Exccbs und aigenmächtige
Einfiihl in die Städl und Kosten der Paucrschaft, wie man be-
fürchtet, zuetragen, so seind solche Unglückh dem göttlichen
Willen und Anordnung zu überlassen.'*
Eine Abschrift von Wnsner'ii Hand. K. n. k. Tlau«-, Hof- nnd Staats-
archiv, Kriegsacten 1741, Fase. 341.
* Die Verordneten an den KarfUraten am 21. September 1741. Ebenda,
Pa«c. 342.
' Fridel an den Grafen Fueger, 22. September 1741. Ebenda.
* Vorige« Schreiben.
385
Graf Fueger war aber ganz der geeigaete Mann, die Ge-
fahr abzuwenden. Er reiste den Franzosen bis Schilrding ent-
gegen und traf in dem französischen coramandirenden General,
dena berühmten Grafen von Sachsen, einen alten Dekannten
von der Belagerung von Belgrad her, der sich ihm äusserst ge-
neigt zeigte.
Zwar lebte Graf Fueger, wie er an den Landschafla-
syndicus Fridel schreibt, ,zwischen Hoffnung und Furcht*, er
weiss oft nicht, ,wo ihm der Kopf steht', denn ,Confusion, Un-
heil, Widerwärtigkeiten und Ungerechtigkeiten' kommen doch
vor, so dass Fueger in den Ruf ausbricht: ,Gott seye mir und
uns allen gnädig und barmherzig', aber endlich ist die 1, Di-
vision abgefertigt. Der Graf gedenkt ihr aber nicht nach Efer-
ding zu folgen, sondern der 2. Division entgegenzugehen, ,um
die Gemüther zu gewinnen'. Recht weltklug meint er am
Schlüsse seines Berichtes; ,Ich nimme mir auch die Frcyhcit,
vor die TafB des commandierenden Generalen was beyzu-
schaffen, denn mir bekant, dass mit dergleichen baequatellen
oft viel ausgemacht wird."
Bevor sich noch diese französischen Divisionen mit dem
Hauptheere vereinigten, standen im Lager bei Linz schon gegen
30.000 Mann, die Mehrzahl Franzosen (19.400 Mann), meistens
Reiter, in 23 theils vollzähligen, theils noch zu ergänzenden
Regimentern. An kurbairischen Truppen waren 9400 Mann
im Linzer Lager.'
Als die Armee Ende September die Enns tiberschritt,
zählte sie nach dem Promemoria der ständischen Verordneten
an den Grafen Törring vom 26. September 1741 50.000 Men-
schen und 20.000 Pferde,' denn jeden Tag kamen theils auf
dem Wasser, theils zu Lande Franzosen und Baiern nach.
Noch im Juh hatten es die Stünde flir die reinste Unmöglich-
keit erklärt, auch nur 15.000 Mann auf kurze Zeit im Lande
zu erhalten (vgl. S. 342, Punkt 6) und nun! Ganz älintich war
* Fueger am Weidenholz am 28. September 1741 an deo Landschaft«-
tjadien». K. u. k. H.iqs-, Hof- und Staatsarchiv, Fase. 342.
* Auf einem anonymen Zettel — der Schrift nnch von der Hand des tüch-
tigen dsterreicbiscben Agenten in Pari», Kreiherm v. Wnsner — im k. n. k.
Hani-, Hof- und Staatsarchiv, KriegHActen, Fase. 341 hoisst es (s. nüclistu
Seite unten):
,^»sc. 34*2.
26»
386
es in den Sudetenländern gewesen. Erzählt doch die grosse
Monarchin selbst, dass zu Anfang ihrer Regierang ,die ans
Schlesien anhero eingeloffene, durch die böhmische Canzley
unterstttzet wordene Bericht die Unmöglichkeit vorstelleten, das
Naturale für blose zwey Cavalerie-Regimenter in land ca finden',
während der König von Preussen die Mittel fand, ,8eine ganze
Arm^e Reichlich und Bequem das ganze Jahr hindurch alda
subsistiren zu machen'.'
Das französisch-bairische Lager erstreckte sich am linken
Donauufer gegen Enns zu und mass eine Stunde in die Länge,
eine halbe in die Breite. Jeden Tag gegen 6 Uhr Abends ritt
der Kurfürst vom Schlosse aus, begleitet von etwa 30 Officieren,
entweder Über die Donaubrücke nach Urfahr oder ins Lager.*
' ,Au8 mütterlichor Wohlmeinung zn besonderem Nntzen mmner PoeteritiU
verfasste InatmctionB-Pnncta'; herausgegeben von Ameth, Archiv fBr
Osterreichische Geschichte, 47. Bd. (S. 328).
* Aus dem schon mehrmals erwihnten Berichte des stixtdisehen Oberoom-
missärs für das Viertel ob dem Manhartsberg Qiafen Friedrich Kogl vom
24. September 1741. NiederOsterreichischea Landesarchiv: ,Daa Lager
Le 19. 20. 21 de 71)'«
1741 se tronvient k Lintz les suivans Begiments:
Le reg. de Petiver
Hegiments Bavaroioes:
de la Marine
de Birkenfeld 1000
de Vaisseux
dn Corps 1600
de Navarre
de Minusiy 1600
de Touraine
de Marowitc 1600
de Bogiiy
Hohenzollem Cavalerie 1000
de Normandie
Chacun
Remondi lOOO
de la Mark
de 800 T^tes
(sc. General Eay-
duRoi
mond)
d'Alsace
Törring lOOO
d'Ai^ou
de Roos
de Monsieur
de U Foy
Du Dauphin Cavalerie
. de 600
DeTarrasque Ussars
400
ex Somme 13.000
Unit Regiments qui sont
arriväs apr6s mon de-
partsont . . ■ . . 6.400
Somme deTronppes fran-
^oises 19.400
Somme 940^**
Somme entiere 28.400
387
In Linz erhielt er aucli mehrere Depeschen von Belleisle des
Inhalts, dass die Verhandlungen mit Sachsen-Polen sich dem
Abschlüsse näherten. Karl Albrecht sollte panz Böhmen er-
halten, dazu Ober-f)esterreich, Tirol und die österreicliisclien
Besitzungen in Schwaben, der König von Polen dagegen ,en
revange' ganz Möhren, Ober- Schlesien und ein Stück von
Nieder-Oesterreich, das Viertel ob dem Manhartsberge. '
So verlebte denn Karl Albrecht angenehme Tage im
Linzer Schlosse, voll von Hoffnungen, die sich freilich später
nicht erftlllten; ein reiches, schönes Land war ihm ohne Schwert-
streich zugefallen, in ganz Ober-Oestcrrcicli fand der Kurfürst,
wie sich Ameth ausdrtickte, ,wenn auch nicht eben frendigo,
80 doch wenigstens gehorsame Vollstrecker'.
Der letzte von den Baiern und Franzosen besetzte Thoil
des Landes war das Salzkaramergut. Hier wäre eine wirksame
Vertheidigung am Platze gewesen, dieser werth volle Thoil des
Landes hiitte Maria Theresia erhalten bleiben können. Wie
der Kurierst in seinem Tagebuchc angibt, war Gmunden, der
Hauptort des Salzgebietes, von 1500 gut bewaffneten Leuten
besetzt. Dorthin hatte man auch die von der Regierung zur
Abrichtung des obcrösterrcicliischen Landsturmes seinerzeit ab-
geschickten Invaliden detachirt, nebst 4 Feldstücken. Die
Salzbauom waren ebenfalls, wie Karl Albrecht beriehtot, ,bis
auf die Ztthne' bewaffnet- Doch die klagliche Haltung des
Salzaratmannes zu Gmunden, Ferdinand Grafen Seeau, erstickte
jeden Widerstand. Als die Bavaro-Franzosen Wels und Lam-
l>ach besetzt hatten, verlangte Seeau einen halben Tag Bedenk-
zeit und erklärte sich dann bereit zu capitidiren, gegen die
Belassung seiner selbst und seiner Untergebenen in ihren Stellen.
Die Invaliden waren indess damit nicht einverstanden und ver-
langten ehrenvollen Abzug mit den Waffen und ihren 4 Stücken,
was der Kurfürst auch bewilligte. Die alten Soldaten, 350 an
der Zahl, zogen in die Gegend des Pyrnpasses, verbanden sich
I mit dem bewaffneten Landvolke in den Bergen und machten
■ ^egeo Enna fanget an nebst der Donau bey dem EckardtitlioJT Qber dea
■ Caplan Hoff, bias an den Stock- und Mäderer-Hoff, so in dio Länge eine
I Rtnod, in die Breitbe aber eine halbe atund austraget uud würdet auf
■ 3U ■" Mauu gescbätzet.' Vgl. Änbang VIII.
^^^_ ' Karls VII. Tagebuch, herausgegeben von Heigel, S. 21.
dem Feinde noch zu schaffen. Im Salzkammergate fanden
Baiem einen grossen Vorrath an Salz. Der Kurfürst gibt
vielleicht übertrieben mit 400.000 fl. an Werth an. '
um diesen Vorrath bald in Geld umzusetzen, erliess Ka
Albrecht am 29. September ein Rescript, durch welches er de
Preis des Salzes von 4 fl. 12 kr. per Centner auf 3 fl. 12 !
flir die nächsten sechs Wochen herabsetzte.* Ein ständische
Patent theilte dies am 3. October den Untcrthanen mit. Jeder
möge die Gelegenheit benützen und Salz kaufen, um hiedurc
jsowohl das füratl. Cameral- Interesse als auch seinen eigcna
Nutzen zu beförderen'.* Auf die Bitte der Verordneten, d«
Termin für das billige Salz bis £nde des Jahres zu erstrecke
erliess Karl Albert am 5. October ein weiteres Rescript, laa
welchem jener Termin bis Ende November verlängert wurde.^
In einem weiteren am 1. October 1741 erlassenen Rcscripte,
welchem sich der Kurfürst zuerst — noch vor der Huldig
— den Titel eines Erzherzogs von Oesterreich beilegt, wird da
nach dem Salzkammergute gehende Schlachtvieh vom land
schafllichen Aufsehlag befreit,* ein Erlass, der sehr zum Va
drusso der Landschaft und sehr gegen den Willen des Ku
fÜrsten einen schwunghaften Transitohandel durch das
kammergut herbeiführte, welchem durch ein weiteres, präciser"
gefasstes Rescript ein Ende gemacht wurde.'' Die leitende Be
' Ueber die EioDAhme des Salzkamroergutes des KurfUrsten Tagebuch
Heigel, I. c, 8. 21 a. 22. Ueber den Grafen Seeau und seine BrQderl
Ameth, Maria There«ia I, S 318. Am 8. Jänner 1742 schrieb Mm!
Theresia an den Foldmarschall Khevenhiller: ,Den Seeaa und alle sein
gleicliou, deren nicht so wenige eben seyu durfften, host du sogleid
boym Kopf nehmen cu lassen' (Arneth, ebenda, U, S. 416, Aum. H
Doch kara er später mit dem Verluste seiner Stelle davon, wjlbrond »ein
Bruder Anton, den man fUr den eigoutlichen Spiritus rector hielt, tu
lehonsIHngHchem Oefftngnis.'te und zur ODtercon6sc«tion renirthoilt wurde.
Der FOssener Friede 1746 gab auch ihm Freiheit uud Besitz wieder Eorflclu
' Rescript an die vier Stünde, Liuz, 29. September 1741. K. u. k. Hau»-«
Hof- uud Staatsarcliiv, Fase. 342.
* SlXndisvhes Patent vom 3. October 1741. Ebenda, Poter'sche Sammln
* Rescript Kari Albrechts vom 6. October 1741. Ebenda, Fase. 343.
^ Rescript Karl Albrechts vom 1. October 1741. Ebenda. (S£mmtlich eigen-
händig unterzeichnet.)
" Karl Albrecht an die Verordneten am 6. October 1741. Ebeud^n.
iana-«
InngB
389
hörde im Salzkanmiergute wurde nui» in ,ChurflirstIiche8 Salz-
Oberamt in Oesterreieh ob der Eiins' umgonanDt. '
Um den 19. September vorliess der KurtUrst Linz, in das
er bald wieder zurückkehren sollte und schlug sein Lager bei
Enns auf. In gemiichlichera Tempo uiarsclürte sein Heer dort-
hin, um wieder bis 1. ()ctobt;r Halt zu machon. Das Lager
lehnte sich mit dein einen Flügel an den Donaustrom, mit dem
anderen an die Hügel südlich von der Stadt. Auch hier warteten
des Kurfürsten gute Nachrichten. Der Kimig %'ün England habe
gute Zusicherungen in Bezug auf die haunoveranische Kur-
stimme gemacht, der Vertrag mit Sachsen sei perfect ge-
worden. *
Da sich an der oberösterrelchisch-steirischen Grenze das
Landvolk zu erheben begann und sich mit den obengenannten
Invaliden verband, schickte Karl Albrecht eine bairisch-fran-
zösische Abtheilung ins Gebirge," die sich in der Folge zu
Spital am Pyrn, Windisch-Garsten, Klaus und an der ,unteren
Klausen' am Pyrn festsetzte und den Ständen auch nach dem
Abzage des Hauptheeres in Bezug auf die Verpflegung schweife
Sorgen bereitete. Sie gerieth gleich anfangs 1742 durch
einen von dem kühnen Pfleger von Leonstein, Franz Michael
Grezmillner, ausgehenden Handstreich in die Gefangenschaft
Trenk's. *
' Erhellt aiu der Erlecliguiin^ einen vom Grafen Seeau befürworteten Ge-
suches der ,geiiammten Trauiiffihrür und Kalilbaueru' vom 26. October
1741 in FourageADgolegouheiton. Ebenda.
' Karl Albrechts Tagebuch, herausgegeben von Heigel, S. Sä.
» Ebenda.
' Der Bericht Grezmillner'» (k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Bster-
reichische Acten, l'aac. 14) bietet uns einen Beleg dafOr, wie die Stini-
mang der oberOsterreichischen Bevölkerung selbst war, wie sich diese in
einem ganz an6F3illigen Gegensätze zu der rein opportunistischen, schlaffen
Haltung der ständischen Kreise befand. Ge.itiUs!t auf die.se Stimmung
wäre das Salzkammergnt und iiborhiiupt die gebirgigen Theile des Landes
zu halten gewesen, da die Bauern, geführt von ihren Pfarrern und
,PBegorn', keineswegs jenes .von Natur forchteame' Volk waren, als das
sie stftndischerseits der Regienmg dargestellt worden wareu (vgl. S. 3ö.S),
Oreimillner erz&hlt zuerst die Besetzung der genannten Orte durch die
Feinde im Herbste 1741. Er selbst stand in eifriger Correspondenz mit
dem ,gut königlich' gesinnten Pfarrer in ,KlauBs* und anderen patrio-
tischen Persönlichkeiten in Steyr, trotz dos diesbezüglichen kurfürstlichen
botes bei Lebensatrafe. Er hatte die ächwXche der bairischen Stel-
890
In Enns wurde ein bainsches Provianthauptraapazin ein-
gerichtet. Oraf Töri-ing machte den stilndischcn Behörden luo-
von Miltheilunfc und forderte vorerst Zuweisung eines passenden
Platzes fUr dasselbe, ferner landschaftliche jtaugliche Subjeet«'
fllr Herbeischaffung des nöthigen Proviants, endlich eine
naae Speciücation dessen, was stUndischerscits mit und ob
lungen in Erfahrnng gebracht. Durch einen Hchmalen Oebirgntoi;
konnte mau ihnen in den RQckon kommen. Gegeu Ende des Jibte«
1741 schickte er seinen Praktikanten nach Steyr eu Treuk mit der Auf-
forderung, einen Versuch zu wagen. Die Oeneralitüt willigt ein und am
Nenj.ihnitage 1742, Abends 6 Uhr, langt Trenk mit 340 Pandaren in
Leonsteiu ein. Orezmillner bewirthot sie mit Brot nnd Bräunt« ein
(,worvou in diesem einzigen Nachtlager mir über 3 Emer aufgangea').
Der Paudurenfülirer wird durch ihn aus der Karte und einer Topographi«
Ober die Situation unterrichtet. Trenk vorlangt vor Allem Gewüsheit,
ob der schmale Steig noch offen sei. Um 12 Uhr Nachts wurde daher
der erwähnte Praktiknut an den Pfarrer von .Rlausa* gesandt; um 3 Uhr
FrUh ist er zurück mit gUnstiger Nachricht. Nun brach Trenk auf. Die
Baneru weisen ihm den Wog, und um C Uhr üt er mit seineu Pandnron
im Pfarrhofe. Von dort ans schickt er 40 Mann über den ,giihen Felsen
Oan^steig*. Diese kommen so den ahnungslosen Soldaten der feindlichen
Ilauptwache in den Rücken, erzwingen dni« Niederlassen der Zugbrücken,
Über welche uun Trenk mit seiner Hauptmacht vorrückt Der Cum-
mandant und die Besatzung, ,8o aniioch in guter Ruh gelegen haben',
werden kriegsgefangen (1 Hauptmann, 3 Lieutenants, 18U Mann). Die
äüU Mann in Spital am Pyru, von der steirischen wie von der nster-
roichischen Seite bedroht, müssen sich nun auch ergeben (l Oberstwacbt-
meister, 6 Hauptleute und FKhnricho, .darunter sich ein junger Graf
Morawitzky, juuger Graf Pouiatoffsky und Graf Loosi befunden'. Am
5. Jänner Mittags bewirthete Orezmillner auf Schloss Leonstein 16 ge-
fangene bairische Ufficiere zugleich mit Trenk und seinen Leuten. Nach
geendeter Tafel bedankte sich zwar der bairische Oberstwachtmeister
V. Raupp beim Pfleger für die derzeitige Bewirthuiig, kündigte ihm aber
im Falle der ZurOckkuuft der Baioru nach Ober Oesterreich uichu
Gutes an. Noch seien die Franzosen in ÜUhmen, die Sachsen uud PreUMen
in Mähreu. Orezmillner stand daher in den nächsten Jahren bei be-
drohlicherer Kriegslage mehrere Male ,auf dem Sprung', sich mit Uab-
Schaft, Weib und Kind ins Steirische zu äüchten. Diese seine .AusfUht-
lichu und wahrhafte Beschreibung und Relation des . . . durch die
kiinigl. Truppen den 2t«» Jan. 1742 wiederumb erfolgenden Überfahi
und Eroberung des inermelton Schloss und Pass Klauss' schrieb Orez-
millner am 30. März 1743 zu Leonstein nieder. Dero Original im
k. u. k. Baus-, Hof- und Staatsarchiv liegt die Besliltig^ung Trenk'a, da»
der Pfleger der Wahrheit nach berichte, bei. Ueber die Oertlichkeitea
(iubo, Steiermark während des (isterreichischeu Erbfolgokriegea, 1. c, S. 3*.
391
I
Quittung an den französischen Intendanten abgeliefert worden
war. Seitens der Verordneten wurde der Landschaftssecretär
Schmidtpauer nach Enns geschickt. Behaglicli war seine Stel-
lung dort keineswegs. Die Franzosen kliiumerten sich um die
ständischen Commissarien nicht, tractirten deren untergeordnete
Organe wohl auch ,rait harten Schlägen' und drohten Allen zu-
sammen bei dem geringsten Verzuge im Lieferungsgeschilfte
mit Qalgen und Tod. Selbst der Generalintendant Sechelle
sah sich endlich veranlasst zu verordnen, ^Niemand soll be-
rechtigt sein, Ubelzuhalten die landschaftlichen Commissarien
und in specie den Sieur Monnot, ihren Tulmätscher'.' Auch
musste Sechciles auf directen ßefehl des Kurftlrsten anordnen,
aus den Magazinen dürfe nichts genommen werden ,ohne ein
Zettul von bairisch oder französisch Commissario'. Nach wie
vor kamen indess Klagen, dass die Franzosen die meisten Ma-
gazine eigenmJlchtig occupirten, die mit Fourage bepackten
Wagen auf den Sti-assen antielen und die Vorrilthe ohne Mass,
Gewicht und Quittung hinwegnilhraen. *
Mit der Disciplin war es somit bei den Franzosen nicht
zum Beaten bestellt. Aehnliches war schon zu Waizcnkirchcn,
Eferding und Linz vorgegangen, denn die Verordneten wussten
dem Grafen Törring auf seine oben angeflihrte Aufforderung bin
nicht anzugeben, .was in der ersten Confusion und Schrockhcn auf
vorgebend kurfUrstl. Befelch bin und wider haubtsächlich aber
zu Watzenkhttrchen, Eferding und allliie an heu, haber, strohe
und holz abgegeben oder durch die Miliz Selbsten gleich von
Iiler Strassen oder denen wagen hinweggenommen'.'
Um mit den Franzosen verkeliren zu können, wurden ausser
dem vorhingenannten , Sieur Monnot' auch noch andere im Lande
l)efindliche Franzosen und sonstige der französischen Sprache
<aftchtige Personen als Dolmetscher von der Landschaft ange-
stellt ,zu nicht geringer Vermehrung der Ausgaben'.* Trotz
I
I
I
I
L
Anordnan^ Sechellea', Eiiiu, 27. September 1741. K. u. k. Ilmis-, Huf- and
8taat8«rchiv, Fmc. 342; ebendort dur BeriuUt Scbmiiltpaaor's an diu Ver-
ordneten vom 28. September 1741 über die VerbäUiiituie in Enns. Vgl.
Anhang; Nr. IX.
■ Voriger Bericht Vgl. Anhang IX.
* Die Verordneten an TOrring am 26. September 1741. K. u. k. Haus-,
Huf- and Staatsarchiv, Fase. 342.
392
der bald beginnenden Noth im Lande nahmen aber die Liefe-
rungen ihren Fortgang. Die Unterthanen geriethen indess durch
die Uebergriffe der Franzosen derart in Verwirrung, dass sie
,die zuegeliflFerte fourage an nögsten besten orth abgelährt und
ohne Erwartlumg eines Wag- und Lioferungszettl zuruckh ge-
fahren seind'. * Um ein System in die Lieferungen zu bringen,
erliessen die Verordneten am 27. September ein Patent, nach
welchem die noch ausständigen Lieferungen im Hausnickyiertel
an den Pfleger der Herrschaft Eferding Ignaz Wilhelm MS-
derer gegen Quittung abzuliefern seien, im Mühlviertel in
das Linzer Magazin, im Traun- und Machlandviertel in das
Ennser Magazin. Die nur ein oder zwei Stunden entfernten
Herrschaften und Unterthanen haben sofort zu liefern, die
anderen binnen drei Tagen, bei sonstiger militärischer £xe-
cution. *
Besonders zu leiden hatten natürlich die Orte um das
Lager. Baron Weichs, der bei der Huldigung am 2. October
die Hauptrolle spielte, legte dies den ständischen Commissären
zur Last, welche somit von beiden Seiten angegriffen wurden.
Auch war ihre Lage trotz des Sechelles'schen Erlasses vom
27. September keine rosigere geworden. ,Wie wir allhier tri-
buliert werden, ist nicht auszusprechen,' klagen sie schon zwei
Tage später. Tief in der Nacht pflegte man ihnen erst , anzu-
deuten', was am nächsten Tage erforderlich sei, und zwar
gleich ,mit solch' exorbitanter Bedrohung', dass sie genöthigt
waren, um nur schnell das Erforderliche zu requirieren, immer
die nächsten Orte in Mitlcidenschafl zu ziehen. Ausserdem
klagen sie, wie saumselig ihre Anordnungen von Seiten der
Herrschaften ausgef^rt wurden. Werden 200 Leute ver-
schrieben, so kommen 100; von diesen laufen bald 80 wieder
davon, es geschieht nichts, und die ständischen Commissäre
müsBcn nun unter dem Zorne der Franzosen leiden und wer-
den ,mit den schmälilichsten Worten angegriffen', trotzdem der
Kurftirst und sein Hofstaat noch in Enns sind. Was wird erst
geschehen, sagen die Commissäre, wenn der Kurfürst aus Enns
I
I
I
' Die Verordneten an TOrring um 26. September 1741. K. u. k. Haoi-,
Hof- und StaatMU-chiv, Fase. 342.
' Patent der Verordneten vom 27. September 1741. Ebenda.
fort ist ,uiid wir den französischen lusolentien exponiert ver-
lleiben?"
Recht thätig erwies sich zu Enns der ständische Secretär
Schmidtpauer, wo es galt, den Uebcrmuth der Franzosen zu
Kugeln und das Land vor gewaltsamer Fouragirung zu bc-
trahren. Wenn er an den LandschaftasyndicuB schreibt, er
bofiPe, dass er und seine CoUegen ,cine kleine Ehr' verdient
bätten, so ist dies gerechtfertigt. Wenn der KuriUrst Abends
mit der Generalität in sein Quartier zurUckkehrte, fand sich
Schmidtpauer ein mit seinen ,täglichen gravamina' und brachte
endlich Karl Albrechts Blut derart in Wallung, dass eine
^harpfe Ordre* publtcirt wurde, die gequälten Bauern sollten
französische oder bairische Soldaten, die ohne Commando
ausserhalb des Lagers berumschweiften, .auch um einer abge-
brochenen Zwetschgen, Biern, Apfels oder dergleichen Kleinig-
keit gesammter Hand überfallen, binden, wie auch allenfalls
gar todschlagen und so gut möglich in das Lager zuruck-
Leferen'. *
Man sieht, dem Kurfürsten wenigstens war es mit der
Aufrechthaltung einer guten Disciplin voOer Ernst, wenn er
auch hierin ebensowenig seine ehrenhaften Absichten durch-
setzen konnte als im nächsten Jahre Khevenhüler in Baiem
Trenk gegenüber. Auch erwirkte Schmidtpauer, ,da8s alle fran-
Küsische ravages fUr genossen und empfangen, was wir nur in
0twas wahrscheinlich machen können, quittiert werden muss'.'
, Dennoch waren die Sorgen des Landscliaftssecretarius
IBOch gross. Der 29. September ging so leidlich vorüber, ,wie
Ich aber biss zum Ausmarsche bestehen werde, weiss der
liebste Gott', schreibt er an den Syndicus.*
In jenen Tagen fielen auch die ersten Schüsse.
Jenseits der Enns bereits streiften die österreichischen
Hasaren. Namhafte Fouragelieferungen, welche die Bavaro-
'lUnzosen in Niederösterreich aasschrieben, hatten schon dar-
8eh(«tben dea ständuchen Commiss&ra vom 29. September 1741 aus Enns
(geaaicbaet ,v. Kirohstetter') an ,Moii«. Mons. Uioniii Adam de Frideli
Secretsire et Syadiqae'. K. u. k. Haus-, Hof- und Staataarchiv, Fase. 342.
Berioht Schmidtpauer's vom 28. September (Anhaog IX).
Ebenda.
Schmidtpauer ao Fridel am 29. Boptomber 1741 (k. u. k. Hans-, Hof-
nnd Staatsarchiv, Fase. 342).
394
um nicht den mindesten Erfolg. Zwischen den Husaren und
den bairisehen Dragonern nun kam es zu ScharmUtzeln, welche
jedoch nur Lilrm und Pulrerdampf, keine Verluste an Menschen-
leben im Gefolge gehabt zu haben scheinen. Da geschah es
nun, dass einer der Hasaren, durch die Schilsse blos betäubt
(.nur etwas dumm von Schüssen'), vom Pferde fiel und liegen
blieb. Seine Kameraden, die ihn ftir todt hielten, nahmen
hurb'g Gewehr und Kleidung des Gestürzten an sich ; der Husar
blieb in den Händen der Feinde, kam wieder zu sich imd
wurde als erster Gefangener gleichsam im Triumphe vor den
Kurftirsten gebracht. Es war, wie SchmitUpaucr berichtet, .ein
ansehentlicher, baumstarker Mann'. Karl Albrecht schenkte
ihm einen Doppelkarolin und befahl, ihn wohl zu halten. ,Der
Jubel dieser Victorie war ungemein gross,' bemerkt der saty-
rische Landschaftssecretär. *
Endlich konnte Schmidtpauer in gehobenster Stimmung
den Abzug der Bavaro-Franzosen melden. Am 1. October
passirte der gi'össte Theil der feindlichen Armee den Eonsfluss.
Vorher hatte der Secretarius noch schwere Stunden, so dass
er an den Landschaftssyndicus schreibt: ,Kein Wunder wäre,
wann einem von lauter Verdruss Über die cxcommunicierte Fran-
zosen das ganze Kröb im Leib wie einem Eydexl gesprenklet
wurde. Basta! es ist das Gröbere vorbey und ich hoffe davor
eine gnädige Compensation im Fegfeür.'*
Besonders rühmt Schmidtpauer die Beihilfe eines kur
bairiachon ProviantcommissHrs, Mnyr mit Namen, der den stiln-
dischen Beamten wiederholt bei dringenden Requisitionen mit
' Bericlit Sc)iniidt[iauer'ii vom 38. Soptomber. Die Iliisareu und GrenMr
soheiiien niimentlich bei den Frnnzoson in gromem Kespecte g:e«tanden
lu sein, wie ein Vorfall wenige Tage früher bewies. Ein vom Ob«r-
commiHsär für da« Viertel Ob dem Manhartsberg nach Ober-Oesterreich ge-
schickter Kiinclücliafter gerieth unter eine grosse Schuar Franzosen (bei
MniitlihaiiHon), die ihn mit sich ins Lager nehmen wollten. Auf dem
Woge dahin fragten sie einen Passanten: .Nichts detitsch Snldat hier?'
Jener deutete mit der Hand hinter sich und meldete, os seien 800 Wa-
rasdiner Husaren in der NShe. ,Es ist dann gleich das 0«schren anter
ihnpn ausgebrochen: „(Jsllr, Osär" und Sprüngen sodann gleich in ihre
3 Zillen, einer den andern stosaend.' Der Kundschafter entkam bei
dieaer Gelegenheit. Bericht des Grafen Engl (Anhang VIII).
* Schmidtpauer an Fridol, Enns, 1. October 1741. K. u. k. Haas-, Hof- und
Staatsarchiv, Kriegsacten, Fase. 343.
Yorrath aus den kurfürstlichen Magazinen ausgeholfen hatte,
wie auch ,mit vertrauter Anzaig'. Ein merkwürdiger Circulus!
Feindlicherscits wurden grosse Lieferungen von den Ständen
verlangt. Diese wieder verschafften einen Theil des Verlangten
(15.000 — 20.000 Portionen nach Schniidtpauer) durch Venuitt-
lung guter Freunde aus den eigenen Magazinen des Kurfürsten!
Sebmidtpauer meint, dass für jenen Herrn Mayr 2W M. Ke-
compens nicht zu viel wären, da er mit diesen 15.000 — 20.0(X)
Portionen Hafer, Heu und Stroh ,gar willig und getreulich aus
<Ler Noth und Pliinderungsgefahr zu grossem Nutzen dos ganzen
Xiundes geholfen'. *
Während aber Sehmidtpauer noch in Enna weilte, wurden
an Linz bereits alle Vorbereitungen zu einer ,gezwungenen —
Freiwilligen Huldigung' (,coaeta spontanea submissio et lioma-
^mn'), wie der Landschailssecretär sich ausdruckte, getroffen.
Sechstes Capital.
Die Huldigung am 3. Octobcr 174L
Nachdem das Gros der Armee die Enns überschritten
liatte, kehrte der Kurfltrst wieder nach Linz zurück, um die
gleicli von allem Anfang an in Aussicht genommene Huldigung
entgegenzunehmen. Wie wir aus dem Früheren ersehen haben
(S. 381), war schon am IG. September, einen Tag nach der An-
kunft Karl Albrechts, das Begehren nach der Huldigung seitens
des Feindes gestellt worden. Mittlerweile waren an sämmtÜche
Mitglieder der Landschaft kurfürstliche Citationsschreiben ab-
gegangen, sich zu einem fUr den 1. October anberaumten Land-
tage und zu der am 2. October stattfindenden Huldigung ein-
zufinden. Trotz der gemessenen königlichen Rescripte vom
4. September 1741 (vgl. S. 363, Anm. 1 und 2), sich nicht im
Plenum zu versammeln, kam ein grosser Theil der Stände,
freilich lange nicht in der Zahl, wie Karl Albrecht gehofft
hatte, am 1. October 1741 zusammen. Vorsitzender der Ver-
• 8cbinidtp«ner an Fridel, Enns, 1. October 1741. K. u. k. Haus-, Hof- uuJ
StmataarchiT, Kriegsacten, Fase. 343.
396
Sammlung war Josef Clement Freiherr v. Weichs, Senior des
Herrenstandes. Die Motive, welche so viele Landesmitglieder be-
wogen (darunter selbst den sonst so streng loyalen alten Johann
Georg Adam Freiherm v. Hohenegg), jenen beklagenswerthen
Schritt zu unternehmen, drücken sich in den kurzen Worten
aus, mit denen Weichs die Versammelten bestimmte, sich der
Ceremonie am 2. October zu fUgen, dass die ,von Ihro kurf.
Durchlaucht durch Citationsschreiben auf Morgen als den 2*^"
dieses bestimmte Hiddigung, ohne sich und das ganze Land
der schwersten Ungnad und nachfolgenden Schaden
zu unterwerfen, in Gegenwart einer zahlreichen Armee
nicht mehr zu decJinieren und zu deprecieren ist'. * Da-
gegen Hess sich freilich einwenden, dass dieser Grund — wean
durch ihn der Actus am 2. October einigermasscn entschuldigt
werden sollte — fUr die Zeit der beginnenden Invasion gepaMt
hallte, nicht fUr die Situation Anfangs October, wo die Haupt-
armce bereits abgerückt war. Alle Drangsale, die der Aufent-
halt eines grossen Heeres mit sich brachte, hatte Ober-Oester-
reich bereits zu bestehen gehabt, daran Änderte auch eine
Fluldigung nichts mehr, umsomehr als Ausschreitungen einzig
von Seiten der Franzosen voi^ekommen waren und einzig von
diesen zu erwarten standen, wogegen eine Huldigung schon ans
dem Grunde nichts nützen konnte, da Karl Albrechts Pouvoir
über die Franzosen ein recht geringes war. Gewiss war fllr
viele Landesmitglieder auch die Furcht vor der Rache, die der
Kurftirst an den Nichterscheinenden nehmen würde, ein Grund
ftir ihre Haltung. Davor hätten sie sich aber nicht zu äng-
stigen gebraucht! Karl AJbrecht gedenkt in seinem Tagobuche
nur mit wenigen elegischen Worten der Vielen, die nicht er-
schienen waren, und während der drei Monate, die er noch über
Ober-Oesterreich gebot, ist nirgends davon die Rede, dass an
Denen, die am 2. October nicht erschienen waren, Rache ge-
nommen werden sollte. Erst vom 8. December 1741 an, als
ihm mittlerweile auch in Prag gehuldigt worden war, schien
Karl Albrecht eine schärfere Tonart anschlagen zu wollen. Da
' ,8chliu deren LObl. Ständen gab praesidio Herrn Joseph Clement Freyb^
von Weix, aU RJllteiiten dem alten Hertiutaiit den Iten 8<>«' 1741.' K. a.
k. Hau«-, Hof- und Staatsarobiv, Kriej^sncten, Faac. 343. Uober Weielu
s. Arneth, Maria Theresia I, S. 318.
397
raren aber die Tage seiner Herrschaft über Ober-Oesterreich
icbon gezählt.'
1 Man wird nicht fehlgehen, wenn man den Grund zu jener
jtoldigung ebenso in der Furcht vor feindlichen Gewaltmass-
jBgeln sucht, als in dem Glauben der meisten Mitglieder
les ständischen Adels, die Sache Maria Theresias sei
inrettbar verloren. Angegriffen von dem mitchtigcn Frank-
|eich, geschlagen von Preussen, durch das Haus Bourbon auch
9 ItalJen bedroht, selbst in seinen Rechtsgrundlagen durch die
KurfUrstcn von Baiern und Sachsen nicht respectirt, schien der
Staat Karls VI. zusammenzubrechen. Hat ja doch die grosse
Konarchin selbst mit einfachen, aber erschlitternden Worten
iie allgemeine Stimmung in ihrer nächsten Umgebung ge-
leichnet: ,gesammte meine Ministii, anstatt mir Muth zuzu-
Iprechen, Hessen solchen gänzlich sinken und liessen nicht nn-
leutlich sich verlauten, als ob sie alles ftir desperat anaeheten,
p ea sachten sogar einige sich zu retirieren und verloren
tfch letzlich so weit, dass Einige davon (meiner damaligen Un-
Irfahrenheit missbrauchend) sich nicht gescheuet, die Er-
laubnis von mir anzusuchen, dem ChurfUrsten nach
►einer zu Prag von sich gegangenen Krönung, wegen
Ihrer in Böheim liegenden Gütern schriftlich zu hul-
pigen.'* Unter solchen Umständen begreift man wenigstens
|en Vorgang zu Linz, wenn er auch deshalb noch nicht ent-
Ichuldigt zu werden braucht. Denn der Schaden für Maria
pheresia war, wenn auch nur momentan, insofern gar gewaltig,
Üa durch die Huldigung das Ansehen Karl Albrechts bei den
Kurfürsten bedeutend wuchs, ebenso wie es gewiss ist, dass,
Irenn die Wiedereroberung Ober-Oesterreichs und der Gegen-
I
■ Patent Karl Albrecbts ans Prag, 8. November 1741. K. n. k. Haus-, Hof-
and Staataarchiv, Kriegsacten, Fase. 343. Ueber Karl AlbreclitB aller-
dings znm Wesen eines Eroberers schloclit passecile Hiimiinität schreibt
recht unschön Belloisle an den franiösischen Kriegsminister: ,Er (Karl
Albrecht) snche immer die Bewohner des eroberten Gebietes in schonen
and bewerbe sich lächerlicher Weise nm Neigung und Liebe, wo er
sich vor Allem gefBrchtet machen mflase' (Heigel, Der Osterreichische
Erbfblgestreit etc., 8. 206).
• .Ans matterlicher Wohlmeinung xn basouderen Notzeu meiner Posterit&t
▼«rfaaste Instructions-Puncta', herausgogebon von Ameth, Archiv für
(taterreichische Geschichte, 47. Bd., S. 329. 330,
398
zug nach Baiern zwei Wochen früher stattgefunden hätten, die >
Kaiserkrone wohl kaum Karl AJbrecht zu Theil geworden wäre,
sondern schon damals dem Qemahl Maria Theresias. '
In der Versammlung vom 1. October wurde beschlossen:
Ein ÄUBschuss ist zu erwiüilen, um beim KurfUrsten Audienz
zu nehmen und ihm die Anwesenheit der Stände zur Ablegung
der Huldigung zu insinuieren. In diesen Ausschuse wurden
gewählt: Baron Weichs, Graf Lobgott von Kueffstein, Qrai
Jörger, der Prälat von Lambach und die Stadt Steyr. Sowohl
bei dieser Audienz als bei der Huldigung selbst soll ßaron
Weichs eine Ansprache halten. Ausserdem wird dem Kur-
fürsten ein Huldigungsdonativ von 60(X) Ducaten bewiUigt,
200 Ducaten dem bairischen VicekanzJer und 1000 H. dem
bairisehen Controloramt. Endlich wurde die vom Kurfürsten
berabgelangte Ordnung für den Uuldigungszug vom Schlosse
in die Pfarrkirche genehmigt.*
Bairischerseitfi war eine neue Aufth eilung der Erbämter
vorgenommen worden, denn der grösste Theil jener Cavaliere,
die von der letzten Huldigung her (1732) Erbämter im Besitz
hatten, war zur Huldigung nicht erschienen, so der Landes-
liauptmann Graf Weisscnwolff, Graf Ferdinand Lamberg, Tho-
mas Oundaker Graf Starhemberg, Feldmarschall Josef Graf
Uarrach, Sigmund Graf Sinzendorff, Franz Graf Schönbom,
Fürst Lamberg, Franz Ludwig Graf Kueffstein, Ludwig Graf
Salburg, Graf Polhaimb, Franz Graf v. d. Traun, Philipp und
Wilhelm Grafen Sinzendorff.' Diese verloren ihre Erbämter,
und eine Reihe anderer Persönlichkeiten wurden damit aus-
gestattet.
Auch sonst war der Adel nicht so zahlreich erschiem
als Karl Albreeht erwartet hatte. Weichs betonte daher auch
in seiner Ansprache, ,da8s sye Stände sich in möglicher An-
zahl versamblet hätten vmb die gebürende Erbhultligungspflicht
gehoraambst abzulegen'. Immerhin waren erschienen ausser den
Prälaten 35 vom Herrenstande, 19 vom Kitterstande und die
' Ueigel, 1. c, S. 846.
* ,Memorial fQr die lobl. Stftnde in Hnidigungasachen.' K. n. lt. Haus-,
Hof- und Sbuitaarchiv, Ober-Oestorreiuh, Pasc. 1650—1749.
* Eine Ziuanimeniitellung der Erbämter von 1732 mit denen vom Kur-
filrHten verliehoiien, ubenda.
I
P \^ertreter von sieben landesflirstlichen Städten.' Bei der Hul-
<3igung an die legitime Herrsclierin im Jahre 1743 erschienen
'^lein vom Herrenstande 89 Mitglieder.
Am Morgen des 2. October 1742 versammelten sich in der
3iathsstabe des Landhauses die zur Huldigung Erschienenen und
»\yega,hen sich durch den , hölzernen Gang' ins Schloss. Auf
"7 Uhr hatte auch die bewaffnete Blb-gcrschaft Befehl erhalten,
'xnit fliegenden Fahnen und klingendem Spiele die Mitte des
JLinzer Stadtpiatzes zu besetzen. Dessen Seiten nahmen 8 bai-
sche Örenadiercompagnien und 2 Dragoner- Escadronen ein.
ü^airischcs Militür bildete auch Spalier vom Schlosse zur Pfarr-
irche. Zuerst fand die Uebergabe der neuen Erbämter statt.
ittlerweUe kam Karl Albreeht die Stiege von seinen Ge-
xnjächem herunter und bestieg das am Fusse der Treppe seiner
1-iarrende Pferd, wobei ihm der Graf Otto Karl von Hohenfeld
«Qie Steigbügel hielt. In pompcisem Zuge, voran die Diener-
schaft der Stünde und der bairischen Cavahere, Trompeter und
^Ä*aaker, Haidukcn und Lakaien, die Abgeordneten der landes-
^Plirstlichen Stildte,* der Graf Ernst von Sprinzenstein als ,0bri8t-
Rferblands-Pannier' mit der B'ahne, der Landscliaftssyndicus, der
Xlitterstand, der Herrenstand, die kurfürstlichen Officiere und
Kämmerer, endlich die geheimen Räthe, zog Karl Albrecht zur
"Kirche. Es umgaben ihn die neuen ,Erbilmtcr', ihm zunilehst
der neue ,Obrist-Erbland-Marschalt' Wilhelm Graf Starheraberg
mit entblösstem Schwerte. Hatschiere und Edelknaben um-
ringten den Kurfürsten, eine Compagnie des Leibregimentes
schloss den Zug, der nach beendetem feierlichen Hochamte
I vrieder ins Schloss zurUckschritt. Baron Weichs mit dem vorhin-
genannten ständischen Ausschusse begab sich nun zum Kur-
ftlrsten, der unter einem Baldachin sass, und bat, Karl Albrecht
wolle nun geruhen, die Huldigung entgegenzunehmen, die alt-
hergebrachten Freiheiten und Gewohnheiten des Landes zu be-
I
^iate deren lObl. StXnde, ... so gegenwärtig sind den 2. October 1741.*
Ebenda, Fuc. 343. Vgl. Anhang X.
Vun der gänzlichen Bedeutungslosigkeit des bürgerlichen Elementes in
der ständischen Verfassung gibt der Umstand Zeugniss, dass die landes-
flirstlichen Städte nicht mit ihren Cullegen vom Cleriis nnd Adel zogen,
•ondeni nach den Lakaien and vor dem Laudossyudicus, und dass nar
I bei ihren Abgeordneten die Bemerkung beigelllgt ist, sie hüttea alle
,PaAr in Paar in scLOner Ordnung zu gehen'.
AreU*. LXXXVU. Bd. U. UUfl«. 26
dtiltigen, dagegen versiclierten die Huldigenden Alles zu leisten^
,was treugehorsamsten Vasallen gegen ihren gnSdigsten Landes-
fllrsten zu thun geljiirot und wohlanstehet'. Kurz vor der Hul-
digung hielt Wcichs noch eine zweite Ansprache an den Kur-
fllrsten, in welcher er der Zuversicht Ausdruck gab, der
Kurfürst werde nach geleisteter Huldigung die stÄndisciien Pri-
vilegien besUUigen und die Suinde könnten sich getrösten, dass
Karl Albrecht das jlandschaftHche Systema' aufrechterhalten
wurde. Ursprünglich stand auch eine bewegliche Bitte am
künftige Schonung des Landvolkes und des durch die Ver-
|)Hegung einer zahlreichen Armee an den Kand des Ruine« ge-
brachten Landes im Concepte der Rode. Man hatte aber ftir
gut befunden, diesen Passus auszuscheiden. Der Erhaltung des
,liindschafllichen Systema' galt es vor Allem. ' Hierauf verlas
der bairische Vicekanzler die Huldigungsformel, welche die drei
oberen SUlndo nachzusprechen hatten. Sodann wurde sie auch
den Abgeordneten der landesfürstlichen Städte vorgelesen ,mit
dem Unterschiedt, dass diese mit aufgehobenen 3 Fingeren
den Aydt schwören müssen'. Der Huldigung folgte die Aus-
händigung des auf Pergament geschriebenen Bestiltigongsbricfcs
der ständischen Freiheiten und dieser der Handkuss der An-
wesenden. Während die Glocken der ganzen Stadt lüutcton
und die erste Salve erfolgte, fand in der Schlosskapcile das
Tedeum statt. Eine Parademablzeit, bei der die neuen Landes-
erbiiiater in Function traten und 24 Cavaliere die Speisen aus
der Küche herbeitrugen, folgte. Beim Confecte Überbrachte
der Graf Franz Sprinzenstein als ,0berst-Erbland-Münzmei8ter'
dem Kurftirsten ,auf einer silbemon Tasse die vorhandene Gold-
»nd Silber-Gedilchtnus-Munzen', während schon früher der Frei-
herr von Clam als ,Obrist Erbland-Mundschenk' den ersten Trunk
auf den Kui-fürsten ausgebracht hatte. Eine Tafel der Stände
schloss, nachdem der Kurfürst sich in seine Gemächer zurück-
gezogen hatte, die Huldigung.' Während die Glocken läuteten
und der Donner des am Ufer postirten schweren Geschützes
* Das erste und xweite Concept der beiden Ansprachen Weichs' k. u. k.
Han»-, Hof- und StaatMirchiv, Kriogsacten, Fosu. 343, und oberOster-
reichUuhe Acten 1650 bis 1749.
* .Beschreibung des anf den i^<^ Octub. auuuüh Vorgelienten Haldigang»-
actus in Linz.' Ebenda. Vgl. Anlmng XI.
401
I
I
I
I
über die Donau hinroilte, schien der Adler mit dem öster-
reichischen Bindenschild für immer von den Thoren der alten
Donaustadt zu verschwinden.
Doch nicht vier Monate vergingen, und Linz sah in seinen
Mauern den tüchtigsten aus der Feldhermschnle des grossen
Eugen, den Grafen KhevenhüUer. mit dem Gemahle der legi-
timen Landesherrin.
Maria Theresia war auf die Kunde von der geplanten
Huldigung auf das Tiefste erregt. Am 28. September 1741 er-
schien im Druck ein königliches Patent ,an alle und jede,
sonderlich aber unsere treu gehorsamste Stünde und Uuter-
thanen unseres Erzherzogthums f )sterreich ob der Enns', worin
die Königin ihrer Meinung Ausdruck gab, sie versehe sich bei
der unversehrten Treue, Liebe und Devotion der Stände da-
hin, dass sie den unberechtigten Zumuthungen des Kurfürsten
keine Folge leisten würden, ,allermas8en wir euch ein solches
auch sammt und sonders mit gemessenem Ernst hiemit ver-
bieten'. Sollte aber trotzdem ,aus vordringender Gewalt zu
unserem Nachtheile etwas fllrgehen, so erklären wir es von
nun an für das, was es an sich ist, nilmlich null, nichtig und
unkrftftig'. * Das königliche Patent konnte indess den Lauf der
Dinge in Linz nicht ändern.
Als aber KhevenhüJlcr im December gegen Ober-Oester-
reich und Baiern aufbrach, hatte er die gemessenen Befehle,
gegen Thürheim, Weichs, die Grafen Seeau und Andere vor-
zugehen und wider Jene, ,welche durch ihre üble Aufführung
mit gänzlicher Beiseithsetzung der unss schuldigen pflicht eine
besondere neigung für unseren Feind bezeigt, eine exempla-
rische Demonstration zu verhcngcn'.* Eine Untej-suchung unter
der Oberleitung des Landeshauptmannes Grafen Weissenwolff
wurde eingeleitet, ja im ersten Zorne dachte die Königin daran,
die Landschaft überhaupt aufzulösen, und es bedurfte des ganzen
Einflusses Bartenstein's, sie liievon abzubringen. Doch bald ge-
wann eine mildere Stimmung die Oberhand. Nach und nach,
bis 1745 wurden selbst die am schwersten compromittirten
Landesmitglieder wieder zu Gnaden aufgenommen. In hoch-
* Patent Marin Theresias, Pressburg, 88. September 1741. NiederOsterrei .hi-
sches LaadesarcbiT. Vgl. Anhang XU.
_» Ameth, Maria Theresia U, S. 4C2, Anm. 8».
26»
402
herziger Weise breitete Maria Theresia den Schleier über das
Geschehene. Schon am 9. Milrz 1742 schrieb sie eigenhändig
auf den Bericht Wcissenwolff's über die Untersuchung ihre Vei^
zeihung, ,weillen in Gnaden diesen passus in Vergessenheit
setzen will',' und als sie selbst am 25. Juni 1743 die feierliche
Huldigung in Linz entgegennahm, schwand jeder Groll, zumai
sich alle Landcsmitglicder zahlreich wie nie zuvor eingefunden
hatten.
Siebentes Capitel.
ObtT-Oesterrcicli MHhrend der bairisch-fraiizCsischeD
Oceupatlon (bis 30. üoeember 1741). — Nothstand dos
Landes.
Nach der Hiddigung blieb Karl Albrecht noch vier Tage
in Linz. Hochwasser hinderte ihn — wie er wenigstens in seinen)
' Ameth, Mnria Tlierenia II, 8. 615, Anm. 69. — Nncli der sonst Ter
(lieimtvnllon Skizze ilbur den oberOatcrreichiaclien Genealogen Freiherr»
T. Holitsneck vun R. v. Spann im VI. Berichte über das Mnseam Frau-
cisco-Carolinnm in Linx 1842 und nach Ametb, Maria ThoreBia I, S. 330
(Nach dem ,Flebile Promomoria' in St. Florian) wiire Maria Theresiat
^messoner Befehl, die Huldigang unter keinen Umständen an leisten,
dem Präsidenten der Verordneten Grafen Thilrlioim bei der Tluldignngi-
tafel in dem Honieuto angekommen, als Weichs den Toast anf den .gfiii-
digstun LandesTilrsten' ausbrachte. Die verlegenen Stünde hütten diasei
königliche Patent mit einem Schreiben Tliiirheim's bcintwortet, woris
sie den Vollzug der Iluldignog niittlieilteu, aber den Wunsch darch-
blicken Hessen, ,bald wieder unter des Hauses Oesterreicb mildeste Re-
giening zu gelangen', lleigol dagegen sagt gar nnr (S. 196): .Das
wübrond der Fostliclikeiteu angekommene Edict der Königin wnrde von
der Landschaft durch eine Anzeige, das« man soeben dent rechtmSaaigwi
and siegreichen Herrn gehnidigt habe, erwidert.' Das Schreiben dar
st&ndischen Veronlneten liegt im Anhange Nr. VII dieser Arbeit tot.
Allerdings beisst es in demselben, ,bei dieser eQssersten Desolation ge-
reichet allein zu unserer Consolation die Hoffnung, nnter die sanfi-
mQthigst Österreichische Regierung bald wiodenimb lu kommen'. Aber
dieses Hchroiben ist mehr als zwei Wochen vor der Huldigung, am
14. September, abgefasst und noch am selben Tage, im Momente des
feiudlicheu Einmar>icho8 expedirt (vgl. auch 8. 378 vorliegender Arbeit).
Damit fXUt aach die oben geschilderte dramatische Scene. Bei Heigel
(8. 196) wird dieses Schreiben irrigerweise dem Stadtrathe von läiu
ebenfalls am lluldiguugstage zugeschrieben.
408
Tapebiiche angibt — der bereits in Niederösterreich campiren-
den Armee zu folgen, für seine Sache ein arger Zeitverlust, ftlr
den Vertheidigungszustand Wiens ein grosser Gewinn. Die vier
Tage vergingen Karl Albrocht freilich in der angenehmsten
Weise. Am 3. October überreichte man ihm das in der Ver-
IRmmlung vom 1. October bewilligte Huldigungsgeschenk von
6000 Ducaten. ' Trotzdem trat aber der geldbedürftige Fürst
knrz vor seiner Abreise mit einer neuen Forderung an das
Land heran. Am t). October, dem Tage seines Aufbruches,
Unterzeichnete er ein Rescript an die vier Stände ,unsere8 Erz-
herzogthums Osterreich ob der Enns*, worin er ihnen zu Ge-
mUthc führt, dass er zur Ausftihrung seiner weitausgreifenden
Absichten auf einmal und unverzllglich grosser Geldsummen
bedürfe. Darum rauchten ihm die J^tände mit einem Darlehen
Von mindestens 150.000 fl. zu Hilfe kommen, und zwar um so
eher, ,al8 die Aufwendung dieser Kosten ledighch zu unserem
und unseres Churhauses Besten, dann eurer hierait verknüpften
gemeinsamen Wohlfahrt abzühlet*. Dafür war der Kurfürst er-
bötig, 5 Percent Zinsen zu zahlen, beziehungsweise sie von der
Isndschaftlichen Bewilligung pro 1742 abziehen zu lassen und
idas Capital selbst auf die landcsfürstlichon Gefälle zu ver-
»chern. *
Erst am 16. October Kndet sich über diese neue For-
derung ein Bericht der stilndischen Verordneten. Es amtierten
nunmehr: Johann Georg Propst zu St. Florian für den Prälaten-
Stand, Georg Leo Freiherr von Floheneck für den Herren-,
Johann Achaz Gottfried Wilhnger von der Au für den
Ritterstand und Johann Georg Gruber ftlr die landesftirstliehen
Stüdte. (In einem späteren Schreiben bezeichnen sie den Frei-
herrn von Hoheneck, einen Sohn des beiühmten Genealogen,
als ,derzeit dirigierenden Präsidem*.) Inzwischen waren nämlich
die Stände neuerdings zusammengetreten, um über dieses Dar-
lehcnsgesuch zu verhandeln. Sie zeigten iudess wenig Geneigt-
lieit, sondern rechneten durch ihre Vertreter, die Verordneten,
em Kurfürsten vor, wie viel sie ihm schon an Hafer, Heu,
oh, Fleisch, Korn, Weizen und Hob geliefert hätten, was
< Pritx, QMchichte de» Landes ob der Enn», Linz 1847, II. Bd., S. 492 ff.
* KafI Albrei^ht an die Stände, Linz, 6. October 1741. K. a. k. Haas-, Hof-
und ätaatearcbiv, Fuc 343; Tgl. Anbaug XUL
404
Alles weit mehr als 150.000 fl. ausmache. Der piinküiclie,
ordnungsmässige Abzug des Qelieferten von der Landesbewil-
liguDg für 1742 (350.000 fl.) sei gar nicht durchzuführen, da
aus den ständischen Mt^azinen zu Linz, Enns, E^erding und
Waizenkirchen grosse Mengen von Fourage ohne jede Cod-
trole weggenommen worden wären, ,auch die Wägen und Zollen
Selbsten, sonderlich mit Heu und Stroh auf der Strassen und
auf dem Wasser erweislich hinweggenommen and ausgelöhret
worden sind'.*
Am 27. October erklärte man sich aber bairischerseita
schon mit 75.000 fl. zufrieden. Am 31. October gewährten die
Stände dieses Darlehen, das man nicht anders als ein Zwangs-
darlehen bezeichnen kann und führten das Geld in Raten bis
Ende November ab, wofür sie vom Kurfürsten 23.430 Centner
Salz zu freiem Verkaufe erhielten.*
Die weiteren Rescripte Karl Albrechts an die Landschaft
in den ersten Octobertagen betreffen nichts WesenÜichee.'
Am Tage seines Aufbruches erliess Karl Albrecht auch
noch ein Rescript an die Verordneten, in welchem er Auskunfl
über die der ,ehemaligen Landsherrschaft' bewilligten Summen
verlangt, ,nachdeme ihr uns bereits als Eurem von Gk>tt, der
Natur und denen Rechten gesetzten rechtmässigen Erbherm
und LandsfUrsten erkennt'.* In einer ,ausfiihrlichen ,Hoffsnot-
turft' vom 9. October 1741 legten die Verordneten dem Kvir-
fürsten hierauf die Finanzlage des Landes dar (vgl. S. 337,
Anm. 1).
Am 6. October hielt Karl Albrecht vor den Mauern von
Linz noch Revue über die CavaUeriedivision des Grafen Segur
und begab sich dann mit derselben nach Enns. Er sollte Linz
' Die Verordneten an den Kurfürsten am 16. October 1741. K. u. k. Haiu-i
Hof- und Staatsarchiv, Fase. 343. 17 Seiten lange Klagen.
■'' Die Stände an den Kurfürsten am 31. October 1741. Ebenda.
' Je zwei eigenhändig unterzeichnete Rescripte vom 4., 6., 6. October. Die
Originale ebenda, Kriegsacten. Sie enthalten Befehle bezflglich der Be-
festigungen auf der St. Georg.s-Insel bei Enns und der Verpfle^ng der
Truppen in Wiiidisch-Garsten und Gmunden. Wichtiger ist nur di«
Verfügung vom 6. October, in welcher der Kurfürst neuerdings ein-
schärfte, joder conimandierende Officier habe über das Empfangene aus-
führlich zu quittiren, behufs Abrechnung von der kUnfti^n L<aades-
howilligung.
' Karl Albrecht au die Verordneten, Linz, 6. October 1741. Ebenda.
405
nicht mehr wiedei-schen. An die Spitze der Verwaltung Obor-
Oesterreichs wurde als bairischer Vicestatthalter der Graf Josef
Adam von Taufkirchen pesteilt.' Ihm unterstand als ,Land8-
Anwalt', den Verkelu* der bairiachen Kegieruug ruit den stiln-
dischen Verordneten vermittelnd und ihnen als politische Be-
hörde übergeordnet, Johann Augustin Fortunat Graf Spindler.*
Auch verständigte der Kurflirst von Ybbs aus am 14. October
die Verordneten, dass er zur Besorgung der Cameralangelegen-
heiten ein eigenes Collegium mit dem Titel , Hofkammer' in
Linz eingesetzt habe; mit diesem htttte sich die Landschaft ins
Einvernehmen zu setzen.' Die Hauptlast der Geschäfte, näm-
lich die Sorge flir Verpflegung und Eintjuartierung der im Lande
stehenden Besatzung, gegen Ende des Jahres 5*000 Mann, grüssten-
theils Franzosen, lag jedoch auf dem neuen VcrordnetencoUegium.
Schon am 7. October wandten sie sich au den Kurfürsten mit
der Bitte um Entlassung der zur Armee gelieferten Vorspann-
pferde sammt Bedienung, da Manche dadurch ,die beste Acker-
und Bauzeit zu ihrem und des Landes unwiederbringlichen
Sehaden schon versäumet haben'. Mit eigeuhilndig unterzeich-
netem Reseripte ddo. Ybbs, IL October thedte der Kurfürst
mit, dasB er Leute wie Vorspannpferde aus seinem Lager be-
reits entlassen habe. Nichtsdestoweniger wurden die Klagen
wegen drückender Vorspann nicht weniger.
Als Mitte October der Landschaft die Errichtimg von drei
neuen Magazinen, zu BVeistadt, Linz und Euns, aufgetragen
wurde mit dem Befeldo, in dieselben 13U.0O0 Portionen Heu,
130.000 Metzen Hafer, 500.000 ,Schwabcn* Stroh und WÜO
Metzen Weizen zu liefern, da erklärten die Verordneten dem
Kurfürsten, sie wüssten sich nicht mehr »u rathen und zu helfen.
Sie beriefen in dieser Angelegenheit im Auftrage Karl Albrechts
' Seiu Titel in einem Schreiben .in die ^osamniten Stände vom 30. De-
Cc«inber 1741: ,Sr. kOnigl. Mayt. in BOheim wOrklil. geheimer RaÜi,
I Cammeror, Vice-SUtthalter in Ö. o. d. E. Herr Joseph Adam dea heyl.
> Römischen Reich» Oraf von Taufkirchen.'
F Sein Titel: ,Ihr chnrf. Durcbl. «u B.iyrn anaereii gnädigsten Herrn Laud-
Rath und Landjtauwalt in Österreich ob der Ennss, Herr Johann Augunt
Fortunat üraf von Spindler, Frey- und Edler Herr zu Wilteiistein auf
Ihmbärding und Pollheimh in Weiss.'
■ Karl Albrecht an die Verordneten, Ybbs, U. October 1741. K. n. k.
Uaua-, üof- aud Staataarchiv. Ebenda.
4M
am 30. October wieder das Plenum, und schon am 31. October
liessen die gesammten Stände eine ,Deprec«tion' an den Ku^
filrstcn abgehen. ' Ohnehin seien schon 82.800 Centner Ilcu,
62.100 Metzen Hafer und 124.200 »Schwaben' Stroh geUefert
worden 1 Die Unterthanen seien nicht mehr in der Lage, weitere
Lieferungen zu leisten, .weilen Sye die Hungcrs-Noth und ihr
völliges Verderben vor Augen sehen und aus eindringender
KleinmUthigkeit ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen sich
vielfttltig vernehmen lassen'. Besonders hart sei das Zugvieli
der Bauern für Vorspannzwecke hergenommen worden, so zwar,
jdass Verschiedenen ihre Pfert und auch Ochsen auf der Strassen
und zu Haus crepieret sind'. Die Stände wiesen auch darauf
hin, dass noch von der ersten Lieferung her in den bisherigen
Magazinen zu Linz, Enns, Freistadt, Eferding und Waizen-
kirchcn 23.915 Metzon Hafer, 15.695 Centner Heu und 30.433
jSchaub' Stroh vorhanden seien und baten den Kurfürsten, er
möge erwägen, dass von .diesem mehr mit Qebürg und Waldung,
als trüchtig Feld versehenen Strich Landes' nichts mehr zu
bekommen sei. In welimlUhiger Erinnerung an frühere Zeiten
schliessen sie ihr Schreiben mit den Worten: ,wo die vorige
allergnädigBte Landesherrschaft bey wohl begriflFener Un-
zuolänglichkeit deren Victualien im Land iederzcit durch die
Hofkammer, Kriegscommissariat vnd Proviant-Ambtcr vor Mann
und Pferde in allen Naturalien auch sogar mit Herauffilhrung
des Heu ohne landschaftlichen Entgelt die Vci-pflegung besorget
bat'. Obwohl die Stände am selben Tage das von Karl Albrecht
begehrte Darlehen wenigstens in der Höhe von 75.000 fl. be-
willigten, scheint doch ihre ,Deprecation' nicht den gewünschten
Erfolg gehabt zu haben, die Lieferungen nahmen ihren Anfang.
Schon am 22. October, also schon 8 Tage vor dem Zusanunen-
tritto der Stände, beschwerte sich der Pfleger der Herrschaften
Waldenfols, ,Wäxenbcrg', Wildberg und Reichenau über die von
,Jo8ephu8 de Vic Sr. allerehristlichsten königl. May. Rittmeister
und Hofrath, wie auch Ritter des königl. mihtärischen Ordens
St. Ludovici, derzeit vorgesetzter Kriegscommissarius der Po-
licey deren Auxiliar-Truppen bey der bayrischen Armee', aus
* Die StJtnde au den Kurfürsten am 31. October 1741, ,die DeprecatioD
der weithereu Fourago lifferuug betrur. K. u. k. Uaiu-, IJuf- uud SUuts-
archiv, Faiic. 343.
407
gehenden drückenden Lieferungen in das Gcneralmagazin in
Freistadt. '
Zum Zwecke mUndlicher Vorhandlungen schickte der Kur-
fllrst seinen Conferenzminister und Überstkttmmcrer, Grafen Ma-
ximilian Preising, nach Linz. Dieser überraschte die Verordneten
mit der weiteren Mittheilung, sein Herr wäre gesonnen, lO.OüO
Mann nach Ober-Oesterreich ins Winterquartier zu legen, wo-
für die Landschaft von Anfang November ab 30.000 fl. per
Monat zu erlegen habe; sodann werde der Kurfürst selbst für
die Verpflegung dieser Truppen aufkommen. Der Refrain war
auch jetzt wieder: Gegen Abzug von der Landeabewilligang
für 1742. Aber was stand nicht schon Alles auf dem Kcrb-
holze derselben!
Ausserdem verlangte Preising die Beantwortung der Frage:
Wie viel dürfte überhaupt an Heu, Hafer und Stroh im Lande
noch aufzubringen sein?
In Bezug auf diesen Punkt verwiesen die Verordneten auf
die jDeprecation' der Stände vom 31. October und stellten bei
weiteren Forderungen Hungersnotli und Emigration in sichere
Aussicht. Bezüglich der 30.000 H. erklärten sie sich für ineom-
petcnt; dies zu bewilligen, sei Sache der Gesammtstilnde und
diese waren mittlerweile wieder auseinandergegangen. ' Da aber
auch die Franzosen drängten, so schlössen die Verordneten,
ohne auf die Stände zu warten, am 12. November mit dem
französischen Kriegscommissär Ginest einen Vertrag, dass von
Seiten des Landes durch fünf Monate vom 1. December pro
Mann und Tag 11 Pfennige verabreicht würden, , dafür sich
aber die Miliz selbst das Fleisch, Zuegemüs und alles Übrige,
msser Holz, Licht vnd Fourago beyschaffen solle, Eur chur-
fftrstl. Durchlaucht aber gnädigst geruhen werden, an der
LandesbewUligung die Betragnus sich gnädigst anrechnen zu
lassen'. '
Da Kasernen im Lande nicht vorhanden waren, so sollten
die Soldaten bei der Büi'gersehaft eingelegt werden und es sei
' K. n. k. Haas-, Hof- und Staabarchiv. Ebenda.
' Die Verkandluiigon Preising'« mit den Verordneten erhellen aus dem
äcbreibeo der Verordneten den Herren- und Bitterstando« «u den Kur-
Braten vom a. November 1741, Ebenda, Kriegsacton, Fase. 343.
' Die Verordneten an den KarfUrsteu am 13. November 1741. Ebenda
408
zu hoffen, ,dass eine Universalordre ergehen werde, wodurch
die Soldatcsca bey dem Burger mit dem gemeinschaftlichen
Felir, Holz und Liecht sich contentieren lasse'.'
Allgemein war der Wunsch des Landes, daes, wenn schon
Miliz nach Oberösterreich ins Winterquartier kommen sollte (,90
Gott gnädig verhlletten wolle', hiess es allgemein), wenigstens
bairischcs Militür, keineswegs aber Franzosen hinverlegt wor-
den sollten. So bitten die Ennser schon am 30. September
flehentlich (.Euer churflirstl. Durchlaucht legen wür uns
sambt der allhiesigen Burgerschaft in tieffister Submission zu
FUcssen'), mit Rücksicht auf die von jeher gewinn- und er-
werbslose Situation der Stadt, die unerschwingliche Contribution
und die unlängst von den Warasdinem ausgeübten Excesac,
er möge verftigen, dass ,eine leidentliche Winterquamison, und
zwar alleinig von kurbairisch Truppen allbier gelassen
werde'* (vgl. S. 374). Mit bestem Willen konnte der Kurftlrst
diesen Gesuchen nicht willfahren (seit 2. December z. B. lagen
in Enns 12 Compngnien vom Dragonerregimente Beaufremont),
da die Zahl der paar Tausend Baiem, die ihn auf seinem gc-
l'ilhrUchen Zuge begleiteten, gegenüber den stattlichen franzö-
sischen ,AuxiUartruppen' stark in den Hintergrund trat und or
sich nicht ganz von seinen Landeskindem, bei denen er allein
stricte Befolgimg seiner Befehle fand, trennen konnte. Schon
die Besatzung von Linz sollte aus 8 französisclien, aber nur
3 bairischen Bataillonen bestehen, in die übrigen Orte kamen
fast ausschliesslich Franzosen. Für diese musste namentlich auf
Durchmärschen viel reichlicher gesorgt worden als für die weit
genügsameren deutschen Truppen. So trug die geheime Feld-
kanzlei des Kurfilrston am 20. October von Melk aus den Ver-
ordneten auf, für drei nach Baiern zurückmarschierende fi-an-
zösische Bataillone (der Kurfürst fürchtete eine österreichische
Diversion von Tirol her) unter dem Duc de Rohan bis nach
St. Willibald an die Landesgrenze Sorge zu tragen. Jeder
Soldat sollte pro Tag 2 Pfund Brot, l Pfund Fleisch nebst Ge-
müse und l'ö Mass Bier bekommen. Dort, wo Baiern und
' PromeiDoria der Verordiieton der drei oberen Stände vom 9. November
1741. K. u. k. HauH-, Hof- und StoatsArchiv, Kriegsacten, Fase. 343.
* Uie Ennuer an den Knrftlniten am 30. September 1741. Ebenda, Peter'»cb«
Sammlung.
409
Franzosen zusammen im Quartiere lagen und erstere mit an-
riÜSien mussten, wie letztere reichlicher vcrproviantirt wurden,
kam es, wie vielfach berichtet wird, nicht selten zu begreif-
lichen Reibereien und zur nothwendigen Trennung nach Natio-
nalitäten.
Inzwischen hatte sich den Stünden am 27. November der
neue Landescommandierende Graf Segur vorgestellt und eine
im Allgemeinen sehr höfliche, aber auch bestimmte und keine
Neigung zu Concessionen verrathende Ansprache gehalten.
Die Magazine — das war der schwierigste Punkt in dem ohne-
hin schon ausgemergelten Lande — müssen mit dem Nöthigen
angefüllt sein, , dagegen werde ich beflissen sein', erklllrte Segur,
,dass die Truppen in genauester Disciplin sich verhalten', und
ebenso', sprach der Graf, ,werde ich, so lang ich die Ehre haben
werde, in diesem Lande das Commando zu fuhren, des Landes
Wohlseyn möglichstens beobachten und vorläufig alles dasjenige
zu befördern, was die Noblesse vergnügen kann, beflissen seyn'.
Als Mitarbeiter im Lieferungswerke stellte der Comraandant den
Verordneten einen Herrn Le Lievre vor, mit dem nach seiner
Ansicht die Stände sehr zufrieden sein würden. '
Segur scheint ein zwar höflicher, aber sehr bestimmter,
militärisch strenger und unerbittlicher Cavalier gewesen zu
8«in.* Bald kam es mit ihm zu Auseinandersetzungen in Bezug
itf die Bec[uemlichkeit der französischen Soldaten in den Quar-
lieren. Er hatte nämlich von den Verordneten die Lieferung
von 2000 Betten, 20(X) Decken, 2000 Paar .Laiblacher' im
.Discurs de M. le Comta de Segur au Etats dela haute Auiriche, 27 gbro
1741', auch in Uebersetzung beiliegend aU ,Anbriugeu Ihro E.\cell. des
Herrn Grafens von Segur an die löbl. H. H. Stände in O.-Ö.'. K. u. k.
Hau»-, Hof- and Staatsarchiv, Kriegsacten, Fasu. 343. Ans dem ,Discours'
ist au entnehmen, dass in Linz und seinen Vorstädten theils schon lagen,
theils in den nächsten Tagen erwartet wurden 5 franzäsiüehe und 3 hai-
tische Bataillone und das Urngonerregiment Segurs. 4 Cumpagnieu des
Oragonerregimentes Beaufromout lagen vom 2. December an in Stejrr,
der Rest (18 Compaguier) iu Euus.
In den Boudoirs von Versailles war er nicht beliebt. Damm das bos-
hafte Gedicht nach der Capitulation von Linz: ,Nnn hOret einmal Gross
und Klein — Die neueste Geschichte fein — Die einem art'gen Herrn
paniert — Graf Segnr ist er tituliert' etc. bei Heigel, Der Österreichi-
sche Erbfolgestreit, 8. 267, und als die Gemahlin Segur's eines Abends
in der grossen Oper erschien, erU)nte der stürmische Kuf: J^ioz! Linz!',
lu das« die arme Frau vor Schrecken niedersank (ebenda).
410
Kostenbeträge von 63.000 Livres verlangt und sie diesbezüg
lieb an einen Herrn Lamy gewiesen. Der Betrag würde
übrigens nach geschehener Lieferung in drei ftaten vergütet wer
den. Dagegen nahmen die Verordneten am 1. December 1741
zu dem Grafen ,alB einen hochvernünftigen vnd die Billichkeit
liebenden Generain und Feldherm die Zueflucht' und ersuchten
denselben, sie ,von dieser Verschaffung in natura sowohl, als
auch der kostbaren Erhandlung von Herrn Lamy losszusprechen'.
Sie wiesen darauf hin, dass wohl in Frankreich selbst, wo die
Truppen auf den kalten Dachböden einquartiert würden, Betten
zur Winterszeit nothwendig seien, ,allhie aber und in denen
übrigen (^uartiersorten sye Truppen in denen Zimmern, deren
guett erpauthen häusern von Cavaglieren und Privat-Personen
logieret seind, wo iedem genügsames, wo nicht überflüssiges
Holz zur Erwärmbung sowohl zu Tag als auch Nachtszeit ge-
geben wierdet, so würde die gemeine Mannschaft deren Trouppen
mit dem Strohe sich können begnügen lassen'.'
Die Gegenvorstellungen der Verordneten nützten jedoch
nichts, vielmehr erklilrte dieser am 27. December, dass im Falle
neuerlicher Weigerung ,die Better in den Clustern und bei denen
Ilaus-Inwohnem ohne Unterschied wurden aufgesucht und hin-
weggenomuien werden'. Die darüber liocherschi'ockcnen Ver-
ordneten crliessen hierauf noch am selben Tage ein gedrucktes
Patent des Inhaltes, die Einwohner möchten das Verlangte
liefern (auf die Stadt Eons z. B. entfielen 150 Stück Stroh-
säcke flir je 2 Personen) und lieber ihren Hausleutcn und
Dienstboten die Betten entziehen, als die Durchsuchung der
Wohnungen und das Wegschaffen der Betten durch die Fran-
zosen abzuwarten, ,wobey auch andere Mobilien gar leicht ver-
wüstet werden, oder hinweg kommen können'. Gleichsam
flehentlich entschuldigen sie sich über dieses ihr Begebren von
den Landeskindern mit dem Hinweise auf das ,derzeit auf das
äusserste betrangte Vaterland und Insassen'.* Zur factiscbon
Lieferung scheint es jedoch in Folge des Eindickens Kheven
hUler's nicht gekommen zu sein.
' .Memorial an Herrn Conte de Segur, Comronndierenden Genernln der
khCnigl. franxOaiscfaen Troappen in landt.' 1. Deoember 1741, K. n. k.
Haus-, Hof- und Staatonrchiv, Kriegsacten, Fase. 343.
* Patent der «tXndüchen Verurdneteu vom 27. December 1741. Ebenda,
Peler'aube Saminiuug.
411
Segur begehrte ausserdem fiir die Pferde der im Lande
Winterquartier nehmenden Cavailerie, sowie an Holz Liefe-
rangen im Geldwerthe von 88.225 fl. Nicht weniger als
315.000 Portionen Heu, 315.000 Portionen Hafer, 2350 Klafter
weiches Holz, ausserdem Stroh, Licht und ,Zuegemll8' wurden
neuerdings gefordert.'
Die Verordneten erklarten hierauf woh! ihren .geneigten
Willen zu Bef<>rdening aller Möglichkeit fUr den Dienst Sr.
ChurfUrstlichen Durchlaucht', wiesen aber gar beweglich auf
die Erschöpfung des kleinen Landes hin, das nicht anders sei
,als wie ein ausgeachüpftcr Brunnen'. Das ganze Gebiet jen-
seits der Donau könne nicht zur Lieferung herangezogen wer-
den ,wegen deren aller orthen herumbstreifcnden khönigl. hun-
garischen Husaren' und sei ausserdem durch den Zug der
bairisch-französischen Ilauptarmee aus dem Nicdcrosterreichi-
schen über Mauthhauscn, PrÄgarten, Gallnenkirchen und Frei-
stadt nach Böhmen völlig ausgesogen. Dennoch wurden in zwei
Vierteln ständische Commissäre eingesetzt flir Herbeischaffung
der Foorage ,nach thuenlicher Möglichkeit'. Im Traunviertel
die Freiherren Clemens Josef v.Weichs und Gustav von Pernau;
im Hansruckviertel Graf Josef Anton von Seeau. Ebenso vmr-
den alle der französischen Sprache Kundigen in verschiedenen
Conunissionen verwendet.* Viel versprachen sich die Verord-
neten auch von der Amtswirksamkeit des vom Kurfürsten zum
,Ober- Land- Kriegs -Commissarius' ernannten standischen Mit-
gliedes Grafen Philibert Fueger.* Zur völligen Lieferung des
von Segur geforderten Proviants kam es indcss zur gi-ossen
Freude des Landes auch diesmal nicht, da schon um den
Sylvestertag 1741 das Zurücktreiben der Franzosen nach Linz
begann. Ausdrücklich wird in der von Segur am 23. Jilnner
1742 mit Khevenhilier und dem Grossherzog Franz einge-
gangenen Capitulation drückender Mangel an Lebensmitteln als
Hauptgrund der Uebergabe angegeben.
' ,Entwarir, dem obenf^ennnnten .Diacouni' beiliogfend.
' .Anlwortüsclireiben von don Verordneten in ö. o. d. E. auf dft» Anninnen
des commnnd. OonernlH Herrn Grafen von Begur.' K. n. k. Hai»-, Hof-
nnd Staatsarchiv, Kriegsacton, Fase. 343.
* •»•»cript K.-«rl Albrochts, Ybbs, 22. Octcber 1741. Ebenda, a. «. O.
' .KottnrflPt' der Stinde vom B. October 1741 und Jnsiiiuatiun' der stindi-
8chen Verunttietan an die LAndeaauwaltuchaft vom II. Novembor 1741.
K. n. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Pasc. 34.S.
' Wemeck an die Herrschaft Leoustein, 1. October 1741. Ebenda.
* Wemeck aiu Spital am 6. October 1741. Ebenda.
* Wemeck, Spital am Pym, II. October 1741. Ebenda.
Noch bevor Segnr mit der Iriinzösischeii Wintergamison
in Ober-Oesterreich eingerückt war, hatte das Land Manches )
zu leiden gehabt. Es ^vurden Klagen laut über endlose Con-
tributionen, Truppencampirungen auf bebauten Aeckern und
Wiesen, Abbrechen der Planken und Zitune, Wegnahme der
Lebensmittel mit Gewalt und ohne Bezahlung oder gegen aus-
lündische unbekannte Münzen, endlich Ausplünderung der
Bauernhöfe. ' Besonders gehäuft finden sich Klagen, diesmal
nicht über einen Franzosen, sondern über einen bairischen
Officier, den Oberstlieutenant Baron Wemeck. Alan muss dem
Kuifllrsten die Gerechtigkeit widerfahren lassen, dass er io
diesem Falle, wo es sich um einen seiner eigenen Untergebenen
handelte, der Sache abhalf.
Wemeck verfuhr recht kategorisch bei seinen Lieferungs-
forderungen. So liegt sein Befehl an den Pfleger der Leon-
Steiner Herrschaft, den bereits erwähnten Grezraillner vor,
40 Metzen Korn zu liefern, jwidrigenfalls dasiger Herr Pfleger
zu Leonstain zu schwerer Verantwortung und unausbleiblicher
Leibesstraf gezogen werden wurde'.* Besonders gespannt
war das Verhältniss zwischen Wemeck und dem Stifte Krems-
münster. Der Oberstheutenant drohte dem Kloster, ,so bisshero
iü villen Sachen eine saumbseligkeit erwiesen', mit milittlrischer
Execution. Der Baron unternahm es sogar, historisch zu dedu-
ciren, warum das bekanntlich vom Agilolfinger Tassilo gegrün-
dete Kloster zu besonderem Eifer für die Sache Karl Albrechts
verpflichtet sein müsste, da es ,von dem churfllrstlichen Hauss
aus Bayern ge8tUfftet(!) und alles, was Sye (Kremsmünster)
hat von darauss dependiert'. ' Als der Prälat den Klageweg
gegen ihn betreten hatte, äusserte sich der Baron in einem
Schreiben an einen der Krcmsmünsterischen Pfleger, ,und flehtet
mich dessen tlerrn Prolathen zu Crembsmünster seine vermeinte
Veranstidtung wenig oder gar niclits an',* ein Ton, den man
bisher nicht gewohnt war, und den die Verordneten in ihrem
KJaglibell an den Kurfürsten als ,nachtlieilige und scliimpflichi'
Formalia' bezeichnen. '
Auch die Welser klagten über die ,Exactionen des Obrist-
lieatenants Herrn Baron v. Werneck'. * Er zwang sie, unmenscli-
lich viel Korn nach Klaus und Spital zu liefern, nahm ihnen
ihre städtische Artillerie, 2 Feldstücke, !• Doppelhaken auf La-
fetten, 50 Haken sammt Munition und Hess sie nach Klaus
schaffen. Ausserdem habe er für einen bairiachen Lieutenant
fi Ducaten ,Doucer' verlangt, und als die Welser nicht zahlen
wollten, ging er ,mit mündlicher besehimpfiing und trohung
ftlr*. Am 22. October indess theilte der KurfUrst von St. Pulten
aas in einem eigenhändig unterzeichneten Schreiben mit, dass
gegen Baron Werneck die Untersuchung eingeleitet wurde, und
dass seine Abberufung ehestens bevorstehe." Ueber das Re-
sultat der Untersuchung rindet sich nichts in den Acten.
Sehr schwierig war die Verproviantirung der im Lande
verbliebenen Truppen mit Fleisch, welches zu einem fixen
Preise, 4 kr. per Pfund, geliefert werden musste. Für die fran-
zösischen Truppen war ein eigener ,königl. französischer Fleiacli-
Provisor' Namens Charpentier aufgestellt, der aber, anstatt dem
Lande die Lieferung zu erleichtern, seine StelluDg in schänd-
Hcher Weise zu eigener Bereicherung ausnützte. Am 25. Oc-
tober 1741 richteten nämlich die Linzer Fleischhauer an die
ständischen Verordneten eine Eingabe, worin sie auf den grossen
Fleischmangel hinwiesen: .Allein dessen ohngeachtet streiffen
einige Juden herumb und kauften das Viech, wo nur ein stuckh
zu erfragen vast wie man solches bieth durch eigens darzu
habendte Einkauffer zusamben, vnd treiben solches auswerts,
gestalten allererst dieser tag eine grosse Quantität über Efer-
ding hinausgetrieben worden.'* Der eigentliche Zusanimen-
käufer des Schlagviehs und Exporteur desselben war jedoch
' IM« Verordneten an den Kurfürsten am 14. October 1741. K. u. k.
Haus-, Hof- and Staatuftrchiv, Fase. 343.
* Die Stadt Wels an die Vorordneten, priUentirt 12. October 1741. Eboiidn.
* Karl Albrecht an die Verordneten, St. Pdlten, 22. October 1741. Ebond.i.
Die ITerorilneten bemerken: auf das bin nei auch gegen andere Officiore
AiLzeige beim Kurfürsten xn erstatten. Eine weitere Anzeige liegt jedoch
nicht vor.
i* Die .FOr- und ZOchmoister' der Fleischhauer in Lins an die Verordneten,
prüsentirt 25. October 1741. Ebeiidji, Kriegsaoten.
niemand Anderer als jener ,königl. franzöBische Fleisch-Pro-
visor' Charpentier. Die oben angeführten Leute waren nur
seine Agenten. In Eferding war er mit 78 im Lande ge-
kauften und zum Austrieb bestimmten Ochsen ,in flagranti'
betreten worden, während es doch gerade seines Amtes war,
fUr Verproviantirung der Truppen das Vieh im Lande zu er-
halten. Der Grund der Handlungsweise des Charpentier
darin, dass auswärts, z. B. in Baiern, keine bestimmte niedJ
Taxe flir das Pfuod Fleisch bestand, sondern hiefttr 7 nnd
mehr Kreuzer bezahlt wurden. Wer also in Ober-Oesterreich
Fleisch zu dem von der französisch-bairiachen Verwaltung fest-
gestellten Preise von 4 kr. per Pfund oder etwas darüber au-
sammenkaufte und den Austrieb des .Schlagviehes nach Baiem
bewerkstelligte, der machte ein gutes Geschäft, wie in diesem
Falle der eigene ,Fleisch-Provisor* der Franzosen.' Dass hie-
durch das Ueferungspflichtige Land, von welchem gerade durch
jenen französischen Beamten und seine Vorgesetzten onnach-
sichtlich eine grosse Anzahl Rinder zur Verproviantirung der
Armee begehrt wurden (S. 382), in die ärgste Verlegenheit
kam, ist selbstverständlich. Am 25. October noch hatten des
halb die Verordneten von der vorgesetzten politischen Behörde,
der Landesanwaltschaft, eine exemplarische Bestrafung zwar
nicht des Charpentier — dieser stand als Franzose auch dem
Kurftlrsten gegenüber in einer immunen Stellung — sondern
seiner Unterhändler verlangt. Mit anerkennenswerther Bereit-
willigkeit erklärte die Landesanwaltschaft am 9. November 1741,
sie werde, falls die Schuldigen kundgegeben würden, das Nö-
thige veranlassen.* Da regte sich aber bei den Verordneten
die Scheu vor einer — wenn auch in diesem Falle berechtigten
— Denunciatton, und sie erklärten gekränkten Tones und keines-
wegs zum Vortheile des Landes der Landesanwaltschaft: dass
sie in dieser Hinsicht nicht zu Diensten stünden, ,da weder
das Handwerk Selbsten, noch die dahin incorporierte Fleisch-
' Ituinnatum der Verordneton an die Landexanwaltschaft rom 86. October
1741, .wobei er Fleisch-Provisor iedoch nebst seinen übrig^en mit ihme
interessierten Wncherern von diinimben wohl bestehen kann, weillen
oben hinnus das Fleisch vor 7 kr. vnJ hoher dem pfnndt nach ansg<>-
hacket würdet*. K. ii. k. Haus-, Hof- und StaaUnrchiv, Fase 343.
* Die Landesanwaltschaft an die Verordueton am 9. November 1741.
Rbenda.
415
hackher einer löblichen Landschaft unterworfen seinclt, wür
anch nicht verhoffen wollen, dass Euer Gnaden und Freund-
schaft VHS Verordneten eine Denuntiation zuemuthen wer-
den'.' Schliesslich sahen sich die Verordneten neuerdings ge-
nütfaigt, die Lieferung je eines Stückes Hornvieh von 60 Fouer-
sUtten zu geringem Preise anzubefehlen, um dem Fleischmangel
tbsahelfen. *
Aach andere Ungohürigkeiten liefen mit unter. So kam
H'Vor, dass Privatleute den Soldaten das ihnen aus den land-
wluiUichen Magazinen gelieferte Holz abkauften, wodurch die
Quartiergeber zu Schaden kamen, da sie dem nunmehr frieren-
den Militär auch Holz verabfolgen raussten. "
Eine der drückendsten Lasten der Invasion war die fort-
Klhrende Lieferung von Wagen und Pferden zu Vorspann-
Wecken. Dies erreichte den Höhepunkt, als nach dem Ab-
märsche der Uauptarmee aus Nieder- durch Ober-Oesten-eich
nach Böhmen von Seiten des französischen Artilleriugenenils
du Brocard an den Artilleriemajor du Gravier in Linz folgender
kategorischer Befehl erging: ,Es wird dem Herrn du Gravier,
»Major bei der Artillerie, anbefohlen, alle Pferde und Wilgen,
80 sich in der Stadt Linz und den Vorstädten befinden, hin-
wegnehmen zu lassen, sie mögen gehören, wem sie immer
wollen.'*
Du Gravier selbst ging nicht gerade freudig an die Aus-
fiihrung dieser drakonischen Massrcgel. Er übermittelte den
Verordneten den Befehl des Generals mit dem Schi-eiben :
^lessieurs! Es ist nicht nöthig, dass ich obigem Befelch etwas
linzuAlge, M. werden die Noth selbsten erkennen, in welcher
mich befinde, zu gehorsamen; wider meinen guten Willen wird
es sein, zur Gewalt zu schreiten gemUssiget zu werden, allein
verhoffe ich, dass die löbl. H. Stände mir Gehör geben, an-
* Wie Verordneten an die Landesanwaltachiift am 11. November 1741.
K. n. k. Ilaua-, Hof- nnd Staatsarchiv, Fase. 343.
* Patent vom 16. Oecember 1741. Ebenda, Potor'scke .Sammlung.
* Die Verordneten an den ätadtrichter von Enns am 1. November 1741.
Ebenda.
* ,Copie des Befek-hs, welcher von dem W. du Brofard, General d'Artiglerie,
dem Herrn du Gravier, Major hey der Artillerie zugeschickt wurden,'
Bndweis, 27. October 1741. Ebenda, auii dem oberOaterreicbischeu Btände-
•rchiv l.'>47— 1770.
ArUt. LXXXTII. Bd. II. HUR*. 27
416
nebens anbefehlen werden unter hoher Straf an alle Unter-
tbanen, welche Pferd und WagenMiaben, dass sie solche morgen,
als den 29. dieses, urab 7 Uhr in der Frühe auf allhiesigen
Statt-Platz ohnfehlbar stellen sollen." Ob und in welchem Zu-
stande die Besitzer von Pferd und Wagen ihr Eigenthum wie-
der zurückerhielten, ist aus den Acten nicht ersichtlich. Am
selben 28. October verkündeten übrigens die ständischen Ver-
ordneten nicht nur für Linz, sondern für das ganze Land, dass
binnen vier Tagen 1600 Wagen sammt Respannang fllr die
Franzosen zu stellen seien.*
Besondere Leistungen wurden von den Ennsem verlangt,
als gegen Ende October der Rückzug der Baiem und Franzosen
aus Nieder-Oesterreich und deren Abmarsch nach Böhmen er
folgte. Nunmehr wandte nämlich der Kurfürst sein Augenmerk
der Errichtung von Linien an der Enns zu, welche einen An-
griff der Truppen Maria Theresias auf Ober-Oesterreich auf
halten oder ganz vereiteln sollten. Sie waren, wie die Ereig-
nisse im December erwiesen, weder das Eine noch das Andere
im Stande; ihre Errichtung stellte aber an die Arbeitskräfte
der Gegend starke Anforderungen. Die Ennser selbst mussten
Allerlei mauern, Brücken wegreissen, ,Päumb und Staudten'
abhacken; für alle diese Geschäfte setzte der Rath auf Befehl
des in Enns commandirenden französischen Generals Mylord
Clar einen Pemianenzausschusa ein.'
Am 28. October befahl der Kurfürst von St. Polten aus
einer Anzahl nieder- und oberösterrcichischer Herrschaften, in
der Ennsor Gegend Arbeiter auszuheben mit dem zum Schanz-
baue nöthigcn Werkzenge. Bald musste von je 20 Feuerstätten
des Landes je ein Mann für diese Schanzen gestellt wer<len,
seit 19. December sogar von je 10 einer. So erklärt sich die
Meldung Khevenhiller's an Lobkowitz, dass zeitweilig 5000
Bauern an den Linien lilngs des Ennsflusscs arbeiten mussten.*
Eine erfreulichere Nachricht konnte das ständische Patcut
vom 6. November 1741 den Landesinsassen bieten, dass die
Lieferungen an Heu, Hafer und Stroh von der Landcsumlage,
' K. n. k. Haus-, Huf- und 8tnat!U)n.'.hi7, aus dem oberOsterreichiaclien StXnde-
archlT 1647—1770.
* CircnUrschreiben der Verordneten. Ebenda, Peter'acbe Sammlung.
■ Ebenda.
* Ebenda, Kriegnacten, Fase. 361.
r
und zwar speciell von dem bald ftlllipen ,Weynachtsrüstgeld',
in Abzug gebracht werden könnten. ' Freilich mag hiedurch
nnr ein geringer Theil des Gelieferten gedeckt worden sein.
Wie hart hergenommen das Land in Bezug auf Fourage-
liefeningen war, erhellt aus dem Umstände, dass selbst das
reiche Kremsmüuster nicht mehr im Stande war, Heu und Holz
in die Kriegs magazine zu liefern, und durch ein ständisches
Patent erklären Hess, es suche diese Artikel zu kaufen, um
sie abliefern zu können.*
Gegen Mitte November richteten sich die französischen
Garnisonen in den oberösterreichischen Städten häuslich für
den Winter ein, ohne freilich zu ahnen, wie bald sie mitten
im tiefen Winter ihre Quartiere vor dem heranrückenden Feld-
marschall Khevenhiller würden räumen müssen.
Dem Bürger brachte die Einquartierung natürlich manche
Störung in der gewohnten Lebensftlhrung. Noch liegt die
Winterquartiersordnung fiir die Stadt Enns vor, wie sie am
19. November 1741 auf Befehl ,Ihro Excellcnz Herrn, Herrn
General Mylord Clar, Comendanten alhier', festgestellt wurde.*
Sie umfasst 7 Punkte.
1. Jede Correspondenz oder Gemeinschaft mit den Oester-
reichem ist bei Lebensstrafe verboten.*
2. Bricht nälchtlicher Weile ein Tumult aus und wird die
Trommel gerührt, so sind alle Fenster zu beleuchten.
3. Den Soldaten darf nichts von ihrer Montur, von Ge-
wehr und Munition abgekauft werden; ebenso ist verboten,
ihnen Civüklcider zukommen zu lassen.
4. Keinem Soldaten darf etwas geborgt werden.
5. Für das Militär ist um 7 Uhr Zapfenstreich ; nach dem-
selben dürfen der Soldateska keine geistigen Getränke mehr
verabreicht werden. Um '/4''^* Uhr wird die Glocke geläutet als
»Bürger -Zapfenstreich'. ,Ess werden alle Tag die Patrollen
herumbgehen vnd die in denen Würthshilusern über vorbe-
deite Zeit antreffende mit Gewald in Arrest führen.'
' K. u. k. Hau«-, Hof- und Staatsarchiv, Peter'sche Saniinlung.
* Ebenda.
* Ebenda. Anch die Verordneten erliessen am 24. November 1741 eine
,Vonehang r.ii denen bevorstehenden Wintercinartieren'. Bbeuda.
* Vgl. 8. 389, Anm. 4 (Untemelimung Grezmillner's).
418
7. Niemand darf zur Nachtszeit olme Laterne auf der
Gasse betreten werden. Streitigkeiten zwischen Soldaten und
Bürgern sollten nach einem Befehle Lord Clara durch magi-
Btratische Commissarien entschieden und geschlichtet werden.
Am 6. December erschien ein ständisches Patent, auf kur-
fürstlichen Befehl sei ein feierliches Tedeum zu begehen ,wegen
Eroberung der böhmischen HaubtStatt Prag'. In der Nacht
vom 25. auf den 26. November hatte nämlich das franzSsisch-
bairisch-sächsische Heer Prag genommen. Kurze Zeit darauf
liesB sich Karl Albrecht auch in Prag huldigen. Aus den bis-
her ^kurfürstlichen' Städten Ober-Oesterreichs wurden nunmehr
^königliche'.
Von Prag aus erging am 8. December 1741 von Seiten
des KurfUrsten ein Patent an die OberOsterreicher, worin er
,als König von Böheim und Erzherzog von Osterreich ob der
Enns' erklärt, er sei nicht gesonnen, Landesmitglieder in Diensten
,der Grossherzogin von Toscana' zu lassen. Wer nicht binnen
vier Wochen diese Dienste verlasse, verliere Hab und Gut durch
den Fiscus. Der bereits geleistete Eid gelte nichts, denn nur
Karl Albrecht sei rechtmässiger Landesherr. Au&ahme und
Beförderung im Dienste des Kurfürsten wird den Ueberläufem
versprochen. *
Am 30. December liess Josef Adam Graf Taufkircben,
,Sr. Königl. Mayt. in Böheim wUrklicher geheimer Rath und
Vicestatthalter in Oesterreich ob der Enns', den Ständen sechs
vom Kurfürsten eigenhändig unterzeichnete Exemplare des
Mandates zustellen mit der Weisung, dieselben an den Rath-
häusern anzuschlagen. Auch sollten sie das Mandat ihren ausser
Landes befindlichen Anverwandten und Freunden zusenden ,zu
ihrer Benachrichtigung und Gewahmehmung'. Es war dies der
letzte Act der bairisch-französischen Souveränitätsansprüche auf
Ober-Oesterreich.
Am selben Tage, an welchem der bairische Vicestatthalter
die Exemplare des Mandates den oberösterreichischen Ständen
übermittelto, am 30. December, erliielt das Kartenhaus der Gross-
machtsträunic des unglücklichen Karl Albrecht den Stoss, der
* Entsprechend den für BOlimen bestimmten Mandats aTocatoria et inbi-
bitoria Karl Älbrechts. Die Originale im k. u. k. Haus-, Hof- und Staats-
archiv, Kriegsaeteu, Fase. 343. Vergl. Anhang XIV.
419
es ins Wanken und bald zum völligen Zusammensturz bringen
sollte.
Feldmarschall Khevenhüller, der Retter Maria Theresias
uis der Bedrängniss des Jahres 1741, überschritt nämlich die
Enns, mit seinen 16.000 Mann die Franzosen nach Linz trei-
bend. Am 24. Jänner 1742 hielt Franz Stephan seinen Einzug
in Linz, Mitte Februar, während Karl Albrecht eben aus
Frankreichs Händen zu Frankfurt a. M. die Kaiserkrone er-
halten hatte, wehten die Fahnen Maria Theresias von den Wällen
tfttnchens.
Bereits am 31. December 1741 konnte der Stadtschreiber
^on Enns einen ,Befelch von Ihro hochgräflichen Exe. öraf
Carl zu Palfi bei seiner favente DEO nachmittags vmb 4 mit
i^em königl. Corpo allhier beschechenen glücklichen Ankunft'
eintragen.*
* K. n. k. Hans-, Hof- and Staatsarchiv, ans dem Archive der Stadt Enna,
Peter'scbe Sammlung.
BEILAGEN.
Nr. I.
Die Stände Ober-Oesterreichs an Maria Theresia aniäsaliek ihm
Beffierungsantriües. Line 1740, October 31.
Orig. mit acht Siegeln. K. u. k. Haas-, Hof. and StaatearchiT in Wien, Mut-
reichiscbe Acten, Ober-Oesterreich 1660—1749.
Die betrflbteste Nachricht vnd allertraui-igste Begebenheit, so En«r
Ehönigl. Mayt. durch allerhöchstes Bescript vom 22. von dem zu allg«-
meinen Leydwesen Erfolgten Todfahl des AUerdurchleichtigsten, Gross-
mächtigsten vnd TnflberwQndlichsten Fflrsten and Herrn Horm Caroli
Sexti £6m. Eaysers auch zu Hispanien, Hungarn und Böheimb EhOnigs
vnsers allergnädigsten Eaysers, Erbherrn vnd Landsfttrsten, vns Threu
gehorsambsten Ständen dieses Erzherzogthumbs Oesterreich ob der Ennss
allergnädigst Mitgetheillet haben, gereichet vns zu innersten gemfieths
Bestürtzung vnd khönen wür den Schmerzvollen Yerlnrst rnseres Aller-
gnädigsten Lands-Fflrsten vnd allermildesten Landes Yatters der Schwüre
nach erforderlich Niemahlen genug Beweinen vnd Bethauern.
Allein, da alle Göttliche Anordnungen so bitter selbe auch Tnss
Menschen zu übertragen ankhomen, mit vollkhomener ünterwerffong an-
zubetten seindt, so haben wir jedoch vnserem verstorbenen Allergnädig-
sten Landesfflrsten (welchen wfir anstatt der zeitlich abgelegten, die Cron
der ewig glickhseeligkeit wünschen, vnd zu höchst deroselben abgeleibten
Seelenraehe die SufFragia beyzutragen nicht ermanglen wollen) die klngeste
Vorsehung per Sanctionem pragmaticam in vim legis perpetuae valitniam
Allerunterthänigst zu danken, wodurch höchst dieselbe über deroselbe
hinterlassene Erb-Khönigreich und Länder ohne Zertrennnng disponiert
haben. Wie wür nun Euer Königl. Mayt. von wegen des höchst empfind-
lichen Ableiben dero Kays. Herrn Yatters vnd vnseres Allergnädigsten
Landesfflrsten höchst betaurlich condolieren, also thuen wflr auch zugleich
4SI
tu der Tnter dem Beystandt des alleihöcUgten augotretteneü Begieruug
Iber die ererbte König-Reich und Erbländer aller devütest gratulieren
tad neben vnterthänigster Dauklj Abätattitng vor die allergnädigste Vor-
tcberung dero Ehönigl. vnd Landa-Fürstlichen Uulden md Gnaden
ie An. 1713 vuu IhroKaybl.Mayt. glorreichsten angedankhens Statuierte
od a. 1720 von vns Ihren gehnraambsten Ständen in Kraft vnseror
Jlerunterthänigsten Erklärung angenohmenen, bey der Erbhuldiguug
. 1 732 durch die anglobung feyilichst bestättigte vnd hieinit auf die ver-
findlichste Erneurende Thronen vnd Erbfolge mit guett und Bliieth zu
erthättigeu in vn^eränderlicher Threu vnd Devotion allergehorsambst
ersichern, von Euer Eönigl. May. als nunniehro regierende LamlsfQrstin
HS allerunterthänigst getrösten, dass allerhöchst Jieselbo vns Ihren ge-
orsambste Stände in corpore vnd jeden in particaiari bey vnsereu Laudes-
^reyheit«n vnd Herkhommen Ällermtldest schütten werden, gleichwie
rllr nach vrabst&nden deren zoilen vnd der Landos Cräfften alles boyzu-
ragen vnns nochmahlen verpflichten, was den hergestelt theüreu Friden
md die ruehe des werthen Vatterlands: Mithin Euer Königl. May. höch-
Iter Dienst vnd der gesambten Erb-Königreich vnd Länder Wohlfahrt auf
tnzertrennte Erhaltung erheischen mag. Womit zu Königl. v. Lands-
l&rstl. Höchsten HuMen vnd Gnaden vnnss allerunterthänigst allerge-
korsambst Empfehlen.
Sescript Mitria 'Jlteresias an die Verordneten der Landschaft des Ere-
ierzogthums Oester reich ob der Enns, in Sachen der Landesdcfension.
Pressbarg 1741, August 3.
mit Siegul und eigenhändiger Unterschrift. K. u. k. Haus-, Hof- und
^taAtiarchiv, Kriegsacteii, Fusc. 342 ,aiis der Kanzlei der Verorilneten des
Erzherzogthums Oesterroich ob der Euus'.
Nr. II.
Wir haben sowohl von euch, als auch von Unserem Landuhaubt-
10 und mehr anderen ehrten vornuhmen. dass die Statt und das Ober-
UaasH zu Piissau von denen CUiii-Bayrischeu Trouppen Qbertallen und
besetzet worden.
Da nun solcher gestalten die gefahr sich mehrors näheret, haben
irir vor nüthig ermessen, Unseren Uhoim und Fürsten Feld Marschallen
Nestelten Obristen über ein Eegiment zu Pferd nnd commandiei'enden
Generalen in Sibenbflrgen Christian Forsten von Lobkowls, deine wir das
Commando Ober Vnsero tronppen in Böheim nnd Oesterreidi ob der Enns»
anvertraut haben, ohnverweilt nacher Linz abcoschicken, mnb alda nach
beschaffenheit derer umbständen nnd etwa weiters einlsnffenden Hadi-
richteu, all-eif orderliche gute anordnnngen zn machen.
Wir versehen Uns darbey gänzlich, unsere getreOeste St&nde werden
forderist bey dieser begebenheit ihre unveränderte devotion mit geflissen-
sten eyfer zu erkennen geben und allem willigist die hand blethen, was
zur Sicherheit und rettung des Landes immer dienlich seyn mag. Unsere
Regimenter, wie ihr wisset seynd im wOrkl. Anzug, und der ob-emant
commandirende General wird sich sorgfältigist angelegen seyn lassen mit
unserem Landshaubtmann und eflch solche anstalt abzureden, wie es die
gegenwärtige gestalt der sachen und Unser wahrer Dienst erheischet
Unter solchen Vorkehrungen dörifte die aufbiethung derer schOtiea
und Jäger oder auch anderer wehrhaften Mannschaft aus der ursach bst
ohnvermeidlich seyn, weilen Unsere Infanterie Bgmter, so ans dem Banat
und Slavonien heraufziehen, vor einig Wochen nicht wohl eintreffen
können, dargeg. mehr als bekant ist, dass die darobige Lands Gräniien
ohne hinlängl. Fuss Volk sich nicht wohl beschfltzen lassen.
Solte es nun auf solchen aufboth ankommen mflssen, so haben Wir
allschon den befehl ertheilet, dass von Unserem darobigen Zeughanss mit
der etwo vorhandenen munition aller Vorschub geleistet, ja auch aus dem
Wienerischen Invaliden-Hauss zwey bis drey hundert noch dienst tangl.
alte Soldaten unverlangt hinauf gesändet werden.
Und gleich wie es hiorinnen bloss umb eine interims VorBehuag
zu thun ist, von welcher jedoch des Lands und eines jeden eigene Sicher-
heit abhanget; So zweiflen wir ganz nicht, dass die gehor'ste Stände n
Vorthättigung des armen Unterthans gern alles anwenden und viel ge-
neigter seyn werden, zu erhaltung des Lands das äusserste anfsnseien,
als durch eine einbrechend feindl. Macht ihre habschafften verschlingen
zu sehen.
Wir werden dargeg. Unsere MOtterl. Sorgfalt dahin richten, daaiit
diesem getreüesten Erb-Land in andere wege alle mOgliche erleflcfa-
terung angedeye, folgbar dasselbe bey kräfFten nnd Wohlstand onverleit
verbleibe, endl. auch alle diejenige, welche bey sothanen defensiona-
werk sich mit Patriotischen eyfer hervorthuen, Unser danknehmigta
gemüth aus realen gnad bezeigungen zn erkennen ursach haben Bollen;
Und Wir verbleiben anbey mit König- und landsfOrstl. gnaden etkdi
wohlgewüg.
Geben auf unserem Königl. Schloss zu Prcssbur^ den 3. Monats
TagÄugusti im ITil"", Unserer ß«iche im Ereten Jahro.
Maria Theresia m. p.
Vermerk der Verordneten: ,B6y der Canzlei aufzubehalten, vnd nach
ankhunft des donominir. Commandirondcn Herrn genoraln mit demselben
ilie Landes defensions anstalten zu überlegen, vnd nach befund das weither
hiorauf vorzukheron. Den 5. Aug. 1741/
Nr. in.
We ständischen Verordneten an Maria Theresia, das oberösterreicJiische
Landesaufgebot betreffend. Lim 1741, August 19.
(^"Ocept mit dum Vermerk: Exp. den 19. Au^iut t74]. K. ii. k. Haus-, Uo(-
und SUatsarchir, KriegMctan, Fuc. 343,
(Hoffs NottnrfFt: den landos Schützen aufhutt betr. 19. Aug. 1741.'
Ober die bey Eur khönigl. Mayt. um den 16. jOnggthin Erst aller-
vnthgst eingereichte remonstration vod beygologtes Systeum des pro-
jectierten lund Schützen aufbotts, haben wür Nuumohro auch die Bin-
theilung in 13 Compagnien zusammengerichtet, wie beede Eur KhGnigl.
JUj. hiemit ullerunterthgst vorlegende aufsäz von allen vier Vierttlou
Ikigen,' und der 22. dieses augesäzet, die Erste Companie zu l'eyorbach,
di« Siben ander Companieu aber in beede Hausrnkh und Thraun Viei-tlen
den 24. bis 27. huius zusaminenruckhen und mustern zu lassen, — allein
und gleichwie wür durch öffter allerunterth'e Vorstellung bey Euer
Königl. May. selbsteu, durch verschiedene Insinuata an Eur KhOnigl.
May. Landshbtman, wie anch durch mehrere Pro Memoria an den com-
mandierenden Khönigl. Voldtmarschall Liout. grafen Palti und grafen
Salburg zum öfTtern schon beraits orindort haben ; So uiOssen wür, auss
allerunthgster Devotion zu Eur Khönigl. May. allerhöchsten Diensten
TDd auss dem natürlichen Antrieb zur Liebe gegen den Vatterlaudt, dan
zu erhaltong aigener Ehre und reputation allergehorst. widerhollcn,
welobergeataiten sehr angewis seye, ob nnd wan die auf den Papier
atahende anzahl würkl. zusammen khonion thne, und zum gebrauch auf
danen Fostierungen an der gräniz und in denen vorhabenden rodouton
(den in offenen Veldt der aufboth Niemahlen das geringste Nutzen khan)
' Die Anszflge der hier von den Verordneten orwKbnton Actenatflcke im
C«p. U des Teztea (,Das oberUaterreichuche L«ndeMufgebot tod 1741')
424
io standt sein werden; Anerzogen und wan aach schon der von Jenen
berrschafTten und Obrigkheiten beschreibende 10. Man (wovon wür iedoch
sehr zweiflen) auf die ihme angewissenen Samel- nnd Mnsternngsplaz
wfirkhl. erscheinet, so ist iedoch der wenigste mit erfordl. ober and
eeitbengewöhr versehen, nnd sollen solches erst von hier zuegeführet und
anssgetheillet werden, wo mehrmalen zn bewaffoung der hellfte zueläogig
nicht vorhanden ist. Hbtsächlich aber ermangl. die ünder und auch Ober-
Off, zur anfuhr nnd ünderrichtung, ohne welchen fnndament und Fns
auch eine Landmiliz so wenig als die reguliei'ten Tronppen bestehen, und
in Ordnung auch nur wenige Zeit erhalten werden khön. Dan zu Hbt-
leuthn auss denen Landsmitgliedern sehr wenig sich angemeldet haben,
weillen iederman zwar sein guet und blueth f)lr Eur Khöuigl. May. nad
das werthe Vatterlandt wihlfahrig Sacriflcieret, auss Mangl eigener Kriegs-
erfahrenheit aber oder auch weilen er von dem gar nicht abgerichteten
Landvolkh verlassen zu werden billig bofQrchtet, Ehr und Beputatiou zn
ewigen Nachkhlang nicht verliehron will, welcher gfahr er nnmittelbabr
underworffen ist, nachdome im gleichen kbcine taugl. leüth zn vnd. Offre,
alss Führer, FeldwObln und Corporaln verbanden seind, bevor, da die zu
Ennss befindliche Invaliden auss dem Armen-Haus zu Wien uns lu
Uuter-OfTre von darumben nicht wollen zuogebeu werden, weillen syedftn
zum gwOhr ungeschickhten Paurs Man mit Schlag ti-actieren, mithin noch
mehr verzagt machen und zur Desertion veranlassen di'^rfften.
Bey welchen so offen bahi'en Mangl Eines fundaments und Fnes
zur Militar-operation wflr Nichts anderes alss ünordunng und Confusion
vermuthen khönnen, welche dahin anssbrechen d^rffte, dass auf den
Ersten anfabi einer feindlichen Parthey, dass ohne deme von Natnr
forchtsame Fauernvolkh die posten verlasset und ausseinander laoffet,
ohne huffnung dieselbe wicdemmb zum standt bringen zu khönen, «ne
solches a. 1704 erweisslich geschehen ist.
Wir wollen diss orths die Unkosten, so auf die ünd'haltnng dieser
Landmiliz Monathl. auf 40" fl. und mehr gülden sich erstreckhen gar |
übergehen, allein da hicdurch die erforderl. gelder zn anderwärttig
aussgabeu und souderbahr vor die regulierte Miliz auch andere mit Er-
bauung deren redouten und mehreren angelegenheiten erforderliche D«-
fension Unkosten aufgezöhrt worden; so mOessen wür nmb uns nnd die
threö gohorste Stände bey dessen ganz ohnfohlbaren Erfolg auss aller
Verantwortung zu setzen der Sachen Beschaffenheit in seiner natfirlicbeP
Färb entwerffen und alss ein durch Lands Mitglieder und ihre beambt^
erwoissl. mithin in facto ganz richtige Sache bekhenen, wie dass di«
Untertbauen bey verschiedenen gros and klüeineu herrschaftou bey gegen'
uestf
425
i&rttig geföhrl. Zeiten und ümbstanden StoQr und gaben zu Baichon
rerwaigern, in Craflft dessen alsso der Landschaft das Contributionale und
Einkhoniften auf bring- und bestreittiug ihrer grossen Obliegenheiten auf
£iiimahi benommen und abgeschöpfet werden. Dahero wür den die bey
denen gleich in aufang der Schätzen beschreibnng und Zusamnienricbtung
sich ergebende hindernussen, anstand und Schwierigkbeiten Eur. KhGnigl.
May. nochmahlen allervntbgst zu FQessen legen und den allerhöchst
Khünigl. befelch hierüber, ob Nemblich: bey so ge^hrlich sich eussernden
umbständen mit den so khostbahr fallenden aufrichtung deren 13 Comp,
von unerfahruen Paurnvolkh iodenoch fortzuführen haben uns alleruthgst
iQBsbitten. —
In marffifie von anderer Hand: — anbey aber der Hoffnung leben,
dass ihre Königl. May. unsere allergdigste Fi-an und Landt«s Mutter in
dieen und allen übrigen uui^'eren blinden Gehorsamb allermildest erkhenon
and diese wiederholte Vorstellung mit königl. nnd Landtsfürstl. Milde
ansehen werde, indeme gemeiner Landtschafft schwär nnd hart fallet,
dass sye durch den anfbott vormointtich taugl. Persohnen in so grosse
ünkhosten nnd aussgaben gestüi-zet würdet, wovon man iedoch kheinon
effeet- nnd nutzen vor Eur. Königl. Mayt. Dienst nnd zu bedeckhung des
Vatterlandt vor feindlichen Einfall auch dessen Abhaltung verspreclion
khan. Womit den zu Khrmigl. und landsfiirstl. allerhöchsten hulden und
gnaden uns allertbgst allergehorst. em])felchen.
Linz den 19. Augnsti 1741. Yorordtnete.
Nr. IV.
KarlÄlbrecht an die oberösterrcichischcti Stände, Schärding 1741, Sep-
tmber 9. Der Kurfürst kündet sein Einrücken an und fordert An-
erkennung.
Ctrig. mit aufgedrucktem Siegel und eigenhändiger Unterscbrift. K. u. k.
Haus-, Hof- nnd Staatsarchiv, Kriogsacten, Fase. 342.*
. . . Denensclbon vnd euch wirdet aus unserer im Truckh er-
IVBcnen vnd hiemit nochmahlen anschlüBsonter weitleüffig rechtlichen
«ioittction, dsa Vuserem weiters hienach geuolgten ebenfalls hiebey ge-
' Dieses Schreibens erw&hnt der KnrfUrst in seinem Tagebnohe (Heigel,
Tsgebnch KarU VU., 8. 20). Bei Amelh, Maria Theresia, ist von ihm
die Bedo I, b. 261. Bei üeigel, Der Usterroicbische Erbfolgestreit and
426
honten Manifest allordiugs bekannt sein, aus was hOchst wichtig: tbI
best begründeten Vrsachen Wür getrnngen worden, zn prhingnng dur
Unss vnd Unserem Cbiir Hauss auf die bisherige Oesterreich. König
Reiche, Herzog-Fflrstenthumb vndt Landte so richtig angefablenen Erb-
Recbten, da durch güetlichen weeg bishero Wür zu selbigen nit kommen
krmnen, die Waffen zu ergreiffen vnd zu deren beraächtignng ynd Pos-
soBsions-nebmung mit Vnsern aigenon vnd Vnseren Auxiliar Trouppen
in die Landte von Oesterreich einznruckhen; Wie nun Wfir Tns gegen
Sye Lobl. Ständte gdst versehen, das Vns sye, was Yns vnd Vnserem
Chur-Uaus der Güettigiste Gott verschaffet vnd Selbigem deren Lübl.
Ständton geweste ntmmohro in Gott i-uhcnte Kaysere vnd Landts Forsten,
bebalt deren Dispositionen Vorordnungen und Verträgen ans mehreren
trifftigsteu beweg- Vrsachen in Freundtschafft- vnd erkhantlicher wohl-
mainung wohlbedochtlich zuegedacht aller-dings gönnen, Mithin Vns
fürohin für ihren natürlichen vnd recbtmessigen Erb-Herm erkennen
vnd bcreithwüligist sich mit gehorsamb und vndthänigkeit vndergeben
werden; So versichern Wür solcbenfahls selbige hingegen Unserer
Landtsfürstl. gnade Liebe vnd für deren Wohlfarth za tragen habenten
Sorgfalt mit künfftige best&ttigung all dero habenten Freyheiten vnd Pri-
vilegien vnd tbuet Vns laydo, dass bey ersten eintritt in die Ober-Oester-
roichische Landte, bey oruant Vnseren Trouppen die nöthige Verpflegungs-
Verschaffung für Mann- vnd Pferdt nicht so geschwindt reguliert vnd
beygobracht werden kfinnen, als Wür wohl betten wünschen vnd gehren
sehen mngon: Gleichwie aber Wür forderist die sorge tragen, dass bey
Vnseren vnd donon auxiliar-Trouppen alle Vnordnnng und dosordres ver-
hiettot vnd der Landtmann so vill möglich vorschonnet bleibe, welches
wohl nit änderst als mittelst sicherstöhlung der Subsistenz sowohl f&r
Mann als Pfcrdte crraichet werden kann, So kommet es dahin an, das man
aintwedcr die Armee foiiragieren, oder derselben die nottnrfft zu ihrer
verpQegung in das Laagor liferen lasse; da nun aber die fouragierung
vast vnmöglich ohne des Landts grossen beschwernag ablauffen könnte;
Solchoninach werden Sye Löbl. Ständte nit entgegen sein, ainigc ihrer
Deputierte auff Mountag den 11. disa nachor Beyrl)ach vmb Verabredung
der Bachen notthurfft abzuschickhen, beynebens aber aach die vnge-
saumbte anstalt zu machen, das für Vnsere armeo die notturfften an
Mundt: vndt Pferdt-Portioneu in gueter ordtnung so lang verschaffet vnd
die KaUorwahl KarU VIL, S. 193. — Ein Trompeter gab eii am Vor-
raitUg: des 10. September 1741 in Linz ab. Hierüber Cap. IV vor-
liegender Arbeit.
427
gelifTert werden, bis denen vmbstäiidten nach, eich eine abenderung vor
diser gegent heruor thaen, folgsamb die erleuchterung ergeben wirdet.
Da im gegenthaiil iene, welche sich des gebührenten Verpfiegungsbeytrags
yngehorsamblich waigeru: vnd sich dessen durch Verhetzung zu ent-
ziechen suechen soiteu, sich gelbsten die schuld bejzumessen, wan
tü^esthails der Soldat excess ausyeben — oder man die notthnrfTt mit
^nralt zu erhalten bumieasiget sich sehen sulte, dessen Wür 8je Lobl.
Oester Baich. Ständte hiemit in Churfürstl. miidister wohlmaiuung Qdi'st
gewahrnen wuUen. Denen Wür annnbcns insgcsambt vnd »onders mit
Chorfärstl. gnaden vnd allen gueten wQblen wühl beygethann vnd gewog.
verbleiben.
Oeben in Vnserer Stadt Schärding den 9. Septemb. a. 1741.
Carl AJbrecht m. p.
V. 'Weckhenstaller.
Vtrmtrlc der Verordneten: Dieses gdigste schreiben bey der Canzlej
aufzubehalten, Tnd ist Eine abschrift hieuoa dem Eünigl. hofT mit Einer
aller vudtthänigsten anfrag Einzuscbickben vnd die Verhalts resohition
Einzuholen. Den 10. September 1741.
Nr. V.
Aus dem Bericht des dem Kurfürsten entgegengesehichtert ständischen
Commissärs Joh. Jos. Wiellinger von der Au an die Verordneteti des
Landes ob der Enns. Pfarrhof Waieenkirchen 1741, September 12.
Orig. K. a. k. Haus-, Huf- und SUatsArchiv, Kriegsscten, Fase. 342.*
. . . Nachdem der churfürstl. General adjutani zu 2 mahlen eigens
voransgekommen und mir bedeüttet, ob ich nicht üiro durchleücht bey dero
anmckhung selber sprechen und in etwas entgegenkommen wolte, mich
endlichen auf eine und andere 100 Schritt nebst Hn Äusschuss Seerctari
Schmidtpauer fahrend binausbogoben vnd daselbst bey erster haltmachung
Ihre dnrchleücbt und dero gesamten goneralität meine Anfwarthnng mit
' Der hier bU auf einige nuwenonUiche Stellen wiedergogebene Uericbt
WUlingers xtX. der dritte, den er an die Verordneten nncli Linz abgehen
liesü. Der Knrfilrst gedenkt der Begngnung mit den ,dGpnt&i des ütats*
(v. Willinger nnd LandewiecretAr Schmidtpauer) in seinem Tagobuche.
(Heigel, Tagebuch Karls VII., 8. 20.) Vgl. auch Arneth, Maria The-
reeU I, 8. 25 1.
L
428
dieser erin<ierung abgestattet habe : dass ich nebst einer kloinen Canzlcj
vun denen zn Linz anwesenden Landschaffts-Verordneten zu diesem Ende
anhero abgeschicket worden seye, damit aller Unordnung und Betrangnus
den iirmen Landsunterthaucn und Insassen mit aufbringung deren soTill
inögüch vorhandenen Vorpfiegungs-requisiten vorgebogen und abgeholffen,
mitbin zu keinen Landschädlichen Eicessen anlass genobmen werden
möge; Und damit waren Ihro durchl. der Churfürst unter beständig auf-
merksamen ZuhOrnng nnd (,zu Pferd sitzend' in margine) abgehaltenen
hnt sehr wohl zufriden, erwiderten auch mit deüttlicher Expression gdist:
dass dieselbe solche Vorsorg N. B. deren Ständen, ich aber hab nur den
Namen deren Verordneten gebrauchet, mit Verhüttung aller Excessen
nacbtracklich nnterstützen und nicht änderst, als ein Vatter mit seines
Kindern handien wolle und wofern einiger excess wider Verhoffen fBr-
fallen thäte; so solle derselbe Ihro alsogleich unmittelbar angezaig^t und
sich der remedirung und Ersetzung allerdings versehen werden. . . . Ess
vorlautet beynebens: dass zu Passau und selbiger Gegend von französi-
schen auxiliar truuppen alles wimmlet und erfiUet seje, mithin von durt
aus nebst der artiglerie alles zu wasser folgen werde, wan vorhero die zu
Land über Peurbach und wie man veimuthet, jedoch noch nichts ver-
ordnet ist, mit dem rechten Flügl und corp über Haag nnd Weiss einge-
ruckhet und die Donau und Traunfluss bedecket seyn wird; Wohin aber
nachmahls, wan das beständige Vorgehen nacher Wien nicht gegiündet
seyn solle, diese namhafte und was hier diu'chgehet in lauter schönen
leütheu und pferden, wie auch vast durchgeheus aus teutschen Volk be-
Ktebende arm4e sich weiters hinwenden und ob selbe villeicht bey St«in
über die Brücken, oder aber über Linz nacher Böhmen oder nach zurück-
gelegten Traun- und Ennss Fluss zu wasser und Land directe nacher
Wien ihren marclie fortsetzen werde, ist eigentlich noch nicht zu errathen,
sondern (inmassgebig von allen bisherigen Verlauff nach dero orleflchten
Gutbefund an die lübl. Generalität boy oder unter Ennss wie auch aacher
Pressburg nnd an das Eonigl. Büheim. Kraysamt zu Pudweiss die schleu-
nigste Nachricht zu ertheiien.
Ess gehet der Eiumarche so sachte von statten, dass er vor spatter
Nacht schwerlich voltendet werden kan, wan alle 15000 Mann hieher
kommen und keine andere route, worvon mir noch nichts intimieret wor-
den, genohmen werden solle; H. gr'al Schmettan befindet sich anch an
der ChurffirBtl°° selten, und wie zu glauben, in der qualitet eines königl.
Preysischen Gesandtens, ich empfehle mich etc. . . .
Afn oberen Rande »eines Berichte» bemerkte v. Wiellmger mit BUistifi:
F. 8. Bey Einmckung des Churfürstens hat der Pfleger zu Waizenkirchen
429
rnd dasiger . . . (unleserlich) ohne mich zu fragen mit LeOttung aller
flocken die Landsfürstl. Bogrßssiuig abgestattet, welches zn Payrbach
nicht geschehen sein wirdtet.
Nr. VI.
ZKciter Bericht des ständischen Commissärs Johann Joseph Wiellinger
von der Au vom selben Tage wie V. an dir ständischen Verordnelen in
Lins.^ I^'arrhol'Waieenkirchen 1741, S^t. 12.
Otif. K. n. k. Haai-, Hof- und Staatsarchiv in Wion, Kriegsacten, Fase. 342.
Nachdeme ich bereits seit gestern und heut 3 Staffetten von Beyr-
bach mit relationen aller umstände und fürfallenheiten au Euer Gonst
und Freuadschafft abgefertiget, alhier aber keine Post-Station ist, son-
dern von Orth zu Orth derley Naclirichten durch Botlien geschehen muss,
also erindere ich deroselben: wasnuuit^on ich heut zur Ihro Durchleücht
den Chnj-fOrsten nach geendigter Tafel loniffon worden, und daselbst die
weitere Befehl dahin eingenohmen, das« dor marcho von hier nacher EiTer-
ding fortgehen, daselbsten auch zu wasser 9000 Mann französischo
?ölcker darznstossen über Land aber hieher ebenfahls die französische
Cavallerie nachrucken und dem haubt-Terrain der armee nachfolgen wird.
Alldieweilen aber höchstgodacht 8r. Durchl. villmehr zu guter Ver-
pflegung für die Französische auxiliar-troappen, als für dero eigene be-
dacht va seyn sich erkläret, indeme diese Leüth Besonders von Fleiüch
eine grössere und vast doppelte portion resspectu denen Bayrischen prae-
tendiren, auch denen Excossen und impertinentien mehrers ergeben selud,
alss ist mir von dem ad latus Serenissimi Cummandirenden H"" generalen
Peldmarschall Grafen v. Thöring gegenwärtiger Eutwurff deren Ver-
pflegnngs-Nothwendigkeiten für das morgige Lager zu Eflferdiiig, mithin
vennuthlich auch für eine Bichtsclinur zu Linz zugestellet worden, wor-
bey es aber schwärlich sein riclitiges bewenden behalten wird, indeme alle
dieee Völker nur biss Freytag mit Brod und etwas von Haber aus char-
hajt. magazinen versehen, immittelst aber allstäts mehrere Trouppen zu
wasser nach-kommen werden ; Hier ist man endlich noch ziemlich zu-
fridentlich ausgekommen und haben Ihro Durchl. Selbsten die Obereillnng
der Zeit gar wohl erkennet, auch sonsten im discurs vorläuffig zu erkennen
' In der Reihenfolge Ȋmmtliclier Hericlitc Wiellinger's an die Verordneten
wXre dieser Nr. 4. Vgl. Cup. 'i vorliegender Arbeit.
430
ijegeben : dass hOcbatdieselbte zu Linz mit Bfler Gonst und FrefindschaSl
wegen konfftiger aufbürung der contributions-raichnng und Einknnfften
an unsern allergdste Frau und LaudsfQrgtin alles abmachen, und das be-
hOn'ge verordnen, auch hierinfalls sowohl als in andern Stücken das Land
nach möglichsten Dingen sublevieren wollen, wohlwissend: dass 8elb|
seit Villen jähren hart mitgenohuieu und geschröpfet seyn worden, 81»
weiten auch wünschen, dass es deroseits zu dieser Ertromitet niomahls
hätte kommen dfirffen, wan man ehedessen zu einen billigen Vergleich
an den Wienoi'-Hof sich hätte verstehen wollen, Nun aber mflsse es schon
also geschehen, damit Sie bey Gott und dero Nachkommen keine Verant-
wortung auf eich ladeten and dasjenige Recht behaubteten ; welches Ihro
Gott Qud die Natur gegeben hätte.
(Der Rest des Berichtes betrifft Verpflegs- und Correspondenx-
angelegeuheit. Ein Zettel Tön-ing's liegt bei mit Angabe des fOr den
13. September 1741 Erforderlichen und der Bemerkung: Notandum.
Dieses ist nnr fOr die chnrbayr. Tronppen alleinig zu verstehen, mithin
auf dem Zuwachs und conjunction des Französischen Ki'iegs Volks allent-
halben mit weit mehreren Mund- und Pferdportiouen, auch Holz, stroh
Brnd und Bier anzuti-agen, gestalten der gemeine Mann vast alles essen
nnd trinckben wie auch das Brod mit haaren Geld bezahlet.)
Nr. Vn.
1
Die ständischen Verordneten an Maria Theresia am Tage der Besetarng
von Lim durch die Baiem und Franzosen. Line 1741, Sept. 14.
Concept. K. a. k. Hsns-, Hof- nnd StaaUnrchiv in Wien, KriegMCtea, Pasc. 34S.
Wftf? Eur Khönigl. May. durch allerhöchstes roscript vom 12. diesM
allergdigst Erlaubet, die Veranstaltung fortzusötzen vnd dahin anzo-
tragen, damit aller ruiu des landes vormindert vnd dass was man nicht
verhindern khan mit Ordnung bRygoschafft werde. Erstatten wQr aller
vuthgst allergehorsten Dnnkh. Diese vorgekehrte disposition hat nnn
soviel gefruchtet, dass zu dato vngebindert die Cburfflrstl. vnd französisch.
Völker alda in 24 Bataillons vud escadrons bestehen vnd Morgen alhie
vnd bey Eblsperg stehen, die Stadt aber besetzen werden,' khoin Eicess
geschehen ist; bey dieser eüssei-stun desulation gereichet allein zu vnMrw
Die Beietziing; erfolgte oubon am 14.,
ding« erst am 16. September.
der Eineiig Karl Albrechts aller-
431
Consolation die Hoffnung vnder die Sanftmfl ottigst östorroiciiische Ro-
gierung bald wiedeiiimb zu khoiiimen.
Womit zn allerhrjchst-Klirmigl. vnd Landsfüi'stl. Hulden vnd gdn.
allerTnthgst ailergehorst. EmpflL'U.
Linz den 14. Sept. 1741. Gosambte Verordnete.
Nr. Vra.
Bericht des ständiscJien Obercommissärs für das Viertel ober devi Man-
hartsbcrg Fram Friedrich Graf Engl an die niederösterreichischctt
Verordneten über die Verhältnisse in Obcr-Oestcrreich während der An-
veaertheit des Kurfürstert Karl Albrechl mit der bairisch-franeüsischen
Hauptnrmee. Schloss Mühlbach 1741, September 24.
Orig. 8 Seiten, uiederOsterreichisches Landesarchiv ,Laud-Defension vom
Jahre 1741'.
Nachdem ich verflossenen 17. dieses meinen hiesigen herrschaft-
lichen Taffern Würth Simon Eidler, als wolcber von gebuiih ein ubcr-
Csterreicher und 1.5 Jahr auch za Linz bey mir als giitsclier gedienet, in
Beiner Lands-Kleydang nach Bomclton Lintz zu Pferd abgescbickhet umb
des Feundes wahre Beschaffenheit zu erfahren, so kämme mir derselbe
gestern sehr spath wieder anhen) zui-uck mit Vermelden, dass er den 19.
angefragter Aber das gebflrg, durch Arbessbach, Pruegarden und der
B'jhmischen Freystätter Btrass, ürfahr über die Pruckhen zu Lintz
in Meinen Haus angekommen, auch alda einen Tag und 2 Nacht geblibea
«eye, allwo er sonsten durcbgeheiids Nichts als in Urfahr eine starke
Wacht nebst denen Capucinern und an den Fues der Bruken, ingleichen
auch bey den Linzerischen Wasser Thor die Französisch- und Bayrische
Soldaten gesehen, das Wiener oder Sdimidthor allJa mit Besonders starker
Mannschaft besetzet, bleibet auch Nächtlicher Zeit offen, das Landhauss-
thor wird also ebenfalls bewachet, nach 2 tagen aber ist beederseits ein
landschaftlicher Vorsteher gestattet worden. Der Churfürst wohnet noch
in dem Schlos und reittet täglich abends nm 5 uhr theils Ober die Brücken
in's TTrfohr. theils in das Lager gegen Enns, mit ungefähr 20 Officiers in
jttschaft. Die Donan und gebürg seynt den 20. gegen Willering re-
scieret und abgemessen worden, welche Intention leicht zu erachten
ist; das lager gegen Enns fanget an nebst der Donan bey dem Eckhards-
koff Ober den Caplan-Hoff biss an den Stock und Mäderer Hoff, so in der
länge eine stund, in der Breithe aber eine halbe stund austraget und
AreUT. LXXXVIL B<1. U. mifU. 88
I
432
würdet auf 30*° Mann geschätzet. Es kommen noch täglich allda auf den
Wasser ville Trouppen an und werden noch mehrer Erwarttet; von einigen
Marsch allda in Böhmen würdet nichts gedachtet, noch veranstaltet, wenn
auch Feld Posten dahin ausgesetzet. Der Herr Praeses deren HH*' Ver-
ordneten solle biss Calvari-Berg dem Churfttrsten entgegen gekommen
seyn, nnd ihme allda gahr wohl angeredet haben, wie er dann auch gahi
gutt angesehen seyn solte. Die Fourage und andere liffemngen werden
durch die HH'" Verordnete Froportionaliter angeschaffet und auf die
Zahl der einlag eingerichtet. Es würdet unter denen tronppen scharpfe
ordre gehalten und wachten aufgestellet, dass die Miliz in denen Hänsseren
keine Excessen aussübe.
Es sollen sich 4 Gesante als ein Bäbstlicher, ein FranzCsischer, ein
Sächsischer und ein Preysischer, nebst dem general Schmettau bey dem
ChurfQrst befinden. Eingangsgedachter Simon Bidler hat auch 140 fette
polnische Ochsen auf denen Wissen unter den ürfahr mit äugen gesehen.
Der Churfttrst soll dem gewesten Herrn Lands-Haubtmann sehr bethrolich
seyn, das er das Schloss völlig ausgeraumet und sich entfernet habe.
Übrigens seyo die völlige Veranstaltung, so bald die mehrere tronppen
auf den Wasser ankommen, den Marsch also weither fortzusetien. Hennt
Frühe gleich da ich in Verfassung dieser Aussag begriffen bin, kommet
auch der von mir den 20. abgeschickte weeg Breiter Cihristoph Hörsti-
hoffer und meldet, dass selber den 21. darauf zu Persenbeug ankommen
und von dar gleich mit einem gewosten daselbstigen Hofschreiber Joseph
Conrad nacher Matthaiisen abgefahren seye; weilen sie Beede unterwegs
auf alle nachfrag von keinen Feünd etwas benachrichtiget worden, ist
ihnen doch zuegestossen, dass Sie bey einfahrung zu Matthanssen in eine
grosso Äiizall Französischer officiers geratten, und von selben anter
Villen ausfragen umrungen worden. Worunter nur einer deutsch geredet;
Ks Holten dahero selbe sich mit Ihnen zur Armee auf weithere Untersuchung
bogoboii. Dem gutten Wegbreiter wäre sehr angst bey dieser sach, weillen
or noch die von mir ihme mitgegebene Notata wohlverwahrter bey sich
hatte: Ks kämme aber ungefähr von orth der Würth von grienen Banm
in Vorboygohen, welcher auch angeschrieben wurde: Nichts deutsch Soldat
UioiV wttloliov sodiin mit der Hand hinter sich deüttend meldete — da
^Knch soyut 200 Husarn, so auch in der Thatt über den Wasser in der
.Vu, »Iss von Warasdinischen Corpo zurückgeblieben. Es ist sodann gleich
das gwichrort unter ihnen aussgobrochon : Üsär; Üsär; und sprangen so-
dtuiii ^Uov'h in ihre 3 zillen einer dem anderen stossend gegenüber in ihre
.Vi» Ulla l >««^'i svhloinigst wider abzufahren. Wordurch dann der in ängsten
va#««»(v \^<.K<^ lUvittor indessen zeit gewuhnen zu entfliehen. Die Nach-
438
riebt aber hat selber verlässlich tnitgebmclit, dass den 22. allwo er abend;;
omb 6 uhr angekommen, ein starkes Corpo von 20"" Man von Linz nnib
4 nhr Abends biss Enns angekommen und sich Kwiscb(>n dor Stutt Eiins
und Donau nebst dem Enns Flus hinauf gelagert habu. Die ScliilT Brück
Ober die Enns boy der Statt allda, hat sollen bej straff des anfhenkens
den 23. verfertiget sejn, innb in das V. 0, W. W. einziitrettnn. Von
einigen ein Marsch in Bölimün dasiger orthen würdet nichts gedacht, son-
dern die Artillerie stehet auf Flessen und schiffen schon zu Matthausen,
mithin schon 4 Meyll weeg herunter der böhmischen Strassen.
Die Frantzosen fragen auch nur, wie weith noch auf Wionn seyo.
Zu Enns seynt Wegen verübter Excesseu 3 Frantzosen aiifgnhänget worden.
Der Commandierende general zu Enns hat die errichtete schantzen über
den FlnsB recognosciret, dabey aboreinen grossen schrecken ausgestanden,
da die Beraelte Husaren sich gegen ihme genächeret, wie dan ein grosse
Forcht desswegen unter ihnen ist. Die Bayrisch und Franz. Trouppen
seynt personaliter einander gehässig, so dass öfftern Becontro unter
ihnen beschechen.
Die SchiflTleith dürffen auch bey aufhencken sich von ihren
Fahrzefichon nicht entfcrnon. Mithin dan dar genug an Tag ligct, dass
nach versamleuden grösseren Corpo, wie ich schon selbsten zu Wienn
mOndlich mit mehreren gemeldet habe, der Zug nach der Donau herab
also nächstens auf Crenis gehen würdet, weillen abui bishero observiert
worden, dass der Churfilrst aller Orten wegen der Snbsistenz seiner
Armee die zeitliche Naclnichteu einschicket, also würdet Bleicht an Eure
gnnst und Freundschaft auch schon etwas ergangen 8eyn, wan nicht ein
solches wegen der in Land entgegensetzenden Miliz verhindert wßrdet.
Die Forcht ist hiesiger gegend ungemein und der untortban zum anbauen
fast kleinmßthig, wo doch in Oberöstereich ungehindürt des eingerückten
Feondes, noch alles in Bearbeithung ihrer Velder begriffen ist. Vielgo-
dachter Weegbreiter hat sich bei herabziehenden Foünd nicht weithers
tMgcben können, sondern die Veranstaltung vorgekehrt, dass der oben
Wnante Joseph Conrad zu Oioin verbleibe, täglich einen boten des Foündos
antcrnebmung zu beobachten hinauf, mit der Nachricht aber gleich
wider einen anderen nacher Persenbeug, von dar der Markt Kicbtor
einen gleichen zu Mir nachor Croms einsenden und dises also täglich
bescheben solle. Mithin auch ich die anverlangte tägliche Bericht ' Qber-
tnacben könne.
' Solche Berichte lie(fen nicht vor.
88»
434
In Veibleibuiig Euer {^nst nnd Freundscbafft
dienstschnldiger
Franz Friedrich graff und H. Engl m.p.
Ob. Com. des V. 0. M. B.
ScLluss Milbach' den 34. September 1741.
Nr. IX.
Bericht des oherösterreichischeti LatidscJtaftsaecretärs Schmidtpaur an
die oberösterrcichischcn ständischen Verordneten aus dem Lager Karl
Albrechts bei Enns. Enns 1741, September 28.
Orig. K. u. k. Haus-, Hof- and StaAtsudiiT, Kriegsacten, Fuc. 342.
Obwohlen das Verfuhren deren franzöBiEchenOfficieren aud Troappea.
solang selbige boy Linz gestanden sattsam bekant ist, so seiud doch deren-
selbeu insolentien hier zn Ennss um hundert mahl grösser, indeme wir hier
weder von unserer hoclien Instanz, noch von dem Chuifüretl. Hof Mii
generalitet den geringsten Schutz hoffen können, anerachtet man unsere
Klagen auch höchsten Ortb Selbsten gar wohl weiss nnd für billig erkennt;
Gestalten die Franzosen die mehreste Magazinen eigenmächtig occnpiret,
aach die mit fonrage boladene wägen gleich unterwegs von der Strassen
ohne Mass, ohne Zahl ohne Gewicht und ohne Quittung hinwegnehmen
und ihres Gefahlens darüber disponieren und zu der Ausgab keinen
unserigen Couimissurium geduHen, sondern wohl gar zum üfftern mit
harten scliiügen und gewalt tnictiern uns selbsteu aber auf nicht also-
gloich vollziehende Unmöglichkeiten mit Strang und Tod betrohen, denen
Lands-Insassen aber die Einbrechung in die Scheüren und gänzliche
Plflndeining nebst anderen militärischen Greül und Execution biss auf
den laidigen hunger-Tod ebenfahls betröhlicfa seind, also zwar: dass wir
bpy solchen Verfahi'uogen uns andergestitlten nicht mehr zu helffen oder
zu rathen wissen: als dass wir zu Bevorkhonmug einer Lands vorderb-
lichen PlOnilor und P^inäscherung und zu erhiiltung grösserer Subsistenz-
mittlen selbst unverzüglich und höchst nothwendig bitten und einrathen
müssen; damit Eilor Hochwflrden und Gnaden, wie auch Uochgräfl. Ex-
cellenz und liüchgrätl. gnaden uns ontweders mit einem namhaften Vor-
rath aus denen Linzer Magazinen aller gattungen gdig zn secnndiren.
Schlon MOhlbar.h im politiHchen Bexirk Oburliollabratin. (Schweikhart,
V. U. M. B., S. '264 IT.) Ciraf Eugl starb daselbst 1767.
435
oder aber neben n.ichdnicklicher deren noch allenfahls austämligon
Lieferungen eine neue wohl crgäbtge Herbeyachaffung an holz, Stroh
Haber und Hen aaszuscliroiben und die Befol^ng aus allen Cräfften zu
betreiben; dan, obwohlen ich heut Vormittag dero eingoschicktoB pro
memoria * aamt beeden Beylagen Ibro Eicolleaz dem Coramandierenden
H" generalen Grafen von Dering neben dem hiesigen geringen Magazins-
Btand überreichet, und bestens recommandiret, alasdann aber auch hier-
flber zu Ihro Churfürstl. Durchleücht gelbsten mit H" v. Kirchstotter
berufen worden, und an diesem höchsten Orth in gegenwart hochgedcht Sr.
Excellenz und des H° genera! Intendeiit nicht allein die Unmöglichkeit
der weiteren subsistenz, sondern auch alle violentien deren französ.
trouppen specifice et circumstantialiter nnter gnädigsten Gehör mandlich
Torgestellet, so ist doch ein mehrers nicht effectuirct worden, alss waa
hiebey gebogene ordre des H" Genoral Intendcnt * in der Obersetzung ent-
haltet, deme auch anheflnt allenthalben nachgelebet worden und mit In-
ventierung deren Magazinen auch morgen continuiret werden wird, also
iwar, dass uns alle französ" ravages für genossen und empfangen, was
wir nur in etwas wahrscheinlich machen können, quittiret werden muss.
Und weilen wir diese ordre annoch vor anknnfft des gnädigen Herrn
Pernauers ansgewQrcket, so hat es von hoch gedacht Ihi'o Gnaden H" Baron
Pernaner keine weitere Beschwiirde und Vorstellung von nöthen gehabt,
damit man Ihro Churfürstl. Durehleücht mit repetirten Klagen von einer-
ley Sach nicht unangenehm werden möchti», gestalten ich dorley tägliche
gravamina ohonfahls erst gestern Ihro Churfürstl. DnrchP boy dero
sbendlicben NacherhaiiskuufTt in gegenwart der ganzen hochea goneralität
ofTentlich und ausfBhrlich vorgetragen habe, dergleichen ich auch vor-
gestern gethan, und eben andurch offectuiret, dass eine Ober alle massen
Bcharpfe ordre unter allen Trouppen publicioret und zugleich denen Bauren
erlaubet, mir aber zur Weitereu Kundmachung notiüciret worden: Dass
Bie Bauren die ausser dem Lager ohne Commando ausschweiffendo Fran-
sosen nnd Bayren auch um einer abgebrochenen Zwetschgen, Bieren,
.Apfels oder dergleichen Kleinigkeit gesambter band überfallen, binden,
wie auch allenfahls gar Tod schlagen und so gut möglich in das Lagpr
suruck liforn, dargegen aber vorsichert soyn sollen, dass ihnen untorthanen
nicht allein nichts leides widerfahren, sondern noch ein guter rocompens
gereichet werden wird.
* Vom 26. September 1741.
* Erlass de« Geueralintooilanten Sechellea de diito Eon«, 27. September 1741,
in Ueberaetzun^.
436
Im üebrigen haben wir zu Erbannng der Bach-Öfen 20000 ein-
fache Latten-Nägl, und 20" Verschlag Nägel, imgleicheii auch 30 stamm
Floss-Holz von Steyr kommen und erkauffen lassen mflssen, wenn die
Französ. Commissariy nicht allein alle band- und Arbeits-Leuth unbeialt
gebrauchen, sondern auch 160°* Ziegl und noch absonderlich ville Maur-
stain oder in deren Ermanglung die abbrechung einiger H&user gefordert.
Ausser deme aber stehe ich in grösten sorgen, wie ich mit hefl, Haber
und Stroh sowohl fflr jezo als bey ankunfft der zahlreichen Cavallerie
erklecken können werde, indeme die Magazinen vast völlig ausgelihret
und die weit entlegene Hen-schafften mit ihrer Liferung sehr langsam
seind, und weilen es mir haubtsächlich am Hefl gebricht, alss habe anbeut
durch Ihre Gnaden H" Baron Fernauer den Vorschlag thuen lassen, dass
man der Cavallerie nui- eine halbe portion Hefl und dagegen um eine
halbe portion mehrers Haaber, so jedoch Aber zwey Tag auch nicht daoren
kan, abreichen därffto, worflber die resolution erst erwarten muss, mit
einem Wort: es manglet halt auf allen selten und hat doch noch kein
ansehen, dass wir von diesem Last mit passierung der Ennss vor etlichen
tSgen werden befreyet werden;
Inmittelst lasset der ChurfQrst die nächstgelegene Auen »Taf^n
und zusamenhanen, villeicht in der absieht, fftr die Bevestignug Ennss
ein froyes aussehen gegen der Enns und Donau zu machen, er hat anch
eine Namhaffto Fourage-Liferung in dem Unter-Österreich. Boden aos-
geschriben, es ist aber biss dato nichts angekommen, vermuthlich weilen
die Husaren genaue Obsicht tragen, und die Strassen unsicher machen,
wie sie dau gestern mit dem churbayr. starken Dragoner Commando jen-
seits der Ennss scharff Scharmuzziret, worbei die HH" Bayrn den Ver-
lust und Schaden zwar nicht bekennen, und nur einen husaren mit Tillen
Schüssen jedoch ohne Verletzung und ohne Pferd und kleyd gefangen ein-
gebracht, den sobald der Husar nur etwas dumm von schussen von Pferd
gefallen, haben seine Cameräden das Pferd, gwöhr und Kleydung mil
sich fortgeschleppet und biss auf das hembd und hosen ausgezogen, ich
habe ihn gesehen, er ist ein ansehentlicher Baumstai'ker Mann, und
der Churfürst hat ihn mit einem doppelten Carolin beschenket und recht
wohl zu halten befohlen, der Jubel dieser victori war ungemein gross,
wan er auch noch so theür zu stehen gekommen wäre.
Ich empfehle mich etc.
Johann Tobias Schmidtpauer m. p.
Ennss den 28. September a. 1741.
^^p
1^^^^^^^^^^ 437 ^^^B
^^^^^^^^^^
^^^ ^1
.Lista deren löbl. Stätiden von Praelalhcn, Herr», Bilterschaß vnd lands- ^^M
far$tt"' Stätten, so bey dem mißug eur Ilttldiffunff in dem Schlosse ^^^ä
gegenwärtig seind den 2. Oclober 1741.' ^^H
K. n. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, 1
fCriegsacten, Fase. 343, .aus der Kanzlei ^^H
der Verordneten des Erzhzgt. Oesterreieh ob der Bnna*. ^^H
LObl. Praeliithenstandt. ^^^
Crems-Mönster, St. Florian, Lambach
, Gärst<»ii,Wilhoring, Paumbgartten- ^^H
^^ (var^it), Walthaussea, Moiisee,
Gloiitkl), Schlügl abest infirmitatis ^^^
causa, Spitm
, Scblierbach. ^^H
Herrn und Qrafenstamlt. ^^|
Hr. Baron Weil Praeses der Huldi-
Hr. Graf Woickhai-t Spindler ^^H
gung
Hr. Joseph Graf t. Seeau ^^H
Hr. Graf lobgott Kueffstain
Hr. Graf Augustiu Spimller ^^H
Hr. Graf Wilhelmb v. TUürhoimb
Hr. leo Freyb. v. Hochonockh ^^f
Hr. Max v. Gera
Hr. Philiberth graf Füegor ^^H
Hr. Graf Otto Carl v. Hocheufeldt
Hr. Prix von Hochoneckh Freib. ^^B
Hr. Graf Norbert v. Salburg
Hr. Graf Ferd. Seeau ^^^k
Hr. Graf Carl von Öedt
Hr. Gustavus v. Pornatior Freyh. ^^H
Hr. Graf Gudakher vwn Thüiheirab
Hr. Franz Joseph Graf v. Seeau ^^H
Hr. Graf Franz Sprinzenstain
Hr. Joseph Graf v. Seeau zu Puoch- ^^|
Hr. Graf ErnBt Sprinzonstaiii
^H
Hr. Graf Wilhelmb viui Stalinnberg
Hr. Joseph von Clamb Freyhcrr ^^H
vor sich vnd im Namen seines
Hr. Ehrnburib Graf Füeger ^^H
Vatt«rs Hn. Gundomär Joseph
Hr. leopoldt von Clamb Freyberr ^^|
Grafen von Stahrmberg.
Hr. Bernhard Graf von Röd"" ^^|
Hr. Johann Georg Adam Froyh. v.
Hr. Niclas von Clamb Freyberr ^H
Hocheneck
Hr. Joseph von ßistenfels Freyhr. ^H
Hr. Graf Gottlieb von Tbürhoimb
Hr. Georg Joseph von Maustorff ^^|
Hr. Fridrich Graf Engl bat durch
Freyherr ^^^
schreiben an die H" Verord-
Hr. Carl vou Hochhaus Freyherr ^^|
neten zwar sichEutsuhuldiget,
Hr. ThadaeuB v. Kbauttcu Froyhürr ^^H
welchen aber an die Hund go-
Hr. Leopoldt vou Eysslsperg Frey- ^^H
1 iaasen worden ist, durch uu-
^^H
^^^^^krthgstes anbringen bey ihro
Hr. Joseph von Eysslsperg Freyberr ^^H
^^^^^MurfQrstl. Üurchloöcht sich
Hr. Martin vuu Ehmtann Freyberr ^^|
^^^ XU entschuldigen.
1
438
Bitterstandt.
Hr. Johann Georg Fieger von
Hr. Gotfried Castner
Hirschberg
Hr. Gabihouer
Hr. von Hakh
Hr. N. Stibör
Hr. Hayden von Dorff
Hr. N. Stibör
Hr. von Urtstetten
Hr. Schmidauer
Hr. Achatz Wiellinger von
der Au
Hr. Carl von Cronbichl
Hr. Joseph von Eysslperg
Hr. von Moll
Hr. Otto von Eysslperg
Hr. Wilhemb von Cronbichl
Hr. Joseph von Wiellinger
Hr. von Eckhardt
Hr. Gotfried Höritzer
Hr. von Springenfels
Landsfür
ätl« Statt.
Statt Steyr . .
Joseph v.
Erb
Linz
Stephan ]
Pillwitzer
Weiss ....
Daniel Grezmflllner
Ennss ....
Martin AurpCckh
Abgeordnete
Freystatt. . .
Joseph Gubatta
Gmnnden. . .
Hr. Georg Gruber
Vökhlöpmkh .
Michael Neuhauser
Indorto: Lista deren gesambten Vier ständen, weliche beydem
aufzug zur Huldigung in das Schlos gogenwerttig soind,
den 2""October 1741.
Nr. XI.
.Beschreibung des auf den 2. Odober annoch Vorgehenten Htildigw^-
Actus in Line.' '
K. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien, Kriegsacten, Fase. 343.
Nachdem hierzu alle Landts Mitglieder durch Chnrf&rstl. eigen-
händig vndei-zeichnete erforderung berueffen worden, so haben an er-
meltcn Tag des 2. October dess lliV" Jahi-s die gesambte Ständte Ver-
sambleter im Landthauss umb halber 8 Uhr Frühe sich einzufinden und
* Wurde nach einem ,Memorial für die ISbl. Stände in Huldig^nngssachen*
(K. k. Hang-, Hof- und Staatsarchiv, OberSsterreich 1660 — 1749) den
Ständen vom kurfürstlich bairischen Hof zugeschickt.
439
:h daselbst in der Bathstoben abgelesener ordnang des beuorstehenden
^ haben sye fiber den gang in die ChnrfQrstl. anti Camera hinaaf in's
iloss zn Fuess sich zu begeben. Die hiesige Burgerschaft hingegen
letzmahls bey TOI) Mann stark gewetieu seiti solle) mit ober und ander
ihr klingenden Spill und Biegenden Fahnen längstens nmb 7 Uhr auf-
leben und in der Mitte des Platz sich zu stellen hat.
Es werden weithere 8 C'hurbayrische Grenadier-Compagnien des
.ties Rechte seithen und die Linckhe hingegen 2 Escadrons Bayrische
igoner besetzen und aambentl. also aldorth Paradiren. Nit weniger
rdet auss dem Churbayr. Leib Itegnit die Spalier von der Pfarrkhörchen
durch die Pfarg^sen über den Plaz durch die Clostergassen und alt-
It biss am Berg dess Schlosses formii'ret werden.
Wenn die gesarabte Ständte in der Churfrtl. Anti-Camera angelangt
1 werden, würdet über ein Kurzes dem Lübl. Praclatben Standt von dem
irfi-tl. Caminer Fourior Mfindüclien beigebracht werden, sich Vorauss
lie PfaiTktiürchen zu bogeben, umb Sr. ChurfOrsU. Durchl. bey dem
>re ermelten Kirchen empfangen zu ki^nnen.
Bald darauf haben die Churfrtl, H H Ministri und H obrist Cam-
■er die Churfrtl. Hufämbter denen Jenigsn abzutreten und zu über-
en, die dises Landt Erbämter zu bedienen oder Zuuertretten haben
den.
Indessen würdet alles zur Boreithschafft dess Zuges angerichtet
l die sammentl. Statt Thor biss nach vollendton Huldigungsact gespart
bleiben, allem bey dem Kloinen ThQrl undor ausgesezter Wacht ienos
Bund eingelassen, wass nuthwoudig berinn oder daranss zu thuen haben
j. Wann alles in Ordnung, gehen Ihre Churftl. üurchl. vnder Be-
ithnug des Hofs und gesambt Hüchst Ihro Vertrettenden Erbämtern
ab über die stiegen und setzen sich auf das nechst der stiegen in Be-
hscbatTt stehende leib-pfert, uuder Darbiettuug des steigbigls und
tterer Hilf Leistung von dem obrist Erb-Laudt Stallmeister, worauf
0 Churfürstl. Durch!, in folgeuder Ordnung in die Pfarr Beitten;
frohen:
^B. Die Lanffer
^fc. Die Bediente von denen Ständtcn und Hof-Cavaliorcn
3. Die LandtscliafTts Trompeter und Paukher
4. Die Chnrfrt!. Hayduckhen
6. Die Churfrtl. Hoflaggey
6. Die Landschaffts- und Hof Bediente
1-7. Die abgeordnete von denen lurstl. Stätten
440
8. Der obrist Erblandts Panuier mit Bedeckhten Haubt and Qi«-
genJen Erblandts Pannier Fahnen
9. Der LandschafTts Canzlej Syndicus
10. Der Kitterstand
11. Der Herrenstand
12. Die Churbayr. Officiers und
13. Die ChurfürstJ. Camniorer
14. Die Churfürstl. Geheimbe Käthe
15. Die Erbämter: Vor welchen der Herold im Wappenrokh mit"
dem Uerolds-Scepter au Uarchirret.
16. Der Erblandt Marechal zu Pferdt, mit entdeckhten Haubt, du
cntbLöstc Bchwcrdt vor sich haltend.
17. Ihro churfürstl. Durchl. zu Pferdt mit der Wacht der Hätschieren
zu Fuess becderseits umbgeben. Linkhor Haudt in neu denen Hütachieren
uad negst dem Leitpfordt der obri&t Erb Land Staltmeistor gleichfaUs in
Fuestj, und etwass Ruckhwerts seiner der obrist Erblandts Schildtra^
den Schild an den linkhcn armb tragend.
18. Der Hätschieren Haabtmann und dessen Erster Lieuth. Buck-
werts boy der Croupe des Pferds rechter soithen: dann linkherseits der
Trabanten Lieuth.
19. Hinter Solchen die anwesenden 4 Cumnier and Feldt Knaben.
20. Sothaiier Zug würdet Ton einer Compagnie Infanterie auss dem
Leib Kgmt beschlossen.
21. Hinterwclchen der Chi. Leib Wagen mit 6 Pferdten nachfahret.
Gleich bey dorn Kfirchen Thor worden Sr. Chnrfrl. durchl. von deneo
HU" Praelatbon, die schon in Pontificalibus angelegt sein — und der
obrist Erb Landt Hof Caplann sowohl im hinein- alss Heraussgehen das
heyl. Weyhwasser praesentiren solle, biss zu dem errichteten Paldachin
und darunter gesezten Bettstuhl bogleittet, auf welchen Ihre Churfürstl.
Durchl. sich Niederlassen und die Erbflmter mit Ihren Insignien beeder-
seiths dess Bettstulles ihrer unter sich haltenden Ordnung nach, wie an-
liegendes Schema zaigot dich zu stellen haben; darauf der Erste H. Prae-
lath das veni Sancte Spiritus intonieret — nach solchem das Hochambt
anfanget, deme 2 H. Prelathen als assistentes bey wohnen, und inn wel-
chen der H. Praclath von Stoyrgärsten alss obrist Erblandt Caplann nach
dem Evangelio das Evangely Buech und bey dem Agnus Dei das Pacem
ad osculanduni Ser""" öborbringet: so baldt das Hochambt geendet, gehet
alles in voriger Ordnung inParade zuruckh in's Schloss- und in die Cbur-
fflrstl. anticamera, von solcher aber sogleich Ihre Churfl. durchl. in Ihre
Betirade.
441
' Tber ein Kleines hat der obrist Erbland Cammerer den anwesenden
IsndscbafTtl. ansschluss zur audienz bey Ihro Chur. füistl. Durchl. anzu-
melden, welche Syc gdist eingestehen nnd destwegen herauf in die anti
iüamera ander dem Paldachin sich verfügen werden, bey sothauer Audienz
ffürdct die anred von dem ältisten auss dem Herrnstandt in Namen der
rtreu gehorsambsten Ständten zu dem Endte gemacht, umb Ihre Chur-
irstl. Dri. gdigst geruohon mögen, sich zu denen versumbloten Ständten
n ablegung der Huldigungspllicht xu begeben, worauff Ihre (Jhurfl.
hirchl. widerumb in Ihre retirade baldt darauf aber under Vortrettung
ler Erb-Ämbter in den Huldigungs-Saal sich verfüegen und vnder dem
faldachin in den Lähnsessl auf einen iu 3 Staffeln bestehenden autritt
Üch Nidersetüen : Die Erbambter hingegen auf beeden seitheu in ihrer
irdnung linkhs und rechts, die Landt Ständte aber gegenüber Ihm Churfrtl.
)urchl. sich stellen werden; gleich aiss sich Ihre Churfürsti. durchl. sich
üiedergesetzet, geschieht der Vortrag von dem H. Gehaimbeu Raths oder
dce Cantzler, welchen Vortrag der ältiete Sias dem Herrenstaudt beant-
rorttet und hier auf Ser"°* seine willßhrigo erklärung von Mundt auss
[dist ertheillet.
Es würdet sohin von dem geheimben Raths vice-Cantzlor denen
i oberen H. H. Ständten bedeuttet werden, die Pflichta formul aufmerkh-
amb anzuhören und solche von Worth zu Worth mit lautter stimm nach-
lusprechen . . . Sequitur pritclectio homagij per Cancellarium vor die ober
t Ständt. Gleich darauf die abh'»sung desselben an die abgeordnete der
jandtsfürstl. Stätten mit dem Vnderschiedt, dass diese mit aufgehoben
I Fingern den aydt schwfiren mQessen.
Hierauf würdet denen gesambteix Ständten, der auf Piramcnt ge-
lehribene und gefertigte Bestätigungsbrief deren Froyheiten aussge-
Andiget, so dann der Handt Kuss und die anglobung der Ständte folget.
Juder welchem das erete Salva von der auf den Plaz Postierton Miliz,
Vie auch auss denen auf dem Schloss und auf dorn Ufer der Donau ge-
iflantzteu stnckhen erfolget, zugleich auch alle glockben der Statt go-
ftuttet werden.
Sohinn hegeben sich Ihre Churftl. durchl. under voriger Bogleittung
A die UoflfCapellen dess Schlosses in welcher das te Deum unter scheuen
llasic und zweyter Salva Gebung dess gross und kleiueu Geschützes iu-
Bniert, nach solchem aber Ser"° biss in sein Retiradozimmer zuruckh
^leittet würdet.
Gleich darauf würdet von obrist Silber Cammerer in eben dem Saal,
Vorinnen der Huldigungsactus Vorgängen, die Tafel under dem Paldachin
Ud auf die darin schone fündige Estrade von 1 Staffl gedeckt, suhin
k
442
nach geschafften Speissen tragen werden von dem obrist Erblandt Trucli-
8688 deme Jedes mahl der Stabimeister rorauss zu gehen hat, mit dennen
von ihme hierzu erbettenen 24 Cavalieren die Speissen anss der Hof Knchl
angetragen.
Bey gerichter Tafel Thuen Sr. Churfürstl dnrchl. nnder Vortretttmg
der Erbämter sich an selbe begeben, alwo der obrist Erblandt Vor-
schneider dass Handtwasser auf zn giessen, der obrist Erblandt Caplan das
Benedicitd zu betten, die ybrige Erbämter sich zunechst der Tafel in
Ordnung zu stellen und aufzuwarten haben. Wehrenter Tafel lasset sich
die Music bey dem ersten Trunkh aber, welchen der oberst Erblandt
Muniischenkh bey zu bringen hat, die dritte und letzte Salva gesambteo
Geschüzes hören. Wehrenten Confect hat der obrist Erblandt Münj-
maister auf einer silbernen Taza die Verhandeno Goldt und Silberge-
diichtnusB MQnzen Ihro Churfürstl. Durchleficht zu fiberreichen.
Nach der Tafel hat der obrist Erblandt Caplan das Dankh Gcbett
zn sprechen; Sammentl. Ambter Ihro Churfürstl. Durchl. von der Tafel
biss zu Ihrer retirada zu begleiten und cndl. solche uit weniger die
Stüudte an die Ihnen angewiesenen Tafeln sich zu begeben.
(Mit 4 einfachen Skizzen .Schemata' A. ,die Ordnung der Erbätutcr
im Zug', B. .beim Gottesdienst'. C. ,bei der Huldigung', D. ,bci der
Tafel'.)
Nr.Xn.
Maria Iltcresia an Stände und Unterthanen des Erzhcrzoglhums OtsUt-
reicit oh der Enns. Jhressburg 1741, September Jib.
Gedrucktes Pntent, niederOsterroichiBches LandesHrohiv ,Land-Defeiuion vom
Jahre 1741'. (Die Monarchin erklärt eine eventuelle Hnldi^ng an Kirl
Albrecbt für null und nichtig.)
Maria Theresia etc. entbieten N. allen und jeden, sonderlich aber
Unseren treu-gehorsamsten Ständen und unterthanen unseres Erti-
Ht^mogthumB Oesterreicb ob der Ennss unsere Gnade, und geben denen-
selbon zu vernehmou: Wie uns allererst die glaubwürdige Nachricht zue-
gekommen, dass man von Seiten des Chur-Fürsten von Bayrn über die
feindliche Überziehung dieses Unseres getreuosten Erb-Landes sich sogar
anmasse, die Landes-Huldigung von euch Ständen und Untei°thanen dnrch
hetrohliche Circular Schreibon abzunöthigen und hierzu den zweiten
nächst eingehenden Monats Octobris schon würklichen bestimmet habe;
Nun versehen Wir uns zwar zu eurer unversehrten Treu, Lieb und De-
votion, dass ihr derlej unberechtigten Zumutbungen von selbsten kein
r
Gehör geben, minders Folge leiBten werdet; allermassen Wir auch ein
solches euch samt und sonder» mit gemessenen Ernst hiemit verbieten;
Solte aber deme uuangesehea aus vordringenden Gewalt zu Unseren
Nachtheil etwas furgehen, so erklären wir es von nun an für das, was es
an sich ist, nemlich null nichtig und nnkräftig; dessen die gantze Welt
nm 80 mehrers fiberzeigot sein wird, da nicht nur unsere Gerechtsame
offenbahr ist, sondern wir auch den Befehl ertheilet, dem Publico. wel-
ches wegen kürze der Zeit nicht eher hat beschehea können, bekannt zu
machen, wie unstandhaft, gruiidloss und irrig alles das seye, was man
Chnrf&rstlicher Seits zur Colorirung des angebenden Successions-Kcclits
beyzubringen sich bemßhete. Gegeben auf Unserem kOnigl. Schloss zu
Pressbnrg am acht und zwanzigisten Monats Tag Se()tembris, im Siben-
zehenhundert ein- und vierzigsten Unserer Reiche im ersten Jahre
L. S.
Maria Theresia.
Philipp Ludwig Graf v. Sintzondorf.
Ad mandatum Sacrae Begiae
Majestatis proprium
Carl Holler v. Doblhof.
Nr. Xm.
I
Karl Älbrecht an die oberüslerreichiscJten Stände; begehrt ein Darlehen
von 150.000 fl. Line 1741, October 6.
Orig. mit eigenhändiger Unterschrift uud aufgedrücktem Siegel. K. u. k,
Haas-, Hof- nnd StaatiMirchiv, Kriegsacten, Fase. 343.
Wie ihr von Selbsten wohl erachten mCget, ergeben sich dermahlen
80 vill wichtige Zuefahle, das zu ausföhruug Vnserer hiebei obwaltenden
gerechten Absichten auf einmahl und uuverzQglich grosse gelt sumen
nnvermeidlich seyn wollen, iu welcher andringenheit Wflr zu euch Vnser
gdstes Vortrauen sezen und von eur zu Vnser gdsten Zufrideuheit und
gleicher Danckhnembung Vns bezeigte gehorsambste treu und devntion
Vna genedigist versehen, Ihr werdet vns hierinfahl mit einem frey willigen
D&rlehen von wenig^st einmaht hundert-fiinfzig tausent galten behilflich
an banden stehen nnd hiemit zu bestreittung solch' vorseyenten Lasten
aomehr williglich under die armb greitfn, als die atifwondung dieser Costen
lediglich zu Vnserm and Vnsers Churhauses besten, dan Eurer hiemit
verkhnipften gemeinsamen wollfahrt abzOhlet, Wflr auch des Gdst. er-
bitten» seint, Euch bis zu deren vollständigen Abführung hieuon das
444
Landes gebr&nchige inte'e mit fünf per cento allweg entrichten oder an
donon Jährl. Landtschafftl. einwilligiingon solbsten abzielten zti lag8«n,
imitlH ancli disen Vorachuss auf Vnsoror Landtsfürstl. gefahi auf das
bündJBto zu versicheren. Die bo antringende Umbstände wollen ein«
längere der sach Verzögerung nit zuegeben; Wflr machen Vns also die
gänzliclio Hoffnung, ihr werdet nitallein Vns hierinfahis in der hanbtsach
L-uch willig und bcreitb etwaigen, sondern auch auf Verstandtene Ursache
euch bestens angelegen seyn lassen, damit dieses Darlehen ehebaldigst
an die vun Vns hieran begwallcte erlegt werden könne, und Wür mitbin
so vill iivehrcr ursach haiion inügnn, Kurc gehorsambiste wilführigkeit mit
Chiiv und Landlsffirstl. gd. zu erkennen, mit welchen Wflr euch sonders
woll beygethan seint und m aller Zeit gewogen verbleiben. Linz den
G. Üctober a'o 1741.
Carl Albreclit u. p.
T. Weckhenstaller m.p.
'«
Nr. XrV.
Karl Albreeht an die oberösterrcichischem Stände und Unterihnntn:
droht mit Qülercon fiscal ton gegen jene, die ihn nicht bintien vier Wochen
aJs Ilerm anerkennen icolUcn und in Maria TJteresias Diensten ver-
bleiben. Prag 1741, Decenibcr 8.
G Originale (gedruckt) mit eigenhändiger Unterschrift und aufgedrucktem Siegel
K. Q. k. Bans-, Hof- nnd StaAtsarchiv, Kriegsacten, Fase. 343.
iSP
. . . Demnach das Erzherzogthnm Oesterreich ob der Enns
anderen erledigten Erblanden, wie in unserer Rechtlichen AusfQhmng
schon genugsam dargethan worden, Vns erblich zu gefallen, Wir jedoch
solche Unsere Erb-Köuigreielie und Lande wegen der so voreilig- als
ungerechten Besitz-Ergreifung ermeldtor Gross-IIerzogin von Toscana
mit gewaflnetcr liand zu erobern nnd dessenthalben mit einem ansehen-
liehen Kriegs-Heer dahin einzutreten Uns gemfissiget gesehen, hierauf
Uns auch durch die Gnad und Seegen des AUeihöchsten mit getreuen
Boystami Unserer Alliirteu würklich in den Besitz des Erz-Herzogthums
Oesterreich ob der Enns Uns eingesetzet haben; nun aber sich nicht ge-
bflhron will, dass ihr in Vorbesagter Gross-Herzogin von Toscana
Dionstoit ferner beharret, am allerwenigsten aber euch gegen Uns oder
Unsere Bunds Genossene, Freund und Verwandte, dann Unsere Stände
und Unterthanen Land und Leute in feindlichen Thaten, auf was Art es
immer, botroten lasset. Solchcninach gebieten und befehlen Wir als Erz-
Herzog von Oostorrcich ob der Enns aus Lands-Fürstl. höchster Macht,
kraft diess unseres offenen Briefs, Euch allen in vorerwähnter Gross
Herzogin von Toscana Civil- oder Kriegs Diensten und Bestallungen
stehenden Generalen, Obristen und anderen Hohen ond Niederen Befohls-
babern and sonsten insgemein allen Eriegs-Lenten zu Koss und Ftiss,
.wie ungleichen allen Civil-Bedienten, so von gedacht Unseren Erz-
Berzogl. Erb-Landen Vasallen und Unteiihanen seynd, samt und si>ndBrs
bei Verliehrung all und jeder Eur habenden Privilegien, Gnaden und
Freiheiten, Rechten und Gerechtigkeiten, Uaab und GQthern, Lohen und
«igen, aller Zunft und Stadt-Gerechtigkeiten, dass ihr ouch alüobaldcn
obangedeuter Bestallung, Kriegs- und Civil-Dienstcn gänzlichen cnt-
ichlaget and davon austretet, euch auch iu's künftige darzu keineswegs,
nnter was Schein solches geschehen möchte, weiter bestellen, annehmen
und gebrauchen, noch euch von dem Uns schuldigen Gehorsam unterm
Vorwand geleisteter Eides-Pflicht (welche ohnedem wider Uns als euern
rechtmässigen Erb Herrn und Lands Fürsten ganz ungültig ist) abhalten
lasset, sondern, da ihr zu dienen und euer Dapforkeit und Wissen-
schaften in Kriegs- Staats- oder anderen Diensten zu erweisen Lust habet,
ench bei Uns oder Unseren Bunds Verwandten angebet; Gestalten wir
■denn hiemit erklären, dass diejenige, welche diesem Unsern Lands Fürstl.
Geboth und Verboth der Schuldigkeit nach kommen und in denen nechsten
Tier Wochen nach dessen erlangter Nachricht und Wissenschaft bey Uns
oder Unseren Bunds-Genossenen sich anmelden; und ihren Gehorsam
in dem Werk erzeigen werden, zu Gnaden aufgenommen, und ein jeder
seiner Qualitaeten und Beschaffenheit nach mit Kriegs- Staats und an-
deren Diensten und würklicher Beförderung wieder versehen, die aber
dieses Unseres Geboths ungeachtet in Diensten mehrenneldter Gross-
Herzogin von Toscana ungehorsamlich verharren und sich gegen Uns
oder Unsere Bunds-Verwandto, dann unsere Stände und Unterthanen
widrig gebrauchen lassen, sollen ohne weiters ihrer Haab und Güter ver-
lastiget sein und solche nach verloffoner Verfallazeit von dem Fisco ein-
gexogen werden; in welche Straf diejenige, so nach Verkündigung dieses
sra allgemeinen Geboths sich in würklichen feindlichen Thaten gegen
Unsere Bunds Verwandte, Kricgs-Ofßcier, gemeine Soldaten und
Unterthanen, Land und Leute werden betreten lassen, ipso facto ohne
weitere Formalitäten eines Processes sollen verfallen seyn. Gestalten wir
,deme Unsemi Fisco Kraft dieses den Gewalt dahin ertheilet habe. Wor-
[jiach ihr euch also zu richten wissen werdet. Geben auf Unsorm KOnig-
llichen Schloss zu Prag, den Achton Monaths-Tag Decenibris im Sieben-
sehen Hundert-Ein und Vierzigsten Jahre.
Carl Älbrecht m. p. Franz Andre Freyherr v. Praidlohn m. p.
446
^
2fB. Aehnliche ,Mandata avocatoria et inhibitoria' erli«88 Kar ~»
Albrecht auch f&r Böhmen. Das vorliegende wurde den oberOsterreichiBchei^^n
Ständen durch der bairischen Yicestatthalter Grafen Tanfkirchen in sech^^es
vom Kurfürsten unterzeichneten Originalen und einer Anzahl Naehdmckei==i
behufs Affichirnng erst mit Note vom SO. December 1741 eingehijidigt_. ,
ein Beweis, dass die directe Verbindung zwischen der französischen Armm =t
bei Prag und dem Corps Segnr's in Ober-Oesterreich bereits durch die öster
reichische Hauptarmee unter Franz von Lothringen und Neipperg abge
schnitten war. Auch zur Affichirnng kam es wohl nicht, da am 30. De —
cember Feldmarschall Ehevenhiller die Enns flberschritt und die schnelle»
Eroberung Ober-Oesterreichs und Baiems folgte.
Inhalt
Slttt
Vorwort 381
Einleitung 3S3
I. Capitel. Vorbereitungen zur Landesdefension von Ober-Österreich
and die StSnde 336
n. Capitel. Das oberOsterreiehiache Landesan^bot von 1741 . . 347
m. Capitel. Die letzten Zeiten vor dem Eänmanche der Baiem und
Franzosen in Ober-Österreich 368
IV. Capitel. Der Einmarsch des bairischen Kurfllrsten in Ober-Öster-
reich 364
V. Capitel. Karl Albrecht in Linz and Enns 379
VI. Capitel. Die Hnldignng am 2. October 1741 395
VII. Capitel. OberOsterreich während der bairiscb-franzOsischen Occa-
pation (bis 30. December 1741). Nothstand des Landes .... 402
BEITRÄGE
mm
GESCHICHTE
DER
ÜSERLICHEN HOFÄMTER
VOH
FERD. MENCIK.
LkUt. LXXXTIl. Bd. II. Hiltto 89
;^
Oei den deutschen FUrstenhöfcn finden wir schon in früher
Zeit eine Anzahl von Ministerialen, welche um die Person des
Regenten sich befanden 'und für seinen Dienst bestimmt waren.
Ueber ihre Wirkungssphilre sind wir nur spilrheh unterrichtet,
es lilsst sich aber vermulhcn, dass ihre Obliegenheiten durch
besondere Satzungen geregelt waren, welche von einer Gene-
ration auf die andere übergingen und auch nach BedUrfniss
und nach der Zahl der zu solchen Diensten herangezogenen
Personen sich änderten.
Als Erzherzog Ferdinand die Verwaltung und nachher
durch den Weiser Vertrag (1522) die Regierung in den habs-
burgischen deutschen ErUändcrn angetreten hatte^ war er wohl
mit einem Hofstaate umgeben, über dessen Organisation wir
nicht weiter unten-ichtet sind. Als seinen ersten Obersthofmeister
kennen wir im Jalire 1518 Freilierru Wilhelm von Roggen-
dorf,* etwas später Claude Bonton, Freihenni von Corborun,
den Pfandinhaber der Herrschaft Brück an der Leitha (1523),'
als Oberstkämmerer Antun de CVuy; nacli üinen war ungefähr
in den Jahren 1524 — 1536 Oyriak Freiben- von Polheira Oberst-
hofmeister.^ Am 1. Jänner des Jahres 1526 ernannte Erzherzog
Ferdinand Leonliard von Harrach zu seinem Hofkanzlcr mit
einer jährlichen Besoldung von UM) Gulden.'
Nachdem Erzherzog Ferdinand die Kronen von Böhmen
und Ungarn erworben hatte und so seinem kaiserhchen Bruder
gleichgestellt war, veränderte sich natürlicher Weise auch seine
Hofhaltung. Wohl befanden sich in den beiden Ländern eigene
* Meiller A., Zar Oeschicbte der ObersteD-Uof-Aemter in Oesteneiob, in:
Heraldincb-genealugische ZeitacbrifL Organ dea Vereines ^Adlar*. Wien
IS71, 24.
* Klose C. J., Brack an der Leitha, S. 62; Topographie von NiederOster-
reicb II, 2S1.
* Starser, Beitrüge anr Oeschichte der niederOsterreicbiscben Stattlialterei,
Wien 1897, 156.
* Oriflich Barnkcb'sohoa Archiv.
89»
450
Hofbeamte,' aber diese verrichteten ihre Functionen nur im
Umfange des eigenen Landes, es musste also auch fUr Wien,
wo der König doch die meiste Zeit verlebte, ein den neuen Ver-
hältnissen entsprechend vennehrter Hofstaat weiter bestehen, der
schliesslich die königlichen Hofbeamten vollständig verdrängte.
Leider haben wir wenig Nachrichten über die Organisation'
des Hofdienstes während dieser Zeit und wissen nur so viel,
dass der Wirkungskreis der Hofkmter nach dem Beispiel der
spanischen oder burgundischen Aemter, welche sich schon ziem-
lich entwickelt hatten, festgesetzt wurde. Auch können wir an-
nehmen, dass der Hauptinhalt der späteren Instructionen tüi
sie gegolten hat, weil durch die neuen Instructionen nicht immer
etwas Neues geschaffen, sondern das Bestehende nur den Ver-
hältnissen angepasst und nach Bedarf erweitert wurde.
Ueber die Reihenfolge der Personen, welche unter Elaiser
Ferdinand I. die einzelnen Hofämter bekleideten, besitzen wir
nur lückenhafte Nachrichten. Nach den drei oben angeMirten
Personen wird Freiherr von Fels als Obersthofmeister genannt,
der das Amt bis zum Jahre 1545 bekleidet hat.' Aus seinem
letzten Regierungsabschnitt lässt sich Folgendes hervorheben.
Im Jahre 1559 war Verwalter des Obersthofmeisteramtes Hanns
von Trautson,* Freiherr zu Sprechenstein, welcher im Jahre
1548 — 1554 als Obersthofmarschall fungirte. Oberstkämmerer
seit dem Jahre 1548 bis 1559 war Martin de Guzman;* im
Sommer des Jahres 1559 hat er dieses Amt niedergelegt, und
es wurde durch den Grafen Scipio de Arco bis zum Jahre 1560
versehen." Das Amt eines Oberststallmeisters bekleidete bis zum
31. Mai 1548 Don Pedro Lasso de Castilia, nach ihm Sigismund
Graf Lodron ( — 1554) und seit diesem Jahre Rudolf Khucn
de Beläsy (—15(57).
' Die bOhmiRchen Hofbeamten sind zasammengestellt in Franz Palack^V
Pfeilled aouiasn^ neJTySiich dfistojnikav a oni'ednfkflT, Prag 18S2.
' Kaiser Ferdinand I. erlies am 1. Jänner 1537 ,Der rCm. K. M. Ordnung
nnd Instruction Deroselben hohen und niederen Hof-Aembter*. (Meiller,
S. 24.) Ueber die spätere Zeit belehrt uns Gindely: Kaiser Rudolf II. und
seine Zeit I, 35, sowie der: Status particularis regiminis S. C. Majestatis
Ferdinand! II., 1637, S. 62—72. In der k. k. Hofbibliothek.
» Bucholtz, Geschichte der Regienmg Ferdinands I., Wien 1888, Bd. 8, 8. 17.
* Hofschematismus vom Jahre 16ö9, in der Handschrift der k. k. Hofbiblio-
thek, Snppl. 3323.
■ Hofzahlamtsrechnungen in der k. k. Hofbibliottiek (HZR.), 1660, f. 43.
461
Neben den vier hohen Aeratem oder Hofstäben kommt
noch der HoQii^ermoister vor. Als solcher wird bis zum Jahre
1554 Erasmus von Liechtenstein und nach ihm Friedrich von
Stein genannt.' Obersthofpostmeister bis zum Jahre 1548 war
Anton de Taxis, seit dem Jahro 1549 Mathias de Taxis, ihm
folgte im Jahre 1560 Cliristoph von Taxis* und im Jahre 1507
Paul Wolzogen. Oberstsilberkämmerer bis zum Jahre 1507 war
Julius de Salazar, nach ihm Bernhard Weither. KUcbenstäbel-
meister bis zum Jahre 1507 Hans Wolzogen zu Spiegelfeld,
nach ihm Caspar Graf Lodron.'
Auch die Erzherzoge waren von einem Hofstaat umgeben.
Im Jahre 1533 war Obcrsthüftueiater der Erzherzoge Maximilian
und Ferdinand Graf Veit Thurn/ seit dem Jahre 1543 Johann
Gaudenz Freiherr zu Madruz, sein fibei'stkäinmerer Leonliard
Graf Nogaroll, und Johann von Talhani tHjcrststallmcister.^
Als König Maximilian H. im Jahre 154H nach Spanien reiste,
befanden sich in seinem Gefolge: der Oberslhofmeister Don
Pedro Lasso de Castilia, der Obcrstkamraerer Peter von Mol-
lart und Oberstsilberk.tmmercr Caspar von Hoburg."
Der Oberstholmfister des Erzherzogs Karl in den Jahren
1550 — 1554 war Leonhard Freiherr von Harrach, nach ihm als
Verwalter dieses Amtes und des Stallmeisteramtes Jaknb Graf
Attems (Athemis) bis zum Jahre 1500;' als erzherzoglicher
Oberstkümmerer in den Jahren 1549 — 1553 finden wir Georg
Coliaus, vom Jahre 1554 — 1560 Caspar Freiherrn von Herber-
Btein;* als seinen Oborststallmeister bis zum Jahre 1556 Jakob
von Windischgrfttz, nach ihm als Verwalter des Amtes Jakob
Grafen von Attems.
Als Oberststallmeister des Erzherzogs Ferdinand von Tirol
wird während dieser Zeit Alois Graf Lodron angeführt.
Kaiserin Maria Bianca, Gemahlin Kaiser Maximilians I.,
hatte zu ihrem Obersfhofmcister Marlin von Polltcim (f 1505),
die Königin Anna, Gemahlin Ferdinands I., im Jahre 1521
Sigismund von Dietrichstein.*
» H2R die»er Jahre. '^ HZK., 1660. f. 50*. • HZK.. 1567.
* Hirn, ErzUenog Ferdinand LI. Ton Tirol. Inutbruck 1886, Bd. I, 6, 6.
* HZK., 1543.
* Meoiflc F., Die Reise Kaiser Maximilians II. nach Spanien im: Archiv
fOr österr. Qeschiclite, Bd. 86, S. 295.
' HZR., 1660, II, f. 67». " HZE., 1860, f. 39. • SUmer, 1. c, 144.
452
Ueber die Verwaltung der FIofHmter während der Reg:ie-
rung Kaiser Maximilians IL belehren uns die von ihm erlassenen
Instructionen, die uns sowohl über die Rangordnung, sowie
auch über die Maehtsphäre dieser Würdenti'ilger Anfschluss
geben. Seit dieser Zeit Iftsst sich auch eine verlUssIiche Reihen-
folge der Inhaber dieser Aemter feststellen.
Die wichtigsten Hofilmter waren: das Amt des Oberst-
hofmeisters, des Obcrsthofmarschalls, des Oberstkiimmerers und
des Oberststallmeisters. Nach diesen kam die Würde des Oberst-
Jägermeisters.
Der Obersthofmeistor galt von Anfang an für die erste
Person unter allen Beamten des königlichen, respective kaiser-
lichen Hofes. Dieses Amt bekleidete ungefiUir seit dem Jahre
1550 Christoph Freiherr zu Eizingen und Schrüttenthal, der
zugleich auch Statthalter von Niederösterreich war (1554). Er
starb am 16. .luli 1563.' In dieser Würde folgte ihm schon im
Jahre 1562^ Leonhard von Ilarrach, Freiherr zu Rohrau, der
wohl auch damals Verwalter des Oberstkilmmereramtes war.
König Maximilian hat selbst mit ihm wegen der Ucbemahme
dieser Würde verhandelt, indem er ihm vorstellte, dass die
Pflichten des Obersthofmeisters nicht so schwer seien, wie er
sich vorgestellt habe, und ihm nuch die Abschrift der Instruction
übermitteln Hess.' An Ciehait bezog er jährlich 2500 Rgld. und
freie Tafel. Seit dem Jahre 1567 bis zum 30. Juni 1575 stand
an der Spitze dieses Amtes Hanns Graf Trautsou.*
Die Instruction, welche König Maximilian U. im Jährt
1561 erlassen hatte (Beilage 1), galt für den Freiherrn Eizinger.
Sie bezog sich, wie die ftlr die übrigen Aemter pubücirten Ver-
ordnungen, nui* auf die Functionäre des Königs oder der Erz-
herzoge, kann aber auch als allgemeine Regel für die Hofbeamten
des regierenden Mitgliedes des kaiserlichen Hauses angesehen
werden, wie auch thntsächlich diese Instructionen die Grund-
lage der Hofverwaltung bildeten.
■ SUnter, 1. c, 183.
' Ana dieser Zeit haben sich in dem Harrach'schen Archive einige Briefe
K. Maximilians II. erhalten, aas wolclien wir ersehen kUnnon, ilaas Har-
racli bald nach dem Jahre 1559, vielleicht schon l&iJO mit diesem Amte
betraut wurde.
' Concept des Schreibens des Harrach vom Jahre 1665 an KSnig Maxi-
milian II. im Uarrach'echen Archive. * nandschrift 13621.
453
Die Instruction für den Obersthofmeister umfaast 26 Ab-
sJitze. Sie sagt, dass der Obersthoftncister als die erste Pereon
bei allen feierlichen Geiegenlieiten um die Person des Herrschers
Bich befinden, sein Amt verrichten und in seinem Namen fremde
Fürsten empfanden solle. Er wurde allen Hofangestellten an die
Spitze gestellt, welclie ihm sowohl in Disciplinarsachen, als auch
bei ihrer wirthschaillichen Gcbahrung unterstanden. Seine Amts-
fiihrung war in manchen Angelegenheiten an das Einverständniss
mit dem Obersthofmarschall und dem Oberstkilmmerer ge-
bunden; mit diesem hatte er Fühlung in den Fiuauzsachen,
mit jenem in den Gerichtsangelegenheiten.
In die Instruction wurde ein Passus aufgenommen, welcher
die damaligen ReJigionsverhältnisse beleuchtet und sich auf die
Lutherischen Lehren bezog. Es muss unentschieden bleiben,
ob dabei der Einfluss König Ferdinands I. oder seiner Rath-
geber mit eingewirkt hat; immerhin ist es ein ausserordent-
lich wichtiger Zug, da der Toleranzsinn Maximilians genugsam
bekannt ist. Im Uebrigen bezogen sich auf die dem Oberst-
Lofmeister imtergeordneten Beamten die Vorschriften der Polizei-
ordnung. ^
Als nach dem Freiherrn von Eizingen Leonhard von Ilar-
rach zum Obersthofmeister ernannt wurde, blieb diese In-
struction fortbestehen. Aus dieser Zeit stammt der erste uns
bekannte Competenzstreit, wie solche bei einem grösseren Per-
sonenstand und namentlich dann, wenn einzelne Personen
mehrere Würden in sich vereinigen, leicht entstehen, und Kaiser
Maximilian II. selbst musste eine gütliche Vereinbarung herbei-
fbhren. Harrach beanspruchte im Jahre 1565 als Obersthof-
meister und ältester Geheiiorath den Vortritt und Vorsitz an
allen Orten, also auch in den Sitzungen des geheimen Rathcs
gegen den Präsidenten desselben, Hanns Trautson, und als ihm
dieser nicht weichen wollte, nahm er sich seine Zurücksetzung
derart zu Herzen, dass er seine Aemter niederlegen wollte. Da-
bei berief er sich auf den §. 1 der Instruction, welcher besagt:
jUnser Obristc Hofmeister solle von dem ganzen Hofstaat und
Meniglich ausser der Canimer für unseren Hofmeister und für
die ander Person nach Uns gobaiten werden.* Im Namen des
' Di« new PolHcey und Ordnung der Handwercker nnd Dienstvolck der
niedetOBterreichischeD Laude. Wien, Jobann Syugreiuer, 1627 und 1662.
454
Kaisers verhandelte mit Harrach Petor von Mollart, welcher
am 6. Februar 1565 ihm Folgendes schrieb: ,Ihr Kais. Majestät
behalten den gehaimeii Uatt mit allen Personen und in der
Qestalt ohne Veränderung, wie es Kaiser Ferdinand gehalten;
dass ihr aber vemiaint, das Hofmaisterambt werd dardurcb
geringert, vermainen Ihr Majestät, wo Sie dasselbig Ambt
schmellem wollten, (welches mit dem gar nit boschicbt, dao
euch in eurem Ambt gar mit nichtig kain Eingrif beschicht
aus Ursach, dass dieser Handel nur den Rath angeet), würe
der Abbrucli nur Ihrer Majestät, dessen das Ambt ist, selbst."
Schliesslich wurde der Streit so beglichen, dass der Kaiser in
einem besonderen Rescripte dem Freiherrn Harrach vollinJialtlicli
den Vorzug bestätigte, dieser dagegen auf den Vorsitz in dem
geheimen Rathe freiwillig verzichtete. Es geschah dieses an
IG. März 15C5 mit den Worten: ,So haben Wir mit gedachtem
Unserm Obersten Hofmaister genedigst so viel gehandelt, dass
er allain Uns zu unterthenigster Eem und Qelallen dem auch
. . edlem Hannsen Trautson . . den Vorsitz in Unserem gehaimen
Khatt guetwillig nachzusehen, doch ime unserm Obersten Hof
maister sonst seines tragenden Ambts, auch desselben Gerechtig-
kliait halben, unvergriffen und unschedlich, auch dass er Unser
Oberster Hoftnaister auf all imderweeg in actibus publicis und
privatis sich von berucrt seines habenden Ambts wegen seiner
Praeeminenz und Vorgangs gebrauchen soU und mag.'*
Im Jahre 1571 wurde Adam Freilierr von Dietrichstein,
damals kaiserlicher Oberstkämmerer und in den Jahren 1560
bis 1562 Oberststallmeister der Kaiserin Maria," zum Oberst-
hofmeister der Erzherzoge Rudolf imd Ernst ernannt,'' bei
weicher Gelegenheit ihm eine Instruction übergeben wiu'de,
welche von der des Jahres 1561 nicht viel abweicht (Beilage 2).
Dieselbe blieb in Geltung, als Rudolf H. im Jahre 1576 zur
Regierung gelaugte und Dictrichstein auf diese Weise zum
Obersthofmeister des Oberhauptes des Kaiserhauses wurde, wm
er bis zum Jahre 1580 blieb.
' Schreiben im Harracb'icheu Archive. ' Kbeiidaaelbst.
» HZR., 1660, f. 111"; Koch, Quolleu zur Goschichte des K. MiutimiliMi fi^
1857, 1, 7. Vor ihm war Oborethofmoister «lur Kaiserin Don FruiciKn
de C<utilia (15(i-J).
* Vor ihm war Uuprecht von Stotzingen Obersthufnieijitär ouil Obenst-
kimmerer der Erzherzoi^e Rudolf uud Mathias. HZR., Iö76, f S13.
i
166
I Die Instruction Dietrichstein's enthält im Ganzen 23 Para-
^phc gegen 26 Absätze der alten Instruction. Der §. 3 der
Uten Instruction wurde in derselLen ausj^elassen, weil bei dem
Empfange der fremden Gäste nur der kaiserliche übersthof-
öaeister zu interveniren hatte. In §. 10 (alt 11) und §. 17 (alt 18)
mirdc die Aenderunfj vorgenommen, daas dem Obersthofmeister
iie Controle über das Hofstaatspersonal obliegt. Im §. 20 (alt 21)
Irurde das Verbot des Fleischgenusses an Fasttagen ausgelassen.
' Der §. 22 der alten Instruction bezweckte, die Ueber-
kstnng des Hofpersonals mit Geldzinsen und bei der Wohnungs-
niethe hintauzuhalten, worauf sowohl der Obersthofmeister als
lach der Obersthoftnarschail ihre Aufmerksamkeit lenken sollten,
(n der neuen Instruction blieb dieser, sowie auch der 25. Ab-
iatz gänzlich weg.
Es scheint, dass im Jahre 1583 eine Revision dieser, ur-
jprünglich für den crzherzogUchcn Obcrsthofmcistor geltenden
Instruction geplant wurde, denn wir sehen in der Vorlage, dass
n derselben bei den §§. 12 und 19 neue, zeitgcmiisse Aenderungen
ingedeutet wurden, die in einer neuen Instruction Aufnahme
mden sollten. Thatsächlich finden wir spilter eine neue lu-
Itruction' vor, in welcher die §§. 12,21,23,25 der alten In-
ttruction ausgelassen sind, und welche am Anfang des 17. Jahr-
»underts gegolten hat. Ob dieselbe auf Veranlassung Dictrich-
itcin's zu Stande gekommen ist, lilsst sich jetzt nicht mit
Bestimmtheit behaupten, doch ist es wahrscheinlich.
Um eine authentische Interpretation gewisser dunkler
«eilen zu veranlassen, hat Dietrichstein damals bei Kaiser
iudolf IL augefragt, ob er ihn für die erste Person nach ihm
tu halten gedenke, worauf resolvirt wiirde, dass darüber gegen-
Iber ftlrstlichcn Personen Zweifel bestehen können. Weiter
rurde der §. 2 in dem Sinne erläutert, dass er sich auf feier-
L
' ' Httndjtchrift der k. k. Hofbibliotliek 14076. welcUo Jou Titel rübrt; Be-
I Schreibung des gtintzen iiurgnudixcboii Hofgtaat«, wie derselbe bei dem
' Hause von Oeoterreich in Deiner Ordnung llblich und im Uraucli war,
was nomblicb filr Officior, Rätbo und Diener bestellt, was die Verrich-
tung und dagegen Unterhaltung gewost, so viel man dessen vor achtzig
Jahren her» schriftlichen Bericht und aus Erfahrenheit Nachrichtung
haben kann, f. 2* — T". Uie Handschrift filllt wahrscheinlich in die letzten
Begierungsjahro des Kaisers Matlii.is. AelinliLlii« Kesebreibung befindet
■iob im Archive des Keichg-Finanzministeriums (Meiller, >S. 24).
liehe Kriiuungon, Huldigungen, Kurftlrstentage, Bankette u. dj;l.
beziehe.
Dietrichstein versuchte auch eine bestimmte Keaolutioii
des Kaisers über den Silberkttmmerer zu erwirken, weil in seiner
Instruction stand, dass in dessen Abwesenheit eine würdige
Person zur Verwaltung dieses Amtes bestellt werden solle. Er
selbst richtete sich darnach und bestimmte einen gewissen Edel-
mann Bennato dazu.' Auch hat er bei dieser Gelegenheit einen
Secrctar verlangt, welcher die laufenden GeschSftc des Oberst-
hofmeisteraintes rcgistrire, und hat somit schon damals die Er-
richtung einer selbstständigon Kanzlei befürwortet; doch wir
finden nirgends eine Notiz über diesen Secretär, so dass es als
gewiss gelten kann, dass ein solcher nicht bestellt wurde.
Nach Dietrichstein hat das Obersthofmeisteramt in den
Jahren 1587 — 1593 Wolfgang Rumpf Freiherr zu Wuelross
verwaltet; erat im Jalire 159-4* sehen wir ihn als d^n eraannten
Obersthofmeister. Als GehaJt bezog er 3000 Reiehsgulden, da
er aber auch die OberstkiimmerersteUe versah und ausserdem
noch geheimer Kath war, wurden ihm noch 1000 Gulden zuer-
kannt.^ Er war bei Kaiser Rudolf II. in hohen Ehren, bis er
am 28. September 1600* plötzlich des Dienstes entlassen wurde.
Noch im Jahre 1605 kommt Friedrich Graf von Fdrstenberg
als Obersthofmeiater vor,^ welcher jedoch vielfach zu Gesandt-
schaflsreisen verwendet wurde. Neben ihm zuerst als Ver
Walter dieses Amtes, dann (1606) als Obersthofmeister folgte
Carl von Liechtenstein; dieser legte im Juli des Jahres 1607
selbst das Amt nieder, nachdem er gesehen hatte, dass er beim
Kaiser nicht mehr in Gnade stehe," worauf dann Cardinal Franz
von Dietrichstein eine kurze Zeit das Amt versah' und neben
* ßoricht über die Sitzung vom Jahre 16fil. Or&fl. Harrnch'scbea Arcliiv,
Fase. 84.
» HZR., 1594.
* Seit 1540—1676 betrug die Bestallung des Oberstliofmeiaters 8600 fi.
Dietrichstein erhielt fOr seine langjährigen treuen Dienste noch 150<i
Beichsgnlden, so dass er 4000 Beichsgulden Oehalt hatte. Handschrift
14076, f. 2.
* Harter Fr., Geschichte Kaiser Ferdinands II., Schaffhnusen 1861,111, 36..33.
» HZR., 1606, f. 243 fc, 279''.
* Harter Fr, 1. c, VI, 469, Anm. 169; Falke, Geschichte dea Haa.<)es
Liechtenstein II, 142. 153.
' Falke, 1. c, 165.
467
ihm &]s Vice-Oberethofmeister Ernst von Mollart thätig war (bis
1608).» Am 23. September 1608 wiirdc Jakob Adam Graf von
Attems Oberstliofmeister, und nach einem Jahre (1600') folgte
demselben in dieser Stellung Georg Ludwig Landgraf von
Leuchtenberg (—1612).»
Bei dem Erzherzog Mathias waren folgende Obersthof-
meister angestellt: Heinrich von Liechtenstein ( — lö84),^ dann
Freiherr Strein von Schwarzenau,* Jakob Freiherr Breunor,
zugleich ObersthofmarschaU ("f- 1606),^ nach ihm Ernst Frei-
herr von Mollart*"' als Verwalter des Amtes, im Jahre 1Ü12 bis
1617 Friedrich Graf zu Fürstenberg/ dann im Jahre 1617 bis
1619 Leonhard Helfried Graf von Moggau.
Der Obersthofraeistcr der Kaiserin Anna, Gemahlin des
Kaisers Mathias, war im Jahre 1612 Graf .Sigismund Lamberg.*
Die Reihenfolge der Oberstbofmcister des Erzherzogs,
späteren Kaisei-s Ferdinand H. ist folgende: Jakob Adam F'rei-
herr von Attems (1582 — 15i)0),'-' Balthasar Freiherr von Scbratten-
bach (1590 — 1615), Hanns Ulrich Freiherr (später Flirst) von
Eggenberg (161Ö — 1621),'" nach welchem dieses Amt eine kurze
Zeit von Leonhard Holfried Grafen von Meggau verwaltet wurde,''
dem auch damals vom Kaiser der Titel eines Landobersthof-
tneisters verheben wurde. Im Jahre 1622 wird er nicht mehr
als Obersthofmeister angeflihrt, dagegen wird Wolf Sigismund
Graf von Losenstein als Vice-Obcrsthofmeister genannt.'* Schon
am 4. JUnner 1624 wurde Fürst Gundakher von Liechtenstein
«u diesem Amte erhoben und besorgte es bis zum Jahre 1634,"
' Starzer, 1. c, 206.
* HZR., 1611 — 1614, f. 304»; 1609, f. 40«.
« Falke, 1. c, U, 106.
* Harter, 1. c, V. 73.
» HZB., 1606, f. 762. — Starzer, 1. a, 220, Anm. 3.
* Stanser, 1. c, 205. Er war in den Jalireii UiäS -159& OUarKtkämmerer
und ObersthofmeUteraiaU-Vorwaltor dos zum >Stnttlialter iu ilun Miodcr-
landen emanuten Erzher/ugs Ernst.
' Hammer-Purgstall, Khle»!'» Leben, Wien 1850, IU, 4.
* liammer-Piirgstall, 1. c, 6. 6.
* Hwof, Die Orafen von Attems, Oras 1897, 9.
'" Hofstatns vom Jahre 1619, Ora« vom 10. Decembor, in der Handschrift
der k. k. Hofbibliothek, Nr. 8102.
*' 8tieTe, Der obcrOsterreicliisclie Baueruaafgtand U, 13. Anm. 6.
" HZB., 1622, f. ö" und 193.
" Falke, 1. c, n, 286.
458
und nach ihm wieder Loonhard Helfried Graf von Meggau bis
zu dem Tode des Kaisers.'
Die Thätigkeit des Fürsten Liechtenstein war dauials
gross und bezog sich sowolil auf die Hof- als auch auf die
Staatsangelegenheiten. Er organisirtc die Hofhaltung, besonders
die Hofkammer, und setzte sich namentlich fUr die Erricbtung
einer llittcrakademie nach französischem Muster ein. Unter
ihm fand eine Revision der obcrsthofmeisterischen Instruction
statt, zu welchem Zwecke er eine allerhöchste Resolution ein-
holte, wie uns eine Erwähnung in seinem Schreiben vom H. Juli
1625 belehrt.»
Damals wurde erörtert, ob die Rechnungen des Oberst-
kämmerers und dos Obcrststallmcistei's unter die Controle dos
Obersthofmeisters gehören. Es wurde vom Kaiser darüber
resolvirt, dass diu diesen Uofstftben unterstehenden Beamten
nur von ihrem Chef abhängen, die Rechnungslegung der Kammer
nur dem Oberstkämmerer unterstehe und folglich in die MacLt-
Sphäre des Obersthofmeisters nicht gehöre; dagegen sollten die
Oberststallmeisteramts-Rcchnougen in Gegenwart des Oberst-
hofmeisters aufgenommen werden.
Ueber den zu leistenden Eid wurde beschlossen, dass die
Hofknmmer- und Kriegsratlispräsidenteu den Eid in die Hände
des Kaisers ablegen und nur die Reichshofräthe, welche vom
Obersthofmeister installii't werden, nach der alten Ordnung voii
diesem beeidigt werden. Die ungarischen und böhmischen Hof-
rätlie wurden ihm auch diesmal nicht unterworfen.
Die Beamten mussten der Instruction gemäss, wenn sie
verreisten, ihre Reise dem Obersthofmeister melden. Von jetzt
an konnton die wirkliclien geheimen Räthe, wenn sie vom
Kaiser Urlaub erhielten, es dem Obcrstliofmeister melden, oder
auch nicht-, fUr die übrigen Beamten seines Hofstabes blieb
der Meldungszwang bestehen, und nur der Obersthofmeister
der Kaiserin wurde davon ausgenommen.
Der Obersthofmeister und der Obersthofmarschall sollten
jedes Vierteljahr das Hofpersonal mustern, auf die Einhaltimg
der Instructionen und Führung der Invontarc ihre Aufmerksam-
keit richten; der UberstkUramcrcr und <.>berststallmeister unter-
> Hurter, 1. c, VI, 668.
* In dem Ueriuhto Ubor die Commission roni Jahre 1651.
4B»
standen ihnen in dieser Richtung nicht. Die Evidenz über die
Beamten führte der Oberstliofineister laut §. 16 der Instruction
auch jetzt noch weiter.
Alle Einkäufe musston in Gegenwart des Hofcontrolors
geschehen. Die Beamten des Obersthofnieisters, besonders der
Hofcontrolor. sollten in Correspondenz mit dem < >bcrstk!imnierer
nnd Oberststallnieiater stehen und mit ihnen Fuhlunsj haben,
und umgekehrt. Kam etwas bei Hofe vor, was den Oberst-
käramorer oder den Obcrslstallmeister nicht anging, so hatte
nur der Obersthofmeister sein Gutachten ilariiber abzugeben.'
Die ( >berstbofmeister Kaiser Ferdinands III. waren: (Jraf
Thun, 1630 — 1633, Maximilian Graf von Trauttmanstorft' bis
1650* und nach ihm Maxiraihan Fürst von Dietrichstein, welcher
•ui ti. November 1655 verstarb.
Unter Kaiser Leopold I. waren folgende Obersthofmeister:
Johann Ferdinand Fürst von Portia (1054 — 1665), Wenzel
Eusebius Fllrst von Lobkowitz (11365 bis October 1674), Ver-
walter dieses Amtes Franz Eusebius Graf von Pötting, seit
29. Juni 1675 — 1682 Johann Maximilian Graf von Lamberg,'
16«2— 1683 Albrecht Graf von Sinzendorf, 1683 bis 28. No-
vember 1698 Ferdinand Josef Fürst von Dietrichstein, 1699 bis
1705 Ferdinand Bonaventura Graf von Harrach.
Obersthofraeister des Königs Ferdinand IV. w^ar seit dem
Jahre 1650 Johann Weikhard Fürst von Auersperg.
Unter den Nachfolgern des Fürsten Liechtenstein geschah
es, dass die gute alte Ordnung scliun ziemlich zerfallen war
und manche Unordnungen in die Verwaltung sich eingeschlichen
batten. Weil nun unterdessen aach der Hofstaat sich bedeutend
vermehrt hatte, hat mau nach Abgang des Grafen Trauttmans-
torfif die Nothweudigkeit eingesehen, an die Sanirung der Uebel-
stände zu denken imd die Einrichtungen den Anforderungen
der Zeit anzupassen. Es wurde also im Jahre 1651 einigen
Uofräthcn aufgetragen, die bisher geltenden Insti-uctionen der
' Bericht fiber die Cummisaion vom Jalire 1661.
' Roch, Geschichte des dcatachen Reiches unter der Regierung Ferdi-
nand.<i III. Wien 1865, I, 16.
' Am S9. Juni hat er di<ii Eid nb^elegt. (8ein Schreiben ddo. 11. .Inli 1676
an den Grafen von Hnrr.nch. ilarrncb'sches Archiv.) Sein Gelialt w.ir:
7000 Galdon und auf die Freitafel 12.000 Keichs^^ilden. Handschrift der
k. k. Hofbibliothek 12388.
460
vier Hofstäbe dorchzagchen und darQber zu berichten, inwie-
weit sie einer Verbesserung bediirftip wären.
Diese Commission' war der Ansicht, daas es schwer 8«i,
in den Instructionen etwas grfindüch zu verbessern, und sie hielt
flir angezeigt, keine neuen Statuten zu verfassen, noch eise
Reformation vorzunehmen, weil eine solche schwer und auch
odios wäre und daraus noch grössere Schwierigkeiten entstehen
könnten. Ihre Gründe hielt man für wichtig genug, so das
man die ganze Verhandlung wieder von der Tagesordnung ab-
setzte und sich mit etUchcn Zusätzen zu der alten Instrnctioo
begnilgte, welche dann in Gegenwart aller Hofchargen cinzeb
berathen wurden.
An erster Stelle handelte man über die Instruction de»
Obersthofmeisters, wobei auf die Anregungen des F'ürstcn
Liechtenstein zurtlckgegriffen wurde. Auch wurden dabei
einige Punkte berührt, über die schon Dietrichstein eine Reso-
lution verlangt hatte, vor allen der Punkt, ob der (Jbersthof-
meister noch jetzt fUr die erste Person am Hofe gelten solle
oder nicht. Kaiser Rudolf FI. gab es damals zu, später jedoch,
besonders unter Trauttmanstortf, wnirde die Instruction häufig
nicht befolgt. Jetzt beantragte die Commission, es solle bei dem
alten Brauche verbleiben.
Auch in Bezug auf die §§. 2 und 3 wurde, wie schon
Dietrichstein ersucht hatte, eine bestimmtere Fassung in Er-
wägung gezogen, da darin eine Verschiedenheit der AufFassiuig
bestand und unter Trauttmanstorff Vieles unterlassen wurde,
was aber Graf Cavriani, Obersthofmeister der Kaiserin, gegen-
über dem französischen Gesandten beanspruchte. Es war zwar
nicht möglich, ftlr Alles eine Regel aufzustellen, aber in diesem
Punkte war man der Ansicht, dass der Obersthofmeister nicht
den fremden Fürsten entgegengehen solle, sondern, wenn diese
zur Audienz kommen, solle er seiner Instruction gemäss ihnen
vorangehen; dagegen solle er bei dem Empfang der Kurfürsten
jedesmal die kaiserhche Entscheidung einholen.
Weil nun bei dem Empfange die verschiedensten Fälle
vorkommen könnten, welche auch eine besondere Bchandlang
erfordern würden, beantragte man die Zusammenstellung eines
Der Bericht mit anderen Acten in dem gtiä. Hamich'«cheu Arehire,
Fase. 24.
461
I
I
I
I
I
Ceremoniales, in dem AUes näher speciticirt sei. Es scheint
aach, als ob damals wirklich ein Ceremonienbuch verfasst und
so der Anfang zu dem Ceremonienamte gelegt worden wäre,
welches damals der dem Obersthofmeister schon definitiv zu-
gewiesene Secretär verwaltet hat.'
Was den §. 14 der Instruction betrifft, wollte die Com-
mission beigesetzt haben, dass neben dem Obersthofmeister und
dem Obersthofmarschall auch der Küchenmeister, der Controlor
und Jemand von der Kammer bei der Quatemberrevision er-
scheinen mOge.
Schon früher hat Dietrichstein die Ernennung eines Unter-
silberkttnmierers angeregt. Dieser Vorschlag wurde jetzt auf-
genommen, und zwar aus dem Gründe, dasa es sich öfters er-
eignen kann, dass der Kaiser mit seinem Hofstaat verreist und
die junge Herrschaft zu Hause bleibt, welche auch bedient
werden müsse. Zu diesem Amte sollten die zum Hofdienst sich
meldenden Cavalicre bestimmt werden und es der Reihe nach
verwalten, bevor sie zu Kammerherren aufgenommen werden.
Der Absatz, welcher über die Beichtzettel handelt, sollte
nach der Meinung der Commission bleiben, doch mit der
Aonderung, dass jeder Hofstab die ihm untergeordneten Beamten
tiberwachen imd die Zettel dem Obercaplan (capellano major)
einhändigen solle.
Bezüglich des Secretärs, welcher dem Obersthofmeister
zur Seite gestellt wurde, beantragte man, dass dazu ein Hof-
secretär mit 400 Gulden Gehalt dcsignirt werde, dem auch die
Ceremonienangelegenheiten zu übergeben seien.
Die Frage über die Zutheilung der Wohnungsräume in
der Hofburg löste man so, dass der Oberstkämmerer über die
kaiserliche Wohnung zu disponiren habe, der Obersthofmeistor
aber über die übrigen Zimmer.
Schliesslich war die Commission der Meinung, dass die zur
Zeit Kaiser Rudolfs H. für Dietrichstein bestimmte Instruction,
wie sie dann auch dem Grafen Trauttmanstorff eingehändigt
wurde, noch weiterhin zu gelten habe, dass jedoch in einzelneu
* Aiu diener Zeit stammt das in der gräfl. Hiirracli'«chon Bibliothek auf-
bewahrte Ceremonienbuch, Nr. 203: .Etiqueta« generale« ((iie linn de
oboeryar los criados de la caaa de Sn Majostad en el nso j exercicio de
oficioB.' (179 Blatt in FoUo.)
462
Fallen, die nicht näher angeführt werden, der Obersthot'meister
die kaiserliche Resolution einholen solle. Thatsilchlich Hnden
wir auch eine Abschrift der alten Dietrichstein'schen Instruction
noch im Besitze des Obersthoimeisters Gral'en von Harrach.
DasB es trotzdem unter den einzelnen Würdentrilgcrn
nicht an Reibungen wegen Ueberschreitung ihrer CompetcM
fehlte, wozu auch öfters die Rivalität der einzelnen Familien
das Ihrige beigetragen hat, lässt sich leicht erklären. Schon
in den Jahren 1637 — 1652 hat die Hofkammer den Huebhaus-
kuUer, sowie die Auszahlung der Besoldungen an sich gezogen,
was unzweifelhaft in die Sphäre des Obersthofmeisters gehörte.
Es entstand dadurch eine nicht geringe Verwirrung, die um so
grösser war, als dem Obersthofmeisteramte auch die Anzahl
der vom Hofe beurlaubten und abwesenden Personen unbekannt
blieb. Im Jahre 1675 entstand wieder ein Streit darum, das
die Hofkammer den Einkauf von Speisen und Trank ohne
Wissen des Vice-Oberstliofmeisters Grafen Pötting besorgte. In
der an den Kaiser gerichteten Beschwerde wurden noch andere
Mängel berührt, (iraf Pötting machte darauf aufmerksam, dat»»
dem Grafen Trauttmanstorff, während dessen Amtszeit Alles in
der besten Ordnung war, immer der Kostwein gebracht wurde,
der Kauf mit seinem Vorwnssen abgeselilossen und der Kammer
nur die Auszahlung uotiticirt wurde. Weiter sagte die Be-
schwerde, dass das Oberstbofmcistcramt, welches doch die Richt-
schnur sein solle, nicht einmal wisse, wer bei Hofe bedienstet
sei, weil die Abrechnung über die Absenzen, die Unterfertigung
libor die gelieferten Waarea ihm nicht mehr zugestanden werden,
dass der Ilofzuschrotter ohne Wissen des Hofktichenmeisters
und Conti'olors Passbriefe ertheilc und auf solche Weise manche
Saclien von der Kammer passirt werden, welche der Obersl-
hofmeister nicht bewilligt habe.
Die Hofkammer entschuldigte den Vorgang mit einem
durch sie abgewickelten Geschäfte, welches unter dem Oberst-
hofmeister Fürsten Portia stattgefunden hatte, das aber nur
darum ungerügt geblieben war, weil inzwischen der Fürst ver-
starb (1665). Den ganzen Streit erledigte Kaiser Leopold mit
seiner Resolution vom 15. Juli 1675 auf folgende Weise: ,Es
ist billig, dass das (^bersthofmeisteramt bei seinen Prärogativen J
und Rechten maintenirt werde, absonderlich dass es gehalten
werde, wie es zur Zeit des Grafen Trauttmanstorff gehalten
468
»worden. So ist auch nndisputirlich. dass alle Ordonnanzen vom
'Obersthofmeister ausgefertigt werden."
Während dieser Zeit gewann die ObcrsthofmcisterwUrde
,auch an politischem Anselien, was sich dadurch erklilren lilsst,
idass der Obersthofmeister zugleich politischer Minister war.
jßo war der Obersthofmeister Graf von Meggau als Conferenz-
fminister thätig,* und dasselbe gilt auch vom Grafen Trautt-
'inanstorff. Ueber seine Functionen wird jetzt schon ausdrück-
llich gesagt, dass er ,Director des geheimen Rathes ist und
Allen vorangeht'.' Dasselbe sehen wir auch bei dem Fürsten
;von Lobkowitz (1G67 — 1674) und bei seinem Nachfolger Grafen
{*ron Lamberg, welchem nach dessen eigenen Worten der Kaiser
,liohe Praerogativen verliehen hat, so den ersten Platz und
fPraecedenz vor den FUi"steu', und dem er gestattet hat, dass
(die Conferenzen in seiner Wohnung abgehalten und die politi-
'Bchen Depeschen ihm vom Kaiser zuerst eingehändigt werden.*
fAuch Graf von Harrach fungirte während seiner AmtsthUtig-
jkeit als erster Conferenzminiater.
r Das Amt des Obersthofmeisters erlosch mit dem Tode des
Begenten oder mit dem des Würdenträgers. Es konnte auch
löiedergelegt werden, wie es im Jahre 15ü7 Leonhard Freiherr
ifon Harrach gethan hat. Einige Male kommt aber auch die
.Amtsentsetzung vor. Im Jahre 1600 wurde Wolfgang Freiherr
Won Rumpf, der damals mit dem Obersthofmarschall Trautson
Um Ungnade fiel, seines Amtes enthoben. Auch Fürst von Lobko-
'Witz wurde im October 1674 abgesetzt, jedoch nach vorher-
Igegangener Berathschlagung der obersten Hofchargen mit dem
Vicekanzler Hocher.
( Die Functionen der Obersthofmeister der nicht regierenden
•Mitglieder des kaiserlichen Hauses wurden nach demselben
Illuster geregelt, jedoch in gewisser Hinsicht beschränkt. Das-
selbe gilt auch von den Obersthofmetsterinnen der Kaiserin und
der Erzherzoginnen, deren Instructionen wir nicht besitzen.
i ' Die betreffenden Acten betinden sich in dem Faso.. 24 des gräfl. Harrncli-
Bcben Arcbives.
* St«rzer, 1. c, '224.
* Handschrift der k. k. Hofbibliothek 7249, f. 285V
* Schreiben vom 29. Juni 1676 an den Grafen von Harrach (grtfl. Har-
nich'schos Archiv).
AnkiT. LXXXVri Rd. D. BUtt». SO
b.
Nach dem Muster der obersthofmeisterischen Instruction
haben auch adelige Geschlechter für ihre Haushofmeister ahn-
licli lautende Verwaltungsregeln verfasst. So bestand schon seit
deiu Jahre 1590 eine solche Instruction in der Harrach'schen
Familie.* Auch Ftirst von Lobkowitz hat auf ähnliche Weise
seine Hofhaltung eingerichtet.*
Die zweite Ilofwürdc war die des Obersten Hofmar-
schalls. Diese Rangordnung ist sowohl aus dem Schematismus
des Jahres 1551* '^ ersichtlich, sowie aus dem vom Jahre l.öOt),*
welchen Kaiser Maximilian 11. am 1. Februar unterzeichnül
hat; auch in dem nach dem Tode Kaiser Rudolfs (IG 12) ver
fasstcn Schematismus ist diese Rangordnung erhalten.' F^rst in
dem Schematismus vom Jahre 1(J1'J'' finden wir, dass der Oberst-
kämmerer dem Obersthofmarschall vorangeht, so dass wir an-
nehmen können, dass diese Aenderung erst im Anfang de*
17. Jahrhunderts geschehen ist. Aus denselben Quellen geht
hervor, dnss unter seine Ingerenz die Hofkanzlci und deren Ilof-
räthe, der Ilofkriegs- und Hofkammerrath, die verschiedenen
Kanzleien (die böhmische, ungarische, deutsche, lateinische) und
die H'tfkanimerkauzlei gchürten.
Der Oberathofmarschall besass die richterliche Gewalt
über alle dem IlufstiuUe angehörenden Personen, über die beim
Hofe verweilenden fremden Füi-sten, Gesandten u. dgl.' Er
sorgte ftlr die persönliche Sicherheit des Herrschers und des
fürstlichen Nachtlagers, dieses im Vereine mit dem Hofquartier-
meister. In Abwesenheit des Obersthofmeisters verwaltete er
dessen Amt; war er selbst abwesend, so wurde zur Verwaltung
seines Amtes eine geeignete Person verordnet Einige Angelcgen-
hi'iten besorgte r-r mit dem Obersthofmeister.
In seiner Hand beruhte die richterliche und polizcihchG
Gewalt über das gesammte Hofgesinde, sowie auch über die
Dienerschaft des Reichshofrathes, Streitigkeiten unter dem Hof-
' In der grüfl. Harrach'scbon Bibliothek. Handschrift Nr. 30U.
• Adnm Wolf, Filrst Weiixol von Lnbkowita, 1809, S. 37.
• Hofbiblinthek, Handucli rift, Sujipl. Xii'i.
• In der ^Kfl. Hnrraeli'tiüben Bibliothek. Handuclirifl Nr. 8.
' Handschrift der k. k. HofljibliothQk 1.3621.
• Hofbibliothek, Nr. 8102.
' Alf. Ritter v. Wretschko, Da« Osterr. Marschallanit im Mittelalter, ISS ff.
Wien 1897.
gesinde des Kaisers und der Kaiserin wurden auf die Weise
ausgetragen, dasa der Obersthoftneister zuerst eingriff, der Oberst-
hofniarschall aber entschied.
lieber die Ausgestaltung des Ho{'rnar8ch!iIlgerichtes sind
wir wenig unterrichtet; nur so viel ist klar, dass zu demselben
nach Bedarf einige Käthe beigezogen wurden. Auch ein Hof-
rathssecrefilr und ein tauglicher Schreiber konnten zu diesem
Zwecke bestellt werden.
Die Stelle des Obersthofmarschalls versah unter Kaiser
Ferdinand I. Philipp Freiherr von Breuner. Im Jahre 1559
finden wir in dieser Stellung Lconhard Freiherrn von Harrach,
mit einer Besoldung von jährlichen öUO Gulden. Vom 1. August
1559* bis zum Jahre 1565 war Hanns Trautson, Freiherr zu
Sprechenstein und Sclirofenstcin, Ohersthofmarschiill, dessen Ge-
halt mit 400 Gulden bemessen war, und nach ihm bis zum Jahre
I 1575 Ludwig Ungnad, Freiherr zu Sonneck, mit einem jährhchen
Gehalt von 1000 Gulden." Ihm folgte unter Kaiser Rtidolf II.
Otto Heinrich von Schwarzenberg,'' der, weil er zugleich Rcichs-
hofrathsprasident war, einen Gehalt von 1200 Gulden bezog
(bis 1580). Seit dem Jahre 1581 war Paul Sixt Graf Trautson
Verwalter dieses Amtes; er wurde ein Jahr spiiter (1582) an
dessen Spitze gestellt; weil er zugleich Keichshofrathspräsident
war, hatte er einen Gehalt von 2000 Gulden nebst einer Zubusse
von 400 Gulden. In dieser WUrde verblieb er bis zum Jahre
KiOO, wo er zugleich mit Rumpf aus dem Hofdienste schied.
Nach ihm betraute Kaiser Rudolf H. Jakob Freiherm von
Breuner mit dem Amte und nach dessen Tode (1(>06)* am
1 . September Ernst Freiherrn Mollart.* Aber noch gegen Ende
desselben Jahres finden wir den Adam Jüngeren von Waldstein
als Obersthofmarschall,* welcher im Jahre 16 10 dem Freihen'n
Ernst Mollart wich, dessen AnitstVdirung mit dem Tode des Kaisers
(1G12) erlosch.'
• HZR, IB60, I, f. aiB'-, II, f. 113»; Harter, 1. c, III, 3G, Anm. 86.
» Hofbibliothek. Handuchrift UG76, f. 31.
' Er war bis itmn Jalire 1676 OherHthofnieistor linr Erzherzof^n Eliiuibeth,
Kfinigin-Witwe von Frankreich. (MZK., 1576, f. 120, 131.)
• ßtfUüor, 1. c, 206. — HZK., 1606, f. 215». (f 30. Juli 1606.)
» HZR., 1606, f. 21Ö«, 1607, f. 116«.
• nZK., 1606, f. 294.
• HZR., 1611 — 1614, f. 488''.
30*
466
Als Obersthofmarscliall dos Erzheifl^flifcthias finden wir
bis zum Jahre 1588 Adam Popel von Lobkowitz,* dann bis
zum Jabrc HiOl den Grafen Johann Wilhelm von Losonstein.
Als Mathias im Jahre IG12* die Kaiserwürde erlangte, war sein
Obcrstliofinarschall Adolf Sigismund Graf von Losensteio
(bis 1619).»
Unter Kaiser Ferdinand ü. bekleidete diese WUrde vom
Jahre KilU an Sigismund Friedrich Graf von Trauttraanstorff,* im
Jahre IGlt) Hanns Bernhard Graf von Herberstein* und naeh
dessen Demissinn bis zum Jahre 1G2G Georg Ludwig Graf von
Sehwarzinberg; vom Jahre 1G2G bis zu dem Tode^sjahre de*
Kaisers (1637) war Leonhard Carl Graf von Harrach Oberst
hfifmarsehall, wek-ber im Jahre 1639 zum Obersthofmeistor de«
Erzherzogs Wilhelm befördert wurde.
Wilhrend der Regierung Kaiser Ferdinands III. war (vom
Jahre 1G27) bis zum J.ahre 1646 ObersthofmarschaU Georg
Ludwig (iraf von Schwarzenberg." Sein Nachfolger war Heinrieb
Wilhelm Graf von Starhemberg (f 1675); während seiner kurzec
Abwesenheit im Jahre 1671 — 1672 hat Ferdinand Bonaventura
Graf von Harraeh' sein Amt verwaltet. Nach ihm kam Franz
Eusobius fJnif von Pötting (f 29. December 1678),» ihm folgte
Albrecht Graf von Sinzendorf mit einem Gehalt von 1382 Gul-
den und vom Jahre 1684 B^'erdinand Fllrst von Schwarzen-
berg." Seit dem Jahre 1G92 war Gottlieb Graf von Windisch-
grätz " Obersthofmarschall.
Die erste bekannte Instruction iVir dieses Ilofamt stammt
aus dem Jahre Inöl, ist also gleichzeitig mit der Instruction
des Obersthofmeisters (Beilage 3).
lieber das Hofuiarschallsgericht spricht sie nur allgemein,
die geriehtliehe Proeedur wird darin nicht eiiimaJ Hngcdeutet.
Als Jakob Freiherr von Breuiier zu diesem Amte gehmgte nnd
' HZR., 1680.
' HZK., 1575, f. 13ß. - namiiier-Purgstall, 1. c, III, 4.
» HZR., 1621, f. 105», 1619, f. 235«.
♦ Hiirter, I. c, V, 161.
" Haudflchrift der k. k. Hofbibli.itliek 8102. HZK., 1610, f. 694.
" Handsclirift dor k. k. Hofbibliotliek 724B, f. 328. IIZR., 16S5— 16i<J, f. 71'
' Kaiserlichen Decret im gthä. Hnrracli'solien Archive.
" Haiid.sehrift dor k. k. H.jn>il>lioth('k 7418, f. 62^ IS388, 14071, f. Hü
» n.iiidspl.rift dnr k. k. llnfUilriii.thok 14443.
•" Handschrift der k. k. Uufbibliotliek 142ü'.>, f. 143.
467
mehrfache Zwistigkeiten sich ergaben, erkundigte er sich, welcher
Vorgang in früheren Zeiten bei diesem Gerichte eingeliulteu
worden war. Aus einem Schreiben' (Bcihigc 4) des Gnifen
Trautson, seines AmtsvorgUngers, ergibt sieh, diiss folgende
Grundsätze bei der Rechtspflege befolgt wurden.
Notorische Verbrecher, welebc von dem Hofgerichte ein-
gezogen waren, wurden dem Stadtgerichte zur Aburtlieiluug
überstellt, dessen Sentenz dann dem Ubcrsthofmurschall eiii-
gehilndigt wurde, welcher sie dem Kaiser zur Sanction vor-
legte. Wenn dagegen andere Instanzen, wie z. B. die Laiid-
officiere in Prag, Einspruch erhoben, wurde der Process durch
eine gütliche Vcreinbiirung mit di^iLsc^lben ausgetragen.
Bei nicht notorischon Verbrechorn, die nicht bei der That
ertappt wurden, führte das Hofmarschajigericht die Unter-
enehung, wozu zwei Mofriithe oder auch andere Gelehrte Itei-
gezogen wurden; quaiiticirte sifli die Schuld zu einem Criminal-
verbrechen, so wurde der Schuldige dem Stadtgerichte ein-
geliefert, welches auch das Urtheil Htllte. Das Verdict wurde
vor seiner Publicining dem OborsthofmarsehaJi eingehändigt,
welcher beim Kaiser die fernere Entscheidung einholte.
Unter dieses Gerieht gehörton nicht nur alle Ilofbcdien-
' steten, sondern aucli die Botschafter, Agenten, Procuratoren
sammt ihren Angehörigen, alle fremden FUrsten und Edelleute,
welche bei Hofe zu thun hatten, ferner die Kriegsobersten und
Hauptleute, die vom Kaiser oder von dem Hofkriegsnithe be-
stellt waren, auch die Handels- und Handwerksleute, welche
zu Hofe gehörten. Die von dem Lande bestellten Militär-
'personen und die herumfahrenden Leute waren unter den
* Schutz des Obersthofmarsclialls nicht gestellt.
Weiter war es die Pflicht des Obersthofmarschalls, die
Handelsleute zu erinnern, dass sie die Landesumhigen einzahlen,
wenn der Landtag solche auf verschiedene Waaren bewilligte
und ihm einen solchen Beschluss mittheilte. Befolgten sie seine
Mahnung nicht, so trieb er die Zahlungen durch Execution
'oder durch Gewalt ein; besassen Jedoch solche Kaufleute zu-
gleich auch das Bürgerrecht, so ging ihn die Execution nichts
mehr an. Bei Hausrevisionen, die bei den Handelsleuten vor-
hin Fase. 34 lies grätl. Harrach'gclien Arcliives. Eiiio zweite Abschrift
I betiudet aicli ebendurt iai Faiic. i.
468
genommen wurden, gab er den LatidtAgsverordueten, welche
solche Nachforschangen leiteten, seine Lcate mit. die dann
dabei intervenirten.
Als im Jahre IBll Kaiser Rudolf 11. auf die Regierung
zu Gunsten seines Bruders Mathias Verzicht leistete, stellte er
die Bedingung, dass alle Personen, welche im engeren und
weiteren Sinne zu dem kaiserlichen Hofe gehörten, der alleinigen
Jurisdiction des Hofmarschalls unterstehen und dieser in Aus
llbung derselben durch Niemand gehindert werde.' Die Coui-
missäre des Königs Mathias waren geneigt, seine Jurisdiction
bis zu einem gewissen Umfang anzuerkennen, wollton aber
durchaus nicht zugeben, dass der Hofmurschall direct den Blirger-
meistem und Hauptlcuton in Prag irgendwelche Befehle erthcilc.
Schliesslich wurde ihm doch die Junsdiction über alle zum Hofe
gehörigen Personen, zu denen auch Gesandte fremder MUchto mit
ihrem Gefolge gehörten, ungeschmiüert zugesprochen.
Die Instruction Kaiser Maximilians H. galt auch unter
dem Oboi-sthofmarschall Grafen von Losenstein, welchem am
21. Februar Kilo ein Auszug aus derselben übergeben wurde.*
Die allgemeinen Regeln blieben dann bis zum Jahre 1637 in
Geltung, wie das aus der von Kaiser Ferdinand EU. am 6. April
unterzeichneten InsU'uction ersichtlich ist." Nur einige Para-
gi'aphc wurden damals ausgelassen, sonst ist der Inhalt gleich.
Bei der am 27. Februar 1651 vorgenommenen Berathung
über die Organisation dieses Amtes wurden zuerst alle auf die
Gerichtspraxis abzielenden Punkte ausgeschieden, und man
verhandelte nur über diejenigen, welche sich auf die HofJionst-
Ordnung bezogen.
Bei dem §. 5 hob selbst der Ubersthofmarschall hervor,
dass derselbe nicht durchgeführt werde, da dazu keine Gelegen-
heit sei und er nur zu Streitigkeiten mit anderen Instanzen
t\lhre. Deswegen beantragte er, diesen Paragraph zu streichen;
wenn er aber beibehalten werden sollte, so möge in jedem Falle
die kaiserliche Resolution eingeholt werden.
Eine weitere Erörterung gab es auch bei dem Absatz 11.
Bei der Ansagung von fremden Botschat\ern ging es ziemlich
• Oindely, I. c, 11, .«K).
• K. n. k. Ilaiis-, Hof- tinil .StanUarcliiv, t, K. 1.
' ContraaigfDirt vuui M. Grafen 'rrauttiuaiiRtortT itad Secretär Schidenicx.
Im ^rHtl. HATrach'scben Archive, Faac. 24.
unordentlich licr, weil der Oborstliofmeister dou Befehl des
Kaisers durcli die Fouriere weiter ertheilte, diese ihn dann dem
Obersthofmarschall meldeten, worauf der Obcrsthofmiirschall
die (Irdonniinzcn nusführte. Nur wenn der (Jbersthofmoister ab-
wesend war, erhielt der Obersthofmarschali direct den Auftrag
vom Kaiser und ordnete das Weitere durch Hoflburiere an.
Es kam auch mitunter vor, dass in AbweHcnlioit des Oberst-
hofTnarschiills der Oberstkämraerer die Weisung bekam und sie
dann durch die Kammcri'ouriere den Iloffouriei'cn auftnif^en
liess, woraus manchmal Unzukürnmliehkeiten entstanden, über
welche sich das Botscbaftspersonale beklagte.
Ausserdem beanstindete der < )iier8thofmarscha]l, dass der
§.18 seiner Instruction, nach welchem er der Stellvertreter
des abwesenden Obersthofmeisters ist,' nicht eingehalten werde,
und drang auf dessen Befolgung sowohl bei den Kirchengllngen,
als auch bei den Empfängen.
Femer wünschte er, dass die §§. 13 und 15 über die Polizei
revidirt werden. Sonst beantragte er, dass die Instruction in
ihrem vollen Inhalte gelten solle, und dass in dem §. 17 der
Passus über dun Hofprofoscn, welcher seit den Achtzigerjahren
so genannt wurde, wieder eingeschaltet werde, weil er früher
aasgelassen worden war.
Bei dieser Gelegenheit kamen noch andere Sachen zur
Sprache. Der Obersthofmarsehall machte die Commission darauf
aufmerksam, dass die Hofdiener verschiedene Spiele in der
Wartstube treiben. Dieses sollte in Zukunft von den Trabanten
verhindert werden, und auch der CJardeliauplmann wurde ange-
wiesen, auf diesen Unfug achtzugcibeu. Zuletzt beantragte
der <.)bersthofmarschall eine neue Vorschrift über das Sechser-
fahren.
Diese Vorschrift sollte zwei Absiltze enthalten: 1. wer mit
sechs Pferden in der Stadt, nach dem Hofe und in die Burg
ssn fahren berechtigt ist, 2. wer nur mit zwei Pferden fahren solle.
Man wollte bei dieser Frage einen Unterschied zwischen
den Kcsidonzstädten machen. In Prag, Linz und Pressburg, wo
die Lage der Burg eine solche ist, dass man nicht leicht liinauf-
kommen kann, sollte das Sechserfahren in der Stadt und ausser-
halb derselben gestattet werden. Dagegen sollte es in Wien
> Oaaielb« erwähnt uoch der Statiu regiininis vom Jahre ItiST.
470
nur den fl\r8tlifhen Personen, den Botachaftern der gekrönten
und ihnen gleich gestellten Häupter, wie z. B. den Kurflireten
u. dgl. erlaubt sein, den Ahgcordueten der Reichs- und anderer
Ftirsten aber nicht; diesen sollte mau es nur in dem Faili'
gestatten, wenn sie bei dem päpstlichen Nuntius oder bei den
Abgesandten der gekrönten Hilupter ihre Aufwartung tuAchten.
In einzelnen Füllen konnte dieser Vorzug auch flir die
geheimen Hilthe gelten, doch erwartete man, dass auch diese
sieh darin einschränken werden. Der Palatin von Ungarn und
der Erzbischof' blieben bei ihrem bisherigen Vorrecht.
In die innere Burg sollten nur lUrstliche Personen und
Abgesandte der gekrönten Hilupter fahren, mit zwei Pferden
die geheimen Ilätho, die hohen Hofofticiere, der Statthalter, der
Landmarschall, der Feldmai-schall und der KriegsratliBprilsideut;
die Kilniinerer aber sollten bei Hof nur zu Ross erscheinen.
Üiireh dii- ( )rdnuiig vom Jahre lt)43 wurde zwar auch dcu
Kämmerern die Fahrt mit zwei Pferden zugestanden, aber seit
dieser Zeit wuchs ihre Zahl derart an, dass sie zur Aufstclliuig
ihrer Wsigen, besondere bei feierlichen AulUasen, nicht alle Platz
gefunden hätten.
Die Entscheidung über diesen letzten Piuikt wurde dem
Kaiser anheiragestellt und sollte dann auch in die Ilofpolizei-
Ordnung aufgenommen werden."
Schon im Jahre 1584 linden wir einen Schreiber, welcher
dem Obersthofmarschall zugewiesen wurde. Damals war «s
Virgil Weingarten, der einen Gehalt von 120 Gulden hatte.'
Später nannte man ihn Secretär. Als solcher wird im Jahre 1640
Peter Hilgcr angeflihrt. Ernannt wurde er von der Hofkanzlci.
Um die Gerichtspraxis tlieses Amtes zu ordnen, wurde
gegen Ende des 17. Jahrhunderts eine ,ObersthofmarschalLimbts-
Process- und Gerichtsordnung'* neu verfasst, welclie im Ganzen
19 Piirapraphc enthillt. Dieselbe ist wohl der Kammerprocess-
ordnung naciigebildet und diente im Jahre 1713 als Grundlage
' Bs wird nicbt angegeben, welrtiur.
* lierielit der Commigsuiu vom .I.ilirc 16öl im Faic. H des gtiä. Uamcli-
Bchen Archive«.
* HZR., 1684.
* Dieselbe wird im .latire ITOfl in einem Vensuirlinisse der .\ctcn des
grätl. Harrauli'gulien Arcliives urwilhnt. Handschrift der ^rüH. Harrkch-
sehen Sainniinng, Nr. W2.
471
bei der Zusammenstellung der neuen niederösterroichischon Laiid-
marschallperichtsordniuig. Auch jene theilon wir in ihrem vollen
Inhalte mit (Beilage 5).
Unter das ( )bersthofuiarschallanit gehörte auch der Stahül-
meister, welcher schon im Jahre 1572 mit einer Instruction
verschen wurde (Beilage 6). Diese Instruction wurde unter
Kaiser Rudolf II. geändert, indem die §§. '20 und 22 gänzlich
weggelassen wurden, dagegen ein neuer Zusatz eingeschoben
wurde, den wir unten anAihreu.'
Im Jahre 1560 war Stabelmeister Bernhiu-d von Manesis,
Freiherr zu Schwarzenegg," im Jahre 15ü2 — 1566 Caspar Gral'
zu Lodron, seit dem Jahre 1572 — 1576 Ilofrath Gabriel Strcin,
Herr auf Schwarzenau, dann im Jahre löSl Paul Sixt (traf
Trautson, welcher im uUchstcn Jahre zum Obersthofmarschall
vorrückte. Nach ihm wurde wahrscheinlich dieses Amt mit dem
Grafen Anton zu Arco besetzt, welcher es bis zu seinem Tode
(^15. April 160S-') bekleidete, dann (im Jahre 161ÜJ mit Arrideo
Bergonio. Im Jahre 1640 fungirte in dieser Würde Max Ernst
Burggraf zu Dohna.
Der Stabelmeister bediente den Kaiser bei der Iloftafel
zugleich mit den Truchscssen, beaufsichtigte das Auftragen der
Speisen, welche der Panathier auf den Tisch stellte. Er conlro-
lirte die zum Dienst zugewiesenen Ofticicre, gab das Zeichen
zum Auftragen der Speisen und sorgte für die (h'dnung. Wenn
Jemand von den fremden Personen oder von der Dienerschaft
sich unanständig benahm und der Obersthofracister oder der
Ubersthofmai'schall nicht anwesend waren, hess er ihn durch
den Huissier ermahnen. Er durfte sich nicht früher aus dem
Speisesaale entfernen, als bis der Kaiser von der Tafel aufstand
und sich in seine Kammer begab. Bei der Truchscssentafel
^vurde ihm der Vorsitz eiugerüumt.
Seit &Uher Zeit war dem Obersthofraarschall aucli der
Quartiermeister untorgeorduet. Als solchen ncnnl mau im Jahre
1548 Hamis Kheisler.^ Im Jahre 1560 war Andreas Kliiol-
mann' Quartiermeister, seit dem Jahre 1576 Hanns Jakob
Horbrath, welcher schon im Jahre 1584^ Hofquartiermeister
< Handschrift der k. k. Hofbibliotliek 14676, f. g«-— 13".
' HZR., 16Ö0. ' UZR., 1008.
' liZK., IMt). 0 UZB., IdGU, II, (. a'il^ * UZR., 1684.
genannt wird. Nach ihm be8org;tc dieses Amt bis zum Jahre
löHil Maximilian Wolgemuth, welcher noch zwei AmtscoUeg
(I'regorius, Bönl) hatte. In den Jaliren 1«508 — 1619 wird Mj
niilian do Cochi wieder als Quartierraeister angefahrt. Aaj
10. November lfi37 unterzeichnete Kaiser Ferdinand III. ein«]
Instruction für den Hofquartiermeistcr, welche dann am 23. Junti
10&7 von Kaiser Leopold I. bestätigt wurde.'
Die dritte Hofcliarge war die des Oberstkilmmorer^
AIh üolchen finden wir im Jahre 1561 Leonhard von Harnich^i
KreÜHirrn zu Rohruu, dem Kaiser Maximilian II. die in Lim
am 2. Milrz des Jahres 1562 ausgefertigte Instruction Qbei^cbeiij
hat (Beilage 7).
Seine Pflicht war, stets bei dem FUrsten zu sein uiilj
demselben in der Kammer aufzuwarten. Zu seiner Aushüfdl
waren die Kämmerer bestimmt, deren Verrichtungen nJlhe
geregelt wurden. Weiter war er verpflichtet, die ihm unteM
stehenden Personen bei ihrem Dienste zu beautBichtigeu, di»1
Invontare llber alte und neue Kleidungen (Garderobe) und die I
Hechiiungcn Über die Ausgaben zu führen. Er hatte die Ober
aufsieht Über die Schatzkammer, die Antiquitätcnsammlungen,
die Bibliothek und die Bildergallerie, über welche gi-ündliche ,
Verzeichnisse zusammengestellt wurden. Auf den Reisen besorgtsM
er im Einvernehmen mit dem Kammerfouricr das kaiserliche
Iloflager.
In die Schlafkammer des Ftlrsten hatte ausser den die:
habenden Kannuerherren und dem Kammerdiener Niemand
Zutritt. Schon damals galt als Zeichen des Kämmerers cia
(spllter goldener) Schlüssel zu der kaiserlichen Kammer, welch
jedesmal, wenn der Kämmerer verreiste oder unpässlich wurd
dem Oberstkilinniorcr zugestellt wurde. In dieser Zeit, sowi
auch später, war der Kammerdienst als die erste Stufe
dem Hitfdienste angesehen, und noch im Anfange des 17. Jahi
hunderts war damit auch der persönliche Dienst vcrbundei
(»egen die Mitte dieses Jahrhunderts wurde diese Würde schoi
vielfach verliehen, ohne dass die betreffenden Personen
Dienstleistung beigezogen worden wären,* aber immer wurde
* Im Fuc. 24 de« griifl. HnrrAchVcbeo Archive«.
* Im Jalire 1(>37 gab ee wirkliche Kämmerer und eiiio kleioo Anzahl ron'
HiiJereo, welche bloa Titalarkimmerer waren. .Status ro(;iiiiiui« etc.
dem Grundsatz festgehalten, dass sie sich in der Ntthe des Kaisers
•ufhaltcn. Mit der Instnietion vom Jalire 1562 wurden auch
alle früher nach dem niederländischen Gebrauche üblichen
Sportein abgeschafft.
Zu seinem Stabe gehörten: 1 oder 2 Leibärzte, 1 Wundarzt
nnd 1 Apotheker, 4 KaiunR'rdieuer, 2 Barbiere, 1 Garderobier
mit Gesellen, Kammerfourier, Heizer, Leibschneider, Schuster,
Hosenschneider, Leibwilschebeschliesserin, 3 — 4 Kammerthür-
littter.
Im Jahre 1559' umfasste die Kammer folgende Personen,
deren Verrichtungen durch eigene Instructionen geregelt wurden:
3 Kammerdiener, 2 Garderobiere, 1 Kammerfourier, 1 Zimmer-
heizer, 3 Leibärzte, l Apotheker. 1 Wundarzt, 2 Leibbarbiere,
4 Kammer- und Zimmerhüter, 2 Panathierc, 4 Horoldu, 1 Quartier-
aneister, 4 Hoffouriere, 1 Stabelmeister, 3 Fürschneidor, 5 Mund-
schenke, 1 1 Truchsesse, 9 Silberkälmracrer, 4 von der Kellerpartei,*
1 Küchenmensch,' ü von der Küehrnpartei, 6 Mund- und
Unterköche,* 3 Tapissiere, 1 Lichtkilmmerer,* 2 Wäscherinnen,
15 Trompeter, 1 Controlor," dann I Almosenspender, 1 Prediger,
9 Capellane, 1 Capeiimeister,' dann die ganze Capellc und die
Sänger. Dieser Personenstand vermehrte sieh allmiüig, so dass
er im 17. Jalirhundert sehr zahiroicli war und einzelne Func-
tionen noch getheilt wurden.
Bei der Commission im Jahre 1651 wurde die Instruction
dieses Amtes nicht in Berathung gezogen, sie scheint in der
ursprünglichen Fassung fortgedauert zu haben.
Als Gberstkämmerer werden angeführt: Von 1548 — 1559
Martin de Guzman.* Er hat das Amt noch im Jahre 1559
niedei^elogt; schon in der zweiten Häli^e dieses Jahres hat es
' Hnudschrift der k. k. Uofbibliothek, Suppl. 3323.
* Die Instruction tu der Haiidscbrift U676, f. 221>'— 228*, und zwar:
1. fQr deu Sumnielier, 2. fiir 3 Uuterkeller, tiXr 2 Kellonicliroibur und
4 Uofkellerbinder.
* Ebendort, f. löG« — 164» die Iiutruction fUr den KQcbenniei»ter, 171"— 181
fiir den Kavhenschreiber, 183*— 1S8> fDr deu ZUrgadner, 189i>— 19S* fQr
den Zusclirotter.
« Instruction fUr den Mundkoch f. 193>>— 200«.
» Instruction f. 236"- 240''.
■• Instruction f. 20!l•-220^
' Inntniction f. 246"— 249*.
* Sein Name iat im äcbematitmus vom Jahre 1&&9 durcbgestricben.
474
Scipio Graf von Arco* versehen, wurde jedoch schon im Jahre
1561 durch Lconhiird P'n.Mlit.Trii von Hanach craetzt. Dieser
vorwaltete dieses Amt zuerst sclbststtiiidig" (1561 — 1563), dann
als Verwalter dieses Amtes an der Stelle des Adam Freiherm
von Dictriclistein, welcher nach seiner RUckkchr aus Spanien
es bis zum Jahre 1575* innehatte.
Vom Jahre 1575 an stand an der Spitze dieses Amtes
Wolfgang Freiherr von Rumpf und nach dessen Sturz im Jahre
1600 Peter Freiherr von Muilart,'' dem Carl von Liechtenstein
bis zum Jahre 1603 und seit September dieses Jahres Friedrieh
firaf zu Fürstenberg nachfolgte (bis 1608).' Der letzte Oberst-
kiimmerer Kaiser Rudolfs II. war Ulrich Desidcrius Pros-
kowsky von Proskau, Soliu dos früheren Hofkaramcrrathc^
Georg von Proskowsky (vom 1. Mai 1606 bis 1612)."
Verwalter des Oberstkümmorcrauites des Erzherzogs Ma-
thias vom Jahre 1601 an war Leunhard Helfried Freiherr vun
Moggau, der dann bis zum Jahre 1610 an der Spitze dieses Amtes
stand;' zur Zeit der Kaiscrwahl bekleidete diese Würde Maxi-
milian Graf von Trauttmansturff,* nach ihm bis zum Jahre 161Ö
wieder Lcoiihard Helfried Freiherr von Meggau, der zngleJch
Verwalter des ( tberstliofmcisteramtes war."
Unter Ferdinand 11. finden wir als Oberst kUinmorcr den
Balthaser Freiherm von Thannhausen,'"* nach ihm bis zum Jahre
1637 Johann Jakob Khiesl, Grafen zu Gottschee." Dasselbe Äut
versah in der ersten Regierungsperiode Kaiser Ferdinands IH.
' HZR., 1560, f. 43.
' Koch M., Quollen zur Go.schiclito de« KaUon Maximilian II., S. 7.
Leipzifr 1837.
» HZK., 1576, f. 9i7. Hand»chrift der k. k. Hofbibliotbek 8211», f. "I*.
DietricliBtoin, welcher bis zum Jahre 1662 Oberststilluii^ister der KOnif^
Marin, Geiiiahliii MftximiliniiH II. w.ir, wurde im J.ihre 1563 zum Oberft-
kämnierer emnuiit, da er aber damals die Erzherzoge Rudolf niid Enu'
nach Spauieu be^^leitete, wurde ihm dieeea Amt vorbehalten.
• HZK., 1602, f. 2S^^
» Haudiichrift der k. k. Hon.ibliothek 8219, f. 85^ 80. — llurter, l.c, VI,<
" HRZ., 1611 — 1614, f. 4f.7^ 28r.^ Handschrift der k. k. llofbibliollifk
14724, r. 123».
' Suirzer, I.e., 219; Harter, I.e., VI, 278.
" Hurter, 1. c, VIT, 16.
" HRZ., 1619. f. 148 ^ 260'-.
><> U-indauhrift der k. k. Uorbibliothek 812U.
" Statu» regiminiü vom Jahre 1637.
475
ann Rudolf Graf vou Puecheim (bis 1650), nach ihm Maxi-
ian Graf von Waldstein (1650 — 1654), Don Ilannibal Fürst
izaga (1655 — 1661), Johann Maximilian GniC von Lamberg
61 — 1675), seit dem 3. Juli 1675 Flirst üundaker von Dietrich-
n mit einem Gehalt von 20CM) Gulden' (bis 1690), nach ihm
•1 Graf von Waldstein, früher Obersthofmeister der Kaiserin*
90—1702), und Heinrich Graf von Mansfeld (bis 1705),'
Die vierte Hofwürde war die des Obcrststalliueisters.
ch für dieses Amt erschien schon unter Kaiser Maximilian II.
e Instruction, welclie bis zum Jahre 1637 in voller Geltung
blieb (Beilage 8).
Nach dieser Instruction war es Pflicht des Obcrststjill-
isters, auf die Stallsachcn und Bedürfnisse dos Stalles zu
iten, die Ankäufe f(ir die Stallungen mit Wissen des Hofcon-
ors zu besorgen und die Verzciehnisse über den Pferdestand
Rihren. Ausser dem Stalle gehörte auch unter ihn die Ilarnisch-
I Sattclkammer, über welche sclbststiindigc Inventare von
a Fultermeister und dem Controlor verfertigt wurden, dann
Pagerie oder die Edelknaben, flir welches Institut seit jeher
e eigene Ordnung bestand.
Dem Obcrststallmeister waren tler Futterraeister und der
tterschreiber untergeordnet, für welche eine besondere Instruc-
i in Geltung war.* Sie bestellten alle fllr die kaiserlichen
sen nöthigen Bedürfnisse, wie z. B. Wagen und Schiffe.
ber die Reisebedürfuisse führten sie Verzeichnisse, deren
ginale dem Obersthofmeister übergeben wurden, wUhrend
Abschriften bei dem Obcrststallmeisteramte behufs Controlc
blieben. Was von den Sachen, welche ftlr eine Kaiserreise
;cschafi% oder dem Kaiser verehrt wurden, übrig geblieben
f, wurde mit Vorwissen der beiden WUrdentrjlger verrechnet
I behandelt.
Handschrift der k. k. Hofbililiothek 12388. Er war früher Obersthof-
meister der Kaiserin.
Handschrift der k. k. Hofbibliothok 7249, f. S91''.
Im Archive des Oberstkämmororamtes sind die Oberatkämmerer nnr seit
dem Jahre 1060 verzeichnet.
Die Instruction de« Futteriiieisters eiitbSlt die »clioii erwähnte Hnndnchrift
der k. k. Hofbibliothok 14676 auf fol. 276*— 291", die de» Futterschrei-
bers f. 296* — i^T". Beide sind auch in dem Harracb'schen Archive,
Paw.34.
476
Vor einer jeden Reise hielten die vier Hofstftbe eine
Besprechung ab, zu welcher auch der Stabel- und der Küchen-
meister beigezogen wurden. Alles Nöthige bestellte man bei dem
Futtermeister, von welchem es auch genau verzeichnet wurde.
Dabei wurde strenge Aufsicht geübt, dass die Dienerschaft nor
ihre nothwendigsten Sachen auflade und umsonst führen lasse;
wurde dabei das vorgeschriebene Gewicht und die Menge über-
schritten, so wurden die Sachen auf Kosten der bctreifendco
Personen transportirt.'
Bei der Hofstalihaltung wurde die Regel eingehalten, das8
die Zahl der Knechte und Eseltreiber nach dem Stand der
Pferde und der Maulesel berechnet werde. Gewöhnlich gehörte
zur Bedienung von je drei Pferden ein Stallknecht.
Nach dem Status vom Jahre 1559 waren bei dem Hofstalle
in Verwendung: 2 Rossbereiter, 2 Futterschrefber, 1 Harnisch
knecht, 1 Plattncr, 1 Sattelknccht, 1 Schmied, 10 Lakaien, I Ver-
walter der Tragesel, ausserdi-m eine Anzahl von StallknechtcD.
Bei der Commission im Jahre 1651 kam man darauf, d«ss
eine Instruction für den kaiserlichen Oberststallmeister gar nicht
vorhanden war und man sich bisher an die seinerzeit für den
erzherzoglichen Hofstaat herausgegebene gehalten hatte. Der
damals designirtc Oberststallmeister Fürst Gonzaga (1651 — 1655)
trug sich an, sobald er in seinem Amte installirt sein werde,
eine solche zu verfassen, wobei er die von seinen Vorgängern
eingehaltene Praxis berücksichtigen wollte. Bis seine Vorlage
vom Kaiser bestätigt werde, sollte die bisherige Instruction
beobachtet werden.
Ob Fürst Gonzaga auch wirklich seinen Vorsatz ausgeführt
hat, lässt sich nicht nachweisen. Es stellte sich aber bald die
Nothwendigkeit heraus, neue Verbesserungen bei diesem Amte
einzufüiircn. Schon um 15. Jänner 1657 gab Kaiser Ferdinand Hl-
dem neuen Oberststallmeister, Franz Albrecht Grafen von Rar
räch, den Befehl, ihm über das Stallwesen zu berichten und zu-
gleich die wegen Ersparung nöthigen Vorkehrungen zu treffen.
Graf Harrach kam schon am 3. Mai diesem Auftrag«
nach.* Er berechnete den Kostenaufwand auf das Stallwesen mit
* Eine diosbezOglicbe Ztwammenstellang ist in dor H«ndsahrift der k. k.
nofbibliothok 14670, fol. 298—301 enthalten.
* Bericht im gräü. Uarrach'schen Archive, Fase. 24.
477
16.000—17.000 Gulden, ausnahmsweise auch mit 24.000—25.000
plulden,* und beantragte, dass, um einige Ersparnisse zu erzielen,
gliche Stallofficiero mit Provision abzufertigen wären, dass zur
Brsparung (Ivr Fuhrwerke die Hofparteien zusammen auf den
B^agen fahren sollten, und dass nicht ein Jeder eine Kalesche
Ihr sich beanspruchen solle, wie es also auch in der Instruction
mthalten war. Ueber die Einhaltung dieser letzteren * trdnung
ioUte der Hofcontrolor die Aufsicht haben.
Weitere Ersparnisse konnton bei den Handwcrkslcutcn
^ielt werden, und der Controlor sollte auch dabei gute N.ich-
Ichau halten, ausserdem konnte man noch viel bei der Anschaffung
|er Kleidung ersparen, wenn man sie gegen Baar kaufen und
|Bcht überzahlen würde.
» Zu der Verwaltung des Oberststallmeisters geliörtcn auch
lie kaiserlichen PferdegestUte. Diese befanden sich auf der von
Kaiser Maximilian II. gekaufton Kamnierhcrrschaft Pardubilz in
Kladrub, dann in Stiirkcnvit/,, welches vom Herzog von Friedland
j^stiftet wurde, und in Lippiza bei Triest.* Auch fllr diese
intrdc im Jahre IßPli eine neue Ordnung geschaffen, weiche
Kaiser Leopold I. auf Antrag des Ferdinand Bonaventura Grafen
tou Flarrach den 18. Februar unterschrieb.*
Die Reihenfolge der Oberststallmeister ist: im Jahre lf>n9
Jaroslaw von Pernstein, vom Jahre ir)62 — l5Gti Wratislaw von
Pemstein;* neben ihm wird als Untcrstallmeister Rudolf Khuen
ron BelAsy angeflüirt, welcher dann in den Jahren 1507—1576
leibst als Obcrststaihueistcr fungirtc.^ Vom Jahre 1577 — 1581
and dann in den Jahren 1584 — 1591 war Oberststallnieister
Claudius Trividzi, Graf zu Melz;" in der Zwischenzeit, als sich
Trivulzi in Sjianien befand, wurde sein Amt vom Obersthof
marschali verwaltet.' Albrecht Graf von Fllrstenberg 1594 bis
h
Im Jnlire 1678 betrugen die Unkosten lohon 135.1)4G Oiilden. Hnndichrift
der k. k. Uofbiblioüiek 1.3388.
« (J. Aner) Diu k. k. Hofgentül an Liiiiiixn L-iÖO— 1880. Wien 1880. Eine
Instrurtinn filr dajwelho vom 7. Se]it«nibi!r 1668 wird ebendort, 8. 2S an-
geffihrt.
• OrSfl. Harrach'sche« Arctiiv, Fase. 24.
' Koch, Quellen etc., I, 7. Schematiamnü vom .fahre 166ß.
• Jos. Aner, I>ie kaiserlichen und kttniglichen Oberststallnieister. Wien
1883. Fol.
• Er starb am 3t. Mai 1691. HZR., 1611—1614, f. 489*.
»BZR, 1583.
478
1599;' als Verwalter des Amtes wird Peter Freiherr von Mollart'
angeführt (bis 1600), nach ihm Ulrich Desidcrius Proskowsky
bis Ende Mai des Jahres 1603,' dann wieder bis Februar 16(M
Peter von Mollart ^ und bis Binde des Monats April desselben
Jahres Johann Kolowrat-LibSteinskjf'.* Maximilian Graf zu Salm
1604—1606, vom 1. Jdi 1611—1612,*' Adam von Waldstcin
1607—1609,' Octavian Graf von Cavi-iani 1609—1611. Als
Obcrststallmeister Kaisers Mathias kennen wir Maximilian Grafen
von Dietrichstein (1612—1619).«
Unter Ferdinand II. war Oberststallmeister Jakob Khiesl
Graf von Gottschee 1613 — 1620," dann Bruno Graf von Mans-
feld (er war zugleich Falkenmeister) 1620 — 1637,'" Maximilian
Graf Waldstein 1637 — 1642, Georg Achazius Graf zu Losenstein
Hi42— 1650, Don Hannibal Fürst Gonzaga 1651 — 1655, Franz
Albrecht Graf von Harrach 1655 — 1657, Gundakher Fürst
Dictrichstein 1658 — 1675," Ferdinand Bonaventura Graf von
HaiTach 1675—1698."
Die Instruction für die Edelknaben ist im Auszug in der
dos Obcrststallmeisters enthalten, daneben wurde sie noch selbst-
sUindig und ausführlich behandelt." Als Hofmeister der Edel-
knaben waren angestellt: 1548 Diego de Zerowe, seit dem
1. Sfjitembcr 154S Wilhelm von Pollenstrass, 1554 — 1556 M.
Johann Regius, 1560 Thomas Dorner,'^ 1567 David Moser, 1576
• WalirBcbcinlich schon aett dem Jahre 1591; doch fehlen niiM bUber Be-
lege HZR., 1605, f. SM».
• riZR., 1606. f. 545". • Ebenda, f. 646«. • Ebenda, f. 544''.
» HZR., 1605, f. 646 fc.
" HZR., 1606, f. 544; 1611—1614, f. 489''. In di«r Handschrift 14(17«,
f. 276'>.
' HZR., 1607, f. 281». • Hurter, 1. c, VI, 46«.
• Hand.scbrift der k. Ic. Hi.fl.ililiotliek 8120; HZR., «619. Fnr .Johann Jakob
Khieal Freiherrn von Kaltenbrunu als eriherioglichen Oberststallnieixter
galt die Instmction vom 1. JXnner des Jahres 1613. Handfichrifl der
k. k. Hnfbibliotbek 8224.
'° HZR., 1622, f. 183»; 1821. f. 10.
" Ans dieser Zeit datiren die InvonUiro der kai»«irlii-hen S.tttolkamnier,
der Zeltkammor und Biichsenkammer in dar gr'AÜ. Harrac.h'schen Biblio-
thek. Handschrift Nr. 88.
" ThatsSchlich hat er das Amt erst im Jahre 1676 angetreten; vom Jnl
1676 an wurde es verwaltet.
■■ Majlath, Geschichte des Osterr. KaisorsUatus II, H. 183. 186. 1H9.
'♦ HZR.. 1660. f. 47«.
479
Georg Fabriciua, 1580—1584 Andreas Pradencius, 1603—1607
Schotto de Bever/ 1610 — 1619 Leonhard Miseritz.*
Als Präceptoren der Edelknabe!) finden wir: 1548 Georg
Pavianner, 1549 Nicolaus Politus, 1553 Paulus Pninner und
Virgil Nagl, 1554 — 1556 M. Johann Regius, 1560 Michael Engel-
maier,' 1567 — 1576 Georg Fabricius, 1581 Christoph Sartorius,
1604—1608 Georg Espenhorst, 1604—1607 Johann Huttenus,*
1608 Leonhard Miseritz, 1611 Johann Gröschl.
( Auch bei der Erziehung der kaiserlichen Edelknaben
! ergaben sich vielfache Mängel, welche den Grafen Franz Albnjcht
von Harrach dazu bewogen, eine neue Instruction auszuarbeiten,
welche am 13. April 1656 von Kaiser Ferdinand III. best.'itigt
•wurde. Die Mehrzahl ihrer Punkte bezog sich auf die Erhallung
■der Uausdisciplin (^Beilage 9).
Y Diese Instruction galt bis in die Zeit der Amtsführung
seines Vetters, des Grafen Ferdinand Bonaventura von Harrach,
der eine neue zusammenstellte. Diese war in Capitel eingetheilt,
welche das Exercitiam pietatis, den Ausgang, das Essen, die
Krankheit, das Schlafengehen und Aufstehen, die Studien, die
Exercjtia, den Aufwartungsdienst, die Kleidung und die Strafen
behandelten. Als Muster wurde die Einrichtung der spanischen
und französischen Akademien benutzt. Sie hatte den Zweck,
^den jungen Adel auf geeignete Weise für den Hofdienst heran-
pZnbilden (Beilage 10).
I Für den dem Obcrststallmeister untergeordneten Futter-
tneister hat schon Kai.ser Maximilian II. eine Instruction heraus-
^gegeben, welche allonlings nur für den Futtermeister der Erz-
jberzoge Rudolf und Ernst galt. Im Jahre 1548 war Futtermeister
.Georg Ettinger, nach ihm folgte Sigismund Winklcr.
Der Futtermeister erhielt die Befehle von dem überst-
■taUmeister, in Geldsachen hing er aber von dem Obcrsthof-
^eister ab, welchem er immer die Lieferzettel zu tibergeben
Jiatte. Sein Geschilft betraf die Futtervornlthe, die er gemein-
schaftlich mit dem Hofcontrolor vervollständigte.*
Eine neue Instruction wurde im Jahre 1673 ausgegeben.
Sie ist von dem Obersthofmeister Fürsten von Lobkowitz unter-
' HZR., I6ü7, f. 2811', 1605, f. 516«'.
» Ebenda. 1621, f. 156. • Ebenda, 1560, I, f. ^96'' Handachrift 14724.
« HZR., 1C07, f. 281''.
* Die Instruction in der Handachrift 14676, f. 296* — 301*.
AnUr. LXXXVa Bd. D. Btin«. 81
480
loicIiiK^I lind eotliiilt 30 Absätze gegen 23 Absätze der alten
Instruction. Der Inhalt ist ziemlich gleich geblieben.'
Ansi^liiicBsend an diese Instruction ist diejenige lYir ilen
Siittclknocht zu erwähnen. Es waren zwei Sattelknechte angestellt,
donon nicht nur alle Wjigen und Geschirre anvertraut waren,
gondoni nuch die Aufsicht über die Stallknechte und Pferde. In
mancher Beziehung fielen ihre Pflichten mit denen des Futter-
moisters zusammen. In Abschrift kennen wir die am 15. FebruAr
16Ö3 unterfertigte Instruction.*
Dem Futtermeister war noch der Sänftenmeister nnter
geordnet. Als solclien finden wir im Jahre 1055 Hanns Eder
vor. Er hatte die Aufsicht über die Silnftenknechte und das
ihnen anvertraute üerjlthe und die Maulesel zu filhren." Uugefilhr
HUB derselben Zeit, wahrscheinlich aus dem Jahre 1656 stammt
auch die Instruction fUr die kaiserlichen Scsseltrilger, die aacli
unter den (»berststallmeister gehörten. Als ältester Corpond
derselbi-n wurde Nicolaus Ballastraza ernannt und ihm sowohl
die Einhaltung der Ordnung, als auch die Beaufeichligung des
Personals anbefohlen.*
Neben diesen Instnictionen bestanden kürzere flir einr
jede Kategorie der Stall- und der anderen Diener, deren Haupt
Inhalt auch in die Eidesformel aufgenommen wurde.
In mancher Hinsicht wird zu den höheren Würden amh
der OberstjUgermeister gezilhlt. Ein solches Amt wird schon
im 14. Jahrhundert angeführt.* Im Jahre löitK) war Friedrich
Pnpel von Stein Jjlgermeister." Eine eigentliche Instruction
haben wir nicht, doch wir vermuthen, dass seine Dienstpflichten
in der Instruction für den ,0berstjftgermei8ter in Steier' enthalten
sind, welche von Kaiser Leopold I. am 9. November 165*4 unter
zeichnet wurde' (^Beilage 11). Sie bezieht sich nur auf Steier
wohl aus dem Grunde, weil in den anderen Lilndcrn sclbst-
ständige Jägermeister bestellt waren. Ihr Inhalt betriflt nicht
nur die Hegung des Wildes und der Waldl>estilnde, sowie die
' OrSll. >l.<irrscli'»(<lies Arohiv, F.-uic. 24, * Kboriiin.
* Dio Inntruction iro fnsc. 34 des grivd. Uarntcb'scliun Archives.
* Die Instruction ebendorl.
' BuoholU, l. c, VIU, 29.
* HZR., «660, f. 69».
' Uioae ist vprscliiedoii vnn der ,Nea veirfaasten JX^rordnang in Steier*.
Oraa 1TU7, Wien 1716.
Pflicilten der einzclDcn Organe,* sondern umfasst wie die ge-
wölinlichon .lägcrordnungen auch praktische Winke, Durch sie
wurde dem Oberstjägenneisfer die Leitung der kniserh'chen
Hofjagdon, welche in diesem Gebiete noch als Kegale angesehen
wurden, als erste Pflicht aufgetragen.
. Als OberstjJlgermeister wei'den angeführt: 1548 — 1555
'Erasmns von Liechtenstein, Wolf Sigismund von Auersperg
(•f 18. November) 1598; bis zum Jahre 1G(K) Verwalter des
Amtes Anton Schilcher, SecreUir desselben Amtes. Vom 20. De-
ceraber 1600 Carl Freiherr von Ilarraeh bis 19. August KJOH;
fvoni 20. Mürz IGIO Adam Freüierr von Herberstein bis (f 31.
Mürz) 1629; Benno Graf von Mansfold bis (-}• 16. September)
1044; Michael Johann Graf Althan bis (f 17. Mai) 1049; Graf
Franz Albrecht von Harrach bis 20. Februar HJ55; Graf Albrecht
»von Zinzendorf bis 20. Februar 1666; Bernhard Graf von
Urschenbeck l)is (f 20. Miirz) 1672; Wilhelm Graf von Oetting
bis 1681; Graf Khevcnhüllcr bis 1683; Christoph Graf Altban
bis 1702; Leopold Mathias Graf (später Fürst) Lamberg bis 1708;
Josef Graf von Paar bi.s 1709; 5. September 1709 bis 11. April
1711 Carl Graf von Dietrichstein; 24. JUnner 1712—1724 Hart-
mann Fürst von Liechtenstein; seit 31. December 1724 Julius
Graf von Hardegg.*
Neben diesen Acmtcrn finden wir schon im 16. Jahrhundert
einen Obersten Falkenuicister und Hofpostmeister.
Als Hofpostmeistcr fungirte in den Jahren 1571 — 1584
flanns Wolzogen, im Jahre 1593 Georg Püchel von Püchclberg,
nm das Jahr 1611 Lamoral de Taxis,' dann bis 1619 Carlo
Magno/
Der Obersilbcrkftmmerer gehl3rte zu dem (Jberstkämmcrer-
^amte, sowie auch der Obersthofportier, welche Stelle im Jahre
1548 Gillig von Weckhowa besorgte.
I Als Ergänzung ftShren wir noch die Eidesformeln der
IDienerachaft des Oberstkämmereramtes an (Beilage 12), weil
■ Der Penoiuilttuid im Jahre 1678 war: 6 Fomtineiiiter, 9 reitonde JIger,
1$ jnage JS^er.
■ HandDclirift der k. k, Uofbibliotliek 12580.
* HZR., 1610 — 1(114. In die«or Zeit kuinmt Jereminii Penkli nU halimi-
sclior Postmaiitter vor. Ebcndnrt, f. 261*. Im Jalire IßlO IIbiiiih Slranb,
IIZK., 1611 — 1614, f. 367*.
• HZK.. 1619, f. Stö".
81*
482
aus denselben am besten die Dienstpflichten der einzelnen Kate-
gorien zu erkennen sind, wie sie wohl auch in den fUr sie
geltenden Instmetionen enthalten waren. Man kann besonders
bei manchen veralteten Namen leichter die mij dem Amte ver
bundene Obliegenheit sich vorstellen.
Es haben sich folgende Eidesformeln erhalten: fUr den
Arkebusier, die Leibwäscherin, den Hofcontrolor, Summelier,'
Kuchenschreiber, Mundbäcker, Einkäufer, Zuschrotter, Lieht-
kämmerer, Zörgadner, Kellerdiener, Kellerbinder, Mnndkoch,
Pastetenkoch, Meisterkoch, Unterkoch, Znsetzer, Ktlchengehilfen,
Küchenthttrhüter, Küchenträger, Tafeidecker, flofkehrer, die
Mundwäscherin und den Hofprofosen.
> Instroction in der Handschrift der k. k. Hofbibliotliek 11676, f. 233»— i28>.
Beilage 1.*
1B6I, 1. Mai, Wien.
»
>
I
Maximilian, der von Gottes Gninipu erwählter Rom. K6n\g, zu allen Zeiten
Mehrer dess Keichss in Germanien, zuo Hungarn und Röliaimb König,
Eraherzog zue Oesterreich, Herzog zue Burgundt etc.
Instruction und Ordnung auf den Edlen uns^ern lieben gotreaon
Christoph Freyherr zne Ejzingen und Schi-rtttentball, Köm. Kay. Mt. Rath
und Statthalter der N. 0. Lande und unsern Hoffmaistor, welcbormasson
er sich iu üolchem Uoffmaistenimbt halten und dasselbige verrichten solle.
1. Erstlich soll er alss Hoffmaister ffir die erste Persohn bey Unss
g;ebalten, und darfür von Meniglich gehöret werden.
2. Item er Hoffmaister soll auch allen Solemniteten, da unser
eigener Persohn in Abweson der Köm. Kay. M. unsers gnodigston libsten
Herrn Vattern gegenwerttig ist, es seyo zü Kirchen, Einraittungen, Ladt-
Bcliafften und anderer dergleichen offenen Acten, mit aigener Persohn und
Hoffmaisters Staab sein Ambt vor Unser Persohn ansehentlich versehen
und verrichten uncl alle Notturfft anschaffen.
3. Er soll auch frembden Fürsten, so je zue Zeiten an unsern Hoff
kämmen würden, entgegen reitten, im Feldt und an Herbergen von wegen
unser empfangen, laden, verehj'en und an.sagen, wo änderst solches je zu
Zeiten durch Andern zue beacheheu nicht verordnet würde.
4. Item der Staad unsers ganzen HoSs ausserhalb unser Cammer
aollen ihr Gehorsamb und Aufseben auff ibue als Obr. Hoffmaister liatxMi,
er soll auch ernstlich darob halten, damit bey allen Aeinblern, Hofford-
Qungen und Raittungen allen Officir ordeulich, threulich procedirt und
gehandlet werde.
' llarracb oitirt in seinem oben an^fUlirten Schreiben an K. Maximilian
vom Jahre 1666 diesen Alisatit folgend: Uusser Obrister Huffmaister solle
ron dem ganzen Unssenn Hofsbitt und Menigklicb ausser der Cnmer für
Unsern Obristen Hoffmaister und für die ander Person nach Uns gehalten,
erkent nnd das Aufsehen und Gehorsam auf im gehalten werden.
484
5. Er Hoffmaister soll auch alle die, so in nnsern Dienst ange-
nommen werden, mit Pflicht und Äydt gegen uns (in solchen ihren
Diensten getreu und gewerttig zu sein), wie sichss gebührt, Terstrickhen.
6. Und dieselben Diener allweeg ordentlich in ein sonder Buch, so
darzue gehalten solle werden, einschreiben, dessgleichen wann einer aus
unsern Diensten hinweeg zeucht und Urlaub nimet, denselben soll er
widerumb aussthan und allweeg Tag und Zeit, wie sich gebflhrt, dame
stellen lassen.
7. Und wo Jemandt von dem Hoffgesindt mit Erlaubnuss in seinen
aigenen Greschäfften ausssein würde, so soll er Hoffmaister allewegen
aigentlichen, wan er hinweg zencht und widerkhombt, nnserm Hoff Contn-
lor, dass er dieselbe Zeit dess Weckhziehen und Widerkommens aigeni-
lich vennerkhe, anzeigen lassen, welches auch folgendts unserm Hoffzahl-
und Pfeningmaister, damit er sich in der Bezahlung darnach zn richten
wisse, vermeldet werden solle.
8. Wo aber einer von dem ermelten Hoffgesindt ausserhalb dess
Hoffmaisters Vorwissen und Erlaubnuss wegziehe, so soll ihne durch ge-
molten Hoffmaister nit allein dieselbe Zeit seines Aussenseins rodirt,
sondern auch sonst umb die Uebertrettung der gefei'ttigten Ordnung gegen
ihne Straff fürgenommen werden; so aber einer oder mehr in seinen
Ehafften und Nottüi-fften Erlaubnuss von Hoff begehren würde and ihme
die bewilliget, so soll einem Eheman zway und einer ledigen Persohn
6 Wochen einmahl im Jahr zuogelassen werden.
9. Und wo einer darüber aussblibe, soll ihme unangesehen, dass er
über die bestimbde Zeit gleich leuger Erlaubnuss von unss erlangte, doch
nicht mehr alss auff die gewöhnlich erlaubte Zeit, alss einen Eheman cüe
zwey Monath und einer ledigen Persohn 6 Wochen die Besoldung erfolgt
und passirt und die ander Zeit aussgethan und rodirt werden ; und ob wtr
selbst schon einen oder mehr anheimbst oder in seinen Sachen zu i-aissen
erlaubten, so wollen wir doch, dass der oder dieselben nichts desto-
weniger vor ihrem Verruckhon solche unsre Erlaubnuss von Ordnung und
Bichtigkhcit wegen unserm Hoffmaister selbst auch anzeigen und sich b«;
ihme stöUen sollen.
10. Item wo auch Jemandts von dem Hoffgesindte hohes oder niders
Stauiits sich ungebührlich hicltte und doch die Yerwirkhnng desselben
nicht so gross oder dermasseu straffmessig wcre, dass gegen ihme mit
Gefangnuss gehandiet werden solle, ihme doch solche Ungeschickhlichkheit
nit übersehen, sondern nach Gelegenheit und mit Wissen seiner vorge-
sezten Obrigkheit, darunder er an unserm Hoffe dienet, danimben ge-
strafft und sonderlich mit Rodimng seiner Besoldung gehandlet werden.
485
11. Es ä»ll auch der UolTmaister mit sambt dem Hoffinarscbalkhen
, jedes Quai-tall dene Hoffstatt Qbei'sefaon und wass sie darinnen befinden
sich mit Weegziehiiuji, Eiiaubung, Absterben und eut|<egen von newem
I Auffnemung, und Ersccxung der vacirenikni l'lücK für Vtireuderuug zne-
|;gaingen, dasselb fleisüig berausszibon und unsevm üofTzall- uder Pfeuiug-
maister zues^jUen, damit ersieh in der Bczalilung darnach zu richten wit^se.
12. Er soll auch l)odacht sein, mit sanibt uiisenii Uotfmar^^cbalikh
snr jeden Quartalleu unsers Hoffgesindts Musterung zu thun, damit ge-
geben werde, welcher sein Än/ahl l'fenlt und dass, su ihnen zuo halten
Bafferlegt, halte oder nicht, und na ein Abgang befunden wirdt, solches
auch nnserm UofTzall- oder Pfonnigmaister anzeigen, damit ihme sein
Besoldung, wie billich. nicht pasi-iert, Koudern abgestrickht und darumben
gestrufft oder Handlung fürgenommen werde.
13. Es soll auch der Uolfmaister nicht underlassen, bey uusern
HofffAnimerräthcu Aumahnnng zue thuen, damit sie fleissig und zeitlich
Nachtrachtung haben, dass zue jedem Quartall der füulTunddreyssig
Tauaent Gulden etc. unserer Hoffbaltuug balbeu guote Verordnung be-
■cbehen möge, und wo erfunden, dass an diaen bey gedachten unsern
Hoffcnmnicrräthen Hangell erscheinen wolte, folgendts uns solches bo-
richten.
14. Dergleichen und wass er Hoffmaister auch bey den Officii-en
fnr Mengel beSudet, darin sie ihren geferttigton Instrnctioneu nicht mit
Fleiss uachhandelten, sondern uns zue MsK'htheil darin lässig uder säumig
«eron. so solle er es denjenigen, ao solches thun, abzusidion undersagen,
wo 08 aber bey ihnen nicht helfen, oder wie sieb gebühret in Sorg ge-
nommen und angesehen sein wolt. soll er solches uns orriiidercn nnd dass
tiiuLt underlassen, damit wir alssdanu mit Entsec:iung und Vorkherung
felben Officiren und Aembter, in andern Weeg Wendung und Filr-
jg thiieu mögen; und wann an unserin HotT ein AiilTljnich verbanden,
80 sull er Hoffmaister, mit sambt nnserm ubristen Canimercr, Marschaickhen
Dodt Stallmaister zuvor Underredt halten und berathschlagen, wass nnge-
febrlich nach (iidegenliuit unserer vorbabiMiten Rais.se flu- Fuhr, von Wägen,
Schüfl'cu i)der anders nach Gelegenheit vounötteu sey und sonderlich die
Uffieier zu sich erfordern und derohalbeu Erkundigung nemmen und dan
ein Verzaichnuss machen, was an der Fuhr vonnüten sey, und gedachtem
'Stallmaister zuestöllen, dass er mit sambt Wägen, Fnrir und Contralor
diselbe bestell und dass er Stallmaister den UeberHuss verhütte, also dass
deren nicht mehr aias die Notturfft geladen werden, und wo ihme Stall-
iter hierinnen etwass beschwärliches fürfille, soll er dass wider an den
laister und Uoffmarschalkhen gelangen lassen, die sollen ihme darin-
486
nen der Billichkheit nach zu Erlangung solcher Wfigen und Fuhr und U
ein anderwocg hülftlicken sein, und waes also die Bestallung und Verord-
nung der angezeigten Fuhren, von Wägen und Schöffen antriifft, soUNie-
inandts anderer alss unser Stallmaister damit umbzugehen, Befelrh odur
Gewalt haben.
15. Wür haben auch nnserm Ohr. Stallmaister und Kuchlmaistet
in ihren Instructionen aufTerlcgt und befolcheu, dass sie sich nicht allweg
aufT dio ünderainbtleutb, so ihnen undergeben, verlassen, sondern sie
selbst sollen zu nottnrITtigeu Zeiten, alss der Stallmaister im Stall, Har-
nisch- und Sattlcammer sehen, auch auff die Ambleüth gut« Achtung
haben, damit ein Jeder sein Befolch und Instruction ordenlich nachliomne
und unss trewlich und nuczlich gedienet uud gehandelt werde; gleiches
FalsB soll PS auch vun unserm Kuchelmaister mit seinen undergelieuen
Ambtleathen gehalten werden, uud wo sie einiche Unordnung finden,
solkm sie dasselbige abstellen uud im Fall es die Notturfft erhaischen
wurde, au ihne unseru Hoffmaister gelangen lassen, der wirdt alssdan
darinnen woll wissen, die Notturfft zu handleu uud Einsehung zu thuen,
damit in allen, wie sich gebüret und unser Xotturfft erfordert, gebanst
werde.
16. Er soll auch von den OQicirou, so etwas von Uns in Yorwahmiig
haben, Inventari nemmen und dieselben jähi'lich widerumb ernowern.
17. Und nachdem unss an Verwaltung unserer Silbercauimer nit
wenig gelegen, so solle ferer der Hoffmaister sein Auffsehcu haben, wan
unser geordneter Silbercammerer ubwesig, dass zu Verwaltung desselben
nicht ein geringe, sondern einess solchen Ambts und Dienst würdige uud
ehrliche Persohn daraue fflrgonommen würde, uud sonst iu alleu Sachen
handien, dass einem Hoffmaister nach kays. und königl. Gebrauch zu ver-
sehen zustehet, und wo Mangel daian befunden, mOglichs Fleiss uoth-
wendige Einscbung thuen und in wass Sachen ilune ctwass beschwer-
liches fOrtille, dassclb an unss gelangen lassen, darin wir auch Wendung
thun und ihne starckhen uud guetten Schucz halten sollen und wollen.
18. Ks soll auch der Hoffmaister mit sambt unsei-m Hoffmarschalkh.
wass sie jeder Zeit in Verseilung dess Hoffstatts oder in undcrwee^ und
Erfahrungen iu den Officiren Aembter fBr Mängel befinden werden, das-
selbig in ilireu Instructionen und Ordnungen jeilor Zeit nach Gelegenheit
der Sachen uud wie sie das zu unserer Nutturfft undNucz füur guet ansieht
(doch mit unserm Vorwissen), Verenderung, MQnderung und Mehrung sn
thuen Macht haben.
19. Und damit solches soviel fruchtbarer uud mit mehreren) Grundt
geschehen mag, so soll er auch in Sonderheit dorob sein, das von unseren
487
Officiren zu allen Qaartallen ordenlicbe Baittung, ihre Insti-nction für-
gelegt und übersehen werden, und so ihme, unserm Hoffmaistor, von des-
selben OfBcirs Obrigkbeit einige Beschwerung, Moiigel oder Uebertrottung
angezeigt würdet, nach Gelegenheit ontweders mit ziinblicher StralT,
ICodirung der Besoldung oder gar mit nnsern Vorwissen, Änderen zum
Exempel, entseczen, wie er dan dii^s sambt dem Hoffmar.schalckh auch
deiTäelbon Obrigkheit ulloin seines undorgHbenen Officier halber für not-
tarftig und gueth ansichet, Wendung gethan werde.
20. Und beschlösslichen hoH Uoffniaister bedacht sein, auff alles
ILiffgesindt, sovil dessen in dem piinczen Hutl'.statt begriffen, ausserhalb
unserer Cammer sein fleissig Anffmerckhcn zu halten, damit durch .Jeden
seinem Dienst und Ambt mit threwem uud allen Fleiss gewarttet und dem-
selben dnrchauss kein üngehorsamb zuegesehen oder gestattet werde,
sondern wo sich ihren ainer über sein Einwenden ainigess ünfleiss oder
Üngehorsamb oder anderer üugeschickhiichkheit gebrauchuto, dasselb
uns anangezeigt nicht luKseu.
21. Unser HcilTmaister soll auch auiT alles Hoflfgesindt sein Guett-
Bchtnng, Nachforschung und Kundtschafft halten, ob sich Keiner den
izt schwebenden kezerischen, verführlichen Seeten und Loliren, darauss
laider so vil Uebelss und Unrathss kombt, nicht thailhafftig macht, und
firnemblich, ob ein Jeder nach christlicher Ordnung jähi-lich beicht und
das hochwürdige Sacranient (»mpfaho, und an vcrpottcnen Tagen Fleisch
essen und dergleichen, und was« und von wem er solches an unsern Hoff,
Niemandten anssgeschlossen, erferet, desselben unss berichten, damit
alssdan durch ine, doch mit unserm Vorwissen, mit Urlanbung seines
Diensts oder in anderweg mit Straff fortgefahren werden mßge.
22. Und nachdem Wir bissliero durch villfeltiger Klag und in ander-
weeg vermerckht und befunden, dass unser Huffgesindt mit den Zinsen
und Herbergen, und auch in anderweeg sehr und hoch beschwort und
wider die Billichkheit gestaigert sein worden, so wir unserm Hoffmar-
schalckh derwegen ein Ordnung, wie mans in der Kay. Mt. Königreichen
und Erbländeru halten solle, zuegestolt, demnach sollen sie baido. der Hoff-
maister, Marschaickh fürtter, wo wir hinraissen, darüber uottürlTtiglich
und stattlich handthaben, damit unser Hoffgesindt mit den Zinsen von den
Herbergen, weil dess vorhin der Gebrauch gar nicht gwest, nicht uber-
seczt und beschwort, auch sonst in der Fuetterung und Proviant kain
Slaigerung gemacht oder gelitten werde ; und welcher von unserm Hoff-
gesindt darüber beschwert würde, der soll solches unserm Hoffmaistor
und Hoffmarschalckhen anzeigen, damit hirinnen gebührliches Einsehen
, und Wendung beschehen möge.
23. Und dieweil unser HofTinaister in alica Anssgubon Ordnung
gibt, i^nll er wocbontlich mit dem Pfeuingmnist^r raitten, iillos seineü
wöchentlichen Emfangss und Aussgobens, und wie sich die Itaittung der
Gebür niich l)efindt, soll ermelter HofTmaister diselbo Wochenmittung
underschreibeu nnddeui Pfoniugmaisterzuesiöllen und ein gleichlautt«ude
Raittiiug durch den Tfcningmaister underschribon zd seinen Handten
nemmeu und all» ViertI Jahr soll er lloffmaister von solcher RaittuDg
Unss Bericht thucu, inniaasen wir dan ihme solches in seiner InstructioD,
auch wie sich ulle Empfang von ikllon Orthen, daher sie kommen, ver-
gleichen, sehen mOgcn.
24. Er soll auch auff veruicldt unser Hoffgesindt fleissige Achtung
Imbon. damit unss zu allen SoUunniteten, Kirchengäng, Kiuraittuug iintl
tu undcrweeg am Diouou nicht Mangel erscheine und er selbst soll (wd er
08 änderst andere unser Geschafft oder ilandlung halben sein mag) in
Moi-gens, wan wir zu Endt von der Kirchen gehen, sambt dem andern
Hoffgesindt boy dem Dienst gegenwerttig sein und ein sonders Auffst-heu
darauff haben und ihnen mit Ernst undersagen, wo aber sein guettlicJi
Vermahnung bey ihnen der Nottnrfft nach nicht Folg oder ein Ausssehoa
haben wolle, mit Hodiruug ihres Dieustsgelts straften und, so dass nicht
helffen wolt, ihnen solches bey Troung, Orlaubung ihrer Dienst uudersageu.
26. Üieweilen auch höchstgedachte Kay. May. in deroselben fünf
N. Oe. Landen ein Ordnung und Pullicey von newcn ferttigen, aussgoben
lind publiciron haben lassen, welche wir dnrch unser Hoffgesindt, so vil
dasselbe darinnen betrifft, ffirnemlich wass belangt die greuliche Gottess-
Lestorung, vormessige Kkidungon.das ungeschickht viechisch Zutrinckhen,
unnottirfftige Köstlichkhoit der Malzciton, Paukheton. Ladtschafften, auch
EhubrUch und leichtfertige Beywohnung etc. genczlich gehalten und vol-
zogeii haben wollen, so solle demnach gedachter Hoffmaister sambt wmi
neben unserm Hoffmarschallen sein fleissig und ernstliches Auffsoheu
haben, damit durch b<M°iirt unser Hoffgesindt durchauss, es scy hoch««
oder niders Standts, solche Policey genczlich gehalten ujid Niemandt Vor-
sehung hirinnen gethan, sondern so olTt einer die ueberfubr nach woss
wir bey einer jeden üobertrottung vonneldt, gestrafft werdt«, damit als«!
ander uuserm Hoffgesindt alle gnete, erbahre Zucht und Sitten goptlanzt
und erhalti'H werden mügeu, inmnsseu wir dan solches gedachten
unserni Uoffmai'schalckh in seiner lustnictinn auch nuffertegt und
befulchen haben.
26. Und bcschlüsslich. soll er in alloa Sachen guet Aufsehen haben,
und sich dermassen eizaigeu und beweisen, wie einem gelreuen Hoff-
maister zn tbuen gebührt, wQr ihme auch gncdiglichen doiumben vcr-
^09
Beilage 2.
Herrn Obristen Hofmaisters Instruction,^
rawen, liugegen soll ihme von Meniglichen, so ihme imderwurfTen sein,
ie Grohorsiiml), wie Uns selbst, erzaigt werden, darüber wür dan genedig-
leh halten wollen.
^^ Datum Wienn den 1 Tag May anno iin alnundsechzigsten.'
^f Instruction und Ordnung auf den edlen Unsern lieben getrewen
Uämen von TiedrichstaLn, Freyliern» zu Hollenburg, Finckhennstaln uiinJ
'alberg, Erhschenncklien in Carnnden, Unneern Ratli unnd Obviston
laraerer, was er als der diirchleichtigiBton hncbgcbwnnen Unuserer
renndtlichen geliebten Sonhn unnd Fuereten Rnedolfen unnd Ernnsten,
Crczhorczogen zu Österreich. Obristor Hofmaister in demselben seinem
ioftnaister-Äml^t haiindlen unnd verrichten sullo.
^V 1- Erstlichen, soll or alls Obrister Hofoiaister fQr die erst Persona
ley Iren Liebden gehalten unnd darfür vonn Meniglichon geehrt unnd
irkhenndt werden.
2. Item, Er Hofmaister soll zn allen SoUennideten, wo baide Ir
iiobden oder ains inn Sonndorhait ajgnen Personnen gegenwordig sein,
8 soy zu Khtirchen, Einreittunb'en, LinltscliatTtcn nun.l aniidern der-
gleichen offen Acten sein Anibt vor Iren Liebdteu persönlich, anschon-
ich nnnd stattlich verseehen, unnd alle Notturtften anschaffen unnd
rerordnen.
Jle hier veröffentlichten Instractionen beBudeo sich in ilem Fase. 84
'äei grkfl. Ilarrncli'schen Aruhive:), uur die Beilage ö ist niuaerdeni noch
in dorn (^tsc. i desselben Archivos ciitliulten. Dio Ueil.igen 1,3,6,7,8
und 4 sind in einer 50 BIHtter iimfasKeiidun Ilnnd.iclirift .ins dem 17. J.nhr-
jhuiulert (ge-schrieben iinch 23. Juni 1ß.i7, welches Dntnin anch dio darin
ingetrngene Uofquartiornieister-Instruction trügt) enthalten, und es
'dürften diese Abschriften von den damals noch vorhandenen Originalen
zu Amtszwecken gemacht worden >te\u. Auf 1* — 8* steht die Iiistructiou
är den Oberstbofraeistor, 9* — 16* die filr den Obersthofmarschall, 17"
Sf)«" die fiir den Ober.stkämmerer, aß»— Sg*" die flir den Oberststall-
meiflter, 40* — 44* die fiir den Stäbelineister, 44* — 16* die filr den Hof-
quArtiennetster, 47* — 60 ■< das Schreiben des F'anlus SLxt Grafen Trautsou.
Es ist die dem Froih. v. Uietrichatein Ubergebene Originalabschrift, wie
die von seiner Hand eingetragenen Anmerkungen bezeugen; sie uinfasst
6 Blttter in Fol. Aus.<er dieser betindot sich in demselben Fase. 34 noch
die am die Mitte des 17. Jahrhunderts verfertigte, auch 6 Blatt in Fol.
MafMeende Abschrift, welche Of. F. B. von Harrach besessen hat.
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3. Item. Der gHuncze Statt Irer Liebden Hofs unnd Hofgesindti
soll ir gfhorisatnb uuud ererbiettig Auffüeehen aaf ine ulls Hofmaister
haben unnd er steif, vestigelicb unnd mit Ernnst erhiilteu, das bey allen
Ambtern, Uoforduungeu unud Raittungen aller Ofßcier ordeiüich, treu-
lich, aufrecht unud fleissig gehanndlt werden.
4^ Wann dann Jemanndts inn Irer Liebden Hofdiennste angenomen
vricrdet, so sulleu dieselben Persouueu ime Uofmaistern in Namen unnd
anstat Irer Liebden gevrendliche Pflicht unnd Aidt dahin thoen. dass S;
Irpu Liebden in dennselben Diennsten getrcw, gehorsarab unnd gwardig
sein, deren Frunien, Eren unnd Nucz fordern unnd Nuchtaill warnen
unnd weiiiiden sollen unnd wellen.
5. Item Er Hufniaister soll dieselben Dienner albeg ordenlicb in
nin sonader Fuech (so durcziie zu halten ist) eiusclireibeu, dessgleicheu.
Wo aiuer auss li-er Liebden Dienustcu binweckb zeucht unnd Urlaub
nimbt, denselben widerumben ausstun unnd albeg Tag unnd Zeit, wann
solliclies beschechen, wie sich gebnert, darczue stellen lassen, damit man
in Beczallung der Besoldung guetteu Bericht haben khinde.
ü. ünnd wo Jemanndts von dem Hofgesindt mit Erlaubnus Ii-er
Liebdon inn seinen aignen Geschofften ausssein wurde, so solle Hofmaister
albegen den Tag, wann er abwegg zeucht unnd widorkhumbt, Irer Liebden
Conntralor. das er die Zeit desselbigen Weogzichon uuud Widerkhomcus
aigonntlieho Termerckhe, anczaigeu lassen, dessen auch Tolgonndts Ler
Liebden Pfounigraaister (sieb in der Beczalluug darnach zu richten wisse)
erinndern.
7. Wo aber ainer oder mer vonn ermcldtem Hofgesindt ausserhalb
des Hofmaisters Vorwissen unnd Erlaubnus wcggzug, so solle imo durch
den Hofmaister nit allain die Besoldung vonn der gannczeu Zeit seines
Ausseins rodiert, sonudcr auch sonnst umb der Ubertrettuug willen gegen
ime Straf fürgenomen worden; so aber ainer oder mer in seinen Ehe-
hafften unnd Notturfften Erlaubnus vom Hof begorn würde unnd ime die
bewillig, mag ainem Ehemau zway Monath uud ainer ledigen Personu
sechs Wochen ainmall im Jar zuogelassen werden.
8. Unud da ainer darüber aussblib, soll ime unangesehen, ob er
schon über die bestimbte Zeit lennger Erlaubnus vonn Ii'en Liebten er-
lanngte, doch nit mehr als auf die gewonndlich erlaubte Zeidt, ainem Ehe-
man die zway Monat und ainer ledigen Personn sechs Wochen, die Be-
soldung erfolgt unnd passiert, unnd die andere uberigo Erlaubnuszeit mit
der Besoldung aussgedtiuu unud rodiert werden; unnd obschon Ire Liebten
selbst ainem oder mein- annhaimbs oder in seinen Sachen zuveraisen und
491
TOm Dienst abwessig zu sein bewilligten, so wellen wior doch, das der
oder dieselben nichts destoweniger vonn irem Verruckhen solliche Erlaub-
nns vonn Ordnung iinnd Richtigkhaidt wegen ime Obristen Hofmaister
selbst auch anczaigen unnd sich personndlich zue ime veifüegen.
9. Item. Wo Jemandts vonn dem Hofgesindt, hoches oder niderss
Stanndts, sich unngebürlich hielte und doch die Veiwirkhimg desselbnn
nit so gross oder Btrafmossig were, das« gegen im© mit Fennckhnus zu
hanndlen, so soll auch diesßlb Unngeschicklichkait nit übersehen, sonnder
nach Glegenhait nnnd mit Wisen seiner fnrgeseczten Obrigkhait, darunter
er ann Ir Linbden Hof liieiint. darumb gestrafft unnd soanderlich mit
Sodiernug seiner Besoldung gehanndlt und füi'ganngen werden.
10. Es soll auch der Hofmaister jedes Quardall denn Hofstatt nber-
seehen nnnd, wass er darinen befündet, dass sich in bestimbter Zeit mit
Wegaiehnng, Erlaubnuss, Absterben unnd entgegen vonn neuem Auf-
nembung nnnd Entseczung der vacierenden Pläcz veranndert, dasselb
fleissig herausziehen unnd Irer Liebdcn Pfennigmaister zuestellen, damit
sich derselb in der Bezalhmg darnach zu richten wisse.
11. Er soll auch bedacht sein, zu jedem Quarttali nnder dem Hof-
gesindt Mussterung zu thuen, damit geseehen werde, wellicher sein Ann-
czall Pferdt unnd das, so ime zu halten aufglegt, halte oder nit. uund wo
ain Abgang befunden wiert, solliches auch dem Pfennigmaister anczaigen,
damit ime sein Besoldung, wie billich, nit passiert, sonnder nach Glegen-
hait abgestrickht unnd darumben gestrafft oder sonnsten gebGrliche
Handlung fOrgenonibon werde.
12.* Es soll auch vilbemelter Unnserer lieben Sönnhne Hofmaister
nit nnderlassen, be; unnsern Hof-Camer-Kathon Anmanung zue thuen,
damit sy Qeissig unnd zeitlich Nachtrachtung haben, das zu jeder Zeit
mit dem Gelt zu Irer Licbden Hofhalttung gnette Vorordnung hcscheehe,
und wo er befände, dass an demselben bey gedachten Hof-Camer-Eathcu
Manngi erschine, folgents Unns sollichs berichten.
13. Dergleichen und wann er Hofmaister bej den Officiern Manngi
befondt, das sy iren gefertigten Instructionen nit mit Fleiss uachhannd-
leten, sonnder Iren Liebden zu Nachtl darinen lassig oder säumig wünm,
80 solle er es denjhenigen, so solliches thuen, abzusteen mit Ernnst unnd
Betroung unndersagen. Wo es aber bey innen nit helfen oder, wie sy ge-
' Daia bat Dietrichstein angemerkt: Der Articl mRg also bleiben, bis ich
mir des Deputats bnllien iiin riewisahait haben wir, alsdan ich mit der
Hofcamer nichts %a tbueu wir haben.
492
büi-t, in Sorg genomen unnd angeseehen sein wolte, 8oll er uns de
crinndorn, damit VVür alssdann mit Enntseczung unnd Verkbernng der-
selben Officicrn unnd Anibter oder in annderwoog Wenndung uüd Für-
seebung tbnenn mfigen. Unnd wunn an Irer Liebden Hof ain Anfproch
annd Raiss verliannden, so soll er Uofinaister sich mit dem Obristen
Camerer und Stallniaister zoitllcb unnderroden und beratscblagean, wu
unngoforlicL nacb Glogenbait Irer Liebden vorbabendcn ßaiss für Beit-
rOBS, Fuer unnd Wägen, Schiff unnd annders Tonnelten sey nnnd sonnder-
licb die Under-Offlcier zu sieb erfordern unnd von innen guetten Bericht
unnd Erkhundiguog nembeu, unnd dann ain Äufczuichnus machen, was
an der Fuer vonnetten sey, dieselb alssdann dem Stallmaister zuestellen
unnd anczaigen, ob er mit Irer Liobden Wagen, Furier unnd Contralor
dieselben Nuttwundigkbaitten richtig mache, in Vorrath bring nnnd be-
stelle, dasN auch der Stallmaistcr denn Uberfluss verbiet und bedacht sej,
rIasB mcr Wagen nit gladen werden, alss sovill man unvermeitlich bedarf
Unnd wo ime Stallinaistor hierinen etwas beschwerlich fürfiel, hat er dan-
selb an itiiie Hofmaistin' zu gelangen, der soll ime der Pillichait nach w
Erlangung der Wagen nnnd Fuer auch in all annderweeg, so vill mtig-
lii'h, verliilflicb sein, sonnsten aber, wass die Bestellung unnd Verord-
nung der angeregten Fuer, vonn Wagen unnd Schiffen antrifft, damit
soll Nieinandts als der Stalhuaister ambzugecii Befelch nnnd Gewalt
haben.
14.' Wir haben auch Irer Liebden Obristen Stallmaister unnd
Kbuchenmaister in iron Instructionen auferlegt unnd befolchen, dass st
sich nit albeg auf die unnder Anibtleitb, so innen unndergeben, verlassen,
Ronnder sy selbst zu notturfftigen Zeiten alls der Stallmaister in Stall,
Harnisch unnd Satl-Camer, unnd er Khnchenmaister auf sein nnnder-
gebne Officier. Ambtlenth unnd Khuchlparthey seohen nnnd gnetter
Achtung haben sollen, damit ain Jeder sein Rpfelich nnnd Instructionn
ordennlich iiacbkhomo und Ii-enn Liebden treulich nnnd nnczlich gehandlt
werde; nnnd wo sy ainige Unordnung finden, sollen sy dieselb abstellen
unnd im Faall sy daselbst nit thuen khnnden oder es die Nottnrfft er-
fordert, an ine Irer Liebden Hofmaister gelanngen, der wiordt alssdann
die 6epür zu haudleu nnnd Einseehung zne tbueu wissen.
Ifi. Er Hofmaister soll auch vonn den Officiorn, so ettwas vonn
!r Liebden in Bewahrung haben, ordenlichoverfferttigtelnnventary nemen
unnd dieselben javlich widerumhen erneuen.
* Anmerkung Dietrichfltein'n : Sn rill den Stallmaiater beliuigt, wirdt b»-
sondur darvon tractiret werden.
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IG. Dnnd naubdeni Iren Liebden an gnetter Verseehung derselben
Silberkamer nit wenig glegen, so sollen ferner der Hofmaister sein Auf-
aeehen haben, wann Irer Liebden geordtneter Süber-Camerer abwessig,
dsss zu Verwaltung desselben nit ain geringe, soundor ain sollichen Anibts
tinnd Diennst wirdige nnnd erliche Personn gebraucht werde, unnd sonnst
in allen Sachen hanndicn, das ainem Hoftnaister zu rcrseeben ziiestet
nnnd inn was Sachen ime ettwas beschworlichs fürfOell, dasselb an ünus
glangen lassen, darinnen Wier auch Wendung thaen unnd ime dapferen
unnd guetten Rur.khen halten sollen und weilen.
17. Es soll auch iiier bemeltnr Hufinalster, was ehr jeder/dt in
Uberseehung des Hoffstatts iiiid der Ofticit-r, Instiuction nnnd Huittungen.
anch deren Diennsten nnnd Verrichtnngen unnd sonst itiu iill iuinder-
weeg fflr Hanngl befunden nniid soiinsten in Erfainiig bringen wierdot,
das:<elb inn Iren Innstnictionen unnd Ordnungen jederzeit nach Glegen-
bait der Sachen unnd wie er das zu Irer Liebden NotturfFten unnd Nucz
für gnet ansieht, dwh mil Unnseim Vorwissen, zu verendern, zu mflndern
nnnd zu meron Macht haben.
18. Unnd damit solliclis so vi! fiuechtbarer unnd mit mererm
Gruudt geschcehen mQg, suil er inn Soniiderhait darob sein, das vonn
allen Iren Liebden Officiern zu jedem (Juaidiii Kaittimgen, ire Instruc-
tionnen fürgelegt unnd übersehen werden, unnd wo ime Uofmainter vonn
denselben Officiers Obrigkhait ainige Beschwer, Hanngl oder Ubertrettung
angeczaigt wierdet, gegen dennselbon nach Glegenhait aiiiwetters mit
zimblicbor Straf, Kodierung der Besoldung oder gar Enntseuzung des
Diennsts (doch mit ITnusei'm Vorwissen) Anndern zu ainem Exempl
fürgehn.
19. Dann ferner so soll Hofmai.ster bedacht sein auf alles Hof-
gesindt, so vill des inn dem gannczenn Hofstatt begriffen, sein lleissig
Äufmerckheu zu haben, damit Jeder sein Diennst unnd Ambt zu gebQr-
ticher Zeit treulich unnd aufrecht mit Fleiss ausswarte unnd demselben
durchaus khain Unngohorsamb zueseeheu oder gestatten, sonndor wo sych
iren ainer über sein Ani-eden ainigs ünfleiss, Unngehorsamb oder aonder
Unngeschickhhait brauchett, dasselb Unns zu Weundung anczaigen.
20.' Mer offtbemelter ünnseror freundlichen, geliebten Söhnen
Obrister Hnfmaister s>>ll auch minder dem Hofgesindt sein guettc Achtung,
Nachforschung unnd KbundtschafTt halten, ob sich Ehainer derselben
' Aiimerknng Dietrichateui's: Discr Articl mness vernndert werden, dann
die Weldt und Zeit jotxo rill andergt ist.
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denn jeczt schwebonnden kheczerischen, verfflerischen Secten unnd Leh-
ren, daraus so vill Uobels unnd Unnraths khnmbt, taillhafftig mach unnd
fürnembiich, ob ain Joder nach cristlicher Ordnung järlich pencht unndt
das bochwierdig Sacrament empfach unnd, vonn wem er dergleichen rer-
fOrische Secten unnd Leren ann Irer Liebden Hofe, Niemandt anssge-
schlossen, erfart, desselben Uons berichten, damit alssdann durch ine
Uofmaister, doch mit Unsenn Vorwisscn, mit Urlaubung seines Dieunste
oder in anderweg Straf fDrgenommen werden mfig.
21. Unnd dieweil unnser freundlichen geliebten Sönhen Hofmaisl«?"
in allen Aussgabon Ordnung unnd Bofelich zu geben hat, so soll er
wöchentlich vonn dem Pfeningmaister alles seines Empfangs unnd Auss-
gabenns ordeuliche Farilicular-Raittung aufnomben, unnd du sich die
Raittung der Gcbür nach betindet, soll er uofmaister dieselb Wochen-
niittung unnderschreibcu unnd dem Pfeningmaister zuestellen, dagegen
ain gli'ichlauttondo Abscbrifft der Raittung durch den Pfeningmaister
unuderschriben zu seinen Hannden ncmbon, unnd alle Viertl Jar ?ona
denselbcnn Raittungen Uuns Bericht thuon, inniasscn Wier dann den
Pfeningmaister solliches inn seiner Instruction auch aufgelegt; damit
Wier dessen ain Wissen haben unnd, wie sich die Empfanng von alion
Ortten, daheer sy khonien, v«rgleichoH, seehen mügcu.
22. Er soll auch auf vermelt Irer Liebden Hofgesindt Heissig
Achtung haben unnd dieselben anhalten, das Iren Liebden zu allen Sol-
lenideton, Khürcbenganng, Binreiitung unnd annderweeg Heissig auf
den Dienst warten unnd denselben Dienst nit Tersaumben, wie dann vonn
merer Folg unnd Ansehens wegen er Hofmaister selbst (wofer es ann-
derst anndcrer Irer Liebden GeschälTt oder Uanndlungen halber sein mag)
zu Morgens, wann Ire Liebden zu unnd vonn der Khirchen geen, sambt
dem anndern Hofgesindt bey dem Diennst gegenwei'dig sein soll, wo aber
sein güettlich Vcrmannung bey ainem oder mer des Hofgesindts nit Folg
oder Ansehen haben wolte, so mager dieselben mitRodierung ires Diennst-
gelts straffen unnd, so das nit helfen wolte, innen sidliches bey Drobnng,
Urlanbnng irer Diennst unndersagen, auch leczlich gar ünns selbst
anzaigen.
23. ünnd beschliesslich soll er in allen auf ünnsere geliebte Sonne,
deren gannczen Hofstatt Hofgesindt unnd Officior sein tteissig, getrew
unnd stottigs Aufseehen haben unnd durunder alles dos betrachten, thuen
unnd fordern, su inndert inn seinem Vermögen unnd ainem getreuen
Hofinaister gebQrt, inmassen er solliches bissheer gethann, anch noch
forthin seiner sonndern Erfnrung unnd Schicklichait nach well thnen
kbanu, und Wier im darumben geuedigelichea vertrawen. Dagegen solle
495
ime Tonn Menigelichen, 80 ime nnderworlTen sein, die Gehorsanib wie
Unns nnnd Iren Liebdten selbst erczaigt werden, dariber wir dann gene-
diclich halten wellen.'
Beilage 3.
Haximilian.
(1661 V, Mal?) Wien.
Instmction, welcbermassen unser HofFmaracball-Ämbt geregirt,
gehandlet nnd verriebt werden solle.
1. Erstlieh soll gedachter unser HttfTinarschall, wer zu onserm
HoRgesindt zu klagen hat, Verliivr, Eiidtschidt, liechl uml Straff ergehen
lassen, darzue so mag er nach Gelegenheit der Hündl, so sie ansebenlich
sein wflrden, etliche unsere Räth und Diener erfordern, die ihm iu dem
rechtlichen Beysein and Gehorsamb thuen sollen, ilamit uiidcr dem HuiT-
gesiudt Kibliche Ordnung, Fridt und Recht erhalten und alle frembde
Anklag verhuett werden. Im Fall aber ihmo fremhde Sachen fCirkhi'mimcn,
die ihm etwan beschwerlich sein wulten, soll er solches unserm Obr. lloff-
Diaister anbringen, der den sambt ihne und denen erforderten Fersohneu
die GebQr fürzunemmcn wirdt wissen.
2. Item, t-r soll von Ruthen und allen von Adl unsers Hoffgesindta,
wo einer straflfmässig wnrde, iiorsöhnlich das Geliibt ritterlicher Gofang-
nosB oder nit Weichling, sonders zu stellen and ander persohnlich Zu-
sagen aufnemmen.
3. Wo sie aber dennassen straffmässig weren, dass man sie gcfUng-
lich annemmen, dass soll er dem Profossen befelchen, und der Profoss
soll die Annemung in sein des Marschalckhss Beysein thun, er soll auch
persohnlich bey der Kxaminiruug oder Frag dergleichen Persohnen selbst
sein nnd ein Process under seinem Titel ufl'riuhten lassen; wan dan so
wichtige Handlung vorhanden, so solle unser Secretary au£F sein Erfor-
dern (wo er änderst andeier unserer Geschafft halben abkommen kan)
erscheinen, und, im Fall er nicht dabey sein kundt, einen tauglichen
Schreiber darzue verordnen.
4. Und nachdem bissbero sich otlichmal zugetragen, dass ein .Teder
seines Dieners halben, denselben einzunemmen, ausserhalb dess HoR°-
' Auf dem Umaclilsg «telion diese Annierknn|rBn, geschrieben von Leoh. v.
Hnnmch dem Mittleren: Herrn Oberiaten Hofmaisters Inirtniction Herrn
Ad«ni von Dietricliütain Freyliurm A. 8H. Irer F. ü. Hoffstntt snnibtentlicbo
anderarhidliche Uuettbedancken nnnd ander znegehOrige Schriften A. 83.
Anfch. UCXXTU. Bd. n. Hilft«. 33
496
maiBchalckhBS VorwisKen, mit unserm Profosen hat schaffen w<lllen, so
solle derobalben hinffiran ausser unsers Hnffmarschalckhs Vorwissen
der ProfosB auff eines Ändern Begehron oder für siuh selbst (wans Bitt
erleiden mag) Nieniandt gefonglich einzihen, es were dan Sach, dass sich
so tödliuho nnTorzogenlicho Handlungen, alss mit mueth willigen Bumoren,
maleficzischen Verbrechen oder Diebstal, die nicht Bitt erleitten mögten,
zutrugen, in solubem Fall mag der Prufoss auff eines Anderen Begehren
und für sich selbst solche Personen wol aunemben und verwahren, doch
dass derjenige, so den Anderen annemmen lest, unserm Hoffmarschall
aller begangenen Handlung alssdan ohne Verzug bericht, und der Profoss
darinnen fernem Bescheidt gowartte.
5. Er soll auch im Baissen, Feldtzügen und Eiureitten, auch der
Wacht unserer Persohnen halben jederzeit guete Füersorg haben, und
Ordnung fOrnemmen und halten.
6. Weitter soll er auch notturfftiglich nnd stattlich Hundthabnng
thun, damit dass HofFgesinJt mit den Zinsen von den Herbeigen oder
Lossamontern, wie dass vorhin Jor Gebrauch gar nicht gewest, nicht
ubersezt oder beschwerdt, sondern dessselbig bey unserer gegebenen Ord-
nung gelassen, auch sonst in der FQetterung und Profiandt kein Staige-
rung gemacht oder gelitten werde, nnd welcher von unserm Hoffgesindt
beschwerdt wirdt, derselb soll soliches nnserm Hoifmaister nnd HofTmar-
Bchallcn anzeigen, damit darüber gebührliche Einsehung und Wendung
beschehen mfige.
7. Wass sich aber zwischen unserm Hoffgesindt, Wflrdten und
anderen Persohnen für Unwillen zutregt, soll er Hoffmarschall die Sachen
verhören und jederzeit zwischen ihnen guete Ordnung und Mittel xu
finden und Einigkheit fürnemnien und erhalten.
8. Dessgleichen soll auch unser Hoffinarschall, wan wir über Landt
reissen werden, ein lautiere Verzeich nuss der Leger, so wir mit Gelegen-
heit nemuieu mflgeu, fürbringen nnd mv wir uns derselben entschlicsseo,
soll ers alsdan dassselbig ins Werckh richten oder bringen, wie sich ge-
bort, derhalben soll der Quartiermaister sambt den Officiren in L^er nrni
anff der Baiss ihr Auffsehen alles auff ihne haben.
9. Und wan von Jemandts zu nnserm Hoffgesindt ainen oder mehr
unib Schulden bey ihme Marschall Anklag und Ersuchuug thuen würde,
und der Harschall bey unserm Pfeniugmaistor demselben Hoffgesindt sein
Besoldung zu Entpbubung inhibiert und verpeutt, soll der Pfeningm&ister
demselben Verpott zue gehorsammen und dem Beklagten solche sein Be-
soldung nicht erfolgen zu lassen schuMig seiu, er wisse dan. dass die
Gläubiger, so die Auklag gethau, zufriden gestelt sein oder die ihme der-
497
halben nnsei' Marschalckh in Sonderheit widerumben Befelcb und solchor
Airestation halber Ilelegirung tbue.
10. Item, er soll auch im Feidt mit allem Hoffgeslndt guete Ord-
nong halten, damit zue Ehren, Schimpfl' und Ernst kein Nachtheil er-
scheine, ihme soll auch von Meniglicben, Keinen aussgenohmmon, im
Feldt und sonst, was er Inhalt diser Instruction befelchon, gebieten und
handlen wirdet, gehorsamblich gelaist werden, darüber wir auch mit Ernst
halten und keine üeborsehung thun wollen.
11. Er soll auch sonst under unscrm ermelten Hoffgesindt sein
fleissig Achtung und Äuffuierckhen haben, damit uuss zu iillen Solenni»
teton und Eirchengengen, Einroitton und anderweeg am Dienen nicht
Mangl erscheine, sondern von einem Joden nach Gestalt und Gelegenheit
seines üiensts und Beruffs floi-ssig, wie sich gebort, gedient werde, zu
dem er dan jederzeit, wau wir Kirchgang, Aussreitten und andere offene
Actus halten wollen, ordentlich ansagen lassen soll, und wo aber über
solch ein ordeutlich Ansagi>u und alsn Jemandts von Dienst fürseczlich anss-
bleiben und also ungehorsamb iu Unfleiss verharren würde, mit Eodirung
seines Dienstsgelts nach Gelegenheit dess Unfieiss straffen und, so dass
anch nit helffen wolt, bey Droungdess Urlaubss seines Diensts undersagen.
12. Er soll auch darob sein, dass kein HDffgosIndt ausserhalb seines
Vorwissens in unserm Raissen vor oder langsamb nachreitt, oder seine
Diener und Pferdt reittcu lasse, sondern wo Jemands dasselbe thette,
oder sich sonst ungeschickht oder unweisslich verhielte, dass derselb nach
Gelegenheit seiner Verwürckhuug mit Rodiruug eines oder mehr Monats,
Wochen oder Tagss Besoldung oder in anderweg gestrafft werden, doch
soll und mag unsers Hoffgesindts Notturfft nach iu disem Fall diser
Underschiedt gehalten werden, neniblichen, dass ainer, so 4 oder 5 Pferdt
bat, einen Diener und die zue 2 oder 3 Pfordton haben, zusamen stossen
und auch einen Diener voran schickhen mügen, doch auch an gefehrlichen
Orthen solle von unserm Hoffgesindt Nicmaiidtä voian, ausserhalb dess
Hoffmarschallen Wissen oder Willen ziehen, darauff er dan jederzeit ein
gnetes Auffmerckh halten solle.
13. Er Hoffmarscball mit sambt unserm Hoffmaister soll auch alle
Quartall unser Hoffgesindt ordentlich mustern und sehen, wie ein Jeder
gerist, ob er dass, so ihme gebürt, halt oder nit, und wie er die Sachen in
fleissigor Musteiung findet, desselben unserm Huffzallmaister berichten,
damit er diu Bezahlungen der Gelegenheit darauff zu thun, oder aber den-
jenigen, so sein Anzall Pferdt nicht gehalten hat, abznstrickhen wissen.
14. Und darneben bey dem Hoffgesindt auch nottürfftige und
gchickhliche Anmanung thuen, damit sie sich vor den jezigen gefehrlichen
32»
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Dud TerführiBchen Secten eothaltOD, sich darein gar in keinem Weeg be-
geben oder derselben anheiigig oder verdächtig machen, bey Vermaidang
unserer schweren Straff und Ungnadt, und sonderlich soll er unsern
Härtschier und Trabanten-HaahtleOthen aufflegen, dass sie darob sein
nnd Nachfrag haben, ob dieselben Uärtschier und Trabanten nach christ-
licher Ordnung leben, und sich dem ergerlichen und verfürlichen Wessen
und Lohrcu, Disputation, Lesen frembter Bficher und in anderweeg nicht
thailhafTtig machen, sein floissige Nachforschung haben; und welche sie
deniiiissen erfahren, sollen sie die Haubtiouth solches gedachtem unscrm
Hoffrnarschallen berichten; er soll auch darob sein, dass ein Jeder ihme
zu österlicher Zeit ein Urkundt bring, dass er nach christlicher Ordnung
gebeicht habe und zum Sacrament gangen sey ; welcher das flbertritt und
sich in 8 Tagen, darin er ihnen Warnung thnen solle, sich wie einem
Christenmenschen gebirt, in solchem Fall nach christlicher Ordnung nicht
helt, den soll er, doch mit unsem Vorwissen, von unserm Hoff and seinem
Dienst schaffen.
15. (Diewcilen dan auch die Rom. Kays. Sit. unser gnedigster ge-
libster Herr und Vatter in deroselben funfF N. Oe. Landten ein Ordnung
und Pollicey von newen verferttigen, anssgohon und publiciren haben
lassen, welche wfir durch unser Hoffgesindt, so vil dasselbige darin be-
trifft, fiirnomblich, wass belangt die greuliche Gotteslästerung, Qber-
messige Klaidnngen, dass ungeschickhte viehisch Zutrinckhen, nnnot-
tnrfftige Kfistlichkheit der Malzeiten und Ladschafften, auch EhebrOch
und leiclitfcrttige Bejwohnung gänzlich gehalten und volzogcn haben
wollen,)* 80 solle demnach gedachter Hoffmarschall sambt und neben
nnsorm Hoffmaistor sein floissigcs und ernstliches Aufsehen haben, da-
mit durch berürt unser Hoffgesindt durchaus, es sey hoches oder niders
Standts, solche Pollicey genzlich gehalten nnd Niemandts üebersehnng
gethan, sondern so offt einer die fibertrette, nach Mass, wie bey einer
jeden Verprochung vermelt, gestrafft werde, damit also bey und undcr
uusorui Hoffgesindt alle guete, crbahre Zucht und Sitten gepflanzt und
gehalten werden mögen, inmassen wir dan solches gedachtem unserm
Maister* in seiner Instruction auch aiifferlegt und befohlen haben.
IG.' Ferer und wo sich auch begebe, dass sich zwischen anserm
hochged. Kay. Mt. und unsers gelibten Gemahl Hoffgesindt einige Zwy-
' Der Anfang des §. lü int in der Instmetion vom Jabro 1637 auagelaraen.
* In der Instrnction vom Jalire 1B,37: Hofm.iifiter.
' §. 16 laiitot in rlor Inslrnction vom .Talire 16.37: .Verer und wo sich auch
begäbe, dau zwischen Unsemi und Unirer geliebten Oemahlin Hoigesind
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(facht und Uneinigkheit /.iitinge, sn gnll ^'edaohtei- unsiT HolTumrschall
Btscheideaheit gebrauchen, nemblichcn zwischen Avv Kay. Mt. etc., uu-
germ Hoffgesindt, solle unser Marschsill, der Kay. Mt. HolTmarschall dar-
von Anzeihnnp thun, wpicliev aisdan beyde Pailhcyen zu seiner Gelogon-
lieit für BJch beschaiden und mit uii<l neben ihine unserui Uarscliall der
Nottnrfft nach Verh5r halten, und darauf, wie aich gehflrt, Beschaidt und
Abschidt geben werden, aber zwischen uusenn und unserer Leihhoffgesiudt
soll unser Marschall in üeysein deroselben unser (Jeiuahl Hoffmaister oder
Marschall die Sachen zwischen beeder Tfaail Hoffgesindt verhören und
der Gelegenheit und Nötturfft nach Beschaidt und Endtschidt geben.
17. Gleicherweiss soll er gedachter unser Marschall mit denen
Persohnen, so unsers Obristen Cainmerers oder Obristen Stalliuaisters
Jurisdiction underworffon sein, auch halten und alwogen au sich zwischen
derselben einem oder mehr und dem amiern Hoffgesindt Gezenckli, Kuinor
and Uneinigkheit erhibo, mit seiner fürgesecztiui Obrigkeit als Cauuiierer
oder Stallmaister, die Sachen verbOren und die Notturft't nach Beschaidt
und Antwoi"tt geben; im Fall aber, dsiss sich die Sach so gar rnmiuisch
erzeigte, die keiner Bilt, bis unser Marschall hochgedachter Kay. Mt. liuff-
marschall oder unser Gemahl Hoffniaister als obstehet anzeigen thun und
verhört werden kundten, erleiden möchte, so soll der, der diejenigen Per-
sohneu, so sich also niuetwillig oder malcüzisch gehalten, alssbaldt durch
den HofFprofossen, inmaeson wie oben in einem anderen Articul gostelt,
in Verwahrung nemben und alssdan jezt gehörter Gestalt an eines Jeden
gebührlichen Obrigkeit gelangen lassen.
IS. Und ob sich begeh, dass unser Uoffmaister unserer Geschafft
und Ordnung halber nit am Hoff were, so soll sein Ambt und Venichtung.
wie ihmc dass unser Instruction aufliegt, auff ihiic Hotfnmrschallon ge-
wendt sein, also dass der Hoffmarscliall dasselb in allen Dingen als wan
der Hoffinaister selbst gegenwerdig were verrichten, vertretteu und not-
torfftiglich baadlen soll.
19. So sich dan zutrueg, dass gedachter unser rioffmarschall nui
Hoff nicht were, so stehet zu unserm Gefallen und Willen, ein l'orsDhn
zu Verrichtung und Verwessung solches dess Marschalliimbt zu verordnen,
doch solle derselben Porsohn die Verautworttuug seiner Handlung, alss
lAOg sie die Verwaltung hat, selbst zustehen.
einige Zwietracht und Uneinigkeit zuetriige, so solle oftgedauliter unser
Mirschall in Beisein deroselben unserer Genmblin Hnfiuaistor und Mnr-
Bcliall die Snclien zwischen heeden Theilen Hofgesiud verhUreu und der
Gelegenheit uauh Bescheid und Entsclieid geben.'
500
20. und soll neben dem Allem ermelter unser Hoffmarschall darob
sein, auff dass unser Hoffgesindt unserm Quartirmaister und Fourier nicht
polderu, schelten oder schmälich halten, wo aber einer oder mehr auss
unserm Hoffgesindt seiner Herberg Beschwer hette, so soll er sukhes
jederzeit ihme unserm Hoffmarschall anbringen, der soll nach Gelegen-
heit der Sachen gebührliche Einsehung thua.
21. Er unser Hoffmargclmll soll auch allen Hofräthen ansogen
lassen und in dem Holfrath Umbfrag thun wogen der Persobnen, su im
Rath aldu expedirt und ausserhalb Besnchung der Kanzle; mflndlich ub-
gefoi-tigt werden sollen, ihren Beschaidt ihnen ansagen.
22.' Dessgleichou soll der KeichshofTraths Thürhuetter auff deu
Hoffmai'schall jederzeit sein fleissiges Äuffsehen haben.
23. Er Hoffmarschall soll auch, wan wir Morgens zu und von
Kirchen gehen oder in Batb gehen, selbst sambt dem anderen Hoffgesindt
boy dem Dienst sein, es were dan Sach, dass er derselben Zeit anderer
unser Geschafft halben nicht künde abkommen.
24.' Er soll auch, wan wir Kay. oder Königl. Actus cclebrireu,
dass Schwerdt vorführen.
25. und in Summa, er Harschall soll Alles dass thueu und in allen
Sachen sein guet Äuffsehen haben, dass einem Hoffmarschall zu thuen
gebOrt, und nichts uuderlassen, dagegen soll ihme von Meniglich, so ihm»
underwarffen sein, alle gebObrliche Guborsamb erzeigt werden, daran bo-
schicht unser ernstlicher Willen und Meinung.
Geben in unser Statt Wienn.
Beilage 4,
1606, 6. Juli, Wieo.
Schreiben, so von H, Orafen Fanl Sixt Trantion an H. Jacob Breiner
Freih. under dato 6. Juli Anno 1605 abgangen.
Wohigebohrner Freyherr, insondors freundlicher, vertrauter, lialier Herr
Obrister Hoffmarschall !
Dem Herrn Schwägern sein mein ganz willige Dienst jederzeit lu-
voran beraitt, nnd thne Uimo hiemit zu wissen, dass ich sein Schreibeu
vor 25. tliss datirt an Oestert wol empfangen und desselben Inhalt nach
lengst vernoramen, diiruuss aber so vil verstandten, dass Ihr. K. Mt. allcr-
' §. 21 nnd '2'J fehlen in der Instruction vom Jahre 1637.
* §. 34 fohlt in der luatruvtion vom Jahre 1637.
501
gnädigst an mich begehren lassen, nnd der Herr Schwager mich auch er-
Boeht, wie es von Alters hero und zur Zeit meiner Administration des
Marschallambts in Gericht und Crimlnalssachen gehalten worden,
dessen erkenn ich mich gegen Ihre May. ganz nndertbänigst schnldig,
und gegen dem Herrn Schwägern gleichfalss ganz willig.- Und ist erst-
lich nit weniger, dass in meiner so vil Jahr langwirigen Trag^ng des
müheseligen HoffniarschuUambts sich allerley F^eindsoligkeitcn in crimiual
und andern Sachen nicht allein zu Prag und in Böheimb, sondern auch
im Reich zu Augspurg, Regenspurg auff den Reiclistägen und sonsteu
auch albie zu Wienn zugetragen haben. Ich hab mich zu Eingang meine»
Ambts Qeissig erkundiget, wie es etwan zuvor und vor längen Jahren in
dergleichen Fahlen gehalten wurden, zu dem ich gleichwol disen Vorthl
gehabt, dass ich ein guette Richtschnur an meinem H. Vattem seeligen
etc. haben könden, welcher vill lange Jahr bey Ihr. Kay. May. Ferdiuando
löbl. Gedechtnuss Obrister Hoffniarsuhall gwesen, dasselbige nud wie
raans etwan sonst ein Ambt baiton solle, hab ich durch die gehaime Herrn
Räth an die Kay. Hayt. unsorn allorgniidigsten Herrn allorunderthänigst
gelangen lassen, aulT welche Relation und Guetachten Ihr. Kay. Mäy. sich
dasselbigmal allergnedigst resolvirt haben, und bin ich alssdan derselben
kayserlichen Resolntiun, solang ich in dem Ob. HoO'marschallen-Ambt
verbliben, nacbgnngen nnd es also gehalten.
Jezt nun auff diesen Puncten in specie dem Herrn Schwägern zu be-
richten, wie es erstlichon in RaiilT, Rumorhändl und criminalibus gehalten
worden, ist es also zugangen, dass jederzeit die erste Justitia, ess sey
hernach die Hoflf oder die andere Justitia, welche darzu kummen sein,
die Thätter eingezogen, dieselben alssb.'ildt eiamiuirt, wer sy sein, wohin
sie gehören, dasselbig der andern Justitia oder den andern Tag oder aber
auffs lengst in 24 Stnndten zu wissen gethan worden, bey deroselben aber
hernach gestanden, ob sie den Thätter abholen wollen lassen oder nach
Gelegenheit der Umbständt, gemeiniglich aber so bah ich dieselben ge-
fangen, durch den Profossen abfordern lassen. Es sey dan ein solches
crimen gewest, dass so notorinm, das es keines üeberweisens bedOrfTt, so
hab ich gleichwol dieselben Thätter, dieweil man in notoriis criminalibus
bey dem Hoffmarschallambt nie Keinen zu dem Heukhen oder Ki'ipffen
judicirt hat, bey dem Stattgericbt jedes Orth verlassen also aber, dass sie
ihre crimina und Urthcil vorfasst, doch aber mit keinen Execntionen nit
dürften fortfahren. Sie haben mir dau das Urlhl zuvor verzeichneter
Bftmbt denen Motiven zugeschickht. daranfT ich mich alssdan im Nahmen
Ihrer Mayt. gegen ihnen erklort oder dass sie fortfahren mügen. oder zu
Zeiten Ihr. May. ein Gnad eingeworffen nach Gelegenheit der Sach, den
502
sie alsedan nachkommen sein. Es ist wol uit weniger, dass eben zti Prag
CS imei- zu Zeiten Anstüss gegeben bat mit denselben Gerichten uuJ
ctwan die Herrn Obristen und Officir sich dessen auch angenommen
haben, ich aber hab mich dennoch der Kay. liesolution and alten Gebrauch
nach verhalten, anch etlichitial selbst mit denen Obr. Herrn und Officini
gorcdt und tractii-t, und ihnen die Sachen zu verstehen geben, sy sich
auch gegen mir, wie ich nit änderst sagen kan, jederzeit beschaiden und
also Will erzeigt, dass wir gar leicht für einander kommen könden. Wu
aber Händl und Verliafftimg gewesen sein, die nit notorie hengennessig,
sondern noch obscurf oder dubitative criminal sein oder nit, dieselben Ge-
fangen aber hnb ich allzeit zu der HoiT-Jnstitia lassen nembon, darinnen
procediren, soweit biss das.s man gesehen, ob es criminalisch oder nitsej,
zudem ich allzeit einen nder 2 auss denen HolTräthen^ zu Zeiten auch
iiX'hi', wol auch etwan andere Gelehrte, so bey Hoff sich auffgehalten, ge-
biaucbt habe. Ist es, dass die Sach nun nit pure criminalisch gewesen,
so hab ich das Urthell ergehen lassen mit Vermelden, dass sie ihne »u
sich nemmcn, darüber gebreOchlich Urthell und eine Sentenz verfassen
sollen, doch vor Eröffnung deselben ihne mir zuschikhen, damit ichs Ihr«
May. anzeügen köndo tind sie hieiauff beschaiden solle. Und so vil den
ersten und criminnlischon Pimcten anlangt-, aus viil mir bewnst ist.
Bctreffcndt nun weiter den andern Puiicton, wer nndcr das Hoff-
marschallambt gehörig oder gezogen solle wurden, thuo dem Herrn Schwä-
gern ich hiemit dienstlich und frcfluiltlich zu wissen, dass zuvurderist
die Kay. May. unser allergnodigster Herr selbst, wie auch die HeiTn ge-
haimbo Räth, obrister Herr Hoffmaistor und ich ilarfür gehalten haben,
dass alle dio erstlicheii, so .in der Hoffstatt begriffen, so wollen die so in
einer besondorn Vei-zeichniiss als Handelss und HandtworckssleQth,
unnder den Hoffuiarscballambt sollen seiu, weiter auch alle PottschafTteu,
Agenten, Procuratores sambt ihren Zuegehörigen, so bey dem kay. Hoff
sein und zu thnn haben; item alle zne und abreisenden Fürsten, Oraffeo,
Herrn und von Adel, wass bey dorn kay. Hoff zu thun gehabt, auch die
Obristen, llittuiaister und dergleichen Herrn, die zur Zeit dess Elriegss
und sonst bey Ihr Kay. May. und dem Kiiegsrath zu thuu gehabt, ausser
deren Obristen, Haubt-und Befelchsleutt, so von dem Königreich Böheimb
bestult worden, mit denen sie auch das ihrig zu thun gehabt, sonsten
anderer und schwoiffenden Persohnen, deren es gleichwol offt mehr als
zu vil geben, solcher hab ich mich durchanss nichts angenommen, son-
dern mich offtermaKs mit den Herrn Landtofficiern verglichen, dass man
solches Gesindt weckbschaffen solle; und so vil kan ich mich dises Punctvo
halber erinnern.
m
503
Betroffendt nun den dritten Puncten, wie es nun mit ßecbnungon
der Contribution gebalten werden solle, tbue icb ilem Herrn Schwägern
>u wissen, dass wan in den bebuinischeii Landtagen LandltagsschluBS
ergangen sein, dariiieu wan von i^'uMenen Stiickhcn, sydeneu Wabreii,
Tüchern und dergleichen Eaufmnnust^nchou, süssen Weinen und der-
gleichen, darmit die Hoffhandiüssieüth gehandlel haben, etwas im Land-
tag anznschlageu und zu« geben scbukiig gwosen, ist es gciiiuiiiiglicli in
dem LandttagsGchlusB gestanden, dass die von HotT dasselbe mitleiduu
sollen, und bin icb allzeit durch die bMiainischc Expedition erinnert
worden desselben, darauf ich sie die HofniaiiillEsleutb erinnern lassen,
dises oder jenes sey geschlossen worden im Landtag und ein Verzoichnus
geben, dass sollen sie au die Orth, wie es in dem Landtag vermeldet wirdt,
erlegen und sich selbst vor Schaden vorhietten. Ist es nun bescheheu,
wol und guet, wo uit, so haben die Einuember derselben Sachen sich bcy
mir beschwerdt, dieselben geuandt, welche saumig gewesen, die hab ich
alssdan mit der Eiocution und mit Gwalt darzue gebracht, auser wo einer
oder mehr Uoffhitnillsloutb und dergleicbeii auch ein gossene Burger oder
Burgerrecht gehabt, die haben sie auch selbst mügen eiequiren. Wan
man aber vennäg der Landtagschluss in den Gwölbon, damit kein Betrug
geschehe, übersehen und schäzou .sollen, so bin ich allzeit durch sie, so
von den Beheuiischen verordnet worden, dessen Zeit und Tag eiiuuert, in
conformitet derselben Leuth hab ich auch allezeit von Huff auss 2, 3
oder 4 Fersohnen, die mit und neben ihnen, so vil die UoflT Haudless-
leuth anlangt, die Sachen verriebt haben abgeordneten, und ist mir so
woll als den Beheimbischen desselben VerlaulTs Bolatiou bescbehen; und
so vill von disen dritten vnd lezten Puncten.
Disen meinen gehorsambston Bericht mag nun der H. Schwager
Ihrer Kay. May. allerunderthänigst relationiren und mich doroselbeu bey-
nebens, als Ihrer Kay. May. getreuen alten treuberzigisten Diener aller-
gchorssmbist befehlen. Sonsten der Zeit mohrers nichts als thue unns
hiermit zu bayden Thaillcn dem Schucz Gottes allmechtigen befehlen.
Datum Wienn den 29. Juni 1605.
Dos Herrn joder Zeit dienstwilliger Schwager
Paulus Sixt Trautson, Graf und Freiherr.
504
Beilage 5.
ObersthofinanchaUsamt Frooesa und Qeriohttordniuig.'
Caput primum.
Welche Personen der Hofmarschalckhischen Jorisdiction unter-
worfen.
Der kays. Hoffuiarschalckhischen Jurisdiction sollen nicht allein
diejenigen unterworffen, so in Ihrer Kay. Mt. wflrcklichen Diensten und
Bestallung sich bey Dero selben Hofflager auffhalten, sondern auch aller
frembder Potentaten, item Chnrffirsten und anderen Ständen des heylig
Komisch Reichs Bottschafften und Abgesandt, ja alle diejenige, welche
den kay. Hoff besuechen und alda für sich selbsten oder ihrer Herrschaft
halber in Bechts- oder andern Sachen zue thuen und zne handien haben.
Dessgleichen sind unter die kay. Hoffmarsch alkhische Jurisdiction
gehörig aller obgemelten Personen Haussgesindt als Weib, Ehinder,
Diener, Ehehalten unnd welche sich sonsten in derselben Brett aoffent-
halten.
Caput 2. Von Beysitzern.
ObwoU biss anhero bey dem Obr. Hoffmarschalkhen-Ambtt nicht
herkhommen oder gebrauchig gewesen, sonderbare Assessores zue haltten,
sondern bey des Herrn Obr. Hoffmarschalkhen Discretion gestanden, in
wichtigen und disputiilichen Rechtssachen jedem zu Yerhelffung gleich-
messigen Rechtens etliche auss Ihrer Mt. Beichshoffrathen zue sich zne
ziehen, demnach dieweil dieselbe ohne das mit vielen hochwichtigen Sachen,
Beichs- und andern kay. Geschafften sehr beladen, insonderhait w^en der
Bevisionen, so von dem Obr. Hoffmarschalkhischen Amptt an Ihre Mayt.
Reichs-HoSrath respective sie ergehen, sich bisshero in dem vielßltig
beschwert befunden, dass sie in erster Instanz den Urtheilen bewohnen
sollen, vielföltig beschwert befunden, als sollen hinfurter drey Consn-
lenten oder Assessores, so der Rechten gewurdiget oder aber anffs wenigist
also geschickht und erfaren, dass sie derselben Stell vertreten mögen,
verordnet werden.
Caput 3. Vom Amptt der Beysitzer.
Unnd sollen die verordnete Assessores ordinarie zweymahl in der
Wochen, als Montag unnd Mitwochen, da dieselbe Tag nicht dies feriati
* Befindet sich im Fascikel A. 110'> in dem gräfi. Harrach'schen Archive
in Wien. U Blätter in Folio.
Bein (sonsten jedesmahl auff den nachfolgenden Tag) in das Aiutt zno-
samen kommen, der Partheyen Klag und Anbringen vernemen, and Alles,
was ferners bey dem Amptt einkhoiiimen, in fleissigc Beratschlagung
ziehen, darueber iu Namen des Herrn Ob. IlDfTmurschalckhon-Anipts
Bescheidt, oder auch nach Gelegenheit der Sachen den Rechten gemess
Urthoil verfassen und denselben zue publiciron anheimb geben.
Es sollen auch die verordnete Boysitzer sich alles Advocirens und
Procurircns in allen Sachen, so contentiosae jurisdictionis sein, sich bey
dem Amptt gentzlich enteussern, da aber einer von denselben vor der Zeitt
in einer bey dein Amptt rochthängigen Sachen gedienet hotte, soll die-
selbe zu Verhnetung des Verdachts, so lang und viel solche Sach triictirt
und gehandelt wirt, aaffstehen und sich alles Votirens and Batbgebens
dai'innen enthalten, sonsten an andern Gerichtsstctlon und Ortten soll
ihnen das Advociren, Procuriren utind Partheybandtlungou znc neben,
so viel ohn Versaumung ihres Assessorati beschehen kan, gantz unbe-
nommen sein.
Dieweil auch die Partheyen bissweilen selbst geuaigt durch guot-
liche Unterhaudtlung oder Commission sich entscheiden zuo lassen, auch
dieselbe ex officio der Partheyen znm besten pflegen angeordonet zue
werden, so soll jederzeit auff das wonigist einer von obbeniorten Bey-
sitzern neben andern darzue von Hoffgesindt nach Beschaflfenbeit der
Sachen tauglichen Personen als Principahl-Commissarius solchen Com-
missionen beywohnen unad folgenden Gerichtstag den andern Beysitzern,
was vorgelauffen neben der Mit-Commissarien Guctuchtcn ordentlich rufe-
riren nnnd in Entstehung der Guette, wofern die Sachen einiger recht-
lichen Ventilation oder auch Beweiss nicht bedurffen wirt, alsbaldt ein
Urtheil darin verfassen und dem Herrn Obr. HolTiuarschalekben ad pubü-
candnm heimbstellen.
Es sollen auch die complirte Acta nnter den Assessoren ad refe-
rendum dergestalt anssgetheilt werden, damit sich einer vor dem Andern
nicht des UeberhauQ'ens zue beschworen habe. Wan sich auch 'iSuctragen
< sollte, das einer von den Assessoren in andern GeschäiTton verraison
mueste, so soll derselb einem andern von don Bleibenden oder Anwesenden
die Acta, so ihme ad referendum zucgestellt, neben Information und seinem
Goetachten zuzustellen schuldig sein, welcher auch dieselbe im Beysein
des andern Beysitzers und Ämpts-Secrotari, damit jedesmalil bey denEnd-
ortheilen, welche ein grosses praejuiliciiini autf »ich tragen und die Par-
theyen sich einiger privatischer mit einlaufender Affection zue beschweren
nicht Qrsach haben, aufls wenigist drey Personen sein, fürderlichst re-
feriren und expediren solle.
506
Caput 4. Do salario adsessoram.
Es sollun die Assossorcs von Hoff üubs jeder monatlich mit Hnfl-
dieners Besoldung versehen und ziie dem ßiidu in die Hoffstadt eing«-
sdiricbon weiden, und dieses ziic luehi'or ErgOtxlichkhoitt als ein Accidens
ihnen frey stehen, von denen Partheyen, so guetlich nach Gelegenhvit
der Siichen von jedem Huiideit loco sportuhiruni ein Gwisses zue inzni-
haltcn und dasselbe unter sich in gleiche Thiiil itussthailen.
Caput 5. De udvocatis.
und weil wegen der Advocaten bisshero bey dem Ampt merckhliebt
Unordnung eingerissen, indeme sich ein Jeglicher, so doch der Reclitva
im wenigsten erfareu, seines Gefallens dor Parthey-Handtinng angc-
masst, dahero dieselbe verführt, in Unkosten gebracht und in Schriffton
allerlay sträfHichen Schändens. Schmehens und Calumnierens sich g«-
braitcht, als sollen hinfflhro mehr nicht dan acht Advocaten, die ihm
Lehr, Geschickhlidikheitt. Hedtlichkheitt, ehelicher Gebuert und dass sj
der Kochten gewüfdiget oder aber in examine der Rechten nicht weniger
erfahren gnuegsamb befunden und erkandt worden, zuegelassen werden.
Es solle auch liinfnro bey dem Ampt kbcin Schrift angenommen,
noch dainiebcr erkhant werden, es habe sich dan einer aus den Advocaten
auf das wönigist nnderschrieben, damit ins kbunfTtig alles Calumniereii
vermitten, und die Uebertretter nach Ermässigung des Richters unnach-
lässig gestrafft werden mögen.
So aber einer oder der ander von obberuerten Advocaten entweders
von hinnen sich begeben oder mit Todt abgehen wurde, solle alsdan an
dessen Stell ein anderer auff vorgehende Examination und Bescheinung
seiner Geschiekhlichkheitt angenommen werden.
Weilen auch sich /.um offtermahl zueträgt, dass die Advocaten in
anderen Geschafften verraisen unnd etlich viel Wochen aussbleiben. da-
hero die Partheyen Öccusion und Ursach Dilationes zue begehren und
ihren Gegner hierdurch auff7.nebalt«n suechen, diesem Torzuekommen,
Boll der verraisende Advocat jedesmahl schuldig sein, vor seinem Verraiseu
einem Andern bis zne seiner WiderkuiitTt die Acta neben gnetcr Infor-
mation bey Straff nach Ermässigung des Ampts zuezustellen, and khein
Parthey mit dergleichen Exceptionen mehr gehöret werden.
Dessgleichen wan von den Advocaten einer oder anderer mit
schwerer, langwieriger Kranckheit von Gott heimbgesuecht und dardurch
der Parthey Sachen abzuewartten verhindert wurde, soll es gleicher-
gestalt bis zue dessen Gesundtheyt auch gehalten werden.
607
Es sollen auch unter obberuerten Ädvocaten zween Notarii sein,
velche bey Inventuren iimi andern Nofcariatsverricbtungen mögen und
khSnen auf Erforderung lies Ampts gebraucht werden, darzue sie dan auch
Terpflicht sein sollen.
Capnt 6. Von der Assessorenamptt, Secretary und andern
Ampts-Personen, auch Adrocaten-Aydt. Vide Cammer-Geridits-
ordnnng, p. 1, Tit. 5. 7.
Es sollen auch die Assossores, Secretarius unnd andere Ampts-
personen dessgleichen die Ädvocaten nach der Cammergerichtanrdnnng
mit gebührlichen Ajdt beladen werden.'
Caput 7. De causis.
Von Sachen, m für das Obr. HnfFmarschalckbamptt iminediate go-
]>6ren, dioweil auch vieimahln zwischen dt<m Herrn Obr. Hufluiarsclialckhcn
imnd andern kayserlichen fflrnctnbsten Officirn.als Obr. Hoffiunister.Obr.
'Canimerer, Obr. Stalhnoi.ster, Vice-Cantzler, Hartschier- unnd Trabanten-
Hanptlüuth wegen der Jurisdiction Strittigkhpiten furfallen, iiideiu ein
Jeder zwischen den Personen, welchen sie in ihres kay. Diensts Vor-
richtungen zno commauiilrcn, auch nach Gelegenheit uund Vorsauui-
nussen desselben zne straffen haben, die Cognition und Jurisdiction an
pich ziehen wollen, und aber bey dem kay. Hoffe niemahln herkommen,
4bs8 ausserhalb des Obr. HoiTmarscbalckhen in Sachen, welche durch
ordentlichen Weg Hechtens zu entscheid)*» werden suUeu oder muessen,
jemahln einer von obbemelten Ofliclrn und andern befelchfugten Personen
den Stab gehalten, darin erkendt und gesprochen, auch zue fuerderlichor
Eiecution der Processen unnd Urtheilcii notwendige Amptspersonen ge-
habt, zne dem etliche obbemelten Herrn Ufücierti in Dienstsaclien tinter-
Worffene Personen sich zue nicht geringer Vorschimpft'ung der Obr. Hof-
marschalkhischen Jurisdiction, auch Verkleinerung des Ambta Reputation
pDstnjckhentlich vernommen las,scn. als wan sie in causis justitiae den
Ob. HofTmarschalckhischen Befelchen, decretis unnd ürtbeilen wegen nicht
fondirter Jurisdiction zue pariren nicht schuldig wären.
Damit nuu ins khunIVtig dergleichen unfürträglicho, nichtige unnd
Unerhebliche, freche Exceptiones abgeschnitten und alles nnnöttiges Dis-
putiren vermitten pleibe, auch sich Niemandt der Unwissenheit zu ent-
«chuidigen habe, so sollen hinfüran alle Klagen und Civilsachon ohn
Unterschiedt der Personen, item alle Freuel und Criminalsachen, welche
* Hier wurde »lü §. 7 der Anfang des g. 6 gesetzt, jedoch darcbgentrichen.
508
dnrch den ordentlichen Weg Bechtens zn entscheiden, auch Ton Obrig-
kheitt wegen zne straffen oder nach Wichtigkheitt an anderen Gerichten
zue remittiren sein, für den Herrn Ob. Hofbiarschalkhen oder f&r den von
demselben nidergesetzten Personen ventUirt, eiaminirt umd erörtert
werden, da auch irer Dienst fargesetzte Obrigkheitten eine Person an
ihre Stell darzne verordnen wolten, soll denselben solches firey heimb-
gestellt sein.
Da aber in Sachen eine oder andere Personen Dienst betreffendt
ichtwas straeüich farfallen solte, wofern solches durch den ordentlichen
Weg Bechtens nicht zn entscheiden und hemacher den Bechten gemess
zue straffen wäi'e, solt von Herrn Obr. Hoffmarschalkben ihren vorge-
setzten Obrigkheitt khein Eingriff noch Hinderung geschehen, sonder jede
Obrigkheit ihrer Instruction gemess sich verhalten wissen.
Wan auch durch derselben Zuethuen unter ihren untergebenen Per-
sonen in der Guette die fQrge&llene Strittigkheiten in causis civilibos
hingelegt werden köuten, mögen sie dieselb, weil die Transactiones aadi
ohn Vorwissen der Obrigkheitten in Bechten zuegelassen, woU tentiren
unnd fürnemmen lassen, sonsten in Entstehung derselben sie jedesmals
an das ordentliche Becht remittlien unndt weisen, allda dan dieselben
schleunige Hilff widerfanen solle und also die Avocationes von den Hoff-
marschalckhischen Gericht hinfarter gar nicht gestattet oder zugelassen
werden sollen.
Caput 8. Vom gerichtlichen Process, welcher Gestalt darin
zu verfaren.
Erstlich solle jede Parthey ihre Klag oder Snpplicationes gedoppelt,
damit jedesmahls eine beym Amptt verbleibe, in Schrifften flbergebeo,
die andere aber der beklagten Parthey zue seiner Notturfft zuegestellt
werde, welche jederzeit vom Amptt-Secretario angenommen und den Ad-
sessoren auf Tag, so sie sitzen werden, zue berathschlagen vorlegen.
Wofern nnn dieselbe die Sachen also beschaffen befinden, dass sj
auf blosser Communication beruehen, sollen sie in derselben Session snb
nomine officii ohne Holestii-ung des H. Ob. Hoffmarschalckhen dem Gegen-
theiln cum termino communicirt werden.
Caput 9. Von Befestigung des Kriegsrechtens.
Wen also vom klagendem Theil die Klag, Libell oder Supplication
uebergeben, so soll der Beklagte entweder seine exceptiones in termino
praefixo davauff uebergeben oder aber seine responsiones haubtsachlich
einbringen und dergestalt alsdan lis pro contestata gehalten.
509
Caput 10. Von Aydt fflr Qescheede.
Da auch klagender oder beklagter Thail den Aydt far Gcsclieede
begehren und denselben dem Gegenpart nicht erlassen wolt, .soll Bolchos
in nachfolgendem ersten Termin unverzüglich geschehen. Da aber die
Partheyen solches nicht begehren wuerden, soll der Proccss ein Weg als
den andern für cräfTtn gehalten werden, im Uebingeu soll es bei gemeinen
E(echien quoad poenam jorare nolentis verbleiben.
Caput 11. De satisdationibus.
Da auch die Partheyen, es seye Kleger oder Beklagter, Burgschafft
zom Rechten oder deswegen der Eipens begelirn werden, soll solches als-
baldt im ersten Termin geschehen, auch der ander Theil, von welchem sy
begert worden, wofern derselb nicht gnuegsamb ongeseBseD oder ander-
werten begnetert, so bey Erkandtnus der Assessorn stehen soll, dieselbe
auf den nechstfolgeitden Termin ku leisten schuldig sein, und darauf als-
baldt in eodem temiino olin gosuecbten AufTschueb feinera, was sich der
Ordnung nach gebueren wirt, haudtlen und also von Terminen zu Ter-
minen bis zum Endtschlass utrinque verfaren werden.
Caput 12. De terminis.
Die Teiinin selten ordinarie von 10 zue 10 Tagen ergehen, es wäre
d&n, das die Sachen Wichtigklieitt and Beschaffenheit nothwendig ein
anders erforderte, alsdan soll es in arbitriu des Ampts den Termin zue
kurtzen oder auch zue extendiren stehen, da aber Sachen furßeleu, so
kheinen Verzug leiden konten, als Anest und andere dergleichen Suchen,
soll der Ampt-Secretarias einen oder 2 auss den Assessoren, wofern er
dieselbe haben khan, jederzoitt zue sich erfordern, die Sach mit ihnen, so
viel die Zeit leiden mag, beratb seh lagen und aJsdan dem H. Obr. Iloff-
marschalckben neben einem rechtlichen Guetachten referiren und von
demselben Eesolutionem erhalten.
Caput 13. De contumacia, sowohl des Klägers als des
Beklagten.
Wan auff erst angesetzten Termin der Beklagte sein Antwurt in
Schriffton nicht uobei'gibt, auch vor Anssgang dess Termins kheino dilit-
tion anss erheblichen Ursachen pittet, sondern denselben contumaciter
fameber gehen lässt, soll ihme zum UeberSuss tiuff Anrueffen des Klägers
mehrers nicht als acht Tag pro termino pracjudiciali angesetzt, auch ehe
510
und znvor nicht gehöret werden, es seye dan Sach, dass er seines Anssen-
bleibons erhebliche und in Bechten beständige Ursachen, wie obTermeldt,
für und angezaigt hette.
Solte aber neber ergangen beschehene Decret der Beklagte ferner»
ungehorsambiich aussenbleiben, so solle die Sach ohn Znelassnng einiger
fernerer dilation ffir beschlossen angenommen und darinnen ergehen, was
Kocht ist.
Hergegen im Fall der Kläger auff des Beklagten Antwnrt oder Ei-
ception ihme hinwiderumb ein Termin bestimbt wurde und er solchen
verfliessen Hesse und weiter nichts handtlen wurde, solle auf des Be-
klagten Anhalten, wofern der Kläger nicht ehehafften Ursachen seines
Aussenpleibens furzuewenden hätte, ihme gleicher Gestalt ein terminos
praejudicialis nach Gelegenheit und der Sachen Wichtigkheitt (welches
in arbitrio des Amptts stehen solle) angesetzt werden, und, im Fall er
abermabln ungehorsamblich aussenbliebe, soll auff des Beklagten Be-
gehren mit endtlichon Grkhantnuss verfahren und nach Gestalt der Sachen
entweder absolvirt werden, oder aber nach Befindung darinnen ergehen,
was Hecht ist, und der Ungehoi-samb die Interim auffgelauffene Unkosten
und Espens, ehe er zue weiterer Handtlung znegelassen wirdt, zue refon-
diren schuldig sein.
Caput 14. Von Reconvention oder Gegenklag.
Wofern auch der Beklagt den Kläger in das Wider-Becht verfassen
oder reconvenioren wollte, soll er dasselbe auff den ersten Tennin, so
dem Kläger angesetzt, unnachlässig furbringen, nnnd darauff zuegleich
procedirt und ein Termin umb den andern gehalten werden.
So aber solche Gegenklag hernach und doch vor Beschluss der
Sachen furgebracht wurde, alsdan sollen beede Sachen der Klag und
Gegenklag vci-theilet und ein jede für sich Selbsten gehandtlet werden.
Da sich auch zuetragen solt, das des Klegers Anforderung gantz
klar und richtig, des Beklagten Gegenklag aber gar unklar, unrichtig und
auf einer ordentlichen Aussfuerung beruehen und allein des Klägers liqui-
dirto Klag zue suspendiren die Reconvention angestelt wurde, solle als-
dan in causa liquida ungeacht der Reconvention ein Weg als an andern
die schleunige Erkantnuss und Rechtshilff erfolgen.
Caput 15. De terminis probatoriis, von Beweiss oder
Zeugnus-Fuerung.
Wan in wehrendem Process entweders dem Kläger oder aber Be-
klagtem, Zengen oder Knndtschafft zu fueren notturfftig währe, soU
511
darinnen mit üebergebung der Articul und darauff zuelässige interroga-
toria vermög kays. Rechten verfahren, und die Ertheilung der Tennin bey
des Ampts Arbitrio stehen, und ueber drey Termin mit dem Beweyss
weiters nicht ziiegelassen werden.
* Nach volfnerten Beweiss und Eröffnung oder Pubiication der Zeugen-
Aassag soll der producens »eine Frobatiousschrifft innerhalb vierzehen
ITagen darauff einbringen und als« mit zwoyen Schrifften von vierzehen
Tagen zue vierzehen Tagen verfaren und utrinque als producens repli-
eando, der ander TUail diiplicando endtlich CDUcliidiren. Bchliessen und
tu ErkantnuBS setzen, es wäre dan, das d*sT Sachen Notturfft ein änderst
erfordern wurde, welches bey Erniessigung des Ampts stehen solle.
iCapnt 16. De sententiis.
Wan alsdau beederseits beschlossen, sollen die Acta einem von
lienen verordneten Assessoren ad referendum znegestellt werden, welcher
Bin mit Fleiss durchsehen, ein ordentliche Relation verfassen und her-
narther die 8ach in communl consilio berathsrhlagen, danieber ein defl-
Bitiff oder End-Urthei! zue schnpffon, furbringen und solche durch den
Ampt-Secretarium oder auch niirli Gestillt der Sachen durch den gewesten
Referenten Ihrer Mt. pro cnnfirmntiono et iniblicatione fnrtragen lassen.
Caput 17. Von Execntion oder Volziehung der Urtheil.
Nach aussge8))rochener Urtheil, damit »n der Execution khein
Mangel eracheine und hinfiiran Jeder seines erhaltenen Rechtens bey dem
Ampt desto furderlicher Volziehung und Execution erlange, so solle der
Verartheilten innerhalb viorzelien Tagen der ergangenen Urtheil zue pa-
riren und ein Begnuegen ziii' thuen schuldig sein, wofiTn aber solches
nicht geschehen wurde, soll alsdan auf des gewinnenden Thails Anrueffen
nnd Begehren ihm« fernere Zeit bey einer uanibhafTten Peen, halb ins
Amptt und halb dem gewinnenden Thail, zu erlegen pro arbitrio ange-
■etzt werden, nund nach Aussgang einer und verkündeten Executorialen
Boll der condemnatus in benannton Termin, ob er demselben parirt habe
oder nicht, zue dncirn schuldig sein und ihme weitere Frist nicht gegeben
.Verden. Suite aber hierüber der ergangenen Executorialen khein satis-
faction thuen, so solle wider denselben mit der wirckhlichen Execution
entweder durch Arrest, Pfendnng auch Verhoffung oder andere bequeme
Executions-Mitteln nach Ermessigung des Ampts so lang und viel un-
liachlässige verfaren werden, biss er der Urtheil und Executorialen gc-
liorsamblich nachkhommen, auch derselben einverleibte Peen wQrckhIich
erlegt haben würdet.
IrehlT. UCXXTII. Hd. II. Hilft«. 83
512
Caput 18. Von Gerichts-Ünkoston.
Die verordnete Assessores sollen in verordneten, entschiedenoo
und Executionsacfaen sondern Fleise haben, dass die zuerkannte Expens
aaff Ansucbung der Partbejen nach übergebener Designation uund vom
Gogenthail danieber eingebrachte Exception (darin demselben nach der
Ordnuug droy Wochen Termin zuegelossen sein sollen') forderlich taxirt
und die taxirte zu schleitügen, gleichmessiger Execution verholifen werde.
Caput 19. Von Revision der aussgesprochenen Urtheilen.
Demnach bey dem Amptt bisshero grosse Unordnung gespnert, in
dem die verlustigto Partbeyou fast mDethwillig von den ergangenen De-
creteu und Endturtbeilen revisionem geauecht und dardurch die Exe-
cutiones ffirsätzl icher weiss gespert unnd anffgezogeu, solche Unordnung
abzuestcllen, solle hinfurter kbeiuem Theil gestattet unnd zuegelassen
sein, von den Decreten, welche in Gestalt einer bey Drtheil ergangen nnii
nicht vim detiuitivae haben oder gravamen irreparabile anff sich tragen,
davon revisionem zue begebreu, und da gleich solches bei einem oder
andcrm Theil atteutirt wurde, soll doch in selbigen puucten die Exocutios
und Verfarung der Hauptsachen nicht suspendirt, sondern wie Bechtens
ist, darin ein Weg als den ander procedirt werden.
So viel aberdie Eudurtbeil anbelangt, soll binfnran kheine Bevisioo,
es Bey dan dass die Sach ueber 35 (1. Rheinisch belauffen tbue, statt habvo
noch znegelassen werden.
Da aber die Sach ein mehrere Summa betreffen wurde, soll derienigT
Thail, welcher die Revision begehrt, von zehen Gulden einen und also
fortan zne dem Ampt deponiren und da er der Sachen in der BeTision ver-
lustigt i>d(M' auch sonst davon wider ablassen und sich anderwerts ver-
gleichen wurde, solches Gelt dem Ampt vorfallen sein, welches die Asses-
sores und Amptt-Secretarius zuc gleichen Theilen unter sich ausstbaileo
mJ^gen.
Da auch die Sachen nicht Gelt, sondern Injurien und dergleichen
Frevel belangen wurden, sollen zwar die Revisiones denselben nicht ab-
gestrickt sein, jedoch zu Verbuetung muetwilliger Anffzugs soll der oon-
demnjrte Theil anff den Fall, er die Sachen bey der Revision auch ver-
lustig werden solte, alsbaldt nach gesuechter Revision fuuffzehen Gulden
zne deponiren schuldig sein, unnd zuvor die Revision ihme nicht gestattet
oder zuegelassen werden.
618
Beilage 6.
1572, 1. Febru«r, Wien.
■ iBstructiou ' auf den edlen imsern lieben getreuen Gabriel Strein,
Borrn zu Schwarczenaw, unsern Hofratli and Stebelinaister, welcher-
^aasen er berflerts Stäbelmeistei'ambt vei-ricbten und handlen solle.
1. Anfänglich snll sich obgemolter Strein als Stäbelmaister mit
«ambt allen Unsern TruckliBessen befleissen, das sio bowoI auffdon Eeisen,
als am Stilligen zu der gewöhnlichen Zeit und Stundt, da wir zu essen
pflegen, za Hoff bej dem Dienst erscheinen, und so er Stäbelmaister amb
•die Speiss gehet, solle er die Trucksessen alle mit ihne uomhen und darob
«ein, das sie die Speissen sauber, ordentlich und, wie sich gebührt, auch
mit Benembnng der Cretenz auftragen und so er Stäbelmaister einen oder
•ndern Tnickhsessen mehr als ein Speiss zu nemben und zu tr^en zue-
«ignete, das solle dersolb ohne Widerredt thun und sich dessen Keiner, er
Beye wer da wolle, waigern; es sollen auch die Trucksessen im Aufftnigen
init (.Tnser Speiss ordentlich und zichtig nacheiuRnder gehen und nicht
beben oder hinder einander bleiben, sieh vermischen oder vor- und nach-
lauffen, dergleichen ob sich begebe, das» eine oder mehr Speis, so in der
Euchl blieben, die in einem oder 2 Oengen nicht getragen werden möchte,
80 soll allweg der einer, so am jüngsten im Dienst gewesen, es sein die
jezigen oder küntftigen Trucksessen, vor den Eltern iimb dieselben Speyss
gehen und also, wie sie nacheinander eingestandteu sein, die Ordnung
halten.
2. Gleicherweiss, so als vil Speyss gekocht, die in einem oder
9 O&ngen nicht getragen, sondern noch ein oder mehr Gang zu thun von-
nöthen sein wirdt, sollen die Truckhsesson auf dess Stabelmaisters Anzeigen
nnd Begehren, alle oder zum Theil nach Gelegenheit der Speyssen, den-
Bclben Gang auch thun und ungewaigert aufTtragen, derhalben so soll
auch der Stäblmaister sein guete Achtung haben und darob sein, auf dass
kein Speyss für Unss gekocht in der Kuchel verbleib, sondern Unss alle
fürgetragen werden.
3. Ferner so ist auch Unser Befelch, dass der Mundtschenkh, an
dem der Dienst ist, unser Muudtglass selbst auff und widerumb hinab-
trag, und solches gar nicht durch den Sumelir beschechen lasse.
4. So wollen Wir auch, wie der Trucksessen einer sein Speyss in
der Knebel empfacht, dass er dieselbigen biss zu Unserer Taffei tragen
Im Kb«o. 24 des gtiü. Uarracb'schon ArcliiTs.
k. k. Hofbibliuthek 14676, (ol. 9"— 13*.
In der Uaiidichrift der
88*
514
und ander Wägen keinem Anderen geben, noch von seinen Händen nemu
lassen solle.
5. Item, es soll auch kein Tnickhsess, wan er die Speiss anfftregt,
dieselbigen Speisen fOr sich selbst aulT Unser Taffei weder im ersten noch
andeiien Gang nicht niderseczen, sondern solche dem Pannsthir in die
Handt geben, der dieselbige, wie sichs gebuhlt, auif Unser Tatfcl in
seczon and ihue das Cretenz zu geben wirdt wissen; im Fahl aber da«s
ein Truckhsess 2 Speyssen triege, die schwer weren, so mag er dieselbe
aaff dorn Schenckdiscb zanechst dem Silbercamerer zu ruchen auff-
seczen, er Stäblmaister soll auch keinen Trucksessen zulassen, dass ihmo
einer, der nicht im gleichen Dienst ist, die Schiesseln vor den Disch
halten bellTe.
ti. Uiemit soll auch Khciner seinen Dienst, oder wass ihme Inhilt
desselben zu thuen gebührt, keinem Änderen, der nicht seiner Person
gemess zu verstehen in gleichen ordentlichen Dienst ist, bej Unserer Taff«!
übergeben.
7. Und ob sichs zuetrueg, dass der Schenkh, Ffirsvhneider oder
Pannatbier, au welchem der Dienst ist, aus seinem Dienst und Placi
manglen und der Stäbelmaister einen Anderen an seiner statt zu dienou
befehlen wirde, derselbe solle das ohne alle Waigerung tlinu.
8. Dergleichen, wan Wir zum Disch zurichten befehlen, so soll er
Unser Stäbelmaister darob sein, damit dasselbige ohne Versanmbnns!.
der Dienst von Unserm Ober- nnd Ündern-Silbercamerer ordentlich,
fleissig und sauber verrichtet nnd godienet werde.
9. Und nachdem sich villeicht, wan Unser Stäbelmaister dess ersten
Gangs umb die Speyss gehet oder Uns zum Disch zu kommen erinnert,
bey Unserer zugorichten Taffei allerley Unföruiblichkeit erzaigen möcht''.
so soll er Unser Stäbelmaister dem Obristcn Silbercamerer oder seinem
Verwalter in Unserm Nahmen aiifferlogen und befehlen, dass er in solcher
Zeit Niomaud hinter den Tisch za siezen oder nahent daran za laineo
gestatten, gleicherweiss soll es auch bey nnd mit dem Credenztisch ge-
halten werden.
10. So soll auch er Stäblmaistor darob sein und Aoffnierklien haben,
damit von den OflBcieren, so zur Zeit Unserer Malzeit zu dienen schuldig,
aines jeden Dienst fleissig und ordentlich verricht werde, gleichesfolls
auch von den Edlknaben.
11. Und sofer sich bey Unser Malzeit, es sey von fremten Per-
■onen oder Unserm Hoffgesindt, Geschrey oder andere Unzucht begab^
80 soll gemelter Unser Stäblmaister dicselbigen Persohnen (sofer Unser
615
>Ei>ffmaiäter oder Marschall dieselbe Stundt nicht zuegegen were), durch
dea Huschier anreden nud abweisen lassen.
12. Er der Stäblmaister soll auch sein Aufsehen haben und dahin
bedacht sein, dieweil Wir die Malzeit nemmen, dass dio Track!<e»sen iiit
ftoff die Pfinen nahendt auff die TafTel dringen, sondern beschaideatich
darbey stehen, damit den andern und frembton ümbstehern und Persohnen
ihr Geschieht nicht genomen, sondern auch auf die TaRcl sehen niügun.
13. Er soll auch der Stäblmaistwr nach Auffliebung de.ss Dischtuchss
Ton Onss nicht abgehen, bis die Cammerer von ihrem Essen kümmen oder
Wir auss der Tnffelstubeu in Unser Zimcr gangen sein.
14. Dergestalt soll es mit den Truckhsesseu auch gehalten werden,
ind sie weder nach Änfftragang der Spe;s8 uder nach Auffliebuug des
Fiechtuchs nicht abtretten, sondern bis der Stäblmuister mit dem Stab
Ibgehet, bey dem Dienst verhahren sollen.
k 16. Er der Stüblmaister soll auch darob sein und nicht gestatten,
■M die Truckhsessen ainige Speyss, so man von Unser Taffei autlhebt,
WM sein Vorwisseu ausschickhen, so soll er auch für sich selbst über
ein Speyss nicht nommen und hirinnen demnach ein Beschaidenheit ge-
ftraucheu.
I Iti. Er soll auch Unser Stäblraaister autf dass ein mehrere Be-
r;hatfenhoit, sonderlich in Üegeawurth der frembten Persohnen an der
ruckhsessentaffel gebalten werde, selbst persohnlich den maisten Thail
oder doch derjenig, so au seiner statt dient, an derselben Taffei essen,
und er sambt den Truckhsessen die BescUaidtenheit halten.
I 17. Wan ihnen das Handtwasser nach der Malzeit gereicht worden,
dass sie dem Nachesseu Placz geben und desto ehender aufi'stehen, er soll
aach mit Fleiss darfOr .sein und nicht gestatten, dass die Truckhsessen,
unsere Taffeidiener und Ofßcir, wie bishero boschehen, poldern noch un-
bürlich halten.
18. Über das Alles solle dem Stäbelmaister von Unss befohlen und
fferlegt sein, in allweg das lestorlich schedlicho Zudrinckhou, der-
leichen dos nngebfirliche Qottslestern oder andere Unzucht und leicht-
fertige, unzüchtige, schandbahre Reden (Ibor der Trnckhsessentaffel nicht
zu gestatten, sondern darob zu sein, damit alle guete Erbarkheit, adliche
^Dcht nnd Sitten gebraucht und gehalten werden. Im Fall aber dass der-
lleichen bescheche, soll er solches nit zusoheu, sondern denselben da-
mbeu anreden, wie er sich dann der Gelegenheit nach darinnen zn
Iten wirdt wissen.
19. Und wo der Truckhsessen einer oder mehr von dem Dienst
ssbleiben, denselben versaunipn oder sich auf sein des Stäblmaisters
516
Anzeigen und Befelch in obgemelten Fällen lessig oder wiedenrertig er-
zeigen wQrde, so solle er den oder dieselben ernstlich darumbon anreden,
und so es aber bei ihnen nicht ungesehen sein weite, nnserm Hofliuaister
oder Marschalch urab gebuerlicho Eingehung anzeigen oder, wo vonnöthen,
an Uns selbst gelangen lassen.
20.* Wann sich auch, wie dan offt heschicht, zutregt, dats «in
Mundschenckh, F'üi'schnoider, Pannathier, Trnckhsess oder andere Pcr-
sohnen, denen unser Stäblmaister filrgenezt ist, aufgenommen wirdt,
Sülle Jedem in Sonderheit die Aydtpflicbt alle Zeit in seinem dess SUibl-
miiiaters Boysoin föigehalten und darneben demselben von Unserm Ob.
HofTmaister, dass sie ihme Stäblmaister (so vil Unser Dienst anlangt) alUo
billivhen Gehorsamb laisten sollen, auflfgelegt werden.
21. So sich auch zntrueg, dass der Stäblmaister in ünsern oder
seinen Geschäften von Hofl' und seinem Dienst abwesig undt Wier den
Stab mittlerzeit einem Andern zu übergeben befelchen würden, so wollen
Wir, dass alle obgestelte Articutl iuiff densellien iiiich verstanden wenien
und klie Truckhsessen alleimasscn alss dem Ajideru obbert)rte Gehorsamb
laisten sollen.
22. S» haben Wir ihme auch hiemit gnädiglich bewilliget, dass
hinfüran Unser Hoffniarschall über erraelten ünsern Stäblmaister oder
sein Ambt nach ihme darein zu sprechen ainigen Gwalt nicht haben,
sondern allein auf ünss und nach Uns, auf Ünsern Obristen Hoffmaister
sein Gehorsamb und Aufsehen haben solte.
23.- Beschliesslichen ist Unser gnediger Will und Hainung,
' Dieaer Paragraph fehlt in der Handschrift 14676.
* Vor dem §. 23 ist in der Handschrift 1467B noch folgender ÄbMta, der
in der Instruction vom Jahre lö7'2 gänzlicli fohlt; Damit ancb die Taffel-
decker ihren Dienst desto schicklicher abwarten und auf Allee, so ihnen
vertraut, desto Beissiger ihre Aufsicht geben muegen, so wollen Wir,
das allein denjenigen Mnndtschencken, Fnrschneidem und Pauathiem,
so wöchentlich umb einander dienen oder, da Wier nicht hervom essen
und sie nit dienen, sonsten in Umbwechsselunp die Ordnung auff sie
trifft, das sie gespei.iet werden sollen, jedem ein Jung oder Diener xnge-
lassen werden, die andere Diener und Knecht vor dem Zimmer ver-
bleiben, sinteoiahl diirub dass ninsindriiigen der mehreru Diener, sooder-
lieh bey der Abondt-Malzeit, sich offternial frembde bUse LeQtt mit ein-
mischen. Daraus dann erfolgt, dass nit allein die Tischservet, Lnffell.
Messer und anders verzückt, sondern auch viel Weins« nnnottwendigep
weu-i« auB.sgedrunckeu und verschwendet wirdt. Dambor dann Unser
SUblmnister mit Ern«t halten, diosfala keine Unordnung einschleichen
and sonderlich den Taffeldeckern, dass sie dergleichen abwehren, den
Racken halten solle.
517
I
wann beruerter Stgblmaister von Uiiäerm HufTmaister ' zu Unsern Hoif-
handliingen oder sonst, so sich nothwendij^e Veihörsachen ausserhalb der
täglichen Ordnung oder Hoffraittung hogebeii. erfiirdertt wüi'dc, dass er
eich bey denselben jederzeit ohne Verwiedening nebeu kibgedachteni ün-
■^tKna Hoffmaister gebranchen lasse. Sonst aacb in allem Unser Ehr,
Ifncz und Frommen füniero, wie er zu Ihnen wirdt wissen und Wir ihmc
guediglich Tert,riiuen, an deui Allem orzaigt er Unss ein gnediges Gefallen,
lind Wir hinwider gegen ihtoe in allen Gnaden haben za erkennen.
Geben in Unser Statt Wienn den 1. Febniar A. (15)72, Unserer
Seiche des Bnmiscben in Zehenden, dess Uungarischon in noiinton. und
Böbeimbisdien in dreyuudzwanzigisten.
Beilage 7.
1662, 2. M&rz, Linz.
Instmetion und Ordnung anf den edlen nnscrn lieben Getrewen
Leonhardien von Hnrrach, Froyberrn zue Roraw, Obristen Erbstall-
maisteru in Osterreich, der Ri'ini. Kay. Mt., unsers genedigsten geliebsten
Herrn und Vattern, gehaimbcr Bath und Cainmerer, alss unserm Obristen
Cammerer, welehermasson er, in seinem Abwesen der Eltist under den
anderen Cammerern, so gegenwerdig sein würdet oder der, liem Wir zu
dienen befelchen werden, solch unser Obr. Catnmererambt verrichten uud
handien solle.
Ordnung unsserer Leib-Camer, wie dieselb fQrgesehou und unss für
PerSdhnen darinnen gehalten werden sollen.
1. Erstlich soll gedachter unser Obr. Caunnerer jederzeit, .sovil ihmo
möglichen, für und für unib unser Feisohu, auch wan wir BchialTen gehen
und auffstehen, gegenwertig sein, unss die Elaider und auderss ordent-
lich und mit gehörender lievorenz ruichen.
2. Nemblicheu N. unser Obr. Cammerer uud in Abwessen oder
anstatt desselben sein Verwalter N. und N., so aollen wir noch etliche
und ehrliche und anseheutliche Persuhnen von Graffen, Hi'rrn oder von
Adel, alss für uusere Cammerer halten uud genielter unser Obr. Cammerer
oder in Abwessen desselben solle dise folgende Ordnung uud Befetch zu
haudien haben.
* oder Msrschalch in der Hnndiichrift 14676. Es scheint, diiss dieses die
mtere Fassung der Instruction ist, da spKter der Stfibelmeister nur dem
Obersthofmeister untergeordnet wnrde.
518
3. Demnach sollen dieselben, sowol auch alle und jede andere
Diener und Officir bey der Cammer nach ünss, so vil unsern Dienst be-
trifft, ihren Bespect und Auffsehen auff ihme unsern Obr. Cammerer
haben und alles das, so ihne durch ihme aufferlegt wirdt, thnn und ver-
richten, darinen der Obr. Cammerer allen Fleiss fürwenden und darob
sein solle, damit durch dieselben Cammerer und andere Diener bey der
Cammer unss getrewlich, ehrlich, fleissig und mit gebührlicher Beverenz
und Ambt, wie sich gebflrt, nachkommen und ein Genflegen tbne, in-
sonderheit aber dass dieselbigen Persohnen gehaimb und verschwigen
sein, dass sie dassjenige, so sie in unser Cammer sehen und hören, nichts
anss der Cammer kommen lassen und deren obbemelten Persohnen allen,
so in unser Cammer gehören, soll Keiner ohne unser oder dess Obr. Cam-
merers Yorwissen Ober Nacht auss dem Leger liegen.
4. Ferrer so solle alle und jede unsere Elaider, Eleinoter und
andere dergleichen Sachen von Goldt und Silber oder anderen, so wir jeio
in unser Cammer haben, zu Eingang seines bemelten Obr. Camerer-
Ambts zwey gleich lauttende Inventarii auffgericht, deren einss wir bey
Händen haben wollen und dass ander ihme zugestelt werden solle; nach
demselbigen Inventai7 solle er dasselbig alles, nichts davon aussgenom-
men, es sey von Goldt und Silborstuckhen, auch Seiden, Leinwath, willen
Gewandt, Bauchonwahren und anderen Sachen, in die Cammer und zu
unsern Elaidern gehörig, zu seinen Händen empfahen, fleissig bewahren
und behalten, und dermassen darauff sehen, damit er zu seiner Zeit, alss
nemblich zu Aussgang eines jeden Jahrs guete, auffrichtige Rechenschafft
und Verantworttung darvon thuen möge, und so nach seiner Verraittung
befunden, dass von denen Sachen, so in dem Inventary begriffen, wass
vergeben oder abgetragen worden, dass solle in dem Inventari aussge-
lassen und dagegen dassjenige, so entzwischen oder hernacher von neuen
erkaufft, gemacht, geschenckht nnd ihme Obr. Cammerer in sein Behaltnus
und Verwahrung überantwortt worden, eingelt werden.
5. Aber von allem dem Gelt, so zu seinen, unsers Obr. Camerers,
Händen in unser Cammer geantwortt wirdt, da soll er unss monatlich
guete und ausstruckhentlich Particularraittung und Bechenschafft (von
wem dass also kommen, wie und umb wass Sachen solch Gelt aussgeben
und verweudt worden) zu underzeichneu, fürbringen und ja lenger nicht
anstellen und alssdan solche Raittung, wo wir dieselb hinverordnen wer-
den, antwortten.
6. Und nachdem gemelter unser Obr. Cammerer, wan die Böm. Kay.
Mt. zugegen oder auch in Abwessen, bey Unss ordinari in die gehaimben
und andere Räth gehen muess, so haben wir ihme gnediglich bewilliget,
519
|di8 er obgedachte Baittang, die ihme hieuben r.a halten auferlegt wirdt,
iBiwegen dem eltisteu Cainmordiener oder aber sonst einem, ho ih&e für
[geschickht and taagUch befunden wiidt, befelchon und flborgeben mäge
idergestalt, dass derselbe solche liaittuug in suineui dess Obf. Cammerers
tfahmen verrichte, doch dass er ausserhalb seines Wissens und QcfelcUss
keine Aussgab weder wenig oder vil nicht thue.
I 7. Er soll auch mehrgemelter unser Camiuerer mit allem Fleisa
tfarob und daran sein, dass die Kauff umb gülden oder silbern Stukh oder
ander Sorth, Seiten oder andere Knuchwahren, mit guetem Rath beschehe,
damit uns» nicht verlegen Ding crkaufft oder aber ein mehrers als der
'Werth ist darnmben gegeben werde, und wass von seiden und rauchen
(Wahren, auch gülden und silbern Stuckh oder anderer Sortten erkaulft
(Und ihme in unser Cammer übergeben werden, darumbon soll er, wie sichs
[gebürt, quittirn und jederzeit sein äeissiges Äufl'merklien halten, dass
lünssere Elaider in sein oder dess, den er darzue verordnet, Ueywessea
ijeschnitten und allein die NotturfTt darzue genonimbon, und d:ivou nichts
Itntxogen, verwechsslet oder in anJerweeg voruntrewet, sondern dass-
oniige, so dnrch den Schneider oder Kirchner über die NottnrITt nicht
gebraucht, wideruinb mit guottcr Raittung übernommen werde.
. 8. Er unser Obrister Cammorer solle auch guette Achtung iiabou,
IKrie vil Wir zur NottnrITt zue einem Rockh, gülden und silbern Stuckh
Wer Seitenwahren, dergleichen wass und wie vil wir den rauchen Wahren
'jn einem Rockh gebrauchen, damit ungcfehrlich auBSZukommon sey, und
idass alweg hirinen ein Gelegenheit gobaltou, der Überlluäs und, wass
anvil ist und ihnen den Uandtwerckhern in der Gwalt bleibt und Nucz
iiannss erfolget, verhüett werde.
! 9. Er soll auch Alles, wass unsern Schneidern oder Kürchner zu
iDachen durch gegeben und vertrautt wirdt, sein Qeissig Auflsehen haben,
'damit treulich damit umbgangen, ihme auch alle Ding von ihnen widerumb
Viit gueter Kaittnng zugestelt und überlietfert werden, unangeseheu dass
]ir alle Ding, wie obsteth, wass auff unser Porsohn und in uns(n' Cammer
(ronnötten sein und gereicht wirdet, in seinen Empfang nemeii und dit-
ittimben quittiren muess.
10. Und nachdem sich auch unser Handtwerckher mit der Ue-
jkbnuug und in audcrweg bisher fast beschwerlich und thewer gehalten.
Im 8<)Ue unser Cammerer fürohin ein Geding machen, wass ungefehi'lich
Irou einem unserm Ruckh oder anderen Stuckh, dass billich ist, gegeben
nrerden solle, also dass es alweg darbe; bleibe und wir aber etwan auff
•in neuen Form oder Manier machen liossen, mag gloichwol nach Gelegen-
leit, ob mer Arbeitt darauff ging, nach zimblicbcn Dingen eiu Besserung
520
der Belohnung gereicht werden ; und in solchem allem solle nnser Obr
Cammcrcr ein loiilentliche und unbcsrbwerliche Mass nnd nicht so bocb,
als etwan geschehen ist, fürnemmen und darQber guete Hundhabung
thiiD, iinangCBchen dass sie die Handtwerckher sonst von nuss mit pten
ehrlichen Besoldnngen versehen seind.
11. und wan unss ein Rockh oder ein andere Leibsklaidnng ge-
macht werden, sollen dieselbigen alweg durch nnsern Obr. Cammerer in
ein ordenlich Inreutari gestelt nnd also nach dem Inventari die alt«n
und neuen ordentlich bey einander behalten, und nichts davon ausserhalb
unsors sonderen Befelchss und Verordnung vergeben, sondern der invw-
molten nnserer Verordunng und Ausstheillung erwai-tten und, woss wir
deren verschenckhen oder vergeben, durch unsern Cammerer auch dartber
ein sonder Inventiiri, wanen und wem und zu wass Zeiten die hing^eben
worden sein, gehalten werden.
12. Weiter sollen durch nnsern Obr. Cammerer alle Cleinoder,
Silbergeschir, Verehrungen, köstliche Pilcher, Antiqniteten, Instruments,
Kunsitstuck, es sey von Goldt oder Silber, Metal oder anderen Gearbeitt,
nichts aussgenommcn, wass in gemelter unser Cammer geantwortt wirdt,
mit allem FIciss aufFgehebt, bewahrt und gleichermassen in ein ordenlich«
Inventari gestelt nnd darbey auffgezeichnet werden, von wass Persohncn,
zu wass Zeit anss solches gegeben oder sonst erkaufft worden nnd gedacht
sein, diiss in keinen Weeg solche Sachen, sie sein wie klein sie wollen,
venuckht oder biudan gegeben werden, unangeseben dass uns dergleichen
Ding zu Zeiten von wegen Selcnsamkheit, zu Zeiten von wegen kunst-
licher und wunderlicher Arbeith und Gemachten gancz lieb und angenem
sein, Aber welches alles soldt durch einen unsern Canimerdiener ancb
ein Inventari, Raittung und guet Auffsehen gehalten werden.
13. Weilen auch gleiches Falss ein jeder nnder den Camerdienern
und Gwardnroba über dass, so ihne durch unsern Camerer von unsern
Leibsklnidorn nnd anderen Sachen zu verwahren gegeben wirdt, sein
ordentliche Verzeichnuss umb dasselbig alles Rccbensuhafft and Baittimg
zu geben wissen, zu halten und dau solches alles (darauff unser Camerer
sein Achtung zu geben weiss) fein, sauber nnd ordeulich behalten solle.
14. Wan dan so offt wir ein Kleinuth, aber ichtes anderss Köst-
liches verehren und verschenckhen, sidl unser Camerer jederzeit ein
Befelch mit unserer Handt nnderzeichnet von unss nemen und in Rait-
tung ffirbringen.
1 5. Unser Camerer soll auch in allweg bey unserm Camerfourir N.
oder, wer der Jederyeit sein wirdt, Verordnung thuen und für sich selbst
FQisichtigkeit darinnen haben, dass unser Persohn jederzeit so vil sein
mag, nicht allein mit gueten Herbergen, Zimprii und Wohnungen ver-
iehen, sondern dass wir auch an Orth und Endt nach Gelegenheit logirt
werden, darineii wür für unser Porsohn wol vorwalirt, utich Fewers,
Einsteigen und anderer Gofehrlichkheit halben am weuigsten nicht zu
besorgen haben.
16. Und wau wir also von einora Placz, wir seyen nun kurz oder lang
dargewest, in ein ander Hoffliigcr verrucklien, so solle unser Canimerer
fleissig auffzoichueu und ein ordenliL^lles Inventari darüber halten, wass
dasselbst, es sey von wass Sachen es wolle, hinder unser bleibt, damit
wir liess jedei-zeit guotten Bericht und Wissen haben und bekommen
mögen.
17. Itoui, in unser Schlaffcamer soll ausserhalb der Cammerer uud
Cammerdiener Niouiaudt ein Eingang haben, es werde dau einer durch
unss hinein gefordert, darob diiu unser Ohr. Cammerer oder iu seinem
Abwesen, dem es befohleti wirdt, streng halten und sein, auff unser
Persohn, Leibbeth, Gewandt und anders fleissig und getrewes AuEfseheu
haben solle.
lö. Ferer soll auch unser Camerer ausserhalb unserer Diener ein
hochen Ambtern, derohalbeu wir ihuic dun ihres Zutritts wegen und zu
wass Zeit der sein soll Bescheid! geben werden, sonst Niemandts in
unser Cauier ainigeu Zuetritt gestatten, er habe dan dessen von unss
ein ausstruckhlicheu Befeiuh.
19. unser Obr. Cammerer soll auch ferner mit allem Ernst darob
sein und denen, so Schlüssel zu unser Camer haben, unsertwegen ernstlich
einbinden, dass sie dieselbigen Schlüssel bey T.iguud Nacht mit höchsten
Fleiss verwahren und fcuinem Menschen vou llanden lassen oder ver-
trauen, uud da es sich begeh, duss ihren einer etwan von Hoff verruckheu
oder sonst Schwachheit halben von ihren Dienst abwesig sein wirdten, so
sollen sie solche Schlüssel jedorztjit ihme Ubrist Camerer mitlerweil zustellen
nnd überantwortten.
20. Und soUeu hinffirher alle Zuständt und Gerechtigkeit, deren
sich unser Cammerer oder Uanimerdiener und andere rersuhaen in unser
Camer nach Gebrauch dess Niderlenüschen Stadts behelfi'eu und zu ihren
Nucz suchen und bringen wulten, genczlichen aufgebebt nnb abgethnn
sein, und ihr Keinem in solchem Fall ichles ferners folgen noch wie einem
darfQr nichts zu thun gar nicht schuldig seiu.
21 Mehr sollen nach Gelegenheit einer oder zween vertraute Leih-
lioi nnd ein Wundtarcz nnd ein geschickhter vertrautter Apotheckher
' gehalten werden, deren .Jeder soll sein Ambt mit getrewer embsiger Sorg-
522
ffiltigkeit und Fürsehung wartten, frisch Arczney boy dem Tisch nnd in
dor Camor getrewlic-hen vorrichten und uns iid partera geschickUicli
»users Nachts waion, und sonderlich soll der Äpothekher gedacht sm
und guetto Fürsehung thun, dass im Jahr, wo nicht zweymal doch aaffs
wenigst einmal, guete frische Stuckh und simplicia (darauff dan der Lcib-
Medicus und Arzt ihr getrewes Anffnierckhen haben sollen) bcstelt und
orkaullt werden, damit er jederzeit im Fall der Noth mit denselben
gefasst sein mOge.
22. Unser Ohrister Camerer soll auch sein fleissig Nachachtuug und
Erfahrung haben, ob die Ofücier-Persohuen bey unser Cammor ihrem
Ambt und Dienst fleissig und trewlich, wie sich gebflrt, vorstehen nnd
verrichten oder nicht, und so er ainigen Mangel boy einem oder mehr
befände, darin nach Gelegenheit Wendung thun, und sonderlich dass dif
Straff gegen den Cammerdiener mit Rodirung einer Wochen- oder Tags-
Besoldung, lenger oder weniger nach Gelegenheit der VerwflrckhuBg,
durch unser Hoffmaister nnd Hoffmarschall, denen sie der Camerdienern
Unfleiss uud Obertrettung unserer Camer alwegen anzeigen sollen, ffli-
genommen und verordnet werden.
23. Noch sollen disse nachfolgende Persohnen in nnserer Leib-
cammer gehalten:
Erstlichen: 4 Camerdiener;
mehr 2 Ober und Unter-Barbirer;
Guardaroba und sein MitgehOlff;
Camraer-Fourir;
Haiczer;
Leibschneider;
Schuester ;
HossenschDoider ;
Leibwäschin:
Drey oder 4 Caromerthnerhüetter sollen gehalten werden.
Üie CammerthOrhietter sollen ihr AulTsehen aaff onsern (Mir.
Cammercr haben.
Die andern Saalthüihiettei' aber sollen Auffschen haben auff den
obr. Hoffmaister und Hoffmarschallen.
24. Doch wo ein Camerthftrhietter etwass straffmessiges handleto,
80 solle der Ohrist Camerer dasselb deme Hoffmaister oder Hoffmarschallen
anzeigen, dieselben alssduu nach Gelegenheit der Verwörckhung gegen
ihnen mit Kodirung ihrer Besoldung oder in anderweg Straffen fiirzQ-
uembeu wissen, doch solle solches mit Wissen unsers Obristen Cammerers
bescheheu, allein die Handlung, were so gross an ihr selbst, so solle der
523
Obr. Cameier iinss selbst solches anzeigen und anverhalten nicht lassen,
so stet alssdan bej unss darinnen Mass nnd Ordnung, wie gehandlet und
gestrafft werden solt. za geben.
25. BeschlGessliuben, so solle der Obrist Camerer mit allem Fleiss
darob sein und halten, damit alle und jede Cammor-Persohnen and Diener,
Barbirer, Guardaroba und ihres gleichen, so zu Tag und uächtlicher Weil
nmb unss sein iimi in unserer Canier aus- und eingehen, allwcgpii und
zu jeder Zeit verbanden und gegenwertig sein nnd jederzeit seinem Amht,
Dienst und Befelch in allweg trewlicb und mit gebürlicher Reverenz auB'-
wartte und ein GenOgen thue und dass sich diesselbigen allenthalben und
in allen Dingen ehrlich, züchtig und, wie sich gebürt und ihnen wrd an-
stehet, verhalten und erzaigen und ihnen änderst nicht gestatten oder
zustehen, sondern wo er iclites, so dergleichen unzichtiges, ungebühr-
liches, orgerliches und nachth^iligos. sn einem ehrlichen Diener nicht
zustehet, bey einem oder dem anderen erfahroii und befanden wiirde,
dasselbige wass Criminalsachen betreffen möchte, soll er unss vor allen
Dingen und, wo vounötten, unBerm Obr. lioffmaister anzeigen und auss
onsserm Befelch, Verordnung nnd Beschaidt, so vil möglich, mit Fleiss
abstfillen und Wendung tbun, sich auch sonst in allen anderen für-
fablenden Sachen (nachdem je alles in dise Instiuction nicht gestelt
werden kan und sich auch die Befelch n.^ch Gelegenheit der Zeit wenden)
wass zu unserer Ehr, Reputation, Nucz und Wolfabrt geraichen müg,
allenthalben dermassen fleissig, auffrichtig. gehorsamb und getrewiich
erzaigen und verhalten, wie wir ihme guodiglicb getrauen und einem ehr-
lichen anfrichtigen Obr. Camerer wol anstehet und gebflrt; and ob ihme
in denselben allem ichte.s beschwerliches, so unss zu Schimpff, Gefehr-
liehkeit, Nachtheil und Schaden geraichen mögte, fürfallen wurde, dass er
f&r sich selbst darinnen nichts handlen, verhüetten, wenden und aass-
richten künde (darinen er doch allen Fleiss und Möglichkeit gehrauchen
solle), so solle er uns solches olin allen Veraug anzeigen und von uns in
Sachen Beschaidt nnd Befelch nemmon, und demselben folgondts nach-
kommen, damit also alle Gefehrlichkeit, Schimpff, Nachtheil und Schaden
in alweg ftirkommen und abgestellt werden, an dem thnot er nnsern ernst-
lichen Willen und Mainung. Und wir wollen über dasn Alles, so er vermflg
dieser unserer Instruction und anfferlogten Befelch handien, thiin und
lassen wirdt, damit deaiselbcn nachkommen und guete Ordnung gehalten
werde, mit allen Gnaden handthaben; wass aber ffirPersuhnen in unser
Camer gehören, da haben wir ihme einen sonderen gefei'ttigten Camor-
Statt znstollen lassen.
Datum Linz den 1. Marty An(no) im (1)562.
524
Beilage 8.
(1561? Mai) Wie
Moximili&u dur Ander von Oottes Gnaden König zu Böhaiinb, Enben
zu Össterreich etc.
Instruction and Ordnung, wolchermassen und Gestalt unser Obr.
8talliiiaiNter-Ambt gehandelt und verriebt werden solle.
1. Erstlichen, soll unser Obr. Stallmaister alle und jede, gross und
klein Notturfften, so zu unserem Ueutzir,* alss von Zeug, Sadtl, nnrniscb,
Kleidung und anders zu uusern KQstungon gebörig, nicbtss aiissge-
sohlossen, durch die Persohnen, so daran verordnet, fleissig verwahren
lassen und, so offt wir zu reitten aufTsiczon, soll er bey iinss sein, seiuem
Ambt mit ordonlicben Credenzen und Verwahrung vorstehen, damit vir
alweg noch Gelegenheit nnd Gegenwerttigkeit der Zeit zu Ehren und zu
Sicherheit versehen seiu.
2. Vermelter unser Obr. Stallmaister soll täglich seiu Auffmerckhen.
Achtung nnd guete Ei-forscbnug haben anff die Notturtft unser» Stalus,
wass zn bessern und von neuem zu bestollou oder zu erzeigen nit umb-
gangen werden mag, wie auch dieselb NntturtVt in einem zimblichen und
wolfejleu Kautr zu bekommen sein, dass sulcbes alles zeitlich und laut dar
Ordnung, so seine Undevufficir hernach benent haben, fleissig volzogto
werde und an demselben kein Mangel erscheine.
3. Und wass also in uusorm Stall orkanfft wirdet, sonderlich w»88
otwass nnmbhaffts ist. bey dem soll unser HotT-Cantralor gegenwertig
sein, sein Auffsohen haben darauff und darüber verificiren, und der Stall-
maister soll ihme selbst zu gueter Richtigkeit und Verantworttung darob
sein, dass solches von dem Hotf-Cantralor volzogen werde, oder wo er
einigen Miiugel in diesem Fall an dem HofTcontralor befunde, dasselb
unserni HolTuiaister anzeigen.
4. Er soll auch durch den Fuettermaister oder Puetterschreiber
mit sambt unserm üoffcontralor in der Harnisch und Sadl-Cammer, wass
für SadI, Zeug, POss, Stegraitf, Hmniüch, Rockh, Panczer, Caperzaum,
Püxen und ullerley Wehren, Federn, auch alle andere Manss- und Koss-
zrer nnd Geschmnckh, auch Zelten sambt ihren Zugehoningen, so man
jederzeit bey der Harnisch-Cammer zn halten pflegt, dessgleichen Wal-
drapen nnd samoteu Deckhen, in Summa, es sey gross oder klein, so io
unser Harnisch oder Satl-Cammer jezund vorhanden oder kflnlTtiglichon
' In einer «päterou lustructiou steht: Boittergozior.
525
kauffsweyss oder durch Verehrung darein kommen mOchten, ein orden-
licb Inventari anffrichten, halten und alwegen zu Anssgang dess Jahrs
durch unsern Coutralor eambt dem Fuettermaister oder Fuetterschreiber
vernewert, von welchem ihine dem Stallmaister und dan ancb dem Iloff-
maistergleichlauttende Abschriften überantwortt werden BoHen, mit neben
lautterer Vermeidung, wass also jederzeit in genielte Uarnisch-Ciiiiimer
koubt oder widerumb daraus» gegeben oder verscheuckht wirdet, zu wass
Zeit, wie, wan oder von wem dass beschehen seye and auch wie jeder-
«eit Münderung und Mehning mit unsern Pferdten und Tragessien in
nnserm Hoffstall bescbicht, in den Wocbenzetlen durch den Fuetter-
maister lauttorc Anzeigung thun lassen.
5. Dessgleichen so solle gemelter unser Stallmaister jeczo alssbaldt
nnserm Hoffcontraior ein lauttere Verzeichnuss aller und jeder Pferdt,
ito wir jezo in unseim Stall haben, wie die haisson und von wass Farben
jiie sein, zustollen lassen, nichts weniger auch, so offt hornachmallen
gemelter Contralor solches im Jahr begehren würde, solle ihuio dieselbig
.Verzaichnoss auch gegeben werden, damit er jedesmals, wie viel Pferdt
lim Stall vorhanden, wan oder wo die erkaufft, geschenckht oder wider-
umben darauss gegeben worden, aigcntliches Wissen darumb haben
mflgen.
6. unser Fuettermaister uod Fuetterschreiber sollen ihre Auffsehen
auff ihne alss Obrist-Stallmaister haben, ihre Ambter und Dienst sanient-
lich mit einander handien, trewlich und in giietter Einigkheit einander
helffen, wo es dan vonuötbeti, dass einnr verziehen oder verraisen und
'ier Ander binden bey der Lassung und Hernnclibringung unserer GQotter
bleiben mflesso, die GescbaHt mit Wissen duss Stalhuaisters abthoilcn und
jeder seinen Thail trewlich und üoissig verrichten, jederzeit auff unsern
'Stall die Nottui-fFt als» Fuotter, Uew, Strew, Sattel, Pyss, Zaum, Negl,
Eysen und alles anderss, wass ungefehrlich darinnen gehört, auff An-
saigen dess Obr. Stallmaisters bestellen und sulchor ihrer Ordinari und
Extraordinari Anssgaben ordenlich Wocbenzetlen stöllou, wie bisshero
dan beschechen, dieselben unserm Stallmaister fürbringon und wass also
auff des Stallmaisters Verordnung für neue Arbeitt in unserm Stall bey
den Handtwerckhern gefrimbt und geraucht würdet, dass solle weder durch
[den Sattelknecht noch die Rossherefitter oder andere von den Handt-
'irerckssleitten nicht genommen werden ohne Beysein dess Fuettermaister»
oder Fuetterschreiber». damit sie dasselbe, wan und von welchem Uandt-
werckher es genommen und wuhin es gebraucht wirdet, fleissig auff-
Bchreiben und in Abraittung und Bezahlung der Handtwerckher-Parti-
cular derhalben guettou Bericht haben und thun mügeu; und wofer
b.
526
aber der Sattikhnocht oder fiereQUer wider die Ordnung ihrem Oefalles
nach handien weiten, so soll der Fnettermaistor oder Fuetterscbreiber
solches uusorm Obr. Stallmaister jederzeit berichten, dauüt er solchei
abzustöllen oder wo es nicht helffen wolto mit der Straff gegen ihnen tu
verfahren wisse.
7. Es soll auch der Stallmaister derselben Haudtwerckher Parti-
cular selbst fleissig übersehen, ob es seinem Befelch nach gemacht tud
Inhalt dess Stallmaisters Ordnnng bezalt worden, und so er solcbee ohne
Man^'l befindt, die Particular und nachmalss die Wochenzetl, darin sie
gestelt, underschreiben.
8. und wan dem Fnettermaister oder Fuetterschreiber durch nnsern
Obr. iStallmaister unser Anffbruch anzeugt und Wägen oder Schflff ra
bestellen befolchen wirdt, so sollen sie dieselbigen Wägen und SchQff,
80 vil er ihnen anzeigen wirdt, bostollen, aber sie allein nichts, sondern
zu Gegenwarth ihres Stallmaisters und UofTcontralors der Besoldung nnd
dess Kaiiß'H halben be8chlie8.sen, in alwog auch, so die Wägen oder Scbftff
laden wollen oder auch abladen sollen, sie solches zuvor uuscrm Hoffc^in-
tialor verkaudten, damit derselb darbey sein nnd aller Ladung ein Wissen-
schafft haben nifigo, und, so sie Bezahlung der Wägen oder Schüfffuhreii
thuu, sollen sie dieselbigen in ein sonder Parlhicular eiustOlleu, dem Obr.
Stallmaister ffirtrogen, so derselb das angezeicbte Particular ohne Mang«!
ließnilt, soll er iStallmaister es underschreiben und alssdan der Fnetter-
maister und Fuetterschreiber, solches von Stallmaister underschriben Parti-
cnlar der Fuhren, sowol alss der Wochenzetlen, dass so ordinari und eitr»-
ordinari auff dem Stall aulfgangen ist, vor unseim Obr. Hoflmaistor, Hoff-
marscballon und dar/.ue geordneten ordenlich vorraitten und vorrechnen.
11. Damit auch unser Stallmaister nicht allein, wass in unsern SUU
gehört, bestelt, oinkaufTt und ausgeben wirdt, sondern auch, wie jederzeit
mit dem Empfang. Aussgaben und Rests dess Gelts im Fuettermaisterambt
gehundlet werde, ein Wissen haben, so wollen wir, dass hinfürau so offl
der Fnettermaister oder sein Gesell zum Stallgolt bedürftig, dass sie be;
nnserm Stallmaister umb ein Zetl, die an unsern Hoffmaister lauttel, An-
sucbung thnn sollen, auf welche Zetl er Hoffmaister alssdan bey unserm
Hoffzallmaister die Bezahlung knnde verordnen, doch soll der Fnetter-
maister oder Fuetterschreiber von den Geltzetlu Copien behalten und
nach Empfang dess Gelts dem Stall, auf dass ers auch einschreiben künde,
darzue ein sonders Buch halle, Bericht thuen.
10. Dessgleichen so unss mit Habern Verehrung beschechen,
sonderlich wan wir über Landt reisson, soll solcher Habem oder Füelte-
rung au still bleibenden Ortheu durch den Fuetternieister oder Fuetter-
527
I
I
Schreiber als den erkaufftun Habern in sein Empfang genolimen werden,
es were dan Sach, dass man an einem Orth im Reissen nnr fiber Nacht
bleibe und solicher nicht aller in unserm Hoffstall verföettert werden
mögte, soll mit dem übrigpn nach tinserers Obristen Stallmaisters, HofT-
maisters und Hoffmarschalls Guetbedünkhen gehandlet werden.
11. Der Fuettermaister oder Fuettorschreiber, so sich in ihren
Ambtern, wie obstehot, theillen müessen, welcher alssdaa in VorzTicg ist,
so wür zu Landt oder Wasser raissen werden, der solle unsere Leibpfcrdt,
Edlknaben, Bereither, Sadelkhnecht, Laggeyen, Schmidt, Stallknecht,
Tragosslen und die zugehörigen Persohnen furiren.
12. Dessgleichen wan ein Auülirug vcrhauden ist, solle unser Stall-
maister mit sambt unserm Hoffmaister, Marschalckhen und dem Obristen
Cammerer, Stebl- und Kuchelmaister zeitlich darvor berathschlagon, wass
nach Gelegenheit der vorhabenden Beiss ungefehrlicb für Fuhren zu
Landt oder Wasser, über dass so anff die Tragessien geladten wirdt, von-
nMten sein, damit mit Dpstellung solcher Fuhren durch den Fuetter-
maister und Faettersclireibern zeitliche Ftlrsicht hesehehon möge und da-
mit allein die Notturfft und nicht übrig Wägen oder Schiff bestelt werden,
80 solle auss unserer Leil>cammer, Kachel, Keller, Silbercammer, Dape-
cerey und allen anderen OfQcien ordentlich Verzeichnussen durch ihre
fnrgesezte Obrigkeiten underschriben, wass auss einem jeden Officio die-
selbe Raiss mitgeführt werden soll and vonnötten ist, unserm Stallmaister
zeitlich zugestelt werden, damit er sich darnach zu richten und die Bo-
stellung der Fuhren zu verordnpn wissen; sonderlich aber solle er Stall-
maister sambt dem Hoffcontralor darob sein, dass die W&gen so vi! mög-
lich nach dem Centner und nicht nach dem Ross oder Tag gedingt und
dass auch kein unnöttig Fürspanen der Wagen auffgewendet werde.
13. Was aber betrifft unsers Holfgesindts GQeter, die auff nnsern
Kosten Inhalt der Fuhrordnung mitgefOhrt werden, solle gedachtem Stall-
maister zu jedem Auffbruch ein Verzeichuuss zugestelt werden, wem und
wie vil er derselben neben unsern aigenen Guettern auff unsere Kosten
.luffladten und führen lassen soll, was aber der anderen unsers Hoffge-
aindts GOetter, als Tnichen, Fesser, Fallen, Feleiss, Wein und anderss
ist, 80 sie anff ihren aigenen Kosten mitzuführen schuldig seint, zu denen
sollen gleich wol durch den Fuettermaister oder Fuetterschreiber die Not-
turfft Wägen oder Schiff und gleich in dem Geding, wie für unssere
Gfletter bestelt, auch angelagcn und gelatteu werden, doch dass ein jeder
HoCfgesindt, wass er zu laden hat, zu rechter Zeit, wan man unsere Güetter
laden würdt, seine Stuckh auch gon Hoff briiiy;, darauff ein Zetl seye,
_ wem 68 zugehör, und dem Trabanten, so wür in Sonderheit auss unserer
LZ
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528
Gnardi verordnet haben, zuvor banleiffig bo vil Geldts aaff Raittnng geb,
80 vil es an dass Orth, dahin erss führen lassen will, gestehen mögt«,
damit gemelter Trabant, wan er mit den Gaetteru ankombt, die Fuhr-
leüth von Stundt an ohne Warttgelt abferttigen möge und den Parthejen
nit lang umb die Bezahlung nachlauffen muess, wie bisshero geschehen,
80 aber der Trabant von einiger Parthey mehr Gelds auff Baittung em-
pfinge, als solche vurgestünde, dass solle er jeder Parthey von Stundt ao
wider erlegen, entgegen auch kein Tragen noch anderss Stackh ohne
ridilige Bezuliking dess Fuhrlohnss hinaus zu geben nicht schuldig sein,
ob deine dan unser UulTiuaister nnd Uoffmarschall ibme Buckhen
Schucz haldon sollen.
14. Unsf.r Stallmaister soll auch täglichen in unscrm Stall seheöT
damit alle Sachen, so uotb sein, ordentlich verriebt, sonderlich dass durch
einen jeden sein Abreith fleissig verbracht und verriebt werde.
15. und iu Sonderheit soll unser Stallmaister guete Achtung und
AnfTsohen auff unsere Edlknabon haben, damit die der Lehrnung und
gneten adlicbon Wessen auffwartton, darinnen ein solche ernstliche For-
sehung thnn, dass sie zu aller Porcht, Zucht und Ehrung und gnett«D
Sitten gehalten, dergleichen auch Wintterss Zeiten mit ihrer Elaidung
vor der Eeldeu bewahrt, damit ihre Edleru sehen und wahrnemen, Am
mit ihnen, darumben sie daher gelaasen, aller inüglicher Fleiss gebrauchet
werde und Frucht darauss komme, dass in solchem Fall durch ihne in
keineswüg einig Übersehen oder Lessigkeit godulten oder gestatten; to
haben wir auch gemelten unsern Edlknaben ein tanglich geschikhteo
Hoffmaister, darzue ein tauglichen Praeceptor zuegeordnet, die sambt
gemelten Knaben ibme Obristen Stallmaister gehorsamb zu sein, bemelte
Knaben auff alle Gottesforcht, guete erbahre Zucht weissen, in allerlej
ritterlichen Sachen, auch in Kinsten, der Latein und anderen Sprachen
redten und schreiben lehrnon können, ihr sonderlich AutTsohen auff ge-
miiRe Knaben haben sollen, damit sie kbciuerley leichtfertigen Handlung
nachgehen oder auffwartten; wo sie aber solche spüren wirden, sie dar-
umben anderen und gebüi-licb straffen, wo sie aber solche Straff nit aa-
uombeu, sondern vorachten wolten, so solle der Hoffmaister oder Prae-
ceptor solches gemeltem Stallmaister an^igen. Im Fall es aber anff einer
Raiss werc und der Hoffmaister nicht selbst, sondern sein Gehülff oder
Praeceptor zugegen, so soll ers dem Stallmaister aDzeQgou,über den ersten
Buohctag uit anstellen, der wQrtb alssdan hirinnen weitere Wondtung
zu thueu und gebüluiiche Straff zu verordnen wissen.
16. Gedachter Stallmaister soll auch durch sich selbst oder durch
gemolte Zucht- oder Schuelmuister berürto Knaben jederaeit nach Gelegen-
heit dess Wessen zu nnsenti Dienst antheillen nnd anordnen, alss nemb-
lich zn Kirchen hey dem Oottesdienst, an Panketen und Rittorspilien, bey
Doser TaflFel, auch alle Morgenss und Abends mit den WintHchter auBf
unss zu wartten, und wass unss ungefährlichen nach ged. Stallmaisters
Gnetbedunckhen zu Ehren und ihnen zur Zucht vonnCtten ist.
17. Auss obbeinelten nnsern Knaben sollen allezeit 8 aiilT unser
Taflfel wartten, es sey anStilligon, ober Laiidtreissen oderGejaitern, denen
[solle alssdan die Speise auss unser Eucbl und darzne ihr Ordinari Brodt
nnd Wein geordnet und durch ihren geordnet Diener einen bey di'in Disch
gedinet und gewjirttet werden; bey ihnen sidl auch an ihrer TafFel ihr
Zuchtniaister oder Praecoptor siezen, ihr Speiss und Tranckh neben ihnen
haben, damit sie auffmerckhon können, auff dass sie ihr Malzeit in elir-
bahrer, gueter Zucht ein- oder zubringen und ihnen keine Leichtfertigkeit
nit gestatten, sonst soll Niemandt anderer zu der herflrtcn Enabentaffcl
Zugang haben, allein sein dess Obristen StAlluiaisters und des Obristen
Silb-Cammerers Knaben einer; sofern dieselbe Knaben aucb Yon Adl
seint, so sollen auch diesselbc 2 Knaben in tler Mahlzeit sowol als unsere
Knaben ander dess Znchtmaistors nnd Piaeceptors Disciplin nnd Sorg
gehalten, ihnen so wenig alss nnsern Knaben einem nichts leQchtfertiges
gestattet oder zuegelassen werden.
I 18. Wie vil wir dan Knaben über die gemelten 8, so zn Hoff ihr
Taffei haben, halten werden, <Jie sollen durch ihren der Edlknaben Hofl-
maister nach lauth der sondern Ordnung und Instruction, so wir
ihme dem Obristen Stallmaister zustellen lassen, gehalten und tractirt
werden, indem dan der Stallmaister sein fleissig AutTmerckhen haben soll,
damit durch denselben der Edlknahen Hoffmaister solchen genzlich ge-
lebt und die Knaben umb dasjenig, so er von ihreutwegen einnimbt, wol
{tractirt und gehalten, auch sonst mit aller Sauberkeit gedienet werde,
wie er deme zu thnn wirdt wissen.
19. Nachdem unser 4 Camer-Trabandten in Zeit unsers Stilligens
nichts oder gar wenig zu thnn haben, so wollen wir, dass auss denselben
4 Cammertrabandten ein Wochen umb die andere allweg 2 neben denn
Ivorbenanten ihren der Edlknaben Diener aufl' die Knaben wartten und
sich auff den dess Stallmaisters Beschaidts vorhalten, doch sich mit der
Speiss Selbsten versehen sollen.
20. Gedachter unser Obrister Stallmaister solle auch allezeit bey
den hernach angezeigetcn Pcrsohnen under sein Ämbt gehörig darob
halten, dass ihr Jeder seinen Dienst getreulich und mit Fleiss auffwartte,
nnd endlich darob sein, wo sieb einer ungeschickhlich oder itnlloissig
bilte, es were ihn mit Warttung seines Diensts und Ambts oder in änder-
st*
I
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weg, wie das wcre, dass solches nicht Oborsehen, sondern nach Gelegen-
heit der Verwfirkhnng und, ob die nicht so gross were, mit Bodinug
Wochen-, Tagss oder halben Tags-Besoldnng oder in auderenweg gestraffet
werden, und wass er hierauff jederzeit denen Persohnen an ihre Besol-
dung zur Straf rodiren wirdt, soll or durch einen Zettel unserm Obristeu
HofTniaister oder Hoffmarschalien anzeigen, die werden alssdan bey dem
Hoffzahlmaistor die Vollziehung derselben Straff zu verordnen wissen, dv
init under ihnen in allwog guete, erbahre Zucht gehalten und dasjenige,
so einem .Jeden zustehet und gebühret, fleissig volzogen und verriebt werde.
21. Weiter soll auch unser Obrister Stnllmaister darob sein, damit
der Bcb5n und kestlichen Zeug und Sädl im Aussrcitten Aber die Anzall.
so anff die Pferdt, welche wir selbst oder unser Obrister Stallmsister
reitten wollen, verschonet worden.
22. Dergleichen wollen wir, wan die Bereitter, Ristmaister. Under-
stallmaister oder andere, wer die sein, sonst fflr sich selbst snsserhaiti
unser in das Feldt oder sonst in die Statt reitten, dass deren Keiner durch-
aus kein schtoes oder kestliches Zeug oder Sadl nicht gebrauchen uo<i
sich damit sehen, sondern sich an den schlechten täglichen Zeugen be-
gnüegen lassen sollen.
23. unser Bossbereitter. wer und wie vil deren jederzeit sein werden,
soll ein jeder die Pferdt bereütten, so ihme von dem Stallmaister uodei-
geben werden; er der Stallmaister soll auch demselben Bereitter anb-
iegen, damit sie bey den Schmidten und Stallknechten darob sein, »n9
dass den Pfei-dten mit Beschlagen, Arczneüen und in anderweg wol auss;-
gewartt werde, und so sie einen Cn6eis8 bey den Schmidten und Stall-
knechten befinden, sie daniiiihon anredten und, so sie sich nit bessern.
solches ihme .Stallmaistor aiizeugen wellen.
24. In Sonderheit und derhalbcn so soll er Stallmaister mit Ernst
sein AiifTiiiorkhen haben, wan durch den Hueffschmidt einen in seiner
Raittung von Rossbeschlägen, ArczneBen der Koss, Hueff-Salben oder der-
gleichen eingestelt, darumben der Rossbereittor nit gnet Wissen bette,
dass dersetbig Hneffschmidt nach Gelegenheit jederzeit gestrafft werde,
gleichweisB solle es auch auf alle Handwerckhor und Officier, so under ihm«
Stallmaister sein verstandten werden, damit unss nichts zur Baittim^'
gelegt, dass nns nicht zu Nucz kommen sey.-
25. Unser Sadlknecht, wer der jederzeit sein wirdt, soll auch den
Stallmaister undcrworffcn sein, die Sädl und Zeug und was zu der Reitterej
gehört in seiner Verwahrung haben, die mit sondern Fleiss versehen.
damit wir allerdingss versichert und versorgt sein; auch soll gemclter
unser Sadlkuocht jederzeit gegen den Schmidten, so die Pferdt beschlagen,
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einen Gegenrabwisch ^ haben, darauff alle Wochen, wie vil Bissen autf-
geschlogen worden, elngeäuhnidten werden, wau der Fuettermaister oder
Fuetterschi'eiber mit dem Schmidten wöchentlich abrcittpu wirdt, suil er
mit seinem Gegenrabwisch darbey sein, auch sein Äufi'incrkheu habon,
ob die Arczneuen, so die Schmidt rnchnen und auffschreiben, allein in
nnsenn Stall und zu unseren Pferdteii gebraucht worden, auff das Alles
der Fuettermaister und Fuetterschreibcr auch ihr sonders fleissig Anff-
merckben haben sollen.
26. Dessgleichen der Verwalter Aber die Essuldreiber und Tragessien
soll dem Obristen Stallmaister auch underwoi'ffen sein, seinen Dienst und
Befelch, damit nnsern Tragessien jedprzeit mit «ior Wartt, Füotterung,
Arczneü und Beschlägen wol aussgewarti und bey der Füetterung kein
Uufleiss gobrauclit. fleissig und enibsig sein und allweg, sonderlich
mau still ligt, zugegen sein auch sehen, dass mit den Essl-Dekhen, Sädl,
und anderer Zuegehörung guete sanbere Ordnung gehalten und, wan wür
über Landt reisen, die Tragesslen auff unsere Cammer-üOeter, Küchel,
Keller, Silbercamer, Capellen, Dapecerey, Lüchtcammor und dergleichen
nottürfftigen Offlcireu, dan sonst wollen wir, dass durchaus weder ihme
Stallmaistor noch sonst Niemandt anderen, es sey wass oder wem da wolle,
ganz und gar nichts geführt, ordentlich aussthoille und Aber 3 Centen
anff einen nicht goladteu, damit sie nicht ehe der Zeit verderbt werden,
and auch dessto bass fortkomen mögen; und soll bemelter Verwalter
allweg mit und bey dem Auff- und Ahlatten sein und mit ihnen über
Landt reitten, auch soll er darob sein, dass die Bsseltreiber ihren Dienst
mit f leiss ti'eulich auffwartten und zwischen ihnen auch guete Zucht und
Gehorsamb gehalten werde.
27. Und wan wir stilligou, dass auff unsern Hoffstall Habern,
Hew, Streu und zu unserer Kuchl Holcz und dergleichen Sachen im
Torrath einkaufft wirdt, wCllen wir, dieweil die Tragessln so sonst ohne
dass uiüessig stehen, und auff solche Fuhren jährlich grosser Unkosten
laofTt, dase zu solchen gelegeneu Zeitten die Fuhr durch Ausschfikhuug
der Tragessellen hinfoiian erspart werden, bey welchen der Verwalter
auch allezeit, damit underwog und in Herbergen den Tnigosslon recht
aussgewaiit und nicht überladen werden, sein und damit aussreitten soll,
derbalben soll auff sein Boss die Füetterung neben den Tragesslen durch
den Fuettermaister oder Fuetterschreiber geraicht und in die Wocheuzetl
gestellt werden, sonst solle weiter ihme noch seinen undergebenen
Esslentreybern kein Koss oder Essolin in uuserm Stall noch ausserhalb
* Kerbhola.
532
desselben gestelt oder geffiettert, noch einigerley Zostandt oder Tortel
zu gebrauchen mit nichte nicht gestatt werden, darfiber dan vilgenantei
Stallmaister mit allem Ernst halten solle.
28. unser BQstmaister soll sein Ambt wie bisshero auff Anzeuges
des Obristen Stallmaisters fleissig und treulich versehen und hierinen
auff genanten unsern Stallmaister sein Auffsehen haben.
29. Es sollen auch in unserm Stall zween Huffschmidt, wie bisshero,
gehalten werden, die Pferdt und Ti'agesslen beschlagen, dieselben sollen
dem Obr. Stallmaister und nach ihme dem Sattelknecht gehorsamb sein,
ihren Dienst mit Arczneyeu und Beschlägen in unserm Stall, wie getreuen
Hueffschmidten zu thuen gebühret, fleissig aufwarten, sonderlich auch
wie vil sie ihren Pferdten und Esslen Eysen auffschlagen, dieselben sie
jederzeit auff einen Babisch schneiden, davon der Sattlkhnecht einen
Gegentheil haben und denselben alle Wochen oder Monath unserm Fuetter-
maister oder Fnetterschreiber zustöUen sollen, darauff derselb die Be-
zahlung davon thun and alssdan in sein Baittnng einstöllen mflg.
30. Mehr solle gehalten werden ein Sattler, der soll jederzeit, so
offt es nöth ist, auff Befelch und Anzeugen dess Stallmaisters neue Sädl
machen, auch wass sonst in demselben unserm Stall an Sädlen zu pössem
vonnCthen ist, dasselb treulich und fleissig Inhalt beyligender Ordnmig
veiTichten, doch soll kein Sadl oder andere neue Arbeith zu machen bestSlt
noch von ihme gemachter genommen werden, dann mit Vorwissen sein
des Obr. SiAllmaisters und sonst keines Anderen.
31. Darzue selten gehalten werden ein Anzahl teoglicher Stall-
knecht nach Gelegenheit und Anzahl der Pferdt, so jederzeit in onseim
Stall sein werden, also dass alweg zu Warttung di'eyer Pferdt ein Knecht
sey, die den grossen Rossen wol warten kflndten; dieselben sollen dem
Obr. Stallmaister und wem ers weiter undergibt und befilcht, gehorsamb
zu sein und zu jeder Zeit sich nach desselben Befelch halten, alss ge-
treuen Stallknechten zustehet und gebüi'et.
32. und unser Obr. Stallmaister soll ernstlich darob sein, damit
durch alle obgenante Ambtleüth und Diener diser unser Ordnung nach-
gegangen und darwider nicht gehandlot werde; wo er auch für sich selbs
ichtes befundc, dass nach ihm dieselbe zu begreiffen oder zu verändern
vonnöthen were, dass soll er zu jederzeit an unss gelangen lassen, damit
hirinnen Fürsehung beschecben müge.
33. Und wan sich dan begab, dass aller obgemelten Stall-Officir
und Diener ainer oder mehi* mit anderen unsers Hoffgesindts und Diener
ichtes in Uneinigkeit, Widerwillen oder Bumor kommen, so haben wir
unserm Hoffmarschall in seiner Instruction auffgeleget und befolchen, dass
533
er diejenigen Persohnen, so also in Unwillen stehen, för sich boschiiiden,
mit ihme dem Stallmaister verhiJren und gebührlichen Beschaidt thue
geben; wo aber die Sach so gefährlich, i-umorisch oder villeicht niaieliczisch
sich erzeagete, die keiner Bttt erleiden möchte, alssbalt dieKeib Personen
in frischer That durch den Uotfprofossen annemmen und in Verwahrung
bringen, und folgents an iline den Stalimaister gelangen lassen, und also
neben ihme yerhöreii solle, welches wir ihme also dessen zum Wissou und
sich darnach zu richten habe hirmit anzeigen wollen.
34. Mehr so wrdlen wir auch, dass hinfüran, wan unser Obr.
Stalimaister Schwachheit oder Geschafft halben seinem Ainbth nicht vor-
stehen kan, dass allwog dcrjenig. so wir dioweil an sein Statt verordnen
werden, die Ordnung mit der wöchentlichen ordinari und extraordinari
Baitung Inhalt disor Instruction alleriiiasi^cn, als ob er S(Hn>r zugegen
wer, dieselbig Zeit hiuidlcn, uiidorscbrcibi'U, fcrttigi<n und durch den
Pnettermaister oder Fuetterschreiber folgends, wie gebrefichig, zu ver-
raiten, überantwortten lassen solle; und demnach haben wir auch jezt
gemaltem B'uettorniaister in seiner Instruction aulTerlegt und eingepuiidten,
dass er binfOran alweg zu Ausgang eines joden Monaths sein Ambts-
raittung übergeben, und dieselbe bey Rodirung eines Monytbssolils, zum
wenigsten über ein halbes Monath dem nechsten darnach folget, nicht
anstehen lassen solle, im Fall aber dass der Saumbsall au ihme nicht
erschine, dass er solches und an wem es gelegen in solcher bestimhten
Zeit unserm Obr. Uoffuiaister oder Marschall berichten thu<s damit alssdan
gegen demselben mit Kodirung angeregtes Monathssolds verfahren werden
mfige. Darauff weiss er unser Stalimaister mit Ernst zu halten. Und
beschlOsslichen wollen wir hiemit alle Zueständt und veimeinte Gerechtig-
keiten, deren sich unser Stalhnaister oder seine Underambtsleüth von
ihren Ämbtern nach Gebranch des Niderländischen Statts behelffen und
zu ihrem Nucz suchen und haben wolten, genczlich autfgehebt und abgo-
than haben und wir ihnen jedes Zugeben gar nicht schuldig oder vor-
banden sein.
Geben.
Beilage 9.
Edelknabenordnung. '
1656, 23. April.
Demnach ich Franz Graff von Harrach. iler Rom. Kay. Majostüt
gehaimberRhattuundOl'rist-Stallmaister. mitsouuderlichBrliefrembdlnus
* Faae. 34 des gräQ. Harnich'sclien Arcliives.
'534
eine Zeit hero verspüret, dass nicht allain die althe Regel nicht observirt,
sonndern uuiider denen jezigen kuy. Edlkniibeu ganz ungerüimbte luso-
lentien unnd MQssbrem'h, bu in ullweg zu corrigiren sein, einschlichen,
seze nand ordtne deruwegen auss oberkheitlichem Gewaltt, dass hinfiliv
unnter ermeldten Knaben bey Verlieluiing der Rom. Kays. Majestät aller-
höchsten Gnadt nachfolgende Pancta ad notam gehalten nnud ubserTirt
werden sollen.
Zum Ersten, dass sich Jeder nach gewöhnlichem Abendtgebctt,
demselben Alle fleissig beywnhneii sollen, nach seinem Bett ohne alleu
Ktiaiur, Lachen, Geschwäz, Hin- uund Widorwerffon der Sachen still zo
Uuehe begeben, unnd biss widerumben zu morgigen Aufstehens-Zeit
Khainer sich bey des Anndei-n Bett blickhen, auch die Thürn. dass zu jeder
Stuudt der Nacht- Hof maister oder Praeceptur ihren freyon Eingang haben
khönnon, offen stehen lassen soll.
Itatio est, dass widrigen Fahl sye ührsach zu underschidlichem
Qebl, absonnderüchen zum Spillen unnd annderu Ungebdhrlichkheiten, so
bey jungen Lefithen bald geschuhcn khan, gewühnen.
Zum Andern, soll Kainem an frembdte Oiih zum Essen ausszu-
guhen erlaubet sein, es were dann Sach, dass solche Einladungen vnu
iloro Eltern, Geschwisstrigt oder negst BefreQndten, unnd zwar durch
einen dero aigens gescfaikhten unnd verthrautten Diener geschehe, damit
mann versichert seye, das ein solcher sich, wie es dann zum öfftern be-
schechen, nitt anuderweHts wendte, welches doch selten geschehen soll.
Zum Dritten, dass Kainer von öffentlichen, absonuderlich Küixhon-
diensten, allwo unnder dorn ganzen Gottsdienst Alle an ihr deputirtee
Orth in Angesicht ihr«r hohen Obrigkheit, wie auch Hofmaisters unnd
Praeceptoris stehen, fleissig und andächtig eiufdndten, und nicht ander
wehrender Zeit von einem VVinckhl in den anndern oder etwan verdäch-
tige Oiifh, Süd:inii auch auf Kuisen von dem kay. Leibwaagen (bey welchem
sye mit sunderer Aufmurksambkheit allen vorfallenden Befelch obser-
viren sollen) sich absentire; und da ein solcher Yberthrotter von deru
Hofmaister iinnd Prneceptore vernierkht wurde, sollen sye bey Verliehrui^
dero Dienst uund kay. allerhöchsten Gnadt nlssbaldt bey dero hohen
Obrigkheit ein solches anzeigen, soll auch dei jenige, welcher sich von
dem Waagen absentirt, alsobaldten von dem Beütten abgesezet werden.
Batio est, dann durch disos ihnen die Gelegenhait dess yberllüssi-
gen Dhuckhens, schädlichen Obst-Essens unnd mehror nicht rhuemblicher
Sachen abgeschnitten wirdt.
Zum Viertten, da ainer von aincm oder anndern Exercitio woltt«
oxempt sein, er dessto schärffer zu anndern angehalten werden solle.
535
Ratio est, damit nicht bey solclier Nachsehting aiuer (nkr andorur
vurkhfirzt, unnd dardai'ch in deren iiit mehr widerbriuglichea Maossi-
gaug gesezt werdte.
Zaui Fünffteu, duss Kainer sich uimdei'stebe, von ilu'er bohen
Obrigkheit mündlidiu Licenz zn begehrn, wie nicht weniger solle dises
auch Tun denen g(>8ainbteu Maisstern unnd Dienern iu Obacht geuuinben
werden, sondern sulleu ihre Notthurfften durch dero vorgesezten Hof-
maister anbringen lassen.
Ratio est, dann ihnen hierdurch Anlass geben wurdte, den Hof-
uiaister in allen zu praeterirn, ihmo auch zoitlichen den Itespoct zu
nembeu.
Zum Sechsten, dass die Fecht-, Uanz- unnd anndere Maistor nach
althem Gebrauch alle Festäg zu des Hofmaislers dotormiuirter Stiunit sich
in der Kuaben Quarthier einfüudten, unnd selbige nach Hof oder ilu'o
hohe Obrigkhaitten bekhlayden.
Ratio est, welches dem Enaaben ihr Ansehen, höchstgedachter
Obrigkheit aber die Authoritet augiren wirdt.
Zum Sybenden, dass alle Trinckhe-gesellschaffteu, frembde Gässts-
Einladungen völlig cassirt seye, unnd so ainer voller Weins betlu'otten
wurde, alssbaldten zu der Executiou der hohen Obrigkheiton gofüchrt
werden solle.
Ratio est, durch dises werden alle böse Zusambenkunfften, in welchen
manch zächtiger Knaab äi'gerliche Reden hören muess, unnd dann das
ungosundte Vollthriukheu abgestellt wird.
Zum Achten, dass Kainer sich, es seye die Hoffstatt wo sy wolle,
von denn andern ohne Licenz des Hofmaislers oder Praecoptoris, noch
weniger ohne Diener absentire.
Ratio est, durch dises ihnen vill Gelegenhaiten ihrem bösen Muott-
willen oder unerbahren Schluffwinkhlen nachzugehen benomben werdcu.
Zum Neündteu, solle weder die Wöscherin, noch deio Menscher
die Wösch bringen, noch abholien, auch sich gahr nie in der kay. Knaabcn
Quarthier fünden lassen, sonndcrn derjenige Diener, welcher den Wochen-
dieuat hat, solle verbündten sein, die salvo honore schwarze hin, unnd
weisse Wösch hereinzutragen.
Ratio est, dann die ungleiche vei'fuehrerische Weibsbildter zu Uuder-
der Enaabeu unnder einem solchen Vorwand unnd Occasion Böses
thueu, herein practiciru khonnen.
Zum Zehendten, dass die Diener kainer ohne Erlaubuuss doss Hof-
maistei'S sich von aiuigem Knaaben ausser dess Hauses im geringsten
äduckhen lasse, sich von ihnen mit Geldt nicht bestechen, wie auch sye
536
selbst ohne besagte Licenz des Hofmaisters nicht anssgehen, widerigen
Fahlss dann er die Anthoritet haben wirdt, einen solchen XJngehorsambeii
mit Yorwissen der hohen Obrigkheit von seinem Dienste sn amoTim.
Batio est, dass os nnnmehr so weith khomben, dass die Diener sich
understanden, mit ärgerlich- nnnd pocherischen Wortten den Hofmaister
anzngreiffen, unnd denen Enaaben mehrers alss erdenthem HoAnaigter
zu parirn.
Zum Ailfften, sollen der Hofmaister nnndt der Praeceptor bey ob-
angezogener Straff verpflichtet sein, dass wann anf allen vorfallenden
kay . Baisen ainer von denen Enaaben sowohl Mittags, als Nachts nicht
in pnncto umb die bestimbte Zeit sich bey Nidersezung zu der Tafel prae-
sentirn, sondern nach ihrem Gebrauch im Frauenzimmer oder bey etwan
Anndern ergriffen wurde, ohne allen Aufschub einen solchen zu der
hohen Obrigkheit zu führen.
Batio est, wie dann under solcher Zeit Ainer oder der Anndere
haimblich in dergleichen Winkhlen erdappt worden.
Zum Zwölffton, so sollen auch alle diejenige, so GewOhr bey sich
haben, es seye was Nahmens es immer wolle, nach althem Gebranch biss
zu ihrer gebuehrendten Ausmusterung (unnd zwar dergestaldt, dass sye
biss in puncto der Ausskhlaydung allen Regien, wie zuvor, nachleben)
solche alsobaldten dem Hofmaister in seine Verwahrang lifern.
Batio est, dieweillen sye unnder einander in einer Hizigkheit,
welches bey ihnen offt beschehen, einen unwiderbringlichen Schaden can-
siin khönnen.
ünnd zum Beschlnss werdtet ihr Hoffmaister i|ndt Praeceptor
solchem offt verstandtenen einen jezt gleich Aydtenspfiicht mir praestirn,
disem allem fleissig unnd punctualmcnte nachzukhomben.
Zu mehrer Bekräfftigung dessen habe ich dises mit aigner Handt
nnnderschriben unnd mein Sigill dorffir gethiuckht.
Wien den 23. Aprilis Anno 1656.
Beilage 10.
Instruction and Ordnung^
fiber der Böm. Kay. Mayt. Edlknaben, darzue sye von beyden ihren fär-
geseczten Ober- unnd ünnder Hofmeister oder Praeceptorem alles embsigen
' In einer 20 Blätter enthaltenden Abschrift aus dem 17. Jahrhundert in
dem Fase 24 des gr&fl. Harrach'schen Arohives.
537
Fleisses angewiesen, ermahnet, auch gueter Vernunfft unnd Besch;üden-
heit nach gehalten sollen werden, als:
ErBtlichr'n sollen die Edlknaben Alles mit Gutt anfafann, allosambt
Morgens unnd Abents zn rechter Zeit, dass ist des Morgens umb sibeu,
des Abents zu acht Uhren in ihrem Zimmer zusambon koiiirnen, ihr Gebott,
wie es ihnen befohlen wird, kniendts in Andacht stille unnd zichtig mit
Munde unnd Herzpn fiberliuit verrichten, und under dem Gebett nicht
schwäczeu, lachen oder Unzucht treiben, sondern gottsförchtig solches
vollbringen und sich dem Allmächtigen trewlich befehlen; dises soll gleich-
falls, wan sie in der Kirchen unnd heym Gottsdienst seyn, auch beschobeu,
neben dem hohen Altar allweil utind nicht dahindeu stehen, noch in ilio
Stell der Praelaten sich stellen und anlaiuen, noch mit den Armben sich
auf das Goländer beyin Altar aufliegen, sondern fein züchtig, höflich uud
mit aller Ehrerbietung, als wann sie für dem Angesicht Gottes stuhnteu,
sich erzeigen, under dem Gottsdienst nicht Ungeberdt auf einichorley
Weise treiben, also auch bey den andern Moessen nicht zu hinderst,
sondern wol hervorstehen, ihr Gebett im Buoch oderEosariis vollbringen,
derowegen ein jedweder sein rieltbilchloin oder Rosarium soll bey sich
haben undallweg deren eins oder des andern sich mit Andacht gebrauchen.
Bey der Pradig sollen sie gleichfalls fein andächtig, still siezen unnd mit
allem Fleiss zuehöreu, Keiner ohne Vorwisson oder Willen ihrem Hof-
maister aus der Kirchen gehen. Unnd welcher disem Punctcn nicht nach-
leben wird, soll hüchlich gestrafft werden.
Exercitium pietatis.
Es sollen auch der Edlknaben Hof- und Zuchtmaister darob seyn,
dass sie auch im Jahr etlichmahl, insonderheit zu den hochen Festen als
Weyhenachton, Ostern, Ptingsten, Maria Ilimmelfahii, omniumSanctornm
unnd, wann sie Gott eiinaiinet, beichten und sich speisen lassen, auch
die Fasttag oder Vigilias fleissig observiren, sich zu der Confession und
Commonion wol uud christlich praepariren, nicht darzue und dnrvon
lauffeu, wie uubedächtige Leuthe, sondern es mit grosser Andacht und
Aufmercken verrichten, alle Tag Ihrer Kay. Mayt. Meess, oder so die
nicht publice gelesen, bey den Capucinern umb acht Uhi* hOren, damit
sie zu rechter Zeit daheinib seyn uniul des Studieren abwarthen können;
yelche Morgens zum lieitten gehen unnd früher aufi'stehen, welches soll
im Sommer umb 4 unnd des Winters umb siben Uhr geschehen, sollen
ihre Gebett auch fleissig vollbringen, uitwenigcr auch vor uud nach dem
Easen ein jedweder vor sich selbst betteu uond gegen Gott dauckbar seyn,
538
nicht in die Schüsseln fahren oder von dem Tisch auffstehen, ehe das
Gobett verricht ist.
Ihr Auffstehen und Nidergehen betreffent.
Morgens nach sechs Uhren sollen sie alle auffstehen, sich bald
unnd sauber anlegen, welche aber zum Beitten gehen, allweg nmb die
Zeit, wie Toi'gemelt, wie ihnen dann solches den Abeut zuvor von den
Bereittern soll angesagt werden, sich hii-zu beraiten und ihre Sachen mit
dorn Anlegen so anstellen, damits zu rechter Zeit allerdings ferttig seyn.
Es soll auch sich Keiner fiber die Stundt im Beth finden lassen, er se;
dan nebl auff nnnd kranck, zu der Nacht nmb 8 ühr sollen sie abermallen
in ihre Zimmer zusambenkommen, daselbst ihr Gebett mit Zucht und
hcrczlicher Andacht vollbringen unnd nach Vollendung dessen sich ab-
ziehen lassen, ein Jeder wider in sein Böth, darinnen er verordnet, gehen,
darinnen bleiben, still, zQchtig, auch sauber seyn unnd kein Geschwäci
oder ungebflhrlich Ding vornemben und nach neän ühr Keiner mehr auff-
seyn noch brennendt Liechter haben.
Das Studieren anlangendt.
In allweeg aber sollen sie fleissig seyn im Studiren, Morgens eh
sie nach Hof gehen, was lesen oder die Lection anhören, oder sonst was
lehrnen unnd nach der Meess (von welcher sie sich alssbald in ihr Hauss
begeben) dem Studieron von 9 biss auf 10 Uhr embsig abwarthen, Nach-
mittag von 1 Uhr biss auf 2 oder solang sye ihre Lection recitirt oder damit
fertig, abermahlen dem Studiren mit Fleiss obligen nnd, wass ihnen vor-
gelesen, fleissig annemmen, lehrnen und behalten, diesem Studio die
ordentliche Stundt Alle durchauss in ihrem Zimmer beyeinander, sobald
sie darzue berufft oder so es umb die angedeite Zeit ist, verbleiben unnd
Keiner nicht vom Studieren gehen ohne sonder erhebliche Ursachen und
Erlaubnus, auch still und zichtig seyn, kein Geschrey anfahen noch
andere Büberey, damit die Andern unverhindert unnd ihr Praeceptor
nicht confundirt werde. Keiner auch ans dem Zimmer oder vom Tisch
weggehen, biss sie alle das Studiren vollbracht, sollen auch den Cathe-
cissmos neben andern fleissig lehrnen unnd repetiren, welche aber nicht
studiren wurden, dei°en wenig unnd billich Keiner sey, soll einen we^
alss den andern seyn unnd bleiben unnd Interim was nnczliches unnd
unärgerliches lesen oder schreiben, in welchem Schreiben auch alle andere
sich üben sollen.
539
Ihre Exereitia.
Morgents soHfln diejnnigon, so zum Reittsa verordnet, mit einandpr
gehen nnnd nicht (*iner ror der ander hernach, unnd darbey biss zur
Moesa, Winters Zeit biss zxtm Essen aaf dem Tummelplacz rerbleibpn
nnnd sonst niergent änderst binreitten oder gehen ohne Erlaubnus des
Herrn Obristen Stallniaisters, im Beitten fleissig unnd aufmercklich seyn,
auch Achtung auf sich geben, dass ihnen kein Schaden widerfahre. Nach
dem Essen mögen sie zn Zeiten, doch nicht täglich, sondern wann es der
Obriste Stallmaister bewilligt, mit den Rossbereittern in dass Fohlt
spaziren reitten, oder boy einander bleiben, auch sonderlich ihre Aufacht
haben, dass sie kein Gottesdienst als Vesper, oder sonst ihre Dienst nicht
versaumben, sondern zu rechter Zeit zur Stelle kommen. Nach dem Easen
ihre Stnnden von zwelff biss auf eins in der Mnsica, von 2 biss auf 4 Uhr
mitTanczen und Fechten, Keiner aussgeschlosBen, fleissig nnnd ordentlich
zuebringen, so bald ihre Lehrtnaister kommen, sich in das Zimmer oder
Orth, da sie ein solches lehrnen, verfuegeuunad nicht von einander gehen,
biss die bestimbte Zeit fflrüber unnd ob sie gleich nicht fochten, doch
darbey bleiben und zusehen unnd nicht aufhören, wann sie wollen,
sondern ihre Lehrmaistcr. Am Donnerstag nnnd Freytag mögen sie in
das Ballhanss geführt worden, daselbst die Ballen unter ihnen selbst oder
mit den Herrn, nnnd nicht schlechten und geringen Leuthen sehlagen,
doch nmb kein Geld, sondern allein umb die Ballen, wie ihnen dann
ansserhalb disem unnd dem Schacht alle Eartten unnd Würtl'elspill zum
höchsten verbotten nnnd abgestelt seyn sollen. Welchen aber nicht mit
dem Ballen zu spülen gofellig, die mögen sonst zu negst des Ballhauses
ihre Kurzweill in andereweege, doch ehrlich und leidenlich, nlss den Stain
stossen, Stangen werffen oder springen, mit Zucht unnd stille treiben,
daselbst sich zichtig und bescliaideniich verhalten. Es soll auch Keinem
aass dem Ballhauss seines Gefallens weder zn Hauss noch anderswohin
zn gehen ohne Vorwissen unnd Willen der Hof- und Zuchtmaister gestattet
werden. Sommers Zeit können sie nach dem Studieren unter Tags uml
nach dem Essen zu Zeiten in das Fehlt geführt werden, jedoch dass syc
Alle bey einander bleiben und nahent bey ihrem Hofraaister, ausserhalb
der Stadia sollen sie sich auch im Hanss still nnd beschaidenlich in
Exercitiis verhalten unnd kein Geschroy anheben, dass die Nachbarn
hören nnnd ärgerlich darvon reden. Sie sollen auch ihre Conversationes
mit rechten Leuthen unnd nicht schlechten Persohnen haben und sich
nicht gesellen zu schlechten, leichtferttigen Gesflndl, noch mit ihren
geniain machen, darauf die Hofmaister sonderlich Acht geben sollen.
540
Von ihren Diensten und Aufwarthen.
Morgens vor 8 ühr, oder wann sie beschaiden weiden, sollen sie
nach Hof gehen, Ihr Kay. Mayt. in und auss der Meess nnd Kirchen
belaitheu, an welchen der Dienst mit den Wündtliccbtern fieissig, auif-
merklich, zichtig unnd guetter Reverenz diennen, da Ihre Mayt. publice
essen oder sonst andere Fürsten verbanden unnd ihnen auffzuwartheii
befohlon wirdt. dassolbig mit ihren Libcreyen und Rfickcn thun, auch
fleissig und züchtig seyn vor der Taffei unnd allenthalben zu HulT.
sonderlich in der Ritterstuben, auss welcher sie nicht heranss gehen
sollen, es wurde dann ihnen etwa.s hinauss zu tragen gegeben, und wann
Ihre Mayt. spaczieren roitton oder auf die Jagt ziehen, allweeg die Zween.
die denselbigeu Tag die Wacht haben, oder mit den Windliecht«ru dienen.
auBSgenommen die gar Kleinen oder weme es der Herr Obriste Stalluiaister
befehlen wurde, mit reitten sidi bald ferttig machen, nacher Hof auf den
Klepper koniinen, daselbst das Felleis unnd, was sie sonst zu führen
pflegen, nemmen unud uahendt hinter Ihr Mayt. reitten, auch wass
snnsten die Knaben boiiürtftig, alles ferttig haben unnd sich Alle gefast
halten, damit sie nicht die Lezten seyn. L'iiud wann Ihr Mayt. in oder
ausser der Kirchen oder sonst spat von aussen kommen, allweeg mit vier
Windliecbtern leichten und sonsten alle Tag dem Herrn Obristen Stall-
maister zween aufwai-then, umb halber achte in sein Losament sich ver-
fuogi^n, dünsrllinn nach Hof «der wohin er gehet (es wurde dann von ihme
abgcschafrt), wie auch an den Feyr- ami Sonntagen alle miteinandiM
Morgens denselben gen Hof und widor von Hof ablaitten sollen.
Von ihrem Aussgehen.
Keiner nnter den Bdlknabon soll auss dem Hauss weder von nnd
zu Hauss oder andorstwohin gehen ohne Vorwissen nnd Willen ihrer
Hofmaister, sondern sich hirinnen der Hnfmaister Anordnung, die die
Zeit am besten wissen, gebrauchen und verhalten, Aber die Gassen sollen
sie alle.sanibt mit und bey einander in guetter Ordnnng allezeit zween
und zween beysamben unnd allweegen die Kleinsten voran gehen, nit
etliche, wie bisshcro geschehen, weith vorhin unnd die Andern binden,
also auch züchtig, still und langsamb, nicht schreyen und lauffen, Unzucht
oder auch Ungrbordd treiben wie unbesinnto Lr^uthe. auch auf ihr« Hof-
maister Achtung geben, damit sie ihnen im Gehen gefolgen könen und
bey ihnen verbleiben ; da ihnen aber vom Herrn Obristen Stalimnister zn
ihren BefroBndten erlanbt wurde, sollen sie nicht allein gehen, sondern
ullwog ihr Zuchtmaistur einer oder so deren Keiner auss erheblichen
4
541
[Irsachen nicht abkommen krmte, doch ihrer Diener einer mit ihnen dahin
gehen unnd bey ihnen verbleibon, nicht lang sich aufhalten, daselbst auch
züchtig seyn und bey guetter Tagszeit sich widin-umb heimb verfQegeu.
Von ihrem Essen.
Dil* Knabim sollen sieb auch zn rechtpr Zeit zu der Taffnl verfflpgi<n,
bey derselben oder wo sin sonstpn hinkommen und seyn werden, still
und zichtig verhalten, sauber und nicht 'in vil omcn oder trunken, vil
weniger Jemanden, er sey auch wer er wolle, mit sich darzue nenimon oder
bringen oder laden, sei wol auch nach der Ordnung:, wie sie zu gehen
pflegen, siezen, Keiner von Speiss und Tranckh ohne Wissf>nschafft unmi
Erlaubnoss geroelter Hofmaister was wegschicken, auch beym Tisch sich
aller nnnilczen, unzüchtigen unnd ungebührlicher Rede unnd unni'ithiges
übriges Geschwäzes gänziich endthalten; da sie etwann ihrer Hcffroflndten
einen zu der Taffei bitten woHen, soll solches mit Bewilligung ihrer
Hofmaister geschehen. Es sollen auch die Hofmaister selbst keinf gemeine
Leuth, Herrn-Diener noch Jungen, wie die auch seyn, zu der Knaben
Taffei nicht sezen lassen noch selbst laden, TÜi weniger solches den
Knaben gestatten noch zuelassen, dass sie Jemanden in ihre Taffelstuben
nicht ruefften, von der Taffei zu essen oder zu tröncken geben, Conver-
sation oder Geschwätz zu halten.
In Krauckhotten der Edlknaben.
Da auch einer kranck were oder sonsten einen Schaden empfangen,
soll ers alssbald dem Hofmaister anzeigen, damit die notliweiidige Ver-
ordnung des Doctors und Barbierers geschehen könne, wass üinen dann
nch von einem oder dem andern Arzt aufferlegt wird, demselben fleigsig
Ittchkommen, und da die Krancklieit etwa gefährlich, sich bald mit Gott
nnserm Herrn providiren, auch die Kranckheit und Schäden nit mueth-
willig verursachen.
Von der Liberey.
Die Liberey unnd ihre Klayder Bollen sie sauber halten und, wan sie
Hof gehen, sowohl am Wcrcktag, alss auch am Sontug unnd Feyer-
tagon in der Kirchen die sammete R<>ckhel tragen, die Zeit, wann sie zum
Reitten oder Spazieren gehen, damit sie deren desto mehr verschonen.
ihre corduwanische GöUer, die ihnen darumb gemacht werden, unlegen.
sonderlich Fleiss anwenden, wann sie vor Ihr Mayt. diennen, dass ihre
Klayder sauber unnd ganz seyn, auch im wenigsten nichts von der Liberey,
weil es dem Hofmaister (wie von altershem bräuchig) gehört, sowol auch
542
sonst von ihren andern Klaydern weder den Eossbereittern noch Jemand
andern, wer er sey, ohne Bewilligung gedachtes Hofmaisters, welcher
ein Inventarium der Elayder haben soll, was hinwegschencknn. Sie sollen
auch allesambt under einander fridlich leben, ainig und vertrewlich seyn,
mit einander nicht schlagen oder ranffen, sonder einander wieBrfleder und
liebe Frcündt, und nicht wie Thicr tractiron, nicht einander injariren
mit verlozlichen Worten noch einigen Handtscherz treiben, daraus aller-
handt Schaden nnd Erbitterung endtstehet, vill weniger fluchen, schweren.
scholti>n nJpr Gott vergebentlich in Mund nemmen und lästom, oder
sonstcn unnucze, schändliche, böse Ucion und Gonversationes halten.
noch ärgerliche Gemahl, Büchsen, Wöhren weder heimblich noch öffentlich
haben, noch gebrauchen unnd durchaiiss keinen Hund, Tauben noch ßoss
halten, ihre Diener mit keinen PettschalTten weder hin noch her schicken
ohne Vorwissen des Hüfmuisters, noch heimblich Geschwäz mit ihnen
haben, dieselben auch nicht fibel tractiren oder schlagen, sondern da
ihnen von denselben nicht geacbiecht, was hillicb, sich bey dem Hof-
maistftr beklagen, fürni'mblich aber den Über- und Under Hofmaister oder
Pranceptorem in allen Ehren und Bespect halten, wie sich es dann gebflhrt,
ihre Ermahnungen, Wahrnungon und Geheiss gnetwillig anneramen, unnd
da der Ober-Hofmaister nicht vorbanden, den Unterhofraaister darfiir
erkennen und halten, und dem mit allem Fleiss nachkommen, was sie
von ihnen geheissen und wnziie sie gewisen werden, und dem Praeceptori.
was er ihnen vorlfsen, zeigen unnd underweisen wird, dasselbig mit Fleiss
anhören, vernommen und behalten und sie nicht verachten, verspotten oder
böse Wort geben, villweniger sonsten Qbol oder ungebührlich antwortt«n
oder scbimpfflich tractiren weder mit Worten. Geberden oder Wercken.
Es sollen auch gleichfals beede Hofmaister und Praeceptores den
Knaben gleicbfahls allen gebflbrlichen Bespect erzeigen, sie nicht ohne
Ursach übel tractiren, noch sie Schelmen, Diebe, Hurenkinder o<lor der-
gleichen (wie etliche ungehobelte Bachanten im Brauch haben) schelten,
sondern ihnen mit guetten Ezempeln fürgehen, sie in keinerley Weiss
ärgern weder mit Worten noch mit Wercken, ein züchtiges, erbares Leben
und Wandel führen; da es sich aber begeben wurde, dass die Knaben dem
Hofmaister und Praeceptori nicht folgen oder ihre trewe Erinnerung bey
ihne nicht stath funde, sondern sich denen widersezen, böse Wort geben,
in Wind schlagen und für nicht halten wolten, sollen sie, nach dem sie
•»inmahl oder zway dessen erinnert, dorn Herrn Obristen Stallmaister
solches anzaigen, insonderheit da etwas hochstratTmässiges fürfuelle,
nicht laug verbaUen oder dissimiiliien, sondern laut oflenbaren, damit
die Notturtlt vorgenommen worden möchte.
543
Ober welche jezt erzeltc Ordnang unnd was eonsten zu guetter
Zucht und Erziehung der Knaben gehöi-t, es steho in disor Instruction
oder nicht, beedo Hofmaister stät und fost halten sollen, dass denselben
in allen und jeden Puncten unverbrüchlich uiuid unverweisslicb nach-
gelobt werde; damit aber der Herr Obristo Stallmeister nicht so otft
mollestirt unnd behelligt werde, sollten hinfüran dieselbigen, so dieser
In!»tmction nicht nachleben, von den Hofmaister auft'genierckt unnd alle
Sambstag wolgedachtem Herrn Obristen Stallmaistor ihre dofeclus unnd
ten schrifftlich vorgebracht werden.
Beilage 11.
1694, 9. Novembor, Wien.
Instruction für den ObriitJägfermüiter in Steyer.*
Erstlichen, solle er Obrist-Jägermaister, wo uit Selbsten, wenigist
doch dnrch dessen unterhabenten Forstniaister mit Zueziehung der be-
nöthigten Jägerey-Pershonnen Unsere in Steier ligende Porst- und Wil-
päan, wo nicht jedes, doch nach Vertiiessung zwiiy- oder drey Jahren
bereidteu lassen, folgents ein- unndt auderseitbs, so zu Bewahr- und
HögTing ünsserer Willpaan verordnet seiu, von dennenselben die fleissige
Nachricht einziehen, auch andern OrUicii. wie es die Gelegenheitl geben
wirdt, die nothwendige Erforschung undt Erkhiudigung thuen, wie in
ÜDsern Willpäänen, Forst und Gcjaidern gebaust unndt gehandlet werde,
unnd in Fahl Beschwäningen, Mäiigl undt Gebrechen oblisuiden, so Dnss
an Unsern Forst- und Wildpünnen unndt wass deme anhengig zu Nachtl
undt Schaden auch Verwüstung geraichen thetten, unndt Unsere Forst-
Mttstcr unndt Jäger sollcbes ihrer Pflicht nach nicht verhiettot noch ab-
gestölt betten, oder für sich Selbsten nicht hfittun wunden können mich
mögen, so solle er Obrist-Jägermaister dem nach mit allen Fli-iss unndt
Ernst darob sein undt verfuegen, damit solche Unordnungen unndt Ein-
griff nottnrftiglich abgowendt unndt abgestfilt werden, wie sollcbes zu
Erhalt-, Bewahr- tinuiit Hüguug unserer Forst-Wildpäan unndt landts-
fürstlicbeu Gejadern für das nuzlichisU> unndt nach deuncn Umbständen
am besten angesehen sein wirdt. Zum Fahl abt^r ihuir Unsern Obristen
Jigennaistcrn in Sachen zu Zeitten etwas zu schwär fahlen möchte, so
für sich Selbsten von dortans nit zn remedirn wäre, sollchcs solle allzeitt
ganz furderlich hey Unsern I. ö. Hof-Cammor (von wellcher Unser jezig-
' Die IiMtniction iat entbalteu im Fase. A. 87 des grKfl. Harrach'schen
Archive«.
Arthif LXXXVII. Bd n Hilfl«. 36
544
und khOnfftig«!' Obrist-Jiigcrmaiater in Steuer ihr Dependenz haben andt
deroselben Ober eio Obrist-Jägennaister unndt das Jägerey-Weesg«n in
Steuer, so lang wier khcin anders verordnen oder khein Landtsfürst io
Landt sich befindet, die Ober-Inspection gebühren und dahuro auch sye
Obrist-Jägermaistev von ihre Unserer I. ö. Cammer der Jäge>rey Torge-
sUilt, hingegen aber ihme Obristen-Jägormaisti-r dasjenige, was dcinselb4>n
von Bechtswog zuständig und pro reputatione officii et deoore familiae
gereichet, «ingeranmbt unndt gelassen werden solle) angebracht, und di«
gobOhrnnii« Assistenz unndt Remedirung angesucht worden.
Unndt wann Andfrtons ihme Obrist-Jägormaistern von dennen
For8tniaistcrn,.Tägorn,Jngfr- unndt Forstknechten d(>rgleichen Persobnen
angoziügt wurdon, die Ilnss an Unsern Hoheithen. Wildpäänen, Forst-
undt Wildt.[iriidt- iiud Ki'isgejadern, wie auch Waldungen, Gehfllz, Auen
uniH Wiliiprädt-Wässen Schaden, Nachthoilkeitcn oder Eingriff gcüiao
hettcn, so solle er sich auf sollche Anzaigungen, in Sachen umb desto
sich<irer zu gchi-n. auch bey aniiorn unndt der Jägerey nit incorporirten
unndt auBWfiidigen Pei'sohni'n dcssoii erkhundigon unndt in sichere Er-
fahrnheitt bringen, ob sollches wahr seye oder nit? undt so ehr aolche
Misshandlungen, Schäden undt Verbrechen wahr zu sein befindet, solle
er selbe Porsohuen, soferen »iie Burger- undt Pauerslaith seind, durch
ihno Furgtmaistor unndt seine Instruction gemäss citirn nnndt die er-
fordernde Verhandlungen unndt gebührendte Straff ffirnehmben lassen,
wann sye iiber von flpistlichi'n, oder vou Uerru- undt Landtleuthen, auch
Ritter undt Adlstandt, Verwaldern unndt dei-gleichen wäi'en, sollen die
gewöhnliche Zueschreiben boschechon unndt die Satisfaction begehrt
werden, in casu renitentiae aber solle er Obrist-.Tägcruiaister sollches
Unserer I. Ö. Hofcammer alsobaldon ordentlich unzaigen, welcher
Sachen schon recht wirdet zu thuen wissen.
So vernehmben WOr auch Drittens glaubwördig, wie dass etItcS
Unsere Vasallen von geist- und weltlichen Stand, wo nit WildprSdt-
Schflzen halten, doch selbigen ünterschlaiff geben sollen, unangeseben
dass wir sollclios durch olTtormalilige oft'ene General- undt Mandat hiebe-
vorn zu mehrmahlen verbieten lassen; dieweillon Uns nun aber sollcbc^
ferers zu gedulten keineswegs gemainet, als ist Unser ernstlicher Befelch,
das er 0 brist- Jägennaister in dofectn Unserer Forstmaister undt Jiger
anwententen Flciss auch selbsten sich deijeuigon, so dissem Uusem
gnedigisten Befelch zuwider handien, auf alleweis erkhundige unndt darob
seye, damit dergleichen WildprädtschOtzen undt üntorschlaiffgeber ohne
Verzug abgestfilt niind sollche Delinc|uonten secunduui delicti qnalitatem
bey dennen Forstämbtern gebühi-ent abgestrafft weiden.
646
S() eraignet es sich aber auch VierteiiB zuweillen, dass die in Ver>
jb&fft gezogene WildprätschQzen unndt dergleicheD Delinquenten von
I keinen Mitten uundt nur arme Leütb seind, in aolcben Fahl unndt wan
,sye ihr verwirkhte Straff deuuen Furstmaister in Gelt zu erlegen uit ver-
:tnögent sein, wollen und befelheu Wür geuedigist, dass Bullche Über-
(tretter sich mit dem Forstniaister wenigist unib die Azung vui-gleichen
ronnd bezahlen, folgents aber zu Uuseru Gupeüou, Stattgräben udor der-
gleichen wenig oiior mehr Wochen und Zeith nach Beschaffenheitt des
' Terbrechens zu arbeiten verschafft unnd wüi'khtich angehalten, entlich
i woil auch, zum Fahl die Misshaudlungen zum öffteru geschehen oder so
»groas wt»ren, auf otlich Meill Woogs von Uusern Forst- unndt Wildpäänen
iTerstoBsen werden sollen; casu quo aber der Delinquent auch die Äzungs-
lünkhossten zu bezahlen wiüi<i>utlich nit haken solte, er destwegen mit
( desto grösserer Straft' belegt, iluhingegeu aber dergleichen Leuth nicht su
'lang mit dem Kerkher und Geföngnus gepfrengt unndt darinnen aufge-
i halten, noch vill weniger mit ihnen also rigoros unndt criminaliter pro-
' cediert, dass sollcbe ohnedeme arme Persohuen nach ansgestandtenen
onndt erlasseneu Arrest zu ihrer Uandtarbcith unndt dardurch suchenter
{täglicher Nahrung ganz untichtig gemacht unnd deetituii-t, sondern ihnen
. der Process forderlich gemacht unnd sye mit der vordienten wQrkhLichen
Bestraffung belegt werden.
Damit nun zum Füntfteu gloichmessig allenthalben durch Unsere
I Forstmaister, Jäger, Forst- und Jägwrkuucht, auch andere untergebene
I Jägerey-Persohnen, darunter auch Unsere Otter- und Biber-Jäger ver-
I standen sein sollen, ihre Ämbter und aufhabentv Dienst desto besser ob-
(Servii't undt ihrer Schuldigkhcitt nachgelebt werde, so solle mehr besagter
f Unser Obrist-Jägermaister darauf sein wachtsambes Aug tragen, auch
i nit unterlassen, jezuwcillen sowüll hoy deunen iucorporirten Jägerey-, als
'anderen negst umbligendeii Fersohnen unnd Partheyen sich zu erkhun-
fdigen, wie Unsere Jägereybeambte uund Bedionti; sich mit Verseh-, Hey-
i unndt Bedienung Unserer Fürst, VVildprüt- und Gejaidern verhaldten, ob
<sye ihren Dienst gebflhrent obligen und aufwaiien? ob nit Jemanden von
I ihnen vergönnt uaud haimblich zuegelasscn werde, Wild zu fohlen, wie
■ BoUches dann zum öffdern wirkhlichen stratTwiirdig brschehen sein solle,
ob sye Gelt dammben nemben? oder s}'e seibsten dergestalten handleten?
oder sich auch in anderweg ungebrihrlich hielten, wie zumablen auch
glaabwilrdig fürkhomben, dass die untergebene Jäger- unndt Forstknecht
thails Pauern und Untertbanon, welche sonstcn ins Jagen zu schickhen
ficbnldig, dessen zu befreyen und dieselben hingegen mit einer gewissen
Gelt-Anlaag unndt andern dergleichen Beschwornussen zu belegen and
3D»
546
von ihnen abzufordern Bicb unterstehen, wardarch die Andern nmb desto
mehrere graviert und beschwert werden. Alss befelchen Wür gleich-
messig, duss disses auf alle weiss abgestClt werden und er Obrist-Jä£(!t-
maister mithin der Ursach willen auf sollche, auch alle andere dergleichen
von ihnen Jägerey-Persohueu verOebende Hissbreuch und Excess in
genere fieissige Obsicht tragen solle.
Dnndt sofern nun für das Sechste bey Ein- oder Andern soUche^
ei-funden oder auch warvon dennen Forstmaistern, Hoff-Jägem, Forst-
unndt Jäger-Knechten unndt was der Jägoroy incorporiert. die wissent-
lichen Übertretter unndt Delinquenten nit angezaigt, vertuscht, ver-
schwigen oder von ihnen selbsten in Unssern WildpSänen- und Forsten
Schaden gethan iinnd änderst als ihr Instruction und Schuldigkbeitt er-
fordert, gehandlet wurde, dessen er Obrist-Jägermaister dan, wie obstehet,
sonderlich bey andern auswendigen Persohneu und Partheyen sich unter
der Hand za erkhundigen wissen wird, in sollchen Fahl RoUe er gegen
dennen Verbrechern, wan sye Forstknecht und dergleichen Bediente sein,
wie oben von dennen Bürgern und l'iiuei-sleOthen gemeldet ist, handlen
lassen, wan sie aber Forstroaister weren, solle er soUches Verbrechen
nach Beschaflfeuheit der Sachen sambt seinen änibtlichen Guetbedunckhen.
was zu thueu oder fOr eine Straff gegen dieselbe fflrzunemben sein möchtr,
Unserer I. Ö. Hofcammer zu Vorkherung des weidtorn und darüber erwir-
tender Verbschaidung forderlich berichten.
Nacbdeme sich Sibontens in der Ei-fahreuhoit zaigot. dus in
Unsern Fürst- undt Horzogthumb Steuer, alwo Wür Unsere Forst- and
Wildpäaneii haben, zu denen nit geringen Abbruch und Schaden die
Waldt- und Bohfllzungen sehr abgemaisst, ausgehackht und abgeMi-t
worden, alls wollen wier erstlich, dass auf dieselbe, boforderist aber auf
alle Unsere aigene Forsthölzer, Wälder, Schachen und Auen ein flebaig«
Reobacht- und Aiifsehung durch die Wald- und Forstmaister. oder so
sonsten darauf bestelt sein, getragen und mit allen Ernst verfüegt werdr.
damit sollche nit abgeödet, geschwend. noch unzimblicherwois vorderist
an denen guethen Orthen nnd Wildprädtständeu ausgehackht, verwistot
noch verderblich gemacht, fürnemblich aber disser Punct von Unserem
Obr. J&germaister wohl beobachtet werde, auf dass doi'sclbe bey Unsern
Forst- und Waldmaister darob sein solle, damit alle Holz- Verschwent-
und Verwiostiing allersoiths, zumahlen in Unsern aigenen Waldungen
und Wildprätständen dergleichen Schädlichkeiten fleissigist verhiettet.
noch vill weniger aber dei'gleicben straffwQrdig-aigennnzige Anmassongen
von ihnen Forst- uniid Waldmaister selbsten vt-rüebt unnd da zum Fahl
dergleichen Obei-trettangou von ihnen bescbechen möchten, sollche«
547
Unserer Hoff-Cummer respectii Unserer aigenen Waldungen zur gezim-
bendeu Hestraffuug angezaigt werden sollen.
Gleichmessigen Verstand hat es Acbtens mit dem Roth- und
schwanen Wildprüt, dass weillon wir thails Unsere daselbst in Steuer
ligende Forst und Wildpä&n cum reservato porpetnu reluitionis jiu'e
TcrkhaofTt and sollch« nbzulössen sich die Zeith eraignen möchte, und
dahcro ganz biliich, da,st< sullchu ebnormassen in guetem Stand crbaiden
und durch die Kaulls-Partheyon zuwider der wissentlichen Waidmaus-
Ordnnng unnd zaelüssigen Gebrauch nit ausgeödet werden, wordurcli
zugleich unsere negst anrainendo noch wenig reservierdto landtsfürstlichu
Forst und Wildpä&n wegen Ein- und Herwechsluug, auch ungewrdinlichor
Föhlung des Qewilds in ebenmässigcn Ruin und Schaden geratheu
mAesson, dergleichen unbofuegt als jäperisch unzeitigos excessive Wild-
präth-Pürsteu und Fohlen abgestölt unnd mit sollchen Wildpäänen waid-
maniscb und verandtwortlich gehandlet werde. Als wirdet er Obrist-
iJü^pnaister hierauf nit weniger sein wachtsambes Äug zu tragen, die
«imftwende Partheyen von sollchen Excessen und Uubefuegnussen zeit-
lichen zu dehortiern und abzuhalten, in verspQhrender Continuatiou
dessen aber sein weitheres n-fagiuni pro necessaria assistentia zu Uusserer
I. 0. Hoff-Cammer zu nehmben wissen.
Neuntens, solle Unser Obrist-Jägermaister allen unnd jeden Unsern
Forstmaistern befelchen und auferlegen, dass sye weder Forstknecht noch
andere Jägerspersohiien in die Pflicht an- und aufnembon, weder selbe
beschwüren, noch von ihren Diensten Verstössen, es geschehe dan mit
ünsers Ob. Jägermaisters Vorwissen unndt Einwilligung, auch ange-
zaigten genuegsambou Ursachen.
Zehentens, wo Jügers-Persobnon verbanden wären, welche sye auch
sein mögen, wie auch bey Veränderung derer Dienste, von dennenselben
solle er Ob. Jägennaister in ünsorn Nambon Pflicht und Ayd aufneliraben
und empfangen, und wo dieselben oder andere in der Jägerstaat- unnd
i^hlungsroll begriffene Persohnen zu statlicher Veriicbtuug ihi-es Dienst
nit Befelch- und Instniction geuuegsamb hetten, so solle er Unser Obrist-
Jägermaister die Notbturfft erwegen unndt bodoukhon unnd, was nuzlicli
unnd guetb sein wirdet, ihnen dasselbe aubefelcbeii unudt daneben auch
einbinden, wo ihnen was vorkhomboii wurdte, so ünss an Unsern Hoch-
heiten. Wildpaan, Gämbs- und Ueisgejadern, Forsten, Waldungen, Ge-
hälzon, Wissen und Auen zu Schaden raichou möchte, dass sye sollches
keineswegs verschweigen, sondern ohne Vei-zug es Unserm Forstmaister
»nzeigen. wellcher es sodan weither ihme Unserm Obrist-Jägermaister zu
hinterbringen schuldig unud verbunden ^oin solle.
548
Änbelangent aber ÄylfTtenB die J&gerey-Dienst-Erseznngen, soll« «r
Unser Obr. Jägermaister den Tottfahl der Forst-, Wald- nnd KiedenuiaiiHer.
wie Blich Huff-Jägern, anzaig'en, und neben seinem Bericht nnndt rät-
licben Guetachten zu Unserer I. <V HofTcammer erstatten, dieselbe aber die
Notturfft der bisherigen Observanz gemäss femer an Unns mit räthlichen
Gaetachten trelangen zu lassen, und folglich ihme Obrist-Jägermaist«
Unserer geschöpfften gnedigsten Resolution zu verbschaiden wissen.
Nachdeme auch fDrs ZwOlffte etliche Landtlenth unnd Geistlich»
roth- und schwarz Wildprädt, so von Unss mit keinen Wildpaan befreye»
oder wo auch JemandtH neben Unsem Wildpaan zu jagen berechtiget
wcre, aldort aber einzujagen nnd die limites zn flberachreiten sich unter-
standten hette, solle er Obr. J&germaister sollches Unserer HofTcammer
nmbstendiglicbintimieren, wellche die Edierung dess titulo unnd habendeo
juris von dergleichen Partheyen schon zu begehren und hierüber daM_
Gehörige weithers vorzukheren wissen wirdt.
So haben Wir auch Dreyzehentes gennegsarabe Erfahrung.
Unser Forst und Gehillz zu nnd nmb tobi Unsern Wildpäänen nicht tti
klainen Abbruch und Nachthail sehr abgemaisst nnd gendet werden, dero-
halben Wir dan wollen, dass er Unser Obr. Jägermaister auf dieselben
in Sonderheit auch alle andere Unsser Forsthölzer, Wälder unnd Auen
sein fleissige Achtung iinndt Aufsehen haben nnd mit allem Fleis ver-
fliegen und darob sein, damit die nit geödet, geschwent, noch nnzimb-
lichermassen an denen gueten Wildprätständen die Orth verschlagen noch
die Wechsel des Wildpräts verfehlt, warbey Wir aber gleichwollen in so
weith allergnedigist verordnen und zulassen, dass die Zefln zu Ver-
waliniug der Panerschafft ihrer Hunhgriindi also moderiert und anfgefibrt
werden mügen unmi sollen, damit hierdurch kheine Wildpräth-Beschä-
dignng verursachet werden möge, und weilten
Vierzehentens. ihme Obrist-J.lgerraaister selbst wohl bekhandlich
ist, wass massen die WöltT, Lux nnndt Bern in villweog beschwärlicb
und nachtheillig soindt, derohalben soll er auf alle Weiss dahin trachtoi
unnd Verfuogung thnen, dass sowohl Winters- als Sommers-Zeitten mit
Anlegung der Stachl nnd dergleichen gobreuchiger Instrumenten, nicht
weniger auf Desuechung deren Geschleitf sollchen alt- und jungen
schadh<itTtigon Thirn nit allein in Unsem Wildpäänen und territorüs
von Unaern Jägern, sondern auch in allen andern Orthen, auch Purckb-
und Landtgerichtern von andern Jägerpersohaon selbigen als landtscbäii-
lichen Thieren möglichst nachgestölt, anch gefangen, vertriben and aas-
getilgt werden mögen und sollen, wie er Obrist-Jägermaister es dan wohl
zn thnen wais; unndt ist
549
zum Fünffzebenton Duser giiedigister Befelcfa. dass or ObriBt-JAgor-
maister die Veroniuung thuo und Tsrfaege, dnmit uicbt ullein die grosse
Psioru-Uuiidt uud Kioden, sondern auch iill aiidero h<ddento, scliadtiialT-
tige und dein Gewili nachsozende Hiim!, wan sollclic in Verfolg- und
Nüchsezung des Wiltpräts würkhlich ertappet werden, alsobalden abgo-
thin oder gelembot worden sollen, ündt zum Paiil Wir
Sechszehutona in Unsern noch aigontluimblieh innen habenden
FCrst«n einige Landtgejaider ansagen uud halten zu lassen, allergnedigttt
reiolviren möchten, so solle or Obrist-Jägermaister damahlen dahin ge-
dacht sein, das8 sollche specialiter im Ej'ssenärzt-, Enns- uund Palten-
thill oder auch Virtl Zilly, ziimahleu Wier, wie obgodacht, unsere mehriste
Fömt in Untersteyer keuftiichen ausgelassen, füi'genomben uud angestelt
weiden.
Belangent Sibenzebenteus den Obrist-Jägcrmaisteriscben Ambts-
Scbieiber oder Seuretarinm, dicwcillen befindlich, dass seine Unsere Ob.
Jäg(rraai»<ters Antecessores die Befiieguis gehabt, dieselben nach Belieben
unnu Belindcn Selbsten aiifzunembun, also khan es bey solcher Observanz
auch iuskOnfftig bey berührter Secrotariats-Erlediguug (znmahlen Wir
deu jeigen Secretari Wolff Simon Khnopff zu dessen continiiirenden Ver-
ricbtuig ad dies vitao gnedigist selbst conlirmiert), jedoch dergestalt sein
Verbleben haben, dass hienae jederzeitt wohl tauglich nnndt qnalificierto
Persohieu, welche yber alle fürfallende Amtshandlungen, actiones, vcnti-
lierendeStroittigkheitton und Vorrichtungen ein ordentlich unnd ausfuhr-
liches PotbücoU zu führen, wie dau h parte alle solche Acta und Uuud-
luugen, « der Obrist-Jägermaisterischen Cauzley quocunque modo an-
hongig ii ein sonderbahr haldentes Expeditbuoch oder ßeportorinm zu
allmahlig .ezt unndt khunfftiger guetter Nachricht registriert und ein-
getragen md hierdurch Allee in bestendige guetto Ordnung gestölt und
arbalten w<-de aufgenohmbeii werden sollen, massen dan zu dessen
würckhlichei Vollziehung offt gedacht Unssor Obrist-Jägermaister hieniuf
sein stethes rachtsamb Aug zu tragen haben, zu dissem Ende auch alle
Icho Canzle_.Schi'ifften, Acta und Anihtbueclier an einem sichern Orth
ond Zimerl (dsrumbcn er Unser Obrist-Jägermaister bey Unserer I. Ö,
Hoffcamraer eicufehouimen wissen wirdet) gebührent verwahrt uud also
(wie obgedacht, alle Handlungen und Acta in gueter Ordnung uund
Kichtigkheitt erhiten worden.
Zum Achtzheuten befolchen Wier ferrers gnedigist nnnd ernst-
lichen, dass Unsace Forstmaister von ihren Ämbtern ohne Licenz Unser
Jägeimaister auf cn lange Zeit, be forderist aber ausser Lamlts nicht
abraissen, auch ihun ohu ehehafite Ursach die Licenz nit ertlieülen.
W taii
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sondern vill mehrers dahin anweissen, dass sie persöhnlich bey ihrta
Ämbtern verbleiben nnd selbigen embsi^ und treulich vorstehen solkn
Neunzehentens, die Befuognus der jährlichen Wildprats-Austhul-
lung antor Unsere drinige Räthe unnd Ofßcier anbelangeut, obzwar, m
hiervon nach Lauth nud Inhalt Unserer gnedigist ergangenen Resolutbu
unter dato 3. Mai des entwichenen li57ö'" Jahres, aus damahls vor ml
angebrachten Ursachen auf den damahlig neu resoivierten Cammerpratsi-
denten selbige gnedigist tninsferiert, so wollen Wir aber aaiezo solid)«
Befuegnns der jährlichen Wildpräts-Austhaillung (so vill die gewöhnlidit
Ordinari-Vertliiüllung unter Unsere I. 0. Rätho unndt Officier betrfft
und gegen allmahliger von Unserer I. Ö. HofTcanimcr Ober erholte Wid-
prüt- nnrl Dcputat-Verthailliing abforderonde speciflcicrte Verzaichnifi)
auf das Übrist-Jäffernmister-Auibt widerumben remittiert haben Betef-
fent aber das schwarze Wildprät, wellches, wan es etwan in ünsern lOch
reservierten wenigen aigcnthumblichen Wildpäänen so hciiftig iber
Uandten nemben solle und desto wegen ainiges Gejud fürzukern undjtw«
ein Anzahl dess besagten ilberdissigon schwarzen Wildprätbs zu fihlsD
für nothwendig crfnndnn wurte, auf sollchen Fahl er Obrist-Jägernwster
wegen dessen Vertbeillung bey niehrbesagter Unserer drinigen Hoff-
cammer sich Bescbaids orhoUen solle.
Nichtweniger auch zum Zwainzigisten die Besoldung bereffeut,
obwolcn zwar vor dissen die GrafTen von Thannhauson die Auäahlung
derselben gehabt haben, nuib dass aber von der .lägurey unter&hidlicbe
Beschwärden and Klagen fürkhomben und der Ursach willen ihnei üraffeo
von Tliannhaiissen krafft ergangener gnedigsten Hesointion de dato
20. Julii 1637 benoniben und an Unsere I. Ö. Uoffcammer tr-nsferiert.
folgcnts von doi-t aus der Jäger-Staat ansgezahlet worden, so (rollen Wir
demnach aus ein- und anderer Ursach bewogen, dass der vouin practi-
cierte modus respectu der Auszahlung deren Besoldungen (»Is wellcher
der Zeit nnd jnxta modernnm statiim Unsers drinigen Jfkgf^taat« ohui'
das auf kein sonder hoches quantum sich belauffot) widerumon in vorigen
Standt gesezt und sollchc Auszahlung ünserm Obr. Jägenaister gnedi-
gist anverthrauUi haben der Gestalten, dass er Obrist<-Jägennaister
die erforderliche Besoldungs-Golder gegen seiner Qaittv>g uns Unserm
I. ö. Hoffpfenning-Ambt quatemberlich erheben ui« soUche ihnen
Jägerey-Persohnen uudt Bedienten jedesmahls richtigarlegeu und sich
hingegen auch von ihnen Jägerey-Persohnen dem alte bisherigon modo
nach quittiren lassen und dorselbon Quittungen mit «iner dahin in be-
sagtes Unser Pfenning -Am bt hineiugogebeueu Inte(0i8qiiittuug guotter
Ordnang und Richtigkheitt halben zu verwechslon bissen mfige, dahin
I
«51
^§ren Wir ihne Obrist-Jageimaister auch sein Doputat-Wildprät, Holz-
gelt, Wissen und was deme sonst anhengig ist, dem nltcn Hcrkomlicu
gemess, gnedigst geniessen lassen wollen.
Damit aber fürs Ain- und Zwainzigisto ins künfftig Unser Obrist
>llrb-Landt-.Jägerinaister in Steuer wissen, was fdr ein Juramcnt ej ubzu*
legen, als haben Wir gnedigist resolvirt, dass selbiges disser Instruction
inseriert werden solle folgenden Inhaldts.
Ayds-Kotl.
Ihr werdet angeloben vind schwären zu Gott tind aikm Iloilligon.
dass ihr dem alleninrchloüchtigisten, grossmächtigibton und uunborwind-
lichsten Fürsten und Heim, Herrn Leopolden, erwehlten Romischen
Kaysser, auch zu Hungarn und Behaimb Xönig. Erz-herzogen zu Öster-
reich, ünserm allergnedigisten Uerru und dcroselben Erben getreu, ge-
hursamb und gewärtig sein wollet, dem euch anvertrauten Obi'isten-Jäger-
maister-Dienst, wie euch die desswegen zuestollende Instruction aufer-
legt, von Zeit zu Zeith gebührlich, getreu- und gehorsamb auswarten,
höchst ernennt Ihrer Kays. Majestät Befelch und Veriudnung zu jeder
Zeith gehorsamben, die kayserlichen Wildpäan, so vill möglich und an
euch sein wirdet, schuzen undt dawou nichts entziehen lassen, noch vill
weniger sotlches für euch selbst thuen. auf die euch untergebene Jägerey-
Persohnen eaer fleissiges Anfmerckhcn, damit dieselbe ihren Dienst und
Verrichtungen ohne Klag auswarthen, halten und, so sich zwigclion donnen
selben und andern Zwispaldt erregen, gleiches Kocht füren, darineii gegen
dem Aimen als dem Reichen, auch den Reichen als den Armen, gebührlich
bandlen und Keinem nicht Widriges verstatten, und Alles das, was aller-
höchst ernennt Ihrer Kay. Mt. zu Gueten und zu Nuzen khomben solle,
bcsstens Vermögens thuen und handien wollet, wie ihr soliches gegen
Gott nnndt eueren Herrn unnd Landtfürsten verandtwortcn könnet.
Wellches jeder Zeith vor Unserer I. Ö. ßeg. unnd Cammer ab-
zulegcD.
Beschliosslichen soll er Unsser Obrist-Jägermaister sich in allen
instroirtermassen gellissen, emssig undt zum treulichisten orzaigen und
halten, wie Wir dan nit zweirtlen und in ihme dass gnedigiste Vertrauen
Bezen. Unnd ob Wier zwar auch ihme Olirist-Jägermaistpr in Steuer in
vill mehr weeg (wie es nehmblicb mit Ansag uuudt Schickhung in Unser
landtsfiirstlicho Jagen bey Änsbleib unndt Verwaigerung dessen mit denen
sowohl dits Orths, als anderseitliigeu Wildprät-Strafl'en. in Cilier- und
Apprehendiernng der Wildprätschiixen unndt deren Complicium unndt
interessierten, auch anterschidlichen Fohlen und anderen Bttgebenheitca
in Jägereysaclien gehalten und observiert werden solle) wnitleüffignr
punctatim zu instniiren betten, so finden Wür doch, soUcbes umb dereut-
willen für nnnöthig unnd öberflQssig, alldiewoillen alle dergleichen io
dem Jägerey-Weessen inehrers erforderliche Puncta, Observationes, auch
Kegl und Ordnungen, wie es mit ünsern Forst-Wildpäanon uund Jägons-
gerccbtigkhoilt zu halten ist, in der Unseru Forstinaister erth.ülten
Instniction, ja auch in Sachen zu mehrmahlen in Unseren ausgangenen
scharffen Generalien und Mandaten ausführlichen inseriert, ausgeführt
und vorgeacbrübou seiut, in wcUchen er Obrist-J%onnaistcr sich d&o
auch zu ersehen hat und dahin angehalten wirdt, dass er seinerseiths üb
solcli ausgeförtigten Foretmaisterischeu Instruction und öffters erfrisch
Jägerey-Guneralieu halten, selbige uanutenireu und also Unserer lan
fürstliche Regalien nnudt Jägerey-Hohheiten in Steuer nach seinem bestteo
Vermögen conservieren und in guettem Standt erbalten, und was er seinen
Krätt'teu und Vermögen nach zu Verhiettung Schadens unndt Nnchtbeils
nit wendten unnd vom Ambt aus selbsteu nicht abstöUeu kau, sollcbes
neben Annectierung seines ämbtlicbou Guetbedunkhens zu Vorkhenmg
des weitheren an Unser I. 0. Hoffcammer, an die er ohne dass mit der
Dependenz gewissen ist, gelangen lassen, und seine woithere NotturtTt
daselbst pro eiigentia rei et causae verhandlen, wie znmahlen aber eine
ausführliche Relation von dem Stand der Jägerey, auch was für Excessen
füi'gangen nud was etwo abzustellen oder zu verbessern sein möchte, von
Jahr zu Jahr tleissig eingeben solle als khann, wellcher Uns zum Fahl
selbe deunen beschehcnden schä<1lichen Eingriffen znofüegenden Wild-
paans- and WalJungüschäden und dergleichen Inconvenientien zn steuern,
auch selbsteu durch ihre etwo aigeiie habende Mittl- und Compellierungen.
ja cammerprocuratorische Actionen und Conventiouen wider die renitent-
und widersezliche Partheyen nichts vermöchte, schon der fernere Vertrag
7,n nottürlTtig- und gebührendten Qemedierung auch gnodigsten Reso-
lution bescheheu wirdet.
Geben in Unserer Statt Wieuu den 9. Novembris in sechzehn-
hundert vier und neuuzigisten, Uunsoror Reiche des Römischeu im siben-
(ind drcyssigiston, des Uungarischen im vierzigiston und desBöhaimischeo
in neun- and dreyssigisten Jahr.
Leopoldt.
Julius Prid. Gf. Wuzeleny.
Ad raandatum S. C. M. proprium:
Job. Theo, von Weissuuberg.
553
Beilage 12.
Eidesformeln.
Archibnsier.
Ihr wurdet golobon uuud schwcreu, dem allordurchleüchtii^steii, Lliin-
serm allorgnedigsten Hoirii ti'Pii, geborsainb iiimd gewerttig zu soiu, Ibrer
Kays. May. Nutz unm! Froiiiineu lurdiMn, Nacbthcil uuud Schilden über
zu w.iranen unnd zu wunden, unnd insonderheit alss ihr zu Ihr Kays. May.
Archibusier unnd Diener angenommen, demselben Dienst mitt treuem,
höchstem Fleiss aufzuwartteu, unnd Ihr May. über Landt, auf Gas.sen
unnd Herberg mitt euren gewöhnlichen Waffen unnd Wehren mittreitteu,
auch Tag unnd Nachtwacht, unnd wass euch sonst zu Zeitten von wogen
Ihrer May. durch eueru verordneten Hanbtman oder Leuteiiandt ange-
sagt unnd befohlen wirdt, demselben mitt Gehorsamb nacherzukhomnien.
unud vollziehen wollet, auch sonst thuen unnd handien, wie einem from-
men, aufrichten Archibusier iiiiiid Diener, der seinem Herrn mitt AydLs-
ptlicbt verwandt ist, gebüehit unnd zustehet. Alles treulich unnd ohne
Gefehrde.
Leibweschin.
Ihr werdet geloben unnd schwehren, dem allerdurehleüchtigsten,
Unnsenn allergnedigsten Hen'u treu, gehorsamb unnd Kß'^'oi'ttiB ^^ ''•^ii,
Ihrer Kays. May. Nutz unnd Frommen fiirdern, Schaden imud Nachtheil
zu warnnen unnd zu wenden, Ihrer Kays. May. Hembter unnd Leibgewandt,
30 für Ihr Kays. May. gehört, durch die Camnierdioner, die solches unnder
Händen haben unnd zu waschen geben, mitt aigen Händen waschen
unnd zusammenlegen, Niemandt Frcmbden damittumbgehen lassen, wohl-
verwahrt truckhnen unnd damitt selbst gen Hof gehen, unnd nach der
Zahl, wie Ihrs von dem Cammerdiener empfangen habt, also ohne Abgang
widcrumb überantwurttcu, iiiind sonsten Alles das thuon unnd handien
wollet, das einer getreuen Leibwäschin bcy Ehr unnd Aydt zu thuen ge-
bflert unnd zustehet, getreulich unnd ohn Gefchre.
Hofcontralor.
Ihr werdet geloben unnd schweren, dem allordurchlcOchtigsten,
Unnserm allergnedigsten Herrn treu, gehorsamb unnd gewerttig zu sein.
Ihrer Kays. May. Nutz unnd Frommen zu fördern. Nachtheil unnd Scha-
den warnnen nnnd zu wenden, unnd sonderlich alss Ihr Kays. May. nun
554
zn ihrem Hof-Contralohr gnedigist verordnet nnnd befQrdert, uand eoch
derohalben ein Instruction nnnd Ordnung, wie ihr solch Ambt Terrichten
sollet, znegestellt werden solle, das ihr denselben mitt allem höchsten
Flciss unnd guetem Aufmerkhen wOllet nachkhommen, anch zn jeder ge-
wöhnlichen Zeitt zu Enchen, Keller, Ziergaden, Tafeln, Liecht-Cammer,
Stall unnd auf Wägen, Fuhr nnnd SchifTung, wer dieselben bestelt, euer
Heissiges Aufsehen haben, damit Ihrer Kay. May. in denselben Ämptem
vorschwendtlich, nachtheilig unnd zu Schaden nichts gehandlet werde,
wann unnd so offt Jemandt von Ihrer Kays. May. Hofgesindt, hohes oder
uidern Standts, von Hofe verraisen würde, alssdann daranf euer fleissiges
Aufmerckhen haben, wann der oder dieselben widerumb ankhommen,
solches ileissig verzeichnen unnd aufmerckhen, den Hof- unnd Eriegs-
zahlmaister dessen erindern, damit wegen ihrer Absent der Hofbesoldnng
halben von Ihrer Kays. May. oder deroselben Obersten Hofmaister Be-
schaidt genommen, unnd derselben Befelch unnd Ordnung nach (Inhalt
anfgerichten Hofstatts) desto ileissiger nachgelebt werde, wass auch sonst
durch den Obersten Hofmaister oder Vicehofmaister in Namen Ihrer Kays.
May. euch würdet befohlen, demselben sollet ihr Gehorsamb laisten, so
wohl wie ihr auch auf den Baissen unnd in Herbergen mitt dem Letz-
gelt unnd andern angeschafften Verehrungen euch sollet verbalten, von
ihnen jederzeit Beschaidt nemmen, über das auch sonsten nnnd nach
Inhalt gedachter Instruction Alles anders thuen unnd handien, was einem
getreuen Diener seinem Herrn bey Aydt und Pflicht zu thuen schuldig
unnd verbunden ist, und sich im selben von Niemandt verhindern lassen,
alles treulich unnd ohne Gefehrde.
Summelier.
Ihr werdet geloben unnd schweren, dem allerdurchleflchtigsten,
Uanserm allei-gnedigsten Herrn treu, gehorsamb unnd gewerttig zu sein,
Ihrer Kays. May. Nutz unnd Frommen fflrdern, Nachtheil zn wamnen
unnd zu wenden, unnd sonderlich das Summelior-Ambt, darzu ihr jetx
bestcttigt werdet, vermög euer Instruction, die euch hernach zuegestelt
werden solle, mitt getreuem Fleiss unnd Sorg zu versehen, der Kays. May.
Mundtranck unnd Brodt in fleissiger, sorgfeltiger, treuer Huet zu haben
unnd zu verwahren, auch wass euch sonst durch der Kays. May. Kuchel-
maister unnd Contralohr, auf welche ihr euern billichen Respect haben
sollet, in Ihrer Kays. May. Namen befohlen wirdt, treulich verrichten,
auch sonst Alles das thuen unnd handien, das einem getreuen Diener
unnd Summelier gegen seinem Herrn bey Ehr unnd Aydts-Pflichten in
thuen gebüehrt unnd zustehet, alles treulich unnd ohn Oefehrde.
555
Kachelschreibei
Nachdem die Rom. Kays. May. ünnser allei^nodigster Herr euch
zu Ihrem Kuchelschreiber allergnedigst an- unnd aufgenommen, so sollet
ihr darauf angloben unnd schweren, Ihrer Kays. May. treu, holdt unnd
gewerttig zu sein, deroselben Nutz, Frommen unnd Bestes zu betrachten,
suchen unnd zu fürdorn, entgegen Schaden unnd Nachtbeil nach allem
euerra Vermögen zu warnnen, wenden unnd zu verbieten unud, nachdem
euch Ihr Kays. May. zum Kucholschroiberdienst gst. befördern, so sollet
ihr euemi Ambt nach Innlialt euerer Instruction, welche euch hernach
zoegestelt werden wirdt, mitt KhaufTen, auch Empfang unud Äussgeben
desB Gelts treulich, crbarlich unnd redlich handien, von solcher Handlung
aber rechte ordentliche Tagzettet von euer aigenen Uandt schreiben, dem
Herrn Kuchelmaister unud Huf-Cuutrahlorn äberantwortten unnd zue-
stellen, sonst auch wass euch gedachter Herr Kuchelmaister unnd Hof-
Contralor, vorab aber Ihrer Kays. May. Oberster- oder Vicehofmaistei- feror
jederzeit nach fürfallonder Uelegenheit zue Ihrer Kays. May. NotturlTt be-
fehlen würden, oha alle Verwaigerung gehorsamblich verrichten unnd
bandlen, in Allem, was seinem Herrn ein treuer Diener unnd Kuchel-
schreiber bey Ehr unnd Aydtsjtflichten zue thuen schuldig unud verbunden
ist. Alles treulich ohne Gefehre.
Muadbeekh.
Ihr werdet gelobten unnd schweren, dem allerdurchleQchtigsten.
Unnscrm allergnedigst.en Herrn treu, gehnrsamb unnd gewerttig zu sein,
Ihrer Kays. May. Nutz unnd Frommen fürdern, Nachtheil unnd Schaden
warnnen unnd zu wenden, unnd sonderlich alss Ihrer Kays. May. Mundt-
beckh das Brott nach höchstem Fieiss unnd Fursichtigkheit selbst eigener
Person, unnd dasselbe kbeincm Diener vertrauen, auch zue demselben
Gebeckh allweeg von dem allerbesten Waitzen. das schöniste unnd saii-
beriste Meel bey einem vertrauten MOllcr gemiiblen beraitten lassen, das-
selbe auf den Baissen unnd Stillagern in einem verwahrten Gefes sauber
bebalten, unnd Ihr May. Mundtbrott. welches Mundtbrott nach Gelegen-
heit der Wohlfeile unnd Tournng doss Weitzes durch den Hof-Conlrahlor,
ao offt es die NotturlTt erfordert, taxiert werden, dossgleichen sollet ihr
auch alles ander Brodt in dem Hofkheller laut dess Sumnieliers schrifft-
lichen Instruction unnd der allhieigen Statt unnd auch au der wöchent-
lichen Stattordnang unnd anderer Ortten, alda Ihr May. ihr Uoä%er
kbOnfftig haben möchte, nach der Zahl unud dem rechten Gewicht über-
antwurtten, unnd sonst Alles das thuen unnd handien wollet, das eineui
556
getreuen unnd floissigen Mundtbeckhen seinem Herrn bey Ehr annd
Aydtspflichten zu thuen gebflehrt unnd zustehet, getreulich unnd ohn
Gefehrde.
Einkhauffer.
Ihr werdet geloben unnd schweren, dem allerdurchleflchtigst«),
Uunserm allergnedigsten Herrn, treu, gehorsamb unnd gewerttig zu sein,
Ihrer Kays. May. Nutz unnd Fi-ommen fürdern, Nachtheil unnd Schaden
abei' warnnen unnd wenden, unnd nachdem Ihr Kays. May. ench zu ihrem
Einkhauffer gnedigist befürdei-t, so sollet ihr euer Ambt handlen nach
Innhalt der Instruction, so euch hernach zuegestelt werden solle, unnd
wass euch Ihr Kays. May. Enchelmaister unnd Hof-Contralohr, beronb
aber Ihr Kays. May. Obrister-Hofmaister ferer darfleber zu khauffen er-
fragen, dieselben ausskhosten, hierfieber berichten unnd nach Befindong
auch weitterer Verordnung dieselben erheben, wass man von einer Zeit
zur andern begehren wirdt, sauber unnd fleissig abziehen, wohlverwahrter
aufheben unnd nach Ihrer Kays. May. Hofe befördern, auch alle ein-
gebrachte Wein nach der Visier unnd was auf die FflU unnd ins Ge-
leger gangen oder wer dieselben hinverwendet ordentlich verraitten unnd
sonsten Alles das thuen unnd venichten, wass einem getrenen Keller-
maister unnd Diener gegen seinem Herrn seiner Pflicht nach aignet unnd
gebüehrt. Alles treulich, gehorsamblich unnd ohn Gefehrde.
Zuschrötter.
Ihr werdet geloben unnd schweren, dem allerdurchleflchtigsten,
Uunserm allergnedigsten Herrn, treu, gehorsamb unnd gewerttig zu sein,
Ihrer Kays. May. Nutz unnd Frommen zu fürdern, Schaden aber unnd
Nachtheil zu warnnen unnd zu wenden, unnd alss Ihrer Kays. May. Za>
schrötter Alles das, so euch durch den Herrn Kuchelmaister, Contralohr
unnd Kuchelschreiber von Ambtwegen auferlegen unnd befehlen, gehor-
samblich unnd fleissig verrichten, alles Bindt- unnd ander Kleinfleisch
mitt Wissen unnd im Beysein dess Einkauifers, so es anders die Gelegen-
heit erleiden mag, bestellen unnd abraitten, das Fleisch im Ziergartten
fein, sauber, luftig unnd wohlverwahi-t halten, Keinem den Schliessel in
den Geweltern, Fleisch geben, auch Niemandts Frembden in dasselbige
gehen lassen, unnd nichts ungescbmackhs darin leiden, sonsten Alles
anders haudlon unnd thuen, das einem getreuen Diener gegen seinem
Herrn bey Aydtspflicht gebfii-th unnd zuestehet, getreulich unnd ohn
Gefehrde.
557
Licht-Ciuniinjrer.
Ihr werdet geloben unnd schweren, dem allerdurchIeüchtigBten,
Unoserm allergatett Herrn getreu, gehorBamb unnd gewerttig zu sein,
Ihrer Kays. May. Nutz unnd Frommen getreues, möglichistes Fleiss
fördern, Nachtheil nnnd Schaden zu warnncn unnd zu wenden, insonderhfiit
aber, weil i'uch Ihr Kays, May. zu Ihrem Liecht-Cammerer unnd Diener
gnedigdst aafgenommen, solch Ainbt treulich unnd fleissig versehen, unnd
euerer Instruction, welche euch hernach zuegcstnlt werde« wirdt, geuuigs
handien, wass euch noch darfleher vtui Ihrer Kays. May. Kuchohniiister
nach Gelegenheit füifallonder Ihrer Kays. May. NotturlTt befühlen wirdt,
demsolbou unwaigorlich naclikhouimen unnd sonst Alles das thuen, liandkm
unnd verrichten, was seinem Herrn ein getreuer Diener unnd Licbt-
Cammeror bey Ehr unod Aydtspliicht zu thuen schuldig unnd verbunden
ist, treulich unnd ohn Gefehrde.
Zörgartner.
Nachdem dieBüm. Kays. May., Unnser allergnodigsterUerr, euch zu
Ihrem Zörgarttner allergnedigst an- unnd aufgenouiiuen, sn sollet ihr
hierauf geloben unnd schweroii, Dcrsttiben getreu, gehorsamb uund ge-
werttig zn sein, Ihrer Kays. May. Nutz unnd Frommen fCrdern, Nachtheil
unud Schaden aber warnnen unnd zu wenden unnd sonderlich alss Dero-
selben Zörgai-ttner allerloy eingekhautt'te Victualia, so durch den Ein-
khauffer unnd sonsten in Zürgai'tten gebracht unnd gelifert wirdt, in
getreuer Verwahrung halten unnd dieselben ordentlich zu verraittun
schuldig sein, auch was euch sonsten vi>m Kuchelmaister unnd Contralor.
auf welche ihr nach dorn Herr« Obristou-Hofmaister euern gebiiolirouden
Respect haben sollet, in Ihr Kay. May. Geschäften befohlen wirdt, dem-
selben gehorsamblich nachkhommen, unnd Alles anders thuen, das einem
getreuen Diener gegen seinem Herrn bey Elir unndt Aydtspliicht zue thuen
gebAebrt unnd zustehet, alles treulich, gehoreamblich unnd ohn Gefehrde.
Kellerdiener.
Ihr werdet geloben unnd schweren, dem allerdurchlefichtigsten, Unn-
serm allergnedigsten Herrn, treu, gehorsamb unnd gewei-ttig zu sein, Ihrei-
Kays. May. Nutz unnd Frommen zu fördern, Nachtheil unnd Schaden zu
warunen, verbieten unnd zu wenden, unnd sonderlich alss Ihr Kays. May.
euch zu ihrem Kellergehiin'en gnedigist aufgenommen, mitt lleissigei'
Warttung der Wein unnd sonsten Verrichtung alier Kellernotturfft, so-
wohl auch dass im Keller kheinerleyweyss Schaden entstehe oder Ver-
558
schwendung der Wein beschehe, gnetten Fleyss nnnd Anfinerckhen n
haben, auch was euch jederzeit durch den Herr Enchelmaister nnnd
Summelier, auf die ihr euern billichen Bespect haben sollet, in Ihr Kays.
May. Keller euers Ambts halben zue thuen befohlen unnd geschafft wirdt,
demselben Gehorsamb laisten unnd Alles anders treulich nnnd guetwillig
veiTichten, das einem getreuen Diener seinem Herrn bey Ehr unnd Pflicht
zue thuen gebüerth unnd zustehet, getieulich unnd ohn Gefährde.
Kellerpinder.
Ihr sollet angeloben nnnd schweren, dem allerdnrchleflcbtigsten,
ünnserm allergnedigsten Herrn, getreu, gehorsamb unnd gewerttigzu sein,
Ihrer Kays. May. Nutz unnd Frommen zu fOrdern, Schaden unnd Nach-
theil zu wamnen unnd zu wenden, unnd nachdem ihr vor diesem zu Ihrer
Kays. May. Eellei-pinder aufgenommen worden seidt unnd solchem Dienst
bisshero gehorsamblich abgewarttet, so sollet ihr denselben hinffirter auch
nitt wöniger fleissig, treulich unnd embsig verrichten, allem Hängl unnd
Unrath in dem Keller an den Fässern unnd Baiffen mitt zeittlichem VoU-
werekhen unnd Finden fürkhommen, denselben wenden unnd darauf tSg-
lich sondere Achtung geben, damit einiger Schadt nicht geschehe, sonder
dei-selbe gentzlich verbietet werde; insonderheit sollet ihr auch bey der
täglichen Aussspeisung, so wohl der Wein alss dess Brots, neben Andern
im Kheller alle mögliche Handlung thuen, im selben nichts verschwenden,
sondern alle flberflOssige unnd verbottene Hinaussgebung bemelter Sachen,
so vil euch immer mfieglich, verbieten, da euch solches von Andern be-
schehen würde, dasselben dem Summelier unnd Contralor zu gebflehrlicher
Abstellung anzaigen unnd sonsten Alles das, wass einem ehrlichen unnd
getreuen Kellerpinder zue thuen gebfiehrt, euch auch von Ihrer Kays.
May. Contralor, Summelier, oder in Abwesen derselben durch den zuege-
ordnetcn KellergehilfTcn Ihrer May. erhaischender Notturfit nach anbe-
fohlen wirdt, euei-m Aydt unnd Pflicht nach alssbaldt gehorsamblich,
treulich unnd fleissig verrichten.
Mundtkhoch.
Ihr werdet geloben unnd schweren, dem allerdurchlenchtigsten,
grossmcchtigsten Kömischen Kaysor., auch zu Hungern unnd Bßhaimb
Khflnig, ünnserm allergnedigsten Herrn getreu, gehorsamb unnd gewerttig
zu sein, Ihrer Kays. May. Nutz unnd Frommen fürdern, Nachtheil aber
unnd Schaden zu warnnen unnd zu wenden, unnd nachdem euch ietzo Ihr
Kays. May. zu deroselben Mundtkhoch gnedigist bestettigen, sollet ihr
I
I
059
euch mitt Kochen tinud in ainlerii Sachen eur Ämbt unnd Dienst betretend
Dach ihrer Kaj-g. iUay. Kucbelmaister unnd Contralor, Ajubts-Verweseru
richten, unnd nach »einem Befelch handeln, auch gegen derer euch under-
gebeuen Knochtcu aller gebüehrenden Bcschaidenheit gebrauchen, ihr
sollet auch auf sein Erfordern, 8o offt es die Kottnrfft oriiaischet, bey den
Haittiingen die Empfahung onnd Au8!<gubiing der Kuchen anbelangl
gegenwerttig sein, und euch aonsten in allen euern Instructiuneu ge-
mess, die euch hernach zuegestelt werden wirdt, erzaigen, auch Alles das
thuen nnnd bandlen, wass einem gelreuen Mundtkoch uund Dianer bey
Ehr unnd Aydt zu thuen gcbflnhrt uund zustehet, alles getreulich unnd
iihn Gefehrde.
Pastetenkoch.
Ihr werdet globen nnnd scbwehren, dem allerdurcbleüchtigsten, Unn-
serni allergnedigsten Herrn getreu, gehorsanib unnd gewerttig zu sein,
Ihrer Kays. May. Nutz unnd Frommen fördern, Schaden nnnd Nachtheil
lu warnen nnnd zu wenden, unnd Ihr Kays. May. Kuchelmaister gehor-
samb zu sein, auf denselben eur Aufsehen haben, unnd euch mitt dem
Pastetenbackhen nach seinem Befelch unnd Gebott halten, wass euch
durch den Kuchelmaister befohlen, oder auch durch den Mundtkoch uuder
Händen gegeben wirdt, dasselbe mitt grossem Fleyss nnnd FOrsichtigkeit
backen, nnnd alle Pasteten unnd Torlten dem Ohr. Mundtknch ohne Ab-
gang zuesteilen, unnd sonst Alles das thuen unnd bandlen, wie einem
ehrlichen Pasteten-Kuch zustellet unnd gebüehi-t, auch bey Aydtspflicht
schuldig unnd verbunden ist, alles getreulich unnd ohn Oefehrde.
Maisterkoch.
Ihr werdet globen uund scbwehren, dem uUerdurchleüchtigsten,
(Jnnserm allergnedigsten Herrn treu, gehorsamli unnd gewerttig zu sein,
Ihr K.iys. May. Nutz nnnd Frommen fördern, Nachthi-il unnd Schaden
aber wamnen unnd zu wenden, unnd nachdem Ihr zn Ihrer Kays. May.
Ko«h in Deroselben Mundtkuchel gnedigst auf- unnd angenommen, so
sollet ihr, wass euch von Ihr Kays. May. Knchelmaister, Contralorn unnd
nachmahls Ton dem Mundtkoch oder wer jederaeit diesellien Platz ver-
tritt, in Ihr Kays. May. Dienst zu verrichten befohlen oder auferlegt
wirdt, das-selbe ohn einige Widerred, mitt höchstem Fteiss (rehorsamblich
laiaten, thuen unnd verrichten, auch sonst euch in allem dermassen ge-
treu nnnd ehrlich verhalten wollet, wie das einem ehrlichen, getreuen
Diener unnd Koch seinem Herrn, (dem er) mit Aidt nnnd Pflicht ver-
eunnd zuestehet, getreulich unnd ohne Gefehrde.
XXVII. Bd. II. Hilft«. 3C
I
560
Dnderkoch.
Ihr werdet globon unnd schweren, dem allerdurchieüchtigsten, gross-
meclitigsten Römischen Kayser., auch zu Hungern uuiid Bebaiinb KhOnig,
Unnserm allerguedigetou Herrn getreu, gehorsamb unud gewerttig n
Bein, Ihr Kays. May. Nutx unnd Frommen fQrdern, Schaden nnnd Nuh-
theil zn wiirnnen unnd zu wenden onnd insonderhoit Ihr Kays. M»j.
Kbucbelinaister unnd nachninbls den Obr. Mundt-Koch oder vriT jederzeit
denselben Platz vertretten, in Allem dem, so er euch in Ihr Kays. M«y.
Dienst befehlen oder auflegen wirdt, ohne Widersprechen mitt hr>ch.st«n
Fleiss Gehorsamb zu laistcn, darzoe Alles das zu handlen onnd zue thntn.
das einem gotrewen Koch unnd Diener gegen seinem Herrn, dem er mitt
A}'dt»pflicht Tei'bundon ist, zue thuon gebDohrt unud zuestehet, getreulicl)
unnd ohn Gefehrde.
Zuesetzer.
Ihr sollet geloben nnnd schweren, dem allordurchlcüchligsten Kömi-
schen Kayser, ünnserm allergnedigsten Herrn getreu, gehorsamb unui
gewerttig zu sein, Ihrer Kays. May. Nutz nnnd Frommen zu beffirdem,
Nachtheil nnnd Schaden aber zu wenden, unnd niichdcm Dir in Ihr Kays.
May. Kucbol zum Zuesetzer aufgenommen worden seyet, unnd euem
Dienst bissliero gehorsamblich versehen habt, so sollet ihr euren Dienst
treulich, fleissig und embsig verrichten unnd abwartten, zu rechter Zeitt
unnd Stundt in die Kuchen khommen, mitt denen Speisen unnd andern
Sachen, so euch zum Zuesetzen unud sonst anbefohlen nnnd under die
Hiuidt geben wirdt, aufs sauberist unnd rechllichist umbgehen, durch-
aass nichts verschwenden noch verwahrlosen, wass auch ench sonsteo
euerm Aydt unnd Pflicht nach zue thuen gebQehrt oder von Ihr Kays. May.
Contralor, Muadt- oder andern Maister-Köchen anbefohlen wirdt, dem-
selben treulich, gehor.samblich unnd uuvcrzüeglich nachkhommen.
Knchonbneben.
Ihr sollet geloben unnd schwehrcn, dem allerdurchieüchtigsten,
I'nserm allergnedigsten Herrn getreu gehorsamb unnd gewerttig zu sein,
Ihrer Kays. May. Nutz unnd Frummen fürdorn, Schaden unnd Narhtheil
zu wai'nnen unnd zu wenden unnd auch sonderlich, wass euch der Mundt-
khoch oder ein Anderer, der solchen Platz vertritt, alzeitt befohlen werden,
demselben mitt allem Gehorsamb ohne Widersprechen, so vilmflglich. ench
erzaigeu unnd vulziehen, auch sonst Alles das thuen unnd handlen, das
einem getrewen Kuchenbueben zugehört, bey Vermeidung seines Aydte
unnd PIlichts nach gebüert unnd zu thuen schuldig ist. Alles treolicb
unnd ohne üefehrdo.
5ßl
I
»
Euchenthürhütter.
Ihr sollet geloben unnd scliwebren, dem allerdurchleüchtigsten, Unn-
serni allevgnedigston Herrn getreu, gehortianib unud gewerttig zu sein,
Ihrer Kays. May. Nutz iinnd Frommen fürdern, Nacbtheil iinnd Schaden
zu warnüen unnd zu wenden, unnd uaclidem Ihr Kays. May. euch jeUo
zu Deroselbcn KnchidthOrhitter gst. an- unnd aufgenomaieu, so werdet
unnd sollet ihr fleissig Achtung'darauf haben, das ihr Niemanden, es sey
wer der wßlle, der nicht in die Küchel gehörig oder darinn nichts zu thueu
hatt, sonderlich aber keine verdächtige unnd frembde Personen, einlassen,
sondern dieselbe ab- unnd weogschaffen, wass euch auch der Obr. Muudt-
koch oder ein Anderer, der solchen Platz ettwann vertritt, allzeit befehlen
wirdt, demselben mitt allem Fleyss unnd Geliorsamb ohne Widereprechen,
80 vil möglich, euch orzaigen, unnd solches vollziehen, auch sonsten Alles
das thuen unnd handien, wass einem getreuen Kncholthürlinoter zuge-
hört unud er zu thuen schuldig ist, Alles getreitllich, gehursamblich unnd
ohne Gefehrde.
Kucheltrager.
Ihr sollet geloben unnd schwehren, dem allei'durchleüchtigsten, Unn-
serm allergnodigsteu Herrn getreu, gehorsanib unnd geworttig zu sein,
Ihrer Kays. May. Nutz unnd Frommen zu fürdorn. Beiladen nund Nachtheil
zu warnnen unnd zu wenden, Ihr werdet alle Nottuifi't in die Kuchin tragen,
allezeit das Kuchingeschiorr oinraumuien, die Kuchen säubern, unnd fiber-
laudt bey dem Kuchenge.schirr bleiben, von dem boy Tag unud Nacht
nicht khommeu, biss so lang die in Ihrer Kays. May. Herberg abgeladen,
unnd folgendt die Tnichen wohlverwahrt an ihr gehörige Ortt gebracht
sein; auch dieTrucIien iui Abladen nicht umhstürtzen, werffen oder sonsten
ungeschickht damit umbgehen lassen, das Kuchelgeschirr verwahren,
Iinnd sie ziuii Kochen oder au dem. darzuo sie tauglich, willig unud ohn
Widerred brauchen lassen, unnd sonsten Alles dass thuen unnd haudlcn.
das ench durch den Herrn Kuchtmaister oder Mundtkoch befohlen wirdt,
mitt Fleiss hanndlou unnd vorrichten, wie es einem getreuen Trager unnd
Diener seinem Herrn bey Aydtspflicht zu thuen gebiiehrt unud schuldig
itit, getreulich unnd uhn Gefehrde.
Cammerern- unnd Triichsassen-Tafeldöcker.
Ihr sollet geloben unnd schwehren, dem allerdurchloQchtigsten. Unn-
serm nllergnedigsteu Herrn getreu, gehorsamb unnd gewerttig zu sein,
alzcit Ihrer Kays. Muy. Nutzen unud Froiumon befördern, Schaden unud
tzu wai'iinen unnd zu wenden, uuud alss ihr zu Ihrer Kays.
3ü*
562
May. Caramerern (Ti'uch8ä88en)-Tafeldeckher auf- luind angenommea
worden, so sollet ihr zu urdentlicher Stiindt die Tafel, wie sichs geböehrt,
zurichten, die aufgetragene Speisen ordentlich aufsetzen, nniid nit allein
für euer Person mit Darreichung der Notturfl't nnnd Einschenckhen
treulich aufwartten unnd dienen, sondern auch die Andern mitt Aaf-
wartteude darzue halten, den Wein unnd aufgebebt« Spejaen nitt allein
für euer Person keiuosweegs veniutreuea unnd abtragen, sondern aucli
Nietnandts andern solches m thuen gestatten, in allweeg aber auf diu
Silber unnd Zuigesohirr. so zue der Tafel gehören unnd euch undergeben
worden, daan auch auf das Tiscbgewandt, Hanndtücher unnd Saluet, 6«
ihr umler Händen habt, euer fleyssig Aufsehen haben, damit das Silber
uund Zuigeschirr rein unnd sanber gehalten, darvon nichts verlohren
noch veruntreut werde, unnd wuss ihr ron Tischgewandt zu waschen
gebet, dasselbe aufzeichnet, unnd Ton der Wäscherin widerumb recht,
unfehlbar und nach der aufgemerckhtcn Zahl empfahet, unnd sonst Alles
anders thuen. w:is einem ehrlichen Diener unnd Tafeidecker seinem Herrn
boy Aydtspilicht zu IhuengebQehrt unnd wohl anstehet, treulich unnduhuo
Gefehrde.
Ilofkerer.
Nachdem Ihr Kays. May. euch jetzo zu Doro Hofkeror gnedigst an-
nnnd aufgononiraon, so werdet Ihr solchem eurem Dienst mitt fleissiger unnd
sonderbarrcr Adsskhwrung der Aiite-Camera- unnd Zimmer gehorsamblich
verrichten, auf denen Ratsen bey dem Cammerwagen bleiben, unnd denen
Cammertrabanten helffen auf- uund abladen, wass auch euch jedesweils
durch den Canimerfurier unnd Uof-ContraJor, oder desselben Ambts-
Terwabltern, auf welche ihr euei'n billichen Respect haben sollet, in Ihrer
Kays. May. Sachen anbefehlen werden, demselben ohne Widersprechen
nachUiommon lumd solches verrichten, auch souston Alles das thuen, das
einem getreuen Hofkerer zugehört unnd er zuthueu schuldig üt, Alles
treulich unnd ohne Gefehrde.
Mundtwäschin.
Ihr werdet globen und schweren, dem allerdurchleflchtigfsten, Dnn-
serm allorgnedigsten Herrn getreu, gchorsanib unnd gewerttig zn sein,
Deroselben Nutz nnnd Frommen zu fordern, Nachtheil unnd Schaden aber
zu warnnen uund zu wenden, uund nachdem euch Ihr Kays. May. zn Dero
Mundtwäschin gst. aufgenommen, die Tiscbticher unnd Salvet, so für Ihr
May. gehOnm uund die euch Denselben Ob- unnd Undersilbercammerer
oder, wer zu jederzeitt denselben Platz vertrit, zu waschen gibt, oder durch
563
die Silberdiener annd Tafeldecker geben lasset, underschiedtlich nnnd von
anderer Wesch abgesondert, rein nnnd fleyssig mitt aigenen Händen
waschen, trucknen nnnd zusammen legen, mitt Niemandt frembden die-
selben gen Hof schickben, sondern selbst damit gen Hof gehen, unnd
nach der Zahl, wie ihrs von dem Silberdiener unnd denen Tafeldeckhern
empfangen habt, also ohne Abgang widerumb überantwortten, nnnd sonst
Alles das thuen unnd handien, was einer getreuen Mnndtwäschin bey
Ehr nnnd Aydtspflicht zue thuen gebüehrt unnd zuestehet, getrenlich
nnnd ohne Gefehrde.
Hofprofoss.
Ihr sollet geloben unnd schweren, dem allerdnrchlefichtigsten, gross-
mechtigsten Bömischen Kayser, anch zu Hungern unnd Böhaimb König,
Unnsenn allergnedigsten Herrn, treu, gehorsamb nnnd gewerttig zu sein,
Ihrer Kays. May. Frommen zu fordern, unnd Schaden zn warnnen unnd
zu wenden, insonderheit aber alss euch Ihr Kays. May. zu Dero Hof-Pro-
fosen-Ampt gnedigist fQr Andern befördert unnd aufgenommen, das ihr
solch Ampt mitt treuem nnnd bestem Fleiss verrichten, alle Tage zn Hof
anfwartten nnnd zugegen sein, die ungehorsame, strafTmessige Diener,
so von Ihr May. oder Dero Obr. nnnd Vice-Hofmaister euch in gebüehr-
liche Verwahrung unnd Yerhaiftung zu nemmen befohlen werden, solchem
Befelch jederzeit gestrackhs Vollziehung thuen, unnd gegen denselben
mit gebfiehrender Straff ffirgehen, die unzächtige unnd ärgerliche Per-
sonen, so sich bey dem Hoffgesindt aufhalten möchten, neben gebüehr-
licher Bestraffung mitt Ernst alssbaldt weegschaffen, unnd denselben
ettwa nnzimblichen eurs Gewins oder Nutzes halben durchauss kein Statt
oder ünderschleiff lassen, noch vergünstigen, auch sonst thuen unnd
handien, was einem frommen, aufrichtigen Diener unnd Hofprofossen, der
seinem HeiTn mitt Aydt nnnd Pflicht verbunden, zu laisten schuldig ist,
treulich unnd ohn Gefehrde:
Allem dem, was mir anjetzo ffirgehalten worden nnnd ich wohl-
vemommen hab, will ich so getreulich unnd fleissig nachkhommen, alls
wahr mir Gott helf unnd sein heiliiges Evangelium.
C3
am
EIN VORLAUFER
DES
ÄLTESTEN UEBAE8
VON
KREMSMÜNSTER.
VON
KONRAD SCHIFFMANK
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Uie Urbarien im eigentlichen Sinne des Wortes ent-
lAnden wie anderwärts so auch in den Stiftern des Landes
b der Enns erst gegen Ende des 13. und zu Beginn des
4. Jahrhunderts.
Im 10. Jahrhundert ersetzte sie das Traditionsbuch, im
1. Jahrhundert fieng man schon an, kleine Gutsbeschreibungen
nter die Traditionen aufzunehmen, im 12. Jahrhundert endlich
rt ein allgemeiner Rückgang der Traditionsbttcher bemerkbar,
»gegen werden die Versuche systematischer Güterbeschrei-
mngen häufiger.
Diese Vorstufen zu den späteren Urbarien haben noch
;ein festes Schema und sind keine erschöpfenden Beschroi-
nngen des ganzen Gutsbestandes.
Sie sind stets noch Aufzeichnungen administrativer Natur
bne Rechtskraft.
Sehr klar hat diese Entwicklung zuletzt Susta* erörtert.
Die ursprünglich halbfreien Villici, welchen die Sorge
n eine Reihe von Hufen anvertraut war, hatten immer mehr
1 Bedeutung im Laufe der Zeit gewonnen. Früher waren sie
osse Werkzeuge des Gutsherrn, dem sie den ganzen Rein-
trag des Gutes abliefern sollten. Als aber die Besitzungen
58 Herrn so angewachsen waren, dass seine persönliche Be-
eiligung an der Wirthschaflsleitung einzelner Besitzungen immer
*inger wurde, lockerte sich das Verhältniss des Maiers zu
m. Er lieferte nun nur mehr eine bestimmte Abgabenquote
i den Herrn jährlich ab. Die Versuche der Ministerialen
id Lehensleute, Stücke der Grundherrschaften zu allodisieren,
Urden gegen das 12. Jahrhundert hin immer häufiger, und
'sonders der kirchliche Besitz litt darunter.*
Die Urkunden und mannigfachen Klagen der Zeitgenossen
iweisen, dass man auch in Kremsmünster so weit gekommen
* Sitsangaber. der kaU. Akad. der Wisseiuch., pbil.-hist Cl., 188. Bd. (1898).
* 6qsU, a. a. O., p. 47 ff.
IicUt. LXXXTII. Bd. U. SUIf. 87
568
war, dass das Stift seine eigenen Besitzungen and Rechte nicht
einmal mehr genau kannte.'
Durch die angedeuteten Verhältnisse erklart es sich,
dass man sich gelegentlich durch schriftliche Aufzeichnung zu
schützen suchte.
Nach diesen Gesichtspunkten ist auch die Entstehung
des Urbarials von KremsmUnster zu beurtheilen.
Obwohl Abt Friedrich I. von Aich (1273—1325), »nf
dessen Veranlassung das älteste Urbar von KremsmUnster an-
gelegt wurde, im prologus zum vollendeten Werke klagt, dus
er ,nec ex ullis scripture monimentis' habe entnehmen kGnnen
,que possessiones, quid soluerc debeant', hielt doch Abt Adi-
leuthner die Möglichkeit nicht für ausgeschlossen, dass zur
Zeit der Abfassung des Urbars doch noch irgendwelche vr-
bariale Aufzeichnungen vorhanden waren, mit denen man die
Aussagen der Unterthanen verglichen habe.*
Diese Vermuthung kann sich auf eine Stelle in einer
alten Chronik von Kremsmilnster stützen, welche lautet: ,Et
abhinc nostra ecclesia videtur abbate caruisse, ut patet in re-
gistro de possessionibus, quas Arnoldus dux vendicavit"
Es hat also in Kremsmünster schon vor der Abfisusung
des ältesten Urbars ein Register existiert, welches einen Theil
des Stiftfibesitzes verzeichnete.
Loserth* bemerkt dazu: ,Wie weit sie (die mit der An-
legung des Urbars betrauten Männer) sich dabei auf das ältere
Besitzregister stutzten, ist schwer zu sagen.'
Diese alten Aufzeichnungen schienen ja verschollen m
sein. Da glückte es mir, im Jahre 1896 ein altes Besitzregister
von KremsmUnster zu finden.
Gelegentlich einer Suche nach mittelalterlichen Schal-
handschriften entdeckte ich in einem ehemaligen Gleinker
Breviarium, welches die Bibl. publ. in Linz unter der Signatar
' L. Achleuthner, Das älteste Urbariam von Kremsiufinster, Wien 1877,
p. Vm der Einl.
» A. a. O., p. XI der Einl.
» Mon. Germ. Bist. Script. XXV, p. 631. Vgl. J. Loserth, Die Geschichts-
quellen von KremsmUnster im XIII. und XIV. Jahrhundert, Wien 1873,
p. 21, Anm. 6.
* J. Loserth, Sigmar und Bernhard von KremsmUnster. Archiv fllr Bsterr.
Geschichte, 81. Bd., Wien 1896, p. 358.
p 19 verwahrt, auf f. 95' eine urbariale Eintragung, die ich
nächst gemilss der Provenienz des Codex fiii- ein Gleinkci-
sitzregister hielt.
Nachträglich stellte sich aber heraus, dass die Auf-
eichnung Besitzungen von KremsmUnster betrifft.
Das Brevinrium sowohl, wie auch die urbariale Eintragung
mmen aus dem 12. Jahrliiindcrt.
Für die Annahme, dass das Güterregister im 12. Jahr-
andert eingetragen worden sein müsse, spricht ausser den
laläographischen Indieien auch der Lautstand in den Porsonen-
d Ortsnamen des allerdings nicht umfangreichen Denkmals.
Es ist nämlich von der bairischen Diphtbongisierung und
ren Begleiterscheinungen, welche gegen die Mitte des 12. Jahr-
underts im bajuvarischen Gebiete aufzutreten begannen,' darin
lOch keine Spur.
Wann der Codex nach Gleink gekommen, ob schon vor der
/Abfassung des ältesten Urbars, lUsst sich wohl kaum ermitteln.
Wie schon bemerkt wurde, sind die Urbarialien des 12. Jahr-
lunderts in der Regel keine erscht'Jpfendeii Besehreibungen des
puzcn Gutsbestandes, sondern berühren nur jene Punkte, welche
Eiomentan für den Grundherrn Interesse hatten.* Das sehen wir
eiin Baumgartenbcrger Theilurbar,* welches nur die Ein-
Uufie verzeichnet, die aus einem Amtshofe flössen, ferner bei
dem von mir identificierten und demnächst herauszugebenden
iJondseer Urbariale (sacc. XII) und auch bei unserem Denkmal.
Die Blattseite, auf der es eingetragen ist, füllt es aus,
»her die gleichzeitigen Urkunden belehren uns, dass es nur
pinen Theil des damaligen Stiftsbesitzes enthält.
Aus dem Fehlen von Gütern im Verzeichnisse kann somit
luf die Abfassungszeit nichts geschlossen werden, die zeitliche
Zuweisung muss sich vielmehr auf die positiven Anhaltspunkte
pilnden, welche das Denkmal bietet. Deren sind nun allerdings
lehr wenige.
Vor allen ist meines Erachtena auf den Umstand Gewicht
la legen, dass unser Denkmal eine Reihe von Gütern in der
' K. Weiabold, MittelhochdeutscUe Grammatik *, Paderborn 1883, p.09, § 106.
" äniU, a. a. O., p. 50.
* K. Schiffmann, Quellen zur Wirtliscbaftsgescbichte OberOsterreichs etc.
Stadien und Mittheilungen aus dorn Benedictiner- und Cigtercienserorden,
XX. Jahrg. (I«9y), Heft 1, p. 161 flF.
87»
570
heutigen Ortschaft Weigersdorf aufzilhlt. Diese praedia in
Wigantesdorf hafte ein gewisser Engilgerus, camerarius des
Stiftes Kremsmlinster, von diesem zu Lchr-n besessen und vor
seinem Tode' auf seinen Sohn, den passauischcn Diakon Engil
gerus, vererbt.
Das Stift machte aber seine Ansprüche geltend, und so
entbrannte der Streit.
Bischof Konrad von Passau entschied ihn dahin, dass
Engilgerus gegen eine seitens des Stiftes zu leistende Ent-
schädigung auf sein ,patrimonium' verzichten musste. Dies
geschah mit Urkunde vom 27. Februar 1162.' Ich glaube
hierin einen temiinus a quo fllr die Abfassungszeit des Denkmals
gefunden zu haben. Denn es ist doch auffallend, dass in der
verbultuissmiissig nicht umfangreichen Aufzeichnung gerade di»e
praedia in Wigantesdorf aufscheinen. Ihre schriftliche Fixierung
hatte eben nach Beilegung des Streites ein Interesse für das Stifl
Einen weiteren Anhaltspunkt Air die nilhere Bestimmung
der Abfassungszeit scheinen mir die im Denkmal gleich nacb
den plebani eingetragenen Namen Domina Alheit caucraria und
Dominus Herwicus zu bieten. Beide Personen dienen die höclistc
im Verzeichnisse vorkommende Abgabe, nttndich je 2 Pfunde.
Den Beisatz ,cameraria* halte ich nicht für den Gentil-
namen, weil das Geschlecht derer de Camera in den Krems-
inünsterer Urkunden erst viel später begegnet.
Ich glaube vielmehr, dass die genannte Domina Alheit
eines der vier Hoillmter bekleidete, dass sie cameraria, somit
Ministerialin war.
Da es sich um ein Denkmal des 12. Jahrhunderts handelt,
hat die Bezeichnung domina, dominus, die sich im ganzen Ver-
zeichniss nur bei den zwei Personen findet, eine Bedeutung.
War nämlich vorher dieses Prädicat ein Vorzug des frei-
herrlichen Standes, so wurde es seit dem Ende des 12. Jahr-
hunderts zum Ehrentitel, zum Vorzugspriidicat für alle jene
Personen, ganz gleichviel, ob freier oder unfreier Geburt, welche
durch den Ritterschlag den höheren Rang, die Ritterwürde er-
halten hatten.*
• Th. Ha^, Urknndenbnch von KremsmUnster, Wien 1852, p. 43, N. S4.
* O. ▼. Zallinger, Die Becbtsgeschichte dos ßitteratandes und das Nibelang«n-
lied. Vortrag, abgedruckt im Jahrbuch der Leo-OeselUchaft für das Jthr
1809, p. 43.
671
Da es in Deutschland keine freie Ministerialität gab, so
ist die Vennuthung nicht abzuweisen, dass zur Zeit der Ab-
fassung unseres Denkmals die berührte Wandlung in der Be-
deutung des Priidicates , dominus' schon eingetreten gewesen
sei. Wir hätten somit die Aufzeichnung wahrscheinlich gegen
Ende des 12. Jahrhunderts zu setzen.
Es handelt sich nun um die Identificierung der genannten
zwei Personen, vorerst der Alheit cameraria.
1^ Die Urkunden lassen uns die Wahl zwischen der Gräfin
Adelheid von Wildberg, der Gemahlin des Grafen Ernst von
Hohenberg und Tocliter des Vogtes Friedrich von Itegensburg,
and einer Alheit de Harde, die in einer KremsmUnsterer
Urkunde vom Jahre 1206 als Würzburger Ministerialin und
Gattin Hartwigs von Butenbach, eines KremsmUnsterer Mi-
nisterialen, genannt wird.
i Adelheid von Wildberg war eine grosse Wohlthilterin des
Stiftes, weshalb ihr auch Abt Ulrich I. im Jahre 1140 die
Ehre der klosterhchen Confraternitiit ertheilte.
I In der ersten Urkunde, in welcher ihr Name erscheint,
und die um das Jahr 1135 angesetzt wird, ist sie bereits vidua.
Dies und der Umstand, dass sie in den Urkunden wohl als no-
biliß matrona, comitissa, domina, niemals aber mit ihrer im
Falle der Identität mit unserer Alheit anzunehmenden Standes-
bezeichnung cameraria aufscheint, machen es unwahrscheinlich,
lass sie im Urbariale gemeint sei.
Es ist eher anzunehmen, dass unter der Alheit imd dem
Herwicus unseres Verzeichni.sses das Ehepaar Adelheid von
Hart und Hartwig von Butenbach zu verstehen ist.
I Letzterer erscheint als KremsmUnsterer Ministerial zuerst
in einer Urkunde des Stiftes, die um das Jahr 1177 an-
gesetzt wird.
\, Mit Urkunde vom 6. April 1206 theilten sich Bischof
Heinrich von Würzburg und Abt Konrad von Kremsmünster
in die Nachkommen dieses Ehepaares. So wurde auch der
Sohn Konrad von Butenbach, der in unserem Denkmal mit
P[) Pfennigen Dienst aufscheint, dem Stifte Kremsmünster zu-
etheilt.
Wenn wir die eben erörterte Möglichkeit der Identität
gelten lassen, dann erklärt sich auch, dass die einer anderen,
liüheren Ministerialität angehürige Gattin Adelheid vor ihrem
572
Gemahl im Verzeichnisse angeflihrt ist; dann haben wir ans
fem er das letztere kaum vor den Siebzigerjahren des 12. Jahr-
hunderts niedergeschrieben zu denken, da die beiden im Jahre
1206 mit ihren zwanzig Kindern und Enkeln, die sie damals
laut Urkunde hatten, wohl 50 — 60 Lebensjahre ziüilen mussten,
Ferner erscheint Chrtnrat de Aschperc, den das Verzeichniss
unter den Ministerialen aufzählt, in den Urkunden von Krems-
mllnster erst vom Jahre 1200 ab öfter als Zeuge.
Bei der Lückenhaftigkeit des urkundHchen Materiales
bieten uns die gegebenen Anhaltspunkte allerdings wenig
Sicherheit, so viel aber scheint mir doch festzustehen, diw
unsere urbariale Aufzeichnung in das letzte Viertel des 12. Jahr
hunderts zu setzen ist. Sollte sie den von Manegold, dem
spiiteren Abte von Kremsmilnster, unternommenen Versuchen,
sich in den Besitz der StiftsgUter einzudriingen, ' ihr Entstehen
verdanken?
Mit dem in der Chronik erwähnten registrum possc*-
sionum, qiias Arnoldus dux vendicavit, hat unser Denkmul
nichts zu thun. Denn aus jenem Registrum ging nach den
Worten der Clironik hervor, dass bis zum Jahre 1040 un-
gefähr Kremsmilnster eine Zeitlang ohne Abt war, was aus
unserem Denkmal, welches einen Freidienst ad manus abbatis
verzeichnet, nicht ersichtlich ist.
Wir wenden uns nun zur Besprechung der Angaben dw
Urbfirials selbst und zum Vergleiche derselben mit dem ältesten
Urbar des Stiftes.
Festzuhalten ist, dass das illtesto Urbar und seine Vor-
stufe um ein Jahrhundert zeitlich auseinander liegen.
Die Anordnung der Dienste geschieht im Urbar nach
Aemtern, in u, wie ich das Urbariale der Kürze halber im
Folgenden bezeichne, noch nicht.
Der Herausgeber des Urbars verwies zum Beweise dafUr,
dass obiges Eintheilungsprincip auch fllr die Unterthanen Krems-
mtlnsters Ulter sei als die Anwendung desselben im Urbar, auf
eine Urkunde vom September 1249.
Mein Fund erwähnt einen vilHcus in Ekenperge und ein
officium Engilberti in Petinbach, beweist also, dass man in
*
* U. Hartenüchneidor, Hititorische und topographische Üanitellang ron dem
Stifto Kremsmilnster iu Oesterreich ob der Ennii, Wien 1830, p. 41.
673
I Kremsmünster schon im 12. Jahrhundert die Unterthanen unter
'bestimmte Amtshöfe stellte.
Oberstes Eintheilungsprincip ist aber in w noch die Art
(der Abgaben ohne Rücksicht auf die Aemter. Dies wird in
^der Entstehungsursache des kleinen Denkmals seinen Grund
haben. Der census ecclesiaram, der dem Urbar als Anhang
["beigegeben ist, steht in u an erster Stelle.
1 Unmittelbar nach den Geldabgaben verzeichnet u ,de
iLochkirchen ferra ad 13 eqnos'.
' Ein Jahrhundert spätter erscheint dieser Dienst beinahe un-
jVerändert im Urbar: ,De Diethalming' et de Setal* babata et
l«eropes ad XIV equos sufferrandos.' In diesem Falle zeigt uns die
iControle durch das Urbar, wie prägnant die Ortsnamen in m auf-
jxnfassen sind. Unter Lochchirchen ist nämlich hier nicht der Ort
JLaakirchen selbst, sondern ein Haus in der gleichnamigen Pfarre
(«u verstehen. Dieses sichere Bci.spicl bestiirkt mich in der Ansicht,
jdass die bei den Gelddicnsten angegebenen Betrilge in m wenig-
JBtens zum Theile summarisch für mehrere praedia gemeint sind.
So erklärt sich, dass eine Vergleichung dieser summari-
I sehen Posten mit den detaillierten Angaben des Urbars zu
(keinem Ziele führt, zumal in u mehrmals statt der Höfenamen
Inur der Lehenstriiger genannt ist.
1 Ich glaube daher, dass beispielsweise die 5 Schillinge,
[die u ,de Wizchirchen' verzeichnet, nicht von dem Orte Weiss-
fltirehen, sondern von Gütern dieser Pfarre kamen.
Die Eintragung ,de ekenperge avena pertinet ad manus
(abbatis salvo iure villici' in M zeigt, dass das im Urbar vor-
, kommende ,ofticium Ekchenperg in Stainchirchen' schon im
.12. Jahrhundert bestand, und dass dasselbe den sogenannten
IFreidienst an die Kammer des Prillaten zu entrichten hatte,
• ■wovon wir im Urbar nichts mehr Hnden.
I Nun kommt in ii. der Bierdienst, das seruicium ceruisie
des Urbars.
Im 13. und 14. Jahrhundert war dieser Bierdienst, wie
llins das Urbar lehrt, in der Regel mit einem Korndienste ver-
bunden, und wo der Korndienst wegfiel, ist dieses als etwas
^Seltenes und Ungewöhnliches besonders hervorgehoben.
' Nickigot in Diethaming, Pfarro Loakircben.
* Sedlhof am Ajgen, Pfarre Winubach.
574
In u ist allerdings das servitium frumenti nirgends er-
wähnt, ich glaube aber, dass es UberaU dabei war und nnr
deshalb nicht eigens bemerkt wurde, weil es durchgehende
Regel war. Bier- und Korndienst waren schon im 12. Jahr-
hundert Correlate.
Auch hier sticht also wieder die Prägnanz von u scharf
von der Ausführlichkeit des Urbars ab.
Sehr auffallend weichen die Quantitäten des Bierdienstes
in beiden Denkmälern auf den ersten Blick von einander ab.
Das Urbar verzeichnet z. B. ,De Petenpach IV carrate
et VI Urne', die ältere Aufzeichnung merkt ,de officio Engil-
berti Petinbach 4 umas et sextarium' an. Vergleicht man die
Quantitäten des Bierdienstes, beziehungsweise die Ablösungs-
summen, welche laut Urbar die Güter im Lindenmairamte leisten,
mit den entsprechenden Ansätzen in u, so findet man eine ganz
und gar unerklärliche Differenz, die nur zwei Annahmen zu-
lässt. Entweder ist der Bierdienst in 100 Jahren gewaltig in
die Höhe gegangen, oder das Wort uma hat in u die Be-
deutung von carrata.
Qegen die erste Annahme spricht die im Mittelalter sonst
zu beobachtende Stabilität der Dienste, die sich in dem hier
anzunehmenden Grade kaum hätten erhöhen lassen, auch wenn
man zugeben wollte, dass die Androhung des dispendium cor-
poris atque rerum auf die Fassion, die dem Urbar zugrunde
liegt, ziemlich eingewirkt habe.
Ich halte vielmehr die zweite Möglichkeit für hOchst wahr-
scheinlich, dass nämlich der Schreiber von u das Wort uma
für gleichbedeutend mit carrata gebraucht habe, obwohl dieser
Gebrauch sonst imerhört ist. Für diese Annahme spricht ein-
mal die ganz auffaUende Analogie bei den Angaben des Bier-
dienstes vom Amtshofe in Petenbach.
Substituiert man in u für uma den Begriff carrata, dann
ist die Schwierigkeit, die in der grossen Differenz liegt, gelöst
Es stimmt dann auch bei den anderen Gütern die ziffem-
mässige Berechnung des Verhältnisses der angegebenen Quan-
titäten in u zur Ablösungssumme viel besser, ja zum Theile
ganz genau.
In u tritt das Princip der Naturalwirthschaft noch stärker zu-
tage, die Bierdienste sind noch bei Gütern verzeichnet, die im
Urbar sich schon ganz oder theilweise mit Geld abgefunden haben.
575
Dass übrigens der Schreiber bei einem Untertbanen in
Chrugeldorf Uber das Wort ,urnam' 5 sol. geschrieben hat,
zeigt, dass die Abiüsung des Bierdienstes auch im 12. Jahr-
hundert schon vorkam.
Bei den Acmtern Eggenberg und EberstaJlzell war iui
13. und 14. Jahrhundert, wie das Urbar zeigt, mit dem Bier-
dienste ein Pfennigdienst verbunden.
Das ist auch in k bei zwei Untertbanen der Fall, nur
lässt sich wegen Mangels der näheren Bezeichnung nicht an-
geben, ob sie auf Gütern sassen, die zu den genannten Aeratern
später gehörten.
Ueberhaupt ist za bedauern, dass in u eine verbilltniss-
mässig grosse Anzahl von Untertbanen bloss mit dem Personen-
namen bezeichnet ist, so dass ein Vergleich mit dem Urbar
unmöglich erscheint.
Andererseits treten wieder in u Ortsbezeichnungen auf,
die im Urbiir fehlen, beziehungsweise durch andere ersetzt
sind. Ein Identiricierungsversuch begegnet hier den grössten
Schwierigkeiten, weil die Mittelglieder fehlen.
Wegen der äusserst geringen Anzahl von Urbarialien aus
unseren Gegenden bleibt aber das hier der Veröffentlichung
übergebene Denkmal sehr werthvoll.
Ich gebe die Handschrift genau wieder, habe aber die
Orthographie und Interpunction insofern geändert, dass ich
Orts- und Persimenniimen durchgehends mit grossen Anfangs-
buchstaben schreibe, den im Original fortlaufenden Text aus-
einanderziehe und die einzelnen Posten der Uebersichtlichkeit
wegen mit arabischen Ordnungszahlen versehe.
In den Anmerkungen versuchte ich unter hauptsächlicher
Zugrundelegung von Achleuthncr's Ortsregister zum Urbar die
Reduction der Ortsnamen und setzte zum Vergleiche die ent-
sprechenden Dienstbeträge des Urbars daneben.
576
Der Text der urbarialen Aufseichnuiig.»
1. Plebanus de Chirchperc^ 2 tal.
2. Plebanus de Ried* 1 tal.
3. De Viehtwanc* 1 tal.
4. Plebanus de Wels* 10 sol.
5. Domina Alhnit cameraria^ 2 tal.
6. Dominos Hserwicus* 2 tal.
7. ChAnrat de Äschperc* 60 den.
8. De Lettindorf' 60 den.
9. De grtlba EUinhardi* 50 den.
10. De Chünrado de Butenbach* 40 den.
11. De Pr*le» 20.
12. Hubertus de Grub" 50 den.
13. De Liten" 20.
14. De beneficio Livtarii** 40 den.
15. De Brachramsdorf" 30.
16. De Molnam" 3 sol.
17. De Wizchirchen ** 5 sol.
18. De Stvda" 30 den.
Summa 13 tal.'' 20 den. minus.
De Lochchirchen** ferra ad 13 equos.
De Ekenperge*' ayena pertinet ad° manus abbatis salvo
iure villici.
l.^De Richartingen Dietmar, Ch Anrät, Herdin et Hainricos^'
umam.
2. Hseinricus et Waldman lunam.
3. Walchün '/g umam.
4. Amolt de Teniggen** umam.
5. Günther et Hseinricus de Haimpvhspach *• Y» urnam.
6. Engelbertus et Chünrat faber de Chrugeldorf*' umam.
7. Hajinricus de Isingesperge'* sextarium.
8. De Plavantsperge*' umam.
* Die rStnischen Ziffern nnd KahlwSrter der Handschrift gebe ich ■■>>
Folgenden durch arabische Ziffern wieder.
'■ Der Schreiber hat um ein Talent zu riel herausgebracht.
' Das WSrtchen ad ist in der Handschrift zweimal geschrieben.
^ Vor diesem Posten ist in der Handschrift eine Zeile frei.
577
9. Gotfridus de Chrugeldorf^ urnam.»
10. Dietmarus de Purch** */, urnam.
11. Vidua de Sippach *^ urnam et sextarium.
12. Merboto urnam.
13. Filia sua »/»•
14. Chunrat de Hffininge'^ urnam.
15. Ortliebus urnam.
16. Phenning»' 2.
17. Geselle sextarium.
18. Gotfrit sextarium.
19. Cbunrat de Holz" urnam.
20. De officio Engilberti Petinbach*' 4 umas et sextarium.
21. Hseinricus de Pochendorf" */, urnam.
22. Marquart urnam.
23. Isengrini filius de Jvdendorf * '/i urnam.
24. Marquart de Clingelbrunne" Y» urnani.
25. R^dmunt et Hseinricus ^/^ urnam.
26. Heeinricus et frater eius de Wigandsdorf" 7f irnam et
27. Albero urnam.
28. Ortwin et Herman urnam.
29. De beneficio Dietrici de Schachen'* '/, urnam.
30. De Burcstal'^ '/» urnam.
31. Perhtolt de Horbach'*' sextarium et */g.
32. Engilbert de Wels* urnam.
33. Albero de Hunstorf" */, sext.''
34. Hubertus et Amil'^ 7» urnam et 7» sext. et 3 den.
35. Chunrat de Churpendorf sext.
36. Item de Petinbach 7» urnam.
37. Hseinricus de Hunstorf*' 7« urnam.
38. Richgerus sext.
39. Wernhart de Churpendorf** 7» urnam et sext. et */, sext.
40. Rudolf de Churpendorf» sext. et 7,.
41. Erchinbertus sext.
42. Amolt de Horbach'* sext. et 7j-
43. Vidua de Chugeldorf«" 3 sext.
44. Chunrat de Chrvgeldorf** sext. et 78-
* lieber dem Worte urnam steht ,6 sol.' von einer gleichzeitigen Hand
geschrieben.
^ Von hier ab bis zum Schlüsse in der Handschrift eine andere Schrift.
* Offenbar fQr Chrngeldorf verschrieben.
578
45. Chunrat de Churpendorf** */, umam.
46. Hseinricas de Jagam" '/> iu*D&in-
47. Snello de ^Ispach*" •/, umam.
48. Wipoto forstser urnam, 3 sext. et 50 den.
49. Walchünus de Tivrwanch** umam.
50. Reinbertus urnam et V,.
51. Gerboto de Niwendorf** */, umam.
52. Rapoto camifex 3 sext.
53. Pemgerus umam.
54. Filius yiduae sext.
55. Wsesgrinus de Gater*' urnam et Walchünus.
56. Vbricus Wiphil */, umam.
Anmerkangen.
^ Kirchberg, Dorf, Ortschaft und Filialkirchc, Pfarre und
Bezirk Kremsmilnster.
Unter Abt Alram I. (1093—1121) wurde hier die
Kirche gebaut, aber erst 1170 unter Abt Ulrich III. dem
Kloster vollkommen, mit allen Einktlnften incorporiert. Die
Pfarrgrenzen sind bei Hagn, Urkundenbuch ftlr die Ge-
schichte des Benedictinerstiftes Kremsmünster etc., Wien
1852, p. 375 zu finden.
* Ried, Stiftspfarre, Bezirk KremsmUnster.
,De hac ecclesia Ried olim dabatur tantum nna
carrata vini . . .', vgl. Hagn, 1. c, p. 373. Am Feste Epi-
phanie hatte der Pfarrer 1 Pfund (talentum) pro Kathe-
dratico und 9 den. zur Custodie zu entrichten.
' Viechtwang, Stiftspfarre, Bezirk Gmunden.
Stiftsbesitz seit der Gründung, dann per manus lai-
corum usurpiert, unter Abt Ulrich 11. 1147 dem Kloster
zurückgegeben. Der Abt baute eine Kirche daselbst
Zur Zeit des Abtes Friedrich I. von Aich bezog der
Convent von dieser Pfarre 13 Talente, dazu 1 Talent pro
Kathedratico, das an unserer Stelle hier gemeint ist.
* Wels, Stadtpfarre.
Da das Kathedraticum, zu dessen Entrichtung der
jeweilige Pfarrer verpflichtet war, zur Zeit des Abtes
679
Friedrich I. 1 Talent betrug, in u aber 10 sol. verzeichnet
sind, so musa der census ecclesiarum später reduciert
worden sein. Die Welser Stadtpfarre war seit dem Jahre
888 dem Stifte zinspfliclitig.
' Vgl. darüber das in meiner Einleitung Gesagte.
' Der Edelsitz dieses Geschlechtes war der gegenwärtige Asch-
bergmairhof in der Nähe des Stiftes.
' Lettenraairgut, Ortschaft Burg, Gemeinde und Pfarre Ke-
maten, Bezirk Neuhofen, Amt Kremszeil.
Entrichtete auch zur Zeit des Abtes Friedrich I.
nodi laut Urbar als scrvitium s. Nicolai (>0 den., wie es
unsere Aufzeichnung vermerkt.
* Wahrscheinlich Grubergut, Ortschaft Burg, Gemeinde und
Pfarre Kematen, Bezirk Neuhofen, Zehentmairamt.
U. 1299: De Grub 50 den. (Servitium s. Nicolai).
• Prielergut, Ortschaft Au. Gemeinde, PfaiTc und Bezirk
KremsmUnster, Amt Au.
U. 1299: (In uativ. s. Marie) an dem Pr^l et de
rduabus pevnt in der Au 40 den. (Servicium s. Nicolai)
an dem Prvl 12 den. Zusammen also wahrscheinlich
20 den., wie in anserem Verzeichniss.
Vielleicht Grubmairgut, Ortschaft, Gemeinde, Pfarre und
Bezirk Krcmsraünster, Amt Weinberg.
U. 1299: De curia in Grub 60 den. (Servitium s.
Nicolai).
" Unbekannt.
'* Prachersdorf, Ortschaft Pesendorf, Gemeinde Ried, Pfarre
und Bezirk Kremsmiinster, Liudcnmairamt.
U. 1299: De Prahensdorf «0 den. (Servitium 8. Ni-
colai) und 20 umae (Servitium cerevisiae).
*' Unbekannt.
'* Weisskirchen, Stiftspfarre, Bezirk Neuhofen.
Alter Stiftsbesitz seit der Gründung.
*' Wahrscheinlich Ottstorfmair, Ortschaft Grub, Gemeinde,
Pfarre und Bezirk Kremsmünster.
U. 1 299 : De predio in monte et de Staudaech 60 den.
(Servitium s. Nicolai).
580
i<> Laakirchen, Bezirk Qmunden. Hier ist sicher das Nicki-
gut zu Diethaming, Pfarre Laakirchen, Amt Eberstallzell,
gemeint. Vgl. meine Einleitung.
*^ Mairgut in Eckenberg, Gemeinde Fischlham, Bezirk Web,
Amtshof.
'* Vier Güter in der Ortschaft Reichharting, Gemeinde und
Pfarre Steinerkirchen a. d. Traun, Bezirk Lambach, Amt
EberstaUzell.
U. 1299 : De Rseichharting 2 tal. den. (Servitium den.
in nat. s. Mariac). Die Ablösungssumme im Urbar ent-
spricht genau der in u angegebenen Quantität des Bier-
dienstes. In diesem Amte wurde nämlich nach einer
Notiz des Urbars der Eimer um 4 den. abgelöst. Da die
vier Guter zusammen 120 Eimer dienten, so gibt das
480 den. = 2 tal.
•' Wahrscheinlich Tanningergut, Ortschaft Atzing, Gemeinde
und Pfarre Steinerkirchen a. d. Traun, Bezirk Lambach,
Amt Fronliofen.
U. 1299: De Toningen V» *»!• (Serv. den. in nat. s.
Mariae). De Toningen 24 den. (Serv. s. Nicolai). Die
Ablösungssumme stimmt genau.
'" Regauer undKranzagel in Haimpei-sbach, Ortschaft Regaa,
Gemeinde, Pfarre und Bezirk Kremsmttnster, Amt Au.
U. 1299: De Haimp^chspach 1 tal. (Servitium in
nat. s. Marie). Hier ist die Ablösungssumme um 60 den.
höher.
" Krügeidorf, Ortschaft Dürrnberg, Gemeinde, Pfarre und
Bezirk KremsmUnster, Lindenmairamt.
U. 1299: De Chrvgelndorf 12 sol. Da die Summe
der Bierquantitäten nach u 117 Eimer betrug, die Ab-
lösungssume fllr einen Eimer 6 den. war, so würde das
nicht ganz 3 tal. ergeben. Da aber in u die 30 Eimer
des Gotfrid de Chrugeldorf um 5 sol. abgelöst erscheinen,
so muss auch für die anderen Unterthanen von Chrugel-
dorf der Eimer niedriger berechnet worden sein, da die
im Urbar angegebenen 12 sol. sonst nicht erklärlich sind.
" Unbekannt.
681
" Blasberg, Ortschaft Sölling, Tieineindp und Pfarre Steiner-
kirchen a. d. Traun, Bezirk Lambacli, Amt Fronhofen.
U. 1299: De Plafensperg */» ^J* 'len. (Serv. in nat.
8. Mariae). Die Ablösungssumme stimmt genau.
** Burg, Dorf und Ortscbaft, Gemeinde und Pfarre Keniaten,
Bezirk Neuhofen, Amt Kremszeil.
U. 1299: De Pvrcli der Pvclichiricliffir 60 den. (Serv.
in nat. s. Mariae). Stimmt genau, wenn der Eimer zu
4 den. bereclmet wird, wozu allerdings das Urbar keine
Handhabe bietet.
** Sipbacli, Gemeinde und Pfarre Sipbachzell, Bezirk Krcms-
manster.
[aningmair, Ortschaft Regau, Gemeinde, Pfarre und Be-
zirk Kremsmtinster, Amt Au.
*' Vgl. dazu im Wilberinger Urbar(ed. 0. Grillnborger, 54. .Tahros-
bericht des Mus. Franc.-Carol., Linz IS'J6, Sonderabdruck)
p. 26, VIT, 3: Otho Denarins. Es ist also wuli! aiu-li an
unserer Stelle das Wort Pfenning als Eigenname auf-
zufassen, da « für die Münze ,den.' gebraucht.
** Ein Gut in der Pfarre Steinerkirchen, Bezirk Lambach.
Ipettenbach, Stiftspfarre, Bezirk Kirchdorf, Amtshof.
Alter Stiftsbesitz seit der Gründung. Unter Abt
Alrara I. wieder dem Stifte zurückgegeben, nachdem es
mehrmals demselben weggenommen worden {llagn, 1. e.,
p. 372). U. 1299: De Petenpaeh 4 carr. et 6 urnae (Serv.
cerevisiae). Hier war also der Bierdienst gleich geblieben
und auch nicht abgelöst worden.
'ochendorf, Gemeinde, Pfarre und Bezirk Kremsrafinster,
LindenmairauU.
U. 12!«): Do Pucbchendorf 40 den. (Serv. in nat. s.
Mariae). De Pochclu-ndorf 8 urnae. Die Ablösungs-
summe stimmt. Ein Theil des Bierdienstes wurde nicht
abgelöst.
" Irndorf, Ortschaft; Heiligenkreuz, Gemeinde, Pfarre und
Bezirk Kremsmünster, Lindenmairanit.
U. 1299: De Judendorf 3 sol. (Serv. in nativ. s.
Mariae). De Judendorf 30 den. (Serv. s. Nicolai). De
Judendorf 20 urnae (Serv. cerevisiae).
582
'* Klingelmaier, Ortschaft Heiligenkreaz, Qemeinde, Pfarre
und Bezirk Eremsmttnster, Lindenmairamt.
U. 1299: De Chlingelprunn 60 den. (Serv. in nativ.
s. Mariae). De molendino in Chlingelprunn lö den. (Serv.
8. Nicolai).
" Weigersdorf, Gemeinde und Pfarre Ried, Bezirk Krems-
mttnster, Lindenmairamt
U. 1299: De Waeigantsdorf 14 sol. (Serv. in nativ.
s. Mariae).
** Wintergut in Schachen, Ortschaft Weigersdorf, Gemeinde
und Pfarre Ried, Bezirk Kremsmünster, Lindenmairamt
U. 1229: De Schachchen 1 tal. et 6 den. (Serv. in
nativ. s. Mariae).
" Burgstall, Ortschaft Mitterndorf, Gemeinde und Pfarre
Pettenbach, Bezirk Kirchdorf, gleichnamiges Amt
" Harbäckergut, Ortschaft Weigersdorf, Gemeinde und Pfarre
Ried, Bezirk Kremsmünster, Lindenmairamt.
U. 1299: De Horbach »/» tal. (Serv. in nativ. s. Ma-
riae). Die Ablösungssumme ist etwas grösser.
" Hundsdorfer, Ortschaft Weigersdorf, Gemeinde und Pfarre
Ried, Bezirk Kremsmünster, Lindenmairamt
U. 1299: De Huntsdorf 7 sol. et 8 den. (Serv. in
nativ. s. Mariae). Die Ablösungssumme stimmt beinahe
vollständig, wenn man annimmt, dass die in u folgenden
Unterthanen Hubertus und Amil ebenfalls unter der Rubrik
Huntsdorf im Urbar einbegriffen sind.
"Kürzendorf, Ortschaft Weigersdorf, Gemeinde und Pfarre
Ried, Bezirk KremsmUnster, Lindenmairamt.
U. 1299: De Churpendorf 2 tal. (Serv. in nativ. s.
Mariae).
'■•' Jagern, Gemeinde und Pfarre Kematen, Bezirk Keuhofen.
*• Fallsbach, Gemeinde und Pfarre Gunskirchen, Bezirk
Wels.
In den KremsmUnsterer Urkunden bei Hagn, 1. c,
N. 31, 47 kommen Volspacher als Zeugen vor (a. 1140,
1189).
*• Teuerwang, Gemeinde und Pfarre Vorchdorf, Bezirk
Gmunden, Amt Eberstallzell.
583
** Neadorf, Ortschaft Pesendorf, Gemeinde und Pfarre Ried,
Bezirk Eremsmilnster (vier Güter), Amt Stadelhof.
U. 1299: De Nevndorf 5 sol. (Serv. in nativ. s. Ma-
riae). De Nevndorf 80 den. (Serv. s. Nicolai).
*' Das Urbar verzeichnet zwei Güter ,bei dem Gatem', Ort-
schaft, Pfarre und Gemeinde Viechtwang, Bezirk Gmunden,
Amt Viechtwang, die aber zusammen nur eine Summe
von 10 den. zahlen, die zu der Höhe des Bierdienstes in u
in keinem Verhältniss steht.
iKkiT. Lixini. Ba. n. nufui. 38
IC
Archiv
ftlr
sterreichische Geschichte.
Herausgegeben
Ton dar
znr Pflege vaterländischer Geschichte aufgestellten Ck)mfflission
dar
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Achtondachtzigster Band.
Ente Hälfte.
Wien, 1899.
In Commissioa bei Carl Gerold'a Sohn
BnrhhlnillOT dar kala. Akadami« dar WitMaachaftaa.
Inhalt des achtnndaehtzigsteii Bandes.
Ente Hälfte.
Seite
Biographie des FBraten Kaunitz. Eiu Fragment. Von weil. Alfred
Ritter von Arneth 1
Stadien za den ungarischen Oeschichtsquellen. VIII. Von Prof. Dr.
Raimand Friedrich Kaindl 20S
BIOGRAPHIE
DES
JRSTEN KAUNITZ.
EIN FRAGMENT.
VOK
WEIL. ALFRED RITTER VON ARNETH,
PRASIDEirriiK DER KAIS. AKADEMIK DER WISSENSCRArTEN.
ÜT. LXXITIU. Bd. I. Rilfte.
7 -^
Im Jahre 1882 hat Alfred von Arneth für die ,Allgc
meine Deutsche Biographie' (XV, 487 — 505) den Artikel über
den Fürsten Wenzel Anton von Kaunitz geschrieben. Damals
war es, dass er den Plan fasste, den Lebensgang dieses Staats-
mannes in einem selbständigen Werke auf archivalischer
Qrundlage darzustellen. Etwa zwei Jahre lang beschäftigten
ihn die Vorarbeiten zu diesem Unternehmen; dann blieben sie
liegen. Erinnert man sich, mit welchem Nachdruck Arneth
selbst (in der Vorrede zum zweiten Bande seiner Autobio-
graphie) seine Abneigung ausgesprochen hat, irgend etwas von
wissenschaftlicher Arbeit unvollendet zurückzulassen, so wird
man nicht zweifeln, dass es gewichtige Umstände waren, die
ihn jenem Plane entfremdeten. Als einen der entscheidendsten
hat er im mündlichen Verkehr den bezeichnet, dass ihn die
Abfassung der Biographie des Staatskanzlers bald auf ein
Gebiet geführt hätte, das er schon in seinem Hauptwerke,
der Geschichte Maria Theresias, zu einem grossen Theile be-
arbeitet hatte, so dass er, insbesondere vom Aachener Frieden
an, allzu oft genöthigt gewesen wäre, sich selbst zu wiederholen.
So bot der Nachlass in druckfertiger Ausführung nur die
ersten Capitel des Werkes dar. Die unterzeichnete Commission
hat geglaubt, dieses Bruchstück der Oeflfentlichkeit nicht vor-
1*
enthalten zu sollen. Sie zweifelt freilich nicht, dass der Ver-
fasser, hätte er das Manuscript noch einmal vorgenommen, hie
und da geändert haben würde. Sie übersieht ebensowenig,
dass die Literatur der letzten fünfzehn Jahre von Einem, der
jetzt an die gleiche Aufgabe heranträte, nicht unberücksichtigt
bleiben dürfte. Aber sie hat sich doch andererseits nicht be-
rufen gefühlt, die Arbeit des Meisters, wie sie Tor drei Lustren
aus seiner Feder geflossen ist, irgendwie zu ergänzen oder zu
berichtigen. Denn diese Arbeit ist auch so, wie sie vorliegt,
in keinem Punkte des grossen vaterländischen Geschicht-
schreibers unwürdig.
Wien, im Mai 1899.
Die Historische Gonunission
der
kais. Akademie der Wissenscliaften.
Einleitung.
lAQ. allen Zeiten ist die Gabe, sich geeignete Berather,
geeignete Vollstrecker ihrer Entschlüsse zu wählen, als eine
der schönsten, aber auch als eine der seltensten angesehen
worden, welche Monarchen nur immer beschieden sein können.
Nicht jedesmal aber, wenn die getroffene Wahl sich als keine
glUckUche erwies, war der Tadel gegen den, der sie traf, auch
gerecht, denn gar oft lag der begangene Missgriff gar nicht in
seinem Verschulden. In der hohen, aber gerade deshalb auch
isolirten Stellung, in welcher Monarchen sich doch immer be-
finden, gelangten sie insbesondere zu der Zeit, in der eine
verfassungsmässige Vertretung des Volkes nur in einem ein-
zigen Grossstaate Europas bestand, gar nicht dazu, diejenigen
kennen zu lernen, deren Befähigung und Charakter sie vor
Anderen geeignet gemacht hätte, dem Staatsoberhaupte mit
Rath und That zur Seite zu stehen. Aber freilich ereignete es
sich noch häufiger, dass die Wohldienerei, die das Letztere
gemeinigUch umgibt, ihm allmälig mehr und mehr den BUck
für das, was ihm selbst und dem Staate frommte, und das Ur-
theil über diejenigen trübte, deren Mithilfe zur Erreichung der
ihm gestellten Aufgabe die erspriesslichste gewesen wäre. Festes
Beharren auf der eigenen Ueberzeugung und edler Preimuth
in Wort und Gesinnung werden gewöhnlich dort am wenigsten
geschätzt, wo sie am eifrigsten gesucht werden sollten, indem
man daselbst nur allzuleicht meinungslose Unselbständigkeit
mit persönlicher Anhänglichkeit und Treue verwechselt.
Um so erfreulicher ist es und um so gewinnbringender ftir
den Monarchen selbst, wenn er nicht ntir auf seinem Lebens-
wege denjenigen begegnet, deren ungewöhnUche Befähigung
and sonstige Eigenschaften sie in ganz besonderem Masse sor
G
Mitwirkung an der Besorgung der wichtigsten Geschäfte des
Staates eignen, sondern wenn er auch, nachdem er ihren Werth
erkannte, sich durch keinerlei Rücksicht auf sich selbst, auf
seine persönlichen Sympathien, ja man möchte fast sagen auf
seine Eigenliebe abwendig machen lässt, sie auf den Platz zu
stellen, auf dem sie ihm und dem Staate von allcrgrOsstem
Nutzen sein können. Dieses Glück, die richtigen Männer zu
finden, der Scharfbhck, sie als solche zu erkennen, der Eifer,
sie in der geeigneten Sphäre zu verwenden, und, man darf wohl
hinzufügen, die Selbstverleugnung, hieven auch dann nicht ab-
zulassen, wenn diese Männer, ihren persönlichen Werth fühlend,
nicht nur mit Freimuth und Selbständigkeit, sondern auch
manchmal recht hartnäckig an ihren eigenen Anschauungen
festhielten und zu denen des Souverains in einen zuweilen
ziemlich schroffen Gegensatz traten, dies Alles war, in Oestei^
reich wenigstens, bei keinem Oberhaupte dieses Staates in
höherem Masse vereinigt als bei Maria Theresia. Unter den
Männern aber, die sie zu ihren vornehmsten Mitarbeitern bei
der durch sie vollbrachten Regenerirung des österreichischen
Staatswesens erkor, war ohne allen Zweifel Kaunitz bei Weitem
der erste und grösste. Ja es hiesse wohl seine Bedeutung als
Mensch und als Staatsmann ungebuhrhch herabdrUcken, wenn
man ihn als blossen Mitarbeiter seiner kaiserlichen Herrin hin-
stellen wollte. Von dem Augenblicke an, in welchem die Lei-
tung der auswärtigen Angelegenheiten in seine Hände gelangte,
hat Maria Theresia weit mehr unter seinem, als er unter ihrem
Einflüsse gestanden. Bis zu dem Zeitpunkte, in welchem
Josef n. als Mitregent seiner Mutter die Stelle seines ve^8to^
benen Vatei-s einnahm, muss diese Einwirkung des Staats-
kanzlers Kaunitz, wenigstens insofern sie die politische Haltung
Oestcrreichs nach Aussen hin betraf, geradezu eine dominirende
genannt werden. Und da sie auch späterhin noch lange Zeit
hindurch eine sehr mächtige blieb, da sie sich ausserdem auf
fast alle Zweige des Staatslebens erstreckte und überall, wo sie
zur Geltung gelangte, dies in einem Sinne geschah, der auch
heute noch Beifall und Lobpreisung, ja man wird sogar sagen
dürfen Bewunderung verdient, so wird der Vorsatz, sein Leben
und Wirken zu wahrheitsgetreuer Darstellung zu bringen, wohl
keiner Rechtfertigung bedürfen. Nur als die EriUllnng einer
Pflicht muss der Versuch erecheinen, dem Manne, dem man
I
I
I
I
an dem Denkmale, doä mau soeben der grossen Kaiserin in
der von ihr so sehr geliebten Stadt Wien errichtet, mit Recht
den ersten Platz nach ihr einräumte, auch nach ihr ein solches
in der Geschichte zu setzen. Unzertrennlich hievon und gleich-
sam von selbst wird sich hieraus die erneuerte Hinweisung auf
die Bahnen ergeben, auf welchen die grössten und edelsten
Gestalten, welche die Geschichte Oesterreichs kennt, durch die
auch gegen ihre Bestrebungen sich auftiiilrmenden Hindernisse
nicht wankend gemacht und beirrt, vorwärts schritten zum
Heile des ihrer Sorgfalt anvertrauten Staates und zu unsterb-
lichem Ruhme für sich selbst.
I. Capitol.
Die Familie Kaunitz, schon seit Jahrhunderten in Bühmen
und in Mähren zu den angesehensten dieser Länder gerechnet,
verlor zur Zeit des drcissigjährigen Krieges einen sehr be-
trächtlichen Theil ihres Besitzes, kam aber in der zweiten
Hält\e des 17. Jahrhunderts durch Dominik Andreas von Kaunitz
zu noch grösserem Glänze und Rcichthum, als sie je früher ihr
Kigen genamit hatte. 1G83 in den Reichsgrafenstand erhoben,
führte dieser (Dominik Andreas von Kaunitz) fUr Kaiser Leo-
pold I. der Reihe nach wichtige Verhandlungen, bis er in dessen
Namen 1697 den Ryswicker F'rieden schloss. Im folgenden
Jahre zum Reichsvicekanzler ernannt, stiftete er 1704 ein grosses
Faraiheniideicommiss in Mähren. Nachdem er am 11. Januar
1705, wenige Monate vor seinem kaiserlichen Gönner gestorben
war, ging dieser ausgedehnte Besitz auf den zweiten der ihn
Überlebenden Söhne, Maximilian Ulrich, Über; denn der älteste,
Franz Carl, hatte sich dem geistlichen Stande gewidmet und
starb im Jahre 1717 als Bischof zu Laibach.
Es wird behauptet, Graf Dominik Andreas habe im Jahre
1690 den Grafen Ferdinand Maximilian von Rietberg aus dem
Hause Zirksena, welches Ostfricsland beherrschte, zu dem Ver-
sprechen vermocht, seine einzige Tochter Marie, die dereinstige
Erbin von Rietberg, mit Maximilian Ulrich von Kaunitz zu
vermählen. In Folge dessen sei sie, von mütterlicher Seite
schon seit ihrer Kindheit verwaist, nach Prag gebracht worden.
8
wo ihr Vater ihre Erziehung in einem Frauenkloster vollenden
liess. Die Art, in der dies geschehen sein soll, wurde in einem
Buche, das vor schon fast zwei Decennien erschien,* in einer
so drastischen Weise geschildert, dass die Fruchtbarkeit der
Phantasie, der diese Darstellung ihre Entstehung verdankt,
nicht weniger Verwunderung erregen muss als die Znversicht-
lichkeit des Tones, mit welchem so handgreifliche Erfindungen
als imbestreitbare Wahrheit vorgebracht werden. So steht in
directestem Widerspruche mit ihr Alles, was über eine Verab-
redung der beiden Väter gesagt wird. Denn Graf Ferdinand
Maximilian von Ostfriesland und Rietberg war schon im Jahre
1687, also ein Jahr nach der Geburt seiner Tochter und elf
Jahre vor jenem Zeitpunkte gestorben, in welchem man ihm
den Abschluss einer Vereinbarung über deren zukünftige Ver-
mählung unterschiebt. Seine Gemahlin hingegen, Johanna Fran-
ziska, geborne Gräfin von Manderscheid und Blankenheim, war
seit 1692 in zweiter Ehe mit dem Grafen Arnold von Bent-
heim* vermählt und befand sich zur Zeit der Verheiratung ihrer
Tochter erster Ehe mit Max Ulrich von Kaunitz noch am
Leben. '
Ebenso unwf^r ist die Behauptung, das junge Paar sei
schon im Winter von 1697 auf 1698 getraut worden. Noch
existirt das Original der fäepacten,* welche am Z. September
1700 zu Wien zwischen dem damaUgen Kämmerer und Reichs-
hofrathc Grafen Max Ulrich Kaunitz und seiner Gemahlin Marie
Ernestine Franziska gebornen Gräfin Rietberg abgeschlossen
wurden. Die Vormünder der Letzteren waren Hermann Werner
von Wolff-Mettemich zu Gracht, Bischof von Paderborn, Fried-
rich Christian von Plettenberg, Bischof von Münster, endlich
Valentin Ernst Graf Manderscheid, Grossvater der Braat and
Vater jenes Moriz Gustav von Manderscheid, f]rzbischofs von
Prag, der sich während Maria Theresias erster Regierungszat
' MarieKaniiitz-(Zirk8eiia-)Bittberg (1688—1766). EUn frei gkiBurtes Lebens-
und Charakterbild von Carl August Schultz. Berlin und Wriesen a. O.
Verlag von H. Biemschneider, 1867. (Unter der Ueberklebnng steht
jedoch: Anklam, 1867. Wilhelm Dietze's Buchhandlung.)
* Graf Arnold von Bentheim zu Bentheim, am 29. Juni 1663 geboren,
starb schon am 15. November 1701.
■ Sie starb am 24. April 1704.
* Im Archive zu Jarmeritc.
9
dorch seine Parteinahme ftlr Carl Albert von Baiern ihre volle
Ungnade zuzog.
Ausdrücklich ist in diesen Ehepactcn gesagt, dass die
Trauung am 6. August 169ft ' stattgefunden habe. Die Vor-
mundschaft gewHhrte 4000 Gulden Heiratsgut, der Vater des
jungen Ehemannes dagegen eine Widerlagc von 6000 Gulden,
4500 Gulden Morgengabe und endlich 8000 Gulden zur ersten
Einrichtung. Er versprach ausserdem, dem neuen Ehepaare
standesgemässen Unterhalt, für den Fall des Todes seines Sohnes
aber dessen Witwe 2500 Gulden jährlich zu Theil werden zu
lassen und ihr das erste Stockwerk seines Hauses in Brunn als
Witwensitz zur Verfügung zu stellen.
Interessanter sind die Dispositionen, welche fllr die Re-
gierimg der Grafschaft Rietberg, sowie der übrigen der jungen
Gräfin rechtmässig zugefallenen Herrschaften und Güter ge-
troffen wurden. Sie erkliirtc, ihrem Gemahl die Verwaltung
und Regierung derselben, sobald er die AJtersnaclisicht erhalten
haben und die Sequestration der Gütei' aufgehoben sein werde,
bis zu dem Augenblicke zu übertragen, in welchem sie selbst
die Grossjährigkeit erreiche. Dann werde sie zwar die Re-
gierung antreten, doch solle sie von Beiden gemeinschaftlich
geführt werden; auch die Huldigung, sowie jede Anordnung
habe gemeinschaftlich zu geschehen, es wäre denn, dass sie
sich der Last der Geschäfte völhg cntschlagen und deren Lei-
tung ihrem Gemahl allein übertragen wolle. Die Prägung der
Münzen solle jedoch unveränderlich in der Art vorgenommen
werden, dass ihre beiden Bildnisse auf rlenselben angebracht
würden. Und was schliesslich die Einkünfte betreffe, so stimme
fte zu, dass er über dieselben, er möge allein oder in Gemcin-
■Unkcit mit ihr regieren, nach seinem Belieben verfüge. Doch
behalte sie sich 3000, nach Tilgung der Schulden aber 4500
Gulden als Stecknadelgeld vor.
Max Ulrich Kaunitz, am 27. März 1679 geboren, zählte
in dem Augenblicke seiner Eheschliessung erst 20, seine Ge-
mahlin aber, am 1. August IG86 zur Welt gekommen, gar erst
13 Jahre. Es mag also wohl sein, dass man auch ein Jahr
später, nach Abschluss der Ehepaeten, den ehelichen Verkehr
zwischen ihnen noch nicht zuliess. Ihr erstes Kind, eine Tochter,
' Demnach ist ia» Datum bei Wiagrill, V, 40, richtig.
10
kam denn auch nicht früher als am 18. Januar 1704 zur Welt.
Ihm folgten in den kürzesten Fristen, welche die menschliche
Natur nur überhaupt gestattet, noch 15 Geschwister. Erst nach
vier Töchtern brachte die Gräfin am 23. Februar 1709 einen
Sohn, Johann Dominik, am 2. Februar 1711 aber einen zweiten
Sohn zur Welt, der in der Taufe die Namen Wenzel Anton
Dominik erhielt.
Wer sich damit beschäftigt, das Loben einer geistig sehr
bedeutenden Persönlichkeit zu studiren, wird den grössten
Werth darauf legen, die Art und Weise ei^Unden zu können,
in der sie, von den ersten Keimen beginnend, allmälig zu ihrer
späteren Entfaltung gelangte. Bedauernd müssen wir bekennen,
dass wir uns, was die Jugendzeit und den Bildungsgang des
Grafen Kaunitz, was insbesondere die Personen betriäl, welche
massgebenden Einfluss auf seine geistige Entwicklung nehmen
mochten, vollständig im Dunklen befinden. War seine Mutter
wirklich eine Frau von so viel Verstand und so scharf aus-
geprUgtem, ja männlichem Charakter, als welche man sie dar-
stellt, so wird es wohl als selbstverständlich betrachtet werden
müssen, dass sie auf die Art und Weise, in der ihr Sohn zum
Jüngling und Manne heranreifte, nicht ohne mächtigen Einfiuss
blieb. Umsomehr muss man sich verwundern, dass hievon in
der auf die geringfügigsten Einzelnheiten sich erstreckenden
Darstellung der Erziehung, die sie ihren Töchtern gegeben
haben soll, gar keine Erwähnung geschieht. Zieht man freilich
die Irrthümer gröbster Art, ja die offenbaren Thorheiten in
Betracht, die darin vorkommen, so wird dieses Bedauern wieder
ansehnlich verringert. Denn wenn beispielsweise die Behaup-
tung vorgebracht wird,* die Kaiserin Elisabeth, Gemahlin
Karls VI., habe der Gräfin Kaunitz ftir ihren Sohn Wenzel die
Iland ihrer ältesten Tochter, der Erzherzogin Maria Theresia
für den Fall angeboten, als sie sich nicht vielleicht doch mit
derjenigen ihrer zweiten Tochter, der Erzherzogin Marianne,
ftir ihn begnüge, und die Gräfin habe sich darauf vernehmen
lassen, sie hoffe, ihr Sohn halte sich im Ernste hiefÜr zu
gut, so muss freilich eine so unglaubliche Ungereimtheit die
Lust nach ähnUchen Enthüllungen schon von vorneherein er-
sticken.
" 8. 168.
11
So wenip als über den Einflnss der Mutter auf ihren Sohn
wissen wir auch liber den des Vaters auf ihn. Nach seinem
öffentlichen Wirken zu urtheilen. scheint Graf Maximilian Ulrich
Kaunitz ein wohlwollender, {lüichttreuer Manu gewesen zu sein.
Nicht so sehr bei den verschiedenen diplomatischen Missionen,
die ihm der Reihe nach übertragen wurden, und von denen
eine ihn auch nach Koui führte, trat dies hervor. Aber als
Landeshauptmann von Mähren, welche Würde er durch 26 Jahre,
von 1720 bis zu seinem im Jahre 1746 erfolgten Tode be-
kleidete, hatte er reichlichen Anlass, zu beweisen, dass er jene
Eigenschaften wirklich besass. Eine nicht geringe Anzahl wohl-
tbätiger Einrichtungen, die zumeist auf seine Anregung ge-
schaffen wurden, ftlllt in seine Amtszeit. Die Versuche zur
Schiffbarmachung der March, die Errichtung einer stUndischen
Akademie zu Olmütz, die Verbindung dieser Stadt mit der
Landeshauptstadt Brunn durch eine nach damaligen Begriffen
sehr gute Strasse, die Reguliruug des Steuerwesens werden
unter den von ihm getroffenen Massregeln in erster Linie ge-
priesen. Wenn hiebei neben der Vertreibung der Zigeuner
aus Mähren auch noch die Beschränkung der Anzahl der Juden
und die Erhöhung der Abgaben als lobcnswerthe Handlungen
angeftihrt werden, so müssen wir die Verantwortung hiofür
unserem landcskimdigen Gewährsmann tiberlassen.'
Von dem ältesten Sohne des Grafen Max Ulrich Kaunitz,
Namens Johann Dominik Josef, wird behauptet, er habe, fort-
während kränkelnd, unverehelicht und in stiller ZurUckgczogen-
heit in Böhmen gelebt, die Fidcicommissgüter seinem nitchst-
jüngeren Bruder Wenzel übergeben und sei im Jahre 1751
gestorben.' Die letztere Angabe muss jedoch irrig sein; denn
schon im October 1724, als sich Graf Max Ulrich Kaunitz, da-
mals Botschafter in Rom, zum ersten Male fUr seinen Sohn
Wenzel bei dem Papste Benedict XTU. um Viiritihmig einer
Präbende bewai'b, bezeichnete er ihn ausdrücklich als seinen
ältesten Sohn.'
* O'Elvert, Die Kaiiiiitze. In Wnlny's TiLscIionbiidie fUr die UMcliichle
Mälireo» und Sclileiiienii. II. Jalirg:aii(,', 1827. S. 148.
WiMgrill, V, S. 40.
Daas Johann Duminik Kaunits nicht bis luin Jahre 1761 gelebt haben
kOune, g'oht »ncli ans dem Deerete liervor, welche» Maria Tberesin am
20. Juui 1742 orlieos, den Grafen Max Ulrich Kauuit« cur Aufnahme
12
Hieraas geht auch die Unrichtigkeit einer zweiten, gleich-
falls oft wiederholton Behauptung hervor, derzufolge Wenzel
ELaunitz, ursprünglich fUr den geistlichen Stand bestimmt, dem-
selben erst nach dem Tode seines alteren Bruders wieder ent-
sagt habe.* Denn in dem AugenbUcke, in welchem der Papst
um Zuwendung einer Pfründe an ihn angegangen wurde, war
ja nach der Versicherung des eigenen Vaters ein älterer Sohn
gar nicht am Leben.
Auffallend ist es freilich, dass ein solches Begehren zu
Gunsten eines jungen Mannes gestellt wurde, welcher durch
die obwaltenden Verhältnisse gleichsam von vorneherein dazu
bestimmt zu sein schien, dereinst einen ausgedehnten Guter-
besitz zu übernehmen. Aber gerade in der Familie Kaunitz
war ja, wie wir sahen, ein solcher Vorgang schon einmal be-
obachtet worden, und es wäre nur eine Wiederholung des be-
reits Geschehenen gewesen, wenn auch noch ein zweites Mal
der ältere Sohn Priester, ein jüngerer hingegen Besitzer des
FamiUenfideicommisses geworden wäre.
Wie dem übrigens auch sein mochte, die ganze Bewer-
bung ist so bezeichnend für die Art, in welcher damals in der
,gnten alten Zeit' die kirchlichen Präbenden zur Versoi^ung
von Mitgliedern vornehmer Adelsfamilien au^ebeutet wurden,
dass es wohl gestattet sein wird, einen Augenblick bei ihr zu
verweilen.
Sie erstreckte sich zunächst auf ein Paderbom'sches, dann
aber auch auf ein Münster'sches Canonicat, und obgleich der
Knabe, um den es sich handelte, das vorgeschriebene vierzehnte
Lebensjahr noch nicht erreicht hatte, scheint ihm doch eine
der zwei erbetenen Pfründen schon im December 1724 vom
Papste zugesprochen worden zu sein. Bestätigt wird diese
Vermuthung durch den Umstand, dass die Sache schon in der
Sitzung des Domcapitels zu Münster vom 30. Mai 1726 zur
Sprache kam,^ sowie diurch zwei noch vorhandene Schreiben
einer Schuld von 12,000 Oulden auf seine mährischen Fideicommissgüter
zu ermäcbtigen. Denn er bedürfe dieser Summe, um filr seinen .ältesten*
Sohn Wenzel die Kosten der Einrichtung zu bestreiten, welche durch
dessen Ernennung zum Gesandten in Turin nothwendig gemacht werde.
1 D'Elvert, 8. 149.
* SitzungsprotokoU Tom 30. Mai 1726. Archiv zu Httnster. Gef. Mitthei-
loug des Herrn Prof. Th. Liudner.
13
der Freiherren von der Recke und von Schmising, Domherren
zu Münster, an Maximilian Ulrich von Kaunitz. Nachdem laut
seiner Mittheilung, erklären sie ihm Beide, seinem Sohne Wenzel
vom Papste eine Dompräbendc zu Münster verliehen worden
' sei, seien sie mit Freuden bereit, dem stets beobachteten Ge-
brauche zufolge, dessen Stammbaum beim dortigen Domcapitel
zu beschwören.^
Parallel mit dieser Bewerbung um ein Canonicat in Mün-
ster lief auch die um ein solches in Paderborn. Im Juni 1726
richtete der Papst ein Breve an den Kurftlrsten Clemens August
von Köln, mit welchem er für die V'^erlcihnng des ersten Ga-
nonicates, das in Paderborn zur Erledigung käme, an Wenzel
Kaunitz eintrat* Graf Maximilian Ulricli wandte sich gleich-
falls, und zwar bittend an den Kurfürsten. Im October 1726
antwortete der Letztere, er werde auf die Empfeldung des
Papstes gewiss jpgliche Rücksicht nehmen, müsse aber bei sich
ereignenden Erledigungen vorerst seinen schon eingegangenen
Verpflichtungen nachkommen.
Wie in Paderborn, ging auch in Münster die Sache keines-
wegs so glatt ab, als man in der Familie Kaunitz wohl gehofft
haben mochte. Ganz eigenthümlichcr Weise war es eine Art
von Nationalitätstreit, welcher das Project zum Scheitern zu
bringen drohte. Denn im Domcapitel zu MUnster wurden ein-
flussreiche Stimmen laut, welche behaupteten, die Familie Kaunitz
könne als eine mährische nicht als dem deutschen Adel ange-
hörig betrachtet werden. Dass der Grossvater in den Reichs-
g;rafenstiind erhoben worden, ja sogar Keichsvicekanzler war,
I da88 die Matter einem reindeutschen Geschlechte angehörte,
Messen sie ganz ausser Acht. Sic brachten es dahin, dass am
17. December 172G das Domcapitel den ftirmlichen BesclJuss
I fasste, den Kaiser dringend zu bitten, er möge nimmermehr ge-
statten, dass es durch , Einbringung auswärtigen fremden Adels
zum Präjudiz und zu nachdrücklicher Consequenz aller Erz- und
Stifter wie auch ritterlichen Ordens- und Ritterschaften im
heiligen Römischen Reiche teutscher Nation betrübt werde'.*
' Recke and Schmising an Kaanitz. MOnster, 3. Jnni 1726. Jarmeritxer
Archiv.
* Ptt|wtl. Breve an den Kurfürsten von Kittn. II. Jnni 1786. Jarmeritxer
Archiv.
* Concituum iu Capitulo, IT" Oecemliris 1726. .larmeritKer Archiv.
14
In diesem Sinne schrieb nicht nur das Domcapitel an den
Kaiser, sondern es legte auch noch in der nächstfolgenden Zeit
den Entschluss recht deutlich an den Tag, bei seinem "Wider-
stände gegen die Aufnahme eines ,Fremden' zu beharren. Ihn
zu brechen, nahm Max Ulrich die Beihilfe des Reichsvice-
kanzlers Grafen Schönbom mit der Bitte in Anspruch, ihn bei
der Widerlegung eines so ,chican(isen Einwandes' unterstützen
zu wollen. Man scheint jedoch mit diesem Bestreben nicht
glUckUch gewesen zu sein und kein anderes Mittel mehr be-
sessen zu haben, als an die MachtToUkommenheit des Kaisers
zu appelliren. Ja sogar ein erstes Decret desselben vom
14. Februar 1727 muss unbeachtet geblieben sein, denn am
28. April wurde mit ausdrücklicher Beruiung auf dasselbe der
strenge Befehl des Kaisers an das Domcapitel erneuert, dem
vom Papste provisorisch ernannten jungen Grafen Kaunitz
gegen erfolgende statutenmässige Aufschwörung unverzüglich
jPossession zu ertheilen'.
Nicht früher als am 4. Juli 1727 entschloss sich das Dom-
capitel zum Gehorsam, aber doch auch gleichzeitig zu der An-
frage, ob denn der böhmische und der mährische Adel dem
deutschen gleichzuachten sei, da ihn auch der Malteserorden
nicht anerkenne.* Und fünf Tage später, am 9. Juli, erklarte
das Domcapitel, die schon seit mehr als zwei Jahren hiezu be-
stimmten Domherren Friedrich Mathias Freiherm von Korff,
genannt Schmising, und Freiherm Johann Mathias von der
Recke zur Aufschwörung, welcher der junge Graf Kaunitz per-
sönlich beizuwohnen habe, zulassen zu wollen.
Ehe dieselbe wirklich vollzogen wurde, am 25. August
1727, kam diese Angelegenheit in einer Sitzung des Domcapitels
neuerdings zur Sprache. Ein Schreiben des Grafen Max Ulrich
Kaunitz wurde verlesen und ausdrUckUch bemerkt, dass es in
sehr verbindlichen Worten abgefasst sei. Gleichwohl behielt
sich das Domcapitel ,Satisfaction* vor wegen der ,herben ter-
minis' in früheren Zuschriften.*
Am 26. August geschah endlich die Aufschwörung, aber
nicht der junge Kaunitz, sondern nur sein Mandatar, der Dom-
> Sitznngsprotokoll vom 4. Juli im Archiv zu Mflnster. Qef. Mittheilnng
im Herrn Prof. Th. Lindner.
* Sitznngxprotokoll vom 25. ÄngnBt 1727. Archiv zn Hnnster. Oef. Mit-
theilung des Herrn Prof. Tb. Lindner.
15
vicar Mus wohnte ihr bei. Nachdem er im Namen des neuen
Domherrn das katholische Glaubensbekenntniss abgelegt, sowie
den Eid der Treue und des Gehorsams auf die Statuten ge-
leistet hatte, wurde ihm der geziemende Platz im Domchor an-
gewiesen und die ,völlige Possession' ertheilt.'
Aber auch mit diesen Ceremonien war der Gegenstand
noch nicht erschöpft. In der Sitzung des Domcapitels vom
15. November 1727 kam ein neuerliches Rescript des Kaisers
zur Verlesung, durch welclies angeordnet wurde, die einge-
tretene Verzögenmg dürfe dem Grafen Kaunitz nicht zum
Nachtheil gereichen. Jetzt waren auch die Mitglieder des
Capitels schon nachgiebiger gestimmt. Obgleich bisher, er-
klärten sie, nur der Zeitpunkt der Aufschwöning als Mass-
stab flir die Vorrückung gegolten habe, so sei doch zu er-
warten, dass Kaunitz sich beschweren und vom Kaiser Recht
erhalten werde. Ausserdem würden sich auch früher oder
später gewiss Streitigkeiten Über die Rangordnung ergeben.
Es sei daher besser, dem Grafen Kaunitz gleich von vorne-
herein den Platz einzuräumen, den der Kaiser ihm zuaprccJie.
In Folge dessen erhielt er den Rang unmittelbar naeli dem
Freiherrn von der Recke und vor Alexander von Vehlen, der
bereits am 11. April J727 Besitz ergriffen hatte.*
Viel ungünstiger noch als in MUnster, wo man wenigstens
schliesslich ans Ziel kam, war der Verlauf der Bewerbung für
Wenzel Kaunitz in Paderborn. Mit dem Kurfürsten Clemens
August von Köln, der anfangs auch derjenigen in Münster
widerstrebt und für Paderborn gleichfalls einen andern Candi-
daten in Vorschlag gebracht hatte, war die Vereinbarung ge-
troffen worden, dass, wenn er sich hinsichtlich Münsters nach-
giebig erweise, man ihm in Bezug auf Paderborn seinen Willen
lassen wolle. Sei aber sein Schützling einmal versorgt, dann
müsse bei der nächsten Erledigung auch in Paderborn die
Reihe an Wenzel Kaunitz kommen.
Man scheint sich jedoch keineswegs streng an diese Ver-
abredung gehalten zu haben. Wir kennen wenigstens ein
Schreiben des Grafen Max Ulrich Kaunitz an ein Mitglied des
* Sitzuiigsprotokoll voin 26. Angnst 1727. Archiv zn MQniiter. Qef Mit-
tbeilung des Hnrrn Prof, Th. Limlner.
* 8itznngH|>rotokoll vom 15. NdVBmltor 1727. Arehiv xn MfliintHr. Gef. Mit-
tlieilnng tiea Herrn I'rof. Th. Lintlner.
16
pftpstlichen Hofes*, in welchem er die Behauptung aufstellt, in
Paderborn seien nun schon mehrere Canonicate erledigt worden,
ohne dass sein Sohn Wenzel eines derselben erlangt hatte. TSr bittet
nun, an dessen Stelle den jüngeren Sohn Carl treten bu lassen
und ihm ein Canonicat in Paderborn zuwenden zu wollen.
Stosse man sich jedoch vielleicht daran, dass derselbe erst drei-
zehn Jahre zähle, so möge man dem älteren Bruder Wenzel
gegenüber das gegebene Versprechen erfüllen und ihm, der
schon ein Canonicat in Münster besitze, ein solches auch in
Paderborn zu Theil werden lassen.
Dieses Begehren scheint jedoch hinsichtlich keines der
beiden Brüder in Erfüllung gegangen zu sein. Dagegen kam
im April 1729 die Nachricht aus Rom, Graf Cail Kaunitz habe
ein erledigtes Canonicat in Lüttich erlangt. Damit war firdlich
die Begehrlichkeit des Vaters noch keineswegs beschwichtigt;
wir sehen vielmehr, wie er in Passau und in Olmütz sich um
Canonicate für seinen Sohn Carl bewirbt. Aber in so drängen-
der Weise dies auch geschah, so scheint es doch, dass diese
Bemühungen fruchtlos blieben und Carl Kaunitz neben seinem
Canonicate zu Lüttich kein anderes mehr als das zu Münster,
und zwar das letztere in Folge der im Jahre 1733 ge-
schehenden Resignation seines Bruders Wenzel auf daaselbe
erhielt.
Der frühe Tod des Grafen Carl Kaunitz, der am 29. Marx
1737 im 22. Lebensjahre nach kurzer Krankheit in Rom starb,
scheint den Vater zu einer neuen Bewerbung, und zwar zn
Gimsten seines jüngsten Sohnes Johann Josef um ein Canonicat
in Olmütz veranlasst zu haben. Im Sommer 1741, zu einer
Zeit, da der Johann Josef erst 15 Jahre zählte, trat Max Ulrich
Kaunitz mit ihr hervor. Während des Aufenthaltes in Preas-
burg, somit in einem Augenblicke, in welchem Maria Theresia
sich in höchster Bedrängniss befand, Uess er ihr durch ihre
Obersthofmeisterin und vertraute Freundin Gräfin Fuchs seine
Bitte dringend empfehlen. Die Königin bedauerte jedoch, dass
er sich nicht noch früher beworben habe, jetzt sei der erledigte
Platz schon einem jungen Grafen Kolowrat versprochen. Das
Domcapitel zu Olmütz aber machte das Versäumniss des Grafen
Kaunitz wieder gut, denn es wählte dessen Sohn Johann Josef
' Brflnn, 8. April 1728. Jarmeritzer Arehiv.
17
gleich im ersten Wahlgange mit 18 Stimmen zu seinem Mit-
gliede.* Kolowrat war fallen gelassen worden, weil er das
canonische Alter noch nicht besass. Aber auch der junge
Kaunitz erfreute sich seiner Domherrenstclle nicht lange.
Noch nicht 17 Jahre alt, starb er am 10. Mttrz 1743, und so
blieb denn von allen Brüdern nur mehr Wenzel Anton am
Leben.
Gewölinlich wird erzählt, derselbe habe die Zeit, welche
auf seine Wahl zum Domherrn in Münster folgte, auf ver-
schiedenen Universitäten zugubracht, um dort juristische imd
politische Studien zu treiben. Als solche werden Wien, Loyden
und Leipzig genannt, während sich jedoch mit ziemlicher Bo-
Btimmtheit dartliun lilsst, dass er an den zwei erstercn Uni-
versitiUen niemids studirt hat. Gewiss ist dagegen sein Auf-
enthalt in Leipzig, und merkwürdig erscheint es, dass wir das
erste Zougniss hierüber aus dem Munde jenes Königs besitzen,
welchem Kaunitz fast seine ganze politische Laufbahn hindurch
feindlich gegenüberstand. Mehr als ein halbes Jahrhundert
später, im Mai 1783, erzählte Friedrich II. von Preussen an
Beiner Tafel, indem er von Kaunitz sprach und sich über dessen
Eigenschaften verbreitete, er habe denselben zum ersten Male
j in jenem prunkvollen Feldlager gesehen, welches König August II.
'von Polen, Kurfürst von Sachsen, im Mai und im Juni 1730
[bei Muhlberg abhalten Hess, und das auch König Friedrich
[Wilhelm I. von Preussen mit seinem ältesten Sohne besuchte.
Kaunitz sei damals Student an der Leipziger Universität ge-
wesen.*
Trotz der Länge der Zeit, welche zwischen diesem &-
lebnisse und dem Augenblicke verfloss, in welchem König Fried-
rich hievon sprach, soll doch die Richtigkeit seiner Mittheilung
durchaus nicht in Zweifel gezogen werden. Aber dagegen
wird doch auch erwähnt werden müssen, dass Kaunitz erst
am 20. April 1731, und zwar unter dem Rectorate des Pro-
fessors Christian Ludovici in Leipzig wirklich immatriculirt
' Der Dompropst Otto Graf Eck an Max Ulrick Kaanitz. Olmiits, 19. t>op-
teiuber 1741. Jarmeritzer Ärcliiv.
' Tagebuch deH Marquis Luccliesini über die Tischgespräche in Sanssouci,
11. Mai 1783. ,E^H lo aveva conusciutu al campu del Ki di Toloiiia
vicino a Lipxia ranno 1730. Allor.t Knnnitz era studento all' UniversitA.'
Gel', Mittheilung dos Herrn I'rof. K. Koser in Berlin.
AceklT. LXXXnn. Bd. 1 UAlfto. .2
18
wurde.* Von diesem Zeitpunkte an gerechnet kann er übrigens
nicht mehr länger als durch anderthalb Semester dort verweilt
haben, denn im Herbste des Jahres 1732 muss der Abschlius
seiner Universitätsstudien schon eingetreten gewesen sein.
Erst von diesem Augenblicke angefangen erhält unsere
Kenntniss des Lebensganges des jungen Kannitz, fireilich aach
jetzt nur fUr einen verbältnissmässig sehr kurzen Zeitraam, eine
ganz feste Basis. In dem Familienarchiy zu Jarmeritz in
Mähren befindet sich eine sehr ausführliche Aufzeichnung, die
erste, welche wir überhaupt von der Hand des Grafen Kaimitz
kennen, über die Reise, welche er damals von Paderborn aus
über Münster und Osnabrück nach Holland und den östet-
reichischen Niederlanden in Gesellschaft seines Hofmeisters an-
trat. Den Namen des Letzteren lernen wir leider nicht kennen,
aber sonst ist diese Sammlang von Briefen oder dieses Tage-
buch, wie sie füglich genannt werden kann, äusserst charakte-
ristisch, und zwar ebenso für die Persönlichkeit dessen, von
dem es herrührt, als für die eigenthümliche und mit der jetzigen
so sehr contrastirende Art, in welcher man damals zu reisen
pflegte, und in der dies insbesondere von jungen Leuten vor
nehmen Standes geschah.
In {i-anzösischer Sprache abgefasst, ist das Tagebuch des
jungen Kaunitz in den kleinsten und feinsten Schriftzügen, die
man sich nur denken kann, fast ohne jegliche Correctur nieder-
geschrieben. Ueberall schenkt der Autor den Gegenden, den
Ortschaften und Städten, durch die er kommt, sowie den Men-
schen, mit denen er in Berührung tritt, rege Aufmerksamkeit
Die ersteren trachtet er mügUchst anschaulich zu beschreiben,
und auch über die letzteren weiss er meistens in recht be-
zeichnender Weise zu berichten. Nur um von der Art, in der
dies von seiner Seite geschieht, einen Begriff zu gewähren, mag
der Anfang seines Tagebuches hier Au&ahme finden.*
' Unter Lndovici's Rectorat ist in der Leipziger UniyerBitätsmatrikel ein-
getragen: ,N. 112. B. (d. h. Bavarus). 20. April 1731. Comes de Cannib
et Ridberg, Wenceslans, Viennensis.' Eine Exmatrikel war HihubI« ig
Leipzig noch nicht eingeführt, es ist daher nicht mit ToUer Bestimintheit
zu ergründen, wie lange Kaunitz dort studirt hat Oef. Mittheilong det
Herrn Prof. W. Arndt in Leipzig.
* Es ist Überschrieben: .Voyage de Hollande et d'nne partie de l'Alle-
magne, fait en i73i par le Comte W. de Ksunita-Rittberg, 4crit de main
propre.'
19
,Am 8. September 1732/ schreibt Kannitz, ,gi"g ich von
Osnabrück weg, nachdem ich von dem Kurftlrsten' — es war
dies derselbe Clemens August von Baiern, der wenige Jahre
früher sich in seine Wahl zu Münster so ungern gefügt und
die zu Paderborn ganz hintertrieben hatte — ,und dem Prinzen
Ferdinand,' die mich Beide mit tausend Bezeigungen ihrer
Freundschaft und Qnade beglückten, Abschied genommen, sowie
dem Grafen Plettenberg* und den meisten Herren des Hofes
Lebewohl gesagt •fcatte, um meine Reise nach Utrecht anzu-
treten. Ich that, wie man dies zu thun pflegt, wenn man sich
nach Holland begibt und unterwegs nicht nutzlos gequilit wer-
den wilL Ich verabfolgte die ganze Summe des Geldes, das
ich auf jeder Station hätte bezahlen müssen, dem Postmeistor
zu Osnabrück, der mir dafür ein Billet ausstellt und mich bis
nach Utrecht befördert. Ich gewinne dadurch, dass ich wegen
der Anzahl der Pferde, die man nehmen muss, und auch in
Bezug auf das holländische Geld, in dem ich bezahlen mttsste,
und das man sich nur mit Verlust zu verscliafTcn vermag, nicht
geplagt werde.
,Von Osnabrück kommt man nach Ibbenbüren — drei
Meilen, wo wir schlecht zu Mittag assen, von da nach Rheine,
«wei Meilen, wo Herr von Twickel Drost ist, und von Rheine
nach Bentheim, Residenz der gleichnamigen Grafen, wo wir
Bcliliefen. Dieser €)rt liegt auf einem Berge, und die Wege,
die zu ihm hinauf fühi'en, sind sehr steinig und schlecht. Wir
wohnten im Posthause, und da wir den Postmeister mit einigen
seiner Freunde und Freundinnen bei der Abendmahlzeit trafen,
.nahmen wir mit ihm an derselben theil. Wübrend des Abend-
essens unterrichtete ich mich über viele Angelegenheiten der
Grafschaft, und unmerklich wollten sie mich glauben machen,
nein Oheim, Graf Bentheim, sei mit einer Grilfin Kaunitz,
•einer Nichte, vermilhlt. Mein Hofmeister konnte sich nicht
mehr zurückhalten, ihnen zu sagen, ich müsse dies besser als
■ FerdinAnd Adolf Graf Plettenberg, 1690 geboren, wurde 1733 erster Mi-
nister de.t Kurftlrsten von KOln, jedoch schon 1734 entlassen. Kaiser
Karl VI. ernannte ihn nun in seinem Gesandten beim niederrbeinisi-ben
nnd we«t|)bülisclien Kreise und dann in Rom. Er starb aber vor seiner
Abreise dorthin am 18. März 1737 in Wien.
• Wohl Prinz Ferdinand Maria von Lenchtenberg, Klterer Bmder des Kur-
forsten Clement Angnst. Er starb schon 1738.
8*
20
ein Anderer wissen, weil ja der Graf ein Bruder meiner
Mutter^ und das Fräulein, um das es sich handle, meine
Schwester sei. Man musste die Ueberraschung dieser Leute
sehen. Sie wussten nicht, was sie sagen sollten und brachten
nur Ausrufe der Verwunderung und des Erstaunens hervor.
Sie erhoben sich und wollten sich vor lauter Ehrüircht gar
nicht mehr setzen; ich hatte alle Mühe, sie hiezu zu über-
reden.
,Am nächsten Morgen brach ich frühzeitig auf, meine
Reise nach Delden fortzusetzen, das sieben Stunden von Bent-
heim entfernt ist. Die Gräfin und ihr Sohn, der jetzt sieben Jahre
zählt, wohnen in Hessen, und der Kurfürst von Köln fUhrt tis
Bischof von Münster die Verwaltung der Grafschaft,* die sehr
beträchtlich ist und jährlich 50.000 Thaler einträgt. Vor drei
Jahren wollte sich der KUnig von Preussen nach dem Tode
des regierenden Grafen der Grafschaft bemächtigen, aber der
Bischof sandte drei Compagnien seiner Truppen dorthin, und
die Sache wurde wieder beigelegt. Zwischen dieser Grafschaft
und Delden befindet sich die Grenze des Landes Overijssel.
Wo Holland beginnt, sieht man ein äusserst flaches Land,
Wiesen mit Bäumen bepflanzt, und Dörfer, deren Anblick am
ihrer Reinlichkeit willen Vergnügen gewährt. Die Poststationen
sind dort überaus lang, aber man ftlhrt trotzdem angemein
rasch. Die gewöhnliche Post wird in grossen Karren beft(rdert,
welche sie Polterwagens nennen, ein schreckliches Geftlhrt, in
dem man, ich kann mir das vorstellen, ganz elend zusammen-
gerUttelt wird.
,In Delden, wo wir zu Mittag assen, sahen wir viele Leute,
denn es war Sonntag. Bei jedem schlechten Gerichte, das die
Wirthin uns auftrug, sagte sie: „Myn beer, dat ist ein schlecker
bisgcn." Nachdem wir sehr schlecht gespeist hatten, fuhren
wir weiter bis Deventer, welches acht Stunden von Delden
entfernt ist.'
' Die Matter des Grafen Eannitz, bekanntlich die eincige Tocbter nnd
alleinige Erbin des letzten Grafen Rietberg, besasg keinen wirklichen
Bmder. Es kann daher hier nnr der Stiefbruder derselben, Graf Her
mann Friedrich Bentlieim gemeint sein. 1693 geboren, war er mit einer
Prinzessin von Hessen-Rheinfbls rerm&hlt nnd starb schon am S9. No-
vembor 1731.
* Graf Hermann Friedrich Bentheim war hiezu untflchtig erklXrt worden.
21
Wir widerstehen der Versuchung, diesen Auszug aus dem
;ebuche des jungen Kaunitz noch fortzusetzen, denn wir bo-
en, darin schon eher zu viel als zu wenig gethan zu haben.
Wir begnügen uns daher, zu sagen, dass er in Utrecht, welche
Stadt er ausfiihrh'eh beschreibt, seinen Wagen zurlickheas und
auf dem Canal mit der Treckschuyte in acht Stunden nach
Amsterdam fuhr.
,So schön, so gross, so reich und so mächtig' sei diese
Stadt, schreibt Kaunitz von ihr. dass sie .ein wahres Wunder
und die Perle aller Stitdte der Welt genannt zu werden ver-
diene'. Ausführlich beschreibt er sie sowohl im Allgemeinen,
als hiusichthch ihrer vorzügUchsten Gebttude und Einrichtun-
gen, imd man sieht, wie sehr alles wirkhch Bemerkenswertbe
seine Aufmerksamkeit fesselt, und wie eifrig er darauf ausgeht,
sich mit belehrenden Eindrücken zu erfüllen und in solcher
Art seine Reise wirklich zu dem, was sie eigentlich flir ihn
sein sollte, zu einer Bildungsreise im wahrsten Sinne des Wortes
zu machen.
Nach fünftägigem Aufenthalte zu Amsterdam verftigte sich
Kaunitz, und zwar wieder zu Schiff nach Lcydon, wo er am
18. September eintraf. Aus den Bemerkungen, die er über
diese Stadt und die dortige Universität macht, geht wohl un-
widerleglich licrvor, dass er zum ersten Male dahin kam und
eich nie früher daselbst aufgehalten haben kann. Mit den be-
rühmtesten Professoren an der Hochst-hule, wie mit Burman,
der über Geschichte, Beredsamkeit und griechische Sprache
vortrug, dem Kechtslchrcr Vitriarius, dem Mathematiker Sgrave-
zande und dem grossen Arzte Boerhaavc, der freilich damals
sein Lehramt schon niedergelegt hatte, trat Kaunitz in eine
wenngleich nur flüchtige Berührung. In einspänniger, von einem
jHarttraber' gezogener Carriole macht er einen Ausflug nach
Katwijck, die Nordsee zu sehen, und kehrt über Nordwijck nach
Leyden zurück. Von hier begibt er sich nach dem Haag, wo
er zumeist in den Kreisen der Mitglieder des bei den Qeneral-
Btaaton beglaubigten diplomatischen Corps länger als eine Woche
verweilt.
Noch mehr Gelegenheit, vornehme Bekanntschaften anzu-
knüpfen als im Haag, bot sich dem Grafen Kaunitz in Brüssel
dar. Ueber Delft und Rotterdam kehrte er vorerst nach Ut-
recht zurück, von welcher Stadt an er sich wieder seines dort
22
zurückgebliebenen Wagens bediente. In der Umgebong von
Breda besuchte er ein Lager von 15.000 Mann hollandischer
Truppen. In Antwerpen, wo er vor den wunderbaren Ge-
mälden, vor Allen der Kreuzabnahme von Rubens in Ekitzücken
gerieth,* wandte er auch den übrigen Kunstschätzen dieser
Stadt, insbesondere der überaus werthvollen Sammlang des
Domherrn Lichte das grösste Interesse zu. Am 2. October traf
er in Brüssel ein, wo damals die Erzherzogin Elisabeth, die
älteste Schwester des Kaisers Karl VI., als Generalstatthalterin
der Niederlande nicht gerade glänzenden Hof hielt. Noch am
Tage seiner Ankunft Hess sie den jungen Kaunitz zum Hand-
küsse zu.
Diese Hofhaltung nun, die *r als eine keineswegs ei^tz-
liche schildert, wird gleich der Stadt Brüssel, ihren vornehmsten
Gebäuden und Kunstwerken von unserem Reisenden ziemlich
aosMirlich beschrieben. Ganz besondere Aufmerksamkeit wen-
det er der Fabrication der Tapeten zu, deren Producte sein
lebhaftes Wohlgefallen erregen. Am meisten aber scheint er
während seines fast dreiwöchentlichen Aufenthaltes in Brüssel
von geselligen Pflichten in Anspruch genommen worden zu sein,
wenigstens ist das von ihm selbst angelegte Verzeichniss der
vornehmen Personen, mit denen er dort in Berührung trat,
ganz ausserordentlich lang.
In Löwen, wohin sich Kaunitz am Morgen des 20. Octo-
ber begab, wohnte er einer Ceremonie bei, die ihn lebhaft
interessirte, der gleichzeitigen Creirung von vier Doctoren der
Rechte. Jedem derselben, so behauptet er, habe die Erlangung
dieser Würde zum Mindesten 4000 Thaler gekostet Er be-
schreibt die ganz eigenthümUchen Festlichkeiten, welche aus
diesem Anlasse stattfanden, meint aber, es sei ein Verbrechen,
junge Leute aus guten Häusern nach Löwen zu schicken, weil
sie bei dem verwahrlosten Zustande der Universität dort nur
das vei^ässen, was sie vielleicht anderswo gelernt haben
könnten.
Von Lüttich aus, welche Stadt er gleichfalls beschreibt,
besucht Kaunitz den damaligen Fürstbischof aus dem Hause
der Grafen von Berghes auf dessen Lustschlosse zu Se-
> Je ne crois pas que l'art pmsse faire qnelqae chose de plus Mcompli;
pour moi, je n'ai pn me lasser de l'admirer.
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raing.' Er erzählt die Art, in welcher derselbe zu seiner hohen
geistlichen und wt-ltlichen Stellung gelangte, lobt seine einfache
Lebensweise und die Beliebtheit, che er sieh bei seinen Untcr-
thanon erwarb. ,Aber die Domherren,' fährt Kaunitz wörtlich
fort, ,wün8chen ihn in die andere Welt, indem es sie langweilt,
ihn noch in dieser zu scheu, in der er ihnen zu nichts gut ist,
indem er nur bescheiden lebt und ihnen nicht durch Feste,
Spiele, Bälle und ähnhcho Lustbarkeiten solche Vergnügungen
verschafft, wie man sie an den Höfen anderer geisthcher Fürsten
zu sehen gewohnt ist' Aber andererseits wunderte sich Kaunitz
doch auch wieder über die geringe Vertrautheit des Bischofs
mit den Angelegenheiten seines Capitels. Er wusstc nicht
einmal, dass der jüngere Bruder Carl Kaunitz Mitglied des-
selben sei.
Ueber Aachen, wo nicht nur die ehrwürdigen Altortliünier
aus der Zeit Karls des Grossen, sondern auch, und es ist dies
im Vergleiche mit seiner späteren Richtung bezeichnend, die
zahlreichen Reliquien seine besondere Aufmerksamkeit fesseln,
begab er sich, und zwar auf so erbilnuUchen Strassen nach
Köln, dass er in Folge dessen nicht nur allerlei unhebsame
Abenteuer ausstehen mnss, sondern in den Stosscufzer aus-
bricht, er wünsche, dass alle Landesflirstcn, auf deren Geliiet
in dieser Beziehung so sträfliche Nachlässigkeit hcri'sclie, durch
24 Stunden im Moraste ihrer eigenen Strassen rettungslos stecken
blieben. So gross waren der Acrger, welchen Kaunitz hierüber
empfand, und sein Widerstreben, neuerdings At-hnliches durch-
machen zu müssen, dass er bei seinem Aufbruche von Köln,
welche Stadt er die düsterste und traurigste nennt, die er je-
mals gesehen, heber stromaufwärts zu Schilf, als auf der «Strasse
und im Wagen seine Reise fortzusetzen beachloss. Er mietheto
zwei Barken, welche aneinander gebunden und von einem Pferde
gezogen wurden. Auf der einen befand er sich selbst, auf der
anderen sein Wagen, und da jode Barke mit einem Dache aus
doppelter Leinwand gedeckt war, fand Kaunitz sich ebenso-
wohl gegen die Sonne als gegen Wind und Regen geschützt
' Georg Ludwig von Berghes, 91. Bischof von Lfittich. 1662 geboren,
diente er ziiemt im Kriegswesen, wendete sich 1700 dem geistlichen Stande
■n, wurde 1724 r.nm Bischof gewühlt und starb nach lOjShriger segens-
reicher Regierung am 6. December t743. Biogr. nat. de Belgiqae H,
240—247.
24
and war daher mit seinen Fahrzeugen ganz zofrieden. Am
Morgen des 29. October yerliess er Köln und kam am selben
Abende bis Bonn, wo ihn am folgenden Tage die Gemjüde-
Sammlung des Grafen Plettenberg entzückte.
Nach fast viertägiger Rheinfahrt, welche Kaunitz mit sol-
cher Genauigkeit, ja vielleicht Pedanterie beschreibt, daas er
sogar die Namen seiner vier Schiffleute aufzeichnet, langte er
am Abend des 1. November in Mainz an, wo er bei dem Kor-
flirsten Philipp Carl von Eltz die wohlwoUendste Aufnahme
fand. Der unermessliche Reichthum des Kirchenschatzes aber
veranlasste ihn zu der Bemerkung, man müsse in früherer Zeit,
wenigstens nach dieser Richtung hin, frömmer gewesen sein
als jetzt. Ohne so viel Wesens über den Cultus zu machen,
den man den Heiligen und ihren Reliquien schulde, wie dies
gegenwärtig der Fall sei, habe man für sie ohne Zweifel weit
grössere Verehrung empfunden.
Am 5. November kam Kaunitz nach Frankfiirt, dessen
grösste Merkwürdigkeiten er den Römer und die in demselben
aufbewahrte Goldene Bulle nennt. Die ausführliche Beschrei-
bung, die er von der letzteren entwirft, bezeugt das lebhaile
Interesse, welches er diesem für Deutschland so wichtigen
Documente entgegenbringt.
Ueber Hanau und durch den Spessart begab sich Elaunitz
nach WUrzburg, von da aber nach Kitzingen am Main, um
dem Bischöfe Friedrich Carl von Schönbom seine Aufwartung
zu machen, der gerade in diesem Städtchen unter grossen Fest-
lichkeiten die Huldigung seiner Unterthanen entgegennahm.
Hier bricht Kaunitz sein Tagebuch, nachdem er es genau durch
zwei Monate, vom 8. September bis zum 8. November 1732 ge-
führt, vollständig ab, und wir wären über seine Weiterreise
ganz im Dunklen, wenn wir nicht ein von ihm angefertigtes
Verzeichniss der Personen besässen, deren Bekanntschaft er in
den grösseren Städten machte, welche er besuchte. Wir er-
sehen daraus, dass er sich von Kitzingen über Nürnberg und
Augsburg nach München begab, wo er bei Hof erschien und,
nach der ziemlich grossen Anzahl der Personen zu schliessen,
mit denen er in Berührung trat, sich längere Zeit hindurch
aufgehalten zu haben scheint. Im December 1732 war er noch
dort, und wir besitzen einen Brief von ihm an den Comman-
danten von Rietberg, Namens Dötinghem, mit dem er auf be-
25
sonders gutem Fasse stand und welchen er denn auch jetzt
um Geldhilfe angeht.' Denn er muss vom Hause aus nicht
allzu reichlich mit pecuniären Zuflüssen versehen worden sein.
Von München ging Kaunitz über Ettal und Innsbruck
nach Venedig, wo er offenbar wieder geraume Zeit verweilte,
denn von dem Dogen Carlo Ruzzini und dem kaiserlichen Bot-
schafter Fürsten Pio angefangen figurirt fast die ganze vor-
nehme Gesellschaft Venedigs auf seiner Liste. Und bemerkens-
werth ist es, dass auch eine sehr grosse Anzahl von Musikern
sowie von Tänzern und Tänzerinnen auf derselben erscheint.
Dem gleichen Verzeichnisse nach fällt der darauf folgende
Aufenthalt des Grafen Kaunitz in Rom schon in das Jahr 1733.
Die Liste seiner dortigen Bekanntschaften ist noch um Vieles
länger als die auf Venedig bezügUche. Dass der Papst, damals
Clemens XII., aus dem Hause Corsini, dass eine grosse Anzahl
von Cardinälen, dass die Namen der vornehmsten römischen
Adclsfamilien, der Colomia, Borghese, Lanti, Altieri, KuspoU,
Corsini Strozzi darin vorkommen, versteht sich gewissermassen
von selbst. Aber charakteristisch ftir die damaligen Anschauun-
gen unseres jungen Reisenden ist es, dass er, vielleicht auch,
weil es in Rom so gebräuchlich war, den daselbst sich auf-
haltenden Prätendenten und dessen Gemahlin den König und
die Königin von England, ihren ältesten Sohn Carl Eduard
aber den Prinzen von Wales nennt. Auch jetzt wieder werden
sehr viele Musiker und andere Künstler als neue Bekannt-
schaften erwähnt.
Von Rom machte Kaunitz einen Ausflug nach Neapel,
von wo er nach Rom zurückkehrte und sich dann über Florenz
und Bologna nach Mailand begab, wo er in den ersten JuU-
tagen des Jahres 1733 verweilte. So wie es vor einem halben
Jahre in München der Fall gewesen, befindet er sich jetzt
wieder ohne Geld, und er bittet seinen Vertrauensmann in
Rietberg, ihm ein Darlehen von 500 Gulden nach Paris vor-
auszusenden, lieber Turin verfügte er sich dorthin, und rück-
haltslos scheint er sich in den vollen Strudel des dortigen
genussreichen Lebens gestürzt zu haben. Sowohl aus seiner
wiederkehrenden Geldnoth, wie aus den überaus zahlreichen
Bekanntschaften, die er daselbst machte, lässt sich dies
* Kaonite an DOtinghem, 2. Uecember 17S8. Jarmehtzer ArctÜT.
96
Bchliessen. Nicht nur mit den hervorragendsten Staatsmännern,
insbesonders dem Haupte der Regierung, Cardinal Fleury, und
dem Siegelbewahrer Chauvelin, den berühmten Marschällen
Villars und Berwick, den Cardinäleu Polignac und Rohan, son-
dern auch mit zahlreichen Künstlern trat Kaunitz in Verkehr.
Unter diesen finden wir wieder besonders viele Musiker, denen
eine lauge Reihe von Tänzern und Tänzerinnen, unter ihnen
die talentvolle Camargo sich anschliesst.
Wir wissen nicht, wie lange Kaunitz in Paris verweilte,
ob er mit diesem Aufenthalte seine , Bildungsreise' abschloss,
oder ob er sich, wie behauptet wird, auch noch nach England
begab, worüber jedoch keinerlei Aufzeichnung mehr vorhanden
ist. Nur das lässt sich nachweisen, dass er im Juli 1733 auf
sein Canonicat in Münster freiwillig verzichtete und nach seiner
Rückkehr nach Oesterreich, wie es vor ihm sein Vater gethan
und es damals von Seite der Mitglieder der vornehmsten Adels-
geschleehtcr, die sich dem Civilstaatsdienste widmen wollten,
fast ausnahmslos geschah, gleich als Reichshofrath in die amt-
liche Laufbahn eintrat. Im Januar 1735 muss dies erfolgt
sein. Allerdings ist das Decret seiner Ernennung nicht mehr
vorhanden, aber am 25. Januar 1735 hat Kaunitz die Formel
des von ihm abgelegten Diensteides unterzeichnet, und am
folgenden Tage wurde er durch den Obersthofmeister des
Kaisers Karl VI., Grafen Rudolf Sinzendorff, in das reichsbof-
räthliche Collcgium eingeftihrt. Die Erstattung einer Probc-
relation scheint von Kaunitz nicht verlangt worden zu sein;
wenigstens lUsst sich von einer solchen keine Spur mehr ent-
decken. Sie sollte jedoch nur dann liinwegfallen, wenn der zu
Ernennende schon in vornehmen reichsständischen Diensten
gewesen oder seine Geschicklichkeit sonst bekannt war.*
Die in grosser Vollständigkeit erhaltenen Beschlussproto-
kolle des Reichshofrathes gewähren die Möglichkeit, die Art
und den Grad der Betheiligung jedes einzelnen Mitgliedes an
dessen Arbeiten aufs Genaueste kennen zu lernen. Man erfilhrt
aus diesen Protokollen, an welchen Sitzungen jeder Reichshof-
rath theilnahm, bei welchen er fehlte, ja sogar, wann er eine
Sitzung vor deren Schlüsse verliess. Man kann sich über die
Rechtssachen unterrichten, deren amtliche Behandlung ihm an-
Uercbenhahu, 0«acliiebte des Beichsbufrfttbea II, 68 f.
27
vertraut war, und feststellen, wann und wie oft er jede ein-
zelne Angelegenheit vorbrachte.
Diese Protokolle ergeben nun, dass die Betheiligung des
Grafen Kaunitz an den Arbeiten des Reichshofrathes nur im
ersten Jahre seiner Anstellung eine ziemlich rege zu nennen
ist. Auch dann wird man dieses Urtlieil kaum modificiren,
wenn man berlleksichtigt, dass er der Herrenbank angehörte,
während es doch die Mitglieder der öelehrtenbank waren,
welche, wie der Geschichtschreiber des Reichshofrathes sich
ausdrückt, ,die Ehre hatten, die wichtigsten Acten zum Vortrage
zu erhalten und am meisten zu arbeiten'.*
Die erste Sitzung, welcher Kaunitz beiwohnte, war die
vom 26. Januar 1735, und am H. Juli 1740 erschien er zum
letzten Male im Collegium. Während dieser Zeit hat er in
vierzig Process- und zwei Privilegienangelegenheiton neunzig-
mal Vortrag erstattet, wobei sich freilich eine bedenkliche Ab-
nahme seiner Geschäftsthfttigkeit bemerkbar macht. Denn wäh-
rend er im Jahre 1735 sechsundvierzigmal referirte, geschah dies
in den Jahren 1736 und 1737 nur noch zwölf- und zwanzigmal,
1738 und 1739 sieben- und fUnfiual, 1740 aber gar nicht mehr.
Um den Werth dieser Ziffern richtiger beurthcilcn zu
können, Hessen wir uns die MUhe nicht verdriessen, auch den
Umfang der amtlichen Thätigkett von vier seiner Collegen, und
zwar je zweier von der Herren- und von der Gclehrtenbank
festzustellen. Von der Herrenbank wurden die gleichzeitig mit
Kaunitz angestellten Grafen Carl Cobcnzl und Josef Sinzendorff,
von der Gelehrteubuuk aber Dr. Balthasar Wernlicr, frliher
Professor der Rechte und Director der Universität Wittenberg,
und Heinrich Bernhard von Wucherer, früher Geheimer Rath
des Bischofs von Augsburg, ins Auge gefasst. In der Zeit von
1735 bis 1740 rcferirten Graf Cobenzl 241-, Graf Sinzendorff
64-, Dr. Wernher llt20- und v. Wucherer 1416mal. Hieraus
lässt sich der doppelte Sohluss ziehen, dass die Reichshofräthe
von der Gelehrtenbank mehr als zehnmal so viel als die von
der Herrenbank arbeiten raussten, und dass die Thätigkcit des
Grafen Kaunitz sogar hinter der seines Collegen Cobenzl sehr
weit zurückbÜeb, während sie sich über diejenige ÖinzendorlTs
noch ein kleinwenig erhob.
* HeichenbabD II, 8.
Nicht ganz unerwähnt dürfen wir es lassen, dass Kaiinitz
auch nach seinem Eintritte in den Reichshofrath sich in recht
bedrängten Vermögeusverhältnisseii befand. Etwa zwei Wochen
nach diesem Ereignisse schreibt er wieder an Dütinghem, den
er seinen einzigen Vertrauten in Rietberg nennt. Als Reichs-
hofrath, klagt er ihm, müsse er in Wien leben und könne mit
seinen kärglichen Einkünften nicht auslangen. Und nun macht
er ihm den eigenthümlichen Vorschlag, er solle sich mit den
einflusareichsteu Landrichtern in Rietberg unterreden und sie
dahin bringen, ihm als präsumtivem Erben der Grafschaft und
somit künftigem Herrn ,au8 Liebe und Treue' jährlich 3000 GiJ-
den vorzustrecken. Er wolle sie mit sechs Procent verzinsen
und das ganze Darlehen, wenn er nur einmal zum Besitze
von Kietberg gelangt sein werde, von ihrer Steuerlcistung ab-
ziehen.
Unter solchen Umständen ist es fast zu verwundem, d«ss
Kaunitz schon im folgenden Jahre ein eheliches Bündniss schloss,
und das umsomehr, als die Summen der beiderseitigen Geld-
leistungen, die sich in dem Heiratabriefe angefUhrt finden,' den
er am 22. April 1736 der mit ihm verlobten Gräfin Emestine
Starhemberg* ausstellte, keineswegs auf eine ansehnliche
Verbesserung seiner Vermögensverhältnisse schliessen lassen.
Allerdings war der Grossvatcr der Braut jener reiche und
auch als Staatsmann hervorragende Graf Gundaker Thomas
Starhemberg, der als Conferenzminister und Präsident der
Ministerial-Bancodeputation, somit als Chef des Finanzwesens
eine der einflussreichsten Persönlichkeiten am Hofe Karls VI.
war. Am 6. Mai 1736 wurde die Ehe vollzogen. Ihr ent-
sprossen ziemlich rasch nacheinander sechs Söhne und eine
Tochter. Die drei ältesten Söhne, Ernst, Moriz und Dominik,
waren schon am Leben, als kurz nach dem Tode des Kaisers
Karl VL, und zwar im December 1740, an Kaunitz der An-
trag herantrat, als Gesandter der Königin von Ungarn nach
Kopenhagen zu gehen. Kaunitz, der sich auch nach seiner
Verheiratung, wie ein im Juli 1737 seinerseits neuerdings
nach Eietberg gerichtetes Begehren um ein Darlehen be-
* Im Janneritzer Archiv.
* Tochter dea Grafen Frani Starhemberg, Obersthofmeigters der dAmal!gw~
Grzhersugin Mari« Theresia, Grosihersogio von Tosoana.
29
weist,' fortwillirend in Geldverlegenheiten befand, wandte sich
um Beihilfe an seinen Vater, der ihm dieselbe auch versprach,
es jedoch lieber gesehen haltte, wenn sein Sohn nach Regens-
burg bestimmt worden wäre, weil man dort, wie er wohl mit
Recht behauptete, mehr als in Dänemark Einblick in die grosse
Politik erhalte.'
Auch die Mutter erklärte sich bereit, ihrem Sohne nach
Kräften beizustehen. Ihren schwer zu entziffernden Briefen
an Kaunitz ist die lebhafte Besorgniss zu entnehmen, die sie
bei dem Auftreten des Königs von Preussen ftir ihre Graf-
schaft Rietberg hegte. Auch ftlr Mähren filrchtete sie, denn
sie meinte, König Friedrich werde seinen Einbruch nach
Schlesien dorthin ausdehnen. , Armes Austerlttz,' schrieb sie
am 1. Januar 1741 ihrem Sohne, ,ich kann nicht daran denken,
ohne Thränen zu vergiessen."
Wir haben keine Kenntniss der Ursachen, welche die
Entsendung des Grafen Kaunitz nach Kopenhagen vereitelten.
Aber wenige Monate später, im März 1741, erhielt er eine
andere Mission, indem er nach der Geburt des Kronprinzen
Josef an den Papst, den König von Sardinien und die in Tos-
cana residirende verwitwete Kurfiirstin von der Pfalz, die letzte
Mediceerin, abgeschickt wurde, ihnen diese Freudenbotschaft
zu überbringen.
Instructionen, welche Kaunitz mit auf den Weg gegeben
wurden, finden sich nicht vor, und auch die Berichte, die er,
wie wir mit Bestimmtheit wissen, tlber die Art und Weise,
in der er sie vollzog, nach Wien erstattete, konnten bisher
nicht aufgefunden werden. Den Meldungen der ständigen
Vertreter, welche Oesterrcich damals in Turin, in Florenz
und in Rom besass, lässt sich jedoch entnehmen, dass Kaunitz
am 28. März in Turin eintraf und am folgenden Tage dem
Könige Carl Emanuel III., seiner Gemahlin Elisabeth und dem
ganzen königUchen Hause die glückliche Geburt des öster-
reichischen Kronprinzen notificirte. Wenn man sich erinnert,
dass die Königin eine Schwester des Grossherzogs Franz von
• 24. .Tnli 1737. Jarmeritier Archiv.
* Max Ulricli an Wenzel Kainiita. Rrlinn, 22. December 1740. jRrmeritüer
Archiv.
' Jarmeritzer Archiv.
30
Toscana war, und dass die Mitglieder des Hanses Lothringen
mit innigster Liebe an einander hiengen, so Mrird man wohl
zugeben, dass die lebhafte Freude, welche der König und die
Königin über die ihnen aus Wien zugekommene Nachricht an
den Tag legten,' eine aufrichtige war. Der Marchese Balleotti
überbrachte den Glückwunsch des Turiner Hofes nach Wien.
Ueber Florenz, wo er Ton der verwitweten Knrf^tin als
Träger einer hochwillkommenen Botschafl; mit einem kostbaren
Ringe und einer goldenen Dose beschenkt wurde,' begab sich
Kaunitz nach Rom, wo er am 16. April eintraf. Der öster-
reichische Gesandte Graf Josef Thun, der sich spftter als
Bischof von Gnrk und schliesslich von Passau durch segens-
reiches Wirken hervorthat, geleitete ihn zum Papste. Als be-
sondere Auszeichnung wurde ihm gestattet, den Degen, den er
trug, bei seinem Eintritte in die päpstlichen Gemächer zu be-
halten. Benedict XIV. erging sich in Ausdrücken lebhaftester
Theilnahme für Maria Theresia, den Grafen Kaunitz aber be-
schenkte er mit einer in Gold gefassten Krone aas edlem
Gestein.*
Durch etwa zwei Wochen blieb E[aunitz in Rom, das er
ebenso wie Turin und Florenz schon von früherer Zeit her
kannte, und er sah dort am 30. April die Ceremonie mit an,
mit welcher der Papst, erst im vergangenen Jahre zu dieser
obersten geistlichen Würde der katholischen Christenheit ge-
langt, sich in feierlichem Aufzuge nach dem Lateran begab,
um von diesem Besitz za ergreifen. Uraltem Gebrauche
nach sollte der Papst den Weg nach dem Lateran reitend za-
rücklegen und die ihn begleitenden Cardinäle das Gleiche thun.
Prospero Lambertini hatte jedoch nie zuvor ein Pferd oder
ein Maulthier bestiegen; er liess sich daher in einer ^bifte
nach dem Lateran tragen, und es wurde bemerkt, dass nicht
mehr als zehn Cardinäle ihn, auf Maulthieren reitend, begleite-
ten. Die übrigen hatten sich früher nach dem Lateran be-
geben, den Papst dort zu empfangen.
' Berichte des Grafen Schulenbnrg aus Tarin vom 1. April 1741.
» Wienerisches Diarium vom 6. Mai 1741, 8. 880.
* Oraf Thnn an Maria Theresia. Born, 22. April 1741. «Prima di licen-
ziarlo, gli regal6 Sna Beatitudine ana Corona di pietra dara lafata in
oro . . .'
31
Am 2. Mai verabschiedete sieh Kaunitz vom Papste; am
3. verliess er Koni und kehrte über Florenz nach Oesterreich
zurück.
II. Capltel.
Während der Reise des Grafen Kaunitz in Italien hatten
die militärischen und die politischen Ereignisse eine für Maria
Theresia sehr ungünstige Wendung genommen. Bei Moilwitz
waren ihre Truppen von den Preussen geschlagen worden, und
es gewann den Anschein, als ob die Folgen dieses Ereignisses
für Oesterreich die verderblichsten sein würden. Dass der
König von Preussen von nun an in dem unbestrittenen Besitze
des grüssten Theiles von »Schlesien bleiben werde, musste fast
als etwas Selbstverständliches hingenommen werden. Auch die
jüngeren Zweige des Hauses Boarbon in Spanien und Neapel
hatten nicht erst der Niederlage der Oesterreicher bei Mollwitz
bedurft, um sich feindselig gegen Oesterreich zu stellen. Aber
darin muss wohl die entscheidende Bedeutung des Verlustes
der Mollwitzer Sehlacht erblickt werden, dass er auch in Frank-
reich die letzten Bedenken beseitigte, welche dort vielleicht
noch obwalten mochten, die vertragsmässig eingegangenen Ver-
pflichtungen zu brechen und mit voller Macht auf die Seite
derer zu treten, welche die so günstige Gelegenheit auszubeuten
sich bemühten, durch Erwerbung sehr beträchtlicher Theile
des Österreichischen Staatsgebietes sich selbst ansehnlich zu
vergrössern.
In dieser Beziehung waren die Entwürfe des Kurfürsten
Carl Albrecht von Baiern sogar noch weitergehend als die-
jenigen des Königs von Preussen. Denn während dieser
seine Begehrlichkeit wenigstens vorderhand nicht weiter als
auf Schlesien erstreckte, hoffte Carl Albrecht, nicht nur der
Nachfolger Karls VI. auf dem Kaiscrthrone Deutachlands, son-
dern auch im Besitze Böhmens, des Herzogthums Oesterreich,
ja vielleicht auch noch anderer österreichischer Gebietstheile
zu werden. So wie Preussen durch die Erobenmg Schlesiens,
wäre Baiern durch diese Erwerbungen herangewachsen zu einer
Macht, die nur von wenigen in Europa übertreffen worden wäre.
Gewissenhafte historische Forechung hat in neuester Zeit
den Beweis zu erbringen sich bemüht, die geheimnissvoUon
Nyraphenburger Verträge, durch welche die Bedingungen fest-
gestellt worden sein sollten, nntor denen Baiem der gewaffViete
Beistand Frankreichs zugesagt wurde, seien niemals abgeschlossen
worden. Dem scheint auch wirklich so zu sein; aber freilich
wird hiedurcb nichts an der Thatsache geändert, dass Frank-
reich die Sache Baiems ganz zu der seinigen machte, dass
französische Hilfstruppen es waren, die den Kurfürsten nach
Linz begleiteten und ihn von dort nach Wien führen zu wollen
schienen. Und wenn auch Carl Albrecht zuletzt diese Absicht
wieder aufgab und sich, nur mehr wenige Stunden von Wien
entfernt, nordwärts nach Böhmen wandte, so nahmen doch auch
jetzt wieder die französischen Streitkräfte an der Besetzung
Böhmens und der Einnahme von Prag einen sehr hervorragen-
den Antheil. Bei dieser Unternehmung wurden sie auch noch
von den Sachsen unterstützt, deren Kurfürst, welcher gleich-
zeitig die polnische Königskrone trug, anfangs mit Maria The-
resia verbündet war, dann aber, und wohl gleichfalls in Folge
der Mollwitzer Schlacht, gemeinschaftliche Sache mit denen
machte, welche darauf ausgingen, die letzte Habsburgorin ihrer
rechtmässig ererbten Länder zu berauben.
Traurigere, schmerzvollere Tage können im Leben einer
Fürstin nicht leicht gedacht werden als diejenigen waren, wäh-
rend deren Maria Theresia nach dem Verluste von Prag in
Pressburg verweilte. Dort war der ungarische Landtag ver-
sammelt, und dorthin hatte sie schon im September ihre Kinder
vor den gegen Wien vorrückenden Franzosen und Baiem ge-
flüchtet. Jetzt schien Alles verloren, und wenn damals, liess
sich einer der getreuesten und standhaftesten Rathgeber der
Königin vernehmen, in den letzten Tagen des November irgend
Jemand Hoffnung gegeben hätte, dass man den Drangsalen, in
denen man sich befand, noch zu entrinnen im Stande sein
werde, würde er sicher verlacht worden sein. Nur Eine verlor
den Math nicht, und diese Eine war die Königin selbst.
Unwillkürlich drängt sich, wenn man ihre damalige Lage
überdenkt, die Frage auf die Lippen, wo denn in jenen Tagen
der Trübaal der Mann sich befand, der in späteren und gleich-
falls traurigen Zeiten die festeste Stütze für Maria Theresia
war? Die Antwort, die wir hierauf erhalten, ist leider keine
tröstliche zu nennen. In der nächsten Umgebung der Königin
ist keine Spur von Kaunitz zu entdecken, und nur einmal
taucht damals sein Name, aber leider in einer Weise auf, dass
33
I
I
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I
wir gerne darauf verzichten wUrdcn, von ihm überhaupt zu
vernehmen.
Noch war die befriedigende Art, in wcldier Kaunitz seine
freilicli nicht ebeu schwierige Mission nach Italien durchgeführt
liatte, in frischem Qedüchtniss. Nichts war daher natürlicher,
als dass man in dem Augenbh'cke, in welchem man in Wien
daran dachte, dem österreichischen Gesandten in Turin, Grafen
Schulenburg-Ooynliausen, einen Nachfolger zu geben, auf einen
Mann den Blick lenkte, der gerade an jenem Hofe einen sehr
guten Eindruck hervorgebracht zu haben schien. Um so
schwerer fiel dieser Umstand ins Gewicht, als seither, am
3. Juli 1741, die Königin Elisabeth in F'olge der Geburt eines
Sohnes, des Herzogs von Chablais, gestorben und Maria Theresia
hiedurch ihrer Schwilgerin und treuesten Bundesgenossin am
Turiner Hofe beraubt worden war. Dessen bekannte Un-
zuverliissigkeit Hess einen feinen Beobachter und gewandten
Unterhändler dort vielleicht mehr als anderswo nöthig er-
scheinen.
Uel>er die Richtigkeit der Behauptung, dass dem Grafen
Kaunitz der Posten eines österreichischen Gesandten in Turin
angeboten worden sei, er ihn jedoch abgelehnt habe, liegt eine
amtliche Nachweisung nicht vor, sie braucht nlso nicht als eine
ganz unzweifelhafte Thatsache hingenommen zu werden. Aber
es läast sich auch nicht leugnen, dass sie von einem durchaus
vertrauenswürdigen (jewilhrsmanne, dem vcnetianischen Bot-
schafter in Wien, Pietro Andrea Capello herrührt. Voll Wohl-
wollen für Oesterreich und für Maria Theresia, voll Aufmerk-
samkeit füi" divs, was um ihn her vorging, und insbesondere in
dem, was die Beziehungen Uesterreichs zu den italienischen
Staaten betraf, wohlunterrichtet, kann Capello in Allem, was
er hierüber sagt, nur vollen Glauben beanspruchen. Er aber
berichtete am 27. October 1741 an den vcnetianischen Senat
wörtlich: ,Graf Kaunitz, zu dem Könige von Sardinien be-
stimmt, bat um Entschuldigung, indem er den Mangel an hin-
reichendem Vermögen als Beweggrund hiefür angab. Er ist
jedoch einer der MUimor, die in der Ungewissheit, wer in Zu-
kunft die Länder beherrschen wird, in denen ihre Lehengüter
liegen, sich genüthigt glauben, sich unter den gegenwärtigen
Umständen in der Annahme so ansehnlicher und wichtiger
Aemter Zurückhaltung aufzuerlegen. An seiner Stelle hat
Arehiv. LXXXrni. Bd. I. Uuino. 8
34
die Königin den Marchese Bartolomei flir jenen Posten be-
stimmt.**
Es lässt sich, wie bereits gesagt, tlber die Richtigkeit der
Angabe Capello's kein absolut sicheres Urtheil fallen. Ist je-
doch seine Behauptung wahr, dann liegt in ihr wohl das über-
zeugendste Merkmal der äussersten Bedrängniss, in der sich
damals Maria Theresia befand. Wenn sogar ein Kannitz in
Zweifel gerathen konnte, ob er ihr oder vielleicht einem An-
deren seine Dienste zu widmen sich berufen finden werde,
dann darf man wohl fragen, auf wen überhaupt die Königin
dann noch mit Sicherheit bauen durfte?
Aber gerade an Maria Theresia ging der fromme Spmch
in Erfüllung: wo die Noth am höchsten, sei auch die Hilfe am
nächsten. Freilich war es keine Plilfe von Aussen her, der sie
ihre Rettung verdankte, sondern nur die, welche in ihrer eige-
nen Kraft und Entschlossenheit, welche in der Treae and
Selbstaufopferung ihrer Unterthanen lag. Kaam war die Nach-
richt von dem Verluste Prags nach Pressburg gelangt, als schon
nach allen Richtungen hin die Sendboten der Königin mit der
Botschaft eilten, so unheilvoll auch jenes Ereigniss an and ftir
sich sein möge, so werde man sich doch durch dasselbe keinen
Augenblick abhalten lassen, gegen die in Oberösterreich zurück-
gebliebene französisch-bairische Streitmacht die OfFensive zu
ergreifen.* So wie in dem einmal festgestellten Plane, lasse
man sich auch in der Hoffmmg nicht irre machon, diese Unter-
nehmung werde von günstigem Erfolge begleitet sein.
So geschah es denn auch wirklich. Binnen Kurzem war
nicht nur ganz Oberösterreich wieder in den Händen ihrer
Truppen, sondern Maria Theresia konnte dieselben über die
eigene Landesgrenze hinaus nach Baiem entsenden. Unaof-
haltsam drangen sie dort vor, und gerade in der Zeit, in wel-
cher Carl Albrecht mit der deutschen Kaiserkrone geschmückt
wurde, ging ein grosser Theil seines Landes mit seiner Haupt-
stadt an die Oesterreicher verloren. Zwar wurden sie binnen
Kurzem bei Chotusitz ein zweites Mal von König Friedrich ge-
' Arneth, Geschichte Maria Theresias. II, S. 503.
* Schon am 2. Docember 1741 schrieb Oraf Philipp Sinzendorff ans Pres»-
bürg eigenhKndig an den Marchese Bartolomei, damals noch in Wien:
,. . . qnello, ch'6 successo a Praga, non impediri nna gran operaaione.'
I
I
I
I
I
schlagen, aber diese Schlacht, wenngleich verloren, war doch
auch nicht von fem einer Niederlage vei^leiehbar. Ja sie tmg
nicht wenig dazu bei, den Kitnig von Preusson «n dorn Ent-
schlüsse zu bringen, dem Kriege gegen Ocstorreieh durch die
Breslaner Friedenspräliminarien ein Endo eu machon. Hiedurch
ihres gefährlichsten Feindes und durch den Frieden mit Sachsen
eines eweiten Gegners entledigt, durch eine schon um 1. Fo-
bniar 1742 mit Sardinien abgeschlossene Convention aber einer
wenigstens vorläufigen Verständigung mit diesem StJiatc und
dadurch eines Stützpunktes in Italien theiihaft geworden, befand
sich Maria Theresia im Hochsommer dieses Jahres in einer
unendlich viel günstigeren Lage, als sie selbst noch vor sechs
Monaten zu hoflfen gewagt haben mochte.
Es lässt sich durchaus nicht behaupten, gerade dieser
Umschwung habe Kaunitz veranlasst, sich dem an ihn ergehen-
den Rufe nicht zu entziehen und an Stelle des Marcheso Hur-
tolomei, der wegen Irrsinns, von dem er befallen worden,' nicht
lUuger auf dem Posten eines österreichischen Gesandten am
Turiner Hofe belassen werden konnte, denselben zu illjornchincii.
Seine Entsendung dorthin war schon in den ersten Tagen des
Juni 1742, also noch vor Unterzeichnung der Brcslaucr Friedens-
präliminarien, eine feststehende Sache. Vom 29. dieses Monats
ist das Instrument dntirt, durch welclies Maria Theresia den
Grafen Max Ulrich Kaunitz ermilchtigtc, auf seine Fidoicomniiss-
gßtor in Mahren die Summe von 12.004) Gulden aufzunehmen,
deren er bedürfe, um seinen Sohn Wenzel in den Stand zu
setzen, den ihm verliehenen Posten eines Gesandten am Turinür
Hofe auch wirklich anzutreten. Und am folgenden Tage, driu
30. Juni, wurde die Instruction ausgefertigt, mit welcher man
Kaunitz versah; zu ihr trat am 11. Juli noch ein Nachtrag
hinzu.' Um jedoch den Inhalt beider Schriftstücke rocht zu
verstehen, muss man sich den Zustand vergegenwärtigen, in
welchem die öffentlichen Verhältnisse der italienischen Staaten
sich damals befanden.
' LcgationsaecroUlr t. Mareacbal an Ulfuldt; I'ariiia, 28. Mai 1742. ,MH
dem Herrn Marclien liartolomoi tliDt e» nicli solclinriiinMiiu vumclilim-
mem, dam die Veronnft denselben alluchon von ZoU zu '/mü tu ver-
Uis.<<en anfanget'
* Die Inttmction filr Kaunitz nnd der Nacbtrsfr *\t denwlbon rUhron von
, DartciMtein her.
8«
36
Während ihr gleich nach ihrer Thronbesteigung und im
Laufe des ersten Jahres nach derselben von so vielen Seiten
zahlreiche und wahrhaft furchtbare Gegner erstanden, besass
Maria Theresia in Italien zwar keinen verlässlichen Freund,
aber doch auch eigentlich keinen erwähnenswerthen Feind.
Denn der Papst und die Republik Venedig, so wenig sie es
auch an wohlwollenden Worten für die junge Herrscherin
fehlen Hessen, erklärten doch, in dem Streite, der sich um
deren Erbe entspann, neutral bleiben zu wollen. Von dem
Könige Carl von Neapel und Sicilien, dem dritten und jflngsten
Kronenträger des Hauses Bourbon, liess sich freilich nur volle
Bereitwilligkeit voraussetzen, an Allem Antheil zu nehmen, wo-
durch der Fürstin, um deren Hand dereinst so eifrig, aber
fruchtlos fttr ihn geworben worden war, Nachtheil zugefügt
werden konnte. Aber er selbst sass doch noch seit viel zu
kurzer Zeit und daher zu wenig fest auf dem erst vor einigen
Jahren erworbenen Throne, sein Land war viel zu fem und
seine Macht zu gering, als dass von seiner Seite allein Ernst-
liches zu befUrchten gewesen wäre. Fand sich jedoch ein
anderer, über ansehnHchere Streitkräfte verfügender Staat, der
es unternahm, das Haus Oesterreich in Italien zu bekriegen,
dann war die Gegnerschaft des Königs von Neapel auch nicht
mehr geringschätzig zu betrachten.
Es bedurfte keines grossen politischen Scharfblickes, um
sehr bald darüber im Reinen zu sein, dass schon in nächster
Zukunft dieser Staat sich finden und dass es kein anderer als
Spanien sein werde. Denn die Königin Elisabeth werde, dessen
durfte man gewiss sein, den so (iberaus günstigen AugenbKck
nicht unbenutzt vorübergehen lassen, um auch für ihren zweiten
Sohn Philipp, wie es für Carl so glänzend gelungen war, ein
Reich in Italien zu gewinnen. Im November 1741 landeten
ansehnliche spanische Streitkräfte an verschiedenen Punkten
der italienischen Küste; der Herzog von Montemar ilbemahm
den Oberbefehl über sie.
Maria Theresia hatte die Wichtigkeit, welche der Beistand
Sardiniens, des einzigen kriegstüchtigen Staates in Italien, für
sie besass, nie auch nur einen Augenblick verkannt; sich
dessen zu versichern, war sie schon während des ganzen Jahres
1741 bemüht. Aber sie schlug doch die Besorgnisse, mit denen
nach ihi-er Meinung der König von Sardinien die beabsichtigte
37
Qrilndang eines zweiten bourbonischen Reiches in Italien be-
trachten musste, allzu hoch an, wenn sie an die Möjj^Hclikcit
glaubte, dass sich Carl P'manud auch ohne ein ansehnliches
Entgelt zu bewaffnetem Widerstände gegen dieselbe bereitlinden
lassen werde. Wie der Tariner Hof es von jeher gewohnt
war, pflog er auch jetzt wieder nach beiden Seiten hin leb-
hafte Verhandlung, um ohne irgendwelche Kücksicht auf den
rechthchen Standpunkt dem sich zuzugesellen, von dem er
hieflir die ausgiebigsten Zugeständnisse erhielt.
Und in der That, die Auerbietungen, diu ihm von Spanien
gemacht wurden, waren gliinzcnd genug. Ihnen zufolge sollte
das ganze Ländergebiet des Hauses üesterreich in Italien von
den Spaniern und Sardiniern erobert und zwischen Carl Emanucl
und dem Infanten Don Fhiii|tp getheilt werden.'
Hätte Carl Emanuel diesen Versprechungen irgendwie
trauen dürfen, so würde er wohl ohne langes Zaudeni auf sie
eingegangen sein und sich ungesiiamt auf die Seite Spaniens
gMtellt haben. So aber zweifelte er nicht, dass durch die
völhge Vertreibimg der Oesterreicher aus Italien und durch
die Errichtung eines zweiten bourbonischen Staates in jenem
Lande sein eigenes Schicksal für alle Zukunft von der Gnade
dieser übermüchtigon Regenteufarailie abliälngig würde. Darum
hcsass der geringere Preis, den er von Maria Theresia für
seinen gewaffnetcn Beistand zu erhalten gewärtig war, ver-
lockendere Kraft für ihn als die ungleich reicheren Versprochun-
^D der Bourbonen. D<'imnch kam es noch immer zu keiner
greifbaren Abmachung zwischen den llüfen von Wien und
Turin, bis endlich die drohende Haltung Spaniens Beide zur
Verständigung trieb. Am 1. Februar 1742 >vurde in Turin die
schon erwähnte Convention unterzeichnet, derzufolge die in
Italien befindlichen österreichischen Truppen vorerst den Spaniern
entgegengehen sollten, um vor ihnen Modena und Mirandola zu
besetzen und dadurch ihr Vordringen gegen das österrcichisdie
Gebiet zu vereiteln. Zur Unterstützung der Oesterreicher werde
Carl Emanuel ein hinreichendes Armeecorps bereithalten imd ihnen
nüthigcn Falles mit seiner ganzen Streitmacht zu Hilfe kommen.
Zu einer eigentlichen Gebietsabtretung an Sardinien ver-
pflichtete sich Maria Theresia noch nicht. Dagegen forderte
> Carulti 1, 190.
38
sie auch nicht, dass der König seinen angeblichen Rechten auf
die Lombardei entsage; dieselben sollten vielmehr durch die
eben zum Abschlüsse gekommeneu Conyoutionen in gar keiner
Weise berührt werden. Ja es blieb ihm sogar ausdrücklich
vorbehalten, sie jederzeit, sei es allein oder mit dem Beistande
von Verbündeten, jedoch erst einen Monat, nachdem er die
Absicht hiezu kundgegeben habe, zu verwirklichen.
In solcher Weise eines Stützpunktes in Italien theilhaft
geworden, verabsäumte Maria Theresia nichts, um ihre dortigen
Streitkräfte so beträchtlich zu verstärken, dass diese im Vereine
mit den sardinischen Truppen den Spaniern und Neapolitanern
die Spitze bieten konnten. Dass der Herzog von Modena sich
für die bourbonischen Höfe erklärte, brachte in den gegen-
seitigen Machtverhältnissen keine grosse Veränderung hervor;
gerade seine Hauptstadt wurde dadurch zum ersten Angriffs-
objecto. Die Stadt Modena fiel, ohne Widerstand zu leisten;
die dortige Citadelle aber ergab sich erst nach dreiwöchent-
Ucher Belagerung am 28. Juni 1742 den vereinigten Oester-
reichern tmd Piemontesen.
Dieser Augenblick war es, in welchem man in Wien an
die Ausfertigung der Instructionen für Eaunitz schritt. Ein
Hauptgedanke lag ihnen zu Grunde. Vor wenigen Wochen
erst hatte man durch die Breslauer Präliminarien die Abtretung
des grössten Theiles von Schlesien an Preussen vollzogen. Für
diesen höchst ansehnlichen Verlust müsse sich Oesterreich in
Baiem, das es damals fast ganz besetzt hielt, und in Italien
entschädigen. In diesem Lande hätte es auch Ersatz für die
Abtretung lombardischer Gebietstheile zu finden, ohne welche
man nun einmal auf den Beistand des Königs von Sardinien
nicht dauernd zählen zu dürfen glaubte.
Derjenige, auf dessen Unkosten man diesen Zuwachs zu
erlangen gedachte, war natürlich kein Anderer als der freilich
erst zu besiegende Angreifer, das spanische Königshaus. Die
erst vor wenigen Jahren durch dasselbe erworbenen Länder in
Italien sollten ihm wieder entrissen werden. Neapel hätte an
die Königin von Ungarn, Sicilien aber an den König von Sar-
dinien zu fallen, um ihn hiedurch minder begehrlich nach lom-
bardischem Gebiete zu machen.
Es musste als ein fördernder Umstand für diese Projecte
erscheinen, dass Carl Emanuel und der die Oesterreicher be-
39
fehligeiidc Fcldiuarschall Graf Tnuin nach dem Falle von
Modena auch Mirandola wegnehmen konnten. Hierauf wendeten
sie sich gegen das spanische Ilecr, welches bei Bondeno, un-
weit des Po stand. Der Herzog von Montcinar trat nun, ohne
seine Gegner zu erwarten, den Rückzug an. In langsamen
Märschen ging es nach Ravenna, hierauf nacli Riinini und end-
lich nach Foligno, wo er Halt machte. Bis Cesena folgten ihm
die Oesterreicher und die Piemontesen, und hier war es, wo
Kaunitz als neu ernannter österreicliischer Gesandter bei dem
Könige von Sardinien, vor welchem er nun zum dritten Male
erschien, am H. August 1742 eintraf. Dieser Tag ist daher als
der des Beginnes einer jiolitischen Tiilltigkeit zu betrachten,
die sich auf einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr-
hundert erstreckte und wohl zu den ruIimvoUsteu zählte, die
auf dem Gebiete, das sie umfasste, jemals entwickelt wurden.
Und in der That, wohl nur sotten wurde einem Manne,
der noch in jungen Jahren utid ohne viel Erfahrung zum ersten
Male das glatte Terrain diplomatischer Wirksamkeit betrat,
eine schwierigere Aufgabe tibertragen, als sie jetzt Kaunitz er-
hielt. Er, der Anfänger, hatte es von nun an mit zwei Mälnnern
von ungewöhnlichem Scharfsinne, von tiefer Kenntniss der politi-
schen Zustünde Europas und der Vorhältnisse der einzelnen
Staaten zu einander, endlich von erprobter Gewandtheit in all
den Winkelzügcn zu tbun, in denen man damals die höchste
Vollendung diplomatischer Htaatskunst erblickte. Diese Männer
waren Carl Enianuol selbst und sein erster Minister, der Mar-
chese Ormea.
Der König, gerade um zehn Jahre älter als Kaunitz, stand
damals in seinem 43. Lebensjahre und seit der im September
1730 erfolgten Abdankung seines Vaters Victor Amadeus, also
seit fast zwölf Jahren an der Spitze der Regierung seines Lan-
des. Noch nicht zwei Jahre hatte er sie gefllhrt, als sein Vater,
des znrlickgezogenen Lebens in Chamböry müde geworden, mit
t'SHa Erklärung nach Piemont zurückkehrte, die Regierung, der
sein Sohn sich nicht gewachsen erweise, sei es ganz, sei es
wenigstens in ihrem wichtigeren Theilo wieder übernehmen zu
wollen. Dass Carl EmanucI dem widerstrebte und nicht selbst
zu seiner Unfiihigkcitserklärung die Hand bot, ist leicht be-
greiflich. Die durch nichts nothwendig gemachte und deshalb
auch gar nicht zu rechtfertigende Härte, mit der er gegen seinen
40
Vater verfuhr, dessen strenge Kerkerhaft in Rivoli und Mon-
calieri warfen jedoch auf Carl Emanuels Charakter einen An-
schein von Grausamkeit, die ihm doch eigentlich fremd war.
Nachdem er es verschmäht hatte, den dringenden Bitten seines
Vaters nachzukommen und ihn noch in seiner Todesstunde zu
besuchen, um sich mit ihm zu versöhnen, lastete das Andenken
an diese dtisteren Ereignisse schwer auf Carl Emanuel. Aei^t-
lich vermied er es, jemals von ihnen zu sprechen, and durch
Milde und Sanftmuth trachtete er das wieder zu stthnen, was
er an seinem Vater verbrochen hatte.
Diese Eigenschaften waren es denn auch, welche Kaonitz
an Carl Emanuel, als er zehn Jahre nach jenen Ereignissen
bei ihm beglaubigt wurde, als für ihn besonders charakteristisch
hervorhob. Gottesfürchtig nennt er ihn, gütig, freundlich, leut-
selig und ohne allen Stolz. Seine Liebe zu seinen Kindern,
die Massigkeit seiner Lebensweise, seine Gelassenheit, seine
Unerschrockenheit in der Gefahr, der er keineswegs ausweiche,
finden an Kaunitz einen eifrigen Lobredner. Des Königs gei-
stige Begabung scheint ihm zwar nicht so hervorragend, als
die seines Vaters gewesen war, aber er rühmt an ihm gesunde
Begriffe und natürlichen Verstand. Getadelt wird die Eigen-
schaft des Königs, dass er. Jedermann zugänglich, auch An-
gebereien sein Ohr leihe, wodurch die Zwietracht in seiner
Umgebung und insbesondere die gegenseitige Anfeindung der
Generale nicht wenig geschürt werde. Ausserdem sei er lang-
sam in seinen Entschlüssen, und manche wichtige Massr^el
werde hiedurch ungebührlich verzögert.
Grössere Sorgfalt noch als auf die Charakteristik des
Königs verwendet Kaunitz auf die seines ersten Ministers, des
Marchese Ormea. Obgleich dieser nächst seiner eigenen wahrhaft
seltenen Begabung auch der Gunst des Königs Victor Ajnadeus
sein Emporkommen aus geringen Lebensverhältnissen bis zur
obersten Stelle im Staatsdienste verdankte, war es doch gerade
Ormea, durch dessen Einfluss und Rathschläge sich Carl Ema-
nuel zu seinem tadelnswerthen Verfahren gegen seinen Vater
hinreissen Hess. Als Kaunitz mit ihm in nähere Berührung trat,
hatte Ormea das 60. Lebensjahr schon überschritten. Er sei
von hoher Gestalt, sagt Kaunitz von ihm, schlank und doch
dabei kräftig; sein Aeusseres müsse ein ehrfurchterweckendes
genannt werden. EigentUch habe er weder sorgfältigen Untor-
41
rieht genossen, noch aus eigenem Antrieb eingehende Studien
gemacht, seine langjährige Routine in Geschilftssachen ersetze
jedoch diesen Mangel. Bewunderungswürdig findet Knunita die
Urtheilskraft Ormua's wie seinen Scharfsinn und seine Arbeit-
samkeit; die Lebhaftigkeit seines Tcmpcrameutes arte jedoch
leicht in übertriebene Hitze aus, dabei sei er rachgierig, voll
Ehrgeiz und voll Verschlagenheit. Alles gehe durch seine
ilände, und um seine Absichten durchzusetzen, bediene er sich
jeglichen Mittels, ja selbst seiner eigenen Fehler, indem er, um
seinen Gegner einzuschüchtern, sich oft aufgebracht stelle, wenn
er es auch in Wirklichkeit gar nicht sei. Ebenso gut wisse
er jedoch auch seine etwaige Gereiztheit zu verbergen und
Gelassenheit, ja Freundlichkeit zu heucheln, wenn er auf solche
Weise leichter imd eher ans Ziel zu gelangen hoffe. Falsche
VertrauUchkeit zu zeigen, sei bei ihm gleichfalls ein häutig an-
gewendetes Mittel, die Gesinnungen Anderer zu erfoi-schen.
Dabei besitze er sehr viel natürliche Beredsamkeit und die
Gabe, rasche und schlagende Antworten zu geben. Widerspruch
bringe ihn leicht in Hitze, und gewiss gehöre nicht wenig
Standhaftigkeit dazu, ihn von einer vorgefassten Meinung ab-
bringen zu wollen. Frühere Gesandte und insbesondere Graf
Traun, der wohl lieber einer Schlacht beiwohne, als sich mit
Ormea in einen Wortstreit einlasse, hiltten dies erfahren.
Als Staatsmann weit vorausblickend, sei er, lässt sich
Kaunitz über Ormea ferner vernehmen, voll von Ideen und
Entwürfen, dürfe jedoch durchaus kein Projectenmacher ge-
nannt werden. Reiflich erwilge er vielmehr alle in Betracht
zu ziehenden UmstUnde, berechne mit Vorsicht, was etwa ein-
treten könne, und liebe es, sicher zu gehen. Im Dienste seines
königlichen Herrn sei er eifrig, ehrlich und uneigennützig;
dies schon darum, weil er die grosse Anzahl seiner Feinde
und Neider kenne und sich von ihnen scharf beobachtet wisse.
Ohnedies schon habe man dorn Könige die Meinung beige-
bracht, Ormea masse sich allzuviel Autoritllt an und wolle ihn
selbst hofmeistem, ja Alles nach seinem eigenen Willen ein
richten, wodurch dem Anschon des Königs zu nahe getreten
werde. Es scheine auch, als ob dessen Liebe zu Ormea im
Erkalten begriffen sei, aber er könne ihn nicht entbehren, da
er Alles übersehe und Eigenschaften besitze, die kaum so leicht
bei einem Anderen anzutreffen sein wtii-den. Durch Ormea's
42
Abgang wUrdo der König vielmehr einen ungemein grossen,
ja unersetzlichen Verlust erleiden. Und auch für Oesterrcich
besitze Ormea eine ganz unschätzbare Eigenschaft. Sie bestehe
darin, dass er, wohl zunilchst in Folge echt italienischer Rach-
gier, die Franzosen wegen ihres Verfahrens während des letzten
Krieges und beim Friedensschlüsse hasse und ausserdem die
Getjihrlichkeit ihrer Anschläge richtig erkenne. Wider sie
könne man sich daher seiner gewiss erfolgreich bedienen.'
So waren die zwei Männer beschaffen, mit denen Kaunitz
zu jener Zeit vorzugsweise zu thun hatte. Seine Lage ihnen
gegenüber gestaltete sich durch die fllr Oesterreich höchst un-
willkommene Wendung, welche gerade damals die gemeinsame
Kriegführung nahm, noch schwieriger. Denn während man in
Wien die Feindseligkeiten mit dem grössten Nachdrucke fort-
setzen und sich möglichst bald eines ansehnhchen Thciles des
Königreiches Neapel bemächtigen wollte, ging Carl Emanuel
von dem bisher verfolgten Plane allmälig wieder ab. Hatte er
schon früher nur wenig Lust zu einer Unternehmung gegen
Neapel gezeigt, so wurde er in dieser Abneigung durch die
bedenklichen Nachrichten, die er aus seinen eigenen Ländern
orhielt, nur noch bestärkt. Von dem AugenbHcke an, in wel-
chem sie nicht mehr daran zweifeln konnte, dass ihr Carl
Emanuel bei der Vollstreckung ihrer Entwürfe nicht aJs Mit-
helfer zur Seite, sondern als Feind gegenüberstehen werde,
kehrte die Königin von Spanien ihren ganzen Unwillen wider
ihn. Gegen seine Länder richtete sie daher die Unternehmung,
zu deren Durchführung ein zweites spanisches Heer, über wel-
ches der Infant Don Philipp den Oberbefehl Übernahm, durch
Sudfrankreich heranzog und bald Savoyen besetzte.
Für Kaunitz war es ohne Zweifel ein peinliches Erlebniss,
dass er schon den ersten Auftrag, der ihm von Wien aus für
seine neue Mission mit auf den Weg gegeben worden war,
das Vordringen gegen Neapel zu beschleunigen, nicht zu er-
f\Ülon vermochte. An rastloser Thätigkeit Hess er es nicht
felJen, F'ast täglich hatte er mit dem Könige von Sardinien
und mit Ormea lange Unterredungen. Unermüdlich zeigte er
sich, ihnen die Gründe tUr einen raschen Vormarsch gegen
> KnnniU an Ulfulilt, 18 März 1743.
U. S. 494— 49U.
Ameth, Gearhickte Marin TboresiM
43
Neapel recht einleuchtend zu machen, und ebenso eifrig war
er, von seinem Jugendfreunde Binder, der ihn einstweilen als
PrivatsecretUr begleitete, hiebei ausgiebig unterstützt, in dem
Bemühen, den Wiener Hof durch häufige und ausf\ihrlichc Be-
richte fortwährend von dem Stande seiner Verhandlungen in
genauer Kcnutniss zu erhalten. Aber der übermllchtigen (Je-
walt der Thatsaehen gegenüber bUebeu alle seine Anstrengun-
gen um so machtloser, als Ormea ihn nicht lang darüber im
Zweifel Hess, dem Könige von Sardinien sei es um die ihm in
Aussicht gestellte Wiedercroberung Siciliens gar nicht zu thun.
Im Mailändischen allein werde er die von ihm so eifrig be-
gelurten Gebictserwerbungen suchen. Und es müsse ihm be-
denklich erscheinen, selbst mithelfen au sollen zur Vergrössening
der Macht des Hauses Oesterreich in Italien und dadurch auch
seinerseits dazu beizutragen, die ohnedies schon vorhandene
Gefiihrlichkcit dieser Niichbarschaft für sein eigenes Land noch
beträchtlich zu steigern.'
Erklärungen dieser Art gaben einen Vorgeschmack von
den Schwierigkeiten, die bei der zweiten Angelegenheit, weiche
damals zwischen Oesterreich und Sardinien ins Keine zu brin-
gen war, der Verwandlung der blos provisorischen in eine de-
finitive Allianz zu übenvindcn sein würden.
Wer sich ein möglichst unbcfangenea Urtijeil über den
■widerstreitenden Standpunkt zu bilden sucht, welchen die beiduu
Verbündeten, Maria Theresia and Carl Emanuel einnahmen,
wird zu dem Resultate gelangen, dass sich für die Meinung
des einen wie des anderen Theiles sehr viel anführen lässt.
Maria Tlieresia musste es als den ersten Zielpunkt ihrer Be-
strebungen betrachten, sich in dem Besitze ihrer Länder zu
behaupten und sich ihrer nicht selbst zu Gunsten eines Anderen,
wer er auch sein mochte, zu entäussem. Das war ja auch der
Hauptzweck ihrer Kriegführung, während die Erlangung eines
Schadenersatzes für das unwiderbringHeh Verlorene für sie erst
in zweiter Linie stand. Darum musste sie vor Allem darauf
ausgehen, jeder nur irgendwie beträchtlichen Schmälerung der
Lombardei zu Gunsten des Königs von Sardinien vorzubeugen,
während dieser gerade darauf angewiesen war, hier und
nicht etwa in Sicilien die begehrte Vergrösserung zu suchen.
' Kauuitz m Maria ThoreBia. Cosoua, II. August 1742.
44
Was anmittelbar angrenzte an den Kern seines Staates, an
Piemont, besass fllr ihn unschätzbaren, hingegen das, was weit
davon entfernt lag und ihm noch überdies, selbst wenn er
sich dessen wirklich bemächtigt hätte, durch die vereinigte See-
macht Frankreichs und Spaniens jeden Augenblick wieder ent-
rissen werden konnte, nur zweifelhaften Werth. Hatte ja doch
sein Vater Sicilien schon einmal besessen, nur um es binnen
Kurzem wieder zu verlieren.
Ueber diesen unleugbaren Gegensatz der beiderseitigen
Interessen hinweg das Bündniss zwischen Oesterreich und Sar
dinien doch in ein definitives umzugestalten, lag nicht nur in
dem Interesse des einen wie des anderen Staates, sondern
wurde auch noch von dem angesehensten Alliirten Beider, von
England, mit ganz besonderem Eifer betrieben. Denn erst,
wenn jenes BUndniss, so meinte die britische Regierung mit
Recht, die erforderliche Festigkeit gewinne und sich nicht
jeden Augenblick in sein Gegentheil verwandeln kOnne, ver-
möge es auch die erwünschte Wirkung hervorzubringen und
den bourbonischen Höfen zu empfindlichem Nachtheil zu ge-
reichen. In Wien wie in Turin arbeitete daher England mit
Nachdruck auf den Abschluss der definitiven Allianz hin, aber
freilich stellte es sich, was den Kaufpreis betraf, der Oester-
reich hiefür zugemuthet wurde, fast rttckhaltslos auf die Seite
des Hofes von Turin.
Für Kaunitz, dessen kluges und besonnenes Auftreten
ihm die vollste Zufriedenheit seiner königlichen -Herrin erwarb,'
war es ohne Zweifel ein erfreulicher Umstand, dass in Folge
dieser lebhaften Theilnahme Englands die Verhandlungen zur
Zustand ebringung eines definitiven Bündnisses zwischen Oester-
reich und Sardinien nicht in Turin, sondern zwar zum Theile
in Wien, aber mehr noch in England gepflogen wurden, wo
Oesterreich durch einen seiner erfahrensten Diplomaten, Ignaz
von Wasner, vertreten war. Die Obliegenheit des Grafen
Kaunitz erstreckte sich daher eigentUch nicht weiter, als auf
* Maria Theresia au Kaunitz, 16. September 1742. .Wir glauben andntch
Alles zu erschöpfen, was Dir zu Deinem weiteren Verhalt su wissen
nöthig ist, auch nicht minder Unsere gnädigste Zufriedenheit mit Deinem
bissherigen vorsichtigen und remänftigen Betrag Dir sattsahm so erkennen
zu geben.*
45
den König von Sardinien nnfl Orniea im Sinne der Instructio-
nen einzuwirken, welche Wasner von Wien aus erhielt, und
die daher gleichzeitig auch dem Grafen Knunitz mitgetheilt
wurden. Und auch hiezu ergab sich um jene Zeit, im Spät-
herbste des Jahres 1742, nicht viel Gelegenheit. Ciirl Emanuel
war nach Savoyen gegangen, um an <Jrt und Stelle die mili-
tilrischen Unternehmungen zur Vertreibung der Spanier aus
diesem Lande zu leiten. Kaunitz folgte ihm zwar, aber wegen
der Schwierigkeit, dort Unterkunft zu erhalten, wo der König
und seine Truppen sich eben befanden, musste er durch melirore
Wochen in Aosta verweilen. Von hier begab er sich nach
Moutiers, und am 22. October sali er nach längerer Unter-
brechung den König in Montmölian wieder, wo dieser, nach-
dem die Vei-treibung der vSpanier aus Savoyen gelungen war,
sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte. In dem Dorfe Cruet,
das etwa eine Stunde von jener Stadt entfernt liegt, wohnte
Kaunitz, und fa.st tilglich begab er sich von dort nach Mont-
mölian, um mit Carl Emanuel zusammenzukommen, bis sie end-
lich Beide am 26. October in Chamb^ry eintrafen, wo Kaimitz
nun durch etwa zwei Monate mit wenig Unterbrechungen ver-
weilte, während der König wieder nach seinem Hauptquartier
Montmt^lian zurückging.
Dorthin hatte sieb also Kaunitz jedesmal zu begeben,
wenn er Carl Emanuel und Ormea sprechen und sich ihnen
gegenüber der ihm von Wien aus zukommenden Aufträge ent-
ledigen wollte. Die naclidrllcklichc Fortführung des Krieges
gegen Spanien und Neapel, der Abschluss des deJinitiven Bünd-
nisses zwischen Oesterreich und Sardinien standen bei diesen
Erörterungen in vorderster Reihe. Aber auch noch andere
zum Theile sehr wichtige Angelegenheiten, wie das Anerbieten
Englands, ein von GraubUndtcn zu stellendes Truppencoq)s zu
Gunsten der Alliirten iu Sold zu nehmen, und die hiemit in
Verbindung stehende Erneuerung der mailäudischen Militär-
capitulationen mit Graubündten kamen hiebei zur Sprache, und
eigenthümlich war es, dass diese Sache nicht etwa als blosse
Gelilfrage erschien, sondern dass sehr beachtenswerthe politische
und religiöse Interessen hiebei ins Spiel kamen. England wollte
diesen Anlass benützen, um für die Verbreitung des Protestan-
tismus im Veltlin f^irdernde Zugeständnisse zu erlangen, wäh-
rend die Graubündtncr selbst sich mit der Zusage, dass die
46
im Veltlin sowie in den Grafschaften Bormio und Chiavenna
begüterten Reformirten sich dort ungehindert aufhalten dürften,
sowie mit der Erwirkung einer genauen Abgi-enzung der geist-
lichen Jurisdictionsreohte des Bischofs von Como, um etwaige
Uebergriflfe desselben hintanzuhalten, begnügen zu wollen
schienen.
Diesem einen Begehren war Maria Theresia geneigt und
redete ihm in Rom das Wort, während sie auf das andere
nicht eingehen zu können erklärte. Hierin stimmte ihr der sar-
dinische Hof in entschiedenster Weise bei, und Ormea, welcher
mit dem päpstlichen Stuhle stets das beste Einvernehmen auf-
recht zu erhalten suchte, wurde nicht milde, den üblen Ein-
druck zu schildern, den eine ErftlUung dieses Begehrens in
ganz Italien hervorbringen mUsste. Es scheine ihm, erklärte er
dem Grafen Kaunitz, viel Wünschenswerther zu sein, dass Eng-
land sein Geld für sich behalte, als dass es dasselbe nur unter
Bedingungen hergebe, über deren schädliche Wirkungen man
sich keiner Täuschung hingeben dürfe. Auch ohne England
werde man schon noch Mittel finden, an das erwünschte Ziel
zu gelangen.'
Freilich gewinnt es den Anschein, diese von sardinischer
Seite abgegebene Erklilrung sei kaum ernst gemeint gewesen.
Denn gerade der Turiuer Hof war es ja, welcher der Krieg-
fi'üirung in Italien eine noch grössere Ausdehnung zu geben
und sie nicht nur gegen Spanien und Neapel, sondern auch
direct wider Frankreich gerichtet zu sehen wünschte, dem
gegenüber er sich noch immer in einem fi-eilich nur schein-
baren Neutral itäts Verhältnisse befand. Mit umso grösserem Rechte
wird es ein nur scheinbares genannt werden dürfen, als die
spanischen Truppen, welche aus Savoyen auf französisches Ge-
biet zurückgewichen waren, dort allen nur immer erdenkbchen
Vorschub erfuhren, um recht bald und mit Aussicht auf Erfolg
wieder die Offensive gegen das kleine Heer des Königs von
Sardinien ergreifen zu können.
Hiezu kam es denn auch binnen kürzester Frist und unter
Umständen, welche für Carl Emanuel recht ungünstige waren.
In der tuiwirthliehen Hochgebirgsgegend, in der sich dieser mit
seinen Truppen befand, tritt der Winter gar frühzeitig ein und
' KauniU au Maria Thereiia. Cli«mb£ry, 21. November 1743.
bringt flir diejenigen, welche kriegerische Unternehmungen
durchführen sollen, vielfache Drangsale mit sich. Gegen Ende
des Jahres 1742 war dies in noch höherem Masse als gewöhn-
lich der Fall. 8chon im November herrschten eiskalte Regen-
güsse, denen empfindlicher Frost folgte. Die Soldaten, welche
fortwährend auf der Hut vor einem etwaigen Ueberfalle des
nahen Feindes sein musstcn, litten schwer unter dieser Uubill
des Wetters. Ihre Reihen wurden durch Krankheiten, und noch
überdies durch Desertion gelichtet, welche insbesondere in den
schweizerischen Kegimentern sehr überhandnahm.
Die Spanier versäumten es nicht, von dieser flir sie vor-
theilhaften Sachlage Nutzen zu ziehen. Sie standen unter dem
Befehle eines tüchtigen und unternehmenden Generals , des
Marques de Las Minas, der an Stelle des Grafen von Qliraes,
welchem man in Madrid wegen seines Rückzuges aus Savoyen
grollte, an ihre Spitze getreten war. Die Vermiithung, der
sich auch Kaunitz hingab, trotz dieser Veränderung im Ober-
befehle sei von Seite der Spanier wenigstens vorderhand nichts
zu besorgen, erwies sich als irrig. Als Kaunitz dies nieder-
schrieb, waren die Spanier, ohne dass er darum wusste, schon
in Bewegung. Um nicht in ihre Hände zu fallen, wichen Kaunitz
und der englische Gesandte Villettes vorerst nach Annecy zu-
rück,' dann aber begaben sie sich, von Carl Emanuel zu sich
berufen, in dessen Hauptquartier nach Montm^lian.
Kaunitz fand den König in grösster Bestürzung und Be-
trUbniss, aber doch nicht entmuthigt. Er sah ein, dass er sich
im Irrthum befunden habe, als er es xmternahm, mit verhillt-
nissrnftssig geringer Heeresmacht ein durch keine Festungen
geschütztes Land den Winter hindurch gegen einen überlegenen
Feind behaupten zu wollen, und dass ihm, wenn er sich nicht
noch grösserem Unglücke aussetzen wolle, nichts übrig bleibe,
als mit seinen Truppen nach Piemont zurückzugehen. Kaunitz,
den er hierüber zu Rathe zog, vermochte gegen diesen Vorsatz
gleichfalls keine Einwendung zu erheben. Er beschränkte sich
Kannits an Maria Theresia. Chamböry, 17. December 1742: .Uebrigens
hat ea rwar das Aiiaohen bisahero gehabt, e.i würden die Spanier nach
Ankunft ilires neuen commandirenden Generalen etwas liauptsäcliliclies
unternehmen wollen; allein da nie »o lang zugewartet und annoch in
ihrem alten Lager campireii, so hat es dermahlen gar kein ansehen
mehr, da«« etwas von ihnen an besorgen seye.'
tlnrauf, der Erwartung Ausdruck zu verleihen, der König werde
die Streitkräfte, die er nun aus Savoyen zurückziehen müsse,
mit um so grösserem Nachdrucke gegen das andere spanische
Heer verwenden, das sich wider ihn im Felde befand.'
Am 28. December verliess Kaunitz Montmchan. Ueber
den Mont Cenis nach Turin zurllckkebrend, traf er am 1. Januar
1743 daselbst ein. Zwei Tage später war auch der König wieder
in Turin.
Kaunitz stellte es nicht in Abrede und Hess auch seinen
Hof nicht darüber in Zweifel, dass der savoyische Feldzug, der
so glücklich begann, als verloren gelten mUsse und der König
hiebei fast den dritten Theil seiner Armee eingebüsst habe.'
In der Zurückziehung der sardinischen Tmppeu aus Savoyen
nach Piemont erblickt er jedoch kein Unglück, sondern eher
einen Vortlieil. Denn so lang der König, so meinte er, in jenem
Lande festen Ftiss besessen und geglaubt habe, es vertheidigen
zu können, würde er kaum dazu zu bringen gewesen sein, die
Mehrzahl seiner Streitkräfte zu offensiven Unternehmungen
gegen die spanische Hauptmacht zu wenden, welche nicht mehr
unter dem Herzoge von Montemar, sondern unter dem Grafen
von Gages um Bologna concentrirt war. Hievon aber httnge
der Ausgang des Krieges in Italien doch eigentlich ab. Gelinge
es, die Spanier aus ihren Stellungen, ja aus ganz Italien zu
vertreiben, so sehliesse dies auch die Wiedergewinnung Savoyens
in sich.'
Allerdings riefen die Vorstelhmgen, welche Kaunitz in
diesem Sinne an Carl Emanuel richtete, zunächst nur dessen
analoges Begehren hervor, die Königin von Ungarn möge ihre
eigenen Streitkräfte in Italien ansehnlich verstärken und ausser-
dem die Hand bieten zum Abschlüsse der definitiven Allianz,
dann, aber auch nur dann werde man sich sardinischerseils
den gemeinsam auszuftihrcnden Offensivuntemehmungen nicht
widersetzen.* Gern hätte Maria Tlicresia wenigstens dem er&teron
Verlangen in ausgiebigstem Masse willfahrt, aber die gleich-
zeitige Kriegführung in Deutschland nahm ja die Mehrzahl
ihrer Truppen vollauf in Anspruch.
' Kaunits tax Maria Theresia. MontmiSliau, '28. December 1743.
* Ksnnitz an Maria Theresia. Tnrin, 6. Januar 1743.
* Kminitz an H.nria Thnreoia. Tnrin, 12. Jniiii.ir 1743,
' Kiiiiiiitr. .in Maria Tlicresia. Turin, 23. um! 2fi. Januar 1743
49
Während dieser Erörterungen von Cabinct zu Civbinet
that ein kühner Schwertstreich auf dem Kriegsschau])latze das
Beste. Am 8. Februar 1743 schlug der Feldmarschall Graf
Traun den gegen ihn heranziehenden Grafen von Gages bei
Camposanto vollstUndig aufs Haupt.
Seit seiner Rückkehr aus Savoyen hatte sich Kaunitz von
der üblen Wirkung, welche die dort ausgestandenen Strapatzen
auf seine Gesundlieit ausübten, nicht recht erholen können.'
Sonderbarerweise hatte man in Turin zwar bald die Nachricht,
! zwischen Traun und Gages sei eine Schlacht geliefert worden,
' aber längere Zeit hindurch keine Mittheilung über ihren Aua-
! gang erhalten. In peinlichster Spannung harrte Kaunitz einer
I solchen, und schon begann er das Aergste zu besorgen, als
i endlich am 11. die Siegeskunde eintraf. Trotz der Mattigkeit,
j welche die kaum überstandene Krankheit bei ihm zurUckge-
' lassen hatte, eilte Kaunitz zum Könige, ihn zu beglückwünschen
I und um thatkrUftigen Beistand anzugchen, auf dass man aus
I dem glänzenden Erfolge, den man errungen, auch ausgiebigen
I Nutzen zu ziehen vermöge. Aber weder von Carl Euianuel,
, noch von Ormea erhielt Kaunitz die von ihm gehoffte Antwort.
Die sardinischen Truppen seien allerdings befehligt, erklärten
j übereinstimmend Beide, dem Grafen Traun zur Ausbeutung des
Sieges behilflich zu sein und zu diesem Ende mit seinen Truppen
I gemeinsam dem Feinde einige Märsche hindurch auf dem Fusse
I zu folgen. Dann aber würden sie wieder zurückgezogen werden
( und sich vor Abschhiss der definitiven Allianz auf Offensiv-
operationen nicht einlassen.'
Kaunitz war mit seinen Vorstellungen bei dem Könige
I und bei Ormea den Aufträgen zuvorgekommen, die man von
Wien aus ihm zusandte, nachdem dort die Nachricht von dem
Siege bei Camposanto eingetroffen war. Nach Empfang dieses
Rescriptes •'' drang er neuerdings in Carl Emanuel, aber ohne
besseren Erfolg.* Ja Kaunitz sprach seiner Regierung gegen-
über die Meinung aus, so lang die Fortdauer der Kriegfldirung
in Deutschland eine ansehnliche Verstärkung der österroichi-
' Kaoitite an Maria Theresia. Turin, 9. Fobrnsir 1743.
' Kaunitz au Marin Tlieriwia. Turin, U>. Fobrnar 1743.
» Wien, 17 Februar 1743.
* Kannitz an Maria Tlierosia. 3. MKn 1743.
AnbW. LXnVin. Bd. I. Hilft«.
sehen Armee in Italien unmöglich mache, sei auch nach dem
etwaigen Abschlüsse der definitiven Allianz eine krslftigc Mit-
wirkung Sardiniens an Oifensivoperationen gegen die spanische
Armee unter Gages nicht zu erwarten.'
Noch weiter als Kaunitz ging der englische Gesandte
Villettes, ein kleiner, verwachsener, vordringlicher Mensch, von
französischen Eltern abstammend und in Piemont naturalisirt,
dem Minister Orraea bhndlings ergeben und von ihm mit Vor-
liebe als Werkzeug gebraucht. Während des Winterfeldzagcs
in Savoyen glaubte sich Villettes aus Anlass eines Irrthunis,
der sich bei der gemeinschaftlichen Ankunft in C'hamböry durch
Zuweisung der ftlr ihn bestimmten Wohnung an Kaunitz zuge-
tragen hatte, durch diesen verletzt, und er machte den Versuch,
sicli für die vermeintliche Zurücksetzung, die er erfahren, durch
belfidigendes Benehmen an Kaunitz zu rftchen. So fnig er ihn
einmal, als von dem etwaigen Transporte spanischer Truppen
zur See die Rede war, in (Gegenwart Ormea's, ob er denn
glaube, dass die Kriegsschiffe des Nachts in Gasthausem ein-
zukehren pöegten. Aber Villettes war damit an den Unrechten
gekommen; mit stolzer Killte und mit so vernichtender Ueber-
legenhoit wies ihn Kaunitz in seine Schranken zurllck, dass
er es seither nicht mehr wagte, sie ihm gegenliber neu
dings zu überschreiten. Und obgleich Kaunitz dies in Abr
stellte, scheint doch auch in seinem Gemüthe die Abneigung
gegen Villettes vorherrschend gewesen zu sein; die Liste der
üblen Eigenschaften, die er ihm zuschreibt, lilsst wenigstens
hierauf schliessen. Er nennt ihn der Reihe nach ,falsch, geizig,
ränkesüchtig, geschwiltzig, horht'ahrtind. aufbrausend, höhnisch
und grob'. Intriguen anzuspinnen und durchzuführen, darin
liege seine eigentliche Stärke. So unbedingt stehe er unter dem
Einflüsse Ormea's und auf so ,niedertrilchtigc Art' trachte er
dessen Beifall zu erwerben, dass man darauf zählen dürfe.
Alles, was man ihm anvertraue, werde er baldigst an ürmea
weiter berichten.'
Es lag nahe, auf die V^ermuthung zu gerathen, dass auch
das Umgekehrte der Fall sein und < 'rmea sich des englischen
' Kannitx nii Maria Tliereiiia. Tnriii, 18. hiHrr. 1743.
* Eifjonliändiges Schreiben des Grafen KanniU an den Qrafen UlfeldL
Turin, 18. Mürz 174». Die auf VilleUeR bezliirliche Stelle iat abgedraclit
bei Artioth, Cieacliicbte Marin Tberusias II, H. Säi.
61
Gesandten bedienen könnte, wenn er an irgend Jemand eint
Warnung gelangen lassen wollte, welche persönlich auszusprechen
er sich scheute. Und darum verdient es wohl besondere Be-
achtung, dass Villettes wiederholt die Behauptung vorbrachte,
es könne sich gar leicht ereignen, dass Carl Emanuel, wenn
Maria Theresia sich nicht zur Abtretung der Tom Turiner Hofe
geforderten sehr betrilchtlichen lorabardischen Gebietstheile her-
beilasse, sich plötzlich auf die Seite der bourbonischen Höfe
schlage und gemeinschaftlich mit ihnen auf die gänzliche Ver-
treibung des Hauses Oesterreich aus Italien hinarbeite.
Dass ein solches Ereigniss höchst wahi-scheinlich diese
Wirkung nach sich ziehen würde, darüber gab man sich auch
am Wiener Hofe keiner Täuschung hin.* Aber man ging dort
von der Meinung aus, man habe schon so viel angeboten, dass
der Kest, ausser wenn man mit vollster Bestimmtheit auf den
Besitz Neapels rechnen könnte, mehr zur Last als zum Nutzen
sein würde. Und ausserdem könne ja Sardinien diesen Abfall
nicht vollziehen, olme sich dem Joche des Hauses Bourbon
freiwillig zu unterwerfen.
Gewiss lag gerade in dieser Thatsache der Schlüssel des
jlmzen bisherigen Verfahrens des Hofes von Turin. Auch Kau-
nltz war von der Gewalt dieses Beweggrundes durchdrungen.
So schwer es auch hielt, auf seinem schwierigen Posten und
bei den durchtriebenen Leuten, mit denen er es zu thun hatte,'
Ernstgemeintes von listiger Finte zu unterscheiden, so betrachtete
er doch all' die Kundgebungen, welche im entgegengesetzten
Sinne an ihn gelangten, nur als Schreckschüsse, durch welche
er vermocht werden sollte, seiner Regierung einen P.irteiwcchscl
des Königs von Sardinien als wahrscheinlich zu schildern und
sie hiedurch zur Einwilligung in alle Begehren desselben zu
drängen. Aber so wenig er auch an einen förmlichen Uebertritt
des Turiner Hofes zur Gegenpartei glaubte, für so wUnschens-
wcrth hielt er doch die thunlieiiste Befriedigung desselben.
Denn nur durch aufrichtiges Einvernehmen und thatkrälftiges
' Maria Tliere«iA au Kaunitz (von Bartenstein's Hand): ,. . . Mrie Wir dann
ganz wollt begreifen, dusa der Sardinixuho Absprung den Verlust Unserer
Italiäni.ichen Lllndor nacli sirfa ziehen würde.'
* Kaunitz an Ulfeldt. 18. MSrz 1743: .Indessen erkenne ich g;ar wohl . . .,
da«s ich es mit i;e(SlirIichen Leiithun zu thun habe and mein Oesandt-
schaftspoJiten eben nicht der angenohnisto scyo . . .'.
4«
62
Zusammenwirken beider Höfe und Englands könne, meinte
Kaunitz, der Krieg in der Weise zu Ende geführt werden,
dass man durch ihn zu dem allseits erwünschten Ziele gelange.
Hiezn sei jedoch eine Verstftndigung über die gegenseitig ios
Auge gefassten Vortheile ganz unerlUsalich. Die Erwerbung
Neapels durch das Haus (Jesterrcich werde sich nie der auf-
richtigen Sympathie Englands erfreuen. Denn es gehe ja auch
nur auf seinen eigenen Vortheil aus, und da passe es ihm denn
ganz in den Kram, den jüngeren Zweig des spanischen Könij
hauscs in der Herrschaft über Neapel zu belassen. Bei die
Gestaltung der Dinge befinde sich England fortwährend in der
günstigen Lage, Spanien an einem schwachen Punkte, deren
es sonst nur wenige darbiete, zu fassen und es durch stete Be-
drohung zu zwingen, sich für die Wünsche Englands nach-
giebig zu erweisen. Denn die herrschsüchtige Königin von
Spanien werde eher diesem Lande allen möglichen Schaden
zufügen, als etwas geschehen lassen^ wodurch ihr Sohn Gefahr
laufen könnte, aus Neapel und Sicilicn vertrieben zu werden.
England scheine daher in ItuHen einen dreifachen Zweck
zu verfolgen. Dem von ihm vollstiindig abhUngigen Sardinien
wolle es einen uauiliafkcn Machtzuwachs verschaffen. Die
Königin von Ungarn trachte es in der ungewissen UoSiiuug
auf Erwerbung des Königreiches Neapel zu erhalten und sie
hiedurch um so leichter zu beti-ächtlichen Abtretungen an Sar-
dinien! zu bringen. Spanien aber solle durch die Furcht, sich
bald ganz aus Italien vertrieben zu sehen, zu einem für Eng-
land günstigen Frieden gezwungen werden.
Sollte er sich jedoch, fuhr Kaunitz fort, in diesen Vor-
aussetzungen täuschen und England, wie es ja fortwährend
versichere, zur Vertreibung des bourbonischen Königshauses
aus Neapel und Sicilien die Hand bieten wollen, dann werde
es den Besitz dieser Königreiche nicht Oesterreich zudenken,
sondern dahin trachten, sie anderwärts zu vergeben. Es habe
Iiiebci wahrscheinlich den Kaiser Karl VH. und das kurfürst-
lich bairische Haus im Auge, dessen Stammlande hiefÜr Oester-
reich zuzufallen liJitten. Dem Kaiser sowohl als Oesterreich
könnte eine solche Vereinbarung nur annehmbar sein. Dem
Kaiser, weil sein Haus hiedurch eine Königskrone und seine
Macht eine ansehnliche Vennehrung erhielte. Oesterreich aber,
weil hiedurch sein Besitz in Deutscliland ausgedehnt und sicher-
53
gestellt, ein geßlhrlicher Nachbar und Nebenbuhler im Besitze
der Kaiserkrone aber dauernd entfernt würde.*
In einer zweiten, nicht viel später entworfenen Denkschrift
verbreitete sich Kaunitz noch weitläliifiger über diesen letzteren
Gedanken.* Jetzt sprach er es geradezu aus, es lasse sich kein
vollkommenerer und besserer Friodcnspliin ersinnen, als der in
der viilligen Vertreibung des Hauses Rourbon aus Italien be-
, stehe. Neapel und Sicilien sollten dem Kaiser zu Tbeil, Baicrn
' mit Oesterreich vereinigt, die noch weitergehende Schadlos-
haltung für den Verlust Schlesiens und die Abtretungen in der
, Lombardei aber in Gebictstheilen gesucht werden, die man mit
, vereinigten Kräften Frankreich abnehmen müsse.
Das Iljuiptgowicht legte Kaunitz auf die ganz unvergloieh-
lichen Vortheile, welche nach seiner Meinung die Erwerbung
Baienis für Oesterreich nach sieh zöge. Denn die Stilrke und
Wohlfahrt des Erzhauses beruhe, so Hess er sich vernehmen,
auf der Erhaltung und Vermehrung seiner deutschen Erblandc.
Sie mUssten als der Kern der Monarchie und als die Quelle
betrachtet werden, aus welcher den übrigen, entfernteren
Gliedern Nahrung und Kräfte zuflös.sen. Nur das deutsche Land
Baiem vermöge für den Verlust des deutschen Landes Schlesien
■ einigen Ersatz zu gewähren. Allerdings wilre auch die Erwerbung
Neapels nicht schon von vorneherein zu verwerfen, und zur Er-
reichung dieses Zieles dürfe keine Anstrengung gescheut werden;
mit der von Baiern sei sie jedoch in gar keiner Weise zu ver-
I gleichen. Die Höhe der Einkünfte käme hiebei nur wenig in
Betracht. Aber Neapel sei weit von den übrigen Ländern der
österreichischen Monarchie entfernt, stets der Gefahr eines An-
griffes von Seite der bourbonischen Mächte ausgesetzt und ver-
wickle die Erblande selbst in eine solche. Wenn man zu be-
rechnen vermöchte, was Neapel, so lang es unter österreichi-
, scher Herrschaft stand, gekostet und geschadet habe, so wüi-den
diese Ausgaben und Nachtbeile wohl nur wenig hinter den Ein-
künften zurückbleiben. Um Neapel zu behaupten, bedürfe
Oesterreich stets des Beistandes der britischen Seemacht, und
' Oieae Denkschrift dea Grafen Knuuitz tat Oberschrieben: ,Bohe OetUnken
und Reflexionen über den Zastaud von Italien.* Sie liegt bei dem Be-
richte vom 18. März 1743.
* Sie liegt unter der Aufschrift: .Fernere Gedanken' gleichfalls bei dem
Berichte vom 18. MKrz 1743.
54
es würde sich dadurch zur fortwährenden Abhängigkeit von
England verurtheilt sehen.
Aber nicht nur Oesterreich, sondern auch dem Kaiser und
seinem kurfürstlichen Hause, fuhr Kaunitz voll Eifer fort, sowie
England und Sardinien könnte eine solche Vereinbarung wohl
nur willkommen sein. Seufze man ja doch in dem Hause Baiem
längst nach einer königlichen Krone, und schon einmal, zur
Zeit des Utrechter Friedens habe sogar Frankreich den Aus-
tausch Baierns gegen Neapel und Sicilien in Vorschlag ge-
bracht. Jetsst sei Baiern erschöpft und für viele Jahre zu Grunde
gerichtet; der Kaiser befinde sich zu Frankfurt in bedauems-
werther Lage, und er werde allmälig einsehen, dass seine
bisherigen Projecte nicht durchführbar seien. Wolle er sich aus
dem Labyrinthe, in das er gerathen sei, und von dem Joche
Frankreichs befreien, auch bald zu erlangende Ruhe und ge-
wiss zu erreichende Vortheile nicht weit aussehenden chimäri-
schen Projecten hintansetzen, endlich die Wohlfahrt des Reiches
nur einigermassen beherzigen, dann sollte wohl die unzeitige
Dclicatesse, seinen bisherigen Bundesgenossen nicht zu verlassen,
keinen Stein des Anstosses abgeben.
Das deutsche Reich zöge aus einer solchen Vereinbarung
den ganz unschätzbaren Gewinn, dass es nicht neuerdings, wie
dies nun binnen vierzig Jahren zweimal geschah, durch ein
HUndniss Baierns mit Frankreich zerrüttet und an den Rand
des Verderbens gebracht werden könnte. England und Holland
würden ihren Handel nach Italien und der Levante nicht nur
sicherstellen, sondern in noch weit grösseren Flor bringen
können. Sardinien endUch müsste die Vertreibung des Hauses
Bourbon zu grösstem Vortheil gereichen, denn ohne sie be-
finde es sich zwischen zwei mächtigen Feinden, von denen
es, wenn ihm einmal Oesterreich nicht beistehen könnte oder
wollte, gar- bald verschlungen werden würde. Ueberdies könnte
man ihm Parma und Piacenza zuweisen und ihm hiedurch
einen weit grösseren Gewinn zu Theil werden lassen, als es in
der Erwerbung der Insel Sicilien fände.
Einen eigenthUmlichen Verdacht sprach übrigens Kaunitz
bei dieser Gelegenheit aus, welcher, wenn er sich gegründet
erwiesen hätte, die ganze Combination wieder über den Haufen
geworfen oder sie wenigstens für Oesterreich zu einer nach-
theiligen gemacht haben würde. Ormea beschäftige sich, so
55
einte er, mit dem Gcrinnkcn, ilcin kiirftlrstlioh bairischon
Hause Neapel und yicilien, dem Könige Carl Emanucl hingegen
"bei Belassiing seines gegenwärtigen Hesitzstuiifles ganz Baiern
«uzuwcndon. Festen Fuss in Deutscliland und wohl gar eine
kurTürstlicho Würde zu erwerben, hiezu dürfte das Haus Sa-
Toyen wohl im Laufe von Jalirhnndfntcn keine Gelegenheit
mehr finden; es werde daher die jetzige nicht unbenutzt vor-
übergehen lassen wollen. Aber freilich dUrfc man nicht glauben,
dass Ormea auf Verwirklichung eines so schwer durchzufiihren-
don Projectes mit einiger Bestimmtheit zähle. Er werde viel-
mehr je nach der Gunst oder tlcr Ungunst der äusseren Um-
stünde sein Begehren steigern oder verringern und daher im
Nothfallc auch dem Plane einer Erwerbung Baierns entsagen
und sich mit einer solchen auf italienischem Gebiete begnügen.
Für nothwendig hielt Kaunitz, dass, ehe man sich noch
mit Baiern einlasse und ihm Aussicht auf Erwerbung Neapels
und Siciliens eröffne, man mit England und Sardinien einig
werde, welches Aequivalent dieser Staat für 8iciiion erhalten
und wem Baiem zufallen solle. Denn gelange man hierüber
nicht schon im Voraus zu feststehenden Abmachungen, so werde
die Begehrlichkeit Sardiniens keine Schranken mehr kennen.
Trotz den sich mehrenden Anzeichen, dass Sardinien ins-
geheim auch mit Frankreich und Spanien unterhandle, blieb
Kaunitz doch dabei, einen giluzliehcn Abfall dieses Staates füi-
Lochst unwahrscheinlich zu haiton. Er stützte seine Meinung vor-
nelimlich auf das innige Einver-sUlndniss Sardiniens mit England
und auf den unbestreitbaren Umstand, dass die britisciicn
Handelsinteressen, welche kein Ministerium, ohne sich der
grössten Verantwortlichkeit auszusetzen, vcrnachlilssigen dürfe,
einer Aenderung der bisherigen Politik Englands in Italien
widersti-ebten. Aber durch Alles, was von Seite Englands ge-
schali, fühlte er sich stets neuerdings in der Ansicht bestärkt,
England habe entw^eder nie ernstlich daran gedacht, Neapel
dem Hause Bourbon zu cntreissen, oder dieses Königreich sei
für jemand Anderen als Maria Theresia bestimmt.'
In Wien war man mit der ganzen Haltung dos Grafen
Kaunitz, mit der Schärfe seiner Beobachtungen und mit der
Klarheit seiner Berichte äusserst zufrieden. Indem man ihm
> Kannitz tu Maria Theresia. Turin, 30. März 1743.
56
dies kundgab und ihn aufforderte, fortzufahren in seinem bis-
herigen Betragen, fügte man gleichzeitig hinzu, dass selbst wenn
das Gegentheil seiner Voraussetzungen eintreffe, ihm hieraus
nicht die geringste Verantwortung erwachse. Denn nur zu oft
ereigneten sich jetzt Dinge, die man in früheren Zeiten für
unmöglich gehalten habe. Und nach wie vor betrachte man
als ein kleineres Uebel, in Italien gar keinen Besitz mehr, als
einen so geringen zu behaupten, dass er mehr zur Last als
zum Nutzen gereichen würde.*
In den wärmsten Ausdrücken dankte Kaunitz ftlr die ihm
zu Theil gewordene Billigung seines Verfahrens. Seitdem ihm,
schrieb er an den Hofkanzler Ulfeid t,* die Versicherung zu-
gekommen sei, dass er nicht nur auf der von ihm eingeschla-
genen Bahn beharren, sondern bei einem sich etwa einstellen-
den widrigen Ereignisse jeder Verantwortung enthoben sein
solle, sei sein Gemüth ,aller heimlichen Sorgen' entledigt imd
nur von dem eifrigen Bestreben durchdrungen, seiner könig-
lichen Herrin nach Massgabe seiner schwachen Kräfte erspriess-
liche Dienste zu leisten.
Man darf sich nicht darüber wundern, dass der von Eaanitz
mit so viel Eifer verfochtene Plan einer Verpflanzung des kur-
fUrstUch bairischen Hauses nach Italien und einer Vereinigung
seines Landes mit Oesterreich am Wiener Hofe den wärmsten
Sympathien begegnete. Indem man ihn jedoch hier aufgrüF
und ihn zum Gegenstande diplomatischer Verhandlungen, vor-
erst mit England machte, glitt man nur allzu leicht über Be-
denken hinweg, die sich doch schliesslich als entscheidend er-
wiesen; die Verlockung der Erlangung der Eönigswürde und
grösserer Einkünfte konnte doch nie stark genug sein, um
Karl Vn. so weit zu bringen, dass er seine uralten Stammlande
gegen ein Königreich vertausche, welches ihm und seinem
Hause vollkommen fremd war. Und wie wäre die Beibehaltung
der KaiserwUrde, die ihm einen noch höheren Rang als den
eines Königs verlieh, mit völliger Besitzlosigkeit auf deutschem
Gebiete zu vereinigen gewesen?
Entscheidender noch, weil von ungleich mächtigerer Seite
ausgehend, war die Einsprache, welche England gegen einen
' Maria Theresia au Kaunitz. 13. April 1743.
' 27. April 1743.
derartigen Plan erhob. Mit seinem eigenen Interesse wäre dieser
zwar kaum in Widerstreit gcrathcn, aber es liess sich wohl
mit Bestimmtheit erwarten, der König von Preussen werde eher
neuerdings die Waffen ergreifen, als eine solche Vcrgrösserung
der Macht Oesterreichs in Deutschland zugeben. Nichts aber
meinte man in England sorgfilltiger, als den erneuerten Aus-
bruch eines Krieges zwischen Oesterreich und Preussen ver-
meiden zu müssen.
Auch in Holland, das sich in der Spaltung, welche da-
mals fast ganz Europa in zwei Lager schied, nun mit mehr Nach-
druck als zuvor auf die Seite Oesterreichs und Englands stellte,
waren die gleichen Anschauungen bei Weitem überwiegend. Es
brachte also keinen Nutzen, dass Kaunitz bei Ormea ziemlicher
<Jcneigtheit zur Verwirklichung seines Planes begegnete. Aber
freilich erklärte sieh <^rmea zugleich mit sehr grosser Leb-
haftigkeit gegen dessen Vermengung mit dem Abschlusse der
definitiven Allianz, welcher hiedurch eine neue und beklagens-
werthe Verzögenmg erleiden würde. Durch eine solche treibe
man den König dazu, sich in die Arme Frankreichs und
Spaniens zu werfen, deren Anerbietungen wahrhaft glänzende
genannt werden müssten. Die Annahme derselben zu vereiteln,
habe er das Aeusserste gethan; lang werde jedoch sein Wider-
stand den IJebertritt des Königs zu den Bourbonen, wenn
Oesterreich sich nicht baldigst zur Erfüllung seiner Begehren
herbeilasse, nicht mehr aufhalten können.'
Auch die Zustimmung des sardinischen Hofes zu dem
Projecte einer Verpflanzung de.s kurfürstlich bairischen Hauses
nach Italien dauerte nicht lang. Da man die früheren Aeusse-
rungen der Sympathie für diesen Plan nicht ableugnen konnte,
verhielt man sich, nachdem Englands Gegenerklärung bekannt
geworden, ihm gegenüber schweigend. Unter Vorwänden aller
Art trachtete Ormea jedes Zusammentreffen mit Kaunitz zu
vermeiden. Der König aber gab ihm deutlich zu verstehen,
dass er keineswegs gemeint sei, um dieser Sache wilJen die
Freundschaft Englands zu verscherzen.*
Die ungemeine Beflissenheit des Königs von Sardinien, es
nur ja nicht mit England zu verderben, mochte Kaunitz neuer-
• Kaunitz nii Mnrin TlierOHia. Turin, 4. Augiut 1743.
* Kauuitz au Maria Tliereiiia. Turin, lU., 14. ni;d 'i'i. Augujit 1743.
58
dings in der Meinung bestärken, die er inimer vertreten hatte,
es sei dem Tariner Hofe nicht Ernst mit den geheimen Vor-
handlungen, die er ununterbrochen mit Frankreich pflog. Er
traclitc durcli sie nur Zeit zu gewinnen, sich besser zum Wide^
Stande zu rlisten und gleichzeitig Maria Theresia zu möglichst
grossen Abtretungen zu drängen. Dass dies wirklich die Absicht
der sardinischen Regierung war, ist seither aus den vertraulichen
Instructionen bekannt geworden, die sie ihrem Botschafter in
Paris, dem Bailli Solaro, ertheiltc* Aber freilicli mochte es
Ormea höchst unwillkommen sein, dass Kaunitz ihn durchschaute
und in einem Sinne nach Wien schrieb, der den so hoch ge-
spannten Begehren Sardiniens nicht eben günstig lautete. Die
Ursache der atiffaliemlcn Bemühung (Jrmea's, allem Vorkehre
mit Kaunitz aus dem Wege zu gehen, mochte daher ebensowohl
in persönlichem Widerwillen gegen ihn als in dem Wunsche
gelegen sein, von ihm nicht genauer beoV)achtct und ausge-
forscht zu werden. Denn immer näher rückte der Zeitpunkt,
in welchem schliesslich die eine der zwei parallel laufenden
Verhandlungen durch Absehluss einer Allianz beendigt und die
andere abgebrochen werden musste. Frankreich that das
yXeussorsto, um das Zünglein der Wage zu seinen Gunsten zu
stellen. Man ging dort so weit, dass man erklilrte, das von der
sardinischen Regierung amcndirte Vertragsproject, ohne an
diesem auch nur eine Silbe zu ändern, einfach annehmen zu
wollen.
Dass wenigstens von Seite Frankreichs die Verhandlung
mit Sardinien ernst genommen worden war, lUsst sich hieraus
wohl mit voller Bestimmtheit ersehen. Wer hingegen mit Kaunitz
der Meinung sein mochte, Sardinien unterhandle mit Frankreich
nur zum Scheine, der hätte sich wohl auch durch die Schritte
kaum einschüchtern lassen, die nun vom Turiner Hofe geschahen.
Der französischen Regierung erklärte er, auch die Vorhand-
lungen mit OcsteiTcich und England seien bis zu dem Punkte
ihres Abschlusses gediehen. Man habe dem Könige von EiJg-
laiid versprechen müssen, sich bis zum EintretFen der ans Wien
noch zu erwartenden Antwort nicht zu entscheiden, und man
könne daher das gegebene Wort nicht brechen. Doch Itabc,
um jeden Zeitverlust zu vermeiden, der bei König Georg
Cnrutti, Carlo EmmiDele. I, 288.
beglaubigte sardinisclie Gesandte Ossorio den Auftrag erhalten,
je nach den letzten Erklärungen, die ihm von Oesterreich und
Kngland gemacht werden würden, seinen Pariser Collegen Solaro
direct zu verstjlndigen, ob er mit Frankreich abziischliessen
habe oder nicht.
Nachdem dies geschehen war, entbot Ormea den GeschUfts-
trilger Villettes zu sich und theiltc ihm Alles mit, was Frank-
reich gegenüber veranlasst worden. Er fügte hinzu, dass, wenn
binnen des Zeitraumes, der zwischen der Absendung eines
Couriers und seiner Rückkehr notinvendigerweise vcrfliessen
müsse, die Sache nicht mit Oeaterreich und England deiinitiv
ins Reine gebracht sei, sich Carl Emanuel dem Abschlüsse mit
Frankreich nicht lUnger entzielien könne. ^
So gewaltig war der Eindruck dieser Erklärungen auf
Villettes, dass er in drängendster Weise nach Worms schrieb,
wo damals in Folge dos Umstandes, dass König Ooorg von
England persönlich au der Kricglilhrung gegen Frankreich auf
deutschem IJodcn theilnahm, der Sitz der Verhandlungen war.
Lord Cartcret, der Leiter der englischen Politik, glaubte ent-
weder wirklich an den Ernst der Erklärung des Turincr Hofes
und an die Möglichkeit seines bevorstehenden llebertrittes zum
Feinde, oder er gab sich wenigstens den Anschein, daran zu
glauben, um Oesterreich zur Nachgiebigkeit zu zwingen. So
heftig drang er in Wasner, dass dieser schliesslich nicht länger
seinen Drohungen widerstand und am 13. September 1743 die
^tAfinitive Allianz zwischen Oesterreich, England und Sardinion
^>mch seinerseits unterschrieb.
Durch diesen Vertrag erhielt Carl Emanuel für seinen
bleibenden Beistand gegen die bourbonischen Höfe und für die
Verzichtleistung auf seine angebhchen An.sprüche auf die ganze
Lombardei die Stadt und das Gebiet von Vigevano, alles Land
am rechten Ufer des Lage maggiore und des Tessin, den Thcil
des Gebietes von Pavia, der unter der Bezeichnung ,Oltre()(>'
verstanden wurde, Bobbio und dessen Umgebung mit inbegriffen,
die Stadt Piaceuza mit ihrem Gebiete bis an die Nura und die
Grafschaft Anghiera. Schliesslich trat ihm Maria Tlicresia auch
noch die Rechte ab, die ihr auf die Stadt und das Marquisat
von Finale noch etwa zustehen könnten.
» Caratti !, 236.
60
Die grösste Wichtigkeit legte man in Wien dem zweiten
geheimen Separatartikel bei, kraft dessen sich alle drei ver-
tragscldiessendcn Milchte zu nachdrücklichem Zusammenwirken
anheischig machten, das Haus Bourbon aus Itahen überhaupt
und insbesondere aus Neapel und Siclhen zu vertreiben. Ver-
möchten sie diese Absicht zu erreichen, dann würde Oestcr-
reich das Königreich Neapel und den Stato degli Presidii, Sar-
dinien aber die Insel Sicilien erhalten.
Man weiss, dass Maria Theresia höchst unzufrieden war
mit dem Inhalte dieses Vertrages, der ihr Zugeständnisse abzwang,
die für sie ungemein schmerzliche waren. Kaunitz aber blieb
schon aus dem Grande von ihrem Unmuthe verschont, weil or
ja nie zu allzu weitgehender Nachgiebigkeit gegen Sardinien ge-
rathcn hatte. Und binnen Kurzem musste es sich zeifjen, ob
durcli dieselbe der Zweck auch erreicht wurde, den man vcr
folgte, als man sich zu ihr herbeiliess. Für Oesterreich bestand
er vornehmlich in der baldigen Eroberung Neapels, welche
allein noch für das Scheitern der Hoffnung, durch die Erwer-
bung Baierns für den Verlust Schlesiens entschildigt zu werden,
und für die ansehnlichen Abtretungen an den König von Sar-
dinien einigen Ersatz bieten sollte.
Um das Haus Bourbon aus Neapel zu vertreiben, war
jedoch vor Allem eine ganz andere KriegfUhnmg nöthig, als
sie bis jetzt auf italienischem Boden stattgefunden hatte. Der
Sieger von Camposanto, Feldinarschnll Graf Traun, hatte aus
diesem glänzenden Erfolge keine Früchte zu ziehen gewuast.
Es mag wohl sein, dass das liauptsächliche Verschulden hieran
der Weigerung des Königs von Sardinien zur Last fiel, seine
Truppen an ferneren offensiven Unternehmungen gegen die
Spanier unter Gages theilnehmen zu lassen. Aber Traim's Un-
tliätigkeit im Felde, die üble Geldwirthschaft, welche, wenn auch
nicht durcli sein Verschulden, doch in Folge seiner zu weitgehen-
den Nachsicht gegen seine Umgebung nicht nur bei den unter
seinem Befehle stehenden Truppenkörpem und, was noch ver
hängnissvoUcr war, bei der ihm gleichfalls übertragenen Statt-
halterschaft von Mailand herrschte, die übertriebene Nachgiebig-
keit gegen den König von Sardinien endlich, deren man ihn
zieh. Alles dies bewirkte, dass sein Ansehen in Wien und das
Vertrauen, das man früher zu ihm gehegt hatte, immer mehr
dahinschwanden. Hatte ja doch Maria Theresia selbst von
ü
61
ihm gesagt, er sei ,alt, chagrin und schwach'.' Da war es
denn kein Wunder, dass seine einflussreichen Gegner am
Wiener Hofe nach und nach die Oberhand erhielten. Der
Hofkanzler Graf Ulfeidt und der geheime Staatsaecretiir Frei-
herr von Bartenstein standen hiebei in vorderster Reihe. Ihrem
Zusammenwirken gelang es endlich, die Zurückberufung Traun's
und seine Ersetzung durch den Feldmarschall Fürsten Christian
Lobkowitz, ülfeldt's Schwager, zu erwirken.
Mag man auch einräumen, dass die Stellung Traun's in
Italien unhaltbar geworden war, so muss es doch unbegreiflich
erscheinen, dass man ihm keinen geeigneteren Nachfolger als
Lobkowitz gab. Was man gegen Traun auch einwenden mochte,
jnubestreitbar war es doch, dass er bei Camposanto gesiegt hatte
tind sich in Folge dessen eines hohen militUrischen Rufes er-
freute. Lobkowitz hingegen war in dem einzigen Treffen, in
welchem er selbständig commandirtc, bei Sahay, empfindlich
geschlagen worden. Seine Haltung willirend der Belagerung von
Prag, sein Verfahren in der Oberpfalz hatten gleichfalls scharfen
Tadel veranlasst. Und deimoch erhielt er jetzt das wichtige
ICommando in Italien, eine Massregel, für welche sich nur zwei
Beweggründe anfuhren Hessen. Einerseits mochte man hoflFen,
seine übelste Eigenschaft, die Unverträglichkeit dadurch un-
schädlich zu machen, dass man ihm einen Posten gab, auf
welchem er keinen Vorgesetzten und keinen Gleichgestellten
mehr, sondern nur Untergebene besass. Und andererseits war
iMcht zu leugnen, dass er bisher ungewöhnliche Thätigkeit an
den Tag gelegt liatte, so dass man hoft'en durfte, er werde nicht
in den Fehler verfallen, den man an Traun so bitter beklagen
musste.
Der Ernennung eines neuen Oberbefehlshabers in Italien
beabsichtigte man eine betrachtliche VersUlrkung der dortigen
I österreichischen Truppen folgen zu lassen. Aber zur Diu'ch-
iführung dessen, wiis Maria Theresia dort vor Allem erstrebte,
bedurfte man auch des energischen Beistandes der beiden
lAUiirten. Dem Einen derselben, dem Könige von Sardinien,
(hatte Maria Theresia den Preis seiner Mithilfe soeben im Voraus
bezahlt, aber es schien fast, als ob der Vortheil, den sie aus
dem Wormser Vertrage ziehen sollte, eher ein negativer, die
* Arnetb, Oeioliichte Maria Therosias. U, S. 105.
VerhQhing des üebertrittes des Turiner Hofes zu dem Feinde
als der positive seiner thatkräftigen Mitwirkung an den Offensiv-
operationen gegen die Spanier sein werde. Carl Emanael und
Ormea hiezu anzutreiben, darin bestand von nun an die Haupt-
aufgabe des Grafen Kaunitz. In deren Erfüllung war er freilich,
obgleich ohne sein Verschidden, keineswegs glücklich. Denn
obwohl er dem ihm von Wien aus zugehenden Auftrage, gegen
Orraoa ,wegen derer vergangenen Grobheiten keine Gniptind-
lichkeit zu bezeigen',' gewissenhaft nachkam, so vermochte er
doch die sardinische Regierung nicht zu energischen Entschlüssen
zu bringen. Auch dass Lobkowitz, noch bevor er die ihm in
Aussicht gestellte Vermehrung seiner Streitkräfte erhielt, gc|;en
die Stellungen der Spanier vordrang, änderte hieran nichts. Zu
seiner Freude fand Kaunitz das österreichische Hauptquartier,
wohin er sich in der zweiten Hälfte des October 1743 begab,
um mit Lobkowitz in persönlichen Verkehr zu treten und mit
ihm wichtige Verabredungen zu treffen, statt, wie er vermuthcl
hatte, in Bologna oder in Imola, schon in Forli, und er hoffte,
es werde binnen Kurzem in Rimini sein.*
Dem war auch wirklich so; in Cesena und Rimini trachtete
Kaunitz den Fürsten Lobkowitz in oft wiederholten Gesprächen
vor Allem genau zu unterrichten, was ihm zu wissen nöthig
war, und ihn insbesondere mit Rathschlägcn ftir das gegen den
König von Sardinien zu beobachtende Verfahren zu versehen.
Am Abende des 6. November war Kaunitz von Turin zurück.
Kurz nach seiner Ankunft erhielt er .lus Wien die vertrauliche
Nachricht, Maria Theresia habe üin ausersehen, ihrer Schwester,
der Erzherzogin Marianne, deren Vermählung mit dem Prinzen
Carl von Lothringen nahe bevorstand, in der Beiden zu über-
tragenden Generalstjitthalterschaft der österreichischen Nieder-
lande mit dem Titel eines Obersthofmeisters als ihr vornehmster
Rnthgeber zur Seite zu stehen.'' Am 20. November wurde diese
Ernennung dem Grafen Kaunitz officiell mitgetheilt, und im
Janaar 1744 folgte ihr die zum wirklichen geheimen Rathe.*
Die Freude, welche Kaunitz über seine neue Bestimmung
empfand, mochte wohl nicht wenig geschmälert werden, dass
' Kdnipl. Reflcript vom 30. September 1743.
• KauiiiU an Ulfeldt. Forli, 25. October 174,'J.
• KannitT! nn Ulfeldt. Torin, 17. November 174.3.
' Dniiksclircibeii au Marin Tlieretiia. Turin, 26. Januar 1744.
63
er noch den ganzen Winter hindurch in Turin ausharren und
mit Ormea Verhandlungen fortflihren musste, die diesem so
unwillkommen waren, dass er während derselben Kaunitz
gegenüber dem gauzcn Ungestüm seines Temperamentes die
ZUgel schiessen liess. Nicht nur der Unwahrliaftigkeit klagte
er ihn an, sondern er warf ihm auch noch die Beschuldigung
ins Gesicht, seit seiner Ankunft in Turin sei er nur ,mit Finessen'
gegen ihn verfahren. Gegen solche stunden ihm keine Mittel
zn Gebot; er wolle sich daher zu keiner Unterredung mit ihm
mehr herbeilassen; habe Kaunitz kllnftighin irgend etwas an-
zubringen, so möge er dies entweder schriftlich thun oder sich
direct an den König wenden. Ja so weit vergass sich Ormea
in seiner Heftigkeit, dass er in die Worte ausbrach: Kaunitz
stehe ihm zwar jetzt in einem unantastbaren Charakter gegen-
tlber; das werde jedoch nicht immerfort dauern, und wenn er
dann noch mit irgend einem Begehren an ihn herantreten sollte,
80 werde Ormea, um ihm Rede zu stehen, allzeit bereit sein,
seine Aemter niederzulegen.'
Diese Ausbrüche des heissblütigen Italieners brachten
Kaunitz nicht aus seiner staatsmtinujschcn Ruhe. Da er mit
Ormea nicht mit Aussicht auf Erfolg weiter verhandeln konnte,
trug er seine Anliegen zugleich mit seinen Beschwerden gegen
Ormea dem Könige vor. Leutselig empfangen und angehört,
erhielt Kaunitz von Carl Emanuel allerdings nicht wenig be-
grUtigende Worte, in der Suche aber, um die es sich handelte,
der ausgiebigen Theilnahme Sardiniens an den offensiven Ope-
rationen des Fürsten Lobkowitz gegen die Spanier, vermochte
er auch von ihm keine befriedigenden Zugeständnisse zu er-
langen. Und dass dies nicht geschah, war nicht etwa durch
UebclwoUen des Königs, sondern durch dessen gegründete Be-
sorgniss veranlasst, wilhrend der Abwesenheit eines Thoiles
seiner Truppen in Unteritalifn von den Franzosen und den
Spaniern in seinen eigenen Provinzen mit Ucbermacht ange-
griffen zu werden.
Kaunitz aber gerieth, wie es scheint, in eine doppelte
Gefahr. Einerseits war zu besorgen, er werde durch sein un-
ablässiges Drängen zu gemeinsamer Kriegfühning wider den
gemeinschaftlichen Feind in Turin immer unbeliebter werden
* Kaunitz nn M.nrin Thßre«in. 12. FebrnAr 1744.
G4
und allmalig allen Boden verlieren. Dagegen schien man an-
dererseits in Wien nicht ganz abgeneigt zu sein, ihm vrenigstcns
einen Theil der Schuld zuzuschieben, dass sich nicht nur die
sardinische Regierung fortwilhrend ablehnend verhielt, sondern
dass auch die Berathung, welche unter persönlicher Theilnahme
des die englische Escadre im Mittelrueore befehligenden Admirals
Mathews in Turin abgehalten wurde, um sich über die gegenseitigen
Massregeln zur Durchftihrung der Unternehmung gegen Neapel
zu verständigen, zu keinem befriedigenden Ergebnisse ftlhrte.'
Dass sich Kaunitz unter solchen Umständen lebhaft dar-
nach sehnte, Turin bald verlassen zu können, ist leicht zn be-
greifen. Aber nicht früher als am 1. April 1744 traf sein Nach-
folger Graf Uichecourt, der bisher die Administration Toscanas
gefuhrt hatte, bei ihm ein und fand die zuvorkommendste Auf-
nahme.* Da ihm Carl Emanuel selbst sein Wort daftlr ver-
pfilndet hatte, Ormoa werde ihn anständig empfangen," stellte
Kaunitz den Grafen Richecourt persönlich dem Minister vor.
Nach dem Besuche bei Ormea, dessen Benehmen gegen Kaunitz
ein der Zusage des Königs entsprechendes war, verfügten sich
Beide zu diesem. Seine Haltung that neuerdings die Aufrichtig-
keit seines Wunsches dar, Kaunitz möge Turin nicht ,anTeir-
gnUgt' verlassen. Das gewöhnliche Abschiedsgeschenk ftir Ge-
sandte, ein mit Diamanten besetztes Hildniss des Königs, wurde
ihm daher gleichfalls zu Theil. Am 20. April verliess Kaunitz
Turin und begab sich von da direct nach Wien.
' xV^itC^''^ des Tenetianiacheu Botsch&ftera Marco Contarini vom 21. Miln
44. Bei Ametb, Geschichte Maria Theresiaa. II, S. 640, Aura. 73.
' "icheconrt an Ulfeldt. Turin, 4. April 1744.
* X.iunitz nii Maria Theresia. Tiirin, 15. MRrz 1744. So Xuüserto sicli
der König: ,Wie Er ... m meiner eigenen Erwef^ung nnhoinistellen
wollte, dass wie ich Selbsten wohl angemercket, meine Abreise, ohn«
mich bey dem Ormea ku benrlanben, gro8«e8 Aufsehen und widrige Hntli-
massungeu nach sich ziehen würde. Ua ihm nun der Umstand, das
Ormea sich niemahlen bey mir wie bejr andern oingofundten, ganz uti-
bekant gewesen seye und keineswegs mit seiner Willeusmeinitng Obe^
einstimme, dass ich »hnvorgnflgt von hier abreisen solte, vielmehr ihm
flborhaupt das zwischen Ormea und mir entstandene MissvergnQg^n nicht
änderst als unangenehm falle, su hütte Er auch dem Ersten bereit« anf
eine solche Art geredet und würde es anf gleiche Weise annoch wieder-
holen, da.<i8 mich vor da» künftige eines anistäudigen Betrags und Em-
pfangs von Ormea gftntKlich cn versehen bütte, desfalls Er der KOnig
mir das Wort gebe.'
Ehe wir mit dem Qrafen Kaunitz den Schauplatz seiner
neuen Bestimmung, die österreichischen Niederlande, betreten,
haben wir einen Augenblick bei den Ereignissen zu verweilen,
! die von dem Zeitpunkte seiner Vermählung bis zu seiner Ab-
reise nach Brüssel im Innern seines Hauses sich zutrugen. Aber
freilich müssen wir bedauernd gestehen, dass wir über sie
kaum mehr als die Tage wissen, an denen ihm der Reihe nach
Beine Kinder geboren wurden. Fünf Söhne, Ernst, Moriz, Do-
minik, Maximihan, Franz Wenzel kamen von 1737 an in
Zwischenräumen von wenig mehr als einem Jahre, Franz Wenzel
f am 2. Juli 1742, also kurz vor dem Tage zur Welt, an welchem
Knunitz Wien verliess und sich, seine Mission am sardinischon
' Königshofe anzutreten, nach Italien begab. Dass unter solchen
Umstünden die Grätin Kaunitz noch in Oesterreich zurückbiicb
' mid ihren Gemahl wenigstens vorderhand nicht begleitete, ver-
' steht sich von selbst, und in der That findet sich eine An-
' deutung, derzufolge sie im März 1743 in Turin eintraf.' Dort
iBcheint es denn auch gewesen zu sein, wo sie ihren sechsten
Sohn, Josef Clemens, am 23. November dieses Jahres gebar.
I Da Kaunitz keines dieser Kinder in deren ersten Lebens-
nahren verlor, besass er sechs Söhne, als er in der zweiten
Hälfte des Jahres 1744 seine Reise nach den Niederlanden
' antrat. Dass er hiebei von keinem Mitgliede seiner Familie,
Bondem nur von seinem treuen Freunde Binder begiei«^* •»"»••
■wurde wohl zunächst dadurch veranlasst, dass die GegetUon,
durch die ihn sein Weg führte, den Schauplatz der Kl'.og-
führung bildeten mid daher von feindlichen wie von befreun-
deten Truppen unsicher gemacht wurden. Am 22. September
berichtet Kaunitz aus Kegensburg; von da aus folgte er fünf
■ Märsche hindurch der österreichischen Armee, bei welcher er
■ mit seinem neuen Chef, dem Generalgouvemeur der Niederlande
Prinzen Carl von Lothringen zusammentraf, in der Uichtung
fgegen Böhmen, von wo er über Eger und das Erzgebirge am
orgen des 3. October Leipzig erreichte.*
M
* Kaunitz nii Ulfuldt. Turin, 18. MKrz \~i3.
) * Kauuitz an Ulfoldt. Luipzig, 3. üotober 1749.
CLXXTUI. Bd. I. BUn«.
i
Ohne ferner auf erwähnenswerthe Hindemisse zn stossen,
gelangte Kaiinitz zum Theile auf der gleichen Strasse, die wir ihn
vor zwölf Jahren nach Vollendung seiner Universitiitsstudien haben
einschlagen sehen, über Hannover, OsnabrUck und ßentheim,
hierauf durch holländisches Gebiet am Abende des 17. October
nach Brüssel. Hier aber fand er Alles in grösster Bestürzung,
indem die Erzherzogin Maria Anna erst vor wenigen Tagen ein
todtes Kind zui- Welt gebracht hatte und in Folge dieser an-
glücklichen Niederkunft lebensgefUhrlich erkrankt war.
Als Kaunitz noch in Turin die erste Nachricht von der
Absiebt erhalten hatte, ihn nach den Niederlanden zu senden,
kamen ihm auch Andeutungen zu, welche die Bcsorgniss in
ihm wachriefen, man denke den ihm zugedachten Posten des
grösseren Theiles seiner bisherigen politischen Befugnisse zu
entkleiden und aus ihm mehr eine eigentliche Hofansteilung zu
machen.' Mit beso ndererLebhaftigkeit erhob Kaunitz Vorstel-
lungen hiegegen, und obschon wir nicht wissen, ob irgend eine
und welche Antwort ihm hierauf zu Theil wurde, so scheinen
doch seine Worte nicht vergeblich verhallt zu sein. Mindestens
kann darüber durchaus kein Zweifel obwalten, dass er sich des
vollsten Vertrauens seiner Monarchin erfreute. Mit den unzwei-
deutigsten Worten sj)richt Maria Theresia dies in einem von
ihrer eigenen Hand herrührenden Briefe an ihre Schwester aus,
den sie Kaunitz mit auf den Weg gab.
,Hier ist Kaunitz,' so lautet er, ,welcher kommt, und den
ich Dir sende, weil ich mir schmeichle, dass er Königsogg voll-
kommen ersetzen wird. Ich bin hievon umsomehr Überzeugt,
als er sich auf dem heiklen Posten in Turin meine ganze An-
erkennung erwarb. Ohne an seinen eigenen Vortheil oder seine
eigene Annehmlichkeit zu denken, hat er die Befehle des Hofes
befolgt und sehr gut ausgeführt, sogar mit Selbstaufopferung,
wofUr ich ihm allzeit Dank wissen werde. Ich übersende Dir
ihn in der gleichen Weise wie Frau von Belrupt, um ihn, wenn
Du mit ihm zufrieden bist, zu behalten; wenn nicht, wird er
' Kknnitx an Ulfeldt. Turio, 23. November 1743: ,. . . worans ich kein««
anderen Schluss ziehen kann, als daas nach der vnreeyenden uenen
Niederländischen Einrichtung der Oberhoffmoistcratello kaum ein Schatteu
von denen vonnahls angeklebten Verriclitungen und Ansehen Übrig bleiben,
«olche in OescbSfton wenig oder gar keinen EUnflui» haben, und hanpt-
sAchlich nur in denen Uofdiensten bestehen . . . würde.'
67
immer seinen Platz bei mir finden, und man wird ihn nützlich
«u verwenden wissen; das wird sein Wirken beträchtlich er-
leichtern. Denn ich habe ihn davon verständigt, dass ich Dir
dies mittheilen werde, und er selbst bat mich danngend um
Festsetzung einer solchen Bedingung, da er durchaus nicht zur
Last fallen will. Er erklärt zwar das Möghchste leisten zu wollen,
doch überschätze er sich nicht so sehr, um Alles, was er thue,
auch für das Richtige zu halten. Wenn er fehle, werde es aus
Mangel an Kenntniss, nicht an gutem Willen geschehen. Alles,
was ich Dir sagen kann, ist, dass er mir Deines Vertrauens
würdig zu sein scheint, dass er dieses nicht missbrauchen
nnd sogar in Privatangelegenheiten guten Rath geben wird.
Ich habe ihn, während er hier war, vielfach und von den ver-
schiedensten Seiten betrachtet, um über Alles Gewissheit zu
erlangen, und ich kann versioheru, dass ich von ihm befriedigt
■war. Ich glaube. Alles gesagt zu haben, was ich nur immer
sagen kann, und stelle das Uebrigc Deinem eigenen Urtheil
anheim, sende Dir aber keine Nachrichten oder Anderes durch
ihn, denn er wird lang unterwegs sein."
Es kann leicht sein, dass Maria Theresia trotz der sehr
guten Meinung, welche sie ihren eigenen Worten zufolge von
Kaunitz hegte, sich doch mit der Absicht getragen hatte, ihm
nicht jene ausgedehnte Machtvollkommenheit einzuräiimcn,
welche vor ihm dem Grafen von Königscgg-Erps zu Thcil ge-
worden war. In der Zeit wenigstens, welche zwischen seiner
Ernennung zum Leiter der Regierungsgeschäfte in Brüssel und
der Ankunft der Erzherzogin Maria Anna und ihres Gemahls
innclag, war Königsegg ja ganz unbeschränkt und nur an die
Weisungen aus Wien gebunden gewesen. Dass Maria Theresia
ihrer Schwester, welche noch Überdies an ihrem jungen und
thatkräftigen Gatten, dem Prinzen Carl von Lothringen, eine
verlässUche Stütze besass, und diesem selbst zum Mindesten
die gleichen Befugnisse einräumen wollte, wie sie ihre Tante,
die frühere Generalstatthalterin Erzherzogin Elisabeth genossen
hatte, ist wohl kaum zu bezweifeln. Und nachdem der Gemahl
der Erzherzogin naturgcmäss auch ihr vornehmster und ver-
trautester Rathgeber war, so musste schon hiedurch die Stellung
des Obersthofmeisters eine weniger in den Vordergrund tretende
I > Abgedruckt bei Ametb, Qescbiclite Maria Theroiias II, 8. 668, Anm. 186,
L_Z1_
68
werden, ab sie es zur Zeit der unvermiihlten Erzherzogin
Elisabeth war. Aber alle diese Intentionen, so wohlbegründet
sie auch sein mochten, zerstoben doch vor der thatsAchlichen
Lage der Dinge, wie Kaunitz sie in den Niederlanden vorfand,
in nichts. Die Erzherzogin war todtkrank, Prinz Carl von
Lothringen auf dem Kriegsschauplatze in Böhmen, Graf König»-
egg aber im BegriflFe, seinem Nachfolger den Platz zu räumen.
Da war es denn nicht zu verwundem, ja es konnte gar nicht
anders sein, als dass Kaunitz die volle Last der Goschüfte auf
seine Schultern zu nehmen hatte.
Die Umstände, unter denen dies geschah, waren keines-
wegs trüstliche zu nennen. Obgleich französische Truppen schon
seit fast drei Jahren gegen Maria Theresia kämpften, hatte
Frankreich doch bisher an der Fiction festgehalten, dass dies
nur in Folge des Bündnisses mit dem nunmehrigen römisch-
deutschen Kaiser Karl VIT. geschehe. Erst am 26. April 1744
waren die Kriegserklilnmg F'rankreichs an Oesterreich und in
Folge dessen der Einmarsch französischer Truppen in die Nieder-
lande erfolgt. Die österreichischen, englischen und hollttndischen
Streitkräfte daselbst waren schwach und standen unter ver-
schiedenen Befehlshabern, welche nichts weniger als einm&thif
handelten. Ihnen gegenüber hatten also die Franzosen ziemlich
leiclites Spiel. Mehrere Festungen im Süden des Landes fielen
rasch nach einander, und nur die Fortschritte der Verbündeten
auf den übrigen Kriegsschauplätzen machten denen der Fran
zoscn in den Niederlanden einstweilen ein Ende.
Die Anwesenheit eines starken und ausgezeichnet gc-
nUirten Feindes im eigenen Lande setzt wohl jede Rcgiorun;;
auf eine sehr harte Probe. Das Gouvernement, das sich in
Brüssel befand, schien umsoweniger im Stande, sie zu be-
stehen, als sein Haupt, eine junge, unerfahrene Fran, noch über
dies todtkrank war, und .sich ausserdem in der Person des-
jenigen, der an ihrer Stelle die Geschäfte zu leiten hatte, ein
Wechsel vollzog, ftir welchen der Augenblick gewiss nicht
günstig gewählt war.
Dass man diese Massregel, sie mochte an und für sich
notli wendig oder auch nur nützlich erscheinen oder nicht, ge-
rade zu einem Zeitpunkte traf, für welchen man die Niederkunft
der Erzherzogin vorhersah, ist ohne Zweifel als ein arger Mangel
an Vorsicht zu betrachten. Einige Entschuldigung hiefUr wird
übrigens darin zu finden sein, dass Maria Theresia ihre eigenen,
so rasch auf einander folgenden Entbindungen immer dcnirt
leicht Uberstiind, dass sie unwillkürlich ein Gleiches auch bei
U»rer Schwester voraussetzen mochte. Um so tiefer war denn
- auch ihre Bestürzung, als das Ocgcntheil eintrat; ein bisher
unbekannt gebliebener Brief, den sie in den ersten Novembcr-
tugen 1744 mit eigener Hand au Ktiunitz richtete, gibt Zeugniss
' von der Lcbliaftigkeit der Besorgnisse, welche sie für die Erz-
herzogin hegte.
jMeine Unruhe über den Zustand meiner Schwester ver-
anlasst mich,' so schrieb sie an Kaunitz, , Ihnen Engel zu schicken,
meinen ersten Arzt, in den ich grosses Vertrauen setze. Nicht
dass ich glaubte, sie sei unrichtig behandelt worden, aber mehr
Augen sehen besser, und ausserdem kennt er die hiesige Heil-
methode und meine Schwester, welche immer nur sehr einfach
behandelt wurde, und die auch kein anderer Arzt kennt, ausser
Einem, der jedoch von allen Aerzten der wenigst glückliche
■ und auch der wenigst sachverständige ist. Sie werden ihn in
uor Weise einführen, welche Ihnen als die zweckmftssigstc er-
Wwheint, und ihn zu allen Berathungcn zuziehen lassen, auf dass
; wir hier einen verlässlichen Bericht erhalten und mir einige
Beruhigung zu Theil werde, deren ich gar sehr bedarf. Es
könnte wohl sein, dass man nicht viel Verti'auen zu ihm be-
Bässe oder ihn nicht gerne sUhe. Aber ausserdem dass seine
' Absendung von hier aus veranlasst und von der Kaiserin,*
von Seiner Hoheit* und von mir genehmigt ist, um von Allem
unterrichtet zu sein, da uns gar zu viel daran liegt, wäre man
nicht gehalten, seinem Käthe allein zu folgen. Im Gegen theilo,
er wird nicht abgesendet, um zu widersprechen, sondern nur
; um gemeinschaftlich zu berathen, auf dass man dasjenige he-
I folge, was man als das Beste ansehen wird. Ich empfehle Ihnen
daher sehr, ihn zu unterstützen und hiedurch in den Stand zu
setzen, gute Dienste zu leisten, denn ich kenne die Abneigung
der Bclrupt* wider ihn, obgleich sie hiezu gewiss keinen Grund
T- ' Die Kainerin Elisabeth, Witwo KarlB VI. und MuUor dar Erxbeniu^n
[ Mariannu, welche damals noch am Lohen war and bekanntlich erst am
^^81. December 1750 aUirb.
^^B Orossherzog Franz von Tuscana.
P • Zu Ende des Jahres 1743 war die verwitwete GrHfin Maximiliana Bel-
rupt, geborene Graun Wrschowetis, bisher Äja von Maria Theresias
70
hat, und ich fürchte, dass sie dieselbe auch den Uebrigen,
welche ohnedies eifersüchtig sind, ja sogar der lieben Kranken
mittheilen könnte. Sein einziger Fehler besteht in üblen Manieren
und in unbedachtem Reden; er hat mir jedoch yersprochen,
nichts davon zu thun und die Anderen zu schonen. Ich ver-
lasse mich einzig und allein auf Sie, und dass Sie von diesem
Briefe keinen Gebrauch machen, indem ihn Niemand kennt
und Niemand weiss, dass ich Ihnen diese Einzelheiten schreibe.
Sie könnten sich auch in meinem Namen mit der Fürstenberg
einverstehen, indem ich besorge, dass man sonst die Kranke
gegen ihn einnimmt. Kein Dienst könnte mich mehr inter-
essiren als dieser, und ich würde Ihnen wärmsten Dank dafiir
wissen.' '
Kindern, zur Obersthofmeisterin der Erzherzogin Marianne emannt worden.
Nach dem Tode dieser wurde die Orilfin Belrupt am 6. April 1745
Obersthofmeisterin der Prinzessin Charlotte von Lothringen. Sie starb
am 6. December 1762.
Maria Theresia au Kannitz. Undatirt (H.1 November 1744). Ganz eigen-
händig. Staatsarchiv. ,. . . l'inqnietnde dans laqaelle je me tronve a cause
de l'etat de ma soeure m'oblige de tous enrojer engel, mon premier
medcins, et ansquel surtout dans ces maoz j'ai beanooup de oonfiance,
non que je crois qa'on ne Tat bien traitö, mais plus voyent mienz et pnit
il sait la methode d'ici et ma soeure n'ayant jamais etoit traitäe qne trea
simplement et aucuu medcin conoissant, et que le seul qui le pouroit,
est le plus malheureaz et le moins entendus de toutes les medcins. vous
le ferez paroitre comme hon il vous semblera, le ferez intenrenir a tont
les consnites poar avoirs une bonne relations ici et tacher de me poavoirs
tranquiliser un peu plus, j'en ai bien besoings. ils se ponroient qa'on
n'auroit pas beauconp de confiance ou ne le verrez pas volontierB, mais
outre qu'il est envoyöe et approuväe d'ici, de l'Imp. de son AI. et do
moy ponr etre an fait de tout, y ayant trop d'interest, on ne seroit pas
tenue de suivre «on seul conseils. an contraire, ce n'est pas pour contre-
dire, mais pour consulter ensemble et suivre ce qa'on tronven le mienz
qu'on l'envois. je vous le recomande dont beauconp de le soatsnir et
mettre eu etat de pouvoirs bien servir, car je sais l'aversion que la belrupt
at contre Ini et ca bien sans sujet, et pouroit craindre qu'elle pouroit
comuniquer cela tant aux autres, sans ca jaloux, que meme a la eher«
malade, le seul defaut qu'il at d'avoirs des mauvaises fa^ons et de parier
inconsideremeut, il m'at promis de n'en riens faire et de menager les
autres. je me fie seul en vous et vo<is n'en ferez aucune oaage de cette
lettre, personne la sachant, que je vous ecris ce details. vous pouries en
mon nom anssi vous ontendre avec la fUrstenberg, craignant qa'on ne
pr^vienne la malade contre lui. aucune service ne me pent intereaser
plus fort que celui et je vous en sanrois tont le gr6. Marie Therase.'
71
Gleichzeitig und in ähnlichem Sinne wie die KOnigin
schrieb auch ihr Qomahl, der Grossherzog von Toscana, an
Kaunitz. Auch er legte den Nachdruck auf die Nothwendigkeit,
es zu verliindern, dass Engel sich mit den übrigen Aerzten
überwerfe. Er sei nur abgesendet, um ihnen mit seinem Rathe
beizustehen und über den Zustand der Kranken wahrheits-
getreuen Bericht zu erstatten. Einen solchen möge Kaunitz,
trug ihm der Grossherzog auf, auch von dem Geburtshelfer
abfordern und ihm zu seiner alleinigen Kenntnissnahme zu-
senden.'
Schon lang bevor Engel, der zwei Wochen auf der Reise
von Wien nach Brüssel zubrachte, dem Grafen Kaunitz diesen
Befehl des Grossherzogs einhändigen konnte, hattu ihn Kaunitz
wenigstens insofern befolgt, dass er Tag für Tag umständliche
Berichte über den Zustand der Erzherzogin an die Kaiserin
Elisabeth, an Maria Theresia, den Grossherzog Franz und den
Prinzen Carl von Lothringen abgehen Hess. Auch an den Hof-
kanzler Ulfeldt schrieb er ausfUhrlich und, insoweit es sich be-
urtheilcn lässt, in einer Weise, welche der wirkUch vorhandenen
Saclüage entsprach und nicht darauf ausging, sie befriedigender
darzustellen, als sie wirklich war. Aber freilich gab sich Kaunitz,
insbesondere nachdem er die Kranke gesprochen hatte,* Hoff-
Vou iler KOnigin mit eigeuer Hand gcschriebeue Adresse: ,]ia comte
Kaunitz, grand maitre de son AI. rarcliidiicliejsse Gouvernante des pais baji.*
• Grossherzog Franz an Kannitz. Ganz eigenhKndig. Staatoarchiv. ,a clionn-
bron ceSNovanbre 1744. jny resn vos rclasion les i|aol moret fnil bocoup plus
de plesirecilanre contcnu quelquo vhose de plus agreable, met la Rone an-
voyan Egle poure sa propre sati»fa<iue»ion of poure etre trauijuil, je la con-
panie de sete letre et .«ouot tjue vouü le dirigie toiijoure de fassun ipiil uo
broullieu pas les otre Medeseu et ocontre les aide eil eo o» be»oueu,
cela ctan los entannon de In Rene com osi que Ion le met ofet da vrny
etta de la mallado, lacjuel, si plet a Dien, sera et (en) tres bon recon-
v.ilesanco a son arivo, <[Qiiy que je crin que sein ne sora de longo dnre,
met je vons prie dordone de ma pare a la couchenre Toumon de
mecrire vn letre et me mande ongenunian a nmy geul qnel suit ille
crona que cela poura avoyre poure la gnit sona poure avoyre des eofan
oa an ce qua ]Knire les otre aconuheman ci cela ponra an enpeche les
vn ou randre les otre toujonr extremenmu dangerenx. je luy demajide
cela et qai me lecrive enmediatleman a moy nieme et me fas pase U
letre pare eile: je nuit votre tre.s ntT"« a vous semir Francots.' Vom
Orussherxog mit eigener Hand geschriebene Adresse: ,A Monsieur Mon-
sieur le Comte de Kaunitzo.'
■ Berieht vom 26. October 1744.
72
nungen hin, deren Mittheilung die gleiche Empfindung auch in
den nächsten Angehörigen der Erzherzogin wachrufen miisste.
Er spricht schon zu einer Zeit von ihrer Rcconvalescenz, in
welcher die Todesgefahr, wie ja der ungllickHche Ausgang be-
wies, noch durchaus nicht verschwunden war. Und wenn er
binnen Kurzem so weit ging, die baldige Genesung der Era-
herzogin mit ziemlicher Bestimmtheit vorherzusagen, so stützte
er sich hicbei nicht nur auf das Gutachten der Aerzte, sondeni
er wurde auch durch andere Umstände, wie z. B. durch den,
dass die Kranke mit eigener Hand an ihre Schwester schrieb,
zu an und fUr sich noch nicht hinreichend begründeten Erwar-
tungen verleitet.' Dass sie es nicht waren, wurde durch die
bald wieder eintretende Verschlimmerung nur allzu deutlich
bewiesen. Immer düsterer, ja hoffnungsloser lauteten die Be-
richte, welche Kaunitz nach Wien sandte; trotzdem liess er
keine Vorkehrung ausser Acht, welche vielleicht doch noch
von günstiger Wirkung sein konnte. Die bedeutimgsvollste be-
stand ohne Zweifel in der Berufung des ausgezeichneten Arztes
Gerhard van Swieten aus Leyden an das Bett der Kranken.
Schon seit fast zwei Wochen hatte Kaunitz fruchtlos darauf
gedrungen, dass dies gesciiehe; jetzt aber trat man gleichsam
von selbst mit einem solchen Vorscidage an ihn heran. Allsoglcich
ging Kaunitz auf ihn ein imd sandte einen Courier nach Ley-
den mit der Aufforderung an van Swieten, sich anverzUglich
nach Brüssel zu begeben.'
' Kaunitz an Maria Tberonitt. 29. October. ,. . . la ouit a aussi 6t6 boaocunii
plus trauquillo, ä. A. S""' ayant eu des tutorvulles du sommeil painblt*
boaucüup plii» longs <|iie les iiuits präc6<lciit08. Enliii jo pais avair
l'huuueur d'ojwurer tr&i-humblomQnt V. M. <\i\e l'ütat preseut de 8. A. &
itous purmot d'espärer uu certiiin et houreux rülablisiiement. V. M. eu
truuvera sang doate den asDurances dans la lettre de niaiii propre de
8. A. S<" que j'ai l'bonueur de joiudre par son ordre n cette träs-bnuibl«
relatioD . . .'
* Kauuits an Ulfuldt. 6. November. ,>ravoM propoae, il y a dooae jour«. de
fairo veuir lu mödecin van Swieten de Leydo et lo plus habile chinirgion
de PariH pour s'eu serrir ou au moiua pour les uouBulter sor ritsl de
«antä de S. A. So«. L'idäe n'en fiit point approuvöe alora par c«az <iai
apparemmont nuruiont voulu eu etrc lo« auteurs, maii eile vienl de m'Stre
proposdo tout u l'boure quant ä M. vnn Swioton, en cons^oence de qaoi
Je Uli ai d6j4 öcrit, ot lo courriur c|ue jo lui envoic, ra partir dans l'in-
staut.' DasB Kannita es war, der die Initiative xur Berufung van Swieten'«
73
Die Schwankungen in dem Zustande der Erzherzogin
leinen ausserordentlich grosse gewesen zu sein, denn kaum
war jene Berufung an van Swieten ergangen, als Kaunitz auch
schon wieder von einer auffallenden BcsstTung nach Wien be-
richten konnte. Seine Freude hierüber wurde dadurch noch
erhöht, dass van Swieten, der sich eiligst nach BrtisBel vcrfVigt
hatte, seine Zustimmung zu der bisherigen Bchandlungswcise
der Kranken crklürte und nicht geringe Hoffnung auf ihre
Wiederherstelhuig gab. Kaunitz findet nicht Worte genug, den
günstigen F^indruck zu schildern, welchen van Swieten bei diesem
Anlasse auf ilm hervorbrachte,'
Aber eigenthlimlicherweisc sollten sich die Hoffnungen,
welche nun auch von einem so ausgezeichneten Fachnuinne wie
van Swieten getheilt wurden, neuerdings als trügerisch erweisen.
Nur wenige Tage hindurch konnte Kaunitz seine so glinstig
lautenden Nachrichten fortsetzen; bald musste er wieder von
heftigeren Schmerzen, von Fiebererscheinungen, welche bei der
Leidenden eingetreten waren, berichten. Und als endhch der
Leibarzt Engel in der Nacht vom 16. auf den 17. November
in BrUssel eintraf, hatten sich die Aussichten auf baldige Wieder-
herstellung der Erzherzogin sehr gctrlibt. Dennoch verlor man
die Hoffnung nicht, imd Kaunitz empfand es als erfreulichen
Umstand, dass Engel nicht, wie man lebhaft besorgt hatte, mit
den behandelnden Acrzten schon von vorneherein in Zwiespalt
gcrieth. Insbesondere werde sich, hatte man gemeint, die
Schrofflieit seines Wesens gegen Lebzeltern, den Leibarzt der
Erzherzogin kehren, welcher nach dem Zeugnisse des Grafen
Kaunitz durch seine Anhilnglichkeit an die Kranke, seinen im-
ermlidlichen Eifer und die selbstverleugnende Pünktlichkeit,
mit der er die Anoi-dntingen van Swieten's zur Ausführung
brachte, dasjenige ersetzte, was ihm au iirztlicher (icschicklich-
keit vielleicht abging.* Und auch zwischen van Swictou und
eifpriff, bestätigt auch der in Brüssel uocb anwesende Qraf KUnij^egg-
Erpii nu Ulfoldt vom gloicbeii Tage. ,Le Cointe de Kaunitz,' sclireibt er
an ihn, ,at depochi ce soir tiii cuurier pour prier lo Medecin faineux
du Luiden de se roiidre icy, et Mr do Figiieri>la et moy avons escrit .-in
pdre Paul son ami ponr qn'il employ tout son credit k l'engager k faire
ce voyage.'
' Berichte Tom 11. November 1744.
* KauiiitE an Maria Theresia. 17. November 1744.
74
Engel war man auf Conflicte gefasst, denn schon war Jener
auf den Antrag eingegangen, kraft dessen er in Zukunft am
Wiener Hofe als erster Leibarzt fungiren sollte, während Engel
sich, und zwar wohl nicht ganz mit Unrecht, als Besitzer dieser
Stelle betrachtete.* So sehr aber mangelten ihm die Eigen-
schafleu, deren er hiezu bedurft hätte, dass der englische Q^n
sandte in Wien, Sir Thomas Robinson, sich das Witzwort (jj^^
lauben durfte, van Swieten werde glauben, man habe Engel
nur in der Absicht nach Brüssel geschickt, um ihm zu beweisen,
wie dringend man in Wien eines guten Arztes bedürftig sei.*
Kaunitz empfand es als einen erfreulichen Umstand, dass
sich diese Besorgnisse wenigstens vorderhand nicht crflillton.
Gleich nach der Ankunft Engel's in Brüssel fand an dem Kranken-
bette der Erzherzogin eine Consultation statt, bei welcher der-
selbe das von den Aerzten bisher beobachtete Vorfahren gut-
hiess. Auch jeden Conflict zwischen Engel und van Swieten,
welcher aus der amthchen Stellung Beider in Wien hervorgehen
konnte, trachtete Kaunitz mit Sorgfalt hintanzuhalten. Dass ihm
dies wenigstens einige Zeit hindurch gelang, schreibt er aller-
dings zumeist dem taktvollen Auftreten sowie dem milden und
versöhnlichen Charakter van Swieten's zu, dessen ausgezeichnete
Eigenschaften auch jetzt wieder an Kaunitz einen warmen Lob-
reduer fanden.^
Knunitz an Ulfoldt. 17. November 1744.
Ulfeldt an Kaonits. 1. Oecenibor 1744.
Kaunita au den Grafcm SylTa-Tarouca. 4. December 1744; ,Naa deui
EsculapeH ^toient assez raiHoiiiiabteniout unsemblo pour pouvoir rcepirer
le meiuo air. .I'ai uopendant fait oncoro h uu cliaoiiu Bi^parämcut l(»
exbortatioiiR qui m'ont paru les plus convonables nnx viios de ü. M., cl
qnoique colai de Vienno, qui m'nvoit communiquä la lettre que la char-
niSDte Comtesiie de Lony lui avoit derit de la part de la Reine, ait jagi
k propos de la montrer i\ difTSrentes personne«, qaoique je lui efnaM
conteill^ dv ne fairo puint parade de son contenn, qui davoit lui snfBn
de snvoir pour sa uonsolation et suu repos, j'ni »\ bieii tAcbi^ da re(>arer
le mal que pouvoit fairo cette iniprudenco, qu'elle n'a eo aacune suile.
Lu Sieiir vau Swieten d'aillenrs, auqnel 8. A. 8. s'eat «ttachAe et qoi La
sert jour et nait avoc nuo affection morvoillense, est an hoinmo d'nn
oaractöre si doux et »i raisonnablo, qne je me flatte que quant k la bonne
intelligence tout ira bieii ii l'avenir. C'efft nn homme qne V. B. aimer«
et cstimora quaiid Elle le connaitrn pcreonnollement. II pense bien et
mSmo nvec rtÄlicatesBo, preuvo do quoi je ne pnis point mc diapenser
de lui faire part des scrupulea qui l'ont agiti au mget de la vBote
75
Als Kannitz dies Über van Swieten niederschrieb, Hlgte
er kein Wort bei, aus dem sich schliessen liesse, dass sich der
Zustand der Kranken wieder verschlimmert habe. Ganz plötz-
lich trat nach einer Reihe zul'riedensteUendcr Tage am 15. De-
cember eine so ungünstige Wendung ein, dass sie schon am
folgenden Tage, dem 16., den Tod der Erzherzogin herbei-
führte.' ErschUtterad ist die Schilderung, die Kaunitz von den
Umständen entwirft, unter denen sicli dieses schmerzHche Ereig-
niss vollzog, und welche ihm folgten, .Heute erlebte ich,' schrieb
er an den Grafen Tarouca, , einen fllrcliterlichen Tag; auch bin
ich davon so aufgeregt, dass ich Fieber habe. Dieser grausame
Tod und unmittelbar darauf das schreckliche Schauspiel, indem
drei Frauen der verstorbenen Erzherzogin in Convulsionen ver-
tielon und einen der Aerzte, den alten Lopez, eine Art Schlag-
unfall traf, das Geheid von allen Seiten und nach alledem die
traurige Function, die ich zu vollziehen hatte, die Papiere und
Nippsachen zusammunzuniffen und bis 1 Uhr Nachmittags in
Gegenwart des Leichnams überall die Siegel anzulegen, dies
gehört zu jenen Dingen, welche man leichter fühlen als dar-
stellen kann. Ich darf übrigens versichern, dass, obgleich ich
mir, Gott sei Dank, genug Festigkeit zu bewahren vermochte,
zu handeln, während sonst Niemand sich zu irgend etwas
aa maisou 4 Leyden. Devaot n faire incessAmment et sa prisence y dtant
n^essairo pour qu'elle pnitue se faire pla« aTantageusement, il R'est
pret6 de 1« uioiHeure gräce du moode k abandonner ses iutäruU pour
rester ici taut qae S. A. S., i|ui auuliaite qu'il reste, le souLaitera, ut
eumme cela itaot, il ii'y n pnint d'aiitro expüdieiit que do veiidre sn
maison a nun beau frerc qiii offre de l'aclieter, iion cniitont d'en faire
faire l'estiiuatiou par de« gevut ini|Mirtiaax et jiiräii, il a vmila y attaelier
la cooditiou qiie, si dniii im an il so truuvu quulqu'uu qui en offre
davantage, aon dit beau fröre soit obligö i la cMer k ce plus offrant on
k payer lui-müme le surpla«, le tont pour qu'il De »oit point dit qu'il
n'ait tAvhi de la vendru au plus baut prix posaible, S. M. »'etaut onpagäo
k lui ruuibouner ce qui daua cctte vente il pourroit avoir penlu sur In
valeur de 8a dite maiioii. O'est uu luug detail dout je demandu pardou
n V. E., mais que je n'ai poiiit pu oi'enipCcbor d« Lui faire, paree qae
Je uo peux point gaguer nur moi de ue pna rendre t^'inoignage A la
▼ertu."
Die erste Nachricht von ihr ist in den wenigen Zeilen enthaltcu, welche
Kaunitz am ,16. December an Tarouca «cbrieb. Sie lauten: ,Nous avons
ancoro ou aujourd'hni aprA« quelques jonr» de bon an affroux change-
■nent dang la santä de S. A. 8. ; on a tout k craindre.'
76
briiuchbar erwies, ich sehr viel gelitten habe und meine pein-
liche Lage lebhaft cmjjHmlc' '
Sie zu einer solchen zu gestalten, schien zu gleicher Zeit
Alles zusammenwirken zu wollen. Vorerst nahmen die Vcr-
fiigiuigen, welche der Tod der Erzherzogin nothwcndig machtu,
und die zunilchst mit den Trauerfeierlichkeiten zusammenhingen,
Kaunitz vollauf in Anspruch. Ausserdem lag nun die ganze
Last der gerade zu jener Zeit in erschreckendem Masse
sich anhäufenden ütfentlichen Qeschäfte ganz allein auf seineu
Schultern. ,Ich bin nicht so leicht zu Boden zu drücken,' schnob
er in jenen Tagen an Tarouca, .aber ich gestehe, dass sowohl
in Folge des ungeheuren Umfanges als der Natur der auf mir
liegenden Dinge mein Kopf schon in Stücko geht.' * Und schliess-
lich gesellten sich liiezu auch die Verlegenheiten und liesorg-
Kxnnitz an TaruiicA. 16. Decomber 1744: ,Je compte qne V. E. aiira rova
1.1 lettre iiiie j'ai en riiunnour de liii ecrire ce mntiu k ouze heures pu
OHtaffotte. EiiviroD uue domi-heuie apres il a plti enfin k Dien de uoiu
eiilovor notro SlVönissime Arcliiducliüsse A jamaU rciipectal>Ic par totite«
SOS vortUD et sa r&iignation ä la vuluntä diviiie an milieu de sea Muf-
frances jusqu'au dernier monient de «a rie. Certaiaomeut eile k 6ti
senrie par sea six m&leciua et particnli6reiueut par M. van Swieten toa-
jonni sooH uos jeux avec tout le s^Ie et tonte la dcxt^ritö imaginable,
et je suis persnad^ i(ue, »i ce mal avoit &t6 do la nature de ceiix sur le«-
i|iiels l'art des hommes peut quelquo cliose, colui que l'on a enipluyi
poiir ollo, ii'aaroit pas ^t^ Mins effct, ot mal^rö toiu Ics maurais propos
do M. Engel V. E. pout oompter qiie ce quo j'ai Plionneur de lui diro i
cet 6gard, est bien oxacteinont vrai. J'ai pas8£ aujotird'hui une bien
affreuso joum^'O; auiisi ou snis-je si frappi quo j'en ai la 66vTe. Cette
cmelle luort, imm^-diatemout apris le spectacle affi-eux do trois dea
femmes de foue S. A. S'"» qui prirout den conviiKsions, an des mMeciiu,
le vienx Loppoz, que le luiisissement fit tombor daos nne espöce d'a
d'apoplexio, le» burlemenl« de tout c6t£ et aprös tout cela la trist« foi
tiiin quo j'ai ötö oblig^ do faire, de ramassor papiera et oippea et dr
mettro les scoUös partoat en pr&ionco dn cadavre jnsqu'i qnatre hourva
apräs-dtnor, co sont de ues choses qn'il ost plus facilo do sontir que de
peindre. Mais j'ose asaurer k V. E. que, quuique grftce k Dien j'ai cuu-
üervö assex de ferniet^ pour pouvoir agir (lendaut quo tuut le tnouile
ötoit hors d'6tat d'etre bon k quelque chose, j'ai beaneoup souffnrt ol
sens bien viTement tout ce qu'il y a de fächenx dans ma Situation,
beaacoup au-dol4 cependant tout ce qu'il y a d'affreux dAiii celle do do«
iKins Maitres . . .'
Kannitz an Tarouca. 21, Decomber. Je ne suis pas facilo k »c««Mer,
niais j'avouo cependant k V. E. <|u'aiilanl par rimmonsitö dea objets que
par lenr nature j'ai la tete toute en piecea.
77
nisse, in welche seine eigene pecuniäre Lage ihn versetzte. Die
OeldzuflUsse von Seite seiner Eltern scheinen nichts weniger
als reichlich gewesen zu sein, der Staat aber schuldete ihm
seit vergangenem März, somit seit neun Monaten den ganzen
Betrag seiner BezUge. Inzwischen hatte er sein Haas in Turin
auflösen, einen Theil seiner Einrichtung dort um sehr geringen
Preis hintangeben, den anderen aber mit betrHchtlichcn Kosten
nach Wien bringen lassen müssen. Eine zahlreiche Dienerschaft
hatte er zu erhalten, die Reise nach Brüssel auf eigene Kosten
zurückzulegen und nun dort gewissermasscn die erste Rolle zu
spielen. Aufs Dringendste bat er nitht nur um Tilgung der ihm
schuldigen Rückstände, sondern auch um Zuerkennung und Aus-
bezahlung von Bezügen, welche es ihm mögUch machen würden,
sich in seiner Stellung in Brüssel mit Ehren zu behaupten.
Widrigenfalls zöge er vor, ihr ehestens zu entsagen.'
Dass man in Wien für seine Klagen nicht taub blieb,
konnte Kaunitz zu einigem Tröste aus der ihm binnen Kurzem
zukommenden Mittheilung Ulfeldt's entnehmen, mit seiner Er-
ncnnang zum bevollmächtigten Minister würden auch seine
ökonomischen Verhälltnisse von selbst geregelt werden.* Und
in der That hatte man sich in Wien entschlossen, Kaunitz die
dreissigtausend Gulden, welche die Besoldung des Grafen
Königscgg-Erps betragen hatte, wHhrend der Abwesenheit des
Gencralgouvemeurs gleichfalls zu Theil werden zu lassen; ver-
weilte dagegen Prinz Carl von Lothringen in Brüssel, so hatte
Kaunitz nur fUnfundzwanztgtausend Gulden zu beziehen. Den
Unterschied aber, der nach der Auffassung des Wiener Hofes
zwischen der früheren Stellung Königsegg's und derjenigen des
Grafen Kaunitz doch immerhin obwaltete, indem der Eine
ausnahmslos, der Andere aber nur während der Prinz aliwcscnd
war, an der Spitze der Regierung stand, wollte mim durch den
Titel, welchen man Kaunitz beilegte, zum Ausdrucke kommen
lassen. War Königsegg .bevoUmilehtigter Minister' gewesen, so
sollte Kaunitz nur ,während der Abwesenheit des durchlauch-
' Kaiinitx au Ulfoldt, 11. Docember; aa Taronoa, 16. and 21. Decembor
1744.
Qnsut ji vm arangoiuonta oeconomiqnos, cola se retronve de soy-ineme
ani»iUit i|iii> l'on voum ilnniio le caracthöre de Mluintre Pl^nipotentiaire.
UlfcUt an Kaiinitx. Eig«iiliKiiilie äl. Janu.ir 1745.
i
78
tigsten Gouverneurs ermächtigter Minister' ' heissen. So lebhaft
und 80 gegründet waren jedoch die Einwendungen* des Grafen
Kaunitz gegen jede wenn auch nur scheinbare Herabdrückung
seiner Stellung im Vergleiche mit derjenigen, welche Königsegg
innegehabt, dass er endlich mit Kescript vom 13. Februar 1745
gleichfalls zum bevoIimUchtigten Minister' ernannt wurde.
Schwieriger war die Abhilfe, insofern sie sich auf die ftir
die Schultern eines Einzelnen allzu druckende Ueberlastung mit
Geschäften bezog. Diese Bürde wurde dadurch noch ansehnlich
vermehrt, dass der Feldmarschall Herzog von Arenberg, welcher
um jene Zeit, im Beginne des Jahres 174Ö, den grössten Thcil
der in den Niederlanden befindlichen österreichischen Truppen
an den Rhein führte, um dort die Franzosen vom deutschen
Gebiete zu verdrängen, dem Grafen Kaonitz auch noch die
Leitung der militärischen Angelegenheiten übertrug, für welche
ihm jedoch, das lässt sich nicht leugnen, die hiezu erfordcrhchen
Eigenschaften abgehen mussten.
Ohne dieses einzugestehen, denn dazu war er ohne
Zweifel zu eitel, führte doch Kaunitz in Wien bittere Klage
über die überspannten Anforderungen, die man an ihn stellte.
Interessant ist das Auskunftsmittel, auf welches der vertraute
Freund des Grafen Kaunitz, Don Manuel Deswalls Marquis de
Poal, Mitglied des niederländischen Rathos, verfiel, um Kaunitz
die ersehnte Erleichterung zu Theil werden zu lassen. Aber
freilich wurde dieser Gedanke von dem Hauptbetheiligten selbst
mit aller Entschiedenheit verworfen.
Poal's Vorschlag lief auf die Einsetzung einer neuen Junta
oder Rathsversammlung hinaus, welche dem Generalgouvemeur
und im Falle seiner Abwesenheit dem bevollmächtigten Minister
zur Seite stehen und ihm einen grossen Theil der ihm obliegen-
den Geschäftsbesorgung abnehmen sollte. Kaunitz aber meinte,
diu Durchführung einer solchen Idee würde gerade die ent-
gegengesetzte Wirkung von der hervorbringen, welche sich
Poal von ihr verspreche, ja sie würde nicht nur den Minister,
sondern auch den in Wien befindlichen niederländischen Rath
in Verlegenheiten stürzen, denen weder der Eine noch der
Andere sich so leicht wieder za entziehen vermochte. In der
* Ministre autoria^ |iendaot l'abiience du 84&r^issimo GonTumeur.
* Kannitz An MariA Theresia, 26. Jannnr; nu Ulfeldt, S9. Januar I74ä.
' Miniiitro pläoiputentiaire |><>ur le Gunveriiemeut Gäuiral den Pay«-R
79
Vereinfachung einer Regierung bestehe allzeit die grösste Er
leichterung derselben, und gerade die endloBcn Förmlichkeiten,
deren Erfllllung derjenigen zu Brüssel obliege, seien os, durch
welche sie zur schwert^illigstcn in ganz Europa gemacht werde.
Dadurch aber, dass man dem Generalgouvemeur auch noch
eine vierte Rathsversammluiig an die Seite setzen wolle, werde
man die Schwierigkeiten, die er zu überwinden habe, nur noch
ansehnlich vermehren und keineswegs verringern. Hiezu komme
noch der oft beklagte Mangel an tauglichen Individuen. Würde
man die Besten derselben aus den Stellungen entl'ernen, die sie
jetzt innehätten, um sie in den neu zu gründenden Rath zu ver-
setzen, so würde man jene Behörden ihrer nützlichsten Kräfte
berauben und dadurch ihre ohnedies nicht besonders zu loben-
den Leistungen noch mehr entwerthen. Endlieh könnte man
die neue Junta doch niemals zu einer executiven, was allzu
gefuhrlich wäre, sondern immer nur zu einer berathenden Be-
hörde machen, während die Entscheidung jederzeit dem Haupte
der Regierung allein vorbehalten bleiben müsste. Dadurch wäre
aber jede Erleichterung seiner Arbeitslast schon von vorneherein
vereitelt. Wolle man ernstlich eine solche, dann möge man den
entgegengesetzten Weg einschlagen und zur Vereinfachung der
Regierung die geeigneten Schritte thun.
Auf einen anderen, ebenfalls von Poal zur Sprache ge-
brachten Gegenstand übergehend, erklärte ihm Kaunitz, er sei
eben daran, dem Wiener Hofe eine genaue Darstellung des
Zustandes der niederländischen Finanzen zu liefern. Aus dem
Umstände, dass seine beiden Vorgänger, Graf Harracli und
Graf Königsegg, dieser Aufgabe nicht gerecht zu werden ver-
mochten, dürfe man wohl auf die Schwierigkeit derselben
schliefisen. Denn einerseits habe miin mit Leuten zu thun, deren
Interesse sie abhalte, die Wahrheit ergründen zu lassen, und
andererseits könne man doch auch ihren Beistand nicht ent-
behren. Man müsse ihnen also die wahre Absicht verbergen,
von welcher man ausgehe. ,Sie können wenigstens darauf
zählen,' sehreibt Kaunitz an Poal, ,dass ich mein Möglichstes
thun werde. Scheitere ich dabei, so müssen Sie darauf ver-
zichten, überhaupt jemals die gewünschten Aufklärungen zu
erhalten.'
Das in diesen Worten liegende Selbstgefühl begleitet
Kaunitz während seines ganzen Briefes an Poal in uugesehwäch-
80
tem Masse. ,Ich werde die gleiche Aufmerksamkeit,' heia
in dem letzten Theile desselben, ,auch den anderen Punkten
zuwenden, von denen Sie mir sprechen. Der Geist der Ord-
nung, mit welchem ich zur Welt kam, kann Ihnen als Bürg-
Schaft hieftir dienen. Sie sind aber zu vemlinftig, um nicht
einzusehen, dass sehr viele Dinge sich in der Theorie prächtig
ausnehmen, ohne darum in der Praxis ausführbar zu sein, und
dass, wenn man nicht eine ganze Nation gegen sich aufbringen
will, man nicht gleichzeitig die Durchführung verschiedener
vorgcfasster Massregeln in die Hand nehmen darf. Ich ver-
spreche Ihnen, dass Alles geschehen wird und geschehen kann,
aber ^an muss die Wahl des geeigneten Zeitpunktes dem Eifer
und der Bcurtheilung desjenigen anheimstellen, der die Dinge
an Ort und Stelle und mit eigenen Augen sieht. Fortes adjuvat
ipse Deus. Unser Freund Tibull verspricht mir dies, und daraus
schöpfe ich Muth."
Und in der That, Muth bedurfte Kaunitz allerdings in
nicht geringem Masse, um die Pflichten seiner schwierigen Stel
lung zu erfüllen. Vor Allem handelte es sich um die Vorkehrun-
gen, welche zu treflfen waren, der Kriegftlhrung in den Nieder
landen eine günstigere Wendung zu geben. Durch Vermehrung
der dem Feinde entgegenzustellenden Truppen, durch entspre-
chende Ausrüstung derselben, vor Allem aber durch Einsetzung
eines einheitlichen Obercommandos sollte dies geschehen. Aber
die Bemühungen zur Erreichung dieser Zwecke hatten doch
nur theilwcisen Erfolg. In England schien man zwar grössere
Anstrengiuigen zu energischer Fortführung des Krieges machen
zu wollen als bisher, dagegen erwiesen sich die militÄrischen
Einrichtungen der Holländer als vülh'g erschlafft, und Maria
Theresia selbst, durch die Kriegführung in Deutschland und in
' Kaunitz an Poal. 12. Januar 1746. ,J'aurai la möme attention pour tons
le» natros point» qiie vou.s tne KUgg^rez. L'esprit d'ordro avec lequel jf
suis n6, pcut yoiis servir du caution, mais voiis etes trop raisonnable
)H>nr ne paa sontir quo bion des cUosea aont magnifiqaos en thiorie, Btna
en dtre pour cela aouTent pln» praticablea, et que pour ne point effa-
roncher toute une nation, on ne peut paa raiaoDnablement entreprondrc
rexecution de planiearg pointa odieox & la foia. Je vom prometa qne tont
cola ao fern ot pourra ne faire; main il faut abandonner le choix du tenu
an z^le et au discornemont de celui qui voit les choses anr Ibh lioui et
par tni-mSme. Forteii adjuvat ipso Dens. Notre ami Tibulle me \e
proniet et cela m'a enconragij.'
81
I
I
I
I
I
l
Italien schon ilbennässig in Anspruch genommen, konnte wenig-
stens von diesen Kriegsachauplätzen oder aus ihren Erbländcm
keinen Succurs mehr nacli den Niederlanden senden.
Mehr noch als die VerstJlrkung der verbündeten Streit-
kräfte entzog sich die Lösung der Frage des Obercommandos
der directen Einwirkung des Grafen Kaunitz. Nach langer Ver-
handlung zwischen den betheiligten Regierungen einigte man
sich dahin, es in die Hände des Herzogs von Cumberland,
zweiten Sohnes des Königs von England zu legen. Was diesem
noch sehr jungen Prinzen an Eri'ahrung abging, trachtete man
dadurch zu ersetzen, dass man ihm den hochbetagten Feld-
marschall Grafen Königsegg beigab.
Nicht allzuschwer hätte man vorhersehen können, dass
sich diese Combination gegenüber der einheitlichen Führung der
Franzosen, welche durch den Marschall von Sachsen befehligt
wurden, als unzulÄnghch herausstellen werde. Auch sonst lagen
alle Umstände zu Gunsten der Franzosen. Ihre Armee war weit
zahlreicher als die der Verbündeten; sie bestand aus Truppen
von einer und derselben Nationalität und erhielt aus Frankreich
selbst ununterbrochenen Nachschub an Kriegsbedarf aller Art.
Der Marschall von Sachsen schritt daher gleich beim Beginne
des Feldzuges an die Belagerung von Tournay, jener starken
flandrischen Festung, welche durch i>üOO Mann holländischer
Truppen vertheidigt wurde. Diesen Platz zu entsetzen und den
Franzosen womöglich die RUckzugslinie abzuschneiden, rUckten
die Verbündeten an sie heran. Kaunitz versprach sich das Beste
von ihrem Unternehmen,' aber der Angriff auf die Belagerer
misslang, und in der so berühmt gewordenen Schlacht bei
Fontenoy wurden die Verbündeten am 11. Mai 1745 entschei-
dend geschlagen.
Unter den Kanonen der Festung Ath zogen der Herzog
von Cumberland und Graf Königsegg ihre besiegten Truppen
wieder zusammen. Von dort aus setzte noch am Unglückstage
selbst Königsegg den Grafen Kaunitz von dem Geschehenen in
Kenntniss. Dem überlegenen Feuer der Franzosen, sowohl der
Artillerie als der Kleingewehre, schrieb er den Ausgang der
Schlacht zu.*
• Kaunitz an UlfeWt. Brttsnel, 7. Mai 1746.
* Königsegg an Kaunitz. Ath, U. Mai 1746.
AKkiT. ULXXVUI. Bd. I. Hiin«.
82
Man kann sich wohl denken, dass Kaiinitz durch die
unerwartete Ercigniss peinlichst berührt wurde. Es sei umso-
mehr zu bedauern, heisst es in einem seiner Briefe vom folgen-
den Tage, als es sich schon am Anfange des Feldzuges zutrug.
Es werde nicht nur den Ruin des Landes nach sich ziehen, in
welchem die Franzosen bis zur Ankunft namhafter Verstärkun-
gen der Verbündeten ungehindert den Meister spielen wtirden,
sondern ausser dem in der Schlacht erUttenen Verluste noch
die 9000 Mann kosten, welche als Besatzung in Toumay lägen.
Was ihn selbst angehe, fuhr Kaunitz fort, dürfe man jeder-
zeit überzeugt sein, dass er sich bei solchen Vorfällen nicht
schläfrig benehmen werde.* Noch in dieser Nacht wolle er sich
zur Armee begeben, wenn er es thun könne, ohne sich der
Gefahr auszusetzen, von den feindlichen Streifpartien aufge-
hoben zu werden. Und obgleich aus diesem Gninde die Äus-
filbning seines Vorsatzes wenigstens fiir jetzt noch unterblieb,*
bot er doch Alles auf, was in seiner Macht stand, um die Folgen
der Niederlage nicht allzu unheilvoll werden zu lassen.
Am ausgiebigsten wurde er in diesem Bestreben durch
die Thatsache unterstützt, dass eine ruhigere und genauere
Betrachtung der Dinge sie weniger trostlos erscheinen licss, als
man dies unter dem Eindrucke der ersten Bestürzung geglaubt
hatte. Die Besorgniss, welche damals Jedermann hegte, der
Feind werde aus dem von ihm errungenen Siege und aus der
Verwirrung, die gleich nach der Schlacht in den Reihen der
Verbündeton herrschte, allen nur immer möglichen Nutzen zu
ziehen wissen, sie bis Ath verfolgen und ihnen keine Zeit lassen,
sich wieder zu sammeln und zu erholen, ging nicht in Erfüllung.
Die Franzosen blieben bei Tournay stehen, verschanzten sich
dort noch stärker als vorher und schienen sich mit der Fort-
setzung der Belagerung dieser Festung begnügen zu wollen.'
Am 22. Mai ergab sich denn auch die Stadt, die zahlreiche
Garnison aber zog sich in die überaus starke Citadellc zurück.
Freilich sagte Kaunitz, der so wie der Herzog von Cumber
land und Königsegg über die rasche Uebergabe der Stadt Tour-
nay sehr erbittert war, auch der Citadelle keine lange Verthei-
digung vorher, denn in Folge der Capitulation der Stadt war
' ,qne je ne m'endon pas dacs cos sortes d'occjiaiona.*
* Kaunits an Ulfeldt. BrOssel, 4. Juni 1745.
• KanniU .-«n OTfoldt. H. Mai 1745.
83
sie mit Menschen so überfüllt, dass schon der Mangel an Unter-
halt für diese sie bald zu Fall bringen niusste.'
Zu gi'osser Genngthuung gereichte es Kaunitz, dass man
sich auch am Wiener Hofe durch die Schlacht von Fontenoy
nicht muthlos machen liess. ,In missliclien Umstünden,' heisst
es in einem von Maria Theresia selbst unterzeichneten Schreiben
an ihn,* ,muss sicli zum standhaftesten bezeiget und der getreue
Diensteifer verdoppelt werden. Ich halte mied dessen von Euch
gn&digst sicher.' Sie weist ihn an, in England und in Holland
auf Verstilrkung der verbtlndeten Armee zu dringen. Da sie
aber einsah, dass beide Mächte doch nictit so viele Truppen
nach den Niederlanden würden absenden können, um dort das
numerische Uebergewicht über die Franzosen zu erlangen, ging
sie darauf aus, diese durch eine mächtige Diversion am
Rhein zu zwingen, sich durch Detachirung eines ansehnlichen
Theiles ihrer Streitkräfte dorthin in den Niederlanden zu
schwächen, Der gemessenste Befehl, der nur immer gedacht
werden kann, wurde zu diesem Zwecke an den Herzog von
Arenberg erlassen.' , Weder Replik, Einwendung, noch Verzug,'
schrieb ihm Maria Theresia, ,gestatte ich hierunter Euer Liob-
dcn; sondern versehe mich der getreuen, pflichtschuldigsten
Befolgung.'
Eine rasche Wirkung dieser Befehle, selbst wenn sie pünkt-
lich vollzogen worden wären, Hess sich übrigens doch nicht
erwarten. Inzwischen gereichte es Kaunitz schon zu einigem
Tröste, dass aus England wie aus Holland nicht ganz unbeträcht-
liche Verstärkungen eintrafen, und dass sich auch die Citadelle
von Toumay länger und tapferer vcrtheidigte, als man Anfangs
zu hoffen gewagt hatte. Aber war schon die Unthätigkeit der
Armee der Verbündeten, welche, fortwährend auf neue Zuzüge
wartend, unbeweglich bei Lessines im Lager stand, nicht nach
Kauuitz aa Carl vnu Lotliringfen. Brtiüsel, 1. Juni 1746: ,V. A. 8. sait
k präsent . . que, gräces & Dieu, le mal n'a pas 6t6 si grand qu'il l'a para
iVabord. Ce seroit mßme aiitant qne rien, si Tonmay no »'ötoit pas d&-
fendn et rendn k la HoUandaiee. M. le Marichal et aurtont lo Unc de
ComberlaDd eii sont fiirieu». Le commandant de In citadullo a ordre de
la d^fendre, mais par In cnpitnlatiun de In ville olle o»t si »arcliarg^
de boDcheü, qne jn no mo flatto pas d'uno longue defense.'
E« i«t von Bartoniitein vorfasHt und vom 23. Mai 1746 datirt
Am 22. Mai 1746.
6»
84
seinom Geschmacke, so erftillte ihn vollends die Nachricht von
der Niederlage, welche am 4. Juni Prinz Carl von Lothringen
bei Hohenfriedberg erlitt, mit grosser Betrübniss. ,Bei alledem,'
schrieb er am 22. Juni, drei Tage, nachdem sich die Citadelle
von Tournay endlich ergeben hatte, an den Uofkanzler Ulfeldt,
,hoffe ich noch das Beste, und die mächtige Hand, die sich in
weit misslicheren Umständen kräftig erzeiget, ist nicht verkünrt
und wird noch mehrere menschliche Anschläge zunichte machen.
Der anzuhoffende glückliche Ausschlag der Kaiserwahl kann
nicht anders als von grosser Folge sein. Und wenn der fran-
zösische Hof sein eigenes wahres Interesse, wie es vermuthlich
von Einigen geschieht, recht erkennen will, so sollte ihm die
Afifaire in Schlesien keine sonderliche Freude, sondern weitere»,
auf die Erfahrung gegrlindetes Nachdenken veinirsachen.'
Die Stimmung, in welcher sich Kaunitz damals befand,
und seine Anschauung Über die politische Lage im Allgemeinen
lassen sich am besten den vertraulichen Aeusserungen entnehmen,
in denen er sich bei Uebersendung von Depeschen aas Paris
nach Wien gegen Ulfeldt erging. Von dem Marquis Choiseul
de Stainville, dem Gesandten des Grossherzogs von Toscana in
Frankreich, rührten sie her. Trotz dem oflFenen Kriege zwischen
diesem Staate und Oesterrcich meinte Stainville doch immer
von friedlichen Gesinnungen berichten zu dürfen, welche ein-
flussreiche französische Staatsmänner hegten. Lisbesondere war
es der Cardinal Tencin, der sich ihm gegenüber wiederholt flir
baldige Beendigung der Feindseligkeiten zwischen Oesterreich
und Frankreich erklärt haben sollte.'
Kaunitz war nur der Uebersender dieser Depeschen und
kannte ihren Inhalt nicht, aber er war von grosser Besorgniss
erfüllt, dass dieser ein sehr unbefriedigender sein werde. Er
konnte sich nicht enthalten, auch angefragt seine Meinung da-
hin auszusprechen, dass, wenn unter dem Eindrucke der beiden
Schlachten von Fontenoy und von Hohenfriedberg Frankreich
darauf ausgehe, fUr sich und tUr Preussen gleichzeitig einen
vortheilhaften Frieden zu erwirken, hievon die übelsten Folgen
für das Haus Oesterreich zu gewärtigen wären. Daher sehe er
auch, fuhr er fort, keiner Nachricht mit grösserem Verlangen
' StAinville an den Orosshenog. Parti, 16. Jani 1746. Ameth,
MarU Theresia« Ul, S. 487,
85
als der entgegen, dass sich die Verbündeten nicht vor Beendi-
gung des Feldzuges mit Friedensgedanken beschäftigen, 'öder
dass sie doch wenigstens nicht auf einen allgemeinen Frieden
mit Einschluss Preusscns vorfallen würden, denn ein solcher
müsste das Haus Oesterreich derart schwächen, dass es sich
hieven wohl nie mehr erholen könnte.'
Dass er nichts für so nothwendig hielt als die möglichst
energische Fortführung des Krieges, bewies Kaunitz auch durch
den Eifer, mit welchem er in den Niederlanden selbst die Wer-
bung von Soldaten zur Verstärkung der einheimischen Streit-
kräfte betrieb. Da es aber in Folge der dort obwaltenden
eigenthlimlichen Verhältnisse damit nicht so rasch vorwärts
ging, als die Generahtät wünschte und die Umstände ver-
langten, war Kaunitz schon lang auf den Gedanken verfallen,
so wie es zur Zeit des spanischen Successionskrieges geschehen
war, so auch jetzt wieder eine dorfweise Aushebung* zu ver-
anstalten. Die Schwierigkeit, hiezu die erforderliche EinwiUigung
der Stände zu erhalten, die sie voraussichtlich von der Ver-
ringerung der Subsidien abhängig machen wtlrden, die Hin-
dernisse, welche die Verfassung des Landes der Durchfllhrung
seines Planes in den Weg legte, hatten Kaunitz bestimmt,
diesen Plan wenigstens vorderhand wieder fallen zu lassen.
Seitdem aber die Nachricht von der unglücklichen Schlacht
bei Hohcnfriedberg eingetroffen und hiedurch alle HoflFnung
auf Zuzug aus Deutschland vernichtet war, kam Kaunitz auf
sein früheres Project wieder ziuück und nahm dessen Durch-
führung energisch in Angriff. Freilich bestand das günstigste
Resultat, das er sieh hievon versprach, in nicht mehr als einer
Verstärkung der einheimischen Regimenter um etwa ein- bis
fünftausend Mann.'
Man stellt sich gewöhnlich den Foldzug des Marschalls
von Sachsen in den Niederlanden wie einen rasch dahiubniusen-
den. Alles vor sich niederwerfenden Siegeszug vor, in Wirklich-
keit aber ging auch auf französischer Seite Alles ungemein lang-
sam von Statten. Erst drei Wochen nach dem Falle der Citadclle
von Toumay, am 11. Juli bemächtigten sich die Franzosen durch
■ KaaniU an Ulfeldt. S3. Juni 1745.
* ,nne levöe par cluclier'.
* Kaunitz an Ulfeldt. Brüssel, 23. Jani 1746.
86
einen Handstreich der Stadt Gent, und nach wenigen Tagen
ergab sich ihnen die dortige Citadelle. Am 18. Juli öffiiete
Brügge dem Feinde seine Thore, und am 21. fiel Oudenarde,
worauf wieder eine längere Pause in den Fortschritten des
Feindes eintrat.
EigenthUmlicherweise erfüllten die Franzosen durch diese
Art ihrer Kriegführung einen der sehnlichsten Wunsche des
Grafen Kaunitz. Da die Armee der Verbündeten durch die in
der Schlacht bei Fontenoy erlittenen und noch immer bei Weitem
nicht ersetzten Verluste, sowie durch die Besatzungen, die sie
nach Ath, Mons, Charleroi und Namur werfen musste, gar sehr
geschwächt war, bekannte sich Kaunitz zu der Ansicht, der
um so viel stärkere Feind könne ungestraft unternehmen, was
er nur wolle. Brüssel stehe in Gefahr, jeden Augenblick von
ihm weggenommen zu werden. £s sei daher dringend zu wün-
schen, dass der Feind seine Zeit und seine Kraft nur an die
Belagerung von Festungen wende.'
Aber freilich zog auch dieses Verfahren der Franzosen
sehr grosse Nachtheile fUr die Sache der Verbündeten nach
sich. Mit jedem Platze, den der Feind wegnahm, erweiterte
sich das Gebiet, welches ihm ausschliesslich zugänglich wurde,
in ansehnlicher Weise. Die härtesten Erpressungen nahmen die
Franzosen daselbst vor, so dass die Provinz Flandern, aus
welcher die niederländische Regierung bisher noch die verhält-
nissmässig meisten Einkünile bezogen hatte, bald ganz ausser
Stande war, noch irgend einen Beitrag zur Bestreitung der durch
die Kriegführung so hoch gesteigerten StaatsauBgaben zu leisten.
Auch aus den anderen Provinzen ging nur sehr wenig ein, und
in wirklich Mitleid erregenden Worten schilderte Kaunitz die
Geldverlegenheiten der Regierung, um schleunige Abhilfe bittend.
Aber trotz dieser Nothlage war er doch keineswegs für wider-
standslose Unterwerfung unter das, was zaghafteren Gemüthem
imabwendbar erschien. Ja er drang in den Grossherzog Franz,
leichte Cavallerie nach den Niederlanden abgehen zu lassen.
Denn noch befanden sich genug Plätze in den Händen der Ver-
bündeten, um von dort aus durch verheerende StreifzUge auf
französisches Gebiet Repressalien für die von dem Feinde in
Belgien verübten Unthaten zu nehmen.
* Kannitz an Carl Ton Lothringen. Brttssel, 9. Juli 1746.
87
Kaunitz wiisste wohl, dass er durch solche Vorstellungen
zwar seine Pflicht erftülte, aber auf Gewährung seiner Bitten
kaum hofi'en durfte. Denn die Hilfsquellen der österreichischen
Regierung waren ja lang schon erschöpft, und eine Schwächung
ihrer Streitkräfte auf den übrigen Kriegsschauplätzen zu Gunsten
der niederländischen schien umsowcniger thunlich, als bei der
weiten Entfernung ein dorthin abgehender Succurs ohnedies
kaum rechtzeitig eintreffen konnte.'
In der Nacht vom 2. auf den 3. August erhielt Kaunitz
die vertrauliche Nachricht, am 1 . seien in Gent ein grosser Kricgs-
rath gehalten und der Beschluss gefasst worden, die französische
Armee in zwei Hälften zu theilen; die eine solle auf Tcrmoude,
die andere direct auf Brüssel losgehen und diese Stadt, wie es
mit Gent geschehen war, überfallen. Kaunitz war nicht der
Meinung, dass ein solches Vorhaben in Brüssel gelingen würde.
Dennoch versäumte er keine Vorsicht, diese Stadt gegen einen
plötzhchen Angriff sicherzustellen. Und er hess, in etwa hundert
Kisten verpackt, die wichtigsten Acten der verschiedenen Be-
hörden und ungefilhr achtzig Kisten mit den kostbarsten, dem
Hofe gehörigen Gegenständen nach Antwerpen abgehen. Für
seine eigene Person und seine Habe zeigte er sich unbesorgt
und wartete in Ruhe die Ereignisse ab.* Und an den Prinzen
Carl von Lothringen schrieb er noch am 12. August, er hoffe
Dicht von Brüssel vertrieben zu werden; denn die Eifersucht
und Zwietracht zwischen den französischen Generalen und ins-
besondere den zwei Fremden, welche jetzt in der Mode seien
— Moriz von Sachsen und Lüwcudal — werden vioUeieht doch
noch der Sache der Verbündeten eine günstigere Wendung
geben.*
An dem Tage, an welchem Kaunitz dies niederschrieb,
zog Termondo die weisse Fahne auf und capitulirte. Ostende
folgte noch während des Monates August, und so war um jene
Zeit die Provinz Flandern ganz in den Händen des Feindes.
Der Fall von Nieuport aber, das sich am 5. September ergab,
' KAunitz au deu Orossberzog. 21. Juli 1745.
* Kaunitz su Ulfeldt Brüssel, 3. August 1746.
* ^'eapöre toujours qu'on ne noua obligora pas ä aUaiiduiiiior Uruüsolles,
et que la jalunsie et le peu de concert qu'il y a outre \ea i;<Juüranx
fran^ais et le.s deux otrnngeurs qui sont & la modo dans cotte campogue,
tournera i nutre avautage.'
88
schloss ftir längere Zeit die Reihe der französischen Eroberangen
auf niederländischem Gebiete. Dass dies zu einer Jahreszeit
geschah, welche gerade die günstigste zur Fortsetzung der Ope-
rationen gewesen wäre, zu der eine so gewaltige Uebermacht
zu Gebote stand, muss wohl zu dem entgegengesetzten Urtheile
über die Kriegführung der Franzosen und des Marschalls tob
Sachsen leiten, als hierüber gewöhnlich gefüllt wird.
Diese Unthätigkeit der so weit überlegenen feindlichen
Armee konnte auf die Streitkräfte der Verbündeten and die
Bevölkerung der Niederlande überhaupt nur ermathigend wir-
ken. Durch die Nachricht, dass am 13. September 1745 in
Frankfurt die Wahl des Grossherzogs von Toscana zum römi-
schen Könige stattgefunden habe, wurde diese Stimmung nicht
wenig befestigt, denn die Menge sah hierin einen überzeugen-
den Beweis, die Sache des Hauses Oesterreich sei im Begriffe,
den Sieg davonzutragen über die auf sein Verderben abzielen-
den Bestrebungen seiner Feinde.
Aber freilich war die Freude, die man hierüber in den
Niederlanden empfand, und welcher Kaunitz durch glänzende
Feste, die er in Brüssel veranstaltete,' Ausdruck verlieh, nur
von sehr kurzer Dauer. Die Nachricht von der neuerlichen
Niederlage, welche Prinz Carl von Lothringen, und zwar am
30. September bei Soor durch den König von Preussen eriitt,
traf ungefähr gleichzeitig mit einer zweiten dort ein, welche
flir die Niederlande von noch grösserer Wichtigkeit war. Die
glückliche Landung des Prätendenten Stuart an der schottischen
Küste, die reissenden Fortschritte, die er dort machte, der voll-
ständige Sieg, den er bei Preston-Pars über den englischen
General Cope erfocht, die Besorgniss endlich vor einer En-
schiffung französischer Hilfätruppen in Dttnkirchen oder Ostende,
Alles dies zusammengenommen zwang die britische Regierung,
den grössten Theil ihrer in den Niederlanden befindlichen Streit-
kräfte nach England zurückzuziehen und auch den Herzog von
Cumberland dorthin zu berufen. Er war bestimmt, den Ober-
befehl über das Heer zu fUhren, welches man dem Prätendenten
entgegenstellen wollte.
Bemerkenswerth ist es, dass trotz dieser ansehnlichen Ver-
ringerung der ohnedies so schwachen Streitkräfte der Verbün-
* Kaunitz an Ulfeldt. 18. September 1746.
89
deten in den Niederlanden sich weder der Feldmarschall
Graf Königsegg noch Kaunitz der Besorgniss hingaben, der
Feind könnte darauf ausgehen, von diesem fiir ihn so gllnstigcn
Umstände noch während der Winterszeit Nutzen zu ziehen.
Königsegg übertrug das Couimando über die in die Winter-
quartiere verlegten Truppen dem Feldzeugmeister Grafen Chan-
clos und begab sich nach Wien. Kaunitz aber berichtete dort-
hin, er hege nicht die geringste Befiirehtung, dass der Feind
noch in diesem Winter an irgend eine Unternehmung zu schreiten
gedenke.'
Es scheint wohl, dass diese Meinung wenigstens in Brüssel
ziemlich allgemein getheilt wurde. Wenigstens in dem dortigen
geselligen Leben Hess sich nichts von einer Besorgniss vor einer
drohenden Gefahr verspüren, und ein Vorfall, der eich in den
ersten Tagen des December 1745 in dem Hause des Grafen
Kaunitz zutrug, kann als Beweis gelten, dass sich Viele mit
ganz anderen Dingen als den politischen und den militärischen
Angelegenheiten des Landes beschäftigten.
Am Abende des 3. December war .Spiel im Hause des
Grafen Kaunitz. Unter den Anwesenden befanden sich der
kaiserliche Feldzeugmeister und commandierende General der
holländischen Truppen, Fürst von Waldeck, und der Oberst
und Generaladjutant Mac'Donel. Dieser, der ein Glücksritter ge-
wesen zu sein scheint, benahm sich bei dem Kartenspiele mit
mehreren Damen, welche den vornehmsten Kreisen angehörten,
unter ihnen die Fürstinnen von Waldeck und Chimay, in so un-
schicklicher Weise, dass ihm eine derselben dies verwies. Fürst
Waldeck stimmte dem Tadel bei, der gegen Mac'Donel aus-
gesprochen wurde, worauf dieser erwiderte, von ihm werde
er wohl nicht erst Höflichkeit zu lernen brauchen. Ein heftiger
Wortwechsel entspann sich ; Fürst Waldeck verlangte, Mac'Donel
solle den Spieltisch verlassen, was dieser hartnäckig verweigerte.
Je mehr sich die Zankenden erhitzten, urasomchr Kalt-
ewahrte Kaunitz, der nun zur Schlichtung des Streites
blütigke
' Kaunitz an Ulfeldt. BrÜAsel, II). November 1746: .Zwar RoUte der eilige
Ztirückmamch der englischen TrD]»|)eii die wnbrscheinliohe Beyiorg^ ver-
ursarlieii, da«8 die ('einde bej- an nnlimb.'ifter Vermindernng der nllürteu
Armeen noch diesen Winter etwas nnternehmeu nnd uns in nicht geringe
Verlegenheit setzen würden. Ich bin aber dessfalls von aller Forobt be-
freiet and nicht die geringste Bennnibigung von diesem Winter vermathend.'
90
herbeigerufen wurde. Um nicht selbst in denselben hineinge-
zogen zu werden, hielt er sich nur an Mac'Donel. Er hätte von
ihm, sagte er ihm, grössere Achtung tür das Haus des bevoll-
mächtigten Ministers Ihrer kaiserlichen Majestät und (üx dessen
Person erwartet. Und da Mac'Donel erwiderte, er werde diese
Achtung nie aus den Augen verlieren, forderte Kaunitz ihn
auf, hievon einen überzeugenden Beweis zu geben, indem er
allsogleich seinen Platz und das Spiel verlasse. Ohne Zögern
gehorchte Mac'Donel, aber er begann nun mit dem Feldzeug-
meister Grafen Chanclos, der gleichfalls zugegen war, die Sache
so laut zu besprechen, dass FUrst Waldeck es hören musste.
Hiedurch sah sich Chanclos genöthigt, ihn aus der Gesellschaft
wegzuschicken und ihm Hausarrest zu geben.
Kaunitz verhehlte sich nicht, das sich auch Fürst Wal-
deck durch seine Heftigkeit zu verschiedenen allzu weitgehenden
Aeusserungen habe hinreissen lassen. Dessen Stellung an der
Spitze der holländischen Truppen erheischte jedoch sehr grosse
Rücksicht; Kaunitz liess daher dem Grafen Mac'Donel erklären,
er müsse sein Benehmen als eine Verletzung der Achtung an-
sehen, die ein kaiserlicher Oßicier dem Hause des bevollmäch-
tigten Ministers schulde. Er befehle ihm deshalb, sich zur Fort-
setzung seiner Haft auf Ehrenwort nach der Citadelle von Ant-
werpen zu begeben.
Mac'Donel weigerte sich umsoweniger, diesem Befehle
Folge zu leisten, als darin nicht von seinem Zusammenstosse mit
dem Fürsten von Waldeck, sondern nur von seinem Vergehen
wider Kaunitz die Rede war. Dieser aber ftkgte seinem ausführ-
lichen Berichte nach Wien die Bitte bei, Mac'Donel möge
künftighin auf einem anderen Kriegsschauplatze Verwendung
finden.*
Dieser Vorfall, welcher in den Salons von Brüssel mit
grösster Lebhaftigkeit besprochen wurde,* ist hier nur erwähnt
worden, um das damalige Leben und Treiben in denselben zu
kennzeichnen. Freilich lässt es sich auch nicht von fem mit der
ausgelassenen Fröhlichkeit vergleichen, welche unter der Aegide
des Marschalls von Sachsen im französischen Hauptquartiere zu
* Kaunitz au Maria Theresia. 4. December 1745.
* Kr iat auch, weungleich hie uud da unrichtig, in dem Werke von
P. Kuger wiedererzählt: Mömoires et Souvenirs sur la Cour de Bmxellet,
S. 66, 66.
91
Gent herrschte. Was man von dort hörte, hätte Kaunitz in seiner
früheren Meinung bestärken können, den Franzosen liege nichts
ferner, als noch in diesem Winter an die Wiederaufnahme der
Feindsehgkeiten zu schreiten. Aber man hatte woht auch in
Brüssel Kenntniss von den heftigen Anklagen, welche in Frank-
reich gegen die Unthätigkeit des Marschalls von Sachsen er-
hoben wurden. Jlancherk-i Anzeichen Hessen auf seine Absicht
schliessen, pliitzhch irgend eine wichtige Unternehmung ins Werk
zu setzen; es könnte vielleicht, so meinte man in Brüssel, der
Festung Luxemburg gehen, in welcher der Feldmarschall Graf
Neipperg commandirte. Auch Kamnitz neigte sich dieser Ansicht
zu, und er liess sich die rechtzeitige Verstärkung der Garnison
von Luxemburg besonders angelegen sein.'
In Holland war man in hohem Grade imzufrieden mit
dieser Massregel, welche naturgemäas eine weitere Verringerung
der ohnedies schon so schwachen Streitkräfte der Verbündeten
in den österreichischen Niederlanden nach sich zog. Darum
rief die Nachricht, die französischen Truppen in Gent stünden
zum Aufbruch bereit, die Besorgniss wach, ihre Absicht könnte
entweder auf Antwerpen oder auf Brüssel gerichtet sein. Kaunitz
aber war der Meinung, die ziun Äusmarschc aus Gent bestimm-
ten Truppen würden den Weg nach Ostende einschlagen, um
dort nach England eingeschifft zu werden.* Auch dann noch
blieb er bei seiner Meinung, die Franzosen seien weder des
Willens, noch stark genug, etwas gegen Brüssel oder Antwerpen
zu unternehmen, als die holiUndischen Generale, auf ihre Kund-
schaftsberichtc gestützt, die entgegengesetzte Anschauung ver-
traten.'
Peinhch war die Nachricht, welche Kaunitz am Schlüsse
des Jahres 1745 empfing, dass nicht nur die englischen Truppen,
sondern auch die in britischem Solde stehenden üÜOO Ilesacn
aus den Niederlanden nach England eingeschifft werden sollten.
Kaunitz berief nun die Generahtät, deren er sich und ins-
besondere des hannoverschen Generals von Uten mit Wilrme
belobte, zu einer Militärconferenz. Man einigte sich dahin, die
ganze noch vorhandene Infanterie als Besatzung in die zwei
> Ksunita an Maria TLerosia. 18. Dect<int>er 1746.
* Kauniti an Ulfoklt. 25. Uuuembor ITiö.
* Kaunitz au LUfelilt. 29. Decembor 1746,
92
Städte Brüssel und Antwerpen zu legen und vorrugsweiae auf
deren Verthcidigung bedacht zu sein.'
Indem Kaunitz dieser Massregel beistimmte, hoffte er von
ihr, dass durch sie wenigstens fUr die Winterszeit eine hin-
reichende Sicherstellung beider Plätze vor einem feindlichen
Handstreiche herbeigeführt werden würde.* An dieser Mcinnng
hielt er auch dann noch fest, als er die Nachricht von der vor-
bereitenden Thiitigkeit erhielt, welche seit Kurzem im französi-
schen Heerlager herrschte. Dem Verdachte, der Marschall von
Sachsen könnte der so lang dauernden Waffenruhe ein plötz-
liches Ende bereiten, gab jedoch Kaunitz auch dann noch nicht
Raum, als ein aufgefangenes Schreiben des Marschalls, in wel-
chem von einer beabsichtigten Unternehmung die Rede war,
in seine Hände gerieth. , Sollte aber,' schrieb Kaunitz um jene
Zeit nach Wien, ,eine feindliche Bewegung erfolgen, so wollte
ich wünschen, dass solche auf die hiesige Stadt gerichtet und
auf die wahrscheinliche Vermuthung gegründet wäre, als ob
wir nebst den holländischen Truppen schlechte Conteuancc
haiton und in der ersten Bestürzung die Rettungsmittel verab-
säumen wtü'den, massen ich der gänzlichen Hoffnung lebe, dasB
alsdann das Gegentheil erfolgen und der Feind sich in seiner
Rechnung sehr betrügen werde.'*
Die Erf\lllung dieses , Wunsches' des Grafen Kaunitz lies«
nicht mehr allzulang auf sich warten. Nach zehntägiger Vor-
bereitung verliesa der Marschall von Sachsen am 28. Januar
1746 Gent, und nun zweifelte auch Kaunitz nicht länger, dass
sein Absehen auf Brüssel gerichtet sei. Obgleich von ernstlichen
Körperleiden heimgesucht und seit drei Tagen am Fieber zu
Bett liegend, erklärte Kaunitz, doch in Brüssel aushalten zu
wollen. Nichts werde, ftigte er hinzu, verabsäumt werden, die
Vertheidigung zu einer hartnäckigen zu gestalten.^
Mit diesem Berichte nach Wien fand jedoch auch die
Correspondenz des Grafen Kaunitz mit dem Kaiserhofe für
längere Zeit ein Ende. Von dem, was in und vor Brüssel vor
ging, konnte er erst nach dem Falle dieser Stadt Meldung
' Kaunitc an Ulfeldt. 1. Jnnuar 1746.
* Knunitz an Maria Theresia. Brilssol, h. Januar 1746.
0 Knunitz an Ulfeldt. BrQssel, 10. Januar 1746.
* Kaunitz an den Präsidenten des uiederliindi«chen Katlies, Ormfeu Sjrlra-
Taroaca. Brüssel, 29. Januar 1746.
93
erstatten; denn so lange die Belagerung dauerte, war es zwar
nicht ganz unmöglich gemacht, hie und da eine sehr kurz ge-
fasste Mittheilung nach Aussen gelangen zu lassen, von einer
förmlichen Berichterstattung aber konnte nicht mehr die Rede sein.
Die erste Kundgebung, welche man als ein sicheres An-
zeichen betrachten durfte, Moria von Sachsen führe die Weg-
I nähme Brüssels im Sinne, bestand in einem Schreiben dieses Mar-
schalls an den Grafen Lannoy, Mihtärgouverneur von Brüssel.'
Er bat ihn darin, die etwaige Verbrennung der Vorstädte dieses
Platzes als eine zwar damals gewöhnliche, aber ebenso nutz-
lose wie barbarische Massregel zu unterlassen.
I Kaunitz versichert, dass noch vor Ankunft dieses Briefes
die in Brüssel versammelte Generalität die Verschonung der
»Vorstädte beschlossen habe. Ausserdem behauptet er, sie habe,
während Brüssel vom Feinde umschlossen wurde, eine ziemlich
kleinmüthige Sprache geführt und hervorgehoben, dass die
Festungswerke schwach und an verschiedenen Orten leicht zu
ersteigen seien, so dass die Gefahr nicht ferne liege, Brüssel
könnte durch einen nachdrückhchen Angriff mit dem Degen in
der Faust weggenommen werden. Die Artillerie bestünde ausser
einigen, jedoch nur sehr wenigen Zwölfpfündern aus lauter
kleinen Geschützen, welche dem Feinde unmöglich beträcht-
lichen Schaden zufügen könnten. Die Garnison aber zähle
allerdings siebzehn theils holländische, tlieiis schweizerische Ba-
taillone, deren wirkhcher Mannschaftsstand sei jedoch so gering,
dass er zur Vertheidigung einer so grossen Stadt wie Brüssel
bei Weitem nicht zureiche.
Es soll nicht verschwiegen werden, dass diese Betrach-
tungen auch auf Kaunitz einen gewaltigen Eindruck hervor-
brachten und er einen Augenblick seines erst vor wenigen
Wochen ausgesprochenen Vorsatzes, Brüssel standhaft zu ver-
theidigen, nicht mehr eingedenk gewesen zu sein scheint. Er
selbst gesteht zu, eine lange Zeit im Zweifel gewesen zu sein,
ob nicht die Rettung der ganzen Besatzung den Verbündeten
vortheühafter sein würde als eine Behauptung der Stadt, von
welcher sich eine sehr lange Dauer doch nicht vorhersehen
" Nicht an Raanitz, wie Weber, Moriz Graf vou Sacliiten, Leipzig ISfiS,
8. SU, und Taillandier, Maurice do Saxe, Paris 1866, S. 284, irrtliümlich
berichten.
94
Hesse. Er besprach sich hierüber mit dem Foldzeugmeister
Grafen Chanclos und fand ihn diesem Vorschlage geneigt. Schon
trafen sie unter sich die Verabredung, dass Kaunitz in Be|;lei-
tung der österreichischen Husaren aus der »Stadt ziehen und
trachten solle, nach Antwerpen durchzukommen, da soheiterte
das ganze Projcct an dem entschiedenen Widerstände des Ge-
nerals van der Duyn, Commandanten der holländischen Truppen.
Er erklärte mit Bestimmtheit, nicht auf den Aasmarsch ans
Brüssel, sondern auf die Vertheidigung dieses Platzes lauteten
alle seine Instructionen, und er würde sich der grössten Ver-
antwortung aussetzen, wenn er ihnen zuwider handeln wollte.
War er auch einen Moment lang der entgegengesetztcu
Meinung gewesen, so begriff darum Kaunitz doch nicht minder,
dass dasjenige, was man überhaupt thun wolle, mit Nachdruck
und Entschlossenheit ausgeAihrt werden müsse. Könne man An-
gesichts der Weigerung des Generals van der Duyn an einen
Ausmarsch aus Brüssel nicht mehr denken, so müsse die Ver-
theidigung dieser Stadt mit um so grösserer Energie betrieben
werden. Nur von dieser sprach, nur in ihrem Sinne han-
delte er fortan, und es darf ihm daher auch kein geringer An-
theil an dem preiswürdigen Widerstände Brüssels zugeschrieben
werden.
Mit so grossen Widerwärtigkeiten hatte der Feind beim
Beginne der Belagerung zu kämpfen, und so schwer wurde
ihm insbesondere bei dem heftigen Regenwetter, welches ein-
getreten war, der Transport seines schweren Geschützes gegen
Brüssel, dass sich ein Schimmer von Hoffnung aufthat, das
feindliche Unternehmen könnte missHngen. Die Belagerer nach
Möglichkeit zu beunruhigen, legte Kaunitz in dringenden Briefen
dem zu Antwerpen befindlichen General von Uten ans Herz.
Und dem Commandanten zu Mona, Grafen Nava empfahl er,
sich die Schwächung der französischen Garnisonen zunutze zu
machen und aus feindlichem Gebiete ansehnliche Contributionen
einzutreiben.
Aber durch die Ueberzahl seiner Truppen und seine eigene
Ausdauer kam der Marschall von Sachsen doch schliesslich ans
Ziel. Nachdem er allen Hindernissen zum Trotze seine schwere
Artillerie vor Brüssel geschafft hatte, eröffnete er in der
Nacht vom 7. zum 8. Februar die Tranchöen und bezog sie am
folgenden l^Iittag mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel.
95
An demselben Tage, an welchem sich dies vor Brltasel
ereignete, drang Ktiunitz in die versammelte Generalität, mit
hinlänglicher Streitmacht einen ernstlichen Ausfall zu unter-
nehmen. Die Chefs der einzelnen Truppenkürper zeigten nur
wenig guten Willen hiezu, aber den nachdrücklichen Vor-
stelltmgen des Grafen Kaunitz und des Generals van der Duyn
gelang es endhch doch, sie zu diesem Unternehmen xu be-
stimmen. Als CS aber am Abende des 9. Februar mit etwa
1000 Mann ins Werk gesetzt wurde, geschah dies mit so wenig
Energie, dass nur etwa die ILtlfle der hiezu gewidmeten Mann-
schaft aus dem bedeckten Wege vorrückte und sich nach
kurzem Feuer, ohne etwas Erwilbnenswerthes ausgerichtet zu
haben, wieder zurückzog. Von diesem Augenblicke an gab
Kaunitz jeden Gedanken an fernere AusfHlIe auf. Man müsse
sich künftighin, so meinte er, auf eine möglichst gute Verthei-
digung innerhalb der Festungswerke beschranken.
Inzwischen hatte der Feind eine zweite Parallele aufge-
worfen und war am 10. Februar mit dieser Arbeit so weit ge-
kommen, dass er begann, Bomben auf die Festungswerke und
in die Stadt zu schleudern. Van der Duyn liesa nun gegen
Kaunitz die Bemerkung fallen, man möge die Sache nicht zu
weit treiben, sondern bei Zeiten auf die Rettung der Garnison
bedacht sein. Kaunitz erwiderte, er habe diese immer fllr
nützlicher als eine nur um wenige Tage längere Vertheidi-
gung gehalten. Könne fllr die Besatzung noch deren freier Ab-
zug erwirkt werden, so brauche man sich keinen Vorwurf
daraus zu machen, Brüssel mit Capitulation zu übergeben; im
entgegengesetzten Falle müsse man die Vertheidigung nach-
drücklich fortsetzen. Die Auf{jflanzimg der weissen Fahne aber
hatte wegen des unerwünschten Eindruckes, den sie auf Fround
und Feind hervorbringen würde, um jeden Preis zu unterbleiben.
Um jedoch sein Anbringen, und zwar in unauffälliger
Weise an den Marschall von Sachsen gelangen zu lassen, gab
Kaunitz ein an ihn gerichtetes Schreiben einem holländischen
Trompeter mit, welcher freigegebene Gefangene nach dem fran-
zösischen Lager zu geleiten hatte. Fast nichts als die Ankündigung
war darin enthalten, man sei zur Uebergabe bereit, wenn der
Besatzung freier Abzug mit allen Kriegsehren zugestanden würde.'
KAnnitz an den Marschall von Sachsen. Brüssel, 10. Februar 174G.
96
Je einfacher, ja lakonischer der Brief des Grafen Kaonitz,
tun so kunstvoller, vielleicht auch gekünstelter war die Antwort,
welche Moriz von Sachsen am 11. Februar aus seinem Haupt-
quartier Laeken vor Brüssel hierauf ertheilte; in Frankreich
wurde sie freilich, da sie fUr die dort so stark entwickelte
Eigenliebe ungemein schmeichelhaft war, aufs Höchste bewun-
dert.* Statt das von Eaunitz gestellte Begehren rundweg abzu-
schlagen, erklärte ihm der Marschall, er würde einer so zahl-
reichen und tapferen Besatzung sehr gerne freien Abzug mit
allen Eriegsehren gewähren, aber Brüssel sei weder ein halt-
barer Platz, noch dürfe er von irgend einer Seite her auf Ent-
satz hoffen. Er selbst könne im Gegentheile seine Angriffsmittel
ganz nach Belieben vermehren, so dass er nur noch etwas (Ge-
duld und einige Vorsichtsmassregeln brauche, um der Stadt
wenngleich noch anständige, aber immerhin ziemlich harte Be-
dingungen aufzuerlegen.
Er werde zwar, fiihr der Marschall fort, allsogleich die
Befehle seines Hofes einholen, aber er fürchte nur seine eigenen
Soldaten. Ihnen seien die Schwächen der Befestigungswerke
von Brüssel wohlbekannt. Wie leicht könne es geschehen, dass
sie bei einem nur etwas lebhafteren Angriffe in die Stadt ein-
drängen, und wären sie einmal in dieser, dann mUsste er
wohl zu ihrer Unterstützung herbeieilen. Die Unordnung, die
Verwirrung, von welchen ein solcher Vorfall begleitet sein
würde, möge man sich nur recht vorstellen. Schmerzlich würde
es für ihn sein, wenn sein Lebenslauf durch ein so trauriges
Ereigniss wie die Zerstörung einer Hauptstadt bezeichnet würde.
In ausführlicher, ja vielleicht sogar etwas schwatzhafter
Weise ergeht sich nun Moriz von Sachsen in der Erzählung
eigener Erlebnisse, durch welche er die Unwiderstehlichkeit des
französischen Soldaten zu beweisen trachtet. Und er schliesst
mit einer erneuerten und deutlichen Hinweisung auf die Schreck-
nisse, welche eine Erstürmui^ und darauf folgende Plünde-
nmg von Brüssel nach sich ziehen mUssten.
,Der Sachen Ausschlag habe,' diese einzige Bemerkung
über die von dem Marschall von Sachsen erhaltene Antwort
konnte Kaunitz nicht unterdrücken, ,die beste Widerlegung
Der Brief des Marschalls von Sachsen an KanniU vom 11. Febmar ist
abgedruckt bei Taillandier, S. 286.
97
I
einiger von ihm gebrauchter ruhmrediger Anmerkungen an die
Hand gegeben.' Er fllgt ausserdem hiezu, in Brüssel habe sie die
entgegengesetzte Wirkung von der Iiervoi-gobracht, welche der
Marschall beabsichtigt haben mochte. Denn nachdem die Ploffnung
auf freien Abzug verschwunden war, habe sich die Besatzung
hiedurch nur noch mehr zur Verlängerung einer tapferen Ver-
theidigung ermuthigt gesehen. Sie gab diesem Vorsatze durch
Unterhaltung eines lebhaften Feuers gegen die Belagerer Aus-
druck. Aber freilich wurde dieses mit solcher Heftigkeit er-
widert, und die in die Stadt geworfenen Bomben richteten so
grossen Schaden an, dass Kaunita dem Magistrate gestattete,
ihre mit seiner Erlaubniss dem Marschall schon früher durch
eine Deputation vorgetragene Bitte um Schonung der Stadt jetzt
schriftlich zu erneuern. Moriz von Sachsen schrieb am 13. Fe-
bruar an General Lannoy, er werde seine zu diesem Zwecke
bereits erlassenen Befehle wiederholen. Aber widrige Zufillle
gänzlich hintanzuhalten, stehe nicht in seiner Macht.
Vom 13. bis zum 17. Februar setzte der Feind die Be-
lagerung mit solchem Nachdrucke fort, dass er durch die Hef-
tigkeit seines Feuers die Besatzung zwang, einen Theil des
bedeckten Weges zu verlassen und sich hinter die Traversen
zu ziehen. Das unaufhörlich spielende grobe Geschütz legte an
zwei Orten den Hauptwull in Bresclie. Und zudem war die
Garnison, welche seit fast drei Woclien ununterbrochen unter
den Waffen stand, so ermüdet, dass in der Besorgniss vor
einem Sturme viele Officiere drei und mehr Tage nicht abge-
löst wurden. Unter diesen Umstünden beschloss der am 17. Fe-
bruar vom General van der Duyn zusammenberufene Kriegs-
rath einstimmig, die Capitulation nicht länger zu verzögern und
Chamade schlagen zu lassen.
Fast in dem Augenblicke, in welchem Kaunitz Nachricht
von diesem Beschlüsse erhielt, überbrachte ihm ein Bauer ins-
geheim einen vom Fürsten von Waldeck aus Antwerpen über-
sendeten Zettel, auf welchem nur die Worte standen: ,Der
Succurs wird am 2U. eintreffen.' AUsoglcich eilte Kaunitz zu
van der Duyn und that alles Mögliche, um die hoUilndischen
Befehlshaber durch nachdrückliche Vorstellungen von der Aus-
Aihrung der gefassten Beschlüsse abzuhalten und sie zu noch
längerer Vertheidigung zu vermögen. Ausserdem berief er die
in Brüssel anwesenden österreichischen Ingenieure und forderte
ArehiT. LXXXTIU. M. I. EUlft«. 7
98
sie zu Vorschlägen auf, wie neue Werke anzulegen und die
Belagerung fortzusetzen sei. Aber obgleich sich van derDup
seinen Bemühungen anschloss, verharrte doch der versammelte
Kriegsrath, unter dessen Mitgliedern wir auch den bekannten
schweizerischen Namen Planta, Sprecher, SchUrler begegnen,
bei dem früheren Beschlüsse. Den von dem Fürsten Waldeck
angekündigten Succurs abzuwarten, hielt man für allzu gefidl^
lieh. Und zudem sei, so meinte man, die hiedurch erweckte
Hoffnung schon aus dem Grunde als eine vergebliche anra-
sehen, weil Waldeck, wie er es doch so leicht htttte thm
können, auch nicht von fem an die Hand gegeben habe, wie
stark der Succurs sei, aus welchen Truppen er bestünde nnd
von welcher Seite her er eintreflfen solle.
Die P^^inwendung lag nahe, dass Waldeck die Mittheilong
solcher Einzelheiten vermieden habe, weil er doch nicht mit
Bestimmtheit wissen konnte, sein Bote werde nicht in feindliche
Hände genithen. Vielleicht wurde sie auch gar nicht gemacht,
denn als Kaunitz die Fruchtlosigkeit seiner Bemühungen ein-
sah, die holländischen Befehlshaber auf andere Gedanken zu
bringen, verabredete er mit van der Duyn, dass kein Kriegs-
rath mehr zusammenbernfen werde. Die Aufpflanzung der
weissen Fahne werde man, sofern die anwachsende Gefahr dies
zulasse, von Tag zu Tag und von Stunde zu Stunde verschie-
ben. Habe man endlich den 19. glücklich erreicht, dann wolle
man zwar die Vorhandlungen beginnen, ihren Abschluss aber
bis zum 20. und sogar über diesen Tag hinaus so lang ver
zögern, als noch irgend eine Hoffnung auf Entsatz vorhanden sei.
,Es hat auch,' berichtete Kaunitz später nach Wien, ,der
Feind den 1>>. seine Arbeit nicht viel weiter erstreckt, und nur
solche zu ilirer Vollkommenheit zu bringen sich angelegen sein
lassen; wie er denn nach dem Urtheile der Kriegsverständigen
der Stadt Brüssel allzu viel Ehre erwiesen und mit so grosser
Mülu! und Sorgfalt seine Werke angelegt hat, dass es vor einer
regulären, starken und mit schwerem Geschüta wohl versehenen
Festung nicht besser hätte geschehen können.'
Am Morgen des 19. Februar waren übrigens schon so viele
Breschen gangbar oder im Begriffe, dies binnen wenigen Stun-
den zu werden, dass General van der Duyn den FUrsten von
Waldeek bonaclirichtigtc, die Stadt sei aufs Aeusserste gebraclif,
und die Capitulationsverhandlungen könnten nicht länger ver-
99
»
zögert werden. Doch liege ihnen vorerat nur die Absicht zu
Gninde, Zeit zu gewinnen und den ftlr den 20. versprochenen
Snccurs zu «'rwartcn. Ans dieser Ursache wurde denn auch
Idie Aufhissung der weissen Fahne und die Absendung der
Commissarien geflissentlich verzögert. Der Feind aber unter-
nahm am Nachmittage des 19., und zwar mit solcher Heftig-
keit einen Angriff auf das in Bresche geschossene Hornwerk
vor dem Scharbecker Thore, dass der dort postirte Tlieil der
Besatztmg in Verwirrung gebracht und in das Innere der
Festungswerke zurückgetrieben wurde; gleichzeitig drang eine
Schaar Franzosen daselbst ein. Die Gefahr, dass die Stadt mit
dem Degen in der Faust weggenommen werden könne, war
anfs Höchste gestiegen. Da warf sich ein junger Hauptmann
_ vom Regimente Waldeck mit wenigen Soldaten dem Feinde
■ entgegen. Andere folgten ihm, und binnen kttraester Frist
wurden die Franzosen mit einem namhaften Verluste von
ITodten, Verwundeten und Gefangenen wieder aus den Werken
verjagt.
In dem diesmah'gen Misslingen des Sturmes lag jedoch
gar keine Bürgschaft, dass bei dessen Wiederholung der Aus-
gang ein gleicher sein werde. Das Gegentheil war vielmehr
fast als gewiss zu betrachten, und darum wiu'de endlich am
Abende des 19. Februar auf Befehl des Grafen Kaunitz die
»weisse Flagge aufgehisst und liiudiu-ch der erste Schritt zum
Beginne der Capitulationsverhandlungen gethan. Sie hätten aber
im Verlaufe des 20. sehr leicht abgebrochen werden können,
wenn der versprochene Entsatz vor Brüssel eingetroffen wilrc.
Er kam jedoch ebensowenig als irgend eine Nachricht von dem
I Fürsten von Waldeck.
Schon früher hatte Kaunitz den Prinzen von Stolbcrg,
Oberst des zweiten neuwatlonisclien Regimentes, und das Mit-
glied des geheimen Rathes Herrn Obin zu Commissären für die
Verhandlungen mit dem Feinde bestimmt. Oberst Planta und
Major Stürler wohnten denselben als Repräsentanten der hol-
hlndischen Besatzungstnippen bei.
Die Delegirten des Grafen Kaunitz hatten von ihm den
Auftrag erhalten, vorerst die Bewilligung freien Abzuges ftir
die Besatzung zu begehren. Wäre dies durchaus nicht zu er-
halten, 80 müssten sie sich schliesslich auch in deren Krklilrung
zu Kriegsgefangenen ftlgen; die Verpflichtung aber, eine bc-
7*
100
stimmte Zeit hindurch nicht gegen Frankreich zu dienen,
dürften sie sich durchaus nicht auferlegen lassen.
Wie Kaunitz ihnen befohlen, benützten seine Dcltigirten
jeden Anlass, der sich ihnen zur Herbeiführung einer Verzöge-
rung darbot. Sie wussteu es so anzustellen, dass sie erst eine
halbe Stunde nach Mitternacht bei dem Marschall von Sachsen
eintrafen, der sie mit grosser Zuvorkommenheit empting. Aber
freilich schlug er das Begehren um fi-eien Abzug der BesatziiDg
nindwcg ab und beharrte darauf, dass sie als kriegsgefangen
orklilrt werde. Bis etwa 3 Uhr Nachts dauerte die Hin- und
Widerrede; endlich ging man un verrichteter Dinge auseinander;
die Delogirten des Grafen Kaunitz versprachen jedoch dem Mai^
schall, ihm am näclisten Tage, dem 20., imi 10 Uhr Morgens die
Antwort zu iiringen. Aber nur (^bin begab sich in Begleitung
des Majors Sttlrler nach BrUssel zurück; die beiden Obersten
Prinz Stolberg und Planta blieben im französischen Lager.
ICs ist wohl kaum zu zweifeln, dass der Marschall von
Sachsen die Absicht seiner Gegner, Zeit bis zur Ankunft des
vermcintliclien Entsatzes zu gewinnen, ilurchschaute. Aber er
wusstc wohl, ein solcher sei keineswegs auf dem Wego, and
darum drilngte er auch die Dclegirten nicht besonders; da-
gegen beharrte er um so fester auf den von ihm ursprüng-
lich begehrten Bedingungen. Den Delogirten blieb schliesslich
nichts übrig, als sich ihnen zu unterwerfen, und nur flir die
Civilstaatsdiener, insbesondere ftlr Kaunitz selbst gelang es ihnen,
einige ZugestUndnisse zu erwirken. Kaunitz erhielt die EmiÄch-
tigfung, mit dem zu ihm gehörigen Gefolge Brüssel zu vorlassen
und sich frei dorthin zu begeben, wohin er von nun an seinen
Aufenthalt zu vfricgen gedenke.
Bis 1) Uhr Abends hatten diese Verhandlungen gedauert;
um 1 1 Uhr Nachts überbrachte Obin dem Grafen Kaunitx den
vereinbarten Entwurf dor L'apituljition. Unil nachdem ihn Kau
nitz gebilligt, n^edich er in den Vormittagsstunden dca 21. Fe-
bruar zu förmlichem Abschlüsse.'
Prinz Stolberg und Obin ernteten von Seite des Grafen
Kaunitz um der , Vorsicht und des wahrhaflcn Diensteifers'
' Der Daratellnngf der Ereignüne in and vur Hrilwel vom B«^nne bU inr
Be«ndigiing der Belugening lio^ der sohr nii!<riilirliclie Koricht des Orafw
Kanuitz an die Kaüserin auii Antwerpen vom 16. M&rz 1746 au Gmndik
101
willen, mit denen sie zu Werke gegangen waren, das wärmste
Lob. ,Wie ich denn,* so lauteten seine eigenen Worte, ,liaupt-
sAchlicli des Letzteren nachdrücklichen und standliafton Vor-
stellungen beizumessen habe, dass mir der freie Abzug, woran
iüh selbst fast verzweifelt, bewilligt wurde.'
Auch die commandirondcn Generale Graf Ciianolos und
van der l'uyn, welcher eine Kopfwunde davongetragen hatte,
den Gouverneur Grafen Lannoy endlich erwähnt Kaunitz mit
Worten ehrendster Anerkc-nnuug der von ihnen geleisteten her-
vorragenden Dienste. Und ganz besonders hebt er den Eifer
der Soldaten hervor, welcher so weit gegangen sei, dass durch
ihn die Officiere angetrieben wurden, in keiner Beziehung zu-
rückzubleiben hinter ihrer Mannschaft.
Am Frilhmorgen des 25. Februar verliess Kaunitz Brüssel,
denn er wollte nicht anwesend sein, wenn daselbst, wie es für
diesen Tag bestimmt worden war, von den Franzosen das Te
Deum für die Eroberung der Stadt abgehalten würde. Im V'or-
übcrfahren besuchte er in Laekcu den Marschall von Sachsen,
der ihm mit grösstcr Höflichkeit begegnete und im Verlaufe
des Gesprilches mehrmals die Andeutung fallen licss, der König
von Frankreich sehne sich nach dem Frieden und mache die
aussersten Anstrengungen bei den Generalstaaten, ihn zu Stande
zu bringen. Kaunitz hingegen richtete seine Antworten um so
Hehutsamer ein, da er, wie er selbst sagt, seit seiner Einschlies-
sung in Brüssel von der Lage der politischen Verhilitnisse gar
keine Kunde mehr erhalten hatte. Er besehritnkte sich darauf,
den Marschall um Schonung der Stadt Brüssel und des sie
umgebenden Landes zu bitten.*
In Mecheln traf Kaunitz mit dem Fürsten von Waldeck
zusammen, der ihm nähere Aufklärungen über die Art utid
Weise gab, in welcher er der Besatzung von Brüssel hatte zu
Hilfe kommen wollen. Aber diese Mittheilungen waren wohl,
wie es scheint, nicht sehr befriedigcntler Art. Wenigstens heisst
es in einem vertraulichen Briefe des Grafen Kaunitz aas jenen
Jen, der Succurs würde so imzuhinglich gewesen sein, dass
Gott nicht genug loben könne, dass es gar nicht zur Aus-
fuhrung dieses Projectes gekommen sei.*
' Kannitz an Ulfeldt. Autwerpen, 3. MKrz 174».
• K.iunitz an Tarout-a. 2. März 1746; jo poii!<e eiitre noim, que non« pou-
voiu louer lo Seigueur de ce que le prujet n'a pas eu lieu.'
102
Von Antwerpen aus erstattete Kaunitz nicht nor einen
umständlichen Bericht über den Verlauf der Belagerung von
Brüssel, sondern er erneuerte auch seine zuerst im verflossenen
August vorgebrachte und seither mehrmals wiederholte Bitte,
seines Postens in den Niederlanden enthoben zu werden. Kicht
nur auf seinen höchst unbefriedigenden Gesundheitszustand, der
freilich bei einem Manne von fUnfunddreissig Jahren Wunder
nehmen muss, hatte er sie gestützt, sondern ausserdem versichert,
dass er sich, sowie körperlich nicht kräftig genug, auch geistig
nicht hinreichend begabt fühle, die schwierigen Pflichten seines
Amtes in befriedigender Weise zu erfüllen.' Und als man in Wien
von seinem Begehren wenigstens Anfangs nichts hatte hören wollen,
war er einen Monat später mit verdoppeltem Nachdrucke auf das-
selbe zurückgekommen. ,Ich beharre auf dem Wunsche,' heisst
es in einem seiner Briefe an Tarouca, ,Ihre Majestät möge mich
durch Jemand ablösen lassen, der Ihres Vertrauens würdiger
ist als ich, und je rascher dies geschieht, um so zufriedener
werde ich damit sein, und zwar einzig und allein um der Be-
sorgnisse willen, die ich wegen meiner schwachen Gesundheit
für den Dienst der Königin hege. Es ist wahr, dass ich die
ganze Arbeit verrichte, die es überhaupt gibt, und dass nichts
rückständig ist, aber mir scheint das nicht genügend. Das hier
bestehende System gleicht dem Zustande eines schwerkranken
Mannes, der nicht nur an innerlichen Uebeln darniedcrliegt,
sondern auch von Aussen her tiefe Wunden erhalten hat. Zu
seiner Heilung bedarf es einer umständlichen Behandlung, die
man nicht lang mehr verschieben darf, wenn man ihn über-
haupt retten will. Ich erkenne das Uebel, aber ich fUble auch,
dass CS mir an der nöthigen Kraft des Körpers und des Geistes
gebricht, die Heilung zu unternehmen. Sie ist aber deshalb
nicht weniger dringend, und was mich angebt, so könnte ich
CS nie über mich gewinnen, der Königin nur halb zu dienen.'*
Es würde wohl zu weit fuhren, wenn hier erwähnt werden
sollte, wie oft und mit welch' dringenden Vorstellungen Kaunitz
auf seine Bitte zurückkam. Mit verdoppeltem Nachdrucke ge-
' Kaunitz au Taroiica. Brüssel, '27. August 1745. Abgedruckt bei Äruetli.
Ge.ieliicbto Maria Tborosias. III, S. 451, 452.
" Kaunitz an Taruuca. Brlissol, 'i'i. September 1745. Abgedruckt bei Anietb.
Gascliicbtu Maria Tberesias. III, S. 452 — 454.
103
schab dies, nachdem tUe Anstrengungen und Aufref!;migen,
welche mit der Belagerung von Brüssel in ujitürlicheui Zusam-
menhange standen, eine recht ungünstige Wirkung auf seinen
(lesundheitszustand hervorgebracht hatten. Seit zwei Tagen
liege er wieder, schrieb er am 2t). Mitrz aus Antwerpen an
Ulfeldt, Heberkrank zu Bett. Fa- fühle es mehr und mehr, fügte
er hinzu, dass seine Gesundheit der Ueberbürduiig mit Ge-
schäften und Sorgen erliegen müsse, wenn er nicht bald von
dieser Last befreit und ilini ein Niiclifolger gegeben werde.
So sehr er sich nun auch ftir seine Person aus den Nieder-
landen hinwegsehnte, so widmete doch Kaunitz den dortigen
Ereignissen das liüchste Interesse, und er setzte an das, was
zu leisteu ihm oblag, seine letzte Kraft. Mit unbedingter Zu-
stimmung begrUsste er den Entschluss des Wiener Hofes, nach
der Zustandcbringung des Friedens mit Preussen den Krieg
gegen Frankreich entschlossen fortzusetzen. Vor Allem müsse
dies, meinte Kaunitz, in Italien geschehen, aber er freute sich
doch auch der anselinliehen Verstärkungen der Österreichischen
Streitkräfte in den Niedcriiinilcn und der Absendung des Feld-
marächalls Grafen Batthyany dorthin, sie zu comnuuidireu.
Der Ankunft Batthyany's in Antwerpen folgte die will-
kommene Nachricht, der König von England denke sich
wieder mit einer weit stärkeren Truppenanzahl an dem Kriege
gegen Frankreich zu betheiligen. Man könne sich also, meinte
Kaunitz, wohl mit der Ilottnung schmeicheln, dass der nächste
Feldzug ein glücklicherer sein werde.' Aber zu einem solchen
die Vorbereitungen zu treffen, erklJirte er sich gleichzeitig ausser
Stande. ,Es ist gewiss,' schrieb er am 20. April 17413 an Ta-
rouea, ,das8 ich auch nicht der geringsten Arbeit melir fiibig
bin, und höchstwahrscheinlich, dass es mir das Leben kosten
wird, weim ich während dieses Frühlings und Sommers nicht
die mir so nothwendigcn Iloibnitlcl anwenden kann. Seit lilnger
als acht Monaten harre ich in (jeduld und Unterwürtigkeit der
Gewfthrung meines Entlassungsgcsuches. <.)hne mich entmuthigon
zn lassen, habe ich seither mit aller nur immer möglichen Aus-
dauer fortgearbeitel, aber das kaiui nicht so weitergehen, und
es ist nicht daran zu denken, dass ich noch wilhrend des be-
vorstehenden Feldzuges hier bleiben kann.'
' K«anits an Tarouca, Autwerpeti, 13. April 1746.
104
Obgleich schon seit zwei Jahren, schreibt Kaiinitz zehn
Tage später an Tarouca, von seinem Leiden heimgesucht, fllhle
er doch, wie sehr dieses seit seinem Aufenthalte in Antwerpen
zugenommen habe. Im ganzen Körper, insbesondere aber im
linken Arme fühle er einen schwer zu beschreibenden, dampfen
Schmerz, und der Arm sei so schwach, dass er sich des-
selben gar nicht bedienen könne. So rasch verschlechtere
sich seine Gesundheit, dass, wenn er nicht bald Ausgiebiges
fUr sie thun könne, er seine Laufbahn als beendigt ansehen
müsse.*
Die Vorstellungen endlich, welche Kaunitz am 4. Mai an
die Kaiserin selbst, an Ulfeldt, Tarouca und Bartenstein richtete,
übertrafen an Nachdruck Alles, was er bisher in seiner eigenen
Sache nach Wien geschrieben hatte. Er fühle sich za der Er
klärung verpflichtet, so lässt er sich vernehmen, dass es un-
nöthig sei, ihm noch ferner Aufträge zu ertheilen, denn er be-
kenne sich unfähig zu ihrer Vollziehung. Es werde wohl wenige
Menschen geben, welche stark genug seien, ihrer eigenen Ver-
nichtung gegenüber volle Gleichgiltigkeit zu bewahren. Er
würde jedoch in Bezug auf die seinige nicht viel Worte ver-
lieren, wenn er nicht mit Schmerz gewahr würde, dass er ohne
alle Nothwendigkeit, ja ohne Nutzen ftlr den kaiserlichen Dienst
zu Grunde gehen müsse. Die erste und einzige Gnade, die er
jemals verlangt habe, begehre er jetzt, und sie bestehe in
nichts Anderem als in seiner raschen Befreiung.
In einem so hilflosen Zustande befand sich Kaonitz, als
die Franzosen, aufgebracht über die Fruchtlosigkeit ihrer Be-
mühungen, die Generalstaaten zu einem abgesonderten Friedens-
schlüsse zu bewegen, den Feldzug in den Niederlanden mit
sehr grosser Uebermacht begannen. Himdertundvierzig- gegen
vierzigtausend, so wurde das beiderseitige Kräfteverhältniss von
Kaunitz geschätzt, und war diese Berechnung nur annähernd
richtig, so erklärt es sich von selbst, dass sich Batthyany auf
das Wagniss einer Schlacht nicht einliess, sondern vor dem gegen
Antwerpen heranziehenden Feinde nach der holländischen Grenze
zurückwich. Im Einverständnisse mit Batthyany und durch dessen
Vermittlung verlangte Kaunitz, der sich nicht ein zweites Mal
der Einsperrung in einer belagerten Stadt aussetzen wollte, von
' Kaunitz an Tarouca. SO. April 1746.
105
dem Marschall von Sachsen einen Pass zur Abreise nach Aachen.
Als er eine Zeitlang keine Antwort auf dieses Begehren er-
hielt, liess er sich am 18. Mai aus seinem Bette nach dem
Wagen tragen und so naeli Putte, einer kleinen Ortschaft un-
fern von Antwerpen, jedoch schon auf holländischem Gebiete,
bringen. Dort empfing er endlich mit einem verbindlichen
tJchreiben des Marschalls den gewünschten Pass und begab
sich nun am 20. Mai liber Mecheln nach Löwen. Leider gorioth
er mit seinem Wagen in die Colonnen des französischen Heeres,
und hiedurch wurde sein Vui-wUrtskommcn unendlich verzögert
und erschwert. So abgemattet traf er in Löwon ein, diiss er
zwei Tage daselbst verweilen musstc, ehe er seine Reise fort-
setzen konnte. Am 23. führte sie ihn nach Macstriclit und am
24. nacii Aachen, von wo aus er nun, insofern dies sein körper-
licher Zustand und seine Entfernung aus den Niederlanden zu-
Hessen, den Theil Belgiens, der noch nicht in fninzösisclie Bot-
mKssigkeit geratlien war, mit dem Beistande der Beamten, die
ihm nach Aachen folgten, zu regieren bcmllht war.' Aber er
konnte sich irgcndwulcher Ergebnisse umsowenigcr rühmen, als
er neuerdings erkrankte und daher auch nach Wien fast nichts
als die dringende Wiederholung seiner Bitte um schleunige
Enthebung von seinem Posten schrieb. Nach langem Harren
wurde sie endhch erfüllt.
,Kein grösseres Vergnügen habe ich in mciuem Leben
empfunden,' schrieb Kaunitz am 18. Juni an Uifeldt, .als da
icli endlich mit letzter Post vom Grafen Tarouca die zuver-
lilssige Nachricht erhielt, dass Ihre MajestJlt meine Abberufung
gnädigst beschlossen und festgestellt, mithin solche keinen wei-
teren Veränderungen unterworfen sei.'
,Die blosse Vorstellung, wie mein schwacher Gesundhoits-
zustand zum merklichen Nachtlieile des Allerhöchsten Dienstes
gereichen würde und meine Kräfte nicht mit dem Willen über-
einstimmten, hat mich billig in die Seele geschmerzt und in
desto grössere Sehwermuth versetzt, je reiner mein von Neben-
absichten befreites Verlangen ist, keinen unnützen Diener ab-
zugeben und den Amts|>fiichten ein treues Geutlgeu zu leisten.
Glücklich würde ich mich sciiiltzen, wenn ich durch die beab-
sichtigte Cur meine geschwächte Gesundheit wiederhei-stellen
' Kaanita an Taruaca. Aachen, 26. Mai 1740.
106
und dadarch in den Stand gesetzt würde, meinen Diensteifer
werkthätig bezeigen zu können.'
Noch von Antwerpen aus hatte Kaunitz den Rath ertheilt,
entweder den kaiserlichen Gesandten im Haag, Grafen Rosen-
berg, oder den bevollmächtigten Minister bei dem Kurfürsten
von Köln, Grafen Carl Cobenzl, zu seinem Nachfolger zu er
nennen.* Er war es übrigens auch zufrieden, dass auf keinen
von ihnen, sondern auf den Feldmarschall und Ban von Croatien,
Grafen Carl Batthyany die Wahl fiel; denn in Wien mochte
man es fUr zweckmässig halten, wenigstens fUr die Dauer des
Krieges die Civil- und Militärgewalt in einer einzigen Hand zu
vereinigen.
An diese Mittheilung knüpfte die Kaiserin den Befehl,
Kaunitz möge allsogleich den Staats- und Kriegssecretftr Hein-
rich von Crumpipen mit den ihm beigegebenen Beamten zu
Batthyany abgehen lassen. Die übrigen bei ihm befindlichen
Angestellten hätten bis auf Weiteres bei Kaunitz in Aachen
zurückzubleiben. Und da es nicht angehe, das Generalgouver-
nement auch nur kurze Zeit ohne oberste Leitung zu lassen,
müsse Kaunitz diese weiterführen, bis Batthyany von seinem
neuen Posten wirklich Besitz ergriffen und begonnen habe, die
mit ihm verbundene Gerechtsame auch wirklich auszuüben.*
Durch diese Verfügung mag es verursacht worden sein,
dass Kaunitz erst am 14. Juli Aachen verlassen konnte. Er
begab sich vorerst nach Spaa, um dort endlich die Cur zu
beginnen, von der er sich die Wiederherstellung seiner gänz-
lich zerrütteten Gesundheit versprach.
IV. Capitel.
Es scheint fast, als ob man in Wien den unablässig wieder-
holten und, man muss es gestehen, im kläglichsten Tone vor-
gebrachten Schilderungen, in denen sich Kaunitz über den
traurigen Zustand seiner Gesundheit erging, nicht vollen Glauben
beigemessen hätte. Oder man war vielleicht der Meinung, bei
einem Manne von so jungen Jahren werde eine kurze Erholungs-
' Kaunitz an Maria Theresia. 4. Mai 1746.
' Maria Theresia an Kaunitz. 16. Juni 1746.
107
zeit hinreichen, um ihn in den Stand zu setzen, neue Dienste
zu leisten. Nur so liisst es sicli erkliirun, ditss, nh lu.m daran
ging, zu den Friediiusverliundlungen, welche in der holländi-
schen Grenzstiidt Breda eröffnet werden sollten, einen IJevoll-
mächtigten abzusenden, man auf Kauuitz die Augen warf; denn
man hielt ihn mit Hecht für den gewandtesten Unterhändler,
der zu jeuer Zeit zur Verfügung stand. Schon zu Anfang des
Monats August, also kaum drei Wochen nach seiner Ankunft
in 8paa gingen Kaunitz von Seite des Hofkanzlers Ulfeldt die
ersten Eröffnungen liierül>er zu. Unverzliglieh antwortete Kau-
nitz, dass ihm zwar die Cur ziemlich gut bekommen habe, dass
er aber auch noch in Spaa wiederholt von Fieberanfallen und
anderen Uebelu heimgesucht worden und daher durchaus nicht
im Stande sei, wichtigeren und gehäufteren Geschäften mit hin-
reichender Sorgfalt vorzustehen. Wolle man ihm solche gleich-
wohl übertragen, so setze man sich dadurch wissenthch den sehr
üblen Folgen aus, welche seine plötzliche Wiedererkrankung
fast unfehlbar nach sich ziehen mtlsste.'
In dem gleichen Sinne schrieb Kaunitz an Tarouca.* Er
dankte ihm aufs Wärmste für die Erwirkung einer Summe von
sechstausend Gulden, die ihm auf seine dringende Bitte bewilligt
worden war, um ihn wenigstens einigormassen fiir die grossen
Verluste schadlos zu halten, die ihm hauptsilchlich durch
die übereilte Verlegung seines Hausstandes von Brllssel nach
Antwerpen und von da nach dem Haag verursacht worden
waren. Auch hatte ihm die Gastfreundschaft, welche er gegen
die Generale und Oberofticiere der Armee der Verbündeton
üben musste, beträchtliche (Jpfer auferlegt.
Er werde, fügte Kaunitz der Mittheüung an Tarouca hin
zu, sich nach Vollendung seiner Cur in Spaa auf etwa eine
Woche nach Rietberg, dem Besitzthum seines Hauses, von da
aber nach Wien begeben. Den Winter hoffe er in dem milden
Khma Italiens zubringen und dadurch seine Wiederherstellung
vollenden zu können.
Am 27. August kam Kaunitz nach Rietberg, wo er jedoch
nicht eine, sondern zwei Wochen verweilte. Er machte sieh
die Zeit seines dortigen Aufenthaltes möglichst zunutzen, um
> Kaanitx an Ulfeldt. Spito, 9. Aagiut 1746.
' 10. August
108
seine eigenen und die ihm von seinem Vater übertragenen Ver-
waltungsgcschufte von Rietberg, so gut es eben anging, zu be-
sorgen. Denn, wie er selbst sagt, hatte er sie seit mchroreu
Jahren in Folge der weit wichtigeren Angclegenbciton , mit
denen er sich bescbilftigcn musstc, recht arg vemachlttssigt. Am
10. oder 11. September wollte er Rietberg verlassen und sich
nacii Berlin bogeben, um dort den Versuch zu machen, in seinem
eigenen Interesse und in dem des Hauses Liechtenstein gegen die
unbefugte Occupation dreier ostfriesischer Heirschaftcn durch den
König von Freussen gütliche Vorstellung zu erheben. Erst wenn
diese fi'uchtlos bleiben sollte, werde er die oberstrichtcrlicbe
Hilfe des Kaisers in Anspruch zu nehmen gezwungen sein."
Wie peinlich wua* jedoch Kaiinitz überrascht, als ihm, wenige
Stunden nachdem er dies niedergeschrieben hatte, in der Nacht
vom H. auf Jen 9. September ein nach dem Haag eilender
kaiserlicher Cabinetscourier den Befehl überbrachte, sich un-
verzüglich dorthin und, wenn einmal der Friedenscongreaa zu
Breda seineu Anfang genommen haben werde, nach dieser Stadt
zu bogeben, um Oesterreich als bevollmächtigter Minister zu
vertreten. Sehr gern hätte sie ihm, heisst es in dem Rcscripto
der Kaiserin vom 3. September, längere Ruhe gegönnt. Aber
theils die jetzt obwaltenden, fUr sie und ihr Haus so Ober
aus wichtigen Umstände, theils das .ausnehmende Vertrauen',
das sie in seinen ,von allen Nebenabsichten gänzlich befreiten
Diensteifer und seine grosse Geschickliclikeit' setze, seien für
diese Wald entscheidend gewesen. ,Wir können Uns leicht vor-
stellen,' Mirt die Kaiserin fort, ,dass es Dich hart ankommen
werde. Dich diesem Werke zu unterziehen. Allein Wir hoffen,
ilass Dein vollkommen ergebener Eifer für Uns und Deine Liebe
(ür das Vaterland Dir dasjenige leicht machen werden, was an
sich auch noch so beschwerlich ist oder scheinen möchte, ab-
sonderlich da CS auf keine lange, sondern nur kurze Zeit hiebei
anzukommen hat, nachdem allem menschlichen Vermuilien au-
folge der Congress entweder gut oder Übel, auf die eine oder
die andere Weise sich bald endigen muss und Wir Dir den
üblen Ausschlag keineswegs beizumessen, den guten aber
ein neues Verdienst anzurechnen gedenken.'*
■ Kaniüts au Ulfeldt. Kiutberg, 8. September 174t>.
' Du CoQcept der Uaiü. Depesche au Kaunitz ist vou Barteuatoin's Hand.
109
,Ich miisste,' antwortete Kaunitz schon am folgenden Ta^e
der Kaiserin, ,die unwürdigste CVeatur von der Welt sein und
alle Empfindung von Treue, PflicSit, Gehorsam und Dankbepierde
abgelegt haben, wenn ich nicht durch diese neue, unschlitzbare
Gnadenbezeigung bis in die Seele gertlhrt und nicht bereitferlig
sein sollte, dem Allerhöchsten Befehle mit grössten Freuden
ungesäumte Folge zu leisten und zu dessen Bewirkung alle
meine Leibes- und Gemiithakräfte anzustrengen.'
, Allein, allergnildigste Frau, ich bin so ungUicklich, dass
mein fataler Gesundheitszustand mich in die Unmi.iglichkeit ver-
setzt, schon jetzt einige, wenngleich nur geringe Gcschllfte be-
sorgen zu können, wie denn seit Jahr und Tag mein ganz
ausserordentlicher Zustand, welcher nunmehr von den berllhra-
testen Aerzten einem scorbutischcn Geblüt zugeschrieben wird,
darin besteht, dass mir an verschiedenen Stellen Hilndc und
Füsso anschwellen und dabei Anftlllo von Fieber sich einstellen,
welche das Blut in starke Bewegung bringen, den Koj>f ein-
nehmen, mich entkräften und zu den Arbeiten ganz untüchtig
machen.'
Die vielfache Erfahrung, fUhrt Kaunitz fort, die er in
Brüssel, Aachen, Spaa und insbesondere in Antwerpen gemacht,
wo die Aerzte fast schon an seinem Aufkommen verzweifelten,
habe überzeugend dargcthan, dass sein Leiden nicht etwa auf
blosser Einbildung beruhe oder er sich in Ertragung desselben
nicht stark genug zeige. Man habe vielmehr walirnehmon
müssen, dass dasselbe durch die geringste Kopfarbeit oder Ge-
müthsbewegung gesteigert werde. Obgleich die Cur in Spaa
nicht ganz ohne günstige Wirkung an ihm vorübergegangen,
sei sie doch bei Weitem nicht so ausgiebig gewesen, um
ihm jetzt schon die Uebernahmc einer so schweren und
wichtigen Aufgabe zu erlauben. Er habe sich hievon erst
vor wenigen Tagen bei Besorgung seiner eigenen Haus-
angelcgenheitcn , die ihm doch bei Weitem weniger am
Herzen liegen als der öffentliche Dienst, zu überzeugen AnJass
gehabt.
Kaanitz endigt seinen Berieht an die Kaiserin mit der
offenen Erklärung, dass es ihm ganz unmöglich sei, den ihm
zugedachten Posten anzutreten. Und mit , reinstem Gewissen',
fügt er hinzu, rufe er Gott zum Zeugen an, dass einzig und
110
allein sein Krankheitszustand und keine andere Ursache oder
Nebenabsicht ihn hiezu zwinge.*
An Ulfeldt richtete Kaunitz zu gleicher Zeit einige ver
tranliche Zeilen, in denen er dieselben Versicherangen noch
eindringlicher wiederholte. Wenn es ihm nur irgendwie mög-
lich wäre, erklärte er, die mit jenem oder einem anderen Posten
verbundenen Pflichten zu erfüllen, so würde ihn sogar die Ge-
fahr seines Lebens nicht abhalten, dem Rufe der Kaiserin zu
folgen. Aber er mUsste sich als den Verworfensten der Menschen
betrachten, wenn er, um einem verbrecherischen Ehrgeize zu
fröhncn, sich zur Uebemahme eines solchen Amtes herbeilassen
sollte. Er fUhle wohl, dass er sich durch seine Weigerung viel-
leicht des Wohlwollens der Kaiserin verlustig mache, und er
würde sich Zeit seines Lebens hierüber nicht trösten können,
denn da er keine Glttcksgüter begehre, würde er das Einzige
einbüssen, worauf er Werth lege im Leben. Aber er woUc
hundertmal lieber eine Ungnade ertragen, als sie verdienen.*
' An Maria Theresia. Rietberg, 9. September 1746.
* Kaanitz an Ulfeldt. Rietberg, 9. September 1746. Gans eigenhlndig.
,V. E. verra par le contenn de la tr^-hnmble döpdche cy-jointe le*
malhenrenses raisons, qui ne me permettent pas de me charger de la
commission que la cUmence de S. M. me destinoit. Tont ce quo je prends
la Iibert£ d'y exposer, ponrroit suffire pour persuader V. E. qne je snic
absolnment honi d'^tat de pouvoir vaquer k la molndre petite affaire,
mais k Elle je ne puis pas m'empScher de Lui r£p6ter encoro one fois,
avec la confiance dont Elle m'a toujouTB permis d'nser k Son ägard, qne,
s'il £toit humainement possible qne je pns remplir les deToin de Tem-
ploi dont il est question, on de tont autre tel qu'il pdt Stre, ni la natare
de l'affaire, ni la Situation du lien, ni la dcpense, ni le danger de rie
mßme, enfin rien aa monde ne seroit capable de me faire balaneer nn
instant, lorsqu'il est question du Service de S. M. Mais je La supplie de
juger, si qnelqu'nn qui n'est pas une semaino sans 6tre snr le grabat,
et pas nn jour en 6tat de pouvoir d'icrire une simple lettre sans devenir
enää dans tous sos membres avec de la fiivre et nn engonrdiasement
universell ne seroit pas le demier des hommes, si pour satiafaire une
arabition criminelle, il avait la tämäritä de se laisser employer dans cet
Stat. Elle en conviendra ponrvu qu'EUe pnisse me croire, et ponr qn'il
ne Lui reste ancnn donte k cet ägard, je prens Oieu k tämoin de l'ezact«
värit^ de tont ce qne cy-dessus, et . de la doulenr am6re dont je suis
pön6tr^, de devoir Stre inntile k S. M. qui ne peut certainement pas
s'imaginer l'Stondue de mon attachement ponr Elle. Je sens fort bien
que cetto affaire icy pent me faire perdre pour tonjonrs Sa haate bien-
veillance, dont je ne me consolerai de ma vie, paree qae, comme je ne
111
Kaunitz fllgt hinzu, dass er die Absieht, wegen seiner ost-
iriesischen Angelegenheiten nach Berlin zu gehen, wieder auf-
gegeben luibc, denn seine hierauf bezüglichen Schritte würden
ohnedies erfolglos bleiben und auch schriftlich oder in anderer
Art geschehen können. Auch mtlsse er besorgen, bei der Ge-
milthsbewegung, in der er sich befinde, bald von einem neuen
Kiankheitsanfalle heimgesucht zu werden. Er gedenke daher,
am 11. September Rietberg zo verlassen und auf geradem
Wege, d. h. über Kassel, Leipzig, Dresden und durch Böhmen
nach Wien zu gehen.
Einen Tag später, als Kaunitü dies niederschrieb, starb
ihm sein Vater, der Landeshauptmann Graf Maximilian Ulrich
Kaunitz in Brunn. Wir wissen nicht, wo den Sohn diese
schmerzliche Nachricht traf, und ob er sich, wie es wahrschein-
lich ist, gleich nach ihrem Empfange nach BrUnn begab, nm
dort die Angelegenheiten zu oi-dnen, welche mit der Verlassen-
schatl seines Vaters im Zusammenhange standen.
Den testamentarischen Verfügungen Maximilian Ulrichs zu-
folge war dieser in dem Augenblicke seines Hinscheidens Herr
des von seinem Vater Dominik Andreas Kaunitz gestifteten
Fideicommisses, welches aus den milhrischen Herrschaften
Austerhtz, Ungarisch-Brod, Mährisch-Pnis und Gross-Orzechau,*
dann aus einem Hause in Brunn bestand, welches er aus zwei
von ihm ererbten Häusern zusanimengcbiiut hatte. Das AUodial-
vermögen des Verstorbenen begrift' die von ihm selbst erkauften,
gleichfalls in Mithren gelegenen Güter Wiese,' Nezdionitz und
Rrziczanowitz,' dann die auf der Freiung in Wien befindlichen
HUuser in sich, welche früher in dem Besitze der Familien
Palffy und Ehrenberg gewesen und von Dominik Andreas
voiu ni biens ni forttine, j'aurai perdn la Beule chose k laqnello je Roiii
«enfiiblo en ce monde. Mais je möriterois nne dis^rice ai j'avois 1a t&-
niüritü ile me oliarger de ce dont actuellBment je ne 8uLs point capable,
Ot commo il a'y a point .^ balanucr eiitre soulTrir ou ätrc coupable,
j'aimo mieax cent fois äprouver uuo disgräco ijne l'aToir märitic. Ja
compte ce{>endant beancoup sor l'äquitä et la cliSmence de S. M., et iinr
leit bontis de V. A. Dien sait eine je ue fniiR indigne ni de I'nn ni de
l'autre. Je La Bnpplio d'en €tro persuad^, autant (jao de la vi[^ni!ration
ro.ii>ectueu!io avec laqaelle je serai tonte ma vie . . .'
' Mäliriscli-Pnis gebort zu Au.sterlitz und Gross-OniechaH »n Ungarisch-Brod.
• Ilei Iglau; von Max Ulricli Kaimitr. im .Inlire 17S7 um 133.000 fl. erkanft.
* Nezdienitz gehört zu Ungarisch ■lirnd und Krziczanowitz zu AuBtnrIitz.
112
Kaiinitz angekauft worden waren. Sie sind jetzt in ein cinz
Haus umgebaut worden, welches dem Grafen Hardegg gehört.
Und schliesslich züiiltc auch noch der grosse Qarten, welchen
Graf Max Ulrich Kaunitz sammt den hiezu gehörigen Htiosem
in der Wiener Vorstadt Rossau besessen hatte/ zu dem von
ihm hinterlasseuen Allodialvermögen.
Alles dies ging nun, und zwar das Fideicomniiss schon an
und fllr sich an den einzigen Sohn Anton Wenzel über, welcher
gleichzeitig, von seinem Vater testamentarisch zum Universal-
erben ernannt, auch Herr des Allixlialvermögens wurde. Frei-
lich traf ihn hicmit auch die Verpflichtung zur Uebernahme
der nicht unansehnlichen, zum grosseren Theile noch von seinem
Grossvater herrührenden Schulden. Da ihm aber zu Gunsten
seiner Mutter, welche als Erbgrülin von Rietberg ohnedies ein
höchst ansehnliches Vermiigen besass, und seiner beiden Schwe-
stern, von denen die ältere, Antonie, an den Grafen Johann
Adain Questenberg und die jüngere, Eleonore, an den Grafen
Rudolf Palffy verraühlt war, keinerlei Lasten auferlegt wurden,
wird wohl Kaunitz seit dorn Tode seines Vatei*s als ein reicher
Mann angesehen werden dürfen.
Die Abwickhing dieser Erbschatlssachc scheint es gewesen
zu sein, welche Kaunitz einige Zeit so sehr in Anspruch naluu,
dass uns seine Spur völlig verloren geht. Erst im Deccmber
1747 taucht sie wieder auf, als Kaunitz berufen wurde, den
Wiener Hof auf dem Friedcnscongresse zu Aachen zu vertreten.
Man weiss, dass Maria Theresia, als sie die Conferenzeii
zu Breda beschickte, noch an der Absicht festhielt, welche
nach den Friedensschlüssen mit Baiern zu Füssen und mit
Freusson zu Dresden bei ihr die leitende geworden war: auf
italienischem Boden Entschildigung fiir die Verluste zu erhalten,
welche ihr durch die Abtretung Schlesiens an Preussen und
ansehnlicher lorabnrdischer Districte an Sardinien verursacht
worden waren. Würde ihr dieser Ersatz durch die Erwerbung
Neapels, auf welche sie zunilchst ausging, nicht zu Theii werden
können, so sollten wenigstens die ihr so empfindlichen Ccssionon
an Sardinien wieder rückgjlngig gemacht worden. Und zur
Durchsetzung dieser Forderungen schien ihr nichts geeigneter
zu sein als die nachdrückliche Fortsetzung dos Krieges auf
' Jetst Ponellangaue 88.
113
I
f
I
I
I
niederlänflischem und italif-niscliera Boden. Eine ansehnliche
Vermehrung ilirer eigenen Stroitmaclit stellte sie hiezu in Aus-
sicht, und sie drang in ihre Verbtindeten, ein (Gleiches zu thun.
Aber der Feldzug dos Jahres 1747 entspracli ihren Erwartun-
gen nicht. In den Niederlanden ging die Schlacht bei Laveid
und nach ihr die Festung Berg op Zoom verloren; in Itahen
scheiterte die Belagerung (ienuaa, und die kühne Waffen-
that der verbündeten Oesterreicher und Sardinier gegen die
Franzosen auf dem Col d'Assiette, sowie dei' kurze Streifzug
des Grafen Browne auf französisches Gebiet bildeten durchaus
kein Gegengewicht gegen das Misslingen einer Unternehmung,
welche damals die gespannte Aufmerksamkeit ganz Europas
auf sich gezogen hatte.
Die höchst unbefriedigenden Resultate dieses Feldzuges
waren es wohl zunächst, welche in den letzten Monaten dos
Jahres 1747 eine grosse Veränderung in den frl'iheren Anschau-
ungen der Kaiserin hervorbrachten. Hatte sie bisher die Fort-
setzung des Krieges gewünscht, weil sie auf diesem Wege zu
gtinstigeren Friedensbedingungen zu gelangen meinte, so Hess
sie jetzt diese Uoflnung fahren und dachte nur mehr an bal-
digen Abschluss des Friedens, Auch der Umstand, dass zu jener
Zeit Graf Haugwitz, von dem sie selbst sagt, er sei ihr durch
die Vorsehung gesendet worden, bei ihr emporgekommen und
mit wichtigen Plänen hervorgetreten war, die sich auf die Um-
gestaltung der inneren Verwaltung und hauptsilchlich auf die
Annahme eines neuen Systems zur Einbringung der Militär-
contribution bezogen, trug nicht wenig dazu bei, sie jetzt die
baldige Beendigung des Krieges dringend wünschen zu lassen.
Denn dass so weitaussehende und tiefeingreifende Reformen
nicht während der Dauer des Krieges durchgeführt werden
konnten, darüber war sie wohl keinen Augenblick im Zweifel.
Maria Theresia verleugnete die Lebhaftigkeit, welche ein
80 charakteristisches Merkmal ihres Wesens bildete, auch jetzt
nicht. Alles, was zur lierbeiftihruug des Friedens dienen
konnte, sollte möglichst rasch geschehen; so weit ging sie darin,
dass sie in den letzten Tagen des November 1747 den Mit-
gliedern der Conferenz die Frage vorlegte, ob es nicht am ge-
rathensten sei, ihren Verbündeten, insbesondere England, un-
umwunden zu erklären, sie sehe sich durch den gänzUchen
Mangel an Geldmitteln völlig ausser Stande, den Krieg noch
IrchiT. LXXXTin. Bd t. UUtt». S
114
weiterzuführen, und sie könnte sieb nur dann hiezu herbei-
lassen, wenn England die Auslagen flir die gesainmte öster-
reichische Streitmacht in den Niederlanden auf sich nehme.
Ein so demüthigender Schritt wurde der Kaiserin von der
Mehrzahl der Befragten, am entschiedensten von Bartenstein
dringend widen-athen. Aber er zeigt doch, dass Maria Theresia
eigentlich nichts Anderes mehr als den Abschluss des Friedens
im Sinne führte, und wer sich nicht in Widerspruch setsen
wollte mit ihren Tendenzen, hatte von nun an in dieser Rich-
tung thUtig zu sein. Auch Bartenstein, vielleicht mit einziger
Ausnahme des Grafen Friedrich Harrach der selbständigste
Charakter unter den Rathgebem der Kaiserin, musste sich hiczn
bequemen, obwohl er mit dem ihm eigenen Ungestilm die etwa»
seltsame Meinung vertrat, niemals sei es die Unzulänglichkeit
der zu Gebote stehenden Geldmittel, sondern immer nur eine
durch andere Ursachen veranlasste Handlungsweise gewesen,
wodurch Oesterreich ins Unglück gerathen sei oder sich durch
eigenes Verschulden in dasselbe gestürzt habe.'
So wenig solches nun auch Rartenstein's persönlicher An-
achauungsweise entsprechen mochte, so arbeitete er doch mit
dem ihm eigenen eisernen Fleisse, aber freilich auch mit seiner
gewöhnlichen pedantischen Breite an den Instructionen flir
Kaunitz. Der Sit/Aing der geheimen Conferenz vom 5. December
1747, in welcher ihre OrundzUge festgestellt wurden, wohnte
auch Kaunitz bei. Am 13. meldete Bartenstein, er sei mit der
Instruction fertig geworden, und wenn man in Beti-aoht zieht,
dass sie einundzwanzig Foliobogen stark ist, so macht dies
seiner Arbeitsamkeit gewiss alle Ehre. Aber nicht weniger
als einhundortundvier Beilagen fügte er ihr hinzu; das Ab-
schreiben derselben nahm gleichfalls einige Zeit in Anspruch,
und als in der Sitzung vom 20. December ein Mitglied der
Conferenz die Bemerktmg fallen hess, eine frühere Ausarbei-
tung der Instniction und eine raschere Absendung dos Grafen
Kaunitz wilren zu wünschen gewesen, nahm Bartenstein dies
als persönlichen Vorwurf und gerieth hierüber nicht wenig in
Harnisch. Voll Bitterkeit schrieb er der Kaiserin, man habe
im November 1741, als sogar die Abtretung des Königreiches
Böhmen an den Kurfürsten von Baiem anzuregen gewagt worden
Referat vom 30. November 1747.
115
sei, den Muth nicht in solchem Masse sinken lassen wie jetzt.
Selbst wer schon von vorneherein Alles verloren gebe, werde
doch daflir sein müssen, dass man zum Mindesten darauf aus-
gehe, so viel zu retten, als überhaupt erreichbar erscheine.
Darin bestand denn nun die Aufgabe, welche die Instruc-
tion des Grafen Kaunitz diesem vorzeichnetc. Ihr Vertrauen in
seine grosse Geschickliehkeit, in seine Erfahrung und seinen
ruhrawlirdigen Diensteifer habe die Kaiserin vermocht, so heisst
es zu Anfang dieser Instruction, ihn vor Anderen in den gegen-
wärtigen ebenso verwirrten als höehst geftlhrlichen Umständen
zur Wahrnehmung der Interessen oder vielmehr der Wohlfahrt
ihres Erzhauses bei den bevorstehenden Friedensconferenzen
auszuersehen. Da lebhaft zu wünschen wälre, dass noch vor
Beginn des Feldzuges ein wenn auch nicht guter, so doch leid-
licher Friede zu Stande komme, möge Kaunitz seine Reise nach
Aachen thunlichst beschleunigen.
Die Natur jeder Instruction bringe es mit sich, fährt diese
oder vielmehr ihr Verfasser Bartenstein fort, dass sie in zwei
Theile zerfalle. In dem ersten müsse das bisher Geschehene
und im Zusammeuhange mit den zu eröffnenden Verhandlungen
Stehende erzählt werden, der zweite aber die Vorschriften ent-
halten, die als Richtschnur zu dienen hätten.
Was den ersten Theil der Instniction, die Darstellung des
bisher Geschehenen beti'af, so erging sich Biirtenstein hierüber in
so behaglicher Breite, und es wurde, was er selbst nicht erzählte,
durch die siebenuudachtzig Beilagen so erschiipfend ergänzt,
dass er selbst die Ueberzcugung aussprach, Kaunitz sei nun-
mehr von jeder Phase der früheren Unterhandlungen so genau
unterrichtet, als ob sie insgesammt durch seine eigenen Hände
gelaufen wären. Nachdem er diese ihm als nothwendig erschei-
nende Aufgabe erftillt hatte, wandte sich Bartenstein dem zweiten
und allein für uns wichtigen Theile der Instruction zu, durch
welchen dem Grafen Kaunitz das von ihm zu beobachtende
Verfahren vorgezeichnet wurde. Die Punkte, welche sich auf
die damals so hochgehaltenen Etikette fragen bezogen, wollen
wir ebenso wie andere von wenig entscheidender Bedeutung
übergehen und uns ausschliesslich mit Verfiigungen beschäftigen,
welche die Gebiete in Italien betrafen, aus denen Compensations-
objecte gemacht werden sollten.
8*
116
Die Instructionen ftlr Knunitz unterschieden hiebe! streng
zwischen einer aligemeinen Pacification und einem blossen Frie-
densschlüsse mit Spanien. Jone als das bei Weitem wünschens-
werthere Ziel sei vorzugsweise zu erstreben und daher ftir sie
auch ein grösseres Opfer als Air den Friedensschluss allein zu
bringen. Käme nur dieser in Betrat-lit, so sei darauf zu bestehen,
dass der König von Neapel und Sicilien die Verziohücistung
der Kaiserin auf diese zwei Länder durch Abtretung des Stat«
de' Presidj an Toscana ei-kaufe. Die auf dem spanischen Throne
sitzende ältere Linie des dortigen Königshauses, sowie kein
König von Spanien überhaupt könne jemals auch über Nea})«!
und Sicilicn herrsehen. Würde der jetzige König dieser zwd
Länder zur Thronfolge in Spanien berufen, so erlöschen d*-
durch von selbst sein eigener Besitztitel und der seiner Nach-
kommenschaft auf die beiden aliditalienischen Reiche. Den
Thron dieser hätte vielni*'hr der jüngere Bruder Don Philipp zu
besteigen. Sollten er und auch der jUiigste Bruder, der Cardinal-
Infant, ohne Hinterlassung männlicher Descendenz sterben ond
überhaupt Niemand mehr von dem spanischen Zweige des
Hauses Bourbon Übrig sein, der solche besässe, so hätte Neapel
von selbst an das Haus Oesterreich, Sicilien aber an den je-
weiligen König von Sardinien zu fallen. Gegen dieses Zugo-
ständniss sei man zur Emeuening der schon im Wormser Trac-
tate versprochenen Cession Parmas und Piaccnzas an den
Infanten Don Philipp bereit. Die durch den eben erwähnten
Vertrag an Sardinien abgetretenen (Jebiete hätten jedoch an
Mailand ztirückzufalien, wenn es nicht gelänge, dem Kaiser-
hause ftlr die Verzichtleistung auf Parma und Piacenza eine
anderweitige Schadloshaltung zu Theil werden zu lassen. Um
80 gerechter sei ein solches Begehren, heisst es in der Instruc-
tion für Kaunitz, als es sich bei dem Könige von Sardinien um
eine Vergrösserung seines bisherigen Gebietes, bei dem Hause
Oesterreich aber um eine Vermeidung einer ganz unbilligen
Schmälerung desselben handle. Oesterreich habe die Last des
Krieges in Italien fast allein getragen, während Sardinien hiezu
nur sehr wenig leistete, sich zum Mindesten höchst zweideutig
betrug und häutige Gelegenheiten versäumte, dem gemeinsamen
Feinde Abbruch zu thun und Oesterreich zur Erlangung des
Besitzes von Neapel mitbchilfiich zu sein.
117
Wäre hingegen Aussicht anf Zustandebritigung des all-
' gemeinen Friedens vorhanden, dann dürfe sieh Kaunitz, nach-
dem er zuvor Alles versiiclit, um die Abtretung des State
de' Presidj au Toscana zu erlangen, schliesslieh hinsichtlich
dieses einen Punktes nachgiebig finden lassen. Solches dUrfo
jedoch nur unter der Voraussetzung geschehen, dass gleich-
zeitig die durch den Wormser Tractat an Sardinien abgetretenen
Oebietstheüe wieder an die Lombardei zurückkamen.
Zu der so umfassenden Instruction für Kaunitz, welche
am 19. December ausgefertigt worden war, kam zehn Tage
spitter, am 29., noch ein Nachtrag. Doch lag ihm mehr die
Absicht, Kaunitz von dem in Kenntniss zu setzen, was in der
Zwischenzeit von den verschiedensten Seiten her nach Wien
berichtet und von hier aus an einige Vertreter des Kaiserhofes
im Auslande geschrieben worden war, als die Tendenz zu
Grunde, die ihm früher ertheilten Vorhaltiuigsvorsehriften in
wichtigen Punkten zu ändern. Vollinhaltlich bÜeben sie auf-
recht, aber es mochte wenigstens die, welche. so energisch auf
baldigste Abreise des Grafen Kaunitz nach Aachen gednmgcn
hatten, unangenehm berühren, dass dieser, wohl durcli Un-
wohlsein gehindert, erst am 12. Januar 1748 von Wien auf-
brach. Und auch jetzt noch kam er nicht weit; durch Krank-
heit dazu gezwungen, blieb er eine Woche hindurch, vom 14.
bis zum 21. Januar, in Strengberg, zwei Poststationen vor Linz,
liegen. Arger Schneefall zwang ihn neuerdings zu einem mehr-
tägigen unfreiwilligen Aufenthalte in Lina; erst am Abend des
25. kam er nach Passau und am Morgen des 29. nach Nlü'n-
berg, wo man ihn mit den einem kaiserlichen Botschafter ge-
bührenden Ehrenbezeigungen empfing. In dreimaliger Abfeue-
rung von vierzig Kanonenschüssen von den Wällen der Stadt,
sowie in der Aufstellung einer Compagnie von hundert Soldaten
mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel vor seiner Woh-
nung bestanden sie zunächst. Dort fanden sich auch, um ihn
im Namen des Magistrates zu begrüsscn, die beiden Patrizier
und Mitglieder des Stadtrathes Haller und Ki'eas ein. Am fol-
genden Morgen aber erhielt er das sogenannte Ehrenprälsent,
einen mit neun Eimern Wein beladeneu Wagen,' zwei andere
' Vior Eimor Rheinwein, vier Eimer Steinwein and ein Eimer iflnen
■panischen Weines.
118
Wagen mit Hafer und drei Kübel voll Fischen.' Da er den-
selben Tag schon nach Wilrzburg weiterging, konnten Kaunitz
und sein Oetblge dieses Geschenk unmüglich verbrauchen; er
bleibt uns jedoch die Auskunft schuldig, was damit gc-scbah.
Wie wenig die Verzögerung, die in der Reise des <irafen
Kaunitz nach Aachen eintrat, seinem Sinne entsprach, wird
man auch daraus entnehmen künncn, dass er frühzeitig eines
der schöusten Häuser in Aachen, das der Gräfin Goldstein, am
den für die damalige Zeit ganz betrilchtlichen Preis von zehn-
tausend Gulden gemiethet hatte und dass seine Dienerschaft
schon am 21. Januar in Aachen eingetroffen war. Von Frankfurt
aus beklagte er es, dass diese beträchtlichen Opfer wenigstens
vorderhand fruchtlos gebracht wurden.* Und aus Rietberg, wo er
am 5. Februar ankam, erneuerte er die Versicherung, er sehe
mit Verlangen der Gelegenheit entgegen, seinen Diensteifer
,werkthätig' bezeigen zu können.' Sehnlich wünsche er, schrieb
er vierzehn Tage später von dort nach Wien, dass sich seine
hiesige langweilige ,Ruhe' binnen Kurzem in eine ,treueifiTge
Beschäftigung' umwandeln möge.* Aber noch geraume Zeit ver-
ging, ehe Kaunitz, der inzwischen in Rietberg neuerdings Von
ernstlichem Unwohlsein befallen worden war, diesen Wunsch
sich erflUlon sah. Erst am 12. März verliess er Rietbcr^, am
14. kam er nach Düsseldorf und am 18. nach Aachen.
Kaunitz hatte sich Illingens bei seiner verspäteten Reise
nach Aachen nur nach dorn Verfahren gerichtet, welches in
dieser Beziehung von den Botsch.aftern der librigen Mächte
beobachtet wurde. Die Vertreter Englands und Sardiniens, Lonl
Sandwich und Graf Chavanne waren kurze Zeit vor ihm ein-
getroffen, während die beiden Repräsentanten der Genoral-
staaten, Graf Bcntinck und van Haaren, sowie der tranzösischo
Botschafter Graf St. Severin erst nach ihm kamen. Und noch
am 3. April musste er nach Wien berichten, die Minister Spa-
niens, Genuas und Modenas seien noch immer nicht angelangt.
Durch ihr Ausbleiben erleide jedoch die Eröffnung der Fricdens-
conferenzen eine arge Verzügenmg.
' Kannitc an UUeldt. Nürnborff, äU. Jannnr 1718.
• An Ulfoldt. Frankfurt, 2. Folmmr 1748.
• An Ulfoldt. Rietberg, 8. Februar 1748.
• An Ulfelill. iiietborg, 22. Februar 1748.
HO
Vorderbund kam es freilich weniger auf die allgeinoLaen
Vcrliaiidiiiugren als auf die ubgesondeftca an, welche zu einem
Separatfrieden zwischen den Rufen von Wien und Versailles fuhren
sollten. Schon den ganzen Winter hindurch waren sie durch Ver-
mittlung der beiden Grafen Lobs geführt worden, von denen der
Eine den König von Polen und Kurilirsten von Sachsen in Wien,
der Andere ihn in Paris vertrat. Um so grösseres Gewicht legte
der Kaiserhof auf sie, als sich die Aussicht, durch Englands Da-
zwischenkunft zu einem leidlichen Abkommen mit Spanien zu
gelangen, immer mehr verdüsterte. Und man wurde hiedurch
weniger gegen den eigentlichen Feind, den Hof von Madrid, als
gegen den von Saint-James erbittert, der zwar die Rolle des Ver-
mittlers spielte, dem aber kein (.»pfer zu gross schien, um es nicht
mit aller Ruhe der Kaiserin aufbiirden zu können. Im Ver-
gleiche mit dem Schicksale, welches bei Beginn dos Krieges
dem Hause Oesterreich gedroht hatte, rausste sie ja nach dem
Ermessen der britischen Regierung immer noch troh sein, so
wohlfeilen Kaufes aus dem Kriege zu kommen. Und von einem
britischen Staatsnianne wird der charakteristische Ausspruch
nacherzählt: ,Die Kaiserin besitze keinen Kreuzer Geld und
wolle doch, dass sich Alles nach ihrem WUlen richte."
Es ist nicht zu venvundern, dass der Wiener Hof unter
solchen Verhälltnissen von dem mächtigsten seiner Gegner, dem
Könige von Frankreich, bessere Bedingungen als durch den
bisherigen Verbündeten, durch England, zu erreichen hoffte.
So weit waren diese Verhandlungen nach der Abreise des
Grafen Kaunitz aus Wien schon gediehen, dass man daselbst
zur Abfassung von Präliminarartikeln schritt, hinsichtlich deren
man sich mit der Hoffnung schmeichelte, sie würden wenig-
stens in ihren wesentlichsten Bestimmungen auf französischer
Seite Annahme finden. Sie wurden Kaunitz nach Rietberg nach-
gesendet, und benierkenswerth sind die Ausdrücke enthusiasti-
scher Bewunderung, in tlenen sich Kaunitz über diese Arbeit
Bartcnstein's erging." ,Ich gestehe,' schrieb er noch von Riet-
* Paysietu an St. Sererin. 28. April, .quo la Reine d'Hou^ie n'aToit pM
an ^a et qn'elle ronloit doiiner In loi.'
' * Kannitz «n Ulfoldt. Kietberg, 2*2. Februar 174S. .ludesaen bleibet mir
genngaame Zeit übrig, die yorgiingige Allerhöchste Anweissuugen mit
denen neueren in vereinigte Erwegung zu ziehen, den gnutzen Zusam-
menhang aUer sowohl mit sich Selbsten als mit duueu voräiiderlicheu
120
berg am 24. Februar an Ulfeldt, .dass ich nicht zu hoffen ge-
wagt habe, die Verhandlung werde in so kurzer Zeit so grosse
Fortschritte machen. Ich besorgte vielmehr, der Dresdner Hol
werde es nicht gerade mit Befriedigung ansehen, dase wir
durch unsere am 10. von Wien abgegangene ErklUrung fort-
fuhren, auf einer Zusammenkunft mit mir zu bestehen, indem
alle Schritte der Grafen Loss ihren Wunsch, die Verhandlung
nicht aus den Händen zu verlieren und die guten Dienste ihres
Hofes in glilnzendem Lichte erscheinen zu lassen, deutlich dar
tbuu. Gewiss kann Niemand dies tadeln, der gleich mir nur
das Beste des Dienstes Ihrer Majestät vor Augen hat. Darum
hege ich auch den lebhaften Wunsch, der Graf Loss zu Paris
möge das Glück haben, auf Grundlage der ihm durch Ihre
Majestilt die Kaiserin ertheilten Ermächtigung in ihrem Mamen
die Präliminar- sammt den beiden Separatartikeln einfach unter-
zeichnen zu können. Dieses Werk ist meines Erachtens ein
Meisterstück; es wilre mir unmögUch, irgend ein Wort hinzu-
zufügen oder hinwegzunchmen, und es ist mit einer Weite des
vorausschauenden BHckes entworfen, dass es dem Dresdner
Hofe unmöglich wird, hievon auch nur den geringsten üblen
Gebrauch zu machen.' '
Und in der That, schon bei seinem ersten Zusammentreffen
mit Kaunitz bemühte sich der Graf von St, Scverin, ihn zu
überzeugen, dass der König von Frankreich nichts sehnlicher
wünsche, als sich mit der Kaiserin vollkommen zu versöhnen.
Er habe daher, versicherte der französische Botschatlcr, von
seinem Hofe den bestimmten Auftrag erhalten, mit Kamtitz
aufrichtig und herzlich zu Werk zu gehen.*
An dem Willen Ludwigs XV., von nun an in mögUchst
gute Beziehungen zu Oesterreich zu treten, braucht man nicht
zu zweifeln, wenn man gleich das Verfahren seines Repräsen-
tanten in Aachen gegen den dortigen Bevollmächtigten Oester-
roichs nicht gerade ein aufrichtiges nennen kann. Allerdings
musste der Graf von St. Severin ein solches versprechen, denn
WeitlSaften ttbereiuatinimeiiden nnd auf das Torsicbtigste ansgumosteneu
Maaanehmuii^eD su bewnndern und Mit immer mehrers in das Q<MUobt-
nuas au prügen.'
' ,Cela est couch6 aveu uuo vastitö de prövoyance qni ne permet pa* qne
la Cour de Uresdu eii piÜHse faire lo moiudro tnauvais nsage.'
* Kauuitz an Maria Tlioroaia. Aaclieu, 28. Man mn.
121
sonst liätte er ja von vorneberein der abgesonderten Verhand-
lung Frankreiclis mit Oestcrreich ullcn Hoden entzogen. Sie
war aber, wie wir jetzt aus den Instriu'tioiion wissen, welche
das Cabiuet von Versailles seinem Vertreter mit auf den Weg
gab, nieht gerade sehr ernstlidi gemeint. Denn an der Spitze
dieser Instructionen finden wir den Satz, der Friede werde
nur dann auf dauernder Grundlage zu Stande gebracht werden
können, wenn Frankreich und England sich vorlttiiüg, und zwar
nicht nur über ihre gegenseitigen eigenen Zugestiindiiissc, son-
dern auch über die für ihre Alliirten festzustelleuden Friedens-
bedingungen geeinigt haben würden.'
Auf diese Separatverhandlung mit England hatte denn
nun auch der Graf von St. Severin sein Augenmerk wenigstens
in erster Linie zu richten, wenn er auch persönlich der Mei-
nung sein mochte, eine vorlilutige Verständigung mit Oestcrreich
könnte für Frankreich nur vortheÜhaft .sein." Um so leichter
mochte es ihm daher füllen, sich gegen Kaunitz das Ansehen
zu geben, es sei ihm am nichts so sehr als um eine baldige
Vereinbarung mit Oosterreieh zu thun. Und dass er sich darauf
verstand, in Aachen eine doppelte Sprache zu führen, wurde
sogar von Versailles her ausdrücklich anerkannt und belobt.'
Darum wurden denn auch die Verhandlun«ren zwischen Saint-
Severin und Kaunitz mit Eifer, aber freilich wohl nur von dem
Einen im guten Glauben an einen günstigen Ausgang ge-
führt. Lebhaft befürwortete St. Severin bei Kaunitz das von
spanischer Seite in den Vordergrund gestellte Project, dem
Infanten Don Philipp möge Savoyen sammt der Grafschaft
Nizza zu Theil werden, während man in Wien einer derartigen
Beraubung eines freilich nur lauen Verbündeten, des Königs
von Sardinien, wenigstens nicht gleich von allem Anfange an
zustimmen zu können glaubte. Einerseits wollte man eine so
empfindliche Schildigung eines Alliirten nicht zulassen, und
andererseits besorgte man, hiedurch nicht zu dem sehnlich ge-
wünschten Frieden, sondern weit eher zu einer Erneuerung des
Krieges zu kommen. Denn es war leicht vorherzusehen, dass
■ Iiutraction fOr St Severiu. 29. Februar 1748.
* St Severin an den MArquia von Puysiuox. Aachen, 30. Mäns 1748.
* Pu/aieux an St. Severin. ,La maui^Te dunt vous voiu fites expliqui avec
M. le Comte de Kaunitz, tue prouve que voun aavez parier ploa d'iine
Uugue.*
t22
sich der König von Sardinion die Entreissiing eines so wichti-
gen Theiles seiner .Stammlandc nicht ruhig werde gefallen
lassen. Er werde sich ihr, so meinte man, entweder mit den
Waffen in der Hand widersetzen, oder andcrwiirts, gewiss aber
zunächst auf Oestorreichs Kosten hinreichende Scliadloshaltung
suchen. England werde ihm hiebei nachdrücklich beistehen,
und es wäre leicht möglich, dass es den König von Preussan
veranlasse, bei dem etwaigen Ausbruche eines Krieges zwischen
Oesterreich und Sardinien zur Unterstützung dieses Staates
neuerdings die Waffen gegen Maria Theresia zu ergreifen.
Die deutliche Erklärung des englischen Botschafters, man
möge den Fricdcnsschluss durch Annahme des Grundsatzes er-
leichtern und herbeifuhren, dass der Wormser Vertrag im Hin-
blick auf den König von Sardinien in voller Kraft verbleiben,
hingegen dasjenige, was darin zum Vortheile Oesterreichs
festgesetzt war, schon von vorneherein als nichtig und unvcr
bindlich angesehen werden solle,' macht es begroiäich, da«
man sich in Wien von einem Verbündeten, dessen Reprä-
sentant eine so verletzende Sprache führte, ärgerer Schädi-
gung als von einem offenen Feinde versah. Die Eindrücke aber,
welche derlei Kundgebungen Englands auf Kaunitz hervor
brachten, waren so mächtig und so tiefgehend, dass sie auf
seine politischen Anschauungen die nachhaltigste Wirkimg
übten. Gross war die Erbitterung, die er deshalb gegen Lord
Sandwich empfand und ebensowenig wie seine Abneigung gegen
Sardinien vollständig verbarg." Dennoch vermied es Kaunitz mit
Sorgfalt, jetzt schon in Streit mit Lord Sandwich zii gerathen.
Es würden sich ohnedies, schrieb er uni jene Zeit an Ulfeldt,
mehr als genug Gelegenheiten hiczu finden, und man dürfe
darauf rechnen, dass er ihm zwar mit Mässigung, aber doch
mit Wucher dasjenige vergelten werde, was er jetzt dem Sebcine
nach von ihm liinnehmcn müsse.'
Dass sich seine Beziehungen zu Lord Sandwich so uner-
freulich gestalteten und von englischer Seite so Nachtbeiliges
für Oesterreich zu befürchten war, Hess es doppelt bedauerlich
* Kaunitz an Maria Tlierenia. Aachen, 36. MKrz 1748.
' St. Severin an Pnynienx. 30. Hins 1748. ,Ju remarqne liaiu« M. de Kauniti
beaucoii|> de d^tiance do la Cour de Lundres, et une avisreion bien ii-
cMo pour Celle de Turin.'
* Je le lui rendrai avec luure, qnoique avec beaucoup de rotHliratioD . ■ .'
123
erscheinen, dass auch die Verhandlungen sswischon Kaunitz
und St. Severin keine befriedigenden Fortschritte machten. Sehr
gern wSre Kannitz noch vor dem Aupenblicke, in welcliem das
Eintreffen säinmtlicher Friedensbevollmilchtigten die Eröffnung
der allgemeinen Verhandlungen möglich gemacht hätte, zur Zu-
standcbringung des abgesonderten Uebereinkoramens zwischen
Uesterreich und Frankreich gelangt, aber noch immer zeigte
sich keine Aussicht auf Erreichung dieses Zieles. Auch näherte
sich die zur Wiedereröffnung der Feindseligkeiten günstige
Jahreszeit immer mehr, und Niemand konnte auch nur mit
einiger Bestimmtheit den Einfluss vorhersehen, welchen die
FortTiihning des Krieges auf rien ••ang der Verhandlungen
nehmen werde.
In Wien war man äusserst betrübt, als die Franzosen
darch Uraschliessung von Mastricht die Feindseligkeiten be-
gannen, ehe die Separatvorbandluugen, welche der Kaiserhof
einerseits mit Frankreich und antlererseits durcli Englands Ver-
mittlung mit Spanien pflog, zu einem Resultate geführt, ja so-
gar ehe noch die jdlgemcinen Friedensconferenzeu überhaupt
ihren Anfang genommen hatten. Von England versprach sich
Kaunitz fi'cilich nichts mehr, wohl aber von Frankreich, und
noch am 26. A|)ril schrieb er an UH'cUlt, die Separatvcrhund-
lung mit Frankreich sei nicht nur nicht abgebrochen, sondern mau
zeige ihm sogar den lebhaften Wunsch, zu baldigem Abschlüsse
mit dem Wiener Hofe zu kommen. Und Kaunitz täuschte sich
mit dieser Wahrnehmung nicht, denn wenige Tage zuvor hatte
der Graf von St. 8cvcrin eine geheime Depesche aus Versailles
erhalten, in welcher es hiess, der Künig erwarte nichts mehr
von England, das nur darauf sinne. Sp.anien von Frankreich
zu trennen und mit dem Hofe von Madrid eine abgesonderte
Vereinbarung zu treffen. St. Severin könne nichts Besseres mehr
thun, als eine solche zwischen Frankreich und Oesterreich »ii
Stande zu bringen.*
Es ist um 80 weniger einleuchtend, weshalb dies nicht
wirklich geschah, als Kaunitz gerade zu jener Zeit an den
' Puysieaz au 8t. Severin. 30. April 1748. ,Le Roi est penraadä qne tuus
ne ferez rien avec VAng^Ieterro. Cette Paissance no songe i\n'k x^'pnrer
l'Etpagne de nou» . . . Uaius fes circonstances le Roi m'ordonue tio vuus
oder qae voiia n'ave» rieu do miuii-t A, faire inm da liiiir nvec la Cour
[de Vieune, ti tant eat qu'elle le veuille que ce auit avec aüretö.'
124
Grafen St. Severin mit der Erklärung herantrat, der Wiener
Hof willige nunmehr in die Abtretung Savoyens an den In-
fanten Don Philipp, und er wolle f^ sie den König von Sar
dinien durch die HerzogthUmer Parma und Piacenza entsdiS-
digen. Der Bevollmächtigte Frankreichs legte diese nenen
Anträge Oesterreichs seiner Regierung vor und erhielt von ihr
die Antwort, auch sie wäre zu ihrer Annahme unter der Vor-
aussetzung einiger Erläuterungen und Veränderungen bereit'
Indess hatte aber in Aachen eine weit lebhaftere An-
näherung des britischen Bevollmächtigten an den des Hofes
von Versailles stattgefunden. So wie es Kaunitz gethan hatte,
legte nun auch Lord Sandwich dem Grafen St. Severin einen
neuen Entwurf von Präliminarartikeln zwischen den zw«
Mächten vor. Anfangs meinte St. Severin auch von dieser Ve^
handlung keine besondere Erwartung hegen zu dürfen,' aher
Lord Sandwich zeigte sich nun plötzlich so voll Eifer, die Sache
zum Abschlüsse zu bringen, und so willfUhrig, die Begehren
Frankreichs zu erflülen, dass die Verhandlung zwischen Beiden
mit immer mehr sich steigernder Lebhaftigkeit fortgesetzt wurde.
Dem Grafen Kaunitz entging es nicht, dass sich St Se-
verin nicht nur zur Eröffnung der allgemeinen Friedensconie-
rcnzen bereitwilliger finden Hess als zuvor, sondern dass er
auch mit Lord Sandwich fast ununterbrochenen Verkehr unter-
hielt. Und als sie vier Tage später, am 30. April, mit den
übrigen, Gesandten bei ihm speisten, bemerkte Kaunitz wohl
dass etwas Besonderes zwischen ihnen vorgehe. Der Graf von
St. Severin entfernte sich bald, und Sandwich folgte ihm nach;
etwa drei Stunden später aber kehrte dieser ziu"ück und theihe
Kaunitz den Entwurf der FriedenspräHminarien mit, den er so-
eben mit dem französischen Botschafter vereinbart hatte.
Fassen wir hier nur den Theil derselben ins Auge, welcher
Oesterreich anging, so haben wir anzuführen, dass alle Erobe-
rungen zurückgegeben und daher auch der Herzog von Mo-
' Puysieux ;ui .St. Severin. 28. April 1748. ,Le nouveau projet de triiv
prülimiiiairo c|ui vous a 6tö communiiiue par le Comte de Kaunitz, p«»'
etro adopt6 ä cortaius egards, mais il renferme des stipulations qui d<-
niandent de.s eelaircisseinents et des modifications.'
' St. Severin an Puysieux. 26. April 1748. ,Jo crois que, conime ce ifi
iutöresse lo plus csseutielloment l'Augleterre, ne dopend \>ns de nom,
cette aegouiatiou n'aura point de suite sirieuse . . .'
125
dena und die Republik Genua in ihre Besitzthilmer wieder
eingesetzt werden sollten. Alle von österreichischer Seite, sei
es in früherer oder späterer Zeit geschehenen Abtretungen mai-
ländischen Gebietes an Sardinien mlissten aufrocht erhalten und
die HerzogthUmer Parma, Piacenza and Guastalla dem Infanten
Don PhiHpp ftir ihn und seine Erben bis zur etwaigen Erlan-
gung des neapolitanischen Königsthrones eingeräumt werden.
Die Erwerbung Schlesiens durch den König von Preussen
flollte ebenso wie die pragmatische Sanction Gewährleistung
finden.
Auf den ersten Blick erkennt man den grellen Wider-
sprach zwischen dem Wortlaute dieser Prilliminarien und den
Wünschen, welche der Kaiserhof im Hinblick auf den künftigtm
Friedensschluss hegte. Zu dem schon Vt'riorenen sollte er sich
noch in neue Abtretungen fligen und jeden Anspruch auf irgend-
welchen Ersatz aufgeben. Darum liesann sich denn auch Kau-
nitz keinen Augenblick, Lonl Sandwich gcgenllber das gegen
Oesterreich beobachtete Verfahren in kurzen, aber nachdrucks-
vollen Worten als ein nicht zu rechtfertigendes zu orkliiren.
Niemals werde er zur Zustandcbringuiig eines auf so unbillige
Bedingungen gebauten Friedens die Hand bieten können und
nie werde die Einwilligung der Kaiserin in einen solchen zu
erlangen sein.
Unverzüglich eilte Kaunitz zu St. Severin, um nicht nur
die Bestätigung der unerwarteten Nachricht zu vernehmen,
Bondern auch seine gegen Lord Sandwich abgegebenen Erklit-
rungen womöglich in noch schärferem Tone zu wiederholen.
Denn gegen den Vertreter Frankreichs war er noch weit mehr
aufgebracht als gegen den Englands, weil sich St. Severin
noch viel unaufrichtiger bcnonmicn und ihm noch vor zwei
Tagen erklilrt hatte, er hoffe binnen Kurzem die Separatver-
handlung mit Oesterreich zu befriedigendem Abschlüsse zu
bringen.
Kaunitz behauptet, St. Severin habe ,in seiner grössten
Beschämung' nichts Anderes zu seiner Entschuldigung anfiihren
können, als dass FiTink reich wegen der schon sehr weit ge-
triebenen Verhandlungen Englands mit Spanien und in der Be-
Borgniss, jene Höfe könnten ihm zuvorkommen, selbst zu einer
ercinbamng mit England -schreiten nnisste, zu welcher Sandwich
it wenigen Tagen besonders eifrig gedrängt habe. Und mit
126
Oesterreich wäre es ja ohnedies za keinem Abschlösse ge-
kommen.*
Es mag sein, dass St. Severin gegen Kaunitz noch weni-
ger offen verfahren war als Sandwich, und dass ans diesem
Grunde der persönliche Unmuth des Qrafen sich mehr g^n
St. Severin als gegen Sandwich kehrte. Aber nicht dieser Ge-
sichtspunkt, sondern der des Verhältnisses von Staat ta Stut
muss als der allein massgebende angesehen werden, und tod
ihm aus stellte sich Frankreich als Oesterreichs bisheriger
Feind, England aber als sein Verbündeter dar. Und in welch'
arger Weise es von diesem im Stiche gelassen worden war,
wird am unwiderleglichsten aus dem Munde eines Gegners ent-
nommen werden können. ,Der Wiener Hof und der König von
Sardinien,' schrieb am 1. Mai der Graf von St. Severin sa den
französischen Minister des Aeussem, Marquis von Paysieos,
, werden den Streich nicht so bald vergessen, den die See-
mächte ihnen spielten, während ganz Europa einen Übet-
zeugenden Beweis der Treue erhalten wird, mit welcher der
König von Frankreich an seinem Worte und seinen Verbün-
deten festhielt.'
Ueber Kaimitz und den sardinischen Gesandten Chavannei
iRsst sich St. Severin nicht weiter vernehmen, als dass er von
ihnen sagt, man könne sich die Unzufriedenheit dieser beiden
Herren wohl vorstellen.
Die entgegengesetzte Stimmung herrschte in Versailles,
als man dort die Nachricht von der Unterzeichnung der Frie-
dcnspriUiminarien erhielt. Mit echt französischer Lebhaftigkeit
boglückwlinschte man sich über den errungenen Erfolg, den
man niclit weniger anschlug als diejenigen, welche die französi-
sche Armee in den Niederlanden bisher davongetragen hatte.
Und die Vorstellung von der Trübsal, welche die Nachricht von
dem, was in Aachen geschehen war, in Wien verbreiten werde,
konnte die Freude der Franzosen über jenes Ereigniss natür-
licher Weise nur noch steigern.
Man kennt die naheliegende Versuchung, den Unmuth,
den man über ein unwillkommenes Ereigniss nothwendiger
Weise empfindet, wenigstens zum Theile auf den zu über-
wälzen, der in der Angelegenheit, in der es sich zutrug, unserf
' Knuiiitz an Maria Theresia. Aachen, .30. April 1748.
127
Interessen walirzunelimen die Pflicht hatte. Wie leicht und wie
vollständig ihr Maria Theresia bei aller Lebhaftigkeit ihres
Temperamentes widerstand, geht schon aus dem ersten Re-
scripte, welches sie nach dem Eintreffen der Nachrieht von
dem Abschlüsse der Prftlirainarien zwischen Frankreich und
Kngland an Kaunitz richtete, unwiderleglich hervor. Schon im
ersten Augenblicke, hcisst es darin, habe sich die Kaiserin nicht
beigehen lassen, ihm auch nur im Geringsten die Schuld solch'
widrigen F>fblges zuzuschreiben. ,Und in dieser Unserer gnä-
digsten Bcurtheilung,' Iflsst sich Maria Theresia weiter ver-
nehmen. ,seind Wir noch mehrers seithero durch Deinen fer-
neren Bericht vom 3**" und zwar vollständig gestärket worden,
dergestalten, dass du den niuth nicht sinken zu lassen, sondern
dich vielmehr zum behulF Unsers höchsten Diensts, so viel dein
tjreuer eyflFer es nur immer gestattet, selbsten auffzumuntem hast."
In dem gleichen Sinne wie Maria Theresia sprach sich
auch der Hofkanzler Ulfeldt gegen Kaunitz aus. Freilich nalmi
er es als ein Verdienst für sich in Anspruch, schon von Anfang
an die Sache dem Kaiser und der Kaiserin so dargestellt zu
haben, dass aus ihrem wenngleich unerfreulichen Verlaufe nicht
der geringste Vorwurf flir Kaunitz abgeleitet werden könne. Ja
er sei noch weiter gegangen und habe sie zu der Erkenntniss
gebracht, wie glücklich sie seien, dasa nicht wie im vergange-
nen Jahre Graf Ferdinand Harrach, sondern Kaunitz Oester-
roich bei den Friedensverhandlungen vertrete, denn Jener sei
bekanntlich ganz unter dem EinHusso des holländischen Bevoll-
mächtigten Grafen Bentinck gestanden. Kaunitz möge daher,
was die Beurtheilung seines eigenen Verfahrens betreffe, ganz
ausser Sorge sein.
So wie seine bisherigen, so erfreuten sich auch die fer-
neren Schritte des Grafen Kaunitz der vollsten Billigung seines
Hofes, und sie trugen ihm, wenn sie auch wenigstens vorder-
hand ohne Erfolg blieben, doch fortwährend neues Lob ein."
' Kai.«. Kcacript an Kniiiiitr, vnni 14. Mai 1748.
* Ulfoldt an Kaunitz. 13. Mai 1748. .Ausiti manvaise qu'a &ti rissne de
nostre nägocintion, d'antsnt pliin j'ai ce soin de faire envisa^r tontte
chose .\ LL. MM. dann nn |>nint de vno, qn'il dtuit ulair que tont autre
a voütre place u'anrnit jamai» pu »e garantir plus qiie von» n'av6s fait
contra In niauvnise foy des nos ennemiü et de nus alli&). Je rum nll6
pliu loin et leurs ai fait sentir oombiea qn'ila etoient henrenx que l'annäe
128
Man fand sich oben in Wien in voller Uebereinstimmung mit
den Anscliiiuuntjen des Grafen Kaunitz, und nur darin mochte
vielleicht ein Unterschied zwischen der wechselseitigen Auf-
fassung obwalten, dass, während sich Kaunitz von den Reprä-
sentanten Englands und Frankreichs, von St. Severin und Sand-
wich gleichmilssig betrogen erachtete,' nicht nur der Kaiser,
dessen politische Sympathien ohnedies allzeit weit mehr zn
England als zu Frankreich hinneigten, sondern auch Maria
Tlieresia doch noch eher von England als von Frankreich ftr
sie Günstiges erwarten zu sollen glaubte.*
Diese Ansicht wurde Übrigens von einäussreichen Stoiit*-
männcrn am Wiener Hofe lebhaft bestritten. Auch der Leitar
der auswärtigen Angelegenheiten Graf Ulfeldt gehörte in
ihnen, und er klagte gegen Kaunitz libor die Fruchtlosigkeit
seiner Bemühungen, den Kaiser davon zu überzeugen, ilass
England nun Prcussen an Stelle Oesterreichs als denjenigen
Continentalstaat betrachte, mit welchem es das freundschaft-
lichste Einvernehmen zu unterhalten und dessen Interessen es
daher am wirksamsten zu schützen habe. In dieser Vorliebe
für Preusscn wie für Sardinien erblickte Ulfeldt die eigentliche
Ursache des sonst schwer erklilrbaren Verfahrens, welches Eng-
land gegen Oesterreich beobachtet hatte. Bei Pretissen aber
wie bei Sardinien war das Wachsthum beider Staaten zumeist
auf Kosten Oesterreichs criblgt und deshalb die Besorgniss nur
psMÖe l'on ne se soit trouv6 dann le meme can, puLique celiii «iiii etvil
k vostre place, auroit fait de la manraue besoigne, etaot absolnmvnl
dane le« principe;! do Beutiock au dela de tontte outrance, ainsi qn« povr
ce qui reparde votre personel, vou« ponves etre Kiitiercment tnuii|iiillc
et n'nvia lieii qne de von» en affliger comino iioiis tom \ catine du nul
qn'il en rerient k la monarchie, et rien ne proiive mienx vostre «ap
cnnduitte qne voHtre relatiun du 6 arriv^e le 12 . . .'
Kannitz an Maria Tlieresia. Aachen, 3. Mai 1748. ,. . . unterwerffen EnC
Kay». Ki*!n. May. eigener erleuclite.<iten Einsiebt und Beurtheilnng, ob •!><'
Verstellung, und dnM ich es sagen darf, der Betriig weiters al» ron dem
Praniösischcn wie von dorn Englinchen Minixtro gescJiehen int, betriebe
werden kOnnon? Wolfbes um so befremdlicher ist, da die bKydc Minisln
nicht einmahl nOtbig gehabt bStten, auf eine so uiianstäudige An m
Werke %n geben . . . mamen ich ohnedem nicht im Stand geweet wir*,
einseitige Tractaten zn unterbrechen . . .'
Ulfeldt an Kannitz. 13. Mai 1748. ,L'lmpöratrice . . . nou obatant le trait
bleu noir des Anglois . . . croit lea Fran^ois encore de ploa mauTaiM Mt
par oü Elle dout« i'il y aura quelqae choae k faire,*
129
I
I
allzu gegründet, sie würden aucli fllr die Zukunft nicht nb-
weichen wollen von einer Bahn, auf der sie bereits so Vieles
erreicht hatten. England werde sie hiebei, besorgte Ulfeldt,
noch fernerhin untersttitzen und dadurch Oeaterreich schudigen,
während bei dem Cabinote von Versailles niemals eine ähnliche
Hinneigung, sei es zu Preussen oder zu Sardinien wahrnehmbar
geworden sei.
Man wird kaum irregehen, wenn man in diesem Wider-
streite der in Wien obwalti'nden Ansichten ebenso wie in der
hoben Meinung, welche man von der geistigen Befilhigung und
der diplomatischen Gewandtheit des Grafen Kaunitz hegte, die
Ursachen erblickt, in Anbetracht deren man ihm zur Weiter-
fuhrung der Verbandlungen in Aachen völlig freie Hand Hess.
Er habe, sclirieb Kaunitz am 6. Mai nach Wien, seit dem
Abschlnsse der Präliminarien sein Benehmen derart eingerichtet,
dass sowohl Freunde als Feinde wegen der von dem Wiener
Hofo zu fassenden Kntschliessungcn in Zweifel und Sorge ver-
setzt und hiedurch zu ntthereii ErklUrungen genöthigt würden.
Hiednrch allein könne der Weg orten gehalten werden, zu den
Massrcgetn die Hand zu bieten, welche die meisten Vortheile
versprachen.
In diesem Sinne hatte Kaunitz zu handeln geglaubt, als er
am 4. Mai den Bevolluiiiclitigten der SeemUchte eine Protestation
zustellen liess, durch welche er vorerst an die Abmachungen des
Wonnser Tractates und an die von den AUiirten eingegangene Ver-
pflichtung erinnerte, nur im Einverstilndnisso und mit Zustimmung
Aller einen Waffenstillstand oder Frieden zu schliessen. Dennoch
wolle die Kaiserin in der Absicht, der Kriegführung ein Ende
zu bereiten,, sogar auf ihre eigenen Kosten dem Infanten Don
Philipp bis zu seiner Berufung auf den Thron von Neapel oder
von Spanien einen Liinderbesitz zu Theil werden lassen. Aber
dies könne nur unter der ausdrücklichen Bedingung geschehen,
dass dann die durch den Wormser Vertrag herbeigeftihrteu
Abtretungen an den König von Sardinien als ungiltig erklärt
würden und Oesterreich wieder in den Besitz dieser Land-
striche trete.
In Wien stimmte man den Ansichten und den Schritten
des Grafen Kaunitz ebenso wie seiner ferneren Aeusserung bei,
dass Alles auf der eigentlichen Denkungsart des Hofes von
Versailles beruhe. Sie zu ergründen, sei keine Gelegenheit zu
ArohiT. LlXXVin. Bd. I. Bülft«. 9
130
versäumen und > das ganze Augenmerk auf diesen Punkt za
lenken, der alle Übrigen an Wichtigkeit weit übertreffe.
Die Hoffnung des Grafen Eaunitz und seine Tendenz,
von Frankreich vielleicht doch noch günstigere Friedensbedin-
gungen für Oesterreich zu erlangen, als in den Präliminarien
enthalten waren, wurden denn auch von St. Severin geflissentlich
genährt. Die soeben von ihm abgeschlossenen Präliminarien be-
trachte er, Hess sich St. Severin in vertraulichem Zwi^esprich
vernehmen, wie ein Stück weichen Wachses, aus welchem man
jede beliebige Figur kneten könne. Wenn also Oesterreich der
Krone Frankreich mehr Vertrauen bezeigen und sich entschlies-
sen wollte, mit Beiseitelassung geringfllgigerer Dinge auf grosie
Ideen einzugehen, so Hesse sich wohl noch zu Verschiedenem
Rath schaffen. Aber freilich werde, fügte er gleichzeitig hinzu, er
nicht zuerst mit der Sprache herausrücken, sondern geduldig
abwarten, bis dies von österreichischer Seite geschehe.
Für Kaunitz, der erst vor Kurzem von St. Severin so
bitter getäuscht worden war, lag die Besorgniss nahe, dass
dieser auch diesmal keinen anderen Zweck verfolge, als einen
vertrauensvollen Schritt, den man ihm gegenüber thue, neuer
dings zu widrigen Absichten zu missbrauchen. Aber ftlr ihn
selbst und sein späteres Auftreten ist doch die Auslegung, die
er den Worten des französischen Botschafters gab, von hoher
Bedeutung. Unmöglich habe St. Severin, Hess sich Kaunitz jetzt
vernehmen, etwas Anderes sagen woUen, als dass Oesterreich
von nun an sein ,einziges und das Hauptaugenmerk auf den
König in Preussen zu richten und desfalls in grosse Ideen
einzugehen habe'.*
Vorderhand waren dies jedoch nur ganz vage und weit
aussehende Gedanken, und Niemand konnte ernstlich daran
glauben, dass sie jetzt schon irgendwelche Consistenz gewinnen
würden. Ja, wenn man solche Andeutungen mit einem Aus-
spruche vergleicht, der in einer vertraulichen Depesche St Se-
verin's an Puysieux enthalten ist, so tritt die Versuchung nahe,
dass sowie Oesterreich bisher von England dazu missbraucht
wurde, seinen Streit mit Frankreich zu Land so durchzufechten,
wie England dies selbst zur See that, die französischen Staats-
männer von nun an daran dachten, sich Oesterreichs als eines
' Kaiiuitz .111 M.iri.i Theresia. A.ichen, 1.5. Mai 1748.
m
l^erkzeuges zur Demllthigung Englands za bedienen. ,Nud ist
Frankreich,' so lauten die Worte St. Severin's, ,fa8t an den
Endpunkt seines grossen Vorsatzes der Erniedrigung dos Hauses
)esterreich gelangt. Von jetzt an niuss es daran arbeiten, den
gleichen Zweck im Hinblick auf England zu erreichen, denn
lann hat es keine Macht mehr zu fllrchten."
Noch viel ungünstiger für Oesterreich lautet eine zweite,
gleichfalls vertrauliche Aeusserung St. Severin's gegen Puysieux.
Wir ki.innen,' schrieb er ihm am 11. Mai, ,den Wiener Hof
lurch die Könige von Preussen und von Sardinien in Respect
kalten, welche Beide von der Einbusse des Hauses Oesten-eich
luteen ziehen und daher Beide Gegenstand seines Neides,
einer Eifersucht und seiner Abneigung sind. Unsere Verbin-
lung mit den Höfen von Berlin wie von Turin muss daher
»beneo in ihrem wie in unserem Interesse eine innige werden.'*
Puysieux stimmte zwar der Anschauung St. Severin's
Dl Allgemeinen bei, aber er meinte doch, Frankreich würde
lurch die Aufiiahme Preussens in die Reihe seiner Verbündeten
inen Irrthum begehen. König Friedrich wllnsche zwar lebhaft,
lie Gewährleistung Schlesiens zu erhalten, das Zustandekom-
aen des Friedens aber nicht, und es sei zu bezweifeln, ob er
inf Vorkehrungen eingehen würde, deren Zweck darin be-
kunde, ihn dauerhaft zu machen.^
6. Mai 1740. ,VoiIi la Fraiiee presque 4 bont de aon ^rand desseiu mr
rabaissoment de la maUoii d' Antriebe ; >1 faut A pr&ient trarailler ä cehii
de l'Augletcrre |iuur ii'avuir ]>lus de PiiimianceK ä uraindro.*
,Nou8 pourroiiB tenir I» Cuitr de Vieiiiio eii respect par le K»i de PruMie
et par le Roi de Sardaigriü, toii.i dem partii-ipans .'i l.i döpouille de la
Maüon d'Aiitriche, foiis doiix Tobjet do l'eiivie, de la j.ilou9ie et de l'a-
▼arsioD de la Coar de Vienoe. Nutre nnion doit doou devenir intime
avec Berlin et avec Turin autant ponr leur propre int^et qae ponr
le n6tre.'
Dieae Stelle der Oepesolie dea Marquis von Fuysioax an St. Severin vom
14. Mai map wegen der darin vorkmnraendeii sonderbaren Mittheilun^
über den KOnig von Preuüseu biur Aufnahme finden. Sie lautet: ,VniiB
pentea iiae notia pouvous noiis servir utilement dos Cours do Berlin et
de Turin, ponr tenir dorinavant celle de Vienne en respect; je le pense
auMi. Je rou» contierai & cette occaaion qu'on m'a asaar^ qae le Roi de
Pru8se avoit demandä <Ie« Miiwionnaires an Pape ponr les räpandre dan.«
set) Etat«, et qu'il avoit pri6 8a Saiutet^ de lui en choisir deux qui
fiuuieDt gens d'enprit et äclairüs pour l'inittrnire lui-mßmu bion ä fond de
e religion. Ce trait vom fera connoltre lee vnes de ce Prince. II y
9«
132
Es wäre tinnlUz, sich ia Vermuthungen darüber zu ver-
lieren, welchen Eindruck diese Aeusserungen in Wien hervor
gebracht haben würden, wenn sie daselbst bekannt geworden
wären. Da dies natürlich nicht geschah, trat dort auch Niemand
mehr der Ansicht des Graten Kaunitz entgegen, dass, wenn aoi
irgend einem Wege, nur durch Frankreichs DazwischenkonA
die Erlangung minder drückender Friedensbedingungen noch
möglich sei. Nicht nur in Aachen, sondern auch in Paris trachtete
Kaunitz in diesem Sinne zu wirken, und er schrieb an den
dortigen sächsischen Gesandten Grafen Loss einen Brief, welchen
der Marquis von Puysieux, zu dessen Kenntniss er grebracht
wurde, ebenso entschieden als wohlüberlegt nannte.* Der KOni^
von Frankreich, Rlhrte Kaunitz darin aus, könne mehr als be-
friedigt sein durch die schweren Nachtheiie, die er seit ftnf^
zehn Jahren dem Hause Oesterreich zugefügt habe. Er sei je-
doch zu grossmUthig und zu aufgeklärt, um die Dinge sn weit
zu treiben, Oesterreich selbst wieder von seinem Sturze auf-
richten zu müssen. Und Puysieux ftigt hinzu, der Brief des
(trafen Kaunitz sei erfüllt gewesen von Bitterkeit gegen Eng-
land und den Turiner Hof
So wie in Paris, trachtete Kaunitz auch bei dem franaO-
sischen Botschafter in Aachen den Interessen Oesterreichs mehr
Beachtung als bisher zu erwirken. Er trat an St. Severin mit
dem Antrage heran, eigene Präliminarien zwischen den beiden
Regierungen abzuschliessen, und als er hiemit keine willfährige
Aufnahme fand, versuchte er ihn wenigstens zur Ausstellung
eines Schriftstückes zu vermögen, das er eine .französische
Gleicligiltigkeitserklärung wegen der durch den Wormser Ver-
trag geschehenen Abtretungen' nannte.* Aber auch gegen dieses
a loiigtenig que l'on prätend que le systöme de fAiigleterre est de lui
faire prendre \a. place de In Maison d'ÄatricIie dana l'fiaiope. Je ui»
que notu) poavons nous serrir utilement de ces coanoUaances, taait elle.<
doiTent aasai von» faire JQger, que nous uoiia troinperioiis si noiis met-
tiona le Koi de Pnuse an rang de nos Alliö«. II sera fort tuucbi« d'avuir
Ia ^rantie de Ia Sil^sie, et tkcM que In pnix hoit faite, et je dont«
qn'U veuille entrer ou rien daua leg arrangemeiu qni seroicnt propi
Ia reudre durablu.'
' ,unu lettre tres-forte inaU trJi8-reH6cliie'.
* Kaunitx an Maria Theresia. 26. Mai 1748. V^l. auch die Abhaiuilaiy
Hoer's: Zur Gctcliichte den Frieden» von Aachen; Archiv fUr österrei-
ebiacbe Qescbicbte, 47. Ud., 8. 43.
Begehren verhielt sich St. Severin ausweichend, wogegen er die
Declaration zu bilHgen vorgab, durch welche Kaunitz die. Be-
reitwilligkeit Oesterreiclis iiussprach, den Priiliminarien insoweit
beizutreten, als sie die Streitpunkte zwischen den im Kriege
begriffenen Mächten betrUfen, die sich bekanntlich ausser allem
Zusammenhange mit den Bestimmungen des Wormser Vertrages
befänden.*
,Und so wie es,* schloss die Erklilrung des Grafen Kau-
nitz, ,allem göttlichen und menschlichen Rechte widerstreiten
wttrde, nur eine Abtretung zu gewährleisten, ohne dies auch
hinsiclithch der Clausoln und der Bedingungen zu tliuii, unter
denen sie mit Zustimmung der vertragschliessenden Theilo statt-
fand, kann es auch in der Absicht der Mächte, welche die Prä-
liminarien unterzeichneten, nicht liegen, diesem Grundsatze ent-
gegen zu handeln. Solches vorausgesetzt, widerstrebt die
Kaiserin- Königin in gar keiner Weise, dass die Garantie des
Dresdener Vertrages einen Thcil des altgemeinen Friedens-
schlusses bilde, und ich bin nicht allein ermilchtigt und bereit,
mich gleichfalls an der Unterzeichnung der Präliminarien zu
betheiligen, sondern habe sogar, um die rasche Herbeiführung
eines völligen Zustsvndes der öffentlichen Ruhe zu beschleunigen,
darauf zu dringen, dass diese Präliminarien die ganze Geltung
eines definitiven Friedensvertrages erlangen, ohne dass irgend
ein ferneres Begehren zu Ungunsten einer der bis jetzt krieg-
führenden Mächte zugelassen werde.' *
Die Bemerkungen, in denen sich der Marquis von Puy-
sieux erging, als er diese Erklärung des Grafen Kaunitz erhielt,
lauteten weit weniger gtinstig als St. Severin's mündlicher Aus-
spruch. .Fe öfter er sie lese und je mehr er Ubcr sie nachdenke,
schrieb er am 28. Mai an St. Sevorin, um so sonderbarer
finde er sie. Er halte sie ftir das verfänglichste Actenstück,
welches jemals aus der Bartenstein'schen Werkstätte hervor-
gegangen sei. Er wisse nicht, ob die Seemächte mit ihr zu-
frieden sein würden; die Könige von Preussen und von Sar-
' ,E1le ndopte «uus r^gerve tont le contena dea article« priliminaires qai
Ini out 6t6 cnminuiiiquds punr autant qu'ila la regardent et conconient
les diff^rends qni d'an comnmn accord devoient faire runiqae objet des
cnnförence« qu'uD ^toit convenn de tenir en eette ville et avec lesqnels
les oeuioiu da trait6 de Worms n'ont rien de commun.'
* Declaration vom 23. Mai 1748.
134
dinion hingegen wUrden es gewiss nicht sein. Die Erklärung
sei in einer Weise abgofasst, class, indem sie scheinbar die Ver-
trüge von Breslau, von Berlin und von Dresden billige, sie
ihnen in Wirklichkeit nicht weniger Eintrag thue als dem von
Worms.'
Man mag auch noch so sehr auf seiner Ilut sein, sich nur
ja auf keiner zu weit gehenden Parteihehkeit fiir den Wiener
Hof betreten zu lassen, so wird es doch nicht leicht fallen, iu
der ErklUrung des Grafen Kannitz all' die tt'ickischen Kunst-
griffe zu entdecken, welche Puysieux in ihr erblickte. Dennoch
trat die französische Regierung nicht offen in Opposition wider
sie, und ihr Vertreter schloss sich auch Lord Saudwich nicht
an, von dessen Seite dies mit gewohntem Ungestlim geschab.
Ja als auf die Nachricht hin, der sardinische Gesandte Graf
Chavannes habe den B«;fehl zur Unterzeichnung der PrÄlimi-
narieu erhalten, sich Kaunitz gleichfalls hiezu bereit erklärte,
meinte Sandwich, dies könne niu- geschehen, wenn Kaiuiitx die
erst Tags zuvor abgegebene Ei'klHrung wieder zurücknehme.
Aber Raunitz weigerte sich ,mit solch gelassener Standhaftig-
keit', wie er selbst sich ausdrückt, dies zu thun. dass sich
Sandwich, von St. Severin und dem ersten holländischen Be-
vollmUchtigten nicht unterstützt, schliesslich ebenfalls ftigte.
Am 2t). Mai fertigte Kaunitz im Namen seiner Herrin, olme
eine weitere Bedingung hinzuzuf\lgeu, deren Beitrittserklärung
zu den am 30. .April abgeschlossenen Präliminarien aus,* und
er that sich nicht wenig darauf zu Gute, hiemii dem sardini-
schen Gesandten zuvorgekommen zu sein." Am 31. Mai folgten
Chavannes und der Bevollmilchtigte des Herzogs von Modena
dem Beispiele des Grafen Kaunitz, so dass bis dahin nur noch
Spanien und Genua den PrHliminarien nicht beigetreten waren.
Am 2. Juni verliess St. Severin Aachen, um sich nach
Paris zu begeben, dort seiner Regiening mllndlich liber den
Der WortUut dieses Absatxe« der Depesche Puysienx' au 8t. Sererin bei
B»ur tj. 4».
Sie lie^ dem Berichte de« Grat'eu Kannits an Maria Theresia vom
26. Mni abschriftlich bei.
Kaunitz au Ulfeldt. 3ü. Mai 1748. ,Chavannes ist sehr bestOrtaot, iam
ich ihiue nicht nur in der Äccession bevorgokommeu, sondern auch die
DeclaratioD nicht widerrufen, noch aiivli Mylord 8nndwic)i mit einer
Oegendeclaratiou sich verwahret hat.'
135
I
Stand der Verband Innren zu berichten und sich von ihr neue
Verhaitungsvorsclirit'tcn zu erbitton. Erst am 20. Juni kehrte
er nach Aachen zurück, wo während seiner Abwesenheit die
Geschäfte fast ganz ins Stocken gerathen waren. Aber auch
seine Wiederkehr brachte ihnen nicht viel rascheren Fortgang,
insbesondere bewegten sich die langen und häufigen Besprechun-
gen zwischen ihm und Kainiitz in dem Kjihmen der glänzenden,
aber von ihrer Erfüllung sehr weit entfernten Vc-rheissungen,
welche St. Severin auf die nach seiner Versicherung ungemein
günstigen Gesinnungen des Königs von Frankreich t^ür Oester-
reich und Maria Theresia gründen zu dürfen erklärte. Nicht
ohne tiefen Unmuth erinnere sich der König, behauptete St. Se-
verin, zu welch' .unanständigen und der ganzen Nation ver-
kleinerlich fallenden Schritten' ihn sein früheres Ministerium
jgegen alle Billigkeit sowie gegen das eigene franzüsische Staats-
interesse' verleitet habe. Nicht nur St. Severin, auch der Marquis
von Puysieux, die meisten übrigen Minister, endlich Frau von
Pompadoui- seien von der gleichen Gesinniuig beseelt, die
Hauptabsicht des fi-anzösischen Hofes aber dahin gerichtet, sich
nicht nur das vollkommene Vertrauen der Kaiserin zu erwerben
und zu erhalten, sondern auch mit ihr ununterbrochen in bestem
Einverständnisse zu leben. Frankreich sei sehr weit von der
Absicht entfernt, das Haus Oesterreicb noch mehr zu schwächen
und zu entkräften. Es werde vielmehr bei jeder sich hiezu dar-
bietenden Gelegenheit darauf ausgehen, ihm wieder zu jener
Macht und jenem Ansehen zu verhelfen, welche es vor dem
Erbfolgekriege besessen habe. Um dieses Vorhaben ausführen
zu können, sei die französische Regierung entschlossen, die be-
gonnenen Friedensverhandlungen baldigst zu einem gedeihlichen
Abschlüsse zu bringen. Erlange sie hiedurch nur erst wieder
freie Hände, danu werde sie nicht zögern, das von ihr zu be-
folgende System nach den Grundsätzen einzurichten, welche
den soeben entwickelten Anschauungen entsprächen.
Es liegt kein Anzeichen vor, dass Kaunitz diesen Ver-
sicherungen des französischen Botschafters irgendwelchen Glau-
ben geschenkt habe. Und sollte er sich hiezu auch einen Augen-
bhck geneigt gefühlt haben, so würde er durch den Umstand
wieder zurückgeschreckt worden sein, dass sich St. Severin
zwar recht fruchtbar in der Ausmalung grossartiger Zukunfts-
pläne zeigte, sich aber gegen alle positiven Begehren des Grafen
Kaunitz, selbst wenn sie nur von geringfügiger Tragweite waren,
ablehnend verhielt. Er könne sieh der Bcsorgniss nicht er
wehren, schrieb Kaunitz nach Wien, dass F'rankreieh gegen
Oesterreich nichts Qutes im Schiide fUbre und einen Anlau
vom Zaun zu brechen suche, einen Vorgang zu bcniSnteln, der
mit seinen bisher 80 befriedigend lautenden Versicherungen im
Widerspruche stünde.'
In der vertraulichen Correspondenz zwischen Puysieux und
St. Severin tritt zwar nichts von einer solchen AVisicht Frank-
reichs, wohl aber dessen ailmHlig zunehmende Hinneigung zu
Sardinien hervor, welche nothwendiger Weise eine gewisse Ent-
fremdung gegen Oesterreich nach sich ziehen musste. Dessen
Vertreter in Aachen befand sich überhaupt in dem unheim-
lichen Zustande vollstiindiger Isolirung; wetteifernd standen ihm
die Ueprilsentanten der bisher mit Oesterreicli verbündeten wie
diejenigen der Mächte, mit denen es Krieg geführt hatte, feind-
lich gegenüber. .Wenn Sie,' schrieb Kaunitz in den ersten
Tagen des Juli an Ulfeldt,* ,sich die Mühe nehmen wollen,
über meine Lage nachzudenken, so wird Ihnen dieselbe schreck-
lich erscheinen. Keinem der Minister, mit denen ich verhandle,
darf ich trauen. Sie Alle verfolgen Zwecke, die tmseren Inter-
essen entgegengesetzt sind, und besitzen Mittel, um das Terrain
streitig zu machen, über welche ich nicht verfüge. Hiezu kommt
noch, dass ich jeden Augenblick auf eine neue Intrigue und
darauf gefasst sein muss, wieder ein Ueboreinkommen ohne von
zu Stande gebracht zu sehen.'
Trotz diesen wenig tröstlichen Berichten, die man von
Kaunitz erhielt, liess man in Wien noch immer die HotTnmip
nicht fahren, zu einer abgesonderten Vereinbarung mit Frank-
reich gelangen zu können. In dieser Absicht sandte man Kaunitz
ein neues Vertragsproject zu, in welchem das Scbwergewiclit
auf zwei darin enthaltene geheime Separatartikel gelegt wurde.
Durch den ersten sollte Frankreich die Zusicherung geben, es
werde etwaige Bestrebungen der Kaiserin zur Wiedererlangung
der au Sardinien gemachten Abtretungen nicht als Friedew-
bruch ansehen; and durch den zweiten hatte es zu erklären,
es betrachte die in die Präliminarien auffjenommene Gewahr-
' Kaanit« an Maria Theresia. 3U. Juiii 1748.
» 4. Juli I74H.
137
ieistung Preussens iu lictu Besitze von Schlesien nicht anders,
als dass sich diese Garantie eben auch auf alle übrigen Bestim-
mungen des Dresdner Friedens orstrecko.
Die Hartnilckigkeit, mit der man in Wien immer wieder
auf Begehren zurückkam, auf deren Annahme, welche Raunitz
ganz rückhaltslos als höchst unwahrscheinlich erklilrte, man
doch schon von vorneherein nicht zu zilhlen vermochte, wird
ohne Zweifel nicht dem Willen der Kaiserin selbst von deren
geringem Vertrauen auf Frankreich bereits die Rede war, son-
dern dem ungestümen Andringen Bartenstcin's zuzuschreiben
sein. Wir wissen ja, dass Maria TlitTcsia schon seit l.'tngerer
Zeit der KriegiVihrung überdrüssig geworden war, und dass sie
von dem Augenblicke an, in welchem Haugwit/, ihre Zustim-
mung zu dem von ihm entworfenen neuen Miiitilrsysteme er-
halten hatte, diurch welches die bisherigen Einrichtungen gründ-
lich umgestaltet werden sollten, die Beendigung des Krieges
durch einen detiiiitivcn Friedensschluss gar iiiclit mehr ei'warten
konnte. ,Placet,' hatte sie schon im Februar 1748, als noch die
abgesonderte Verhandlung mit Frankreich durch die beiden
Grafen Loss im Zuge war-, auf eine Ausarbeitung Barten.'ätein's
geschrieben,' ,i)lacet, Gott gebe nur ein baidos ende, besser und
nicht einmahl also wird es, wan es zwey monath dauert, ge-
endigt werden.' Und bei dem lebhaften Wesen der Kaiserin
wurde diese Stimmung durch den langsamen Gang der Verhand-
lungen in Aachen nur noch gesteigert. ,Sie glauben gar nicht,'
schrieb Ulfeldt am 30. Juni an Kaunitz, ,was wir von der Un-
geduld der Kaiserin zu leiden haben, welche vorerst ihre
Truppen zurückhaben will, um die Ersparungen und das Sy-
stem des Grafen Haugwitz zu beginnen, ganz als ob es von
aus abhinge, wenn Frankreich die Niederlande nicht räumen
und sich nicht damit begnügen will, die Platze von Nieuport
und Ostendc als Pfand zu behalten. Die Kaiserin hat mir von
Mannerstoi-f gerade so geschrieben, als wenn wir uns durch die
Complimente St. Severin's hinter das Licht führen Hessen.'
Nach mehr als zwei Wochen kam Ulfeldt tlem Grafen
Kaunitz gegenüber neuerdings auf diesen Punkt zurück. ,Was
mich am meisten schmerzt,' schrieb er ihm am 17. Juli, ,ist die
Ungeduld der Kaiserin, ihre Truppen zurUckkcliren zu sehen;
* Vom 11. Februar
138
denn sie fürchtet, dass durch eine Verzögerung auch eine solche
in der Durchftihrung des Systems des Grafen ünugwitz ver-
anlasst werden könnte. Hiedurch aber gcrilth sie von Zeit zu
Zeit in eine ganz schreckliche Ungeduld und auf alle möglichen
Gedanken, wie beispielsweise auf den, die Engländer mit s&mmt-
lichen für uns zu fllhrenden Verhandlungen zu betrauen, denn
sie hofft, auf diesem Wege den Abschluss des Friedens und
die Rückkehr der Truppen zu beschleunigen.' '
.Ich begreife vollkommen,' antwortete Kaunitz am 31. Juli,
jdass Ilirc M!ij<^stjU über mein so langes Zögern, einen Courier
abzusenden, ungediüdig sein muss. Aber ich thue gewiss Alles,
was menscliliclie Klugheit nur immer ersinnen und meine »n
<>rt und Stelle erworbene Kenntniss der Lage der Dinge mir an
die Hand geben kann, um eine ihren Absichten entsprochende
T.,üsuiig der Fragen herbeizuführen. Bisher gab es jedoch kein
Mitiel, irgend eine positive Zusage zu erlangen, und ich bitte
wohl zu bedenken, dass ich nicht der Herr von Dingen bin,
welche von dem Willen Anderer abhängen. Aber noch immer
liiibü ich nicht alle Hoffnung verloren, wenigstens zum Theilc
durchdringen zu können.' '
Aus dieser vertraulichen Aeussorung des Grafen Kaunitz
gegen Ulfelrlt geht ebenso wie aus seinen amthchen Berichten
an den Wiener Hof deutlich hervor, dass die irgendwo aus-
gesprochene Behauptung, er sei in dem Banne St. Severin's
festgehalten worden, jeder Begründung vollständig entbehrt'
Und ebenso unrichtig ist es, wenn an der gleichen Stolle ge-
sagt wird, Kaunitz habe gehofft, schliesslich doch noch die
Annahme der Vorschläge Oesterreichs zu erwirken. Wie gering
* Die Briefe Ulfeldt'ü nn Kanuitz Tom 30. Jani und IT. Juli 1748 bei
Anietli, Ge.iehichte Maria Theresias. III, S. 496.
* An LTireldt 31. Jnli 1748. ,Je uompreudü fort bien quo ä. M. doit Atie
impatiente de ce tjue je tarde k däpecher un Conrrier, et je faia assni^-
meiit tout ce que la pmdence humaine peiit imaginor, et mes coiuiui*-
winceii mir les lienx penvent me permottro pour accilerer la r&imit«
des choses »elon 8U8 intentionii, niRis il ti'y a po« eu moyen jnsqaec icj
d'arracber rien de poiiitif . . . Je la prie eii .ittendaot de rouloir bien
fsire r66exion que je ne suis pa« le maltre des cboses qoi dependent dv
la voloiit^' d'autruj; je n'ai ponrtant point perdu eticore toute es(i^rsni:s
de r^uBRir an moint en partie.'
' Beer, Zur Gonchiclite de« Friedens von Aachen. Arcbiv ftlr Oaterreicbi-
Hche Geschichte, Bd. 47, S. 60.
139
seine Hoffnung war, auch nur einen Theil davon zur An-
nahme gelangen zu sehen, dessen hatte er nicht nur vor
Ulfeldt, sondern auch vor der Kaiserin selbst kein Hehl.
Immer wieder kehrte er auf das Begehren zurück, man möge
einen etwaigen widrigen Ausgang nicht ihm zur Last legen,'
worauf aus Wien stets von Neuem die Autwort erfolgte, man
sei in hohem Masse mit ihm zufrieden und durchaus nicht ge-
meint, ihm dasjenige anzurechnen, dessen Abänderung nicht in
seiner Macht liege. Und dass man sich auch in Wien keiner
Täuschung mehr über das zu erwartende I'^rgebniss der Aachener
Verhandlungen überÜess, wird wohl durch die dem Grafen
Kaunitz ertlieilte Vollmacht, zum Abschlüsse des definitiven Frie-
densvertrages zu schreiten, wenn auch die beiden geheimen Se-
paratartikel keine Aufnaiimc darin filnden,^ unwiderleglich dar-
gethan.
Lang schon gab sich Kaunitz der Besorgniss hin, dass,
wie es bei der Unterzeicbnung der Prüliminurien geschehen
war, auch hinsichtlich des definitiven Friedensvertrages eine
vorläufige Vereinbarung zwischen England und Frankreich
ohne Zuziehung Oesterreichs erfolgen und diesem einfach der
Beitritt zu bereits unabilnderlich festgestellten Bedingungen an-
heimgestcUt werden könnte. Aber nicht in Aachen, sondern
durch den Feldmarschall Grafen Batthyany, der iliese Mitthei-
lung von dem Commaudanten der englischen Truppen in den
Niederlanden, dem Herzog von Cumberlaud erhalten hatte,
erfolir Kaunitz Anfangs August zuerst, dass die Peinigung zwi-
schen Frankreich und England über den abzuschliesscnden
Frieden bereits geschehen sei. Lord Sandwich, von Kaunitz
hierüber befragt, berichtigte diese Behauptung zwar dahin,
dass der Friede noch keineswegs zum Abschlüsse gediehen
sei, aber er verschwieg nicht, dass er selbst und Graf Bentinck
einerseits und St. Severiii andererseits an der Zustandebringimg
desselben arbeiteten. Sie müssten sich auch, fügte er hinzu,
damit beschäftigen, Oesterreich wenngleich wider seinen Willen
zum Beitritte zu diesem Frieden zu vermögen. England müsse nun
einmal dem schon so lang dauernden Kriege ein Ende bereiten. Es
könne aber auch ohne gi'clle Verletzung von Ehre, Treue und
^^^« An :
i* An Maria Tberexia. 81. Juli 1748.
lUria Tberetia an Kauuit«. ib. Juli 1748.
140
Uliiiibcn unmöglich gestatten, dass die durch den Wurmsec
Vertnm geschehenen Abtretungen an Sardinien widerrufai
wHrdtii und um ihretwillen Kuropa in die Gefahr gerieth«
gU'ii'h imeh Beendigung des Krieges in einen neuen verwk
«u werden,'
,Ich glaub«,' schreibt Kaunitz am 5. August an Ulfeid
und bowoist dadurch neuerdings, wie wenig er sich in de
Banne St. Scverins befand, ,ich glaube, man htttte vielleicl
wnuigi'f Schwierigkeiten begegnet, wenn sich ein anderer
aOaischcr Minister hier befunden hatte. St. Severin treibt dii
Kkischhcit zu weit, und man darf sich auf das, was er sa
in p»"" keiner Weise verlassen." In dem gleichzeitigen Berichti
nn Maria TheroRJa aber sagt Kaunitz, dass auf St. Severiii"j
Worte durchaus nicht zu bauen sei, und er nur mit ,Fine
und Einschillferungen' umgehe.
Eine zweite Heise nach Frankreich, welche St. Sever
all) 11. August antrat und bis zum 21. ausdehnte, führte
ziemlich die gleiche Wirkung wie die erste, iind zwar eine fre
lieh nur vorübergehende Stockung der Friedensverhandlung
herbei. Allerdings Hcl in diese Zeit eine Anfangs Uberrascheni
scheinende Sinnesänderung der englischen Regierung, indem
Lord Sandwich, welclieni inzwischen der bisherige britisch
(icsnndte in Wien, Sir Thomas Robinson beigegeben werde
war, plötzlich den Auftrag erthcilte, nicht wie in der letzten Ze
die Verhandlungen ausschliesslich mit St. Severin und Bentinc
zu fuhren, sondern Kaunitz in Alles einzuweilien, was bish«
geschehen sei, und nicht ohne seine Zuziehung und Beistimmui
an detinitive Abmachungen zu gehen. Aber eine greifbare Wt
kung zog dieser Schritt der enghschen Regierung, so aufTallen^
er auch auf den ersten Bück sein mochte, doch nicht nsc
sich. Nicht nur Kaunitz, der sich von seinem zu jener Ze
schon tief eingewurzelten Misstrauen gegen England nicht
rasch loszulösen vermochte, auch der Kaiserhof kam England
mit viel grösserer Lauigkeit entgegen, als man dort erwarteief
denn in Wien war die gleiche Stimmung vorherrschend mid
KannitB an Maria ThereBia. 4. August 17i8.
An Ulfeldt. 5. AiigtiRt 1748. ,Jo croii quo Von .lurnit pi3Ut-@tre renconti
moina de difficult^j« , si noaa KvinnB ioi nn aiitro Minigtre frui^oU qa
Mr de ä' Sevoriu. II i>ous»e trop loin la faugaet^ et il a'y a pas le momdre
fond k faire sur tout ce qa'il diL'
141
sie wurde durch die Oesterreich so feindselige Haltung Eng-
lands auf manchen so wichtigen Punkten, insbesondere in Berhn
und St. Petersburg, immer mehr bestärkt. Dieser Umstand und
die BemUbungen Frankreichs, nicht plützlieli den Boden wieder
zu verlieren, auf welchem man sich mit so grosser Anstrengung
festgenistet hatte, zogen die Wirkung nach sich, dass bald
nach der Rückkehr St. Severin's nach Aachen die dortigen
Verhandlungen wieder die früheren Bahnen einschlugen. Immer
mehr gewann es an Wahrscheiidichkeit, dass die Kaiserin auch
in den wenigen Punkten, hinsichtlich deren sie sich noch wei-
gerte, werde nachgeben müssen.
Ein Zwischenfall wird nicht ganz mit Stillschweigen über-
gangen werden dürfen, nicht so sehr als ob ihm besondere Be-
deutung beizumessen wäre, als der Ursache wegen, dass er
Kaunitz in einen Zustand der Aufregung versetzte, der zu seiner
sonstigen Gelassenheit in eigenthümlichem Gegensatze stand.
In jener Zeit diplomatischer h'änke und Winkelzügc, in
welcher jedes freie und offene Wort aus den Verhandlungen
der Staatsmänner ausgeschlossen zu sein und ihre grösste Kunst
darin zu bestehen schien, einander zu überlisten, war es eine
ganz gewöhnliche Erscheinung, dass sie sich im Verkehre mit
einander von Zeit zu Zeit auch untergeordneter Mittelsjiersonen
bedienten. Deren Aufgabe bestand zunächst darin, gleichsam
von sich selbst aus Worte fallen zu lassen, die miin hinterher,
als nur ihrem eigenen Kopfe entstammend, wieder ableugnen
konnte, Aeusserungen zu hinterbringen, welche sich möglicher
Weise als nicht gesagt darstellen iiessen, Anregungen zu geben,
die man je nach Belieben aufrechterhalten oder auch wieder
fallen lassen könnte. Ein solcher Zwischenträger zwischen
St. Severin und Kaunitz war der sächsische Gesaudtschafts-
aecretftr Kauderbach. Es war eine Folge der Stellung des pol-
nisch-sächsischen Hofes, der mit Oesterreich befreundet und
mit dem französischen Königshause verschwägert war, sowie
der Verhandlungen, welche seinerzeit durch Vermittlung der
beiden Grafen Loss zwischen Frankreich und Oesterreich ge-
pflogen wurden, dass sächsische Diplomaten auch noch ferner-
hin von beiden sti'eitenden Theilen als Vertrauenspersonen an-
■ gesehen wurden. Und wirklich schien Kauderbach eine Zeit-
lang sowohl bei Kaunitz als bei St. Severin in ungcwöhnHchem
Vertrauen zu stehen. Sowohl der Eine wie der Andere ging
142
tief mit Kauuitz ein in die Erörterung der so vei-schiedenen
und hochbedeutsamen Fragen, welche in Aachen zur Entschei-
dung kommen sollten. Mancher Bericht, welchen Kaunitz nach
Wien erstattete, war zum grossen Theilo angefüllt mit ausAlbr-
licber Darlegung dessen, was Rauderbach ihm von St. Severin
hintcrbraclit hatte. Warmes Lob wird von Kaunitz dem eifrigen
und gewandten Mittelsmannc gespendet, und or verwendet sich
in Wien für Ertheilung einer Belohnung an ihn.
Wie gross war daher das Erstaunen des (j rufen Kaunitz.
als er von seiner Kegicrung die Mittheilung erhielt, Kauderbacb
habe seinen eigenen Hof von einer überaus wichtigen Erklämiig
St. Severin's in Kenntniss gesetzt In nichts Geringerem als in
dem Rathe, Oestencich möge sich vorerst der Allianz mit Russ-
land vollständig vorsichern, und dem Anerbieten habe sie be-
standen, dass dann auch Frankreich zu gewaffnetcni Beistände
bereit sei, Oesterreich Schlesien >vieder zu verschaffen. Aller-
dings bedinge es sich dann eine Gebietserwerbuug für sich
selbst nach den Niederlanden hin, und zwar Ypem und das
sogenannte holütndtsche Flandern aus. Dagegen werde man
nicht nur die Niederlande der Kaiserin zurückstellen und ihr
auch ausserdem in Italien freie Hand lassen, den Infanten Don
Philifip aber mit Savoyen und Nizza abfertigen, ohne dass
Oesterreich dort irgendwelche <.)pfer zu bringen habe.
Kaaderbach fügte hinzu, er habe diese Aeusserungen
St. Severin's dem Grafen Kaunitz hinterbracht, von diesem aber
die Antwort erhalten, der ganze Plan sei so weitausschond und
greife so sehr über die ihm von seinem Hofe gegebenen Auf-
trüge hinaus, dass er es nicht auf sich nehmen könne, sie ihm
auch nur vorzulegen. Es wilre ihm daher lieber, wenn diese
Sache durch die Vermittiuug Kauderbach's und der polnisch-
sächsischen Regierung zur Kenntniss des Kaiserhofos käme.
Die Versuchung liegt nahe, sich der Vcrmuthung hinzu-
geben, in Wien, wo man den Verlust Schlesiens noch nicht
verschmerzt hatte, werde die von Kauderbach gegebene An-
deutung über die geheimen Absichten Frankreichs gewaltigen
Eindruck hervorgebracht und die bisherigen Friedensgedanken
verscheucht halben. Denn dass der König von PreuRsen sich
Schlesien nicht ohne schweren Kampf wieder entrcissen lassen
werde, war leicht vorherzusehen. Gleichwohl werde man es in
Wien gar nicht erwarten können, an der Seite so mäclitiger
143
Aliiirter wie Fraukreicli und Ruasland den Kampf zu beginnen,
welcher Schlesien fllr Oesterreich zurückgewinnen sollte.
Aber nichts von alledem geschaii. In Wien war man weit
davon entfernt, die veruiviDtliclien Erklürungen St. Severin's für
baare MUnze zu halten, und nur hüchlich verwundert, dass
Kaunitz in seinen Berichten die Eröffnungen Kauderbach's,
wenn sie ihm wirklich gemacht worden wilren, so ganz mit
Stillschweigen übergangen haben sollte. Dass er dies nicht ge-
than hatte, hielt man nicht für einen etwa von ihm begangenen
Fehler, sondern für ein ziemlich sicheres Anzciclion, dass der
Mittheilung Kauderbach's niu- ein sehr geringer Grad von Ver-
lässlichkeit zuerkannt worden dürfe. Wahi-scheinlirh habe sich,
meinte man in Wien, St. Scverin gar nicht in dem Sinne gegen
ihn geäussert, wie Kauderbach dies behaupte. Dass solches ge-
^phehen sei und Kaunitz, von Kuuderbach ins Oelicinmiss ge-
zogen, dieses seiner Hcgicrnng vorenthalten haben sollte, sei
jedoch ganz undenkbar, und auch schon aus diesem Grunde
nahm man die MitthcUung Kauderbach's, als sie nach Wien
gehingte, nur mit dem äussersten Misstrauen gegen deren Ur-
heber auf.'
Mehr noch als der Kaiserhof war Kaunitz über den Be-
richt Kauderbach's verwundert, ja seine Empfindung kann
wohl die der Bestürzung genannt werden. Er zweifle nicht
daran, schrieb er nach Empfang der ersten Mittheilung hievon
nach Wien, dass sicli St. Severin über eine Wiedererwerbung
Schlesiens durch Oesterreich niemals so entschieden geUussert
habe, als Kauderbach dies behaupte. Ausserdem würde er für
Frankreich gewiss nicht nur Ypern und das hollftndische Flan-
dern, sondern auch noch Furnes, Ostende und Nieuport verlangt
haben. Und schliesslich möge man nur ja nicht glauben, er
selbst habe von Kauderbach irgend eine Mittheilung von einiger
Bedeutung erhalten, olme sie allsogleich und treulich nach Wien
weiterzuberichten.^
Es musste Kaunitz zur Beruhigung gereichen, dass er aus
der Antwort seiner Regierung ersehen konnte, diese habe nie
daran gezweifelt, dass ihm durch Kauderbach nicht mehr liinter-
bracht worden sei, als er nach Wien gemeldet habe. Da aber
> Marin Tliercitia nn Knuiiitz. 17. Jnli und 5. Angatt 1748.
* KauDltz ou Ulfeldt. 12. und 21. Augiut 1748.
144
Kuudcrbach fortfuhr, seiiier Regierung zu schreiben, St. Severio
sei aufs Höchste begierig, durch Kaunitz die Antwort des Kaiser
hofes auf seine Vorschläge zu erhalten, so mehrte sich nur noch
der Verdacht, den man von allem Anfange an gegen Kaudcr-
bach gehegt hatte. Die bösesten Absiebten muthete man ihm
zu; Kaunitz aber wurde ernstlich vor ihm gewarnt, aber doch
auch gleichzeitig beauftragt, womöglicb zu ergründen, wie sich
denn eigentlich die ganze Sache verhalte.'
Da die Wahrheit nie vollständig an den Tag kam, ver-
lassen wir hiemit diesen Zwischenfall, dessen hier um des tiefen
Eindruckes, den er auf Kaunitz hervorbrachte, und mehr noch
um des Umstandes willen eingehendere Erwähnung geschehen
mosstc, dass die vermeintlichen Vorschlüge St. Severin's acht
Jahre später greifbare Gestalt unniihmen und zur Grundlage
jener grossgedachten politischen Comljination wurden, als deren
Urheber man Kaunitz zu betrachten sich gewöhnt bat. Dass
dieser damals schon grosse Hinneigung zu ihnen empfand,
geht aus seinen eigenen Worten ganz deutlich hervor.* Aoch
in Wien verhielt man sich keineswegs ablehnend gegen sie,
sondern verbarg vielmehr den lebhaften Wunsch nicht, sie dei^
einst verwirklicht zu sehen.' Aber man begriff doch auch die
' Mari.i Theroiiia an K.iuiiitx. 25. Augu.it 1748.
* KHUiittz an Ulfeldt. Sl. August 1748. .Mni.s ce dont je snia tr&s-raorlifi«.
c'eat de ce qui m'arrive uvec Knudcrbach. II o'egt pas trop tard eneor»
k la väritä, ai le projet est vrai et li rtiellement la France a ponsi ainil
Je crois aussi avoir conduit In cliose de fai;oD h, la raniener dans le»
voyes et k ri^pnrer le tetnpx perdu. Mais il est certain cepeudont qu«
ton» les inomonts sout pri-L-ieu-x, ut qu'il est toujonrs difficile de ihctoid-
moder utio affaire g&t^e. En tont es«, si Kaudorliach compLn it«t tinr
d'affaire par des menteries, il se trompe fort, puisque ju truuTemU
annrteient moyeo de mettre la cbme an dair.*
' Maria Theresia an Kaunitz. 9. Sejitember 1748. .Solch ficlilietulirlie Ad-
weisung nun lint /.wey linubtgegeuHtJinde, noniblichoii tlieiU die eliubal-
digüte Vollzieliung derer Priuliinin.irien und ToUkoiumuue cndscliofft der
Friedenühandluog, und theilv die gelieiuie einvemtilndnuii mit Fraolirmcfa
über die dem Kauderbach benchehenc Öffnung. Ein objectnm ist mit dem
anderen nicht zu vermiscben nnd vorzllglich anff d."» orstere zn dringen,
als Tun welchem das xweyte eine folge zu .seyn hat, umb willen die an*-
snhnung vor der uHheren Vereinigung nach der Sachen nntnr vorher]
muNS. Doch d.i mnii sich jederzeit an die stelle dessen, mit welchem
handluug gepflogen wird, zu npzen hat, so ist dieser an sich unentltehr-
liclie Vorzug auff eine solche artb darzustelleu and xa erkennen au ^beu.
145
Berechtigung der Antwort .St. Severin's, mit welcher dieser
I jedes DrUngen nach einer näheren Erkliii-unp von sich wies.
Vor Allem müsse man, behauptete er, die Friedensverhandlun-
gen möglichst rasch zum Abschlüsse bringen. Sei nur dies ein-
mal geschehen, dann möge es den Regierungen selbst vorbe-
halten bleiben , sich einander noch mehr zu nälhern und sich
Über die Annahme eines neuen politischen Systems zu verstän-
digen. Man müsse sich in Wien vollkommen klar darüber
i werden, ob der Ersatz für das Verlorene auf Kosten Preussens
oder Sardiniens zu suchen sei; bei Beiden zugleich lasse sich
solches nun einmal nicht durchführen.'
I Welcher Art nun auch die Absichten der französischen
Regierung für die ferner« Zukunft sein mochten, in den zu
Aachen gepflogenen Verhandlungen trat hierüber gar nichts zu
Tage. Nach wie vor schienen sie fast ausscldiessiich die Her-
beiführung einer definitiven Vereinbarung mit England zum
Ziele zu haben; dass sich jetzt an ihnen ausser Sandwich
auch Robinson betheiligte, brachte vielleicht in der Form des
wechselseitigen Verkehres, aber kaum in dem Wesen der Sache
eine Veränderung hervor. FreiUch wurde St. Severin auch schon
von der Fonn nichts weniger als angenehm berührt. ,Täusche
ich mich nicht,' schrieb er am 28. August an Puysieux, ,80 kam
Robinson mit einer gewissen Voreingenommenheit für Oester-
reich hieher, und er wird unser Werk verderben, wenn er dies
vermag. £r besitzt ganz das rauhe Wesen, das man den Eng-
ländern gewöhnlich vorwirft, ist dem Trünke ergeben und ausser-
dem von Wien aus gewöhnt, in herrischem Tone zu sprechen.
Er erkennt noch den Unterschied nicht, der darin liegt, mit
dais Frankreich auf den nrgwnhn riicbt verfallen mnge, ob gedächten Wir
nach einmabi in der frieden-shandhiog erreichten Absicht das zweyte ob-
jectiiiD entweder ganz ansner acht zu lassen oder doch nnff die lange bank
zu «chiebeu. So aber unsere meynung absolute nicht ist und Frankreich nmb
»o leichter diessfall» ruhig «eyn kann, als Uns in dpui fall, da diese Cron es
auffrichtig meynet, an der zweyten Handlang bof^rderung xnm meisten
gelegen ist So sehr Du Dich also einerseits zu hüteu host, die Volliiehung
derer Prteliminarien und ToUständige endschafft der Friedenahandlung
von der näheren Vereinigung mit Frankreich abhangen /.u machen, so
bereitwillig hast Du Dich unter einstem zu bezeugen, dass nach mass,
ala Frankreich sich näher und positiver Offnen wird, man auch hier im
mindesten gewiss nicht zurückbleiben würde.'
Kannitz au Maria Theresia. 19. 8eptember 174)4.
ArchlT. UIXVIII. Bd. I HilKo. 10
146
einer Macht, die man selbst, oder mit einer solchen xa ver-
handeln, welche die Anderen bezahlt'
In Folge der Anwesenheit Hobinson's fand St. Severin auch
Lord Sandwich weniger entgegenkommend, als er dies bisher
gewesen war. Man wird jedoch nicht irren, wenn man die
grössere Zurückhaltung, welche die englischen Bevollmttcht^ten
jetzt beobachteten, nicht so sehr ihrem eigenen Impulse, als doi
Andeutungen zuschrieb, welche ihre Regierung ihnen gab. Denn
auch in England fanden die Stimmen mehr Beachtung als
früher, welche weniger Hingebung fiir Frankreich and mehr
Rücksicht auf Oesterreich als wttnschenswerth erklärten. Den-
noch geschah es ohne die unterstützende Einwirkung Englands,
ja ohne dessen Vorwissen und, wie es scheint, sogar gegen
seinen Willen, dass in den letzten Tagen des September* zwi-
schen Eaunitz und St. Severin eine Convention abgeschlossen
wurde, durch welche sich sowohl Oesterreich als Frankreich
anheischig machten, je 30.000 Mann aus den Niederlanden zu-
rückzuziehen.
Der Vortheil dieser Vereinbarung lag wohl fast aosschliess-
lich auf Oesterreichs Seite. Schon früher ist erwähnt worden,
welch' hohen Werth Maria Theresia darauf legte, zu leichterer
Durchfuhrung des neuen Militärsystems ihre Truppen so viel
als nur immer möglich wieder zu Hause zu haben. Ausserdem
gewährte die Verringerung der Anzahl der französischen Streit-
kräfte in den Niederlanden diesen durch den langen Krieg so
hart mitgenommenen Provinzen eine fUhlbare Erleichterung,
während Frankreich den Gewinn verlor, den es bisher daraas
gezogen hatte, einen so beträchtlichen Theil seiner Heeresmacht
auf Kosten des fremden Landes ernähren zu können.
Inzwischen dauerten die Friedensverhandlungen zwischen
Frankreich und den Seemächten unablässig fort. St. Severin
und der ihm erst vor Kurzem beigegebene zweite Bevollmäch-
tigte du Theil standen auf der einen, Sandwich und Robinson
auf der anderen Seite. Ausser ihnen nahm nur noch Graf Ben-
tinck für Holland an den Conferenzen Theil. Dieser, ein
massvoller, verständiger und doch zugleich auch ein gewandter
Mann, galt als den Interessen Englands blindlings ergeben.
Dennoch, und obgleich sich Holland ganz im Schlepptau der
' Am 26. September.
147
englischen Politik bewegte, trat Rentinck keineswegs seinen
englischen CoUegen überall unbedingt bei, sondern erwies
sich rocht eigentlich als ein kluger Vermittler zwischen ihnen
and den Franzosen. ,Ohne den Grafen Beutinck,' schrieb
St. Severin am 25. September an Puyaieux, , wären die Ver-
handlungen schon abgebrochen worden. Hinsichthch vieler
Punkte brachte er die Engländer dazu, von ihnen abzugehen,
aber freilich mussten dagegen auch wir uns zu so mancher
Nachgiebigkeit verstehen.' Und es schien gewissermassen ein
ilusseres Zeichen dieser Vermittlerrolle zu sein, dass gerade in
dem Hause des Grafen Bentinck, am 18. October 1748 die
Unterzeichnung des definitiven Friedens von ihm und seinen
hoUUndischen CoUegen, sowie von den BevollmKchtigten Eng-
lands und Frankreichs vorgenommen wurde.
Es lässt sich ebensowenig behaupten, Kaunitz sei an den
Friedensverhandlungen betheiligt, als er sei von ihnen ausge-
schlossen gewesen. Dass er bei den entscheidenden Bespre-
chungen zwischen den Bevollmäclitigten Frankreichs und der
Seemächte gewöhnlich nicht anwesend war, lässt sich durchaus
nicht bezweifeln. Dagegen ist es nicht minder gewiss, dass ihm
die einzelnen Artikel, sei es von englischer, sei es von fran-
zösischer Seite mitgetheilt wurden, dass er sein Gutachten ab-
gab und gegen manchen Punkt energische Einwendungen er-
hob, welche wenigstens hie und da auch Berücksichtigung fanden.
In so hohem Masse und so unangenehm Kaunitz seiner-
zeit durch die Unterzeichnung der Präliminarien überrascht
wurde, so wenig wai- ein Gleiches bei dem Friedensschlüsse
der Fall. ,Nach allem Anschein darf man das Ende der Ver-
handlungen,' schrieb er am 8. October an Ulfeldt, ,noch vor
dem des Jahres erwarten, und ich habe meine besonderen
Gründe, damit sehr zufrieden zu sein, denn meine Börse wäre
nicht länger im Stande, diese Ausgabe zu bestreiten, und meine
Gesundheit beginnt neuerdings die mmnterbrochene Geistes-
arbeit aufs Schwerste zu empfinden. Gott gebe nur, dass mir
das Glück zu Theil werde, mich dieser so sclnvierigen, ja ge-
filhrlichen Commission zur Zufriedenheit Ihrer Majestät zu ent-
ledigen; darum bitte ich ihn täglich in inständigster Weise.'*
' .Selon toutes le« apparencea l'on peut espirer la 6n de tont cecy avant
Celle de l'annde, et j'ai me* raiioiu particalMres pour en Stre tr6a-aiso,
10»
148
Und binnen kürzester Frist, fttgte er hinzu, möglicherweise
schon in drei oder vier Tagen könnte der Friede zum Ab-
schlüsse gelangen.*
Sieben Tage, nachdem Eaunitz dies niederschrieb, geschah
solches wirklich. ,Auf Eurer Majestät höchstfeierlichen Kamens^
tag,' so Hess sich Raunitz in seinem Berichte an die Kaiserin
vom 18. October vernehmen, ,8ind die nachtheiligen Prälimi-
narien unterzeichnet worden, und der Theresientag wurde durch
Hebung einiger der wichtigsten Anstände merkwürdig, weldie
bei den B^riedensverhandlungen obgewaltet hatten. Denn da ich
diesen grossen Tag sowohl mit reinstem Herzen als äusserlichen
Bezeigungen feierte und alle hier anwesenden Minister ihre
Glückwunschcomplimente bei mir ablegten, so wurden solche
in Verhandlungen verwandelt.' Und wirklich gelang es Kauniti,
gleichsam vor Thorschluss noch eine wichtige Abänderung des
sechsten Artikels zu erwirken, der sich auf die allseitige Zo-
rUckstellung der gemachten Eroberungen und daher auch auf
den Wiedereintritt der Kaiserin in den Besitz der österreichi-
schen Niederlande bezog.
,So ist endhch,' schrieb Kaunitz einen Tag nach dem Ab-
schlüsse an Ulfeldt, ,der definitive Friede, mit welchem man
uns so lange Zeit hindurch bedroht, unterzeichnet. Ich halte
ihn für ein Kartenhaus, und man wird trachten müssen, in der
Folge etwas Solideres daraus zu machen, denn im jetzigen
Augenblicke wünschte Frankreich zu lebhaft den Frieden, um
auf das hören zu wollen, was seines Erachtens den Abschluss
noch hätte hinausschieben können. Was mich betriflFt, so suchte
ich aus der Verlegenheit der Engländer und der Holländer den
grösstmögliclicn Nutzen zu ziehen, und ich würde die Sachen
nocli mehr auf die Spitze getrieben haben, wenn ich nicht be-
sorgt hätte, dass schliesslich die französischen Minister gemein-
schaftliche Sache gegen mich machen könnten, denn sie waren
ciir in.i bourse iie seroit pas on 6tat de soutenir plus longtems la d^-
jieiise, et ma santÄ recommonce aussi de se ressentir tr^-vivement des
travaux contiiiuels de Tesprit. Dien veuille seuleroent que j'aye '?
bonlieur de sortir ä la satisfaction de S. M. de cette dangerense et epi-
nouse oommission; je Ini adresse pour cela tous les jour» les vocu \tf
])lu8 ardeiits . . .'
• Kannitz an Ulfeldt, 11. October 1748. ,V. E. peut compter qne je ftuf
l'impossible pour obteiiir quelquo revtiiication au traite de paiz, qui sew
peut-etre 8ign(> dans trois ou quatre jours d'icy.'
149
so ungeduldig, ans Ende zu gelangen, dass sie mich fäst noch
mehr als die Engländer drängten. Ihrer überlegenen Eiusicht
stelle ich aniieim, zu heurtheilen, was ich besser zu machen im
Stande gewesen wäre.' '
Es gereichte Kaunitz zu lebhafter Genugtlmung, dass
seinem Verfahren von Wien aus die «nbodingteste Anerkennung
zu Theil wurde. ,()line Ausnahme heissen Wir,' so lautet das
kaiserliche Rescript, welches nach Ankunft der Nachricht von
dem Abschlüsse des Friedens an ihn erging, ,üein sehr vor-
sichtiges und kluges Betragen gnädigst gut und erkennen in
vollem Masse die vielen und grossen Schwierigkeiten, die Du
hei den fUrgewalteten ganz ausserordentlichen und seitsamen
Umständen zu überwinden gehabt hast, wie denn, da der Be-
richt über den wirklich erfolgten Beitritt noch nicht eingelaufen,
die Hauptursache der Absendung eines Couriers an Dich ist.
Dich ungesäumt von unserer Zufriedenheit zu Deiner vollkom-
menen Beruhigung zu verständigen.'*
Kaunitz, welcher fünf Tage nach dem Abschlüsse des
Friedens, am 23. Oetober den Beitritt Oesterreichs zu demselV>en
erklärt hatte, dankte der Kaiserin in gerührten Worten flir die
Gutheissung seines Verfahrens.* Und am folgenden Tage schrieb
er an Ulfeldt; ,Ich bin durch den Beifall Ihrer Majestät aufs
Höchste erfreut und Ihnen für den Ihrigen ungemein dankbar.
Nun wünsche ich, dass die Conferenzen über die Räumung der
wechselseitigen Gebiete zur Zufriedenheit Ihrer Majestät zum
Abschlüsse kämen. Sobald man sich über den Plan hiezu ge-
einigt haben wird, betrachte ich die Sache als beendigt, und
es kann dann kein wesentliches Hinderniss mehr obwalten.
Nach wie vor halte ich es in jeder Beziehung flir nützlich, dass
dieses Werk so bald als möglich vollendet werde, tmi dann mit
mehr Leichtigkeit an wiclitigeren Dingen arbeiten zu können.*
Ich thne zu diesem Zwecke Alles, was nur immer von mir
abhängen kann, aber ich vermag es den Franzosen nicht übel
zu nehmen, dass sie in den Niederlanden sich nach dem richten
wollen, was in Italien geschehen wird. Die hiesigen Botschatler
* Im franzOsUchen Urtexte abgedrackt bei Beer, 8. 89.
• Kais. Bescript vom 29. Oetober 1748.
• Bericht vom 9. November 1748.
* An Ulfeldt. 10. November 1748. , . . . afin <iuo Ton paisse travaillor ensuite
avec d'autaut plus de faciliti ä de plus grouds Arrangements.'
150
Frankreichs betrachten dies als eine Angelegenheit, welche nicht
mehr in den Geschäftskreis der Congressminister gehört, und
sie erklären ganz offen, dass, wenn Schwierigkeiten auftauchen
sollten, wir um ihretwillen nicht hier weniger unnütz sein wür-
den, weil es nicht von uns, sondern unmittelbar von unseren
Höfen abhängt, sie aus dem Wege zu räumen. Binnen Kurzem
wird man hierüber mit grösserer Bestimmtheit urtheilen können.
Die Auswechslung der Ratificationen und in Folge derselben
auch die Abreise der Minister werden demnächst vor äch
gehen.'
Wie gross in der That die Zufriedenheit des Kaiserhofes
mit Kaunitz während der ganzen Zeit seines Aufenthaltes in
Aachen war, geht aus verschiedenen Anzeichen ganz deutlich
hervor. Schon im Frühjahre 1748 schrieb ülfeldt, als er sein
Gutachten über die beabsichtigte Ernennung mehrerer Ritter
des goldenen Vliesses abgab, an die Kaiserin: ,Kaunitz kömmt
früh dazu, er hat sich aber durch seine Fähigkeit früh he^vo^
gethan, und ich wünschte nur, dass Eure Majestät mehr der-
gleichen Subjecte hätten und ein Vertrauen auf dieselben setzen
würdjn.' *
Wichtiger war es, dass man in Wien, noch ehe Kaunitz
seine Aufträge in Aachen zu Ende geführt hatte, schon an eine
neue Verwendung fUr ihn dachte. Die Versuchung lag nahe,
ihn wieder nach Brüssel zu senden, um ihn dort neuerdings an
der Seite des Generalstatthalters Prinzen Carl von Lothringen
die Regierung der im Kriege verlornen, durch den Frieden
aber wiedergewonnenen belgischen Provinzen führen zu lassen.
Aber Kaunitz hatte nach seiner ersten Resignation auf diesen
Posten mit solcher Entschiedenheit erklärt, ihn nie wieder über
nehmen zu wollen, dass man jetzt mit einem derartigen Wunsche
gar nicht mehr an ihn herantrat. Wohl aber machte man ihn
darauf aufmerksam, dass es demnächst nothwendig erscheinen
werde, sowohl in London als in Paris kaiserliche Botschafter
zu accreditiren. Man stellte ihm die Wahl zwischen diesen beiden
Posten frei, aber Ulfeldt rieth ihm, dem in Paris den Vorzug zu
geben, weil der dortige Aufenthalt für ihn gesünder und an
genehmer als der in London sein würde.*
' Ulfeldt au Maria Theresia. 29. März 1748.
* Ulfeldt an Kaunitz. 9. November 1748.
5f
Kaunitz nahm dieses Anerbieten so auf, tils ob es gemeint
wäre, er solle sich gleich von Aachen weg direct an den Ort
seiner neuen Bestimmung begeben. ,Wa8 mich angeht/ ant-
wortete er dem Grafen Ulfeldt, ,8o gestehe ich Eurer ExccUenz,
dass der Gedanke, mich in diesen LUndcrn zurückgehalten zu
sehen, nachdem alle meine GoUegen, welche die Erlaubniss er-
langt haben, sich zu den Füssen ihrer Souveräne zu begeben,
abgereist sein würden, und mich unverzüglich mit einer neuen
Commission zu beladen, wie es die zu Paris oder zu London
sein würde, um so schmerzlicher berührte, als sie mir von
Eurer Excellenz kommt und ich mir allzeit schmeichelte, dass
Sie ein wenig Güte für mich empfänden. Was England angeht,
so kann von diesem Lande für mich nicht die Rede sein,
weil meine Gesundheit mir nicht gestatten würde, in einem
solchen Klima zu leben; es könnte sich somit nur um Paris
handeln.'
,Sie selbst wissen am besten, was eine Botschaft sagen
will, und was man braucht, um die mit einer solchen verbun-
denen unvermeidlichen Ausgaben zu bestreiten, in so geordneten
Verhilltnissen man auch sonst leben mag. Wenn jemals der
Dienst Ihrer Majestät verlangte, diesen repräsentativen Charakter
nicht zu erniedrigen, so ist dies jetzt der Fall, Ich weiss so
gut wie irgend Einer, mich einzuschränken, sobald es sich nur
um meine Person handelt. Bei den Gelegenheiten aber, in denen
das Ansehen und der Dienst Ihrer Majestät ins Spiel kommen,
vermöchte ich niemals den Schmerz zu ertragen, dasjenige nicht
thun zu können, was die Umstände fordern.'
jAlle Welt kennt oder kann wenigstens den Stand meiner
Angelegenheiten kennen, und ich habe schon vor einiger Zeit
die Ehre gehabt. Eurer Exccllenz mitzuthcilen, dass ich die
Ausgaben, die ich hier gemacht habe, nicht zu bestreiten ver-
mocht hätte, wenn die hiesige Versammlung noch von längerer
Dauer gewesen wäre; was ich hiemit behaupte, kann ich jeden
Augenblick darthun. Seit ich hier bin, habe ich keinen Pfennig
von meinen Gütern in Mähren beziehen können, und wenn ich
auch die wenigen Bauten, die ich in Austerlitz vornehme, und
welche das Einzige sind, das ich mir nicht versage, einstellen
liesse, könnte ich von dorther nie mehr als zwei- bis dreitausend
Gulden jähriich erhalten. Da ich somit nichts als die Einkünfte
meiner Grafschaft Rietberg beziehe, welche in gar keiner Weise
hinreichend sind, war ich zur Eingehung von Schulden genöthigt.
Die Interessen derselben verringern wieder meine Bezüge, und
auch der Credit hat seine Grenzen, da Jedermann weiss, dass ich
nur FidcicommissgUter besitze, so dass, wenn ich mich auch
völlig zu Grunde richten wollte, ich es doch nicht könnte.
Ausserdem besitze ich, Gott sei Dank, eine zahlreiche Familie,
und meine häuslichen Interessen, die ich seit sieben Jahren,
während deren ich die Ehre habe, Ihrer Majestät in fremden
Ländern zu dienen, vollsülndig vernachlässigte, verlangen eine
bessere Einrichtung und meine Gegenwart, von meinem Oesund-
heitszustande gar nicht zu reden, auf den ich keinen Augen-
blick bauen kann. Auf Grundlage all' dieser wahren und that-
Hächlichen Umstände appellire ich an das eigene Urtheil Eurer
Excellenz, ob ich mich sogar bei gänzlicher Selbstaufopferung
mit der erwähnten Botschaft belasten könne, wenn nicht der
Hof die mit ihr verbundene Auslage trüge, denn was ich von
dem Meinigen hinzuthun kann, ist nur wenig. Ich würde nicht
verdienen, mit den Angelegenheiten Ihrer Majestät betraut sn
werden, wenn ich im Stande wäre, die meinigen ganz zu ver
gessen und mich leichtsinniger Weise auf Dinge einzulassen,
die ich nicht aufrecht zu halten vermöchte, und welche meinen
vollstJlndigen Ruin herbeiführen würden.*
,rhre Majestät ist zu gütig und zu gerecht, um von einem
iliror Vasallen ein solches Opfer zu verlangen. Ich bin davon
überzeugt, und deshalb nehme ich mir die Freiheit, Sie noch
einmal um die Erlaubniss zu bitten, wenn diese Versammlung
sich trennen wird, nach Wien zurückkehren zu dürfen, wohin
ich von heute in \'ierzehn Tagen an meine Leute und meine
Equipagen zurückzuschicken denke.'
,Eure Excellenz sind zu billig, um nicht selbst zu emphn-
den, was das Publicum denken müsste, wenn ich nach Beendi-
gung einer so wichtigen Commission nicht einmal die Gnaden-
bezeigung erhielte, mich vor meiner Monarchin und an ihrem
Hoflager einfinden zu dürfen. Dies würde einem anatftndigcn
Exil gleichen, und ausserdem verlangt es der Dienst selbst,
dass ich Ihrer Majestät und meinen Vorgesetzten mündlich von
meinen Verrichtungen und über viele Dinge Kcchonschafl ab-
lege, welche man schriftlich nicht auseinandersetzen kann.' •
' KaunitK ao Ulfeldt. Aachen, 27. November 1748.
153
Eine positiv lautende Antwort auf dieses Schreiben des
Grafen Kaunitz findet sich nicht vor, aber es ist nicht zu be-
zweifeln, dass wenigstens seinem Regehren willfahrt wurde, sich
vorläufig nach Wien begeben zu dürfen. Allerdings zog sich
seine Abreise von Aachen sehr in die Lilnge; insbesondere war
es die Lösung der vielfachen Fragen, welche sich auf die Rilu-
mung der Niederlande vou Seite der französischen Truppen be-
zogen, die ihn dort weit länger festhielt, als dies bei den meisten
anderen Friedeusbotschaftern der Fall war. Nur der zweite
französische Bevollmächtigte, Herr du Theil verweilte gleich-
■ falls noch in Aachen; mit ihm schloss Kaunitz am 26. Decem-
ber 1748 eine Uebereinkunft ab, welche die näheren Restim-
mungen über jene Rftumung enthielt. Da diese Vereinbarung
jedoch der Zustimmung der französischen Regierung nicht th eil-
haft wurde, musste Kaunitz, welcher am 7. Januar 1749 Aachen
verliess, sich von dort nach Antwei'pen begeben, um hier neuer-
dings mit du Theil zu verhandeln. Denn die französische Re-
gierung wollte die Räumung der Niederlande nicht eher voll-
ziehen, bis dasjenige ins Reine gebracht war, was sie zu Gunsten
ihrer italienischen Bundesgenossen verlangen zu dllrfen glaubte.
Auch hierüber einigte man sich schliesslich, und am 11. Ja-
nuar kam in Brtissel, am 21. des gleichen Monats in Nizza die
Uebereinkunft zu Stande, auf deren Grundlage endlieh die
Räumung der betreffenden Gebietsthcile wirklich geschah. Am
30. Januar verliess Kaunitz Antwerpen und begab sich von dort
in langsamen Tagereisen' direct nach Wien, um hier den Platz
in der geheimen Conferenz einzunehmen, welcher gerade in
jenen Tagen durch den Rücktritt und den bald darauf erfolgten
Tod des Grafen Philipp Kinsky erledigt worden war. Man
werde bei diesem Tausche, schrieb Ulfeldt, der ihm ungemein
wohlwollte, an Kaunitz nicht wenig gewinnen.'
V. Capitcl.
Die geheime Conferenz, dieser oberste Rath der Krone,
bestand in dem Augenblicke, in welchem Kaunitz in dieselbe
trat, ausser ihm noch aus fünf Personen. Der greise Obersthof-
* Am 14. Februar war er in NOrnberg.
* Ulfeldt au Kannitz. 19. Jauaar 1749. Ariioth, Geschichte Maria Theresias
IV, S. 534,
154
meister der Kaiserin, Feldmiirschall Graf Königsegg führte den
Vorsitz; der Ilofkanzler Graf Ulfeldt, der bekanntlich an der
Spitze der auswilrtigen Geschäfte stand, der oberste Kanzler
von Böhmen, Graf Fnedrich Harracb, der Reichsvicekanzler
Graf Rudolf (llolloredo und der Oberstkilmmerer Graf Josef
Khevenliüller waren die übrigen Mitglieder der Conferenz.
Unter ihnen war ohne Zweifel Harrach der am meisten Be-
gabte. Er mochte fühlen, dass ihm jetzt an Kaunitz ein über
Icgener Rival erstand, und es mag sein, dass auch aus dieser
Empfindung eine gewisse Gegnerschaft zwischen den Beiden
hervorging, wenn auch deren Hauptursache in der gänzlichen
Verschiedetilieit ihrer Ansicliten über die wichtigsten Fragen
gesuclit werden muss, welche in den obersten Sphären
Staatslebcns zur Austragung kamen.
Sowohl in den Angelegenheiten der inneren Pohtik, w^eicl
sich gerade damals in Oesterreich in dem Stadium gröaster
Gährung und durchgreifender Umgestaltung befanden, als in
denen, welche sich auf die Haltung der Monarchie nach
Aussen hin bezogen, zeigte sich dies. Harrach war ein stand-
hafter, überzeugungstreuer Verfechter des Althergebrachten,
Kaunitz dagegen durch und durch ein Mann der Reform. Auf
dem Gebiete der inneren Fragen hielt er allerdings als ein
Neuling mit seinen Meinungsäusserungen noch vorsichtig zu-
rück; um so entschiedener und schärfer sprach er sich dagegen
über Alles aus, was das politische System anging, welche»
Oesterreich von nun an in seinen Beziehungen zu den fremden
Miichten befolgen sollte. Und die Ausführlichkeit, mit der seines
Votums, das er als der Jüngste im Kreise auch zuletzt abzu-
geben hatte, in den Protokollen gedacht wird, kann wohl als
ein Beweis des Wcrthes angeführt werden, den man ihm
beimass.
Kaunitz konnte nur sehr kurze Zeit in Wien zurUck sein,
als schon, und zwar am ö. März 1749 bei Königsegg eine
Sitzung der geheimen Conferenz abgehalten wurde, in welcher
zum ersten Male jene Wahrnehmung gemacht werden konnte.
Es handelte sich um eine Mitthciiung der sächsischen Regierung
über wirkliche oder vermeintliche Bemühungen des Königs von
Prcussen, Frankreich nicht in bessere Beziehungen zu Oester-
reich treten zu lassen. Er arbeite darauf hin, eine Vereiubaning
mit Frankreich herbeizuführen, welcher freilich Anfangs nur
155
ein defensiver Charakter innewohnen solle. Aber man könne
leicht vorhersehen, dass dann von diesem zur Offensive nur
mehr ein Schritt sei.
Man kann nicht sagen, dass über diese Angelegenheit
eine wesentliche Meinungsverschiedenheit zwischen den einzel-
nen Mitgliedern der Conferenz obgewaltet hätte. Alle stimmten
dem Vorschlage Ulfeldt's bei, dass, nachdem die diplomatisclicn
Beziehungen zu Frankreich noch nicht wiederhergestellt seien,
man den gleichen Weg einschlagen solle, auf welchem die Mit-
thcitung, die den Gegenstand der Benithung bilde, nach Wien
gelangte. Eine Denkschrift sei zu entwerfen und die sächsi-
sche Regierung anzugehen, sie dem französischen Cabinet be-
kanntzugeben. Man müsse sich benilihen, durch ihren Inhalt
Frankreich jenen Verdacht zu benehmen, der dort schon von
vorneherein gehegt und von preussischer Seite immer mehr ge-
nährt werde.
Auch Harrach erhob gegen diesen Antrag Ulfeldt's keinen
Einspruch. Gleichwohl konnte er sich der tadelnden Bemerkung
nicht entschlagen, von einem politischen System, das man von
nun an in den ausländischen Geschäften beobachten wolle, sei
ihm gar nichts bekannt geworden. Das letzte wichtigere Acten-
stück, das man ihm mitgethcilt habe, sei die Instruction für den
neuernannten üsterreicbischen Gesandten in Dresden, Grafen
Stemberg gewesen. Er habe aber darin nichts als eine weitläufige
Anführung des schon früher Geschehenen, eine Wiederholung
der von Seite Englands begangenen Felder und als Richtschnur
ftir die Zukunft nichts Anderes gefunden, als dass man still-
sitzen und die Sachen im deutschen Reiche gehen lassen solle,
wie sie eben gingen. Er wisse nicht, ob man damit weit
kommen werde.
Eingehender als Harrach vertiefte sich Kaunitz in den
Gegenstand der Frage, und wir werden wohl seine Ausein-
andersetzung hier ausfuhrlicher erwähnen müssen, da sie die
erste ist, mit der er im Schoosse der geheimen Conferenz her-
vortrat. Man befinde sich noch im Dunkel und in der Unge-
wißsheit, liess er sich veriiehiucn, was man von der einen und
der anderen europäischen Macht tlieils zu hoffen und tbcvls zu
befürchten habe; darum müsse man Alle rücksichtsvoü be-
handeln und es sorgfältig vermeiden, bei irgend einer von ihnen
begründeten iVnstoss zu erregen. Insbesondere möge mau die
156
Aufmerksamkeit darauf richten, den französischen Hof nicht
nur von feindseligen Handlungen abzuhalten, sondern ihm auch
allen widrigen Verdacht zu benehmen oder wenigstens zu ver-
hüten, dass er sich in einen aolchen immer mehr vertiefe. Denn
gleichwie er glaube, dass, wenn es gelänge, Frankreich alle
Unruhe und Besorgniss wegen wcitausschender Anschläge zu
benehmen, die man in Wien hege, es keine feindselige Stellung
gegen Oesterreich einnehmen werde, so zweifle er doch aucb
nicht, dass es ohne eine solche Bemühung entfichlossen sei, all«
Mitte! aufzubieten, um die ihm vermeintlich drohende, obschou
ganz unbegründete Gefahr abzuwenden. Das Wichtigste be-
stünde darin, dnss die Denkschrift so abgefasst werde, dass sie
nirgends Anstoss erregen könne. Um so leichter sei dies zu
erreichen, als man sich ja blos an die Wahrheit zu halten und
darnach zu trachten brauche, von dem, was ihr entspreche,
Frankreich zu überzeugen. Er rathe übrigens auch, das Ver-
langen des Wiener Hofes, die wiederhergestellten Freundschafts-
beziehungen zu Frankreich sorgfältigst zu unterhalten, in der
Denkschrift ganz besonders zu betonen. Um so unhedenkhchcr
sei dies, als es ja auch England an Bezeigung dor gleichen
Gesinnung gegen Frankreich nicht fehlen lasse. Von dem In-
halte dor zu entwerfenden Denkschrift wäre auch Russland «u
unterrichten. Ja er gebe zu bedenken, ob nicht sogar der
österreichische Gesandte in Berhn, Graf Chotek, anzuweisen
wilre, bei einer sich von selbst ergebenden Gelegenheit dem
dortigen Hofe den Irrthura zu benehmen, in welchem er sich
befinde. Denn wenn man in Berlin die Grundlosigkeit des ge-
schöpften Verdachtes gegen Oesterreich erkenne, werde man
bievon auch in Frankreich leichter zu überzeugen sein.
Es ist eine längst bekaimte Thatsache, wie hoch Barten-
stein, der unermüdliche Protokollführer der Conferens and die
Seele der damaligen Leitung der auswärtigen Angelegenheiten,
jedes tadelnde Wort aufnahm und durch ein solches in die
grösste Aufregung versetzt wurde. Auch diesmal gerieth er
durch das, was Harrach über den Mangel eines politischen Sy-
stems und darüber gesagt hatte, dass man im deutschen Reiche
den Dingen unthätig freien Lauf lassen wolle, in tiefe Elrbittc-
rung. Au der Hand einer umfangreichen Ausarbeitung, die er
gleich nach dem Abschlüsse des Aachener Friedens entworien
und welche damals nicht nur die Zustimmung der Conferena-
167
minister, sondern auch die des Grafen Kaunitz, der sich zu
jener Zeit noch nicht in dieser Stellung befand, und schliesslich
sogar die Genehmigung des Kaisers und der Kaiserin erhalten
hatte, wies er die Grundsätze nach, von denen man im aus-
wärtigen Amte ausgehe. Sie bestünden darin, dass man sich
trotz den leider so sehr berechtigten Beschwerden gegen Eng-
land von den beiden Seemilchten nicht trennen und ihnen auch
keinen Anlass zu irgend einer begründeten Klage geben wolle.
■ Nach wie vor werde man sich an den Mittelweg halten, sich
weder durch die Seemächte zu einem Unternehmen gegen
Frankreich, noch von diesem zu einem Schritte wider die
Seemächte verleiten zu lassen. Man müsse sich vielmehr
ruhig verhalten, die eigenen inneren Kräfte sammeln und stär-
ken, die vorhandenen Gebrechen aber verbessern. Mit Kuss-
land müsse man aufs Engste verknüpft bleiben und durch
dessen Vermittlung die beiden Seemächte zu einem billigeren
und erfreulicheren Benehmen gegen Oesterrcich vermögen. Der
feindseligen Gesinnung [Sachsens gegen Preussen aber habe man
sich bei Frankreich nützlich zu bedienen, um hiedurch diese
Krone mehr und mehr von ihrer Verbindung mit Preusseu ab-
zubringen.
Auch den Vorwurf, man wolle im deutschen Reiche die
Hände iinthätig in den Schooss legen, wies Bartenstein als un-
gerechtfertigt zurück. Nachdem aber durch die unglücklichen
Kriege, welche man geführt habe, durch die Uebermacht Preussens,
durch die Unordnungen, welche unter Karl VII. eingerissen
seien, imd durch manche andere Ursachen der gegenwärtige arge
Verfall des Reiches herbeigeflihrt worden sei, erübrige nichts,
■ als sich künftighin durch Niemand, wer es auch sein wolle,
zur Uebernahme irgend einer Verpflichtung gegen Aussen hin
verleiten zu lassen. Man müsse sich darauf beschränken, die
■ Antipathie Sachsens und Hannovers gegen Preussen je nach
Massgabe der Umstünde zu benutzen, die kleineren, eine Unter-
drückung befürchtenden Ueichsstilnde an sich zu ziehen und
sich übrigens von einer unparteiischen, auf die Reichsgrund-
gesetze sich stützenden Justizverwaltung durch nichts abwendig
machen zu lassen.
Auf die ferneren Auseinandersetzungen, durch welche
sich Bartenstein bemühte, die Vorwürfe Harrach's zu widerlegen
und das von dem auswärtigen Amte bisher beobachtete Ver-
158
fahren als ein conscquentes und systemmJissiges darzustellen,
kann hier nicht weiter eingegangen werden. Nur das wird ge-
sagt werden dürfen, dass am Schlüsse des Referates, mit wel-
chem die Conferenz die an Sachsen und durch dessen Vermitt-
lung an Frankreich mitzutheilende Denkschrift der Kaiserin
zur Genehmigung vorlegte, auf Grundlage der Behauptung
Han-ach's, es existire keine feste Richtschnur ftir das in den
auswilrtigen Angelegenheiten zu befolgende System, um baldigo
Vorzeichnung einer solchen dringendst gebeten wurde.'
,Plftcet,' so lautet die eigenhändig niedergeschriebene Ant
wort der Kaiserin, ,placet, so vill das memoire anbetrifft und
die arth der puncten zu delibrirung, die allzeit in das ktinff-
tige auch bey allen conferentzen also zu halten seyn wird, und
selbe circuliren lassen und nachgehends von denen votis pro-
tocol abfassen und mir abzugeben, weillen aber aus disen sehe,
das noch einige glaubeten, das noch kein Systeme ergriffen
worden, und doch höchst nüthig, das aus einen principio und
maasicgul zu werck gegangen werde, so solle ein jeder con-
ferentz ministre seine meinung zu papier setzen und in 14 tagen
mir zuschicken, was nach nunmehr geschlossenen finden, an-
scheinenden Unruhen in norden gegen engeland, franckreieh und
dem reich vor ein Systeme zu ergreiffen wäre.*
Wir wissen nicht, ob es aus eigenem Antriebe oder auf
ausdrücklichen Wunsch seiner Gemahlin geschah, dass sich der
Kaiser seines hohen Ranges einen Augenblick entiiusserte, indem
er sich gewissermassen in die Reihe der Conferenzministor stellte
und geradeso wie sie über das neu anzunehmende und von nun
an pünktlich zu befolgende politische System sein Gutachten
abgab. Auch jetzt wieder blieb er den Anschauungen treu, in
denen er sich immer bekannt hatte; die Hinneigung zu den
Seemächten, insbesondere zu England, und die Antipathie gegen
Frankreich waren die Empfindungen, in denen sie wurzelten.
Darum war er vor Allem daftir, dass an dem Bündnisse mit den
Seemächten, sowie an demjenigen mit Russland festzuhalten sei;
durch eine solche vierfache Defensivallianz werde man noch am
ehesten den König von Preus.sen im Zaume halten können, von
welchem allein und nicht auch von den zwei anderen Gegnern
Oesterreichs, der Pforte oder Frankreich, unmittelbare Gefahr
' Referat vom 7. Milni 1749.
159
I
I
drohe. Aber auch mit Preussen möge man gute Nachbarst-haft
halten und gegen den König nicht so öffentlich den freilich
nicht unberechtigten Heiss zeigen, den man wider ihn hege.
Auch Frankreich möge man schonen, aber ihm doch
auch niemals vertrauen und am allerwenigsten dem trügerischen
Gedanken Raum geben, man könnte durch Frankreichs Bei-
stand je wieder iu den Besitz Schlesiens gelangen. Nie werde
Frankreich ernstlich hiezu mitwirken und sich überhaupt nie-
mals von Preussen loslösen, indem Eines des Anderen nur all-
zusehr bedürfe. Immer werde Frankreich nach nichts Anderem
tracliten, als Oesterreich mit seinen bisherigen Verbündeten zu
entzweien und es dann in seiner Isolirung noch ärger zu schä-
digen, als es dies bereits gethan habe.
Auch Königsegg hob vor Allem hervor, dass die See-
mächte als die Ultesten Alliirten Oesteireichs anzusehen seien.
Nimmermehr dürfe man sich von ihnen vollstiindig trennen,
wenn sie sich nicht durch eine ganz unbegreifliche Verirrung
auf ganz falsche Bahnen leiten Hessen. Darum möge man
zwar die freundschaftlichen Beziehungen zu ihnen pflegen,
aber darin doch wieder nicht so weit gehen, um bei Frank-
reich oder irgend einer anderen Macht Verdacht zu erregen.
Dennoch wäre es erfreulich, wenn es gelänge, den König von
England zur Theilnahrae an dem Bündnisse zwischen Oester-
reich und Russland zu vermögen, welches auch künftighin die
Grundlage des von Wien aus zu beobachtenden politischen
Systems zu bilden habe.
Gleich dem Kaiser bezeichnete auch Königsegg die Pforte,
Frankreich nnd Preiissen als Oesterreichs Feinde. Aber die
Pforte habe in der jüngstvergangenen Zeit ,zu ewiger Schande
der Christen' so überzeugende Proben von Treue und Glauben
abgelegt, dass man wohl hoffen dürfe, sie werde den mit ihr
abgeschlossenen ewigen Frieden nicht brechen. Freilich könne
man sich auf eine so barbarische Nation nicht völlig verlassen.
Ein kriegerischer Nachfolger des gegenwärtigen Sultans, ein
brutaler Qrossvezir, ja sogar der Ungestüm der Janitscharen
könnten die Pforte auch wider Willen zu einem Kriege gegen
Oesterreich zwingen. Das Hauptaugenmerk müsse also darauf
gerichtet sein, der Türkei durch friedliche Nachbarschaft jeden
Vorwand zu einem Bruche zu benehmen.
160
Auch gegen Frankreich empfiehlt Königsegg eine zuvor-
kommende Haltung. Da aber sein Hochmuth und seine Herrsch-
sucht, sowie seine Rivalität gegen das Haus Oeaterreich niemals
erlöschen werden, so dürfe man in dem Vertrauen auf Frank-
reich nicht zu weit gehen, sondern müsse sich darauf be-
schränken, es zu überzeugen, dass man nicht die geringste
Feindseligkeit gegen dasselbe hege.
Die grossen Rüstungen des Königs von Preussen könne
man ebensowohl etwaigen Befürchtungen als neuen Erobemngs
plilnen zuschreiben. Was aber auch darunter verborgen sein
möge, so solle man, ohne irgendwelche Besorgniss zu verrathen,
doch vor ihm auf guter Hut sein, ihn schonen und ihm ^eich-
zeitig zeigen, dass man an die Wiedergewinnung Schlesiens
nicht denke.
Auch Ulfeldt war der Meinung, dass man anter den ob-
waltenden Umständen und so bald nach Abschluss des Friedens
von keiner der europäischen Mächte eine augenblickliche Ge-
fahr zu besorgen habe. Sein Gutachten ghch überhaupt dem-
jenigen Künigsegg's in wesentlichen Punkten, aber freilich unter
schied es sich auch wieder von demselben, und zwar insbesondere
dadurch, dass es geringere Hinneigung zu den Seemächten und
weniger Misstrauen gegen Frankreich verrieth. Er meine damit
jedoch nicht, erklärte Ulfeldt ausdrücklich, dass man sich mit
Frankreich in etwas Verfttngliches einlassen oder mit irgend
welchem Anerbieten an diese Krone herantreten solle. Man möge
nur während der Dauer des Friedens eine solche Haltung ein-
nehmen, dass man sich nicht bei der Ohnmacht Hollands im
Falle eines erneuerten Friedensbruches von Seite Frankreichs
und wenn England seinen bisherigen üblen Willen nicht ändere,
vollkommen hilflos und dadurch gezwungen sehe, die bisher
befolgte Bahn auch noch ferner zu verfolgen. Sie habe z«
nichts Anderem geführt, als dass die Seemächte nach Beendi-
gung eines Krieges die Ruhe Europas allzeit auf Oesterreichs
Kosten erkauft hätten.
Nachdem er sich in einer ziemlich langathmigen Auf-
zählung all' der Vorwürfe ergangen hatte, die er gegen die
politische Haltung Englands vom österreichischen Standpunkte
aus erheben zu sollen glaubte, kehrte Ulfeldt neuerdings lu
Frankreich zurück und meinte, man müsse abwarten, welche
Haltung es künftighin gegen üestcrrcich einnehmen werde. Sie
Ifil
I
I
zu einer möglichst befriedigenden zu gestalten, dürfte die bevor-
stehende Absendung des Urafen Kaunitz nach Paris nicht
wenig beitragen. Frankreich werde ebenso leicht einsehen,
woran Oesterreich am meisten liege, wie man hier sich über
die Absicht nicht tausche, welche Frankreich bei einem neuen
Kriege verfolgen würde. Dass sie diesmal fehlschlag, habe
Frankreich dem zuzusclireiben, dass ihm der König von Preussen
durch einen einseitigen Friedensschluss zuvorkam. Nie werde
es ihm dies vergessen und es sich zur Warnung dienen lassen,
ein zweites Mal eher sich selbst als Preussen den Nutzen zuzu-
eignen. Solches könnte in einigen Jahren wohl geschehen und
Oesterreich die einzige Gelegenheit darbieten zum Ersätze des
erlittenen Verlustes.
In entschiedenem Gegensatze zu diesen Aeusserungen Ul-
feldt's befanden sich diejenigen Harrach's. Dass kein euro-
päischer Staat, so begann er sein Gutachten, er möge noch so
mächtig sein, ohne Verbündete zu bestehen vermöge, werde
durch das Beispiel Frankreichs am besten bewiesen; Oester-
reich müsse sich gleichfalls darnach richten. Drei ,Capitalfetndo'
besitze es an der Pforte, an Frankreich und an Preussen. Schon
gegen Einen allein reiche seine Heeresmacbt nicht zu, viel weniger
gegen mehrere aus ihnen; es bleibe ihm daher nichts übrig, als
Alles anzuwenden, um seine alten Allianzen aufrechtzuerhalten
und das Vertrauen der Verbündeten wieder herzustellen, wel-
ches durch deren Fehltritte und die so empfindlichen Vorwürfe,
die man ihnen deshalb unablässig gemacht habe, nicht wenig
erschüttert worden sei. Das gute Verhältniss zu Russland, so
erfreulich es auch genannt werden müsse, stehe nur auf vier,
ja vicllciclit nur auf zwei Augen, denn wenn heute der Kanzler
Bestuschew die seinigen schliesse, was bei seinem ausschwei-
fenden Lebenswandel leicht eintreten könne, wisse man nicht,
auf welche Gedanken vielleicht ein neuer Minister die Czarin
Elisabeth bringen werde. Holland befinde sich in sichtlichem
Verfall, und selbst wenn es sich daraus noch zu retten ver-
möchte, bleibe zu besorgen, dass die Zwistigkciten wegen
Umgestaltung des Barriereti-actates nicht zu völliger Erkaltimg,
und zwar nicht blos gegen Holland, sondern auch gegen Eng-
land flihren würden.
K Kaum erwähnt Harrach dieses Reich, so kommt er auch
I schon wieder auf die Vorwürfe zurück, durch die man es
■ Anbiv. LlXXrni. Bd. I. HilFIc. 1 1
I
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I
162
ohne Noth aufs Aeusserste erbittert habe. Diese Vorwürfe
seien entweder gegründet gewesen oder nicht. In dem einen
Falle wäre es England nicht zu verdenken, dass es sich tief
verletzt fühle, sich nach so vielen Opfern an Gut und an Blut
in solcher Weise behandelt zu sehen. In dem anderen Falle
aber dürfte England, so gerecht diese Vorwürfe auch sein
möchten, doch nicht zur Erkenntniss seines Unrechtes zu brin-
gen sein. Aber selbst wenn dies wider Vermuthen geschehen
sollte, so würde England dann doch nur die eigenen Fehler
gegen Diejenigen zu compensiren geneigt sein, welche man von
österreichischer Seite gleichfalls begangen zu haben nicht leugnen
könne. Und nie würde sich Oesterreich allein und ohne Englands
Beistand, so viel er auch zu wünschen übrig lassen mochte, zu
retten im Stande gewesen sein.
Da nun England der einzige Staat sei, welcher Oester
reich nicht nur mit Geld zu unterstützen, sondern auch durch
seine Macht Frankreich im Zaume zu halten vermöge, so müsse
man aufs Aeusserste bemüht sein, sich mit ihm in das beste
und engste Einvernehmen zu setzen und die beabsichtigte be-
waffnete Defensivallianz so bald als nur immer möglich m
Stande zu bringen. Die Art aber, zu ihr zu gelangen, bestehe
nicht in unablässigen Vorwürfen, welche, je gegründeter sie
seien, desto mehr aufreizen, insbesondere wenn man sich ihrer
gegen eine so hochmüthige Nation wie die englische bediene,
welche Oesterrcichs lang nicht so sehr bedürfe, als dies umge-
kehrt der Fall sei.
Er habe zwar, so schloss Harrach sein Gutachten, aus
den in der letzten Zeit von der Staatskanzlei ausgegangenen
Instructionen an die Repräsentanten Oesterrcichs im Auslande
Dinge ersehen, welche ihn fast hätten abhalten sollen, mit so
grosser Aufrichtigkeit seine Meinung zu sagen. Aber die Pflicht
der Treue, die ihn an die Kaiserin und ihr Haus fessle, sei so
stark in ihm und so rein, dass, wenn auch sein Kopf darauf
stünde, dies ihn nicht abhalten könnte, insbesondere nachdem
die Kaiserin ihm befohlen habe, ihr seine Gedanken zu eröffnen,
dies mit vollster Aufrichtigkeit und ohne alle Scheu zu thun.
Er sage nicht, dass, wenn sich eine günstige Gelegenheit da^
bieten soUte, sich Frankreichs gegen Preussen oder Prenssens
gegen Frankreich mit Nutzen zu bedienen, sie vorsätzlich
vernachlässigt werden sollte. Vor Allem aber sei ein ,8olides
1C3
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I
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I
I
Fundament' zu legen, ohne welches jedes politische wie jedes
andere Gebitude zusammenstürzen müsse. Unter diesem soliden
Fundamente verstehe er eine Allianz, bei der man ruhig zu
schlafen im Stsmde sei.
Das Gutachten des Reichsvicekanzlers CoUoredo bietet
insofern einige Aehnlichkeit mit dem Harrach's dar, als auch
er von den drei Hauplfeinden Oestcrreichs, von Frankreich,
Prousscn imd der Türkei spricht und es an die Spitze seiner
Ausfuhrungen stellt, dass auf eine wirkliehe Aussöhnung mit
dorn Hause Bourbon, sowie auf eine dauernde und verlUss-
hchc Freundschaft mit ihm in gar keiner Weise zu baiwn
sei. Aber er unterscheidet sich doch wieder von Harrach durch
die Behauptung, Oesterreich habe keinen Alliirten, dem es
völlig vertrauen könne, und er bemüht sich, dies, insofern es
England angeht, durch die Hindeutung auf dessen Verfahren
während des letzten Krieges und schon vor demselben zu be-
weisen. Man sehe sich daher genöthigt, den Mittelweg einzu-
schlagen und weder den früheren Feinden, mit denen man erst
Frieden geschlossen habe, Anlass zu neuen Misshelligkeiten zu
geben, noch sich von den bisherigen Verbündeten zu trennen,
ja man solle trachten, die Zahl der Alliirten womöglich noch
zu vermehren. Insbesondere möge man über das Vergangene
den Schleier der Vergessenheit ziehen, und wenn sich auch
die Seemächte wjlhrend des Krieges nicht so bundesmiUssig
l>enahmen, als sie es schuldig gewesen wilren und wie es ihr
eigenes Interesse verlangte, so hätten sie doch niemals gleich
Frankreich das völlige Verderben des Hauses Oesten-eich ge-
sucht und dazu die Hände geboten. Die Fortdauer und die
noch engere Verknüpfung der AUianz mit den Seemächten und
mit Russland wird daher auch von Colloredo als das Wün-
schenswertheste erklärt.
Auch der Oberstkftmmerer Graf Khevenhüllcr stimmte
für ein möglichst gutes Einvernehmen sowohl mit den früheren
Gegnern als mit den bisherigen Alliirten. Alle von Wien aus-
gehenden Kundgebungen sollten mit der grössten Vorsicht ab-
gefasst werden, so dass man überall daraus ersehen könne,
man empfinde wegen des Geschehenen durchaus keinen Groll
mehr und sei nur von dem Wunsche, den Frieden zu erhalten,
sowie von der Absicht beseelt, sich mit dem gegenwärtigen
Besitzstande zu begnügen.
164
So wie 68 Ton Seite seiner CiAegeu gcsohali,
aaeh Eheveiihttller der Haltung, die man von mm an gtgm
Frankreich beobachten soUe, sein HaaptaogeiunNk n. Ibi
mOge eifrig darnach trachten, so meinte or, dem Hofc ia
Versailles den Verdacht an benehmen, als ob man in "Wm
nooh in der froheren feindlichen Geeinnnng gregen ihn
Mit Aofinerksamkeiten aller Art sich ihm mehr and
nähern, solle man nicht geizen, aber freilich sieh aneh
band noch nicht tiefer mit ihm einlassen und niefat anf eis
neues politisches System eingehen, dessen Ghnndlage in omt
engeren Verbindung mit Frankreich bestOnde. Denn man
sich TcmUnfliger Weise unmöglich mit dem Qeduiken
cheln, fVankreioh schon in naher Zukonft von
trennen. Gleichwohl möge man hieran nicht völlig vi
und daher jeden Anlass benfitzen, der fianaOaiaehen
das Ueberhandnehmen der Macht Preussens recht deodidi fV
Augen zu führen und sie einsehen au machen, daas sie te
einst von dort mehr als von Oesterreich m besorgen him
dflifte.
Die Allianz mit Russland sei zwar tibe Oesteireieh iqp-
mein nützlich, ja onentbehriich, aber sie verliere dadoreh«
Werth, dass man sich von diesem Staate keine Geldhilfe Ytr-
sprechen dürfe, und dass die gewaltsamen Umwälzungen, dena
er ausgesetzt sei, leicht einmal in ganz unvorhergesehener
Weise auch das BUndniss mit Oesterreich zertrümmern kOmites.
Darum solle man sich, um dann nicht allein zu stehen, a>f
möghchst freundschafUichen Fnss mit den Seemächten steOeo
und in den Bemühungen nicht erkalten, England in die AlHan
zwischen Oesterreich nnd Russland zu ziehen.
Bei Weitem das wichtigste aller abgegebenen Gutachtei
ist jedoch ohne Zweifel das, welches von dem jüngsten IGt-
glicde der Conferenz, dem Grafen E^annitz herrahrt. Sehm
durch seine Ausführlichkeit unterscheidet es sich von den ttlsi-
gen, indem es fast das Doppelte des Raumes aller andern
Gutachten ausAlllt. Aber nicht sein Umfang, sondern sein Inlnk
ist es. der ihm seinen eigentlichen Werth verleiht.
Am 11. März 1749 hatte Kaunitz den Auftrag der Kaisois
erhalten und ihm schon am 34. entsprochen. Binnen dreiielB
Tagen brachte er eine Arbeit von 252 Seiten zu Stande, u
der er somit während dieses verhältnissmKssig kuraen ZMbaaa»
1
165
I
rastlos thätig gewesen sein inuss. Bescheiden bezeichnet er
selbst die ihr zu Grunde liegende Kenntniss, welche er sieh von
den auswärtigen Geschäften, sei es als Gesandter, sei es als
Theilnehmer an den Aachener Friedensverhandlungen erworben
habe, als blosses Stückwerk. Nor im Schoosse der geheimen
Conferenz könne man den ganzen Zusammenhang der Staats-
geschilfte, welche daselbst wie in einem Mittelpunkte zusaiumeu-
fliessen, durch mehrjiihrige Erfahrung können lernen.
Wie es auch von anderen Mitgliedern der Conferenz ge-
schah, theilt Kaunitz die europilischen Milchte in solche, welche
als natUrhche Freunde, und in andere, die als nattlrliche Feinde
des Erzhauses OesteiTeieh anzusehen seien. Eine dritte und
letzte Kategorie erblickt er in denen, die sich je nach den ob-
waltenden Umstünden auf die eine oder die andere Seite
schlagen dürfton. Zu der ersten Gruppe rechnet er vor allen
übrigen Staaten England, und es sei hiebei, so meint er, ganz
besonders zu beachten, dass die allgemeine Politik der Milchte
nichts von Verwandtschaft oder persönlicher Freundschaft zu
wissen pflege, sondern in ihrem eigenen Interesse die Ilanpt-
richtschnur für ihr Verfahren erblicke. Dieses bilde das stärkste
Band für eine Allianz. Höfe, zwi.scben deren Absichten Wider-
streit bestehe, würden selten durch ein wahres und dauerndes
Einverständniss verknüpft sein. Wohl aber sei ein solches zwi-
schen Staaten zu borten, deren Wohlfahrt auf den gleichen
Grundsiltzen und Hilfsmitteln beruhe.
Zwischen Ocsterreicli und England bestehe nun, vielleicht
mit einziger Ausnahme dessen, was sich auf den niederländi-
schen Handel und den Barrieretractat beziehe, durchaus kein
Gegensatz, während ihr beiderseitiges Interesse in der Nothwen-
digkeit übereinkomme, der Uebermacht des Hauses Bourbon
und dessen gefalu*lichen Unternehmungon Schranken zu ziehen.
Englands eigene Wohlfahrt fordere daher, sich aufs Aeusserste
zu bemühen, dass Oesterreich nicht nur von seinen Feinden
nicht unterdrückt oder geschwächt, sondern dass es vielmehr
in seiner Macht und seinem Ansehen erhalten und seine Kraft,
dem gemeinsamen Feinde gehörig zu widerstehen, noch ver-
stärkt werde.
Trotzdem werde seit einiger Zeit durch die leidige Er-
fahrung bewiesen, dass England bei sehr vielen Anlässen nicht
nach diesen Grundsätzen, sondern in einer Weise gehande^
166
habe, als ob seine eigene WijliH'ahrt mit derjenigen Oestcrreichs
in gar keinem Ziisaininenhnnge stünde. Die Hauptursache hie^
von liege darin, dass auch England nicht frei sei von dem ge-
wöhnlichen Fehler, das Staatsinteresse Privatvortheiien und
persönlichen Stimmungen unterzuordnen. So komme es, dass
in oft wiederholten Fällen die übertriebene Sparsaiukeit, ja man
dürfe schon sagen der Geiz der Könige aus dem Hause Han-
nover, der bestllndige Kampf der politischen Parteien in Ver-
bindung mit dem den Engländern eigenthümlichen Ungestüm
dort in Staatsangelegenheiten den Ausschlag geben. Und man
könne nicht leugnen, dass man auch in Wien nicht sorgfilltiff
genug darauf bedacht gewesen sei, jedem Anlasse zu Mise-
helligkciten aus dem Wege zu gehen. So habe man schon bei
der Errichtung der Ostindischen Compagnie hauptsilchlich nur
den eigenen Vortheil und gar nicht in Erwägung gezogen, uh
sich denn diese Massregel mit den einmal bestehenden Ver-
tragen vereinbaren lasse, und ob m<in sie ohne fremde Unter-
stützung nur aus eigener Machtvollkommenheit werde durch-
setzen können. Mehr Rücksicht auf die Verbündeten und etwas
weniger Nichtachtung des Grundsatzes: .Leben und leben lassen"
würde es immerhin möglich gemacht haben, gleichzeitig auch
den österreichischen Niederlanden grrössere Handebvortheile zu-
zuwenden, wozu jetzt jode Aussicht verschwunden sei. So hab«
man in England und mehr noch in Holland die Abneigung der
Bevölkerung gegen Oesterreich, die sich durch diesen Staat in
ihren wichtigsten Interessen bedroht wJlhnte, grossgezogen, den
Minister Walpole aus einem anfilnglichen Anhänger Oestcrreichs
in einen versteckten Feind umgewandelt und es dahin gebracht,
dass sich seit ihm nur wenige, ja vielleicht kein einziger eng-
lischer Minister gefunden habe, welcher dem Kaiserhofe wahrhaft
geneigt und für ihn im Sinne der Allianz thätig gewesen witrc.
Ohne die Erkenntniss, dass die Erhaltung des Hauses Oesterreich
für England nicht nur nützlich, sondern nothwendig sei, hätte
sich England wohl lang schon von ihm abgewendet, und täg-
lich zeige es sich nur allzusehr, wie sehr Walpole's Geist und
seine Grundsätze bei einem namhaften Theile der massgeben-
den Persönlichkeiten in England vorherrschend seien. Es kOnne
daher auch nicht schwer fallen, die Ursachen zu ergründen,
durch welche England veranlasst wurde, die Kaiserin zu nöthi-
gen, das Bündniss mit Sardinien und den B^neden mit Preussen
167
mit so grossen Opfern zu erkaufen. Der Marqiiis d' Ormea habe
es verstanden, England zu ühcrredcu, dass sich Sardinien, je
mehr es an Madit zunehme, desto mehr von dem Hause ßour-
bon abwenden und an England anschliessen werde. Durch den
Besitz der Häfen von Finale und Savona aber werde sich
Sardinien in den Stand gesetzt sehen, England in den Genuss
der eintriigliehsten Ilaudelsvortheilo treten zu lassen.
Was Preussen angehe, so sei es zwar richtig, dass ihm
der König von England, der Prinz von Wales und das hanno-
versche Ministerium feindselig gestimmt seien. Aber es lasse sich
auch nicht verkennen, dass es Preussen gelungen sei, sich in
England einen starken Anhang zu erwerben. Es walte daher
ein sehr grosser Unterschied zwischen der englischen und der
hannoverschen Denkungsart vor, und oft gelinge es dem engli-
schen Ministerium, den König durch Befriedigung seiner Hab-
sucht zu Jlassregcin zu verleiten, welche mit seinen eigentlichen
Anschauungen nicht im Einklänge stlinden.
Zahlreich seien in England die Personen, welchen der
König von Preussen ein wahres Idol geworden sei. Zum Tlieile
erkläre sich dies aus den noch herrschenden Grundsätzen Wal-
pole's, zum Theile aber auch aus der Gleichheit der Religion,
oder wie es ein hervorragender österreichischer Staatsmann
richtig bezeichnet habe, der Irreligion. Endlich möge auch die
glückliche Kriegführung des Königs von Preussen die Erwartung
geweckt haben, sein Staat könne in dem politischen Gleich-
gewichte gegen das Haus Bourbon an die Stelle Oesterreichs
treten; seine Vergrüsserung sei daher eher zu fördern als zu
hinterti'eiben.
Hiezu komme noch, dass dem englischen Volke die aus-
wärtige Macht seines Königs ein Dorn im Auge sei, weil es
befürchte, sie könnte bei einer sich darbietenden Gelegenheit
dazu gebraucht werden, eine Abänderung der englischen Ke-
gierungsform herbeizuführen. Die Eifersucht Hannovers gegen
Preussens Ueberraacht vermehre also nur die Hinneigung Eng-
lands zu Preussen, das etwaige despotische Gelüste des Königs
von England lahmlege und dessen hannoversches Ministerium
in steter Besorgniss erhalte. Und überdies komme dem Könige
von Preussen nach dem allfälligen Aussterben des Hauses
Hannover das Throofolgerecht in England zu.
168
Gleichwohl sei die Zuneigung Englands zu Preussen noch
nicht zu dem Vertrauen gediehen, dieses werde sich voll-
ständig von Frankreich abwendig machen lassen. Es sei daher
zu vermuthen, England werde alle neuen kriegerischen Ver
Wicklungen mit Frankreich sorgfältig vermeiden und, fiills ihm
hiczu Veranlassung geboten würde, lieber sich friedlich zu ver
gleichen trachten, als die Waffen ergreifen. An einem etwaigen
Kriege Oesterreichs mit dem Hause Bourbon werde es sich
wahrscheinlich gar nicht betheiligen und am allerwenigsten an
einem Kampfe gegen den König von Preussen, wenn dieser auch
seiner Gewohnheit nach zuerst den Frieden brechen sollte.
Ohne daher den Nutzen der von England geleisteten Hilfe und
das Gute und Erspriesslichc verkennen zu wollen, das man
sich von diesem Staate auch in Zukunft versprechen dürfe, sei
doch die allgemeine Betrachtung, es müsse England nach wie
vor als der natürliche Verbündete Oesterreichs angesehen wer-
den und es müsse zur Aufrechthaltung dieser AlUanz das soge-
nannte alte System fortbestehen, für die Gegenwart nicht mehr
hinreichend zu nennen. Man habe vielmehr auf den Unterschied
der Zeiten und Umstände, sowie auf die zu Tage tretenden
Gebrechen gebührende Rücksicht zu nehmen.
Auch Holland zählt Kaunitz zu Oesterreichs natürlichen
Alliirten. Denn auch zwischen diesen zwei Staaten bestünden
mit Ausnahme dessen, was sich auf den Barrieretractat beziehe,
keine einander widerstreitenden Interessen, während sie sich
Beide durch die höchst gefährliche Nachbarschaft Frankreichs
und Preussens gleichmässig bedroht sähen. Aber auch von Hol-
land lasse sich wegen des sichtlichen Verfalles des dortigen
Staatswesens kein ausgiebiger Beistand erwarten, vielmehr vor-
aussehen, dass es Alles sorgfältig vermeiden werde, was es mit
Frankreich oder mit Preussen in irgendwelchen Conflict bringen
könnte.
Weit grösseren Werth für Oesterreich misst Kaunitz dem
Bündnisse mit Kussland als dem mit England und mit Holland
bei, denn die beiderseitigen Interessen stünden im Hinblick auf
die Pforte, auf P'rankreich und Preussen, wie auch zum Theile
auf Polen und Schweden in Einklang. Aber mit voller Zuver-
sicht sei auch auf Russland nicht zu rechnen, denn der plötz-
liche Tod oder Sturz des Kanzlers Bestuschcw könnte dort
grosse Veränderungen hervorbringen. Während der letzten
169
Krankheit der Czarin hätten die Dinge in Riissland ein recht
gefalirdrohendes Aussehen gewonnen, und man wisse ja, wie
leicht dort Verschwörungen oder andere verwegene Unter-
nehmungen gelängen.
Hiezu komme noch die ganz falsclie Bahn, welche die
Politik der russischen Regierung in der letzten Zeit einge-
schlagen habe, indem sie sich mit Untcrnehmungon gegen Schwe-
den beschäftige, dagegen jede Besorgniss vor Preussen ganz
ausser Acht lasse. Russland verwende seine Macht, einen ohne-
dies schwachen Feind wie Schweden noch mehr zu sehwilchen,
während es einem starken Gegner wie Preussen die Mittel an
die Hand gebe, zu noch grosserer Kraftentfaltiing zu gelangen.
Auch den König von Polen in seiner Eigenschaft als
KurfUrsten von Sachsen zählt Kaunitz wegen seiner gleich-
massigen Bedrohung durch Preussen den natürlichen Verbün-
deten Uesten-eichs bei. Aber in Betreff Sachsens bestehe der
Uebelstand, dass es sich ausser Stande beünde, an einem
etwaigen Conflicte mit Preussen gleich Anfangs als dessen
Gegner Antheil zu nehmen, während es doch im Verhältnisse
zu dem Werthe seiner Mitwirkung aus derselben einen allzu
grossen Gewinn ziehen wolle. Am meisten Vortheil gewähre
noch Sachsens enge Verbindung mit Frankreich, deren mau
sich zur Annäherung an diese Macht nützlich bedienen könue.
Hinsichtlich Haunovers behauptet Kaunitz, dass sein
Staatsinteresse in wichtigen Punkten von demjenigen Englands
vollständig abweiche und es auf seine Bethciligimg an einer
gegen Preussen gerichteten Allianz hinweise. Aber er gibt auch
zu, dass aus verschiedenen Beweggründen auf Hannover in gar
keiner Weise zu rechnen sei, und wendet sich nunmehr zur
Aufzählung derjenigen Mächte, welche Oesterreich als seine
natürlichen Feinde ansehen müsse. An deren Spitze stellt er
die Pforte, meint aber, dass sich über deren zukünftige Unter-
nehmungen kein sicheres Urtheil fällen lasse, da sie nicht durch
wohlbegründcto Rücksicht auf die Interessen des eigenen Staates,
sondern dui-ch zufiillige Empörungen, Intriguen im Serail oder
durch die jeweilige Gesinnung des Grossvezirs veranlasst würden.
Die Absetzung eines friedfertigen und die Berufung eines
geizigen und kriegerischen Grossvezirs reiche hin, plötzliche
Unruhen und einen allezeit sehr geftlhrlichen Krieg herbeizu-
i\ihren. Je weniger sich ein derartiges Ereigniss im Voraus
170
berechnen lasse, um so nüthiger sei es, die Möglichkeit eis
Friedensbruches von Seite der Türkei nie ganz aus dem Auge
zu verlieren; dabei komme noch in Betracht, dass sich die Pforte
wegen der grösseren Leichtigkeit, in Ungarn einen Krieg lu
{Uhren und sich dort die nüthigen Subsistenzmittel Air ihr«
Streitkräfte zu verschaffen, allzeit leichter zu einem Kriege
gegen Oesterreich als zu einem solchen wider Uusslund
schliessen dürfte.
In so grellem Gegensatze befinde sich das Staatsinteresse
Oesterrcichs zu demjenigen Frankreichs, dass dieser Staat auch
nach Abschluss des letzten Friedens theils wegen seiner eigenen
Kraft, seiner einheitlichen Regicrungsform, seiner nach allen
Seiten hin gesicherten (irenzen, theils wegen seiner engen V^cr-
bindung mit anderen mächtigen Staaten, insbesondere mit der
Pforte und mit Preussen, theils endlich wegen seiner gewohnten
Treulosigkeit und seiner weitgehenden Pläne als ein buchst ge-
ßlhrlichcr Gegner anzusehen sei. Handle es sich um deren Ver
wirklichung, so sei es allezeit bereit, die kräftigsten Versiche-
rungen, die feierlichsten Friedensschlüsse und noch so theuer
erkaufte Gewährleistungen für gar nichts zu achten.
Was Frankreich seit Jahrhunderten an Oesterreich ge-
sündigt und wie es dieses Verfahren durch seine Handlungs-
weise gegen Maria Theresia nur noch übertroffen habe, wird
von Kaunitz in gar keiner Weise beschönigt, sundern im Gegen-
theile kräftigst betont. Dennoch könne man hieraas, so meint
er, nicht auch auf die Zukunft einen ganz untrüglichen Schiuss
ziehen, denn vielleicht sei gerade der jetzige Augenblick zur
HerbeifUhrung einer Aenderung nicht ganz angeeignet. Der
Marquis von Puysieux, in dessen Händen die Leitung der aus-
wärtigen Angelegenheiten liege, scheine billig, gerecht und
friodtiebcnd, ja sogar, woraus die Franzosen ihm einen Vorwurf
machen, allzu mild zu sein. Er trachte die Entwürfe der fran-
zösischen Regierung eher durch schlau gewählte als durch ge-
waltsame Mittel durchzusetzen. Sein Emporkommen habe er
der Marquise von Pompadour zu danken; ihr gestatte der König,
selbst nichts weniger als arbeitsam und von viel Einsicht in
die Geschäfte, grossen Einfluss auf diese and durch sie werde
Puysieux gegen den Marquis d'Argenson, das Haupt der Mi-
litärpartei, gehalten. Hiedurch könne aber eine Auffassimg,
welche von derjenigen verschieden sei, die d'Argenson bisher
171
vertrat, allmillig mehr und mehr Boden gewinnen. Es sei da-
her wahrscheinlieh, daas sich Frankreich, selbst des Friedens
bedürftig, mindestens während einiger Jahre nicht leicht zu
einem neuen Bruche desselben verleiten lassen werde.
Auf Spanien übergehend, meint Kaunitz, dass, so lange
der verstorbene König Philipp V, am Leben war und dessen
Gemahlin, die nunmehr verwitwete Königin Elisabeth das Ötaats-
rudcr führte, auch dieses Reich mit vollem Rechte zu den
natlirlichen Feinden des Hauses Oesten-eich gezählt werden
musste. Zwar besitze die Königin -Witwe noch einigen, wenn
auch nur mittelbaren Einfluss auf die Geschäfte des Staates,
da das Ministerium vorhersehe, ihr leiblicher Sohn, König Carl
von Neapel werde dereinst den spanischen Thron besteigen.
Aber Ferdinand VI., der ihn jetzt innehabe, sei nicht von so
unruhigen und weitausschenden Ideen erfüllt, wie sie unter der
vorigen Regierung die herrschenden waren. Er denke vielmehr
wie ein guter Spanier und erkenne ebenso wie sein Volk, dass
der vergangene Krieg sein Land auf das Aeusserste erschöpft
habe und es zu seiner Erholung dringend der Ruhe bedürfe.
Bei den Friedensverhandlungen habe es übrigens Spanien
zu nicht geringem Vortheile gereicht, dass es die Mittel besitze,
Frankreich oder England wichtige Handelavortheile zu ge-
währen. Um dieser theilhaft zu werden, würden beide Staaten
allzeit grosse Rücksicht auf Spanien üben, so dass die Aufrccht-
haltung guter Beziehungen zu dem Hofe von Madrid besondere
Beachtung verdiene.
Nun endhch gelangt Kaunitz in seiner weitläufigen Aus-
einandersetzung an deren wichtigsten Punkt, das Vorhältniss
zu Preussen. König Friedrich verdiene, sagt er, in der Olasse
der natürlichen Feinde obenan und noch vor der Pforte ge-
setzt, mithin als der ärgste und gefährlichste Nachbar des
Hauses Uesterreich angesehen zu werden.
Welch' unermesslichcn Nachtheil die österreichische Mon-
archie durch den Verlust Schlesiens erhtt, brauche nicht neuer-
dings in traurige Erinnerung zurückgerufen zu werden. Wenn
auch die Einkünfte aus diesem Lande noch zu verschmerzen
wären, sei doch mit Schlesien nicht etwa ein auswärtiges Glied,
sondern ein Haupttheil des Staatskörpers von Oeaterreich ab-
gerissen worden; einem Feinde, welcher eine der Zahl nach über-
legene, mit Allem wohl versehene, gut einexercirte und disci-
172
plinirte Armee auf den Beinen und zugleich das Geld vorrÄthif:
halte, noch einige derartige Armeen aufzurichten, sei der Weg
eröflPnet worden, bei anderwJU-ts entstehenden Unruhen, und
wenn er os seinem Interesse angemessen erachte, in das Hera
der Österreichischen P>b]iinder einzubrechen und der ganzen
Monarchie den letzten tödtlichen Streich beizubringen.
Selbst der König von Preusscn könne keinen Augenbhck
daran zweifeln, dass das durchlauchtigste Erzhaus den Verlust
Schlesiens niemals verwinden und daher keine sich darbietend«
Gelegenheit luibenlltzt lassen könne, os wieder an sich zu
bringen. Daraus folge aber von selbst, dass die PoUtik
I'reussens, um die gemachte P>oberung festzuhalten, immer
dahin gerichtet sein müsse, (^esterreich mehr und mehr zu
schwächen und ihm liiedurch die Mittel zur Wiedergewinnung
Schlesiens zu benehmen. Es würden daher auch in Zukunft
beide Höfe in grösster Eifersucht und unversöhnlicher Feind-
schaft gegen einander vorharren.
Von den einzelnen Staaten sich der allgemeinen politischen
Lage zuwendend, i'rklürt Kaunitz sie ftir eine völlig veränderte,
indem man auf dun Beistand der SeeniUchte gerade dort, wo
man dessen am ehesten bedürfe, durchaus nicht mehr zUhlen
könne, während Oesterreieh jetzt von weit mehr und viel stär-
keren Feinden als früher umgeben sei. Habe es ehemals nur
von zwei Mächten, von Frankreich und der Pforte einen feind-
liehen Angriff zu besorgen gehabt, so drohe ihm jetzt ein sol-
cher von vier Seiten her: ausser den schon erwähnten Sl.a.'»tcn
auch noch von Preussen und den bourbonisehen Fürsten in
Italien. Drei dieser aggressiven Nachbarn aber seien, was ihre
Maelitverhilltnisse angehe, Oesterreieh nicht nur gleich, sondern
zum Tbeil sogar sehr überlegen. Einer so gefahrdrohenden Um-
gestaltung der äusseren Lage gegenüber genüge das Festhalten
an dem jetzt ganz unzulänghch gewordenen alten Systeme
nicht mehr, welches nur gegen das bourbonische und nicht
auch wider das brandenburgische Haus gerichtet gewesen sei:
denn dieses habe man damals zu den Alhirtcn gezählt. Jenes
System könne daher auch nicht mehr als allgemeine Kicht-
schnur füi* das künftighin zu befolgende Verfahren aufgestellt
werden.
Schreite man aber an die Beantwortung der Frage, wel-
ches politische System für Oesterreieh von nun an das crspriess-
173
)
liebste sei, so müsse als der erste und wichtigste Staatsgrund-
satz vorausgeschickt werden, dass, weil der Verlust Schlesiens
nicht zu verschmerzen und der König von Proussen als der
grösste, gefftlirlichste und unversöhnlichste Feind des durch-
lauchtigsten Erzliauses anüusehen sei, auch die erste und be-
ständigste Sorgfalt dahin gerichtet werden müsse, wie man sich
nicht nur gegen seine feindlichen Unternehmungen sicherstellen,
sondern wie er geschwächt, seine Ueberraacht bcsciiriinkt und
das Verlorene wieder herbeigebracht werden könne.
Man müsse sich darüber klar werden, ob imd auf welche
Weise diese grosse Absicht erreicht werden könnte und welcher
Mittel man sich hiezu bedienen solle?
Auf OfTensivuntcrnelimungen, wie die vorgeschlagene eine
sei, dürfe man sich nur einlassen, wenn die Hoffnung des Ge-
lingens die Gefahr des Scheiterns bei Weitem überwiege und
nach mensclilicher Beurthcihing an einem glücklichen Erfolge
gar nicht zu zweifeln sei. Daher wäre auch nicht rathsam, in
der gewiss irrigen Erwartung, die übrigen Mächte würden
theilnahmslose Zuschauer bleiben, mit Preussen allein anzu-
binden. Denn die Macht Preussens wäre derjenigen Oester-
reichs, wenn nicht sehr überlegen, doch mindestens gleich zu
achten und die Erschöpfung der Erbländer hiebei nicht zu
vergessen. Die einzige Möglichkeit, eine so grosse Absicht zu
verwirklichen, könnte dadurch geschaffen worden, dass Fi-ank-
reich auf die eine oder die andere Weise vermocht werde, zu
einer solchen Unternehmung direct oder indirect die Hände zu
bieten und hiedurcli den Ausschlag zu geben.
Gewiss erscheine es fast iils unmöglich, Frankreich dahin
zu bringen, dass es auf ein derartiges Project eingehe, denn
gerade in der Erhaltung der jetzigen Macht Preussens finde
es auch fllr sich ansehnlichen Nutzen. Da aber für diesen
Staat allzeit nur das eigene Interesse die Richtschnur seines
Verfahrens bilde, sei wohl der fernere Schhiss gestattet, dass,
wenn Frankreich grösseren und ihm willkommeneren Gewinn
bei dem Sturze als bei der Erhaltung des Königs von Preussen
fände, es künftigbin ebenso zu dem Einen wie bisher zu dem
Anderen beizutragen sich bereit finden lassen würde. Es komme
•oinit auf die Frage an, wie Frankreich ein solch' grösserer
Gewinn verschafft werden könnte, und wenn er, Kaunitz sie
zu beantworten trachte, so sei er sich wohl bcwusst, dass diese
b.
174
GedaDken weder neu, noch von ihm herrührend seien. Er
gründe sie vielmehr auf die Rescripte, die er von Wien aas in
Aachen erhielt, sowie auf mehrmals wiederholte versteckte An-
deutungen der französischen Minister; er selbst habe nur beide
Anregungen aufs Reiflichste tiberdacht.
Aus den Berichten, die er aus Aachen erstattete, werde man
ersehen haben, wie sehr Anfangs Frankreich darauf drang, dasa
Savoyen dem Infanten Don Philipp zu Theil werde. Allerdings
sei es plützlich hievon abgegangen und habe sich, um das Zu-
Btandekoinmon des Friedens zu beschleunigen, den Vorschlügen
Englands anbequemt. Aber wiederholt sei ihm von den Repri-
sentanten PVankreichs zu verstehen gegeben worden, ihr König
wünsche seinen Schwiegersohn nilher bei sich zu haben. Gern
würde er daher eine Vereinbarung eingehen, durch welche
jenem entweder ein anderer Lilnderbesitz in Itivlien oder
ein solcher in den Niederlanden zu Theil würde. Allerdings
könne man sich für die Vertrauenswürdigkeit der französischen
Minister durchaus nicht verbürgen. Aber möglich sei es j«
doch, dass ihre Acusscrungen den wahren Gesinnungen der
französischen und der spanischen Regierung entsprochon hätten.
Für diesen Fall scheine die Wohlfahrt des Kaiserhauses luj-
umgilnglicli zu fordern, dass ein immerhin möglicher Anlass «ur
Erreichung der grossen Absichten gegen den König von Preassen
nicht schon von vorneherein unbenutzt bleibe. Man müsse sich
vielmehr mit ebenso viel Eifer als Vorsicht bemühen, die iSache
vorzubereiten, sie je eher desto besser zur Reife zu bringen
und die voraussichtlichen Schwierigkeiten aus dem Wege «u
räumen.
Die ganze Combination hiitte darin zu bestehen, dass der
König von Sardinien vermocht werde, das Herzogthum Savoyen
dem Infanten Don Philipp abzutreten, wogegen er Mailand und
dessen Gebiet, Oostorrcich aber Parma, Piacenza und Guastalla
erhielten. Sollte Don Philipp zur Nachfolge in Neapel oder in
Spanien berufen werden, so würde Savoyen an Frankreich
fallen. Dafür hiltle dieser Staat die bindende Verpflichtung
zu übernehmen, wenn nicht direct und mit Anwendung seiner
ganzen Macht, so doch indirect und durch seine Verbündeten
dahin zu wirken, dass < )c8terreicli in den Wiederbesitz ganz
Schlesiens gelange. Geschähe dies nicht, dann hätte auch der
Anfall Savoyens an Frankreich zu unterbleiben, indem Alles
17£
,zu gleichen Schritten und mit gleicher Sicherheit bewerkstelligt
werden müsate'.
Er beseheide sich von selbst, fUhrt Kaunitz fort, dass
dieses Project ,beim ersten Anblicke weit aussehend, höchst
bedenkhch, unthunlich und in gewissem Masse unmöglich, somit
chimärisch erscheinen müsse'. Es sei auch keineswegs in Ab-
rede zu steilen, dass auf allen Seiten se.hr grosse Schwierig-
keiten zu übersteigen wUren. Werde jedoch die Sache nilher
betrachtet und nur der einzige Satz, dass Frankreich aufrichtig
und ernstlich die Ililnde bieten wolle, als richtig angenommen,
30 dürften verschiedene Zweifel und Bedenken von selbst liin-
wegfallen und wäre ein glücklicher Ausgang nicht fiir ganz
unmöglich zu halten.
Die Zustimmung des Königs von Sardinien zu einem Plane,
durch dessen Ausfllhrung er statt der , Wüstenei' Savoyen den
Lustgarten der Lombardei erhielte, werde kaum schwer zu er-
langen sein. Iliezu komme nocli die natürliche Abneigung zwi-
schen den Piemontesen und den Savoynrden, sowie der Um-
stand, dass sich Savoyen fortwilhrend in der Gefahr befinde,
von französischen Trappen Uberflnthet und ausgesaugt zu werden.
Jetzt sei der Lilndcrbesitz des Königs von Sardinien von zwei
Seiten her der bourbonischen Uebermacht ausgesetzt, wilhrend
er durch den erwähnton Austausch auf der einen Seite ganz
und auf der anderen nicht viel weniger von ihr befreit würde,
da schon die Natur Savoyen von Piemont durch eine sehr hohe
Gebirgskette geschieden habe. Durch Eixichtung einiger Festungs-
werke könnte dann Piemont vor Frankreich geschützt und diesem
der Einmarsch in Italien, wenn auch nicht unmöglich gemacht,
60 doch äusserst erschwert werden.
Allerdings sei nicht zu bezweifeln, dass der Besitz des
MailUndischen für Oesterreich nützlicher als der von Parma und
der zwei anderen Herzogthümer wäre. Dagegen bildeten sie
mit dem Mantuanischen und dem Grossherzogthum Toscanft
ein ununterbrochenes Gebiet, was auch für den Aufschwung
des Handels sehr vortheühaft wäre.
Wenn Frankreich dahin gebracht werden könnte, seine
Macht direct gegen Preussen zu kehren, so wäre an einem
baldigen und glücklichen Ausgange wohl nicht zu zweifeln. Da
aber auf einen solchen Enischluss kaum zu hoffen sei, mUsste
man sich mit der indirecten Mitwirkung Frankreichs und damit
176
begnügen, dass an seiner Stelle Spanien offen wider Preussen
Partei nähme und ebenso wie Frankreich ausgiebige Subsidien
an Oesterreich bezahle. Ausserdem hätte Frankreich den Kunst-
griff, dessen es sich so oft wider Oesterreich bediente, nun auch
gegen Preussen in Anwendung zu bringen und möglichst viele
Regierungen durch die Aussicht auf Erwerbung preussischer
Länder zur Theilnahme an dem Kriege wider Preussen zu be-
wegen. Russland stehe ja ohnedies schon auf dem Sprunge,
die Waffen gegen Preussen zu ergreifen. Folge ihm Oesterreich
nach, so werde dies auch bei anderen Höfen die Lust wecken,
sich gleichfalls auf Kosten Preussens zu vergrössem. Die Ab-
sichten Sachsens seien ja bekannt, und wenn Frankreich dem
pfälzischen Hofe seine Zustimmung ausspreche und ihm ausser-
dem vielleicht auch noch mit Subsidien beistehe, so werde
dieser mit Hinzuziehung Baiems und Kölns wohl dem bisherigen
guten Einvernehmen mit Preussen entsagen und eine Verein-
barung eingehen, durch welche das Cleve'sche und Märkische
an Kurpfulz fielen, wogegen es Sulzbach und Neuburg an
Baiern abzutreten hätte. Und wäre nun einmal das Eis ge-
brochen und keine Furcht mehr vor Frankreich vorhanden,
so wären wohl auch von Hannover und anderen deutschen Höfen
eine gleiche Gesinnung und ein gleiches Bestreben zu erwarten.
So schwer auch die Abtretung Mailands an Sardinien der
Kaiserin fallen miisste, so verschwinde doch alles Bedenken
von selbst, wenn dieser Verlust nicht nur mit der Wieder-
erwerbung Schlesiens, sondern auch mit der von Parma, Pia-
cenza und Quastalla verglichen würde. So ansehnlich und un-
bestreitbar wäre der Vortheil hievon, dass gerade durch diesen
Umstand bei Frankreich das grösste Bedenken erregt werden
könnte, trotz dem eigenen Gewinne die Hand zur Verwirklichung
eines Planes zu bieten, der seinen althergebrachten Staatsgrand-
sätzen direct zuwiderliefe. Deshalb wäre auch nicht unmittelbar
an Frankreich, sondern mit äusserster Behutsamkeit zunächst
an Spanien und an Sachsen heranzutreten und durch die leb-
hafte Zuneigung, welche Ludwig XV. filr seinen Schwiegersohn
Don Philipp und seine Schwiegertochter, die dem sächsischen
Hause entsprossene Dauphinc hege, Eingang bei dem Hofe von
Versailles zu suchen. Ausserdem könnte durch einen gewandten
Mittelsmann auch auf Philipp selbst in einem dem Projecte
günstigen Sinne eingewirkt werden. Endlich würden wahrschein-
177
lieber Weise die am französischen Hofe herrschenden Cabaien
dazu beitragen, Vorschläge annehmbar erscheinen zu lassen,
welche zu anderen Zeiten wenig oder gar kein Gehör gefimden
haben wllrden. Täglich müsse das französische Ministerium von
der Militärpartei und einem grossen Theile der Nation den
sehr empfindlichen Vorwurf hinnehmen, Frankreich sei aus
einem langen und siegreich gcftlhrten Kriege, während dessen
es die ganzen Niederlande erobert und Holland in die äusserste
Gefahr gebracht habe, ohne allen directen Vortheil getreten.
Nun aber werde ihm die Aussicht eröffnet, eine ihm wohlge-
legene Provinz wie Savoyen mit einem jährlichen Einkommen
von anderthalb bis zwei Millionen Gulden ohne Thoilnahme an
einer neuen Kriegführung zu erwerben. Hierin liege eine so
grosse Verlockung, dass die Heranzifhung Frankreichs zur
Durchftlhrung des Projectes gewiss im Bereicho der Möglich-
keit liege. Und nachdem dieses ausserdem gar nichts ent-
halte, was dem Interesse der Seemächte zuwiderlaufe, so sei
nicht die geringste Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass sie für
den König von Prenssen wcrkthätig Partei nehmen würden.
Der Plan erscheine daher auch recht wohl mit dem Grundsätze
vereinbar, man solle sich mit den Seemächten nicht verfeinden,
sondern vielmehr das Bündniss mit ihnen anstreben.
Meinte Kaunitz, sich mit einer Mitwirkung Frankreichs
an der Durchführung seines Projectes, auch wenn sie nicht
in der activen Theilnahme an dem gegen Preussen zu führen-
den Kriege bestünde, begnügen zu müssen, so waren seine
Anforderungen an Kussland schon Iröher gespannt. Wäre man,
fahr er fort, der Verschwiegenheit des Grosskanzlers Bestu-
schew imd ebenso derjenigen der Czarin versichert, so könnte
man ihnen überzeugend darthun, wie Russlands eigene Wohl-
fahrt die Schwächung des Königs von Preussen verlange,
und ihnen im tiefsten Vertrauen die Absicht der Kaiserin er-
öflfnen, nöthigen Falles auch eine Provinz zu opfern, um hie-
durch Frankreich zu erkaufen und demnächst mit Preussen
anzubinden, wenn sich Russiand an dem Kampfe gegen
diese Macht gleichfalls betheiligen würde. Es müsste den
Anfang machen, Preussen mit einer Armee von mindestens
sechzig- bis siebzigtausend Mann zu bekriegen. Nur wenn man
dessen vollständig sicher und ebenso gewiss wäre, dass Frank-
reich und Spanien nicht blos müssige Zuschauer abgeben,
Arcbir LXXXVni. Ild. I. HUtUs. IS
178
sondern allen nur immer thunlichen Vorschub leisten würden,
um dem Könige von Preussen möglichst viele Feinde auf den
Hals zu hetzen, so dass er von allen Seiten mit weit überlegener
Macht überfallen würde, sei eine Offensivunternehmung wider
ihn räthhch. Hiemit nicht allzulang zu zögern, sondern je eher
desto besser zu beginnen, sei insbesondere deshalb zu empfehlen,
weil der russische Hof bekanntlich sehr waukelmüthig, jetet
aber gegen Preussen ungemein aufgebracht sei. Mindestens die
gleiche Rücksicht möge man auf die gegenwäi-tige Stimmung
des französischen Hofes nehmen. Dieser habe sich noch nicht
in neue politische Verbindungen vertieft, der Marquis de Puy-
sieux sei kein grundsätzÜcher Feind Oesterreichs, und dass
Frankreich dreimal von Preussen im Stiche gelassen wurde,
noch in frischer Erinnerung. Entscheidende Bedeutung besitze
der Zwiespalt zwischen der gegenwärtigen französischen Re-
gierung und der dortigen Militfirpartei. Jetzt sei der Einfluss
Jenes überwiegend; träte jedoch das Gegentheil ein, so wäre
nicht nur alle Hoffnung auf Verwirklichung de« grossen Pro-
jectes verschwunden, sondern zu besorgen, dass Frankreich
bei einem sich hiezu ergebenden Anlasse seine Macht wieder
gegen Oesterreich wenden und hiedurch zu seinen alten Staats-
grundstttzon zurückkehren würde.
Sollte man sich nicht dazu cntschHessen können, der Ver-
wirklichung des weitangelegten Planes Mailand zum Opfer la
bringen, so sei er doch aus dieser Ursache noch keineswegs
aufzugeben, sondern es könnte Luxemburg an Mailands Stelle
gesetzt und dem Infanten Don Philipp direct abgetreten werden.
Indem er sich dem Schlüsse seiner weitläufigen Ausein-
andersetzung zuwendet, fasst sie Kaunitz neuerdings in die
wenigen Hauptsätze zusammen, dass man trachten mOsse,
Schlesien wiederzuerobem. Da man jedoch hiezu niemals auf
den Beistand der Seemächte zählen könne, habe man sich um
den Frankreichs zu bewerben und es durch Abtretung einer
Provinz, sei es in Italien oder in den Niederlanden zu ge-
winnen. Nur dann dUi-fe man sich auf das Unternehmen ein-
lassen, wenn nach menschlicher Beurtheilung dessen Gelingen
unzweifelhaft wäre. Und da die jetzt in Frankreich wie in
Russland obwaltenden Umstände als günstige anzusehen, aber
auch sehr leicht einer Veränderung unterworfen wären, so sei
die Ausführung des Planes nicht auf die Zukunft zu ver-
179
schieben, sondern je eher desto besser Hand ans Werk zu
legen.
,Der eintzige Fall,' sagt nun Kaunitz wörtlich, ,i8t bereits
zur Genüge erläutert und erschöpfet, in welchem mit anhoflfen-
dem grossen Nutzen offensive verfahren werden könnte. Sollte
aber dieser fehlschlagen oder vor unthunlich angesehen werden,
80 bleibet nichts anderes übrig, als alle Aufmerksamkeit, Vor-
sicht und Bemühen auf die Defensivam, Befestigung der Ruhe
und auf die Sicherstellung vor feindlichen Anfällen zu richten.'
Mit weit geringerer Ausführlichkeit als seinen ursprüng-
lichen Plan bespricht nun Kaunitz dasjenige, was für den Fall
seiner Verwerfung und des Entschlusses geschehen sollte, sich
blos defensiv zu verhalten. Aber wie sehr ihm doch Alles auf
die Hinüberziehung Frankreichs zu Oestcrreich ankam, bewies
er auch jetzt wieder, indem er zwar die Forterhaltung des
guten Einvernehmens mit den Seemächten als wUnschenswerth
bezeichnete, aber doch den .'\bschluss formlicher Allianzen mit
ihnen eifrig widerrieth. Er kam dadurch in Gegensatz zum
Kaiser, der fortwährend auf Zustandebringung eines vierfachen
Bündnisses zwischen Oesterreich, Rassland, England und Sachsen
drang.
Was jedoch das von dem Kaiser abgegebene Gutachten
betraf, so scheint es nicht der gleichen Behandlung wie die-
jenigen der sechs Conferenzminister unterzogen worden zu sein.
Wenigstens sind es nur ihre schriftlichen Aeusserungen, welche
Maria Theresia dem Freiherm von Bartenstein, nachdem er
ihrem Auftrage entsprochen hatte, gleichfalls sein Votum ab-
zugeben, mit dem Befehle zukommen Hess, eine übersichtliche
Darlegung der verschiedenen Gutachten zu verfassen und klar
ersichtlich zu machen, welchen Punkten einstimmig beige-
pflichtet werde, fUr welche hingegen sich blos eine Mehrheit
und für welche sich gar nur eine Minderheit ausspreche.
Bartenstein's leidenschaftliches Temperament riss ihn wieder
einmal so weit, dass er die Anordnung der Kaiserin nichts
weniger als pünktlich befolgte. Wie der Stier das rothe Tuch,
wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, sah er nur das Votum des
Grafen Harrach und den darin neuerdings ausgesprochenen
Tadel des verletzenden Tones vor sich, den man in jüngster
Zeit in verschiedenen österreichischen Staatsschriften gegen
England angeschlagen habe. Er flehe die Kaiserin an, schrieb
12»
180
er ihr, dass er sich zur ,Rettung seiner Ehre und Unschuld'
gegen derlei ,8ehr harte Anklagen' vertheidigen dUrfe. Und am
auch ohne ihre Genehmigung gleich Ernst hiemit zu machen,
theilte er die eingegangenen Gutachten in zwei, freilich der Zahl
nach sehr ungleiche Theile, indem er dem Votum des Grafen
Harrach die der übrigen fünf Minister gegenüberstellte. Das
eine wollte er seiner ganzen Ausdehnung nach und abgesondert,
die anderen aber zusammen und blos übersichtlich behandeln.
Mit richtigem Tacte empfand Maria Theresia, wie et
scheint, die UngcbUlir, welche darin lag, dass eine Sache von
80 unendlicher Wichtigkeit unter der persönUchen Gereiztheit
eines Einzelnen leiden sollte. Wie aus einer vertraulichen Vor-
stellung Ulfeldt's an sie hervorgeht, muss sie Hartensteins
Schrift ohne irgendwelche Bemerkung oder Entscheidung »o
die Staatskanzlei zurückgeschickt haben. ,Vergcbens ist,' so
lauten die Worte, welche sich Bartensteiu's Gönner, Ulfeldt aa
sie zu richten erlaubte, ,da88 Hartenstein sich mit so vielem
Schreiben die Ml'üie gebe, wenn Eure kaiserliche Majestüt von
seiner Arbeit zu dem vorgesetzten Zwecke keinen Gebrauch
machen wollen. Das Ende der grossen Schrift kommt noch
einmal abgeschrieben hier bei, weil Eure Majestüt solches viel-
leicht zu brauchen für rathsam erachten werden. Ich lege auch
das mir zurückgeschickte Referat noch einmal bei, weil Eure
kaiserliche Majestät leicht etwas darauf setzen könnten, was
nnverfdngUch wäre und dennoch bei den Acten der Staat»-
kanzlci bleiben und hier als eine Legitimation gegen die Be-
schuldigungen des Grafen Harrach dienen könnte.'
Man sieht also, nicht so sehr aus eigenem Antriebe als
zur Beschwichtigung Ulfeldt's und Bartcnstcin's brachte Maria
Theresia die folgenden Worte zu Papier: ,Dcr gantze unter-
strichene eingang auszulassen und des harachs votum wie die
andern zu extrahirn, ohne von seinen particular anführungen
und beklagungen was zu melden, ich verlange dises sacritice
und werde es erkennen vor nicht einen kleinen dienst, indem
ohnedem, was noch erhalten worden, allein der guttcn und
fleissigen obsorge beeden, die das werck geführt, zu danckcn
habe, und gar wohl mir bekant, was otft die besten Sachen
echouirn gemacht.'
Auch noch ausserdem ordnete die Kaiserin an den zwei
Ausarbeitungen Bartensteiu's, sowohl an deijenigen, welche sich
181
auf das Gutachten Harrach's, als an der zweiten, die sich auf
die Aeusserungen der anderen fünf Conferenzmitglieder bezog,
Verftnderungcn an, von denen hier nur einer einzigen Erwäh-
nung geschehen soll. ,Die vota werden nicht gesehen,' so
lautete eine von ihr herrührende Bemerkung, .also etwas von
der substantz des Kauniz meinung zu erwehnen.'
Zwei Schlussfolgcrungf^n werden wohl aus diesen Worten
der Kaiserin abgeleitet werden dürfen. Die eine besteht darin,
dass es in ihrer Absicht kg, die Gutachten der verschiedenen
Minister nicht im (.Jriginal und somit in Uirer ganzen Aus-
dehnung, sondern nur in dem von Bartenstein zu verfertigen-
den Auszuge zur Kenntniss der übrigen Minister gelangen zu
lassen. Und ausserdem wird man auch ein gewisses Wohlge-
fallen, das sie gerade an der Aeusserung des Grafen Kaunitz
fand, wohl aus ihnen herauslesen dUrfen.
Wenngleich Bartenstein die von der Kaiserin ihm vorge-
zeichnetc Richtschnur nicht ganz ausser Acht Hess, so behielt
er doch die von ihm gleich Anfangs vorgenommene Gegen-
überstellung des Gutachtens Harrach's und derjenigen der
fünf Conferenzminister sowohl der Form als der Sache nach
bei. Der Form nach, indem er dem Votum Harrach's eine
eigene und dem der anderen Minister eine zweite Ausarbeitung
widmete; der Sache nach, indem er die übrigen Gutachten
so darstellte, als ob diejenigen, von denen sie herrührten,
in Allem und Jedem so ziemlich der gleichen Meinung seien,
während sich doch, wie man weiss, ihre Anschauungen in wich-
tigen Punkten gar sehr von einander unterschieden. Der so
positiv lautenden Antritge des Grafen Kaunitz auf Wieder-
eroberung Schlesiens mit dem Beistande Frankreichs und
seines Käthes, möglichst bald die erforderlichen Schritte zu
thun, um dieses grosse Unternehmen vorzubereiten und in nicht
allzu ferner Zukunft an dessen Verwirklichung schreiten zu
können., geschieht in dem von Bartenstein gelieferten Auszuge
keine directe Erwähnung. Wohl aber wird darin gesagt, dass
des Königs von Preussen höchst gefUhrliche Umtriebe auf nichts
weniger als auf völlige Zerreissung des Bandes, welches jetzt
noch das Haupt des Römisch- deutschen Reiches mit dessen
Gliedern verbinde, und auf Unterdrückung der schwächeren
Stande ausgingen; dem Reiche könnte daher nach der Meinung
der Grafen Ulfeldt und Kaunitz kein grösserer Nutzen verschaflFt
182
werden, als wenn er wieder in die rechte reichssUlndische Ver-
knüpfung gezogen würde. Da jedoch der König von Preuasea
für den grössten, gefährlichsten und unversöhnlichsten Feind
des Erzhauses zu halten, andererseits aber uhne ,fast mora-
lische Sicherheit' eines glücklichen Erfolges nichts gegen ihn
zu wagen und auf diesen Erfolg niemals zu hoflFcn sei, wenn
es nicht früher gelUnge, Frankreich von ihm zu trennen, solle
nichts unversucht bleiben, dieses Ziel zu erreichen, hiebei jedoch
nur mit der äussersten Behutsamkeit vorgegangen werden. Und
wie Ulfeldt und Kaunitz, habe sieh auch KhevenhüUer dahin
geäussert, dass es wohl schwer fallen, aber doch kaum ganz
unmöghch sein wtlrde, diese Loslüsung Frankreichs von Preoasea
zu bewerkstelligen.
An der Oegenüberstellung einer Majorität von fünf und
einer Minorität von einer Stimme wurde auch dann wieder fest-
gehalten, als sich die Conferenzminister über den ihnen mitge-
theilten Auszug aus ihren Gutachten neuerdings geäussert hatten.
Harrach's Erklärung lautete so einlenkend als möglich, ja sie
enthielt sogar seine Zustimmung, dass man Frankreich nicht
nur keinen Anlass zur Entfremdung geben, sondern eine etwaige
Gelegenheit, es von Preussen zu trennen, nicht unbenutzt vo^
übergehen lassen solle.
Von Königsegg liegt über diesen allerwichtigsten Punkt
kein Ausspruch vor, während Colloredo an die Möglichkeit
einer HerUberziehung Frankreichs nicht glaubte und ernstlich
vor dessen einschmeichelnden Kunstgriffen warnte. Dennoch
blieb die einmal aufgestellte Unterscheidung zwischen einer
fUnfstimmigen Majorität und einer nur aus einer Stimme bestehen-
den Minorität auch fortan aufrecht. Nur sie allein konnte Maris
Theresia im Auge liaben, als sie auf das betreffende Referat
mit eigener Ilaud die Worte setzte: ,wo nach erkhlärung des
harach die meinungen gleich seynd, so aprobire selbe, wo aber
ein unterschid, fall denen majoribus bey, wonach sich künfftig
zu halten, sowohl in denen berathschlagungen als expeditioncn,
darnach sich allzeit als ein grund zu halten.'
Es lässt sich wohl kaum behaupten, dass die Absicht,
welche durch die ganze weitläufige Berathung und die nach
deren Abschluss erfolgte Entscheidung der Kaiserin erreicht
werden sollte, auch thatsäcblicli verwirklicht worden sei. Denn
ein ganz klarer Ausspruch, eine durchaus keinem Zweifel
183
mehr unterworfene Richtschnur für das Verfahren, das von
nun an in den auswärtigen Angelegenheiten befolgt werden
sollte, besass man auch jetzt nicht; man kann weder sagen,
Maria Theresia habe das Projcct des Grafen Kaunitz, Frank-
reich auf die Seite Oesterreichs zu zielien, um sodann mit
seiner Hilfe Schlesien wiederzugewinnen, förmlich zur Staats-
maxime erhoben, noch sie habe es verworfen. Dies wurde
zwar einmal mit sehr grosser Zuversicht, aber, wie es scheint,
ganz ohne hinreichende Begrllndung behauptet,' Man wird viel-
mehr kaum irregehen, wenn man annimmt, die Kaiserin habe
es bei der unendlichen Wichtigkeit der Sache um so sorg-
fältiger vermieden, einen ganz bestimmt lautenden Ausspruch
zu thun, als ja der Kern der Sache, der gegen Preussen
gerichtete Offensivplan des Grafen Kaunitz, in seiner vollstän-
digen Ausdehnung und in seinen Details sogar den meisten
Conferenzministem nicht bekannt geworden war. Nur Ulfeldt
und Bartenstein wussten wenigstens damals von ihm; dass
aber Kaunitz selbst ausdrlicklich erklärte,* er finde in dem Aus-
züge Bartenstein's die Hauptgrundsfttze wieder, von denen er
bei der Abfassung seines Gutachtens ausgegangen sei, und er
kOnne daher nur bei seiner frllheren Meinung beharren, wird
wohl als schwer zu widerlegender Beweis dafür gelten dürfen,
dass er in der thitheissung dieses Auszuges auch eine solche
seiner Anträge erblickte.
Auch noch durch einen anderen, wohl zu beachtenden
Umstand wird jeder Zweifel so ziemlich beseitigt. Im Mai 1749,
also schon nach Abschluss der ganzen ministeriellen Berathung
kehrte der Feldmarschall Graf Batthyany aus den Niederlanden
nach Wien zurück. Er wurde zum Mitgliede der geheimen
Conferenz ernannt und füllte in ihr die Lücke aus, welche
durch den am 5. Juni ganz plützlich erfolgten Tod des Grafen
Harrach entstanden war. Wohl als die erste Aufgabe in seiner
neuen Stellung erhielt Batthyany den Auftrag, Über das künftig-
hin zu befolgende politische System gleichfalls seine Meinung
zu sagen. Man theilte ihm jedoch nicht nur den Auszug, wel-
chen Bartenstein auf Grundlage der eingegangenen Gutachten
* Beer, Aufzeichnungen de« Grafen William Beotinck Über Maria The-
re,iin. Wien, 1871 LXIX.
* Erklärung vom 8. Mai 1749.
184
verfasBt hatte, sondern diese selbst mit,' and es blieb ihm
daher auch von den Vorschlägen and Anträgen des Grafen Kan-
nitz gar nichts mehr verborgen. Im Hinblick aaf verschiedene
Punkte und insbesondere den, welcher das Verh<niss Oester-
reichs zu Preussen betraf, schloss sich Batthyany den Anschaa-
ungen des Grafen Kaunitz an, von denen er sagt, sie seien ,80
vernünftig, so umständlich and mit so vielem Scharfsinn' ent-
wickelt, dass er ihnen unmöglich irgend Etwas beifügen könnte.
Und wenn er auch die Schwierigkeiten einer Loslösung Frank-
reichs von Preussen noch ungleich höher anschlägt, als KaunitE
dies gethan hatte, so gelangt er doch schUessUch za ziemlich
gleichen Schlussfolgerungen wie Jener. Er sagt nicht nar aas-
drücklich, der von Kaunitz herrührende Plan, Schlesien mit dem
Beistande Frankreichs wiederzuerobem, sei mit aller nur immer
ersinnlichen Vorsicht eines so würdigen und in die Weltge-
schäfte so tief eingeweihten Staatsmannes ausgearbeitet, ,we8sent-
wegen er auch den Beyfall des gantzen Ministen] insoweit
überkommen zu haben scheinet, dass den Vorschlag auszu-
fUb en nicht unterlassen werden solle'; er erklärt ausserdem
gan.i unzweideutig, dass er den Plan des Grafen Kaunitz für
den besten Weg ansehe, um eine dreifache gute Wirkung za
erzielen, und zwar die so wichtige Wiedergewinnung Schle-
siens, eine vielleicht immerwährende Trennung Frankreichs von
Preussen und endlich die Wiederherstellung des Ansehens
Oesterreichs im Römischen Reiche, wodui-ch es neuerdings in
seine frühere vortheilhafte Lage versetzt würde.*
Wenn schon nach der vorliegenden Darstellung an der
Gutheissung des von Kaunitz ausgearbeiteten Projectes von
Seite der Kaiserin und seiner Annahme durch sie kaum mehr
gezweifelt werden kann, so wird hiefUr auch noch der Umstand
in die Wagschalc fallen, dass man fortwährend an dem Vorsatze
festhielt, nach der Wiederanknüpfung der diplomatischen Ver-
bindungen mit Frankreich Kaunitz dorthin als Botsehafter zu
senden. Er selbst musste ja von vorneherein als die geeignetste
Persönlichkeit erscheinen, an Ort und Stelle Gedanken Eingang
zu vcrschaflfen, deren Verwirklichung eine vollständige Umge-
' Batthyany's Votum vom 18. Juni. ,Dio von E. K. M. Conferenzministern
allerunterthänigst Überreichte und mir allergnädigst mit^theilte Mei-
nungen . . .'
* Batthyany's Gutachten vom 18. Juni 1749.
185
staltung der bisherigen Stellung der europäischen Mächte zu
einander herbeiführen luusste. Wäre hingegen, wie behauptet
worden ist, der Plan des Grafen Kaunitz verworfen worden,
so hätte er sich wohl kaum dazu hergegeben, das Organ einer
Regierung zu sein, welche von anderen Gesichtspunkten aus-
ging, als die er für die richtigen hielt. Und ohne Zweifel wäre
gerade der Hof von Versailles der Ort gewesen, an welchem
Kaunitz eine solche Rolle am allerwenigsten gespielt haben würde,
VI. Capitel.
Es ist bekannt, dass trotz dem langdauernden Kriege
doch nicht alle diplomatische Beziehung zwischen Oesterreich
und Frankreich abgebrochen war. Sie wurde durch einen ge-
treuen Anhänger des Hauses Lothringen, den Marquis Choiseul
de Stainville aufrecht erhalten, welcher schon zur Zeit, als
■ Kaiser Franz nur Grossherzog von Toscana war, diesen am
französischen Hofe repräsentirte. Auch nach dem Ausbruche
Ides Krieges blieb Stainville in Paris, und man Hess es unent-
schieden, ob seine Beglaubigung erloschen sei oder nr ht.
Wenigstens stand er nach wie vor im Verkehre mit dem Mi-
nister des Aeussern, und Puysicux versäumte keinen Anlass,
ihn der besten Intentionen des Königs von Frankreich und
seiner Regierung für die Kaiserin Maria Theresia und ihren
Gemahl, sowie für Oesterreich überhaupt zu versichern. Nichts
sei natürlicher, sagte Puysieux bei einem solchen Gespräche
dem Marquis de Stainville, als dass die Kaiserin nur wenig
Vertrauen zu Frankreich hege, denn es habe ein solches um
sie nicht verdient. Aber er hoffe darauf, dass dies bald anders
sein werde und die Zeit nicht mehr fem liege, in welcher
Frankreich dazu mitwirken werde, dem Hause Oesterreich
seinen alten Glanz wiederzugeben. Um jedoch hiezu zu ge-
langen, dürfe man nichts überstürzen, müsse die Zeit wirken
lassen und von den Ereignissen Nutzen ziehen. Schenke man
sich gegenseitig nur volles Vertrauen, so könne die Verbindung
zwischen den beiden Regierungen eine unauflösliche werden,
and dies sei es, was sein König, in dessen Herzen keine Spur
einer Gereiztheit oder Verstimmung zurückgeblieben sei, sehn-
süchtig wünsche.*
> Stminville an den Kaiser. 30. Marx 1749.
186
Wie aber die Stellung Stainville's am französischen Hofe,
welcher übrigens eine längere Dauer ohnedies nicht mehr be-
schieden war, auch beschaffen sein mochte, eine wirkliche Re-
präsentation Oesterreichs in Frankreich konnte niemals ans ihr
werden. Die baldigste Wiederherstellung der diplomatischen
Verbindung zwischen den zwei Mächten erschien jedoch gerade
denjenigen höchst wtlnschenswerth, welche sich auf gleichem
Standpunkte wie Eaunitz befanden. Darum arbeitete auch
dieser noch von Aachen aus darauf hin, dass baldigst eine
Vertrauensperson nach Paris abgesendet werde, der es zunächst
obUege, die Vollsti'eckung der Abmachungen zu fbrdem, welche
der eben abgeschlossene Friedensvertrag enthielt. Der Oste^
reichische Botschaftssecretär de Launay, welcher Kaunitz wah-
rend seines Aufenthaltes in Aachen beigegeben war, wurde
hiezu ausersehen, und um seine baldige Abreise nach Paria
möglich zu machen, liess ihm Kaunitz einstweilen auf seinen
eigenen Credit ein Reisegeld von 2500 Gulden verabfolgen.'
Kaunitz versah ihn ausserdem mit einer eigenen Instruction;'
de Launay starb aber schon wenige Tage nach seiner Ankunft
in Paris, am 28. Januar 1749 ganz plötzlich am Schlagflusse.'
Es handelte sich nun darum, ihm einen Nachfolger zu geben,
welcher bis zur Ankunft des Grafen Kaunitz als einstweih'ger
Geschäftsträger in Paris fungiren sollte, wie denn auch die
französische Regierung einen solchen Namens Blondel nach
Wien geschickt hatte. Die Wahl fiel auf den Gesandtschafts-
secretär von Mareschal, der im August 1749 in Paris eintraf.
In der steten Zögerung Frankreichs, seinen neuen Bot-
schafter in Wien, den Marquis de Hautefort an den Ort seiner
Bestimmung abgehen zu lassen, lag wohl die Ursache, weshalh
es überhaupt zur Absendung Mareschal's nach Paris kam und
warum sich nicht an seiner Stelle Kaunitz selbst, und zwar
als Botschafter dorthin begab. Denn zu diesem Posten war er
nach wie vor bestimmt, und schon im Juni 1749 erklärte er
Blondel seine Bereitwilligkeit zur Reise nach Frankreich. Aber
später als am 15. October, fügte er hinzu, könne er sie
nicht mehr antreten, weil ihm seine angegriffene Gesundheit
* Kannitz an den Banqnier Nettine in Brilssel. 17. Janaar 1749.
' Antwerpen, 19. Januar 1749 und Nachtrag vom 21. Januar.
' Frau de Launay an Kaunitz. Paris, 30. Januar 1749.
187
eine so weite Fahrt wahrend der rauhen Jahreszeit nicht ge-
statte. Einem vertraulichen Briefe, welchen Kaunitz während
eines kurzen Sommeraufenthaltes in Austerlitz an Ulfeldt schrieb,
können wir jedoch entnehmen, dass er diese Aeussening nur
gethan hatte, um Hautefort's Ankunft zu besclileunigen. Wenn
der Dienst der Kaiserin es erheische, erklärte er zu jeder
Jahreszeit reisebereit zu sein und sich durch gar kein Be-
denken hieven abhalten zu lassen.^
Diese Bemühungen des Grafen Kaunitz blieben jedoch wenig-
stens vorderhand ohne Erfolg. Nichts verlautete von einer baldigen
Abreise Hautefort's nach Wien, und so blieb denn auch Kaunitz
gleichsam unfreiwillig, aber freiHch nicht mtissig daselbst; denn
er wohnte nach wie vor den Sitzungen der geheimen Confcrenz
bei, ja man kann sagen, dass er bald in ihr die einflussreichste
Stellung einnahm. Selbstverstilndlich erstreckte sich sein Wir-
kungskreis zunächst auf die auswärtigen Geschäfte, in denen
er nun schon seit einer Reihe von Jahren so hervorragende
Dienste geleistet hatte. Eine unausbleibliche Folge davon war,
dass hiedurch auch das Gebiet berührt wurde, auf welchem
bisher Ulfeldt und Bartenstein ziemlich unumschränkt geheiTscht
hatten. Durch ihr unbegrenztes Vertrauen zu Kaunitz wurde
I die Kaiserin sehr häutig veranlasst, ihm Schriftstücke zur Be-
I gutachtung mitzutbeüen, welche von Bartenstein ausgearbeitet
und ihr durch Ulfeldt zur Genehmigung vorgelegt worden
waren. Man muss zugestehen, dass Kaunitz mit seinem Tadel
nicht sparsam und auch nicht immer bemüht war, ihn in Worte
zu kleiden, welche des verletzenden Stacliels völlig entbehrten.
Ulfeldt's Empfindlichkeit hierüber macht sich denn auch immer
deutlicher bemerkbar, und er, der während des Aufenthaltes
des Grafen Kaunitz in Aachen von Lobsprüchen desselben
überfloss, lässt sich jetzt manchmal in recht gereiztem Tone
über ihn vernehmen. Dass er auch der Kaiserin gegenüber in
einen solchen vertiel, wird wohl als ein Anzeichen gelten dürfen,
' Kaunitz an Ulfeldt. Austerlitz, 17. August 1749. Eigenhändig. ,. . . lorsque
je dis ü M. Blündcsl, il y a dcux müis, que je partirai, si on vouloit, avaut le
16 octobre, maia quo ma santd no me pormettoit plus de voyagor l'byver,
cela n'a H6 dit que dans le dessein d'acc^lärer l'arriräe de ranib.a!u<a-
deur fTan<;ai8, et n'a pas voulu diro que je ne me preterai pos 4 partir
^•pri« le 15 octobre, s'il est da serrico de l'Impäratrice que c«Ia soit
ftln», car eu ce cas rien ne m'arrSte . . .'
dass ihm ein Gefühl der Eifersucht auf die Werthschätzung,
welche sie Kaunitz zollte, durchaus nicht fremd war.
,Des Grafen Kaunitz Schrift,' so lautet ein Billet Ulfeldt's
an Maria Theresia aus jener Zeit, ,Oberweiset mich nicht mehr
als seine frühere Anmerkung'. Sie ist mit einiger Ereifening
und so hochb-abend geschrieben, dass sie mir Ekel verursacht
Denn worin besteht der Vorschlag des Grafen Kaunitz, von
welchem er behauptet, dass er genehmigt worden sei, als in
demselben, was auch mein Vntum und die fibrigen enthielten?"
Aucli dafür winl uns Ulfcldt als ein unverdächtiger Zeuge
erscheinen, dass er mit seiner Eifersucht gegen Kaanitz am
Wiener Hofe nicht allein stand. Man kennt die Innigkeit der
Beziehungen, welche zwischen Maria Theresia, insbesondere
wahrend ihrer ersten Regierungsjahre, und ihrem treuen und
bewährten Rathgeber in persönlichen Angelegenheiten, dem
Grafen Sylva-Tarouca obwalteten. Von ihm erzUhlt Ulfelilt
dass er von Widerwillen gegen Kaunitz erfüllt sei und es nicht
über sich gewinnen könne, irgend etwas zu einem gedeihlichen
Ziele zu führen, das von Kaunitz an ihn gelange.*
Aber mau kann wohl sagen, dass diese gegen Kaanitz
gerichteten Strömungen ohne allen Einfluss auf Maria Thoreait
blieben. Gerade aus einer Zeit, in der sie am gewaltigsten zn
fluthen schienen, besitzen wir eine vertrauliche Aufzeichnung
von ihr, welche deren gänzliche Machtlosigkeit unwiderleglich
«larthut. ,Ich habe,' schrieb sie am 14. Mai 17öO an ihren Ca-
binetssccrctjlr Koch, dem sie eine von Kaunitz herrührende
Schrift über die Barriereaugelegenheit zurücksandte, ,die Arbeit
von Kaunitz gelesen und war einen ganzen Tag mit ihr be-
schufligt, während dessen ich am Fieber und an starken Kopf-
schmerzen litt. Aber ich kann sagen, dass, nachdem ich bis
ans Ende gekommen, ich auch durch die Befriedigung wieder
hcrgoatelit war, die es mir gewillirt, an ihm einen solchen Manu
und die einzige Hilfe fUr mein Ministerium zu besitzen. Je
höher ich ihn schtttze, umsomehr zittere ich für ihn und seine
Erhaltung, und umsomehr fülde ich, wie sehr er mir hier ab-
gehen wird. Ich that jedoch noch mehr; ich sandte die Arbeit
dem Prinzen Carl, der sie gestern las, indem er zu diesem
* Vom 20. Min 1760.
■ Ulfeldt an Botu. 13. Juli 1750. Bei Anietfa, Oescliicbte Maria TheresiaiL
lY, S. 632, Anm. SÖ8.
189
l
Zwecke um 5 Uhr aufstand, um sie noch vor den Ceremonien
zu beendigen. Er hat sie unendlich bewundert und ist einver-
standen mit ihr, will aber dies nicht nach Aussen hin zeip^en.
Er hat mir sogar noch mehr gesagt, was ich jedoch nur Kau-
nitz wiedererzählen werde.'*
In welch' hohem Masse Graf Kaunitz, wohl ohne absicht-
lich darauf auszugehen, den ofiiciellen Kathgeber der Kaiserin
in den auswärtigen Angelegenheiten, den Grafen ülfeldt, in
ihren Augen verdunkelt haben muss, geht auch aus einem
Schreiben deutlich hervor, welches Ulfcltlt kurz nach der Ab-
reise des Grafen Kaunitz nach Paris an Maria Theresia richtete.
und noch grösseren Werth gewinnt es als Masstab des Frei-
muthes, mit welchem die Männer, die von der Kaiserin ihres
Vertrauens gewürdigt wurden, zu ihr zu sprechen sich er-
lauben durften.
jUnglliekselig sind Diejenigen,' so lässt sich Ulfeldt ihr
gegenüber vernehmen,* gegen welche Eure Majestät einmal
prUvenirt sind; sie müssen allzeit Unrecht haben, und Alles wird
gegen sie ausgelegt. Die Erfahrung lehrt mich leider schon seit
geraumer Zeit, dass mich dieses Schicksal betrifft, was mich
aber nicht hindern wird, so lang als es Eure Majestät werden
anhören wollen, es Ihnen unbedenklich vorzustellen, wenn Eure
Majestät sich irren.'
Aus einem mit dem venetianischen Botachafter Tron vor-
gekommenen Zwischenfalle sucht Ulfeldt der Kaiserin zu be-
weisen, wie sehr sie ihm Unrecht thue, indem sie ihn zu einer
Art Ehrenerklärung gegen Tron verurtheile. Sie lese, schrieb
er ihr, die Geschäftsstücke ,mit zu grosser Prävention und Eil-
fertigkeit', und rlaraus sei der bedauerliche Lrrthum entstanden,
um den es sich handle. Was aber die gleichfalls getadelte Ver-
letzung des Amtsgeheimnisses angehe, so werde eine cindring-
I liehe Untersuchung darthun, wem sie zur Last falle", .bis dahin
werden,' sagt Ulfeldt wörtlich, .Eure Majestät erlauben, dass
ich bei meiner vorigen Meinung bleibe. Damit aber Niemand
I angehört verdammt werde, habe ich darauf angetragen, dass
Eure Majestät den Grafen Kaunitz hierüber vernehmen. Auch
dieses haben Eure Majestät verworfen, weil er abgereist war;
I ■ Arueth, Oescliicbte Maria Tberenias. IV, S. 642, Anm. 398.
1 * 13. October 1750.
190
so vermeinte ich meiner Schuldigkeit nachzukommen, indem
ich die Sache nicht mehr erwähnte, wobei ich nicht vorher-
sehen konnte, dass eine solche Piece Eure Majestät veranlaäseo
werde, ihn zu entschuldigen, mich aber zu verdammen,'
,Eure Majestät wissen, dass ich mir selbst schon mein
Urtheil gesprochen habe. Ich bleibe dabei, dass ich nicht zn
hoflFen habe, Eure Majestät könnten wieder eine bessere Mei-
nung von mir fassen und die Prävention ablegen, dass, was
von mir kommt, Unrecht sei, bis mir nicht Gott vielfaltige Ge-
legenheiten wie diese an die Hand gibt, Eure Majestät zu über
zeugen, dass ich in meinem ganzen Thun and Lassen keine
andere Absicht als Eurer Majestät Allerhöchsten Dienst vor
Augen habe.'
Maria Theresia Hess sich jedoch durch diese und ähnliche
Ellagen und versteckte Hinweisungen auf ihre Vorliebe filr
Kannitz nicht darin irre machen, diesen fortan als den Mann
ihres ganz besonderen Vertrauens hinzustellen. Zur selben
Zeit, in der sie jenes Schreiben von Ulfeldt empfing, erneuerte
und vei-schilrfte sie den schon früher ertheilten Befehl, gewisse
sorgfilltig geheim zu haltende Schriftstücke keinem einzigen
österreichischen Repräsentanten im Auslande mitzutheilen, nur
für Kaunitz müsse eine Ausnahme gemacht und ihm Alles zu-
gesendet werden. Aber doch auch gleichzeitig darauf bedacht,
den unermüdlichen Verfasser aller wichtigeren, von der Staats-
kanzlei ausgehenden Actenstücke nicht zu verstimmen, ja wohJ
gar zu enlmuthigen, fllgte sie hinzu: ,die arbeit ist ungemein gros
vor IJartenstein und weiss nicht wie möglich, dass er es bestreitte.
Wan er nur, wer es wäre, wen er wolle, findete, ihme zu helffcn."
Wenn Bartenstein die von der Kaiserin hier angedeutete
Erleichterung der auf ihm ruhenden Arbeitslast nicht auch
wirklich zu Theil wurde, so dürfte die Hauptursache hievon
kaum so sehr in dem Mangel eines geeigneten Gehilfen, als in
ihm selbst zu suchen sein. Denn so scharf ausgeprägte und
von der Erkenntniss des eigenen Werthes so durchdrungene
Charaktere wie Bartenstein finden nicht leicht eine Persönlich-
keit, der sie rUckhaltslos die Fähigkeit zuerkennen, sie zu ver
treten. Und Lei der überaus hohen Meinung Bartenstcin's von
Beilage zn einer (Or tJlfeldt bestimmten Anfxeichnnn^ Bartenatein'B i
U. Oetober.
191
seinen eigenen Arbeiten würde er wohl kaum jemals zugegeben
haben, dass auch ein Anderer im Stande sei, wenigstens Aehn-
liches zu leisten.
Trotz der Eifersucht, welche Ulfeldt gegen Kaunitz em-
pfand, scheint er doch eingesehen zu haben, dass es im Inter-
esse der Monarchie, der sie ja Beide mit voller Hingebung
dienten, und in seinem eigenen lag, jene an und für sicli doch
ziemhch kleinlichen Regungen nicht allzusehr die Oberhand ge-
winnen zu lassen. Nachdem es endlich, etwa ein Jahr später,
als es ursprünglich geplant worden war, im Herbste 1750 zur
Abreise des Grafen Kaunitz nach Paris gekommen war, sandte
ülfeldt der Kaiserin das folgende Billet:
,Dem grafen von Kaunitz habe vermeinet guth zu thuen,
zum ersten auf einen freundlichen fus zu schreiben, und lege
seine antworth hier allerunterthilnigst bey." Leider ist uns
keiner der beiden zwischen den zwei rivalisirenden Staats-
männern gewechselten Briefe erhalten geblieben, und ungemein
selten stossen wir während der Dauer der Mission des Grafen
Kaunitz in Paris auf eine jener vertraulichen Mittheilungen,
wie sie ihm während seines Aufenthaltes in Aachen von Seite
des Grafen Ulfeldt so häutig zugegangen waren.
Auch über die Art und Weise, in welcher Kaunitz seine
Reise nach Frankreich zurücklegte, sind wir nicht näher unter-
richtet, und w^ir wissen nur, dass sie ihn über Brüssel führte.
Nach einem wohl über eine Woche hinaus sich erstreckenden
Aufenthalte daselbst traf Kaunitz am 27. October, fast zwei
Wochen später in Paris ein, als Uautefort in Wien ange-
kommen war.
Es lag nur in der Natur der Sache und entsprach der
damals herrschenden Gewohnheit, dass Kaunitz eine ziemlich
umständliche Instruction mit auf den Weg gegeben wurde. -
1 Grössere Bedeutung als ihrem Inhalte, der keineswegs als ein
I
I
I
I
* 10. October 1750.
* Referat Tom 10. December 1700. ,Kannitz hat selbsten noch vor seiner
Abreiiw woclientüch so unterrichtet, auch von allen pro and contra liier
vorfallentlen Betrachtuogun belehret zu werden gewunschen, deme in-
folge das nobenanüchlüasige weitschUcbtige Reacript an ihn entworfen
worden, worin 8ich klar nnteracbieden befindet, waa allein zu »einer ge-
heimen nacbricht oder zo weiterem Gebrauch ihme mitgothoilt wird,
obgleich diese Vorsorge in Ansehung seiner nicht jnst nOthig war.'
192
yollkommen klarer und nnzweideutiger bezeichnet werden km,
wird der Thatsache beizumessen sein, dass ihr auf sdnen eig»-
nen Wunsch eine Abschrift jenes vor etwa anderthalb Jilra
durch Bartenstein angefertigten Auszuges ans den Gntaclita
beigefllgt wurde, welche die Conferenzminister damaki tlber &
künftighin von dem Eaiserhofc zu befolgende auswärtige Poülik
abgegeben hatten. Ausdrtlcklich wird in der Instruction gesifit,
dass dieser Auszug die nach einer langwierigen and reiün
Ueberlegung festgesetzten Grundsätze enthalte, nach denei
künftighin in den auswärtigen Angelegenheiten zu ver&hrai
sei. Und nachdem an demselben keinerlei Veränderung TOf
genommen worden war, findet sich selbstverständlich auch die
so überaus wichtige, bereits einmal erwähnte Stelle darin tot,
dass nach der übereinstimmenden Meinung der Grafen UHeldt
und Kaunitz die höchst gefährlichen ,Unterbauangen' des KOnig!
von Preussen auf nicht weniger als auf völlige Zerreissong da
Bandes zwischen dem Haupte und den Gliedern des Dentsdio
Reiches und auf Unterdrückung der schwächeren Mitstinde
abzielten. Dem Reiche könnte daher kein grösserer Nutzen ver
schafiFt werden, als wenn man den König wieder in die redte
rcichsständische Verknüpfung zu ziehen vermöchte. Theib «us
dieser Betrachtung, theils aber weil der König von Preusses
als der ,grösste, geftthrlichste und unversöhnlichste Feind' des
Erzhauses Oesterreich anztisehen, ohne fast gewisse Sicherbat
eines günstigen Erfolges jedoch nichts gegen ihn zu wagen
und dieser Erfolg nur dann zu hoffen sei, wenn es zuvor
gelUnge, Frankreich von ihm zu trennen, wäre zur Es-
reichung dieses Zweckes, welche Ulfeldt, Blhevenhüller und
Kaunitz zwar für sehr schwer, aber doch nicht für ganz un-
möglich hielten, nichts unversucht, aber hiebei doch ancb
wieder keine nur immer erdenkliche Vorsicht ausser Acht z«
lassen.
Deutlich genug ist hiedurch der Kern der Absichten be-
zeichnet, welche man trotz allen gegen sie obwaltenden Hinder-
nissen durch die Sendung des Grafen Kaunitz nach Paris er-
reichen zu köimcn hoffte. Sie werden in der Instruction nocli
dahin erläutert, dass die Bestrebungen des Grafen Kauniu
vorderhand darauf zu richten seien, die französische Regiemng
von der Friedfertigkeit des Kaiserhofes und von seinem anf-
riehtigcn Verlangen zu überzeugen, mit ihr im Interesse der
193
I
I
I
I
I
allgemeinen Ruhe und des allseitigen Wohlstandes ein ganz
genaues Einverständnis» und das beste Vernehmen zu pflegen.
Erst wenn dieser Grund gelegt und Frankreich jeder Zweifel
an der , reinsten Donkungsart' des Wiener Hotes benommen
sein wUrde, künne man nach und nach daran arbeiten, dort
den Verdacht gegen Preussen zu vermehren. Dies dürfe jedoch
nur bei sich von selbst hiezu ergebenden AnlUasen geschehen,
um nicht durch allzugrossen Eifer den beabsichtigten Zwack
zu gefährden.
BekanntHch sei der König von Preussen unermüdlich in
Verdächtigungen Oesterreichs bei Frankreich. Ihm nicht nur
entgegen zu arbeiten, sondern auch eine ihm feindselige und
Oesterrcich günstige Stimmung zu erwecken, sei zwar ungemein
schwer, aber doch nicht unmöglich. Denn durch dreimahgen
Abschluss eines einseitigen Friedens habe der König von Preussen
Frankreich wiederholt und insbesondere im Jahre 1743 in grosse
Verlegenheit und höchst missHche Umstände versetzt. Da nun
der Krieg, in den es durch Preussen vervvickelt worden, ohne
Nutzen für Frankreich beendigt wurde und es die üblen Nach-
wehen gar sehr empfinde, da endlich ein noch weiteres An-
wachsen der Macht Preussens dem wahren Interesse Frank-
reichs durchaus nicht erspriesslich sein künne, sei zu erwai'ten,
dass diese und ilhnliche Betrachtungen einigen Eindruck auf
den Hof von Versailles hervorbringen würden. Aber der Zeit-
punkt, in welchem damit allmälig hervorzutreten sein würde,
und die Art und Weise, in der sie zur (Jeltung gebracht werden
könnten, müsse den Eindrücken, welche Kaunitz an Ort und
Stelle empfange, und seinem eigenen Ermessen anhcimgestellt
werden.
Vor nicht ganz zehn Monaten, in der ersten Hälfte des
Januar 175U,' hatte Mureschal an Ulfeldt geschrieben. Niemand
wünsche sehnlicher als er, dass Kaunitz baldigst in Paris ein-
treffen möge. Er zweifle auch gar nicht, dass bei dessen An-
kunft der erste Anschein recht schön und ganz geeignet sein
werde, glJlnzende Hoffnungen zu erwecken. Ob aber der Er-
folg hiemit übereinstimmen und eine Aenderung der bisherigen
Anschauungen am Hofe von Versailles zu erwarten sein werde,
müsse erst die Erfahrung lehren. Und im Mai desselben Jahres
L
8. Janaar 1760.
ArohiT. LrUVlU. Bd. I. Hiina.
18
194
berichtete Mareschal nach Wien,' gegen Preuasen sei in Frank-
reich nimmermehr etwas zu erreichen. Es wUre daher vielleicht
besser, sich im Hinblick auf König Friedrich .gleichgiltig und
gelassen' zu bezeigen, denn es sei zu besorgen, daes von öster-
reichischer Seite vorgebrachte Klagen und Vorwürfe das ohne-
hin schon allzueng geknüpfte Freundschaftsband zwischen
Frankreich und Preussen nur noch festigen würden.
Mareschal gründete seine Besorgnisse hauptsächlich auf
den Umstand, dass man seit der Thronbesteigung des Kaisen
Franz dem Könige von Frankreich die Meinung beigebracht
habe, er werde von dem Kaiser persönlich gehasst. Anfangs
habe, fuhr Mareschal fort, diese Behauptung nicht viel Glauben
gefunden, spilter aber nur allzutiefen Eindruck auf ihn hervor
gebracht. Denn Ludwig XV. sei ,8ehr schwach und unwissend',
weshalb er sich denn auch von den Personen seiner Un[igebang
leicht iiTcleiten lasse.*
Man muss Mareschal die Gerechtigkeit widerfahren lassen,
es anzuerkennen, dass wenigstens seine erste Vorhersmgtug
buchstilblich in ErfiÜlung ging. Kaunitz fand zwar am französi
sehen Hofe und bei der dortigen Regierung zuvorkommende
Aufnahme, aber über deren starke Hinneigung zu Preussen
konnte er sich nicht tÄuschen, und bald musstc er es als höchst
unvvahrscheinlich ansehen, dass sie sich mit Vernachlässigtuig
Preussens Oesterreich zuwenden werde.
Mit sehr grosser Genugthuung erftlllte es Kaunitz, als er
in Fontainebleau, wohin er sich gleich nach seiner Ankunft
in Paris an das damals dort betindliche Hoflagcr begab, von
den französischen Staatsmännern die Mittheilung erhielt, Haute-
fort könne sich dos Empfanges, den er specicll bei dem Kaiser
gefunden habe, nicht genug rühmen. Mit so edlem Freimuthc
habe der Kaiser über seine vermeintliche Abneigung gegen
König Ludwig gesprochen und diesen Verdacht zu entkräften
sich bestrebt, dass Haulefort sich eines tiefen Eindruckes nicht
zu erwehren vermochte. Und dass auch der König einen solchen
in sich aufgenommen haben müsse, schloss Kaunitz daraas,
dass Ludwig XV. in den täghchen Gesprächen, die er während
des Aufenthaltes in Fontainebleau mit ihm pflog, wiederholt
' An flfeWt. 14. Mai 1760.
* Mareschal an Ulfeldt. 8. Janti.ir 17&0.
195
auf den Kaiser zu reden kam und sich das Ansehen gab, als
erinnere er sich mit Vergnügen seiner persönlichen Bekannt-
schaft.^ Raunitz war umsomehr über solche Aensserongen
erfreut, als er behauptete, er kenne nichts Gefährlicheres
als die persönliche Feindschaft mächtiger Fürsten gegen ein-
ander.*
' EUtunitz an den CabinetssecretSr Baron Koch. Fontaineblean, 7. No-
vember 1760.
* Kaunitz an Baron Koch. 4. December 1760.
13»
Personenregister.'
Altieri, Pttrst, 26.
Arenber^, Herzog 70ii, 78.
Argenson, M&rc Pierre d', 170.
August n., KOnig von Polen, 17.
August m., EOnig yon Polen, 32,
169.
Balleotti, Marchese, SO.
Bartenstein, Johann Christoph Frei-
herr von, S6, 61, 61, 83, 104, 108,
114, 116, 133, 137, 139, 166, 167,
179—181, 188, 187, 190.
Bartolomei, Marchese, 34, 86.
Batthyany, Carl Graf, 103, 104,
106, 183, 184.
Belrupt, Gräfin Maximiliana, 66,
69, 70.
Benedict XITT., Papst, 13.
Benedict XIV., Papst, 29—31, 36,
131.
Bentheim, Graf nnd QrSfin, 19, 20.
— Arnold Graf, 8.
— Hermann Friedrich, 20.
Bentinck, Wilhelm Graf, 118, 127,
128, 139, 140, 146, 147.
Berghes, Georg Ludwig, 22, 23.
Berwick, James Fitzjames, Herzog
von, 26.
Bestuchew-Rumin, Alexis - Petro-
witsch, 168, 177.
Binder, Friedrich von, 66.
Blondel, Louis Auguste, 186, 187.
Borghese, FUrst, 26.
Boerhaave, Hermann, 21.
Browne, Maximilian Vljtaet Gnf,
113.
Burman, Peter, 21.
Camargo, Marie Anne, 86.
Capello, Pietro Andrea, S3, 34.
Carl VL 10, 14, 16, 22, 86, 88, 31,69.
Carl Vn. 9, 31, 32, 34, 62, 64, 56,
68, 157.
Carl in., KOnig von Neapel nndK-
ciUen, 36, 116, 171.
Carl EmanaelüL, KSnig ron Sar-
dinien, 29, 30, 33, 36 — iO, 48, 4S,
46-49, 61, 56, 57, 69 — 64, 121,
122, 124, 186, 129, 131, 133, 174,
175.
Carl von Lothringen 68, 65, 67,
68, 71, 77, 83, 84, 86 — 88, 160,
188.
Carl AlbertvonBaierna-CarlVIL
Carteret, Lord, 69.
Chablais, Herzog von, 33.
Chanclos, Graf, 89, 90, 94, 101.
Charlotte von Lothringen 70.
Chauvelin, Gtermain Louis Marquis
de, 26.
Chavannes 118, 126, 134.
Chimay, Fürstin, 89.
Choiseul de Stainville, Marqnii,
84, 186, 186.
Clemens XH., Papst, 25.
Clemens August, Knrfarst von
Köln, 13, 15, 19, 106.
Cobenzl, Carl Graf, 27, 106.
* Der Marne des Grafen W. A. Kaunitz wurde wegen seines hXufigen
Vorkommens in das Register nicht aufgenommen.
^^^HH
■ Colloredo,OrafRudo1f,l&4,163,182.
Haag witz, Friedrich Wilhelm Graf, ^^^|
■ Colonna, FOrgt, 25.
^^M
W Contarini, Marco, 64.
Hautefort, Marquis d', 186, 187, ^^|
~ Cope, General, 88.
^^H
Corsini 25.
Hessen-Rheinfels, Prinzessin, ver- ^^^|
■ Crampipen Heinrich 106.
mäblt« Bentheim, 20. ^^H
W Camborland, Wiltielm Aogust Her-
Itten ^H
■ zog von, 81, 83, 88, 139.
Josef 11. 6, 29. ^^M
DOtinghem 24, 26, 28.
Kauderbacb 141—144. ^^|
Dnyn, van der, 94, 95, 97, 98, 101.
K au nitz,Anti)nii)Grütin(venn. Gräfin ^^^|
Eck, Otto Graf, 17.
Questenberg), 112. ^^H
_ Elisabatli, Kaiterin (Gemahlin
— Dominik Andreas Graf, 7, 111. ^^H
Carls VI.), 10, 69, 71.
— Dominik Graf, 28, 66. ^^M
— Kaiserin von Ru.ssland. 177.
— Eleonore Gräfin (verm. Gräfin ^^H
— Therese, Königin von Sardinien,
Palffj), ^H
29, .30, 33.
— Ernst Graf, 28, 66. ^^|
— Königin von Spanien, 36, 42, 171.
— Franz Carl Graf, 7. ^^M
— Erxherzogin, 22, 67, 68.
— Franz Wenzel Graf, 66. ^^H
Eltz, Philipp Carl, 24.
— Johann Dominik Graf, 10. ^^^|
Engel, Dr., 69—71, 73, 74, 76.
— Johann Josef Graf, 16, 17. ^^H
Ferdinand VI. von Spanien 171.
— Josef Clemens Graf, 65. ^^H
Figuerol« 73.
— Carl Graf, 16. 23. ^^M
Flenry, Cardinal, 2ß.
— Marie Ernestine Francisca, geb. ^^^^
_ Franz I. (Grosshenog von Toscana),
Rietberg, 8, 29, 112. ^^^k
1 29, 69, 71, 84, 87, 88. 127, 157,
— Max Graf, ^H
■ 158, 179, 186, 194, 195.
- Max Ulrich Graf, 7—9, 11, 14— ^^|
Franz III. (Herzog von Modena),
17, 29, 36, 111, 112. ^^^k
38, 134.
— Moriz Graf, 28, 66. ^^^k
Friedrich U. von Prenssen 17, 29,
Kheveuhnller, Josef Graf, 154, ^^^k
31, 35, 67, 88, 108, 12.5, 130—133,
163, 164, 182, 192. ^^|
142, 168—161, 167, 168, 171, 173,
Kinsky, Philipp Graf, 168. ^^H
174, 177, 178, 182, 192—194.
Koch, Ignaz Freiherr von, 195. ^^^H
Friedrich Lndwig, Prinz von
Kolowrat, Graf, 16, 17. ^^|
Wales, 167.
KOnigsegg, Lothar Josef Dominik ^^^^
FriedrtcbWilhelm I.von Prenwen
Graf, 66 — 68, 78, 77-79, 81, 89, ^^|
17.
154, 159, 160, 182. ^^|
Fnclia, Gräfin, 16.
Korff, Friedrich Mathias Freiherr ^^^k
Oages, Jean Bonaventura Thierrj
^^^H
dn Mont, Graf, 48—60.
^^1
Georg II. von England 68, 69, 81.
Lambertini, Prospero, s. Benedict ^^^^
108, 167.
^H
GH Dies, Graf, 47.
Lannoy, Graf, 93, 97, 101. ^^^k
Goldstein, Gräfin, 118.
Lanti ^^H
Haaren, van, 118.
Las Minas, Marques de, 47. ^^H
Haller 117.
Launay, Comel Ludwig, 186. ^^^|
Harrach, Ferdinand Graf, 127.
— Frau von, 186. ^^^|
■ — Friedrich Graf, 79, 114, 154—168,
Lebzeltern, Jobann Leopold Ritter ^^^|
1 161—163, 179' 183.
^^^1
198
Leopold I. 7.
Lencbtenberg, Ferdinand Maria
Prinz von, 19.
Lichte, Domherr, 22.
Lobkowitz, Christian Fürst, 61—63.
Lopez 75, 76.
Lobs, Christian und Johann Adolf
Grafen 119, 120, 137, 141.
— Johann Adolf Graf, 182.
Losy, Gräfin, 74.
Löwendal, Waldemar Graf, 87.
Lttcchesini, Marquis, 17.
Ludovici, Christian, 17, 18.
Ludwig XV. 120, 123, 132, 136, 170,
176, 185, 194.
Mnc'Donel 89, 90.
Manderscheid und Blanlienheim,
Johanna Francisca Gräfin (verm.
Griifin Rietberg), 8.
— Moriz Gu.stav, 8.
Mn reschal, Johann Carl Josef von,
35, 18Ö, 193, 194.
Maria Josefa von Sachsen, Dau-
phine, 176.
Marianne, Erzherzogin, 10, 68, 66 —
70, 72—76.
M.iria Theresia, Kaiserin, 6, 8, 10,
11, 16, 28, 30, ,32—38, 43, 44, 46—
51, 55—64, 66—73, 78, 83, 90—92,
102, 106, 108—110,112—116,119,
120, 122, 126—130, 132, 134—137,
139—146, 148—160, 157, 158, 162,
1Ü4, 166, 170, 176, 177,179-185,
187-191.
Montemar, Horrog, 36, 39, 48.
Moriz von Sachsen 81, 83, 86, 87,
90, 92—97, 100, 101, 105.
Mus, Domvicar, 15.
Navii, Graf, 94.
Noipporg, Wilhelm Reinliard Graf,
91.
Notliiu», Hanlihaus, 186.
Ol.iu 99. 100.
Oiiiu-!», Carlo Vincenzo 1. Ferroro
\U<vh<w.>, ;i9 — 41, 43, 45, 46, 49,
V. Nl, .%: ,-,9, 62—64.
v»i»,>ii>>, viiu.toppe <r, 59.
»•»■.!>. ;<.
Philipp y. von Spamea 171.
Philipp von Spanien 36, 37,42,li(,
121, 124, 126, 142, 174, 17«, lli
Pio, Ludwig Fürst, 26.
Planta 98, 99.
Plettenberg, Ferdinand Adolf Gnf,
19.
— Friedrich Chriatian, 8.
Poal, Don Manuel Deswales ICuqiii
de, 78—80.
Polignac, Melchior de, Cardinal,S(.
Pompadour, Marquise de, 170.
Puysieux, Marquis de, 119, 1!1-
124, 126, 130—136, 140, 170, ITB,
186.
Recke und Schmising, FreihOTW
von, 13.
— Johann Mathias, 14, 16.
Bicheconrt, Heinrich Graf, 64.
Rietberg, Ferdinand Max Graf, ',
8, 20.
— Marie (verm. Gräfin Kaunitz), 7,
20.
Robinson, Sir Thomas, 74, 140, 14$.
Rohan, Cardinal, 26.
Kosenberg, Franz Graf, 106.
Ruspoli, Für.st, 26.
Hnzzini, Carlo, 2ö.
Sandwich, John Earl of, 118, 124-
126, 128, 134, 139, 140, 146.
SchiJnborn, Graf, 14.
— Friedrich Carl Graf, 24.
Schulenburg-Oeynhausen, Lud-
wig Ferdinand Graf, 30, 33.
Sgravezande 21.
Sinzendorff, Josef Graf, 27.
— Philipp Graf, 34.
— Rudolf Graf, 26.
Solari, Maurizio di, 58, 59.
Sprecher 98.
Starhemberg, Ernestine Gräfin
(verm. Gräfin Kaunitz), 28, 65.
— Franz Graf, 28.
— Thomas Gundakar Graf, 28.
Sternberg, Franz Philipp Graf, 15''i.
Stolberg, Prinz, 99, 100.
St. Severin, Graf, 119—121, 123-
126, 128, 130, 131, 1.33-147.
199
Stuart, Jakob (Jakob III.), 25.
— Carl Eduard, 26, 88.
— Maria (Maria Sobieska), 26.
Stürler, Johann Endolf, 98, 99.
Swieten, Gerbard van, 72 — 7G.
Sylra - Taronca, Emannel Graf,
74—76, 92, 101—105, 107.
Tencin, Cardinal, 84.
Theil, du, 153.
Thun, Josef Graf, 30.
Toumen 71.
Traun, Otto Ferdinand Graf 39, 49,
60, 61.
Tron, Andrä de, 189.
Ulfeldt, Corfiz Anton Graf, 3S, 48,
60, 51, 66, 61, 62, 64—66, 71—74,
77, 81, 82, 84, 86, 87—89, 91, 92,
101, 103—106, 107, 108, 110, 118—
120, 123, 127, 128, 136—138, 140,
143, 144, 147—156, 160, 161, 180—
183, 187—193.
Vehlen, Alexander, 16.
Victor Amadens II., KOnig von
Sardinien, 39, 40.
V i 1 1 a r 8 , Claude Louis Hector Herzog
von, 26.
Villettes 47, 60, 51, 69.
Vitriarius 21.
Waldeck, Fürst, 89, 90,97—99, 101.
— Fürstin, 89.
Walpole, Sir Eobert, 166.
Wasner, Ignaz von, 59.
We ruber, Dr. Balthasar, 27.
Wolff-Metternich, Hermann Wer-
ner, 8.
Wrschowetz, GrSfin (venu. Gräfin
Belmpt), 69.
Wu c b e r e r,Heinrich Bernhard von, 27.
Inhalt.
Vorwort S
Einleitung (
I. Capitel.
Familie Kaanitc v 7
Die Eltern und Brttder de« Qr»fen Weniel Kaanitx 8
Erwerbung geistlicher Pfründen 1!
Aufenthalt des Grafen Wenzel Kaunitz in Leipaig 17
Reise nach Holland, Belgien, Italien und Frankreich 18
Ernennung com Reichshofrath 36
Amtliche Thätigkeit 87
Vermählung des Grafen Kannitz mit der Gräfin Emestine Starhembeig 28
Sendung nach Turin, Florenz und Rom 89
IL Caplt«l.
Lage Maria Theresias nach der Schlacht bei Mollwitz. Die Nymphen-
bnrger Verträge Sl
Sendnng des Grafen Kannitz nach Turin SS
Stellung Oesterreichs in Italien S&
Carl Emanuel und sein Minister Ormea 39
Neapel und Sicilien. Verhandinngen wegen eines Bttndnisses Oesterreichs
mit Sardinien 42
Der savoyische Feldzug. Schlacht bei Camposanto 47
Fortsetzung der Verhandlungen. Der englische Gesandte in Turin, VUlettea 49
Englands Absichten in Betreff Italiens. Denkschrift des Grafen Kannitz
Aber die Vertreibung des Hauses Bourbon ans Italien. Plan, das kur-
fürstlich bairische Haus nach Italien zu verpflanzen 58
Abschluss des Bttndnisses mit Sardinien 69
Veränderungen im Conimando: Graf Traun wird durch den Forsten
Lobkowitz ersetzt 60
Abberufung des Grafen Kaunitz ans Turin und seine Ernennung zum
Obersthofmeister der Erzherzogin Marianne 68
III. Capitel.
Die Sshne des Grafen Kannitz. Ankunft in Brüssel 6i
Niederkunft, Krankheit und Tod der Erzherzogin Marianne 66
Ernennung des Grafen Kaunitz zum bevollmächtigten Miniater; Poal's
Vorschlag, eine neue Junta einzusetzen; die niederländischen Fi-
nanzen 77
201
SeiU
Feldziifr in den Niedorlanden; Schlacht bei Fontonoy 80
Fall der Citadelle Ton Toaniay; Abberufung Cumberland's 82
Waldeck und Mnc'Donel 89
EinscbiSuBig der englischen Hilfstrappen ans den Niederlanden nach
England; Anmarsch der Franzosen gegen Brüssel; Kaanitx setKt
»ich für eine standhafte Vertheidignng Brilssel» ein 91
Belagerung und Cni>itulation von BrüHsel; Moriz von Sachsen ... 94
KannitE verlä-ist Brüssel; er bittet, seines Postens in den Niederlanden
enthoheu in werden; seine Abberufung 101
IT. Capitel.
FriedensTerhandlungen m Breda; Maria Theresia beabsiclitigt, den
Grafen Kannitz zu ihrem BevollmHchtigten zu ernennen; Kannitz
leimt mit Hinweis auf seinen kriinklicben Zustand ab IIW
Tod und Nachlass des Grafen Maximilian Ulrich Kaunitz 111
Maria Theresia wünscht Wiederherstellung des Friedens; Instructionen
für Kaunitz; dessen Abreise nach Aachen 112
Haltung Englands; Frankreich; Verhandlungen Englands mit Frank-
reich und Spanion; Unterzeichnung der FriedensprSliminarien . . 119
Einsprache des Grafen Kaunitz; Verliandlnngen mit Frankreich; Bei-
tritt Maria Theresias zu den Präliminarien 124
Ungeduld der Kaiserin über den langsamen Gang der Verhandlungen;
Einigung zwischen Frankreich und England llber den abzuscblies-
■enden Frieden; Sendung Robinson's nach Aachen ISü
Kanderbach nnd St. Severin; Ab.HclilnB.s einer Convention zwischen
Knunitz und St. Severin; Abschlus« des Friedens von Aachen; Er-
nennung des Grafen Kaunitz zum Coaferenzministor 141
y. Capllel.
Die geheime Conferenz; das künftige politische System; Harrach and
Bartonstoin; Gutachten der Conferonzminister und das des Kaisers;
Gutachten dos Grafen Kaunits; Entscheidung der Kaiserin; Bat-
thyany's Gutachten Iö3
Tl. Capit«l.
Ernennung des Grafen Kannitz zum Botschafter in Paris; der bisherige
Vertreter Marquis Cboiseiil de Stainville; Launay; der französische
GescbäftstrSger Blondel; Maniuis Hautefort 185
Vertrauen der Kaiserin zu Kaunitz; Eifersucht Itlfeldt's; Abreise des
Grafen Kaunitz nach Frankreirb; Instruction für ihn; freuniiscbaft-
liche Aenasemngon Ludwigs XV. über den Kaiser 187
ArekiT. LUXVIII. lu. 1. UUtUi.
IS»»
STUDIEN
zu DEN
JGARISCHEN GESCHICHTSQÜELLEN.
VIII.
VON
pKOF j)E liAIMUND FRIEDRICH KAINDL
IN CZEBNOWITZ.
• I I
VIII.
Die Gesta lluii!;un>riiiii vetern, Nliltcrps über Ihr» (io-
ntnU, Ihr £lnt8t»heii, ilirc ({ui>lleii uiui ihr Wertli.
In der VII. Studio (Apohiv, LXXXV. Bd., 8. 431 ff.) ist
bewißaeo worden, dass bereits dem um 1^30 sclirciboudon
Alberich von Trimu Fontium, ebenso dem gleiuheeitigon Münchc
Kiühftrd (Do facto Hungarioe magnao) und hierauf etwa vier
Jahrzehnte später dem anonymen Notar und Keza pinu l)isto-
■ riache Aufzeichnung über die Ungarn vorlag, die wir als ,Ocsta
Hungaporum vetcra' beüeichnet haben. Dieser Titel beruht
zunächst auf der Mitthoilung Hiohards, da£S ihm ,g08ta lillKÜ'
forum C'hristiunorum' vorlilgen;^ das ,vetera' hab^n wir hiO'
zugesetzt, um die Ursprttngliahkeit der Quelle gegenüber den
_ anderen Ungamchroniken zu kenn^eiohitfsn. Ka ist aucli be-
■ reits ausgeführt wurden, dass um ISÜO diese Qesta votera
neben Keaa bei der Ht^rstejlung der Nationalen Grundohronik
oder Ofener Minoriteqchrüuik benutzt wurden. Dieselbe be-
stand aus Keza's Hunengescliichto, ferner dem ebonfalla von
Keza herrührenden Uebergange von dieser jsurUngarngeaohichte;
für letztere wurden die Gesta vetcra in urspriingUeher Gestalt
neben dem in Kcaa's Work enthaltenen Texte derselben be-
■ nützt; Keza's dUrre Darstellung von Culoman (bis zu welchem
Könige die Gesta vctera reichten) bis auf Stoplian V. wurden
aus einem genauen Yurzcichnissu der Krönungs- und Sterbe-
jahre der Könige und durch einzelne, ot\ irrige Naehriehten
erweitert; seit Ladislaus IV. folgen aqdann die selbständigen
Nachrichten.
Auch über die Gestalt und den Umfang dieser Quelle hat
uns die citirte Untersuchung der Hauptsache nach bolelirt. Auf
rieJfttcho Weise sind wir zu dem ^hluase gekommen, dass die
' Endlicher, Moniimerita Arpadiana I, 34S (zweimal). Die Bomorkung
im Cliroiiicoii Budoiut« S. 93: ,Eiit aiitoiu Rcriptutn in antiqtiji< libris de
gostin Hunnaroru in . . .' beiiivlit Hielt dafire^Hii offeittuir niif eine
»udure Quelle; vgl. untere Au»fUhniueeu vueitor nuten im Texte,
306
nrsprttnglichen Gesta Hangaroram mit einer Bewslireibai te
Urheimat (SkTthien) der Magyaren anfingen, Uannf WtUt
langen über die Abstammong des Volkes and aeaaer Henahi
boten, sodann sofort auf Almas and die EiUlrang dtaa
Namen tlbergingen, am hieraaf die Gtoechicke der üitguB nt
diesem Herzoge bis gegen das E^de des 1 1. Jnhrhanikrti ■
enriüden.
Der Zweck der folgenden üntenmohnii|f wird ta oniöh
ans aber die arsprangliche Gestalt der Gk«t» nlliflr nk-
lehren, die Zeit and den Ort ihres E^tMehens im
endlich aaoh ihre Qaellen and ihren Werth
Diese Untersadiangen Aber die Gtost» veler» «oBMifc
mit einer Betraohtang der bisherigen Annohten llbar du gq»
seitige VerhBltnisB der verschiedenen CShronikeo, wäldks'll
Gesta bentltEten, beginnen: also mit der Prlliiiiig detf'VflM-
nisses zwischen Keza, dem Anonymos and der
Chronik. Es liegt nämlich aaf der Hand, dan die
des richtigen Verhältnisses dieser Bearbeitangeii ftlr die «hi
angeregten Fragen aber die arsprOn^dien Gkstä 'wn hBiirtff
'VTichtigkeit ist. Wir werden hiebei, geet&trt auf die SiS«b-
nisse der VU. Studie, die genannten histonschen DarstalhiiigcB
nicht als einheitliche Ganze, sondern in ihren einaeln«i feat-
gestellten Theilen ins Auge fassen und das Verfaalthiss der ein-
zelnen Theile zu einander fixiren.
Insbesondere hat es unsere Ao^be zu sein, die n
Studie VII gewonnene und oben kurz gekennaeiehnete Ab-
schauung des Verhältnisses der Gesta vetera an Anonjmni,
Keza und der Nationalchronik gegenaber anderen Ansichttt
zu vertheidigen. Wird uns dies gelingen, so ergibt sieh un-
mittelbar daraus der Schluss, dass ftlr den ftltesten Heil der
Ungamgeschichte (der sich mit den Gesta vetera deckt), keine
von den drei genannten Darstellungen den arsprOngfichen andien-
tiscben Text bietet, sondern dieser durch Vergleich der drei
Darstellungen unter gelegentlicher Hinzuziehung der andon
Quellen, welche die Gesta benutzten (Alberich, Richard), kiitisck
gewonnen werden muss. Hiermit werden wir den Pfiid nr
Bestimmung der ursprOnglichen Gestalt der Qesta vetera ge-
funden haben.
Hierauf werden wir zunächst im Allgemeinen die nr
sprUnglichc Gestalt der Gesta bestimmen, dann aa^ iasl»-
207
sondere, d. h. die einzelnen Theile, Nachrichten u. dgl. der-
selben teststellend, soweit dies im Rahmen dieser Studie und
unter Zuhilfenahme der vorhandenen Mittel zunächst möghch
ist. Denn leider muss ganz besonders bei dieser Gelegenheit
beklagt werden, dass die bisherigen Ausgaben der älteren un-
garischen Geschichtsquellen fast durchaus kritiklos sind. Bei
dieser Arbeit wird es sich auch zeigen, dass wir den Bestand
verschiedener Redactionen der Gesta vetcra annehmen dürfen.
Femer werden wir die Zeit und den Ort der Abfassung
der Gesta, sowie ihren Verfasser zu bestimmen suchen. Auch
ober die Quellen der Gesta soll in diesem Abschnitte ge-
liandt'lt werden. Ilicbci werden sich, wie übrigens schon aus
den früheren Ausführungen, Schlüsse auf den Werth der (iijclle
ziehen lassen.
Endlich werden in einem Schlusscapitel die wichtigsten
Ergebnisse kurz zusammengefasst werden.
Darnach ist die Arbeit in folgende Haupt- und Unter-
abschnitte zu gliedern:
1. Kritik der bisherigen Ansichten über das Verhältniss der
verschiedenen ungarischen Chroniken zu einander. Ihre
Irrthümer und die Ursache derselben.
2. Näherer Beweis, dass die Darstellung der ältesten Geschichte
der Ungarn bei Anonymus, Keza und in der National-
chronik auf den Gesta vetcra beruht.
3. Die ursprünghcho Gestalt der Gesta Ilungarorum vetera.
a) Der allgemeine Aufbau der Gesta.
h) Oricntirende Bemerkungen über die Reichhaltigkeit und
Beschaffenheit des Inhaltes der Gesta.
s) Nachweis, dass die Gesta die Annales Altahenses weit
spärhcher als die Nationalchronik benutzt haben,
und dass sie die Legenden Stephans, Emerichs,
Ladislaus' und Gerhards nicht ausschrieben.
d) Anmerkungen zur Herstellung der Gesta in ihrer ursprüng-
lichen Gestalt.
i) Verschiedene Redactionen der Gesta.
4. Zeit und Ort der Abfassung der Gesta. Ihr Verfasser. Ihre
Quellen. Werth der Gestji.
Kurze Zusammenfassung der Ergebnisse.
206
ursprünglichen Gesta Hungaronira mit einer Beschreibung der
Urheimat (Skythien) der Magyaren anfingen, hierauf Mitthci-
tungfjn über die Abstammung des Volkes und seiner Herrscher
boten, sodann sofort auf Aliuus und die Erklärung dessen
Namen übergingen, um hierauf die Geschicke der Ungarn ton
diesem Herzoge bis gegen das Ende des 1 1 . Jahrhunderts zu
erzählen.
Der Zweck der folgenden Untersuchung wird es nun sein,
uns über die ursprüngliche Gestalt der Gesta näher zu be-
lehren, die Zeit und den Ort ihres Entstehens zu bestimmen,
endlich auch ihre (Quollen und ihren Werth festzustellen.
Diese Untersuchungen über die Gesta vetera wollen wir
mit einer Betrachtung der bisherigen Ansichten über das gegen-
seitige VerhUltniss der verschiedenen Chroniken, welche die
Gesta benutzten, beginnen: also mit der Prüfung des Verhillt
nisscs zwischen Keza, dem Anonymus imd der nationalen
Chronik. Es liegt nämlich auf der Hand, dass die Feststellung
des richtigen Verhältnisses dieser Bearbeitungen ftir die oben
angeregten Fragen über die ursprünglichen Gesta von hiVhster
Wichtigkeit ist. Wir werden hiebei, gestützt auf die Ergeb-
nisse der Vn. Studie, die genannten historischen Darstellungen
nicht als einheitliche Ganze, sondern in ihren einzelnen fest-
gestellten Thcilen ins Auge fassen und das VerhUltniss der ein
zelnen Theile zu einander fixiren.
Insbesondere hat es unsere Aufgabe zu sein, die in
Studie VII gewonnene und oben kurz gekennzeichnete An-
schauung des Verhilltnisses der Gesta vetera zu Anonymus,
Keza und der Nationalchronik gegenüber anderen Ansichten
zu vertheidigen. Wird uns dies gelingen, so ergibt sich un-
mittelbar daraus der Schluss, dass tiir den ältesten Theil der
Ungarngeschichto (der sich mit den Gesta vetera deckt), keine
von den drei genannten Darstellungen den ursprünglichen authen-
tischen Text bietet, sondern dieser durch Vergleich der drei
Darstellungen unter gelegentlicher Hinzuziehung der anderen
Quellen, welche die Gesta benützten (Alberich, Richar»!), kritisch
gewonnen worden uiuss. Hiermit werden wir den Pfad «or
Bestimmung der ursprünglichen (Jcstjdt der Gesta vetera
fundcn haben.
Hierauf werden wir zunächst im Allgemeinen die U^
sprliugliche (jestalt der Gesta bestimmen, dann auch iusbe-
207
I
sondere, d. h. die einzelnen Theile, Nachrichten u. dgl. der-
selben feststellend, soweit dies im Rahmen dieser Studie und
anter Zuhilfenahme der vorhandenen Mittel zunächst möglich
ist. Denn leider musa ganz besonders bei dieser Gelegenheit
beklagt werden, dass die bisherigen Ausgaben der älteren un-
garischen Geschichtsquellen fast durchaus kritiklos sind. Bei
dieser Arbeit wird es sich auch zeigen, dass wir den Bestand
verschiedener Redactionen der Gesta vetera annehmen dürfen.
Ferner werden wir die Zeit und den Ort der Abfassung
der Gesta, sowie ihren Verfasser zu bestimmen suchen. Auch
über die Quollen der Gesta soll iu diesem Abschnitte ge-
handelt werden. Hiebei werden sich, wie übrigens schon aus
den früheren Ausführungen, Schlüsse auf den Werth der Quelle
ziehen lassen.
Endlich werden in einem Schlusscapitel die wichtigsten
Ergebnisse kurz zusammcngefasat werden.
Darnach ist die Arbeit in folgende Haupt- und Unter-
abschnitte zu gliedern:
1. Kritik der bisherigen Ansichten über das Verhältniss der
verschiedenen ungarischen Chroniken zu einander. Ihre
Irrthümer und die Ursache derselben.
2. Näherer Beweis, dass die Darstellung der ältesten Geschichte
der Ungarn bei Anonymus, Keza und in der National-
chronik auf den Gesta vetera beruht.
3. Die ursprünghehe Gestalt der Gesta Ilungarorum vetera.
a) Der allgemeine Aufbau der Gesta.
b) Orientirende Bemerkungen llber die Reichhaltigkeit und
Beschaffenheit des Inhaltes der Gesta.
c) Nachweis, dass die Gesta die Annales Altahenses weit
spärhcher als die Nationalchronik benutzt haben,
und dass sie die Legenden Stephans, Emerichs,
Ladislaus' und Gerhards nicht ausschrieben.
d) Anmerkungen zur Herstellung der Gesta in ihrer ursprüng-
lichen Gestalt.
e) Verschiedene Redactionen der Gesta.
4. Zeit und Ort der Abfassung der Gest^i. Ihr Verfasser. Ihre
Quellen. Werth der Gesta.
5. Kurze Zusammenfassung der Ergebnisse.
208
I. Die bisherigen Ansichten nber das Verhältniss der verschie-
denen ungarischen Chroniken zn eintuider. Ihre Irrthömer nnd
Ursache derselben.
Bekanntlich standen sich bisher betreffs des Verbältnisse«
der Chronik des Kcza za den anderen Chroniken — der Ver-
gleich mit dem Anonymus wurde in der Regel vemachlJSssig(
— gfttiÄ entgegengesetzte Ansichten gegenüber.* Engel,
Stephan Horvit nnd Lorenz waren der Meinung, dass die
ktirzere Darstellung Keza's die Grundlage aller amlcrcn Chro-
niken wurde; Carl Szab<^, Ker^gyilrt<5, Toldy und zuletit
Marezali wollen dagegen beweisen, dass Keza's Darstellung
ein werthloser Auszug aus den weitläufigeren Chroniken sei.
Etwas näher dem wirkfichen Sachverhalte kam schon Zeiss-
berg,* indem er ftlr die uns erhaTtetieti ungarischen Chroniken
eine gemernsame altere Onellc annahm. tHoser Ansieht folgte
auch Rademacher,' doch j^laubte er noch, dass diese Vor-
lage bereife anch die Hnnengeachichte «mifasst habe, wt«' er
denn überhaupt zwischen den einzelnen Theilen der Chroniii
und ihren Redactionew noch nicht scharf schied.* Zu: welchen
' Ifan vergleiche Ware«."«!!, l/ngarn« GeschiclitÄqiioIllen, S. <r.
» ZoiUchrift für die HBterreicIiiiiclisn Oymna.iiDn XXVI (1875), fi04.
* Zur Kritik nilgurSscher Ci«iH;liichtt<t»eV1«n (Poraehnngen sni detttcehea
Ooschidite 1885, XXV, 8. äüSff.). Man vergleiche auch deueltHsn- Abb^nd-
lung ,Dio ungarische Clironilc als Qaelle deatscher Geschichte' (Progrwani
lies Domgymiiaiiiams zu Irfersoburg 1S87) aii<l seinen Aufsats ^ventin
nnd die nngariache Chronik' im Neiieh Archiv t887, XH, 56t ff. Wi«
irrig nnwehe VoransaetKangCti Radetnather'« sind, geht t. S. itaa d(>m
Umstände hervor, daas er noch in der leisten Arheill 8. 561 die Bildar-
chrunik aU die wichtigste von den verschiedenen Redactionen dar
ungarischen Chronik bezeichnet! Aaf Einzelheiten seiner AnsfUlirungw
hoffe ich hei anderer Gelegenheit zurilckzakommen. Hier sei nur gegen-
über ■einer' Bemerkung, die siish ebenfaUs in der letzteti Arbeit, 8. S7i,
findet, zunttchst kurz bemerkt, dass Avontin nur anK de» Bilderchronil,
nicht aber aas dem Chmnioon Bndenae geschöpft haben' kSontai Viel«
von den Naohriobten bei Aventin finden sich nämlich nur in der
Bilderchronik.
♦ Doch spricht er sich schon diihin aus, das.i die Chronik kein einheit-
liches Werk sei (FomeUangen mir deutschen G««chi<<hte XXV, S. MI).
Nur ganz uubaitimmt tritt ebenda, 8. 392 die Vcrmnthung hervor, das
.die Vorlage Keza's nur bis ca. 1070 gereicht habe nnd durch ein K»-
209
I
I
IrrschlUssen dies Anlass gab, ist zum Tlieile schon bei einer
früheren Gelegenheit dargelegt worden.' Einen Schritt weiter
machte Heinemann,' indem er die Hunengcschichte als ein
Werk Keza's von den ursprünglichen Gosta unterschied und
auch bereits erkannte, dass die ursprüngliche Ungamchronik
nur bis zum Ende des 11. Jahrhunderts reichte.* Auf eine
nähere Untersuchung der einzelnen Theilc der Chroniken und
ilirer Kedactionen geht aber auch er nicht ein, in Folge dessen
viele Fragen gar nicht, nur theilweise oder auch unrichtig ge-
löst erscheinen.* Zu bemerken wätre noch, dass aucli Flcine-
mann der Ansicht ist, Keza hlltte seine Vorlage (die ursprüng-
licheo Gesta) ,ungemein flüchtig excerpiert'.*
Der Hauptgrund, weshalb man in dieser für die ursprüng-
liche Gestalt der Gesta so wichtigen Frage nur zu überaus
unsicheren Schlüssen gelangte, war der, dass man zwischen
den einzelnen Thoilen der Chroniken nicht gehörig schied.
Wir werden bei der Beantwortung der angeregten Frage
sicherer gehen, nachdem wir die Bestandtheiic der Chroniken
erkannt haben.
Von den Gesta Hunorum können wir" genau nach-
weisen, dass sie ein Werk Keza's seien; dieses schrieb die
Nationalchronik ab und veränderte es. In diesem Theile hat
also Keza die Priorität; für die Hunengcschichte allein gilt
also d,i8, was Engel, Horvdt und Lorenz über Keza's Ver-
hältniss zu den anderen Chroniken behaupten, wenigstens in
guter TOD Zahlen and Namen fortgeaetzt gewesen sei'. Andererseits
glanbt Rademacher, dass die dem Anonymus vorgelogene Quelle nur bis
»ur Bekelirnng der Ungarn roiclito (obonda, 8. 391).
» Siehe Studie VII, 8. 495 ff.
* ,Zur Kritik ungarischer Geschichtsquollen im Zeitalter der Arpaden'
(Neues Archiv XIU, 63ff. und in den Mon. Germ. Script XXIX, 6'23f.).
* Es sei hier gestattet, auf die Bemerkungen Studie VU, S. 436 zu vor-
weisen.
* FQr diese Behauptung ergeben die vorliegenden Studien einen wohl ge-
nügenden Beweis. Ka sei z. B. auch bemerkt, dass Heinemann (Neues
Archiv XIII, 71) der Meinung war, dass die ältesten Gosta unmittelbar
mit dem Einbrüche der Ungarn in Europa begannen, wHhrond in der
Studie VII wohl unzweifelhaft festgestellt ist, dass die Beschreibung der
Urheimat und genealogische Mittheilungen vorangingen.
» Neues Archiv XIII, 66.
' Man vergleiche die Studie VII. Nüheres bringt eine besondere, Kesa ge-
widmete Stndie.
AreUiv. LXIXVIII. M. I. mUft«. 14
210
einem gewissen Sinne. Auf eine nilhere Erörterung über du
Verhilltniss der Hunengeschichte Keza's zu jener in den Chro-
niken brauchen wir in dieser Studie nicht einzugehen, weil
dies in einer besonderen, Keza gewidmeten geschehen soll.
Der Anonymus hat nichts mit der Hanengeschichte Keza's g*^
mein; ihm ist dessen Werk eben noch gar nicht vorgelegen.
In etwas beschränkterem Masse hat Keza's Darstellung
von Coloman bis auf seine Zeit der Nationalchronik alt
Quf^Uo gedient. Sie haben ihn nämlich zwar in diesaer Partie
auch benützt, zum grossen Theile ist aber ilire Darstelliing au»
anderen Quellen geflossen. Wir haben darüber bereits eben-
falls in der Studie VII, S. 481flF. nfther gehandelt. Der An-
onymus hat diese Partien überhaupt nicht.
Es erübrigt somit nur, das Verhiiltniss zwischen den ver-
schiedenen Chroniken bezüglich der Ungarngeschichte von
ihren Anfängen bis zum Ende des 11. Jahrhunderts
zu bestimmen. Nach den Ergebnissen unserer früheren Unter-
suchungen, die an der Spitze dieser Studie zusammcngefasst
wurden, gehen in diesem Theile die verschiedenen Gruppen —
Anonymus, Keza, die Nationalchroniken — auf die Oesta Hnn-
garorum vetera zurück. Dieses Verhiiltniss ist bereits in der
Studie VII, besondere S. 402 — 477 nachgewiesen worden. In
derselben Studie (S. 499, Anm. 1) ist aber auch bereits darauf
verwiesen worden, dass die Nationalchronik auch den Uebergangs-
absatz von der Ilunen- zur Ungamgeschichte aus Keza's Werk
entlehnt hat, und da ihrem Verfasser Keza's Darstellung der
Ungarngeschichte vorlag, so nahm er in dieselbe ebenfalls Ein
blick, wiewohl ihm dessen Quelle (die Gesta vetera) selbständig
vorlag.* lieim Anonymus findet sich auch in dieser Beziehung
' Die BeeinSassim^ der Nationalchronik Horch Keca in diesem Theile
(7on den Anfingen dnr Un^nrngeKchiclite bis zum Ende des 1 1. Jabr-
hnnderte) iitt überaus gering, weil filr den Verfn.ssor derselben, der
Kesa's Quelle (nämlich die Oesta) vor sich hatte, «ich selten Veran-
laisung bot, Keza's Darstellung zn berOcksichtigen. Immerhin mm)
aber die Beeinfliiasnng der Nationalchronik durch Keza anrh in dieiam
Tlieile Denjenigen gegenüber betont werden, die jeden Einänss Kmi'>
auf die Chronik lengnen mochten. Noch mehr zeigt sich das Cbronicoo
Pictnm durch Keza beoinüusst; doch dies ist durch eine selbstiniligf
Benutzung des Keza neben der Nationalchronik zu erklären. Das I^ettun
hat diese wie ans anderen Quellen, so anoh ans Roaa orgXiist V|rl-
darüber vorlänfig Studio VII, S. 500 f.
211
keine Spur einer Beeinflussung durch Keza. Diese, wie be-
merkt, schon in Studie VII gewonnenen Ergebnisse soUen, in-
dem wir die anderen Ansichten näher prüfen und widerlegen,
durch weitere Gründe gestutzt werden. Gleichzeitig wird es
ans auch müglich sein, den eigentlichen Zweck dieser Studie
zu erreichen, nämlich die ursprüngliche Gestah der Gesta Hun-
garorum vetera und ihre Abfassungszeit zu bestimmen. Bei
unserer Kritik werden wir uns aber, da es sich nach der eben
vorangegangenen Erörterung nur um das Verliältniss zwischen
den verschiedenen Chroniken bczliglich der Ungarnge-
schichte von ihren Anfängen bis zum Ende des
11. Jahrhunderts handelt, auch nur auf die Argumente
beschränken, welche aus diesem Theile geholt sind. So hoffen
wir die Fehler früherer Untersuchungen zu vermeiden, aus
welchen nothwcndigerweise Irrschllisse gezogen wurden, weil
die Beweise aus allen Tlieilen der Chroniken unterschiedios
entnommen wurden. Wie hieraus arge Irrthümer entsprangen,
ist in der Studie VII, S. 494 ff. gezeigt worden.
Wir haben also zunächst zu zeigen, dass bezüglich der
Ungamgeschichte von ihren Anfängen bis gegen das Ende des
11. Jahrhunderts weder Koza den anderen Chroniken die
Quelle bot, noch er aus ihnen schöpfte: vielmehr werden wir
im Anschlüsse an unsere Bemfrkurigcn in Studie VII, S. 476 f.
zeigen, dass für den bezeichneten Tlieil der Darstellung die
Gesta vetera die gemeinsame (Quelle Keza's, des Anonymus
und der Nationalehronik sind. Der Umstand, dass etwa der
Anonymus die Quelle Keza's und der Nationalchronik gewesen
sein könnte, kommt ja gar nicht in Betracht, da sich in diesen
Quellen nichts von den dem Anonymus eigcnthUmlichcn An-
schauungen findet. Von dem Umstände, dass die Darstellung
des Anonymus nur bis zum Ende des 10. Jahrhunderts reicht,
sehen wir ab, denn es könnte uns ein unvollständiger Text vor-
liegen.
2. Näherer Beweis, dass die Darstellung der ältesten Geschichte
der Ungarn bei Keza, Anonymus und in der Nationalchronik auf
den Oesta vetera beruht.
Mit der Anschauung, dass Keza's Ungamgeschichte die
Quelle der anderen Darstellungen sei, br;tuchon wir uns nicht
14»
212
lange zu befassen. Es gcnligt, darauf hinzuweisen, dass in
diesem Falle es z. B. anerklttrlich wäre, warum der Anonymus,
wenn er Keza's Ungarngeschichte ausschrieb, nicht auch Spuren
der Benutzung seiner Ilunengeschichte zeigt (Studie VII, S. 460).
Auch hat z. B. der Anonymus jenes Capitel über die Geburt
und die Namengebung Almus', welches wohl die anderen Chro-
niken, nicht aber Keza aufweist (Studie VII, S. 458 f.). Femer
steht der Text des Anonymus bald dem Keza, bald den Chro-
niken nilher (man vergleiche Studie VII, S. 462 — 477), waa ganz
deutlich auf eine gemeinsame Quelle aller hinweist. Somit ist
die Anschauung, dass Keza sowohl dem Anonymus als deji
Chroniken als Vorlage diente, unrichtig. Das Ilauptargnment
ihrer Verfechter war die Knapplieit der Darstellung Keza's.
Dnss dieser Beweisgrund allein nicht genügt, liegt auf der
Hand, denn die knappe historische Darstellung muss nicht
auch schon die ursprunglichste sein, wenn sie auch die ur
sprliuglichere sein könnte. Letzteres werden wir auch that-
Däuhlich von Keza's Darstellung der Uiigarngeschichte gegen-
über jener der Nationalchronik auf den folgenden Seiten bei
anderer Gelegenheit beweisen können. Wir werden nftmlich
finden, dass Keza seine Vorlage im Allgemeinen in nrspriing-
licherer Form wiedergibt als die anderen Chroniken.
Was nun die Ansieht betrifft, dass Keza's Geschichte
der Ungarn ein Auszug aus den betreffenden Tlieilcu der
umfangreicheren Nationalchronik sei, so wird dieselbe ebenfalls
schon durch unsere Ausführungen in Studie VII, S. 462 — 477
widerlegt. Hier wollen wir insbesondere noch MarczaU's Be-
weise fllr dieselbe in seinen ,Geschichtsquellcn Ungarns' prüfen,
der Alles, was flir dieses Verhältnis« in die Wagschale gelegt
werden kann, gesammelt hat Daran werden sodann noch
andere Gegenbeweise geknüpft werden.
Der erste Beweis Marczali's (S. 42 — 44) besteht in
Folgendem: Sowohl bei Keza als in den Nationalchronikeo
finden sich die Annales Altahenses ' benutzt, und zwar ist die
' Bekanntlich h«t schon Zeisiiberg in «einer Studie ,Zur Kritik der An-
naloii von Ältaich' (Zeitschrift für die dsterreichischen Oynintision XXVI
[1875], 4909'.) il.iraiif hiugowiesun, dass die Benutzung diexur Aunalen
sich auf die Jahre 1U41 — 104:6 beachränkL Kndemacber Tersnchte dar-
aufhin zn bewcioen, da« diese anf einen knnien Zeitranm beselir&okta
Verwandtschaft Kwitcheii den Annalen und den nnfnirixchen Chroniken
213
in letzteren ;ius ihnen entlelinte F"üU(' <ler Nachrichten weil
grösser als jene bei Keza. Da nun dieser nur solche Be-
richte aus den Annalen bietet, die auch den Chroniken eigen
sind, 80 hat er seine Notizen aus dioBen geschöpft. — Diese
Ansicht Marczali's ist irrig. Die von ihm beobachtete That-
■ Sache ist ganz anders zu erkliiren, als er es thut. Wir werden
* Leweisen können, daas die dem Keza und der Nationalchronik
gemeinsamen Nachrichten aus den Annales Altahenses, der ge-
meinsamen Vorlage (Gesta Hungarorum vetera) entstammen,
während das Mehr der Nachrichten aus diesen Annalen in den
Chroniken von diesen bei einer neueren Benützung der An-
nalen aufgenommen wurde.' Die Beweise flir die Richtigkeit
dnrau.s zu erklHren sei, dass die Cliruniken nicht ans den Annalen,
sondern au» einer zeitgenössischen Quelle »ehOpfteu, weli'lie die Ungarn-
zilge UeinrichK III. bis 1045 behandelte. Diese sei auch vou dou An-
nalen benutzt worden (vgl. Furschungen zur deutscheu Gescbiciito X\V,
S. 406 und Neae<i Archiv XII, 6C& und 673). Dagegen mUscen wir be-
merken: I. dass schon die Gesta vetera die Annales Altnhenses bei der
Schildemng des Kampfes Stephans gegen Qyula ausgegcb rieben zu halien
scheinen, wie dies ein Vergleich der Anuales anno 10Ü3 mit Kexa, g. ii,
und Chronicon Budeuse, S. 65, ergibt; 2. hat die Natiun.tlchronik bei
ihrer unmittelbaren Benützung der Annale.« Altnhenses auch schon Nach-
richten über Naturerscheinungen aus den Jahren 1U2U und 1021 über-
nommen (Chronicon Budonse, 8, Tu =: Anuales Altahenses, anno 1U20
und 1021) Auf beide Stellen werden wir weiter unten, wo der Bestand
der Ge.sla vetera im Einzelnen besproL-heu werden wird, zurückkommen.
In Folge der mitgetheilten Beobachtungen halten wir daran fest, dass
den ungarischen Cbrouiston die Annalen selbst vorlagen,
doch nur der Abschnitt bis 1046. Man vergleiche darüber die Bemer-
kungen weiter unten im Texte.
Darauf hat schon Radomncher (Forschungen cur dentschen Geschichte
XXV, S. 382 und 401 hingedeutet, wobei er aber 1. die Wiederbenutzung
der Altaicher Annalen erst durch den ,Chr»ni,9teu von 1368' vor sich
geheu IksHt, und 2. für seine Ansicht so wenig anzuführen vermag, dass
Ileinemann, Neues Archiv XIII, ÜG allenfalls allzu leicht sich die
Widerlegung derselben gestatten konnte. Er hUtte sich hiebe! die un-
richtige und leicht wiilerlegbare Bemerkung Rademacher's (8. 384 und
4Ü1), dnss bei Keza sich nur solche Nachrichten nicht finden, die den
Annalen entstammen, nicht zu Nutze machen sollen. Das Richtige ist,
dam die Nationalchronik gegenüber Keza sowohl ein Plus an Nach-
richten besitzt, die den Annalen entlehnt sind, als auch solche, die
eben ans anderen Quollen stammeu. Die Nationalchronik bat sich so-
wohl durch die Einen, als auch durch die Anderen gegenüber ihrer und
Keza's Vorlage (Geata vetera) bereicherL
214
unserer Ansicht sind folgende: Zuniiclist ist es klar, dass —
wenn die Ansiebt Marczali's richtig wäre — Keza niemals den
Annalen nilher stehen könnte als die Chroniken. Nun finden
wir einzelne Stellen, in denen Keza, wenn auch nur in gering
tllgigcn Umständen, doch den Annalen näher steht. Man ver-
gleiche z. B. :
Annale« Altahensus, S. 3&.
A. 1044...totanocte
ßfjuitando sursum per
ripam cropuBculo fa-
cili vado transit
Chr. Badeuse, 8. 84.
. . . tota nocte equi-
tantcs sursum iuxta tlu-
vios Raba et Rabcha,
quos illucesconte sole f a-
I eile transienmt.
Kexa, S. tn.
. . . tota nocte ef^
tando orto sole f|
cili vado tr
Noch interessanter ist folgender Fall:
A. 1044 (S. 34). Igi-
tur quidam . . . oinnes
coniuratos regi
(Abae) prodidit, in-
notuit, quorum ali-
quos iussit necari . . .
S. 82 . . . Quidam autem ]
ex ipsis notificavit regi
in necem eius coniu-
ratos, ex quibua tos,
quos potuit, captOB fecit
interfici . . .
S. 83 . . . Svi<^
dam prodidit eaä
lium; ex quihw, fH
capere potuitf . . .iott
fecit ...
Aus diesen Stellen wird es zunälchst klar, dass Keza nicht
aus den uns vorliegenden Chroniken schöpfte, sondern rieJ- ,
mehr eine Vorlage benützte, welche auch von den Chroniken ■
ausgeschrieben wurde, und die ilirerscits die Annalen benutzt "
hatte. Damit ist Marczali's Ansicht schon widerlegt. Unsere
weiteren Ausftihningen werden nun auch darlegen, dass in den
Chroniken thatsächlich die Annalen nochmals unmittelbar ver-
wendet wurden. Wer dies nicht zugeben will, milsstc vor
Allem erklären, wie Keza mit einer ganz merkwürdigen Con-
sequenz und einem ebensolchen Spürsinne aus seiner Vorlage
in vielen FiUlen gerade diejenigen Nachrichten, welche ans
den Annalen herstammen, weggelassen hätte. * Man vergleiche
z. B. zunächst folgenden Fall:
' Dan bei Kesn Dich oft die Nachrichten der CbronikeD, welche nickt
aii8 den Annalm AltAbenses herrUhren, .treu, fast wiirtlich' wioderüodn,
während die a\ia ihnen stammenden zum g;rocsen Theile nicht rorhandsn
sind, bat bereits Marcsali 8, 45 bemerkt. Seiner Hypothese la Li«ix
hat er aber daraus nicht die nothweudigen Conceqnenaeo gasogea.
215
Lnnalea Altaben«es.
A. 1044. Interea
»pulns terrae nunc
regatira, nunc singil-
ttim venit et cesari
sc. Heinrico) victori
e dcdidit, qui phi-
ido suscepit eos
"nltu . . . Inde simul
►•ergunt, Wizenburg
"eniunt magno comi-
Bto, regio excepti a p-
•aratu, ibique caesar
*etrum regiis iuscibus
eetiyit et manu sua
,acen8 in sede sua
estituit, et in templo
)eiparae virginis, ubi
rat congregatio prin-
iptun, et regia ad
opulum et populi
d regem facta est
econ ciliatio. Iliis
tiam petentibus con-
essit rex scita Teu-
)nica, et relinqticns
lis suorum praesi-
ia, ipse domum re-
ut et Kudus])onam
enit . . . A. 1U4Ü. Vv-
iens autem Uunga-
iam, regio more su-
ceptos decenter est et
onorifice retentus. In
psa sancta solem-
itatc Petrus rex re-
numUngiiriaecum
iDceadeauratatra-
idit caesar i doniiuo
coram oiuui po-
Cbr. Budeiue, 8. 87.
Interea Hungari con-
gregati in uaum sup-
plices vencrunt ad cesa-
rem, veniam et miseri-
cordium implorautes; quos
cesar placido vultu et
benigne suscipiens,
quod rogabant, concessit.
ludeque cum omni multi-
tudine sua Albam venit,
queTeutonice Weyzcn-
burg dicitur . . . Ibi ergo
cesar imperial! honore et
latissime prcparatu ab
Hungaris est lionoratus.
Petrum regem regali co-
rone plenarie restitutum
et sacris iiisignibus . . . de-
coratum in regali throno
manu sua deducens in
basilica Genitricis Dei
semper virginis Marie re-
galiter sederc t'ecit et ibi-
dem regem Hungaris
et Hungaros regi re-
concilittvit, concessit-
que petentibus Hungaris
Hiingarica scita servare
et coDSuetudinibus iudi-
cari. Hiis itaque taliter
ordinatis cesar Petro rege
cum presidio suorum
in Hungaria relicto . . .
Ratisponam rediit. Se-
quenti quoquc anno re-
versus est cesar in iluu-
gariam, cui Petrus rex
in ipsa sancta solem-
nitate reguum Hun-
Keu, 8. 82,
§. 27. Cesar vero ob-
tenta victoria dcscen-
dit Albam civitatem,
ubi Petro restituit re-
gnum et sie tandem
reversus et llatispti-
nam.
216
pnio suo et nostro.
Post peractum vero re-
gio luxu convivium ob-
tulit Uli etiam auri pon-
dus maximum . . .
garie cum deaurata
lancea tradidit coram
Hungaris simul et co-
ram Teutonicis, multis
etiam insuper et magni-
ficis muneribus cesar ho-
norificatus a rege . . .
Vergleicht man diese Stellen mit einander, so wird man
es ganz unglaublich finden, dass Keza's Bericht ein Auszog
aus jenem der Chronik sei, insbesondere wenn man den später
(siehe S. 226 ff.) noch näher zu erörternden Umstand in Betracht
zieht, dass Keza durchaus nicht so eilfertig seine Quelle ex-
cerpirte, wie dies ihm manche Forscher vorwerfen. Ist es
nicht wahrscheinlicher, dass Keza in seiner Vorlage einen aus-
führlichen Bericht überhaupt nicht vorfand und sich daher mit
der ungenauen Notiz begnügen musste, während dem Ver-
fasser der Gnmdchronik neben dieser Vorlage (der Gesta ve-
tera) auch die Annales Altahenses zur Hand waren und er aas
diesen seine Darstellung ergänzte? Und wie mit dieser Stelle,
so verhält es sich offenbar auch mit den zahlreichen anderen;
man vergleiche hiezu die Darstellung der Annalen a. 1041 — 1045
mit dem Chronicon Budense, S. 78 ff. und mit Keza, S. 80ff.
Wir wollen nur noch die eine oder andere Stelle herausheben,
die unsere Anschauung noch bestimmter klarlegen wird:
Annales Altahenses.
A. 1042 ... Et ex
utraque Danubii
parte porrexit (Aba)
terram Baioariorum
spoUare . . . Incipicntes
igitur a flumine Trei-
sama . . . Dehinc circa
Tullinam civitatem
pernoctantes . . . re-
dierunt ovantes.
Chr. Budense, S. 80.
. . . congrcgatoque
exercitu magno invasit
Austriam et Bavariam
et ex utraque parte
Danubii . . . a flumine,
quod vocant Treysama
. . . usque civitatem Tul-
linam, in qua pernoc-
tavit . . . reversi sunt
gaudentes.
Keza, S. 80.
. . . iratus tnw
Austriam et usqne
in fluvium Trense s
liavit et post hec
reversus.
Dass die Stelle bei Keza mit ihrer abweichenden Dar-
stellung (usque in fluvium Trense) aus der auf den Annalen
217
I
I
bcrulieudcu Darstellung der Chronik (a fluraine) floss, ist an
und für sich unglaublich. Ferner ist zu beachten, dass bei
Keza .Trense' steht, in den Chroniken, die auch sonst den
Annalen sehr nahe stehen, wie in diesen jTreysainn'. Vor
Allem beachte man aber noch Folgendes: Woher kam der
Chronist (Chronicon Budense) zu seinem ganz unsinnigen
jAustriam et Bavuriam'? Baiern hatte doch der bis nach
TuUn ausgedehnte Streifzug nicht bertlhrt. Wenn in den An-
nales Altahenses Baiern allein genannt wnrd, so ist dies ver-
ständlich, weil in jener Zeit Oesterreich ein Theil Baiems
war. Ebenso ist das ,Austrin' allein bei Keza richtig. Der
Fehler in den Chroniken kann nur aus einer Verschmelzung
der Gesta vetera mit den Annales Altahenses entstanden sein.
Aus ersteren stammt das der Chronik mit Keza gemeinsame
,invasit Austriam'. — Oder man vergleiche z. B. auch folgen-
den Fall :
I
Aiinalea Altnlieii.seü,
S. 31f. QDd 32f.
i.l042.Incolac(Un-
riac) auteni missa le-
tione promisere se,
jcquid rex praeci-
ret, velle perficere,
si tantum Petrum
gem suum reci-
sre, quod tarnen
X summopere vo-
erat . . . Postquam
enim auxilium suum
I promisit, hoc in re-
tuendo rcgno üli
tendere cupivit; sed
i adeo execrabantur,
nuUum se illura re-
ptiiros fatercntur. No-
im ibidem civitates
X deditione cepit . . .
Is itaquc Dei adiu-
rio patratis rex et sui
Clir. Budeiiüo, S. 81.
. . . quod Flungari in
Omnibus starent ad man-
datum cius, nisi quia
Petrum in regem non
susciperent, quod ta-
rnen cesar summopere
perficere affectabat,
obligatus enim erat Petro
promissione, quod ei re-
gnum restitueret. Hun-
gari vero nullateuus con-
sensertmt et missis mu-
neribuB, data quoque tide,
quod captivos Teutonico-
runi abire permitterent,
cesar rediit festinanter
contra insultus Gotfridi
ducis Lotoringorum, filii
duciä Gazzilonis . . .
Kezii, 8. 80 r.
. . . logati . . . pro-
mittebant cesari, ut in
Omnibus satisfacerent,
nisi quia Petrum in
regem non suscipe-
rent, quod cesar
summopere perfi-
cere affectabat, ob-
ligatus enim erat ei iu-
ramento, ut ipsum in
regnum Hungarie ite-
rato coUocaret. Cum
autem Hungari Petrum
non admittcrcnt, missis
muneribus, dataque fi-
de, quod captivos li-
bere permitterent re-
moare, cesar consUio
inductus ducis Lote-
ringie
218
redierunt ad propria I
. . . A. 1043 . . . iUo (in I
Boderabrunnun) ve- i
nere legati Ungrorum,
pacem cum nostratibus
reformare cupientes, et
proinde . . . promittunt
scilicet captivorum,
quos haberent, re-
missionem, eorum
quos reddcre non
possent, coemptio-
nem . . . Feldzug des
Kaisers, Friedens-
schluss (hiebei Frei-
lassung der deutschen
Qefangenen und Ge-
schenke), Rückzug . . .
unusquisque domum
redit. Mox convocata
non minori multitudinc
profectus est rex Ve-
sontionum, urbem
Burgundiae . . .
Scquenti anno Aba rex i
missis legatis ad cesarcm, |
que pacis sunt, querebat, |
promittens captivorum
dimissionem, quos ha-
bebat, eorum vero,
quos reddere non po-
terat, condignam com-
pensationem . . . Eben-
so das Weitere mit wört-
lichen Anlehnungen an
die Annalen. Aba gibt
die Gefangenen frei und
schickt Geschenke. Cesar
itaque allectus muneribus
et aliis gravioribus nego-
tiis prepeditus rediit Bi-
zantium, quod est oppi-
dum Burgundie.
et plus allectos mn:
ribus rediit Bin
tiam, Burgundie
vitatem.
Wenn wir diese Stellen betrachten, so ergibt es sich zu-
nächst, dass sowohl die Chronik, als Keza zu den Annalen in
Beziehungen stehen. Nehmen wir nun zur Erklärung dies^
Umstandes an, dass Keza aus dem uns bekannten Texte der
Chroniken floss, so stehen wir vor dem ganz unerklärlichen
Umstände, wie Keza mit Uinweglassung des deutlichen tmd
ausführlichen Berichtes über den Feldzug vom Jahi-e 1043 die
Ereignisse der Jahre 1042 und 1043 gowissermassen zusammen-
schmolz. Dazu kommt noch Folgendes: Die Bemerkungen,
mit denen die Chronik die Darstellung des Jahres 1042 schliesst
(et missis muneribus . . .), finden sich nicht in den Annalen;
sie stehen in der Chronik ganz offenbar auch an der unrich-
tigen Stolle; nachdem die Unterhandlungen gescheitert waren,
hat das in diesen Bemerkungen Enthaltene keinen Sinn, und
die wohl unterrichteten Annalen wissen auch nichts davon. Bei
219
Kfza tiiulcn sich ganz oftenbjir dieselben Beaicrkiingcn rii-litiger
mit dem RUckzupe vom Jahre 1043 verbunden, der thatsilfii-
lich unter diesen Bcclingunfjcn stattfand, wie dies auch die
Annalen und in Anlehnung an diese die Chronik erzählt. Der
Sachverhalt kann also nur dadurch crklilrt werden, dass die
Chronik den ausführlichen Bericht aus den Ännalen über die
Vorgänge des Jahres 1043 in die kürzere Darstellung ihrer
(bei Keza erhaltenen) Vorlage einschob, wodurch die Wieder-
holung der Angabe, dass die Ungarn die Gefangenen frei-
gaben und Geschenke überreichton, sich erklUrt. Uebrigcns
ist auch aus dieser Betrachtung hervorgegangen, dass Keza
und die Chronik eine gemeinsame Quelle ausschreiben, die ihrer-
seits bereits die Annalen benützt hatte. Diese sind die Gesta
vetera. — Aus unserer Betrachtung hat sich somit ergeben:
1. dass Marezali's aus der Benützung der Annales
Altahenses geholte Beweis, Keza hätte aus den Chro-
niken geschöpft, missglückt ist; ferner 2. dass viel-
mehr der Darstellung Keza's und den Chroniken eine
gemeinsame Vorlage (nämlich die Gesta vetera) zu
Grunde Hegt, die schon die Annalen benützt hatte;
endhch 3. dass diese Vorlage von dem Verfasser der
Nationalen Grundchronik aus den Annalen ergänzt
worden sei. Man vergleiche übrigens auch noch die Ausfüh-
rungen unten, S. 229 tf.
In sehr pomphafter Weise leitet Marczali seinen zweiten
Beweisgrund ein: ,Noch eine Stelle K(5zai's,' sagt er S. 46,
.wollen wir mit den Chroniken vergleichend einschalten, die
... ein directes Zeugniss dafiii- abgibt, dass er die älteren un-
garischen Quellen benutzte. Unsere einheimischen Foracher
haben schon lange die Wichtigkeit dieser iStello erkannt, und
das beweist wieder, wie sehr unmöglich oder doch wenig er-
folgreich es ist, ungarische Geschichte ohne Kenntniss der un-
garischen Sprache zu studircn.' Und hierauf thut er — wie
so oft — einen argen Fehlschluss. Er verweist nämlich auf
die Stelle bei Keza, 8. 75, in welcher derselbe gegen die in
den Chroniken vorhandene Erzählung polemisirt, Leel habe,
bevor er hingerichtet wurde, den Kaiser ' mit seinem Hörne
erschlagen. Dass sich daraus nicht der Schluss ziehen lässt,
dass Keza ans den reichen nationalen Chroniken geschöpft
habe, liegt nach unseren bisherigen Ergebnissen klar zu Tage;
220
vielmelir Ingen ihm die Gesta Ungarorum vetera vor, and gegen
deren Darstellung nimmt er Stellung. Der Nationalclironist hat
aus denselben Gesta die Sage glilubig aufgenommen.
Den dritten und letzten Beweis holt Marczali (S. 47)
aus der mangelhaften Chronologie und sonstigen Fehlem oder
Lücken bei Keza. Diese beweisen, ,dass sein Werk nur ein
Excerpt sei'. Dass dieser Schluss an und fUr sich unbe-
rechtigt ist, liegt auf der Hand. Die mangelhafte Chronologie
und sonstige Fehler können ebenso gut dem Umstände zu«o-
schreiben sein, dass die Quelle Keza's un\'ollkommen war. Ein
80 nachlässiges Excerpiren, wie es Marczali und Andere von
Keza annehmen, können wir aber umsowenigcr dem Manne
zutrauen, der offenbar mit der grössten Mühe die erste xu-
sammenhängende Hunengeschichte geschrieben hat. Ka ist ganx
undenkbar, dass dieser Mann zahlreiche in den Nationalchro-
nikcn vorhandene genaue Daten derart übersehen habe, dass
in Folge dessen die ärgsten Fehler entstanden. Hier zunächst
ein Beispiel aus der Geschichte des 10. Jahrhunderts. Es ist
die Stelle, welche der Schilderung des Kampfes am Lechfelde
vorangeht. Nach der Schilderung verschiedener Raabzüge,
welche sich auch beim Änonymns und Keza mit wörtlichen
Anlehnungen wiederfinden, berichten die nationalen C^ironikcn
(Chronicon Budense, S, 56, und die anderen an den ent-
sprechenden Stellen): ,(Hungari) ad propria redeuntes, annis
Bedecim immobiliter in Hungaria permansorunt. Kcgnante vero
per Almaniam Conrado Primo deoimo septimo anno Hun-
gari egressi, tjuibusdam partibus Toutonie dcvastatis' u. b. w.
Wie htttto nun Keza, wenn in seiner Vorlage diese klaren und
bestimmten Zeitangaben gestanden wären, daraus Folgendes
schöpfen können (S. 74): ,. . . ad projiria revertuntur. Trans-
actis igitur paacis diebus Lei et Bolchu per communitatcm
Hungarorum in Toutoniara destinantur . . .' Dazu kommt nun
aber, dass beim Anonymus, der diese Stelle auch enthält, sich
wieder eine andere Angabe findet. Es heisst nämlich S. 47:
,. . . reversi sunt. Postea vero anno V regnante Counrado
imperatore Lelu, Biüsu, Botond incliti quondam et gloriosissimi
milites . . . missi a domino suo partes Alemannie irrupucnint.'
Ist es da nicht ganz ofifenbar, dass in der Quelle keine Zeit-
angabc stand und jede der späteren Redactionen ihrer An-
sicht und ihrem Wissen gemäss dieselbe zu ergänzen suchte?
221
Uebrigens sind die eben angeführten Stellen auch recht inter-
essant, da aus ihnen auch klar hervorgeht, dass nicht Kcza
aus den Chroniken floss, sondern diesen, ihm und dem Ano-
nymus eine gemeinsame Quelle zu Grunde hegt. Dieser ent-
I nahm der Letztere sowohl die Erwähnung Conrads als die
Mittheilung, dass Lei und Bulsu Führer waren; Keza entnahm
(ihr nur letztere Notiz; die Nationalehronik (in diesem Satze)
nur die eratere. Eine andere Erklärung ist völlig ausge-
schlossen. Ein ähnlicher P^ajl ist bereits oben, S. 218, besprochen
worden. Auch dort sind wir zum Schlüsse gelangt, dass die
chronologisch wohl untei-schicdene Darstellung der Ereignisse
■ der Jahre 1042 und 1043, welche sich in der Chronik findet,
erst auf eine Verbesserung der Vorlage zurllckzufiihren ist, so-
mit nii'ht Keza die Scliuld trifft, diese Vorlage gekürzt und
I verderbt zu haben. Und wie in diesen Fällen, so ist es in
anderen. Wir werden nochinal-s darauf zurückzukommen
haben. Das Angeführte wird wohl genügen, Marczali's An-
sicht als unrichtig widerlegt zu haben.
IWir haben somit gesehen, dass sowohl die Ansicht, dass
Keza die Quelle der Nationalehronik sei, als auch die ent-
gegengesetzte, Keza sei ein Auszug aus der Chronik, verfehlt
sind. Wir sind vielmehr neuerdings zur Ueberzeugung
geführt worden, dass sowohl die eine als die andere
Darstellung, wie auch insbesondere noch der Anony-
Imus auf einer gemeinsamen Vorlage, den Gesta Ilun-
garorum vetera, beruhen. Zugleich sind wir zur Er-
kenntniss gekommen, dass schon diese ursprüngliche
Darstellung im beschränkteren Masse die Annalea
Altahcnscs benutzt hatte; daraus erklären sich die
, ihren Ableitungen (Anonymus, Keza, Nationalehronik)
f gemeinsamen Berichte aus diesen Annalen. Der Ver-
fasser der Nationalen Grundchronik hat aber selb-
ständig nochmals seine Arbeit ans den Annalen er-
gänzt und hiebei vielfach die ältere Daratclliing er-
Iweitert und verbessert. Daraus ergibt sich auch, dass
die Nationalehronik eine Fortentwicklung der Gesta
vetera, nicht aber Keza's magerere Darstellung eine
RUckentwicklnng, ein Auszug aus derselben sei.
1 Nuninelir können wir zur Bestimmung der ursprünglichen
I Gestalt der Gesta vetera übei^ehen, auf welche Frage sich
222
auch schon die letzten SchlUsse aus unserer vorangehenden
Betrachtung bezieben.
3. Die ursprängliche Gestalt der Ocsta Hongaromm ▼etera.
üeber den allgemeinen Aufbau und die Grenzen der
Darstellung dieser ältesten Ungarnchronik ist bereits in der
Studie VII ausführlich gehandelt worden. Durch Vergleich der
veracliiedenen Quellen, welche die Gesta vetera benutzt haben
— Albericli, Richard, Anonymus, Keza, Nationalchronik — sind
wir libcr den Umfang der alten Ungarnchronik zu den Scbl&sseo
gekommen, wek-he oben, S. 206, in wenigen Worten zusammcn-
gefasst worden sind. Es sei nun gestattet, im vorliegenden Ab-
schnitte, welcher die ursprüngliche Gestalt der QestA Hunga-
rorum vetera feststellen soll, zunächst etwas ausführlicher den
allgemeinen Aufbau der Gesta zu besprechen; dann woUen
wir insbesondere auf ihren Inhalt und die Fülle ihrer
Nachrichten übergehen. In diesem zweiten Theile unserer
Untersuchung werden wir zunächst überhaupt die Frage zu
beantworten haben, ob die Gesta vetera etwa schon so reich
an Nachrichten waren wie der entsprechende Theil der Na-
tionalclirunik, oder ob sie darin mehr Keza glichen. Nachdem
sich die Untersuchung entsprechend unseren schon oben ge-
machten Andeutungen für die dürftigere Gestalt der Oesta ent-
schieden haben wird, wird insbesondere nachzuweisen sein,
welche besondere grössere Stoffgruppen den Gesta fehlten.
Hierauf werden wir in einem weiteren Unterabschnitte, indem
wir alle unsere bisherigen Ergebnisse zusammenfassen werden,
im Einzelnen Schritt für Schritt festzustellen suchen, was in
den uns erhaltenen Chroniken aus den Gesta herrühren könne,
und was spätere Interpolation oder Umarbeitung sei. An eine
eigentliche Herstellung des Textes der Gesta Hungarorum ve-
tera kann so lange nicht gedacht worden, als nicht von allen
Chronikredactionen — insbesondere auch noch dem wichtigen
ungedruckten Chronicon Acephalum und der Handschrift des
Sambucus — kritische Ausgaben hergestellt sein werden.
a) Der allgemeine Aufbau der Getto Hungarorum vetera.
Aus dem Vergleiche der verschiedenen Quellen, welche
die Gesta vetera bcnUtüt haben, also der Schriften Albenclu.
223
Richards, jVnonymus', Kcza's und der Nationalchronik, ge-
langen wir über den Aufbau dieser Qesta und iliren allge-
meinen Umfang zu folgenden Schlüssen:
Die Gesta enthielten nichts von einer Ilunen-
goBchichte, welche jetzt bei Keza und den verschiedenen
Rcdactionen der Nationaichronik der Ungarngeschichte voran-
geht. Deshalb hat auch Alberichs Chronik nichts Gemeinsames
mit dieser ungarischen Darstellung der Hunengeschichte (.Studie
VII, S. 442). In Richards Auszug unserer , Gesta Ungarorura
Christianorum' werden die Ilunen auch nicht mit einem Worte
ei-wähnt; es kommt gar nicht ihr Name vor (Studie VII, S. 478).
Noch bezeichnender ist es, dass auch der Anonymus noch gar
nicht die Hünen nennt; er weiss daher auch nichts vom Stamm-
vater Huuor, den Keza und nach ihm die Chroniken als Bruder
Magor's anflihren; bei ihm erscheint nur letzterer als Magog,
nach dem die Magyaren genannt sind (Studie VII, S. 460).
Dagegen weiss allenfalls der Anonymus schon etwas von Attila
zu erzälden; er ist ihm aber noch ein Nachkomme Magog' s,
also ein magyarischer König (S. 3. A cuius [sc. Magog] etiam
progenie regis dcscendit . . . rex Athila), und die wenigen Zeilen,
welclic er über ihn niederschrieb, künncn natürlich nicht als
Auszug einer Uunongcschichte, wie sie bei Keza und in den
Nationalen Chroniken steht, aufgefasst werden. Aus all' dem
geht zur Genüge hervor, dass der gemeinsamen Quelle Albe-
richs, Richards und des Anonymus, also den Gesta, eine Hunen-
geschichte abging. Sie enthielt wohl nur etwas über Attila
als Ungarnkönig. Bei dieser Gelegenheit sei hervorgehoben,
dass von den Ilunen auch in der um 1200 entstanilenen so-
genannten ungarisch -polnischen Chronik (Studie III und VI)
keine Erwähnung geschieht; auch hier wird, so wie noch beim
Anonj'mus, Attila, der in dieser Chronik tjcreits ebenfalls er-
scheint, als rex Hungarorum bezeichnet (Mon. Pol, I, S. 495,
497). Die mündliche Ueberlieferung der Ungarn wusste offenbar
ursprünglich gar nichts von den Hünen; erst spilter erfuhr man
aus abendländischen Quellen und der deutschen Heldensage zu-
nächst etwas von Attila = Etzel (vgl. Anonymus, S. 3 und 42:
Ecilburgum; Keza, S. 64: Echulburc) und machte ihn zum
ersten Ungamkönig. So noch die Gesta und der Anonymus
(siehe auch unten, S. 243f.). Sein Zeitgenosse Keza hat aber
schon auf gelehrter Forschung Näheres über die Geschichte
224
der Hünen selbst festgestellt und seine ausführliche Geschichte
dieses Volkes der Ungarngeschichte vorangestellt.
Die Gesta begannen mit einer Beschreibung Sky-
thiens als der Urheimat der Ungarn. Auf diese Be-
schreibung weist Richard hin, wenn er seinen Bericht mit den
Worten beginnt: Juventum fuit in gestis Ungarorum christi»-
norum, quod esset alia Hungaria maior, de qua septem duces
cum populis suis egressi fuerunt, ut habitandi querent sibi locom,
eo quod terra ipsorum multitudincm inhabitancium sustinere
non posset.' Mit dieser Beschreibung beginnt auch der Ano-
nymus seine Dai-stellung, wobei auch er hervorhebt (S. 4, 6),
dass die Urheimat ,quamvis admodum sit spatiosa tarnen multi-
tudincm populorum inibi generatorum nee alerc sufficiebat nee
capere. Quapropter septem principales personae . . . constitue-
runt, ut ad occupandas sibi terras, quas incolere possent, «
nsitali discederent solo'. Wie mit der Beschreibung Skythicns
beim Anonymus jene bei Keza und den Chroniken überein-
stimmt, ergibt sich aus den Paraüelstclien unten, S. 336 ff. Frei-
lich erscheint Jetzt bei Keza und den ihm folgenden Chroniken
die Beschreibung Skythiens durch die ausfiihrliche Darsteliang
der Ilunengeschichte von der Ungarngeschichte getrennt, wie
ja auch schon der Anonymus in die Beschreibung Skytliiens
seine wenigen Nachrichten über Attil» eingeschoben hat. Aber
aus dem Vergleiche aller eben citirten Quellen ergibt sich,
dass die Beschreibung Skythiens nicht zur Huncngeschichtc
gehljrt, sondern schon an der Spitze der alten Gesta Hungft-
rorum stand, wie dies der Auszug Richards andeutet, vor Alle
aber die Darstellung des Anonymus ergibt
An die Beschreibung Skythiens schlössen s'it
die Erörterungen über den Ursprung der Ungarn und
ihrer Führer, insbesondere Almus'. Sodann folgt die
Schilderung des Auszuges aus der Urheimat und des
Zuges nach dem heutigen Ungarn. Dies ergibt sich lur
Genlige aus den in Studie VII, S. 464 ff., beigebrachten Parallel-
steilen aus dem Anonymus, Keza und der Nationnichronik. Am
besten hat den ursprünglichen Aufbau seiner Vorlage hier Ano-
nymus bewahrt, Richard hat zwar, dem Zwecke seiner Arbeit
entsprechend, die Erörterungen Über die Abstammung der
Ungarn und ihrer Führer nicht berührt, wohl aber — wie wir
schon oben sahen — den Auszug ans der Urheimat überciu
225
I
stimmend angegeben, und über die Wanderung nach der neuen
Heimat lautet sein Auszug ebenso übereinstimmend: ,Qui cum
multa regna pertransissent et destruxissent, tandem venerunt
in terram, quc nunc Ungaria dicitur, tunc vero dicebatur pa-
Bcua Romanorum.* Die letztere Nachricht findet sich an der
entsprechenden Stelle auch beim Anonymus (S. 10): ,Quia post
mortem Athile regis terram Pannonie Romani dicebant pascua
esse ... Et iure terra Pannonie pascua Rümnuorum esse
dicebatur . . .' Bei Keza und in den Chroniken findet man
diese natürhch aus den Gesta vctera herrührende Nach-
richt nicht.
Den weiteren Inhalt der Gesta bildete die Er-
oberung Pannoniens und die weitere Geschichte der
Ungarn bis gegen das Ende des 11. Jahrhunderts
(Coloman). Dies ergibt sich aus den ausführlichen Unter-
suchungen in Studie VII mit vfilliger Gewissheit. Wir haben
den dort enthaltenen Ausführungen nichts hinzuzufügen.
Nachdem wir nun den Aufbau und Umfang der Gesta
veters im Allgemeinen kennen gelernt haben, wollen wir
uns der spcci eilen Betrachtung ihres Inhaltes zuwenden.
b) Orientierende Bemerkungen über die Reichhaltigkeit
und Beschaffenkeit des Inhaltes der Gesta vetera.
I uns
■ Wir wollen zunächst die Frage ganz allgemein erörtern:
waren die Gesta etwa so reichhaltig wie der ihnen entspre-
chende Theil der Nationalchronik, oder waren sie etwa nur
spilrUch wie KezaV
I Wie Marczaii der von uns bereits widerlegten Ansicht
' huldigt (vgl. oben, S. 213 ff.), dass Keza die Nationalclironik
kürzte, so hat Heinemann (Neues Archiv XIH, S. 66) sicli
Idahin ausgesprochen, dass Keza seine Vorlage, also unsere
Gesta, , ungemein flüchtig excerpirte'. Für diese Be-
hauptung hat er ,ein bemerkenswerthes Beispiel' angeführt,
das aber unserer Ansicht nach durchaus nicht so ausschlag-
gebend ist, wie er annimmt. Er macht niimlich auf folj^ende
»Stelle bei Keza, §. 26, aufmerksam: ,llungari . . . duxerant
Cesaris exercitum sursum juxta fluvium Rebclie et utraque
flumina tota nocte equitando, orto sole facili vado transierunt.'
I Dass hier offenbar ein Flussname ausgefallen ist und die Stelle
I Archi>. LXVXVUI. M. I. Hilft«. 15
226
richtiger wie im Chronicon Budcnse, S. 84, ,iuxta fluvios Raba
et Rabcha' gelautet hat, ist sicher; aber erinnert man sieb
daran, wie schlecht uns Keza überliefert ist, so verliert dieser
Fall alle beweisende Bedeutung. Uebrigens besagen einzelne
derartige IrrthUmer Überhaupt wenig; dergleichen kann auch
dem aufmerksamsten und sorgfältigsten Schreiber vorkommen.'
Auch kommt es durchaus nicht auf den Nachweis einzelner
Verstösse an: auf diese kann sich nicht unsere Untersuchung
stützen, deren Zweck die Erörterung der Frage ist, ob die
alten Gesta näher der reichen Chronik oder dem weit dQrfligeren
Keza standen, ob sie überhaupt in ihrer Beschaffenheit jeneu
schon gleichkamen oder vielmehr der Darstellung Keza's und
des Anonymus entsprachen. In dieser Beziehung soll nun im
Folgenden wohl mit genügender Sicherheit nachgewiesen wer-
den, dass Keza die alten Gesta in ihrem ganzen Um-
fange uns in ursprünglicherer Gestalt überliefert bat
als die Chroniken. Diese haben dagegen ihre Vor-
lage bereits bedeutend erweitert und umgearbeitet
Auch der Anonymus hat überaus viele Interpolationen
vorgenommen; insofern aber seine Darstellung auf
den Gesta vetera beruht, hat er deren unvollkommene
Ursprünglichkeit ebenfalls genauer gewahrt als die
Chroniken.
Die Gründe, welche fllr diese Behauptungen Sprech
sind vielfacher Art.
Zunächst möge darauf hingewiesen worden, dass w»r
keinen Grund zur Annahme haben, Keza hätte sich
mit einem eilfertigen Excerpte begnügt. Dieser Vor
aussetzung widerspricht erstens der Umstand, dass er offenbar
die Geschichte seines Volkes mit Interesse verfolgte und mög-
lichst vollständig verzeichnet wissen wollte, wofür die trotz ihrer
Unvollkommenheit mühevolle Zusammenstellung der Hnnen-
geschichte ein gewichtiger Zeuge ist. Femer aber darf man nicht
Übersehen, dass Keza in seiner Einleitung sich an den König
wendet, dass er in seinem Auftrage arbeitet. Da ist es doch
nicht wahrscheinlich, dass er es gewagt hätte, aus einem längst
* Ebenso ist der Hinweis Heinemnnn's S. 7U uiiüticIihKUig. Die OesU
vetera haben ganz gewiss auch Aber den HeideiiautstaDil vom Jafart
1040 und nber Gerhard nicht so viel enthalten, als Heinomann Ter
inuthet. Mnii vergleiche weiter nntcn die Ansfnhmnpen im Text«.
bekannten und verbreiteten Geschichtswerke einen gar so
schlechten Auszug zu bieten, als seine Ungarngeschichte den
Chroniken gegenüber erscheint. Wir folgern daraus, dass
Keza's Vorlage, die Gesta vetera, magerer als die Na-
tionalchroniken waren. Zu demselben Schlüsse ge-
langt man, wenn man die Darstellung des Anonymus
mit jener der Nationalen Chroniken vergleicht. Wie-
wohl der Anonymus recht willkürlich mit seiner Vorlage zu
Werke ging, so wird man doch zugestehen mtissen, dass seine
Darstellung eine geordnetere und der historische Gehalt der-
selben ein grösserer gewesen wäre, wenn ihm die reiche Na-
tionalchronik vorgelegen wäre.
An zweiter Stelle machen wir den UmsUvnd geltend, dass
man vielfach nachweisen kann, dass die bei Keza vorhan-
denen Lücken und Ungenauigkeiten in der Chrono-
logie nur daraus zu erklären sind, dass er eine spär-
lichere Quelle benützte, als es die Nationalen Chro-
niken sind. Dies gilt auch betreffs der Vorlage des
Anonymus. Ganz besonders sind jene Fälle interessant, in
denen man alle drei Quellengruppen vergleichen kann. Ein
solcher Fall ist bereits oben, S. 220, angeführt worden. Hier
folgt eine ausführlichere Vergleichung der chronologischen An-
gaben der einzelnen Quellen. Im Chronicon Budense, S. 64 ff.,
wird mitgetheilt, dass nach der Eroberung Pannoniens die
Ungarn sechs Jahre ruliten, hierauf fielen sie im siebenten
Jahre in Mähren und Böhmen ein; dann folgte ein Jahr der
Ruhe; .sodann fand der Einfall nach Kärnten, Krain und Steier-
mark statt; wieder folgen drei Jahre des Friedens, denen die
Kämpfe in Bulgarien und Italien sich anreihen ; hierauf werden
wieder zehn friedliche Jahre gezählt; im elften folgen Raubzüge
in Deutschland; dann verharren die Ungaru 16 Jahre in
der Heimat, worauf sie im 17. ausziehen und es zur Lech-
feldschlacht kommt u. s. w. Vergleicht man diese Darstellung
mit jener bei Keza (S. 73 f.) und beim Anonymus (S. 43 und
46 ff.), so finden wir von allen diesen genauen Bestimmungen
weder bei dem Einen noch bei dem Anderen etwas. Bei Keza
heisst es: ,tandem — post hoc — abinde — tunc — tempore item
aÜo(!) — post liec' — und schliesslich steht statt jener 16 Jahre
■ des Friedens vor dem Entscheidungskampfe bei Augsburg:
■ .transactis igitur paucis diebus'. Dementsprechend findet man
I
228
auch beim Anonymus keine einzige Zeitbestimmung, die jenen
in den Chroniken entsprechen würde; vielmehr hält der Ver
fasser noch weniger als Keza die einzelnen Begebenheiten aus-
einander, was sich nur daraus erklärt, dass die genauen Zeit-
angaben in der Vorlage fehlten. Für die grosse Niederiagc
versuclit zwar auch er einen bestimmten Zeitpunkt anzusctzeD
(postea vero anno V regnante Counrado); aber gerade die ab-
weichenden Angaben zwischen den drei Geschichtswerken zci|:t
— wie bereits frtlher, S. 220, hervorgehoben worden ist — dass
auch an dieser Stelle ihre Vorlage, die alten Qesta, keine be-
stimmte Angabe boten. Und wie für das zehnte, so kOnnen
wir den Mangel derartiger genauerer chronologischer Angaben in
den Gesta vetera auch für das elfte nachweisen. Man vergleiclie
darüber die S. 218 mitgetheilten Stellen, aus denen wohl sur
Genüge hervorgeht, dass Keza in seiner Vorlage nicht die ge-
naue Auaeiimnderhaitung der in die einzelnen Jahre fallenden
Ereignisse vorfand. Dass die grössere Genauigkeit in der
Nationalchronik erst eine Folge der erneuerten Verwendung
der Annales Altahenses ist, wurde bereits oben, S. 214flf., aus-
geführt.
Im Anschlüsse an die vorhergehenden Bemerkungen
können wir als dritten Beweis für die kürzere und weniger
vollendete Gestalt der Gesta Hungarorum den Umstand an-
führen, dass gewisse Stellen bei Keza sich durchaus
nicht als Auszüge aus dem vorliegenden Texte der
Nationalchroniken erklären lassen. Es genügt z. B..
die Darstellungen der Streitigkeiten zwischen Salomon und
Geisa und des Eingreifens des Kaisers Heinrich in dieselben
zu vergleichen. Keza erzählt hier (§. 33, S. 86) die Ereignisse
in einer ganz anderen Reihenfolge. Gleich zu Anfang de»
Streites berichtet er: ,Rex autem Salomon Cesarem suum soce-
rum contra Ladislaum et Geicham per Nitriam cum exercitn
maximo introduxit. Qui Vaciam perveniens, Ladislai exercilu
speculatn, tinxit se infirmum, per Posonium in Austriam est
reversus . . .' Diese Nachrichten finden sich im ChronicoD Bu-
dense erst auf S. 156—158 mit wörtlichen Anklängen, während
das, was Keza darauf erzählt, hier bereits auf S. 145 ff. erzählt
wird. Wie eine derartige Umstellung bei einem Auszuge miJg-
lich wäre, ist schwer zu erklären. Dagegen sind die Um-
stellungen, Verbesserungen und Erweiterungen, welche wir in
229
den Chroniken gegenüber Keza Kiiden, leirht als Merkmale
eines mit reicheren Hilfsmitteln arbeitenden Interpolators zu
erkennen. Den Nachweis zahlreicher Interpolationen in der
Nationalchronik werden wir übrigens noch bei verscliiedenen
Gelegenheiten erbringen.
Ferner kommt der Umstand in Betracht, dass die Na-
tionalchronik ausdrücklich eine Erweiterung ihrer
Vorlagen ankündigt. In den verschiedeneu Clironikredac-
tionen findet sich nämlich folgende SteUe: * ,No8 enim ea potius,
que ab aliis seriptoribus pretermissa sunt, brcvitcr ac summatim
scribere intendimus.' Diese Worte besagen doch ganz offenbar,
dass der Chronist mehr bieten wolle als die verschiedenen ihm
vorliegenden Quellen, und er muss hiebei doch besonders an
die Erweiterung der ihm unzweifelhaft vorliegenden Gesta ge-
dacht haben, wenn auch der Gedanke ihm nicht fern gelegen
sein mag, mehr als die von ihm benutzten Logenden und
sonstigen Quellen zu bieten.
Wir gelangen hiermit schliesslich zum letzten, aber auch
höchst wichtigen Beweise. Es liisst sich nämlich überzeugend
darlegen, dass die Nationalchronik die ursprünglichen
Gesta durch eine Reihe von Nachrichten aus ver-
schiedenen Quellen erweitert haben. Dies ist bezüglich
einer Reihe von Stellen, die aus den Annales Altahenses neu
von der Nationalchronik übernommen worden sind, bereits oben
dargelegt worden. Die weiteren bezüghchen Ausführungen
findet man im nächsten Unterabschnitte, in welchem wir uns
mit dieser Frage insbesondere beschäftigen werden.
Somit haben wir zur Genüge festgestellt, dass der In-
halt der Gesta im Allgemeinen ein spärlicherer war,
als jener der Nationalchronik ist.
c) Nachweis, dcus die Gesta vetera sowohl die Amiales Alta-
henses weit spärlicher als die Nationalchronik benützt haben,
und dass sie die Legenden Sfei/hans, Emerichs, Ladislaus' und
Gerhards nicht ausschrieben.
Schon die Gesta Hungarorum vetera haben die Annales
Altahenses benützt. Wir sind aber schon oben, S. 21 3 ff., zur
>'* Chrooicon Budeiuo, S. 62 ond die anderen an den entsprechenden
Stellen.
230
Ueberzengung gekommen, dass die Nationalchronik zu deo bei
Keza bezeugten Entlehnungen der alten Gesta aus den g^
nannten deutschen Jahrbilchem eine Reihe neuer genuere
Stellen aus diesen hinzufügten. Dass auf die erneuerte B*-
niitzung der Annales Altahenses die genauere, chronologiaek
geordnetere Darstellung der Nationalchronik zurilckznftlliia
ist, wurde bereits ebenfalls oben, S. 218 and 228, bemeill
Ausser diesen Einflüssen der Annalen Hessen sich noch nunek
andere anftlhren. So ist z. B. bei Keza, §. 28, S. 83, zu Uta:
Tunc tres fratres Albensem ingressi civitatn
ab Omnibus episcopis, nobilibus omnique popili
cum summa laude sunt suscepti, et Andreas eit
potior in regni solium sublimatur.
Wenn nun dem gegenüber die Nationalchronik (ChnnücoB
Budense, S. 101) Folgendes bietet:
Porro dux Andreas a perturbationibns hostium
securus effectus, in regia civitate Alba regalem co-
ronam est adeptus; a tribus tantum episcopii,
qui in illa magna strage christianoram ct*-
serunt, coronatus est . . .,
80 ist der Einfluss der Annales Altahenses völlig klar. Diese
haben nilmlich folgende Nachricht (a. 1046, S. 43):
A tribus ergo pontificibus, qui residui
erant, accepit ille regalem Ordinationen! . . .
Auch noch einen zweiten ähnlichen Fall ergibt die Ge-
schichte Andreas'. Keza berichtet über dessen Kriege Folgendes
(§. 30, S. 84):
Cum igitur Andreas diadema regni suscepisset.
cum Noricis, Boemis et Polonis guerram dicitur le-
nuissc, quos superans debellando tribus annis fecisse
dicitur censuales. Propter quod Heinricus imperator
desccndcns usquc Bodoct V mensibus Albam obsedit
fivitatem ... Es folgt eine sagenhafte Ueberlieferung
über die Niederlage der Deutschen.
Keza erzählt also nur von einem Feldzuge des Kaisers
und weiss überdies nur ungarische Ueberlieferung zu berichten.
Anders dagegen die Nationalchronik. Diese Redaction (Chro-
nicon Budcnsc) bietet zwar ebenfalls S. 102 die Nachricht:
sai
Tribus Idem annis Polonos, Bohemos et Australes
Buis armis Hungaris fecit censuales . . .
Dann aber folgen (S. 104 — 107) allerlei Nachrichten Über
andere Begebenheiten, die sich zum Theiic gegenüber der Dar-
stellung bei Keziv deutlicli als Einsehlibe erweisen, ' und so-
dann (S. 108) berichtet das Chronieon Budense zum Theile in
Uebereinstimmung mit den Annalea Altahenses über zwei Feld-
züge des Kaisers in aufeinanderfolgenden Jahren; insbesondere
weiss es wie diese (a. 1052) über die vergebliche Belagerung
von Pressburg zu erzählen; erst dann berichtet es (S. 108),
dass der Kaiser ,appropinquavit niontibus Bodouch', worauf
wieder in ziemlicher Uebereinstimmung mit Keza dessen Er-
zählung folgt. Die Verbei5serungen sind ganz offenbar in den
Chroniken erat auf die erneuerte Verwendung der Annaion
zurückzuführen. Vieles hielier (iehörige ist bereits auch oben,
S. 214ff., ausgefllhrt worden ; Anderes wird unten bei der Fest-
stellung des Bestandes der fJesta vetera noch besprochen wer-
ben (S. 276 flf.). Wir bemerken nur noch, dass bei diesen unseren
Untersuchungen leider der Anonymus nicht in Betracht ge-
zogen werden kann, weil seine Darstellung bekanntiieb das
11. Jahrhundert nicht mehr umfasst, für welches die Annales
Altahenses benutzt wurden. Dasselbe gilt leider auch fllr die
folgenden Betrachtungen, die eben tusgesammt die Geschichte
des 11. Jahrhunderts umiassen. Wir müssen uns mit dem Ver-
gleiche von Keza und der Nationalchronik begnügen. Aber es
ist wohl unzweifelhaft, dass, wenn bei Keza sich irgend eine
Quelle nicht benutzt findet, welche in den Chroniken ausge-
schrieben erscheint, man unmiiglich annehmen kann, Keza hätte
die aus dieser Quelle herrührenden Nachrichten seiner Vorlage
— der Uesta — nicht berücksichtigt. Vielmehr ist nur der
SchlusB möglich, dass sie in diesen nicht vorhanden waren,
sondern erst durch den Verfasser der Nationalen Grundchronik
oder Ofener Minoritenchronik aufgenommen wurden. Wir
können auf diesem Wege nachweisen, dass in den Gcsta die
Stephanslcgenden, femer jene Emcrichs, Ladislaus' und Gerhards
» So ist «. B. di6 EraShlun^ 8. 104 über die nachtrSgliclie Benifanjf
Beins ein jOngerer Eiuachub, douu uacli der Darstellnng Keza's (§. 27
und 28, 8. 83) kamen alle drei Brllder (Andreu, Bela und Leventha)
meu nach Ungarn. Das Nätiore vgl. unten 8. iH.
232
nicht benutzt wui-den, während dieselben in der National-
chronik sämmtlich benutzt oder auch ausdrücklich genannt
erscheinen. '
Was zunächst die Stephanslegenden betrifft, so zeugen
folgende Umstilnde dafür, dass dieselben in der Vorlage Ken's,
also in den Gesta, nicht benützt worden waren. In den Le-
genden* wird nusdi'ücklich der Kampf Stephans gegen die
AufstUndigen (unter Leitung Cupan's) in den Anfang seiner
Regierung und vor die Königskrönung gesetzt. Bei Keu
lesen wir dagegen, §. 24, S. 77 : ,Sanctos namque rex Stephaaua
coronatus et tandom duce Cuppan interfecto, lula aTuncolosao
cum uxore . . .* Die Nationalchronik (Chronicon Budcnse), die
sich, S. 61, bereits ausdrücklich auf eine ,Legenda sancti Ste-
phiini regis' beruft, erzählt zunächst, 8. 63f., den Kampf gegen
Cupan, erwähnt sodann, S. 65, die Krönung ,Porro beatus Ste-
panus, postquam regie celsitudinis coronam divinitus est adeptns'
und erzählt erst hierauf den Kampf gegen üyida. Dass diese
RichtigstclJung auf den Einfluss der Legende zurückzuführen
ist, kann nicht zweifelhaft sein. Ueber die Erbauung der Kirche
zu Stiihlweissenburg berichtet Keza, §. 24, S. 78: ,. . . quam
fundasse perhibetur.' Diese von einer gewissen Unsicherheil
zeugende Ausdrucksweise müsste jede Quelle vermieden haben,
welche die Legenden kannte. Dementsprechend heisst es aucli
im Chronicon Budense, S. 66: ,quam ipso fundaverat.' Drittens
möge darauf verwiesen werden, dass nach Keza, §. 25, S. 79,
Peter der Sohn von Giscilas Schwester ist (Hegina vero
Kysla consilio iniquorum Petrum Venetum filium sororis sue . . .).
Dieser Fehler wäre wohl in seine Darstellung nicht hineinge-
rathen, wenn ihm oder seiner Vorlage der klare Bericht in den
Legenden Stephans vorgelegen wäre, dass Peter der Solm der
Schwester Stephans sei (Vita maior, §. 15: ,. . . primum
cum eis tractavit de substituendo pro se rege, Petro videlicet
sororis sue filio, quem in Venetia gcnitum . . .'; vgl. Hartwicb,
§. 22). Die Nationalchronik (Chronicon Budense, S. 75), deren
* Daranf hat scliuu Ititdemacher in dou Forschiingeu zar deutschen Q«-
whiehte XXV, S. 388f. in Kürze hingewiesen. Ueinemann, Nenw
Archiv XIII., 69 f. echlierat sich mir theilweise dieser Ansicht an. Vgl.
weiter unten im Texte diu AnsfUhrungen über die Gerhardlef^ende.
» Vita maior, §. i; und 9 (bei Florianus, Fönte» I, ISff); ViU von Hart-
wich ebenfalls §. ti nud 9 (ebouda, 8. 39 ff.}.
2S3
I
I
Verfasser oftuubar beide IjIacLrichten (UesUi vutera und die
Legende) vorliegen, weiss sich nicht Ratli zu schaffen; er
macht einerseits Peter zum Bruder Qisellas, weiss aber auch
bereits — wie die Legende — dass dieser ein Sohn von Ste-
pbans Schwester sei. '
Weniger bestimmt lilsst sich der Beweis erbringen, dass
dem Verfasser der Gcsta nicht die Emerichslegende vorlag.
Dieselbe bietet leider viel zu wenig greifbares Material und
viel zu viel Phrasen, als dass sich ihr Einfluss genau nach-
weisen Hesse. Was aber bei Keza (S. 78) über Emerich zu
lesen ist, scheint uns gegenüber den Lobpreisungen in der
Legende und den auf dieser beruhenden Ausführungen in der
Nationalflironik (Chronicon Budense, S. 70; vgl. auch S. 61,
wo die Emerichslcgende ausdrücklich citirt wird) etwas zu
kühl zu sein, als dass es auf der Legende beruhen würde.
Wie dem aber auch sein mag. sicher ist es, dass der Ver-
fasser der Nationalehronik die Emerichslcgende kannte (vgl.
Chronicon Budense, S. 61 : ,quique enim hoc scire voluerit, ex
legenda eiusdem beatissimi confessoris plenam sanctissime cius
conversationis noticiani habere potucrit) und aus dieser sich filr
den Heiligen zu seinen Lobpreisungen begeisterte.
Dass sich von der Ladislauslegende bei Keza noch
keine Spur findet, haben bereits auch Radcinacher und Heine-
mann' festgestellt. Wir brauchen darauf also nicht naher ein-
zugehen. Dass Keza nicht aus der Ladislauslegende etwa in
die Qesta vetera geflossene Stellen aus diesen entfernte, liegt
klar am Tage.*
Von hoher Bedeutung ist die Untersuchung Über die
Gerhardslegendc. Auch bezüglich der Nachrichten über
Gerhard soll sich nämlich Keza überaus bedeutende Kürzungen
B ' Nach der Chronik findet iiSinlich fnlgendes Terwaudt8chaftlicliM Vor-
I bältnigs statt:
^^^_^ Wilholtn von Venedig
^^^^^ 1. Oemalilin: Gertrud 2. Oemablln: die Schwester Stephans
^V
^^^B Kllnigiii Gisella Peter
^^■* Vgl. S. -J33, Anro. 1.
^^^m* Sicher log die Ladislaiulegeude bereits dem Verfasser der Nationalen
^r Qmndchronik vor. Ueber die nochmalige BenQtzang in späteren Be-
^^^H dactiuiieu der Chronik ist xo vurgteicben Studie VII, Anm. 1!8.
I
234
zu Schulden kommen lassen. Heinemanu (Neues Arcliiv XIII,
S. 70f.) ist der Ansicht, dass in der Vorlage Eeza's so reiche
Nachrichten über den Heiligen gestanden seien, dass aus diesen
die Legende desselben geflossen sei; Keza htftto diese Nach
richten weggelassen; in den Nationalen Chrunikeu wäre aber
neben diesen stehen gebliebenen Nachrichten der Gesta auch
noch neuerdings die Legende benutzt worden. Wenn diese
Ansicht richtig wäre, so hätte sich Keza allenfalls arger Kür
Zungen schuldig gemacht. Aber vergebens fragen M'ir uns zu-
nUchst nach einem Grunde, wnnim er von den zahlreichen
wissenswerthen Nachrichten, welche die Legende bietet, und
die angeblich in den Uesta vetera gestanden sein sollen, so
wenig behieltVl Was konnte ihn doch wohl dazu veranJaot
haben? Ferner erscheint es uns doch sehr unglaublich, daas
innerhalb der jedenfalls verhältnissmüssig knappen Darstellong
der Qesta so viele Nachrichten llber Gerhard jemals Platz ge-
funden hätten, als sie Hcinemann's Ansicht voraussetzt. Hien
kommt nun aber Folgendes: Unter dem Wenigen, was bei
Keza über Gerhard vor seinem Auftreten gegen Aba gesagt
wird, erfaliren wir, dass er ,monachus prius fuerat de Rosa-
censi abbatia' (§. 29, S. 84). Dieselbe Nachricht tiadet sich in
der Nationalchronik (Chronicon Budense, S. 97), und sie stand
daher auch sieher in der gemeinsamen Quelle. Wenn nun die
Legende aus derselben floss, warum erwähnt sie diese Nach
rieht gar nichtV £s ist doch sehr unglaublich, dass der Le-
gendenschreiber, der alles Andere den Gesta entnommen haben
soll, diese Nachricht ausgelassen hiltte. — Ebenso bemerkcns-
wcrth ist folgender Umstand. Nach Keza (§. 27 und 28, S. 83)
kommen auf die Einladung der ungarischen Grossen, welche
mit Peter unzufrieden waren, sofort alle drei jenseits der Kar-
pathen weilenden Rriidcr (Andreas, Bcla und Levcntha) nach
Ungarn. Nach der Darstellung der Vita s. Gcrhardi* und
der Nationalchronik (Chronicon Budense, S. 92 und 104) kehren
dagegen nur die beiden alteren zurück, wUhrend der jüngste
erst spittcr nachfolgt. Es ist augenscheinlich, dass die National-
chronik aus der Vita die Mittheilungen ihrer Vorlage — der
Gesta — verbessert. Ganz willkllrlich erscheint aber die An-
nahme, dass die Vita trotz ihrer abweichenden Darstellung auf
' Endliotior, Hnnumenta Arpailinna I, 'Hl.
335
I
den Gcsta vetera beruht. — Schliesslich vergleiche man noch
folgende Stellen:
Legende, S. 22G.
Alba comes palacii
. sanctis quadrogc-
oe diebus honestis-
Qos quosque sui cou-
ii viros fustibus et
lis velut junicntii scii
Uta animaiia ausus
interficere.
Koia, S. 81.
(Alba) viroa quinqiia-
<,'inta consiliandi causa in
iinam donuim evocavit,
(luibua in eadom inclusis
crimen non confessos nee
convictos legibus caput
l'ecit detruneari.
Cbr. Budeuse, S. 82.
Cum onim rex Cha-
nadiui Quadragesimain
celebraret, in eadem
Quadragcsinia circiter
quinquaginta viros no-
biles sub pretextii con-
siliandi in quadam do-
mo inclusit et ab ar-
matis milibus fecit cos
obtruncari nee contri-
toa nee confessos.
■ Wir constatiren, dass 1. zwischen der Legende und Keza
I sich gar keine würtlichen AnklUnge finden, was duch an (riescr
I Stelle, die dasselbe gleich ausfuhrlieh erzählt, bei gemeinsamer
Quelle ganz uncrklitrlich wiirej und 2. in den Nachrichten sich
eine ganz merkwürdige Divergenz zeigt: die Vita fuhrt die
Zeit an, Eeza die Anzahl der Erschlagenen; die Vita be-
zeichnet die Ermordeten als Ulithc Abas, Keza spricht nur
vom Vorwande einer Kathsversammlung; die Vita erzUhlt die
Art der Ermordung, Keza hebt hervor, dass die Ermordeten
keine Schuld gestanden hätten und auch keiner auf gesetzlichem
Wege überwiesen worden vviire. Da ist doch offenbar keine
Spur derselben directen Quelle! Die Nadonalehronik hat da-
gegen offenbar die Nachrichten der Gesta Hungarorum vetera,
welche auch Keza vorlagen, mit jenen der Vita, welche aber
sicher nicht auf die Gesta zurllckgeht, verbunden, wobei er in
■ unsinniger Weise die Bemerkung der Gesta Über die nicht
stattgefundene gerichtliche üeberfllhrung der Getödteten auf
»Beichte uud Comraunion auslegt. ' Wir dlirfen also als un-
zweifelhaft annehmen, dass die Oesta sehr wonig über Gerhard
enthielten; was jetzt in der Nationalchronik über ihn stellt,
kam herein durch die Benützung der Vita s. Oerhardi durch
den Verfasser der Ofener Minoritenchronik.
* So flisit bereit« Magien die Stelle in der Nfttionalchronik auf: ,.
lies« nie gar enthaabten an alle peicht' (8. 43).
vnd
236
Aus unseren Aosftllirungen geht es somit hervor, dass
den ursprünglichen Gesta Hungarorum vetera gegen-
tlber den nationalen Chroniken eine Reihe von Stellen
aus den Annales Altahenses und den ungarischen Le-
genden (Stephan, Emerich, Ladislaus und Gerhard)
fehlten. Ihrer Reichhaltigkeit nach standen sie also
sicher viel näher Eeza als den Chroniken; Einzelnes
hat Keza allenfalls vielleicht ausgelassen, wie er andererseits
auch Einzelnes hinzufügte. Die Nationalchronik hat die nr
sprUnglichen Gesta aus den eben genannten Annalen, den Le-
genden und wohl auch anderen Quellen, wie auch aus der
Ueberlieferung bedeutend erweitert.
d) Anmerkung zur Herstellung der Gesta Hungarorum vettra
in ihrer ursprünglichen Gestalt.
Entsprechend unserem frliher entwickelten Plane schreiten
wir nun daran, im Einzelnen Schritt für Schritt festzustellen,
was in den uns erhaltenen Chroniken aus den Gesta herrühren
könne, und was spätere Interpolation oder Umarbeitung seL
Unsere Absicht kann es hiebei nicht sein, eine eigentliche Her
Stellung des Textes der Gesta zu versuchen, weil noch die
nöthigen kritischen Ausgaben der verschiedenen Chronikredac-
tionen nicht zur Verfügung stehen. Wohl aber werden in diesen
Paragraphen manche Winke und Vorarbeiten für dieses Unter-
nehmen Platz finden. Bei dieser Gelegenheit werden wir auch
vielfach Gelegenheit haben, unsere früheren Ergebnisse zu er-
proben und zu stützen.
Die an der Spitze der Gesta befindliche Beschreibung
Skythiens als Urheimat der Magyaren (vgl. oben, S. 224) hat
A. 889. A Scythicia rcgnis et
a paludibus, quas Thanais
sua refusione in immensum
porigit. — Scythia, ut aiunt, in
Oriente extensa includitur
ab uno latere Ponto, ab al-
Auonymns.
S. 2 ff. Scithia igitur maxima
terra est, que Dentumoger di-
citur, versus orientem. Finis
cuius ab aquilonali parte ex-
tenditur usque ad nigrum pon-
tum. A tergo autem habet flu-
237
sowohl der Anonymus (S. 2 — 4) als Keza (S. 56 — 57) selb-
Btändig benutzt, indem sie zahlreiche Aenderungcn und Inter-
polationen vornahmen. Die Nationatclu-onik (Chronicon Budense,
S. 10 — 12) hat mit Kcza's Hunengeschichte auch dessen Um-
arbeitung der Beschreibung Skythiens, and zwar wieder mit
Aenderungen, übernommen; hiebei wurde offenbar der Text
der Gesta, wiewohl diese dem Verfasser der Chronik vorlagen,
nicht berücksichtigt, weil sich nirgends eine grössere Verwandt-
schaft zwischen dem Texte der Chronik und dem Anonymus
zeigt, als sie Keza aufweist. Dass die verschiedenen Dar-
stellungen in der Beschreibung Skythicns so sehr abweichen,
ist leicht erklärlich. Es lagen hierüber die verschiedenartigsten
Quellen vor, darunter auch schon die Ergebnisse der For-
schungen des 13. Jahrhunderts, aus denen die wahrscheinlich
knappe Schilderung der alten Gesta ergänzt werden konnte.
Die gemeinsamen, auf die Gesta zurückgehenden Stellen dieser
Beschreibung beim Anonymus, Keza und der Chronik sind
schon zum Theile in Studie VII, S. 462 — 465, zusammengestellt
worden. Dort ist auch unzweifelhaft bewiesen worden, dass
die Schilderung in den Gesta vetera auf Regino beruhte. Um
nun einerseits den gemeinsamen, auf die Gesta zurückgehenden
Kern, dann aber auch das Verhältniss zu Regino besser zu be-
leuchten, folgt eine ausführlichere Zusammenstellung der Pa-
ralJelstellen. Es genügt, besonders den Anfang derselben genau
zu beobachten, um aus den gesperrt gedruckten Citaten zu
erkennen, dass Anonymus und Keza = Chronik aus den Gesta
schöpfen: nur so erklilrt sich der Umstand, dass bald jener,
bald diese dem Regino näher stehen, alle drei Ableitungen
aber Gemeinsames haben, was dem Regino fehlt {eursiv Ge-
drucktes).
Kesa.
S. 57. Scithicum enim re-
gnum ... in regna tria divi-
ditur principando, scUicet in
Barsaciam, Dentiam et Mogo-
riam.
S. 56. Scitica enim regio in
Europa situm habet, exten-
ditur enim verau» orieiitem; ab
Chr. Budense.
S. 10. Scitia enim ... in tria
regna dividitur principando, sci-
licet in Barsaciam, Denciam et
Mogoriam.
S. 10. Scitia enim regio in
Europa situm habet et exten-
ditur versu» orientem: ab uno
tero montibus Ripheis, a
tergo Asia et Ithasi flumine.
Patet autem multum in
longitudinem et latitudi-
nem. Hominibas hanc in-
habitantibas inter se nalli
finos. — Ipsi perpetuo ab alie-
no imperio aut inacti aut in-
victi mansere. — Habundant
vero tanta mnltitndine popnlo-
rum, at eos genitale solum non
Bufficiat alere. Septentrio-
nalis qoippe plaga quanto ma-
gis ab esta solis remota est
et nivali frigore gelida, tanto
salabrior corporibus hominum
et propagandis gentibas
coaptata ... ad exquiren-
das, quas possent incolere^
terras sedesque statuerc vale-
dicentes patriae iter aripiunt.
men, qaod dicitnr Thanais,
cum paludibas magnis . . .
Scithica autem terra maltnm
patula in longitudine et
latitudine. Homines vero,
qui habitant eam, Tolgariter
Deutumoger dicontor nsqne
in hodiemam diem, et nul-
lius unquam imperatoris pote-
State sabacti fiierant . . . Sci-
thica enim terra quanto a tor
rida zona remotior est,
tanto propagandis generi-
bus salubrior. Et quamvis
admodum sit spatiosa, tarnen
mnltitudinem populorom inibi
generatorum nee alere suffi-
ciebat nee capere. Quapropter
Septem principales persone, qni
hetumoger dicti sunt . . . con-
stituerunt, utad occupandas
sibi terras, quas incolere
possent, a natali discederent
solo.
Die vorstehenden Parallelstellen ergeben den Kern
der Beschreibung Skythiens in den Gesta. Da wir
annehmen dürfen, dass die verschiedenen Ableitungen doch
nur wenig Wesentliches übereinstimmend ausliessen, so darf
man folgern, dass aus den vorstehenden Stellen der Bestand
der Gesta sich ziemlich vollständig ergibt. Das in den ein-
zelnen Ableitungen enthaltene Mehr an Nachrichten wird man
239
ono vero latere ponto aqnilo-
nali, ab alio montibus Ri-
feis includitur ... De orieDte
quidem Asia iungitur . . . diio
magna flumina, uni nomcn Etui.
Longitudo Biquidem Sciticc
rcgionis stadiis CCC et LX
extendi perhibetur, latitudo
vero CXC. Situm enim natu-
ralem habet tarn munitum . . .
propter quod nee Rumani ce-
sares, nee magnus Alexander
. . . potaerunt in eam mtroire.
S. 56. Scithica enim regio . . .
a torrida zona distans.
S. 56. In gentera validissi-
mam succrcscore ceperunt, nee
capere eos potuit ipsa regio et
nutrire.
S. 57 f. Igitur in etate sexta
secoU multiplicati Huni in Sci-
tia liabitando ut arena . . . uno
corde occidentales occuperent
regiones.
latere ponto aquilonari , ab
alio vero Ripheis montibus
includitur, cui de Oriente
Asya, et de occidente fluvius
Etui, id est Don.
ganz ähnlioli wie bei Keza.
S. 10. In gentem validissi-
mam crescere ceperunt, nee eos
capere ipsa regio poterat, aut
nutrire.
S. 14. In sexta igitur etate
seculi multiplicati sunt Iluni in
Scitia ut arena . . . occiden-
tales regiones invadere decre-
verunt.
also wenigstens zum grösstcn Theile Erweiterungen zuzu-
schreiben haben. So waren vor Allem den Gcsta eine
Anzahl von Stellen fremd, welche Anonymus, wie dies
F. Kühl in den Forschungen zur deutschen Geschichte XXIU,
S. 601 f., nachgewiesen hat, aus den von demselben Forscher
in den Jahrbüchern für classische Philologie 1880, Bd. 26 (= 121),
herausgegebenen Auszligeti ans einer auf Cassiodor be-
S40
rahenden gothisohen ürgeBohiohte entnommsa k»t h
genügt hier innOolut, anf denen allenfiüla niaht gäi
PandlelstellenvenseichniaB sa verweiMn. ZnBltee Am
sind auch die Namen der in Skylhien •votkamaumimtdt
thiere (S. 2), EinaelneB von den hier «ingeMhobaM» M itiM
langen Über Attila (S. 3)^ and andere Eleinig^keitegi^ Dbli^
merkang des Anonymos, S. 2 and 8, daaa in den FIIhm
des Landes Edelsteine and Gold gefunden werd«%
wird kaum aas Ghiido de Colamna entnommen aein, wislfa»
caali' and Rtthl' mdnen. Die Erwthnnng der EiUbrntA
and Edelsteine wurde viehnekr durch die eben
sage veranlasst, die Angabe der FlUwe als Fnndock itfot
aus den Gesta her, welche nach dem Antwwae di
and der Chronik an einer späteren Stelle gana A(
Siebenbürgen behaupteten.* Uebrigens woaato AaoBfmm ik
I InsbeaonclAre lUnd aneh nicht die Angab« «l>riwnwn, dun Attfls ^i
ine. CCCCLImo de tem SeitUca' moMog.' Eeaa, f. C, aali
diesen Auazng ^no dorn, ■eptingenteaino'; die duoBlk ^ShiMdMeBi-
dense, 8. 14) ,CCC Wcedmo oeUro'. W« darin von dae VsakkÜB
Aber Ofen «tind, iat schwer an entsohriden. VgL unten den TaitB.111
* Forschnngen sar deutschen Geschichte XVII, S. 6SS.
* Ebenda XXIII, 8. 608; doch vergleiche 8. 608.
* Die Stelle bei Guido lautet nach Harcsali: ,. . . ditiaBimna aaro (I
gemmis, que in flnmine Tigri et Enphrate crebrins inTeninntar.' DiM
Stelle hat mit Anonymus nichts mehr als den Gedanken, da« Flta*
der Fundort von Gold u. s. w. sind, gemein. Aehnlichea behanptaa be-
kanntlich auch andere Schriftsteller: Isidor, Originnm, Üb. XYl, eap. XI,
§. 4: ,Mittunt eam (rc. galactitem, d. i. einen weiaaen Eldelstün) Nilit
et Ächelous amnes.* — Plinins, NaL EUst, lib. IV, 116: ,Tagas aoiifvii
harenis celebratur; lib. XXXIII, 66: rAumm invenitiir tribna modis: !■-
minum ramentis, nt in Tage Hispaniae, Pado Italiaa . . .* Daxaas Mit
noch nicht, dass Anonymus ans ihnen schöpfte. Sein« Stell« benkt
vielmehr ganz offenbar cunXchst auf den AnscOgen nnd auf den Gcsla
Man vergleiche:
Anonymus.
S. 2. Nam ibi habun-
dat aurum et argentum
et inveniuntur in flu-
minibuR terre illius
preciosi lapides et gem-
me.
AusiOge.
1. Auszog (Codex
LaurenUnianus), Zeile
140: aurum et argen-
tum nimis sicnt lapi-
dis ibidem invenitnr et
mnlta alia gemmamm
diverRitas.
Oeata.
B«i Ajtonjnaai,
%. 86: Qnod lana iUi
(Ultrarilvana) inigaM-
tnr optimis flaviii
... in areak eonn
anmm eoUigereat
241
i
t
Ungar sicher, dasa aus dem Sande der Flüsse Gold gewaschen
werde. Schliesslich bemerken wir noch, dass die in Keza und
der Chronik gegebenen näheren geographischen und
ethnographischen Erläuterungen gewiss erst auf den Er-
gebnissen der Forschungen beruhen, die kurz vor dem Nieder-
schreiben dieser Chroniken stattfanden. Aus der Betrachtung
der Parallelstellen ergibt sich aber auch zur Gentige, dass
bereits die Gesta Regino benutzt haben. Ausschlag-
gebend ist hieflir das dem Anonymus und Keza gemeinsame
,a torrida zona remotior fdistans)', was nur durch Vermittlung
der Gesta erklilrt werden kann, denen hieftir Kcgino's Bericht
,ab estu solis remota' vorlag. Bezüglich einzelner Stellen, an
denen Anonymus dem Regino näher steht als die Anderen,
kann entweder angenommen werden, dass dies aus einer selb-
ständigen Benützung des Regino durch den Anonymus zu er-
klären sei, was sich für gewisse spätere Nachrichten that-
sUchlich nachweisen lässt; ' oder man kann annehmen, dass
diese Stellen so schon in den Gesta standen, von Keza aber
geändert worden sind und daher auch in der Chronik, die in
dieser Partie dem Keza folgt, so erscheinen.*
Wir übergehen nun zur Erzählung vom Ursprünge
der Ungarn und ihrer Führer, besonders Arpads. Nach
dem Ausweise des Anonymus gehören die ausführlichen ge-
lehrten Mittheilungen über die Entwicklung des Menschen-
geschlechtes nicht den Gesta an; sie sind vielmehr erst von
Keza (§. 2 und 3) aus den verschiedenen mittelalterlichen
Schriftstellem zusammengetragen worden. Wohl enthielten
S. 3. Auruni et ar-
gontum et |;emmns
hnbebunt (Scythae)
sicut lapidsfi, qnia in
flnminibaR eiasdem
terre inveniebantar.
2. Auszug (Codex 1 Im Chronicnn Bei-
Bninbergeiiflis) Zeile | densp, S. 65: Erdeol,
127: aiirum et gem- i (]iiiid irrigatnr pliiri-
nias sicut lapides mi» fluviis, in quo-
b ab ob An t. | raiii nrenin aurum col-
ligitiir.
* Siehe weiter unten beaondens Über die Darstellung der Kriege anr Zeit
Ottos de« Grouen.
* Die Chronik hat nHmlich die bei Keca vnr Hnnen;«e8ehichte gezogene
Beschreibung Skythiens mit dioser Hunengeschirhte aus Keza über-
nomineu. Siebe oben, S. 237. Die* erschwert hier unsere Arbeit^ weil
wir nicht drei, sondern nar swei selbständige Ableitungen ans den Gesta
besitzen.
ArehiT. I,XXX?m. Bd. I. HUfla. IG
242
aber bereits die Gesta die Nachricht, dass Japheti
Nachkomme, Magog, der Stammvater nnd. NameBi-
geber der Magyaren war. Dass diese im Mittelaiter mit
verbreitete Ansicht^ aach dem Verfasser der alten Gksta be-
kannt war, ergibt sich aus dem Umstände, dass alle Abi»
tongen sie enthalten. Man vergleiche:
Anonymus.
§.1. Et primus rex
Scithie fuit Magog fi-
lius Japhet, et gens
illa a Magog rege vo-
cata est Moger. —
Scithia igitur maxima
terra est, que Dentu-
moger dicitur.
Keu.
§. 2. Menroth (filius
Thana ex semine Japhet)
duos filios Hunor scilicet
et M 0 g 0 r . . . generavit,
ex quibus Huni sive Hnn-
gari sant exorti. §. 5. Sci-
ticum enim regnnm . . .
in regna tria dividitor, sci-
licet in Barsaciam, Den-
tiam et Mogoriam.
Chr.
S. 7. NemnlbH
Tana ex semineJifii
daos filios HnMti
licet et Magor...
neravil^ ex qmkmi
sive Hangln
egressi. S. 10. 8i
... in tria regiai
ditor princ^Modo,
licet in Buesä
Dentiam et U»
riam. S. 35. A
Eleud ... in Mo;
genuitfiliam. S.36.
vulgariter M»gJ»
sive Unni, latine»
Hungari.
Aus den vorstehenden Stellen ergibt sich wohl zur GknOge,
dass die Nachricht: Magog — Magor — Mogor sei Stamm-
vater der Magyaren, schon in den Gesta stand.' Hunor war
dagegen in diesen noch nicht genannt; daher weiss
Anonymus niclits von demselben, wie er auch nichts von den
' Sie steht Howolil z. B. bei Isidor, Originum Üb. IX, cap. II, §. 27 (Ui^i
a quo Scytbas et Gothos traxisse originem), und ebenda. Hb. XIV, c*p. UL
§. 31 (Scythia sicut et Oothia a Magog filio Japhet fertur cognomintti).
als auch in den oben erwähnten AnszUgen: Codex Laurentinianns, Zcilt
136: ,Magog filius Jafeth eam incoluit . . . Gog et Mago^ nanenpantai'
(vgl. Zeile ICD); Codex Bamberg^nsis, Zeile 12S: .primum in es habiti-
vit Magog filius Jafet.
* Was Marczali darüber in den Oeschichtsquellen, S. 92, anaflihri, ist
ganz irrig ; er übersah, dass sowohl bei Keza ab in der CShnutik UofOt
als Stammvater genannt wird.
243
»
»
Hünen erzählt, ju nicht einmal ihren Namen nennt; erst Keza
nahm neben Mogor aach Hunor als Stammvater der Hünen
auf (vgl. oben, S. 223). Bei Anonymus dürfte also die Stelle
in ziemlich ursprllnglicher Gestalt stehen. Auch seine folgende
Behauptung (S. 3): ,A cujus (Magog) etiam progenie regis de-
scendit nominatissimus atque potentissimus rex Athüa qui anno
dorn. ine. CCCCLIo de terra scithica descendens cum vaÜda
manu in terram Pannonia venit et fugatis Bomanis regnum
obtinuit' durfte bereits in den Gesta angedeutet gewesen sein.
HiefUr lassen sich verschiedene Gründe anführen. Zunächst
muss hervorgehoben werden, dass auch z. B. in den anderen
Ableitungen Attila als Stammvater der Arpaden erscheint.'
Auch ist, wie bereits oben, S. 223, hervorgehoben wurde,
schon in der ungarisch-polnischen Chronik Attila als erster
Ungarnkünig, von dem die folgenden abstammen, angeführt.
Erinnern wir uns, dass dieser Chronik eine unseren Gesta ver-
wandte Quelle vorlag (Studie VI, S. 526 f.), so kommen diese
Umstünde um so mehr in Betracht. Attila musa aber wohl
auch deshalb in den Gesta bereits genannt worden sein, weil
die übereinstimmenden Aeusserungen der Ableitungen insge-
Bammt dahin gehen, dass die Ungarn Pannonien als Erbe
Attilas in Besitz nahmen. Wenn Anonymus an einer Steile
(§. 9) dies mit den Worten zum Ausdrucke bringt:^ ,Post mor-
tem Athile regis terram Pannoiiie Komani dicebantur pascuam
esse ... et iure terra Pannonie pascua Romanorum esse
dicebantur', so finden wir hierin auch enge Beziehung zu
Riehard's Notiz (siehe oben, S. 225): ,. . . tandem venerunt in
terram, que nunc Ungaria dicitur, tunc vero dicebatur pascua
Romanorum.' Dass dieses Verhältniss sich aber nur aus der
gemeinsamen Quelle, den Gesta, erklilren lässt, ist wohl un-
zweifelhaft. Wir dürfen also wohl annehmen, dass schon die
Gesta Attila als König der Ungarn und einstigen Be-
herrscher von Pannonien nannten. Ihnen gehört auch
die Bezeichnung Pannoniens als ,pascua Romanorum'
» Vgl. unten, 8. 246.
* Siobe auch §.11: ,qne etiam primo fnisset terra Afhile regia. Et mor-
tao illo preoccupassent Romani principe» terram Panuonie . . . Vgl. §. 14,
S. 15: ,Dux Arpad . , . respoudit diceus: Licet proavua meus potontii»!-
mua rex Atliila habuerit terram, que iscet inter Danubiam et Tbysciam.'
Ebenso, %. 19.,
16*
244
an. NähercB über Attila und die weiteren Schicksnli'
der Hünen, wie sie bei Keza, §. 6 — 15 und in der
Chronik (Chronicon Budense, S. 14 — 32) gescbildert
werden, enthielten aber die Gesta ganz sicher nicht'
Zu dem an früheren Stellen (vgl. besonders oben, 8. 223 f.) dar-
llber Gesagten mag hier nur noch betont werden, dass ins-
besondere auch eine Zeitangabe über den Auszug Attilas und
der Hünen aus der Urheimat in den Gesta nicht stund, des-
halb stimmen darin die verschiedenen Ableitungen gar nicht
Ubcrein:* nach den Angaben der Chronik verstrichen zwischen
Attiln und der Einwanderung der Ungarn nach Pannonien etw«
560 Jahre, nach der Angabe des Anonymus etwa 440, nach
jener Keza's nur etwa 180 Jahre, so dass schon Attilas Enkel
wieder in Pannonien einwanderte. Erwähnt mag hier noch der
Umstand werden, dass die ungarisch-polnische Chronik gar
keine Unterbrechung im Besitze Pannoniens durch die Ungarn
eintreten lilsst und zwischen Attila und Geisa nur zwei er
dichtete KOnige (Coloman, Bela) setzt. Beim Anonymus wttrdcn
wir aber vergebens nach einer AufklUrung darttber suchen,
wie es denn kam, dass die Magyaren, mit denen doch schon
Attiln nach Ungarn kam, spitter wieder aus Osten dahin ziehen.
Die wenigen Bemerkungen, die sich sonst noch zn Attilas Gfr
schichte beim Anonymus S. 3 finden, beziehen sich auf sein«!
,rogalem locum", der ,per linguam huiigaricam dicitur nunc
Buduvar et a Tcothonicis Ecilburgum vocatur'. Diese Mitthei-
lung findet ihr OegcnstUck bei Keza' und konnte somit wobl
auch in den Gesta gestanden sein, obwohl diese NaDten»-
kenntniss natürlich sowohl dem Anonymus als Keza auch ohne
eine Quelle zugeschrieben werden kann. Allonfalls sind wir
bemilssigt, anzunehmen, dass der Anonymus an dieser Stelle
sie in den Text seiner Vorlage einschob, denn er fkhrt nach
dem obigen Citate folgendermassen fort; ,Quid plora? lUr hi-
' Dut dkfregen im Sohluuparagnipb« der Hunengeachiahl« (Keuu §. Idi
und Chronicon Budenno, 8. 32f.) bereits Einiges au.i den Gast» <Ml-
nommeo ist, wurde bereits in Btndie VII, S. 461), betont. Wir weidap
gleich d*naf b«i der EroberungagenGhichta EurQckkomtnea,
* Siehe oben, 8. 240, Ajim. 1.
' 8. 64: ,. . . Teutonici interdictum formidantea e«ni Echulbnre Tocaremut
Honi rero nsque hodie . . . euidem voc>nt Oubudam sictit prioi.' V;)-
Chronicon Budense, 8. 24, wo die Form ,Uudn Vara' orBnhoint
245
storie Umeamim. Longo aiitcm post tempore de progenie cius-
dem regia Magog descendit ügek, pater Almi ducis, a quo
reges et duees Hungaric originem duxerunt, sicut in gequenti-
hu» dicetur.' Diese Fortsetzung der Genealogie folgt in §. 3.'
Hier setzt der anonyme Notar ganz offenbar wieder den Bericht
der Gesta fort: .Anno dorn. ine. DCCCXVIIII Ugek, sieut
supra diximus, longo prius tempore de genere Magog regia
erat quidaui nobilissimus dux Scithic, qui duxit sibi uxorem in
Denturaoger, filiam Ennedubeliani ducis, nomine Emesu. De
qua genuit filium, qui agnominatus est Aliiius. Sed ab eventn di-
vino quia niatri eius . . .' (es folgt die wahrscbeinlicb ecbte uu-
gsrische Volkssage Qber den Namen Alinus'). Dass diese
Geschichte von der Abstammung und dem Namen
Almus' in den Gesta stand, geht unzweifelhaft aus
dem Umstände hervor, dass die Chronik diese Er-
zählung auch hat (S. 35), und zwar mit wörtlichen An-
klangen: ,Porro Elend, tilius Ugek, ex tilia Ennodbilia in Mogor
genuit filium, qui nominatur Almus ab eventu, quia matri eius
in Boninio innotuerat avis, quasi in forma asturis veniens . . .'
Allenfalls ist hier die Stammfolge schon etwas geändert, indem
zwischen Ugek und Almus ein Eleud eingeschoben erscheint;
auch weiss der Chronist bereits eine geschlossene Stammreihe
bis auf Attila anzugeben (Almus — Eleud — Ugek — Ed —
Chaba — Attila), ja er setzt sogar diese Reihe bis aui'Japhet
and Nog fort. Da nun bei Keza ebenfalls einerseits die Reihe
(§. 19) Arpad — Almus — Elad — Uger sich tindet, andererseits
(§. 15) aber auch die Reihe Ethele — Chaba — Ed, so ist wohl
unzweifelhaft, dass die ausführliche Reihe bereits in der Keza
und der Chronik gemeinsamen Quelle stand. Die Keza und
der Chronik gemeinsame Abweichung (Eleud!) und die grössere
AusfUhrhchkeit gegenüber Anonymus ist nun wohl nicht so zu
erklären, dass der Anonymus aus der gemeinsamen Vorlage
etwas ausliess, sondern man darf hier wohl mit Sicherheit an-
nehmen, dass Keza und die Chronik eine andere, bereits etwas
erweiterte Gestalt der Gesta vetera benützten. Wir werden dar-
über noch unten mehr zu sagen haben. Man könnte aber hier
noch die Frage aufwerfen, ob nicht die Chronik die angeführten
' Was ducwisclien steht, ist Elinschab des anonjnucu Notars,
folgende Stndie ttber denselben.
Vg\. die
246
Nachrichten aus Kozsl entnahm, dessen Darstellung ihr doch vo^
lag. Dies kann nicht der Fall sein. Aus der Darstellung Keu^
geht nftmlich nicht genau hervor, dass alle oben genannte
Persönlichkeiten eine genealogische Reihe bilden, wie
Chronik dies bestimmt erklärt, und was sie doch auch nach ,
des Anonymus Auffassung wUren. Keza hat nämlich, da er il^|
Gegensätze zur Chronik und auch zum Anonymus ' zwische^^
Attila und der Einwanderung der Magyaren nach Ungarn nur
eine Generation setzt — nach §. 15 kam schon Edemen, d(
Bruder des oben genannten Ed, nach Pannonien zurück —
lange Reihe nicht brauchen können. Nachdem er also im §
die Reihe Attila — Chaba — Ed festgestellt und von di
Letzteren Bruder Edemen bemerkt hat, dass dieser ,cum H
gari in Pannoniam secundario sunt reversi, cum maxima famil
patris sui et matris introivit', konnte er natürlich nicht mehr
Almus als den Urururenkel Attilas anführen, weil sonst der am
drei Generationen ttltere Edemen zugleich mit Almus nai
Ungarn eingewandert wäre. Er greift daher zu einem A
kunftsmittel. An der Stelle (§. 19), wo wir die Genealogie foi
gesetzt suchen, finden wir die Worte: ,Arpad, filius Almi. fil
Elad, filii Uger de genere Turul.' Dass dieses Genus Turul
sich in Ed — Chaba — Attila fortsetzt, verschweigt er. Ai
seiner Darstellung hätte somit die Chronik nicht ihre dem A
onymus entsprechendere folgern können. Uebrigens vorwe
das ,Turul' ganz offenbar auf den ,avi8 — astur' in der ol
aus Anonymus und der Chronik citirten Sage über Almus
welche Keza weggelassen hat. Keza hat auch die Reihe Alma
— Arpad — Zoltan — Toxun — Geisa nicht festgehalten,
während Anonymus und die Chronik sie auf Grundlage d<
Gesta aufweisen (Studio VII, vS. 474 f.).
Den Grund über den Auszug aus Skythien (Ucb«
völkerung) haben sicher schon die Gesta angegeben.
Hier gilt dieser Grund natürlich aber ebenso wie heim
Anonymus und bei Regino (siehe oben, S. 238) über den Aus-
zug der Ungarn, während bei Keza und in der ihm hierin
folgenden Chronik dies bereits auf die Huncn bezogen wird.
Dio Zeitangabo für den Auszug der Ungar
' Mnn verg:leicbp oben, B. 340, Anm. 1.
' Vgl. hienu Studie VU, S. 469, Anm. 1.
247
I
Skythien stand schon wohl in den üesta. HiefUr spricht
der Umst&nd, dass alle drei Ableitungen an dieser Stelle ein
ziemlich libereinstimmendes Jahr nennen. Die kleinen Ab-
weichungen sind vielleicht aus Absehreibefehlera zu erklären:
Anonymus, §.7: ,DCCCLXXXI1I^; Keza, §. 18: ,DCCCLXXII';
Chronicon Budense, S. 36: ,octingente8imo octujigesimo octavo'.
Wie es scheint, gehen die Zahlen auf Regino zurück, bei dem
zum Jahre ,DCCCLXXXVmi' über den Einbruch der Skythen
berichtet wird. Anonymus verweist an der betreffenden Stelle
geradezu auf seine Vorlage oder seine Vorlagen (Gesta und
Regino) durch die Worte: ,sicut in annahbua continetur cro-
nicis*. Die von ihm angegebene Jahreszahl konnte leicht durch
Ausfall des ,V' aus jener bei Regino entstehen. Die sieben
Führer beim Auszuge wurden gewiss schon in den
Gesta genannt, denn alle Ableitungen fuhren sie, wenn auch
mit Abweichungen, an (vgl. Studio VJI, S. 464 ff.).
Den Zug nach Ungarn schilderten die Gesta wohl
in knapper Form, wie dies bei Keza und in der National-
chronik stattfindet. In den Hauptzügen stimmt hierin auch An-
onymus tiberein (Studie VII, S. 466 f.), nur hat er hier wie
sonst zahlreiche Erweiterungen vorgenommen. Die Gesta haben
nur kurz berichtet, dass der Zug durch die Gebiete der Ru-
mänen und Rathenen (Kiew, Susdal) ging; ob auch die
Petschenegen (Bessen) erwähnt wurden, ist zweifelhaft, sie er-
scheinen nur bei Keza und in der Chronik. '
Die Feststellung des Berichtes der Gesta über die Nieder-
lassung in Ungarn gibt Veranlassung zu vielen wichtigen
Betrachtungen. Vor Allem scheint es ganz sicher zu sein,
dass die Gesta die Nachricht enthielten, die Ungarn
seien von Nordosten her über die Karpathen ins Land
gekommen. Anonymus und Keza, die direet von einander
völlig unabhängig sind, bringen diese Nachricht ganz überein-
stimmend, also auf Grundlage der Gesta. Man vergleiche:
' In der Ilunengesebichte, §. 7, woselbst Keza den Marsch der Htmen
schildert, indeai er ganx offenbar auch den ebou erwähnten Bericht der
Gesta über den Ungarnzug vor Augen hat, werden Oessen, weisse Kn-
maneo, Susdal, Ruthenia und die schwarzen Kumaneu genannt. Ebenso
CbTonicoD Bndense, 8. 14, auf Keza gestutzt.
248
Kez».
§. 19. Hic igitur Arpad (filioB
Almi) cum gente sua Rutheno-
rum alpes prior perforavit et in
fluvio Ung primuB fixit sua ca-
stra. §. 18. Et deinde in fluvio
Hung yocato, ubi castnim fim-
davere, reBederont A quo qni-
dem fluvio Hungari a gentiboa
occidentis sunt vocati. Cumqae
et alia VT castra post hone fiin-
davissent, aliquamdiu in illis
partibus permansere. §. 16.
Hunc (sc. Zuataplug filiom Mo-
rot) quidem Hungari de flavio
Hung . . . peremerant et ncPan-
nonic populis . . . inceperunt
dominari.
Anonymus.
§. 12. Tuno VII principales
persone, que Hetumoger di-
cuntur, . . . consilio et auxilio
Kuthenorom Galicie sunt in-
gressi in terram Pannonie. Et
sie venientes per silvam Houos
ad partes Hung desceoderunt
. . . §. 13. Dune duz Almus et
sui primates ... ad castrum
Hang equitaverunt, ut cape-
rent eum . . . dux Almus ipso
viyente filinm suum Arpadium
ducem ac preceptorem consti-
tuit. Et vocatus est Arpad dox
Hungarie, et ab Hungu (vgl.
auch §. 2 und 39) omnes sui
milites vocati sunt Hungari
secundum linguam alienigena-
rum et illa vocatio usque ad
presens durat per totam mun-
dum. §. 14. Anno dom. ine.
DCCCCIU Arpad dux missis
excrcitibus suis totam terrum
inter Thisciam et Budrug usque
ad Ugosam . . . preoccupavit . . .
et milites Salani ducis ... in
castrum Hung duci precepit.
Aus den vorstehenden Parallelstellen geht unzweifelhaft
die lUchtigkeit unserer obigen Bemerkung hervor. Nach den
Gcsta kamen also die Ungarn aus Galizien Über die
Karpathen nach Ungarn und setzten sich zunächst in
dem Gebiete an der oberen Theiss fest; nach Ungvir
erhielten sie ihren Namen. Wenn demgegenüber die
Chronik (Chronicon Budense, S. 36 f.) behauptet, dass die
Ungarn sich nach wunderlichen Abenteuern zunächst in Sieben-
bürgen nicderlicssen, welches Land nach den daselbst errich-
teten sieben ßur<xen seinen Namen erhielt, so ist dies bereits
eine Neuerung. Veranlassung hiezu bot die auf den Qesta be-
249
rubeude und aUgemein wiederholte Nachricht, diiss die Ungarn
sieben Heerführer hatten. Bei Keza findet sich schon der
Bericht, dass sie ausser Ungvjtr noch sechs Burgen bauten.
Der Chronist denkt nun an Siebenbürgen und iässt daher die Un-
garn zuerst in dieses Land gelangen. Die Ableitung des Namens
von sieben Burgen ist nun bekanntlich falsch: das Land hat
seinen Namen ^nelraehr von der Cibin- oder Sibinburg, d. i.
Hermannstadt. An diesen richtigen Sachverhalt konnte man erst
vergessen haben, seit der Name Hermaanstadt für Sibonburg
allgemeiner geworden war und man mit dem Schwinden des
letzteren Namens vergass, dass nicht von sieben Burgen, sondern
von der Sibenburg das Land den Namen fiihre. Da nun der
Name Hermannstadt 1223 zuerst erscheint, so hatte der Ver-
fasser der Gesta, die um 1230 schon sicher vorhanden waren,
gevriss nicht die oben angeführte falsche Etymologie aufge-
nommen.* Mit dieser vom Chroniaten vorgenommenen Aendc-
rung hilngen nun noch weitere zusammen. Weil er die Ungarn
nicht bei ÜDgvAr, sondern in Siebenbürgen zunächst lagern
Ifisst, 80 muflste er die oben citirte Stelle aus Keza über die
Besiegung Svatoplug's ,dc fluvio Hung' folgendermassen ändern:
,Hunc quidem Hungari de Erdeel (d. i. Siebenbürgen) et (!)
de flumine Ungh, muneribus variis explorantos' etc. (S. 32).
Ferner musste der Chronist die Ableitung des Namens der
Ungarn von Hung fallen lassen, und daher heisst es bei ihm;
,vulgariter Magyari sive Huni, latine vero Hungari dcnuo in-
gressi sunt . . .' (S. 36).
Eine weitere Frage betrifi't die Nachricht der Gesta über
die Person des Führers, unter dessen Leitung die Ungarn nach
Pannonien eindrangen. Nach den Gesta kamen die Ungarn
offenbar unter Almus nach Ungarn. Dies ergibt sich aus
folgender Betrachtung. Nach der oben angeführten Stelle des
t' Interoünant ist, dnss nach dem Wortlaute der Stolle im Chronicon Bu-
deii»e der dentache Name den Landes — wie es der oben angegebenen
Ableitung entspricht — nrvprQnglich Sieben bnrg, nicht aber Sieben-
bürgen lautete, wie e« die Ensiihlang des Chronisten erfordern würde.
So widerlegt er selbst seine Ausführungen. Die Stelle lautot uämlich
(S. 37): ,Qua propter Tentouiei partem illam ab illo die Siebenburg, id
est: Septem Castra voraveruut.' Bezüglich der oben gebrachten Mit-
theilungen Ober Cibin vergleiche mau ROaler, Ruminiache Stadien,
S. 132 f.
I
I
I
I
250
Anonymus kamen die Magyaren unter der Fuhrung Almas' ins
nordöstliche Ungarn. Nach der Übereinstimmend in den angft-
rischen Quellen (Anonymus, Chronik) vorhandenen, also $ad
den Gesta beruhenden genealogischen Reihe: Almus — Arpsd
— Zoltan — Toxun — Geisa würde somit der letztgenannte
Herzog der fünfte von Jenem sein, der die Einwanderui^
leitete: Deshalb nennt auch Anonymus, §. 57 .Geysam quintnm
ducem Hungarie'. Nun ist es bekannt, dass auch die grossere
Stcphanslegende (Vita maior, §. 2) Geisa bezeichnet als ,prin-
cops quintus ab illo, qui ingressionis Ungarorum in Pannonin
dux priraus fuit'. Erst die spätere Legende von Hartvich nennt
ihn den ,quartu8', was der Mittheilung, wie sie bei Keza in
der oben, S. 248, citirten Steile zu lesen ist, entsprechen würde.
Da es nun auch bei Alberich auf Grundlage der Gesta zum
Jahre 893 heisst: ,HiiB diebus gens Hungarorum sub primo
duce 8U0 nomine Alino (richtiger Almo) ex Scithia egrcss»
Pannoniam inhabitare cepit', so ist wohl kein Zweifel, dus
nach der älteren Ueberlieferung Almus die Ungarn in ihre neu«
Heimat hineinflShrte. Erst nach einer jüngeren Version geschah
dies anter Arpad. Der Chronist, dem beide Versionen bekannt
waren, denn ihm lagen sowohl die Gesta als Keza vor, bat
offenbar sich bestrebt, dieselben auszugleichen: nach ihm wftren
die Magyaren wohl nach Siebenbürgen unter Almus' Führung
gekommen; dann aber setzt er fort: , Almus in patria Erdeel
occisus est, non enim potuit Pannoniam introire'; somit kamen
sie erst unter Arpad nach Pannonien. '
Sicher haben die Gesta neben Almus auch von
anderen sechs Führern, zusammen von sieben, Nach-
richten enthalten. In Richard's oft genannter Schrifl ,De
facto Ungariae Magnae' heisst es: ,Inventum fuit in gestis
Ungarorum Christianorum, quod esset alia Ungaria maior, de
qua VU dnces cum populis suis egressi fuerant . . .' Anonymus
nennt sie wiederholt (§. 1 und 7) die ,Hetumoger', d. h. ,siebeD
Ungarn' (h^t = magyarisch : sieben) und zählt sie auch auf'
(§. 6). Ebenso ist bei Keza die Rede von den sieben Lagern, den
* Andere Erkiftrangen der abweichenden Angilben ,qaintns — qaartos' (t^I.
besonder« BQdinger, Oesterreicliisohe Qoscbichto I, S. .394) sind rer-
fehlt. Auf Phalitzu, ala einen der Hensoge hat die ung^ariiche Ueber-
lieferung offenbar nicht Bttokaicht genommen. Vgl. Übrigens »uch
Studie VI, S. 624, Anm. 2.
251
I
I
I
I
sieben Heeren und den sieben Capitünen, die auch aufgczilldt
werden (§. 18 und 19). Dasselbe ist auch in der Chronik (Cliro-
nicon Budense, S. 37, 40ff. und 45)' der Fall. Zwischen den
einzelnen Quellen finden eich in der Angabe der einzelnen
Hauptleute Abweichungen, die aus den Parallelstellen Studie VH,
8. 464ff., ersichtlich sind. Der wichtigste Unterschied ist allen-
falls der, dass der Anonymus zumeist noch die Viiter (in einem
Falle sogar den Orossvater) jener Männer nennt, welche bei
Keza und in der Chronik erscheinen. Wir finden hier also
etwas Aehnliches wie bezüglich Almus' und Arpads. Die Er-
klärung für diesen bemerkenswerthen Umstand ist aber folgende:
der Anonymus nennt die MUnner, unter deren Leitung die Un-
garn aus Skythien aufbrachen; bei Keza und in der Chronik
werden dagegen jene Münner genannt, die von diesem Lande
Besitz ergriffen. So ist der Abstand um eine Generation leicht
erklärt. Deshalb lässt der Anonymus auch sofort nach der
Eroberung von Hung an die Stelle Almus' seinen Sohn Arpad
treten, und ebenso lässt die Chronik Almu.s schon in Sieben-
bürgen sterben; bei Keza kommen aber die Ungarn geradezu
schon unter Arpad über die Karpathen. Der bei Keza und in
der Chronik als einer der Führer genannte Werbulchu er-
scheint bei Anonymus nicht unter den Sieben genannt. Wohl
aber findet man beim Anonymus, §. 53, den bekannten
ungarischen Feldherrn des 10. Jahrhunderts Ridau mit dem
Beinamen ,vjr sanguineus', was der bei Keza, §. 19, gegebenen
Charakterschilderung des Werbulchu entspricht (v4r = magia-
risch: Blut).* Besonders bemerkenswerth ist noch vor Allem
der Umstand, dass in den Gesta neben den sieben
Führern und ihren Geschlechtern die Anderen nirgends
als gleichberechtigt genannt wurden. Dies ergibt sich
aas folgender Betrachtung: In der Chronik (Chronicon Bu-
dense, S. 44ff.) wird, nachdem über die sieben Führer be-
richtet worden ist. Folgendes ausgeführt: ,Alie vero genera-
tiones, que genere sunt pares istis et consimiles, acceperunt
' Zur letzteren Stelle ,HM Magiar' vgl. die AuiifQhrungeii iiiiteu, S. 262 f.
* Anch Kesa sagt von diesem Führer: ,. . . quud ijuorundAm c|uoque
sangninem bibit sicat vinnni'; doch leitet er den Nsmen ganz unsinnig
von lateininch ,veru' — S]iie«« ab (pliires Qermanicos assari fecit super
vern). Eis ist ganz unzweifelhaft, dass die echte ungarische Ueber-
liefemug auf ,vär' = IJlut hinwies.
252
sibi loca ot descensum ad eorum beneplacitum. Cum
Codices qnidam contineant, quod isti capitanei Septem Piuuio-
niam introierint et Hungaria ex ipsis solis edita sit et pinntata,
unde ergo venit geneiatio AkuB, Hör, Abe' u. s. w. Welche
sind nun diese Codices? Ganz offenbar die Vorlafi^e de« Chr>
nisten, die Gesta. Thatsiiclilich findet sich beim Anonymus gar
keine ähnliche Bemerkung wie in der Chronik-, der Aufzähloog
der sieben Flllirer folgt gar keine Erwähnung der anderen Ge-
schlechter, wenn er auch bei späteren Gelegenheiten noch Ter
schiedene Geschlechter aufzllhlt, die sich bei der OccupatioD
auszeichneten oder Landbesitz erhielten. Keza bemerkt nur
gleich nach der Aufzählung der sieben Geschlechter Folgendes:
,l8ti quidera capitanei loca descensumquc, ut superius est dictum,
sibi elegerunt. Similitcr et generationes alio, ubi eis placaiL'
Von einer Gleichwerthigkeit der Geschlechter ist auch hier
aber noch keine Spur. Aus dem Bemerkten folgt unmittelbar,
dass die hierauf bezüglichen Bemerkungen im Chrouicon Ba-
dense, S. 44 — 46, und an den entsprechenden Stellen in den
anderen Kedactionen erst Erweiterungen des Chronisten sind,
mit denen er die alte Ueberlieferung von den sieben hervor-
ragenden Geschlechtern zu entkrilftigen sucht. Oass diese Aus-
filhrungen erst einem Zeitpunkte angehören, da das Arpadeo-
geschlocht dahinsank, möchte man wohl mit Kecht aus dem
UmsUindc schliessen, dass durch dieselben geradezu jedes
Adelsgeschlecht diesem gleichgestellt wird. Man vergleiche
ausser der oben citirten Stelle (pares istis et consimlles) auch
die Bemerkungen, Chronicon Budense, S. 46: .Constat ergo et
manifestum est ex hoc, non solum Septem capitaneos PannO'
niam conquestrasse, sed etiam ahos nobilcs quamplures simul
cum illis de Scitia descendisse; unde in ipsis capitancis venc-
rari potest nomen dignitatis plus aliis et potentie: nobüitatis
vero equaliter.' Wenn nun aber auch diese Gleichstellang
aller Geschlechter auf eine jlingerc Zeit deutet, so ist doch die
Geschichte von den sieben von der Lechfeldschlacht hoimge-
kehrten Ungarn, mit denen der Chronist den Bericht von den
sieben aus Skythien eingewanderten Hauptlcuten widerlegen
will, nicht von ihm erst erfunden. Schon Alberich weiss näm-
lich zum Jahre 967 Folgendes zu erznhlen:' ,Et de illis septcm
' Mon. Germ. Script. XXIU, 767, anno 9&7.
263
Unparis, qui (in der Lechfeldsch lacht) remanseniiit, iiims ab
eis factus est rex. Hü venientes in terram snam totiim populum,
qai non exierat cum eis ad beüiini in servitutem redegerunt;
qui autem ex istis Septem nati sunt, ipsi sunt modo viri nohilea
in terra Ungarie, quamvis eorum nobilitas magne servitiüi sub-
iaceat.' Diesen Berieht hat Alberich gewiss nicht den Gesta
vetera entnommen, sondern vielmehr aus der ungarischen Ueber-
lieferung, und zwar im Anschlüsse an Ottos von Freising ent-
sprechende Bemerkungen. Dieser berichtet nämlich in seiner
Chronik VI, S. 20, (iber die Niederlage am Lechfelde und be-
merkt hiezu:* , Barbari vero, quod etiam credibile vidotur,
osque ad internecionem, Septem tantnm residuis, omnes deleti
dicitur.': An diese Nachricht Ottos, die Alberich mit der aus-
drücklichen Einleitung: jEpiscopus Otto hoc factum ita atte-
statur' citirt, schliesst sich seine oben angeführte Bemerkung
,Et de Ulis Septem' etc. an. Der Schluss dieser Bemerkung
über die gedrückte Lage des ungarischen Adels entspricht
aber vollstilndig der Schilderung Ottos von diesen Verhält-
nissen, die er in seinen Gesta Friderici I, §.31, aus eigener
Anschauung gibt.* Dass Alberich aber auch über die unga-
rische Ueberlieferung belehrt sein konnte, ist unzweifelhaft,
denn einerseits hatte er sicher viele seiner Nachrichten über
Ungarn von dort erhalten,' und andererseits geht es aus den
gleich zu erwähnenden Nachrichten über die auf die sieben
Ungarn am Ausgange des 13. Jahrhunderts verbreiteten Lieder
hervor, dass die Ueberlieferung noch damals lebendig war. In
den Gesta vetera stand aber hierüber wohl nichts, weil erstens
weder Anonymus noch Keza hierüber erzählen, und zweitens,
weil nach der Darstellung der Gesta die Regierung des Heraogs
Toxun wahrscheinlich schon als ganz friedlich zu gelten hat,*
während nach der einzigen in der Nationalchronik überlieferten
angarischen Version der Sage von den sieben Ungarn diese
Begebenheit sich an einen Kriegszug zur Zeit dieses Königs
knüpft. Diese Erzählung von den sieben Ungarn kann
also in den Gesta nicht gestanden sein,^ und mithin hat
> Mon. Oerm. Script. XX, 238. * Ebenda, XX, 868 f.
» V^. Stndie VII, 8. 438 f.
* Vgl. unten im Texte.
■"'* Ob die 8a^ thatsKchlich »nf ein Ercigniw vor Toxun'« Zeit sich bezieht
— etwn nnf den Kampf vom Jahre 933 oder 966 (vgl. S. 971, Ann. 1)
254
die Nationalcbronik sie aus der Ueberlieferang geschöpft. Die-
selbe erzählt, dass in einer in die Zeit Toxun's fallenden
Schlacht bei Eisenach alle ungarischen Krieger mit Ausnahme
von sieben getödtet worden wären, weiche sodann nach Ungarn
zurückkehrten. Wenn aber der Chronist daran die Bchauptong
knüpft, dass diese sieben Flüchtlinge aus dem Westen die Ver-
anlassung von der Erzählung geworden wären, dass aus dem
Osten blos sieben Führer gekommen wären, so ist dies eine
tendenziöse Bemerkung, um die Ueberlicferuug von den sieben
hervorragenden Geschlechtern zu entkräftigen, wie dies schon
oben bemerkt wurde. Ebenso ist es eine tendenziöse, und swar
recht ungeschickte Neuerung, wenn femer in der Chronik im
Gegensatze zu Alberich behauptet wird, jene sieben Flücht-
linge wären in Ungarn zu schmählicher Armuth verdammt und
der Name ,Het mogoriek' * wäre ihnen zur Schmach beigelegt
worden, die über sie verbreiteten Lobgesänge hätten sie ab«r
auf sich selbst gesungen. Alle diese Bemerkungen sind vOliig
unglaubwürdig. Der Name ,Het mogoriek', d. h. die sieben
Ungarn, kann kein Schimpfwort gewesen sein, wie dies ancb
das ,Hetu moger' beim Anonymus nicht ist.*
Die Ausführungen über die fremden Einwanderer
nach Ungarn, welche Keza seinen Gesta angehängt hat, und
die sich in der Nationalchronik bereits in dem Contcxtc der
selben aufgenommen finden (Chronicon Budense, S. 46 — 54),
gehörten nicht den Gesta an. Der Anonymus hat daher
auch nichts davon.
Die Eroberung und Besetzung Pannoniens begann
nach den Gesta von Hung aus (vgl. oben, S. 248, die Citate).
Nach Anonymus wurde dieser nördhche Theil dem Fürsten
Salanus, nach Keza und der Nationalchronik dem Svatopluk
entrissen; auf welcher Seite die Abweichung von den ursprün;;-
lichen Gesta liegt, ist schwer zu entscheiden. Die Ueberein-
— ist gleichmütig: die mit den KSmpfen snr Zott Toxun's yerbnndeoc
ErzJthliiug kann in den Oeats nicht gestanden haben, weil nach diMM
dieaer Herncher keine Kümpfa führte.
' Diese richtige Form bietet das Chronicon Posooiense, Cap. 39, woin aocli
die Bemerkungen des Hernusgebers Flori&n an der betreffenden Stalle
la vergleichen sind (Fontes IV, S. 2b(.).
* Aanfnhrlicher werde ich Aber die sieben Ungarn in einer besonderes
Studie bondeliL
265
Stimmung Keza's mit der Nationalchronik kann entweder durch
die ihnen vorliegende Redaction der Geata oder durch die Be-
nützung Keza's durch die Chronik veranlasst sein. Alle —
Anonymus, Keza and die Chronik — verweisen auf die von
den Ungarn bei dieser Erwerbung angewendete List. Keza
sagt allenfalls nur kurz (§. 16): ,Hunc (Zuataplug) quidem Ilun-
gari de fluvio Hung variis rauneribus aliectum et nuntiis ex-
plorantes, considerata illius militia immunita, ipsum Zuataplug
irruptione subita . . . peremerunt ... et sie Pannonie populis . . .
inceperunt dominari.' Dieser kurze Bericht ist aber unver-
kennbar ein Auszug aus der schönen Volkssage über den
symbolischen Kauf Ungarns, von dem der Anonymus, S. 15 f.
und 32, und die Chronik, S. 38 f., erzählt. Die Sage könnte
also schon in den Gcsta angedeutet gewesen sein; insofern sie
aber der lebendigen VolksUberlieferung entnommen ist, kann
sie auch jeder der Chronisten aus dieser geschöpft oder doch
ergänzt haben. Daher erklären sich auch die abweichen-
den Formen beim Anonymus und in der Chronik. Sicher
berichteten die Gesta auch über die Besitznahme ein-
zelner Gebietstheile durch die einzelnen Führer und
Geschlechter, wie dies sehr ausführlich der Anonymus
(S. 16 ff.), kürzer Keza (S. 72f.) und die Chronik (Chronicon
Budense, S. 40 — 43) berichten. Auf die einzelnen Abweichungen,
welche sich hierin besonders zwischen der Darstellung des An-
onymus einerseits und jener bei Keza und in der Chronik
andererseits finden, kann hier nicht eingegangen werden. Des
Anonymus Erziihlung beruht hier ganz offenbar auf Sagen,
Naniensdeutungen, wohl auch auf seiner Kenntniss der da-
maligen Grundbesitzverhiiltnisse u. dgl. Diese weitschweifige
Erziihlung ist gegenüber der knappen bei Keza und in der
Nationalchronik deutlich als Erweiterung der ursprünglichen
Qesta gekennzeichnet. Doch sind die Berührungspunkte, welche
auf diese gemeinsame Quelle deuten, in allen Ableitungen vor-
handen. * Mit dem §. 53, wo sich die Darstellung den äusseren
Kämpfen zuwendet, verlassen den Anonymus zum grossen
Theile seine der ungarischen Ueberlieferung, Localsage und
Ortskenntniss entnommenen Nachrichten, die Erzählung wird
wieder knapper, und nun stellen sich sofort die engeren Be-
254
die Nationalcbronik sie aas der Ueberlieferang geschöpft. Dit-
selbe erzählt, dass in einer in die Zeit Tozon'B Meada
Schlacht bei Eisenach alle ungarischen Krieger mit Aimilun
von sieben getödtet worden wären, welche sodann nach Ungn
zurückkehrten. Wenn aber der Chronist daran die Behaaptng
knüpft, dass diese sieben Flüchtlinge ans dem Westen die Y»
anlassang von der Erzählung geworden wären, dasa aas im
Osten blos sieben Führer gekommen wären, so ist dies a
tendenziöse Bemerkung, um die Ueberlieferang von den mtki»
hervorragenden Geschlechtem zu entkräftigen, wie dies i^
oben bemerkt wurde. Ebenso ist es eine tendenziöse, ond im
recht ungeschickte Neuerung, wenn femer in der Chronik ia
Qegensatze zu Alberich behauptet wird, jene sieben FlB^
linge wären in Ungarn zu schmählicher Armath verdammt nsi
der Name ,Het mogoriek'^ wäre ihnen zar Schmach bdgdegt
worden, die über sie verbreiteten Lobgesänge hatten se »bcr
auf sich selbst gesungen. Alle diese Bemerkungen sind völlig
unglaubwürdig. Der Name ,Het mogoriek', d. h. die siebet
Ungarn, kann kein Schimpfwort gewesen sein, wie dies and
das ,Hetu moger' beim Anonymus nicht ist.'
Die Ausführungen über die fremden Einwanderer
nach Ungarn, welche Keza seinen Gesta angehängt hat, und
die sich in der Nationalchronik bereits in dem Contexte der
selben aufgenommen finden (Chronicon Budense, S. 46 — bi),
gehörten nicht den Gesta an. Der Anonymus hat dahs
auch nichts davon.
Die Eroberung und Besetzung Pannoniens begann
nach den Gesta von Hung aus (vgl. oben, S. 248, die Citate).
Nach Anonymus wurde dieser nördliche Theil dem Fürstai
Salanus, nach Keza und der Nationalchronik dem Svatoplok
entrissen ; auf welcher Seite die Abweichung von den ursprOng-
liehen Gesta liegt, ist schwer zu entscheiden. Die Ueberein-
— ist gleichmütig: die mit den Kämpfen zur Zeit Toxnn's TerbnodeM
Erzählung kann in den Gesta nicht gestanden haben, weil nach diam
dieser Herrscher keine Kämpfe führte.
Diese richtige Form bietet das Chronicon Posonienae, Cap. 29, wora aaci
die Bemerkungen des Herausgebers Flori&n an der betreffenden Stalle
zu vergleichen sind (Fontes IV, S. 26 f).
AusfOhrlicber werde ich über die sieben Ungarn in einer besondereD
Stndie handeln.
•timraung Keza's mit der Nationalchronik kann entweder durch
fdie ihnen vorliegende Redaction der Qesta oder durch die Be-
nützung Keza's durch die Chronik veranlasst sein. Alle —
Anonymus, Keza und die Chronik — verweisen auf die von
den Ungarn bei dieser Erwerbung angewendete List. Keza
sagt allenfalls nur kurz (§. 16)r ,Hunc (Zuataplug) quidera Hun-
gari de fluvio Ilung variis niuneribus allectum et nuntiis cx-
plorantes, considerata illius militia immunita, ipsum Zuataplug
irruptione subita . . . peremerunt ... et sie Pannonie populia . . .
inceperunt dominari.' Dieser kurze Bericht ist aber unver-
kennbar ein Auszug aus der schönen Volkssage über den
kymbolischen Kauf Ungarns, von dem der Anonymus, S. 16 f.
und 32, und die Chronik, S. 38 f., erzählt. Die Sage könnte
filso schon in den Gesta angedeutet gewesen sein; insofern sie
liier der lebendigen Volksüberlieferung entnommen ist, kann
Bie auch jeder der Chronisten aus dieser geschöpft oder doch
ergänzt haben. Daher erklären sich auch die abweichen-
■den Formen beim Anonymus und in der Chronik. Sicher
1>erichteten die Qesta auch über die Besitznahme ein-
zelner Gebietstheile durch die einzelnen Führer und
fGeschlechter, wie dies sehr ausführlich der Anonymus
(S. 16 ff.), kürzer Keza (S. 72 f.) und die Chronik (Chronicon
Budense, S. 40 — 43) berichten. Auf die einzelnen Abweichungen,
welche sich hierin besonders zwischen der Darstellung des An-
onymus einerseits und jener bei Keza und in der Chronik
andererseits finden, kann hier nicht eingegangen werden. Des
Anonymus Erzählung beruht hier ganz offenbar auf Sagen,
Namensdeutungen, wohl auch auf seiner Kenntniss der da-
maligen Grundbesitzverhältnisse u. dgl. Diese weitschweifige
Erzählung ist gegenüber der knappen bei Keza und in der
Nationalchronik deutlich als Erweiterung der ursprünglichen
Gesta gekennzeichnet. Doch sind die Berührungspunkte, welche
auf diese gemeinsame Quelle deuten, in allen Ableitungen vor-
handen. ' Mit dem §. 53, wo sich die Darstellung den äusseren
Kämpfen zuwendet, verlassen den Anonymus zum grossen
Theile seine der ungarischen Ueberlieferung, Localsage und
Ortskenntniss entnommenen Nachrichten, die Erzählung wird
wieder knapper, und nun stellen sich sofort die engeren Be-
I
» Vgl. hioau Sttidie VII, 8. 468 f.
258
A. 901. Anno dorn. ine.
DCCCCI gens Hungarium
Longobardorura fines ingressa
cacdibiis, incendiis ac ra-
pinis crudeliter cuncta de-
vastat. Cuius
violcntiae ac
beluino furori cum terrae
incolae in unura agmen
conglobati resiatere cona-
rertur, innumerabilis
inuUitudo ictibus sagitta-
ram, periit, quam plurimi
cpiscopi et eomites truci-
dati sunt. Liudwardus epi-
scopus Vercellensis eccle-
siae Caroli quondam impera-
toris familiarissimus et t'on-
stliarins a secroto, assump-
tis secnm opibus atque
incomparabilibus thesan-
ris quibus ultra, quam esti-
mari potest, habundabat,
cum effugere eoruni cruen-
tarn ferocitatcm omnibus
votis elaborarct, saper eos
inscius incidit ac mox intcr-
ficitur; opes, qnae secum fere-
bantur,diripiuntur. Eodem anno
Stephanus comes, frater
Walonis, cum in secessa
residens nocturnis buris
alvum purgaret, a qaodam
per fonestram cubiculi sa-
gittae toxioatae ictu gra-
§. 53. Et per forum Jubi ir
marchiam Lombardia veneninl,
Dbi olritatem Padaam ce-
dibus et incendiis et gladio
et rapinis magnis crudeliter
devÄStavemnt. Ex hinc intran-
tes Lombardiam multa mala
facere ceperunt. Quorum vio-
lentie ac belluyno furori
cum terre incole in unnm
agmen conglobateresistero
conarentur, tunc innume-
rabilis multitudo Lombar-
dorum per Uungaros icti-
bus sagittarum periit^quam
plurimis episoopis et co-
mitibus trucidatis. Tone
Lutuardus episcopus Vercel-
lensis ecclesie, vir nomina-
tissimus, Caroli rainoris qaon-
dam impcratoris familiarissimus
araicus ac fidelissimus a secreto,
hoc audito assumptis se-
cum opibus atque incom-
parabilibus thesauris, qui-
bus ultra quam estiroari
potest habundabat, cum
omnibus votis effugere U-
boraret eornm crnentam
ferocitatem, tunc inscius
super Uungaros incidit et
mos ab eis captus interficitnr,
et thesaiirum cstimationem ha-
manam transcendentem, quem
secum ferebat, rapuemot Eo-
demque tempore Stepha-
nus frater Waldonis comi-
259
res eorruissent . . . Kriegs-
fläne Conrads . . . Kampf
mit den Bulgaren. Tem-
pore item alio per Forum Jtüü
intrant Lombardiam, nbi Lui-
tardum, Wercellane civitatis
episcopum, imperatoris Caroli
eonslliarlnm fidissimum occi-
dentes, ex ipsius ecclesia the-
saoram maTimum rapaemnt;
totaque pene Lombardia
demolita cum maximapre-
da in Pannoniam rever-
tuntur. Post
ad nallas partes perrexerunt.
Anno aatem quarto Bnlga-
riam invaserunt) . . . Post-
quam autem memorata regna
deicerunt, per Forum Juüi
usque in marchiam Longobar-
die intraverunt, nbl clTltatem
Padaam igne ac gladio con-
sumserunt. Ek hinc intrantes
Longobardiam Linthar Vercel-
line civitatis episcopum, impe-
ratoris Caroli consiliarium
fidissimum occidentes, ex ipsius
ecclesia thezaurum maximum
rapuerunt, totamque pene
Longobardiam spoliantes,
cum maximo spolio in Pan-
noniam cum victoria re-
dierunt. Post
17*
260
viter valnoratur, ex quo
vnlnero eadem nocte ex-
tingitur.
A. 907. Bawarii cum Unga-
riis congressi multa cede pro-
strati sunt. A. 908. Ungarii . . .
Saxonlam et Turlngam va-
staverunt. A. 909. Ungarii Ala-
manniamingressisunt. A.910.
Franci In confinio Bawarlae
et Franeiae Ungariis con-
gressi miserabiliter aut victi
aut fugati sunt.
tis cum in secessu residens
super murum castri in
nocturnis alunm purgare
vellet, tunc a quodam Han-
garo per fenestram cubi-
culi sui sagitte ictn gra-
viter vulneratur, de quo
Tulnere eadem nocte ex-
tingitur. §. 54. Dein-
de Lotorigiam et Alema-
niam devastaveront Franeos
quoque orlentales in confi-
nio Franeonle et Bararie
multls mlllbns eomm eesls
ictibas saglttanun in tsr-
pem fagam conrerternnt Et
omnia bona eorum accipientes
ad ducem Zultam in Honga-
A. 911. Cnonradns ... in i riamreversi sunt §.55. Postea
regno successit. A. 912. Un-
gari . . . Franciam et Turingam
vastaverunt. A. 913. Ungarii
partes Alamauniae vastave-
vero anno V (richtiger II) re-
gnante Connrado imperatore
Lelu, Bulsu, Botond . . . missi
a domino suo partes AU-
mannie irripuerunt et multa
bona eorum acceperunt Sed
tandem Bavarorum et Aleman-
261
hec Saxonlaiu, Thnrine:tam,
Sueviam Keno circa Magun-
tiam transpassato orieDtalcm
Franciam et BuTgundiavi
demoliti ecclesias etiam plures
destruxerunt. Et cum Renuin
in Constantia in reditu per-
transissent et cum maximo ho-
nore venissent in Buviiriani
circa castriitn Abah Ala-
mannicua exercitus iptos
invadit ex abrupto. Qui-
bu8 viriliter resistontibus prelio
confecto Teutonici sa^ittls de-
vincuntur, iibi capitur Hertin-
dus de Suarchiunburc impe-
ratoris marischaicus,
id
est
inilitie siic princcpa,
et
alii
cjuamplures nobilos
cum
eo-
dem . . . perforantur.
Et
sic
tandem cum victoria et pr©-
da maxinm ad i)ropria rever-
tuntur. §. 21. Transactis ipitur
paucis diebus Lei et Buichu per
commnnitatem Hungarorum in
Teutoniam destinantnr et
cum Auguttam j)ervenis-
sent ultra fluvium Lyh . . .
hec (deeem annis repausantes
anno undecimo) Saxonlam,
Tu r Inflam, Sveviam, Fran-
cosque oricntalps, id est
Burgundos, demoliti in con-
HlliiM Bavarle ultra ca-
»trum Abah circa Danubiura
Almanorum exercitus
ipsos ornatos in reditu
invaterunt ex abruptu;
quos [S. 56] Hungari In fn-
£;am turpiter i^oiin^rteniiit,
cests mitltls milllbiis ox
elsdeiu. (In quo quidem con-
flictu ex Hun^aris tria millia
vironim pcriorunt); qui vero
ovaserunt ad
propria redeantes (annis se-
decim) iramobiliter in Hunga-
rios permanserunt. Regnante
vero per Almaniam Conrado
primo (decimo scptirao anno)
Hungari egreasi quibusdam par-
tibus Teutonie devastati cum
ad urbem Augustavt per-
262
mnt et iuxta In fluvium a
Bawariis et Alamannis occisi
sunt
A. 915. Ungarii totam Ala-
maDniam igne et gladio va-
stavenmt, sed totam Turingam
et Saxoniam perraserunt et
usque ad Fnldam monaste-
rium pervenerunt. A. 917, Un-
garii per Alamanniam in Alea-
tiam et usque ad fines Lotha-
riensis regni pervenerunt.
Erchanger et Berabtold
decollantur. A. 924. Ungarii
orientalcm Franciam vastave-
runt. A. 926. Ungari totam
Franciam, Alsatiam, Galliam
et Alamanniam igne et gladio
vastaverunt. A. 932. Ungarii
per orientales Francos et Ala-
manniam multis civitatibos igne
et gladio consumptis iuxta
Wormatiam Bheno transito
norum nefandis fraudibos Lein
et BuIbuu capti sunt et iuxta
fluvium Hin in patibnlo so-
spensi occiduntur. Bo-
tondu et alü Hungaromm mi-
lites . . . audacter et viiilitar
steterunt . . . viotores buob . . .
vicerunt et gravisBima cede pro-
stravemnt. Felix igitor Hnn-
garorum embola . . . totam Ba-
variam et Alemaniam ac
Saxoniam et regnam
Lathariense igne et ^adio
consumpserunt et Ercbange-
num atque Bertoldum duces
eorum decollaTemnt. Eine
vero egressi Franciam et Gal-
liam expugnaveront et dorn
Quos (Lei et Bulchu) cesar
iudicio auspendii condem-
nando Ratispone fecit oc-
cidi in patibulo. Quidam
vero ipsos aliter dampnatua fa-
bulose aaaeverant, quod cesari
presentati unua illorum cum
tuba in caput ipsum ccsarem
occidisset feriendo. Que sane
fabula verosJmiÜ adversatur . . .
Verum quidem est et libri con-
tinent Cronicarum . . . ut Hun-
gari audjerunt, ut cesor sie
ipsos occidisset, omnes capti-
vos teutonicos tarn mulieres
qnam parvulos usque ad XX
toilia iugularunt. §. 22. Alius
vero exercitus, qui dista-
I bat ab Augutta, macht viele
Deutsche zu Gefangenen : Quos
quidem ut ceperunt, omnibua
Caput detruncarnnt pro exse-
quüs sociorum. Fuerant autem
numero milites et scutituri quasi
VIII milia, quorum capits sunt
tnmcata. Abinde egressi post-
»modum Danubii fluvium in
Ulma transicrant et ad Wil-
tense cenobium cum venissent,
thesaurum magnum exinde ra-
puerunt. Et post hoc tota Sue-
I via [demolita] Roniliu Wor-
inatietransicriint,ibiqucduos
duces, scih'cet Lotharingie et
Saevie, cum maximo exercitu
contra eos venientes invene-
runt. Quibiis devictis et fu-
gatis tandem Franciam intra-
2G3
venissent . . . ex una parte
fluvio Lili . . . ahnlich wie
bei Keza, doch wird hier die
Geschichte von der Tödtung
des Königs durch einen der Ge-
fangenen (Lei) mittelst seines
Hornes ohne jede zweifelnde
Bemerkung erzählt.
fehlt.
S. 57. Alius autem exer-
citus . . . ühnlich wie bei Keza,
doch wurden die Gefangenen
(deren Zahl nicht angegeben
ist) nicht getödtet, sondern (cum
quibus socios saos Ratispone
detentos redemerunt). Ipsi
vero exinde tali fortuna eis oc-
currente monastcrtum de Fnlds
combussere, ubi multum de auro
haurientes abinde . . . Bono
[S. 58] transpassato Lotorin-
gensem ducatum igne et gladio
vastaverunt, ubi circa Stroz-
burg in quodam prelio Ekhar-
dura ducem Lotoringe et Per-
toldum ducem Brabancie, qui
ei venerat in auxüium, capti-
vantes decollarunt. Inde
364
usque ad mare oceanom Gal-
liam devastantes per Italiam
redlemnt. A. 934. Heinricus
rex Ungarios multa caede
prostravit, pluresqae ex eis
conprehendit.
A. 954. Ungarii ducentibus
inimicis regia in
quadragcsima Rfaeno tran-
sito pei-vadentes
Oalllam inaudita mala in ec-
clesias Dei fecerunt et per
inde victores reyerterentor ex
insidiis Saxonam magna
strage perieruot. Qui autem
ex ipsis evaseront, ad propria
redierant (Trauer über ätsa
Tod Lelu's und Bulsu's; Zoni
gegen die Deutschen; Geburt
Toxun's).
§. 56. Eodma anno inimici
Athonis regis TTieotonicortunm
necem eins detestabili facinon
machinabantur. Qui cum per
te nichil malt ei facere potHi$-
sent, auxilium Hungarorum ro-
gare ceperunt . . . Tkme Uli
inimici Athonis regia Teotho-
nieorum miterunt nuncio» $wu
ad Zultam ducem . . . Dux
vero ZuUa . . . mint exertätvm
magnum. contra Athonem regtm
Teothonicorum . . . Qui cum
egressi essent a duce Zulta
rursum Bavariam, Aleman-
niam et Saxoniam atque TV
ringiam in gladio pereu$ie-
runt. Et exinde egret$i in
quadragesima transierunt
R e n um ßuvium et regnum La-
tariensem in areu et sagittis
exterminaverunt. Universam
quoque Oalliam atroelter
affllgentes, eccleslas dei
! crudeliter intrantes spoliave-
j nmt Inde per abrupt« 8e-
' nonensinm, per popalos afi-
I minos(?), ferro sibi Tlam et
: gladio aperuerunt. Superatis
I ergo Ulis bellicosissimis genti-
verunt, ubi christianis et ce-
nobitis persecutio valida facta
est per eosdem. Exinde autem
egressi usqae iluvium Rodanum
Tenientes duas
vero Cfalliam atrociter aflU-
gcntes, cradeliterqae In ee-
cleslam dei sevientes Metense,
Treverense et Aquisgranense
territoriaigne devastarant. Dein-
de per abrnpta Montium 8e-
nonensinm per popnlos eter-
ni Martis Tiam sibi giadio
866
Italiam
redienint.
A. 956. Ungarii oam tarn
ingenti maltitadine ezean-
tes, at non, nisi terra eis
dehisceret vel caelum eos
obrueret, ab aliquo se vinci
posse dicerent, ab exercitu
regis apad Lichom fluviam
tanta cede Deo prestante
prostrati sunt, ut nunquam
ante apud nostrates victoria ta-
lis audiretur aut fieret Cuon-
radus
boB . . . montes Senonnm tanr
oendemnt et Sflgosam eef»
ront oiviUitam. DoindiB ij^M
TamniHB oisilalaB qyhrf»
■Biam oqnigiimTemnt. Elpoik-
quam plaiuun regkMMm Li»
bardie aspexerant^ tobun paM
Italiam bonis omnibm afflo»
tem et enbenuiteiii omuiUk
conibaB spoliaverant DcbdB
. . . fetid ▼iotoii» haeut» ad
propna regna - revortnnliir.
Tanc Hoto rex Teothonieo-
ram posuit inBidifts ioxt«
Benom flavium et cum omm
robore regni sui eos inTa-
dens maltoB ex eis inter
267
itates, scilicet Segasam et
arinam, spoliarunt, per Alpes
lie sibi viam preparando. Et
n planum
üssent Lombardie concitatis
•sibus spolia multa rapuerunt,
sie tandem
aperientes paraverunt. Ubi si-
quidem Segpisam Taurinamquo
civitates destraxeruiit, montes-
qne prefatos perforantes planum
Longobardie cum vidissent, to-
tam pene provinciam concitatis
cursibus vastavere, et ita ad
beiden
propria revertuntur. Seither
seit dem Tode Lel's und
Ichu's — geben die Ungarn
! Furcht alle EinfiUle nach
utschland auf bis auf die
iten Stephans I.
dafür wird hier in
Quellen (Keza, §. 23, und
Chronicon Budense, S. 59) mit
wörtlichen Anklängen (vgl.
ticut gygana emittitur —
aicut gigaa emisaus; parva
hora in luctando — parva
hora dimicantes; ad aua
palatio perrexerunt — per-
gentes ad palacium; au-
rum, gemmas, armenta in-
finita — aurum, gemmas
et armenta infinita) der
Zug nach Constantinopel und
die Hcldenthat des Botond er-
zählt, welche Anonymus an
einer früheren Stelle (§. 42)
mit den Worten zurückweist:
,Sed ego quia in nullo codice
historiographorum inveni, nisi
ex falsis fabulis rusticorum
atidivi, ideo ad presens opus
scribere non propusui.'
proprium regnum cum victoria
revertuntur.
*'vs
<|ii«ii<l«ai dax ibi occiditar.
fecit. Botond et Vrcon ac rdi-
qni exerdtiu ... in eodem bello
qaeodam magnam dncem,
virum nominatisaimam
interficiant . . . Tod des Bo-
tond nach der Heimkehr. Sed
istud notom sit omnibns scire
volentibos, quod milites Hmt-
garorom bec et haiosmodi beUa
usque ad tempora Tuesnn da-
cis gesseront
§. 57. Zaitas letzte Regie-
rungsjahre sind friedlich. Toc-
sun wird als Friedensfttrst ge-
schildert. Thocsnn vero dox
cum Omnibus primatibas Han-
garie potenter et pacifice per
omnes dies vite sae obtinoit
omnia iura regni soi. Et audits
pietate ipsius . . .
Aus dem Studium der vorstehenden Stellen ergibt sich,
dass die Gesta vetera flber die Zeit der Raubzuge
Folgendes erzählten: Sie berührten, auf Regino gestützt,
die Kämpfe mit den Bulgaren und Mährern, dann die Ein&De
nach Karantanien und den Raubzug nach Oberitalien, wobei
ihnen der Bischof Liutward zum Opfer fiel; auch haben die
Gesta zu erzählen gewusst, dass Padua gebrandschatzt wurde.'
— Sodann haben sie, auf Regino's Fortsetzung gestützt, über
die seit 907—912 erfolgenden Einfälle nach Sachsen und Thü-
ringen, dann Süddeutschland berichtet, wobei aber die einzelnen
' Diese Nachricht stand sicher in den Gesta, weil sie Anonymus and die
Nationalcbronik enthalten, welche sonst unabh&ngig sind. Kesa lien
diese Nachricht seiner Vorlag'e aus. Die Stelle ist mit ein Beweis, dass
der Chronik die Oesta im Orig^ale Torla^n (neben Kesa).
269
§. 23. . . . Communitas itaquc
Hungarorum cum suis capita-
neis seu ducibus . . . usque tem-
pora ducis Geiche liinc inde
huic mundo spolia et pericula
dinoscitur intulisse.
vgl. oben den Scbluss von §. 22.
S. 60. . . . Communitas ita-
que Hungarorum cum suis ca-
pitaneis sive ducibus hec et alia
huiusmodi usque ad tempora
Toxan ducis gessisae perbi-
betur.
S. 44 f. (Äccidit autem tem-
poribus Toxon Hungarorum
exercitum versus Galliam pro
accipiendis spoliis ascendisse.
Qui cum in reditu, Reno trans-
meato, divisi forent in tres
partes, due sine lionore, una
cum honore in Hungariam de-
scendebat: quam dux Saxonie
apud Isnacum civitatem sine
Septem Hungaris omnino inter-
iecit. )
5üge nicht auseinandergehalten/ sondern vielmebr in Einen
zusammengezogen wurden. Besonderes Gewicht wurde hicbei
nur auf die bei Regino zum Jahre 910 erzählte Niederlage der
Deutschen im Grenzgebiete von Baiern und Franken gelegt,
welche nach Keza und der Chronik beim ,ca8trum Abah' statt-
gefunden haben soll. * Letztere Nachrieht, sowie die Erwähnung
^ Die Hinzufügani: Lothringens an dieser Stolle fällt wohl erst dem
Anonymus zur Laat; Uiirgnrid »tnnd aber wühl .tclmn in der Keza und
der Nationnlchronik vorgelegenen Redaction der Genta, wie überhaupt
vieles Keza und der Chronik Gemeiusame (siehe die getperrt curtiv ge-
druckten Stellen) auf diese Weise zu erklären sein wird. Siehe unten
im Texte, 8. 270.
* Aus der Chronik hat Aventin snm Jahre 907 diese Nachricht (Leipziger
Ausgabe Tun 171U, S. 4öl). Vgl. Rademacher, Aventiii uud diu un-
garisi-he Chronik (Nene» Archiv XII, S. üC2).
270
Burgunds an dieser Stelle dürfte in der vom Anonymus be-
nutzten Redaction der Gesta noch nicht gestanden sein; da-
gegen gehört sie wohl schon der Redaction an, aus welcher
Keza und die Nationalchronik schöpften. Hätte nämlich letztere
die Nachricht erst aus Keza entlehnt, so wäre sie ihm auch
im sonstigen Wortlaute der Mittheilungen gefolgt, wjlhrend die
Chronik hier grössere Verwandtschaft mit Anonymus, also mit
den Gesta, zeigt als Keza (man beachte die fettgedruckten
Stelleu!). Auch hätte der Chronist dann doch etwas von den
in dieser Partie vorkommenden selbständigen Nachrichten Ken's
entlohnt, was ebenfalls nicht der Fall ist (siehe die unterstrichenen
Stellen). — Hierauf erzählten die Gesta, indem sie oft'cnbar wie-
der die Ereignisse nicht schieden, von einer grossen Niederlage
der Ungarn zur Zeit Konrads,' vom Tode Lel's und Bulsu's,
von den Rachekämpfen der Ungarn, die sofort ein deutsches
Heer vernichten, ihren Plünderungen in Deutschland (wobei
Fulda und Worms genannt wurden*), in Lothringen und Frank-
reich und über die Rückkehr durch Italien nach Ungarn. Diese
ganze Darstellung war offenbar in den Gesta ohne alles chrono-
logische Gefühl niedergeschrieben, alle Ereignisse zu einem
grossen Raubzuge zusammengezogen. Die Veranlassung, die
grosse Niederlage der Ungarn in die Zeit Konrads zu verlegen,
war offenbar die von Regino zum Jahre 913 erwähnte erste
grosse Niederlage der Ungarn. Der alte Schreiber der Gest«
kannte aus der UebcrUeferung nur eine entscheidende Nieder-
lage der Ungarn (am Lech bei Augsburg), nach der aach Lei
und Bulsu ihren Tod am Galgen fanden. Sobald er nun in seiner
Vorlage (Regino) beim Jahre 913 auf die erste Erwähnung einer
Niederlage der Ungarn stiess, glaubte er diese mit der ihm ant
der Ueberheferung bekannten identificiren zu können; dass Re-
gino hier von einer Niederlage am Inn spricht, störte Utn nicht,
wie er überhaupt die weiter bei Regino noch erwähnton Nieder-
lagen (anno 934 und 955) nicht mehr beachtet.' Was nftmUch
' Sowohl AnonymUB als die Chronik nennt Konrad. Die Zeitangabe beim
Anonymus ISsst sich sogar mit jener bei Regino (anno 913) in Einklang
bringen, wenn man die oben, S. 260, angedeutete Corrector des ,V' >B
,11' gelten liisst. Keza hat die Erwähnung Kourads unterlassen.
* Man vergleiche die Parallelstellen 8. 260f.
* Sollte Tielleicht die Notiz bei Kegino inm Jahre 965 ,Cnonrad<u
quondam dux ibi ouciditnr' zu der Soge, dasa KOnig Konrad nach
271
jetzt bei Anonymus darliber steht, ist ganz gewiss einer di-
recten Benützung des Regino durch den Notar entsprungen.
Elr hat erst wieder den Kampf zu Konrads Zeit (anno 913)
an den Inn verlegt, hielt aber daran fest, dass damals Lei und
Bulsu hingerichtet wurden ; er hat auch erst die Niederlage von
934 und die Kämpfe und die Niederlage zur Zeit Ottos aus
Regino aufgenommen. In den Gcsta stand von diesen Ereig-
nissen nichts, wie dies sich aus der Betrachtung unserer Pa-
rallelstellen deutlich ergibt.' Dagegen haben sie (wie bereits
oben erwähnt wurde) die anderen Raubzüge von 915 — 954
als eine zusammenhätngende grosse Unternehmung geschildert,
wobei sie bereits viele Einzelheiten boten, die bei Regino sich
nicht finden (man vergleiche besonders die Mittheilungen über
den Rückzug durch Italien). — Die in diesen Zeilen enthaltene
Volkssage vom Home des Lei scheint in den Gesta nicht ge-
standen zu haben. Diese Erzählung von der Ermordung des
Königs Konrad durch Lei berührt Anonymus nilmlich gar
nicht; Keza sagt von ihr: ,quidem . . . fabulose asserverant'
und stellt eine andere Nachricht mit den Worten: , Verum qui-
dem est et libri continent cronicarum' entgegen, was
voraussetzt, dass er die Sage in keiner Chronik fand, sondern
aus mündlicher Ueberlieferung kannte; auch finden sich keine
näheren Beziehungen zwischen Keza's bezüglichem Texte und
der Erzählung in der Nationalchronik:* diese scheint also die
Sage ans der mündlichen Ueberlieferung, vielleicht durch Keza
aufmerksam gemacht, aufgenommen zu haben, weil sie ihr
der Schlacht am L«cbfelde von Lei ^etcdtet wurde, in Beziehung
stehen ?
' Die bereit) oben, S. 252 f., besprochene Nachricht der Nationalchrooik
Ober die Niederlage der Ungarn bei Eisenach und von den sieben Un-
garn hat diese nicht in die xusammonhängende historische ErzKfalung
einzureihen versucht. Sic rOhrt gewiss nicht aus den Oesta her, wie be-
reits oben, S. 263, bemerkt wurde, Allenfalls dürfte aber die Sage in
der Niederlage in Sachsen oder in jener am Lecbfelde ihren Ursprung
genommen haben; an ersteres Ereigniss knflpft sie Äventin (S. 4fi8),
der sie aus der Chronik entlehnt, an letzteres Alberich und Otto von
Freising (oben, S. 352 f.). Vgl. Kademacher, Forschungen zur deutschen
Geschichte XXV, S. 395f., Anm., der aber Alberichs Hittheilongen und
jene Ottos von Freising nicht kennt.
* Ueber die mOgliche Veranlassung der Entstehung dieser Sage siehe
8. 270, Anm. 3.
272
glaublich erschien. — Aus unseren Parallelstellen ergibt sich
schliesslich, dass die Erzählung vom Zuge nach Constantinopel
und der Heldenthat des Botond wenigstens in der dem Anony-
mus Torgelegenen Redaction der Gesta nicht stand, weil er sie
zwar berührt, aber ausdrücklich bemerkt, er habe sie in keiner
Aufzeichnung gefunden. Dementsprechend lässt er diesen Hel-
den nach seiner Rückkehr aus Deutschland sofort in Ungarn
sterben. Dagegen mag sie in der Redaction, welche Keza und
der Verfasser der Nationalchronik benutzten, bereits enthalten
gewesen sein. Doch kann auch das Vorkommen der Sage bei
beiden letzteren mit wörtlichen Anklängen so erklärt werden,
dass Keza die Sage aus der Ueberlieferung aufnahm, der Ver-
fasser der Nationalchronik aber bei seiner Arbeit Keza einsaL
Uebrigens ist es bekannt, dass die Ungarn nach der Lechfeld-
schlacht thatsächlich noch mehrere Raubzüge (961 — 969) nacb
Griechenland unternahmen, bis auch diesen das gerade damals
erstarkende oströmische Reich ein Ende setzte.' — Schliesslich
ist zu betonen, dass in den Gesta vetera gewiss schon bemerkt
wurde, dass nach der grossen Niederlage die Ungarn eine
friedlichere Politik zu verfolgen begannen. Dem entsprechend
betont Anonymus, dass seit jenem Ereignisse Zulta und sein
Sohn Toxun friedlich regierten, und Keza berichtet ebenso,
dass wenigstens nach Westen fortan kein Einfall mehr statt-
fand. Der entgegengesetzte Bericht der Nationalchronik, dass
noch zur Zeit Toxun's die Ungarn nach dem Westen Raab-
züge unternahmen, ist offenbar nicht den Gesta, sondern der
Ueberlieferung entlehnt.* Dass die bei Anonymus, Keza und
in der Nationalchronik vorkommende Bemerkung des Inhaltes:
' Was Marecali in den OescbichtwiQellen, S. 87—91, über Botond uu-
fUbrt, beweist die spSte Ankiiilpfun^ der SA^e an diesen Namen nnd
ibre Fixierung in der uns rorliegenden Fonn. Wenn er aber troti der
auadrücklichen Bemerkung dus Anonymus, dass er von Botond's Helden-
tbat vor Constantinopcl nirgends in einer geschriebenen Quelle Nncb-
ricbt fand, das Qegentbeil annimmt, so kann man ihm hierin nicht
folgen. Die späte Sago stand eben noch nicht in den ani]>rflnglichen
Oesta. Wenn Botond der heldenmUtbige deutsche Graf Poto ist (Annales
Altabenses, anno 1060), so kann die Naniensflbertragung erst mindesten*
swei Menschenalter später erfolgt sein. Der Verfasser der Geota ist aber
wohl schon ein Zeitgenosse Colomans gewesen. Siehe weiter ontw
im Texte.
* Vgl. biean oben, 8. S63, nnd die Anm. 1, 8. 271.
273
»
jÜies also warew die Kriege, welche die Ungarn bis zur Zeit
Toxun's führten', den Gesta angehörte, ist ganz unzweifelhaft;
und zwar wurde in derselben sicher Toxun genannt, wie bei
Anonymus und in der Nationalchronik, nicht aber Gcisa, was
offenbar erst eine Neuerung Keza's ist, der Toxun, wie auch
seinen Vater Zulta überhaupt nicht nennt.
Aus unserem ParalIeJstellenverzeichnisse ergeben sich ferner
auch zum grossen Theile die Aenderungen und Zusätze, welche
von den verschiedenen Bearbeitern der Gesta vetera herrühren.
— Der Anonymus bat neben den schon auf Regino beruhen-
den Gesta nochmals Regino benutzt, wie dies aus den in
stehender Schrift gesperrt gedruckten Stellen zu ersehen ist.
Iliebei hat er z. B. in ganz unsinniger Weise auch die Ge-
schichte des Stephanus Frater Waldonis übernommen, die
doch gar nicht mit den Ungarn in Beziehung steht. Es sei
noch bemerkt, dass die grössere Anlehnung des Notars in ein-
zelnen Worten und S.'itzen an Regino immerhin auch daraus
erklärt werden kann, dass er hierin den Gesta enger folgte,
oder dass er eine ursprünglichere Redaction derselben benutzte;
aber die eng an Regino angelehnten umfangreichen Nachrichten,
welche Keza und der Chronik fehlen (vgl. die näheren Be-
richte über Liutward und den eben erwähnten Stephanus, ferner
den Kampf am Inn, jenen von 933/4 und 954/5) sind ohne
Zweifel direct entlohnt. Ausserdem hat der Anonymus einzelne
ihm allein eigenthümliche Zusätze gemacht; sie sind durch
eursive Schrift bezeichnet. — Gegenüber dem Anonymiis ent-
halten Keza und die Nationalchronik viele gemeinsame
Nachrichten, die Jenem fehlen; dieselben sind durch cursiv
gesperrten Druck bezeichnet. Es ist schon oben angedeutet
worden, dass für das gemeinsame Vorkommen dieser Stellen in
Keza und in der Chronik gegenüber der Daislcllung des An-
onymus verschiedene Erklärungen möglich sind. Hie und da
wird vielleicht der Anonymus aus den Gesta etwas ausgelassen
haben, was die anderen Ableittmgen übernahmen. In anderen
Fällen wird wohl das Mehr an gemeinsamen Nachrichten bei
Keza und in der Chronik daraus zu erklären sein, dass ihnen be-
reits eine erweiterte Redaction der Gosta vorlag (man vergleiche
besonders die obigen (S. 269 f.) Bemerkungen zum Kampfe
bei Abah und jene über Botond (S. 272). Da schliesslich dem
Verfasser der Chronik gewiss auch Keza's Gesta vorlagen, aus
ArchlT. LXJXVni. Ud. I. Ililflo. 18
274
denen er die Hunengeschichte schöpfte, so ist es nicht «uge-
schlossen, dass gewisse der Chronik mit Keza gemeinsame Nadi-
richten in der Ungamgeschichte aus Eeza's Bearbeitong floeiea
(vgl. hiezu oben, S. 210). — Weiters bemerken wir Stellen,
die nur Keza eigenthümlich sind; dieselben sind dnrch unter
Streichung ausgezeichnet. Es sind vorzüglich zwei Nachrichten
über Rheinübergänge (bei Mainz und Constanz), eines üebw-
ganges über die Donau bei Ulm, dann genauere NachriditeB
über verschiedene Grausamkeiten der Ungarn gegenüber
deutschen Kriegsgefangenen. Alle diese Nachrichten scheinet
wegen ihrer Zusammengehörigkeit doch wohl irgend einer
deutschen Quelle entsprungen zu sein, die Keza zugftn^iii
war. * — Endlich bemerken wir Nachrichten, sie sind zwischen
(^ ) gesetzt, welche nur in der Nationalchronik sich finden.
Zu denselben gehören die bestimmten Zeitbestimmungen, die
freilich nichts weniger als verlässlich sind. Man vei^Ieiche hie-
zu auch oben, S. 227 f.
Nach jener bereits oben (S. 273) besprochenen Bemerkung
des Inhalts: ,Dies also sind die Kriege, welche die Ungan
bis zur Zeit Tocsun's führten', setzten die Gesta vetcr«
ganz offenbar mit der Genealogie seit Toxun weiter
fort. Nach dem Ausweise des Anonymus und der Chronik
wurde hier gewiss Toxun als Vater Geisas und also als Gross-
vater Stephans des Heiligen genannt.- Keza führt dagegen
auch an dieser Stelle Toxun nicht an, nachdem er bereits in
der eben angeführten Bemerkung statt Toxun bereits Geis»
genannt hat, wie dies S. 273 besprochen wurde. Die sonstigen
genealogischen Daten und der Wortlaut der Stelle lassen sich
aus Keza und der Chronik leicht bestimmen. Zu dem ur-
sprünglichen Texte der Gesta vetera gehört vor Allem
' Die oiiio dieser Nachrichten von der Ermordung von 20.000 deutecheis
tiofang^enen hätte Kademacher (Aventin und die ungarische Chromlt
Neues Archiv XII, S. 575) gar nicht mit Aventin's Mittheilniig von der
Niedermacliung der mehr als 20.000 Menschen in Italien zuMmmen-
stellen sollen. Die botreffende Stelle bei Aventin steht in der mir n-
gänglicheu Leipziger Ausgabe von 1710, S. 446.
* Anonymus, §. 57: ,Dux vero Thocsnn genoit filiam Geysam, qnintnm
ducem Ilungario ... ad tempora sancti regia Stephani, nepotis dncii
Tocsun.' - Chronicon Bndense, 8.61: ,Porro Toxun genuit Geydii»
. . . Geyclia vero . . . genuit sanctum Stepbanum regem.'
275
aach die Nachricht, dass Sarolta die Mutter des hei-
lligen Stephan war. Dies ergibt sich nänilich aus dem Um-
stände, dass sich die Nachricht beim Anonymus und in der
Chroniii findet, die bekanntlich direct einander nicht beein-
fiussten. Reza hat diese Nachricht wie manches Andoro in
der genealogischen Reihe ausgelassen. ^
lonymas, §. S7.
Geula genuit duas
qwarum . . . al-
^roltii; et Surolt
Mter sancti regis
Am.
Keza, g. 24.
Anno vero Dominice
incarnationis
DCCCCLXVII üeicha
dux divino premonitus
uraculo genuit siinctum
regem Stephanum.
Chr. Budense, 8. 61.
Geycha vero divino
premonitus oraculo an-
no Dominice incarna-
tionis DOCCCLX nono
. . . genuit sanctum Ste-
phanum regem ex Sa-
rolth filia Gyule.
Ferner dürfte auch die Angabe des Geburtsjahres
Stephans bereits den Gesta angehört haben. Die kleine
Abweichung zwischen Keza und der Chronik dürfte sich leicht
aus einem Schreibfehler erklären. Dass beim Anonymus die
Zahl feldt, darf nicht als Gegenbeweis angeführt werden, weil
das Citat aus Anonymus einer vorgreifenden Bemerkung des-
selben entnommen ist; sein Werk bricht vor der eigentlichcMi
Behandlung der Geschichte Stephans ab. Wenn aber an der
oben auspunktirton Stelle im Citate aus der Chronik daselbst
die Worte stehen ,quemadmodum in Legenda sancti Stephan!
regis scriptum est', so ist diese Bemerkung nicht etwa so auf-
Eufnssen, als ob diese Nachricht erst aus einer Vita s. Stephani
entnommen worden sei. BekanntUch Mhrt übrigens keine der
Biographien Stephans das Geburtsjahr desselben an.^ Die Mög-
Doch nennt auch er, §. 24, Jula den Avunculus Stephans. Die Voran-
la.vinng, das Torwandtschaftliche VerhiltnUa zu bestimmen, boten den
Qesta Ubrigenii bereits die Annales Altahennes. Vgl. S. 276, Anm. 2.
Die Ansicht Podhrnczky's in der Ansgabe des Chronicon Budense,
S. 62, als ob der Chronist insbesoiidero das Geburtsjahr Stephans aus
einer Legende dc.«selben entnommen habe, und dass daher an eine ver-
lorene Logende zu denken sei, ist sicher unrichtig. Alle Nachrichten
Über Stephan, welche sich sonst in der Chronik £nden, sind — wenn sie
nicht den Gesta angehören — in den bekannten Vitae nachweisbar. Der
Chronist hat eben seinen Verweis auf die Legende an unrichtiger Stelle
eingeschoben.
18»
276
lichkeit, dass aber die Chronik diese Nachricht erst ans Kot
entnommen haben konnte, darf uns weder hier noch in ila-
lichen Fällen — wo uns die Controle durch den Anonymus fdik
— ohne zwingenden Grund zur Annahme bewegen, dass äe
betreffende Nachricht nicht schon in der Qaelle des Keza, ak
in den Gesta, vorhanden war. Allenfalls dürfen wir es m
nicht verhehlen, dass für das 11. Jahrhundert unsere Forechmf
sehr dadurch erschwert wird, dass uns der Anonymus nidt
mehr zur Seite steht; seit Toxun bietet er eben nur in wemgea
vorgreifenden Bemerkungen noch Vergleichsmaterial. — Anderer
seits sind (wie bereits oben, S. 232 f., gezeigt wurde) gewi«
auf den Legenden Stephans und Emerichs beruhende Nach-
richten der Chronik nicht in den Gesta enthalten gewesen. Ent
die Nationalchronik hat diese aus den Legenden entnommen,
wie sie auch auf dieselben ausdrücklich hinweist. Mit des
Worten ,Noa enim ea potius, que ab aliis scriptoribos pr^er
missa sunt, breviter ac summatim scribere intendimus' * deutet
der Verfasser der Nationalchronik gleich im Anfange seiner
Darstellung der Geschichte Stephans die Absicht an, seine Vor
läge zu vervollständigen. Wie die Chronologie des Aofstandei^
den Cupan unternahm, von der Chronik gegenüber Keza dnrdi
die Benützung der Legende richtiggestellt wurde, ist schon
oben, S. 232, mitgetheilt worden. Die Gesta haben g»ni
gewiss diesen ersten Aufstand gegen Stephan nicht
ausführlich geschildert. Die Chronik hat für ihre Dar-
stellung hier ausser der Stephanslegende auch Keza's ,De no-
bilibus advenis' benützt, woher die Nachricht über Hunt und
Pazman entnommen wurde. Die Jahreszahl (1002) des
Kampfes gegen Gyula scheint den Gesta fremd ge-
wesen zu sein und wurde von dem Verfasser der Nationil-
chronik wohl erst aus einer anderen Quelle (wahrscheinlich
den auch sonst von ihm benutzten Annales Altahenses) ein-
gesetzt; * Keza hat diese Zahl nicht, und aus dem Vergleiche
seiner Darstellung mit jener der Chronik geht überhaupt her-
vor, dass die Gesta nicht annaUstische Daten enthielten. Die
' Chrouicon Budcnse, S. 62.
' Sic haben diese Nachricht zum Jahre 1003. üeber die Benfitznn; ia
Äiinalen durch den Verfasser der Nationalcbronik siehe oben, S. 829ti
und weiter nnten. Schon die Gesta beruhten aber hier aof den Annsl»
Alt.iheusea. Mau vergleiche:
277
an dieser Stelle in der Chronik, enthaltene Beschreibung
Siebenbürgens (Chronicon Budense, S. 65) gehört dagegen
nach dem Ausweise des Anonymus (§. 25) bereits den Gcsta
an. Der Kampf gegen die Bulgaren und die damit verbun-
denen Ereignisse sind in den Gesta sicher nicht so ausfiihrlich
erzilhlt worden, wie sie die Chronik schildert (Chronicon Bu-
dense, S. 66 — 68); man vergleiche dagegen Keza's knappe
Darstellung. Dass sich auch hier in der Darstellung der
Chronik der Einfluss der Stephanslegende deutlich zeigt, ist
bereits oben, S. 233, bemerkt worden; Keza sagt noch, dass
Stephan die Marienkirche in Stuhlweissenburg jfundasse per-
hibetur'; in der Chronik wird bereits in Uebereinstimmung mit
der Stephan siegen de bestimmt gesagt: ,quam ipse fundaverat'.
Durch die Stephanslegendo kamen auch in die Darstellung der
Chronik wohl erst die mildernden Bemerkungen über Gisela;'
bei Koza ist von dergleichen nicht die Rede, und Alberich,
der bekanntlicli auch die Gesta benützt hat, berichtet ebenfalls
über die Königin nichts Günstiges.* Die Nachrichten über die
merkwürdigen Naturerscheinungen zum Jahre 1022, welche sich
in der Chronik finden, sind sicher erst späterer Zusatz; sie
fehlen nicht nur bei Keza, sondern auch noch in dem Chro-
nicon Posonicnse, wo allenfalls eine Kürzung stattgefunden
haben dürfte; den Gesta waren sie sicher fremd, weU diese
überhaupt solche anualistische Aufzeichnungen nicht enthalten
zu haben scheinen. Der Verfasser der Nationalchronik hat sie.
AnoaleB Altahennes.
A. 1003. Stopiianus
res UngaricoB super
avuncnlum snam Ju-
Keca.
§. 21. Jnlu avuncnlo
suo cum uxore et duo-
bas Ciliia de seplem ca-
lam regem cum exer- stris in Hnngariam ad-
citn venit, quem cum dacto.
adprelioiidissot i-um uxo-
re ac liuobuK eius Uliia,
regnum vi ad chriatia-
niamnm compalit
Chr. Budense.
S. 65. Bellum gessit
contra proavunculum
snum , . . anno . . . mil-
lesimo sccnndo . . . ve-
pitGyulam diicem cnm
uxore et duobus fiUia
suia et in Hnngariam
transmiait.
* Vgl. Chronicon Budeuae, 8. 68, über die Freigebigkeit der Kflnigin
gegen ungarische Kirchen. Uiezu Vita maior a. Stephan!, §. 10, und
Vita von Uartwich, §.11.
* Mon. Germ. Script. XXIII, 779: ,. . . aed iUa Gialu regioa, at dicunt
(Hangari), multas malitias in terra ilta fecit . . .'
278
wie manches Andere, wahrscheinlich direct den Annales Alta-
henses entlehnt. Man vergleiche:
Annales Altahenses.
A. 1020. In multis terrarum
locis multa et magna incendia.
A. 1021. Ingens terrae mo-
tus im. Idus Mai hora X. diei
feria sexta post ascensionis Do-
mini, quasi duo soles visi X. Kai.
Julii.
Cbr. Bnddnse.
S. 70. Anno Domini millesi-
mo vigesimo sccondo, in multis
locis incendia multa et magna
facta sunt; ingens etiam terre
motus contigit quarto Idus Maii
decima hora diei sexta feria
post ascensionem Domini, quasi
duo soles visi sunt decimo Ka-
lendas Julii.
Auch die den König wegen seines Verhältnisses zu Waznl
entschuldigenden Bemerkungen (Chronicon Budense, S. 72:
,quem recluserat rex propter iuvenilem lasciviam et stulti-
tiam, ut corrigeretur; . . . scd impediente egritudinis molestia
debitam penam malefactoribus impendere non potuit') sind
sicher erst späteren Ursprungs: sie rtlhren bereits aus einer
Zeit her, da die Wärme fUr den heiligen König nicht
mehr genügt, um alle Handlungen desselben zu legalisiren.'
Die Dauer der Regierungszeit Stephans (46 Jahre)
findet sich bei Keza und in der Chronik und stand somit
sicher auch in den Gesta. Zu lesen ist wahrscheinlich
,XLIV', wie auch das Königsverzeichniss anführt (Studie VE,
S. 443), was den Jahren von 995 — 1038 entspricht, wenn man
Anfangs- und Endjahr mitzählt. Buda, den die Chronik als
Rathgeber und Helfer Giselas und Peters wiederholt nennt
(Chronicon Budense, S. 72, 75 und 78), erscheint bei Keza
nirgends genannt. Von Buda stand also wohl in den
Gesta nichts, vielmehr nahm die Nationalchronik ihn erst
bei der erneuerten Benützung der Anuales Altahenses auf.
Man vergleiche:
Keza.
§. 24. Quo audito
Kysla regina habito
Chr. Budense.
S. 72. Audiens autem
hoc Keysla regina iniit
Annales Altafaena«.
* Man vergleiche damit die Zosfitze des Schreibers des Pester Codex (am
1200) der Stephanslegende von Hartwicb, §. 19 (qood ob terrorem incn-
ciendum reliqui.i, zelo onm iosticie fecisse credendum est) und §. SS
(digna eos maltavit sententia). Vgl. dazu unsere Studie I, S. 344.
279
isilio infiduliuni misit
Ditem Sebus, qai re-
nuntiumpreveniens,
\zui oculos effoderet,
•esque eius plambi
asionc obturaret, fii-
•etque abinde in Bo-
aiiam.
§. 25. Regina vero
ysla consilio iniquo-
im Petrum Venetiim
ium Bororis sue . . .
§. 26. Petro itaque
i regno efTagato Uli
ranni, quorum con-
lio afflicti erant Hun-
iri, sunt detecti. Ex
libus unum in frustra
jonciderunt, oculos
loruni filioruni i-ius-
im erucntes ; alios
iro in manganis fer-
iaconfrcgerunt, quos-
nn lapidibus obrucn-
3. Sebus vero, qui
'azul oculos eruerat,
idibus confractis uc
|tnibus in rota pere-
erunt.
consilium cum Buda viro
nephando et festinantis-
sime misit nuncium no-
mine Sebus, filium ipsius
Buda, ad carcerem, in
quo Vazul detinebiitur.
Sebus ituque proveniens
nuncium regis, etTodit ocu-
los Vazul et concavitates
auriiim eius piumbo ob-
turavit et recessit in Bo-
hemiam.
S. 75. At regina Kcysla
cum Buda sateilite Petrum
Alemanum vel potiua Ve-
nctum . . .
S. 78. Petro itaque per
fugam de raanibus Hun-
garorum elapso, Hungari
Bceleratissimum Budam
barbatum omnium ma-
lorum intentorem, cuius
consilio Petrus Hunga-
riam afflixerat, in frustra
coneidentes interfe-
cerunt, et duorum filio-
rum suorum oculos eflfo-
derunt. Sebus autem, qui
oculos Vazul eruerat, con-
fractis inanibus et pedi-
bus peremeriint, quosdam
vero lapidibus obruentes,
alios autem in manganis
ferreis coeiderunt vastan-
tes.
A. 1041. t^iio per-
specto principes Ulius
regionia unanimiter
inierunt consilium, ut
interficereut quendara
illi fidelem, nomine Bu-
donera, horum omni-
um malorum aucto-
rera, cuius omnia fe-
cerat consilio . . . raox
eum comprebendcntes
interfecerunt ipsum
in frustra conciden-
tes et diiobus parvulis
eius oculos eripientes.
Aus den vorstehenden Parallclstellen geht es wohl zur
Genüge hervor, dass in der Vorlage Keza's Buda nicht ge-
nannt war; er hiltte doch nicht an allen Stelion seinen Namen
ausgelassen. Vielmehr ist leicht zu erkennen, dass die Chronik
280
aus den Annalen bei deren wiederholter Benutzung den Namen
entnalim und ihn an mehreren Stellen einsetzte, indem sie in-
gleich sich au einer Stelle auch mehr dem Wortlaute der An-
nalen nähert: Das .omnium malorum intentorem (auctoremV
kann erst mit der Erwilhnung Buda's aus den Annalen ent-
nommen worden sein. In der Darstellung der Bestrebungen
Giselas nach dem Tode Stephans, wie sie die Chronik erzählt
(Chronicon Budense, S. 75), sind schon oben, S. 232f., Spuren
der Umarbeitung, veranlasst durch die Benützung der Stephans-
legende, nachgewiesen worden. Die in der Chronik (Chronicon
Budense, S. 77) stehenden Schmähungen gegen Deutsehe und
Itaüoner sind wohl auch neuen Datums; Keza, §. 25, hat nichts
davon.
DasB die Ereignisse 1041 — 1045 in den Gesta viel
spilrlioher behandelt wurden als in der Chronik, ist schon
oben, S. 214ff. und 229ff., gezeigt worden. Dort wurde nachge-
wiesen, dass gegenüber dem der Darstellung der Gesta offen-
bar nilher stehenden Keza die Chronik ihre Erzählung durch
dirccte Benützung der Annales Altahenses bereichert habe.
Bezüglich der Buda betreffenden Nachrichten zum Jahre 1041
ist dies soeben ausfulirlich gezeigt worden. Dasselbe g^Ut von
der Darstellimg zum Jahre 1042. Man vergleiche ausser dem
bereits oben, S. 216f., Gesagten noch auch die Mittheilung in
der Chronik (Chronicon Budense, 8. bO) ,Kex igitur Aba . . .
a. D. millesimo «juadragesimo secundo misit nuncium ad
cesarom, ut perquirerct, an inimicaretur ei . . . an etiam
pacem stabilem cum eo posset habere' mit Annales Alta-
henses: ,A. 1042 (Obo) misit legationem talem, ut perquire-
rotur, an certas inimiciciaa sperarc deberct an stabilem
pacem.' Da Keza (§. 26) nur die Notiz hat: ,yuod Aba dum
scivisset, nuntios mittens ad cesarom probavit, si cum eo pacem
posset ordinäre vel minime', so ist kein Zweifel, dass die
Chronik fiir ihren Text die Annalen selbständig benutzt hat
und insbesondere aus ihnen die Jahreszahl heraushob. Ebenso
gehören hieher die dasselbe ergebenden Ausführungen oben,
S. 217 f., ilie schon auch in das Jahr 1043 greifen, wie denn
überhaupt auch die Darstellung der Chronik für die folgenden
Ereignisse bis zur Ucbergabe der goldenen Lanze durch Pctcr
an Heinrich III. (1045) erst durch die Wiederbenützung der
Annales Altahenses ihre gegenwärtige Gestalt erhielt Mao
h
981
ergicichc liiezu oben, S. 214 flF.; ferner sind noch in Bctnifht
u ziehen: Annaies Altahenses, a. 1044: ,Et ecce turbo vehe-
lens ex parte nostratiuin ortus pulverem nimium adversiirio-
um ingessit oblutibus' verglichen mit der Cliroivik (Chronicon
Judense, S. 84): .Tradunt autem Teutonici . . . tiirbo(|ue vehe-
lens . . . terribilem pulverem obtutibua ingessit Hungaroruin';
emer Annales, a. 1044: ,Denique caesar diseaiciatus et laneia
,d carnem indutus ante vitale crucis lignum procidit, idemque
lopulus una cum principibiis fecit, ipsi reddentes honorem et
[loriam, qui illis dederat tantam victoriam, tarn miriticam, tarn
acruentem . . .' mit der Chronik (Chronicon ßudense, S. 8ö):
Desar autem reversQS ad castra ante sacrosanctum b'gnum
alatifere crucis se humiliter ac devote prostravit, diseatceatus
,d pedes, cilicio ad carnem indutus, una cum omni populo suo
aisericordiam Dei glorificavit, que ipsum illo die liberavit de
nanibus Ilungarorum/ ' Zu der eben beliaiidelten Partie sind
loch folgende Bemerkungen zu machen: Die MitlheiJungcn
iber die Niederlage der Ungarn durch ,(jotfridus Austrie mar-
;hio', welche sich bei Keza, §. 26, und sonst nur im Chronicon
'ictum, S. 14s, findet, geliört sieher nicht in dieser Form den
Jesta an; man vergleiche darliber Studie VII, S. öOOf. An
lern an dieser Stelle gefundenen Ergebnisse, dass dieser Wort-
aut der Nachricht erst von Keza herrührt und von diesem in
las Chronicon Pictum überging, werden wir bei dem Umstände,
lass alle ursprünglicheren Chronikredactionen * einen anderen
' FQr eiuselne Einschiebungen der Chronik aa> den dentschen Ännaleo
ist die Bemerkung: ,Traduut autem Teutonici' (S. 84) oder .([ue (Alba)
Teutonico Woyxenburg dicitur' (S. 86) bozeiulinoud. Zu eraterer Be-
merkung (lieht sich der Chronist veraulaast, weil er die betreffende Oe-
Bchicbte von der Naturerauheinnng den Anntilen, a. 1044, entnimmt, zu
letzterer, weil er in den Gesta den Namen Alba, in den Annalen an
der betreffenden Stolle (a. 1044) aber Wixonburg fand. Interessant iat
auch, wie der Chronist die nun den Annalen, a. 1044, entnommene Nach-
richt über das Dankgebet Ueinrichs III. für den unblutigen Sieg und
die geringen A'erluste seines Heere» mit der bereits in den Gesta (siehe
Keza!) stehenden Sage Ober die Niedermetzeluug der Deutschen ver-
bindet. Er ISsst Heinrieh beton, weil Gott ,ipsum illo die liberavit de
mauibus Hungarorum' (Chronicun Budenae, S. 86).
' Nach Florian lU, S. 53, und Luciu.s, Inscriptiones, S, 83, fehlt im Vat.
der Satz ,Gottfridns . . . marchionoa'; ebenso im Aceph., Rl. 4a, Sam.,
Ul. 21 K, und in den anderen Chroniken. Mit dem Fictum bat sie nur
.4esson Auszug (Chronicon Monaceuse, S. 233) gemein. Hiebci ist zu
282
Wortlaut aufweisen, festhalten mllsscn; obwohl andererseits eo-
gestanden werden wird, dass schon die Gesta vetera auf Grund-
lage der Annales Altahenses, a. 1042, über den Eänfdl der
Ungarn nach EUlmten berichtet haben werden und auch viel-
leicht Gottfrieds Namen aus ihnen übernahmen. Diesen hStte
dann Eeza beibehalten, indem er Gottfried zu einem Markgrafen
von Oesterreich machte und daran die Bemerkung knüpfte:
,Tunc enim Austria non duces, sed habebat marchiones'; die
Nationalchronik hat dagegen offenbar den Namen GK>ttfiried
nicht aufgenommen, und deshalb entbehren desselben alle Se-
dactionen bis auf das Pictum (und dessen Auszug das Chro-
nicon Monacense), welches ihn wie Anderes aus Keza über
nahm. An einer anderen Stelle scheint allenfalls Keza eine
bereits in den Gesta vorhandene Nachricht aus den Annales
Altahenses weggelassen zu haben. Man vergleiche:
Keza.
S. 81. Cesar igitur
. . . cum exercitu No-
rico et Bohemico Au-
striam introivit, dissi-
mulans se in Hunga-
riam intraturum.
Chr. Budense.
S. 84. Cesar igitur . . .
cum exercitu Norico et
Bohemico et Flandris
aulicorum suorum bel-
licosissimisvenitinMar-
chiam Austriae, dissimu-
lans se . . .
▲niutles AltahaaML
A. 1044. Porto
enim res . . . genÜH
tantnmmodo dncea
exercitum NoricnD
Boiemicum. De n
quis regni sui partib
nullos nisi aulic
SUDS habebat
In der Chronik zeigt sich also ein kleines Plus an Nach-
richten, die allenfalls auf die Annalen deuten, auf denen aber
nach dem Ausweise des Keza bereits der Text der Gesta über
haupt beruhte. Da nun der Text der Chronik hier dem Kesa
sonst ganz nahe steht und sich dtirch die Satzconstruction der
Annalen gar nicht becinflusst zeigt, so ist es sehr wahrschein-
lich, dass die Worte ,et Flandris . . . bellicosissimis' ans den
Gesta herrühren; Ecza hätte sie dann ausgelassen, nicht aber
die Nationalchronik sie erst aus den Annalen entlehnt. Schliess-
lich ist noch zu bemerken, dass schon in dieser Partie die Ein-
schlibc aus der Vita s. Gerhardi beginnen (Chronicon Budense,
S. 82), worüber bereits oben, S. 235, die Rede war.
beachten, dass das Pictum ron der arsprOnglichen Redaction am wei-
testen absteht.
I
\
I
Für die Zeit der inneren Wirren boten die Gesla
recht spärliche Nachrichten. So ist zunächst ihre Er-
zählung über die im Auslande lebenden arpadischen Prinzen
Andreas, Bela und Leventha und das Auftreten des Planes
ihrer Kückberufuni^ durch die unzufriedenen Ungarn wohl nur
80 knapp gewesen, wie sie sich bei Keza, §. 27, findet, während
die ausführlicheren Mittliuilungen in der Chronik (Chronicon
Budense, S. 88 — 91) wolJ erst durch Interpolationen herbeige-
führt wurden. Als Quelle mögen hiebei wie bei anderen Er-
weiterungen in dieser Partie dem Verfasser der Nalionajchronik
die von ihm (Chronicon Budense, S. 93) citirten ,antiqui libri
de gestis Hungarorum* gedient haben, von denen wir keine
näheren Nachrichten haben. Auch über Gerliard ist in den
Gesta vetera wenig enthalten gewesen. Die Chronik hat zur
Erweiterung ihrer Erzählung von der Legende des heil. Ger-
hard reichlich Gebrauch gemacht, wozu ausser den Aus-
ftlhningen oben, S. 233 ff., noch Folgendes zu vergleichen ist.
Die ausführlicheren Mittheilungen der Chronik über die Bot-
schaft der Ungarn an die arpadischen Brüder in Polen (Chro-
nicon Budense, S. 91) beruhen auf der Legende. Man ver-
gleiche :
p Keu.
§. 27. Tunc in Che-
d omnes in unum
nvenerunt, consilio-
e habito communiter
filiis Zar Ladislai
[nsmittunt, unde ad
pum remcarent. Qui
m in Pest advenis-
it . . . statira . . . per
ntios trium (!) fra-
trum prociamatur,
od. ... §. 28. Tunc
8(!) fratres Alben-
n ingressi civitatcm
Clirouik.
Chr. Budense, S. 91.
Tunc nobiles Hungarie
... in Chanud in unum
convcnerunt consilioque
habito totius Hungarie,
nuntios miserunt so-
iemuea in Rusciaui ad
Audream et Levente di-
centes eis, quod tota Ilun-
garia eos tideliter expeeta-
ret . . . Cum autem venia-
sent (nur Andreas und
Bela!) ad Novum Castruui
Vita 8. Gerhnrdi.
§. 19. Ungari
raiseruntsolempncs
nuntios post öliosWa-
zul : Endre, Bela et Le-
venthe . . . petentes cos,
ut de Polonia ad Unga-
riam vonirent. Sicquc
Bela ibidem remanente,
Endre et Leventhe(!)
ad Ungariam veneruiit
Aus den vorstehenden Stellen ersieht man leicht, dass die
Chronik die Darstellung der Gesta, wie sie uns bei Keza
284
entgegentritt, aus der Uerhardlegende interpolirt hat, indem er
aus ihr sowohl einzelne Ausdrücke entnimmt, als auch die
ursprlingiiehe Darstellung, dass alle drei Brüder sofort n«cb
Ungarn zogen, dahin berichtet, dass nur Andreas und Leventh«
zunilchst Polen verliessen, der dritte Bruder aber dort verblieb.
— Wenn nun bei Keza, §. 27, das Meiste der folgenden Dar
Stellung in der Chronik (Chronicon Budensc, S. 92 — 99) fehlt,
dieses Plus an Nachrichten aber wiederholt die engsten Be-
ziehungen zu der Legende aufweist, so sind nothwendiger
Weise auch alle diese Nachi'ichten den Gesta fremd gewesen
and erst aus der Legende in die Chronik geflossen. Hieher
gehört die breite Erzählung von dem Wiederaufleben des
Heidenthums, S. 92 — 94 (bis: . . . ecclesias dei destruxerunt),
die den Mittheilungen in der Legende, S. 228 (bis: . . . eccle-
sias destruxere), entspricht; im Heidenflihrer Vata der Chrooik
erkennen wir den Bacha der Legende wieder; nur Wenig»
von den hier enthaltenen Mittheilungen hat die Chronik einer
anderen Quelle entnommen, aus der vielleicht auch manche
andere selbsülndige Nachricht, besonders in dieser Partie, her-
rührt. Der Chronist sagt hier nilmlich unter Anderem: ,Est
autem scriptum in antiquis libris de gestis Uungarorum, qaod
omnino prohihituui erat Christianis, uxorem duccre de con-
sanguineis Vata et Janus . . .' Diese Nachricht finden wir in
keiner der uns sonst bekannten ungarischen Quellen; dass sie
nicht den Gesta vetera entstammt, ist augenscheinlich. Die
weitere Erziihlung im Chronicon Budense, S. 94, ist dagegen
offenbar aus dem bei Keza aufbewahrten Texte der Gesta aai
der Legende zusammengeschmolzen. Man vergleiche:
Keza.
(Siehe unten!)
§. 27. . . . statim in
curia Petri regis una
nocte in equis veloci-
Chronik.
Chr. Budense, S. 94.
Deinde contra Petrum
regem rebellantes univer-
soB Teutonicos et Latinos,
qui in officiis diversis pre-
fecti perllungariam sparsi
fuerant, turpi neci tradi-
derunt. Mittentesque in
Petri castra in equis velo-
cissimis nocte trcs pre-
Logiende.
19.
285
per nuntios triam
:ruiii prociamatur,
»d omnes Teutonici
Latini, ubicunque
enti periniantur et
umatur ritus paga-
lus. Mane ergo
cto scistitatus Petnis
cti causam pro certo
icognovit, ipsos esse
Hangaria. Et licet
mienso dolore tactus
«et, se letiun demon-
rabat. Tunc clara mit-
ns suos nuncios ut
Ibam oceuparent, re-
ilato consilio Plungari
sr omnia loca inci-
unt rcbellare, ooci-
mtes uno tempore
eutonicos et Latinos,
ulieribus quoque in-
ntibus et sacerdoti-
18, qui per Petrum
erant prepositi pleba-
et abbates, non par-
intes. Et cum in Albam
iquisset introire . . .
cones, qui deberent pro- I
clamare edictum et ver- |
bum dominorum Andree
et Leventhe, ut ipsi
episcopi cum clero
sint necati ; deciraator tru-
cidetur; traditio resuma-
tur paganisma; peuitus
obolenda sint collecta;
cum suis Teutonicis et La-
tinis Petri pereat me-
moria in eternum et
idtra. Mane igitur facto
sciscitatus est rex rei
factum et certissime ex-
periens, quod isti fratres
redisseut eorumque intui-
tu Bui prefecti per Hun-
garos fuissent trucidati,
non se ostendit perterri-
tum de rumoribus, sed
letum se demonstrans et
suo Castro de loco remu-
tato transivit Danubium in
Sitva-Tn Albam cupieus
introire. Hungari autem
prescientes eius velle pre-
(Siehe oben!)
venerunt occupantes cam-
panilia et turres civitatis
et seratis ianuis excluse-
runt.
destruere, etprecones
proclamare edictum
Endrec et Leven-
the, ut episcopi cum
clericis et monachis
et Cliristianis interfi-
ciantur et memoria
eorum pereatin eter-
num et ritus patnim
nostrorum reassuma-
tor. Quo audito . . .
Bei Keza folgt nun auf die eben abgedruckte Stelle so-
fort die Nachricht von Peters Flucht nach Musun -Wiesel-
barg und Stuhlweissenburg, von seiner Gefangennehmung, Blen-
dung und seinem Tode; sodann wird in §. 28 der Einzug der
drei Brüder in Stuhlweissenburg und die Krönung Andreas'
286
— doch ohne die JahremuhJ — erzählt. Diese Nachrichtec sind
in der Chronik von den eben mitgetheilten Nachrichten über
den ersten inissgllickten Zug nach Alba durch ausfdhrlicbe
Nachrichten über den MUrtyrertod des heil. Gerhard und die
denselben begleitenden Umstände getrennt. Die ErzSUang
der Chronik (Chronicon Budense, S. 95 — 99) beruht, wie ein
Vergleich der Legende Gerhards, S. 228 ff., zeigt, zum grössten
Theile auf dieser. Mit Keza's fUnf Zeilen umfassendem Berichte
Über diese Ereignisse (§. 29) hat die Chronik eine Nachricht
gemeinsam (Gerhardus monachus prius fuit de Rosa-
ccnsi abbatiaj, welche der Legende fehlt. Diese Nachricht
mit kurzen Bemerkungen über Gerhard, wie sie etw«
Kcza bietet, gehörte also den Gesta an. Dem Verfaaser
der Nationalchronik lagen Übrigens auch hier die Annalef
Altahenses wieder vor. Viel konnte er ihnen hier nicht ent-
nehmen, wiewohl auch sie diese Episode recht aiisfiihrlich
zum Jahre 1046 schildern. Diesen entnahm er offenbar die
Jahreszahl der Krönung Andreas', die (wie eben bemerkt wurde)
nach dem Ausweise Keza's den Gesta gefehlt haben muss. Er
setzt jedoch die Krönung zum Jahre 1047, während sie in den
Annalen zum Jahre 1046 gemeldet wird. ^ Den Annalen eot-
nalim er auch die Nachricht, dasa der grausamen Verfolgung
nur drei Bischöfe entronnen seien und Andreas von diesen ge-
krönt worden sei (Annales, a. 1046 ^ Chronicon Budenw,
S. 101). Sehr interessant ist folgende Betrachtung über die
an die Krönung anschliessenden Bemerkungen Über die Ab-
stammung Andreas' und seiner Brüder. Nach der gemeinsameii
Nachricht Keza's (§. 24, S. 77 und 78; §. 27 und 28) und der
Chronik (Chronicon Budense, S. 61, 72 und 102) gilt folgende
Abstammuugsreihe :
Toxun
Geycha
I
Stephan
Midiael
Calvus Ladizlaus
Vazul
Andreas
Bela
Leveutha
Nun findet sich bei Keza (§. 28) und in der Chronik
(Chronicon Budense, S. 102) folgende Übereinstimmende Stelle:
' Vf;l. Ober solch' eine kleine Suhw.mkiing nuch oben, 8. 376, Aitm.
und S. U78. HieicD ist nm-h unten, 8. 3911 f., xii vergleicIiMi.
287
Keia.
Quidam autcm istos fratres
ex duce Wazul progenitos as-
severant ex quadam virgine de
genere Tatun non de vero
thoro oriundos et pro tiili mis-
sitalia illos de Tatun nobilita-
tem invenisse. Frivolum pro
I certo est et pessime enarra-
f tum. Absque hoc namque no-
biles sunt et de Scitia oriuudi,
quia isti sunt filii Zar Ladislai.
Chronik.
Tradunt quidam istos trea
fratres filios fuisse VazuJ ducis
ex quadam puella de genere
Tatun non de vero thoro ortos
esse et ob hanc coniiinctionem
illos de Tatun nobilitatem ac-
cepisse. B^lsum pro certo est
et pessime enarratum; absque
namque hoc sunt nobiles, quia
isti tilii sunt Caivi Ladislai.
Der Kampf gegen die Ansicht, dass die drei
Brüder Söhne Wazul's seien, fand sich also offenbar
schon in der gemeinsamen Quelle Reza's und der
Chronik, d. i. in den Gesta vetera, in welchen, nach
dem Ausweise Keza's und der Chronik, bereits auch ihre
Aufzählung als Sühne Ladislaus', des Bruders Wazul's,
sich befand. Die Nachricht, dass Wazid der Vater der drei
Brüder war, ist hiemit älter als die Gesta^ diese Nachricht
finden wir aber auch in der Vita s. Gerhardi — vgl. oben,
S. 283 — welche gewiss in den ältesten Theilen bis ins 11. Jahr-
hundert hineinreicht. Von Ladislaus weiss diese Vita dagegen
nichts. Die eben mitgetheilte Beweisführung der Gesta vetera
gegen diese ältere Ansicht steht ganz offenkundig auf sehr
schwachen Füssen: sie stellt dieser blos eine andere gegenüber.
In Kticksicht auf diese Umstände wird man wohl nicht mit
Unrecht vermuthen dürfen, dass Wazu]-(Basiliu8-)Ladislaus die-
selbe Person sei; solche Zweinamigkeit kommt nämlich in der
älteren ungarischen Geschichte wiederholt vor: man vergleiche
jDewix-Geisa, Waic-Stephan, König Geisa I. und II. = Deuca,
jüngere Gylas = Procui, ' Bela I. = Pugil = Benin * und Aba
^= Samuel.* Diese Annahme würde den Widerstreit zwischen
* Die Nachweise in meiner Schrift: ,Beitr8ge zur illteren angarischen
Geschichte', S. H, Anm. 32. Zn Gylaa-I'rocui vgl. jetat auch Balzer,
Geneslogia Piastöw (Krakan 1806), S. 5öU, und meine Gegenbemerkung
in ,Mittheilungen .ins der historinclien Literatur' XXV, 8. 175.
» Vgl. Studie VII, S. 440.
' Anonymu.i, g. 3'2. Vgl. hier auch §. '27 .Cnroldu' und .Saroltu*.
den alteren Nachrichten — den Quellen der Gesta vet«ra und
der Vita s. Gerhard! — und den jüngeren Berichten der Gesta
(erhalten bei Keza und in der Chronik) erklären. Damit
sind aber noch nicht alle Schwierigkeiten gelöst: nach den
Annales Altahenses, a. 1041, war der Vater* der verbannten
Prinzen geblendet worden, welche Nachricht auf Wazul passt
(Kcza, §. 24; Chronicon Budense, S. 72); dieser Vater war aber
ebenfalls nach den Annalen ein Sohn des Bruders Stepbans
(filium fratris sui . . . cecavit es parvulos eiusdem exilio relega-
vit), darnach mllsste Michael (Wazuls Vater) als Bruder Stephans
aufgefasst werden, nicht aber als Vetter (Vaterbruder) desselben,
wie dies Keza und die Chronik thut. Wir fllgen noch hinzu, das«
der Anonymus nichts von Michael weiss, sondern (§. 57) nur
Geisa als Sohn Toxun's anfuhrt; " hingegen nennt auch er, §. 15,
Andreas einen Sohn ,calvi Ladisl y', wobei er natürlich den
Gesta vetera folgt. — Die Mitth«' ung der Chronik über den
frühen Tod Leventa's und die nun folgende Berufung des in
Polen zurückgebliebenen Bela (Chronicon Budense, S. 102 and
104) kann in den Gesta vetera sicher nicht so gestanden sein,
»»"'^' nach diesen — wie wir oben, S. 284, sahen — alle drei
Anriijr zusammenkamen. Bei Keza steht auch nichts davon.
nahlCita lässt die ungarisch-polnische Chronik, die mit den
nnv'n eine gemeinsame Quelle hatte, sechs Monate regieren;*
ku.) Nachricht von dem frühen Tode Leventa's könnte
S. * auch den Gesta angehört haben und wttre töi. ■""»
nicht aufgenommen worden. Die Nachricht, dass Andre..»
das Kloster Tyhon gründete (Chronicon Budense, S. 107),
gehört auch den Gesta an, denn auch Keza sagt, §. 31:
,Andreas autcm obüt ... et in Tyhon monasterio proprio...
' Der Name wird nicLt genannt
* Die nngarisck-polniscbe Chronik, welche für die LOann^ dieser Frage
Doch hiltte herbeigezogen worden kOunee, int leider so TorderbL, das»
sie nicht berilck^sichtigt werden kann. In derselben {%. 11 und li) er-
scheinen Loventa, Bela und Peter als SObne Stephans. Im Titel n
g. 10 hoisst es gar: ,De succossione Albae in regnum post mortem patris.'
Ich oitire nach der Ausgabe in Bielowski's Mon. Pol. 1--I I; Ke-
trzjrnski's neu edirter Text ist ein jüngerer Aussog (rgl otndie TI,
besonders 8. 634).
* Mon. Pol. bist. I, S. 612: ,Pnst sex menses nuntiant sibi Lerantara ism
niortnnm.'
Jitur. • Die Nachricht, dass Andreas mit einer ruthe-
shen Fllrstentochter vermählt war (Chronicon Bu-
»e, S. 107), stand wohl schon in den Gesta vetera,
, diese Nachricht zwar nicht bei Keza, wohl aber beim
inymus in einer vorgreifenden Bemerkung sich wiederfindet
15). Von den Söhnen Andreas' werden in beiden Ablei-
jen Salomon und David genannt (Keza, §.31; Chronicon
lense, S. 107), von jenen Belas kommen ebenso Geisa und
ÜBlaus vor; diese nannten also auch die Gesta
era. Alle diese Nachrichten, welche im Chronicon Bu-
ße, S. 102 — 107, sich vorfinden, stehen hier an unrichtiger
le und werden vielmehr in den Gesta, soweit sie in den-
len standen, an der dem §.31 Keza's entsprechenden Stelle
setzen sein. Die Chronik hat offenbar die diesem Para-
phen Keza's entsprechen »n Nachrichten der Gesta vetera,
3in sie dieselben erweiteru^, an einer frllljeren Stelle einge-
sben. Uieflir sprechen folgende zwei Umstände: Erstens
;en wir in der Chronik an einer späteren, dem §.31 Keza's
iprechenden Stelle (Chronicon Budense, S. 115, und voU-
idiger in dem ursprünglicheren Chronicon Posoniense, §.
lelae dieser Nachrichten wieder,' und dies ist ein Fiö,
^Hass sie wohl hier alle vereint standen. Zweitens i '
cn diese Nachrichten der Chronik (Chronicon Budeif
icht
03 — 1071 die zusammengehörige Erzählung ilber die KUmi''
.»•^(vi JJeutschen in den Fi^nfzigerjahren zerrissen. Betrach " .
c nämlich Keza's Darstellung dieser Kämpfe im §. 30, so
es klar, dass seine Nachrichten über die ersten glücklichen
inpfe der Ungarn mit den Norikern, Böhmen und Polen ganz
nbar sich auf den fUr die Deutschen unglücklichen l'\'!dzug
. 1051 beziehen; damals führte Heinrich thatsächlich auch
em, Böhmen und Polen nach Ungarn.' Aber auch die
teren Mittheilungen ,Propter quod Heinricus Imperator . . .'
hr-
Der eitirten Nachricht bei Keza entspricht Cbronicun Budenso, S. 116.
1— Die Nachricht von der OrUndang dieses Klosters durch Andreas findet
sieh anch in der Vita s. Gerbardi, §. 21.
Bier Aet sich die Nachriebt über Tyhon und Andreas' Sohn David in
derselb'Ai.. Wei.<)e wie bei Keza, §. 31. Ueber die Urspriliiglichkeit des
Chronicon Posoniense siehe .Studie VII; Näheres in einer künftigen
Arbeit.
Vgl. Haber, Oeschichte Oesterreicbs I, S. 19S.
trobiT. L.\XXVni. M. I. UUrie. 19
290
beziehen sich ganz unzweifelhaft auf diesen Feldzug, denn die
von Keza gemeldete Belagerung Albas und die Erwähnung
von Bodoct (Bodouch) kann nur auf den 1051 von Südwesten
erfolgten AngriÜ' auf Ungarn Bezug haben. In der Chronik
erscheinen nun ganz unpassend die Bemerkungen (Chronicon
Budense, S. 102) über jene Kilmpfe mit Böhmen, Polen und
Oesterreichem (statt Norikem) von der weiteren Erzählung des
Feldzuges von 1051 (Chronicon Budense, S. 108) durch die
oben envilhnte Interpolation der Rückberufung Belas (S. 104)
und durch die anderen erwähnten Notizen (S. 107) zerrissen.
Was nun die Schilderung der Kämpfe anlaugt, so ist
diese in der Chronik ausführlicher als bei Keza, aber man er-
kennt sofort die verwirrenden Interpolationen. Gewiss war
schon der Text der Gesta vetera über diese Kämpfe
in den FUnfzigerjahren dürr und sehr mangelhaft;
dies sieht man klar aus Keza's Erzilhlung. Er weiss nur von
der schon erwüiinten und erklärten Hesiegung von Norikem.
Bühmen und Polen zu erzählen. Daran fügt er die Mittheilung,
dass in Folge dieses Sieges die Ungarn durch drei Jahre die
Oberherren der Besiegten wurden, worunter wahrscheinlich
deren glückliche Erfolge bis 1054 zu verstehen sind. Heinrich
versucht, hiefllr die Ungarn durch einen Kriegszug zu strafen.
Was über diesen Kj'iegszug erzählt wird (Belagerung von Alba.
Iluiigersnoth, die .Sage vom Mens Barsunus), bezieht sich offen-
bar auf den Zug vom Jahre 1051. Mit diesem wird auch schon
die VerniithJung (tradcret in uxorem) des ungarischen Prinzen
Salomon mit .Sophie in Verbindung gebracht, während doch
erst die Verlobung 1058 stattfand.' Uebcr den zweiten Zag
vom Jahre 1052 und die Belagerung Pressburgs weiss Kew
ujchts zu erzUlden. Dom Verfasser der Nationalchrouik standen
nun gewiss ausücr den Gesta auch andere Nachrichten lur
Verfügung. Woher er sie schöpfte, wissen wir nicht bestimmt:
die Annales Altahenses lagen ihm hiefür otYenbar nicht mehr
vor. Die letzten der Chronik mit diesen gemeinsamen Nach-
richten gehören nämlich dem Jahre 1046 an (siehe oben, S. 230|»,j
und es scheint somit die Annahme richtig, dass bei 1046 in
den Annalos Altahenses ein Abschnitt zu machen ist:* nur der
' Uebrigens üt Salomon nach den Annales vet. Vng. eist 1Ü5S g«boren.
* Vgl. durnbor dio ge.<;animelten Notizen bei Kademaoher ta J?ot-
scbiin^on xnr üeutsckeu Geichiclite' XXV. 8. 403.
291
Theil bis 1046 war den ungarischen Goschichtsschreibern zu-
jiftnglich geworden ; ßlr die folgenden Jahre können wir weder
bei Keza. noch in der Chronik überhaupt die Verwendung der
Annalen nachweisen, also waren sie auch nicht in den Gesta
vetera verwendet worden. So erklärt sich die geringe Geschicht-
liclikeit der Ausführungen bei Keza, ebenso aber in der
Chronik. Wie diese einen Tlieil des zum Feldzuge von 1051
gehörenden Berichtes losgelöst hat, ist bereits oben mitgetheilt
■worden. Ebenso unrichtig ist die Erwähnung der Belagening
von Pressburg vor der Fortsetzung des Feldzuges von 1051
angesetzt (Chronicon Budense, S. 108), denn diese Belagerung
gehört erst zum zweiten Feldzuge von 1052. Auch sonst hat
die ganze Erzälduug einen verworrenen, sagenhaften Charakter.
Statt der Sage vom Mons Barsunus findet sich hier jene vom
Orte Vertes-Hegye (Chronicon Budense, S. 110). Beide sind
nach der ausdrücklichen Bemerkung bei Keza (usque hodie) und
in der Chronik (ustjiie modo) der lebendigen ungarischen Volks-
überlieferung entnommen. In den Oesta stand wohl nichts davon.'
VerhältnissmUssig richtig sind die Bemerkungen der Chronik
über die Vermählung Salomons mit Sophie (Ciironicon Budense,
S. 113). Unrichtig ist die Bemerkung, dass Andreas erst nach
dieser Vermählung krank wurde, denn nach den Annales vet.
Ung. ist dies schon 1057 geschehen. Ebenso ist es unrichtig,
dass die Königskrünung Salomons erst nach der Vermählung
stattfand (Chronicon Budense, S. 114); sie fkUt nach den An-
nales vet. Ung. ebenfalls schon in das Jahr 1057. * Das Fehlen
dieser mehr detaillirten, dabei freilich zum Theile ungenauen
' Anonymus, § L, zeigt an einer vorgreifenden Stelle ebenfallii Bekannt-
sclinft mit der in der Cliroiiik enthaltenen Sage (que n n n e vertua vo-
cntur propter ulipeoM Tlieotouicoriun iiiibi demio-sos). NatUrlicb kaun
ancb er sie aus der lebende» Sage entnommen babeu, worauf das ,nuuc*
deutet.
* Die Zeitbestimmungen des Chronisten lassen sieb allenfalls erklären.
Er setzte die KrOtiung Andreas' in das Jahr 1047 (statt 1046); nun fand
er in den Oesta vetera (siehe unten im Texte) die Bemerkung, die
KttnigskTflnimg Salomons sei ,anno imperii XII" des KOnigs Andreas ge-
schehen, als diejter ,confectu.s eenio' war. Aus diesen Zeitangaben ergab
«ich ihm das Ende des Jahres 1058 oder 10fi9, und da er wohl die Ver-
mählung in seiner Quelle zum Jahre 1U5Ü vorgemerkt fand, setzte er
die Krankheit des alten und die KrOnnng des jungen Königs nach diesem
Ereignisse an.
l'J*
292
Berichte bei Keza ist ein Fingerzeig, dass sie in den Oeatk
vctera nicht so ausführlich standen. Was Über die Königs-
krönung Salomons und ihre näheren Umstände in der
Chronik (Chronicon Budense, S. 114f.) erzählt wird, ist detu
knappen, offenbar auf den Gesta beruhenden Berichte
Keza's in §. 31 geradezu entgegengesetzt. Nach dessen Dar-
Stellung geschah die Krönung des jungen Prinzen mit Zu-
stimmung Belas, des Bruders Andreas', und ebenso mit Zu-
stimmung der Söhne Belas.' Die Darstellung in der Chronik
ist dagegen durchaus zu Ungunsten Andreas' geftirbl. Der
Chronist des ausgehenden 14. Jahrhunderts kann diese Aende-
rung nur auf Grundlage einer zweiten Quelle vorgenommen
haben.* Näheres wissen wir freilich nicht über dieselbe. Es
lässt sich nur vermuthen, dass aus ihr auch manche andere
der Chronik eigenthUmliche Nachricht Boss, und dass sie viel-
leicht mit jenen von der Chronik ausdrücklich genannten ,aiiti-
qui libri de gestis Hungarorum' zusammenzustellen sind (vgl.
oben, S. 284). Was hier über den Kampf Andreas' mit Bela
und den Untergang des Ersteren erzählt wird — Keza schweigt
darüber — deutet wie andere Anzeichen darauf, dass diese
,antiqui libri' eine beachtenswerthe Quelle waren.
Unstreitig gehören den Gesta vctera die bei Ke>a,
§. 31, und in der Chronik (Chronicon Budense, S. 113f.)
stehenden Zeitbestimmungen an. Dieselben interessireu
uns ganz besonders, und daher wollen wir bei diesem Gegen-
stände etwas länger verweilen. Dass diese Zahlen bereits den
Gesta angehören, geht aus dem Umstände hervor, dass sie sich
bei Keza und in der Chronik finden, ferner auch bei Albericli
mit geringen Abweichungen vorhanden sind.' Um nun über
diese Angaben näher handeln zu können, wollen wir sie zu-
nächst anführen:
Keza.
§. 31. Post mortem itaquc
sancti regis Stephan i trnnsacti
Chr. Buderuie.
S. 113. Ebenso.
* Dies konnte man nach aus der Darstellung der Annales vetarea, a- lOiT
and IÜ60, folgürn.
* Das Chronicon Picturo, 8. 163, hat beide Berichte, da ea bekanaliick
die Nationalchronik und Kexa benutzt.
■ Vgl. Studio VH, 8. 444. Die Abweichungen bei Alberich sind dort
S. 464 erklärt
i
I
sunt anni XI mcnscs IV usque
ad annum primum imperii An-
dree regia. Interea vero Petrus
rex primo et secundo regnavit
annis quinque et dimidio. Aba
vero regnavit annis trihus.
Andreas aulonj coniV-ctus se-
nio anno imperii stii XII filium
Buum Salomonem . . . regem
constituit.
Ipse aiitem obüt anno regni
8ui XV.
I
I
S. 1 14. Ebenso.
S. 115. Fehlt; dafllr bietet
Alberich die Bemerkung, dass
Andreas 14 Jahre regierte
(1047— 106Ü).
T)aran knüpfen wir folgende Bemerkungen: Beide Ab-
leitungen bieten als Abstand von Stephan bis auf Andreas
11 Jahre und 4 Monate; also stand dies sicher schon in den
Gesta vetera. Die Zahl scheint irrig zu sein, aber sie wird
sofort völlig richtig, wenn wir die so leichte Versehreibung von
,XI' statt ,IX' annehmen. ' Die Zahl entspricht dann nicht nur
den mit 5*/, -+- 3 angegebenen Rogierungsdauern Peters und
Abas,* sondern auch dem historisch feststehenden Zeiträume
von 1038 — 1U4(3, vom Tode Stephans bis zur Krönung Andreas',
wobei Anfangs- und Endjahr mitgezUhlt erscheinen. Aber auch
die Angabc, dass Salomon im 12. Jahre von seinem kranken
Vater auf den Königsthron erhoben wurde, stimmt mit den
historischen Thatsachen überein: von 104ö — 1057 sind nitmlich,
wenn man Anfangs- und Endjalir mitzählt, 12 Jahre. Weiter
stimmt ebenso die Angabe der löjilhrigen Regierungsdauer,
nämlich 1046 — 1060. Wir sehen also, dass die Angaben richtig
sind: aber sie stimmen nur, wenn man das Jahr 1046 in Rech-
nung zieht, welches auch aus den Annaics Aitahenses feststeht,
nicht das Jahr 1047, das die Chi'onik jetat bietet (vgl. oben,
' Vgl. hiexu oben, S. 278, die Bemerknogen Über Stephniu Begierungii-
daaer.
' Vgl. hiuzu die in Studie VII, a. a. O., nngefiibrton Spccialaiigabon, doch
ist hier aus Chrouicon Budeniie, S. 100, nacliziitragen: ,(Petrus) vitam
. . . finivit . . . anno tertio regni ani', die bei Keza, §. 27, fehlt; auch die
Notizen der Annales ret Ung. sind zu rergleiuhen.
294
S. 286). Diese Jahreszahl (1047) gehört eben nicht den
Gesta an, wie überhaupt dieselben alle derartigen An-
gaben fast ganz entbehrten.' Dagegen mttssen wir be-
tonen, dass ihre Angaben über Dauer u. dgl. der Re-
gierungen verlässlich erscheinen.
In der Erzählung über die Regierung Belas hat die
Chronik vorzüglich die Schilderung des zweiten Heidenaof-
standes sehr erweitert (Chronicon Budense, S. 1 19). Aach diese
ausführlicheren Nachrichten mögen jenen ,antiqui libri de gestiB
Hungarorum' entstammen, denen der Verfasser der National-
chronik auch nähere Angaben über den ersten Heidenaufstand
entnahm (vgl. oben, S. 284). Ebendaher dürften die Nach-
richten über die Todesursache Belas herrühren. Die ungarische
Erklärung des Klosternamens Sceug Zard, die sich bei Eeza,
§. 32, findet, ist erst ein Zusatz: Diese Erklärung findet sich
in keiner der anderen Chronikredactionen, mit Ausnahme des
Pictums (S. 168), das sie aus Keza wie manche andere Nach-
richt entnahm.
Die verhältnissmässig bedeutendsten Interpolationen er-
folgten in der nun folgenden Partie über Salomons Regiernng
and den Thronstreit, der dieser ein Ende setzte. Keza's Dar-
stellung, §. 33, ist überaus anvollkommen und spärlich; ganz
gewiss hätte er dieselbe nicht so gestaltet, wenn ihm eine
aach nur im Entferntesten so reichliche Erzählung, wie sie die
Chronik bietet (Chronicon Budense, S. 123 — 159), vorgelegen
wäre. Aus der Darstellung, wie sie die Chronik umfasst, konnte
aber gar nicht Keza's Erzählung entstehen, denn wir werden
sehen, dass die Ereignisse bei Keza in ganz anderer Reihen-
folge erzählt werden als in der Chronik. Ganz gewiss boten
also die Gesta vetera hier nur spärliche Nachrichten,
und erst der Verfasser der Nationalchronik hat sie aus einer
über diese Ereignisse besonders ausfuhrlich handelnden Quelle
erweitert. Die Vermuthung, dass es dieselben ,antiqui libri'
waren, welche der Chronist als eine seiner Quellen bei früheren
Erweiterungen über die Heidenführer Vata und J a n u s (Chro-
nicon Budense, S. 93) nannte, liegt nahe. Dazu kommt noch
folgender Umstand. In einer der jetzt zu besprechenden Er-
' Nur die Jahre.<!xahl aber den Einzug der Ungarn nnd Über Stephans I.
Geburt scheinen sie enthalten zu haben. Ueber Ladislsus s. unten, 8. SOI.
295
S. 125) wird über
Er-
weiterungen (Chronieon Budei
eigniss berichtet, das mit jenem Heidenfuhrer Vata zusammen-
hängt. Es wird nämiicli behauptet, dass Sulomon und sein
IJruder David deshalb keine Kinder hatten, ,fjuia quandci An-
dreas prirao in Ilungariam reversus est cum Leventhe fratre
sun propter hoc, quod ipso regnum possct obtinere, pcrmisit
Vatlium prophauum et :dios pcssimos multorum sanctorum san-
guinem fundere'. Ferner haben die Erweiterungen in dieser
Partie wie mit vielen der früheren das Gemeinsame, dass sie
Ereignisse behandeln, welelie Bela und seine Nachkommen be-
treffen, dass sie ferner diesen geneigt sich zeigen, dagegen
Andreas und seiner Familie feindlich gesinnt sind. — Wir
gehen nun daran, die Unterschiede in beiden auf uns ge-
kommenen Darstellungen (Keza und Chronik) festzustellen.
Entsprechend seiner Nachricht, dass Andreas seinen Sohn
Salomon mit Zustimmung Bclas und dessen Söhnen krönte,
berichtet Keza bekanntlieh auch nichts über den Kampf
zwischen Andreas und Bela. Daher beginnt er auch seine
Darstellung über den Thronstreit nach dem Tode Belas
mit den Worten: , Tandem vero inter Salomonem, Ladislaum
et Geicham gravis discordia suscitatur, aluiapni patriae inter
se dividuntur. Qtiidam enim Salomoni, aliqui Ladislao et Geiche
adheserunt.' Nun folgt die Erzählung über das Eingreifen
Heinrichs IV. zu Gunsten Salomons. Eiu Vergleich der Dar-
stellung Keza's mit jener der Chronik lehrt, dass bei Keza
sich nur die Schilderung des zweiten Unternehmens Heinrichs
(1074) findet, dagegen das erste (1063) gar nicht erwilhnt wird;
es fehlt somit bei Keza die Darstellung des Chronicon Budense,
S. 122 f., ferner aucli Alles, was sich in der Chronik über das
Verhältniss Salomons zu den Sühnen Belas und über sonstige
Ereignisse bis zum Ausbruche der Streitigkeiten findet, welche
die zweite Intervention Heinrichs herbeiführten (Chronicon Bu-
dense, S. 123 — 144). Aber auch das, was sich bei Keza über
die zweite deutsehe Intervention findet, ist nicht nur gegenüber
der Erzählung in der Chronik sehr spUrlich, sondern weicht
von derselben auch überaus ab. Insbesondere wird Vieles, was
in dieser der Intervention vorangeht, bei Keza derselben nach-
I ig^etzt. Aus der folgenden Zusammenstellung wird man, wenn
■man die Seitenzahlen in Betracht zieht, sowohl über die Spär-
lichkeit der Nachrichten bei Keza gegenüber jenen in der
296
Chronik, als auch Über die erwähnte Umstellung der Nach-
richten Näheres ersehen.
Kesa.
S. 86, §. 33. Kex autem Sa-
iomon Cesarem suum socerum
contra Ladislaum et Geicham
per Nitram cum exercitu ma-
ximo introducit. Qui Vaciam
perveniens Ladislai exercitu
speculato finxit se infirmum,
per Posonium in Austriam est
reversus, dimisso de Boemis
et Noricis sufficienti auxilio
Salomoni. Tunc Cesare retro-
gresso prelium in Munorod
inter ipsos est commissum. Et
quid ultra? Salomon devin-
citur, prostrantur Teutonici et
Boemi. Et dum se suosque dc-
victos cognovisset, fugam iniit.
Danubium in Scigetfeu per-
transiens inde in Musunium
se collegit. In prelio autem
Chronik (Chr. Bndense).
S. 156. Imperator ergo rer-
bis Salomonis permotus com
magno exercitu intravit in Han-
gariam (2. Feldzag; über den
1. siehe S. 122) . . . Cum ve-
nisset imperator ad Samen Vag,
Salomon . . . equitavit . . . super
Nitriam. — S. 167. Quesivit
(imperator) itaque a Salomone,
si apud Geysam et Lsdizlanm
essent multi tarn boni mi-
lites . . . si ita est, talibus mi-
litibus repugnantibas non reca-
perabis regnum. Rex autem
Geysa audiens imperatorem
pervenisse Vaciam . . . S. 159.
Cesar autem . . . simolans se
Salomoni in posterum auxilia-
turum, destructis navibus in
Teutoniam reversus est —
Teutonici und Bohemi we^
den als Theilnehmer an den
ungarischen Kämpfen, S. 144,
genannt. * — Hierauf folgt
schon, S. 145, der Kampf am
Berge Monyorod. — S. 150.
Rex autem Salomon fere Omni-
bus suis interfectis aufugit in
Zigetfeu Danubium trans-
iens . . . venit tandem in Mu-
sun ad matrem suam et uxo-
* Dock stehen nach der Chronik die Deutschen auf Seite Salomons, die
Böhmen auf der seiner Qegner. Deshalb heisst es auch weiter, S. 146:
,Ceduntur Teutonici, fngiunt Latini' (von letzteren weiss Kexa nichts);
und obenäo S. 150: ,Teutonici aut Latini ceciderunt*, während hier bei
Keza iTeutonici aut Boemi' steht.
297
Munorodino iion solum Tcu-
tonici aut Boemi cccide-
runt, sed etiam maior pars
de militia rcgni periit. Sa-
lomon ergo nietuens fratres
suos cum tota familia in Sti-
riam introivit, ubi iu Ag-
ni und monasterio familia sua de-
relicta in Musunium est re-
versus, volens colligere exer-
citum iterato. Sed cum de die
in diera deficeret (S. 87)
illorumque proceasus reciperet
felicia increnienta, confusus
rediit ad Cesarcm adiuto-
rium peliturus. Et licet pro
militia solidanda affluon-
tem pecuniam tradidisset,
Teutonici ob timorem Hun-
garoram recipere noluerunt.
rem ... In praefato naiuque
prelio non solnm Teutonici
aut Latini ceciderant, sed
maior pars milicie regni
IlHugariiie dicitur corruisse. —
S. 15&. Postea autcm rex Sa-
lomon nietuens Geysani re-
gem et ipsiua fratrem cum re-
bus et familia Stiriam in-
troivit et in claustro Agmund
raatre et uxore relictis in Mu-
sun est reversus volens
collccto cxcrcitu invadere am-
bos fratres. Ouinque de die
in diem Salomon deficeret,
sed illorum processus re-
ciperet felicia incrementa,
confusus ad Cesarem direxit
gressus suos, requirens eum, ut
ei auxiliuni tribueret in Hun-
gariam revcrtcndi. Et licet
pecuniam dedisset affluen-
tcr pro militibus solidan-
dis, Teutonici tjimen et Latini
cum ipso ob metum non vcne-
runt Hungarorum. S. 156/9.
Folgt nun die Schilderung des
'2. Feldzuges; Salonions Rück-
zug nach Pressburg; Geisa
wird König; Versölmungsan-
st^vlte.n; Tod öeisas; Salomons
Versuche dauern in der Zeit
der Regierung Ladislaus' weiter
fort (S. 165-l«ft). — Bei
Keza findet sich dagegen die
kurze Notiz über Geisas Königs-
berrschaft erst §. 34, sonst ist
hier aber von allen eben aid"-
gezäblten Ereignissen nichts
enthalten. Andererseits ßnda
298
Unde spe omni destitutus rediit
in Agni und ad reginam, cum
qua dies aliquos cohabitans in
veste monachali deinde Albam
venit. Et cum Ladislaus frater
eius in porticu ecciesie Beate
virginis manibus propriis pau-
peribus eleemosynam arogaret,
ipse ibi inter eos dicitur acce-
pisse. Quem mox cognovit La-
dislaus ut inspexit. Reversus
autem Ladislaus a distributione
eleemosine inquiri fecit dili-
gcnter, non quod ei nocuisset.
Sed ille malum presumens ab
eodem secessit inde versus
mare Adriaticum, ubi in civi-
tate Pola osque mortem in
summa paupertate in penitentia
finiens vitam suam, in qua et
iacet tumulatus, nunquam re-
diens ad uxorem usque mor-
tem. Regina vero Sophia uxor
eius in maxima castitate per-
severans . . . (man vergleiche
darüber Studie YU, S. 499)
. . . raigravit ad dominum et
in prefato monasterio tumulata
sicut sancta vcneratur.
S. 87, §. 34. Post Salomo-
nem vero regnavit Geicha
annis tribus et mortuus est.
Vacie, quam fundassc dicitur,
tumulatur.
sich in der Chronik iiiehts von
seiner zweiten Reise nach Ad-
mont. Das Wiedererscheinen
in Ungarn wird, S. 169, in die
Zeit Colomans verlegt (Visus
est etiam semel in Hungaria
tempore regis Colomani; sed
statim delituit, nee unquam am-
plius comparuit).
S. 169. Aehnlich.
Weiss davon nichts, sondern
hat nur, S. 169, die I^otiz:
,Uxor autem eius et mater in
Agmund rcquicscunt' (siehe
Studie VII, S. 499).
Vgl. die Bemerkungen oben.
Die Schilderung bei Keza umfasst also nur die S. 86
und 87 in der Ausgabe bei Florianus, während die entspre-
chende Erzählung in der Chronik die S. 144 — 159 und 165
bis 169 umfasst, wobei freilich die zahlreichen Anmerkungen
Podhradczky's in Abschlag zu bringen sind. Auch ersieht man
299
ans der Reihenfulge der Citate ans der Chrouik, dass diese
eine ganz andere Reihonfolpje der Begebenheiten aufweist, und
zwar ist, d.-is muss austlrücküch betont werden, die Darstellung
in der Chronik auch eine verhiülniasmiissig verlUsslichc. Dies
ist nach unserer oben begründeten Annahme aus der Be-
nützung einer ungarischen Quelle zu erklären, die wahrschein-
lich mit den im Chronicon Budense, S. 93, ausdrücklich ge-
nannten ,antiqui lihri de gestis Hungarorum' identisch ist. Zu
diesen Erweiterungen gehurt auch die beachtenswerthe Nach-
richt über die Petschencgen, S. 154. Sie stand nicht in den
Qesta, deshalb hat auch Keza nichts darüber. Anonymus hatte
aber etwas über diese Petschencgen und ihren Führer Zolta
gehört und setzt sie daher in die Zeit des Grossherrn Zulta
(§■ 57).;
Ejin Theil der besprochenen, auf dieser Quelle beruhen-
den Erweiterungen (S. Ifjö — 169) filiit bereits in die Darstellung
der Regierung Ladislaus', welche im Chronicon Budense
die S. 161 — 178 umfasst. Neben den eben erwähnten, auf
Salomon bezüglichen Erweiterungen enthält aber die Chronik
auch noch andere, von denen sich bei Keza nichts findet, um-
fasst doch seine Schilderung der Regierung Ladislaus' im §. 35
kaum sieben Zeiieti! Davon gehören übrigens mehr als tünf
— die Schiklerung des Kampfes am Berge Kyrioleis * — noch
in die Zeit vor Ladislaus' Regierungsantritt, und dementsprechend
wird im Chronicon Budense hierüber schon S. 128 f. erzählt,
was übrigens wieder ein Beweis der starken Umarbeitung dieser
Partie auf Grundlage einer ausführlichen Quelle ist. Aus dieser
flössen neben den auf Salomon bezüglichen Enveiterungcn oflFen-
bar auch die Nachriditcn über die Eroberung von Dalraaticn
und Kroatien. Anderes hat die Chronik der späten Legende
' Wm MarczAÜ darüber in den OesohichlsquelleD, S. 9S f., sngt, wt kaum
geeignet, den nüthigcn >S.ic.hverh..ilt klnrzulogpn. Aus der Chronik liat
AnonymuH doch seine abweichende Nnchricht nicht geschöpft. Kllr das
,nalie Verhältnis« des Anonymus zur Chronik', eigentlich cu der ge-
uioinsanien Cjucllu beider, lasseu sich andere nnd zahlreichere Daten
anfuhren. Man vergleiche unsere Zut^amnienstellnng in Studie VII und
VIU.
* Man beachte den Umstand, daas Keza hier von Bessen spricht, während
die Chronik (Chronicon Bndense, S. 128) von Cnnen — Cumanen be-
richtet. Dnch werden die KSmpfe mit den Bessen gleich darauf erzählt.
300
des Königs entnommen, so die Deutiing seines Namens (Chro-
nicon Budense, S. 161, = Legenda St. Ladislai, S. 236, bei
Endlicher); ferner die Aufzählung seiner Tugenden (Chronicon
Budense, S. 163, = Legende, S. 237); auch die Nachricht, dass
Ladislaus Aussicht hatte, auf den deutschen Königsstnhl er-
hoben zu werden, hängt wohl mit der Mittheilung in der Le-
gende zusammen, dass die ,duces Francorum, Lothoringomm
et Allemanornm, idem peregrinacionis iter convoyentes, pium
regem Ladislaum sibi suisque ducem et preceptorem fore con-
corditer pecierunt' (S. 240 f.). Unzweifelhaft ist es dagegen,
dass die nationale Grundchronik aus der Legende nicht auch
die Nachrichten über den Böhmenzug Ladislaus' und Ober
seine Erkrankung auf demselben aufgenommen hatte. ^ Die
Angabe des Todesjahres Ladislaus' rührt nicht aus
den Gesta vetera her. Man vergleiche darüber die Be-
merkungen weiter unten im Texte.
Auf die dürren Notizen über Ladislaus folgen bei Keza
reichliche Mittheilungen über Colomans erste (nur über diese)
Regierungsjahre. Dieselben sind durchaus zutreffend, wiewohl
sie zum grossen Theile auswärtige Angelegenheiten betreffen.
Diese Ausführungen hat auch die Chronik. Zwischen ihrem
und Eeza's Texte sind nur wenige Abweichungen zu nennen.
So meldet Keza mit keinem Worte etwas Abfälliges von Colo-
man; die betreffenden Mittheilungen, welche sich in den ver-
schiedenen Redactionen der Nationalchronik finden, sind bei
ihm nicht vorhanden. Diese abfälligen Berichte über
Coloman standen daher offenbar auch nicht in seiner
Vorlage; Keza erzählt an dieser Stelle gerade sonst breiter
als die Chronik und theilt Manches mit, was dieser fehlt. Man
vergleiche z. B.:
Keza, §. 36.
Iste quoque in regnum Dal-
matie misso exercitu occidi
fecit regem Petrum, qui Hun-
Chr. Budense, S. 181.
Iste Dalmacie regnum, oc-
ciso suo rege Petro nominato
in montibus Petergazia, Hun-
* Man Tgl. Studie VII, S. 489, Anm. 2. Doch musste ich mir die endgiltige
Entscheidung bis zur Einsicht der Redactionen Vat, Sam. und Aeepfa.
Torbehalten. Bei der Correctur sei nun constaUrt, dass Aceph., Bl. 23«,
Sam., Bl. 39 a und Vat. nach Lucius, Inscriptiones, S. 88, jene Entleh-
nungen nicht enthalten.
301
garis in montibus, qui Gozd
dicuntur, occurrens est devictus
in moutibus memoratis et oc-
cisus. Unde iidem moiites
usque hodie in Hungarico Pa-
tur Gozdia nominantur. Sedes
eniiu liuius regis in Teneu erat
civitate. Hoc ergo facto et
rcgno Daimatie conquistato ga-
leas uaves et teritas cum Ve-
netis solidavit . . .
garie adiunxit. Galeas quoquc
Venetoruni et naves solidans
In einem ähnlicben Verhältnisse stellen auch die folgenden
Mittheilungen Keza's zu jenen in der Chronik. Da er also
sichtlich bestrebt ist, hier ausfuhrlich zu erzählen, so hätte er
sicher nicht jene Bemerkungen über Colomans Schattenseiten
vermieden, wenn sie in seiner Vorlage gestanden wären; nach
mehr als anderthalb Jahrhunderten können ihn ohnehin keine
besonderen Rlicksichten hiezu bewogen haben. Von den Be-
merkungen, welche nur bei Keza sich finden, ist die Notiz
,Unde iidem montes usque hodie in Hungarico Patur Gozdia
nominantur' sicher seine Einschicbnng. Auch sein Zeitgenosse
Anonymus kennt diesen Namen für jenen Gebirgszug im Süden.'
Mit den genauen Ausführungen über Colomans erste
Regierungsjahre schlössen die Gesta vetera.
Am Schlüsse unserer Bemerkungen über die ursprling-
liche Gestalt der Gesta vetera — • denn mit den eben behan-
delten reichlichen Mittheilungen über Colomans erste Regierungs-
jahre brechen dieselben ab — möge noch betont werden, dass
dieselben seit Stephan die Dauer der einzelnen Re-
gierungen angaben. Eine Zusammenstellung der betreffen-
den Daten aus Keza und der Chronik ist Studie VII, S. 442 ff.
geboten. Dagegen gehören die Jahreszahlen nach Christi Ge-
burt nicht den Gesta an. Man vergleiche hiezu die Bemer-
kungen oben, S. 293 f Mit der Angabe des genauen Todes-
datums des heil, Ladislaus (lOfö) beginnt die Chronik bereits
ihre Mittheilungen aus dem ausführlichen Königsregister, dem
' Cap. 43: ,BuI«iin, Leiii et Hotnnd hinv ßgreswi «ilvnin, qne dicitnr Petnr-
gox, dosrendeiiUiH, iiixUi tluriiini ('iiljhe rA.strn inutati sunt.'
302
sie auch die weiteren genauen Daten über Anfang and Ende
der Regierungen jedes folgenden Königs entnimmt (Studie VII,
S. 486).
e) Verschiedene Redactionen der Gesta.
Am Schlüsse unserer Ausführungen über die ursprüngliche
Gestalt der Gesta möge noch Folgendes bemerkt werden: Man
darf nicht vergessen, dass diese nicht gerade in ihrer ursprüng-
lichen Gestalt von den Schriftstellern des 13. Jahrhunderts be-
nützt wurden. In der Zeit von ihrem Entstehen bis zur Herstel-
lung jener Chroniken, aus deren Vergleiche wir auf den Inhalt der
alten Gesta schliessen, können diese in Einzelheiten manche Aen-
derung erfahren haben. Mit diesem Umstände muss man stets
rechnen, bevor man aus einzelnen Ausdrücken oder Angaben
weitgehende Schlüsse ziehen wollte. Auf einzelne Nachrichten,
welche als Erweiterungen einer jüngeren Redaction der Gesta
aufgefasst werden können, ist z. B. oben, S. 245, %5, 272 und
273, aufmerksam gemacht worden. Die Auffindung dieser Nach-
richten ist mit einiger Gewissheit jedoch nur filr diejenigen
Partien möglich, für welche uns noch der Anonymus zur Seite
steht. In diesem fehlende Nachrichten, welche gemeinsam bei
Keza und in der Chronik vorkommen, können Erweiterungen
der den letzteren vorliegenden Redaction der Gesta sein, wenn
nicht etwa auf Seite des Anonymus eine Kürzung vorliegt oder
die Chronik die Nachricht aus Keza entnahm, unsere Fo^
schung wird überhaupt sehr dadurch erschwert, dass des An-
onymus Arbeit nicht das 11. Jahrhundert umfasst. Alberich
und Richard bieten leider bei diesen Studien wenige Anhalts-
punkte, weil sie die Gesta nur in beschränktem Masse be-
nützten. Ebensowenig bietet der Vergleich mit der ungarisch-
polnischen Chronik, weil diese uns in einer völlig verderbten
Gestalt vorliegt. Man vergleiche darüber die Bemerkungen in
Studie VI, S. 527, und Studie VII, S. 443. Die an letzter Stelle
gemachte Bemerkung, dass Alberich in gewissen Nachrichten
der ungarisch-polnischen Chi-onik näher steht als die anderen
ungarischen Chroniken, ist mit ein Beweis für das Vorhanden-
sein verschiedener Redactionen der Gesta. Ein anderer Beweis
hiefür ist, dass z. B. nur der Anonymus mit Richard den Aus-
druck ,puscua Romanorum' (siehe oben, S. 243) gemein hat,
303
•wHlirend derselbe sowohl Eeza als der Nationalchronik fehlt;
offenbar benützten also die beiden Ersteren eine andere (ältere)
Redaction der Gesta. Andurerseits bat z. B. der Anonymus
auch mit der polniscli-ungarischen Chronik die Bezeichnung
von Gran und Saros als Grenzpunkte gegen Polen geraein (vgl.
Studie III, S. 617 f., und die §. 17, 18 und 34 beim Anonymus),
was ebenfalls auf die Benützung einer ursprünglichen Redac-
tion der Qesta deutet.
4. Zeit und Ort der Abfassung der Qesta. Ihr Verfasser.
Quellen. Werth derselben.
Ihre
Wir wenden uns nun der Abfassungszeit der Gesta
zu. Wie bei der Erörterung anderer Fragen, so war es auch
bei der Behandlung dieser verhiingniasvoll, dass man zwischen
den einzelnen Theilen der Chronik nicht scharf unterschied.
Wir haben bereits in der Studie VII darüber gehandelt, indem
wir die Gründe prüften, welche die Abfassiin^^ der Chronik über-
haupt erst um 1200 oder noch viel später wahrscheinlich machen
sollten. Wir sind dort zum Schlüsse gekommen, dass diese
Gründe wohl mit Bestimmtheit beweisen, dass die Gesammt-
redaclionen der Chroniken thatsächHch in so späte Zeit fallen;
ist doch diejenige Keza's überhaupt die erste vollständige Dar-
stellung dieser Art. Für die Entstehungszeit der einzelnen
ursprünglichen Theile der Chroniken seien aber jene Gründe
nicht massgebend, weil sie eben erst auf Nachrichten der Chro-
niken beruhen, die als spätere Zusätze u. dgi. zu erklären
seien. So haben wir schon nachweisen können, dass jene vom
Chronicon Pictum und von Magien für die Geschichte der ersten
Jahrzehnte des 12. Jahrhunderts benützte Quelle eine zeitge-
nössische war. Ebenso glauben wir annehmen zu düi-fcn, dass
die Gesta Hungarorum vetera am Anfange des 12. Jahr-
hunderts vielleicht noch unter Coloman verfasst wur-
den. Unsere Gründe für diese Annahme sind folgende:
Bereits in der Studio VII und nun auch oben, S. 300f , ist
genügend hervorgehoben worden, dass die ursprllnglichercn
Redactioncn der Chroniken, also z. B. Keza und das Chronicon
Budense, naclidem sie rlio ersten Regierungsjahre Colomans
noch sehr ausrührlich behandelt haben, plötzlich abbrechen.
304
Schon vom Durchzuge der Kreuzfahrer durch Ungarn ist keine
Rede. Nur von Colomans Tode und der Beerdigongsstfttte
geben noch die Chroniken Kunde, wobei sie jedoch bereits
aus anderen Quellen schöpfen. Der Verfasser der Gesta Hon-
garorum vetera hat also seine Darstellung mit einer verhtlltniBS-
mässig sehr ausführlichen Schilderung der ersten Regierangs-
jahre Colomans geschlossen. Aber diese Schilderang ist audi
60 genau, dass selbst der kritische Geschichtsschreiber ihr an-
beirrt zu folgen sich veranlasst sieht. Sie kann also nar von
einem Zeitgenossen herrühren.
Zu demselben Schlüsse ftihrt uns die Beobachtung, dass
bei Keza, der hierin wie sonst die Gesta vetera getreuer be-
wahrt haben wird, kein Wort der Missbilligung oder Schmähung
gegen den König Coloman sich findet, wie sie auf Grundlage
anderer Ueberlieferung in den anderen Chronikredactionen ei^
scheint. Dies deutet darauf hin, dass der Verfasser der Gesta
noch zur Zeit dieses Königs schrieb, vielleicht noch vor
dessen abscheulichem Wüthen gegen seinen Bruder Almus and
dessen Sohn Bela, welche Schreckensthat nicht zum geringen
Masse die späteren Schmähungen gegen diesen König veran-
lassten.
Dass die Gesta bereits um diese Zeit aufgezeichnet war
den, wird femer durch den Umstand sehr wahrscheinlich ge-
macht, dass in ihnen — wie mit voller Bestimmtheit oben,
S. 232 f., nachgewiesen wurde — keine Spur der Benutzung der
Stephanslegende sich nachweisen lässt. Dies können wir nur
aus dem Umstände erklären, dass dem Verfasser der Gesta
die Legenden noch nicht zugänglich waren, was aber nur
denkbar ist, wenn er zu der von uns angenommenen Zeit
schrieb. Auch nur wenige Jahre später hätte jedem literarisch
thätigen Manne in Ungarn die durch den König Coloman ver-
anlasste Biographie von Bischof Hartwich bekannt sein mttssen,'
und ebenso sicher ist es, dass sie dann in den Gesta Verwen-
dung gefunden hätte.
Femer ist noch auf folgenden Umstand zu verweisen.
Bekanntlich wird noch in der Vita s. Stephani maior, §. 2,
Geisa als ,princep8 quintus ab illo, qui ingressionis Ungaro-
nun in Pannonia dux primus fiiit' bezeichnet, während bereits
' Die anderen Biographien haben in Ungarn geringe Verbreitung gefanden.
305
in der Vita von Hartwich an derselben Stelle Geisa als
,quartu8' bezeichnet wird. Dieselbe merkwürdige Schwan-
kung finden wir nun auch in den ungarischen Chronikredac-
tionen, doch augenscheinlich so, dass man nachweisen kann,
in den ursprünglichen Gesta sei Geisa als der flinfte aufge-
ftiiirt gewesen, und erst in den jüngeren abweichenden Bear-
beitungen sei die der Vita von Jiartwich entsprechende Aen-
derung vorgenommen worden. Um den Sachverhalt klarzu-
legen, müssen wir zunächst die Berichte der Chroniken kennen
lernen :
Beim Anonymus (§. 12 und 13, S. 13 f.) wird noch aus-
drücklich Almus als derjenige bezeichnet, unter dessen Führung
die Ungarn über die Karpathen in ihre Heimat kamen. Er
berichtet nämlich: ,Et sie venientes per silvam Houos ad partes
Hung descenderunt . . . Dune dax Almus et aui primates . . .
ad castrum Hung eqmtavenmt et caperent eum . . . Quarto aiitem
die inito consilio et accepto iiu-amento omnium suorum, dux
Almus ipso vivente filium suum Arpadium ducem et precepto-
rem constituit, et ab Hungu omnes sui milites vocati sunt Hun-
gari secundum linguam alicnigenarum.' Da nun auf Almus in
den imgarischen Chroniken bekanntlich Arpad, Zoltan, Toxun,
Geisa folgen, so ist nach dem Anonymus Geisa thatsächlieh
der ,quintus', was er auch im §. 57, S. 51 in dem Satze: ,Dux
vero Thocsun genuit filium nomine Geysam, quintum ducem
Hungarie' ausdrücklich constatirt.
Bei Kcza finden wir nun auch sowohl im Schiusscapitel
(§. ItJ) der Hunengeschichtc, als auch im ersten Capitcl (§. 18)
der Ungarngoschichte (hier natürlich an der ursprünghchen,
den alten Gesta entsprechenden Stelle) erwähnt, dass sich die
Ungarn am Flusse Hung niedorliessen, ,a quo quidem fluvio
Hungari a gentibus occidentis sunt vocati'. Aber wir finden
andererseits bereits den Bericht (§. 19): ,Arpad, filius Almi,
. . . cum gente sua Ruthenorum alpes prior perforavit et in
fluvio Hung primus fixit sua castra.' In dieser Darstellung
findet sich augenscheinlich die Ansicht wieder, der schon Hart-
wich durch seine Aenderung des Textes der Vita maior Rech-
nung trug, und die seither zur allgemeinen Ueberzeugung ge-
worden zu sein scheint.
Auch die Nationalchronik hat niimlich diese Anschauung
zu der ihrigen gemacht. In ihrer Darstellung haben wir aber
AreUr. LXXXVUI. Bd. I. Hilft«. 20
306
auch den besten Beweis, dass nicht etwa Keza, sondern der
Anonymus den älteren Bericht der Gesta uns bietet In der
Nationalchronik finden wir nämlich ganz unzweideutige Sporen,
dass ihr derselbe Bericht vorlag, wie ihn der Anonjmos uns
bietet, und dass sie diesen mit der neueren Anschanong,
welcher der Notar aus irgend einem Grunde keine Rechnnng
getragen hatte, in Einklang, zu bringen sucht. Daher setrt
die Chronik (Chronicon Budense, S. 32) da, wo Keza am Ende
der Hunengeschichte den Aufenthalt der Ungarn am Flosse
Hung erwähnt, hinzu: ,de Erdeel' (Siebenbürgen); sodaim be-
richtet er (S. 37), dass die Ungarn unter Almas nach Erdeel-
SiebenbUrgen kamen, wo dieser ,occi8US est non enim potent
Pannoniam introire'; erst unter seinem Sohne geschah dies.
Dass diese Darstellung nur den Zweck hat, welchen wir ihr
beilegen, ist offenbar unzweifelhaft. Daraus ergibt sich abw,
dass in den Gesta vetera noch Almus als derjenige bezeichne
wurde, unter dem die Magyaren nach Ungarn kanaen;^ dies
entspricht aber noch der Anschauung, wie sie in der Vit»
maior, nicht aber mehr in der Vita von Hartwich sich geltend
machte und seither allgemeine Anerkennung fand. Daraos
folgt, dass die Gesta vetera, wenn sie schon nicht älter als die
Vita von Hartwich sind, doch nicht viel jtinger sein können.
Dies stimmt somit völlig mit dem Uberein, was wir oben ans
dem Bestände der letzten Nachrichten der Gesta vetera schlössen.
Auch hat wohl der Umstand etwas für sich, dass ebenso wie
die imgarische Umarbeitung der Vita s. Stephani, so auch die
Abfassung der ersten zusammenfassenden Ungamgeschichte in
die Zeit des bUcherkundigen Königs oder doch bald nachher
zu setzen sei.
Schliesslich muss noch betont werden, dass das Fehlen
näherer Ausführungen über die Hünen (siehe oben, S. 223 und
242 f) in den Gesta darauf hindeutet, dass diese Quelle früh auf-
' Waram in der urspranglichen naiveren Ueberliefemng^ die Ungarn
schon unter Äimns nach Ungarn kommen, ist offenbar daraus m er-
klären, dass diese Barzahlung sich die Wanderung von der Uriieimat nadi
Ungarn ab verbKltnissmässig rasch vollendet vorstellte. Die jfingere Si-
Zählung corrigiert diese Auffassung. In dieser Hinsicht ist wohl n
beachten, dass der Anonymus, §. 6, als Qeffihrten Almas' beim Annuge
die Väter jener Männer nennt, die nach der Chronik nch mit Arpad in
Ungarn festsetzten. Vgl. oben, S. 261.
307
gezeichnet worden ist. Im Laute des 12. Jahrhunderts hat sich
die Anschauung von der ZusammcngehiJrigkeit beider Völker
immer mehr ausgebildet und erscheint zunächst in der ungarisch-
P polnischen Chronik (um 1200) tixirt. '
Man wird nun vielleicht gegen diese Ansicht einwenden,
da«8 ein etwa um 1115 lebender Chronist weit mehr über die
Geschichte der letzten Vorgänger seines zeitgenüssischcn Königs
hätte wissen müssen, als nach dem Ausweise Keza's die Gesta
■ vetera enthalten zu haben scheinen. Dieser Einwurf muss jedoch
überhaupt als unhaltbar zurückgewiesen werden. Er setzt vor-
aus, dass dem .Schreiber die besten Ueborlieferungcn, weit-
läufige Mittlicilungen vorlagen, dass er die nöthigen Kenntnisse
und die Absicht hatte, ausführlich und genau zu erzählen.
Muss denn dies immer der Fall sein? Werden sich doch auch
gegenwärtig, wo die Zeitungen und Bücher in ganz anderer
Weise als vor Jahrhunderten die Kunde der Tagesereignisse
verbreiten, doch wohl nur Wenige finden, die nach einer Reihe
von Jahren ein genaueres Bild der Ereignisse werden bieten
können. Der Verfasser der Gesta verfügte ganz offenbar nicht
über die nöthigen Hilfsmittel und Kenntnisse, um die schwie-
rigen, ineinander geschachtelten Begebenheiten der Kegie-
rongen Salomons, Geisas und Ladislaus' zu behandeln. Dass
er kein besonderer Kopf war, dafür zeugt schon die Art,
wie er die ihm vorUegende Chronik Regino's und die An-
nales Altahenses (bis 1146) benützt hat. Seit der ihm vor-
liegende Theil der letzteren versiegte, ist er jedes sicheren
Führers beraubt gewesen. Erst die Begebenheiten der letzten
Jahre standen ihm klar vor Augen und boten auch nicht
■ die eben hervorgehobenen Schwierigkeiten. Um übrigens von
der Unrichtigkeit der Anschauung sich zu überzeugen, dass
jeder Chronist sich wenigstens über die Begebenheiten der
letzten Jahrzehnte gut unterrichtet zeigen müsse, genügt eine
Durchsicht dessen, was Keza um 1275 über die letzten eut-
I
* Dem eben Mitgetheilteii widerspricUt durcbaiiH nicht der oben, S. ^49,
berTorgehubene UmaUiiii, iIhüs Attila bc>rciU in den Genta genannt sei.
Attila ist schon im II. J.nlirhumlerte in die ungarische Uoberliefening
siifgenoinmeu worden (vgl. M.irc7.nli, OeschlchtstiuoUen, S. 56, Anm. 19);
aber erst seit etwa 1200 finden wir nber ihn in ungarischen Quellen
Näheres.
20*
308
schwnndenen Jahrzehnte zu erzählen weiss! Auch möge nun
die Bemerkungen in Betracht ziehen, die obeo, S. 303,
Abschnitt e), gemacht worden sind. Mancher Irrthum mag
sich erst in die späteren Redactionen der Gesta eingeschlichen
haben.
Ueber den Ort, wo etwa die Gesta vetera verfasst wot-
den, and über ihren Verfasser finden sich keine bestimmtai
Anhaltspunkte. Hervorgehoben wurde schon bei anderer Ge-
legenheit — Studie VI, S. 528 f. — , dass die der ungamch-
polnischen Chronik und den Gesta gemeinsame dUrftige Quelle
auf Gran hinweist. Auch ist dort die Vermuthung ausgesprochen
worden, dass, wo diese ursprünglichen spärlichen Nachrichten
aufgezeichnet worden sind, durch Verbindung mit anderen
Quellen auch die ausführlichere Quelle, also die Gesta vetera,
entstanden ist. Zur Stütze dieser Vermuthung ist auch der
Umstand angeführt worden, dass Alberich seine ungarische
Quelle (die Gesta) wahrscheinlich über Gran erhielt Indess
ist natürlich dies Alles recht unsicher. Wir finden freilich
auch keine Kennzeichen, die mit grösserer Bestimmtheit aof
einen anderen Ort deuten würden. Sehr auffällig ist der Mangel
an ausführlichen localen Mittheilungen; Nachrichten zur Ge-
schichte der Kirchenfürsten, Klöster u. dgl. fallen höchst spar
lieh aus. Daraus dürfen wir wohl schliessen, dass der Ver-
fasser kein Geistlicher war. Die auf einen solchen weisenden
Züge kamen in die ungarische Chronik erst durch den Ver-
fasser der nationalen Grundchronik, die im Ofener Minoriten-
kloster entstanden ist. Noch bei Keza findet sich weit we-
niger davon.
Ueber die Quellen unserer Gesta Hungarorum vetera
ist bereits an früheren Stellen wiederholt gehandelt worden,
so dass wir hier nur die früheren Ergebnisse zusammenza-
fasscn brauchen. Für den ersten Theil seiner Darstellung, also
von der Beschreibung der Urheimat bis zum Ausgange der
Raubzüge, diente Regino und dessen Fortsetzung als Haupt-
quelle. Man vergleiche darüber die Bemerkungen in Studie VE,
S. 463 und 471, und vor Allem oben, S. 236 ff. und 256ff. Aus
unseren Parallelstellen ergibt sich auch, wie nachlässig diese
gute Quelle in den Gesta benutzt worden sein mag. Aus der
wohlgeordneten chronologischen Darstellung des deutschen Chro-
nisten ist kaum mehr als ein wirrer Auszug geworden. Dasn
309
küiniuen allcrlüi Willkürlichkcitcn und Missverstllndnisse. Als
ein Beispiel der letzteren mag nur auf die Art verwiesen wer-
den, wie die Gesta die Ilinrichtunpf der Herzog'e Erchanger und
Bertold mit den Ungarncinfällen zusammenbringen (S. 2()2f.).
Für die folgende Zeit standen dann die oben erwähnten Gran er
Aufzeichnungen zur Verfügung, die Ton Stephan bis La-
dislaus reichten und wohl noch dem 11. Jalirhundcrte angc-
liörten (vgl. Studie VI). Sie enthielten allenfalls nur spärliche
Aufzeichnungen und waren gewiss nicht annalistischen Cha-
rakters, sondern gaben höchstens die Dauer der Regierungen
u. dgl. an (Studie VI, S. Ö25f.). Hiezu kam flir das 11. Jahr-
hundert vor Allem ein Theil der Ännales Altahenses, die
aber ähnlich wie Regino überaus nachlässig benutzt i\'urden,
worüber die Ausführungen oben, S. 214 ff., genügend Auskunft
ertheilen. Besonders betont muss werden, dass in den Gesta
allenfalls nur der Theil der Annalen bis 1046 benützt wurde
(S. 286), doch nicht etwa nur eine die Jahre 1041 — 1045 um-
fassende Quellschrift derselben (vgl. S. 212, Anm. 1). I)azu
kam vor Allem noch die Ueberlieferung, die damals noch
lebendig war, und aus der eine Fülle von Nachrichten be-
sonders über die Heldenzcit des Volkes tloss. Schliesslich zeigen
die Nachrichten über Coloman zeitgenössischen Cha-
rakter.
Aus den vorstehenden Bemerkungen Über die Benützungs-
art der Quellen, aus denen die Gesta aehüpften, sowie aus den
AuatVihrungen S. 236 — 302 ergibt sich zur Genüge, dass die
Gesta eine ziemlich minderwcrthige Quelle waren.
5. Kurze Znsamnienfaiiang der Ergebnisse.
Am Schlüsse wollen wir alle bisherigen Ergebnisse über
die Gesta Hungarorum vetera kurz zusammenfa.sseu.
Die Gesta vetera sind wahrscheinlich noch zur Zeit Colo-
mans oder doch nicht viel später, und zwar vermuthlich in
Gran entstanden. Ihrem Verfasser standen ausser älteren
Graner Aufzeichnungen, die später vom Verfasser der unga-
risch-polnischen Chronik benützt wurden und bis auf Ladisluus
reichten, noch Uegino und die Annales Altahenses (bis 1046)
zur Verfügung. Die deutschen Quellen wurden schon von
310
diesem Chronisten vielfach entstellt; die Benützung der Ad-
nales Altahenses scheint überdies nur eine verhältnisam&sag
spärliche gewesen zu sein. Ausser aus den genannten schrift-
lichen Quellen schöpfte der Chronist aus der Ueberlieferong.
Die ungarischen Legenden sind von ihm nicht benutzt worden.
Die Gesta begannen mit einer Beschreibung der Urheinut der
Ungarn (Skythiens), enthielten sodann Mittheilungen über die
Abstammung des ungarischen Volkes und seiner Herrscher,
besonders über Almus und seinen Namen, und erzählten hier
auf die Wanderung nach dem Westen, die Niederlassang in
Ungarn und die fernere Geschichte bis etwa auf Colomans
erste Regierungsjahre. Warum der Verfasser hier seine Dar-
stellung abbrach, ist uns unbekannt. Die Quelle, von der es
übrigens wohl verschiedene Kedactionen gab, haben um 1230
Richard und Alberich benutzt; etwa 40 Jahre später hat der
anonyme Notar und Keza sie ausgeschrieben; und wieder etwa
30 Jahre später wurde sie vom Verfasser der nationalen Grund-
chronik (Minoritenchronik) neben Keza benützt. Richard hat
uns den Namen der alten Quelle, ,Gesta Ungarorum [veter»]*,
aufbewahrt;* sonst bringt er nur in wenigen Schlagworten
einen ganz kurzen Auszug derselben bis auf Stephan.* Albe-
rich benutzte sie schon im ganzen Umfange, bringt aber
nur wenige Nachrichten aus derselben.' Der Anonymus hat
sie nur bis auf Geisa benützt und aus ihrem weiteren b-
halte nur einige vorgreifende Nachrichten in seine flrzählong
eingefügt* Keza' und der Verfasser der nationalen Grund-
' Endlicher, Mon. Arpadiana, S. 2i8.
» Vgl. besondere Studie VU, S. 478 f.
* Ebenda, S. 438 ff. und 442 ff.
* Siehe oben, S. 276 und 289. Näheres darilber in einer besonderen Stndie
über den Anonymns. Derselbe verweist an zwei Stellen — wenn auch nicht
ganz bestimmt — auf unsere Qesta: §. 7 (sicnt in annalibus coutinetar
cronicis), wozu oben, S. 247, zu vergleichen ist; femer §. 43 (quia in
nullo codice historiographomm inveni), wozu oben, S. 872, nachzulesen
wäre. In beiden Fällen müssen wir die Gesta in die vom Anonymu
benützten allgemeinen Ausdrücke fUr seine schriftlichen Quellen einge-
schlossen denken.
* Bei diesem findet sich nirgends ein directer Hinweis auf die Gesta.
Die §. 21 genannten libri cronicarum sind nicht diese Quelle. Siebe
oben, S. 271.
311
chronik' haben sie im ganzen Umfange, und zwar wohl er-
schöpfend, ausgenützt. Jeder von den letztgenannten drei Chro-
nisten hat Erweiterungen vorgenommen, im geringsten Masse
Keza. Nur durch Vergleichung aller Ableitungen lässt sich
ein annähernd richtiges Bild der alten Gesta gewinnen. Aus
dieser Betrachtung ergibt sich, dass dieselben eine ziemlich
spärliche Quelle von geringem Werthe waren.
' Yerweise anf die Qesta finden sich im Chronicon Bndense, S. 44 (Cnm
igitur Codices qnidam . . .; vgl. oben, S. 852); ferner 8. 62 (que ab
aliis scriptoribos pretennissa snnt . . .; vgl. oben, 8. 229). — Hingegen
bezieht sich der Verweis 8. 93 (in antiqnis libris de gestis Hangaroram)
nicht aaf die Oesta vetera. Vgl. oben, 8. 283, 284, 292, 294 f. and 299.
Archiv
ita
Österreichische Geschichte.
Herausgegeben
TOD dar
zur Pflege vaterländischer Geschichte aufgestellten Commission
der
kaiserliehen Akademie der Wissensehaften.
Achtundachtzigster Band.
Zweite Hälfte.
Wien, 1900.
In CommiBsion bei Carl Gerold'« Sohn
Archiv
fDr
sterreichische Geschichte.
Herausgegeben
Ton der
zur Pflege vaterländischer Geschichte anfgestellten Commission
der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Achtundaohtzigster Band.
Wien, 1900.
In Commission bei Carl Gcrold's Sohn
BukkUdlw im kalt. Akadmi« 4<r WiMMUdisnni.
Inhalt des achtondaehtzigsten Bandes.
Seite
Biographie des FBrsten KannitK. Ein Fragment. Von weit. Alfred
Bitter von Arneth 1
Studien za den nngarischen Oeachichtsqaellen. Vm. Von Prof. Dr.
Raimnnd Friedrich Kaindl 203
Ein Hochrerrathsprocess ans der Zeit der Gegenreformation in Inner-
Osterreicb. Von J. Loserth 313
Stadien su den nngarischen Geschichtsqaellen. IX., X., XI, und XII.
Von Prof. Dr. Raimnnd Friedrich Kaindl 367
Klesl's Briefe an K. Radolfs II. Oberstliofmeister Adam Freiherrn von
Dietriclistein (1683 — 1689). Ein Beitrag zur Geschichte Klesl's und
der Gegenreformation in NiederOsterreich. Von Dr. Victor Bibl 473
EIN
HOCHVERRATHSPROCESS
AUS DER ZEIT DER
GE GENßEFORMATION
IN
INNEßÖSTERREICH.
NACH DEN ACTRN DES K. U. K. HAUS-, HOF- UND STAATSARCHIVS IN WIEN
UND DES STEIBRHlfiKISCHEN LANDESAECHITS IN OKAZ
VON
J. LOSERTH,
00BBE8F. MITOUCDI DIB KAU. AKADEHIE DIB WISIIHSCBAmH.
AnhiT. LXXXVUI. Bud. □. Hilft«. 81
V\ enn man die von katlioÜBcher Seite ausgegangenen
Rechtfertigungsscliriften über das Vorgehen Ferdinands II. gegen
den innerösterreichischen Protestantismus, deren bedeutendste
von dem Stainzcr Propste Jakob Rosolenz herrührt, durchliest, so
findet man in ihnen mit mehr oder minder starker Betonung
als angebliche Thatsache in den Vordergrund gestellt, dass
Ferdinand II. zu diesem seinem Vorgehen genötbigt war, weil
der Gehorsam gegen die Obrigkeit allenthalben im Lande scliior
erloschen war und man unter den Protestanten nichts fand als
Widersetzlichkeit, , Tumult und Rebellion'. Das ist ja schliess-
lich die Ansicht Ferdinands, ja schon die seines Vaters, des
Erzherzogs Karl II., gewesen. Schon in der Motivirung seines
Decretes vom 10. December 1580, in welchem er die Anord-
nung traf, dass in allen landesflirstlichen Städten und Märkten
auBScbliesalich die katholische Religion ausgeübt werden dürfe,
klagt er, dass der Landesfürst ,bej ir vilen und vilen die
schuldig gehorsamb schier durchaus verloren . . .', dass man
nicht blos mit eigenwilligen Leuten, sondern auch mit den Ver-
ordneten , disputieren und sich gleichsamb von inen in ihrem
thuen syndicieren lassen müsse, als wann er ein gemalter oder
papiemer landtsfiirst wäre'.' Trotz aller Widerlegungen seitens
der steiermärkischen Landschaft* und wiewohl die Sache an
sich ganz baltlos ist," findet sich der Vorwurf auch später in
Correspondenzen und geschichtlichen Werken wieder: so in
' Acten und Correapondeniea zur Geschichte der Gegenreformation in
InnerOaterreicb notor Erzherzog Karl II. Fontes rer. Austr. L, 7!1.
* Die eingehende Erwiderung darauf (,anf solche schimpfliche Reden', die
man dem LandesfUnten .einbilde') S. 92.
' Loserth, Geschichte der Reformation nnd Oegenrefonnation in Innor-
Osterreich im 16. Jahrhundert, 8. 334. Loserth, Der Hnldignngsstreit
nach dem Tode Erzherzog Karls II. (Forschungen zur Verfassnngs- und
Verwaltungsgeschichte der Steiermark 11, 2), S. 23, und Beziehungen der
steiermilrkischen Landschaft zu den UnireraitAten Wittenberg etc., S. 17.
•21»
316
einem höchst interessanten Schreiben Ferdinands II. an den
Herzog Maximilian I. vom 7. Mai 1601. Der bairische Herzog
hatte nach Graz berichtet, wie übel dem Erzherzoge im Reiche
seine Religionsreformation von den Unkatholischen aasgelegt
werde. Da antwortet Ferdinand H.: jDiese Leute kennen den
Grund der Sache nicht. Er habe dies zur Salvierung seines
Gewissens und vorkommender Unzukömmlichkeiten wegen thnen
müssen. Er habe lange genug über die Anmassong der Pri-
dicanten Geduld getragen; von den wider die katholischen
Fürsten und andere auf den Kanzeln ausgesprochenen Schmä-
hungen wolle er nichts sagen und nur so viel bemerken, dass
sie in aUen Städten und Märkten den Bürgern den Unge-
horsam gegen die Obrigkeit eingebildet, dass sich an mehreren
Orten Rebellion erzeigt, und wenn es der Allmächtige nicht
verhütet hätte, hätte Blutvergiessen erfolgen können. Ea wurde
uns kein Respect mehr erzeigt, als wären wir nur ein ge-
malter Landesfürst* Es war also kein anderes Mittel, als
diese Prädicanten und ungewaschenen Aufbläser, die auch mit
nicbten der Augsburgischen Confession anhängig, sondern Secten
angehören, auszuschaffen . . .'* Man weiss heute, dass es diese
viel verrufenen Prädicanten und mit ihnen der in seiner un-
entwegten Treue gegen das angestammte Herrscherhaus so sehr
und 80 unrecht verdächtigte Herren- und Ritterstand gewesen
ist, der ein Blutvergiessen verhindert hat, und dies in einer Zeit
und unter Umständen, die flir ein etwaiges Vorgehen mit den
Waffen in der Hand nicht günstiger liegen konnte — ich will
hier nur vorgreifend, denn die Sache soll an anderer Stelle be-
handelt werden, an das Jahr 1609 erinnern, in welchem die
Lage Erzherzog Ferdinands eine derart kritische war, dass er
in dringenden Schreiben sich an Erzherzog Maximilian nach
Tirol um Geld- und bewaffnete Hilfe wandte. Nichtsdesto-
weniger hat man auch damals den Herren- und Ritterstand in
seiner Treue verdächtigt, und diese in Correspondenzen und
Acten vorkommenden Anwürfe haben ihren Weg in die Ge-
schichtswerke alter und neuerer Zeit gefunden.' Von einer
' Somit genau dieaelben Worte, die sein Vater zwei Decennien frfiber ge-
braucht hatte.
* Original im Staatsarchiv zn Mttnchen 30/14.
' Ich will ans dem .Gründlichen Qegenbericht' des Boaolens nur eine Stelle
heransheben ; ,leh hab im ersten Thail dises meines Gegenberichts nach
317
Widersetzlichkeit gegen die Verftigungen der Obrigkeit ist seitens
der Herren, Bürger und Bauern keine Rede, wenn man etwa
von den ,groben Ennsthalern' absieht, die in ungeschickter
Weise von den Commissären gereizt wurden und diese 1587
,mit gewehrter Hand' empfingen. ' Am wenigsten haben die
Herren und Ritter an einen Aufstand gedacht. Es kommt im
ganzen Verlaufe der Gegenreformation ein einziger Fall vor,
wo Verhaftungen von Bediensteten der steiermürkischen Land-
schaft vorgenommen wurden, weil der Verdacht des Hoch-
verrathes vorlag. Dass dieser Verdacht begrllndet war, konnte
selbst von einem so ausgesprochenen Anwalt der Gegenrefor-
mation in Innerösterreich, wie es Friedrich von Hurter war,
nicht erwiesen werden;* es ist dies der Fall mit dem inner-
österreichischen Agenten am kaiserfichen Hofe in Prag Hans
Georg Kandelberger und dem steiermärkiachcn Landschafts-
secretÄr Hans Adam Gabelkofer, die im Juni, beziehungsweise
October 1599 gefangen genommen und einem peinlichen Ver-
höre unterzogen wurden. Selbst der hierüber gefllhrte Process
hat den Beweis nicht erbringen können, dass diese Slänner in
der That, wessen man sie beschuldigte, versuchten, den Erz-
herzog Ferdinand H. und seine Familie aus dem Lande zu
jagen, ja zu tüdten. Der Fall ist als solcher dunkel genug.
lengüt angezaigt, wie man in Städten anii Märkten, wie auch auf dem
Lande, der neuen lieli^un balbcr tumultuiert, rebelliert, Con-
apirationea und verbottene Verbilndniusen gemacht, tiI Anfrnbr er-
weckt and »ich dermassen erzaigt, als wSll man I. F. D. keinen gehorsam
mehr erzaigen.' Eine wirkliche Rebellion wQn.ichte z. B. der Nuntiiu
Malaspina: .Damit,' nagte er, .wollten wir gar bald ansore Schulden be-
zahlen.' Sieh den Brief Hoffmanu'B an die Verordneten von Steier-
mark de dato Btrechau, 1587 August 29 in den Acten und Correspondenzeu
zur Oeachichte der Gegenreformation in IimerSsterreich, S. 628. Iloff-
raann weist S. 626 ganz richtig auf den |irincipiellen Unterschied bin,
der hierin zwischen der A. C. aud den Calvinem obwaltet. Zur Frage
der HaltQDg des Herren- und Ritterstandes ist auch sein Brief von Ende
Mai 1587 (ebenda, S. 615) belangreich.
' Sieh meine Geschichte der Reformation und Gegenreformation, S. 022 fif.
* Geschichte Kaiser Ferdinands II., IV, S. 224. E^ ist ganz faUcb, wenn ihn
Hurter, Maria, Erzherzogin zu Oesterreich, Bild einer christlichen Fürstin,
8. 270, zum Abgeordneten blos des unkatboliscben Theiles der Landleute,
oder wenn er ihn (ebenda, S. 299) eine Hauptperson der unkatholischen
Partei nennt. Das war Kandelberger mit nichten.
318
Was Harter und neuestens Schuster' hierüber bringen, Idlrt
die Sache nicht auf. Völlig aufgehellt wird sie auch durch dit
unten folgenden Acten nicht, die dem k. u. k. Haus-, Hof und
Staatsarchiv und dem steiermärkischen Landesarchiv ent
nommen sind. Namentlich ist das völlige Verschwinden Kandd
berger's seit dem Jahre 1602 schwer zu erklären. So tbI
dürften sie aber erkennen lassen, dass von einem Verbrecl«
Kandelberger's nicht geredet werden darf.
Kandelberger — es ist derselbe, der 1587 in Geschlfta
in Padua weilte, noch ein junger Mann,* denn in einem nntai
folgenden Actenstüeke wird ,von seinem noch jungen Leib' g»-
sprochen — war einer jener Agenten, wie sie seit den Tagta
Erzherzog Karls II. in Prag gehalten wurden, um am kaiset
liehen Hofe die Einlieferung der vom Reiche von Zeit lu Zeit
bewilligten Tilrkenhilfe zu betreiben. Seine adelige HerkiuA,
die Dienste, die sein Vater dem Erzherzoge Karl II. als detMO
Kammerrath und er selbst in verschiedenen Stellungen geleüW,
werden in der unten mitgetheilten jintercession' vom 8. Deceo-
her 1600 (Beilage Nr. 15) mit gebührendem Lobe hervorgehoben.
Am 19. August 1598 sandte ihm die Landschaft noch ein Dank-
schreiben ,wegf'n der überschickten kaiserlichen Resolution be-
züglich der 6000 Gulden, die von der Landschaft fiir Provianl-
zwecke dargeliehen worden waren*'. Er wird sich, al« die
Verfolgung der Protestanten ausgebrochen war und die Land-
schaft sich an den kaiserlichen Hof um Vermittlung gewandt
hatte, in diesem Sinne auch bei den Vertretern der proteetao-
tischen Reichssülnde bemüht haben. — Ebenso wie Kandel-
berger hatte sich Gabelkofer im Dienste der Landschaft her
vorgethan. Er weilte mit der innerösterreichischen GesandtBchafl
' Martin Brenner, S. 410. Die in der Note dort ^maclite Mittliailnf
konnte teioht die Ansicht herrornifen, dau im RteierniSrkischen Landai-
archive über die Eitikerkening und |ieiuliche Unterencbang KaoM-
berger's andere Acten vorhanden seien als jene, die nuten mitggthailt
werden. Dies sind die eijizigeu. Andere finden sich meinea Wiani dir
selbst nicht.
' Wie ich den Aufsteichnnngen Prof. v. Luschin's entnehme, «raebeint Jo-
hannes Qeor^iug Kandelberger Styms als Procnrator der daatKte
Juristen zu Padua, und awar von Ende Juni 1687 bis Ende NoremW
1688. Er verweilte noch 1691 in Padua, wo er am 8. Februar als Ak-
gesandter der Nation in Angelegenheiten zweier anderer Steinr Imb
Dogen vermittelte.
319
die durch den Seckauer Bischof Martin Brenner und den Land-
marschall von Krain Herwart von Auersperg vertreten war, am
Reichstage in Regensburg, um vom Reiche eine ausgiebige Hilfe
gegen die Türken zu erlangen. Am 1. Februar lö98 theilte er
den Verordneten ,die Beschaffenheit des werdenden Reichstags'
mit.' Drei Wochen später bestätigen sie ihm ,den Empfang der
Reiclistagsbewilligung'. Noch war damals die Katastrophe über
das protestantische Kirchenwesen in Steiermark nicht hereinge-
brochen. Daher vermahnen sie ihn auch noch, »nach einem
tauglichen Pastor (für Graz an Stelle des verstorbenen Pastors
Zimmermann) fleissig Umschau au halten'.* Für seine in Regens-
burg erworbenen Verdienste wurde er am 24. März 1598 zum
Obersecretär der steirischen Landschaft ernannt.* Als dann
seit den Augusttagen dieses Jahres die oiFene Verfolgung der
Protestanten in Steiermark, Kärnten und Krain platzgriff, ent-
sandten sie ihn in der ersten Novemberwoche an den kaiser-
lichen Hof nach Prag, um dort eine Intercession in diesen
kirchhchen Dingen zu erhalten.* Sie theilten dies am 10. No-
vember den Kärntnern mit der Frage mit, ob sie sich nicht
dem Schritte anschiiessen möchten. Wie die Dinge in Graz
lagen, musste die Sendung daselbst , geheim' bleiben.^ Am
18. November schreiben ihm die Verordneten, dass man mit
Verlangen seiner ,Commi88ionsverrichtung' entgegensehe." Wenn
man bedenkt, dass dazumal das evangelische Kirchen- und
Schulministerium in Graz schon ganz aufgelöst war, so musste
es, falls dieser Brief mit anderen, wie es wahrscheinlich ist,
saisirt wurde, einen schlimmen Eindruck machen, dass man
darin auch den Auftrag fand, 200 Gulden an Dr. Schleipoer
zukommen zu lassen, dem man die Pastorsstelle in Graz zu-
gedacht hatte.' Am 25. November berichtete er nach Graz,
,wie er das Schreiben an I. K. M. wegen der steirischen Re-
ligionspersecution überliefert' und was ,hinc inde flirgeloifen
and vorgenommen wurde'. Letzteres wUrdc man ja gern wissen,
' Registratur.
* Ebenclü .Der alltnKcbtige Qütt,' beiut es in einem gleichzeitigen Be-
richte, ,gebe (juade, doiiM iinü der Gabelkufer eiueu gelehrten und treuen
Pastorem berabbringe.'
' Ebenda.
* Sieh unten Beilage Mr. 3. ' Ebend*.
* Registratur. ^ Ebenda.
320
denn darin scheint das Motiv seiner späteren E^inziehong ge-
legen zu sein. Einstweilen konnte er sich ungestört in seiBe
Heimat zurückbegeben. Am 18. December war er wieder da-
heim und fragte bei den Verordneten an, ob er sich zn ilmen
nach Voitsborg begeben oder sie, da der Landtag auageschriebeo
sei, in Qraz erwarten solle.' Im Februar 1599 feierte er seine
Hochzeit. Der Sitte der Zeit und des Landes entsprechend,
hatte er die Verordneten hiezu eingeladen and diese ihren
Landmarschall Hans Friedrich HoSmann gebeten, ,sich auf des
SecretÄrs Gabelkofer's Hochzeit von E. E. Landschaft wegen
gebrauchen zu lassen'.' Als neuerliches Zeichen der Aner
kennnng seiner Verdienste Uberliessen sie ihm einen landschaA-
lichen Garten gegen den massigen Zins von 30 Gulden.* Als
Kandelberger im Juni eingezogen wurde, hatte Gabelkofer ge-
wiss noch die weitläufige Correspondenz, welche diese Ange-
legenheit hervorrief, zu führen.
Noch hatte Kandelberger in den letzten Monaten mit den
Verordneten correspondirt. Aber diese Correspondenz betraf
nur jene geschäftlichen Dinge, um derentwillen er nach Prag
gesendet worden war. Am 3. März hatte er nach Graz be-
richtet, ,wasmassen die Erledigung oder Anschaffung des hinter
stelligen Petrinischen Profiantrestes von der Hofkammer der
K. M. geschehen*.* Die Landschaft hatte allen Grund, mit
seiner Thätigkeit zufrieden zu sein. Da erscholl nun mit einem
Male die Nachricht, dass er in Prag eingezogen wurde. Am
7. Juni 1599 schreiben die Verordneten an Hans Friedrich Frej-
herm von Herberstein, dass Hans Georg Kandelberger in Prag
,gefUnglich eingezogen und verwahrter allher aufs Schloss ge-
bracht worden sei'.' Tags darauf wurde Ernreich von äaurau
hievon verständigt und um ein Gutachten gebeten, was man
seinetwegen bei der F. D. anbringen solle. Zugleich wurden
,etUche Herren and Landleute zur Berathschlagung wichtiger
Sachen und sonderUch des eingezogenen Kandelberger's wegen
nach Graz erfordert'. Herberstein antwortete am 9. Juni, und
schon am 10. wurde ein vorläufiges Gesuch an Erzherzog Fer-
dinand um Befreiung Kandelberger's gerichtet. Bei alledem
wusste die Landschaft nicht, um welche Sache es sich hiebei
' Re^trstnr. * Ebenda. * Ebenda.
' Ebenda and so auch du Weitere.
• Ebenda.
321
handle. ' Verschiedene Gerüchte schwirrten umher, deren
Niederschlag wir in einem späteren Schreiben Kepler's und
jenem Jüchlinger's noch begegnen werden. Bald war Alles er-
fiiilt von der angeblichen Thatsache, man sei einer Verschwö-
mng auf die Spur gekommen, die nichts Geringeres als die
Entfernung, wo nicht geradezu die Ermordung des Erzherzogs
bezweckt habe. Ob sich Kandelberger etwa in Gesprächen mit
den Gesandten protestantischer ReichsstUnde in Prag etwas un-
vorsichtig geäussert, entzieht sich nach dem uns vorliegenden
Actenmateriale der genauen Berechnung. Es fragte sieh, wie
die steiermärkische Landschaft die Sache aofnehiuen würde.
Im steiermärkiscben Verordnetencollegium kam die Angelegen-
heit wegen Kandeiberger's am 10. Juni zur Sprache.' Der
Liandeshauptmann mahnte zur Vorsicht: man könnte sonst viel-
leicht in der ersten Hitze etwas zu viel thun. Kandelberger
habe nichts Anderes zu thun gehabt, als die Reichshilfe zu
solhcitiren. Was er gesündigt, wisse man nicht. Man müsse
eine , Fürschrift' an den Hof senden und darin betonen, daas
er nur zu diesem Dienste bestellt gewesen und ihn zur allge-
meinen Zufriedenheit verrichtet habe. Mit Betrübniss habe man
vernommen, dass viele seiner Briefe aufgerissen, er selbst ver-
haftet imd hiehergeführt worden sei. Man spreche die Hoff-
nung aus, , Erzherzog Ferdinand werde als ein sanftmUthiger
Herr von Osterreich mit 1. f. Gnade gegen ihn procedieren und
ihn zu seiner Verantwortung kommen lassen'. Wilhelm von
Gera hält für gut, dass alle drei Länder für Kandelberger ein-
treten, da er von allen dreien bestellt gewesen sei. Amman
weist auf die Instruction hin, die er gehabt. In Bezug auf das
gegen ihn eingeschlagene Verfahren sei zu bemerken, dass die
Herren von Oesterreich bisher niemals gleich mit thätlicher
Hand dreingefahren. Gottfried von Stadl bringt die Sache mit
der Rehgionsfrage zusammen. Der Erzherzog soll vermeldet
haben: Man möge nur ja nicht denken, dass er einen Landmann
evangehscher Religion befördern werde. Im Sinne der gefallenen
Worte wurde dann der Bescbluss gefasst, ,mit einer beschei-
denen Intercession einzukommen, damit Kandelberger auf freiem
' Am 19. Juui wusste auch Erzherzogin Maria Über die Motive der Ver-
baftan^ noch nichts; siebe Hurter, Maria, S. 270: ,Mein Kind, was wird
das flu- ein Handel sein mit dem Kandelberger.'
» V.-Prot
322
Fasse seine Verantwortung than könne'. Die Bittschrift ging
denn auch mit dem Datum des 10. Juni an den Hof. ' Wenige
Wochen später — am 3. Juli 1599 — überreichten die Ver
ordneten ein zweites Bittgesuch,' damit der Gefangene auf
freien Fuss gesetzt und seine Verantwortung billiger Weise thm
könne. Die Geschäfte, die Kandelberger in Prag zu besorg«!
hatte, übergaben sie an Dr. Heher und überreichten, da die bi>-
herigen zwei Bittgesuche ohne Antwort gebheben waren, am
20. Juli ein drittes ' mit dem Bemerken, der Erzherzog möge
noch vor seinem Verreisen üans Georg Kandelberger des ,tiii-
verdienten' Gefängnisses erledigen, und zwar ,auf Wiederstellung*.
Auch dieser Schritt war wie alle bisherigen ohne alles Er-
gebniss. Nun tagte in der ersten Augustwoche ein Ausschiut
zu Radkersburg, der nicht blos über seine eigentliche Aufgabe,
,dle Landmusterung', berathschlagte, sondern die jüngsten Vor-
kommnisse in kirchlichen Dingen in Erwägung zog. Man hatte
eben in Erfahrung gebracht, dass Magister Holzer wegen einer
,beim Leichenbegängnisse eines Fräuleins Stürckh verrichteteB
Danksagung' an die Erschienenen ins Gefilngniss gelegt und
der Kanzleischreiber Neflf vor die Regierung citirt wurde. Dies
Alles eingehend zu erwägen, legte man den Verordneten nahe,
namentlich aber mögen sie Kandi'lberger's halber eine neuer-
Hebe Eingabe machen.^ Das geschah am 10. August.^ Endlich
am 16. sandte der Erzherzog, der sich in Eisenerz aufhielt,
seine Resolution an die Verordneten." Sie fasste alle dies«
Punkte zusammen und enthielt bezüglich Kandelberger's die
ausweichende Antwort: Kandelberger sei nicht auf setueo,
sondern auf Befehl des Kaisers verhaftet worden. DemgemXa
richteten die Verordneten nunmehr ein Bittschreiben an Ru-
dolf n., ,Hans Georg Kandelberger als wirkhchen Diener der
Landschaft des Gefängnisses mit Gnaden zu bemüssigen, weil
er laut Decret des Erzherzogs Gefangener Sr. Majestftt sein
' Registrmtnr. * Ebenda.
' Ebenda. Nuch iuinitir hat auch die Enherzogin nichts Näher«« Qb«r
die Schuld Kandelberger's erfahren können: ,Wie warte ich,' achmbt
sie am 28. Juli, .so «ehngUcbtig, zu vernehmen, waa der Kandelb6f{er
pfeifen wird.' Hurter, 1. c, S. 282.
* Bericht der Verordneten an den Landniaracball Emraick von Saanu,
de dato 7. Aug;nst. Re^stratur.
» Ebenda. • Ebenda.
323
soll'. Im gleichen Sinne wurde an die kaiserlichen Geheim-
räthe und andere PersönHchkeiten in Prag geschrieben.' Wenige
Tage später wurde von den Verordneten ein grösserer Ausachuss,
bestehend aus den Herren und LandJeuten Rudolf von TeufTen-
bach, Georg Christoph von Stubenberg, Hans Adam Schratt,
Hans Christoph von Gera, Wilhelm von Rottal, Karl von
Herberetorff, Christoph Galler, Christoph von StadJ, Hans Jakob
von Stainach, Wolf Wilhelm von Herberstein, Otto von Herbers-
torff, Sigmund von Saurau und Hans Rindschaidt, zusammen-
berufen. Er trat mit den Verordneten am 2. September zu-
sammen. Wie es scheint, sind es die ,Raitscomniissäi-e', die
,erfordert' worden waren. Wenigstens geht von diesen unter
dem Datum des 2. September ein Intcrcesaionsschreiben für
Kandelberger an den Erzherzog ab, damit der Gefangene ,mcht
allein zu gebUrlicher Verantwortung, sondern auch gegen genüg-
same Blirgschaft auf freien Fusb gelassen werde'.* Wie dem
auch sei, die Versammelten hatten vier Punkte auf ihre Tages-
orduung gesetzt: die Hauptresolution, die Frage, was mit den
Kirchen- und Schuldienem zu geschehen habe, die Processe
gegen Kandelberger und Holzer und militärische Angelegenheiten.
Heben wir aus der Debatte heraus, was in der Kandelberger-
frage gesagt wurde. TeufFenbaoh betont, man mttase dessen
Freiheit verlangen. Wäre Kandelberger, lüsst sich Georg von
Stubenberg vernehmen, der die Reichshilfe zu betreiben hatte,
nicht frei, so bliebe diese stecken. Amman meint, aus all' den
Verkommnissen müsse man entnehmen, dass ein , Imperium'
gegen des Landes Freiheiten aufgerichtet werde. Das Resultat
der Berathung war die obenerwähnte Interccssion. * Während
noch diese Angelegenheit Kandelberger's bei dem Erzherzog
Ferdinand II. und Kaiser Rudolf H. betrieben wurde, vernahm
man eine fast noch achmerzhchere Nachricht: Am 4. October
melden die Verordneten dem Landeshauptmanne und den beiden
Mitverordneten, dass der Landschaftssecretär Hans Adam Gabel-
kofer plützlich verhaftet worden sei.* Zwei Tage später sind
schon die Verordneten Sigmund von Wagen und Hans Adam
Schratt nach Leibnitz unterwegs, um sich seinetwegen bei dem
> 1699 August 28. Ebenda.
■ L.-P. 1599 September S.
* Ke^tntur.
* Ebenda.
324
Oberstho&neistor Balthasar Schrattenbacb anzumelden. * Ejs
Bittgesuch, das sie Gabelkofer's wegen eingaben, wurde ab-
weislich beschieden;* an demselben Tage werden .etliche
Herren und Landleute' avisirt, dieweilen so wichtige Dinge
vorkommen, am 13. October in Graz zu erscheinen.* Von dem-
selben 6. October ist ein Brief des Kammerprocurators Wolf-
gang Jöchlinger an Erzherzog Ferdinand datirt,* der endlicli
etwas Licht in die immer noch mysteriöse Sache bringt: So-
wohl Kandelberger als Gabelkofer seien von den Herren gflt-
lich jwieder besprecht' worden. Jener habe die vornehmsten
Punkte seiner früheren ,peinlichen Aussage' wieder zurück-
genommen, nttmlich, dass er darauf ausgegangen,' den En-
herxog zu fangen oder zu tödten, auch die verwitwete Herzogin
Maria sammt der jungen Herrschaft gefangen zu nehmen, und
dass man sich zu diesem Ende ,des durch den Herrn Obersten
gesuchten fremden Regimentes und der Gränzer bedienen
wollte'. Kandelberger sagte weiter aus, die früheren Geständ-
nisse seien ihm ,aus übriger Peinigung' erpresst worden. " Gabel-
kofer soll ziemlich glaubwürdige Aeusserungen gethan haben,
wie ihm die CoramissUre mittheilten. Heute — am 6. October
— sei der Scharfrichter abermals hinaufgegangen, Kandelberger
gebunden und ihm die Tortur gezeigt worden, doch nicht in
der Absicht, ihn foltern zu lassen. Man werde sie Beide ,der
Schriften wegen' examinircn. Die Verordneten seien bei ihm
erschienen und hätten gefragt, ob man Gabelkofer seiner
eigenen oder wegen angeblicher Verbrechen der Landschaft
eingezogen. Er habe sie an den Erzherzog gewiesen, doch so-
viel gemeldet, dass es sich um Privatverbrechen Gabelkofer's
handle. Aus dem Berichte Jöchlinger's gehen zwei Punkte
klar hervor: dass Kandelberger seine ihm unter der Tortur
erpressten Aussagen widerrief und Gabelkofer eine glaub-
' Regiatratur.
' Ebenda. ,1. F. D. Bescheid anf der Verordneten Eingabe wpi;.'
faiigeneii üabelkofer.'
' Re^stratur.
* Sieh unten Beilage Nr. 6.
* ,Don eingegangenen Tractat'; das lisst auf die Annahme riner filmi-
lichen VerschwOning auhliessen.
' Man kann demnach mit Harter, IV, 8. 224, nicht sa^n, aa sei ihm die
Tortnr nur gezeigt worden.
325
würdige Entschuldigung vorbrachte. Die ganze Anklage stand
somit auf schwachen Füssen und stellte sich schon jetzt als
haltlos heraus. ' Gleichwohl waren in der Stadt alle Vorsichts-
massregeln gctroflFen, als ob es sich thatsilchlich um eine Ver-
schwörung handeln würde: ,Die zwei Stadtthore seien gesperrt
worden, allenthalben in Stadt und Schloas wird fleissig Wacht
gehalten, dies erzeigt an allen Orten grosse Furcht und viel
Nachdenken.' Auch der Landeshauptmann sei bei Jöchlinger
gewesen und habe ihm ,eine Apologie seiner Unschuld entdeckt',
die er dem Erzherzoge nach seiner Hieherkunft vortragen will.
Die Kunde von den Grazer Vorgängen hatte auch in Kärnten
und Krain grosse Bestürzung erweckt.* Die Sicherheit der
Correspondenz war unterbrochen,' und in Graz selbst sah man
den Berathungen, die von den Herron und Landleuten Mitte
October gepflogen werden sollten, mit Spannung entgegen. Die
vielen in den letzten Tagen vorgefallenen schroffen Verletzungen
' Leider vermochte ich nicht alle jene Briefe aufzufinden, auf die sich
Hnrter, IT, 8. 224, bezieht. Weder die Ausxag'e des dort erwähnten
Dänen, noch die Briefe Calais sind mir zu Gesicht gekommen. Dagg sie
aber nicht einmal so viel Licht in die Sache bringen wie der einzige
unten mitgetheilte Brief JUchlinger's, ist aus den weiteren ÄosfUhrungen
Hurter's zu entnehmen, welcher xagt; ,Indegs w<«t Qher dieser Sache
ein Dnnkel. Wir wissen blos, das« ein schriftlicher Befehl des Kaisers
Torlag, Kandelbergern gütlich nnd peinlich zu befragen, und dass der
Erzherzog unter dem 10. November jenem eigenhändig die Anzeige
machte, der Verhaftete habe sich in seinen Anzeigen widersprochen.
Vermuthlicb lauteten sie so, dass sie zu keinem bestimmten Geständnisse
führten, auch sonstige Beweise nicht beigebracht werden konnten. Denn
wäre eine auffallende Strafe erfolgt, so würde sich gewiss von derselben
Kunde erhalten haben.* Die Sache steht eben so, dass Jemand, peinlich
befragt, in den meisten Fällen gesteht, was man will, beziehungsweise
die genau formulirten Fragen wollen; gütlich befragt, alle seine früheren
Anssagen als Unsinn erklärt. In den Briefen der Erzherzogin Maria,
die Harter gedruckt hat, ßndet sich einer de dato Belica (Bielitz),
16. October 1699. Dort heisst es: ,Von dem Harrer habe ich mit Freuden
and Verwunderung Nachricht empfangen, wie es mit dem Kandelberger
steht. Dem ewigen Oott sei Lob, dass dir Gott deine Feinde in die
Hände gibt. Du bist ihm viel zu danken schuldig, wie wir alle. Das
war' ein Haushalten gewesen. Ich erwarte mit grossem Verlangen, wie
der Qabelkofer pfeifen wird. Sofern es ist, wie der Kandelberger sagt,
fUrchte ich, er werde weit springen; insonderheit der Oberst, dem wird
der Pelz zittern.' Hurter, IV, 8. 800.
* Sieh anten Beilagen, Nr. 6, 9, 10. ' Ebenda.
326
von Mitgliedern des protestantischen Herrenstandes, das Vor-
gehen der Regierung gegen die protestantische Stiftskirche,
endlich nicht am wenigsten die Behandlung landschaftlicher
Beamten hatten nämlich den Landeshauptmann und die Ver-
ordneten bewogen, für den 13. October eine Anzahl steirischer
Herren und Landleute zu einer Sitzung einzuberufen. Auf die
Tagesordnung wurden ftlnf Punkte gestellt. Nur mit dem letzten
haben wir uns hier näher zu beschäftigen: ,Puncto Secretari
Oablkovers Einziehung, was bisher scinethalben fUrgangen und
was ferrer zu thuen, auch des Kandelberger halben.' ' Dm
Wort ergriff zuerst der Landeshauptmann. Es seien ge-
wichtige Gründe, um derenthalben man die Herren und Land-
leute beschrieben habe. Was die Stiftskirche betreffe, sei
dahin zu wirken, dass die Drohungen des Hofes, sie einza-
ziehen, nicht ausgeführt werden. Diese Kirche sei nicht in
gewaltthfttiger Weise, sondern durch Kauf in den Besitz der
Landschaft gekommen. Es werde gut sein, die Eggenberger,
von denen man sie erkauft habe, anzugehen. Da der Sohn
dieses Eggenberger's bei Hof in hohem Ansehen stehe, dOrfe
man gewärtigen, er werde etwas helfen. Der Erzherzog habe
ohnedies gestattet, die Conditionen des Kaufes einzusehen. Die
nächsten Punkte wurden zum Theile vertagt, theils rasch vor-
genommen. Da man die Hoffnung hegte, die exulirenden Pre-
diger, die jetzt in Petanitza weilten, \vieder ins Land ziehen za
sehen, gab man ihnen gern eine Unterstützung, um die sie an-
suchten. Am längsten wurde über die Verhaftung Gabelkofer's ver-
handelt. Diese That hatte Alle tief ergriffen. Man darf hier an
das Vorgehen erinnern, das einstens Karl U. auch gegen einen
Landschaftasecretär, gegen Caspar Hirsch, eingeschlagen hatte.'
Man durfte gewärtigen, dass sich sämmtliche Mitglieder der L."ind
Schaft für ihre verletzten Rechte ebenso warm einsetzen würden als
damals — die katholischen nicht ausgeschlossen. So war es auch;
ja man wird bemerken, dass der Fall Gabelkofer ein besseres
' Alle» nach den Landta^protokollon, in die dieM Ding« «in^l
wurden, wenngleich es kein LiindUg war, auf dem sie bot Verhani
kamen. Ed war nur ein grosserer Ausschnss, der vom LaandU^
Vollmacht hatte, in dringenden Fällen, weun der Landtag nicht T«r-
sammelt war, sich zur Berathung einzufinden.
* Sieb hierüber meine Oeschichte der Reformation und Oe^nreformatioo
8. 417—481.
üü
J
327
Ende hatte als jener mit Hirsch. Indem nun der Landes-
hauptmann auf die Verhaftung Gabelkofer's zu sprechen kam,
schilderte er den ijanzen Vorgang in drastischer Weise: der
Erzherzog habe ihn — den Landeshauptmann — ,gen Hof er-
fordert: es war' schon eingespannt. Ihre Durchlaucht be-
gehrten stark, den Gabelkofer zu erfordern'. Hätte der Landes-
hauptmann den Erzherzog ,nit so entferbt' gesehen, hätte er
ohne Bedenken nach dem Secreülr geschickt. So aber ent-
schuldigte er sich;' worauf der Erzherzog einen Kammerdiener
herbeirief und seinerseits um Gabelkofer schickte. Der Kammer-
diener meldete dem Secretär, der Landeshauptmann verlange,
dass er nach Hof komme. Auf das hin stellte sich Gabelkofer
ein und wurde nun sofort durch zwei Trabanten aufs Schloss
geftihrt. Der Erzherzog rief dabei aus: ,Wan Er lauter
sanftmueth brauchet, wurde man in letztlich aus dem
land jagen.' Gleichwohl entschiddigte sich der Erzherzog, ,er
habe nicht befohlen, ihn ins Türkengewölb zu legen'. ,In
examine,' fuhr der Landeshauptmann fort, ,werde Gabelkofer,
wie er hoffe, aufirecht erfunden.' Später, nach der Rückkehr
des Erzherzogs, habe dieser gemeldet, Gabelkofer sei nicht als
Landschaftssecretär, sondern als Adelsperson citirt worden.
,Da8 sei nun ein Process, der das ganze Land angehe und
nicht etwa blos eine Privatsache betreffe. Die Landschaft sei
nicht versammelt, imd der gute Mann sitze hinter Schloss und
Riegel. Man könne vorläufig nichts Anderes thun, als wegen
seiner Verhaftung Klage zu erheben und ,8ich mit Leib und
Gut auf seine Freistellung gegen Alles zu erbieten, dessen er
* Da in den Lxndnchaftspratokollen meisteiia nor die Schlagworte citirt
werden, so ist es an manchen Stellen nißg;Uch, dass .sie auch anders ge-
deutet werden kOnnen, wenn z. B. ein Pronomen auf eine oder die
andere Peraon belogen werden kann. Ich tilge daher die Stelle aus
den Verordnetenprotokollen der grosseren Vorsicht wegen wnrtlich an:
,Pnacto secretari Qablkover bericht er, dass ine I. D. gehn hof erfordert,
wllr schon eingespant. I. D. begerten stark den Gablkover in er-
fordern und da (schreibt der Protokollist) berr landesfaauptniann I. F. D.
nit so entferbt gesehen, het er ohn bedenken nach im geschickt,
aber sich entschuldigt. Auf welchen fall I. D. ein camerdieuer gemefft,
denselben umb in geschickt. Der saget, herr landeshaahtman begeret
seiner gehn bof; über welches er compariert; hernach ine stracks durch
»wei trabanten aufs schloss. I. D. meldet, wan er lanter sanfftmueth
brauchet, wnrd man in letztlich ans dem land jagen.'
328
beschuldigt werde. Dabei müsse man auch Kandelberger's ge
denken'. Auch seine Sache sei eine solche, die das ganze
Land betreffe: ,Der ehrliche Mann kommt des Landes wegen
ins Spiel.' Sollte er unter der Tortur erliegen, so würden seine
Aussagen auch gegen die Landschaft und den Landeshaupt-
mann resentirt werden. Daraus folge, dass man seinetwegen
an den Erzherzog und den Kaiser schreiben mllsse. Man
mtlsse Protest dagegen einlegen, dass (von den Mitgliedern der
Landschaft) Niemand bei der Tortur gewesen sei. Könne in
Zukunft noch ein Steircr in Ehren bei den Zusammenktlnften
sitzen?* Eine Beschwerdeschrift sei abzufassen und dort sti
sagen, ,weil man die Feder schier nicht passieren lasse, fidle
es den Verordneten schwer, bei solchen Processen noch Unger
in Dienst zu bleiben. Man werde bitten, dass man um Gotte*-
willen die Landschaft endlich einmal anhöre'.
Nach dem Landeshauptmanne ergriff der Landesver
weser das Wort: Die Sache mit Gabelkofer sei ein ,ge-
schwinder Process'. Bald wird es Mehrere ebenso treflFen. Von
einem Verbrechen Kandelberger's oder Gabelkofer's, meint
Wilhelm von Gera, wisse man kein Wort Es sei geradezu
erbärmlich, in solcher Weise zu procediren. Was mit Gabel-
kofer vorgegangen, sei ftir die ganze Landschaft in hohem
Grade präjudicirlich. Wo bleiben die alten Ilandlungen? Viel
schärfer äussert sich Ernreich von Saurau: Das werde
bald jedem Landmanne zugeftigt werden. Die Unterscheidung
,Landschafts8ecretär' und , adelige Person' sei , eitle Cavillienuig'.
Das Examen geschieht aus Misstrauen gegen die Lande. Von
ihren eigenen Rechtsgelehrten sind viele damit gar
nicht einverstanden. Kandelberger komme gar nicht dazu,
sich zu rechtfertigen. Die Examinatoren seien Kläger und
Richter zugleich. Mit hohen Beschwerden und Fulminiren ist
jetzt nichts gethan. Man könnte ftlr Gabelkofer eine Caution
stellen: In Criminalibus gelte sie ja wohl nicht, aber man weiss,
dass man es mit ihm nicht zu einer Criminalsaohe bringen kann.
Georg von Stubenberg ftlrchtet, das Streben der Re-
gierung gehe dahin, das Land um alle seine Privilegien, die
Landleute um Hab und Gut zu bringen. ,Wa8 sie heut" ge-
* .Kandelberger habe nur dem betrfibten Status ta helfen gecacht, daa Mi
seine ganze Sttnd'.' L.-P.
329
winnen, ist Uinen morgen zu wenig.* Hans Sigmund Wagen:
£ine Beschwerde biete der anderen die Hand. Noch seien
nicht einmal die Generalien beztiglich der geistlichen Lehen
mit den Landen verglichen. Seyfried von Rindtschaidt
meint: Man lese in der Kärntner Chronik, dass in König
Ottokars Zeit Einer Namens Seyfried von MUhrenberg vom
Könige wegen eines üemuieianten um das Seinige gebracht
wurde. So könnte es heute auch in Steier ,fUrlaufen*. Sig-
mund von Saurau ist der Ansicht, durch solche Processe
wolle man die Landleute vom Dienen abschrecken: , Werden
sieh dann wohl Pfaflon finden.' Wie habe man sich einstens,
ruft der alte Amman aus, des Kalenders wegen, oder wenn
es sich um die Verletzung des Postgeheimnisses handelte, der
Sache angenommen, wie sei man in der Angelegenheit des
Secretärs Hirsch, dessen Schuld doch , wissend' gewesen, drein-
gegangeu. Und doch lassen sich alle diese Fälle mit dem
jetzigen nicht vergleichen.' Vom Anfang an habe man in der
Sache nichts Anderes gesucht, als wie man die Landstände
zur Ungeduld bringe und einen Aufstand hcrvonnife. Da könnte
man ja gleich an die Güter heran. Unter der Tortur ,mücht'
Einer seinen eigenen Vater verleugnen'.
Dass wohl nicht allein Amman die Ueberzeugung hegte,
man beabsichtige einen Aufstand hervorzurufen, um dann grlind-
lich aufzuräumen, ist ziemheh sicher; demi noch gab es viele
Mitglieder des Herrenstandes, die sich die Worte des Nuntius
Malaspina eingeprägt hatten: ,Ja ein Aufstand. Wollte Gott,
damit könnten >vir unsere Schulden zahlen.' * Gleichwohl muss
gesagt werden, dass derartige Beftirchtungen wenigstens fUr
den Augenblick unbegründet waren. Da standen schon die
auswärtigen Verhältnisse im Wege. Amman war der letzte
Sprecher. Dann wurde über die einzelnen Punkte ein Be-
Bchluss gefasst. Bezüglich Gabelkofer's und Kandelberger's
lautete er: .Puncto Gablkofer's mit einer glimpflichen Schrift
sich an I. F. D. zu wenden, damit er gegen eine Caution der
Landscliaft freigelassen werde. Des Kandlberger auch zu ge-
' Ueber die erwähnten Streitigkeiten sielie meine Oeachichte der Refor-
mation and Gegenreformation in InnerOBterreich, 8. 417, 441.
* Ebenda, ». 627.
ArchiT. UXXVni M. H. Fmift«. 32
330
denken'. Die Berathang und Beschlussfassung hatte vier Tage,
vom 13. bis 16. October, in Anspruch genommen.^
Am 15. October gaben die Verordneten den Ständen von
Kärnten und Krain Meldung von dem Geschehenen:* nicht
blos, dass der Erzherzog durch drei seiner Regimentsräthe
,die der Landschaft frei eigenthümlich zugehörige Stiftskirche
mit Gewalt habe aufbrechen und eröffnen lassen, es sei auch
der der Landschaft verpflichtete Diener Herr Adam Gabelkofer
vor etlichen Tagen durch einen f. Kammerdiener gen Hof er-
fordert' und ,unvermeldet ainicher ursach' ins schwere Türken-
gef^ngniss im Hauptschloss geworfen worden. Wiewohl man
sofort eine Beschwerde sowohl mündlich als schriftlich bei Hof
angebracht habe, ,so will doch das alles im Wenigsten nicht
angesehen werden'.
Der Tag für eine Berathung von Ausschüssen aller drei
Länder, für dessen Abhaltung Graz ersehen war, wurde nun
der Infection wegen abgesagt und Klagenfurt hiefÜr in Vor-
schlag gebracht £in Abgesandter der Landschaft, Hans
Schweighofer, wurde nach Klagenfurt und Laibach entsendet,
um dort die Sache durchzuflihren. ' Der Bitte der Landschaft
wegen der Freilassung Kandelberger's und Gabelkofer's gegen-
über verhielt sich der Erzherzog ablehnend.* Am 20., be-
ziehungsweise 2ö. October liefen die Condolenzen Kärntens und
Krains über diese Vorgänge ein. Für eine gemeinsame Be-
rathung wurde Klagenfurt ausersehen und als Tag der 15. No-
vember bestimmt.^ Die Verordneten von Steiermark liessen
indess die Sache auch in der Zwischenzeit nicht liegen. Sie
fassten am 5. November den Beschluss, fUr Gabelkofer neae^
lieh eine Bittschrift einzureichen.^ Von dem Schicksale der
Gefangenen erfährt man aus den vorliegenden Protokollen
nichts. Ein Brief Kepler's vom 12. November an Mästhnus
wirft ein helles Licht auf die kritische Lage der Protestanten
in Steiermark. Ueber die beiden Gefangenen findet sich
> V.-Prot.
' Conc. L.-Archiv, Cbron.-R.
' Schreiben vom 17. October 1599. Conc. L.-Archiv, Chron.-R.
* Schreiben der Verordneten an Wolf von Saurau vom 17. October 1599:
,Was uns erst heute des Kandelberger's und Qablkofer's von hof in be-
schaid erfolgt, das hat der herr hiebei zu sechen . . .'
» Reg. • V.-Prot.
331
folgende Bemerkung: Der ständische Agent, der in Prag
weilte (Kandelberger), wurde vor einem halben Jahre in
Fesseln nach Graz gebracht und vor einem Monate der Tortur
unterworfen. ' Ebenso wird der Secretär der steirischen Stände
(Gabelkofer) gefangen gehalten. Es geht die Rede, es sei über
die Ersetzung des Fürsten durch einen anderen berathen
worden (Forunt deliberatum de alio principe), daher sei fiir
den Agenten die Todt^sstrafe bestimmt. Man sprach auch da-
von, dass dem L Secretär die Tortur nicht erspart geblieben
sei. Eine Andeutung Über den Process findet sich wieder in
dem Schreiben der Erzlierzogin Maria vom 14. November:
I ,Wa8 sich weiter mit dem Dano (einem Zeugen gegen Kandel-
berger) und der Forca seither zugetragen, erwarte ich mit
Verlangen; und weil die Aussagen so unbeständig, lasse ich
mir auch nicht misfallen, dass der Bericht an den Kaiser bis
zu mehrerer Gewissheit eingestellt werde.' Daraus ist wohl er-
sichtlich, dass die Untersuchung wider Kandelberger bisher
nichts ergab, was filr die Anklage sprach.
Die folgenden Monate vergingen, ohne dass in der An-
gelegenheit der beiden Gefangenen ein weiterer Schritt gethan
wurde. Dagegen nahm sich der Landtag, der im Jänner 1600
■ tagte, ihrer auf das Lebhafteste an. Nach althergebrachter
Sitte wurden vor der Eröffnung alle die politischen und kirch-
lichen Beschwerdepunkte zusammengestellt, die seit der letzten
Tagung eingetreten waren. Da klagte man, ,da8s mit E. E. L.
etlich iar hero bestelltem diener und gewestem agenten am
kaiserlichen hoff zue Prag Hans Georgen Khandelberger einem
jederzeit in ehren wolerkennten aufrichtigen gelehrten
pidersmann ein hievor in diesen landen nie erhörter ganz
schmerzlicher process fürgenommen; welcher noch vor sieben
ganzen monateu zu Prag bey nachtlicher weil gfanglich einge-
I zogen und in eisen verschmitter alheer auf E. F. D. haubt-
schloss Graz getiert, nach langwieriger gefangnus volgends zu
unterschidlichen malen guetlich, vil mehr aber mit
der schrecklichen tortur, auch teuer und prand aufs
gretllich- erbarmlichist gemartert wurde'. Hätte man ihn zu
' Hierüber findet sich bei Kepler die Bemerknng (VIII, S. 712): ,Id literis
d. d. 13. Oct. Zebeutniaierus refert, Kaudelbergerum virum ogregiaiii et
poüticum in eqauleo fuiue immauiMime enectnm et secretarium Qabel-
koferam exquiaito tortnrae geuere excruciatum.
332
seinem ordentlichen Rechte kommen lassen, so würde er ,die
beste Auskunft zu geben wissen'. Noch lebhafter lanten die
Klagen über das Verfahren mit Gabelkofer, , dessen Treue,
Ehrbarkeit und Aufrichtigkeit zur Genüge bekannt sei', und der
seit seiner Gefangennahme mehrmals unter Androhung der
Tortur scharf examinirt wurde. In den Dienern der Lmi-
Schaft wolle man diese selbst treffen, was man aus dem Wort-
laute der von dem Erzherzoge über die Heligionsbeschwerdeii
herabgelangten Hauptresolution entnehmen mtlsse,* wo gesagt
werde, ,dass sich die dem Erzherzoge verpflichteten Vasallen,
Landleute, Räthe und Diener unbescheiden, ärgerlich, verattndet,
vergriffen, vom rechten Weg der Sitten abgewichen, den gemeinen
einfältigen Mann im Land zum Ungehorsam und zur Verach-
tung der 1. f. Obrigkeit angereizt' u. s. w. ,Ja, es hätten diese
fremden im Lande umherziehenden italienischen Examinatoren
und Commissäre, die zur Inquirirung und Torquirung der beiden
Gefangenen bestimmt wurden und bei denen sich auch ein in
die steirische Landsmannschaft erst aufgenommener Mann Ka^
mens Ludwig Camill Suardo befand, das Gerücht in alle Welt
ausgestreut, dass die Landschaft man weiss nicht was für einen
Vcrrath gegen den Landesfiirsten angesponnen habe.' Solche
Unwahrheiten müssen in Erwägung der Unschuld des Herren-
und Kitterstandes diesem tief zu Gemüth gehen. Der Erz-
herzog werde zu erwägen haben, ob und inwieweit das in
Gefahr stehende Grenzweseu derartige Unzukümmhchkeiten zu
entgolten habe. Der Bericht geht dann auf die übrigen ge-
waltsamen Vorgänge gegen den protestantischen Herren- und
Kitterstaiid näher ein und führt aus, dass es unter diesen Um-
ständen einem Verordneten geradezu unmöglich gemacht werde,
sein Amt zu bekleiden, denn fast alle Landsassen, namentlich
die au der Grenze, werfen ihren Groll auf sie. *
Dem Erzlierzoge kamen diese Dinge im höchsten Gradt'
ungelegen. Er forderte den Landtag auf, sich unter Beiseitc-
sctzung aller unnützen Disputate in die 1. f. Proposition einzu-
lassen. Die Antwort darauf^ enthielt die obenangeführten Be-
> Sie ist gedruckt Harter, Geschichte Fenlinamls II., IV, S. 496 5'2S, trä?!
lüts Datum dos letzten Aprils 159Ü, wurde den Ständen aber erst »ra
i^. Juli herabgegebeu.
» juW--* auten Beilage Nr. 11.
- ft-!v«. ;>>^ J.Huner 14.
333
schwerdepunkte und bat um Abhilfe, gegen derlei auf das
Treiben missgCmstigcr Widersacher und Delatoren vorgenom-
menen Processe. Es waren ja nicht die einzigen Klagen,
welche sie in diesen Tagen an den Hof gelangen Hessen. Am
19. Jänner baten sie den Erzherzog, mit der Zerstörung der
Kirche und des Friedhofes zu Scharfenau ,bi8 zu der zu er-
boffendcn Vorgleichung' innezuhalten. ' Man sieht, in welchen
falschen Iloffnuugen sich dieser Herrenstind noch wiegte. An
demselben Tage überreichten sie eine ausftihrliche Beschwerde-
schrift Hbcr die jüngst erflossene ungünstige Erledigung ihrer
Religionsbeschwerden und die gewaltsam vorgenommene Re-
formation in Eisenerz, Aiissec, Schladming, Gröbming, Rotten-
mann u. 8. w. ein.* Dass der Erzherzog aber nicht geneigt
war, in kirchlichen Dingen der Landschaft irgendwie entgegen-
zukommen, konnte man daraus entnehmen, dass die gewalt-
same Durchfuhrung der Gegenreformation ihren ungehinderten
Fortgang hatte. Am 20, Jänner erfolgte die Gegenreformation
in Windisch-Feistritz, Cilli und Gonobitz,^ am folgenden Tage
wurden Grazer Bürger, die sich geweigert hatten, den katho-
lischen Eid zu leisten, in ihrem Begehren, .ihre Läden wieder
eröffnen zu dürfen', mit dem Bemerken abgewiesen, ,weil es
ihnen sowol als mit andern burgern, welche den neuen aydt-
Bchwur zu laisten sich vei'waigem, allerdings einen gleichen
verstand hat'.* Gleichwohl scheint es, als sei die Lage Kandel-
berger's — Gabelkofer wurde endlich frei — in diesen Tagen
eine bessere geworden. Alan hatte durch ein reiches Geld-
geschenk die Gunst des Burggrafen des Grazer Schlosses fllr
ihn zu gewinnen gewusst. * Bis nach Baiern hinein machten
sich Einflüsse zu seinen Gunsten geltend. Am 24. Jänner über-
sandten nilmlich die Verordneten ein Schreiben an den bairi-
schen Rath und Oberkuchelmeister Karl Kulmer mit der Bitte,
' Conc. L.-Archiv, Chron.-K.
• Conc. 1111(1 Co|). L.-Archiv, Lniidtngsacteii iiuil LaudUg8li«iidUiiig«n.
SflUiiii^er, l, S. 586''— 5Ö1.
• Roxnleiiz, Fol. 41«.
• L.-Arcliiv, Chron.-K.
' Die Verordneten weisen den Landeseinnebmer an, dem Burggrrafcn Scar-
lichio für die bei der Verhaftuo;: und lan^^wierigen Gefangenschaft
Gshelkofer's nnd K.'jndelberjer'n eraeigte Cortesia nnd gnte Willfahmng
100 Dncjiten, seinen Leuten 30 Thaler ansisuzahlon. Siehe nnten Bei-
lage Nr. 12.
384
dasB er auch seine Fürbitte wegen Befranng Kmdelberyr'i
bei dem ^erzoglidien Frttnlein in Baien als zakflnftigar Laad»
fbrstin einwenden solle'. ^ Die allgemeine politiaofae Lage sdaei
Übrigens nicht ongfinstig, damit den dringendsten Besckweria
der Landstände A. C. Abhilfe gethan werde.
Man sieht die Noth der Zdt ans einzeinezi. Ponkten der In^
athmigen Resolntion herauslenchten, die am 84. Jänner 1600 n
die Landschaft herabgegeben wurde. Li allen Punkten, (Et
nicht gerade das kirchliche Gebiet berObren, wie in den inBi-
tilriscfaen und den damit znsammenhftngenden finanxieDen vai
steuerpolitischen Dingen kommt der Ershersog der Landidifi
bereitwillig entgegen. Es wird sogar offen gestanden, daai «in
Theil der politischen Beschwerden gerechtfertigt sei, and n-
gegeben, dass eine Abordnung von Landleuten nch m dm
gefangenen Kandelberger yerftkge, um eine Anfklttning fllier
einen Scholdposten entgegenzunehmen. Ja sogar das Odiu
dieser Verhaftung wird von dem Erzherzoge abgewtlzt nal
dem Kaiser zugeschoben. Sie sei ,aDf die gefundenen Vw-
dächtigkeiten hin' von Rudolf IL angeordnet worden, and ,&
Schuld seines unglücklichen Zustandes habe sich Kandelberger
selbst zuzuschreiben'. Gabelkofer sei gegen Bttigschaft schon
auf freiem Fasse. Die Citinmg landschaftlicher OfiGciere und
Diener dürfe man nicht so unwillig aufnehmen ; sei der Landa-
fUrst doch befugt, auch Herren und Landleute selbst zu citireD.
Dabei wird die Annahme, als ob ein Verdacht der Untreue
auf Land und Leute falle, aufs Schärfste zurückgewiesen nnd
den Herren und Landleuten ein glänzendes Zeugniss über ihre
in allen Zeiten und allen Lagen bewiesene unentwegte Treae
ausgestellt, das umsomehr ins Gewicht fällt, je Öfter und nach-
drücklicher vor und nach diesen Tagen in jesuitischen Kreisen
die Verdächtigung des steirischen Herren- und Ritterstandes
betrieben wird; der Erzherzog, heisst es da, wisse nichts Anderes,
als dass diese Landschaft gegen seine Vorfahren seit unvor-
denklichen Jahren her in bester Treue und Aufrichtigkeit ret-
harre, er halte die Mitglieder der Landschaft sammt und sondeis
für solche Biedersieute, denen man keinerlei ,Lifidelität oder
Diffidenz', wohl aber nur Gutes und Liebes zutrauen dOrfe.
In dieser Treue würden sie auch in Zukunft sich stets be-
' Regütratnr.
335
währen und sich , durch keinerlei Zustand davon abwendig
machen'. Diese Hoftnunp des Erzherzogs hat sich an dem
innerösterreichisclien Ilerrenstande bekanntlich bis aufs Wort
erflilit. Der Erzherzog geht in seinen Behauptungen noch
weiter: Die Verletzung des Briefgeheimnisses bedeute gar kein
Misstrauen gegen die Landschaft, sondern sei nur ein Mittel.
damit , etlicher Privatpersonen bereits gespürte untreue An-
schläge besser an den Tag kämen und künftiger Verrath ver-
mieden werde'. * Er spricht den Grundsatz aus — an den er
sich freilich nicht hält — dass ein LandesfiU-st gut thue, bei
der Besetzung der Aemter sicli zuniichst an Eingeborene zu
halten. Mit grosser Deutlichkeit lässt er durchblicken, dass er
die steirischen HeiTen und Landleute gern befijrdern werde,
jwenn sie sich auf seiche tugendliche und ritterliche Sachen
begeben, die sie zu dergleichen Würden tauglich machen', d. h.
wenn sie katholisch werden. Wider die Anwürfe brutalen Vor-
gehens der Jteligionsreforraationscommisailrc im oberen Enns-
thale nimmt er diese in Öcliutz: ,Wem aus den Landicuten ist
ft verborgen, dass l. D. dazu gezwungen wurde? Der ungehor-
samc Trotz, vielfacher Despect und Rebellion bei diesen groben
bethörten Leuten habe dermassen überhandffeuommen, dass die
1. f. Autorität und Reputation in Gefahr stand, ja ein allge-
meiner landschädlicher Auflauf befürchtet wurde.' Dem habe
»man begegnen müssen, und dies sei mit glimpflichen Mitteln
geschehen, wo aber diese nicht halfen, sondern diese Leute ,in
ihrer unsinnigen Halsstarrigkeit verharrten, mussten schärfere
_ angewendet werden, und es sei nur billig, dass der Erzherzog
I dies nicht an seinen eigenen KammergefUllen zu entgelten habe'.
Sogar der ,EingriflF ins Landhaus' wird als etwas Unverftlng-
liches hingestellt, ,solcher Actus werde dem Lande an seinen
Freiheiten nicht präjudicierlich sein', .dem BuchtXlhrcr aber auf
sein Anhalten gebllrlicher Bescheid gegeben werden'. Was die
landschaftliche Druckerei betreffe, seien nur die Vei-fÜgungen
der allgemeinen Mandate in Anwendung gekommen, deren In-
halt keiner besonderen Auslegung bedürfe und von dem die
hiesige Druckerei nicht exempt sei.*
' Duch wieder ein Hinweis auf Knudelberger. Siehe nnten Beilage Nr. 13.
* L.-ArchW, LandUgMcteo, L.-H., tom. XLVI, 97—106; siebe nnten Bei-
lage Nr. 13.
336
Die Landschaft antwortete hierauf am 5. Febnur: sie
dankt fllr das bewiesene Entgegenkommen, bringt aber oen«
Klägern wegen der bei der Post und gegen Kandelbergor und
(fabelkofer gescbfihenen Uebergriffe vor.' Den im Lande au»-
gestreuten Reden nach handelte es sich gar nicht am diece
beiden Personen. .Durch die Torquiernng Kandelberger's and
die Examinieruiig Gabelkofer's sollten hauptsächlich eiDC ehr-
same Landschaft und derselben getreue Mitglieder gcanclit
werden,' was diese nicht auf sich sitzen lassen durften. Um
so erfreulicher sei ihr nunmehr das vom Erzherzoge ausge-
stellte glänzende Zeugniss ihrer unentwegten Treue. Sie dürfe
erwarten, der Erzherzog werde auch in Zukunft durch ihre
Gegner sich von dieser Ueberzeugung nicht abbringen lassen.
Allerdings sei die Citation von OtTicicren der Landschaft an
sich keine Neuerung: sie dürfe aber nicht in dieser Weise ge-
schehen. Man habe gegen eine verbale Citation nicht viel,
sehr viel aber gegen diese reale einzuwenden, nach welcher
auf das blosse Angeben ihrer Missgönner Landschaftsdiener
gleich nach .geschehener Aufforderung zu erscheinen indicfa
causa, unverhört und unüberwunden, ins GcfUngniss geworfen
oder aus dem Burgfrieden gewiesen, ja selbst aus dem Laiidi"
geschafft werden'. Am 5. Februar wurden seitens der Land-
schaft Veit Pelsshofer und Karl Viechter aufgefordert, sich bei
dem Regimentsrathe Dr. Angelo Costedi ,wegen verwilligter
Zulassung zum verhafteten Kandelberger' anzumelden, am bei
ihm ,wegen des ihm anvertrauten Proviantscheines Erkundigung
einzuziehen'.* Diese fand in den nilchsten Tagen statt. Am
16. Februar richten niimlich die Verordneten ein neuerliches
Anbringen an den Erzherzog, , weilen Kandelberger tiber die
gehaltene Besprechung wegen des ihm anvertrauten kriege
zahlmeisterischen Proviantscheines so viel Auskunft gegeben,
dass er denselben uebst den anderen Sachen hieher überschickt
und er hierorts in Verwahrung liegen soll, so bitten sie, die
Examinationscomniissäre anzuwei.scn, die Herausgabe zu ver-
ordnen'.' Das mochte wohl geschehen. Kandelberger aber
wurde damit selbst noch nicht erledigt. Wllhrend sein Leidens-
genösse Hans Adam Gabelkofer längst wieder im Diensto i\'-r
* Conc. null Cop. L.-Archiv, L.-M. Siehe unten Beil«^ Nr. 14.
' RegriKtrntiir. ' Ebenda.
337
Landschaft stand und seit der Äusschaffung des tandschafllichen
SecretÄrs Fischer mehr als vordem beschäftigt war, lag Kandel-
berger immer noch in Banden. Am 8. December 1*300 gaben die
im Landtage versammelten Herren und Landleute eine neuer-
liche Bittschrift an den Erzherzog ein.' Sie erinnern daran,
daas sie bereits im verflossenen Landtage eine solche einge-
reicht, ja schon am IG. October 1599 um die Entlassung
Kandelberger's gebeten hätten. Man möge doch nicht die
Excesse des Agenten, falls solche vorgekommen seien, von
denen man aber nicht das Mindeste wisse, bedenken, sondern
seiner in die 17 Monate währenden Gefangenschaft eingedenk
sein, dass er Hab und Gut verloren, seine gute Bestallung ein-
gebüsst, ja des edelsten Kleinods, das ein Mensch besitzen
könne, seines guten Namens verlustig gegangen. Wenn er
irgendwelche Privatexcesse begangen haben sollte, so seien
diese durch .seine sehmerzüclie und ,fa8t übermenschliche
Tortur, Marter, Folter, Pein und Brand mehr als genugsam
gebüsst*. Man möge schliesslich auch die früheren Verdienste
Kandelberger's erwägen, die Dienste, die er dem Erzherzoge
selbst, seiner Mutter und dem Erzherzoge Maximilian, jener
,in gehaltenen emsigen Corrcspondenzen', diesem ,mit Beför-
derung des Proviantwesens im Petrinischen Feldzug' geleistet.
So könne er bei seinen ausgezeichneten Qualitäten auch fllrder-
hin noch gute Dienste leisten. Schliesslich werden auch noch
die Verdienste seines ganzen , adeligen* Geschlechtes, nament-
lich die seines Oheims um Erzherzog Karl II., dessen lapg-
jähriger Kamraerrath und Diener er gewesen, stark herausge-
strichen; seine Brüder und die übrigen Verwandten und
Verschwägerten hätten sich sowohl inner- als ausserhalb des
Landes stets wohl verhalten, noch gegenwärtig stehe seiner
Mutter Bruder Kulmayer (Kulraer) am bairischen Hofe in
sonderer Gunst und sei dort seit etlichen Jahren , Küchen-
meister'. Der Erzherzog möge die dcmüthigen Fürbitten seiner
ganzen , ehelichen Freundschaft', wie sie der Landtag bei-
schliesse, gnädig betrachten und ,den armen gefangenen Krüppel
noch wäiirend des Landtags an deme herzunahenden freuden-
reichen Weihnachtsfeste dieses zu Ende gehenden Jubeljahres'
begnadigen.
> Siebe Beilage Nr. 16.
338
Auch diese im demlithigsten Tone abgefasste Bittschrift, an
der der gesammte Landtag, die katholischen Mitglieder einge-
schlossen, Antheil hatten, blieb vorläufig ohne Erfolg. Schon
wenige Wochen später, am 22. Jänner 1601, sandte die Land-
schaft eine neuerliche ,Anmahnung wegen Liberierang Hans
Georg Kandelberger's' an den Hof,* und erneuerte dann am
24. Mai ihre Bitte um eine gnädige ,Resolution auf die im Land-
tage für den Gefangenen eingebrachte Intercession'.' Auch an
die Braut Erzherzog Ferdinands war in der Angelegenheit
Kandelbei^er's ein Intercessionsschreiben gerichtet worden,
aber wie alle fillheren erfolglos geblieben.' Wie es scheint,
erhielten die Verordneten und die gesammten Landtagsmit-
glieder auf ihre letzten Bittschriften nicht einmal eine Antwort.*
Gleichwohl Hessen sie nicht ab, eine Intercession nach der
anderen an den Hof zu senden. So bat die gesammte Land-
schaft am 23. März 1602 ,die alte Frauen, Wittiben, Maria
Erzherzogin von Osterreich', sich bei ihrem Sohne um Er-
ledigung Kandelberger's zu verwenden.* Auch diese Verwen-
dung hatte zunächst noch keinen Erfolg, denn noch am 3. April
1602 schreiben die Verordneten an Erzherzogin Maria, ,sie
wolle bei ihrem geliebtesten Herrn Sohn Ferdinand fiir Hans
Georg Kandelberger wegen seiner langwierigen Gefängnus die
Erledigung sollicitieren und intercedieren'. Damit schliessen die
Nachrichten, die wir über diesen Mann besitzen. Es scheint,
dass er bald nach dem genannten Datum die langersehnte
Freiheit erhalten hat; es wäre sonst sicherlich noch das eine
und andere Intercessionsschreiben an den Hof gegangen; die
landschaftliche Registratur aber, die sehr sorgfältig geführt
wurde, weist hiertlber nichts aus. — Peinlich hat einst die
Meinung ausgesprochen, dass die Freilassung Kandelbei^er's
und die Schenkung des einstigen protestantischen Stiflsgebäudes
seitens der Landschaft an die verwitwete Erzherzogin, die das
' Registratur. ' Ebeuda.
' Siehe Peinlirh, Die Egkennperger Stiift zu Graz im 16. und 16. Jahr-
hundert, S. 60: ,weil,' heisst es dort, wofiir ich in den Acten aber keinen
Beleg gefunden habe, ,derselbe die abverlangte Verantwortung auf die
Anklage wegen Hochverrathes noch nicht zu Stande gebracht hatte.'
* Sonst miisste sich in den Registraturbücherii der Landschaft irgend ein
Vermerk finden, was aber nicht der Fall ist.
»Beg.
339
Gebäude zu einem Kloster für die Clarissinncn UEOgestaltete,
mit einander in einem engen Zusammenhange stehen. Die
Landschaft habe durch diesen Act des Entgegcnkoramniis auf
die Erzherzogin einwirken wollen, dass die lang ersehnte
Freilassung Kandelberger's endlich erfolge. ' Die Sache ist
möglich, aber man muss doch betonen, dass sich in der
Schenkungsurkunde nicht der mindeste Anhaltspunkt für diese
Behauptung Hndet. Ist Kandelbergor schliesslich entlassen
worden, weil sich fllr seinen angeblichen Hochverrath trotz
Ketten und Folter kein Beweis erbringen Hess? man darf es
annehmen. Wie hätte sich Kosolenz irgend etwas, was einer
Schuld des Angeklagten gleichsah, entgehen lassen, ohne dies
in seiner Weise gegen den Herren- und Ritterstand und die
ganze protestantische Beamtenschaft des Landes auszunützen?
Es hat Stimmen gegeben, wie die v. Kalcliberg's, die gemeint
haben,* Kandelbcrger habe seine Verbrechen dui-ch Enthauptung
gebUsst. Daran ist kein wahres Wort. Denn, abgesehen davon,
dass die Landschaft, die den Angeklagten stets fllr unschuldig
hielt, in offenem Landtage laut Beschwerde erhoben hätte, wo-
von sieh aber keine Spur findet, finden wir ihn im Jänner des
Jahres 1(304 auf freiem Fusse. In den Ausgabenblichorn des
Landes findet sich unter dem 28. Jänner d. J. eine Zahlung an
ihn gebucht: ,Herr Hans Georgen Kandelbcrger 3135 fl.' Hält
man diese Thatsache zu der, dass nach dem oben erwähnten
Intercessionsschreiben vom 3. April 1602 kein weiteres mehr
abging, während die Landschaft zuvor in dieser Richtung un-
ermüdlich thätig war, so lUsst sich wohl kein anderer Schluss
ziehen als der oben angegebene. Gleichwohl erscheint es immer
räthselhaft, dass seiner fürderhin in den Acten der Landschaft
mit Ausnahme jener einen Stelle nicht mehr gedacht wird.
* Poinlich, Dio Egkennperger Stiflft, S. 60, Note. Die Schenkuiigsnrkimde
in Peiiilich'« Geschichte der evangeÜBcbeii StiftMchule, 8. 31. Siehe
«ach Schuster, Martin Brenner, S. 696. Wenn Schulter meint, dssa der
bessOgliche LandtagsbeschluHS gefnsst wurde, weil, wie es ach eint,
grOsstentheils Katholischo .inwesend waren, ao ist bei F. M. Meyer, Ge-
schichte der Steiermark, S. 264, die Behauptung: ,der katholische
Theil der StSnde fasate den Bcscbluas, dies Gebäude im Namen
E. E. Landschaft an die Erzherzogin au schenken*. Weder für das Eine,
noch filr rlaa Andere liegt ein Beweis vor.
* Der Gratzer Schioasberg, Graz 1866, S. 37. Siebe dagegen schon Ro-
biCsch, Geschichte des Protestantismos in der Steiermark, S. 194.
S40
Man kann das nur ao deuten, daaa er nach den tnmngen fr
fahnuigen, die er batte madien mOaaen, sich «na don Offat-
liehen Leben, dem mch Ghibelkofer nacli seiner FreikHai
inuneiliin noch gewidmet hatte, ganx znillckxog;. Die FraU^
die er eriangte — nnd dies trotz der den protestantii^
Sttnden so wenig günstigen Stimmnngen ba Hof — mi» ib
ein weiteres Zeichen angesehen werden, daas sich ftr aeiM
Sehiild keine Beweise ergaben.
BEILAGEN.
Die Verordneten von Steiermark an die von Kärnten: tJMfei» iknen mt,
dass sie vor wenigen Tagen ihren Seeretär Hans Adam CttMkofir m
den kaiserlichen Hof nach Prag gesandt haben, um dort beim Kaisir
um eine Intercession in diesem betrüblichen BeUffionseuatande ann-
langen, und fragen, ob sie dies nicht auch thun wotlen. Sie miSehte» m
diesem Falle die Bittschrift durch diesen eigenen Boten senden; um
tperde sie an Chbelkofer beßrdem. Gras, 1598 November 10.
(Cone. Steiermark. L.-Archiv, Chron.-R.)
Die Verordneten von Kärnten an die von Steiermark: bestätige» ien
Empfang des vorigen, durch einen eigenen Boten Übersandten SdtreibeK,
dass sie ,in Geheim' ihren Seeretär nach Prag abfertigen. Sie hätteim
gern gesehen, wenn man sie früher benachrichtigt hätte, denn wenn mm
bei Sr. M'. mit einem Bittgesuch erst so lange ,hintnach' konane, xirie
es I. M*. ein besonderes ,Nachgedenken' verursa<^en. Sie fürchten, et
werden alle drei Länder bald in die Lage kommen, ihre Beschwerden
bei L M*. amubringen. Qrae, 1598 November 16.
(Orig. Steiermark. L.-ArohiT, Chron.-B.)
341
3.
Die Verordneten von Kärnten an die von Steiermark: Gutachtcfi wegen
einer Zusammenkunft von Abgesandten aller drei Länder, die nicht in
Crrae, sondern an einem anderen Orte erfolgen möge. Thcilen mit, ices-
halb sie Dr. Schleipncr nicht aufnehmen können. Klagenfurt, 1599
Odobcr 12.
(Ori^. Steiermilrk. L.-ArchiT, Clhroii.-R.)
. . . halten die von den herrn . . . angedeutß znsaiuenkunft zwar
aach irestails für aiu sondere hohe notturfft . . . dieweil inen aber dise
tag glaubwürdig' fürkunien. dasB uit allein mit Hans Ger)rgra Ehaadl-
berger ain ganz scliarfnr process fürgcuümen, sondern auch nach
E. E. Steyrischen L. secretarien Hans Adamen Gablkhofer gegriffen,
derselb gefengmisst umJ alberatt ubl tractirt, daneben aber auch noch
anderen mehr wolgenanter landschaft ofh^icren nachgestellt worden sein
solle, so haben sy die herrn und landleut . . . sollicbe . . . Zusammen-
kunft in Grätz anzustellen . . . iimb so vil mer sondere hohe bedunkeu,
seitenialen auch 1. F. U, in der« resolution denen Khürnern und Craiuern
ir jOngste dahinkunft gegen Grätz (als I. F. D. aigcuthumblichen statt)
und aldorten gehaltnor couveuticl zum höchsten ungnedigist verweisen
und aufs künftig inhibiru, sondern hielten dieselb etwo an ainem andern
gelegnen, I. D. nit aigentbumblichen angohOrigen ort anzustellen für so
ganz rathsamb, als sj dessen ehiste vertreuliche benennung von den
herrn erwarten und sodann auch etlicb qualiQcierte herrn und landleuth
Jarzue fürnemen und zu vergiicbner zeit dabin absenden wellen.
Als wol wir auch nit unterlassen, »ngedeute f. resolution . . .
etlichen unsern theologis und rechtsgelerten zu notwendiger ponderir-
und gebürlicher fundierter beautwortung und ablainung . . . zuezu-
stelleu.
lielangent . . . Dr. Schleipner, wollten wir . . . gern willfaren, es
fallen aber sowol bey uns als denen andern herrn und landleuten dise
ainhellige . . . bedenken für, dass wan df^rgleichen sonderlich aber die
aus I. D. landen geschalTnen prediger (wie es von denen in Crain
begert worden) alber genomen wurden, man I. F. D. auch dieses
hieig ev. christliche miuisterium . . . nmb so vil merere anzufechten ur-
sach geben, auch besorgenlich dieselben alher genommnen praedicauten
mit ebenmässiger scherff von dannen widerumb ausgeschaifen werden
mrichten . . .
342
4.
liic Vrrordndin von Kärnten an (Im ErhuutermiirschtiU ton Stehrifir
Wolf Freiherrn ron Saiirau : Da rirle durch Boten abgesandte S<:hn-M>:
diesen durch die Graser Guardia und andere Personen abgen-'miiht
irerden. senden sie obiges Schreiben an ihn mit der Bitte, es diu .J/f-
reririindtnr siilomtnen .-« hissen. Klagen/'art, l't'J!) Oct<>ber IJ.
(Ori;:. Stoierinärk. L.-Arfliiv, Cliron.-R.)
Poii einen Tlioil <les obifton Sclireiben.s orledig^ou die Steircr iliirri
«Liio Zuschritt an die von Kärnten und Krain: Da der ,Stcrl>eIäuft-- iu ün
««-o-^on die Zusammenkunft dort nicht müglidi sei, lialteii si« Klagcnt'crt i'-
_— ^»n^nit, ersuchen um die Uonenniiii); eines Tapes; man worde fiiut lii* -r' '.
H«?:r«-n liinsenden. Mittheihni); de» linitjilen Vorjrtdioiis (rejr>.Mi die (irü'
-ir . tY*kirohe und pe-fcn Uahelküfor. Graz, 15S>'J Octuher 1:"» (Cunc. •-i«'W'i
^;^/-k)»:r,ir/( Wotf'iianp Jöchlinger an Ferdinand II.: Krstnttet Ihr"''
,^,«'1 ".IS Verhör mit Kandelbenjer und Gabetkofcr. Graz. Ij'i
< Mober (!.
II.- II.- u. t<t.-A.. Steiermark. Fase, it.)
;j.3,r'--
■.v".-.'.ti:>.'1iii^'istcr . . . I)i'i>«'ll>i-ii solireibou Vi>iii 5. liit» li:t:'
::; •.iu<.hli:ss . . . eui]d'aii^'Oii. Daraiif aucli stiaw? ii:i'.:.
..-«■■..ir: ll.ir:-. ;• ir> schickt uii.i iinr bi'volcin'ii. liass i-r K. l). scliiv.:--..
^^t ':.•'.■<:■:■ tr.iu mutt-r liem lionn .-n-ietari W <'st>'iiiai;li>.'r i-iii.-.ii. ■-- .
,- ^. »o'.!.c:;!# o:- uii/wrifriilich volzviriMi iiiiil K. 1). . . . .-iflbst ■►■i''.:-
<».■> l *
' ■ -r i*ie hr!Tii CvMMiui^sirü habi'ii iiacht''n s^i-woU Jen Khanil:.'!-].:-': ^ ■
• ,; kh'^ •'•■.■ s:-^t;iu' wi.i..M- bespradit. Ixt ■•biir- wi.leri u.-l't ili.> lu::!-
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■ -1 »■■■'' V-"»-"- >t"'!i''i' pfiudlichcii ;ni--<air Siii.|(.'r.icli..'U a.n .•iii_'!:i.':: :
~ .TJi\ K- ^- 1^- -'i' J":»cheii (uliT /.u tiitt.-!!. al> • aucli .It-r^i-ib.-ii fnV':
IT**'
_-or Ulla -lie juiisTe hor!>chaft zu lachi^i: al^.i ar.di ..la.ss las Jiwvli ■'.-:
,.j-v obhswu tfrsucclite froiiibiie roirimoin niui iiii> irniuitzt;i zu .ii.-i':
"^ ^^ i".. Vraucbru. Er sairt. er iiabs au^ i;i>risr'-r i>fiMii:uiiL' l'.kh':.'
_ " ,_, iV.kiivver >.«ll zinibliclie irlaubivir.li<ri- au.ssair L'othaii lia';"::!. ">.
* . ^j-i f.'r.:x*äarii ansrezaigt. ILut haben 'iio i.'omnii>saiii d<u yä-.vS
^ — ■ ».>•: iinaaff brinaron. den Kbaii,ili"ri,"i" bin,i.:-u iml iie i.:;-ii
»^ rf=i-i. L.ö Licül in willen iiie zu tOMiuiien. Was nun sein -..i;:
_-.iz.>: • »;~rr ilmendo aussasr-'U mit sich biinff..-u. werd-u <i'.'
343
E. F. D. strags erindera. Der Bchriften wegen werden sie beede auch
vleissig befragt werden, wie ichs inen commissarien von E. F. D. wegen
bevolhen, und wirt nirgeiit ainiger vleiss gespart.
Gestern sein die herrn verordneten zu mir khomen, bittent inen
anzuzaigen, ob I. D. den Gablkhofor seiner oder E. E. L. verprechen
willen einziehen lassen. Da babe ich inen zu bescbaid geben, sie soIIpu
ir notturfft bei E. Ü. anbringen und wo vill mir bewOsst, war er nur
seiner verprechen willen t<iiizog(;n worden. Unib das heutig examen hab
ich noch kein wissen, denn die commissarii den ganzen tag üben im
gschloss sein. Ir veiTichtung kombt hinnach. Der secretari Harrer
khombt zu E. F. D. mit einer autiende hinab. Die habe ich mit h. stat-
halter beratschlagt; die werden E. F. D. von imo Harrer gn. anhören.
Die zwai stattthör sein spört und werden allenthalben vleissig
wacht in der statt und gschloss gehalten, diss niiicht allenthalben grosse
forcht nud vill nachdenkens.
HeiT 1. haubtmann ist heut auch bei mir gewöst und hat mir ein
ausfürliche apoiogiam seiner Unschuld entteckt, die E. F. D. zu derselben
gläcklichen herkonfft ich geh. referiern will. Sonst stehen alle sachen
alhie in gueton terniinis und wünsche E. F. D. von Gott dem allmechtigen
lange glQkhselige regierung, nberwindiuig iror feinde und alles, was iro
leib und seil nützlich und aiigenerab ist. Beinebens derselben mich zu
genaden underth. bevelhent. Grätz, den 6. tag Octobris anno 99.
E. F. D.
underthenigister diener
(Orig., Siegel .-rnfgedrückt.)
W. Jöchlinger.
Die Vcrwdncten von Steiermark an die von Kärnten und Krain: Die
genteinsame Zusammenkunft könne der Infection tccgeti in Gras nicht
Stattfinden. Es empfehle sich Klagenfurt. Bitte, den Tag festzuseteen.
Miliheilung dn Gewaltthnt gegen die Stiftskirche in Oraz, den Secretär
Gabelkofer und die evangelischen Leute in Obersteier. Graz, 1599
October 15.
(Cono. Steiermark. L. -Archiv, Cbron.-R.)
Wir haben gleichwol den herrn vom B. . . . Septembris bei aignem
potten sovil fr. angedeut, dieweil auf I. F. D. . . . in dem betrueblichen
religionswesen ervolgte haubtresolution, wie sie genennt will werden,
344
diser getreuen Steyr-, Eärner- and Crainerischen evangelischen iand-
stende höchst unvermeidliche notturfft in alweg erfordere, zu haabtsach-
licher beautwortung derselben ein gesambte reife und wolerwogene
beratschlagung mit allerehistem farzunemen, welche die n^st alhie
besambiet geweste Steyi'ische herrn und landleuth under die schienst ta-
gehunde Steyrische laudts- und hofrechten, so auf Montag nach Martini
iren lauif haben sollen, anzustellen und damals von den herrn aas
Kärnten wie auch den Herrn aus Crain etlich fürneme herrn und
landleut alher zu erscheinen für thuelich und rathsamb erachtet, da-
her wir auch nicht zweifeln, die herrn ires thails durch deren theo-
logoB und Juristen auf dato in Sachen ein guete fürarbeit thnen und
ire wolgegründte behelf zusamen und aufs papier werden haben
bringen lassen, nun aber sichs laider mit denen sterbsleuffen alhic
in Stelr an vilon unterschidlichen orten je mer und mer so g^iicb
thuet erzaigen, dass umb desselben willen berüerte Steirische rechten
und die landshauptmannischen verhören under jetziger der Steiri-
schen herrn und landleut alhieigen starken versamblong bis nach
Trium Begum negstvolgenden 1600 iars haben müessen verschoben
werden und jedoch die lengere difTerierung obangedeuter höchst notwen-
diger zusamenkunft und resolutionsberatschlagung wolgedachten dieser
lande treuen ev. ständen auch sovil tausent interessierten christlichen
Seelen und glaubeusgenossen zu höchster verderblicher seelengefahr ge-
raichet, also und zu mflglichister maturiernng derselben haben obwol-
eimelte jetzt hiewesende Steirische herrn und landleuth nicht aus dem
weg zu sein befunden, weil bei den herrn zu Clagenfurth wegen der
sterbslnflf bis dato gottlob noch gueter luft, dass sy ihnen verhoffenüich
bemolte . . . berathschlagung daselbst anzustellen, auch iresthails selbs
ein anzal Eärnerische herrn und landleuth darzuezuziehen von E. E. L.
wegen nicht werden entgegen sein lassen; auf welchen fall ebenmässig
von hie aus fünf oder sechs Steirische herrn und landleuth ohne ferrem
langen aufzug hinein abzufertigen und was damalen in Sachen zu be-
trachten und zu beantworten für unumbgenglich befunden, solches mit
bstendigem giund und ansfüorung zusamengetragen werden, auf iass
man hernach zu negstkunftigen Steirischen landtag damit gefasst sein,
auch die herrn aus Eäi'nton und Crain, wie heuer beschehen, ire ge-
sandten widerum alherschickon und solche haubtsachliche beautwortung
gesambter I. F. D. geh. zu überraichen glegenheit suechen mügen. Zu
disem ende nun wir von den alhieigen Steirischen herrn und laudleoten
wegen zu den herrn zaiger dits Hansen Schweighofer mit sonderm fieiss
wolmainlich abzufertigen nicht haben underlassen sollen, fr. und nach-
345
bai'lich gesianent, sj wellen Bich hieiüber fr. erclären, auf welchen on-
verlengten fm-derlicben tag inen diso obangezogne höchst notwendige
zusamenkunft olda zu Clagenfuit gelegen und solches nicht allain stracks
zurück durch eignen potten sondern auch den herrn verordonten in Crain
bei disem unserni abgefertigton offlcier, dem wir seinen weg dabin in
Crain zu nemen beveJcb gehen, unbeschwert erindorn, sodan es unsers-
thails mit unverzüglicher hiuabfertigung der deputierten Steirischen herrn
und landleuth nicht solle erwinden. Uiebei wir sonsten die herrn mit
sonderer betrilebnus unberichtet nicht sollen lassen, die werden es auch
aus den eiuschlüsseii mitleidig Ternehmen, dass sich ein bochbeschwar-
licher unfaü nach dem andern bei uns alhio erreget, seitemal I. F. D.
nicht allein vor zweien tagen durch drei derselben n. C. regimentsrath
E. E. L. frei aigenthninblich zugehörige alhieige stifTtkLi'chen mit gwalt
aufbrechen und eröffnen lassen, sondern es ist auch derselben diener
und Terpflichter secretari herr Adam Qablkhover vor etlichen tagen
durch ein f. caint^rdiener gen hof erfordert und unvenneldet ainichor ur-
sach von denen herrn auf dem albieigen f, haubtschloss anfangs in
schwere tflrkengefängnus geworfen worden und obwol die anwesende
heirn und landleuth von E. E. L. wegen in aim und andern die notturfft
ausfüerlich und stark genueg schritft- und mündlich bei I. F. D. auge-
bracht, so will doch solches alles iiu wonigisten nicht angesehen werden.
Also ziehen auch von underen des lands vierteln etlich hundert I. D.
underthanen im Eisenärzt, alda die armen leutb umb ire seligmachende
cv. religiousbekantnus willen aufs feindlichist und h««ftigist zu tribulieru
Daraus besorgenlich gar bald landverderblicher uni-atb, aufstand des ge-
Diiiin raans und alles fibel möchte ervolgen. Gott welle sich . . . Grätz,
den 15. Uctober 99.
■ Yerordente.
■ In simili an die . . . in Crain mutatia mutandis.
Die Verordneten von Steiermark an die von Kärnten: Antwort auf deren
Schreiben, betreffend die Zusammenkunft von Beptdirten aller drei
Länder und die Berufung Dr. Schleiptter's. Grae, 1599 October 17.
(Conc. SteiermSrk. L.-Archiv, Chron.-S.)
Was uns die herrn . . . den 12. d. . . . zugeschriben . . . haben
wir vernauien. Nachdem wir aber auf der in mehr betrüebten und
Arehir. LXUVUl. tld. U. llUfte. 88
346
wichtigen Sachen jetzt hie wesenden Steirischen herm und landlenth ge-
messnen Verordnung den herm noch vom voi^estrigen dato in angeregter
höchst wichtigisten msteri ir der Steirischen herm und landlenth md
unser volmainlich geschöpftes intent mit mehrerm schriftlich angaffiegt
und auch destwegen gemeiner landschaft diener Hansen SchweigichoTer
mit sonderm fleiss zu den herm nach Clagenfurth abgefertigt, als werden
sie aus solchem der herrn schreiben und sein Schweighofer's mttndliehw
relation die notturfTt zum benfiegen haben zu vernemen. Bitten allein
die herrn freundlich, sie wellen uns in sachen den durch sj bestimbten
tag unverzfiglich ehist zu wissen machen, darnach sy die Ton den Steiri-
schen ditsorts deputierten herrn and landlenth zn richten und hinein n
befördern wissen.
Im übrigen den Dr. Schleupner betreffend ist solcher ans disea
lande, weil er sein tag nie darin gewest, auch niemalen daraus relegirt
worden, daher es bei den herrn auf vernemung der sachen eigentlichen
beschaffenheit unsere verhoffens destweniger bedenken haben wirdet . . .
Welten wir inen neben communiciemng, was wir des Kandelbergers vni
Gabelkofers halb erst heut pro resolutione empfangen, fr. anf&egen . . .
Grätz, den 17. October 1599.
8.
Die Verordneten an Wolf Freiherm von Saurau: sieh triftiger Dinge
wegen unverzüglich eu seiner Verordnetensteüe eu verfügen. Grae, 1599
October 17.
(Conc. Steierm&rk. Ii.-ArchiT, Chroii.-R.)
Post scriptum: Was uns erst heut wegen des Kandelbergers ond
Gablkovers von hof zu bescbaid ervolgt, das hat der herr hiebei zu sehen,
als wol wirs auch den verordneten in Kärnten eingeschlossen haben.
Die Verordneten von Kärnten an die von Steiermark: Hatten mit Bt-
trübniss von dem unerhörten Process gegen die evangelische Stift^rdu
in Grae, gegen den Secretär Hans Adam Gabelkofer und den Agenten
Hans Georg Kanddberger vernommen. Zur Zusammenkunft ist Klage»-
fürt wohl geeignet, doch könne sie vor dem 15. November nicht statt'
finden. Klagenfurt, 1599 October 20.
(Orig. Steierm&rk. Ii.-ArcliiT, airoB.-B.)
347
. . . Haben mit ganz mitleidenlicher betrfiebnus vernomen, was be-
scbwärlicher hievor gewisslich unerhörter procesB sich abermallen vor
wenig tagen mit . . . E. E. L. aigenthumblicli angehörigen in der stat
Qrätz gelegeneu stifftkircheu durch Iren unversehens durch einen camer-
diener gen hof Gitterten und volgends iinbewust der Ursachen gefänglich
eingezogenen secretariu Hans Adamen Gabelkhofer und dstnn dem nun
ain gnete zeit an dem fürstlichc^n haubtschlüäs Grätz in gefiingknuB ligen-
den auch iro der Steyrischen landschaft iliener und iu Prag gehabten
agenten Hans tieorgen Khandiberger ereigent nnd wie ganz enfrig sich
zwar die heixn neben denen anwesenden herrn und landleiiten der Sachen
angenomen aber über alles geil, tiehen und bitten noch bisheru nichts erlangt
. . . Wie nnn ... in albeg zu verhoffen, des obgemelten gefangnen secre-
tarij Gabeifchofers und übel tractierten Kandlbergere Unschuld werde inen
zu irer efaeisten erledig- nnd freistellung erspriessen, also sullen wir den
herrn . . . anzudeuten nit unterlassen, dass in umbstendiger erwegung
. . . die . . . Zusammenkunft . . . alher in (iie stat Ciagenfurt anzustellen
so wenig zuwider sein solle, als wir ilieselb zwar unsere thails gern mQg-
lichist befürdern wolteu, demnach aber die . . . f. resolution erst nach
jängster der Khärnerischen herrn und landlenth alhieigen auwesenheit
etlichen vTolerfarnen zu deren eifrigen erwegung und gebürlich wolfun-
dirter ablainung . . . zugestelt worden, auch das . . . landrecht nun . . .
am montag nach Omnium Sanctorum sein anfang erraichen wird ... so
kau dannenhero solliche Zusammenkunft vor dem 15. . . . Novembris nit
wol fürgenummen werden . . . '
10.
Die Verordneten von Steiermark an die von Kärnten: .Antwort wegen
der zuvor in Kärnten berathscMagten Beputatiomschriß in Religions-
sachen' (und dass deshalb die Nothwendigkcit erfordere, zum Zwecke
weiterer Berathschlagung während des steirischen Landtages Gesandte
hieher abeuschicken. ,Item wegen Erstattung der ihnen dargeliehenen
Kandlbcrgerischen 200 Thaler'). Orar, 1600 Jänner 9.
(Conc. StaiennÄrk. L. -Archiv, Chron.-R.)
"^ "Und nachdem den herrn noch vor disem 200 taller, so Hanss
Georgen Khandiberger Ton inen zu verehren bewilligt, sein der-
• Wird von den Verordoeten von Steiermark am 21. October be»ntwortet
Der Tafr der Zusammenkunft wird anf den IG. November fest^setzt.
23*
348
gleichen durch die unlängst zu Clagenfnrth geweste Steyrischen com-
missari so munt- als schriffUich wegen der widerbezalung sein (aie) solli-
citirt worden, als ersuechen die herm in namen diser E. E. L. wir hienit
abermallen freundlich, sy wollen auf die eheste widererstattang on&ilbir
bedacht sein.
11.
Aus dtm am 10. Jänner 1600 dem Landtage erstatteten Beruhte der
steiriseken Verordneten über die politisehen und kirdUichen Beaekwerde»,
romekmlieh über die Behandlung Kanddberger's und Oabdkofer's.
(SteiermXrk. L.-ATchiT, Landtagsscten and Landtagshandlnngen, Cod. 46,
Pol. Sli-ff.)
Die neuerlichen beschwärungen aber, so E. E. L. dises vergälle
iar hero znegefflegt worden, sein thails laider dermassen betrfleblich be-
schaffen, dass do zu vorverschinen Zeiten und iaren sy, £. E. L., etwo in
gemain und landlenth in particulari zuwider alt herkomen, g^et gwohn-
hait und landshandvest am guet und dgl. gravirt worden, es jetio darbej
nicht thuet verbleiben, sondern iio haben derselben und unsers gemainen
gliebten vatterlands unbilliche widerwertige durch allerhand gschwindt
gfährllche process an irem in zeitlichen dingen alleredlisten schätz als
des von undenklich und vil hundert iaren treuerworbnen und wolher-
gebrachten löblichen Steyrischen gueten namens ehr und leimunds ein
solche ganz nuTerscbuIdte maculam fnrsetzlich anzuheng^n sich nnder-
wunden, dass es nunmehr nicht nur land- sondern durch die geschribnen
avisen &8t weltkundig worden, besorgentlich wol auch, wie oft in andern
^len ungüetlich beschicht, unlang gar in druck divnlgirt werden mecht«,
was nemlich E. £. L. für allerlay unerbar unpidermannische practic und
untreu wider I. F. D. . . . zu unterdrück- und Terstossung des-
selben mit vergessner beiseitsstellung ihrer pflicht, treu und erbholdi-
gung gefährlicher weis molirt haben solte, daher dan and weil auf sj
dergleichen unbillicher verdacht geworffen, seind bald nach fertigem land-
tag bey allen posten die schreiben intercipirt und aller ansechlich ge-
treuist erfundener mitglider brief und Sendschreiben, wo die auf der post
oder bey andern potten angetroffen und zu I. F. D. gehaimem rath und
hofvicecanzler getragen und alda eröffnet, darauf auch bald hernach, weil
aus denselben allen dergleichen untreue gewiss nimmermehr zn spfiren,
mit irem E. E. L. etlich jar hero besteltem diener und gewesten agenten
am kaiserlichen hoff zue Frag Hans Georgen Khandelberger, einem
349
jederzeit in ehren wülerkeDnten aufrichtigen golerten pidersmann ein
hievor in diesen landen nie erhörter ganz schmerzlicher und gefährlicher
process förgeunmen, welcher noch vor 7 ganzen monaten zu Prag bey
nächtlicher weil gfanglich eingezogen und in eisen verschmitter alher auf
E. F. D. haubtschloBB Grätz gefiert, nach langwieriger gefangnuH volgends
zn undersehidlichen malen gfletlich, vil mehr aber mit der schreck-
lichen tortur, auch feur und prand aufs greulich- erbarm-
lichist gemarttert, worauf er aber examinirt worden, davon
wurde er, wan es zu ordenlichen gebQrlichen process, den gemainen
rechten gemäss kommen solle, die beste auskunft zu geben wissen. Also
und zu noch mehrerm E. E. L. unablcBchlichem spott ist auch derselben
verpllii-bter dlener und geschworner laudsecretari Hans Adam Gablkover,
welcher E. E. L. in gemain und den herrn und landlonthon insonders
von seiner treu, erbar- und aufrichtigkuit zum benüegen bekant, ainsmals
und noch vor ainem viertel jar unversehens durch ainen camerdiener
gehn hof erfordert und als er seines gueten gwissens halb unbedenklich
erschinen, stracks unverhört auf gemelts hieigs f. haubtschloss in ein
bscbwärliche gfangnus gelegt und seithero zu mehrniainn mit starker be-
droung gleichuiässiger tortur scharf examinirt worden, und ob nun
gleichwol wir verordenten, wie auch die verschinen iars zu ctlich malen
besamblet gewebte herrn und laudlouth bei I. F. D. ditsorts gehorsambist
einkomben und dessen im namen E. algemeinen L. wie billich zum
höchsten erclagt und umb auskiinfft. warumen doch mit solchen E. E. L.
erlichen offlcieru und verpflichtem secretair so beschwer- und schmerz-
lich procedirt werde, in underthenigkeit gebetten, uns aber auch hierauf
ainicher gwerlicher bschaiil nit erthailt noch ureach ires Verbrechens
angezaigt worden, inmassen solches aus denen hinc inde abgangnen
schrifften und decretis hiebey sub litera I., do es die notturfft erforderte,
mehrers zu vernemen wäre, so erscheint jedoch, dass durch jetzt ge-
meiten process nicht fürnemlich dise E. E. L. gefangne diener sondern
haubtsächlich sy E. E. L. und die getreuen herrn und iandleuth selbst
ganz gfllbrUcber weis gemaint und gesuecht werden, seitemal dasselb
neben andern sonderlich aus I. F. D. an die herrn und laudleuth in
disen drei landen Ä. C. ervolgten religionsresolution mehr als überflüssig
zu spueren, darinen sich nachfolgunde starke anzug lauter be&ndt, wie
sich nemblich dieselben als I. F. D. mit aid und pflicht multipliciter ver-
pundene vasaln, landleuth, räth und diener unbeschaiiien, orgerlich ver-
gflndet, vergriffen, vom rechten weg der sitten abgewichen, item den
gemainen, ainfeltigen man im land zum ungehorsam und Verachtung der
I. f. übrigkait angeraizt, die grenitzen von ireni fürnemen gegen den erb-
350
feind abgebftlten, die Venediger zu irem uralten gegea das . . . haos
Österreich tragenden bass, neid and feindthatlichkeit wider I. F. D
land and leuth zu verarsachen und dergleichen, ja es haben auch nicht
weniger mit iren uhne scheuch öffentlich divulgirten beschwärlichen reden,
diejenige thails frembde Italianische commiBsarien und examinatorra,
welche bisher zn inquirir- und torquirung ements Kandelberger's ood
des secretari Gabelkovers depntirt gewesen, ander denen sich auch ein
Steirischer neu angenommener landmann Ludwig Camil Snardo befunden.
fOrsetzlich verursacht und so weit spargirt, dass nunmehr commnms
fama daraus worden, wie dise E. E. L. zumal derselben Stejrische lObl.
ritterschaft wider mehr höchstemente F. D. waiss nicht mit was fftr no-
treue und gefährlicher prodition ires aignen vaterlandts sich rergriffen
und ullerlay atrocissima laesae maiestatis crimina selten begangen haben,
zu dessen inquirir- und torqairang derselben diener und ofScier eing^
zogen und mit inen auf dato solchergestalt procedirt seje. Wie hoch dan
nun solchs alles E. E. L. in erweg^ng derselben Unschuld zu gemOeth
und hei'zen gehn und neben andern hieraus folgenden inconvenientien
dasselb nun auch das gemaine land- und hoch periclitirende grenrweetn
muess entgelten, das hat E. E. L. . . . zn ei-wegen. Wir als dersvlben
verordente haben solchs fürgeloffnen process effectum dahin auag»-
schlagen befunden, dass E. E. L. . . . credit in- und ausserlands . . . w
sehr gefallen, dass . . . das geringest geltlehen nicht mehr ist aufoi-
bringen . . .'
Also wirt auch ferrer mit andern E. E. L. . . . verpflichten dieoem
zuwider otTenbarer landsfreiheiten . . . und zu . . . confundiemng der
. . . verglichnpii Instanzen . . . von hof ab executione . . . procedirt . . .
inmassen nicht allein etliche derselben auf etwo blosse relation der wider-
wertigen bald für disen bald für ainen anderen f. geh. rath wie £. E. L.
canzleiregistratori Carln Viechter und dem canzleiverwondten Alexander
Neffen dis verschine jar begegnet, citiert werden, sondern es ist auch
gemainer L. geschworner schrannenadvocat M. Ulrich Holzer vor wenig
monaten, damalen I. F. ü. im Eisenärzt sich befunden, für den herrn
Statthalter erfordert und unverhört auch unangezaigt ainicher arsach io
gfftjigliche verhafftung ain guete zeit genunien worden. E. E. L. hat sich
zu berichten, was sie im fertigen Inndtag wegen derselben g'ewest«D
haublinans und bstelteu buechdiiickers Hansen Schniids in iren landtags-
schrifften bey I. F. D. geh. angebracht, bey welchem es I. F. D. auch
' Fol^n weitere AnsfBhmngen der Fol(ren des Niedergange« der Credit-
verbJUtaisse für die Landesvertheidigung.
351
damals haben lassen verbleiben, nnd als wir zn noch mehrerm Qberflnss
den herrn hofvicecanzler bienimen mündlich ersuecht, hat er uns selbe
lanter angezaigt. wie es sein, des Schmidfi halber seinen gneten weg
haben solle, aber dessen ungeachtet ist er seithero mit grossem ernst
von binnen geschafft und aller I. D. erblande auf ewig verwiscn worden,
dessen dann laider nicht weniger auch andere E. E. L. getreue officier
und diener ... zu befahren und zu besorgen haben . . .'
Nach gwalttbätiger aufprecb- und entziehung E. E. L. alhieiger
über 32 iar aigentbumblich possedirten stifftlrirchen (dabei sich ob-
ennelter . . . Suardo unlandsmannischer weis mi.ssbrauchen lassen),' auch
des proTosens eingrif in derselben stifftcoUegiun ist iro gemainer land-
schaft zn merklichem präjudicio und Terschimpfung an dero . . . land-
haus zuwider der ... in banden habenden freiheiten diser spot, gwatt
nnd beschwärung zugefüegt worden, dass . . . der alhieige bürgermeistcr
and Stattrichter sambt der statt guardi nnd vier Jesnitern unversehens
eingefallen und nicht allain in die darin vil lange iar gewoste buoch-
läden ohn alles vorgehundes verpot und ungewarnt eingriffen, was sie
von ev. bflechern alda gefunden, dieselben sambt vilen andern weltlichen
philosophischen nnd historischen bQechern hinweg genommen, auf
etlichen w%en zn den Jesuitern hinaufgofiert sondern auch beede thfir
darinnen im landhaus mit bewehrter wacht und überzognen lianen an
den roren dennassen besetzt und verstanden, dass sie solchen halben
nachmittag fast uiemands ein- noch ausgelassen; und ob wir uns nun
dessen im namen gemainer landschaft bey I. F. D. zum höchsten be-
schwärt, ist uns doch diser bschaid ervolgt, dass sy zwar solchen eingrif
ins landhaus und wegnehmung der buecher verordent, aber E. E. L. an
irer . . . freiheit nichts präiudicirt sein solle . . .
Etlichen . . . herrn und landleuten sein dises verwichne iar hero
zu vilmalen ire mobilia, auch zu bewehrtuiacbimg des 10. und 5. maus
nnd irer aignen henser auf dem land von den cramern und ans E. E. L.
Zeughaus in der statt alhie erkaufte arma und rüstung bei den statt-
tbören mit gwalt aufgehalten worden und als sie sich dessen erclaget,
' Klagen über den in Folge dessen einreiasenden Mangel an tauglichen
Officiuren, über die i^egeii den Vorschlag der Land-ichaft erfolgte Be-
setzung der Oberlmuptmauiisstolle zu Kreuz, über die vom LandesfUraten
begehrte Absetzung des Profosen Bitfaner, über die Ausweisong von
BQrgem, deren Verhaftung, das gewaltthStige Vorgehen der Boligions-
roformationscxminisaüre im Ennsthalo, die brutalen Uewalttliaten in
Strechsu, die Eingriffe in die Stiftskirche (siehe oben) etc.
* Die eingeklammerten Worte ausgestrichen.
353
presente, quäl li 111°'' S' iil paese et V. S. mi fano, quäl nii ä conzeso di
acetarllo, ancor che io non abia servitto V. S. dt tal favor, mi riservo a
bocba ringratiar il 111"° capitanio et li 111""' S' et V. S. di core mi ofero et
ricomando.
D. V. S. molto . . .
Carlo Scarlichio.
13.
IHe Erledigung der politischert Beschtcerden der steiermärkischefi Land-
schaft: Anerkennung der Berechtigung eines Theilcs ihrer Beschtoerden
und ihrer unentwegten Treue. Nur Eineeine Mtten sich vergangen wie
Kandelbergcr ; Gdbelkofer sei auf freien Fuss gesetzt. Die Besetzung
der Ofßdersstellen sei keine Neuerung. Das Vorgehen der Beligions-
reformationscommissäre im Ennslhale sei eu Erhaltung der landes-
fürstlichen Autorität nothtcendig gewesen. Der Actus im Landhause
und gegen die Druckereien bedeute keinen Eingriff in die Landesfrei-
heiten etc. Graz, 1600 Jänner 24.
(Cop. Steiermark. L.-Archiv, Landtagsacten 1600.)
Hit was beschwäfungea . . . dise E. E. L. ... ualaDgst ein-
korabou, haben 1. F. D. . . . vernomben. Und wie sie nun dieselben mit
gnaden . . . abgehört . . . also müessen sie auch anfänglich der warheit
zu Steuer . . . bekennen, gy, die getreue 1. habe zu süllichem anbringen
. . . guetes thails nit unbefuegto Ursachen, darumben ay dann auch
I. F. D. gn. wilfahrige erscheiniing umb so vil mehr im werk spüern
sollen: die dann unter andern dies E. E. L. mit nichten gönnen, dass sy
in den angedeuten Schuldenlast geruuneu und sich mit den fürgeloffnen
anticipationen so hoch vertiefen müssen. Aber solche und andere unge-
legenhaiten . . . sein fürnemlich den beti-üebten leQffen . . . zuezn-
scbreiben. Nach wellicher verstreichung sich auch der lengst ge-
wünschten refocilliening nnd erquickuug zu getrosten . . .
Und ist fürs erste ja ein hochbeschwärliche sach . . . dass von
den alten und neuen reichshilfsgeföllen gar nichts einkomben . . .
Die F. D. wissen sich . . . wol zu erindern, wie noch vor disem des
k. kriegszallmaisters Hans Georgen Eandelberger um 11.641 fl. 10 kr.
lautunileu Scheins willen ein begern an sy gelaugt und darüber ain com-
mission zu beeprechung sein des Kandlberger's verordent worden, dahero
nnn I. F. D. gänzlich dafür gehalten, die darüber zu beden thailen aus-
gangne Verordnungen betten alberait dazumal ir billiche volziehung er-
354
langt. Weil es aber mit I. F. D. nicht gerini^r befrembdang noch
dato nit goechnhen, haben I. F. D. dero n.-ö. regimentsrath Dr. An-
gelo Costedi vom neuen auferlegt, alsbald sich die von £. E L
verordneten commissarien anmelden . . . doss er sich stracks 6ad«o
lasse . . .
Ob ja wol I. F. D. ungern daran komben, dass sy aus dem jflnftt
herein gelieferten gelt, den reichshilfsgefiMlen E. E. L. portion mi
dritten thail davon nemben lassen, so ist doch wissentlich vrohin es 4
pur, lauterer noth als nämlich auf das desolierte haus und vestnng I^
trinin . . . angewendet worden, dann weil weder dise noch die andern
landschaften zu derselben erbaltung nichts contribuiem wtillen, I. F. D.
auch ihren «Iftern protestationen gemäss anderwärts nichts zu erhöben
gewist, haben sy zugleich kain anderes miti das nothleidende kriegtrolk
zn trösten und weiter zu erhalten für die haudt zu nemen gevist,
welches nun E. E. L. versehentlich so hoch nit empfinden, znmall di«
noth kaincm ge-satz nnterworffen, sondern ob dem . . . znfriden sein
werden, dass ihnen dise her dann genombne entlehnte geltsumma ans des
nagst einkommenden reichshfilfsgefäUen wQrklich erstattet . . . werden
solle. Dass die mitleidenden statt und markt . . . sogar ein geringes . . .
an iren fertigen aiischlag entrichtet haben und sonst mit irer steoer-
erlegung so saumbig erscheinen und an den drej nSf^st verflosseoen
jaren so ainen grossen ausstand hinterstöllig sein sollen, befrembdat
I. F. D. nit wonig. seitomall sy in einbringung der alten . . . stcosr-
restantcn aincn sollicben modum und linderung ... zu bnucba
pflegen, dardurch die stOtt und markt zu sollicher saumbsälligkeit «ul
kain ursach haben sollen . . . Damit aber ... die statt und markt in
der gebflr . . . gehalten werden, haben I. F. D. an dero n.-6. regierung
und camer . . . Verordnung ausgehen lassen . . .
Ain gleichniässic^e Verordnung soll auch auf die pfandschaftter, aof
kefiffer, auf widerkauf und I. D. aigenthumblichen hurrschufteu wegen n
(«rlegnng irer binderstelligen ausstände ausgehen . . .
I. F. D. wollen dr>r hofcamer auferlegen, eheist bedacht in seio,
hinföro (iu den anticipationen der bewilligten zapfenmass) . . . mit
mehrcrm reservat fOrzugehen.
In (lern punct der entsprungenen Wallachen Unterhaltung and die
für sy zu etlich malen dargebne profiautierung wie auch derselben . .
eretattung wfdlen I. F. D. . . . E. E. L. antwort erwarten . . .
Mit sondern gnaden vermerken ... I. F. D. und E. E. L., disssy
ungeacht solcher . . . beschw&rungen mit der landtagserclärnng nnd be-
willigung vortschreiten . . .
355
Und Bovil in specie Otten von Horberstorff . . . mit seinem brueder
Andreen . . . rechtshandl betrifft . . . weil die verhoffte erörterung bis
dato nit volgen wollen, gedenken I. F. D. die Bchleinige . . . befürderang
wirklich zu verorden . . .
I. F. D. wissen sich von zeit an ires gedenkens kaines
andern zu erindern, haben es ancb niemals änderst ver-
nomben and befanden, dann dass diese E. E. L. in Steyr so-
woll gegen I. F. D. als iron . . . vovfordern von undenklichen
iaren hero in beständiger treu ond aufrichtigkeit jederzeit
verharrt, halten nach die mitglider derselben sament und
sonders für solliche pidersleuth, dass sy inen anders nichts
als alles liebs und guets, noch immerfort und durchaus kain
infidelität . . . zuetrauen, sein auch diser gentziichen hoffnnng, ay
werdnn sich auch hinfflro nicht minder in diser hochrüem blichen treu
unaufhörlich erfinden nnd sich von kainerlay zaestand davon ab-
wendig machen lassen . . .
Dass aber auf ein zeit die clagte intercipierung und Affnung der
brief und Sendschreiben von I. D. verordnet worden, ist mit nichten zu
dem ende, dass in E. £. L. ein mistrauen gesetzt oder sy aines un-
gleicheu bezigen werden solle, sondern . . . destwillen beschechen, damit
etlicher privat- und particularpersoneii alberait gespuerte untreue au-
schlög besser an den t^ komben und künftiger unrath verhüetet werden
möchte, also dass E. £. L. iro diss so hoch nit zu herzen gehen lassen
noch gedenken solle, dass sy dardurch an mehr orten iren bis dato er-
haltnen gueten credit in die schanz gesetzt het«, dann weill solches sy
nit angehet, . . . hat sie auch dessen gar nit zu entgelten sondern ist
ditsorts allenthalben fär entschuldigt zu halten.
Alsvil aber ermeltes Eandelbergers einziehnng belangt, in-
massen dieselb 'lu Prag auf die gefundne verdächtigkeiten von I. K. M.
selbst vcrordent worden, also hat auch dero gn. bevekh mit weiterer
procedierung iilhie volzogen werden sollen, und hat Kandelbei-gor sonst
niemandts andern die schuld dises seines unglücklichen zuestands znezu-
messen. Darbey sich dann I. F. D. gn. erbotteu haben wollen, ime wider
recht und die billigkait nichts widerfahren, sondern auf sein defeusion
gebürlichermassen erkennen zu lassen; dessen nun zu erwarten, wie
dann der eveutus des handele beschalTenhait mehrern dilucidiern winiet.
Und weil E. E. L. secretari Hans Adam Gablhofer auf ir der
ganzen landschaft embsiges anlangen und in gehorsam angebottne
widerstetlung seiner Verhaftung fierait erlassen und auf freyen fuess ge-
stellt worden, ist seiner umb so vil weniger derzeit weitere meldnog zu
356
thun: aber aiumal ist nit in abred zu steilen, dass er sich obangedenter
Kandelbergeriscben verdiichtigkaiten nit wenig thailhafftig gemacht und
also T.u seiner person Torhaitnng genuegsambe arsach geben.
Die citierung E. E. L. und diener in I. D. namen ... ist fQr kain
80 hoch bescbwarlichc npnerung anzuziehen, dann sevtemail T. D. die
landleuth selbst zu erfordern befnegt . . . warumbcn solten iro dieoff
ain mehrer freyhait and vortl ditsfals haben? Es ligt aber alles an dem,
dass E. E. L. und dero berrn verordenten gemelte ire officier and diener
in officio und dahin halten, sich gegen dem herrn und 1. forsten nad
seineu gebotten trutziger weiss nit au£ctiiainen . . . damit bedürfte ei
kainer sollicher fOrforderung . . . welches sich aber in dem HansSehmidt
puechdiTicker mit nichten befunden . . .
Raines andern sein I. F. D. jemals gesinnet geweseu. dann eben
ire getreue landleuth vor allen andern frenibden zu furnemben iiiengt«D
und ämbtern zu befürdern . . . wann sj, die landUuth sich nor
änderst selbst durzue qualifi eiert und derselben ümbter fähig
machen werden . . . Darombun es dann an sonderlich an dem
hierin erwinden wirdet, dass sich jetzt ermelte Stejrisehe
landleute auf solche ritter- und tngenliche Sachen begeben,
die s; zu digniteten habilitiern . . . Und I. F. D. hotten auf di«
widerholung dises propositi und des jetzigen burggrafen hieigen haubt-
schloss kainen gedanken mehr gemacht, umb dass solicher articl TormaU
mit gnueg8amb(>r ausfüerung ablaint und I. D. darunter gebrauchter fneg
ad oculum demonstriert worden; darbei es dann auch billich verbleiben lu
lassen und dise antung desto unnotwendiger zu halten, allweil der schlose-
faaubtmau, als deme die haubtvestung principaliter vertraut, ain Stejri*
scher landtman, der «ihne das aineu burggrafen oder leitenarobt mit
vorwissen I. I). seines gefallens gegen seiner Verantwortung aufzuuemea
befuegt.
Und ob sich gleichwoll I. F. D. mit der . . . ersetzung der uber-
haubtmannschafft Grenz aines nngewAhnlichen modi gebraucht haben
möchten, so getrOsten sich doch I. F. D. gegen E. E. L. . . . nicht alli^in,
sy werde wider Felixen von Schrottenpach freyherms person alt
ainen landman und mitglied kein bedenken haben, sondern anch er sich
zu des lands und gemeinen wesens angenemben satisfaction jederzeit
verhalten. Und zu diser promotion haben ine seine treugoloiste dienst
hefürdert, dessen sich dann auch andere seinesgleichen in fOrfallenden
gelegenheiten zu vergwissen. Im Obrigen aber wollen I. F. D. E. E. U
ditsfalls beschochnen . . . anmeldens konftiger zeit unvergessan nad aUo
weitere befuegte clagen zu verhfieten bedacht sein,
357
I. F. D. ist zwar nit lieb sonder vil mehr allerdings zuwider ge-
west, die bewOste commiesion im nagst verecbinen herbst nach dem
Ennsthal abzufertigen: aber wcnne aus den getreuen landleuten ist ver-
porgen, dass I. D. gleicbsamb darzue genötigt und bezwungen worden?
Dann der ungeborsambe trotz, vilfeltige despect und rebellion bey denen
groben betörten leuthen deruiasseu überhand nemben, dass I. D. 1. f.
reputation, autoritet und würdigkait nit mit geringer besorgnng aines
algemainen landschädlichen auflaufs nnnmehr gänzlich periclitieren
wCUen. Ist nun aineni und dem andern zu handhabung der gerttchtigkait
und erhaltung des schuldigen gehorsambs was beschwäiliches begegnet
(wiewol sieh I. F. D. kainer so grossen particular bedrangnus zu be-
richten wissen), haben sy es nur selbst überflüssig Terursacht und inen
die ganzliche schuld in deme zuezuniessen, dass sy weder den gfletlidien
vordem gebrauchten mitlu, noch denen zu mehrmallun an sy ausgangnen
Warnungen nit stattgeben, sondern in irer unsinnigen hals-
starrigkait verharren wollen, also dass sy irer verbrochen und
dern thaühaftigmachung billiuherweis nur selbst und I. D. aus iren
camersgefOllen gar nit zu entgelten haben sollen, und B. G. L. wßUe
für gewiss halten, dass I. D. in einbringung der angcdenten anschlOg
alle gebürliche modoration gebrauchen zu lassen gedenken.
Von denen ans dem hieigon landthans genumbnen pfle-
chern wollen I. F. Ü. kain weitere ausfüerliche meidung thuen, sondern
über dasjenige, so sy in diser materi voimals beantwortt, altaiu diss
widerhülen, dieweilen sy sich iilberait lauter dahin ercläi't, sollicher actus
solle E. E. L. an iren habenden und wolhergebrachten freyhaiten gänz-
lich unnachthaillig und unpraejudicierlich sein, inmassen sy es dann
nochmallen cläriich mit gnaden widerholen, dass demnach sy, E. getreue
L., dcstwillen (I. D. zuversichtlichem versehen nach) nunmehr zufriden
sein, sich darunter guetwillig acquietiern und zu ruhe begeben werden.
Dem puechfüerer aber soll auf sein anhalten gebürlicher be-
schaid gegeben und ime zumall auf die befundene unverschuldung nichts
unbüliches zuegefüegt werden.
Demnach I. F. D. rath, camrer, bestöUter obrister und stattguardj-
hanbtman albie Christoph Farudeyser alberait hieber wider an-
kocnben, wirdet er dem empfangnen bevelch nach, den bewüsten ßind-
schaidtsohen mit der stattguardj vor dem tbor fürgelofTnen rumor-
handl der gebür nach wol zu rechtfertigen und die erkennte verprecher zu
straffen wissen . . .
Höchstermelter F. D. von wegen der buechdruckereyou im
landthaus ausgegangne generali sein aines so lautern Inhalts, dass sy
358
kainer anslegung bedürfen, nnd obgleich woU von E. E. L. alhieigen
druckerey kain sonder meidung beschiebt, so ist doch dieselb darron mit
oichten eximiert, wie sich dann I. F. D. kaines andern zu erindem als
dasa sy aiu absonderliche Inhibition noch am 21. tag Septembris ver-
schinen 99. iare vermfig beiliegnuder abscbrifft an die berrn rerordeotaa
abgehen lassen, mit diser andeatung, es möge I. D. buechdrncker der
Widmanstötter die fOrfallende Steuer- und andere generali ebenso
woll und geschwind drucken. Und so nun I. F. D. solliche Ursachen and
motiven sy zu ermClter eiiistellung bewögendt mitlaufen lassen, die sj
nochmalleu nit zu improbieren wissen, so sein sy demnach dises gn
Versehens, wolermelte E. E. L. werde sich hierin kainer verrer difficoltet
gebrauchen . . .
Umb die durch Jonasen von Wilfersdorf angebrachte b»-
schwärong die vorhaltnng seines unterthans aus Hungrischen belangent
haben I. D. gar kain wissen; darumben wollen sy in Sachen eheiaten
grändlicheu bericht einziehen und darüber was sich gebOrt . .
ordnen . . .
Der letzte . . . pnnct kombt I. F. D. darumben wnnderlich fUr, daat
sy von kainen bestölteu oder im lauf haltenden Soldaten wissen, also daM
es von den abgedankten, gartierenden scbüdlichen knechten ain nnwar-
hafftes fflrgeben und weil dann zu verschonnng des armen ohne das vil
kommernuB aussteuuden maus ernst- nnd würkliche Verordnung und ab-
stellung der disfalls im land giassierenden Unordnung in alweg nina-
iiemben von nötten, so lassen I. D. disen articl notwendiglich gleich be-
rathschlagen und soll volgundts die notturfft aintweder durch genenUl-
oder privatmandat unvenüglich ausgefertigt werden.
Und so vil ... '
Decretum per Ser""" archidncem
24. Jan. 1600
P. Casal.
14.
Antwort der Landschaft auf die Erledigung der politischem Bes
durch Erehereog Ferdinand II. vom 24. Jänner. Grat, 1600 Februar 5.
(CoDC. und Cop. L.-Arcbiv, L.-H.)
' Zam Scbtone die Hoffnung, die Landichaft werde mit dieser Erledi^on^
snfrieden and versichert Heia, 4- ^' werde noch zu ainer mehrem rae-
lendnug iu aioem und dem audem . . . begierig sein'.
359
Dank für das Eingehen in die finanziellen Beschwerden und das
Versprechen ihrer Abhilfe. Klagen über die Nichtbezahlung der Aussen-
stände in Städten und Märkten etc. Ursachen hievun. Erneuertes Ein-
gehen in die Eiugritfo bei der Post, gegen Kandelberger und Gabelkofer.
Motivimng der tVGheren Klage über den Auwurf lier Untreue. Neuer-
liche Klage wegen des Citirens der Hurren und Landleute und der Be-
förderung von Ausländern, wegen der Vorgänge im Enusthale. Heber
die letztgenannten Punkte wird Folgendes bemerkt:
Dass auch sonderlich E. E. L. . . . erwogen, was E. F. D, zu gu.
entschuldiguug der . . . intercipier- und erofnung der brief und Sond-
schreiben, auch eiuziehung, gefenguus, examiuierung und torquieruug
£. £. L. bestelten dieners . . . Hans Greorgen Khandelbergers, wie
auch . . . Gabikovers . . . dardurch E. E. L. in gomain bei aus- und
inleudischen iu nicht geriugeu verdacht und beschuldigte untreu, su nj
gegen iren herrn und landfflrsten moliert haben solle, geraten, geh. ein-
wenden, kann E, E. L. geh. nicht unterlassen, E. F. D. in unterthenig-
keit sovil lu entdecken, dass sy zu dero in vorigen iren und derselben
verordenteu. auch der Steyrischen herrn und landleut oftern anbringen
beschechnen . . . beschwerden wider all iren willen gedrungen, sUe-
weilen communis fama und die avisen hin und wider wais nicht was für
bochbeschwarliche reden spargirt, dass mit torquierung gedacbts Kandtsl-
bergers, auch des secretari Gabelkovors exaniiniernng nicht sie als
ofBcier fflruemblich sondefn haubtsächlich E. E. L. und deraelben ge-
treue mitglieder geauecht, welches E. E. L. je billich umb dero unschalt
willen ob iro nicht erligen lassen kfinnen. Dass aber anjetzo E. F. D.
E. E. L. iu gemaiu und deren getreue mitglider samet und sonders mit
solchem erfreulichen testimonio irer bis dahero in allen notfullen mit
geh. begierden erzaigteu treu und beständigkeit . . . begäbet und sie für
solche aufrichtige pidersleut erkennet, welchen sie nochmalen änderst
nichts dan alles liebs und guets und durchaus kein diffidenz oder die ge-
ringste inßdelitet, wie die gn. verba formalia lauten, nicht allein nicht
zuemessen, dass auch die angedeute der brief iatercipierung nicht zu
dem ende beschechen, dass in E. E. L. ainiches misstrauen gesetzt oder
sy etwas ungleichs bezigen worden sein solle, dessen thuet sich E. E. L.
geh. fleisa bedanken in underthenigkeit verhoffent, E. F. D sich von
dero . . . Intention durch ainiche widerwertige . . . einbildung . . . nicht
abwenden lassen wellen . . . '
' Folgen Versicherungen unverbrQchlicIier Treue. Da durch die Processe
der landschaftliche Credit ins Mitleiden gezogen ist, mOge I. D.
360
Dass . . . E. D. die citieiung E. E. L. ofGcier ... für kaiu . . .
neuerung halten . . . stelt E. E. L. in kein vernainen, sondern iro alUio
in disem frembd und betrüblich fürkumbt, indem sich dieselb nicht »i
stark contra verbalem sondern allein realem citationem, da E. E. L
diener, wann sie durch ire missgonstige hinterrucklings ttng:netlich aa-
gebcD, auf beschechnes oifordern . . . erscheinen, indicta causa, ud-
verhört, auüberwuiiJon de facto gefaugnnsst. etliche aber gar aus den
piirkfriden oder wol ganzen landt geschafft werden . ^
Aus was Ursachen alsdann E. F. D. die Enstallerische comniissiao
mit solcher anzal Soldaten auszufertigen bewegt, ist nnnot . . . zd reo-
tilieren und befindet sich E. E. L. fürnemblich in dem hOchst beschwirt
. . . das E. F. D. . . . sich vernemen lassen, wie sie in eiubringnng dtc
commissions nncosten nar ein gebürliche moderation gebrauchen n
lassen gedenken, so doch E. E. L. aller exactioneu statlicb befreyet . . .
von den verderbten undertbanen (nichts) einzubringen, nicht weniger
auch die heurige bewilligung zu leisten unmöglich fallen (wQrde), . . .
indem da.s ausgeschickte reformationskriegsvolk von den armen leutes
mit gwalt, bedroung der hänsei- and städlabbrennung, notzw&ng, list und
beredung vil herauszupressen sich hochstrafmässig unterstanden; in-
massen . . . alsbald etliche unterthanen ohne ainiches vorbeschechnac
erindern oder ersnechen durch gerichte- und andere diener erfordert, das
ausbleibenden mit dem prant gedroet, volgente sein dieselben lands-
knecht bei nächtlicher weil in etliche hänser eingefallen, alles was vor-
handen aufgebrochen, zerhackt, zerrissen, gepiQndert. verstrent, die lest
umb hochs gelt prantgeschätzt und nichts desto weniger noch empfan-
genen gelt, vieh und traid alles hinwoggenommen und den raub mit der-
selben armen unterthanen aignen zug binwegzufdhren benötigt.
Also haben nach der herrn commissarien verraisen die angesetito
umi'ktrichter zu Schladming und Gröbming' den armen der herru und
landlcut undertbanen . . . eine hohe anlag, welche die jarlicheu zius und
Tärkensteuern übertreffen, wider 1. freiheit angeschlagen, dieselb mit
feindthütigen bedroungen abgefordert, denen, so sich ditsfalls auf ire
bedacht sein, dass der Landschaft ,Bbren' nothdiirftig restitwH
werden.
Bitte, auch hierin die Sachen beim alten Herkommen verbleiben n
lassen. Gegen die Ernennung Schrattenbach's zur Hanptmannsstelle in
Crem habe man nichts. Aber die Nichtbeachtung der durch die Land-
schaft gemaditen Vorschläge sei für die Landschaft sowohl als Ar dk
Vorgeechlagenen schmählich.
AtugMtriuhen ; .welche schlechte L<eat seien*.
361
obrigkaiten referiert spOttlich genntwort, dass ay bei denen, so sich
selbst nicht schätzen kännen, ja weilen E. E. L. freiheit schon
aafgebebt, kain rath noch hülf suechen können . . .' Ueber das hat
E. F, D. landtsptteger zu Wolkensiain Georg Mayr mit hilff der zu Äussee
ligenden soldat«n bei nächtlicher weil uachermals etliche unterthanen ia
Iren heisern überfallen, neben dvu burgern ron Gröbtning gebunden in
gcfangnuss wegfüeren laseen, darbei dann sonderlich die knecht grossen
fräfl und muetwillon gotriben, die arme leit umb gelt benetigt, weib, kind
nnd mägd, weilen etliche bauern ans schrecken entwichen, mit angebür
angesprengt, darunter oiaer aiTDOii kindbettorin nit vorschont . . .
Gleichfalls iu abwexlung der giiardi zu Aubsüd habou dio knecht am hin-
auf- und herabraisen wo es inen gefallen mit gwalt einkhert, ganze nacht
trunken, nichts bozalt und ,in etlichen orten die dörfer umb gelt ge-
schätzt, welches alles, do es ungestraft verbleiben und den armen unter-
thanen die empfangnen schaden der billichkait nach nicht widerkehrt
und erstat werden solle, daraus bald andere confusion erfolgen wurde . . .
15.
,R E. L. Intcrccssion an I. F. B. teerten des KmtdeUicrgers anno 1600,'
(Decdttber 8.)
(Conc. Steiermark. L.-Archiv, Chron.-R.)
Zu den werken der gott höchst wollgoßlligen barmhorzigkeit wer-
den alle chrigtglatibige durch die zeugnussen der hl. schrifTt und mit
sonderlichem ffirgeatelltom oxempl des barmherzigen himlischen vatters,
ia zumal auch die ungläubigen durch die natur und sanftmOetigkait des
menschlichen geblQets' wie gegen ieden also bevorab gegen den nächsten
menschen vermahnet und bewegt, auch iu den historien darumben bil-
lichen zu ewiger ihrer gedächtnus und andern gloicbmcssigcn nacbfolg
hochgerflhmet und geprisen. Und da sie einer oder mehr aus den lai-
digen unvermQgen dergleichen hohe werk andern würklich zu erweisen
• Folgt die Bitte nm eine Schadlüsverschreibang wegen der EiiigriCTe in
du Landhftiu, dasa diese nimlich den Landesfreilieiten nichts PrSjadi-
cirliches bereiten »ollen, dann Klagen Über die brutalen Gewaltthaten
dea Kriegsvolkes zu Auxaee und die gartierenden Knechte r.n Judenburg,
die bei ihren Qewaltthaten sich auf Specialbefehle dea Enihorzogs
berufen.
■ Noch einige nicht gans deutliche Wort« darDber: ,ein natürliche 8710-
patia und compatientia'.
ArchiT. UIXVUI. Bd. II. Biin«. 34
362
verhindert and abgehalten worden, so seindt dieselben nnvermflgi^M
?on christlicher lieb und natar wegen doch bei denen TermOgern and to
TOD dem allffl&chtigen dahin begnadtcn mit intorcession und ffirbitteo
sich freundlichen und mitleydeut zu erzaigcn Iure divino et naturali
verbunden. Weliches commiserationis et aequitatis moderanicD iustitiie
divinae et humane nichtis derogiert sundern für derselben temperi-
meutnm. medicamentum et condimentnm biliichen gehalten wirdet.
Also seindt anfangs die herrn verordenten, folgents die zu zeittea
versammbiet gewesten lierrn und landlent nnd E. allgemeine E. L. in
nägstverwichon wie auch an jetzo gegenwärtigen landtiig tarn ex meto
condolentiae proprio quam ad impetrationem partis(?) et counngni-
nenrum vil mohrers verursacht nnd bewegt worden, E. F. D. mit ihrer
vorigen und hiemit geh. widerholten intercession in deploratissim* et
deploranda causa U. E. L. an kais. hoff in reichahilff, Agrunischen
starkhen (sie) propbiantrest nnd andern parteien bestellt greveotw
agentens Hans G. Eh(andelberg6r) zn behölligen. damit sie E. £. L. is
ander weg E. F. D. gleichwoll zum liebsten underth. zn verschonen g»-
sinnet und beflissen, alles diemOetigisten fleiss bittent, wie E. F. D. die
vorigen unterschidlichen fQrschreiben mit f. gnaden vermerkt nnd angc-
nnmben, auch daniber gn. Vertröstung und sonderlich noch vom 16. Oc-
tober nsUj'st verschinos 99. iahrs gethon: also wOlle E. F. D. hienaf
auch diese gegenwärtige geh. fürschrifTt nicht mit geringem 1. f. gna
beherzigen sondern lant derselben angezogen vatterlichen vertrOs
dieser betrfiebten Sachen ein lang geh. in höchster gedult deeider
erwünschtes endt zu jetziger verhoffentlicher hierzu gelegensamer nnd
von gott geschickter rechter zeit gn. machen und hierin nicht so fast
sein des armen Kandelborgers villeicbt filrgelofne excess (weilen wir
umb sein vorbrechen kein aygentliches und gründtliches wissen tragen)
sondern vill mehr sein so langwierige in die 17* monat lang and so
betiHobliche und höchst beschwärte straff und buess als mit verlienmg
und distrahieruug seiner paarschalTt und mobilien, entziehang seiner
guetgebabten bestall- nnd besoldung und zeitlichen narung, ja mit Ver-
diener- und Schwächung seines auf ordeu besten kleinndts des gueteo
namens und laimnndts und gentzlichen unwidurbringlichea verlast seines
andern edelsten gehabten Schatzes seines jungen leibs gesundtheit, mit
' Die 17 Monate würden allerdings dainfUbren, die« Schreiben «nf Ok-
tober «tatt auf December zn setxou, da die Verhaftung Kandelb
im Juni 1599 erfolgte; aber diu Datum ergibt fich aus der Land
registratur, wo diese Intercesaion zum 8. December angesetst Ut, wibronJ
zum October niuhts vermerkt ist.
363
wsilichen allen hajden der höchst schmerzlichen und fast übermensch-
lichen tortur, marter, folter, pein und prandt, geschweigent er seine be-
gangne privatexceBa mit eollichea nimmermehr privat sundern mehrers
pnblickhen demonBtrationen verhofTetitlich genaegsamon gebQesb haben
solle nnd werden mit überaus 1. f. christlichen angebornen sanft Oster-
reichischen vatters angen, obren und herzen gn. ponderirn, ruminiern
und ihm daniber mit gn. frejstellung begnaden und hierinnen abermallen
nicht allein jetztbeinjerter sein dos Khandlbergers ausgestandtner guets-
und gemuets, lebe- und leibsstraffen und bnessen gn. consideriren and zu
gemflet führen sondern zugleich seiner E. F. D. derselben vülgeliebston
frau muetter unserer gn. frauen in geh.iltnon embsigen correspondenzen,
I. F. D. erzherzog Maximilian zu Österreich mit befürdorung des pro-
phiantwesens im Petrinischen feldzug und in ander weg und dem ganzen
löbl. hans Österreich und der werten christenheyt treugemainten auch
woUersproBsnen geb. dienste und uicht weniger ins künftig dergleichen
nnd mehrere sei-vitia (so ihme E. F. D. mit gn. erfi-eulicher freystellung
und der hanuberzige himmlische vatter mit la;dentlicher leibsgesuudheit
begnadet), darzu er dann wegen seines sonderlichen erkandten talents
als khunet, Vernunft, gescbicklichkeyt, erfahrenheyt, beredthait, sprachen
und andern stattlichen qualiteten tauglichen (sie), gn. bedenken, wir
dann darnmben auch vermüg der kais. altgeschribnen rechten secundum
1. ad bestias, ff. de poenis mit dcrgloivben personen, so dei' mensch-
lichen societet mit ihren künston und diensten mebrers nützlich sein
künnen, als sie mit ihren verbrechen schädlich gewest, billich woll zu
dispensieren. Und neben seinen aygnen qualiteten wolle S. F. D. sich
auch seines ganzen adelichen geschlechts und befreundten wolvorhalton
gn. erindern, alsdann seines vattern bruedern N. E. F. D. in gott nihen-
den geiiebsten herrn herrn vatters christmildister loblicher gedächtnnss
Till iahr lang gethi'ener und gehorsamister cammorrath und diener ge-
wesen, seine gebrüeder und beiderseits eheliche befi'enndte inner und
ausser landts sich woll verhalten, seiner muetter brueder Culmayer noch
an dem f. Payrischen hoff in sondern gnaden und etliche iahr daselbst
khnchclmaister ist, wie dann seine ganze eheliche freundtschaft in bey-
gelegtem ihren düemüetigisten suppliciern neben E. F. D. allezeit ge-
treuer landschaft für ihn iutercediert:
also wolle E. F. D. neben jetzt gedachter intercession auch dieses
E. allgemainen geh. L. fiehentliches fürbitten gn. ansehen und erhören
und sy E. E. L. neben dem armen gefangenen khrüppel dem Khandel-
berger in noch wehrenden landtag zu denen freudenreichen herzne-
nachenten hohen fest der Weihnachten dises zu endt lauffenden saeculi
24»
364
oder genannten iabeliahrg, dergleichen in 100 iahren nimmermehr und
von ietzt lebenden woU gar m wenigen zn erleben nnd in E. F. D. ersten
iahr deroselben erfreneten ehelichen standt anch gn. erft^nen und ein
1. f. angenatnrtes sanft österr. christliches rätterliches ia göttliches an-
fangs angezognes nnd hoch gerflembtes nnd im jetzigen schlness wider-
holt gebetnes werk der barmherzigkejt mildiglich erzaigen. Solliches . . .
(Ohne Datierung.)
Am äusseren umschlage: E. £. L. Intercession an I. F. D. wegen
des Ehandelbergers anno 1600.
Nachtrag.
Im Cod. 43 des Linzer Landesarchivs findet sich ein
gleichzeitiger Bericht über die Zerstörung von protestantischen
Kirchen etc. in Innerösterreich (Forschungen zur deutschen
Geschichte XX, S. 543 — 545). Dort werden am Schlüsse auch
Gabelkofer und Kandelberger erwähnt (fol. 307**):
Der Gabichoff er ist wider ledig und in seinem vorigen dienst bei
der landtschafft.
Der Kandelberger ist in der tortnr dermassen verderbt, dass er
auf den füessen keine sollen mehr hat, auch sonst an leib so zermartert
worden, dass sich I. F. D. an jetzo selber über in erbarmt und last in
durch die hofbalbierer und medicos haillen. Es kombt aber ffir, dass er,
wann er heil worden, nichts desto weniger für recht gestelt, aber das
urthail begnadet, aus dem landt Terwisen nnd entgegen diejenigen, dar-
auff er bekhent (Don. [sie]) und darauff sterben wurd, vil übler als er
gepeiniget und gar zum todt verurtheilt werden sollen . . .
Dieser nachträgliche Fund bestätigt in der Hauptsache die
Ergebnisse der obigen Studie und verdient die grösste Beach-
tung. Zum Schlüsse möchte noch eine Mittheilung an dieser
Stelle Platz finden, die auch in diesen Zusammenhang gehört
Die Landesverordneten tibergaben, wie man den obigen Acten
(S. 352) entnimmt, dem Bnrghanptmanne von Graz ein Ge-
365
schenk, weil er die Gefangenen in humaner Weise behandelte.
Wie mir Herr Regierungsrath y. Zahn mittheilte, findet sich
in den hiesigen Acten ein Stück (es konnte im Augenblicke
nicht aufgefunden werden), in welchem Erzherzog Ferdinand 11.
auf die Bitte des Burggrafen, das Geschenk der Landschaft
annehmen zu dürfen, nicht blos eingeht, sondern als Motiv die
humane Behandlung anflihrt und den Umstand, dass das Ge-
schenk nicht vor, sondern nach der Untersuchung gegeben
werde,
II.
Zu der obigen im Linzer Cod. enthaltenen Nachricht ge-
hört noch das folgende Decret Rudolfs Tl., das nun die Kandel-
bergerfrage zu einem gewissen Abschlüsse bringt:
Kaiser Rudolf IL an Er eher zog Matthias: ,Da Erehereog Ferdi-
nand n. den lange verhafteten KandeJberger auf seine Urfehde und die
seinetwegen geschehene Intercession hin begnadigt, doch aus etilen seinen
Landen abgeschafft hat, so werde er gemahnt, dass in Böhmen und
dessen Nebenländern nicht blos Kandelberger, sondern auch die anderen
der Beligion wegen aus Steiermark Abgeschafften nicht eugelassen wer-
den. Prag, 1602 November 2.'
(Cop., Cod. Linz 43, fol. 243".)
Dazu am Umschlage auf der einen Hälfte: ,22. November
1 602. Copia. Des k. Schreibens an die F. D. erzherzogen Mäthiasen zu
Osterreich: Der n.-ö. regierung, die wirdt auf dises der E. K. M.
schreiben sowol in disen landt als in Österreich ob der Enns bey der
landtshaubtmannschafft die nottnrfft zu verordnen wissen. Ex consilio
deputatorum 12. Nov. 1603' (sie). Auf der anderen Hälfte: ,Fiat,
wie I. E. K. M. und F. D. . . . bevelchen, und dise resolution dem h. landt-
marschalckh und absonderlich herrn bischoffen und thnembcapitl; also
auch die universitet alhier, heiTn anwald der landtshaublmanschafft ob
der Ennss und gleichfalls die von Wien wie gebreuchlich zu erindem.
2. Novembris 1602.*
sttjdie:n^
zu DEN
UNGAEISCHExN GESCHICHTSQÜELLEN.
IX, X, XI UND XII.
VON
pEOF pE. RAIMUND FRIEDRICH KAINDL
IN CZEBNOWITZ.
IX.
Die Gesta Dan^^aroram de» Anonymus. Ihr Yerliältnlss
zu den Gesta Hnngarorum retera. And(>rc von Ihnen
benutzte Quellen. Die Zeit ihres Entstehens. Ihr Werth.
In den zwei letzten Studien haben wir durch die kritische
Zergliederung der verschiedenen bekannten ungarischen Chro-
niken die , Gesta Hnngarorum vetcra' als älteste Grundlage
derselben erkannt und diese alte Quelle näher kennen gelernt.
Unsere nächste Aufgabe ist es nun, über die Ableitungen dieser
ältesten Gesta zu handeln. Diese sind; die Gesta Hungarorum
des Anonymus, die Gesta Hungarorum Keza's, endlich die
Nationalchronik oder Ofener Minoritenchronik in deren ver-
schiedenen Rcdactionen. Jeder dieser drei Quellen ist im vor-
liegenden Hefte eine Studie gewidmet. Sciiliesslich werden
wir auch einige kleinere ungarische Qeschichtsaufzeichnungen,
welche in Keza's Ungarngeschichte und in die Nationalchronik
Aufnahme fanden, und die bei der Zergliederung der Chroniken
in Studie VII zumeist schon genannt wurden, su behandeln
haben.
Wir wenden uns nun zunächst den Gesta Hungarorum
des Anonymus zu.
1. Das VerhältnisB der Qesta des Anonymus zu seiner Haupt-
quelle, den Qesta vetera. Umfang seines Werket.
In den Studien VII und VHI ist zur Genüge bewiesen
worden, dass die Gesta Hungarorum des anonymen Notars mit
der Huncngeschichte, wie sie sich bei Keza und in der National-
chronik findet, nichts gemein haben, dass dagegen alle eben
genannten drei Quellen bezüglich des älteren Theiles der
Ungarngeschichte auf den Gesta vetera beruhen.
370
Ueber die Hünen enthält das Werk des Anonymus Ober-
haupt nichts; er erzählt nur wenige Zeilen über Attila, während
seine Erzählung über die Geschicke der Ungarn überaus breit
angelegt ist. Das Fehlen ausführlicher Nachrichten über die
Hünen ist, wie ebenfalls in den zwei vorangegangenen Studien
zur Genüge dargelegt wurde, aus dem Umstände zu erklären,
dass in seiner Vorlage noch nichts von der Hunengeschichte
stand, die wir bei Keza und in der Nationalchronik finden.
Hätte ihm seine QueDe eine solche geboten, so würde sie der
Notar gewiss ebenso ausgenützt und vielleicht noch erweitert
haben, wie er mit der Ungamgeschichte veriuhr. Indess kommt
beim Anonymus der Ausdruck Hüne überhaupt nicht vor; über
Attila weiss er aber nur Folgendes zu erzählen: Nachdem er
Skythien beschrieben und bemerkt hat, dass Magog, der Sohn
Japhets, der erste König dieses Landes war und nach ilim die
Magyaren ihren Namen führen, fährt er fort (S. 3): ,A cnios
etiam progenie regis (Magog) descendit nominatissimus atque
potentissimus rex Athila, qui a. dom. ine. CCCCLP de terra
Scithica descendens cum valida manu in terram Pannonie venit
et fugatis ßomanis regnum obtinuit. Et regalem sibi locom
constituit iuxta Danubium supra calidas aquas et omnia antiqus
opera, que ibi invenit, renovari precepit et in circnito mnro
fortissimo edificavit, que per linguam Hungaricam dicitur nunc
Buduvar et a Teothonicis Ecilburgum vocatur. Quid plura?
Iter hystorie teneamus. Longo autem post tempore de progenie
einsdem regis Magog descendit Ugek, pater Almi ducis, a quo
reges et duces Hungarie originem duxerunt.' — Das ist AUes,
was er über Attila weiss. Er ist ihm also eigentlich ein Ma-
gyaren- oder Ungamkönig. Deshalb betont er in der Folge
wiederholt, dass die Ungarn Pannonien als Erben Attilas in
Besitz nahmen (S. 10, 15, 19, 20 f.y
Dass der Bericht über Buduvar an dieser Stelle ein Ein-
schub in den Text der Gesta ist, beweisen zur Genüge die am
Schlüsse des obigen Citates stehenden Worte: ,Quid plura?
Iter hystorie teneamus', mit denen der Anonymus zum Text
seiner Vorlage zurückkehrt, die nach der Beschreibung Skythiens
' Vgl. besonders S. 16: Licet proavus mens potentissimas rex Athila habne-
rit terram, qae iacet inter Danubium et Tbysciam ... S. 19: . . . petens
ab eo, quod de insticia attbavi sni Attjrle regis sibi ooncaderet temun »
flnvio Zomua . . .
371
und der Erwähnung Magogs als Stammvater der Magyaren,
sowie wohl nur einer ganz kurzen Erwähnung Attilas als ersten
Ungarnkönig und Eroberer von Pannonien sofort auf Ugek u. s.w.
überging (Studie VIII, S. 223, 239 f. und 243 f.). Dasa die Er-
zählung der ersten Eroberung Pannoniens durch die Ungarn
unter Attila nicht einer wohldurchdachten Darstellung ent-
nommen ist, geht z. B. auch noch aus dem Umstände hervor,
dass der Anonymus nirgends mit einem Worte erwähnt, wie
denn die Ungarn Attilas, mit denen er offenbar Pannonien
erobert hatte, wieder nach dem Osten kamen, um von dort
zurückkehrend die zweite (eigentliche) Eroberung des Landes
vorzunehmen. Das wissen Keza und die Nationalchronik bereits
ganz glatt zu erzählen. Allenfalls ist der Anonymus mit der
Etzi-isage, wie sie im Nibelungenliede fixirt ist, vertraut.
Darauf weist das ,Ecilburgum' im obigen Citate, ebenso S. 42
jEelburgn' und ,Elciburgu' (S. 40 civitas Atthile regis). Von
Buda, dem Bruder Attilas, weiss der Anonymus nichts, und so
findet sich bei ihm auch nicht jene Erklärung des Namens
Buduvar, die Keza und die Nntionalchronik bieten.' Schliess-
lich mag niu- noch auf einen Umstand hingewiesen werden,
welcher bezeugt, dass dem Anonymus nicht die bereits in
Keza's Hunengeschichte tixirte Ueberlieferung vorlag. Nach
diesem Berichterstatter hat sich bekanntlieh Chaba, der Sohn
Attilas, mit einer Chorasmierin vermählt; aus dieser Ehe
stammten Edemen und Ed, von denen der Erstere* der Ahne
des nachmaligen Geschlechtes Aba war (§ 15), während der
Letztere in Skythien zurückblieb. Nach dem Berichte des Ano-
nymus sind dagegen Ed und Edumen kumauische Fürsten, mit
denen sich Almus auf dem Marsche nach Pannonien verbunden
hatte (§ 10). Beide kommen nach Pannonien und ,ex quorum
etiam progenie longo post tempore rex Samuel descendit, qui
pro sua pietate Oba vocabatur' (§ 32). Solche Widersprüche
zeigen zur Geniige, dass die Quelle unserer Chronisten die
schwankende Ueberlieferung ist.*
^ Vgl. Keza S.64: Fecerat (Bada) enim Sicsmbriam suo noinino appellari . . .
Vgl. Chronicon Bud., 8.24, wo die ganze Stelle viel doutliclier stilisirt ist.
* So igt offenbar die Nachricht annzulegen, da auBdrücklicb gemeldet wird,
da»8 Ed in Skythien zurOcfcblieb.
■ Wa-i Marczali in .Ungarns Geschieh tjfquellen' 8. 91 f. darüber ausfuhrt,
ist vou ziemlich zweifelhaftem Werthe. Wenn er glaubt, da.«s der
372
Die Ungar ngescliichte des Anonymus beruJbt, wie dies
in den Studien Vü und Vlll ausführlich gezeigt wurde, auf
den Gcsta Hungarorum vetera; insbesondere sind in der letrt-
genannten Studie die Zusammenstellungen der Parallelstellen
S. 236 ff. und S. 256 ff. zu vergleichen. Diesen gehört also
schon die Grundlage der Beschreibung Skythiens an; ans ihneu
entnahm er die Mittheilungen über den Ursprung der Magyaren
und ihrer Fürsten, über Magog, Attila, Ugek und insbesondere
über Almus; sie bilden auch die Grundlage ftir seine Krzähluog
von dem Auszuge der Ungarn aus Skythien und ihren ferneren
Schicksalen bis auf Geisa. Ins Einzelne brauchen wir an dieser
Stelle nicht auf die aus den Gesta geschöpften Nachrichten
des Anonymus einzugehen, weil diese sich aus den eben citirten
Stellenverzeichnissen und den daran geknüpften Erörterungen
zur Genüge ergeben. Auf seine Vorlage weist der Anonymus
an zwei Stellen hin. An der Spitze des § 7 lesen wir nämlich
die Worte: ,Annü dominice incarnationis DCCCLXXXIIII sicut
in annalibus continetur cronicis septem prineipaJes per
sone, qui Hetumoger vocantur, egressi sunt de terra Scithüi
veraus occideutem.' Da diese Zeitangabe mit geringen Schwan-
kungen sich auch in den anderen Ableitungen der Gesta ^bei
Koza und in der Nationalchronik) findet,' so darf man an-
nehmen, dass sie bereits in den Gesta stand and der Anony-
mus also unter den annalibus cronicis neben Kegino (vgl. unten)
auch die Gesta verstanden hat. Im § 42 linden wir aber beim
Anonymus Folgendes: ,Sed quidam dicunt eos (Hungaros) ivis«
usque ad Constantinopolim et portam auream Constantinopolis
Botondium cum dolabro suo incidisae. Sed ego, qaia in nuilo
codice historiographorum inveni, nisi ex falsis fabulis rusti-
corum audivi, ideo ad presens opus scribere non proposui.'
Unter den Geschichtsbüchern, auf welche Anonymus hier hin-
weist, sind natürlich auch die Gesta vetera zu verstehen. In
der dem Anonymus vorliegenden Redaction derselben war also
die Heldcnthat des Botond noch nicht enthalten.'
Anooymuii ,wohl winteii miisüte, das.s diu Hnus Aba roio ungArisrii war',
so irrt er. Weder die Nacliriclit Koxa's, noch jene des Aaonjrmiu scheinen
dafUr >ii sprechen. Weun aber die spütere Natinnalchronik dios
hauptet, 80 ist dies ebea späterer Ziisatx. Man rergleiche Studie V'III,8w i
• Vgl. Stndie Vni. S. 247.
• Vgl. Studie VIII, S. 273.
373
Es ist bereits erwJlhnt worden, dass die uns vorlieponde
Darstellung des anonymen Notars nur bis Geisa, dem Vater
Stephans des Heiligen, reicht. Aus diesem Umstände schloss
Rademacher,' dass der Notar , vielleicht Mangel an Quellen
litt, nachdem Kegino versiegt war' und ,die ihm bekannte ein-
heimische Chronik vielleicht nur bis zur Bekehrung der Ungarn
reichte'. Andererseits ist Marczali* der Ansicht, dass uns
des Anonymus Werk nicht vollständig erhalten sei. Dieser
stutzt seine Anschauung auf die Bemerkung, dass der Notar
ein jEreigniss aus der Zeit der Könige' erwähnt und hinzu-
setzt: ,wie wir sehen werden'. Da nun ,die 57 uns erhaltonen
Capitel nicht einmal bis Geisa, den Vater Stephans des
Heiligen reichen', so mtlsste das Werk unvollstündig überliefert
sein. Dass aus der Bemerkung: ,wie wir sehen werden' noch
nicht folgt, dass der Notar auch wirklich die Geschichte seit
Stephan geschrieben habe, bemerkt Rademacher ganz richtig.
Aus dieser und ähnlichen Stollen, denn es gibt deren mehrere,'
kann billiger Weise nur gefolgert werden, dass der Autor die
Absicht hatte, auch das 11. Jahrhundert zu behandeln, nicht
aber, dass er auch wirklich dieses Vorhaben ausgeführt hat.
Wir haben überhaupt kein Mittel zur Verfügung, das in ent-
scheidender Weise die Lösung dieser Frage ermöglichen würde,
denn auch eine zweite Frage, welche mit dieser zusammenhangt,
kann fUglich nicht als entschieden betrachtet werden. Es ist
dies nämlich die Streitfrage, ob der einzige uns erhaltene Codex
das Autograph des Verfassers sei. Würden die jüngst wieder
von Florianus'' diifUr geltend gemachten Gründe entscheidend
sein, 80 wäre die Frage gelöst: der Anonymus hätte thatsäch-
lich nur die Erziiblung bis auf Geisa fortgeführt. So aber
bleibt die Frage zunächst unentschieden. Denn auch die oben
mitgetheilten Gründe Rademacher's, die üin zur Annahme
bewegen, das Werk des Anonymus wäre wegen Quellen mangels
nicht weiter gediehen, sind ganz hinMlig. Wir wissen näm-
lich, dass die von ihm benutzten und ausgeschriebenen Gesta
Hungarorum vetera ganz gewiss bis zum Ende des 11. Jahr-
* Zar Kritik ungarischer QeschicIiUquellmi (Porscbungon zur deutschen
Geschichte XXV), 8. 391.
* Ungarns Gesuhichtsquellen, S. 8G und 94.
* Vgl. weiter unten im Text.
* Fontes ü, 301 f.
374
hunderts reichten. Aber vielleicht lag ihm ein unvoUstaodiges
Exemplar derselben vor? Auch das ist nicht der Fall gewesen.
Jene Verweise: ,wie wir im Folgenden sehen worden' verbunden
mit vorgreifenden Bemerkungen ergeben allenfalls nicht den
Schluss, dass der Anonymus die Qeschichte der fol^nden
Zeit schrieb, wohl aber beweisen sie, dass ihm f\ir dieselbe
eine Quelle vorlag. Und diese Quelle waren, wie uns Ver-
gleiche lehren, die Gesta vetera. HiefÜr werden wir aber nicht
nur eine Stelle anfuhren können, auf die Marczali hinweist,
sondern mehrere. Abgesehen von den einzelnen auf das 11. Jahr-
hundert bezüglichen Nachrichten, die sich diu-ch Keza und
die Nationalchronik nicht als Bestandtheil der Gesta vetera
nachweisen lassen,' können wir folgende Mittbeilungen des
Anonymus zur Geschichte Stephans und seiner Nachfolger im
11. Jahrhundert ganz unzweifelhaft auf die Gesta veter»
zurUckflihren. So wird am Ende des § 15 berichtet, duB
König Andreas der Sohn des calvus Ladislans und dass seine
Frau die Tochter eines ruthenischen Fürsten war; auch wird
auf die Feldzüge des deutschen Kaisers hingedeutet, welche
dieser unternahm, um Peter zu rächen: ,ut in sequendbns
dicetur*. Dies Alles steht in Uebereinstimmung mit der National-
chronik (Budensc, S. 102 und 108 fiP.) und zumeist auch mit
Keza, S. 84, rUhrt also aus der gemeinsamen Quelle, den Gesta
vetera, her und ist ein Beweis, dass diese dem Anonymus ancb
für das 11. Jahrhundert vorlagen. An zwei anderen Stellen,
(§ 24 und 27) wird über das Schicksal des Fürsten Gyula von
Siebenbürgen und seiner zwei Söhne in ganz ähnlicher Weise
berichtet wie kurz bei Keza (S. 77) und ausfllhrlicher in der
Chronik (Budense, 8. 65). Man vergleiche insbesondere:
Anooymiu.
§ 24. Nam terram ultrasilva-
nam posteritas Tuhutum usque
ad tcmpus s. regia Stephan!
Chr. Budeiue.
S. 65. Beatus rex Stephanus
cepitGyulam ducem cum uxore
et duobus tiliis suis et in Hon-
' Iliolier gehört die Nachricht am Ende des § 11, dam Achtnm tat
Stephans des Heiligen Ton Sunad getOdtet worden i«t (vgl. hieiD na
im Text S. 379 f.). Femer die Nachrichten Aber KOnig Samuel Aba I
§ 32, Über welche ehenfnlls unten im Text S. 377 EU vergleichea ist. Ebd
die Kfittheilungen § 07 Über die grausame Hinriobtung des Thonnaoba
zur Zeit Stephans.
375
haLuernnt et dinciua liabiiissent,
81 minor Gyla cum duobus filiis
suis Bivia et Bucna Christian i
esse, voluissent, ut in seqiienti-
bus dicetur. § 27 . . . Zumbor
vero genuit minorem Geulam,
patrem Bue et Biicne; tempore
cuius 8. rex Stephanus subiuga-
vit sibi terram ultrasilvanam et
ipsum Geiihim vinetum in Hun-
gariam duxit et per omnes dies
vite sue carcei-atum tenuit, eo
quod in fide esset vanus et
nolait esse christianus et multa
contraria faciebat s. regi Ste-
phane, quamvis fuit ex cogna-
tione matris sue.
gariam transmisit. Hoc autem
ideo fecit, quia scpiesime fuit
ammonitus a beato rege Ste-
phane, nee ad fideni Christi con-
vcrsus est, nee ab infcrenda
Hungaris iniuria conquievit.
Schliesslich verweisen wir noch auf eine Stelle des Ano-
nymus, die ganz unzweifelhaft auf den Gesta beruht und hier
mit der Geschichte des 11. Jahrhunderts verbunden gewesen sein
düi-fte. Es ist dies nälnilich die Beschreibung Siebenbürgens,
welche beim Anonymus allenfalls schon mit den Eroberungen
beim Einzüge in Pannonien verbunden erscheint, nach dem
Ausweise der Nationalchronik aber in die Zeit Stephans gehört.
Man vergleiche:
Anooymtu.
§ 27. Quod terra illa irri-
gatur optimis fluviis ... Et
quod in arenis eorum aurum
colligerent et aurum terrc illius
Optimum esset.
Chr. Badenae.
S. 65. Erdeel, quod irrigatur
plurimis fluviis, in quorem are-
nis aurum colligitiu-, et aurum
terrc ilJius Optimum est.
Weniger Gewicht ist darauf zu legen, dass beim Ano-
nymus (§ 43) das Gebirge Peturgoz genannt wird , das bei
Keza (§ 36) und in der Nationalchronik (Budense, S. 181) in
der Geschichte Koloraans genannt erscheint; die Erwähnung
geschieht bei verschiedenen Gelegenheiten und musB nicht
durch die gemeinsame QueUe veranlasst worden sein.
376
Fassen wir das Ergebniss unserer Untersuchungen su-
aammen, so werden wir sagen dürfen: Die aufgezählten Pairaliel-
steilen legen es klar genug dar, dass die Quelle des NoUin
sich auch noch über das 1 1. Jahrhundert erstreckte, wie die»
von den Gesta vetcra auch vorausgesetzt werden mass. Bis
in die Mitte des Jahrhunderts (Andreas!) finden wir ganz deut-
liche Beziehungen zwischen der Darstellung des Anonj-mus und
dieser älteren Chronik; und wenigstens eine Andeutung ist vor
banden, dass ihm auch noch die Erzählung derselben über
Koloman vorlag. Aus dem Mitgetheilten folgt aber noch nicht,
dass der anonyme Notar auch die Geschichte Stepbans und
der Könige des 11. Jahrhunderts geschrieben habe. Da-
gegen wird man die Bemerkungen ,ut in sequentibus dicetur*
(§ 15, § 24) u. dgl. durchaus nicht als blosse Flickworte auf-
fassen müssen,' da der Anonymus doch ganz wohl die Absicht
gehabt haben kann, auch die fernere Geschichte zu schreibeD,
und CS vielleicht auch gethan hat.
Bezüglich des Verhältnisses des Anonymus zu seiner Haupt-
quelle, den Gesta Hungarorum vetera, ist noch Folgendes zu
bemerken : In einzelnen FiÜlen hat der Anonymus den ursprüng-
lichen Text der Gesta bewahrt. Dies kommt zunächst in der
Unbeholfenheit und dem Mangel an chronologischen Daten
zum Ausdrucke. Wenn femer der Anonymus Pannonicn als
pascua Romanorum bezeichnet (§ 9) und sich derselbe Aus-
druck auch bei Richard ,De facto Ungariae magnae' wieder
findet,* nicht aber bei Kejsa und in der Nationalchronik, so
kann dies in Anbetracht der geraeinsamen Quelle aller eben
genannten Ableitungen der Gesta vetera nur daraus erklUrl
werden, dass der Anonymus hier eine ursprüngUche Nachricht
der Gesta bewahrt hat. Ebenso ist die Nachricht, dass di«
Ungarn bereits unter Almus Pannonien einnahmen, welche sich
beim Anonymus findet, ursprUngUcher als die bei Keza und in
der Nationalchronik enthaltene, dass dies erst unter Arpad
geschah (Studie VIII, S. 249 f. und 304 ff.). Auch der Umstand,
dass dem Anonymus Nachrichten fehlen, welche bei Keza und
in der Nationalchronik enthalten sind, könnte zum Thcil so
gedeutet werden, dass Anonymus hierin ursprünghcher ist Vicl-
* V^I. Caaiel, Magyarische AlterthOmer, 8. 46 f.
' Endlicher, Monumenta Arpadiana, 8.348.
377
I
I
I
I
leicht wird dies so zu erklären sein, dass dem Anonymus über-
haupt eine ursprünglichere Redaktion der Gesta vorlag als
Keza und der Nationalcbronik. Man vergleiche hiezu die Be-
merkungen in Studie VIII, S. 302. Andererseits könnten auch
einzelne Nachrichten, welche Anonymus mehr hat als Keza
und die Chronik, ebenfalls aus einer ursprünglichen Redaction
der <iesta herrühren, so z. B. der Name Samuel für Aba (§ 32).
Vielleicht ist auch auf diese Art eine Beziehung, die sich
zwischen der Darstellung des Anonymus und der polnisch-
ungarischen Chronik findet, zu erklären, wozu noch zu be-
merken ist, dass bekanntlich diese Chronik, oder eigentlich ihre
Quelle, zu den Gesta vetera in gewissen Beziehungen stand.'
Die eben erwähnten Beziehungen bestehen in Folgendem: In
der ungarisch-polnischen Chronik wird Gran und castrum saUs
(d. i. SaroB an den Toplaquellen) als Grenze gegen Polen ge-
nannt.' Nun wird auch beim Anonymus {§ 17) von der Er-
oberung des Landes usque ad fluvium Souyou et usque ad
castrum salis gesprochen, und nach § 18 ist auch dort die
Grenze gegen Polen zu suchen. Ferner ist aber auch der
Granfluss vom Anonymus als Grenze gegen Polen aufgefasst,
wenn er (§ 34) von dem Beschlüsse der Heerführer erzählt,
dass sie hier ,facerent in confiaio regni munitiones fortes tam
de lapidibus quam etiam de lignis, ut ne aliquando Boemy vel
Polony possent intrare causa furti et rapine in reguum eorum'.
Wir erinnern noch daran, dass auch zwischen Alberich und der
ungarisch-polnischen Chronik sich gewisse engere Beziehungen
aufweisen lassen, die auch nur dadurch erklärt werden können,
dass die von Albe rieh benützte Redaction der Gesta vetera
hierin der ihr mit der ungarisch-polnischen Chronik gemein-
samen Quelle nahestand.'
Wenn aber auch der Anonymus in gewissen Fällen den
ursprünglichen Text der Gesta vetera bewahrt hat, so ist damit
durchaus nicht gesagt, dass er überhaupt Aenderungen des-
selben, Interpolationen u. dgl. unterlassen habe. Er hat vielmehr
die Darstellung der alten Gesta vielfach verändert und erweitert,
wie dies aus dem folgenden Abschnitte zu ersehen ist.
» Vgl. Stndie VI, 8. 625 ff. und 629; VH, 8. 443; VUI, 8. 802 f.
» Vgl. Studie UI, 8. 617 f.
» Vgl. Studie VI, S. 626 und VUI, 8. 302 f.
ArehiT. LXXXVUI. Bd. tl. Bim«. 26
378
2. Andere änellen des Anonjmns and wie er aas ihnen seine
Hanptqaelle (die Oesta vetera) erweitert.
Unser Anonymus oder — wie er sich selbst in der Ein-
leitung seines Werkes bezeichnet — ,P. dictos magister ac
rjuondam memorie gloriosissimi Bele regia Hungarie notarias'
war, wie schon seine Titel zu bezeichnen scheinen, ein ftr
seine Zeit wohlgebildcter Mann. Davon zeigt auch seine Be-
merkung von seinem Schulbesuche und seine Mittheilongen
Über die Beschäftigung mit den Schriftstellern, die über den
trojanischen Krieg geschrieben haben.' Auch bemerkte er aus-
drUekiich, dass er ,secundum tradicionos diversorum hystorio-
grai>horum' seine Ungarngeschichte schreibe. Sind diese Be-
merkungen richtig, und welcher Quellen hat er sich neben der
Gesta vetera bedient?
Thatsächlich lässt sich nachweisen, dass dem anonymen
Notar mehrere Quellen vorlagen, und dass er eine verhältniss-
mässig grosse Belesenhcit besass; doch hat man ihm wohl bi«-
her der Ehre zu viel erwiesen und ihm auch die Benutzung
manches mittelalterlichen Schriftstellers zugeschrieben, den er
wohl gar nicht vor sich gehabt hatte. Andererseits hat man
freilich auch manches Interessante in dieser Beziehung über
sehen.
So muss vor allem betont werden, dass er neben den
desta Hungarorum vetera noch eine andere einheimische
Quelle benutzt hat.
Wer die Darstellung des Anonymus mit den anderen
ungarischen Chroniken vergleicht, wird leicht finden, dass er
über die Geschichte Ostungams viel mehr zu berichten weiss.
Man vergleiche insbesondere die Capitel 11, 20 — 28, 50 — 52.
Wir kennen nur noch eine Quelle, welche sich über diese Ver-
hältnisse ebenfalls unterrichtet zeigt, nämlich die Vita s. Ger-
hard!. Zwischen der Darstellung des Anonymus und jener
der Vita sind nun ganz unverkennbare Beziehungen vorhanden.
Zunächst mag darauf hingewiesen werden, dass der Anonymus
' Im Prolog: ,DDm olim in Scolari studio aimnl easemna et in bjvtorii
troiaiifi, quam ego cam sammo amore complexns ex libris Darethis PlirifU
ceteroriimqne aactoruin, sicut a magiatriH meia andiveram, in aooo
Volumen proprio atilo compilaveram , pari voluntato le^remus
(Fontes U, S. 1).
379
I
I
I
ebenso ivio die Vitji besonders den priccliischeii EiiiHiiss in
Ostun^arn vor yteplian I. betont. So lässt ■/.. B. Anonymus (i? 14)
den ,dux Salamis' folgendermassen zu Arpad und seinen Un-
garn sprechen: ,. . . njnndavit eis, ut mala facta sua enienda-
rent et fluviura Budrug nuUo modo transire auderent, ut ne
ipse veniens cum adiutorio Grecorum et Bulgaronim . . .'; hie-
zu ist auch noch § 38—42 zu vergleichen. Ebenso legt der
Notar (§ 20) dem Fürsten Menumorut, als dessen Gebiet das
Land zwischen Maros und Sanios genannt wird (4? 11), folgende
Aeussennig in den Mund: ,. . . terram hanc . . tanien modo
per gratiam domini niei imperatoris Constautinopolitani nemo
potest auferre de raanibiis meis.' Mit dieser Anschauung, die
sich sonst nirgends in den ungarischen Quellen findet, stimmt
ganz der Bericht der Vita s. Gcrhardi Ubcrein. wo es Über Acbtum,
den Beherrscher des südöstlichen Ungarn, hcisst:' ,. . . accepit
autem potestatem a Grecis'.' Hierzu kommt nun aber der Umstand,
dass über Achtum, den wir eben genannt haben, ebenfalls nur der
Anonymus und die Vitas. Gerhardt etwas zu berichten wissen;
keine andere ungarische Quelle erzilhlt etwas über denselben.
Was aber in den beiden genannten Quellen über ihn mitgethcilt
ist, stimmt fast völlig Qberein. Man vergleiclie:
Anonjrmua § 11.
Terram vero que est a fluvio
Morus usque ad castrum Ursia
■ (= Orsova) prcocuppavisset qui-
dara dux nomine Glad, de Bun-
dyn Castro egressus. . . .
P Ex cuius progenie Ohtum
fuit natus, quem postea longo
post tempore sancti regis Ste-
phan! Sunad filius Dübuca ne-
pos regia in Castro suo iuxta
Vita B. Gerhardt § 10.
S. 215. Scrviebat nanique
eidera viro (Acbtum) terra a
fluvio Keres usque ad partes
Transilvanas et usque in Budin
et Zeren (d. i. Zewrin oder
Severin unterhalb Orsova). —
S. 214. Achtum . . in civitate
Budin fuerat baptizatiis.
S. 217. Achtum vero inter-
fectuB est in loco prelii ab exer-
citu Chanadini. S. 214 et usur-
pabat sibi (Achtum) potesta-
tem super sales regis descen-
* Monumenta ArpadiKDA, S. 216.
• Dum diese Naclirichten liistoriscli begrrBndet sind, ist kanm zweifelbaft.
Man vergleiche darüber meiue ,Beiträge zur älteren ungariauhen 6e-
■chicbte* (Wien 1893), S. 1 ff.
^^^ 26»
380
Morosium interfecit, eo quod
preilicto regi rebellis fuit in
oranibus. Cui etiam predictus
rex pro bono servitio suo uxo-
rem et castrum Ohtum cum
Omnibus apendiciis suis condo-
navit. Siu enim mos est bono-
rum dominorum suos fideles
remunerare; quod castrum
nunc Sunad nuncupatur. Quid
ultra? . . .
dentes in Morosio. . . S. 217. •
Chanadinus vero linguam (des
Aehtum) de bursa exponens a
rege sublimatur, quem consti-
tuit principem domus re^gis et
doraus Achtura. Ait enim rex
ab hac die urbs illa non voca-
bittir Morisena sed urbs
Clianadina, pro eo qnod innm-
cum meum interfecisti . . . pro-
vincia Chanadiensis vocetur
osque generationes.
Aus den vorstehenden Parallelstellen ist zu ersehen, da»
die Erzählung in allen Hauptpunkten übereinstimmt, wobei nicht
vergessen werden darf', diiss die Mittheilungen des Notars im
§ 11 nur vorgreifende Bemerkungen sind, da seine Darstellaog
nicht in die Zeit Stephans reicht, wo wir allenfalls die Elrzähluns:
breiter und dann auch wohl zu jener in der Vita noch ähn-
licher gefunden hätten. Auch das ,Quid ultra?', mit welchem
der Anonymus seine Mittheilungen schliesst, deutet auf den
Einschub an dieser Stelle. Wir dürfen also wohl uanohmen,
dass dem Anonymus entweder die Vita s. Gerhard!
oder doch eine dieser nahe Quelle vorlag. Hiebei mag
nochmals betont werden, dass sich sonst Nachrichten über
Aehtum in keiner anderen Chronik finden.' Dass übrigens
sonst keine Berührungspunkte zwischen der Darstellung des
Anonymus und der Vita s. Gerhardi sich finden, ist leicht er-
klärlich : die Erzählung des Notars reicht nicht bis in die Zeit,
bei deren Schilderung er seine Quelle hätte vollauf ausnützen
können.
Von sonstigen einheimischen Quellen hat der Anonymus
sonst nachweisbar nur noch die mündliche üeberlieferang
benützt. Dass er diese wohl kannte, verräth er deutlich genug.
So lässt er sich im Prolog, wie folgt, vernehmen: ,Et si tarn
nobilissima gena Hungarie primordia sue geuerationis et fortia
* Schon dies wetat den Gedanken zurück, nis ob etwa die Geata rttata
auch die Quelle (Qr die Vita a. Gerhardi gewesen wXre. Man vergleich«
dieabesüglicb Studio VIII, 8. 233 ff.
381
queque facta sua ex falsis fabulis ruaticonim vel a garrulo
cantu iocuJatoruin quasi sompniando audiret, valde indecorum
et satis indecens easet.* Und an einer anderen Stelle f§ 42)
lesen wir: , Quorum etiam bella et fortia queque facta sua
(siehe das vorige Citat!) si scriptis presentis pagine non vultis,
credite garrulis cantibus iociilatoruna, qui fortia facta et bella
Hungarorum usque in hodiernum diem obüvioni non tradunt.
Sed quidam dicunt eos ivisse usque ad Constan tinopol im et
portam auream Oonstantinopolis Botondium cum dolabro suo
incidisse. Sed ego, quia in nullo codice bystoriographorum in-
veni, nisi ex falsis fabulis rusticorum audivi, ideo ad presens
opus scribere non propoaui.' Aus den vorstehenden Stellen'
geht zur Genüge hervor, dass zur Zeit des Anonymus die
Ueberlieferung reichlich floss, und dass er dieselbe zum guten
Theile kannte. Wenn er nun aber mit dünkelhaftem Gelehrten-
stolz von den VolksgesUngen und -Sagen wenig zu halten scheint
und z. B. die Fabel von Botond zurückweist, die andere Chro-
nisten doch wieder aufnahmen,* so ist dies noch durchaus kein Be-
weis, dass er die Tradition überhaupt ganz ausseracht Hess. So hat
er ganz gewiss die schöne Sage vom Kaufe Pannoniens durch die
Ungarn aus der Ueberlieferung aufgenommen (§ 14), aus welcher
sie auch der spätere Nationatchronist kannte.^ Kaum ist es
zweifelhaft, dass auch vieles Andere, was er in der Eroberungs-
geschichte erzählt, aus der Ueberlieferung herrührt.* Vieles
hievon wird aber freilich nicht echte Volkssage sein, sondern
zum guten Theile etymologische Erfindung. Uie Entscheidung
wird zumeist wohl schwer fallen. Aus einzelnen der Etj-mo-
logien geht hervor, dass der Anonymus des Slavischen mächtig
war.* Am Schlüsse der Eroberungsgeschichte verschwinden
Man rer^loiche auch noch § 35: Ut dicnnt nostri iocnlatores : omnea
loca sibi acquirebant et nomen bounm accipiebant.
Vgl. Studie VIII, S. 267 und 272.
Studie Vin, 8. 26B.
Man verifleicbe z. B. § 11: ... dux Moroni, cains nepo« dieti» e.it nb
Hnngsri» Mennmoront, eo qnod plures habebat smica*; und die gegen
die Ueberliefernng von Morot gerichtete Polemik bei Keza, § 16
and 18, (Tradunt «{oidam quod Hungari Morot . . .; usque hodie fabulose
Morot i[)suin fuisse axseverant.)
EUerher gebWrt die Erkilirnng von Mnnca:) = labor (§ 12), fluvius Ketel
= Keteliiotaca (§ 16), Surungrad = nignim caatrum (§40). Ätlenfalis sind
einxelne der «lavisclien Worte magyariaches Spracheigenthnin geworden.
382
diese auf Ortskenntniss u. dgl. beruhenden Mittheiitingen
Notars; fUr die Zeit der Raubzüge muss er sich wieder mii
seiner Vorlage, den Qesta, und Regino begnllgen.
Nun wenden wir uns der Erforschung der fremden
Quellen zu, welche der Notar benützt hat.
Zur Erweiterung der Beschreibung Sky thiens (§ 1 ), welche
ihm die Gesta vetera darboten, hat er zunächst eine Quelle
benutzt, auf die in neuerer Zeit F. RUhl hingewiesen bat
Derselbe hat zunüchst im Jahre 1880 in den ,Jahrblleheni für
classischc Philologie', Bd. 26 (= 121), S. 549 flf. aus dem Codes
Laurentianus 66, 40, saec. X und dem codex Bambergensis
E, lU, 14 zwei auf Cassiodor beruhende AuszUge aas einer
gothischen Urgeschichte veröflfentlicht und hierauf im Jahre
1883 in den Forschungen zur deutschen Geschichte, Bd. 23,
S. 601 ff. darauf hingewiesen, daas diese oder vielmehr eine
ihnen engverwandte Vorlage vom Anonymus ftir die Erweite-
rung des § 1 benutzt wurde. Diese Quelle würde damach
der Notar (§ 1) unter den ,hystoriographi, qui gesta Komanomm
scripserunt' und einige Zeilen weiter unter ,quidam . . hystorio-
graphi' verstanden haben. Dieser Nachweis Rühl's ist sehr
dankenswerth und der Hauptsache nach auch richtig. Doch
wird man bezweifeln und wohl auch bestreiten müssen, dass
«11(3 Stellen, die liiihl auf die gotbische Urgeschichte zurück-
Bihren will, auch wirklich aus derselben herrühren. Er hat
bei seinen Äusfllhrungen an ein Doppeltes vergessen: 1. aa
den Vergleich des Anonymus mit den anderen ungarischen
Quellen, und 2. an den Umstand, dass gewisse Nachrichten
sich in vielen mittelalterlichen Schriftstellern in so ähnlicher
Form wiederholen, dass es sehr schwer ist, deren genaue Her
kunft und Aiihängigkeit nachzuweisen. So ist des Anonymos
Bestimmung der Lage Skythiens nicht aus Laur., Z. 161 — 163
und Burab., Z. 121 — 123 geflossen, sondern bereits aus den
Gesta vetera, weil Anonymus hier mit Keza und der National-
chronik , versus orientem' und ,a(iuilonali' hat, was weder im
Laur. noch im Bamb. sich findet.' Ebenso muss die B«-
merkung des Anonymus: ,ubi ultra modum habundanter in-
veniiintur zobolini, ita quod non solum nobiles ac ignobile«
vestiuntur inde, verum etiaiu bubulc: et subulci «c opiliones
Vgl. Studie VIII, 8. 236 ff.
383
decorant vestimenta in terra illa' nicht auf Laur., Z. 139
und Bamb., Z. 127 zurückgehen, weil diese Stelle nichts mehr
Gemeinsames haben als die Mittheilung, dass den Skythen
Pelzwerk als Bekleidungsmaterial diente, was sich doch schon
in Regino findet (pellihus tantum ferinis ac murinis induuntur),
der sowohl den Qesta vetera als auch direct dem Anonymus
zugänglich war.' Die folgenden Mittheilungen Über das Vor-
kommen von Edelmetallen und Edelsteinen, sowie Über Gog et
Magog könnten wohl auf die Auszüge zurückgehen, doch ist
einerseits die Bemerkung, dass die Flüsse FundstÄtten dieser
Kostbarkeiten seien, bereits in den Gesta vetera vorhanden*
und andererseits haben schon gewiss diese Gesta Magog-Mogor
als Stammvater der Magyaren gekannt." Die Bemerkung über
die Unbesiegbarkeit der Skythen findet sich schon bei Re-
gino und stand in den Gesta vetera.* Den Auszügen ent-
nommen sind die Bemerkungen, dass die Skythen ,antiquiores
populi' sind, und vielleicht auch, dass Magog der Sohn Japhcts
war, denn in den anderen ungarischen Quellen wird eine etwas
andere Genealogie geltend gemacht.^ Was nun bei Anonymus
folgt (et gens ilta a Magog — originem duxerunt sicut in sequenti-
bus dicetur), ist theils aus den Gesta vetera entnommen, theils
' Vgl. dnröber weiter nnteii. — Zum Beweise unnerer obigen Bemerkung,
wie schwer es oft sei, die wirreu :^bbKngigkeitiiverlifiltnisso der mittel-
alterliclieu Quellen zu enträthseln, dient auch ein Vergleich der eben
in Uede stebenden Stellu. Wir setzen zu diesem Zwecke neben die
oben citirte Stelle aus Anonymus die entsprechenden .lus Regino, Lanr.
and Bamb.:
Regino a. 889:
Lanae Ins usus ac ves-
tium ignotus, et qnam-
quam continais frigori-
bu8 afficiantur, pellibua
tantum ferinis ac mu-
rinis indanutar.
Lanr., Z. 189:
restem laneficie ig-
noti, aed pellis ferarum
morenarnm ad veati-
menta ntendo.
Bamb., Z. 127:
vestiti erantdepellibns
ferarum.
Darnach steht Laur. dem Regino am nXchsten, trotadem keine
directen Beziehungen zwischen ihnen aufzuweisen sind.
• Vgl. unten S. 387 f.
» Vgl. Studie VIII, 8, 242.
• Ebenda, 8. 288 f.
> Ebenda, S. 242.
384
Lntcrpolirt (siehe oben S. 370 f.). Nun folgt ein grosserer Ein-
Schub aus den Auszügen, der wieder mit der Notiz Ober die
Skythen als ,antiquiore8 populi' beginnt, sowie mit dem deut-
lichen Hinweise aui' seine Quelle (de quibus hystoriographi, qoi
gesta Uomanorum scripsenmt). So geht es in bunter Folge
weiter. Im Einzelnen das bunte Gewirr dieser Compilimn^
aufzulösen, hat wolil keinen Zweck. Es genügt, nachgewiesen
zu haben, dass der Notar ftlr seine erweiterte Darstellong
Skythiens wohl eine den Auszügen nahestehende Quelle be-
nutzte, dass er aber durchaus nicht alle Nachrichten, die sidi
auch in den Auszügen finden, diesen entnommen haben mnat.
Vieles von diesen verwandten Nachrichten steht nämlich bd
Kegino und stand also auch in den auf diesem beruhenden
Gesta vetera; diese Quellen lagen aber dem Anonymna vor.'
Längst ist es bekannt, dass der Notar die trojanische
Geschichte des Dares Phrygius benützt hat, die er auch
selbst im Prolog nennt. Das Nähere darüber bei Marczali,
in den Forschungen zur deutschen Geschichte, Bd. 17, S. 625.
Ebenso ist wohl die Benützung von ,Alexandri magni
über de preliis' durch den Anonymus sichergestellt. Hierza
ist Marczali, a. a. 0. S. 627 — 630 und Rühl in den Forschungen,
Bd. 23, S. 607 zu vergleichen.»
Die Benützung des Guido de Columpna ist sehr zweifl^
haft. Die von Marczali, a. a. O. S. 631 f. angeführten StelUQ^
die eine »freiere Benützung des Gnido'schen Werkes' beweisen
sollen, sind allgemein verbreitete Phrasen, die man wohl eben-
so in einem anderen Schriftsteiler finden würde. Die einzige
etwas mehr Beachtung verdienende Stelle wäre jene, aus welcher
der Anonymus die Notiz genommen hätte, dass die Flüsse
Skythiens Ivleinodien führen. Diese besticht auch Kühl (S. 603),
einen Augenblick daran zu glauben, dass Guido de Columpna
eine Quelle des Notars wäre. £r hat, ebenso wie Marezoli,
' Ein anderer Irrthum Rlibr» besteht darin, dass er gUulit, Alles, wa«
der Nutar g:eineiDBam mitRegino habe, müsse diesem ditect eutoomm^n
sein. Aach das ist irrig: viele dieser Machrichteo kamen aach darcb
die Gesta dem Anonymus za.
* Irgend eine Redavtion des Aloxandermmans war auch dem Tni fiwir
der iingnriscb-polniiiubeii Chrunik bekannt, S. Ö07 der Anagabe in Mon.
Pol. Hist. I heisst es nfimlich, dass Stephan sich erinnert: ,rerbomm
Alexaudri regis, qoi dixerat: stare pro patria, patrüa titulia et honorv
invigilare decet'.
385
nicht gewusst, dass der Anonymus diese Nachricht aus seiner
■ HauptqueUe, den Gesta vetera, entnahm, aus welcher sie auch
in die spätere Nationalchronik floss.
Man vergleiche:
i
Anonymus.
l 1, S. 2. Nam ibi
bundat aurura et ar-
itum et inveniuntur
fluminibus teiTO il-
3 preciosi lapides et
nme.
5 1, S. 3. Aunira et
;entum et gemmaa
bebant sicut lapidcs,
ia in fluminibus eiua-
m terre invenieban-
§ 25. Et qnod in are-
eorum (fluviorum)
riim colligerent, et
rum terre illius opti-
im esset
Chr. Budense.
S. 65. Erdeel, quod irri-
gatur plurimis fluviis, in
quorum arenis auruin col-
iigitur, et aurum terre
illius Optimum est
Guido.
ditissimus aui'o
et gemmis, que in flu-
raine Tigri et Eufrate
crebriuB inveniuntur.
Wir bemerken zu den vorstehenden Parallelstellen, dass
der Notar die Zusammenstellung aurura — argentum — ^gemmas
aus den Auszügen übernahm;' aus den Oesla brauchte er also
nur den Gedanken an die Flüsse als Fundort entnommen zu
haben. Er konnte dies übrigens als Ungar auch aus eigener
Erfahrung gewusst oder sonst woher geschöpft haben, ohne
gerade den Guido zu kennen.* Dazu kommt nun aber Rühl's
Nachweis, dass Guido sein Werk erst 1288 vollendete, der
' Laar., Z. 140: aiiriim et arpentnm nimis sicnt lapidis iliidom Invenitur
et mnlta aliu gcmmanmi divorsit.is. — Bamb., Z. 1*27: aiinim et argeutum
et gemmas sicttt lajndea habebaut. Vgl. Studie VIII, S. 240, Anm. 4.
* So finden wir x. B. auch bei Isidor die Nachricht (Originum lib. XVI,
cap. XI, § 4): Mittuut eam (ec. galnctitem, d. i. einen weissen Edelstein)
Niln» et Achelous ninuos. — Pliiiiu», Nat. Hist., lib. IV, §. 115: Tagua
anriferis hnrenia celebratur; lib. XXXIIl, §.66: Aiinini invenitur tribus
modis: fluminnm raraentis, nt in Tngo Hispanine, Pado Italiae, Hebro
Tliraciae. . . .
386
AnonymuB aber doch wohl schon froher leine Geste geechriiha I
hat Also werden wir wohl doch dem von BllU (8. 606) i» <
gesprochenen Zweifel tlber die BenOtmng Gxddos dnrefa im
Notar beistinunen.
Die von Marczali, a. a. O. S. 636 f. behauptete verderUek«
Beeinflussung des Notars durch die Etymologien dei Itiiw
wird von Rühl, a. a. O. S. 603 wohl mit Recht gelengnet W«
der Notar nach Marczali aus Isidors Dantelliuig entDomm
haben soll (Magog), steht eben schon in den AoaaOgen {üA»
oben!). So wird man wenigstens an eine directo A^fn"™t
nicht denken müssen.
Dasselbe gilt von der von Marcaali, a. a. O. S. 6% gdtoi
gemachten Benützung des Justinus. Alle Stellen, wdche te
Notar angeblich aus diesem geschöpft hat, finden moh ia Ütar
lieberer Form in den AuszOgen. Man veigleicbe:
Anonymn«.
§ 1, 8.2. Scithici
enim sunt antiqnio-
respopuli. — Eben-
so S.S.
§1,S.4. ...Darium
regem Persarum
cum magna turpi-
tudine Scithici fece-
runt fugere et perdi-
dit ibi Darius octo-
ginta milia hominum
et sie cum magno ti-
morefugitinPersas.
Ebenda: Gens
enim Scithica dura
eratadsustinendum
omnem laborem, et
erant corpore mag-
ni Scithici et fortes
in hello. Nam nichil
habuissent in mun-
do, quid perdere
timuissent pro illata
AnasOge.
Laur. Z.1S4. Ezitian-
tiqaioris popnlns. —
Bamb., Z. 121. Sdthe an-
tiquiores populi.
Bamb.,Z.133. Daryum
regem cum turpitudi-
ne feceruntfugere pre-
dicti Scithe, et perdi-
dit ibi Daryus centum
milia hominum et sie
cum timore fugit in
Persas.
Bamb., Z. 139. Quia
gens illa dura erat ad
sustinendum omnem
laborem, in hello for-
tis, corpore magna.
Nichil habebant, qnod
perdere timerent;
quando victoriam ha-
bebant, nihil de prae-
da volebant, nisi tan-
ScyttuuuiagM
qniaaunaa
DariuB . . . ui
LXXX milibah
nam trepidm vi
(steht hier also m
der Zahl dem Ni
näher).
nihil parare, qnodi
tere timeant, nibü
tores praeter gio
concupiscanL
387
tum laudem exiade
querebant.
i iniuria. Quando
m Scithici victo-
m habebant ni-
iJ de preda vole-
at . . sed tantum-
de laudcia exin-
querebant.
Wie wir sehen, wiederholt sich hier dasselbe, was wir bereits
oben betont liaben: Die ilhnlichen Gedanken sind in diesen
Dingen noch durchaus kein Beweis für directe Abhängigkeit
der Quellen. Ganz offenbar hat auch hier der Anonymus nicht
aus Justinus geschöpft, sondern aus der den Auszügen ganz
nahestehenden Quelle.
Ebenso hintllllig ist die auf Grundlage einer einzigen Be-
obachtung behauptete Benützung des Geographen Solinus
durcii den Notar. Dieses Verhiiltniss steht durchaus nicht, wie
Marczali, a. a. O. S. G2ö behauptet, , ausser Frage'. Es ist
richtig, dass der Notar den Bluteid der Skythen wie Solinus
beschreibt, aber es ist unrichtig, dasa aus den ihnen blos ge-
meinsanaen Worten ,in unum vas' schon die directe Abhängfig-
keit gefolgert werden könnte. Der Notar könnte doch sehr
wohl diese Kunde aus einer anderen Quelle haben, wie doch
auch Solinus sie von irgendwo erhalten hat. Zum Vergleiche
folgen noch hier die Stellen:
AnonymOB.
§ 5. Tunc supra dicti viri
pro Almo duce more paganismo
fusis propriis sanguinibus in
unum vas ratum fccerunt iura-
mentum.
Solinus.
Cap. 15. . . . haustu mutui san-
guinis in unum vas foedus san-
ciunt. . . . (Scythamm) ne qui-
dem foedera incrucnta sunt,
sauciant se, qui paciscuntur,
exeniptumque sanguinem, ubi
^^^ permiscuere, degustant.
^^^ Bezüglich der Benützung Regino'a muss betont werden,
I dass dieser einerseits mittelbar durch die Gesta Hungarorum
I vetera, andererseits nochmals unmittelbar vom Notar benutzt
wurde. Es genügt, auf Studie VII, S. 463 und 471 und vor
Allem Studie VIII, S. 241, 2ö8 f. und 273 zu verweisen, sowie
388
die Parallelstellen ebenda S. 236 ff. und 256 ff. Es möge mir
hier nochmals betont werden, dass nicht alle Roginostellcn,
welche Anonymus bietet, und die sich bei Keza und in
der Nationalchronik nicht finden, direct erst vom Kot&r aus
Regino entlehnt sein mllssen. Man kann auch annehmen,
dass er hierin entweder enger als Keza und die Chronik
sich an die Gesta anschloss, oder dass in der Redücdoo
der Qesta vetera, welche Keza und der Nationalchronisi
benutzte, bereits einige Nachrichten aus Regino weggefall^H
waren, dio noch in der Redaction der Gesta, welche dem No4^^|
vorlag, enthalten waren. Dies gilt aber gewiss nicht z. B. von
den Stellen, welche Studie VTII, S. 273 namhaft gemacht sind.
Vielleicht sind auch einige Züge in der Beschreibung Skj-thiens
direct aus Regino entnommen, worüber Studie VIII, S. 236 — 241
zu vergleichen ist.
3. Das Zeitalter des Anonymus. Der Werth seiner üngarn-
geschichte.
In den vorangegangenen Studien haben wir wiederhoh
dio Ansicht ausgesprochen, dass der anonyme Notar ein Zeit-
genosse Keza 's war, also etwa um 1275 sein Werk verfasat
habe. An dieser Ansicht glauben wir mit Marczali geg^^
die neuere Untersuchung von Florianus festhalten zu mUssi^H
Auf andere, insbesondere die ältere Literatur, ist wohl nicbt
nöthig, hier näher einzugehen; man vergleiche darüber die
Mittheilungen bei Marczali, Geschichtsquellen, S. 94 ff.
Der Verfasser unserer Chronik nennt sich gleich zu An-
fang seines Werkes ,P. dictus magister ac quondam bone me-
morie gloriosissimi Bele rcgis Hungarie notarius'. Es
entsteht nun die Frage, welchem König Bcla der Anonymus ge-
dient hat. Dass der erste (1061— 1063") und zweite (1131—1141)
Künig dieses Namens nicht in Betracht kommen, ist onzweifel-
haft. Mao vergleiche übrigens dartiber, was Florianus in seinen
Fontes II, S. 261-274 ausfuhrt. Es bleibt somit niir Bela III.
(1173—1196) und Bcla IV. (1235—1270) übrig. Für Ersteren
entscheidet sich Florianus, fUr Letzteren Marczali.
Florianus führt zuniichst Alles an, was nach seiner An-
sicht dagegen spricht, dass der Notar im letzten Drittel des
13. Jahrhunderts geschrieben haben künnte (Fontes II, S. 27Ö
bis 284) Seine Ausführungen scheinen durchaus unstichhiiltig
zu sein. Wir wollen sie, um dies nachzuweisen, näher prUfen.
Zunächst macht Florianus geltend, dass die Cumanen zur
Zeit Bclas IV. schon langes Kopf- und Barthaar trugen, Ano-
nymus spricht dagegen von rasirten Köpfen der Cumanen, also
könne er nicht dieser Zeit angehören. — Dieser Beweis ist unhalt-
bar. Ohne dass wir auf die Kopftracht der Cumanen des
13. Jahrhunderts näher eingehen,* können wir nämlich gegen
die Beweisführung Florian's Folgendes einwenden: An der be-
treffenden Stelle (§ 8) .Tonsa capita Cuiuanorum Almi ducis
milites mactabant, tanquam crudaa cucurbitiis', spricht der
Notar nicht von den Cumanen seiner Zeit^ sondern von jenen,
mit denen angeblich Almus gekämpft hat. Hatten nun, wie
dies auch Florianus anzunehmen scheint, noch die Cumanen
des 12. Jahrhunderts rasirte Köpfe, so durfte der Notar mit
Recht deren Vorfahren diese Eigenschaft zuschreiben. Nichts
berechtigt uns ferner zur Annahme, dass ihm aus seinen Quellen
nicht bekannt war, dass die alten Cumanen ihren Kopf rasirt
haben, und er nothwendigerweise sie so schildern musste, wie
sie etwa zu seiner Zeit umhergingen. Dazu kommt nun aber,
dass auch die um 1300 entstandene Nationalchronik nach Aus-
wei.s ihrer Ableitungen von rasirten Köpfen der Cumanen spricht.
Im Chron. Bud., S. 129 heisst es nämlich von den Cumanen,
gegen welche Ladislaus (der Heilige) kämpfte: ,Capita quippe
Cumanorum noviter rasa, tanquam Cucurbitas, ad maturitatem
nondum bene perduetas, gladiorum ictibus discidunt.' Mit Recht
vermuthet Marczali, GeschichtsqueUcn, Ö. 93, dass beiden Stellen
irgend eine alte ungarische Redensart zu Grunde liegt. Ein Be-
weis lässt sich also aus dieser Stelle durchaus nicht ziehen.
An zweiter Stelle macht Florianus den Umstand geltend,
dass der Notar gern vorgreifende Bemerkungen mache; da er
nun keine auf die Zeit Belas IV., insbesondere auf den Tataren-
cinfall bezügliche biete, so müsse er früher sein Werk vollendet
haben. — Dagegen muss bemerkt werden, dass der Anonymus
wohl einige vorgreifende Bemerkungen macht (vgl. oben S.373ff.);
daraus folgt aber durchaus nicht, dass er für gewisse Perioden
und Ereignisse solche Bemerkungen gemacht haben müsse.
Unbillig ist es, zu fordern, dass er in seiner nur bis auf den
^ Vgl. flbrigeni) CABsel, Magynriaclie AltertliUmer, S. lT'2f.
390
Herzog Geisa geftlhrten Darstellung auch schon das 13. Jahr-
hundert berücksichtigt haben solle. Würde dieses Beweis-
verfahren Florians seine Richtigkeit haben, dann müsste der
Anonymus dem 11. Jahrhundert angehören, denn von seinen
vorgreifenden Bemerkungen hat keine auf das 12. Jahrhundert
Bezug. Man vergleiche oben S. 373 ff.
Seinen dritten Beweis holt Florianas aus folgender Be-
merkung des Notars (§57): ,Dux vero Zults post reversionem
militum suorum fixit metas Hungariae, ex parte Qrecorum
usque ad portam Wacil et usque ad terram Raey.' — Diese
Notiz — sagt Florianus — kann nur bis zur Zeit EmericJis
gegolten haben ; .post captam onira' — fthrt er fort — ,» La-
tinis pridie idus Aprilis 1204 Constantinopolim, Graeci finitimi
Latinis esse desierunt*. Diese Beweisführung — auf sonstige
Umstände gehen wir nicht ein — ist von der Ansicht diclirt,
dass der Anonymus in jeder Beziehung die Zustände seiner
Zeit in die Vergangenheit übertragen habe. Nun ist das aber
eine sehr unrichtige Anschauung. So wie er aus seiner alteo
Vorlage über die Grenze bei Gran und Saros (vgl. oben S. 377)
Kunde erhalten hatte, so kann auch seine obige Nachricht,
gleichviel ob sie richtig oder unrichtig ist, dieser oder einer
anderen Quelle entsprungen sein. Die Berechtigung, aus der
Angabe dieser Grenze das Zeitalter des Anonymus erschliessen
zu wollen, ist ebenso verfehlt, als wenn man aus einer der
anderen Grenzangaben, z. B. der oben erwUhnten Gran — Saro«,
diesen Schluss ziehen wollte.
Femer macht Florianus Folgendes geltend: Der Notar
erzählt Manches Über die Familie Bors. Diese ist 1243 bereits
ausgestorben. Es ist nicht anzunehmen, dass der Notar diese
Mittheilungen aufgenommen hiltte, wenn er erst nach dem Aus-
sterben der Familie geschrieben haben würde. — Darauf ist
zu antworten, dass der Notar dann überhaupt nichts oder nur
sehr wenig geschrieben htttte, wenn er von der ihm von Flor
nus zugeschriebenen Gesinnung erftlllt gewesen wttre. Uel
die Ereignisse, die mit der Geschichte einer bedeutenden
Familie zusamraenhUngen, wird der Historiker wohl auch
einige Jahrzehnte nach deren Aussterben mit Interesse be-
richten. Wir fügen hinzu, dass im Berichte dea Anonymus
durchaus keine Andeutung vorhanden sei, als ob er von Zeit-
genossen schriebe.
391
Fünftens macht Florianiis auf folgende Stelle des Ano-
nymus (§ 28) aufmerksam: ,(To8U et Zoboisu duces) in portu
Drugm.i fluviiun Thyscie transnavigantes; ubi etiam per gratiam
Arpad ducis cuidam Cumano militi nomine Huliot magiiam
terram acquisiverunt, quam posteritas eius usque nunc habue-
runt.' Er verweist nun darauf, dass dieses Gebiet mit IJhot,
Ohat und Hahothmunustura zusammenfalle; da nun 1219 und
1248 ein abbas de Uhot erscheine, sei jenes Gebiet bereits
geistlich gewesen, und der Notar hätte nicht jene Bemerkung
^usque nunc haberunt' gebrauchen können, wenn er Belas IV.
Notar gewesen wäre. — Aber auch dieser Beweis liat eine Reihe
von Schwächen. Zunächst finden wir Hahothmunustura gegen
das Ende des Jahrhunderts, wie dies Florianus selbst anfuhrt,
wieder in dem Besitze von Laien; dies beweist eine Urkunde
von 1299. Die Vollständigkeit der obigen Ausflihrungen hätte
erfordert, dass 1. nachgewiesen werde, ob nicht die in der Ur-
kunde von 1299 genannten Privatbesitzer etwa aus der Familie
des Huhot entstammten oder wenigstens dies vorgaben; und
2. wäre es möglich, dass die Besitzer seit 1248 mehrmals
wechselten und das Gut zur Zeit, da der Anonymus schrieb,
sich in dem Besitze der Nachkommen des Uuhot befunden
hätte. Dazu kommt aber, dass wir absolut nicht wissen, ob
jene dem Huhot verliehenen Ländereien sich völlig mit der
Besitzung des Hubothmünsters deckten. Schliesslich ist der
Ausdruck des Not^irs ,UBque nunc habuerunt' sehr auffällig.
F"erner macht Florianus darauf aufmerksam, dass die vom
Notar (§ 50) als fons Sabarie bezeichnete Quelle beim Martins-
berg in einigen Urkunden des 13. Jahrhunderts nicht unter
dieser Bezeichnung, sondern als Pannosa oder Pounsa erscheint.
— Gegen diesen Beweis niuss eingewendet werden, dass das
ganze 13. Jahrhundert hindurch die Oertlichkeit, wo das Martins-
kloster lag, Sabaria genannt wird,' somit die berühmte Quelle
dortselbst von jedermann und jederzeit als Fons Sabarie be-
zeichnet werden konnte. Diese Bezeichnung wird durch die
von Florianus geltend gemachte durchaus nicht ausgeschlossen,
da beide Benennungen nebeneinander gebraucht werden konnten.
' Die Belege findet man im ,Index nlphabeticna codicij dipl. Arpadiani
conttnuati per QiiataTum Wenzel. . . .' von F. Kovics (Budapest 1889),
8. 590 f.
392
Sodann will Ilori«m8 ans dem ünutande^ da« beimHikr
(§ 1) noh ttber Ofen die Bemerknng ,dicitiir nnne BiidiitB'
findet^ den Sehloss ziehen, er mflaae vor Bela IV. geadniak«
haben. Nadidem nlmlioh 1266 dieser KOnig die neoe Bmf
in Pest erbaut hatte, hatte man üch gewOhsty Ofen ab Tda
Bnda xa bezeichnen. — Indessen darf man wohl mit Bestimit-
heit annehmen, dass der Name Badavar nidht ao rasdi tv-
achwand, als dass er etwa 1276 nicht noch im Oebmodw wb.
Bei Eeza wird an der entsprechenden SteDe allemfiJIs nnrOt-
bada (Ältbada) genannt (8. 64): ,Fecerat enim (Bnda) Saan-
briam sao nomine appellari . . . Hnai vero . . naque hodie asa-
dem Tocant Oobadam sicnt prios.' Die Nationalchnniik (Btr
dense, S. 24) schiebt an dieser Stelle der von ihr «nsgeachriebw
Hunengeschichte Keaa's neben der neuen wieder aoeh dis ab
Namensform ein, sie war also dem Chronisten offenbar aodb
geläofig: ,Nam Sioambriam sao nomine feoerat nominari Bids
Vara . . . at eadem civitas non Buda Vara, sed orbs Atik voea-
retor . . . Hongari vero . . adhuo eam ö Bndam nsqoe bodi»
▼ocant et appellani' Schliesslich mflsste noch in Befatadit g»>
sogen werden, dass die Bemerknng ,nnnc dicitDr* laidt
durch die Vorlage (die G«sta) beeinflusst sein konnte. Ytr-
gleiche Studie VIU, S. 244.
Nachdem Florianas die verschiedenen Umstände anfgeffilirt
hat, welche nach seiner Meinung dagegen sprechen, dass der
Notar um 1275 sein Werk verfasst haben könnte, vergleidit
er (S. 284 — 291) dessen Werk mit demjenigen Keza's und ver-
sucht so zu zeigen, dass zwischen beiden ein grosser Zeit-
abstand angenommen werden mtlsste. Wir wollen auch diese
Ausfllhrungen im Einzelnen prttfen.
Zunächst versucht Florianus aus dem umstände Schlösse
zu ziehen, dass beim Anonymus fllr Siebenbürgen der Name
,terra ultrasilvana' (§ 27), bei Eeza aber bereits die Bezeichnung
,septem castra' (S. 77, § 24) sich findet. Da nun aber in der
Nationalchronik, die bekanntlich erst um 1300 entstand, sich
dieselbe Bezeichnung findet wie beim Anonymus (Chronicon
Posoniense,' § 34: ,tociu8 ultra silvam regni gubemacnlt';
Pictum, S. 140: ebenso; Budense, S. 65 und Dubnicense, S. 44:
' Ueber die UnprBngUcbkeit dieser Bedaction riebe Stodie XL
393
,tocias transilvani regni'), so fkllt die ganze Beweisftlhrang in
nichts zusammen.
Dass aus den beim Anonymus und bei Keza vorhandenen
verschiedenen Bezeichnungen ftir die Führer der Ungarn kein
bindender Schluss gezogen werden könne, gibt Florianus selbst zu.
DasB in der Beschreibung Skythiens bei beiden Unter-
schiede vorhanden sind, ist sicher. Der wichtigste ist allen-
falls der, dass der Anonymus in seiner Beschreibung noch
keinen Gebrauch von den Forschungsergebnissen des 13. Jahr-
hunderts gemacht zu haben scheint. Es fehlen an dieser Stelle
bei ihm einige geographische Namen, welche sich bei Keza
und in der Chronik finden; er hat es hier vorgezogen, seine
Darstellung aus anderen, älteren Quellen zu interpoliren (vgl.
oben S. 382 f.). Dafür zeigt aber Anonymus in den Para-
graphen, in welchen er über den Zug der Ungarn nach dem
Westen berichtet, sich weit besser als seine QueUe und die
anderen Ableitungen derselben (Keza und die Chronik) unter-
richtet.' Man vergleiche seine Ausführungen (§ 7 ff.) mit den
kurzen Bemerkungen Keza's S. (58 f. und) 71 und des Chronicon
Budense, S. (14 und) 36. Vor Allem findet sich beim Anonymus
auch nicht die confuse Zusammenwerfung des Don mit dem
Etui (Wolga), die sich bei Keza (Ö. 56) und nach ihm in der
Chronik (Chron. Budense, S. 10 und 11) findet. Es ist also
durchaus kein Grund vorhanden, die Gesta des Notars unbe-
dingt vor die Entdeckungen des 13. Jahrhunderts anzusetzen.
Wir sehen davon ab, dass dem Notar nicht nothwendigerweise
alle Ergebnisse dieser Entdeckungen bekannt geworden sein
mtlssten.
Völlig verfehlt ist auch der Beweis, den Florianus aus
dem Verhältnisse des Notars und Keza's zur Sage von Botond
folgert. Das« diese Sage (vgl. Studie VIII, S. 272) in der dem
Anonymus vorgelegenen geschriebenen Quelle nicht enthalten
war, ist richtig. Unsicher ist die Annahme, dass in der Quelle
Keza's sie fixirt gewesen sein mUsste. Völlig verfehlt ist aber
der Schluas, dass aus dem Umstände, weil dem Notar die Sage
noch nicht aufgezeichnet vorgelegen wäre, Keza sie aber schon
(angeblich) in einer Chronik gefunden hätte, ein zeithcher Ab-
stand zwischen beiden angenommen werden mUsste. Es ist
* V^l. biezu auch Cassel, Magyarische AlterthQmer, S. 171 f.
ArebtT. LIX.WHI. üi. II. BUft«.
26
394
sehr leicht möglich, dass ihnen zu derselben Zeit ihre Qaelle
(nach unseren Ausfllhrungen die Gesta vetera) in Terschiedenen
Redactionen vorlag.
Ebenso können andere Unterschiede in beiden Dar-
stellungen, welche Florianus im Schlussabsätze dieses Ab-
schnittes aufzilhlt, erklärt werden, ohne dass man zeitlicbe
Unterschiede annimmt (Abweichungen in den Angaben über
die ältesten Führer der Ungarn und Über die Zeit der Ver
bindung der Cumanen mit den Mag^'aren).
Aus dem Vorstehenden ersehen wir, dass auch der Ver-
such Florians, aus dem Vergleiche der Nachrichten bei Ano-
nymus und bei Keza einen grösseren Zeitabstand swischeo
beiden nachzuweisen, keine bindenden Ergebnisse xu
förderte. Es ertlbrigt uns noch, seine Beweise zu pr
welche direct fiir die Zeit Belas III. sprechen sollen (S.
bis 300).
Er macht zunächst darauf atifmerksam, dass zwischen
den vom Anonymus berichteten EidschwUren der ilteeten
Führer der Ungarn (§ 5) und den Decreten Adreas' U. von
1222 und 1231 sich Aehnlichkeiten nachweisen lassen. Wir
lassen dies gelten. Wenn aber Florianus sich der Ansicht zu-
neigt, dass die in diesen Vereinbarungen ausgesprochenen Ge-
danken zunächst beim Notar und dann erst in den Decreten
fixirt worden seien, so scheint wohl gerade das Umgekehrte
richtiger zu sein.
Was Florianus mit dem Hinweise auf die (übriffcns auf
Regino beruhenden und den Gesta entnommenen) Nachrichten
des Notars (§§ 50 und 51) Qber die Kämpfe mit den Mährem
und die sich daran knüpfende Bemerkung, dass die Ungarn
das diesen entrissene Gebiet ,usque in hodiemum diem' be-
sitzen, bezweckt, ist nicht abzusehen. Die den Mährem ent-
rissL-nen Landstrecken besassen die Ungarn doch auch im
13. Jahrhundert.
Florianus nimmt ferner ßüschlich an, dass die bei Anony-
mus (§ 9) vorhandene Bemerkung , Et jure terra Pannonie pascua
Romanorum esse dicebatur' die Quelle flLr andere Berichte des
13. Jahrhunderts geworden ist, insbesondere für Richard's Be-
richt (Mon. Arp., S. 24Ö). Indessen ist die gemeinsame Quelle
beider in den Gesta vetera zu suclion. Veri,'ieiche Studie VII,
S. 479 und VIII, S. 243. Die an obige Bemerkung gekuUplle
396
I
ironische Notiz des Notars ,nani et modo romani paBcwntur de
bonis Hungarie* hat viel zu allgemeine Bedeutung, als dass man
den Satz an eine bestimmte Zeit knüpfen könnte. Man wird
daher auch der von Florianus geltend gemachten Beziehung
auf die Zeit Belas III. und seiner Söhne nicht beistimmen
können.
Beim Anonymus schenkt Arpad dem Fürsten Salanua
Kameele {§ 14). Im Jahre 1189 beschenkt Bela III. den
Kaiser Friedrich mit Kameelen. Daraus schliesst Florianus,
der Notar müsse ein Zeitgenosse Belas III. gewesen sein.
Dass dieser Beweis sehr hinfällig ist, braucht kaum hinzu-
gefügt zu werden.
Von dem Bischof Turda sagt Anonymus durchaus nicht,
dass er sein Zeitgenosse sei. Die Worte: ,a eius progenie
Turda episcopus descendit' (§ 19) dürfen durchaus nicht so
aufgefasst werden, sonst könnte man den Anonymus auch zum
Zeitgenossen Attilas machen. Man vergleiche § 1 der Geata
des Notars: ,A cuius [Magog] etiam progenie regis descendit
nominatissimus atque potentissimus rex Athila.' Ebenso heisst
es beim Anonymus: , Longo autem post tempore de progenie
eiusdem regis Magog descendit Ugek, pater Almi' (§ 1).
Somit sind alle au die Erwiihnung Turda's geknüpften Folge-
rungen Florians hinfällig.
Was schliesshch den Beweis aus gewissen alterthüiulichen
Sprachformen anlangt, so dürften diese wohl weniger für das
Zeitalter des Anonymus als für dasjenige seiner Vorlage mass-
gebend sein. Uebrigens kommen ähnliche F'ormen — wie Flo-
rianus selbst zeigt — auch in Urkunden bis in die Dreissiger-
jahre des 13. Jahrhunderts vor und könnten somit auch noch
etwas später im Gebrauch gewesen sein.
Wie wir sehen, ist also Florianus durchaus nicht der
Beweis gelungen, dass der Anonymus nicht dem ausgehenden
13. Jahrhundert angehören könne, sondern um die Wende des
12. und 13. Jahrhunderts angesetzt werden mUsste. Es kann
nun andererseits nicht geleugnet werden, dass auch manche
Gründe, welche Marczali iür das ausgehende 13. Jahrhundert
als Zeitalter des Notars geltend macht, nicht gerade stichhältig
sind. Aber man kann wohl den von ihm beigebrachten noch
einige neue hinzufügen.
26»
896
Unsere Qrttnde, welche daftr ipreohen, d«w dar km-
nymiu Notar ElOnig Belas lY. und somit ein ZeitgenoMB Kaa'i
war, sind folgende:
1. Mit BOsler, Hnnfalvy und Maresali
conttohst darin ttberein, dass die Nacbriohteii des
ttber die aahlreiohe walacbische Bevidkenmg^ Siebenbtaga
aar Zeit der magyarischen Landnahme erst «n ^*flylwr*>T'
aas den Verhältnissen des 18. Jahrhnnderta aeia konnten.^
2. Mit Recht betont fonter Marcaali (S. 96) den UnMlnd^
dass beim Anonymus die Cnmanen als treue Oenoasea ai
Hilfitrappen der Ungarn erscheinen (siehe »iieh oben 8. Uli).
Da nun aber bis mm Einbräche der Mongolen da« VariilWB
awisohen beiden Völkern stets ein feindliches war und ot
Boither sich änderte, so kOnnen jene Anschaanngen des Aa»-
nymos nur der Zeit am 1275 angehören.
Za diesen GhrOnden ftgen wir, indem wir von aadm
bffl Marcaali geltend gemachten hier absehen, noch tolgmk
hinzu:
3. Es ist bekannt, wie gross der griediisdhe Einflm ii
Ungarn während des 12. Jahrhonderts war, and wieviele Kied»
lagen die Ungarn durch den kriegerischen Kaiser Manael (f llWi
erlitten. Demgegenüber spricht der Notar von den griechiachen
Ejriegem überaus geringschätzend: ,. . . qui assimilantur nostiis
feminis et sie timeamns multitudinem Greconun, sicut mnhi-
tudinem feminarum' (§ Ö9). So gering hätte doch der Not»
Belas m. über die Griechen nicht genrtheilt.
4. Anonymus lässt die Krieger Arpads Turniere aufftiliren
(§ 46: ,cum clipeis et lanceis maximum tomamentum faciebanf).
Da nun die Turniere erst im 12. Jahrhundert in Ungarn bekamit
geworden sein konnten, so hätte dies der Notar Belas IH dod
wohl wissen müssen, und dann hätte er kaum die Uebung der
selben schon in die Zeiten Arpads verlegt.
5. Nach der Nationalchronik (Budense, S. 154) erscheinen
zur Zeit des Thronkampfes zwischen Geisa und Salomon an der
Westgrenze Ungarns (de Musun et Poson) Bessenen-Fetsdie-
negen unter ihrem Führer Zolta, die Geisa im Kampfe geges
Salomon unterstützen. Da in dieser Zeit das Reich der
> Vgl. meine Geachichte der Bokowinal (1. Aofl., 1888) und BeiMII*
cur Uteren ang&riacben Geschichte, 8. SS ff.
397
Petachenegen durch die Cnmanen zerstört wurde und an der
österreichischen Grenze noch am Beginne des 13. Jahrhunderts
Petschenegen vorkommen, so ist es sehr wahrscheinUch, dass
es sich um eine Ansiedlung von Petschenegen handelt.^ Allen-
■ falb wusste man, solange diese Petschenegensiedlungen existirten,
wann sie entstanden seien, und insbesondere hätte dies der Notar
König Belas III. am Ende des 12. Jahrhunderts gewusst. Nun
setzt aber der Anonymus die Ansiedlung dieser Bissenen (ultra
lutum Musun) in die Zeit des Herzogs Zutta, indem er ganz
offenbar den Petschenegenflirsten Zolta mit dem Grossherrn dieses
Namens verwechselt. Man darf annehmen, dass dieser Irrthum
kaum dem Anonymus passirt wäre, wenn er zur Zeit Belas III.
gelebt hätte. In den Gesta vetera stand davon natürlich nichts;
deshalb hat Keza nichts darüber; Anonymus und die National-
chronik bieten aber abweichende Nachrichten.
6. Aus dem Umstände, dass der Anonymus etwa gleich-
seitig mit Keza entstand, würde sich auch die gegenseitige voll-
ständige Dnabliängigkeit der beiden Quellen von einander
leichter erklären. Ebenso ist auch der Umstand, dass der
Anonymus auch sonst keine besondere Verbreitung und Be-
achtung gefiinden hat, leichter zu verstehen, wenn man an-
nimmt, dass er ziemlich gleichzeitig mit der allenfalls an-
sprechenderen Chronik Keza's und nur kurz vor der alle
anderen Darstellungen schliesslich verdrängenden National-
chronik entstanden sei.
Diese sind die Gründe, welche den Schreiber dieser Zeilen
veranlasst haben, den Notar für einen Zeitgenossen Keza's
zu halten und die Abfassung seines Werkes am 1275
anzusetzen. Daran wird man wohl auch festhalten müssen,
80 lange nicht schlagendere Beweise als jene Florians dafür an-
gefUhrt werden können, dass der Anonymus der Notar Belas III.
war. Unsere sonstige Beweisführung, besonders bezüglich der
Ausfuhrungen des Verhältnisses zwischen den Gesta vetera und
dem Anonymus, könnte durch diesen Nachweis durchaus nicht
beeinflusst werden. Näheres über die Person des Anonymus
erforschen zu wollen, liegt ausser der nüchternen Möglichkeit.
' Vgl. Marczali, a. a. O. S. 93. — Dass diese Kachrichten der Chronik
wahrecbeinlich auf den leider verlorenen .antiqui libri de gestis Ungaro-
mm' beruhen, warde schon Studie VUI, S. 290 betont.
Man vergleiche übrigeiu Maroiali, a. a. O. S. 101 £ Die ▼■>■
mathimg BOder'B, 4<u* ^ **u dem (todiohen Ungarn atun^'
liat Manohee Air aidh: der Notar legt nlmlieh beaagüdi OM-
noganiB besondere Kenntniaae an den Tag.
SchlieBBÜoh mOgen noch dnige Bemerkniigen ftbor im
Werth der Gesta des Notin hier Plats findesu Deruamgm
Notar ist nach ROaler' ^ebensowohl ein gnaaer Ignonitt ab
ein groaaer Fülsoher gewesen'; nnd an einer amdeieB Stab
hmt er sein ürtheil dahin snaanunen, ,daa8 von sanen 67 CtfUih.
keines eine werthTolle Nachricht liefert, daaa aeme DantaBaag
im Grossen wie im Kleinen unvereinhar ist mit den Hack-
richten der gleichseitigen Sohnftateller'.* Dieaem CMab
werden wir nicht beiatimmen können, wenn wir auush andsnr
aeits der Ansicht Marcaali's* beipflichten, daas die Ociaaiaiat
darstellung des Notara insbesondere (Hr die Z«t der Erobcnaf
Ungarns nicht ala Quelle dienen kann. Nach dmn, waa obai
über die Quellenkenntniaae des Notara auagefllhrt wurde, kSnm
wir ihn mit Bückaioht auf die Verh<niaae seiner Zeit wader
für so unwiaaend halten, wie Bösler ihn hinstellt, noch li^gt cia
Grund vor, ihn fUr einen wissentliohen FOlK^er sa bebaieiitHL
Der Hauptwerth seines Werkes liegt eineraeits in der Bolle,
welche dasselbe bei den kritischen Untersuchungen über die
Gesta vetera spielt, andererseits bietet dasselbe doch vide
Nachrichten, welche bei kritischer Benutzung als werthvoll be-
zeichnet werden mUssen. D(ihin sind vor Allem seine Mit-
theilungen über die ostungarischen Verhältnisse zu zfthlen,
welche diejenigen in der Legende Qerhard's ergänzen, ferner
die Mittheilungen familiengeschichtUchen Inhalts und jene fiber
die damit zusammenhängenden BesitzverhiÜtnisse.
4. Znsammenfaisnng der wichtigsten Srgebniaae.
Die Gesta Hungarorum des Anonymus enthalten im Qegea-
Satze zum Werke Keza's und der Nationalchronik nur eine Ge-
schichte der Ungarn; mit der ausführlichen Hanengeschichte,
welche die eben genannten Darstellungen der Ungamgeschichte
' Rninänigche Studien, S. 224.
* Ebenda, S. 186.
» A. a. O. 8. 229.
* Oeschichtsquelleu, 8. 108.
399
Yoranschicken, hat seine Erzählung nichts gemein. Er nennt
gar nicht die Hünen. Attila wird von ihm als einer der ersten
ungarischen Könige und als erster Eroberer Pannoniens ge-
nannt. Sonst weiss er nur über Buduvar-Ecilburgum etwas zu
sagen. Vergebens suchen wir bei ihm nach einer Aufklärung
darüber, wie es denn kam, dass die Magyaren, mit denen doch
schon Attila nach Pannonien gekommen war, später wieder aus
Osten dahinzogen. Die Erwähnung Attilas ist eben nur eine
gelegenthche, in die Beschreibung Skythiens, der Urheimat der
Magyaren, eingefügt: dort stand sie auch schon in den Gesta
vetera Ungarorum, der gemeinsamen Vorlage des Notars, Keza's
und der Nationalchronik für die ältere Ungarngeschichte. Aus
ihr hat der Notar die Hauptzüge der Beschreibung Skythiens,
des Ursprunges der Ungarn und ihrer Könige (Magog, Attila,
Ugek, ALmus . . .) entnommen; nach dieser alten Quelle er-
zählt er sodann die Auswanderung der Magyaren aus der
Urheimat, den Zug nach dem Westen, die Eroberung Panno-
niens und die folgenden Raubzüge bis auf die Herzoge Toxun
und Geisa. Aus der folgenden Darstellung der Gesta bringt
Anonymus nur einzelne vorgreifende Nachrichten. Wir wissen
nicht, ob er seine Erzählung überhaupt nur bis Geisa geführt
hat, oder ob sein Werk uns unvollständig überliefert vorliegt;
ist die einzige uns unbekannte Handschrift das Aulograph des
Notars, dann wäre das Erstere anzunehmen. Seine Vorlage hat
aber, wie schon aus den ihr entnommenen vorgreifenden Be-
merkungen zu schliessen ist, jedenfalls noch das 11. Jahrhundert
umfasst. Zur Ergänzung dieser Vorlage hat er ausser der un-
garischen Ueberlieferung und seiner Localkenutniss auch noch
die V'ita s. Gerhardi oder doch eine ihr nahestehende Quelle
benützt. Ausser diesen einheimischen Quellen lagen ihm vor:
irgend eine auf Cassiodor beruhende Darstellung der gothischen
Urgeschichte, die trojanische Geschichte des Dares Phrygius,
femer Alexandri magui über de prehis. Dagegen entbehrt die
Annahme, dass er auch die Werke Guidos de Columpna, Isidors,
Justinus' und Solinus' benützt habe, der Begründung. Die Be-
nützung Reginos ist doppelt: zunächst mittelbar durch die
Gesta vetera, denen der deutsche Chronist schon Quelle war;
und nochmals unmittelbar direct durch den Notar. Der Ano-
nymus war aller Wahrscheinlichkeit nach Notar Belas IV.; er
ist also ein älterer Zeitgenosse Keza'a. Der llauptwerth seines
400
Werkes liegt in der Rolle, welche dasselbe bei den kritiscben
Untersuchungen über die Gesta vetera spielt. Auch sonst bietet
dasselbe mancherlei Nachrichten, welche bei kritischer Benützung
von Werth sein könnten. Die Gesammtdarstellong des Notsn
kann dagegen nicht als Quelle dienen.
I
Keza^H Chronik. Seine Oesta Ilunornm nnd Ihre Quellen.
Seine Redaction der tiesta Han:;arortiiu vetera und Ak
anderen Bestandtbeile Keiner Ung:amg:eschlchte. Die Be-
deutung seines Werltes.
Die ,Ge8ta Hungarorum' des Magisters Simon de Keza,
des ,fidelis clericus' Ladislaus' des Rumänen (1272 — 1390), wie
er sich in dem an diesen König selbst gerichteten ,Prohemiam'
seines Werkes nennt, sind für uns schon deshalb von grosser
Bedeutung, weil dieses Werk die erste ungarische Chronik ist.
die ihre Entstehungszeit selbst genau angibt.
Aus den früheren Studien ist der Leser mit den Haupt-
ergebnissen unserer Untersuchungen über diese Chronik bereits
vertraut. In der vorliegenden sollen diese Ausführungen im Za-
sammenhange vorgetragen und vertieft werden.
Wir werden also zunächst genauer nachweisen, dass der
die Hunengeschichte behandelnde Theil (Gesta Hunoram)des
Werkes von Kcza dessen Originalarbcit ist. Für diesen Theil
seiner Chronik boten ihm die Gesta vetera nur sehr wenig.
In diesem Abschnitte soll auch Einiges über die Quellen Keza's
für seine Hunengeschichte und ihren Werth angeführt werden.
In einem weiteren Abschnitte soll sodann über die V^er-
knüpfung dieser Hunengeschichte mit den Gesta Hungarorum
vetera und anderen Quellen gehandelt werden. Wir wollen also
in diesem Theiie sowohl die eigentliche Ungarngeschichte
Keza's und deren Quellen behandeln, als auch ihren Werth
feststellen.
Schliesslich aollen die Ergebnisse kurz zusammengefasst
und die Bedeutung des Gesammtwerkes Keza's charak-
terisiert werden.
401
1. Keza's Qesta Hnnonim.
a) Die Gesta Hunorum sind Keza's originales Werk.
Bereits in der Studie VII, S. 456 fF. ist darauf verwiesen
worden, dass zwischen der Hünen- und Ungarngeschichte, wie
sie uns bei Keza und sodann in den Nationalchroniken ent-
gegentreten, eine deutliche Naht bemerkbar ist, die sich nur
aus dem Umstände erklären lässt, dass beide Theile nicht eiaem
ursprünghch einheitlichen Werke angehörten.
Es ist zunächst darauf aufmerksam gemacht worden, dass
die Einwanderung der Ungarn zweimal erzählt werde: einmal
am Ende der Hunengeschichte und das andere Mal in den
ersten Capiteln der Ungarngeschichte. Diese Bemerkung kann
man sowohl bei Keza, als auch in den anderen Chroniken machen.
Es ist femer darauf hingewiesen worden, dass nach den
Gesta Hunorum mit den Ungarn Attilas Enkel Edemen wieder
nach Pannonien kam. In der Ungarngescliichte, wo alle Führer
aufgezählt werden, geschieht aber gerade dieses Mannes keine
Erwähnung, trotzdem man doeh mit Recht erwarten sollte, dasB
der Nachkomme des berühmten Attila nicht vergessen würde.
Auch diese Bemerkung gilt sowohl von Keza als von den
anderen Chroniken.
Einen anderen Widerspruch hat Keza beseitigt, in den
Chroniken tritt er aber deutlich zu Tage. Keza läest im §. 6
der Hunengeschichte dieses Volk im Jahre 700 (anno dorn,
septingentesimo) nach dem Westen aufbrechen. Da er nun die
Einwanderung der Uugaru (unter Almus-Arpad) in ziemlicher
Uebereinstimmung mit den Gesta Hungarorum ins Jahr 872
setzt, so konnte er im §. lö seiner Hunengeschichte die oben
citirte Mittheilung machen, dass ein Enkel Attiias bei der Ein-
wanderung der Ungarn oder, wie er es auffasst, bei der Rück-
wanderung der Hünen betheiligt war. Dem widersprach nun
aber die nach dem Ausweise des Anonymus und der Chroniken
in den Gesta vetera vorhandene Angabe, dass Almas zwei oder
gar drei und Arpad gar drei oder vier Generationen jünger
als Edemen sei, da ersterer als Enkel oder Urenkel des Ed,
Bruders Edemens, erscheint. ' In Folge dessen Hess Keza dieses
' Mach den Chroniken gilt folgende Äbstammangsreihe: Attila-Cbabs-Ed-
Ugek-Eleud-Älmas. Nach dem Anonymna würde Almus ein Sohn de«
Ugek «ein.
ganze Capitel der Gesta vetera aus und führte vorsichtiger
Weise die Genealogie Arpads nur bis auf Uger zurück; statt der
weiteren Fortsetzung auf EdChaba-Attila setzt er ,de genere
Tnrid'. Daraus ersehen wir deutlich, wie Keza die Gresta Ha-
norum und die Gesta Hungarorum in Einklang za bringen
sucht. Ebenso klar bemerkt man dieses Schweissen in den
Chroniken. Dieselben haben die Einwanderung der Hünen in«
4. Jahrhundert zurückgesetzt' und konnten daher den Beriobt
der Gesta vetera, dass die Führer der Einwanderung der
Ungarn (Almus und Arpad) der fünften und sechsten Gene-
ration Attilas angehörten, aufnehmen. Hiebei übersah aber der
Verfasser der Grundchronik, dass er doch zu einem anderen
Berichte der Gesta Hunorum in Widerspruch trete, nämlich zu
der bereits citirten Notiz derselben, dass schon ein Enkel Attiiaa
die Einwanderung der Ungarn mitmachte.
Aus den bisher geschilderten Umständen geht also klar
hervor, dass die Gesta Hunorum und die Gesta Hungarornm
ursprünglich selbststUndige Werke waren, die erst später ver-
bunden wurden. L)azu kommt noch, dass zwischen der Honen-
gescliichte und der Ungarngeschichte auch darin ein Unter
schied sich geltend macht, dass jene auch äusserUch schon al<
ein gelehrtes Werk uns entgegentritt.* In der Einleitung (Pro-
hemium) kündet der Verfasser mit Wohlgefallen seine Belesen-
hcit an: ,. . . historias, quas diversis scartabellis per ItaÜam,
Franciam ac Germaniam sparse sunt et diffuse, in volumen unum
redigi procuravi, non imitatus Orosium . . .' Aehnlich zJihlt er
im §. 2 allerlei Quellen auf: ,. . . divereas historias diversi de-
Bcripserunt, prout Josephus, Isidorus, Orosius et Gotfridus »lii-
quc quamplures, quorum noraina exprimere non est opus.* Eben-
so heisst es gleich im §.3: ,sicut refert Josephus', ^sicut dicit
Josephus*. §. 13 beruft er sich auf eine: ,Cronica veteronun',
citirt aus ihr und verweist sodann auch auf andere Qaellen,
welche eine andere Ansicht vertreten (,quidam autem . . . opi-
nantur'). Durch diese Verweise kennzeichnet sich die Hünen-
* ChroDicon Pos., §. 6 — Bud., S. 14 haben das Jahr 338; daratu entataad
in Folge einen Versebene Muglen'« in der Deutschen Chronik, S. 4, nnii
in der Reimcbronik, 8. 7, 1028, indem offenbar statt ,CCO gelMeo
worde ,M'. — Pic, S. 107 >= Mon., S. 216 = Dub., 8. 8 (das hier au Pic
schöpft) = Thnroc», 8. 56 steht ,37.V.
* Dies hat auch Marczali, Ungarns Qeachichtsquelleu, 8. b6, bemerkt
403
geschichte ausdrücklich als ein gelehrtes Werk im Sinne des
Mittelalters, was von den Qesta Hungarorum, die höchstens
auf die ungarischen Quellen verweisen, nicht gilt. Wir dürfen
daher annehmen, dass die Gesta Hunorum und die Gesta Hun-
garorum nicht nur ursprtinglich getrennte Werke waren, sondern
dass sie auch nicht von demselben Verfasser herrühren. Dies
geht übrigens auch aus den Widersprlichün, die sie enthielten,
klar hervor.
Da wir uns mit den Gesta Hungaronxm hier nicht weiter
zu befassen haben, da dies bereits an anderer Stelle geschah
(Studie VIII), so ist die Frage zu erürtem, wer der Verfasser
der Huuengeschichte sei. Als solchen nennt sich bekanntlich
in dem Prohemium .magister Simon de Keza'. Ist nun aber
auch dieser Mann thatsächlich der Verfasser der Huncii-
geschichte? Marczali und alle Forscher,' welche Keza nur
als Epitomator betrachten, sind natürlich nicht dieser Ansicht.
Ihnen ist die Hunengcschichte Keza's ebenso wie seine Ungarn-
geschichte nur ein Auszug aus der Chronik, ,nur dass hier —
wie Marczali bemerkt* — die Abkürzung nicht so bedeutend
ist'. Dagegen waren andere Forscher bekanntlich der Ansicht,
dass nicht nur die Huneugeschichte, sondern auch die Ungam-
geschichte Keza's Originalwerke seien,* und neuerdings hat
dies Heiuemann* wenigstens für die Hunengcschichte wieder
behauptet. Er verweist darauf, dass die Hunengeschichte ein
Werk des 13. Jahrhunderts sei, weil in demselben der Ein-
fluss des Nibelungenliedes in der Gestalt, welche es im An-
fange des 13. Jahrhunderts empfing, unverkennbar sei. Ferner
verweist er darauf, dass der Prolog und die Einleitung zur
Huuengeschichte, wie sie bei Keza stehen, sich auch im Codex
Sambucus wiederfinden (dass die Einleitung sich auch im Chro-
nicon Posoniense und in Muglen's deutscher Chronik findet, hat
er übersehen); dieser ,gewichtige Umstand' spreche ausdrück-
lich daflir, dass die Hunengeschichte vom Verfasser der Chronik
nicht in den Gesta Hungarorum, sondern nur in Keza's Bear-
beitung derselben vorgefunden worden wäre.
« Vgl. Studie VIII, S. 208.
* tjng«rn.i GuscUicliUquellen, S. 47.
* Vgl. Studie VIII, a. H. O.
* Neues Archiv XIII, S. 78.
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4M
Die Bemerkangen HeinemaDn's Bind an sich riclitig; »W
ne bewasen noch durchaus sieht, wsa sie beweisett sdla.
DsM das Werk dem 13. Jahrhunderte angehört, ist Doeh k«n
Beiraig, daas es nicht vor Keza bestanden hat ; und da» der
Yeeüuaer der Groodchronik dasselbe in dem Werke Een'f
b«DtLtzte^ ist nicht daftlr beweisend, dass dieser es Tedtssi
hl^. Wie Keza dia ÜDgarng'e schichte auaschrieb, tob düj
■wir genftu wissen, dass sie vor ihm bestand, ohne dass er i
aar mit einem Worte bemerkt hätte, dass er diese seine
rtefltmg den Bemühungen eines Änderen verdanke, so Idtli
wr auch eine bereits vorhandene Htinen^eschiehte benfttKQ
köünen. Und so hat denn thatsäcblich Ueinemann nicbt dm
Ansicht Marczali's (S. 48) widerlegt, dass eig'entlich Ke^tlfl
JEiigMitham nicht viel mehr als die Einleitung sei, and djv<
darin (S. ÖO) nur die haarsträubenden Etymologien Oripid
seien. Dass im Mittelalter geistiges Eigenthum Gemeinbesiti
im vollsten Umfange des Wortes war, ist allgemein bekanntj
Und gerade die ungarischen Geschichtsquellen bieten mehr i
mnen Fall. * Hartwich schreibt ohne viele Umstände die Vll
maior wOrdich ab; der Pester Schreiber fil^ ohne wetterei
merknng die Vita minor hinzu. Der Ventaeeer der anganKk^*
polnischen Chronik pltindert in umfassender Weise die Vita Tun
Hartwich aus, ohne darauf hinzudeuten. Und Magien leölet
darin schon wahrlich Unanständiges. Selbst die von den Om-
niken aus Keza entlehnte Einleitung behält der ^te Mann bei
und gibt doch das ganze Werk fUr sein Eigenthora ans: JA
dy alten maister — beginnt er seine Darstellon^ — und die
beschreiber der hystorien vnd der ding, dy begangen aepi,
beschriben haben, als Josephus vnd Ysidoras, Oromos vod ?*■
lerius, also wil ich Heinrich von Muglen auch knrtatich be-
schreiben dy hystorien der Hewnen, wie sy herkamen äai,
in lob dem hertzogen Rndolffen dem virden von Osterreich . . ■'
Damit wir es glaublich finden, dass Keza der Vahaie
der Gesta Hunorum sei, moss zunächst nachgewiesen wrfdea,
dass vor ihm keine derartige geschichtliche DarsteDong bettaad.
Prüfen wir zu diesem Zwecke die ungarischen Geschichtswerke,
welche vor Keza geschrieben sind, so 'finden wir, dass mir i*
der sogenannten ungarisch-polnischen Chronik mok Einiges fiber
* Vgl. nun Folgenden meine Stadien I, n, HI und VL
405
»
die Hunengeschichte findet. Was aber hier über diesen Gegen-
stand gesagt ist, beschränkt sich auf einige Ueberlieferungen
über Attila mit nur sehr spärlichen Anklängen an die spätere un-
garische Chronik. Von einem engeren Zusammenhange zwischen
der hier wohl zum ersten Male in naiver Weise aufgezeichneten
Ueberlieferung und zwischen der Darstelhing bei Keza und in
den nationalen Chroniken ist keine Spur vorhanden; vielmehr
finden wir zwischen beiden Erzähkmgen bedeutende Wider-
sprüche, auf die bereits in Studie III, S. 614 hingewiesen wurde
und die daher dort nachgelesen werden mögen. Dazu kommt
noch, dass in der ungarisch-polnischen Chronik sich noch gar
keine Bekanntschaft mit der Etzelsage zeigt, wie sie um 1200
in Deutschland fixirt wurde, während die späteren ungarischen
Chronisten mit derselben völlig vertraut sind; nicht einmal der
Name der Hünen kommt in der ungarisch-polnischen Chronik
vor. Aus dem Gesagten darf man mit einiger Sicherheit schliessen,
dass um 12Ü0, als die ungarisch-polnische Chronik verfasst wurde,
noch keine Hunengeschichte im Sinne derjenigen Keza's in Un-
garn vorhanden war. Ist nun etwa zwischen diesem Zeitpunkte
und der Thätigkeit Keza's eine verfasst worden? Es ist immerhin
bemerkenswerth, dass der Mönch Alberich (um 1230), der für Un-
garn ein besonderes Interesse zeigte und die Gesta vetera sich zu
verschaffen wusste, von einer ungarischen Darstellung der Hunen-
geschichte keine Spuren zeigt. Ausschlaggebend ist aber ein
anderer Umstand. Wir greifen nach der Chronik des Ano-
nymus, der nach den Ergebnissen unserer Untersuchungen ein
Zeitgenosse Keza's war. Was finden wir da über die Hünen?
Er nennt noch dieselben gar nicht. In kaum zehn Zeilen,
welche der Beschreibung Skythiens eingefügt sind (§ 1), fertigt
er die Geschichte Attilas als eines der ersten Ungamkönige
ab. Wohl hat er schon von der deutschen Etzelsage Kunde,
denn er bemerkt ausdrücklich, dass Buda von den Deutschen
Ecilburgum genannt werde; aber von einer ihm vorhegenden
ausffihrlicheren Geschichte der Hünen ist keine Spur vor-
handen. Wäre aber eine solche schon in Ungarn bekannt ge-
wesen, so würde sie ihm wohl nicht entgangen sein, weil er
nicht nur eine ziemlich ausgebreitete Literaturkenntniss hatte,
sondern insbesondere auch die über die Geschichte der Ungarn
I bestehende Aufzeichnung kannte imd diese wie sein Zeitgenosse
I Keza benützte. Wir kommen somit zu dem Schlüsse, dass vor
406
dem AnoDTTaas und also anch vor seinem Zeitgenossen Kezai
noch keine ausführliche Aufzeichnung über die Hünen bestand.
Und nun gewinnt allerdings die Annahme, dass die von Keza
eingeleiteten Gesta Hunorum auch sein originales Werk seien,
überaus an Sicherheit.
Um nun noch völlige Gewissheit zu erhalten, das« Eexa
der Verfasser der Hunengeschichte sei und aus ihm die Chro-
niken schöpften, nicht aber das verkehrte Verhältniss obwalte,
wollen wir die beiden Texte vergleichen und zu bestünmen
suchen, welcher der ursprünglichere sei. Ergibt es sich, dast
die Darstellung, wie wir sie bei Keza finden, nothwendiger
Weise die Grundlage jener in den Chroniken sei, so dürfen
wir dann mit voller Gewissheit die Gesta Hunorum als Keza's
Werk bezeichnen. Einige Fälle werden genügen, um den ^
wünschten Nachweis zu erbringen.
Keza, §. 4, S. 67, hat die Nachricht, dass in Skytbieö
jBvesque legerfalc que hungarice Kerechet appellantur' vorhan-
den seien. Da es bekannt ist, dass der Verfasser der Gesta
Hunorum mehr als an einer Stelle deutsche Ausdrücke herbei-
zieht (vgl. z. B. §. 10 die Erklärung des Namens Strassburg,
femer §.11 jene von Echulburg), so ist kaum zu zweifeln,
dass Keza an der citirten Stelle , legerfalc' geschrieben habe.
Alle anderen Chronikredactionen haben aber das Wort nicht
verstanden und lesen .Legisfalk' (Chronicon Pos., S. 6 = Bud.,
S. 12 = Dub., 8. 8 = Pic, S. 106).
Keza berichtet §. 10, S. 62: ,Egressu8 (Ethele) de Sicam-
bria primo Illiricos subiiciens, deinde Ren um Constantie per-
transivit.' Es ist ganz unzweifelhaft, dass hier an einen Ueber
gang des Rheins bei Constanz gedacht wird, und dies ist, wemi
auch nicht richtig, doch immerhin noch ein erklärlicher Fehler.
Dagegen haben alle Chroniken sinnlos daraus ein ,Con8tancie
regnum' gemacht (Chronicon Pos., 8. 12 = Bud., S. 20 =
Dub., S. 14 = Pic, S. 112).
Wie in diesen und ähnlichen Fällen das Richtigere bei
Keza darauf hindeutet, dass sein Text der ursprttnghchera sei,
so deutet in anderen die deutlichere Fassung oder die bessere
Anordnung in den Chroniken, dass sie Keza's Darstellung in
dieser Beziehung umiirbeiteten.
So heiäst es z. B. bei Keza, §. 6, 8. 58; ,Quicunque ergo
edictum contempsisset, pretendere uon Valens rationem, lex Sei-
407
tica per medium cultro huiusmodi detruncabat.* Diesem
schiefen Ausdrucke gegenüber ist der Satz in den Chroniken
, cultro dividi per medium lex Scitica sanxiebat' sicher als Ver-
besserung aufzufassen (Chronicon Pos., S. 7 ^ Bud., S. 14 =
Dub., S. 9; Pic, S. 107 hat irrig ,eultu divino').
Keza, §. 10, S. 62 f. erzählt: ,(Ethele) expugBavit (Argen-
tinam) diruendo mumm eius, ut cunctis adeuntibus via libera
haberetur, edictum facicns, ne vivente eo rnutaretur. Propter
quod eadem civitas postmodum Strosburc non Argentina usque
hodie est vocata.' An Stelle dieser ganz unklaren Diction hat
die Chronik folgende: ,Argentinam . . . ipse Atiia expugnavit,
diruendo murum eius in diversis locis, ut cunctis adrenientibus
sine gravitate via libere preberetur, edicens Hrmissime, ne ipsius
murus ipso vivente muraretiir, ut eadem civitas non Argentina
sed Strosbiu-g vocaretur propter viarum pluralitatem, quas
in muro eius fecerat aperiri' (Chronicon Pos., S. 12 = Bud.,
S. 20 = Dub., S. 14 = Pic, S. 112). Es ist klar, dass Keza
diese klare Ausdrucksweiso nicht vermieden hätte, wenn sie
ihm vorgelegen wäre.
Ebenso ist die Stelle über die Umnennung von ,Sicambria'
in jBuda', wie sie uns in den Chroniken begegnet, eine offen-
kundige Verbesserung der betreffenden Nachrichten bei Keza.
Man vergleiche Keza, §. 11 (Fecerat enim [sc. Buda] urbem
Sicambriam suo nomine appellari. Et quamvis Hunis . . .) mit
Chronicon Pos., §. 15, und Bud., S. 24 (Nam Sicambriam suo
nomine fecit nominart Wudawura. Et quamvis . . .). Ebenda
Keza: ,Teutonici , . . eaui Eciiulburc vocaverunt'; Chronicon
Pos. und Bud.: jEzelburg eam vocant, id est urbs Atile.'
Man vergleiche aucli Keza, §. lö: ,Istud enim est preiium,
quod Huni preiium Crumhelt usque adhuc nominantes voca-
verunt' mit Chronicon Pos., §. 20: ,Istud est ilJud preiium, quod
Hungari . . .' = Bud., S. 30. Ganz offenbar ist das ,Hungari*
statt des in diesem Zusammenhange unpassenden ,Huni' Ver-
besserung. Dazu kommt noch Folgendes: Keza erzählt zu-
nächst von der Niederlage der Germanen, dann von derjenigen
der Hünen und lüsst erst dann die obige Bemerkung ,Istud
prebum . . .' folgen mit dem Beisatze, dass damals so viel Ger-
manenblut vergossen wurde, dass man durch viele Tage das
I Wasser aus der Donau nicht trinken konnte. Daran schliesst
I sich aber sofort wieder die Bemerkung von der Flucht des
408
Chaba und des Restes der Hünen. In der Chronik (und zwar
schon im Chronicon Pos., §. 20) wird dagegen in passenderer Weise
an die Nachricht von dem ersten Kampfe und der Niederi»ge
der Deutschen die Bemerkung über den Krimhildkampf und die
Menge des yergossenen Germancnblutes geknüpft; dann folgt
die Erzählung über die Niederlage der Hünen und ihre Flucht.
Schliesslich verweisen wir nur noch auf die wirre, ler-
rissene Darstellung der Geschicke des Chaba bei Keza, §. 1&,
gegenüber der deutlich zusammengefassten in den Chroniken
an den entsprechenden Stellen (Chronicon Pos., S. 20 = Bad.,
8. 31 = Dub., S. 22 = Pic, S. 119).
Als Ergebniss unserer Betrachtungen ergibt sich somit
Folgendes:
Die Gesta Hunorum sind ein originales Werk Keza's.
Vor ihm bestand keine umfassendere Aufzeichnung über die
Geschichte der Hünen. Noch der Anonymus, der Zeitgenosse
Keza's, musste sich daher mit wenigen Zeilen über Attila be-
gnügen, ohne die Hünen zu nennen. Keza war der Erste,
welcher die ausführliche Hunengeschichte der Ungamgeschichte
voranschickte.
b) Die Quellen Keza's ßir seine Getta Hunorum.
Es wäre wohl eine interessante Arbeit, wenn man soan-
sagen Satz für Satz nachweisen könnte, woher Keza seine Aus-
führungen in der Hunengeschichte schöpfte. Man würde dar-
aus sich ein Bild seiner Belesenheit in den mittelalterlichen
Quellen bilden können und in die Art seiner Arbeit einen
tieferen Einblick gewinnen. Indess hat diese Arbeit aus den
schon oben, S. 382, bemerkten Gründen keine Aussicht auf
einen sicheren Erfolg. Die Nachrichten über die Hünen in den
verschiedenen mittelalterlichen Quellen bilden eine sich so viel-
fach durcJikrcuzende Familie, dass die Entrftthselung ihre*
Stammbaumes oft geradezu unmöglich ist, in der Regel aber
wenigstens zweifelhaft bleibt. Wir werden uns daher auf einige
allgemeinere Nachweise seiner Quellen beschränken.
Unzweifelhaft hat Keza für seine Hunengeschichte Manche«
aus den Gesta Hungarorum vetera entnommen. Diese Quelle
benützte er fllr die Beschreibung Skythiens und für die ü^
geschichto der Hünen; nach derselben gibt er auch die Gründe
ihres Auszuges aus der Urheimat an (S. 65 — 57): was die G«
409
vetera über die Anfänge der Magyaren erzählten, das überträgt
Keza in dieser Partie auf die Hünen. Man vergleiche darüber
die Ausf\ihruDgen in der Studie VIII, S. 230ff., 236f. und 240f.
Auch was er über den Zug der Hünen nach dem Westen er-
zählt (S. 58f.), kommt dem aus den Gesta in die verschiedenen
Ableitungen derselben geflossenen Berichte über den Marsch
der Ungarn nach Pannonien gleich. Siehe Studie VÜI, S. 241.
Endlich enthält der Schluss der Hunengeschichte Manches, was
bereits den Gesta augehört; es wird daher Einzelnes bei Keza
zweimal erzählt. Man vergleiche darüber oben, S. 401 und
Studie Vn, S. 456 und 468 f.
Dem Fingerzeige, welchen uns Keza in den ersten zwei
Paragraphen seiner Hunengeschichte gibt,' folgend, müchten wir
zunächst ziu* Annahme geneigt sein, dass er Orosius benützte.
Aber was er da von Orosius erzählt, verrätb sofort, dass er
seine Schriften nicht zur Hand hatte. Er behauptet nämlich
S. 52, dass Orosius ,favore Ottonis cesaris, cui Hungari in di-
Tersis prelüs confusiones plures intulerant multa in libellis suis
apocrypha contingens ex demonibus incubis Hungaros asseruit
generatos. Scripsit enim, quod Filimer, magni Adalrici regia
Gothorum filius, dum fines Scitie armis impeteret, mulieres
quedam nomine Baltrame nominantur, plures secum in exercitu
suo dicitur deduxisse. Que ... de consortio exercitus eapropter
expulisse. Que quidem pervagantes per deserta Httora paludis
Meotidis, tandem descenderunt . . . incubi demones ad ipsas
Tenientes, concubuisse cum ipsis iuxta dictum Orosium refe-
runtur'. Schon die Eingangsbemerkung zu dieser Stelle ,favore
Ottonis cesaris* beweist, dass Keza die Schriften des Orosius
nicht kannte, er hätte ihn sonst nicht zu einem Zeitgenossen
Ottos I. gemacht. Vergebens würde man aber auch bei Orosius
etwas von der mitgetheilten Sage suchen. Der nächste Gedanke
ist nun, dass Keza in irgend einer anderen Quelle diese Geschichte
als aus Orosius geschöpft fand, oder dass er den in seiner Vor-
lage genannten Orosius irrthümlich mit der Sage in Verbindung
bringft. Von allen von uns eingesehenen Quellen bietet nur
' S. 62: ,. . . non imitatus Orosiani, qui farore Ottonia cesaris . . .' und
6. 63: ,Multifarie multisque modis olim in veteri testamento et nunc sub
etate sexta seculi diversas historias divers! descripserunt, prout Josephns,
Isidorui, Orosius et Qotfridus, aliique quamplures, quorum nomina ex-
primere non est opus.'
XicUt. LXXXVm. Bd. II. U41ft«. 27
Jordanis allein Aufklärung. Wir lesen bei ihm Folgendes:' ,1
autem non longi temporis intervalio, ut refert Orosius, Hu-
norum gens omni ferocitate atrocior exarsit in Gothos. Nsm
ho8, ut refert antiquitas, ita extitisse conperimue. Filimer wi
Gothorum et Gadarici magni filias . . . qui et terraa Scytfaieu
cum 8ua gente introisse superius a nobis dictum est, reperit in
populo suo quasdam magas mulieres, quas patrio eermone Ha-
Uurunas is ipse cognominat, easque Habens suspectas de medio
Boi proturbat longeque ab exercitu suo fiigatas in soUtudinem
coegit errare. Quas spiritus inmundi per herimum vagaatei
dum vidissent et eorum complcxibus in coitu miseoissent, genos
hoc ferocissimum ediderunt, quae fuit primum inter palades
minutum, tetrum . . .* Aus der Bemerkung ,ut refert Oro-
sius'' liesse sich leicht Reza's Irrthum erklären. Trotzdem
* Jord&nia, Oetic«, §. 24, Mon. Germ. büL Äact. uitiqausimi V, 1, 8. 89.
— In <len nnderen Chroniken fehlt, so weit wir seben, die ErwUmniif
des Orosius. Man vergleiche Hist. misc. (Landulfus). Mon. Germ, hiil
Anct. antiquissimi II, S. 344: ,. . . Ostrogothe id est orientales Gothi rast
dicti. Ea tempest&te gens Hunorum diu inaccessis leclasA montibiu r»-
pentina mbie percita exorsit in Gothos eosqae conturbatoa ab «ntiqois
sedibus expulit. Nnm hos, ut refert antiquitas . . .' wie Jordania^ bot
steht , Aliruninas', ferner folgt nach ,coegit errare': ,quaa ailveetraa ho-
mines, quos nonnulli phannos phicarios vouant, per desertam va^antat
dum vidifsent , . .' — Ottonis Chronicon, Mon. Genn. Script. XX,
B. 203: ,Non multo post Gothis iam inter se pacatis, UuDorum geus horri-
bilis, tanquam ex incubis et meretricibus, ut Jordanis refert, ori^nea
traUens, ducAta cerrae de Maeotidis paludibas egressa.' Tgl. auch 8. 86d(.
— Ekkebardi Chronicon, Mon. Germ. Script. VI, S. 13!3. Wie die
Hist. misc. Insbesondere steht hier auch nichts von Orosiua; es werdaa
die .Alininas' genannt; auch finden wir den Satz: .Qnidam autem dicnnt,
quod silvestres homines, quos Fannos ficarios Tocant . . .' (Dieser Sati ist
also weder Ekkohards Eigenthum, noch ann Jordanis, wie dies ans lloii.
Germ. Script, herrorzugeben scheint.) — Sigeberti Chronica, Mon.
Genn. Script. Vl,ä.3Ül. Die Stelle ist nach der Hist. misc. wiedergegeben. —
Gottfried von Viterbo: Pantheon, Mon. Germ. Script. XXII, S. 183 (nach
Ottos Chronik IT, S. 16): ,. . . gen.« terribilis Hunorum advenit Qua
gens secundum scripta Jordanis ipsurum interpretis et auctoris ex iuenbis
et meretricibus est procreata, infra Meotidas paladea, que sunt in con-
finiis Asie et Earope. Nee gens conducta . . .'
* Jordanis hat hier in der That die Darstellung des Orosius vor An
aber nur filr die Thatsache des Ueberfalles der Gothen durch die Hu
Man vergleiche des Orosius Hiat. Lib. VII, Cap. 33: .siquidem gens Hn-
nomm, diu inaccessis seclusa montibus, repentina rabie peroita, ex-
411
■werden wir kaum annehmen, dass dem ungarischen Chronisten
Jordania vorlag; vielmehr wird man annehmen müssen, dass
irgend eine von uns nicht aufgefundene Quelle, die auf Jor-
danis beruhte, jene Bemerkung aufgenommen hatte und sie
ihm bot.*
Ferner nennt Keza Josephus als seine Quelle. Aber
auch von diesem können wir nacliweisen, dass er Keza nicht
vorlag und dieser ihn nur dem Namen nach kannte. S. 54 be-
richtet Keza über den Thunn Babel: ,Fecerunt enim in turri
memorata, sieut dicit Josephus, deorum templa ex auro pu-
rissimo, palatia lapidibus pretiosis fabricata, eolumpnas aureas . . .'
In Josephus Antiqu. Jud, I, §. 4, wo über den Thurmbau und
die Sprachverwirrung gehandelt wird, ist absolut nichts Aehn-
liches vorhanden. Ebenso findet sich bei Josephus unseres
Wissens keine Stelle, auf die sich unmittelbar Keza's Bemerkung
(§. 2): ,Dum autem tribus iste, sicut reiert Josephus, lingua
ebraica uterentur, dicto (deinde) primo anno . . .' beziehen
wUrde.
Unter den Schriftstellern, welche vor ihm Geschichts-
bücher schrieben, nennt Keza femer den Isidorus; natürlich
ist der von Sevilla gemeint. Es entsteht nun die Frage, ob er
ihn direct benützt hat. Die Entscheidung derselben ist nicht
leicht: Isidors Etymologien sind für so viele Schriftsteller directe
oder indirecte Quelle gewesen, dass es schwer zu bestimmen
ist, ob einzelne mit ihm gemeinsame Nachrichten unmittelbar
seinem Werke entnommen sind oder durch Vermittlung eines
anderen. So bleibt auch unentschieden, ob Keza direct die
Arbeit des gelehrten Bischofs benutzt hatte. Anklänge finden
sich zur Genüge vor. So findet sich bei Isidor, Hb. IX, cap. 2,
§. 27, die Nachricht: ,Magog (der erste der „filii Japhet"),
a quo arbitrantur Scythas et Gothos traxisse originem.'* Diese
mrsit in Gothos eosque sparsim cootorbatoa ab antiquis gedibos
expulit'
' Rademacher, Die ungarische Chronik als Quelle deutscher Geschichte
(Programm des Domgymiia-ilums in Merseburg, Ostern 1887), meint zw.ir
S. 3, dass der augarische Chronist Einzelnes .naroentlich dem Jordanes'
entlehnte; aber gerade das ,metns orbis', auf das er hinweist, deutet mehr
auf Gottfried. Siehe weiter unten, S. 414.
• Vgl. ührigena auch lib. XIV, cap. 3, §. 31; ,8cythia sicut et Qothia a
Magog filio Japhet fertnr cogoominata . . .'
27*
412
weit verbreitete Ansicht fand sich nun schon in den Gesta veten;
aus der Verbindung dieser Nachricht mit einer anderen, nur bei
Isidor vorfindlichen, brachte vielleicht aber Keza in die ongv
rische Etymologie ,Thana' hinein (§. 2). Bei Isidor heisst es
nämlich lib. XITI, cap. 21, §. 24: .Tanus fuit rex Scythamm
primus, a quo Tanais fertur fluvins nuncupatns.' Da femer die
Skythen durch Magog von Japhet abstammen, so muss nos
auch jThana ex semine Jafet oriundus' sein (Roza, §. 2). Be-
sonders beachtenswerth ist folgende Stelle:
bidor.
Lib. XIV, cap. 3, §. 12. Per-
sida tendens ab ortu ... In
Persia primum orta est ars
magica, ad quam Nemroth gy-
gas post confusionem lingua-
rum abiit, ibique . . .
Keia.
§. 3. Menroth, qui gygans
post lingiiamm inceptam con-
fusionem, terram Eailath in-
troivit, que regio Perside isto
tempore appellatur, et ibi duoe
iilios . . .
Andere gemeinsame Nachrichten, etwa über den Thurm-
bau durch Nembroth (Isidor, lib. VII, cap. 6, §. 22), die Sprach-
verwirrung und die hiedurch entstandenen 73 oder 72 StÄmmc
((ebenda, lib. IX, cap. 2, §. 2), das Wohnen der Hiinen an der
Maeotis (ebenda, lib. IX, cap. 2, §. 66), die Erwähnung des
,Tanais' (Don), der ,ex Riphaeis' fliesst (ebenda, hb. XIII, cap. 21,
§. 24), die Erwähnung von den Edelgesteinen Skythiens und
den dieselben bewachenden Raubvögeln (ebenda, lib, XFV, cap. 3,
§. 32), alle diese Nachrichten, die sich auch bei Keza, §. 2 — 4,
finden, müssen nicht aus einer directen Benützung Isidors durch
den ungarischen Chronisten erklärt werden.
Schliesslich nennt Keza auch Gottfried als Geschichts-
schreiber. Gemeint ist Gottfried von Viterbo, den Keza auch
thatsächltch benützt zu haben scheint. Aus Gottfrid könnte zu-
nächst Keza seine Kenntniss von Josephus erhalten haben.
Man vergleiche:
Gottfrid.
Speculum regum (Mon. Germ,
Script. XXII) S. 30. . . . Egre-
diente patre veniunt tres ordine
fratres: Josephus et Moyses
Ke».
§. 2. Multifarie multisqne mo-
dis olim in vetori testamento
et nunc sub etate sexta secofi
diversas historiaa descripsenmt
m
413
referunt hec omnia late. S. 31 f.
Musa virum prome Nembrot
I de germine Noe . . . Josephus
' hunc iuvenem pingit . . . Iste
primus Babel studuit compo-
nere turrem.
prout Josephus . . . Dura
autem tribus iste, sicut refert
Josephus. lingua ebraica ute-
rentur, dicto primo anno post
diluvium Meoroth gygans . . .
turrem construere cepit
Aus Gottfried könnte auch Keza zu seiner Behauptung ge-
langt sein, dass Menroth der Stammvater und also auch erster
König der Hünen gewesen sei. In den Gesta vetera war dieser
noch nicht genannt;' hier erschien noch, wie auch beim Anony-
mus, Magog als Sohn Japhets. Magog als Stammvater der Ma-
gyaren hält auch Keza fest. Da er aber auch die Hünen in die
Geschichte einfuhrt, so setzt er ihm einen (erdichteten) Bruder
Hunor als deren Stammvater zur Seite. Beide Brüder er-
scheinen aber bei ihm nicht mehr als Söhne Japhets, sondern
als Nachkommen Menrotba. Eine Erklärung für diese Hinetn-
zerrung dürfte folgende Stelle bei Gottfried geben: Memoria
Seculorum Mon. Germ. Script. XXII, S. 101 : ,Quia reges omnes
tarn Francos quam Italicos de proienie Sem, filii Noe et Jarari,
patria primi regis mundi nomine Nembrot descendisse superius
demonstravimus, oportet etiam omnes Romanos imperatores ab
eadem propagine descendero . . .' Es ist doch sehr wahrschein-
lich, dass die Behauptung Gottfrieds, dass alle anderen Könige
von Nembrot, dem ersten Könige der Welt, abstammen, Keza
bewog, auch die ungarischen auf ihn zurückzuführen.*
Aus Gottfried könnte ferner Keza zu seiner völligen Iden-
tificirung der Runen und Ungarn gelangt sein. Man vergleiche
Memoria seculorum, a. a. 0., S. 102: ,Ungarorum regna duo
esse legimus, unum antiquum aput Meotidas paludes in iinibus
Asie et Europe, et alterum quasi novum . . ., quam Pannoniam
Donnulli novam Ungariam vocant. Ungari etiam Huni sunt
» Vgl. Studie VUI, 8. 242 f.
* Diese Nachricht Gottfrieds beruht aber wohl wieder in ihrem uraprüog-
licheren Kerne auf der Aoschanung, die sich bei Isidor, Hb. VU, cap. 6,
§. 22, findet: .Nembroth interpretatar tyranntu. Iste enim prior arri-
puit insuetam in populis tyrannidem.' — Vgl. anch t. B. Hieronymns
(ed. VoUarsius, Verona 1736, III, S. 32Ü), wo sich dieselbe Behauptung
findet; doch wird hier Nemrod noch als Nachkomme Chams bezeichnet.
— Schliesslich Josephna, Antiqu. Jud. I, 4, 2, ebenso.
414
appellati. Sub quomm viribas Atili et Totila qaond;
gnantes multa regna in Italia et in Oalüs desolavenint .
Auch erscheint bei Gottfried ebenso wie bei Keza .B»^'
unter dem Namen .Sicambria'. Man vergleiche SpecaJum regnm,
a. a. O., S. 62: ,Urbs ornata viris noTa dicta Sicambria crevit,
miiltiplicata nimis Troiana potentia sevit . . . (Ms. 3b in tanr^i
addit: .in Ungaria Czkamber prope Budam'). '
Vor Allem scheint aber noch folgende Stelle ftlr die Be-
nutzung des Gottfried durch Rcza bezeichnend zu sein
i
1
Kewi, S. 60.
Ip.te KOtein »eip-
Bum Hnnorum re-
geln, metum orbts,
flagellnm Dei a
subiectu suis fecit
appellari. Erat enim
. . . rex Ethela colore
teter, ocnlis nigriii et
für 10 Bis, pectore
lato, elatuB incesia,
Btatiira ItreviB, bar-
baiu prulixam . . .
Gottfredi Pantheon,
8. 188.
late eat Atila me-
tns orbis, flagel-
lnm Dei, «nperbna
inceun, ocnlos fu-
riosas circnmfe-
rens, amator belli,
maua propria tem-
peratnm consilio va-
lidiu . . . forma bre-
▼ia, pectore lato, mi-
nutis ocuUb, . . .
rara bnrba . . . co-
lore tetro . . .
Jordanis Getica,
8. 106 (= Hü»t mi»c.,
8. 3ti2).
Vir in concnssio-
ne gentium natiu in
mundo, terramm
omniam meto«, quL,
nescio qua . . . «uper-
bos incessu, hnc at-
qne illur circumfe-
rens ocnlos . . . bel-
lorum qaidem ama-
tor, ied ipse mann
temperana, oonsilio
ralidissimnii . . . for-
ma breviB, lato pecto-
re .. . miniiti« oculia,
rams barba, teter
colore . . .
Ottoni* Cfart
Hie Bit
qai. at ipiii
ebenso.
Zu den von Keza benützten schriftb'chen Quellen gehe
auch die Cronica veterorum, der er §. 12 die Nachricht
' E!a ist hier wohl nicht nStbig, die Frankensage weiter znrQuk m rer-
folgen. Man Tergleiche übrigens die Geata Fnncomm (Üb. hist. Fnue.)
in Script, rer. Mer. II, S. 242: 4ngrea8i (Troiani) Meotidas palndes nari-
gantes perreneruiit intrn terminos Pannoniarum iuxta Meotidas palad»
et coeporunt aedificare civitatem ob memoriale eornm appellnremntqas
eam Sicambriam; habitavernntque illic annis multis crevemutqDe io
gentem magnam.' — Fredegar (ebenda, 8. 9S): ,. . . Besidaa e«mai
(Troianomm) pars, qno super litore Dannbii remanserat . . . ibiqne roeati
»unt Turchi.' — Gregor Ton Tours (ebenda, I, 8. 77): ,. . . tradant eoin
mnlti, eosdem de Pannonia fuisse degressos.' Weiteres in der neuen
Arbeit Ton O. Dippe, Die fränkischen Trojanersagen. Ihr Ursprung
und ihr Einflnas auf die Pocvsie und die Gescliicbtssclireibnng im Mittel-
alter. Progr.'inim des Matthias-Clandius-Oyranasinms zu Wandsbeck 1896.
415
jVeneti siquidem sunt Troiani etc.' entnimmt; doch wissen wir
nicht, welche Quelle er meint.
Am Schlüsse unserer Bemerkungen über die durch Keza
für seine Hunengeschichte benützten schriftlichen Quellen, die
übrigens durch die oben behandelten nicht erschöpft sind,'
mag noch die Bemerkung gemacht werden, dass Keza die
eine oder andere Quelle vielleicht einmal gelesen hatte, nicht
aber beim Niederschreiben seiuer Chronik wieder benützte.
Daraus würde sich manche Eigenthümlichkeit der Darstellung
Keza's und zugleich auch die Schwierigkeit des Nachweises
seiner Quellen erklären.
Ferner hat Keza vor Allem noch die mündliche üeber-
lieferung benützt. Aus ihr rührt her die offenbar von den Ungarn
auf die Hünen übertragene Nachrieht von den 108 Geschlechtern
(§. 9 and 7) und von den bis auf die Zeiten Geisas geltenden
Recbtsbestimmungen (§. 6).* Mit der Nibelungensage und deren
in Ungarn bekannter Ueberlieferung hängen die zahlreichen
Erwähnungen Dietrichs zusammen (§. 7 und 8). Bemerkens-
werth ist in §. 8 die Bemerkung: ,Pro qua enim invasione
Ditricus acerbatus in campum Tawarnueweg exivit cum Hanis
committens prelium cum suorum et Macrini maximo interitu
ac periculo, fertur tarnen Hunos in hoc loco potenter devicisse.'
Hierher gehört auch die etymologische Sage über Cuweazoa in
der zweiten Hälfte dieses Paragraphen. Ebenso gehören ein-
zelne Züge in der Charakteristik Ethelas ebenso wie diese
Namensform der Ueberlieferung an; was über Etzels Banner
(§. 9) gesagt wird, ist aus der ungarischen Ueberlieferung auf die
Hünen übertragen.' Der Ueberlieferung ist femer entnommen
* Ans diesen Quellen rührt auch die Erzählung von der Hirschkuh {%. 3),
die Sage von der Eroberung Aqiiilejiu (g. 12), die Schilderung der
Schlacht auf den catalanni»chen Gefilden, insbesondere die Sage vom
Anschwellen des Baches durch das Blut der Erschlagenen, die Ge-
schichte von der Begegnung Attilas mit Papst Leo (§. IS) und vom
Tode Attilas (§. U).
* Aehnliches berichtet ebenfalls auf Grundlage der mOndlichen Ueber-
lieferung die ungarisch-polnische Chronik S. 496 (Mnu. Pol. hist. I),
worauf schon Studie III, S. 614, Anm. 3, verwiesen wurde.
* ,Banerium qnoque regiü Ethele, quod in proprio scuto gestare consue-
verat, similitudinera avis hnbobat, que hungarice Tnrul dicitnr, in
capite cum corona. Istud enim baneriam Enni osqoe tempora ducis
Geiche, dum se regerent pro commani, in ezercitu secum semper gcsta-
416
die Sage über die Umnennung von Etzolbui^ in Budavar (§. 11)
und die Nachricht über die Späherketten Attilas (ebends).
Schliesslich gehört der Sage auch das Meiste von dem Inb
der zwei letzten Paragraphen (15 und 16) an: so insbesond
die Erzählung über den Krimhildkarapf (Jstad enim eet pre-
lium, quod Huni [Hungari] prelium Crumhelt usque adhac
nominantes vocaverunf); femer die Mittheilungen über den Ur-
sprung der Szekler (Zaculi) und ihre Sage über Chaba (,üade
vulgus adhuc loquitur in communi . . .'); desgleichen über den
Ursprung der generatio Aba. Schliesslich vergleiche man noch:
,Tradunt quidam, quod Hungari Morot . . .*, verglichen mit
§. 18: ,. . . usqne hodie fabulose Morot ipsum ftusse tsse-
verant." Bei dieser Gelegenheit muss aber die Anschauung
zurückgewiesen werden, als ob die Hunensage ursprUngbehea
nationales Eigenthum der Ungarn gewesen wäre, wie dies etw»
Flegler* mit ungarischen Historikern anzunehmen geneigt Trar.
An einen directen Uebergang der Ueberlieferung von den
Hünen an die Ungarn kann nicht gedacht werden. Den An-
stoss zur ungarischen Gestaltung der Hunensage kann nur die
deutsche Etzelsage geboten haben. Aus der Nachricht Lam-
berts von Hersfeld* über das Schwert Attilas, das sich in dto
Händen der Ungarn befand, und das die Mutter des Köaigs
Salomon dem Herzoge Otto von Baiern geschenkt hatte, geht
allenfalls schon hervor, dass im 11. Jahrhunderte bereits die
Hunensage in Ungarn Eingang gefunden hatte. Ausgebildeter
erscheint dieselbe schon in der ungarisch-polnischen Chronik.
Keza hat sie mittelst gelehrter Forschung möglichst auszubauen
versucht.^ So mag sich die Sage dann auch unter das Volk
▼ere.' — Keza nennt bekanutlicli Aas Geschlecht der Arpaden über-
haupt ,genu8 Tuml' (§. 19: .Uper de genere Tuml'). Damit Ut n
vergleichen die Sage Ober die Geburt Almus', die durch einen ,usUf
verkflndet wird (Anonymus, §. 3; Chronicon Bndenae, 8. 36).
' Die Sage yon Morot hat auch Anonymas, §. 11 ; sie war offenbar ia
Ungarn allgemein verbreitet. Keza führt den faistoriichen Sratoplog eio
nnd veraacbt seine Darstellnng mit der Ueberlieferung ansaagleicbaD.
* A. Flogler, Beiträge zur Würdigung der ungarischen Oeacbicht»-
Schreibung. Historische Zeitschrift XVU (1867), S. S23f.
* Mon. Genn. Script. V, S. 186, anno 1071.
* Vgl. auch Rade mac her, Die ungarische Chronik als Quelle dentieber
Geschichte, 6. 4: ,Wa8 also in der ungarischen Chronik Aber Attila
417
■weiter verbreitet haben, wie dies ungarische Gelehrte nach-
, anweisen suchen.
c) Bemerkungen über den Werth der Gesta Hunorum
und über ihren Verfatser.
Aus dem eben Ausgeführten ergibt sich leicht der Schluss,
dasB die Hunengeschichte als historische Quelle werthlos ist.
Nur das Wenige, was etwa aus der Ueberiieferung herrührt,
kann eben als ungarische Tradition einige Beachtung verdienen.
Ueber die Person und das Zeitalter des Verfassers wissen
wir nur so viel, als er in seinem ,Prohemium' selbst sagt. Er
bezeichnet sich als ,magi8ter' und nennt sich ,fideli8 clericus'
des Königs Ladislaus des Knmanen (1272 — 1290). Ebenso
geht aus den einleitenden Paragraphen seines Werkes zur Ge-
nüge hervor, dass er ein für seine Zeit gelehrter Mann war
(vgl. oben, S. 402 und 408 ff.). Damit stimmt der Umstand über-
ein, auf den schon MarczaU verwies,' dass Keza vielleicht
italienische Bildung genossen hatte. Vor Allem muss aber noch
betont werden, dass er offenbar auch mit der deutschen Sprache
vertraut war. Dies beweist nicht nur seine Vertrautheit mit der
deutschen Nibclungensage, * sondern auch folgende Umstünde:
S, 57 spricht er von ,legerfalc', was offenbar aus .Jägerfalk'
verderbt ist; S. 61 spricht er von ,maristalla* ; S. 63f. wird der
Name von ,StraB8barg* aus ,via' erklärt; vor Allem heisst es
aber S. 55: ,. . . gygas Menroth uxorcs alias sine Enee perhibetur
habuisse, ex quibus absque Hunor et Mogor plures filios et
filias generavit: hy sul filii et eorum posteritas . . . parum dif-
ferunt in loqucla, sicut Saxones et Thuringi.' Letztere Be-
merkung deutet eine wohl nur durch nähere Kenntniss des
Deutschen gewonnene Erkenntniss an. Dazu kommt noch, dass
Keza sich offenbar selbst mit localen deutschen Ueberlicferungen
vertraut zeigt ; so z. B. erzählt er in §. 1 1 von der Hofhaltung
Etzels in Eisenach, was Tics wieder auf Thüringen führt. Auch
berichtet wird, ist der deatscben Heldensage eotnommen oder anderen
Schriften entlehnt.'
' Oeachichtsquellen, S. 49.
* Auf die dentschen Elemente verweist auch Rademacher, Die ungarische
Chronik als Quelle deutscher Geschichte, 8. 16. Hiebei wirft er aber
Alles, was Oberhaupt sich hievon in der Chronik 6ndet, zusammen, ohne
swischen deren einzelnen Theilen zu scheiden.
418
mag daran erinnert werden, dass Eesa — wie selmi in Stiii
VJü, S. 274, bewiesen wurde — mit dentachen QneDa i»
traut war. Trotzdem werden wir ihn nicHt für einen DeniMbi
halten kOnnen. Man rei^Ieiche llbrigena seine Bemakuif »
§. 15: ,In quo quidem prelio tantos sangois Germanieiu ■(
effnsus, qnod a Tentonici ob dedecos non celarent . . .' fr
spricht von den Deutschen also ganz offenbar wie von Frsmdk.
Betont muss aber werden, dass bei ihm die OehSsaigkeit gapi
diese Nation noch nicht so herrortritt, wie dies in der Nstioat^
chronik der Fall ist ^ Als besonders auffallend aaius noefc im
Umstand betont werden, dass der geistliche Standpunkt fa
Verfassers nirgends scharf hervortritt Es ist dies flbaiteqi
in den ungarischen Chroniken der Fall: der nationale Sn^
ponkt überwog bereits damals alles Andere.
8. Xeia'i eigeatUehe Vngangeaehielita.
An die von ihm yerfasste Hunengeschichte kntlpfkeXM
auch eine Darstellung der eigentlichen Ungamgeaehichte. ik
Verbindungsglied schrieb er den kleinen §. 17 : ^Digestis «i*
Hunorum natalibus, preliis felicibns et sinistris . . . presenti op»
culo apponere dignum duxi.'
Es ist uns nun aus den yorhergehenden Stadien bekimtr
dass Keza für diesen Theil seiner Chronik vorzfiglick
der Qesta Hungarorum vetera sich bediente. Dieselba
boten ihm fast ausschliesslich das Material für seine DarsteUmg
von den AniUngen der Ungarn bis auf Koloman. In diesen
Theile hat er nur verhältnissmässig Weniges hinzugefügt, mt
ihm wahrscheinlich aus irgend einer anderen (wahrscheinlicb
deutschen) QueUe bekannt geworden ist (siehe unten im Texte).
Auch auf sonstige Abweichungen von seiner Vorlage ist bereib
in Studie VIII hingewiesen worden. Man vergleiche daselblt
besonders die Ausführungen S. 236 — 302. Ebenso ist daselbst
S. 226ff., nachgewiesen worden, dass die Annahme unrichtig
sei, Keza hätte seine Vorlage beträchtlich gekürzt. Es ist vid-
mehr gezeigt worden, dass dieselbe im Grossen und Gsokb
im ursprünglichen Umfange von Keza bewahrt wurde; nicbt
^ Man vergleiche Chronioon Bndense, S. 77: ,Postqnani «atam Patraf tt
fautns rex . . . tentonico Airore seriens . . . eam TaatonieU, beIhDi>
feritate mgientibns . . .*
419
Xeza hat die Gesta vetera gekürzt, soudem der Verfasser der
nationalen Grundchronik hat sie verbessert und erweitert. Der
Hauptwerth dieses Theiles der Darstellung Eeza's liegt also
darin, dass er uns die alte Ungarngeschichte in ge-
treuerer Form bewahrt hat als die anderen Ablei-
tungen. Unrichtig ist es aber, dass er in diesem Theiie die
Quelle ftlr die anderen Chroniken gewesen ist. Der Verfasser
der Nationalc'hronik oder der Ofener Minoritenchronik hatte
gewiss die eigentlichen Qesta vetera vor sich und hat deren
Redaction bei Keza nur nebenher benützt. Dass auch diese
Redaction ihm vorlag, ist unzweifelhaft, weil er doch Keza'a
Werk überhaupt vor sich hatte und aus demselben die Hunen-
geschiehte entnahm. Man vergleiche Studie VIII, S. 273f
Für diesen Theil der Darstellung hat Keza — wie soeben
bemerkt worden ist — auch eine unbekannte, wahrschein-
lich deutsche Quelle benützt, aus welcher er einige Nach-
richten für die Zeit der Raubzüge entnahm, die allen
anderen Chronikredactioneu fehlen.* Man vergleiche darüber
I Studie VIII, S. 274, und die betreffenden Ausweise im Pa-
ralleistellenverzeichnisse daselbst, S. 2ül ff. Dieser Quelle ent-
stammen also vorzüglich zwei Nachrichten über Rheinüber-
g&Dge bfi Mainz und Constanz, eines Ueberganges über die
' Wa» Radem&cher in den Forschungen XXV, S. 386f. über die selbst-
stSodigen Nauhricliten Kuza's bietet, leidet 1. an dem Umstände, dass
er zwischen Hünen- und Ungarng&'<cbichte nicbt anseinanderhält, und
8. daai er von den Natiunalcliroiiikcn nur das Pictum zum Vergleiche
herbeizog, üeber da* Unstatthafte des ersten Vorgange.' ist hier nicht
nOthig, weiter zu sprechen. Aus dem zweiten Umstände ergab sieb
seine irrige Anschauung, als ob nur Keza vom Tburmban >u Babel er-
zählte, während hierüber auch das Chronicon Pos., §. '2; Bad., S. 3 f. u. s. w.
berichten. GboiLtu kommt Scevem nicht nur bei Keza, §. lU, gondern
auch im Chrnniton Pos., §. 12; Bud., 8. 19 u. s. w. vor. Der Fluss Racus
erscheint ausser bei Keza, §. 16, noch beim Anonymus, S. 39. Ebenso
falsch ist Rademacher's Bemerknng, dass nur bei Keza, §.21, der Lech
genannt wird; das Pic, S. 135, bat bier eben einen Schreibfehler; Bad.,
8. 60, bat ,Ltli', ebenso Dub., ä. 39. In diesen Fällen handelt es sich
aUo darcbaus nicht uiu selbstständige Machrichten Keza's; «ie ent-
stammen vielmehr schon seiner Vorlage, den Qesta, vetera nnd sind nnr
im Pic. ausgelassen worden. Nebenbei sei bemerkt, dass einige Notizen
über sellMtständige Nachrichten Keza's sieb auch bei Marczali, Go-
achichtsquellen, S. 48, und bei Uuber, Mittheiluugea des luititutes fttr
Osterreichische Qeschichtsforschang IV, S. 132, finden.
420
Donau bei Ulm, dann genauere Nachrichten über verschiedene
Grausamkeiten der Ungarn gegenüber deutschen Kriegsge-
fangenen.
Einzelnes hat Eeza wohl auch aus der mündlichen
Ueberlieferung geschöpft. So die Sage vom Home des
Lei, vielleicht auch jene über die Heldenthat des Botond vor
Constantinopel, die Sage vom Mons Barsunus, die angarische
Erklürang des Klostemamens Sceug-Zard, endlich seine breite
Erzählung über Sophie. Man vergleiche dazu Studie VHI,
S. 271, 272, 291, 294, und zum letzterwähnten Punkte Studie
VU, S. 499.
Die Fortsetzung der Darstellung von Eoloman bii
Stephan V. rührt, wie in Studie VII, S. 481 ff. nachgewieees
wurde, von Keza her. Er hat, so gut es gieng, die Lücke von
Koloman bis auf seinen gefeierten König Ladislaus zu über
brücken gesucht. Hiebei wird er vielleicht aus irgend einem
dürren Königsverzeichnisse die Regierungsdauer fax
Bela IL, Stephan III., Ladislaus II. und Stephan IV. ent-
nommen haben.
Die Darstellung der Geschichte Ladislaus FV. des
Kumanen ist zeitgenössisch. Freilich ist diese Erzählocg
nur ein trauriger Beweis, wie auch Aufzeichnungen von Zeit-
genossen werthlos sein können.
Wir gelangen nun zur Besprechung des ersten Appendix,
,De nobilibus advenis'. Die erste Frage, welche sich ans
aufdrängt, ist die, ob dieses Verzcichniss der adeligen Ein-
wanderer von der Zeit des Herzogs Geisa bis auf Bela IV.
Keza's Originalwerk, sei oder ob ihm dafür schon eine Vor-
lage zur Hand war. Leider lässt sich diese Frage nicht mit
Sicherheit lösen. In der Nationalchronik befindet sich dieses
Verzcichniss bereits in den Context der Chronik aufgenommen,
und zwar gleich nach der Erzählung über die Einwanderung
der Ungarn nach Pannonicn. Dass die Verlegung an diese
Stelle gegenüber Keza bereits eine zweite Stufe in der Ent-
wicklung bedeute, ist unzweifelhaft. Es entspricht dies auch
ganz dem Umstände, dass Keza's Darstellung die ursprüng-
lichere ist. ^ Zwischen beiden Verzeichnissen findet sich neben
' Du« Obri^ens die Stellang de« Appendix am Schlase der Chronik di«
ursprflngUcbe ist, beweist auch die Bemerkung Keia'i im ). 6 ȟati
421
vielem Gemeinsamen auch manchee Abweichende. Wenn Mar-
czali in den Geschichtsquellen, S. 49, sagt, dasB die Ueberein-
stimmung zwischen beiden Darstellungen ,nie wörtlich' sei, so
ist das falsch. Man vergleiche:
Keza.
§. 52. Postea Wolfer cum He-
derico fratre suo introtvit . . .
cum XL militibus phaleratis.
Huic datur mons Kiseen per de-
scensum, in quo castrum fieri
facit ligneum . . .
§. 50. . . . qui . . . sanctum
regem Stephanum in flumine
Goron Teutonico more gladio
müitari accinxerunt.
§.61. Comitum vero Simonis
et fratris eius Michaelis gene-
ratio, qui Mertinsdorfarii nomi-
nantur, . . .
§. 64. Intraverunt quoque
temporibus tarn ducis Geiche
quam aliomm regum Boemi,
Poloni . . .
Cbr. Budeose.
S. 47 f. Post hec . . . Volph-
gerus cum fratre suo Hederico
. . . cum trecentis dextrariis fa-
leratis introivit, cui dux Geycha
montem Kiseen pro descensu
eterno contulisse comprobalur,
ubi castrum ligneum edificavit.
S. 48. . . . qui sanctum re-
gem Stephanum in äumine Ga-
rany gladio Teutonico more ac-
cinxerunt.
S. 53. Simonis enim et fratris
eius Michaelis generatio Mor-
tundorf nominantur . . .
S. 53. Intraverunt autem in
Hungariam tarn tempore regis
Geyche, sancü" regia Stephani,
quam diebus regum aliorum
Bohemi, Poloni . . .
Wörtliche Beziehnungen sind also zwischen beiden Be-
richten vorhanden. Ebenso decken sich dieselben inhaltlich
zum gröBsten Theile. Keza ziihlt nur drei Geschlechter auf
(§. 55, 60 und 63), welche in der Chronik nicht erscheinen,
•während diese wieder über Deodatus (Chronicon Bud., S. 47)
und Kyqinus und Rynaldus (S. 50) berichtet, diu bei Keza
nicht genannt werden. Ausserdem hat freilich bei den ein-
zelnen Berichten bald Keza, bald die Chronik ein kleines Mehr
oder Weniger an Nachrichten oder auch abweichende Angaben;
auch muss noch constatirt werden, dass die Reihenfolge der
Qesta: iQuomm er^ adreiutmni generatio in fine bniiu libri apponetnr
leratim.*
422
einzelnen Geschlechter abweicht, ohne dass man erkennen
würde, was zu dieser geänderten Folge Veranlaesaag gegeben
haben könnte: denn weder die eine noch die andere Zusammen-
stellung ist etwa nach irgend einem Gesichtspunkte völlig streng
geordnet. Alle diese Beobachtungen genügen jedoch nicht tttr
die Entscheidung, ob die Chronik nur auf Keza beruhe, oder
ob beiden eine dritte, ältere Quelle vorlag. Für letzte Annahme
könnte wohl Folgendes geltend gemacht werden: 1. dorch die
Annahme einer älteren Aufzeichnung, die der Chronik neb«n
Keza vorlag, könnten sich leichter die verschiedenen Ab-
weichungen erklären lassen, insbesondere die ohne sichtbareo
Grund geänderte Reihenfolge, die Überdies in der Chronik,
wenn nicht schlechter, so doch nicht besser als bei Keza ist;'
2. ist es leicht denkbar, dass irgend eine Art von Addc-
matrikel o. dgl. vorhanden war; andererseits ist es wohl sehr
zweifelhaft, ob Keza etwa alle mitgetheilten Nachrichten von
den einzelnen Geschlechtern durch mündliche Ueberlieferung
erhalten hätte; 3. endlich spricht dafUr folgende Beobachtung:
Im Texte seiner Ungamgeschichte, wo Keza über Geisa und
den heil. Stephan erzälilt, zeigt er keine Bekanntschaft mit der
Stephanslegende; er begnügt sich da mit ganz spärlichen Mit-
theilungen seiner Vorlage (der Gesta); man könnte darnach ge-
neigt sein, anzunehmen, dass ihm die Stcphanslegende onzo-
gänglich war; nun zeigt der Eingang zum Appendix (§. 48)
ganz unzweifelhafte Verwandtschaft mit der grösseren Legende
des heil. Stephans. Man vergleiche:
Kou.
§. 48. . . . quia manus gesta-
bat sanguine humano madatas,
nee erat idoneus ad fidem con-
vertere . . .
Legende.
§. 3. Non tibi concessum
quod meditaris, quia manus
lutas humano sanguine g
Ebenso beruht das, was über den heil. Adalbert und über
das Herbeiziehen der Fremden durch Geisa sich in der Ein-
' Hiezn sei noch bemerkt, dass schon eine der nnsprünglichsten Chronik-
redactionen, dais Cbronicon Pos. (vgl. Studie XI), §. 31, alle Eigvo-
thQmliohkeiten der Nstionftlcbronik ceigt, wie wir sie im ChroniMB
Bud. fiaden.
423
leitung des Appenrlix findet, auf der Legende. Da also Keza
nach Ausweis der Erzählung über Qeisa und Stephan in der
Ungarngeschichte die Legende des heil. Stephans nicht benutzte,
andererseits diese in dem Appendix benützt erscheint, so wtlrde
das darauf hindeuten, dass letzterer in seiner ursprünglichen
■ Gestalt nicht von Eeza herrührt. Bestärkt wird man in dieser
Auffassung noch durch den Umstand, dass in der Einleitung
zum Appendix, wie sie uns bei Keza bewahrt ist, trotz der
■ Verwandtschaft derselben mit der Legende, doch wieder sich
Widersprüche mit dieser ergeben. Nach der Legende, §. 3,
ist Geisa schon vor der Ankunft Adatberts sammt seiner Fa-
milie zum Christenthume übergetreten und getauft worden (,cre-
didit ipse cum familiaribus suis et baptisatus est'); in der Ein-
leitung zum Appendix lesen wir dagegen: ,licet ipse et domus-
que eins per sanctum Adalbertum baptismi gratiam accepisset'.
■ Dieser Widerspruch erklärt sich wohl leichter bei der Annahme,
dass Keza bereits eine auf der Legende beruhende kurze Dar-
stellung vorlag; wäre ihm die klare und völlig deutliche Dar-
stellung der Legende selbst bekannt gewesen, so hätte er diesen
Irrtimm nicht begangen. Die Chronik hat diese Einleitung in
sehr gekürzter und umgearbeiteter Gestalt wiedergegeben, so
dass sich wenig aus dem Vergleiche ergibt. Sichere Schlüsse
würden nur dann raögheh sein, wenn uns der Appendix noch
wenigstens in einer dritten Ueberlieferung erhalten wäre.
Noch weniger lässt sich über den zweiten Appendix
,De Udwornicis' ausführen. Diese Aufzeichnungen finden
sich in den anderen Chroniken nicht. Wir können daher an
dieser Stelle über sie hinweggeben.
3. Die Bedeutung der Chronik Eeza's.
In diesem Schlussabschnitte wollen wir zunächst in Kürze
die Ergebnisse unserer vorangehenden Untersuchung zusammen-
fassen und sodann die Bedeutung des Gesammtwerkes Keza's
mit wenigen Worten charakterisiren.
Keza's Hunengeschichte ist dessen originales Werk. Er
hat für seine Darstellung ausser der ungarischen Ueberlieferung,
indem manches den Ungarn Geltende auf die Hünen übertragen
wurde, auch die Gesta Hungarorum vetera, ferner wahrschein-
lich die Werke Gottfrieds von Viterbo und vielleicht auch Isidors
424
Etymologien, dann auch eine uns nfther nicht bekannte ,Cn>-
nica veterorum' benutzt; dagegen nennt er Orosios und Jo-
sephus, ohne dass er deren Werke gekannt hat. An diese troti
ihrer gelehrten Grundlage doch ziemUch werthlose Uonen-
geschichte — denn nur das der Ueberlieferung Entstammende
beansprucht einigen Werth — knüpfte er sodann die Gesta Hon-
garorum vetera an, welche bis auf Koloman die Grundlage seiner
eigentlichen Ungamgeschichte bilden. Er hat diese alte Quelle
ziemlich getreu erhalten; Einzelnes mag er immerhin ge&ndert
und ausgelassen haben, wie er auch andererseits, wie es Bcheiot,
aus einer deutschen Quelle und auch aus der Ueberlieferosg
fUr die Zeit der Raubzüge einige Zusätze machte. Von Eol»
man führte er die Darstellung wohl unter Benutzung einfii
dUrren Königsregisters bis auf seine Zeit fort. Die DarstclloBf
der Geschichte des Königs Ladislaus IV. (1272 — 1290) ist zeit-
genössisch. FUr den ersten Appendix seines Werkes, nftmlicli
für das Vcrzeichniss der von Herzog Geisa bis auf Bela IV.
eingewanderten Fremden dürfte Keza eine ältere Vorlage be-
nützt haben. Ueber den zweiten Appendix, der über die Mi-
nisterialen in Ungarn handelt, lässt sich zunächst nichts Be-
stimmtes sagen.
Keza hat in seiner Chronik die erste Gesamratdarstellong
der ungarischen Geschichte geboten, und zwar einschliesslicii
der Hunengeschichte, die nach der seit dem 11. Jahrhunderte
immer mehr in Ungarn zur Geltung kommenden Anschauung sor
ersteren gehörte. Der Versuch, etwas Aehnliches «u bieten,
war zwar schon etwa 80 Jahre früher in der ungarisch-pol-
nischen Chronik gemacht worden, doch konnte dieser auch
wohl in seiner ursprünglichen Gestalt missglUckte Versuch (rgl.
Studie 111 und VI) nicht befriedigen. Keza hat durch sein
Werk f\lr die folgende ungarische Geschichtsforschimg den
Weg geebnet. Die um 1300 entstandene Ofener Minoriten-
chronik, die Grundlage der verschiedenen Kedactionen der
Nationalchronik, beruht zum grossen Theile auf Keza. Was
die Hunengeschichte anlangt, ist Keza überhaupt für die ganae
folgende ungarische Geschichtsschreibung massgebend geworden.
Dieselbe hat fortan nur auf den weiteren Ausbau und die Fort-
setzung der Ungamgeschichte Gewicht gelegt.
eliroiiik. Ilir«^ verM-liiedciien Ahleitaii^vn und d*>n'ii
Vcriiültiii.sis zur ürundt-lirunik und zu einander.
Als die letzte ungarische Quelle, in der die Gesta Hun-
garorura vetera Verwendung fanden, ist die nationale Chronik
zu behandeln. Wir wollen zunächst kurz die Ergebnisse der
Studien VII und VIII liber die Entstehung und die Quellen
der nationalen Grundchronik oder Ofener Minoritenchronik
wiederholen, sodann die verschiedenen Redactionen und ihr
gegenseitiges Verhältniss betrachten.
1. Die Entstehung der nationalen Qnudchronik oder Ofener
Minoritenchronik. Ilire ftnellen; Ort und Zeit ihres Entstehens.
Die nationale Grundchronik ist, wie uns aus Studie VII
und den folgenden Studien bekannt ist, aus der Verbindung
der Hunengeschichte von Keza mit den Gesta Hungarorum
vetera entstanden. Da dem Verfasser der Grundchronik natür-
lich Keza's Geschichtswerk in seinem ganzen Umfange vorlag,
so hat er aus demselben auch den Uebergang von der Hunen-
geschichte ziu" Ungarngeschichte übernommen (,Dige3tis ergo
. . . dignum duxi*) und hat auch seine Darstellung der Ungarn-
geschichte eingesehen. Vor Allem hat er ferner das bei Keza
als 1. Appendix mitgetheilte Verzeichniss ,De nobilibus advenis'
in den Context der alten Gesta eingeschoben, wobei er viel-
leicht auch eine ältere Redaction desselben zur Hand hatte,
aus der vordem auch Keza geschöpft haben würde. In Studie
VHI ist ferner ausfiilirlich dargethan worden, wie der Ver-
fasser der Grundchronik die Gesta vetera aus den Annales
Altahenses, die ihm jedoch nur bis 1046 vorlagen,' und den
ungarischen Legenden (Stephan, Enierich, Gerhard, Ladislaus)
ergänzte. Für die Zeit des 12. und 13. Jahrhunderts, von Ko-
loman bis auf Stephan IV., wurde Keza's dürre Aufzeichnung
aus irgend einer genauen chronologischen Zusammenstellung
> Nicht über eine Theilquelle der Annaleii. Vgrl. Stndie Till, 8. 818,
Anm. 1.
AroUr. LSXZVm. Bd. II. B&lft*. 2S
426
der Krönungs- und Todesdaten der Könige * ergänzt und dnitl
einige Nachrichten erweitert. Seit Ladislaos IV. beginnt fie
selbstständige Aufzeichnung; schon die DarsteUung der Ge-
schichte dieses Königs weicht von derjenigen bei Ken A
Aus der Darstellung der Chronik aber diesen Herrscher id
die folgenden ist ganz offenbar zu erkennen, dass wir Üb
bereits zeitgenössische Berichte vor uns haben. Damit mI
nicht etwa gesagt sein, dass die uns vorliegende Dantdki
der Chroniken bereits für das Ende des 13. Jahrhanderts etn
gleichzeitig oder auch nur bald nach den Ereignissen adft
zeichnet wurde. Dies ist wohl erst seit dem Anfimge da
14. Jahrhunderts der Fall, seit welchem Zeitpunkte die Beti^
recht ausfuhrlich werden und bald auch Jahr ftir Jahr ie
wichtigsten Ereignisse verzeichnen. Wohl aber warm D»
jenigen, welche diese Aufzeichnung am Anfange des 14. Jib
hunderts veranlassten, die wichtigsten Ereignisse der letda
Jahrzehnte noch wohl bekannt, so dass dieselben im ASp-
meinen richtig erzählt werden, wenn auch manche Irrtb&DKr
und Lttcken vorhanden sind. Da in diesen Au&eichnnngci
das Minoritenkloster in Ofen besonders berücksichtigt «iid,
femer die Chronik sich besonders betreffs der in Ofen und
Pest stattgefundenen Ereignisse wohl unterrichtet erweist, end-
lich auch zum Jahre 1325 die Gründung des Minoritenklosters
in Lippa an der Maros in allen Redactionen ausführlich er-
wähnt wird, so ist die von Marczali vertretene Ansicht m
billigen, dass diese (aber nur diese) Aufzeichnungen im
Minoritenkloster zu Ofen stattfanden. Hier ist aber auch
otVonlmr die Grundredaction der nationalen Chronik entstanden,
ilio nmn deshalb auch ,Ofener Minoritenchronik' nennen könnte
l)io Aufzeichnung der Grundchronik begann nach den vor
stfliondon Bemerkungen etwa 1300 und wurde sodann bis 1342
fortjjosctzt.
Auf der so entstandenen nationalen Grundchronik oder
Ofout>r Minoritenchronik beruhen alle anderen Redactionen
llnsoro Aufgilbe ist es nun, zu untersuchen, in welchem Ver-
hiihnisst' dieselben zu der hypothetischen Qrundchronik und
Ml oinimilor stehen.
• l)i».Ho botriiiiion mit der Angabe des Todeüdahims Ladislaus' I. Siefcf
Studio XU.
427
2. Die verschiedenen Bedactionen der nationalen Chronik,
ihr Verhältniss zur Omndchronik und zn einander.
Bisher sind uns folgende 13 Kedactionen der ungarischen
Nationalchronik bekannt: Chronicon Acephalum; Chronicon
Budense; Chronicon Dubniecuse; Chronicon Monacense; Mu-
glen's Chronik; Chronicon Pictum, Vindobonense oder Marci;
Chronicon Posoniense; Lateinische Reimchronik; Chronicon
Sambiici; Thurocz' Chronik; Chronicon Varadiense; Chro-
nicon Vaticanum; endlich Chronicon Zagrabiense. Nttheres
über die letzten Publicationen dieser QeschichtsqueDen findet
man in der Einleitung zur Studie VII. Die noch ungedruckten
Chroniken Acephalum und Sambuci habe ich in der Hand-
schrift benutzt.
In welchem Verhältnisse stehen diese Chroniken zur Qrund-
chronik und zu einander?
Unser leitender Grundsatz, der aus der Entstehung der
Grundchronik sich von selbst ergibt, ist folgi*nder: Jene Re-
■ daction, welche in der Hunengeschichte Keza am nächsten
steht, und deren Ungamgeschichte der Darstellung bei Keza
und beim Anonymus, also auch der gemeinsamen Quelle aller
(den Gesta vetei-a) am meisten gleicht, ist die ursprüng-
lichste
a) Chronicon Posoniense.
Ein sorgföltiger Vergleich ergibt nun, dass das Chroni-
con Posoniense, trotzdem es sonst alle charakteristischen
Merkmale der Chroniken trügt, also nicht etwa eine aelbst-
ständige Ableitung aus Keza ist, sondern thatsächheh schon
auf der aus der Verbindung von Keza's Hunengeschichte mit
den erweiterten Gesta Hungarorum entstandenen Grundehronik
Ooss, den beiden Theilen Keza's vielfach näher steht als die
anderen nationalen Chroniken.
Zunächst stellen wir eine Reihe voii ParftUeUtellen zu-
sammen, weiche den Beweis erbrititjgn daas das CWonicon
Posoniense thatsil.hlich zu den anonymen n»^tvoxva\eT\ CWonVketv
gehurt. Wh- vergleichen Keza, das r^^, „^licOTV Y«»' ^*^"^" ^**
Chronicon Bud.: V.»'
428
Kesa.
§. 2. Porro cum per
cladem dilavii preter
Noe et tres filios eias
deleta esset omnis ca-
ro . . .
§.3. ... sine mari-
bu8 in tabemacolis per-
manentes oxores ac
pueros filjorum Belar
casu repererunt . . .
§.5. Sciticum enim
r e g n u m comprehen-
sione una cingitur, sed
in regna tria dividi-
tur . . .
§. 6. Igitur in etate
sexta seculi multipli-
cati Huni in Scitia ha-
hitando ut arcna anno
domini seplingente-
simo in unum congre-
gati . . .
§. G. Quicunque ergo
edictum contcmpsissct,
pretcndere non Valens
rationem, lex Scitiea
per medium cnitro
huiusmodi detrun-
cabat, . . .
§. 9. Ipsc autem seip-
sum Hunorum regem,
metiim orbis, flagcllum
Chr. PoaoniMM.
§. 2. Porro com per
cladem dilavii preter Noe
et tres, qoi erant filios (!)
eius, ac uxores eornm
deleta esset omnis caro . . .
§.4. ... sine maribns
in tabemacalis permanen-
tes oxores et pueros filio-
rum Wereta, cum fea-
tum tube colerent et
choreas ducerent ad
sonitum simphonie,
casu repererunt . . .
§. 5. Scitia enim com-
prehensione una cingitor,
sed in tria regna dividi-
tur.
§. 6. In sexta igitur
etate mundi vel seculi
multiplicati Huni in Sci-
tia habitando ut arena an-
no domini CCCXXVIII
congregati in unum . . .
§. 6. Quicunque ergo
edictum contempsisset,
non Valens pretendere ra-
cionem, cultro dividi
per medium lex Sci-
tica sanciebat . . .
§. 10. ... vocarique se
facicns Hungarornm re-
gem, metum orbis, flagel-
Ck. Ba
S. 1 Pon
dadem düu
Koe et tres
ac oxores i
leta esset o
S.9. ...
bos in dese
tabemacalis
tes oxores
filionun Ber
festom ta
rent et chi
cerent ad
simphonie
perierunt ..
S. 10. S(
comprehea
cingitnr, sed
gna dividitD
S. 14. In
tur etate se
plicati sunt
Scitia ut a
est in litore
no Domini
simo octa
gati in una
S. 14 gel
Chronicon 1
S. 17f.
quidem sui
forma scri
429
a sabiectis suis i'e-
ippellari.
, 1 2. Pannonte, Pam-
5e, Macedonie, Dal-
iie et Frigie civita-
13. . . petentes,
exiret de finibus
ibardorum, propter
(ood ei et censum per-
Bolvercnt et gentem
larent, quam vetlet.
^ §. 14. ... quam qui-
lem adamassc in tan-
bin perhibetur, quod
^cessit modum in ha-
»endo. EadcQi enim
locte, cum ipsam car-
laliter cognovisset, plus
Kcesserat more solito
a potando . . .
§. 15 nicht vorhan-
en (zwischen ,nationcs
c cognatos' und ,Qiii
um äcithiam introis-
9t''
I
§. 19. Ex istis ergo
jipilanois Arpad, tilius
Umi, tili! Elad, Ulli
Jger de genere Tu-
i
§. 18. DCCCLXXII
i. ab ine. J. Ch. Huni
lum Dei, Attiia Dei gra-
tia filiua Wendeguz, nepos
raagni Nemproth, nutritus
in Engadi . . .
§. 17. Pannonie, Pam-
tih'e, Frigie, Macedonie et
Daimatie civitates . . .
§.18. ... petens eum
ex parte Romanorum, ut
acciperet consus et ser-
vicia, quamdiu viveret
ipse Attiia.
§. 19. Quam in tantum
adamasse perhibetur, ut
modum excesserat, sicuti
ei moris erat, in potando.
Factoquc tine coitus pueMc
usuque consumato de na-
ribus eius sanguis egre-
diens etc. etc.
§.20. Man8erat(Chaba)
namquc in Grecia apud
Honorium duodecim an-
nis, sed rcdiit in Scitiam
propter disturmiam (!) uno
anno. Hie autem in Sci-
tiam adiendo uxorem de
Scitia non accepit . . .
§. 24. Porro Eleud fi-
lius Ugck ex fiiia Ewid-
bilia in Mogor genuit H-
lium, qui nominatur Almus
ab erentu . . .
§. 25. Anno octingen-
tesimo octuagesimo octavo
Atiia Dei gratia ßhus
Bendekuz, qui est nu-
tritus in Engaddi, ne-
pos magni Nemrotb . . .
S. 24 genau wie das
Chronicon Pos.
S. 27 desgleichen.
S. 28 ebenso.
8. 31. ... nianserat
namque Chaba in Gre-
cia cum Honorin annis
tredecim; sed rediit in
Scitiam anno uno pro-
pter viarum discrimina
et difticiihatcm passa-
giorum. Hie autcm in
Scitia . . .
S. 35. Porro Eleud,
tilius Ugek, ex filia En-
nodbilia in Mogor ge-
nuit tilium. qui nomi-
natur Almus ab even-
tu . . .
S. 36. . . . anno oc-
tingentesimo octuage-
480
sive Hungari denuo in-
gresBi in Pannoniam
transierant per Regna
Bessorum, Alborum
Comanorum et civita-
tem Kyo et deinde in
fluvio Hung Tocato, ubi
caatrum fundavere, re-
Boderunt . . .
§. 24. ... duce Cup-
pan intorfecto, Jula
avunculo suo cum uxo-
re et duobus filiis do
soptom castris . . .
§. 24. ... de ipsius
thesauro beatac virgi-
nis ecclesiam de Alba
ditare non omisit, quam
fundassc perhibc-
tur.
§. 27. Tunc in Cbe-
nad omnes in unum
convencrunt, consilio-
quo habito communiter
j>r\> tiliis Zar Ladislai
tnkusmittunt, undc ad
r\'srnum remearent . . .
l'Uf.o t r 0 s fratrcs . . .
^ ^ und 30 Thron-
ilK-Uuiij: Andreas ohne
'aluvNAtiKI.
ab. ine. J. Ch. Hangari in-
gressi sunt Pannoniam et
deveneront in Herdewel,
ibique Septem castra ter-
restia preparaTenint.
§. 34. Post hoc beatas
Stephanus bellum gessit
anno Dom. KU contra
Gulam avunculnm saom,
qui tunc tocius ultra sil-
vam regni gubemacula
possidebat.
§. 35. Ex hac itaqne
gaza sanctus Stephanus
Albensem basilicam quam
ipse fundaverat, pluri-
mum ditavit.
§.39. Tunc nobiles Hun-
gari in Canad convenerunt
consilioquo tocius Hunga-
rie nuncium miserunt in
Rusciam ad Andream et
Levcntham, filios calvi
Ladislai . . . dicentes, quod
totalis Hungaria eos fide-
liter expectaret . . .
§. 40. Porro dux An-
dreas anno MXLVII co-
ronatus est.
simo octavo
Ch. vulgarit(
sive Honi, i
Hangarides
snnt Panno
seilicet in E
S. 65. Po
Stephanus .
gessit conti)
ctüom SDOi
Gyula, qm
poris tocinsl
regni gaben
sidebat. Ai
D. millesin
do ...cepit(
S. 66. Ex
gaza multipl
rex Stephai
mum locupl
bensem «
quam ipse
rat . . .
S. 91. Tu
Hungarie,vi
la gentis su
nad in unui
runt, consilio
totius Hum
cios miseru
nes in Rusc
dream et
dicentes . .
S. 101.
Andreas . .
est a. Dom
timo.
431
Diese Stellen mögen, um unser Verzeichniss nicht allzu-
sehr anschwellen zu lassen, genügen. Sowohl in den Gesta
Hunorum als in den Gesta Hungarorum zeigt also das Chro-
nicon Pos. bereits alle Merkmale der nationalen Chroniken.'
Nun wollen wir aber die SteUen zusammentragen, aus denen
es hervorgeht, dass dieses Chronicon dem bei Keza über-
lieferten Texte der Hünen- und Ungarngeschichte näher steht
als die anderen Redactionen:
Keza.
$. 2. Multifarie mul-
^wqne modis olim in
, veteri testamcnto et
lunc sub etate sexta
-36culi diversas histo-
.nas diversi descripse-
rant, prout Josephus
ks. w.
|. 3. . . . quam (Meo-
bm) undique pontus
: preter vadum unum
jparvissimum girovallat,
Bnminibus penitus ca-
rens, erbis, ügnis, vo-
latilibuSjpiscibus etbes-
tiis copiatur.
§. 4. Habet etiara de
occidcnte vicinos
BcssoB et Comanos al-
bos.
g. 11. Erant enim
Boli Huni preter ex-
teras nationcs CCC mi-
Lia XXX milia et
Clir. Poaonieiue.
§. 1. Multipharie multis-
que modis olim in veteri
tcstamento et nunc in eta-
te sexta scculi diversas
diversi historias doscrip-
serunt, prout Josephus
u. s. w.*
§.4. ... quam undique
preter vadum unum pon-
tus girovaUat; fluviis ea-
rens, herbis, silvis, pi-
scibus, volucribus et bos-
tüs copiatur.
§.5. ... cui de ocei-
dente vicini sunt Bessi
et Cumani albi.
§. 13. Erant enim soti
Huni adversus Mirmama-
niam destinati LXV mi-
lia, secundum quoadam
Chr. Biiflense.
Fehlt.
S. 9. Quam undique
[treter vadum pontus
giro valiat; fluviis cur-
rentibus, herbis, sil-
vis, piaeibus, volucri-
bus et bestiis copiatur.
S. 11. Guido oricnti
vicini sunt Bessi et Cu-
mani albi.
S. 22. Erant enim
soh, qui adversus Mira-
mammonam destinati,
sexaginta quinque
' Aus deu letiten CiUten peht, aoweit dies bei dieser stark gokQniteu
RedactvoD möglich ist, ancli hervor, dnns ihre Vorlage bereits auch die
Legenden ausgeschrieben und die Aouales Altabenses wiederbeuOtzt
hatte. Man vergleiche darttber die Studie VIII.
■ Zu dieser Stelle vergleiche man auch die Bemerkungen unten, S. 449.
432
XXXII Huni. Ex bis
etiam Hunis plures . . .
§. 12. Qaidam autem
Venetos de Sabaria
fuisse opinantur. Saba-
ria vero habitata fue-
rat Longobardis . . .
§. 13. ... inter col-
loqaia contigit, Ethe-
lam sursum aspicere,
superque caput suum
in aSre hominem pen-
dere . . .
§. 15. Propter quod
e Scitia uxorem non
accepit, sed tradoxit
de gente Corosmina.
Fehlt bei Eeza; da-
ftlr ist beim Anony-
mus wiederholt die Re-
de (§. 1, 5, 7flF.) von
den ,septem principales
persone, qui Hetumo-
ger dicti sunt' (Hetu-
moger = 7 Ungarn).
§.24fehltdie8eNach-
richt; doch ist ,Sicam-
bria', das im Chronicon
Pos. vorkommt, der
ältere, ursprünglichere
Name, wie er bei Ke-
za erscheint.
§. 31. Ipse (Andreas)
... in Tyhon monaste-
libros CCCZXZ milia in
Hunis excepta extranea
nacione. Ex hys . . .
§. 17. Veneti quidem
non accipiunt originem de
Sabaria, ut quidam opi-
nantur; nam Sabariam
Latini Longobardi inha-
bitant.
§. 18. Nam cum idem
rex oculos superius ele-
vasset vidit super caput
suum pendere quemdam
hominem . . .
§. 20. Hie autem in
Scitiam adiendo, uxorem
de Scitia non accepit,
sed traduxit de Corosme-
nia.
§. 29. Qui quidem . . .
het mogoriek sunt vocati
(wobei Florianus IV,
S. 26, Anm., zeigt, dass
,het mogoriek' im älteren
Magyarischen die rich-
tige Form sei = ,septem
Hungari').
§. 35. Et etiam de the-
sauro dicti Kan fundavit
(St. Stephanus) ecclesiam
in honore apostolorum Pe-
tri et PauU in Sicambria.
§. 40. ... et sepultus in
Tyhon iuxta lacum Wa-
millia, excepta
natione.
S. 26. Vene
dem non accipii
ginem de Sabar
de Troia civita;
matissinoa, nam
rie Latini, Loi
di videlicet, in
bant.
S. 28. ... vii
pra caput.
S. 31. Hie ao
Scitia, dum veni
rem ex ea non
sed de Corosmei
duxit.
S. 45. Qui .
. . . Het Magiar e
sunt vocati Qm
in den anderen
tionen — vgl
nus IV, S. 26,
— schon verdei
S. 67. Deindes
rex venit in civ
que Vetus Buda
tur . . . statim .
thesauro predict
. . . cepit in me
vitatis edificare (
cenobium.
S. 115. Sepull
autem in mon
433
I cnm David iilio 8uo
pelitur.
»
latun cum suo tilio Da-
vid.
Aniani confessoris,
quod idem rex con
atruxit in Tyhon, iuxta
lacum Balatun.
Die Anzahl dieser Parallelstellen lieaso sich vielleicht noch
um die eine oder andere vermehren; doch werden die ang'c-
t\ihrtcn genügen, um die oben ausgesprochene Ansicht zu
rechtfertigen, dass das Chronicon Pos. dem Grundstöcke der
Chroniken näher stehe als alle anderen Redactionen. Die
Beibringung der Parallelstellen ist schwierig, weil das Chro-
nicon Pos. uns nur im Auszuge vorliegt. Für die von uns
angenommene Reihenfolge der Redactionen spricht übrigens
auch z. B. noch folgender Vergleich: Keza, §. 2, sagt, dass
der babylonische Thurm ,ab uno angulo ad alium . . . passuum
longitudinis milia XV' hatte; das Chronicon Pos., §. 2, spricht
von ,mille quindecim', das Chronicon Bud., S. 4, hat daraus
,mille et quindecim' gemacht: es ist klar, dass diese Lescartcn
nur in der von uns angegebenen Reihenfolge sich aus einander
entwickeln konnten. F]s sei nun noch bemerkt, dass mitunter
auch eine der anderen Clirontkrodactioncn wie das Chronicon
Pos. mit Keza nilher übereinstimmt; doch wird man in keinem
Falle eine so enge Verwandtschaft linden, oder die betrefTendc
RedactioD ist durch vorhandene Erweiterungen u. dgl. bereits
■ als eine spätere gekennzeichnet. Wenn aber sich z. B. im Chro-
nicon Pic, ferner im Chronicon Dub. einzelne grössere Stellen
I finden, welche mit Keza übereinstimmen, so ist dies auf eine
Wiederbenützung Keza's neben einer älteren Chronikredaction
zu erklären, wie dies bei den genannten Chroniken unten
näher ausgeführt werden wird. Schliesslich haben wir noch
zu erwähnen, dass das Chronicon Pos. bereits mit der Notiz
über die Niederlage Kart Roberts in der Walachei im Jahre
1330 schliesst, während alle anderen Redactionen wenigstens
einige Jahre später abbrechen; hiebei sei noch bemerkt, dass
Iwohl noch die Notiz zum Jahre 1328 über den Brand der
Marienkirche in Stuhlweissenburg sich eng an den Wortlaut der
anderen Redactionen hält, nicht aber mehr der eben genannte
Bericht über die Niederlage. Wenn nun aber auch die Chronik
nur ein Auszug ist, so deuten doch die Worte, mit welchen sie
schliesst, ,(Explicit) Cronica regni Hungarie', dass sie ihre
434
ganze Vorlage cxcerpirte und uns vollständig erbalten ist. Aacli
daraus geht also hervor, dass diese Chronik dem Grundstöcke
der nationalen Chroniken näher steht als andere Redactionea
Mit diesem Grundstocke ist aber das Chronicon Pos.
nicht identisch; denn einerseits ist es eben nur ein Auszug,
und andererseits bietet es bereits auch eigenthamtiche Nach-
richten, welche den anderen Redactionen durchaus fremd sind.
Hierher gehören vor Allem die Ausftihningen über die J^enl
Lazar' im §. 29; die Aufzählung der verschiedenen Adek-
geschlechter in demselben Paragraphe am Ende, die der Her
ausgeber Florianus ganz unrichtig an dieser Stelle im Tcxtf
ausliess, weil sie angeblich bereits im §. 24 genannt worden
waren; ferner die Nachricht über den bei Mohi gefallenen Eri-
bischof Ugrinus (§. 47); in demselben Paragraphe auch die
Sätze .Tartari — Weginarum' und ,In qua ecclesia — requiescif;
schliesslich auch noch einige andere Stellen in den folgendes
Paragraphen, welche Florianus durch besonderen Druck ge-
kennzeichnet hat.
Fassen wir die Ergebnisse unserer Untersuchung über d«
Chronicon Pos. zusammen, so werden wir sagen können, dasf
dasselbe der Grundchronik sehr nahe steht und aus derselben
offenbar etwa im Jahre 1328/29 ausgezogen wurde. Leisten;
Annahme würde es erklären, wanim im Chronicon Pos., wie
bereits oben ausgeführt wurde, die Notiz zum Jahre 1328 Qber
den Brand der Stuhlweissenburger Kirche überaus eng sich «n
den Wortlaut der anderen Redactionen anschliesst, dagegen
von der in diesen folgenden Geschichte über das Verbrochen
des Felicianus im Jahre 1330 keine Rede mehr ist und die
kurze Bemerkung über die walachische Niederlage des Köni^;«
in demselben Jahre mit den Berichten der anderen Chroniken
keine nähere Verwandtschaft aufweist. Das Chronicon l'os
wird in vielen Fällen ftir den Inhalt und die Gestalt der Grund
chronik massgebend sein. Leider ist es aber nur ein Auszog,,
und daher musste auch in den vorstehenden UntersuchuDgen
nicht dieses, sondern in der Regel das Chronicon Bud. citirt
werden. Doeh muss ausdrücklich hervorgehoben werden, dass
hiobei stets die gehörige Vorsicht angewendet werden
weil die genannte Chronik mitunter doch wieder von dem
mcinsamcn Kerne der Chroniken (der Grundchronik) abweicht
Vgl. die Ausfllbrungen, S. 455ff.
435
Als Scheniii der hislveripen Ausführungen ergibt sich:
1328 (1330)
Nationale örunduhronik
Chronicon Poaoniense
h) Chronicon Zagrabiens» und Chronicon Varadiente.
Wahrseheinlich noch frilher als das Chronicon Posoniense
ist aus der Onindchronik ein anderer Auszug geflossen, auf
dem die Agramer (Chronicon Zagrabiense) und die Gross-
wardeiner Chronik (Chronicon Varadiense) beruhen. Diese
Chroniken sind, da sie uns nur in Gestalt dürftiger Auszüge ent-
gegentreten und nur einige selbststÄndigo Nachrichten bringen,
ihrem Inhalte nach ziemlich werthlos. Nur ein Umstand macht
uns dieselben merkwürdig: ihre Vorlage ist offenbar aus der
(irundchronik geflossen, bevor noch in derselben die Nachricht
über die Königskrönung Karl Roberts eingezeichnet war. Dies
ergibt sich aus folgendem Umstände:
Es ist zunächst unzweifelhaft, dass beide Chroniken iiuf
eine gemeinsame Vorlage zurückgehen. Wenn wir nämlich beide
Chroniken, die Florianus s(4)r bequem neben einander im
III. Bande seiner Fontes abdrucken liess, mit einander ver-
gleichen, Bo finden wir, dass sie fast denselben Wortlaut auf-
weisen, und zwar auch an denjenigen Stellen, die mit der
Grundchronik nicht übereinstimmen. Dies könnte nun auch so
erklärt werden, dass etwa die eine aus der anderen tioss. Dem
steht aber folgender Umstand entgegen. Die ältere von den
beiden Chroniken ist unstreitig die Agramer. Dieselbe ist uns
nämlich (vgl. Florianus, a. a. O., S. 2t)2) im ,Liber statutorum'
des Agramer Capitels erhalten, das im Jahre 1334 begonnen
und bis zum Jahre 1354 fortgesetzt worden war. In der Chronik
selbst tinden wir im letzten Capitel die Bemerkung (S. 2öl):
,(Karola6) vitam finivit relictis tiliis tribus: . . . 8tephano Dal-
matiae, Slavoniae et Croatiae duce, qui nunc in ipso suo
ducatu existit, scilicet anno doraini MCCCLIV.' Somit ist
die Niederschrift der Chronik vor diesem Jahre gesichert. Die
Grosswardeincr Chronik befindet sich dagegen im .Liber sta-
tutorum' des Grosswardeincr Capitels, welches erst nach dem
436
Jahre 1374 niedei^eschrieben worden ist (vgL Florianns, a. a.0.,
S. 263). Auch lautet die der oben über Stephan citirten Nach-
richt entsprechende Stelle foigendermassen: ,Qm Stephams
obüt in vigilia beati Laorentii anno millesimo trecentesiiiio
quinquagesimo qnarto, de exercitu moto contra Rascianoe/ Ei
ist also klar, dass diese Chronik jünger ist als die Agramer.
Wenn also eine von ihnen die Quelle der anderen wftre, so
müsste die Grosswardeiner aus der Agramer geflossen sön.
Das kann aber nicht stattgefunden haben, weil die Ghrosswar-
deiner der Grundchronik mitunter nfther steht und manche ans
derselben geschöpfte Nachricht besitzt, welche in der Agramer
fehlt, wie man dies z. B. aus der unten stehenden Parallelstdle
ersehen kann. Da nun aber beide einander sehr verwandt
sind, so folgt daraus, dass beiden bereits ein Aiusag ans der
Grundchronik, den wir ,W' nennen wollen, zu Grunde li^
wie wir dies bereits oben bemerkt haben. Diesen hat die
Grosswardeiner Chronik vollständiger, die Agramer gekfint
wiedei^egeben.
Dieser Auszug ist jedenfalls vor 1354 angefertigt worden,
weil schon die auf ihm beruhende Agramer Chronik in diesem
Jahre beendet wird. Nun constatiren wir beim näheren Ver-
gleiche unserer Chroniken mit der Nationalchronik Folgendes:
In den Ausführungen derselben über Andreas HI. and über
die in die Geschichte desselben eingeflochtene Abstammung
Karl Roberts finden wir zwischen der Agramer, Grosswar-
deiner und den anderen Chroniken noch unverkennbare Ver-
wandtschaft. Man vergleiche:
Aipramer Chr.
Fehlt
Gronwardeiner Chr.
§.23. Hic( Andreas m.)
. . . tandem anno domini
millesimo trecentesimo
primo in die sancti FelicLs
in Pincis moritur et in Ca-
stro Budcnsi apud fratres
minores sepclitur.
Chr. BadMiae.
S.218. Interims
domini millessimo
centessimo primo ii
sto sancti Felicis
Pincis idem rex
dreas in castro Budi
requievit in domini
sepultos est in eccl
sancti Johannis &
geliste apud fratres
nores.
437
§. 23. Supradictus
tem rex Stephauus,
08 Bclae, habiiit tilLaa
«; ex quibus una vo-
batiir IVIariu, quae
t tradita in consor-
a magno Carolo regi
iilie etc.
I
I
I
I
§. 24. Supra dictus
autem Stepliauus rex,
quartus tilius Belae qimrti,
habuit tiliaä tres; ex qui-
biis una vocabatur Maria,
quae fuit tradita in con-
sortem Carolo claudo, iilio
Caroli uiagni regia Sici-
liae, . . .
S. 216. Rex Stepha-
nus QuintuB, filius Bele
quarti regis Ilungarie,
inter alias tilias liabuit
unam nomine Maria
vocatam, qui Kurolo
Ciaudo, filio Karoli
magni . . . tradiderat
in uxoreni . . .
Bisher (1301) ist also ganz offenbar die Vorlage der
Agramer und Orosswardeiner Chronik aus der Nationalchronik
geflossen. Dagegen findet man zwischen den folgenden Aus-
führungen über Karl und Ludwig keine nähere Berührung mit
der Nationalchronik. Aber noch mehr: sowohl in der Agrauier
als in der Qrosswardeiner Chronik findet sich folgende Be-
merkung: ,(Carolua) fuit coronatus anno domini MCCC et re-
gnavit annis XLII' (I). Diese StelJc gehört also bereits der Vor-
lage an, und da sie den in der Nationalchronik Uberlieterten
Nachrichten völhg widerspricht, wo die Künigskrönung Karls
ausdrllcklich zum Jahre 1310 geschildert wird,' so ist es ganz
offenbar, daas der unseren Chroniken zu Grunde liegende Aus-
zug (W) aus der Nationalchronik floss, bevor wohl noch diese
und die folgenden Nachrichten in derselben aufgezeichnet
wurden. Bemerkt sei noch, dass unsere Chroniken an keiner
Stelle sich zur Grandchronik in ihrer ursprünglichen Gestalt
im Widerspruche befinden. Ueberall liegt ihnen oder richtiger
ihrer Vorlage die ursprüngliche Gestalt der Nationalchronik ohne
alle Erweiterungen zu Grunde. Neu hinzugekommen sind einige
Bemerkungen localen Charakters.
Am Scldusse möge noch auf den Umstand hingewiesen
werden, daas unsere Chroniken von der Hunengeschichte nichts
enthalten und auch auf diese gar nicht hinweisen. Es könnte
dies dahin gedeutet werden, dass tue Vorlage dieser Ciirouiken
nicht aus der bereits mit der Hunengeschichte verknüpften
Nationalchi'onik floss, sondern ihr vielmehr blos die erwei-
Vgl. Chr. Dnb., S. IIB, und Pic, S. 234; wenn im Bml., 8. 2:J2, ,a. <1.
mill6Himn tricenteaimo' steht, ro iitt dies ge^nUber den im Vorliergi>hen-
den angefClltrten Zahlnn nur Sclireib- nder Druckfehler.
438
terten Qesta Hungarorum vorlagen. Doch wUrde dieser Schluss
Wühl gewagt sein, da fUr die Zwecke der lucalen klösterlichen
Aufzeichnung es dem Anfertiger des ersten Auszuges genügen
mochte, mit dem Einzüge der Ungarn zu beginnen. Seine Dar-
stellung hobt er mit den Worten an (S.'2öO): ,£t qaoniam supra
describitur obitiis beatissimi regis Ladislai, visum fuit etiam du-
cnm a tempore ingressionis eorum in Pannoniam et omnium
regum Hungarie tarn nomina quam tempora regimium desori
bere.' Bemerkenswerth sind auch die folgenden Bemerkungen:
,Kelatio enim Hungarorum in scriptis ab olim redact«, inter
cetera complura habetur, quod . . .'
Hiemit ergibt sich folgendes Verhältniss:
1301
Urundcbronik "•
w
Zug. Var.
c) Die Redactionen Muglen (deutsche Protachronik und laUinitekt
Reimchronik), Samhucus, Acephalus, Pictvm und Monacent«.
Hat sich die Vorlage der Agramer und Qrosswardeiner
Chroniken früher als das Chronicon Posoniense von der Grund-
chronik abgezweigt, so ist andererseits etwas später als dieses
eine Handschrift entstanden, welche einerseits die Grundlage
der Redactionen Muglen, Samhucus, Acepiialus, Pictnm und
Monacense ist, und der andererseits der Codex Vaticanus sehr
nahe steht, Indem wir die Betrachtung der letzteren Redaction
dem nächsten Abschnitte überweisen, haben wir hier zanftchsl
über die erstgenannten Redactionen zu handeln.
Die Redactionen Muglen, Sambucus, Acephalus, Pictum
und Monacense bilden wie das Zagrabiense und Varasdieme
eine besondere (Jruppe der Chroniken, deren äusseres Merk-
mal zunächst diirin besteht, dass der gemeinsame Theil der-
selben über das Chronicon Posoniense hinaus reicht and nocli
den italienischen Zug Karl Roberts umfasst. Als letzte Gruppe
der Chroniken werden wir — am die» gleich hier zu erwähnen
439
— das Budense und Dubnicense keimen lernen, deren geinein-
eame Grundlage über jenen Zug Karl Roberts fortgesetzt er-
scheint. Jede dieser Gruppen hat ihre Eigcnthiimlichkeitirn,
die einerseits ihre enge Zusaniuiengehörigkeit beweisen, anderer-
seits aber sie von der Grundchronik untersehciden. In diesem
Abschnitte ist es zunächst unsere Aufgabe, die EigenthümUch-
keiten der Gruppe des Pictum festzustellen und hierauf das
Verhältniss der verschiedenen Glieder dieser Gruppe zu ein-
ander zu bestimmen.
Vor Allem erweist sieh das Chronicon Pictum durch
die Fülle von Nachrichten, ' welche es Über den Inhalt der
anderen nächst verwandten Redactionen hinaus bietet, als das
Endghed tlieser Entwicklungsreihe. Besprochen wurden bereits
an einer früheren Stelle {Studie VII) die umfassenden Erwei-
terungen von Ladislaus' I. Ende angefangen (S. 200) bis auf
Geisa II. (S. 220); viele derselben hat der Schreiber dieser Re-
daction aus der von uns an der eben angeführten Stelle nach-
gewiesenen Quelle entnommen, von deren erweiterter Gestalt
auch Muglen aelbstständig Gebrauch machte;* eine andere hat
das Chronicon Pictum bereits aus seiner Vorlage Übernommen,
weshalb es dieselbe auch mit dem Acephalum gemein hat (vgl.
unten S. 444f ). Eine grosse Anzahl von Nachrichten des Pictums
in dieser Partie sind aber allen anderen Redactionen fremd
mit Ausnahme des Chronicon Monacense, welches ein Auszug
aus dem Pictum ist, wie weiter unten gezeigt werden wird.
Ebenso weist das Pictum auch in dem vorhergehenden Theile
(^Ö. IGO — 200) eine Fülle von Nachrichten auf, welche zumeist
nur noch in dem eben erwilhnten Monacense vorkommen; eine
ist jedoch auch im Acephalum vorhanden, was sich aus der
gemeinsamen Vorlage erklärt (siehe unten S. 4423".). In diese
interpolirten Theile des Pictums (vgl. Studie V, S. öOSf.) fällt
auch die Benützung der Aniiales Albenses, deren Spuren sich
allein in dieser Redaction mit Bestimmtheil nachweisen lassen.
Auch weist das Pictum am Anfange der Hunengeschichte eine
Reihe eigen thümlicher Stellen auf, die nur noch vom Dubni-
cense benutzt wurden (vgl. unten S. 459 f.). Zu den Eigenthihu-
' Diese veraeiclinet auch Floriaiius in den Kuntoa 111 als Lwearten «um
Clironicnn Dubnicense.
' Vgl. die folgende ätndie.
440
lichkeiten des Pictums gehört auch, doss es das letzte Capitel
der Uunengeschichte direct aus Keza ergänzt (vgl. Pictum,
S. 12()t'., und Keza, Ö. 701"., bezüglich der Stellen: ,Cum i^wr
Chaba adiens üi Scithiam . . /, und ,Tradunt quidam ... in dornt
nando novus erat'), ferner Keza auch an anderen Stellen benUtztr
(man vergleiche Pictum, Cap. XXV: ,Po8t hec intrant . . .' mit
Keza, §. 56, gegenüber Posoniense, §.31: .Geueracionem vero
Ratoldi . . .' und ebenso Budense, S. 51 ; femer Pictum, Cap. XXIX:
,eapropter quod exercitum . . .' mit Keza, §.61, gegenüber Bu-
dense, S. 53 [Posoniense fehlt]; vgl. ferner Pictum, S. 14S: ,OoM
fridus autem Austrie marchio . . .' mit Keza, §. 26: ,C(ot£riilus
Austrie marchio . . .' gegenüber Budense, S. 81, und den anderen
Redactionen, denen diese Notiz fehlt; ebenso Pictum, S. lt>3:
,Dicunt ahi quod Bela duce . . .' mit Keza, S. 31: ,. . .com
consensu fratris sue Bele . . .' [allen anderen fehlt diese Kotii];
schliesslich Pictum, S. 168: ,Hic enim Bela erat cäIvus . . .* mit
Koza, §. 32: ,Hic enim calvus erat . . .' gegenüber Posonienie,
§. 40, Budense, S. 121 u. s. w., wo davon nichts steht). An
Schlüsse der Huncngeschichte setzt das Pictum schliesslich der
in allen Chroniken über die Kegierungszeit Attilas cnthalteoen
Nachricht ,Kegnavit autem Atjla — annis' den Satz voraus ,Ham
autem applicuerunt fluvio Tyscie, et de Tyscia egressi quinti)
anno. A proelio Kezumaur usque regnum Atile annus fluxit
unus'. An jene Notiz knUpft er aber die Nachricht ,Mortuus
est autem etc.' über Attilas Sterbejahr und die Geschichte von
Traume des Kaisers Marcian (Attilas zerbrochener Bogen) in
der Nacht, da der llunenkönig starb. — Dies also sind in aller
Kllrze aufgezählt die charakteristischen Merkmale des Pictums,
insoforne wir sie hier zu beachten haben. Da eine Fülle dieser
Nachrichten in den anderen Redactionen nicht vorkommt, so
liegt es auf der Hand, dass sie eigenthUmliche Zusätze des-
selben seien. Uebrigens kann man die Arbeit des Interpolators
oft genug deutlich erkennen. Schon der eben besprochene
Schluss der Uunengeschichte zeigt die unverkennbarsten Spuren
der Interpolation. Im Cap. 61 hat der Interpolator an die Worte
jMüites vero Salomonis' (vgl. Budense, S. löl*) anknüpfend eine
längere Stelle eingeschoben und setzt dann wieder mit den
Worten ,Milite8 vero eiusdem Salomonis' den unterbrochenen
Wortlaut fort. Dergleichen könnte man noch mehr anführen;
indess ist dies wohl Uberdüssig, da nach allem Angcfuhrtan
Ol
Ni
id bezweifeln kann, dass das Pictum
iemand bezweifeln kann, dass das fictum nur als Fortent-
wicklung der ursprünglichen Chroniken, nicht aber diese als
RUekentwicklung jenes aufgefasst werden künnen. Erwähnt sei
nur noch, dass hiefür auch der Umstand beweisend ist, dass
keine der im Pietum vorhandenen, aus den Annales Albenses
geschöpften Nachrichten sich in einer der anderen Redactionen
nachweisen Iftsst. Natürhch ist es unmöglich, dass diese, als
Auszüge gedacht, mit Absicht oder durch Zufall alle diese im
Pictum verstreut vorkommenden Stellen vermieden hätten.
Ein Auszug aus dem Chronicon Pictum ist das Chronicon
Monacense. Dasselbe hat keine sei bstständige Bedeutung. Dem
excerpirenden Schreiber stand wohl auch keine andere Redac-
tion zur Verfügung, denn er schHesst mit einer Notiz über den
walachischen Feldzug Karls von Anjou, in dessen Schilderung
bekanntlich das Pictum abbricht. Um zu beweisen, dass dem
Monacense thatsächlich das Pictum mit allen seinen Erwei-
terungen zu Grunde liegt, mögen eine Anzahl von Parallel-
stellen angeführt werden.
■ MoQ. §. 1: ,anno ab ine. dorn. CCC-o LXXIII-o tempore
Valentis imperatoris et Celestini prirai papae Huni multiplicati in
»Scitia'. Pic. S. 107 ebenso. — Dagegen Pos. §. 6: ,In sexta
igitor etate mundi vel seculi multiplicati Huni in Scitia . . .
anno dom. CCCXXVIU.' Bud. S. 14 ebenso.
MoD. §. 4: ,Atyla dei gracia filius Beudekus, nepos magni
Magor, nutritus in Engadin.' Pic. 8. 110 ebenso. — Dagegen
Pos. §. 10: jAthila Dei gratia filius Wendeguz, nepos magni
Nemproth nutritus in Engadi.' Bud. S. 18 ebenso.
Mon. §.11: ,{Atyla) mortuus post Hunorum ingressura
anno LXXII, ab incamacione dom, CCCCXLV tempore impe-
ratoris Marciani et Gelasy papae primi.' Pic, S. 121 ebenso.
— Pos. §. 22 fehlt diese Zeitangabe. Bud. S. 33 ebenso.
Mon. §. 12: ,Ingrediuntur ergo Huni Pannoniam secundo
de anno dom. VICLXXVII (677), a morte Atyle CIV-o, tem-
pore Constantini imperatoris tercy et Zacharie pape.' Pic.
S. 122 ebenso. — Dagegen Pos. §. 26: ,Anno octingentesimo
octuagesimo octavo . . . ingressi sunt Pannoniam . . .' Bud.
S. 36 ebenso.
Mon. §. 31 : ,Post hoc misit bellatores in Carinthiam, qui
plnres nacti a Godfrido marchione Austrie prope Petoviam sunt
superati.' Pic. 8. 148 ebenso (aus Keza §. 26; vgl. Studie VUI,
Arcbir. LXXXVUI. Bd. M. Hülfte. Sä
L
442
S. 281 f.). — Pos. ist hier überhaupt sehr gekürzt. Bud. S. 81
wird von Gottfried nichts erwähnt.
Mon. §. 38 = Pic. S. 160 über den Taucher Zothmimi
wovon in allen anderen Redactionen keine Spur ist.
Mon. §. 40: , Andreas rex confectos senio Salomaaca
iUium suum V annorum in regem fecit inungi.' Pic. S. 163
ebenso (aus den Annales Ungarici; vgl. Studie V, S. Ö08). —
Dagegen haben die anderen Chroniken die genaue Alterbesdm-
mung nicht.
Mon. §. 42: ,Nocte sequenti ecclesia, palacia omni» cnm
edificys . . . Pic. S. 169: ,Nocte autem secuta etc.' — Dagegen
hat Bud. S. 124 nur: ,In eodem autem anno ducibus ibidem
existentibus ecclesia horribiliter est cumbusta.'
Mon. §. 46: , Interim vero Ladislaus pro Salomone denn
exorabat, ut ad legem Christi converteretur.' Pic. S. 194 ebenw
— Dagegen Pos. §. 43 und Bud. S. 165 haben nichts davon.
Derartige Parallelstellen könnten wir noch in ^osser Zahl
anführen. Es sei nur noch hervorgehoben, dass das Monacen»
auch die weitläufigen Erweiterungen von Koloman angefangen
mit dem Pictum gemein hat. Kurzum wir sehen diese Chronik
in jeder Beziehung völlig abhängig von dem Chronicon Pictum
mit allen seinen Erweiterungen.
Dem Pictum und Monacense am nächsten steht die Re
dactioii im Codex Acephalus. Da derselbe erst in dem Ab-
schnitte, der über den Krieg Stephans des Heiligen gegen
Oyula handelt (1002), mit den Worten .regnum illud Hungarice
ErdelV beginnt, so bietet er nur beschränktes VergleichsmateriaL
Am wichtigsten erscheinen für die Verwandtschaft beider Re- ■
dactionen zwei in beiden vorkommende, zum Theile einander
überaus nahestehende Berichte, welche den anderen KedactioneD
fehlen. Hieher gehört zunächst der ausführhche Bericht über
die Verfeindung des Königs Andreas mit seinem Bruder Bcla
wegen der Krönung Salomons. Wir bringen diese und ein«
andere Stelle zum Abdrucke, weil sie auch von Florianus
nicht oder nur unvollkommen mitgetheilt werden:
(
(
Codex Acephalus.
Bl. 10b. Quta plerumque car-
nali« amor et consanguinitatü
affectio impedire solent eqiii-
Chronicon Piotnin
S. 163 f. Quia vero camalis
amor et sangnineitatis affectio
solet impedire voritatem, rieit
fe
443
tatem, ideo filialis amor in An-
drea rege vicit iusticiam. Nam
Jüium »uum Salomonem adhuc
jmerulum anno imperii sui
duodecimo confectus senio üi
regem fecit inungi. Cumque in
coniecracione eius caneretur:
JSsto dominus fratrum tuorum,
et hoc per Interpretern Beele du-
ci inotuisset, quod Salomon in-
fantulus gibt dominus consti-
tuereiur graviter est indigna-
tus. Tradant quidam qaod
Beela duce et filiis eius
Oeysa et Ladizlao cunctis-
que op(t)imatibu8 regni
consencientibus Salomon
consecratus fuit in regem;
sed postmodam seminatori-
bus discordie instigantibuB
ortum est inter eos odium.
Suggerebant namque regi
Andree non posse regnare
filium suiim Salomonem ni-
Bi fratre auo Beela duce ex-
tincto. Dicto vero Beela
persuadebant, quod tom-
pus opportunum esset ei
regnum acquirere . . . wie
im Chronicon Pic. mit ganz ge-
ringfügigen Abweichungen; so
hat Aceph. das richtige ,non
causa cupiditatis aed pro pace
regni' an Stelle des unsinnigen
,perditione regni'. Der Schluss
der Interpolation lautet: Sini-
stris itaque auggestionibus
iiialorum bominum rex An-
dreas et dux Beela discor-
daverunt. Dax autem Beela
amor filialis in Andrea rege
iusticiam, et rupto federe sue
promissionis, quod in regibus
esse non deberet, u. s. w. mit
allerlei Erweiterungen des allen
Chroniken gemeinsamen Tex-
tes .. .
indignatus est. Dicunt alii
quod Bela duce et filiis
eius Qeycha scilicet et La-
dizlao cunctisque regni
optimatibus consencienti-
bus .Salomon unotus esset
in regem. Postmodum so-
minatoribus discordie in-
stigantibus odium ortum
est inter eos. Sussurrato-
res enim, quales nostris
temporibus compiaceut,
precipue suggerebant regi
u. s. w.
Tandem siniatris augge-
stionibus malorum homi-
rium rex et dux discorda-
verunt. Dux autem erat sicut
sagacissimus, precavens sibi . . .
29*
444
cum esset sagaeissimi consilxi
precaveiis sibi . . .
Zu der vorstehenden Parallelstelle ist noch zu bemerken,
dass das in der Stolle aus dem Acephalus cursiv Gedruckte
noch völlig mit dem Wortlaute der ursprünglicheren Redactionen
(vgl. Bud. S. 114; Dub. S. 69; Sam. Bl. 28a; im Pos. §. 40 ist
diese Darstellung ganz ausgelassen; Mug. Cap. 30) Überein-
stimmt; das Pictum ist bereits davon abgewichen und hat den
Text auch hier selbststilndig erweitert. Die fast wörtlich über-
einstimmende grosse Erweiterung im Acephalus und Pictum,
welche oben in gesperrtem Drucke erscheint, entnahmen da-
gegen beide bereits ihrer Vorlage.
Bl. 22b. Anno igitur domini
MCX . . . pntentiores proceres
Stephanum filium Colomani in
locum patris sui subrogaverunt;
erat autem adhuc inpubes. An-
no autem X nono regni sui in-
travit Dalmatiam et a Dalma-
tenis honorifice est receptus.
Inde revertens missis cxerciti-
bus devastavit Poloniam. In-
terea imperatrix Constantipo-
litana Hlia regis sancti Ladislai
nuncciavit regi 8tephano, Im-
perator Maurtnas maritus eins
improperasset regi Stephane
diccns: regem Hungarie esse
hoiiiiuem suum, quod et eam
sibi tradentem (!) imperator cas-
tigasset. Quod cum audisset
rex pro magna iniuria reputa-
vit et collecto exercitu impetu
Spiritus sui invasit partes Gre-
cie Brudinsiam atqne Scarbi-
S. 207. Potentiores regni Ste-
phanum Colomani filium in re-
gem coronavemnt; erat enim
adhuc inpubes, sed spiritus eins
in manibus eins. Anno autem I
nono regni sui intravit Dalma-
tiam et a Dalmatiensibus hono^
rifice est sosceptua. Inde rever |
sus missis exercitibus suis fines
polonicos devastavit . . . S. 210.
Interca imperatrix Constantino-
politana tilia regia Ladizlai no-
mine Pyrisk nunciavit regi Ste-
phano dicens, regem Hungarie
esse hominem suom, qoam
etiam contradicentem impet»-
tor castigavit. '
Cum autem
audisset rex, pro nimia roputs-
vit iniuria et collecto exeroito
in impetu spiritus sui invasit
partes Grecie* atque alias ci-
' Die Stelle ist offenbar verderbt. Der Sinn ergibt sieb aus dem Wort-
laute Aea Ai-eph.
* Bier fielen offenbar die im Aoeph. genannten Stidte ans.
445
cium (!) nee non ctiam Nijs
aliasque civitates Orecorum
igne et gladio vastaverunt, et
cecidit tiinor eius super otünes
provincias illas, qiic imperio
constantipolitano subdite fue-
rant: timebant enim omnes re-
gem Stcphanum tanquam ictum
fulminis. Uude etiam infantes
vagientes in comminacione no-
niinis regis Stephani conquies-
cere conpeltebanUir; cum rex
ille dicebatur a parentibus illis
infantibus, qui vagiebant: ,ecce
rex Stephanus venit' statim
conquiescebant, pre tiraore
etiam eius murnturare non
iiudebant. Regnavit autem an-
nia XVIII mensibut quinqne ;
inigravit autem ad Dominum
anno Domini MCXXXI.
Cuius coi-pus Waradini quiet-
dt.
vitates Grecie igne et gladio
devastavit, et cecidit timor su-
per omnes civitates provincio
illius.
Timcbantquo omnes reges
Stcphanum regem tanquam
ictum fulminis, unde infantes
vagientes comminationc Homi-
nis regis Stephani quiescerc
cM)mpellabantur. Habebat rex
secum septingentoB milites
Francos . . .
ä. 213. 8ed cum esset in ar-
tiuiilo mortis monachalem ha-
bitum, relicto rcgno, 8U8ce|»it,
anno regni sui Xo VIIIo et se-
pultuE est Varadini.
Die letzteren Bemerkungen des Acephalus stimmen völlig
mit den ursprünglicheren Redactionen llberein (Bud. S. 183,
Dub. §. 115, Pos. §. 45), während das Pictum an den mit . . .
bezeichneten Steilen noch seitenlange Interpolationen aufweist
und anders schliesst. Einen Theil seiner Erweiterungen hat es
aus der mit Muglen gemeinsamen Quelle entnommen. Vgl.
Studie VII und XH.
Ausser diesen dem Pictum und Acephalus gemeinsamen
Nachrichten sind noch zahlreiche ihnen eigenthiimliche Les-
arten in Betracht zu ziehen. Viele derselben theilt, wie gleich
hier bemerkt werden mag, auch der Codex Sambuci und zum
Theile auch Muglen. Z. B.:
Pic. Cap. 37: ,Erdeelw'; Äceph. 81. la: ,Erdelv'; Sam.
Bl. 17b: ,Erdeelu'. — Dagegen Dub. S. 44 und Bud. S. 65:
,Erdee]'| Pos. S. 29: ,Erdewei'.
446
Pic. S. 192: ,in currentibus'; Accph. BI. 20a and Stm.
Bl. 37 b: .inciirrentibus'. — I>agegcn Dub. S. 92 und Buil.
S. 159: .intercurrentibus'. [Pos. S. 32 stark gekürzt.]
Pic. S. 232: ,TIoc factum est castrum Budense qaodam
diclo Peturmano regente.' Aeeph. Bl. 28a ebenso (castrum Bu-
dense, Peturmano). Sam. Bl. 44b: ,Hoc factum est castrum Bu
dense quodam dicto Petromano rogentc' — Dagegen Dub. S. 114:
,Hoc factum est in Castro Budenai quodam dicto Petcrmano re-
gente Budensem civitatem'; ebenso Bud. S. 225. [Pos. §. 53 S. 42
und Mug. Cap. 66 kürzen hier willkürlich sehr stark.]
Pic. S. 114: ,Erdelw'; Aceph. Bl. 28b: ,Erdela'; Sam.
Bl. 46a: .Herdelu'. — Dagegen Dub. S. 114: ,Erdeel'; ebenso
Bud. S. 227. Pos. §. 53 S. 42: ,in Transsilvanis partibus' (vgl
aber oben S. 29: .Erdewel' und §. 25: ,Hordowel'). Mug. S. 88:
,Erdel'.
Pic. S. 233 und Aceph. Bl. 28b: ,Martunherman'; Sam.
Bl. 45b: ,Mortunherman'; Mug. S. 88: .mertein und herman'.
— Dagegen Dub. S. 115: ,Marctim Herman*; ebenso Bud.
S. 231. [Pos. §. 53 S. 42 übergeht dies.]
Pic. Cap. 99 und Accph. Bl. 30b lässt aus nach ,ordinis
fratrum minorum' die Worte ,Et positum . . . beati Francisci",
welche die anderen aufweisen (Sara. Bl. 46 b, Dub. S. 119 nnii
Bud. 240). [Pos. S. 44 und Mug. S. 90 fehlt in Folge der will-
kürlichen Kürzung.]
Pic. S. 241, Aceph. Bl. 32a und Sam. Bl. 48a geben nach
,in insulam marinam' die Worte ,per cruciferos* hinzu, welche
den anderen Kedactioneu fehlen (Dub. S. 122 und Bud. S. 213).
[Pos. reicht nicht mehr hierher; Mug. S. 91 lässt den ganseii
Satz aus.]
Pic. S. 242, Aceph. Bl. 32b und Sam. Bl. 48a geben nach
den Worten ,Bazarad woyvode Vlachonun ad induccionem' hin-
zu: ,Thome woyvode Transilvani et', welche den anderen fehlen
(Dub. S. 123, Bud. S. 246). [Mug. S. 92 lässt überhaupt den
Satz aus.]
Pic. S. 243 und Aceph. Bl. 33a haben statt ,verbum aspe-
rioris comminationis' (Sam. Bl. 48b, Dub. S. 124, Bud. S. 247),
die Worte ,verbum superbie et comminacionis'. Letzterem ent-
spricht Mug. S. 93: ,redt hoffertiglich'.
Pic. S. 243, Aceph. Bl. 33b und Sam. Bl. 49a lassen die
ganze Stelle , Quorum quidem . . . flebilis est' (Dub. S. 125,
447
Bud. S. 249) aus. Ebenso ist von dieser Stelle bei Mug. S. 93
nichts vorhanden.
Pic. S. 244': ,Re\ autem cum tali eventii venit in Vysse-
grad'; Aceph. Bl. 34a: ,Rex autem cum tali eventu venit in
Vysagrad*; Sam. Bl. 49b: ,Rex autem cum tali eventu venit in
Wiseprad'; Mug. S. 94: ,In der weyss kom der kunig aus der
Wolochoy gen WeyB8enburg(!).' — Dagegen Dub. S. 126: ,Kex
autem cum tali eventu venit ad Themesvar, et sine mora venit
deinde ad Vyaegrad'; ebenso Bud. S. 250.
In denjenigen Theilcn, für die das Chronicon Pictum schon
fehlt oder das Aceph al um noch nicht begonnen hat, lässt sich
wenigstens die Verwandtschaft zwischen den beiden anderen
Codices nachweisen. So kann man noch zwischen dem Codex
Acephalus und Sambuci, nachdem das Pictum uns schon im
Stiche gelassen hat, noch mehrere enge Beziehungen aufweisen,
wiewohl auch die in diesen Handschriften vorhandenen Fort-
setzungen nur noch 1 — 2 Seiten umfassen;
Aceph. Bl. 34a: jinpressius'; Sam. Bl. 49a: ,impre8iu8'. —
Dagegen Dub. S. 126 und Bud. S. 250: ,uberius'.
Aceph. Bl. 34a und Sam. Bl. 49a: ,corripit'. — Dagegen
Dub. S. 126 und Bud. S. 250: ,corrigit'.
Aceph. Bl. 34a und Sam. Bl. 49b: ,ad pctitionem regni
Sicilie coronaret in regem'. Mug. Gap. 72: ,von pete des volkes
. . .' — Dagegen Dub. S. 127: ,ad instanciam et peticioncm in-
clitissimi regis Roberti, regis Sicilie, regnique eiusdem coronaret
in regem'; ebenso Bud. S. 251 und Vat. (vgl. Florianus III,
S. 127, Anm. 2, und Lucius, Inscriptiones, S. 91).
Aceph. Bl. 34a: ,Lombardus'; Sam. Bl. 49b: ,Lumbar-
dus'. — Dagegen Dub. S. 127 und Bud. S. 251 : ,Longobar-
dus . . .'.
Aceph. Bl. 34b und Sam. Bl. 49b: ,puer succoderet me-
raoratus in regnura'. — Dagegen Dub. S. 127 und Bud. S. 252:
,puer in rcgniim suecederct memoratus'.
Aceph. Bl. 34a und Sam. Bl. öOa: ,de culmine regie maic-
statis dum viveret'. — Dagegen Dub. S. 127 und Bud. S. 252:
,de culmine dum viveret regie maiestatis'.
Andererseits kann man enge Beziehungen zwischen dem
Picttim und Sambucus in den Anfangspartien n.ichweisen, welche
der Codex Acephalus noch nicht enthält: So hat z. B. :
448
Pic. S. 107: ,Welle filius Chele', und Sam. Bl. 3b: ^veDe*
— Dagegen die anderen Pos. §. G, Dub. §. 5, Bud. S. 14: .fiele*
und Mag. S. 5: ,bola'.
Pic. S. 116: ,Roalth', Sam. Bl. 7b: ,roalt', Mug. S. 14: ^-
der'. — Dagegen Pos. S. 17: ,Bealt', Dub. S. 18: ,BcaIth' (Bud.
S. 26 hat der Herausgeber Podliraczky verbessert: .Kealtb'
nach seiner Bemerkung S. 378 stand aber im alten Drui
.Bealf).
Pic. S. 123: ,Erdelw', Sam. Bl. 10b: ,Erdelu', Mag. S. II
,Erdeleb'. — Dagegen Pos. §. 25: ,Herdewel', Dub. S. 27:
deel', ebenso Bud. S. 37.
Pic. S. 123 und Sam. Bl. 10b: ,Simburg'. — Dagegen D
§. 27: .Sibenburg', Bud. S. 37: ,Siebenburg', Mug. S. 19: ,sib
purgen'. Pos. §. 25 kürzt.
Vor Allem ist aber noch eine wichtige Paraliolstelle lu
beachten: Wie das Pic. S. 121, so weist auch Sam. Bl. 10a ün
Schlusscapitel der Hunengeschichte den Satz ,lluni autem apli-
cuerunt fluvio Tiscie et de Tiscia egrcssi quinto anno. A proe
lio Zecesummaur usque regnum Atyllc efluxit (annus) unua^j
Regnavit autem Atylla' u. s. w. Dieselbe Stelle hat auch MofH
Cap. 10: jDonoch tzugen die Hewnen vntz an dy Tcyssc. Dcr^^
kunig Etzel reichte und was kunig' u. s. w. Acoph. hat leider
noch nicht diese Partien, aber es ist ganz offenbar, dass
diese Stelle auch hatte.
Fassen wir nun die Ergebnisse aus den Paralielstellcn
sammen, so ergibt sich:
Am nttchsten steht dem Pictum der Codex Acephalus,
weil er mit demselben die oben S. 442ff. bezeichneten grösseren
Stellen, die den anderen Redactionen fehlen, gemein hat, und
weil sich beide Codices in den Lesarten zumeist viel näher stehen
als allen anderen. Hierzu müssen wir nun aber hinzufii:
dass der Codex Acephalus vieles EigenthümUche hat. So z
Aceph. Bl. 3a, b: ,rex autem laustu superbie inflatns ae
fiirore maliciam, quam in corde gerobat et in animo, cum tolo
veneno cffudit in patulo ita dicens . . .' — Dagegen Pic. S. 1'^^
= Sam. Bl. 20a = Dub. S. 51 = Bud. S. 77: ,Rex autem fauiB
superbie infiatus pestiferum preconcepti veneni fetorem in pro-
patulum effudit dicens.
Aceph. Bl. 30a folgt nach ,terre gremio commendatur' eia
Capitel ,De archiepiscopo Chanadino' (vgl. Florianus H,
ucr '
idcr I
i er j
»hen I
449
das sich bei allen anderen nicht findet (Pic. S. 238, Sam. Bl. 47 a.,
Dub. S. laO und Bud. 8.211).
Acoph. Bl. 32a folgen nach .percipcrct portionera' folgende
Worte: ,Unde versus: Vir nimis insanus qui regem Feheianus
perdere temptavit, quem rex iiirens trueidavit', welche sonst
fehlen (Pic. S. 241 = Sam. Bl. 47 b = Dab. S. 122 = Bud.
S. 213).
Aceph. Bl. 34b hat endlich auch Über Karls Tod und die
Nachfolge Ludwigs einen selbstständigen Schluss: ,. . . prepro-
pere obedivit. Porro sepedictus rex' u. s. w. (vgl. Fiorianus
U, S. 245).
Aus diesen Eigenthümtiehkeiten des Codex Acephalus er-
gibt sich, dass er nicht etwa die Vorlage des weiterentwickelten
Pictums sein könne, sondern, dass beide aus einer gemeinsamen
Uedaction schöpften, die im Schema S. 452 und 463 mit ,Z' be-
zeichnet wird.
Sehr nahe verwandt dem Acephalus und Pictum ist fenier der
Codex Sambucus; man vergleiche darüber besonders die oben
S. 448 citirte Stelle ,iluni autem aplicuerunt . . .'. Doch weist
derselbe noch nicht die grösseren, S. 442 ff. angefllbrten Stellen
auf, welche Aceph. und Pic. gemein haben. Es ist also klar,
dass er vom Grandstocke sich ablöste, bevor noch jene Stellen
in demselben interpohrt wurden. Dieser Codex steht also der
Ungarngeschichte in der ursprünglichen Oeatalt näher als
Aceph. und Pic; daher weist er auch noch die Keza ent-
nommene und noch im Pos. ebenfalls enthaltene Einleitung
zur Hunengeschichte ,Multifarie — pronior erat' auf, während
dies dem Pic. fehlt. Dass der Cod. Sam. gegentlber dem
Pos. auch das ,Proheniium' aus Keza hat, ist natürlich nicht
dahin zu erklären, dass er ursprünglicher als das Chron. Pos.
Bei; es lässt sich vielmehr leicht dadurch erklären, dass das
Chron. Pos. als Auszug das ohnehin nicht mehr passende, an
König Ladislaus gerichtete Vorwort ausliess, wie dies auch
eben andere Redactionen gethan haben. Der selbststäudige
Schluss des Sam. Bl. 50a: ,. . . prepropere obedivit. Anno
domini milleaimo trecentesimo . . .' (vgl. Fiorianus III,
S. 127, Anm. 11) deutet darauf, dass diese Redaction nicht
etwa die directe Quelle des Aceph. und des Pic. ist.
Den drei genannten Redactionen steht endlich, wie wir
sahen, auch Mugleu's deutsche Prosachrouik nahe; man
450
' .Derselbe kunig Lasla kom an die stete . . . kayser tou kriechAn.*
* .Doaelba hat er viel tzoichen ^tan, als uiu die muncb amgen.' Letatan
Bemerkaug deutet auf eine miliidlicho Q\ielle, wie schon Enget ifl
Kovachich's Sammlung kleiner noch uugedrackter Stücke, 8. XXXII an-
nahm. Die der citirten Stelle Torangehende Erzählung ttber SaJomon
als BottelniSnch und seine Beschenkung durch Ladislans findet »eb
aber nicht nur bei Keza S. 87, sondern auch im Chr. Dnb. S. 96, wo iM
deutlich als Interpolation zu erkennen ist (vgl. die Bemerkungen Flo-
rians 111, S. 96 Ober den Zustand der Handschrift). Wie et scheint
haben alle drei diese Nachrichten unabhängig von einander ana der
Ueberlieferung übernommen.
* ,. . . wan er (Ladislans) ein gemaynes gut wax aller der wereld.' Ueber
die Torangehenden Nachrichten vom BOhmenauge dieses KOnigs. tseintr
Krankheit u. s. w vgl. Studie VII, 8. 489, Anm. 3. Die Aosfaiining dorV
selbst wird dadurch bestätigt, dass Aceph. BI. 22a, Sam. Bl. 39a ood
Vat. ^nach dem Ausweise von Lucios' InicriptioDea Dalmatic
vergleiche die oben S. 446ff. citirUm Stellen: ,Martcin und Her
man' = ,Martunherman, Mortanliennan' (Pic, Acepli. und Sam.^;
,redt hoffcrtiglich' = ,verbum superbie' (Pic. und Aceph."): das
Fehlen der Uebersetzung der Stelle ,Quorum quidem ... Ar-
bilis est', welche auch Pic, Aceph. und Sara, auslassen; ,KeaI-
der' = ,Realth, realt' (Pic. und Sam.); ferner die Mittheilunp
.Donoch tzugen die Hewnen vntz an dy teysae' = ,Huni autein
aplicucrunt . . .' (Pic. und Sam.). Alle anderen Erweitenuigen
fehlen ihm aber wie dem Cod. Snra. Wie dieser, so weist er
auch die Einleitung in die Hunengeschichte auf, freilich om-
gearbeitet. Das .Proemium' hat er nicht. Dass Mug. aber eine
der Grundchronik näher stehende Redaction benutzte als
Cod. Sam., geht z. B. aus einer Nachricht hervor, die er
dem Pos. und Dub. (das Bud. hat hier gegenüber dem Dab.
die gemeinsame Vorlage gekürzt) gemein hat, während sie dem
Sam. Bl. 46b, Aceph. Bl. 30a, Pic. Cap. 97 und Mon. §. 68
fehlen. Es ist dies die Notiz zum Jahre 131H: ,Eodcm anno
rcx liabuit tiham de concubina sua, quam acceperat do magna
insiila Donubii, quem appellavit Colomannum,' welche sich vor-
lindet: Pos. §. 55, Dub. S. 119 und Miig. S. 90: ,In dem-
selben iar het der kunig einen sun pey seiner ammen and
nante den Coloman und macht in pischoff tzu Rab.' Der
letztere Theil der Nachricht zählt bereits zu den Mug. allein
eigenthUmlichen Stellen. Zu letzteren gehören z. B. auch die
Mittheilungen am Ende des 44. Capitels, * femer die Bemer
kungen am Schlüsse des 46.' und 47.;' dann eine Mittheilung
451
über dict Mordthat des Baukban Cap. 60' und über jene des
Felicianiis Cap. 70;* schliesslich auch die bestimmte Mittheilung
Cap. 72, dass Herzog Andreas, der Sohn Karl Roberts, sich
mit Johanna von Sicilien verniilhlt liabe. ^ Ueber die Ent-
lehnungen Muglen's aus jener Quelle des 11. Jahrhunderts,
welche auch dem Pictum vorlag (siehe oben S. 439), wird in
der folgenden Studie gehandelt.
Die Verwandtschaft zwischen den genannten Rcdactionon
äussert sich schliesslich noch auch in dem Umstände, dass sie
an derselben Stelle schliessen. Das Pic. bricht mitten in einem
Satze der Schilderung des walachischen Feldzuges Karls von
Anjou ab: es ist unvollendet geblieben. Das Mon. schliesst
ebenfalls mit diesem Feldzuge, weil es aus dem Pic. floss.
Sam., Aceph. und Mug. gehen noch in den Schilderungen des
Zuges Karls nach Italien auf eine gemeinsame Quelle zurück
(bis zu den Worten .prepropere obedivit'). Mug. bietet weiter
überhaupt nichts; Sam. Bl. 50a und Aceph. Bl. 34b haben noch
Mittheilungen über den Tod Karls und die Thronbesteigung
Ludwigs; aber sie sind in diesen Nachrichten von einander
unabhängig (siehe oben S. 449). Daraus hegt der Schluss nahe,
dass die Chronikredaction, welche der Gruppe zu Grunde Hegt,
bis zu dem erwähnten itahenischen Zuge (inclusive) reichte,
wozu noch die weiter unten folgenden Bemerkungen über den
Cod. Vat. zu vergleichen sind.
An dieser Stelle müssen wir noch Einiges übor die latei-
nische Reimchronik mittheilen. Diese für die Geschichte
weitlilose Quelle ist, wie Roethe in der Zeitschrift für
deutsches Alterthum XXX, S. 345fiF. überzeugend nachge-
wiesen hat, ein Werk Muglen's. Zu den von ihm beigebrachten
Diohta von diesen der Ladixlausle^ende enUtammenden Nachrichten
haben. Vgl. Studie VIII. S. 300.
' ,. . . do slug er die kiinigin tzu tode und nam ir belau und coloman
Ton den arm und »prach: meinen erbherren tun ich nicht.'
• ,(Felician) waz weyaes rate« und der kuuip het yn lieb. Derselb viltzinii,
do der kuni^riu [iruder . . . mit der kunif^in willen'; und: .darnach hiea
die kunigin ... an das virde glid '
* Von sonstigen Interpolationen Muglen's in die Chronik sei noch anf die
aus Hnrtwicli's Stephanslogende entnommene Erzählung über die Qe-
gandtscbaft um die Krone (Cap. IH) hingen ie.^en. Ueber die oben be-
handelten Interpolationen Muglen's hat schon Engel a. o. a. O. ge-
handelt; doch sind ihm mancherlei Kehler unterlaufen.
452
Beweisen mag hier noch ein schlagender hinzugefügt werdea.
Nach dem Chi'on. Pos. §. 6 und dem Chron. Bad. S. 14 eifdgte
der Aufbruch der Hünen aus Skythien anno CCCXXVni; uek
dem Chron. Pic. CCCLXXVm. In Muglen's deutscher Chronik
lesen wir dag^en im Cap. 2: ,Nach Christas gepurt tauod
iar and acht und tzwaintzig iar do wart der Hewnen Boviet ii
tzittia . . .' Und ebenso finden wir in der lateinischen Bd»
chronik S. 7: ,Anno Christi millesimo octavoque vicesimo »
tervas Honi convocant . . .' Daraus wird es Töllig klar, daa
beide Werke demselben Verfasser EUKUSchreiben sind, ü^rigea
ist es auch offenbar, dass Muglen seine Angabe aas der m>-
sprünglichen Jahreszahl, wie sie bei Pos. and Bad. stdtt
(CCCXXVIII), bekam, indem er die vielleicht undeatüeh ge-
schriebenen ,CCC' als ,M' las. Auch darin steht er also wie
sonst der ursprtlnglichen Form der Chronik näher als das Pic,
und zwar gilt dies sowohl bezüghch der deutschen, als aach
der lateinischen Chronik. Auch sei noch bemerkt, dass Heim
in jüngster Zeit die Abfassung der lateinischen Chronik in die
Jahre 1352/Ö3 verlegt (Paul und Braune, Beitrage zur Ge-
schichte der deutschen Sprache und Literatur XXI, S. 243).
Unrichtig ist seine Bemerkung, dass die Verwandtschaft dieser
Chronik mit derjenigen vom Jahre 1358 (dem Pictum) danos
zu erklären sei, dass jene dieser vorlag. Ebenso falsch die
Behauptung, dass das Pic. ,die directe Vorlage zu Heinrieb
deutscher Ungamchronik' sei, und daher ist auch der Schloss,
die deutsche Chronik müsse nach 1358 angefertigt worden sein,
falsch. Helm weiss nichts von der älteren gemeinsamen Vor-
lage der Chroniken. Dass Muglen das Pic. nicht schrieb, geht
aus den von Roethe und mir constatirten Abweichungen klar
hervor. Dieser Gedanke hat also durchaus nicht so viel an
sich, wie Helm anzunehmen geneigt ist.
Aus unseren Bemerkungen ergibt sich somit für die näher«
Anordnung der Gruppe folgendes Schema:
Y 11»-
Pic. — Mon.
Mag. Sam. ^ Aceph.
(deutsche u. lat.
Chronik)
453
Unter ,Y' ist eine Redaction verstanden, die vor Allem
bereits im letzten Capitel der Hunengeschichte die Sätze ,Hani
autem applicuerunt flimio Tiscie' etc. enthielt, welche das ge-
naeinsame Merkmal aller Redactionen dieser Gruppe ist (beim
Aceph. kann der Passus nicht nachgewiesen werden, weil
dessen Anfang fehlt; doch muss dieser Codex ihn auch gehabt
haben). Utese Redaction schloss, wie oben bemerkt wurde,
mit der Schilderung des itaHenischen Zuges Karls (bis ,. . .
prepropere obedivit'). Ueber ihr Verhältniss zur Qrundchronik
werden wir im Zusammenhange mit den folgenden Ausfllh-
rungen über den Codex Vaticanus handeln. ,Z' ist jene Re-
daction, die bereits vor Allem die dem Aeepb. und Pic. ge-
meinsamen grösseren Nachrichten enthielt.
d) Codex Vaticanus.
Der Codex Vaticanus steht, wie bereits S. 438 ange-
deutet wurde, der Grundlage der Gruppe des Pictum sehr
nahe. Er schliesst nämlich wie alle Redactionen dieser Gruppe
mit der Schilderung des Zuges Karls nach Italien (bis zu den
Worten ,prepropere obedivit'. Vgl. Florianus IIl, S. 127, und
Lucius, Inscriptiones, S. 91). Dieser Umstand weist zweifelloB
darauf hin, dass er der Gruppe des Pictura nahe steht. Anderer-
seits entbehrt aber die Redaction der vaticanischen Handschrift
alle weiteren Eigenthümlichkeiten jener Gruppe. Hieraus allein
ergibt sich schon, dass er der Grundchronik näher steht. Nun
könnte man annehmen, er sei die Quelle, aus welcher die von
uns in den vorhergebenden Ausführungen mit ,Y' bezeichnete
Redaction (die Grundlage der Gruppe des Pictum) floss. Dies
kann nun aber schon ans dem Grunde nicht der Fall sein,
weil z. B. das Chr. Vat. in der Geschichte Salomons (vgl. Flo-
rianus ni, S. 88, Anm. 1) den Satz ,ob quam causam victus
in proelio ob tiraorem ducum, ibi sc recepit' nicht enthttlt,
während derselbe sowohl in der Gruppe des Bud. (S. 150)
und Dub. (S. 88), als in jener des Pic. (S. 18ß), Aceph. El. 19a
and Sam. El. 35b vorhanden ist. Es kann somit nur folgendes
Verhältniss stattfinden: Das Chr. Vat. und ,Y' gehen auf die-
selbe bis zum Zuge Karls nach Italien reichende Abzweigung
der Grundchronik zurück. Nennen wir dieselbe ,X' so er-
^bt sich:
464
Grundchronik •-
1333
Vat.
Während nun ,Y' bereits Erweiterungen aufweist and die
folgenden Redactionen dieser Gruppe immer weitere Inter
polationen erfuhren, hat der Cod. Vat. die Form der bis zum
Zuge Karls nach Italien fortgeführten Grundchronik bis auf
unbedeutende Aeuderungen (vgl. oben) gewahrt. Im Ganzen
und Grossen konnten zwischen dem Vat. und der bis zum oft
erwjlhnten Zuge Karls fortgeführten Grundchronik ,X' nur ge-
ringe Unterschiede vorhanden sein. Deshalb steht das VaL
auch vielfach den noch zu behandelnden Gruppen des Bud.
und Dub. nahe, welche auf der directen Fortentwicklung der
Grundchronik über jenen Zug hinaus beruhen. Man vergleiche
z. B. folgende Fälle: Das Chr. Pos. berichtet §. 49 Folgende«:
,rex a. d. MCCXC feria secunda ante festum Beate Mai^arete
prope castrum Chyrusug ab ipsis Cumanis, videlicet Arbaz
Turtel ac aUis, quibus ipse adheserat, miserabiliter est inter
emptus. Nicolaum fratrem Aydua dictum üdem lethabiliter
vulneraverunt.' Vergleichen wir nun die anderen Chroniken, so
finden wir, dass das Chr. Vat. (Lucius, Inscriptiones, S. 90),
das Bad. (S. 210) und Dub. (S. 108) diesen Bericht besonders
im zweiten Theile umgearbeitet und erweitert haben. Die he-
treÖenden Stellen stimmen fast würtUch Uberein; bemerken»
werth ist, dass der Cod. Vat. die dorn Pos. näher stehende
Namensform Ayduce aufweist, während in Bud. und Dub. die
Form Edue erscheint. Dagegen hat Mug. S. 84, 8am. Bl. 42b,
Aceph. Bl. 26a, Pic. S. 227 und Mon. §. 61 die Stelle in über
aus gekürzter Form, was klar darauf hindeutet, dass sie einer
seitwärts liegenden Gruppe angehören. Der Bericht lautet
nämlich bei den genannten Chronisten folgendermassen : Mug.
Cap. 63: .Darnach kurtzlich wart der kunig erslagen pey der
purg Zerezech genant, von den heyden. In desselben kunig
Lasla Zeiten . . .'; Sam. Bl. 42 b: ,post in brevi tempore rex
465
anno domini MCCXC feria secunda proxima ante festum sancte
Margarete virginis prope caatrum Cyriszeg ab ipsis Curaanis,
quibuB adheserat, est miserabiliter interfectua. Tempore enim
huius regia . . .'; Aceph. 26a ebenso (nur ,beate Margarete');
Pic. Cap. 87: ,Post hec in brevi ipse rex a. d. MCCXC-o ferio
aecunda proxima ante festum s. Margaretlie virginis et martyria
prope castrum Kereszeg ab ipsia Cumanis ; quibus adheserat, est mi-
serabiliter interfectua. Tempore . . .'; Mon. §. 61 : ,Po8t hoc est mi-
serabiliter a Cumanis interfectua rex ille. Eius enim tempore . . .'
Aehnlich ist folgender Fall: Dub. S. 127 und Bud. S. 251, femer
(nach dem Zeugnisse von Florianus III, S. 127, Anm. 2) auch
Vat. weisen folgende SteLe auf: ,. , . ut iiiium suum per vo-
luntatem summi pontiiicis, domini scilicet Joannis XXII., et ad
instanciam et peticionem inclitiesimi regia Roberti,
regia Sicilie, regnique eiusdem coronaret in regem.' Da-
gegen heisst es bei Sam. Bi. 49b und Aceph. Bl. 34a: ,et ad
petitionem regni Sicilie coronaret in regem.' Bei Mug.
Cap. 72: ,von pete des volkea . . .'. Die Kedactionen Pic. und
Mon. haben die Stelle nicht mehr.
e) Chronicon Budense und Dubnicense. Die Chronik des Tkurocz.
Wir gelangen achliesslich zur Betrachtung der Gruppe
des Chronicon Budense und Dubnicense. Zunächst läsat
sich überzeugend nachweisen, dass Bud. und Dub. an einer
grossen Anzahl von Stellen einander näher stehen als einer der
anderen Chroniken.
Bud. S. 23: .omnes contra se restantea, quos ibi reperit';
Dub. S. 11 ebenso. — Dagegen Pos. §. 14: ,omne8, quos ibi
reperit'; Pic. S. 113 ebenso; Sam. BI. 6b wie Pos.; Thurocz
S. 68 frei bearbeitet; Aceph., Zag. und Var. beginnen erat
später; Mug. 8. 12: ,sie allzumal'; Reimchr. S. 12 nicht ver-
gleichbar; Mon. §. 6: , omnes, quoa ibi reperit',
Bud. S. 26: jVeneti quidem non accipiunt originem de Sa-
baria, sed de Troia civitate opimatissima, nam Sabarie'
etc.; Dub. §. 16 ebenso. — Dagegen Pos. §. 17: ,Veneti quidem
non accipiunt originem de Sabaria, ut quidam opinautur, nam
Sabariam . . .': Pic. S. 116 (auch Keza S. 66) imd Sam. Bl. 7 b
ebenso. Auch Thurocz S. 73 nennt Troja nicht. Aceph., Var.
und Zag. beginnen erst später. Mug. Cap. 8, Reimchi". S. 13,
Mon. §. 7 Hessen die Stelle aus.
Bad. S. 27 f.: ,et dum Atila promissa ce&sam et
imperialis maiestatis audivisRet Romanonim • . /; Dab. §. l'
ebenso. — Dagegen Pos. S. 18: ,Et dum promissa et verl
audisset Romanonim . . .'; Pic. S. 117 und 8am. BI. Ha^ b el
so; Thurocz S. 75 frei bearbeitet; Aceph., Zag. und Var.
ginnen erst später. Mug. Cap. 8 8. 15 sagt nur: .umb
ewigen tzins'. Reimchr. S. 13: ,. . . se . . . offerunt cen:
Mon. §. 8 spricht nur von: ,cenaum Romanorum'.
Rud. iS. 31: ,Hic antem in Scitia dum venit, uxorera
ea non duxit, sed de Corosmenia traduxit . . .'; Dnb. §. 18
ebenso. — Dagegen Pos. S. 20: ,Hic autom in Scitiam adiendt
uxorem de Scitia non accepit, sed traduxit de Corosmenia'j
Pic. S. 119: ,Hic autem in Scitiam patemam seilicet sedeis
adiendo, uxorem de Scitia non accepit, sed traduxit de Co-
rosmenia'; Sam. Bl. 9b: ,Hic autem in Scithiam paternam soded
adiendo uxorem de Scithia non accepit, traduxit de Corosme-
nia.' Thurocz S. 77 frei bearbeitet, doch: ,Adita igiliir Scj^i»'.
Aeeph., Zag. und Var. beginnen erst spftter. Mug. Ubcrsetit
frei. Reimchr. S. 16 und Mon. §. 9/10 lassen aus.
Bud. S. 45: ,omnia, que habuenmt, amisserunt'; Dnb. §.38
ebenso. — Dagegen Pos. §. 29: ,ut omnia, que habobant, ami*-
serunt*; Pic. S. 128 und Sam. Bl. 12b ebenso; Thurocz S. 86;
,Nam omnia, que habebant, amisemnt.' Aceph. be^nnt en(
später. Zag. und Var. kürzen hier überaus. Mag. Cap. IS
und Reimchr. S. 20f. lassen sich nicht vergleichen. Mon. §. Ift
lässt aus.
Bud. S. 65: ,tocias Trunsilvani regni'; Dub. §. 62 ebenso«
— Dagegen Pos. §. 34: ,tocius ultra silvam regni . - .*; Pioii
Cap. 37, Sam. Bl. 17b und Thurocz S. 95 ebenso. Aceph. be-
ginnt erst einige Zeilen später mit den Worten: ,regnum illiii
Hungarice Erdelv, quod . . .'; Zag. und Var. fehlt; Mag. S, 35:
,in sibcnpurgen'; Reimchr. S. 37: ,in terra Transilvania': Mon.
§. 25: , partium transilvanarum'.
Bud. S. 82: ,Unde beatus Oerardus canonica severitatv';
Dub. §. 54 ebenso. — Dagegen Pos. §. 38: .Gerardus cpisC'Opui
Canadensis canonica severitate'; Pic. S. 149 ebenso (auch KeM
8. 81); Sam. Bl. 21b: ,unde beatus Oherardus Chanadiensis
episcopuB canonica severitate'; Aoeph. Bl. 4b: ,ande beatua
Gerardus Chanadiensis episcopus canonica severitate'; Tburocs
8. 102 ebenso. Zag. §. 5 und Var. §. 5 fehlt; Mug. S.
457
,pi8choff von schanaden, der hiess Gerhart'; Reimchr. S. 38 fehlt;
Mon. §. 32 auBgelassen.
Bud. S. 178: ,Post ipsum autcm regnavit Colomannus, filius
regia Geyse. Ipse enim Belam, tilium Almus ducis . . . exce-
cavit'; Dub. §. 114 ebenso. — Dagegen Pos. §. 44: ,Po8t ipsum
regnavit Colomanus, filius Geycha regis, in cuius tempori-
bu8 mala sunt miilta perpetrata. Ipse enim Welam filium'
u. s. w.; Pic. S. 200: ,Colomanus itaque filius regis Geyse de
Polonia festinanter rediit et coronatus est et duci Älmus du-
catum plenarie concessit. In uuius etiam temporibus multa
mala sunt perpetrata, ut inferius patebit . . .'; Thurocz S. 135
= Pic.; Sam. Bl. 39a: ,Post ipsum regnavit Colomanus tihus
regia Geyse, in cuius temporibus multa mala sunt propterea (!).
Ipse euim Belam . . .'; Vat. (Lucius, Inscriptiunes, S. 88, und
FlorianuB III, S. 97, Anm. 5) ebenso, doch ,perpetrata*; Aceph.
BI. 22 a wie Sam., nur dass zwischen , regis Geyse' und ,in
I cuius temporibus' die Sätze ,lBte Colomanus episcopus fuit' bis
,persülvebat' eingeschoben erscheinen; auch hat Aceph. das
richtige ,perpetrata'. Zag. §.11 und Var. §.11 fehlt. Mug,
Cap. 48: ,Nach sant lasla dem kunig wart zu kunig koloman,
kunig geysan sun, derselb waz ungestalt an der person und
■ waz gar lystig. In dez Zeiten wart begangen vit possheit.'
Reimchr. reicht nicht mehr in diese Partie. Mon. §. 48 wie
tPic, doch Hess es die Worte ,In cuius— perpetrata' weg.
Bud. §. 197: ,Cuius corpus Varadini ad pedes sancti
Ladizlai requiescit'; Dub. §. 122 ebenso, knüpft aber daran
aucl» noch die aus Pic. (vgl. unten) entnommenen Worte:
, Cuius corpus in monasterio de Egrus fehciter requiescit'. —
Dagegen Pos. §. 46 nur: ,Cuiti8 corpus in monasterio abbatum de
I^res iuxta fluvium Moros requiescit'; Pic. S. 223: , Cuius corpus
in monasterio Egrus feUciter requiescit*; Sam. Bl. 41a: ,Cuiu8
corpuB in monasterio de Egrus feÜciter requiescit'; Aceph. Bl. 24b
wie Sam. (,de Egrus'); Thurocz S- 149 ebenso; Zag. §. 19 und Var.
§.19: jCuius corpus in monasterio suo Egres requiescit'; Mug.
S. 82: ,der kunig andreas ligt begraben zu weyssenburg (?!) im
munster'; Mon. §. 58: ,8epelitur in monasterio Egrus'.
Bud. S. 199: ,Beia rex iuxta fluvium Sayo preUans';
Dub. §. 124 ebenso. — Dagegen Pos. §. 36: ,Wela res iuxta
flnuium Seo . . . prelians'; Pic. S. 224 ebenso; Sam. Bl. 41b:
, iuxta flumen Seo'; Aceph. Bl. 24b und Thurocz S. 150 ebenso;
ArckiT UCIXVUI. IM. U. UiUrU'. 30
468
Zag. §. 20 und Var. §. 20 fdilt; Mag. Csp. 61: ,pey (Ur iü^,
Mon. §. 59 fehlt
Bad. S. 249: ,Qaorom qoidem müerafailem evcnta»
▼enea et aeaes, domine com anoQlia in cmstro Themei-fii;
qaod idem rex fondaaae perhibetor, deplanxeront; et earir
bata est illo die et hora feliz Pannoni». ^ooh dolar ftufmA
Ulis amaritadinem, cnioB memoria flebiÜB est'; Didt. & II
ebenso. — Dagegen (Pos. fehlt berats) Pio. S. 843 tiitt im
Stelle, ebenso bei Thnroca S. 164, bei Sam. BL 49a aad AetfL
BL 33b. Zag. §. 24, Var. §. 24 and Mog^. S. 93 fehlt
Aas den vorstehenden Stellen, die leidit ▼ennehit mim
könnten, ergibt sich aar Q«nttge, daas die Chroniken Bodow
and Dabnicense eine Grappe bilden. In welchem alhoa
Verhfiltnisse stehen sie nan einerseits onr Ghrandchraiiik ■!
andererseits za einander?
Was zonächst die erste Frage anbelangt, bo iat befduii
der Studie VII geltend gemacht worden, cUas die dieacaCk»
niken gemeinsamen Nachrichten vom Zage Karla nach JbSm
bis an seinem Tode (1342) aaf ceitgenOansoher FortaeUamte
Ghrandchronik berohen. Weiter ab bia aam eben gansala
Zeitpunkte ist die Grandchronik Uberhaupt nickt fwtg«Htt
worden. Aus dieser so fortgesetzten und abgeachloaaenen Qmir
chronik schöpfte nun zunächst das Budense und fbhite St
Darstellung durch Anschluss der Geschichte Ludwigs L ym J^
hann von Kikkulew und einiger Notizen Über die folgenden Herr
scher bis auf Matthias. Das Dubniceose erscheint aber deatlickali
eine Fortbildung des Budense, und zwar wegen der Fortsetsnig
der Geschichte Matthias', wegen der in Studie VH beiprocheM
E^schiebung der Darstellung des Franziskaners Johann m
der Zeit Ludwigs I. und endlich wegen der weiter unteo »
erörternden Verquickung mit dem Chronicon Pictom. Dodi itt
hervorzuheben, dass das Dubnicense auf dem im Jahre 14<3
in Ofen von Andreas Hess hergestellten (von Podhracky 1B38
ebenda erneuerten) Drucke nicht beruhen kann. Es gäiBS*
z. B. darauf aufmerksam zu machen, dass Bud. S. 241 weda
die Nachricht über Karls natürlichen Sohn Coloman, noch jot
ttber den Tod des Palatins Matthäus bringt, welche beide das
Dub. S. 119 aufweist, und die nach dem Aasweise von Pol
§. 65 (enthält beide), Mag. S. 90 (beide), Pic. Cap. 97 (die
letztere), Thurocz Cap. 91 (die letztere), Sam. BL 46b (die
469
letztere), Aceph. Bl. 3üa (die letztere,*) Mon. §. 68 (die letztere)
sicher in der Onindchronik standen.* Andererseits kann das
Dub. aus dem Bud. auch deshalb nicht geöosscn sein, weil es
nicht die offenbar erst von Hess eingesetzten und daher nur
dem Budense eigenen Capitelüberschriften mit chronologischen
Angaben u. dgl. aufweist. Wir müssen daher annehmen, dass
der Verfasser des Dub. die Handschrift (L), welche Hess vor-
lag, oder eine ihr sehr nahe stehende benutzte. Wir dllrfen
daher etwa folgendes Verhältniss annehmen:
.Bad.
Grundchronik
1342
■*L<
^Dub.
Es erllbrigt noch, Einiges llber die Redaction Dub., femer
über das Verhiiltniss Thuroez' zu unserer Gruppe hinzuzufügen.
Aus den vorangegangenen Bemerkungen ist es ganz zweifel-
los, dass die Dubniczer Clironik nicht zur Gruppe Pic. gehört;
Vieles, was ebenfalls daftir spricht, werden wir noch weiter
unten kennen lernen. Wenn somit das Chr. Dub. dennoch
Manches mit dem Pic. gemein hat, so ist dies daraus zu er-
klären, daas für diese gegen das Ende des lö. Jahrhunderts
geschriebene Redaction neben der auch im Bud. erhaltenen
noch diejenige des Pic. verwendet wurde. Aus letzterer hat
der Schreiber allerlei geschöpft, das ihm genug wichtig er-
schien, in seinem Codex mitgetheilt zu werden. So hat er die
Vorrede ,Anno domini millesimo* etc. übernommen, trotzdem
die in derselben enthaltene Notiz, ,ista Cronica' sei 13Ö8 zu
schreiben begonnen worden, wenig für den Zeitpunkt seiner
Arbeit passt. Ebenso hat er die Einleitxuig ,Por me reges' dem
Pic. entlehnt. Derselbe Einfluss zeigt sich in den Anfangs-
capiteln (man vergleiche z. B. den Wortlaut von §. 1, ferner
die Zeitbestimmung am Anfange des §. 5, ebenso den Anfang
von §. 7 mit den betreflfenden Stellen Pic. 8. 102, 107 und 1 10).
* BemerkonHwertb ist, daas Aceph. ,comes de Trincbinio' zaaetst, was dem
,TOii Treiitz' bei Mii^. entspricht.
* Vat hnt wahnicheiulic)! auch beide ätellen; doch kann ich dies nicht
mit Sicherheit constatiren, weil mir dieser Codex nicht Torlie^
30*
460
Dann aber zeigt sich die entschiedene Verwandtschaft mit Bii
{jgl. die Zosammenstellimg oben S. 455 ff.). EIrst am Ende dir
Honengeschichte ist wieder das Pic. mehr zu Rathe gewopa.
Hier erkennt man auch an der Form des Gebotenen die Ter
Schmelzung zweier Vorlagen. Nachdem Dub. nanolich übereis-
stimmend mit dem Bud. berichtet hat (§. 24): ^Regnavit ulea
Atila annis XLHU, ducatum tenoit annis quinque; vixit antat
centum et viginti quinque annis', setzt es hinzu: ,Qnot uuii
Atila regnavit atque vixit, hie prenotatur', und sodum fiilgt
die aus dem Pic. herrührende Stelle: ,Tradunt qoidem, qnoi
Hungari . . . Huni autem applicuenmt . . . Mortuns est sota
Atila post . . . qui tunc Constantinopolim morabator.' Naek
dem allen Chroniken gemeinsamen, von Keza herrfihrenda
Uebergange vom ersten Theile zum zweiten (^Digestis igitu^
duci') entnimmt es wieder die Zeitbestimmung (,Anno ab ine. . . .
hoc modoQ dem Pic, worauf sich wieder ein interessanter Fifl
der compilirenden Thätigkeit des Schreiben des Chr. Dnb.
zeigt. Seine Vorlage enthielt nach Ausweis von Pos. §. 2i md
Bud. S. 35 die Nachricht, Almus sei in Mogor geboren yratia.
Im Pic. S. 122 fand er die Mittheilung, dass dies ,in Scytia' p-
schehen sei. Und nun schreibt er: ,EUeud ... in Scitia Magor
genuit fihum.' Fortan zeigt sich aber wieder der völlig tw-
wiegende Einfluss der mit dem Bud. gemeinsamen Vorlage (v^
schon die Zeitbestimmung am Anfange von §. 26). Zwar hx
der Schreiber noch z. B. S. 103 neben die Nachricht, dass An-
dreas .Varadini ad pedes s. Ladizlai requiescit' aus dem Pic
(S. 223) die Notiz ,Cuius corpus in monasterio de Egrus fet
citer requiescit' gesetzt, aber von allen dem Pic. eigenthüm-
lichen Erweiterungen, über die wir gehandelt haben, enthih
das Dub. nichts. — Ueber die sonstigen Erweiterungen und die
Fortsetzung des Dub. sind die Bemerkungen oben S. 458 n
vergleichen, ferner Studie VII, S. 505.
Betreffs des Verhältnisses der Chronik des Thuroci
zu unseren Chroniken ist Folgendes zu bemerken: Wie wir
aus den oben angeführten Parallelstellen ersehen, weist diese
in allen verglichenen Stellen nicht die EigenthümUchkeiten
des Bud. und Dub. auf. Ein weiterer Vergleich lehrt, dass
Thuroez die Redaction des Pic. ausschrieb, da er die demselben
eigenthümlichen Stellen aufweist. Diese übrigens bereits allge-
mein bekannte Thatsache näher durch Belegstellen zu erörtern.
461
würde wohl Uberätissig sein. Interessant ist aber der Umstand,
dass Thurocz offenbar die auch uns allein bekannte Wiener
Handschrift dieser Redaction vorlag. Nur so weit nHmlich diese
reiciit, steht Thurocz den Redactionen des Bud. und Dub. fem;
aus diesem Theile sind auch alle obigen Citate geschöpft. Von
den letzten Sätzen der Wiener Handschrift des Pic. angefangen,
begegnen wir dagegen in Thurocz alle dem Bud. und Dub.
eigenthUmlichen Lesarten, so dass sich Thurocz hierin also
auch von den der Gruppe des Pic. angohörigen und noch
einige Nachrichten über dieses hinaus bietenden Cod. Sam.
und Aceph. entfernt. Daraus folgt ganz klar, dass Thurocz
keine andere als die uns bekannte Wiener Handschrift des Pic.
benützt hat, denn eine zweite hätte doch den Text nicht ebenso
mitten in der Erzählung abgebrochen wie die gemalte Wiener
Handschrift; ein fortgesetzter Text der Redaction des Pic. hätte
aber wie die früheren Theile mit den verwandten Redactionen
des Sam. und Aceph. übereinstimmen müssen. Wir lassen hier
die betreffenden Quellenstellen folgen:
Pic. S. 244 f.
Res autem cum
i eventu venit
n Vysitegrad.
rro cum Hungari
tiuima et dnrinsi-
la prelia nbique
«ssent, i.^tnd ta-
rn eis accidit, ne
jpter victoriarum
iquenciam 8U}ier-
rent, vel certe po»t
[terbiam prei-eden-
D corripereutiir ut
umilitatem disce-
rent et docerent
•tenus (hier bricht
9 Pic mitten in
r Zeile ab).
Aceph. Bl. 34 a. —
Sam. Bl. 49 b.
Rex niitemcum
tali eventu venit
in Vjrsagrad. Por-
ro cum Hungnri for-
ti.«9ima et durissima
]>reUa nbique gesiris-
Bont, istud eisdem ac-
cidit, ne propter vic-
toriarum freqnen-
ciam .luperbireot vel
certo post superbiam
precodentem eorri-
perentnr, ut humili-
tatem discereiit et
docerent.
quatenns
divine dilectioni«
gratiam per pateme
correcctoni« flagella
inpreHBius mere-
rentur, quia
Thurocz S. 164 f.
Rex antom cum
tali eventu venit
ad Tumesvar, et
sine mora venit
dainde ad Wysse-
grad. Porto cum
Ungari fortissima
et durissima proelia
ubique gessissent,
igtad eisdem accidit,
ne propter victoriam
freijnentem superbi-
rent, vel certe pont
suporbiam preceden-
tem corripereutur, ut
hnmilitatem disoe-
ront et docerent,
quatenus divine di-
lectionis gratiam per
patornae correctionis
flagella uberius
merereDtur,qni.H illos
Bud. 8. 250 f. = Dub.
8. 126 f.
Rex autem cum
tali eventu venit
ad Temes-Var et
sine mora venit
deinde ad Vise-
grad. Porro cum
Hungari fortissima
et durissima prelia
ubique gessissent,
istud eis accidit ne
propter viutoriam
frequentem snperbi-
rent, vel certe post
Buperbiam preceden-
tem corriperentnr, ut
humilitatem disce-
reiit et docerent,
quateuuR divine di-
lectionis gratiam per
pateme correctionis
flagella nberins
mererentar, quia il-
los
462
corri-
pit deuB pater qnos
diligit . . . Anno do-
mini MCCCXXXni
egressiu est rex de
VyBa^kd cum An-
drea filio sno pnero
8ex annomm in men-
se lalii et perrezit
cnm bona comitiTa
militum per Zaj^-
biam ultra mare, nt
filinm snnm per vo-
Inntatem summi
pontificU domini sci-
licet lobannü XXII
et ad Petitionen!
regni Sicilie co-
ronaret in regem.
In cnios regia . . .
corrigit deos pater,
qnos diligit , . . An-
no domini millesimo
trecentesimo triceä-
mo tertio egressns
est rez de Wyssegrad
cam Andrea filio sno,
pnero sex annomm
in mense lolü et
perrexit cum bona
comitiTa militnm per
Zagrabiam ultra
mare at filinm sanm
per volnntatem sam-
mi pontificis, domini
scilicet Johannis vi-
ceeimi secundi, et ad
instantiam et pe-
titionem incly-
tissimi Boberti,
regis Siciliae, re-
gni eiusdem coro-
naret in regem.
In cuina regis . . .
corrigit
Pater, qnos
. . . Anno i
millesimo
mo tri(
egressns est m
VtsegradcoDAii
filio sno pnan
annomm in ■
lalü et peneiü
bona comitin i
tum per ZsgnUi
altra man m
snnm per Tolm
summi pontifiÄt
mini scilicet
nis (X)XXII etil
instantiam «tfl
titionen inelitii
simi regt« BoM
ti regis Sicilicil
gnique eiaito
coronaret is ''
gem. In cniaNf
Wie wir sehen, wendet sich da, wo das ihm vorliegende
Pic. ihn zu verlassen beginnt, Thurocz der Redaction des Bud.
zu. Noch wenige Zeilen früher weist er — man vergleiche die
letzte Parallelstelle oben S. 458 — die kürzere Fassung des
Pic. und der ihm verwandten Redactionen auf. Die Be-
nützung des Bud. oder richtiger der ihm zu Grunde liegen-
den handschriftlichen Redaction reicht bei Thurocz bis «um
Tode des Königs Karl Robert (1342), worauf er dann die
Schrift des Johannes von Kikkulew über Ludwig anschliesst
Man vergleiche darüber die Studie VII, S. 505 f.
3. ZuammenfoiBung der Ergebnisse,
der Chronik.
Verfasser und Werth
Die Ergebnisse unserer Betrachtung lassen sich somit
folgendermassen zusammenfassen. Die Zahlen bedeuten das
Jahr, bis zu welchem beiläufig die Grundchronik fortgeschritten
war, als die betreffende Redaction sich ablöste:
463
[ll
W'
1301
1328 (1330)
1333
1342
W
Chr. Zigr. Chr. Var. Chr. Pob. Cod. Vat. Y Chr. Bnd. Chr. Dub.
Mug. (deutsche a. lateinische Chr.) ■
Cod. Sam.
Cod. Aceph. Chr. Pic.
Chr. Mon.
Aus unseren Ausführungen ging auch hervor, dass die
Grundchronik bereits am Anfange des 14. Jahrhunderts bestand
und sodann bis 1342 gleichzeitig fortgeführt wurde. Das Nä-
here über ihr Entstehen und Über die Eigenart der einzelnen
Redactionen wolle man auf den vorangehenden Seiten nach-
lesen. Es sei noch hier bemerkt, dass die früheste Erwähnung
der ungarischen Chroniken in der um das Jahr 1320 vollendeten
Schrift ,Vita et miracula s. Kyngae' sich findet.* Hier lesen
wir nämlich: ,Legitur in cronicis Ungarorum, quod Andreas
accepta uxore . . .', worauf oft wörtlich Sätze aus unserer
Chronik über die Geschichte Andreas' II. und Belas IV. citirt
werden. Später heisst es nochmals ,prout tradunt dicte chro-
nice'. Allenfalls werden in diese Mittheilungen allerlei Notizen
1 Vgl. K^trcyriski in Mon. Pol. hist. IV, S. 678f. und 683f. K$tnynski
war 80 gUtig, mich besonders darauf aufmerksam zu machen.
464
eingcflocliten, die in keiner der Clironikredactionen stehen, so
z. B. der Zusatz bei Belas Todesdatum ,8cxto Cslendanun <5cto-
bris'; femer die näheren Mittheilungen über die Abstammung
Marias, der Gemahlin Belas IV.; endlich die ausführlichen N«cb-
richten über die Kinder Belas IV., von denen sonst das Chr.
Dub.' nur die zwei Söhne Bela und Stephan nennt. TroU
der zum Theile abweichenden Nachrichten und trotz des PIoj
an Mittheilungen, 'die sich sonst in den ungarischen Chronika
nicht finden und hier zum Theile ausdrücklich als aus diesen
stammend bezeichnet werden, wird man übrigens nicht an-
nehmen müssen, dass dem Verfasser des Heiligenlebens eine
besondere Redaction der Chronik vorgelegen habe. Es ist ja
bekannt, dass mittelalterliche Schriftsteller zwischen dem, was
sie der citirten Quelle wirklich entnahmen, und eigenen Zusfttseo
nicht genau scheiden.* So hat auch unser Legen denschreiber
die Nachricht von der Gemahlin Belas IV. .Maria filia impe-
ratoris Graccorum' aus der Chronik entnommen, und darauf
bezieht sich die Bemerkung .prout tradunt dictc Cronice'; da»
aber dieser ,imporator vero ipse de stirpe Neronis cesaris, im-
peratrix autem de genealogia sancte Catharine virginis et mar-
tiris oximie' waren, sind seine eigenen Zusätze. Ebenso könnte
es sich in den anderen Fällen verhalten.
Aus unseren Ausführungen geht auch hervor, dass man
von einem ,Verfasser' der Chronik nicht sprechen kann. Schon
die Grundchronik ist aus verschiedenen Bestandthcilcn xa-
sammcngcsetzt. Man kann daher auch nicht, wie dies noch
Rademacher that, auf die Frage eingehen, ob der Verfa»ser
der ungarischen Chronik ein Deutscher wäre' Völlig vcrfchh
ist es aber, mit Rademacher aus allen Theilen der Chronik
unterschiedslos die deutschen Elemente zusammenlesen «u
wollen. Man muss wohl zunächst Alles absondern, was schon
' S. 104: ,et genuorat duos filios, scilicet StephAnum et Bel&m, fiai bnaiu
»ppoUatur.' Kt'trzyAski hat nur das Pic. zam Vergleiche herbeipttuc*».
" Mnn vergleiche x. B. die Bemerkung der ungarischen Chrnnilc (Hoil
S. 61): ,Annn Dom. ine. DCCCLX nono, quemadmodam in LeK*n&
R. Stephan! regia scriptum est, gennit Stephnnum . . .*, vr&hr«nd ia
keiner der Stephanslegenden das Gebortsjahr genamit ist. Vgl
Studie Vni, 8. 375.
* Die ungarische Chronik als Quelle deutscher 0«8chielit» {
Domgjrmnasinms eu Memehurg 1887), S. 16.
465
in Keza's Hiinengeschichte steht (vgl. Studie X). Anderes rührt
schon wahrscheinlich aas den Oesta vetera her. Dahin mtisscn
wir vor Allem die etymologisircnde Nachricht zilhlen, dass ein
Schhichtort, auf welchem die Deutschen arge Verluste erlitten
hätten, ,eorum lingua usque hodie Flovum paiar (verlorene
Batern) est vocatus et Weznemut nostra lingua', denn dieselbe
findet sich fast gleichlautend wie bei Keza §. 26 (S. 82), so
auch in der Chronik (Bud. S. 85). Aber auch nach der Aus-
scheidung der Keza allein angehörenden Stellen und ebenso der
etwa den Gesta vetera entnommenen bleiben noch allerdings
Kennzeichen, dass der oder die Compilatoren der Nationalchronik
des Deutschen kundig waren. So setzt z. B. erst der Schreiber
der Gnmdchronik zu Keza's Nachricht über .Echulburc' (§. 1 1
S. 64) hinzu ,id est urbs Atilae' (Chr. Pos. §. 15 und Clu-. Bud.
8. 24). Auch die prftciscre Erklärung des Namens Strass-
burgs in der Chronik (Pos. §. 12 S. 12 und Bud. S. 20: ,proptor
viarum plui-alitatem') gegenüber Keza S. 63 gehört hierher.
Ebenso Chr. Bud. S. 49, Pic. S. 131 (Pos. S. 28 fehlt): ,Poth
fuit apellatus, quia internuncius erat' gegenüber Keza §. 53, wo
von dieser Erklärung des Namens nichts steht. Femer Chr.
Bud. S. 37, Pic. S. 123 (Pos. §. 25 fehlt): ,. . . terreis castris
Septem preparatis . . . qua propter Teutonici partem iUam ab
Ulo die Siebenburg, id est; Septem castra vocaverunt', gegen-
über Keza §. 18. Auch auf Chr. Bud. S. 87 = Pic. S. 151 :
,Albam venit, que teutonice Weyzenburg dicitur' könnte
verwiesen werden, doch könnte dieser Zusatz auch von einem
des Deutschen Unkundigen aus der entsprechenden Stelle der
Annalea Althahenses anno 1044 (,Wizenburg veniunt') herüber-
genommen sein. Keza hat §. 27 hievon noch nichts.
Schliesslich ergibt sich auch aus den vorhergehenden
Ausführungen, dass der Werth der Chronik in ihren verschie-
denen Theilen auch verschieden ist. Man wird sie also weder
ganz verwerfen, noch ihr überall folgen dürfen; sowohl in der
einen als in der anderen Richtung ist man bisher häufig über
I die richtige Grenze gegangen. ' Man wird sich also stets fragen
müssen, welcher Redaction und welcher Partie derselben ge-
, hört die Nachricht an. Dabei darf man nicht vergessen, dass
I ' Mtinche bemerkenswerthe Notix bringt Rademacher, Die uu^arinche
466
z. B. einzelne Theile selbst in den erweitei
hohem Werthe sind, wie z. B. die Interpola
und Mug. für das 12. Jahrhundert gemeini
xn.
Kleinere nngarlsehe Geschieh tsqaelle
Chroniken Tcrwendet wn
Schon in Studie VII ist bei der allgei
der ungarischen Chroniken darauf hingen
dieselben iUr die Ungarngeschichte nel
und den bekannten ungarischen Legende
kleinere einheimische Geschichtsqnellen
Spuren sich eben nur in diesen Chronikei
den folgenden Studien ist bei verschiede
diese Qeschichtsaufzeichnungen wieder hin
der vorliegenden Studie soll nun über dies
hange in aller Kürze gehandelt werden.
Studie VII, S. 481—486, ist gezeigt
ftlr seine magere Darstellung von Rolom
Zeitpunkte, da ihn die Qesta vetera im Sti
seinen zeitgenössischen König Lad
knappes Königsverzeichniss benutzt h
wenigstens iUr Bela IL, Stephan III., Ladislai
auch die Regierungsdauer. Stephan 11. un
den bei Keza gar nicht genannt, und zwar ki
S. 482, gezeigt wurde, nicht die Schuld ai
fehlem liegen. Jedenfalls war die Quelle
Dass derartige Königsverzeichnisse auch s
banden waren, ist bekannt. Man erinner
das 1210 niedergeschriebene (Studie V, S.
Ein ausfuhrliches Verzeichniss (
Sterbejahre der Könige lag dem Ve
chronik vor. Aus demselben schöpfte ei
genaue Angabe des Todesdatums Ladii
S. 171: ,Migravit autem ad dominum a. d.
quinto, quarto Kai. Augusti, feria prima')
467
das erste dieser Art in der Chronik ist. Ebenso gehören dem-
selben die weiteren ähnlichen Daten für die ibigonden Könige
an bis ins 13. Jahrhundert.
An dritter Stelle nennen wir jene Quelle, welche die ver-
schiedenen Redactionen der Nationnlchronik, also auch schon
die Orundredaction, als ,antiqui libri de gestis Hungaro-
rum' citiren. An einer von uns bereits in Studie VIII, S. 284,
als Interpolation in den Text der Gesta vetera erkannten Stelle
in der Geschichte des ersten Heidenaufstandes sagt der Chro-
nist (Chr. Bud. S. 93) nSmlich unter Anderem: ,Est autcni scrip-
tum in antiquis libris de gestis Hungarorum, quod omnino pro-
hibitum erat Christianis, oxorcm ducere de consanguineis Vata
et JanuB . . .' Diese Naclu-icht linden wir in keiner der uns
sonst bekannten ungarischen Quellen; dass sie nicht den Costa
vetera entstammt, ist augenscheinlich; deshalb hat Keza auch
nichts davon. Nun wird aber auch an einer späteren Stelle
der gerade in diesen Partien gegenüber Keza und also auch
den Gesta vetera an Erweiterungen so reichen Nationalcbronik
(Bud. S. 125) über ein Ereigniss berichtet, das mit jenem
Heidenfiihrer Vata zusammenhitngt. Es wird niimlich behauptet,
dass Salomon und sein Bruder David deshalb keine Kinder
hatten, ,qma quando Andreas primo in Uungariam reversua est
cum Leventhe frntre suo propter hoc, f|uod ipse reguura posset
obtinere, permisit Vatham proplianum et alios pessimos multo-
rum sanctorum sanguinem fundere'. Der Gedanke liegt sehr
nahe, dass die Ictztcitirte Nachricht aus derselben Quelle her-
rührt, aus welcher auch die erste über Vata und Janus her-
stammte, also aus den ,Antiqui libri'. Dann ist es aber auch
ebenso folgerichtig, wenn wir annehmen, dass auch zahlreiche
der anderen Erweiterungen der Nationalchronik gegenüber
Keza und den Gesta vetera aus den Antiqui libri herrühren.
Hiezu kommt noch, dass viele dieser Interpolationen das Ge-
meinsame aufweisen, dass sie Ereignisse behandeln, welche
IJela I. und seine Nachkommen betreflPen, dass sie ferner diesen
geneigt sich zeigen, dagegen Andreas und seiner Familie feind-
lich gesinnt sind. Im Einzelnen den Bestand der Antiqui libri
de Gestis Hungarorum festzustellen, ist schwer; sie sind uns
oben mir in einer Ableitung erhalten. Vermutlilich aus dieser
verlorenen Geschichtsquclle herrührende Nachrichten sind in
Studie VIII, S. 283, 284, 292, 294 und 299 namhaft gemacht
46»
worden. Die Berichte dieser Quelle sclieinen zum
Theile yerlttHÜch gewesen zu sein. Zieht man aotb mtk a
Betracht, daas diese Quelle von dem Verfasser der Naäoul^
chronik ansdrücklieh als ,alt' (antiqui libri) bezeichnet «H
was von anderen dtiiim Quellen nicht hervorgehoben wrti,
so wird man wohl mit Becht annehmen, dass diesos vw-
lorene Gl^eschiohtswerk um 1100 entstanden ist
An Tierter Stelle iet jene Gegchichtsquelle dei
12. Jahrhunderts anzoftthren, welche Mn^. und Pic. selU
ständig und von einuider unahbäng^ig ausgeschrieben hib«,
wie in Studie VII, S. 488ff. ausführlich gezeigt werden \A
Nähere Anftkhmngen über diese alte und werthvoUe Qatllr
werden durch die ttberans schlechte Ausgabe der Cbmiü
Muglen's bei Kovachich sehr erschwert. Um einen Einblid
in die Nachtiol^n dieser Quelle zu ermöglichen, mQgeii
Folgenden jene Notiaen mis Muglen's Darütellung und dm
Chr. Pic. znsunmengestellt werden, welche diesen zwei EedJ^
tionen oder nur Mug. allein eigen sind und also aus der sobü
veriOTenen Quelle stuamen.
Magien.
Cap. 48: derselb (Kolo-
man) waz ungestalt an der
person und waz gar lystig.
Ebenda: Wan der heilig
kunig Lasla het geschickt,
daz Almas, Kolomans prü-
der, solt nach ym kunig
werden, wann er west wol,
daz er nutz wer dem reych.
Do entwaich Almas und
Hess yn (sc. Koloman) ku-
nig werden, wan er der el-
dest was.
Ebenda: Der kunig Co-
loman het mit seiner ersten
hawssfrawen tzwen sun:
Lasla und Stephanum.
Nach Christus gepurt taus-
sent iar und in dem ein und
Pietum.
S. 200: Erat namque ba-
bitu corporis coutemptibilis,
sed astuus et docilis.
Ebenda: Beatusautem La-
dizlaus sie ordinavit, ut post
ipsum Almus regnaret, qui
sinccra simpÜcitate ductus
honoravit fratrem suum Co-
lomanum, preferendo sibi
coronaui rcgni, taaquam cui
iure primogeniture videbatur
competere.
S. 203: Kex autem de
prima uxore sua genuit La-
dizlaum et Stephanum anno
domini MCI . . . Anno do-
mini M-o C-o VI-o reversns
le ÖBdü*
ftlfanag«*
vn, a «
469
tiaten iar do kam Al-
es kunigB prüder, zu
inig, wann er vor ym
n waz. Do het der
willen, yn zu vahen.
ED andernmal do floh
Do wart er aber ver-
ölt dem kunig. Dar-
Jz der kunig Coloman
isheit waz, also Hess
prüder Almum vahen
»Ines prüder aun Be-
id Hess ym die äugen
hen, daz er der ku-
Bn ere nicht wirdig
Daz räch die hym-
•ewalt swerlich, wan
.nig viel in ein siech-
u-nach und starb und
graben zu waradein.
49: Der Inhalt dieses
littes rührt ganz aus
eile des 12. Jahrhun-
her. Mug. entnahm
Iben: die Erhebung
Ds n. zum Könige;
krakterzeichnung des-
,derselb kunig waz
lohen hertzen.*
siegi-eichen Kilmpfe
en und Griechen, die
der Nachbarn vor
»treithaften Könige,
He sagenhaften Züge.
est dux Almus de Patavia,
qui propter regis timorem
illuc fugierat ... S. 204:
Rex autem iratus voluit ca-
pere eum . . . Dux autem
. . . fugit iterum ad Patavos
. . . S. 205 : Post hoc rex re-
duxit ducem Almum ad pa-
cem. Confirmata autem pace,
tandem rex cepit ducem et
filium eiuB Belam infantulum
et obcecavit eos . . . Post
hec autem rex cepit egro-
tare graviter . . . (S. 207:
Ouiuä corpus Albe quiescit.)
Das Pic. S. 207 erzählt
diese im Anschlüsse an die
Ei-weiterungen, die sich in
der ihm und dem Aceph.
vorliegenden Redaction der
Nationalchronik finden.
Ebenda: Sed Spiritus eins
in manibus eius.
erzählt diese (S. 207 und
210) in Ucbereinstimmung
mit Aceph. breit und mit
anekdotenhaften Zligen.
Dms Chr. Pic.
hat dir^ Darstel-
lung (Ibi'rauB er-
weitert. Die an-
deren Chroniken
Ilaben niclit« da-
von.
Wie das Pic.
nennen aiivU die
anderen Redau-
tionen Alba als
Grabstätte.
Vgl. die Paral-
lelatellen oben,
S. 444.
Diesen Cha-
rakterzug betont
das Aceph. nicht.
Vgl. die Paral-
leUtelleu oben,
8. 444.
470
In den tzeiten tet der
keyser von kriechen den
ungern grossen schaden (ge-
walt) und slug ir vil zu tode.
Vorliebe des Königs für
,die heyden und die tatter*.
Die Niederlage derselben
durch die Griechen, die ge-
wiss in der Quelle stand, ist
mit jener der Ungarn zu
einer gemacht, daher die
Verwirrung bei Mug., welche
nur durch die Hinzuziehung
des Pic. gelöst werden kann.
Krankheit des Königs. Be-
drängung der Heiden (Ku-
manen) durch die Ungarn.
Drohungen des Königs, seine
Schützlinge zu rächen. Sein
Tod.
Cap. 50: Derselb kunig
Bela(jd) vermayd alle poss-
heit und naiget sich zu red-
licher Sache tzu allen stun-
den. Und seit er got liep
het in seinem hertzen, so
gab ym got gelucke in allen
dingen und satzt sein sun
auf den stul seines vaters.
Derselb kunig Bela slug Be-
linum, den kunig von Polan,
umb mit allem seinem beer.
In des kuniges Zeiten waz
ungerlant in fi-ied und in
gnad.
S. 210 f.
Niederkge
lieh.
erzählt diese
sehr ausfUhr-
S. 212: Res autem Ste-
phanus diligebat Kunos tunc
temporis plus quam deceret
Quorum dux nomine Ta-
tar, qui a cede imperatoris
cum paucis ad regem fiige-
rat u. 8. w. wie Mug.
Fehlt. Da Pic. S. 216 über
den König auch Ungünstiges
zu berichten weiss, so hat er
wohl diese Nachrichten nicht
aufgenommen.
Pic. S. 214f. erzählt diese
Kämpfe sehr ausführlich (vgl.
Studie VII, S. 497).
S. 216: Postquam autem
regnum confirmatum esset
in manu regis Bele . . .
Aeept
TOD and '
g«ndeii
mehr.
Um
chebian
dieVn, I
Der Ta
Pic. ist i
gemeiM
baaur. '.
QneDel
noch lud
Tatareo
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irrig aa*^
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Schlaue
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Bemerk
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. . .' D
spricht •
dieser S
der Kati<
nik (Bni
Stehen<
foit pii
Pic. ha
Bemei
nicht, i
Mitgethe
gibt sich
interpo
Thttigka
471
[Sap. öl : Der Inhalt dieses
ptels ist wieder ganz der
teOe des 12. Jahrhunderts
tnommen :
rhronbesteigung und Lob-
üsung des Königs Gei-
n.
Kampf mit Heinrich II.
D Oesterreich.
Zug der Kreuzfahrer
rch Ungarn.
Bericht Über zwei Zttge
eh Oalizien.
Z!ap.
52 : Ausfuhrliche
«bilderang der Kämpfe
isas II. mit den Griechen.
Pic. S. 816.
S. 217 f. erweitert und ver-
derbt (vgl. dazu Studie VII,
S. 497 f.; ferner ,Beleban'
statt ,Boleslau' [Polislau]).
S. 218f. erweitert.
S. 220 doch weniger klar
als bei Mug.
Diese Nachrichten ebenso
wie alle folgenden hat Pic.
nicht mehr.
Fehlt.
Fehlt.
Hiezu sind die
Correcturen Stu-
die VII, 8. 494,
Änm. 1, zu be-
achten.
[d des kuniges tzeiten waz
igerland in grossen frid.
Dap. 53, 54 und 55 aus-
nhrliche und werthvoDe
hilderung der folgenden
ironstreitigkeiten bis zum
de Stephans UI. (1172
er 1173).
Mit den Nachrichten Über die Züge nach Galizien hat
unsere Quelle in der kürzeren Gestalt geschlossen; Muglen lag
bereits die bis 1172/73 erweiterte Redaction vor, worüber
Studie VII, S. 493 f. zu vergleichen ist. Nachdem diese Quelle
versiegt ist, bietet Muglen weiter nur wieder den gemeinen
Text der Nationalchronik. Entstanden dürfte unsere
Quelle bereits um 1175 sein, worüber Studie VII, S. 494 ff.
len's; 2. dan sei-
ne Chronik nicht
aus dem Pic. floss.
Hier schloss
die dem Pic. vor-
gelegene kttrzere
Redaction. Vc^l.
Studie VII, 8.
493 f.
Von hier be-
ginnt die fort-
gesetzte Redac-
tion, die Mug.
vorlag.
472
zu vergleichen ist. Schliesslich sei bemerkt, dass
wohl eine zusammenhängende Geschichte von Eoi«-
man his Stephan IQ. hot. Da die Daten Über Throobestdgoig,
Regierungszeit, Beerdig'ungsorte in ihr und der Nationalcluvii
sonst wenig abwichen, so ist in dieser Beziehiing eine Scheidmg
zwischen den beiden Vorlagen Muglen's und des Pictiun schwierif.
Äusser den vier bereits genannten Quellen sind m vk
garischen Schriftwerken, welche in die Chronik oder einf^M
Redactionen derselben Auftiahme fanden, noch zu nennen: dw
Werk Johanns von Kikkulew, des geheimen Notars KJnif
Ludwigs, in welchem er die Geschichte dieses Königs be-
schreibt, und das Hir diesen Zeitraum vom Chronicon BudesM«
Dubnicense und von Thuroez ausgeschrieben wurde. Fem«
die Aufzeichnung des Franziskaners Johannes im
Geschichte Ludwigs in den Jahren 1345 — 1355, w«lck
das Chronicon Duhnicenae in den Context der eben genanstei
Darstellung von Kikkulew eingeschoben hat. Endlich hat QOci
Thuroez bei seiner von Ludwigs Tod an selbstständig bk Mtt
thias fortgeführten Chronik einige Quollen benutzt, die er &acl
näher bezeichnet. Auf diese bekannten und verhältnisstaia^
recht klaren Dinge braucht hier nicht eingegangen zu werdtn.
KLESL'S BRIEFE
AN
K. RUDOLFS n. OBERSTHOFMEISTER
ADAM FREfflERRN VON DIETRICHSTEIN
(1583—1589).
EIN BIITRAG ZDB GKSCBICBTK ILKSL'S UND DIB QKOKinurORIiTION
m »KDBKÖSTKBBIICB.
VON
D'' VICTOR BIBL.
AnhiT. LXXIVm. Bd. H. HUfto. Sl
Einleitung.
Die Actenbestände des Münchner allgemeinen Reichs-
archives (Oeaterreichische Keligions- und (Jorrcspondenzaeten,
Tom. VII, XI, XII Orig.) und des Wiener Haus . Hof- und Staats-
archives (Oesterroichische Acten, N.-Oe. Fase. 8 Orig.) ermög-
lichen es uns, die Anfänge der katholischen Gegenreformation
in Niederösterreich grösstentheils aus dem Munde des gewaltigen
Führers derselben, Melchior Klesl, selbst zu vernehmen, indem
dort aus der Zeit von lö8U — 15iS9 zwei Correspondenzen von
ihm erhalten sind: die eine mit dem Herzog von Baiern
Wilhelm V. dem Frommen, von 1580 — 1582,' und die andere
— von der hier die Rede sein soll — mit dem glaubenseifrigen
ObersthofmeisterKaiser Rudolfs II., Adam Freiherrn von Dietrich-
stein,* von 158.3 — 1589; durch sie, in Verbindung mit den
gleichzeitigen, an den bairisehen Hof gerichteten Berichten des
Wiener Professors und Kcichshofrathes Dr. Georg Eder, erhalten
wir nämlich wichtige Aufechlfisse über die religiös-politischen
Vorgänge in diesem Lande und das allmiihlicbe siegreiche Vor-
dringen der katholischen Restauration. Als Klesl im ÖpÄt-
berbste 1583 die Correspondenz mit Dietriclistein begann, mit
* V^l. meine Arbeit: Klesl» Briefe an Henog Wilhelm V. von Baiero
(1580 — 1582). Ein Beitrag zur Geschichte der Gegenreformation in
NiederQaterreiub unter Kaiser Hudulf II., MittbeiliiiiKen äea Instituts für
OsterreicbiscLe Geschicbtsforscbuiig XXi, 19U0 (im ErBcheinon begriffen).
Ueber Klesl vgl. den Artikel von Ritter in der Allgemeiueii deutschen
Biographie XVI, 1882, 8. 107 f. (s. dort weitere Ldteratur).
* Vgl. über ihn (f 1590) den Aufsatz von Zeissberg in der Allgemeinen
deatschen Biographie V, 1877, S. 197; Stieve, Briefe deH Keichshufratiies
Dr. G. Eder etc., Mittheilungen des Instituts fUr (Saterreichische Geschicbts-
forscbung VI, 1886, S. 441; HAnsen. Muntiatnrberiobte ans Deutschland
m, Abth. U, S. 171.
L
81*
476
dem er wohl bei der längeren Anwesenheit des kaiserlichen
Hofes in Wien (December 1581 bis October 1583) bekannt
und vertraut geworden war — er nennt sich auch dessen
Caplan — hatte er trotz der kurzen Zeit seiner Wirksamkeit
als Dompropst in Wien (seit 4. September 1579) und Genenl-
vicar des Bischofs von Passau fiir Niederösterreich (seit 2. Februar
1580) bereits die Bewunderung der katholischen Welt und die
Aufmerksamkeit des Hofes auf sich gelenkt. Das Wandermittel,
durch das er seine bisherigen glänzenden Erfolge errang, be-
stand darin, dass er, von dem reformatorischen Zeitgeiste be-
seelt, bevor er den Kampf mit dem in Oesterreich weit vor-
gedrungenen und dem Katholicismus weniger an Zahl, als an
Macht und geistigem Ansehen überlegenen Glegner aufnahm
und zur Ofltensive schritt, die Schäden seiner Kirche an der
Wurzel erfasste und zunächst mit i-astlosem Eifer für einen
ttlchtigen Clerus sorgte, um so wenigstens dem weiteren Ab-
falle von ihr zu begegnen und ihre sittliche Kraft zn heben.
Wenn es auch bei dem Antritte seines verantwortongsvc^en
Amtes unter den ihm unterstehenden 900 Geistlichen etwas
mehr als bloss fünf gut katholische, wie er ihre Zahl angibt,
gewesen sein dürften, so war immerhin der Zustand der Seel-
sorge, besonders auf dem Lande, ein trostloser. Vor allem
waren es die Prälaten selbst, welche sich sehr wenig um ihren
geistlichen Stand kümmerten und mit einer staunenswerten
Indolenz ruhig dem Verfalle ihrer Kirche zusahen. Auf ae
war er auch nicht günstig zn sprechen. ,Interim nehmen ihnen
die Prälaten' — äusserte er sich einmal — ,Tag und Nacht
gute Mädl, desgleichen thnn auch die unreformierten Priester,
so sich in allerlei Leichtfertigkeit Tag und Nacht legen . . .,
also wann Gott nicht Ursach hätte zu zürnen, so geben ihm
doch wir Geistliche selbst genugsam Ursachen. Noch will man
dergleichen gottlose Priester erst fragen, ob man zu ihrer Re-
formation ein Seminarium soll aufrichten oder nicht.* Dieses
Priesterseminar, das er bei dem grossen Mangel an Seelsorgern
überhaupt — gar nicht zu reden von sittlich tadellosen und
wissenschaftlich gebildeten — als dringende Nothwendigkeit
erkannte, bereitet ihm viele Sorgen. Seit dem Jahre 1580
bemüht er sich unausgesetzt, seinen Bischof und den kaiser-
lichen Hof für diesen Plan zu gewinnen; mehrmals erschien
auch von dieser Seite die Verwirklichung ganz nahegerUckt,
477
doch immer wieder wurde sie hinausj^esL-hobcn, und erst im
Jahre 1595 kam ein bischöflich passaiiisches AUuunat ziistaude.
Uebcrhaupt werden ihm boi seinen auf die Hebung der katho-
lischen Kirche abzielenden Bestrebungen von Seite der Katho-
liken selbst fast ebenso viele Schwierigkeiten bereitet wie von
Seite der Protestanten- bald sind es die ,geistlosen Räthe', wie
er den Klosterrath bezeichnet, mit dem er beständig in Conflict
lebt, bald exemte Stifter und Orden, die sich über seine Ein-
griffe in ihre Jurisdiction beschweren. Erst im Jahre 1584
gewinnt er freie Hand, als er durch den päpstlichen Nuntius
in Prag Vollmacht zur Visitation der gesammten Welt- und
Ordensgeistiichkeit (mit alleiniger Ausnahme der Bischöfe) erhielt.
Inzwischen hatte er auch bereits nach den landesfürst-
lichen Städten und Märkten, welche durchgehends protestan-
tisch gesinnt waren, seine , katholischen Netze' ausgeworfen.
Im Juli 1582 war er an der Spitze einer landesfürstlichen Com-
mission in Stein erschienen, hatte dort einen katholischen Pfarrer
eingesetzt und trotz des Widerstandes der Bürgerschaft von
der Spitidskirche imd der Kirche auf dem Berge Besitz ge-
nommen. Damals dachte er auch schon an die Rückgewinnung
der benachbarten .Kotzergrube' Krems, die er nun im Früh-
jahre 1584 wirklich in Angriff nahm (vgl. Nr. VIIH. l>as Mittel,
das Klesl hier anscheinend zum crstenmale anwandte, war
äusserst wirksam. Bevor sich die Commission hinausbegab,
wurden einige der angesehensten Bürger von dort unter irgend-
einem Verwände nach Wien citiert und mittlerweile festgehalten;
kam es nun dort zu Gewaltthätigkeiten, konnte man der Menge
drohen, dass es ihre Mitbürger entgelten müssten. Freilich war
mit der Einsetzung eines katholischen Pfarrers in Krems und
Stein und der Vertreibung der dortigen Prädicanten die Macht
des Protestantismus in diesen Städten noch nicht gebrochen;
noch im Jahre 1588, als schon fast alle Städte dieses Landes
dem alten Glauben wiedergewonnen waren, und Klcsl über
seinen dorthin unternommenen Siegeszug berichten konnte,
musste er neben St. Polten, Ybbs und Baden auch diese beiden
Städte ausnehmen. Hier sollte durch ein anderes Mittel allmählich
Wandel geschaffen werden. Schon in dem zu Ende des Jahres
1577 von der Regierung festgesetzten, von Baiern stark beein-
flassten Restaurationsprogramm war die Kathoiisierung der magi-
stratischen Aemter gefordert worden. Da die Regierung die
478
Bestätigung der gewählten Bilrgermeistor, Richter und Stadt«
räthe verweigern konnte, so war es natürlich, dass man darauf
Rücksicht nahm und nur solche Bürger wählte, welche ihr voraoi»
sichtlich genehm waren. In Wien, wobereits Ende 1577 ein katho^
lischor Bürgermeister eingesetzt worden war, hatte man damit
schon gute Resultate erzielt, wie es das Verhalten der Wiener Abge-
ordneten auf den Landtagen 1579 und 1580 beweist, von denen
sich nur ein kleiner Theil denen der Landstädte angeschlossca
hatte. Ende Dcccmber 1583 (Nr. U) konnte Klesl Dietrich-
stein die Mittheilung machen, dass die Rathswahlen .gen Hof
— bisher entschied darüber die niederösterreichische Re^erung,
die aber, weil in ihr gröastentheils Protestanten sassen, sehr
nachsichtig war — gezogen werden, und mit ihm fleissig Corrft-
spondenz geführt werde, , damit diese befördert werden, so def
Regienmg am tauglichsten sein'. Für das erste musste maa
sich in Ermanglung von Katholiken — ,denn die sein noch:
wenig zu finden' — damit begnügen, dass es wenigstens .fried'
liebende Leute' wären (Nr. III). Freilich, solange die StSdtA
bei der Aufnahme zu Bürgern ireie Hand hatten, konnte sie^
wie Klesl einmal darüber Klage ftihrt, einem Katholiken ein-
fach verweigert, und die Katholisierung dadurch, besondere
wenn dazu die bereits im Besitze des Bürgerrechtes befind-
lichen Katholiken durch allerlei Umtriebe zur Auswanderung
genöthigt wurden, erfolgreich durchkreuzt werden
Ende 1585 erfolgte hier eine entscheidende Wendung:
mit Decret vom 22. December ergieng an sämmtlichc Stadt«
Niederösterreichs die AuflForderung, nur denjenigen das Bürger
recht zu verleihen, welche sich eidhch verpflichteten, sich dca
Anordnungen des Kaisers sowohl in Religions- als in weltlichen
Dingen fügen zu wollen. Die Magistrate wurden femer ange«
wiesen, ,quatemberlich' ihre neuen Bürger bekanntzugeben und
auch die gewühlten Mitglieder des äusseren Rathes namhaft
zu machen, woflurch man, wie Klesl fireudig berichtet, in der
Lage war, die Kathohkcn .lustig und sine strepitu' zu befördern
(Nr. XIX). Wenn in dem vorhin erwähnten Decret vom 22. Da«
cember der Bürgerschaft auch strenge untersagt wurde, de!
Gottesdienst ,ausser ihrer ordenthchen Pfarre' zu suchen, und
den Ungehorsamen zuerst ein Verweis, dann vierzehn Tag«
Gcftlngnis ,bei Wasser und Brot' und endlich ,ZastifhtDg und
Räumung des Landes innerhalb sechs Wochen' in Aussiciil
479
gestellt wurde, so war dies ein Schlag, der dem Protestantismus
an den Lebensnerv gieng, umsomehr, als Klcsl auch fUr die
Ausftlhrang dieses Befehles sorgte. Die Restauration der Magi-
strate macht jetzt reissende Fortschritte. Im Jänner 1587 konnte
Kiest Dietrichstein melden, dass es seines Wissens ausser Krems,
Stein und Ybbs keine Stadt gebe, die nicht ihren katholischen
Richter hätte, und einen Monat später (Februar 7), dass die Stadt-
schreiber, die bisher immer die Bürgerschaft verführt hätten,
nunmehr überall, Ybbs allein ausgenommen, katholisch wären.
In diesem Jahre beginnt er die Rückkatholisierung der Städte
in grossem Stile zu betreiben und ist fast überall vom Erfolge
begleitet.
Erscheint Klesl bei allen diesen einschneidenden Mass-
regeln gegen die Landstädte als geistiger Urheber und treiben-
des Element, so war er es nicht minder bei dem Vorgehen des
Hofes gegenüber der Hauptstadt Wien. Man darf ihm glauben,
wenn er auch sonst gerne prahlt, was er am 23. April 1584 an
Dietrichstein schreibt: ,1. D' müssen mit mir auch ein übriges
thun, da ich fast alle Wochen komm und klopf an.' Trotzdem
man hier in der Residenzstadt mit erhöhtem Nachdruck an die
Zurüekdrängung des Protestantismus gegangen war, und in den
Hauptkirchen eine Reihe von trefflichen Predigern wirkte,
leistete er doch ungemein zähen Widerstand. Wiederholt werden
die Schulen und Buchläden durch eigene Commissäre visitiert,
die Universität sowie die Bürgerschaft strenge angewiesen, weder
in noch ausserhalb der Stadt den evangelischen Gottesdienst
zu besuchen, die Fuhrleute verhalten, niemand zur Predigt
hinauszuführen, die Hebammen verpflichtet, kein Kind zu Prädi-
canten zur Taufe zu tragen, die Uebertreter mit hohen Geld-
strafen belegt, in Inzersdorf und Vösendorf, wo die beiden
Adeligen Geyer und Hofkirchen einen evangelischen Gottes-
dienst unterhielten, eigene Spione aufgestellt: doch der Auslauf
dorthin will nicht aufhören; immer wieder, wenn er schon
nachzulassen scheint, tritt er neuerdings, womöglich noch stärker,
auf. Durch ihn aber, sowie durch die in den Stadthäusern
der Adeligen aufgehaltenen Prediger erhielt der Protestantismus
stets neue Nakrung.
Solange man es mit der Bürgerschaft allein zu thun hatte,
machte man besonders nach dem Jahre 1585 kurzen Proceas;
wollte man aber dem Auslauf gründlich beikommen, muBste
480
man auch die evangelischeD Prediger zur Rechenschaft
Hier kam man nun den beiden Adelsständen, weiche sich
des vierten Standes nicht sehr warm annahmen, in das Qel
die man aber, wie Klesl bitter bemerkte, nicht ,offendii
durfte, weil sie sonst einen Aufstand erregt oder zum mini
auf den Landtagen Opposition gemacht hätten. Wenn
ihnen auch im Jahre 1578 den Landhausgottesdienst in
entzogen und alle ihre Bitten um Restituierung desselbea
harrlich abgeschlagen hatte, wobei man sich aber auf
Wortlaut der Religionsconcession, welche die Städte von
Religionsfreiheit ausschloss, berufen konnte, scheate man
doch, ihnen diese nun auch auf dem Lande einzuschrfti
und sie dadurch noch mehr in Harnisch zu bringen. 1
obzwar der Hof nach dem Jahre 1580 bei dem damaligen S
der Dinge die Gefahr einer gewaltsamen Erhebung der £i
ligen für beseitigt halten konnte und er infolge des auf J
hinaus gesicherten Waffenstillstandes mit den Ttlrken auf
Opferwilligkeit nicht so stark angewiesen zu sein schien,
man doch bei der vollatändigon Erschöpfung der kaiserti
Cassen fortwährend gezwungen, ilire Geldbewilligungen
Schutze der Grenzen u. dgl. in Anspruch zu nehmen.
Aus diesem Grunde wollte man also bei Hofe nicht
an ihrer Concession rütteln, obwohl sie bereits in vielen P'
überschritten war. Den Restaurationsbestrebungpen so
ein gewaltiges Hindernis entgegen und war daher allen
gesinnten Katholiken ein Dorn im Auge. Die Landleui
klagte Klesl — nöthigen auch jene Unterthanen, weicht
katholischen Pfarren gehörten, zum Besuche ihres evangel
Gottesdienstes, so dass der Pfarrer allein bleibe, verhel
dazu, ilun den Zehent zu verweigern, und diesen d&ftir
Prädicanten zu geben. Will der Priester klagen, ist er
Lebens nicht sicher und zieht es vor, sie ganz im Stic
lassen. Die auf ihrem Grunde Hegenden Fiiialkirchen
Beneficien ziehen sie ein, bauen neben den Pfarrkirchen ,1
gegen' und errichten neue Friedhöfe. Das alles musB
die jSchändliche' Concession decken. Strengt man einen Pi
an, muas man nicht zwei oder drei, sondern viele Ja!
eine Entscheidung warten; ,interim sterben wir, die
werden verlegt und männiglich unlustig'. ,Lcgt man
Theil was auf, so zeigt derselb auf zehn andere, die «'<
481
thun, und ist nit möglich, dass der schöne Waizen unter diesem
so gössen Unkraut soll aufgehen.' Die Katholiken selbst trugen
leider dazu bei, wenn z. B. der Kaiser au Protestanten Güter
verpiUnde, ohne sich die Pfarrlehen vorzubehalten.
Da die Entscheidung in derlei Rechtsstreitigkeiten die
niederösterreichische Regierung und oft wohl auch die Kammer,
welche noch mehr als jene in protestantischen Händen lag,
innehalten, erschien der Erfolg freilich sehr fraglich. Klesl
Hess sich aber auch hier nicht abschrecken, die Rechte seines
Bisthums zu verfechten, und machte den Landleuten, wie ihre
Beschwerdesehriften und die Processacten aus dieser Zeit
zeigen, gehürig zu schaffen. Um weiters ihre Prädicanten zu
zwingen, sich fremder Seelsorge zu enthalten, hatte er. wie er
Dietrichstein am 2. Jänner 1587 meldet, ein vorzügliches Mittel
in Bereitschaft: Man citiere sie za Hofe und verlange von ihnen
die Ausstellung eines darauf bezüglichen Reverses. Stellen sie
ihn aus, g;ut; verweigern sie ihn, dann steht ihnen das Land
offen. In der That wurden in diesem und den folgenden Jahren,
nachdem Klesl schon frtlher aus eigener Macht Vorladungen
ergehen Hess, gegen welche ,Anmassung' sich auch die Stände
energisch verwahrten, mehrere Prediger, namentlich die von
Inzersdorf und Vöscndorf, zu welchen die Wiener ausliefen,
vor die Hofkanzlei beschioden und ihnen ein Revers vorgelegt,
worin sie sich verpflichten mussten, alle nicht zu ihrer Pfarre
gehörigen Personen abzuweisen. Als sie sich dann weigerten,
diesen auszustellen, wurde ihnen befohlen, binnen sechs Wochen
und drei Tagen die Erbländer zu verlassen. Wie empfindlich
dieser Schlag die zwei Stände traf, beweist die Thatsnche, dass
sie in dem kurzen Zeiträume von 1588 — 1590 nicht weniger
als fünf Gesandtschaften an den kaiserlichen Hof nach Prag
abfertigten, um die Abstellung dieser harten Massregel zu er-
wirken. Um diese Zeit trügt sich Klesl, wie ein aus dieser
Zeit von ihm herrllhrendes (iutachten bezeugt, bereits mit dem
Gedanken, einen Schritt weiter ku gehen und ein kräftiges
Mittel zu finden, um die verderbliche Concession selbst aufzu-
heben. So feston Boden fühlt er nach zehnjähriger Reform-
arbeit unter sich, dass er auch dieses wagen konnte.
Unausgesetzt sucht er die ,rostigen Eisen* hervor, lun sie
bei Hof wiederum .polieren* zu lassen, und sorgt nicht nur fiir
die Sti-afedicte, sundern auch für deren stricte Handhabung; denn
482
.statuiere man kein Exempel, so sein die Verweisangen »
mein, dass man gleich darttber lacht and fUr eine Hofgewot
heit hält'. ,Ich sehe,' ruft er im Jahre 1587 befriedi^'t
,da88 im ganzen Lande Furcht ist; lasset man nur einmal
80 haben wir's verloren.' Nicht auf einmal, mit roher Gew
sondern nach und nach, mit sanftem, aber ununterbrochen
haltendem Nachdrucke, ,fortiter und suaviter', wie sein Wi
Spruch lautete, hatte er alles das erreicht, ,daran', wie Ei
bewundernd anerkennt, ,jedermann verzweifelt gehabt'.
Mit seinem glühenden Eifer fUr die WiederherstcUaif
alten Glanzes seiner Kirche verband Klesl auch einen
gen persönlichen Ehrgeiz — der ihr freilich mittelbar m
zugute kam — , und so nimmt er Dietrichsteins Einäusa l
nur zu ihren, sondern auch zu seinen Gunsten oft m Ampn
An Gunstbezeigungen des Hofes hatte es ihm bis zu dem 2
punkte, da er diese Correspondenz begann, wahrhaftig
gefehlt. Er führt sich, kann man sagen, mit kaiserlichen
pfehlungen in die Geschichte ein und erhalt in jungen Jah
das ehrenvolle Doppelamt eines Dompropstes und Univi
kanzlers. Während des Aufenthaltes des Kaisers in Wieo '
sieht er provisorisch das Hufpredigerarat; doch als man dun
dessen Abreise (Herbst 1583) die wirkhche HofprSdicatar
trug, in welcher Eigenschaft er aber nach Prag hätte mitre
müssen, schlug er sie aus, trotzdem damit die Würde c
Bischofs von Wiener-Neustadt verbunden gewesen wilre.
seinen an die Geheimen Räthe Trautson und Rumpf gericht
Schreibon t\ihrt er eine Reihe von Gründen ins Treffen
fehle ihm an Geschicklichkeit und körperlicher Eignung,
dem sei er mit anderen und nicht geringeren Aemtem bet»
worden, die er jetzt nicht ohne weiteres im Stiche lassi
und in welchen er der katholischen Kirche grösseren'
schaffen könne. Wenn man (wie z. B. P. M^Stan') diese
schuldipung als schönen Beweis ansieht, .wie sehr Klesl
gelegen war, dass er durch die Hofprädicatur nicht seinem
gonnenen Werke der Reformation vor der Zeit entzogen w«
so mag das dahingestellt sein. Gewiss mögen ja diese
sichten bei seinem Entschlüsse mitgespielt haben, aber
' Eegesten «ur Gescbichte den Ckrdinals M. Klosl; Kop»lUk, K«g«tW1
Oeuchichte der ErzdiOcese Wien U, 1894, ä. 236.
483
er durchaus im Lande bleiben wollte und auch im Jahre 1ÖB4
in einem Schreiben an Dietrichstein Wien als den wichtigsten
Platz flir sein Wirken bt^zeiclinet, warum hatte er sich dann,
wie wir dies aus Flders Correspondenz ganz genau wissen,' ein
Jahr spilter, im Jahre 1585, nach dem Tode des Bischofs Martin
Gerstmann von Breslau ganz ernstlich um diese einflussreiche
Stelle, womit auch die Landeshauptmannschaft von Schlesien
verbunden war, beworben V
Allerdings könnte man hier einwenden, dass ihm nach
dem unliebsamen Zwischenfalle vom Jahre 1584, auf den wir
gleich zu sprechen kommen werden, der Boden unter den
Füssen brannte und er die nächste Gelegenheit ergriff, um
seiner unangenehmen Position ein Ende zu bereiten. Aber auch
zwei Jahre darauf, 1587, wo die Verhültnissc für ihn durchaus
nicht günstiger lagen, lehnte er eine neuerliche Berufung als
Hofprediger nach Prag ab, und zwar wieder mit der Begrlin-
diing, er könne in diesem Lande nicht ,so viele 1000 Seelen
negligieren', weil er in dieser unverändert schwierigen Lage
keinen nur halbwegs tauglichen Nachfolger zur Hand habe.
Wenn er also diese Stelle mehrmals ausschlug, hatte er wohl
andere Gründe, die nicht weit zu suchen und sehr begreiflich
sind. Abgesehen davon, dass er in einem zum grossen Theil
fremdsprachigen Lande als Prediger einen weit geringeren
Wirkungskreis gefunden hiltte als unter seinen Landsleuten,
hatte die Stelle finanziell wenig Verlockendes an sich. Die Ein-
künfte des völlig verschuldeten Bisthums Wiener-Neustadt waren
sehr gering, die Besoldung als Hofprediger hiltte wohl kaum
annähernd so viel ausgemacht wie sein Gehalt als Dompropst,
der nach Klesls Angabe allerdings nur 292 fl. betrug, und als
Ofticial des Bischofs von Passau, von dem er — nach Eders
Angabe' — im Jahre 1585 800 Thaler bekam; und selbst wenn
sie gut dotiert gewesen wäre, würde es noch sehr fraglich ge-
wesen sein, ob er bei dem damaligen traurigen Stande der kaiser-
lichen Finanzen — Eder wusste davon zu erzählen — auch
wirklich alles ausgezahlt bekommen hätte. Wenn er auch, wie
er Dietrichstein gegenüber mit Beziehung auf die Wiener Stel-
* E!der an Herzog Wilhelm vuii Baieni, 1586 Juni 1, Juli 19 (MUncbon.
ReichsarehiT, Oeaterr. Religiousacteii Xu, fot. 217, 319).
' Eder an Herzog Wilhelm 1686 Juli 19 (ebendaselbüt fol. 219).
«>4
nni£ "hrgfiLt. .weder nach Ansehen noch Einkommen' sah, s
■mtJiit <r ädi doch ,priesterlich unterhalten und der Eirdi
nnier £«b<?d' können, daher er wenig Lust verspürt haben ma(
MÖb** am finanziell nicht genügenden Posten in Wien m
-tÖHni Boch schlechteren in Prag zu vertauschen. Ei modi
ätk Sfonrdies mit der Aussicht trösten, dass er, einmal in de
t««Bät des Kaisers, mit Hilfe seiner einflussreichen Gönner tat
ät Wien eine seinen ■ Ehi^eiz befriedigende Anerkennung a
hos^n würde.
Gleich in seinem zweiten Briefe vom 13. December 158
wendet er sich deshalb an Dietrichstein mit der Bitte, er mSg
seiner gedenken und mit Trautson dahin wirken, dasa de
Kaiser ihn als Dompropst ,bei Gelegenheit mit Ghiaden' Im
denken wolle. E^ geschehe nur zu dem Zwecke, versichei
er, um dem bösen Gerede einiger Leute ein Ende zu mach«
als sei er bei Hofe in Ungnade gefallen und ihm deshalb di
Hofkanzel, die er eine Zeitlang versehen hatte, ^eder entzöge
worden. Im nächsten Jahre (Nr. VHI) schlägt er Dietricbst«
die Verleihung des Rathstitels vor und bewirbt sich auch m
die Propstei Ardagger (Nr. IX). Da trat im selben Jahre, wü
rend er gerade auf einer Commission in Passau weilte, einfi
eignis dazwischen, das ihn empfindlich traf und bald alle sei»
Pläne vereitelt hätte. Wir folgen hier bei der Erzählung des
selben dem Berichte eines unparteiischen Zeugen, des Dr. Eder.
Der Pfarrer von St. Michael, Johann Harborty, der nebei
Kies! und den Jesuiten den grössten Zulauf hatte, sich »ucl
der Gunst des Erzherzogs Matthias erfreute, war filr das durel
Gruters Tod erledigte Bisthum Wiener-Neustadt vorgeschlagei
worden. Als auf kaiserliche Anordnung über ihn Erkund;
gungen eingezogen wurden, kamen mehr als dreissig Artike
zutage, die ihm , Unzucht, Ehebruch und Sodomiterei' zur Las
legten, darunter auch zwei, welche Kies! stark compromittiertei
Diis Ganze beruhte auf der Aussage eines Knaben, der si
ilbrigeus später widerrief Nun hätte man guten Grund gehab
diesen Fall nicht an die grosse Glocke zu hängen, aber de
Wionor Bischof, mit der Untersuchung betraut, fuhr mit alk
SohUrfc drein, Hess Harborty verliaften und unterzog ihn einei
> Kilor an Herzog Wilhelm 1584 Sept. 7 (Mttnchen, Reichsarcbiv, Ost«
Kolicionsacteii XII, fol. 178).
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scharfen Verhör, bis er auch ,adnlterium und fornicationem'
eingestand. Klesl aber, der auf die Kunde von der gegen ihn
ausgegossenen Verdächtigung sofort nach Wien geeilt war, wurde
vom Bischof, trotzdem ihm keine Jurisdiction über jenen zu-
stand, vom Predigen suspendiert. Es gab einen Riesenscandal,
die Protestanten bemilchtigten sich dieses Vorfalles in ihrer
Predigt, und die Folge davon soll gewesen sein, dass gegen
3000 Personen mehr ausliefen als früher. Eder gibt dem Herzog
auch eine Erklärung dafür, warum der Bischof mit solcher
rücksichtslosen Strenge gegen den Pfarrer, der allerdings schul-
dig war, und gegen Klesl, den er für unschuldig hält, verfuhr.
Eb sei hier, meint er, unzweifelhaft Eifersucht im Spiele, be-
sonders gegen Klesl, zu dessen Predigt in der Ötephanskirche
ein weit grösserer Andrang herrachte. Dieser bestand nun auf
eine strenge Untersuchung und erhielt hierauf vom Erzherzog
Ernst, der die Sache nicht noch mehr an die ( lefFentlichkcit
bringen wollte, die schmeichelhafte Versicherung, dass man gar
keinen Ghiind dazu fände. Mit diesem Beeret wussten Klesis
Biographen nichts Rechtes anzufangen. Nach Hammer-Purgstall,'
der es zuerst publiciert hat, war ihm ,die zu harte Behandlung'
des eingesperrten PfaiTers zur Last gelegt und er nun durch
Erzherzog Ernst gerechtfertigt worden j bei M^Stan* heisst es
kurz, ,in seiner Streitsache mit dem Pfarrer zu St. Michael'
habe er ein Zeugnis seiner Unschuld erhalten.
Doch ungeachtet der ihm durch den Erzherzog zutheil
gewordenen Genugthuung hatte sein Ansehen einen gewaltigen
Stoss erhtten. ,Aber der Has liegt halt im Pfeffer,' sehreibt
Eder Herzog Wilhelm, ,und ist schwarz worden, einer glaubts,
der andere nit, und hält man soviel nit mehr von ihm als zu-
vor." Um seine gesunkene Autorität wieder zu heben, betreibt
jetzt Klesl mit Eifer die Verleihung des Rathstitels, den er auch
am 16. Februar 1585 erhielt. Sein Verhältnis zum Bischof
wird trotz der Vermittlungsversuche des Erzlierzogs und vor-
übergehender Vergleiche stets gespannter, und Klesl leidet
schwer unter dem Drucke dieses Zerwürfnisses. Wieder wendet
er sich an Dietrichstein und beschwört ihn, diesem ftlr die
> Khle<i)'!< Leben I, 1847, 8. 49.
< Kopallik, a. a. O. S. 237.
* 1686 Jänner 23 (München, Reichsarcbiv, Oesterr. Beligiousaclen XII,
fol. 202).
4@6
Dauer unleidlichen Verhältnisse ein Ende zu machen. D
Kaiser möge ihm wieder ein Zeichen seioer Gunst Euwend
und dem Bischof zu erkennen geben, dass er sein Vorg«iii
gegen ihn nicht billigej dann werde er gleich gemässigter u
treten. Nach vielen Verzüge rangen, die er den Intriguen sm
RivaJen zumisst, erhielt er endlich das Decret vom 25. Api
1588, worin er zum Ho^rediger ernannt wnrde, jedoch in i
Weise, dass er in Oesterreich und in seiner bisherigen Stelki
verbleiben solle. Dem Bischof wurde zugleich aafgetrsgen. tt
in seinem Predigtamte nicht zu behindern. KJesl hatte jet
Ruhe; mit Genugthuung berichtet er DietricliBtein seine dani
erfolgte Aussühnung mit dem Bischofj die seine frühere Bi
hauptung rechtfertige: ,dass, so bald I. M' öffentlich etwas m
den demonstrieren, so sei es alles richtig'. Im selben Jahn a
hielt er auch die Administration des Bisthums von WieM
Neustadt, allerdings — wie es scheint — gegen seinen Willa
denn es befand sich in einem vollständig verwahrlosten 2i
Stande, der ihm viel Mühe und Geld kostete. So hatte Ski
mit geschickter Ausnutzung seiner Freunde am kaiserlichem Hof
jene Stelle erlangt, die ihm schon vor fUnf Jahren an^e^oU
worden war, ohne aber das Feld seiner ihn ganz ausfäUeo^i^
Missionsthätigkeit in der eigenen Heimat verlassen zu habes.0
konnte nun, unterstützt von dem Ansehen und der Würde aiiif;
Bischofs und Hofpredigers, mit doppelter Kraft an die VoUtn
duDg seines begonnenen Restaurationswerkes schreiten.
Bei der Herausgabe dieser Briefe, welche durchwegs eiga
händig von Klesl geschrieben sind, behielt ich mit Biieksichi
auf dessen bedeutende FersünUchkeit die Schreibweise aoTf
ändert bei. ■<
I.
Wien, 1883 November 8.
Wolgeborner gnediger herr. E. G. sein mein getioream scliiildig
und willig dienst zuvor. Gnedigor herr, mier will niclit zwuifleu, E. G.
werden nun alberait zu Prag gjüclihljcb and woll mitt sambt den irigon
sein ankbumen. Der allmecbtige Gott wolle dieselb laug »einer heiltigen
kbirchen zum besten erhalten, amen.
Auf E. G. beghern und meiner Obligation nach, hab ich nicht sollen
nndterlassen, mitt disem meinem ainfeltigen schreiben E. G. gehorsam
ZQ besuchen, weill ich wais, das E. G. irer gegen mier guedigun nuigung
nach meine schreyben woll werden leiden mögen. So haben wier alhie
nichtes den den sterben,' well icher stych in und ausser der statt aus unn-
ordnung der stattobrigkhait mehr und mehr einreist, innsonnderhait im
landt hin und wider, da die pfarrer so woll alls scbetleiu sterben, und ist
ein solliches schreiben und seufzen nach den pfarherrn, das mier mein
herz wee thueth. Ich kban yho ainmal mitt leuthen nicht aufkhumen,
müessen die armen leuth ou peucht und communion sterben. Noch bleibt
das semioarium alls ein Sachen, daran dem ganzen relig^on wesen gelegen,
verhündtert, das ich khainen weg nicht mehr wais, wie dasselb möcht
angerichtet werden. Hab sorg aus lang man die praelateu werde fragen
wie doctor Uillinger * rath, so laug wierdt dises heillige werckh aufge-
balten werden. Meinen tbaiU hab ich be; der sachen gethau,' ich lass es
' Im Vorjahre (October 16) wiiaste der Bischof Johann Kupar von Wien
bereits von der in Bshmen und SacfaseD Biiftretenden Pest zu berichten,
die ihre Vorboten nach Oesterreich zu senden scheine (Kopallik, b. a. O.
n, 8. 168). In diesem Jahre, ans dem auch das erste amtliche Pest-
^tacbten herrührt, war sie auch wirklich in Oesterreich ausgebrochen.
* Dr. Christof Uillinger, Protonotar des apost. Stuhles, gewesener Official
des Bischofs von Passau in NiederOsterreich, Klosterrath. Wiedemann,
Geschichte der Reformation und Gegenreformation im Lande unter der
Enus U, 1880, S. 197; Kupallik, a. a. O. U, 1894, S. 160.
* Klesl hatte sieb schon im Jahre lö8U um die Errichtung eines Seminare
in Wien bemüht; vgl. BibI, Briefe M. Klesl's an Herzog Wilhelm V. von
Baiem etc.
488
nun mehr anndere, so damn schnldig, verantworten. Die grAvin n
Schmidan' hatt ein neuhe khirchen anfgepaut, darinnen sy predigl
lasset, die ist anf mein starkh anhalten hergefnrdert ghen Wien, wien
so lang von I. D' verarrestiert, bis sy die khirchen widerum abgebrochi
nnd 2000 Dncaten verwirgten pehnfall erlegt hatt.
Herr Palphi* hatt bey dem nuncio apostolico* den 17. nnd 18. oeti
bris angehalten, er boI! mier auferlegen, das ich sein herrschafll Pihefl
pnrg* reformieren mOcht, welliches herr nnncius mier den 18. so thi
bevehle(n). Bin aüso den 19. vortgeraist nnd den 20. zn Piberspai
ankhnmen, die lutherischen predigkhandten. deren 3 gewesen, f&r mi(
erfordert, aus Gottes wortt mitt beistandt Gott des b. Geistes iren irtho
zu erkhennen geben, aus wellichen die 8 ghar hemm getretten, der tri
aber ein bedacht genumen hatt. Den 22. hab ich die prophanierten kbii
eben reconciiiert, die nnderthanen alle auf den 23. durch veronlnn:
herm Palphi zur predig bemffen lassen, in wellicher ich einen aasn
nnnserer ganzen h religion gmacht nnd gschlossen. das solliches
ire aigne predigkhandten, welliche zugegen gwesen, bestehen mfless«
nnd bstandten haben, auch khunfitig vor innen bestehen werden. H
nach sein predigkhandten und nnderthanen ins schloss noch vor dem ess
berneffen worden, da hatt Innen herr Palphi vorgehalten sein mainu
und sich auf mein predig referiert. Allso sey sein will, das maus gla^
nnd hallten soll, wie dan ire aigne predigkhandten solliches seihtit
stehen mfiessen nicht ans forcht, sonnder der warhait zum besten. Ott
auf ich sy alle trei von artickhi zu artickhl sonnderlich das sy das
ment nicht khOnnen geben, examiniert. Da haben sy alles ordi
bstandten. Anf djs hab ich die gmain und alle underthanen deren etU
hundert so vill mier mflglich 7.um cathoiischen glauben vermahnet. Dani
sy alle zugleich herrn Palphi und seiner gmahel angelobt, bey diser kbi:
chen zu bleiwen nnd sterben, wie sy dan mitt empfahnng des hocbwier
' Anus Maria, Witwe den Onfen Heinrioli von Hardegg, Be8itx«ria
Uerrscbaft Schmida (Bex. Korueubnrg). Sie hatte trotx de« kaiaerliehai
Befehles vom 4. März 16tt2 bei ilirem Schlosie in Wolfpaaüa^ ia
Nähe der Pfarrkirche ein protestamtiaches Bethaua errichten lasMn; t^
Topop-aphie von NiederOsterreich IV, S. 143.
* Es int ohne Zweifel Niklas (II.) Freib. v. Palflfy (f 1600), einer der
rUbmteeteD Helden seiner Zeit, Obergespan des Pressburger
und Coiumandaut der Festung Komom; er erhielt von den
Ständen die Herrschaft Bibersburg equi Geschenk. Wisagrill, F
in der heraldisch-genoalogisohen Zeitschrift ,Adler' lU, 1873, &.
* Johann Franz Bonomi, Bischof von Vercelli.
' Im Pre88bai;ger Comitste.
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digen sacraments von den cathoiischen prlestern soUiches auf khnnfftige
weinachten wollen beweiBcu. Dessen sich herr Palpbi und wier alle er-
freihet, Gott föer sein wolthatt danckh gesagt und die i>farlierrn so ca-
tboHsch innen füergesteldt und eingesetzt. Wior haben denpredigkhandten
kbaam tnügeu gnueg schütz halten, so sein dio unilertban^n über sy er-
bittert gwesen. Was aber herr Palphi füer ein Ordnung in religione hatt
publiuiern lassen, haben E. G. bienebens zu empfahen.
Das schreyb E. G. ich, das sy sich auch mitt uns allen woltten er-
freihen, Gott danckh sagen und bey irem herrn söhn dahin arbaiten, da-
mit doch Sanct Georgen,' wo ich meine frenndt hab, auch einmall mijcht
reformiert werden. Ist doch Pösing lutherisch nrfti niemant sagt Jarwider,
warum woltte nicht herr Maximilian auch das eeinige thuu, seinem Gott
zu ebrn und gehorsam die wahr und rechte religion pflanzeu und predigen
lassen. Hab mich woU bey S. Georgen angemeldt, I. G. aber sein nicht
daselb; wer sonnst nicht hinweckh gezogen, man bette mich meiner bitt
müessen gewehren. Will noch glauben, E. G. werden nicht feiren, damit
das arm vClkhlein aus disem irthum khumen möchte.
Die religion alhie last sich Gott lob woil an, Sanct Stephan khir-
chen wierdt zimblich voll und khumen die leuth wegen des Sterbens fein
zur bekherung. Will an mier nichts erwindon lasseu, leib und leben bey
meinen landtslenthen zaesezen, doch danebens mich haltten, damit ich
mich nicht selbst one ursach in gfarr seze. I. D' ruhen ietzunt mitt
dem auslauff ghen Inzerstorff* wegen des lesens und damitt es nicht so
gschwündt auf I. M' verruckhen geschehe, hoff aber baldt, es soll ein
anders ansehen ttlliie zuwegen bringen. Es ist schon ein grössere forcht
verhandten und ist meniglich ruhig und still, erwarttent des ausgangs.
Im landt khan ich der zeit nichts thnn propter infectionem, allso
hab E. G. ich daher nichts zu schreyben. Leb ich aber und bin gsundt,
du ein wenig die pestis aufhöret, so will ich gnueg materi machen, E. G,
zu schreyben.
Mit dem alten besessnen böhmischen weib ist herr bischofT
starckh public« in der arbait, hatt aber noch nichts merckhlichs aus-
' Dieaer Ort und das folgende PSsing, beide im PreMburger Comitate
gelegen, waren Maximilian von Dietrichstein durch .«eine Heirat mit
Helene Krossitsoh de LufjoglsTia sagefallen. Wiasgrill, a. a. O. II,
8. 243 f.
* Incersdorf am Wienerberg, dem Adam Geyer von Osterbarg gehörig. Ea
war nach der im Jahre l&7ä erfolgten Aufhebung des Landhausgottes-
dienstes in Wien der ZuSuchtsort der proteatantischen StadtberOlkemDg
geworden; vgl. Topographie von NiederOsterreich IV, 8. 466.
AiehiT. LUXVin. Bd. II. BUfto. 32
(gerichtet.* Est res nova, die ich nicht reratehe, will aber nicht u;
lassen, was nambhafftiges geschehen wierdt, dessen E. G. in
berichten.
In dem Qberig:eu allem thue R. 6. ich mich gehorsamblicb berdüM,
bitt dieselb die wollen mein gnediger herr sein und bleiwen, wie ich midi
dan auf E. G. nach Gott vill und maistes verlassen, sy werden alleat-
balben was etwan bey I. M' ond derselben gehaimen rätb wegen vamm
gwissens resolution halben, so ich der hoffcsuiil* wegen thun hab soUmi,
wider mich sich erzaigen wollt, abwehren, weill ich mich noch hentt n
tag annderst nicht hett« resolvieru khQnnen, und sag meinem Gtilt
danckh, der mir halt heraus geholffen. Unser lieber berr und Gutt nr-
leihe E. 0. und den irigen zeitliche and ewige wolfart. Amen. DatOB
Wien, den 6. novembris a. 83.
E. G. gehorsamer caplan
Melchior KhlesI m. p
prnepoaiUu ViennensU^
II.
Wien, 1683 December
Wolgeborner gnediger herr. E. G. sein mein gehorsam scholdi;
und willige <üenst zuvor. Gnediger herr, E. G. den 6. tag Tim Pra^ dtm
alten calender nach datiert ausgingen gbar ausfOerlich an mich schrtj»
bell hah ich den 23. unserem reformierten calender nach empfan^n,
bedanckh mich der gnedigeu correspondents gehorsamblich, bitt auch die-
selb ohenermassen, E. G. woltten in disen iren schweren und villfaltigm
occupationibns wider ir gelegenhait nicht thnn, wan ich naer wais, du
E. 0. meine schreyben haben empfangen.
Und hatt sich gnediger herr der zeitt bey ans neahes nichts n»-
tragen, allain werden die rathswahlu' ghen Hoff genumen ond mitt mier
woll guette correspondents gehalten, damitt dise beföerdert werden, M
der religion zum tauglichisten sein.
Der predigkhandten sein in der statt rill, brauchen ir exerdtiaD
wissentlich und unwissentlich, aber es bleibt wie mans hatt rerli
woll auch der aasiauff ghen InzerstorfT. ^ So ^ben mior alle
' Sie war nim Biichof von einein Herrn ▼. itosenberg aus Bnliin«
iichickt worden. Eder an Heriog Wilhelm von Baiem, Wien tSH.S,
ber 80 (München, BeichMrohiv, Oerterr. Reli^ooiacteo XII, fol
* ä, oben ». 48g.
* In den lnni)e!<ninitlichen 8UUIt«n nnd MRrkten.
* Vgl. S. 489. Anm. 2.
491
Sachen, ao ich bey I. M' schon 7.u ansohentlicher resolotion gebracht,
wideruin Kuruckh, und mues ietzunt disputiern, wellicbes ich zuvor nicht
bin gwehnt gwesen. Wier werden schwerlich halben thaill vermügen
ietzunt, alls wier zu zeitten des redlichen eifferigen und catholischon man
herrn Gutten' gethan haben, so wier doch Gott lob ietzunt zwainzig mall
mehr nrsach alls zuvor, ja die sachen alle in uonseren handten haben.
Das schreyb E. 6. ich in vertrauen; kundte ich in specie sicher schrey-
ben, woltte ich gwislich E. G. die sacheii bösser endteckhen. Was das
seminarium betreiTent,^ ist dasselb mehr zuruckh geschlagen worden, alls
ich mein lebelang gehofft. Ich will ghar gheru weichen und nicht impor-
tuniern, aber khaiu tag ist aus dem himel, da nicht etliche sehlen iämmer-
Hch sterben und ewig verderben, die alle leichtlich erhalten wurden. In-
terim nemen innen die i>raelat«n tag und nacht guette mQedl, desgleichen
auch thun die un reformierten priester, so sich in allurlai leichtferdtig-
kbait tag und nacht legen, ir guett und geltt allso in sündt und laster
snebringen, allso wan Gott nicht ursach bette zu zürnen, so geben im
doch darzue wier geistliche selbst ghnuegsame Ursachen. Noch will mau
dergleichen gottlose priester erst fi-agen, ob man zu irer reformation ein
seminarium soll aufrichten oder nicht, ob sy darzue woltten contribuiern
und dergleichen. Aus wellichem E. G. selbst hochveruünfftig schliessen
khOnnen, ob das nicht sey ein rath, das seminarium ganz und ghar zu
verhfindtern ; dau wio sy bisher nahet ein halb jar schon berichten sollen,
allso Werdens sy es noch zeheu und mehr jar aufzQhen, iaterim vill
hundtert tausent sehlen zu grundt und poden ghen. Und do sy schon
berichten, werden sy denselben allso stellen, das aus dem seminario wenig
wierdt werden. Zu disem endt last sich brauchen herr Gerger' mitt seiner
camer wider mich ausfOerlich, die clöster weren sonst bschwert, man soll
dem Passauerischen official neuhos nichts einräumen etc. und füret fast
alle die argumenta, welliche ain rath mitt namen Cristopherus Hillinger
doctor^ in seinem guettbedunckhen, wellicbes ghen hoff contra semina-
* Helfreich Quet. Er war im Jahre 1584 Oeheimer Ruth geworden (Ecler
an Herzog Wilhelm, 1584 December 31; Manchen, Reichgarcbir, Oesterr.
Keligionsacten XII, fol, 189) und »tarb im nächsten Jahre, von der ka-
tholischen Partei stark betrauert (Eder an denselben, 1686 Juli 19;
ebenda, fol. 319).
* Vgl. 8. 489, Anm. 2.
* Uelmhard Freih. v. JOrger xn Tollet, ErbiHndhofracister in Oesterreich
ob der Enns, PrIUident der niederOstcrreichischen Hofkammer. Stanter,
Beiträge zur Qeauhiclite der uiederOaterreichischen Stattbalterei, 1897,
8. 426.
* Vgl. 8. 487, Anm. *.
82*
492
rium fibergeben hatt. Allao helffen lutherische und znichtig« catholisehe
einandei' und was ich ein ganze wocheu paa. werffen sy in ainer staodt
nider; dan mein uuthoiitet ist gegen innen schlecht, meine gnettbe-
dnnckhen gering, die Sachen an ir selbst bey innen schwer and anmfi^
lieh. Khan allso alhie mitt meinem seminario nichts rerrichten, ist hb
und verloren, Gott im himel wolle es erbai-men. Hab I. D' woU auf
einen guetten weg gebracht, auch nicht änderst verhofft, die Sachen soll
einen guotten ausgang gewingen. aber wie es in rath khumen, so ist«
haltt bey dem guettbedunckhen der praelaten, welliches sy auf m«in b*-
gheru in hac re thun sollen, verbiiweu. Und ist, gnediger herr, ietznot
nner ein uiniger modus iuvandi hoc seminarium verbanden, das I. M'
von hoff ans etliche ansehentliche commissarios verordneton, com pleoi-
tudin« potestjitis, das dieselben die prelaten erfordoi-ten, zugleich amk
die pfarrer I. M' leben mitt in alsbaldt tractierten, ire argumenta wider-
legten und alles das h&ndlcten, was zu fortpflanzung dises h. werckia
nnzlich und füerderliuh wer. Darzne gehören verstendtige, ruhige uoil
gwissenhäfftige lenth, sn nicht privatum commodum, sonnder atilibttem
ecciesiae suchen, alls da ainer ist: reverendissimus noster Viennensis,'
herr Fugger,* herr von Ötth canzler,' herr doctor Eder,* herr Htgen-
mfillcr.^ Die khundteu de loco, praeceptoribns, sustentationo handien aui
I. M' mitt guettbedunckhen ansfüerlich berichten. Und eben das isis,
was ich herm Trautsamb* I. M' gehaimen rath in diser Sachen ietnut
hab znegeschriben. Verhoff wan E. G. Gott des herrn sollicitator werdta
sein, daran mier nicht zweiflet, wier wollen noch per indirectunt
' Der Bischof Johann Kaap&r NeabOck.
' Victor Anglist, Freih. »u Kirchberg nnd Weisaenhom. Pfarrer in KireJ»-
berg am Wagram, xuletzt Präxident den Kloüterrathea. Itergmano, Me-
daillen auf berühmte nnd ansgeteichnete Mftiiner des OstarreicIiicriicB
Kailerstaate«, 1868, II, S. 87-, Wiodemann, a. a. O. II, 8. &U; Q«K:hiekl-
liclio Beitrüge lu den Conaistorialcurroiiden der DiOceae 8t. PDitea L
1678, 8. 106 f.
* Dr. Higmnnd v. Oedt, Professor der Rechte an der Wiener Uoirenililk
Kanzler der niederOsterreichischen Regierung. Starser, a. a. O,, 8. ML
* Dr (ieorg Eder, Reicbahofrath, Professor der Rechte au der Wiener Ott-
versititt. AAchbach, Geschichte der Wiener Universiült III, 1 888, S. IMt;
Stieve, Briefe des Reichshofratbes Dr. G. Eder in Hittheilungen des In-
stituts fOr Österreichische Oaschichtsforschung VI, 1886, S. 441 f.
* Dr. Johann HognomOUer, Hofrath. WiH<griU, a. a. O. IV, S. 836.
* Es ist oflfenbar Johann (U.) Freih. v. Trautson (f 1Ö89), Vater des Paul
Sixt; Tgl. Kroues in der Allgemeinen deutschen Biographie XXSi^lll.
1894, S. 519; Tnrba, Venet. Dep. Ol, 1896. 8. Si.
493
seminarium hait(«n and dadurch das reich Gottes täglich mehren, zu
wtillichem sein göttliche allmächt w5ll gnadt und sogen geben.
Mein person, gnediger herr, belangend!, bin ich ein zeitt woU üb!
auf gwesen, und will mier das ofßciabt yhe lenger yhe weniger daugen,
wegen der grossen mhQe nnd arbait, die ich schon in das 4. jar gehabt,
and sovill dabey nicht nnsgericht, alls ich verhoffi hette, wiewoll icli in
meinem ambt allain von den geistlichen räthen bin verhiudtert worden,
allso das ich ghar nicht gedacht bin dem von Passau in die leng zu
dienen, sonnder irae ein anndere person, umb welliche ich täglich trachte,
abzurichten, wellicher das wesen mOchte continuiern. Bin sonnsten füer
mein person noch der xeitt ghar nicht entschlossen auf aller ansuchung
mich TOD Wien annderstwohin zu begeben. Allain wollen E. G. auch zu
gmflett füren, das ich alls ein thumbprobst aiamall alhie nicht mehr cin-
khnmens hab alls 292 f, so doch die schlecbtisteu pfarrer auf dem landt
mehrers haben, so khan ich mich in warhait mitt allen meinen leuthon
uiitt 1 200 f nicht aushalten, das ich aber alles von dem von Pussau hab.
dämmen ich dise Jurisdiction administrier. Nun frag ich weder nach an-
sehen, noch einkhumen, allain das ich mich priesterlicb nndterhalten und
der khirchen ruhig dienen khQnnet. Deswegen ich auch hoeherrooltoiii
herrn Trautsam' geschriben. das I. G. bey I. M' meiner uuer so weilt
wiilttcn gedenckhen, das, wan es die gelegenhait gebe, I. M' mich alls
einen thumbprobsten initt gnaden woltten bedenckhen. Sonnsten was
meine labores belangdt, die ich zu hoff gehabt,* begher ich weitters nichts;
allain weill mier täglich von allerlai geistlichen und weltlichen personon
föergeworffeu wierdt, I. M' betten mich mitt Ungnaden von der hoffcanzl
abgeschafft etc., wellichs dan unnseren Widersachern wider mich gmüett
und herz machet, das doch I. M' nur irer gnedigisten atfection nach mier
Bovill zeugnuB geben, das sy mein gncdigister khayser and herr weren.
Dan ich ainmal nicht wüst, warum I. M' mier dise gnadt soltten waigern,
in bedeuckhung ich (ohne rhum zu melden) in I. M' landt alhie mein
ensserist vormügen und iugent daran gestreckht und bis in mein grueben
zu arbaiten nicht aufhören will. Das ich aber mich ghen Prag nicht hab
begeben khunneu, der sein gar viU ursacb, und reuhet mich nichts, was
ich gethan, dan mein Gott wais es das es mitt seinem heüligen willen
geschehen ist, dem ich die zeitt meines lebens vill mehr in simplicitate
dan eusserlichen pomp begher zu dienen. Weill dan ich zu E. G. mein
Vgl. 8. 492, Anm. 6.
Klesl batto währond der Anweeenheit de« Kaisers iii Wien eine Zeitlang
bei üof gepiedigt; vgl. 8. 482.
494
hilliche znetlucht hab, E. 6. auch miervor irem verraiscn allerlai gnedtg«
und vätterliche vertr'^stung gethun, welliche ich in zeit! meines lebeiu
nicht wier verdiouon khQnnen, allso bitt E. 0. ich gehorsamblich, ^7
wollten auch in disor Sachen moln gnediger herr sein und naer so «litt
die Bachen hellfeD dirigiern. damit ich von I. M' dennoch die gnadt \uttt,
das meine fenndt vill mehr der religion feandt sehen und spüren mochten,
das 8j weitt irreten nnd allso za schandten mOesten werden. Geltt vii
gnett begher ich nicht, allso auch khain heneficium. allein zu I. M' gn»-
digisten guett«n gelegenhait nner sovill wie E. G. oben verstandten. Je-
doch begher ich auch dise gnadt nicht, wan I. M' dieselben dahin woUtM
richten, das ich auf ein nenhes soltte verobligiert sein nnd mich zu Pntr
brauchen lassen, will mich auch diser gnadt ghern begehen, soll die cl*a*
sula daran gehengt werden, sonder das was ich begher, geschiecht alMo
derer wegen, so mier mitt allerlai nachreden zuewöllen. Und du h>k
E. G. ich alls meinem gn. herrn und summo patrono wollen xneschreybai,
verhuffcntlich E. 6. werden dise mein ainfolt zum bJ^sten Tcr8t«hen imJ
aufnemen, mein guedigor hoiT in disem nnd andern sein und bleiwu.
Ich will Gott dem allmecfatigon (dem ich E. G. bevehlen thoe) in mvtBai
gcpctt anrOffen und bitten, das er wolle der bolohner sein. Datum Wita
in die S. Lucio dorn reformierten calendario nach a. 83.
E. G. gehorsamer capplan
Melchior Khlet»! m. p.
m.
Wien, 1583 Dec«a>b«r U.
Wolgebornor gnediger herr. Ich bin an gestern bey der F. D' ge-
wesen und etlicher religionssacben audiontiam gehabt, anch das gere4t.
was ich pro conscientin zu reden schuldig gwesen. Und weill auch «1-
hiehigc religionssacben zu handien fncrfallcn, haben sy die F. D' gh»r
ansehontlich nnd catholisch auf ein nouhos erclärt.' Erstlich dem berra
hischoTen zu Wien, mier und dem burgermaistcr aufferlegen lafscn, lii»
buochlüden fleissfger zu visitiern, die sectischen bOecher zu nnnseren
handten zu nemen, die bnechtruckher alle zugleich erfordern, iwen aus
denselben bestellen, den aidt von innen anfnomen, die anndern aborallt
abschafen, damit man desto bösser auf dieselben möchte Hchtung be-
stellen, derer buechstäben forai und dergleichen sollen wier beschaoeo,
auch on vorgehende unnserer approbatiou nichts tmckhen lassen. Allso
Vgl. Raupacb, Evang. Oesterreich, S. 168 f.
495
sollen wier auch ghen Vesondorff' und Inzerstorff* bey den predigen
leutb bostelleu, welliche die burger khennon, dise anmigen, damit sy der
üottiirlTt nach möchten gestrafft werden. Zum anndern liatt die uuiversitot
gioichesfalü ein starckhes decretum empfangen, diis sy auf ire mombra.
80 zu den sectischen predigen ghen, gnette achtung bstellen sollen, die-
selben voriger Verordnung empffindlich stniffen, Äilso sollen sy die
schiielhalter Golttberg' und Sanct Michael* fiier sich erfordern, denselben
aufferlegen, das gy ir anzall schuellerpuehen halten, denen gwisse gsang
zu singen föerschreyben, die catholisch sein, und undter predig niemants
singen lassen. Wo sy aber anndere über die zall woltten einschleichen,
sollen die pueben selbst und sy nach denselben greiffen und irem ver-
mfigen voll tractiern oder den stattricliter zu htlff nemen. Zum tritten
ist denen von Wien ir nnfleis, wellichen sy bisher gebraucht, zum ensseri-
sten verwisen worden und bey schwerer I. M' und F. D' straff und im-
gnadt aufferlegt, das sy hinvorthan I. M' und F. D' bevehlen mehrers
respectiei'pn und denselben allen nachleben sollen, den anslanff straffen,
die fnerleuth alle zugleich füer sy erfordern, ins glüh nemen und do ainer
darüber betretten, abschaffen, desgleichen auch die hevamen, so die khOn-
der zu sectischen predigkhandtcn tragen, ebenermassen ausschaffen, den
bargern solliche l. M^ gneiligiste Verordnung von haus zu haus lassen
ansagen, innen bey derselben ungnadt betroeu, das sy sich der sectischen
predigen und haimblichen predigkhandten woltten enthalten, die Über-
treter hernach zum exempt allao straffen, damit I. D' nicht ursitch hab
selbst einsehen zu tun. AUso wierdt innen bevohlen die predigkhandten,
sonderlichen Hannsen, so bey S. Ulrich sich aufhaltet, in und ausser der
statt, wo sy diso betretten khflnnen, oinzuzühen, wie dan der leultenambt
gleichsfais bevelich empfangen, innen mit seinen khnechten guetten bci-
standt zu thun, I. D' hernach berichten, damitt sy die sterckhere Ver-
ordnung mfichten fnernemen. Zum 4. wierdt den commissariis die schoell-
ordnung^ auf ein neuhes ernstlich bevolhen, das die schueltmaister und
• Vösendorf, unweit von Wien. Die Herrschaft gehörte dem Präsidenten
de» Hofkriegsrathes Wilhelm von Hofkirchen; vgl. Wiedemann, a. a. O.
UI, 8. 678 f.
» Vgl. oben 8. 489, Anm. 2.
' Es war ein nach dem Beneficiaton Hans Goldberger benannte« Stndenten-
conrict anf dem alten Floi.schmarkte (errichtet 1469). Schimmer, Häuser-
cbrouik, 1849, 8. 18Ö.
* Bei der Pfarre 8t. Michael in der Habsburgergasse.
' Ex ist die im Jahre 1679 auf Erzherzog Emsta Beiubl publicierte Schul-
ordnung; vgl. Raapacb, Cont I, 8. 318.
496
schuellhalterin catholisch and alles was catholisch in im schi
füren sollen, bey straff der abschaffung, wer darwider tbu«tt.
weill heiT von Heussenstain * und herr Julius^ ire khünderdi
khandten öffentlich alhie haben dauffen lassen, wierdt innen
verwisea und raitt I. M' resolution betroet. AJlso hatt sich Pi
doctor und eamerrath ein rädlffirer nndter den secten, so ein
schädlicher mau ist, und spJ)ttlich ufft von der khaj. M' und
tholischeu redet, undterstaadten, gleichesfals cum solennitate
ainen sectischen predigkliandten alhie in der statt taulfen za
wierdt gleichesfals dises verwisen und mitt I. M' troet, da
catholische, weill diser unserer khirchen doch ghar ein böser
man werde an im ein exemplum statuiern and seines dienst
darzue E. G. ghar woU helffeu khünnen, wie ich sy umb die lieb,
sy zue khirchen und unnserer b. religion tragen, will gebetten
Ich wiat nicht, wie man der zeitt Gott ein wollgefelliger werckh
khünnet, alls eben diaes. Dergleichen hatt sich der uen und
lutherischen practiciei'ter cauiei-procurator* undterstandten
in meiner nachtpärschafft auch lassen tauffen, mitt wellichen
gleichesfals deigleichon exemplum möcht statuiert werden. Den'
cano ist Gerger ^ und andere seines gleichen von herzen fenndt, ci 1
auch niemants, wie diser in rath kbumen ist, wie ich woU von L M'
haimen räthen verstandten hab. Allso ist der camei-procnrator im ittii
landtag auf der post befflerdert worden ; wer ghar schlechter schadt, t
dens wenig innen, wan sy schon bade sollen entsetzt werden. Oul
tuiert mau khaiu exemplum, so sein die Verweisungen so gmain, da» <
gleich darüber lacht und füor ein hoffgwohnhait haltet, wellichee L
dennoch zum schein thun, damitt sy ir wesen nicht billichen. Allso
den E. G. füer sich selbst bey I. M' und dan durch den alten 1
Trautsam Gott zu ehrn und der religion zur fQerderung den sachen
zu thun wissen.
Zum 6. hatt man auch den mäixkhten PetterstorfT, Mödling
Gumplskhirchen iren auslauf ghen Voboudorff und Inzerstorff znm
' Hans T. Heussenatein za Stahremberg, Kämmerer. WüsgrUl, a. i. IX
8. 232.
■ Wohl Julias t. Salm.
' Dr. Johann Ambrosina Brasaicanng, Neffe da« berühmten
Job. Alexander B., Professor der Rechte, Hofk&mmcirrath. W>
a. «. O. I. S. 378.
* Dr. Wolfgang ächwanser.
' Siehe oben S. 491, Aum. 3.
497
sten verwisen, innen auch hovolben, sy bey der pfarrkbirchen fänden zu
lassen, auch die schueiurdniin^, wie dieselb alhie zu Wien gehatten,'
gleicbesfala bey innen auf I. D' hevelicb anrichten, wie dan eben dieselb
I. H' statt und märckbten in Osterreich zu halten zuegeschickht und
aaberohlen wierdt.
Zum 7. wierdt auch der neu calender statt und märckbten auf ein
neubes übei'Bcbickht und sich desselben zu halten ernstlich bevohlen, wie
dan alle andere calender den bMochfürem geuumen und aufbehalten
werden.
Zum 8. so ist die grävin von Schmida,* so ein neuhe lutherische
khirchen gebaut, alhie her gleicbesfala auf mein so starckh anhalten und
beghem von I. D' erfordet worden, die wierdt alhie so lang verarrestiert,
bis sy dise khirchen wideruni niderbricht und zu ainem haus oder stadl
macht.
Zum 8. (!) procediei't man noch mitt den stattwahin wie zuvor,*
wierdt mitt mier guotte corrospondenta gehalten, damitt in stött und
märckbten die befüerdort werdeu, so der catbolischen khirchen wo nicht
ghar zuegethon (dan der zeitt wenig dergleichen zu fänden), doch aufs
wenigist fridtliebende leuth sein.
■ Das hab gnediger heiT ich E. G. khurzlicb wollen zueschreyben,
P wie man nun ob disem allen haltten und was daraus entstehen wierdt,
bericht E. G. ich, leb ich und bin gsundt, wills Gott hinach. Hab aber
guette hoffnung alle sacben sollen zu ainem guetten endt khunicn, zu
wellichcm eudt der allmochtig Gutt (in dessen schuz E. G. ich zusambt
^den irigen gohorsamblich bevehlen thue) helffen wOlle, amen. Datum
Wien, den 16. decembris a. 83.
E. G. gehorsamer caplan
Melchior Ehlesl m. p.
Thurobprubst zu Wien.
Aines, gnediger berr, hab ich vergessen, das herr Unverzagt* hier-
iiinen das beste tbucth, werden wier in verlieren, wie er darnach tracbt,
so ist dem religionwesen bey uns zimblich geholffen, schreyb es E.G. zur
avisa, wan seines urlaub acmeu etwas fQerkhem.
< Vgl. oben 8. 495, Anm. 6. * Vgl. oben 8. 488, Anm. 1.
» Vgl. oben S. 490, Anm. 3.
* Wolf V. Unverxagt, Freiherr von Ebenfiirlb und Ret», Hofsocretär. Vgl.
Kop»lIik, a. a. O. 11, S. 248 f.; Stieve, Die Verhandlungen Aber die Nach-
folge Kaiser Rudolfs II., Abhandlungen der bairischen Akademie der
WissenscbAften, Ol. Cl., XV, & 187.
Wien, 1&S4 Jfcnner 1.
Wolgphorner pneHiger lierr. E. G. sein neben wünsch nng
freydenreichens glückhseligen neuhen jiirs und erbittung von Gwtt
herrn alles was derselben za sehl und leib nnzlich ist, meine gehi
schuldige dienst zuvor, gnedipor herr. Was E. G. ich neuhlicb yoü
alhieigen reformation des seminari und dan meiner soeben selbst gl
schriben,' das werden E. G. hoffentlich bisher empfangen haben. Wi
dan den ersten punct bolangdt,* haben herr bischoff, probst bey St. Dor
thea, biirgermaistor und ich die pnec.hfflrer, puechtruckher. brieff- ni
kharttenmallcr, khupforetecher ffler uns orfordert, innen iren muettwill<
und angehorsamb bisher gedriben zum höchsten verwisen und bey
lierung irer ehr und guett anfferlegt, dos sy nichts sectisch tnickhea,
landt füren, mallen oder in khnpfer stechen wollen, and das nns aii^
loben, welliches alle partheion getban, die zwen pnechtruckber aber
hiibrn wior in leiblichen aidt gonumen. Ist allso nuer iezunt vonnSI
das wier daranf guett Achtung bstellen, damit sy irer verhaissung oi
khumen.
Die universitet hatt vermög ires decrets den doctorom Reichl.
sein khindt tauffen lassen ainen soctischen predigkhandten, um 30 f g*
strafft.
Allso sein vorgestern 4 borgor in den thurm gworffon worden n
hatt der anslaufT ganz nnd gar abgenumon, das neuhlich nuer ein ainigl
bnrger draussen gwescn ist. Gott verleihe I. D' langes leben ani
halte sy in disem aiffer.
In den statten und märckhtcn fahren I. D* fortiter et
mitt den ratspersonen fortt, lassen an mich derer wähl gnedigist in
trauen khumen, so hab ich meine register Ober die statt nnd mircki
allso ilas ich ein ganzes jar wissen khan, wer beucht oder nicht beac
catholisch oder nicht catholisch ist, allso das wier schon Closterneubu
Khurneubnrg, Tulln, Paden, Pertotstorff, Langenlens, MMIing, Gumpli
khirchon, Zwetl in unnseren handten haben. Stehen noch aus: Ehremi
Stain, St. Pöidcn, Ybbs. Sonst wais ich wenig, was ich mitt den luutdei
in religiune fiiernimb, die legen sy alle zum gehorsamb, das all&i«
dem ainigun mitl geschieht.
Wils Gott, nach diser h. zeitt will ich mich an die Ton Klim?
sezen nnd ire predigkhandten beben, daselb auch die catholisch religt'
wo dieselb gfallen, widernm eiufüren. Zu Ybbs hatt mier Gott g«holff«i
• Vgl. Nr. m.
499
das der pfarherr gstorhon, so mues ich iezunt ainen catboligchen eia-
sezen. Ist allso gnediger herr der Bcbnitt gros, allain sein ghar kImine
arbaiter vorhandten, Irh soll allentbalbeii lontb hahpn, kban aber mitt
grosser mhße kbaiim füer den berrn Rümpfen' bekbunien. Und wierdt
das Seminar nicht in khOrz beffierdert, so verlieren wior die Sachen, die
wier halb gmingen fest in handten haben. Das wissen E. 0. selbst woll,
die werden boCFentlich bey der »achen das irige tbun.
Der leuttenambt alhie ist seinem ambt fibl nacbkhumen, dun alls
ainer in meiner gsssen ein sectischer predigkhant ain frau versehen, ir
brott nnd wein geben, ich in mitt seiner wacht erfordert, der F. D' so
ernstlicher beveüch erindert, hatt er weder angroiffen, verwachten, noch
im bans suchen wnilen; bin allso selbst mitt meinen dienern gangen,
den prwligkhandten über das dach ausgeiagt, das pt in ein anders haus
gfallen, hernach mich zu der sterbenton person verfüegt, die Sachen
mitt ir so weitt gehandlet, das sy gebeucht, catholisch und sub una com-
mnnicicrt, darzue auch ertremam unctionera genumen, lebt noch und
wierdt nmb sy augenscheinlich bfisser. Gott sey allain ehr und danckh
gesagt.
In der Neustatt hatt man wol) allerlai reformationes wie alhie
wollen füernemen, aber seitt des frumen herrn bischoffs tott* lauffen die
maisten burger aus, die geistlichen rauffcn und schlagen einander, fQren
ghar ein ergerlich leben, allso die landtlenth nemen die pfarrn, der welt-
liche administrator, so von dem verstorbnen herrn bischoff des diennst
entsozt worden, ist guetter gsell und schlagt selbst die priester aus dem
bischoffsboff. Wie kban dan dises in die leng bestehen! Das schreyb
ich gnedigcr herr derhalben, weill dise tag sich bcy mier etliche ange-
meldt und den handl erzoUt haben. Dan sonnsten wissen E. 6. mein
gmüctt in diser i^achen ghar woll, wessen ich mich resolviei-t hab, allain
wünschet ich das dennoch dasselb bistbumb mcbrer correspondents mitt
uns hette und fein gleich einzübet, auf das die ehr Gottes befüerdort und
der beillig catholisch glanb ausgebraittet wurde. Es sein vill biscboff,
wellicho zu irem btsthumen auch administrationes haben cum dlspensa-
tione S. Pontificis, wai-uinh khnndte nicht annsor herr bischoff alls ein
frumer aifFrigor herr auch das bisthnmb Nenstatt administriern, so wurde
baden bisthumen vill ersparet und der religion woll gedienet. Ich woltte
das meinige alhie nnd auf dem landt meinem eusseristen vermögen nach
' Wolfgang Sigmand Rumpf «nni Willross, Oberstkümmerer «d<1 Qoheim-
rath Kaiser Riidotfa U. Vgl. über ihn Stieve in der Allgemeinen dent-
achen Biographie XXiX, 1889, S. 668 f.
* Lambert Qniter, Mofprediger, gest. 3. Aagust 1682.
L
MO
Uion, nuer damit etwas geschehe, bis das I. M' auf ein anndere
gedacht were.
Das schreyb E. G. ich aus guettem ainfeltigen herzen, alU
der von herzen wQnschet, damit doch der h. glaub seineu schleinig
forttgang bekhume. E G. werden im wissen nachzugedenckben.
Denen von Prugg an der Leitta wierdt ein starckher filz gescbrili
das sy die weiuachten nicht mit ans haltten, auch sonnstea in religi
ghar verweislich sein. Wierdt dem alten herrn von Harrach ' bevohli
denen von Prugg iren ungehoream zum höchsten zu verweisen.
Meiner Sachen werden E. G. zu irer guotton gelej^nhait wia
ingedenckh zu sein, in sonderhait weill sich das gschrai nicht allain al
will mehrn, sonnder ich wier auch von Prag aus avisiert, das man n
mier nicht soll zufrieden sein. Ich hab Gott und E. G., die wissen, <
ich meinem vermögen nach, weill ich zu hoff predigt, hab gethan, «i
warumb ich aiiimall mich änderst nicM hab resolviern khüunan, und i
Gott noch danckh diser resolution halben. Bitt E. G. die wollen m
gnediger herr und putronus sein und bleiwen. Wan ich das hab, wie
dan hoff und glaub, so wier ich mitt desto ringern gmüett meine labol
alhie verrichten. Sehen E. G. bei I. M' meiner person halben etwas
wider, so bitt E. G. ich die wollen von meinetwegen ir bey I. M' kl
ungelegenhait machen; dan was ich begber, das ist nuer ein schein, i
ich mitt I. M' gn. sey erlassen worden, welliches man anch aadt
lüuthen gibt. Was das einkhumen meiner probstei belangdt, das wii
Gott, dem £. G. ich bevohlen thue, woU schickhen. Datum Wien ia
circumcisionis domini a. 84.
E. G. gehorsamer caplan
Melchior KhlesI a'
Gleich gestern ist der von Molart* ex Hispania khumen.
Wien, 1584 Jionor IX
Wolgeborner gnediger herr. E. G. sein neben wünscbung ei
freydenreicheu ueuheu jars mein gehorsamb schuldig dienst zuvor. G
diger herr, £. G. von Prag aus am tag Joannis datiert schreyben hab
' Leonhard Freih. v. Htrrach der Aeltere, Oberster ErbsUlImeUter i
Oeiterreicli and Geheimratb unter Kaiser Maximilian II. und Rndolf
MoriU: Die Wahl Kaiser Rndolf« II. etc., 1891, S. 76; Süeve, Briefe l
Reichdhofrathes Dr. O. Eder etc., S. 141.
' Eis wird vielleicUt Peter Freih. v. Mollart, Oeheimrath, gemeint «ein.
501
den 10. januari empfangen und hetten E. G. deren <<nt8cliuldignng gegen
meiner peraon ghar nicht bedüerfft«. weill ich woll wais, wie E. 6. occn-
piert nnd in nöttigern sacheu, daran ans allen gelegen, zu schreyben
haben; niier ist gniieg, wan ich durch meinen vettern nuer wier be-
richt, das E. G. meine schreybeii empfangen haben. Sy schreyben zu irer
ghar guetten gelegenhait. Das aber E. G. meinetwegen, damit E. G.
meinen an I. M' underthenigisten beghern antworten khundten, desto
lenger die antwort aufgeschoben haben, khan ich mich in warhait diser
gnedlgen affection gegen meiner porson nicht gnuegsamb bedanckhen
nnd wais weitters nichts dan Gott füer E. G. und die irigen täglich zu
bitten, das er der reich belnhner sein wtMI. Was aber E. G. mitt mier
werden schaffen, sein E. G. von mier vergwist, das ich alles mitt gnettcm
gmQett meiner mügligkhait nach die zeitt meines lebens geharBainhlich
thun will. Und darff weitter.s meiner Sachen halben E. G. nicht bitten,
weill sy sich so giiedig und vätterlich derselben vor ir selbst mehr all»
ich beghern düerffen annemen, thue allain mich E. G. zu dero gnedigen
affection gegen mier gehorsamblich bevehlen.
In unsern Sachen alhie wais E. G. ich wenig zu schreyben, allain
das man halt die landleuth ghar nicht offendiern will. Die grävin von
Schmida^ ist auf I. M' resolution alhieher etfordert worden, weill sy ein
neube khirchen gepaut hatt, der mainung sy soll nicht hinweckb, diso
sinagog sey dan abbrochen. Aber man hatt sy lassen zühen, nimbt ir
entschnldigung, haltt neuhe cnmmtssiones et consultationes. Ist es ir
erlaubt, so werden wier in ainem jar mehr sectischo dan geweihte khir-
chen im landt haben nnd das ist der modus, ir bJ^se und der h. khirchen
schedliche concession zu dilatiem, uns aber nndterzutnickhen, zu welli-
chem werckh die helffon, welliche E. G. ich in meinem ersten schreyben
hab nanibhafft gemacht Ich wOr mich sovill ich khan, sag I. D' deusch
wie ich soll, befündt dieselb auch woU geaaigt, aber wan ich haltt khaino
anndere resointiones wier haben dan dise, ao mues ich haltt das wesen
lassen ghen wie es ghehet, ciuia uon sum sufficiens wider I. ü' oder der-
selben gehaime räth zu streitten.
Herr önverzagt* thueth in warhait bey diser Sachen das böste, aber
er ist nicht allezeit verhandten und sihet das sein aitfer iiu khunfftig
mehr schaden dan nuzen wurde. Bisher hub E. G. ich nichts von der
predig bey landtmarschalch' und Hotfkhirchens* gschriben, weill ich
> Vgl. oben B. 497, Anm. 2. * Vgl. oben 8. 497, Aiim. 4.
• HnnH Wilhelm Freih. v. Rogeiulorf.
* Wilhelm Freih. v. Uufkircheu, liuflcriegBrathiiprSaident. Wiioigritl, a. n. O.
IV, 8. 367.
502
nicht bin gwiss gwesen, nnn aber ietzunt bin ich desto gwiaser and gkir
zu gwisa, dan auch die handtwerger auf der gassen einander laden nm
wortt. Was nun daraus wierdt werden, bringt die zeitt. Ich sihe ate
woU, wo es hafFt, I. D' haben guetten aiffer, daran zweifelt niemants.
Sonsten in der statt khan E. G. ich bey meiner warhait sagen, du
die Uiirchen anfahen lär zu werden, seitt so viller winckhlprediger, osi
ist das Tolckh nimmer so rertrealich alls zuTor, sonnder alles angesflndtet,
wierdt das fenr nicht baldt gelescbet, so wierdt nichts gnetto darans wer-
den. Allso sein diso ganze wochen in der zetl von den hevamen nicht
mehr dan 15 khflnder einkhumen; raitten £. G. wie vill man nicht gt-
taufft hatt in ainer so grossen statt. Aber die catholischen haben nickt
mehr dan 15 getanfft.
Heutt nmb 6 uhr morgens ist herr probst zn Clostemeaborg' in
Gott entschiaffen, dem Gott gnadt. Herrn Preiner* oratorem zn Constu.
hatt man den 9. jan. bey den schotten alhie b^raben, ich hab im die
leichpredig gethan.
Die Tonaw ist alhie so gros, das khain schifiein dorch die schlag-
pmckhen nicht khan fahren, und halben (1) alhie lautter regenwetter;
allso auch die Wien ist so angeloffen, das sy ghar an die staine praekhaa
raicht.
Ich schickhe E. G. hienebens ein khlaines briefl an herm nnnciaa
apostolicum, allain derhalben damit es desto gwisser ime herm nnnei»
zaekhume; bitt E. G. die wollten ime es unbeschwert laestellen lassen.
Danebens thue E. G. hiftmit ich dem allmechtigen Gott bevehlen. Datna
Wien, den 13. jan. a. 83(1).'
E. G. gehorsamer
M. Ehlesl m. p.
praepomtoa.
VI.
Wien, 1584 Februar 9.
Wolgeborner gnediger herr. E. G. sein mein gehorsam schuldig
und willig dienst zuvor. Gnediger herr, E. G. schreyben den 27. jan. n
' Caspar ChristUni (1678—1584). Topogrraphie von NiederOsterreicli V,
S. 230 (dort der 16. Jänner ab Todestag angegeben).
* Friedrich Freih. v. Bränner, Qeundter zn Constantinopel, starb anch dort
am 10. August l.'iSS. Wissgrill, a. a. O. I, S. 381.
' Klesl hat, wie aus dem Inhalte des Briefes und namentlich ans deo
zwei Todesnachrichten berrorgeht, irrthflmlich noch daa alt« Jahr ge-
schrieben.
503
Prag datiert hab ich den 5. febr. alhie empfangen, und wie vorhin oCft
gemeldt, so ist es ainmall ghar zurill das E. G. ir sovill lufaden mitt
Bchrejben; ich bin woll zufriden, wan ich nner wais, das E.G. meine
schrejben empfangen haben. Was ich aber E. G. auf dise so gnedige
und im werckh i^rzaigte erbieten antworten soll, wais ich mehr nicht, dan
das ich ohne das E. G. obligatissimus bleiwe, weill ich leb, und Gott geb
mier die guadt, welliche mich auch zu dem danckhparen werckh bringe,
damit ich was fleissiger in meinem ambt und gepett für E. G. »ey alls
bisher beschehen. Es hatt mier woll herr Trauttsamb ' gestern auch ge-
schriben, das er das testimonium. so von I. M' durch E. G. ich beghert,
nicht fQer ein notturfft haltet, und will mich zu annemung der hoBcanzI
Terrors persuadiern. Weiil aber ich in ista simplicitate Gott und seiner
khircheu zu dienen ainmall entschlossen bin, so bedauckh ich mich gegen
E. G. der bemühung halben gehorsamblich, will gleich mitt gedult tragen,
was mier von etlichen unbillich nachgeredt wiardt, and es Gott bevehlen,
dan wie B. G. wissen, hab ich nicht allatn mitt wolbedachten Ursachen
dise von I. H' mier aufgedragne condition abgeschlagen, sondern do mier
soll was mebrers und ansehenlichers darzue geraicht worden sein, hette
ich es gwissena halben damallns nicht thun khünnen, vill weniger ietzunt,
wie es mich dan bis daher nicht gereuhet, wierdt mich auch huffentlich
binvorthan auch nicht reuhen, weil! ich nicht des ansehens, sonder wegen
der nott der khirchen und nuz derselben bin geistlich worden. Bitt allain
E. Q. wollen mich den irigen sein lassen.
Das alhieige wesen last sich Gott lob woll an, ist still und luufl't
niemants aus, dan man stratft ghar häfftig, derer Sachen fleissiger ver-
mahner iüt herr Unverzagt,* den Gott lang wolle erhalten, das er I. D'
disen beistandt laiste, hab aber sorg, er werde ans ausschieasen, so ist
wärlich niemants, der sich der Sachen anneme.
Dem burger, wellicher sich in religione so ftbl verhalten und nicht
gehorsamen wollen,' ist der termin auf 6 Wochen lang erlengert worden,
interea mnes er zuestift'ton und aus I. M' erblender zühen, das macht
ainen grossen schreckhen nnd schafft mehr frucht alls vill predigen, wan
mans nuer zu zeitten bej hoff verstehen wolltt und braucht das argn-
meut 6ffter.
Die khirchen bey Sanct Stephan wierdt voll, die lenth bleiwen
fleissig bis znm endt, allso ist es bey den herrn jesuitern, St. Michael, predi-
» Vgl. oben 8. 492, Anna. 6.
* Vgl. oben 8. 497, Anm. 4.
» Vgl. Nr. IV.
gern gleichesfals, zu hoff hatt pater Scberer' zimblich. Bin zu
ganz tröstlichen hofTnuog, er werde ans dise fasten einen reichen schnii
geben in dem Wienerischen weingartten, wie dan aine vom adl
bergerin* genaniJt etlich» predigen bey mier besuecht, hernach mi
gehandiet, zu uneerm heiliigen glunben getretten ist.
Deswegen landtmarschalch iren herrn erfordert, and ime im
solliches seinem weib gestattet, zum eusseristen verwissen. Aber er seil
der guett berr ist auch in via conversionis, darzne Oott sein gmdX
leihen wolle. Der sein vill, gnediger horr, die wier nicht wissen, w«Uiel
täglich von Gott erleucht werden.
Die Sachen des seminarii, der Visitation und ganxen r«fi>niiatiai
In Osterreich ist von I. D* mier zn berathschlsgen aofgetra^n nnd I
vohlen worden, damit I. D* hernach ansfäerlicb I. H' niüchtea >i
schreyben und derselben gnedigisten rosolution darüber erwarttun. DiM
Sachen ursacher ist der alt herr von Harrach,' der dreibt täglich
batt mitt mier ansfflerlich davon conversiert. Do non E. G. nicht sondi
bedeuckhen, khundte nicht schaden, das E. 0. ime herrn von Harrad
gratulierten in ainem clainen briefl, das er diser ansehentlichen
ursacber sey, welliches villeicbt dorn herrn von Harrach mehr gmflej
und herben zur suchen machen wurde, Hab auch khaiu bedenckben, di
E. (i. meiner meidung thun, das ich der nrsacher sey, so E. Q. das m
geschriben. Ufigen sy allso E. Q. gwisslichen darauf verlassen, dae io
an Ulier nichts will lassen «rwandten, damit ich nicht ursacber sey k
sovillor sehlon verderben, und so baldt ich wier ferdtig werden, will E. 0
ich dasselb guettbedunckhen überschickhen. Aas wellichem allen S. Q
abnemen khOnnen. mitt was gwissen ich m^cht von hinnen raisen,
der hoffcanzl abwartten, sonderlich bey der vorhabenden Visitation, daral
viller tansent seblen seligkhait gelegen. Oportet ma Deo magis obedii
quam bominibos. Wollen es die menschen nicht erkhennen, so wais <
Gott, der bozalt reichlich. Ich bette sonnsten woll alls E. G
sehentliche vocationes gehabt, do ich mich aus Osterreich bette
wollen, die mier noch hentt zu tag bevorstundten, aber wan ich ais
herrn dienen woltt, wer ich meinem landtsf&rsten mehr don allen
' Oeorg Scherer, Jesuit, Hofprediger Erxhenog Ernst*. AllgemoiDe
sehe Biographie XXXI, 1890, S. 102 f.
' Es ist ohne Zweifel Florentinn. die Gattin dos Ludwig Obronbei^
letzten seines Stammes, gemeint. Wiäsgrill, Cunt. Heraldiach-genealq
Zeitochrift .Adler' lU, S. 102.
■ Vgl. oben S. 600, Anm. I.
505
zu dienen verobligiert, mein dienen soll sein Gott und seiner khirchen
wo es am nottwendtigisten ist.
Der pfarrer von Nicicblspnrg ist in die 14 tag alhie gwesen prie-
ster halben, derer khatner verhandten, liab 21 pfarrn zu ersezen, da khain
ainiger mensch ist, wcliichen ich khundte brauchen, wer sonnsten E. G.
freilich sehr verobligiert, das macht der teuB, wellicher das seminariuni
4 ^iizer jar verhündtert hatt uud noch tfiglich zu verhündteren nicht
aufhr>ret.
Ich wais iezunt nichts sonders neuhes mehr zu echreyben, dan das das
landt voll mitt bösen teuth wierdt, allso lias schier khain mensch sicher
auf der Strassen wandlen khan ; man richtet woll vill, aber hilift nichts,
ja in der statt selbst ist es unsicher. Gott in dessen schnz E. G. ich ge-
horsamblich thue bevehlen, sey mitt uns allen und wendte das üb\ gnedig-
lich ab. Datum Wien, den 9. febr. a. 84.
E. G. gehorsamer
M. Khlesl.
Wais E. G. auf den faschung nichts zu schickhen, allain dis«
khartten zum spilln. deren etliche exemplar der hoffbuechfflrer bey der
burgg alhii! ins landt ffleren wollen, die im aber fein genumen worden
vom herrn bischnven zu Passau an der mautt. Mitt dem besessnen weib*
fahrt man nner fortt, er blaset ieznut im padt liechter aus, wier hoffen
täglich erledigung.
L»
VII.
Wien, 1684 AprU 22.
Wolgeborner gnediger herr. E. G. sein mein gehorsamb schuldig
und willig dienst zuvor. Gnediger herr, E. G. schreyben hab ich empfan-
gen, daraus denselben gnedigen gmäett und gegen meiner person »ffec-
tion verstiindteu. Was ich nicht khan bezallen, das wierdt der allmechtig
Gott welliclien ich darum bitten will reichlich thun. Er wais allain das
ich mitt disem und andcrm khain zeitliche ehr suche, sonnder allain da-
mit ich seine feundt confundiern und seiner khirchen mitt mehrern am
dienen khOnne, will allsD ghar ghern mitt gediilt erwartten. wessen sich
I. M' resolvieru werden. Herr Unvei-zagt* hatt zum ersten mall mich
an dise sachen bracht. Ist es nnn nuzlich, so wierdt es woll geschehen,
80 es aber schedlich ist, wierdt es Gott wohl verhflndtern.
> Vgl. oben 8. 490, Anm. 1.
* Vgl. oben S. 4117, Anui. 4.
AnhiT. LXXXTIII. Bil. t[. BUtU.
sa
S. 6. cmUm i>i bv mkt alki* gurnnp» vi« die
Init, da8 er aUain all« beucht hitret, die i^4ßv yftwt,
■lMralhiot&oMul,«B«igt. lAitnuiini» vap aiMiaiwahwMl
IMgqpritt geb, er sqU 4Hut mfrid«» ^ib, (MMlIiHk hak. tt ■>■
■iehk seUtifwui wftUoa, 4» ratb wUm* «eia Batv MMmI gWAa
te ))Mi^ 80 aoll er deasettteB raeWteait erwarttoa» dM ««teil
Yvteiaam Itttt. E. 0. itilgwi nie« gwjwlinli i^MdMa, te idk fti
S7 pfurn 80 m ereeten nicht einen ainigen priester Inben Uhhl MI
«cbemba im hiiael, dp« ae veoig iMtk wteaMm aräi, aOaaaniiBB
. a» ptieoter iemnt tbwnllen. By nta w» qf nfUen, «aa af an« cA»
liaoh ond piriester sein; laan kbaa dennoch l^nia» bakkaaaw. Waia
B. 0. sUbo der eaohe« well la than iriiaea.
WaeftterUnilb di— h. ÜMtea ewawnaidart. >al»aa» aeMathiKft
idi hiemit; sab ntraqne haben vier ante aaaaaB b«|f 9, SlifiNa fkU
600. Gk>tt lob, 08 will allee bOsser werden. Ea eommaaicieni aoA n»
üglich die lenth, wie dan hentt aneh lenth bey nnauH
mnniciert haben. Be ist bey S. Stephan seliaia, waa hvf den l
tarn tagUdi geaohieeht.
Anf dm 1. aiai, wills Gott, iflha idi ^mh Khnate, 4ie pdir
khandien daaelb in heben. Vnaer hen- wrialha vm gnaü, da « n
seiner ehr, firidlich und woU forttghehe, wie mier dan g^iar nkht nralit
Was sich aber in particnlari bey diser handlang TorianfFen wierdt, minfi
E. G. ich hernach, hab woU sorg, die Sachen weirden wnnderbirtid
abghen.
Der alt herr von Harrach ' thaett sonnst bej der religion aUiie du
böste, wier haben anch ondter den r&then zu im annaer maiate ineflnckt
Ich ffler mein person hör nicht auf I. Q. zn importoniem, weill ich illü
procnratnr sein maes nnd khainen gesellen hab. I. D* mttessen aitt
mier auch ein ttberiges thnn, dan ich &st alle wochen khnm und kfakyi
an, weill ich aber sihe, das I. D' khainen Terdros haben, aonnder mitt
lieb und freiden alles ghern aafnemen, thne ich es deato lieber und «u
schon khaines w&r, woltte ich doch mitt göttlicher hilff das an thnn aidt
undterlassen was ich ratione conscientiae meae thnn aoil nnd mOest«.
Die infection will alhie und aof dem landt tfiglich inenemen; oiiMr
herr stehe uns gnediglich bey.
Doctor Hillinger' ist den 17. diz in Qott Tersohiden nnd den tob
Otth' canzlern in die 2000 f verlassen. Allso ist die frsu Hwnbeigcrii
> Vgl. oben S. 600, Anm. 1 . ■ Vgl. oben S. 4M, Airni. S.
■ Vgrl- oben S. 487, Anm. 8.
507
hen'n canzlers tochter gestern mitt ainem söhn erfreihet worden, und
sovill hab E. G. ich auf derselben ghar gnedig schreyben gehorsambtich
beantworten soll (1). Gott, in dessen gnedigen schätz E. G. ich befehlen
thue, wolle dieselb mit sambt den irigen langes leben sezen und bene-
deiung verleiben, mich zu derer gnaden ganz dfieniQetig bevehlen. Datum
Wien, den 22. aprilis a. 84.
E. G. gehorsamer caplan
M. Ehlesl m. p.
Beilage.'
Numeriia communicantinm a. 1584 Vienuae Austriae pro tempore
pascbali,
, ™ „. , , »na 2450
Apnd S. StephanoB sub ^
^ *^ utraijue 100
una 226
Apnd D. Michaelem sub ^
utraque 258
una 30
Apud Scotos sub ,
utraque 6
Apud Societatis Jesu Patres confessi sunt . . 3541
communicarunt 3200
In Xenodochio civili sub una 582*
Apud S. Dorotheam , , 32
Apud AugUBtinianos , 1
Apud Praedicatores , 50
Apud Frauciscanos n n ^^^
In Xenodochio Imperatoris . . . , „ 90
Apud Minoritas „ n 60
Summa communicaiitium . . 7330
sub una . . . 6966
sub utraque . . 364
VIII.
Wien, 1684 Hai 30,
Wolgeborner gnedtger herr. E. Q. sein mein gehorsam schuldig
und willig dienst zuvor, önediger herr, E. 0. den 6. tag may zu Prag
* Eine Zusamineiiiitelhing der CommunicAulen vom Jahre 16K1 bis 1684
nach den bictebuflicheu Protoküllen befindet .licli im Cod. 100 des Wiener
Haus-, Hof- und Stutaarchiva, Bd. XIll, fol. 119.
« 628; Cod. 100.
38*
508
ausgangen schrejben hab ich den 14. diz empfangen, daraas allen p»-
digen and vätterlichen willen mier zu sondern) trost verstandten. HetU
darauf alsbaldt geantwort, do nicht die schwere und gferrlich Khrembw-
rische reformation, an wellicher ich nun lange zeitt gedriben, eingfillm
wer. Dan den 7. may bin ich nach Khrembs verraist uod hab E. G.
schreyben oben zu Ehrembs empfangen, den 25. bin ich widunim biehtr
khnmon, etwas schwach wurden, allso das ich den modicuni noch brsodi.
das ist, gnediger herr, meines stillschweigen nrsach, und eben roo ie
ui-sach will ich dis mein schreyben anfangen.
Ich hab bey der F. D' augehalten, man soll 3 rädlfflrer ans
rath' zu Khrembs ghen Wien erfordern, dieselben arrestiern, so
wier alle sachen zu Ehrembs verrichtet haben. Sein allso dieselben i
den 4. niay zu Wien aukhumen, darauf ich den 7. verraist, herr tob
SiglstortT^ und herr ductor Engimair' waren fürstliche commissarieo
Den 9. may ist der rath erfordert und mitt im ad longum gehaudlet wor-
den, sy sollton die predtgkhandten abschaffen, dos schuelwesen nider-
legen, alles frembten exercitti sich enthalten etc. und weill sy sich ouh
langem starckhen znesprechen erbotten zu gehorsamen, haben wier di«
prodigkhandten, schuelmaister und alles bey scheineter sonnen aus dtr
statt geschafft. Die haben woll difficultiert, aber lezlich die volg geb«D.
Interim sein in die 100 man mitt spiiesson, wehrn und pflchsen fflerd*n
pfarhoff gangen, gstossen, gschlagen ins thor, geschossen und sich gani
und ghar zum lerman gesteldt, niemants änderst dan mein person b«-
ghert. Woill ich aber damalln noch nicht geessen, hab ich ghar nicht
derweil gehabt zu innen zu khumen; so baldt aber die predigkhaodtto
aus dem pfarhoff gel.issen, hatt sich der tumult gelegt. Darauf handleo
wier. sy soltten uns die zwo khircben, so sy innen gehabt, mitt dea
schlQssl einantworten ; das woltt ghar nicht ghen. Allso mOest ich in di<
ascenssionis um 3 uhr morgens auf dem wasser ghen Wien zu I. D' miU
der commissari relation verraiseu, umb neuhe bevelich anhalten, wellicbe
ich baldt und scharf gnueg erlangdt. Bin allso den 12. may widemm
zu Khrembs ankhuiiien und den 13. tag hernach abermallns Till stondt
' Es sind dies die zwei Kntlislierren Oour^ Straub, Willielm PillerstoriTer
uud der Stadtjschreiber Hsus Knozer. NiederOsterreichiacb«* Ljuida»-
vchir, B. III. 26; Kerschbaumer, Oesohichte der SUdt Kreiua, 188t,
8. 277.
* Albert Kreih. t. Sig^ndorf, Comthur des Deutschen Ordens so Wien and
Wieoer-Neuatadt. Staner, n. a. O., 8. 4^8.
* Dr. Stefan Engelmayr, Professor der Rechte an der Wiener UnirenitU.
niederOaterreichischer Regiernngarath. Starter, a. a. O., S. 488.
509
allain miit den sclilQssI zuegebracbt, bis sy auch dioBelben orlogt haben
com illa protestatione, bj betten gsandte zu I. D' abgfp.rdtigt, man solle
nuer sorill gednit baben bis morgen umb 7 ubr, da verhofften sy ent-
licher resolutiün, wellicben termin wior innen znegelasaen. Äbents zwi-
schen 8 und 9 erbebt sieb ghar ein sehr gferrlicher tnmait mitt rill
blossen webrn, stainen, (»rögln, spiosaen etc. widemm an das Ihor und
begherton abcrmalln meiner; ich hab aber auch, nreill es schon zeitt
gwesen ist schlaffen zu gben, daraalln nit kbumen khQnncn. Wellichen
lerman hernacb der liurgermaister gestüdt hatt. Morgens frue, welliches
warder 14., sein sy der rath noch wilder gwesen, allso das ich abermalls
denselben tag auf Wien verraiscn und bey I. D' das sy bey verlierung
iror stattfreihaiten gehorsam laisten sollen, ainen bevelich ausbringen
mflessen und bin mitt demselben den 17.may abents ankhumon. Den
18. haben wier sy abermalln erfordert, aber in proposito halsstärrich
gfnndten. darauf umb B ubr ainen catbolischen pfarrer zu Khrembs ein-
gesezl magna cum solennitate. Die commissari sein hinweckh gezogen,
ich bin die pfingsten zu Stain bliwen, hab den gottsdienst daselb ver-
richtet und die khircben zimblicb voll gehabt. Gott lob, alle aachen sein
still. Innen ist 6 wachen termin geben worden, was sy haben wider
mich einzubringen, das ay dasselb fflerderlich thnn. Interim werden dise
gesellen allliie aufgehalten. Und das ist ghar khurzlich die summa des
ganzen handl; dan was sich in meiner predig zu Stain zuegetragon,
das will ich von mior selbst nicht schreyben. Dem wesen ist nicht zu
helffen, ain cathuÜKcher anwalt sey dan im rath. Darauf sein E. G., bitt
ich umb Gottes willen, auch gedacht, wan ay mitt dem alten herrn Traut-
sam' reden, und helffen uns in diaer ansebentlichen sachen so vill sy
khönnen. Herr vicecanzler,* E. G. in gehorsamen vertrauen zu melden,
soll, wie ich von innen selbst bericht, gnett khrembserisch sein, aber
Gott wierdt alle sachen zu aineui guetten ondt hoffentlich wenden. Khain
catholischer mensch ist verhandten; es last auch der rath khatnen ein-
khnmen, der atattschreyber ist gifftig, Eaufft zu landtmarachalch^ und
Gerger* umb rath alhie, wie er selbst bekhennet. Lassen wier die ge-
legenhait aus der handt und sezen khainen catholischen anwalt, so ist
alles umbsoust. Gelegouhait iat verhaudten, dau bey verlierung ii"er privi-
' Vgl. oben 8. 492, Anm. 6.
* Dr. Rudolf Viehäuser, seit '23. April 1577; Tgl. Kretschmayr, Das deut-
gebe Reichsvicekanzleramt, Archiv (Ür Osterr. Qeaohicbte LXXXIV, 18B8,
8. 421 f.
» Vgl. oben S. 501, Anm. 3.
* Vgl. oben S. 491, Anm. 3.
legiea ist innen das auferlegt worden, dem s; nuer ain viertl geTclgtt
haben. Das hab E. G. alls ainem aifferer der catholischen religion ick
wollen in gehorsam communiciern, hoffentlich sy werden soUiche
ainfalt mit gnaden annemen und helffen.
Was meine aigen sachen betrefTont, da thae E. G. ich ia mehr du
zuvill inhfle and arbait auf; wie soll ich aber weil annderst than; wull
ich Kunnst niemants hab, der sich umb mich wirckhlich anaeme, dadorck
ich ein wenig E. 6. verschonen mOcht. Der alt herr Trauteamb ist ghar
zu fiberladen, herr Rumpf nicht wollaulT, mitt herrn vicecanzler bin tcb
nicht Imkhandt, ailso ia tragen E. G. >iie hurdt alluin, and wen sy miek
verlassen, so bin ich schon geschlagen. Ich bitt aber, E. 6. wollen («i<
sy sich dan erbieten) mein gnediger herr sein und bleiwon.
Das bisthum Neastatt botreffent bleiwe ich der moinang unveres-
dert, wessen ich mich ainmal resolviert, das ich es neben der hoffcaul
nicht annemen khundte. Ällso auch do mier das bistbom, so an im ruhig
und guott ist. vrunle on die hofTcanzl eingoantwort, doch das ich bia
sein soll und dasotb blciwen, khundte ich es mitt gnettem gwissea
seitt nicht thun. Der schnitt durch Österreich ist gros, der &rliait*r
schier niomants, alle Sachen lassen sich woll an. nncr das man forttfihr
und arbailer in schnidt sendte; warum wollte ich dan in bac iuventuu
mea iugum domini fliihen und mich in ain statt geben, daneben ein ganiM
landt verlassen, darvor Gott mich ewiglich hchfietten wolle. Mnee ,
aber yhc* in ainor statt arbaiten, warum nicht vill mehr alfaie in der i
Wien (nach wellicher die andern sich müessen richten) dan anderstwo,
Hette ich dein reirhthura woUnn nuchtrachten, so wer ich alhie und io
dison landen nicht; mein begbern ist nichts änderst, das wais Gott im
himol, dan die verfQerten sohlen, so Christus so thenr erkhanfft. lom
rechten weg der warbait zu bringen; was es mich auch khostet. das gib
ich schuldig. Ällain wottte ich mich ghern allso versehen, damit ich nach
gethauer arbait müclit ruhen und mcrckhen, das dennoch ich vor anden
alls I. M' undorthan bedacht wurde. Weill es aber dise mainung katt,
das der khunfftig bischoff in der Neustatt hoffprediger sein soll, nnd iu
I. M' genzlich gedacht, das bisthumb auf dise weis zu ersesen, mach ich
mier weitters khainen ainigeu gedanckhen mehr. Und den gedanckben,
so ich mier zuvor gmacht, hab ich aus dem fundament geschöpft, du
I. M' mier die administration disos bisthumbs möchten aus sonnderer gnä-
digsten affection gegen meiner person vertrauen, damit ich nach meiMf
mhüe nnd arbait mCchte cum honore in patria mea ruhen. Nun ab«i
* Vgl. oben 8. 499, Anm. I.
511
fallet diser mein gedanckhen ganz billich und waiB ainmsl khain anodore
gelegenhait diser zeitt im ganzen landt nicht, alls eben dise so mier
ainer ob der Enns fOerschlagt, wie B. G. aus disem seinem an mich ge-
thanen scbreyben abnemen khünnen. Die probütei Zwotl and pfare Ögen-
bnrg sein von I. D' mier woll gnedigist antragen worden, aber ich will
mich initt khainein b^nefltio beladen, so curam animarum faatt. Diser
aber ist noch im leben, aber aiu khündt; gßell mier die gelegenbait nicht,
•0 kbundte ich es allezeit endern; werden allso E. 6. der Sachen zu thun
wissen. Was den rathstitl belangdt, da hab ich doch gbar nichts, das
ich von hoff bracht bette, so tragt mier diser nichts in die kbiichl, allain
bewaist dennoch, das I. M' mier nicht uiignedig, macht mier in allen
religionsbandlungen mehren respect und forttgang, wan os nun on Bonn-
derliche arbait khündt geschehen nnd nfizlich wer, so thun E. G. nach
irem gfallen. Es hatt der weichbisjchotT zu Bamberg niemalln dient und
dennoch den rathstitl gehabt. Glaub I. M' wurden villeicht mitt meiner
person weniger difficultiern, doch stelle E. G. ich alles haiinb. Den heiTn
Fugger' betrefTent, der ist schwacbait halben woll etwas zu lang aus, ich
kban aber in disem meinem officio mitt bösserem gwissen doppelt mehr
der khirchen dienen alls berr Fugger in dem seinigen, dan das seinige
ist nner wierttschafft, mein officium ist geistlich nnd ein apostolisch offi-
cium. Hoffe dem haus Osterreich nichts zu vergeben oder Qbl zu handien.
Der geistlich rath ist so übl bsteldt, das ich nicht wais was er nuzot;
ich lag aber verstcndtigere iiidiciorn und davon discuriern. Ich hab mein
rais ghen Passau und Mütiichen noch 3 wochon wegen der von Khrembs
verschoben, will von E. G. in ainer und der andern sachen ain guetten
bschaidt erwarttcn. Thue dieselb zusambt den irigen Gott, mich aber zu
dero gnaden gehorsamblich bevehlen. Datum Wien den 30. may a. 84.
E. 6. gehorsamer caplan
Melchior Ehlesl m. p.
Thuinbprobst m Wien.
IX.
Wien, 1684 Juni 33,
Wolgeborner gnediger herr. E. 6. sein mein gehorsam schuldig
and willig dienst zuvor, gnediger herr, und hab E. G. schreybcu den
18. junii empfangen. Bedanckh mich geborsaiublich, das E. G. i-ich umb
meiner Sachen so woll und embsig annemeu, ich khan und wais es nicht
• Ygl. oben 8. 492, Anm. 2.
512
zu Terdienen. Gott wolle der belohner sein. E. G. Bollen es sehen, das
ich mit Gottes kilff alles, darzne E. G. mier helffen, allso will uüegen,
daran E. 6. ein gnedig und sonnderlich wollgefallen haben werden. Ich
hab auf der weltt in meiner vocation annderst nichts alls mich selbst lor
arbait, damit die h. religion iren forttgang haben möchte, au&aopfero,
welliches ich gethan, mitt göttlichen beistandt bis zum endt bleiwen will
Weill aber die crefften in grosser arbait weichen und nuer weniger wer-
den, so wollte ich anch ghern hernach, wan die rahig arbait anghehet,
mein ergözligkhait und undterhaltnng haben, wie E. G. zuvor von mier
ausfaerlich haben verstandten. Wan ich nun die probstei Ardarckher*
dahin bschaffen befündt, das es sich thun last (wie ich es dan ghern will
versichern) su bin ich desto mehr verobligiert mein lebelang, und begher
es ghar nicht fOer die thumbpropstey (wiewoU es ein hohe nottorfft), wall
es nicht sein khan, wan nner mier pro tempore geholffen wurde.
Das seminarinm* haben I. D' schon. Bitt E. G., wan es hineii
khnmbt, sy wollen irem vermögen nach helffen schfleben und bef&erdem.
Und thne E. 6. in den segen Gottes mich zu derselben gnaden gehör-
samblieh bevehlen. Datum Wien, den 23. junii a. 84.
E. G. gehorsamer caplan
M. Ehlesl m. p.
X.
Wien, 1584 Ao^ost 17.
Wolgeborner, gnediger Herr, E. G. sein mein gehorsam schaldig
and willig dienst zuvor. Gnediger herr, ich bin nun Gott lob, den 11. die
zu Wien alhie glQckhlich und gsundt ankhumen und ob ich woU vill an-
sehentliche Sachen zu verrichten gehabt, so der religion zum besten
gwesen wären, hab ich mich wegen des grossen gschrai, so von mier
lose leuth ausgebracht, alls wer ich zu Passau gfangen etc., mflessen
alher begeben und hab gestern widerum zu predigen angefangen. Die
ursach dises gschrei ist der pfarrer von S. Michael,^ wellicher ain haimb-
liches leichtferdtiges und unpriesterliches leben soll gefuert haben und
dainimen vom herm bischoff von Wien eingezogen worden sein, wie es
dan war ist. Ich aber weill ich mitt im gmainschafft gehabt, sollen eben
der sein etc. Mier ist diso schmach ein solliche mortification alls ich
' CoUegiatsttft Ardagger in NiederOsterreich.
» Vgl. oben 8. 487, Anm. 3.
* Johann Hsbortins; vgl. oben S. 484 f.
^ =^^7 '
mein lobelang nicht empfundten; dan nicht allftin ich, Bonnder vil anndere
ansehentliche leuth haben gmainschafft tnitt im gehabt, leib und sehl
vertraut, werden darumen unnerhars nicht bezöchtiget, allaia ghehet es
alles über mich. Nun hali ich dises dings die zeitt meines priesterlichen
ambts noch woll mehr ausgestandten, aber es khumbt so weitt und so
starckh, das ich es etwas nähners empfündte alls anudere perturbatinnes,
weill diwiurch vill armer sohlen verhündtert werden, bei wellichon allen
ich mich meiner nnschaldt nicht entschuldtigen khan, und kl^ es Gott
und E. G. von herzen, das ich diso 5 jar in meinem vattorlant, bei welli-
chem ich, ono rhum zu melden, sterckh, cretTt, ehr, loib und leben der
roligion halben zuegesezt, mehrers nichts alls Bolliche schmach auch
thaills bey meinen glaiibensguossen soll verdient haben. Ich bin mein
lobelang dem laster feundt gwoson, und wierdt khuin ehrliebender man
mich otwas unzüchtiges mitt warhait nicht zeihen khünnen, darumen ich
dan zu erhaltung meiner ehrn and guetten namens hergeraist and mitt
leiJi und guett stehe, wer mich etwas leichtferdtigos wierdt bezeihen
khilnnen. Wierdt sich aber mitt warhait etwas beffindton, so bitt E. G.
ich nmb Gottes willen, das sy ghar nicht wollen deckhen, aonder die
Sachen dahin befüerdern holffen, damit an mier ein öffentlich oxemphim
statuiert werde, daran sich anndore priester zu etossen, Wo aber nicht,
so werden E. G. in voriger gnadt forttfahrn und hoffentlich mich bey
menigtich entschuldigen, woill E. G., ob Gott wöll, nicht verstehen lassen,
wie ich mich dan mitt der hillf Gottes bisher beflissen hab, das ich denen,
so mich conimendiert, mitt meinem leben und thun bin gratus gwesen.
Das Bcbreyb G. G. ich derhalben, damit sy mich do aucli das gmain gschrai
hinein khem bey ir mitt der warliait möchten entschuldiget haben, mier
auch diu gniult thun und bey anndern, do es die rede geb, gleichesfals
zn entschuldtigen.
Mitt dem rathstitt, gnediger heiT, ob dorseib woll villen sectischen,
so nnverschambt ausgeben ich sey von I. M' deswegen ghen Prag citiert
worden, die meuUer stopfet, wer ich der mainung, das derselb so lang
aufgehalten wurde, bis diser pfarrer wurde sententiert, and mein un-
schuldt erkhendt. Wie ich dan gedacht bin durch hilff E. G., das I, D'
erzherzog Ernst mich scdbst darumen füernemen and hören. Soll ich
iezunt was beghern, so wurde ich das gschrai grösser und den handl
erger machon. Das schreyb E. G. in dem gehorsamen vertrauen zue, in
wellichom ich loben und sterben will. Umb des pfarrers Sachen wais ich
nit, allain ist es sovill, das es in der statt und ganzen landt ain gpi'osses
gschrai gibt, will niemants seine khOndw schier bey S. Michael tauffon
lassen, die khirchen bsuechon, und werden vill ehrlich matronen verdacht,
'M
die ir lebelang gwislichen uonerbarkhail sein feundt gweoMli
unser hoilligun religion nicht ein wenig, die khezer iuhiliern, die achwMb-
glaubigon fallen ab, die im weg gwosea zur bckhening, weichen zunckb,
die lindem werden ye lenger yhe halsstarriger, sonnderlich aber sein difc
in schwerer betrüebnus, welliche im ire Sünden vertraut haben. Der Pro-
cessus ist villeicht dem pfarror an seiner seblen uiiz, d&n die
miies gestrafft werden, hergegen ist es vill handterten ja unserer
religion schadt, werden» gwislich in vill jarn nicht ausleschen, solka
iinnders (wie man sagt) seine peccata ghen hoff füer die seculares khamn,
wcilirho, ob sy woll catholisr.h, dennoch allerlai zu betrachten ist(I). Br
ligt ^<chwerlich gfangen und billich niomauts ist, der sich seinar annnnbl,
woill niemiints recht wais, was er gethan, und last in zu khainer rer-
antwortung khumen. Trag hefftig sorg, er werde sich hernach an ann-
dern örttern hefftig bokhiagen, das er aus scherff der gfeuckhnns be-
khennvn bab müessen, das er sein lobelang nicht gedacht, hernach fim
unnsercr alten religion in dem zorn und bittorkhait ghar abweichen, tein
sohlen sambt villen tausont in agriindt der höUen füeren. Sed noio ponan
OB in coelom. Ich schreybe es E. 6. in vertrauen aus dem christlicbeu
gmainen mitleiden, so ich mitt der khirchen und religion trag. Gott
wolle geben, das dise sacheii »n mehrere und grössere ergernue alls bis-
her beschehen binauBghehe, und thuo E. G. hiemit seiner gOttlicheo
gnaden bevehlon. Datum Wien, den 17. aagusti a. 84.
E. G. gehuraarner caplan
M. KhlesI m. p
XI.
Wien, IA84 Septenbar
Wolgeborner, gnediger herr. K. G. sein mein gehorsamb und schai-
dige dienst iederzeit zuvor. Gnädiger herr, E. G. mitt aigner handt
füerlich und den 27 augusti datiert schreyben hab ich den 2. sepi
empfangen und mue.s doch bekhennen, das an E. G. ich nicht alliiin
gnedigen horrn, sonnder ainen vattern hab, weill £. G. so ghar spi
treulich mitt mier handleu. MQgen mier E. Q. in der wu-hait glattbes,
das ich zum ou.sBeristen betrüobt gwesen. allain derhalben das etwaa 4tr
argwöhn werde beleiwen und ich zu khainer Verantwortung gelaaMS
werden. Alls ich aber E. 6. tröstlich schreyben gelesen, khau ich ana-
derst nicht dan die warhait bekhennen, das mich solliches widemni aaf-
gemundert und ein freihers gmOeth gmacbt hatt. E. G. werden miar
solliche eupfQudligkhait hoffentlich allso verstehen, das ich thaills gnMi'
515
nrsacli gehabt, thaills aber derwegen weill ich auch ein mensch bin und
menschliche passiones empfümite. Ich will mich mitt Gottes hilff in lehr
imrl leben hinvortban, wie bislior meiner mügligkhait nach allsu ver-
halten, das E. G. in irem gnedigen vertrauen nicht allain sollen confir-
miert werden, eonndern von tag zu tag darinnen zuenemen. Gegen I. D'
will ich mich nichts desto weniger entschuldtigen und die person, so auf
mich soll etwas geredt und bekhendt haben, mier nauibhafft zu machen
underthenigist beghern, damit man erstlich mein unscbnldt ofentlich
sehe, hernach auch khünuo in erfahrung briugen den authorem, von
wellichom soUichc üble aullagen iren Ursprung genumen, und denselben
anmicrn zum exempl straffen. Es mOchto sonnsten ein iodlicher böser bueb
ainem ehrlichen man seines gfallens sein ehr abschneiden und darüber
von brisen itffectionierten leuthen gtdobt und dofendiert werden, wie in
itisem handl, alls E. G. khunITtig in erfährung werden kbumeii, vil) ge-
ücheben. Meines thaills bedanckh ich mich gehorsamblicb gegen E. 6.
umb das gnedig vertrauen, so E. G. zu mier tragen; ich hab nichts welli-
ches ich E. G. füer aollicho wolthatt geben khundte, bin sonnsten mein
lebelang in meinem gebett E. G. und den irigen verobligiert und bletw
CS hiuvürthiin die zeitt meinoB lebons. Es Bchaffen aber G. G. auch ein-
mal was mitt mier. so werden sy erfahren, ob ich der wolthatt vergessen
oder nicht. Ich wais aber woll, dag E. G. von mier mohros nichts begehrn
alls dae ich dersolhon von mier gfasten gnodigen opinion ein guüegen thue,
deesen ich mich dan beflcissen und füer E. G. wie bisher Gott den all-
mechtigen bitten will. Was dau meine Sachen belangdt, die seLu zu meiner
ehr recht und woll aufgehalten worden, dan wan sy iezunt khumen, so
ist es loco resotutionis, das I. M' mitt mier gnedigst woll zufridon sein,
allain trag ich sorg etliche möchten alhie sich bo(ÜeiBBen) mich zu vor-
händern; aber dem allen werden £. G. woll füerzukhumen wissen.
Der auslauff alhie ist starckh und erstreckhet sich Aber 2000 per-
son. Ich hab woll zu predigen angf(angou), aber baldt ich von Zell ' khu-
men, ist herr bischoff persuadiert worden, alls sollte ich wider in ge-
prediget haben und hatt mier das predigen eiugegtoldt. Es wissen aber
E. G. woll wie I. M' noch vor 3 jarn die canzl bei S. Stephan zu ver-
sehen mier gnädigist bevohlen haben, w«llichem bevelich ich meiner müg-
ligkhait bisher nachgelebt, aber so offt haltt herr bischoff übl affectionicrt,
so hatt er mitten in meiner materia angefangen zu predigen und das
Tolckh widerum verdriben. Das sehreyb E. G. ich dorhaibon, wan etwas
fSerkhem das ich nicht prediget, damit sy mich wüsten füer entschuldtigot
• WalifahrtBort Klein-Mariazell.
516
zu halt(<n. Bin auch weitters zu predigen nicht gedacht, ich wi»« dn
von I. M' die zeitt sontag und fenrtäg wan ich predigen bvU, 8o wierick
ainmal des ewigen plagens und vexierens los. ÄIlso hatt khaiMr Pwlt
nnndus auch ein Ordnung ginacht mitt dem pontificicren. Ds hatt
bischoff seine festa, wie auch der thumbprobst seine abgonnJerlich« f(
die er der herr bischoff gleichwoll wan es im g^ellig mier auch hin'
nimbt. Nun hatt es mitt herrn bi8chofen nnd tbnmbprobst alhie di(
nang, das der thumbprobst summo pontifici immediate nndterworffen nl
dämm der herr reverendissimus mitt im nichts zu bevelhen. Das gibt
ursach zu erhaltung meiner privileginn, und das er mich so harit
binvorthan das zu than was mier alis ainem thumbprobstea gebäert:
hnb 5 jar mich hcfftig dubdet (!) nnd dissimuliert, ich sihe ab«r, dai
die Sachen nuor böser gmacht hnb. Das schreyb E. 6. ich in fertnoM
gehorsam bittent, sy wultten dem herrn bischoffen daTon nicht*
sinniern, ich predig im landt ausser der statt in pace ond sein di«
mitt mier zufriden.
Was den pfarherr bey S. Michael betrifft,' der batt weder procan
torem noch adTocatnm, ligt noch und ist gfangen, bisher xa sfincir
antwortung nicht gelassen worden, so khan ich nicht wissen, ob tu
oder unrecht gschiecht. Das wais ich aber wojl, da,ss der pueb den UM
wider den pfarrer allen golangnet, dämm der pfarrer quoad illad
df'lictnm c.oram consistorio per sententisim publice 4* die d(>cei
absolviert worden, was aber adult«rium et fornicationcm, die er
soll hekhendt haben, betrifft, hatt man in ad omnum in pane et aq«
in carcere zu bleiwen condemniert. Ich trag aber noch sorg, ar
khnnfTtig sich des proces halben sehr bekblagen alls bette er bekheoi
müessen, so im doch niemants ausser des knabens, so was übl tob
gesehen, filergesteldt ist worden, aHain was er selbst bokheonet.
hatt er stai-ckh betrogen, Oott verzeihe ime es. nnd in einen
schimpf gesezt. Was er nun gothan, so i.stdoch gwis, d:i8 er vill
ist, er ein sollicher, dämmen in Gott dan billich zächtiget.
Auf der Zelloriscben khirchfartt sein in die 10000 und
Personen gwosen, und haben den maisten thaill cummuniciert. Ootl,
dessen schnz E. G. ich bevelhen thue, mehr den catholischon bai
tfiglich, amen.
Datum Wien den 7. Septem bris a. 84.
E. G. gehorsamer caplan
M. Khlesl m. p
Vgl. Nr. X.
517
Gleich disen augenblickh khumbt tnier podtschafft vom herrn
bischofT, der last micli bitten widerum auf khunfftigeu sonUg über acht tag
zu predigen. Mich möcht das arme volckh erbarmen, das ich ein übriges
thätt, aber dennoch wier ich umb gwishait anhalten, weil mier der spott,
dem voickb aber der grosse schaden offt geschehen ist, und er heiT biscboff
schier kbain andern modam zur räch hatt alls diaen. Ich pfleg aber in
alweg E. G. rath, darum ich gehorsamblich bitten thue.
XU.
Stein, 1684 September 17.
Woigeborner gnediger herr. E. G. sein mein gehorsam schuldig
und willige dienst zuvor. Gnediger herr, was E. 6. ich verschinen tagen
meiner aacben halben geschriben, werden E. G. alberait empfangen haben.
Bitt E. G. geborsamblich, sy wollen meiner so groben cmpf'Qndligkhait
halben mitt mier ein mittleideu haben. Dan ich khum erst auf die spuer
woher dises ist practiciert worden, und tbuett mier desto weher, weill es
meine nächsten und glaubensgnoasen selbst gethan, welliche dock umb
mein leben und lehr inwendig und auswendig wissen. Gott sey es aber
alles bevohlen, weill ich dennoch sihe, das ich ex altera parte consola-
tionem von denen empfahe, so dergleichen laster von mier nicht glauben.
Den 11. septembris hab bey I. F. D' ich audientiam gehabt uud
meine sachen füerbracht, wie das werden E. G. aus hiebeigeiegter meiner
suppljcation vernemea. Gott lob, das auch I. D' dergleichen unbilüche
auflagen von mier, wie sy mier gesagt, nicht glauben kbünnen, jedoch
wollen sy mich zu meiner eutscbuidigung zuelassen. Es habeu woll etliche
dises I. D' mier gethanes zuesagen wollen verhOndtern ; weill aber der
alt herr von Harrach ' mein gnediger herr, den ich zuvor um Gottes willen
gebetten, man woltte mich zu meiner Verantwortung khumen lassen, starckh
angehalten, ist es bey der F. D' zuesagung verbliwen. Uuid erwartte
allso täglich iezunt wan mier dieselb von hoff aus werde ttberschickhet
werden. Uundterdessen khan E. G. ich unverhalteu nicht lassen, das
mein gnediger fürst und herr der von Passau mitt dem aus Bairn auf ein
nenhes in ainen grossen haudi geratten,^ wellicher khuntl'tig undter uns
catholischen nicht wenig ergernus möchte anrichten, allso das weitters
iezunt nicht dan die arma zu baiden soitten erfordert werden, wie es sich
dan auf den schlag sehen lasset. Weill aber ich in meinem obenaein bey
> Vgl. oben 8. 600, Anm. 1.
' EU sind hier wohl die langwierigeu Streitigkeiten wegen den Salt-
handels gemeint; vgl. Buchiuger, Geschichte des Filrateuthums Pa-saau
(1816), S. 329 f.
518
dem aus Bairn die sachen auf ein commission und zusamenkhoil
bäderseitts rätk gerichtet, dieselb anch auf kliunfftigen l.octobri«
forttgang nemen soll, haben mein gnediger fürst und herr der von Pa
mich daraue bey aller lieb, so ich zu I. F. G. hab, erfordert, ingleich
der canzlei alls durch seinen canzler mier lassen zuescbreybeu nml
aigner handt selbst znegeschriben. Es sein aber die sachen an ir 8«II
allso schwer, dass ich mich rill zu gering befündte, der sachen zu nadi
windten; sy sein auch so gferrlich, das sy sine laesione unias parüi^
woll khünnen abghen. ^^1
So ist die gferrligkhait der residenz zu Wien und in Aasma^
gros, das sy buespredigen und derer so sy sezen sollen, woll bed&rfft
sonnderlicb zn Wien wierdt der auslaaff so gros, das ich bona consciei
mitt dem herrn bischofen von Wien wie er mich auch bisher traktiert
ista difTerentia, was das predigen belangdt, nicht stehen, sonuder all«
halben nachgeben und gestern zu predigen anfahen wAllen, doch a]
damit ich mitler zeitt khundte von hoff aus ein decision hab«>n, auf
allerlai ergernus und schaden kbunlTtig verhQettet wurde. Es stcrt
anch die pfarrer im [andt, wan ich nicht verbündten, so ist khain ordm
iider doch wenig. So hab ich allerlai religi(mshandlungen zu hoff anheo|
gmacht, liarnn der religion nicht wenig gelegen, die ebenfals mein
wierdt haben wr>||en, ausser disor sachen, welliche mein ehr und gtwtt
namen anghehen, die ich durchaus tanquam pereona publica nicht üt
ligen lassen. Dise und andere bedenckhen haben mich bewegt, iat
mich nicht resolviern wollen, sonnder meine schreyben, so von I. F.
mier von Passan aus sein zuegeschickht worden, sambt disen meiiien
denckhen der F. D' orzherzog Ernsten darch den Jonosen I. D' ob
dienern lassen zuekhumeu, mitt undertbeniger bitt, das sy mier an
gnedigen fUrston und berru woltten ein schreyben orihailen, das
wegen gehörter Ursachen ans dem landt der zeitt nicht lassen khOnd
Nachdem aber I. D' die schreyben gelesen, meine Ursachen erwi
haben sy sich gnedigist dahin resolviert, das sy den Ton Passan fä)
wollen offendiem and in der wichtigen sachen lassen, mier allso foi
zühen gnedigist erlaubt, wie ich dan gestern den 16. dis alher ghen
ankhumen bin. Ich khan aber E. G. nicht verhalten, das ich unani
diser erlaubnus wegen viller bedenckhen in conscientia mea bsch
sonderlich weill die sachen weltlich ist, gleichwoll ergernus auf sich
das ich tempore tani periculoso soll so vi II armer schäfl in Osterreich villi
auf ein lange zeitt verlassen, bevor aber weill auch pater Georgias
Tgl. oben S. 604, Anm. 1.
519
I. D' hoffprediger in Tyroll zu zühen erlaubnus bekhumen batt und heutt,
wie er mir gsagt, von Wien binweck zQbet. W<}llte allso gbern das ich
vom khayserlichen hoff aus dnrcb ein starckb scbreybeu zum baitnbzug
vermahnet wurde, Sachen halben, die I. M' zu Wien niitt mier zu handien
gnedigist verordnet betten, welliche meiner gegenwierdt alabaldt durchaus
erforderten, und khundten kliaineswegs aufgehoben werden. Es woltten
auch I. M' weder von mier noch anndern ainige entschuldigung nicht an-
nemen etc. Und betten I. M' iiierinnen gbar recht, weill das seminarium
and die Visitation pur lantter auf mier allain iezunt beruhet, daran dem
ganzen landt gelegen. Das aber dürlTt nicht gemeldt werden.
Ich bette es dem atten herrn Trauttsam ' ghern gescbinben und
E. 6. veracbonet. hab allain mich besorget, der alte heiT mftchte es auu-
derst verstehen. Bitte aber E. 6. gehorsamblicb, so sy meine bedenckhen
fOer erheblich haltten, sy woltten dergleichen scbreybeu auf Münicheu
zue zum allerebisten lassen von der khayserlichen canzlei mier zueferdti-
gen, damit ich nicht zu ainem bleiblicben commissario der ganzen saclien
»bis zum endt beyzuwohnen von baden forsten der religion zum böclisten
schaden filrgenumen werde. Dan ich gwislicben in 3 monaten nicht woll
wurde abkhumen mOgeu. E. G. khundten es mit herrn Trantsam meinem
gnedigen herrn woll dabin dirigiern und khäm villen armen sehlen zu
Inuz und ewiger wolfartt. So es aber nicht sein khan, so erwartte ich
doch wessen ich mich verbalten soll E. 0. antwort.
Neuhes ist zu Wien nichts, allain das der pfarrer den Ib. dises
seinen sentents empfangen auch von hoff, das es I. D' bey des herrn
bischoffen von Wien seinem seutents gnedigist verbleiweu lassen. Ist
I allso wegen seiner gferrlicben und schweren khranckbait der gfenckbnus
auf G Wochen erlassen worden und wierdt in seinem pfarrboff curiert.
IGott geb im orkbandtnus seiner Sünden und grosse gpdult.
Des auslauffs halben batt man von baua zu haus widernm eingesagt,
und weill die von Wien in bestraffung der ungehorsamen was nachlässig
gwesen, aigne commissarien verordnet, so die straff hiovortban sollen
füernemen. Ich hab von Pintg raeinei' Sachen halben noch nichts em-
pfangen, ist daran nichts versaumbt, vielleicht hab ich das glOckb in
Bairlant, das ich mein khnndtschafft, wie ich mich zu hoff verhalten, be-
khume. Thue hiemit K. G. znsambt den irigeu göttlichen gnaden beveblen.
(Datum Stain, den 17. septembris a° 84.
E. G. gehorsamer caplau
M. KhlesI m. p.
> Vgl. ob«ii 8 492, Anm. 6.
520
Wan E. 6. aines neuen decani halben zu Wien wurde was fli
khamen, ainer MartinuB Englhardt den ain capitl erwölH, khan i
gwissens halben nicht undterlassen B. 6. in gehorsamen Tertranen x
erindern, das derselbe aines pfaffen sohns, ain eheweib soll an im habe
nngelert ist nnd zum regiern ghar nit tauglich.* Sonaten iat im caq«
mitt namen ainer Jacobns Schwendter* Viennensis juris ntrinsqne doch
Professor auf der nniversitet und so in etlichen commissionen istgebruc
worden. Der hatt gelegenhait iezunt zum hohen stifiFt Passan zu traeUt
den haltte ich fber tauglich und er wurde sich gwislich brauchen ItsM
Bitt E. 6. die wollen zu füerfallenter gelegenhait der thumbkircheii )
nnz darauf gedacht sein, doch meiner unvermeldt.
XIII.
Passan, 1684 September tt.
Wolgebomer, gnediger herr. E. 6. sein mein gehorsam schall
und willig diennst zuvor. Gnediger, E. G. ansfüerlich schreyben de
12. septembris zu Prag datiert hab ich den 26. dis empfangen. Ehi
E. 6. gwislichen nicht schreyben, wie hoch auch dises ir schreyben mic
getrost und erfreyt, dan wan ich alle meine dienst, so E. G. ich nei
lebelang erzaigt, erwege, entgegen aber E. G. wolthatten, wier ich billic
mein lebelang derselben Schuldner bleiwen sollen, wie ich mich dan alli
zeit daffier erkhendt hab und bis an mein endt erkhenue. ich hab vol
aus grossen argumenten an E. G. lieb und gnedigen afiTection niemalli
zweiflen khfinnen, bin aber in diser meiner gegenwierdigen grossen not
noch mehr confirmiert worden, Gott im himel wolle es E. G. tausentfetdif
bezallen.
Was dan I. D' belangdt, werden E. G. mein schriffUich anbringa
schon empfangen haben; glaub ich werde wider derselben Titterlich«!
rath nicht getban haben, weill ich mehr mein unschnldt zn probiem g»-
dacht, dan mich gegen ainigen menschen zu rechen. Den herm bischoffu
zu Wien betreffeot wollt Gott, E. G. sollten von andern ansehentlichei
Personen wissen, wie er mich nun ganzer 5 jar nacheinander ron da
stund an, da er gesehen, das das gmain Tölckhl ein lieb zu mier bekhnmes.
tractiert hatt, so wurden sy mit mier nicht allain ein mittleiden trag«n,
' Durfte trotzdem Domdechaut geworden sein, weil er in einem Deentt
de« päpstlichen Nnntiui vom 16. Jftnner lö90 als solcher ^nannt wild.
Kopallik, a. a. O. II, S. 162.
* Dr. Jakob Scliwendtner, Professor der Hechte an der Wiener Unirersitit.
Klosterrath (1686—1692). Wiedemann, a. a. O. II, S. 683.
521
sonnder sich villeiebt verwundern, wie icli es bisher hab aiisHtehen khünnon
nnd nicht vill mehr zu erledigung diser meiner bschwernus die von I. M'
mier angebottne mitt an^jenumen bab. Aber ich woUtt unghem E. Q.
betrOeben, aonnder hin willijj, wan E. G. mier noch mehrers sollten be-
vehlen, dan dises alles niitteinander meiner uiügligkbait nach zn thun.
Iünd hilft mier Gott haimb, so sollen E. G. innen werden, das ich der-
selben willen alsbaldt will ins werckh setzen, predigen so lang ich khan
und mag, damit das arm vülckhlein diser unnserer privatdiffercnts nicht
entgelte.
Wie ich dan eben deswegen E. G. znegeschriben, damit ich Ton
diser Bairischen tractation durch die kays. M' widerum zu den armen
Wienerischen schäfflein abgefordtTt wurde. Wie es nnn E. G. füer guett
ansihet, allso wiillen es E. G. deren wollgefallen dahin nchten. Aber ich
ffler mein person will auf der weltt mchrers nichts bcghern, dan das ich
nach E. G. willen und walgefallen mich möchte verhalten und das alles
von irentwegen ghern thnn, was sy mier werden bevelhen. Das fiberig
mitt dem herru bischoff will ich auch zu seiner zeitt anbringen, dan
weder im noch mier vill weniger dem armen völckhlein gedient ist, das
wier allso das predigen wechsln und deucht mich in warhait ein wunder-
bärliche raach sein, das man sich an dem armen man rechet der nichts
verschuldt hatt.
Den pfarherr betreffent bey S. Michael,* soll fornicationem et adul-
terium bekhendt haben. Was die fornicatores in iure canonico füer ein
straff, wie das concilium Trident. zu procediern füerschreybt, das alles
werden E. G. bösser alls ich wissen. De adulteris haben wier dergleichen,
doch das die circumstantiae woll betracht werden. Dem ist allso forni-
catores et adulteros iudicabit Dominus; wie vill mehr sein wier verobli-
giert, nnd thuc man mitt dem pfarrer was man wöU : si volumus considerare
ipsum peccatnm und wie schwerlich er Gott ofTendiert, hatt er es alles
doppelt verschuldet. Allain weill vill seines gleichen und laider ghar zu
vill, bin ich allezeit der niainung gwosen, man soll procediern mitt im,
das man auch gegen andern dergleichen fOernemen khan und gleiches
recht haltten, damit khain affection nicht khßnne verrauottot werden. So
wissen E. G. hochvorstendig woll sententiam sanctorum patrum in hac
materia, das Gott über vill verbeuget das sy fallen, nt habeant maiorem
■ occasionem poenitendi, und tragen mitt anndern sflndern grOssers mitt-
leiden, sein auch hiiivorthan bey innen selbst nicbl zu erniessen, wie
wier dan in sacris literis et historiis herrliche exempl derer so von der
> Vgl Nr. XI.
ArcUir. tXXXVlII. Bd. H. U&lfl«.
34
522
baes zu gaaden angenumea und ffleiireffliche leuth nachmalln worden
sein. Ich khundte auch aus meiner Jurisdiction ainen auspundt guettei
leuth geben, die von mier irer fleischlichen mishandlnngen halben starckli
gezichtiget worden, ieznnt grossen frucht in der khirchen schaffei^ Sonn>
sten ist mier khain mensch auf der weltt so unrecht gwesen alls disei
pfarrer. Er hatt mich in verdacht meiner ehr, nmb mein gsondt vüi
schier thaills leben gebracht. Mier ist aber entgegnen nmb sein amu
sohlen laidt, item das er mitt vill schönen gnaden von Gott begabt ist
die er an anndern orten der khirchen zum besten anlegen khflnnet, nn«
lezlich, das woll auch mitt anndern sfindern ist gmidt geschehen, jedod
wier ich füer in nimmermehr bitten, ob woll vil ansehentUche catholischi
Personen an mier gewesen. Wie er im gebett hatt, allso schlaff und lif
er. Weill ich aber mitt E. 6. frey handle und Sy in mein person all(
macht haben, so lass ich mich von herzen ghern dieselbe weisen, wo id
unrecht hab, und wais, E. 6. werden mier dises mein gehorsambs vertnaei
zum besten Termerckhen.
Heine Sachen die stehen alle an E. G. ; wie sie dieselben machen,
allso ist es alles guett. AUain hab ich billich scrupulum, das E. G. gwii
sich meiner mehr annemen alls ires leiblichen befrenndten ainen. Ichkliaii
doch nicht zallen, allain Gott bitt ich die zeitt meines lebens, das er der
belohner will sein. Morgen frQe zühe ich auf Mfinichen. Khnmen I. M'
schreyben an mich nicht, so wais Gott wan ich widerum zu haus kham.
Ich hoff aber I. M' werden mier haimb helffen. Thue E. G. in den schoti
Gottes, mich aber zu derselben gnaden gehorsamblich bevehlen. Datna
Passau, den 26. sept. a. 84.
E. G. gehoi-samer caplan
H. Ehlesl m. p.
XIV.
Wien, 1584 October 31.
Wolgeborner, gnediger herr. E. G. sein mein gehorsam schuldig
diennst zuvor. Gnediger herr, E. 0. den 29. septembris von Prag ans an
mich datiert schreyben hab ich zu Stain alls ich abeuts spatt von Passso
herab daselb bin ankhumen, woll den 16. octobris empfangen, datao!
E. 6. ganz vätterlich gmüeth wie allezeit verstandten. Und wer mier aal
der weltt lieber nichts gewesen, dan das ich bette zu Wien mQgen bleiwen
wie E. G. aus meinem an sy von Stain aus gethanem schreyben* nuil
• Vgl. Nr. XII.
523
beghern leichtlicb haben ahiiemen khfinncn. Ich bin aber von meiniMii
heim dermassen so starckh auf iille lieb, so zu I. F. G. ich trag, mitt aigner
haadt vermahnet worden, lias ich ehrentbalben den Sachen woll nicht
änderst hab thun mügen. wie es dan I. D' selbst darffier haben gehalten.
Ich bin aber Uott inb /.u Wien gsiiudt und frisch ankhunuMi, hab auch
mitt Gottes hilff eben die Sachen allso helfTen neben andern richten, daran
bade Ire F. G. hoffentlich wnU znfriden sein werden. Der ganze streitt'
ist auf ein cumpromissuni büchlosseu, zum obmann hatt baden ffirsten
gfallen herr bischoff zu Äugepurg. Allso hab E. 6. ich auch der mhüe
überhebt des begherten von I. M' an mich bevelich, dan wie E. G. ver-
melden alle Sachen langsam vorttghen, wie ich dan heutt zu tag den er-
langten von I. M' rathstitl nicht empfangen hab, wcUichen herr Ersten-
berger' E. G. zu gehorsamen gfallen langst hette ferdtigen khfinnen und
solliches I. D' erindern, wie ich dan noch iezunt hutV, woül die bowilli-
gung auf E. G. sonndorlitbe commendatian von I. M' gnedigist beschehnn,
er werde es auch nicht difficultioren, so wier ich gleich in disem nieinom
handl etwas restituiert. Was aber meinen haudl betrifft,^ da sein niier
die artickhl den 28. octobris zackhumen. Wie aber dieselben wie man
sagt auf den schi-aufTen gestetdt, das khain mensch so es ausgesagt, bey
dem namen, dan .illain ein pueb genandt wierdt, khau E.G. davon ich nicht
gnoegsam suhreyben. Summa, was ich in dem will anfahen, das mues
zur ergernus geraichen. Do es aber wider mein person in meinem ab-
wesen gangen, so ist es alles evangelium gwesen, wier allso gepunden
und gspert, greiffo ichs da an, ofTondo principem, will ich dem andern zue,
so ghehet es über den heirn bischoff. Was ich thue, will bedenckhiich
sein. Wollte sonnsten dison pneben haben lassen ergreiffen und einzühen,
in nnd anndere personell auf ein nenbes oxaminiorn la.'isen und noch
anndere vill porsonon füerstellon wollen, wer der author so den khuaben
snbiiiniert wollen wissen, oder do er es von sich selbst gethan (wie ich
nit glanb) die gebiiriich straff bogheii, damit anndere büse pneben ein
exemphim nemen, khainoi- ehrlichen pcMSiiu ir ehr abzuschneiden. Was aber
dises alles föcr ein erweitleriing geben, die villeicht one ergernns nit hett
abghen mügfin, haben E. G. verstendig woll zu erwegen, wan sy betrach-
ten, wollin lozlich (wie man sagt) die schnitten hetten springen khfinneii.
• Vgl. oben 8. 517, Anro. 2.
• Dr. Andrea« Erstenberger, Reich.ihofrathaoecretär, Verfasser des Tractat«
de AuttnHimi«. Morit», n. a. O., S. 2.S9 f.; Stieve, Briefe und Act«n «nr
Gescliiclite des dreinsigjährigen Krieges IV, 1878, S. 159 f.
» Vgl. Nr. XIU.
34»
as oMr
: Uqdj
524
Ich hab aber hierinnen mehr dem eitern herrn Ton Harroch,^ den
deshalben gefragt und iu vertrauen mier hierinnen za helffen gebett
:ills luier selbst und meiner affoction volgen wi'illen. Weil der bueb
kliindt and mier spöttlich wer, mitt ainem sollicheu dergleichen gepr
anzuheben, solle ich mich in genere entschnidigen, welliches ichtuglQe
lieber aakhunfTt widerum ghon Wien I. D' Erzherzog Ernsten gleich i
äbergehen will. Wie hoi'h mich aber das inwendig schmerzet, das
nicht gleiches recht haben soll, wais allain Gott im himel, der mein
schaldt erkhennet; dem sey alle raach bevohlen. Haben E. G. ein
deuckhen, so bitt ich dieselb ganz gehorsamblich, sy wollen miers li
zuekhiimen und mein gnediger herr wie allezeit sein und bleiwen. Noa
wais ich nichts, dan die Österreicher werden selbst ganss hauffen nen
zoittung niittbringen. So bin ich nicht ghar zu lang hie, was aber
abwesen I. D' verluufl'on wierdt, will E. 6. ich allezeit fleissig
nnd E. 0. in den srhntz Gottes, mich aber zu derselben gnad<
saroblich bevehlen. Datum Wien, den 31. octobris a. 84.
E. G. gehorsamer capluu
M. KhlesI m. p.
XV.
Wien, 1684 Dee«mber
Wolgebomer, gnediger herr. E. G. sein mein gehorsam schnli
und willig dienst zuvor. Gnediger herr, das E. G. ich ein zeitt hero
geschriben, ist die nrsach, weill ich gewist, das E. 0. in ihrem hol
ambt sehr werden wegen I. D' und annderer fürsten occnpiert sein. Wi
aber I. D' iezunt am hiiimbraisen sein, hab ich nicht wollen nndterlass«
bei E. 6. mich mitt discm khlainen brieÜ gehorsam anzumelden, und
bey uns alhie neuhes nichts alls dises, so E. G. ich zuvor geschribMi, i
sy one zweifl werden von den Wienern guette relation empfangen habl
dasderauslaiifTlaiderghen InzerstorfTnuertäglich grösser wierdt nndschi
kbain straff, wie auch dieselb namen haben möchte, helffen will. Allso
der ander Geier* willens, zu Herrnais ein nouhe predig anzustellen, wi«
dan khurz verscliinen wochen schon angriffen und versuecht hatt. Es In
auch mein khnndtschafft, das er allain auf ainen predigkb&ndt«n warü
so möchte es hernadi alhie nocli übler zaeghen. Was die sectischen p(
digkhandten belangdt, derer sein ein ganzer hauffen in den vorstätt»n alb
■ Vgl. oben S. 600, Anm. 1.
• Wilbttlm Geyer. Topugrraphie von NiederQsterreich IV, 8, 191.
d
525
so in die statt khuuicn, dauffen, trösten und sacraiuentiwn die lenth. Nio-
muutfi ist Bo darauf acbtung gibt, uwi wan man es schuu wais, so will
uiemauts, wie man sagt, den fuclisen poissen. Ain thaill schiebt es auf
deu leittcnambt, der will mitt seinen khnechten niomants angroiffen;
disor auf die von Wien, die babea kkaine quardiam, et ita patitur religio.
Was I. 0' belangdt, nihil desideratur, ist alles stattlich und zum an-
sehentlicbisten verordnet, aber niemaiits ist, so darauf halttot. Man soll
die schueien visiticrn, die buccblädon, die hevanieu sub iuramento eiami-
niem, wo sy die khünder hintragen zur taoff, die puecht:-ucker visitieru,
die schädlichen psalmen und lieder in der statt abstellen; scd nihil horuiu
fit. Das medium dadurch das volckh bislier tliailis ist erhalten worden,
nämblicli durch fleissigo bost«llung der canzl, bey S. Michael ist khain
pfarrcr, bey den Dominicanern khain prediger, darzue das volckh ein
naigung; bey Sanct Stephau ist niier das predigen vom herrn bischoven
so weitt eingesteldt, das ich mehr nicht predigen soll, alls wan es im
gfoUig; daher iezunt der herr bischuff batdt aus den herrn josuitern baldt
ain octornarius prediget und wiordt das volckh dermassen irre, das sy nit
wissen, wo sy hinghen sullon, wie »y dan horrn burgcrmaistor, alls er
etliche iri's auslaufifs halben zn redt gosteldt, eben auf den schlug geant-
wort haben, und herr burgormaister solliches horrn Beckhon' berichtet,
wie or niior ange/.aigt. Was mein person, gnediger horr, bolangdt, so wais
uusor herr im bimel, das ich alle mier aunerbottne dignitateti allain derhalbon
ausgeschlagen hab, damit ich meinem vatterlant woll dienen mücht. Hier
werden aber alle meine dienst iozuut füer ein hoffart und das ich mior
bey dem gmainen man soll einen namen machen, vom herrn bischoven
alhie ausgelegt und vcrstandten, wie er herr bischoff mier dan superioribus
diebus, alls ich zu predigen beghert, durch ainen meiner loulh uiitt meh-
rer'm zu entputten liatt. Nun perturbiort mich dises nicht so ghar solir,
ob ichs woll empfündtc, weill der herr bischolT von der zeitt an er ge-
sehen, das das volckh zu imo wenig und mier mehr naigung tragt, allso
auch ich unwierdiger von I. M' ein zoitt bin gebraucht worden, allezeit
mitt mier übl geatandten ist. Allain orbarmbt mich dos volckhs, welliches
ich müessig und sy mich wio einen frembtcn sehen horumzüben, und
khlage es E. G. treulich, dan ich gwis wais, das sy Diitt mier ein rechtes
mitleiden haben und mier es gwislich nicht gunnon. Darumeti mier auch
desto ringer wierdt, wan ich es nuer khlagcn darfT. Bey anndorn mues
ich schweigen wegen der ergernus; bey E. G. hab ich weniger bodeuckhen,
* Uieronymua Beck, Geheimrath. Wiasfrill I, S. 3'i'J; Stieve, Briefe des
BeicIiBbofrathes Dr. O. Eder etc., 8. 444.
526
dan E. 6. khennen mich innen nnd aussen. Contra episcopnm will oicr
nit gebüem zu reden; wan man aber wissen soll, wie ich nun 5 jarbii
tractiert worden, möchten sich vielleicht vill dessen verwundern, wie idi
so lang hette tragen khOnnen. Ich wills aber dem bevehlen, vellidur
unser aller herr ist, der wierdt es zu seiner zeitt well disponiem. Bin
allain E. 6. do man meiner zu redt wurde, warum ich nicht predige, sj
wollten mich allso gnedig füer sich selbst entschnldtiget haben nnd sod
bey anndem, wo es die gelegenhait gab, mein gnediger hen* sein und
mich entschuldigen, auch alles das was E. 6. von mier in diser und ano-
deren Sachen zu thun beghern, liberrime mitt mier schaffen, will gwislitii
E. G. und allen, so meine Ursachen nicht ffler erheblich halten, gkan
gehorsamen.
Was aber belangdt die religion auf dem landt, da ghehet es in
warhait auch abl zue, bey unns catholischen sein ergerliche nnd hi-st
haushalter, an wellichen weder straff noch ichtes anders hil£ft. Die m»Mn
schlaffen und sein in ainen dieffen schlaff gefallen, davon sy nit wollen
aufgemundtert werden. Anndere sein nicht verband ten, und niemantsgibt
dessen acbtung. De seminario^ videtur altnm esse silentium, und wierdt
auf ein neuhes ghar auf das weitt mör zu ainer lengern bersthschlagmif
gezogen. Die statt und märckht blelwen sectisch den mehrem thaills,
haben und haltten ire predigkhandten. Ehlagt man, so will man ioncii
unser khlag allezeit zu irer Verantwortung zueschickhen. Wer woltt sein«
lebens sicher sein in die leng und do sy ainen gleich umbrächten, bliwen -y
nichts desto woniger halsstarrig, daher auch wier lezlich waü anzubringen
hohe bedencklien haben. Die mandata principis sein auch bey den statten.-'
gering worden, das sy wenig dar.iuf geben, sonnder selbst regiern, tbain»
catholische biirgor aufnemen und do sy auf ainen einen argwöhn bal-en.
so lang an im poisscn, bis er selbst mues hinweckh zühen. Allso gheliet
iiieiiiant.s in die pfarrkhirchen, halten starckh auf einander, mulcstierr.
die pricster und haltten sy so hfirtt, das sy auf den pfarrn nicht woll-r
lilciwon. Und sein sonnderlich Stain und Khrembs, S. Pöldten do i^"
richter ucuhlich ainen priestcr in ain (salvo lionore zu melden) in i'
gaisstall durch dem schcrgen legen lassen, und do I. D' ime und aniem
bevohlen bey der catholischen religion zu halten, so baldt er nuer haim--
khumen, hatt or die burgerschafft gfordcrt und ein neuhes juramentac
das sy boy der Augspurgcr'schen confession sterben und bleiwen wollen.
aufgenumen. Allso ist Ipps, Neustadt und der marckh Mödline. I'i'^
laudtlcuth Wo die pfarrn uns catholischen, die undterthanen aber innen
' Vgl. oben S. 612, Anm. •.'.
527
zucgehöron, balton sy in iron schlössorn predigkhandten und nötten ire
underthanen hinoinzughen. So bleibt der pfarrer allain in der khirchen.
Item sy verhezon liie undortliiinon, das wy innen den /ehent tiit geben,
sonder dorn predigkhandten im scliloH. Will der priester khlagen, so ist
er des lebens nicht sicher; khiagt er nicht, so khan er sich nicht erhalten.
So lassen sy die pfarrn lig:on und zühen hinwpckh. Allso wo tiliiila sein,
Bo zu den catholischon pfarrn gehören nnd ligeu bey iren underthanen,
die zühen sy ein. Item wo allain beneficin gestifft, tbun sy dergleichen
nnd setzen predigkhandten darein: da müessen die underthanen gkiicbßs-
fals hinghen, die pfarrer aber ire gerechtigkhaidton verlieren. Item sy
pauen von grundt auf zu den catholischen pfankbirchen neue Synagogen.
Was ire underthanen sein, die müessen alle darein ghen und die catho-
lische khirchen, darein sy gepfart, meiden, Allso hüben sy neuhe freudt-
hdff in ainer grossen anzall, alles zur schmellerung der catholischen
khirchen aufgerichtet. Das alles mues die concession deckhen. Und do
man sy bekhiagt wie ich meinem gTvissen nach gethan und thue, so mues
man nit zwai oder trei jar, sonder etlich haben, ehe mau ainige resolution
bekhumen mag. Ist dicselb wider sy, so haben sy widerum etliche jar;
interira sterben wier, die Sachen werden verlegt und meniglich darob un-
lustig. Das schreyb E. (!. ich khiirzlich, aber hoffentlich mitt ainem sol-
lichen grundt, das ich nichts schreyb, wellicbes E. G. I. M' nit selbst
lesen nnd ich in specie probiern khflndte. Allso werden E. Cr. selbst
schliessen khönnen, wie die seelischen per indiroctum unser liebes vatter-
lant ga.m. und ghar werden inliriern und undter sich bringen, das es
niomants wierdt acht nemen, allain dise, welliche dergleichen sacben täg-
lich tractiorn, aufmerckhen und behalten. Wie ich niier dan gänzlich
fOergonumen, das zu annotiern, durch was lüst der bflse geJst dises unnser
vatterlant in glaubenssachon undter sich zu bringen befieist. Und wierdt
in substantia gwis nichts änderst sein alls K. 6. ich iezunt angedentt
hab, damit man nach meinem t<itt dennoch fflndo, das ich nicht ghar in
disem landt das brott utubsonnsten geesson hab.
Was meine Sachen betreffent,' stehen gnediger herr dieselben allso:
weill der pneb alle sachen. so er wider mich ausgesagt, seiner ansehent-
licbcn freundtscbalTt, welliche in auf mein beghern in meinem beiscin
examiniert, laugnot, und andere authores, von wellichen er das zu sagen
angelernt worden sein soltt, so begher ich zu gwisser erkhundigung der
warhait von I. D' commissarien, wellichen den pueben auf ein neubes
güettig und wo die nit woltt bafTten mitt der scharff oxaminiern sollen.
• Vgl. Nr. XIV.
538
Was sy UUD in der aussag wiordt befunden, darnach will ich mein schhS
t«n sf)llcn. Und werden K. G. aus diser ainigen action hoffentlich sehe;
wie man mitt niicr in meinem abwesen umbgangen ist und wie ghern
mich in disen schändlichen dingen, davor mich Gott mein lebelang ht
hüetteu wfille, ergriffen hette. Aber sy werden zn schandten werden, i>
sy all ir argumentum auf aines unbestendtigen und leichtferdtigen piM
bens, wellicher beult wider mich, morgen wider andere und sy mIII
redet, gestelt und gesezt haben. Das aber alles bleibt E. 6. oUs
gnedigen herrn hernach zum endt diser Sachen unverburgen.
D;ts E. G. sich meiner wegen der prubstoi Ardackher' so Tättcrli<
und treulich angenumen haben, dessen thue ich mich gehorsambUeh U
dancklien, und wais ghiir woll, das E. G. an irem fleis gwislichen nich
haben orwinden lassen. Wie mich aber I. M' ausgeschlossen und aj
weltliche person so umb die khirchen das geringist noch nit verdiM
füergezugen haben,* wais ich nicht, mues es gleich Gott bevehlen, wei
I. M' mitt mier und uns allen zu schaffen haben. Ob es mier aber Lnweodj
nicht Bull wee thun, mflgen B. G. alls ein hochverstendiger abnemen. w;
sy betrachten, das ich bey der religion gsundt, iugenth, wolfarU
(ono rbum zu melden) mein loben zuegesezt hab. Mein einkhumcn viaM
E. G., hen- Trauttuam^ und moniglich. Nun mues ich mich weill es
schebon nuer willig darein geben, und wer zufridon, wan ich nur wisti
das es nicht aus ainor ungnadt oder dises meines handls geschehen wet
7iur ungnadt 1ial> ich mitt wissen nit ursach geben, in meinem handl bi
ich noch niemalln gehöii worden, mich aber der purgntion angebott«
und deswegen gheii Wien khuuion, wie ich dan alberait im werckh bii
BefQndt es sich allso wie man mich undüchtig bezQgen, da gib I. M' i(
mich zu straffen kiiain Ordnung. Sie schaffen mich zum landt aus udi
lassen Ulier annderen zum cicmpl meine recht thun. Wo aber nit, i
wultto ich dennoch göhorsamist gobetten haben, I. M' die erzaigton mii
alis irem unwterdigem undorthan, das sy mein allergnedigistcr hcrr würi<i
damit ich ainmall den bOsen zuugen irc meuUer möchte stopfen, ni
mcntglich so von mier schreybon und reden zu schaudteu machen. Dl
ratlistill ist mir woll bewilliget, aber davon nichts zuekhamen. Fallet olwi
füer, weill es yhe mit diser probstei verlorn, so bitt E. G. ich gehorsjunl
« Vgl. oben S. 512, Anm. 1.
• Nach Oswald Grütler's Tode folgte im Jshro 1585 Andreas Birk,
gister der freien KQnste and Erzieher der Prinsen de* Ersheraoga
milian; Friesg, Geschichte des einstigen Collegiatstiftes Ardaggvr, AreU
für österreichisclie Geschichte XLVI, 1871, 8. 419.
* Vgl. oben S. 492, Anm. 6.
529
lieh, sy wollen in liiscui und andern noch wio zuvor allezeitt mein gnodi-
ger herr sein; will mich in meiner vocatiun vermütls guttlicher gnadeu
allso verhalten, daran E. G. LofTentlich sollen zufrideu sein.
Der wegen si-iner leichtfcrdtikhaiteu bejS. Michael ontsozle [ifarrer'
ist den 1. decembris umb essenzeitt wie oiu büswicht entruunen, ein
Bchroyben zatjambt ainem neuhen schlüesl mitt wellichem er sich ledig ge-
macht auf dem tisch undter im verlassen. Das schreybon lauttet an horrn
bischüff, der Inhalt aber deätselben ist mier uubewüst. Wo er hin sey,
varia dicuntar, aber ich bin der mainnng, er werde auf Sachsen in sein
patriam gezogen sein, und daselb villoicht an sehl und leib verderben.
Die frau Unverzagtin^ ist den 4. tag decembris umb t ubr nach uiittem
tag verscbiden, derer Gott wOll gnedig sein. Der sterben ist bey uns
etwas leidlichcrs, gleichwoU die zoitton zimblich vorronderlich, grosse
khelton und jähliche wärm, stinckheto und grosse warme windt, feucht
und dergleichen. Gott in dessen schuz E. 6. ich bovchlcn thuc, wöll sich
unserer aller erbarmen, amen. Datum Wien, den 6. decembris u. 84.
E. 0. gehorsamer caplau
Melchior Khlesl m. p.
Prae|i08itug VieaneuHw.
XVI.
WioD, 1685 Jänner 10.
■ Hoch und wolgoborner, gnediger herr. E. ü. wünsche ich von Gott
y dem allmechtigon ein froidenroiches noubes jar, das sy dises ganze jar
mitt sanibt allen den irigen in haucta pace et bnnedicliono Dci lebeu, die
khirchon befüerdon und in allen iren Sachen guottcu forttgang haben
khüunen. Meiner gehorsamen affettion nach wollte ich gliorn viil wün-
schen, sy ist aber weitt grösser alls ich mitt wortten expliciern uud
schreybon khan ; sy werden vill mehr das guett gmüett, dan mehrere aus-
füerung ansehen. Euer Gnaden schreybeu, den 24. decembris dos 84. jar
zu Pr^ datiert, hab ich den 3. januarii dis 85. jar mitt freiden empfan-
gen und den inhalt magna mea consolationo verstandtcn. Wais in war-
hait nicht, gnediger beiT, wio ich gnucgsum mich möcht bedanckheu.
dan wan niemants ist, der mitt mier ein mittloiden trugt, so khumen
£. G. allezeit und wollen mich on trost nicht lassen. Ob ich woll etwas
E. G. bevelich und gnädigen willen gethan, ist doch solliches ratione
» Vgl. Nr. Xin.
* Gattin des Hofsecretiri Wolf Ton Unverzagt.
530
officii mei geschehen und von E. G. langst doppelt verdienet word«
Was sy nur iezunt thnn, das ist alles gnadt, die ich nimmer bezall
khan, Gott aber der reichist vergeltte es B. Q. auch reichlich. Wie mi
meine nächste fteundt in meinem abwesen haben angriffen,^ wissen E.
mehr dan zu woll, aber wie Gott den nnschnldigen nicht last zuschand
werden, allso haben die F. D. sich gnedigist auf mein eingebrachte wi
hafftige entschnldigong Gott lob resolviert, wie E. 6. ans hiebeigelegl
I. D' resolution gnedig za sehen haben, ünnd wiewoU mier auf der we
lieber nichts war gwesen, dan das ich die commission den pneben
examiniem, hotte erlangen khfinnen, wie dan derselb alberait in mein«
beisein von der frenndtschafft Aber die wider mich eingebrachte artid
examiniert worden ist, die anthores wer in angelernet haben sollt, du
was scharffe nnd linde er bewegt worden, so hab ich doch zn rermeidn
schwerer ergernus dan auch I. D' zn sondern gehorsamen, ehm und al:
derer aathoritet, so hierdurch hotten mflgen offendiert werden, sehwind
und fallen lassen. Gott ist der recht richter, der wierdt eu seiner »
alles erthailen, dem will ich alle raach haimbgesteldt haben und gwisli
hiorinnen E. G. treulich und gehorsamblich ToUgen. Do aber E. 6. aa
mein cntschuldigungscbrifTt beghern, will ich dieselb ghern schickhe
Was nun den herrn bischoven allhie zu Wien belangdt,' da gla
ich woll, er werde sein Sachen duich seinen guetten freundt alnen ailei
halben zu Frag ghar guett und recht gmacht haben, weill er gewist, qn
altera pars non sit praesens. Aber E. G. khennen mich Gott lob allso d
ich mier nicht fürchte, wer anch was bey E. G. gsagt haben möcht; di
da» wissen E. 6., wie schimpflich ich nun 5 ganzer jar vom herrn bisch
von alhie bin tractiert worden nnd wie ich allezeit ad evitandum sca
dalum hab an mich gehalten und alle sacheu dissimuliert, aber dan
nuer sovill erhalten, das wolgemelter herr bischoff allerlai imperia in m«
person gsuecht, von der canzl wan nnd so offt es im gfallen gestoss«
dadurch das arme völckhlein ist verwirret und geergert worden, und d
dreiht er iezunt mitt mier schon etliche monath, allso das ich zu vertan«
tung allerlai Verdachts bey dem gmainem volckb zu der heilligen zeittm
erlaubnus der F. D. aus der statt in ainem marckh Khirchperg* genan
zu herrn Fugger^ hab zühen und daselb predigen müessen, Gott 1<
nicht one frucht. Wider den herrn bischoff gebüert mier tanquam i
foriori nicht zu schreyben, es werden aber es E. G. hoffentlich von annde
• Vgl. Nr. X.
' Vgl. Nr. XV.
• Kirchberg um Wagram.
• Vgl. oben S. 492, Anm. 2.
erfarn, wie niitt mier umbpanijeii und goliantüpt wienit. Ich referipr iriich
auf I. D' selbst, iiltcn ' und jungon lierni von Harrach,' auch anudere
I. D' räth, wie ich mich leiden mucs. Res est plana et manifesta, da8
nicht allain ich, sonnder alle anuriere, seitt herr Unverzagt/'' von Prag
khumen, von herin bischoven khain gnett wortt haben. Aber allen hind-
angesezt, haben R. G. bei mier nicht zu bitten, Bonnder mitt mier zn
schaffen, unnd verhais derselben hiemitt, da« ich mich gegen dem herrn
bischoff allso freundlich und christlich will erzaigeii, wie ich dan istis
argumenti» bisher snaiu bonevolentiam aller mügligkhait nach gesuecht
und doch nicht erhalten khünnen, das herr bischoff billich sull on khlag
und E. G. mitt niior woU zufi-iden sein, allain das mein privilegiis dadurch
nichts entzogen und alle mein arbait vergebens geacht werde. Hab nuer
sorg, ich werde villoicht so wenig alls bisher richten, dan wo der herr
bischoff wais, das er innerhalb S monatt so perfoctus in omnibus rebus
Wurden, das er auch khünnet geistlicher [iniesident und noch luehrers
werden, wierdt er gwislich khainem menschen weichen; will an mier,
gnodiger herr, nichts manglen lassen, damit ad minimum ich E. G. be-
ghern ein gnüegen thue.
Den auslauff stellet man der mQgligkhait nach fortiter et siiavilor
ab. Gott geb aucli, lias die canzl alhie allso besczt sein, wie villeicht
anuderer ortten vi>n Wien ghon Prag gschribon wierdt. I'ator Juannes*
hatt sein guottcs aridithorium ot cum fructu, die anndern sein allsu bc-
sozt, dos der gmain man etwas raohrers begbert. Mehr will ich nit
schroyben dan ich bin discr Sachen interessiert. Das seuiinariuni* will
ich wider dreiben, es mncht sich aber an dem stossen, das wier nicht alle
aines sinnes sein; dan wie mier der unverzagt neuhlich gsagt, so wßlle
sich herr biüchoff nebou meiner nicht brauchen lassen. Das stelle ich
Gült haimb, tniste mich dessen, das herr bischoff khain andere ursach
alls isbtm upinionem hatt, imo werde es alles rocht gehaisscn. Will mich
aber dennoch accoiuodicrn und sovill uiüglicli nit lassen fouudt sein.
Was den rathstitl gnediger herr belangdt, ob dorsolb woll Vdu I. M' mier
ist bewilliget worden und zu rettung meiner uuschiildt hoc tempore mier
* Vgl. oben S. 500, Anm. 1.
* Leonliardt (V.) von Harrach; vgl. Wissgrill, TV, 8. 154.
» Vgl. oben S. 497, Anm. 4.
* Eb ist der Jesuiten pater und Hofgirodiger Kr7.lier>iug Karls, Johannes
Koinel, gemeint. Eder an Herzog Williolm, Wien, l'J. Mär/. 1585 (Mün-
chen, Reichsareliiv, Oestorr. Religions- und Correspondenuicten XII,
fol. 212V
> V|;l. obeo S. 626, Anm. 1.
532
sehr dienstlich sein möchte, tiag ich doch sorg, ich werde denselbei
schwerlich bekhumen khOnnen; dan ich (!) die Termnettung man wtrd«
mich nicht allerdings woll comendiert haben. Ich will aber an E. G. ghai
nicht zweiflen, unangesehen was andere flbl comendiem, werden 87 miei
in zum nenhen jar schickhen, wan es annderst sein khan und nicht anden
bedenckhen eingfallen.
Die buechläden hebt man an sn visitiern, bin der hoffnnng, d«
Sachen sollen algemach in meliorem statum nach dem landtag gebracli
werden. Anndere sachen auf dem landt stehen woll was gferrlich diu
bedüerffen grosser aufmerckhung, wie E. 6. ich zuvor auch ad longom g»
Bchriben; will an meiner person, wo ich nuer helffen wier khfinnen, nichti
manglen lassen. Gott verleihe mier und allen, so helffen mflgen, seil
göttlichen segen darzue, das sy es alles willig und allain in seiner eki
thun. Und thue E. G. Gott dem allmechtigen, mich aber in derselbti
gnaden gehorsamblich bevehlen. Datum Wien den 10. januaiii a. 85.
E. G. gehorsamer caplan
Melchior Khlesl m. p.
xvn.
Wien, 1686 Min 4.
Hoch und wolgeborner gnediger herr. E. 0. sein mein gehorsunli
schuldig und willige dienst zuvor. Gnediger heiT, E. G. den 9 . febr. m Png
datiert schreybeu hab ich den 18. desselben monats empfangen. Hetti
alsbaldt darauf geantwort, so haben mich die tractation mitt dem prilatea-
standt, ersezung der pfarr Saabs,' mitt wellichen ich immerzue occupierl
gwesen, daran verhfindtert; bitt derhalben £. G. umb Verzeihung. Dt-
nebens soll ich mich woll bedanckhen, das E. G. in meiner aignen sadiei
so staickh alls wan sy ir aigen wer occupiert sein; weill aber die gnadu
80 hoch das ich nuer lenger und mehr schuldig wier, mues ich nuer Gotl
bitten, das or alls der reicbiste dise grosse schuldt mitt seinen gnad«
zailcn wöllo. Es ist nicht weniger, das mier an disem ratetitl der leiti
vill gelegen, dan dadurch wier ich in vilweg restituiert und mache dien
schandton, welliche vcrmainen, das I. H* mitt mier nit znfriden odei
das ich diser losen des gwesten pfarrers sachen* interessiert sey. Weil
' Der Pfarrer Jakob Strigl wurde seiner Stelle seines Ergerlichen Leben»
wandeis wegen enthoben und Anton Stromair am 22. Februar von KM
dort installiert. Geschichtliche Beilagen sn den Consiatorial-CorreDdei
der DiOcese St. Polten I (1878), 8. 288 f.
' Vgl. Nr. XV.
533
l
es aber nunmehr, wie der alt lieiT Trautsam ' mier schreybt, zu dem
khumen, das es allain an der ferdtigung gelegen, klian E.G. in gehor-
samen hohem vertranen ich nit pergen, das ich von Prag ans dessen bin
avisiert worden, all» soltto herr canzler* gleichwoll die ferdtigung aber
doch in comniii foriau, weill khain supplication verhandteu, bevohlon
haben. Bitt demnach, E. G. wollen bey dem herm vicecanzler das böste
thun, wie ich im dan selbst geschriben, meiner an gedenckhen; dan mier
ist ein mehrere ehr und gnadt, das I. M' proprio motu mier was bewilli-
gen, alls wan ich hette suppiiciert. Ich mach mier ghar khainen zweifl,
do herr vicecanzler wierdt wissen, das E. 6. mier solliche gnadt gnnnen
nnd ghorn befüeniert sehen, er werde den stilum in meliori forma le-
vehlen, damit ich mich dessen trOsten und erfreihen khünnet. Woltte es
ghern um E. G. verdienen, fündte mich aber wie vorgemelt zu wenig,
weill ich one das E. G. gehorsamer raplan bleiwe weill ich leb.
Uitt herrn bischotTen' von Wien hab ich mich gau7. und ghar ver-
glichen, und bin mitt I. Hochw. woll zufrieden, wie ich dan dieselb alweg
billich geehrt hab, was mier auch füer ungelegenhaiton zuegestandtcn.
Wais auch nicht änderst I. Hochwierden werden mitt mier ganz woll zu-
friden sein, in bedenckhnng ich mitt den predigen (darumen nicht ein
khlainer stritt sein wollen) bin gewichen und las den herrn bischoven in
propria ecclesia billich seinen cathedrani. Hette mich dessen niemallns
auch undterfaugen, do ich nicht ordentlich auf I. D' bevelich mitt woler-
meltes herrn bischoven Torwissen, damit dem auslauffmöcht gwehii wer-
den, dasselb thun raflessen. Sonnsten bin ich alls ein thumbprobst zu Wien
zu dem predigambt ja nit verbunden, darum die thumbprobstei was ring,
und. ein iedlicher thumbprobst so änderst ein wenig seinen standt halten
will, anndon< gelegenhaiten suechen miies, wie ich selbst mitt herrn
bischoven von Passau gethan hab. Gott wolle uns in diseui verataudt
erhalten and den bösen leuthen, so allain an aller unainigkhait schuldig,
steuren and gnediglich wehren, amen.
Mitt den praelaten stehe ich noch in der tractation, das ich alle ire
pfarrer, so ainoa gottlosen lebens sein, unverhßndtert irer Privilegien
straffen und visitiern khüune, damit allso im landt nudter den geistlichen
ein feine forcht und gleichait möchte angesteldt werden. Khan aber auf
dato noch nichts richten, allain hab ich etliche gefangen, so sy mitt mier
einlassen wQlIen. Verhoff dis werckh soltto unnserer heilligen retigion
sehr nuzlich sein.
* Vgl. oben S. 492, Anm. 6.
* Ist natürlich der Vicekancler Viehioser. Vgl. oben S. 509, Anm. 2.
* Vgl. Nr. XV.
534
AUbo hab ich den ansehentlichen pfarrer zn Raabs seiner p&n.
nmb das er aines gottlosen lebens gwesen, entsezt and der ganxen P»-
sanerischen diocoes verwisen, dieselb aber mitt ainem catholischen exea-
plarischen priester mitt Toi-wissen der F. D' meines gnedigisten betn
ersezet.' Will nicht feiern, auch die anndern, wan nuer leuth verhiodto.
anzugreiffen and innen ein mehrere sorg machen.
Das seminarinm^ stehet in bonis terminis; verhoffe wier soQa
dise tag zur sachen greiffen, darzne ich auf I. D' bevelich aUeriai pnt-
pariert hab. Gott verleihe disem ansehentlichen werckh dermaUnaiMi
feinen forttgang.
Auf khunfftige wochen, wills Gott, soll ich den marckh Hötinbiii;^
auf gnediges ersuchen herzog Wilhälmb aus Bairn'* meines gned^
fflrsten und herrn (weill diser marckh dem Abbten von Fambach^ ii
Bairn ligendt zuegehSrig) und dan auch auf sonndere I. D' enherzog En-
sten gnedigiste Verordnung in die catholische disciplin nemen,^ and la
dan nicht will, mitt guetten und bösen wortten, ja auch mitt der za«stif-
tung, wo es nott, straffen etc., welliches ich mitt göttlichem beistandt in-
werckh zu richten gedacht bin. Thue E. G. hernach meiner verrichtans
relation. Sonnsten pfleg ich ann sontägeu in den nächsten dörffern ui
märckhten bey Wien und dan auch auf den raison in den statten n pn-
digen, sihe den maisten thaill zum catholischen glauben woll geioi^
allain sein nicht arbaiter verbandten, wie dan alhie in der statt selbst ic
sehen, da noch heutiges tags khain pfarrer bey S. Michael khan gefuniM
werden, do es doch hoc sacro tempore die eusserist nott wäi\ Aüie isi
der auslauff zimblich starckh, hoff aber, er solle nach dem landtagab-
nemen. In der statt alhie lassen sich vill predigkhandten sehen, wellici^
in winckhln zimblich schaden thun, wie vor wenig tagen ainer gest"rbet
Hoff, man werde dem wirtt so in aufgehalten seinen lohn geben. Die lanü-
leutli sein mitt gwalt heillig worden zu diser fasnacht und wollen m^
glauben schier horausnöttigcn, glaub sy werden nicht aufhören, bis ?J
die schedlicho concession, welliche vill hundterttausent schien schon vtr-
fiiert, auch verloren haben ; das gob Gott, amen.
' Vgl. üben S. 532, Anm. 1.
» Vgl. oben S. 531, Anm. 5.
' Markt Herzogenburg in Niederüsterreich.
* Wilhelm V. der Fromme. Vgl. Riezler, Geschichte ßaierns IV (If*-
S. fi25 f.
' JSenedivtinerabtei Formbacli, welche hier vom Ende des 12. .JahrbnniJ«ro
bis zur Aufhebung derselben im Jahre 1804 die Omndherrschaft ba*«*
" Klesl war auch am 7. und 28. d. M. in Herzogenburg. Hammer-PiK-
stall, Khlesl's Leben I, Urkunde Nr. 44.
535
Die von KUrembs umi Staiii luiltten in iron heusein in die ü pnc
digkhuinlton auf, la^seu wich klilageii und I. D' schaffen, sy thun was »y
wollen. Das ist die aiidatia derer rermainteu evangelischen. HeuU hab
1. D' ich übergeben dise landtlouth, so noch den neuhen calender nicht
haltten, daruudter herr landtmarschalch' und Heimat Uerger^ die ersten
sein. Summa die flaccianer neinen in disem landt dermassen überhandt,
das E. Ci. nit glauben khünnnn. Dise nennen I. M' mitt iiauien aiuen
tyrannen auf der canzl und vill mehr; hab sorg, wierdt mau nicht baldt
wehren, die sacben werden sy so weitt einreissen, das man nimmer wierdt
waren khünnen. Und so vill hah E. G. ich in roligionssaehen iezuntoecu-
piern und mein herz lären wollen. Thue E. G. zusambt allen den irigen
in den schaz Gottes bevehloii. Datum Wien, den 4. martii a. 8b.
R. G. gehorsamer cnplan
Melchior Khlesl m. p.
XVIII.
Wien, 1686 Mmi 23.
Hoch und wolgeborner, gnediger heiT. E. Q. sein mein gehorsam
schuldig und willig dienst zuvor, gnt'digfr herr. Das E. G. meinem vottorn
so gnedig erlaubt, mier auch wie bisher alle gnaden anboiitt, bcilanckh
ich mich gehursamblich, und hab os bisher im werckh allso erfahrn, das
ich wie ufft genieldt bis in mein grneben ein Schuldner bleiw. Ich hab
gnediger herr an E. G. affection niemalln zweillet, und das ich vituliini
cum titnlo nicht hab empfangen, daran haben E. G. khaiu srliuldt, dau
es gwislich au irem gnedigen willen nnd starckher bemühung nit ge-
manglet. Gott wierdt es zu seiner zeitt mier zum haül wie bisher alles
disponiern, allain wOllen E. G. zu füerfalleuter gelegenhait, damit ich
meiner bschwernus etwas möcht enthebt werden, meiner in irem me-
morial nit vergessen. Will mich gwislich der khirchou mitt beistandt
göttlicher gnaden allso arbaitsam erzaigen. das E. G. ir commendation
und befüerderung nicht gereuhon soll.
Die religionssachen stehen bey uns in der statt alhie zimblich woll,
wan nuer die nachgesezte i.ihrigkhait etwas embsigers sein vndtt. Äaf dt^m
landt aber will es nicht recht forttghehen; wir worden haltt von der
schändlichen concession allenthalben verhündtert, und khan der anslaufT
airgents gewehrt werden, hegt ntan ainem tbaill was auf, so zaigt der-
' Bogendorf.
* Vgl. oben S. 491, Anm. 3
536
selb anf xehen ander die eben das thnn, nnd ist nit m>ich, das der
schöne waizen nndter disem so grossen unkhrantt soll ansehen. So
geben wir thaills nrsaeh, dan laider iezunt, wo I. H' p&ndtsehilling tv-
khanffen, so geben sy die p&rm and armen sehlen mitteinander hin,
deren exempl ich etlich eneUen woltt, gnueg sey die ainig hemduüR
Grienaa, so Heimat 6«rger' ist geben worden, weUicher den catholisdia
priester alsbaldt veriagt nnd ainen sectischen eingesext hatt, danm«
sich alle onderthanen gegen dem von Passan ganz erb&rmblich nnd am-
f&erlich bschwert. Aber da ghehet aines nach dem andern nobis do^
mientibns laider hinweckh, nnd weill ich dis E. 6. in gehorsamen Te^
tränen zneschreyb, bitt E. 6. ich nmb Oottes willen, sy wollen ad partco
I. M' aTisiem. In warhait ist es ein schwere nnd widitige gwiasens-
sachen, wan die sehlen am iflngsten tag werden räch schreyhen; dann
ainmall khain mensch schnldig ist alls die obrigkhait, dämm in denen
Sachen grosses nachfragens bedOerfftig. Die congregationes mrales per
Austriam inferiorem hab ich angesteldt, nnd bin willens den 4. junii di«
erste zu Bez, alda ich 146 priester hinbeschriben, halten. Gott wolle
sein gedeien geben. Was alda verriebt, bleibt E. G. nnverborgen. Das
seminarinm,' sine quo nihil fiet, bleibt schon in die 3* wochen bey herm
bischoffen von Wien, weUicher seiner schwachait halben die commissvien
nicht khan zasamenbringen. Glanb der böse feundt werde es noch ein
etliche jar Terhftndtem, nnd Gott ans znr straff verhengen. Ich will abtf
za sollicitiem nicht anf hören; Gott, in dessen schnz E. G. ich beTilieh,
wolle sein benedeiang darzne verleihen. Datnm Wien, den 23. mai a. 85.
E. G. gehorsamer caplan
Melchior Khlesl m. p.
XIX.
Wien, 1687 Jinner 1
Hoch and wolgeborner gnediger herr. E. G. sein neben wOnschnng
aines freydenraichen neuhen jars mein gehorsam schnldig nnd willig
dienst zavor. Gnädiger herr, E. Q. antwoi-tschreyben hab ich mitt frej-
den empfangen nnd bedanckh mich des ganz gnädigen erbietens, will es
nmb E. G. und derselben zugethanen in meinem armen gebett gegen Gott
meiner mfigligkhait verdienen. Was aber das ortt nnd die statt, welliche
vom hussitiscben zum pickhardischen glanben gfallen nnd derselben
> Vgl. oben S. 491, Anm. 3.
* Vgl. oben S. 354, Anm. 2.
537
namea belan^dt, hab E. G. ich geBctariben ond ist mier laidt, das ich aus
der bebmischen Jandtagsproposition, die ich milt allem fleis angehflrt,
mehr nicht gelernet hab, dan das man mein behmische schrifft nicht lösen
bhan. Das nrtt haist Schäslau, du der Schiscita, so Behaimb verhört, be-
graben ligt.' Das ist allererst, wie in meinem vorigen schreyben ange-
deutet wierdt, aeahlich abgefallen, und haben ay I.M' g<rislichen annderst
nichts alls annderer statt volg und was alsdan füer inconveniontia aus
derselben bluetdierstigen sect der pickharditen herücust, zu gctrCsten;
dem allen nun werden E. 6. faersukhnmen wissen, weill sy anch boy
denun in Märhern ein iandtman sein.
Der pfarrer zu Nickholsparg ist bey mier gwesen und umb befüer-
derung angehalten. Ich hab im aber von E, Q. wegen so grob abgedanckht,
das gwislich E. G. weder schrifft: noch mfindlich viileicht nit getlian.
Der arm man erkbennet sein grobhait ghar woll und wierdt mitt schaden
wizig. leb hab gesehen, das der guott man in seinem sfin ghar zu gelert
und bey sich selbst verständig ist; ist haltt ein Tyroler, denen man, sonn-
derlich weill er die bewüsten jar noch nicht orraicht hatt, etwa» passiern
möcht. Es hatt heiT doctor Eder* mier seinuthalben zuegeschriben und
mitt mier auch selbst goredt. Bade befunden wier das er gros unrecht
ist und woll aines schärfferu proces verdient hett. Weill aber E. G. gmüett,
lieb, naigung und sanfftinuett nicht alluiii so sy gegen den priestern
Bonnder allen anndern fQeren, meuiglich bekhandt, und weder diser noch
vill höhere alls diser pfarrer ist, an irem guetten namen und aiffer. weli-
chen sy in ziglung und forttpflanzung der catholischen khirchen haben,
nichts schädliches oder verclienerlicbes thnn khan, auch nicht thun wiordt,
hieltten wier füer rathsamb, E.G. möchten ime aus sonndern gnaden und
damit er nicht in khlainmOetigkhait khumb, allaia dessen khundt»ichafft
erthailen, worinnen er sich erbär und woll verbaltteii hatt. Damit wur-
den sy ime glßende kholl auf sein haubt samblen, das bös mitt gnettem
vergeltten, die gerechtigkhait uiitt der gnaden mildern, ime sein böses
manll (welliches gleichwoll E. G. nichts schaden khnn) stopfen und ann-
deren prieatera ain herz machen, das sy desto lieber E. G. dienen wur-
den. Das hab ich aus der erbannnns und mitleiden, so ich mitt diseni
gfallnen priester trag, E. G. gehorsamblich wollen zueschreyben, die wei'-
den es hoffentlich mitt gnaden von mier aufnemen.
' Da« Grabmal (log Htissitonfeldhcrrn Johann Zi.ska von Trocnow (f 1424),
das sich in der Peter- und P-xulükirclie zu Caslan befand, wurde IRS.S
auf kaiDerlichen Befehl abgebrocheu.
« Vgl. oben S. 492, Auni. 4.
AtcbiT. LIXXVIII. Bd. U. lliUrto. 35
538
Alhie ist der landtag Gott lob glflckhlicli
hatt die khayserliche resolution* nnnsere land
Sanll zu poden geschlagen, and do sy Aber ein ]
herz gefast, so khnmbt der tott und nimbt de:
und aurigam ires ganzen wesens hinweckh; darb(
Weill dan zn erhaltnng der catholischen religi
ist, dan das die predigkhandten, so uns eing
ferdtigang allerlai revers gehalten werden, wel
I. H' ine ans dem landt schaffen, die anndern
haltten, mitt gleicher mflnz bezallen, so werde]
Diser Sachen haben wier ainen anfang gmacl
gelegtem revers copi abzunemen. Und ghehen
die Sachen alle tag bösser fortt, wie dan auf
sechs predigkhandten auf khunfftige wochea
welliche das revers aintweders ferdtigen oder aus
Darauf haben sy nun I. M' gnädigist resolvi
diser predigkhandt reversiert. Jezunt ist die b
im landt vor der handt, die wollen I. D' so spe
die personen, welliche sy in äussern rath und und
mitt irem nämen zn wissen beghern, dan durch i
catholischen lustig und sine strepitu befflerden
woll schwär an, aber sy geben sich willig, weill
der mitl alls der gehorsam vor der handt sey. I
Stain und Ipps khain statt oder marckh im ganx(
welliche nicht iren catholischen stattrichter hett.
und Stain, S. PClden, Zwetl, Waidthoven an d
Clostemenbnrg, Prugg, Langenleus, Pei-tolstorfl
alle ire catholische marckh- und stattschreyber,
achtens zur religionsreformation nicht ein schlecfa
auch nun hinvorthan khain nnderthan angenu
aidt, das er der khais. M' in religionssachen wöl
nemen die catholischen auf, die anndern aber
catholischen noch 900 und etlich und ffierzig p
der gegonthail aber nuer 165. Betten wier ni
den predigkhanten allenthalben angst gnueg m:
das faist von den pfarrn nemen, das überige den j
' Es ist ohne Zweifel die kaiserliche Reaolation <
1Ö86 gemeint, welche den Ständen tun 8. D
NiederOsterreichisches Landesarchiv, B. 2. 4, (
* Christian Thalhammer, Landschaftssecret&r.
539
schaittl geben, das sj sich kbaiim erlialten kh&nnen, daher die maisten
grobe, aiafeltige, ungelante und achleclite louth sein, die ire hon-n die
ganze wocben za allerhandt arbait geiirauchen. Summa, ich sihe haltt,
wo nuer I. M' das religionwesen angreiffen, so gibt Gott wider aller
menschlichen veruunift gnadt und sterckb, entgegen yhe mehr man dem
gegenthail aachsihet und respectiert, desto vermessner und sterckher wer-
den sy tag und nacht. Daher ich mier khaiuen zweifl mach, das die K. M'
noch mitt iren äugen werden sehen, welliches herr ehn und vatter' un-
möglich geachtet haben. Ällain will es vonnötten sein, das wier auf dis
werckh guetto und unverdrossne achtung geben, dan der sy in engl des
lichts verwandlet, ghehet umb die zeitt des schlafs herum und suechet
wen er mOge verechlingen. Es ist in warhait alles reifl* und grosse zeitt
zum schnidt, wan man nuer räum machet und schnidter per seminarium
verordnet. Zu fürchten ist niernants, dan die feundt fürchten sy, cum
habeant malam causam und Gott innen die forcht schickhet; sollen wier
uns auch fürchten, so wurden sy forttfahren und uns verwundten, vilt
auch zu tott schlagen. Das schreyb E. 6. ich derhalben zne, weill es die
warhait selbst ist, E. G. sich mit uns zu freihen ursach haben, Gott danckh
sagen, loben und preisen, qui haec omnia fecit, lezlich damit E. G. allent-
halben wo sy nuer erschrockhne lenth ht")ren inüammiem khünnen, diso
heillige Sachen befOerdern helffen, ut in propusito sancto persistauius,
weder auf rechte noch linckhe seitten weichen, sed per medium svaviter
forttfaren. Alhie zu Wien laider will es abnemen, nicht allain in khirchen
allenthalben, sonnder das man wider hizige und sectischo persoaon so
woll in innern alls äussern rath befüerdert, welliches den catholischen
schlechte hoffnung, den sectischen aber freidt, vermessenhait und in irem
irthum 7.U verharren grossen trost machet. Woher aber dis khumbt, da
wuis ich ghar nichts, weill ich mich alhic in geistlichen sachon aus villen
Ursachen, die E. G. ich thails alhie vermeldt bab, nicht einmische. Ich
will aber zu Gott hoffen, es werde auch hie bösser werden. Ich bin ieziint
ein zeitt wegen der rathswahl, so im landt geschehen, alhie; so baldtabor
dieselben füerüber werden sein (welliches vor lichtmes nicht wiordt ge-
schehen), so wil ich mich in Gottes namon wideram auf das landt begebtiu.
Bisher bin ich nirgents hingeraiset, allain hatt die frau KhuenLn^ etlich
und secbtzig flaccianische böse halsstarrige verschmizte paurn gehabt,
die sich catholisch gesteldt, inwendig aber mehr als ich verhoffen khünnen
' Kaiser Ferdinand I. und Maxiinilinn II.
* Wirrl wolil Murin Mngil;ilena Khuoii, die Witwe des 1581 verstorbenen
Freihemi Rudolf Kbnea-BolaBy Beiu. Vgl. Wissgrill V, S. 111.
36*
L
540
inficiert gwesen, wellicbe aber alle innerhalb 8 tagen durch Gk>tte8 gnad
zum cathoUschen glauben sein bekherdt, absolviert und comoniciert ww
den. Jezunt haben I. ü' etliche bnrger von Pruckh fäer mich geschaift.
Was Oott mitt innen wierdt wirckhen, schreyb E. G. zu irem trost icl
hernach. Gott in dessen schuz ich E. G. und die irige bevehlen thoe
verleihe allenthalben sein gnadt und sogen, amen. Datum Wien, d«
2. Jan. a. 87.
E. 6. gehorsamer caplan
H. Ehlesl m. p.
XX.
Wien, 1687 Febnur 7.
Hoch und wolgebomer herr. E. G. sein mein gehorsam schnldij
und willig diennst zuvor. Gnädiger herr, das E. G. den pfarrer zu Nickhl»
purg herm doctoris Ederi' auch meiner intercession genieasen lassen
dessen thue ich mich gegen E. 6. gehorsamblich bedanckhen, der tröst-
lichen hofnung und Zuversicht, das es E. G. nit vierdt reuhen, dan menig-
lieh bewflst wer E. G. sein, und wierdt diser schlechte man E. 6. so weni(
schaden khSnnen, das er noch in sein gwissen ghen und von herzen wai
er aus grober ainfalt begangen laidt tragen wierdt. Hier gebfiert gnädi-
ger herr nicht zu urthailen, aber mier will danebens derer lenth, so siel
von der weltt ganz und ghar begeben, intention, process und wesen jhc
lenger yhe weuger gfallen, dan eben auf disen schlag hatt Pater Scherar'
nenhlich die Hausseckische bekherung, wie sich daselb die paum lom
glauben begeben, in truck verferdtiget.^ Gott geb, das es gnetter mai-
nung geschehe, aber ich fflndte es gwislich nit allso. Patri Michaeli'
ist zu Begenspurg vom capitl das predigen im thnmb eingesteldt worden,
und khumbt nach ostern ghen BHirembs, so er doch auf ^/, jar ^en
Begenspurg ist deputiert worden. Allso wurde er ein bOsen hoffprediger
' Erzhenogliches Decret vom S6. December 1686. PrOlI, Die G«^Il^eia^
mation in der landesfUrstlicben Stadt Brack a. d. L., 1897, 8. 71.
* Vgl. oben 8. 492, Anm. 4.
' Vgl. oben 8. 604, Anm. 1.
* Ursachen der Bekehrung der Herrschafft Ober and Nider Hansaeck im
hochlObl. Erzhersogthamb Oesterreich n. d. E. so vom Latheithninb itr-
innen sie hievor aber 26 Jar leider gesteckt, wideramb anm oraltan
alleinseligmachenden catholischen Glauben die nechst verschinen Fasten
and Osterzeit dises jetzt schwebenden 1686. Jars Gott lob gebracht w(>^
den. Gepredigt durch G. Scherer . . . Ingolstadt 1686. 4*.
" Es ist wohl P. Michael Alvarez gemeint, der kaiserlicher Beiehtrater
war. Wiedemann I, S. 246.
541
»
abgeben, 8onu(lorlii>h auf dtin reichRt^i^. Muiaom ginliinckheii .sola das
die bösten leiith, ei in vocatione sua iiontianserint; hd baldtsy aber wollen
regieren, so thuett ea nit allezeit guett. Das schreyb E. 6. ich in ver-
trauen, bin ^^üui^tcii der irigo und derselb stirb ich.
Die religiiinssachen wollen alliie nit zum bOsten forttghen, daii die
maiston Hochzeiten werden zu. Vesendorff' copiiliert, so schleichen die
predigkliandt^D ghar in die statt. Burgemmister last alles gben, was
auch 1. U' bevehlen. Es will aach woli an fleissiger sollicitatur, ernst
unii unverdrossenen aitfer vill erwflndteu, woUicher gleichesfals von villen
begbei't wierdt und bafTentlich hoch nuzen mOcht. Hier aber will nicht
gebüren in frembte Jurisdiction zu greiffen.
Der rath zu Ybbs, Stain, S. Pöldten und etliche burger von
Khroinb!j sein auf mein anhalten alher erfordert worden, damit sy be-
richten, wessen sy in roligionssachcn hinvorthan resolviert, damit sy von
irem iiibiimb abstehen und zum catbulischca glauben möchten porsuadicrt
werden. Wie es nun Gott schleicht, sein B. G. ffier gwis, das ich es in
truckh nicht la» nusghen ; sy wären gwislichen sonston die ersten, wan
ichs aus irem bevelich nicht thun soll, die miers ffler ein holTart verstund-
ten und aufraitetcn. Ich woltt dennoch Gott lob sonst etliche khünncn
iu truckh geben, wan es Gott nit durch mich armen Sünder gethan lu'tt.
Was E. G. von den stattsclircyborn andeuten, ist die warhait selbst,
das sy das laudt verfQert haben, daher wier Gott lob alle stattschreyber
80 Boctisch aus den statten gehebt, stehet sUain an dem stattschreyber
von Ypps, der soll gwislichcr zu 1. D' ankhunfft auch den sackh haben.
So ist khain statt ausser Khrembs, Stain und Ypps, darinnen nicht
ein katholischer richtcr war. Die predigkhandten herrn .Job Hartmans
von Trautmanstorff, des von Prag, herrn Heimat Gergers, Weiskhirchers,
SenfFtenberg und herrn Tonrädls sein zu ferdtigTing des revers erfordert;
thun sy es nicht, so stehet innen das landt offen. Sein noch achte im
register, die will ich zu seiner zeitt, wan die anndern abgeferdtigt sein,
such anbringen.
Denen statt und märckhten ist vor 3 jarn auferlegt worden, das
sy quatemerüch, wie sy die religionssachen bey innen anlassen, wen sy zu
burgor annemen, die F. D' berichten sollen, welliches sy aber bisher nicht
gethan, dessen ich mich neuhlich bey I. D' underthäuigist bschwärt und
boghert hab, innen Iren ungehorsarab mitt ernst zu verweisen und dahin-
zuhalton, das sy dem vorigen auJlagen entlich woll nachkhumcn. Welliches
I. D^ begherter massen gnedigist bewilliget und die ausfcrdtigung allso ins
1 Tgl. oben 8. 496, Anm. 1.
542
werckh zu richten gnedigist beTohlen. Ich sihe, das im ganzen lu
forcht ist. Lasset man nner ainmal nach, so haben wiers verloren; fiu
man aber fortt in Gottes namen, so ist causa Dei erhalten nnd seh
alles zum schnidt beraitet. War ist es, das es zu zeitten verdrus gibt, a]
alle ding sein leicht, wan man gedenckht, das Oottes ehr interessiert, <
nach disem das ewig leben geben wierdt. Weill dan E. G. ieinnt n
I. D' zu reden guette gelegenhait, werden sy hoffentlich derselben aif
gehorsamist rhOemen nnd zur bständtigkhait vermahnen. Das alles wiei
der religion zum hosten khumen. AUso data occasione bitt E. 6. ich
woltten I. D* mich zum besten commendiem, das I. D' sehen, das der
herr von Diettrickhstain mein gnädiger herr nnd patronns sey.
In meiner Sachen * und wie es mier ghehet, will E. Q. ich disii
nit behelligen, sonder die offension abbeissen lassen, hernach aber i
zu E. G. ich umb getreuhen rath flflehen, auf das ich mein gelegenfa
allso anstellen khnndt, damit ich der khirchen Oottes bösser nnd Mdlicb
vorstehen möcht. Damit thue E. 6. ich in den schuz Gottes, mich a1
zu derselben gnaden geborsamblich bevehlen. Wien, den 7. febr. a. i
E. 6. gehorsamer caplan
H. Ehlesl m. p.
XXI.
Wien. 1587 April 1
Hoch und wohlgeborner gnädiger herr. E. G. sein mein gehorsai
schuldig und willige diennst zuvor. Gnädiger herr, E. G. hab ich vor (
zeitt in meiner aignen Sachen znegeschriben, und weill ich so hohes {
horsambliches vertrauen in dieselben seze, gebette(n) mier darinn
zurathen und zu helffen. Darauf ich aber bis daher khain antwort I
khumen; bin aber tröstlicher hoffnung Eur G. werden es alberait e
pfangen haben und sy vill mehr wichtige geschafft, die heillige zeitt u
das sy mitt irem herrn söhn gnnegsam zu thun, alls etwas annde
davon abgehalten haben. Undterdessen khumbt mier von herrn Pi
Sixten Trautsam,* Böm. khays. M' rath und hoffmarschalch etc. nun sei
zum anndernmal schreyben, darinnen I. G. mier abermaln die hoffca
füerschlagen und antragen, zu wellicher ich mich mehrmaln nntaugl
erkhennet hab und noch allso befflndte, welliches E. G. ich in gehorsan
• Vgl. XVIL
' Paul Sixt Freiherr von Tranteon, Sohn des Geheimnthe« Johann (I
Geheimrath, Obenthofmanchall, BeichshofraUuprSsident. Vgl. Allgeme
deutsche Biographie XXXVUI, 1894, S. 522 f.
543
verti'auon communiciern wollen, ohne zweifl dieselben werden schon langst
deswegen ein wisHenachaift gehübt haben ; weill sy uiier aber davon nio-
maln was geschribcu, liab ich es gleich solbst wagen sollen. Bis daher
ist Trautsam von niier disos puucts lialbcu nicht beantwort worden, woill
ich allezeit verhofft, E. G. antwortschreybeu wurden mier zuekliumen,
damit ich mich mitt mehrerm fundament hotte orkhiäron khQnuon. Es
wissen aber E. G. wessen ich mich t;mdom aliquando nuch so vill erlidtnem
schmerzen gedacht und allain an dem stehe, wie ich etwanbey I. M' diosachen
zum fäeglicliisten, damit mier weder uugnadt noch auch ainige üble vcr-
inuetung daraus ontsprnnge, angreiffon möcht. Das war mier das liebst^
meiner schien und gwiss<;n auch das allorböste. Dan solle ich I. M' lioir
continue beiwohnen; haben E. G. leichllich ahzunomen, das ich vill tau-
sont sohlen negligieret, in bcdeuckhung ich so wenig alls zuvor aiuigon
snccessorem bckhumeu khan. Leichthch fündte ich aiuen officialera, aber
der das geistlich und die religion bey den statt und mürckhton im landt
tractieret, das ist schwärer alls ich selbst vermaint hab. So aoin die
Bachen iezuut weitt gfcrrlicher alls im anfang, weill Gott lob der aller-
höchste täglich sein gnadt sichtiglich gibt, daher sich der bOse feuudt
desto mehr bearbeitet, dis zu verhiindtorn. Ich wais, das I. G. der hcrr
Trautsumh solliches mier zu ohrn und zum bilston vcrmaincn, damit ich
allao mit lieb vom herrn bischüfftMi leilig und bey meinem landtsfurston
sein, auch dem vatterlaut desto reichlicher dienen khünne, wie mier dau
nit zweiflet, horr btschoff wurde mich in aincr anndern khirchen, die im
selbst dai-zno gfollig war, hornath ghern predigen lassen und zufriden
sein, weill I. M' mitt dem sich öffentlich erkhlärten, das sy mitt mier
gnädigist woll zufridcn wären. Wie aber E. G. zum allorbösten wissen,
was es fäer diflicultates zu baden thitilen halt, und wie ich wegen des
vattorlauts schuldig bisher meine aigue Sachen ghern beiseits gesezt;
aber ich woltt haltt ghern uiemants ofTendiern; sonndei' mich gegen
meinem iandtsfürsteu alle die zeitt maines lebons underthänigist danckh-
pär erzaigou. danebeus auch mein gwissen allso dirigiern, damit ich vor
Gottes angäicbt bsteheu khundte. Weill dan zu E. G. ich die zeitt meines
lebens mein gehorsam vertrauen seze, allso bitt ich dieselb zum höchsten,
sy wolttea mier uiitt rath und hilff gnadig beistehen. Dessen wiordt der
allmächtige hoffentlich reichlicher belohner sein, und ich thuo E. G. mich
zu ikro gnadon gehorsamblich bevohlen. Datum Wien, 1. aprilis a. 87.
E. G. gehorsamer caplan
M. Khlesl m. p.
M4
Bitt E. G. die wollwi n«iit guhcirsiim vertnuien be^ ir
d«n herrn Traatsam hab i^ mehi- nit Ms nuer umb lengorn Indidt
geachriben, w«U B; ö. kh gebetteu, di» ga«hen bo; I. M. dahrnnf»
poniein heUEan, damit ich beoucU guotten b&cliaMlt cdang^eo klturiti
Bey LD* vill idi es andi anlniikg«!!, so bab mit! dem aiten ii«mi4
Harraeh* ich lübenit bey I. ]y micli zu coinendiern auch schoa gtiaallt
und gebetten.
xxa
Wie», 1S87 iptOlS
Hoch und volgebomer, gnädiger Lerr. E. G. sein mein püunm
schuldig und villige diennst suvor. Gnädigei- berr. dei-setben to niii
ganz gn&dig nnd vSifterlieh aasfUeiiich schreyben bab Ich zu HSItkh «•
pfongen und vie E. G. ich ohne das alle die tag mdines lebens ven*biif'*it
bleiw, allso erkhenne ich miech aUe tag mehr schuldig-, in erwegan^ K (t
ainmiü mitt iren leiblidien sOhneD melirers and annderst nicbu a!li< «i'
ey mitt mier thnn handlea kfaoadten, Gott w5ll «s alles bezaliea. im
darzae Till zn wenig bin. Was abtr die sochea selbst aalangdt, ha^E
ich hieTor geschriben, anf was weie ich ghern die K. M' prae<
sShe, derentwegen ich mich so woll zn I. D* alle dem hen-n wm Ht
gehorsamist eingesteldt und am erlsaguiig meines inteots gebetteo bk^
Sollen aber I. M' deswegen offendiori werden oder ichtes änderst nfaiBk
vermuetten, war es mier Till bösser, das ich niemalu daran gedacht, iü
I. M' mitt ainem nnzeitigen begbern itnportuniert hett. Der boifaui
wie E. G. zum bOsten wissen, hab ich mm- vorzustehen □iemailo guniA.
wie auch noch nicht; neben and bey dei'selben sein allerlai bedenckbtii Ji-
maln eingfallen, füernemblich abej- das ich nit, in dem ich rhoe osi ff-
legenhait suchet, mier die höchste uurhue und meiner sehlen iiiig«l«f«i>-
hait schaffet, in dem Till tansent armer aehlen Tilleicht wären m gninJt
gangen, welliche alle die g^adt Gottes erhalten nnd anfgenumiiitD kitt
dem allain ehr und lob sey in ewigkhait. Nnn es aber laider amh mrai
person ein solliche gelegenhait bekhumen, dass ich one grosse gäiroei-
ner sohlen und bschwemus meines gwissens ainmal lenger weder blttwci
noch mich allso schimpflich nnd unanfherrlich bey so grosser meiBV
arbait und mbüeseligkhait so ich nun in das achte jar hab tractinn hssa
khan, mier auch khunfftig mein ehr nnd wolstandt darauf bemhet, woHte
ich von dem allmächtigen w&nschen, I. M' wären boois mediis dahin n
' Vgl. oben S. 600, Anm. 1.
* Ebendaselbst
54Ö
vtumügen, liiimit ich. weill ich noch in gnaden, niitt fritlt und rbue zu
meiner pfarr und canonicat gnädigist gelassen wurde. Dan Gott im hiniol
wais CS, dasj diso mein rssulution mior von ganzem meinem herzen ghehet,
ist auch billich das der weniger dem innisten weiche. Soll ich aber füer
I. M' niitt dergleichen beghern khiimen, diesell) offendiern oder zu un-
gleichem godenckheu und ungiiädigister affection bringen, ist mior vill
bösser ich schweig und hittt« Gott, das er mier andere mitl zu salviemng
dises meines gwissens eingeben wilU. Soll ich aber im landt diser meiner
Tocation und grossen arbait bleiwen, so ist es mior ainmal, do es auch
mein leben khosten soll, allso zu thun nit müglich. E. G. bekhenne ich
schuldig, das ia ein guetter schnidt ist, aber wie diser horr bischoff Vr-
banus' tfUtlich ist, allso möchte sich auch unnser alhieiges rogiment ver-
ändern und villuicht den forttgang nicht wie iezutit haben, ich aber mitt
doppelter motten gestrichen werden. Dem allen nun ich billich »ach-
denckhe, inn sonderhait das vill Sachen auf des herrn von Passau seitten
richtig, wcUiche bey I. M' disputiorlich et e diverso sein, die gleiehwol
bis duher meiner mQgügkhait nach in der mitten gohandlet und den fridt
erhalten hab. Aber weill nicht alle Zeiten gleich wie auch die suchen
undtorschideu sein, woltte ich derselben zeitt nicht ghern erwartten. So
khan ich in isto gradii et hac occasioue neben dem herrn bischoven hie
ghar nicht bestehen, wiewoll ich mich aller ergernus enthalte und auf
seine schimpfliche tractationen gegen niemants was füeruimb, sonnder
khlag OS Gott und denen, ho mier helffen khönnen, will auch noch nichts
thun, sonnder den herrn bischoven ehrn und wie billich seinem ambt
fridlich abwartten lassen. Woltte Gott er der herr bischov war in gleichem
auch gegen mier gesinnet. War ist es, wie E. G. schreyhen und ich mitt
derselben wünschet, das ich baden, I. M. und dem ganzen landt dienen
khuudte, so trag ich khainen zweifl alle Sachen wurden sich bösser haltten
und baldt mitt der gnadt Gottes za rhue khumen. Wie es aber sein
kbundte, davon khan ich, weill es mier nnmüglicb ffierkhumbt, nicht
discurriern, trag nllain sorg, do wier büde allso stättes beieinander bliwen,
88 möchte in die leng die gedult brechen, weill ich khain engl sonnder
auch ein mensch bin. Der hoffcauzl hab ich mich sounston bey mier aus
nott, do ich das erste ghar nicht erlangen khundto, so vill resolviert, das
ich khainer handlung, do ich annderst nit ghar bschwärt wier, weill die
condition iezunt nicht wie zuvor ist, zuwider sein will, mit meiner schrifTt-
lichen resolution aber so lang innen haltten, bis E. G. mir widerum
rathen, oder die F. D* alher ghen Wien khumen, dan ich befündt, das es
Von Paasaa.
K
646
B. G. gans gnUig und vlttvlieli mitt aü«' rxaimen, <l«t«i idi nka
gnadea gehonanibijfitt thne benhlen. iBabim Wi««, 4mbl 96. ^riba-tl
E. 0. galutrMniiwr et^Uun
'M.XUaida.y.
XXTTT.
Hodi- und wdgeborBer, gnidigar Imr. JB. 6. aeia
Mhaldig and villig diennst nror. Onidigtt'herr, iaklü teilt. j
am 9 ohr in dar naeht allur Ummes «ad. den kaabtaim aiat d
nidit importoniem, sondw lülain £. Q. Iffiof aohleUiea wAHm. 9t
dar gnatt ahrlich num w<dl sohoa in sdner cfane i;«legw^ Uk «rai
aofg^Btandten, sonndar aneh sn miar khamm, aicii iliii iinmini iw IH
wagen hMich nnd voll arsaig^ daa ar mich naib KtnUhim
•ambt dem von S. 6. näar yarfanoten inngan Elntaa ia das
nnd daaselb flbar nacht babarbergi Interim Umiab&I. D^
auch iiurockh, der traetiart meh mitt raatten damuuMa
weder rtteran no<A pflegen hab khflnnan. AUao habaa L D* ncklii«*
9 gestera aufgehalten, da kk kfaaia nwthrtnndt Hb. adtaang gnH^
die ich allain mich gegen derselben £. G. zu badanckfaen amgalegt Ml
Bitt allso gehorsamblich um Verzeihung. Nicht weniger hatt herr buM-
man wie ein getreuer hansvatter in meinem abwesen an den meinui gi-
than. Gott bezalle es E. Q. tausendfeltig, dan ich bin mitt so Till bene-
fitiis von E. G. flberhanfft, das ichs weder gnuegsamb verdanckhen wA
verdienen khan. Ich will iezunt fortt, damitt I. D* bevelich von bht
ein gohorsamist gnflegen geschehe. Weill aber der brief nit sichorghtM,
schreyb E. 6. ich hernach, wils Gott, derselb wolle ir das padt gegita
und seiner khirchen haill ad multos annos woll anschlagen lassei,
amen. Thue E. G. mich gehorsamblich bevehlen. Datum Nikhlspnrg, da
18. junii a. 87.
E. G. gehorsamer caplan
M. Ehlesl m. p.
Das höchste hab ich vergessen, der caplan ist der nnd ainer u-
sehentlichorn pfaiT wierdig. E. G. trauen mier darum und nemen in nf
mich an. Ich will dem officialn zu Ohnflz davon sagen. £. 6. m^
frClich befüerdern.
547
XXIV.
Znaim, 1687 Juli 1,
Hocli und wolgeborner gnädiger Lorr, E. G. sein mein gehorsamh
schuldig und willig liiennst zuvor. Gnädiger herr, ich bin den 23. junii
zur NoisB in der Schlesien glückhlidi ankhumon, von dem herrn bischoven
auch wegen der alten khundschafft ansehentlith und stattlich empfangen
worden, vill mehr aber hernnch, do I. F. G, bcfundten, warum ich hinein
gezogen und aus was bevelich »i^llicheB geschehen sey, Ebon disen tag
ist anch der Scotus khumcn, wellicher mitt treien guttschi ghar stattlich
in Puln vorraisct. Zu der Neiss bin ich gebliwcii a vigilia Petri et Pauli
bis auf den 27. junii sag ich a vigilia S. Joaunis Baptistae, die nyaiste
zpit aber ghar fihl aufgewesen, ja dermasseu erschlagen, das ich nit
ghen mflgen, sonder mich meine dioncr haben weisen mQcssen, ist aber
Gott lob was bössera worden. Herr bischoff hatt an mier starckh das ich
nach Preslau vcrraiscn soltt angehalten. Aber weill ich nit von mier
selbst I. F. G. haimbzusuechen, sonder aus bevelich 1. ü' khumon, hin
ich den 27. junii widorum vermiaet, und heiitt alhic zu Znümb ankhumon.
Euer G. kliüunen nit gl.'iuhen was füer ein lutherischer weg ist, den ich
mein lobelang nie geraiset bin ; wan ich unib 3 frne auf bin und fahr bis
auf sechse abents ausser des mittagmals, khan ich ntitt 4 rossen den
ganzen tag über 4 maill nicht fahren, ich aber uiuess den maisten wog
zu fuess ghen, das ist ein khirchfartt ohne verdiennst, dan ich zu zeilton
inpatiens bin. Von Znämb soll ich auf 1. 1)' bevelich hinauf ghen Passau
verraisen, da möchte ich nun ein zeitt nicht ghen Wien khuinen, mier
allsü E. G. beraubt wider all meiu verhoffon und fallet mier alle freudt
in prunnen, auch aller trost, den ich in meinen nignen Sachen bey E. G.
gesuecht hette, der ghehet mitt der ungelegenhait hinweckh, welliches
ich Gott klilag und hevilich, der wierdt es zu seiner zeitt umb mich bösser
schickhen, ich aber bitte E. G. die wollen meiner nit vergessen, and wie
ich einmal aus diser Sachen khämb, mier anch mOchte gehollFen werden,
gnädig gedenckhen-, ich will mich gegen E. G. mitt meinem armen gebett
nnd der ganzen religion allso danckhpär erzaigen, das E. G. irer mhfle
nicht reuhen soltt. Hienebens, gnädiger herr, schickh E. G. ich ainon
form des abechidts, wellicher dem Ingolstätterischen licentiaten möchte
gegeben werden, alles zu E. G. verbösserung, dan ich in im wirttshaus
auf der rais gesteldt, damit sy dises mans dormalu ains los wurden. Der
haubtman zu Nickhlspurg hatt mier von ainem buech, so er herr Chri-
stoph von der pfarr vorhalten soltt, auzaigt, war ich der mainuug, E. G.
mochten den abachidt, bis er die restitutiou gethan, zoruckh haltten. Den
stifftbrieff betreffent mues mitt E. G. ich znvor noch reden, alsdan will
548
ich mein ainfalt ghern verfassen. Jeznnt wais i
E. 6. ich in den schuz Gottes, mich aber zu
Datum Znämb, den 1. juli a. 87.
£. G. gehorsamer caplan
XXV.
Wi
Hoch und wolgeborner gnädiger herr, E.
schuldig und willig dieunst zuvor. Gnädiger berr,
mich den 29. augusti zu Prag datiert hab ich d<
gen und wie ich allezeit E. 6. ffier meinen gnädig
gehalten, allso hab ich in in disem negetio eifahrn
brauchten aiffers ganz gehorsamblich, Gott den al
bittent, das er E. G. dises und anders reichlich wi
aber danebens nit bergen, das sy I. M* hievor gleich(
jar gnädigist resolriei-t, das man nämblich den herri
vernemen soll. Weill aber die F. D' gsehen, wi
zwischen dem herrn bischoren und mier fOer eii
neuhe erweitterung geben wurde, das auch derer vi
und langhergebrachter gebrauch darundter verwa
denckhen gezogen und der E. M' darüber nochma
achten gehorsamist Oberschickht, auf welliches i
alls iezunt die erste ervolgt. Wan es nun der E. M'
so bin ich schuldig, derselben zu gehorsamen, o
posteriora peiora prioribus sein werden, nit alla
bischoven in mein person zu invehiern grosse nrs
dem das auch mier ehrn halben änderst nicht wi
die Verantwortung, dadurch aber dem wösen wedei
thaill ain guüegen gethan wierdt. Der herr bis
seiner mainnng alls hette ich in bei I. H' baia
spensus, das ich nit wais, wessen die E. H' ge{
schlössen. Die statt leidet hernach den grösten i
I. D' erzherzog Maximilian rflsten sich stal
dan füer die Polackhen der Saurer behansung i
lassen; vill wSUen alhie wenig davon halten au
tractation, aber ich hoff, Gott werde disem haui
* Ueber die Candidatur des Erzherzogs Mazimil
B&thory's Tod (12. Oecember 1686) erledigten Tb
Geschichte Oesterreicba IV, 1893, S. 871 f.
549
E. G. mehr, weill mier mitt iinnserPin fUnrtlein aaf Zell raisen, khumfin
dise giiette zeittungen, von wellicher rais, weill ich ilabey gwesen, ich
nichts schreyben will, hoff aber, sy sey nit flbl abgangen. Ist zu Zoll
ein feine andacht gesehen worden, stehet bey I. G. rier frauen, ob sy
schier auf sein will, so khumen wier gleich Ober ein jar hinein. Alhie
uni! im landt ist der religion zum bSsten bisher nichts fQergeniimmeD,
(Jan die Poläckhen sollichos alles verhimitert ; ich suech aber ieziint die
alten rostigen eissen liei-filor, die ich zu hoff widerum will poliern lassen.
Gott, in dessen schuz E. 0. ich bovehlen thue, verleihe zu altem guetten
sein gnadt und segen, amen. Die brieff ghen Passau will ich morgen
schicklien und sollen E. G. sich zu mier anndorst nicht versehen, dnn das
ich dei'selben wo ich bin gehorsamer caplan und diener bleiwe, weill ich
leb. Datum Wien, den 5. September a. 87.
E. Q. gehorsamer caplan
Er M. Khlesl m. p.
Wan ich, gnädiger horr, nuer fQer gwis bin, das I. M' mitt mier nit
XXVI.
Wien, 1687 September 24.
Hoch und wolgeborner, gnädiger herr, E. G. sein mein gehorsam
schuldig und willig dioiinst zuvor. Gnädiger herr, dersolbeu gnädig und
vätterlicli schreyben hab ich empfangen, was ich antworten soll, wais ich
nit; Gott wolle es K. G. alles bezallen. Diesacheuhabich bey I. D'soUicitiert
und um Gottes willen gebetten, dieselb wolten mier doch von disem un-
ertr^Iichen last helffen und weill sich I. M' herrn bischoven zum bösten
nun schon zum andermaln rcsolviert, I. D' sollen I. Hochw. darüber ver-
nemen, so bäte ich gehorsamist, man woltte doch I. H' resolution nach-
khumen. Das herr bischoff werde invehiern, an meinen ehrn mich an-
greiffen, ungleich berichten, erst gh»r nimmermehr zu vorsüenen sein,
darffier haltten, alls sollt ich in haimblich bekhlagen, I. M' wider in ver-
hezen etc., das er noch höher werde steigen, alls wollten I, M' in nicht
olTendiorn, daraus mich bösser truckheu, seine Schriftsteller wol ge-
brauchen etc., dos alles wüste ich das es I. D' bedenckhen macheteu,
darum sy herrn bischoff I. M' allergnedigiste resolution zu publiciern be-
denckhen betten. Weill es aber bey hoff alberait dahin gericht, I. M' re-
solviert, herr bischoff von den seinigen dessen schon erindert worden ist,
60 sollen I. D' mier zu gnaden dem wesen seinen lauff lassen, mich aber
unverhSrt nit urthailen, weill dieselb herrn biscboffs procedieru in propria
k
560
persona selbst erfahrn, entgegen mitt meiner person ein gnedigist mit-
leiden tragen hetten. Aber ich khan I. D' mitt bitten and betten dahin
nicht vermügen, das sy unnsere accasationes et defensiones woltten an-
hören, weil] dieselb ohne sonndere grosse ergernus nicht geschehen
khünnen und alda zu decidiern sich nit gebfierten. I. D' haben mitt
herm hoffmarschalch' geredt, wellicher I. D' zuegesagt bey I. M' di«
Sachen zu ainem goetten weg zn richten. Ich hab auch mitt I. 6. danuu
gehandlet und guette affection gespüert. Aber ich stehe halt an, nnd Qott
im himel wais es, das mier nnrecht bschiecht, dan ich bin in disem landt
gebliwen allain aus lieb zu meinem vatterlant, allso hab ich in diser statt
khainer anndern nrsach geprediget, niemants, das wais er der höchst
zum hosten, zn neidt oder leidt oder aber mier allain zum rhnm, das will
ich mit allen meinen zuehörern bezeugen. Er der herr bischoff wierdt mier
selbst mfiessen beifallen, das, so lang ich bey unser franen gepredigt and
er bey S. Stephan nit predigen wollen, dieselb an mich beghert, so oft
dasselb geschehen, hab ich die privatpredig eingsteldt und f&er den herm
bischoff in der thnmbkhirchen geprediget. Noch ist er nitznfridengwesen,
sonder ich soltt das predigen ghar einstellen und allain predigen, wan er
woU gegen mier affectioniert ist. Annderst ist man zu Prag bericht, ich
wöU ime zn trnz predigen, allso ich hett zugleich mitt im angfangen zo
ainer stnndt; gschiecht mier nnrecht, dan ich allezeit ein halbe stundt
später angehebt, die andern prediger alle aber, deren siben sein, heben
zu gleich mitt herrn bischer an; aber niemants hindtert in alls nner ich.
Das lezte so herr Unverzagt^ gschriben ist: ich soll licentiam vom herm
bischoff beghern. Das hab ich flexis genibus more debito, baldt ich thnmb-
probst worden, gethan, darauf er mier potestatem concionandi geben per
nniversam civitatem, der hab ich mich allezeit braucht nnd hatt dieselb
herr bischoff canonice von mier nicht aufgehebt, vill weniger legitimas
rationes darzue gehabt, ich war dan haereticns gwesen. Das sein alle
behelff, die herr bischoff durch die seinigen allso spargiern lasset, wellich«
ich E. 6. derhalben schreyb, das sy mich zu irer gelegenhait bey denen,
so fibl informiert, entschnldigen khünnen.
Weill aber tota quaestio an dem stehet, was ich alhie zn thun, ob
es I. M' willen sey, das ich bey aller meiner arbait vom herrn bischoffen
80 schimpflich mfiesse tractiert werden, sonnsten auch nit wierdig sein
auf ainige canzl ordinarie zn trotten, und weill ich alberait gedacht
khainem menschen ergernus zu geben, so haben I. H' desto mehr orsacfa
' Paul Sixt Freiherr von Traatson. Vgl. oben S. 542, Anm. S.
* Vgl. oben S. 497, Anm. 4.
der Sachen ii- (!) abznhelfen, i^amit ich in congcientia mea entschuldiget
sey und mein talentiim, welliches ich nahet 3 jar in diser statt wegen
des losen neidts vergraben müessen, anfs wenigist annderer ortten mitt
mehrerin fnicbt anlegen kbundte. Die Sachen wiet'dt auf die ankhuntTt
berrn Kuuipfens' verschoben, welicbe wan sy gschiecht Gott wais; darzue
werden I. G. mitt iren sachen aufgehalten und sy nicht ghern mitfremb-
ten beladen, allso will ich gleich noch dis monats mich gedulden.
Der Salz.burgerisch doctor ist gewichen und halt das buech bey
mier gelassen, das will ich mitt nächster golegenhait ghen Nickhlspurg
schickhen.
Der marckh Gumpolskhirchen hatt sich Gott lob ausser ainer person
allain auch geben und werden znm zaichen den 4. october alle beuchten
und comuniciern; Gott erhalte sy, amen. Jezunt soll ich forttraisen,
aber dise handinng macht mich alls ainen menschen Tun herzen ver-
drossen, das mein billiche und schuldige mhüe so gliar nit soll in re
iustissima bedacht werden. Ich hab sonsten willens auf den 3. oder
4. octuber nach Passau zu verraisen, im lösen verriebt man alhie wenig,
soll ich aber zu Prag in meiner aignen Sachen etwas verrichten, wurde
mich khntne khosten theuren, aber so E. G. sich bemühen, vill weniger
wurde ich erhalten khünnen. Thue E. 6. in den schuz Gottes, michabor
zu deru gnaden gehorsamblich bevehlen. Datum Wieu, den 24. Septem-
ber a, 87.
E. G. gehorsamer caplan
M. Khlesl m. p.
XX vn.
Wien, 1587 September 30.
Hoch und wolgeborner gnädiger herr. E. G. sein mein gehorsam
nnd willig diennst zuvor. Gnädiger herr, was die F. D' mit herrn Piiuln
Sixten Traiit-^un ' R. K. M. rath und hoffraarschalch geredt, das bleibt mier
auch auf embsiges anhalten verborgen, ausser dessen was ich vennueten
khan, das I. D' ghern alle ergernus und erweitternng, welliehe zn mehrer
Verbitterung ursach geben möchten, flühen woltten, dan I. D' sehen, das
man zu Prag bey der canzlei meine Sachen mitt lioiss verlegt und alles
dises, 80 die F. D. meiner person non iu hoc .ued toto negotio religionis et
reforaiationis hnius proviuciae, was ich bey der sachen gethan, das I. M'
mier gnedigist aflfnctioniert machen khünnen, mitt der warhait geschriben,
das alles ist niemaln fOerkhumen; aus wellicben E. G. loichtlich abnemen
khOnnen, was es bey hoff hilft, wan ainer die canzlei auf seiner seitten hatt.
I
> Vgl. oben S. 499, Änm.
ic.
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auf ;.
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V.M.
553
alles znm vßrdrus. Gott, in dessen schuz E. G. ich bevehlen thue, wierdt
mier zu seiner zeitt auch helirpii, der wais lias ich mich uinb des vatter-
lants haill »ejbst. ziinickh gstehU hab. Datum Wien den 30. septemb
a. 87.
E. G. gehorsamer caplan
M. Khlpsl m. p.
XX vm.
Wien, 1687 November 6.
Hoch und wülgnborncr gnädiger herr. E. 6. sein mein gehorsam
scliiildig und willig dienst zuvor. Gnädiger herr, E. ß. ganz trri.stlicli und
vätterlich achreybon ist mier, alls ich von Salzbnrg hainibkhumini, nber-
antwort worden, und do ich verhofft, alte meine Sachen sollen an ein ortt
sein, fnndte ich dieselben eben im alten standt, nämblicli das I. D' dem
herrn Pauln Sixton Trautsam' gleichwol durch ein schreyheii seither den
15. october datiert angmalint, aber bis daher von wolgcilachtem herru
khain «ntwort empfangen; mier haben I. G. zwaimal goschriben von
meinen Sachen nt supra et semper. Da khfmnen E. G. abnemen, wie ich
steckh. und mag mitt meinem gwisson bezeugen, daranf ich sterben woltt,
(las an disem aufzng, erweitterung, orgernus und vexation kliain mensch
alls die secrotArien (E. G. in vertrauen zu melden) daran schuldig. Dan
sollten I. M' ad pai-tem wie es in religionssacben alhie ein gstaldt, die
canzln in der statt bsteldt, der anslauf fOer ein gelegenhait, der herr
bischiiff so wnll in der khirchen atls sonstnn (!) hause incjuiBiHon ein-
zöhen, wurde man sehen, ob nicht die pur lautter afTection und neidt mehr
alls die warhait mitluffe, und mich deucht, es khQnnet ghar weil sein.
Wan aber die bemelten herrn iren diensten und schreyberei abwartteten,
disen und ihenen nit incitierten, fein die warhait berichteten, so wurden
dergleichen machen in cwigkhait so weitt nit khnmen sein, dan I. D' erz-
herzog Ernsten, mein gnädigister herr starckh inquiriert und befundten,
das mier vor Gott unrecht geschiecht, ich auch gnoegsame nrsach hab mich
zu bschwäron. Sy haben selbst in persona mit herrn B." gchandlet und
befundten, mitt was grossem affect und nngestilomb er mitt mier proce-
diert, daher sy bewegt worden dise wortt zu melden: I. M' sein bisher
mitt des thumhprobsten Verrichtung zufriden gwosen, und werden in
von eurentwegen nit lassen undtertmckhen, ir werdet in neben each
mOessen leiden, er thuett sonsten das seinige, ir hettet dan seines wandls
• Vgl. oben 8. 542, Anm. 2.
' Dor Bisdiiif.
Arcbir. LUXVUI. Od. II. lUinc.
M
554
lehr sonderliche bedenckhen. So baldt der hei
I. D' meiner erbarmen nnd annemen, hatt er
verdiene. Ich hab auf E. G. schreyben erst geE
I. D' angehalten, so fiberlanff ich mitt zetlen
von Harrach ^ täglich, ich khan aber I. D' zu U
bringen dan: warum ich den bischoff nit will fi
geschriben, das auch I. M* alls khayser und lai
es ir gefaldt, das thun khflnnen, was ire vor
denen khirchen alhie und im ganzen landt, das ei
erfordert etc. Weill I. M' sich noch nit resolviei
nnd Bumpfen' lassen schreyben, I. H' bey dem c
geschriben. So khan ich mich nicht resolviern,
nach nit gfallen. Die erlassang enrer person
daran ir nicht solt gedenckhen, dan sy mitt m
wierdt. Das ist allso mein abschidt. Ich will an
nichts thun. Mier rath aber der alt herr von Hi
ein 14 tag oder 3 wochen gedult haben; geschii
so soll ich selbst nach Prag und meine Sachen n
zu dem endt werden I. D' mich mitt ainem guc
Ich wier ieznnt von I. D' ghen Zwetl, Weytran, ''
Häderstorff, Khorneuburg geschickht, die h. c
forttzupflanzen, woltte ich gleich von Weittra ai
nemen, ich verhofF aber, das es nit werde bedüe
rath hierinnen billich volgen, allain ist mier
meinen händlen behellige, die sonst vill zu tl
bnrgerischer rath hatt ein grobe san aufgehabt
nnd er selbst seiner wiz nach erzellet hatt, da
ainen marckh wolt reformiern, haben in die pau
nichts zu essen geben, biss er sich mitt seinei
lebelang an dasselb ort nit zu khumen. Hoc e
fecit dominus licentiatus noster. Zu Salzburg,
wenig, sein maull ist gross, darum ich im redl
sonderlich weill herzog Wilhälmb* in Baim au(
ehern er ein gnettes gehör hatt, bin ich mitt
gwesen und den licentiatum woU mitt seineu :
• Vgl. oben S. 500, Anm. 1.
» Vgl. oben S. 492, Anm. 6.
' Vgl. oben S. 499, Anm. 1.
* Vgl. oben S. 634, Anm. 4.
556
weilt ich verraerckhen khönnea, das er sein böses maull zu weitt anf-
gethan. I. F. 0. haben aber mier znegoben, das er ein geist, und dess-
wegen leichtlich abnemon khönnen, wie er affectioniert. Das hab ich
data occasione gegen dem liovrn orzbischovcn (bpy dem ich Gott lob In ainein
guetten credit bin) so wdO dorn von Passau et publice in mousa, do I. M'
derselben räth nnd officier gedacht worden, das meine der warhait nach
7.U thun nit undterJassen, dan E. G. und derselben erben, diener und
caplan bleiw ich weill ich leb. Wie es zuogangon, was ich davun haltt,
das ist der federn nit ghar zu trauen. Hmt erzbischov' ist iung, frisch
und kriochsmännisch, danebens verstendig, gelert, voll der sprachen, in
historien woll erfahrn, resolutissimus, in religione ailTerig et tanta authori-
tate quill] timeant illum omnes, gegen khuufftiger refonuation boiiao vo-
luntatis, dem hans Österreich Ober die raassen affectioniert, von wellichem
er vill goredt nml mit mier tractiert hatt, desselben gsundt und wolfartt
über der tafl uiitt starckhen gläsern in beisoin bäder gebrüeder der her-
zogen aus Baii-n vilmaln gedacht etc. Ist was stattlich und brächtig an
seinem holT, mit trabauton, rittmaisteru, khnechten, welliche er mit dem
Spill auf die wacht abonts und morgens fOercn lasset, das die statt darob
erzittert, seine pauckhen und 9 trameter, sein stattliche capein, sovill
sich zum anfang thun lasset, magistrum caeremoniarnm alles rflniisch,
und wais nicht, was disem hen'n zu ainom fürsten manglet alls die ge-
biirtt, sonsten ainer rechten manslenge, schön von angoaicht und in allen
seinen gebertten adelich und fOerstlich, I. f. G. haben soneten woll ein
schissige natur, und bey dem baldt ausgedient; sed haec sufficiant. Ich
hab nit undterlassen guett österreichisch zu sein, wie es mein vatterlant
mitt sich bringt. Ich bin sonst ein schöne Jungfrau daselb gwosen, umb
weliiche etliche gebuelt haben, aber mein Gott wöll mich behiietten, das
ich meinem landtsfüei-steu soll so untreu und undanckhpär sein, das ich
ohne sein vorwissen nnd erlaubnus etwas thun woltt. Sy werden aber
ainer und der ander thaill mitt 1. M' selbst tractiern lassen, dahin ich
mich remittiert; stehet bey I. M' mier guädigist zu erlauben oder nicht.
Gott geh mier einmal fridt und das ich E. G. böasor khünne brauchen alls
auf die weis inportuniera. Thne E. 6. in den schnz Gottes, mich zu dero
gnaden gehorsamblich bevehlen, neben undterthäniger bitt, E. G. WDitten
iren gmaholn meiner gnädigen frauen sambt biWeu E. G. söhnen, herra
Maximilian und Francisco meinen gnädigen herrn mein gniess und armes
gebett ofTeriern nnd mich innen bevehlen. Datum Wien den 5. novemb.
ä" 87. E. 0. gehorsamer caplan
M. Khlesl ra. p.
• Wolf DieterieL v. RAitenau (1587 — 1617).
86»
k
556
Was erzherzog Ferdinsndt auf Salzburg
zuegeschriben, haben E. 6. hiebey zu empfahen.
XXIX.
Wi
Hoch und wolgeborner gnädiger herr, E.
schuldig dienst zuvor. Gnädiger herr, ich hab
erst gestern E. G. tochter ableiben verstandten
von herzen ein mitleiden. Weill ich aber danebeni
lieb Gottes empfQndten, dieselb auch allen ande
fflersezen, nicht allain sich selbst, sonuder alles
vertrauen, allso will mier ghar nit zweiflen, E.
willigem herzen dise haimbsuechung von dem al
nnmen und seinem heilligen namen in ewigkbai
bedenckhung diss, was zeitlich verlorn, in ewigkfa
zfier und herrligkhait nmbgeben wierdt gfnndt
person belangdt, will ich füer E. G. treulich bitt
schlecht, dass derselb wolle E. 6. beistehen
geist geben.
Mitt meinen sachen will E. G. ich yezunt a
laidt beladen, sonnder derselben billich verschone;
halt in die handt lauffet, so bitt ich meiner gnäd
ich in pristinum honorem widerum restituiert w
Rümpfen* alls ainem gehaimben rath, wie von di
gist erindert worden bin, alle sachen de novo zn^
bewüsten personen den andern thaill schon starc
sorg, sy möchten yezunt noch sterckher arbaite
werden uns allen dermaln ains wollen abhelffe
ainer sollichen demonstration geschehen khan, (
das bey I. M' ich noch in khayserlichen gnaden
sonsten gnädigist vermeldet, das sy yezunt ir endt
dem wesen allein so weil gegen dem herm bische
volckh alls dem ganzen landt, wo etwan ein b6i
mOchte abgeholffen werden, herm Bumpfen I. U
gehaimen rath haben zuegeschriben, dabey sy es (
was es nun ist, das bevil ich Gott, ich hoff ab«
mein bissher gehabte arbait, Qble belohnnng, mei
des ganzen landts faaill und nuz, damit ich endli
• Vgl. oben S. 499, Anm. 1.
557
kbämb. Ich fQrchto wuU (E. G. in grosser gobaimb za melden), weill
auch mitt herra hoflfiuarBchalch' ist gehandlot worden, das herr Rumpf
mein gnädiger herr möchte ein bodonckhen nomon, oder doch der ander
thaill ouipfündtcn, und ich lezlich entgeltten müesson. Wau ich aber
za hoff verstandten, das es allain dei'wegen geschehen sey, damit herr
Rumpf alls ein gehaimbor rath im rath und ad pai-tem das negotium
möchte befüerdern, und es allezeit bösser wo mehr aines herzen sein et
unum finem haben alls do nner ainor allain, diso Sachen auch verners
ohne sondern schaden der roügion nit khan aiifgoschobon werden. Es
khünuen auch, gegen E. ti. zu melden, vill dise ofßcia et impedimenta
bey I. G. herrn Rümpfen alls bey herrn Trautsan nit erzaigen (I). Wo
E. 6. gelegenbait haben alles böses weiter abztiwendten, bitt dieselb ich
tanqnara primum ot praecipuum meum patronum, sj wölleu es zu thuu
nit undterlassen uud bey I. M' auch das bögto thuu. Alhio ist ghar
nichts uouhes, allain das I. D' an gestern nach Prossburg verraiset; Gott,
in dessen schiiz E. G. ich bevehlen thuo, helffo derselben baldt herwider.
Datum Wien den 10. novorab. a. Ö7.
:
E. G. gehorsamer caplan
M. KhlesI m. p.
XXX.
Zwottl, 1587 November 24.
Hoch und wolgeborner gnädiger herr, E. G. sein mein gehorsam
schuldig und willig dienst zuvor. Gnädiger herr, E. G. schreyben den
16. november datiert hab ich alhie empfangen, Gott wais das E. G. ich
mehr scliuldig bleiw alls ich mein lobelang wier bozallon khüunen, dan ich
siho mitt was gnädiger affection mich E. G. tractieru, mag auch derselben
bey meiner warhait bekhennen, das ich in villen meinen resolutionen
zurackh gangen und nicht prucodiern vill woniger meinem khopf volgen
wollen. Wie aber E. G. sehen, das auch diu gedultigisten in die long
möchten ungedultig werden, wegen doss bsehwärlichen langen aufzugs;
ich khan gloichwol gedonckhen das I. M' vill mehr dan mitt mier zu thun
haben, aber es ist nun schon das füorttc jar, dus ich coutinuo in diser
voxntion lige, die I. M' in ainer vicrtlstundt erledigen khünuen. Weill
aber iezunt auch I. M' gehaimbor rath und obristor camerer etc. herr
Rümpft mein gnädiger herr von 1. D' meine sachon empfangen, bitt E. 6.
ich gehorsambliuh, sy wollen daselb auch mein p^itrouus sein und dahin
' Paul Siit Freih. v. Traulaon. Vgl. oben S. 542, Anm 2.
* Vgl. oben S. 499, Anm. 1.
1[
558
i|
helfen dirigiern, damit es denen nicht in die ha
communiciern ehe I D' was wissen. Mier zweifli
schon hinein khnmen, I. D' auch mitt irem guei
sich resolviert, diss alles zugleich wolei-meltem
geschickht worden sein, I. D' werden eben das
schriben, nämblich die avisa geschichen und d
haben, damitt I. M' ad partem snfficionter der gs
horsamist erindert, nnd sy mitt gnaden resolvieri
I. G. der herr Bumpf in hoc negotio zneschreib
Tornemen; desswegen stehe ich starckh an, ob i
richten oder wartten soll, damitt ich nicht etwan (
dieret, alls woltte ich bey so geschaffner vertrösti
person sezen, davor mich Gott behüette. Ich wol
das ich lenger soll aufgehalten werden, und wider
in die h. zeitt fallen; bitt demnach E. G. die wolle
wessen ich mich meiner raiss halben nach Pra
das ich es ffierderlich angreifen oder aber diff
hinein, so wier ich mein örttl gwisslich bsuechen
verdi'ingen lassen. I. M* haben sich schon vo:
zwischen uns resolviert, aber die resolution ii
habens I. D. aufsuechen lassen und Gott lob ;
(wie ich bericht wier) iezunt auch hinein dem
schickht. Bekhum ich iezunt khaine, so hab icl
allain das ich noch ainen vorthaill flberig hab.
der alt herr Trautsam* von mier woU informie
aber die leutb sub specie recti praeoccupiern d
zweiflen will, weill es alles nach irem willen w:
Was mein raiss ghen Inspruckh belangdt,
forderbrieffs abschrifften, ich hab mich aber ge
doch allso wan ich auf ein andere zeitt wier mnc
laubnns bekhnmen, das ich mich zu I. D' undertl
neben gehorsamister bitt, so der casus nicht s(
selben mier schriftlich gnädigist zuekhumen 1
mich darauf meinem ainfältigen verstandt nach u
darüber ich aber noch nichts empfangen. Was
langdt, khäme mich dieselb nit, allain das ich
disem ortt gebom und erzogen, sonnder auch d
ich allso umbsonsten die ganze zeitt soll gearbai
' Vgl. oben 8. 492, Anm. 6.
bschwening, tnhüe, undtertruckhung und veiatioa lengor zu bleiwcn, das
war mier iiu seht und loib scliadt. Ich tiufT dif K. M', diu mich proprio
motu ailurgnüdigiMt fQoi'gonuuiun und ullu uieinu gologeuhititeu boisoits
sezeu lassen, werden mior mehr guadt uiclit, dan nuor was I. M' selbst
fücr redit und biUich haltten, gn.'kdigist crzaigen. Au dun von Passau
will ich Bchanzon ffler miub selbst, und mier die Sachen, woill ich I. F. G.
solbüt afTcutioniert darzue befi'iudt, alls muin aiguo und wo müglich gwis-
licbon mehr lassen bovohlen sein, darauf B. 6. sich verlassen mügen.
Ich bin alhie soitt des IT), novomber und batt Gott lob die ganze
statt ZwetI vorechinen sontag gcboucht und communiciort. Und woill ich
8 tag zuvor ein predig getban, bey wellicher ein lutherischer predigkhandt
gwesun, hatt er eben am vorscbinen sontag publice in der khircbon zu
Zwotl abiurieii und mitt denen von Zwoti communiciert sub una; ist ein
schöner actus gwesen zu sehen. Eben dise die vorige wochen bin ich mitt
meinen mittconiissaricn glien Waidthofon an der Teya gezdgen, in wel-
licher statt ein gelerter verschlagner lutheraner, ains prodigkhandten son
stattschreyber ist, alda ich auch gepradiget, berüerten stattschroyber von
der gmain abgesondert, und mitt Gottes gnadt die ganze burgcrschafTt
erhalten, das sy auf khunfftigcn freitag, wellichos ist der 27., alle in
moinum beisoin cumuiuniciorn wollen, dessen haben sy sich verschribon
mitt irem stattsigill verferdtiget. Don stattscUi-eyber hab ich mitt mier
ghcn Zwotl zuruckh gefüert, tÄglich mitt imo gebandlot und Gott lob auch
erhalten. Ist ein wunder zu sehen, wo zu 3 jaru feundtschaffton sein,
dio werden da vorglichen und niemants absolviert, or rerobligier sich dan
an aidts süitt sein lebelang catholisch zu blciwen, darauf sy dan couiuni-
ciern. Die puncta der reverss will E. G. ich hinach schickhen. Auf khunff-
tigen sambstag züheu wier gheu Weytra, dasolb wollen wier das catho-
lisch nez auch auswerffen, Gott verleihe sein göttliche gnadt darzue.
I. D' habtm mier souston volmacht und unftborschribno an geistliche und
weltliches standts porsonon crodontsschreybcn geben, damit ich iliosolb
zu boiständteu pro diversitato locorum erfordern khundt, woliches auch
allso gsehiecht. Das E. G. ich gehorsamblich zuuschroybcn wollen, und
bitt dieselb wollten mior einen gruoss bey irem gmahelu und sühnen ver-
leihen. Thuo E. G. Gott dem bcrrn, mich aber zu derselben gnaden ge-
horsamblich bevchlon. Datum Zwetl den 24. novemb. a. 87.
E. 6. gehorsamer capian
M. Khicsl m. p
560
XXXI.
Weitra, 1587 December 3
Hoch and wolgeborner gnädiger herr. E. 6. sein mein gehors
schuldig und willig dienst zuvor. Gnädiger herr, ich hab derselb
schreyben alhie empfangen, weill ich iezunt schon in die fflertte woch
nicht bey haus bin, sonndern zühe im landt wie ein landtfarer heru
was ich aber auf diser raiss mitt Gottes gnadt neben anodern gericl
werden E. G. von I. H' gehaimben rath und obristen camerer dem her
Bumpfen,* wellichem ich hac occasione originaliter die reverss der st
bey aignem podten zuegeschickht, vernemen. Gott lob ist auch dise sti
biss an zwo personen gewungen, heutt heb ich mitt den anderthanen »
dem landt an, Gott verleihe auch sein gnadt darzue. Was ich wolenni
tem herrn Rümpfen bey disem aignem podten znegeschriben, hab E.
ich in gehorsamen vertrauen wollen zueschickhen, dan ich niemants ghe
offendiern und mich mehrers verhOndtern woltt, entgegen aber will mi
die zeitt zu lang werden, das ich zu diser h. zeitt mich zu Wien der gstal
soll sehen lassen. Bitt E. G. sy wollen wie bissher mein gnädiger h(
sein, mier belffen und wo es nott befflerdern, Gott wierdts E. 6. bezalle
in dessen schnz ich dieselb, mich aber zn dero gnaden gehorsamblich b
vehlen thue. Datum Weytraa, den 3. decemb. a. 87.
E. G. gehorsamer caplan
M. Ehlesl m. p.
Beilage.'
Eitract auss ainem schreiben an herrn Eumpffen gethon
Was aber meine Sachen belangt, stehe ich an, dan ich mich V(
hertzen schäm, das ich dise heilige zeit, meniglich zu schandt und spo
soll in der statt herumb ziehen und nit wierdig sein ainige cantiel i
betretten. Hette ich gewüst genediger herr, das der herr bischoff <
Sachen mit mir also treiben soll, het ich mir gahr lengst bessere nie
schaffen mügen. Vermainen E. 6. das ich mich selbst bey I. M' stell
soll, damit I. M' genedigist sehen, das es mir ernst soy und ich mi
khännet bekhlagen und verantwortten, so bitt E. G. ich gehorsambli«
sie lassen mich ihr mainung wissen. Beger ich doch weder den her
bischoff noch iemandts andern zue offendiern, vil weniger I. M' ungelegt
halt, allain das ich möchte mit I. M' gnadt und aUergenedigisten erlat
nus mir selbst ruehe schaffen. Es wissen I. D' wol, wie hoch ich I
' Vgl. oben S. 199, Anm. 1. ■ Nicht eigenhändig.
Echwärdt wii-t, und das sich der horrbiBcboff weniger patronen, mich aus
dem landt znotreifaon, beliilfft; aber viloicbt biiben I. D* bedenckbeu, aioem
oder dorn andern abzuolegcn, will ich doch als der weniger gern woichon,
dan also ist nicht müglich, das es in die leng guet thuot, dan zuo dem
ich täghch boschwärt, friss ich mir selbst haiinblich das leben ab, das ich
in meiuQQi vatterlandt, dem ich zue hob (ohne ruemb zuo melden) vil
guetor golegeubait verlassen, in disem spütt bleiben sull. I. M' erzaigen
sich niu' duBS sie dergleich(sn nicht mügen leiden, wir werden uns her-
nach selbst baldt vergleichen, aber so lang er vermaint, das man meiner
nit achte, muess ich sein schlang (!) sein. Das hab ich propter coutinuum
dolorem unvermeldt iiit lassen sollen, und mues es denen khlagen, die-
mier nach GoU allaiu helffon khQnnen etc.
XXXII.
Wien, 1587 Oecember 22.
Hoch und wolgeboraer gnädiger herr, E. G. sein mein gehorsam
schuldig und willig dienst zuvor. Gnädiger herr, derselben zwei schreybon
hab ich empfangen, budauckh mich gehorsamblich der so gnädigen luor-
sorg. Ich muess ainuial bokhonncn, das E. G. mehr thun alls ich mein
lebelang wier verdienen khüunen. Es haben sich gleichwoll E. G. discs
schnidts billich zu freien, weill es das aufucmou unserer h. rcligion an-
trifft, aber umb sovill desto mehr das E. G. an disem auch ursacher ge-
wesen sein, dan ich miig mitt meinem gwissen bezeugen, wären dieselben
und der alt herr von Harrach' nit, ich woltte mier dieser bschwär langst
abgeholfTen haben, wie mier dan an der güettc und bainibherzigkliait
Gottes auch an anndorn Crttern nit zweiflet, aufs wenigist war mein
gwissen ringer und mein ehr so hoch niomuUn angriffen worden; aber so
es der höchste allso haben will und ich aus disem kholich trinckhen soll,
so geschehe sein h. willen, hoffent er werde mich mitt seiner gnadt er-
retten und aus disera last erledigen, alles zu seiner zeitt. Villeicht will
mier Gott durch dise truebseligkbait ein annderon standt zaigen, do ich
imo bösser und meiner schien nuzlicher dienen khan, aber alles zu seinem
heilligon gfallon.
Was nun gnädiger herr die hoffcanzi beinngdt, khumbt diss von
I. D' her wie ich verstandten guotter mainung, woill I. bischolliche Hochw.
mich ainmal so spflttlicb tracticru, mitt allorlai zuontpieten und schmach-
wortcn, so well auch eusserlichon demonstnitionen, allso dum gmainen
man zu verstehen geben, alls sey ich von L M' und moniglich Verstössen,
■ Vgl. oben S. 600, Anm. 1.
B62
iQb dui dn Mini (?), so Imj I- V* MariwIlfaHio Iwch—Iigirtw g«ii
nu tiachnth gwesen, Ton d«m herm biadioTsni ald« miagnitä
ist, spargiert, wie ar auch zuvor mitteUiialimsearatia^dnia» «•!■■■
harr bisehoff and der ünvenagt^ TerfacMit, geäum nad »kr adM«!
nigk, die idi heraaeh allao gsehafsn beftmdion; daait au aari^i
•ehe, das I. M* müt mier giddigiBi nflidfln, und «• att aOi^ «•■
vermnett, haben I. D* dergleichett demonstnuöoa ftar ü» alhclMii
halten.
Zorn andern, waill I. D* «iawn und gMehen, das jhaMhrLI'ri
haben n derselben gnaden gelogen, desto BMhr katt sieh 4er kar IM
mitt mier vertragen nnd es anf glekshem thafll g«h«tltn, daaiti*«
im BoUe' dienen, aber do er nun ein aadw eonoapt und vaxaiaiBtalill
sey abgeschnitten, ghehet er aa<^ mitt mio: «inen andern w^ i
tmdchet mich biss ondter die erden.
Znm tritten, damit er hinvorthan nit nraach h^, aUa L IPiM
liebem diener mier snensenn nnd sohmidüiek sa «ntUatea, anai
billich den respectieret dessen diener iah wir, dadaroh daa aUaU«!
ans wnrde ao^irehalten nnd verfaftettet werden.
Zum viertten so khnndte heir bisohoff sieh Till mitt waaigMa Kk
bekhlagen oder auch dflerffen, wan ich in der stett prsdigai soO, te
vill bösser mag entschnldiget werden, das mich L M* in ir a%iu W
statt stelleten alls Iren prediger, Iren onderthanen zu predigen und i
selben den h. glauben za lernen.
ündter anndern ist auch lezlich dise, damitt ich bey dem gm
landt in ffiergenummer reformation desto mehrer ansehen and in meiB
predigen forttgang und volg hette, dan bey dem gmainen man ofi i
mehr das eusserlich alls alles annderst hilfFt and fCkerdert.
Der F. D' mainnng aber ist nie gwesen, ja sy haben mien n
höchsten widerrathen, das ich ans dem landt zfihen, das ganze «*
lassen und mich an I. M' hoff begeben soll, sonnder allain obangeiogntia
surdis füerzukhumen, und wan I. H* anf ainen reiche- oder landt^; niat
oder aber alhie wären, das ich alsdan derselben canzl vertretten nfckl
Diss mitl hatt ime herr Paul Sixt Trantsam' nit allain ffter du bfe
lassen gfallen, sonnder darfOer gehaltten, es werde ghar khain nott m
dlfficultet haben, ja I. M' damit gnädigist woll zofriden sein. E. 6. il
im gehorsamen rertranen znmelden, so hab ich vom herrn Paoln Salt
khain wortt mehr, seitt die sachen I. 6. dem herm Bompfen'aaak
> Vgl. oben S. 497, Anm. 4.
* Vgl. oben 8. 642, Anm. 2. * Vgl. oben & 4W' . mL t.
563
vohlon worden. Ich umichuldiger aber woltte es nii ghorn ontgelttea.
Ist nun diss miti nit gnott, so hab icb» aufs wenigist nit ordaclit, wais
aber iitich khain iuiiidors, alls dat« ich os Gutt bovilich. Was in hac causa
I. G. ilcr lierr liumpf niier zuoschrnybon, d;is liabon E. G. hieboj zu om-
pfabcn, bilt dieselb wollten es boy ir behallten. Ich bin aber aus diaer
treier statt refonnation so müott, orschliigen und luatt worden, das ich
biss dabcT mich aüain dabaimbt haltte und bleiw, und wais umb die roso-
lution noch nichts, khan woU erachten, es wordo wedur nach I. D' ratli
noch meinem uuderthänigisten beghcrn, das ich n.nmblich einmal erlediget
wurde, gschaPTen sein. Und das hab E. G. ich gehorsarablich wollen zur
anlwort zueschieyben und bitt diosolb wollen mich armen vorlassnun und
betrangten catholiBchon priestor ir bevohlen Boin. Gott, in dessen schuz
E. G. ich bovchlen thuc, wierdt der belohner sein. Allso wollen E. G.
micr zu gnaden irem gniahel und sehn meinen gehorsamen gruess vor-
luelden und mein armes gebett offeriorn. Datum Wien den 22. decemb.
a. 87.
E. 6, gehorsamer ' caplan
M. KhlesI m. p.
Bitt E. G. die venseihen mier mein underschrcjben, wais Gott das
ich nit wais was ich offt thne.
xxxin.
Wien, 1687 December 31.
Hoch und wolgobornor gnädiger herr, E. G. sein mein gehorsam
schuldig und willig dienst zuvor. Gnädiger herr, wie ich bisshi'r mitt
E. G. gi^tandten, das wissen sy selbst zum bi^sstcn, allso das ich ver-
borgen undter meinem herzen nichts gehabt, wolliches E. G. ich unan-
gozaigt lassen hott, das dringt mich das ich auch diso» schreybon thue
und E. G. behellige. Eur G. tragen guett wissen, das I. D^ alhio mitt
herrn Pauln Si.tten Trautsam* meiner person halben gehandlet, wollichor
sich bey I. M' alle saeben zu tractiern orbottcn, das sich aber nach
seinem verraisen über I. D' anmahnen ganzer zwai monatt verzogen,
ilarauf haben die F. D' herrn Rümpfen* I. M' gohaimben rath die ganze
Sachen, wie sy sich von anfang biss daher zwischen herrn bischoven und
mier verlotfen, auch wie dem ganzen handl und roligiuuswosen abgeholffen
und befüerdert werden möchte, entlich resolviort und ir guettbedunckhen
' Hier standen ureprilnglich andere Zeichen, die aber durchatricben sind.
» Vgl. oben 8. 542, Aiim, 2.
• Vgl oben 8. ■»09, Anm. 1.
H>4
Jiuekliameii lassen, wie ich dessen Ton L D' alhie Tor irem vemisen
thjtfiuüden worden, darauf ich in Gottes namen foritgezogen und das W(
äa die handt gnnmen hab. Interim khnmbt dem ünTenagten ^ die r
lution, wais nit woher, zoe, I. M' wollten mich bey dem religionswi
im landt erhalten nnd achteten darfüer, ich khfinne alda mehr dan
hoff gnetts schaffen. In diser khayserlichen resolution aber geschi
nicht mitt ainem wörttl herm Bompfens, sonnder nner dess herm Tn
sambs soUicitatnr meldnng, so doch I. 6. der herr Bnmpf totam caot
fnndamentnm caosae nnd was I. D' mainong, schrifftlich hatt. Weil!
nun dises Ton dem, so es vom herm ünveiugt hatt, Terstandten, hab
mich bej hoff angemeldt nnd die Sachen ebenennassen allso gscha
befandten. I. D* khfinnen sich selbst nit gnnegsam Terwnndem, wo
modus procedendi herkhnmbt. Nun wais Gott, das ich nnTerdienter sac
nndterlig, ich habs weder nmb die statt, das landt, noch anch dem h(
bischoTen nnd die ime anhangen nit verdient. I. D* mainnng ist nien
gwesen, das ich mich an hoff soll begeben, ich hab khainen gedanck
darauf gehabt, und wais, das ich mitt Gottes gnadt alda in ai
Wochen mehr dienen khan dan bey hoff in ainem monatt. Was aber I.
füer ein medium zu sein rennainen, das haben sy herm Bumpfen a
fierlich, wie sy vermelden, zueschreyben lassen, wie £. G. ich nachma
im nächsten schreyben auch andeutung gethan hab und sy dasselb £
dubio alberait von wolermeltem herm haben verstandten ; was I. D' ,
schichen, das wan es in die canzlei khumen werde, so wisse es der b
bischoff gwiss, dasselb geschiecht ieznnt. und allso weil] er sihet, <
alle meine Sachen, zu denen man mich alhie multis argumentis persi
diert, ich soll darein ghen, damit I. D' ein ffierschlag thun möcht
znmckh ghen, triumphiert er desto bösser, dan er ainen g^etten st
darinnen hatt. Aus disem allem, so E. G. ich in gehorsamen vertia)
zueschreyb, sehen sy, wie mitt mier wierdt gehandlet. Ich aber, w
I. G. der herr Bumpf auf I. D' schreyben noch nicht geantwort, will :
mahnung thun und bitten, damit ich ainen endlichen bschaidt hal
möcht. Ich bitte aber E. 6. umb Gottes willen, sy erlauben mier aus
sprengen, dan Gott wais das ich bissher E. G. nnd den alten herm ^
Harrach* allain respectiert, ich woltt mier sonnsten langst abgeholl
haben. I. M' wissen mein ellendt nicht, und wie ich spöttUch in ii
landt und bey diser meiner arbait tractiert wier; wo ich hinthnm will
mich mitt der warhait verthättigen khfinnen, das ich nmb derselben wil
' Vgl. oben S. 497, Anm. 4.
» Vgl. oben 8. 600, Anm. 1.
565
»
I
von denen neidigen lonthen bin veriagt worden. E. G. sein dessen vei-
gwist, wo ich sein wier, da will ich Gott und seinar khirchen iJienen,
E. G. diener und caplan leben und sterben, nuer das ich derselben gnadt
«inrch diso mein gezwungne resolution nit olTendior. dau dpr wollt ich
mich nicht begobon. Es hilfft doch I. M' nichts, das ich alhie geplagt und
gepeiniget wier, lass es alles Ober ainen haulTcn gben, dan ich wier flbl
tradiert nnd bin khain engl, sonnder ein mpnsch, dem sein ehr auch lieb
ist und nicht ghern umbsonst woltt gearbait haben; soll ich niitt spott
bleiwen, so will ich in Gottes namen mitt spott abzQhen, so höret derselb
auf, da lig ich tag und nacht darinnen, nnd mügen E. G. mier trauen, ich
will initt brott und wasser verguettnemen, che ich mich lenger soll alls»
tractiern lassen, bitt E. G. sy lassen dises schrejben passiern, weill mier
mein hon? aufgebrochen ist, und ich lenger nicht haltten khilnnen. Gott,
in dessen schuz ich E. G. bevehlen thne, helff mier, damitt ich seinem
willen in rechter gedult möchte mich gleichförmig machen, amen. Datum
Wien den lezten decemb. a. 87.
E. G. gehorsamer caplan
M. Khlesi m. p.
Was ich herrn obristen camerer in mea causa ziieachreyb, haben
E. G. hiebey zu empfahen. E. G. resohiern sich nuer, ich will der reso-
lution, die in inHinitum möcht ghen, nit erwarten.
XXXIV.
Wien, 1688 Jänner 28.
Hoch und woigeborner gnädiger herr. E. G. sein mein gehorsamh
schuldig nnd willige diennst zuvor. Gnädiger herr. E. G. so ghar gnädig
vätterlich und wolmainent schroyben hab ich empfangen, bette auch darauf
gleich und alsbaldt geantwort, do ich wissen khünnen, wo und wie meine
Sachen geschaffen wären, weill ichs aber erst vor wenig tagen erindert,
.so hab ich es bis daher verschOobon wollen. Mier ist laidt, da.s E. G., alls
welliche ohne das hoch nnd vill occupiert, mitt diser meiner Sachen ich
behelligen mW, es macht aber E, G. gegen mier so gnädigen affection und
mein so gehorsam vortrauen, lezlich das die betrOebten vilinal mehr alls
innen sonnsten woll anstehet thun, und bitt E. G. desswegen, wie ofTt
geschehen, gehorsamblich umb Verzeihung. Bedanckh mich so hoch ich
khan dess so gnädigen trosts und zuesprechens dOemtletiglich, Gott so
reich ist wolle es alles befallen. Ich tnues woll zusambt villen, so in
disem ofen der trflebseligkhait ligen bekhennen, das ich im zn zeitten
etwas zn vill thne, wan aber E. G. sollen wisBen, wie ich in continua
666
Toxatione sine restitntione meae &mae et boni
persona bleiw, so war nicht ein wander, auch
darflber zn zeitten nngedaltig werden, sonnde
selbst und was sy dennoch irem concept nach t
bösser füer die angen stellen, wie auch mit im
sy weder zu rechtlichem process, extraordinari
gelassen werden khünnen, sonnder gleidi wie
spem et metnm steckhen und beleiwen mflesi
dingen, so alberait schon langst determiniert, de<
den sein. Aber ich will dises alles auf E. G. am
beiseits sezen, mich auch so lang dulden, das 1
resolution hoffentlich billichen werden, ans ursa
weltt will verlieren, alls mein gwissen lenger b
die ganze weltt gewnng, mein sohl aber in gi
alls nuer ich daran schuldig sein. Cum charii
ich meinem vatterlant und der ganzen khirchen,
zu thun schuldig. Weil! ich nun befQndt, das e
mier nicht thun wurde, so werden E. 6. mier dei
do ich zu zeitten anf das mitl khumb, welliche
nach, und das sich alle meine feundt erfreien «
sein gedeucht, der sehlen aber nnz und nothwe:
abermaln an I. H* (wie sy mich vorgestern gn
meiner Sachen halben schreyben oder geschril
gehorsamer gedult auch diser Sachen endt e
dem herm Rümpfen' ich nuer dise gnadt erl
selb ad partem I. H* statum totius causae, t
(alls ich bericht wier) ghar ausfierlich endteckh
ten, so mag ich dulden der bischoff von Wien
sein das sy dabey sizen und votiern mfigen, c
I. M' sein, wie sy auch meine geringe dienst w
nuer von meines glaubens gnossen den geistli(
verfolgt, traduciert und wunderbärlich umb m
Tillen gebracht worden, wie ghem sy auch me
selben summo studio gesuecht haben, so zweiflei
in ainer viertlstundt cum honore aus diser gai
das nit geschiecht, was auch I. D' werden schri
wierdt den alten gang gwingen, wie der process 1
gelernet hatt. Bitt demnach E. G. ganz gehorssi
' Vgl. oben S. 499, Anm. 1.
567
gnadt bcy I. G. dem herni Rümpfen, wellichera ich desswegen geachjiben
und gebetten hab, erhalten, dan allso wier kb ans allen meinen Sachen
V(ir der h. zeitt iler faston khiimen mögen. Sonsten disputiert Jiser das,
ein annder wiorfft etwas andorst ein; so baldt I. M' werden sagen, das
geschehe, so ist nns gehoiffen. Das flberig thue E. G. ich geborsamblicb
bevchlen, dan dieselben, alls wellicbe diss negotium neben andern meinen
gnädigen herrnen mier zu gnaden über sich gontimen, werden im zu
thun wissen, und Gott wolle E. G. sanibt derselben /.negethanen gnfidig-
lich vor allem Qbl behücten, in gnetter gsundthait und langem leben er-
halten, amen. Datum Wien den 28. jan. a. 88.
E. 0. gehorsamer caplan
M. Khlesl ro. p.
XXXV.
Wien, 1&88 Febniar tl.
Hoch imd wolgoborner gnediger herr. E. G. sein mein gehorsam
schuldig unrt willig diennst znvor. Gnediger herr, derselben scbreyben
hab ich gestern empfangen, tbuo gegen E. G. ich mich dessen gehorsanib-
lich bedanckben, gwisslichen bin ich diser gnaden nit wierdig, hab es
noch khan ea auch nit verdienen umb E. G. mein lobelang, weil! ey sich
meiner person nicht allain hoch anneraon, sonndorn uiehrer thun nicht
kbOndten; weill aber E. 6. sehen, das dise mein bschwärnus billich, allso
wollen sy der gerechtigkliaidt favorisiern. So wiordt die goreclitigkhait,
wellicho Gott ist, diso mir erzaigto gnaden hoffentlich reichlich belohnen.
Was E. G. wegen der widerwertigen gericht und denselben bösen leuthen
füerkhnuien sein, das tstin warbait mier zu gnaden einhohe nottni-fftgwesen,
lian eben was ich mich besorgt, möcht mier alberait widerfahrn sein. Aber
es haist nit erbar mit mier gehandlet, das haben meine Widersacher in
allen meinen Sachen bissher gespilt, dieselben auch aufs wenigist in die
leng gebracht, wie sy jozunt dan ebensfals und nicht weniger thun werden.
Wcill aber meine sachcn Gott lob alberait praeoccupiert und meine gnä-
dige herrn sufficienter informiert sein, trag ich nunmehr bey diser ge-
. rechten handlung khainen zwoifl, insondorhait weill der allmächtig Gott
scheinbäi-lich ire häiindl, wellicbe sy bissher haimblich und vorborgen ge-
triben, durch die irigen selbst will offenwahron. Bitt E. G. die wollen
meiner mitt gnaden gedenckhen, dan seitt I. Ü' schreyben hineinkhumen
ist, fallet nicht, das die conespondenzon gross werden, wiewoll ich mier
Glitt lob woniger alls zuvor furcht.
Danobons khan E. G. ich in sonndern vertrauen nit bergen, das
man mier fäer gwiss gesagt, E. G. söhn herr Sigmnndt aol in khors hinab
568
ins Niderlant rerraisen. ünnd mflgen mier E. G. diss woU glanbcn, k
ich es sine cansa nit schreyb. Nnn wais ich woU, das E. 6. von diu
nichts bewflst, und bitt dieselb nmb Gottes willen, sy wollen diseo tei«
cassiern, damit niemants darüber khnmb, aus nrsach, die ich in mm
zeitt melden will; das ich aber E. G. avisier, bewegen mich die tüIih
erzaigten gnaden darzne, nnd werden im dieselb zn thnn wissen.
Nenhes ist albie nichts, der landtag ghehet still ab, von ia rd
gion wierdt nichts gehandlet. Was mier ffler neuhe zeittnng P. Uckai
schreybt, will E. G., weill es geringe sacben, ich nit behelligen. Gott, i
dessen schnz E. G. ich bevehlen thne, erhalte dieselben bey gsnndt m
langem leben, amen. Datam Wien, den 11. febr. a. 88.
E. 6. gehorsamer caplan
H. EhIesI m. p.
XXXVI.
Wien, 1688 lOn K.
Hoch nnd wolgeborner gnädiger herr, E. G. sein mein gdiom
schuldig dienst zuvor. Gnädiger herr, derselben schreyben den 9. mii
datiert hab ich gestern abents empfangen und mitt sonndem freiden re
standten, wie E. G. ir mein resolution lassen angelegen sein alk n
dieselb ir aigne person antreffen soll; Gott im himel wolle es E. G. alls
bezallen. Aber nit allain das ich davon nichts wais, sonndem 1.1
bschaiden mich abermaln auf Prag, das ist schier in infinitum; weill k
aber so lang gedult gehabt, so will ich es gleich am endt nit verlien
villeicht haben meine Widersacher gleich die böste freudt allso. Hoff ^lii
I. M' werden den derraaln ains auf den gnindt khumen und dadurch i
entlichor und gnädigister resolution bewegt werden, es verdreass dai
nach wem es- wöll. Der Erstenberger ' h.itt sich gegen dem CvTUil
allerlai böser reden vernemen lassen, alls sollen I. D' nichts an bh
vorwissen thun, der alt herr von Harrach* und Westernacher' wir?
khetten daran ich hanget, es khundte nichts guetts daraus khnmeD. s
werde dan zcreissen, Westernacher esse und trinckhe täglich bfj mi*:
comunicier mier I. M' gehaimb alle etc. Das sein böse unzeitige ua
hantige reden, die will ich zu seiner zeitt sparen, weill ich mitt Corneli
in handlung stehe, das er miers bstehon soll. Wan ich woltt lerman an
• Vgl. oben S. 623, Anm. 2.
' Vgl. oben S. 500, Anm. 1.
' SebMtian Westemacher, kais. Hofsecretär, dem Erzbenog Ernst i»-
getheilt.
569
richten, ich wfiste woll wie maa mitt mier gehandlet hett, ubor es inOeste
es doch die religion hernach entgelten, weill ich sihe, das die affcctus
dem gTwissen fflerzühen, alles zu seiner zeitt. Wo nun mein kbayserliche
resolution hinkhumeu wierdt, wsis Gott, ich glaub aber das sülliche ge-
seilen sub specie recti den spott daraus dreiben und weder I. M' noch
derselben Privilegien, khünfftiges tibi und erschreckhliche orweitternng
nicht» gedenckhen, modo illit> satis fiat. Bitt E. 6. die helfen wie biss-
hor guttdiglich, dumitt ich doch dtse h. zeitt möchte aineu bscliaidt haben.
Herr Sigmundt* ist gestern spatt zu inier khumen, dem hab E. 6.
resolution ich gelösen, ist dermasaen desperatus von mier gescbaiden,
das ich nit wais was ich schreyben soltt, die luss lieb bringt sein ver-
derben, batt mier anzaigt, ehe er E. G. mit der heuratt belaidigen soll,
er wolt ehe sterben, es hett in aber die teuflisch lieb (dan allso sein die
reden) dermassen eingennmeu, das im weo soy, wo er nucr hiukhäm.
Die schulden sein in die 6000 tallcr, fQrcht sich allenthalben, summa er
wais nit wo aus oder ein. Ist heutt in Märhern mit berrn Septimo von
Liecbteustain. Was sich nun mitt dem von Scbönkbirchon und im vor
der Wolfspiuckhen zuetragen, wierdt der hoffmaister E. G. schreybeu.
Der guett man der holTmaister khumbt mitt waiaenten äugen und bitt
umb r&tb, was er tbun soll, aber ich kban im nit belffen; Gott wierdt
hoffentlich das büste thun. Ich woltt meines tbaills, er zöge ein waill bei-
seits der herr Sigmundt, dan die schulden nnd lieb werden in in grosse
gferrligkhait bringen, aber da ist khaiu heller noch pfeniiig, trag nuer
sorg, das ime nichts übls widerfahr, ich will gleichwoU uiitt dem Patri
Michaeli Älvarez' reden, ob wier in möchten reduciern. Das geb Gott,
in dessen schuz ich E. Q. bevehlen thue mitt gnaden. Datum Wien, den
17. martii a. 88.
E. Q. gehorsamer caplan
M. Ehlesl m. p.
xxxvu.
Wien, 1688 April 28.
Hoch und wolgeborner gnädiger horr, E. G. sein mein gehorsam
schuldig und willige dienst zuvor. Gnädiger herr, das E. G. sich so hoch
meiner angenumen, hab ich zuvor bedanckht und bleiw danckbpär und
schuldig ewiglich. Ich hab gleich in Gottes namen dominica palmaruni
in nnser frauen khirchen den passion angefangen, darauf mier der herr
» Von Dietrichstein. Vgl. Nr. XXXV.
• Vgl. oben 8. 540, Arno. B.
Archir. LXIXVIII BU. II. HUfto. S7
F
570
bischoff den montag hernach ein scharffe zetl g'
nichts hindtern lassen, sonnder ime khnrz nnc
halt geantwort, wier wolten es mflntlich undte
veneris sancto zusamen khnmen, nns mitteinai
und allso biHederlich Terglichen, das wier bade
seine werckhzeug sollen nun hinvorthan wider i
vergleichung hatt Oott allain gmacht, wie dan kh
ist, aus wellichem E. 6. gesehen, was ich ir vc
das so baldt I. M' öffentlich etwas werden dem
richtig.^ Ich predige ieznnt bey S. Stephan wc
flbl anf ist, sonnsten mitt seinem ghar guetten
an der gstetten,* und sein allso wie ain herz
Gott verleibe uns bstendtigkhait, wie ich an mit
erwindten lassen, sonnder alls der iflnger accon
mfiglich ist. Wier nemen nns ietzunt anf ein
gleich an, hoff der allmächtig werde seinen se(
reich durch uns erweittert werden müge, daran«
desswegen sy gwisslich von dem allmächtigen de
Ist nun der hoffpredicatnr, das ich in das buec
was mehrers vounötten, das alles stelle ich E. €
mich noch bekhenne, gehorsamblich haimb, dii
machen zum hosten wie es sein mag, dan ich geb
Weitter khan E. Q. ich nit verhalten,
söhn' alhie, wie mier alle seine leuth werden
mhfie und arbait gehabt, damit ich in zu ehr seine
schafft in ofBcio erhalten khnndte. Er ist ai-m, p
melancolisch nnd lasset sich allso an, das ich
böse schödliche und ganz bschwirliche melancoli
khumen, dan er weder isset noch schlaffet, ist
wunderbärlich, wierdt zimblich khindisch, und t:
den anf die lezt sehl und leib schaden. Wie hoc
maln offendiert, wi« er sich verhalten, was E. Q
nussen haben, das wais ich thaills von E. G. s«
ime dem hen-n Sigmnndten verstandten. Das
zeitten nngebüerliche reden schiessen lasset, er
frau gemahel, dadurch Gott so hoch offendiert, d
' KlesI war nSmlich mittlerweile za K. Bndolfii
den. Vgl. oben S. 486.
* Maria am Qestade.
• Sigmund. Vgl. Kr. XXXVI.
571
barinbbei'zigkhait verltofTon khiin, er mOeBSo dan die ganz zeitt seineb
lebens die »acheu allso iinstcllen, damit die ganz wcltt erfahr, das im von
horzfln laidl sey. Er bewaint und erkhennet seine Bündt tag und nacht,
liab in ad coiifesBionem gebracht und was mier niüglich iat gwösen go-
tban. Gott wais, das E. 6. reputation ich in alweg suecbe and dieselb
biss in mein grueben ehren und mitt willen nicht offendiern will, aber,
gnädiger hcrr, die soeben ist in extremis und laider geschoben, aber doch
alleo das mich gedeucht bCsser ein khlainer dan ein unwiderbringliclier
schaden. Das herr Sigmundt sich soll aufhalten alhie, nunquam suadee,
daher khumbt sein verdorben, sonnder im war nuz, er thätt ein jar oder
swai bncss und lernet die frembt und ellendt erkliennen, allain das dise
Bchuldon thails und mit gelegenhait von jar zu jar möchten bozalt werden,
er bliw in oflicio, lernet die armuet, daneben» wurde seinem namen und
ehr gehollTen; doch damit auch er sähe, das soUiches cum difficultate zue-
gieng. Ich mains ainmal trenhei'zig, das wissen E. G., daher ich hoff, ich
werde dieselb nit offendiern, sonnder irre ich. mehr simplicitati meac und
obligationi gegen E. G. alls ainiger andern ursach zueschrcyben. Ich
stehe an, wais nit wie ich in tractiern, das negotium suspendiern, oder
was ich im rathen soll, vellom conservare ipüins auiuiam et honorem libon-
ter, do es miiglich war; aber orfiihr ich, das es wider E. ü. sein soll, von
diser sachen mehr zu schreyben, so verobligier ich mich dieselb nit mitt
ainem wortt weitter zu behelligen, und thuo E. G. in den schuz Gott dess
allmächtigen, mich alier zu dero bständtigou gnaden gehorsamblich bo-
vehlen. Datum Wien den 28. aprilis a. 88.
I E. G. gehorsamer caplan
M. Ehlosl m. p.
xxxvin.
Wien, 1588 October 4.
Hoch und wolgeborner gnädiger herr, E. Q. sein mein gehorsamb
schuhiig und willig diennst zuvor. Gnädiger herr, ich khan nit umbghen,
£, G. zu behelligen, weill ich derselben in der pnluischeu tumults berath-
scblagung, do sy gleich zum bäfftigisten occupiert gwesen, ein schi-eyben
von meinem gnädigen forsten und herrn sambt meinem zuegeschickht,
darauf aber khain antwort bekhumeu hab. Ob nun dieselben schreyben
E. G. zuekhumen sein oder nicht, das ist mier onbewüst, bitt E, G. die
wollen mich zu irer ghar guetten gelegenhait berichten lassen.
Ich bin Bonsten von meinen zwäen raissen von Passau widerkhumen,
auch daselb herra biscboven frisch und gsundt verlassen, die controversiae
37»
572
zwischen ainem capitl and I. F. 6. sein Gott '.
I. F. 6. iezunt bey gnetter rhue, wiewoU es in ^
dfierfft hatt.
Herr Maximilian * hatt sich anf der Zeller
wie anch zu Faden sehr frßlich und goetter diu
laider nicht besnechen khfinnen wegen der so
nun bey 2 monatten khanm zwen tag bin za
aber E. 6. nit verhalten, das ich von ime herrn
alls hab er willens widemm ghen Prag zu raisen
aufzuhalten, das werden E. 0. von anndern mefa
standten haben. Ich thue aber alles ghern, wac
mit er derselben khain ungelegenhait mache.
Nenhes ist alhie nichts dan das b&de sti
dise tag in meinem beiwesen ainhellig gebeuch
wollen anch bey dem h. catholischen glauben le
leibe innen Gott, amen. Jeznnt sein in dis
Ehrembs, Stain, S. PCldten, Ipps und Faden n
Ipps und Faden Gott lob weil disponiert ffindti
Gottes dieselb baldt zu reduciern. Aber gleich
dem lösen zu raisen willens, da hangen I. D' mi
nämblich das ich das bisthumb Neustadt admini
ich der sachen nachgedacht, anch solliche bede
mier nit allain bschwerlich sonnder schier unmfl)
auf so gmessne der E. H' gnädigiste resolution,
gethan, sonnderlich auf die so starckhe mitt mii
horsamist mich so weitt erkhlärt, das ich der K.
thenigisten gehorsamisten ebrn auf versueche:
cum illa protostatione, do ich mich untauglich w
mier zu Ungnaden nit woltten vermerckhen, 1
resignieret. So mier aber der allerhöchste anch
ordnet, will ich in mitt gehorsamb flbernemen, i
der E. M' unterthänigist flberantwortten und
abwartten, dan ich vili lieber in ista simplicit
gwissen zu beladen begher.
Noster Christopherus ist vonn I. F. D' d«
stundt gleich alls dieselb in die khirchen zur m
Ungnaden geschafft worden, allso war im bOssei
purg dan der geistlich i-ath zu Salzburg.
• Von Dietrichstein.
^
Pater Micbael' schi-eybt mir offt von E. G. gauzo brief und uiiion
häufen vun den brücdorn, villeicht vermaiut ei-, das ich dicsolbon schiT^bon
alle E. G. 7,uoschickho und sy maistoin wöll; aber weil) ich wais und E, 6.
kheniio, sti Wültt ich mitt dergieichon unzeitigen schroybon E. G. nit
ghern behOlligoo. Was ich aber inio F. Michaeli von Coli aus goantwui*!,
wiordt horr Maximilian, doiuD ich dassclb schreyben gelöBoii, xuni böston
K. G. roferieru khünnen. Sounsten thuett sich Pater Michael E. G. go-
hursamblich bevehlen.
Der auslauf allhio zu den sectischon predigen wiordt nitgomündtort,
sonnder houffet sich von tag zu tag; os deucht uiißb schier, wier wollen
verdrossen werden, aber Gutt ist (!) alle ding müglich. Jeiunt nit mehr
dan das ich E. G. in den schuz dess allerhöchsten, mich aber zu dero
gnaden ganz geh oi'sam blich bevehien thuc. Datum Wion den 4. octub.
1 a. 88.
I E. G. gehorsamer caplan
^^^< H. Khlesl m. p,
^^ XXXIX.
^^^ Wien, 1Ö88 October 86.
~ Hoch und wolgebornor gnädiger heiT, E. G. sein mein gehorsam
schuldig und willig diennst zuvor. Gnädiger heiT, E. G. schreyben, dess
datum den 11. octobris zu Prag ist, hab ich erst gestern abents do ich
aus der Neustatt khumen empfangen, und bedarf, gnädiger herr, khainor
entschuldigung, weill ich wais, dasE. 6. mier, wan sj schon nit antworten,
nichts desto weniger mitt bständigen gnaden wol gwögen verblei wen.
I Mier ist allain umb das gwOsen, das ich nit gewist, das E. G. meine
schreyben zuekhumen sein; sonnsten wan es wider derselben gelegenhait
nit ist, erfreyen und trösten mich E. G. schreyben von herzen. Unnserem
herrn Maximiliano bab ich verscbinen sambstag den bschaidt anzaigt,
darauf er* sich dessen resolviert: weill er sihet, das er nicht verbunden,
I 80 wöll er die verenderung dess f (I) nicht mehr urgiern. sonnder in dem
fall E. G. nit offendiem. Was aber das beuratten betrifft, khenne er sich
selbst zum besten, so hetten im E. G. zuegesagt der hcuratt halben in in
nicht zu dringen, darauf ich weitters nicht gangen, sonnder es zum anfang
füer gnueg gehalten; werden E. 6. darüber denen sachon woll zu thuu
wissen; ich bin und gehör in das haus; was E. G. schaffen, wissen sy
woll, das ich derselben geboi'samer caplan leb und stirb.
' Älvarez. Vgl. oben 8. 640, Anm. 6.
» Wohl Sigmund. Vgl. Nr. XXXVI.
574
Wegen der rais ghen Prag ist zwischen ai
dan der herr in Hangern geailt, hoff aber gwi
seinem rath nit ansschliessen, so wierdt er von
Den herrn von Fassao betreffent, wais
derselb E. 6. znegschriben, ansser dessen das
verstehe, das aber so gwiss alls meinen namen,
ligkhaiten, ja die allergeringsten nit, verhandte
tentnm allain dahin gstandten ist nnd noch, E.
alte vertranligkhait zu bringen, damit wan flbe
gnetter frischer gedächtnns wären. Sonsten 1
Stamberg nnd Eoffman vor 20 jam anf die weil
thaills verschwigne thaills aber strittige leben
alle ieznnt nihig besizen, wie sy dan deren
Steireckh^ herrn Wolfen Gerger* znegehörig, so
aber herr Gerger nicht gständtig, die alle auf i
I. F. G. namen dasselb bstreitten wOllen, ann
(wie billich) I. F. G. den alten herrn von Harra
wegs offendiern wollen. Allso khan ich mitt gu
schuldigen , das sy diser zeitt gwisslichen annd(
haben, und glaub nit, das yill felligkhaiten sieb
derst alls anf dise weiss znegetragen. Ich will
miers rerbietten, nit uudterlassen dise alt rertr
erhalten, damit, wan Ober nacht ein gelegenha
gniessen khündten; ad hnnc finem hab ich die i
ünnsere Österreicher sein mitt irem
bschaidt* ghar in der still haimbkhnmen, ich hi
disputierlich in disen landen worden, ist khain
serer h. religion so nnzlicher bschsidt nit khoi
herr geb allain die bstendige execntion, dere
Ordnung confundiert werden, damit alles woll
sollicitiern und anbringen soll es gwisslichen n
Alhie sein die wein übl geratten, und ge
leuth noch bey der pröss, do der most herabrini
' In OberOsterreicb.
' Brader des bereit» mehrfach erwühnten Hein
' Vgl. oben S. 600, Anm. 1.
* Es ist die kaiserliche Resolution vom 28. S<
sandten der Stände Adam v. Pnchheim nnd Fi
in Prag zogestellt, von den Stftnden aber erst
wnide. Wiener Hof bibliothek Cod. 8314, foL
576
den eimer; anf dem hTing«rischen, darinnen dess bisthumbs Neustatt alle
wein^arttea fast Ugen, haben es die menss goessen, welliche dennassen
überhandt nemen, das sy auch die neu saatt fressen nmi man iezunt ein
neiihes anbaut, welliche mitt soilicbein banffen sich samblen, das etlich
hundert in ninent grossen lucb gfandton werden, die khumen auch schon
hfi'anf biss an die Scliwoohätt. ßott wi'dle uns allen gnädig sein, in Jessen
gnädigen schuz ich E. G. und alle die ii'ige, midi aber zu derselben gna-
den gohorsiunlilidi bevchlen thiie. Datum Wien, den 25. üctob. a. 88,
E. G. gehorsamer caplan
M. Khlesl m. p.
Ich bitt E. G. die wollen meiner bey I. M' zu guetter gelogenhait
nit vergessen, derentwegen ich sy durch herrn Maximiliaiium ansprechen
lassen.
^ XL.
^^K Wien, 1688 November 26.
^^K Hoch nnd wolgeborner gnädiger herr, E. G. sein mein gehorsam
schuldig and willig dicnnst zuvor. Gnädiger herr, ich bin gleich iezunt
nach ainer stuiidt willens mich auf den weg in die Nenstatt zu machen,
und daselb auf khunfftigen pfingstag wills Gott die reforniation filer die
handt zu nemen. Es werden one zweifl von anmlei-n E. G. erindert wor-
den sein, in was gferrligkhait leibs und lebens ich iezunt bin, allenthalben
lauren sy auf mich nnd ist dos gschrai nie so gross gwesen, aber ich
muess es Gott bevehlen und ime danckhen, der mier ire falsche listen
und practickhen eröfnet. Was ich aber bey diser ganzen österreichischen
refüraiatiDU vordient, schickh derselben ich ein argumentum von unserem
P. Michaeli ' originaliter zue, wie ghar der mensch das regiment und do-
* miniern nit lassen khan, welliches mier gleichwoll dise zeitt auch von
etlichen anndern aus irer societät geschehen ist, welliche iezunt nit allain
rnhen, sonnder die Sachen in öffentlichen truckh innen selbst zu spott,
alls die das contrarium zuvor gesagt, vermelden. Welliches als ich alls
von meinen praeceptoribus zu Vermeidung mehrer ergernus bis daher mitt
gedult ausgestandten, und vill mehr in effectu das contrarium beweissen
wollen, aber lieber Oott, das ich auch ainem yedlichen soll undterworiTon
sein, das will mier schier zn stnrckh werden. Hab allso niemants, dem
ich ea khlag alls E.G. und borrn Bumpfen,^ meinen gnädigen herrnen;
' Jesuit AlvareK. Vgl. oben 8. 640, Anm. 6.
» Vgl. oben 8. 499, Anm. 1.
676
wo ich mein mundt will aufthun, da mns ich etgemas halben bill
schweigen, dan ich mehr guetts von diser societ&t empfangen hab, i
ich bezallen khan. Was ich aber disem jesniter geantwortet, haben E.
hiebey auch za vernemen, alles zu dem endt, weill ich allenthalben w
angriffen, das man mich nit etwan auch bey E. 0. verunglimpfen wolt
wiewoll ich bey derselben versichert bin. und bitt E. 6. ganz geh«
samblich sy woltten mich data bona occasione bey herrn nnncio com«
diem, das, wie zu zeitten man leuth fflndt, wo dieser P. Michael an
khumen war, ich dennoch dämmen gehört wurde, wie woU ich nit hofl
will, das herr nnncins dergleichen sachen glauben sezen soltt; do erat
nichts soll wissen, wie ich ans I. G. schreyben nichts vermnetten klu
so ist dennoch auf khunfftiges nit schädlich. Allso trag ich billich soi
es möchte I. 6. mein gnädiger herr durch die miti, welliche dergleich
leuth sehr im brauch haben, der herr Bumpf flbl informiert werden;
bitt E. G. ich gehorsamblich, sy woltten dennoch ine, so etwas daran, me
antwort lesen lassen. Woltte Gott unsere sachen stundten allso, das wi
undter ainst alles recht machen khundten, aber es ist iecnnt nit zei
wie dan ieznnt in die 40 landtlenth wegen der khayserlichen resolutic
und dess Praggerischen bschaidts ^ alhie in starckher berathschlagnng ni
versamblnng sein, sich auch mitt ernst nmb ir sachen annemen. üi
ob woU nit zu zweiflen, die göttliche M* werde es alles snm hosten wei
den, so mnes man doch die mitl und den verstandt brauchen und nit al
ding in lufft handien. Herr Maximilian ist frisch auf, hatt ein wail na«
Prag postiern wollen, desswegen das E. G. ime nichts geschriben, w
ich hör, so stelle er es ein. und thue E. G. hiemit sambt derselbe
gmahel in göttlichen schuz und bewahrung, mich aber zn dero gnade
gehorsamblich bevehlen. Datum Wien, den 26. novembris a. 88.
E. G. gehorsamer caplan
M. Ehlesl m. p.
XLI.
Wien, 1689 Febmar 18.
Hoch und wolgeborner gnädiger herr, E. G. sein mein gehorsan
schuldig unnd willig diennst zuvor. Gnädiger herr, ich hab mitt sonnder
höchsten freyden derselben gsnndthait veratandten, und will die sache
derhalben nit disputiern, weill der effectus, dem ewigen Gott sey danck
gesagt, orvolget, der wolle E. G. ad multos annos nach seinem willen ei
Vgl. oben 8. 674, Anm. 4.
577
halten. Ich bin meines leibs halben ghar flbl auf und donnasson auf-
gearbait, alls war ich vill jar all;, iczunt wier ich, a!ls ich zum storckhistcn
sein üoll, über alle mt>ine so starckho entschuldigung von I. D' ghen
Ebrembs und Stain gnädigist dise faston verordnet, und ob ich woU die
grosso gferrligkbait leibs und lobens daselh waia, so thuo ich ea desto bil-
licher, weill es uipin beruef erfordert und ich os meiiiom vatteriant zu thun
schuldig bin, allain wier ich disen sturmb, welliche schon vill angoloffou,
leibsunvermügligtthait halben schwärlich khCinnen ausstehen, iedoch trau
und bau ich auf den so mich sterckhet, und hitt E. Q. die woUon sambt
ircm gmahcl meiner gnädigen fraucn und herrn Maximiliano in irem ge-
bett nner mitt ainem ave Maria lassen bcvuhlen sein, dan ich mich ge-
troste solliches werde mier ghar vill hclffen. Pater Michael' batt inier
widerum ghar ein böses briell zuegeschriben, das ligt auf dem tisch, hoff
er soll entlich mflett werden, dai-zue ime mein stilschweigen wierdt ur-
sach geben.
In anndern soeben, gnädiger herr, fahreu wier alhie zimblich fortt
und ghehet uns nichts alls die continuation ab, welliuhe das religionwüsen
ci'fordei-t, dan so baldt mau dem feuudt rhue lasset, ist in sich zu sterckheu
gelegenhait geben, villeicbt wierdt es einmal geändteret. Damit thue
E. 0. ich mich gehorsamblich bevohlen, mitt bitt dieselb wollen irem
gmahel und herrn söhn meinen gehorsamen grueas vermeliien. Datum
Wien den 18. febr. a. 89.
E. G. gehorsamer caplan
M. Ehlesl m. p.
XLH.
Wien, 1689 Mira 8.
Hoch und wolgebomer gn&diger herr, E. 6. sein mein gehorsam
dienst zuvor. Gnädiger herr, derselben schreyben den 24. februarii datiert
hab ich den 4. martii, alls ich widerum von Fassau khumen, empfangen
und bedanckh mich dess ao gnodigen erbietens ganz gehorsamblich, wie
ich mich dan änderst niemaln versehen, im werckh auch erfahrn hab,
Gott geb, das ich es widerum verdienen khünno. Mein raiss ghen Khrembs ^
ist auf so ernstlichen I. D' bevelich woU forttgangen, was aber dieselb
füer ainen bluettigen ansgang schier genumen, werden E. G. zweifle on
von anndern berichts empfangen haben. Sovül allain ist es in summa
* Alvarez. Vgl. oben S. 640, Anm. 6.
* Vgl. über die tumultuarigcben VorgSuge in Krems Kertcbbanmer, a. a. O.
S. 27 f.
AtohiT. LXIZVIU.Bd. n. Hilft«. 38
Mspua
hderi^
tlicto J
678
im iah-aiinHBliiwiÜtt dem leben bin davon kfinmcn. d&n a)!s ich 11
wdmjbtai dem nfii m Klirembs Qberantwortet, diser die gm%iE, «dupltit
Mlmi'die gmain auf dam näaoB alriwMt
aiiiam aidt Terbondten, laib nndielMa Mi^uuMbraaJ
gMfpanrt, in tath gedrungen, sy a ollen innen die BchlQssl zum Ms^mM
UUL thftarnai geben, oder gj wollen handt anlegen, dessea sich i« i
•Bfawholdigat nnd sovill mQglicb abgewieen. Sy aber haben mich j
auf ein nenhes sieb rerobligiert, das sj mich zertretteti, berai^i
kragen, in Btuclchen zerreissen etc., wie solliches die au»eag etlictoi
dem nth mitt sich bringet. Do nun bade statt Stain and Kbrembi u
erdine auf mich warttent und sich nit abtreiben lassen, sonatell
latentom in das wenUi ridrtte wgUen, Mn fall im QaHea «a— *■
mitten doreh sy in ainam magtOaBeBiragwi küuMuidtaaMB, mdiri*
so Mantem in dea vw Faaaan atatt aalnettihMroaik aIhvfknIfiB
Terrsist und I. D' solliches gehorsamiat nferiart, dte «i aa LViV
disem aignen oniler gdaagan laaaea. Was «na, awf ^mrhuHmt^
rahet, khflnnen E. G. leidittiflh rtnemen, das Mitt iSmt. mät, äA tk
statt und maitAiht naeh der andern Teniänan Inaaet, wad aaea^^MaB
finistreetat greüten will. Das hab E. 6. ibhmagwiwwiiuijfanjl» "'*^
aonderlidi weill dise saehen ieznnfc }Mif aigaan «ozier md» dbr K. K* gri'
digisten i«Bolation naeh Prag gaaehlekbt «iardt, damit B. G. dataaHiriw
alU ein glidt der khirchen was sy nner khflnnen beffterdem helffiaa. Ual
thae derselben mich zu gnaden gehorsamblich bevehlent, mitt bitt, 1. 6-
wollten Iren gmahel mein gnädige frau und gehorsamen söhn hermHtii-
milian Ton meinetwegen grüessen und irem and&chti^en gebett bareUea.
Datum Wien den 8. febr. (!)^ a. 89.
E. 0. gehorsamer caplan
H.KhleBlB.p.
XLm.
Wien, 1689 DeoMnb« U.
Hoch und wolgebomer gnädiger herr, E. Q. sein mein gelxffsuiiM
diennst zuvor. Gnädiger herr, derselben schreyben in die S. AndicM
datiert hab ich mitt freyden gestern abents empfangen, weill dasselbTOB
mitt trost und gnaden, hab ich desto mehr orsach mich erstlich pro domo du
Nachdem dieser Brief die Antwort aaf Oietriehatain'a SelmibMi vm
24. Febmar, das Elesl am 4. MUn erhalten hatte, wiid es obae Zwaütl
März heissen sollen.
wie ain maurn zu sßzon mich auch davon dise wollen desto weniger ab-
halten zu hissen, weil! ich siho, dns mein heix sich allain stellet alls waa
er schlief and doch in warliait allain das vertrauen und die zutlucht zu
ime snechet und ennumlern will. Darumen ich billich auch mehrer herz in
disem streitt haben soll, weill ich täglich die gwaltige handt Gottes em-
pfündto, und sihe, das B. G. mich zu disem khampff mitt trost und bei-
standt animiern. Sein allso dieselb von mier versichert, das ich, so lang ein
adem sich in meinem leih rflert und ich den athen empfündte, mitt Gottes
gnadt nit will aussezen, sonnder oportune et importune omnem lapidem
moviern, wie der feundt sein ßterckh möchte mehr und mehr verlieren,
darzue helf uns unnser lieber hen\
Was den bewußten vom adl anlangdt, worden E. G. wils Gott von
mier ein ganze historien vernemen und gleich wie ein öffentlichen khampf,
den ich nnd der teufl umb dise sehlen gehabt, mit last vorstehen. Tan-
dem veritas vicit, und hatt mier diser redliche vom adl den 1. decembris
in der Neustatt gebeucht, sein haeresin abiuriert und aus meinen handten
das h. sacrament sub una empfangen. Gott dem alle ehr sey wOll in
sterckhen, E. G. aber denselben mitt gnaden, weill er von allen wierdt
verracht werden, lassen bevohlen sein und noch (wie er mich häfftig ge-
betten) allain bey ir der frauen und herrn Maximilian bleiwen.
Das mier der magister, so bekhert worden, communiciert, dasselb
hab dem alt«n herru von Harrach ' ich znegestelt und schickh E. G. hie-
nebeus ein exemplar. Dise lenth suechen bey calvinischen und flaccianern
wider I. M' hilff, glaub, wan der teufl selbst verhandten war und soll nuer
wider I. M' innen helffen, sy wurden in ersnechen. Noch brangt man
mitt denen lenthen, und fündten mitt disem modo nuer mehr gnadt, so
lang biss sy I. M* allen gwalt guumen haben, das wier ire knecht werden,
deren doch maistes thaills aintweders lautter betler oder doch durch hilff
derer herrn alleo auf khumen sein. lezunt sehen I. DV, das mein prophezei
wahr ist und die Sierningerischen paurn^ nit allain widerumb in hard-
nisch sein, sonder lautter schreyben, do man innen ainen ainigen men-
schen mehr einzQhen werde, wollen sy alle cl6ster blindem welliche noch
überig. Ällso geschiecht es, wo man unnser feundt guettbedunckhen
approbiert und nicht verdächtig hältt.
Was nun lezlich K. G. raiss belangdt, soll die von meinem mundt
khainem menschen communiciert werden, wie ich dan mit meiner raiss
» Vgl. oben 8. 600, Anm. 1.
* Ober deu Aufruhr der Sieminger vgl. Pritz, Geachichte dea Landes ob
der Eaoi U, 1847, 8. 281 f.
38«
Itstill procedier, dsB es biss daher khain menäch waU. Aber m Png
üeln on E.G. wäi' mior wie ainem iu'mon »chäfl, das sein liierdteu udJ
einem der seia khopf nit hett, darnmon biingt mich khain raenBoh oo
E. G. bin, es war mier ain tag lengordan sonsteii ein 14, suiiderlkb wtiti
ich waiB, das bey E. G. ich dahatmbt bin und ins baus gehdr, auch »iiUicb«
lieb und gaadt deren sie sich gegen mier uawierdig'en nit altain in lütm
E. G. und allen andern schreybeu erkhlärt, sonnder offBiitlich im werekii
gegen mier demonatriert haben, danuiib ich in ewigtfaaidt E. G. oBdallrr
derselben an gehörigen aigner und verpftichter dieoer bleiw, derhalbpn
will ich micb auf dieselb zeiU gefast macbeu und amdter dem $cb«iii liüs
woltte ich dloielb einmal haimbsuechen von binnen gben Mckhlspiirf,
leb ich und bin gsundt, Terraisen. Es haben mich I. D' gnädigist m-
sprechen lassen, ich soll mich ante festum circumcisionis wegen der nÜa-
vabln 80 hinnndwider geschehen und ich darauf berichten moes, um
binnen nit begeben, wellicbes mier ieiunt zu meiner grossen gelef«Dliait
geraichet, Bedanckh micb gegen E. Q, ganz geboi'samblich. das sf midi
allso gnädig wüllen au&iemen, wi(er) mich allso verhalten das E. G. s>.il}n
gnädig znfriden sein. Und bitt di(e8elb) ganz geh ors&m blich, sy »ollen
ir die allergeringist ungelegenhait von meinetwegen nit machen, mich
fQor den wie sy mich im herzen khennen haltten, dan ich mein rosi ODiJ
wogen hab, und mier wierdt gnneg anch mehr alls zuvill sein, wan icii
nner mitt E. G. gleiche tagraiss machen nnd E. G. von fernen mittireii
häufen sehen und auffwartten khan. Soiinsten worden mier E. 6. müt
Irer ungelegenhait, die sy Ton meinetwegen thätten, mehr nngnadt te
gnadt eraaigen. Und thne E. ß. mich gehorsamblicb bevehlen mitt ondw-
thfiniger danckhaagung, das I. 6., die firan und herr Maximilian dennodi
meiner noch gedenckhen. Aber was ich thne in meinem armen geb^
thne ich schnldig uid gliar ^1 za wenig, bitt E. Q. die wollen mich LG.
der franen und herrn Maximilian neben erbiettung meines eilenden ge-
betts und gehorsamen dienst bevefalen. Wien den 11. decembris a. 8$.
E. 6. gehorsamber caplan
H. EhlesI m. p.
fHnifil
J tlOS 001 3S3 SH7
STANFORD UNIVERSITY UBRAI
Stanford, California ^