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V
Archiv
fUr
österreichische Geschichte
Herausgegeben
TOD der
zur Pflege vaterländischer Geschichte aufgestellten Commission
der
kai8erlichen Akademie der Wissenschaften.
ZweiundachtzigBter Band.
Erste Hälfte.
Mit zwei Tafeln.
Wien, 1895.
In Commission bei F. Tempsky
BockblBdlOT dMT k»ls. Ak«d«Bi« d«r Wli
STANFORD UBRAW
Dnick von Adolf Hohhansen,
k. nn«1 k. Hof- und UniTeniUU<BQelidniek«r in Wien.
Inhalt des zweiundachtzigsten Bandes.
Erste Hälfte.
Seite
Die Stiuitsschnlden nnd die Ordnung des Staatshaushaltes unter Maria
Theresia. I. Von Adolf Beer. (Mit 2 Tafeln) 1
Mihren und das Reich Herzog Boleslavs II. von Böhmen. Von Dr.
B. Bretholz 137
Geschichte des ehemaligen Nonnenklosters O. S. 6. zu Trannkirchen in
OberOsterreich. Von God^ried Edmund Friess 181
nA^t- — ^_
DIE STAATSSCHULDEN
UND DIE
ORDNUNG DES STAATSHAUSHALTES
UNTER
MARIA THERESIA.
I.
VON
ADOLF BEER,
WIRKL. MITOUIDK DBK KAJ8. AKADEME DER WISSENSCHAFTEN.
ArehiT. LXXXII. Bd. I. H&lfte.
L
In einer traurigeren Lage hat ein Regent selten die finan-
ziellen Verhältnisse eines Staates übernommen als Maria The-
resia. Im letzten Jahrzehent der Regierung ihres Vaters
wurden an die Länder grosse Ansprüche gemacht, der polnische
Thronfolgekrieg und die Türkenkriege hatten die Leistungs-
fähigkeit beinahe erschöpft. An eine Neuordnung der Finanzen
wurde nach Herstellung des Friedens Hand angelegt; die Aus-
gaben sollten stark beschnitten, auch der Haushalt des Hofes
thunlichst verringert werden, aber noch vor Durchführung des
neuen ,Finanz878tem8^ starb Karl VI. Die Finanzverwaltung
des letzten Habsburgers hatte die Probe nicht bestanden.
Der Erbfolgekrieg stellte an die Länder grosse Anforde-
rungen, und namentlich Böhmen, Mähren und Schlesien wurden
stark in Mitleidenschaft gezogen. Von den feindlichen Heeren
zeitweise überschwemmt und ausgesogen, mussten sodann, nach-
dem Preussen und Franzosen das Land geräumt hatten, höhere
Beträge in den mannigfachsten Formen geleistet und seit dem
Dresdener Frieden auch beträchtliche Anlehen ftir den Staat
aufgebracht werden, da die Steuern, die englischen und hol-
ländischen Subsidien und die Aushilfe des Bancoinstitutes zur
Bestreitung der Kriegskosten nicht hinreichten. Es waren sor-
genvolle Jahre für die Monarchin, die Mittel ausfindig zu machen,
um gegen die Feinde ihr Erbe zu wahren. So gross auch die
Verdienste ihrer Rathgeber veranschlagt werden mögen: sie
war das treibende Element, und das Studium der damaUgen
BerathungsprotokoUe muss jeden mit Bewunderung erftdlen vor
der Arbeitskraft und den Ansichten der Frau, die sich so rasch
in dem Gewirre der Finanzverwaltung zurechtgefunden hatte.
Noch vor dem Friedensschlüsse zu Aachen wurde an eine
Reform der Finanzverwaltung Hand angelegt. Die Anregung
1*
scheint von dem Grafen Friedrich Wilhelm Haugwitz ausge-
gangen zu sein. An die Spitze der Landesverwaltung in dem
österreichischen Schlesien gestellt, war ihm eine schwierige
Aufgabe, die Regelung des Steuerwesens, zugefallen, die er
auch mit Geschick in kurzer Zeit löste. Die Contributions-
leistung des Landes wurde dadurch auf neuer richtigerer Grund-
lage festgestellt, eine gewisse Gleichmässigkeit bewirkt, gleich-
zeitig aber auch eine höhere Einnahme erzielt, als auf Grund-
lage des alten Katasters hätte aufgebracht werden können.
Als daher an ihn die Aufforderung herantrat, seine Ansichten
zu entwickeln, auf welche Weise die Mittel flir das Heer —
anfangs blos 107.000 Mann, später 108.000 Mann — herbei-
geschafft werden können, knüpfte er an die von ihm in Schle-
sien durchgeführte Rectification der Grundsteuer an, um dar-
nach die Beitragsleistung der anderen Länder zu bemessen
und hieran seine Vorschläge zu knüpfen. Die zu lösende Auf-
gabe war eine doppelte: Nach Ermittlung des fUr das Heer
erforderlichen Gesammtbetrages war die Höhe der Leistungen fUr
ein jedes Land festzustellen, femer die aufzubringenden Summen
auf die einzelnen Steuerträger zu vertheilen, was mit einer Recti-
fication des Katasters in Verbindung gebracht werden sollte,
welche ohnehin sich längst als nothwendig erwiesen und wozu
die Vorarbeiten in einigen Ländern bereits unter Karl VI. be-
gonnen hatten. Auch die Regelung des Schuldenwesens wurde
in den Kreis der Berathung gezogen. Nur die Bancalschulden
waren ganz genau bekannt. Die Höhe der Summen^ welche
die Stände in den verschiedenen Ländern während des Krieges
aufgebracht hatten, die Grösse der Rückstände jener Schuld-
beträge, die noch aus der Zeit Karls VI. herrührten, mussten
zunächst ermittelt werden, um sodann die fUr die Rückzahlung
und Verzinsung erforderlichen Beträge zu berechnen. Später
wurde auch die Bedeckung der anderen Staatsbedürfnisse, Ver-
waltung und Hofstaat, in Berathung gezogen.^ Allmälig er-
weiterte sich daher die zu lösende Au%abe zu einer Reform
der ganzen Verwaltung.
^ In den Schriftstücken damaliger Tage wird das Ziel des zu errichtenden
Universalsjstems mit folgenden Worten bezeichnet: ^en Militär- und
Cameral-Staat als nicht minder das Schnldenwesen znr Sicherstellung und
Befriedigung der treuherzigen Creditoren in behOrige Ordnung und Aus-
Die Verdienste des Grafen Friedrich Wilhelm Haugwitz
um die grosse Reform des Cameral-, Bancal- und MiUtärfinanz-
wesens sind unbestreitbar, allein die bisher vorwaltende Ansieht
muss dennoch dahin berichtigt werden, dass das bedeutsame
Werk, wodurch der Versuch gemacht wurde, Ordnung in den
österreichischen Staatshaushalt zu bringen und namentlich für
die Bedürfnisse desselben auf eine Reihe von Jahren die er-
forderUchen Beträge sicherzustellen, nicht ausschUessUch von
ihm herrührt, seine Einflussnahme darauf daher bisher vielfach
überschätzt worden ist. Während der Jahre 1747 und 1748,
als die Grundsätze der zu ergreifenden Massnahmen berathen
wurden, hat auch der Leiter der böhmischen und österreichi-
schen Hofkanzlei Graf Friedrich Harrach einen wesentlichen
Antheil an den der Monarchin gemachten Vorschlägen, und die
bisherige Darstellimg, als habe Graf Friedrich Harrach sich
von vornherein in einem schrillen Gegensatze zu den Haug-
witz'schen Plänen befunden, ist nicht stichhältig. Die Mitwir-
kung der Hof kammer und der Bancodeputation war schon aus
dem Grunde nothwendig, da es sich nicht blos um eine Rege-
lung der Contribution handelte, sondern auch das Schulden-
wesen, überhaupt der gesammte Staatshaushalt geordnet werden
sollte, und von den Persönlichkeiten, welche bisher bei den
Centralbehörden thätig waren, haben alte bewährte Räthe der
Hofkanzlei wie Jordan und Kanegiesser, ferner Safi*an und
Prandau von der Hofkammer in erspriesslicher Weise mitge-
wii'kt und zum GeUngen des Werkes beigetragen.
Die Absicht war dahin gerichtet, mit den Ständen in jedem
Lande eine Vereinbarung zu treflfen, um die Mittel fiir die Er-
haltung des Heeres anzubringen, sodann aber auch die erforder-
lichen Summen zur Verzinsung und Rückzahlung der von den
Ländern für den Staat aufgenommenen Schulden und der ander-
weitigen Vorschüsse sicherzustellen. Während bisher die Zinsen
6 Procent betragen hatten, sollten nunmehr 5 Procent entrichtet
und ein Procent fUr die Rückzahlung des Schuldencapitals be-
stimmt werden. Die Abmachungen mit den Ländern, Recesse ge-
nannt, wurden auf zehn Jahre abgeschlossen. Eine bestimmte
gleichuDg zu setzen, wodurch die Erfordernisse ein so des anderen ihre
zureichende Ausmessung deren zu ihren Bestreitungen nOthigen fnndorum
erlangen mOgen.*
J
Quote der Contribution war für den Militärbedarf bestimmt, da-
her auch Contribution pro militari genannt; dieser fUr jedes
Land festgesetzte Betrag war an die MiUtärcassen des General-
kriegscommissariats abzuliefern; der Mehrbetrag der Contribu-
tion wurde zur Bezahlung der Zinsen und des Capitals der
Schulden bestimmt; der etwa übrigbleibende Rest, auch Con-
tribution pro camerali benamst, sollte an die Staatscassen viertel-
jährlich abgeflihrt werden.
So wohl erwogen der Plan war, ftlr einen längeren Zeit-
raum die Ausgaben und Einnahmen festzustellen, so stellten
sich der Durchführung Schwierigkeiten entgegen. Das neue
Finanzsystem sollte am 1. November 1748 in Kraft treten, aber
die Recesse waren nicht überall rechtzeitig zu Stande gekommen.
Dazu kam, dass die Einnahmen aus den Bergwerken veränder-
lich und vielleicht auch allzu hoch veranschlagt waren. Verschie-
dene Einnahmen mussten verpfändet und der ursprünglichen
Bestimmung entzogen werden. Der Plan, während der Friedens-
zeit keine Schulden zu machen, ging in die Brüche. Der Ab-
gang musste durch Anlehen aus dem Auslande gedeckt werden,
für deren Verzinsung bei Feststellung des Finanzsystems nicht
vorgesorgt war. Auch das Bancoinstitut wurde in Anspruch
genommen, obgleich Graf Rudolf Chotek als Bancodeputations-
präsident die stetigen Forderungen des Directoriums in publicis
et cameralibus einzuengen suchte, um den Credit des von ihm
geleiteten Instituts aufrecht zu erhalten.
Der dritte Krieg gegen Preussen nahm die finanziellen
Kräfte des Staates stark in Anspruch. Die Opferwilligkeit der
deutsch-böhmischen Länder war eine grosse, allein die neu ein-
geführten Steuern, sowie die freiwilligen Beiträge in Baarem
und Naturalien, endlich die von den Ständen für den Staat auf-
genommenen Anlehen genügten nicht. Die Obligationen des
Wiener Stadtbanco, wodurch nicht unbeträchtliche Beträge auf-
gebracht wurden, standen unter Pari. Femer wurden Obliga-
tionen für gelieferte Naturalien ausgegeben, woftir höhere Preise
bezahlt werden mussten. Nicht geringe Summen wurden durch
Zwangsanlehen aufgebracht und die Beträge theils nach dem
Kataster auf die Dominien, theils nach einer arbitrarischen
Schätzung des Vermögens auf Privatpersonen vertheilt. Den
Bemühungen des Fürsten Kaunitz gelang es, in den Nieder-
landen und in Italien Anlehen aufzubringen, und die belgischen
Stände gewährten Unterstützungen mancherlei Art, allein die
Verlegenheiten wuchsen von Jahr zu Jahr, und man sah sich
genöthigt, zur Ausgabe von Papiergeld zu schreiten. Die An-
regung gab Graf Ludwig Zinzendorf, der später seine Finanz-
projecte in Buchform veröffentlichte.^
Im November 1758, als die Bedeckung des Erfordernisses
ftlr den Krieg in Berathung stand, wurde für den Betrag von
6 Millionen Ghilden ein Zwangsdarlehen in Aussicht genommen.
Zinzendorf bemängelt die ,gezwungenen Mittel', zu denen man
bisher gegriffen habe: die Ausgabe von Obligationen flir gelieferte
Materialien, endlich die ausserordentlichen Abgaben, und machte
den Vorschlag, durch ,freiwilligen Credit^ das Erfordemiss auf-
zubringen, und zwar durch Ausgabe einer neuen Form fUnfpro-
centiger Obligationen von Seite des Bancoinstitutes, dem ein
Fond von 7 Procent dieses Betrages überwiesen werden sollte,
5 Procent zur Verzinsung, 2 Procent zur Rückzahlung inner-
halb 25Y2 Jahren. Die Obligationen sollten in Appoints von
30, 120, 600 und 1200 Gulden auf den Ueberbringer lauten
und indossirt werden können, während die bisherigen Bank-
papiere auf den Namen ausgestellt wurden. Die Zinsen sollten
nicht wie bisher gegen eine von dem Inhaber ausgestellte Qui^
tung, sondern gegen den Obligationen beigefügte Interessen-
scheine erhoben werden, und zwar bei jenen von 30 und
120 Gulden jährlich, bei den auf höhere Summen lautenden
halbjährlich. Die Interessenscheine sollten zur Verfallszeit an
Zahlungsstatt angenommen werden. Mittlerweile bis zur vollen
Zeichnung dieses Anlehens sind von der Bank ,Zahlungspapiere^
im Betrage von 6 Millionen Gulden in Appoints von 5, 10
und 20 Gulden auszugeben (637.500 Billets, wovon 300.000 ä 5,
ebensoviel ä 10, 37.500 k 20), die drei Jahre nach Herstellung
des Friedens eingelöst werden sollen. Diese ,Münze des Staates^
sei von dem Banco dem Directorium in publicis et cameralibus
zu übergeben und von demselben zu allen Zahlungen, die
Zinsen der öffentlichen Schulden ausgenommen, zu verwenden.
Mit den Billets von 20 Gulden sei der Anfang zu machen,
^ FinanzYorschläge zu Fortsetzung des gegenwärtigen Krieges a11erh()ch8t
Ihro ^iöm. Kais, und k..k. apost. Majestäten allerunterthänigst übergeben
von Ludwig Grafen und Herrn von Zinzendorf und Pottendorf dero
wirkl. geh. Rathe, Cämmerer und Assessor in denen directoriis publicis
et cameralibus. Im Monate Jul. 1759.
8
ydamit die zum Umlaufe unter dem gemeinen Mann bestimmten
Papiere von 5 Gulden zuletzt und nur alsdann im Publicum
erscheinen, nachdem der erleuchtete Theil bereits mit seinem
Beifalle vorangegangen^ Diese Papiere sollen an allen öffent-
lichen Cassen, auch in Ungarn^ an Zahlungsstatt angenommen
werden, ,ob man gleich in diesem Königreiche den Gebrauch
derselben durch Gesetze zu gebieten sich nicht getrauet Bei
der Hauptmauth in Wien und den Mauthämtem in allen Haupt-
städten der deutschen Erblande und bei der Contribution der
Stände soll der vierte Theil in derartigen BiUets gefordert
werden. In den Hauptstädten wird eine Börse errichtet. Die
Rückzahlung sollte zum Theile dadurch erfolgen, dass jene,
welche Gelder bei dem Banco oder einem anderen öffent-
lichen Institute anlegen wollen, mindestens die Hälfte ihrer
Einlagen in diesen Papieren zu entrichten haben; jene Summen,
welche auf diesem Wege behufs Umwandlung in Obligationen
einfiiessen, werden vernichtet, auch die baar einfliessenden Be-
träge zur Tilgung von Zahlungspapieren verwendet, die ge-
tilgten Summen verbrannt. Die Rückzahlung der Obligationen
erfolgt nach der Reihenfolge der Nummern; während des
Krieges könnte die vorgeschlagene Operation wiederholt werden,
d. h. an Stelle der getilgten neue Obligationen ausgegeben
werden, wobei wahrscheinlich die bei der ersten Emission in
Aussicht genommenen Prämien erspart würden.
Eingehend erörtert Graf Zinzendorf die Gewissheit des
Erfolges und den Nutzen seiner Vorschläge. Die Ausgabe von
Zahlungspapieren begründete Zinzendorf mit dem Hinweise,
dass, wenn ein Wechselbrief, den ein Handelsmann annehme,
von allen Handelsleuten, selbst wenn er mit denselben nicht in
unmittelbarer Verbindung stehe, angenommen werde, so müsse
ein Papier, ,welches der Landesftlrst, mit dem alle Unterthanen
in einer unmittelbaren Verknüpfung stehen, dem aUe Unter-
thanen ihre Auflagen zu entrichten haben, in allen seinen Gassen
annehme, umsomehr von allen Unterthanen willig angenommen
werden*. Die vorgeschlagenen Papiere werden von allen Gassen
statt baarer Zahlung angenommen, müssen folglich wie baare
Münze angenommen werden, wie das Beispiel von England, Hol-
land, Schweden, Dänemark, Sardinien, Rom, Neapel, Genua
und Venedig zeige, wo derartige Papiere Geldesstelle vertreten,
obgleich dieselben keine Hypothek zum Unterpfande, sondern
blos den Willen des Landesfürsten als ihre einzige Sicherheit
zum Grunde haben/ Was in diesen Ländern möglich und
thunlich sei^ mUsste es auch in Oesterreich sein, und wenn die
turinischen Zahlungspapiere, welche keine andere Sicherheit
als das königliche Wort unter einer der unumschränktesten
Regierungen zum Unterpfande haben, dem Könige von Sardi-
nien alle seine Bedürfnisse wie baare Münze verschafft haben,
so werden die vorgeschlagenen Papiere die Stelle des Geldes
nicht weniger vollkommen vertreten. Zinzendorf bemühte sich,
alle Einwendungen, die gegen seine Vorschläge vorgebracht
werden konnten, in seiner umfangreichen Denkschrift zu
widerlegen, ohne jedoch die Gegner zu überzeugen. Die Rück-
sichtnahme auf das Bancoinstitut mochte wahrscheinlich aus-
schlaggebend ftir die Ablehnung sein, obgleich Zinzendorf in
ausfuhrlicher Weise den Nachweis zu erbringen suchte, dass die
Privilegien der Bank nicht verletzt werden.
Zwei Jahre später wurden die Zinzendorf sehen Pläne von
anderer Seite in etwas veränderter Form in Vorschlag gebracht.
Der Antrag ging dahin, Münzbillete zu 5 und 10 Gulden aus-
zugeben, die bei aUen Contributions- und Cameralcassen an
Zahlungsstatt angenommen und binnen 16 Jahren gegen baares
Geld eingewechselt imd getilgt werden sollten, wozu ein Fond
für eine jede ausgegebene Million zu bestimmen sei. Der An-
tragsteller wollte, dass anfangs nicht mehr als drei Millionen
zur Ausgabe gelangen sollten, um kein Misstrauen zu erregen.
Das Directorium befürwortete den Vorschlag.^ Femer sollte
zur Aufiiahme eines Anlehens nicht wie bisher die Garantie
der Stände einzelner Länder, sondern die Gesammtbürgschaft
der vereinigten Stände aller deutschen Erbländer in Anspruch
genommen werden. Die Kaiserin übermittelte diese Vorschläge
dem Grafen Ludwig Zinzendorf zur Begutachtung.*
Mit dem Vorschlage, den Credit der vereinigten Stände
der gesammten deutschen Erblande in Anspruch zu nehmen.
' Id^ des papiers k former poar suppl^r pr^entement k la coartesse des
fonds pour rarm^e. Der Verfasser anbekannt. Femer Entwurf eines
allerunterthänigsten Vortrag^ des Directorü in publicis et cameralibus,
das bei Abgang baarer Geldsummen in Vorschlag gebrachte Münzsurro-
gatum betreffend.
' Das kaiserliche Handschreiben lautet: lieber Graf Zinzendorf 1 Das über
Euer hier anschlttssiges Werk verfasste Bedenken sammt zweyen dies-
10
erklärte sich Zmzendorf einverstanden. Anstatt dass die öflFent-
lichen Fonds die blosse Sicherheit der Stände einer gewissen
Provinz oder einer besonderen Stadt zum Grunde hatten^ heisst
es in einem von ihm abgefassten Schriftstück^ erhielte die
Monarchin durch diesen Vorschlag einen Nationalcredit,
dessen blosser Name nicht ermangeln könnte^ auf das ein-
heimische sowohl, als auf das auswärtige Publicum den vor-
theilhaftesten Eindruck zu machen; ganz Europa werde sich
tiberzeugt finden, dass man den vereinigten Credit aller Stände
der gesammten deutschen Erblande nie werde fallen lassen.
Die Holländer und Engländer, welche bei ihren auf Schlesien
versicherten Darlehen, als diese Provinz in preussische ELände
gerathen, einen so grossen Verlust erlitten, da sie hingegen,
wenn dieser neue Credit bereits eingeftlhrt gewesen wäre,
nichts verloren hätten, werden zwischen dem Credit einer be-
sonderen Provinz und der gesammten Erblande sehr wohl den
Unterschied zu machen wissen und diesem letzteren ein unum-
schränktes Vertrauen zuwenden.^
Auch dem Plane, Münzbillete auszugeben, stimmte Zinzen-
dorf zu, nur erhob er Bedenken gegen die Ausgabe von 3 bis
6 Millionen, welcher Betrag keineswegs hinreichen würde, das
Erfordemiss zu bedecken; auch ermangle es diesem Credit an
Vertrauen. Wohl solle eine Hypothek in GeftUen eingeräumt
werden, allein diese unterstehen der Hof kammer, und es sei zu
zweifeln, ob das Publicum in eine solche Administration Ver-
trauen setzen werde. In Monarchien nämlich, meinte Zinzen-
dorf, wo die unumschränkte Gewalt des Landesflirsten den
Gläubiger niemals ohne einige Beisorge wider den Missbrauch
der Gewalt lasse, bleibe dem Staate kein anderes Mittel übrig,
um das Vertrauen des Publicums an sich zu ziehen, als wenn
solcher sich des Credits gewisser, einen Theil der Staatsver-
fassung ausmachender, mit uralten, nie angefochtenen Privilegien
fälligen Vorschlägen theile Ich Euch zu dem Ende andurch gnädigst mit,
anf dass Ihr Mir über ein so anderes Eure Gedanken nach der Euch
von der Sache beywohnenden Kftnntnnss baldest und freymüthig erOfhen
möget, und Ich verbleibe Euch übrigens mit k. k. und erzherzoglichen
Gnaden jederzeit wohl beygethan.
Wien, den 17. Martii 1761. Maria Theresia.*
Anmerkungen über die mein Finanzsjstem betreffende, mir zugestellte
Bedenken. 23. März 1761.
11
versehener Corporationen bediene, in deren Uücksicht der Mon-
arch bezüglich des festzustellenden Credits einem Theile seiner
Gewalt entsage, um sie zu Mittelspersonen zwischen sich und
dem Publicum zu machen.^ Endlich bemängelte Zinzendorf die
Nichtannahme bei Bancocassen.
Der Beschluss wurde gefasst: das neue Anlehen nicht
wie bisher von den Ständen eines Landes, sondern von den
Ständen der gesammten deutschen und böhmischen Erblande
garantiren zu lassen und zu diesem Behufe Deputirte nach
Wien zu berufen, mit denen die gesammte Operation durchbe-
rathen und zum Abschlüsse gebracht werden sollte. Graf Lud-
wig Zinzendorf wurde mit dieser Aufgabe betraut.*
Graf Chotek erhielt die kaiserliche Weisung, die Ver-
treter der Stände einzuberufen. Man wählte den 13. Mai, um
es auch den von der Residenz entfernt Wohnenden möglich zu
machen, sich rechtzeitig einzufinden. Nur die Frage, ob auch
nach Tirol eine ähnliche Aufforderung gesendet werden solle,
wurde auf Befehl der Kaiserin einer speciellen Berathimg imter-
zogen.^ Man einigte sich dahin, dass es jedenfalls besser wäre,
^ Zinzendorf, Anmerkungen, März 1761.
' Am 15. April 1761 richtete Maria Theresia an den Grafen Zinzendorf
folgendes Handschreiben: ,Lieber Graf 2Unzendorf! Ihr habt Mir durch
eure vernünftige Finanzvorscbläge einen wesentlichen Dienst geleistet;
und da ich solche mit Meinem Staatsrath auf das reiflichste untersuchet,
so ist Meine Entschliessung dahin ausgefallen, die Coupons-Obligationen
vorzüglich zu erwählen und einen neuen Credit von 6 Büllioneu auf die
vereinigten Garantien Meiner deutschen Erblande zu gründen, auch zu
dessen Einriebt- und Verwaltung eine eigene Deputation mit Zuziehung
ständischer Deputirten zu errichten, da ihr aber den Vorschlag an Hand
gegeben und ausgearbeitet habet, auch die beste Kanntnuss von der
Manipulation besitzet, so habe euch vor andern zum Directore ausersehen.*
' Handschreiben April 1761 an den Grafen Chotek: ,Nach diesem von Mir
begnehmigten Aufsatz sind die Rescripta an die Repräsentations-Präsi-
denten und resp. Capi deren Ständen denen teutschen Erblanden mit
möglichster Beschleunigung und ohne dass hieran das Mindeste abge-
ändert werde, in der gewöhnlichen Form auszufertigen, auch der Terminus
der Anheroknnft solchergestalten zu bestimmen, dass auch die weitest
entlegene Deputirte mit denen nahe gelegenen zu gleicher Zeit allhier ein-
treffen können, und ist endlichen Mir sogleich nach Empfang dieses Billets
verlässlich anzuzeigen, ob und was für ein Anstand das Rescript dieses
Inhalts nacher Tjrol ergehen zu lassen, nnterwalten dOrfte, und ob die
mehrere Corpora deren. Ständen in sich fassende Vorlande, sowie GOrz
und Gradiska zu dieser Gewährleistung beiiuziehen nützlich, oder aber
12
die Gewährleistung den gesammten deutschen Erblanden aus-
nahmslos anzusinnen. Allein nach den Landesgesetzen Tirols
konnte eine Deputation ohne Landtagsbeschluss nicht entsendet
werden, man musste daher auf die Mitwirkung eines Vertreters
des Alpenlandes bei den bevorstehenden Verhandlungen ver-
zichten, aber der Landtag sollte anstatt im August im Juni
einberufen und zum nachträglichen Beitritt aufgefordert werden.*
Das allgemeine Vertrauen sei die Seele des Credites, heisst
es in dem Rescripte an die Präsidenten der Länderrepräsentation,
sowie an die Vorsteher der Stände, es habe sich bisher nur
allzu sehr geäussert, dass aUe Garantien und Verschreibungen
der einzelnen Erblande, wie auch die übrigen öffentlichen Fonds
ungeachtet der noch so sicheren Hypotheken, mit welchen sie
bedeckt werden, dennoch in ein unverdientes Misstrauen ver-
fallen seien, und da ein neuer, des allgemeinen Vertrauens
würdiger Credit zu erfinden sei, auch die Stärke vereinigter
Kräfte jederzeit grösser als die einzelner Theile sei, so werde
anstatt des bisher gebräuchlichen besonderen Credites der ein-
zelnen Provinzen der vereinigte Credit der gesammten Stände
der deutschen Erblande dergestalt in Vorschlag gebracht, dass
diese die Gewährleistung des neuen Credites zu übernehmen
und die richtige Zuhaltung der zu bestimmenden Zahlungster-
mine auf das Feierlichste zu versprechen hätten.
,Der aus dieser vereinigten Gewährleistung entstehende
Nationalcredit,' lautete wörtlich ein den Deputirten übergebenes
anstössig und überflüssig sey, und wie die Sache respectu Krain, woselbst
sich kein Landeshauptmann befindet und die mehrere und vornehmere
Stände bey dermalige Umständen in der Inquisition verfangen sind, zu
fassen seyn werde. Maria Theresia.*
Oberhalb der Worte »nacher Tyrol ergehen zu lassen*, schrieb die
Kaiserin eigenhändig: ,ehender mit enzenberg es zu überlegen*.
Commissionsprotokoll vom 20. April 1761. Gegenwärtig: Johann Chotek,
Bartenstein, Enzenberg, Doblhoff, Kanegiesser, Getto, Ursini. Enzenberg
machte darauf aufmerksam, dass es wünschenswerth wäre, die Garantie
auch auf die mitstimmenden Stifter Trient und Brixen zu wälzen und sich
daher um den Beitritt derselben zu bewerben und zu diesem Behufe den
Trienter Kanzler Alberti als ständischen Deputirten hieher kommen zu
lassen. Auf die Heranziehung von Görz und Gradisca legte man kein
Gewicht Die Kaiserin schrieb eigenhändig auf das Protokoll: ,Wegen
Vorlanden und Tyrol zwar die Expedition zu verfertigen, doch nicht noch
ergehen sollen; das Rescript an die crainerische repraesentation an dem
konigl. commissarie dem auersperg anstatt des lamberg zu ergehen haben.*
13
Schriftstück, welche am 22. April nach Wien berufen worden
waren, ,ist zuvörderst bei den gegenwärtigen Umständen, bei
dem verfedirenen Credit aller bisher öffenthchen Fonde als ein
zur Bettung des Staates unumgängUches Hülfsmittel anzusehen;
zudem muss ein solcher an sich selbst nicht nur bei dem ein-
heimischen PubUco, sondern auch in Betrachtung von ganz
Europa den Credit der Monarchie auf das Höchste erhöhen.
Dafeme abo auch die dringenden Umstände den Gebrauch des-
selben nicht nothwendig machten, so stünde gleichwohl von der
Einsicht der versammelten Deputirten zu erwarten, dass die-
selben sich nicht nur als Abgeordnete ihrer respectiven Stände,
sondern zugleich als Mitglieder des gesammten Staats-
körpers betrachten, zur Errichtung dieses so erspriesslichen
Nationalcredits die Hände bieten und die dem Credite jeder
besonderen Stände dadurch zuwachsende neue Stärke auf das
Vollkommenste anerkennen.^*
Am 25. Juni 1761 wurde ein Recess mit den Vertretern
der böhmischen und österreichischen Stände abgeschlossen;
diese verpflichteten sich zur ,gemeinsamen Gewährleistung und
versprachen im Namen der Stände, dass diese 18 Millionen
derart über sich nehmen, dass eines der garantirenden Erbländer
sich für alle und alle für eines den Gläubigem als Vertreter
und Zahler darstellet Durch dieses Anlehen wurde daher eine
gesammtösterreichische Staatsschuld geschaffen. Das neue An-
lehen in Appoints zu 25, 100, 250, 500 und 1000 Gulden lau-
tete auf den Ueberbringer ,zur grösseren Leichtigkeit der Ueber-
tragung' und sollte von dem Inhaber an sich selbst oder an
einen Dritten indossirt werden können. Die Interessen betrugen
6 Procent, welche bei Obligationen k 25 imd 100 Gulden jähr-
lich, bei den grösseren Gattungen halbjährUch entrichtet werden
sollten, und zwar nicht, wie bisher, gegen eine von dem Inhaber
ausgestellte Quittung, sondern gegen Abgabe der betreffenden
der Obligation beigeftigten Interessenscheine. Diese Interessen-
scheine wurden auch nach ihrer Verfallszeit bei allen land-
schaftlichen Cassen an Zahlungsstatt ,wie baare Münze' ange-
nommen, sodann auch bei allen Contributions- und Cameral-
^ Erläatemng fiber das unter dem 22. April 1761 an die Länder ergangene
aUergnädigste Rescript, welche den ständischen Depntirten bei ihrer An-
berokunft zu überreichen wäre.
14
cassen in den gesammten ungarischen und siebenbürgischen,
sowie böhmischen und österreichischen Erblanden^ in Tirol und
in den österreichischen Vorlanden. Für die im Auslande be-
findlichen ObUgationen übernahm der Commerzrath und Ban-
quier Johann Edler von Fries die Verbindlichkeit, die Interessen-
scheine wie eine Wechselzahlung auf sich selbst trassiren zu
lassen. Dieselben mussten girirt, mit dem Namen des Inhabers
unterschrieben und mit der Angabe des Ortes und des Datums
versehen sein.
Die Obhgationen in Appoints zu 26 Gulden sollten im Be-
trage von 6 MilUonen Gulden, demnach 240.000 Stück, jene
zu 100 Gulden mit 10.000 Stück, daher ein Betrag von einer
Million Gulden ausgegeben werden; zur Bestreitimg der Kriegs-
ausgaben bestimmt, sollten sie als Zahlungsobligationen bei
allen Zahlungen an den Staat wie baare Münze verwendet, je-
doch Niemand zur Annahme gezwungen werden können. Alle
Contributions- und Cameralcassen waren verpflichtet, Capital und
Interessen zum Tageswerthe anzunehmen. Um auch ,den nie-
drigem Classen' der Unteiihanen, welche bisher an öffentlichen
Darlehen keinen Antheil zu nehmen in der Lage waren, ein
Mittel zu bieten, ihre kleinen Ersparnisse mit Sicherheit zu be-
nutzen, sollten dieselben nicht nur an der Hauptcasse in Wien,
sondern auch in den kleinen Städten gegen baare Münze zum
Tagescurse ausgewechselt, mithin jedem wohlhabenden Bürger
und Landmanne die Gelegenheit geboten werden, solche an sich
zu bringen. Auch sollten dieselben zum Tagescurse ausgegeben
werden können.
Um den Obligationen einen grösseren Umlauf zu geben,
wurde am 14. September 1761 verkündigt, dass nicht nur Mit-
glieder der Stände, sondern wenn auch zwei, drei oder mehrere
Unterthanen zusammen mit einer Zahlungsobligation von 25
Gulden die Contribution entrichten wollen, solche von den herr-
schaftlichen Beamten oder anderen Einnehmern jederzeit un-
weigerlich zum vollen Werthe des Tages an Zahlungsstatt ange-
nommen werden soll. Auch Sterbe- und andere Taxen sollten
in derartigen Obligationen bezahlt werden können.^
Die grösseren Gattungen von 250, 500 und 1000 Gulden
hiessen Darlehensobligationen und wurden jenen angeboten.
» Cod. austr. VI, 206.
15
welche innerhalb ^ier Monaten vom 1. Juli 1761 angefangen stän-
dische, seit 1756 ausgestellte Obligationen mit Zulegung einer
gleichen Summe baaren Qeldes erlegen.^ Der Vortheil bestand
darin, dass die ständischen Obligationen mit 5 Procent, die
neuen mit 6 Procent verzinst wurden und nach zwei Jahren
aufgekündigt werden konnten. Zur Sicherstellung des Anlehens
wurde ein jährHcher Fond von 1,080.000 Gulden aus den
Eingängen der Contribution bestimmt. Die Zahlungsobligationen
sollten innerhalb fünf Jahren aus dem Umlauf gezogen werden.
Den ständischen ObUgationen wurden dieselben Begünstigungen
und Vorrechte wie den Obligationen des Wiener Stadtbanco
eingeräumt.*
Die Darlehensobligationen hatten sich trotz günstiger Be-
dingungen keiner grossen Abnahme zu erfreuen. Durch das
Patent vom 3. Mai 1762 wurde die Aenderung beliebt, dass die
zu emittirende Summe um 3 Millionen vermindert und dafür
Zahlungsobligationen ausgegeben wurden, nachdem die Depu-
tation ihre Zustimmung gegeben hatte. Die Nummern der ge-
tilgten DarlehensobUgationen wurden veröflFentlicht. An neuen
' Eis sollten ausgegeben werden:
16.000 i 250 = 4 Millionen,
8.000 i 500 = 4 „
3.000 k 1000 = 3 j,
' Patent 30. Jani 1761. Unterzeichnet sind für Böhmen: Gottfried Frei-
herr von Koch; für Mähren: Ernst Qraf von Kaunitz-Rittberg; für Schle-
sien: August Otto Freiherr von Post; für Oesterreich u. d. E. : Franz
Graf Harrach; Oesterreich o. d. E. : Christian Graf von Thürheim; für
Steier: Maria Carl Graf von Saurau; K&mten: J. J. Graf von Stampfer;
für Krain: Franz Anton Graf von Lamberg-Sprinzenstein; für Görz und
Gradisca: Ottokar Ernst Stupan von Ehrenstein. Am 24. Juni 1761 er-
folgte der Auftrag der Kaiserin, die gesammten Stände zusammenzube-
rufen und die Erklärung derselben zur Beitretung bezüglich der allge-
meinen Gewährleistung zu bewerkstelligen und die Wahl des Deputirten
zu yeranlassen. Ein Handschreiben der Kaiserin an den Grafen Johann
Chotek (empfangen am 8. Juli 1761) lautet: ,Da die Zeit bereits vorhanden
ist, dass die Operation mit denen Zahlungspapieren ihren Anfang nehmen
solle, die böhmischen Stände aber ihre Deputirte nicht benennet haben,
so sind gedachte Stände alles Ernstes anzuweisen, dass sie ohnverzUglich
solche benennen und mit der gehörigen Vollmacht versehen sollen.*
Das Präsidium der ständischen Creditdeputation wurde dem Grafen
Ludwig Zinzendorf übertragen. (12. Juli 1761. Der Obersthofmeister
Graf von ülfeld an R. Chotek.)
16
Zahlungsobligationen wurden ausgefertigt 29.000 Stück k 25
Gulden, daher im Betrage von 725.000 Gulden und 22.750 Stück
k 100 Gulden im Gesammtbetrage von 2,275.000 Gulden.
Der Gedanke Zinzendorf s, ^Zahlungspapiere^ auszugeben,
gelangte mit einigen Abänderungen durch Patent vom 15. Juni
1762 zur Ausführung, wie es daselbst heisst, auf Vorschlag
der Ministerialbancodeputation. Vom Wiener Stadtbanco sollten
12 Millionen Bancozettel, und zwar zu 5, 10, 25, 50 und
100 Gulden, ausgefertigt werden ,zur Bestreitung der nothge-
drungenen Kriegauslagen^ Durch Recess zwischen der Hof-
kammer und der Bank vom 27. Mai 1762 erhielt dieselbe die
erforderliche Bedeckung.* Dieselben sollten in Banco-Obliga-
tionen gegen 5 Procent umgetauscht werden können, und zwar
zum Mindesten im Betrage von 200 Gulden, die infolge dessen
einfliessenden Bancozettel aber allsogleich vernichtet werden. Die
Bancozettel wurden bei allen Contributional- und Cameralcassen
der deutschen und ungarischen Länder, ebenso auch bei den
Bancocassen zur Hälfte der etwa zu leistenden Abgaben voll-
werthig als baares Geld angenommen. Wenn die Abgabssumme
zur Hälfte durch einen Bancozettel nicht ausgeghchen werden
konnte, musst« dafUr baares Geld gegeben werden; derjenige,
der nur 9 Gulden zu entrichten hatte, konnte sich keines Banco-
zettels bedienen, ebenso wie jener, der 19 Gulden schuldig war,
nur einen Zettel hiezu verwenden konnte, ,weil zwei die Hälfte
der Abgabe übersteigen'. Auch wurde nicht gestattet, dass
man bei Entrichtimg einer Abgabe Bancozettel und zugleich
ständische Zahlungspapiere gebrauche. Damit aber die Noth-
wendigkeit, mit diesen Bancozetteln versehen zu sein, deren
Werth desto mehr erhalte, so wurde festgesetzt, dass vom
1. October angefangen ein jeder, der in die Bancocasse eine
Abgabe oder Zahlung zu leisten hat, solche zu einem Dritttheil
in Bancozetteln zu berichtigen schuldig sei. Private wurden
zu Annahme der Bancozettel nicht verpflichtet Verfälscher traf
die Todesstrafe.
900.000 Zettel
k 6 Galden . .
• 4V,
Millionen Oulden.
860.000 „
. 10
« • •
• 8V,
n n
100.000 „
n 26
1» • •
• 2'/.
1» f»
20.000 „
n 60
f» • •
1
1» »
6.000 „
„ 100
« • •
V.
1» n
Zusammen 1,376.000 Zettel 12 Millionen Gulden.
17
Zur Bedeckung des Erfordernisses fUr das Jahr 1763 lag
bereits im September 1762 ein Vorschlag Hatzfeld's vor: ,Nach-
dem die Verlegenheit in Ansehung des haaren Geldes zuzu-
nehmen beginnt/ die bereits erzeugten 12 Millionen Bancozettel
zu einer ^gangbaren Staatsmünze zu erheben' und noch weitere
10 Millionen^ jedoch in Appoints zu 2 Gulden verfertigen zu
lassen. Auch die Privaten sollen verpflichtet werden, ,sothane
in die Eigenschaft einer Staatsmünze eintretende Bancozettel'
bei Zahlungen zur Hälfte anzunehmen. ,Von der Annahme der
Bancozettel seien 4)los jene Ausländer zu verschonen, welche
dem bedürftigen Staat mit haaren Geldanticipationen freiwillig
ausgeholfen haben, massen es der Gerechtigkeit nicht ähnlich
zu sein scheine, dergleichen treuherzige Gläubiger, es seye an
Interessen oder Capital, mit einer Gattung von Papieren ab-
zufertigen, welche sie in ihrer väterlichen Wohnstadt nicht an
Mann zu bringen vermögen.*
In dem Schriftstücke werden aber auch die Nachtheile
einer Vermehrung der Bancozettel hervorgehoben: Alle Feil-
schaften, besonders die aus der Fremde kommenden Waaren
würden vertheuert; der Landmann würde abgehalten werden,
seine Erzeugnisse zuzuführen, wodurch die Stadt Wien einem
Abgang an nöthigen Lebensmitteln ausgesetzt werden dürfte,
da die ungarischen Landleute schwerlich zu vermögen sein
werden, Vieh, Getreide u. s. w. gegen Bancozettel zu verkaufen;
die Wechselbriefe wtlrden in ihrem Werth verringert und an-
durch das Commercium beschränket; die noch übrigen wenigen
Baarschaft;en gänzlich verschwinden, ,folg8am das Geld ganz
ausserordentlich seltsam werden'. Zur Einführung ,dieser Staats-
mtlnze sei daher nur nach Erheischung der äussersten Nothdurft
fürzuschreiten^^
Der Beschluss wurde gefasst: Zahlungsobligationen in Ap-
points von 15 Gulden auszufertigen, ,indem die kleineren Pa-
piere auch zu Mehrzahlungen verwendet werden können, wo-
durch dieselben auch bei dem Publicum annehmlicher gemacht
werden*.*
^ Opinio Tom 29. September 1762.
* Vortrag vom 26. November 1762. Unterzeichnet: R. Ghotek, Oberster
Kanzler, Herberstein, Hofkammerpr&udent, Hatzfeld, ständischer Credit-
nnd Ministerialbancodepatations- anch Qeneral-Cassa-Directionspräsident,
Zinzendorf, Recbnungskammerpräsident Die kaiserliche Entschliessung
▲reUT. LUXn. Bd. I. Hilfte. 2
18
n.
Mühselig genug wm-den die für die Kriegführung erforder-
liehen Summen in den letzten Jahren des siebenjährigen
Kampfes beschafft, und aus eigenhändigen Aufzeichnungen der
Kaiserin ist ersichtlich, dass sie unermüdlich Berechnungen an-
stellte, ob denn in den Staatscassen die erforderlichen Beträge
vorhanden seien, welche von der Baiegsverwaltung in Anspruch
genommen wurden. Nicht blos die politischen Verhältniss.e,
auch die finanziellen nöthigten zum Frieden.
Noch während des Krieges hatte eine Neuordnung der
Finanzverwaltung stattgefunden, und nach Beendigung desselben
wendete man der Herstellung des Gleichgewichtes im Staats-
haushalte die hauptsächlichste Sorge zu. Während der Kriegs-
jahre hatte man zeitweilig von der Hand in den Mund gelebt.
Nun handelte es sich darum, die Mittel ausfindig zu machen,
um die gewaltigen Zinsen der Staatsschuld zu decken.
Es ist eine irrige Ansicht, dass das von Josef dem Staate
überwiesene Vermögen seines Vaters den Anstoss zu einer Zinsen-
herabsetzung gegeben habe. Der Gedanke stand lange vor
lautet: ,Der Aufsatz des an die Länder zu erlassenden Ansinnens ist nach
Vorschrift Meiner geschöpften Resolution ganz recht verfasst worden, und
es ist auch kein Anstand, dass die mindeste Gattung deren Papiere auf
15 Gulden ausgestellt werden mOge. Dass auch alle ausländische Privat-
parteien, welche ihr haares Geld dem Aerario oder den Ständen freiwillig
dargeliehen haben, von Annehmung der Papieren bei der Interessen-
Zahlung ausgenommen werden sollen, erfordert die Billigkeit und die
Erhaltung des ausländischen Credits. Doch ist dieses allein auf jene
ausländische Parteien zu beschränken, welche ihr Geld unmittelbar dar-
geliehen, nicht aber auf jene, welche die Schuldbriefe eingehandelt
haben, und werden anter den ausländischen Parteien jene zu ver-
stehen seyn, welche ausser Meinen teutschen und hungarischen Erb-
landen ihr Domicil haben. Nachdem aber auch verschiedene inlän-
dische Parteien die Schuldbriefe auf erdichtete Namen haben ausfertigen
lassen, so wird nicht allein wegen diesen, sondern auch wegen der
würklich ausländischen Parteien eine Vorsehung zu machen sejn, wie
die ausländischen Domicilien probirt werden sollen, massen die Cassa-
beamten, wenn ihnen der Namen der ftlr fremd angegebenen Parteien
nicht bekannt ist, in verschiedene Verantwortung verfallen konnten.'
Erwähnung verdient eine Aeusserung der Kaiserin in einer Entschlies-
sung auf den Vortrag Hatzfeld*s vom 22. Februar 1762, ,die Credit-
deputation sei das glücklich gelegte Fundament eines universalen Credits'.
19
dem Tode des Kaisers Franz auf der Tagesordnung. Die im
Jahre 1763 eingeführte Interessensteuer, womach alle über 4 Pro-
cent verzinslichen Papiere den Mehrbetrag als Steuer entrichten
sollten, war der erste Schritt zur Ausführung. Indess die Inter-
essensteuer brachte nicht viel ein, und in einem Handschreiben
vom 25. November 1764 fordert die Kaiserin Beschleunigung
der Arbeit über die Herabsetzung der Zinsen von 6 und 5 auf
4 Procent, mit dem Hinweise, dass eine ähnliche Massregel be-
reits im Jahre 1748 bezüglich der Cameralschulden in Böhmen
und Mähren mit Erfolg durchgeführt worden sei. Noch waren die
Berathungen nicht beendigt, als Franz starb, und die Ueber-
weisung der Erbschaft an den Staat erleichterte die Ausführung.
Die bisherige Annahme, als habe Josef ausschliesslich diesen
hochherzigen Act veranlasst, ist unrichtig. Noch von Innsbruck,
wo Franz gestorben war, erliess die Kaiserin an Hatzfeld die
Weisung, die Cassen ihres Gemahls zu untersuchen und ihr
über den Befund zu berichten. Am 20. October 1765 verstän-
digte sie ihren Minister, dass sie mit ihrem Sohne einerlei Ab-
sichten über die Disposition des Nachlasses zum Vortheile des
Staates habe. Sie bestimmte, dass die böhmischen Herrschaften
der Kammer zufallen sollen; die in den Cassen des Hofrathes
Simon befindlichen Summen, sowie weitere 2Vio Millionen Gulden,
welche Titelbach verwaltet hatte, seien dem Banco und der
Schuldencasse zu überweisen. Den Rest der in dieser Gasse
befindlichen Sunmien, sowie die Herrschaften Altenburg und
Männerdorf behielt sich die Kaiserin zur freien Verfligung zum
Besten ihres Hauses und ihrer Kinder vor.* Alles baare Geld
wurde zur Verminderung der Bancointeressen bestimmt. Die
fiaarmittel, welche bisher nicht flir hinreichend gehalten wurden,
um die grosse Operation vorzunehmen, Hessen nun ein GeUngen
als möglich erscheinen.
Frincipiell stand der Beschluss bereits im October 1765
fest, die bei dem Banco angelegten Capitalien aufzukündigen
und den Gläubigem freizustellen, entweder ihr Geld in Empfang
zu nehmen oder die Umschreibung von 5 und mehr Procent
auf 4 vorzunehmen; allein man hatte damals der kaiserlichen
* Ans jenen Beträgen, die von der Kaiserin zur eigenen Verfügung zurück-
behalten wurden und 8*66 Millionen ausmachten, wurde eine Reserve-
casse gebildet.
2»
20
Entschliessimg gemäss die Absicht, erst dann an die Durch-
führung zu schreiten, bis die 4-procentigen Banco-Obligationen
pari stünden, weil, ,soIange derlei Obligationen mit Gewinn ein-
zukaufen die Gelegenheit vorhanden sei, Niemand seine 5-pro-
centigen in 4-procentige umsetzen werde, sondern vielmehr sein
baares Geld aus dem Banco zurücknehmen würde, dergestalt,
dass zuletzt der Banco die Auszahlung zu bestreiten nicht im
Stande wäre'. Graf Hatzfeld schlug vor, dass von Seiten der
Regierung Mittel ergriflFen werden sollten, um die 4-procentigen
Papiere auf den Paricurs zu steigern. Die Kaiserin verfügte
darüber commissionelle Berathung.^
Zunächst handelte es sich um die bei dem Banco angelegten
Capitalien im Betrage von 103 Millionen, von denen jedoch
nur 63 Millionen in Terminen von 14 Tagen bis 6 Monaten auf-
kündbar waren. Hievon entfielen 19 Millionen auf auswärtige,
44 auf einheimische Gläubiger. Es fragte sich nur, ob die
Aufkündigung auf einmal vorzunehmen sei. Zinzendorf war
dafür. Seiner Meinung nach bestand die Stärke der Operation
darin, dem Staatsgläubiger keine Zeit zu lassen, um sein Ca-
pital vortheilhafler anlegen zu können. Am 14. October 1765
fand eine Conferenz statt, an welcher sich betheiligten: der
Staatsminister Graf Blümegen, der Präsident der Hofkammer
und Bancodeputation, Graf von Hatzfeld- Gleichen, Rechenkam-
merpräaident Graf von Zinzendorf, die Staatsräthe Freiherr
V. Boriö und Stupan, der niederösterreichische Regierungsrath
und erster Hauptbuchhalter v. Puchberg, der Buchhaltereidirector
V. Braun, Secretär Hertelli. Blümegen eröffnete die Sitzung mit
der Verlesung eines kaiserlichen Handschreibens, womach in
reife Ueberlegung zu ziehen sei, ,welche Operationen im Finanz-
wesen zum Besten des Staates vorzunehmen und wie solche der-
gestalt zu bestimmen wären, dass sie als eine standhafte Richt-
schnur angesehen werden könnten, und man nicht Ursache
hätte, von denselben wieder abzugehend Die Kaiserin forderte
einen wohl ausgearbeiteten Plan. Allgemeine Ansicht war,
^ Vortrag^ von Hatzfeld am 8. October 1766. Die kaiserliche Entschlies-
Bung lautet: «Hierüber trage dem Grafen Blümegen untereinstens auf, dass
er die hOchstwichtige Angelegenheit in einer Zosammentretang mit denen
Finanzpräsidenten und denen Staatsräthen Borid und Stapan in reife
Ueberlegung nehmen solle, damit eine verlässliche Finanzoperation der-
maleinst fixirt werden möge.'
21
dass die Herabsetzung der Staatsschuldzinsen erspriesslich sei.
Die Frage, ob genügende Baarmittel vorhanden seien, um alle
5-procentigen Capitalien aufzukündigen, beantwortete Graf Hatz-
feld dahin, dass ihm der jetzige Geldvorrath mit alF den Zu-
flüssen, worauf man dermalen rechnen könne, zu einer solch'
wichtigen Operation nicht hinlänglich zu sein scheine, wozu
seiner Ansicht nach etwa 18 Millionen erforderlich wären. Vor-
läufig sei daher ein Ausweis über den ganzen Stand der Staats-
schuld nothwendig, um einen genauen Einblick zu gewinnen.^
Eine zweite Gattung Schulden waren Staatsschulden, wel-
chen bei der Aufiiahme des Anlehens die Rückzahlung inner-
halb einer bestimmten Frist zugesagt worden war imd hiefUr,
sowie zur Zinsenzahlung ,radicirte Fonds' zugewiesen hatten. Zu-
meist waren es bestimmte Einnahmen des Staates, welche für
die eine oder andere Schuld angewiesen waren. So LiniengefäUe,
Bergwerksgefklle, die ungarischen CameralgeMle, die Erbsteuer
u. dgl. m. Der Gesammtbetrag beUef sich Ende September
1765 auf 105-94 Millionen Gulden. Eine dritte Gattung
waren ärarische Schulden, für welche ebenfalls Rückzahlung
vereinbart worden war, die durch Umlagen bestritten werden
musste. Die Gläubiger waren einzelne Personen; der über-
wiegend grösste Theil bestand aus Darlehen, die von der Staats-
kanzlei in Italien und den Niederlanden aufgenommen worden
waren. In ,Welschland' waren etwas mehr als 3 Millionen, in
den Niederlanden 13*4 Millionen aufgenommen worden; letz-
tere waren auf den ungarischen Dreissigst radicirt. Die Ge-
sammtsumme dieser Schuldenkategorie betrug 21*361 Millionen
Gulden. Endlich gab es Aerarialschulden, für die kein Amorti-
sationsfond bestand, im Gesammtbetrage von etwas über 38 Mil-
honen. Die gesammte ärarische Schuld belief sich daher auf
165-4 Millionen Gulden.«
Kaunitz beschwichtigte alle Bedenken und machte sich
anheischig, wenn die in den Staatscassen vorhandenen Geld-
mittel zur Durchführung der grossen Operation nicht hinreichen
sollten, 3 Millionen gegen 4-procentige Banco-Obligationen,
sowie 1 — 2 MilUonen in den Niederlanden und in ItaUen zu
beschafTen. Auch regte er den Gedanken an, Bancozettel zu
» Protokoll vom U. October 1766.
' Vergl. deD Specialaasweis im Anhange.
22
Pensionen und Besoldungen der Beamten zu verwenden^ und man
einigte sich^ im Nothfalle^ wenn das baare Qeld nicht hinreichen
sollte, von diesem Vorschlage Gebrauch zu machen. Die end-
giltigen Beschlüsse wurden in einer Sitzung am 28. October
gefasst^
Am 23. Januar 1766 forderte die Kaiserin ein ausführliches
Gutachten von den Finanzstellen über folgende vier Fragen:
,Auf welche Art und Weise bei der Herabsetzung der Zinsen
vorgegangen werden solle; welche Obligationen hinausgegeben
werden sollen; auf welche Weise der bereits vorhandene, sowie
durch Herabsetzung der Interessen zuwachsende neue Fond
d'amortissement der gesammten Staatsschuld anzuwenden sei,
und endlich, welche Mittel zu ergreifen seien, um das durch
die vorgesetzte Operation auf 4 Procent heruntergebrachte In-
teresse zu dem natürlichen Interesse des Geldes zu machen und
dessen Steigen auf das Künftige zu hindern.^*
Eine sorgfältige Arbeit des Grafen Ludwig Zinzendorf
bildete die Grundlage der weiteren Berathung. Sowohl Graf
Hatzfeld als auch Stupan und Boriä bemängelten einzelne der
gestellten Anträge. Die Kaiserin übergab die sämmtlichen Gut-
achten dem Fürsten Kaunitz, der in den meisten Punkten sich
den Zinzendorf sehen Vorschlägen anschloss. Hatzfeld wider-
sprach zum Theil dem Staatskanzler, und auch Zinzendorf machte
^ Tags darauf wnrde durch Kaunitz Vortrag^ erstattet. Anwesend waren
ausser dem Staatskanzler die Grafen Blümegen, Hatzfeld und Zinzendorf,
die Freiherren Bori^ und Stupan. Die eigenhändige Entschliessung lautete:
,Bin in allem verstanden und ist nur mit attention darauf zu halten, dass
alles in tempore zustand komet und es nicht gehet, wie mit den An-
schlägen, die schon in Junii geschehen sind. Alle Monat soll Fürst
Kaunitz sich eine Auskunfft geben lassen, was in diesen Sachen geschehen
um es mir vorzulegen, denn das Heil der Monarchie daran liegt'
* ,Da nunmehro die Zeit der auszuführenden grossen Finanzoperationen
herannaht und dahero mit so viel Ernst als Aufmerksamkeit darauf für-
zudenken nöthig ist, dass das Werk angefangen und dergestalt fortgeführet
werde, damit nicht nur der angehoffte Nutzen erreichet, sondern auch
der Credit immer mehr befestigt werde, so hat er die anliegende vier
Fragen in reife Ueberlegung zu nehmen und Mir sodann das diesfallige
Gutachten insbesondere bald möglich heraufzugeben.* Maria Theresia an
den Grafen Hatzfeld am 23. Januar 1766. Beiliegend die vier Fragen.
Auf einem beiliegenden Zettel eigenhändig: ,bis Samstag früh längstens,
wo nicht Freitag verlange die meinung beeder Finanzminister zu haben
über diesen Vortrag.* Praes. 16. März 1766.
23
einige Bemerkungen zum Votum des Fürsten, die Differenzen
waren jedoch nicht bedeutend. Darin stimmten Alle überein,
dass sänuntliche Bancocapitalien ausser den Leibrenten, die sich
jedoch blos auf 140.700 Gulden beliefen, der Zinsenreduction
zu unterziehen seien, ,da eine Ausnahme', wie es in dem Gut-
achten von Kaunitz heisst, ,nicht nur den Nutzen dieser Opera-
tion fUr das Aerar sehr herabmindern, sondern auch der Haupt-
absicht desselben, nämlich alle Staatsschulden auf 4 Procent
herabzusetzen und sothane 4 Procent zu dem künftigen allge-
meinen und natürlichen Interesse des Geldes im ganzen Staate
zu machen, unmittelbar widerstreiten würdet Da von den
Bancoschulden im Betrage von 103 MiUionen Gulden einer an-
gestellten Berechnung zufolge blos 63 MilUonen aufgekündigt
werden konnten, so war Kaunitz der Ansicht, dass der zur
Verfiigung stehende Betrag, den er auf 19 bis 20 Millionen ver-
anschlagte, zur Vornahme der Operation hinreichen würde. Hatz-
feld stellte eine andere Berechnung auf, womach eine geringere
Summe vorhanden war. Bezüglich der Frage, ob die Aufkün-
digung auf einmal vorzunehmen sei, schloss sich Kaunitz der
Majorität, welche dieselbe bejahte, an. Nur Bori^ war anderer
Ansicht, indem er vorschlug, erst mit den Capitalseinlagen von
100 bis 10.000 Gulden den Anfang zu machen, und wenn die
Operation glücken sollte, weiter zu schreiten. Fast mit den-
selben Worten wie Zinzendorf begründete Kaunitz seine An-
sicht: die Stärke der Operation bestehe darin, dass den Gläu-
bigem keine hinlängUche Zeit gelassen werde, andere Mittel
und Wege zur vortheilhaften Anbringung ihrer Capitalien aus-
findig zu machen, was durch eine partielle Aufkündigung un-
bedingt der Fall sein könnte, indem dadurch den grösseren
Gläubigem Zeit gelassen werde, eine bessere Verwerthung ihrer
Capitalien bewerkstelligen zu können.
Interessant ist die Verschiedenheit der Ansichten über die
Frage, ob zur Gewinnung der Banquiers denselben V* ^^^r
Vs Procent von allen durch deren Vermittlung überreichten Ob-
ligationen zu gewähren sei. Sämmtliche Voten hielten den Vor-
schlag ftür bedenklich, weil ,die Herren Banquiers grösstentheils
Fremde, protestantischer Religion und dem Staate wenig geneigt
seien, folgUch ein solcher Antrag nicht verschwiegen bleiben,
das ganze Werk äusserst verdächtig machen und grossen
Schaden nach sich ziehen könntet Kaunitz meinte, man müsse
24
sich fragen, ob die Banquiers schaden können. Dies schien
ihm zweifellos; eine einzige widrige Nachricht auf den Börsen
der Handelsplätze^ ein einziges zweideutiges Schreiben an ein
Wechselhaus in Amsterdam oder Genua, welches den Ton
anzugeben pflegt, könne Misstrauen erregen und leicht eine
grössere Aufkündigung veranlassen. Da nun die Banquiers
schaden können und höchst wahrscheinlich, wenn man sie als
fremde und dem Staate wenig geneigte Leute betrachte, um-
somehr werden schaden wollen, so erfordere jedenfalls kluge
Vorsicht, die Banquiers mit den Absichten des Staates bekannt
zu machen, um den gewünschten Erfolg der Operation im Vor-
hinein sicherzustellen. Zinzendorf hatte unter Anderem auch
vorgeschlagen, dass, um den Wechselcurs gegen das Ausland
viel höher zu erhalten, die Ertheilung der Münzpässe so viel
als möglich zu erschweren und die Ausfuhr des Qeldes mit
aller Schärfe zu verhindern wäre. Kaunitz hatte eine derartige
Zuversicht in das Gelingen der Operation, dass er diesen und
andere Anträge Zinzendorf s, die allerdings nur darauf berechnet
waren, für alle Fälle vorbereitet zu sein, bekämpfte. Im Noth-
falle schlug Zinzendorf bei grossem Andränge auch Rückzahlung
in Papiergeld vor. Raunitz war dagegen, dem sich Hatzfeld
anschloss, letzterer aus dem Grunde, ,weil Papier von den be-
dürftigen Percipienten allmälig aus Noth gegen Rabatt hintan-
gegeben und andurch die Mäkler oder auch andere gewinn-
süchtige Käufer verleitet würden, die aufgekündigte Baarschaft
an sich zu ziehend
Ueber die Vorkehrungen, die bezüglich der ständischen
6- und 5-procentigen, die Bancofreiheit geniessenden Papiere
getroffen werden sollten, gingen die Ansichten auseinander.
Die Aufkündigung dieser Obligationen wurde von Kaunitz be-
fürwortet, jedoch mit dem Vorschlage, sich den Zeitpunkt filr
die Einlösung derselben vorzubehalten. Hatzfeld wollte nicht
wie Kaunitz die Aufkündigung in das Avertissement aufnehmen,
da sich nicht bestimmen lasse, ob von den zur Aufkündigung
der Banco-Obligationen gewidmeten Geldern viel, wenig oder
gar nichts übrig bleiben werde; man solle blos den Banquiers
mittheilen, dass man die Aufkündigung vornehmen werde, auch
von den Ständen Gutachten fordern, wie diese in jedem Lande
zu bewerkstelligen sei ; bleiben Gelder übrig, so könne man
sodann an die Durchführung der Operation schreiten.
25
Die Kaiserin verfügte die Aufkündigung aller Capitalien
über 4 Procent, die Leibrenten ausgenommen, und zwar nicht
stückweise, sondern auf einmal. Zinzendorf hatte den Vor-
schlag gemacht, aUe in den Creditcassen vorfindlichen Obliga-
tionen öffentlich zu verbrennen und ,zur Erweckung eines vor-
theilhaften Eindrucks bei dem auswärtigen sowohl als einheimi-
schen Publice durch die öffentlichen Zeitungen bekannt zu
machen'. Einer von ihm angestellten Berechnung zufolge belief
sich die gesammte Summe dieser Papiere auf 40,719.677 Gulden,
wovon 7,945.907 Gulden 497^ Kreuzer aus der Erbschaft des
Kaisers herrührten, femer ständische Coupons-ObUgationen im
Betrage von 24,854.935 Gulden, endlich 7,918.835 Gulden Banco-
zettel. Dieser Vorschlag hatte bereits früher die Genehmigung
der Monarchin erhalten. Den sonstigen Anträgen wurde mit ge-
ringen Modificationen zugestimmt. Zwischen einheimischen
und fremden Gläubigern sollte ein Unterschied bei Festsetzimg
der Zahlungsfristen nicht gemacht werden. Neue Einlagen
nicht höher als zu 3*/, Procent zu verzinsen, lehnte die Kaiserin
ab, indem das Publicum leichtlich in die der Operation nach-
theilige Besorgniss versetzt werden könnte, dass bald zu einer
zweiten Reduction werde geschritten werden.^ Auch die stän-
dischen mit 5 und 6 Procent verzinslichen Obhgationen sollten
gleichzeitig aufgekündigt werden. Der Termin für die Ver-
öffentlichung des Avertissements wurde von der Kaiserin auf
den 15. April bestimmt, jedoch nicht eingehalten; erst am
18. April erfolgte die kaiserliche Genehmigung, mit Abkürzung
der Fristen, was Hatzfeld nicht zweckmässig fand.*
Der grosse Wurf gelang, die Zinsenherabsetzung der
Bancoschulden glückte über alle Erwartung. Hiemit war jedoch
nur der erste Theil der Operation beendet. Nebst den Banco-
schulden bestanden noch andere Gattungen von Papieren, für
welche eine höhere als 4-procentige Verzinsung zu leisten war.
Maria Theresia war von dem Gedanken der Herabsetzung des
Zinsfusses so sehr erfUllt, dass von ihr die weitere Initiative
ergriffen wurde; die haaren Gelder, die nach Reduction des
* Handschreiben Yom 6. April 1766.
' Der Bürgermeister Bellisini wurde ,um der nnnmgänglich nOthigen Um-
schreibung der neuen 4-procentigen Banco-Obligationen obwalten zu kön-
nen, anf 3—4 Monate von der Magistratssession und den übrigen Amts-
▼errichtnngen enthoben; 28. Mai 1766 an die bOhmisch-österr. Hofkanzlei.
26
Zinsiusses der Bancoscholden vorhanden waren^ sollten nütz-
lieh verwendet, alle noch umlaufenden 6- und 5-procentigen
^Coupons' aufgekündigt und, falls die Gläubiger keine 4-procen-
tigen Papiere anzunehmen gewillt wären, ihnen der Betrag
hinausgezahlt werden.^ Für ihre Ungeduld dauerte es wohl zu
lange, dass ein Monat verstrich, ohne dass ihr ein Antrag er-
stattet worden war. Sie forderte raschere Berathung und die
Hinzuziehung der Staatsräthe Stupan und Boriö zu den Com-
missionssitzungen.'
Zwei Tage später, am 6. August 1766, und die Sitzung
statt. Gegenwärtig waren Blümegen, Hatzfeld, L. Zinzendorf,
Eaanitz, Bori^, Stupan, Boltza, Puchberg, Braun, Evers und
Venzl. Die Commission hatte Bedenken, mit dem zur Ver-
fügung stehenden Betrage (beiläufig 7 Millionen) die ge-
sammten ständischen Darlehensobligationen zu 6 und 5 Procent
und die ständischen, die Bancofi:*eiheit geniessenden Papiere
der gesammten Erbländer zu 5 Procent zusammen in der Höhe
von etwas über 26 Millionen aufzukündigen, und glaubte sich
vorläufig auf die erstere Gattung — die ständischen Darlehens-
obligationen — beschränken zu sollen.^ Die Entscheidung der
Kaiserin lautete in einem anderen Sinne.
Am 19. September 1766 wurden die 6-percentigen, von den
gesammten Ständen garantirten Darlehensobligationen k250,
500 und 1000 Gulden vom 1. October an aufgekündigt, den
Besitzern freigestellt, das baare Geld sammt Interessen in
Empfang zu nehmen oder gegen 4-procentige Zahlungsobli-
gationen umzusetzen. Der Präclusivtermin wurde bis Ende
Juni 1767 festgesetzt, später sollten diese Papiere ,weder der
Zahlung noch der Umsetzung mehr iUhig, sondern vollkommen
amortisirt sein^ Am selben Tage wurden auch die 5-procen-
tigen Zahlungsobligationen k 15, 30, 60 und 120 Gulden auf-
gekündigt imd den Besitzern in gleicher Weise die Wahl
zwischen baarem Gelde oder 4-procentigen Papieren überlassen.
Für diese Gattung wurde ein kürzerer Präclusivtermin bis
Ende März angesetzt^
^ Ad den Grafen Schlick, 7. Juli 1766.
' Handschreiben an Blümegen, 4. August 1766.
• Protokoll vom 6. August 1766.
^ Die ^Nachricht' an das Publicum von der deutsch-erblftndischen-stftndi-
schen Creditsdeputation. Von den 5-procentigen Zahlungsobligationen
27
Für die ständischen mit der Bancofreiheit begünstigten
Capitalien hafteten bislang die Stände^ \md nach eingehender
Berathung entschloss man sich, die Operation der Zinsenherab-
setzung dem Banco zu übertragen^ da auf diesem Wege eine
geringere Baarschaft erforderlich werden dürfte. Das in Er-
sparung gebrachte 1 Procent sollte nach dem Vorschlage des
Grafen Hatzfeld zur Bedeckung des Amortisationsfondes ver-
wendet und das Publicum verständigt werden, dass die Bank
diese Schulden künftighin wie alle anderen Schulden nicht
höher als mit 4 Procent verzinsen werde, den Qläubigem daher
freigestellt bleibe, ihre Capitalien baar zu erheben oder gegen
4-procentige Papiere umzutauschen. Nur jenen Gläubigem
ständischer Obligationen, welchen besondere Rückzahlungster-
mine zugesichert waren, sollte bedeutet werden, dass die Stände
ihre Schuldner bleiben und ihnen auf die stipulirte Zeit die
zugesicherten Interessen bezahlen werden, falls jedoch jemand
sein Capital erhalten oder dasselbe in 4-procentige Papiere
umtauschen wolle, werde dem Wunsche willfahrt werden.^
Der Recess mit dem Banco wurde am 17. Öctober 1766
abgeschlossen und am 1. November kundgemacht.^ Die Ein-
lösung der 6- und 5-procentigen ständischen bancofreien Papiere
wickelte sich jedoch nicht so leicht und glatt ab wie jene der
Bancoschulden. Der Betrag beUef sich auf 22 Millionen. Bis zum
5. Februar 1767 mussten 13 MiUionen eingelöst werden, wofür
jedoch blos 8 Millionen vorhanden waren. Hatzfeld bat daher,
die Generalcasse mit ausserordentlichen Anweisungen zu verscho-
nen und auswärts ein Darlehen von 2 — 4 Millionen aufnehmen
zu können. Nur ungern gab die Kaiserin ihre Einwilligung.
Cameralschulden wurden von der Hofkammer aufge-
nommen und als Hypothek für die Rückzahlung meist Einnahmen
aus Gefällen angewiesen, so das SalzgefUlle, welches zu den
ergiebigsten gehörte, indem es fast ein Drittel der sogenannten
Gef^einnahmen ausmachte. In ähnlicher Weise wurden die
Tranksteuer, das TazgefäUe, die Zolleinnahmen, das Um-
k 16, 30, 60 und 120 Golden waren am 4. Juli 1666 bereits 4,677.670
Golden yerbrannt worden.
^ Protokoll Yom 6. October 1766. Vorsitzender Starbemberg; gegenwärtig
Blilmegen, Hatzfeld, L. Zinzendorf, Stopan, Boltza, Puchberg. Vortrag
Tom 21. October 1766.
' Das Patent Tom 2. November 1766. Cod. aostr. VI, 947.
28
geld, die Münz- und Bergwerksgefillle zur Sicherstellung von
Anlehen benutzt^ sei es als ausschliessliche oder nur als subsi-
diäre Hypothek. In Kriegszeiten wurden auch Contributionen
verpfUndet. Bedeutend waren diese Schulden nicht, da, wie
es in einem Schriftstücke heisst, ,in einem monarchischen Staate
der Cameralcredit nicht wohl dasselbe Vertrauen gewinnen
könne, als wenn gleichzeitig die Gewährleistung der Schuld von
irgend einer anderen Communität übernommen werdet Man
unterschied deutsche und ungarische Cameralschulden, sodann
alte Cameralschulden, d. h. diejenigen Schulden, welche bis zum
Jahre 1748 gemacht worden sind, deren Rückzahlung sodann
durch Recesse im Jahre 1748 mit den Ländern geregelt worden
war, und neue Cameralschulden, d. h. solche, welche seit dem
Jahre 1748 aufgenommen wurden, endUch Kupferamts- und
Militärschulden.
Die Kupferamtsschulden waren inländische und auslän-
dische. Erstere beliefen sich Ende 1765 auf 12,115.577 Gulden
28Y^ Kreuzer, zumeist nicht steuerfrei imd zu 5 Procent ver-
zinslich; die ausländischen betrugen 6,422.814 Gulden durch-
gängig steuerfrei, wovon 3,019.774 Gulden zu 5 Procent, der
Rest zu 4 Procent verzinslich. Lebhaft wünschte die Kaiserin
die Rückzahlung jener Beträge, welche von bedürftigen Parteien
dargeliehen waren. Anlässlich eines speciellen Falles, als ein
Gläubiger die Rückzahlung von 400 Gulden, die er 1756 an-
gelegt hatte, forderte, aber von der Behörde wiederholt abge-
wiesen worden war, gab Maria Theresia den Auftrag, ,dahin
zu sorgen, ob und was flir eine Summe monatlich für die Ab-
zahlung solcher bedürftiger Parteien nach nunmehr erfolgtem
Friedensschlüsse anzusetzen wäre^ Die Generalcassadirection
erhob Bedenken und rieth, mit der Rückzahlung der Kupfer-
amtscapitalien bis zur Richtigstellung des Haupterforderniss-
aufsatzes innezuhalten. Die kaiserliche Entschliessung erfolgte
nicht in diesem Sinne. ,Ohnerachtet,^ lautet dieselbe auf den
Vortrag Hatzfeld's vom 6. März 1763, fllr dermahlen noch kein
System zur Rückzahlung der bei dem Kupferamt anliegenden
Capitalien getroffen werden kann, so wird es doch dem Credit
zum Nutzen gereichen, wenn auch schon jetzo, bevor das all-
gemeine Schuldensystem errichtet wird, kleine Capitalien zurück-
gezahlt werden.' Obgleich Hatzfeld nochmals Vorstellungen
machte, beharrte die Kaiserin bei ihrer Entschliessung.
29
Die Weisung, die Zinsen der Cameralschulden herabzu-
mindern, erfolgte bereits Ende November 1765.^ Aber erst als
die 21insenberabsetzung bei den Bancalschulden geglückt war,
wurden die Obligationen der Hofkammer und des Kupferamtes
in neue 4-procentige umgewandelt Ausgenommen waren blos
jene Cameral- und Kupferamtscredite , deren Inhaber wegen
besonderer Verbindlichkeiten die Rückzahlung vor einer be-
stimmten Frist anzunehmen nicht verpflichtet oder mit welchen
besondere Negodationen geschlossen waren. Den Gläubigem
wurde tiberlassen, zwischen Obligationen der bisher bei jedem
Fonde gewöhnlichen Form und den von den ständischen Credits-
deputationen ausgegebenen Darlehenscouponsobh'gationen die
Wahl zu treflfen. Nur die Cameralobligationen der Universal-
Staatsschuldencassa konnten blos in Darlehensobligationen um-
gewechselt werden. Die neuen Obligationen lauteten auf 60,
100, 500, 1000, 3000, 5000 und 10.000 Gulden. Für die
Aufktlndigung wurde eine sechsmonatliche Frist beiderseitig
festgesetzt. Die bisherigen Couponsobligationen lauteten blos auf
den Ueberbringer, die neuen sollten nach dem Belieben des
Gläubigers auch auf dessen Namen ausgefertigt werden können.
Bei Obligationen der alten Form mussten von den Inhabern
bei Erhebung der Zinsen Quittungen ausgestellt werden, welche
der Stempelpflicht unterlagen, die Interessenscheine der neuen
Obligationen waren davon befreit und wurden bei den k. k.
Cameralcassen der deutschen und ungarischen Erblande an
Zahlungsstatt angenommen. Die Zinsen waren halbjährlich zu
bezahlen, konnten jedoch in gewissen FäUen vierteljährlich er-
hoben werden.*
' Jch g^enke/ lautet eine Resolution auf einen Vortrag Hatzfeld^s Yom
27. November 1765, ,wegen Zahlung der alten Cameralschulden ein reif-
lich erwogenes Systeme festzusetzen und will ihme dahero anmit auf-
getragen haben, diese Sache mit der Rechenkammer in gemeinschaft-
liche Erwegung zu ziehen, und mir sodann ein solches ausgearbeitetes
Systeme gutfichtlich Yorzulegen. Wom&chst Ich mich sowohl wegen
der diesfillligen als künftigen Jahreszahlungen des weiteren entschliessen
werde.*
* Cod. austr. VI, 990 und 993, wo sich die Patente vom 15. Mai 1767, be-
treffend die Cameralschulden, und vom 16. Mai 1767, betreffend die Kupfer-
amtsschulden, abgedruckt finden. Es scheint, dass nach Erlass der Pa-
tente eine Verzögerung eintrat; am 25. November 1767 erliess die Kai-
serin ein Handschreiben an Hatzfeld: ,£s ist von Seiten der Kammer der
30
lieber die Zeit^ wann die ständischen Aerarialschulden
entstanden^ fehlt es an genauen Nachweisangen. Während des
spanischen Erbfolgekrieges wurden beträchtliche, seit 1683 vom
Staate aufgenommene Schulden durch Recesse den Ländern
überwiesen, um fUr den Staat neue Creditsoperationen durch-
führen zu können.^ VerlässUche Angaben tlber die Höhe der-
selben finden sich erst in den 1748 abgeschlossenen Recessen
über die neue Heeresorganisation. Von der Contribution, zu wel-
cher sich die Stände verpflichteten, sollten bestimmte Beträge
von denselben zurückbehalten werden, um die 5-procentigen
Zinsen zu bezahlen, ein Procent jedoch Air die Capitalsrückzah-
lung verwendet werden. Bis zum Ausbruche des siebenjährigen
Krieges fand eine Herabminderung dieser Schulden statt, aber seit
dem Sommer 1756 erbat die Regierung ,zur Ausführung jener
Massregeln, wovon die Sicherheit der Monarchie und die Erhal-
tung der Ruhe und des Friedens abhänget^, fast alljährlich die
Mithilfe der Stände, um die fllr den Baieg erforderlichen Sum-
men aufzubringen. Die Darlehen erhielten als Hypothek das
,Contributionsquantum' zugesichert. Die Regierung wünschte
anfangs, dass die geforderten Summen im Wege der freiwilligen
Zeichnungen aufgebracht werden. Später wurden dieselben
auf die vermöglichen Landeseinwohner aufgetheilt. Diese Sub-
sidien wurden als eine ,Schuld^ bezeichnet und den Ständen
landesftirstliche Schuldscheine ausgestellt.
Die ständischen Aerarialschulden waren zu 5 und
6 Procent verzinslich, eine Herabsetzung derselben sollte auf
4 Procent in ähnUcher Weise wie bei den Bancalschulden be-
werkstelligt werden. Es mussten daher neue Vereinbarungen
mit den Ständen abgeschlossen und die jährUche Beitragsquote
des Staates festgestellt werden. Der Rest der aus dem Jahre
1748 herrührenden Schulden — ,Systemalschulden' in den
Schriftstücken genannt — deren Rückzahlung durch die mit
den Ständen abgeschlossenen Recesse vereinbart worden war,
die Anticipationen aus den Jahren 1756 — 1763, endlich alte
Cameralschulden , welche bisher bei den Cameralcassen der
Landeshauptstädte verzinst und rückgezahlt wurden, sollten in
Bedacht daraaf zu nehmen, dass nunmehro ohne Anstand das Auswechs-
longsgeschXft deren alten Obligationen hey dem Kupferamte in Gang
gebracht werden möge/
* Mensi, Die Finanzen Oesterreichs 1701—1740, S. 62—77.
31
eine einzige neue ständische, zu 4 Procent verzinsliche Aerarial-
schuld in einem jeden Lande zusammengezogen , die fUr Zinsen
und Capitalsrttckzahlung erforderlichen Beträge festgestellt und
die alten Schuldscheine gegen neue, auf den nunmehrigen Ge-
sammtbetrag lautend, ausgetauscht werden. Die Stände über-
nahmen nicht nur wie bisher die Gewähr für die Zinsenzahlung,
sondern auch ftlr die Rückzahlung des Capitals und erhielten
als Specialhypothek die bereits bisher von ihnen erhobene Ca-
meral-Landescontribution, sowie als Ergänzung zur Zinsenbe-
deckung eine bestimmte Quote des Salzaufschlages oder anderer
Gefälle. Zur Capitalsrückzahlung in der Höhe von 1 Procent
der betreffenden Schuldtitel wurden die Erbsteuer, sowie be-
stimmte Beträge aus dem Amortisationsfonde der sogenannten
Systemalschuld und der Universal-Staatsschuldencasse zugesagt.
Die gesammte Schuld beUef sich nach einem Ausweise vom
1. November 1767 auf 56,138.030 Gulden 37 Kreuzer.
Nebst den ständischen Aerarialschulden gab es auch Do-
mestical schulden. Diese beUefen sich 1767 auf 22,119.958
Gulden 52 Kreuzer. Die Länder hatten • die erforderlichen
Gelder zur ErfUUung ihrer Verpflichtungen au&ubringen. Die
Kaiserin forderte, dass die Verwaltung auch für die Aufrechter-
haltung des Credits der Länder Vorkehrungen zu treffen habe,
und die Staatsschuldencasse erhielt die Weisung, eventuell Vor-
schüsse zur Zinsenzahlung zu gewähren.^ Graf Hatzfeld machte
VorsteUungen; die Casse befinde sich nicht immer im Stande,
die Summen vorzuschiessen, auch erwachse ihr grosse Arbeit
,Es hat,^ lautete hierauf die kaiserliche Entschliessung, ,bei Meiner
bereits zu erkennen gegebenen Willensmeinimg sein unabänder-
Uches Verbleiben.**
Durch Patent vom 1. Mai 1766 wurde verfügt, dass, nach-
dem ftlr die beim Wiener Stadtbanco angelegten CapitaUen die
Zinsen auf 4 Procent herabgesetzt worden seien, Massregeln er-
griffen werden sollen, welche darauf gerichtet sind, 4 Procent
zum allgemein landesüblichen Interesse des Staates zu machen.
Vom 1. November 1766 sollte daher die Steuer, welche bisher
von sämmtlichen öffentlichen und privaten Capitalien entrichtet
worden war, bei allen jenen entfallen, welche blos 4 Procent
^ Handschreiben vom 11. September 1768.
' Vortrag vom 3. October 1768.
32
Zinsen gemessen; von jenen Capitalien, welche höher verzinst
und in den öffentlichen Fonden angelegt sind^ ein Steuerabzug
stattfinden. Ein Gleiches wurde für Capitalien verfügt, die sich
auf Privathypotheken angelegt finden^ und der Gläubiger wurde
verpflichtet, von dem Schuldner den Zins über 4 Procent ohne
Unterschied als Interessensteuer abzuziehen und abzuführen;
jedoch wm'de gestattet, dass zwischen dem Gläubiger und dem
Schuldner ein Abkommen wegen freiwilliger Reducirung des
Zinses auf 4 Procent stattfinde. Derartige ,Interessenreduction8-
instrumente' sollten von den Landtafeln taxfrei einverleibt werden.
Bei den Landtafeln sollten in Zukunft keine Capitalien höher
als zu 4 Procent verzinst werden. Auf Wechselbriefe, welche
auf einen höheren Zinsfiiss lauten, durfte keine Execution
nach dem Wechselrecht ertheilt werden, Mercantilwechsel
allein waren ausgenommen. Von den Justizstellen sollte bei
gerichtlicher Schätzung der Landgüter auf den herabgesetzten
4-procentigen Zinsfuss Rücksicht genommen werden.^
Diese Bestimmungen wurden nach einigen Jahren abge-
ändert. Von dem Commercienrathe wurde der Antrag gestellt,
zwischen Handelsleuten und Fabrikanten einen 8-procentigen
Zins zu gestatten, jedoch ohne förmliche PubUcation, sondern
nur die Behörden zu verständigen, dass dieses Zugeständniss
unter folgenden Bedingungen gemacht werde: einmal, dass das
Darlehen nur auf sechs Monate gewährt werde, sodann dass Pro-
longation und Umschreibung der Wechselbriefe verboten sei.
Josef genehmigte das Einrathen Hatzfeld's, der die Bedingung
gestellt hatte, dieses Zugeständniss nur für Darlehen zwischen
Eaufleuten, Fabrikanten und Juden, nicht aber bei Geschäften
mit anderen Parteien zu machen, und wenn das Darlehen durch
keine Realhypothek bedeckt werde, auf zwei Jahre zu beschrän-
ken, run zu sehen, ob dadurch dem ,übrigen Credit^ kein Nach-
theil erwachse.* In Folge einer Bitte des Handelsstandes, ^die
von Kollowrat befürwortet wurde, wurde die Verlängerung auf
weitere zwei Jahre genehmigt, da, wie es in der kaiserlichen
EntSchliessung heisst, der öffentliche Credit keinen Nachtheil
gehabt habe.^
• Cod. auBtr. VI, 797.
• Vortrag Hatzfeld's, vom 31. Januar 1771.
• Vortrag vom 7. August 1773.
33
IIL
Durch diese Massnahmen wurde zweierlei erreicht: eine
beträchtliche Ersparung der Schuldzinsen und in Folge dessen
eine Verminderung der Staatsausgaben, sodann aber durch die
Uebemahme von Schulden von Seiten der Bank eine grössere
Unification der Staatsschuld, wodurch sich der Staat von den
Ständen thunUchst unabhängig zu machen suchte. Allein hie-
mit sollten die reformatorischen Bestrebungen auf dem Gebiete
der Finanzen nicht abgeschlossen werden. Den Weisungen der
Monarchin zufolge sollte das Gleichgewicht im Staatshaushalte
dauernd begründet und in Friedenszeiten auch Vorkehrungen
für den Kriegsfall getroflfen werden. Schon bei den Berathungen
über die Herabsetzung der Staatsschuldzinsen kamen diese Ge-
sichtspunkte zur Sprache, und nach Durchführung der Operation
drang Maria Theresia wiederholt darauf, Vorschläge zu erstatten,
um das vorgesetzte Ziel zu erreichen.
Zwei Männer waren es vorzüglich, die unter den öster-
reichischen Finanzpolitikem durch besondere Begabung und
grosse Kenntniss hervorragten: Graf Ludwig Zinzendorf und
Graf Hatzfeld. Beide gingen in der ersten Zeit mit einander
Hand in Hand; später bildete sich zwischen denselben ein
schroffer Gegensatz heraus, der, wie es scheint, zur persönhchen
Feindschaft flihrte. Die Geschichtschreibung hat bisher für
den Grafen Hatzfeld Partei genommen, und Hock, der zum
ersten Male in seinem Buche über den österreichischen Staats-
rath den Kampf dieser beiden Männer darstellte, hat das Ur-
theil seiner Nachfolger bestimmt, allein der auf dem Gebiete
der Finanzen ungemein kenntnissreiche Mann hat nur einen
oberflächlichen Einblick in die in dem Hof kammer- Archive be-
findlichen Papiere genommen, und seine Darstellung ist auch,
abgesehen von dem Endurtheile über die erwähnten Persönlich-
keiten, nicht ohne Irrthümer.
Graf Ludwig Zinzendorf, eine Arbeitskraft ersten Ranges,
überragte seinen CoUegen, den Grafen Hatzfeld, unstreitig durch
umfassende theoretische Kenntnisse. Er beherrschte die da-
malige Literatur und besass eine genaue Vertrautheit mit den
Einrichtungen und finanziellen Verhältnissen der hervorragenden
europäischen Staaten. Hatzfeld konnte sich mit ihm in dieser
ArehiT. LIXXII. Bd. I. H&lfte. 3
34
Beziehung nicht messen. Er hatte sich, ehe er in Wien mit
der Leitung einer Finanzstelle betraut wurde, in der politischen
Verwaltung bethätigt und während seiner Amtswirksamkeit in
Böhmen sich mit den wirthschaftlichen und auch mit den finan-
ziellen Zuständen dieses Landes vertraut gemacht. Bei den
Berathungen über die grossen Finanzfragen, welche die Wiener
Kreise im Beginne der Sechzigerjahre beschäftigten, führte
Zinzendorf das grosse Wort, und die Kaiserin hatte, wie wir
gesehen, seine Verdienste anerkannt. Seine Anträge erfreuten
sich auch der warmen Unterstützung des Fürsten Kaunitz.
Zum Gelingen der Zinsenreduction hat Zinzendorf in hervor-
ragender Weise mitgewirkt; die grosse Operation ist fast aus-
schliesslich seine That.
Ein tiefgehender Gegensatz zwischen Hatzfeld und Zinzen-
dorf trat bei den damaligen Berathungen über die österreichi-
sche Staatsschuld nicht hervor. Die Anträge Hatzfeld's waren
zum Theil Verbesserungen, die an dem Grundgedanken nichts
änderten. Wenn Graf Hatzfeld die gesammte Finanzverwaltung
1765 in einem Umfange überkam wie bisher Niemand vor ihm,
so hat er dies zum Theil der Unterstützung ZinzendorPs zu
danken.^ Diese freundlichen Beziehungen der beiden Finanz-
präsidenten dauerten jedoch nur kurze Zeit; wodurch eine
Trübung derselben zuerst veranlasst worden ist, lässt sich aus
den vorliegenden Papieren nicht entnehmen. Vielleicht mochte
der Umstand mitgewirkt haben, dass der Wirkungskreis der
Hofrechenkammer bedeutend in die Verwaltung eingriff, Zinzen-
dorf auch von den ihm eingeräumten Befugnissen ernsten Ge-
brauch machte, die Vorschläge der Finanzverwaltung sorgfältig
prüfte, nicht selten auch bemängelte; genug, der Gegensatz
zwischen Hatzfeld und Zinzendorf trat seit Ende 1766 hervor
und steigerte sich von Jahr zu Jahr.
Während des dritten schlesischen Krieges hatte man mehr
als früher die Ueberzeugung gewonnen, dass die Staatsein-
nahmen filr die steigenden Belange nicht genügen und selbst
verhältnissmässig geringfügige Summen nur schwer zu be-
schaffen seien. Ordnung in den Staatshaushalt zu bringen, für
die laufenden Bedürfnisse Vorsorge zu treffen war eine der
* Meine AbhaDdlung: ,Die Finanzverwaltnng Oesterreichs 1749 — 1816* in
,Mittheiluiigen des Instituts für österreichische Geschichte*, Bd. XV.
35
massgebenden Beweggründe fiir die Neuordnung der Central-
stellen.^ Die Männer, welchen die gesammle Finanzverwaltung
tibertragen wurde, erhielten die Aufgabe, schon in Friedenszeiten
Massnahmen für den Kriegsfall in Vorschlag zu bringen.
Es wimmelte von Projecten, die zum Theil den Stempel
der Unausfiihrbarkeit an der Stime trugen, aber dennoch Gegen-
stand eingehender Berathung bildeten. Noch während des
Krieges, als man sich mit den Mitteln zur Fortführung des-
selben beschäftigte, überreichte Oberstlieutenant Caratto einen
umfassenden Plan, der den modernen Credit mobiher- Anstalten
ähnelt. Eine Handelsgesellschaft mit einem Capital von 10 bis
15 Millionen sollte gegründet und später bis auf 60 MiUionen
erhöht werden, imi die Schiffahrt nach der Levante zu treiben,
die Militärlieferungen zu übernehmen, das Tabakmonopol und
den Thalerhandel, sowie auch den Productenverschleiss der
Bergwerkserzeugnisse zu betreiben, etwa neue Bergwerke zu
erschliessen, überhaupt Fabriken zu errichten oder bereits be-
stehende an sich zu bringen. In Wien sollte eine Hauptbank
gegründet werden mit Filialen in den Provinzen, um dadurch
,einen umlaufenden Credit zu bewirken^; die Hauptbank sollte
von allen erbländischen Ständen garantirt werden; 60 MiUionen
Bancogeld sei im Umlauf zu erhalten, wozu kein höherer Um-
setzungsfond als 20 Millionen nothwendig wäre. Caratto schil-
derte die Vortheile seines Projectes in tiberschwänglicher Weise;
Vermehrung der Staatseinkünfte, gänzliche Tilgung aller Staats-
schulden, Erhöhung der Kriegsmacht zu Land und zur See
wären die Folge. Auch sollten alle Staatsschulden in Commer-
cialschulden verwandelt, daher der Amortisationsfond an die
Compagnie und die Bank übertragen werden.*
Die Kaiserin hatte dem Fürsten Kaunitz auch einen Ent-
wurf von Spiers und eines Anonymus über das gegenwärtige
Finanz- und Schuldensystem übergeben mit der Aufforderung,
ein Gutachten darüber zu ei*statten. Kaunitz meinte, dass die
Spiers'schen Darlegungen unvollständig und unzuverlässig seien,
die Vorschläge des Anonymus jedoch, welche die Erhöhung
^ Vgl. meine oben erwähnte Abhandlung in den ,Mittheilungen des In-
stituts für Osterreichische Geschichte*, Bd. XV.
* Die erste Eingabe Caratto's datirt aus dem Jahre 1761, eine zweite vom
1. Juni 1762, eine dritte vom 13. Jani; Vorschläge über ,circulanten
Credit" Tom 26. Juni 1763.
8»
36
der Consumtionsgefillle bezweckten, erfordern reife Untersuchung,
sie scheinen jedoch ebenfalls auf unzuverlässige Berechnungen
und Ueberschläge gebaut. Zunächst müsse ein vollständiger
Status aller Staatseinkünfte und aller Ausgaben verfasst werden,
ehe beurtheilt werden könne, was zu thun sei. Es scheine ihm
eine ganz unwidersprechliche Wahrheit, dass die Entledigung
von der grossen Schuldenlast, die Wohlfahrt, Aufiiahme und
Macht des Erzhauses nicht anders als durch die Vermehrung
der» innerlichen Landeskräfte mittelst der Industrie, der Cultur,
Manufactur und des Commerzes gefördert werden könne. Das
grösste und ergiebigste Mittel, um den Nahrungsstand der Landes-
einwohner zu verbessern, sei, die Einküpfte des Souveräns zu ver-
mehren. Hierauf, fuhr Kaunitz fort, habe der Oberstlieutenant
Caratto seine Pläne gebaut und verdiene allen Beifall, wie ich
denn nichts sehnhcher wünschte, als dass sein ganzes System
zur wirkhchen Ausführung gebracht werden könnte, weil es
das unfehlbare Mittel wäre, die Macht des Erzhauses von Jahr
zu Jahr emporzubringen und mit der Zeit zu verdoppeln.
Aber die vorgeschlagenen Mittel und Systemata seien unthun-
lich und mehr in der Speculation als in praxi gegründet Sie
verdienen jedoch eine gründliche Untersuchung. Es möge eine
Commission eingesetzt werden.^ Das Handschreiben an Hatzfeld
ist von Kaunitz entworfen.* Bei dieser Arbeit, heisst es in dem-
^ Das eigenhändige Marginal der Kaiserin lautet : ,ich bin völig verstanden
mit disem Vortrag und wird mir niemand besser das billet darnach ver-
fassen können, mir ist eingefallen ob nicht ein gewisser praesilia von
eggen der hier ist, der viel conaissancen hat und binder bekannt ist an-
statt des fux oder mit selbem auch bey diser commission sein konnte,
im übrigen bin wohl sehr consolirt, das neben denen so wichtigen Staats-
geschäften er auch unsere so verwürrte und einrichtungssachen so ein-
sehet und sich selber annimbt mit seiner hillf war noch möglich zu
helfen hoffe noch was g^ttes zu bewürken. sonsten schier schonn dessent-
halben es vor verlohren gegeben.*
' Am 26. März 1763 legte Kaunitz den Entwurf eines Schreibens an Hatz-
feld vor; die Kaiserin bemerkte eigenhändig: ,placet wan es morgen
kunte unterschreiben damit man in der charwoche anfangen kunte.* —
Von dem in der kaiserlichen Entschliessung genannten Eggen liegt ein
umfangreiches Elaborat vor: ^llerunterthänigster Vortrag und gründlicher
Beweis, dass der Geldmangel in denen k. k. Erbländem mit andern
Üblen Folgen lediglich von der schlechten Beschaffenheit des Manufactur-
weesens und aus dem bisherigen bösen Commercio herkomme, und wie
37
selben, ^gefallet mir insbesondere, dass^der Autor alle seine Vor-
schläge auf die Vermehrung der inländischen Industrie und des
Nahrungsstandes, mithin auf die Bereicherung und Wohlfahrt
der Länder richtet, mit welchen auch die meinige verbunden
ist^ Die eingesetzte Commission bestand nach dem Vorschlage
von Kaunitz unter dem Vorsitze von Hatzfeld aus den Hof-
räthen Kempf, NeflFzer, Doblhoff sen., Nenny, Gebier. Auch
soUten zwei der auswärtigen Einrichtungen kundige Handels-
leute oder Banquiers herbeigezogen werden.*
Die Berathungen zogen sich bis in das Jahr 1767 hin,
endigten aber mit der Ablehnung der Vorschläge. Die Com-
mission fand, dass wohl ein grosser Nutzen erzielt werden könne,
hob aber zugleich hervor, dass Caratto zu weit gehe und seinem
Projecte durch die grossartigen Versprechungen schade; die
Handelsgesellschaft könne wohl erspriesslich sein, da viele Unter-
nehmungen nur deshalb sich langsam entwickeln, weil sie die
Kräfte des Einzelnen tibersteigen. Man erhob Bedenken gegen
die Bank, da man es bezweifelte, dass 20 Millionen Gulden
hinreichen würden, um 60 Millionen Zettel in Umlauf zu er-
halten. Auch die Uebertragung der Staatsschulden an die Bank
wurde bemängelt, indem dadurch der Credit und das Schicksal
der Compagnie und der Bank von dem Schicksale des Staates
dergestalt abhängig gemacht würde, dass der Umsturz und jede
Erschütterung des Staatscredits zugleich den Umsturz und die
Erschütterung der Bank und der Compagnie unmittelbar nach
sich ziehen wlirde.*
inmittels einer unter dem Handelsstand zu errichtenden Compagnie und
eines anzuordnenden Mercantil-Banco del Giro die Manufacturen, und
ein gutes Commercium empor zu bringen, die Länder und Unterthanen
zu bereichem, und die k. k. Einkünfte hoch zu vermehren sind, auch
das Allerhöchste Aerarium von aller Schuldenlast bald zu befreien stehe.
^ In dem Handschreiben wurde auch darauf hingewiesen, dass der jüngere
Fux tauglich zu sein scheine, auch ein gewisser Praesilia von Eggen, der
viele Kenntnisse in Holland erworben haben soll. Auch an Fries habe
man g^edacht, der werde jedoch seiner vielen Geschäfte wegen nicht abkom-
men k<$nnen. Zu dieser Commission sei auch Caratto zu berufen. Auch
von dem Klagenfurter Industriellen Thys, der bei Maria Theresia in wich-
tigen Fragen zu Rathe gezogen wurde, lagen Vorschläge zur Gründung
einer grossen Handlungscompagnie vor.
* Stupan bemerkte über Caratto, der am 25. Januar 1765 Über einige
Commercial vorschlage eine Schrift eingereicht hatte: ,Der Caratto treibt
38
Als nach mehrjährigen Berathungen der Plan Caratto's
verworfen worden war, forderte Maria Theresia, jenen des
Grafen Zinzendorf in Berathung zu ziehen. Bereits bei den
Conferenzen über die Ordnung der Finanzen nach Beendigung
des siebenjährigen Kampfes, sowie in seinen Ausarbeitungen
über die Herabsetzung der Zinsen der Staatsschuld hatte Graf
Ludwig Zinzendorf Anlass gehabt, sich darüber auszusprechen,
welche Massnahmen ergriffen werden müssten, um eine dauernde
Ordnung im Staatshaushalte zu schaffen, und auf welche Weise
die Mittel für den Kriegsfall in Friedenszeiten vorzubereiten
wären. Graf Zinzendorf plante überhaupt eine vollständige Um-
gestaltung der Staatsschulden. Die Auf kündigungsfreiheit, welche
bisher die Gläubiger der Stadtbank besassen, sollte beseitigt
und eine grössere Unification der Staatsschuld herbeigefilhrt
werden.* An Stelle von vierzig verschiedenen Gattungen von
Bchon durch mehr als vierzig Jahre das Handwerk eines Projectanten;
seine Grundsätze sind gut und unwidersprechlich , seine Schlüsse
aber übertrieben. Wenn man in die Einzelnheiten eingehe, so stosse
man auf schwärmerische Ideen. Dieses General wort wesen sei an allen
Lehrschulen bekannt und verdiene keine Aufmerksamkeit; dem Staate sei
nicht mit Worten und Ideen geholfen, sondern Realitäten seien ihm
nöthig. Berathen wurden die Pläne Caratto's am 12., 17. und 21. No-
vember 1766 und 9. März 1767. Auf das Commissionsprotokoll schrieb
Maria Theresia eigenhändig: ,Nachdem generaliter der Plan des Caratto
nicht anzunehmen ist, so solle allsogleich mit dem gantzen staatsrath
und nenj die planus von sinzendorfe und tiss vorgenohmen werden.
Caratto solle 4 m. zur tilgung seiner schulden gegeben werden und
aprobire, das seine pension von 2 m. fl. auf 4 m. fl. gesetzt werde, da-
von 1000 fl. seiner frau versichert werden. Alles auflf die cameral
cassa und Hatzfeld solle sehen wie sein jüngerer Sohn anzustellen wäre.*
Vgl. auch Handschreiben vom 24. April 1767.
Die Auf kündigungstermiue der Bancalobligationen lauteten auf 14 Tage,
4 Wochen, 6 Wochen bis 3 Monate; auch konnte der Gläubiger die
Umwandlung einer grosseren Obligation in kleinere fordern. Dieselben
lauteten auf Namen, und die Umschreibung war umständlich. Die Zinsen
wurden gegen Quittungen ausbezahlt. Dem Betrug soll, wie in einer
ausführlichen Denkschrift Zinzendorf s bemerkt wird, Thür und Thor ge-
öffnet gewesen sein. In der Bancohauptcasse füllten sogenannte Quittungs-
schreiber die Formulare auf Begehren der Parteien aus, unterschrieben
sogar die Namen der Inhaber und di'ückten ihre eigene oder eine andere
beliebige Petschaft bei. Auf Grund dieser Quittungen wurden die Interessen
und selbst das Capital ausgefolgt. Durch Handschreiben vom 16. November
176S verständigte die Kaiserin den Grafen Hatzfeld, sie habe beschlossen,
unter dem Vorsitze Starhemberg's von den Staatsräthen und den beiden
39
Papieren sollte die erst jüngst eingeführte Form der Obligationen
der ständischen Creditdeputation treten. Die Rückzahlungsfonde
für die gesammte Staatsschtdd beliefen sieh nominell auf andert-
halb Millionen^ waren aber in der That geringer. Sie sollten
vereinigt und der ständischen Creditdeputation anvertraut werden.
Durch die Uebergabe der Amortisationsfonde an die ständische
Deputation würden die verschiedenen Gläubiger vollständige
Sicherheit erhalten, und die Verwaltung aller bisher den Ständen
und der Stadt Wien eingeräumten Gefälle könnte sodann der
Hofkammer übergeben, der Nachtheil der verschiedenen Ad-
ministrationen beseitigt werden. Die bereits vorhandene Börse
sollte umgestaltet werden. Die Oberaufsicht über das gesammte
Staatsschuldenwesen beantragte Zinzendorf der ständischen
Creditdeputation anzuvertrauen. ,Alle europäischen Staaten^,
heisst es in dem umfassenden Schriftstücke, ,^aben von der
Zeit an, da sie einen häufigeren Gebrauch des Credits zu
machen angefangen, sich bequemen müssen, in Ansehung der
öffentlichen Darlehen der Ausübung der landesfbrstlichen
Gewalt so viel als mögUch zu entsagen und zwischen sich und
den öffentlichen Gläubigem gewisse Mittelspersonen oder soge-
nannte Puissances interm^diaires festzusetzen, welche die Ad-
ministration des Credits über sich genommen und welche wegen
ihres Ansehens und ihrer Privilegien den Gläubigern eine Art
des Schutzes wider den Gebrauch der unumschränkten Ge-
walt verschaffen konnten.' Zinzendorf wies auf das Institut der
Wiener Bank hin, welches jedoch unter den gegenwärtigen
Verhältnissen unzulänglich sei, weshalb der ständischen Credit-
deputation die Ausführung des neuen Systems anzuvertrauen wäre.
Einen integrirenden Bestandtheil der Finanzpläne Zinzen-
dorf s bildete die Bank, welche unter der Aufsicht und Ga-
rantie der ständischen Creditdeputation errichtet werden sollte.
In Wien wäre die Hauptcasse, in allen Hauptstädten der
FinansBstellen über deu wichtigen Gegenstand die Berathung pflegen zu
lassen, was für Mittel zur Abhaltung der bei der Hauptbancocasse be-
stehenden Interessenerhebung gegen unechte Quittungen zu ergreifen
seien, und zugleich solle die Frage in Erwägung gezogen werden, ob
den Bancalgläubigem die freie Auswahl unter den Obligationen der alten
Form und der Coupons mit oder ohne Namen des Gläubigers zu über-
lassen oder ob die alte Form vOUig abzuschaffen und nur die Wahl der-
artiger Ck>upon8 mit oder ohne Namen des Creditoris zu gestatten sei.
40
verschiedenen Länder aber Filialen ins Leben zu rufen. Die
Bank sollte Billets von 5, 10, 15 und 25 Gulden ausstellen,
welche keine Interessen tragen, keine Staatsmilnze ausmachen,
hingegen aber bei allen Zahlungen der öflFcntlichen Gassen wie
baares Geld angenommen werden sollten. Um das Publicum
jedoch zu nöthigen, diese Bankbillets an sich zu bringen, so
sollten gewisse Zahlungen bei den öffentlichen Cassen minde-
stens zur Hälfte, alle fremden und einheimischen Wechselzah-
lungen zur ganzen Summe in Bankbillets entrichtet werden,
alle Zahlungen unter den Privatpersonen, welche 500 Gulden
und darüber ausmachen, mit diesen Billets zahlbar sein, diese
aber bei allen öffentlichen Cassen gegen baares Geld und um-
gekehrt ausgetauscht werden können. Der Bank wäre das
ausschliessliche Recht zu ertheilen, P&nder zu beleihen, und
zwar bei Summen unter 25 Gulden ohne Zinsen, bei Beträgen
darüber hingegen zu 4 Procent. Auf gleiche Weise wäre die-
selbe zu berechtigen, Waaren von Fabrikanten bis auf zwei
Dritttheile des Werthes zu beleihen, die Bank sollte aber auch
auf der Börse an solchen Tagen, wo sich wenige Käufer finden,
öffentliche Papiere mit Rabatt einhandeln, um sie sodann zur
Wiederergänzung ihrer Gasse an anderen Tagen, wenn diese
Papiere einen höheren Gurs erhielten, wo möglich mit ^/, oder
1 Procent Gewinn zu verkaufen. Endlich sollte die Bank dem
Staate auf GefUlle, die innerhalb 6 Monaten eingehen, z. B. auf
die ungarische Gontribution oder andere sichere Einkünfte, auf
einige Monate einen Vorschuss zu ^/^ Procent per mese oder
jährlich 3 Procent vorstrecken können. Zinzendorf wollte der
Bank auch die Bergwerksproductenverschleissdirection, den
Thalerhandel, die Ueberwachung der Gelder des Staates über-
geben. Er erwartete von dieser Bank grosse Vortheile auf allen
Gebieten des staatlichen Lebens, namentlich aber auf jenem der
Staatswirthschaft. Auch würde dieselbe dem Handel grosse
Vortheile gewähren, da bisher die Wechsler hohe Provisionen
und Gommissionsgebühren von den Kaufleuten und Industriellen
genommen haben.*
An den wesentlichen Grundgedanken hielt Zinzendorf
auch später fest, aber er vervollständigte dieselben durch Hin-
* Vorgeschlagenes Finanzsjstem des Rechenkammerpräsidenten Qrafen von
Zinzendorf in Folge des von demselben in der den 1. Juni 1763 «wischen
\
41
zoftlgung neuer Anträge und begründete dieselben in umfassen-
der Weise. Der ,Mereantilzinsfus8*, setzte er auseinander, be-
trage gegenwärtig Vs ^^^ 1 Proeent monatlich, also jährlich
8 — 12 Procent; das Wiener Pfandamt leihe über 1 MiUion zu
11% Procent aus, und es sei mehr als wahrscheinlich, dass
wenigstens eine gleiche Summe zu 8 und 10 Procent von Pri-
vatpersonen ausgeliehen werde. Eine Depositenbank sei daher
schon aus diesem Grunde ein Bedürfniss, indem der Handel
durch dieselbe wesentliche Vortheile erhalten würde. Sie werde
dem Fabrikanten Vorschüsse zu verschaffen in der Lage sein,
nicht minder auch Wechselbriefe discontiren und das durch
einen hohen Zinsfuss bedrückte Commercium zu Triest in
kurzer Zeit beleben. Eine derartige Bank sei auch die noth-
wendige Vorbereitung auf eine mit der Zeit zu errichtende
grosse Handelsgesellschaft. Zinzendorf glaubte, dass durch eine
solche Bank Oesterreich einen so kostspieligen Krieg wie den
letzten auszuhalten im Stande wäre, da in Kriegszeiten, wenn
die Einkünfte des Staates nicht so leicht vermehrt werden
können, der Nutzen derselben sich zeigen werde. Die Depo-
sitenbank sollte durch etwaige Vorschüsse auch den Ankauf
von Papieren unterstützen, da die Gelder des Amortisations-
fondes, die hiezu verwendet werden sollen, öfters spät einfliessen;
Fihalbanken sollten den Kauf und Verkauf der öffentlichen Pa-
piere in den Ländern nach dem Wiener Curse bewerkstelligen,
durch Auszahlung der Zinsscheine aller Fonds ohne Unterschied
den Couponsobligationen aUgemeinen Umlauf verschaffen, Dar-
leihen zu 4 Procent gewähren und dadurch mitwirken, dass
der bOhmUchea und österreichischen Hof kanzlei und denen drey Finanz-
Hof-Stellen gehaltenen Zusammentretung abgelegter Voti.
Der Qedanke, in Oesterreich eine Bank auf Actien ins Leben zu
rufen, findet sich bereits in einem Briefe von C. Dietrichstein an R. Chotek
ddo. Kopenhagen 10. Januar 1762, dem ein Exemplar der durch Octroy
vom 29. October 1736 gegründeten Assig^ations-Wechsel- und Leihbank
KU Kopenhagen beiliegt. Dietrichstein empfiehlt, der Direction Mitglieder
aus einer jeden Provinz beizugeben, und zwar ,une personne de con-
sid^ation et dans laquelle le peuple eüt de la confiance, 11 ne faudrait
pas pour cela que ce fussent les Landeshauptmänner ou les Landtraar-
schälle*; auch seien die wichtigsten Banquiers mit entscheidender Stimme
beizuziehen, deren Unterschriften auch auf den Billets erscheinen sollten,
,puisque ce sera leurs sigp[iature qui donnera le cr^it anx billets de banque
beaucoup plus que si tons les ministres de la Cour les signoient.*
42
4 Procent das natürliche Interesse des Staates blieben, wodurch
ftlr den Fall eines Krieges dem Wucher Einhalt gethan und
die ergiebigste Finanzquelle der Papiere an Zahlungsstatt sicher-
gestellt würde. Diese Bank, in den späteren Schriftstücken
Länderbank genannt, wahrscheinlich weil die Stände der
Länder die Garantie zu übernehmen hatten, sollte anfangs blos
10 MilUonen Bancozettel ausgeben und nach Bedarf vermehren,
jedoch 30 MilUonen nicht überschreiten dürfen. Die Wiener
Bank sollte gesperrt, d. h. neue Einlagen sollten von derselben
nicht angenommen werden.
Zinzendorf befürwortete mit dem Hinweise auf seine bis-
herigen Finanzausarbeitungen, worin er gegen die Aufkündi-
gungsfreiheit sich ausgesprochen hatte, dieses dem Staate so
gefährliche Recht, welches in den Niederlanden, Holland, Frank-
reich und Italien unbekannt sei und durch den erleichterten
Handel mit öffentlichen Papieren auf das Vollständigste ersetzt
werde, auch in Oesterreich zu beseitigen, weil die Aufkündi-
gungsfreiheit wohl in Friedenszeiten, mit nichten aber im Kriege
eingehalten werden könne, und selbst in Friedenszeiten die Er-
füllung dieser Verbindlichkeit bisher nur insofeme möglich ge-
wesen sei, als durch freiwillige Einlagen den öffentlichen Fonds
Gelder zuflössen, welche zur Rückzahlung der aufgekündigten
Summen verwendet wurden. Der von Zinzendorf gemachte Vor-
schlag ging dahin, den vereinigten Amortisationsfond zur Rück-
zahlung der Staatsschuld durch Ankauf aller Papiere ohne
Unterschied der verschiedenen Creditcassen zu verwenden.
Nachdem aber dieser Fond allein keineswegs hinreichen dürfte,
um die Totalität der Staatsgläubiger, ,die Geld für ihre Papiere
suchen^, zu befriedigen, so sei ,das Geld des Publicums' mit
zu Hilfe zu nehmen. Dies wäre durch die Börse möglich.
Denn gleichwie für den Verkauf des Getreides öffentliche Märkte
bestimmt seien, wo solches zum Verkauf gebracht werden müsse,
so sei auf dieselbe Weise das Geld des Publicums als diejenige
Waare, deren Steigerung man verhindern wolle, an einem be-
sonders hiezu bestimmten Orte, nämlich an der Börse, durch
den Zwang der Gesetze zusammenzubi*ingen. Alle zwischen
Privaten abzuschliessenden Negociationen, welche nicht auf der
Börse durch geschworene Sensale geschehen und von solchen
in ihren Büchern ordentlich eingetragen werden, sollen als nicht
juristische Acte erklärt werden. Um die heilsame Concun'enz
43
des Qeldes dem Verkäufer noch vorth eilhafter zu machen,, sei
den Privaten auf der Börse, welche Papiere einhandeln wollen,
der Vorzug zu lassen. Wenn jedoch die von ihnen ange-
botenen Bedingungen als zu niedrig erscheinen, hätte der-
jenige Banquier, welchem man die Verwendung des Amorti-
sationsfondes auf der Börse anvertraut, ein oder anderthalb
Procent mehr als die Privatverkäufer anzubieten, um den Curs
der Papiere so viel als möglich zu steigern; diese Steigerung
habe so viel als möglich von Tag zu Tag, aber jederzeit
nur stufenweise zu geschehen, damit die Käufer nicht völlig
von der Börse abgehalten werden und der Amortisationsfond
nicht der alleinige Käufer bleibe. Der Curszettel sei täglich zu
veröffentlichen. Die eingelösten Papiere seien von Tag zu Tag
zu cassiren und am letzten December mit Feierlichkeit zu ver-
brennen. Diese Operation habe jedoch nicht blos in Wien zu
geschehen, sondern in den Hauptstädten der verschiedenen Län-
der im Verhältnisse der verschiedenen Nachfragen nach Pa-
pieren eingeleitet zu werden. Auch die Domesticalschulden der
Länder sollten wie die ärarischen auf der Börse aufgekauft
werden.
Ln weiteren Verlaufe seiner Arbeit erörtert nun sodann
Zinzendorf die Frage, in welcher Weise die fllr die Fristzah-
lungen erforderlichen Summen im Betrage von ungefilhr 2 Mil-
lionen ohne Wechselkosten und ohne dem Fremden das Inter-
esse hievon zu bezahlen, durch den einheimischen Credit auf-
gebracht werden können. Sein Vorschlag ging dahin, von den
jährlichen sowohl Civil- als auch Militärbesoldungen und Pen-
sionen, welche ungefähr 6 Millionen betragen, jährlich 2 Millionen
mit Bancozetteln zu bezahlen, das daf\ir zurückgehaltene baare
Geld aber zu den Fristzahlimgen zu verwenden. Durch dieses
Mittel würde man nicht nur die auswärtige Geldnegociation zur
Bestreitung der Fristzahlung entbehren, sondern es wäre noch
ein Nutzen von weit grösserer Wichtigkeit zu erwarten, denn
in einem zuktlnftigen Kriege habe man nur von einer derartigen
Operation die grösste Aushilfe sich zu versprechen, weil da-
durch allein die so gefahrliche Anhäufung der umlaufenden
Papiere in den öffentlichen Cassen vermieden würde. Es könnte
daher nur erspriessUch sein, durch einige Friedensjahre einen
Versuch anzustellen, wodurch nicht nur das Publicum an die-
selben gewöhnt, sondern das Ministerium selbst durch die Er-
44
fahrung auf Mittel gefUhrt werden dürfte, welche den Erfolg
derselben dauernd sichern könnten.
Ueber die von dem Grafen Zinzendorf in Vorschlag ge-
brachten Finanzpläne, namentlich aber über die Bank wogte
der Kampf in den massgebenden Kreisen längere Zeit Die
Nothwendigkeit einer Depositenbank konnte nicht in Abrede
gestellt werden. Kaunitz hatte bereits in seinem grossen Re-
formvotum die Gründung derselben angeregt, die er mit der
caisse gön^rale in Verbindung gebracht wissen wollte; Filial-
banken sollten in den Niederlanden, Italien und Triest ins
Leben gerufen werden, nicht nur ,zur Anfuahme des Credits,
sondern des ganzen Commerz- und Manufacturwesens^ Auch
später hatte der Staatskanzler die Prüfung aller hierauf bezüg-
lichen Vorschläge warm beftlrwortet. In Triest war die Grün-
dung einer Depositenbank verfiigt worden, und aus einigen Hand-
schreiben der Kaiserin ist ersichtlich, welches Interesse sie da-
für an den Tag legte. In Wien war die Geschäftswelt filr
ihren Geldbedarf ausschliessHch auf die Banquiers angewiesen,
die ihre Gelder zu hohen Zinsen verwertheten. Unter dem Vor-
sitze des Fürsten Starhemberg fanden Berathungen statt. Graf
Hatzfeld gehörte zu den Gegnern und wurde von den Staats-
räthen Stupan und Bori^ unterstützt; Kaunitz, Starhemberg und
Binder waren dafür. ^ Der Staatskanzler und Binder befür-
^ Hatzfeld sprach sich in einem von dem Staatskanzler abgeforderten Gat-
achten, welches sich auch mit der Herabsetzung der Zinsen beschäftigte,
dahin aus: Ein Banco del giro und del deposito dürfte dem Publicum
angenehm sein, ein Banco del commercio erscheine ihm bedenklich; ein
jeder Actionär werde an der Direction theilhaben wollen, theils weil
er in die Direction seiner Handlungsg^sellen kein Zutrauen habe, theils
weil er sich durch die Direction einen Nebennutzen zu erwerben
hoffe, und unter den inländischen Actionären werden wenige gefunden,
welche einem solchen Werke vorzustehen im Stande sein dürften; ge-
schickte und verraögliche Ausländer seien hart zu bekommen.* Vom
Staate wäre es be<lenklich, grosse Summen in der Handlung zu ver-
wenden, niemand von den Staatsdienern habe davon einen mittelmässigen
Begriff. Man müsste sich also auf Directoren verlassen. Gebreche es
ihnen an Redlichkeit und Einsicht, so werde der Staat Schaden erleiden.
Die Berliner Bank könne zum Beweise dieser Wahrheiten dienen. Sie
werde entweder nie zu Stande kommen oder in kurzer Zeit zu Grunde
gehen. Das Schriftstück ist vom 2. Juni 1767. Dagegen befürwortete
Graf Blümegen mit Entschiedenheit und Wärme eine Bank, die sich auch
mit Wechselgeschäften und dem Handel zu beschäftigen habe, nicht blos
45
worteten in ausflihrliclien Gutachten die Vorschläge Zinzendorf s:
die Börse, die Verwendung des Amortisationsfondes zum An-
kauf der Staatspapiere, die Gründung der Bank. In dem Plane
Zinzendorf s war allerdings manch' unklarer Punkt, seine An-
sicht über die Art und Weise, wie die Banknoten in Umlauf
zu erhalten seien, unterlag mancher Anfechtung. Die Gegner
bemängelten jedoch nicht diese Seite, sondern suchten den Nach-
weis zu führen, dass die Bank dem Staate grosse Kosten ver-
ursachen würde und nicht einmal die Verwaltungsauslagen ge-
deckt würden; sodann wurde getadelt, dass den Ständen die
Garantie übertragen werden soll; dieses wäre ein ungerechtfer-
tigtes Misstrauen gegen den Cameralcredit; man erhebe dadurch
den ständischen Credit über jenen des Regenten, die Steigerung
der ständischen Gewalt würde die Folge sein und der mon-
archischen Gewalt gefährlich werden, die ,gezwungene^ Anwen-
dung der Bancozettel wäre eine gefUhrliche Landplage, wo-
durch der staatliche Credit und der Handel niedergedrückt
würden; das Publicum verabscheue den Zwang, für den Krieg
können die erforderlichen Mittel auf andere Weise beschafft
werden. Man möge ein Anlehen von neun Millionen aufnehmen,
meinte Bori^, und zur Ekitrichtung der Zinsen die Auflagen
erhöhen.
Die entscheidende Sitzung unter dem Vorsitze Maria
Theresias fand am 7. August statt, an welcher Josef, Kaunitz,
Starhemberg, Blümegen, Hatzfeld, Zinzendorf, Binder, Stupan,
und König theilnahmen. Mit grosser Entschiedenheit trat
Kaunitz für Zinzendorf ein. Eine Börse, legte er dar, sei kein
neues Institut, der Wiener Platz vielleicht der einzige in Eu-
ropa von einiger Beträchtlichkeit, der sich ohne Börse befinde.
Der Endzweck eines öffentlichen Marktplatzes sei, die Concur-
renz der Verkäufe zu befördern und dadurch die Waaren selbst
wohlfeiler zu machen. Der Zweck der Börse sei, die Concur-
renz der Käufer und dadurch den Werth der Papiere zu er-
höhen. Bei einem öffentlichen Marktplatze sei es auf Begünsti-
gung der Käufer, bei der Börse auf jene der Verkäufer vor-
zügUch abgesehen. Bei der letzteren handle es sich darum,
die gesammte Staatsschuld in ihrem Werthe thunlichst zu er-
ein Banco dl deposito, sondern auch del commercio, indem er hervorhob,
dass Bodann die Depositen yerwerthet werden können.
46
höhen^ dieselbe dem Pari zu nähern und in Kriegszeiten vor
einem tiefen Verfalle zu retten. Die Concurrenz der Capitalisten
werde durch einen vom Staate hiezu bestimmten Baarfond ver-
stärkt und dadurch der Werth der Papiere gesteigert. Hierzu
sei der Amortisationsfond bestimmt. Der gesammte Papier-
handel werde durch die Hände geschwomer Sensale gehen,
wodurch die dem Credite so nachtheiligen Wechselgeschäfte
aufhören. An Stelle der Aufkündigungsfreiheit trete der Kauf
durch den Staat. Bedenken gegen den Zwang, dass alle
Wechselgeschäfte sowie der Handel mit Papieren der Vermitt-
lung der Sensale bedürfen, habe er anfangs gehabt. Allein
die im Jahre 1761 errichtete Börse sei ohne Wirkung geblieben,
weil man die Freiheit gestattet habe, sich der Börse oder der
Sensale zu bedienen oder nicht. Auch sei es für die Direction
der Börse nothwendig, täglich genaue Kenntniss über den Curs
der Papiere zu haben, was mit VerlässUchkeit niemals geschehen
könne, wenn nicht der Abschluss von Geschäften durch be-
eidete Personen verrichtet werde.
Banken bestehen in allen Staaten; einige dienen blos zur
Bequemlichkeit des Handels, andere seien zur Vermehrung der
circuUrenden Geldmasse errichtet worden, endlich gebe es
welche zur Unterstützung der Finanzoperationen des Staates.
Die von Zinzendorf vorgeschlagene sei von der letzten Gattung.
Sie sei ftlr das Publicum nützlich. Die auf 4 Procent herab-
gesetzte Staatsschuld werde weder zu ihrem Pari gelangen,
noch das gesetzmässige Interesse von 4 Procent zum natür-
lichen werden, so lange die Capitalisten ihr Geld höher ver-
werthen können. Die Absicht der Bank gehe daher darauf,
diese Auswege zu verschUessen, dass sie jene Arten von Dar-
lehen, bei denen noch dermalen ein höherer Zinssatz gefordert
wird, zu 4 Procent selbst übernimmt. Sie discontire Wechsel,
sie beleihe sichere trockene Wechsel, unterstütze Versatzämter
mit unverzinslichen 600.000 Gulden, gewähre Vorschüsse auf
Staatspapiere, belehne Depositen von gemünztem und unge-
münztem Golde und Silber.*
Die Vorschläge Zinzendorf s wurden genehmigt, in Wien
sollte eine Bank, in den Ländern fünf Filialbanken errichtet
* Votam des Hof- und Staatskanzlers Fürsten v. Kannitz in consilio statos
1. Aogust 1767, die EIrrichtung einer Bank, Börse und grossen Handelscom-
pagnie betreffend. In der Sitzung vom 7. August wiederholt Kaunitz daaselbe.
47
werden. ,Da8 nach den majoribus ausgefallene Einrathen/ lautet
die EntSchliessung, werde allergnädigst begnehmigt, und der
Graf Zinzendorf als Erfinder dieses Werkes zum ersten Präsi-
denten der Bank ernannt. Graf Chotek wurde durch Hand-
schreiben vom 8. August angewiesen, die Stände zur Ueber-
nahme der Garantie aufzufordern; die Kaiserin habe, heisst es
daselbst, mehrere Berathschlagungen pflegen lassen, den Vor-
schlag vorzüglich zur Erhebung des öflfenüichen Credits, zur
Emporbringung des Handels und überhaupt für die Wohl-
£Eihrt der Länder vorzüglich gedeihlich gefunden. Der Plan
sei den Ständen — Inner- und Vorderösterreich ausgenommen
— mitzutheilen mit dem Bemerken, dass die Kaiserin die Er-
richtung der allgemeinen Länderbank unter der vereinigten
Gewährleistung der Stände beschlossen habe, sie sollen Ein-
sicht von dem Entwürfe nehmen und nach vorläufiger reifer
üeberlegung wegen ihres Beitritts die Erklärung nach ihrer
schon öfters erwiesenen Willfährigkeit ehestens abgeben.
Ueber Auftrag der Kaiserin erstattete Zinzendorf Vor-
schläge über den Personal- und Besoldungsstatus. Das Gesammt-
erfordemiss wurde mit 194.000 Gulden veranschlagt. Die Eröff-
nung des neuen Instituts war für den 1. Januar 1768 in Aus-
sicht genommen; die Fihalbanken sollten erst am 1. April 1768
ihre Wirksamkeit beginnen. Die Räumlichkeiten wurden aus-
gemittelt, fllr die Besetzung der wichtigsten Posten Vorschläge
erstattet.* Die Mitglieder des Staatsrathes stimmten in allen
Punkten bei; auch der Antrag Zinzendorf s, bei Besetzung der
Directorstellen auf die Religion keine Rücksicht zu nehmen,
da die dazu allein befähigten Männer Fremde und Protestanten
wären, wurde nicht beanstandet.* Nur in einem Punkte wichen
die Ansichten der Mitglieder des Staatsrathes von den Zinzen-
dorfschen Vorschlägen ab: der 1. Januar 1768 erschien als
verfrüht, da die Aeusserungen der Stände noch nicht eingelaufen
waren. Auch Kaunitz rieth, dieselben abzuwarten, und stimmte mit
Bori^ und Stupan in dieser Frage überein. In Folge dessen gab
die Kaiserin mündlich den Befehl, ,die Sache erUegen zu lassend ^
* Vortrag L. Zinzendorf s vom 20. August 1767.
' Die Voten des Staatsrathes wurden durch Vortrag vom 18. September 1767,
unterzeichnet KOnig, der Kaiserin übermittelt.
* Vortrag vom 18. September 1767, unterzeichnet KOnig.
48
Die erwartete Zustimmung der Stände zur Uebemahme
der Garantie erfolgte nicht; einige lehnten die Bürgschaft ab.
Der Bankplan wurde fallen gelassen/ die Vorschläge zur Um-
gestaltung der Börse und die Vereinigung der Amortisations-
fonde wurden vertagt.* Zunächst sollte ein ,Staatsinventariuni^
* Handschreiben an Starhemberg vom 21. Octobör 1767.
* Handschreiben an Hatzfeld vom 11. November 1767:
Ich habe von dem Antrag wegen Errichtnng einer Banqne derzeit
abzugehen befunden, wiewohlen von dem Proponenten sowohl als auch
sonderheitlich von dem Fürsten Kaunitz-Rittberg und der zusammenge-
setzten Commission in dieser Anliegenheit bethätigte ausnehmende Dienst-
Eifer zu Meiner ganz besonderen Zufriedenheit gereichet, und mit dem
verdienten gnädigsten Wohlgefallen von Mir aufgenommen worden ist.
Der böhmischen Osterreichischen Kanzley gebe hiemach den Auf-
trag untereinstens mit, diese Meine Entschliessung den Capi derjenigen
Länder-Stände, deren Erklärungen abgefordert worden sind, lediglich per
privatas bekannt zu machen.
Ueber die Frage ob, und wie, unangesehen es von der besagten
Länder-Banque abkommt, gleichwohlen die vorgeschlagene Börse zu Stand
zu bringen sejn dürfte, bleibet Meine Entschliessung für gegenwärtig'
annoch ausgestellet
Da es anvorderst von der eigentlichen Bestimmung des Amortisa-
tion-Fond anlanget, in wie weit einer errichtenden Börse, darmit die
Unterstützung gegeben werden möge, hierzu aber vorerst noch die voll-
kommene Berichtigung des Staats-Inventarii, und einer daraus zu ziehen-
den allgemeinen Bilance erforderlich ist;
So will ich den beeden Finanz-Praesidenten andurch mitgegeben
haben, die Berichtigung dieses Staats-Inventarii ungesäumt vor die Hand
SU nehmen, sämratliehe Rubriquen in der Einnahme sowohl, als der
Ausgabe in die möglichst verlässlichste Klarheit zu setzen, somit dieses
ganze Inventarium ehemöglichst zu Stande zu bringen, auf dass solches
sodann bey der unterm Praesidio des Fürsten Starhemberg allschon an-
geordneten Zusammtrettung in weitere Untersuchung genommen, bej
allen Rubriquen der Einnahme, und Ausgaben, ob nicht bey solchen
noch einige Ers^iarungen, oder Verbesserungen in der Regie erwürket
wenlen könnton, gemeinschaftlich erwogen, und solchergestalten ein voll-
ständig, und solides Finani-SYsteme zu Stand gebracht werde, wobey
dann sondorheitlich den beeilen Finanz-Praesidenten obliegen wird, all*
dasjenige, was sie in Absicht auf einige zu erwürkende Verbesserung, oder
Krs|mrnis)s an Hand lu lassen wissen, nach ihrer von der Beschafenheit
der UefKUe, und allseitigen Bestreittungen habenden Kenntniss gutacht-
lich in Vorschlag zu bringen.
Im W^brigen communicire ihm Hiemebenfindig die von dem
Recheukammer-l^^aesidenten über den gc^nwärtigen Zustand des Credit-
WtVHnis gellte Anmerkungen, auf dass er über deren Bestand sich äussern
49
vorgelegt werden, mit dessen Ausarbeitung die beiden Finanz-
präsidenten betraut wurden, die Einnahmen und Ausgaben sollten
sorgfältig geprüft und ein vollständig solides Finanzsystem zu
Stande gebracht werden. Es handelte sich um einen Finanz-
plan für Friedens- und Kriegszeiten. Die Kaiserin drängte in
den nächsten Monaten um Beschleunigung der Vorlagen.^
Erst am 6. Juni 1768 legte Hatzfeld einen ausgearbeiteten
Vorschlag tlber ein ,Creditsystem in Friedenszeiten^ vor. Die
Arbeit ist eine der umfassendsten, welche von Hatzfeld her-
rühren, und enthält eine sorgßlltige Darstellung des damaligen
Standes der Staatsschulden und der zur Verfügung stehenden
Beträge für Verzinsung und Rückzahlung. Ihr Schwerpunkt
hegt jedoch in den Vorschlägen zur Aufrechterhaltung des Cre-
dits, wobei auf die Ausführungen und Anträge des Präsidenten
der Rechenkammer stets Rücksicht genommen wurde. Ohne
Benützung der umfangreichen Arbeiten des Grafen Ludwig von
Zinzendorf hätte Hatzfeld sein Elaborat nicht liefern können.
Die Schwierigkeit, künftighin allen Vei-pflichtungen zu ent-
sprechen, lag in der Tilgung der Staatsschulden; die Verzinsung
war durch die hieftir bestinmiten Fonde ziemlich sichergestellt,
obgleich auch bei den hiefÜr veranschlagten Summen ein Aus-
fall eintreten konnte; denn ob die hiefÜr bestimmten Steuerein-
gänge und andere Einnahmen in der angenommenen Höhe ein-
fliessen werden, Hess sich mit absoluter Sicherheit nicht be-
haupten. Mit dem Rückzahlungssystem hatte auch Ludwig Zin-
zendorf nicht gebrochen, nur wollte er die Aufkündigungsfreiheit
der Gläubiger beseitigt wissen und die zur Verfügung stehen-
den Beträge zum Ankaufe von Papieren an der Börse ver-
wenden. Hatzfeld entscheidet sich dagegen für die Aufkündi-
gung: sie sei die natürlichste und nützlichste und dem Pubhcum
angenehmste Art der Schtddenzahlung, und es frage sich nur,
ob dieses Princip dauernd auft*echt erhalten werden könnte.
I>ies schien keinem Zweifel .zu unterliegen, indem bei dem
und seiner Erklärung' gemäss ein neues übereinstimmendes Finanz-Systeme
f&r die gegenwärtige Friedens- und künftige Kriegs-Zeiten vorläufig
entwerfen, und Mir vorlegen möge. Maria Theresia.
' Vortrag Starhemberg's vom 28. Januar 1768, die Commission habe noch
nictit er($ffnet werden kOnnen, da die Finanzstellen die Materialien noch
nicht beschafft haben. Am 2. Februar Aufforderung an Hatzfeld, das
Friedens- und Kriegssjstem zu beschleunigen.
ArcliiT. LXXXn. Band. I. H&lflo. 4
50
Kupferamte von den aufgekündigten Beträgen bereits der dritte
Theil wieder zurückgeflossen war und die wöchentlichen Ein-
lagen die laufenden Aufkündigungen vielfach überstiegen. Die
Operation hatte auch die gute Wirkung gehabt, dass alle üb-
rigen Staatspapiere in ihrem Werthe gestiegen und die meisten
mit Rabatt nicht mehr zu haben waren, was durch Ankauf
auf der Börse in dieser Zeit vielleicht nicht zu bewirken ge-
wesen wäre. Die Erklärung liegt vornehmlich darin, dass die
Wiener Stadtbank seit April 1767 neue Einlagen nicht mehr
annehmen durfte, eine Verfügung, die durch ,eine Nachricht^
in den Zeitungen zur Kenntniss des Publicums gelangte. Die
Hinauszahlung der verlangten Capitalien sollte daher nach und
nach bei allen Schuldenfonds wie bei dem Kupferamte einge-
leitet, bei der Staatsschuldencasse damit der Anfang gemacht
und sodann später auch die allgemeine Aufkündigung bei den
ständischen Gassen eingeführt werden. Hatzfeld sprach sich
für die von Zinzendorf vorgeschlagene Börse aus, jedoch nur
zu dem Zwecke, weil sie den Käufer und Verkäufer von Pa-
pieren an einem Orte versammle; sie werde auch den Handel
mit Bancopapieren erleichtern und jenen, welche die ständischen
Obligationen kaufen oder verkaufen wollen, die Gelegenheit
geben, dies thun zu können. Geldeinlagen des Publicums
sollten mit Ausnahme der Bank bei allen Schuldencassen an-
genommen werden, ,theils um damit die den Fond d'amortisse-
ment übersteigenden Aufkündigungen zu bestreiten, theils um
sich im Stande zu finden, die zu den Fristzahlungen und ausser-
ordentlichen Ausgaben unentbehrlichen auswäi*tigen Darlehen
wo nicht zu vermeiden, doch zu vermindern'.
Während Zinzendorf einen Generalamortisationsfond fUr
die gesammten Staatsschulden schafi^en wollte, trat Hatzfeld
flir die Aufrechterhaltung der bestehenden Amortisationsfonde
ein. Seiner Darlegung zufolge hatte sich die Bank bisher
ein allgemeines Zutrauen bei dem Publicum erworben, und an
der Verfassung desselben sollte daher nichts geändert werden,
weil der Credit derselben nicht wohl verbessert, durch eine
Abänderung aber leicht verringert werden könnte. Nur die
Verwendung des Amortisationsfondes erheischte eine systema-
tische Einrichtung. Die Vorliebe des Publicums flir die Bank,
der hohe Werth der Banco-Obligationen, welche bereits mit ^/^
und auch 1 Procent Agio abging, bewirkte, dass wöchent-
61
lieh kaum 5000 Gulden aufgekündigt wurden. Es gelangten also
beiläufig 250.000 Gulden zur Zahlung, und es verblieben 1,250.000
Gulden von dem Amortisationsfonde ohne Verwendung. ,Diese
Summe, meinte Hatzfeld, könnte zwar dem Staate gegen Ein-
räumung des auf 57^ Procent ausgemessenen Fondes geUehen
und dadurch zum Theil die Aufnahme ausländischer Anlehen
vermieden werden, allein auf diesem Wege würde der Banco
nach und nach den grössten Theil der Einkünfte des Staates
verschlingen und anderseits dessen Schulden niemals abnehmen.
Dieser Betrag sollte daher zur Verminderung der Bancoschulden
verwendet werden. Die Schuld sei bereits auf 125 Millionen an-
gewachsen, mithin so gross, dass man keine solchen Operationen
wie die Herabsetzung der Interessen werde machen können. Das
Publicum sei mit diesen Papieren überhäuft, die Nachfrage nach
denselben müsse abnehmen. Die Banco-Obligationen werden
ihrer innerUchen Güte ungeachtet auch an Werth verUeren,
wenn sie ,zu gemein^ werden. Wolle man sich also des Banco
bei Kriegs- und Friedenszeiten mit Nutzen bedienen, so müsse
man einen grossen Theil der Obligationen aus dem PubUcum
bringen und dieselben seltener machen, damit der Geldinhaber
bei einer sich ergebenden Geldnoth desto begieriger werde,
seine Gelder dem Banco zu übergeben. Es fragte sich nun,
auf welchem Wege die Aufkündigung vorgenommen werden
könne. Früher wurden die am längsten daselbst angelegten
Obligationen hinausgezahlt. Dies war dermalen nicht thunlich,
weil durch die Herabsetzung der Interessen und die damit ver-
knüpfte Umschreibung fast alle Obligationen von jüngerem
Datum waren. Da alle ObUgationen Jiummerirt waren, sollte
durch das Loos eine Zahl herausgezogen werden und die Hälfte
des zur Verfügung stehenden Geldes zur Aufkündigung der
niedrigeren und die andere Hälfte auf die Aufkündigung der
höheren Nummern verwendet werden.
In ähnlicher Weise befürwortete Hatzfeld die Aufrecht-
erhaltung der den verschiedenen Ländern zugewiesenen Amorti-
sationsfonde. Bisher wurden dieselben nur zur Zinsenzahlung
verwendet, in Zukunft dürfte es möghch sein, hinlänglich Gel-
der zur Verfligung zu stellen, um alle Aufkündigungen an-
nehmen zu können und ihnen jene Rückzahlungsart vorzu-
schreiben, deren sich die oberösterreichischen Stände mit so
gutem Fortgange bedienten. Ein Jeder nämlich, welcher die
4*
52
Rückzahlung seines Capitals zu erhalten verlangte^ meldete sich
bei dem Steueramte, welches ihn vormerkte und wöchentlich
die Summe der Vormerkungen den ständischen Verordneten
anzeigte. Eine gleiche Vormerkung werde aber über die-
jenigen gehalten, welche den Ständen Geld anboten, und die
Hinauszahlung erfolgte insoweit, als die Mittel des Amortisations-
fondes oder die neu angebotenen Gelder hiefÜr ausreichten.
Die übrigen Gläubiger wurden auf die folgenden Termine ver-
wiesen, jedoch geschah dies selten, weil sich die aufgekündig-
ten Gelder mit den neu angebotenen gemeiniglich ausglichen.
Ein ähnliches System schlägt Hatzfeld auch für Böhmen und
die übrigen Länder vor, allein er befUrchtet, dass der einge-
führte Zwang, für baares Geld nichts als Coupons zu erhalten,
die Einlagen verhindern dürfte. ,Bei dem Vorschlage des Grafen
Zinzendorf könnte dieser Zwang für unschädlich angesehen
werden, weil man das Wohlwollen der Staatsgläubiger zu er-
werben nicht, nothwendig hätte, denn dieselben könnten weder
ihr Geld zurückfordern, noch das überflüssige dem Staate an-
bieten, sondern sie werden einfach auf die Börse verwiesen,
wo der Amortisationsfond den Geldinhaber zwinge, entweder
Staatspapiere in dem Werthe zu verkaufen, wie er ihn vor-
schreiben wollte, oder sich des Verkaufes gänzlich zu ent-
schlagen*. Nach seinem Vorschlage, meint Hatzfeld, sei aber
das Wohlwollen des Staatsgläubigers und des Geldinhabers
höchst nothwendig, sonst werden die Aufkündigungen zu über-
häuft, die Einlagen zu sparsam, wenn blos Coupon-Obligationen
ausgegeben, aber Obligationen nach der alten Form, wenn auch
aus Eigensinn, verlangt werden; werde aber den ständischen
Cassen die Aufkündigung gestattet, so müsste ihnen auch die
Annahme von Geldern erlaubt werden; die Einleger erhielten
4 Procent für ihr überschüssiges Geld, und dem Staate werde
die Annehmlichkeit zutheil, so viel an den zur Bestreitung
der Fristzahlungen erforderlichen inländischen Darlehen zu er-
sparen; die Stände müssten nur bestimmt werden, die über-
flüssigen Gelder oder den nicht zur Verwendung kommenden
Amortisationsfond der Cameralcasse gegen verzinsliche Cameral-
papiere zu übergeben.
Gleichzeitig mit diesem ,Friedenscredit8ystem* übei^ab
Hatzfeld zwei Arbeiten, ,erstes und zweites Kriegsfinanzsystem*
betitelt.
53
Was dÄs Kriegsfinanzsystera anbelangt, beziffert Hatzfeld
in ähnlicher Weise wie Zinzendorf auf Grund des Ausweises
f&r 1763 45 Millionen als Bedarf flir das erste Kriegsjahr.
Hievon könnten seiner Meinung nach 28 Millionen bedeckt
werden.^ Zinzendorfs Vorschlag zur Beschaffung der übrigen
17 Millionen stand in innigem Zusammenhange mit seinem
Bankproject; Hatzfeld sprach sich dafür aus, den inländischen
und ausländischen Credit hiefUr in Anspruch zu nehmen.
In einer zweiten Arbeit, zweites Kriegsfinanzsystem be-
titelt, war Graf Hatzfeld anderer Ansicht. Bei Beginn des
Krieges wäre durch die Einführung der ehemaligen Bancozettel
gleichsam ein von der Wiener Stadtbank abhängender Banco del
deposito zu errichten, welcher nach beendigtem Kriege durch
Einziehung der sämmtlichen Bancozettel sein Ende erreichen
müsse. In dem ersten Ejiegsjahre werde dieser Banco dem
Staate wenig oder gar kein Geld bringen, in den darauffolgenden
Jahren aber einige Millionen unentgeltlich und gleichzeitig auch
einen beträchtlichen inländischen Credit verschaffen. Diese Banco-
zettel sollen dieselben Eigenschaften haben, welche man den
Papieren der vorgeschlagenen Länderbank beilegen wollte, fer-
ner solle der Banco berechtigt sein, für diese Zettel verzinsliche
Banco-Obligationen, welche ein höheres Interesse als die anderen
Staatspapiere besitzen, auszustellen. Der Banco würde dann be-
mtlssigt sein, durch Einziehung seiner Bancobillete 5 Procent für
die ausgestellten Obligationen zu versichern, weil der Geld-
inhaber erst nach und nach die Mittel verlieren werde, sein Geld
höher als zu 4 Procent anzulegen. Wenn aber, wie er hoffe, noch
mehrere Jahre bis zum Abbruche eines BIrieges verlaufen, so
würde ein Zins von 47^ Procent hinlänglich sein, den Geldinhaber
zu bewegen, Geld dem Banco anzuvertrauen, weil er gewohnt
sein wird, kein höheres Interesse als 4 Procent zu erhalten.
' Und zwar das damalige Erfordemiss des Militärs mit 16,500.000 Gulden
Der Beitrag ftir die niederländischen Regimenter mit 781.000 „
Die Hälfte der deutschen Contributionen mit . . . 5,092.400 „
Aus den Einkünften der Niederlande und Italiens . 2,000.000 „
An Interesse-Ersparung durch die geleistete Schulden-
zahlung 1,300.000 „
Aus dem Amortisationsfonde 1,600.000 „
Erhöhung des Salzpreises ans Ungarn und Siebenbürgen 726.000 „
Zusammen daher 28,000.000 Gulden
54
mithin das Plus von 7» Procent für einen nicht geringen Vor-
theil ansehen mUsse. Der Banco dürfe keine Zettel ausgeben,
ohne dafür den wahren Werth zu empfangen, und es sei daher
nothwendig, auf Mittel zu denken, wodurch der Staat dem Banco
für seine Zettel, um solche in Umlauf zu bringen^ so bald als
möglich das baare Geld verschaflFe. Hiezu schlug Hatzfeld den
,au8ländischen Credit' vor, durch welchen die zur Bestreitung
einer Campagne abgängigen 17 Millionen aufzunehmen seien.
Die auf diesem Wege eingehenden Gelder wären insgesammt
in Bancozettel zu verwandeln, um damit alle Zahlungen, welche
in Papier geschehen können, zu bestreiten, so für Besoldungen,
Pensionen, Lieferungen, ebenso könnten «einige Zinsenzahlungen
ohne Bedenken damit beghchen werden. Seiner Meinung nach
bestand der Nutzen dieser Operation in Folgendem: Erstlich
werden beträchtliche Summen Geldes, und zwar während der
Kriegsjahre unentgeltlich zufliessen, und zweitens werde der in-
ländische Geldinhaber seine Baarschaft dem Staate freiwiUig
anbieten. Als Beweis führt er an, dass das Publicum in die
Bank nunmehr das volle Vertrauen setze, und es sei also nicht
zu vermuthen, dass die Bancozettel mit Widerwillen angenom-
men werden, da man, so bald man wolle, dafUr sein Geld
empfangen könne, weil ja der Werth der ausgegebenen Banco-
zettel in Baarem vorliegen werde. Es sei daher mit einer ge-
wissen Sicherheit anzunehmen, dass ein nicht geringer Theil
derselben zur Auswechslung gegen baares Geld nicht gelangen
werde. Auch die gezwungenen Zahlungen, d. h. solche, welche
durch Bancozettel entrichtet werden müssen, werden die Noth-
wendigkeit herbeiführen, sich mit denselben zu versehen, imd
auch ,den misstrauenden Theil des Publicums zur Zurückhaltung
dieser Bancozettel verleitend Was nun die Geldeinlagen an-
belangt, glaubt er sich einen glücklichen Fortgang versprechen
zu können. Dem Geldinhaber werden Banco-Obligationen an-
geboten, die ihm ein höheres Interesse als das bisherige bringen;
die Masse des Geldes werde in Kriegszeiten durch die ausser-
ordentlichen Ausgaben des Staates und theils durch den grös-
seren Umlauf des Geldes, worunter auch die Bancozettel zu
rechnen sind, vermehrt; ausser den Lieferanten werden die
Geldinhaber und Wucherer selbst nicht leicht Gelegenheit haben,
ihr Geld vortheilhafter als durch Einlage im Banco mit Banco-
zetteln anzulegen, weil die Anfrage nach dem Gelde bei den
55
Privaten, da von keinem gezwungenen Darlehen die Rede sei,
in Kriegszeiten nicht grösser als in Friedenszeiten sein werde.
Es frage sich nur, auf welche Summe man mit einigem Grunde
rechnen könne. Während des letzten Krieges wurden 7 Mil-
Uonen Bancozettel in Banco-Obligationen in zwei Jahren, mithin
3V2 Millionen in einem Jahre umgesetzt; künftig werde wohl
eine grössere Summe darin angelegt werden, denn früher waren
zu wenig Bancozettel im Publicum in allen Ländern zerstreut,
und . sie konnten daher erst durch einen längeren Zeitraum hier
in Wien gesammelt und zur Umwechslung gebracht werden.
Auch wurden die Zwangszahlungen nicht gleich nach dem
Kriege aufgehoben, deshalb wurden auch die Bancozettel von
Vielen zurückbehalten, ja sie wurden so selten, dass sie gegen
baares Geld ein 2V2-procentiges Agio besassen, künftighin aber
werden die Verhältnisse beim Ausbruch eines Krieges bezüglich
der Verwechslung der Bancozettel in ObHgationen noch weit
vortheilhafter sein, da sein Antrag dahin gehe, 20 Millionen
hinaoszugeben. Diese Summe werde hinlänglich sein, um einem
Jeden es zu ermöglichen, sich so viel zu verschaffen, als er
zur Ueberkommung der Banco-Obligationen auf ein höheres Pro-
cent nöthig habe. Er glaube daher annehmen zu können, dass
mittelst der Banco-OUigationen 5 Millionen zurückfliessen werden,
welche sodann ohne Bedenken wieder zur Bestreitung der
Kriegserfordemisse verwendet werden können, weil deren Werth
sich baar in der Gasse befinden müsse. Bei dem Länderbank-
sjstem habe man angenommen, dass sich in Friedenszeiten
6 Millionen Bancozettel in Curs erhalten werden, er glaube sich
daher nicht zu irren, wenn er in Kriegszeiten einen höheren
Umlauf, also 8 Millionen annehme, daher man ein gleiches
Quantum von der fUr die Bancozettel deponirten Geldmasse zur
Bestreitung der Kriegsausgaben werde verwenden können. Auf
diese Art erhalte der Staat für das dritte Kriegsjahr abermals
einen Vorschuss von 4 Millionen, und da nun anzunehmen sei,
dass durch den Verlauf des zweiten Kriegsjahres 5 Millionen
Bancozettel in Banco-ObUgationen werden umgesetzt werden,
80 könnten dieselben im dritten Kriegsjahre als ein neuer Fond
wiederum verausgabt werden. Für die folgenden Kriegsjahre
werde sein Vorachlag so weit nützen, dass das bei den inländi-
schen Geldinhabem befindliche müssige Geld den Gassen der
Bank durch Umwechslung in Bancozettel einfliessen werde;
56
dadurch^ sowie durch die Aufiiahmc von 6 Millionen in der
Fremde werde man schlimmstenfalls im Stande sein^ die Be-
dürfnisse zu beschaffen.
Die Aufbringung der für das erste Kriegsjahr erforder-
lichen 17 Millionen dürfte das Schwerste sein, und es wäre da-
her nothwendig, ehe das Publicum von einem unvermeidlichen
Kriege die Nachricht erhalte, fremde Anlehen einzuleiten. Den
auswärtigen Gläubigem sei alle Willfilhrigkeit zu bezeigen und
das gegebene Wort, wenn es auch dem Staate lästig sein sollte,
auf das Genaueste zu erftülen. Die Staatskanzlei habe in Kriegs-
zeiten in einem Jahre 7 Millionen aufgebracht, und es sei da-
her für die Zukunft ebenfalls ein Gleiches zu hoffen, da der
Credit der niederländischen Finanzen auf das Höchste gestiegen sei
und die daselbst befindliche Geldmasse sich alljährlich vermehre.
In Amsterdam würde es nicht schwer sein, in Friedenszeiten
in einem Jahre 10 Millionen aufzubringen, da der Credit des
Hofes daselbst ein grosser sei. Das Sardi'sche Anlehen von
2 Millionen war in wenigen Stunden gezeichnet, obwohl man
kurz vorher durch Verbrougge und Goll eine gleiche Summe
aufgenommen hatte, ja aus den Briefen Sardi's gehe hervor,
dass viele Geldinhaber bei der Zeichnung des Darlehens wei-
tere Summen angeboten haben, im Falle man dieselben in Wien
annehmen wollte. Daraus glaube er entnehmen zu können,
wenn er sich schmeichle, in Amsterdam 5 Millionen aufbringen
zu können. In der Schweiz und in Genf sind neue Geldquellen
eröffnet worden, und es dürfte daher nicht unmöglich sein, in
diesen beiden Orten nebst Genua und Mailand die zur Ergän-
zung von 17 Millionen noch nöthigen Summen zu finden. Hatz-
feld weist im weiteren Verlaufe seiner Arbeit darauf hin, dass,
wenn zu gleicher Zeit an einem von den oben angeführten
Plätzen Darlehen für den hiesigen Hof und fUr andere Kronen
eröffnet werden sollten, dennoch der grössere Zulauf für Oester-
reich sein werde, wenn jene auch den Geldinhabem vortheil-
haftcre Bedingnisse eingestehen würden, höchstens werde man
sich in Kriegszeiten entweder zu einer grösseren Provision oder
zu einem höheren Procentsatze verstehen müssen.
Seine Ueberzeugung, die sich zur Erhaltung seines Kriegs-
creditsystems bewähren müsse, beötehe darin, dass die Staats-
papiere während der IWegszeiten keinen oder nur einen ge-
ringen Rabatt leiden werden, imd dies zu bewirken, müssen die
57
gehörigen Mittel in Friedenszeiten ergriffen werden. Durch ge-
schickte Veranstaltungen lasse sich der Werth eines auch nicht
in Credit stehenden Papieres erhalten. Es wäre in Kriegszeiten
zu wünschen, die Aufkündigungen auf gleichem Fusse anneh-
men zu können, allein dies dürfte nicht thunlich sein. Man
müsse sich begnügen, denjenigen die aufgekündigten Capitalien
hinauszuzahlen, von denen man versichert sein kann, dass die
Eigenthümer derselben bedürftig seien. Es sei freilich zu be-
fürchten, dass in Kriegszeiten durch Wucher und durch den
Vorwand von Bedürfnissen CapitaUen verlangt werden dürften,
allein er glaube nicht, dass dies in grosser Ausdehnung der
Fall sein werde. Soweit Hatzfeld.
Klar und eingehend übte Graf Ludwig Zinzendorf an den
Vorschlägen Hatzfeld's Kritik; das ,System' sei ,kostbar', unzu-
länglich zur Erreichung des vorgesetzten Zieles und bereite die
Mittel für den künftigen Krieg nicht vor. Die Einlagen, wor-
auf Hatzfeld seinen Plan gründe, um die etwaigen Aufkündi-
gungen bestreiten zu können, dürfl;en nicht hinreichend genug
sein, denn dieselben werden um so geringer sein, als die täg-
lich steigende Industrie eine vortheilhaftere Verwendung des
Geldes ermöglichen werde. Auch die grossen Beträge der
Staatsschuld, denen die Aufkündigung zugestanden werden soll,
erregen Bedenken. Die Wiedereinführung der seit zwölf Jahren
sistirten Aufkündigung sei nicht vortheilhaft, im übrigen Europa
sei dieselbe unbekannt, dieses Recht bilde keinen wesentUchen
Theil des öffentUchen Credites. Auch das Pubhcum sehe die
Aufkündigung mit anderen Augen an. Die gesammte Amorti-
sationssumme für die verschiedenen Gattungen von Schulden be-
trage 2,843.836 Gulden, und man rechne auf Einlagen.^ Wie,
wenn die Einlagen bei den Gassen nicht hinreichen?
In den Augusttagen fanden mehrere Sitzungen des Staats-
rathes statt, in denen die Anträge der beiden Finanzminister
zur Berathung kamen. Nach reifer Erwägung, heisst es in den
Protokollen, habe man sich einhellig vereinbart, dass von dem
Friedenssysteme des Grafen Hatzfeld der Gebrauch nicht zu
machen, von dessen Vorschlägen auch für den Krieg einige
Sicherheit nicht zu erwarten sei. Ein Friedenssystem bestehe
schon, nachdem die ganze Staatsschuld mit einem Amortisations-
* Die tBemerkuDgen* Zinzendorf s am 12. Juli 1768 übergeben.
58
fonde von 1 Vi Procent grundsätzlich versehen sei; der von der Ge-
sammtsumme fehlende Betrag von 357.982 Gulden 107» Kreuzer
sei zu beschaffen und als Gesetz festzustellen^ dass die f\ir Ca-
pitals- und Interessenzahlung einmal augewiesenen Gelder zu
keinem anderen Zwecke verwendet werden können. Der ge-
sammte Amortisationsfond, sowohl derjenige fUr die Bancoschuld
als auch flir die ständischen Schulden, sei zusammenzuziehen
und nach dem Vorschlage Zinzendorf s zur Einlösung der öffent-
lichen Creditpapiere auf der Börse nützlich anzuwenden. Bis
dieselbe errichtet sei, seien Capitalskündigungen bei jenen
Gassen, wo solche dem Gläubiger zugesagt seien, zu gestatten,
später jedoch nicht. A vista-Zahlungen seien nicht zuzugestehen.
Von dem Banco seien künftighin nur Obligationen in der neuen
Form, soweit es thunlich und ohne Schmälerung des Credits
geschehen könne, auszugeben.
Was das ,Kriegssystem' anbelangt, war die Commission
mit Stupan einverstanden, dass sich für den Krieg ein Credit-
system mit sicherer VerlässUchkeit nicht bestimmen lasse, nach-
dem das Erfordemiss im Vorhinein sich mit Gewissheit nicht
berechnen lasse. Die Erhöhung der Abgaben werde nicht hin-
reichen, man werde zum Credit greifen müssen. Die Majorität
war der Ansicht, dass kein anderes Mittel als der ,circulante'
Credit unverzinslicher Papiere aufgefunden werden könne,
wie solcher von Zinzendorf bei seinem Vorschlag über die
Länderbank in Antrag gebracht worden sei; allein gleichzeitig
erklärte sich die Majorität gegen die Gründung eines derartigen
Institutes, ,weil dasselbe von den Majestäten im Vorjahr ab-
gelehnt und den Ständen hievon Mittheilung gemacht worden
sei', auch müsse man sich gegen den ,Zwang' des von Zinzen-
dorf befürworteten Papiergeldes erklären. Die Emittirung der
Bancozettel sei bei Beginn des Krieges dem Bancoinstitute zu
übertragen. Die Minorität, Starhemberg, der in einem beson-
deren Schriftstück sein Votum begründete, und Binder, sprach
für die Errichtung der Länderbank.*
^ Protokolle vom 12., 15., 17. und 19. August 1768. Ein entschiedener
Gegner des Bankprojects war Borie; bereits bei den Berathungen im
Jabre 1767 batte er sieb gegen die Errieb tung ausgesprocben, und
aucb in den späteren Stadien der Berathung bielt er an seinen An>
siebten fest. Der Zwang, Hess er sieb vemebmen, welcber bei Bestel-
lung einer Bank verknüpft sei, sei als eine beschwerliche Landpla^^
59
Graf Zmzendorf erhielt von der Kaiserin durch den Grafen
Starhemberg den mündlichen Auftrag, einen verbesserten Vor-
schlag zu machen, um die bei der Berathung im Jahre 1767
gemachten Anstände gänzlich zu beheben, ,die Administration
simpler' und weniger ,ko8tbar^ zu gestalten; die Kosten der
Bank sollten weder dem Aerar, noch dem Publicum zur Last
fallen, vielmehr fUr beide einen Gewinn abwerfen. Graf Zinzen-
dorf hatte die Garantie der Stände gefordert, wogegen Einwen-
dungen erhoben worden waren, und er erörterte daher die
Frage, ob überhaupt eine Garantie nothwendig sei. Seit dem
letzten Jahrhundert, legte Graf Zinzendorf dar, habe das' An-
sehen in den meisten monarchischen Staaten abgenommen; in
Oesterreich trete diese Erscheinung seit zwanzig Jahren her-
vor; aber die Devotion der deutsch-erbländischen Stände kenne
keine Grenzen. Die angeregten Zweifel über die Wirksamkeit
der Garantie der Stände habe ihn unangenehm berührt, weil
dadurch eine Schwächung des dem Landesfürsten jetzt mehr
als je nothwendigen öffentlichen Credites eintreten würde. Cre-
dit bestehe im Vertrauen, welches der Gläubiger in den Schuld-
ner setze; kein Zweifel, dass ein Privater lieber sein Capital
einer Landschaft anvertrauen werde, deren kräftiger Fürsprache
bei dem Landesfürsten er ein gewisses Gewicht beilege, als
dass er dasselbe einem öffentlichen Fonde übergeben sollte,
dessen Schicksal den öfters gefährlichen Entschliessungen eines
Finanzministers überlassen ist. Gesetzt auch, das gegenwärtige
ständische Ansehen bestünde in der blossen Einbildung, so habe
Niemand mehr als ein Finanzminister diese Wahrheit dem
Publicum zu verbergen Ursache. Auf eine Bank, die auf dem
Cameralcredit beruhe, könne nicht eingerathen werden. Auch
anzusehen, welche den kaum auflebenden Credit und Handel nieder-
drOckeu und alles Volk in Missmuth und Misstrauen setzen würde.
Aach die Beschränkung der landesfUrstlichen Gewalt durch Uebernahroe
der Crarantie von Seiten der Landstände, sei zu besorgen, sowie dass ein
solcher erster Anfang der Erhebung der Gewalt der Stände weitere
Folgen gebären und der monarchischen Verfassung des (österreichischen
Staates gefährlich werden könnte. Nicht die Sache, sondern die Form sei
missrathen; was die Länderbapk Gutes wirken kOnne, vermOge auch der
Wiener Banco zu leisten. Das Publicum verabscheue den Zwang. (Votum
vom 19. August 1768.)
Binder erklärte sich in einem Gutachten vom 28. August 1768 für
einen unaufkündbaren Credit Die Aufkündigung könnte zur Unzeit er-
60
gegen den bei der Berathung im Vorjahre gemachten Vorschlag
die Garantie der Stadtbank aufzutragen^ sprach sich Zinzen-
dorf aus. Die neue Bank erfordere in ihrer Verwaltung eine
gewisse Publicität und die unverbrüchliche Beobachtung ihrer
Fundamentalgesetze; die Direction des Wiener Stadtbanco da-
gegen sei grösstentheils dem Ermessen des vorgesetzten Ministers
überlassen. Wenn die neue Bank dem Staate Vorschüsse machen
sollte, dürfte dies nur gegen Sicherheiten erfolgen. Verheim-
lichung sei nicht zu gestatten. So glaube das Publicum kaum,
dass die sämmtlichen dem Wiener Stadtbanco eingeräumten Ge-
fälle lediglich zur Sicherheit der Interessen und des Capitals der
Gläubiger bestimmt seien; der neue Recess mit der Bank, wo-
durch die bisher zur Bedeckung bestimmten 10 Procent auf
57^ Procent herabgemindert wurden, sei dem Publicum unbe-
kannt. Zinzendorf schlug nun vor, dass die niederösterreichi-
schen Stände die Garantie, der Landmarschall die Administra-
tion übernehmen solle. Die Kosten würden sich auf 133.500
Gulden belaufen, zu deren Bestreitung blos erforderlich wäre,
dass 3V2 MilUonen unverzinsHch der Bank zufliessen würden und
gegen 4-procentige Interessen verwerthet werden. Starhemberg
und Binder befürworteten in entschiedener Weise diesen ver-
besserten Vorschlag. Eine definitive Entscheidung der Kaiserin
erfolgte jedoch nicht. ^
Erst am 5. Mai 1769 kam die Angelegenheit, welche seit
Jahren die betheiligten Kreise beschäftigte, zum Abschlüsse.*
folgen und gar leicht einen Banquerott veranlassen oder wenigstens den
Schuldner nOthigen, eine namhafte Summe beständig in der Casse liegen
zu lassen; die Landesgesetze sollten wie in England, Frankreich, Hol-
land, Niederland den Debitor begünstigen. Die Bank sollte 10 Millionen
unverzinslich und auf jedesmalige Aufkündigung zahlbare Billets aus-
stellen und zugleich Buchcredit eröffnen, jedoch nur gegen haaren Erlag
des Geldes in die Bank.
Das Schriftstück Zinzendorf s vom 26. August 1768; die Kaiserin, heisst
es in der Entschliessung (September 1768), könne ,der Bank wegen sich
unmöglich resolviren, selbe einzuführen, würde aber gerne darüber die
Ursachen weiters vernehmen, die sie eines anderen persuadiren könnten*.
Circulanter Credit, heisst es in einer g^egen Zinzendorf und für Hatzfeld
eintretenden Denkschrift, wurde in anderen Ländern von den Kaufleuten
gefordert; der österreichische Handelsstand sei noch niemals auf den Ge-
danken verfallen und würde ihn ebensowenig wie das Publicum einge-
führt wünschen; er würde demselben wohl keinen Schaden, aber auch
61
Die Vorschläge des Grafen Hatzfeld wurden genehmigt. Eine
Börse sollte errichtet, den Ländern der Amoiüsationsfond in
der bisherigen Bestimmung belassen, Aufkündigungen ange-
nommen und die aufgekündigten Capitalien nach Ablauf der
Frist rückgezahlt werden; hiezu seien die Amortisationsfonde
und die neu angelegten Capitalien von Privaten zu verwenden.
Sollten aber die Aufkündigungen höher steigen, so müsse von
Seiten der Schuldendirection eine anderweitige Hilfe verschafft
werden. Die Finanzstellen haben in Ueberlegung zu nehmen,
in welchem Lande mit den Aufkündigungen angefangen und
später fortgefahren werden soll. Die Amortisationsfonde seien
nicht zu anderen Zwecken zu verwenden und bei etwaigem Be-
darfe eher neue Schulden zu machen. Vierteljährlich sei der
Ausweis über die Verwendung der Amortisationsfonde, sowie
über den Stand der Staatsschuld vorzulegen. Zur Unterstützung
der Börse sollen nur die etwaigen Ueberschüsse des Amortisa-
tionsfondes, sowie die Einlagen bei dem Kupferamte verwendet
werden; erforderlichen Falls habe die Bank mit ihrem Credit
der Börse an die Hand zu gehen.
Gleichzeitig wurde auch die Genehmigung zur Wieder-
einführung der Banknoten ertheilt, jedoch sollte ihnen die
Eigenschaft, gegen 4-procentige Obligationen umgewechselt zu
werden, benommen sein; dieselben sollten nicht nur in allen
kaiserlichen und ständischen Cassen in ihrem vollen Werthe an
Zafalungsstatt angenommen, sondern auch bei allen Bancalcassen
in den Hauptstädten jederzeit in baares Geld umgesetzt werden
können. Diese Banknoten ' sollen nicht anders als gegen baares
Geld hinausgegeben, alle in dem Banco umlaufenden GefHIlszah-
lungen zur Hälfte in Bancozetteln entrichtet werden. Auf diese
Weise, heisst es am Schlüsse der kaiserlichen Entschliessung,
werde auch die Börse eine neue Unterstützung finden, weil ein
keinen Nutzen bringen. Auch in diesem Votum wird auf den ,unAnge-
nehmen Zwangt hingewiesen, den die Ausgabe der Zettel mit sich führen
und der Befürchtung, dass grosse Papieremissionen eintreten könnten,
Ausdruck gegeben. Die Errichtung einer Börse verwarf der Votant eben-
£idli, obwohl auch Graf Hatzfeld sich dafür ausgesprochen hatte. Bezüg-
lich der principiellen Frage, schon in Friedenszeiten für den Krieg Vor-
sorge zu treffen, wird bemerkt, dass schwerlich ein System gefunden
werden könne, wodurch dies möglich wäre. Das Votum ohne Unterschrift
Tom 9. Februar 1769.
62
Theil des für die hinausgegebenen Bancozettel eingenommenen
Geldes lediglich auf der Börse verwendet werde solle. ^
Graf Hatzfeld hatte einen vollen Sieg über seinen Rivalen
davongetragen. Von den Vorsehlägen des Grafen Zinzendorf
war die Bank beseitigt und blos die Reorganisirung der Börse
und die Wiederausgabe der Bancozettel genehmigt worden.
Die Frage über die Amortisationsfonde wurde gegen Zinzendorf
entschieden, obgleich dessen Vorschläge geeigneter gewesen
wären, dauernd Ordnung im Staatshaushalte und eine Verein-
fachung in der Verwaltung der Staatsschuld herbeizuführen.
Die Verrechnungen mit den einzelnen Gassen nahmen viel Zeit
in Anspruch. Zinzendorfs Vorschlag, die Aufkündigung von
Seite der Gläubiger zu beseitigen, entsprach jedenfalls mehr
der wirklichen Finanzlage des Staates, die sich wohl im Laufe
der letzten Jahre gebessert hatte, aber keine glänzende war,
da noch immer zur Bestreitung des Bedarfes Anlehen, wenn
auch zu einem geringeren Zinsfusse aufgenommen werden
mussten. NamentUch war es ein Verdienst des Fürsten Eaunitz,
dass die in den Niederlanden aufgenommenen Anlehen unter
günstigen Bedingungen abgeschlossen und auch die Rückzah-
lungstermine für die während des Krieges von den Ständen
geleisteten Vorschüsse verlängert wurden, wodurch sich die
Staatsbilanz günstiger gestaltete.
Durch die bisher erflossenen kaiserlichen EntSchliessungen
war blos das Friedenssystem geregelt. In Folge einer kaiser-
lichen Weisung kam nun das Finanzsystem in Kriegszeiten im
Herbste 1769 wieder auf die Tagesordnung. Ein Anlehen war
nämlich zur Bestreitung ausserordentlicher Erfordernisse noth-
wendig geworden, -und man beabsichtigte dasselbe bei den Wech-
selhäusem in Amsterdam und Genua aufzunehmen. Eine kaiser-
liche Weisung an den Grafen Hatzfeld besagte: ,Er hat den
ernsteren Gedanken dahin zu nehmen, ein solches Finanz- und
Creditsystem bald zu Stande zu bringen, durch welches nöthige
Darlehen inner Landes gefunden und wenigstens den öigenen
Unterthanen die Vortheile, so den Fremden als Provisionen und
Gewinnsätze u. s. w. zufliessen, zu Theil werden mögen.' Der
Vortrag, den Graf Hatzfeld in Folge dieses Auftrages erstattete.
^ Kaiserliche Entschliessung vom 5. Mai 1769 auf den Vortrag des Qrafen
Hatzfeld vom 6. Juni 1768.
63
beleuchtet in ausführlicher Weise seine Finanzpolitik.* Graf
Hatzfeld knüpfte an sein der Monarchin überreichtes Friedens-
system an, wofür er, wie er sagte, zum Theil die Allerhöchste
Gutheissung zu erlangen so glücklich gewesen sei. Seinen früher
gemachten Vorschlag, die Rückzahlung der Bancalschulden durch
Verloosung vorzunehmen, hielt Qraf Hatzfeld, wie er nunmehr
zugestand, nicht für räthUch, sondern sogar fUr schädlich, da
ein Sinken des Curses zu befürchten sei, weil Niemand gegen
Aufkündigung gesichert wäre. Wie wir gesehen, hatte Hatzfeld
den Ankauf der Banco-OWigationen auf der Börse in seiner ersten
Arbeit entschieden bekämpft, nun sprach er sich dafür aus,
nahm also den Zinzendorf sehen Plan auf, wodurch seiner nun-
mehrigen Behauptung zufolge der Werth der Papiere immer
mehr befestigt würde. Allerdings, setzte er hinzu, werde man
bei dem Ankauf um den Betrag des Agios mehr zahlen müssen.*
Wichtiger ist ein zweiter Vorschlag des Finanzministers.
Bei den über die Verfassung des ständischen Creditwesens an-
gestellten Betrachtungen, heisst es in dem Vortrage, habe er
gefunden, dass die Stände eines jeden Landes nur sich allein
zum Augenmerk, und zwar ohne Beziehung auf andere Länder
haben. Es sei unter denselben kein Zusammenhang, keine
gegenseitige Unterstützung, jedes Land habe nach dem Masse
seines Schuldenstandes seinen Amortisationsfond; er habe daher
einem gemeinschaftlichen Bande nachzuspüren gesucht, wodurch
das Creditwesen aller Länder einen Zusammenhang und eine
wechselseitige Unterstützung finde, weil nur durch Vereinigung
der bisher so getheilten Kräfte des Staates etwas Nachdrück-
liches und Ergiebiges zu bewirken gegründete HoflFnung sein
könnte. Dieses gemeinschaftliche Band sei die Universalschul-
dencasse und diese habe den Mittelpunkt des gesammten Cre-
ditwesens, sowohl des staatlichen als auch des ständischen, zu
bilden. In seinem früheren Vortrage hatte Hatzfeld auf die in
' Der Vortrag ist vom 17. September 1769 datirt, wurde am 4. October
1769 der Kaiserin überreicht und gelangte am 8. Jnli 1770 zurück.
' Mit der Errichtung einer BOrse waren alle Centralstellen einverstanden,
nur der Commerzienrath erhob gegen eine Bestimmung Bedenken, dass
der Kauf und Verkauf der Creditpapiere, dann der Wechselhandel an
die BSrse gebunden sein solle, allein bei einer Zusammentretung bei
dem Ffirsten Starhemberg wurde dieser Anstand nicht als bedenklich er-
kannt, und in einem Vortrage vom 17. September 1769 suchte Hatzfeld
64
Oberöstorroich eingeftlhrte Modalität bei Rückzahlung der Schul-
den hingewiesen^ und seitdem ging man auch in Mähren in
ähnlicher Weise vor. Böhmen sollte zuletzt an die Reihe
kommen^ da bei der grossen Schuldenmasse des Landes die
Aufkündigungen beträchtlicher sein werden. Die Universal-
schuldencasse in Wien hatte bisher blos die Besorgung der
ausländischen Schulden; die ihr zugewiesenen Fonde reichten
aber nur Eur Verzinsung hin. Um auch die Fristzahlungen
einhalten zu können, sollten die Einlagen bei den ständischen
(-assen und die nicht zur Verwendung gelangenden Beträge
der Amortisationsfoude herangezogen werden, wodurch nach der
Meinung Hatzfeld^s ausländische Anlehen grösstentheils ver-
niiedou und die bestehenden vermindert werden könnten. Auch
von den Einlagen bei der Kupferamtscasse war seiner Meinung
nach eine nicht geringe Aushilfe zu erwarten.
Per Hauptondzweck, bemerkte Hatzfeld am Schlüsse seiner
Dariegungen, welchen man durch die Festsetzung eines Credit-
sY$tems zu erreichen trachte, sei, den allgemeinen Credit des
Staates blühend zu machen und die Geldinhaber zur Beibrin-
gung ihrer Baarsohaft anzulocken, damit der Staat durch inner-
liches Vermögen in Stand gesetzt werde^ seine Auslagen zu
bt\»lreiten, ohne eines ausländischen Darlehens zu bedürfen.
Dit*^ könne jedoch nur durch zwei Mittel erreicht werden:
dur\*h Krweckung des Zutrauens und der Vorliebe. Das Zu-
trauen, meinte er, sei sowohl bei In- und AusISndem bereits
so gut befestigt^ dass vielleicht kein Staat in Europa diesfalls
sich eines Vor<ugt*s rilhmen könne« die Vorliebe jedoch sei
nickt in s\>Ichem i^rade w^rhanden« die jeiloch leicht za erlangen
wäre« wenn dem licldiuhal^r die voUkommene Bequemüclikeit
V^HBi^y y^»m»»k <tm»rf»W%cit; iIik iV«inK*« »««»tf4«tt Hurfilt ^mk
IhttdtMmm )lai%ft nn»w>fc ^"«iMii >>«(4» mh ), A|«xl im
65
verschafft werde, seines Geldes im Falle der Nothwendigkeit
wieder habhaft werden zu können, sodann wenn ihm die Frei-
heit belassen werde, flir baares Geld jene Papiere zu erlangen,
welche er zu seinem Gebrauche am fUrträglichsten erachte.
Durch die vorgeschlagenen Mittel hoffe er ausländische Anlehen
zu vermeiden; die ausserordentlichen Ausgaben des Staates
dürfen jedoch nicht zu übermässig sein, und wenn ausserordent-
liche Hilfe nothwendig sei, habe er die Absicht, dieselbe bei
den Unterthanen der Kaiserin in Wälschland und in den Nieder-'
landen zu erlangen. Da diese beiden Staaten nicht als aus-
ländisch, sondern als ein Theil der österreichischen Monarchie
anzusehen sind, sei auch kein Bedenken, bei etwaigem Abgange
in den deutschen Finanzen dort die Unterstützung zu suchen;
in den hiesigen Ländern aber ein ordentliches Anlehen aufzu-
nehmen, wäre in Friedenszeiten niemals räthlich.
Ueber diese Anträge wurden die Gutachten der Staats-
räthe abgefordert. Stupan sprach sich gegen dieselben aus:
In der eingebildeten Freiheit und Unabhängigkeit der Stände
von dem Camerale bestehe der Hauptcredit, der einem jeden
Lande zugewiesene Amortisationsfond sei den Ständen zur Til-
gung ihrer Schulden zu belassen. Starhemberg äusserte sich
dahin, es fehle dem System Hatzfeld's ,an einem wahren End-
zweck und an der Verbindung seiner verschiedenen Theile^,
dass davon kein Nutzen zu erwarten sei; für den Krieg sei es
nicht ausreichend.^ Auch Bori^ erklärte sich dagegen. Diese
Universal-Schuldencasse, behauptete er, sei nur eine Cameral-
casse, das Publicum setze aber auf den Cameralcredit kein Ver-
trauen, sondern ziehe den Credit des Banco und jenen der
Stände vor. Auch verwarf Borie den Antrag auf Unterstützung
des einen Landes dui-ch das andere: der Ländercredit würde
zerfallen, wenn die Länder verhalten werden sollen, einander
auszuhelfen; wenn ein Land eine Unterstützung nöthig hätte,
' In einem Votum Tom 3. Norember 1769 sprach sich Starhemberg noch
schärfer über das Friedenssystem Hatsfeld^s vom 17. Herbstmonat 1769
aas: es sei bereits im Vorjahre eingereicht worden und so beschaffen
angesehen worden, dass man nicht einmal in eine Widerlegung desselben
eingehen zu sollen erachtet hat, weil es auf den gänzlichen Umsturz
aller seit einigen Jahren in dem Creditsystem getroffenen Einleitungen
gerichtet gewesen.
ArebiT. LXXXII. Bd. I. H4Ifte. 6
66
so wäre dieselbe von dem Universo des Staates^ d. h. von der
Hofkammer zu leisten; das in Mähren eingeführte System sei
auf andere Länder nicht auszudehnen; nie könne die Aufkündi-
gung von Schulden in Friedenszeiten für den Credit gut wirken,
wenn dieselbe mit neuen Einlagen in Verbindung gebracht
wird; dies wäre nur eine neue Schuldenhäufung.
In einer Sitzung des Staatsrathes am 6. Juni 1770 wurden
die Vorschläge des Grafen Hatzfeld nochmals erörtert. Die
Vermischung des ständischen Credits mit dem Cameralcredit
wurde für bedenklich erklärt; durch die neuen Einlagen bei
den ständischen Gassen würde eine Vermehrung der Schulden
eintreten. In Mähren habe man dies wohl gestattet, aber nur
insoweit, als Aufkündigungen vorkommen; der jedem Fonde zu-
gewiesene Tilgungsbetrag sei zur Verminderung der Scnulden
zu verwenden; die Verbindung des ständischen Gredits mit
der Staatsschuldencasse sei zu vermeiden. Indess fand am
12. Juni 1770 auf Wunsch des Grafen Hatzfeld abermals eine
Sitzung statt. Den Vorsitz führte die Kaiserin; anwesend waren:
Blüraegen und Hatzfeld, die Staatsräthe Borie, Binder und
Gebier, ferner die Secretäre Kohler und Knoch. Hatzfeld setzte
mündlich seinen Plan ausführlich auseinander; sein Ziel sei,
ausländische Schulden zu vermeiden; die inländischen Fristzah-
lungen sollen durch die neuen Einlagen bei den ständischen
Gassen bestritten werden, und nur, wenn der Amortisationsfond
nicht ausreiche, werden die Gelder der verschiedenen Gassen
herangezogen werden; auch etwaige ausserordentliche Bedürf-
nisse sollten durch diese Einlagen bestritten werden. Die Noth-
wendigkeit hiezu wurde durch die Thatsache erhärtet, dass
der der Bank zugewiesene Amortisationsfond, zur Rückzahlung
der Schulden bestimmt, zu anderweitigen Bedürfnissen ver-
wendet worden war und erst seit dem 1. November 1769 zur
Schuldentilgung wieder zur Verfiigung stand. Graf Hatzfeld
erklärte sodann, monatliche Ausweise vorlegen zu wollen. Der
Staatsrath stimmte nun den Vorschlägen des Finanzministers
bei; eine Börse sollte errichtet werden; nur die Entscheidung
über die Ausgabe der Zettel wurde vertagt, nachdem Binder
die Anregung gemacht hatte, die Errichtung einer neuen Bank
einer Privatgesellschaft nach dem dänischen Vorbilde gegen die
Verbindlichkeit zu überlassen, im Kriegsfalle einige Millionen
dem Staate zur Verfugung zu stellen.
67
Die kaiserliche EntSchliessung modificirte in Folge der
staatsräthlichen Begutachtung in einigen Punkten die Anträge
Hatzfeld's. Principiell habe die Anordnung in Kraft zu bleiben,
wonach der Amortisationsfond jährlich zur Verminderung der
Baneoschulden verwendet werden sollte, und zwar zunächst zur
Rückzahlung der aufgekündigten Capitalien und für die noch
aushaftenden Fristzahlungen; nur mit dem erübrigenden Reste
des Amortisationsfondes sei die Tilgung in anderer Art zu bewir-
ken, und zwar, so lange das Agio der Bancopapiere nicht höher
als P/4 Procent stehe, könne der Aufkauf nach dem Antrage
Hatzfeld's erfolgen, bei höherem Agio habe die Aufkündigung
einzutreten, und zwar zunächst der ältesten Obligationen je nach
dem Zeitpunkte, wann dieselben ausgestellt wurden, in viertel-
jährigen Raten. Die Verbindung der ständischen Creditfonde
und der Universal-Staatsschuldencasse wurde genehmigt, imd da
durch diese Massregeln die Hebung und ,fortwürrige' Befesti-
gung des Credits und die Verminderung der fremden Darlehen,
ftlr künftighin aber die möglichste Vermeidung derselben be-
zweckt werden sollten, sprach die Kaiserin die Erwartung aus,
dass der Minister ,zu diesem Endzweck die Anstalten in dem
Creditwesen durch seine kluge Direction zu leiten sich ange-
legen halten werde', namentlich sollten ihr Ausweise über die
Einlagen, die Verwendung derselben, überhaupt über die ge-
sammte Staatsschuld monatlich zur Einsicht vorgelegt werden.
Wenn in kriegerischen, überhaupt in kritischen Zeiten die
Aufkündigungen wider Vermuthen sich nicht fortsetzen Hessen,
sollen die Amortisationsfonde aus sämmtlichen Ländern hieher
gezogen und zum Aufkaufe der Papiere auf der Börse ver-
wendet werden, um ,deren Abfall mögUchster Dingen zu steuernd
BezügUch der Cameral-Creditcassen wurden die Anträge eben-
falls genehmigt.
In einem neuen Vorschlage, für Kriegszeiten Vorkehrungen
zu treffen, nahm Graf Hatzfeld abermals einen von Zinzendorf
angeregten Gedanken auf: keine Bank als dauernde Einrichtung,
sondern nur eine Depositenbank für die Zeit des Krieges, so-
dann die Ausgabe von Bancozettel schon während des Friedens,
um während des Krieges davon ergiebigen Gebrauch zu machen.
Die Bancozettel sollten in Banco-Obligationen, denen ein höherer
Zins als der übUche von 4 Procent zugestanden werden sollte,
umg^ewandelt werden können 5 auch sollten dieselben bei den
6*
68
öffentlichen Gassen als baares Geld angenommen werden. Hatz-
feld drang aber mit diesem abgeänderten Plane Zinzendorf s
ebenfalls nicht durch. Der Banco di deposito stiess auf Beden-
ken^ aber der Finanzminister forderte sodann im Gegensatze zu
seiner früheren Ansicht, mit der Einführung der unverzinslichen
Banknoten schon in Friedenszeiten in der Absicht den Anfang
zu machen, um sich von der Verlässlichkeit der Operation fllr
künftige Eriegszeiten um so mehr versichern zu können.^ Die
Kaiserin forderte durch Handschreiben vom 11. October 1770
die Vorlegung einer besonderen Ausarbeitung, wie Hatzfeld ,die
ganze Einrichtung mit diesen Bancozetteln zu fassen gedenket'
^ Eine aus früherer Zeit herrührende und wahrscheinlich g^egen Zinzen-
dorf gerichtete Denkschrift Hatsfeld*s liegt vor, worin er entschieden
gegen Papiergeld Front machte, ^er eigentliche circulante Credit ist,
wann ein solches Papier in den Umlauf gesetzt wird, welches in sich
Geld vorstellt und in allen grossen und kleinen Käufen als Geld gebraucht
werden kann. Dieser ist nur in jenen Ländern fürträglich, wo der Handel
und Wandel mit der Geldmasse nicht in einem gewissen Gleichgewicht sich
befindet und letztere nicht hinlänglich ist, die aus dem Commercio lau-
fenden Zahlungen zu leisten, wo aber die Geldmasse grosser als die An-
wendung ist, folgsam das Commercium sich noch nicht so sehr ausge-
breitet, um eine grilssere Geldmasse zu erfordern, als von dem Staat be-
sessen wird, so führt ein dergleichen eirculanter Credit das Uebel mit
sich, dass er das Geld gleichsam verschwinden mache. Folgende Gründe
überzeugen mich dieser Wahrheit. Ein Papier, was keinen Nutzen
bringet, ist niemahlen den Privatis so angenehm als wie das Geld, weil
letzteres nebst dem äusserlichen auch den innerlichen, ersteres aber
lediglich den äusserlichen Vortheil hat. Es folgert sich daraus, dass der-
jenige, welcher Papier und Geld besitzt, alle Zahlungen, soweit er da-
mit rechnen kann, mit Papier leistet, mithin lauter Papier und kein
Geld iu Cnrs kommt. Zweitens, wenn die Geldmasse durch das Papier
dergestalten vermehrt wird, dass sie keine nützliche Anwendung in
dem Staat findet, so führt dessen Inhaber solche ausser dem Land; da-
selbst kann er sich deren Papiere, weilen sie nicht gelten, nicht bedienen,
er muss also das Geld ausser Land versenden, und die Papiere allein
bleiben im Staate zum Umlaufe. Nun scheint mir die Geldmasse in dem
Osterreichischen Staate noch beständig hinlänglich zur Bestreitung des
Negotii zu sein, welchem nach zu vermuthen ist, dass die Einführung
eines wahrhaft circulanten Credites, wenn er mit Zwang vergesellschaftet
ist, alles baare Geld aus dem Umlauf ziehen dürfte.*
' Handschreiben der Kaiserin an Hatzfeld vom 11. October 1770: ,Nach-
deme Er mir in seinem Vortrage vom 5. October die bei der vorgeschla-
genen Errichtung eines Banco di deposito vorgefundenen Bedenken mit
mehreren eröffnet, dabei aber nochmals auf dem Antrag bestanden, daas
69
Bereits am 30. October 1770 erstattete er einen Vortrag. Man
solle^ legte er dar^ das Publicum an diese Gattung Papier ohne
Zwang dergestalt gewöhnen^ damit solche gleich baarem Gelde
sich im Umlaufe erhalten und daher bei Ausbruch eines Krieges
in grösserer Anzahl ausgegeben werden können^ um bei Zah-
lungen des Aerars Verwendung zu finden. Bei Ausbruch eines
Krieges brauche man nur die Vergilnstigung zu gewähren, dass
sie in 47j-procentige verzinsliche Banco- Obligationen umgesetzt
werden können. Es sei kein Zweifel, dass sie dann mit Begierde
gesucht würden. Die Kaiserin genehmigte zur Einführung des
unverzinslichen Papiergeldes die ungesäumte Veranstaltung zu
machen, der Geldbetrag jedoch, welcher für die in Friedens-
zeiten im Umlauf sich erhaltenden Banknoten einfliesse, sei baar
in der Casse zu behalten. Erwähnung verdient eine Bemerkung
Hatzfeld's in einem Vortrage vom 11. December 1770, es sei
nicht zu befürchten, dass bei den Banknoten ein beschwerUches
Agio jemahlen statthaben könne, da nicht nur die Bequemlich-
keit, solche von den Bancozettelcassen zu erhalten, dieses ver-
hindern werde, sondern auch die gegründete Hofinung sei, dass
diese Billets wegen ihrer Bequemlichkeit durch Kauf und Ver-
kauf sich wie baares Geld solchergestalt ausbreiten werden, dass
sie allerorten anzutreffen sein werden.
Durch Patent vom 1. August 1771 wurde die Ausgabe
neuer Bancozettel verfügt. Im Eingange desselben wird be-
merkt, dass die 1762 ausgegebenen Bancozettel bis auf einen
kleinen Betrag aus dem Verkehre gezogen seien; der grösste
Theil sei gegen Banco-Obligationen umgetauscht worden. Der
am 15. Juni 1762 ergangene Befehl, dass bei allen Gefällen,
die vom Stadtbanco verwaltet werden, alle Zahlungen wenig-
stens zur Hälfle in Bancozetteln entrichtet werden sollen, sei
durch einige Zeit nicht befolgt worden. Diese Verordnung
werde erneuert; imi dem Publicum die Vortheile und Bequem-
mit EinfÜhmng der onverzinslichen Banconoten schon bey dermaligen
Friedenszeiten in der Absicht der Anfang zu machen, um sich von der
Verlässlichkeit der Operation für künftige Kriegszeiten um so mehr ver-
sichern zn können.
JRo will Ihme in dessen Verfolg mitgeben, Mir hierüber die be-
sondere Ausarbeitung, wie Er die ganze Einrichtung mit diesen Banco-
zetteln zu fassen gedenket, demnächstens zu Meinem weiteren Entschluss
zu überreichen.*
70
lichkeit, welche Bancozettel bieten, wieder zu verschaffen, sei
der Auftrag ergangen, neuerdings im Gesammtbetrage von
12 Millionen Bancozettel auszustellen, die in Stücken von 5, 10,
25, 50, 100, 500 und 1000 Gulden auszugeben sind. Diese
Zettel konnten jedoch nicht, wie jene von 1762 gegen Banco-
Obligationen umgetauscht werden; sie sollten nur gegen baares
Geld abgegeben und an den Staatscassen wie baares Geld an
Zahlungsstatt angenommen werden. Zwangscurs besassen sie
nicht. Ihre Annahme im Privatverkehr war ,willkürlich^ Banco-
abgaben mussten zur Hälfte in Zetteln entrichtet werden. Es
wurden ihnen alle Vorrechte wie den Wiener Stadtbanco-Obli-
gationen eingeräumt. Nachahmung und Verßllschung wurde
mit der Todesstrafe belegt.^
IV.
Seit Herstellung des Friedens im Jahre 1763 war die Re-
gierung ernstlich bemüht, Ordnung in den verworrenen Staats-
haushalt zu bringen, und die von dem Präsidenten der Hof-
kammer Ludwig Grafen Zinzendorf geHeferten umfassenden
Arbeiten ermöglichten es erst, einen klaren Einblick in die Ein-
nahmen und Ausgaben des Staates zu gewinnen. Die Kaiserin
Das Patent deutsch und lateinisch. Die Stückelung war folgende:
5 Gulden gleich 3 Millionen
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600.000 Stück
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200.000
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n
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20.000
n
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m
« 100
4.000
n
n 600
2.000
yt
„ 1000
m
Summa 876.000 Stück gleich 12 Millionen.
Um dem Bedürfnisse des Publicums Kechnung zu tragen, mit Be-
quemlichkeit Bancozettel für baares Geld und umgekehrt erhalten zu
können, wurden Bancozettelcassen errichtet, ausschliesslich zum wechsel-
weisen Umtausch bestimmt, und zwar eine Hauptcasse in Wien und Banco-
zettelcassen in den Provinzen. Letztere sollten von den Bancaladministra-
tionen, jedoch abgesondert von den übrigen Gefällen verwaltet werden.
Femer wurde eine Reservecasse errichtet, welche die ganze Summe
von 12 Millionen mit einem Ueberschusse zur Auswechslung der ab-
genützten Bancozettel von der Druckerei zu übernehmen und den nOthigen
Verlag an die Bancozettelcassen zu befördern hatte.
71
forderte auch dringend^ dass die Finanzpräsidenten alljährlich
eine Staatsbilanz vorlegen und Anträge über die Vermehrung
der Einnahmen und Ersparung der Ausgaben stellen sollen.
Das Centralhauptbuch sollte alljährlich abgeschlossen , von den
Finanzstellen adjustirt und der Kaiserin vorgelegt werden.* Was
die Einnahmen anbelangt, so reichten dieselben fiir den Staats-
aufwand nicht hin, da das mobile Capital zm* Steuerleistung
nicht in entsprechender Weise herangezogen wurde und die
Verzehrungssteuem ergiebige Erträge nicht abwarfen, auch flir
die staatlichen Finanzen nicht völlig zur Verfligung standen, da
sie zum Theil den Ländern zur Verzinsung der Ländei*schulden
tiberwiesen worden waren.
Der Hofstaat blieb ziemlich kostspielig, trotz mannigfacher
Beschränkungen in der zweiten Hälfte der Regierung Maria
Theresias, und Graf Hatzfeld machte der Monarchin wegen
allzu starker Inanspruchnahme der Finanzen wiederholt Vor-
stellung. Die präliminirten Summen reichten nicht aus, und flir
die ausserordentlichen Fälle waren die Ansprüche nicht unbedeu-
tend und bereiteten dem Finanzminister vielfache Schwierig-
keiten; so die Königskrönung Josefs, die Verheiratung der
Kinder.*
Mit dem reinen Gewinne, der sich durch die im Umlaufe zurück-
bleibenden Bancozettel an den zu ihrer Realisirung' gewidmeten Summen
ergäbe, sollten nach dem ersten Antriige verzinsliche Staatspapiere ein>
gel($8t werden, welcher Antrag aber durch Allerhöchste Entschliessung
dahin abgeändert wurde, dass die Regie- und Manipulationskosten der
Bancosfiettelcassen damit bestritten und der Ueberschuss aufbewahrt wer-
den solle.
^ Kaiserliche Entschliessung auf Vortrag Hatzfeld's vom 9. August 1770.
' Zahlreiche Handbillete an den Grafen Hatzfeld, der unermüdlich auf
Sparsamkeit drang, gewähren uns einen Einblick in die Anforderungen.
Für die ,Kuchelwirthschaft* waren 342.000 Gulden angesetzt; ein Hand-
schreiben vom 18. Deoember 1762 besagt, dass damit das Auslangen nicht
gefunden werden könne, eine Forderung der Hoflieferanten im Betrage
von 71.651 Gulden sei ausständig, Erhöhung um 80.000 Gulden wurde
daher angeordnet Am 20. November 1763 war für das Hofküchenamt
eine Forderung von 110.000 Gulden rückständig. Für das Futteramt,
für Jagd- und Lustreisen wurden ebenfalls grössere Beträge in Anspruch
genommen. Nicht selten konnten auch kleinere Summen nicht berichtigt
werden, so z. B. für LOschrequisiten in Hetzendorf, ^xtrahofauslagen*
inussten von dem Finanzminister bestritten werden, so bei dem Tode
Isabellas, der Gemahlin Josefs, 8454 Gulden fiir ,Hof- und Trauer-
unkosten*.
72
Die grossen Anforderungen von Seiten des Hofkriegsrathes
machten alle Voranschläge zu nichte. Die Herabminderung
der Kosten für das Heer wurde öfters in Erwägung gezogen,
eine bestimmte Summe ftlr die Bedürfnisse desselben festgestellt,
aber selten reichte sie aus, und alljährlich wurden grössere
Beträge in Anspruch genommen, als präliminirt worden waren.
Zu wiederholten Malen wurden Berathungen über die Herab-
minderung des Heeres angestellt, ohne jedoch durchzudringen.
Auch Kaunitz sprach sich einmal in einem Votum dagegen aus.
Das Contributionale, meinte er, würde um so weniger zu er-
schwingen sein, wenn sich die Circulation des Geldes durch die
Militärreduction vermindern würde.
Nach Beendigung des dritten schlesischen Krieges wurde
der Normalbetrag fUr das Heer auf 16 Millionen festgesetzt,
jedoch in der Regel tiberschritten, und die Kaiserin tiberwies bis-
weilen Summen, tiber welche sie das Verfligungsrecht sich vor-
behalten hatte, an die Kriegsverwaltung. Später war es Lascy,
der für die Heeresbereitschaft entschieden eintrat. In einem
Votum vom 20. März 1769 bemerkte er: Als der dritte schle-
sische Krieg anfing, sei die Armee der Zahl und den Eigen-
schaften nach keineswegs so beschaffen gewesen, dass mit der-
selben dem Feinde unter die Augen hätte getreten werden
können; es habe noch an den nöthigen Magazinen und Vor-
räthen gefehlt. Man mtisse sich daher im Frieden für den Krieg
vorbereiten.
Die Pensionen erheischten grosse Beträge, die sich jähr-
lich steigerten. Bis zum Jahre 1762 wurden dieselben nur auf
eine bestimmte Zeit bewilligt, und die betreffenden Personen
mussten sodann um die Verlängerung einschreiten. Der Grund
war, weil man dadurch die Ueberzeugung gewinnen wollte, dass
die Personen noch leben und sich in dtirftigen Umständen be-
finden. Bei jeder neuen Bewilligung tiber den Fortbezug hatten
die Pensionisten einen Taxabzug von 5 Procent zu entrichten.
Durch die EntSchliessung vom 22. Mai 1762 auf den gemein-
schaftlichen Vortrag von Herberstein, Hatzfeld und Zinzendorf
sprach die Kaiserin ihre Geneigtheit aus, wenn den etwaigen
Unterschleifen mit VerlässUchkeit abgeholfen werden könnte,
davon abzusehen. Die Kaiserin forderte eine voUständige Re-
gulirung des Pensionswesens. Ein ,beständiges Regulativum'
sollte dergestalt festgesetzt werden, damit aller tibermässige
73
Aufwand vermieden, folglich ,dem Aerar die Bürde dieser so be-
trächtlich angevachsenen Auslagsrubriken möglichst erleichtert
werde'. Unregehnässigkeiten mancherlei Axt hatten sich einge-
schlichen. Personen, die bei ihrer Pensionirung bestimmte
Summen zugewiesen erhalten hatten, bezogen dieselben nach
ihrer Wiederanstellung nebst ihrem Activitätsgehalte weiter
fort, obgleich die Verfügung aufrecht bestand, dass die Pension
aufhören solle, sobald der Pensionist eine anderweitige Besol-
dung erlangt habe. Es kamen Fälle vor, dass jemand eine
Pension von 1000 Gulden neben 4000 Gulden Gehalt bezog;
Verstorbene wurden in den Pensionslisten weitergeführt; Gross-
jährige bezogen ebenfalls den ihnen während ihrer Minderjährig-
keit bewilligten Gnadengehalt. Ein umfassendes Handschreiben
an den Grafen Herberstein vom 12. Mai 1762 enthielt die
wichtigsten Bestimmungen, welche zukünftig massgebend sein
sollten. Ebenso wichtig war ein Handschreiben vom 30. April
1765, welches den Gesammtbetrag für Pensionen auf 1 Mil-
lion Gulden festsetzte, und zwar 300.000 Gulden für das Militär
500.000 Gulden flir die Cameral- und Civilpensionen, 150.000
Gulden für Minister und Hofleute; den Rest von 50.000 Gulden
behielt sich die Kaiserin zu ihrer Diposition vor. Diese im
Laufe der Sechzigerjahre festgestellten Normen wurden jedoch
nicht strenge eingehalten, und die Kaiserin selbst ging von den
von ihr verfügten Bestimmungen ab, indem sie einzelnen Per-
sonen bedeutendere Pensionen zuwies, als dieselben normal-
massig erhalten konnten.
Die Lücke in den Einnahmen musste durch Credit aus-
geftült werden. Indess gelang es ohne Mühe, die erforderlichen
Mittel zu beschaffen. Der Staatskanzler Fürst Kaunitz unter-
stützte die Finanzverwaltung, indem durch seine Vermittlung
von dem Hause Nettine nicht unbedeutende Summen zur Ver-
fügung gestellt wurden. Auch italienische und niederländische
Häuser übernahmen bereitwillig die Aufbringung von Anlehen,
jedoch machten es kaiserliche EntSchliessungen der Finanzver-
waltung zur Pflicht, im Inlande die erforderlichen Summen zu
beschaffen.^ Den Staatscassen sowie den Ländercassen wurde
' Da es alleseit dem Staate schädlich and Meinen Unterthanen betrüblich
fallen moss; wann immerzu neue, fremde Darlehen aufgenommen werden,
to ist oDumgänglich nOthig, dass diesem immer hoher steigenden Uebel
74
die Befiigniss eingeräumt^ rückzahlbare, gegen 4 Procent ver-
zinsliche Einlagen ^einzusammeln^, wovon das Publicum aus-
giebigen Gebrauch machte, und da die Einlagen die Rückzah-
lung überstiegen, war es möglich, alte Schulden abzustossen.
In Mähren wurde damit seit dem 8. October 1769 begonnen,
und die anderen Länder folgten. Am 1. November 1769 wurde
hinsichtlich der vor zwei Jahren mit den Ständen geschlossenen
Recesse über die Rückzahlung der Schulden die Bestimmung
getroffen, dass nur jene Capitalien rückzuzahlen sind, welche von
den Parteien aufgekündigt werden, der Rest des zugewiesenen
Amortisationsfondes, sowie neue Capitalseinlagen bei der all-
gemeinen Staatsschuldencasse gegen 4-procentige Schuldverschrei-
bungen anzulegen sind. Von den recessirten Schulden wurde in
den nächsten Jahren nur ein Theil zurückgezahlt ^ Die etwaigen
Ueberschüsse dieser Ländercassen wurden bei der Staatsschul-
dencasse als ein Activum angelegt. Die Brünner Bürgerschaft
führte darüber Klage, indem durch dieses Creditsystem die Auf-
bringung von Darlehen erschwert werde. Die Einlagen nahmen
in der nächsten Zeit bei den verschiedenen Gassen zu und
stiegen im Jahre 1776 auf 8,579.000 Gulden, und da die Staats-
einnahmen nicht blos fUr die laufenden ordentlichen, sondern
auch für die ausserordentlichen Ausgaben voraussichtlich ge-
nügten, stellte Graf Kolowrat den Antrag, die Zinsen auf
3^2 Procent herabzusetzen. Die Genehmigung erfolgte, jedoch
mit der Weisung, keine Kundmachung zu erlassen, sondern
die Beamten hätten den Einlegern zu bedeuten, dass von nun
Abgeholfen werde. Die Finansstellen haben also über diesen wichtigen
Gegenstand die Berathung zu pflegen und Mir sodann den diesfSlligen
Vortrag zu erstatten. Kaiserliche Entschliessung auf Vortrag vom 1. März
1768. Als von Seite der Fiuanzstelleu darauf hingewiesen wurde, dass
dies mit Schwierigkeiten verbunden sei, erfolgt die Weisung: Es ist sich
von der Aufnahme fremder Capitalien, ausser wenn Ich hierzu die aus-
drückliche Begnehmigung ertheilen sollte, gänslich zu enthalten. Vor-
trag vom 25. April 1768.
^ Die Einlagen sollten zur Bildung einer Reservecasse verwendet werden
im Betrage von 8 Millionen; erst im Jahre 1776 wurde dieses Ziel er-
reicht Die 1767 abgeschlossenen Recesse, auf zehn Jahre vereinbart,
wurden noch einmal erneuert, sodann ,tacite* fortgesetzt, die »wirkliche
Erneuerung* auf ruhige Zeiten verschoben. 1789 wurde die Aufkündi-
gung sistirt.
75
an eine geringere Verzinsung platzgreife; auch habe sich diese
Herabsetzung nur auf neue Einlagen zu erstrecken. ^
Der erste mit einem Ueberschusse abschliessende Staats-
veranschlag wurde der Kaiserin am 22. Februar ftlr das Militär-
jahr 1775 überreicht. Es ergab sich nach Bedeckung sämmt-
licher Ausgaben ein Plus von 522.000 Gulden, und der Finanz
minister sowie der Präsident der Rechenkammer machten auf
diese ,sich zum ersten Male ereignete gedeihliche Lage der
Finanzen' aufmerksam und stellten den Antrag, ,dass von den
durch den hergestellten inländischen Credit einfliessenden Baar-
Schäften für alle unvorhergesehenen Zufälle eine Summe von
8 Millionen als ein unvorgreiflicher Vorrath hinterlegt werden
möge^ ,Da die Zufklle niemals vorgesehen werden können/ be-
merkte der Hofkaramerpräsident, , welche einen ausserordent-
Uchen Aufwand nach sich ziehen, gerathe man bei dem Eintritt
derselben in Verlegenheit, die Geldinhaber ziehen daraus Vor-
theil, und man müsse sich ihren Bedingungen unterwerfen. Er-
halte aber das allgemeine Schicksal eine längere Dauer, so
wachse der Geist des Wuchers mit jedem Tage, und den
Finanzen bleiben wenige Auswege übrig, den reissenden Wir-
kungen dieses Ungeheuers Einhalt zu thun.' HiefUr liefere der
letzte Krieg Belege genug. Man habe alle Regeln der Finanz-
wissenschaft aus den Augen gesetzt und solche Bedingungen
eingehen müssen, deren SchädUchkeit der Wohlfahrt der Unter-
thanen ausserordentUch geschadet habe. Der Vortheil sei gross,
da die Finanzen sich in der Lage befinden, den ausserordent-
lichen Aufwand ohne fremde Hilfe wenigstens für eine gewisse
Zeit aus eigenen Kräften zu bestreiten.* Die Kaiserin war wohl
principiell damit einverstanden, allein sie ertheilte die Weisung
dass dieser Cassavorstand, wie sie sich ausdrückte, nicht zu einer
solchen Grösse anwachse, wodurch dem Staate eine allzu grosse
Interessenbezahlung aufgebürdet und der allgemeinen Geldcircu-
lation eine allzu grosse Geldmasse entzogen würde.* In den
nächsten Jahren mehrten sich die Cassabestände auf 14,180.000
Qnlden, was die Kaiserin zu hoch fand, 7 Millionen seien
• Undatirter Vortrag (März 1777). Die Weisung erfolgte an einige Gassen
am 12. März 1777.
• Vortrag vom 24. December 1776.
• Vortoig vom 26. Februar 1776.
76
genügend. Graf Kolowrat bat, ihn der Verpflichtung zu über-
heben^ sich blos auf diesen Betrag beschränken zu müssen,
mit dem Hinweis auf ausserordentliche Fälle, die eintreten
könnten. ,Wir beede/ schrieb Maria Theresia eigenhändig auf
den Vortrag — (sie meint sich und Josef) — ,haben das billige
Vertrauen zu seiner guten Verwaltung, dass wir es approbiren.' ^
Diese günstigen Verhältnisse dauerten leider nur kurze
Zeit. Seit Beginn des Jahres 1778 musste mit der EventuaUtät
kriegerischer Verwicklungen gerechnet werden, und die Kai-
serin ertheilte dem Grafen Kolowrat mündlich den Auftrag, ,80
viele Darlehen aufzubringen, als die Kräfte des Credits es ver-
mögend So gefestet war der Credit Oesterreichs, dass von
Frankfurt und Holland Anträge an die Regierung gelangten.
Aus der deutschen Reichsstadt wendete sich das Haus Beth-
mann an den Grafen Hatzfeld mit einem Schreiben vom 12. Juni
1778: es habe aus den Zeitungen ersehen, dass der Hof be-
schlossen habe, Geld zu 4 Procent aufzunehmen, und erklärte
seine Bereitwilligkeit, bei verschiedenen Freunden einige Posten
aufzubringen in der Hoffnung, durch das Wohlwollen des Grafen
Hatzfeld eine Provision zu erhalten. In der That hatte das Haus
Bethmann seit October 1778 nicht unbeträchtliche Summen für
den österreichischen Staat aufgenommen; es blieb auch seitdem
in inniger Geschäftsverbindung mit der Regierung und konnte
unter Josef als der hervorragendste Banquier derselben an-
gesehen werden.
* Vortrag vom 12. Homung 1778.
EXCÜRSE.
I.
Baron Wiesenhtttten.
Seit Ende des Jahres 1743 wai* die finanzielle Lage eine besonders
traurige, da alljährlich zui* Bestreitung des Heeresbedarfes beträchtliche
Summen zn beschaffen waren. Für die nächste Zeit waren 10 Millionen
erforderlich, deren Aufbringung nicht leicht war. Bei den Berathungen
wurde der Wunsch ausgesprochen, dass man sich ,in hostico Mehreres
ausbreiten und andurch sowohl an Geld als naturali ergiebige Erleichte-
rung finden möge^ Sämmtliche Gutachten stimmten darin überein, von
den Cameralgütem Alles hintanzugeben, die ohnehin geringen Nutzen
abwerfen und zu hohen Preisen anzubringen wären. Vomehnüich wurde
auf das Frickthal hingewiesen; zwei Voten brachten den Verkauf der
geforsteten Grafschaft Gradisca in Vorschlag, ferner die Buig Cilli, die
Ticedomischen Gülten in Krain, die Herrschaft Adlersberg, die Jagd-
barkeiten in Vorderösterreich, wenn sie nur Käufer finden, die Vei^wand-
lung der tirolischen Pfandschaften in Lehen u. dgl. m. ; ferner wurden
Anticipationen auf Quecksilber und Kupfer in Voi*8chlag gebracht, ersteres
in England, letzteres in Holland gesucht; in zwei Gutachten wurde bean-
tragt, die Güter derjenigen in Böhmen, die in feindlichen Diensten stan-
den, zu sequesti-iren. (Aus einem Vortrage Dietrichstein' s vom 29. No-
rember 1743.) Jahrelang blieben die Beamten ohne Gehalt. Die Kaiserin
befahl, die ,un verschuldeten GeföUeS d. h. diejenigen, die nicht verpfän-
det waren, zusammenzusuchen und zur Besoldung zu verwenden. Die
zur VerftkguDg stehenden Beti'äge reichten jedoch nicht aus. Erforderlich
waren 1,747.000 Gulden, während blos 1,580.000 Gulden zusammen-
gebracht werden konnten. (Vortrag vom 23. Februar 1743.)
Die Verlegenheiten steigeiien sich, da die bewilligten hollän-
dischen Subsidien nicht immer rechtzeitig einliefen, indem einzelne
78
Provinzen mit ihrer Zustimmung zögerten, auch die üebermittlnng der
englischen Gelder nicht selten mit Schwierigkeiten verbunden und die
Umwechslung zeitweilig nicht leicht zu bewerkstelligen war. Vorschüsse
auf die von dem englischen Parlamente votii*ten Beträge konnten von
den Wiener Wechslern bei der geringen Capitalskraft derselben nicht in
der gewünschten Höhe gewährt werden.^ Ende 1744 wurden deshalb
Berathungen gepflogen, um die erforderlichen Beträge mit Yerlässiich-
keit zu beschaffen. Eine umfassende Arbeit Bartenstein^s, »Anmerkun-
geu' betitelt, bildete in einer Commissionssitzung auf Befehl der Kaiserin
am 10. November 1744 die Gnindlage eingehender Berathung. Das Er-
gebniss war, dass es wohl nicht an ,fundisS jedoch an Baarschaft fehle.
Für den Monat December war ein Betrag von 500.000 — 600.000 Gulden
für das Heer nicht vorhanden. Prandau erklärte, die Summe nicht be-
schaffen zu können, auch die anderen Räthe vermochten keine Zusage
zu machen. (Protokoll der Commissionssitzung vom 10. November 1744.
Anwesend waren : Dietrichstein, Saalburg, Prandau, Wiesenhütten, Barten-
stein, Luchsenfeid, van der Marck.) Das eigenhändige Schlussmarginale
der Eaiseiin lautet: ,approbire alles wegen der vorgeschlagenen fundis
wan sie auch nur ad motum gebracht werden und in rechter zeit ist
nocheinmahl brandau zu befragen ob er sich nicht getraue selbe auff-
zubringen in denen vorgeschribenen terminen wo selber sich nicht ge-
traue wisenhütter es zu proponirn und die völlige fundi einzuraumen
und gerad anzuweisen das er sichergestelt seye und nirgends anderstwo
könen vei*wisen werden als auff seine dispositiones dessentwegen wan er
sich darzu anheischig machet wie ich mich dessen zu ihme erwaiiie zu
denen conferentzien bey graffen starenberg beyzuzihen damit er von denen
dispositiones geschwinder allzeit die Information habe de reliquo Placet
und habe ad marginem meine übrige anmerckungen gesezt.'
Maria Theresia m. p.
,yerlange ein abschrifft dises referat.'
Nach einigen Tagen schrieb Maria Theresia an den Kammerpräsiden-
ten auf einem Zettel, (präsentirt ddo. 16. November 1744), eigenhändig:
,ich verlange eine antwort dan an der zeit alles ligt wer die fundi über-
nehmen oder brandau oder wisenhütter nicht aber von dem gegenwäiü-
gen allein sondern von denen gantzen fundis und in denen terminen.
bis morgen spatest verlange die antwort.'
^ Im Jahre 1744 werden vier Banquiers .namhaft gemacht, mit denen die
Regierung in Verbindung stand: Aquilar, Palm, Riesch und Kummer.
79
Die Kaiserin fordei*te, Prandau nochmals zu befragen, ob er die
Baarschaft beschaffen könne, der jedoch erkläite, dass er sich nicht ge-
traue, so hohe Summen aufzubringen. ^B^i'on y. Wisenhütten hätte unge-
mein mehreren Credit aufsehen von aussen und geschicklichkeit, der es
also leichter, alss er zu werck bringen würde : wäre übrigens seine Schul-
digkeit, eyfer, und Wunsch sich in Allem zu Deme, Was Ihro Königl.
Majtt. Befehl und Dienst erfordert, willig gebrauchen zu lassen.' Hierauf
zeigte sich Wiesenhütten bereit, dem kaiserlichen Wunsche zu entspre-
chen. (Conferenzprotokoll vom 26. November 1744.) Anwesend waren
ausser den beiden Secretären v. Luchsenfeid und van der Marck die-
selben wie am 10. November 1744 und überdies Starhemberg als Vor-
sitzender, endlich Uhlfeld. ,Baron Wisenhüten Bezöge sich auf seine
Schrifftliche Ihro Eönigl. Maytt. in originali selbsten übergäbene unter-
thänigste erklärung, und denen Beygeruckten Puncten. Die erklärung
Schlaget Haubtsächlich dahinein, dass obzwar das ansinnen so Gros
seye, dass wohl Kein exempel vorhanden, dass jemahl von einem nur der
10. Theyl dessjenigen was aniezo anbegehret wird, verlanget worden
seye, und Baron Brandau dessen ausnehmende Klugheit, geschicklichkeit,
und Lange erfahrung Bekannt seye, sich deme zu unterziehen anstand
nehmete, folglichen solcher hierob um so mehrers Bedencken zutragen
hätte, so Binde Ihme doch die Geschworene Treue die äugen, und gäbe
folgsam seine allerunterThänigste erklärung also ab, alss solche Ihro
König]. Maytt. von Ihme allerGnädigst verlanget, und erwartet haben,
gleichwie aber alle Menschliche Dinge sich auf Supposita Gi-ünden und
von Ihme nicht werde verlanget werden Können, Geld ohne Fundo zu
verschaffen, also wäre der Schlus von sich selbsten, dass die in denen
Anmerkungen enthaltene in- und ausländische Fundi ehemöglichst in
Yerlässlichkeit gebracht, und solches zu Bewürcken von Ihro Maytt.
dero Hof-Stellen ein Terminus gesezet werden möge : seye nöthig dass Er
in solche umbstände gesezet werden möchte, es ins werck zusezen.
Dieses Werck so auf Millionen hinaus Lauffet, Könne nicht änderst, alss
unter dem Königl. allerhöchsten Nahmen Bewüicket werden: und es
wäre nöthig, dass von anfang einer neuen Operation derselbe mit solcher
aathoritffit Begleitet werde, welche die Wichtigkeit einer solchen unter-
nehmang, deren Er sich Belade, erfordere.'
Es folgen dann 16 Punkte pro conditione.
Darauf resolvirte die Kaiserin eigenhändig:
,68 wäre gleich eine instinictiou zu formirn auff dise puncten und
mir vorzulegen. Maria Theresia.*
80
In der vom 12. December 1744 datirten Instraction an Franz
Baron von Wiesenhütten heisst es: die zn dem Eriegsstaate gewidmeten
Fonde, wenn sie auch durch die Bewilligungen der Stände richtiggestellt
werden, seien doch meist so beschaffen, dass dieselben nicht so zeitlich
eingebi*acht oder in Baarem abgeführt werden können, als es Zeit und
Umstände und die Militäropei-ationen erheischen, folglich müsse durch
Zuhilfenahme des Credits und durch Anticipationen die Baarschaft her-
beigeschafft werden; für den Dienst sei auch viel daran gelegen, den bei
der Oameml- und Militär-Schuldencassa ganz verfallenen Ciedit wieder
emporzubringen und den Werth der Obligationen wieder herzustellen, den
ansehnlichen Kupfer- und Quecksilberfond aber so zu unterstützen, damit
der Bohstoff zum Verschleiss gebi*acht werde. Baron Wiesenhütten habe
mündlich und schriftlich erkläiii: wenn ihm genugsam sichere Fonde zu den
Ei'iegsausgaben angewiesen werden , jederzeit bereit zu sein, durch Oeld-
vorschüsso mit leidentlichen Zinsen an die Hand gehen zu wollen, die
Schuldencassa wenigstens durch Abtragung der Zinsen in einen besseren
Ci*edit hei*zustellen, die Verlagsgelder zu dem Kupfer- und Quocksilber-
bergbau anschaffen und die damuf versicherten Gläubiger sicherstellen zu
wollen. An der Erhaltung des aus- und inländischen Creditwesens sei viel
gelegen, wenn dasselbe zu seinem rechten Flor und Wachsthum gebracht
werden solle. Seit dem Jahre 1742 sei zwar Sorge geti*agen worden,
Rath zu schaffen, da man aber nicht in der Lage gewesen sei, Capitals-
abzahlungen zn machen, habe man wenigstens die Entrichtung der In-
teressen erstrebt und hiezu einige Fonde bestimmt, namentlich jene wö-
chentlichen 2000 Oulden, welche aus den Militär- und Cameralgefälien
für die Interessenzahlung vorbehalten gewesen, ferner das von dem
Tabakgefalle dem niederländischen Bath und der Stadt Wien voi*geschrie-
bene Quantum, den Ueberschuss aus dem Kupferverschleiss nach Abzug
des Verlages und der wirklichen Schulden, endlich die bergstättischen
Gefälle nach Abzug jener Summe, welche für den Hofstaat bestimmt sei,
und der von den Gebrüdem von Palm vorbehaltenen monatlichen 10.000
Gulden bis zu ihrer vollständigen Befiiedigung. Wiesenhütten wurde be-
vollmächtigt, auf den Kupferfond eine Anticipation von 1 Million Gulden
zu 6 Procent jährlich aufzunehmen.
Die bisherigen Ansichten über Wiesenhütten bedürfen einer Be-
richtigung. In Fi'ankfui*t am Main gebürtig, wähnte er in der öster-
reichischen Residenz einen entsprechenden Wirkungski'eis für seine un-
leugbaren Fähigkeiten zu finden, da es ihm an Verbindungen nicht fehlte.
In einigen Schriftstücken nennt er Doblhoff seinen Onkel. Die Doblhoff's
— es werden deren zwei genannt — gehörten den höheren Beamten-
81
kreisen an und übten nnter Maria Theresia eine einflussreiche Wirksam-
keit aus. Seine Verwendung in dem österreichischen Staatsdienste ver-
dankte Wiesenhütten seinem Schwiegervater Bartenstein, indem er Ende
1743 zum Hofkammerrathe ernannt wurde. Am 19. November 1743 er-
stattete der Hof kammerpräsident Graf Dietrichstein einen Vortrag: Nach-
dem die Kaiserin ihm ihre Intention dahin eröffnet hat, dass sie den
T. Wiesenhütten aus besonderer Gnade und in allermildester Erwägung
der Merita seines Schwiegervaters, des Hofraths und geheimen Staats-
secretärs Freiherrn v. Bartenstein, zu ihrem Hof kammer- und Bancali-
tätsrathe ernannt habe, bittet Dietrichstein um die erforderliche Legiti-
mation. Die Kaiserin gab ihr Placet. An den Berathungen über die
finanziellen Fragen nahm Wiesenhütten lebhaften Antheil, und auch durch
seine Beziehungen zu dem Wechslerhause Sardi war es ihm geglückt, dem
Staate einige Vorschüsse zu verschaffen. Nun wurden ihm die Militär-
und Schuldencassa, daher jene Geschäfte, welche bisher die Bancalität ver-
sehen hatte, übertragen, auch übernahm er den Verschleiss der Bergwerks-
erzeugnisse: Quecksilber und Kupfer. Namentlich ersteres fand auf den
ausländischen Märkten nicht unbeträchtlichen Absatz, und es war ein
herber Schlag für die österreichischen Finanzen, dass die Engländer zwei
spanische, mit amerikanischem Quecksilber beladene Schiffe erbeuteten
und auf den englischen Märkten zu Verkauf brachten, wodurch der Preis
desselben erheblich sank. ^
Als Baron Wiesenhütten die Direction der Schuldencassa antrat,
beliefen sich die Militärschulden auf 9,403.009 Gulden, die Cameral-
schulden auf 970.732 Gulden, zusammen 10,373.741 Gulden. Die Mili-
tärschulden waren zu 6 — 9 Procent verzinslich, die Cameralschulden zu
9 Procent. Für die Bezahlung der Zinsen war jedoch beiläufig ein Be-
trag vorhanden, dass das Capital nur mit 5 Procent vei*zinst werden
konnte, daher die Interessen nicht entrichtet werden konnten, welche
Ende December 1744 bereits auf 337.862 Gulden angewachsen waren.
In den nächsten Wochen veimehrte sich die Schuld, da dem Kloster Blasien
eine Assecuration für 178.000 Gulden ausgefei-tigt werden musste; femer
mussten dem Josef Simson Wertheimer wegen der Forderung seines
Vaters im Betrage von 503.799 Gulden die auf seinen Antheil ent-
* Der Qnecksilbervenchleiss wird in einem Vortrage der Hof kammer vom
20. AagUBt 1743 auf 1350 Centner angegeben: 1060 Centner kamen in
Amsterdam znm Verkaufe, 220 in Triest, 40 in Regensborg, 20 in Wien.
Das Wiener Armenhaas hatte im Jahre 1740 eine Anticipation auf den
Qnecksilberverschleiss von 250.000 Gulden geleistet, wovon 25.000 Gulden
alljährlich surQckgezahlt werden sollten.
Arehiv. LXXXIi. Bd. I. H&IA«. 6
82
fallendeii 111.955 Gulden und von dor neuen Anticipation mit 50.000
Gulden Bancalextracte zu 5 — 6 Procent hinausgegeben werden. Die
Kaiserin verlangte, dass WiesenhQtten für ihr ,allein bekannte Schulden'
im Betrage von 700.000 Gulden die Zahlung aus den ungarischen Berg-
geföUen richtigstelle, und er hatte sich für 300.000 Gulden bereits ver-
bindlich gemacht, den Rest in Aussicht gestellt.
Die zur Verzinsung bestimmten Summen beruhten jedoch auf un-
zuverlässiger Grundlage, und Wiesenhütten konnte mit voller Sicherheit
darauf nicht rechnen. Er that sein Möglichstes. Die Cassapapiere stiegen,
standen aber noch immer 20 Procent unter Pari. Der Hofkammerprasi-
dent stellte ihm das schönste Zeugniss aus. Baron v. Wiesenhütten,
heisst es in dem Vortrage, ist voller Eifer den Credit herbeizubringen»
von seiner Integrität hat man ausnehmende Proben, und an Wissensdiaft,
Correspondenz und Wege, Geld aus der Fremde mit leidentlichem Inter-
esse herbeizubriugen, fehlt es ihm nicht, allein 8ei^ Eifer kann nicht
wirken, wenn er mit Bealitäten nicht unterstützt wird, und wenn ihm
nicht zulängliche Fundi, worauf der Credit herbeigebracht werden mag,
eingeräumt werden. Die Hofkammer machte Vorschläge: eine bestimmte
Summe aus dem Contnbutionale, ferner Beträge aus den ungarischen
Bergwerken der Schuldencassa zuzuweisen, endlich audi die Stadtbank
zur vorübergebenden Aushilfe in Anspruch zu nehmen. ,£s scheint be-
fremdend,' heisst es am Schlüsse des Vortrages, ,das8 kleine Bepublikon in
florissantem Credit stehen, wo erste Monarchen, die so grosse Länder mit
aller Oberherrlichkeit besitzen, aus Mangel an Credit Noth leiden. Die
Ursache aber sei jenen, so die Weltläufe kennen, nicht unbekannt: Repu-
bliken sorgen ihre Schuldner zu befriedigen ; sobald die Souveräne für ihre
Schuldner die Sorge tragen werden, welche die Republiken hegen, so wii'd
bei ihnen der Credit in mehrerer Aufnahm kommen.'
Die eigenhändige Resolution der Kaiserin auf den Vortrag vom
26. Jänner 1745 lautet: ,Wegen der mehrern belegung des contribu-
tionale ist nicht zu gedenken wegen der hungarisohen bergwerken appro-
bire es aber jedoch dasselbe nebst denen übrigen zu Interessebez^lung
gewidmeten fundis bloss zu solchen und nicht zu capitalszahlung ohne
mein vorwissen anzuwenden von halb zu halb jähren mir eine rechnong
darüber zu legen dan den überschuss von doi-ten vor mich aufbehalte dan
keine Vermischung zwischen intei*esse und capitalsbezahlungen dostiniiien
fundis haben mag, wegen deme was von banco gemeldet wird approbire
es, werde aber ohender mit graf starhemberg darüber verstehen.*
Starhemborg machte sich anheischig, 200.000 Gulden jährlich an
die Staatscassa von Geföllen, deren Erti*ag bisher dem Banco zufloss,
83
zo überweisen, worauf Wiesenhütten eine Antioipation von 2 Millionen
bewerkstelligen sollte. Die Schnldencassa sollte für 2 Millionen neue
Schuldscheine (Schnldencassa-Obligationen) ausstellen, nachdem aus yer-
schiedenen Quellen für die gesammte Schuld — die alten Bancalitats-
schulden und die neu hinzukommenden — zur Verzinsung 5 Procent und
zur Bückzahlung 2 Procent — im Ganzen 905.000 Gulden mit Ein-
Bchluss der obigen 200.000 Gulden — ausgemittelt worden waren. In
einem ausführlichen Vortrage vom 17. März 1745 wurden die für dje
Verzinsung vorhandenen Summen aufgezählt, welche an Wiesenhütten
übermittelt werden sollen. Der ganze Plan beruhte jedoch auf hypo-
thetischer Grundlage. Denn mit voller Sicherheit konnte auf die aus den
Bergwerken eingehenden Summen von 480.000 Gulden nicht gerechnet
werden, da diese, wie in dem Vortrage bemerkt wird, von dem göttlichen
Segen allein abhängen. An sich, heisst es, sei es zwar eine missliche
Sache, auf den Bergsegen einen beständigen Antrag zu machen, allein
etwas müsse man doch allezeit auf den Zufall ankommen lassen und sich
in Zeit und Umstände nach der Thunlichkeit schicken, so dass man nach
dem deutschen Sprichworte sagen kann: Kommt Zeit, kommt Bath.
Wiesenhütten sollte zunächst die Einlösung der mit höheren Inter-
essen behafteten Papiere und jene Parteien berücksichtigen, ,die sich
zu Dienst der Majestät und des publici besonders durch Anticipationen
nützlich gebrauchen lassen, ohne jene zu vergessen, die ältere Instrumenta
obligatoria haben oder ihres Nothstands willen besonderer Beflexion würdig
seien'. (Vortrag vom 17. März 1745.) Die Kaiserin gab ihr Placet
und bemerkte eigenhändig: ,doch das mir in mein particulare die nota
tkbergeben werde wem und wer bezahlt wird ins künftige ohne meine
aprobation es nicht zu thun.' Der Hof kammerpräsident setzte nun in einem
Vortrage vom 4. April auseinander, dass ,das erste Membrum' der kaiser-
lichen Besolution aufs Genaueste befolgt werden wird, über den zweiten
Theil aber müsse man sich eine Erklärung ausbitten. Denn die an-
gewiesenen Fonde reichten nur zur Entrichtnug der Zinsen hin, an Capital
könnte nichts rückgezahlt werden. Hierauf erfolgte eine eigenhändige
Marginalbemerkung: ,approbire es also völlig wai'e nur ein misvcrstand
iB meiner resolution dan gemeint das jetzt neben Interessen auch etwas
zaweillen an capital bezahlt würde.' Am 12. April 1745 erhielt Wiesen-
hütten eine kaiserliche, auf Grund dieses Vortrages ausgearbeitete Voll-
madit.
Wiesenhütten leistete dem Staate im Jahre 1745 gi'osse Dienste.
Seinen Bemühungen gelang es, nicht unbeträchtliche Summen aufzubrin-
gen, all^ einerseits mochte er seine Kräfte überschätzt haben, ander-
• 6*
84
seits konnte der Staat die ihm gegenüber übernommenen Verpflichtungen
nicht einhalten, da die zu seiner Yerfflgung gestellten, aus verschiedenen
Quellen fliessenden Einnahmen nicht rechtzeitig eingingen. Auch wurde
er zu wiederholten Malen angewiesen, Zahlungen zu leisten, wofflr eine
Bedeckung nicht vorhanden war. Holländische Gläubiger, die 1737
2^2 Millionen auf das böhmische Contributionale vorgeschossen hatten,
erhielten während der Zeit vom 1. Juni 1742 bis Ende December 1744
^ine Zinsen. Wiesenhfltten übernahm eine Yorschussleistung zur Be-
friedigung derselben. Als er jedoch die Bezahlung aus der böhmischen
Contribution forderte, erhielt er von dem Obristkanzler die Antwort, dass
die Beträge für die Armee nothwendig seien, und es wurden ihm 2000
Lägl Quecksilber zur Bedeckung überwiesen, die damals nicht so leicht
abgesetzt werden konnten. (Vortrag von 9. Juni 1745.) Wiessenhütten
gerieth in Verlegenheit und konnte seinen Verbindlichkeiten nicht nach-
kommen; im September 1746 überreichte er ein Gesuch um Enthebung
von der Direction der General-Militär- und Schuldencassa und um Ver-
leihung einer Hof kammer- und Hofmittelsrathstelle auf der Herrenbank
bei der in Münz- und Bergwerkssachen angeordneten immediaten Hof-
commission. Auf dieses Gesuch, welches am 19. September 1746 in die
Hof kammer gelangte, schrieb die Kaiserin eigenhändig: ,Obwohlen von
denen geleysten diensten und eyffer des wisenhütten sehr wohl zu friden
so accordire ihm umb in stand zu bleiben weitere gutte dienst zu leisten
dis was er alhier begei*t, wegen Kupffer weesen solle die comission selbsten
dises führen die militar cassa solle Schröder als Zahlmeister führen das
schulden weesen halber wird es Kayser befehlen wisenhütten seynd zum
zeichen meiner gnad 50°^ fl. zu geben die camer selbsten vorschlagen solle
^^^^^' Maria Theresia.'
Seine Gegner erhoben Anklagen gegen seine Gebahrung. Maria
Theresia betraute eine Commission mit der Untersuchung.
,Lieber Graff Kollowrath.
,Ich höre dass Bartenstein und sein Schwieger-Sohn der Wiesen-
hüten sehr betroffen seyn über die grosse Hindemussen, die lezterer in
Beyschaffung deren Gelder findet.
,Die grosse dienste so Bartenstein Mir und Meinem Hauss geleistet,
werde nie in Vergessenheit sezen, und Ich bin überzeuget von denen auf
Millionen belauffenden Summen, die der Wiesenhüten in den beschwehr-
lichsten Umständen vorgeschossen hat, und ist Mir alles daran gelegen,
dass der Bartenstein in Ruhe gesezet, und sein Schwieger-Sohn bey
85
seinem Credit, und eyffer-vollen Devotion aufrecht erhalten werde ; Ich
w^de solchen nie fallen lassen, noch weniger zugeben, dass ihme wieder
die Billigkeit was zugemuthet werde.
,Wie kan ich aber helffen, wann nicht klar gemacht ist, wie selber
bej meinem seraiio verflochten ist? und dahero habe ich Euch, nebst
Salaborg, Brandau, Bartenstein, Wiesenhüten und Koch ernennet, damit
ihr den standt deren Forderungen, so Wiesenhüten an das serarium hat,
und wie Er hierunter bedecket sej, ins klare gesezet, und zwar Specifice:
Erstlich den wahren Statum, was er Wiesenhüten Successive vorge-
schossen, was er zu Sicherstellung dieses Vorschusses vor fundos über-
kommen, wie viel aus diesen fundis eingegangen, wie viel, und warum
znruckhafftien, mithin in wie weit derselbe annoch in Yorschuss stehe,
damit man ihne dissfalls ganz sicher stellen könne. Andertens, ob der-
selbe sich einiger Stadt-Banco-Gelder wie auch einigen fundis der vor
das 1746 ^ Jahr gehörig ist, schon prsevaliret habe, weichergestalten, und
wohin, damit man wissen möge, was vor fandi vor das 1746 ^ Jahr übrig
bleiben. Drittens; Ob er auf dieses schon eingetrettene Militär- Jahr seine
Dispositionen gemacht habe, damit die Milit&r-Erfordernussen bestritten
werden mögen; auf wie viel Monathen selbe zu-länglich seyn; als nehm-
lichen: vor die Löhnungen und Ordonanz-mässige Gebühr, item, Ee-
croutir-Eimontining, Artillerie, Pontons, Proviant, und übrige Eriegs-
Nothdurfflien.
yVierdtens Solle er Wiesenhüten selbst den Vorschlag
thun, wie ihme, wegen seines Vorschusses de prseterito zu
helffen, auch durch was Mittel ihme weiter bey-zustehen
seye, damit er in Credit und Kräfften erhalten werde,
auf dass Er auch künfftig seine vorhinige treue und wich-
tige Dienste Mir und dem gemeinen Weesen leisten könne.
,Dir werdet hierüber mit der benannten Commission beejrffert seyn,
ohnverweilt eine klare Vorstellung zu machen, anbey euere Meynung er-
öffnen, wie ein und anders ob besagtes in das Werck zu sezen, und im
Gang zu bringen seye, auch inmittelst sowohl den Bartenstein als den
Wiesenhüten Meiner Kays. Gnade und Schuzes versichern.
Mai'ia Theresia.'
Das Handschreiben der Kaiserin, ferner eine Note, welche sie dem
Grafen Salaburg zum Circuliren gegeben (die mir jedoch nicht zu Gesicht
gekommen ist), bildeten die Grundlage commissioneller Verhandlungen,
die in den letzten Tagen des Monats December 1746 stattfanden. Das
Ergebniss war, dass Wiesenhütten 10*7 Millionen Gulden Vorschüsse auf
86
die ODgliBchen Snbsidien geleistet hat und 71 Millionen zorOckgezahlt
erhielt, daher 8*6 Millionen za fordern hatte. Dieser grosse Yorschnss von
10 Millionen» heisst es in einem an die Kaiserin erstatteten Vortrage,
beweise doch allemal dessen Capacität, Attention und grossen Fleiss und
nebstdom Credit, so er dazumahlen gehabt hat. Von dem Gelde waren
allerdings blos circa 280.000 fl. unbedeckt, der Best auf bestimmte Ein-
nahmen angewiesen, die jedoch nicht rechtzeitig eingingen, während
Wiesenhütton seinen Gläubigern gegenüber haftete und seinen Ver-
pflichtungen nicht rechtzeitig nachkommen konnte. Was die kaiserliche
Frage anbelangt, ,ob er sich einiger fundorum so ad 1746 gehörig pro
1746 bedient habe', wurde von Wiesenhfitten zugegeben, dass dies bei
600.000 fl. der Fall war, weil die Eingänge pro 1745 unzulänglich
waren. Die Commission fand die Befugniss dazu wohl gegründet in seinem
Contiact und seiner Instruction. Es sei dies auch eine Sache, die vorher
fast alle Jahre in Kriegszeiten geschehen sei, auch heuer geschehen
werde. Wiesenhütten habe nichts Unrechtes und nichts Schädliches ge-
than. Durch eine Weigerung des Präsidenten der Ministerial-Bancodepu-
tation Grafen Kinsky, Zahlungen auf Anweisungen zu leisten, kam
Wiesenhütten in Verlegenheit. Kinsky glaubte mit Bücksicht darauf,
dass Wiesenhütten dem Banco beträchtliche Summen schuldete und die
Zahlungstermine nicht einhielt, die Sistirung aussprechen zu müssen.
Die Commission meinte, Kinsky habe wohl nicht Unrecht gehabt, aber
»dieses Incideni wäre zu bedauern und besser gewesen, wenn ihm unter
der Hand die Suspendirung der Zahlungen wäre mitgetheilt worden^
Uober den Vorschleiss des Kupfers und Quecksilbers äusserte sich die
Commission, dass Wiesenhütten ,ganz ausnehmende Dienste' geleistet
habe. Einstimmig war das Votum, dass er die Direction so gut, klar
und oMnungsmässig geführt habe, dass zu wünschen wäre, dass jemand
Anderer ein Gleiches thun könne.
Nach Empfang dieses Berichtes erliess die Kaiserin folgendes Hand-
8chmb«n:
Jiiebor Graf KoUowrat
fleh schicke ihm das refeimt wiederum zurück, und bin ganz zu-
firteden« dass die Sadie so Klar an^geiaUen. An der richtigen und ehr-
kk^tt Amtirang dest^elben wan^ niemahls kMn Zweifd, sein Eifer mir
uwt gar tu b^kandi in selbige wa^^ wohl aber, wie diese Commission
a^ph)rlnH» g^Oglauht dasts er a«s selbiger b«^ U»er sich genommen,
ais «r iprmlirea KonnU^ und also ui si^ n Müni die Sacken und
87
fandl Yermischt; und nicht im Stande wäre sich heraus zu helfen; weilen
aber jezt auch dessen übei'zeuget, das« er genügsame Capacitset, die
Sache wohl und ordentlich geföhret, und meinen Dienst nuzlich besorget,
habe Kein Bedencken, dass wann mir das Beferat, welches erwarte, wird
gegeben werden, wo sehen solle, was er in das Efinfftige sich getrauet,
und wie es zu halten, dass selben nicht allein gern bey seiner Amtirung
werde fort continuiren sehen, sondern auch kein Bedendken trage, an die
Canzlejen und Cammer meine darüber gefasste resolution, und Zufrieden-
heit seiner diensten zu bezeigen. Verlange aber noch zu grösserer Sicher-
heit und allen Unlüsten vorzubeugen, und die Sache allzeit klar zu
fOhren, folgende Functen, nehmlich: dass er sich von allen Rimessen an
Banco also gleich abthun, wohingegen mich chargiie der 229™ fl., dass
ihm sein absolutorium mit bester Art gleich gegeben werde. Andertens
Verlange eine Klare Auskunfft des Schulden Systema wegen, was und
wer bezahlt an Interesse und Capitali dieses Jahr. Drittens, dass wegen
Ausstellung derer Quittungen eine bessere norma Künfftighin mir vorge-
schlagen werde, dann nicht selbe sollen wie jetzo hinauf geliefei-t werden
Können, wie es mit der Vermögen-Steuer und Boss-Handler Pingitzer
geschehen. Wann also er sich diesem unterziehen, und das Protocoll
empfangen werde, was seine weitere Erkläiiingen betiifft, werde selbiges
confereutialiter vornehmen, um der Sache mehrers Nachdi*uck zu geben,
obwohlen nichts mehrers wird hemuskoromen, als was gar wohl in der
Commission ist ausgearbeitet worden, ei-warte also ehestens das Protocoll.
Maria Theresia.'
üeber den weiteren Verlauf liegen einige Schriftstücke von Wiesen-
hütten vor, aus denen ersichtlich ist, dass die ihm von der Kaiserin zu-
gesprochenen Summen noch nach Jahi'on nicht ausgezahlt waren und
ihn in bittere Verlegenheit brachten, er daher seinen Gläubigern die
übernommenen Verpflichtungen nicht einhalten konnte. Am 31. Januar
waren von 50.000 Gulden, welche die Kaiserin Ende 1746 an Wiesen-
hütten bewilligt hatte, 33.497 Gulden 479 Kreuzer nicht beglichen, eine
Summe, welche Wiesenhütten an Philipp Heinrich Stenglin & Sohn in
Hamburg cedirt hatte. Dai*auf mag sich die von Arneth, Band IV, S. 82,
aus den Berichten des preussischon Gesandten abgedruckte Notiz, welche
von einem zweiten Bankerott spricht, beziehen. Da Wiesenhütten sich
vollständig gerechtfei-tigt hatte, macht es erkläi'lich, dass er zunächst
in Idria, sodann (27. Juli 1749) als Intendant in Triest verwendet
wurde.
88
II.
Die Flnanzreform des Grafen Hangwltz.
Wie bemerkt, hatte der Grundgedanke, dnrch eine Revision des
Gmndsteaercharakters eine Erhöhung der Contribation und eine ent-
sprechendere Yertheilung der fflr die Erhaltung des Heeres erforderlichen
Summen za erzielen, allmälig eine Erweitemng erfahren. Wir sind in
der Lage, die einzelnen Stadien der Angelegenheit zn yerfolgen. Zwei
Schriftstücke liegen von dem Grafen vor. Das eine betitelt sich „Ohn-
massgebliche allerunterthänigste Gemfithsmeinnng, worin tüber das neue
Cameralsystem Vorschläge gemacht werden^ (von einer fremden Hand
mit 20. Juli 1747 bezeichnet). Vornehmlich fragte es sich, wie das
Schnldenwesen geregelt werden sollte. Die Höhe der Staatsschulden wird
auf ISO Millionen angegeben, in einem Nachtrage aber auf 106 Millionen
Gulden berichtigt. Weit wichtiger ist die zweite Arbeit, welche unstreitig
von Haugwitz abgefasst ist und fQr den weiteren Gang der Angelegen-
heit von massgebender Bedeutung war; sie lautet wörtlich, wie folgt:
Fernere ohnmassgebliche allerunterthänigste Oemnths - Meynnng
über die lu errichtende Cameral- und KUtar-Systemata.
Erster Grund-Satz.
Wie betrüblich auch nach ausgestandenen Eriegs-Drangsalen die
Situation deren mehrest en Eayser-Eönigl: Erb-Landen seye, und solches
einer göttlichen Straffe, und Verhängnuss zuzueignen: So unverantwort-
licher, und trostlosser wäre, solche von neuen nicht nur einem gleich-
mftssigen schmertzvollen Schicksal zu exponiren, sondern wohl gar bey
nicht vorfindender genügsamen Gegenwehr selbige auf den äussersten
Gipffei einer gründlich besorglichen Gefahr zu stellen, von einer weit
stärckeren Macht sich überfallen, und übergewaltiget zu sehen.
Anderter Grund-Satz.
Die einem Souverain, und Landes-Fürsten von Gott dem All-
mächtigen anvertraute Cron, und Scepter führen eine Gewissens- Ver-
bündlichkeit in sich, zu deren nothdürftigen protegirung, umb sowohl
solche bey der Durchlauchtigst-abstammenden Erb-Folge zuerhalten, als
die ihm von Gott anvertraute ünteiihanen kr&fftigst zu beschützen, und
unter der rechtmässigen Beherrschung zu conserviren allerdings noth-
gedrungener die aüssersten Gegenwehrs-Mittel zu ergreiffen.
89
Dritter Orund-Satz.
Diessfallige Gewissens- Verbfindlichkeit, wird bey dem Souverain,
nnd Landes-Ffirsten, so dann nmb so stärcker, wann von der besorg«
liehen Gegen-Macht, die heilige Catholische Heligion selbst in giösster
Gefahr stehet, dergestalten, dass umb solche zu conserriren, gut Catho-
lischen im Gewissen oblieget, die von Gott ihnen yerliehene Eräfften,
und Mittel darzustellen.
Vierter Grund-Satz.
Wann man in Erweg^ng ziehet, was bishero in PreOssisch-Schle-
sien geschehen, so werden alle nur ersinnliche Kräften aüssersten
Fleisses herrorzusuchen seyn, umb ein gleiches Schicksal von denen
Böbmisdi- nnd Oesterreichischen £rb-Landen, werckthätig abzuwenden:
Immassen diessfallig^r Zufall bey gedachten Böhmisch- und Oesterreichi-
schen Ländern, so lang es zu verhindern in menschlicher Macht stehet,
bey Gott umb so unYerantwortlicher wäre, als diese Lande die reine Ca-
tholische-Beligion allein profitiren, mithin ehender bey Zeiten alle
extrema anzuwenden, als sich diessfiUliger Gefahr im mindesten bloss-
zustellen.
Fflnffter Grund-Satz.
Die Ständische Privilegia sind von einem Christlichen Souverain
jederzeit so heilig, als hochzuschätzen, und verlange solche, als ein
Sanctuarium keinerley Dienges zu berühren, ob aber nicht sowohl der
Landes-Fürst, besonders, und hauptsächlich aber die Stände selbst, nach
dem Gesatz der Natar, und der Christlichen Billichkeit gemäss, diess-
fäUige Maass-Beguln, nach der ffirdringenden Gefahr, und beywaltenden
ümbständen zu dirigiren haben, dieses kan umb so weniger ein ver-
Dfinfftiger Mensch in Abrede stellen, je gewisser, ohne das Cron, und
Scepter, Land, und Leute genugsam beschützet, und defendiret werden,
in sich unmöglich ist, die hiervon abhängende privilegia zu beschützen
und zu vertheidigen: Anerwogen das Exempel von Schlesien hierinnfalls
wieder zum Beweissthumb dienen kan.
Sechster Grund-Satz.
Da nun Landes kündig ist, samb die EräfFten deren ünterthanen,
bey weiten nicht zulangen, ohne Beytritt der sonst in regula befreyten
Dominiorum den anverlangenden Schutz zu bewürcken, umb andurch
Cron, und Scepter, dann die eigene Ständische Privilegia sicher zu stellen,
so erfordert die Gott liebende Gerechtigkeit, und natürliche Billichkeit,
womit auch die Dominia, nach beywohnenden aüssersten Eräfften, diesen
90
80 nothdtürfftigen kräftigsten Schutz beförderen helffen, zumahlen die
vorhandene äusserste Noth, und des gemeinen Weesens alleinige Auf-
recht-Erhaltung solches erheischet, wohingegen durch Reversales, und
andere billichste Landes-Fürstl. Versicherungen ihre theuere Privilegia
allerdiengs sicher zu stellen sind.
Siebender Grund-Satz.
Haben die Dominia, und Potentiores bey allen Türckischen, und
Frantzösischen Kriegen, sich durch Veimögen-S teuer, und andere Sub-
sidia sorgföltigst angegriffen, da doch die Gefahr der Cron, und Scepter,
und der durch feindliche Überwältigung zu besorgende gantzliche Ver-
lust ihrer Frejheiten, bey weiten nicht so gross gewesen, als dermahlen
im Frieden solche seyn würde, wann eine zulängliche, die Länder zube-
schOtzende Gegenwehr nicht vorhanden wäre, anerwogen ein mächtiger
Nachbar in dem Hertzen sitzet, so mittelst dessenen praepotenz, und
ungerechten Tyrannischen Verfahren, Cron, und Scepter gar bald rauben,
und zugleich die Stände ihrer Privilegien, ad exemplum Schlesiens ent-
setzen würde, so sind selbige allerdiengs nunmehro im Gewissen ver-
bunden, zu ihrem eigenen Wohl, wo die Gefahi' alles zuverliehren vor
Augen lieget, sich wo nicht stäi'cker, doch wenigst so viel, als bey derley
Türckisch- und Fi-antzösischen Kriegen, werckthätig anzugreifen, umb
andurch jenes Übel zu verhindern, welches so bald es einmahl geschehen,
alle späte Beüe überflüssig machet.
Achter Grund-Satz.
Wann sich die Länder nur eben so starck, als zeitwährenden Krieg
anzugreifen gedenken, so kan der Haupt-Zweck ihrer Beschützung gantz
füglich erreichet werden, selbige aber genttsseten anbey zu ihrem Besten,
nebst der anwünschenden Sicherheit noch diesen vortheilhaften Unter-
scheid, dass die Gelder in denen Ländern wiederumb consumiret, und
mittelst des Consumo derer Trouppen denen Ländern insgesambt auf-
geholfen würde.
Neunter Grund-Satz.
Wollte man hierbey die Cynosur aus der Schlesischen Einrichtung
nehmen, so ist diessfalls wohl zu mercken, dass zwar anscheinen wil,
samb der Untei-than, um 2 pGent höher, als Preüssischer Seits beleget
seye, allein beygeschlossene Tabelle sub Num. 1. weiset aus, dass Preüs-
sischer Seits die Nutzung des Säewerks merckllch höher, als diessortes
angesdilagen worden, wordurcb wenigstens der Anstand einer diess-
ortigen höheren Belegung von selbst hinwegfallet: Besonders da Preüs-
91
sischer Seits über die Viehe-Nutznng, annoch die Hatt-Wayde, und das
Wiesewachs, nebst denen praestirenden Hand-Diensten, so hiesigen
Ortes ganzlich freygelassen sind, mit veranschlaget, und in die Ver-
steuerung gezogen worden: Hiernächst haben die Preüssischen Contri-
buenten, das beschwerliche onus, dass bey bemQssigter Einführung ihrer
Feilschafften m die Städte, solche veraccisiret, oder hiervon ein grosser
Aufischlag gegeben werden muss, welches wahrhafftig sonderbarer con-
sideration würdig, mithin die diessortige Contribuenten weit besser, als
die gegenseitig-Schlesische conditioniret sind.
Zehender Grundsatz.
Da die Cynosur von Schlesien genommen werden wil, die Schlesier
aber Preüssisch- und hiesigen Antheils weniger, als sie mit Einrechnung
des Domestici zu Zeiten Caroli VI** contribuiren, wie solches der sub
Num. 2 beygeschlossene Ausweiss, aus einer dreyjährigen Haupt-Steüer-
Ambts-Bayttung darstellet, so folget hieraus der natürliche Schluss, dass
in effectu auch die übrigen Länder, praescindendo von ihrem Domestico,
jedoch mit Inschluss, der zum allerhöchsten Dienst vein/rendeten Aus-
gaben, allerdings weniger, als zu zelten Oaroli VI. contribuiren würden:
Zu gründlicher Bestärckung meines diessfalligen Grundsatzes, so provo-
cire auf die Untersuchung .10. bis .15. jähriger Landes-Eayttungen,
wordurch sich bey denen mehresten Ländern äussern wird, dass in dem
angegebenen Supposito mich keinerley Dienges geirret.
Eylffter Grund-Satz.
Sobald die Cynosur von Schlesien, und dessen untersuchten Eeali-
täten genommen werden wil, so muss solches von gantz Schlesien billicher
Dienges geschehen, massen gantz Schlesien, und nicht dieser Antheil,
mit denen übrigen Eayser-Königl. Erb-Landen, seinen Dividenten hat;
Und eben darumben kan ohnmöglich die auf diesen Antheil ausfallende
alte Indiction einen Divisorem constituiren, weilen nicht diese, sondern
die wahrhafftig befundene Bealitäten, denen Landes -Eräfiften den Aus-
schlag geben.
Nun zeiget beygebogener Ausweiss sub Num. 8. wie nach diess-
ortig-Schlesischer Antheil in gegeneinanderhaltung sämbtlicher Schle-
sischen Landes-Bealitäten, nicht einmahl den .15** sondern noch unter
den .16** Theil ausmachet, folglich wann die übrigen Erb-Lande, nach
diesem Dividenten, des .16*'° Theils beygezogen würden, solche wenig-
stens umb 700.000 fl. mehr, als nach dem Divisore des .15** Theils
würden zu contribuiren haben.
92
Zwölffter Grtind-Satz.
Ich gestehe aufrichtig, dass dieser Antheil mit der aufhabenden
Last genug zu tragen hat, jedoch so bald selber nur des beneficii Con-
sumtionis, bey Eingwartirang eines Begiments von -4 Bataillonen, auch
wohl eines mehreren, genussbar werden, und die anhoffende Militar-Disci-
plin auf das strengeste gehalten würde, so getrauete mir aflerdiengs keck
zu behaupten, dass selbtes alsdann dabey gar wohl fahren würde.
Ean nun dieser Antheil Schlesien, welcher in Wahrheit nach der
besitzenden guten Eäntnuss, grösstentheils sehr arm, und fast das aller-
schlechteste von sämbtlichen Erb-Landen ist, solchergestalten gar wohl
bestehen, und zufrieden seye, so muss mir billig gegifindete Hoffnung
machen, dass viele weit besser conditionirete Lande, darmit ebenermassen
wohl werden bestehen können; dann obwohlen von allen insgesambt nicht
die vollkommene Känntntüss besitze, so macht mich jedoch das Exempel
von Schlesien diessfalls gantz getrost, wann nur in der individual Ein-
theilung einerseits die Gottgefällige Gleichheit beobachtet werde, und
andererseits in theils Landen zum eigenen Besten in domo propria, das
ist in Domestico, man sich besser restringiren wollte.
Dreyzehender Grund-Satz.
Betreffend die aufhabende pnvat-Schulden derer Länder, so würde
dem Aerario allerdienges unerträglich fallen, mit dem zu nöthiger Be-
schützung derer Länder erforderlichen Quanto zu deren Yerinteressir-
und Bezahlung zu concurriren, massen allein in Cärnthen und Crayn
3. Millionen an Remunerationen vorgefunden: Wie sollte das gemeine
Weesen, bey diessfälliger Unwii*thschaft so empfindlich leiden? und an-
durch sämbtliche Länder in äusserster Gefahr stehen, zu einem Baub
einer feindlichen Überschwemmung zu werden?
Mir schiene demnach billicher ohne alles Maassgeben, denen Län-
dern dermahlen ihre sämbtliche luteressen-Fundos in Händen, die Capi-
talia aber durch reducirung derer Interessen von .5. auf .4. pOent zahlen
zu lassen, wenigst in so lang, bis das Aei'arium sich im Stand befinde,
zu deren Besten eine anderweitige Einrichtung zu treffen:
Verschiedene Länder haben zu deren Yerinteressirung Cameral-
Fundos in Händen, so sie auch noch ferners beybehielten, gesetzt aber
auch, dass wegen dieser Schulden, sothane Länder mercklich höher als
die übrigen bebürdet würden, so haben sie solches ihrer eigenen Schuld,
wie ein privatus, so sein Vermögen durchbringet, sich allei*dienges beyzn-
messen; Jedoch könnte aus allerhöchster Mielde jenen schwächesten.
93
mittelst des sicher zu stellenden sab Nnm. 4. bemerckton Bejschlusses,
derer extra proportionem stehenden Ländern, nach allerhöchsten Wohl-
gefftUen in etwas beygespmngen werden.
Vierzehender Grund-Satz.
Da nun wie oben gemeldet, Schlesien zu einer Cynosur erwählet
worden, so weisset beyverwahrte Nota, sub Num. 5. nebst denen bey-
gefugten Tabellen aus, wie meines treu-devotesten Oi-thes in Schlesien
operiret, und welcherley Quantum nach dem von Sr. Excellenz dem Herrn
Obristen Cantzler mir communicirten sub Num. 6. beygebogenen Divi-
denten, auf sämbtliche übrige in der proportion stehende Erb-Länder
ausfallet.
Der Banco, und die Cammer mögen nun die genüssende Cameral-
Gefalle behalten, oder solche denen Ständen einräumen, so wäre solches
bey diessfalliger Ausgleichung gleichgültig, massen jenes, so das Came-
rale dermahlen schon genüsset, von denen Ländern nicht abgefordeii;
werden könnte, mithin es diessfalls nur hauptsächlich auf eine respective
unter denen Ländern zu formirende Ausgleichung ankommen würde,
damit hierdurch keinem Lande in der proportion zu nahe getreten werden
möge;
und solchei'gestalten sollte unmassgeblich vermeinen, dass hier-
durch hauptsächlich das Militar-Systema genungsam bedecket seye, und
sobald die Absonderung der Aufschläge, wie erforderlich gemacht seyn
würde, so dürffte sich hieraus ergeben, ob nicht dem Camerali, oder
Schulden-Cassa etwas zum Besten übrig bleiben möchte. —
Der Beschluss wurde gefasst, den Grafen Haugwitz nach Mähren
und Böhmen zu entsenden, um mit den Ständen Verhandlungen anzu-
knüpfen und dieselben zu einer höheren Beitragsleistung zu bestimmen.
Über die Rectification der Giiindsteuer war bereits volle Einigung erzielt
worden. Die Grundlage bildete eine aus Böhmen eingesendete Arbeit.
An den eingehenden Berathungen hat Graf Friedrich Hari'ach wesent-
lichen Antheil genommen und die bisherige Auffassung, dass er sich in
einem principiellen Gegensatze zu den Plänen des Grafen Haugwitz be-
fanden habe, muss als irrig bezeichnet werden.
An der Eegelung der Contribution in Böhmen und Mähren hat
Harrach in hervorragender Weise mitgewirkt. Der Vortrag vom 23. Oc-
tober 1747 über das Bectificationswesen in Böhmen, von Jordan ausge-
94
arbeitet, ist von ihm unterzeichnet.^ Die an Haugwitz ertheilte Instruc-
tion vom 18. October 1747 wurde in der Hof kanzlei eingehend berathen,
das über Böhmen vereinbarte Operat wurde ihm mitgegeben. Bei den
Berathungen über den mährischen Becess führte Harrach den Vorsitz und
betheiligte sich lebhaft an den Verhandlungen.' Die endgiltige Ent-
scheidung der Kaiserin erfolgte nach dem Antrage Harrach's. Harrach
soll insbesondere einen Massstab befürwortet haben, demzufolge gerade
die grösste Last auf die ärmsten Provinzen gefallen wäi'e, während Böhmen
geschont bleiben sollte. Das Archiv des Ministeriums des Innern bewahrt
eine grosse Anzahl über die Vertheüung der Contribution angestellten
Berechnungen — die meisten sind von Jordan's Hand geschrieben —
aus denen jedoch durchaus nicht ersichtlich ist, dass Böhmen geschont
werden sollte. Auch ist es unrichtig, dass den Ständen die Beseitigung
ihres seit Jahrhunderten unangefochtenen Rechtes auf die jährliche Be-
willigung der Steuern und Truppen zugemuthet wurde. In allen Becessen
wird ausdrücklich gesagt, ,dass durch diese Vereinbarung die Privilegien,
Freiheiten, wohl hergebrachten Gewohnheiten der freien Verwillignng
nicht im Mindesten präjadicirt, folglich der vorhinigen Gewohnheit nach
der Landtag dennoch alljährlich gehalten und das verwiiligte Recessual-
quantum ohne die geringste Steigerung oder Erhöhung jederzeit erneuert,
und im Falle etwa bei den dermaligen dem Lande zngetheilten Bata etwas
Zweifelhaftes unterwalte, ein solches den Ständen zu keiner Zeit einigen
Nachtheil noch in eine weitere Consequenz gezogen yrerden sollte'. Es
ist überhaupt eine irrige Ansicht, dass Decennalrecesse etwas Neues
waren, Vereinbarungen mit den Ständen auf eine grössere Anzahl von
Jahren waren bereits früher wiederholt abgeschlossen worden.
Der Vortrag über die in Mähren zu veranlassende Bectification
des Dominiealis wurde von Harrach am 20. November 1748 der Kaiserin
überreicht. Ihre Majestät, heisst es darin, habe ihm in der Sitzung der
Hofdeputation ein an die Stände zu erlassendes Bescript übergeben, wo-
^ Das eigenhändige Marginal der Kaiserin auf diesen Vortrag lautet: ^ie
sacb ist so wohl gefasst and ausgearbeitet das es dient mir zum billigen
Wohlgefallen verlange also auch eine Abschrift von diesem ganzen referat
zu meiner particular notiz ist höchst nOthig das eigene zu veranstalten
nach dieser norma in mähren wie mit mehreren dem Obristkanaler in
ein billet informirt*
* Die von Ameth, ,Maria Theresia', Band IV, S. 19 angeführte eigen-
händige Resolution, die nicht durchwegs wOrtlich wiedergegeben ist,
befindet sieh auf dem ersten Mähren betrefifenden Protokolle vom 19. April
1748, worin nur die Modalität erörtert wird, wie das neue Contribution»*
werk in Qang gesetzt werden solL
9Ö
gegen er sogleich Yorstelluiigen gemacht und in einer Sitzung der Hof-
kanzlei sei ein neuer Vorschlag ausgearheitet worden, den er unterbreite.
Die Kaiserin gab ihr Placet, das Stück langte am 27. November 1748
aus dem kaiserlichen Cabinet herab, wie aus der Bemerkung in dorso er-
sichtlich. Der Antrag ging dahin: »Den erbländischen Waaren dieselben
Beneficia bei der Ausfuhr in ein anderes Erbland gleichwie in fremde
Lande umsomehr angedeihen zu lassen, als sonst die aus Preussisch-
Schlesien kommenden Waaren, welche vermöge Friedensschlusses und
darftber erfolgter Ministerial-Bancodeputations-Declaration wie erblan-
disch angesehen werden müssen, denen erbländischen Waaren gleich
seien, mithin theils wegen ihrer Güte, theils wegen ihrer Wohlfeilheit,
worin sie wegen der nicht zu habenden Feiertagen gesetzt werden, es den
erbländischen im Verkauf allemal abgewinnen können.'
Harrach machte sich wohl zum Anwalt ständischer Forderungen,
aber nur in Fragen, welche volle Berücksichtigung erheischten. So z. B.
wurden in den ständischen Schriftstücken entsprechende Massnahmen in
commercieller Hinsicht gefordert. Was die Bedrückung des Commercialis
anbelangt, heisst es nun in einem Vortrage des Oberstkanzlers, da ist
von Seite der Kanzlei das Dafürhalten gewesen und ist es noch, dass in
den Erblanden sich niemals eine rechte Lust zu Manufacturen, dann
Handel und Wandel hervoiihun werde, wenn nicht auf einmal eine voll-
kommene Freiheit "und Genei alerleichterung von einem Erblande in das
andere gemacht, mithin selbe in der Vermauthung wie ein Land be-
dachtet und also, was einmal in einem Lande von fremden Waaren ver-
zollt, in anderen freigelassen wird. Wie ersichtlich, ein Gedanke, der
erst durch die grosse Beform im Jahre 1774 verwirklicht wurde.
Die Kaiserin bemerkte eigenhändig: ,wegen herabsetzung deren
mauthen von denen innerlichen productis ist die sache khlar und specifice
vorzulegen und concertim wo nachgehends selbe kintzgi communiciren
werde und yersteht sich ein gleiches von denenjenigen was aus Hungarn
ttnznfthren verbothen oder mit höherer mauth zu belegen wäre ob nicht
auch wegen der in preussischen ländem fabricironden waaren ein
onterschied zu machen wäre.' (Eigenhändig auf das Protokoll vom
24. Mai 1748.)
Die dem Grafen Friedrich Wilhelm Haugwitz am 18. November
1747 ^heilte und aus 21 Punkten bestehende, zum überwiegenden
Theil von Kannegiesser ausgearbeitete Instruction lautet: ,Da durch Be-
förderung der Ehre Gottes und Aufrechterhaltnng der allein seligmachen-
den katholischen Beligion, dann Administrirung der Justiz der Segen
MX«B auf Land und Leute gezogen wird,' habe sich Haugwitz um den
96
Statum religionis salvificae zu erkundigen nnd Nachforschnng zu halten,
ob die materia religionis in dem Königreich Böhmen mit genügsamen
Eifer besorgt werde, auf die akatholischen Emissäre ein aufmerksames
Auge zu tragen, der Geistlichkeit an die Hand zu gehen, damit keine
ketzerischen Bücher in das Land gebracht und die im Lande befindliche
Ketzerei ausgerottet werde, und welche Mittel in dieser Hinsicht zu er-
greifen seien. Ferner habe er die Untersuchung der geistlichen Fun-
dationen sich angelegen sein zu lassen, welche nichts Anderes als die
Fortpflanzung der katholischen Beligion und die Vermehrung der Ehre
Gottes zum Endzwecke haben. Eine eigene Commission sei angeordnet
worden, es sei daher zu untersuchen, wie weit dieselbe gekommen und
welche Vorkehrungen zur Erlangung eines so heilsamen Endzweckes
getroffen werden können. Der Status cassae salis (in bonum religionis
catholicae von Ferdinand II. und Papst TJrban VIU. 1680 ange-
ordnet) sei zu untersuchen. Nach der Ehre Gottes und der Religion
folge die Administration der gottge^ligen Justiz. Es bestünde wohl
für die drei oberen Stände eine eigene Landesordnung, für den Bürger-
stand die Stadtrechte, ferner Noyellen. Karl VI. habe eine Commission
eingesetzt, allein nach so yielen Jahren und grossen von Seiten des
Landes aufgewendeten Unkosten sei das Werk zu seiner Ck)nsistenz nicht
gekommen. Der Commissär habe Nachfittge zu halten, durch welche
Mittel dasselbe zu Stande gebracht werden könnte. Vor Allem sei eine
Cridaordnung zur Approbation vorzulegen. Auch sollte der Tractatns
de successionibus ab intestato schon vollendet sein. Obgleich in der
verneuerten Landesordnung und in den Stadtrechten, dann in den Pra-
gmaticis eine so gute und gerechte Processordnung sich vorgeschrieben
befinde, dass, wenn selbe nur beobachtet würde, schwerlich in einem
anderen Lande der Process so geschwind als in dem böhmischen Lande
zu Ende gebracht werden könne, so sei es durch Umtriebe der Advocaten
und Connivenz der unteren Bichter geschehen, dass die Bechtshändel
zur grossen Beschwerde der armen Parteien oft durch viele Jahre hinaus-
gezogen worden. Bedacht zu nehmen sei, wie diesen sündhaften Miss-
bräuchen abzuhelfen, ferner sich zu infoimiren, wie und ob der Pupillar-
ordnung nachgelebt werde. Der Commissär habe ferner die Manipula-
tionen bei der Statthalterei und den übrigen Instanzen, vornehmlich bei
den Kreishauptleuten einzusehen und Gutachten zu erstatten, was ab-
zuändern und zu corrigiren sei.
Die Contribution verdiene besonders eine Untersuchung. Dieselbe
lasse sich in das Ordinarium, Eitraordinarium und Domesticum ein-
theilen. Das Ordinarium habe der ordinari Contribuent, nämlich der
97
Borger und IJnterthan zn tragen. Das BecidficatioiiBweseii sei auBge-
arbeitet, und man mache sich Hoffnung, dass dadurch eine gottgefällige
Gleichheit so yiel menschenmöglich hergestellt werde. Es werde ihm das
neue Bectifications-Systema mitgetheilt. Er habe nach in loco eingeholter
Auskunft zu berichten, was abzuändern und zu yerbessern sei, darauf zn
reflectiren, dass künftig keine ,Resten' sich ergeben, die Yerwilligungen
rascher eingehen, zu untersuchen, ob die Executionsordnung gut, ob das
Inyaliden-Systema solid sei, ob eine Landmiliz beizubehalten oder
welche Massnahmen zu treffen; zu erforschen, wie viel nach dem neuen
Bectificationssystem der ordentliche Contribuent, nämlich ein ganzer,
halber und Yiertelangesessener zu tragen habe, ob und was er zu con-
tribuiren vermöge, ob ihm die Contributionslast zu erleichtem sei.
Das Extraordinarium tragen die Dominien. Auch hierin sei eine
gottgefällige Gleichheit herzustellen. Über das Domesticum verlaute, dass
darüber seit einigen Jahren keine Bechnung gelegt worden sei. Auf
schleunige Verfertigung derselben sei daher zu dringen und zu sehen, ob
die Unterthanen nicht allzu hart gehalten werden. Dem Vernehmen nach
werde das Domesticum allein von dem ,ordinari Contribuenten' getragen.
Er habe zu untersuchen, ob und welche Bubriken von den Domestical-
au^aben die Stande zu bestreiten haben, wie viel zu den übrigen Aus-
gaben, die das ganze Land angehen, theils die Stände, theils die ordent-
lichen Contribuenten zu concuriiren haben, wobei jedoch nicht zu ge-
statten sei, dass den letzteren aufgebürdet werde, was den ersteren, d. h.
den Dominien obliegt. Es sei zu überlegen, ob zu dem quanto camerali
et fortificatorio nicht auch die Stände mitzuconcurriren haben, die Be-
schwerden über die Vermögenssteuer sind zu untersuchen, Verzeichnisse
der Landesschulden zu prüfen, die Normen für die Landesrechnungen aus-
zuarbeiten.
Die königlichen Städte seien in Verfall gerathen. Es frage sich
daher, woher die Ursachen rühren und auf welche Weise an der Empor-
bringung zu arbeiten sei, ob dieselben von den Herrschaften gedrückt
werden, ob die königlichen Bichter nicht mehr Activität zeigen sollen,
ob das Becht wegen Einstellung der Professionisten, Handwerker, jedoch
ohne dass dadurch im Gebirge die Freiheit der Landesmanufacturen ge-
hemmt werde, wieder einzuräumen, ob das Beihbi*auen in den Städten
iu<^t ganz abzustellen sei und die Brauhäuser unmittelbar communitatis
nomine besorgt werden sollen, so dass der Nutzen unter die Brauberech-
ügten getheilt oder zur Abfühining der Contribution verwendet werde.
Da das Wohl eines jeden Landes von dem Flor des Commerzes abhängt,
in Böhmen aber Landesmanufacturen, Handel und Wandel darnieder-
ATehh. LXXXU. Bd. 1. H&lfte. 7
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liegen, sei zu untersuchen, auf welche Weise dem abzuhelfen und welche
Massnahmen zur Emporbringung der Manufacturen, des inländischen
und ausländischen Handels zu treffen seien, besonders aber zu prüfen,
ob und was in den Mauthtarifen zu verbessern sei. Die diesbezüglichen
Auskünfte sind von dem Commerz-Collegium und der Statthalterei ein-
zuholen. Da sowohl uns, heisst es sodann wörtlich, als den Ständen
daran hauptsächlich gelegen ist, damit die ünterthanen in aufrechtem
Stand erhalten werden, so habe sich der Commissär zu erkundigen, ob
von Seite der Statthalterei und der Ereishauptleute Obsorge getroffen
werde, damit dem ünterthanen durch übeimässige Boboten als auch auf
anderem Wege von Seite der Herrschaften nicht zu hart geschehe und ob
wider die Excedenten und herrschaftlichen Wirthschaftsbeamten mit ge-
höriger Bestrafung vorgegangen werde, ob die Verhehler der Deserteure
zur Bestrafung gezogen, ob die Truppendurchzüge nicht zu beschwerlich
fallen, wie etwa die Last nach Möglichkeit zu erleichtern, ob die Be-
quai-tierung der Truppen nicht beschwerlich sei, welche Beschaffenheit
es mit dem Weinbergamte habe, ob die Cameralgefölle und jura fisci
hinlänglich besorgt werden, welche Beschaffenheit es mit der Wegrepa-
ration und den hiezu gewidmeten Fonden habe, was bei dem Polizeiwesen
und der Wohlfeilheitsordnnng in Prag und in den Städten zu verbessern
wäre. Von der Steigerung der Waarenpreise in Prag sei seit Abschaffung
der Juden viel zu vernehmen gewesen. Er habe sich zu informiren, ob
seit der Hinwegschaffung aus Prag in der That der Preis der Waaren wirk-
lich gestiegen und welche Anstalten vorzukehi*en sind, damit das Publicum
von christlichen Eaufleuten nicht allzusehr gedrückt werde ; es sei zu über-
legen, ob der Dienst um des Königreichs Beste nicht etwa erfordere, die
vermöglichen jüdischen Familien beizubehalten, in welcher Anzahl, wohin
sie ausserhalb Prag zu repartiren,. wie hoch jede Familie zu belegen und
wie die Uebrigen auf das Fördersamste aus dem Lande zu bringen wären.
Auf einem den Acten beiliegenden Zettel schrieb die Kaiserin
eigenhändig: ,ist gantz wohl gefasst die Instruction vor dem Haugwitz ist
ihme nur bald zu expedirn das er bis ende dis monats zu präg seye.
auff das schöne rectificationsreferat habe wegen mähren was gemeldet
höchst nothwendig ist es die norma und die leüt die bey dem andern ge-
braucht worden seynd da, also wird die sach leicht gehen wan nur ge-
arbeitet wird mit lust, wegen fundus ist der hauptpunct also einen ver-
schlag.'
Umfassende Berechnungen über die Höhe der Beitragsleistung der
einzelnen Länder liegen vor. Grosse Verdienste erwarb sich Hofrath
Jordan, von dem viele hierauf bezügliche Arbeiten herrühren. Auch Bai-
99
tenstein betheiligte sich an der Lösung der Fi*age. Ein Schriftstück
f&hrt den Titel: ,Schema der Eintheilnng auf was Weise nach dem Baron
Bartensteinischen Entwurf die zu Versorgung des Militaris unumgäng-
lich erforderlichen 14 Millionen unter gesammte Erblande einzutheilen
wären.*
Die Schwierigkeit bei der Yertheilung der Contributionssumme lag
in erster Linie in der Festsetzung des neuen Schlüssels. Die bisherige
Proportion war folgende: Die böhmischen Länder — Böhmen, Mähren
und Schlesien — hatten IIV4 Theile, die östeiTeichischen 67* Theile,
zusammen daher 18 Theile der Gesammtsumme aufzubringen. Wird jeder
Theil mit 24 multiplicirt, so entfielen auf die böhmischen Länder 282,
auf die österreichischen 150, zusammen 432 Theile. Nach Abtretung
österreichischen Gebietes an Preussen durch die Fiiedensschlüsse zu
Berlin und Dresden wurde der Proportionsschlüssel für die böhmischen
Länder Terringert, indem Glatz von den auf die böhmischen Länder ent-
Menden 282 Theilon 4^V8o» ^^^ Katscher District ^^/so» Schlesien
87**/3ö, zusammen daher 92*^80 Theile, aufzubringen hatten. Es ver-
blieben daher von den ^^Va* ^^^' ^*® böhmischen Länder blos 189V30'
In Folge dessen musste für die neue Contributionssumme eine neue
Auftheilung auf die verschiedenen Länder stattfinden. Die Berechnung
wurde nun in folgender Weise gemacht: ,Wenn man die oben für die
böhmischen Lande mit 189^30 angegebene Ziffer in Betracht zog und,
um jeden Bruch zu vermeiden, den böhmischen Divisor anstatt mit I89V4
auf lauter Viertel, also 757 Theile, und den österreichischen Divisor
150 ebenfalls auf Yieiiiel, also 600 Theile nimmt, so kommen auf Böh-
men 545, auf Mähren 187, auf Schlesien 25, daher zusammen 757, auf
Niederösterreich 200, auf Oberösterreich 100, auf Steiermaik 150, auf
Kärnten 100, auf Erain 50, daher zusammen 600 Theile.'
Es entfielen daher:
auf Böhmen . . .
545 Theile oder 5,232.000 fl.
„ Mähren . . .
187
»
■»
1,795.200 „
„ Schlesien . . .
25
j»
»
240.000 „
, Niederösterreich
200
«
»
1,920.000 y,
„ Oberösterreich .
100
n
V
960.000 „
„ Steiermark . .
150
rt
n
1,440.000 „
„ Kärnten . . .
100
V
»
960.000 „
„ Krain . . . .
50 „
zusammen .
»
480.000 „
•
13,027.200 fl.
7*
100
Da aber Schlesien 245.298 fl. 56 kr. zu zahlen hatte, entfielen auf
m Jjander, und zwar:
auf Böhmen . . .
5,347.516 fl.
44 kr.
»
Mähren , . .
1,834.836 „
1 «
»
Schlesien . . .
245.298 „
56 „
»
Niederösterreich .
1,962.391 „
28 „
V
Oberösterreich .
981.195 „
44 „
»
Steiermark . .
1,471.793 „
36 „
m
Kärnten . .
981.195 „
44 „
n
Erain . . .
»
490.597 „
62 „
zusammen
. 13.314.826 fl.
5 kr.
Das Studium der mit den Ständen abgeschlossenen Becesse gewährt
uns eine genaue Eenntniss der damaligen finanziellen Verhältnisse, über-
haupt des gesammten Staatshaushalts. Graf Wilhelm Haugwitz hatte sich
zunächst nach Brunn begeben und daselbst mit Heister und Blümegen
Besprechungen gepflogen. Die Zusammenkünfte fanden am 5. und 7. Fe-
bruar 1748 statt, und die Ergebnisse sind in einem Berichte vom 15. Fe-
biiiar zusammengefasst. Von Seite des Landesausschusses wurden zu Gon-
ferenzen nach Wien einige Mitglieder entsendet: Graf Franz Anton von
Schrottenbach, Geheimrath und Oberst-Landrichter Graf Blümegen, der
kaiserliche Bath und Oberst-Land Schreiber Wenzel Maximilian Yon Ki'isch,
endlich Lezatka; diese traten in Wien mit einigen Mitgliedern der Hof-
kanzlei zur Besprechung über das Contributionssystem zusammen. An
den Sitzungen nahmen Thoil der Oberstkanzler Graf Friedrich Harrach,
der Vicekanzler Korzensky, Graf Friedrich Wilhelm Haugwitz, dann die
Käthe Jordan und Kannegiesser. Die Commissionsprotokolle sind vom
19., 20., 30. April, 3. Mai und 8. Juli 1748 datii*t; am 30. April fanden
zwei Sitzungen statt. Die sämmtlichen in dem am 30. Juli 1748 ab-
geschlossenen Recesse vereinbai^ten Punkte wurden erörtert und bereinigt,
die Protokolle sodann der Kaiserin unterbreitet, die einige mit Band-
bemerkungen versah. An demselben Tage, am 30. Juli 1748, kam auch
der Recess mit Böhmen zum Abschlüsse.
In Böhmen hatten die Stände sich anfanglich zu einer Leistung
von 4*2 Millionen pro militari und Ol Millionen pro camerali ad liberam
anheischig gemacht. Da aber ,ex post befunden worden', dass auch auf
die Zurückzahlung von Schulden reflectirt und bei der Unzulänglich-
keit der Cameralgefälle auf andere Aushilfsmittel vorgesorgt werden
müsse, traten die Stände auch dem Universalsystem bei und bewilligten
101
5,270.488 fl. und verpflichteten sich, das Ei-träguiss des relnirten Fleisch-
krenzers an den Stadtbanco, ferner das jährliche Tabakquantumpauschale
an das k. k. Aerar zu entiichten.
Der Betrag für den Fleischkreuzer belief sich nach Abschlag von
4666 fl. 40 kr., die auf die abgetretene Grafschaft Glatz entfielen, und
?on 3111 fl. 6 kr. 4 Pf. für die Judenschaft auf 132.222 fl. 13 kr. 2 Pf.
Auch beim Tabakreluitionquantnm wurden die auf Glatz und die Juden
entfallenden Beträge von 6000 und 3330 fl. 2 kr., ferner ein dem Lande
belassenes Aequivalent von 7536 fl. 46 kr. in Abzug gebracht und die
Ton den Ständen zu leistenden Beträge auf 134.120 fl. 54 kr. festgesetzt.
Die MUitärcontribution sollte allmonatlich am 28. im Vorhinein geleistet
werden. Von der für die Verzinsung und Bückzahlung der Schulden ver-
anschlagten Summe wurden 393.163 fl. 52 kr. den Ständen zur Be-
Medignng der Gläubiger belassen; der Best war in vierteljährigen Baten
nach Wien zu senden. Zum Abschluss des Becesses wurden der Bischof
von Prag, Johann Moriz Gustav, der Geheimrath und Präses der Depu-
tation in Böhmen, Wenzel Casimir Netolicky^ Freiherr von Eisenberg
und Kost, der Burggraf des Eöniggrätzer Kreises in Böhmen, Johann
Joachim Wanczura von Bzehnitz, der Primator der königlichen Stadt Prag,
Johann Wenzel Weywoda, nach Wien entsendet.
Der Becess mit Schlesien kam am 8. August 1748 zu Stande. Den
Fürsten und Ständen von Schlesien waren nämlich durch Bescript vom
1 1 . Juli 1 748 die Grundzüge des neuen Finanzsystems bekanntgegeben
worden. Für das Heer belief sich die Forderung auf 200.842 fl. 18 kr.
4Vj Pf., für das Camei-alsystem auf 44.956 fl. 37 ki\ 17, Pf. Ferner
sollte das Fleischkreuzerreluitions- und Tabakquantum wie bisher jährlich
abgeführt werden. Da bei Berechnung der Contribution für Schlesien blos
der 15. Theil der auf die deutsch -böhmischen Länder entfallenden Ge-
sammtsumme durch kaiserliche Entschliessung früher festgestellt war,
wurde bei Ermittlung des Fleischkreuzers und der Tabaki*eluition nach
der Anzahl der Consumenten eine geringere Beitragsquote ermittelt, näm-
lich anstatt 10.000 fl. jähi-lich 7000 fl. für den Fleischkreuzer und 5000 fl.
für das Tabakgefalle. Die bisher prästirten Beiträge, als: Biorreluition
1000 fl., das Camerale ad liberam 2000 fl., der Botrag pro re fortifi-
catoria 666 fl. 40 kr, und der Tanzimpost mit 20.000 fl. wurden den
Sttoden in Händen gelassen. Der Transito-Impost für Wein im Betrage
von 20.000 fl. soUte fQr die im Lande befindlichen k. k. Dicasteiien und
Landes^testen, Stadtadministratoren, Steuercassiere u. s. w. verwendet,
ein etwaiger üeberschuss für Brand-, Wetter- und Wasserschäden be-
stimiat werden. Die Supererrogata, die Becruten- und Bemonten-Boni-
102
fication sollten insoweit in Händen der Fürsten und Stände belassen
werden, als zur Rückzahlung und Verzinsung der Schulden erforderlich
war. Durch einen besonderen Becess mit dem Banco wurde yereinbart,
dass die Stände und Fürsten sich zu einem Salzverlag Yon 14 Centner
yerpfiichten. Der Ertrag wurde ebenfalls zum Schuldensystem gewidmet,
ebenso auch der Ueberschuss aus der Militärcontribntion im Betrage von
12.510 fl. Die gesammte Gontribution belief sich nämlich auf 212.852 fl.
44 kr. 2Vs Pf., und zwar 75.342 fl. 13 kr. von den Dominien, 43.366 fl.
31 kr. 2Vs Pf. von den Städten und 94.144 fl. von den Unterthanen.
Was Niederösterreich anbelangt, soll namentlich Graf Friedrich
Harrach die Zustandebringung des Becesses erschwert und Maria The-
resia den Widerstand des Obristkanzlers dadurch gebrochen haben, dass
sie ihn seines Postens als Stellvertreter des Landmarschalls in Nieder-
österreich enthob. Diese Darstellung des Sachverhalts ist nicht richtig.
Aus einem Vortrage an die Kaiserin geht hervor, dass ihr die Anzeige
von der Eröffnung der Versammlung der Stände am 14. Juni 1748 er-
stattet wurde; sie finde, heisst es in dem Schriftstücke, ,zu einer solchen
Zeit statt, wo der böhmisch -österreichische Obristkanzler und Land-
marschall Graf Friedrich Harrach Eure Majestät nach Olmütz begleitet.
Graf Carl Harrach und Wurmbrand scheinen, wie man hört, sich mit der
Leitung nicht beladen zu wollen, es wäre daher der niederösterreichische
Vicestatthalter Graf Brenner zum Vorsitzenden zu bestimmen\ Die Er-
nennung des Grafen Haugwitz znm Gommissarius erfolgte gleichzeitig am
14. Juni; der Obristkanzler und Landmarschall konnte damit nicht be-
traut werden.
Am 14. Juni hielt Haugwitz seinen Vortrag. Die Stände bestimmten
den Grafen Carl von Han'ach, die Prälaten von Schotten und St. Dorothea,
den Grafen von Auersperg, den Landesuntermarschall von Moser, Herrn
von Lindeck und den Landessyndicus von Krieg zur Führung der Ver-
handlungen. Die Sitzungen fanden im Monat Juli (am 2., 3., 16. und 19.)
statt. Wesentlich waren nur die Einwendungen, welche der Abt von
Schotten und Graf Carl Harrach am 2. Juli, also in der ersten Sitzung
machten. Der Vorschlag stand in Berathung, dass Niederösterreich
1,800.000 pro militari und 208.968 Gulden pro camerali als Gontribution
zu entrichten habe. Der Abt bemerkte, die ständische Deputation sei
hauptsächlich dahin instruii-t, an dem Vertrag der verbündeten österreichi-
schen Lande festzuhalten, wonach Niederösterreich und Oesterreich ob der
Enns so viel geben soUen als die innerösterreichischen Länder — Steier,
Kärnten und Erain — zusammengenommen , bei welcher Proportion es
nun bleiben möge. Graf Carl Harrach machte die Bemerkung: ,Die Länder
103
können nichts Anderes suchen^ als ihr altes Herkommen, ohne das
k. k. System zu hindern, zu behaupten. £r bitte daher, das Land bei
der Proportion, die bisher mit anderen Ländern gehalten worden, zu er-
halten und dasjenige, was das Land aus allerunterthänigster Devotion
und Liebe vor anderen gethan, nicht mitzucalculiren, inmassen es dies-
falls hauptsächlich auf die Possibilität ankomme/ Haugwitz suchte den
Standpunkt der Begierung zu rechtfeiiiigen ; die von ihm gestellten Pro-
positionen wurden zur Berichterstattung übernommen. Am 19. Juli er-
ging eine Aufforderung an die Stände, binnen sieben Tagen sich zu er-
klären. Diese rechtfertigten sich am 20. Juli, dass sie mit Eifer und
Fleiss die Angelegenheit prüfen und gewiss keine Verschleppung beab-
sichtigen, die Fragen seien jedoch schwierig. Dies war in der That der
Fall. Es bestand nämlich mit Niedorösterreich ein 1734 auf zwanzig
Jahre abgeschlossener Becess, und auch die anderen zahlreichen Punkte
der neuen Vereinbarung waren nicht gerade leicht zu bereinigen. Am
29. Juli fand die letzte Sitzung mit den ständischen Delegiiten statt.
Zwei Tage daiauf berichtete Haugwitz der Kaiserin, dass die Allerhöchste
Intention erreicht werden wird. Die Hauptschwierigkeit bildete das Con-
tributionssystem. Bereits am 19. August erfolgte ein kaiserliches Ke-
script an die Stände auf ihre Eingabe vom 12. August, worin gesagt
wurde, man ersehe, dass die Vorschläge wegen des neuen Gontributions-
systems mit solchem Eifer und tiefer Einsicht überlegt seien, wie es die
Wichtigkeit der Geschäfte erheische; die Stände haben jederzeit den
übrigen Erblanden vorangeleuchtet. Der Becess kam am 18. September
1748 zu Stande. Dass um diese Zeit die Verdienste des Grafen Friedrich
Hajrach von der Kaiserin anerkannt wurden, geht aus dem Handschreiben
vom 10. September 1748 hervor, worin ihm mitgetheilt wurde, dass der
Staat dieMauth von Binick gegen 100.000 Gulden in Banco-Oblicationen
übernehme, und zwar mit Bücksicht auf die vielen und erspriesslichcn
Verdienste, welche die Harrach'sche Familie und besonders Graf Friedrich
Harrach dem Erzhause in den wichtigsten Angelegenheiten mit ausneh-
mender Dexterität und Eifer geleistet habe.
Auch in Steiermark, wohin Graf Budolf Chotek als landesfürstlicher
Commissär entsendet wurde, tauchten ähnliche Schwierigkeiten auf wie
in Niederösterreich. Die Stände machten Anstände gegen den ,Dividen-
denS d. h. gegen den auf das Land als Contribution entfallenden Betrag,
nnd wiesen auf ihre Unvermögenheit hin. Es gelang auch nur, auf drei
Jahre die Beitragsleistung festzustellen. Ebenso kamen auch die Becesse
in £[rain, Görz und Gradisca nur auf drei Jahre zu Stande und mussten
später zweimal erneuert werden. Kärnten setzte einen grossen Wider-
104
stand entgegen. Durch eine kaiserliche Yerfflgung wm*de der von dem
Lande aufzuwendende Betrag normirt. Tirol weigerte sich, die prälimi-
nirte Summe Yon 100.000 Gulden zu entrichten. Es kam ein Becess auf
zehn Jahre nicht zu Stande, sondern es erfolgte nur eine alljährliche Be-
willigung von 70.000 Gulden. Auch wurden die Zahlungstermine daselbst
nicht wie in den anderen Ländern monatlich, sondern vierteljährlich
vereinbart.
Auf Niederösterreich entfielen nach dem festgesetzten Haupt-Mili-
tär- und Schuldensystem mit Hinzurechnung des Musical -Imposts von
19.500 fl., der den Ständen wieder eingeräumt wurde, jährlich 2,008.968 fl.
44 kr. 2V, Pf.
Von dieser Summe entfielen auf das
Militär 1,800.000 fl.
und zwar auf die oberen
Stände .... 1,398.206 fl. 16 kr.
auf die Stadt Wien 200.836 » 52 „
und auf die niederöster*
Städte . . . . 200.956 „ 52 „
die Schuldenquote betrug 208.968 fl. 44 kr. 2 V, Pf.
zusammen . . 2,008.968 fl. 44 kr. 2^2 Pf.
Li OberGsteneich war der landesfürstliche Gommissär Ferdinand
Bonaventura Graf und Herr von Weissen wolf. Es wurden 1,004.484 fl.
22 kr. 1 Pf. gefordert (6. August 1748). In einer Vorstellung vom
15. August wollten die Stände nur 800.000 fl. bewilligen, fügten sich
jedoch später (20. August). Von dieser Summe verblieb den Ständen die
pro fundo camerali gewidmete Quote per 284.807 fl. 52 kr. 1 Pf. für die
Bezahlung der Schulden. Die pro militari bewilligte Summe machte daher
719.676 fl. 30 kr. aus. Der Abschluss erfolgte am 9. October 1748.
Li Steiermark wurden 1,506.726 fl. 33 kr. l^s P^> postulirt und
für die drei Jahre 1749, 1750 und 1751 1*2 Millionen bewilligt, und
zwar 935.828 fl. pro militari und 264.172 fl. für die Schulden. (Ab-
geschlossen am 26. October 1748 auf drei Jahre. Seit 1752 wurden für
das Militär blos 835.824 fl. vereinbart.) Zur Schliessung des Becesses
begaben sich der Landeshauptmann Carl Adam Graf Brenner, Franz Fer-
dinand von Schrottenbach und Eugen, Abt zu St. Lambrecht, nach Wien.
Li Gradisca wurden 20.000 fl. gefordert, sodann auf 12.000 fl.
reducirt (5. August 1749), dui'ch kaiserliche Entschliessung vom 6. Sep-
tember 1749 für dieses Jahr genehmigt. Ein Landtag scheint nicht
105
einberofen worden zu sein, nachdem vom Ausschusse die Zustimmung
erfolgt war.
In Görz erfolgte die Zustimmung am 22. September 1749, die
kaiserliche Genehmigung am 25. October 1749 auf die Zeit vom 1. No-
vember 1749 bis 31. October 1751, und zwar 24.000 fl. pro militari.
In Erain wurden 212.457 fl. 18 kr. pro militari zugestanden
(25. October 1749). ^
Dass die Anspräche, welche an die Länder gestellt wurden, die-
selben ungemein stark belasteten, wurde später anerkannt. In einem
Protokolle vom 19. und 23. Juni 1761 heisst es, dass durch die Recesse
vom Jahre 1749 die Länder, wo nicht über, doch wenigstens nach ihren
äassersten Kräften angegriffen werden mussten.
Die Stande aller Länder, mit denen 1748 die Becesse vereinbart
wurden, forderten und erhielten die Zusicherung, dass die Absendung
von Deputirten ihnen zu keinem Nachtheile gereichen, dass ,der Becess
ihren Privilegien, Freiheiten und Begnadigungen, wohl hergebrachten
Gewohnheiten und der freien Verwilligung keinerdingen präjudiciren*,
der gewöhnliche Landtag dennoch alle Jahre stattfinden und in drei
Wochen geendigt werden, die festgesetzten Punkte aber nicht mehr ,in
qaaestion' gezogen werden soUten. Dona gratuita, Vermögen-, Türken-,
Xopf- und Beisteuer, Itineraria, Foiiilficatorium , Wiogenband, hochzeit-
liche Donativa und wie sonst derlei Postulate Namen haben, sub quocum-
qne praetextu, es mögen Friedens- oder Eriegszeiten oder andere Um-
stände sich ereignen, sollten nicht zugemuthet werden.
Im August 1748 wurde eine von dem Camerale getrennte Direc-
tion der Hauptschuldencassa angeordnet und mit derselben der Hof-
kanuner-Vicepräsident Prandau und Hofkammerrath von Koch betraut.
(Handschreiben des Kaisers Franz vom 24. August 1748.) Haugwitz er-
hielt schon damals auf die meisten Angelegenheiten der Hof kammer einen
massgebenden Einflnss. In einem Bescripte vom 9. September 1748 an
die Hof kammer, um dessen Erlass der Präsident ersuchte, heisst es:
,Weil nun unser wirklicher geheimer Bath, Gammerer und Praeses des
köoig^l. Amts in unserem Antheil von Schlesien Friedrich Wilhelm Graf von
Haogwitz von dem Universal-Systemate und denen davon abhängenden
Cameral- Systematibus deren Ländern, mithin von unserer diesfälligen
gnädigsten Intention die beste Wissenschaft hat, so wollen wir, dass diese
an die in denen Ländern bestellte Deputationes erlassende Expeditions-
Concepten vor deren Ausfertigung demselben communicirt werden sollen.'
Bas Schuldenwesen in den einzelnen Ländern wurde, wie schon
bemerkt, derart geregelt, dass den Ständen für den gesammten ermittel-
106
ton und in den Becesson speciell aufgeführton Schuldenbetrag ein Fond
von 6 Procent angewiesen wurde, wovon 5 Procent zur Bestreitung der
Zinsen und 1 Procent znr Abstossung der Gapitalien verwendet werden
sollten.
Die folgenden Angaben sind den Becessen entnommen, von denen
nur einige gedi*uckt sind.
Die b(^hmischen Schulden betrugen:
1. BQckstanddesDarlehensvom Jahre 1731 145.000fl.
2. An dem Darlehen vom Jahre 1734 . . 696.000 „
3. An dem geistlichen Darlehen vom Jahre
1734 188.300 „
4. Desgleichen an der weltlichen Anticipa-
tion desselben Jahres 259.000 ,,
5. Die Anticipation vom Jahre 1747 . . 480.000 „
6. Das Darlehen von der Geistlichkeit vom
Jahre 1739 auf den Tabakfond . . 234.000 „
7. Das geistliche und weltliche Darlehen
vom Jahre 1741 970.256 „ 16 kr. 3 Pf.
8. Das subsidium praesentaneum vom Jahre
1748 1,173.000 „
9. Den Eriegs-Damnificatis gebühren noch 328.719 » 19 „ 37$ r»
10. Die Supererrogata beti*agen .... 1,257.646 „ 4 „ 3 „
11. Die Becruten- undBemonten-Bonifica-
tion vom Jahre 1748 716.232 „ 52 „ V/^ „
12. Interessen pro 1742 noch ausstandig . 60.210 „
13. Dem Grafen Eayserstein an Capital . 20.555 „
14. Item demselben an Depositionsgeldern,
die von Preussen aus dem Steueramt
hinweggenommen wurden .... 3.840 „
15. Desgleichen die aus der steueramtlichen
Deposition genommenen Fürstenber-
gischen Gelder 20.476 „ 34 ^ 7» »
Summa . . 6,552.7310. 6kr.5VitPf.
Schuldenwesen in Mähren:
Standische Anticipationen aus dem Jahre 1734 . . . 213.333 fl.
Anticipationen vom Pralatenstande aus dem Jahre 1734 63.000 „
Fürst Liechtensteinische Anticipation aus dem Jahre 1 734 1 05.000 „
Fürtrag . . 381.883 fl,
107
üebertrag . . 381.333 fl.
Weitere Anticipationen aus demselben Jahre 1734 . . 25.000 »
Anticipation aus dem Jahre 1741 500.000 „
Die rückständigen Interessen wurden im Jahre 1744
dazugeschlagen mit 25.000 „
Fürst Dietrichstein'sche Anticipation von 1741 . . . 100.000 „
Dem Juden Low Sintzheim noch im Bückstande . . . 7.500 „
Geistliche und weltliche Subsidia, auf den Tabakfond ver-
sichert 362.000 „
Der Bepublik Genua, die jetzt dem Banco übertragen 400.000 „
Subsidium praesentaneum von 1747 320.000 „
Subsidium praesentaneum von 1748 508.000 „
•Ständische Superrogate 2,166.037 „
Becruten- und Bemonten-Bonification für 1748 . . . 249.385 „
Zusammen . . 5,044.255 fl.
In Steiermark betrugen die Schulden:
Bückständige Anticipation von 1730 30.000 fl.
Anticipation auf den Gontributionsfond 1743 . . . . 29.200»
Anticipation vom Prälatenstande, Klöstern und anderen
Individuen 373.400 „
Subsidium aus dem Jahre 1747 150.000 „
Supererrogatum der Becrutirung und Bemontirung . . 227.724 „
Zusammen . . 810.324 fl.
Die Schuldenconsignation für Niederösten*eich war folgende:
Der dem niederösterreichischen Prälatenstande gebührende
Capitalsrest mit 171.875 fl.
Die anno 1741 auf die bürgerlichen Häuser in Wien re-
partirte Nothsteuer per 157.050 „
Die Anticipation zur Bancalität vom Jahre 1741 mit 27.063 „
Die Anticipation vom Jahre 1741 zur Beförderung des
ungarischen Proviant-Transportes 70.500 „
Die Anticipation von Jahre 1742 an die verwitwete Her-
zogin von Savoyen 50.000 „
Die Anticipation vom 28. Februar 1744 200.000 „
Die Anticipation vom 2. Jänner 1745 200.000 „
Die Anticipation vom 20. December 1745 .... 160.000 „
Anticipation vom 8. Juli 1746 50.000 „
Pürtrag . . 1,086.488 fl.
108
üebei-trag . . 1,086.488 fl.
Anticipation voii\ Jahre 1747 auf die im Jahro 1754
offen werdende brabantische Garantie 600.000 „
Anticipation auf einen Bäckstand anf den Tabakfond 218.000 „
Eine Anticipation vom Jahre 1746 500.000 „
Eine Anticipation vom Jahre 1747 200.000 „
Femer die rückstandigen Interessen von 54.676 „
Femer wurden die zur Tilgung sämmtlicher übernom-
menen Hofschulden durch Becess vom Jahre 1739
bis inclusive 1754 aUjährlich ausgeschriebenen
130.000 fl. für die Jahre 1749 bis 1754 angesetzt
und damit alle Anforderungen an das Aerar aufge-
hoben, zusammen 780.000 „ •
Die Supererrogata 264.050 „
Die Bonification fQr Becrutirung und Bemonten für 1749 237.055 „
Gesammtsumme . . 3,940.269 fl.
Die Schulden in OberGsterreich waren :
Die Anticipationen der Landschaft 900.000 fl.
Die Anticipationen von Privaten, Cavaliers und Klöstern 220.098 „
Die Bonification für die Becruten- und Bemontirungs-
ablösung pro 1749 133.380»
Die Supererrogata für die Jahre 1728 — 1742 . . . 65.561»
Die auf die vicedomischen Gülten von anno 1734 bis
1739 pro rata kommende Vermögens- und Türken-
Steuer 4.790 »
Ferner Bückstände für die Unterhaltung der 1743 in
dem Lande einquartirten 19 Begimenter, über das
Beglement in hohem Preise beigeschaffte Verpflegs-
portionen 34.804 „
Für jährliche Betinenda als Beitrag für die 10 Becessual-
jahre, zusammen mit 169.900 „
Für die Artilleriesorten und Bequisiten 254 „
Für die 1743 bis 1747 Supererrogata im Pauschal-
betrage von 671.212 »
Zusammen . . 2,200.000 fl.
Die schlesischen Schulden, wofür die Einkünfte Schlesiens ver-
pföndet waren, wurden zum Theil im Auslande, theils im Inlande auf-
genommen.
109
Die ausländische Schuld hetrng im Jahre 1742 . . . 9,167.224 fi.
und zwar: englische Schuld 2,166.666 „
holländische Schuld 4,100.000 „
belgisch-niederländische 2,900.558 „
Die inländischen Schulden bestanden theiis aus Steueramts-,
theiis aus Kammer- oder fiancalitätsschulden im Qesammtbetrage von
3,676.541 fl., wovon auf die Steueramtsschulden 2,040.973 fi., der Rest
1,635.568 fl. auf die Bancalitätsschulden entfielen. Auf Grund des mit
Preussen zu Berlin geschlossenen Friedensvertrages vom 28. Juli 1742
hatte Österreich von den ausländischen Schulden die belgisch-nieder-
ländische, Preussen dagegen die holländische und englische Schuld zu
übernehmen. Von den inländischen Schulden verpfiichtete sich Preussen
durch article s^par^ zur Bezahlung der Obligationen von schlesischen
Steueramts- und Bancalitätsschulden, welche schlesischen Parteien ge-
hörten, während hinsichtlich der Schulden an österreichische Unter-
thanen oder Ausländer ein besonderes Übereinkommen zwischen Oester-
reich und Preussen getroffen werden sollte.
Grosse Schwierigkeiten und viele Berathungen erforderte das ,Ca-
meralsystemS d. h. die Ermittlung der Einnahmen und genaue Fest-
stellung der Ausgaben, die für den Hofstaat und die Besoldung der
Staatsbeamten erforderlich waren. Die Berathungen wurden bei der
Hofkammer gepflogen, die Vorträge sind von Dietrichstein zum Theil
eigenhändig geschrieben. An den umfassenden Arbeiten hat auch Haug-
witz mitgewirkt. Als Referent fungirte Saffran. Am 19. August 1748
wurde der Kaiserin Vortrag erstattet : ,über das abgefasste Systema be-
treffend die Bestieitung des Aulici und deren dazu erforderlichen Fun-
domm'. Die Marginalbemerkung der Kaiserin lautet: ,nach diser reso-
lution und tabelle die sach a prima octobns einzurichten.' Eine eigen-
händige Resolution, welche am 25. August herablangte, lautet:
nach diser tabelle seynd die cameralia zu separirn nemblich das hunge-
rische und Tyrolerische solle der camerpresident das erstere mit geisruck
esterhasi und nagy versehen das Tyrolerische pistrich das böhmische und
alle Österreich, der safran nemblich wo deputationes angesezt und das
camerale durch selbe schonn fixirt ist also wenig arbeit sein wird und
nur selbe ganz allein gerad in mein geheimes camer zahlambt reservire
uid abzufahren weillen aber haugwitz in diser id6e die meiste information
80 wole das nicht das mindeste in dlsen cameralis was vor mich destinire
^xpedirt würde ohnedas selber es ihme nicht ehender gezeigt und aprobirt
hat oachgehends die expeditiones die wichtigere wie jezund mit denen
110
representationes gehalten worden unter meiner unterschrifft an die de-
putationes was aber infoimative gienge nur von der camer zu beschehen.
das hungerische und Tyrolerische lasße allein vor die hofferfordernusßen
und ist mir alle 8 Tage an sontag wie jezund dem Eayser brandau ge-
bracht zu geben was an geld verhanden und nothwendig zu zahlen ohne
meiner unterschrifft auch nicht 100 fl. passirt werden soUen die norma
aber der bezahlung deren besoldung behalte bey wie es kayser einge-
richtet yirtel und halb jährig. Der abschnitt von empfang und ausgab
dermallen und anfang des neuen ist a prima octobris nemblich mit dem
lezten virtel jähr zu machen wie dises zu beschehen und zu erleüchtern
damit das curenti bestand hat ist mir vorzutragen die taxen gedencke
von allen canzleyen zusam zu nehmen und obwohlen in anfang etwas
kunte verlohren gehen wird doch durch absterbung was weeg fallen und
eine gleichheit beobachtet werden die alle verdienen. Dis ist mir also in
ein a parte Vortrag auszuarbeiten. Der Kayser nehmet brandau und
Koch von banco der alda anstritt zur schulden direction die andere seynd
mit ihren gehalt als pensionirt zu sezen wie schonn villen geschehen wie
die camer renovii*t und zu denen alten recbnungen oder was noch zu
machen zu gebrauchen nicht aber in dem neQen systemate welches
a prima octobris anfangen solle dis ist also sambt dem referat mit haug-
wiz vorzunehmen damit wan was zu erleütern ich es thun kunte und er
nichts von diser resolution gesehen.
Am 8. September 1748 fiberreichte die Hofkammer der Kaiserin
ein Referat mit einer neuen rectificii*ten Tabelle des Cameml-Systema,
die von der früheren unterm 19. August 1748 fibergebenen abwich. In
dem Referat wurde auch angefragt, ob die von den 1000 Gulden über-
steigenden Besoldungen abzuziehenden 10 Procent gleich anfangs ab-
gezogen werden sollen oder aber ob es nach der ersten kaiserlichen
Resolution mit 5 Procent auf ein Jahr probirt werden soll. Die Kaiserin
schrieb an den Rand dazu eigenhändig:
,Placet was die camer einrathet ausßer der 5 oder 10 pro cento
welche resolvirt bleiben auch in statu anzusezen indeme so wenig auff
die jezige ausweis tabelle halte als auff die erstere und ist es möglich das
so wenig verl&sßlichkeit in solchen Sachen sich finden doch weillen han-
ge wiz mich so plagt so will die erste dreyvirtel jähr probirn ob es mit
denen 5 pro centis gehet wo nicht und der mindeste anstand so werden
selbe als eine resolvirte sach nach geholiet werden, wenigstens hätte die
camer und buchhaltereyen verdient wegen diser tabellen als straff selbe
allezeit zu bezahlen, die tabellen behalte ich mit der roll zur unterschrifft
die andere zu schicken/
111
ümgefertigtei Haupt-Cameral-Systema.
Nach Ihro Kajser Eönigl. Maytt. untenn 26. ]>ecembris 1748 gefasten
allerhöchsten Final-Resolution.
Erste Abtheilung.
Am Tyroller Gefallen werden nnn angesetzet
Diese werden gewidmet zu denen Both- nnd
Gesandschaffts-, wie auch Couriers- Spe-
sen mit
Gleichwie aber aus Tyrol ein merck-
licher Cberschuss anzuhoffen ist, so wird
dieser an förderst destiniret den jedoch nicht
zu Termuthenden Abgang bey dieser Aus-
gabs-Rubrique zu ersetzen; Was aber hier-
zu nicht vonnöthen; ist bei Ausgang des
Jahrs id est: mit ult* Octobris in Ihro Maytt.
geheimes Cammer - Zahl -Amt abzufühien ;
mithin Aber diesen Fundum qvartaliter be-
sondere Rechnung zu legen.
Änderte Abtheilung.
Werden aus dem Fundo deren Hungarischen
Saltz-Gefallen dahir in Empfang gebracht
Diese werden destiniret: Das Hof-Kuchel-
Amt Monathl. mit denen ausgesetzten
25.000 fl. folglich jährlich zu befriedigen
mit
Dann in qyartaligen ratis die samment-
liche Hof- Stab, nach der gefertigten Came-
ral-Tabelle und zwar:
Ersten Obrist Hofmeister .
Änderten Obrist Hofmeister
Obrist Cammerer . . .
Obrist StaUmeister . . .
Dnrchl. Junge HerrschafTt
Princesse Charlotte . . .
. fl.
57.956
V
27.509
»
41.918
»
223.442
n
26.418
«
17.254
Empfang
fl.
517.000
1,000.000
AuBga&b
fl.
517.000
300.000
112
Frauenzimmer . .
Obrist Silber Cammerer
Obrist Küchenmeister
Jägerey .
Falcknerey
Hof-Music
Arcieren .
Trabanten
Schweitzer Goarde
fl.
n
19.189
3.805
29.877
50.024
15.000
63.540
24.597
17.054
17.044
Summa
Das Angmentnm nach der yon dem Obrist
Stallmeister abgegebenen Bechnung . .
Bey Aufhebung des Yicedom- Amtes die noch
darauf haftende zurückbleibende Ausgaben
Hiernächst vor die neu errichtende Hof-Stadt
des Ertz-Horzog Joseph
Betraget also das Totum die in dem Empfang
hierzu destinirte
Was aber an dißfälligen Saltz-Gefallen
mehr, alß allhier ausgeworffen, eingebracht
werden d(^i*fifte, ist bey Ausgang des Jahi*es,
nehmlich mit ult* Octobris in Ihro Maytt.
geheimbes Cammer - Zahl -Ambt baär abzu-
führen, folglich über diesen Fundum Qnarta-
liter besondere Bechnung zu legen.
Dritte Abtheilung.
Nach exscindirung der bereiths in Empfang
gebrachten 1. Million von denen Hungari-
schen Saltz- Gefällen, wird das von dem
Hungaiischen Cammer - Prsesidenten an
Hungar*" Cameral-Gefallen Qvartaliter ein-
zubringen versprochene Qvantum ange-
setzet mit
Dann aus Siebenbürgen
Empfting
fl.
• • •
605.000
75.000
Ausgaftb
fl.
634.627
28.841
12.134
24.398
1,000.000
• •
113
Aus dem Baanat Temeswar
Aus Slavonien, und Sirmien
zusammen also . .
Ans diesem angewiesenen Fundo sind
folgende Ausgaben zu bestreitten.
Grössere Diccuteria
Reichs-Hof-Bath
Hof-Cammer
Extra Besoldung Gi-afen von Kollowrath
Obrist Hof-Marschali
Hof Kriegs-Bath
N. Ö. Begierung
N. Ö. Land-Bechten
Siebenbürgische Hof-Cantzlej . . .
Kleinere Dicasieria
Hof-Cammer- Kriegs- und Schulden-Liquida-
tions-Buchhaltereyen, nebst denen Cantz-
leyen
Obrist Hof-Marschall
Hof Kriegs-Bath
N. ö. Begierung
N. ö, Land-Bechten
Siebenbürgische Hof-Cantzley .....
Jadidal-Bevisorum
Hinterlassene Amalische Bedienten . .
•
PensioneSy und Gnaden-Gaäben ....
Die Pension der verwittibten Hertzogin zu
Braonschweig
Geistliche Deputate, und Stifftungen . . .
Hof-Bau- Ambt, jedoch nur zur der benöthig-
ten Separation
Betraget obige Summa deren . .
IrchiT. LXXXIL Bd. I. Hilfte.
Empfang
fl.
188.000
15.000
783.000
Ansga&b
fl.
• •
• •
80.840
68.400
9.000
5.300
46.000
30.700
3.250
5.900
123.760
6.466
51.244
16.350
790
1.775
1.700
12.000
253.723
29.000
16.288
20.514
783.000
8
114
1
Was von dem Hungarischen Cammer-
Prsßsidenten über das hier angesetzte Stipn-
lirte Qyantum bey denen Hungarischen Ca-
meral-Gefällen, dann bey Siebenbürgen, dem
Bannat Temeswar, und Slavonien, mehr, alss
ausgeworffen worden, eingebracht wird, ist
bey Ausgang des Jahrs, nehmlich mit ult*
Octobris in Ihre Maytt. geheimes Cammer-
Zahl-Ambt ba&r abzuführen, folglich über
diesen Fundum quartaliter besondere Bech-
nung zu legen.
Yierdte Abtheilung.
Pro fundo extraordinario werden gewiedmet
die Post -Gefälle, nebst denen Hof-Cam-
mer- und Hof -Kriegs -Baths-Can tzley-
Taxen, welche zusammen angesetzt wer-
den mit
Hiervon nun werden zu bestreiten seyn:
Die ordinari- Extra -Ausgaben, worunter die
Livree Meublir- und Unterhaltung der
Wiennerischen Burg begrieffen, und was
dahin einschlaget
Becapitulation.
In der ersten Abtheilung . .
anderen . . . .
dritten . . . .
vierten . . . .
Summa
Maria Theresia.
Empfang
fl.
AnBga&b
fl.
100.000
517.000
1,000.000
783.000
100.000
2,400.000
100.000
517.000
1,000.000
783.000
100.000
2,400.000
115
Bystema
Ihro Eayl. Eönigl. Maytt. geheim ben Cammer- Zahl -Amts.
Empfang.
Des Taback-Appaltoris Pingitzer- Bestand -Quantum pr fl. 330.000
Von dem Printzen Hildburgshansen aus Zenkk and Carl-
waag, so mit dem Militar-Zahl-Amt durch monathliche
ratas ausgeglichen worden „ 40.000
Mittelst gleichmässiger Ausgleichung mit dem Cameral-
Zahl-Amt aus dem Craynerischen, und Littoralischer
Camerali „ 104.000
An Hungarischen Fiscalitäten, wie solche in der Cameral-
Tabelle beyläuffig in Anschlag genommen worden, so
aber nicht auf ein gewisses zu setzen, sondern steigend,
und fallend sind „ 86.000
Der Überschuss in denen Ländern, wie solcher durch
die errichtete Cameral - Systemata ausgewiesen worden,
und zwar :
Aus Böhmen „ 13.257
Mähren „ 5.309
Schlesien „ 9.101
Steyermarck „ 16.233
Aus Nieder Österreich, das Bey Verkauff deren Vicedomi-
schen Gülten, und Häusser lösende Kauff-pretium, so
dermalen nur mit 800 "* fl. angesetzet wird, mit einer
Interesse h, 5. pCent „ 40.000
Bann Yon der Boss-Mauth zu Tulln „ 511
Von der Herrschafft Laxenburg „ 416
Summa . . fl. 644.827
Worzu noch kommet, was in denen Böhmisch und österreichischen
Landen durch die heimfallende Pensiones oder sonst erspahret werden
dörffle, wie auch der anhoffende Überschuss von denen Hungarischen,
undTyrolischen Gefällen, über das in dem Systemate angesetzte Quantum.
Aussweiss
Derer Aossgaäben, so von Ihi'O Eayl. Eönigl. Maytt. geheimben Cam-
mer Zahl-Ambt zu prsestiren wären:
1* Das Ton Ihro Maytt. denen N. ö. Ständen zu dem
Schulden- Systemata aus dem Taback-Fundo zu zahlen
Stipulirte fl. 50.000
8*
116
üebertrag . . fl. 50.000
2*** Vor die arme Partheyen auf Monathl' Liste .... „ 24.000
3"' Stem-Creutz-Ordens-Gelder „ 1.700
4** Collegium Theresianum „5.300
5^ Alle YOifallende Beisen des Hofes, weil Merzu das Ca-
merale keinen Fnndum hat.
6** Die Unterhaltung derer frembden Törckischen Both-
schaffter.
7"^ Alle übrige Extraordinaria, und geheimbe Ausgaben,
weil hierzu in dem Cameral-Systemate kein Fundus aus-
gemessen worden.
8^^ Die verfallende Bau-Unkosten, oder neueMeublirungen,
massen in dem Cameral-Systemate zu Unterhaltung
derer Gebäude nur 20" fl. destinirt.
9"* Ihre Kayl. Königl. Maytt. selbst eigene reservirte Aus-
gaben.
Summa . . fl. 81.000
Maria Theresia.
III.
Die Kosten des sielt^enJShrigen Krieges.
Die Kosten des dritten schlesischen Krieges bezifferten sich auf
260 Millionen Gulden, wovon 167 Millionen durch Credit aufgebracht
wui'den, 93 Millionen flössen ,unentgeltlich' ein. Der letztere Betrag
wurde nämlich aufgebracht: Ungarische Länder 537.726 Gulden; Ihrer
Majestät Cassa 1'3 Millionen; böhmisch -deutsche Länder 24,696.527;
vom Eeich 7,848.611; aus den Niederlanden 27,375.870; von der
Hauptcassa des Münz- und Bergwesens 2,118.300; von dem Wiener-
sehen Stadtbanco 21,170.571; von Pai-ticularibus 80.000; Kriegsopera-
tion 6,193.093; besondere Zuflüsse 644.265; zusammen daher an barem
Gelde 92,044.963, dazu Naturalien aus den böhmischen und deutschen
Ländern im Werthe von 780.000 Gulden.
L. Zinzendorf gibt die Yennehrung der Schulden während des
dritten Krieges mit Preussen auf 165 Millionen an, darunter Subsidia
praesentanea in barem Gelde: 51,852.752 Gulden, Naturallieferungeiiy
wofür Pomatken ausgestellt wurden 18,230.082, Zahlungsobligationen
zu 6 und 5 Procent 21 Millionen, ausgegebene Obligationen ohne Bar-
einlage 16,572.767, Bancozettel 10 Millionen. Die Verluste, welche
117
die Besitzer von Pomatken erlitten, waren beträchtlich, sie wnrden mit
63 gehandelt; die niederösterreichischen Papiere standen 27 Procent, die
Banco- Obligationen 16 Procent, die Zahlungsobligationen 10 Procent
unter Pari.
Betrachtliche Unterstützung gewährte die Wiener Bank. Während
der Friedensjahre musste sie dem Staate wiederholt Aushilfe gewähren.
Darch Becess mit der Hofkammer vom 7. März 1749 verpflichtete sie
sich zu einer Aushilfe von 2*285 Millionen in den nächsten fünf Jahren,
und zwar 1749 750.000, 1750 622.000, 1751 479.000, 1752 229.000,
1753 205.000. Auch für unvorhergesehene Ausgaben hatte sie vorzusor-
gen. So z. B. wurden die Schulden der Kaiserin Elisabeth anfangs auf
300.000 Gulden veranschlagt. Wie sich später herausstellte, betrugen
dieselben 600.000 Gulden. Die Pensionen und anderweitigen Ansprüche
des Hofstaates mussten von der Bank übernommen werden. Der Bau der
Grenzfestungen konnte nur mit Vorschüssen der Bank bewerkstelligt
werden. Aber auch bei reinen Verwaltungsauslagen, z. B. für die Uni-
versität und die Theresianische Bitterakademie hatte die Bank Aushilfe
zu leisten, ebenso bei geheimen Auslagen von geringer Höhe, z. B. von
50.000 Gulden, wofür das Directorium mit den Steuereingängen nicht
aufkommen konnte.
Von den zwischen der Bank und der Hof kammer abgeschlossenen
Becessen sollen nur die wichtigsten hervorgehoben werden:
Ablösung der Mauth in Brück mit 100.000 Gulden an den Grafen
Friedrich Harrach. In einem Handschreiben vom 10. September 1748
wird gesagt: die Mauth müsse auf den Fuss herabgesetzt werden, wie sie
weiland Carl Freiherr von Harrach käuflich erworben und sich dem Ur-
bario einverleibt befinde; allein die Kaiserin ziehe zu gleicher Zeit die
vielen und erspriesslichen Dienste in Betracht, so dem Erzhause die
Harrach'sche Familie und besonders Friedrich Graf von Harrach in den
wichtigsten Angelegenheiten geleistet habe.
Becess vom 21. März 1749. Die Uebernahme eines Pfennigs über
den Fleischkreuzer, eine von den Fleischhackern übernommene Verpflich-
tung 8000 Gulden monatlich an die Militärcassa abzuliefern. (Ein zweiter
wurde durch die niederösterreichische Regierung als Subsidie der von dem
halbvierten Stande zu bezahlenden Contribution collectiii;.) Im Falle der
Eingang den Vorschuss nicht erreicht habe, habe die Hof kammer den
AosüaU dem Banco zu ersetzen.
Becess des Directoriums in publicis et cameralibus vom 19. Sep-
tember 1749. Die Uebernahme des steirischen Grenz- oder Hof- Salz-
118
verschlelsses vom 1. November gegen 60.000 Qulden in den nächsten
zwei Jahren, vom 1. November 1751 70.000 Gulden.
Becess vom 29. November 1749. Ueberlassang sämmtlicher Ca-
meralgefälle in Innerösterreich vom 1. November 1749 mit Ausnahme
des Stempel-, Kanzlei- und Taxgefälles gegen jährliche 441.868 Gulden.
In Steiermark, Kärnten, Erain, Fiume, Tiiest meist Eingänge aus Salz
und Wein, in Krain auch üeberlassung einiger Mauthgefälle der Herr-
schaften.
Becess vom 22. December 1749. üebernahme der Mauth zu Neu-
dorf im Betrage von 100.000 Gulden.
Becess vom 10. Jänner 1751. Bezahlung der Schulden der Kai-
serin Elisabeth, femer Auszahlung der Pensionen (600.000 Gulden.)
28. October 1751. üebernahme der genuesischen Schulden, Capi-
tal und Interessen 1,671.046 Gulden gegen einen jährlichen Fond von
67« Procent im Betrage von 108.618 Gulden, ferner 25.000 Gulden,
welche die Schuldencassa alljährlich infolge Becesses vom 29. August 1 749
dem Banco zu zahlen hatte, die von nun an entfallen sollten, endlich
133.618 Gulden. Die Tilgung sollte innerhalb 29 Jahren erfolgen mit
67s Procent. Für diese sämmtlichen Schulden hafteten bisher die Stände
in Böhmen und Mähren.
Becess vom 15. November 1752. Anticipation vom Banco im Be-
trage von 500.000 Gulden für die Fortification der Grenzfestungen. Ur-
sprünglich wurde die Verhandlung über eine Anticipation von 1,600.000
Gulden geführt, welcher Betrag auf das fünfzehnjährige geistliche Sub-
sidium sichergestellt werden sollte. Das Banco -Institut machte sich an-
heischig, diesen Betrag binnen fünf Jahi*en zur Verfügung zu stellen,
jedoch unter der Voraussetzung, dass innerhalb dieser Frist keine weiteren
Forderungen an dasselbe gestellt werden. Die kaiserliche Besolution
lautet: ,Weilen die gewisse Versicherung nicht geben kan das in fünf
Jahren nicht etwas noch an banco anzubegehren vor nöthig finden werde
so ungern als selben anbelange so wäre die anticipation indessen nur auf
zwei jähre mit selben zu schliessen.^ Infolge dessen kam obiger Becess
auf die kleinere Summe zu Stande.
Becess vom 4. Jänner 1753 zur Bestreitung einer geheimen Aus*
gäbe, 30.000 Gulden in zwei Jahren rückzahlbar.
Oontract vom 24. März 1753. 150.000 Gulden zu einer geheimen
Ausgabe gegen Bezug des dem Banco zu ewigen Zeiten überlassenen
Groschen von jeglichem innerhalb der Linien auszuschänkenden Eimer
Bier.
119
16. October 1753. Becess zurBezablang der Professorenbesoldun-
gen an der Wiener Universität im Betrage von 32.746 Golden.
22. Jänner 1754. Abermals ein Becess znm Ausbau der Grenz-
feskmgen vom 1. Juni bis 1. October 1754 in fünf Baten im Beti*age
Ton 143.572 Golden.
Becess vom 4. November 1754. 100.000 Gulden fflr die Hof-
ausgaben.
Becess vom 26. Juli 1755. Vorscbuss von 50.000 Gulden.
Becess vom 20. Juni 1757. 260.000 Gulden Gebäudeschulden
inclusive der Anforderung des Malers Quiliemo.
Beim Beginne des Krieges verpflichtete sich die Bank, 100.000
Gulden monatlich dem Staate zur VerfQgung zu stellen. Bereits im
Sommer 1757 erhielt sie die Weisung, andei*thalb Millionen aufzubringen,
femer im October desselben Jahres 280.000 Gulden dem Kupferamte zu
5 Procent vorzuschiessen, während das Haus Küner & Comp. 6 Procent
und 1 Procent Provision verlangt hatte. (Vorti*äge vom 11. August und
21. October 1757.) Im Februar 1758 wurden von der Bank dem Came-
rale 400.000 Gulden vorgeschossen, und am Schlüsse des Jahres kam ein
Becess zwischen der Bancodeputation und dem Directorium zu Stande, wo-
nach erstere sich verpflichtete, 6 Millionen für Kriegseifordernisse aufzu-
bringen, sodann 253.511 Gulden für die Militärcassa und 100.000 Gulden
ftlr die Cameralcassa vorzuschiessen zur Bezahlung des Tabakadministra-
tors Pinzinger (das von demselben erlegte Cautions- und Anticipations-
capital betrug 300.000 Gulden), endlich als Kaufschilling für die hochstift-
lich bamberg^hen Herrschaften in Kärnten 1 Million Gulden zu erlegen.
Für diese Beträge erhielt die Bank 5 Procent Zinsen und 2 Procent für die
Capitalsrückzahlong und als Bedeckung das ständische Apalto-Beluitions*
qoantnm durch zwanzig Jahre, welches alljährlich einen Ertrag von 475.750
Gulden lieferte. (Vortrag vom 6. December 1758, unterzeichnet Haugwitz
und Chötek.) Hiemit waren die Anforderungen nicht erschöpft. Im
Jabre 1759 wendete sich das Directorium abermals an die Bancodeputa-
tion mit dem Hinweise, dass man sich in der äussersten Verlegenheit be-
finde, die Feldoperationscassa zu unterstützen und die Armee richtig zu
bezahlen. Bei der gemeinschaftlichen Berathung stellte sich heraus, dass
fftr das Jahr 1760 von dem Banco bereits eine Aushilfe von mehreren
Millionen in Anspruch genommen werden dürfte, und die Vereinbarung
ging nun dahin, dass die Bank sich bereit erklärte, für die Besoldungen
nnd Pensionen im Betrage von 5,458.893 fl. 33 Ys kr. Schuldbriefe gegen
«ne 5*/jjige Verzinsung vom 1. August 1759 angefangen für ein ganzes
Jahr auszufertigen und dem Directorium zu übergeben und ferner einen
120
weiteren Vorschuss för das nächste Militärjahr 1760 mit Inbegriff der
monatlich derzeit ohne Fond zn verabfolgenden 100.000 Gulden im Be-
trage von 4,541.106 fl. 267$ ^y- dergestallt sicherzustellen, dass vom
1. November 1759 angefangen monatlich 400.000 Golden in baarem
Gelde oder in Schuldbriefen des Banco abgeführt werden sollen, wonach
also die Bank im Ganzen 10 Millionen Yorschnss geleistet haben würde.
Zur Bedeckung desselben sollte der Temesvarer Banat mit allen Contri-
butional- und Cameraleinkünften in die Administration der Bank über-
gehen und so lange im Besitze derselben bleiben, bis das vorgeschossene
Capital von 10 Millionen rückgezahlt würde.
Die Marginalbemerkung der Kaiserin auf diesen Vortrag lautet :
,auff dise arth werde ich am leichtesten aus dem verfall gezohnen und
wird es denen partheyen und dem banco zu keinen laast wohl aber zur
grossen erleichterung dienen. aprobii*e also alles wegen banat sowobl
als der papiere die wohl anstatt 5 nur 4% haben kunten zugleich wolle
ich auch die 100.000 von der camer als die 150.000 von theatio darunter
begreifen, damit alles beysamen seye. den stall kuchel kourir und die
zwey guarden ausgenohmen die wie vorhin paar zu bezahlen seyn. wan
all dises von geld abgeschlagen wird, so möchte noch eher sehen was in
haaren zur kriegskasse einfliessen wird welches nach abschlag der inter-
essen deren 600.000 fl. dem wirklichen abgang deren 1,300.000 und was
noch paar zu bezahlen dann die dreyssiger und alle andere solche kleine
beamte auch zu bezahlen sind überbleiben wird. Verlange eine abschrift
dises referat ohne meiner resolution.'
Auch in den folgenden Jahren musste die Bank mehrere Millionen
für den Kriegsbedaif aufbringen , allein die Einlagen derselben nahmen
ab, da die Bancopapiere im Werthe bedeutend gesunken waren. Das
Publicum, heisst es in einem Vortrage, sei mit derartigen Papieren über-
häuft und finde es ansehnlicher, dieselben im Privatverkehre zn kaufen
oder das Capital in fremden Ländern, wo ebenfalls Geldbedarf nothwendig^
sei, anzulegen. Zwei Millionen verpflichtete sich die Bank aufzubringen.
Das Institut habe bisher weit über seine Kräfte hinaus zum Kriege bereits
zwanzig Millionen beigetragen. (Vortrag vom 14. Februar 1761.) Die
kaiserliche Entschliessung lautet: Der Abgang für die heurige Campagne
zeigt sich nur allzu richtig; begnehmige das Anerbieten über die bereits
vor heuer in barem Geld und Papieren übernommenen 6 Millionen annoch
auszustellende Banco-Obligationen für 2 Millionen^ dieselben wären aber
sobald als möglich auszufertigen.^
Eine weitere Aushilfe erhielt man durch die von den Ständen der
Niederlande gewährten Beiträge und Subsidien, und zwar in den Jahren
121
1758 — 1761 je zwei Millionen jährlich, zusammen daher zehn Millionen
Niederländische Ck>nrant= 7,142.857 deutsches Qeld, als dons gratnits
1757 und 1758 je drei Millionen, 1759 — 1762 je zwei Millionen, zu-
sammen 16 Millionen Brabanter Conrant oder 11,428.571 deutsches Geld.
Femer wurden unter Garantie der Stande während der Kriegsjahre seit
1756 aufgenommen 17*725 Millionen Gulden, und zwar auf Grund Aller-
höchster Schuldverschreibungen; seit 1762 wurden auch als Hypothek
allgemein ständische sechsprocentige Darlehensobligationen ausgefolgt.
Ueber die im Jahre 1764 noch haftenden 13*625 Millionen Wiener
Währung (= 16*25 Millionen niederländisches Wechselgeld) wurde am
24. August 1764 zwischen der österreichischen Finanzverwaltung und
dem niederländischen Departement, mit dessen Leitung Kaunitz betraut
war, eine Vereinbarung getroffen, wornach sich erstere verpflichtete,
jährlich 817.500 Gulden, d. i. 6 Procent während 31 Jahren zu ent-
richten und im 32. und letzten Jahre den Best, nämlich 408.808 Gulden
xu bezahlen; 47« Procent sollten zur Zahlung der Zinsen und iVg Pi'o-
cent zur Capitalstilgung verwendet werden. Am 1. November 1774 haf-
teten noch 111 14 Millionen Gulden.
In welchen Nöthen der Staat sich in den letzten Jahren des Krieges
befand, ist aus zahlreichen Schriftstücken J. Ch. Bartenstein*s ersicht-
hch, der seit 1759 in finanziellen Fragen eine grosse Thätigkeit ent-
faltete. Am 10. November legte er, um das ,christliche Gemfith' der
Kaiserin zu beruhigen, ,traurige doch bestgemeinte diensteifrigste Ge-
danken' vor. Zur Festsetzung eines ständigen Finanzsystems wurde 1760
eine Hofcommission eingesetzt und zu Mitgliedern Prandau, Toussaint,
Saftan, Nenny und Bai-tenstein ernannt. Mit der Leitung wurde Graf
B. Chotek betraut. Die Berathungen führten jedoch, wie es scheint, zu
keinem greifbaren Ergebnisse.
Eine bemerkenswerthe kaiserliche Entschliessung auf einen Vor-
trag Chotek's vom 2. August 1761 lautet:
,Wann die Monarchie gerettet, eine Banqueroute vermieden, alle
Schulden bedeckt, und zu denen nöthigen Staatsausgaben Bath geschaffet
werden solle, So muss so, wie Ich es vorlängst anbefohlen, bishero aber
keines weegs befolget worden, von der Commission zu werck gegangen,
und vor allen Dingen der Grund zu einem rechten Finanz Systemate ge-
^«get, sodann aber erst nach den festgesetzten general Keglen alle parti-
cölar Rabriquen ausgearbeitet werden.
fNach diesem offenbahr wahrem unwiedersprechlichen grundsatz,
^d jm endlich ein so nützlich- und wichtiges Werck in das rechte gleiss
122
zu leiten, und theils den zeit Verlust, zum theil aber alle schädliche Stack-
arbeiten zu yermoiden; So erkläre hiermit nochmahls Meine hierunter
hegende Willens Meynung, welche dahin abzielet, je eher je besser, ohn-
fehlbar aber und längstens gleich nach dem Frieden ein ganzes Finanz-
Systema festzustellen.
,üm nun beurtheilen zu können welches das beste seye, und
damit nicht stuckweiss decidiret, sonderen aus allen Theilen ein ganzes
gemacht, auch vorhero das totum übersehen werde; So verlange yon der
Commission :
,1'') Den Ausweiss aller Schulden, wobey und zwar de mbrica ad
rubricam zu bemercken ist, wann solche contrahiret, was für Interessen,
und ob, und was für Zahlungs Terminen stipuliret, dann was bereits
daran gezahlet worden, dann ebenfalls
,2'') Den Ausweiss aller Fonds, worinnen sie bestehen, wann sie
gegeben worden, was sie vormahlen, und was sie jezt ertragen, auch ob?
und welche Verbesserungen hierunter vorgenohmen werden könnten; auf
gleiche weiss
,3^ Die Specification aller Staats-Einkünfften und Ausgaben, nebst
dem Gutachten über die Erspahrungen.
,Ich misskenne keinesweegs, dass dieses Arbeit und Zeit erfordere;
allein je wichtiger der Gregenstand, desto fleissiger und ohnablässlicher
hat die Commission nach dieser vorgeschriebenen Methode zu arbeiten,
und Mir ihre Elaborata von Zeit zu Zeit Stuckweiss herauf zu geben/
Nach erfolgter Neuordnung der Finanzverwaltung am Schlüsse des
Jahres 1761 übergab die Kaiserin die Arbeiten Bartenstein's an den
Finanzpräsidenten (Handscheiben an Herberstein vom 24. März 1762).
An Bartenstein erliess sie folgendes Handbillet:
,S6in durch seine drei Ausarbeitungen in Finanzsachen Mir wieder-
holt erprobter, treuester und reinester Diensteifer, dann hierunter angewen-
dete Mühe, Sorgfalt und Geschicklichkeit gereichen Mir zu vollkommenster
Zufriedenheit; Und gleichwie diese so vortrefflich verfassten Aufsätze eine
vollständige Auskunft von dem wirklich Geschehenen enthalten, so habe
für Meinen Dienst erspriesslich erachtet, solche denen drey Finanzpi*äsi-
denten mit dem ausdrücklichen Befehle mitzutheilen, dass sie so oft als
sie es nöthig befinden, eine Zusammentretung mit ihm veranlassen und
über seine Vorschläge und Ausarbeitungen wie auch deren vollständige
Erläuterung mit ihme concei-tiren sollen.'
Ueber Bartenstein ist Arneth's akademische Schrift im ,ArchiY für
österreichische GeschichteS Band 46, und der Artikel in der ,Allgemeinen
123
deatschen GeographieS Band II, zu vergleichen. Eine Ergänzung möge
hier Platz finden, üeber seine Anstellung in Wien verbreitet sich eine
im Jahre 1762 eigenhändig geschriebene Eingabe:
,Bald nach dem Schluss derer Badstädter Friedenspräliminarien bin
ich nach Wien gekommen, nachdeme vorhero schon 4 Jahre auf Beisen
zugebracht hatte, während dem meinem hiesigen Aufenthalt hat sich eine
Gelegenheit ergeben, dass der alte Graf von Seillern, seelige Onkel des
letzt verstorbenen Österreich. Hofkanzlers mit mir zu reden verlanget, und
habe ich das Glück gehabt, ihme dergestalten zu gefallen, dass er mich an-
geredet, ob nicht in hiesige Dienste eintreten wollte? woranf erwiderte,
dass mir zwar Wien sehr wohl gefalle, aber ausser Se. Exellenz niemanden
hätte, der mir eine gleiche Bedienstung verschaffen könnte, als ander-
wärts sicher anhoffen könnte, worauf er mir erwiderte, dass er die Sach
besorgen wollte und weilen vorhätte, die übrige teutsche Höfe zu be-
SQchen, ihme in der Anliegenbeit womit er mich bey denen patribus con-
gregationis sancti Mauri in Frankreich belade von Zeit zu Zeit zuschrei-
ben sollte. So auch gethan.
,Es ist aber dieser gi'osse Minister im Januaris 1715 gestorben,
jedoch hat er noch vor seinem Tode als des höchst seeligsten Kaisers
Miyestät den Grafen Gundaker Thomas von Starhemberg seelige zu ihme
geschicket mich in Vorschlag, um anhero berufen zu werden, worauf mir
im Febroario 1715 zugeschrieben worden, und bin sodann im October
des nämlichen Jahres nach vollendetem Tour in Deutschland wieder
anhero gekommen und als kais. Bath in denen wichtigsten Beichs- und
Hansanliegenheiten, so durch die Conferenz gelofen, dergestalt gebraucht
worden, dass in Allem, worüber Graf von Starhemberg seelig von Ihro
Majestät dem Kaiser befragt worden, die Feder ganz allein gefühi*t.
Um aber auch von dem hiesigen Interne die Kanntnuss zu überkommen,
habe zugleich die niederösterr. Begieimng als damalige Pflanzschule fre-
qoentirt und nebst der Besoldung die titulo oneroso mir gleich anfangs
versicherte 1000 Thaler von dem Banco fortan genossen. Im Jahre 1725
bin als böhmischer Hofrath vorgeschlagen worden. Ihro Majestät hatten
mich aber schon damals pro successo des verstorbenen Baron Buol seelig
bestimmt, mithin wurde im Jahre 1726 zur Österreich. Hofkanzley ge-
zogen und im Jahre 1727 tratt in der Stelle des Baron Buol seelig, ohne
dass jemalen der mindeste Anstand geregt worden wäre, dass mir die
1000 Thaler nebst der ordinären Besoldung zu verbleiben hätten:
Jndem sie mir versichert worden, weilen wegen des Eintritts in
hiesige Dienste um den mehrsten Theil meines vätterlichen und mfltter-
124
liehen Vermögens gekommen. Das Staatssekretariat habe bis in das Jahr
1753 in denen misslichsten Zeitumständen nach bestem Wissen nnd Ge-
wissen versehen nnd sind mir bei meinem Austritt die kräftigsten und
bündigsten Versicherungen ertheilt worden , dass an Allem , was ich bis
dahin genossen, lebenslang nichts würde benohmen werden: dessen mich
aus allerhöchster Gnad bis nun zu erfreuen gehabt habe, und wie zu-
malen nicht glaube, etwas verschuldet zu haben, so müsste mir zugleich
schmerzhaft fallen, und vor der Welt verkleinerlich scheinen, wann
derenthalben ein Anstand geregt werden sollte.
Wien, den 23. Mai 1762. Fi'eiherr v. Bartenstein.'
Am 28. Mai erstattete Graf Hatzfeld hierüber einen Vortrag an
die Kaiserin, worin dargelegt wurde, dass aus der Banco-Bnchhalterei und
Kegistratur hervorgehe, dass nach dem Tode des Grafen Gundaker von
Starhemberg sein Nachfolger Graf Philipp Josef von Kinsky im Jahi*e
1745 und Graf Budolf Chotek seit dem Jahre 1749 diese seit dem Jahre
1715 ,füi-währende Abreichung' angezeigt habe und dieselbe dem An-
sehen nach sowohl von dem Kaiser Karl VI., als auch von der Kaiserin
,ad dies vitae gnädigst verwilliget und erstrecket^ worden.
Die kaiserliche Entschliessung lautete dahin: ,bey der von Barten-
stein aus der Banco-Hauptcassa geniessenden Pension hat es bis auf
weitere Verordnung zu verbleiben.*
IV.
Die Zinsenrednction.
Graf Ludwig Zinzendorf hat bereits 1758 auf die Noth wendigkeit
einer Zinsenherabsetzung hingewiesen, Kaunitz in einem Nachtrags-
votum vom 24. November 1761 sich in demselben Sinne ausgesprochen
und in einem Gutachten vom 18. Juli 1762 bemerkt, dass durch Ver-
minderung der Interessen jährlich einige Millionen erspart werden können,
unmittelbar nach Herstellung des Friedens sei die Angelegenheit in An-
griff zu nehmen. Vier Procent wurden als Verzinsuug der Staatsschuld
bereits 1763 in Aussicht genommen. Am 11. August 1764 forderte
Maria Theresia ein Gutachten von den Finanzstellen und von der böh-
misch-österreichischen Kanzlei, wie die Beduction der Interessen bewirkt
werden könne. Durch Handschreiben der Kaiserin vom 25. November
1764 an den Grafen Herberstein wird verlangt, dasselbe ,des förder-
samsten heraufisugeben*. Tags darauf erlässt sie folgendes Handschreiben
an Herberstein:
125
,Es ist ausser allem Zweifel gesezet, dass dermalen unter sämmt-
lichen Staatserforderuissen vorzüglich die Bestreitung der hohen Inter-
essen von den haftenden Capitalien Mein Aerarium am meisten drücke
und dass also unyerschieblich hierunter auf die Hülfe fürzudenken sei.
ySowie der Ei-folg zeiget, ist die zu einiger Erleichterung Meines
Aerarii schon eingeführte Interessensteuer sehr vielen Inconvenienzen
unterworfen, da sonderheitlich die Aufdeckung des Vermögens durch die
Fassionen, die wenigstens respectu der Privat-Capitalien erfordert werden,
dem Publice unangenehm und beschwerlich föUt, auch das Passivum von
dem Activo nicht abgezogen , folglich eine vollständige Gleichheit ohne
Verkürzung ein oder des andern nicht wohl erreicht werden mag.
,Der Betrag selbst dieser Anlage muss weiterhin von Jahr zu Jahr
ohnumgänglich geringer ausfallen, nachdeme einestheils jeder durch seine
Activa die Passiva nach und nach abzustossen ti*achten wird, anderntheils
aber von sothaner Grebühr die Wechselzettel befrejet sind und solcher-
gestalten die Capitalien in Wechsel umgesetzet und der Gebühr entzohen
werden können, woraus sich dann ergibt, dass ein so grösserer Abgang
an der Bedeckung der Staatserfordernisse sich zeigen müsse, je mehr
der Einfluss in dieser Bubrik sich vermindern wii'd.
,Damit also in andere Wege hierunter thunlicher Massen Bath ge-
Schaft werden möge, so will den Finanzstellen andurch aufgetragen haben,
mit der böhmisch-österreichischen Canzlej in reife Überlegung zu nehmen,
ob nicht dem Staat erspriesslicher und sonderheitlich Meinem Aerario
nützlicher wäre, dass anstatt der Interessensteuer von allen sowohl bej
Meinen publiken Gassen als bey sämmtlichen Länderetänden anliegende
Capitalien ohne Bücksicht auf die Bancobefreyung, nur allein die bey
dem Banco selbst radicirten Capitalien ausgenommen, die Interessen
durchgehends von 6 und 5 auf 4 Procent ipso facto und ohne hierwegen
einiges Patent kund zu machen, reducirt würden, wie solches anno 1748
dui'ch das Cameral- Schulden -System respectu der Capitalien in Böhmen
und Mähren von 6 auf 5 % ^^^ bestem Erfolge und ohne einige Beclami
bewerkstelliget worden.
Hierüber wii'd Mir das gemeinschaftliche Gutachten demnächst
zu erstatten und dabey zugleich darauf zu reflectiren seyn, ob nicht
zu gleicher Zeit, wie schon im vorigen Jahre der Antrag war, das Ge-
setz zu erlassen wäre, dass bey allen, auch bey denen Privatis neu an-
legenden Capitalien die Zinsen nicht höher als ä 4 % gestattet werden
wollen.
Wien, den 36. November 1764. Maria Theresia.'
126
Am 18. August 1765 starb Kaiser Franz, und einige Tage daraaf
erfolgt an den Grafen Hatzfeld ein Handschreiben:
yNach deme Ich Meines Dienstes zn seyn befunden, Ihme die Ein-
sicht aller unter Weyl. des Kaisers Meines Herzgeliebtesten Oemahls
Maytt. Liebden eigenen Direction gestandenen Gassen, nehmen, und
deren Betrag, Beschaffenheit und Widmung untersuchen zu lassen. Als
trage ihme solches dergestalten gnädigst auf, dass er diese Auskünften
über sammentlich-diesfällige Gassen gleich bei seiner Ankunft in Wienn
von dem Finanz-Bath von Posch, auch allen sothane Gassen verwaltenden
Beamten einhoUen, und sodann deren Befand Mir allsogleich anzeigen solle.
Insprugg den 24^ Aug. 1765. Maria Theresia.'
Die Verfftgung über das Vermögen erfolgte im October 1765. Die
zwei hier folgenden Handschreiben geben daiHber Aufschluss:
,Je Yous renvoie ici, mon eher comte d^Hatzfeld, la note touchant
les actions, que feu S. M. avait dans ses caisses de Tadmodiation, je les
ai laiss^ ä mon tr^sorier Deldono, pour qa*il les vende, et Targent je yous
les ferai remettre. G*est Fries qui les veut acheter. Si vous sauriez en
faire un meilleur usage, il n'y a qu'ä me le marquer ou dire, demain 11
sera encore temps. G^n^ralement je dois vous avertir, et je crois aussi
que rintention de S. M. I. Beine est pour les siennes que vous les fassiez
liquider, mais que ni de Targent comptant ni des papiers vous fassiez
encore usage ä cause de certaines difficultes encore survenues, ainsi que
vous gardiez apr^s avoir aver^ les sommes le tout ensemble sans vous en
servir ni le confondre avec d*autres caisses.
Ge 19 octobre 1765. Joseph.*
,Wien den 20. Octobris 1765.
,Lieber Graf v. Hatzfeld. Ich habe mich mit des Kaysers Mayst.
wegen unserer Erbschaft verstanden, und wir haben auch wegen der
disposition einerley absiebten zum Yortheil des Staats. Was mich be-
trifft, so will Ich:
,1"*^ dass alle böhmischen Herrschaften der Gamer zufallen sollen,
,2^^ dass die ganze Gassa des Simons und noch von der Titlbachi-
sehen Gassa 2700"* fl. dem Banco und der Schulden -Gassa fibergeben
werden. Nur der überliest der Titlbachischen Gassa und auch die Herr-
schaften Altenburg und Männersdorf behalte Ich mir zur freyen dispo-
sition bevor zum Besten Meines Hauses und Kinder; aber auch dieser
Überrest solle, wie Alles vorher gemeldete bey dem Banco zu 4 pro Gento
127
angeleget werden, womit also in der That der Staat die ganze Erbschaft
bekommet nnd Endlich
,3**^ destinire Ich alles baares Geld zur Yermindemng der Banco
Interessen, worauf Er mit allem Eiffer bedacht seyen wird
»Umständlicher habe Mich in einem act expliciret, wovon Fürst
Eanniz ihme eine abschrifft communiciren wird: verbleibe übrigens dem
gi-afen mit E[ays. Königl. auch landesfürstl. hulden nnd gnaden wohl
gewogen. Maria Theresia.
Die folgende Nachschrift eigenhändig:
jDises verstehet sich in das werck zu setzen wen all übrige arrange-
ments wegen deren dchulden werden genohmen sein, bis dahin solle noch
die massa wie sie jetzt ist beysamen bleiben und a parte von ihme über-
nehmen und geführt werden zu des Eaysers banden seine und zu meinen
die meinige lassen wie sie sind.'
Das Vermögen des Kaisers bestand in Papieren und in baarem
Geide und wurde von drei Personen verwaltet: Simon, Cavallar und
Titlbach. Einem Ausweise des Buchhalterei-Directors Job. Gottfried von
Braun vom 30. October 1765 ist zu entnehmen, dass an Baargeld
4,095.291 fl. 28 Va kr. vorhanden waren, an Papieren 13,639.513 fl,
41 kr., und zwar:
67oigö steuerfreie 4,008.419 fl. 0V4 kr.
nicht steuerfreie
öVo^gö steuerfreie . .
nicht steuerfreie
470ige nicht steuerfreie
»Voige
ohne Interesse .
Die letztgenannte Summe betraf wahrscheinlich eine Schuldver-
schreibung von Baron Widmann vom 18, Juni 1755, erst dann zahlbar,
wann der Baron in besseren Yerhältnissen sich befinden werde. Ur-
sprünghch betrug die Schuld 30.000 fl., worauf eine Abzahlung statt-
gefonden hat.
Die obigen Ziffern stimmen nicht ganz mit Angaben, die ich einem
Schriftstücke Hatzfeld^s entnehme und zwar den ,Bemarques sur Tabr^gä
des changements faits en mati^re de finances depuis la mort de S. M.^
Hiemach hatte Franz hinterlassen: haar 4*24 Millionen, in Papieren
13*66 Millionen. Hievon wurden 100.000 fl. Schulden bezahlt, der Best
in zwei Theile getheilt. Maria Theresia bildete eine Beservecasse mit
8'66 Millionen, der Best wurde dem Staate überwiesen.
263.284 „
6
3,165.420 „
39
5,180.272 „
45V4
996.002 „
23
1.059 „
25.065 „
»
V
»
128
Aus einer Tabelle Yom Jahre 1786 über die gesammte österreichi-
sche Staatsschuld ist zu entuehmen, dass an. die Staatsschuldencassa ab-
gegeben und in Empfang yerrechnet wurde:
An baarem Gelde mit Inbegriff der
toscanischen Gelder im Betrage
von 1 Million 4,639.741 fl. 7V5 kr.
An Obligationen 8,306.497 „49 „
An auf den Obligationen haftenden
Interessen 10.379 „21 „
Summe . . 12,956.618 fl. I775 ta-.
Die Berathungen über die Zinsenherabsetzung gelangten in den
ersten Apriltagen 1766 zum Abschlüsse. Am 6. April 1766 erliess
Maria Theresia ein Handschreiben an die beiden Finanzpräsidenten Lud-
wig Zinzendorf nnd Hatzfeld.
,IJm den Antrag wegen der bevorstehenden Herabsetzung der B a n c 0-
Interessen nnnmehro in seine werkthätige Erfüllung zu setzen, will
Meine Entschliessung auf die denen beeden Finanzpräsidenten mitge-
theilte Fragen und von seihten darüber erhaltene gutachtliche Aensse-
rungen, von deren Entscheidung hauptsächlich die Einleitung des Ge-
schäftes abhänget, folgendermassen hiemit ertheilen und zwar :
,Ad P" Sind alle in dem Banco anliegende Capitalien mit alleini-
ger Ausnahme der ohnedem in capitali nicht mehr zahlbaren Leibrenten
oder die schon auf ein minderes Interesse von 4% st^liön, der vor-
habenden Reduction zu unterziehen, jedoch werden die Finanzpräsiden-
ten bey Entwerfung des Auf kündigungsavertissements auf einen schick-
samen klaren Ausdruck füi'denken, wie jene Capitalien, die von den
Gläubigem nicht aufgekündigt werden können, als da sind die Giro-
papiere, die Stiftungs- und Fideicommiss-Capitalien, in die Be-
duction gezohen werden können, und bey etwa haftenden Anstand zu-
gleich ihr Gntmeinung eröffnen.
,Ad IP"" Ist die Aufkündigung nicht stückweise, sondern auf ein-
mal vorzunehmen.
,Ad ni^^""" Ist fürs erste Meine Anordnung schon ergangen, dass
mit der Verbrennung deren in Gredit-Cassen vorfindigen Obliga-
tionen, Coupons und Banco-Zettuln fürgegangen und der Total-
betrag dieser getilgten Papiere in den öffentl. Zeitungs-Blättern be-
kannt gemacht werden soUe; fürs zweite ist das A uf kündig nngs-
Avertissement in aUen inländischen Zeitungen kund zn machen
129
nnd den hiesigen Banquiers eine gewisse Anzahl Exemplarien zur Yer-
theilang nnter ihre Correspondenten zuzustellen, allermassen solches
durch Meine geheime Hof- und Staatskanzley auch Meinen Ministern an
auswärtigen Höfen zu gehörigem Gebrauch mitgethoilt werden wird ; fürs
dritte ist das zu erlassende Interessen-Steuer-Patent, welches Mir
mit dem Entwurf des Avertissements wiederum heraufzugeben ist, zu
gleicher Zeit zu publiciren und zur Wissenschaft der Ausländer auch
in den Zeitungen kund zu machen; fürs vierte werde Meiner Obristen
Jostizstelle anbefehlen, bey Schätzung der Landgüter auf die 4 7o ^^~
niedrigten Interessen die Bücksicht zu nehmen. Anbej ist in dem
Avertissement die ausdrückliche Erwähnung zu machen, dass die Obriste
Justizstelle den Befehl erhalten, dieses Werk zu Stande zu bringen,
fürs fünfte mag Hatzfeldt nach seinem Antrag die vornehmste der
hiesigen Banquiers vor sich berufen, um denenselben einen Yortheil-
hafien Begriff von der vorhabenden Beduction bejzubringen.
^d IV'"° Sind die bey den Banco- Obligationen nach Proportion
ihres Betrages ohnehin festgesetzten Auf kündigungsterminen gleichfalls
zur Bichtschnur der gegenwärtigen Aufkündigung zu nehmen, nur mit
der Beobachtung, dass dem 14tägigen Auf kündigungstermin 4 Wochen
und dem 4 wochigen 14 Tage und zwar allein respectu der Fremden zu-
gegeben werden sollen, wohingegen alle übrigen Greditores und die
inländische ohne Ausnahme bey ihrer allschon gesetzten genüglichen
Frist zu belassen sind.
,Dei* Termin zu Publicirung des Aufkündigungsavertisse-
ments ist auf den 15. dieses 1. M. April festzusetzen, doch muss von
nun an dieses Avertissement entworfen und nicht nur allein allen Meinen
Ministem an auswärtigen Höfen, sondern auch allen Länderstellen zum
TorauB zugefertigt werden, damit solches allenthalben in denen Zeitun-
gen eingeruckt und in denen Erblanden mit der grössten Publicität
kund gemacht werde. Der Aufsatz zu diesem Avertissement wird also
Ton Hatzfeld* schleunigst zu entwerfen und Mir zu Meiner Einsicht her-
au&ugeben seyn.
^d y*°'° Ist in den Zahlungsfristen selbst zwischen einheimischen
und fremden Gläubigern gar kein Unterschied zu machen.
^d VI*°° Wird die Zahlung nach den Umständen entweder ge-
schwinder oder langsamer, und im letztern Falle so viel immer möglich
in Silbergeld zu leisten und die Ausfuhr des Geldes nach aller Schäife
zu erschweren, doch aber bey der Zahlung Selbsten zwischen in- und
toflländisehen Gläubigern weder in tempore noch in re der geringste
unterschied zu machen seyn. Der Antrag, dass keine neue Einlagen in
IrckiT. LXXXn. Bd. I. H&Ift«. 9
130
dem BaDCO höher als zu 3Y9 % angenommeD werden sollen^ könnte
das Publikum leichtlich in die der Operation nachtheilige Besorgniss ver-
setzen, als wenn bald zu einer zweiten Reduction abermals fQrgeschritten
werden wüi*de, daher hievon gar kein Gebrauch zu machen ist.
,Ad VIP™ Ist denjenigen Banco- Gläubigern, welche der Inter-
essenreduction sich fügen, in dem Avertissement die Auswahl anzutra-
gen, entweder die alte Obligationen beyzubehalten oder neue nach dem
zweifachen Vorschlag des Bechenkammer-Pi*äsidenten anzunehmen.
,In Ansehen deijenigen, welche die alte Obligationen beybehalten
wollen, wird es keiner besondern Stampiglie bedürfen, sondern in dem
Aufkündigungsavertissement kann in der von dem Banco- Präsidenten
am Ende seiner Fragen -Beantwortung an Hand gelassenen Art zugleich
erkläret werden, dass alle diejenigen, welche in dem angesetzten Tennin
weder das bare Geld noch eine andere von den angetragenen zweierlei
Gattungen der Obligationen verlangen würden, das weitere Interesse von
dem bestimmten Tage nicht anders als ä 4 % zu empfangen haben
sollen, inzwischen aber werden die Papiere der von dem Zinzendorf
vorgeschlagenen zwey neuen Gattungen voi'zuboreiten und Mir von 8 zu
8 Tagen, wie es mit der Operation gekommen, die Anzeige zu erstatten,
auch diesfalls zwischen denen Finanzministern das Einverständniss zu
pflegen seyn.
,Dem Rechenkammer-Präsidenten will hiemit aufgetragen haben,
die Creditbücher bey dem Banco sowohl für die nach der alten Form
eingerichteten, aber hinfüro mit Nummern zu versehenden Obligationen,
als für die Coupons-Obligationen einzurichten.
,Ueber die ganze gegenwärtige Operation muss eine besondere Bech-
nung geführt werden, die mit der gewöhnlichen Rechnung der Banco-
Hauptkasse nicht zu vermischen ist. Hiezu hat ebenfalls der Rechen-
kammer-Präsident den Entwurf alsogleich und dergestalten zu verfassen
damit beständig die Operation in momentaneo übersehen werden könne.
,Ad Vni^"® Ist denen neu ausfertigenden Obligationen, sowie auch
den Coupons eine 6monatliche Aufkündigungszeit nach dem Vorschlag
des Rechenkammer-Präsidenten zu praefigiren, respectu deijenigen hin-
gegen, so ihre alte Obligationen behalten wollen, ist nach dermaliger
Verfassung die bestimmte Zeit ihrer Aufkündigung beyzubehalten.
,Von Einlegung der Firma wird in dem Avertissement gar keine
Erwähnung zu machen seyn.
,Ad IX**"* Um der Besorgniss vorzubeugen, dass nicht etwa mehrere
Banco-Capitalien in der Absicht erhoben werden, damit die Eigenthümer
mittelst Aufkaufung der ständischen die Bancofreiheit geniessenden.
131
5 und ^y^igen Papiere einigea' Nutzen sich voi*schafren, so werden in
dem Aufkündigungsavertissement alle diese steuerfreieji 5 und 6^/oigen
ständische Papiere zu gleicher Zeit aufzukündigen, und denjenigen,
welche sich der Herabsetzung auf 4 % ^<^^^ fügen wollen, nach ge-
endigter Operation die Hinauszahlung zuzusagen seyn.
,Das Geschäft ist also ohne Zeitverlust nach diesen Sätzen ein-
zuleiten und das Aufköndigungsayertissement des fördersamsten zu
Meiner Genehmigung voi-zulegen.
,Im Übrigen wird Mir der Bechnungskammerprasident über die ad
quaestionem UI^**"* et IV'*™ annoch gemachte wichtige Vorschläge die
nähere Erläuterung zu erstatten haben, damit sodann, wenn vorerst
die gegenwärtige Hauptoperation berichtigt worden, die weitere Berath-
sehlagung darüber gepflogen werden möge. Maria Theresia/
Die Verlautbarung übersendete Maiia Theresia durch Handschreiben
an den Grafen Hatzfeld vom 18. April 1766:
,Da8 avertissement wegen der bevorstehenden herabsetzung der
interessen habe so wie es anschluss ausweiset, zu begnehmigen befunden,
und theile Ihme solches zu dem Ende andurch mit, auf dass Er davon
nach meiner schon ergangenen Anordnung den gehörigen Gebrauch
machen und die Kundmachung vorgeschriebener Maassen schleunigst
lorkehren möge. Maria Theresia.'
Eigenhändig: ,Warumen ist nichts eingeflossen wegen denen mit
banco-frejheit versehenen ständischen schuld Obligationen, dis aveiiiisse-
mens wäre mir abschriftlich wieder bis morgen zu schicken.'
In einem Vortrage vom 19. April 1766 bemerkt Hatzfeld, es habe
ihn betrübt, zu ersehen, ,dass in dem Avertissement, welches die Kaiserin
genehmigt habe, seiner triftigsten Vorstellungen ungeachtet, eine nie-
mahlen gewöhnliche und so kurze Frist ausgemessen werde, welche
den Banco äusserst gehässig machen muss-. Das eigenhändige Mar-
ginale der Kaiserin lautet: ,Ich werde ihme niemahlen die schuld geben
wen was übles aus dem kürzeren termin entstünde, da mir solcher von
dem gantzen Staattsrath angerathen worden, ich lasse es also bey dem
Zugeschickten avertissement bewenden und zwejfle nicht an seiner ge-
8chid^n bewerkstelligung.'
Das ziffermässige Ei-gebniss der Operation war folgendes. Am
Schlüsse des Jahres 1765 betrug die Bancoschuld:
9*
132
Zu 6 Procent verzinslich 3,461.514 fl.
„ 5 „ „ 100,612.934 „
„ 4 „ „ 5,655.658 „
ohne Interessen 158.865 „
109,888.966 fl.
Infolge der Aufkündigung, wornach haare Rückzahlung oder üm-
schi'eihung der höher verzinslichen Obligationen in i^ folge zu erfolgen hatte,
wurden von den 67oi&ön Obligationen haar hinausgozahlt 1,163.210 fl.,
während ein Umtaasch gegen ^^loigQ Obligationen für 2,292.804 fl. er-
folgte. Bei den b^/oigen Obligationen bezifferte sich die Baarzahlung blos
auf 958.378 fl., während der Rest bis auf 566.346 fl. umgetauscht wurde;
dieser letztere Betrag betraf die sogenannten ,Scadenz- und repartirten
Schulden*, für deren Rückzahlung ein bestimmter Termin stipulirt war,
ferner Cautionen der handgräflichen und hauptmauthämtlichen Gefalle.
Ende 1766 war der Schuldenstand des Banco:
Zu 6 Procent verzinslich 5.500 fl.
» 5 „ „ 566.346 „
„ 4 „ „ 107,036.666 „
ohne Zinsen 158.865 „
107,767.377 fl.
Bei einer Vergleichung der Zunahme oder Abnahme der Banco-
schuld in den letzten Jahren Maria Theresias muss jedoch das Jahr
1767 zu Grunde gelegt werden, da die Bank die bancofreien Schulden
der gesammten Stande übernahm, wodurch sich der Schuldenstand um
16*3 Millionen Gulden erhöhte. Derselbe betrug Ende 1767:
Zu 5 Procent verzinslich 566.346 fl.
. 4 „ „ 123,435.076 ,
ohne Interessen 94.865 „
124,096.287 fl.
Durch die Umwandlung der bisher zu 6 und 5 Procent ver-
zinslichen Papiere in 4^/Qige wurde eine beträchtliche Ersparniss erzielt.
Während die Verzinsung der Bancoschulden im Jahre 1765 5,478.633 fl.
betrug, sank dieselbe im Jahre 1766 auf 4,324.183, erhöhte sich 1767
auf 4,979.790 infolge der erwähnten Uebernahme der bancofreien Pa-
piere, deren Zinsen bisher bei den ständischen Gassen berichtigt wurden.
Da die Herabsetzung nicht blos bei den Bancoschulden, sondern auch bei
den ständischen Aerarialschulden, sowie bei den Kupferamtsschulden vor-
genommen wurde, trat auch hier eine Verminderung des Erfordeniisses
133
f&r die Verzinsung ein, wodurch das Ausgabebudget eine Erleichterung
erfahr. Der Schuldenstand dieser Papiei*gattungen belief sich nämlich
am 1. November 1765 auf 165*46 Millionen, 1766 auf 134*36 Millionen
Golden, die Zinsenzahlung sank von 8*145 auf 5*612 und in den folgen-
den Jahren noch mehr herab.
Josef wünschte seinem Bruder Leopold eine Darlegung der Opera-
tion zu übersenden und wendete sich an Hatzfeld:
yVoulant donner une idee trte abr^g^e ä mon fr^re Leopold des
changements consid^rables qui depuis son depart se sont faits dans les
depariements de finances, j*ai dict^ ä la häte les ci-joints, mais n'ayant
ni priora ni documents, je me suis certainement tromp^ dans les nombres
et j'aorai oublie ou pas bien rendu bien des choses. Je yous prie donc,
eher comte Hatzfeld, de le lire et d'ajouter sur une feuille apart tout ce
que vous j trouvez de trop peu ou eucore ä ajouter qui y manque. Yous
m'obligerez sensiblement et ti*anchez y, je yous pne, sans le moindre
egard. Adieu.
Ce 24 d^cembre 1767. Joseph.*
Aus dem Memoire Hatzfeld's setze ich folgende Stelle hieher:
,11 est ä remarquer, que cette r^duction des int^rßts a et4 fait sans
employer la force, ni le pouYoir du souYerain, le cr^ancier avait le choix
00 de prendre son argent, ou de le laisser ä TEtat ä 4 7o> ^^ bout^ et
cette justice aYec laquelle nos augustes souYerains ont dans cette occasion
agi euYers leurs cr^anciers sont la source du credit si solidement etabli,
dont ils jouissent chez Tetranger que dans leurs ^tats.
,La clöture de la banque n'a poiut 6t^ faite k Toccasion de la reduc-
tion des int^rßts, une autre Operation toute differente la rendait n^cessaire.
On aYait r^marquö que la pr^f^rence que le public donnait ä la banque,
8or tous les autres fonds de T^tat proYenait de ce qu'elle rendait ä ces
cr^ciers leur argent toutes les fois, qu'ils le demandent, tandis qu'on
r^fnsait le remboursement dans tous les autres fonds des dettes, souhai-
tant cependant de procurer ä ces fonds le mdme credit dont la banque
jooit et aux cr^anciers le mSme agr^ment de pouYoir retirer leur argent,
on proposa ä la Cour d*accorder aux creanciers du Kupferamt le droit de
demander lern* remboursement, mais comme on pr^Yoyait, que dans ce
cas tout le monde en retirerait son argent pour le placer ä la banque, on
en conseilla la cl6ture, la Cour accorda ces deux propositions qui sans
diminner Tint^r^t du Eupferamt lui ont redonnö en partie son credit
qo'il ayait presque perdu. On pouyait se flatter qu*il le gagnerait
en entier.
134
Ausweis
Wie die reservirte Kasse mit 21**" Hornung 1766 bestanden, was hioTon
Ihro königl. Hoheit der Erzherzogin Christina yerabfolgt worden, und in
was der Ueberrest bestehe.
734.512.40
2,700.000.—
598.166.40
fl. 4,032.679.20
Die reservirte Kasse belief sich bey deren Anfange
auf
Dann betragen die bis 1 1*** und 2 !*•" Hornung 1766
hievon erhobenen Interessen
Summa
Hievon haben Ihro königi. Hoheit die
Erzherzogin Christina erhalten
In Realitäten
Das Fürstenthum Teschen im
Wert mit fl.
Die Herrschaft Altenburg und
Mannerstorf mit . . . „
dann in Banko Obligationen . „
Summa . .
und endlich zur Entschädigung
des 6**" pCto gleichfalls in
Bankoobligationen . . .
Summa . .
Nach deren Abzüge verbleibt der Bestand der re-
servirten Kasse in
welche Summe folgendergestalt ausgewiesen wird,
und zwar
In Bealitäten
Mittelst d. Herrschaft Göding . fl. 894.012 . 43 V,
Holitsch . „ 1,192.979.40
n • Sassin . „ 844.802.10
„ „ Ekhartsau „ 318.394.40
n „ Hof . . „ 204.959.10
Summa . .fl. 3,455.148. 23 Vs
Da Ihro Majestät dem Kayser mit Einbegriefe des
Ffirstenthum Teschen für obige Herrschaften
statt der in Anschlag gebrachten 4,189.661 fl.
188.696. 31V2
fl.
8,656.689
171.361
4,221.375
4,606.675
8,828.051 36*/^
51 V,
44V4
135
3V» kr. nur 4,153.658 fl., folglich um 36.003 fl.
37, kr. weniger verabfolgt worden, so sind nach
Abschlag sothaner 36.003 fl. 3Va kr. hieran nur
anzusezen
An Ersaz-Posten
Von Ihro Mayt. der Kay-
serin die in die Banko
Hauptkasse zur Ausglei-
chung, und Tilgung der aus
dem Banko empfangenen
Capitalien abgegebenen
und der dem geheimen Kammer
Zahlamte geleistete Yor-
schuss mit ^
Summe . .
Von Ihro königlichen Hoheit dem Herzoge Karl v.
Lothringen die gegen Wiederersatz ohne Inter-
esse erhaltenen
Summe . .
fl. 588.175. I9V4
17.000. —
fl.
kr.
3,419.145
20
605.175
19
582.353
3^4
4,606.673
42%
calschulden
Die
jährlichen
Interessen
zu 6 o/o
zusammen
betrugen
fl.
kr.
fl.
kr.
fl.
kr.
.92.302
31*
165,465.077
58»
8,145.782
18
;58.414
2«
134,363.956
5^
5,612.736
47
47.503
19«
133,338.286
34'
5,563.303
18
74.453
59 •
130,078.136
27«
5,371.459
38
64.787
19«
128,761.157
39*
5,293.323
42
12,331
27
129,846.101
40'
5,322.206 6
13.295
28
137,163.222
16«
5,579.726 35
77.366
140,914.355
51«»
5,714.178
42
4.411
53
143,083.824
47
5,775.638
22
9.058
47*
144,592.048
1
5,826.210
54
—
146,114.268
46
5,850.850
10
-
—
140,161.132
55*
5,554474
56
-
138,011.014
26»
5,463.518
17
-
146,127.536
28»
5,789.186
30
-
171,232.930
47
6,890.719
29
173,043.241
36*
6,960.422
29
stand
naesticalschulden
t
Die
Jah
r
jährlichen
Interessen
5°/o
zn 6 o/o
zusammen
betnigen
kr.
fl.
kr.
fl.
kr.
fl.
kr.
»I.NOT.
1765
395
5»
20,692.302
31*
165,465.077
58»
8,145.782
18
1»
1766 1^93
52'
4,358.414
2«
134,363.956
5'
5,612.736
47
1»
1767
b62
31
3,447.503
19«
133,338.286
34'
5,563 303
18
fl
17681517
12«
1,574.453
59«
130,078.136
27«
5,371.459
38
T»
1769 1553
47«
1,464.787
19«
128,761.157
39*
5,293.323
42
f»
1770,708
I
19*
812,331
27
129,846.101
40'
5,322.206
6
5
1771 b56
54
643.295
28
137,163.222
16«
1
5,579.726 35
1772)683
55
477.366
140,914.355
51«»
5,714.178
42
1773
893
20
314.411
53
143,083.824
47
5,775.638
22
1774 B29
•
52
149.058
47*
144,592.048
1
5,826.210
54
1775^01
50*
146,114.268
46
5,850.850 1 10
1776
399
59«
—
—
140,161.132
55*
5,554 474
56
1777
399
59«
—
138,011.014
26»
5,463.518
17
1778
579
59«
—
146,127.536
28»
5,789.186
30
1779
J79
59«
—
—
171,232.930
47
6,890.719
29
780
579
59«
173,043.241
36*
6,960.422
29
l
MÄHREN
UND
DAS REICH HEßZOG BOLESLAVS IL
VON BÖHMEN.
VON
D« B. BR ET HOLZ.
Arckh. LXIXn. Bd. I. HÄlfte. 9**
JNach dem Zusammenstürze des Moimiridenreiches zu
Beginn des 10. Jahrhunderts bleibt die Geschichte Mährens
fiist hundert Jahre in undurchdringliches Dunkel gehüllt.
Der Chronist Cosmas von Prag (geb. kurz nach 1039,
gest. 1125),^ eine Quelle, von der wir bestimmtere Nachrichten
erwarten dürften, weiss von Mährens ältester Geschichte nur
wenig zu erzählen. Selbst jenen Satz, in dem er der letzten
Schicksale von Swatopluk's Reich gedenkt, hat er zum grössten
Theile einer fremden, uns noch erhaltenen Quelle, näulUch der
Chronik Reginos von Prüm, entlehnen müssen;^ so mangelhaft
war schon in seiner Zeit die mündliche und schriftliche Ueber-
lieferung über diese Periode der mährischen Geschichte im
benachbarten Böhmen.
Im weiteren Verlaufe seiner Darstellung der böhmischen
Landesgeschichte erwähnt Cosmas das ,regnum Moraviae^ im
10. Jahrhunderte blos einmal, bei der Grenzbeschreibung des
Fürstenthums der Slavnikinger in Böhmen. Wir erfahren da,
dass schon um das Jahr 981 der Höhenzug, in dem die Burg
Leitomischl liegt und die Zwittawa entspringt, die Grenzscheide
zwischen Böhmen und Mähren bildete.*
* Vgl. Wjittenbach, Deutschlands Geschichtsquellen (6. Aufl.) 2, 203.
' Coius regpoum filii eins parvo tempore sed minus feliciter tenuerunt,
partim Ungaris illnd diripientibus, partim Teutonicis orientalibus, partim
Poloniensibos solotenus hostiliter depopulantibus. Cosmae Chronicon
Boemiae, lib. I, cap. 14 (Mon. Germ. bist. SS. IX, 44). Die Stelle bei
Regino (SS. I, 606) lautet: ,Cuius regnum filii eins pauco tempore in-
feÜciter tennemnt, Ungaris omnia usque ad solum depopulantibus.*
^Cosmas I, 27: ,Item solis ad ortum contra Moraviae regnum castrum
rab silTa sitnm« nomine Luthomisl, usque ad rivulum Svitava, qui est
in medüi silva.'
140
Nunmehr gedenkt Cosmas Mährens erst wieder bei den
Ereignissen, die er mit völlig ungenauer Chronologie ins Jahr
1021 verlegt. Anknüpfend an die Charakteristik Bf'etislavs und
die romantische Schilderung von Judiths EntftLhrung aus dem
Kloster zu Schweinfurt nach Mähren berichtet er, dass Herzog
Udalrich von Böhmen schon vordem diesem seinem Sohne Bfe-
tislav ganz Mähren überlassen habe, nachdem die Polen besiegt
und aus dem Lande vertrieben worden waren, und in diesem
Zusammenhange erwähnt er erst, dass die Polen bald nach
dem Tode des böhmischen Herzogs Boleslav H. (f 999) ,wie
die Stadt Prag so auch ganz Mähren gewaltsam an sich ge-
rissen hatten^^
Das sind thatsächhch die ersten bestimmten QueUennach-
richten über die Geschicke des Landes Mähren, nachdem die
Ungamfluth, die dasselbe Jahrzehnte lang bedeckte, sich in
der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts allmäüg wieder ver-
laufen hatte.
Ziemlich allgemein gilt nun aber die Annahme, dass
Mähren ^or dieser polnischen Eroberung im Jahre 1003 bereits
geraume Zeit vom ungarischen Joche befreit und von den
Böhmen in Besitz genommen war.*
Diese Annahme, die durch eine quellenmässige Nachricht
nicht bezeugt ist, findet ihre hauptsächlichste Stütze einerseits
in Cosmas' Schilderung von der Macht und Grösse des Reiches
unter Herzog Boleslav H., andererseits in der von ihm über-
' Cosmas I, 40: ,. • • ^^^ antea pater sibi (sc. Bracizlao) totam illam
terram tradiderat in potestatem, . . . quia revera post obitiim secnndi
Bolezlai sicnt urbem Pragam ita totam Moraviam vi obtinuerant Polonii.'
Diese Eroberung Mährens durch die Polen gehOrt in das Juhr 1003;
vgl. Dudfk, Mährens allgemeine Geschichte 2, 104.
^ So sagt Palackj, Geschichte von Böhmen 1, 221: »Es unterliegt, trotz
dem Schweigen der gleichzeitigen Chronisten, keinem Zweifel, djiss
Boleslav I. gleich nach dem Jahre 966 die einmal errungenen Yortheile
gegen die Ungarn weiter verfolgte. Er entriss ihnen nicht allein das
heutige Mähren, soweit es in ihrer Macht gewesen, . . .;' Dudfk,
Mährens allgemeine Geschichte 2, 13 : ,Seit diesem Siege (sc von 955)
athmete Mähren freier und stellte sich zum grösseren Theile, dooh als
eine eigene Provinz unter die Leitung der böhmischen Hersoge ;^ Haber,
Geschichte Oesterreichs 1, 160: 3<^hon damals (966) wird der westliche
Theil des ehemaligen Mähren, das Land bis zur March oder gar bis sur
Waag, das wohl sehr entvölkert war, von den Böhmen in Besitz ge>
nommen worden sein;* u. A.
141
lieferten urkundlichen Nachricht über die alten Grenzen des
Prager Bisthums, das unter diesem Fürsten gegründet wurde.
Allein die Frage sowohl nach dem Umfange des böhmischen
Reiches zur Zeit Herzog Boleslavs II. (967 — 999), als nach der
Authenticität der ,Gründungsurkunde' des Bisthums Prag bildet
schon seit längerer Zeit den Gegenstand wissenschaftlicher
Untersuchungen,* die in ihren Ergebnissen ziemlich weit aus-
einandergehen, weil das Quellenmaterial mangelhaft und un-
zuverlässig ist.
Es ist bekannt und von jeher sehr aufgefallen, mit welch'
besonderem Wohlgefallen Cosmas bei der Geschichte Herzog
Boleslavs U. verweilt ; er weiss von ihm ganz im Gegensatze
zu dessen Vater, Boleslav I., dem Bruder Wenzels des Heiligen,
nm* Gutes und Grosses zu erzählen. Da aber die Charakte-
ristik zum grossen Theile wörtlich jener Ludwigs des Deutschen
bei Regino von Prüm nachgeschrieben ist,* hegt man wohl
begründete Zweifel an dep Zuverlässigkeit seiner Zeichnung.
Cosmas hat für das erste Buch seiner Chronik, das bis zum
Jahre 1038 reicht, nur wenige imd nicht zuverlässige Quellen
besessen, er selbst gesteht dies zu, und die kritische Prüfung
seines Werkes hat es zur Genüge bestätigt.' Wir müssen an-
nehmen, dass er mit seinen Mitteln gar nicht in der Lage war,
von Boleslav I., ,dem Grausamen', oder von Boleslav H., ,dem
Frommen', ein genaues Charakterbild zu entwerfen; er konnte
jeden blos nach einzelnen Zügen und Thaten, die ihm bekannt
geworden waren, beurtheilen: den Vater als Usurpator und
Brudermörder, den Sohn als Gründer des Prager Bisthums und
anderer geistlicher Stiftungen. Für die Beleuchtung dieser
kirchlichen Gesinnung Boleslavs H. glaubte Cosmas das zu-
treffendste Muster eben in der Schilderung, die Regino von
' Vgl. J. Loserth, Der UmfaDg des böhmischen Reiches unter Boles-
lav II. (Mitth. des Instituts f. österr. Geschichtsforschung 2, 15); A. Hub er.
Die Ausdehnung des böhmischen Reiches unter Boleslav U. (ebenda
8. 386); J. Kalousek, Ueber den Umfang des böhmischen Reiches
unter Boleslav IL (Sitzungsber. der k. böhm. Gesellsch. d. Wissensch. in
Prag, Jahrgang 1883, S. 26; ausführlicher in böhmischer Sprache im
Sbomlk historick^, 1883, S. 1-16, 97—110.)
• Dioeen Nachweis hat Loserth erbracht in der Abhandlung: Studien zu
Cosmaa von Prag (Archiv für österr. Gesch. 61, Iff.).
• Vgl. Palackj, Würdigung der alten böhmischen Geschichtsschreiber,
8. 23 ff.; Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen (6. Aufl.) 2, 203 ff.
142
Ludwig dem Deutschen gibt, zu finden. Auch Boleslav erschien
ihm als ^ein christlicher, vom katholischen Glauben beseelter
Fürst', als ,ein Vater der Waisen', ,Beschützer der Witwen',
,Tröster der Betrübten' u. s. w. Doch begnügt sich Cosmaß
mit dieser allenfalls noch entschuldbaren Entlehnung nicht;
er überträgt auf Boleslav ebenso auch die kriegerischen Eigen-
schaften, die Regino an König Ludwig hervorhebti und sagt
von ihm, er sei ,in Schlachten stets siegreich gewesen', ,er habe
die Schärfe des Stahls mehr geUebt als den Glanz des Goldes'
— durchwegs Regino entnommene Ausdrücke — ohne aber
auch nur eine Thatsache als Beleg anzuführen.^ Cosmas er-
wähnt keine einzige kriegerische Unternehmung, keinen Kampf
und keinen Sieg, an welchem Boleslav persönlichen Antheil
genommen hätte. Um dessen Tapferkeit zu erweisen, beruft
er sich blos auf die ,Thatsachen' (ut res probat) und meint
damit die Grösse und den Umfang des böhmischen Reiches,
die seiner Ansicht nach Boleslavs U. Verdienst sind.
Zieht man andere Quellen zu Rathe, so findet sich auch
hier kein Beweis für Cosmas' Behauptung, Boleslav habe ,mit
dem Schwerte die Grenzen seines Reiches ausgedehnt'. Wir
hören wohl, dass er den Herzog Heinrich von Baiem im Kampfe
gegen Kaiser Otto H. unterstützte und die hiedurch veranlassten
Feldzüge deutscher Heere nach Böhmen anfangs glücklich ab-
wehrte, aber schliesslich musste auch er sich unterwerfen.
Femer wissen wir, dass Boleslav mit dem Polenherzoge Miseco
Kiieg führte, aber erst als dieser ihm ein grosses Gebiet ent-
rissen hatte, das Boleslav zurückzuerobern suchte. Von OflFen-
sivkriegen aber zum Zwecke der Erweiterung der Grenzen
erhalten wir nirgends eine Andeutung; denn die zuiUllige Besitz-
nahme Meissens im Jahre 984 stellt sich nur als eine vorüber-
gehende Eroberung dar. Und doch lässt ihn Cosmas noch
auf dem Todtenbette die Ermahnungen an seine Söhne, in
Frieden und Eintracht das Reich zu bewahren, mit den be-
deutungsvollen Worten schliessen: er habe die Grenzen des
Reiches ausgedehnt bis zu den Triti (Tatra) genannten Bergen
^ Loserth, der die Abhängigkeit Cosmas* von Regino nachgewiesen hat,
macht es auch wahrscheinlich, dass Cosmas so weit in seinem Plakat
ging, Boleslays Qemahlin mit den Charaktereigenschaften nnd dem
Namen (Hemma) yon Lndwigs des Deutochen Frau su seichnen.
143
jenseits Krakau.^ lieber den Zeitpunkt, sowie über die Art
dieser Eroberung gibt er aber nirgends eine Aufklärung.
Schon Palacky hat es als durchaus unwahi-scheinlich er-
klärt, dass dem Herzoge Boleslav II. diese Erwerbungen zu-
zuschreiben seiön, und verlegte dieselben in eine frühere Zeit,
so dass seiner Ansicht nach Boleslav 11. schon bei seinem Re-
gierungsantritte ,iiber alle nächsten Stammverwandten der Böh-
men zu beiden Seiten der Karpathen und Sudeten' herrschte.*
Gegen diese Ansicht Palacky's und anderer Forscher,
dass das bdhmische Herzogthum schon um die Mitte des
10. Jahrhunderts und vorher den grossen Umfang gewonnen
hatte, den Cosmas dem Reiche Boleslavs II. gibt, wandte sich
zuerst Loserth.* Er suchte den Nachweis zu erbringen, dass
Cosmas' Angaben über die Ausdehnung Böhmens in jener Zeit
unzuverlässig seien, weil die angebliche Grenzerweiterung Böh-
mens bis an das Tatragebirge blos einer unechten Urkunde
über den ursprünglichen Umfang des Prager Bisthums ent-
nommen wäre. Weder Boleslav II. noch einer seiner Vorgänger
habe ganz Böhmen, wo bis zum Ende des 10. Jahrhunderts
neben den PfemysUden das selbstständige Fürstengeschlecht der
Slavnikinger bestand,^ geschweige die östlich davon gelegenen
Länder besessen; die Machterweiterung des böhmischen Reiches
beginne erst im 11. Jahrhunderte mit der Herrschaft Herzog
Udalrichs und besonders seines Sohnes Bfetislav.
Allein Huber und Kalousek* haben alsbald gegen Loserth
geltend gemacht, dass sich die Ausdehnung Böhmens über seine
ursprüngliche Ostgrenze um die Mitte des 10. Jahrhunderts
nicht auf Cosmas' Angaben allein stütze, sondern dass wir hiefür
zwei weitere Zeugnisse besitzen, die unzweideutig sind und
volle Glaubwürdigkeit beanspruchen.
Das Erste, worauf Huber aufmerksam machte, entnimmt
man dem Berichte Thietmars von Merseburg über den Krieg
Herzog Boleslavs H. von Böhmen mit Miseco von Polen im
' Cosmas I, 33: ,. • • talis enira nequam artibus et per legum insoleiitiam
coan^stabunt hnius regni terminos, quos ego dilatavi usque ad montes,
qui sunt ultra Krakov, nomine Triti . , .*
' Geschichte von Böhmen 1, 226.
* S. oben 8. 141, Anm. 1.
Vgl Loge rth, Der Sturz des Hauses Slawnik (Archiv für österr. Gesch.
65, 19).
Vw:-» Vi*'- - Z.'j'Ätr ueae »Jai.'-"t ä«ii i
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K:"i-- .-^T '•> A-ir-:':lr,i.'.2 v^-n B-jlcskTS Reich in dem Be-
r.- ■ 'f. A-*. »j-a.'-lwrl.*;!! Jo'i-n Ibraklm ibn Jakab aber die
.^^vrj-Ur.Hirr, A'.h er in Aht Reiri'rnin?siCTt Euser Otto I., Tid-
S'-.'\a u'^Si k-irz »'*r Jern Jahn? 97!, bereist hat*
ni«rr li'Kt man zanä'^hst im ersten Capitel: .GegenwSrtig
• 'm'\ Iffi dfrtt SUren vier KOniore: der KOnig' der Bulgaren,
•Wun IMf^Uv, iliT KOni^ von Prag, Böhmen und Krakaa,
f'-rii'-r iliii';'*, di:r K'iiiig vom Norden, nnd NacoD im wesi-
li'-ljirii 'ni'rile d«r Slavtiiländer.* Und an einer spXteren Stell«
int «r/^lilt: ,W3S das Land dee BolesUv betrifft, so erstreckt
jti'li dt'-H'H Äff LitnK« nach von der Stadt Prag bis zur Stadt
Knikaii, eiiu; Kntfemiing von drei Wochen, und es grenzt der
\Än^i; nacli an diß Lande der Tilrken.'
Vi;rt;li-i<-lit man zunächst diese beiden Berichte, die etwa
zwanzig Jahre auseinandcrliegen, so nimmt man wahr, doss die
> C.'lwr aiiiMMi Ik-richt Thietiuars Üb. IV, csp. 9 (Hon. Germ. hisL S8. tll,
11») v);l. ZeiiBb«r(;, MUeco I. von Poleo (Ari:hiv für Osterr. Oescli.
■m, m).
■ V|;l. W. Wnttenbauh, AbmhHinJskobMnaßericbtfiher die SlaTSnlXader
viiiii Jaliro 078, iteutavhe UebersetKung in den Geschichtaschreibem der
,\,:ix\*r\wn Viirzoit, 2. Ai»g., 33, IStlff, niid Einl. p. XII. Eine JSechische
IJiibitrmitKiiiiifbot.glokhWUmituinfanfreicheuErUltitemugen, J.Jireüek,
ZjirAvf AmbAr oRtfodov^ka slovanskim (Casopis i^eak. Mdb. 1878 p.509ff.,
1HHÜ p. 2t)HIT,)i die Zeitbeatlmtnung uach Wattenb&ch, DeDtschlanda
GeaulilcliUriuulIen 1, 33S.
145
Ostgrenze Böhmens in den Sechzigerjahren des 10. Jahrhunderts
gemäss Ibrahims Zeugniss noch über die Oder hinausreichte^
während zur Zeit des Krieges zwischen Boleslav und Miseco
im Jahre 990 nach Thietmars Darstellung die Grenze bereits
weit nach Westen zurückgeschoben erscheint; -denn Boleslav
muss beim Rückzuge von der Oder nach Böhmen zuerst durch
feindliches Gebiet ziehen, welches er verwüstet, und nimmt
dann eine Stadt, die also jedenfalls am linken Oderufer lag —
wie man vermuthet Niemptsch — erst nach einer Belagerung
ein. Es lässt sich vielleicht daraus schliessen, dass unter
jenem ,regnum', welches Miseco dem Böhmenherzoge entrissen
hatte, eben das Land an der Oder und östhch von derselben
gemeint sein dürfte.^
Dass also zur Zeit Boleslavs 11. Oberschlesien und West-
galizien mit dem Gebiete von Erakau einmal zu Böhmen ge-
hört haben, ergeben diese Zeugnisse mit voller Sicherheit; man
wird somit auch die Worte des Cosmas von der Ausdehnung
Böhmens ,bis an die Berge Triti^, was ihren positiven Inhalt
betriflFt, als wahr ansehen dürfen und nur die Beziehung auf
Boleslav 11. als Eroberer dieser Gebiete in Frage stellen müssen.
Aber alle drei Nachrichten, die bei Cosmas, Thietmar und
Ibrahim bieten keinen Anhaltspunkt flir die weitere Annahme,
dass damals auch schon Mähren in seinem ganzen Umfange
dem PfemysUdenreiche einverleibt gewesen sei.
Wenn angedeutet wurde, dass es gleichsam eine Forde-
rang der geographischen Lage sei, Mähren in ein böhmisches
Reich, das sich von Prag bis Krakau ausdehnte, einzubeziehen,
80 muss darauf erwidert werden, dass die Verbindung zwischen
den beiden Hauptstädten des Boleslav'schen Reiches, die uns Ibra-
him nennt, zwischen Prag und Erakau, durch den Besitz Schle-
siens an und fiir sich hergestellt war. Nicht durch Mähren, son-
dern nördlich von Mährens äusserster Spitze, über die Nachoder
Pässe ftihrte der Hauptweg von Böhmen nach Polen noch im
' Vgl. über diese Frage Kalousek, a. a. O., S. 28, wo es heisst: ,Dieses
grosse Land . . . kann man nirgendswo anders suchen als Östlich von
Böhmen und südlich von Grosspolen;* und Loserth, Der Sturz des
Hauses Slawnik (Archiv für Osten*. Gesch. 65, 44): ,Das Beich . . . kann
aber nach alledem nur der ausserhalb des heutigen Böhmens selbst ge-
legene Theil des Chrowatenlandes gewesen sein*, und ebenda in der
Anmerkung die ältere darauf bezügliche Literatur.
IrdüT. LIXXII. Bd. I. HUfte. 10
146
Jahre 1068^' also zu einer Zeit; da Mähren thatsächlich zu
Böhmen gehörte und andererseits das pohlische Reich sich im
Süden über Erakau hinaus bis an die Karpathen erstreckte.
Man hat die Erwerbung Mährens auch als eine unmittel-
bare Folge def Ungarnniederlage auf dem Lechfelde im Jahre
9ft6 ansehen wollen.* Allein so zweifellos die tapfere Mit-
wirkung der Böhmen in dieser Schlacht ist; und selbst zuge-
standen; was sich nicht sicher erweisen lässt;^ dass Boleslav
nuthr aus eigenem Antriebe und nicht auf Grund einer Ver-
l^flichtung zur Heeresfolge dem deutschen Könige in der Schlacht
auf d(!m LiH'hfolde Zuzug leistete und überdies an der böhmi-
Hi'han (Jrenzo solbstständig über den Feind einen Sieg davon-
trug, — dttss der Preis dieser Kämpfe Mährens volle Befreiung
vom magyarischen Joche und seine Angliederung an das böh-
miflcho Reich gewesen, ist doch blos eine Vermuthung. Denn
sieht man auch davon ab, dass nirgends in den gleichzeitigen
oder späteren Quellen ein Anhaltspunkt für diese Annahme
sich linden lässt, so beweist doch das sehr langsame Vor-
dringen der Baiem in die einstige Mark im Traungau und an
der Enns, dass der grossartige Sieg auf dem Lechfelde keines-
wegs sofort ausgenützt werden konnte.*
Nur in stetem Kampfe gegen die Ungarn, welche sich an
den Nachbargebieten dafUr zu ^tschädigen suchten, dass ihnen
fernere Züge nach dem Westen Deutschlands verwehrt waren,
drangen die Baiem von der Elnns gegen den Wienerwald vor.
Man bezieht auf die Zeit nach der Lechfeldschlacht die Nach-
richt Thietmars von einem Kampfe, den der Bischof Michael
von RegensbuT^ 1 941— 972) gegen die Ungarn bestand.* Zum
Schatze seiner Colonisten gegen die ungarischen UeberfiUle
Vgrl. n Cosmas TL 23 ,Tentiim erat ad custodiae portam, qua itur in
Poloniam, et in loco, qui dicitur Dobenina' die ErlSaterang bei Pa-
Ucky, Geschichte Böhmens 1, 304, Anm. 113 und H. Jiredek, O sta-
rych cestich i Cech a i Morary v^>w«>P« cesk, Mus. 1856, p. 123. 128),
ferner J.K.H rase, Zemski stoika Kladsko-polskA (Pam&tky archaeo-
logick* Vm, p. 4«\
* Vgh Dudik, Mihrens allgemeine G«<9chichte 2, 26; Huber, Geschichte
Oesterreichs 1, 160.
* Vgl Dttmmler-Köpke, Kaiser Otto der Grosse, S. 181, Anm. 6, S. 256
und 261.
* V^ Huber, Geschichte Oesterreichs 1, 137ff. und 177.
» Vgl Büdinger, Oesterreichische G«0chichte 1, 267.
147
erbaute er mit Einwilligung Kaiser Ottos am Zusammenflusse
der grossen und kleinen Erlaf die Wieselburg. ^ Unter dem
ersten Markgrafen in der Ostmark, Burebard, dürfte die Grenze
nicht bis über die Waehau am linken und kaum bis an die
Traisen am rechten Donauufer gereicht haben.* Die siegreiche
Ausbreitung der Ostmark bis an den Wienerwald gehört erst
in die Regierungszeit des ersten babenbergischen Markgrafen
Luitpold, der von 976 — 994 die Mark verwaltete. Aber auch
in dieser Zeit konnte Bischof Piligrim von Passau, wie man
aus der Urkunde Kaiser Ottos lH. vom 30. September 985
ersieht, noch über die Schäden klagen, die seine Kirche durch
die Ungarn nicht allein zur Zeit ihrer grossen Verheerungszüge,
soudern durch neuerHche Räubereien derselben eriitten habe.*
Wir nehmen also wahr, dass die Ungarn nach der Lech-
feldschlacht die Angriffe auf die Ostmark noch jahrzehntelang
nicht einstellten, und der Analogie entsprechend muss man
daher voraussetzen, dass auch in Mähren der Einfluss der
Ungarn erst langsam und allmälig gebrochen werden konnte;
es erhellt wohl daraus, wie gewagt es ist, anzunehmen, dass
Mähren mit dem Jahre 955 gleichsam als reife Frucht den
Böhmen zugefallen sei.
Auf welches Recht gestützt, hätte denn auch Boleslav
Mähren für sich in Anspruch nehmen können? Eine Eroberung
des Landes mit Waffengewalt unmittelbar nach der Lechfeld-
schlacht liegt ausserhalb des Bereiches jeder Möglichkeit, eine
so bedeutende Waffenthat wäre nicht so vollständig aus der
Eirinnerung geschwunden; von Kämpfen der Böhmen zur Be-
freiung Mährens vom ungarischen Joche in den folgenden Jahr-
zehnten, wie sie von Seite der Baiern um die Ostmark geführt
wurden, erhalten wir nirgends eine Andeutung; eine freiwiUige
* Vgl. Hub er, Geschichte Oesterreichs 1, 176.
* Vgl. Huber S. 175.
* Mon. Germ. Dipl. Ottonis III. p. 419, Nr. 21 : ,. . . qualiter Piligriraus epi-
scopatus sui pertinentiam in orientali plaga barbarorum liraiti adiacentis
creberrima eorum devastatione infestari . . . conquestus est . . ., a quibus
etiam barbaris modemo nostri qnoque regni tempore miserabili lameu-
tatione adiecit tarn inrecnperabili se damno lesum in interfectione et
direptione aeclesiae suae familiae preter innumerabilia depredatiounm
et incendiorum dispendia, ut absque habitatore terra episcopii solitndine
rilvewat.
10*
148
Unterwerfung aber oder ein Anschluss aus eigenem Antriebe
ist bei einem so grossen Lande an und fUr sich keine leicht-
verständliche Annahme.
Denn an einer Thatsache müssen wir festhalten, dass näm-
lich trotz der ungarischen Oberherrscheft Mähren als ein eigenes
Staatswesen fortbestehen blieb. Ein ,regnum Moraviae' hat es
im 10. Jahrhunderte gegeben, denn als solches wird in der-' von
Cosmas überlieferten Grenzbeschreibung des Fürstenthums der
Slavnikinger, das in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts
ganz Ost- und Südböhmen umfasste, dessen östliches Grenzland
bezeichnet. Diese detaillirten Angaben über den Umfang und
die Grenzen eines in Cosmas' Zeit lange zu Grunde gegangenen
Theilftlrstenthumes in Böhmen können zweifellos nur einer alten
noch dem 10. Jahrhunderte angehörenden Quelle entnommen
sein/ der wir daher auch den in der Grenzbeschreibung ent-
haltenen charakteristischen Ausdruck ,regnum Moraviae^ zu-
zuschreiben haben werden.
Gegen die Zugehörigkeit Mährens zu Böhmen unmittelbar
nach der Lechfeldschlacht spricht denn auch das negative
Zeugniss Ibrahim ibn Jakub's. Dieser Reisende, der in der
letzten Zeit der Regierung Kaiser Ottos I. auf seinen Fahrten
auch nach Prag kam, kennt nicht einmal den Namen Mährens.
Es wäre dies um so auffallender, wenn wirklich die Eroberung,
Befreiung oder der Anschluss dieses Landes an Böhmen karz
vorher, etwa in dem Jahrzehnte von 960 — 970 sieh vollzogen
hätte. Ibrahim müsste hiervon, von einer so ausserordentlichen
Erweiterung der Macht des BöhmenherzDgs, irgend eine Kunde
erhalten haben. Allein ihm ist Boleslav nur der Herr von
Prag, Böhmen und Krakau. Mähren liegt ausserhalb seines
Beobachtungskreises, da es damals für die slavischen Nachbar-
länder Polen und Böhmen noch keine Bedeutung hatte; nach
jahrzehntelanger Gewohnheit galt es auch noch in der zweiten
Hälfte des 10. Jahrhunderts als ein Theilgebiet des ungarischen
oder, wie Ibrahim sagt, türkischen Reiches.
Wenn eine quellenmässige Nachricht diese Ansicht zu
widerlegen und Mährens politische Verbindung mit Böhmen in
jener Zeit nahezulegen vermöchte, so wäre dies einzig noch
die vielgenannte ,Gründungsurkunde' des Prager Bisthums.
^ Vgl. Loserth, Der Sturz des Hauses Slawnik, a. a. O., S. 22.
149
Es hat eine eigene Bewandtniss mit dieser Urkunde. Als
Kaiser Heinrich IV. auf dem Mainzer Reichstage am 29. April
des Jahres 1086 dem Prager Bischöfe Gebhard eine Bestäti-
gung der alten Grenzen seines Bisthums ertheilte, wurde, sagt
uns Cosmas, die neue Urkunde auf Grund einer alten, von
Gebhard vorgelegten beinahe gleichlautend ausgefertigt. In
dieser Vorlage hat man nun das verlorene ,Gründungsdiplom^
des Prager Bisthums sehen wollen, in welchem sich daher auch
die Qrenzbeschreibung, die wir im Privileg von 1086 lesen,
gefunden haben mtlsse. Da man nun hier unter Anderem die
Angabe findet, dass die Grenzen des Prager Bisthums auf der
Südseite, Mähren mit eingerechnet, bis zu dem Waag ge-
nannten Flusse und bis zur Mitte des Waldes und Berges Moure
(Mailberge), welcher Baiem begrenzt, reichten,^ so würde, da das
Bisthum Prag zweifellos unter Boleslav 11. gegründet wurde,
die Annahme der Zugehörigkeit Mährens zu Böhmen zur Zeit
der Errichtung des Prager Bischofsitzes allerdings begründet sein.
Allein um diese ,Gründungsurkunde' schwebt ein harter
Kampf. Wie schon früher mehrfach,* wurde sie neuerdings
von Loserth als eine Fälschung erklärt, die Bischof Gebhard
von Prag zum Zwecke der Erlangung des Privilegs von 1086
angefertigt haben soll. Dem entgegen hat dann Ealousek es
versucht, alle gegen die Echtheit vorgebrachten Gründe als
,nicht stichhältig und grösstentheils vollkommen irrig^ zu er-
weisen.' Gleichzeitig und unabhängig von Letzterem hat auch
V. E. Regel die Echtheit der Reste der Gründungsurkunde
sowie der Cosmas'schen Ueberlieferungen überhaupt zu ver-
theidigen versucht.*
* Cosmas II, 37: ,Deinde in ea parte, quae meridiem respicit, addita
regione Moravia usque ad fluvium, cui nomen est Wag et ad mediam
silvam, cui nomen est Moure et eiusdem montis eadem parochia tendit,
qna Bavaria liminatur.*
* Vgl. Dümmler, Piligrim von Passau, S. 174; Büdinger, Oesterreichi-
sehe Geschichte 1, 314; Dudik, Mährens Geschichte 2, 41. 426; Zeiss-
berg, Miseco von Polen, a. a. O., S. 81 und die an genannten Orten an-
gegebene Literatur.
* Vgl die oben 8. 141, Anm. 1 genannten Arbeiten. Auch Huber entscheidet
sich a. a. O. B. 385 dafür, dass dem Privileg Heinrichs IV. keine echte
Urkunde Ottos I. oder Ottos U. zu Grunde liegen könne.
* Ich kenne diese russisch geschriebene Abhandlung nur durch Inhalts-
anzeigen, so von Kalousek, Ruskd uvaha o zakladaci listin§ biskupstvi
150
Diese Meinungsverschiedenheit zwingt zu abermaliger
Prüfung der für und wider vorgebrachten Gründe. Es sind
im wesentlichen vier Hauptpunkte^ auf die sich die Beweis-
führung stützt:
1. Das Gründungsjahr des Prager Bisthums. — Das
Stifhingsjahr des Prager Bisthums steht thatsächlich nicht sicher.
Cosmas' Angaben im ersten Buche sind hiefÜr ungenügend;
denn er erzählt Alles zum Jahre 967, während schon aus seiner
eigenen Darstellung erhellt, dass die Ereignisse zeitlich von
einander zu trennen sind. Auch ist bekannt, dass seine Zeit-
rechnung besonders im ersten Theile seiner Chronik durchaus
unzuverlässig ist. Von einigem Belange erscheint mir in diesem
Berichte die Angabe, dass Dietmar, der erste Bischof von Prag,
von ,Otto, dem Sohne Heinrichs', bestätigt wurde.^ Die zweite
bestimmtere Nachricht über die Gründungszeit entnehmen wir
dem von Cosmas uns überlieferten kaiserlichen Privileg von
1086, in welchem es heisst, dass das Bisthum Prag . . . vom
Papste Benedict wie von Kaiser Otto dem Ersten . . . bestätigt
wurde,* eine Angabe, die auch Cosmas in seinen Vorbemer-
kungen vor dem Texte des Privilegs wiederholt. Damach
müsste die Gründung als vor Ottos I. Tod, vor den 7. Mai 973
fallen. Dieser Zeitbestimmung widerspricht nun allerdings das
Zeugniss Otlohs, nach welchem der ,mittlere Otto' auf Bitten
Herzog Heinrichs von Baiem die Grtlndung vollzogen habe.'
Indem man dieser Nachricht grössere Glaubwürdigkeit zu-
schrieb,* meinte man einen Beweis für die ünechtheit der
,Gründungsurkunde' gewonnen zu haben, aus welcher man
Praisk^ho (Sbornik I, p. 420); Loserth in Mittheilungen des Vereines
für Geschichte der Deutschen in Böhmen XXIX, 37 und W. Milkowid
in Mittheilungen des Institutes für Osterreichische Geschichte XV, 142.
^ Cosmas I, 22. 23. — lieber andere späte Zeugnisse der Gründang
Prags, die auf Cosmas zurückgehen, vgl. Dümmler, Kaiser Otto I.,
S. 603, Anm. 2.
' Cosmas U, 37: ,quod Pragensis episcopatus . . . tarn a papa Benedicto,
quam a primo Ottone imperatore sie confirmatus est.*
» Otloh, Vita s. Wolfkangi cap. 29 (SS. IV, 638): ,At medius caesar . . .
a glorioso duce Heinrico ceterisque fidelibus est interpellatus, ut quod
apud ipsam gentem inchoatum esset, pro domini amore regali potestate
perageret.*
* Vgl. neben Dümmler, Kaiser Otto der Grosse, S. 603: Giesebrecht,
Geschichte der deutschen Kaiserzeit (6. Aufl.) 1, 847, u. A.
151
Dämlich die chronologischen Daten^ die sich in der Urkunde
Heinrichs IV. finden, entnommen erachtete. Allein Otlohs
Zeugniss ist nicht mehr so voUgiltig, seitdem darauf hingewiesen
werden konnte, dass Otloh auch die Erhebung Wolfgangs auf
den Bischofsstuhl von Regensburg, die nachweisUch am 25. De-
cember 972 erfolgte, unter ,Otto den Mittleren' versetzt.^
Wenn femer nachgewiesen wurde, dass die Weihe des
ersten Prager Bischofs Dietmar erst innerhalb der Zeit vom
25. Jänner 975 bis 28. April 976 stattfand, so wurde dagegen
mit Recht betont, dass die Gründung des Bisthums und die
Ernennung des Bischofs auch geraume Zeit früher erfolgt sein
könne.* Vor Allem wichtig ist aber der Hinweis auf Otlohs
Bemerkung, der Baiemherzog Heinrich habe bei Otto H. inter-
yenirt, wonach sich also als der späteste Zeitpunkt der Grün-
dung das Frtlhjahr 974 ergäbe, denn im Sommer des näm-
lichen Jahres begann der mehrjährige Krieg zwischen Hein-
rich und Otto, in welchem Boleslav von Böhmen auf der Seite
des Baiemherzogs stand.^
Es scheint der Wahrheit am nächsten zu kommen, wenn
man beiden Kaisem, Otto I. sowie Otto H., einen Antheil an
dieser Gründung zuschreibt. Der Plan der Errichtung des
Prager Bisthums gehört sicheriich der Zeit Ottos I. an, wohl
auch die principielle Entscheidung und die Ausstellung der
Gründungsurkunde. Mitten in den Verhandlungen, die durch
Wolfgangs Ernennung zum Bischof von Regensburg in den
ersten Monaten des Jahres 973 wieder in Fluss kamen, dürfte
Otto L gestorben sein, so dass erst Otto II. das ihm vom Vater
hinterlassene Werk zu Ende zu führen hatte, die Gründung
seinerseits bestätigte und die päpstliche Confirmation erwirkte.*
An dem Gründungsjahre 973 dürfte also ebensowenig zu
rütteln sein wie daran, dass Kaiser Otto I. als der eigentliche
Gründer zu gelten habe, weshalb sich auch in späteren Zeiten
^ So Kalonsek 8. 36, vgl. Dttinmler, Kaiser Otto L, S. 496, Anm. 6 i. f.
* Kalousek ebenda gegen Dttmmler nnd Loser th.
* Auf diesen terminus ad quem hatte Dümmler (Pilig^im von Passan,
8. 174) Tor Jahren Gewicht gelegt, bei seinem Versuche, die Gründung
in das Jahr 976 oder 976 eu schieben, darauf aber keine Rücksicht
mehr genommen.
* Beachtenswerth erscheint auch die Ausdrucksweise bei Otloh: ,quod
apnd ipsam gentem inchoatum esset . . . perageret*.
152
allein an seinen Namen die Errichtung des Prager Bisthums
knüpfte. Unter dieser Annahme könnte aber auch die Nen-
nung Ottos I. im Privileg von 1086 nicht als ein Fehler und
Irrthum angesehen und nicht als Verdachtsmoment gegen die
Vorurkunde, die ,Gründungsurkunde' verwerthet werden.
2. Die Bisthumsgrenzen. — Als einen weiteren Be-
weis gegen die Echtheit der Urkunde hat man die Collision
zwischen den darin angegebenen Bisthumsgrenzen der Prager
Diöcese und jenen der früher (968) gegründeten Bisthümer
Zeitz, Merseburg und Meissen angesehen. Die Grenzbeschrei-
bung, wie sie auch noch, ohne den thatsächlichen Verhältnissen
zu entsprechen, in das Privileg von 1086 aufgenommen wurde,
ist ungemein detaillirt, doch ist es nicht leicht, die angeführten
Grenzorte immer mit Sicherheit zu deuten. Indem man früher
annahm,^ dass die nördliche Grenze auch die Ober- und Nieder-
lausitz einschloss, ergaben sich offenbare Widersprüche mit
den Diöcesangrenzen der bereits früher gegründeten deutschen
Bisthümer. Genauere Untersuchungen scheinen aber zu be-
weisen, dass bei richtiger Bestimmung der West- und Nord-
grenze Zeitz und Merseburg nirgends in das Prager Gebiet ein-
griffen.* Die Collision zeigt sich erst bei der Nordostgrenze,
bei der Abgrenzung Prags gegen Meissen. Nach der Grenz-
beschreibung im Privileg von 1086 hätten hier zum Bisthum
Prag gehört: das Gebiet zwischen Bober und Oder, denn
Boborane seien die Anwohner des oberen Boberflusses, Dedo-
sane die zwischen der unteren Bober und Oder, Trebovane im
Gebiete des Flusses Katzbach, Slasane an dem Flüsschen Lohe.
Auf das ganze linksseitige Odergebiet bis zu den Quellen dieses
Flusses erhob aber auch Meissen Ansprüche.
Kalousek sucht diesen Widerspruch durch die Annahme
zu beheben, dass Meissens Ansprüche auf Schlesien blos ,theo-
retische' waren, denn wie man aus Thietmar ersehe, lag dieses
Gebiet nie oder nur sehr kurze Zeit während der zweiten
Hälfte des 10. Jahrhunderts im Machtgebiete der deutschen
Markgrafen. Böhmen und Polen stritten sich um dieses Land,*
^ Vgl. Dudfk, Geschichte Mährens 2, 42.
' Kalousek, S. 32 auf Grund der topographischen Untersuchungen To-
n)ek*8 und Jire^ek^s.
8 a. a. O., S. 34.
153
Es kommen hier auch noch andere Erwägungen in Be-
tracht; wesshalb der Streit, wenn auch nicht zu Gunsten, so
doch sicher auch nicht zu Ungunsten Böhmens entschieden
werden kann. Die Bestimmung der Ostgrenze des Bisthums
Meissen stösst auf mancherlei Schwierigkeiten, weil die älteren
Urkunden dieses Stiftes erwiesene Fälschungen sind.* Ferner
wissen wir auch nicht, welche Veränderungen der Besitzstand
Böhmens unter Herzog Boleslav 11. (967 — 999) erfahren hat.
Boleslav hat sich mehrmals mit den Feinden Ottos 11. und
Ottos ni. verbtLndet, er hat thatsächlich an den Polenherzog
Miseco I. ein bedeutendes Stück Landes verloren. Es wäre
denkbar, dass unter solchen Verhältnissen ein Theil des ur-
sprünglich zu Böhmen gehörigen Gebietes im Nordosten ander-
weitig vergabt wurde, ohne dass Böhmen seine Rechte darauf
aa%ab.
Wie Ealousek richtig bemerkt, Hess sich der Prager
Bischof Gebhard noch im Jahre 1086 — sei es nun mit oder
ohne Recht — alte Ansprüche Prags auf ganz Schlesien und
Polen bestätigen, wiewohl die Bisthümer Breslau und Krakau
diese Gebiete längst ihr Eigen nannten, so dass der Werth
dieser Bestätigung mehr als problematisch war. In ähnlicher
Weise — meint Ealousek — habe sich Meissen, falls die letzte
der drei Stiftungsurkunden, die vom Jahre 996, echt ist. Rechte
auf Schlesien bestätigen lassen, die ihm vielleicht im Jahre 968
thatsächlich zugewiesen wurden, später aber bei der Errichtung
Prags wieder verloren gingen. Ich möchte aber auch auf die
Möglichkeit hinweisen, dass Meissen nach dem Jahre 973 ein
früher zum Prager Bisthum gehöriges Stück Land zugeschlagen
erhalten haben könnte, ohne dass Prag auf seine Ansprüche
verzichtete. Die Zeiten Bischof Adalberts (983-997) sind für
das Prager Bisthum ungemein stürmisch verlaufen, und oft
genug fehlte im Lande der Hirt, der das ihm anvertraute Gut,
* VgL Cod. dipl. Saxoniae, 1. Haupttheil, 1, 172. 174flf. — Posse, der Be-
arbeiter dieses Abschnittes, bezeichnet sogar die ziemlich allgemein,
anch Ton Kalonsek, als echt angenommene Urkunde Ottos HL vom
6. December 9^5 als Fälschung (vgl. dagegen Sickel, Diplomata zu
Otto CL, Nr. 186, 8. 596); er spricht die Meinung aus: ,Sonach würde
da« Bisthum (Meissen) bei seiner Gründung vorderhand nach Osten hin
keine Grenzen erhalten haben/ Vgl. auch Dum m 1er, Kaiser Otto der
Groase, S. 432.
164
unbekümmert um die Veränderungen der politischen Grenzen,
hätte vertheidigen und vor Verkürzung schützen können.
Mit Berücksichtigung aller dieser Umstände wird man
daher auch diesen zweiten Punkt, die CoUision der Prager und
Meissner Diöcesangrenzen, nicht als solchen bezeichnen können,
der zur Verwerfung der ,Qründungsurkunde^ zwänge.
3. Das mährische Bisthum und Bischof Wracen.
— Beiweitem schwieriger gestaltet sich der dritte Einwand, der
sich auf die Existenz eines mährischen Bischofs nach der Grün-
dung des Prager Bisthums bezieht. Bischof Gebhard von Prag
erklärte — so heisst es bei Cosmas — vor der ganzen Ver-
sammlung, und Kaiser Heinrich IV. Hess es in das neue Privileg
aufnehmen, dass das Prager Bisthum von allem Anfange an
ganz und ungetheilt für Böhmen und Mähren errichtet wurde,^
wie es eben auch die Grenzausweisung darthun möchte. Nun
lernen wir aber noch aus der Zeit nach der Errichtung des
Prager Bischofssitzes einen ,mährischen Bischof^ kennen. In einer
Urkunde des Erzbischofs Wiligis von Mainz vom 28. April 976
werden vier Suffraganbischöfe angeführt, die einer Strafsentenz
des Metropoliten ihre Zustimmung ertheilen, und diese sind die
Bischöfe von Speier, Worms, Prag und Mähren.* Den Hin-
weis auf die MögUchkeit eines Schreibfehlers sollte man billiger-
weise endlich unterlassen; besser kann der Name nicht bezeugt
sein, als wenn er nach ,Pragensis^ steht. Die Bezeichnung nach
dem Lande hat nichts Auffälliges, auch im 1 1. Jahrhunderte ist
sie ganz gewöhnUch. Es ist aber auch nicht, wie vorgehalten
wird, die einzige, nur einmal vorkommende Erwähnimg des
mährischen Bischofs. Cosmas selbst erzählt, wie er gehört habe,
dass schon vor den Zeiten Bischofs Severs von Prag (1030 bis
1068), unter welchem Mähren ca. 1063 losgetrennt wurde und
einen besonderen Bischof erhielt, in Mähren ein eigener Bischof
existirt habe, der Wracen geheissen haben soll.*
^ Cosmas II, 37: ,qiialiter . . . Gebeardus . . . conquestns est, qaod Pra-
gensis episcopatus, qui ab inltio per totam Boemiae ac Moraviae dacatnm
UDUs et integer constitatus . . .*
' Cod. dipl. Morav. I, 97 : ,Astipiilantibu8 quoque assessoribns nostria vene-
rabilibus episcopis Spirensif Wormatiensi, Pragensif Moraviensi.'
' Cosmas II, 21: ,fertQr autem quod fuisset in Moravia ante tempora Se-
veri quidam episcopus, ut reor nomine Wracen.*
155
Die ernstere Erklärung, die man ftlr diese Schwierigkeit
bietet, lautet dahin, dass dieser Bischof von Mähren kein selbst-
ständiger, dem Prager coordinirter, sondern blos dessen Stell-
vertreter in Mähren, ein sogenannter Weihbischof gewesen sei.^
Dagegen lässt sich vor Allem einwenden, dass Cosmas bezüglich
Wracens von einem derartigen Verhältniss nichts sagt;* femer
aber ist zu bemerken, dass wir dann kaum den Aushilfsbischof
neben seinem eigentHchen Bischof bei einer Gerichtsverhandlung
gleichzeitig am Hofe des Metropoliten erwarten dtlrften; und
schliesslich ist nicht zu übersehen, dass dieses Institut der Weih-
bischöfe in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts auch in
den östlichen Ländern stark in Abnahme begriffen war und
nii^ends mehr bei den Neugründungen von Bisthümern in otto-
nischer 2^it auftritt.' Dass gerade bei der Errichtung des
Prager Sitzes imd noch dazu fUr Mähren allein, nicht auch
mindestens für das weite polnische Land, eine solche Einrich-
tung getroffen worden wäre, ist nicht ohne nähere Begründung
hinzunehmen, sondern müsste doch irgendwie wahrscheinlich
gemacht werden. Die bisherigen Erklärungen genügen nicht, wir
müssen, so überraschend es auch ist, bei der Thatsache stehen
bleiben, dass noch nach der Gründung des Prager Bisthums die
Existenz eines selbstständigen mährischen Bischofs quellenmässig
bezeugt ist
4. Der heilige Ad albert. — - Der letzte Einwand be-
zieht sich auf die Verbindung, in die der heilige Adalbert zur
Oründungsgeschichte des Bisthums Prag gesetzt erscheint.
Cosmas schildert nämlich in seinem Berichte über die Ver-
handlungen in Mainz, wie Bischof Gebhard der Versammlung
ein Privileg vorlegte, ,privilegium olim a s. Adalberto episcopo
8U0 antecessore confirmatum tam a papa Benedicto quam a
primo Ottone imperatore'.* Der Satz ist zweifellos schwer ver-
ständlich.^ Die eine Auffassung geht dahin, dass Cosmas sagen
^ So taerst Dndik, Mährens allgemeine Geschichte 2, 45 ff.; wiederholt
Ton Kalonsek, 8. 31.
' Vgl. Loserth, 8. 26, Anm. 5.
' VgL Hinschins, Kirchenrecht, Bd. 2, S. 168.
♦ n, 37.
' In der deutschen Uebersetzung des Cosmas von Georg Grandaur in
den Geschichtsschreibern der deutschen Vorzeit, Lief. 74, S. 135, lautet
die Stelle: ^noh legte er das sowohl von P. Benedict wie von Kaiser
156
wiU, Bischof Gebhard habe ein vom Papste Benedict VI. und
Kaiser Otto I. dem Bischöfe Adalbert von Prag bestätigtes
Privilegium besessen und vorgelegt, nämlich das Grtindungs-
diplom des Prager Bisthums; da aber Adalbert erst im Jahre
983, zehn Jahre nach Ottos I. Tod, der zweite Bischof von Prag
wurde, so folgerte man zugleich aus diesem Anachronismus,
dass Gebhards Urkunde eine Fälschung gewesen sein müsse. ^
Allein man kann nicht übersehen, dass diese Deutung dem
Wortlaute nur zum Theile entspricht. Denn bezieht man ,con-
firmatum' nur auf Otto und Benedict, nicht aber auch auf Adal-
bert — welch' letztere AuflFassung übrigens gleichfalls Schwierig-
keiten hat — dann kann man überhaupt nicht sagen, was fiir
eine Beziehung sich Cosmas zwischen Adalbert und dem Privi-
leg Gebhards eigentlich gedacht habe. ,A sancto Adalberto' in
der Bedeutung ,des heil. Adalbert^ als Attribut zu ,privilegium'
zu fassen, ist unzulässig, dass aber, wie Dümmler sagt, ,da6
Diplom über die Stiftung des Bisthums Prag von Adalbert
hergerührt habe und von Otto und Benedict bestätigt worden
sei', liest man bei Cosmas doch nicht mit jener Bestimmtheit
und Klarheit, die für die Folgerung, dass ein solches Diplom
eine Fälschung gewesen sein müsse, nothwendig wäre. Es
fehlt für diese Behauptung die Sicherheit, dass Cosmas sich
wirklich gedacht habe, die ,Gründungsurkunde' sei vom Bischof
Adalbert ausgesteUt gewesen.*
Man hat daher schon vor langer Zeit diese Erklärung
der Stelle angefochten und versucht, den Satz so zu deuten,
dass Bischof Gebhard in Ermanglung des Originales ein ,Vidi-
mus' der Gründungsurkunde in Mainz vorgelegt habe, welches
Otto I. bestätigte Privilegium des heil. Adalbert seines Vorgängers vor.'
Die bdbmische Ueberaetzung in der Cosmasausgabe in den Fontes rerom
Bohemic. II, p. 115 schliesst sich dagegen strenge der lateinischen Wort-
folge an: ,priyilegium nSkdy od sw. biskupa Wojt^cha . . . stwrzen^ jak
od pape2e Benedicta tak od prwniho Ottj cfsare/
^ So zuerst Dümmler, Piligrim von Passau, S. 174.
* Gestützt auf die Stelle bei Otloh, Vita s. Wolfkangi, cap. 29 (SS. IV,
p. 638) : ,Haec ergo memorans, consensurum se caesari remandavit. Com-
que tempus peragendi concambii venisset, tanta fiiit alacritate, nt ipse
Privilegium componeret* nimmt man an (vgl. Dudfk, Mährens allg.
Gesch. n, 37 und Anm.), dass Wolfgang von Regensburg die Stif-
tungsurkunde für Prag entworfen habe. Das hier erwähnte Privileg
dürfte aber wohl nur den GUtertausch zum Inhalt gehabt haben.
157
der heil. Adalbert zu ii^end einer Zeit angefertigt habe und
in dem die päpstliche und kaiserliche Urkunde inserirt waren. ^
lieber diese zwei einander entgegenstehenden Auffassungen ist
man bis nun nicht hinweggekommen; denn wenn Loserth zur
Unterstützung der Ansicht Dilmmler's bemerkt hat; dass sich
das Vorhandensein eines Vidimus aus dem Wortlaute bei Cosmas,
,der die Urkunde selber gelesen habe', nicht ergebe,* so hat
Ealousek hinwieder entgegnet, dass der keineswegs klare Satz
einer solchen Annahme doch auch nicht widerspreche.* Die
textliche Schwierigkeit wird wohl auch immer ein Hindemiss
fttr eine unzweifelhafte Auslegung der Stelle bilden. Allein
gerade die Erklärung durch ein Vidimus scheint nicht glücklich
gewählt; denn bevor man dieselbe als zureichend ansehen
könnte, mlisste zuerst nachgewiesen werden, dass Vidimus mit
wörtlicher Einrückung einer oder mehrerer Urkunden im
10. Jahrhunderte in der bischöflichen Kanzlei zu Prag vor-
kommen kann und nichts Auffälliges an sich hat. Diese Ur-
kundenform, im späteren Mittelalter sehr gebräuchlich, war in
Deutschland nicht nur in dieser Zeit ganz ungewöhnlich, son-
dern hätte auch noch im Jahre 1086 in der Reichskanzlei nicht
geringes Aufsehen erregt.*
Es kann also auch dieser Erklärungsversuch nicht genügen,
abgesehen davon, dass die dieser Deutung zu Grunde liegende
Construction des Satzes, wobei ,confirmatum' zuerst auf Adal-
bert und dann noch auf die zwei durch ,tam quam' verbundenen
Satzglieder bezogen werden muss, grammatikalisch kaum ver-
ständlich ist; und nur soviel scheint sicher, dass, nach Cosmas'
Atigaben zu schliessen, das Blatt, welches Gebhard vorgelegt
^ Diese Deutung boten gleichzeitig, aber wohl kaum unabhängig von ein-
ander Tomek, Apologie der älteren Geschichte Böhmens (Abhandlungen
der k. böbm. Gresellschaft der Wissensch. 1863, S. 22, Anm.), und Dudik,
Mährens allgemeine Geschichte, Bd. 2 (1863), S. 427, Anm.
* A. a. O., 8. 26 : ,Wenn man versucht hat, die Sache dadurch zu retten,
dsBs man sagte, Adalbert habe die Bestätigungsurkunde des Papstes Bene-
dict VI. und Otto des Grossen vidimirt, so heisst es die Erzählung des
Cosmas, der die fragliche Urkunde selbst gesehen und gelesen hat, ge-
radezu auf den Kopf stellen/ Dass Cosmas die Urkunde selber gelesen
hat, sagt er nicht.
^ A. a. O., S. 30.
* Vgl. Ficker, Urkundenlehre, insbes. §. 172; H. Bresslau, Handbuch
der Urkundenlehre 1, 80. 84, Anm. 5, und 669.
158
hat, nicht das Original des Grtindungsdiploms gewesen sein
kann. Ja, wir können vielleicht weiter gehen und fragen, ob
die Bezeichnung ,Grtindung8urkunde^ überhaupt flir die Ur-
kunde, die Gebhard besass, ihre Berechtigung hat. Was wissen
wir von derselben? üeber ihren formalen Charakter lässt uns
Cosmas im Dunklen;^ vermögen wir uns denn über ihren In-
halt eine so klare Vorstellung zu bilden, um sie als ,Gründungs-
urkunde^ bezeichnen zu dürfen?
Cosmas sagt allerdings, das neue, von Kaiser Heinrich IV.
dem Bischof Gebhard in Mainz ertheilte Privileg sei dem alten
beinahe gleichlautend gewesen.* Allein diese Behauptung er-
weist sich denn doch bei näherer Betrachtung zum Mindesten
als sehr ungenau. Wie uns das Privileg Kaiser Heinrichs IV.
für die Prager Kirche vom Jahre 1086 bei Cosmas vorliegt,*
kann sich die Benützung einer Vorurkunde nur auf die darin
enthaltene Grenzbeschreibung beziehen, kaum ein Viertel des
ganzen Textes. Alles Uebrige ist durchaus neue, den Zeit-
umständen und momentanen Verhältnissen angepasste Fassung.
Es lässt sich kaum ein Satz, kaum eine Formel angeben, ßlr
welche die Annahme einer Vorlage wahrscheinlich, geschweige
nothwendig wäre.*
^ Keinen weiteren Aufschluss bietet die Stelle bei Cosmas I, 34: ,in
quantam ampliando dilataverit ferro sui terminos dacatus, apostolica
testatar auctoritas in privileg^o eiusdem Prag^nsis episcopatos.'
^ II, 37: ,ad cuius iustam querimoniam imperator . . . novum antiquo fem
eiusdem tenoris addit Privilegium*; das ,fere* wird noch dadurch abge-
schwächt, dass Cosmas bei Citaten solche verallgemeinernde Ausdrücke
liebt; so sagt er gleich darauf bei der wörtlichen Einfügung des kaiser-
lichen Privilegs: ,continet enim aut hunc aut huiusmodi textum.'
^ Es gibt von dieser Urkunde, deren Original nicht existirt, ausser der
Ueberliefening bei Cosmas noch eine Copie saec. XII im Münchner
Reichsarchiv (gedruckt bei Stumpf- Brentano, Die Reichskanzler, Bd. 3,
S. 79 — 81). Kalousek hat in einer Abhandlung: J)nihA kopie cisarski
listiny na sjednoceni dioecese Olomouck^ s Praiskou dan^ 29. dubna
1086 (Sitznngsber. der k. bchm. Gesellsch. der Wissensch. in Prag,
1883, S. 114 — 119) die Abweichungen beider Fassungen geprüft und
macht es wahrscheinlich, dass die Ueberlieferungen von einander unab-
hängig sind.
^ Loserth's Bemerkung a. a. O., S. 24, dass ,nicht blos der wesentUche
Inhalt (der Gründungsurkunde), sondern vielleicht auch einige Formeln'
in Heinrichs IV. Urkunde übergegangen seien, ist eben nur zur Hälfte
richtig.
159
Die Arenga gedenkt der kaiserlichen Pflicht, den an
Kirchen verübten Schaden wieder gut zu machen; das ist jeden-
falls kein Gedanke, der in einer Qründungsurkunde vorauszu-
setzen wäre. Die Narratio führt aus, dass sich Bischof Geb-
hard von Prag über die unrechtmässige Trennung Mährens vom
Prager Bisthum vor Bischöfen und Fürsten sowie vor dem
Kaiser beschwert habe. Nun folgt die Aufzählung der zu Mainz
anwesenden geistlichen und weltlichen Reichsfilrsten, sodann
die ausführliche Grenzbeschreibung; nach dieser die Zustimmungs-
erklärung des böhmischen Herzogs Wratislav, die Corroboratio,
sowie die gewöhnlichen Schlussformeln. Nirgends — von der
Grenzbeschreibung abgesehen — findet sich ein Anhaltspunkt
ftlr die Benützung einer Vorurkunde. Ja noch mehr. Der
Satz: ,Pragensis episcopatus, qui ab initio per totum Boemiae
ac Moraviae ducatum unus et integer constitutus estS einer der
wichtigsten der Urkunde, weil er das einstmalige Verhältniss
des mährischen Bisthums zum Prager betrifft, lässt deutlich
erkennen, dass er erst zufolge der Bedrohung der Zusammen-
gehörigkeit Böhmens und Mährens und wegen der bereits
eingetretenen Abtrennung Mährens von der Prager Diö-
cese 80 präcise abgefasst ist; der Ausdruck ,ab initio^ ist
an und Air sich in der Gründungsurkunde undenkbar, die
alleinige Hervorhebung der Zugehörigkeit Mährens, nicht aber
auch Polens und anderer Gebiete zu Böhmen ganz unwahr-
scheinlich.
Wir sehen somit, dass das Privileg Kaiser Heinrichs IV.
die Worte des Cosmas ,fere eiusdem tenoris^ als eine arge Un-
genauigkeit, um keinen stärkeren Ausdruck zu gebrauchen, er-
weist. Hätte Cosmas die von Gebhard vorgelegte Urkunde in
der That gelesen, würde er eine solche Unrichtigkeit nicht
begangen haben. Das Privileg von 1086 gibt nicht nur keine
Möglichkeit, das vermeintliche ,Gründungsdiplom^ zu recon-
struiren, sondern lässt es sogar als unwahrscheinlich erkennen,
dass über die Grenzbeschreibung hinaus eine Vorlage benutzt
worden sei, da Dinge, die in einem Gründungsdiplome irgend-
wie berührt gewesen sein mussten, völlig neu concipirt wurden.
Nirgends wird auch in dem Privileg von 1086 einer vorgelegten
älteren Urkunde, geschweige einer , Gründungsurkunde' gedacht;
man beruft sich stets blos auf die mündliche Aussage des
160
Bischofs Qebhard;^ dass er ein authentisches Zengniss fUr seine
Ansprüche vorgebracht hätte, wird in der Urkunde Kaiser
Heinrichs IV. auch nicht mit einem Worte angedeutet Was
berechtigt uns unter solchen Verhältnissen aber, von einer Grün-
dungsurkunde des Bisthums Prag zu sprechen, die Gebhard
im Jahre 1086 — sei es nun in echter oder unechter Form —
besessen habe? Von Cosmas' Angaben bleibt nur der unver-
ständliche Satz, in dem er die Vorlage Qebhards ein von Adalbert,
Benedict und Otto bestätigtes Privileg nennt, übrig. Wie immer
man die Stelle aufTassen will, so darf man Cosmas' Autorität in
diesem Punkte nicht überschätzen. Es ist wohl wahr, dass er
damals selbst in Mainz war, denn er sagt, er habe gesehen, wie
Kaiser Heinrich IV. dem Privileg das Handzeichen beigefügt habe.*
Allein anderei*seits darf man nicht übersehen, dass seither minde-
stens fünfundzwanzig, wahrscheinlich noch mehr Jahre verstrichen
waren, und dass Cosmas erst als Greis sein Buch schrieb; er
nennt sich 1125 einen Achtzigjährigen und düi-fte nicht viel
früher das Werk verfasst haben.* Weit entfernt, ihm an dieser
Stelle eine Erfindung vorwerfen zu wollen — wiewohl bekannt
ist, dass manche Rede und mancher Brief auf sein eigenes
Kerbholz geschrieben werden muss — wird man doch hier an
der Treue und Zuverlässigkeit seines Gedächtnisses zweifeln
dürfen. Die Elemente für seine DarsteUung sind ja fast alle
vorhanden: Bischof Gebhard hat in Mainz irgend ein Blatt vor-
gelegt, dafür ist die Grenzbeschreibung im Privileg von 1086
ein genügendes Zeugniss; man könnte sich auch denken, dass
Gebhard diese urkundliche Aufzeichnung mit Bischof Adalbert in
Beziehung gebracht hat. Andererseits las Cosmas im Privileg
von 1086 und mochte es auch selber wissen, dass nach Gab-
hards Aussage Otto I. und Benedict VI. die Gründung des Prager
Bisthums bestätigt hatten. Allein die Verbindung, die er nun
zwischen diesen Elementen herzustellen versucht, indem er
Bischof Gebhard ein ,Privileg' vorlegen lässt, welches Adalbert^
^ ,qiialiter . . . Gebeardas saepe confratribus suis et coepiscopis ceteiisqne
principibos nostris ac novissime nobis conquestus est*; iqui com Ma-
gimtiae . . . eandem querimoniam intulisset^
' II, 37 i. f. : ^Signum domini Heinrici . . . quod ego vidi ipsum caesarein siiis
manibus annotantem in privilegio Pragensis episcopatus.*
^ lieber die Abfassungszeit 1110 oder 1119 vgl. Loserth, Stadien eh
Cosmas, a. a. O., S. 30. 31.
161
Otto und Benedict bestätigt haben sollten und auf dessen Grund-
lage die neue Urkunde abgefasst wurde, scheint seine eigene
Combination zu sein, die nicht nur der Richtigkeit, sondern auch
der Klarheit entbehrt.
Man hat mit Beziehung auf die zeitliche Nebeneinander-
stellung Adalberts mit Kaiser Otto I. allerdings bemerkt, man
könne doch Cosmas nicht die ^Blödigkeit* zutrauen, dass er,
der doch selber sagt, Adalbert sei der Nachfolger des ersten
Bischöfe Dietmar geworden,* sich denselben an einer zweiten
Stelle bei der Grlindung des Bisthums Prag zu Otto I. Zeit
betheiligt gedacht hätte.^ Das ist gewiss auffallend; aUein es
darf andererseits nicht tibersehen werden, dass Cosmas wiederum
an anderem Orte den schweren Irrthum begeht, den heihgen
Adalbert noch zu Lebzeiten Ottos I. Bischof von Prag werden
zu lassen. Er sagt nämlich: Dietmar sei am 2. Januar 969
aus dem Leben geschieden, und in demselben Jahre am 19. Fe-
bruar sei Adalbert auf der Burg Levigradec zu dessen Nach-
folger erwählt worden.® Hatte er einmal so irrige Anschauungen
über die gegenseitigen Zeitbeziehungen, dann lag ihm auch die
VorsteUung nicht mehr so ferne, Kaiser Otto I. fUr den heil.
Adalbert oder neben demselben eine Urkunde bestätigen zu
lassen. Zeit- und Sachverwirrungen sind ja überhaupt in Cos-
mas' Werk nichts Ungewöhnliches.*
Wie dem nun aber auch sein möge, wir überzeugen uns,
je genauer wir Cosmas prüfen, nur um so deutlicher, dass seine
Nachrichten und Angaben in diesem Punkte an Unklarheit leiden
und einander mehrfach widersprechen. Es lässt sich daher
auch nicht mehr mit Sicherheit ermitteln, wieviel von seinen
Mittheilungen über die alte von Gebhard producirte Urkunde
^ S. unten Note 3.
* Tomek, a. a. O., S. 22, wiederholt von Kalonsek, S. 30.
* Cosmas I, 24. 25: ,Dethmanis . . . anno scilicet domini 969 lY. non.
lannarii yinclis camis absolutus . . . Facta est autem haec electio
(Adalberti) . . . Levigradec in oppido XI. Kai. Martii eodem, quo obiit
Dethmams episcopns anno.* Dass dann cap. 26 anfangt: ,Ea tempestate
adiSt Otto n. . . .* hat wenig zu sagen, weil schon diese Worte sowie
alles Folgende bis zum Schlüsse des Capitels wörtlich aus Canaparius
entlehnt ist (vgl. Mon. Germ. SS. IX, 50, Anm. 39).
* Vgl. Palacky, Würdigung der alten böhmischen Geschichtsschreiber,
8. 24 ff., 8. 27 (über des heil. Adalbert Verhältniss zu Kaiser Otto II.),
8. 28 (über die Genealogie Boleslavs H. und III.), 8. 29 u. «. w.
ArekiT. LXXXU. Bd. I. H&lfte. 11
162
zuverlässig ist; sie für ir^nd eine Form der Uründungsurkunde
des Bisthums Prag zu halten^ dafür liegen zu unsichere An-
haltspunkte vor. Wir können nicht sagen, von wem dieselbe
ausgestellt war, ^-ir kennen den Zeitpunkt ihrer Abfassung
nicht, bis auf die Grenzbeschreibung lässt sich ihr Inhalt nicht
mehr reconstrulren.
Halten wir uns demnach an die Thatsachen, die unzweifel-
haft sind, so ergibt sich:
1 . Bischof Grebhard von Prag behauptete vor der Mainzer
Versammlung im Jahre 1086, das Prager Bisthum sei von
Kaiser Otto I. begründet und von ihm und dem Papste Bene-
dict (VI.) bestätigt worden.
2. Bischof Gebhard besass eine alte Grenzbeschreibung
des Prager Bisthums in einer Tür uns nicht näher bestimmbaren
urkundlichen Form.
3. Bischof Gebhard behauptete, das Prager Bisthum sei
von Anbeginn für das gesammte Herzogthum Böhmen und
Mähren ganz und imtheilbar errichtet worden.
Was den ersten Punkt betrifft, so wurde schon bemerkt,
dass, da die Beweise für die Gründung des Prager Bisthums
unter Otto 11. nicht ausschlaggebend sind, kein Grund vorliegt,
Gebhards Behauptung als wissentliehen oder zufUlligen Irrthum
anzusehen.
Die Grenzbeschreibung scheint keine im Jahre 1086 ad
hoc gemachte Fälschung zu sein, denn sie trägt mit ihrer in
Gebhards Zeit vöUig zwecklosen Einbeziehung weiter, dem
Prager Bisthum längst entfremdeter Gebiete den Stempel einer
früheren Periode an sich.^ Allein es ist nicht noth wendig, diese
Grenzbeschreibung als ein authentisches Zeugniss für den Um.
fang des Prager Bisthums zur Zeit seiner Gründung anzusehen?
da es sich nicht erweisen lässt, dass sie thatsächlich einen
Ueberrest des ursprünglichen Gründimgsdiploms bildete. Sie
kann aus späterer Zeit herrühren, es ist aber auch möglich,
dass sie ebensowenig dem factischen Besitzstande zur Zeit ihrer
Entstehung entspricht, als das Privileg Heinrichs IV. den that-
sächlichen Besitzverhältnissen Prags im Jahre 1086. Gebhard
Hess sich in diesem Jahre vom deutschen Kaiser und voni
Papste Rechte auf Polen und Scjilesien in unbegrenztem Masse
^ Vgl. auch Kalousek, S. 35.
163
urkundUch bestätigen, die auszuüben mit Rücksicht auf die
Bisthümer Krakau und Breslau ftir ihn nicht mehr denkbar
war; man konnte ebenso im Jahre 973 und später die Bisthums-
grenzen auf Gebiete ausgedehnt haben, die nicht im Bereiche
der Machtsphäre des böhmischen Herzogs lagen. Die Grenz-
beschreibung des Bisthums Prag, die uns im Privileg
von 1086 vorliegt, kann demnach nicht den Ausgangs-
und Stützpunkt bieten für den Beweis, dass Mähren
in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts mit Böhmen
politisch verbunden war.
Dass — um zum dritten Punkte überzugehen — Bischof
Gebhard die Behauptung aufstellte, Mähren sei seit der Er-
richtung des Bisthums Prag stets und untheilbar dazu gerechnet
worden, ist ja voUkommen begreiflich, da er auf die Wieder-
vereinigung der beiden Bisthümer hinarbeitete.
Wir brauchen Gebhard deshalb keiner Fälschung zu
zeihen, wenngleich hinlänglich bekannt ist, dass sich der Prager
Bischof keines guten Leumimdes erfreute. Papst Gregor VH.,
der dessen Process mit dem Bischöfe Johann von Olmütz zu
entscheiden hatte, wirft ihm vor, dass er gegen sein Versprechen
anders gehandelt habe, als es der Papst ihm befohlen; er habe,
sagt Gregor, über die päpstlichen Aussagen Lügen erdichtet
und des Papstes Urkunden unterdrückt. Ebenso offen spricht
sich Gregor in dem Schreiben an Gebhards Bruder, Herzog
Wratislav, und an den Olmützer Bischof Johann dahin aus:
Gebhard sei nur auf betrügerische Weise vorgegangen und habe
die päpsüichen Befehle und Verfügungen wissentlich verkehrt
und entstdlt.^
Allein die Grenzbeschreibung als' eine aus der Feder Geb-
hards geflossene Urkundenfklschung anzusehen, dafür liegen
keine Beweise vor. Dass Gebhard die kirchliche Verbindung
* Vgl. Cod. dipl. Moraviae I, p. 165: ,et quod valde nobis molestum est,
noetra concessione te id fecisse mentitus es*; p. 156: ,hac igitnr occasione
et de nobis mendacium finxisti et decreta subvertisti;' p. 154: ,de castro
qaodam . . . contra interdictam nostrum et contra sui ipsius in manus
nostras datam promissionem etiam de nobis mentiendo, quasi id sibi con-
ceeserimos ... de quo mendacio et fraude . . .;* p. 157: ,Scimus enim,
qoanta fraude Pratensis episcopus te circumvenit: qui tarnen non
solam ad tuas, sed de nobis mentiendo et quasi ex nostra concessione
rapacitatem suam roborando, ad nostras etiam ininrias patenter erupit.*
11*
164
Mährens mit Böhmen bis an die GrÜndungszeit des Prager
Bisthums zurückdatirte^ kann sogar seine persönliche Ueber-
zeugung gewesen sein, wenn er die Grenzbeschreibung fiir älter
hielt, ab sie in Wirklichkeit gewesen sein mag, oder ihr mehr
Bedeutung zuschrieb, als sie thatsächlich besitzen mochte.
Es scheint mir, da man sich über die Zeit ihrer Ent-
stehung denn doch eine Meinung bilden muss, nicht unmöglich,
dass sie einer ähnlichen Quelle entstammt wie die Grenzbe-
schreibung des SlavnikingerfUrstenthums, die uns bei Cosmas
erhalten ist, also einer Adalbertlegende. Der heil. Adalbert
dürfte, ohne dass Mähren in politischer Beziehung zu Böhmen
stand, einigen Eanfluss auf die kirchlichen Geschicke dieses
Landes genommen zu haben, ebenso wie er nachweislich auch
in Ungarn und im Polenreiche fUr die Ausbreitung des Glaubens
thätig war,* wiewohl hier von einem politischen Connex nicht
die Rede sein kann. So mag in einer bald nach seinem Tode
niedergeschriebenen Vita die Grenze seiner Diöcese einerseita
im Südosten weit über Mähren bis nach Ungarn hinein, anderer-
seits im Nordosten bis an den Bug und Stry ausgedehnt worden
sein. Es möchte diese Annahme zugleich einen schwachen
Anhaltspimkt bieten, wieso der heil. Adalbert mit der Urkunde,
die Gebhard besass, in Verbindung gebracht werden konnte.
Dass aber der Prager Bischof auf so unbestimmte Gründe
hin im Jahre 1086 sein Ziel erreichen konnte, das liegt in den
Zeitverhältnissen begründet. Das Privileg Heinrichs IV. für
die Prager Kirche ist nur vom Gesichtspunkte der damaligen
allgemeinen politischen Lage zu verstehen.
Für Kaiser Heinrich IV. schien das Jahr 1085 einen gün-
stigen Verlauf zu nehmen. Sein grosser Gegner, Papst Gre-
gor Vn., war gestorben, und es Hess sich zunächst kein gleich
starker und kampflustiger Nachfolger finden; auch auf dem
deutschen Schlachtfelde schienen die Gegner sich theils dem
Kaiser zu nähern, theils sich vor ihm zurückzuziehen. Allein,
noch vor der Wende dqs Jahres erfolgte der Rückschlag. In
Sachsen brach im Herbste der Aufstand imd die Empörung
wieder los, und vergebens bemühte sich Heinrich zu Be^nn
des Jahres 1086, die Ruhe daselbst wieder herzustellen. Auch
im übrigen Deutschland sammelten sich die Gegner des Kaisers
^ Vgl. Dudik, Geschichte Mährens 2, 63. 65 und 67.
165
aufs Neue. Da berief in der Fastenzeit des Jahres 1086 Hein-
rich IV. seine Getreuen zu sich nach Mainz. Zugegen waren
die Erzbischöfe von Mainz^ Köln, Trier, Bremen, nebst zwölf
Bischöfen; von weltlichen Grossen vornehmlich Herzog Fried-
rich von Schwaben, Luitpolt von Kärnten, Pfalzgraf Rapoto
und Herzog Wratislav von Böhmen. Gerade der zuletzt Ge-
nannte war nicht nur einer der getreuesten, sondern auch einer
der mächtigsten Verbündeten des deutschen Kaisers seit mehr
als einem Jahrzehnte. Die Unterstützung, die Heinrich IV. von
dieser Seite erhielt, kann thatsächlich nicht hoch genug ange-
schlagen werden. Und wie der Kaiser den Herzog selbst an
sich zu fesseln wusste, so verband er sich auch dessen Bruder,
den energischen Bischof Gebhard von Prag, zu treuer Anhäng-
lichkeit. Vom Jahre 1077 — 1084 hatte derselbe das wichtige
Amt eines Reichskanzlers innegehabt.^
Diese beiden Freunde durch Gunstbezeigungen sich zu
erhalten, musste bei den bevorstehenden neuerlichen Kämpfen
Heinrichs erstes Augenmerk sein. In Mainz ertheilte der Kaiser
dem Böhmenherzoge die Würde eines Königs von Böhmen und
Polen, und trotz dieser Rangerhöhung ungewöhnlichster Art
erklärte der Erzbischof von Mainz dem Papste Clemens, dieser
Fürst wäre für seine mannigfachen Dienste noch grösserer
kaiserUcher Huld werth gewesen, wenn es eine solche gäbe.*
Eben vor diese Mainzer Versammlung brachte auch der
Prager Bischof seine Klagen und Bitten und erlangte unter
Zustimmung seines Bruders vom Kaiser Heinrich IV. die Ver-
einigung des mährischen Bisthums mit dem von Prag, die er
sich dann allsogleich auch von dem kaiserlichen Papste Clemens
in Rom bestätigen hess.^ Es konnte für ihn keinen günstigeren
Zeitpunkt geben, um einen nun fast zwanzigjährigen Streit zu
seinen Gunsten zur Entscheidung zu bringen. In diesem langen
Zeiträume war es ihm nicht gelungen, sein Ziel zu erreichen;
erregt schon diese Thatsache den Verdacht, dass seine An-
sprüche nicht allzu gut begründet waren, so noch mehr ein
' Bresslan, Handbuch der Urknndenlehre 1, 360.
' Vgl. Giesebrecht, Geschichte der deatschen Kaiserzeit III, 619.
* Vgl. Cosmas II, 38: ,Similiter eodem anno Heinrico imperatore deman-
dante . . . domnus Clemens papa secuudum praedictos terminos suos suo
privilegio corrobat Pragensem episcopatnm/
166
Ueberblick über den Verlauf dieses Processes des Prager Bi-
schofs um die mährische Diöcese.^
Jaromir, wie er mit seinem weltlichen Namen hiess, Geh-
hard, wie er als Bischof von Prag genannt wurde, war der
viertgeborene Sohn Herzog Bfetislavs I. von Böhmen. Er stand
noch in den - Jünglingsjahren, als sein Vater starb und sein
ältester Bruder Spitihnev das Erbe antrat. Von einer Berück-
sichtigung bei der Ländertheilung war umsoweniger die Rede,
als Jaromir schon vom Vater flir den geistlichen Stand bestimmt
worden war. Während der Regierung Spitihnevs, den Jaromir
ftlrchtete, weilte er zu seiner Ausbildung auf einer auswärtigen
Schule, kehrte aber schleunig in seine Heimat zurück, als sein
ältester Bruder im Jahre 1061 gestorben war, der zweite, Wratislav,
die böhmische Herzogswürde übernahm und die beiden jün-
geren, Konrad und Otto, sich in den Besitz Mährens tbeilten.
Allein auch Wratislav berücksichtigte die Ansprüche Ja-
romirs nicht; er veranlasste ihn vielmehr, die niederen Weihen
zu nehmen, und versprach, ihm das Prager Bisthum nach dessen
voraussichtlich baldiger Erledigung — Bischof Severus hatte
dasselbe bereits seit 1030 inne — zu übertragen.
Das Verhältniss Jaromirs zu seinem Bruder Wratislav
gestaltete sich jedoch bald so ungünstig, dass der junge Diakon
Prag verliess und beim Polenherzoge Boleslav H. Zuflucht nahm.
Eine der Ursachen des Zerwürfnisses zwischen den Brüdern
dürfte wohl auch die Loslösung Mährens vom Prager Bisthums-
Sprengel gebildet haben. Etwa im Jahre 1063 setzte es nämlich
Herzog Wratislav bei dem alten Bischöfe Severus durch, dass
in Olmütz ein eigenes Bisthum für Mähren errichtet und Jo-
hannes, ein Mönch aus dem Benedictinerkloster Bfevnov, dem-
selben vorgesetzt wurde. Trotz der Entschädigung, die der
Herzog dem Prager Bisthume hiefür zuwies, lag darin eine sehr
bedeutende Schmälerung der Machtsphäre des künftigen Bischofs
Jaromir, besonders auch, weil dieser hiedurch von einer inni-
geren Verbindung mit seinen beiden Brüdern, die in Mähren
regierten, abgeschnitten wurde.
Mit seiner Flucht aus Böhmen hatte aber Jaromir auf seine
Erbansprüche keineswegs verzichtet, sondern wartete blos den
* \g\. die ausführliche Darstellung bei Dud{k, Mährens allgemeine Ge-
schichte, Bd. 2.
167
Tod Bischof Severs in der Fremde ab. Als dieser im Jahre
1068 erfolgte, kehrte Jaromir zurück und zwang, von seinen
mährischen Brtidera Konrad und Otto, sowie einer mächtigen
Adelspartei unterstützt, Wratislav, ihm und nicht Lanzo, den der
Herzog für den erledigten Prager Stuhl bereits ausersehen hatte,
das Prager Bisthum zu überlassen. Mähren allerdings sollte
Bischof Johannes verbleiben.
Doch Bischof Gebhard empfand diese Theilung und Ver-
minderung seines Erbes sehr schwer. Nach einigen vergeb-
lichen Versuchen, auf gütlichem Wege den Herzog zur Wieder-
herstellung des früheren Zustandes zu bewegen, erklärte — so
erzählt Cosmas — Bischof Gebhard, nunmehr kein Mittel
mehr zu scheuen, um beide Bisthümer in seiner Hand zu ver-
einigen, selbst auf die Gefahr hin, Alles zu verlieren.^ WirkUch
überfiel er auch den greisen Olmützer Bischof, misshandelte
ihn, ohne aber, wie es scheint, im Uebrigen in den thatsäch-
lichen Verhältnissen eine Aenderung herbeiftihren zu können.
Johann blieb in seinem Olmützer Bisthume; Bischof Gebhard
wurde nun aber wegen seiner Gewaltthätigkeit vom Herzoge
Wratislav beim päpstlichen Stuhle verklagt, und Papst Ale-
xander H. entsandte zwei Legaten nach Böhmen, die Gebhard
seiner bischöflichen Würde entkleideten, während Herzog Wra-
tislav ihm alle seine Güter und Einnahmen entzog. Damit war
jedoch der Streit nicht entschieden. Papst Gregor VH., der am
22. April 1073 Alexander H. auf dem päpstlichen Stuhle folgte,
lud, von der tiefen Missstimmung imterrichtet, die wegen Geb-
bards Absetzung im böhmischen Clerus herrschte, die streitenden
Parteien nach Rom (31. Januar 1074). Am 16. April 1074
theilte bereits Papst Gregor VH. dem Herzoge Wratislav das
Ergebniss der ersten Untersuchung mit. Bischof Gebhard habe
sich wegen der am Olmützer Bischöfe begangenen Beleidi-
gungen gereinigt und sei daher in seinem Prager Bischofssitze
wieder aufzunehmen und darin zu schützen. Der Güterstreit*
zwischen beiden Bischöfen werde erst auf einer künftigen Synode
entschieden werden können, da diesmal Bischof Johann von
^ II, 27: ,Qnoniam quidein, inquit, iam per quatuor annoH aut plus sup-
plicando nequeo efficere, quod volo, facio, quod queo; et teste deo aut
utrumque coadunabo aut utroqne carebo episcopio.*
' yterram vero, unde inter episcopos lis est.' Cod. dipl. Morav. I, p. 153.
168
Olmütz nicht zugegen gewesen sei und auch die Zeugenaussage
des Herzogs selbst hierbei erwünscht wäre; vorläufig mögen
die strittigen Gebiete im Besitze Johanns von Olmütz verbleiben.
Da aber Bischof Gebhard einen Theil derselben gewaltsam an
sich riss^ erfolgten abermalige Klagen^ so dass der Papst die
Angelegenheit vor die Fastensynode (Februar) 1075 brachte.
Am 2. März verkündete der Papst, dass auf Grund einer Ver-
einbarung der beiden Parteien der zwischen Gebhard und
Johann streitige Besitz in zwei gleiche Theile getheilt werden
und vorläufig jeder Bischof eine Hälfte erhalten solle. Könne
eine Partei im Laufe der folgenden zehn Jahre sichere Zeug-
nisse, sei es schriftlich, sei es durch mündliche Zeugen bei-
bringen, solle der Process nochmals durchgeflihrt werden, wenn
aber nicht, bleibe diese Entscheidung in Kraft.
In dieser Urkunde sagt der Papst, es handle sich bei
dem Streite der Bischöfe um ,gewisse Zehnten und Gtiter^,
,de quibusdam decimis et curtibus^, und im ganzen Verlaufe
des Processes, der vor der Curie geführt wurde, und über den
uns ftlnfzehn Urkunden Aufschluss geben (davon eine von Papst
Alexander H., eine von Erzbischof Sigfrid von Mainz und die
übrigen dreizehn von Papst Gregor VH.),* wird immer nur auf
einen Güterstreit Bezug genommen. Ausser dass einmal eine
,praepositura* und ein ,castrum s. Venzeslai' genannt wird,* er-
scheint das Streitobject niemals näher bezeichnet. Vergebens
aber suchen wir nach einer Andeutung darüber, dass Bischof
Gebhard vor dem Papste über die ungerechte Losreissung
Mährens vom Prager Bisthume oder über die neuartige Be-
setzung des Olmützer Bischofsstuhles geklagt hätte. Diese Frage
wird in den ganzen Verhandlungen auch nicht einmal mit
einem Worte gestreift, die langen Briefe des Papstes Gregor VH.
an den Herzog Wratislav oder an die Bischöfe berühren ge-
rade diesen, wie es nach Cosmas scheinen möchte, entschei-
denden Punkt des Streites gar nicht.' Das kann weder Zufall
noch Absicht sein; vielmehr ist dieser Gegensatz zwischen der
» Vgl. Cod. dipl. Morav. I, Nr. 163. 166—179.
• A. a. O. Nr. 174, p. 153; vgl. Dudfk 2, 379.
' Dieser Widerspruch ist auch schon seinerzeit F. X. Richter aufge-
fallen in seiner Abhandlung ,Die Olmützer Kirche in den Tagen der
Stürme und Gefahren* in Wolny^s Taschenbuch für die Geschichte
Mährens und Schlesiens, Bd. 3, 1829.
169
Darstellung bei Cosmas und dem Inhalte der päpstlichen Ur-
kunden nur so zu erklären^ dass uns Cosmas vom Anbeginne
den Streit im Hinblicke auf das Endziel^ das Gebhard im Auge
hatte^ schildert^ während der Papst nur den äusseren Anlass
des Streites kennt und berücksichtigt. Nicht nur als Geschichts-
schreiber, der bereits die Gesammtheit der Ereignisse über-
blickt/ sondern auch durch seine einstigen Beziehungen zu
Bischof Gebhard war Cosmas befUhigt, auch die tieferen Motive
des Streites zu kennen. Wenn aber Gebhard mit seinen An-
sprachen und Forderungen auf Wiedervereinigung des Olmützer
Bisthums mit dem von Prag nicht oflFen hervortrat, wofür eben
die päpstlichen Urkunden ein sicheres Zeugniss bieten, so
können wir den Grund hieflü* nur darin sehen, dass es ihm
an Beweismitteln fehlte, die ihm einen Kampf auf dieser
breiteren Grundlage ermöglicht hätten.
Anfänglich bildete demnach blos die bei der Lostrennung
Mährens von der Präger Diöcese im Jahre 1063 durch Herzog
Wratislav verfügte Güterscheidung das Substrat der Streitig-
keiten zwischen Bischof Gebhard von Prag und Bischof Johann
von Olmütz, nicht aber die Lostrennung selbst. Bischof Geb-
hard wagte damals noch nicht die Existenzberechtigung eines
eigenen mährischen Bisthums anzugreifen, wie nachmals im
Jahre 1086.
Dieses Verbergen seiner eigentlichen Absichten und
Wünsche ist aber durchaus unvereinbar mit der Annahme,
dass Bischof Gebhard die Mährens Zugehörigkeit zu Böhmen
erweisende Gründüngsurkunde in irgend einer authentischen
Form besessen habe. Was hätte ihn zurückhalten sollen, mit
Beinern wichtigen Documente von allem Anbeginne den Papst
von seinen Rechten nicht nur auf einige Zehnten und Güter,
sondern auf den ganzen mährischen Sprengel zu überzeugen;
warum zögerte er denn in den zehn Jahren von 1075 — 1085,
die der Papst ausdrücklich als Frist zur Erbringung ,besserer
Beweise' gewährt hatte, dasselbe vorzulegen?
Zugleich sprechen aber auch diese Verhältnisse gegen die
Annahme, dass das von Gebhard in Mainz producirte Privileg
eine gefälschte Gründungsurkunde gewesen sei. Mit einer
Fälschung, die in der Reichskanzlei von den zahlreichen Bi-
schöfen und Würdenträgem des Reiches im Jahre 1086 als
solche nicht erkannt wurde, hätte Gebhard sein Glück wohl
170
auch bei der Curie versuchen können. Denn die Annahme,
dass er erst gerade nach Ablauf der zehnjährigen Frist, im
Jahre 1086 auf dieses doch nicht gar so fernliegende Auskunfls-
mittel verfiel, ist an sich unwahrscheinlich; ja es hätte ein so
plötzlich auftauchendes wichtiges Beweismittel bei den Mit-
gliedern der Mainzer Versammlung um so grössere Bedenken
erregen müssen. Bei diesem wdt vorgeschrittenen Stande der Ange-
legenheit, nachdem der Process bereits zwei Jahrzehnte gewährt
hatte, konnte und durfte Bischof Gebhard ein Gründungsdiplom
nicht mehr ftllschen, ohne seine Sache zu gefährden; gegen
eine frühere Existenz desselben spricht wiederum der Verlauf
des Processes.
So scheinen mir auch diese Erwägungen daflir zu zeugen,
dass wir in dem ,Privilegium' des Cosmas eine viel unwich-
tigere, aber keineswegs von Bischof Gebhard gefälschte urkund-
liche Aufzeichnung erkennen müssen, deren Haupt-, vielleicht
einziger Inhalt die Grenzbeschreibung des Prager Bisthums war.
Dass Gebhard im Uebrigen nicht der Mann war, seine be-
weiskräftigen Privilegien in einem derartigen Falle unbenutzt
zu lassen, dafür bietet sich uns ein ganz unzweifelhafter Beweis,
der um so charakteristischer ist, als er sich auf dieselbe Sache
bezieht. Nachdem nämlich die Vereinigung der beiden Bis-
thümer im Jahre 1086 erfolgt war, beschloss König Wratislav
von Böhmen im Jahre 1088 die Verbindung doch wieder auf-
zulösen und ernannte eigenmächtig seinen Caplan Wezlo zum
Bischof von Olmütz. Da berief sich aber, wie wir aus Cosmas
ersehen, Gebhard sofort auf die Privilegien Heinrichs IV. und
Papst Clemens HI., die er im Jahre 1086 erlangt hatte, nicht
aber auf irgend ein älteres. Er woUte nach Rom eilen, um
wegen solcher Verletzung einer von Kaiser und Papst bestÄ-
tigten Verfolgung vor Allem beim apostolischen Stuhle Klage
zu führen; denn dies^sei ein nicht nur ihm und seiner Kirche,
sondern auch dem Papste zugefügtes Unrecht. Auf dem Wege
dahin starb er aber in Ungarn.*
^ Cosmas 11, 41: ,Quo iu facto palam se fecit notabilem (sc. Wratislaus)
non solum sprevisse, quod ipse coram imperatore et eius episcopis col-
laudayerat, ut nnus foret uterque episcopatus, verum eüam papae Clo*
mentis violasse Privilegium, quo eiusdem terminos episcopii roboravorat.
Haue ut apploraret.^pe8tolico illatam ecclesiae ininstitiam, praesul Geb*
hardus iturns erat Romam.*
171
In den Jahren 1073 — 1086, oder eigentlich von 1068 an,
sehen wir Gebhard einen anderen Weg einschlagen: zuerst
versuchte er es, wie Cosmas berichtet,^ mit Bitten und Ge-
schenken, dann mit der Fürsprache massgebender Freunde und
schliesslich mit List und Gewalt; den Rechtsweg aber, die Ap-
pellation nach Rom, wozu ihm die dem Privilegium von 1086
^t gleichlautende' Gründungsurkunde Ottos I. und deren Be-
stätigung durch Papst Benedict VI. doch gewiss die Möglich-
keit gewährt hätte, betrat er nicht; und das scheint denn doch
ebensowohl gegen die Existenz einer echten als einer gefälsch-
ten Gründungsurkunde zu sprechen.
Wenn die bisherige Darlegung zeigen sollte, dass einer-
seits entgegen den unklaren und sich widersprechenden An-
gaben bei Cosmas das Privileg Kaiser Heinrichs IV. für die
Prager Kirche vom 29. April 1086 eine eigentliche Gründungs-
urkunde des Prager Bischofssitzes nicht voraussetzt; dass an-
dererseits die kirchlichen Ansprüche des Prager Bisthums auf
Mähren von der Gründungszeit angefangen sich urkundlich
nicht sicher erweisen lassen, so ergeben sich speciell gegen
die Annahme des poUtischen Zusammenhanges zwischen Böhmen
und Mähren im 10. Jahrhunderte doch auch noch andere Zweifel
und Schwierigkeiten, wenn wir den allgemeinen geschichtlichen
Ereignissen jener Zeitperiode unsere Aufmerksamkeit zuwenden.
Zu gleicher Zeit, als im Reiche der Pfemysliden der Plan
auftauchte, in Prag ein Bisthum zu errichten, trug sich der
berühmte Bischof Piligrim von Passau mit dem Gedanken,
seinem Sitze den Rang einer Metropole zu verschaflFen und für
dieselbe Ungarn und Mähren zu erwerben.* Es ist erwiesen,
dass er, um zu diesem Ziele zu gelangen, eine Anzahl Ur-
kunden fälschte, die seine Ansprüche als legal erweisen sollten.
Mit diesen Fälschungen und einem ausführlichen Berichte über
seine Missionsthätigkeit im Lande der Ungarn schickte er eine
Gesandtschaft nach Rom, die ihm beim Papste Benedict das
^ U, 27: yAnno dominicae incarnationis 1073 postquam praesul Gebeardus
ridit, qaod labor saus cessit in cassnm, quia nee precibus, nee muneri-
bna, nee per amicos fleetere quivit fratrem suam Wratizlaum, ut suum
reciperet eoncambium et Johannem eliminaret episcopuni.^
* Vgl. im Allgemeinen: Du mm 1er, Piligrim von Paasan und das Erzbis-
thom Lorch (1854).
172
Pallium^ sowie die Bestätigang seiner Ansprüche auf die ge-
nannten Gebiete im Osten erwirken sollte.*
Die Schwierigkeit, die sich .daraus ergibt, dass fast zu
derselben Zeit Mähren sowohl für die Prager als flir die Passauer
Diöcese sollte beansprucht worden sein, ist, obwohl bemerkt,
doch nicht genügend erklärt worden. Da der Zeitpunkt der
Qründung Prags sich chronologisch ebensowenig feststellen lässt
wie der Plan Piligrims, so schien sich der Widerspruch besei-
tigen zu lassen, wenn man Pih'grim, der 971 die Bischofswürde
erlangt hatte, etwa im Jahre 973 seine Pläne fassen liess und
die Errichtung des Prager Bisthums frühestens in das Jahr 974
verlegte.* Allein es scheint mir ganz ungenügend, bei der-
artigen Ereignissen, denen doch längere Verhandlungen voraus-
gingen, lediglich den Zeitpunkt der endgiltigen Entscheidung
ins Auge zu fassen. Würde auch die Gründung des Bisthums
Prag in das Jahr 974 oder gar 976 gehören, so kann doch
darüber kein Zweifel obwalten, dass der Plan der Errichtung
desselben zur Zeit Ottos I. bereits bestand, vielleicht bis in das
Jahr 967 zurückreicht. Wir haben die Nachricht, dass die
Oründung des Bisthums hauptsächlich durch die Weigerung
des Bischofs Michael von Regensburg, zu dessen Diöcese
Böhmen damals gehörte, verzögert wurde, bis endlich der neue
Bischof Wolfgang, der im December 972 zu dieser Würde er-
hoben ward, in die Ausscheidung des Landes Böhmen willigte.'
Piligrim, durch dessen Bemühungen hauptsächlich Wolf-
gang zum Regensburger Stuhle gelangt war, muss von den auf
die Gründung des Prager Bischofssitzes bezüglichen Plänen voll-
ständige Kenntniss gehabt haben, so dass die Annahme einer
Collision der beiderseitigen Ansprüche auf Mähren unter allen
Verhältnissen unausweichlich wäre.
Sehen wir auch davon ab, dass nirgends in den Quellen
noch in den Berichten und Urkunden Piligrims dieser ein-
ander gegenüberstehenden Ansprüche Prags und Passaus Er-
wähnung geschieht, so ist es doch weiters sehr unwahrschein-
lich, dass Bischof Piligrim, dessen Pläne ohnedies nur auf der
^ Vgl. Cod. dipl.Morav. I, Nr. CXI, p. 89; Dttmmler, Piligrim vonPassaa,
S. 38—40.
* Dttmmler, a. a. O., S. 53. 54.
■ Vgl. oben S. 166, Anm. 2.
^
173
schwanken Basis gefälschter Urkunden beruhten, sich auch noch
zu den Absichten, die man in Prag hegte, und die vom deut-
schen Kaiser sowohl als vom Regeusburger Bischöfe unterstützt
wurden, in Widerspruch gesetzt und sich auf diese Weise
überflüssige Schwierigkeiten verui*sacht haben sollte. Wäre
Mähren schon vor der Zeit der Gründung des Prager Bisthums
fast zwei Decennien politisch mit Böhmen vereint gewesen, so
konnte über die kirchliche Zugehörigkeit desselben bei der
Errichtung des Bischo&sitzes in Prag wohl kein Zweifel herrschen,
und Piligrim hätte durch seine Ansprüche auf Mähren seine in
erster Linie auf Ungarn gerichtete Action nur gefährden können.
Es ist aber nicht blos dieser innere Grund, den uns die
Geschichte der Piligrim'schen Fälschung zur Beleuchtung unserer
Frage liefert. Die unechten Urkunden selbst erhalten für uns
einige Bedeutung, wenn wir berücksichtigen, in welcher Weise
in denselben Mährens in rein formeller Weise Erwähnung ge-
schieht.
In dem Schreiben Papst Eugens U. (823—826) fUr den
zum Erzbischof von Lorch erhöhten Bischof Urolf von Passau
mrd diesem das apostolische Vicariat ftlr ,Hunia, das auch
Avaria genannt wii'd, und Maravia, die Provinzen Pannoniens
und Mösiens^ übertragen.* In einer zweiten Bulle, der Papst
Agapet^ n. (946—955), für den Erzbischof Gerhard von Lorch
wird Letzterem das östUche Pannonien nebst den Landen der
Avaren, Mährer und Slaven zur Verwaltung übergeben.^ In
dem Schreiben weiters, in welchem sich Piligrim vom Papste
Benedict VI. das Pallium erbittet, erklärt er, dass es nothwendig
sei, fiir die weiten ungarischen und slavischen Gebiete neue
Bischöfe zu ordiniren, weil auch einst zur Zeit der Römer und
Gepiden Pannonien und Mösien sieben Bischöfe besessen habe,
die der Lorcher Kirche unterworfen waren, und von diesen
hätten sich bis auf die Zeit des Ungarneinfalles in Baieiii vier
* Cod. dipl. Morav. I, Nr. XIX, p. 16; Dümmler, Piligrim von Passati,
8. 116: ^b hanc sancta Bomana matre ecclesia vobis eum reotorem
transmitfimus atque in praefaüs regionibus Hunia, quae et Avaria appellatnr,
sed et Maravia, provindamm qnoque Pannoniae sive Mesiae, apostolicam
Ticem nostram . . . committimus.
' Cod. dipL Morav. I, Nr. CVI, p. 86: ,tibi autem . . . providentiam orien-
talia Ptnnoniae regionemque Avaromm atque Marahorum sed et Schla-
vomm . . . credimtu.* VgL Dfimmler, S. 24. 26.
174
in Mähren erhalten^ wie dem gegenwärti^n Zeitalter be-
kannt sei.^
Besonders wichtig aber ist das Sehreiben Papst Benedicts
an Piligrim, durch welches dem Bischöfe thatsächiich die ge-
wünschte Metropolitanwürde übertragen worden sein soll. Aller
Wahrscheinlichkeit nach ist diese Urkunde blos als ein Entwurf
anzusehen^ den Piligrim selbst dem Papste vorlegte;^ hier heisst
es: die Lorcher Kirche solle in den Gebieten des unteren Pan-
nonien und Mösien^ deren Provinzen Avaria und Moravia sind,
in welchen sieben bischöfliche Parochien in alten Zeiten be-
standen, erzbischöfliche Gewalt haben.'
Der Umstand, dass Piligrim Mähren mehrmals paraUel
mit Ungarn als eine Provinz Pannoniens und Mösiens bezeichnet,
kann wohl dadurch, dass die Urkunden selbst Fälschungen
sind, nicht beeinträchtigt werden, denn diese rein objective
Angabe Piligrims über ein thatsächlich bestehendes zeitge-
nössisches Verhältniss hätte eine fintstellung nicht geduldet
Es ist ja nicht leicht zu erkennen, welche Vorstellung Piligrim
mit dem Begriffe «inferior Pannonia sive Moesia^ verbindet;
allein so viel scheint immerhin aus diesem verworrenen geo-
graphischen Bilde hervorzugehen, dass er, weit entfernt, Mähren
mit Böhmen in irgend einen Zusammenhang zu setzen, es
ebenso wie Ungarn einer östlichen Ländergruppe zurechnet,
die er mit dem Namen ,inferior Pannonia sive Moesia' be-
zeichnet.
^ Cod. dipl. Morav. I, Nr. CXI, p. 90 : ,inde quoque visum est, jam neces-
sarium esse, quatenos sanctitas vestra illic jubeat aliquos ordinari epi-
scopos, quia et quondam Romanomm Gepidammque tempore proprios
Septem antistites eadem orieutalis Pannonia habait et Moesia meae
sanctae Lauriacensi . . . ecclesiae subiectos; qaorom etiam qnataor usqae
dum Ungar! regnum Ba.Yarioram invaserunt, sicut presenti cognitam est
aetati, in Moravia manserunt.' Vgl. Du mm 1er, S. 41.
' Vgl. Dümmler, 8. 64; dagegen mOchte Qiesebrecht, G^chichte der
deutschen Kaiserzeit 1, 585. 847 diese Urkunde des Papstes für echt an-
sehen, das Scheitern der Piligrim'schen Pläne aber auf den Widerstand
Kaiser Ottos II. zurückführen.
* Cod. dipl. Morav. I, Nr. CXII, p. 95; Dümmler, S. 125: ,8ancta autem
Laureaceusis ecclesia in inferioris Panuoniae atque Mesie regiones, qoaram
provincie sunt Avaria atque Maravia, in quibus Septem episcoporam pa-
rochiae antiqiüs temporibus continebantur . . . suique antistites arcbiepi-
scopalem delnceps habeant potestatem . . . atque in provinciis Avariae et
Maravie, regionnm quoque inferioris Pannonie sive Mesie . . /
175
Mit ganz Ungarn sollte auch Mähren in den kirchlichen
Verband zu Passau treten; Bischof Piligrim dachte beide Ge-
biete fllr sein neu zu errichtendes Erzbisthum beanspruchen
zu können^ ohne dabei die Rechte irgend einer anderen Kirche
zu verletzen. Somit gelangen wir auch auf diesem Wege zu
dem Ergebnisse, dass Mähren in den Siebzigerjahren des
10. Jahrhunderts weder in pohtischem noch in kirchlichem
Zusammenhange mit Böhmen gestanden haben kann, sondern
viehnehr als ein Ungarn nahestehendes Gebiet angesehen wurde.*
In letzter Linie sind auch noch die wenigen Nachrichten,
die wir über Mährens Anfall an Polen und über die Zeit der
Polenherrschaft daselbst (1003 — 1029) erhalten, nicht ohne Be-
lang fiir diese Frage; auch sie sprechen keineswegs dafUr, dass
die Polen Mähren damals dem Pf emyslidenreiche entrissen haben.
Nach Boleslavs II. Tode im Jahre 999 folgte ihm sein Sohn
Boleslav lU., der Rothe beigenannt. Ausser ihm lebten noch
zwei Söhne Boleslavs U., Jaromir und Udalrich. Cosmas stellt
nun die Ereignisse so dar, als ob der Tod des mächtigen Fürsten
und die Wahrnehmung, dass ihm sein Sohn an Tapferkeit nicht
gleiche, den Polen den Anlass geboten habe, nunmehr ihr Reich
und ihre Grenzen auf Kosten der Böhmen zu erweitern.^ Be-
denkt man aber, dass bei der Errichtung des Erzbisthums
Gnesen ungefähr im Jahre 1000 neben Kolberg und Breslau
auch schon Krakau ein Suffraganbisthum desselben bildete,^
so möchte man den Verlust Chorwatiens mit der Hauptstadt
Krakau kaum erst in das Jahr 999, nach Boleslavs U. Tode,
versetzen, wie Cosmas berichtet, ganz abgesehen von dem Kriege,
der sich früher zwischen Boleslav 11. und Miseco im Jahre 990
an der Oder abgespielt hatte.
Sicherlich unrichtig und verworren sind aber Cosmas*
Nachrichten über die weitere Entwicklung der Dinge in
Böhmen, Nach der Eroberung Krakaus, die er anstatt Boles-
lav Chabry irrig dessen Vater Miseco zuschreibt, folgt bei ihm
^ Vgl. L.086rth, Krit. Stud. z. alt. Gesch. Böhmens (Mitth. d. Instituts 4, 188).
' Cosmas I, 34: J'ost cuius obitum filius eius^ tertius Bolezlaus . . . suc-
cessit in ducatum ; sed non eisdem rerum suecessibus, uec patemis anspi-
ciis terminos adquisitos obtinuit. Nam dux Poloniensis Mesco, quo non
fint alter dolosior homo, mox urbem Kracov abstulit dolo . . .*■
' Vgl. Haber, Geschichte Oesterreichs 1, 164; Giesebrecht, Geschichte
der deutschen Kaiserzeit 1, 781. 732.
176
allsogleich die hinterlistige Blendung und Gefangennahme des
böhmischen Herzogs Boleslav III. durch den Polenherzog in
Krakau. Hierauf zieht dieser gegen Jaromir^ den Bruder und
Nachfolger Boleslavs lU. in Böhmen^ den aber Cosmas irrthüm-
lieh zu dessen Sohne macht^ erobert Prag und behält es in
den Jahren 1000 — 1001. Nun besticht der Polenflirst den
deutschen Kaiser, ihm Udalrich, welcher an dessen Hofe weilt,
auszuliefern. Kaum aber hat Cosmas diese Fabel mit vielem
Pathos als nicht ganz unglaubwürdig geschildert, fkUt er aus
seiner Darstellung und lässt Udalrich Böhmen von den Polen
befreien, indem er sagt, dass dieser entweder vom deutschen
Hofe entfloh oder vom deutschen Könige zu diesem Zwecke
freigelassen wurde. Um sich die Herrschaft in Böhmen zu
sichern, lässt Udalrich nach der Besiegung der Polen auch
seinen Bruder Jaromir — der trotz der Polenherrschaft in
Böhmen gebUeben war — blenden.^
Entgegen dieser zusammenhanglosen und Widerspruchs-
reichen Erzählung stellt sich die Geschichte nach der zweiten
Hauptquelle, die wir über diese Zeit haben, nach Thietmar
folgendermassen dar. Boleslav IH. war ein Tyrann ärgster
Art.* Aber sowohl er als der polnische Boleslav Chabry, sein
Vetter, fanden an dem Markgrafen Ekkehard von Meissen
ihren Herrn: ,Den Böhmenherzog Boleslav machte er zu seinem
Lehensmanne und den andern Boleslav [es ist der Herzog von
Polen gemeint] gewann er zum vertrauten Freunde; das bewirkte
er theils durch Versprechungen, theils durch Drohungen.'* Im
Jahre 1002 starb aber Ekkehard. Der kriegstüchtige Polen>
herzog drang unmittelbar darauf in das Gebiet der ihm nächst
benachbarten Mark an der Elbe ein, brachte die Stadt Bautzen
an sich, ebenso wie am linken Ufer Burg Strela und Meissen.'*
^ Vgl. Cosmas I, 35. 36. lieber diese sagenhafte Ueberlieferung und
deren weitere Ausbildung vgl. S. Hirsch, Jahrbücher des deutschen
Reiches unter Kaiser Heinrich U. 1, 490 ff.
• Vgl. Thietmar, Chronicon Hb. V., cap. 7, 16.
' Thietmar V, 5: ,Boemiorum ducem Bolizlavum ... ad militem sibi,
aliumque ad amicum familiärem blandiciis ac minis adipiscitur.
* Thietmar V, 6: »Interim Bolislavns . . . moxque coUecto exercitu omnem
Geronis marcham comitis, citra Albim iacentem, deindeque premissis ob-
sidibns Bndusin ciyitatem . . . comprehendens, statim Strielam nrbem
invasit, Misnenses pecunia corrumpere dam temptans.*
177
Herzog Boleslav III. von Böhmen begnügte sich mittler-
weile damit^ in seinem eigenen Lande alleiniger Herr zu werden;
den einen Bruder Jaromir Hess er entmannen, den anderen
rettete blos ein Zufall vor der Ermordung im Bade. Dann
zwang er sie und die Mutter, das Land zu verlassen. Doch
seine Grausamkeit bewirkte, dass man ihn selber noch im Jahre
1002 vertrieb und die Böhmen einen Fürsten, namens Wladiwoi,
aus Polen herbeiriefen und ihn ,der Erbfolge gemäss wie aus
Zuneigung* auf den Thron erhoben. Doch Wladiwoi war nicht
minder sittenverderbt als* sein Vorgänger und starb überdies
schon nach wenigen Monaten im Anfange des Jahres 1003,
nachdem er sich allerdings von König Heinrich in Regensburg
die Belehnung mit Böhmen geholt hatte.^
Jetzt kehrten die beiden Brüder Jaromir und Udalrich
nach Böhmen zurück, während sich Boleslav IIL nach einem
vergeblichen Versuche, bei Heinrich, dem Markgrafen im Nord-
gau am Südwestabhange des Böhmerwaldes, Schutz und Unter-
stützung zu finden, zum Polenherzog Boleslav Chabry begab.
Dieser führte ihn mit WaflFengewalt abermals in sein böhmisches
Herzogthum, dessen Brüder, Jaromir und Udalrich, wiederum
aas demselben vertreibend.
Allein Boleslavs in. Regierung erwies sich von Neuem so
grausam, dass die Böhmen sich an den Polenherzog selbst um
Hilfe wandten. Boleslav Chabry berief den Vetter zu einer
Besprechung an einen Ort, dessen Name uns nicht überliefert
wird — hier erst mündet die Erzählung wieder in die des
Cosmas — bei welcher Gelegenheit Boleslav HE. von seinen
Anverwandten des Augenlichtes beraubt wurde. Den Rest
seines Lebens verbrachte er in Polen.
So fiel Böhmen an den Polenherzog Boleslav Chabry, wie
es scheint, ohne ernstlichen Kampf. In Thietmars sowohl als
in Cosmas' Darstellung fehlt in diesem Zusammenhange jede
^ lieber die Ansichten bezüglich der Verwandtschaft Wladiwois mit dem
Pfemyslidenhause vgl.Zeissberg, Miseco, a. a. O., S. 108, und Die Kriege
Kaiser Heinrichs II., a. a. O., S. 280, Anm. 6; mit Rücksicht auf Thiet-
mars Bemerkung, Wladiwoi hätte ein ,Erbrecht* besessen, Hesse sich
vielleicht die Vermuthung aufstellen, er sei ein jüngerer Bruder Boles-
laTB IL gewesen, der vor Boleslav DI. oder schon früher nach Polen zu
Miner Schwester Dubravka, beziehungsweise zu seinem Schwager Miseco,
geflohen war.
irehiT. LXXXII. Bd. I. H&lfte. 12
178
Andeutung über Mähren; dass es ebenso wie Böhmen von
den Polen erobert wurde, trägt Cosmas allein erst viel später,
zum Jahre 1021, nach.^
Allein Boleslav Chabry's feindliche Gesinnung gegen Kaiser
Heinrich U., der von ihm verlangte, dass er das eroberte Böhmen,
,wie es das alte Recht fordere^, vom deutschen Reiche zu Lehen
nehme, sowie seine Verbindung mit Kaiser Heinrichs H. G^-
nem in Deutschland bewirkte seine baldige Vertreibung aus
Böhmen. Zuerst wurde Boleslav isolirt, seine Verbündeten, be-
sonders Markgraf Heinrich im Nordga'u, besiegt und gewonnen,
und im Sommer 1004 erfolgte dann der Hauptschlag gegen
ihn. Er wurde in Böhmen überrascht und konnte nur durch
die Flucht sein Leben retten.*
Böhmen war für Polen verloren. Allein auch die Erobe-
rungen, die Boleslav Chabry schon vorher auf deutschem Boden
gemacht hatte, Bautzen und die Niederlausitz, wurden nunmehr
in einem Feldzuge Kaiser Heinrichs H. gegen Polen im Jahre
1005 zurückgewonnen. Nur von Mäliren erfahren wir nichts.
Es lässt sich schwer denken, dass gerade dieses Land allein
im Besitze Boleslavs gebUeben wäre, wenn es im Jahre 1003
als ein integrirender Bestandtheil des pfemyslidischen Herzog-
thums an Polen gefallen sein sollte. Als Boleslav Chabry im
Jahre 1004 beim plötzlichen Einrücken Kaiser Heinrichs II.
und Herzog Jaromirs aus Böhmen fliehen musste, verlor er das
ganze dem Herzoge Boleslav IH. entrissene Gebiet. Gehörte
Mähren zu demselben, dann müsste man erwarten, dass es
gleichzeitig mit Böhmen oder wenigstens nach Boleslavs Be-
siegung durch den deutschen Kaiser im Jahre 1005, an
welcher Jaromir theilnahm, zurückerobert worden wäre; hatten
doch Kaiser Heinrichs Kriege gegen Boleslav den Zweck,
durch Wiederherstellung der alten Grenz Verhältnisse den
kühnen Plan des Polenflirsten, die gesammten Slavenländer
* Dort, wo Cosmas die Eroberung Prags durch Mesco (sc. Boleslav Chabry)
erzählt (Üb. I, cap. 35), heisst es blos : ,dum haec geruntur in Boemia,
duz Mesco veniens cum ralida manu Polonica, invasit urbem Pra^am
et per duo spatia annorum sc. anno dorn. ine. 1000, anno dorn. ine. 1001^
obtinuit eam.* Bezüglich der zweiten Stelle vgl. oben S. 140, N. 1.
' Vgl. für die vorangehende Darstellung Zeissberg, Die Kriege Kaiser
Heinrichs II., a. a. O., S. 279flf. und Huber, Geschichte Oesterroicbs,
Bd. 1, 8. 164 ff.
i
179
zu einem grossen Reiche zusammenzufassen^ zu hintertreiben.
Allein von einem Versuche, auch Mähren den Polen abzuge-
winnen, erfahren wir nichts. Dieses bleibt seit dem Jahre 1003,
in dem es nach Cosmas an Polen gefallen sein soll, im Besitze
Boleslav Chabry's, ohne sich gegen die Fremdherrschaft zu er-
heben; ja im Qegentheile, wir erfahren sogar aus einem Be-
richte Thietmars, dass die Mährer im Jahre 1017 in dem
Kriege zwischen Deutschland und Böhmen einerseits, Polen
andererseits, in Böhmen eindrangen, eine Stadt eroberten und
ungeheure Beute davontrugen; allerdings wurde ihnen auf dem
Heimzuge von Heinrich, dem Markgrafen in der Ostmark, eine
schwere Niederlage beigebracht.^
Aber eben diese Kämpfe, die unter Boleslav Chabry auch
von Mähren gegen die Pfemysliden gefUhrt wurden, lenkten
die Aufmerksamkeit Böhmens auf dieses Nachbarland. Aller-
dings, 80 lange Boleslav lebte, war ein Offensivkrieg gegen
Polen nicht zu wagen. Als dieser aber im Jahre 1025 ge-
storben war und seine Söhne in den folgenden Jahren mit-
einander haderten, erhob sich ein allgemeiner Kampf gegen
Polen, In Böhmen spielte damals neben dem Könige Udalrich
dessen jugendlicher, kriegerischer Sohn Bfetislav eine hervor-
ragende Rolle. Dieser benützte die bedrängte Lage Polens,
und es gelang ihm, sich aus Mähren ein Apanagegut zu schaffen,
nachdem die Polen aus allen Städten vertrieben waren, deren
viele gefangen genommen und zu je hundert mit Ketten ge-
fesselt nach Ungarn imd weiter verkauft wurden.*
Dass Mähren jetzt als vöUig neu erobertes Gebiet galt
und anfangs in gar keinem 'festen politischen Verhältniss zu
Böhmen stand, was man doch voraussetzen mtlsste, wenn es
schon frtther einmal vor etwa zwanzig Jahren mit dem Pf emys-
Üdenreiche kirchlich und politisch verbunden gewesen wäre,
möchte sich auch aus der Erzählung Cosmas' ergeben, derzufolge
Bfetislav seine geraubte Braut, Judith von Schweinftirt, nach
Mähren brachte, ,damit die Deutschen keinen Grund hätten.
^ Thietmar VH, 44: Interim Mararenses Boemiam ingressi, nrbem quan-
dam expiignant et cum preda ingenti incolnmes exibant.
' Cosmas I, 40: ,Nam antea pater sibi totam illam terram tradiderat in
potestatem, fugatis canctis de ciyitatibas Poloniis, ex quibus mnltos
comprehensos centenos et centenos ordiuatim catenatos vendi iosserat in
Ungariam et ultra.'
12*
180
sieh über die Böhmen wogen des ihnen zugeftlgten Unrechtes
zu beklagend ^
Und irren wii* nicht, so war auch Cosmas der Uebe^
Zeugung, dass die erste und einzige Erwerbung Mährens auf
Bi^etislavs Eroberung im Jahre 1029 zurückzuftihren sei. Bei
der Gefangennahme Herzog Ottos II. von Olmütz durch dessen
Vetter Wladislav I. von Böhmen im Jahre 1110 legt nämlich
Cosmas Letzterem diese Worte in den Mund: ,Ich will ihn
züchtigen, damit er durch solche Züchtigung zur Ueberzeugung
gebracht werde und auch seine Nachkommen lernen, dass das
Land Mähren und dessen Gebieter immer unter. der Herrschaft
des böhmischen Herzogs stehen, wie dies unser Grossvater
seligen Angedenkens, Herzog Bf etislav, angeordnet hat, welcher
dieses Land zuerst seiner Herrschaft unterworfen hat.'*
Merkwürdigerweise haben diese unzweideutigen Worte
bisher unverdient geringe Beachtung geiiinden, und es wurde
allgemein angenommen, dass die Besitznahme Mährens durch
Herzog Udalrich und dessen Sohn Bfetislav schon als eine
zweite Eroberung anzusehen sei, während die erste in die Zeit
Boleslavs U. fiele.
Allein nach unserer Untersuchung dürfte vielleicht die
Annahme nicht unbegründet sein, dass Mähren über die Lech-
feldschlacht hinaus im Banne der ungarischen Raubzüge blieb.
Erst gegen Ende des 10. Jahrhunderts scheint nach der immer
weiteren Zurückdrängung der Ungarn aus den Alpen- und
mittleren Donauländern auch Mähren dieses Joch selbstständig
abgeschüttelt zu haben, allerdings nur, um in Folge des ge-
schwächten Zustandes, den die jahrzehntelange Abhängigkeit
von den Magyaren bewirkt hatte, seine Selbstständigkeit allso-
bald an seine mächtigeren Nachbarn zu verlieren; zunächst an
die Polen im Osten, dann aber dauernd an das böhmische Reich
im Westen.
^ Cosmas I, 40: ^t ne daretar Theutonicis iusta occasio calampniandi
Boemos quasi pro illata iniuria, illico heros Bracizlaus cum nova nupte,
patre salutato duce Oudalrico, recta via profioiscitur in Moraviam.
* Cosmas III, 34: ,. . . volo castigare eum, ut castigatus resipiscat et
cognoscat atqae sui posteri discant quod terra Moravia et eios domina-
tores semper Boemomm principis sint sab postestate, sicat avos noster
p. ra. Bracizlaus ordinavit, qui eam primns dominio suo subiogavit.*
GESCHICHTE
DES
EHEMALIGEN NONNENKLOSTERS 0. S. B.
ZU
TRAUNKIßCHEN
IN OBEROSTERREICH.
VON
GODFRIED EDMUND FRIESS,
K. K. PEOFESSOB ZU SEITBN8TETTKN.
i
L
Die &rfiiidnng des Nonnenstlftes Trannklrehen
nnd die Chiemganer.
IäVl den ältesten Klöstern des Landes Oesterreich ob der
Enns zählte einst das Stift der Benedictinen zu Traunkirchen.
Erbaut auf einem mächtigen Felsen, welcher sich vom West-
ufer des herrlichen Traunsees halbinselartig in dessen dunkle
Fluten erstreckt, ging dieses älteste Frauenkloster von Ober-
österreich nach mehrhundertjährigem Bestehen in den Stürmen
und Wirren des XVI. Jahrhunderts aus Mangel an Bewoh-
nerinnen zu Grunde. Mehrere Jahrzehnte später wurde es
der Gesellschaft Jesu eingeräumt, welche eine vom CoUegium
dieses Ordens zu Passau abhängige Residenz daselbst errichtete,
die nach anderthalb Jahrhimderten infolge der Aufhebung des
Jesuitenordens gleichfalls wieder ihr Ende erreichte.
Wie über die Gründung der meisten alten Klöster und
Kirchen, so liegt auch über der des Nonnenklosters zu Traun-
kirchen ein tiefes Dunkel, welches nur die geschäftige Sage
mit ihrem so unsicheren Lichte zu erhellen bemüht war. In
grauer Vorzeit — die ausgestaltete Sage weiss das Jahr 632
n. Chr. anzugeben — sollen die beiden Markgrafen von Oester-
reich Otaker und Leotold an den Gestaden des Traunsees
einst einen glänzenden Sieg über die Heiden erfochten haben.
Zum ewigen Gedächtnisse dieses herrlichen Triumphes des
Kreuzes über das Heidentum, an welchen grossen Sieg noch
heute der Name des kleinen in der Nähe mündenden ,Sieges-
bach' erinnere, hätten diese beiden Markgrafen ein Kloster
gegründet und dasselbe mit Frauen aus dem Orden St. Benedicts
besetzt. Als erste Aebtissin habe Markgraf Otaker den Nonnen
seine Tochter Ata vorgesetzt und seine Stiftung mit Land und
184
Leuten reichlich ausgestattet. So die Sage, welche in allen
älteren historischen Werken sich findet. Als ihre Quelle und
zugleich zum Beweise ihrer Richtigkeit weisen ältere und auch
jtlngere Historiker auf das Bild hin, welches die Aebtissin von
Traunkirchen, Barbara von Kirchberg, im Jahre 1532 von
einem nicht mehr bekannten Maler anfertigen liess, und das
diese Sage bildlich darstellt. Dasselbe, heute noch im Pfarr-
hause zu Traunkirchen befindlich, weist zwei Fürsten in der
Tracht des XV. Jahrhunderts gekleidet auf, welche der
Königin des Himmels, Maria, der Patronin des Klosters, eine
Kirche als Weihgeschenk darbieten. Am Fusse des Gemäldes
ist nachstehende Inschrift angebracht: ,0takeru8 et Leotoldus,
Marchiones Austrie, hoc loco et tota circumiacenti regione ante
nongentos annos de ethnica idololatria victores armata manu
potiti sunt atque hoc monasterium fundarunt. Insuper predictus
Otakerus fiUam suam Atham in primam abbatissam ordinavit
in hac ecclesia tumulatam. In quorum memoriam reverendissima
abbatissa domina Barbara Kirchbergerin ante 66 annos tabulam
hanc pingi curavit, quam vetustate coUapsam hac persimili
restituit admodum reverendus et religiosus Joseph Pramer S. C.
Maiestat. prefato monasterio Traunkirchen administrator.^ ^
Zur Bildung dieser Sage, welche in mehrfachen Varia-
tionen bei allen Schriftstellern, die mit der Geschichte des
Klosters sich beschäftigen, stets wiederkehrt, trugen mebrere
Umstände bei. Vor allem war es die Meinung, dass die Otakere
von Steyr das Kloster gegründet hätten, welche Meinung durch
die sichere Thatsache, dass der Vater der ersten Aebtissin Ata
ein Otaker war, sowie dass der letzte dieses berühmten Hauses,
Herzog Otaker VI., seine Vorfahren als ,ftindatore8 ipsius cenobii^
bezeichnete,' selbst in den Kreis der Nonnen Eingang fand.
Zwar war der eigentliche Gründer innerhalb der Klostermauem
nicht unbekannt, wurde ihm ja doch alle Jahre ein feierlicher
Seelengottesdienst abgehalten, aber sein Gedächtniss war durch
die Wohlthaten, welche die Otakere dem Kloster erwiesen, ver-
dunkelt worden. Dazu kam, dass der Stifter nur ein einfacher
,comes' war, während die Otakere die markgräfliche und selbst
* Nach gütiger Mittheilnng des ITerm Pfarrers Heinrich Becker in Traun-
kirchen.
■ In der Urkunde vom Jahre 1191; Urkundenbuch des Landes ob der
Enns n, 427, Nr. 296.
185
die herzogliche Würde erlangten und überdies LandesfUrsten
von Oberösterreich geworden sind, ein Umstand, welcher in
der Zeit, in der die Sage ihre volle Ausgestaltung erhielt, von
hoher Bedeutung war. Finden wir doch im XV. Jahrhundert
und in der nächstfolgenden Zeit in fast allen Klöstern und Ge-
nossenschaften das Bestreben, die Zeit ihrer Gründung möglichst
hoch in das Mittelalter hinaufzurücken und die Stiftung durch
ein fürstliches oder königliches Geschlecht geschehen zu lassen. ^
Dass auch die Nonnen von Traunkirchen von diesem Bestreben
nicht frei sich erhalten haben, beweist ausser der erwähnten
Meinung auch die Einzeichnung der Gemahlin Kaiser Heinrich 11.,
Eanigunde, als ,iundatrix nostre ecclesie' in das Nekrologium
des Klosters, welche Einzeichnung von einer Hand des XV. Jahr-
hunderts herrührt.* Der Hauptantheil an der Bildung der
Gründungssage gebührt aber sonder Zweifel jenem von den
unsinnigsten Fabeln und gröbsten Irrtümern strotzenden Mach-
werke, welches unter dem Namen ,Chronik von Goisem' bekannt
ist und heute noch in vielen Schriften, welche über das Salz-
kammergut handeln, seinen Spuk treibt. Als Verfasser derselben
gilt der Domherr von Passau und Pfarrer von Traunkirchen Colo-
man Mühlwanger, welcher einem im Traunkreise weit verbreiteten
Edelgeschlechte entstammte.' In dieser sogenannten Chronik
findet sich die Erzählung von dem Siege der Markgrafen über
die heidnischen Hunnen an der Traun, wenngleich die Namen
der Sieger noch nicht angefilhrt werden. Diese Erweiterung
der Sage gehört auf das Kerbholz der Nonnen von Traun-
kirchen selbst.
Die innerhalb der Klostermauem ausgestaltete Gründungs-
sage überschritt ihre engen Grenzen, als sie durch Vermittlung
der Aebtissin Anna IV. von Rainer, 1551 — 1566, dem Hu-
manisten Caspar Bruschius bekannt wurde.* Zwar fehlen in
^ Wendentbal's ,Aiutria sacrA* bietet viele Beispiele.
* Nekrologium von Traunkirchen zum 2. Jftnner. Der Kürze wegen be-
zeichne ich diese wichtige Quelle mit T.
' Binen Coloman Mühlwanger weisen die Urkunden im Jahre 13SG als
Viear von Traunkirchen und Pfarrverweser von Aussee nach. Diese
,Chronik' findet sich noch heute im Salzkammergute erhalten; theilweise
gedruckt ist sie bei Kraus, Chronik von Goisem, Wien 1881, und in an-
deren Werken.
* Horawitz, C. Bruschius, 168.
186
seiner Darstellung die Erzählungen von dem herrlichen Siege
über die Heiden, aber auch er nennt als Gründer des Klosters
die Markgrafen Otaker und Leotold^ und berichtet, dass ihr
schönes Denkmal vor dem Hauptaltare der Klosterkirche zu
sehen sei.* Durch ihn wurde die Sage nur zu bald Gemeingut der
Historiker, welche sich mit der österreichischen Kirchengeschichte
befassten, erlitt auch manche Umbildung, wie solche die fort-
schreitenden historischen Studien in Deutschland und Oesterreich
mit sich brachten — die unbekannten, namenlosen Heiden
wurden zu wilden, furchtbaren Ungarn, die Markgrafen von
Oesterreich wurden in die Steiermark versetzt — aber der
Kernpunkt der Sage, ein Sprosse des chiemgauischen Hauses
der Otakere von Steyr habe das Benedictinenstift gegründet,
erhielt sich durch alle Wandlungen aufrecht, um dann, nach-
dem sie der um die Geschichte von Oberösterreich sonst hochver-
diente Professor Franz Pritz als unbestreitbare Thatsache, ohne
freilich auch nur den Schatten eines Nachweises zu bringen,
hingestellt hatte,' gläubig in alle historischen Arbeiten über
Oberösterreich aufgenommen zu werden. * Und doch hatte schon
hundert Jahre früher der bekannte Geschichtschreiber der
Steiermark, Sigismund Pusch, den schüchternen Versuch ge-
macht, auf den wirklichen Gründer hinzuweisen.**
Die späteren Markgrafen von Steyr zählten zwar zu den
hervorragenden Wohlthätem des Stiftes, doch als Gründer im
strengen Sinne des Wortes genommen kann kein Mitglied dieses
berühmten Hauses bezeichnet werden. Es erhellt dieser Satz
aus der einzigen Quelle, die bei dem Verluste aller anderen
Documente vor 1180 einen sehr hohen Werth besitzt, aus
dem Todtenbuche des Nonnenklosters, mit unwiderstehbarer
Sicherheit. Dasselbe hat zum 29. September einen Grafen
Wilhelm eingezeichnet, dem es das Prädicat ,ftindator^ gibt
■ — «
^ Nessel, Supplementum Bruschianum, 127.
* Diöse und andere in der alten Klosterkirche einst bestandenen Denkmale
gingen durch den grossen Brand, welcher 1682 die Kirche und das Kloster
in Asche legte, gänzlich zu Orunde. Heyrenbach's Mannscript Nr. 797:! in
der k. u. k. Hofbibliothek in Wien.
* In seiner Oeschichte der steirischen Ottokare 212 u. a, a. O.
* Selbst in der verdienstvollen Matrikel des Landes ob der Enns von J. Lam-
precht findet sich diese Annahme, ebenso in Klein, Geschichte des Christen-
thums in Oesterreich, II. Bd. u. a.
* In seiner ,Chronologia sncra ducatiM Styriae* I, 259.
187
^Wilhalmus, comes^ fundator nostre congregationis istius loci/
wurde an jedem St. Michaektage beim Chorgebete nach der
,Prim^ verlesen; und doch wurde ein Chiemgauer als Stifter
angenommen^ und dem wahren Begründer des Klosters wurde
man, ausser dem Necrologium, nicht einmal im Anniversarien-
verzeichniss gerecht/ obwohl alljährlich am 29. September noch
überdies das feierUche Seelenamt stattfand, dem dann das so-
genannte ,Gespende' folgte, eine fromme Sitte, der gemäss jeder
Arme, Fremde und Reisende, welcher dem Seelenamte bei-
wohnte, mit Brot und Fleisch betheilt wurde.*
Diese fromme Sitte unterscheidet sich von den Spenden,
wie sie die Stiftbriefe der Anniversarien nicht selten festsetzen,
dadurch, dass letztere von den Stiftern selbst und in der Regel
für eine bestimmte Zahl von armen Leuten gemacht wurden,
während erstere von den Mönchen oder Nonnen des Klosters,
um ihrer Dankbarkeit gegen ihre Grtlnder Ausdruck zu geben,
freiwiUig ausgeübt und dabei auf eine festgesetzte Zahl von
Armen keine Rücksicht genommen, sondern jeder, welcher dem
Seelengottesdienste flir den Stifter anwohnte, mit Brot und
Fleisch betheilt wurde. ^
Leider deutet das Todtenbuch von Traunkirchen nicht an,
in welchem Verhältnisse der Stifter des Klosters zu der am
20. August in T. aufscheinenden Leopirgis comitissa gestanden
sein mag. Der Umstand, dass T. ihrem Namen die Worte
yfundatrix nostre ecclesie' anfügt, gestattet den Schluss, dass
Leopirgis in sehr naher Beziehung zu Graf Wilhalm gestanden
^ Im ersten Anniversarienverzeichniss fehlt sogar sein Name, dagegen wird
Leopold (Leotold), 1122 — 1129 Markgraf der Steiermark, als ,8tiffter* auf-
geführt, im zweiten wird sein Name zwar erwähnt, doch ohne jeden Beisatz.
* Solche Austheilungen von Nahrungsmitteln fanden in den meisten öster-
reichischen und steirischen Klöstern und Stiftern an den sogenannten
,Stiftertagen' statt; siehe Keiblinger, Geschichte von Melk I, 192 — 196.
* In Traunkirchen sollen an dem ,Stiftertage* in manchem Jahre mehr als
4000 Menschen zusammengeströmt sein. Aebnliches wissen wir von an-
deren Klöstern (siehe Keiblinger, Geschichte von Melk; Wichner, Admont;
Hartenschneider, Kremsmünster). In Seitenstetten betrug die Zahl der am
,Stiftertag* mit Brot und Fleisch Betheilten im Jahre 1690 bei 6000
(Archiv von Seitenstetten). Kaiser Karl VI. und seine grosse Nachfolgerin
schränkten das Gespende, mit dem oft grosser Unfug getrieben wurde,
bedeutend ein; Kaiser Josef II. hob es 1783 gänzlich auf und verwandelte
es in eine Abgabe an die Armeninstitute.
188
haben muss, da doch nicht anzunehmen ist^ dieser habe bei
einer ihm nicht zugehörigen Kirche ein Kloster erbaut, oder
Leopirgis habe einem nicht von ihrem Gemahle oder nächsten
Verwandten gegründeten Kloster die Kirche angefägt. Wir
werden deshalb kaum irren, wenn wir Leopirgis als die Ge-
mahlin Wilhalms ansehen.
Auch über die FamiUenzugehörigkeit des Grafen Wilhalm
selbst gewährt das Todtenbuch keinen directen Nachweis; doch
enthält es einige Einzeichnungen, welche, wenn auch nicht mit
voller Sicherheit, doch immerhin mit sehr grosser Wahrschein-
lichkeit auf das Haus zu schliessen gestatten, welchem Traun-
kirchens Stifter zugehört haben dürfte. Es finden sich nämlich
in T. zum 19. und 25. Juli, sowie zum 9. und 11. Augast
vier Grafen eingezeichnet, welche den charakteristischen Per-
^sonennamen Leotold (Liutold) trugen. Nach einer aus den
Zeiten der Nonnen noch stammenden Ueberlieferung, an der
auch die Jesuiten stets festgehalten haben, ^ soll unter den zum
9. August aufscheinenden Grafen Leotold der im Jahre 1129
verstorbene Markgraf von der Steiermark, Leopold, Fortis, aus
dem Hause der Chiemgauer sich bergen, gegen welche Ueber-
lieferung, da die Namensformen Leotold und Leopold identisch
sind, nichts einzuwenden ist, vielmehr der Zusatz ^comes nosü«
congregationis istius loci* dafiir spricht.* Von den restirenden
drei Leotolden gi\>i zwar T. auch keinen Familiennamen an,
aber der Eigenname selbst bietet in diesem Falle eine sichere
Handhabe zur Bestimmung des Hauses, dem dieselben einst
angehörten. Die Einzeichnungen in das älteste Todtenbuch
von Traunkirchen, aus dem sie in das um 1420 neu angelegte
Necrologium übertragen wurden, stammen aus dem Ende des
XI. und der ersten Hälfte des XH. Jahrhunderts, also aus
einer Zeit, in welcher die Familiennamen noch nicht feststan-
den. Die regelmässige Wiederkehr bestimmter Personennamen
in einer Famihe bietet flir diese Zeit meist das einzige Mittel
zur Bestinmiung der Familie selbst. Dies ist auch bezüglich
des Namens Leotold oder Liutold der Fall, der fiir die im
* Heyrenbach*s Manuscripte in der k. u. k. Hofbibliothek in Wien, Nr. 7972,
8638, 8689 u. a. Auch das erste AnniversienTerzeichniss bezeichnet ihn
als Markgraf.
* Den Nachweis hiefUr bietet die Geschichte der Otakere nnten.
189
XII. Jahrhunderte mächtigen Grafen von Piayen oder Piain
geradezu charakteristisch genannt werden muss. Nicht weniger
als vier Träger des Namens Liutold werden aus dieser berühm-
ten Familie vom Jahre 1130 ab bis zum Jahre 1249 in zahl-
reichen Urkunden erwähnt.*
Leider geht es aus mehrfachen Gründen nicht an, die
Leotolde des Necrologiums von Traunkii*chen mit den gleich-
namigen Grafen von Piain zu identificiren. Aus den Todten-
büchem von Michaelbeueni; Admont^ Baumburg, Eremsmünster,
Salzburg, Klostemeuburg u. a., sowie aus den Aufzeichnungen
einiger Klöster, besonders den Annalen von Nieder - Altaich
stehen die Todestage der Liutolde von Piain unbestreitbar fest.*
Diese Angaben — Verschiebungen um einen oder zwei Tage
abgerechnet — differiren mit den in T. aufscheinenden der
Lieotolde nicht blos hinsichtlich der Todestage selbst bedeu-
tend, sondern auch bezüglich der Monate, ohne dass dieser
grosse Unterschied durch die Stiftung eines Anniversariums'
zu einem bestimmten Tage oder durch irgend einen anderen
Grund genügend aufgeheUt würde. Dazu kommt noch, dass
die Grafen von Piain überhaupt in T. nicht erwähnt werden;
selbst jene Mitglieder dieses Hauses finden sich nicht einge-
zeichnet, von denen doch angenommen werden muss, dass sie,
fiiUs die Familie überhaupt Beziehungen zu dem Kloster imter-
halten hätte, sicherlich in das Todtenbuch desselben eingetragen
worden wären, wie der Bischof Gebhard von Passau und
sein Bruder, Abt Heinrich H. von Kremsmünster, Söhne
des Grafen Liutold H. von Piain.* Jede Identität aber wird
ausgeschlossen durch den Zusatz, den T. dem zum 19. Juli
aa£scheinenden Leotold beifügt, indem es ihn ,comes nostre
' Wendrinsky, Die Grafen von Piain- Hardegg im XIII. Jahrgang der Blätter
des Vereines für Landesurkunde von Niederösterreich, 322 ff.
* Liutold L starb am 23. Jänner 1164; Liutold IL starb am 17. Juni 1190;
Liutold m. gestorben den 28. August 1219; der Todestag Liutold IV.
steht nicht fest, er fällt in das Jahr 1249. Wendrinsky a. a. O.
* Eineu Beleg hiezu bietet die Einzeichnung Leopolds von Steiermark in
T. Da er aller Wahrscheinlichkeit nach die Feier seines Anniversars,
den das älteste Verzeichniss schon aufweist, fUr den Vortag vor dem
8t. Laorenzfest bestimmt hat, so wurde sein Name auch zu diesem
Tage in T. eingezeichnet. Sein Todestag war der 24. October des
Jahres 1129.
* Wendrinsky a. a. O. 322. Stammtafel.
190
congregationis' nennt. Die Ausübung der höchsten richterlichen
Gewalt, zu der auch der Schutz über das Kloster zählte, durch
den Grafen Leotold kann nur in die Zeit vor dem Auftreten
der Otakere im heutigen sogenannten Salzkammergut fallen;
denn sofort, als dieses Haus in den Besitz dieses Gebietes ge-
kommen war, finden wir sie als Schutzvögte von Traunkirchen,
welche dieses Amt, wie der letzte des Hauses, Herzog Otaker V.
selbst gesteht, immer ,propria manu' festgehalten haben.* Die
Liutolde von Piain sind aber Zeitgenossen der Otakere gewe-
sen, ja die beiden letzten Träger dieses Namens haben das
Geschlecht der steirischen Markgrafen aussterben gesehen, wes-
halb sie immöglich identisch mit den Lebtolden von Traun-
kirchen sein können.
Und doch weist der Eigenname Leotold so gebieterisch
auf das Grafenhaus der Plainer hin, dass ein Nichtbeachten
dieser Weisung unstatthaft wäre. Dieser scheinbare Zwiespdt
findet seine Lösung durch die Annahme, dass der Name Liutold
in einer Familie heimisch gewesen sein muss, welche mit den
nachmaligen Grafen von Piain stammverwandt war. Diese Fa-
milie war das Haus der Grafen von Raschenberg-ReichenhaU im
Salzburggau. In diesem Hause erbten sich die Personennamen
Wilhalm und Liutold in mehreren Generationen fort. Zuerst
begegnet uns ein Graf Wilhalm in jener Urkunde, durch welche
der deutsche König Otto L im Jahre 959 den Canoriikem von
St. Rudpert in Salzburg jenes mächtige Waldgebiet an der bai-
rischen Traun verlieh, welches sich durch die Amtsbezirke der
drei Grafen Otaker, Sigihard und Wilhalm erstreckte.* Nach
Richter's scharfsinniger Untersuchung haben wir in diesen drei
Grafen die Verwalter der Grafschaften Grabenstatt, Töning und
Raschenberg-ReichenhaU zu erbhcken.^ Vier Jahre später, 963,
erscheint ein Graf Wilhalm als Zeuge einer Tauschhandlung
des Erzbischofs Friedrich von Salzburg, welcher Graf woÜ
identisch mit dem im Jahre 959 erwähnten Wilhalm von Raschen-
berg-Reichenhall ist. Mit Wilhalm wird aber auch sein Sohn
* Urkundeubuch von Oberösterreich II, 427, Nr. 259. ,Qui etiam advocatiam
propria tenebant manu*, sagt Otaker VI. (Keg. Nr. 1.)
« Mon. Germ. Dipl. I, 281, Nr. 202.
' Untersuchungen zur historischen Geographie des ehemaligen Hochstiftes
Salzburg in Mittheilungen des Institutes für österreichische Geschicbts-
forschnng, I. Ergänzungsband, 641 ff.
191
Liatold als Zeuge aufgeführt.* Von dieser Zeit ab erscheinen
die Namen Wilhahn und Liutold in den Salzbui^er Urkunden
durch hundert Jahre nicht selten und immer in so naber Be-
ziehung zu einander^ dass zwischen ihren Trägem die nächste
Verwandtschaft bestanden haben muss.^
Diese nahen Beziehungen, welche zwischen den Trägern
der Eigennamen Wilhalm und Leotold im X. und XI. Jahr-
handerte existirten, berechtigen uns auch zui* Annahme eines
ähnlichen Verhältnisses zwischen dem Stifter von Traunkirchen
Wilhalm und den in T. eingezeichneten Grafen Leotolden,
welche Annahme dadurch, dass das Todtenbuch den zum
19. Juli eingetragenen Grafen Leotold als ,comes nostrae con-
gregationis' bezeichnet, um so mehr an Bedeutung gewinnt,
als das Amt des Schutzherm eines Klosters in der Familie des
Stifters sich forterbte. Da in keiner andern gräflichen Familie
des X. und XI. Jahrhunderts als in der der Grafen von Raschen-
berg-Reichenhall so innige Beziehungen zwischen den Trägem
der Namen Wilhelm und Liutold sich nachweisen lassen, so
dürfen wir wohl auch in dem Stifter Wilhelm von Traunkirchen
einen Grafen von Raschenberg-Reichenhall erblicken.
Die Beantwortung der Frage, ob der im Jahre 959 er-
wähnte Graf Wilhalm I. von Raschenberg-Reichenhall selbst
oder einer seiner gleichnamigen Nachkommen das Nonnenkloster
gegründet habe, steht mit der Lösung der Frage, in welcher
Zeit dieses Kloster gestiftet wurde, in innigstem Zusammen-
hange. Leider kann die letztere Frage, weil vor dem Jahre
1181 alle Documente fehlen, nur annäherungsweise beantwortet
werden.
In T. erscheint zum 5. März ein Graf ütaker eingezeich-
net, welcher ,pater Ate prime abbatisse istius loci' genannt wird.
* Juvavia a. a. O. 194, Nr. 11. ,Wilbalmu8 coines et tiliua eins Liutolt*
•In den Tradit-Cod. der Erzbiscböfe Friedrich (958—991), Hartwig
(991—1023), Dietmar (1026-1041) nud Balduiu (1041 — 1060) von Salz-
bürg, siehe Richter a. a. O., sowie Zillner, Die Grafschaften und die kirch-
liche Frei im Salzbarggan im XXIII. Bd. der Mittbeilungen der Gesellschaft
für Salsburg. Landeskunde, 206 ff. Wendrinsky, Die Grafen von Plaien
(XIII. Bd. der Blätter des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich)
und nach ihm Zillner 1. c. halten diese Grafen Wilhelm fUr identisch mit
den gleichnamigen Grafen von Zeltschach; doch ist diese Identität sehr
fraglich, wie schon Richter a. a. O. bemerkt hat. Auch das Nichterscheinen
der bekannten Gräfin Hemma in T. spricht gegen diese Annahme.
192
Wie ich unten nachzuweisen versuche, ist dieser Graf Otaker
identisch mit dem Stammvater der späteren Markgrafen von der
Steiermark, Otaker I., welcher im Jahre 1027 als Mittheilhaber
einer Grafschaft (Grabenstatt) im Chiemgau unter dem Namen Ozi
erscheint. Mit Rücksicht darauf, dass sein vermuthlicher gleich-
namiger Vater noch um das Jahr 980 als Graf aufgeführt wird, ist
es schwer, anzunehmen, dass Graf Otaker I. oder Ozi schon vor
1020 eine Tochter gehabt hätte, welche zu dieser Zeit das
canonisch festgesetzte Alter schon erreicht hatte, um den Schleier
zu empfangen und die äbtliche Benediction zu erhalten. Daraus
ergibt sich, dass das Benedictinenkloster zu Traunkirchen nicht
vor dem zweiten Decennium des XI. Jahrhunderts durch Graf
Wilhahn gegründet worden sein kann.
Auf diese Zeit weist auch die durchschnittliche Regierungs-
dauer einer Aebtissin zu Traunkirchen hin. Vom Jahre 1181
ab, 3 in welchem zum ersten Male eine Aebtissin (Diemud)
urkundlich erwähnt wird,^ standen bis zum Jahre 1573, wo
das Kloster wegen Mangel an Nonnen sich auflöste, demselben
vierundzwanzig Aebtissinnen vor; es beträgt demnach die durch-
schnittliche Regierungszeit illr jede Aebtissin wenig mehr als sech-
zehn Jahre. In T. finden sich einunddreissig Frauennamen, die
durch die Worte ,abbatis8a nostre congregationis' als Vorste-
herinnen von Traunkirchen gekennzeichnet sind. Von diesen
sind aber nur neunzehn aus den Urkunden nachweisbar, welche
von 1181 ab dem Kloster vorgestanden sind. Die Ursache, wes-
halb nicht sämmtliche vierundzwanzig Aebtissinnen, welche von
1181 ab urkundlich nachweisbar sind, in T. aufscheinen, ist wohl
keine andere als die, dass infolge des Eindringens der Lehre
Luthers die Gebete flir die* Verstorbenen und damit auch die
Einzeichnuugen ihr Ende erreicht haben.* Der ersten urkundlich
nachweisbaren Aebtissin Diemud gingen also zwölf Aebtissinnen
voraus, die durch den obenerwähnten Zusatz in T. als solche aiis-
drücklich aufgeführt wurden. Von diesen zwölfen können aber
» Reg. Nr. 1.
* Die letzte in T. eingezeichnete Aebtissin war die am 5. September 1534
verstorbene Barbara U. von Kirchberg. E^ fehlen demnach die letzten
vier Aebtissinnen. In T. erscheint auch die in der ersten Hälfte des
XIII. Jahrhunderts lebende Aebtissin Elisabeth I. nicht; dieses Fehlen
darfte sich daraus erklären, dass sie vermuthlich an einem der letzten
Tage des Decerabers gestorben ist, welche Tage in T. leer geblieben sind.
L
193
nur zehn die angegebene Durchschnittsziffer von sechzehn Jahren
in Ansprach nehmen; denn zwei von ihnen werden nicht als abba-
tissae, sondern nur als electae bezeichnet^ aus welchem Worte
erhellt, dass sie sswar zu Aebtissinnen erwählt worden sind, aber
aas irgend einem uns nicht mehr bekannten Grunde die Con-
firmation und Benediction nicht erhalten haben. Die zehn Aebtis-
sinnen standen dem Kloster durch hundertsechzig Jahre vor 1181
vor, woraus sich ergibt, dass die Aebtissin Ata um 1020 die Leitung
von Traunkirchen übernommen hat. Und' da kein Grund zur
Annahme vorliegt, Traunkirchen habe einige Zeit ohne Aebtissin
schon bestanden, so dürfte die Gründung des Klosters in diese
Zeit, um 1020, gesetzt werden.
Diese Zeit zusammengehalten mit dem Umstände, dass
Graf Wilhalm I. von Raschenberg schon im Jahre 963 mit sei-
nem Sohne Liutold als Zeugen erscheint, dieser also schon
damals der Zeugenschaft ftlhig gewesen sein muss, machen es
unwahrscheinlich, dass Wilhalm I. noch um 1020 am Leben
gewesen ist und das Kloster am Traunsee gegründet habe.
Aller Wahrscheinlichkeit nach birgt sich unter dem in T. als ftin-
dator erwähnten comes Wilhalmus einer seiner gleichnamigen
Nachkommen. In welchem Verwandtschaftsverhältnisse der zum
19. Juli in T. aufscheinende Graf Leotold zu dem Gründer
Wilhalm gestanden ist, lässt sich mit Sicherheit zwar nicht mehr
bestimmen; doch hindert nichts, in Leotold den Sohn und Nach-
folger Wilhalms in dem Besitze und der Verwaltung des Gebietes
an der oberen Traun, des heutigen Salzkammergutes, zu erblicken.
Als Stifter des Klosters musste Graf Wilhalm sicherlich
am Westufer des Traunsees Besitzungen sein eigen genannt
haben, dortselbst abo Grundherr gewesen sein, da doch un-
möghch angenommen werden kann, er habe das Kloster auf
fremdem Grund und Boden gegründet. Auch bedarf es wohl
keines Beweises daftir, dass er den Nonnen gewisse Güter zu
ihrem Unterhalte zugewiesen haben wird. Der Besitz des Stift;es
war in späterer Zeit kein unbedeutender und lag, wie das
urbar desselben nachweist, zumeist im Traun- und Hausruck-
kreise. ^ Einen Grosstheil des zu Traunkirchen gehörigen Gutes
^ Eine sehr g^te Abschrift dieses Urbariums, welches seinem älteren Theile
nach dem Ende des XIV., mit seinem jüngeren Theile aber dem folgen-
den SXcnlum angeboren dürfte, befindet sich im Museum Francisco-
Carolinum in Linz.
Arekir. Bd. LXXXn. I. H&lfto. 18
194
bildeten mächtige Forste^ die zumeist im Gebiete der oberen
Traun und ihrer Neben- und Zuflüsse sich ausdehnten.^ Nebst
diesem weitläufigen Waldbesitz gehörte zum Kloster auch ein
Antheil an dem wegen seiner reichen Salzlager schon in den
ältesten Zeiten berühmten Hall- oder Salzberge bei Hallstatt,
dessen Ausbeute zu Ischl in dem ,Pftindlein^ der Nonnen zu
Salz verarbeitet wurde. Dieser Antheil an dem Hallberge scheint
ein bedeutender gewesen zu sein. Es erhellt dies aus der Air
die damaligen Zeiten hohen Rente, welche den Nonnen für die
Abtretung ihres Anrechtes an dem Salzberge und der zum
Sieden gewidmeten Waldungen alljährlich ausbezahlt wurden.
Als nämlich die römische Königin Elisabeth, die Witwe Königs
Albrecht I. von Deutschland, auf dem ihr als Witwengut zu-
gewiesenen Gebiete an der oberen Traun das für Oberöster-
reich so segensreiche Salzbergwerk eröffnete, löste sie von dem
Kloster Traunkirchen den ihm gehörigen Antheil an dem Hall-
berge gegen eine jährliche Rente von hundert Pfiind Wiener
Pfenningen im Jahre 1305 mit Zustimmung ihres Sohnes, Bierzogs
Rudolf HI. von Oesterreich ab;* Herzog Friedrich der Schöne
erhöhte im Jahre 1312 diese Rente um jährlich zehn Pfund
und verordnete vier Jahre später, 1316, dass seine Amtleute
zu Hallstatt früher kein Salz verkaufen noch ausführen dürften,
bevor sie nicht der Aebtissin und den Nonnen zu Traunkirchen
die jährUche Rente ausbezahlt hätten.^ Erhellt schon aus der
letzterwähnten Bestimmung des Königs Friedrich, dass diese Rente
den wichtigsten Theil des Einkommens an Geld für das Kloster
bildete, so bezeugt die Urkunde, durch welche Bischof Otto U.
von Passau im Jahre 1262 den von der Aebtissin Elisabeth
durch ihr unbilliges Vorgehen gegen die Nonnen gestörten
Klosterfrieden wieder herstellte, dass das Erträgniss der Saline
des Klosters von den ältesten Zeiten her der Bestreitung des
Unterhaltes und der Bekleidung der Nonnen gewidmet war.*
Das von den Nonnen im Jahre 1305 an die Königs witwe
Elisabeth von Habsburg und ihre Nachkommen abgetretene Recht
auf den Salzberg, sowie die dazugehörigen Wälder an der oberen
Traun dürfen wir deshalb wohl als Dotationsgut deis Klosters
» Anhang Nr. CXII.
• Eeg. Nr. 12,
« Reg. Nr. 13, U.
* Reg. Nr. 7.
195
betrachten, welches der Gründer und seine Familie ihrem Haus-
kloster bei dessen Süftang mitgegeben haben. ^
Wenn sich aber sowohl Traunkirchen als auch die Forste
an der oberen Traun, sowie nicht minder der Salzberg bei
Hallstatt und das ,Pßlndlein' der Nonnen bei Ischl zu Beginn
des XI. Jahrhunderts in dem Besitze der Grafen von Raschen-
bei^-Reichenhall befunden haben, so wird auch die Annahme,
dieses edle Haus war in dieser Zeit Inhaber des ganzen heu-
tigen Salzkammergutes, kaum einem erhebUclicn Widerspruche
begegnen. Diese Annahme stützt sich auf folgende Gründe:
Bis jetzt fand sich kein Document oder eine andere urkund-
liche Nachricht, aus denen auf den Besitzer des Gebietes an
der oberen Traun in der ersten Hälfte des XI. Jahrhunderts
mit Sicherheit hätte ein Schluss gezogen werden können.*
Herrenlos wird dieses ob seines reichen Bergsegens schon in
ältester Zeit bekannte und bewohnte Gebiet doch auch in dieser
Zeit nicht gebUeben sein.* Die Grafen von Raschenberg-Reichen-
ball hatten aber einen nicht unbedeutenden Theil des heutigen
Salzkammergutes inne, weshalb wir sie wohl als Besitzer des
anderen Theiles oder des ganzen oberen Traungebietes annehmen
dürfen. Daftir spricht femer der Umstand, dass das heutige
Salzkammergut noch in später Zeit als ein in sich ge-
schlossenes Gebiet, als ein poUtisches Ganzes angesehen wurde
und seinen besonderen Namen führte. König Ottokar II. von
Böhmen befiehlt im Jahre 1262 als Herzog von Oesterreich
seinen Amtsleuten, ,qui pro tempore fuerint in Ischelen provincia^,
das Kloster Mondsee bei Einhebung der ihm bei Ischl geschenk-
ten Einkünfte nicht zu beirren;* im XIV. und dem folgenden
Jahrhunderte, 1312, 1335, 1434 u. a., wird die Sahne des
Klosters, das ,Pfkndlein^, als im ,Ischellant' hegend bezeichnet;^
in den Jahren 1336, 1358, 1359 u. a. erlassen die Herzoge
' Nach Prits a. a. O. rührte dieser Besitz des Klosters von einem der stei-
rischen Markgrafen her.
' Wie PritK and andere Geschichtschreiber annehmen, soll das Salskammer-
g^t in dieser Zeit schon im Besitze der Otakere gewesen sein, doch
fehlen f^r diese Annahme, die auch unwahrscheinlich ist, alle Nachweise.
' Stmadt weist deshalb das Salzkammerg^t den Grafen von Lambach zu.
(Gebart des Landes ob der Enns, 44).
* ürknndenbuch des Landes ob der Enns in., 284, Nr. 302.
» Reg. Nr. 13, 21, 28, 88.
13*
196
Albrecht ü. und Rudolf IV. von Oesterreich Befehle an ihre
Amtleute und Richter in dem ^Ischllandt';^ 1412 wird Gtosau
als im ,Yschellandt' liegend genannt u. a. m.;* und vom XVI. Jahr-
hunderte ab heisst dieses Gebiet das ^Salzkammergut^, in welcher
Bezeichnung bis heute die ehemalige Zusammengehörigkeit des
ganzen Gebietes an der oberen Traun noch nachklingt.
Den triftigsten Nachweis für die obige Annahme bietet
aber auch hier wieder das Todtenbuch von Traunkirchen, wenn
es den zum 19. Juli aufscheinenden Leotold als Graf der klöster-
lichen Gemeinde^ ^Comes nostre congregationis^^ bezeichnet.
Hätte T. den Raschenberger mit diesen Worten nur als Schutz-
vogt des EJosters kennzeichnen wollen^ welches Amt ihm ohnedies
als Nachfolger des Stifters zustand, so würde es gewiss die seit
dem Vni. Jahrhundert daftU* allgemein angenonmiene Bezeich-
nung gewählt und ihn als ^Advocatus nostre congregationis^ in
seine Spalten eingeschrieben haben; indem es aber Leotold als
^Comes^ bezeichnet; wollte es ihn als den Grafen des ganzen
Gebietes, in dessen Sprengel auch Traunkirchen lag, kenntlich
machen. Diese Annahme wird durch den Hinweis, dass in den
Tagen der Raschenberger, im X. und XI. Jahrhundert, das
Wort ,Comes' nicht ein leerer Begriff war, sondern auch einen
reellen Hintergrund hatte, um so wahrscheinlicher, je gewisser
es ist, dass nur der wirkliche Inhaber eines Comitates damals
den Titel ,Comes' ftihrte. Als Gerichtsherr des Gebietes an
der oberen Traun hatte Leotold nicht nur die klösterliche Ge-
meinde vor jeder Vergewaltigung zu schirmen, sondern vor
allem dem Kloster und dessen Hintersassen den Rechtsschutz
zu leisten, sowie über deren Streitsachen die oberste Entschei-
dung zu geben. Zu seiner Malstatt konnte der Graf die in
seinem Bezirke wohnenden Holden des Klosters aber nur dann
erfordern, wenn dieses nicht die Immunität besass. Dies war
aber damals bei Traunkirchen wirklich der Fall; denn es erhielt
die £xemption vom Grafengerichte erst nach den Zeiten Leotolds,
in der zweiten Hälfte dos XI. Jahrhunderts. Wie aus der Ur-
kunde erhellt, durch welche Herzog Otaker VI. von der Steier-
mark im Jahre 1191 die Immunität des Klosters bestätigte und
so. bedeutend erweiterte, dass von da ab die Entscheidung in
» Reg. Nr. 24, 38, Ä9, 89.
* Kaiisler, Geschichte des Marktes nnd Cnrortes Ischl, 9S.
197
allen Händeln der Elosterholden; ^doch ausgenommen was den
tod berurt', der jeweiligen Aebtissin zustand, hatte ein Ahne
des Herzogs, Graf Otaker, dem Kloster dieses Privilegium
gegen Ueberlassung mehrerer Klostergtiter im beschränkten Um-
fange verliehen.^ Die Otakere kamen aber erst um die Mitte
des XI. Jahrhunderts nach dem heutigen Oberösterreich* und
konnten deshalb nicht dem Stifte Traunkirchen die Gerichts-
freiung vor dieser Zeit schon ertheilt haben. Da das Kloster in
der ersten HäUte des erwähnten Jahrhunderts dieses Privilegium
nicht besass, so war Leotold von Raschenberg -Reichenhall der
thatsächliche Inhaber des Gerichtslehens über das ganze Ge-
biet an der oberen Traun, Traunkirchen mit eingeschlossen,
oder Comes auch der Klostergemeinde. Und da Leotold aller
Wahrscheinlichkeit nach nur der Nachfolger des Klosterstifters
Wilhelm war, so dürfen wir ihn als den Grafen dieses Gebietes
ansehen.
Was den Umfang dieses Comitates anbelangt, so sind wir
zwar nicht im Stande, dessen genaue Grenzen anzugeben,
dürften aber kaum weit in die Irre schweifen, wenn wir mit
Rücksicht, dass aus demselben die späteren Landgerichte Wilden-
stein' und Ort — letzteres wenigstens theil weise — hervor-
gegangen sind, annehmen, dasselbe habe das ganze heutige Salz-
kanmiergut begriffen. Eine Stütze ftir diese Annahme bieten
auch die einstigen Patronatsrechte der Pfarre Traunkirchen.
Aus dem weitläufigen Sprengel dieser alten Pfarre bildeten sich,
besonders infolge des Aufblühens der Salzgewinnung, die heu-
tigen Pfarreien Aussee,* Hallstatt, Geisern, Laufen und Ischl,
welche Pfarren deshalb im Verhältnisse der FiUaUtät zu Traun-
kirchen standen. Dieses Verhältnis der Abhängigkeit der
Töchter von der Mutter überdauerte nicht nur das Kloster
* Eeg. Nr. 2.
* Siehe das Folgende und Stmadfs yortreffliche Abhandlnngfen : ^euerbach*
and ,Die Gebart des Landes ob der EnnsS
* Heute die in der Nähe von Ischl befindliche Raine Ton Alt-Wildensteiu.
* Dass Aassee in älterer Zeit za dem heutigen Lande ob der Enns und
dadurch zur Diöcese Passau gehörte und erst unter Philipp yon Sponheim,
dem «Erwählten von Salzburg* (1247 — 1256), zu dem yon ihm eroberten
Ennsthale geschlagen wurde, scheint mir Dr. Larapel in seiner Abhand-
lung ,Das Gemärke des Landbuches' (Blätter des Vereines fQr Landes-
kunde yon NiederOsterreich 1887, 242 ff.) in überzeugender Weise dar-
gethan zu haben.
198
der Benedictinen zu Traunkirchen, sondern erhielt sich auch,
als die Jesuiten das verlassene Stift in Besitz genommen hatten,
ungeändert fort.^ Erst mit der Aufhebung der Gesellschaft
Jesu im Jahre 1773, infolge derer die Residenz zu Traunkirchen
sich auflöste, gingen die Patronatsrechte an den Landesftirsten
über, die Filialkirchen wurden zu selbstständigen Pfarreien,
und ihre Seelsorger, bis dahin nur Vicare genannt, wurden
Pfarrer.* Der Sprengel der alten Pfarre Traunkirchen begriff
demnach fast das ganze heutige Salzkammergut, von Traun-
kirchen südlich längs der Traun bis zu ihrem Ursprünge. In
diesem Gebiete aber war Leotold von Raschenberg Inhaber
des Comitates, welches sonach den Sprengel der Pfarre Traun-
kirchen begriff. Es trat hier der sonst nicht gewöhnliche Fall
ein, dass sich die kirchlichen Grenzen der Pfarre mit den
politischen der Grafschaft vollkommen deckten. Die Grafen
von Raschenberg waren deshalb die Herren des heutigen Salz-
kammergutes in kirchlicher wie politischer Hinsicht. Die letz-
teren Beziehungen haben wir oben nachzuweisen versucht, die
ersteren ergeben sich aus nachfolgenden Gründen. Graf Wilhalm
erbaute auf eigenem Grund und Boden das Kloster Traunkirchen.
Kloster und Kirche waren aber so innig beieinander, dass die
letztere nur einen Theil des ersteren gebildet hat In der
St. Michaelskapelle der Pfarrkirche daselbst oblagen die Nonnen
ihrem Chorgebete und empfiogen die Sacramente, in derselben
befanden sich die Grabmäler der Stifter und Wohlthäter und
wurden die Aebtissinnen und Nonnen in ihren Hallen und Ka-
pellen zur letzten Ruhe bestattet.^ Daraus ergibt sich, dass die
Kirche des Klosters zugleich die Pfarrkirche von Traunkirchen
gewesen sein muss, wie denn auch nirgends von einer abgeson-
derten Kirche oder Kapelle im Kloster selbst die Rede ist Wie
Wilhalm nicht auf fremdem Grunde, so wird er auch nicht bei
^ Infoigfe der Auflösung des Nonnenklosters hatte sich auch das Abhingig-
keitsyerhftltniss dieser Pfarreien von der Mutterkirche gelöst; die Jesuiten
stellten dasselbe aber nicht ohne Kampf gegen den Bischof Wensel
Graf von Thun (1664 — 1673) yon Passau, unterstütxt roni kaiaerlichen
Hofe, wieder her. Heyrenbach^ Manuscript in der k. u. k. Hofbibliothek
EU Wien.
» Kirchliche Topographie, XIV. Bd., 104.
' Die alte Kirche, welche 1632 gänslich in Asche gfelegt wurde, enthielt
mehrere Kapellen, von denen einige wie die St. Stephans-, St. Anna- und
St. Michaelskapclle urkundlich erwähnt werden.
199
einer Kirche, deren Patronatsrecht ihm nicht zustand, sein Kloster
erbaut haben. Erhellt schon aus diesem Verhältnisse das Patronats-
recht der Grafen von Raschenberg über die Pfarre Traunkirchen,
so ei^bt sich dies nicht minder aus der Schenkungsurkunde
Herzogs Otaker VI. von der Steiermark an das Kloster Traun-
kirchen. In diesem um das Jahr 1181 ausgefertigten Docu-
mente beurkundet der letzte Otaker, dass er das ,ius petitionis^
über die Kirche daselbst zu seinem und seiner Ahnen Seelen-
heil für ewige Zeiten dem Kloster geschenkt habe, und dass
keiner seiner Nachfolger diese Vergabung antasten solle. ^ Der
Herzog vollzieht diese Schenkung ,potestativa manu^, das ist als
Herr des Gebietes an der oberen Traun. Otaker konnte aber
dieses Recht nur durch Erbschaft von seinen Vorfahren zugleich
mit dem Comitate erhalten haben, auf welche es vermuthlich
auf demselben Wege wieder nur von den Grafen von Raschen-
berg übergegangen war. Daraus folgt aber, dass Graf Wilhalm
und nach ihm Graf Leotold Besitzer des Patronatsrechtes von
Traunkirchen und dessen weit ausgedehnten Pfarrsprengels ge-
wesen sind. Es entgeht mir, ob die Raschenberger bei Erhalt
dieses Gebietes an der oberen Traun, dessen kirchliche, wie
weltliche Herren sie waren, die Pfarrkirche zu Traunkirchen
schon vorgefunden haben, oder ob sie von ihnen zugleich mit
dem Kloster erbaut worden ist. Die letztere Annahme hat die
grössere WahrscheinUchkeit flir sich, sowohl deshalb, weil Graf
Wilhalm Grundherr von Traunkirchen war, als auch darum, weil
der Zusatz, welchen T. der zum 20. August eingezeichneten Gräfin
Leopirgis beifügt, indem er sie als ,fundatrix nostre ecclesie' auf-
fuhrt, auf die Raschenberg-Reichenhaller Grafen hinleitet.
Dieses edle Haus dtlrfte das Gebiet an der oberen Traun
einst — vermutlich in der ersten Hälfte des X. Jahrhunderts
— vom Erzbistume Salzburg überkommen haben. Für diese
Annahme spricht die Vergabungsurkunde der alten karlingi-
schen Abtei Trunseo an dieses Erzstift. Ueber Bitten der
Bischöfe Adalbero von Augsburg, Salomon von Constanz und
Dracholf von Freising, sowie mehrerer anderer geistUchen wie
weltlichen Grossen schenkte der letzte deutsche Karlinger, König
^ Urkondenbach des Landes ob der Enns II. 373, Nr. 267. Reg, Nr. 1.
Herzog Otaker verordnete auch, dass zwei oder mehrere Priester von dem
Erträgnisse der Pfarre an der Kirche unterhalten werden sollten, um
die Seelsorge zu verrichten und für ihn und seine Vorfahren zu beten.
200
Ludwig das Kind, in Jahre 909 diese Abtei, welche schon
früher als Commende dienen musste, dem Grafen Arbo und
dem Erzbischofe von Piligrim von Salzburg unter der Bedin-
gung, dass nach deren beiderseitigem Ableben dieselbe an den
Stuhl von Salzburg zu fallen habe.^ Das Besitzthum dieser
königlichen Abtei, über deren Gründung nichts näher bekannt
ist,^ scheint ein sehr umfangreiches gewesen zu sein und das
ganze Gebiet an der oberen Traun umfasst zu haben; doch
lässt sich Näheres nicht mehr nachweisen.
Wie der Umfang des Gebietes, welches der Abtei Trunseo
gehörte,^ sich nicht näher mehr festsetzen lässt, ebensowenig
ist auch die Besitzergreifung dieses Gebietes durch das £rz-
stifl Salzbui^ urkundlich zu belegen, wenngleich dieselbe ausser
jedem Zweifel stehen dürfte. DafUr spricht schon der Umstand,
dass kaum anzunehmen ist, Salzburg habe auf diesen Besitz,
auf den es doch das beste Recht hatte, verzichtet und niemals
einen Anspruch erhoben. Einen sicheren Beleg fUr die factische
Besitzergreifung dieses mächtigen Gebietes von Seite des Erz-
stiftes bietet das Diplom, durch welches Kaiser Otto 11. der
ELirche von Salzburg den gesammten Besitzstand bestätigt
Unter den aufgezählten Gütern, deren Besitz dieser Kaiser im
Jahre 977 über Bitten des Erzbischofs Friedrich dessen Erz-
stifte bestätigt, wird auch ein mächtiges Waldgebiet aufgeführt,
das sich vom Erlbache im Pinzgau bis zum ,Vuassinperch prope
^ Original im k. u. k. Staatsarchiv in Wien; Juvaria, Diplom., Anhang 121,
Nr. LX.
' Die Gründung^zeit dieser königlichen Abtei ist ganz anbekannt. Dümmler
(Südöstliche Marken des fränkischen Reiches im Archiv für Kunde öster-
reichischer Geschichtsquellen X, 75) lässt sie wenige Zeit vor ihrer Ver-
gabung durch König Ludwig das Kind g^egründet worden sein; Dr. Alois
Huber (Geschichte der Einführung und Verbreitung des Christenthums in
Südost-Deutschland lU, 189 ff.) setzt ihr Entstehen in das YL Jahrhundert.
In Berücksichtigung des Umstandes, dass schon vor ihrer Veiigabung im
Jahre 909 die Brüder Alpker und Gundpercht diese Abtei als Commende
inne hatten, dürfte die Gründung in die Zeit Ludwig des Deutschen sa
setzen sein.
' lieber die Lage dieser königlichen Abtei am Traunsee ist Näheres nicht
bekannt. Pritz, Alois Huber u. A. nehmen das heutige Altmünster dafür an ;
doch sprechen hiefür nur die im XHI. Jahrhunderte zuerst vorkommende
Bezeichnung »Münster* (Monasteriensis) — die Benennung Altmünster
stammt aus späterer Zeit — sowie der Kirchenpatron dieser Pfarre,
St. Benedict.
201
Iscalam' hinzog.* Der Bergname ,Vua88inperch' findet sich
heute auf keiner Elarte dieses Gebietes, noch lebt er im Volks-
mimde fort, weshalb auch die Meinungen der Forscher über
den Berg, der darunter zu verstehen ist, weit auseinandergehen.
Während Richter darunter die besonders steilen und auffallen-
den Formen des Rinn- oder Rettenkogels südlich der Ischl
vermuthet,* will Lampel in dem ,Vuassinperch* das Todte Ge-
birge sehen, auf welches die nähere Bestimmung des Diploms
^acutus mons' vortrefflich passe.' Mit einer neuen und, wie
mir dünkt, der einzig richtigen Ansicht tritt Dr. Prinzinger auf,
wenn er in diesem unbekannten Berge den östlichen Eckpfeiler
des Zinkenbachthaies, den ,Sparber^, erblickt. Der ,Sparber'
erhebt sich nahe der Ischl, hat auffallend steile Felsenwände
und fragt auf einem seiner oberen Abhänge das Bauemgehöft
Hinterholz, welches heute noch im Munde des Volkes das
,Was8engut^ heisst.^ Da jede urkundliche Nachricht mangelt,
welche besagte, wie dieses bis an die Ischl sich hinziehende
Gebiet an Salzburg gediehen ist, so dürfte die Annahme, das-
^Ibe stamme zum Theile wenigstens aus dem Besitzstande der
ehemaligen königlichen Abtei Trunseo her, nicht jeder Berech-
tigung entbehren.
Das Erzbistum hatte demnach von dem Abteigute Trunseo
thatsächlich Besitz ergriffen, hat dasselbe aber nicht in der
Hand behalten, sondern seinem grösseren Theile nach wieder
an eine landsässige Familie des höheren Adels als Lehen, das
sich vererbte, hinausgethan. Im Besitze eines grossen Theiles
dieses Gebietes, des heutigen Salzkammergutes, erscheinen im
^ Mon. Germ. Dipl. II, 185, Nr. 165. ,Ad haec etiam firmamns ad prefatum
moDaBteriüm Junaaense forestem a termino, qui in Pisoncia incipit,
hoc est de rirolo Erilipach osque ad acutum montem, qui Diutiace vocatiir
Vuiflsinperch prope Iscalam ' Wiederholt in der Urkunde Königs
Otto m. vom Jahre 984, Mon. Germ. Dipl. II, 393, Nr. 1.
* Untersuchungen zur Geographie des ehemaligen Hochstiftes Salzburg
a. 1. O. 714.
' Das Gem&rke des Landbuches a. a. O. 241 ff.
^ In den Mittheilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 1890,
XXX, 156. Mit Recht verweist Dr. Prinzinger bezüglich dieses Namens
auf das heute noch im Volksmunde von Salzburg, wie nicht minder von
Ober- und NiederOsterreich gebräuchliche Wort ,w4ch8* oder ,wax» = ,w4ssS
welches nach Schmeller (Bair. Wörterbuch) ,8charf, rauh, kantig, acutus*
bleutet.
Kl. Jahrhunderte die OrBfen Wilhelm iied Leolold von Rxschen-
lerg-Keichenhall, ohne dass wir oachEuweisen Tennöchten, ob
iie auch im vorauBgehenden X. Jahrhundert dasaelb« schon
nnegehabt haben. Da die Raschcnberger als Comites Über
las Gebiet walteten, bo war mit demselben der damalB nicht
eltene Proccss vor sich gegangen, dem zufolge das Leben sum
)omitate, der Vasall zum Comes wurde. Nach anderen ahnliden
teispielen eu schliessen hatte diese Entwicklung schon im
[. Jahrhunderte stat^efunden, in welcher Zeit dieser Procesa
urch die StQrme der Magyaren und die nachfolgenden Wirren
1 Baiem sehr gefördert wurde. Um denselben von muichen
nderen geflthrdeton Besitzungen abzuwenden, erwarb sich Er»-
ischof Friedrich die Urkunde von Jahre 977, durch welche
[aiser Otto II. den Besitz der bedrohten Güter dem Hochstifte
estatigte. Salzburg erlangte dieses wichtige Document auf
rund einer gefiÜBchten Urkunde, welche angebhch schon König
molf von Ostfranken im Jahre 885 demselben verliehen haben
ill.' In beiden Documenten, sowohl in dem gefälschten Amolfe
ie in dem echten Ottos, findet sich mit gleichlautenden
''orten das oben erwähnte Gebiet au%eflihrt, als dessen nord-
tlicher Grenzpfeiler der ,Uuassinperch* bei der Ischl genannt
ird. Der Grund der Fälschung dürfte kein anderer gewesen
in als oachzuweisen, dass das erwähnte Gebiet nicht von
sm Abtoigute Tninaeo herstamme, sondern alter Besitz der
Jzburger Kirche wäre. Dadurch erreichte Erzbischof Friedrich
a Zweck, in diesem weil immunem Gebiete, jede Grafechaft-
Idung hintanzuhalten und auch jeden üebergriff des Inhabers
s anderen Theiles von Trunseo auf den Rest zu verhindern.*
Ebenso wenig als wir wissen, wann die Grafen von
ischenberg-Reichenhall in den Besitz des Salzkammergutes
kommen sind, vermögen wir anzugeben, wann sie ausgeator-
a sind. Aller Wahrscheinlichkeit nach dürfte das Letztere
3b der Mitte des XI. Jahrhunderts, vermutlich um das Jahr
30, erfolgt sein. Das Haus der Grafen von Baschenberg muBs
JnvavlB, Diplom. Anhang US, Kr. 54 mit der Datirnng 690; Uflblbuher
R«g. Nr. 1801.
Ueber den Gnind and die Zeit der FKIschung handelt in Tortrefllicber
Weise W. Erben in Mitlbeilungen des Iiutituts filr OEleireichiKbe Ge-
Hcliichteforachiing a a. O., 10. Bd., 607ff.
203
bezüglich des Zweiges, der im Besitze des Salzkammergutes
war, mit dem öfter erwähnten Leotold erloschen sein. Es geht
dies daraus hervor, dass die beiden anderen in T. zum 25. Juli
und zum 11. August aufscheinenden Leotolde zwar als Grafen
bezeichnet werden, aber in keiner näheren Beziehung zum
Kloster Traunkii*ehen gestanden sind, weil diese sonst von dem
Todtenbuche gewiss wäre angedeutet worden. In welchem
Verhältnisse diese beiden Leotolde zu Wilhem und Leotold
gestanden sind, entgeht uns. Vielleicht waren sie Vater und
Bruder zu Wilhelm, die im Besitze der Grafschaft Raschenberg
Wilhelm I. nachgefolgt sind; die urkundUchen Nachrichten,
welche die Salzburger Kammerbücher bieten, widersprechen
dieser Vermutung wenigstens nicht.*
Als Nachfolger der Grafen Wilhalm und Liutold von
Raschenberg-Reichenhall erscheinen nach der Mitte des XI. Jahr-
banderts in den Grafschaftsrechten und im Allodialgute der-
selben an der oberen Traun die Grafen von Grabenstatt,
welche Stmadt in trefifender Weise nach dem Chiemgau, in
dem ihr Comitat lag, die Chiemgauer nennt. ^ Wie bei den
Raschenbergem die Personennamen Wilhalm und Leotold vor-
herrschten, so ist für die Chiemgauer der Name Otaker ein
charakteristisches Moment.' Der Rechtstitel, auf den gestützt
dieses Haus den Nachlass der Grafen von Raschenberg anti*at,
war das ,ius hereditarium^ Dieses Erbrecht konnte nur durch
' Die Genealogie der Grafen von Raschenberg-Reichenhall würde sich in
nachstehender Weise gestalten, wobei die feste Linie die sichere, die
ponktirten Linien die vermutete Nachfolge angeben.
Wilhelm I., Graf von Raschenberg-Reichenhall,
gestorben nach 963.
Liutold I., Graf von Raschenberg-Reichenhall,
gestorben um 990(?), 2ö. Juli.
Liutold n., Wilhelm H.,
Graf von Raschenberg-Reichenhall, Stifter von Traunkirchen.
gestorben 11. August 1060?
Liutold m.,
Graf von Traunkirchen,
gestorben um 1060, 19. Juli
* Stmadt, Geburt des Landes ob der Enns, 61.
• Siehe Hirsch, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich IL, 37
Note 2.
i
204
Verwandtschaft entstanden sein, fUr welche Annahme nachfol-
gende Oriinde sprechen. Abgesehen von der Nachbarschaft
der Comitate beider Häuser, welche schon auf verwandtschaft-
liche Beziehungen hindeuten, zeugt dafUr auch die meist un-
mittelbare Aufeinanderfolge dieser Namen in den Urkunden.^
Nach 1110 schenkt Markgraf Otaker IV. mit seinem Sohne
Leopold dem Kloster Garsten eine Saline zu Reichenhall, welche
er ,iure hereditario* innehatte.* ReichenhaU war aber im Besitze
der Grafen von Raschenberg, und wenn auch im Xu. Jahr-
hunderte die Plainer dieses Comitat innehatten, so schliesst
dies einen Besitz der Chiemgauer daselbst nicht aus, da die
Raschenberger von Traunkirchen ebenso wie die Plainer ein
Zweig des Hauses Raschenbei^-Reichenhall waren.' Endlich
bezeichnet T. den Grafen Otaker (I.) von Chiemgau als Vater
der ersten Aebtissin des ELlosters Traunkirchen.* Nach gewöhn-
lichem Gebrauche stand dem Stifter eines Klosters das Recht
zu, den ersten Vorsteher desselben zu ei*nennen, wobei selbst-
verständlich der Consens des Diöcesanbischofes eingeholt oder
zuweilen auch nur vorausgesetzt wurde. Den ersten Vorsteher
oder besonders bei Frauenklöstem die erste Aebtissin pflegte
der Stifter stets aus seiner Familie oder aus dem ELreise seiner
nächsten Verwandtschaft zu nehmen.* Auch bei Traunkirchen
dürfte diese allgemein geltende Gewohnheit zur Anwendung
gekommen sein, und da die erste Aebtissin ausdrücklich als die
Tochter des Grafen Otaker bezeichnet wird, so können wir
mit Recht auf sehr nahe verwandtschaftliche Bande schliessen,
wenn wir auch nicht im Stande sind, dieselben genauer festzu-
stellen. Diesen nahen Beziehungen der Chiemgauer zu den
Raschenbergem und ihrem Hauskloster Traunkirchen gaben die
Nonnen daselbst auch dankbaren Ausdruck dadurch, dass sie
alle Glieder des chiemgauischen Hauses, von Otaker I. ab bis
zu den letzten Sprossen, Herzog Otaker VI., in ihr Todtenbuch
eingezeichnet haben.
» JuyaviA, Diplom. Anhang 181, 182, 194, 195, 197, Nr. 67, 68, 11, 12, 18;
Hauthaler a. a. O. n. A.
■ Urknndenbnch des Landes ob der Enns I, 135, Nr. 25.
' Siehe die scharfsinnige Untersuchung von Richter a. a. O.
^ ,Ottakerus comes pater Ate prime abbatisse istius loci* hat T. zum 6. Mfirs.
^ Ein Beispiel aus vielen bietet die zu Beginn des VIII. Jahrhunderts er-
folgte Stiftung von Nonnberg; auch die von Goess u. a.
205
Dank der neueren Geschichtsforschung^ wurde dje alte
von steirischen wie österreichischen Historikern^ besonders von
Pritz,' aufgestellte Meinung, dass die Chiemgauer die Nach-
kommen des letzten Markgrafen der karlingischen Ostmark
Aribo' und seines angeblichen Sohnes Otaker, welcher im
Jahre 904 als Ghraf in Leobengau erscheint,* wären, gründlich
abgethan. Als Ahnherr des Hauses wird nun jener Otaker an-
genommen, welcher im Jahre 959 in der Urkunde König Otto I.
ftlr das Domstift Salzburg als erster unter den drei Grafen
genannt wird, durch deren Comitate der geschenkte Forst sich
hinzog.^ Nach den Untersuchungen Richter's lag Otakers Comitat
im alten Chiemgau und hiess von dem Amtssitze desselben zu
Orabenstatt ,Comitatus Crapnastatt^ ® Von dieser Zeit ab er-
scheint Graf Otaker mehrere Male noch in den Urkunden des
Erzbischofs Friedrich von Salzburg. So erscheint er im Jahre 963
mit den Raschenbergem Wilhelm I. und Liutold I. als Zeuge
in emer Tauschhandlung des genannten Kirchenfürsten ;^ in
gleicher Eigenschaft wohnen er und Liutold einem ähnlichen
Rechtsgeschäfte dieses Erzbischofes mit seiner Schwägerin Uuilla
bei.^ Im Jahre 976 beurkundet er als Zeuge die Tauschacte des
Erzdiakons Richarius und des Ejrzpriesters Perhtoldus mit dem
Hochstifte Salzburg,^ sowie ein anderes ähnliches Geschäft des
Erzbischofes.^® Auch in der um 980 in den Tagen des Bischofes
WoI%ang von Regensburg von dem edlen Manne Einhard an das
Kloster Mondsee gethanen Vergabung erscheint er noch als
' Hirsch a. a. O.; Huber, Geschichte Oesterreicbs I, 216, und besonders
Stmadt in seinen trefflichen Werken: ,Peuerbach* 86, und fGeburf etc., 50.
' Pritz, Geschichte der steirischen Ottokare, Geschichte von Oberösterreich I,
251 ff., Geschichte von Steyr 79 ff. u. a.
* I>fimmler, Geschichte des ostfränkischen Reiches, H 551, bemerkt ganz
treffend, dass die Bestimmung bezüglich der Abtei Tmnseo nach dem Ab-
leben Aribos schliessen lasse, dass ihm kein Sohn mehr als Nachfolger lebte.
* y. Zahn, Urkundenbuch der Steiermark I, 16, Nr. 13.
* Hon. Germ. Dipl. I, 281, Nr. 202.
* a. a. O. 642.
' Jaravia a. a. O. 194, Nr. 11.
* JuTSTia a. a. O. 195, Nr. 12.
* Jnyavim a. a. O. 190, Nr. 1.
^ Haatluüer, Die Salzburger Traditionscodices des X. und XI. Jahrhunderts
in den Mittbeilungen des Instituts für Osterreichische Geschichtsforschung,
m, Bd., 88, Nr. 4.
206
Zeuge.* Von dieser Zeit ab klafft durch fast vier Decennien eine
gewaltige Lücke. Erst im Jahre 1027 erscheint ein Graf Ozi in
der Schenkungsurkunde Kaisers Konrad U. an den Erzbischof
Dietmar von Salzburg als Mitinhaber der Grafschaft Graben-
statt mit dem Grafen Chadalhoch, durch deren Comitat sich
der verliehene Forst ,Heit^ erstreckte.* In diesem Grafen Ozi
haben wir jenen Grafen Otaker zu erblicken, welchen T. als
Vater der ersten Aebtissin Ata von Traunkirchen zum ö. März
aufführt. Der Beweis fUr die Identität der Namen Ozi und
Otaker ergibt sich schon daraus, dass Ozi als Graf im Chiem-
gau, wo der Forst ,Heit^ sich ausdehnte, aufgeführt wird. Den
sichersten Nachweis aber dürfte meinem Erachten nach das alte
Todtenbuch von St. Rudpert zu Salzburg bieten, wenn es zum
5. März, also zum nämlichen Tage, an welchem Graf Otaker in T.
aufscheint, den Grafen Ozi eingezeichnet hat.^ Obwohl er der 2^t
nach der Sohn des im Jahre 959 zuerst erwähnten Grafen Otaker
sein kann, so halte ich doch dafür, diesen Grafen Otaker oder Ozi,
weil mit ihm in T. die ununterbrochene Reihenfolge seines so
rasch emporblühenden Hauses ihren Anfang ninmit, als den
eigentlichen Ahnherrn zu betrachten und ihn Otaker I. zu
nennen. Von seinen Familienverhältnissen wissen wir nichts,
als dass er die vorerwähnte Aebtissin Ata von Traunkirchen
zur Tochter hatte; der Nachfolger in dem chiemgauischen
Comitate Grabenstatt, Otaker 11., dürfte sein Sohn gewesen sein.^
Sein Hinscheiden dürfte nach dem Jahre 1030 erfolgt sein.
* Urkundenbuch von OberOsterreich I, 87, Nr. 149.
' Juvavia a. a. O. 218, Nr. 89. Chadalhoch und Ozi erscheinen auch in
den Urkunden der ErzbischOfe Odalbert (Hanthaler a. a. O. Nr. 3, 8, 20 ff.),
doch nie als Inhaber einer Gra£Bchaft und zugleich mitsammen, daher
sie hier nicht berücksichtigt wurden.
° Nekrologia Germaniae II. Dioec. Salisburg. in Mon. Gtorm. Hist. ed. Hers-
berg-Fränkel 112 zum 6. März. Strnadt, Geburt des Landes ob der
Enns, 52, verwirft die Identität der Namen Otaker und Ozi, doch wie
mir dünkt, mit wenig stichhältigen Gründen.
* Mit dieser Annahme stimmt auch das Vorauer Fragment: ,Genealo^ia
marchionum de Stire* in Mon. Germ. Hist SS. XXIV, 72 überein. Stmadt
nennt dieses Fragment eine trübe und späte Quelle, die daher bei Seite
gelegt werden muss (Geburt a. a. O. 51, Note 126). Ich kann dieses
harte Urtheil nicht theilen. Allerdings stammt das Fragment in seiner
vorliegenden Gestalt aus dem XIV. Jahrhundert, wie dies schon die jedem
Otaker gegebene Benennung ,marchio Stirensis* zeigt; allein der Kern des-
selben ist jedenfalls älter und stimmt die Zahl der angeAihrten Otaker
207
Nebst dem ei'wähnten Otaker I.^ auch Ozi geheissen, dem
Zeitgenossen des Stifters von Traunkirchen Wilhalm von Raschen-
berg^ scheinen in T. noch fünf Träger dieses Namens auf, welche
theils durch das beigesetzte Prädicat ^comes, marchio, dux^,
theils durch anderweitige unanfechtbare QueUenbeweise, obwohl
ihren Namen die erwähnten Zusätze mangeln, doch als ge-
wesene Mitglieder und Sprossen der Orafen von Orabenstatt
gekennzeichnet sind; es sind dies die zum 29. März, 1. und 9. Mai^
28. November und 1. Jänner im Todtenbuche von Traunkirchen
eingezeichneten Otakere. Von diesen stehen die zum 9. Mai,
28. November und 1. Jänner angeführten Träger dieses Namens
durch ihr Erscheinen in den Nekrologien von St. Lambrecht
in der Steiermark, Admont, Seckau, Bein, Eremsmünster,
St. Eudpert und St. Erintrudis in Salzburg, Melk, St. Andre
an der Traisen und Klostemeuburg, wie Seen im heutigen
Baiem so fest erwiesen da als Nachkommen des Hauses, dass
jeder Zweifel ausgeschlossen erscheint. Der zum 9. Mai in T.
aufscheinende Otaker wird schon durch das angefügte Prä-
dicat ,dux^ als Otaker VI., der erste Herzog der steirischen
Mark, mit welchem im Jahre 1192 das erlauchte Haus erlosch,
gekennzeichnet.^ Nicht minder ist jedes Bedenken ausgeschlos-
sen bezügUch der beiden anderen, wenngleich ihren Namen
jeder Beisatz mangelt, und zwar verbirgt sich unter dem zum
28. November in T. eingezeichneten Otaker der Markgraf
Otaker IV. von der Steiermark, der treue Anhänger der päpst-
lichen Partei in den östlichen Alpenländem und Stifter der
Benedictiner zu Garsten, gestorben im Jahre 1122,* während
der zum 1. Jänner erwähnte Otaker der im Jahre 1164 ver-
gSnzHch mit der in T. eingezeichneten Überein. Wenn es Otaker IIL Ozi
nennt, so beweist diese Verwechslung nur, dass man in Voran nicht mehr
wnsste, welcher Otaker so genannt wurde, nicht aber, dass ein Otaker nie-
nuüs diesen Namen geführt hätte. Einen Beweis für diese Annahme bietet
aoch die bekannte Melker Urkunde des Markgrafen Ernst von Oester-
reich, die Meiller in das Jahr 1074 gesetzt hat, offenbar aber, wie Waitz
Deutsche Verfassungsgeschichte V, 812, Note 4 schon aufmerksam gemacht
bat, in eine spätere Zeit gehOrt.
Ihn erwähnen noch zum 9. Mai die Nekrologien von St Lambrecht und
Bein, das Nekrologium von Admont zum 8., das von Seckau zum 10. Blai.
Ihn erwähnen zu diesem Tage noch die Todtenbücher von St. Lambrecht,
St. Andre an der Traisen und Admont; das Nekrologium ron Melk hat
den Vortag. Den IV. Kai. Decembris gibt auch die Inschrift der Grab-
208
8torbene steirische Markgraf Otaker V. ist.^ Es bleiben demnach
nur der zum 1. Mai und der zum 29. März in T. eingezeichnete
Träger dieses Namens übrige welche beide schon durch das
Prädicat ,marchioS beziehungsweise ,comes' als MitgUeder der
Chiemgauer gekennzeichnet werden. Von diesen dürfte der
zum 1. Mai aufscheinende, mit dem Zusätze ^marchio^ ausgezeich-
nete Otaker der Sohn und Nachfolger Ozis gewesen sein, und
ich nenne ihn deshalb Otaker U. Zum Beweise dieser Annahme
stütze ich mich auf Nachstehendes. Dieser Otaker findet sich
ausser T. nur noch im Todtenbuche von St. Lambrecht, welche
Aufzeichnung, da die Gründung dieses Klosters erst am Aus-
gange des Jahres 1102 erfolgte,* jedenfalls von späterer Hand
geschehen ist als die zu Traunkirchen. Daraus erklärt sich^'
weshalb ihn der Einzeichner von St. Lambrecht nicht als ,mar-
chio/ sondern nur als einfachen ,come8^ eingetragen hat Da
ein Otaker um die Mitte des XI. Jahrhunderts die markgräf-
liche Würde thatsächUch innehatte, der zum 29. März in T. auf-
scheinende Otacher aber nur als Comes von Traunkirchen be-
zeichnet wird, so dürfte T. ihn mit Angabe seines Amtes in seine
Spalten aufgenommen haben, was um so wahrscheinlicher wird,
weil dieser Otaker bei seinem Hinscheiden Markgraf der ka-
rantanischen Mark war. Otaker, den ich deshalb als den zwei-
ten dieses Namens bezeichne und in dem ich den Begründer der
MachtsteUung seines Hauses begrüsse, war durch das Elrlöschen
der reichbegüterten und mächtigen Grafen von Lambach in
den Besitz eines bedeutenden Theiles des heutigen Landes ob
der Enns gekommen. Die Lambacher Grafen, deren Ursprung
Stmadt, nicht ohne überzeugende Gründe daftlr anzuftüiren,
auf den letzten Grafen des Traungaues, Meginhard, zurückzu-
ftlhren versucht hat,^ besassen im XI. Jahrhunderte das ehe-
malige Hausruckviertel, den Attergau ausgenommen, sowie einen
platte zu Ganten an. Näheres in meiner Abhandlang ,Die Wappen der
Aebte von Garsten*.
^ Diesen Tag hat nnr noch das Todtenbuch von St. Erintrud in Salzburg;
die Nekrologien von Kremsmünster, Seckau, Rein und Klostemenburig
haben den 30., Admont hat den 31. December.
* Pangerl, Stadien zar Geschichte des Klosters St Lambrecht in Beiträgen
znr Kunde steiermKrkischer Geschichtsquellen Ü. Jahrgang, 1 14ff.
' Siehe unten.
* Gebart des Landes ob der Enns, 43.
211
zu ziehen gesucht. In dem deshalb ausgebrochenen Kampfe
scheint Otaker unglücklich gegen die Eppensteiner gewesen zu
sein und die Mark verloren zu haben. ^ Kurze Zeit später,
am 1. Mai aller Wahrscheinlichkeit nach im Jahre 1060, dürfte
Otaker IE. gestorben sein.^ Von seinen FamiUenverhältnissen
wissen wir nichts Bestimmtes. AUer Wahrscheinlichkeit nach
dürfte die zum 19. Februar in den Todtenbüchem von St. Lam-
brecht und Traunkirchen aufscheinende Gräfin Wilbirgis seine
Gemahlin gewesen sein. Zu Traunkirchen dürfte Otaker U.
nicht in näheren Beziehungen gestanden sein; in T. findet
sich keine Andeutung darüber. Wir dürfen deshalb nicht ohne
Grund annehmen, dass damals noch Leotold von Raschenberg-
Reichenhall im Besitze des Comitates an der oberen Traun sich
beftmden habe. Dieser Umstand dürfte auch die Ursache gewesen
sein, dass Otaker IV. in T. als ,marchio^ der er in Wirklichkeit auch
war, aufscheint, während er für die Mönche von St. Lambrecht
nur ,comes' sein konnte, denn der Stifter ihres Klosters, Herzog
Heinrich HI. von Kärnten (Heinrich ,mit dem Greim' 1090 bis
1122),' war der jüngere Sohn jenes Markward von Eppenstein,
welcher mit seinem Sohne Liutold und unterstützt von dem
einheimischen Adel, das seinem Vater Albero im Jahre 1035
abgesprochene Kärnten und vermutlich auch den grössten Theil
der karantanischen Mark wieder an sein Haus gebracht hat.
Wie f^r die Eppensteiner so war auch ftir die Mönche von
St. Lambrecht, dem Hauskloster dieses Geschlechtes, Otaker H.
niemals Markgraf, sondern einfacher Graf, als welchen sie ihn
auch in ihr Todtenbuch eingetragen haben. Otaker und seine
Gemahlin Wilbirg dürften überhaupt ihre Einzeichnung in das
St Lambrechter Nekrologium nur der späteren nahen Bezie-
hung zwischen Heinrich lU. und dem Markgrafen Otaker IV.
von der Steiermark zu danken haben, welche nahe Beziehung
* Wenigstens erscheint Markward von Eppenstein im Jahre 1066 im Besitze
der karantanischen Mark, wie dies ans einer Tauschhandlung desselben
mit dem Erzbischof Qebhard von Salzburg erhellt; v. Zahn, Urknndenbuch
I, 77, Nr. 68. lieber diesen Kampf, den zuerst Strnadt als sehr wahr-
scheinlich nachgewiesen hat, ist seine Abhandlung: ,Gebnrf u. s. w., 66, 66
einzusehen.
' Nach Strnadt a. a. O. 66, der auch die Gründe air das Jahr 1060 in
überzeugender Weise darlegt
* Dass nicht Markward, sondern Heinrich von Eppenstein der Stifter von
St. Lambrecht ist, hat Pangerl a. a. O. überzeugend dargethan»
14*
212
durch ihre Gemahlinnen Elisabeth und Sophie^ Töchter Liat-
pold n. von der Ostmark, entstanden sind.^
Als seinen Sohn und Nachfolger haben wir jenen Otaker
anzusehen^ welchen T. zum 29. März eingezeichnet hat. Stmadt'
imd nach ihm Meyer' und andere Historiker streichen diesen
Otaker HL gänzUch aus der Reihenfolge der Chiemgauer und
lassen auf den Markgrafen Otaker 11., den sie als Otaker L
bezeichnen, sofort den Enkel desselben Otaker IV. mit der Be-
zeichnimg Otaker II. folgen. Stmadt sucht seine Hypothese
durch die Annahme zu begründen, Otaker IV. sei bei dem
Tode seines Vaters noch unmündig gewesen und habe erst
durch den Gegenkönig Rudolf von Schwaben um 1078 die mark-
gräfliche Würde erhalten. Es lässt sich nicht leugnen, dass
diese Hypothese scharfsinnig ist und daher auch bestechend
wirkt; aber nichtsdestoweniger muss sie auf Grund der Ein-
zeichnungen in den Todtenbüchem österreichischer und stei-
rischer Klöster als unhaltbar bezeichnet werden. Die Angaben
der Nekrologien von Traunkirchen, Admont, Kremsmünster und
Seon im Zusammenhalte mit den Einzeichnungen in den anderen
oben schon erwähnten Todtenbüchem lauten so bestimmt und
sicher fUr die Existenz eines Markgrafen Otaker in der Zeit
von 1060 ab bis gegen das Jahr 1080, dass jeder Zweifel aus-
geschlossen ist. Wir haben oben schon die nach den Angaben
der Nekrologien feststehenden Todestage der letzten vier Spros-
sen der Chiemgauer angegeben, nämlich den 28. November ftlr
den im Jahre 1122 gestorbenen Otaker IV., den 24. October ftr
Leopold gestorben 1129, den 31. December für Otaker V. ge-
storben 1164 und den 9. Mai flir Herzog Otaker VI. gestorben
1192. Es bleiben, abgesehen von dem zum 5. März aufscheinenden
Otaker I., nach den Todtenbüchem von St. Lambrecht, Seon,
Admont und Kremsmünster und namentlich nach den Einzeich-
Liupold II., Markgraf von Oesterreich
t 1096.
Sophie Elisabeth
mar. Heinrich IH. mar. Otaker TV.,
von Kärnten. Markgraf von
Steier.
« Strnadt, Geburt a, a. O. 63 ff.
• Meyer von Knonau, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich FV.
und Heinrich V., I., 209 ff.
213
nangen in T.^ die^ weil alle Otakere enthaltend^ wohl als die
Hauptquelle zu bezeichnen sind, noch zwei Otaker zum 29. März
und 1. Mai übrig, die ^marchio^, beziehungsweise ,comes^ ge-
nannt werden und der Zeit nach vor Otaker IV. gesetzt wer-
den müssen. Den zum 1. Mai erwähnten Otaker haben wir
als den um 1060 verstorbenen Otaker II. nachzuweisen ver-
sucht, weshalb der zum 29. März in den erwähnten Nekrologieu
auftretende Otaker nur dessen Sohn und Nachfolger Otaker HI.
sein kann. Die Nekrologien 7on Admont, Kremsmünster und
Seon nennen ihn ,marchio^ und tragen, obwohl diese Einzeich-
nungen erst aus der Zeit stammen, in welcher das Prädicat
,Markgra{^ bei den Chiemgauem schon feststand, damit den that-
Bächlichen Verhältnissen Rechnung. Otaker in. bekleidete in
der That die markgräfliche Würde, wie dies sein Sohn und
Nachfolger Otaker IV. selbst bestätigt, wenn er ihn ,marchio'
nennt.^ Es ist nicht anzunehmen, dass der Sohn dem Vater
dieses Prädicat beigelegt hätte, wenn dieser m'cht wirklicher
Markgraf gewesen wäre, und da in dieser Zeit noch keine
Titularmarkgrafen existirten, sondern dieser Titel auf reeUer
Grundlage basierte,* so muss Otaker m. thatsächlich einer
Mark vorgesetzt gewesen sein. Diese Mark konnte aber nur
die alte karantanische Mark gewesen sein. FreiUch waltete
Otaker nicht über das ganze Qebiet der Mark, da ein Gross-
theil derselben, wie aus der Urkunde erhellt, wodurch die Eppen-
steiner sich im Jahre 1066 vom Erzbischofe Qebhard von Salz-
bui^ gegen Abtretung einiger Güter und Zehente in Kärnten
und in der Mark pfarrliche Rechte fUr einige Kirchen erwar-
ben,' im Besitze des gedachten Hauses war; aber ein nicht
unbedeutendes Gebiet der Mark, darunter der grösste Theil
des Ennsthales, war von den Eppensteinem nicht besetzt wor-
den, lieber dieses Gebiet dürfte Otaker HI. in der Eigen-
schaft als ,marchio' die Verwaltung geftlhrt haben. Für unsere
Annahme spricht das Auftreten des zweiten Sohnes Otakers,
Adalbero — auch Adalbert geheissen — als Graf des Enns-
thales um das Jahr 1078, was nicht leicht mögUch gewesen
wäre^ wenn die ganze Mark im Besitze der Eppensteiner ge-
* Urkaiidenbach des Landes ob der Enns I, 121, 10.
* Huber, Qeschichte Oesterreichs I, 267, Note 3.
' T. Zahn, Urkondenbucb der Steiermark I, 77, Nr. 68.
214
wesen wäre. Die Annahme, dass Markward oder dessen Sohn
Liutold dem Adalbero, den einige Quellen auch ^marchio^ nennen,
das Ennsthal abgetreten hätten, kann deshalb nicht bestehen,
weil dasselbe zum grössten Theile dem Hochstifte Salzburg
gehörte und der Erzbischof Gebhard bis zu Beginn des Jahres
1077 zu dem Kaiser Heinrich IV. in freundschaftlichen oder
wenigstens in guten Beziehungen stand. ^ Viel wahrscheinlicher
ist, dass Adalbero nach des Vaters Tode das Ennsthal erhal-
ten,^ oder, wie es seinem gewaltthätigen Charakter nach nicht
undenkbar erscheint,' sich desselben mit Gewalt gegen seinen
Bruder Otaker IV. bemächtigt hat. Zwar erscheint in dem
ganzen Zeiträume von 1060 ab bis gegen das Jahr 1078 kein
Markgraf der karantanischen Mark; denn die Eppensteiner
nannten sich nie Markgrafen, aber die wenigen Urkunden, die
uns aus dieser Zeit erhalten sind und in denen die Mark er-
wähnt wird, behandeln nur solche Orte und Güter, die nicht
im Ennsthale lagen und deshalb aller Wahrscheinlichkeit nach
von den Eppensteinem besetzt gehalten wurden oder in den
von ihnen besetzten Gebieten der Mark sich befanden.^ Wir
glauben demnach, ohne grösseren Widerspruch zu beftirchten,
Otaker HI. als Markgrafen annehmen zu müssen, und dies um
so mehr, da ihn sein eigener Sohn, wie oben erwähnt wurde,
als solchen bezeichnet. Um dem von ihm verwalteten Gebiete
nahe zu sein, nahm Otaker in der Burg zu Steier, welche die
Grafen von Lambach am Zusammenflüsse der Enns und Steier
auf jener Höhe erbaut hatten,^ auf welcher sich jetzt das schöne
Schloss der Grafen von Lamberg erhebt, seinen Sitz, weshalb
ihn auch sein Sohn ,Otaker Styrensis' nennt.^ Von seinem
ferneren Geschicke wissen wir nur, dass er in der nächsten
Nähe seiner Burg zu Steier, auf seinem Gute Garsten ein frei-
^ Meyer, Die östlichen Alpenländer im Invesüturstreite, 49 ff.
* ,Otachir (IV.) marchio obiit, qui fratrem habuit Alberonem, caios comi-
tatus ab Enswald usque Gtoizaerwald', sagen die Ann. 8t Radberti
Salisb. in Mon. Germ. 88. IX, 766 ad a. 1122.
3 Sein gewaltthätiger Charakter erhellt ans der Urkunde vom Jahre 1086,
wodurch Adalbero vom Banne gelöst wurde; v. Zahn, a. a. O. 99, Nr. 85.
< V. Zahn, a. a. O. 80, 81, 84, Nr. 69, 70, 76.
^ Dies hat zuerst Stmadt, a. a. O. 44, Note 98 überzeugend nach-
gewiesen.
^ Urkundenbuch des Landes ob der Enns I, 121, Nr. 10.
215
weltliches Collegiatstift gegründet hat/ sowie dass er zu Rom
gestorben sei.' Wann sein Hinscheiden erfolgte^ lässt sich nicht
genau bestimmen; doch dürfte der in dem Güterverzeichnis
von Admont als erster weltlicher Zeuge aufgeführte Otaker
marchio Stirensis/ sowie der in dem Uebergabsdocomente der
Pfarre Kilb an GU5ttweig durch Altmann von Passau erwähnte
Otaker^ nicht mehr Otaker m., sondern dessen Sohn und Nach-
folger in der Mark Otaker IV. sein. Beide Urkunden fallen
in die Zeit von 1076 bis 1083 (1087), weshalb auch Otakers IIL
Tod in diese Zeit zu setzen ist.^
Während die erwähnten Nekrologien sowie der Sohn selbst
Otaker m. als ,marchio^ bezeichnen, nennt ihn T. einfach
,come6\ Auch diese Bezeichnung entspricht den thatsächUchen
Verhältnissen. Durch den Zusatz ,nostre congregationis istius
loci^ bezeichnet ihn T. als denjenigen Otaker, auf welchen die
GrafschafWechte des Salzkammergutes von Leotold von Raschen-
berg-Reichenhall übergegangen sind. Wie aus dem Umstände
erhellt, dass dieses Gebiet noch in den Zeiten Königs Otaker 11.
von Böhmen und der Herzoge aus dem Hause Habsburg als
ein von dem tLbrigen Lande ob der Enns gesondertes politisches
Ganzes erscheint,^ hat Otaker HI. dieses Gebiet nicht mit dem
Erbe der Lambacher verschmolzen, sondern getrennt von dem-
selben verwaltet. Deshalb war er ftlr die Nonnen von Traun-
kirchen nicht Markgraf, sondern Graf, mit welchem Titel auch
sein Enkel Leopold noch in T. eingezeichnet erscheint.^ Da
sein Vater, welcher noch nicht im Besitze des Gebietes an der
oberen Traun war, um das Jahr 1060 die Welt verUess, so
^ Ich habe schon in meiner (beschichte von Garsten (1880) nachgewiesen,
diss die gewöhnliche Annahme, das Stift Qarsten sei 1080 gegründet
worden, anhaltbar ist, für welche Annahme Stmadt a. a. O. neue Belege
gebracht hat.
' Urkundenbach des Landes ob der Enns I, 121, 160, Nr. 10 und 121;
II, 134, Nr. 96.
* ▼. Zahn, Urknndenbnch, a. a. O. I, 86, Nr. 77, setst diese Urkunde zwischen
1074 and 1086; Stmadt a. a. O. nimmt das Jahr 1078, Wiehner, Geschichte
▼on Admont I, c. 1110 an.
^ Fontes rer. Aostr. 11, VHI, Nr. X, mit den trefflieben Erläuterangen
von Carlin p. 12S.
' Vermatiilich um das Jahr 1078.
* Siehe oben.
^ Nekrologium T. sum 9. August
216
dürfte der Uebergang des Salzkammergutes von den Raschen-
bergem an die Cbiemgauer nach dieser Zeit erfolgt sein. Als
Inhaber des Comitates an der oberen Traun konnte er auch
dem Nonnenkloster und dessen Hintersassen die Immunität zu-
gestehen, und es ist demnach unter dem ^comes Otacher^, welcher
dem Kloster, wie Herzog Otaker VI. im Jahre 1191 beurkundet,^
die theilweise Gerichtsfreiheit gegen Ueberlassung bestimmter
Güter eingeräumt hat, niemand Anderer als Otaker IH. zu
verstehen.
Als seine Gemahlin haben wir wohl jene Wihbirg anzu-
sehen, welche T. zum 27. August aufweist. DafUr spricht vor
allem, dass, wie eine Garstener Urkunde besagt, die Gemahlin
Otakers HI. den Namen Wilibirg trug.^ Auch ihre Einzeichnung
in die Nekrologien von St Lambrecht, St. Florian,* Traun-
kirchen und Seen beweist, dass sie in unseren Landen eine
bekannte Persönlichkeit war, was fUr die Gemahlin Otakers ID.,
der zuerst in Steier seinen Sitz aufgeschlagen hat, passen würde.
Ihre Familienzugehörigkeit lässt sich mit Sicherheit nicht näher
mehr bestimmen. Der Umstand, dass sie und ihr Gemahl allein
unter allen Chiemgauern in dem Todtenbuche von Seen, dem
Hauskloster der mächtigen Aribonen,^ aufscheinen, scheint auf
nahe Beziehungen zu diesem edlen Hause hinzudeuten. Ihrer
Ehe mit Otaker sollen angeblich vier oder, wie Pritz annimmt,^
fünf Kinder entsprossen sein. Die beiden Söhne Otaker IV.
und Adalbero (Adilbert) stehen urkundlich ausser allem Zweifel,
anders verhält es sich mit den angeblichen drei Töchtern Sophie,
Ata und Elisabeth. Die letzte wird als die Gemahlin des Grafen
Rudolf von Dietmarsen aufgeführt. Die Annales Stadenses
nennen sie die Schwester Otakers von Steier,* unter welchem
» Eeg. Nr. 2.
* Urkundenbuch des Landes ob der Enns I, 160, Nr. 121.
' Csemy, Das älteste Todtenbncb des Stiftes St. Florian, Archiv fttr Öster-
reichische Geschichte, 56 Bd., zum 27. August.
* Das Kloster des heil. Lambert zu Seon in Baiern wurde im X. Jahr-
hunderte von Aribo I. gegründet; siehe Herzberg-Fränkel in Necrologium
Germ. U. I, 217.
'^ Geschichte der steirischen Ottokare a. a. O. 253.
^ Jtem Bodolfum, qui duxit Elizabeth sororem Ottokkar de Stire, sedante
prolem occisus a Thietmarcis* (Mon. Gerra. SS. XXVI, 326), welch*
letzterer Satz auf keine lange Ehe Elisabeths mit dem im Jahre 1144
von den Dietmnrsen erschlagenen Grafen Rudolf deutet.
217
nach Pritz Otaker IV. zu verstehen sein soll. Elisabeth müsste
ein ungewöhnlich hohes Alter erreicht haben, wenn sie Otaker UI.
Tochter gewesen wäre. Aller Wahrscheinlichkeit nach war sie
die Schwester Otaker V. und Tochter Leopold des Starken
von Steier. Was Ata anbelangt, so wird sie als die Tochter
Otakers UI. deshalb ausgegeben, weil dieser das Kloster Traun-
kircheo wieder hergestellt und demselben seine Tochter Ata
als erste Aebtissin gegeben haben soll.^ Dass Ata eine Tochter
Otakers I. war, haben wir früher schon nachgewiesen. Wie sie
Yon Pritz, um seine Annahme von der Wiederherstellung des
Stiftes Traunkirchen zu retten, zur Tochter Otakers III. gemacht
wurde, obwohl sie dessen Tante war, so muss Sophie, welche
der Vermählung des Markgrafen Leopolds DI. von der Ostmark
mit der Tochter Kaiser Heinrich IV., Agnes, der Witwe Friedrichs
voD Staufen, zu Melk beigewohnt haben soll,' als ein Geschöpf
Haathaler's betrachtet werden, da sie sonst nirgends als nur
in seiner bekannten Fälschung erwähnt wird.
In der Verwaltung der Mark von Steier folgte Otaker HI.
mn gleichnamiger Sohn Otaker IV. Nach Strnadt^ soll er
die markgräfliche Gewalt vom Gegenkönige Heinrich IV.,
Rudolf von Schwaben, erhalten und sich nach einem freund-
lichen Abkommen mit den Eppensteinem von seinem Allodial*
besitze Steier Markgraf von Steier genannt haben. Die Belehnung
durch Rudolf von Schwaben scheint nicht alles Grundes zu
entbehren, da Heinrich IV. kaum einem so hervorragenden
Anhänger der päpstlichen Partei in den östUchen Alpenländem
die markgräfliche Würde verliehen haben wird; die Beschränkung
des Markgrafentitels auf den Allodialbesitz Steier infolge eines
friedlichen Abkommens mit den Eppensteinem müssen wir
zurückweisen, da, wie wir oben dargethan zu haben glauben,
Otaker IH. den Markgrafentitel von diesem Besitz schon ge-
führt hat. Dass zwischen Heinrich von Eppenstein und Otaker IV.
eine Vereinbarung getroffen worden sein mag, ist an sich nicht
unwahrscheinlich, nur dürfte dieselbe mit dem Markgrafentitel,
dessen Verleihung vom Kaiser abhing, nichts zu thun gehabt
haben. Herzog Heinrich UI. von Kärnten dürfte sich mit dem
> PrHs a. a. O.
* Hanthaler, Fasti CampilUien. II, 1309; nach ihm Aqnilin CMsar I, 139.
» Gebart e4c, a. a. O. 68 ff.
218
Markgrafen Otaker IV. von Steier kaum vor Ende des Investitur-
kampfes in den Ländern der Ostalpen in friedlicher Weise
auseinandergesetzt haben, sicherlich aber nicht früher^ bevor
ihm nicht jede Hoffnung auf einen Erben und Nachfolger ge-
schwunden war. Durch diese Uebereinkunft erhielt das Haus
der Chiemgauer einen wahrhaft fürstlichen Landbesitz in der
heutigen Steiermark, so das Thal Neumarkt bis an die Mur;
im oberen Murthale alle seine Liegenschaften von Murau an-
gefangen bis gegen Eraubat; sein (des Herzogs) Eigen um
Leoben; das gesammte Mürzthal von den Quellen der Mttrz
und den Höhen des Semmering bis Brück an der Mur und
endUch all seinen Besitz von Brück bis Gösting sowohl an der
Mur als in den Seitenthälem.^ Ob dieses reiche Vermächtnis
an den Markgrafen von Steier durch den Einfluss von Herzog
Heinrichs HI. Qemahlin, Sophie von Oesterreich, der Schwester
der Gattin Otakers IV., zustande gekommen ist, lässt sich zwar
urkundUch nicht feststellen, dürfte aber wohl kaum einem Zweifel
begegnen.
Das Todtenbuch von Traimkirchen berichtet leider nichts
über die Vergabungen der Otakere an das Kloster. Dass die-
selben innige Beziehungen zu Traunkirchen aufrecht gehalten
haben, ist zweifellos; denn nur auf Grund dieser Beziehungen
konnte sich trotz des Nekrologiums auch in den Kreis der
Nonnen die Sage Eingang verschaffen, dass die Chiemgauer die
Stifter des Klosters gewesen wären. Bekanntlich hat Pritz
diese Annahme auch urkundHch zu begründen gesucht, indem
er sich dabei auf das Document Herzogs Otaker VI. vom
Jahre 1191 stützte, in welchem dieser seine Vorfahren als
jfundatores^ bezeichnet. Dass aber in diesem Satze ,ftindatores'
nicht mit Stift;er oder Gründer, sondern mit ,Wohlthäter' wieder-
zugeben ist, erhellt aus dem Wortlaute der Stelle.^
Von den Vergabungen der Chiemgauer an Traunkirchen
dürfte der Besitz des Klosters zu Trofaiach und im Ennsthale
1 ▼. Zahn, Festschrift, a. a. O. 11; Wafanschaffe, 1. c. 84, Nr. 263.
* Reg. Nr. 2. ,Ego Otacher dei gracia dux StyrensiB notum &cio Christi
fidelibus, cenobinm Trunkirchen hactenus summa pace et quiote usqne
ad nostra tempora nigoisse et nullius adnocati exactione vexatuxn faisse
tum ex anctoritate priuileg^, quod illi contulit unus proauomm meomm
Otacbar comes, tum ex clemencia sequencium principum fundatoram
ipsius cenobii, qui eciam aduocaciam propria tenebant mann/
219
Reihenfolge der Otakere trafen von &rabenstatt,
später Markgrafen von Steier,
Grafen des oberen Traunthales (Salzkammergutes),
nach den Einzeichnungen des Nekrologiums von Traankirchen.
Otaker I. (Ozzi),
Graf von Grabenstatt im Cbiemgan,
gestorben am 5. März um 1030.
Gemahlin: N. N.
Otaker 11.,
Erbe der Lambacber Grafen,
Markgraf der karantanischen Mark,
gestorben am 1. Mai um 1060.
Gemahlin: Wilbirgis ? von . . . .
gestorben am 18. Februar anno ?
Ata,
erste Aebtissin von Traunkirchen,
gestorben am 15. November anno ?
Otaker m.,
Markgraf von Steier,
Graf im oberen Trannthale und des Erbes der Lambacber,
gestorben am 29. März um 1078?
Gemahlin: Wilbirgis aus dem Hause der Aribonen (?),
gestorben am 27. August nach 1078.
Otaker IV.,
Markgraf von Steier,
gestorben am 28. November 1122.
Gemahlin: Elisabeth v.Oesterreich,
gestorben am 9. October 1114.
Adilbero (Albere),
Graf (Markgraf) im Ennsthale,
gestorben am 22. November 1088.
Leopold, Wilbirgis, Chunigu'nde,
Markgraf von Steier, Gemahlin Ekbert 11. Gemahlin Bernhard I.
gest. am 26. October 1129. von Formbach -Putten, von Marburg-Sponheim,
Gemahlin : gestorben gestorben
Sophie von Baiem, am 21. Jänner nach 1140. am 4. December 1160?
gest am 12. Juli ca. 1138.
Otaker V.,
Markgraf von Steier,
gestorben am 1. Jänner (31. Dec.) 1164.
Gemahlin: Chunigunde v.Vohburg,
gestorben zu Admont als Nonne
am 22. November 1184.
Elisabeth,
Gemahlin Rudolfe
Grafen der Dietmarsen,
gesforben am ?
Otaker VI.,
Markgraf von Steier,
erster Herzog der Steiermark,
gestorben am 9. Mai 1192.
220
herstammen. Der Umstand^ dass ausser Otaker I., dem Vater
der ersten Aebtissin des Klosters, Ata, welcher seiner Tochter
gewiss manches Gut mitgegeben haben wird, nur Markgraf
Leopold, in T. als Leotold eingezeichnet, einen Anniversarius
hatte,^ während die übrigen fUnf Otakere im Necrologium zwar
aufscheinen, aber keines Jahrtages sich erfreuten, deutet auf
diesen als Vergaber hin. Wie gross das geschenkte Gebiet
zu Trofaiach und im Ennsthale gewesen ist, lässt sich nicht
genau feststellen. Aus dem Urbare des Klosters geht nur heryor,
dass dasselbe zu Trofaiach von 32 Unterthanen einen nicht
unbedeutenden Pfennigdienst bezog, während es von seinen
Holden im Ennsthale neben Geld 'auch Abgaben von Natu-
ralien erhob.*
IL
Geschichte des Klosters Traanklrchen.
Wie die Gründung so ist auch das Geschick, welches das
Nonnenstifk Traunkirchen in den ersten anderthalb Jahrhunderten
seines Bestehens zu tragen hatte, in tiefen Nebel gehiült, aus
welchem nur die Namen der ersten Aebtissinnen emportauchea
und Zeugniss geben ftir die Existenz des Klosters in dieser Zeit
Aber auch diese ragen über die dichte Nebeldecke in buntem
Gewirre heraus, und nur der glückliche Umstand, dass die
Namen der Aebtissinnen Tuta, Wilbirg, Judita und Halka in
den Todtenbüchem von Lambach, von St. Erintrud auf dem
Nonnenberge zu Salzburg und von St. Lambrecht in der Steier-
mark von einer Hand des zwölften Säculums eingezeichnet
aufscheinen,' gestattet, die Aebtissinnen Gei-trud I., Margaretha,
Gisula, Alheid imd Gertrud 11. dem vorhergehenden Jahrhunderte
zuzuweisen, wobei freilich von einer chronologischen Reihenfolge
keine Rede sein kann. So wenig wir aber die bestimmte Auf-
einanderfolge der Aebtissinnen anzugeben vermögen, ebenso-
wenig sind wir im Stande, zu bestimmen, aus welchem Kloster
der Benedictinen Graf Wilhalm von Raschenberg-Reichenhall
die ersten Bewohnerinnen seiner Stiftung am herrlichen Traun-
^ Am St Lanrensta^.
* Urbarium im Archiv des Museums Francisco-Carolinum in Linz.
' Siehe T. zum 2. April, 12. März, 27. Norember, 26. JSnner.
221
see zugeführt hat. Aller Wahrscheinlichkeit nach dürfte das
uralte Stift der heiligen Erintrud auf dem Nonnberge zu Salz-
bürg eine Colonie von Nonnen mit der Aebtissin Ata, Tochter
des Gh-afen Otaker I. von Grabenstatt im Chiemgau, an der
Spitze nach der Stiftung des Raschenberger's gesandt haben.
Wir schliessen dies aus dem Umstände, dass Graf Wilhalm
und sein Haus mit Salzbui^ mannigfache Beziehungen unter-
halten hat, sowie daraus, dass zur Zeit der Gründung von Traun^
kirchen ausser Frauen -Chiemsee kein anderes Benedictinen-
kloster in unseren Landen existirte. In dieser Annahme bestärkt
uns auch der Umstand, dass die Nonnen von Traunkirchen
zum St Erintrudkloster von alter Zeit her, wie dies T. nach-
weist, freundschaftlichen Verkehr unterhalten haben, während
mit Frauen-Chiemsee keine Beziehungen stattfanden.
Den historisch sicheren Boden, obwohl auch dieser ob
des Fehlens von urkundlichen Nachrichten noch manche Lücke
aufweist, betreten wir erst mit dem vorletzten Decennium des
Xn. Jahrhunderts, in welcher Zeit die Aebtissin Diemud dem
Kloster vorstand, eine fUr die Wohlfiethrt ihres Hauses eifrigst
sorgende Frau. Als um das Jahr 1181 der letzte Chiemgauer,
Herzog Otaker VI. von der Steiermark, begleitet von einem
zahlreichen Gefolge seiner Ministerialen, das Kloster besuchte,
v^gabte er als Landesherr über Bitten der Aebtissin Diemud
das Patronatsrecht über die weithin sich erstreckende Pfarre
Traunkirchen an das Kloster fbr ewige Zeiten. Zugleich be-
stimmte er, dass von dem Einkommen der Pfarre zwei oder
mehrere Priester daselbst unterhalten werden sollten, um sowohl
den seelsorgerlichen Pflichten zu obliegen, als auch f\lr sein
und seiner Vorfahren Seelenheil zu beten.^ Die Aebtissin hatte
bald neuerdings Ursache, vor dem Herzoge zu erscheinen. Seit-
dem die Chiemgauer in den Besitz des Comitates an der oberen
Traun, des heutigen Salzkammergutes, gekommen waren, hatten
sie die Schutzvogtei über Traunkircfien stets persönlich aus-
geübt Während der Minderjährigkeit Otakers VI. aber war
der Ministeriale Arnold von Wartenburg aus dem Hause Pol-
teim damit betraut worden. Dem Beispiele anderer Schutzvögte
folgend, bedrückte auch der Wartenburger das Kloster und
seine Holden sehr stark; wie aus der Urkunde erhellt, scheint
* Reg. Nr. 1.
222
er namentlich das von einem Ahnheirn des Herzogs dem Stifte
verliehene Privilegium der Immunität des Klosters wenig geachtet
zu haben. Um sich von diesem harten Drucke zu befreien,
wandte sich die Aebtissin an den Landesherm. Als Herzog
Otaker VI. zu Enns G-ericht hielt, erschien sie vor ihm, und
es gelang ihren flehentlichen Bitten, unterstützt von des Herzogs
Hofcaplan Eberhard, Gerechtigkeit zu finden. Arnold von
'Wartenburg wurde seiner Schutzvogtei entsetzt, und der Herzog
überliess dem Kloster die Güter zu Kematen, Roitham und
Tann, welche seine Vorfahren und er vom Kloster der Advocatie
wegen innegehabt hatten. Zugleich erweiterte das Privilegium
der Immunität der Stifter in so bedeutender Weise, dass das-
selbe die volle Freiheit vom Landgerichte, die todeswürdigen
Verbrechen ausgenommen, erhielt.^ Auf demselben Gerichts-
tage wurden auch die Ansprüche entschieden, welche die Ver-
wandten Konrads von Wol&ekke auf die Advocatie von Traun-
kirchen erhoben, indem vier hervorragende Dienstherren des
Herzogs: Gundaker von Steier, Otto von Volchensdorf, Herand
von Wildonie und Pillung von Kirchheim eidlich bekräftigten,
Markgraf Otaker V. habe Konrad von Wolfsekke die Schutz-
vogtei nicht als Lehen, sondern nur aus Gnade verliehen, wie
dies der Wolfsekke auf dem Todtenbette selbst bekannt habe.'
Von dieser Zeit ab blieben die Landesftlrsten stets die Schutz-
vögte des Klosters, nur Kaiser Friedrich IH. übertrug im
Jahre 1451 die Vogtei dem Grafen Johann von Schaunberg,
Landeshauptmann von Oberösterreich, und beauftragte ihn, das
Kloster in seinen Rechten und Freiheiten zu schirmen.'
Mit dem Aussterben des Hauses der Chiemgauer mit Herzog
Otaker VI. im Jahre 1192 ging die Schutzvogtei an deren
Erben, die Babenberger, über. Leider hat sich von diesen ritter-
lichen Fürsten keine Urkunde erhalten, obwohl nicht zu zweifeln
ist, dass sie dem Vertrage auf dem St Georgenberge bei Enna
gemäss dem Kloster seine Privilegien bestätigt haben werden.
» Regr. Nr. 2.
* Nur auf diese Weise dürfte sich der Schluss dieser Urkunde: ,Nam et ex
predictis qaatuor, scilicet Qundachar, Otto, Herrandns, Pillan^us sacra-
mento affirmauemnt, Chanradom de Wolaesekke eandem adaocatiam
non in beneficio sed ex ^ratia et permisstone Otachari marchionis habuisse,
quod et ipee in extremis confessns est', eiklftren lassen.
• Re^. Nr. 87.
223
Wie von diesen^ so haben sich auch von den Edlen und Mini-
sterialen von Oesterreich und Steier, denen der obenerwähnte
Vertrag das Recht einräumte^ wie an andere El()ster so nicht
minder an TraunkircheU; das in der Reihe der Stifte zuerst
genannt wird/ Vergabungen zu machen, nur sehr wenige
Documente erhalten. Und doch mussten im XTT. imd Xm. Jahr-
hundert viele Schenkungen an Traunkirchen von Seite der
Edlen, aus deren Kreise die Nonnen zumeist stammten, gemacht
worden sein. Es ergibt sich dies aus dem nicht unbedeutenden
QUterbesitz, welchen das Kloster dem ältesten Urbar, sowie den
dem Ende des XV. und dem Beginne des nächsten Jahrhunderts
entstammenden Lehenbüchem zufolge innehatte.'
Die Immunität, welche Traimkirchen seit den Tagen der
Otakere besass, war aber ftb* dasselbe eine stete Quelle des
Streites und der Beunruhigung. Die häufigen Verletzungen
dieses Rechtes durch die Landrichter des Ischllandes, deren
Sitz im XIV. Jahrhunderte die Feste Wildenstein bei Ischl
war,' nöthigten die Aebtissinnen nicht selten, bei dem Landes-
fürsten Schutz ihrer Rechte und Freiheiten zu suchen. Im
Jahre 1277 hatte König Rudolf I. von Habsburg zu Wien die
Privilegien des Klosters bestätigt,* und drei Jahre später, 1280,
sah sich die Aebtissin Gertrud lU. genöthigt, bei dem grossen
Qerichtstage, welchen der Landeshauptmann von Oberösterreich,
Markgraf Heinrich von Hohenberg, im Juli dieses Jahres zu
Linz abhielt, zu erscheinen und Klage zu führen wegen Ver-
letzung der Immunität ihres Klosters. In öffentUcher Sitzung,
umgeben von den ersten Dienstherren des Landes ob der Enns,
den Herren von Traun, Capellen, Losenstein, Volkensdorf u. a.,
entschied der Lan4pshauptmann, dass die Aebtissin von Traun-
kirchen ,de iure et de facto ius iudicandi seu iurisdictionem in
Omnibus curtibus necnon et hominibus monasterio suo pertinen-
tibus in cunctis causis ipsos contingentibus iudicio sanguinis
dumtaxat excepto' besitze.^ Trotz dieser Bestätigung, welche
^ Urknndenbuch des Landes ob der Eons 11, 399, Nr. 272.
* Urbar im Musealarchiv in Lins.
* Diese Bur^ erscheint urkundlich zuerst im Jahre 1354, bestand aber
jedenfalls schon vor dieser Zeit. Urknndenbuch des Landes ob der Enns
Vn, 234, Nr. 346.
* Beg. Nr. 9.
* Reg. Nr. 10.
■X*-
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/ ^^5-.-^ /'., t^^-^.w^ ■».•»#* U-maiti"l«l ITT«;! JtMinf TDÜHT, 1453,
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f- ^.. Ar,,.„,^,.A ^^'jUt, f.Vf/iMi d*:r GandaefekeT. dam Abbnidi
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*v'l'l,M i^uttU h^ift.uu AfliMlM.r, HiiUÄwicker ^nannt, Terrielitet wurde!
Im*. llih.^llMi |(nM«im iktiU uUiti UtinÜmmUi Taxe sn erlegen, die iwiadien
iUiiu h**i*u^Mmi HHUnmiti immI TrAunkIrchen getheilt wnrda
225
thAty erliessen 1335 die Herzoge Albrecht 11. und Otto von
Oesterreich einen strengen Befehl an denselben, das Kloster
femer nicht mehr zu beeinträchtigen.^ Dass auch in späterer
Zeit dieses Recht des Klosters missachtet wurde^ bezeugt das
Verbot des Herzogs Albrecht HI. vom Jahre 1385 an seinen
Amtmann Niklas den Höferlein zu Gmunden, dem Stifte den
ihm zukommenden Theil der Gerichtsgelder ohne Widerrede
auszuzahlen.' Vermutlich bewogen diese Streitigkeiten Aebtissin
und Capitel von Traunkirchen, sich mit einem jälirlichen Pauschal-
betrage Ton fünfzig Pfund Wiener Pfennigen aus dem Erträgnisse
des Gerichtes und Zolles zu Gmunden abzufinden. Es erhellt dies
aus dem Auftrage, welchen König Friedrich IV. in seinem und
semes Mttndels Ladislaus Namen im Jahre 1448 an den Amt-
m^mn zu Gmunden Wolf Freytag erliess, dem Kloster diese
Summe, welche durch einige Zeit demselben nicht ausgefolgt
worden war, nachdem die Aebtissin ihr Recht urkundlich
nachgewiesen habe, wieder auszuzahlen, und zwar zu jeder
Quatemberzeit zwölf Pfiind und vier Schillinge.'
Auch um ihr gutes Recht an dem Salzberge zu Hallstatt,
wie nicht minder an dem ,PiUndlein' zu Ischl hatten die Nonnen
zu kämpfen. Als die römische Königin Elisabeth, Witwe Al-
brechts I. von Habsburg, nach dem Tode ihres Gemahles den
Salzberg bei Hallstatt wieder zu bebauen begann und dadurch
die eigentliche Begründerin der Salzindustrie von Oberösterreich
wurde,* trat sie auch mit dem Kloster Traunkirchen wegen
des demselben gehörigen Antheiles an dem Hallberge in Unter-
handlung. Die Nonnen überliessen der grossen Königin gegen
eine jährliche Rente von hundert Pfunden, welche Summe
Herzog Friedrich der Schöne im Einverständnisse mit seiner
Matter Elisabeth um zehn Pfund jährlich erhöhte, alle ihre
Rechte an dem Salzberge und an dem ,Pftüidlein' zu Ischl.^
Obwohl König Friedrich im Jahre 1316 seinen Amtleuten zu
Hallstatt verboten hatte, von dem daselbst gewonnenen Salze
früher etwas zu verkaufen, bevor sie nicht den Nonnen von
* B«g. Nr. 20.
* B«g. Nr. 47.
» Reg. Nr. 79.
* Niberes in meiner Schrift ,KOnigin Elisabeth von GOrz-Tirol' 19 ff.
' Reg. Nr. 12, 13.
AreUr. Bd. LXXXU. 1. HUfla. 15
228
Traankircheii die jährikhe Rente aiu^efolgt hätten^ ^ so sahen
sich doch diese genötigt, Öfters den Landesfiirsten um seine
Intervention zu bitten, damit sie zu ihrem Rechte kämen. So
befahl Herzog Leopold IV. von Oesterreich im Jahre 1408
seinem Amtmanne Peter Freytag zu Gmonden, das auf das
Amt daselbst angewiesene Geld dem Kloster genau zu ent-
richten, welchen Befehl Herzog Ernst neuerdings einschärfte.'
Wie dieses Recht, so wurden dem Kloster auch die Mauthfreiheit,
das Jagd- und Fischereirecht auf dem Gmundner- und Hallstfttter-
See u. a. bestritten.'
Diese Bedr&ckungen und Kämpfe, welche das Kloster im
XIV. und XV. Jahrhunderte um sein gutes Recht zu erdulden
hatte, wurden aufgewogen durch die Huld und Gnade, welche
die Landesftb*sten demselben erwiesen. Obwohl die Nonnen
auf ihre Anrechte an den Salzberg Verzicht geleistet hatten, so
gestatteten doch wegen der grossen Not, in welche das Kloster
durch eine grosse Feuersbrunst gerathen war, die Herzoge Air
brecht H. und Otto von Oesterreich im Jahre 1335 den Nonnen
nicht blos die Wiederaufrichtung der Salzpfanne zu Ischl,
sondern auch die Bearbeitung des Salzberges zu Hallstatt auf
ihrem und dem landesftirstlichen Antheil.^ Doch scheint der
Ertrag des Salzsiedens fUr das Kloster nicht gross gewesen zu
sein, weil Herzog Albrecht V. im Jahre 1412 den Nonnen eine
Zeile Salz, gewöhnlich weil kirchlichen oder armen Personen
geschenkt ,Gt)ttzeiP genannt, zu dreissig Fuder, alljährlich von
dem Sudhause in Hallstatt zu reichen befahl,'' welche Gabe
König Friedrich in seinem und seines Mündels Ladislaus Namen
im Jahre 1449 verdoppelte.* Ueberhaupt bewies sich dieser
FUrst sehr gnädig gegen Traunkirchen. So gestattete er 1449
der Aebtissin Barbara den Ausschank von sieben ,Dreilingen^
Wein in dem Schankhause des Klosters, ohne das dafür zu be-
zahlende , Ungelt' entrichten zu dürfen.'' Im selben Jahre
verordnete er auch, dass die Nonnen bei Gelegenheit der Ver-
mählung einer österreichischen Prinzessin, zu deren Ausstattung
> Resr. Nr. 14. * Reg. Nr. 59, 60.
• Reg. Nr. 84, 38, 39.
« Reg. Nr. 21, 28, 23.
» Reg. Nr. 63, • Reg. Nr. 85.
* Reg. Nr. 81. Ein Dreiling Wein waren beil&nfig sw5lf Hectoliter, naeli
Melker und Seitenstettner Urbarien siebsehn Hektoliter.
227
alle Kirchen und Klöster der herzoglichen Lande stets nieht
onbedeutende Beiträge leisten mussten^ niemals mehr als achtzig
Golden zu geben hätten;^ auch erweiterte er 1459 dem Stifte
die Mauthfreiheit.'
Das Kloster bedurfte aber auch dieser landesherrlichen
Wohhhaten^ da es trotz seines nicht unbedeutenden Besitzes
doch stets mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte,
wozu Kriege und Elementarschäden wohl das Meiste beitrugen.
Schon bald nach dem Erlöschen des Hauses der Babenberger
hatten bairische Kriegsschaaren dem Kloster bedeutenden Schaden
zngeftlgt und seine Finanzen in Verwirrung gebracht^ Durch
die Kämpfe zwischen Albrecht I. und dem Erzbischofe von
Salzburg wurde es in seinen Besitzungen im Ennsthale und bei
ÄQssee nicht unbedeutend geschädigt. Auch der Kampf zwischen
Friedrich dem Schönen und Ludwig von Baiem zog es in
Mitleidenschaft; doch das schwerste Geschick hatte es durch eine
mftchtige Feuersbrunst zu erleiden. Dem gefrässigen Elemente
fielen die meisten Gebäude des Klosters zum Opfer. Auch alle
älteren Urkunden, wenige ausgenommen, wurden durch diese
Brunst, welche um 1326 aus unbekannter.Ursache ausbrach, ver-
nichtet.* Das BLloster, welches ohnedies durch die damals zwi-
schen Oesterreich und Baiem herrschenden Fehden in seinen
Finanzen stark geschädigt wurde, konnte sich nur schwer und
mtthsam von diesem gewaltigen S.chlage wieder erholen. Er-
möglicht wurde den Nonnen der Wiederaufbau durch das Ein-
greifen der weltlichen wie geistlichen Fürsten. Herzog Albrecht II.
und sein Bruder Herzog Otto gestatteten denselben den Wieder-
betrieb der Salzpfanne zu Ischl, Erzbischof Friedrich von Salz-
bni^ beauftragte 1327 aUe Geistlichen seiner Erzdiöcese, in
allen ihren Kirchen und Kapellen Almosen ftir das verarmte
Kloster zu sammeln,^ und der Diöcesanbischof von Traunkirchen,
» Beg. Nr. 82. » Reg. Nr. 92.
* Es erhellt dies aus Beg. Nr. 7.
* In der Urkonde, durch welche KOnig Friedrich 1448 die Aosfolgung
der fünlsig Pfund als die Hälfte des Erträgnisses des Stadtgerichtes und
der Zelle von Gmonden anbefahl, heisst es, dass die Aebtissin ihr Becht
auf diese Summe, ,wiewol die haubtbrieff .... in einer prunste desselben
gotz haoses vorlanngst entwicht und verlorn wem% bewiesen habe.
Reg. Nr. 7».
* Reg. Nr. 16.
15*
228
Albert von Passau^ incorporierte 1332 die Pfarre Traunkirchen
dem Kloster mit der Bedingung, dass der Rest des pfarriichen
Einkommens nach Abzug aller Verbindlichkeiten dem Kloster
zu verbleiben habe, welches aber aUjährlich den verarmten
Nonnen zur Besserung ihres Gewandes unbeschadet ihrer son-
stigen Bezüge ein halbes Pfund Wiener Münze reichen sollte.^
Wie langsam aber Traunkirchen von diesem grossen Unglücke
sich erholte, zeigen die Ablassbriefe mehrerer Bischöfe vom
Jahre 1341, welche allen Gläubigen, die zum Wiederaufbau des
zerstörten Klosters beitragen würden, die kirchlichen Gnaden-
schätze spendeten, welchem wohlthätigen Werke sich 1342 auch
der Bischof Godfried von Passau anschloss.'
Wie die Immunität und die meisten anderen Rechte und
Freiheiten des Klosters dasselbe in vieles Ungemach verwickel-
ten, so wurde auch das Patronatsrecht desselben über die Pfarre
Traunkirchen der Anlass zu manchen Streitigkeiten. Wie oben er-
wähnt wurde, hatte Herzog Otaker VI. von Steiermark dieses
Recht bei seiner Anwesenheit im Kloster um das Jahr 1181 an
dasselbe vergabt, weshalb von dieser Zeit ab die Aebtissinnen
dem Bischöfe von Passau den ernannten Pfarrer zur Bestätigung
präsentierten. Im Jahre 1242 verlieh die Aebtissin Elisabeth
die Pfarre dem Cleriker Heinrich Riffl, der sich aber nicht in
den Besitz derselben setzen konnte, weil mit Unterstützung
des Herzogs Friedrich IL von Oesterreich ein anderer Priester,
Godfried mit Namen, sich in gewaltthätiger Weise derselben be-
mächtigt hatte. Da RifH, entgegen den canonischen Gesetzen,
durch fUnf Jahre gegen den Eindringling nicht Protest erhob
und auch nach des Herzogs Friedrich H. 1246 erfolgtem Tode
die Pfarre nicht in Besitz nehmen wollte, überdies jede schieds-
richterliche Entscheidung ablehnte, so erklärte der Diöcesan-
bischof Rüdiger von Passau die Pfarre für erledigt, worauf sie die
Aebtissin Elisabeth über seine Empfehlung dem Priester Witigo
verlieh.' Nach der damals fast allgemein gepflegten Sitte nahmen
es manche Inhaber von kirchlichen Pfründen mit der durch die
Canones vorgeschriebenen Residenzhaltung in ihren Pfarreien
nicht zu genau. Nicht selten waren sie auch trotz des strengen
Verbotes der Pfründencumulation auf mehrere Pfarreien und
» Reg. Nr. 17. « Reg. Nr. 28, 29.
» Reg. Nr. 4.
229
Beneficien zugleich investiert, bezogen das Einkommen der-
selben, überliessen aber die gottesdiensüichen Verrichtungen
and p&rrlichen Geschäfte anderen von ihnen gemietheten Prie-
stern, die sie auch meistentheils nicht genügend entlohnten.
Auch einige Pfarrherren von Traunkirchen bezogen das reich-
liche Erträgniss dieser weitausgedehnten Pfarre/ hielten sich
aber selten in Traunkirchen auf und Hessen die ihnen zu-
kommenden Geschäfte nur durch zwei Priester verrichten.
Den Schaden davon hatte das Kloster sowohl in religiöser wie
in materieller Hinsicht. Nach den Verordnungen der Synoden*
mossten die Nonnen ihren Gottesdienst abgesondert von dem
der Laien halten, welcher aber der geringen Anzahl der Priester
wegen sehr eingeschränkt ward, weshalb die Aebtissin bittere
Klage beim Diöcesanbischofe über diese Vernachlässigung fUhrte.
Aber auch materiellen Schaden litt das Kloster dadurch; denn
es konnte bezüglich der Anniversarien seinen Verpflichtungen
nicht nachkommen und musste deshalb die in den Stiftungs-
documenten für die Nichtabhaltung der Jahrtage festgesetzte
Strafe zahlen. Diesen Uebelstand suchte der eifrige Bischof
Albert 11. von Passau dadurch zu heben, dass er im Jahre 1332
dem durch Feuer und Schwert ohnedies so schwer geschädigten
Kloster die Pfari'e incorporierte. ' Doch gerade diese Incor-
porirung war die Quelle neuer Streitigkeiten. Bischof Albert
hatte nämlich bestimmt, dass der Rest des Erträgnisses der
Pfarre nach Abzug der standesgemässen Bezahlung des Pfarr-
vicars und der Priester dem Kloster gehören sollte; aber
nur wenige Vicare kamen dieser Verpflichtung nach, obwohl
Papst Alexander V. dieselbe im Jahre 1409 bestätigt und mit
der genauen Durchßihrung derselben den Abt Hermann von
Kremsmünster betraut hatte, welcher auch 1410 dem Auftrage
nachgekommen war.* Sehr heftig entbrannte der Streit des-
halb zwischen der Aebtissin Barbara und dem ,ewigen* Vicare
der Pfarre Johann von Ebersdorf. Die Aebtissin rief die Hilfe
des LimdesfUrsten Herzogs Albrecht V. von Oesterreich wie die
y
^ Du Einl^mmen der Pfarre betrag mehr als handertewanzig Goldgulden
jährlich; siehe Beg. Nr. 71.
' Dieses alte Gesetz schärfte die DiOcesan • SyDode von Passau 1470
nenerdings ein.
• Reg. Nr. 17.
♦ Reg. Nr. 61, 62.
230
des Diöcesanbischofs Leonhard von Passau an. Der erstere
berief beide streitenden Parteien zu sich und entschied 1429
nach Anhörung derselben, dass der jeweilige Vicar von dem
Einkommen der Pfarre jährlich zweiunddreissig Pfund der
Aebtissin zu reichen habe/ welche Entscheidung sowohl Bischof
Leonhard' wie der gerade damals in Oesterreich als L^at
anwesende Cardinal Julian bestätigten.' Der Vicar ftlgte sich
diesem Urtheile wie nicht minder die Aebtissin, doch wandte
sich die Letztere, um jedem Streite künftighin auszuweichen,
zur Bestätigung dieser Entscheidung an den römischen Stuhl.
Papst Eugen IV. willfahrte auch dieser Bitte, bestätigte im
Jahre 1436 die herzogliche Entscheidung und beauftragte mit
deren Durchführung den Dompropst Paul von Passau, welcher
auch 1437 diesem päpstlichen Auftrage nachkam,^ Durch die
päpstliche Bestätigung der Entscheidung Herzogs Albrecht Y.
wurde der ärgerliche Streit zwischen dem Kloster und dem
Pfarrer zwar beendet, sowie auch dem Mangel an Priestern da-
durch abgeholfen wurde, dass denselben von Seite des Klosters
Naturalverpflegung gegeben wurde,» aber die Residenzpaicht
wurde auch jetzt nicht genau eingehalten, wobei die Pfarrer
freilich nur der damals fast allgemein üblichen Gewohnheit
folgten. So erscheint nach 1425 Theodorich Rudolfi von Hanunel-
bürg als Pfarrer von Traunkirchen. Derselbe war ein berühmter
Lehrer an der Hochschule zu Wien und bekleidete zugleich
ein Canonicat von Passau.^ Der Pfarrer Georg Hochenfelder
zu Schlüsselburg, welcher 1483 starb, lehrte canonisches Recht
an der erwähnten Universität und besass nebst der Pfarre
Traunkirchen noch die von Vöcklabruck, sowie er auch Domherr
zu Passau und Propst des CoUegiatstiftes Ardagger in Nieder-
östelreich war.''
> Reg. Nr. 67. » Reg. Nr. 68.
' Aus der päpstlichen Bulle Reg. Nr. 71.
* Reg. Nr. 71, 72.
'^ Im Urbare des Klosters wird die Naturalverpflegung des Pfarrvicars
und seiner Gesellen genau angegeben.
* Hejrenbacb*s Mannscript Nr. 8538. Rudolfi Hess auf seine Kosten von
einem Schreiber im herzoglichen Collegium der Universität zu Wieu die
Summa Pisana von dem Dominikaner Bartholomäus de s. Concordia
(gestorben 1345, 2. Juli) abschreiben und testierte sie der Bibliothek
von Traunkirchen.
' Siehe T. zum 18. August
L,
231
Was die inneren Verhältnisse des Klosters selbst an-
belangt, so stand an der Spitze des Klosters die Aebtissin.
Dieselbe wurde von den eigentlieben Nonnen — die Laien-
schwestem waren von der Wahl ansgesehlossen — frei gewählt
Zur Giltigkeit der Wahl waren nebst anderen eanonischen
Forderungen zwei Dritttheile der Stimmen der Wählenden flir
eine Aebtissin nothwendig. Das Wahlgeschäft leitete der vom
Bischöfe bestimmte Commissär, welcher ftlr Traunkirchen meist
der Abt des benachbarten Stiftes Lambach gewesen zu sein
scheint, nebst einem öffentlichen Notar. Dies erhellt aus einem
Schreiben, welches nach dem am 10. December 1463 erfolgten
Tode der Aebtissin Barbara Stadler an den Prälaten Thomas
von Lambach von der Dechantin Magdalena und dem ver-
waisten Convente von Traunkirchen mit der Bitte gerichtet
wurde, derselbe möge zur Wahl einer neuen ,Vorgeerin* alsbald
mit einem öffentlichen Notar erscheinen.^ Die Erwählte durfte
ihr Amt aber erst dann antreten, wenn sie vom Diöcesanbischofe
bestätigt worden war, sowie sie sich auch von da ab erst
,abbatis8a' nannte, bis zur Einlangung der bischöflichen Con-
iirmation hiess sie einfach ,electa'. Das Todtenbuch von Traun-
kirchen weist zwei Nonnen auf, Wilbirg und Katharina, welche
es als ,electa nostre congregationis' bezeichnet.* Mit der bischöf-
lichen Bestätigung übernahm die Aebtissin die innere Leitung
des Klosters wie die Vertretung desselben nach Aussen. Sie
erbat vom Landesflirsten die Bestätigung der Privilegien und
trat ftr deren Aufrechthaltung ein,' sie verlieh die vom Kloster
zu Lehen gehenden Güter* und flihrte die Rechtsgeschäfte des-
selben.* In ihren Händen liefen die Fäden der Verwaltung
zusammen, über welche sie genaue Rechnung zu führen hatte.
Dabei standen ihr zur Seite die Celleraria, welche sie aus den
N<mnen sich auslas,^ und der Official, ein Laie, welcher auch
~ •
' Keg. Nr. 96.
* Siebe T. sam 11. und 17. Juli.
* Reg. Nr. 10, 18, 31, 32, 34, 41, 42, 61, 66, 70, 86 u. m. «,
* Beg. Nr. 18, 31, 34, 41 u. m. a.
^ Reg. Nr. 3, 6, 11, 12, 13 n. m. a. «
* ,Celleraria* bedeutet nach dem OrdensgeBetse der Benedictiner nicht
Kellermeisterin, sondern jenes Ordensmitglied, welchem die Sorge für
das materielle Wohl der klösterlichen Gemeinde anvertraut war. In
weniger sahlreicben Klöstern oblagen ihr alle Geschifte der Ven^Vltnng
und Wirtschaft.
282
als Richter über die Streitsachen der Klosterbolden fungirte,
dieselben im Namen der Aebtissin entschied und auch die
nicht bedeutende Oekonomie des Stiftes tiberwachte, weshalb
er auch Officialis oder , Schaffer' genannt wurde. Derselbe
gehörte meist dem niederen Adel oder Bürgerstande an und
war Lehensmann des Klosters, von dem er auch seinen Unter-
halt bezog. ^
Behufs Einhebung der Giebigkeiten, welche die Erlöster-
unterthanen demselben zu leisten hatten, waren die unterthänigen
Gtlter in Aemter eingetheilt, welcher Gebrauch sich seit dem
Xn. Jahrhunderte bei allen Grundherrschaften findet. Wie fast
überall, so bildete auch bezüglich der Güter Traunkirchens die
topographische Lage den Eintheilungsgrund. Das öfter erwähnte
Urbar des Klosters weist folgende Aemter auf: ,ampt hie oben
pei Hiltprehtingen;' phenninchgelt auz dem ampt des Troun-
gewz;' das perchrecht zu Toeblinch;^ ampt datz Simich;^ zinz
von Truveia;^ amptel ze Chemnaten^ phenninchgelt; zinzze von
Jschel; zinzz ze Gmunden; dienst auz dem Ekstal; Olnsdorffer*
ampt; ampt daz Chenaten; Nusdorf,^ Enstal, Valspach^® (Lehen^.
Die Giebigkeiten waren entweder Naturalleistungen oder per-
sönliche. Die ersteren bestanden in der Reichung von be-
stimmten Quantitäten von Cerealien: Weizen, Roggen (Korn);
Haber, Gerste; Hülsenfiüchte, zumeist Linsen; Flachs (Haar,
Werg); Gemüse (Fassgemüse,^^ Krant^ Rüben); Mohn ;" Wachs
> Ren^. Nr. 64. Im Jahre 1267 erscheint ein Siegfried als Offlcial, das Ur-
bariam nennt einen Paal ron Traunkirchen als Schaffer; 1347 wird Otto
von Thalgan in dieser Eigenschaft erwähnt, 1405 erscheint Friedrich
der Pndminger ab ,Schaffer*; Reg. Nr. 67.
* Hiltprechting, Ritterlehen von Traunkirchen, ein ehemaliges Schloss in
der Pfarre Ohlstorf, jetzt zn Ebensweier gehörig.
* Tranngew, Tranngau bezeichnet im XIIL Jahrhunderte und spiter den
Winkel zwischen Traun und Donau. Stmadt, Peuerbach 65.
* D6bling in Nieder-Oesterreich.
* Simich.
* Tro£idach in der Steiermark.
* Kematen in der Pfiurre SchOrfling.
* Ohlstorf, selbststftndige Pfarre bei Gmunden.
* Nussdorf am Attersee, dessen Patronat zu Traunkirchen gehörte.
>• Fallsbach in der Pfarre Ounskirehen.
^^ Fassgemttse «vastmuis*, eingemachte Rfiben, besonders aber Sauerkraut.
^ Mohn, ,magnS sur Bereitung des Oeles sowie f&r Speisen verwandt; siehe
auch Stiftungsbuch von Zwettl in Fontes rer. Austr. II, S.
233
Käse; Eier; Schweine; Gänse; Hühner; Lämmer; die letzteren
in der Hand- und Zogrobot^ welch' letztere meist auf Zufahren
von Holz aus den Klosterwaldungen^ sowie des Weines aus
Niederösterreich beschränkt erscheinen. Dieser wurde auf der
Donau bis Linz gebracht^ von wo er durch bestimmte Holden
mit ihrem Gespanne^ bei welchem die Zahl der Pferde festgesetzt
war, abgeholt wurde. ^ Einige Holden durften nur bis Stadel
(bei Lambach) fahren, tun die bestimmte Quantität, meist ein
Fass, abzuholen oder die leeren ^Geschirre' wieder dorthin zu
fthren, andere bis Linz.« Die meisten Unterthanen hatten
auch einen Dienst an Geld, ,Phenniiichdienst^ zu leisten oder
dem Kloster ein Pferd zu stellen, sobald es gefordert wurde.'
Jedem Amte stand ein Amtmann vor, der ftür seine Mühe-
wahang den Nutzgenuss von Gilten und Grundstticken erhielt.^
Za diesen Natural- und Geldleistungen kamen die Gefälle der
Gnmdherrschaft; die Anlait und Ablait und das Besthaupt,
die Salzrente vom Hallberg, das halbe Erträgnis des Gerichtes
und Nachgerichtes, des Zolles und Zwickens zu Gmunden, die
nicht bedeutenden Einktlnfte der eigenen Klosterökonomie, die
Ausbeute von den Wäldern und der ,Vischwaide'. Da den
Nonnen der Fleischgenuss erst im XV. Jahrhunderte gestattet
wurde — eine Ausnahme bildeten die kranken und schwachen
Ordensleute — so forderte der Unterhalt eine bedeutende Menge
von Fischen, welche das Ergebniss der Fischerei in dem vor-
deren Offensee, dem aus demselben abfliessenden Weissenbach,
heute noch Frauen -Weissenbach genannt, der Traun, der Lang-
badi, dem Gmundnersee bis gegen Gmunden an beiden Ufern und
dem oberen Weissenbach waren. Reichte diese Ausbeute nicht
aus, so hatte die Aebtissin das Recht, so oft die Notwendigkeit
es erforderte, in der Ischl fischen zu lassen. Durch drei Stunden
^ So heifst es im Urbar: ,Dats Laising von vier gftten vier schaff habem,
swen Tot dreiszich gortz choms, vier swein, vnt suln zwelf schaf choms
fftren ouz dem Trovngew vnt ein vas weines von Lintze vnt vier lerev
vas hintz dem Stadel vnt acht hnener . . .'
' Der Holde seq Aiehaim hatte sn dienen: ,ein schaf habem, acht gortz
choms, ein swein, zwai hfiner, chom vfiren vnt wein vnt ein vas hintz
dem Stadel . . .*
* tDats Rohenstorff . . . leiht man uns ein pfert, swo wir hinwellen.' ,In
der Grueb leiht man uns aach ein pfert' Urbar L c.
^ Heg. Nr. 58. , Hansel der amptman anf dem Tranngew*; Stmadt, Pener-
bach 269 ff., schildert die Unterthanen Verhältnisse in gründlichster Weise.
W J»hm 'durften die Kloeterfischer ,Tnderm Laufea' ihrer Be-
«vhU^un^ Dmcbgeben, doch rnnssten sie ihre Netze und G«rftte,
idoii lewg', sa Laufen nni ein halbes Pfimd Pfennige Tertrinken,
welche von der Aebtissin am dieselbe Snmme auszulosen war.'
Die Patrimonial- Gerichtsbarkeit des Klosters wurde von
dorn Klosterrichter im Namen der Aebtissin geübt und erstreckte
■ich aber alle Streitsachen und Verbrechen, todeswftrdige aiu-
gcnomneo, der Eksterfaolden. Derselbe hielt auch ah Amtmaon
des Kkisten ,das ehaft täding* dreimal im Jahre ab, um die
BeaitaatreitigkMten der Hinteraaasen zn schlichten, die Rechte
des Klosters diesen zur Eenntnlss zu bringen und die Steuer
■u b^stimiuen.* Als gegen Ende des XV. Jahrhunderts das
r<'>mi^'lie Recht immer mehr Qeltnng sich verschafite, das iUr
itt« Holden ausser anderem auch in den , Sportein', dem Sdireib-
iyUl 0- s, w. sehr Mdbar wurde, trat an die Stelle des Kloster
»tu;:'a;uia«is ein gelehrter Richter, welcher ,Hofrichter' genannt
Wif» \U> Aebtissia das Kloster nach aussen hin veitrat
uii<.t vtio vWt^tv Venrahong führte, so leitete sie dasselbe
Mui'h itii l>iiiv4vn beaü^cfa des Ordenslebens. Sie nahm
im rht'io UvM erstvn Ptalx ein und führte den Vorsitz in den
\ (iia«mi(itiiiiji<'M \k>!; Oapitels. Ihr zur Seite stand die zweite
Viualolu.uH lUit KA<.ic!ie<js die Decanin, welcher die genaue Auf-
bikIiI uKt>i' die NouL-vQ oblag. Wie die Aebtissin so führte
Kui'li dua CH^iiivt s^tu eigipnes. in der Zelle der Decanin wohl
voiHMKrt"« SivfjW uud wvvn Documeote, welche eine grössere
Vi>iiliidi'i'iiitg im HiNMt^tande mit sich brachten,* die geistlichen
l'iniDiiloi'ttliitiuurkuuiWu* u.a. nor dann gUtig, wenn sie neben
(limi Hn^ol diT Ai'btisüiu auch das des Capitels trugen. Die
liociiiitii, in KUi!)tt>ru, in welchen sich eine zahlreichere Ge-
iiii-.iiiilit liiit'uu(), «tuuoist Priorissa, Priorin genannt, verwaltete
ilii> iIkiii Ciiiivonto i.'i^«ntUmltch gehßrigen Renten und Pfründen.
Mii ImliiiiiKih did Nikuuon von der Salzrentc des Hallberges
)it)iilliOi UM IMUud lYouuig«. welche unbeschadet der anderen
Hiftiiiu uut^r die Nonnen vertbeilte. Dieselbe
u Trauokirchen um 1600.
235
sandte einen besonderen Boten zur Abbolong des Geldes nach
HaUstatt^ weil der Urkunde gemäss der von der Aebtissin ge-
sandte Bote nicht berechtigt war^ dasselbe zugleich mit der
Hauptsumme von 20 7s Pfunden zu jeder Quatemberzeit in
Empfang zu nehmen. Auch musste die für den Convent be-
stimmte Summe von dem landesfürstlichen Beamten vor der
der Aebtissin eingehändigten Rente ausbezahlt werden.^ Dieses
Misstrauen der klösterlichen Gemeinde ihrer Vorsteherin gegen-
über war nicht ganz ungerechtfertigt und hatte seinen Qrund
in der Not^ welche die Aebtissin Elisabeth I. aus dem Hause
Polheim ihre SLlosterschwestern einst hatte leiden lassen. Die-
selbe hatte den Nonnen nicht nur ihren täglichen Unterhalt
sehr geschmälert^ sondern dieselben auch bezüglich der Klei-
dung Mangel leiden lassen. Allerdings war der schlechte Stand
der Klosterfinanzen infolge der Ejriege und Verwüstungen ,
welche nach dem Aussterben der Babenberger die Stiftsgüter
betroffen hatte, die Hauptursache; dass aber die schlechte Wirth-
schaft der Aebtissin, welche keine Rechnungen über das Ver-
mögen geführt zu haben scheint, nicht minder daran schuldig
war, erhellt aus dem darüber erhaltenen Documente ganz
deutKch. Die Decanin und das Capitel wandten sich deshalb
an ihren natürlichen Schutzherm, den Diöcesanbischof Otto
yon Passau, welcher 1262 die Aebte von Kremsmünster und Lam-
bach mit der genauen Untersuchung der finanziellen Verhält-
nisse von Traunkirchen beaufb*agte. Diese bestätigten, dass ver-
m^e der erwähnten Ursachen der Vermögensstand des Klosters
zwar ein sehr ungünstiger, aber kein hoffiiungsloser wäre, und
beantragten, dass die jeweilige Aebtissin von dem Erträgnisse der
Saline zu Ischl den Nonnen in jedem dritten Jahre 10 Vs Pfund
Zur Anschaffung von Pelzen, in jedem vierten Jahre aber
14 Pfund Pfennige zum Ankaufe von Fellen und Leder auszu-
zahlen hätte, unbeschadet des Rechtes der Nonnen auf jährlich
6ft Pfennige für jede Schwester zur Besorgung der ELleidung.
Bischof Otto bestätigte diese Anträge der Commissäre und ver-
ordnete überdies, dass die Aebtissin gehalten sei, jeder ihrer
EJosterschwestem zur Beschaffung des Oberkleides jährlich noch
50 Pfennige zu reichen. Um die Wiederkehr solch betrübender
Zustände im Kloster zu verhüten, bekräftigte er das darüber
^ Reg. Nr. 12.
'^•a u*3t ij*r
237
zurBesseruDg ihrer Pfründe erhalten soU.^ Ebenso machte IJlrich
von Tann im Jahre 1346 eine Vergabung an das Kloster zur
Besserung der Pfründe f&r die Nonne aus dem edlen Gkschleehte
der Messenpek.' Alle diese Schenkungen wie die frommen
Stiftungen von Anniversarien gehörten zur ,Obley' des Klosters,
der auch vom Stiftsgute selbst bestimmte Güter und Renten zu-
gewiesen waren, aus welchen die Verpflegung des Conventes
geschah.' Vorsteherin der Oblai war stets eine Nonne, nicht
selten die Decanin oder auch die Celleraria.
Wie T. in seinen Einzeiehnungen aufweist, gehörten wie
in so vielen Herren- und Frauenklöstern auch die Nonnen von
Traonkirchen im XIV. und dem nächstfolgenden Jahrhundert
dem Adel an. Wir finden die edlen Geschlechter: Aistersheim,
Panichner, Polheim, Chamer, Thalheim, Fattersheim, Volckens-
dorf, Erenfels, Teuffenbach, Panhalm, Hochenfeld, Husendorf,
Smmberg, Stadegg, Teufl, Katringer, Kirchberg, Ror, Messenpek,
Perkhaim, Mühlwanger, Mämingen, Schedling, Pehaim, Stainach
n. a., welche zumeist in Oberösterreich, Salzburg und Steier-
mark ihren Sitz hatten, auch in Traunkirchen unter den Nonnen
wieder; das büi^eriiche Element erscheint nur spärhch durch
die Namen Truent, Schlegl u. a. vertreten. Die Nonnen unter-
schieden sich in eigenüiche Nonnen, welche zum ganzen Chor-
gebete durch Ablegung der Professio solemnis verpflichtet waren
und daher ,moniales^ hiessen, und in Schwestern, denen die
Verrichtung der häuslichen Dienste oblag, nur zu gewissen
Gebeten verpflichtet waren und in T. als ,sorore8 n. c' auf-
scheinen.* Die letzteren durften aber nicht den von der
Aebtissin aus Anlass wichtiger Vorkommnisse zuweilen unter
ihrem Vorsitze zusammenberufenen Versammlungen, ,Capitula'
genannt, beiwohnen, wie sie auch des activen und passiven
Wahlrechtes nicht theilhaft waren. Ausser dem Chorgebete
und anderen religiösen Uebungen beschäftigten sich die Nonnen
mit Handarbeit und Unterricht der weiblichen Jugend; doch
* Reg. Nr. 27.
" Beg. Nr. 33.
' Kirchliche Topographie VUI, 346; Keiblinger, Geschichte von Melk I, 383.
Die Oblei von Traunkirchen wird 1431 arknndlich erwähnt Beg. Nr. 69.
* In einem einst der Bibliothek von Traunkirchen gehörigen Manuscripte
heisst es: ,damit bewar ewch all onserlieb geistleichen frawn und swestem
der allmechtig got*.
238
sebdnt die Sloslenchale xa Traimkirclieii niclit besonders zahl-
mch frequentiert worden zn sein and sich nnneist anf die Er-
ziehnng nnd Aosbildmig solche' Mldchen beschränkt zu haben,
welche später selbst den Schleier in Timonkirchen nahmen.
Die Anfrechthahong der kktaterlichen Ordnang und
I>isci|^ oUag vor allem der Aebtissin und ihrer Stelhrer-
treterin, der Decanin. Die Aebtissin oder in ihrer Abwesen-
heit die Decanin leitete das Chorgebet^ die religiösen Uebongen,
die Handarbeiten und den Unterricht. Wie in allen anderen
FraaenklOstem wurde auch in Traonkirchen das Chorgebet
in lateinischer Sprache gesangen oder redtiert, weshalb die
Nonnen sich zor Verrichtang desselben mehrerer Psalterien
bedienten, von denen eines, mit schönen Miniataren geschmückt,
sich noch in der BiUiothek des CSerical- Seminars za Linz er-
halten hat^ Da den Bestimmungen der Ordensregel und den
Satzungen vieler Synoden gemftss die Räume, in welchen die
Nonnen und Schwestern hausten, unter strenger dausur sich
befanden, so mussten sie ihre Beichte dem Confessarius durch
ein vergittertes Fenster ablegen und empfingen durch dasselbe
auch die heilige Conmiunion. Noch heute zeigt man in der
St Michaelskapelle zu Traunkirchen ein vergoldetes Gitter,
durch welches der Priester den Frauen den Leib des Herrn
reichte.* Bfit grosser Pracht wurde der Gottesdienst gefeiert
Die Aebtissin Barbara I. von Stadler 1429 — 1463,' eine der
thatkräftigsten Vorsteherinnen Traunkirchens, welche unter
vielen Kämpfen und Beschwerden die Rechte des Klosters
aufrecht hielt und dabei von geistlicher wie landesfbrstlicher
Seite grosse Untersttltzung fand,^ verpflichtete 1434 durch
einen Revers die Vicare von Goisem, Hallstatt, Aussee und
Ischl dreimal im Jahre, an den drei ,hochgeziten' des Jahres,
^ Nach gliti^r Bfittheilang des Herrn Bibliothekars. In dem yon Hejren-
bach erhaltenen Kataloge der Bibliothek von Traunkirchen finden rieh
mehrere Psalterien angefahrt.
* Kirchliche Topographie XIV, 77.
* Die Zahlen, welche die Amtsdaner einer Aebtissin angeben, rind nach
den vorhandenen Urkunden zusammengestellt Weil aber deren Zahl
eine sehr geringe ist, und anderseits die vorhandenen YeraeichniBse der
Aebtisrinnen sehr mangelhaft und willkürlich sind — selbst Bmschius
kann nur von 1600 ab als sichere Quelle gelten — so findet rieh manche
LOcke, die aussEufUllen mir unmöglich war.
* Siehe Beg. Nr. 67, 68, 70—74, 77, 78—87, 89, 92-94.
239
in Traonkirchen zu erscheinen und dem dortigen Pfarrvicar
Assistenz beim Gottesdienste zu leisten.^ Dass die Frauen von
Traunkirchen entgegen der kirchlichen Bestimmung leinemer
Kleider sich bedienten^^ sowie des Genusses von Fleischspeisen
sich enthielten, haben wir. früher schon erwähnt. Der Genuss
der letzteren Speisen begann erst im XV. Jahrhundet wie in
anderen Frauen- und Männerklöstem so nicht minder in Traun-
kirchen sich einzubürgern; um dann, von kirchUcher Seite ge-
stattet, allgemein üblich zu werden.^
Gemäss der Ordensregel legten die Nonnen von Traun-
kirchen die drei Gelübde des Ordens St. Benedict: ,stetigkait,
bekerong der syten und gehorsam V in feierlicher Weise ab;
Yom ersteren Votum, der ,stetigkait' (stabilitas loci), konnte
der Diöcesanbischof von Passau, welcher über alle Frauenklöster
seines Sprengeis die Oberaufsicht führte, Dispensation ertheilen.
So schrieb Bischof Ulrich m. von Passau im Jahre 1455 dem
Abte Andreas von Admont, dieser möge als Vorsteher des
Nonnenklosters zu Admont gestatten, dass die Nonne Barbara
Forster von Traunkirchen, deren Schwestern früher Nonnen
zu Traunkirchen, jetzt zu Admont sind, gleichfalls in dieses
Kloster aufgenommen würde.^ Abt Andreas gestattete den
Uebertritt, verweigerte aber später einem ähnlichen Ersuchen
der Aebtissin Barbara I. von Traunkirchen für zwei Nonnen
ihres Stiftes die Aufnahme, weil dieselben alt und deshalb zum
Chorgebete nicht mehr geeignet wären.^
Wie andere Frauen- und Herrenklöster, so scheint auch
Traunkirchen, wo im XII. und XÜI. Jahrhunderte das Ordens-
leben sehr geblüht hat und in der Reihe der Nonnen auch
eine Inclusa luuenta mit Namen aufscheint,^ im XIV. und
XV. Jahrhundert einen Rückgang erlitten zu haben. Ob die
vom Herzoge Albrecht V. in Verbindung mit den Concilien
^ Kirchliche Topographie a. a. O. 90.
' Im Franenkloster Admont wurde der Gebrauch derselben erst im XV. Jahr-
hundert gestattet. Wichner, Geschichte des Frauenklosters zu Admont in
Wissenschaftliche Studien und Mittheilungen aus dem Benedictiner- Orden,
n. Jahrgang 77.
' Siehe Näheres darflber in Keiblinger*s Geschichte von Melk I, 191ff. u. a.
* Beg. Nr. 90.
* Nach einem Concepte im Archiv zu Admont. (Gütige Mittheilung des
h. H. Archivars Jakob Wichner.)
' Siehe T. zum 28. September.
340
von Constanz und Basel eingesetzten Reformations-Commissionen,
welche in den österreichischen Klöstern Visitationen vorgenommen
haben y auch nach Traunkirchen gekommen sind^ entgeht uns;
doch deutet der Umstand^ dass in der Bibliothek des Klosters
sich ein Diumale findet^ in welchem das Chorgebet nach dem
Ritus des Klosters Sacrae Specus^ zum Kloster Subiaco gehörig,
aus welchem das Haupt der Reformatoren des Ordens^ der
spätere Abt Nicolaus Seyringer von Melk, nebst anderen vom
Herzoge nach Oesterreich berufen wurde/ sich angegeben
findet, darauf; dass auch Traunkirchen von den Reformatoren
besucht wurde, obwohl Bischof Leonhard von Passau das Be-
ginnen, weil vom LandesAlrsten ausgehend, zu vereiteln be-
müht war. Auch dass die Aebtissin Barbara I. eine deutsche
Regel St. Benedicts sammt ,der auslegung und expositzion'
schreiben liess,' spricht für die obige Annahme, zeigt aber
anderseits, dass wie in anderen Frauenklöstem so nicht minder
in Traunkirchen die Kenntniss der lateinischen Sprache sehr
in Abnahme gekommen war.
Neben der mehrmals erwähnten Aebtissin Barbara I.,
welche auch eine vortreffliche Verwaltung geführt zu haben
scheint, waren im XV. Jahrhunderte noch mit dem äbtlichen
Kreuze geschmückt Magdalena I. Kastner 1464 — 1497 und
Anna HI. von Panichner, welche letztere aber schon grössten-
theils dem folgenden Säculum angehört^ da sie von 1497 bis
1516 Ring und Stab von Traunkirchen führte. Von Magdalena
wird berichtet, dass sie vorzüglich das geistige Leben unter
ihren Nonnen zu fördern bemüht war und deshalb die Bibliothek
des Klosters vergrösserte,' sonst ist uns ausser einer Tausch-
handlung mit Wolf Mühlwanger zu Neitharting und einigen
Lehenbriefen nichts erhalten.^ Die Aebtissin Anna HI. aus
dem edlen Hause der Panichner zu Wolkersdorf, einem alten
Ministerialengeschlechte von St. Rudpert in Salzburg, wird als
eine Frau geschildert, welche Frömmigkeit mit Klugheit ver-
band. Mit Kaiser Maximilian I. schloss sie 1513 einen Tausch-
^ lieber diese Beformatioii sind Keiblinger, (beschichte yon Melk I, 482 ff.,
sowie meine Studien über das Wirken der Benedictiner in Oesterreich,
m. Heft, SSß, einzusehen.
* Heyrenbach^s Manuscript a. a. O. Nr. 8689.
' Heyrenbach a. a. O.
* Reg. Nr. 96— 100.
241
vertrag ab^ und erneuerte mit Mondsee die geistliehe Con-
föderation.'
Unter den Aebtissinnen des XVI. Jahrhunderts werden als
t&chtige Vorsteherinnen erwähnt: Margaretha IV. von Stainach
and Anna IV. von Rainer. Die Aebtissin Margaretha wurde
im Jahre 1522 erwählt^ nachdem sie ihren Vorgängerinnen
Magdalena I.^ Anna III. und Dorothea 11. als ,Schafferin^ in
der Verwaltung des Klosters durch dreissig Jahre treu zur
Seite gestanden war. Obwohl unter ihrem Rogimente die Ein-
künfte des Klosters durch Steuern und Darlehen^ sowie durch
die 1Ö26 über Befehl Königs Ferdinand I. stattgefundene
Einlieferung aller Kirchenschätze aus Edelmetall schwer ge-
schädigt wurden/ so wusste sie doch mit dem geschmälerten
Einkommen so trefflich hauszuhalten^ dass sie der Chronist
»Mater familias optima^ nennt.* Unter ihrer Nachfolgerin Bar-
hara 11. von BLirchberg, 1530—1534, wurde das Stiffcsgut durch
den vom Staate anbefohlenen Verkauf des vierten Theiles
des gesammten Klosterbesitzes, sowie durch die Veräusserung
mehrerer QiÜten an den Verweser des Salzamtes zu Aussee,
Christoph von Praunfalk, um die von den Ständen der Steier-
mark eingezogenen Güter der Filialkirche von Aussee an die-
selbe zurückzubringen/ neuerdings sehr geschwächt.
Noch mehr aber al& diese finanziellen Verluste schädigte
das Kloster das Eindringen der Lehren Luther's, infolge dessen
die Zahl der Nonnen immer mehr und mehr sich verringerte,
■0 dass im Jahre 1561 nur mehr die Aebtissin Anna IV. und
vier Frauen die Klosterräume innehatten. Es lässt sich nicht be-
stimmen, wann und durch wen der Protestantismus in Traun-
kirchen zuerst verbreitet wurde; der im dritten und vierten
Decennium des XVI. Jahrhunderts erfolgte Uebertritt des Adels
ond der Bilrgerschaft, sowie eines Grosstheiles des Welt- und
* Beg. Nr. 103.
* R«g. Nr. 102. Daas aber Traunkirchen früher schon mit den meisten
KlOstem von Gestenreich im Verhältnisse der ConfiSderation stand, leuchtet
au« T. hervor.
' Flacher, Geschichte von Klostemeabnrg I, 245; Gberleithner, Finanz-
und Kriegswesen unter KOnig Ferdinand I. im Archiv fKr Osterreichische
Geschichte, 22. Bd.; Stüta, Geschichte von St. Florian und Wilhering ti. A.
* Bruichius, Supplementum II, 126.
» Reg. Nr. 106.
Ardilr Bd.LXIXIT I. Hilft«. l«
242
Ordensclenis in Ober- und Niederösterreich wie in den anderen
Ländern der Habsburger konnte auch auf Traunkircben nicht ohne
Rückwirkung bleiben^ und dies um so weniger^ weil fast alle um
das EJoster angesessenen Edelgeschlechter sowie die Bürger
von Qmunden^ Ischl^ Laufen und anderen Ortschaften der
nächsten Umgebung der neuen Lehre huldigten.^ Dass am
diese Zeit auch schon das Kloster davon berührt worden war,
erhellt deutlich aus dem Umstände, dass mit der Aebtissin Barbara
die Einzeichnungon in das Todtenbuch ihr Ende erreichten, da
der Protestantismus die Gebete fUr die Verstorbenen als unnütz
erklärte. Anna IV. wurde im Jahre 1551 nach dem Hin-
scheiden der Aebtissin Euphemia U. von Losenstein 1544 — 15Ö1,
von welcher der Chronist berichtet, dass sie ,canum delicatorom
studiosior alumna quam pauperum^ gewesen wäre,^ zur Aebtissin
erhoben. Aus den Briefen des Humanisten Bruschius ist sie
als eine geistreiche, das Studium der Wissenschaft liebende
Frau bekannt.^ Der Visitationsbericht des Jahres 1561 be-
zeichnet sie und ihre vier Nonnen als eine Vorsteherin von
tadellosen Sitten und tüchtige Oekonomin, welche ihr Amt
,wie ainer abtessin gebuerdt' versehe. Auch das Chorgebet
wurde noch verrichtet; doch communicierten die Aebtissin und
ihre kleine Nonnenschaar ,sub utraque', sowie sie sieh auch
beim Unterrichte in der Mädchenschule Luther's kleinen Kate-
chismus bedienten.*
Anna IV. war die letzte Aebtissin von Traunkircben,
welche durch freie Wahl zu dieser Würde gelangte. Als sie
im Jahre 1566 starb, ernannte Kaiser Maximilian II. die Nonne
Magdalena Dietrichinger zur Vorsteherin des Klosters.^ Es
wäre aber auch sehr schwer gewesen, eine Wahl vorzunehmen,
da der ganze Convent damals nur aus zwei Capitularinnen,
Magdalena von Dietrichinger und Veronica Stoppt, bestand, von
welchen die letztere Nonne schon über ftlnfzig Jahre zählte.
^ Pritz, Geschichte von OberOsterreich II, 670 ff. und die historischen Dar-
stellungen der einzelnen Ortschaften, angezeigt in der Bibliographie von
Commenda.
* Bruschius a. a. O.
' Horawits a. a. O.
^ Aus dem Visitationsberichte vom Jahre 1661. (Kirchliche Topographie
XIV, 264 ff.) ,1m khloster wirdt ein khinderschuel von jungen niaidlen
gehalten, die haben ainen khlainen Catechismum Lutheri . . .'
^ Visitationsbericht vom Jahre 1666 a. a. O. 270.
243
Mit dem Tode dieser Schwester Veronica, 1571, erlosch der
Convent von Traunkirchen, weshalb auch der Elosterrath das
Stift als ein ^vacierendes' Kloster erklärte. Kaiser MaximiUan II.
überUess 1572 dem nieder- und oberösterreichischen Prälaten-
stande nebst den um diese Zeit auch schon leerstehenden
Frauenstiften Erla, St. Bernhard in Nieder- und SchUerbach in
Oberösterreich das Kloster Traunkirchen gegen ein Darlehen
von 20.000 Gulden.^ Auf Anordnimg des Kaisers wurde die
Aebtissin, weil ,gar ain ainfaltiges weib, so zu aller wirtschafft
und regierung gar khindisch', im Jahre 1573 abgesetzt und
der Abt Erhard von Kremsmünster ,im nahmen des löblichen
Prelatenstands' zum Administrator des ELlosters ernannt.^ Mit
der Absetzung der letzten Aebtissin Magdalena U., welche dann
ganz dem Protestantismus sich ergab imd deshalb durch mehrere
Jahre in Haft gehalten wurde^ endete nach fUnfhundertjährigem
Bestände das Benedictinenkloster Traunkirchen.^
^ Oberleitner, Die Finanzlage Niederösterreichs im XVI. Jahrhundert,
Archiv f&r Osterreichische Geschichte, 30. Bd., 17.
* Kirchliche Topographie XIY, 275. Die Ditrichinger waren ein bairisches
Adelsgeechlecht, Monomenta Boica U, 270.
* Administratoren von Traunkirchen waren : Erhard, Abt von Kremsmünster,
1673—1681; Jakob Gisl, Abt von Wilhering 1582—1586, welcher seinen
Capitularen Leonard Schussmann mit der Verwaltung betraute, ihn
aber wegen seiner Verbindung mit der abgesetzten Aebtissin Margaretha
1586 entfernte und ,gefXnglich' setzen liess, worauf der Capitular von
Kremsmünster Josef Pramer (Premer) mit der Verwaltung betraut wurde.
Als Premer 1588 die Administration des erledigten Cistercienser- Nonnen-
Stiftes Schlierbach übernehmen musste, wurde Andreas Mor, Prior zu
Kremsmünster, mit der Verwaltung Traunkirchens betraut. Durch einen
Beschluss des Prftlatenstandes sollte Traunkirchen eine Benedictinerabtei
werden, weshalb Andreas Mor zum Abte ernannt wurde 1589. Bfit seinem
1592 erfolgten Tode ging die Männerabtei zu Traunkirchen wieder ein,
und das Kloster wurde durch den Hofiichter Wolf Schadt administriert 1593 ;
im nächsten Jahre wurde die Administration an Josef Pramer wieder
Übergeben, welcher bis 1613 die Verwaltung führte. Nach seinem Tode
wiurde der ,£innehmeramts Gegenhandler' zu Gmunden, Daniel Ho^ändl,
mit der Administration betraut; 1614 wurde das Kloster dem Bischöfe
Khlesl von Wien geschenkt, 1620 räumte Erzherzog Leopold, Bischof
▼on Passan, Traunkirchen den Jesuiten ein, Papst Gregor XV. incor-
porierte es 1621 diesem Orden, 1624 bestätigte Kaiser Ferdinand II. die
Uebergabe des Klosters an das Collegium der Jesuiten zu Passau, in
deren Besitz es bis zur Aufhebung des Ordens 1773 blieb; von da ab
steht es unter kaiserlicher Verwaltung. Heyrenbach^s Bianuscript Nr. 7972
und Kirchliche Topographie XV, 274—289.
16*
244
Reihe der Aebtissinnen des Stiftes 0. 8. B.
za Trannklrchen.
Ata, um 1020.
Gertrud L, XI. Jahrh.
Margaretha L, XI. Jahrh
Gisula, XI. Jahrh.
Alheid, XI. Jahrh.
Gertrud 11., XI. Jahrh.
Tuta, Xn. Jahrh.
Judicta, XII. Jahrh.
Wilbirgis, xn. Jahrh.
Halka, Xu. Jahrh.
Katharina electa, XII. Jahrh.
Wilbirg electa, XII. Jahrh.
Dimudis, ca. 1180 bis nach
1191.
Eufemia I.
Elisabeth I. von Polheim,
1247 bis nach 1262.
Gertrud ITT. von Volkersdorf,
1280—1298.
Osanna, 1298-1306.
Kunigunde von Kirchberg,
1305—1325 (?).
Anna I. von Aystcrsheim, 1326
bis 1332.
Elisabeth II. von Polheim,
1332—1334.
Gertrud IV., 1334-1347.
Margaretha U., 1348 (?) bis
1369.
Anna 11. von Otsdorf, 1370
bis 1402.
Margaretha III. Mülwanger,
1402—1405.
Dorothea I. Katringer, 1405
bis 1420 (?).
Clara Vtzinger, 1420—1425.
Barbara I. Stadler, 1425 (?)
bis 1464.1
Magdalena Kastner, 1464 bis
1497.
Anna HI. Panichner, 1497 bis
1513.
Dorothea 11. Strasser, 1513
bis 1522.
MargarethalV. vonStainach,
1522—1534.
Barbara 11. von Kirchberg,
1530 bis 1534.
Helene von Dietricher, 1534
bis 1543.
Eufemia II. von Losenstein,
1543-1551. •
Anna IV. von Rainer, 1551 bis
1566.
Magdalena II. von Dietrichin-
ger, 1566 — 1573, abgesetzt,
gestorben nach 1592zuTraun-
kirchen.
1 Die in dem Breve Papst Pias II. d. a. 1462 (Reg. Nr. 94) angeföhrte
Aebtissin Agatha von Traunkirchen scheint ein Fehler des Schreibers zu
sein, da eine Aebtissin dieses Namens nicht nachweisbar und die damals
regierende Aebtissin Barbara erst, wie T. besagt, 1464 gestorben ist.
245
Urkunden und Begesten.
Nr. I.
1181 c Traonkirchen.
Otacher, Herzog der Steieimark, schenkt über Bitten der Aebtissin
Diemnd yon Traunkirchen ihi*em Kloster das Patronatsrecht über die
Pfarre Traunkirchen.
Urkundenbnch des Landes ob der Enns II, 373, Nr. 267.
Nr. n.
1191 nach dem 16. April. Enns.
Derselbe bestätigt dem Kloster Traunkirchen die demselben ,tnm
ex aactoritate priyilegii, quod illi contulit unus proaYorum meorum, Ota-
cher comes, tum ex dementia sequentium principum fnndatorum ipsius
eoenobii, qui etiam advocatiam propria tenebant mann' verliehene Vogt-
freiheit, gibt demselben die von seinen Vorfahren als Schutzvögten besesse-
nen Klostergüter zu Kematen, Boitham und Tann zurück und entfernt
den Ton ihm eingesetzten Vogt Arnold von Wartenburg, welcher das
Kloster sehr bedrückt hatte.
Urkundenbnch, 1. c. II, 427, Nr. 296.
Nr. DI.
1228. 8. 1.
Die Aebte Otto yon Lambach und Friedrich Yon Mondsee, sowie die
anderen Schiedsrichter entscheiden den Streit zwischen den Klöstern
Tnimkirchen und Michaelbeuem wegen eines Gutes zu Brising.
Filz, Qesohichte von Michaelbeaem 761, Nr. 15.
Nr. IV.
1247, 24. September. Passau.
Rüdiger, Bischof von Passau, beurkundet, dass die Aebtissin £(lisa-
beth) TOD Traunkirchen yermöge des ihrem Kloster zustehenden Patronats-
rechtes die Pfarre Traunkirchen, nachdem der früher von ihr ernannte Pfarrer
Heinrich Biffian der an ihn ergangenen Aufforderung, die Pfarre, aus deren
Besitz ihn durch Unterstützung Herzog Friedrichs II. von Oesterreich der
Priester Gottfried verdrängt habe, nach dem Tode dieses Fürsten wieder
246
JD Besitz zu nehmen, keine Folge gegeben hätte, dem Priester Witigo,
welchen er mit Zustimmung seines Domcapitels der Aebtissin empfohlen
habe, verliehen hätte.
Urkundenbach, 1. c. IV, 660, Nr. 11.
Nr.V.
1260 c.
Abt Ortolf von Garsten und die Aebtissin Elisabeth vonTraunkirchen
überlassen mit Zustimmung der beiderseitigen Capitel eine an der Krems
gelegene Au, welche beiden Klöstern eigentümlich ist, ihren Untertanen
daselbst.
Urkundenbach, 1. c m, 178, Nr. 176.
Nr. VI.
1867. 8.1.
Der Ministeriale Ulrich von Capellen beurkundet, dass er die durch
längere Zeit iwischen ihm und seinen Neffen einerseits und der Aebtissin
Klisabeth von Traunkirchen anderseits streitig gewesenen Güter zu
Loube gegen Zahlung von acht Pfund Wiener Münze der letzteren über-
lassen habe.
Mit ihm siegeln: Dom. Wocho, Dom. Gundaker von Storchenbeig,
Dom. Otto de Wol&ekke, Dom. Albero von Polhaim, Dom. Wichard von
Polhaim, Dom. Helwig von Werne, Gerung von Pusche, Liutold von
Kulsheim, Siffrid officialis noster, Ortolfus von Owe, Otto officialis de Tal,
Hei*andu8 von Hiltprechtinge, Liutold von Thalhoim, Dietmar von
HAoho u, V. a.
Original unbekannt, «bochriftlich in Heyrenbach*8 Manuscript in der
k. u. k. Hofbibliotbek in Wien, Nr. 8638.
Nr. Vn.
186V. ». l
Otto, Bischof von Passau, beurkundet, dass er zur Beilegung des
Zwiiito«, welcher iwischen der Aebtissin Elisabeth und ihrem Convente
»u Trauukiivheu wegen Schm&lemng der Präbende ausgebrochen war,
dlo Aobio von Ki^emsmünster und Lambach mit der genauen Untersuchung
dor VormOgtuiMYerhältuisse des Klosters, mit deren schlechtem Stande
infolito von Wrwüstuugen sich die Aebtissin entschuldigt habe, beauf-
trt^ri \\i\iUK l>i<^(io hAtteu nach genauer Untersuchung der Einkünfte des
KloHiortt boittitmut, da^s die Aebtissin von dem Ertrage der Saline zu
Ischl den Nouiieu in je<lem dritten Jahre zehn und ein halbes Pfund zur
Anschaffung von IVlien und in je^lom vierten Jahre vierzehn Pfunde zum
Ankaufe von Fellen lu reichen habe« unbeschadet des Rechtes der Nonnen
auf die LinnenkloiMMusr, lu deren Anschaffung jeder Nonne alle Jahre
247
sechzig Pfennige ausbezahlt werden sollten. Bischof Otto bestätigt diese
Beetimmnngen nnd verordnet, um die Wiederkehr dieser Zustande zu
verhüten, dass die hierüber ausgefertigte Urkunde ausser von ihm auch
noch von den beiden Aebten, der Aebtissin und dem Convente besiegelt
werden soll; überdies bestimmt er, dass jeder Nonne ausser den aufge-
führten Beträgen jährlich noch fünfzig Pfennige zu einem Oberkleide von
der Aebtissin ausbezahlt werden müssen.
Monamenta Boica XXIX, II, 190, Nr. 95.
Nr. Vm.
1276. 8.1.
Hadmar von Sunnenberg schenkt das ihm zugehörige Gut zu Fella-
brunn mit einem Talente jähi*lichen Einkommens und freier Vogtei an
das Kloster Traunkirchen.
Original anbekannt, aus Hejrenbach^s Manuscript, 1. c. Nr. 8538.
Nr. IX.
1277, 25. Juni. Wien.
König Rudolf bestätigt über Bitten der Aebtissin dem Kloster
Traunkirchen in der Diöcese Passau die demselben von Kaiser und Königen
des römischen Beiches, sowie von den Herzogen von Oesterreich und
Steiermark verliehenen Bechte und Freiheiten.
' UrkDndenbuch, 1. c. HI, 471, Nr. 510.
Nr. X.
1280, 15. Juli. Linz.
Der Landeshauptmann von Oberösterreich, Heinrich Markgraf von
Hochberg, bestätigt der Aebtissin Gertrude von Traunkirchen die volle
Jurisdiction über die Güter und Holden des Klosters, das Blutgericht
ausgenommen.
Uricondenbuch, 1. c. III, 520, Nr. 561.
Nr. XI.
1298. 8.1.
Konrad von Capelln und seine Gattin Minzla vergleichen sich mit
der Aebtissin Osanna von Traunkirchen wegen des Gutes von Peschingen.
Original unbekannt, abschriftlich im Aaszuge erhalten in He7renbach*s
Manuscript, 1. c. Nr. 8538.
Nr. Xn.
1306, 10. Februar. Traunkirchen.
Die Aebtissin Kunigunde von Traunkirchen beurkundet die zwischen
ihr und der römischen Königin Elisabeth und deren Sohne Herzog Rudolf
248
von Oesterreich getroffene Uebereinkunft, dass Ton den hundert Pfunden,
welche dem Kloster wegen Abtretung seiner Rechte an den Hallberg all-
jährlich ausbezahlt werden sollten, 28 Pfund unter die Conventschwestem
ausgetheilt werden sollten, ohne diesen in ihren anderweitigen Pfründen
Abbruch zu thun.
Urkondenbacb, l. c V, 138, Nr. 143 mit der fehlerhaften Datimng
1315, abschriftlich in Heyrenbach*s Manancript, L c Nr. 8538.
Nr. Xm.
1312, 10. Anglist Wien.
Die römische Königin Elisabeth und ihr Sohn Herzog Friedrich Ton
Oesterreich beurkunden, dass der Aebtissin und dem Gonvente zu Traun-
kirchen für die Abtretung ihrer Rechte an den Hallberg, an den dazu ge-
hörigen Foi'sten und an den Sieden zu Hallstatt, sowie wegen des Scha-
dens, den das dem Kloster gehörige ,phennlein in dem Tschenlandt' durch
das Sieden zu Hallstatt erleidet, alljährlich hundertzehn Pfund Wiener
Pfennige ausbezahlt werden sollten, von welcher Summe 28 Pfund dem
Convente zur Besserung der Pfründe gegeben werden sollten.
Urkundenbuch, 1. c. V, 80, Nr. 81.
Nr. XIV.
1316, 24. April. Neustadt.
Der römische König Friedlich verbietet seinen Amtleuten zu Hall-
statt, von dem ,hofsalcz* früher etwas zu verkaufen, bevor nicht der Aeb-
tissin und dem Convente zu Traunkirchen die von seiner Mutter, der
römischen Königin Elisabeth festgesetzte Ablösungssumme von himdert-
zehn Pfund Wiener Pfennige aus dem Amte zu Hallstatt ausbezahlt
worden wären.
Urkundenbach, 1. c. V, 157, Nr. 153.
Nr. XV.
1320, 8. l.
Hermannus Prisirinensis episcopus, Pataviensis suffi^aganeus con-
firmat, se ecclesiam B. Mariae Virginis in Hallstatt conseci-asse et eccle-
sias 8. Martini in Geusam et s. Nicolai in Tschl reconciliasse.
Original unbekannt, auszugsweise in Heyrenbach^s Manuscript, l. c.
Nr. 8538.
Nr. XVI.
1327, 8. 1.
Fridericus Salisburgensis archiepiscopus adhortatur omnes suae
provinciae clericos, ut eleemosynam in ecclesiis parochiaiibus et non paro-
249
chialibos ad restaurandum Traunkirchense monasterium igne consumptoin
colligani.
Original unbekannt, auszugsweise in Hejrenbach's Manuscript, 1. c.
Nr. 8538.
Nr. XVn.
1332, 13. Mftrz. Passau.
Bischof Albert von Passau incorporiert dem durch Feuer und Krieg
fast gänzlich verwüsteten Kloster Traunkirchen, sowie wegen des Scha-
dens, den die Nonnen durch die Nichteinhaltung der Residenz von Seite
der P&rrer von Traunkirchen erleiden, die Pfarre daselbst und bestimmt,
dass von dem Einkommen derselben nach Abzug aller Obliegenheiten den
Schwestern unbeschadet ihrer festgesetzten Bezöge alljährlich ein halbes
Pfiand Pfennige zur Besserung ihrer Gewandung gereicht werden soll.
Urkundenbuch, 1. c. VI, 55, Nr. 47.
Nr. XVm.
1332, 16. Juli. Traunkirchen.
Die Aebtissin Elsbeth und das Capitel von Traunkirchen geben ihre
Zustimmung zur Verpfandung mehrerer dem Kloster lehenbarer Güter
n Aich und Medelnbach durch Ludwig von Aich an seinen Bruder
Wemhart Ton Medelnbach.
Urkundenbuch, 1. c. VI, 68, Nr. 69.
Nr. XIX.
1334, 26. Juli. Traunkirchen.
Gertrudis, Aebtissin, Leucardis, Dechantin, und der Convent von
Traunkirchen schliessen mit dem Propste Heinrich, Friedrich dem Dechant
imd dem Capitel von St. Florian eine geistliche ConfÖderation pro vivis
et mortuis.
Urkundenbuch, 1. c VI, 131, Nr. 123.
Nr. XX.
1335, 6. Februar. Wien.
Die Herzoge Albrecht und Otto von Oesten'eich befehlen ihrem
Amtmanne zu Gmunden, ürban dem Gundachker, die geistlichen Frauen
zu Traunkirchen' in dem halben Nutzen von dem Gerichte und dem Nach-
gerichte, sowie von dem Zolle und dem Zwicken nicht zu beeinträchtigen.
Urkundenbuch, 1. c. VI, 146, Nr. 138.
Nr. XXI.
1335, 14. MIrs. Wien.
Herzog Albi-echt von Oesterreich gestattet der Aebtissin und dem
Coüvente zu Traunkircheu, die Salzpfanne im Ischllande in der ehe-
250
maligen Grösse wieder zu enichten und daselbst zu sieden, sowie die
Bebauung des Berges (Hallberg) an ibrem und des Herzogs Antheil.
Urkundenbocb, 1. c. VI, 160, Nr. 144.
Nr. XXn.
1335, 28. März. Stejr.
Herzog Otto von Oesterreich ertbeilt der Aebtissin und dem Oapitel
von Traunkircben dieselbe Erlaubniss.
Original unbekannt, ans Heyrenbach*s Manuscript, l. c. Nr. 8538.
Nr. XXin.
1335, 23. Mai. Wien.
Derselbe wiederholt die Erlaubniss zur Aufrichtung der Salzpfanne
im Ischllande,
Original unbekannt, aus Heyrenbach^s Manuscript, 1. c; gedruckt im
Urkundenbache, 1. c. 167, Nr. 160 mit der unrichtigen Datimng: ,Erchtag
nach dem anffartstage' (30. Mai), statt: ,Erchtag vor dem auffartstage*.
Nr. XXIV.
1336, 27. September. Enns.
Die Herzoge Albrecht und Otto von Oesterreich verbieten dem
Richter im Ischllande, die Klosterholden von Traunkircben mit höheren
als von altersher festgesetzten Strafgeldern zu belegen.
ürkundenbuch, 1. c. VI, 217, Nr. 211.
Nr. XXV.
1336, 29. September. Enns.
Dieselben untersagen ihren Mauthnern in Oesterreich, das Kloster
in der freien Zufuhr seiner Güter zu behelligen.
ürkundenbuch, 1. c. VI, 217, Nr. 212.
Nr. XXVI.
1340, 29. Juli. Ort am Traunsee.
Weikart von Winkel und die Brüder von Rauhenstein vergleichen
sich mit der Aebtissin Gertrud von Tr. wegen der Porste und der Fischerei.
Ich Weichart von Winchel und ich Alber von Rauchenstain und
mein bruder Heilneidt und all unser erben baidenthalben, die wir nu
habent oder noch gewinnen, veriehen und tuon chunt allen den, die disen
brief sehent oder horent lesen, die nu sint oder hernach chunftig wer-
dent, daz zwischen uns und der erbern frawen frawn Getraudten abb-
tessin ze Trawnkirchen und irem gotzhaus langer krieg gewesen ist umb
etleich vischwaidt und voerst, die bei irem gotzhaus gelegen sint; den-
251
selben krieg hat si an unser selben gewizzen und beschaidenheit genz-
leich an gefaer lassen. Nu haben wir angesehen unser selhail und
unsers herm dienst, der ime do erpotten wirdet tag und nacht, und haben
das gotzhaus chnnftiges und gegenwii-tiges krlegs überhebt und haben ir
ond irem gotzhaus mit all unser erben willen und wort geben von der
Atweng, also der Kirchperg leit, ze irem gotzhaus und all iren leuten,
die darumb gesezen sind und zue dem gotzhaus gepfarrt sint, allen iren
finmben damit ze schaffen mit widten, mit Zimmerholz, mit zaunholz ze
aller notturft an verchauffen allain; dann von dem Kirchperg unz in den
Sigerspach und von dem Sigerspach unz in die Langwat und immer mehr
hinein nach der Langwat unz hinz der Slrer dew yischwaidt halber Sunn-
stains halben, als die regenwasser sagen, ir und irem gotzhaus die vollst
all gleich halb ob der erdt und under der erdt mit allen fundten und
gmendten und mit allen den nuczon, die da sint oder immer mer da wer-
den mugen, es sei von reutten oder von ercz oder von welicherlei arbeit
noze do immer werden mugen, daz si und ir gotzhaus das nuzen und
messen sol nach aller irer notturft wie das genant sei. Es sullen auch
all ir armen lewt mit sambt irer in der lenng und in der weit der vor-
genanten vorst nemen wit, Zimmerholz, wes si beturfften ze all irer notturft
an ze verchauffen und sich davon ze nehren an alle irung und an alles
pft^gsal, wort und werk unser und aller unser erben und aller unser ambt-
lewt immer stet ewigleich an alle pruch. Wer auch das gethan, das ichtes
darin gearbait wurdt von reutten oder von wes ist, sein sei wenig oder
▼ill, es geschech von iren leuten oder von den unsern, so soll der dienst
Ton erst uf iedem guet gleich getailt werden, irrer halber und uns halber,
unz sein so vill wierdt, das es an den guetern getailt mag werden. Sie
soll auch die perg, als ver ir arm leut ir mad habent, und al die nuz, die
dazu gehorent, sonderbar haben, als sie es ehe an allen krieg ingehabt
hat. Sie soll uns auch ierleich vier Ischler fuederl salcz in der sulcz an
den Torst geben und sullen wir das wildpret mit ir tailen. Wir haben
auch einen krieg geendet, des zwischen ir und uns gewesen ist auf der
Haidt umb ein gros weit eigen, das wir also gescheiden haben, das si
balbs und wir halbs immer an allen ki'ieg haben sullen mit al den nuczen,
die darzue gehorent versucht und unversucht. Daz ir und dem gotzhaus
di red diser Wandlung und unser steten vcrainigung unverkert und un-
xerbrochen von uns und von all unsern erben, wie die genant sein, fuer-
bas immer verblib und ze einer vestigung und Sicherheit faer alle krieg
äer vorgeschi'iben Sachen, darüber geb wir ir disen offen brif ze einem
waren urchundt versigelt mit unser zwai anhangunden insigln; und ich
Herdtneidt von Bauchenstain verbindt mich der vorgeschriben Wandlung
252
aller under meins oheims insigl, des vorbenanten Weichart von Winchel,
und ander meins brneder insigl, des vorbenanten Albers von Bauchen-
stain, mit meinen gaetlichen willen und wort, wan ich kain aigens insigl
hab gehabt Der brief ist geben ze Ort^ do man zalt von Christi gebnrt
dreuzehen hundert iar darnach in dem virzigisten iar des sambstags nach
sant Jacobstag.
Original anbekannt, Vidimua auf Papier vom Jahre 1608 im Archir
des k. k. Blininteriams fOr Caltos und Unterricht in Wien.
Nr. XXVn.
1341, 24. Februar, s. 1.
Ulrich von Husendorf gibt ein Gut zu Kirchdorf zur Besserung
der Pfründe seiner Tochter Adelheid an die Oblei des Klosters Traun-
kirchen.
Urknndenbnch, 1. c. VI, 368, Nr. 364.
Nr. XXVm.
1341. 8.1.
Nerces Monasgardensis archiepiscopns, Benedictus Prisninensis,
Gracia Vulcinensis, Petras Montismarani, Matthaeus Organchensis, Sal-
manus Wormatiensis, Thomas Tinniensis, loannes Gapionensis, Bemar-
dus Ganensis et Petrus Calliensis episcopi concedunt omnibas Christi
fidelibus, qui ad reaedificandum monasterium Traankirchense igne con-
samptum manus porrigunt adiutrices, indulgentias plenarias.
Original unbekannt, auszugsweise in Heyrenbach's Manuscript, 1. c.
Nr. 8538.
Nr. XXIX.
1342. 8.1.
GodefriduB Pataviensis episcopus confirmat indulgentias ab epi-
scopis praenominatis monasterio Traunkirchensi concessas.
Orig^al unbekannt, auszugsweise in Hejrenbach^s Manuscript, L c.
Nr. 8538.
Nr. XXX.
1345. 8. 1.
Der Pfarrer Albert von St. Florian zu Gmunden vermacht dem
Kloster Tmonkirchen zwölf Schillinge und den Priestern daselbst ein
halbes Pfund Pfennige.
Urkundenbuch, 1. c. VI, 507, Nr. 602.
263
Nr. XXXI.
1347, 17. März. Traunkirchen.
Die Aebtissin Gei-tmde von Traunkirchen verleiht einen Hof zu
Wehling an Elsbeth, Ulrichs von Wasen Witwe, unter denselben Bedin-
gungen, wie dies früher die Aebtissinnen Osanna und Eunigunde ge-
than haben.
Urkandenbach, 1. c. VII, 8, Nr. 9.
Nr. XXXn.
1347, 8. Juni. SteTr.
Herzog Albrecht bestätigt dem Kloster Traunkirchen die ihm von
Herzog Otachar von Steiermark und König Budolf verliehenen, beziehungs-
weise bestätigten Bechte des Klosters bezüglich der Vogtfreiheit.
Urknndenbuch, 1. c. VU, 24, Nr. 25.
Nr. XXXm.
1349, 14. August 8. 1.
Ulrich von Tann vergabt sein Qut zu Roch an das Spital von
Gmunden mit der Verpflichtung, der Messenbechin, Hadmavs des Messen-
pech Schwester und Nonne zu Traunkirchen, jährlich bis zu ihrem Ab-
scheiden ein halbes Pfund Pfennige zu reichen.
Urkundenbuch, 1. c. VII, 122, Nr. 123.
Nr. XXXIV.
1351, 1. Mai. 8. 1.
Die Aebtissin Margreth und der Convent von Traunkirchen ver-
leihen Beicher dem Mühlwanger den dem Kloster lehenpflichtigen Hof
zu Almäning, wovon man dem Kloster alljährlich fünfunddreissig neue
Wiener Pfennige dient.
Urkundenbuch, 1. c. VII, 244, Nr. 239.
Nr. XXXV.
1356. 8.1.
Bernhard der Vrchauf und seine Söhne Winther und Gottfried
geben der Aebtissin Margreth von Traunkirchen gewisse Einkünfte zur
Stiftung eines CapeUans in der St. Johanns-Capelle.
Original unbekannt, aussugsweise in Hejrenbach's Manu8cript, 1. c
Nr. 8538.
Nr. XXXVI.
1867, 13. April. 8. 1.
Heinrich von Oven vei-pflichtet sich gegen die Aebtissin Margreth
von Traunkirchen, ihrem Kloster den Dienst von dem Erbrechte dreier
dem Kloster lehenbarer Güter zu Varstam getreu zu reichen.
Urkundenbuch, 1. c. VII, 497, Nr. 491.
254
Nr. XXXVn.
1358, 21. März. s. 1.
Simon von Roch verkauft zwei H6fe zu HeiTenroch, wovon einer
Lehen von Traunkirchen ist, an Hans den Mfilwanger.
Urkandenbnch, 1. c. Vn, 666, Nr. &66.
Nr. XXXVin.
1368, 20. Mai. WeUi.
Herzog Albrecht von OesteiTeich verbietet seinem Pfleger im Ischl-
lande, die Aebtissin von Traunkirchen' in ihren Rechten bezüglich der
Jagd, der Fischweide und des »vederspieP in den zum Kloster gehörigen
Wäldern und in dem Traunsee zu beirren.
Original anbekannt, abBchriftlich in Heyrenbach's Mannscript, 1. c
Nr. 8538.
Nr. XXXIX.
1359, 16. Jnli. Wien.
Heraog Rudolf von Oesterreich wiederholt das obenstehende Verbot
seines Vaters an den Pfleger im Ischllande.
Original unbekannt, abBchriftlich in Heyrenbach's Mannscript, 1. c.
Nr. 8538.
Nr. XL.
1359, 30. Angust. Traunkirchen.
Die Aebtissin Margareth von Traunkirchen belehnt den Mfilwanger
mit einem Hofe zu Herrenroch.
Orig. Pergament, Siegel fehlt, im Archive zu Ort am Traunsee.
Nr. XLL
1361, 27. Mai. Traunkirchen.
Dieselbe belehnt Otto von Steten mit der Hube zu Oberstetten, die
er satzweise innehat, gegen Reichung des gewöhnlichen Dienstes.
Urkundenbuch, 1. c. VIU, 21, Nr. 24.
XLH.
1363, 8. Juni. s. 1.
Heinrich der Hohenfelder verleiht mit Zustimmung der Aebtissin
Margareth von Traunkirchen an Wyelant das dem Kloster lehenbare Gut
in dem Hinterwinkel und eine Point dazu.
Urkundenbuch, 1. c. VIU, 140, Nr. 428.
Nr. XLm.
1865, 31. October. s. 1.
Die Aebtissin Margreth und der Gonvent von Traunkirchen be*
Urkunden, dass sie die halbe Mühle zu Gmunden bei dem Spitale von
255
Herward dem Mulwäoger erworben haben, und reversieren, dem Pfarrer
Ton Münster f&r den Jahrtag, den er alljährlich für Herward und seine
Vor&hren abhalten soll, ein halbes Pfund Pfennige und zwei Pfennige
reichen zu wollen.
Urknndenbuch, 1. c. VIU, 248, Nr. 247.
Nr. XUV.
1375, 24. November, s. 1.
Beicher der Mulwanger und seine Hausfrau Christina geloben, der
Aebtissin Anna und dem Convente Ton Traunkirchen für den ihnen zu
Lehen verliehenen Hof und ein Lehen zu Altmanning jährlich fünfzig
Pfennige, nnd von dem Gute in der Grub ein schönes Pferd, ,also man
ez gereyten mag nach ainem peychtiger oder in lantschran oder einer
äpptessine hincz der weych', dienen zu wollen,
ürkundenbuch, 1. c. Vni, 788, Nr. 752.
Nr. XLV.
ISSl, 21. April. 8. 1.
Jeuta, Albers des Chamerauer von Chamerek Hausfrau, Tochter
Dietrichs von Aistersheim, vergleicht sich mit der Aebtissin Anna und
dem Convente von Traunkirchen mehrerer Güter halben dahin, dass Jeuta
die vier Güter am Traunfeld, das Gut am Bache, Pfarre Lahkirchen ; das
Gut zuPenning, Pfarre Wimsbach ; das Gut zu Niedei-thalheim, den Hof
ZD Peisheim, eine Solde und zwei Güter zu Oedenfeld, Pfarre Olstoif,
Tom Kloster zum Leibgeding erhalten, der Aebtissin aber der Hof auf
der Erben, Pfarre Lahkirchen, und ein Gut zu Hiltprechting zufallen
sollten. Ihre Siegel haben zugehängt: Jeutas Gemahl und ihre nächsten
Freunde Heinrich senior und Heinrich junior von Aistersheim, Leutold
der Espein, Reinprecht von Walsee, Hauptmann ob der Enns, Weichard
Ton Polheim und der Bitter Hans Meyres.
Orig. Perg&ment, Siegel fehlen, Archiv zu Ort am Traunsee.
Nr. XL VI.
1384, 7. Jänner. Wien.
Herzog Albrecht von OesteiTeich verbietet Richter und Rath von
Gmunden, die Holden von Traunkirchen vor ihr Gericht zu ziehen.
Wir Albrecht von gots gnaden herczog ze Oesterreich, ze Steyr, ze
Keruden vnd ze Erayn, grafe ze Tyrol . . . embieten vnserm getrewen n.
dem richter und dem rat und den purgern gemainlich ze Gmunden, die
DT sind vnd hernach chünftig werdent, vnser gnad vnd alles gut. Yns
^X chnnt getan die erber geystlich frawe die aptessinn von Trawnkirchen,
du ir ir lewt in der stat ze Gmunden aufhabt und phrengt vmb sogetan
256
Sache ynd Wandlung, die vor der stat geschehent, ee ir vor der aptessinn
darumb ein recht von in souchet. Daramb so gebieten wir ew ernstlichen
vnd wellen, daz ir derselben aptessinne lewt wider die recht vnd hant-
feste, die ir gotzhaws von alter herpracht hat, in der stat nit phrenget
noch aufhabt vmb sogetan sachen, die in der stat nit geschehent, ee ir ein
recht von denselben lewten vor ir aptessinn od ir amptlewt souchet, ew
wurde denn von in ein recht vei*sagt, so wolten wir, daz ir ein recht dar-
umb lasset vbergen. Geben ze Wienn an nächsten phinztag vor dem
Prehemtag, LXXXmi «> .
Original anbekannt, Heyrenbach's Mannscript, 1. c. Nr. 8638.
Nr. XLVII.
1384 (?), 19. Min. Wien.
Derselbe befiehlt dem Amtmanne zu Gmunden, Niklas dem Hofer-
lein sowie dem Richter daselbst, dem Kloster Traunkirchen den ihm zu-
kommenden Theil der Gerichtsgelder zu Gmunden nach altem Herkommen
ohne Widerrede auszufolgen.
Ans dem Copialbache des Klosters im Archire sn Ort am Traansee.
Nr. XLVm.
l«lo4, S. 1.
Pilgrimus, archiepiscopns Salisburgensis, concedit ecclesiae St. Ni-
colai parochiali in Ischl ad monasterium Traunkirchense quoad patronatns
ius spectanti plenarias indulgentias per quadraginta dies.
Original unbekannt, aussngsweise in Heyrenbach^s Manuscript, 1. c.
Nr. 8538.
Nr. XLIX.
1385, s. 1.
Idem archiepiscopns impertitur ecclesiae B. Mariae Virginis in Hall-
statt indulgentias plenarias per quadraginta dies.
Original unbekannt, anssugs weise in Hejrenbach^s Manuscript, I. c.
Nr. 8538.
Nr. L.
1386, 31. Mira, s. 1.
»Choloman Mfllbanger, dje zeit ewiger vicari mein lebtag tzn Trmwn-
chirichen\ beurkundet, dass er mit Genehmigung seiner geistlichen
Oberen und mit Bewilligung der AebÜssin Anna und des Conventes von
Traunkirchen sich ,verlübt, veruangen vnd verpunden hat gen Fridrei-
eben den W^olfeawerS Agnes dessen Hansfran und die ganae »gemain der
Hällinger vnd purger iw AwsseeS eine ewige Messe an&urichtMi in
St. Pauls Gotteshanse zu Auasee auf dem Katharina-Altare, woOr ihm
l_
267
Ott der Allmär, selig, Agnes, desMon Haasfrau, gegeben haben zu seiner
Kirche zu Aussee zwanzig Pfund Wiener Pfennige auf folgenden Gütern:
einen Hof ,zu Tippscharn gelegen in dem Ennstal, duo bona alia ibi-
dem, ain swaig an der Marbicz, ein Gut dacz Seilich* und ein anderes Gut
daselbst, welche Güter in der Pfarre Gröbming liegen, ferner ein Gut auf
dem jZaysenperg' in der Pfarre Irdning, ein Gut zu Weissenbach in der
Hauserpfarre und eine Schwaige ,in der Ladez pey Wolkchenstain'. Jedes
Yersaumniss bezüglich der Messe soll mit einem Pfunde Wachs bestraft
werden; würden aber er oder seine Nachfolger die Verpflichtung nicht
beachten, so soll sie der Bischof Hanns von Schärffenberg oder seine
Nachfolger zu Passau, oder sein Dechant in ,der Lambacher Techney'
dazu nötigen und verhalten. Gesiegelt haben die Aebtissin Anna und
der Conyent von Traunkirchen und der Aussteller. Zeugen: Heinrich,
ewiger Vicar zu Kirchdorf und Dechant des Decanates Lambach; Gott-
fried, Pfarrer zu Hallstatt, und Ulreich von Reichenekk, Richter und Amt-
mann zu Aussee, welche auch ihi'e Siegel dem Briefe zuhängen.
Original nnbekannt, aoszngsweise in Heyrenbach's Manuscript, 1. c.
Nr. 8538.
Nr. LI.
1386, 1. Mai. 8. 1.
Die Aebtissin Anna von Traunkii'chen verleiht das Erbrecht auf
der Hube zu Fronperg, Pfarre Lahkirchen, gegen einen jähilichen Zins
von füuf Schillingen zwölf Pfennigen Alber dem Neumarkter, Bürger zu
Gmanden.
Orig. Pergament, Siegel fehlt, im Archive zn Ort am Traunsee.
Nr. LH.
1388, 18. September, b. L
Die Aebtissin Anna von Traunkirchen verleiht das Erbrecht des
Hofes ,auf der Ebn' Stephan dem Hausloden gegen ein Pfund Pfen-
nige an das Kloster und eines Huhns an den Vogt als jälirlichen Dienst.
Orig. Pergament, Siegel fehlt, im Archive zu Ort am Traunsee.
Nr. Lm.
1389, 80. November, s. L
Hanns von Paumgarten verkauft mit Zustimmung seiner Lehens-
berrin, der Aebtissin Anna von Traunkirchen, sein Gut zu Paumgarten
in der Pfarre Lahkirchen an Georg den Fröschlein. Gesiegelt hat die
Aebtissin Anna von Traunkirchen.
Orig. Pergament, Siegel fehlt, im Archive zu Ort am Trannsee.
ArehtT Bd. LXXXU. I. H&lfU. 17
258
Nr. LIV.
1398, 24. Apnl. s. 1.
Matthäus der Schuler verkauft alle seine Bechte auf das Gut
Wisperg in der Pfarre Eirchham an die Aebtissin Anna und ihr
Kloster zu Traunkirchen. Siegler: Chunrad der Steger, Pfleger auf dem
Gugelberg; Albrecht der Neumarkter und Christian der Fraunberger,
Bathsbürger zu Gmunden.
Orig. Pergament, Siegel fehlen, im Archive zu Ort am Traunsee.
Nr. LV.
1400, 18. Jänner, s. l.
Die Aebtissin Anna und der Convent von Traunkirchen vertauschen
ihr Gut ,auf dem Puchel' in der Pfarre Lahkirchen, gelegen zwischen
Moosham und Schachenhof, dem Abte Simon von Lambach gegen ein Gnt
auf dem Wysperg in der Pfarre Kirchham.
Orig. Pergament, 2 Hängesiegel, im Archive des Stiftes Lambach.
Nr. LVI.
1401, 2. Jnli. s. 1.
Die Kinder Chargleins von Layczing verkaufen Ulrich dem Czam
zu Kirchham ihr Erbrecht auf dem mittleren Gute zu Layczing, in der
Pfarre Kirchham gelegen, das vom Kloster Traunkirchen zu Lehen geht.
Gesiegelt haben: Wolfgang der Tewrbanger zu Chrotendorf und Hans
der Frein zu Perichtering.
Orig. Pergament, Siegel fehlen, im Mnsealarchive zu Linz.
Nr. LVII.
1405, 7. März. s. 1.
Katrein, Nyklein des Füchslein Witwe, und ihre Kinder verkaufen
der Aebtissin Dorothea von Traunkirchen die von ihrem Kloster zu Erb-
recht gehende Hube Paumgarten in der Pfane Lahkirchen.
Siegler: Erasem der Schönauer, Pfleger zu Ort; Friedrich der Pnd-
minger, Schaflfer zu Traunkirchen, Alber der Neumarkter, Baths-
bürger zu Gmunden.
Orig. Pergament, Siegel fehlen, im Archive zn Ort am Traunsee.
Nr. LVra.
1406, 25. Februar, s. 1.
Hansel Ledraer von Banhenstorf verkauft an die Aebtissin Doro-
thea von Traunkirchen sein von ihrem Kloster herstammendes Erbrecht
auf dem Gute Paumgarten zu Bahenstorf in der PfaiTe Lahkirchen.
259
Zeugen: Leutl der Staufinascher, Stephan der Amtmann am Haus-
rak, Bernhard der Amtmann in Oedenfeld und Hansel der Amtmann auf
dem Traengan. Gesiegelt hahen: Friedrich der Pudminger und Pablein
der Ghatringer.
Oiig. Pergament, Siegel abgefallen, im Archive zu Ort am Traunsee.
Nr. LIX.
1408, 26. Jänner. Wien.
Leopold, Herzog von Oesterreich, gebietet Peter dem Freitag, seinem
Amtmann zu Gmunden, den Nonnen zu Traunkirchen die auf die Aemter
zu Gmunden angewiesene Rente ihren Privilegien gemäss auszurichten.
Original unbekannt, aus dem Copialbuche von Traunkirchen im Archive
in Ort am Trannsee.
Nr. LX.
1408, 28. Jänner. Wien.
Ernst, Herzog von Oesterreich, erlässt an den Amtmann Peter den
Freitag zu Gmunden einen gleichlautenden Befehl.
Original unbekannt, aus dem Copialbuche von Traunkirchen im Archive
zu Ort am Traunsee.
Nr. LXI.
1409, 18. December.
Papst Alexander Y. bestätigt die Incorporierung der Pfarre Traun-
kirchen an das dortige Nonnenstift.
Original unbekannt, aus HeTrenbach's Manuscript, 1. c. Nr. 8538.
Nr. LXn.
UIO, 29. April. 8. 1.
Abt Hermann von Eremsmünster beurkundet, dass er über päpst-
lichen Auftrag dem Kloster Traunkirchen die dortige Pfarre Incorpo-
riert habe.
Original unbekannt, aus Heyrenbach^s Manuscript, 1. c Nr. 8638.
Nr. LXm.
1412, 23. Mars. Wien.
Herzog Albrecht von Oesterreich bewilligt dem Kloster Traun-
kirehen zur Notdurft ihres Gotteshauses alljährlich ,ain gotzzeil dürres
salcz, das da bringet dreissig fuder salcz', von dem Sieden zu Hallstatt
und beauftragt Stephan den Krafften, seinen Pfleger im Ischlland, diese
Gabe alljährlich dem Kloster zu reichen.
Original unbekannt, aus Hejrenbach's Manuscript, 1. c. Nr. 8638.
17*
260
Nr. LXIV.
1421, 24. December. s. 1.
Die Aebtissin Clara von Traunkirchen bittet Beinprecht von
Walsee, Hauptmann ob der Enns, ihrem Kloster an Stelle des kranken
und gebrechlichen Stephan des Pimbaumer seinen Diener Wolf den
Teurwanger als Schaffer des Klosters zu geben.
Orig. Papier, Siegel aufgedruckt, Landesarchiv von NiederOsterreick.
Nr. LXV.
1424, 24. August s. 1.
Dieselbe belehnt Erhart den Auringer mit dem ihrem Kloster
lehenbaren Gute Förstern in der Lahkirchner Pfarre gegen Reichnng
des gewöhnlichen Dienstes.
Orig. Pergament, Hängesiegel, im Musealarchive zu Linz.
Nr. LXVL
1429, 19. August Traunkirchen.
Die Aebtissin Barbara von Traunkirchen yerkauft das Erbrecht des
ihi'em Kloster lehenbaren Hofes zu Amanting in der PfaiTe Gaspolts-
hofen an Stephan dem Mail' zu Amanting.
Orig. Pergament, Hängesiegel, im Musealarchive zu Linz.
Nr. LXVII.
1429, 1. October. s. 1.
Herzog Albrecht von Oesterreich entscheidet als erwählter Schieds-
richter den Streit zwischen der Aebtissin Barbara von Traunkirchen und
dem Pfarrer dortselbst wegen des Einkommens der Pfarre Traunkirchen
nach Abhörung beider Parteien dahin, dass der PfaiTer Johann von
Ebersdorf und seine Nachfolger der Aebtissin und dem Kloster alle Jahre
zweiunddreissig Pfund Wiener Pfennige von dem Einkommen der Pfarre
abzugeben habe.
Original unbekannt, aus Heyrenbach*8 Manuscript, 1. c. Nr. 8538.
Nr. LXVin.
1430, 12. Juli Passau.
Leonai'd, Bischof von Passau, bestätigt über Bitten der Aebtissin
Barbara von Traunkirchen als Diöcesanbischof ihrem Kloster die Urkun-
den und Documente, durch welche die Bischöfe Albrecht und Godfrid,
seine Vorfahren auf dem Stuhle zu Passau, mit Zustimmung des Dom-
capitels die Pfarre Traunkirchen, deren Patronat dem Kloster seit alter
261
Zeit zu eigen ist, demselben incorporieren, beziehungsweise die Incorpo-
ration bestätigen, und incorporiert die Pfarre neuerdings dem Kloster für
ewige Zeiten.
Original unbekannt, kirchliche Topographie XIV, 301, A.
Nr. LXIX.
1431, 21. September. Traunkirchen.
Die Aebtissin Barbara von Traunkirchen beurkundet, dass sie das
Gut ,am Lehens ^ der Pfarre Grieskirchen und im Landgerichte Starhem-
berg gelegen, von Hanns dem Lehner aus eigenem Vermögen erkauft und
gegen Abhaltung eines Jahrtages für sich und ihre Vorgängerinnen,
Aebtissinnen zu Traunkirchen, in die Oblei des Klosters gegeben habe.
Orig. Pergament, Hftngesiegel fehlt, im Musealarchive zu Linz.
Nr. LXX.
1434, 30. Norember. Pressburg.
Kaiser Siegmund bestätigt über Bitten der Aebtissin Barbara von
Traunkirchen die Rechte und Freiheiten, welche die Könige Rudolf und
Friedrich, die Königin Elisabeth, sowie die Herzoge Otaker von. Steier-
mark, Rudolf und Otto von Oesterreich dem Kloster verliehen haben.
Orig. Pergament, Siegel fehlt, im Archive zn Ort am Traunsee.
Nr. LXXI.
1436, 24. April. Bologna.
Papst Eugen IV. beauftiagt den Dompropst von Passau mit der
Entscheidung des Streites zwischen der Aebtissin und dem Pfarrer Johann
von Ebersdorf zu Traunkirchen.
Eugenius episcopus, servus servorum dei dilecto filio . . . preposito
ecdesie Pataviensis salutem et apostolicam benedictionem. Apostolice
Qobis desuper iniuncte servitutis officio mentem nostram excitat et in-
dodt, ut circa ea, que pro religionis propagatione ac divini cultus aug-
mento profutura conspicimus, operosis iugiter studiis intendamus ac illis,
que propterea salubriter processisse comperimus, ut illibata persistant,
libenter, cum a nobis petitur, apostolici volumus adiici muniminis firmi-
tatem. Sane pro parte dilectai'um in Christo filiarum abbatisse et con-
Tentos monasterii Trawnkirchen, ordinis sancti Benedicti Pataviensis
diocesis, nobis nuper exhibita petitio continebat, quod alias inter ipsas
et dilectum filium lohannem de Ebersdorff, perpetuum vicarium parochia-
lis ecclesie in Trawnkirchen dicte diocesis, que dicto monasterio in per-
petoum canonice unita, annexa et incorporata existet, super pensione
quam abbatissa et conventus predicti ex fructibus, redditibus et proven-
262
tibus eiusdem ecclesie occasione unionis, incorporationis et annexionis
predictamm annuatim percipere et habere deberent, materia questionis
exorta, tandem pai'tes ipse super bis in dilectum filinm nobilem Tirum
Albertam dacem Austrie sub certis modo et forma promisenint, ipseqae
dux bniusmodi compromisso in se sponte suscepto per soam arbitralem
sententiam pronunciaYit, quod prefatus lobannes, quamdiu prefate ecclesie
vicarius existeret, abbatisse et conventui predictis triginta dnarmn libra-
mm denariorom monete Wiennensis summam in certis ad hoc statutis
et prefixis terminis dai*e et assignare deberet, coi quidem sententie sm
pronontiationi dictus lobannes acquieyit ac etiam expresse emologayit,
et deinde veneralibis frater noster Leonardns episcopns Pataviensis ac
successive dilectns filius noster lulianns tit. sancte Sabine presbyter car-
dinalis, tunc in partibus illis apostolice sedis legatus, sententiam et
pronuntiationes predictas ordinaria et legationis auctoritate confirmarunt
et approbamnt prent in litteris anthenticis desuper confectis ipsorum car-
dinalis, episcopi et dncis sigillis munitis dicitur plenius contineri. Quare
pro parte abbatisse et conventus predictorum asserentinm, quod perpetuns
vicarius, plebanus sive rector nuncupatus dicte ecclesie ex illius fructi-
bnSy redditibus et provontibus ultra prefatam summam etiam ingnien-
tibus dicte ecclesie dednctis oneribus centum et quadraginta florenos aari
de Camera percipit annuatim, nobis fuit bumiliter supplicatum, ut sen-
tentie pronuntiationi, approbationibus et confirmationibus predictis pro-
firmiori illarum subsistentia, robur apostolice confirmationis adiicere et
alias super bis opportune providere de benignitate apostolica dignaremur.
Nos igitur, qui de premissis certam notitiam non babemus, bniusmodi
supplicationibus inclinati discretioni tue per apostolica scripta mandamus,
quatenus super premissis omnibus et singulis eorumque circumstantüs
universis auctoritate nostra te diligenter informes et, si per infoimatio-
nem eandem tibi de sententie pronuntiatione, approbationibus et confir-
mationibus necnon aliis premissis legitime constiterit, tu illa ac que-
cunque inde secuta eadem auctoritate approbes et confirmes supplendo
omnes defectus, si qui forsan inteiTenerint in eisdem, et quod nichi-
lominus deinceps perpetuns ipsius ecclesie pro tempore yicaiius, plebanus
sive rector nuncupatus abbatisse et conventui predictis i-atione eiusdem
ecclesie summam triginta duarum librarum monete bniusmodi annis sin-
gulis perpetuis futuris temporibus in premissis terminis dare et assignare
debeat et teneatur, eadem auctoritate decernas ac alios facies ordines,
disponas et exequaris omnia et singula, que in premissis ac circa ea
necessaria fuerint seu etiam quomodolibet oportuna, non obstantibus Con-
stitution ibus et ordinationibuB apostolicis ac monasterii et ordinis predic-
263
tonim iuramento confirmatione apostolica yel quavis firmitate alia robo-
ratis statutis et consuetudinibus ceterisque contrariis quibuscunque.
Datum Bononie anno incarnationis dominice millesimo quadringentesimo
tricesimo sexto octayo Ealend. Mali pontificatus nostri anno sexto.
Orig^inal unbekannt, ans der notariellen Beglaubigungsurkunde ab-
schriftlich in Heyrenbach's Mannscript, 1. c. Nr. 8538.
Nr. LXXn.
1437, 21. JnnL Passau.
Panlns, Dompropst von Passan, beurkundet, dass er die Bulle
Engen IV. mit ,bulla plumbea cum cordula canapis more Bomane curie
impendente' unverletzt und ganz durch den Magister Leonhard Asch-
peck, Priester der Diöcese Passau und Procurator der Aebtissin Barbara
und ihres Oonventes von Traunkirchen, in Gegenwart des öffentlichen
Notars und der untengenannten Zeugen erhalten und, nachdem der Ver-
treter der Gegenpartei Dr. Silvester, Decan von Passau, gegen die Publi-
cierong des päpstlichen Auftiages keine Einwendung erhob, er denselben
pnbliciert habe, und bestimmt kraft päpstlicher Autorität, dass der je-
weilige Rector oder Pleban von Traunkirchen der Aebtissin und ihrem
Convente jährlich zweiunddreissig Pfund Pfennige Wiener Münze, und
zwar zu jeder Quatember acht Pfund, reichen soll.
Zeugen: Rudbert Vberegker, Canonicus von Passau; Jacobus We-
Djnger, Priester und Oblaiarius des Domcapitels von Passau, und Johann
Arb, Cleriker von Freising. Den ganzen Act bestätigt der öffentliche
kaiserliche Notar Jakob Widerl, Cleriker von Salzburg.
Original unbekannt, abschriftlich in Heyrenbach's Manuscript, 1. c.
Nr. 8538.
Nr. LXXra.
1437, 17. December. Passau.
Leonhard, Bischof von Passau, bestätigt über Bitten der Aebtissin
Barbara von Traunkirchen die von dem Dompropste Paul zu Passau
krafts päpstlicher Autorität gefällte Entscheidung des Streites der Aebtis-
sin mit dem Pfarrer von Traunkirchen.
Orig. Pergament, Siegel fehlt, im Musealarchive zu Linz.
Nr. LXXIV.
1441, 30. November. Traunkirchen.
Die Aebtissin Barbara von Traunkirchen verleiht Wolf Freitag die
ihrem Kloster lehnbare Feste Waldbach sammt den drei dazu gehörigen
Hoben.
Copialbuch von Traunkirchen, im Musealarchive zu Linz.
264
Nr. LXXV.
1444, 15. Aogiut. Traunkirchen.
Dieselbe präsentiert dem Bischof Leonhard Yon Passau den Jakob
Ebser, »decretorum doctor' und Bector der Pfarrkirche zu Pels in der
Salzburger Diöcese, als Pfarrer von Traunkirchen, nachdem derselbe seine
Pfarre an den bisherigen Pfarrer von Traunkirchen Rudbert Vberagger,
Canonicus von Passau, vertauscht hat.
Orig. Pergament, Siegel fehlt, im Mosealarchive zu Linz.
Nr. LXXVI.
1445, 30. Blftra. Traunkirchen.
Dieselbe verleiht Hanns, Caspar und Paul, Söhnen Niklas des
Hilprechtinger, den Sitz Hilprechting mit einem Hofe dortselbst, welcher
von ihrem Kloster zu Lehen geht.
Copialbnch,' 1. c.
Nr. LXXVII.
1447, 15. Juli. St. Georgenberg bei Passan.
Bischof Leonhard von Passau verleiht der Aebtissin Barbara von
Traunkirchen und dem Eundrat Hawsner, Canonicus von Passau und
Pfarrer zu Taufkirchen an der Tratnach, die Zehente von Neugereuten
auf den Gründen des Klosters in der Pfarre Taufkirchen zu gleichen
Theilen.
Original unbekannt, auszugsweise in Heyrenbach^s Manuscript, 1. c
Nr. 8538.
Nr. LXXVm.
1448, 15. December. Neustadt.
König Friedrich beauftragt über Bitten der Aebtissin Barbara von
Traunkii*chen in seinem und seines Mündels Namen den Hauptmann
des Landes ob der Enns, Beinprecht von Walsee, und Wolf den Freitag,
Pfleger zu Wildenstein und Amtmann zu Gmunden, das Kloster bei dem
Rechte zu schützen, dass es, ,so die pharrkierchen daselbs ze Trawn-
kirchen der ebbtissin und dem convent daselbst lehenschafft ledig wierdet',
sich derselben und ihrer Filialen bis zur Neubesetzung untei'winde.
Orig. Pergament, Hängesiegel, im Musealarchive zu Linz.
Nr. LXXIX.
1448, 15. Deoember. Neustadt.
Derselbe befiehlt in seinem und Königs Ladislaus, seines Mündels,
Namen dem Wolf Freitag, der Aebtissin Barbai-a von Traunkirchen und
ihrem Kloster die fünfzig Pfund Pfennige, die sie von dem Stadtgerichte
265
ZU Gmunden vom Zoll und Zwicken als den ihnen vennöge ihres alten
Rechtes gebührenden Theil jährlich zu bekommen haben, welche ihnen
aber durch einige Zeit nicht ausgefolgt worden waren, wieder auszuzahlen,
nnd zwar zu jeder Quatember zwölf Pfund vier Schillinge, nachdem die
Aebtissin das Recht des Klosters, ,wie wol die haubtbrieff, so ir gotzhaws
vmb Bolh vorgemelt gerechtikait vnd nutz gehabt hilt, in ainer prunste
desselben gotz hauses vorlanngst enwicht worden vnd verlorn wem',
dnrch andere Urkunden von Seite der Fürsten von Oesterreich nachge-
wiesen habe.
Original unbekannt, ans Hejrrenbach's Manuscript, 1. c. Nr. 8538.
Nr. LXXX.
1448, 21. December. Traonkirchen.
Die Aebtissin Barbara und das Kloster von Traunkirchen verkaufen
dem Könige Friedrich ihre Holden, Gründe, Güter und Lehen zu Trofaiach
sammt der Salvatorkapelle daselbst und allen Rechten.
Orig. Pergament, H&ngesiegel der Aebtissin und des Conventes, im
k. u. k. Staatsarchive in Wien.
Nr. LXXXI.
1449, 16. April. Neustadt.
König Friedrich gestattet für sich und seinen Mündel König Ladis-
lans der Aebtissin Barbara und ihrem Oonvente von Traunkirchen, alle
Jahre in dem Schankhause des Klosters sieben Dreilinge Wein ,ungeltfrei
vom zaphen* ausschenken zu dürfen und verbietet jede Störung von Seite
der üngelter und Amtleute.
Copialbuch, 1. c.
Nr. LXXXn.
1449, 15. AprU. Neustadt
Derselbe verordnet, dass bei Vermählung einer österreichischen
Prinzessin vom Kloster Traunkirchen als Heiratssteuer nie über achtzig
Gulden gefordert werden sollen.
Copialbuch, 1. c.
Nr. LXXXm.
1449, S8. April. Neustadt
Derselbe bestätigt über Bitten der Aebtissin Barbara von Traun-
kirchen die Rechte und Freiheiten ihres Klosters in seinem und seines
Mündels Königs Ladislaus Namen.
Orig. Pergament, Hängesiegel, im MusealarchiTe in Linz.
266
Nr. LXXXIV.
1449, 16. Mai. Neustadt
Derselbe befiehlt den Ungeltern zn Swans und Gmunden, das
Kloster Traunkirchen jährlich sieben Dreüinge Wein ungeltfrei aus-
schenken zu lassen.
Copialbach, 1. c.
Nr. LXXXV.
1449, 17. Mai. Neustadt
Derselbe befiehlt seinem Amtmann zu G munden Wolfgang Freitag,
Pfleger zu Wildenstein, dem Kloster Traunkirchen, welchem ,Yon den
nuczen und rennten ynsers salczsiedens daselbs zu Gmunden ierlich
dreissigk fuder salcz' verabreicht werden, ,zu derselben sum noch dreissig
fuder salcz* alljährlich aus demselben Amte zu geben.
Original unbekannt, auszugsweise aus Heyreubach^s Manuscript, 1. c
Nr. 8638.
Nr. LXXXVI.
1450, 16. September. Neustadt
Derselbe verbietet seinem Pfleger Wolfgang Freitag, nicht wieder
in das Recht der Aebtissin Barbaia von Traunkirchen einzugreifen und
ihre Holden wegen Unzucht und anderer Frevel zu strafen.
Copialbuch, 1. c
Nr. LXXXVn.
1451, 2. Februar. Neustadt
Derselbe bestellt den Grafen Johann von Schaunberg, obersten
Marschall in Steier und Hauptmann in Oberösterreich, an seinerstatt als
Vogt des Klosters Traunkirchen und beauftragt ihn, dasselbe bei allen
seinen Rechten und Privilegien zu schützen.
Original unbekannt, auszugsweise aus HeTrenbach^s Manuscript, 1. c
Nr. 8539.
Nr. LXXXVm.
1452, 10. November, s. 1.
Veit Veczinger, Canonicus von Passau und Pfarrer zu Traun-
kirchen, bestätigt die Stiftung der Frühmesse in seiner Filialkirche Aussee.
Original unbekannt, auszugsweise aus Heyrenbach^s Manuscript, L c
Nr. 8539.
Nr. LXXXIX.
1453, 11. Jänner. Neustadt
Kaiser Friedrich bestätigt über Bitten der Aebtissin Barbara von
Ti-aunkirchen die ihrem Kloster von Kaiser Siegmund, den Königen
267
Budolf und Friedrich, der Königin Elisabeth» den Herzogen Budolf und
Otto von Oesten*eich, sowie Otaker von ßteieimark verliehenen Rechte
and Freiheiten betreffend : die Yogtei, die Fieiheit des Gerichtes, das Pa-
tronatsrecht über die Pfaire Traunkiichen, den Bezug der Ablösungs-
summe von hundertzehn Pfunden Wiener Pfennige und von fünfzig
Pfund Pfennigen von dem Gerichte zu Gmunden, den Bezug von dreissig
Fuder Gotszeilsalz, das Salzsieden in dem Pfendlein zu Ischl, die Mauth-
und Zollfi'eiheit in Oesterreich, sowie das Becht der Jagd und Fischerei.
Orig. Pergament, im k. u. k. Haus-, Hof- and Staatsarchive zu Wien;
gedruckt in Chmers Materialien, H, I, 41, Nr. 36.
Nr. XC.
1455, 24. Juli. Ebelsberg.
Bischof Ulrich (III.) ven Passau begehrt vom Abte Andreas von
Admont die Aufnahme der Traunkirchner Nonne Barbara Vorster in das
Nonnenkloster zu Admont, wo jetzt auch ihi*e zwei Schwestern, welche
früher gleichfalls Nonnen zu Traunkirchen waren, sich befinden.
Orig. Papier, Schlnsssiegel, Archiv zu Admont
Nr. XCI.
1455, 24. Augoat. Traunkirchen.
Die Aebtissin Barbara von Traunkirchen verleiht Katharina,
Witwe Jörgens des Gogelmüller, die Gogelmühle zu Erbrecht.
Orig. Pergament, Hängesiegel, im Musealarchive zu Linz.
Nr. XCII.
1459, 9. October. Wien.
Kaiser Friedrich gebietet seinen Amtleuten und Mauthnern in Oester-
reich, den Nonnen von Traunkirchen ausser den gewöhnlichen siebenzehn
Dreilingen Wein für dieses Jahr noch acht Dreilinge mauthfrei durch-
führen zu lassen, sowie auch von ,vilzschuch vnd annder anuordrung*
keine Abgabe zu erheben.
Copialbuch, 1. c.
Nr. XCm.
1459, 17. December. Traunkirchen.
Abt Ulrich von Kremsmünstor vidimiert über Bitten der Aebtissin
Barbara von Traunkirchen die von dem kaiserlichen Notar Lienhaii; Sle-
diDger, Gleriker von Salzburg, in ^n Buch, aus dreizehn Pergament-
blättem bestehend, zusammengetragenen Privilegien ihres Klosters unter
Zeugenschaft von Hanns Traunstainer, Vicars zu Traunkirchen, Hanns
268
RoreryGeseliCpriester), und Siegmund Strobl, Capellans daselbst, sowie der
Edlen Erasmus Azinger, Lienhard Teueibang, Siegmund Muelfueker und
Wolf Wochner.
Kirchliche Topographie XIV, 240.
Nr. XCIV.
1462, 18. April. Rom.
Pius pp. n. concedit, Agatha (sie) abbatissa monasterii Traun-
kirchensis 0. S. B. homiliter petente, omnibus Christi fidelibus, qni ad
reparandum s. Ciriaci in Newhaus templum, ad monastenum Tmun-
kirchense quoad ins patronatus spectans, manns porrigunt adiutices,
indnlgentias plenarias per quadraginta dies. Insnper concedit abbatissae
facultatem confessarium eligendi idoneum, qui eam semel in vita et semel
in mortis articulo possit absolvere a casibns reservatis eorumque censuris.
Original unbekannt, abschriftlich in Heyrenbach's Manoscript, Nr. 8539.
Nr. XCV.
1463, 10. December. Traunkirchen.
Magdalena, Dechantin, nnd der verwaiste Convent des Klosters
Traunkirchen bitten den Abt (Thomas de Setz) von Lambach, zu der
Wahl einer nenen Aebtissin (,vorgeerinO niit einem Notar zu erscheinen.
Orig. Papier, von einem Buchdeckel abgelöst, im Archive von Lambach.
Nr. XCVI.
1469, 12. Juni. s. 1.
Wolfgang Mülwanger zu Neitharting vertauscht der Aebtissin
Magdalena von Traunkirchen seine freieigene Solde zu Perichtering gegen
eine solche zu Dorfhaim in der Pfarre Wimsbach und eine Hofstatt da-
selbst, die vom dritten Jahre Lehen ist. Mit ihm siegelt sein Nachbar,
der Edle Lambrecht Aschpann zu Wimsbach.
Orig. Pergament, Häng^esiegel fehlt, im Musealarchive eu Lins.
Nr. XCVn.
1473, 22. Februar. Traunkirchen (?).
Die Aebtissin Magdalena von Traunkirchen verleiht Siegmund
Hohenfelder das ihrem Kloster lehenbare B()hrlgut zu Nusstorf.
Copialbuch, 1. c.
Nr. XCVin.
1473, 14. März.
Dieselbe belehnt Siegmund Voi'ster mit dem Lehen zu Ranhenstorf,
.Pächel* genannt.
Copialbuch, 1. c.
269
Nr. XCIX.
1473, 14. März.
Dieselbe belehnt Wolfgang Freitag, Sohn dee alten Wolfgang Frei-
tag, mit dem Sitze Waldpach und den drei dazugehörigen Hüben, welche
Ton ihrem £[]oster zu Lehen gehen.
Copialbuchy 1. c.
Nr. C.
1482, 23. December. TVaunkirehen.
Dieselbe belehnt Franz und Jörg, Brüder von Steinach, mit mehre-
ren Höfen zu Aich und anderen Gütern, welche ihrem Kloster lehen-
bar sind.
Copialbuch, 1. c.
Nr. d.
1497, 27. Februar.
Anna, Aebtissin von Traunkirchen, verleiht Wolf dem Thalheimer
mehrere Lehen zu Thalheim.
Copialbuch, 1. c.
Nr. Cn.
1605, 16. November. Traunkirchen.
Anna, Aebtissin, Ursula, Dechantin, und der Convent zu Traun-
kirchen 0. S. B. schliessen mit Wolfgang, Abt, Florian, Prior, und dem
Capitel von Mondsee 0. S.B. eine geistliche Conföderation pro vivis et
pro mortuis.
Keiblinger's Manuscript im Musealarchive zu Linz.
Nr. cm.
1513, 17. December.
Kaiser Maximilian (I.) tauscht von der Aebtissin Anna und ihrem
Convente von Traunkirchen gegen Hingabe einiger Güter und Holden zu
Seissenburg das Gut Amstetten und das Meierlehen zu Strass ein.
Hormayr, Archiv 1824, 296.
Nr. CIV.
1617, 4. Miü.
Dorothea, Aebtissin von Traunkirchen, belehnt Wolf den Thal-
heimer mit Hilprechting und Thalheim.
Copialbuch, 1. c.
Nr. CV.
1622, 18. October. Neustadt
Erzherzog Ferdinand von Oesteneich bestätigt über Bitton der
Aebtissin Margaretha von Traunkirchen alle Privilegien ihres Klosters.
Original unbekannt, aus Heyrenbach^s Manuscript, 1. c. Nr. 8538.
270
Nr. CVI.
1530, 12. JunL Trannkirchen.
Die Aebtissin Barbara von Trannkirchen beurkundet, dass sie mit
Zustimmung ihres Conventes, um die zu der ihrem Kloster incorporier-
ten St. Paulskircho zu Aussee gehörigen Güter, welche, weil nicht ^er-
steuertf von den Ständen von Steiermark eingezogen worden waren, über
Aufforderung der Landschaft von Steiermark an diese Kirche zurück-
zubringen, einige Gülten, weil die Kirche kein Bargeld habe, als Lehens-
herrin an Christoph Prausfalk, königl. Maiestät zu Hungern und Böheim
Bath, Verweser zu Aussee, verkauft habe.
Original unbekannt, ans Heyrenbach's Mannscript, 1. c. Nr. 8539.
Nr. CVII,
1635, 10. Mira.
Helena, Aebtissin von Trannkirchen, belehnt Wolf Walch zu
Praundekh mit mehreren Gütern.
Copialbuch, 1. c.
Nr. CVra.
1543, vor AngoBt
Helena, Aebtissin von Trannkirchen (Dietrichinn), gibt Hans und
Simon Schönauer einen Erbbrief auf die Bäckerwiese zu Ebensee.
Kirchliche Topographie XIY, 113.
Nr. CIX.
1543, 26. Augnst.
Euphemia von Losenstein, Aebtissin von Trannkirchen, belehnt
Wolfgang zu Lindau mit dem Gute Lindau.
Copialbuch, 1. c.
Nr. CX.
1551.
Anna Bainerin, Aebtissin von Trannkirchen, belehnt Andre von
Polheim für sich und seine Brüder mit der Hub zu Medibach in der
Pfarre Taufkirchen.
Kirchliche Topographie XIY, 298.
Nr. CXL
1567.
Magdalena (Dietrichingerin), Aebtissin von Trannkirchen, belehnt
den jungen Khollenpeckh im Namen seines Vaters Niklas mit den Sitzen
Hilprechting und Thalheim.
Kirchliche Topographie XIV, 299.
271
Nr. CXn.
Die pönforst, so dem gotzhaws zw Trawnkirichen besunder
zwo gehSrent.
Item von erst am Seeperig fuess vnd get vom Seepergfuess vnczt
ann Lewntschwabegk, vom Lewntschwabegk annPuechegk, vom Pnechegk
?ncz jnn Rynntpach, vom Rynnpach vncz in Twerichenegk, vom Twe-
richenegk auff . . . allew wassersaig, die darzwe geet in den walden, ist
alles des gotzhawss besunder foerst.
Item von Stainperg vnncz jnn Hellgraben, vom Hellgraben das
pirig vnncz jnn Lerbinegk, vom Lerbinnegk das pirig vnncz ann See-
perigfüess ; das sind alles des gotzhaws besonder f5rst, da sol nyemant
jnne an meiner frawn der abbtessinn ze Trawnkirichen vrlanb vnd hayssen
ze schikchen haben, vnd wer des vberfaren würd, den sol sy oder ir an-
waldt darumb pessern nach iren genaden.
Die först, so dem herczogen von Osterreych vnd dem gotz-
haws ze Trawnkirichen zwe gehörent.
Item von erst die walld vom Haynnreichsgraben vncz an Prach-
perg, vom Prachperg vnczt an die Schrawt, alles des herczogen vnd
meiner frawn gemainschafPt miteinander; vnd was darjn funden wirt,
welicherlay das sey gninnt oder funndt, es sey gold&rczt oder silberärczt,
das sol der fftrst mit meiner frawn als geleych vnd trewlichen tailen als
czwen vinger. Von dem Prachperg uncz jnn Röttenpach als verr des
herczogen marich geent, als verr hat der herczog vnd mein fraw gemain-
scbafft miteinander. Von dem Rotenpach vncz jnhin jnn die Spiegel-
went, auss der Spiegelwent auff den Ausseperg an die Chendel, als verr
dann daselbs anfen Aasseperg des herczogen marich get, als verr hat
mein fraw gemainschafft mit dem herczogen.
Item von dem Ausseperg gen Oberentrawn an Hiersfort, vom
Hiersfart vncz an Sneperg, als verr des herczogen marich gennt, als ver
hat mein fraw von Trawnkirichen vnd der herczog gemainschafft mit-
einander.
Item vom Sneeperg vnncz ann Hallperg, was darjnn aussgeet, es
sey grftnnt oder funndt oder welicherlaj das sey, das sol der herczog mit
meiner frawn tailen als gleich als czwen vinger.
Item von dem Hallperg vnncz an die Gosach, von der Gosach das
pirig auss vnncz an Ramsaperg, vom Ramsaperg vnncz an das Aharnfeld,
272
das piiig daselbs alles des herczogen Ynd meiner frawn miteinander ge-
mainschaflFt; zw haben.
Item von Aharnfeld ynncz ann Dürrenpach geet das pirig vber her
geen Lewnczperig jn den obem Weyssenpach, von dem oberen Weyssen-
pach vncz gen der HftU, von der HSU vncz auff den Ghreimhiltsatel, alles
des herczogen vnd meiBer frawn gemainschafft miteinander.
Item vom Chreimhiltsatel das pirig anss vncz gen Challttenpach,
vom Challttenpach gar ab vnncz jnn die Lanngwat, nach der Lanngwat
das pirig aussher vnncz jnn den Trawnsee, das der herczog vnd mein
fraw darjnne miteinander gemainschafft haben suUen vnd pesunder allen
gesuech sallen meiner frawm lewt darjnn haben geleich als wol alls des
herczogen.
Nota die fSrst, so der von Wallsse vnd mein gen&dige fraw
von Trawnkirichen miteinander habent:
Item von erst das pirig jmmermer aussher vom ChSderpach nach
der Lanngwat vnncz in denn Trawnsee, alles des goczhawss vnd des von
Wallsse gemainschafft miteinannder, vnd sftllen die meiner frawn lewt
allenthdben alls gneten gesuech daijnn haben alls des von Wallsse lewt,
vnd geet das selb pirig genannt der Sunnstain vncz jnn Syherspach alles
meiner frawn vnd des von Wallsse gemainschafft miteinander, vnd geet
auch auss dem Scherspach der Chirichperch und gen Wintlugern auss hin.
Auch hat mein fraw das recht, das man prennholcz zw der chuchel als
vil vnd man des darczwe pedorff auss der Eysenaw nemen sol.
Item mein fraw ze Trawnkirichen vnd das goczhaws daselbs hat ir
besunnder vischwaid jm Offennsee, vnd vom Offensee gancz aussh^
vnncz jnn die Trawn, vnd hat vom Trawnsee ir pesunder vischwaid vncz
jnn den oberen Weyssenpach. Auch hat mein fraw das recht, das sy gen
Ischel schickhen sol vmb visch, wenn ir des notdurft ist, darein soll sey
niemannt irren. Auch hat mein fraw das recht vnd das goczhawss, das
man drey stunnd jm jar ir vischer vnndeim Lauffen schickhen schol vnd
s&Uen dann die selben vischer den zewg vmb ain halb phunnt phenning
daselbs vertrinkchen, den sol dann mein fraw erl&sen, damit dem gocz-
haws sein gerechtichait nicht entzogen werd, als dann mit alter gewAn-
hait vor her chomen ist.
Item mein fraw hat das recht, das sy schol haben vischer, was sy
der gehaben mftg, die selben vischer sollen vischen auss der Lanngwat
vnd im Trawnsee vnncz gen Gmunden vnd von Gmunden nach dem
Trawnsee anher von aym ort vncz an das annder.
273
Item die vischer, die dana meiner frawn schuldig sind zw geben
den dinst alle freytag vnnd jnn der vasten yeder czwen dienst alle wochen
Tnd yeder dienst sechs phenning wert sein do ain gast gern acht phen*
ning Tmb gab.
Aas dem Urbar des Klosters Traonkirchen, abschriftlich im Archive
des Museums Francisco-Carolineum in Linz, collationiert durch* J. Stttlz.
Nekrologlum Tranklrchense.
Dem nachstehenden Todtenbuche des ehemaligen Klosters
der Benedictinen zu Traunkirchen in Oberösterreich liegt nicht
das Originalmannscript selbst, sondern nur eine Abschrift des-
selben zu Grunde, da es mir ungeachtet meines eifrigsten Suchens
bis jetzt nicht geglückt ist, den Ort seines Stilllebens zu ent-
decken. Diese Abschrift rührt von der Hand des gelehrten und
eifrigen Sammlers P. Josef Benedict Hejn'enbach S. J.^ her und
befindet sich in der Handschrift Nr. 7243, 16 der k. und k. Hof-
bibliothek zu Wien. Dem P. Heyrenbach dürfte dabei das er-
wähnte Originalmanuscript selbst nicht vorgelegen sein, sondern
er copierte die Abschrift, welche sein älterer Ordensbruder,
P. Ignaz Querk,^ der durch längere Zeit in der Jesuitenresi-
denz zu Traunkirchen ak Missionär weilte, von demselben ge-
nommen hat Daftlr spricht die volle Uebereinstimmung der
Abschrift Heyrenbach's mit der des P. Querk, die sich gleich-
fiüls in der k. und k. Hofbibliothek zu Wien sub Nr. 8539, 2
findet. Doch scheint dem P. Heyrenbach das Originale des
Todtenbuches nicht unbekannt geblieben zu sein, wie dies aus
einem abschriftlichen Fragmente desselben, welches gleichfalls
unter seinen Collectaneen, Manuscript Nr. 8538, 1 der mehr-
erwähnten k. und k. Hofbibliothek, sich findet, hervorgeht.
Weitere Abschriften des Todtenbuches finden sich noch im
Manuscripte Nr. 7972, 1, c der Hof bibliothek, sowie im Archive
^ Ueber diese beiden gelehrten Mitglieder des Jesuitenordens siehe Stoeger,
Scriptores provinciae Austriacae S. J. ; Wurzbach, Biographisches Lexikon
des Kaiserthnms Oesterreich, Bd. 8 nnd 24; Allgemeine Deutsche Bio-
graphie n. ▼. a.
Arebir. 64. LXXXn. I. Hilft«. 18
274
des Stiftes Göttweig. Beide stimmen ebenfalls vollkommen^ un-
bedeutende Schreibfehler ausgenommen, mit der Abschrift des
P. Querk überein, und rührt die erstere von P. Heyrenbach her,
während die letztere aus der Feder des P. Querk selbst stammen
dürfte und aller Wahrscheinlichkeit nach für den gelehrten Abt
dieses Stiftes, Gottfried Bessel, gemacht worden ist.
lieber die Auffindung des Todtenbuches und die Art und
Weise, wie P. Querk seine Abschrift, die besser ein Auszug
genannt werden muss, angefertigt hat, geben seine Worte selbst
den besten Aufschluss, weshalb es gestattet sei, dieselben hier
anzuführen.^ ,Cum pervolverem antiquos Codices Ms. ex mem-
branea in Bibliotheca Traunkirchensi, incidi in codicem, in cuius
initio erat Ms. Martyrologium, deinde regula S. P. Benedict! la-
tina et in fine Calendarium seu Catalogus defunctorum, cui
inscripta erant nomina fiindatorum, benefactorum, quorundam
episcoporum, abbatum, praepositorum, plebanorum, monachorum
necnon abbatissarum, moniaUum et multorum aUorum, quisque,
ut suppono, ea die, qua obiit. Desunt autem ultimi quinque
dies mensis Decembris. Inquisivi combinando varia, quando hoc
necrologium sit conscriptum, et collegi, quod circa annum 1420
sub abbatissa Clara, cui deinde successive adscripta sunt alia
nomina, prout ex diversitate characteris facile colligitur, ut vi-
dere est in ipso originali. Ante eundem catalogum erat syllabus
anniversariorum, qui pariter in originali sequitur. Ipsum vero
Necrologium, ne in Bibliotheca lateat et adhuc amplius mutiletur
aut penitus intereat, a reliquo codice solutum, cum bis notis
compingi curavi, dignum, quod mehus custodiatur, cum ex eo
variae notitiae de rebus antiquis Traunkirchensibus desumi
possint.^ Nach einer Aufzählung der hervorragenden Personen,
welche im Todtenbuche erscheinen, fkhrt P. Querk fort: ,Cuin
hoc Necrologium fuerit pro usu monasterii et pro memoriali
perpetuo, non potest dubitari, quin omnium praecipuorum bene-
factorum maxime fundatorum nomina in illo contineantur, ita,
ut si cuius nomcn non sit hie insertum, is censeatur non ha*
buisse titulum ad specialem sui memoriam. Excerpam ergo et
simul inconspectum dabo onmia nomina personarum illostrium,
quae continentur in hoc mortilogio iuxta ordinem dierum. Recen-
sentur nomina personarum nobilium in Necrologio notata.^
^ Mannseript Nr. 8539 der k. und k. Hof bibliothek in Wien.
275
Dieses Vorgehen des P. Querk bei der Anlegung seiner
Abschrift macht es erklärlich, dass er von jedem Monate die
Tage nicht wiedergab, an welchen eben keine ,illustren^ Per-
sönlichkeiten eingezeichnet waren. So sehr wir ihm dankbar
sind, dass er das, wie es schien, dem Untergange preisgegebene
Todtenbuch durch seine Sorge und seine Auszüge vor der gänz-
lichen Vernichtung gerettet hat, so sehr müssen wir auch ander-
seits sein Princip, nur illustre Personen in seiner Abschrift
wiederzugeben, beklagen. Abgesehen davon, dass er uns da-
durch die Kenntnis von vielen Namen, die im österreichischen
Salzkammei^ute in alter Zeit im Gebrauche waren, vorenthalten
hat, müssen wir seinen Vorgang auch deshalb beklagen, weil
er SU den illustren Persönlichkeiten nur jene gezählt hat, hinter
deren Namen irgend ein Prädicat folgte, wenngleich dasselbe
nur einen einfachen Canonicus, Priester oder Mönch bezeichnete.
P. Querk übersah eben, was man ihm fi*eilich in Ansehung des
geringen Wertes, den man zu seiner Zeit den Todtenbüchem
gezollt hat, nicht hoch anrechnen kann, die in allen Nekrologien
SU Tage tretende Qewohnheit, hervorragende Persönlichkeiten,
deren Verdienste um das Kloster allgemein bekannt waren, nur
mit ihren Taufnamen in das Todtenbuch einzuzeichnen. Einen
Beleg hieft!Ur bietet der 1. Jänner. P. Querk fand in seinem Aus-
zug flu* diesen Tag nur den Pleban Albert von Traunkirchen
der Aufnahme wert, weil nach dem Namen ,Albertus' noch
der Zusatz ,plebanus nostre congregationis^ stand; den Namen
,Otakerus' liess er abseits liegen, weil er ohne jedes Prädicat
eingezeichnet war. Und doch überragt die Bedeutung des Letz-
teren himmelweit die des einfachen Pfarrers; denn unter ihm
birgt sich, wie aus anderen Nekrologien unzweifelhaft erhellt,
der Markgraf Otaker V. von Steiermark, gestorben 1164. Dass
dieser Name in der Original-Handschrift des Traunkirchner
Todtenbuches gestanden ist, bezeugt das obenerwähnte Frag-
ment der Abschrift Heyrenbach's — Manuscript Nr. 8538 — ,
welches leider nur die vollständigen Einzeichnuugen der 31 Tage
des Jänner und der ersten 21 Tage des Februar enthält. Ohne
dieses Fragment wäre die Reihenfolge der Chiemgauer, die unter
allen Nekrologien allein in dem von Traunkirchen ganz sich
findet, unvollständig.
Die Annahme, das Original-Manuscript des Todtenbuches
von Traunkirchen sei unter der Aebtissin Clara von Vtzingen
18»
276
1420 — 1425 neu angelegt worden, ist zwar uncontrolierbar, so lange
wir dasselbe selbst nieht kennen, dürfte aber richtig sein; denn
eben in dieser Zeit wurde in Folge der vom Herzoge Albrecht V.
von Oesterreich beschlossenen Reformierung der Häuser des Be-
nedictiner- und Augustinerordens dem Chordienste, bei welchem
das Nekrologium vorgelesen wurde, in den Klöstern wieder
grösserer Eifer zugewandt. Auch gehören thatsächlich die Per-
sonen, deren I^inzeichnung P. Querk in die Zeit nach der Aeb-
tissin Clara verlegt, wie er dies durch kleine, unter den Namen
oder Zusätzen angebrachte Striche kennzeichnet, der Zeit nach
1420 an.^ Die andere Annahme jedoch, dass der Tag, zu
welchem eine Persönlichkeit im Nekrologium aufscheint, der
Todestag derselben gewesen sei, ist nicht stichhältig. Die zum
7. Juli eingezeichneten zehn Mitglieder des edlen Geschlechtes
der Herren von Polheim, unter welchen auch Bischof Wichard
von Passau 1280 — 1282 erscheint, dessen Todestag aber der
17. December ist, widerlegen, um andere Beispiele zu über-
gehen, wohl hinlängUch diese Hypothese; andererseits beweist
aber diese E^zeichnung, dass man wie in vielen anderen
Klöstern so auch in Tramikirchen bei der Neuanlegung des
Nekrologiums dem Gebrauche huldigte, dem Anniversarius eine
grössere Aufmerksamkeit zu widmen als dem eigentUchen dies
obitus der betreffenden Personen.* Ein weiteres Beispiel ftlr
diese im 15. Jahrhunderte nicht seltene Qewohnheit bietet die
Einzeichnung des Markgrafen Leopold — im Nekrologium Leo-
told genannt — von der Steiermark zum 9. August. Markgraf
Leopold starb am 24. October des Jahres 1129; in Traunkirchen,
zu dessen Wohlthätern derselbe zählte, wurde sein Name am
9. August verlesen, weil am nächsten Tage, dem St. Laurenz-
feste, sein Jahrtag feierlich abgehalten wurde, zu dem auch das
Absingen des Officiums defunctorum am Vortage gehörte. Auch
der Abusus dieser Zeit, die Namen der Verstorbenen eines con-
föderierten Klosters, welche der Rotelbote den verbündeten Klö-
^ Im nachstehenden Nekrologium dnrch ,EinBeichnung nach 1420* oder
3And nach 1420' wiedergegeben.
* Hierüber ist die sehr instnictive Recension der Schrift Ebner's: yDie
klösterlichen Qebetsverbrüdeningen bis zum Ausgange des karolingisehen
Zeitalters* von dem Herausgeber der Nekrolog. Qerm. II., Prof. Dr. HenL-
berg-Fränkel in den Mittheilungen des Inst, fflr Osterr. Geschichtsforsch.,
XIV. Bd., 1. Heft, EU vergleichen.
277
Stern jährlich bekanntgab^ zu einem beliebigen Tage einzu-
zeichnen^ an dem sich im Todtenbuche noch Raum fand/ wurde
in Traunkirchen gleichfalls angewandt^ wie dies die zum 17. Juli
aufscheinenden ^aliqui fratres de ordine nostro in monasterio
Crembsmünster^ bezeugen.
Diesem dem P. Querk vorgelegenen und von ihm vor der
Vernichtung geretteten Nekrologium lag sonder Zweifel ein
älteres Todtenbuch des EUosters zu Qrunde^ aus welchem vom
Schreiber eine Anzahl von Namen des alten als Grundstock in
das neue Nekrologium hinübergenommen wurde. Nach welchem
Grundsätze derselbe hiebei vorgegangen ist, lässt sich nicht
näher mehr festsetzen. Als sicher muss jedoch angenommen
werden, dass die meisten Namen der verstorbenen Mitglieder
von Traunkirchen, sowie der des Gründers und seiner Ange-
hörigen, wie nicht minder die der hervorragenden Wohlthäter
von dem alten in das neue Nekrologium hinübergewandert sind.
Daraus ergibt sich der Schluss, dass das älteste, wenn nicht
firüher, jedenfalls doch in dem 12. Jahrhunderte angelegt wurde.
Dafür spricht neben der Erwähnung der Grafen von Raschen-
berg-Reichenhall besonders noch die Eintragung der ältesten
Glieder der Chiemgauer, der späteren Markgrafen von der Steier-
mark, welche allein nur in dem Todtenbuche von Traimkirchen
vollständig sich finden. Darin liegt aber der hohe Wert, den
das Nekrologium selbst in der Form des spärlichen Auszuges
fiir die vaterländische Geschichte besitzt. Diese Bedeutung des
Todtenbuches hat schon der gelehrte P. Heyrenbach erkannt,
wenn er schreibt: ,Necrologium monialium (Trunkirchensium)
dignum luce publica semper existimavi, ob eam rem inserui
illud Necrologium collectioni meae. Sperabam enim, Necrologium
hoc cum aliorum illustri numero additum conspicuum fore tum
suo tum alieno splendore.'^
Zum Schlüsse erübrigt mir ^ nur die angenehme Pflicht,
dem Herrn k. k. Hofrathe Dr. Wilhelm Ritter von Hartel, Di-
rector der k. und k. Hofbibliothek in Wien, für die grosse Libe-
ralität, mit welcher Hochderselbe meiner Bitte um Uebersendung
der Manuscripte Querk's und Heyrenbach's willfahrte, den er-
gebensten Dank auszusprechen.
^ Henberg-Fränkel a. a. O. 142.
* Hannscript a. a. O. Nr. 7972.
278
Abbreviaturen.
abb. = abbas. abba. = abbatissa. archieps. = archiepiscopas. archiprb. =
archipresbyter. pleb. = plebanas. prep. = prepositus. prb. == presbyter.
can. = canonicus. conva. = conversa. cong^. = congregationis. epB. s=
episcopus. 1., la. = laicus (laica). m. = monachos. ml. = monialis.
n. c. =3 nostrae congregationis. oc. = occisus. sor. = soror. subm. :=
submersns. ppr. v. = propria vigilia.
Benfitste Hekrologien.
N. Ad. = Necrologium Admonteiue.^ N. Cl. = N. Claustroneobargense.'
N. Cli. = N. Campililiense.' N. Cr. = N. Cremifanense.* N. st. Fl. =
N. St Ploriani.» N. Hi. = N. Hilarienae.« N. Lb. = N. Lambacenae.'
N. 8t Lbt = N. St Lamberti.« N. M. = N. Mellicense.^ N. Micbb. =
N. Michaelburanum.^«^ N. R. « N. Runeiise." N. st Rudb. »= N. St Rod-
berti Salisbnrgense." N. See. = N. Secoyiense." N. Sei. « N. Seiten-
stadiense.^* N. st Er. oder N. N. =» N. St Erininidis Nonnbeif^nse."
N. Qot s= N. Gottwicense.^' N. Seo. » N. Seoneiue.^*
1 FriesB im Archiv für Osterr. Qesch. LXVI, 315 ff.
» Zeibig im Archiv, 1. c. VH, 271.
* Zeissberg in Font. Rer. Austr., IL Abth., Bd. XLI.
* ManuBcript in der Bibliothek des Stiftes Kremsmflnster.
* Caerny im Archiv, 1. c. LVI, 257 ff.
« StülK, Geschichte von Wilhering, 435 ff.
^ Zwei ManuBcripte im Archiv des Stiftes Lambach.
* Pangerl in Font. Rer. Anstr., II. Abth., Bd. XXIX.
* H. Fez in Script Rer. Austr. I, 304 ff.
^^ Filz, Geschichte von Michaelbeuem, 860 ff.
^^ Posch et Froelich, Diplomat. Styriae II, 333 ff.
" Herzberg-Fränkel, Mon. Germ. Nekrol. 11, I, 77 ff.
" Posch et Froelich, 1. c. II, 363 ff.
^' Manoscript im Archiv von Seltenstetten.
" Friess im Archiv, 1. c. LXXl, 1 ff.; Herzberg-Fr&nkel, 1. c. I, 66 ff.
^ Manoscript in der Bibliothek des Stiftes QOttweig.
^* Hersberg-Fr&nkel, 1. o. I, 217 ff.
279
Januarius.
1. Jänner. — A. Kai. Jan.
Otakerns.^ — Albertus, pleb. n. c*
1 Otaker V., 1129—1164 Markgraf der Steiermark. Dieses Fürsten gedeu-
ken N. Cr., N. Cl., N. R. und N. S. zum 30., N. A. zum 31. December;
N. N. zum 1. Jänner.
' Der Pfarrer Albert von Traunkirchen erscheint 1345 als Zeuge des Te-
stamentes des Pfarrers von Qmunden, Albert von St. Florian. (Urkunden-
buch des Landes ob der Enns VI, 606, Nr. 502.) Er stiftete für sich und
die römische Königin Elsbeth, Witwe Albrecht I. von Habsbui^g, einen
Jahrtag in der Stiftskirche zu Traunkirchen; cf Anniyersarien -Ver-
zeichnis.
2. Jänner. — B. IV. Non.
Perhta, ml. n. c. — Mahtild, sor. n. c. — Chnnegundis, reg. funda-
trix n. ecclesie. *
' Diese Einzeichnung stammt von einer Hand nach 1420. Heyrenbach,
Manuscript 7243, Nr. XV.
3. Jänner. — C. HI. Non.
Perhta, ml. n. c. — Ata, ml. n. c. — Vlricns, occ.
4. Jänner. — D. Pridie Non.
Wilbirgis, ml. n. c. — Judicta, abba. — Gedrudis, abba. n. c.
Volkenstorfferin.^
* Gertrud m. erscheint 1280—1298 als Aebtissin von Traunkirchen. Ob-
wohl der Geschlechtsname Volkenstorfferin erst einer späteren Zeit an-
gehört, so ist er doch richtig; denn das N. Cr. hat zum 6. Jänner ,Ger-
trudis de Ffolchensdorf abbatissa in Traunkirchen.* Ihr Name fehlt in
Wirmsberger^s Beiträge zur Genealogie der Dynasten von Volkensdorf.
5. Jänner. — E. Non.
Hainricns, occ. — Werenhardus, occ.
6. Jänner. — F. VIII. Id. Epiphania.
Albertus, comes. * — Hiltmdis, sor. n. c. — Vlricus, can.
^ Albert n. Graf von Rebgau-Piugen, gestorben um 1160. (Wendrinsk^,
Die Grafen yon Rebegau-Piugen.)
280
7. Jänner. — G. VII. Id.
Chöngundis, abba. n. c. Chirichpeiigerin. * — Johannes Volken-
storffer. *
^ Kanigunde I. von Kirchberg, erscheint von 1305—1325 als Aebtissin von
Trannkirchen. Unter ihr wurde der Hallberg au die K. Elisabeth ab-
getreten.
* Johann I. von Volkensdorf, gest. 1314. Wirmsberger a. a. O.
8. Jänner. — A. VI. Id. Erhardi.
Andreas, prb. et can. — Leopirgis, ml. n. c. — Tyomo, can. —
Hailwigis, ml. n. c.
9. Jänner. — B. V. Id.
Duringus. — Chungundis, ml. n. c. Wiwarin.* — Thomanus, prb.
^ Das edle Qeschlecht der Wibam von der Feste Wibam, heute Weibern
im Uausruckkreise, erscheint urkundlich um 1210 mit Berthold de Wi-
bam. (Urkundenbuch des Landes ob der Enns I, 602.)
10. Jänner. — C. IV. Id.
Johannes, prb.
11. Jänner. — D. III. Id.
Mathildis, ml. n. c. — Albuinus, m. — Imma, abba. — Hain-
ricus Kavrer.* — Leo, occ. — Gedrudis, Elizabeth, mlos. n. c.
* Heinrich von Rohr, Ministeriale von Baiem, erwähnt 1231. (Urkunden-
buch, 1. c. m, 3.)
12. Jänner. — E. Pridie Id.
Elizabeth, ml. n. c. Hilprechtingerin.^ — Maximilianus imperator.*
* Die Hilprechtinger waren ein Ministerialengeschlecht der Grafen von
Schaunberg und nannten sich von dem einst bei Gmunden befindlichen,
dem Kloster Trannkirchen lehenbaren Schlosse Hilprechting.
' Kaiser Maximilian I., gestorben 1519 zu Wels.
13. Jänner. — F. Id. Octava Epiphanie.
Hätbigdis, ml. n. c. — Werenhardus comes Schavnberkch.*
^ Stttlz, Die Grafen von Schaunberg In den Denkschriften der kais. Akad.
d. W. phil.-hist Classe XH, Stammtafel, 230, zählt acht Glieder dieses
281
berühmten Hauses mit dem Namen Wernhard auf. Das Nekrologium
Ton Lambach hat z. d. T.: ^Elizabeth, ml. de Traunkircheu' von einer
Hand des 13. Jahrhunderts.
H.Jänner. — G. XIX. Kai. Febr.
Budpertus, prb. et can. — Arnoldus. — Eberlindus. — Alramus.
15. Jänner. — A. XVIII. Kai.
Imma, abba.* — Iringartis. — Chungundis, ml. n. c. ppr. vig.
ßorerin.*
' Vielleicht die AebtiBsin Imma von Erla in NiederOsterreich ; N. Lb. zum
19. Jänner. Die Aebtissin Imma von Erla erscheint um 1234 urkundlich.
(Chronik von Erla, Manuscript im Archive zu Seitenstetten.)
' Ans dem Geschlechte der Rohrer; ihr Anniversarius wurde am Tage der
Heiligen Fabian und Sebastian gefeiert, cf. Anniversarien -Verzeichniss.
16. Jänner. — B. XVII. Kai.
Pabo, prb. — Gedrudis, abba. n. c*
' Eine der Aebtissinnen von Traunkircheu vor 1181; ob die I. oder II.
dieses Namens lässt sich nicht mehr bestimmen.
17. Jänner. — C. XVI. Kai.
Timndis, abba. n. c* — Richardis, Bor. n. c.
' Die Aebtissin Diemudis stand von 1180 bis gegen 1200 dem Kloster
Traunkirehen vor. Ihrer gedenken die Nekrologien von Admont, Sanct
Erintrud und Lambach zum 21. Jänner.
18. Jänner. — D. XV. Kai.
Elizabeth, ml. n. c. — Benedicta, ml. n. c. — Richza. — Wolf-
gems.
Das Nekrologium von St. Rudbert in Salzburg hat z. d. T. : Judita,
ml. et decana Trunkirch(en).
19. Jänner. — E. XIV. Kai.
Heymo, prb. et m. — Gumpoldus. — Walchunus.
20. Jänner. — F. Xm. Kai. Pabiani.
Leutcardis, ml. n. c. — Etticho, prb. et m.
282
21. Jänner. — 6. XII. Kai. Agnetis Virg.
Offemia, abba. n. c.^ — Wilbirgis cometissa.' — Christannus abb.*
^ Eaphemia I., war Yermatlich die Nachfolgerin der Aebtissin Diemndis %n
Traunkirchen, um 1200 — 1230. Das N. Lb. gedenkt ihrer zum 8. Februar.
' Wilbirg, Gemahlin Graf Ekberta II. von Putten, Tochter Otakers IV.
Markgrafen von Steier. Sie trat nach dem Tode ihres Gemahles um 1140
in das Nonnenkloster O. S. B. zu Admont Das N. Ad. gedenkt ihrer zum
18., das N. Lb. zum 26. Jänner.
* Christan, Abt von Lambach, 1291—1302. Seiner gedenken N. Ad. zum
26., N. Lb. cum 26., N. Cr. zum 27. Jänner.
22. Jänner. — A. XL Kai.
Offemia, ml. n. c. — Ghungundis, ml. n. c.
23. Jänner. — B. X. Kai.
Perngerus, occ. — Budpertus, prb. et can. — MathUdis, ml. n. c.
— Gerungus, prb. et can.
24. Jänner. — C. IX. Kai.
Stephanus, abb. — Otto, can. — Swanbildis, ml. n. c.
25. Jänner. — D. VIII. Kai. Conversio s. Pauli.
Adalbertus, prb. et can. — Leocardis, abba.^ — Stephanus, abb.'
^ Vermutlich die Aebtissin Leocardis von Saurau zu Judenburg, 1340 bis
1347. Wichner, Geschichte des Clarissenklosters Paradeis zu Judenburg in
Steiermark. (Archiv für dsterr. Gesch. LXXIII, 459, Reihe der Aebtissinnen.)
* Stephan, Abt von Kremsmünster, 1399 — 1405. Seiner gedenkt N. Lb.
zum 29. Jänner.
26. Jänner. — E. VU. Kai.
Timudis, ml. n. c. — Ebrandus. — Halka, abba. n. c* — Chun-
radus, occ.
^ Die Aebtissin Halka von Traunkirchen regierte im 12. Jahrhundert; ihrer
gedenkt N. Lb. zum 29. Jänner.
27. Jänner. — F. VI. Kai.
Wilbirgis, Gerbirgis, mies. n. c. — Ricba, ml. n. c.
283
28. Jänner. — G. V. Kai.
Erimbertus, 1. — Siboto, 1. — Ghalchochus, can. — Witigo.*
* Vielleicht jener Witigo scriba ducis, welchen, wie die Cont. Garstensis
ad a. 1266 erzählt, Ortolf von Volkensdorf im Refectorium der Brüder
von St. Florian ermordete. Das alte Nekrologium von St. Florian (Stttlz
im Notizenblatt 1852, 291) gibt den 6. Februar an.
29. Jänner. — A. IV. Kai.
Amoldus, prb. et m. — Gewoldus. — Irenhai'dis.
30. Jänner. — B. m. Kai.
Gisula, 8or. n. c.
N. Lb. hat z. d. T. 3enedicta, ml. Tninchirchen' mit einer Hand
des 13. Jahrhunderts.
31. Jänner. — C. Pridie Kai.
Offemia comitissa.
Febraarias.
1. Februar. — D. Kai. Febmarii.
Leotoldus, prb. et can. — Gebharduö comes.* — Gerdrudis, sor.
n. c. — Pertha, ml. n. c.
' Siehe den folgenden Tag.
2. Februai*. — E. IV. Non. Purificatio s. Marie.
Gebhardus comes.' — Eberlindis, ml. n. c. — Wilhalmus, pleb.
in Mnnsster.'
' Gebhard HI., Graf von Rebgau-Piugen, gestorben 1186. (Wendrinsk^
a. a. 0.) Einige Nekrologien geben den 10. Februar an.
' Diese Einzeichnung stammt von einer Hand nach 1420. Munster ist das
heutige Altmünster.
3. Februar. — F. m. Non.
Johannes, pleb. in Nusdorf.* — Gerbirgis, ml. n. c.
^ Nusadorf am Attersee, dessen Pfarrkirche unter dem Patronate von Traun-
kirchen stand.
284
4. Februar. — G. Pridio Nun.
Erminlindis. ml. n. c.
5. Februar. — A. Non. Agathe.
Dorothea, abba. n. c. Eätringerin.^ — Dorothea, ml. n. c. Gatt-
ringer.*
^ Dorothea I. von Katringen, aus einem in OberOsterreich ansässigen Edel-
geschlechte, erscheint urkundlich im Jahre 1405 als Aebtissin von Traun-
kirchen. (Reg. Nr. öT.)"^
' Diese Einzeichnung stammt von einer Hand nach 1420.
6. Februar. — B. VIII. Id.
Diemudis, sor. n. c.
7. Fobruai-. — C. VII. Id.
Alhaidis, abba.^
* Die Aebtissin Alhaid von Cbess, welche 1178 urkundlich erwähnt wird.
Ihrer g^enkt z. d. T.: N. Mi. (Wichner, Geschichte des Nonnenklosters
Goess O. 8. B. in Studien und Mittheilungen aus dem Benedictiner-
orden, XIII. Jahrgang [1892], 168.)
8. Februar. — D. VI. Id.
Gerdrudis, abba.* — Otto, prb. et can.* — GedrudiS; ml. n. c.
— Otto, occ.
^ Vielleicht die Aebtissin Gertrud I. des Cistercienserklosters Schlierbach,
1394—1417; cf. Brunner, Ein Cistercienserbuch 115.
* Otto, Canonicus und Cellerarius des Domstiftes St. Rudbert in Salzburg.
N. st Rudb. z. d. T.
9. Februar. — E. V. Id.
Hertbicus, prb. et can.
10. Februar. — F. IV. Id. Scolastice.
Benedicta, sal.* — Wolfinarus. — Ortolfus, occ. — Engel-
mudis, ml. n. c. — Gewolfüs.
^ Nonne von St Erintmd auf dem Nonnberge in Salzburg, N. st Er. z. d. T.
286
11. Februar. — G. m. Id.
Gedrudis, ml. n. c.
12. Februar. — A. Pridie Id.
Walchunus, occ. — Timudis, abba.* — Erbo, can.
* Nach N. Lb. war diese Diemnd Aebüssin von St. Qeorg am Längsee in
Kirnten im 18. Jahrhundert.
13. Februar. — B. Id.
Margaretha, abba. n. c. Stainacherin.^
' Von einer Hand nach 1420 eingezeichnet. Margaretha III. von Steinaeh,
Aebtissin von Traunkirchen, 1522 — 1534. lieber ihre Bitten bestätigte
Erzherzog Ferdinand von Oesterreich 1522, 18. Oct die Privilegien des
Klosters. (Reg. Nr. 105.)
H.Februar. — C. XVI. Kai. Valentini.
Dyetmarus, pleb. — Mai'garetha Vörsterin, ml. n. c.^ — Barbara
Pirchingerin, (ml.) n. c.
* Nach dem Jahre 1120 eingezeichnet. Margaretha stammte ans dem edlen
Geschlechte der Yorster zu Hohenberg.
15. Februar. — D. XV. Kai.
Dyetricus, prb. et can. — Barbara, ml. n. c. Teuflin.*
* Nach 1420 eingezeichnet. Barbara gehörte dem edlen Hause der Teufel
von Gnntramsdorf an. Ihrer gedenkt N. Lb. z. d. T.
16. Februar. — E. XIV. Kai.
Lewtwinus, occ. — Dietmarus, prep.
17. Februar. — D. XHI. Kai.
Albero, prb.
18. Februar. — G. XU. Kai.
Harlungus, 1. — Mahtildis.
19. Februar. — A. XI. Kai.
Wilbirgis comitissa, m. n. c, di an Leutoldi.* — Gerdrudis, abba.*
— Qerbirgis.
286
^ Wilbirg, vermutlich die Gemahlin Otakers 11., Markgrafen der Kimtner
Mark, gestorben nach 1060. Der Znsats ,di an Lieutoldi* stammt von einer
Hand nach 1420. Die Worte ,nostre congregationis* scheinen ansadenten,
dass Wilbirg ihren Qemahl Überlebt nnd eu Traunkirchen dann den
Schleier genommen hat Ihrer gedenkt z. d. T. N. Lb.
' Gtortmde, Aebtissin von St. Erintrud auf dem Nonnberge zu Salzbarg im
13. Jahrhundert Ihrer gedenken z. d. T.: N. N. nnd N. st Radberti,
N. Ad. zum folgenden Tage.
20. Februar. — B. X. Kai.
Hertbicns, prb. et m.
21. Februar. — C. IX. Kai.
Engela, ml. n. c. ppr. vigilia.^
^ Nach einer Notiz bei Heyrenbach, Manuscript Nr.. 8538 1. c^ soll die
Nonne Engela dem Geschlechte Fatershaim angehört haben.
22. Februar. — D. VIII. Kai. Kathedra s. Petri.
Matbildis, c. n. c.
23. Februar. — E. VII. Kai.
Fridericus, pleb. n. c.
24. Februar. — F. VI. Kai.
Chunigundis, ml. n. c. Sulczpekchin.^ — Dieimarus, pleb.
* Ein altes, in den Urkunden von OberOsterreich nicht selten erwähntes
(Geschlecht
25. Februar. — G. V. Kai.
Liebhardus Mühlhamer, prb.^ — Chunradns, occ.
^ Nach 1420 eingezeichnet
26., 27., 28. Februar.*
^ Für diese Tage fehlen in Qnerk^s nnd Hejrenbach's Auszügen die Ein-
Zeichnungen.
Martins.
l.M&rz. — D.Kai.
EUiabeth, abba.*
* Vermutlich die Aebtissin Elisabeth von Schlierbach, 1372—1378.
287
2. März. — E. VI. Non.
Otto Polhaymer.* — Otto, occ.
' Ein Otto von Polhaim wird 1277 erwähnt. Er soll in Lambach begraben
sein. Prenenhuber, Annal. Styrens. 455.
S.März. — P.V.Non.
Wyboto, prb. et can.^ — Perchtramus, prb. et can.
1 Canonicos zu St. Radbert in Salzburg; N. st Rndb. z. d. T.
4. März. — G. IV. Non.
Marquardus, prb. et prep.
5. März. — A. in. Non.
Elisabeth, abba. n. c. Polhaymerin.^ — Otakerus comes, pater Ate
prime abbatisse istius loci. Aygen vigiley und selambt.^
* Elisabeth I. von Polheim, erscheint arkundlich von 1247 bis nach 1262
als Aebtissin von Trannkirchen.
* Otaker I., Qraf von Grabenstatt im Chiemgau, auch Ozi genannt, ge-
storbenem 1030; cf. Qeschichte. Der Znsatz ,Aygen vigiley nnd sei-
ambt* rührt von einer Hand nach 1420 her. Seiner gedenkt z. d. T.
N. st Rndb.
6. März. — B. Pridie Non.
Sighardus, prb. et can.
7. März. — C. Non. Perpetue et Felicitatis.
Margaretha, abba. — Fridericns submersns.
8. März. — D. Vm: Id.
Marquardus, occ.
9. März. — E. .Vn. Id.
Dietmaras, pleb. — Jacobus, pleb. n. c. Ebser.^
* Jakob Ebser, ,deoretorum Doctor* und Pfarrer zu Pels in der Salzburger
DiOcese, tauschte mit Rudbert Ueberagger, Canonicus von Passau und
Pfarrer zu Traunkirchen, 1444 die Pfarre. (Reg. Nr. 75.) Die Einzeich-
nnng geschah gegen Ende des 15. Jahrhunderts.
10. März. — F. VI. Id.
Wolfmams, prb. et can.
288
11. März. — G. V. Id.
Arnoldus Haydenreich. — Otto, abb.*
^ Verinuthlich Abt Otto von Qarsten, 1317 — 1333, ein g^rosser Beförderer
der Wissenschaft und Kunst in seinem Stifte. Friess, Gesch. v. Garsten,
in Studien und Mittheilnng^en aus dem Benedictinerorden, II. Jahrgang,
1881, 17.
12. März. — A. IV. Id. Gregorii.
Wilbirgis, abba. n. c. ppa. vigilia.^
^ Die Aebtissin Wilbirg stand im 12. Jahrhunderte (vor 1180) TraunldrcheD
Tor. Ihrer gedenkt das N. st. Lbt. z. d. T. Zum Vortage findet sich in
T. eine Wilbirgis eingetragen mit einer Hand des 15. Jahrhunderts,
eine bessernde Hand hat ,Dimudi8, abba. n. c' daftlr gesetzt, was gänzlich
unrichtig ist, da die Aebtissin Dimudis von Traunkirchen am 17. J&nner
im Nekrologium erscheint. Vermutlich stand der Name Wilibirgis, da
sie einen Jahrtag hatte, im alten Nekrologium am Rande des Vortages
angemerkt, wie dies bei diesen und anderen Todtenbüchem zuweilen der
Fall ist, und wurde dann bei der Neuanlage des Todtenbuches zum
11. März eingetragen.
13. März. — B. m. Id.
Gerdrudis, abba.^
^ Die N. st. Lbt und N. Ad. bezeichnen diese Gertrud als Aebtissin von
St Georgen am Läng^ee in Kärnten. Sie entstammte dem Hause der
Grafen von Ortenburg und ttberliess 1190 ihrem Bruder Otto Grafen
ven Ortenburg zwei Mausen bei Chrowat am Millstättersee. (Archiv für
Kunde Osterr. Geschichtsquellen XI, 346, Nr. 643.)
14. März. — C. Pridie Id.
Elisabeth, ml. n. c. Auerin.^
^ Die Nonne Elisabeth entstammte dem edlen, in Gestenreich vielverzweig-
ten Geschlechte der Auer von Gunzing und Herrenkirchen. (Hohenegg,
Genealogie der Stände von OberOsterreich IH, 859.)
15. März. — D. Id.
Florianus, m. in Mensee, prior.^
^ Hand des 16. Jahrhunderts. Florian erscheint 1505 in der Conföderations-
urkunde der KlOster Traunkirchen und Mondsee als Prior oder zweiter
Vorsteher des letzteren Klosters. (Reg. Nr. 102.)
289
17. März. — F. XVI. Kai.
Hertridus, can. — Engelschalcus, prb. et can. — Anna Wart-
terin, Töchant(m).^
* Nach 1420 eingetragen.
19. März. — A. XIV. Kai.
Michael, prb. et m. monasterii Lambacensis.*
^ Dieser Name steht mit grossen Buchstaben yon einer Hand des 16. Jahr-
hunderts im Nekrologium.
20. März. — B. Xm. Kai.
Fridericns Wasner/ Elizabeth nxor eius.
* Friedrich von Wasen, dessen Mutter von der Aebtissin Gertmde von
Trannkirchen im Jahre 1347 mit dem Hofe Wechling, heute Wachling
bei Kalham, belehnt wurde. (Reg. Nr. 31.) Die Wasner oder Wasen,
XU denen auch die Herren von Kammer (Chamer) gehörten, führten ihren
Kamen von der Feste Wasen an der Ager und waren Ministerialen der
Grälen von Schaunberg. (Stmadt, Peuerbach, 159, 296.)
21. März. — C. Xn.Kal. Benedicti.
Bernhardas comes.^
' Vermutlich Bernhard I., Graf von Marburg, aus dem Hause Sponheim,
Gemahl Chunigundens, Tochter Otakers IV. von der Steiermark. Gkaf
Bernhard starb in Palästina 1148; das N. Ad. hat den 24. October, das
Nekrologium Mosacense gibt den 15. März als Todestag an.
23. März. — E.X.Kai.
Georins, abbas.
' Georg Spatz, 1500 — 1504 Abt von Kremsmünster. Die Todtenbttcher von
Mariazeil und Spital am Pyhm haben diesen, das Nekrologium von
Göttweig den Vortag.
24. März. — F. VÜI. Kai.
Fridericns submersas. — Elisabeth Polhaymeiin. — Johannes,
capellanns noster Pawshntter.^
* Nach 1420 eingezeichnet
26. März. — A. VH. Kai.
Hertnydns, prb. et decanus. — Hadmarus, archiprb. et can. Oster-
bajmer. — Heinricas Volchenstorffer.^
ArekiT. Bd. LXXXII. I. H&lfte. 19
290
* Vermutlich Heinrich IV. von Volkensdorf, gestorben 1333. (Winnsberger
a. a. O., 32 ff.)
27. März. — B. VI. Kai. Ruperti.
Weychardus, prep.
28. März. — C. V. Kai.
Anna Perkauserin, ml. n. c.
> Hand nach 1420.
29. März. — D. DU. Kai.
Otakcheitis, comes n. c. illius loci.* — Warbara, ml. n. c. Schenkhin.
* Otaker HI., Markgraf von Steier; cf. Qeschichte. Ihn erwähnen *. d. T.:
N. Ad., N. Cr. und N. 8eo.
30. März. — E. ITI. Kai.
Engelramus, occ. — Pertha, abba.*
^ Das N. st. Lbt. hat zum 28. März eine Perhta, Aebtissin von St Georg
am Längsee, eingezeichnet.
31. März. — F. Pridie Kai.
Chungundis, ml. n. c. Auerin.* — Artolffus Polhayraer.*
^ Siehe zum 14. März.
■ Nach Hochenegg (a. a. O., H. Bd., 62) vermutlich der Dritte dieses Na-
mens, g^estorben um 1320.
Aprilfs.
1. April. — G. Kai. Apr.
Vlricus, occ. — Vlricus, occ.
2. April. — A. mi. Non.
Tutta, abba. n. c.^ — Romanus, ep.*
* Tuta stand dem Kloster Trannkirchen vor 1180 als Aebtissin vor. Ihrer
gedenkt N. Lb. zum Vortage.
• Roman L, Bischof von Gurk, 1131 — 1167. Ihn erwähnen zum S.April
die Salzburger Todtenbücher, N. Ad., N. R. und N. See.
4. April. — C. Pridie Non.
Gedrudis, abba. n. c* — Wolfgangus Winkler. ^
291
* Yennntlich Gertntd IV., Aebtissin von Trannkirchen, 1334—1347.
* Nach 1420 eingezeichnet.
5 April. — D. Non.
Mag. Jacobus Herbsleben, plb. in Yecklapruck.^
* Nach 1420 eingezeichnet.
6. AprU. — E. VUI. Id.
Leocardis, ml. n. c. Lychtenbinkchlerin, ppr. vig. — Erken-
bertns, plb.
7. April. — F. Vn. Id.
Herbnrgis, ml. n. c. Erenvelserin. — Petronella Mülbangerin,
ml. n. c.^
^ Diese Einzeichnnng stammt nach dem Jahre 1420 her.
8. April. — G. VI. Id.
Elizabeth, ml. n. c. Waldnerin. — Albertus, archiep.* — Weren-
hardns Schaonberg.
> Adalbert H., Erzbischof von Salzburg, 1168—1177, 1183—1200. Ihn er-
wähnen ausser den Salzbnrger Todtenbüchem noch N. st. Lbt, N. Cl.
und N. Mel. z. d. T.; N. Lb. zum Vortage und N. Cr. zum 6. April.
* Wemhard VII. von Schaunberg, gestorben 1373; cf. Stülz, a. a. O. 230.
N. Michb. und N. WUh. z. d. T.
9. April. — A. V. Id.
Gening^s, prb. et can.
11. April. — cm. Id.
Hainricus, abb.^ — Herandus, occ.
^ Heinrich, Abt von Lambach, 1264—1286. N. Lb. zum 12. April, N. st. Lbt.
und N. Ad. z. d. T.
12. April. — D. Pridield.
Soffia, sor. n. c. Wyebarin.^
* Siehe zum 9. Jftnner.
Das N. Lb. hat z. d. T. ,Diemudis, ml. Trunch(irchen)S 13. Jahrhundert.
13. April. — E.Id.
Gedmdis, ml. n. c. Hartbaymerin.^ — Nicolans, ep.*
19*
292
^ Die Harthaimer, ein edles Geschlecht von Oberösterreich, das sich nach
dem Schlosse Hartheim nächst Alkoven nannte, starb nach 1321 aus.
(Stmadt, Peuerbach 837.)
* Nicolaus, Suffra^^nbischof von Passau im 15. Jahrhundert Die Ein-
Zeichnung geschah nach 1420.
15. April. — G. XVn.Kal.
Margaretha, ml. n. c. Harthaymerin, abba.^
' Obwohl das Wort ,abbati8sa' von einer Hand nach dem Jahre 1420
stammt, ist es doch richtig, da Margaretha von Harthaim thatsächlich
von 1348 — 1S69 Aebtissin von Traunkirchen war. Ihrer gedenkt z. d. T.
das ,KaIendarium Alberti plebani in Waldchirhen' im XXXIX. Jahresber.
des Mus. Franc-Carol. in Linz, 1881.
16. April. — A. XVI. Kai.
Weyi-at, abba.^ — Otto, occ.
^ Wirad U., Aebtissin von 8t. Erintrud auf dem Nonnberge in Salzburg,
urkundlich um 1186 erwfthnt. Ihrer gedenken z. d. T. die Salzburger
Nekrologien, sowie N. st. Lbt. und N. Bfichb.; das Todtenbuch von Sanct
Erintrud hat den 17. April.
17. April. — B. XV. Kai.
Albero, prb. et can.
18. April. — C. XIV. Kai.
Chunradus, archiep.^ — Yta, abba.* — Chnngundis Borerin.
^ Vermuthlich Conrad I., Erzbischof von Salzburg, 1106 — 1147, dessen die
meisten Osterreichischen und bairischen Nekrologien zum 8. oder 9. April
g^enken.
' Die Aebtissin Uta von St Georgen am Längsee, früher Nonne von Ad-
mont. Abt Wolvold von Admont sandte sie mit zwanzig Schwestern aus
seinem Kloster nach St. Georgen zur Durchführung der Reformation
dortselbs! Uta starb um 1160. Wichner, Admont I, 78. Ihrer gedenken
z. d. T. die Salzburger und steirischen Todtenbücher.
19. April. — D. Xm. Kai.
Elizabeth, ml. n. c. Sunbererin.^
' Aus dem berühmten Geschlechte der Herren von Sunnberg. Sie war ver-
mutlich eine Tochter Hadmars von Sunnberg, der 1276 ein Gut su
FellabrunU mit einem Talente jährlichen Einkommens an Traunkirchen
vergabte (Reg. Nr. 8.)
293
20. April. — E. Xn. Kai.
Alramos, abb.^
> Alnun, Abt von Lambach, 1208—1214. Ihn erwähnen N. Lb. s. d. T.,
N. 8t Badb. und N. st Lbt xnm folgenden Tage.
21. April. — F. XI. Kai.
Wehagrinius, abb.^ — Otto, prb., ,vn8er peichtvater*.'
^ Waengrim, Abt von Lambach, 1197—1209. N. Lb., N. Cr. und N. st Lbt
nun folgenden Tage.
' Nach 1420 eingetragen.
22. April. — G. X. Kai.
Cbristina, abba.^
^ Wahrscheinlich die Aebtissin dieses Namens von Paradeis in Judenbnrg,
1368. (Wichner, a. a. O.)
28. April. — A. Vmi. Kai.
Seyboldos Yolchenstorffer.*
' Siboto n. von Volkensdorf, gestorben 1405. (Wirmsberger, a. a. O. 53.)
Das N. st Bndb. hat x. d. T. Otilia, conya. s. Marie in Tmenchirchen
mit einer Hand des 12. Jahrhunderts.
25. April. — D. Vn. Kai.
Ottakchems submersns.
26. April. — D. VI. Kai.
ChuDgundis, sor. n. c. Stegerin.
28. April. — F. im. Kai. VitaHs.
Swariizmaimü8,abbas des Lambach.^ — Budolfas Lychtenbinkchler.
' Snarzmannos, der nennte Abt von Lambach, 1194 — 1197, starb in GOtt-
weig. N. Lb. z. d. T., N. st Lbt. sum folgenden Tage. Das N. st Budb.
hat s. d. T. Mahtildis, ml. s. Marie (in Trannkirchen).
29. April. — G. in. Kai.
Heinricns, occ.
294
30. April. — A. Pridie Kai.
Heinricuß dux Barbarie.^ — Gebolfus, prb. et can. — Or-
tolffus, occ.
^ Welcher Herzog dieses Namens von Baiem hier gemeint ist, konnte ich
ni^ht auffinden; vielleicht Heinrich IX., der Schwarze, Vater der Mark-
gräfin Sophie von Steiermark, der aber nach dem Necrol. Weingart bei
Hess, Mon. Guelf. am 31. December 1126 als Laienbruder von Wein-
garten gestorben sein soll. (Riezler, (3esch. v. Baiern I, 538.)
Malus.
1. Mai. — B. Eal. Mali. Philipp! et Jacobi.
Otakcherus marchio.^ — Wilbirgis, abba.* — Fiidericus, occ.
— Barbara, ml. n. c. Tungestin.' — Regina, abba. Pfaffingerin.
Nunberg.*
' Otaker U., Markgraf der Kärntner Mark, gestorben um 1060; cf. Ge-
schichte. Ihn erwähnt z. d. T. N. st. Lbt.
' Wahrscheinlich die Aebtissin Wilbirg von Erla in Niederösterreicb, er-
wähnt um 1260; N. Lb. z. d. T.
* Nach 1420 eingetragen.
^ Regina Pfaffinger von Salbernkirchen, 1505 — 1514 Aebtissin von Nonn-
berg. N. N. zum 27. April.
2. Mai. — C. VL Non.
Syboto, prb. et can.
3. Mai. — D. V. Non.
Marquardas, prb. et can.
4. Mai. — E. im. Non.
Elizabeth, ml. n. c. Lauerin. — Christina Lobensteynerin.
5. Mai. — F. m. Non.
Walthawser Strasser.^
^ Hand nach 1420.
6. Mai. — G. Pridie Non.
Werenhardus, can. — Katharina, ml. n. c. Sultzpergerin.^
* Von ihr bewahrte die ehemalige Klosterbibliothek zu Traunkirchen ein
8ch(}ne8 Psalterinm, auf Pergament geschrieben, das ihr vermutlich von
295
einem Bruder oder einer Schwester g^eschenkt wurde, wie dies aus den
am Ende geschriebenen Worten: ,das puech ist Katharina Sultzpergerin
meiner gar hertzenlieben swester* erhellt Die Nonne Katharina lebte
nach 1420.
8. Mai. — B. Vm. Id.
Hainricus submersus.
9. Mai. — C. Vn. Id.
Otakcherus, dux Stirensis.^
' Otaker VI., Herzog der Steiermark, gestorben 1192. Ihn erwähnen die
meisten Nekrologien theils zum 8., theils zum 9. oder 10. Mai.
12. Mai. — F. mi. Id.
Ylricus, miles Michelsteter. — Walchanüs, frater praedicator.
13. Mai. — G. m. Id.
Johannes transfixns.
U. Mai. — A. Pridie Id.
Badoifas, miles Liechtenwinchler. — Magdalena, ml. n. c.
Prenin (?)^
' Diese Elinzeichnung stammt nach dem Jahre 1420.
16. Mai. — C. XVn. Kai.
Chungundis, ml. n. c. Pibrin.^ — Elizabeth, ml. n. c. Sleglin.
' Die Piber (Castor) zu Piberstein waren ein altes Adelsgeschlecht von
OberOsterreich; cf. Hohenegg, Gtoneal., III. Bd., 52.
20. Mai. — G. Xm. Kai.
Bicherus submersus.
21. Mai. — A. Xn. Kai.
Hainricus, prb. et can.
23. Mai. — C. X. Kai.
Budbertus, abb.^
* Rndpert, Abt von Tegemsee, gestorben 1186; N. st Rndb. zum Vortage.
296
24. Mai. — D. Vnn. Kai.
Dietricus, prb. et can. — Helmhardus, miles. — Dorothea, abba.
n. c. Strasserin.*
^ Dorothea II. Strasser, 1513 — 1622 Aebtissin von Traunklrchen* ihrer
gedenken N. N. und N. Lb. zum Vortage.
25. Mai. — E. Vm. Kai.
Albere, prb. et pleb. — Johannes, abb. Lambacensis,^
1 Johann IV., Abt von Lambach, 1474—1509.
27. Mai. — G. VI. Kai.
Gerbirgis, cometissa.
28. Mai. — A. V. Kai.
Chnnradus, prb. et can.
* Nach N. st Rudb. Canonicus von Berchtesgaden im 12. Jahrhundert
29. Mai. — B.ira. Kai.
Alhaidis, ml. n. c. Hüssendorferin.^
^ Tochter Ulrichs von Hnsendorf, der 1841 zur Aufbesserung ihrer Pfründe
dem Kloster ein Gut zu Kirchdorf vergabte. (Reg. Nr. 27.)
30. Mai. — C. m. Kai.
Trystannns, pleb. n. c. — Seyffridus, prb. et can.
31. Mai. — D. Pridie Kai.
BuedolffuB, abb.^
^ Rudolf I., Abt von Seitenstetten, früher MOnch zu St. Emmeran in Re*
gensburg, 1261 — 1290. N. St. Emmerani gibt den 26. Mai als Todestag an.
Jnnins.
1. Juni. — E. Kai. Junii.
Vrsula Aschpanin, ml. n. c*
' Die Aspan (Eschpain), Freiherren zum Haag auf Hartham und Wims-
bach, ein altoberOsterreicIiisches Geschlecht, das 1645 ausstarb. (Hoben-
^ggi a. a. O. in, 37.) Die Nonne Ursula lebte nach 1420 in Trann-
kirchen.
297
2. Juni. — F. im. Non.
Marie Mulbangerin. ^ — Anna, ml. n. c. d^ Neithart.^
' Nach 1420 eingetragen. Die MUlwanger sa Gmeb und Neidtharting
unterhielten viele Besiehnngen zu Traunkirchen, siehe Reg. Nr. 34, 37,
43, 44, 50, 96. Das Geschlecht starb gegen Ende des 16. Jahrhunderts
tos. (Hoheneggy a. a. O. III, 427.)
* Nach 1420 eingezeichnet. Die Neidthart zu Oneissenau starben Ende
des 16. Jahrhunderts aus. (Hohenegg, a. a. O. m, 441.)
4. Juni. — A. Pridie Non.
Alhaidis, abba. n. c. Husendorfferin. ppr. yigilia.^
' Die Aebtissin Alhaidis stand vor 1180 Traunkirchen vor. Der Familien-
name wurde erst aus dem Anniversarien- Verzeichnisse in das Nekrologium
abertragen und lisst sich deshalb mit Sicherheit nicht bestimmen.
5. Juni. — B. Non.
Erasmns, abb.^ — Ghristina, abba.
' Vermutlich Erasmus, Abt von Lambach, 1405—1410; N. Lb. und
N. st Lbt geben den 17. Mai, N. Ad. den 9. Blai als Todestag an.
Das N. st Rudb. hat z. d. T. noch : Jeuta, ml. s. Marie in Traunkirchen.
6. Juni. — C. Vm. Id.
Johannes, prb. et can.
7. Juni. — D. Vn. Id.
Stephanns, abb. — Anna, ml. n. c. Täxerin.
8. Juni. — E. VI. Id.
Chuno, can. — Barbara Perkhamerin, ml. n. c* — Hainricus,
frater n. c.
' Nach 1420 eingetragen.
10. Juni. — G. nn. Id.
Odalricuß, abb.^ — Emestus, can.
* N. tt Lbt hat zum Vortage ,Odalricus, abbas 8. Salvatoris*. Das Sanct
Salvator- Kloster ist Kremsmttnster; vevmutlich Abt Ulrich 111. von
Kremsmttnster, gestorben 1182.
298
12. Juni. — B. Pridie Id.
Manegoldus, eps,^
^ Maneg^old, 1206—1215 Bischof von Passau. Seiner ^denkt N. Lb. snm
9. Juni.
13. Juni. — C. Id.
Agnes, ml. n. c. Mulbangerin. — Fridericus imperator.^ —
Eberhardus, occ.
^ Kaiser Friedrich I., ^sterben 1190. Die Nekrologien geben theils den
10., theils den 13. und 15. Juni an.
14. Juni. — D. XVm. Kai.
Eticho, prb. et can. — Pabo, occ. — Thomas Tanpeck, can.^
^ Nach 1420 eingezeichnet.
15. Juni. — E. XVn. Kai.
Pilgrimus Tanberger. — dorn. Johannes Steger, can.^
' Nach 1420 eingezeichnet
17. Juni. — G. XV. Kai.
Obiit Leonardas Layminger, ep. Patayiensis.^
> Bischof Leonard Layminger, 1423—1451, bestätigte 1430 als Diöcesao-
bischof von Passau die Incorporierung der Pfarre Traunkirchen und 1437
die päpstliche Entscheidung wegen dieser Pfarre dem Kloster. (Beg.
Nr. 68, 73.)
19. Juni. — B. Xm. Kai.
Fridericus dux Austrie.* — Walpurgis, ml. n. c. Päussin.'
^ Friedrich II. von Gestenreich, 1230—1246.
* Hand nach 1420.
20. Juni. — C. XU. Kai.
Otilia, abba. in Gossa.^ — Fridericus, Chunradus, Vlricus pueri
de Fatei-sheim.* — Margaretha, abba. n. c. Mulbangerin.'
1 Otilia II., 1203—1230 Aebtissin Yon Goess. (Wichner, a. a. O. 170.)
* Die Vaterahaimer zu Vatershaim und Pruck an der Aachach starben su
Beginn des 16. Jahrhunderts aus. (Hohenegg, a. a. O. III.)
' Margaretha III. von MUllwanger, 1402—1405 Aebtissin von Traunkirchen.
299
21. Juni. — D. XL Kai.
Elizabeth, ml. n. c. Laverin. — Anna, abba. n. c. Panichnerin.'
' Anna III. von Panicher, 1497—1513 Aebtissin lu Trannkirchen. Kaiser
Maximilian I. tauschte mit ihr und ihrem Capitel mehrere Güter. (Reg.
Nr. 103.) Die Panichner zu Wolkersdorf am Wagingersee waren ein
altes Ministerialengeschlecht von Salzburg. (Zillner, G^chichte von Salz-
burg I, 366.) Der Aebtissin Anna gedenken N. N. und N. Lb. zum
22. Juni.
Das Todtenbuch von Lambach hat noch z. d. T. eingezeichnet:
3elon^ abba. Traunkirchen*. Helene von Dietrich, die viertletzte Aeb-
tissin von Trannkirchen, stand dem Kloster von 1634 — 1643 vor.
22. Juni. — E.X.Kai.
Dyetmarus, prb. et can. — Leonardus, Bertoldus, Georius, ar-
migerL
23. Juni. — F. VIEDL. Kai.
Fridericus, prb. et can. — Wolfgang^s, abb.^
> Nach 1420 eingezeichnet Wolfgang Walcher, 150i— 1618 .Abt von
8t Peter in Salzburg; N. N. zum folgenden Tage.
25. Juni. — A. VH. Kai.
Magdalena, ml. n. c. Perckhausserin.^
> Hand nach 1420.
26. Juni. — B. VI. Kai.
Gisula, abba. n. c* — Engelscalcus, prep.* — Bicha, abba.
in Edla.»
^ Eine Aebtissin von Trannkirchen vor 1180.
' Engelschalk, 1182—1186 Propst von Chiemsee; N. N. und N. st. Rudb.
. zom 22. und 21. Juni.
' Eine der ältesten Aebtissinnen des Nonnenklosters Erla in Niederdster-
reich, vor 1160.
27. Juni. — C.V.Kai.
Eberhardus, archiep.^ — Engelscalcus, occ.
' Eberhard L, 1147—1164 Erzbischof von Salzburg; ihn erwähnen die
meisten Nekrologien zum 22. Juni. Das N. Lb. hat z. d. T. noch:
Magdalena, ml. Trannkirchen, 16. Jahrhundert.
300
28. Juni. — D. im. Kai.
Roedolffus, abb.^ — Wolframos, prb. et can.
' Nach N. Cr. war Rndolf Abt des Klosters O. 8. B. Gleink bei Steyr, Ter-
matlich der erste dieses Nameus, 1261 — 1264. Prits, Geschichte ron
Steyr 468, gibt den 25. Jnni als Todestag an.
29. Juni. — B. HI. Kai. Petri et Pauli.
Elisabeth, ml. n. c. Ottersteterin. — Vrsula, ml. n. c. Püchlerin.^
^ Nach 1420 eingetragen.
80. Juni. — F. Pridie Kai.
Katharina, abba.^ — Gerboldus, prb. et prep.
' Katharina von Pemegg, 1380 — 1388 Aebtissin von Nonnberg; N. N. som
2. Juli.
Julius.
1. Juli. — G. Kai. Julii.
Joannes, prb. et can. — Nycolaus, prb. et can.
2. Juli. - A. VI. Non.
Andreas, prb. et can.
3. Juli. — B. V. Non.
Gerungus, archiprb.* — Hainricus, abb.*
^ Gemngns, Decan zu St Rndbert in Salzburg, 12. Jahrhundert; N. st Rudb.
z. d. T.
* Vermutlich Heinrich IL, 1312^1318 Abt von Seitenstetten. Die An-
nalen dieses Stiftes geben den Vortag an.
5. Juli. — D. m.Non.
Osanna, sanctimon. n. c. quondam abba.^ — Margai*etha, ml. n. c.
Peterstorf erin.' ^
^ Die Aebtissin Osanna von Traunkirchen erscheint urkundlich in dem
Vergleiche zwischen Konrad von Capellen und dem Kloster Traunkirchen
1298. (Reg. Nr. 11.)
* Nach 1420 eingetragen.
301
7. Jnli. — F. Non.
Weichardus, ep./ Weychardus, Wejchardns, Anna, Gedrudis,
Beinpertos, Beinpertos, Ortolfüs, Ortolfas, Chunradus, omnes de Polhaim.
> Weichard, 1280^1282 Bischof von Passan, dessen Todestag der 17. De-
cember ist Am 7. Juli wurde fttr diese Polhaimer alljfthrlich der Anni-
versarius gefeiert.
8. Juli. — G. Vm. Id.
Johannes Rorer. — Vrsula Schedlinger, ml. n. c.^
* Nach 1420 eingezeichnet Die Schedlinger waren ein salzbnrg-bairisches
Ritterg^eschlecht.
10. JuH. — B. VI. Id.
Anna, ml. n. c. Messerpekchin.^ — Chunradus, occ.
' Für diese Nonne vergabte 1349 Ulrich von Tann sein Gut zu Roch an
das Spital von Gmunden mit der Verpflichtung, derselben bis zu ihrem
Ableben j&hrlich ein halbes Pfund Wiener Pfennige zu reichen. (Reg.
Nr. 83.)
11. Juli. — B. V. Id.
Wilibirgis, electa n. c. Stadeckerin.^
' Wann diese erwählte, aber nicht confirmierte Aebtissin von Traunkirchen
aus dem berühmten Ministerialengeschlechte der Stadecker gelebt hat,
vermag ich nicht n&her zu bestimmen.
12. JuH. — D. im. Id.
Soffia marchionissa, conva.^ — Fridericus, occ.
' Sophie, Tochter Heinrichs des Schwarzen von Baiem, Gemahlin des
Markgrafen Leopold von Steiermark, gestorben um 1138. Sie trat als
Laienschwester in Admont ein. Das N. R. nennt sie ,pia fundatrix mo-
nasterii Runensis*. Die steirischen Todtenbücher geben den 10. oder
11. Juli als Todestag an.
13. Juli. — E.m.Id.
Hugo, archieprb. — Caspar, prep. de s. Floriane.^
> Hand nach 1420. Vermutlich Caspar U. Yorster, 1467—1481 Propst
des Sttftee St Florian.
14. Juli. — F. Pridie Id.
Benedicta, ml. n. c. Perkchaimerin.
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303
22. Juli. — G. XL Kai. Marie Magdalene.
Hartnnus, occ.
Das N. Lb. hat z. d. T.: »Ursula, Margaretha, mies. TraunkirchenS
23. Juli. — A. X. Kai.
Albertus dui Austrie.^ — Albaydis regina.*
1 Vermntlich Herzog Albrecht IL von Oesterreich, 1330—1365, N. Cr.
zum 17. Juli.
' Adelheid, die erste Gemahlin Friedrichs I. ; N. st. Lbt zum 25. Juli.
25. Juli. — C. Vra, Kai. Jacobi.
Leotoldus comes.^ — Wolffgangus Khetringer.*
' Siehe Geschichte.
* Nach 1420 eingetragen.
26. Juli. — D. Vn. Kai.
Volkmarus Perkchaimer.^
> Hand nach 1420.
27. Juli. — E. VL Kai.
Perchtoldus, abb. — Rudigerus, occ.
* Berthold L, 1110 — 1142 Abt von Garsten; seiner gedenken die meisten
Todtenbacher z. d. T.
28. Juü. — F. V. Kai.
Benigna, ml. n. c. Freytagin.^
* Nach 1420 eingezeichnet. Die Freitag zu Waldbach, eine zu Beginn
des 16. Jahrhunderts ausgestorbene ritterliche Familie, standen in mehr-
fachen Beziehungen zu Traunkirchen. 1408 erscheint Peter Freytag
(cf. 30. October) als Amtmann zu Gmunden (Reg. Nr. 59, 60); 1441 be-
lehnt die Aebtissin Barbara von Traunkirchen Wolf Freytag mit der von
Traunkirchen zu Lehen gehenden Feste Waldbach (Reg. Nr. 74), 1448
erscheint derselbe Wolf Freytag als Amtmann zu Gmunden und Pfleger
m Wildenstein (Reg. Nr. 78, 79); 1450 verbietet ihm König Friedrich IV.
den Eingriff in die Rechte der Aebtissin von Traunkirchen (Reg. Nr. 86),
1473 belehnt die Aebtissin Magdalena den jungen Wolf Fre3rtag mit
Waldbach. (Reg. Nr. 97.)
29. Juli. — G. nn. Kai. Felicis.
Werenhardus, ep.^ — Leopoldus dui Austrie.*
304
* Wernhard von Prambach, 1285—1313 Bischof von PasMu; N. Bt. Hi.
z. d. T., N. Cli. Eum 28. Juli.
* Leopold VI., Herzog von Oesterreicb, 1198—1280. Ihn erw&hnen die
meisten Kekrolog^en z. d. T.
30. Juli. — A. m. Kai.
Margaretha, abba. n. c.^ — Hertbicus, occ.
^ Margaretha I. von Trannkirchen, vor 1181.
Angustns.
1. August. — C. Kai. Augusti. Yinculas Petri.
Winthems, prb. n. c. — Pabo Ch&tringer. — Vlricns, abb.^
> Vermutlich Ulrich H., 1368—1395 Abt von Lambach. Die Eintragung
stammt von einer Hand nach 1420 her. Seiner g^enkt z. d. T. N. Lb.;
cf. 29. Angnst
3. August. — E. ni. Non. Invencio s. Stephani.
Perichtold Pirichinger.
4. August. — F. Pridie Non.
Katharina, ml. n. c. Polliaymerin. — Heinricus submersus.
5. August. — G. Non.
Ekbertus comes.^ — Hedwigis, abba. — Barbara Tmentin,
ml. n. c*
* Ekbert HI., Graf von Pfltten, fiel als der Letzte seines Geschlechtes, der
Grafen von Formbach-Neubnrg-PQtten, 1158 vor Mailand; seiner geden-
ken N. Cl., N. Ad. and N. M. s. d. T., N. st Lbt hat den 3. August Das
Todesjahr besagen die Annal. Mellicen., die Cont Adm. u. a.
* Hand nach 1420. Die Truenter waren eine BUrgerfamilie an Gmnnden.
6. August. — A. Vin. Id.
Chunradus, abb.^ — Erasmus, subdiac. et m. Perkfaalmer de
Kremsmunster.'
* Conrad I., Abt von Lambach, gestorben 1291 ; N. Lb. a. d. T.
* Nach 1490 euageaeichnet
305
7. AngoBt. — B. Vn. Id.
Gantza, abba.^ — Andreas, m. confessor n. de Kremsmunster.
' Eine Aebtissin von St. Erintrud aaf dem Nonnberge» dem 12. Jahr-
hnnderte angehOrig: ibrer gedenken s. d. T. N. N., N. Ad., N. st. Rudb.
und N. st. Lbt.
9. August. — D. V. Id.
Leotoldus comes n. c, istius loci. ppr. vigilia.^ — Gotfridus, occ.
' Nach der za Traunkircben stets festgehaltenen Tradition der Markgraf
Leopold von Steier, 1122—1129. Sein Todestag ist der 24. October.
Yermutlich rühren von ihm die Besitzungen des Klosters zn Trofaiach
und Leoben her, welche ihm einen Anniversarius zum St Lanrenztage
sicherten.
10. August. — E. nn. Id.
Wolfhardus, occ. — Thomas, abb. Chersberger in Sejtenstettin.^
' Nach 1420 eingezeichnet Thomas von Kersberg, 1423 — 1427 Abt zu
Seitenstetten; N. Cr. hat den 31. Juli, N. Lb. den 12. August
11. August. — F. m. Id.
Leotoldus comes.^ — Chunradus Panhalm.* — Mai*tha, ml. n. c.
Alhartingerin.
^ Siehe Geschichte.
' Die Panhalm zu Stadikirchen, ein altes Ministerialengeschlecht, starben
um die Mitte des 16. Jahrhunderts aus. Dieser Conrad findet sich bei
Hohenegg, a. a. O. XU nicht.
12. August. — G. Pridield.
Eberhardus, plb. n. c. — Chunradus, occ.
13. August. — A. Id.
Dietricus, prb. et can. — Petrus, prb. et m. cognomine Pawr.^
* Hand nach 1420.
H.August. — B. XIX. KaL
Seybrandus, abb.* — Vitus Vtzinger, plb. n. ecclesie.* — Elisa-
t«th regina.'
* Sibrand, Abt von Tegemsee, 1339 ermordet; N. Cr. zum 27. Juli.
' B«8tätigt als Pfarrer von Traunkircben 14ö2 die Stiftung der Frühmesse
in der Filialkirche Aussee. (Reg. Nr. 88.) Die Ytxlnger zu Wildenhag,
Ar^iT. Bd. LXXXII. 1. H&lfie. 20
306
ein altritterliches Geschlecht von Oberltoterreich, starben nm die Mitte
des 16. Jahrhunderts aus. Veit Vtzinger, der schon 1452 CanonictiB
von Passau war, starb nach 1476.
' Königin Elisabeth, Witwe Albrecht I. von Habsburg. Sie starb am
28. October 1313; in Traunkirchen wurde aber ihr Anniversarius vor
dem Feste Mariae Himmelfahrt gefeiert, woraus sich die Einzeichnung
zu diesem Tage erklärt.
15. Augu8t. — D. XVin. Kai. Assumpcio s. Marie.
Heinricus, submersus.
16. August. — D. XVU.Kal.
. Margaretha Thalhamerin.^ — Leotoldus Talhaimer.*
^ Hand nach 1420. Margaretha Thalhaimer von Thalhaim erscheint 14S4
urkundlich als Gemahlin Wolf des Thalhaimers, welcher 1497 mit Lehen
zu Thalhaim bei Gmunden belehnt wird. Ein Sohn dieses Wolf und
der Margaretha erhält 1517 Hilprechting und Thalhaim von der Aeb-
tissin Dorothea zu Lehen. (Reg. Nr. 101, 104.)
' Hand nach 1420. Leopold Thalhaimer lebte 1450; in Hohenegg, a. a. 0.
m, 729, fehlt sein Name.
17. August. — E. XVI. Kai.
Hainricus, occ.
18. August. — F. XV. Kai.
Ricberus, plob. n. c. - VIricus, occ. — dorn. Georins Hohen-
felder, doctor, plob. n. c*
* Hand nach 1420. Dr. Georg von Hohenfelder zu Schlüsselberg, Lehrer
des geistliclien Hechtes, Pfarrer zu VOcklabruck und Traunkirchen, Ca-
uonicus von Passau und Propst zu Ardagger, starb 1483. Sein Grab-
stein befindet sich zu Traunkirchen. (Kirchliche Topographie XIV, 77.)
19. August - G. XIV. Kai.
Stephanus, prb, ot m., prior in Kremsmunster.* — Hainricus
Kersperger, prb. et m. in Kremsmunster.*
> Nach 1420 eingezeichnet
30. August. A, XIII. Kai.
Siguna, ml. n. c. Towffenpekchin. — Leopirgis. cometissa, fun-
datrix n, occlesie,' — Leonardas, prep.*
307
' Siehe Geschichte.
' Hand nach 1420. Vermatlich Leonhard Kiesenschmid, 1483—1508 Probst
Ton St Florian; N. Hi. zum 80. Ang^t.
21. August. — B. Xn. Kai.
Leotherus, occ.
22. August. — C. XI. Kai.
Ottakcherns, occ.
23. August. — D. X. Kai.
Anna, ml. n. c. Freyerin.^ — Mathias, Sebastianus, prbi. et cani.^
^ Nach 1420 eingezeichnet
25. August. — E. Vm. Kai.
Elisabeth, ml. n. c. Paissin.^
* Nach 1420 eingezeichnet
26. August. — G. Vü: Kai.
Chungundis Refectorin.^
' Nach 1420 eingezeichnet
27. August. — A. VI. Kai.
Wilbirgis cometissa, mater Leotoldi.^ — Ottakems rex occisus.^
' Wilbirgia, Gemahlin Otakers III.; ihrer gedenken z. d. T.: N. st Lbt,
N. st Fl. und N. Se. Der Zusatz ,mater Leotoldi' stammt nach dem
Jahre 1420 her; siehe Geschichte.
* Ottokar ü. von Böhmen, gefallen 1278.
29. August. — C. nn. Kai. Decollacio s. Johannis.
üdalricus, abb.^ — Fridericus, Fridericus, occisi. — Chlaia, abba.
n. c. Vtzingerin.*
^ Vermutlich ein Abt von Lambach, ob der erste (1349 — 1361) oder der
tweite dieses Namens (1368—1895), lAsst sich nicht n&her angeben; cf.
1. August
* Clara Ton Ytzinger (Yetzinger), 1420 — 1427 Aebtissin von Traunkirchen.
Ihre Einzeichnung stammt, wie der Jesuit Querk bemerkt, nicht mehr
von der Hand, welche das Nekrologium von Traunkirchen um das Jahr
1420 abgeschrieben hat
20»
308
30. August. — D. III. Kai.
Elisabeth, ml. n. c. Volchastoiffeiin. — ülricus Rorbacber.* —
Michael Oberbaimer.^
' Nach 1420 eingezeichnet
September,
1. September. — F. Kai. Septembris. Egidii.
Laurentius, abb. de Seyttensteten Meilenstoi'fer.* — Otto Cbers-
pek, Anna, uxor.* — Georgius Vachendorflfer.
^ Laurenz von Meillersdorf-Alindorf, 1385 — 1419 Abt von Seitenstetten;
N. Cr. z. d. T.
* Nach 1420 eingezeichnet
2. September. — A. lU. Non.
Chunradus, abb.
3. September. — A. HI. Non.
Heinricus miles. — Starkandus occisus. — Petrus Sweinpek,
prb. et can. de monasterio sti. Floriani.^
^ Nach 1420 eingezeichnet
4. September. — B. Pridie Non.
GediTidis cometissa.^ — Katharina Talhamerin, ml. n. c. an.
Ixxvii**.*
* Gemahlin des Grafen Adalbert von Rebgau-Piug^n. (Wendrinsky, a. a. O.)
' Die Nonne Katharina von Thalhaim starb 1477.
5. September. — C. Non.
Tietricus, prb. et can. — Barbara Kirichpergenn, abba. n. c. ist
gestorben im xxxiv.*
^ Barbara II. von Kirchberg, 1530 — 1534 Aebtissin von Traunkirchen ;
N. Lb. zum 31. August.
6. September. — D. VIII. Id.
Chunradus dux. — Dietricus miles.
309
T.September. — E. Vn. Id.
Magdalena, abba. n. c. Eastnorin.^
^ Magdalena Kästner, 1464—1497 Aebtissin von Traunkirchen; N. Lb.
z. d. T., doch ohne die Bezeichnung ,abba\
8. September. — F. VI. Id. Nativitatis s. Marie.
Cholomanus Mülbanger, pleb. n. c.^
^ Da diese Einzeichnung erst nach 1420 geschah, so muss Mühlwanger,
welcher 1386 wegen Stiftung einer ewigen Messe durch Friedrich von
Wolfsau, Agnes, dessen Hausfrau, und die ganze ,gemain der Hällinger
und purger zu Aussee* in der Pfarrkirche daselbst als Pfarrer von Traun-
kirchen reversierte, erst nach 1420 gestorben sein. (Reg. Nr. 50.) Er
gilt als Verfasser der fabelreichen Chronik von Geisern.
9. September. — G. V. Id.
Hainricas, pleb.
11. September. — B. Ul. Id.
Chnngundis, ml. n. c. Otterstetterin.
12. September. — C. Pridie Id.
Heylca, abba.
13. September. — D. Id.
Barbara Petershaimerin.
14. September. — E. XVHI. Kai. Exaltacio s. Crucis.
Wemhardus Polhaymer.
15. September. — F. XVH. Kai.
Hainricus, pleb. n. c. Polhaymer.^ — Dietmai-us submersus. .
* Heinrich von Polhaim, Pfarrer von Traunkirchen und Canonicus von
Freising, gestorben 1383. (Heyrenbach's Manuscript, 1. c. Nr. 8638).
16. September. — G. XVI. Kai.
Wemhardus Chattringer.
310
18. September — B. Xim. Kai.
(, pkb. n. c.
19. September. — C. XTIT KaL
Hatnncos, ep.^
> Nach N. >L Lbt BwektÄ nm Brixen ui 13. Jabrlmiiderte; welcher Hein-
rich darantar nch bort, ob der ED. oder IV~ lisst ach nicht bestunmen.
21.8eptraiber. — E. XI.K1I.
Chanradus, abb. de Sejtensten (nc!).^
> VennotUch Conrad L, 1172—1201 Abt ron Seitensletten; N. Ad. ziud
20. S^rtember.
22. September. — F. X. Kai.
Otto, ep.^
' Otto L, 1137—1158 Bischof von Freising, der grosse Geschichtschreiber.
Die meisten Österreichischen and steirischen Nekrologien haben den
22. September als Todestag.
23. September. — G. Vim. Kai.
Gregorins, ep. — Magdalena, ml. n. c. Klneghamerm.^
^ Hand nach 1220.
24. September. — A. Vm. Kai.
Agnes marchionissa.^
^ Agnes, Gemahlin Leopold IIL von Oesterreich, gestorben um 1143. Ihrer
gedenken die meisten österreichischen und steirischen TodtenbGcher
z. d. T.
26. September. — B. VII. Kai.
Simon, abb. Lambacensis.^
> Simon Talhaimer, 1395—1405 Abt von Lambach; N. Lb. cum 26. Sep-
tember.
27. September. — D. V. Kai. Cosme et Damiani.
Ottakarns, occ.
311
28. September. — E. im. Kai.
Regemarus, ep. Pataviensis.* — Juventa, n. c. inclusa. — mskg.
Dyttricus, plb. n. c.
» Beginmar, 1121—1138 Bischof von Pkssau; N. Lb. z. d. T., N. Cr., N. Ad.,
zam 30. September.
' Nach 1420 eingezeichnet.
29. September. — F. III. Kai.
Wilhalmus comes fandator n. c. istius loci.*
^ Wilbalm II. (?), Graf von Raschenberg-Reichenhall, siehe Geschichte.
30. September. — G. Pridie Kai.
Vlricus Pays.
October,
1. October. — A. Kai. Octobris. Remigii.
Georias Panhalm.^ — Caspar Terras, prb. et can. de monasterio
8. Floriani.^
* Hand nach 1420.
2. October. — B. VI. Non.
Hainricus, ep.^ — Lucas, abb.*
» Heinrich, 1167—1174 Bischof von Gurk, N. Ad., z. f. T.
' Lucas, 1431—1489 Abt von QOttweig; der Abtskatalog dieses Stiftes gibt
den 22. September als Todestag an.
3. October. — C. V. Non.
Johannes, plb. n. c.^
' Hand nach 1420.
4. October. — D. IUI. Non.
Katherina, conva. n. c^^ohenfelderin.'
' Nach 1420 eingezeichnet.
5. October. — E. m. Non.
Seyffridus, pleb. in Nustorflf.^
' Hand nach 1420. Nussdorf am Attersee.
312
6. October. — F. Pridie Non.
Adalbero, ep.^
* Adalbero, Graf von Lambach, 1046—1090 Bischof von Würzburg; Grün-
der des Stiftes Lambach. Ihn erwähnen N. Michb., N. st. FI., N. Lb. nnd
N. Ad., z. d. T.
8. October. — A. Vm. Id.
Elizabeth, ml. n. c. Böttin.
9. October. — B. VII. Id. Dyonisii.
Elisabeth cometissa.^ — Görig Hohenfelder,* Salome uxor.'
* Elisabeth von Oesterreich, Tochter Leopold IL von der Ostmark, Ge-
mahlin Otaker IV. von Steier, gestorben um 1105. Dass sie 'die Tochter
Leopold n. nnd die Schwester Leopold III., nicht des Letzteren Tochter
war, erhellt ans der Biographie des heil. Berthold. Ihrer gedenkt z. d. T.
N. M., während N. Ad., N. st. FL, sowie die in ihrem und ihres Gemahles
Grabe zu Garsten gefundene Bleiplatte den VI. Id. Oct. (10. October)
angeben. (Friess, Wappen der Aebte von Garsten. Jahrbuch der
herald. Ges. ,Adler* 1892, 10.)
* Nach 1420 eingezeichnet. Georg von Hohenfeld zu Aistersheim starb
nach 1600.
' Salome als Gattin Georgs von Hohenfeld kennt Hohenegg a. a. 0. I.
nicht.
10. October. — C. VI. Id.
Anna, ml. n. c. Chamerin.^
' Die Chamer waren ein Zweig der Wasner und sind die Hohenfelder als
ihre Nachkommen zu betrachten. Die Namensänderung scheint um die
Mitte des 14. Jahrhunderts erfolgt zu sein. (Stmadt, Peuerbach, 296).
11. October. — D. V. Id.
Sighardus, abb.^ — Weygandus, abb.* — Anna, sor. n. c. Pe-
heymin.
* SigHard oder Sims, 1163—1177 Abt von Melk. (Keiblinger, Geschichte
von Melk I, 282 flf.) Ihn erwähnen^, d. T. N. M. und N. st. Lbt.
und N. A.
«Weygandus (Wigand), 1128—1153 Abt von Lambach; N. st Lb. und
N. St. Lbt. z. d. T.
12. October. — E. IUI. Id.
Hainricus, plb. — Dietmanis, occ.
313
13. October. — F. m. Id,
Wolfgang, abb.^
> Hand nach 1420. Wolfgang Häberl, 1499—1521 Abt Ton Mondsee. Mit
ihm schllessen die Aebtissin Anna nnd das Capitel von Traunkircbeu
1506 eine geistliche Conföderation. (Reg. Nr. 102.)
14. October. — 6. Pridie Id. Kalixti, der den pfaffen dy weiber verpat.
Gedrudis, abba.
17. October. — C. XVI. Kai.
Gerloch, archydiac.
18. October. — D. XV. Kai. Luce Ewangeliste.
Johannes, occ.
21. October. — 6. XII. Kai. Vndecim milium Virginum.
Otto, abb. Lambacenses.^ — Hainricus, pleb.
* Otto, 1218—1241 Abt von Lambach; N. Lb. z. d. T.
23. October. — B. X. Kai.
Johannes, prb. et m. de Lambach dictus Pawswek.
25. October. — D. Vm. Kai.
Gyburgis, ml. n. c. Jesnitzerin. — Agnes Rorerin.
26. October. — E. VH. Kai.
ßuedolffas dux.* — Tymudis, ml. n. c. Wasnerin. — Helena,
electa.
' Ob hier ein gleichnamiger Herssog von Gestenreich zu verstehen ist, oder
ob der Familienname Herzog nicht latinisiert wurde, entgeht mir.
27. October. — F. VI. Kai.
Anna, abba. n. c. Aistershaymerin.^
' Anna 1. 1326—1332 Aebtissin von Traunkirchen.
28. October. — G. V. Kai.
Anime Friderici, abb.^ — Benedictus, abb. in Kreinsmunster.*
314
* Nach 1420 eingezeichnet.
' Benedict Braun, 1484 — 1488 Abt von Kremsmüuster.
29. October. — A. im. Kai.
Wernhardus, abb.
30. October. — B. ffl. Kai.
Petrus Freytag, Christina uxor.^ — Nicolaus, abb. de Mellico.' '
^ lieber die Frejtag ist der 28. Juli zu vergleichen.
* Nicolaus Seyringer, 1418 — 1425 Abt von Melk. Die Annalen dieses
Klosters geben den 25. December als Todestag an, (Keiblinger, a. a. 0.
I, 506).
NoTember.
I.November. — D. Kai. Novembris. Omnium Sanctorum.
Wolffvoldus, abb.^
^ Wolvold, 1115—1137 Abt von Admont. Ihn erwähnen die meisten Ne-
krologien zum folgenden Tage.
4. November. — G. Pridie Non.
Rudbeiiius, ep. Pataviensis.^ — Christina, abba. — Regina, ml.
n. c. Salchingerin.*
^ Rudbert, 1164—1165 Bischof von Passau, treuer Anhänger der kuser-
liehen Partei. Mon. Germ. 88. XVII, 471.
' Nach 1420 eingezeichnet.
5. November. — A. Non.
Albertus, pleb. Polhaymer. — Albero Polhaymer.
Das Nekrologium von Lambach hat noch z. d. T.: Regina, ml. Traun-
chirchen.
6. November. — B. Vm. Id.
Eberhardus, abb.^ — Wernhardus, pleb. — Afi&a, ml. n. c.
Kasnerin.^
* Eberhard, 1352—1365 Abt von Garsten.
' Nach 1420 eingezeichnet.
7. November. — C. VII. Id.
Wolframus, occ.
315
11. November. — 6. DI. Id. Martini.
Anna Hauczin, noyicia n. c.^
* Nach 1420 eingezeichnet
12. November. — A. Pridie Id.
Beinpertos, ep. Pataviensis.^
' Beginbert von Hagenaa, 1138 — 1148 Bischof von Passau, gestorben auf
der Bfickreise von Palästina in einem nicht nftber bekannten Orte
Griechenlands; N. st Budp. zum 10., N. Lb. zum 11. November.
13. November. — B. Id.
Andreas, pleb. n. c. — Scolastica, mi. n. c. Müihamerin.^
* Hand nach 1420.
14. November. — C. XVEI. Kai.
Heyma, abba.
15. November. — D. XVII. Kai.
Ata; abba. n. c.^
' Ata, Tochter Otakers I. von Qrabenstatt, die erste Aebtissin von Traun-
kirchen.
16. November. — E. XVI. Kai.
Vrsnla, mi. n. c. Panhaimin. — Offemia, abba.
17. November. — F. XV. Kai.
Elisabeth de Voikenstorfferin.
18. November. — G. XIV. Kai.
Hainricns, pleb. n. c. — Walchunus, ooc. — Vrsula M&min-
gerin, ml. n. c*
' Nach 1420 eingezeichnet
19. November. — A. Xin. Kai. Elyzabeth.
Anna, abba. n. c. Oczdorfferin.^ — Cbristannus, abb.*
* Anna II., 1370 (?)— 1402 Aebtissin von Traunkirchen. Ihrer gedenkt
N. Cr. z. d. T. Die Otstorfer, ein edles Geschlecht von Oberösterreich,
nannten sich nach dem bei Wels gelegenen gleichnamigen Schlosse.
316
Unter den Aebten von Kremsmünster and Wllhering finden sich mehrere
Glieder dieser Familie. (Rolleder, Heimatkunde von Steier, 238.)
« Christian von Otstorf, 1346—1349 Abt von KremsmOnster. N. Cr. z. d. T.
20. November. — B. XII. Kai.
Joseph, prb. et can.
22. November. — D. X. Kai.
Vdalbertus marchio.^ — Chungundis marchionissa.*
* Adalbert, Bruder Otaker IV. von Steier; siehe Geschichte.
' Kunigoude, Tochter Diepolds von Vohburg^, Gemahlin Otaker V. von
Steier. Sie nahm um 1180 den Schleier in Admont, daher K. Ad.
schreibt: ,Chuniguut ex marchionissa con versa', und starb um 1184
Ihrer gedenken zum Vortage N. Ad., N. See, N. N. und N. st Rudp.; N.
st. Lbt. gibt den 20. November als Todestag an.
23. November. — E. Villi. Kai.
Joannes Jörger.*
* Nach 1420 eingezeichnet Hans Jörger, Herr zu Roith und Pemao,
starb 1447. (Hohenegg, a. a. O. I.)
24. November. — F. VIH. Kai.
Wandelmudis, sor. n. c. Rueshaymerin. — Martha, ml. n. c.
Peyrin.*
* Nach 1420 eingezeichnet
26. November. — G. VII. Kai.
Andreas, abb. Admund.* — Lienhait Sintzingor.*
^ Nach 1420 eingetragen. Andreas von Stettheim, 1423 — 1466 Abt von
Admont (Wichner, Admont ffl, 149 ff.)
* Nach 1420 eingezeichnet
26. November. — A. VI. Kai.
Gedrudis, abba. n. c*
^ Diese Aebtissin stand vor dem Jahre 1180 Traunkirchen vor; vielleicht
Gerdrut I.
27. November. — B. V. Kai.
Judicta, abba. n. c' — Christina, ml. n. c. — Otto Erenfelser.
317
' Die Aebtissin Jndit lebte vor 1180, doch gehOrt sie dem N. N. zufolge,
das ihrer zum folgenden Tage gedenkt, dem 12. Jahrhundert an.
28. November. — C. IUI, Kai.
Ottakerns.^
^ Otaker IV., Markgraf von Steier 1078c.— 1122. Seiner gedenken z. d. T.:
N. Ad., N. St. Lbt, N. st Rudp., N. N. und N. st. And.; N. M. gibt den
27. November als Todestag an.
29. November. — D. HI. Kai.
HainricuSy occ.
Deeember,
2. December. — G. IUI. Non.
Artolffas, occ.
4. December. — B. Pridie Non.
Changundis cometissa.^
* Chnnegunde, Tochter Otaker IV. von Steier, Gemahlin des Grafen
Bernhard von Marburg-Sponheim ; N. Ad. und N. See. z. d. T.
5. December. — C. Non.
Otto, occ.
«. December. — D. Vm. Id. Nicolai.
Grenna, prb. et can.
7. December. — E. VU. Id.
Steffanus, abb.^
' Nach 1420 eingezeichnet. Stephan von Riedenthal, 1419—1423 Abt von
Seitenstetten. (Archiv Seitenstetten.)
8. December. — F. VI. Id.
Albertus, prior monasterii Lambacensis.
9. December. — G. V. Id.
ßuedigerus, pleb. n. c. — Fridericus, prb. capellanus in Trofeyacb.
318
10. December. — A. im. Id.
Mathes Truent. — Anno 1465 obiit venerabilis abba. Barbara
Siadlerin, n. c.
> Barbara Stadler, 1426—1466 AebÜBsin von Traunldrchen.
11. December. — B. HI. Id.
Otto Borer. — Hanns MQlhamer.^
' Nacb 1420 eingeseicbnet
12. December. — C. Pridie Id.
Tymudis, abba.^ — Jörg Mämlinger. — Johannes, abb. Stawbitz.'
^ Dimudis m., Aebtifisin von Noanberg, gestorben 1186. Mon. Genn.
SS. IX. Annal. st Rndb. 776; N. Ad. und N. N. snm 13. December.
* Jobannes IV. von SUnpitz, 1622—1624 Abt von St Peter in Salsbnrg.
Sein Epitaphium gibt den 28. December als Todestag an.
14. December. — E. XIX; Kai.
Peter Tungest.* — Johannes, abb.*
» Hand nach 1420.
16. December. — G. XVH. Kai.
Albero Polhaymer.
18. December. — B. XV. Kai.
Gundakcherns, pleb. n. c.
19. December. — C. XIV. Kai.
Werenhardus, abb.*
^ Wemhard, Abt von Seon, gestorben um 1140 nach N. st. Rudp. i. d. T.
20. December. — D. Xm. Kai.
Barbara, ml. n. c. Gsbentnerin. — Anna, ml. n. c. Puecherin.
21. December. — E. XH.Kal.
Rndolffus, occ.
23. December. — G. X. Kai.
Chuni*adns, occ.
319
24. Dec«mber. — A. Vim. Kai.
Wolfgangus, abb. de Lambacb, der frawn peicbtvater.^
* Wol^ang I., 1504—1507 Abt von Lambach; N. Lb. z. d. T.
25. December. — B. Vm. Kai.
Yrsola Eppelshauserin, ml. n. c.
26. December. — C. VII. Kai.
Lampertus, abb.
Catalognt annivertariomin prior. ^
Yermerkcht wann man singen scholl dj iartag:
item Dorothea Cherspekchin, Ix den.
„ Ad conventum in chrastino Nativitatis Marie, dauon gibt man
Ix den.
n Grane Leodolten stiffter an sand Larentztag, non offertorium.
y, Wilpurg g]*äffin stifiPterin am erichtag nach Juliana, praebenda.
n Ata erst abtessin, stiffterfrewntin in chrastino Briccii, praebenda.
n MargraffWilhalm in die Michael, officium a singulls dominabus olim.
ff Alhaidis Husentarferin anniversarium in die Barnabe apostoli,
praebenda.
» Dorothea Kätiingerin in die Dorothee anniversarium, dauon 1 Pfund
den.
jt Hagenwalderin, abbatissa feria secunda post assumpcionem Marie,
nichil.
ff Leuchardis anniversarium post Mathie, nichil.
9 Awerin Ursule in die Othmari, nichil.
ff Otzstorfferin all möntag ain selmess ynd Elizabeth anniversaiium,
davon gibt man ain phunt phening.
1, Borärin anniversarium Fabiani et Sebastiani.
9 all qnottember beget man herrn Albrechten vnd ainer kunigin (Eis-
pet) gedachtnus mit ainer collecten vnd iartag nach assump-
«
cionis, gibt man all quottember xl den.
* Dieee Beseicbnang stammt von P. Heyrenbach, der betreffs des zweiten
Verzeichnisses bemerkt: »Catalogns scriptns calamo recentiori.*
320
Gatalogns anniversariomin alter. ^
Item notandum, was man iärtag vnd wie vil man deren ynd wem man
die begen sol vnd zn welcher zeit im iar.
„ von erst graf Lewtoid hat ein aygn iartag vnd beget mau den an
sand Larentztag; propria vigilia.
„ graf Wilbalm in die Michahelis, proprium anniversarium.
„ margraf Ottacker propria vigilia in Valentini martyres.
„ Wilbirgis gräfin, dy andl gi*af Lewtolts, leyt dacz sand Peter vnd
beget man den am dritten tag nach Juliana virg.^ prop. vig.
„ Ata erst abbatissa, leit vor dem munster in crastino Bricci, habet
proprium anniversarium.
„ Wilbirgis, abbatissa, leit dacz sand Stephan in die Georii, habet prop.
anniv.
„ Alberijjus erst plebanns, der reht iartag des montags nach assnmp-
cionis Marie, prop. anniv.
„ derselb pharrer hat gestiflPt allew quottember aygn vigiley vnd aygen
selmess, vnd alz oft man dem pharer beget, so sol man damit
gedachtnnz auch haben der kfinigin.
„ Alhaidis Husendörfferin abbatissa in die Barnabe apostoli, prop.
anniv.
„ Dorothea Eäthringerin abbatissa, leit dacz sand Peter prop. anniv.
in die Dorothe.
„ Hagenbalderin abbatissa de% nagstn mantags nach assumpcionis
Marie, prop. anniv.
„ Lewkardis soror vnd Engula, den zwain beget man miteinander d^
nagsten montag nach Mathie apostoli, prop. vig.
„ Chungundis Barerin in die Fabiani et Sebastiani habet prop. anniv.
„ Chungundis vnd Vrsnla Panbalmin, beget man miteinander in die
Otmari, prop. vig.
„ der Dorothea Kerspekchin beget man ain aigen iartag in die Egidii,
prop. vig.
„ totus conventus habet proprium anniversarium et peragitur semper
in chrastino nativitatis Marie.
„ allen Polhaymem leset man ein vigiley mit einander zw sand Ni-
kolai episcopi, davon haben wir iarleich ain nacht anf dem . . .
an der andern nacht, dy man gen hof nympt.
^ Diese Bezeichnnng stammt von P. Heyrenbach, der betreffs des zweiten
Verzeichnisses bemerkt: ,Catalogn8 scriptos calamo receutiori\
321
Item der Lagin beget man ain iai*tag iärlich am drittn tag nach Chuni-
gundis virginis, darumb hat ydew fraw ain chändel wein vnd
zwen häring, prop. vig.
Alphabetisches Register.
A. Erzbischofe und Bischöfe.
Passau.
Leonard, 17. VI.
Manegold, 12. VI.
Nicolaus, 13. IV.
Beginmar, 28. IX.
Keimpert, 12. XI.
Rudbert, 4. XI.
Weichard, 7. VH.
Werahard, 29. VU.
Brixen.
Heinrich, 19. IX.
Freising.
Otto I., 22. IX.
Gurk.
Heinrich, 2. X.
Koman, 2. IV.
Salzburg.
Adalbert, 8. IV.
Conrad L, 18. IV.
Eberhard I., 27. VI.
WQrzburg.
Adalbero, 6. X.
Unbestimmt
Gregor, 23. IX.
B. Canoniker, Pfarrer und Priester.
Adalbert, 24. I.
Albero, 17. U., 17. IV.,
25. V., 5. XI.
Albttin, 11. 1.
Andreas, 8. L, 2. VII.
Arnold, 29. 1.
Pabo, 16. 1.
Petra«. 12. Vm.
Perchtram, 3. HI.
Conrad, 28. V.
Cuno, 8. VI.
Dietmar, 14. H., 16. IL,
24. n., 9. lU., 22. VI.
Dietrich, 16. n., 24. V.,
12. VlIL, 5. IX.
Tiemo, 8. 1.
Thoman, 9. 1.
Thomas Thanbeck, 14.
FL
Engelschalk, 17. lU.
Erbo, 12. n.
Erkenbert, 6. IV.
Emest, 10. VI.
Friedrich, 23. VI.
Gebolf, 30. IV.
Gerbold, 30. VI.
Gerloch, 17. X.
Gerung, 24. I., 9. IV.,
3. VU.
Grena, 6. XII.
Hadmar Osterhaymer,
26. lU.
Heinrich, 21. V., 9. IX.,
12.x., 21.x.
Hertbic, 9. II.
Hertnid, 17., 26. IH.
Hugo, 13. Vir.
Jakob Herbsleben, pleb.
in Vöcklabruck, 5.
IV.
Johannes Steger, 16. VI.
Johannes, 10. 1., 6. VI.,
1. VU.
Josef, 20. XI.
AiekiT. Bd. LXXXII. I. Hftlft«.
Liebhard Mühlhamer,
26. V.
Leotold, 1. II.
Mathias, 23. VUL
Marquard, 4. lU., 3. V.
Nicolaus, 1. VII.
Otto, 24. I., 8. H.
Rudbert, 13., 24. L
Sebastian, 23. VUI.
Seifrid, 30. V.
Siboto, 2. V.
Sighard, 6. HI.
Ulrich, 6. 1.
Walchun, 12. V.
Weichard, 27. HI.
Werenhard, 6. V., 6.
XI.
Wibold, 3. HL
Wilhelm, 2. IL, pleb. in
Munster.
Wolfmar, 10. UI.
Wolfram, 28. VI.
21
322
C. Klöster.
Admont.
Andreas, abb., 25. XI.
Wolwoldus, abb., 1. XI.
St Paul in Kärnten.
Wernher, abb., 20. VII.
Chiemsee.
Engelschalk, praep., 26.
VI.
Kremsmünster.
Benedict, abb., 28. X.
Christan, abb., 19. XI.
Qeorius, abb., 23. HI.
Stephan, abb., 25. I.
Ulrich, abb., 10. VI. (?)
Stephan, prior, 19. VIII.
Perthold, mon., 17.
VII.
Erasmus, mon., 6. VIII.
Friedrich, mon., 17. VII.
Heinrich, mon., 19. VIII.
Martin, mon., 17. VII.
Stephan, mon., 17. VII.
Tegernsee.
Rudbert, abb., 23. V.
Seibrand, abb., 14. VIU.
Traunkirchen.
Aebtissizinen :
Ata, 15. XI.
Alhaid, 4. VI.
Anna I., 27. X., von
Aystersheim.
Anna 11., 19. XL, von
Otsdorf.
Anna HI., 21. VI., von
Fanichner.
Barbara II., 5. IX., von
Kirchberg.
Barbara I., 10. XII., von
Stadler.
Katharina, electa, 29.
vin.
Clara, 29. VIII., von
Vtzing.
Kunigunde, 2. I., von
Kirchberg.
Dimudis, 17. I.
Dorothea I., 5. II., Kat-
ringer.
Dorothea II., 24. V.,
Strasser.
Elisabeth I., 5. III., von
Polheim.
Gertrude III., 4. I., von
Volkensdorf.
Gertrude II., 16. I.
Gertrude IV., 4. IV.
Gertrude I., 16. XI.
Gisula, 26. V.
Halka, 26. 1.
Judicta, 27. XI.
Magdalena I., 7. IX.,
Kastner.
Margaretha I., 30. VII.
Margaretha II., 15. IV.,
von Hartheim.
Margaretha HI., 13. H.,
von Stainach.
Margaretha IV., 20. VI.,
von Mühlwanger.
Offemia I., 21. I.
Osanna, 5. VII.
Wilbirgis, 12. III.
Wilbirgis, electa, 11.
Vn., von Stadegg.
Decaninnen :
Anna, 17. III., Warter.
Judita, 18. I.
Nonnen :
Ata, 3. I.
Afra, 6. XI., Kasner.
Agnes, 13. VI., von
Mühlwanger.
Alhaid, 29. V., von Hu-
sendorf.
Anna, 28. HI., von Per-
kau.
Anna, 2. VI., von Nid-
hart.
Anna, 7. VI., von Taxen.
Anna, 10. VII., von
Messenpek.
Anna, 23. VHI., von
Frey.
Anna, lO.X., vonCbamer.
Anna, 20. XII.
Barbara, 14. II., von
Pirching^r.
Barbara, 16. IL, von
Teufl.
Barbara, 1. V., von Tun-
gast
Barbara, 8. VI., von
Perkheim.
Barbara, 5. VHL, Truent
Barbara, 29. HI.
Barbara, 20. XH.
Petronella, 7. IV.
Benedicta, 14. VII , von
Perkheim.
Benedicta, 18. L, 10.11.,
14. vn.
Benigna, 28. VH., Frey-
tag.
Perhta, 2. 3. L, l.H.
Brigita, 19. VIL, von
Messenpek.
Katharina, 6. V., von
Sulzpeck.
Katharina, 4. VHI., von
Polheira.
Katharina, 4. IX., von
Thalheim.
Christina, 27. XI.
Kunigund, 15. L, von
Rorer.
Kunigund, 24. H., von
Sulzpeck.
Kunigund, 31. HI., Aner.
Kungund, 18. IV., von
Rohr.
Kunigund, 16. V., von
Piber.
323
Kanigund, 11. IX., von
Otterstetten.
Eunigood, 9. I., 22. I.,
26. vin.
Dimudis, 26. X., von
Wasner.
Dimudis, 26. I.
Dorothea, 5. n., Katrin-
ger.
Eberlindis, 2. II.
Elisabeth, 14. III., Auer.
Elisabeth, 8. IV., von
Waldner.
Elisabeth, 19. IV., von
Sunnberg.
Elisabeth, 21. VI., Laner.
Elisabeth, 29. VI., von
Otterstetten.
Elisabeth, 26. Vm., von
Paig.
Elisabeth, 30. VID., von
Volkensdorf.
Elisabeth, 8. X., von
Rot.
Elisabeth, 12., 18. 1.
Engela, 21. X., von
Fatersheim.
Engelmnd, 10. II.
Ermindrud, 4. IL
Gerbirg, 25. X., von
Jesoitz.
Gerbirg, 27. 1., 3. U.
Gertrud, 13. IV., von
Harthaim.
Gertmd, 8., 12. U.
Hadwig, 13.1.
Heilwig, 8. I.
Herburg, 7. IV., von
Erenfels.
Jeuta, 6. VI.
Juvencta, inclu8a,28.IX.
Leopirg, 8. 1.
Lencardis, 6. IV., Lich-
tenbinkler.
Lencardis, 29. I.
Magdalena, U.V., Pren.
Magdalena, 26. VI., von
Perkhaus. •
Magdalena, 16. VII.,
Ascha.
Magdalena, 23. IX., von
Klueghaimer.
Mahtild, 11., 23. 1.
Martha, 24. IX., Peyr.
Martha, 11. Vin.,Alhar.
tinger.
Margaretha, 14. II.,
Forster.
Margaretha, 22. VII.
Margaretha, 6. VII., Po-
terstorf.
Margaretha, 2 1 . VII., von
Sintzinger.
Ofemia, 22. I.
Regina, 4. XI., Salchin-
ger.
Richa, 27. 1.
Scolastica, 13.XI.,Mahl-
wanger.
Siguna, 20. Vm., von
Teuffenbek.
Swanihild, 24. I.
Ursula, I. VI., von Asch-
pain.
Ursula, 8. VII., von
Schedlinger.
Ursula, 16. XL, von
Panhalm.
Ursula, 18. XL, von
Mäming.
Ursula, 29. ,VI., 22. VU.,
23. XII.
Walpurg, 19. VI., Pais.
Wilbirg, 27. 1.
Sorores :
Anna, 11. X., von Pe-
haim.
Katharina, 4. X., von
Hohenfeld.
Kungundis, 26. IV.,
Steger.
Dimud, 6. IL
Gertrud, 1. II.
Gisula, 30. 1.
Heltrud, 6. I.
Mahtild, 1. n., 21. IL
Margaretha, 15. VIL,
von Stadler.
Richardis, 17. L
Sophia, 12. IV., von
Weibern.
Wandelmud, 24. XL
Novise:
Anna, 11. XL, Hauz.
Beiohtv&ter:
Andreas, 7. VIII., von
Kremsmünster.
Otto, 21. IV.
Vicare von Traunkir-
chen und deren FUial-
kirohen:
Albert, 1. 1.
Andreas, 8. IX.
Coloman, 8. IX., von
Mühlwanger.
Dietrich, 29. IX.
Tristan, 30. V.
Eberhard, 12. VIII.
Friedrich, 23. IL
Friedrich, 9.Xn.,Capell.
von Trofaiach.
Georius, 18. VIIL, von
Hohenfeld.
Gundaker, 18. XII.
Heinrich, 15. IX., von
Polheim.
Heinrich, 18. IX.
Heinrich, 18. XL
Jacob, 9. in., Ebser.
Johannes, 3. X.
Johannes, 3. U., pleb. in
Nussdorf.
Johannes, 24. HL, Pa^%s-
hutter, Capell. von
Traunkirchen.
Reicher, 18. VUI.
Ruediger, 9. XU.
Seifrid, 5. X., pleb. in
Nussdorf.
Vitus, 14.VIU., Vtzinger.
21*
324
WintheruB, 1. Vm., Ca-
pell. von Trannkir-
chen.
Erla InNiederSsterreioh.
Ima, 15. 1., abba.
Richa, abba., 26. VI.
St. Florian.
Caspar, praep., 13. YIL
Petrus, can., 3. IX.
Caspar, can., 1. X.
Garsten.
Berthold L.abb., 27. Vn.
Eberhard, abb., 6. XI.
Otto, abb., 11. ni.
St. Georgen am Längsee.
Perhta, abba., 30. III.
Dimud, abba., 12. II.
Gertrud, abba., 13. III.
Yta, abba., 18. IV.
Gleink.
Rudolf, abb., 28. VI.
Göttwelg.
Lucas, abb., 2. X.
Goess.
Alhaid, abba., 7. II.
Otilia, abba., 20. VI.
Judenburg.
Christina, abba., 22. IV.
Leocardis, abba., 25. 1.
Lambach.
Alramus, abb., 20. IV.
Christanus, abb., 21. 1.
Conrad, abb., 6. VIII.
Erasmus, abb., 6. VI.
Heinrich, abb., 11. IV.
Johann, abb., 25. V.
Otto, abb., 21. X.
Simon, abb., 25. IX.
Swazman, abb., 28. IV.
Ulrich, abb., I. VUI.
Waesi^m, abb., 21. IV.
Weigand, abb., 11. X.
Albertus, prior, 8. XII.
Johannes, mon., 23. X.
Michael, mon., 19. III.
Melk.
Nicolaus, abb., 30. X.
Sighard, abb., 11. X.
Mondsee.
Wolfgang, abb., 13. X.
Florian, prior, 15. III.
Salzburg.
8t. Feter.
Johann Staupitz, abb.,
12. XII.
Wolfgang, abb., 23. VI.
St. ürintrud auf dem
Nonnberge.
Katharina, abba., 30. VI.
Dimud, abba., 12. XII.
Gertrud, abba., 19. II.
Guntza, abba., 7. VIII.
Regina, abba., 1. V.
Weyrat, abba., 16. IV.
Sohllerbaeb.
Elisabeth, abba., 1. IIL
Gertrud, abba., 8. II.
Seitenstetten.
Chunrad, abb., 21. IX.
Thomas, abb., 10. VIH.
Heinrich, abb., 3. VH.
Laurenz, abb., 1. IX.
Rudolf, 31. V.
Stephan, 7. Xn.
Seon.
Wernhard, abb., 19. XII.
Unbestinmt
Chunradus, abb., 5. VL
Chunrad US, abb., 4. XI.
Christina, abba., 2. IX.
Friedrich, abb., 28. X.
Gedrud, abba., 14. X.
Hedwig, abba., 5. VIU.
Heilca, abba., 12. IX.
Helena, electa, 26. X.
Heyma, abba., 14. XI.
Imma, abba., 1 1 . 1.
Johannes, abb., 14. XU.
Lampert, abb., 26. XII.
Margaretha, abba., 7. IIL
Ofemia, abba., 16. VIII.
Stephan, abb., 24. L
Stephan, abb., 7. VL
Wernhard, abb., 29. X.
D. Fürstliche und grafliche Personen.
Kaiser und Könige.
Adelheid, reg., 26. VII.
Kunegund, reg., 2. 1.
Elisabeth, reg., 14. VIH.
Friedrich, imp., 13. VL
Maxmilian, imp., 12. I.
Ottokar, rex, 27. VIII.
Herzoge und Mark-
grafen.
Baiem.
Heinricus, dux, 30. IV.
Oeaterreioh.
Agnes, march., 24. IX.
Albert, dux, 23. VH.
Friedrich, dux, 19. VL
Leopold, dux, 29. VIL
Rudolf, dux, 26. X. (?)
Steiermark (Chiem*
gauer).
Adalbert, march.» 22.
XL
325
ChuDignnd, march., 22.
XI.
Elisabeth, mArch., 9. X.
Leotold, com., 9. VIII.
OUker I., com., 5. III.
Otaker II., marcfa., 1. V.
Otakerm, com.,29.ni.
Otoker I V., march.,28.XI.
Otaker V, marcfa., 1. I.
Otaker VI., dux, 9. V.
Sophie, march., 12. VII.
Wilbirg, com., 19. II.
Wilbirg, com., 27. VHI.
Grafen.
Bofiren.
Albert, 6. 1.
Gebhard, 2. 11.
Oebhard, 4. IX.
Futten-Formbach.
Ekbert, 5. VIH.
Wilbirg, 21. 1.
Chiemgau - Qrabenstatt.
Otakßr I., 5. III.
Otaker lU., 29. III.
Wilbirg, 19. II.
Wilbirg, 27. Vm.
Basohenberg-Reichen-
hall.
Leopirg, 20. Vm.
Leotold, 19. VII.
Leotold, 27. VU.
Leotold, 11. vm.
Wilbalm, 29. IX.
Bi>onh6lzn-Marburg.
Chnnigund, 4. XII.
Bernfaard, 21. III.
Schaunberg.
Wemhard, 13. I.
Wemhard, 8. IV.
Unbestimmt.
Cfaunradus, dux, 6. IX.
Gerbirg, com., 27. V.
Offemia, 3. L
E. Edle und Borger mit Angabe des Familiennamens.
Pais . . . .
Panhalm .
Perkhaim .
Peteisheim
Polhaim. .
Pirichinger .
Katäringer .
Rerspek. . .
Tannberg. .
Thalhaim . .
Ulrich, 80. IX
Conrad, 11. VIIL
Georg, 1. X.
Ullrich, 25. Vn.
Barbara, 13. IX.
Albero, 15. VU., 5. XL,
16. xn.
Anna, 7. VIT.
Artolf, 31. ra.
Chunrad, 7. Vn.
Elisabeth, 24. UI., 21.
VIL
Gertrud, 7. VH.
Otto, 2. HL
Ortolf, 7. VII.
Reinbert, 7. VH.
Wemhard, 14. EX.
Weychard, 7. VH.
Berthold, 3. VIII.
Pabo, 1. VIII.
Wemhard, 16. IX.
Wolfgang, 25. VU,
Anna, I. IX.
Otto, 1. IX.
Pilgrim, 15. VI.
Leutold, 16. VUI.
Thalhaim . .
Truent . . .
Tugert . . .
Erenfels. . .
Fatersheim .
Vachendorf .
Volkenßdorf.
Freitag . . .
Heidenreich
Hohenfelder
Jörger. . . .
Lichtenbinkl
Lobenstain .
Mämling . .
Michelßtetter
Mühlheim. .
Mühlwanger
Margareth, 16. VIII.
Barbara, 5. VHL
Mathes, 10. XIL
Peter, 14. XH.
Otto, 27. XI.
Chunrad, 20. VL
Friedrich, 20. VI.
Ulrich, 20. VI.
Georg, 1. IX.
Elisabeth, 17. XI.
Heinrich, 2f>. UI.
Johannes, 7. I.
Seybold, 23. IV.
Petms, 30. X.
Christina, 30. X.
Arnold, 11. m.
Georg, 9. X.
Salome, 9. X.
Johann, 23. XL
Rudolf, 28. IV.
Rudolf, 14. V.
Christina, 4. V.
Jörg, 12. XU.
Ulrich, 12. V.
Hans, 11. XII.
Marte, 2. VI.
326
Oberhaymer Michael, 30. VIII.
Rohrbach . . Ulrich, 30. VIU.
Ror (Ranrer) Agnes, 25. X.
Chunigund, 18. IV.
Johannes, 8. VII.
Otto, 11. xn.
SchQnauer
Sintzinger
Strasser . .
Wasner . .
Winkler. .
Erasmus, 18. VTL
Ltenhard, 25. XI.
Balthasar, 6. V.
Elisabeth, 20. lU.
Friedrich, 20. lU.
Wolfgang, 4. IV.
F. Edle und Barger ohne Angabe des Familiennamens.
Alram, 14. L
Andreas, 16. VII.
Arnold, 14. 1.
Berchtold, 22. VI.
Dietrich, 6. IX.
During, 9. I.
Eberlind, 14. I.
Ebrand, 26. 1.
Erimbert, 28. 1.
Georius, 22. VI.
Gerbirgis, 19. 11.
Gewoldus, 29. 1.
Gewolfus, 10. II.
Gumpold, 19. I.
Harlung, 18. II.
Helmhard, 24. V.
Heinrich, 8. VI.,
IX.
3.
Iringard, 15. I.
Irinhard, 29. L
Mathild, 18. H.
Richza, 18. 1.
Siboto, 28. I.
Walchun, 19. L
Witigo, 28.1.
Wolfger, 18. n.
Wolf mar, 10. IV.
0. Personen, welche anf widernatürliche Art geendet haben.
Artolf, 2. Xn.
Pabo, 18. VI.
Pemger, 24. I., 20.
VII.
Chunrad, 26. L, 25. IT.,
9. Vn., 12. Vm., 23.
XII.
Dietmar, 15. IX., 12. X.
Eberhard, 13. VI.
Engelmar, 30. III.
Engelschalk, 27. VI.
Friedrich, 7. III., 14. HI.,
l.V.,12.VU.,29.Vm.
Godfried, 9. VUI.
Heinrich, 6. I., 29. IV.,
8.v.,4.vm.,i7.vin.,
27. XL
Hartun, 22. VU.
Herand, 11. IV.
Johann, 13. V., 18. X.
Leo, 11. I.
Leotherus, 21. VUI.
Leutwin, 16. H.
Markward, 8. HI.
Otaker, 24. V., 22. VUL,
27. IX.
Otto, 8. n., 2. in., 16.
IV., 6. (?) XU.
Ortolf, 10. n., 80. IV.
Richer, 20. V.
Rudolf, 21. xn.
Starkand, 3. IX.
Ulrich, L IV., 18.
vni.
Walchun, 12. IL, 18.
XL
Wemhard, 5. I.
Wolfhard, 10. VUL
Wolfram, 7. XL
Ausgegeben am 29. April 1895.
Archiv
fQr
Österreichische Geschichte.
Herausgegeben
Ton der
zur Pflege vaterländischer Geschichte aufgestellten Commission
der
kaiserliehen Akademie der Wissenschaften.
Zweinndachtzigster Band.
Zweite Hälfte.
Mit sechs Karten.
Wien, 1895.
In Commission bei F. Tempsky
Huchhlndl«r dar k«U. Akiulatui« der WiMMn«chaacn
Archiv
fUr
Österreichische Geschichte
«♦
Herausgegeben
von der
zur Pflege vaterländischer Geschichte aufgestellten Commission
der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Zweiundachtzigster Band.
Mit zwei Tafeln und sechs Karten.
Wien, 1895.
Id Commission bei F. Tempsky
Bochhlndler der kais. Aludcmi« der WiM«nactwft«n
Druck von Adolf Holzhaasen.
und k. Hof- qdcI UniveraitllU-Bucbdnicker in Wien.
Inhalt des zweiundachtzlgsten Bandes.
Seite
Die Staatsschulden und die Ordnunj^ des Staatshaushaltes unter Maria
Theresia. I. Von Adolf Beer. (Mit 2 Tafeln) 1
Mähren und das Reich Herzog Boleslavs II. von B{$hmen. Von Dr.
B. Bretholz 137
Geschichte des ehemaligen Nonnenklosters O. S. B. zu Trannkirchen in
' OberOsterreich. Von Godfried Edmund Friess 181
Beiträge zur Geschichte der Husitischen Bewegung. V. Gleichzeitige
Berichte und Actenstücke zur Ausbreitung des Wiclifismus in
Böhmen und Mähren von 1410 bis 1419. Gesammelt und mit
kritischen und erläuternden Anmerkungen herausg^eben von
Dr. Johann Loserth 327
Deatschlands südwestliche Marken im 10., 11. und 12. Jahrhunderte. Von
Dr. Victor Hasenöhrl. (Mit 6 Karten) 419
Studien Aber die Correspondenz der Generale Gallas, Aldringen und
Piccolomini im Februar 1634. Von Dr. Alfons Uuber . . . 563
Studien zu den ungarischen G^chichtsquellen. III. und IV. Von Dr.
Baimund Friedrich Kaindl 587
BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE
DER
HUSTTTSCHEN BEWEGUNG.
V.
GLEICHZEITIGE BERICHTE UND ACTENSTÜCKE
ZUR AUSBREITUNG DES WICLIFISMUS IN BÖHMEN UND MÄHREN
VON 1410 BIS 1419.
GESAMMELT UND
MIT KRITISCH KN UND ERLÄUTERNDEN ANMERKUNGEN
HERAUSGEGEBEN
VON
D" JOHANN LOSERTH,
PROfBSSOK DER OKSUHICHTE AN DER UNIVERSITÄT GRAZ.
Arcbiv. LXXXII. Rand. II. mifto. 22
Einleitung.
In dem hier vorliegenden fünften Theile meiner Beiträge
zur Geschichte der husitischen Bewegung lege ich zunächst eine
Gruppe von gleichzeitigen oder zeitlich nahestehenden Berichten
über die Lebensführung und den Tod des Magisters Johannes
Hub und Hieronymus von Prag vor, die ich zum Theile schon
vor Jahren in mährischen und steirischen Bibliotheken und
Archiven gesammelt habe. Sie sind entweder wie z. B. der aus
Vorau stammende Bericht bisher ganz unbekannt gewesen oder
wie die drei anderen aus Prag und Raigern stammenden nur
in späteren Ueberarbeitungen veröffentlicht worden. Diese sind
aber nicht genau.
Eine zweite Gruppe von Schriflstlicken, die ich in ver-
schiedenen Bibliotheken und Archiven zu Rom, Wien, Brunn,
Raigern und Prag gesammelt und copirt habe,^ enthält Docu-
mente, welche sich auf die Verbreitung des Wiclifismus in
Böhmen, vornehmlich aber in Mähren, beziehen. Einige von
ihnen waren auch bisher schon bekannt, werden aber hier zum
ersten Male in ihrer correcten Gestalt aus den betreffenden
Registerbänden des vaticanischen Archivs in Rom mitgetheilt.
Die Stücke 20 — 27 haben auch vom politischen Standpunkte
aus eine grosse Bedeutung. Sie betreffen den Streit des Bischofs
Johann (des Eisernen) von Leitomischl mit dem Domherrn Aleä
von Wischehrad um das Olmiitzer Bisthum. Indem ich sie mit-
theile, löse ich ein Versprechen ein, das ich vor zwei Jahren
^ E>i sei mir gestattet, wenigstens hier in einer Note dem Danke Ausdruck
zu geben, den ich den Vorständen und Beamten des vaticanischen Archivs,
vornehmlich Herrn Denifle, dem Vorstande der Wiener Hofbibliothek
Herrn Hofrath Prof. Dr. W. v. Hartel> der Direction der Prager Univer-
sitätsbibliothek und den hochwttrdigen Herren Aebten von Vorau und
Raigern schulde.
22»
in der Ausgabe des Granum Catalogi praesulum Moraviae
(Archiv f. österr. Gesch. 78, 96) gegeben habe.
Was die Stücke der ersten Gruppe betriflPt, so liegt das
erste in der Vorauer Handschrift Nr. 335 (alt 94) vor. Sie ge-
hört dem 14. Jahrhundert an, ist auf Pergament geschrieben
und enthält ausser dem Bericht über die Abdankung Gregors XII.
und der Verurtheilung des Hus noch Schriften Anselms von
Canterbury: Cur Dens homo etc. Die Vorgänge der 14. Session
des Concils werden bei aller Knappheit in der Darstellung doch
ziemlich vollständig gegeben. Der Standpunkt des Schreibers
ist gekennzeichnet durch die Worte : censure . . . inter pontifices
nostre obedientie et dictum Gregorium fulminate . . . Dass
der Schreiber an den Verhandlungen des Concils irgendwie
betheiligt war, sieht man aus der Bemerkung: ,Kurz, wenn man
nutzloser Weise dem Hus Gelegenheit zur Antwort gegeben
hätte, wäre an diesem Tage die genannte Sitzung nicht beendet
worden.^ Trotzdem findet sich in der Erzählung ein Irrthum,
indem der Erzbischof von Mailand als derjenige bezeichnet
wird, welcher über das Thema ,Corpus conteratur peccati' ge-
predigt habe, während es in Wirklichkeit der Bischof von Lodi
war. Der Bericht über das Benehmen des Hus weist einige
bisher nicht bekannte Züge auf. Es mag ja wahr sein, wenn
gesag:t wird: Territus dicta sentencia incepit in voce defieere
nimium et loquela. Und die Worte selbst: ,0 Deus omnipotens,
qualis sentencia contra me miserum est lata' werden auch richtig
sein. Man sieht nicht, dass der Berichterstatter diese Dinge er-
zählt, um den Muth Husens als schwächlicher darzustellen, als
er wirklich war. Dessen Beherztheit tritt vielmehr in den fol-
genden Bemerkungen deutlich hervor, wo er Hus, da ihm das
Priestergewand angezogen wird, um ihm dann wieder feierlich
genommen zu werden, sagen lässt : ,Et ubi est iam Pilatus, qui
dedueret mihi vestes Christi ?' oder indem er ihn feierlich seine
Unschuld und dass er niemals etwas gegen das Evangelium und
die heil. Doctoren gepredigt habe, betheuern lässt, oder endlich,
indem er ihn die Gründe, um derentwillen er nicht abschwören
dürfe, auseinandersetzen lässt.
Leider ist dieser Bericht — gewiss einer der werth vollsten
unter allen, die wir über den Tod des Hus haben — nicht voll-
ständig erhalten. Caetera, heisst es an einer Stelle, require in
fine libri. Dort sind aber zwei Blätter herausgerissen, und so
331
eodet der Bericht bei der Erklärung des Hus, weshalb er bei
seinen Lehren verbleiben müsse.
Den guten Ruf Husens gegen die Ausstreuungen seiner
Gegner nimmt die zweite der unten folgenden Nummern ,Aus-
schreiben der Prager Universität an verschiedene Königreiche
und Länder' über die vortreffliche Lebensführung des Hus und
Hieronymus kräftig in Schutz. Das Stück, einer gleichzeitigen
Handschrift (in Raigem) entnommen und ganz im Stile der
sonstigen von der Universität in dieser Sache ausgegangenen
Schreiben gehalten, ist vom 23. Mai 1416 datirt. Husens Lebens-
führung sei von seiner zartesten Jugend an eine so reine und
vortreffliche gewesen, dass Niemand von so vielen Leuten, unter
denen er alltäglich gewandelt, ihn auch nur einer einzigen Sünde
beschuldigen konnte. Es werden dann seine vortrefflichen Eigen-
schaften als akademischer Lehrer und als Prediger heraus-
gehoben. Das aUein sei zu beklagen gewesen, dass ihn wegen
seiner Gerechtigkeit die Scheltworte der schlechten Menschen
getroffen hätten. Seine Liebe zu den Armen sei ohne Grenzen
und sein Eifer gegen trotzige Sünder erfolgreich gewesen. Vor
Allem aber sei er bestrebt gewesen, den in Habsucht und
Schwelgerei versunkenen Clerus zu seiner Pflicht und zu der
Einfachheit der alten Kirche in den ersten Jahrhunderten ihres
Bestandes zurückzuführen. So war er in Allem ein Lehrer
ohne Gleichen. Man begreift, dass dieser Nachruf die Fehler
dieses Mannes, deren er nicht weniger hatte als die von ihm
bekämpften Gegner, bei Seite lässt. Kürzer in der Form, aber
in der Sache ebenso kräftig, tritt diese Schrift für den Magister
Hieronymus ein. Auch er sei vornehmlich ein Eiferer wider
den Stolz, die Habsucht, Ausschweifung und Simonie des Clerus
gewesen. Durch seinen Märtyrertod habe er über alle seine
Gegner triumphirt.
Dieser Bericht über Hus und Hieronymus ist in zahlreiche
spätere Darstellungen übergegangen — bei der Autorität, welche
die Prager Universität in den ersten Jahrzehnten der husitischen
Bewegung hatte, eine ganz begreifliche Sache. Zu bedauern
bleibt, dass sich darin nicht einige speciellere Züge finden, son-
dern Alles ganz allgemein gehalten ist.
Unter den Berichten über den Process imd das Ende des
Hieronymus nimmt die Narratio de Magistro Hieronymo
Pragensi pro Christi nomine Constantiac exusto, welche
332
die Nürnberger Ausgabe der Monumenta des Hus, II. Band,
fol. CCCXLX*— CCCLIV mittheilt, eine ganz eigenartige SteUe
ein. Der Verfasser sagt: Damit die Wahrheit über diesen Hiero-
nymus, der, einem zweiten Elias gleich, auf feurigem Wagen
zum Himmel auffuhr, nicht verloren gehe: acta ipsius magistri
Hieronymi ad Constantiense concilium pergentis decrevi, tum
ex visis per me inibi, tum et auditis, tum e<Sam ex hüs, que
mihi et aliis de Constancia veraciter et a veridicis, qui ea vi-
derunt et audierunt, sunt intimata, scriptotenus stylo quamquam
inculto in unum redigere . . .
Der Autor sagt hier ausdrücklich, dass er aus mehreren
Quellen schöpft: theils hat er die Dinge selbst gesehen und
gehört, theils haben ihm Andere aus Constanz glaubwürdige
Berichte von den Vorgängen daselbst zugeschickt. Nun, f&r die
Theile vom Schlüsse des dritten Capitels an, dann für das vierte,
fünfte und sechste Capitel liegt die Quelle in der Raigerer
Handschrift H, h, 17 vor. Dort findet sich ein Bericht: ,De
vita Jeronymi de Praga^, der mit dem obgenannten grossentheils
wörtlich übereinstimmt. Man vergleiche:
Cod. Riiyhrad.:
In qua audiencia plus quam
XL articulis, subtilissime Omni-
bus contra cum obicientibuS; us-
que horam meridianam respon-
debat, articulos sibi nocivos ne-
gandocommisisse etperpetrasse,
asserens quod testes Uli inique,
mendose et calumpniose, prout
emuli sui, adversus cum expo-
suissent
Mon. fol. C(XLn*:
In illa ergo audiencia die
predicta a mane plus quam XL
articulis, subtilissime omnibus
contra ipsum obicientibus, usque
horam meridionalem responde-
bat. Articulos nocivos et con-
fictos negando se commisisse et
perpetrasse, asserens quod testes
illi calumniose et mendose, tam-
quam emuli sui, adversus eum
deposuissent.
Oder die Stelle, wo von seinen Reisen die Rede ist:
Deinde totam suam vitam,
quecunque sibi Parisius, in Hei-
deberg, in Colonia, in Praga, in
Wienna, in Hungaria, in Rus-
sia, in Constancia seu in viarum
itineribus accidorunt, et que
Deinde totam suam vitam,
quecunque sibi Parisiis, Colo-
niae, in Heidelberga, in Praga,
in Vienna, in Hungaria, in Ras-
sia et Constancia seu in viarum
itineribus acciderant, et que
333
eciam in illis partibus et aliis
commisit et perpetravit, po-
tissime quomodo Theutunicos
de Praga et r^no Boemie co-
nabator com adiutorio extir-
pare . . .
eciam in illis partibus et alibi
fecerit, potissimum quomodo
Teutonicos de Praga et de
regno Boemiae conabatur cum
adiutorio et regnicolis libertas
procurare . . .
Von einer Eintheilung in Capitel ist in der Raigerer Hand-
schrift keine Rede ; an das vierte Capitel der Ausgabe schliesst
sich ohne irgend einen etwa durch eine Ziffer deutlich gemachten
Einschnitt gleich ,Sabbato autem . . / an. Ebenso ist es da
der Fall, wo der Druck den Beginn des sechsten Capitels als
solches kenntlich macht. Die Darstellung ist in der ursprüng-
lichen Quelle viel conciser; man vergleiche:
Handschrift :
Quo sermone completo ite-
ruin leronymus inter cetera . . .
Drack :
Postquam vero dictum ser-
monem episcopus Laudensis iam
dictus finivisset, ex tunc ma-
gister Hieronymus iterum . . .
Das Urtheil ist in der Handschrift gar nicht eingetragen,
weil es ohnedies in seinem Wortlaute allerorten bekannt war.
Davon, dass der locus supplicii genau derselbe war wie jenef
des Hus, findet sich in der Handschrift an dieser Stelle nichts,
dagegen liest man gleich an der Spitze: Magister leronymus
sabbato post Ascensionem Domini ... in eodem loco, in
quo sanctus vir magister Johannes Hus est combustus, in ignis
voragine diem suum clausit extremum. Von grossem Interesse
sind die in dem Drucke fehlenden deutschen Worte: Lyben
kinden u. s. w. In dem Drucke fehlen auch die wenigen tsche-
chischen Worte, die Hieronymus vor seinem Ende gesprochen.
Vielleicht könnte man der Meinung sein, dass der vor-
liegende, aus einer gleichzeitigen Handschrift stammende Be-
richt nur ein Auszug aus einem anderen ist, der eben in dem
Drucke vorliegt. Aber jener macht ganz den Eindruck des
Ursprftnglichen : er will Jemandem oder einer ganzen Corpo-
ration Nachricht über das Ende des Hieronymus geben und
erwähnt dann auch nur jene Dinge, die nicht schon durch
anderweitige Berichte bekannt waren oder bekannt gemacht
wurden. Dann halte man noch folgende im Drucke fehlende
334
8telle hinzu: ,De qua revocatione non ambigo vos non latere/
Hier wird der Adressat angesprochen. Die Stelle zeigt, dass
der Berichterstatter nicht auch den Widerruf im Wortlaut mit-
getheilt hat, sonst würde es wohl heissen: ,Worüber ich Euch
schon früher unterrichtet habe/ Eine zweite im Drucke auch
fehlende Stelle, die an den Adressaten gerichtet ist, lautet:
Materiam sermonis ipsius partim et non totaliter vobis enucleo.
Zum Schluss findet sich eine noch bezeichnendere Stelle: Ista
omnia sie fieri vidi et audivi, et si quis contrarium dixerit, nulli
fidem adhibeatis. Anno domini 1416 die et horis quibus supfa.
Es ist wahrscheinlich, dass der Herausgeber des 16. Jahr-
hunderts erst mehrere Berichte zusammengeschweisst hat Dass
ihm der obige vorlag, sieht man noch aus seiner Bemerkung:
Is autem homo veridicus, qui nobis acta circa condemnationem
et sentenciam ipsius magistri Hieronymi scriptotenus intimavit
et Pragam destinavit, sie concludit: Ista omnia sie fieri vidi et
audivi . . . Die Handschrift, aus der der Druck veranstaltet
wurde, war aber keinesfalls die Raigerer; denn dieser fehlt ein
ganzer Satztheil, der im Drucke vorkommt.
In der unten folgenden Nummer 4, einer Predigt über
den Text: Glücklich sind die, welche Verfolgung tragen um
der Gerechtigkeit willen, werden die ersten husitischen Märtyrer
verherrHcht : Hus, Hieronymus und fünf andere, von denen drei
in Prag und zwei in Olmütz starben. Von den Prager Mär-
tyrern berichten die tschechischen Chroniken zum Jahre 1412
(Scriptores rerum Bohemic. III ed. Palacky, p. 15 = Geschicht-
schreiber der husitischen Bewegung III, 230) : ,Dann im Jahre
1412, Montag vor der heil. Margaretha, wurden drei Jünglinge
wegen der Ablässe geköpft, weil sie den Priestern bei der
Predigt über die Ablässe widersprachen.' Es wäre recht zu
wünschen gewesen, dass die Gedächtnissrede für diese drei
etwas Näheres über sie brächte, denn man weiss aus den
tschechischen Chroniken, dass Hus weitläufig über sie und das
Verdienst ihres Todes redete; auch gab es Darstellungen, die
sich über sein Verhalten bei diesen tragischen Anlässen aus-
liessen : die Art und Weise a^ber, wie unten in den allgemeinsten
Worten und Wendungen von den Verdiensten der drei Mär-
tyrer gesprochen wird, lässt erkennen, dass der Prediger mit
den Einzelheiten wenig vertraut war. Ueber die beiden ,Mär-
tyrer' von Olmütz berichtet der Stadtschreiber Wenzel von Iglau t
335
Et quia ipsius civitatis Olomucensis cives duos laycos, qui
suprafati lohannis Hus articulos erroueos predicabant contra
domini Laczkonis capitanei in Moravia et aliorum baronum et
terrigenarum (voluntatem), in Octava combustionis iam dicti
lohannis Hus forma iudicii spiritualis et secularis debita pre-
Diissa comburere mandaverunt, ideo ipsi cives Olomucenses tarn
B Boemis quam a Moravis Uli secte heretice acquiescentibus pre
Omnibus aliis civitatibus persequebantur (sie) . . .* Von anderer
Seite liegt ein Brief vor, den die Universität von Prag dem
Statthalter Lacko von Kravaf sandte und in welchem sie über
das Vorgehen der Olmützer bittere Klage führte.^ Aus einer
gleichartigen Wendung ist zu entnehmen, dass dieser Brief dem
Prediger nicht unbekannt war. Auch Wenzel von Iglau kannte
ihn und nahm einige Worte daraus.
Am längsten verweilt der Prediger bei dem Lob des Hus,
etwas kürzer ist das des Hieronymus.
Das ganze Stück ist schon in der ersten Ausgabe der
Monumenta loannis Hus (Nürnberg 1558) abgedruckt worden.
Aber diese Ausgabe — heute schon sehr selten — ist wenig
correct. Es gibt Fehler darin, die als sinnstörende bezeichnet
werden müssen. In der Handschrift — Cod. univ. Prag. VIH.
6. 13, fol. 174flF. — lautet z. B. eine Stelle: Et tercio tangendum
est utrumque, id est, aliqualiter, quomodo quidam nostri pre-
sentis temporis, nobiscum in morum honestate conversati,
atraque predicta paciencia passi sunt . . .
In der Ausgabe lautet die Stelle dagegen: Et tercio tan-
gendum est utrumque. Quomodo quidam nostri preteritis tem-
poribus nobiscum in morum honestate conversati utramque pa-
ciencie persecucionem passi sunt . . ,
In dem ersten Falle würde der Berichterstatter ein Mann
sein, der unmittelbar unter dem Eindruck der Ereignisse seine
Darstellung niedergeschrieben hat; im zweiten erzählt er, was
er in längst vergangenen Tagen erlebt hat. Allerdings kommt
auch im Druck später eine Stelle zum Vorschein, die wieder
der der Handschrift nahesteht; denn es heisst dort: Tercio, ut
dixi, tangendum est, qualiter quidam nostrum presentis tem-
poris .. . Ich habe auch diesen Bericht schon vor Jahren
* Mitth. des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 19, 88.
* Documenta mag. loannis Hus, p. 561/2.
336
copirt und meine, dass bei den zahlreichen TextesänderungCD,
die er im Drucke erlitten hat, ein Wiederabdruck in correcter
Gestalt erwünscht sei. Gleichwohl bin ich der Ansicht, dass es
nicht nöthig ist, die ausgedehnten theologischen und moralischen
Betrachtungen, die fast vier Folioseiten fassen, mit abzudrucken.
Man wird sich auf die Wiedergabe des Thatsächlichen be-
schränken dürfen. Die zahlreichen Varianten im Drucke sind
vielleicht auf sogenannte Textesverbesserungen des Heraus-
gebers, nicht schon auf das Vorkommen in einer gleichzeitigen
Handschrift zurückzuführen. Die Varianten sind oft auch in
kleineren Dingen nicht unerheblich; im Druck liest man bei-
spielshalber: sed alia reportabat; die Handschrift hat das rich-
tige: sed odia reportabat . . .
Die Verehrung dieser neuen ,Heiligen* durch die Husiten,
die in folgerichtiger Durchführung der Lehren Wiclif s von einer
Heiligenverehrung überhaupt absehen müssten, ist schon den
katholischen Zeitgenossen in Böhmen und den Nachbarländern
aufgefallen. ^
Die folgenden Nummern gehören der zweiten Gruppe an.
Sie enthalten Briefe und Acten, die mit der Ausbreitung des
Wiclifismus in Böhmen und Mähi'en in Zusammenhang stehen.
Gleich das erste Stück (Nr. 5), eine feierliche Bannbulle Ale-
xanders V. (de dato Bologna, 20. März 1410) gegen alle Ketzer
seiner Zeit enthaltend, entnommen dem betreffenden Register-
bande dieses Papstes im vaticanischen Archive, hat für uns ein
grosses Interesse, nicht so sehr durch das, was sie enthält, als
vielmehr durch das, was ihr fehlt. 1410, da war ja längst die
Verurtheilung Wiclif scher Lehrsätze und Schriften in England
und ausserhalb Englands erfolgt, seit sieben Jahren fiihrte die
Kirche einen schweren Kampf mit dem böhmischen Ableger
des Wiclifismus, ohne auf irgendwelche Errungenschaften hin-
weisen zu können; in eben diesem Augenblicke begann der
Wiclifismus in Böhmen eine Wendung zu nehmen, die ihn viel
gefUhrlicher machte, als er jemals in England gewesen, und
^ Ludolf von Sagan macht sich lastig, dass die Husiten noch den Heiligen-
kalender benützen: Si enim ordinaciones ecclesie non recipiunt, quid de
festo beati Marcelli sciunt? Ipsa quippe ecclesia est, que nonnullos,
qui de hoc seculo transierunt ascribens sanctorum cathalogo eorum festi-
vitates vel commemoraciones instituit et certis diebus bas esse peragendas
fidelibus suis iniunxit . . .
337
schon traten die dem bestehenden Kirchenregimente feindlichen
Kräfte in England und Böhmen in Verbindung und richtete Sir
John Oldcastle seine aufinunternden Schreiben an die ,Freunde
und Liebhaber des Evangeliums^ in Böhmen und forderte König
Wenzel auf, sie kräftig zu imterstützen : ^ und trotz alledem wird
in der Bannbulle der Wiclifismus mit keinem einzigen Worte
erwähnt — weder der böhmische, noch der englische. Soll man
annehmen, dass jene Bewegung, die schon bis dahin, und noch
mehr später, viel Blut und Thränen kostete, in Rom nicht die
genügende Würdigung fand?
Jene Bulle besass allerdings eine seit langer Zeit fest-
stehende Form; in dieser wurde sie von Zeit zu Zeit der christ-
lichen Welt verkündigt, aber man sollte meinen, die Noth der
Zeit hätte es mit sich gebracht, dass man über den alten Ketze-
reien, die hier verflucht werden, nicht der neuen vergessen
hätte, mit denen man ja eben im Kampfe lag.
In diesen Kampf versetzt uns die folgende Kummer, die
mit dem in Prag im Mai des Jahres 1412 ausgebrochenen Ab-
lassstreite in engstem Zusammenhang steht und Absolutions-
formeln u. dgl. enthält*
In den Kampf der Curie gegen den Wiclifismus in Böhmen
versetzen uns auch die Nummern 7 — 9. In der ersten befiehlt
Johann XXHI., dass der Dialogus, Trialogus nebst mehreren
anderen nicht ausdrücklich genannten Schriften Wiclif s in Folge
eines Beschlusses des allgemeinen in Rom abgehaltenen Concils
dem Feuer übergeben werden sollen. Zu dieser Bulle hat Hus
bekanntlich eine ausserordentlich scharfe Glosse geschrieben,^
worin er sich namentlich über die Angabe, dass der Beschluss
in einem allgemeinen Concil gefasst worden sei, lustig macht:
,Das sei nur ein Winkelconvent gewesen': ubi non catholici
praelati de regnis orbis, sed pauci, monachi symoniaci, fuerunt
' 8. meinen Aufsatz , lieber die Beziehungen zwischen englischen und böh-
mischen Wiclifiten in den beiden ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts*.
HitUi. d. Inst f. tfsterr. Geschichtsforsch. XII, 13 — 15.
' ,Beitrikge zur Geschichte der husitischen Bewegung*, IV, Arch. f. Osterr.
Gesch. 75, 295 ff.
• Sie ist nach der Wittingauer Handschrift A. 16 abgedruckt bei Palacky,
Documenta magistri loannis Hus, p. 470—471, nach dem besser tiber-
lieferten Stück im Wiener Cod. 4941 in den Mitth. d. Vereins f. Gesch.
der Dentschen in Böhmen 25, p. 331—335.
338
presentes, legis Dei et veritatis emuli manifesti. In dem nächsten
Stücke (Nr. 8) erlässt Johann XXIII. ein allgemeines Verbot der
Bücher Wiclif s. Diese sollen fortan weder in Latein noch in
der Volkssprache gehalten und gelesen werden.
Dieses und das vorhergehende Stück sind noch aus einem
anderen Grunde von Interesse: sie sind von den noch heute
erhaltenen oder wenigstens von den bisher aufgefundenen Acten-
stücken des vaticanischen Archivs die ersten, in denen Wiclif s
Name überhaupt genannt ist. Weder in den Registerbänden
Gregors XL, noch auch in denen Urbans VI., welche letzteren
freilich nur in Trümmern auf uns gekommen sind und von denen
gerade die wichtigsten fehlen, wird er irgendwie erwähnt. In
hundert und mehr Stücken dieser Zeit wird von den Einkünften
des Papstes in England gesprochen, sehr zahlreich sind die den
Collectoren und Subcollectoren gegebenen Weisungen: wenn
man nun weiss, wie Wiclif und die ihm anhängende Partei über
die päpstUche Finanzgebahrung in England dachte, sprach und
schrieb, so erwartet man bei jedem derartigen Schriftstück Wei-
sungen an die Prälaten, wie sie sich gegen derlei Angriffe ver-
halten sollen — man findet sie nicht. Nicht einmal jene fUnf
Bullen, die Gregor XI. am 22. Mai 1377 in Santa Maria Maggiore
gegen WicHf schleuderte und die erst die volle Wucht seiner
Angriffe auf Rom und das bestehende Kirchenregiment hervor-
gerufen haben, sind in den vaticanischen Registern aufzufinden,
trotzdem sich Stücke von demselben Tage und demselben Orte
vorfinden. Unter diesen Umständen könnte die Thatsache, dass
die erwähnte Bulle Alexanders V. vom 20. März 1410 von allen
möglichen Secten und Ketzereien spricht, ja selbst die Ob-
ödienzen Gregors Xu. und Benedicts XIII. nicht verschont,
während der englische und böhmische Wiclifismus leer ausgeht,
noch umsomehr in dem oben angedeuteten Sinne gedeutet
werden. Und doch ist dem nicht so. Wir wissen aus dem Sta-
dium der Register Gregors XI., dass kaum ein zweiter Papst
für die Reinhaltung der Lehre so viel Sorge trug als dieser:
wir kennen sein Vorgehen in der Angelegenheit des Wiclifis-
mus; nicht weniger energisch — und d^ch in gewissem Sinne
mild — trat er den Ketzereien in Venaissin und anderen <3rten
Frankreichs entgegen, eiferte er gegen einige Sätze des Sachsen-
spiegels und zürnte er dem Böhmen MiU6. Es ist also wohl nur
zutMig, dass gerade das den Wiclifismus betreffende Acten-
389
material in Rom nicht mehr vorhanden, die unten mitgetheilten
Stücke aus dem vaticanischen Archiv demnach die ersten sind,
in denen dort WicHf s und, wie man sieht, schon im Zusammen-
hange mit Hus gedacht wird.
Die nächste Nummer (10) enthält den Geleitsbrief für den
Begleiter des Hus auf der Reise zum Concil, Heinrich von Chlum
auf Latzembock ; auch die folgenden gehören in die Zeit des
Constanzer Concils; Beachtung verdient besonders Nr. 13: ,Be-
schlüsse König Wenzels und seines Rathes über die Herstellung
des kirchlichen Friedens in Prag im Jahre 1416^ In einzelnen
Punkten stimmt dies Stück mit jenem tiberein, das Palacky als
,Conventum archiepiscopi cum universitate studiorum Pragensi'
abgedruckt hat.
Unter den Gegnern der Husiten in Mähren that sich vor-
nehmlich die Stadt Olmütz hervor: sie wird denn auch in
Nr. 15 vom Concil für diese ihre Haltung mit Lobsprüchen
reich bedacht — den Auftrag, die Decrete gegen die Commu-
nion sub utraque zu verkünden, vollzog in der Prager Erz-
diöcese der Bischof Johann (der Eiserne) von Leitomischl als
vom Concil hiezu erwählter ,iudex commissarius^ (Nr. 16) am
29. Oetober 1416, indem er zunächst dem Prager, Olmützer und
Leitomischler Domcapitel die erforderlichen Aufträge ertheilte.
Dem Auftrage kam der Erzbischof von Prag am 10. Jänner 1417
nach, da er die Decrete des Concils in seiner Erzdiöcese publi-
ciren liess. Zunächst wurden die Archidiakonate verständigt und
beauftragt, die Befehle des Concils den Dechanten und Pfarrern
zu übermitteln.
Von besonderer Wichtigkeit ist Nr. 18: der Rector und
die Gesammtheit der Professoren der Prager Universität fordern
alle Gläubigen auf, sich an die alten Lehren von den Fürbitten,
der Bilderverehrung u. s. w. zu halten. Hier war nämlich der
Punkt, an dem sich die husitischen Parteien schieden:
die gemässigte warf endgiltig Ansichten und Ueberzeugungen
hinweg, die sie seit Jahren mit grösserem oder geringerem Eifer
verfochten hatte, und näherte sich der alten Kirche, die strenge
Partei der Taboriten hob das Banner, das jene hatte sinken
lassen, auf und kämpfte fortan mit dem grössten Eifer fiir —
den reinen Wiclifismus. Denn diesen ganzen Ceremoniendienst
m der Kirche, die Segnungen des' Salzes, des Wassers, des
Taufbeckens, die Bilderverehrung, die kirchliche Lehre vom
340
Fegefeuer, die Feier des Gottesdienstes u. s. w. lehnen die Ta-
boriten mit den Worten und Motiven WicliPs ab, während die
Prager und an ihrer Spitze die Universität zu der alten Lehre
zurückkehrt. Während jene sich nur an die primitiva ecclesia
halten wollen, nehmen diese auch die Unterweisung der eccle-
sia modema an und 'halten die Fürbitten füi* die Todten, die
Verehrung der Bilder, die Weihen des Wassers, Salzes, Wachses,
des heil. Feuers, der Palmen, der Lebensmittel, das Räuchern
mit Weihrauch, die Besprengung mit geweihtem Wasser und
den ganzen Ceremoniendienst, wie ihn die alte Kirche kennt,
ftlr etwas durchaus Gebotenes. Euer ist also die Linie, die den
Husitismus vom Wiclifismus trennt.
Unter allen den Husitismus betreffenden Schriften nahm
der Widerruf jener verleumderischen Anschuldigung, die sich
Peter von Uniczow nach der Meinung seiner Gegner zu Schulden
kommen liess, einen vornehmen Rang ein. Er findet sich in
alten Handschriften oft genug, und zwar nicht blos in latei-
nischer, sondern auch in böhmischer und deutscher Sprache.*
Mit diesem Widerruf, der am 13. März 1417 im Collegium Ca-
rolinum geleistet wurde, und von dem der Widerrufende selbst
betheuerte, dass er, was ihm die Katholischen nicht glaubten,*
ein ganz freiwilliger' sei, steht ein sich unmittelbar anschliessen-
der Universitätsact von grosser FeierUchkeit in Verbindung.
Er wird namentlich deswegen mitgetheilt (Nr. 19), weil er einige
Erinnerungen aus früheren Zeiten enthält; doch genügt es, einen
blossen Auszug zu geben, da der grössere Theil des Schrift-
stückes nichts Anderes als rednerischen Schmuck über das Thema
vom verlorenen Sohn enthält und der Text übrigens auch sehr
verderbt ist.
Viele auf die Verbreitung des Wiclifismus in Mähren be-
zügliche Stücke finden sich in einigen Handscbriften des mäh-
* S. Loserth, Hus und Wiclif, S. 296.
* Captivato fratre Petro . . . post afflicciones varias unum e daobus eligere
coegerant, ut vel revocet que contra eosdem magistros vel contra Wiclif An-
glicum predicaverat vel in eonim manibns ultimum debitum mortis exsoWat
Pauper homo, volens tantam crudelitatem evadere veritatem plaries a
86 predicatam coram astantibus omnibus in coUegio Karoli publice re-
vocavit . . .
' Profiteor libera et spontanea voluntate ....
341
rischen Landesarchivs und wurden von mir 1889 in Brunn,
dann nochmals in Czemowitz und zuletzt in Graz durchgesehen.
Von diesen Handschriften beansprucht der Cod. 358 der Cerro-
nischen Sammlung eine besondere Beachtung. Sie enthält eine
Menge von Tractaten und Actenstücken zur Geschichte der Con-
dlien von Constanz und Basel. Ein Vorlegeblatt zählt den
Inhalt auf:
1. Tractatus domini Stanislai de Znoyma contra articulos
Wickleffi. S. 1 — 102.^ Daran schliessen sich die 45 Artikel
Wiclif s selbst (S. 103—155).
2. Colleccio variarum decisionum a curia Romana ab anno
1376—1381 emanatarum, curia et studio domini Wilhelmi Hor-
broch Alemanni dictae curiae (quae alias sacra Rota vocatur)
auditoris (S. 117—417).
3. Vocabularium iuris canonici (S. 419 — 450).
4. Compendium decretorum (S. 453 — 520).
5. Tabula auctoritatum et sentenciarum biblie inductarum
in compilacionibus . . . lohannis Calderini . . . (S. 520 — 635).
6. Sermo in feste s. Augustini (S. 634 — 637).
7. Tractatus lohannis Polmar contra veritatem agnitam
conscriptus et domino Cracoviensi destinatus (S. 639 — 688).
8. Tractatus luliani (Caesarini) magis perniciosus et plus
furiosus contra concil. Basil. (S. 688 — 796).
9. Determinacio universitatis Cracoviensis (S. 797 — 846).
10. Responsio ad litteras Eugenii IV. divulgata 13. Jan.
1443 (S. 847 - 869).
11. Literae Alamanni in causa Alsonis et lohannis episcopi
Luthomisslensis de dato 1417 Juni 16. (S. 871—877).
12. Literae Brandae cardinaUs in causa eadem (S. 879
bis 882).
13. Alamannus cardinaUs electionem Alsonis nullam declarat
(S. 883-887).
14. = 11.
15. Capitulum Olomucense de Hussitis in dies crescentibus
conqueritur (S. 897-898, 911—912).
* Von diesem Tractate liegt das Concept in einer anderen Handschrift des
landständischen Archivs in Mähren vor. Der Tractat selbst wurde nach
Polen, Schlesien und anderen Orten stark verbreitet, daher er in vielen
anderen Handschriften noch zu finden ist.
342
IG. Media ad obviandura erroribus in causa uuionis in
conc. Const. (S. 899—900, 909).
17. Literae Simonis de Praga in causa Wilhelmi de Kor-
thelongen (S. 901—902).
18. Literae in eadem causa (S. 903—906).
19. Literae concilii Constanciensis ad cives Brunnenses de
damnacione et supplicio lohannis Hus (= Palacky, Documenta
mag. loh. Hus 568—572).
20. Literae lohannis papae de sede concilii. Dat. Laude
II. Id. Dec. pont. a. IV.
21. Appellacio Wilhelmi Korthelongensis, canonici Olomu-
censis ad archiepiscopum Pragensem (S. 917 — 918).
22. Literae Przemislai regis in quibus antiqua privilegia
Olomucensis ecclesiae conlirmat (S. 919 — 922).
23. Literae conc. Const. ad cives Olom., in quibus pro fide
laudantur (S. 925).
24. Bulla Bonifacii IX. in qua declarat, quod omnia bene-
ficia clericorum camere apostolice . . . sunt disposicioni sedis
apost. reservata etc. (S. 927 — 936).
25. Instrumentum publicum a curia Romana emanatum
contra Buskonem de Gynin de possessione canon. Olomuc.
(S. 937—954).
26. Bulla Martini papae de extirpendis hereticis a lohanne
episcopo Olom. promulgatur (S. 954 — 955).
27. Literae Witoldi regis (S. 956).
28. Bulla Alexandri V., in qua omnes processus occasione
et pretextu scimatis tolluntur de dato 28. luli 1409 (S. 957
bis 961).
29. Literae continentes litem Mathiae de Gewicz contra
Wilhelmum de Kortelongen (S. 963 — 966).
30. Äppellatio Przibiconis de Othlochowitz ad concil. Con-
stanciense pro parte Alssonis (9. 967 — 970).
31. Conpulsoria domini Wilhelmi Kortelongensis canonici
eccl. Olom. contra Albertum Creyenberg (S. 963—975).
32. Credentia SwietHci de Rakuska pro parte Przibiconis
ad ep. Luthmisslensem (S. 977 - 978).
33. lohannes Swietlik appellationem contra lohannem epi-
scopum ad valvas ecclesiae cathedr. Olom. affigit (S. 979 — 980).
34. Fragmentum pertinens ad litem domini Wilhelmi de
Korthelongen (S. 981—983).
343
Die letzten acht Blätter enthalten verschiedene kleinere
Stücke religiösen Inhalts: Auszüge und Predigten, Stellen aus
den Kirchenvätern u. A. Vom ist auf einem Schutzblatt eine
Urkunde für Nicolaus Polkenhain, altarista ecclesie Glogo-
yiensis von 1389.
Der Codex stammt, wie aus dem schwarzen Einbände zu
sehen ist, aus einem ELarthäuserkloster, und zwar aus jenem,
dem Stephan von Dolein, der bekannte und berühmte Gegner
des Hus, angehörte ; die einzelnen Aufzeichnungen sind grossen-
theils gleichzeitig.
Unter den zahlreichen Stücken, welche dieser Codex ent-
hält, sind zweifellos jene die wichtigsten, die sich auf den Streit
zwischen dem Bischof Johann von Leitomischl, postulirtem
Bischof von Olmütz, und seinem Widersacher Albert (Aleä),
Domherrn von Wischehrad, beziehen und nicht wenige Angaben
über die Ausbreitung des Wiclifismus in Mähren enthalten.
Qleich die erste Nummer enthält hierüber die beweglichsten
Klagen: ,In Mähren finde die Ketzerei der Wiclifiten und
Hositen allenthalben Eingang; sie werde durch mehrere Herren
und Ritter und einzelne geringere Leute (populäres) gefördert,
man verachte die Sacramente der Kirche, die Schlüsselgewalt,
mache sich über die kirchlichen Censuren lustig, erweise den
Oberen keinen Gehorsam, einzelne Barone halten Priester, die
ihnen das Abendmal imter beiden Gestalten reichen, was zum
Hohn der Beschlüsse am Constanzer Concile geschehe. Einige
taufen die Kinder in Fischweihem, Andere im Flusse, Excom-
municirte halten auf freiem Felde, in Scheunen und anderen
Orten die Messe, meist nicht auf geweihtem Altar; wieder An-
dere wollen von den canonischen Gebetstunden nichts wissen,
gehen zu keiner Beicht, Einzelne preisen den Johannes Hus und
Hieronymus als Märtyrer und richten ihnen, wie für verstorbene
Gläubige, den Trauergottesdienst an, vergleichen sie an Ver-
dienst und Opfer dem heil. Laurentius oder ziehen sie selbst
dem heil. Petrus und anderen Heiligen vor.
Dagegen werden die katholischen Pfarrer aus ihren Stellen
^^JJÄgt, ihres Besitzes beraubt, mancher erleide sogar an seinem
Körper Unbill von Seiten der Husiten; viele werden getödtet,
andere ertränkt: mit einem Worte, wenn das Concil nicht ernste
Massregeln ergreife, sei Mähren ganz und gar der Ketzerei ver-
fallen. Das Domcapitel habe die schwere Aufgabe, diese Uebel-
inhxf. LXXXn. Band. II. Hilfte. 23
344
stände za beseitigen; von seiner Seite nicht ausser Acht ge-
lassen. Nach dem Tode des Patriarchen von Antiochia^ Wenzek
(Kralik), ^ des ständigen Commendators (perpetui commendatoris)
der Olmützer Kirche, habe es an die Wahl eines Mannes ge-
dacht, der sich im Kampfe gegen die Husiten bereits bewährt
habe; das sei der Bischof Johann von Leitomischl. In derThat
war dieser der Einzige aus dem böhmischen Clerus, der bisher
dem Vordringen des Husitismus kräftig entgegengearbeitet hatte.
Man kennt die entschiedenen Massregeln, zu denen er schon
damals gerathen hatte, als noch die Landessjnode vom Fe-
bruar 1413 die Herstellung des kirchlichen Friedens in Böhmen
berieth.^ Schon damals hatte er die Axt an die Wurzel anlegen
zu müssen geglaubt und gemeint, dass die Quelle alles Auf-
ruhrs im Lande verstopft, die verführerischen Predigten des
Hus und seiner Genossen verboten, dessen Schriften mit dem
Anathem belegt und an der Universität unter Magistern und
Scholaren gründliche Ordnung gemacht werden müsse; ein
Vicekanzler solle bestellt werden, der mit unnachsichtlicher
Strenge ihre Vergehungen untersuche und strafe. Auch auf
dem Concil war er in dieser Richtung thätig. Fünf Tage nach
dem Tode des Hus mahnt er den Erzbischof von Prag zu kräf-
tigem Vorgehen: man möge den Anhängern des Hus erst güt-
lich beikommen, ,alioquin procedetur contra eos secundum ca-
nonicas sancciones^' Ihm stellte denn auch das Concil ein
glänzendes Zeugnis aus: Cuius episcopi gesta non parva laude
digna essent, si nos, quanta pro honore regis et regni Bohemie
et catholice fidei tuitione seriöse gessit, scribere curaremus.*
Johann von Leitomischl war daher auch von den Husiten aufs
Aergste angefeindet und sein Charakter nicht wenig verleumdet
worden. Hatte doch noch Hus selbst nur wenige Tage vor
seinem Tode seinen Getreuen in Böhmen da, wo er die Ve^
Sammlung von Constanz einen Haufen von Simonisten nennt,
geschrieben: Aderat ibi Johannes episcopus Lntomyslensis, qui
bis archiepiscopatum Pragensem emere conatus est; sed alü
* Wenzel Kralik starb am 12. September 1416. Vgl. über ihn namentlich
das Qranum Catalogi, p. 95.
• S. meinen Hus und Wiclif, S. 140.
• Doc. mag. I. Hus, p. 667.
* Ibid. 670—671.
345
licitatione eum superarunt.^ Ihn traf zunächst der Hass der
durch den Tod ihres Meisters erbitterten Husiten. Das Concil
sah sich schon im August 1415 genöthigt, den Schutz der Qüter
des Leitomischler Bisthums Johann dem Jüngeren von Neuhaus
anzuvertrauen. Von dem Bischof selbst wird gesagt: Qui pro
magno honore illius regni et commodo solus inter praelatos
ipsius regni in sacro concilio perduravit . . .* Nun war
er derjenige, der^ wie schon oben angedeutet wurde^ auch die
Decrete des Constanzer Concils gegen die Husiten zu verktinden
hatte,^ und der gesammte Clerus in Böhmen erhielt die Weisung^
in diesem Vorgehen ihn zu unterstützen.^ Noch zu Lebzeiten
Wenzel Krfdik's hatte Johann von Leitomischl mit diesem Ver-
einbarungen getroffen, die auf die Ausrottung des Husitismus
Bezog nahmen. Es lag daher nahe, dass das Domcapitel von
Olmütz diesen kampfbereitesten Gegner der Husiten auf den
Bischo&stuhl von Olmütz berufen würde. Dann war die noth-
wendige Einheit in die Leitung der kirchUchen Interessen
Mährens gebracht; diese Leitung zu übernehmen, war nach
den eigenen Worten der Väter am Concil Niemand geeigneter:
^quem alias veluti ex millibus electum ad regnum Bohemiae et
marchionatum Moraviae huiusmodi propter opus istud salubre . . .
legatom nostrum destinavimus . . /
Johann von Leitomischl wurde denn in der That schon
neun Tage nach Eralik's Tode von einer Anzahl von Dom-
herren postulirt, der Erzbischof von Prag von dem Qeschehenen
verständigt und das Concil um Bestätigung der getroffenen Wahl
ersucht.* Es war nun aber bezeichnend, dass die Wähler drei
Tage lang aus Furcht vor dem Könige Wenzel sich nicht ge-
brauten, den Wahlact öffentlich bekanntzugeben,^ denn man
* DWd. 134.
' Ibid. 678—674.
' Ibid. 674—677.
* Ibid. 678—679.
* Post cuius obitam reyerendiflsiums pater dominus lohannes de Praga,
episcopus Lutbomisslensis XI. Kai. Ootobris per decanum et oanonicos
residentes in episcopom et pastorem ecclesie Olomucensis est postulatus.
Wenn man diesen Bericht des Granam Catalogi mit dem unten folgenden
AetenstUck vom December 1416 (Nr. 20) vergleicht, so sieht man, dass
ihm das letztere zu Grunde liegt
* Qne postnlacio per tridunm propter metnm domini Wenceslai Bomanorum
et Boemie regis fuit occultata.
23»
346
wusste^ dass der König einen anderen Candidaten hatte, den
Domherrn Albert oder Alefi von Wissehrad, der denn auch
von einigen Domherren am 30. September gewählt* und bald
darauf von dem Erzbischof von Prag confirmirt wurde.* Der
Eid, den er vor diesem ablegte, der kathoUschen Kirche treu
zu bleiben und die husitische Secte ausrotten zu helfen, wird
unten (Nr. 27) nach einer Wiener Handschrift mitgetheilt. Wäh-
rend ihn die gegnerische Partei der Begünstigung der Husiten
beschuldigt, schwört er hier, Keinen zu schützen, der des Wicli-
fismus verdächtig sei, und Alles zu thun, um diese Secte aus-
zurotten.
lieber die Vorgänge bei der Wahl des Ale§ euthalten nun
die unten mitgetheilten Actenstücke (Nr. 20 — 26) viele beachtens-
werthe, bisher grossentheils unbekannte Einzelheiten. Es kam
in der Diöcese zu einem länger als vier Jahre dauernden Streite,
der erst nach dem Tode des Königs Wenzel durch einen Com-
promiss beigelegt wurde. Mit Hilfe des Königs gelang es Aleä
und seinen Anhängern, von dem Bisthume ,realen und actnalen'
Besitz zu ei^eifen.' Schon im December finden wir ihn im
Besitz des Bisthums.^ Johann von Leitomischl hätte sich zwar,
wie es in dem betreffenden Actenstücke heisst, mit bewaffneter
Hand entgegensetzen können, habe es aber vorgezogen, die
Entscheidung des Concils abzuwarten. Seine Anhänger wichen
aus Olmütz und Mähren. In Olmütz konnten es die Husiten
bereits wagen, das Abendmahl unter beiden Gestalten zu nehmen.
Ein Priester, Namens Johann, soll es ihnen — es waren ihrer
acht — gereicht haben und Aleö zugegen gewesen sein.^ Ja
^ Das Granum, dem untenstehenden Berichte folgend, sagt: Propter qnod
alii canonici de Praga ad importunam instigaciouem dicti regis in Olo-
mucz descendentes pridie Eal. Octobris non obstante postnlacioue reveren-
dissimi patris domini lohannis per decanum et capitulum eis insinoata in
destruccionem ipsius ecclesie penrerse elegerant quendam Alssonem cano-
nicum Wissygradensem in prostitucionem ecclesie Olomucensis . . .
' . . . ipsiusque protensam eleccionem reverendissimo patri domino Con-
rado archiepiscopo Pragensi presentamnt . . . qoi . . . ipsum Alssonem ad
dictam ecclesiam de facto confirmavit.
' S. unten das Stück vom 17. Februar 1417: Qni dominus Alsso rirtute
hoius confirmacionis et institucionis ipsius ecclesie OlomucensiB ac quo-
rundam castrorum . . . realem et actualem possessionem est aasecutos . . .
*• et occupat die hodiema . . .
* Pars Wyklefistarnm et Hussistarum ex pretensa eleccione et subsecnta
pretensA confirmatione et bonorum episeopalium occupacione maxime
347
dieser soll sogar die Olmützer Bürger an dem gerichtlichen Ein-
schreiten gegen die ^Ketzer^ gehindert und diese aus ihrer Haft
befreit haben. Das Concil ernannte Johann von Leitomischl bis
zur endgiltigen Entscheidung zum Administrator des Bisthums
in allen weltlichen und geistUchen Angelegenheiten.^ Der König
Wenzel hingegen entsandte einen seiner Vertrauten (familiaris
et servitor Serenissimi principis) mit mündUchen und schriftlichen
Weisungen nach Mähren (vive vocis oraculo ac eciam per certas
literas)^ um die Verwaltung des Bisthums in seine Hände zu
nehmen.
Am 17. Februar 1417 appellirte Przibico namens des
Königs gegen den Bischof Johann, der gegen ihn den Process
hatte einleiten lassen^ an das Concil^^ verständigte hievon seinen
Qegner' und liess seine Appellation neben dem Eingange zur
Olmützer Domkirche in Anwesenheit einer grossen Volksmenge
anschlagen.^ Das Concil sprach durch den Cardinal Alemannus
dem AleS die Administration des Bisthums ab und verurtheilte
ihn (16. Juni 1417) zur Zahlung der aufgelaufenen Kosten.^
Dieses Schriftstück hat schon deswegen eine grössere Bedeu-
tung^ weil man aus ihm ersieht^ dass Ale§ unter den Dom-
herren einen grösseren Anhang hatte als sein Gegner. Als
dessen Anwalt in dem Streite, den nun die vom Concil ge-
setzten Commissäre entschieden, ftmgirte jener Michael von
Deutschbrod, den wir als den bedeutendsten Ankläger des
Hns kennen.
Am 16. Juli erklärte der Cardinal Alemannus die Confir-
mation des erw^ten Bischofs von Olmütz Aleä durch den Erz-
animata existit, ita qaod ... in Adventn Domini proxime preterito quidam
intraveront ad ecclesiam et ibidem a quodam presbytero nomine lohanne,
presente dicto pretenso electo Alssone, sub utraque specie sacramenti
communicaveront.
* S. unten Nr. 21 : Cui sacmm conciliom . . . male informati . . . dantes sibi
nndam administrationem ipsius eccleeie Olomncensis tam in spiritualibas
qnam in temporalibns.
'Nr. 21 unten: dominus lobannes . . . me Przibiconem per suas literaa
miflsivaa, in quibns scripsit, quia ipse iam esset episcopus confirmatus,
nt de dictis bonis sibi cederem . . .
» Nr. 22.
♦ Nr. 23.
' S. Nr. 24: ipsumque Alssonem in expensis . . . coram nobis legitime factis
condempnandnm . . .
348
bischof Eonrad von Prag flir nichtig.^ AleS vertheidigte »ich
gegen den Vorwurf einer Begünstigung der Husiten in lebhafter
Weise.* Martin V. bestätigte zwar am 14, Februar 1418 die
Wahl JohannS; aber König Wenzel kümmerte sich wenig danun,
er schützte Aled nicht blos in dem Besitze des Olmützer Bis-
thumSy sondern wehrte dem Bischöfe Johann auch die Heim-
kehr nach Leitomischl, dessen Administration das Concii ihm
neben der des Olmützer Bisthums belassen hatte.^
I.
Gleichzeitige und spStere Berichte Aber das Leben, die
Verurtheilung und das Ende des Magisters Johannes Hus^
beziehungsweise des Hleronymus Ton Prag.
Nr. 1.
Gleichseitiger Bericht yom Constanxer Concii über die Abdankung
Oregors XII. und die Venirtheilimg des Magisters Johannes Hos.
(fi cod. VoroT. 335 [ol. 94] non pag. man. coaey.)
Quarta die lulii, in die yidelicet sancti ühici episcopi proiime
elapsa, in Session e publica Constancie in preseDcia regis Bomanonun, csr-
dinalioin, patriarcharum et ceterorum snppositomm Karolns de Mal a-
testis procni-atorio nomine qnondam Gregorii XU. dnas prodnxit bollas
einsdem, una yidelicet roboracionis et confirmacionis, vocacionis et congre-
jgacionis concilii antedicti et secundam mandati pleni et irrevocabiüs trac-
tandi, faciendi et concludendi in factis nnionis et informacionis ecclesie
singula necessaria et oppoiinina, eciamsi congraerit per viam simplicis
cessionis.
Quibus quidem bnllis lectis et contentis in eisdem, per dictum con-
cilium receptis, assumptis et giatancius auscultatis ac cardinalibus, pa-
triarchis, officialibns totaque obediencia einsdem Gregorii per diffini-
cionem ipsius concilii nostris cardinalibus patriarchis officialibus et obe-
diencie integre adnnitis officium ipsius fuit soUempniter inceptum.
* S. unten Nr. 26.
' S. unten Nr. 26: Falsoque per eos conficto, quod dicttis dominus Alaso
dampnate Wiklefistarum secte adhereat . . .
' Frind, Kirchengesch. von Böhmen III, 173; Palacky, Gesch. Böhmens
III, 1, .S92.
349
Quo peracto premiasis solempnitatibus iu sesBionibus fieri consuetis
vicecancelLarioqne presidente per dictum Constanciense concilium fuerunt
plurima et speciaLi(ter) sequencia diffinita:
Primo quod omnes processus sive censure etc. hinc inde inter pon-
tifices nostre obedieucie et dictum Gregorium fulmiuati sint cassi,
irriti et inanes.
Item, quod constitucio dicti Constanciensis concilii nuper edita,
ndelicet quod nullus contendencium de papatu reelegi debeat in papam,
noü faerit statuta dicto Gregorio in vilipendium et confusionem sui status
sed propter pacem et alia christiano populo oportuna.
Item, quod rex Bomanorum dicto Gon8tancie(nsi) concilio debeat
legitime cavere, ne in Legacione sui ad Petrum de Luna et regem Ar-
ragonie velit et obligetur adhibere pro unione et reformacione ecclesie
onmem diligenciam sibi possibilem sine fraude qualibet et dolo.
Item, quod rex Bomanorum antedictus omnes principes et ceteros
imperio subiectos et principaliter civitatem Gonstanciensem' sub pena
panni imperialis, infamie, abieccionis, honoris et perdicionis feodorum om-
niom et bonorum teneatur inducere et eisdem striccius mandare, quod
ipsum concilium in sui absencia^ usque ad unionem et reformacionem
ecclesie perfectam defendant.
Super quibus duabus immediate precedentibus constitucionibus ad
statim due Utere imperiales sub impensione sigiUorum maiestatis eiusdem
et sub datis diei prime lunii erant lecte.
Item, quod non procedatur ad eleccionem summi pontificis sine re-
qoisicione yoluntateque dicti concilii et consensu. Et si secus actum fuerit,
taliter electus pro non papa ab omnibus Ghristi fidelibus teneatur. Et in
premissis singulis constitucionibus iura positiya, diffiniciones conciliorum,
consuetudines et alia ad oppositum facienda penltus suspendebantur. Hii
finitisEarolus (de) Malatestis snrrexit de latere regis antedicti et pre-
missa recommendacione recommendatoria ipsius Gregorii et interpretacione
ipsiüs proprii nominis scilicet Angelus satis pulchra vivo vocis oraculo
ioxta tenorem cuiusdam cedule procuratorio nomine dicti Gregorii
non coactus nee corruptus, ut asseruit, sed pure propter Deum et pacem
ecclesie cessit et renunciavit^ papatui et eundem libere resignavit cum
onmibos iuribus, possessionibus et ceteris dicto Gregorio competentibus
in eodem optans exinde premium beatitudinis eterne sibi tribui in futuro.
* Cod.: ciyitati Constanc. ... ** Cod.: in esse in sui absencia.
^ Cf. Labbe, tom. XVI, sess. 14, p. 227. — Zur Sache vgl. Boyko, Gesch.
der grossen allgem. Kirchenversamml. zu Kostnitz II, 245. * Die Be-
nnnciation bei Labbe, tom. XYI, p. 238.
360
Super quibus omnibns instrnmentis more soilto petiiis Tt Deum
laudamus cum VernculOf Oracione et Benedkamua Domino fdernnt deyocius
cum ingenti gaudio decantate campaneque singule Constanciensis civi-
tatis polsate et sessio prefata cum omnimoda concordia terminata.
Sexta die lulii una sabbatorum in sessione publica dicti Constan-
ciensis concilii, eciam in presencia regis Bomanorum, cardinalium et cete-
rorum, de quibus supra, missa et invoc-acione Spiritus Sancti finitis lo-
hannes Huss in dicte sessionis medium ducebatur et archiepiscopus
Mediolanensis^ assumpto themate Corpus conteratur ptceaH pulchrum
fecerat sermonem, in quo inter cetera introduxit, qualiter durante scis-
mate multa mala in mundi circulo surrexerunt, scilicet symonie, rapine,
usure, secte, hereses, ecclesiarum oppressiones et alia enonnia infinita.
Cum autem Dei providencia universo de gubematore imperii esset mira-
biliter proyisum^ idem gubernator ex sue dignitatis officio iuxta suam
potenciam nltimam pro amocione, exstirpacione et evellacione dictonim
malomm Deum naturam et ecclesiam ledentibus et opprimentibus esset
non modico obligacionis vinculo astrictus.
Quo quidem sermone finito per dictum coneilium inter cetera fuit
diffinitum, quod in dicta sessione nuUus, cniusque eciam foret dignitatis,
preeminencie aut Status verbis, signis, nutibus aut factis sub pena ex-
communicacionis late sentencie, incarceracione duorum mensium et ceteris
penis aliquem fecerit rumorem strepitum seir terrorem.
Dehinc CGLX articnli in libris lobannis Huss virtualiter (?) con-
tenti fuerunt reprobati per dictum coneilium et dampnati, fuitque diffi-
nitum dictos libros Huss et suorum seqnacium debere per ordinarios lo-
corum repertos ubilibet comburi. Post hoc attestacionem articulorum pro-
ductorum contra Huss per dominum Wildungen auditorem palacii
publicantur.
Ipse autem Huss ad quosdam articulos respondit se illos nanquam
tenuisse, predicasse aut dogmatisasse, quosdam glossayit sopbistice et
satis pueriliter et quosdam dixit se more scolastico, non tamen assertive,
in disputacionibus tenuisse. Et quorundam dixit se oppositum predicasse,
et breyiter: Si datus fuisset sibi locus respondendi inutiliter, cavillose et
erronee, dicta sessio hac die non fuisset effectualiter completa.
Hiis teiminatis contra dictum lohannem Huss talis sentencia fuit
lata, quod ipse Huss fuisset et esset verus hereticus, qui propter sui con-
^ Nicht der Erzbischof von Mailand, sondern der Bischof von Lodi hielt
die Rede; s. Labbe, In append. concil. Const tom. XVI, p. 1328: Jmcobi
episcopi Laudensis oracio in supplicium Hussi habita.
351
tomaciam et incorrigibilitatem esset a gradu sacerdocii d^radandus et
conseqnenter seculari curie tradendns. Sentencia itaqne lata Huss mani-
büB et ocnlis in celom proiectis dixit: 0 Dem omnipotens, gucUis sentenda
contra me müerum e$t lata. Et territns dicta sentencia incepit in voce de-
ficere niminm et loqnela.
Et tone statim offerebatur dicto Huss qnidam ornatns sacerdotalis
celebrandi divina officia missaram, que cum totom indnisset, dixit: Et
ubi e$t tarn Päatus, qm dedueret mihi vtstea Christif Et ascendit in altum
eiosdem scampni, dicendo quomodo contra Deum et iusticiam morti trade-
retuTf cum esset bonus christianus et minquam contra evangeliea aut sanctorum
doctorum* dicta predicasset aliquid. Post modicum tarnen, Deo nt puto dis-
ponente, omnes snas hereses et errores foit libere confessns, dicendo qnod
noUet abinrare articnlos contra ipsom prolatos triplici ex causa:
Primo ne lederet snam conscienciam, secnndo ne incorreret per-
iurium et terdo ne populus scandalizaretor qui mnltus et plnrimus foret
coi oppositom predicasset. Cetera require in fine libri.^
Nr. 2.
Ansichreiben der Frager üniyersit&t an »yersclkiedene Königreiche
nad Lander* fiber die yortreffliche Lebensf&hnmg des Hus nnd
Hieronymuf. Prag 1416, Mai 23.
Epistolam 8i>b8criptam universitas Pragensis post mortem
magistromm lobannis Hns et leronymi ad diversa regna et
terrae testimonium perhibens de vita ipsorum et conversa-
cione laudabili destinavit.
(E cod. arch. monast. Bayhrad. H. h. 17.)
üniversis sancte matris ecclesie katholice filiis toto orbe terrarum
diffosis, ad quos presentes litere pervenerint, rector universitatis studii
Pragensis totnsque cetus magistrorum unanimis salntem in Domino et
narrantibus veritatem credere Dominique diligere eqnitatem. Etsi inter
muitas et ardnas sollicitudines nostras et innumerabilium curarum in-
stancias, que continuo in nostri pectoris archa versatur, positi sumus,
fllnd tarnen nos angit potissime, illud precipne nos impellit, ad id quoque
maiime aciem mentis nostre dirigimus, sollerti studio intendentes et ya-
cantes, ut, nostre universitati hactenus et semper inclite cura meliori
* Cod.: dictomm dicta.
' Dort sind aber zwei Blätter herausgeschnitten.
352
providentes, contra blasfemantes insultus hunc modum referendi et hnic
clipeum utrumque opponamus, quo in suis membris decentissima disposi-
cione nunc velut ante compositis firma, robore, fama yirens et fnlgida
semper sit et illesa, et presertim cum necessitudinis Caritas nos impeUat,
cogat utilitas, et quod magis accedit ad tituLum, probitas eciam nostri
mortui perurgeat' et honestas. Hinc est, quod specialis benivolencie animo
super universitatis nostre divine memorie filio lohanne de Hussinecs,
Hus nuncupato, sacre theologie baccalaureo formato eximio, inten-
dentes, ne tanti vii'i fama tepeat, sed cunctis gi*acior appareat fructomqoe
ferens muLtiplicem cunctis redoleat plus suavis, et ne figmentis maculata
contagio amplius serpat per fideles, sed ut pocius multorum cormat lin-
gua emulorum inter infideles ex sinceris affectibus quibus solum Deom
prosequimur et ipsius equitatem ore et corde absque menticulosa conscien-
cia publice profitemur ad communem fidelium audienciam hec ea, que di-
cimus, eo ardencius cupientes pervenire, quo tanti viri conversacio intra
nos quoad Deum et homines extitit maturior et omnibus Christi fidelibus
reverendaque eins Tita mox ab annis teneris semper sub nostris oculorum
posita radiis ita fuit moribus sanctis instituta, ut de eo culpam eciam
unius criminis nemo nostrum sciat iustus publice profiteri. Cuius eciam
intellectus magistralis perspicue nobis extitit mirabilis, ut in inielligendo
velocior, in scribendo paracior et in respondendo cunctis aliis esset snbli-
mior, in predicandoque ceteiis autonomasice feiTencior et melier a^pa-
reret, nee unquam in erroris perfidia auditus a nobis est inventus preter
hoc, quod fuit sinistris malorum conyiciis sepe pro iusticia laceratus.
0 yirum ineffabilem, venerande prefulgentem speculo sanctitatis. 0 virum
humilem, magno choruscantem radio pietatis, qui cunctis contemptor di-
viciis usque ad excessum suum pauperibus ministrabat, qui genua pronus
flectere ad egenos lectos non recusabat, qui lacrimis duros ad penitenciam
provocabat animosque feroces ineffabili mulcendo dulcedine mitigabat, qoi
vicia generaliter cunctorum diutine roborata presertim superbi, cupidi et
opulenti cleri antiquis et oblitis scripturarum remediis, quasi novo qua-
dam inveccionis et vite antidoto ex magno caritatis intentivo funditus
exurebat apostolicisque innixus vestigiis tota sua cura primeve ecclesie
*
mores in clero restaurabat et populo qui eciam in verbi fortitudine et sa-
piencia ceteros superabat in omnibus omnia exercens opera caritatis pure
fidei et inviolabilis yeritatis, et, ut brevius singula perstringamus, ipsum
dlyini muneris specialis gi*acia uberioribus afflarat successibus, ita ut in
omnibus fieret magister yite sine pari. Gerte fecit in eo natura quod
Cod. pemrget.
353
potait diyineque muuificencie giaciosa effecit liberalitas, ut nedum vir-
tuosus sed dici possit emphatice ipsa virtus. Quid ulterius dicimus? Pro
certo res ipsa probat, aspera moi*s, quam a suis gravibus pacientissime
pertulit inimicis fidissima subest testis, quod super fundamentum divine
fortitndinis fuerit stabilitus, ea ferens operuQfi procacissimarumque iin-
guarum obprobria piis et sacris moribus semper a mundi exhordio infesta
et inimica, que lugubris humane soiiiis fragilitas proprüs viribus nullatonus
posset sustinere. Equidem diyina res fuit et ipsum robur solius divino
firmitatis tot impia probra, tot improba supplicia, tot famas et infamias
pro Dei veritate semper leto et ridenti vultu excipere et tanta pietate
eciam quoad tyrannos immobiliter coruscare yitamque iiTeprehensibilem
in Omnibus indefessum morte acerbissima consumare. Hec igitui* omnium
Christi fideUum merito deferenda providimus oculis, ne fideles hunc yirum
prorsus virum iustieie aut quemque eins subambulum ac assecutorem du-
biis derogacionibus in anime sue periculum velint maculare et falsa pro
veris improbo more asseverare, quin pocius, si non dictis nostris credere,
saltem dubia in partem meiiorem velint detorquere, hoc unum optantes
ex animo, ut sicut nobis factus est iustum prospicuumque exemplar in
omoibuSy ita fiat omnibus Christi fidelibus testis cathoLice veritatis.
Ceterum quidem de egregio philosopho magistro leronymo de
Praga viro utique eloquentissimo et omnium arcium liberalium profundo
scratatore nobis innotescat ipsius nomen celebre et famam preclai*am
scienciam laudandam atque sublimem Parisiensi, Coloniensi et Heilde-
bergensi universitatibus, quarum magister extitit testimoniis veritatis
discucienda relinquentes, hoc ipsum publice corde et ore profitemui*, quod
ipse magister leronymus predictus vita et moribus in universitate nostra
et r^^o Boemie laudabiliter conversatus et in fide catholica et orthodoxa
moltipliciter commendatus, pro veritate evangelica promulganda et sini-
8tra nota predicti regni Boemie abolenda desudavit assidue, sicut ipse
magister Johannes Hus superbiam, avariciam, luxuriam et symoniam cum
aliis criminibus notoiiis presertim ipsius cleri ai'guendo patenter et in-
trepide detestando in Constancia mortem constantissime subiit et de om-
nibus inimicis suis gloriose triumphavit. In cuius rei evidenciam cla-
riorem presentes literas sigillo nostro pendenti iussimus communiri.
Datum Frage in pleno concilio nostre universitatis studii predicti
die XXIII' mensis Maii anno domini 1416.
i
■
l
354
Nr. 3.
Gleichseitiger Bericht über das Leben und den Tod des Hiero-
nymus yon Frag.
De vita magistri leronymi de Praga.
(E cod. arch. Rajhrad. H. h. 17, fol. 2.)
Magister leronymns sabbato post Ascensionem Domini hora
qaasi XI a media nocte compntando in eodem loco in quo sanctns vir
magister lohannes Hns est combustus in ignis voragine diem snnm claa-
sit extremum.
Contra quem post revocacionem per ipsnm pndem factam (de qua
revocacione non ambigo tos non latere) centum Septem articali,
ut laqnenm quem inciderat nequaquam evaderet, de novo fnerunt prodncti
et subsequenter per sufficientes testes probati. Ipse antem non tantum
eisdem articulis in carceribus seu in loco privato respondere voluit, ymmo
in iudices illos sibi in hac causa per concilium deputatos, quorum dao
erant, nullatenus consentire volebat publicam et manifestam audiencism
habere postulando.
Deinde sabbato ante Ascensionem in publica sessione in loco con-
sueto ad respondendum articulis et attestacionibus eorundem predictis
de mane in maiori ecclesia kathedrali coram pleno concilio fnit ei data.
In qua audiencia plus quam XL articulis subtilissime omnibns
contra eum obicientibus usque boram meridianam respondebat, articulos
sibi nocivos negando commisisse et perpetrasse, asserens quod testes Uli
inique mendose et calumpniose prout emuli sui adversus eum exposuissent.
In eadem sessione quo ad mortem non excessit, quia omnibus arti-
culis usque ad finem propter horam' meridianam respondere non valoit,
sed propter locum dispendiumque temporis ad respondendum residuis ar-
ticulis ad feriam terciam ante Ascensionem Domini immediate fuit ei ter-
minus prorogatus.
Qua feria tercia summo mane iterum ad dictam ecclesiam kathe-
dralem fuit adductus ad respondendum residuis articulis, in quibus om-
nibus articulis tam precedentibus, ad quos sabbato respondit, quam eciam
istis residuis fuit omnino per testes convictus, solnmmodo quod iuita
desiderium et optamen ipsius huiusmodi audiencie publice sibi fnerunt per
concilium concesse.
* Cod.: horis.
365
In ista ipsins audiencia a snmmo mane citra meridiem nimis pro-
fande et subtiliter de diversis materiis loquebatnr inter cetera aUegando
quam plores pMlosophos et sapientes ex gentibus,* puta PLatonem, Sene-
cam, Kathonem et multos alios, insuper leremiam cum aliis multis pro-
phetis et sanctis in veteri testamento et sanctos apostolos cum ceteris
multis martyribns de hoyo testamento, qnaliter propter veritatem inno-
oenter fuermit morüficati. Deinde totam snam yitam qnecnnque sibi**
Parisius, in Heideberg, in Golonia, in Praga, in Wienna, in Hnngaria,
in Rnssia^ in Gonstancia sen in yiarmn itineribns accidenmt; et que
eeiam in Ulis partibns et alibi commisit et perpetravit, potissime quomodo
TheutanicoB de Praga et regno Boemie conabatur cum adiutorio extirpare.
Postremo autem commendayit statum et sanctitatem magistri lo-
haimis Hus, asserens ipsum se a iuventute sua cognovisse et non esse
fomicarium, bibulum neque criminosum sed castum, sobrium et sacri evan-
gelii sanctum et iustum predicatorem. Et quecunque ipse magister lo-
bannes et lohannes Widef tenu^nnt et contra abusus et pompam pre-
latorom scripserunt, quod omnia teneret et usque ad mortem vellet teuere,
qoia sancti viri fnerunt. Et quod ipse eodem modo tenet et in omnibus
püuctis fidei katholice credit, sicut sancta Bomana ecclesia tenet, sed
omnes articulos ipsius Yiclef et lohannis Hus, quos contra enormitates
et omamenta prelatorum posnerunt, dixit se firmiter et irrevocabiliter us-
qae ad mortem velle teuere. Et finaliter adiecit, quod omnia peccata sua
non remordent ipsius conscienciam ad tantum, sicut illud peccatum quod
in illa pestifera kathedra commiserit, quando in sua revocacione con-
i^ illum bonum et sanctum virum et ipsius doctrinam fuisset iniuste lo-
cntas, presertim ad ipsius per hoc condempnacionem consenciendo, con-
clodens, quod* iam illam revocacionem per ipsum in predicto maledicto
ambone £actam omnino revocaret et quid propter metum mortis et pusiUani-
mitatem animi sui illud fecisset. Et insuper quidquid contra istum sanc-
tom Yirum locutus fuisset, quod omnia mentitus fuisset in Collum suum
et ipsum et quod ipsum {nc) id fecisset, ex toto corde peniteret.
Hüs et aliis multis de laude lohannis Wicleff, lohannis Hus auditis
inter se mutuo prelati loquebantur, quod per ista verba se solus per se-
metipsum sentenciasset. Tunc econverso reductus fuit in carceres et g^-
vissime per manus et pedes atque brachia cum fen*eis cathenis vinculatus.
Sabbato autem post Ascensionem Domini de mane per copiosam
mnltitudinem armatorum pro sentencia contra enm ferenda finaliter in
eandem kathedralem ecclesiam ad publicam sessionem fuit adductus ibique
recte: g^ntilibuB. ^ Cod.: ubi.
yjwicuT^ir M ASfalK sskugt 'i-ianniM Wädof
^^«Mra laeiHiifei ä&räoK id «»: r<
■on snf-
redncere
OMitra
-, iter» IrnftyM istcr c«tcn ad eo6 dint:
Ce er
«^ eaiMi OM». » iDa q»e ipce in todien-
am pr*dkti* fiut locstas ralrtilissBe, pkOoeopkke« s^mnter et perti-
B4fBi^, qmA caiamiu non smffen auotare. mc ün^n ma enamre, qiiia
UotiuuDodo materam smnonis ipens partiM et mom total iter Tobis
eaocleo, Deineepfi Tero poetqnaa ad reTocandim notut consentire,
preniMa tone sentencia contra eom est lata et lecta.
Poet coiiu Beutende proladoneB magans et longiu pUens de papiro
mm rabieand» demonibns depictos fiiit ei apportatos, qnem Tidens pro-
iecto captido intra prelatoe ad tarraai accepH et a^ti sno ^un imposnit
dieena: Dommus netter laut Ckrtthu kabmä wpmeam eonmam m et^üe suo
€00 amUm loeo üUu§ amort qmui it^mm päemm volo übenti amimo poriart.
Eltone a eecolmbiis ilUco foit ^^[»prehensiis et postqnam de ecdeaU ad
•opplidnm mortis ducebator in exita ecclesie: Ocdö m Z>etcm, sicot in
mmin conanetom est asqae ad finem alta voce transenndo ocolis in celom
elevatis decantarit, deinceps totam lethaniÄm cantavit. Qua finita in exitn
porte cifitatis : Felix namque es sacra mrgo Maria etc. cantavit Quo re-
«p<;nsorio flnito et completo postqnam peirenit ad locum snpplicii flexis
genibus ante stattiam sibi ad comburendum preparatam quandam oracio-
nem morose dixit.
Tunc a tortoribus fuit elevatus sursnm et omnibns vestimentis ns-
qne ad denudacionem corporis expoUatus et cum quodam iinneo panno in
■ DIo Parentbefe fehlt in der HandBchrift.
357
iumbis cii'cumciüctas et ad eandem statuam ad instar spissi asseris fac-
tam fnnibus et ferreis cathenis fortiter alligatus et cum ligna in circuitn
ipsins apponi inciperentnr Salve ftsta dies cantayit.
Quo ymno completo iterum alta voce : Credo in Deum usque ad finem
cantayit. Quo perfecto ad populum in ydiomate theutunico dixit: Ijyben
hynden, aleo geleb ych, unde nicht anders j cUzo eczunt hob ich gesungen; stmdir
ich mus dorume sterben, daz ich nicht mit concilium volde styen* imde helden,
daz Johannes Hits taier heiig , unrectig vororteU, ^ wen ich yn hob wol begent,
daz her gut und worheflig prediger des EvangeUum Christi est gewest.
Et postquam fuit ad Tei*ticem capitis lignis circumdatus omnes
Testes super ligna imposuerunt et face accensa ligna incenderunt. Quibus
snccensis alta voce cepit cantare: In manus tuas domine commendo spiritum
meum etc.
Quo cantu finito quando iam per ignem vehementer urebatur, in
Tulgari," Boemico locutus fuit: Boze, otczie, otpusteny me hrzichi.
Et tunc vox ipsius per vehementem ignem fuit suffocata et de cetero
non andita sed continue cum ore et labiis movebat velociter, ac si aliquis
intra se celeriter loqueretur ; et iam quasi totum corpus et barba fuit com-
bnsta et in corpore suo propter nimiam adustionem quedam magno vesice^
adunius ovi quantitatem apparebant; et ipse continue os et caput mo-
vebat fortiter fere ad unius höre quartam (partem), • Et sie ardendo vixit
in igne cum magno martyrio, quod posset morose de sanCto demente ad
eeclesiam beate virginis per pontem in pede pontis pervenii'e, quia nature
fortissime ipse erat.
Postquam autem expiravit et fortiter ardebat, tunc lectisternia,
pellicia, ocreas, capucia de carceribus apportantes omnia in eodem igne
com ipso usque ad pulveres cremaverunt. Quas pulveres igne extincto ad
Rennm in curribus deducentes proiecerunt. Ista omnia sie fieri vidi et
«idivi, et si quis contrarium dixerit, nulli fidem adhibeatis. Anno
Domini 1416 die et hoiis quibus supra.
(Gleichieitige Schrift; in einer acht Blätter fassenden, nicht gebun-
denen Handschrift)
' oder: seyen. >» darüber: odsnzen. " Cod.: in vnlgarico. ^ Cod.:
▼esione. * Cod.: deest.
S56
hoiiabuntinr enm qm
premittitur de lande
et doctrinaiD ipsorni
S«d ipsd valde forti
inter cetera dicendi
guod omne» artieuio»
ciUog väam vetlram
et multa fuit nimiB
et BennoniB eins ti
Sciebant unmirari.
potuenuit. Et tnn
ipsnm fecit.
Quo sermont
Vo» mdti* me oond
eordänu vettrit da,
littimo et natitnmo
cÜB predictis fnit
nenter, qnod calani
tantommodo mat«i
enucleo. Deine«
premissa tunc seu'
Post cniiis s
cum rubicundis de
iecto capncio intra
dicens: Domimu n
ego autem looo SU\
Extnnc a secularit
supplicium mortis
missis consnetuin
elevatis decantarit
porte civitatis : F\
Bponsorio finito ei
genibuB ante stati
uem morose disit.
Tnnc a tort
qne ad denudacioi
' Die PsrantheB
358
Nr. 4.
Predigt eines böhmiiohen Zeitgenossen nber das Leben und den
mhmvollen Tod des Magister Johannes Hns und Hieronymoi und
fonf anderer «Märtyrer'.
(Cod. uniy. Prag. VIII. G. 18, fol. 174; 8. Historia et Mon. ed. 1558,
fol. CCCLX* — CCCLXra^)
Btati qui per$ecucionem paciuntur propter iustitiam,
Matth. V.
Dominus noster lesus Christus Yolens nos docere super mnodanam
et super montauam sapienciam in yerbis propositis ascendit in montem
et discipuli sui eciam sursum ad eum in montem accessemnt, ut nos posi-
posita mundana sapiencia et philosophia inani, que est stulticia apud
Denm, erigamus sursum corda ad iilam supermontanam et supercelestem
sapienciam. Sed quia ad illum montem sapiencie ex nobis conscendere
non valemus, eo quod nee sufficientes sumus cogitare aligtud a nobü qua»
ex nobis (sufficieneia no$tra ex Deo est II, Cor, III), ideo recurramns ad
ipsam sapienciam verbi incamatam supermontanam pro auxilio et petamus
in spiritu et veritate tacitis cordis desideriis, ut nos post se ti*ahat super
montem sapiencie et yirtutum, ut eins sapiencie digni auditores effi-
ciamur.
Fratres et patres in Christo diligendi. Secundum Crisostomum Sal-
vator noster non dixit: BecUi qui a gentCbus persecucionem pacticntur, ne
putes illum solum beatum, qui persecucionem patitur propter ydola non
colenda. Ideo et qui ab hereticis persecucionem patitur propter yeritatem
non relinquendam beatus est, quia propter iusticiam patitur' ... Sed
omnes prophete neque a gentilibus regibus, sed a suis occisi sunt, non
propter gentiiitatem, sed quia corripiebant eorum peccata ...
Et quia duplex est persecucionum paciencia propter evangelicam
iusticiam, quedam enim est persecucionum paciencia ante mortem per
crebrum et multiplex adversitatis periculum, alia est et fieri solet in ei-
tremo mortis articulo per martyrium, ideo primo yidendnm est quod prima
. . . beatificatur, secundo videndum erit eciam, quod extremum mortis
martyrium in electis Dei propter evangelium Christi beatificatur ... et
tercio tangendum est utrumque, id est, aliqualiter, quomodo quidam
nostri presentis temporis nobiscum in morum honestate con-
* Von hier ans gekürzt, weil blos religiöse Betrachtungen und nichts Histo-
risches enthaltend.
359
Tersati utramque predicta paciencia passi suntpropter insticiam
evangelicam et qnod ideo beatificantnr apnd Deum et homines hie et in
futuro . . .
Tercio (ut dixi) tangendnm est, qualiter quidam nostri temporis
inter nos momm honestate conversati utraque ista paciencia . . . passi
sunt propter Christum et suam e?angeliQm, pro quo meiito beatificantur.
Et primo veniamas ad narracionem probissimi magistri lohannis
Hus, evangelici predicatoris, de cuins predicacione multis constat; immo
Testrum ad hoc testimoninm invoco, quod erat in vita et sermone preclams.
Dominos enim dederat sibi linguam eruditam, nt sciret, quando deberet
sermonem proferre, qoi habuit dileccionem et viscera misei*acionnm ad
omnes homines eciam ad inimicos et persecutores, qni velnt alter Elyas
zelanter invexit contra saperhabundantem iniqaitatem Antichristi et si-
moniaci sui cleri, corpus atterens laboribus continuis in salute populorum
iüsudabat» in tantum ut secundum spectantis iudicium Labores eins omnem
yalenciam hominis et robur carnis excederent. Nam continuus erat, nunc
eonfessiones audiendo, nunc peccatores convertendo, nunc tribulatos con-
solando, nunc predicando, nunc scribendo; erat castus, pudicus, sobrius,
semper timens Deum a principio studii, non ibi superbia, non avaricia,
non inyidia, pon jpocrisis et cetera. Omnia impendebat et super impen-
debat et se ipsum pro salute animarum.
Cuius fidelis doctrina non solum per Boemiam et Moraviam, sed
fere per uniyersam ecdesiam resonat et perseverat. Ipse tuba altissona
predicator veritatis infatigabilis, inimicus simoniacorum, preco evangelii,
08 divinum. Hie iustus omnes nos dereliquit in hoc mundo contemptibili
et maligne et ingressus est ad Christum Deum et Dominum suum. Et de-
nique in prudencia responsorum suorum eciam gracia data desuper sibi
et domesticis satisüaciebat et exteris.' Quis vacua umquam ab eo recessit
manu? Si di?es voluit^ consilium, accepit, si pauper, subsidium repor-
tabat; nee querebat que sua sunt, plus omnibus laborabat et minus*' Om-
nibus accipiebat sed odia reportabat.
Heu iam sublatus est; et hec omnia enumerata simul pariter abie-
nmt nobis et leticie; iam eure irruunt, iam molestie pulsant et angustie
undique sole nobis ipso abeunte remanserunt. Nee tamen contradico ser-
monibus sancti, non reprehendo iudicium quo recepit quisque quod dignus
est: ille coronam quam meruit, nos hie derelicti quas debuimus infinitas
miserias et vexaciones. Utinam eum non amitteremus sed premitteremus.
ütinam yel tarde aliquando eum sequeremur ad yitam in consorcium
• Cod.: ex terris. *> velit in cod. Der Druck: venit " Cod.: melius.
ArcbiT LIKn. Band. II. Hftlft«. 24
360
angelonuD. Plangamus ig^tor super nos, quia saper illo iam vetat racio.
Puto eaim, si oportanitas daretor, modo diceret: Nolite flere saper me, sed
flete super yos ipsos. Qaanta obprobria passas est hie vir indatas domi-
nam lesam Christum. Qaanta odia ab infinita multitudine malorum,
quantas susurriciones de se pravas et falsas habuit, citaciones, excommu-
nicaciones, aggrayaciones iniquas et frivolas et antichristivas sustkiuit
pacienter a clero simoniaco propter fidelem magni zeli predicacionem,
quanta pericula in domo die noctuque in vicis et plateis civitatis per-
pessus est: periculum in via^ et ubicunque adyenit^ imminebat sibi peri-
culum a falsis fratribus, a plebanis, a prelatis, periculum a principibus
et aliis potentatibus seculi, que* omnia tulit pacienter propter evangelium
domini lesu Christi.
Non latet vos puto, quanta in Constancia passus est, quanta pri-
mum in Constancia multitudine armatorum captus; de quibus tarnen
Omnibus longum esset dicere. Hoc tamen dico breviter, quod fuit incar-
ceratus ultra quam triginta septimanis in vincuUs, ut plurimum cruciatus:
fame, siti et aliis miseriis et temptacionibus ac machinamentis ab inimicis
evangelice fidei; ad que omnia dominus futurorum bonorum ex spedali
amore suo militi fideli addidit gi'avissimas corporis infirmitates, primum
calculum, secundo febres et tercio dolorem dencium et capitis simul, quarto
Yomitum cum cruore, ut ipsemet testatur in quadam sua epi-
stola,^ que dicit a domino lesu Christo esse sibi data dileccionis signo.
Et in tot et tantis suis miseriis offerrebant sibi multos articulos imperti-
nenter ex suis tractatibus excerptos seu tractos, quosdas syncopatos nunc
deponendo nunc addendo plura ad sua verba et sibi sensum aliter quam
ipse pretendebat subdole pervertendo. Et cum nequaquam ut decuisset
Yoluissent sibi dare publicam audienciam, respondit ad articulos in car-
cere sedens, et cuius responsionibus cum non haberent occasionem enm
condempnandi, confinxerunt contra eum^ alios articulos.
Sed finaliter ductus in communem audienciam protestatus est quod
libenter yellet informari, et si in aliquo en*a88et, humiliter revocare. Sed
pro istis racionabilibus ex scripturis responsionibus humilibus valde et
mansuetis non reportabat ab eis nisi derisiones et blasphemias contra se.
Per hec enim ad maiorem fomitem odii et persecucionis contra eum irri-
tabantur. Unde cum tam diu in concilio postulasset informacionem, fuit
sibi datum responsum: HabtctB pro informacione quod doctores dtcunt: ar-
• Cod.: qui. *> Cod.: eos.
^ Das ist der Brief des Hus an Johann von Chlum vom 4. M&rz 1415,
8. Palackj, Documenta, p. 98 und 99.
361
ticulos txtractos de iuM Ubdlia esse erroneos quos debes revocare et illa que
mU per festes deposita abtwrare,
Tandem proximo sabbato post festum Procopii (Juli 6) in qnadam
ecdesia in congregacione tocins concilii dantis contra enm sentenciam
diffinlüyam, ipso die propositi sunt alii mnlti articuli pretense probati per
falsa testimonia, per testes canonicos, plebanos, yicarios, doctores, ma-
gistros. Ipso antem respondente quod non sunt sni articuli prohibebant
eum loqui, inclamantes eum ut taceret. Quid plura? Post hec degrada-
batnr, indnebatur yeste sacerdotali et statim postea ab eo denndabatur in
derisom et snbsanacionem; et circa hoc dncebantur qnedam blasphemie
contra enm (et) maledicciones. Qni humili corde respondebat: Istas blas-
pkmieu libenter amplector pro nimtine lesu Christi. Post hec condempnatus
est tamqnam hereticas pertinax, incorrigibilis cum omnibns libris suis,
deinde per modom crucis rasns per episcopos qnosdam et coronatns Co-
rona papirea; in qua tres diaboli erant depicti. Snperscripcio antem erat:
Icharmes Bus heresiarcha. Et imposita sibi Corona ista traditns est pre-
tense sathane; ad qnod ipse hnmiliter respondit: Et tgo committo ammam
mtam domino lesu Christo, Tandem flexis genibns cnm lacrimis oravit pro
inimicis dicens: Domine lesu Christe, ignosce omnibus inimicis meis, qnia
in Domine scis qnod falsos articnlos confinxemnt contra me et falsi testes
dtpotuerwnt contra me, quia nesciunt quod fadunt. Pro qno itemm derisns
est et blasphematns. Post hec traditus est brachio seculari, a qno dnctns
est in locnm snpplicii et mortis. Tibi in via transiens clamavit, qnod falsa
et iniqna testimonia contra enm snnt prodncta et qnod non credant qnod
aliqnos tennisset eiToneos articnlos. Yeniens autem ad locnm tormentomm ^
orayit flexis genibns leto animo et facle mbicnnda; tandem ligatns in ca-
misia ad statnam cnm cathenis et zona stme est lignomm circnmdatus
nndiqnaqne satis in altnm quod vix capnt eminebat et (nt cetera dimittam)
snccenso vehementi igne ipso clamans et orans obdormivit in Domino.
Cnins spiritns in igne instar Helle, nt pie credimns, ascendit in celnm ad
coDsorcinm angelomm.
Magister leronymns fnit in captivitate nltra nnnm annnm yalde
in grayibns carceribns et graviter concathenatns pedlbns et manibns in-
ünncatns sive vinculis et cathenis mancipatns, sie quod in qnadam tnrri
snspensns fnit in qnodam tmnco capite deorsum per undecim dies, et ita
per angnsta foramina et arta pendebat, qnod pedes incipiebant iam putre-
fieri, contrita cnte et came, qnod eciam affligebantnr sibi multa et esnrie
et aliis miserüs. Sic qua suspensione tam dura et dintina postea inyenie-
^ Hier ist die Benützung des Mladenowitz deutlich. S. Palacky, Doc. 321.
24*
I
362
batur quasi semimoriaus. Item eciam contra (emn)* articuli sunt conficti,
in qniboB foit temptatns et examinatos et specialiter monebatnr, nt rece-
deret a doctrina magistri lohannis Hns et lohannls Wikleff et quod con-
sentiret in condempnacionem eorum; et licet in primis Yidebatar eis con-
sensisse in parte, postqoam vero oblati sunt ei articali centum et Septem,
tunc in publica audiencia respondens ad maltos articulos dixit qnod ini-
qoi et falsi testes fialsa testimonia contra eam deposuemnt et false con-
finxeront. In publica postea eciam audiencia commendabat statum et
sanctitatem magistri lohannis Hus, asserens eum sibi a iuventute notnin
et eom non foisse fomicatorem neque bibulum neque criminosum sed
castum, sobrium et sacri eyangelii sanctum et iustum predicatorem, et
quecnmque ipse magister lohannes Hus et Wigleff tenuerunt contra ab-
usns et pompam prelatorum scripserunt, quod omnia teneret usque ad
mortem, qoia sancti viri fuemnt.
Et in Omnibus Mei catholice pnnctis dixit se credere sicut Bomana
ecclesia tenet et qnidquid eis in parte et in verbis conscripserat in con-
dempnacione magistri lohannis Hus, publice revocayit asserens se hoc
fecisse iniuste contra sanctum yirum et eius veram doctrinam. Tandem
sabbato immediate post Ascensionem Domini {30, Mai) simili sentencia
condempnacionis instar magistri lohannis Hus est condempnatas ad
mortem ignis. Ipse autem publice contradixit et inter cetera dixit: Ex eo
debeo condempnari et mori guod nolo c<msentir€ ad condempnacUmtm iüorum
sanctorum virorum, quos condempnastis propter articulos eorum, väam vestram
detestantes et arguentes.
Post bec eciam impositüs est sibi pileus super caput papireus cum
rubeis demonibus, prout magistro lobanni Hus sancte memorie similiter
factum est; et ductus ad mortem facta per eum oi*acione positus est ad
statuam et ligatus et affixus et strue lignorum similiter cii'cumdatus ns-
que ad verticem et succenso igne combustus est, quia noluit negare evan-
gelicam veritatem ut (confido coram hominibus veritatem) in tanto con-
temptu et tanta ignominia mortis ex altaretur post mortem in gloria
Dei patris.
Quid autem dicam de aliisquinque beatis fratribus in Christo, tempos
non patitur; plnribus tarnen constat eis familiariter conversantibus, quo-
niam dnxeruni yitam castam, humilem, voluntarie abiectam et pauperem
in obseiTancia evangelica, innocentem et colnmbinam. Erant enim sim-
plices et recti ac timentes Deum et recedentes a malo. Qui humili corde
et suayi devocione tamquam fideles catbolici creberrime gustabant divi-
* Cod.: deest
363
nissimam eukaristiam, et puto multo fructuosius quam nos. Heu superbi
magistri et sacerdotes, quos sepe ayaiicia et gloria vexat inanis, qaod
patet ex hoc, qnia nos magistri et sacerdotes fermento malicie fennentati
post sampcionem sacratissime enkaristie non exnimns yere hoihinem ve-
terem noyamqne non indnimus, creatnm secnndum Deum in insticia et
Yeritate, prefati vero quinque in Domino fratres post crebram ac devotam
divinissime eukaristie sumpcionem sine ypocrisi et ficcione in humilitate
et paciencia et yeritate ambulabant, yiyaci memoria memorantes yitam
Dostri Bei redemptoris totam pauperem, pönalem ac dolorosam cum igno-
minia crucis sue. Ex quo excitati sunt ad magnum desiderium paciendi
pro domino lesu Christo et suo eyangelio et captiyantes intellectum per
verbum Dei in obsequium Christi soilicite inquirebant per consilia et alios
Tarios modos oportunitatem comodosam paciendi mortem quamcunque pro
domino lesn Christo et pro sua eyangelica yeritate. Sed quia Dens huius-
modi desideria in suis electis non frustra operatur,/eo quod Dens et na-
tura nichil frustra faciunt, ideo saciatum est in bonis desiderium eorum
in hoc quod finaliter tradiderunt se propter Christum et suum eyangelium
ad Bupplicia mortis.
De quorum quinque numero tres in fide predicte trinitatis spectante
multitudine hominum hie in Praga in communi spectaculo yultu leto et
facie serena tortoris gladio sua capita subdiderunt, alios yero duos in
Olomucz inmani* et crudeles inimici eyangelii et crucis Christi absqne
vero et antiquo obseryato iudicii examine citissime fomite odii et iracundie
accensi ignis yoragine combusserunt. Per que facta eyangelio commen-
sorata pie credimus, quod sunt translati de morte ad yitam.
De quibus non oportet nos yane gloriari sed quod abnegantes om-
nem impietatem et secularia desideria sobrie et pie et iuste yiyamus in
hoc seculo et peregrinis alienis a fide eyangelica doctrinis neque per
inanem philosophiam yelimus abduci. De qua scriptum est: Perdam aa-
piffudam sapientum et prudenciam prudencium reprohabo; sed amplectamur
secure eyangelicam sapienciam et doctrinam omnes et singuli cum effectu.
Exuamus hunc superbum, ayarum et simulatum hominem. Abiciamus
omnes yolnptates, delicias, crapulas et ebrietates et omnes mundi yani-
tates, splendidum ad ostentacionem hominum yestitum deponamus et yere
interius corde et exterius habitu et opere abnegemus nosmetipsos coram
Deo et hominibug et humiliemus, induamusque novum hominem, ut in
novitate yite^ ambulemus, amplectamurque Domino cooperante hanc du-
pUcem pacienciam beatam propter Christum et suum eyangelium, ut per
* recte: inhnmani, wie der Druck hat. ^ Ergänzt nach dem 'Drucke.
364
dissolueionem corporis possimus cum Christo in consorcio ecclesie trium-
phantis una com hiis et ceteris beatis martyribus etemaliter congaodere.
Ad quam nos perdncat ipse, qui est via, veritas et vita, cui com Fatre et
Spirita SKncto sit honor et gloria in secala seculorum Amen.
n.
Doenmente, betreffend die Ansbreitung des Wicliflsmus
in BSlunen und MSliren in den Jaliren 1410—1419.
Nr. 5.
Alexander V. spricht einen feierlichen Bannfluch gegen alle Ketier
und Feinde der Kirche aus. Bologna, 1410, Marx 20.
Alexander episcopus servns servorom Dei. Ad perpetuam rei me-
moriam. Eicommunicamus et anathematizamos ex parte omnipotentis
patris et filii et Spiritus Sancti auctoritate quoque beatorum apostolomm
Petri et Pauli ac nostra omnes hereticos Gazaras, Patarenos, paupere8
de Lugduno, Arnaldistas, Speronistas et Passaginos, Fraticellos et quos-
libet alles hereticos, quocnnque nomine censeantur ac omnes fautores,
receptatores et defensores eorum.
Item, excommunicamus et anathematizamus omnes pirratas, cur-
sarios et latnmculos marinos et omnes fautores, receptatores et defea-
sores eomm.
Item, excommunicamus et anathematizamus omnes, qui in terris
suis nova pedagia imponunt.
Item, excommunicamus et anathematizamus omnes falsarios bulle
sen litterarum apostolicarum et supplicacionum graciam vel iusticiam con-
tinencium per summum pontificem vel yicecancellarium seu gereutes
yices aut officium yicecancellarii sancte Bomane ecclesie de mandato eius-
dem summi pontificis signatarum aut sub nomine summi pontificis seu
yicecancellarii aut gerentis officium predictorum signancium suppliea-
ciones eiusdem.
Item, excommunicamus et anathematizamus omnes alios, qui equos,
arma, ferrum, bigamina et alia prohibita deferunt Saracenis, quibus Chri-
stianos impugnant.
Item, excommunicamus et anathematizamus impedientes seu in?a-
dentes yictualia seu alia ad usum Bomane curie necessaria adducentes Tel,
"i curiam ipsam deferantur, impediunt seu perturbant et qui talia
365
facinnt Tel defendont» cuinscanque faerint ordinis, preeminencie, condi-
cionis et statas, eciamsi pontificali, regali ant alia qnayis ecclesiastica seu
mundana prefalgeant dignitate.
Item, excommnnicamas et anathematizamns omnes illos, qni ad
sedem apostolicam venientes et recedentes al) ea nee non illos qui iuris-
diccionem ordinariam vel delegatom aliqnem non habentes in eadem curia
morantes, temeritate propria capiunt, spoliant et detinere ant ex proposito
deliberato mutilare vel interficere presamnnt et qni talia fieii faciunt sive
mandant.
Item, excommunicamus et anathematizamns iniquitatis alnmnos
Petrnm de Luna Benedictum Xin. et Angelum Gorrario Gre-
gor in m Xn. se nominare ansn sacrilego presumentes insto Dei iudicio
ac per processns generalis concilii Pisani et nostros eomm demeritis exi-
gentibns hereticos ac scismaticos et ab ecclesia prescisos sentencialiter
condemnatos ac omnes adherentes complices et seqnaces ipsomm et dantes
eis ant eomm alicni anxiliom, consilinm vel favorem, cnioscnnque preemi-
nencie, dignitatis yel ordinis eciamsi, pontificali, regali, reginali vel qnayis,
nt premittitnr, ecclesiastica seu mundana dignitate prefulgeant, eciamsi
faerint dicte Bomane ecclesie cardinales.
Item, excommunicamus et anathematizamns omnes illos, qui per se
alium seu alios quascunc[ue personas ecclesiasticas yel seculares ad Ho-
manam curiam super earum causis etnegociis recurrentes illaque in eadem
caria prosequentes ant procuratores, gestores, adyocatos yel promotores
ipsomm yel edam auditores seu indices, qui super dictis causis seu ne-
gociis occasione causamm yel negociomm huinsmodi yerberant, mutilant
Tel occidunt aut bonis spoliant eomndem, cuiuscunque preeminencie, dig-
nitatis, ordinis, condicionis aut Status fuerint, eciamsi pontificali, regali
Tel quayis alia prefulgeant dignitate, predicta yel eomm aliqua com-
mittentes.
Item, excommunicamus et anathematizamns omnes mutilantes, yul-
nerantes et interficientes seu capientes et detinentes siye depredantes
Romipetas et peregrinos ad urbem causa deyocionis et peregrinacionis
aceedentes et in ea morantes et recedentes ab ipsa et in hüs dantes auxi-
üam, consilinm yel üayorem.
Item, excommunicamus et anathematizamns omnes illos, qui per se
Tel alium seu alios directe yel indirecte sub quocunque titulo yel colore
occupant, detinent, discurmnt hostiliter yel inyadunt in totum seu in
parte almam urbem, regna Sicilie, Trinacrie, insulas Sardinie, Corsice,
terram Gitrafarum, comitatum Yenaysinensem, Patrimonium beati Petri
in Toscia, ducatus Spoletan(um}, Sabine, marchie Anconitanensis, Masse-
366
carrarie, Bomandiole, Campanie atque maritime provincias, ciTitates ac
terras specialis commissionis et Arnalphorum, civitates quoqae nostras
Bononiensem, Ferrariensem, Avenionensem, Beneventanam, Perusinam,
Civitatiscastelli, Tndertinensis et alias civitates, terras, loca, yel iura ad
ipsam ecclesiam spectancia et pertinencia et adherentes ac fautores et
defensores eomm, non obstantibas qaibnscunque priyilegiis et indulgenciis,
literis apostolicis, generalibos vel specialibus, eis vel eomm alicni Tel
aliquibus, cniuscnnqae ordinis, statns, condicionis, dignitatis et preeminen-
cie faerint, eciamsi, ut premittitur, pontificali, regali sea quavis alia eccle-
siastica vel mundana prefalgeant dignitate, a predicta sede sab quam
forma yel tenore concessis, qnod excommnnicari aut anatbematizari non
possint per literas apostolicas, qne plenam et expressam ac de verbo ad
verbnm de indnlto bniusmodi ac mencionem nee non ordinibus, locis,
nominibns propriis, cognominibus ac dignitatibus eomndem non fecerint
mencionem nee non consnetudinibus et observanciis, scriptis et non scrip-
tis et aliis contraiiis qaibuscunque, per que contra huismodi nostros pro-
cessüs et sentencias, qnominus includantur in eis aut per ea yaleant se
tneri, et que qnoad hoc prorsus toUimns et omnino revocamns, a qoibus-
dam sentenciis nullus per alium quam per Bomanam pontificem possit nisi
duntazat in mortis articulo constitutus absolvi nee eciam tanc nisi de
stando mandatis ecclesie satisfaccione vel sufficienti caucione prestitis,
eos vero cuinscunque fuerint preeminencie, ordinis, condicionis aut statos
qui contra tenorem presenciiim talibus vel eorum alicui absolucionis bene-
ficium et de facto impendere presampsednt, excommunicacionis et ana-
thematis sentencia innodamus, eisque interdicimns predicacionis, leccionis,
administracionis, sacramentorum et audiendi confessionis oföcium predi-
centes aperte transgressoribus et contemptoribns supradictis nos grayias
contra eos spiritualiter et temporaliter, prout expedire viderimus proces-
snros. üt autem buiusmodi nostri processus ad communem omnium noti-
ciam dedncantur, cartas sive menbranas processus continentes eosdem
maioris ecclesie ac palacii nostri Bononiensis valvis seu hostiis aut limi-
naribus faciemus affigi seu appendi. Que processus ipsos suo quasi sonoro
preconio et patulo indicio publicabunt, ut bii, quos processus contingunt
buiusmodi, quod ad ipsos non pervenerint aut ipsos ignoraverint nullam
possint excusacionem pretendere vel ignoranciam allegare, cum non sit
verisimile, quo ad ipsos remanere incognitum vel occultum, quod tarn pa-
tenter Omnibus publicatur. NuUi ergo omnino bominum liceat hanc pa-
ginam nostre excommunicacionis, anatbematizacionis, cassacionis, irrita-
cionis, annullacionis, evacuacionis et constitucionis infringere vel ei ausu
temerario contraire. Si quis autem hoc attemptare presampserit, indigna-
367
cionem onmipotenti Dei eb beatornm Petri et Paoli apostoloram eius se
noverit incursai-um. Datum et actum Bonoale XIII Kai. Aprilis pontifi-
catüs nostri anno primo.
In capHe: F. de Mon(te) P(olitiano). Infim: Coli, per me P. de Trilbia.
H. Erasmi.
(E RegiBtro Alexandri V. Cod. 339 fol. 76^—78* arch. Vatic.)
Nr. 6.
Zum Ablassstreite in Prag im Jahre 1412.^
Excerpta eiusdem bulle indulgenciarum papalium etc.
(Cod. bibl. univ. Prag. XI. E. 3 fol. 136—137.)
Indulgencie infrascripte conceduntur omnibus utriusque sexus
Christi fidelibus tarn clero quam populo, cuiuscunque status, giadus^ or-
dinis, religionis seu condicionis existant, qui in tarn magno necessitatis
articttlo iuxta facultates suas subsidia et protecciones facientes beatissimo
domino nostro domino lohanni divina providencia pape XXIII et alme
urbi et sancte Romane ecclesie. Et hec idem dominus noster papa com-
misit exercendum suis specialibus nunciis et ab eisdem sub statutis com-
missariis et predicatoribus in vii-tute sancte obediencie ad predicandum
Terbum crucis in remissionem peccaminum contra Ladislaum de Du-
racio, qui se regem Sicilie et Neapolim {sie) ac lerusalem ausu teme-
rario nominare presumit et suos sequaces.
Primo idem dominus noster papa concedit omnibus vere peniten-
tibus et confessis, qui hulusmodi laborem salutifere crucis signo suscepto
in personis propriis et expensis saltem per unum mensem a die, quo ad
ipsius pape presenciam sep capitanei gwerre aut rectons illarum parcium
se contulerint yel in huius negocii persecucione ab hac luce migrayerint
illam peccatorum suorum, de quibus corde contriti et ore confessi fuerint,
Teniam, que transfretantibus in terre sancte subsidium concedi ' tempore
generalis passagii per sedem apostolicam consuevit. Et hec indulgencie
sunt, videlicet plena remissio omnium peccatorum a pena et a culpa; et
idem dominus noster papa in retribucionem iustorum poUicetur augmen-
tum et eciam ipsas recipit sub proteccione sua et quod non possint con-
Teniri extra suas dioceses per literas apostolicas vel legatorum eius.
» Cod.: concedit.
* Vgl. Beiträge zur Gesch. der bnsit. Bewegung IV, 296.
368
Item, dominus noster papa concedit illis, qui non in personis pro-
priis illnc accesserint sed suis duntaxat expensis ioxta facultates suas
viros idoneos destinabnnt illic, ad minus pro dicto tempore, id est, per
unum mensem moraturos indulgencias supradictas/
Item, illi similiter yiri idonei, qui licet in alienis expensis in per-
sonis tamen propriis assumpte ad defensionem huiusmodi laborem imple-
verint, veniam consecuntur supradictam.
Item, illi similiter, qui per se yel per alios, militare nolentes Tel
non possent, sed ad arbitrium commissariorum personarum qualitate pen-
sata in pecuniis aut bonis aliis predicto domino nostro pape et ecclesie
Bomane subsidium erogarunt, consequuntur indulgencias snpradictas.
Item, idem dominus noster papa vult, ut omnes, qui ex ordinacione
commissariorum principalium ac substitutorum ab eisdem suis predica-
cionibus ac suasionibus ad erogacionem huiusmodi snbsidii homines
utriusque sexus excitando induxerint cum effectu, plenam in casn predicto
snorum** yeniam peccatorum consequantur."*
Item, Tult dominus noster papa, ut omnes qui iuxta premissomm
aut alicuius eorum exigenciam ad subyencionem ipsius negocil ad commis-
sariorum arbitriimi de bonis congrue ministrabunt personas familias et
bona ipsorum, ex quo crucem susceperunt ipsius beati Petri et domini
nostri pape proteccione suscipiuntur, ita quod non possint extra curiam
diocesanorum conyeniri.
Item, statuit idem dominus noster papa, ut omnes Christi cmce
signati sub defensione suorum diocesanorum existant et quod si quisquam
contra eosdem crucesignatos presumpserit per dyocesanum loci, ubi fuerit,
per censuram ecclesiasticam appellacione postposita compescatur.'^
Item, commissarii a domino nostro papa specialiter depntati habent
dare auctoritate apostolica centum dies indulgenciarum.
Item, substituti et deputati ad predicandum yerbnm crucis ab eis-
dem commissariis principalibus ac substituti et snbstituendi habent dare
eadem auctoritate quadraginta dies indulgenciarum, tociens quociens pre-
dicabunt supradictum negocium.
Item, mandat dominus noster papa, quod nullus debet admitti per
literas apostolicas indulgencias continentes, nisi in ipsis literis papalibus
de prescriptis indulgenciis specialis et plena mencio habeatur.
• Cod.: indulgefi snpradict. ^ Cod.: snorum concedit idem domimiB
papa. ° consequator in cod. ^ Cod. : presumpserint . . . fuerint . . .
compescantor . . . was sum yorherg^henden quisquam nicht stimmt.
369
Forme absolncionis distincte cum pactacione.
Eciam anctoritate apostolica mihi in hac parte concessa absolvo te
ab Omnibus peccatis Deo et mihi yere confessis et contritis, ex quo crucem
assumpsisti et bona fide vera cum cordis puritate tibi iniuncta intendis
adimplere, cum effectu, et concedo plenissimam remissionem omnium
peccatorum tuorum, quam consueverunt apostolici summi pontifices dare
tempore generalis passagii transfretantibus in terram sanctam, que est a
pena et a culpa. In nomine patris et filii et Spiritus Sancti.
Alia.
Eciam anctoritate apostolica mihi concessa absolvo te ab omnibus
peccatis tnis Deo et mihi vere confessis et contritis, ex quo personaliter
tibi iniuncta adimplere pura cordis intencione eciam non in propriis sed
aiienis expensis intendis cum effectu et do tibi et concedo plenissimam
remissionem omnium peccatorum tuorum, que est a pena et a culpa. In
nomine etc.
Alia.
Et eciam anctoritate apostolica mihi concessa absolvo te ab Om-
nibus' peccatis Deo et mihi vere confessis et contritis^ ex quo perso-
naliter presens negocium non vales perficere velisque facere iuxta com-
missariorum et meam ordinacionem, presidium et auxilium ad predictum
negocium exequendum tuo pro posse fecisti, do et concedo tibi plenissi-
mam remissionem omnium peccatorum tuorum, que est a pena et a culpa.
In nomine etc.
Alia.
Et eciam anctoritate apostolica mihi concessa absolvo te ab omnibus
peccatis tuis Deo et mihi vere confessis et contritis, ex quo personaliter
presens negocium non vales perficere, ut ex causa racionabili non teneris,
eibortasti tamen tuis predicacionibus fideliter et in antea facere premi-
sisti cum effectu populum ad hoc faciendum, do et concedo tibi plenissi-
mam remissionem omnium peccatorum tuorum, que est a pena et a culpa.
In nomine patris et filii etc.
Confiteantur utriusque sexus homines confessoribus illis qui prius
babuerunt auctoritatem eos audiendi et ipsi nunc habent auctoritatem
>postolicam in premissis absolvendum (I).
Pactacio realis sine figmento sequitur.
Ita tamen quod quantum fuisset in eundi et redeundi itinere pro
necndone dicti voti expensum subcollectori generali super hoc per domi-
* Cod.: hominibus.
370
num nostrum papam in Romana curia depntato pro fabricis sen repara-
cionibus ecclesiarum dictorum apostolorum et nichilominus oblaciones et
decimas dictornm apostoloram quas obtulisset, si illuc personaliter acces-
sisset, transmittat quam primo poterit cum effectu/
Nr. 7.
Johann XXUL befiehlt, daM der Dialoge und Trialogns nebit
mehreren anderen nicht anidrfioklioh genannten Schriften Widif i
in Folge des Beschlnises von Seiten des allgemeinen Concili n
Rom dem Feuer übergeben werden. Rom, St, Peter 1413, Febr. 2.
Bulla qualiter libelli lohannls Wicleff yidelicet Dialogus et Trialogos
damnati et reprobati fuerunt.^
Folg^ die ,Probacio et fundacio doctorum defendens et probans indul-
gencias papales sed falsa et insulsa'. Incipit: Primo sie: Apostolns
I. Cor. IV . . . Explicit: ergo falsum et inspectum.
Diese Bulle steht im Cod. 345 des Begist. Johanns XXIII. fol. 53* und
im Cod. Later. 160, fol. 229. Da sie aber bereits zweimal (Documenta
magistri loannis Hus ed. Palackj, S. 467 — 469, und Mitth. des Vereins
fQr Gesch. der Deutschen in Böhmen, 25, 331) gedruckt ist, so kann von
einem abermaligen Druck abgesehen werden. Doch mögen hier folgende
Textesverbesserungen zu dem Palackj^schen (nach einer Wittingauer
Handschrift angefertigten) Drucke eingetragen werden:
Der Satz begannt mit: In generali concilio inter omnes ... 8. 467,
Z. 2, 3 : Christiani popuU ... Z. 3 : illa videtur esse precipua ... Z. 8
steht wohl auch im Regster curiosi, aber gemeint ist offenbar crimino«
... Z. 10: cedunt ... Z. 12: lohannis Wickleff ... Z. 16: etc. fehlt . . .
Z. 12, 13: et alios plures libros quos presentibus haberi volumus pro ex-
pressis nomine dicti lohannis Wickleff ... Z. 16 : multique continentur
errores ... Z. 17: et per quos simplices ... Z. 18: atque docti ... Z. 20:
ex iniuncti nobis pastoralis officii debito ... S. 468, Z. 2: animarum pe-
riculis ... Z. 3: abducantur ... Z. 6: optimo ferventi manifestat exem-
plo (der Druck bei Palackj bessert hier offenbar einen Fehler des
Schreibers aus, denn fermenti ist richtig) ... Z. 7: apostolico ... Z. 17:
theologiae utriusque ... Z. 18: commisimus de premissis ... Z. 27:
falsam, perversam ... Z. 29: etc. fehlt ... Z. 30: et omnes alios huins-
raodi libellos et alia ... Z. 34: in eorum ... Z. 44: dicti lohannis Wick-
leff nomine inscriptos aut intitulatos ... S. 469, Z. 1 : et exponere . . •
Z. 4: spurcissimaque doctrina ... Z. 7: cum adieccione quod contra non
parentes procedetur tamquam contra fautores heresis ... Z. 8: repertos
... Z. 9: huiusmodi ... Z. 10: atque iussionis . . . violator aut con-
temptor ... Z. 13: dicti lohannis Wickleff ... Z. 14: secundo, tercio
371
Nr. 8.
Johann XXIII. erlässt ein allgemeines Verbot der Bacher Wiclif s.
Dieselben dürfen fortan weder in Latein noch in der Volks-
sprache gelesen und gehalten werden. Rom, St. Peter 1413,
Pebr. 8.1
(E reg. Joh. XXIII. Cod. 346, fol. 54»>; Cod. Later. 160, fol. 230.)
Nr. 9.
Johann XXIII. erlässt die Weisung, Wiclif s Bacher zn verbrennen,
tn die gesammte Geistlichkeit der Diöcesen Prag, Olmüti und
Leitomischl. Rom, St. Peter 1413, Pebr. 8.
Executoria sentencia, per quam dampnati sant libelli facti per qaondam
lohannem Wytkleflf.
Johannes etc. venerabilibus fratribus archiepiscopo Pragensi
dtOIomncensi ac Luthomislensi ceterisqne episcopis nee non dilectis
Miis electis abbatibus, prioribas, prepositis, decanis, archidiaconis et aliis
atque ... Z. 15: apud sedem apostolicam coram nobis vel ... Z. 17:
eontigerit ... Z. 18: dictori, allegatari ... Z. 20: Nulli ergo etc. nostre
declaracionis, decreti, dampnacionis, reprobacionis, iassionis, inhibicionis,
statati, monicionis et assignacionis infringere vel ei ausu temerario con-
traire. Si qoia autem etc. Datum Rome apud S. Petrum IV. Non. Fe-
broarii, pontificatus anno III. lo. Stalberg. An der Spitze rechts: De
curia; links: de cancellaria.
In dem von mir nach Cod. Yindob. 4941, fol. 69 pnblicirten Stücke
ist die obige Bulle inserirt. Mitth. des Ver. für Gesch. der Deutschen in
Böhmen, 1. c. p. 331.
Ich habe von dieser Bulle aus dem genannten Reg^sterbande eine Ab-
schrift genommen, finde aber, dass sie auch in dem (Wiener) Cod. 4941,
fol. 69^, aus dem ich sie vor sieben Jahren abdrucken Hess (Mitth. des
Ver. für Gesch. der Deutschen in Böhmen, XXV, S. 331 — 337), im Ganzen
sehr gut überliefert ist, weshalb ich unterlasse, sie hier abermals dem
Druck zu übergeben. Wie dort, so ist auch im Cod. Vat. 345 und Cod.
Later. 160 die vorhergehende Bulle in dieser inserirt Die Fehler im
Wiener Cod. 4941 sind ganz unbedeutend: S. 331, Z. 5 lies: archiepi-
scopis et episcopis ... S. 335, Z. 23 : nee non astruere ... Z. 27 : tenen-
tibns ipsis ... Z. 33: ac eosdem ... Z. 35: hereseos labem ... S. 336,
Z. 17: suspensionis interdicti ... Z. 23: ad hoc ... Z. 24: opportunas
372
ecclesiarum et monasteriomm prelatis nee non inqnisitoribnB heretice
prayitatiSy nbilibet constitatis, ad qnos presentes litere pervenerint sa-
lutem etc. Nuper in generali concilio quod adhuc in Basilica principis
apostolonim de urbe pro reformacione prosperi Status universalis eccle-
sie etc. ut in illa que est scripta in isto registro fol. Lim. et de si-
mili data.^
Coli, per me P. de Trilhia. lo. de Tremosnitz.
Oben links: De cancellaria dupplicata. Rechts: De coria.
(E reg. Job. XXUI. Cod. 345 et Cod. Later. 160, fol. 234.)
Im Cod. Later. 160 etwas ausführlicher.
Nr. 10.
Oeleitbrief Johanna XZin. f&r Heinrich von Chlnm alias Latsem-
bock.^ Dat. Bonon. ZI. KaL Sept. Pont, nostri anno V (1414,
Angnit 22).
(E reg. Job. XXm. Cod. 846, fol. 169 •.)
(sie) ... Z. 28: sen rebellio . . . ant corrigi ... Z. 80: libros eomm . . .
Z. 31 : compartos (= comparatos statt compositos wie die Reinschrift,
nnd ans dieser Cod. 4941 hat) ... Z. 84 : eciam in detestacionem . . .
Z. 86: ad id primitns ... S. 387, Z. 20: yocandis . . . Der Cod. 4941
hat (nach der Reinschrift) anch noch die ganze Schlossformel: NnlU
ergo . . . die im Register (wie meistens) fehlt. Im Register nnten : lo. de
Tremosnics. Am Kopfe rechts: de cnria; links: de cancellaria.
^ Die gleiche Weisung kam zu : archiepiscopo Gnesnensi et Wratislaviensi,
Cracoviensi, Poznaniensi, Wladislaviensi ac Placensi, Strigoniensi, Colo-
censi, ladrensi, Spalatensi et Ragnsano archiepiscopis nee non Vespri-
mensi, lauriensi, Qninqneecclesiensi , Waciensi, Agrensi, Nitriensi,
Transilvaniensi, Cenadiensi, Zagrabiensi, Warasdiensi, Bosnensi, Siri-
miensi, Tiniensi, Corbaviensi, Segniensi, Sibinicensi, Traguriensi, Sardo-
nensi, Weglensi, Arbensi, Absarensi, Corsnlensi, Mathaicensi, Pharensi
episcopis, dann archiepiscopo Ylixbonensi et Eboracensi, Egilaviensi,
Lameecensi ac Silvensi, endlich archiepiscopo Magnutinensi et Eyste-
tensi, Herbipolensi, Constanciensi, Argentinensi, Spirensi, Wormaciensi,
Werdensi, Hildesenensi , Halberstadensi , Paderbnmensi, Bambergensi,
Aogustensi, Mindensi, Merseburgensi et Misnensi episcopis etc. . . .
Vier mit dem obigen gleichlautende Stücke; Cod. Later. 160,
fol. 234^—235*. In den yatican. Registern fehlen sie.
* Heinrich von Chlum auf Latzembok war einer der drei Ritter, die Hns
das Geleite zum Concil gaben und für seine Sicherheit auf der Reiae und
während des Concils zu sorgen hatte. Hus erwähnt seiner in seinen Briefien
ziemlich oft. Am 4. November versicherte ihn noch der Papst, daas er
gegen Hus nicht gewaltthätig vorgehen wolle (D. Lacembok cum d.
373
Nr, 11.
Fragmentnm diarii oniutdam anonymi, fautoris Huititamm
et
(Ex arch. monast. Rajhrad. H, h, 12, 3.)
Anno d. Uli currente in die Omniam sanctornm inceptum est
conciliom tocins ecclesie in Constanciensi civitate pro procnranda nnione
et ecclesie reformacione. In quo quidem concilio fait Sigismnndas Ro-
manoram et üngarie rex cum omnibus electoribns et multitudine princi-
pom et nobiliam. Ad qnod conciliom nmgister lohannes Huss eo anno
Sabbate post Omninm sanctornm {3. Nov.) sab salvo condacto regis
Sigismnndi pervenit, yolens de sua fide toti mnndo reddere racionem.
Sed non obstante salvo regis condacto eo anno sexta feria post Catharine
(30. Nov.) capitar et incarcerator. Et contra eam perversas regni cleras
falsos et fictos prodaxit articalos. Qaoram armidactor fuit magister
Stephanas Palecz et procnrator fidei Michael de Gaasis agentibas
(tic) ad S. Adalbertom in Nova Civitate.
(Von Pitter'8 Hand.)
Nr. 12.
Johann ZXIII. überträgt die üntenuohiing der Angelegenheit des
Ktgiiten Johannes Hus den Commissären Johann Patriarchen
fon Gonstantinopel, dem Bischof Johann von Lebns und Bemard
Ton Civitatis Castelli (Castellamare). Constanz, 1414, Dec. 4.
(E reg. Job. XXHI. Cod. 346, fol. 179 •.)
lohannes etc. yenerabilibas fratribas lohanni patriarche
Constantinopolitano et lohanni Lnbacensi ac Bernardo Givi-
tatiscastelli episcopis in ciyitate Constanciensi in celebracione gene-
ralis concilii constitatls salntem etc. Ad cancta, qne qaietem et salutem
Christi fideliam respicinnt, nt tenemar ex debito pastoralis officii, patema
et Tigilanti sollicitndine libenter intendimns; yeram ad illa, qae oi-tho-
loanne Kepka faenint coram papa et locuti sunt secum de me. Qui
respondit, qnod nil Tult facere per yiolenciam. Doc. mag. lo. Hos, p. 77).
An ihn wendet sich Hus mit yerschiedenen Anliegen (Doc. p. 88, 89, 90).
Pro ipsios (Hos) tamen liberatione laboratur iam incessanter apnd regem
per dominum loannem Kepka et Lacembok et loannem Cardinalem
(ibid. p. 541). Uebrigens gab er sich Mühe, Hus znr Umkehr von seinen
Andtditen sa bewegen: ipsum hortando ad conversionem et emenda-
tionem . . . obstinatum reperierunt (ibid. p. 560).
374
doxam fidem matrem et cnnctorum bonoiiim alitricem concernunt, ne in
ea, quam solidam et nitidam stabilivit omnipotens, macule, errores et per-
versa dogmata puUulent, eo yi^ilancius tota mente yacamns, quo ex ipsis
malus scandalom et animarnm periculum vertitur,' et si quod absit quo-
dammodo radices firmaverunt non sine magnis angustiis et difficoltatibns
eyellnntar, dudom clamosa ac nonnulloi-um fidedlgnoram querulosa et fere
continua insinuacione percepimas et inpresenciarum percipimns lo-
bannem Hnss, qui se gerit pro presbytero Pragensis diocesis, cum ali-
quibus suis in hac parte complicibus plnres errores falsaque et heretica
dogmata contra catbolicam fidem et sanam doctrinam assemisse et ansn
temerario in diversis locis et potissime in civitate Pragensi et nonnnllis
aliis locis sitis in Boemie partibns predicasse ac dogmatizasse et in qai-
bnsdam libellis ac tractatibns, quos publice legendos exposuit, inseroisse
et per boc ipsarum parcium quam plurimos catliolicos simplices a Tere
fidei prefate semita dampnabiliter suis yirulentis suggestionibus seduxisse
et multorum scandalorum ac sedicionum auctorem fuisse. Nos igitur buins-
modi erroribus, ut frangentibus et perniciosis ei'adicatis vepribus leta et
grata Deo semina germinent et in salutis fructum proveniant, obyiare
summopere cupientes et ut super predictis debito servando ordine proce-
datur, de vestris probitate literarum et sacrorum canonum pericia et in-
tegritate ac industria, quibus vos altissimi munere, qui in domo sua vasa
ntilia esse voluit experiencia magistra cognoscimus habundare, plene con-
fisi, tenore presencium apostolica auctoritate yobis committimus et man-
damns quatenus super predictis inquiratis auctoritate nostra et dicti con-
cilii yeritatem et super ipsis ac contra prefatum lobannem citra tarnen
difßnitiyam sentenciam prout mediante** iusticia et secundum Deum ex-
pedire yideritis diligenti indagine et soliicitudine procedatis omnia et sin-
gula peragentes que in tali fidei causa forte conspexeritis oportuna et de
Omnibus et singulis supra quibus inquirere et agere ac de toto processu«
quem super predictis ordinäre eciam sub publice testimonio yos continget,
super quibus yestras consciencias oneramus, nobis et eidem concilio rela-
cionem nee non informacionem plenariam atque claram facere studeatis,
ut per boc nos et dictum concilium plenius informati in premissis proce-
dere consulcius yaleamus.
Datum Constancie II. Non. Decembris anno® quinto.
Coli, per me P. de Trilhia. A. dolpbus {sie).
Oben rechts: De Curia; links: A. de Beate.'
» vertitur (?) ita cod. ^ Cod.: midiante. " pontificatns nostri fehlt
> Vgl. Doc. mag. loannis Hus, p. 199, 204. Vgl. Gesch. d. hus. Bew. I, 140.
375
Nr. 13.
Beschlugse des Königs Wenzel und seines Eathes über die Her-
stellung des kirchlichen Friedens in Prag 1416.
(E cod. H. h. 17 arch. monast. Rayhrad. fol. 9^ manu coaeva.)
Anno Domini 1416 dominus rex conclusit cum suo consilio super
articTilis infrascriptis : *
Primo obediencia et reverencia ecclesie Romane et in ea presiden-
tibus secundum antiquam consuetndinem teneatur et observetur, ut in
articulo . . . (ak).
Item, qnod magister lessenicz debet manere extra civitatem Pra-
gensem ad tres menses continne duraturos, quousquo eidem de benedcio
absolucionis procuraret(nr).
Item, piebani et beneficiati ad ipsa beneficia et parrochias resti-
taantur et census eomm per amplius non tollantur.
Item, ecclesie dumtaxat infrascripte et capelle excipiantur: sancti
Michaelis in maiori civitate Pragensi, sancti Martini ibidem et Bethleem,
sancti Stephan! in muro.
Item, in nova civitate Pragensi sancti Henrici, sancti Adalberti
inter cerdones et capella corporis Christi.
Item, in maiori civitate Pragensi ecclesia sancti Nicolai.
Item, predicatores utriusque paii;is in exhortacionibus et sermonibns
ipsoinmi non debent concitare populum ad lites et iurgia nee in predi-
cando ad singularia condescendere nee aliqua scandalosa nunciare sed
legem Dei duntaxat et edificatoria predicare; alioquin per archiepiscopum,
si faerint spirituales, puniantm*; seculares vero per potestatem regiam
seu consules.
Item, de communione sub utraque specie una parcium aliam non
pertorbet et inquietet in locis deputatis eis nee in divinis.
Item, qnod magistri et studentes per dictum regem libertentur ad
Teniendum in libertatibus studii fundacionis et in immunitatibus gauden-
dum et fruendum.
Item, occupantes ecclesias debent deoccupare in&a tres dies exciu-
sive, ita quod deoccupent, nt nullum penitus dampnum per eos commit-
^ Vgl. hieeu die Uebereinkniift des Erzbischofs von Prag mit der Univer-
ritit ans dem November oder December 1416 in den Doc. mag. loannis
Hos, p. 645/6.
ArehiT. Bd. LXXXII. II. H&lfte. 25
376
tAtur tarn in ecclesiis qnam domibiis, alias ad restitucionem dampnomm
restringentur.
Item, ornamenta et iocalia ecclesie, monstrancias et calices et alias
res ecclesiasticas quilibet* plebanornm et beneficiatorum altaristamm re-
ponent et resignent sine omni diminucione aut distraccione. Alioquin
contra eum procede(tur et)** ad restituendnm compelletur sab beneficii
privacione.
Nr. 14.
Dai Constanzer Concil meldet den Städten Mährens die Verar-
theilung nnd Hinrichtung des Hns und mahnt sie, die Ketsereien
und deren Gönner anssntilgen. Constans 1416» Jnli 26.
Concilium Constantiense iiteris ad prudentes et cii'cumspectos yiros, iura-
tos, consules et communitates Olomucensis, Brunnensis et aliarom elvi-
tatum opidoinmque marchionatus Moraviae datis condemnationis et snp-
plicii lohannis Has rationem reddit hortaturque eos, ut haereses yitare
earumque doctores amovere studeant. Constantiae, 26. Juli 1415.
Indp.: Magnum temporibus nostris infortunium — ExpUc.: aliis
transeat merito in exemplum. Datum Constancie anno domini 1415, in-
diccione octava die XXVI mensis Inlii . . .
(Cod. arch. Mor. Cerr. Coli. 358, p. 913.)
(Gedruckt mit anderer Adresse bei Palacky, Doc. mag. Job. Hos, 568—572.)
Nr. 15.
Das Constanzer Concil belobt die Bürger von Olmütz, weil sie der
Verfiihning dnrch die Lehren Wiolif s nnd Hns* nnd deren An-
hänger kräftigen Widerstand leisten. Constanz 1416, Man 27.^
p 971 Sacrosancta et generalis synodus Constanciensis dilectis ecclesie
filiis magistro civium consulibus et communitati civitatis Olomncensis
salntem et Dei omuipotentis benediccionem.
Letati sumus in hiis, que de yobis frequenter andivirnas, scilicei
quod ambulatis in semitis insticie et fidei orthodoxe quodque ut veri catho-
* Cod.: qaibus plebanornm. ^ procedere Cod.
' Das Oegenstiick hiezu: Concilium Constanciense Iiteris ad. barones Bohe-
miae orthodoxos datis acriter invehitar in eos, qui ridiculos ,libellos fa-
mosos^ miserint etc. . . . Doc. mag. loannis Hus, p. 615.
377
lici non permiseritis nee permittitis vos seduci a complicibus et sectato-
ribns damnate memorie lohannisHass, dum vixit sceleratissimi ac in
apertissünis heresum fomentis deprehensi parlier et convicti. Qui quos-
dam errores contra puritatem ipsius fidei angelo tenebranim procorante
per quendam lohannem Wikleff et eundem lohannem Huss liere-
siarchas damnabiliter editos seu in medium de calice Babilonis eductos ac
dudnm eciam pei* ecclesiam et de novo in presenti sacro concilio summis
interyenientibus cnris et laboribus ac iuste et sancte reprobatos tempo-
libuB istis in regno Boemie et illi contiguo marchionatu Moravie (de qui-
bus per prius letabunde dicere potuit ecclesie Christi universitas, notus in
BoenUa et Moravia Deus) nimium periculose, ut animas Christi fidelium et
simplicium illaquearent, damnabiliter asserere atque dogmatizare eciam
publice in contumeliam nostri creatoris presumpserunt, et ipsi eorundem
lohannis WicleffetlohannisHuss sequaces adhuc presumunt spre-
tisque sane doctrine studiis et tradicionibus sanctoinim patrum contemptis
ad ipsorum sequacium et multorum aliorum ipsis credencium et favencinm
dampnacionem animarum ad vanitates et insanias falsas conversi ex aus-
ceptis de manu sathane erroris poculis de illis nedum se ipsos infeliciter
impleverunt sed (quod amplius detestandum est) in plures minus providos
sen incautos ntrinsque sexus homines videlicet nobiies et plebeios in pre-
fatis regno et marchionatu degentes publicis proclamacionibus huiusmodi
erromm snorum pocula infelicius infundere, quibus illos eciam inebriare
non verentur; per que Status, ritus et ordo ecclesiastici per sanctos patres
Spiritu Sancto afflatos pro temporum yarietate et utilitate fidelium dudum
iaudabiliter introducti et per ipsam ecclesiam approbati non solum pro-
phanantur sed et totum nostre fidei decus per eos in illusionem et ridicu-
lum vertitur scandalose. Hec itaque discrecionibus vestris filii carissimi,
qnos omnium carismatum iargitore impaixiente Domino in Dei et mili-
tantis ecclesie dileccione atque obediencia stipatos atque feiTidos eiusdem
fidei existere zelatores apertissimis insti-ucti de hoc exemplis quam pluri-
bns laudabilibus profitemur ad hunc effectum significanda decrevirnus, ut
ad yigilanciorem circumspeccionis cautelam a veneficis hereticorum pre-
iatomm | yos reddamus afflatibus prout conyenit prcmunitos et ad con- p. 912.
surgendum manu yalida in adiutorium sepedicte Mei orthodoxe contra
pseudodoctores et heresum huiusmodi sectatores pestiferos eorumque de-
fensores et receptatores una nobiscum zelo fortitudinis excitemus. Nos
enim tantas Dei et ecclesie sue huiusmodi iniurias dissimulare per amplius
nolumns neque debemus sed amminiculante nobis superna gi*acia (ut spe-
ramus) capita impiorum, si licet, eorundem sectatorum ad petram allidere
carabimus et propterea ecclesiastico yibrato iam per nos mucrone contra
25*
378
bereticos et ip8onim fautoi*es, receptatores et defensores huiusmodi secnn-
dam canonicas sancciones duximuB procedendum, et proat eorum rebellio
et pertinacia exegerit, in nomine Domini eciam prout snadet racio proce-
demuB, prndenciam vestram per viscera misericordie domini nostri lesii
Christi et per aspersionem preciosi sanguinis ipsins pariter obseerantes,
requirentes et exbortantes in Domino, cnius i^es agitnr, qnatenns in zeli
rectitndine et fidei pnritate bninsmodi, proot constanter incepistis, persi-
stentes laudabiliter sie curratis in stadio, nt promissam fideliter openn-
tibns et certantibus coronam ab ipso Domino comprehendere valeaiis, om-
nes huiusmodi pseudodoctores et sectatores eorum, quos in yestris limiti-
bus reperire contigerit, ut oves morbidas, ne gregem dominicum illic suis
pravis et ialsis dogmatibus inficiant, penitus expellendo, nuUnm prebentes
huiusmodi pestiferis hominibus auditum, auxilium, consilium Tel üayorem,
sed una nobiscum ad eorum persecucionem atque extermininm ad Dei
gloriam virUiter assurgatis et ad illud opem et operam efficaces, quantum
Yobis fuerit possibile, impendentes, nt preter salutis premium, qnod inde
Tobis ipso Domino annuente proveniet, de vestris obediencia et seli recti-
tndine huiusmodi eciam a nobis et fnturo snmmo pontifice poesitis merito
commendari.
Datum Constancie VI. Eal. Apriiis anno a nativitate Domini 1416
apostolica sede yacante.
Bassianus.
6. de Perusio.
Dilectis ecclesie filiis . . . magistro ciyinm, consulibus et commu-
nitati ciritatis Olomucensis.
(E cod. arch. Mor. Cerron. ColL 358, p. 971—972.)*
Nr. 16.
Der Bischof Johmnii von Leitomiaehl Yerkändigt die Deerete des
CoBttaiiter Coneils beiiglieh der Comaiuiioii rab ntrmqme in den
Piöeeten Prmg , Leitomisehl und Ohniti. Leitomisehl 1416* Oet 29.
(E cod. arch. torr. Mor. XII, G. 20» fbl. S« — i\^
lohannes Dei gracia episcopus Luthomisslensis, iudex commis-
sarius et executor omnium et singulamm causarum, heresnm, scismatum
et errorum perrersarumqoe docirinarum et dogmatum dampnate memorie
lohannis Wicieff et lohannis Hu$ hereticorum in provinciis et di<H
» Von diesem Stflcke Ut io deuselbeii Oad, a 9*5 noch eine «weite Oopie:
Explicit: mhI«» voeante ^ai«*^- Kt »ic est luus k^as.
379
cesibasPragensi, Olomucensi, Lnthomislensi et alias quomodolibet
eiortarum et pulnlancium contra quascunque personas aut fautores seu
defensores et imitatores eornndem a sacrosancta synodo genei-ali Constan-
ciensi nniversalem ecclesiam in Spiritn Sancto representante legitime con-
gr^ta specialiter depntatns venerabilibns viris dominis et capitnlis Pra-
gensis et Olomucensis ecclesiarum ac prion et capitulo ecclesie nostre
Luthomisslensis ac aliis universis et singnlis prelatis monasteriornm et
conyentibns eorundem nee non parrochialinm ecclesiarum rectoribns et
plebanis et eomm yices gerentibus ac Christi fidelibns ntriusque sexus
oniversis et singulis per et infra dlocesim Pragensem, Olomucensem et
Luthomisslensem et alias ubilibet constitutis salutem in Domino et pre-
sentibus fidem indubiam adhibere. Qnia dudum itaque per sacrosanctam
synodnm Constanciensem predictam communio corporis et sanguinis Do-
mini nostri lesu Christi sub utraque specie personis laicalibns utriusqne
sexus Sit prohibita, sed tantum sub panis specie in scriptis concessa, cuins
quidem prohibicionis et concessionis tenor seqnitnr in hec verba:
Decretum synodi Constanciensis contra communionem sub
utraque specie.'
In nomine sancte et individue trinitatis . . . Cum in nonnullis
mundi partibns quidam temere asserere presumunt populum christianum
debere sacre Eukaristie sacramentum^ sub utraque panis et yini specie
sascipere et non solum sub specie panis sed eciam sub specie vini populum
laycalem'' passim communicent eciam post cenam vel alias non ieiunium,
et communicandum esse contra laudabilem ecclesie consnetudinem racio-
nabiliter approbatam, quam tamquam sacrilegam dampnabiliter reprobare
conantnr, hinc est quod presens sacrosanctum generale Constanciense
concilium in Spiiitu Sancto legitime congregatum adversus hunc errorem
salnti fidelium provide satagens^ matura plurium doctorum tarn divini
quam humani iuris deliberacione prehabita declarat et decernit et diffinit,
quod licet Christus post cenam instituit et suis apostolis ministraverit sub
Qtraqne specie panis et vini hoc venerabile sacramentum, tamen hoc non
obstante sacromm canonum auctoritas laudabilis et approbata consuetudo
ecclesie servayit, quod huiusmodi sacramentum non debet confici post
cenun neque a fidelibus recipi non ieiunis nisi in casu necessitatis aut
alterius necessitatis a iure vel ecclesia concessis vel admissis. Et sicut hec
consuetudo ad vitandum aliqua pericula et scandala racionabiliter intro-
• Titel in anderer Tinte. >» Cod.: sacramento. « Cod.; lajcom.
' Cod.: satagentes.
l
3«)
dacta est, ^ic potuii simili aat maiori ricione introduci et racionabiliter
ob«enrari, qa<jd licet in primitiTa ecclesia hoiasmodi sacnunentom recipe-
retar a fidelibus sob ntraque epecie, tarnen postea a conficientibas sub
utraqae specie et a lakis tantummodo sab specie panis Buscipiator, com
firmissime credendnm sit et mülatenas dabitandam integrum Christi cor-
pus et sangroinem tarn snb Bpecie panis quam sab specie Tini veraciter
contineri. Unde com hoiusmodi consuetado ab ecclesia racionabiliter et
sanctis patribos' introducta sit*" et diotissime observata, habenda est pro
lege, quam non licet reprobare aot sine ecclesie auctoritate pro libito
immutare. Quapropter dicentes qnod hanc consuetudinem aut legem ob-
servare sit sacrilegium aut illicitum censeri debet erroneum et pertina-
citer asserentes oppositum premissorum tamquam heretici arcendi sunt et
graviter puniendi per diocesanos locorum seu officiales ipsorom aut inqui-
sit«)re8 heretice pravitatis in regnis seu provinciis, in quibus contra boc
decretum fuerit aliqoid forsan attemptatum aut presumptum iuxta cano-
nicas sanxiones in favorem katholice fidei contra hereticos et eorum fau-
tores salubriter adinventas. Cum igitur non liceat membra a capite discc-
dere neque scissuram in sancta Dei ecclesia fieri et tunicam inconsutüem
ipsius Christi scindere et qui contrariatur^ sancte Bomane ecclesie et fidei
apostolice^ et ab ipsius obediencia recedit, crimen paganitatis incnrrit.
Ut ideo tales sancte Romano ecclesie et sedi apostolice ac sacrosancto con-
cilio Constanciensi obediant et ad unionem sancte Bomane ecclesie et ad
sacrum concilium predictum et sedem apostolicam humiliter redeant et de
commissis penitenciam salutarem et absolucionem recipiant, cum tales
contemptores ipso facto sunt a iure et a sacris canonibus excommunicati :
et omnes et singulos prelatos et presbiteros reguläres et seculares curatos
et non curatos ceterosque Christi fideles per predictam provinciam Fra-
gensem, Olomucensem et Luthomisslensem constitutos ntiiusque
sexus et alios omnes et singulos suprascriptos monemus et requirimus et
hoi'tamur in Domino quatenus mox visis presentibus nullus presbyter seu
sacerdos cuiuscunque condicionis fuerit aliquas personas seculares et lai-
cales sexus utriusque sub specie panis et yini amodo et in ante oommu-
nicet* aut dictam communionem in suis predicacionibus aut exhortacioni-
bus autenticet seu publicet ipsasque personas laicales utiiusque sexus
prohibemus, ne ipsi amodo et per amplius sub specie vini ab aliquo pres-
* Cod. : racionabiliter et sanctis patribus racionabiliter introducta. ^ aas-
gestrichen und ein anderes Wort, aber ganz unleserlich, darunter-
geschrieben ; wohl : fuerit. « Cod. : contrariantur. ^ Hier beginnt ein
neues Blatt. Die einzelnen Blätter sind lose. Es scheint nicht, dass eines
ausgefallen wäre. « In marg. : Contra communionem utriusque speciei.
381
bjtero suscipiant huiusmodi sacramentuin et de commissis peniton^iam ei
absolucionem salutarem a nobis recipiant cum effectu; alias contra ipsas
et eorum quemlibet tamquam sectatores errornm et scismaticos nos iuiis
remediis procedere oporteret secundum commissionem nobis, ut prefatur,
per sacmm concilium factam et tenorem. Insuper sacerdotes Uli seu pres-
byteri omnes et singuli, (qui) ' contra prohibicionem sacri concilii supra-
scriptam et consuetudinem ecciesie Bomane laudabilem huiusmodi sacra-
menta sub specie panis et yini laicalibus personis temere contra prohibi-
cionem nostram et sacri concilii predictam declsionem ministrare pre-
sumpserint et alias quomodolibetpresumpserint, de commissis infra triginta
dies a die predicte monicionis continue computandum, quos eis et eorum
cuilibet premonicione canonica et teimino peremptorio prefigimus et assig-
gnamus. si ipsa dies tricesima iuridica fuerit, alias immediate sequenti
eoram nobis in Luthomissl aut alias, ubi nos moram tunc tmhere con-
tigerit, hora terciarum legitime compareant, penitenciam salutarem pro
eicessibus eoinim et transgressionibus suscepturi, alioquin contra ipsos et
eorum quemlibet distincte per censuras ecclesiasticas et alia iuris remedia
Deo et iusticia mediante procedemus eciam ad privacionem beneficiorum
obtentorum et adnichilacionem in futuium obtentorum et ad alias penas
a sacro conciüo Constanciensi per canonicas sanxiones contra tales inobe*
dientes proditas et fulminatas secundum formam commissionis nobis facte
nunciatas et tenorem. Volumus insuper, ut presens noster processus per
TOS supranominatos aut aliquem vestrum communiter et divisim qui pre-
sentibus fueritis aut fuerit requisitus eciam per affixionem portanim Pm-
gensium, Olomucensium, Luthomisslensium et aliarum collegiatarum et
parrochialium ecclesiarum, ubi tutus accessus fieri poterit, publicetur et
insinuetur, et quod eosdem omnes et singulos, quos presens concernit ne-
gocium, arceat et afficiat, ac si presencialiter et in propriis personis eisdem
Sit intimatum , fidem vobis yestre excommunicacionis autenticam ac in-
strumenta publica facientes. In quorum omnium et singulorum fidem et
testimonium premissorum presentes literas seu presens publicum instru-
mentum mandavimus scribi sigillique nostri maioris appensione iussimus
communiri.
Datum et actum Luthomissl anno domini 1416 indiccione IX
die XXIX mensis Octobris.
• Cod.: qui fehlt
382
Nr. 17.
Der Snbifchof Slonrad von Prag lasst die yorftehenden Decrete
in feiner Srsdiöcese pnbliciren. Prag 1417, Jänner 10.
(E cod. arch. terr. Mor. XII, 6. 20, fol. 4^.)
Conradus Dei gracia sancte Pragensis ecclesie archiepiscopos,
apobtolice sedis legatus, venerabili domino archidiacono Prägens! aut
ipsius yices gerenti salutem in Domino et presentibus fidem adhibere in-
dubiam. Noveritis quod postqoam reverendo in Christo patri domino
lohanni episcopo Luthomislensi nonnnlle litere a sacro generali Constan-
ciensi concilio seu synodo foissent sub bnlla plombea destinate, ipse do-
minus episcopus huiusmodi literis receptis ad ipsorum execucionem debitam
procedens ipsas in locis diversis pablicavit ac easdem litei-as suo sub
sigillo pendente nobis transmisit (quarum copiam una cum presentibus
vobis dirigimus) nos requirens cum eisdem literis ac per yiscera miseri-
cordie Dei obsecrans, ut contenta in eisdem literis vobis subditis publi-
cai*e et alia in eisdem literis expressa' facere ac debite execucioni deman-
dare dignaremur. Nos viso earundem literarum considerantesque contenta
in eisdem fidem catholicam concernere, ideo ob favorem eiusdem fidei ca-
tbolice quam puro corde et ore profitemur vobis domino archidiacono ante-
dicto aut vestras vices gerenti in virtute sancte obediencie et sub pena
excommunicacionis, quam in vos nisi mandatis nostris infrascriptis infra
novem dies a recepcione presencium computandos, quem tei*minum vobis
pro monicione canonica prefigimus, parueritis, cum effectu ferimus, in hiis
scriptis districte precipiendo mandamus, quatenus literis presentibus cum
dictis copiis receptis easdem decanis et plebanis dicti vestri archidiaco-
natus dirigatis ac easdem et in ipsis descripta eisdem plebanis per vestros
decanos facta convocacione per vos intimetis, insinuetis et publicetis ; quas
üt nos presentibus ipsis intimamus, insinuamus, notificamus et publicamus
volentes et presentibus sub excommunicacionis pena districcius mandautes,
ut ipsi decani in ipsorum convocacionibus infi-a spacium viginti dierum in
literis antedicti domini episcopi descriptis personis ecclesiasticis in ipso-
rum decanatibus errores quoscunque aut hereses predicantes, dogmati-
santes, tenentes et ipsorum fautoribus et aliis infamatis, quicunque modo
de heresi ac ceteris prout in literis pretacti domini episcopi descriptis
mandatur et de nominibus earundem persouarum diligenter inquirant et
studeant inquirere et facta inquisicione eandem nobis ipsi decani sab
*■ Cod.: expressis.
383
ipsornm sigilUs clausam transmittant per nos ulterius antedicto domino
episcopo pro ipsius informacione presentandum et in premissis debitam
diligenciam faciatis, nt de obediencia prompta possitis commendari.
Datum Frage anno domini 1417 decima die lanuarii yicariatus
sigillo snbappresso.
Nr. 18.
Der Rector und die Gtegammtheit der Lehrer der ünivenität Prag
fordern alle Gläubigen auf, ihr Leben zu beBgern und Bich an die
alten Lehren von den Fürbitten, der Bilderverehrung u. dgl. zu
halten. Prag 1417, Febr. 7.
(E cod. arch. terr. Mor. XII, G. 20, fol. 1»»— 2».)
üniversis et singulis Christifidelibus, ad quos presens tenor perve-
nerit, lohannes Gardinaiis magister in artibus et baccalaureus iuris
canonici rector totusque cetus magistrorum universitatis studii Pragensis
affectnm salutis et veritati legis Christi firmissime adherere. Cum heu
presentibus periculosis ac gemebundis temporibus, ad que mundo senes-
cente fines venere seculorum, de mentis culparum exigentibus inter plu-
rimas licinm mordaces instancias vacacioni quoque deditas novitatum ge-
nera plus criminose quam utiliter perscrutantes, puta an purgatorius ille
ignis post humane mortalitatis solutum debitum in complementum peni-
tencie fidelium sit certissime asserendus et an jmagines in Dei ecclosia
sint sostinende, insuper utrum benedicciones salis, baptisterii et aque
cum aliis ecclesie benediccionibus et cerimoniis possint legitime sustineri,
ei quarum concertamine impie suspicaciones ac odia invalescunt sie quo-
que beate paci plunmum detrahitur, dum fraterne caritatis unio laceratur,
sane igitur nos dicte divisioni occurrere satagentes ipsamque in ambigui-
tatüm fluctibus quietare et suffocare radicitus cupientes, ne occasione taci-
turmtatis silencii huiusmodi lites in peiora perniciosissime fluitarent,
fraterne salutis commodo impulsi, cui nos precipue titulo magistralis offi-
cii piis consiliis ac documentis astringimur providere, nos ad predictas
questiones seu lites matura nunc deliberacione respondentes hoc iuxta
illas sentire quemlibet adhoi^tamur, quod scilicet ex sacre scripture con-
teitu communi doctorum primitive ac moderne ecclesie hausta concordi
sentencia post hnius mortalitatis nostre teiminura ad complecionis peni-
tencie remedium reatumque culpe in figura ligni, feni ac stipule eorum, qui
secum deferunt abstergendum ignis purgatorius est certissime asserendus,
predicandus ac tenendus et ad diem extremi iudicii duratums. Et hinc
UQumquemque fidelium obseeramns, ut studeat quisque sie delicta sua hie
384
corrigere, ut post mortem non oporteai eum penam tolerare. Suffragia
quoquo ut oraciones, elemosinaciones pro moi*tuis et cetera pietatis opera
esse facienda fiimiter affirmamus. Tmagines eeiam Salvatoris et sanc-
torum eins, benedicciones sacri fontis, Balis, aque, cereoram, igniom, pal-
marnm, ovorum, caseorum et aliamm rerum pascalium, thurificaciones,
uspersiones, campanarum pulsaciones, pacis osculum et quascunqne ceri-
monias diu tentas in sancta Dei ecciesia cum lege Domini concordantes
a chi'istiana religione non evellendas, ymmo sustinendas et tenendas pre-
sentibus nunciamus. Nam iuxta sanctorum canones in hiis rebus, de qui-
bus nil certi divina scriptura statuit, mos populi Dei et instituta maiormn
pro lege tenenda sunt; et sicut prevaricatores legum divinaimm, itacoa-
temptores ecclesiasticarum consuetudinum sunt cohercendi. Supplicamos
igitur Omnibus Christi fidelibus et exiniuncto caritatis officio prosequentes
deprecamur, quatenus huiusmodi questiuncuias, qne pro suo merito litem
generant et sinisti^as suspiciones prepai*ant, inter fratres tamquam saluti
ipsorum minus dignas pretereant sed pocius in illis et aliis ecclesie dignis
ritibus colla servitutis et obediencie subiciant et cum sanctorum doctonim
testimoniis nobiscum pariter senciant et concordent. Quod si autem qois-
quam in anime sue periculum temeritatis impulsus iudicio aliter de hiis
sentire vel alios docere yoluerit sive publice vel occulte, tamdiu Uli liberam
denegetis audienciam, quamdiu coram nobis aut coram hiis quibus interest
suam non doceret sentenciam fore iustam.
Datum Präge anno domini 1417 die septima mensis Februarii in
plena congregacione magistrorum universitatis sub sigillo.^
Nr. 19.
Die Prager UniverBitat nimmt den Widerruf Peters von üniczow,
Predigers von St. Clement in Prag, zur Kenntnits und gewälirt
ihm Verzeihung. Prag, Carolinnm, 1417, März 13.
(Im Aaszuge mitgetheilt aus dem Cod. XII, G. 20, fol. 5 im mährischeu
Landesarchiy.)
. . . Filius' meus mortuus erat et revixit, perierat et inventus est.
Sic a simili vel a pari alma nostra universitas cuilibet discolo, pro-
tervo et rebelli, ymmo contra se muiiimranti et sibi vai'iis odiis, livoribas
* Am Rande: Est evangelium de Sabbato ante dominicam Oculi. Im Zu-
sammenhang mit der Revocatio selbst, die stattfand: Sabbato ante domi-
nicam Oculi (März 13) anno 1417 ergabt sich das Datum.
' Vorangeht Palacky, Doc. mag. Job. Hus, Nr. 110, p. 654 et seqq.
385
et detiaccionibus deroganti, ad se tamon revertenti in grcmium suum . . .
resumit . . . Hie etenim ... est filius, frater de ordine S'* Clementiß et
predicator ibidem, sacrosancte tbeologie, ut presumitur, professor, ymino
frater noster ac proximus, qui moiiiuus erat et revixit . . . Hie enim . . .
recesserat a Deo . . . diseurrens mente vaga per exteras regiones, insur-
gensque in ipsam matrem saam almam, seilieet nostram universitatem,
coi se cum toto ordine fratrum Predieatorum et specialiter fratmm eius-
dem ordinis ad S. dementem maioris civitatis Pragensis fraternaliter
univit, et hie de anno Domini 1384, die 23. mensis Aprilis, prout luce
clarioB id patet in matricula iiniversitatis nostre et in litteris super boc
confectis, ipsamque nostram matrem, quantum in eo fait, ymmo totum
regnum Boemie et Moraviae debonestavit et infamavit, . . . multos onores
eidem nostro regno preter Beum et preter meritum iniuste ascribens,
pruut id ipsum per se lueidins adstat, statim enodabit. Hie enim filius . . .
ipsam nostram almam universitatem, ymmo teiTam Boemie adeo evacuare
folebat, ut eam si valuisset nitebatur reducere in antique servitutis gen-
tili» opprobria . . . Hie . . . frater Petrus . . . profectus est in regionem
longinquam . . . Constaneiam . . . Bononiam, Wratislaviam et alias varias
terras . . . Hone . . . nee materne mansuetudinis nee invictissimi nostri
domini . . . Weneeslai, Romanorum et Boemie regis semper Augusti innata
pietas quam habet ad almam nostram universitatem a conceptis temerariis
quomodolibet rovoeavit . . . Allegatum enim fuit verbum Domini in ore
ipsios, ut non moveretur eciam super contricionem sancte memorie in spe
beati et divi magistri lohannis de Hussynecz et (de) eonfratre suo
beate memorie leronymo de Praga, qui in modum Danielis de christia-
üissimo Boemie regno . . . captivi ducebantur et nicbil tale commiserunt,
QQde eiusmodi eaptivitatem ineurrerent, nisi eos communis casus invol-
veret et aliena cleri cesarei malicia iniuste opprimeret . . . Hos bie filius
et alios plurimos chiistianissimi nostri regni catholicos homines pro-
miscoi sexus persecutus est . . . Vos igitur, o venerandi magistri ceterique
fratres carissimi^ hie presentes et absentes, hunc confratrem et ad vos
redenntem excipite ... qui olim contra veritatem eontenderat, contra
eamque decertans et presertim communionem calicis ipsam subvertere
satagebat. Et ad hoc exequendum se contra varia pericula immensi laboris
accingebat, maria transibat, iudicia adibat, pulsabat prineipatus, palaeia
regum irrumpebat . . .^
' Voran steht die bekannte Revocatio Petri, s. Loserth, Hus und Wiclif,
S. 296. Vor dem Titel der Revpcatio: Item revocacio alia Stanislai de
Radzicza baccalaurei studii Pragensis habetur in magno libro prope finem
et incipit: Coram vobi&.
386
Nr. 20.
Das Olmützer Domcapitel klagt dem Concil über das Wachtthnm
der husitischen Partei und deren Anmassung. Um ihr entgegen-
antreten, habe man den erprobten Bischof Johann von Leite-
mischl znm Bischof von Oimütz postnlirt. Einige Gegner hatten
aber den Domherrn Ales gewählt nnd dieser — ein Parteiganger
der Hnsiten — sei von Erxbischof Konrad confirmirt worden.
Es wird dringend um Untersuchung und Abhilfe gebeten.
1416, December.
(E cod. 358, arch. terr. Mor., fol. 897—898, 911—912.)
p.897. Reverendissimi patres ac prestantissimi domini. Exponitur V. P**
pro parte venerabilium yirorum decani et capituli ecclesie Olomncensis cum
gravi cordis amaritudine contra et adversus personas infraBcriptas. Et
dicitur, quia cum mnltiplicata foerit heretica pravitas Wyklefistarum
etHusystarum in marchionata Moravie et in diocesi Olomucensi dic-
taque heretica pravitas foisset tenta et defensata per plures barones et
nobiles ac militares armigeros et nonnullos populäres, per quam qnidem
hereticam pravitatem gravissime fides katholica fuisset et de presenti esset
impugnata, sacramenta ecclesie per dictos Wyklefistas et Husistas
in levitatem et quasi in ludibrium versa, claves ecclesie et censure eccle-
siastice per eosdem in derisum posite, obediencia Romane ecclesie et sedi
apostolice nee non aliis episcopis et prelatis per eosdem totaliter snblata;
ex quibus dicta ecciesia Olomucensis est multipliciter et nimis cmdeliter
unacum canonicis et clero diocesis predicte gravissime oppressa. Et ut ad
specialia descendam, nam quidam barones laici tenent presbyteros, a qui-
bus communicant sub utraque specie sacramentali corporis Christi in coa-
temptum sacri concilii Constanciensis et sedis apostolice et Romane eccle-
sie, quidam ante elevacionem coi-poris Christi sive consecracionem fran-
giint oblatam in tres partes et unam partem tantummodo elevant populo,
quidam in piscinis, alii in fluminibus baptizant, ubi nullum periculum
mortis adest, parvulos, alii excommunicati tam a canonibus quam ab ho-
mine et interdicti celebrant eciam in campis et dolus, in horreis et in
nullo altari consecrato, alii uec horas canonicas dicunt et sie se divinis
ingerunt neque aliquas confessiones faciunt, predicautes populo communi
laicali, quod non teneantur confiteri, alii pro Johanne Huss et lero-
nymo dampnatis hereticis' publicis faciunt in ecciesiis coram multitudine
Cod.: dampnatorum hereticomm publiconim.
387
popnli exequias tamqnam pro fidelibas defanctis, alii faciunt festiyitates
et cantaut Gandeamus et alia tamquam de martyribus, comparantes
eosdem meritis et peais sancto Laurencio martyii et ipsos preferentes
sancto Petro et aliis sanctis, et sie mnlta gravia et terribilia ac horrenda
contra fidem katholicam et statum ecclesie fieri procuraverunt et die ho-
diema procnrant, proper que dicta ecclesia (ut predictum est) multipliciter
eititit oppressa. Nam plebani katholici expelluntur de parrochiis propriis,
spoliantur pecudibos et pecoribns, granis, fimmentis et bladis et ceteris
yestimentis et suppellectilibns ac censibus, redditibns, ebvencionibus et
emolomentis snnt spoliati et spoliantur, ita ut multi sunt coacti suas
parrochiales ecclesias derelinqnere , non habentes, quibus possent circa
easdem ecclesias sustentari; nam et decimas ad ipsas spectantes quidam
patroni eis denegant et alios' prohibent, ne ipsis decimas persolvant,
alii oblatas decimas ab aliis parrochianis ipsis rectoribus ecclesiamm
anfemnt et eisdem spoliant et eosdem detinent spoliatos, alii per dictos
Husistas yerberantur, captivantur et pro pecuniis exaccionantnr et tor-
qoentur, alii submerguntui% alii interficinntur, ita quod prefati Husiste
et Wyklifiste totum marchionatum deducent in errores heretice pravitatis,
nisi P**" V. celeriter provideant de remedio oportuno.
Unde Bey*"' patres, vacante ecclesia Olomucensi nuper per mortem
olim domini Wenceslai patriarche Anthioceni perpetui commendatoris
dicte ecclesie capitulum predictum attendens et advertens predicta peri-
cala in Me katholica et errores, qui invaluerunt per Husistas etWykle-
fistas et subvenire fidei katholice et ecclesie predicte volentes | et clerop.898.
ita cmdeliter et miserabiliter oppresso et depresso hincinde cogitaverunt
multis diebns et noctibus, qualiter possent ecclesie et dicte fidei katholice
consnlere, et ut talem possent reperire, qui idoneus et utilis esset ecclesie
^tedicte et ipsam ecclesiam multipliciter collapsam reformare ac clerum
a Tiolenciis et iniuriis eisdem illatis defensare (h)ereticam pravitatem
extir(p)are, et non valentes (in) toto regno Bohemie (ali)quem talem (re)-
perire^ concorditer vota sua in reverendum patrem dominum lohannem
episcopum Lnthomisslensem dederunt et in eundem convenerunt ip-
somque in pastorem ac defensorem ° ecclesie prefate canonice postularunt,
ipsam postnlacionem ad sacrum concilium Constanciense et ad P. Y. con-
firmandam et approbandam transmiserunt. Et vacante ecclesia Olomu-
censi consuetudo fuit, ut civitates, oppida, castra et alia bona debuerunt
* Cod.: aliis. ^ hereticam — reperire am Rande. Das Blatt ist durch
den Schnitt des Bachbinders verletzt. Die Bachstaben in den Klammem
fehlen. *> Die beiden Worte am Rande ausgestrichen.
388
habere respectum ad capitulum et ad illos, qui ossent de presenti admini-
stratores a capitulo in temporalibus usque ad futurum episcopum per
sedem apostolicain confirmatum et approbatum. Et licet concorditerfuissent
deputati nullo contradicente in temporalibus administratores videlicet do-
minus Raczko de Trpenowicz et magister* lessko de Dubczan cano-
nici prebendati ecclesie Olomacensis recepissentque promissa a laroslao
de Bozental purgravio in Meraw, quod vellet habere respectum ad ipsnm
capitulum et ad eos deputatos per capitulum; tamen dictus laroslaus
. . .^ . . . litus promisso suo et realiter condescendit ipsi d(omino) Racz-
ko ni nomine supradicto quandam faciens coUusionem una cum quodam
Przybislao dicto Schypp de Scheiberg omagiali ecclesie de consilio
Ubaldini, receptis trecentis et viginti sex marcis Morayicalibus grosso-
rum Pragensium, ut dicebant pro dampnis» impensis et expensis dictam
castrum ipse lai'oslaus ti-adidit in manus Alssonis et Raczkonem ad-
ministratorem in temporalibus predictum turpiter et inhoneste de casiro
expellendo. Et licet predicta postulacio canonice facta fuisset, tamen pre-
dictus Nicolaus Ybaldin(us)'' et lanko de Sternberg se alienantes
a predicta postulacione associatis sibi canonicis et de civitate Pragensi
vocatis, videlicet domino Wenceslao de Radecz, Nicoiao Henslini,
Francisco preposito Boleslaviensi, lacobo de Verona, LocTwico
de Holessaw et nonnulli alii, (pro)nt in pretensa litera (ele)ccioDis
eorum continetur, post postulacionem de predicto domino lohanne episcopi»
Luthomisslensi celebratam et consummatam et post duodecim dies a die
postulacionis facte computatos quendam Alssonem canonicum ecclesie
sancti PetriWissegradensis prope Pragam de facto elegemut ipsius-
que pretensam eleccionem reyerendissimo patri domino Conrado archi-
episcopo Pragensi presentarunt. Et licet a prefata pretensa eleccione fuisset
per antedictos decanum et capitulum ecclesie Olomucensis ad sacrosanctum
concilinm Constanciense et apostolicam sedem debito tempore appellatum.
dictaque appellacio et postulacio tarn domino Conrado archiepiscopo quam
parti adverse videlicet Alssoni et alüs inümata, nichilominus tamen
ipse dominus archiepiscopus ad importunam instanciam pre&torum cano-
nicorum et contra postulacionem et appellacionem ad sacrum concilinm
^t ad apostolicam sedem interpositam'* et per ipsnm ante delatas ipsom
Alssonem ad dictam ecclesiam de facto confirmavit pretensosqne Pro-
cessus penales, censuras ecclesiasticas continentes tam contra clerom
quam contra omagiale^ et alios episcopatni Olomncensi su bditos fulminavit
* (\mL: magistrt. ^ ein Theil des Wortes am Rande abgeschnitten>
«^ C«>t).: Waldin. ^ ChmI.: interpositamm . . . delatis . . .
389
et cetera fecit, prout in dictis pretensis processibus lacius continetur.
Qqos hie* P. y. dignemini habere pro sufficienter expressis. Ac demum
dicti canonici eundem Alssonem snffulti potencia laicali (Io)hanni8 de
Sadio ac (La)czkonis ac Petri de (S)traznicz et lohannis de (L)ompnicz et
N. de Wla(s)8ym, nobilium et baronum, ac Ulrici Bubcamerarii et Hajkonis
et aliomm armigeroram Wyklefistainim et Hussitamm ipsum potenter et
Tiolenter ad ecclesiam Olomocensem intmsemnt. Et quamvis antedictns
dominns lohannes postulatus (sicut premittitur) potuisset resistere talibus
Tiolenciis, nichilominus tarnen sanius decrevit pro illo tempore sapersedere
et dissimulare, ex eo quod liteiiis sue approbacionis nondum habaisset
dictusque AlsBO** | una cum prenominatis canonicis et potencia laicommp.oii
pre&tomm Husistarum et Wyklefistarum civitates, castra, oppida
et Tillas occnpavit et occupat die hodieraa ac cum terrorihns et commi-
nacionibns snb pena perdicionis corporum et remm iidem conati sunt
avertere decanum cum nonnullis aliis canonicis a postuiacione predicta et
in eundem Alssonem pretensum electum et sie de facto confirmatum
consentire; propter qne quidam canonici postulantes exacti sunt de civi-
täte Olomucensi recedere et ali(cub)i latitare timentes periculum mortis,
ünde et illi, in quos propter metum et insultum dictorum Wyklefistarum
et Husistarum potestas et auctoritas capitnlaris fuit translata et trans-
fhsa, in toto marchionatu non potuerunt habere locum tutnm et securum
sed coacti sunt exulari de terra propter predictos hereticos violentos et ea
de causa maxima dampna sunt perpessi, que tarnen ad estimacionem et
Interesse ducentarum marcarum et ultra se extendunt, bona quoque ad
mensam episcopalem pertinencia sie oecupata sunt et dampnifieata plus
quam in duobus milibus marcarum, impensas et expensas coacti sunt
occasione huius facere ad valorem similiter ducentarum marcarum, iniu-
rias quas sustinerent et sustinent et quas noluissent sustinere ad estima-
cionem mille marcarum, ita quod ex premissis pars Wyklefistarum et
Hussistarum videlicet ex pretensa eleccione et subsecuta pretensa con-
firmacione et bonorum episcopalium et eastrorum occupacione maxime
animata et fortificate existit, ita quod ex quadam presumpeione in Ad-
ventu Domini proxime preteriti quidam intraverunt ad ecclesiam Olomu-
censem Husiste ^t ibidem sub utraque specie sacramenti a quodam pres-
bytero nomine lohanne presente dicto pretenso electo Alssone commn-
nicayerunt. Qui quidem presbyter nova quadam prophanacione ante
elevacionem fregit oblatam in tres partes et cum una ex eisdem partibus
* Cod.: Qnos huins. ^ Die nächsten Seiten enthalten andere Dinge.
Fortsetzung erst auf S. 911.
390
fecit elevacionem. Et licet dicti, tarn presbyter communicans et yerius
prophanans quam illi quos communicavit, faissent per cives Olomucenses
katholicos detenti et dicto Alssoni presentati, tarnen postea dicti Wykle>
fiste et Husiste et alii plures heretici fuerunt per dictum Alssonem
absque aliquo pnnicione et pena libere dimissi, ita quod octo tunc in nu-
mero fneinint per dictum Alssonem liberati, qui fneiiint notabiliter de
heretica pravitate confessi et convicti.
Quare sopplicatur P. V. pro parte dictoimm decani et capituli et ob
amorem et zelum fidei katholice, et ne ita turpiter et miserabiliter dicta
ecclesia iam multipliciter oppressa finaliter unacum canonicis et clero
opprimatur et destruatur per Husistas et Wyklefistas et dictos mar-
chionatus et terra Moravie graviter infametur, digne(n)tur P. Y . de remediis
oportunis providere et committere et mandare alicui ex reyerendissimiB
pakibus ac dominis cardinalibus aut alicui ex venerabilibus sacri palacii
causarum auditoribus omnia predicta et singula ac causam et causas appel-
lacionis et appellacionum ad sacrum concilium Constanciense et ad sedem
apostolicam interpositas ac causam et causas, quas prefati decanus et ca-
pitolum movent et movere intendunt prefatis, videlicet reverendo patri
domino Conrado archiepiscopo Pi*agensi nee non et Alssoni pretenso
electo nee non honorabilibus yiris canonicis scilicet Wenceslao Ba-
de cz etc.* tarn coniunctim quam diyisim audiendas, decidendas et fine
debito termiirandas et cum omnibus et singulis dependentibus, inciden-
tibus et connexis ut se de premissis summarie et simpliciter ac de piano
informet, et si predicta aut aliqua repererit vera dictum dominum reve-
rendum patrem archiepiscopum ac dominum Alssonem pretensum electum
nee non prefatos dominos Wenceslaum etc. compellat ad satisfaciendum
p. 912. de impensis et expensis ac de dampnis et iniuriis | per censuras eccle-
siasticas et per sequestracionem ac arrestacionem fi-uctuum et reddituum
beneficiorum, prebendarum et dignitatum decano et capitulo pro impensis
et expensis factis ac dampnis et iniuriis occasione premissorum illatis et
passis dandum assignandum et applicandum et sub pena ulterias priva-
cionis beneficiorum obtentorum et ad futura inbabilitandorum, eciamsi
opus fnerit cum invocacione brachii secolaris et cum potestate citandi
omnes et singulos supradictos tam coniunctim quam divisim in curia Bo-
mana et extra et ad partes et tociens quociens opus fuerit et personaliter
in propriis personis eciam ex officio, cum predicta sapiant favorem et pro-
mocionem et defensionem heretice pravitatis, et per edictum in Bomana
* eine halbe Zeile leer; am Rande ohne Zeichen der Zugehörigkeit im
Texte: pro parte dicti capituli.
391
curia et in vicinis locis sive paiiibus affigendum, cum ad eos non pateat
tütus accessus, non obstante si huiusmodi cause non sint legitime ad
curiam Bomanam et ad sedem apostolicam devolute seu in ea de sui na-
tura tractande aut finiende ac aliis in contrarium editis non obstante
qoibascanque.
Nr. 21.
Pnibico von Othlochowicz, vom Könige Wenzel bestellter Admi'
niftrator der Besitzungen des Olmützer BisthumSy appellirt im
Vamen des Königs Wenzel gegen den erwählten Bischof Johann»
der gegen ihn den Process eingeleitet, an das Concil von Con-
stanz nnd intimirt ihm die Appellation. Darstellung des Wahl-
Vorganges. Littan, 1417, Februar 17.
(Cod. arch. terr. Mor. Cerr. 868.)
In nomine Domini Amen. Anno nativitatis eiusdem 1417, indic-p.967.
cione X, die XVII mensis Februarii, horis Vesperarum vel quasi, sede
apostolica carente pastore, in opido Luthovia Olomncensis diocesis et in
domo habitacionis providi viri dicti Loss, oppidani eiusdem oppidi, in
esioario sive in stubella superiori, in mei notarii publici infrascripti
testinmque presencia subscriptorum ad hoc vocatoinim specialiter et roga-
tonun constitutus pei*sonaliter validus virPrzibico deOthlochowicz,
Pragensis diocesis familiaris et seryitor Serenissimi principis et domini
domini Wenceslaj, Dei gracia regis Romanorum etBoemie regis, quan-
dam appellacionem in papiro scriptam quam tunc in suis manibus tenebat
eandem interposuit, interiecit et publicavit ac eandem per me notarium
publicum infrascriptum legi procuravit; cuius tenor de verbo ad verbum
seqaitur per omnia et est taiis:
In nomine Domini Amen. Cum appellacionis remedium in rele vamen
oppressoinim a iure et a sacris canonibus sit salubriter institutum ac in-
ventum, ut ea que contra ins et iusticiam fuerint, valeant in statum de-
bitmn reformaii, proinde ego Pribico de Othlocbowicz, residens in Lutho-
via Olomucensis diocesis, coram vobis bonorabiiibus et circumspectis
viris dominis testibus hie astantibus et presentibus et coram te notario
pablico tamquam persona autentica et fideli animum et intencionem pro-
vocandi' ymmo verius appellandi propono et dico, quod quamvis reveren-
dissimo in Christo patre et domino domino Wenceslao Dei gracia patriarcha
Anthiocenensi perpetuo commendatario ccclesie Olomucensis mortuo et
• Cod.: provendi.
Arehhr. Bd. LIXXII. II. Hälfte. 26
392
eins corpusculo sepulture ecclesiastice tradito per honorabiles viros do-
minos canonicos ecclesie Olomucensis inore solito et ex consuetudine au-
tiqua apud ipsam Olomucensem ecclesiam circa eleccionem servata et tenta
Yenerabilis vir dominus Alsso canonicus Wissegradensis ecclesie prope
Pragam ad ipsam ecclesiam Olomucensem in episcopum ^t pastorem foisset
electus; quem quidem dominum Alssonem prefati domini canonici, prent
ex communi fama fuit publicum et notorium, cum decreto sue eleccionis
Bot."® in Christo patri et domino domino Conrado Dei gracia sancte
Pragensis ecclesie archiepiscopo sede apostolica vacante suo metropolitano
confirmandum et instituendum in et ad dictam ecclesiam Olomucensem
presentarunt; quem dominus archiepiscopus virtute sue eleccionis ad ip-
sam ecclesiam Olomucensem confirmavit, preficiendo ipsum dominam
Alssonem eidem ecclesie in episcopum et pastorem ac per suos certos eie-
cutores sub modis et formis oportunis circa ipsam ecclesiam ab antiquo
tentis investiri et installari procuravit, dans sibi curam et administra-
cionem in spii'itualibus et temporalibus in eadem, ac de universis fi-uctibns,
proventibus censibus redditibus sibi mandatis integraliter respondere.
Qui dominus Alsso virtute huiusmodi confiimacionis et institucionis
ipsius ecclesie Olomucensis ac quorundam castrorum civitatum, opidorum
et aliorum pociorum locorum cum reverencia et obediencia cleri et populi
civitatis et diocesis Olomucensis ut tunc publice famabatur realem et
actualem possessionem est adeptus et assecutus.
Ex adverso vero videlicet per aliam partem canonicoinim eiusdem
ecclesie Olomucensis circa eleccionem discordancium revorendus in Chi'isto
pater et dominus, dominus lohannes episcopus Luthomisslonsis fuit
in episcopum et pastorem dicte ecclesie Olomucensis postulatus, cuiu8
postulacionem non publicata dominis canonicis electoribus, ut asseritur,
dicti canonici qui ipsum dominum lohannem episcopum postularunt de
acto postulacionis sacrosancto Constanciensi concilio vel forte futuro pape
ut moris est in et ad dictam ecclesiam viiiiute sue postulacionis confir-
mandum similiter et instituendum presentarunt. Cui sacrum concilium
Constanciense animo providentis filii de eadem ecclesia virtute sue postu-
p.968. lacionis existentes, ut veiisimiliter presumitur, male informati ad quo-
rundam dicti domini Alssonis emulorum suggestionem per suppressionem
veritatis credentes ipsam ecclesiam ceiiio modo vacare sibi bullas certi
tenoris direxerunt, dantes sibi nudam administi*acionem ipsius ecclesie
Olomucensis tam in spiiitualibus quam temporalibus prout in ipsis bullis
lacius continetur.
Qui reverendus pater dominus lobannes huiusmodi bullis roceptis
se de administracione ipsius ecclesie Olomucensis ingerens, ad quam
393
administracionem non est realiter assumptos neque ad ipsius ecclesie
possessionem admissus, sibi onmino dicto domino Alssoni legitimo posses-
8ore obsistente et se in sua possessione ecclesie existente (sie) quosdam
8008 Processus^ ut fama veriloqua testatur, ad ecclesiam Olomucensem
direxit, mandans in ipsis processibus qnod decanus, prepositus, archidia-
conus ceterique canonici ac ministri einsdem ecclesie Olomucensis ipsum
dominum lohannem cum aliis personis civitatis et diocesis Olomucensis
debitis reverencia et obediencia in administratorem eiusdem ecclesie Olo-
mncensis reciperent et admitterent cum effectu, que mandata lacius in
suis processibus continentur.
Ex quibns quidem mandatis prefatus dominus Johannes episcopus
coQtraveniendo processibus domini aixhiepiscopi Pragensis supradicti et
obedienciam ac possessionem dicti domini Alssonis electi et confirmati ex
süi odio in ipsa ecclesia Olomucensi inter personas ecclesie et extra per
(otam diocesim et civitatem Olomucensem non modicam fecit scissuram
et magnum scisma in clero et populo; propter quam quidem scissuram
per tirannos sibi et dicte ecclesie adversancium plurima bona ecclesie Olo-
mucensi et ad ipsam spectancia ac aliorum monasteriorum et pioiiim loco-
nim inhumaniter fuerunt invasa, depredata manu violenta et spoliata,
homines captiyi abducebantur per eosdem tirannos et abducuntur, qui
pauperes homines taxantur pro pecuniis, divepsissimis carceribus tenen-
tor et cruciantor in compedibus et manicis feiTeis die hodierna in destruc-
cionem, desolacionem et annichilacionem tocius cleri et populi ecclesie
Olomucensis predicte. Serenissimus yero princeps et dominus dominus
Wenceslaus, Dei gracia rex Bomanorum semper Augustus et Boemie
rex qui ipsius ecclesie Olomucensis est supremus patronus et tutor ex
fandacione et dotacione ac ipsius ecclesie ereccione suorum predecessorum
regnm et principum non infringens per hoc libertates et privilegia ipsius
ecclesie, iungens se parti electorum et adherens ipsorum eleccioni videns
et considerans, quod ex premissis foret magna scissura in ipsa ecclesia
61 dictorum duoinim Alssonis electi confirmati et lohannis episcopi postu-
laü supradicti litigacione et quod ex hoc immineret dicte ecclesie et per-
sonamm destiiiccio et bonorum, yolens occurrere predicte sedicioni tam-
qoam rex et patronus ac dominus naturalis marchionatus Moravie in quo
territorio^ ipsa ecclesia Olomucensis consistit mihi Przibiconi supradicto
tamquam suo Meli servitori yive vocis oraculo ac eciam per certas suas
regales litteras et sub obtentu regle maiestatis mandavit, ut me de Om-
nibus et singulis bonis ad ipsam ecclesiam in ten'a Moravie spectantibus
* terrom in cod.
26*
394
•
causa rei servande nomine suo intromitterem et ipsa bona regerem et ab
p. 969. insultibus tyi-anaorum et invasione et depredacione | ac capcione homi-
num et ipsorum destruccione probiberem, qnousque lis et causa inter
dictos litigantes super eadem ccciesia Olomucensi per sedem apostolicam
omnino non discuterctur et diffiniretur et habenti ius alterius contra-
diccione non obstante quod de illis bonis per me tentis nomine domini
regis supradicti et ex mandato ipsius tamquam supremi patroni et tutoris
oiusdem ecclesie Olomucensis me' cedere deberem cum efifectu; de quibns
quidem bonis, sie ut prefertur, causa rei servande ex mandato prefati
Serenissimi domini Wenceslai regis ex causis premissis, dum mo intro-
misissem et micbi cei*tas gentes armoinim necessarias pro defensione dicte
ecclesie et bonorum eiusdem iunxissem, ne ipsa ecclesia et bona eiusdem
et persone per tyrannos invaderentur, modica subsidia pro expensis dic-
torum armigerorum ab hominibus ecclesie de quibus me intromisi postn-
lando et pro sustentacione ipsorum recipiendo, ipsis tamen hominibus
ecclesie in nullo iniuriando nee eos quovismodo opprimendo sed pocius ab
oppressionibus quorumcunque tyrannorum ipsis iniurias inferre volen-
cium defendendo, mediante subsidio et presidio dicti domini regis domini
mei graciosissimi et favore, prefatus vero reverendus pater dominus
lohannes episcopus supradictus licet presens me Przibiconem per suas
literas missivas, in quibud scripsit, quia ipse iam esset episcopus confir-
matus dicte Olomucensis ecclesie, per sacrum concilium requisiyisset, ut
de dictis bonis sibi cederem, cum tamen hoc nunc non ei-at faciendi nisi
primum hoc obtineret apud regiam maiestatem, cuius nomine ipsa bona
gubemoi reg'o et teneo causa rei servande, sicut est premissum et re-
sponse a me super suis literis congruo habito et honesto, hiis non con-
tentus per hoc volens se ad dictam ecclesiam Olomucensem per me {sie) in-
trudere, ipsius ecclesie possessione non habita, nuper de anno domini
1417 die XIY mensis Febiiiarii per suum certum executorem quosdun
Processus suos contra iuris disposicionem valvis ecclesie Olomucensis
annexos, in quibus deducit in dedecus et confusionem meam micbi non
modice exinde iniuriando, non attendens mandatum regis,^ qualiter ego
Przibico postposito honore Dei timoris et hominum verecundia ac contra
mea promissa veniendo per violenciam, cogendo dictos homines ecclesie
ad pecunias michi dandum et eosdem captivarem, intruncarem, tormen-
tisarem, spoliarem et alia plurima gravamina ipsis infeiTem, quod tamen
in re falsum existit, quod ego in talibus compertus essem et huinsmodi
gravamina, ut ponitui-, dictis hominibus inferrem et procurarem, sed pocius
• Cod.: mex. *> Cod.: regni.
396
ipsos protego et defendo contra alios violentos oppressores et tyrannos,
qui eosdem homines occasione dicti episcopi et sne intrasionis pretense
molestabant, spoliabant, captiYabant per tormenta ab ipsis pecunias sie
nt premissum est extorquendo. Ipse vero dominus episcopus supradictas
ponens in suis processibns occasione sue pretense administracionis, asse-
rens se talia a me non posse tolerare» conüttriando regio majestati supra-
dicte de premissis disposicionem et ordinacionem ac ipsins provisionem,
ne hoinsmodi lite pendente ipsa bona ecclesie Olomucensis per tyrannos
invaderentnr, me et complices meos per eosdem | Processus suos publice p. 970.
per affixionem indebite et iniuste movere procnrarent ut ab buiusmodi
Texacionibus, captivacionibns, laxacionibus^ tormentisacionibus dictorum
hominum desisterem, alias sex diebus elapsis quod ipso facto deberem in
sentencias in ipsius processibns contentis incurrere et inyolvi et nichilo-
minus loca, in quibus dego nna cum complicibus meis quod ecclesiastico
subiciantur interdicto que omnia et singula dictus dominus episcopus in
preiudicium mei, ymmo Terius prefate regio maiestatis et ipsins mandati
de facto et contra iuris disposicionem procuravit et gravamen.
Ex quibus omnibus et singulis ego Przibico supradictus senciens
me ymmo verius prefatum dominum meum dominum regem supradictum,
coins mandato premissa geruntur, in premissis ciica premissa et quolibet
premissorum de facto indebite et iniuste per prefatum dominum episcopum
et per suos iniquos Processus si dici sie merentnr gravatum timensque in
posterum plus forcius per eundem vel suos executores posse gmvari ab
Omnibus et singulis causis, giavaminibus, sentenciis et interdictis supra-
dictis et earum seu quolibet eoinim tamquam nullis, iniustis, inyalidis,
temerariis, indebitis et iniquis pro me et omnibus aliis et singulis buic
mee appellacioni adherentibus et adberere volentibus in futuiiim in hiis
scnptis ad sanctam sedem apostolicam et ad sacrosauctum presens Con-
stanciense concilium et ad futurum papam proTOCO et appello, et si et
quatenus est necesse appellacionibus primo, secundo et tercio instantissime
sub uno contextu mihi datis peto et concedo, si quis sit qui michi eosdem
dare yelit vel possit vel saltem a vobis domiuis testibus et te notario pu-
blice literas testimoniales subiciens me decreto et omnia bona mea et ho-
nores, iura mea nee non omnes mihi et huic appellacioni mee adheren-
tibus seu adherere in futurum volentibus proteccioni et presidio sedis
apostolice et sacro concilio memoratis. Et protestor quod hanc meam
appellacionem volo prefato domino lohanni episcopo intimare, insinuare
et ad ipsius noticiam deducere qnantocius potero ipsius presenciam adire
eciam publice in ecclesia Olomncensi publicare. Eciam protestor quod
Balvnm sit michi ins presentem meam appellacionem corrigere emendare
396
minuere, diminuere aliamque de novo interponere tociens qnociens mich!
visam fuerit expedire ceteris iuris beneficiis michi semper salvis. Qoa
quidem appellacione sie lecta et interposita prefatas famosus Pnibico
petivit sibi per me notarium publicum infrascriptuin nnum vel plura pn*
blicom seu publica confici instrumentum seu instrumenta. Lecta et inter-
posita est hec appellacio anno, indiccione, die, mense, horis et loco quibos
supiii presentibus bonorabili viro domino Ludwico de Holessaw canonico
ecclesie Olomacensis nee non famosis viris lohanne dicto Swyetlik d«
Raknska, Welikone de 01om(ucio), Stephane de Ozbel et Michcone de
Nawssedlicz Olomucensis diocesis et aliis pluribus testibus circa premi^a
constitutis.
Et ego Gabriel natus quondam Michaelis de Grecz Pragensis dio-
cesis publicus auctoritate impeiiali notarius predicte appellacionis inter-
p.977. posicioni, interieccioni et notificacioni presens interfui eaque' | omnia et
singnla sie fieri vidi et andivi eandemqae legi. Arduis tarnen negociis
occupatns per alium notarium scribi procuravi, hie mea manu propria sub-
scripsi et in hanc publicam formam redegi signoque et nomine meis solitis
et consuetis consignavi requisitis in fidem et testimonium omnium pre-
missorum.
Nr. 22,
Credenzbrief fix den €f«schilftsträger PHbico*s von Othlochowiex,
8wietlik von Bakusska. Dieser hat den Bischof Johann von Leite-
misohl von der gegen ihn erhobenen Appellation m verständigen.
Littan, 1417, Febr. 17.
(Cod. arch. terr. Mor. Cerr. 358.)
p.977. In nomine Domini Amen. Anno nativitatis eiusdem 1417 indic-
cione X, die vero XVII mensis Pebruarii hora Vesperarum vel quasi sede
apostolica carente pastore in oppido Luthovia Olomucensis diocesis et
in domo habitacionis providi viri dicti Loss oppidani ibidem in LuthoTis
in estuario seu in stubella eiusdem domus superiori in mei notarii publici
infrascripti testiumque presencia subscriptorum ad hoc vocatorum et
specialiter rogatorum eodem instanti post leccionem et interposicionem
appellacionis constitutus personaliter validus vir Przibico de Odlocho-
wicz Pragensis diocesis residens in Luthovia opido supradicto meliori
modo, via iuris et foima, quibus melius et efficacius fieri potest et debet.
Die folgenden Seiten enthalten andere GegenstJlnde. Der eigentliche Text
setzt erst wieder S. 977 fort.
897
feeity constitnlt, creavit et ordinayit sunm yerum legitimnm et indnbitatam
procuratorem, actorem, factorem et suorum negociorum gestomm et nun-
cinin specialem famosum virum lohannem dictum Swyetlik de Ba-
ku sska annigerum Olomucensis diocesis presentem et omnes hniasmodi
procüraciones in se sponte suscipientem, dans et concedens idem consti-
tntns dicto sao procuratori plenam liberam et omnimodam potestatem et
mandatnm speciale ad intimandam, insinaandum, notificandum reverendo
in Christo patri et domino domino lohanni Dei gracia episcopo Lutho-
misslensi vel ipsins procuratori aut illi vel Ulis, qui sua qualibet credi-
derit Tel crediderint Interesse appellacionem seu appellaciones nuper
interpositis a quibusdam processus monitoriis a prefato domino lolianne
episcopo et contra prefatum Przibiconem emanatis, ut eciam ad ipsius
domini lohannis episcopi claram noticiam deducere per affixionem publi-
cam eiusdem appellacionem ad yalyas ecclesie Olomucensis nee non co-
piam ipsius petentibus seu petenti dare et generaliter omnia et singula
fadendum gerendum et exercendum, que in premissis circa premissa et
quolibet premissorum fnerint necessaria seu eciam oportuna, promittens
se idem constitutum ratum gratum atque firmum perpetuo babitumm quid-
quid per dictum ipsius procuratorem constitutum Tel ab eo substitutum
actum gestum seu procuratum fuerit in premissis et quolibet premissorum
et Tolens dictus constituens dictum suum procuratorem ab omni onere,
satisdacione releyare et ab eo substituto michi notario publico infrascripto
legitime stipulanti vice et nomine omnium quorum interest aut Interesse
poterit quolibet in futurum iudicio sisti et iudicatum solvi sub omni bono-
rum suorum obligacione et ypoteca presencium quam futurorum. | p. 978.
Acta sunt hec anno, indiccione» mense, horis et loco quibus supra,
presentibus ibidem honorabilibus viro domino Lodowico canonico Olomu-
censi nee non famosis viris Yelicone de Olomncz, St. de Czbel et Michcone
de Nasediicz Olomucensis diocesis testibus circa premissa constitutis.
Et ego Gabriel natus quondam Michaelis de Grecz Pragensis dio-
cesis publicus imperiali auctoritate notarius predictis procuracione con-
stitocione omnibusque aliis et singulis dum sie fierent et agerentur una
cum prenominatis testibus presens interfui eaque omnia et singula sie
fieri Tidi et audivi arduisque aliis negociis prepeditus per alium fidelem
scribi procuravi, hie me manu propria subscribens in hanc publicam for-
mam redegi signoque et nomine meis solitis consignavi rogatus et requi-
Situs in fidem et testimonium omnium premissorum.
398
Nr. 23.
Johann Swietlik von Eaknsska schlägt die Appellation gegen den
Bischof Johann von Leitomischl nehen dem Eingange znr Olmütier
Domkirche an. 1417, Febr. 18.
(Cod. arch. terr. Mor. Cerr. 358.)
p.979. In nomine Domini Amen. Anno nativitatis eiusdem 1417 indiccione
decima, die vero XVIII mensis Februarii horis terciamm vel quasi apo-
stoliea sede carente pastore in Castro Olomucensi iuxta yalyam seu ostinm
ecclesie Olomucensis ex opposito cameraram prebendariomm einsdem
occlesie in nostromm notariorum publicomm infrascriptoimm et testiam
preseucia subscriptorum ad hoc vocatonim et specialiter rogatorum con-
ßtitutus personaliter famosus vir lohannes Swyetlik de Baknsska ar-
miger Olomucensis diocesis nee non protunc legitimus validi yiri Przibi-
conis de Odlochowicz Pragensis diocesis, de cuius procuratoris mandato
nobis per instrumentum publicum facta est plena fides, quandam appella-
cionem in pergameno scriptam in forma publici instrumenti de manu 6a-
brielis quondam Michaelis de Grecz Pragensis diocesis publici imperiali
auctoritate notarii confectis et consignatis quam tunc in suis manibus
tenebat, ad yalvas ecclesie supradicte per affixionem appendit, eandem
appellacionem intimando insinuando reverendo in Christo patri et domino
domino lohanni Dei gracia episcopo Luthomislensi aut illi vel illis qui
sua credunt vel crediderint quomodolibet interesse et ad ipsius vel ipsorum
noticiam reducendo cum tali protestacione quod eandem appellacionem
intimat, insinuat prefato domino lohanni episcopo aut suis procuratoribus
et quod paiatus esset ipsius copiam dare omni petenti, si quis esset qni
ipsius copiam habere Teilet. Que quidem appellacio seu instrumentum
publicum in ostio ipsius ecclesie stabat appensa infra missam defnnctorum
tunc maiori multitudine ecclesie personarum astancium circa divina. Qua
appellacione sie staute appensa et demum de valvis ecclesie deposita pre-
fatus lohannes Swyetlik de huiusmodi appellacione insinuacione intima-
cione publicacione et deposicione ac de omnibus aliis per eum ibidem pro-
curatis petunt sibi per nos publicos notarios unum vel plura publicum sea
publica confici instrumentum seu instrumenta. Acta sunt hec anno indic-
cione die mense et hora quibus supra, presentibus ibidem honorabilibus et
discretis vii'is, qui eandem appellacionem legebant, Mai'tino de Wrzessoyicz
plebano et perpetuo vicario ecclesie Olomucensis, Nicoiao de Bladjn nota-
rio eiusdem capituli eiusdem ecclesie, lacobo de Dobris notario publice et
aliis plnribus testibus fide dignis circa premissa constitntis.
399
Et ego Gabriel natas quondam Michaelis de Grecz Pi*agensis dio-
cesis etc. at snpi*a predictis appellacioni, affixioni, insinnacioni, notifica-
cioni, deposicioni nna cum coUega meo infrascripto et omnibus aliis et
singnlis sie gestis et prenominatls testibus presens interfui eaque omnia
et singola dum sie fierent et agerentur sie fieri vidi et audiyi et per meum
collegam scribi procuravi, hie me manu propria subscribenr in hanc pu-
blicsun formam redegi slgnoque et nomine meis solitis consignavi rogatus*
(et requisitus in fidem et testimonium omnium premissorum).
Et ego Gregorius quondam Laurencii de Rjmicz Olomucensis die- p. 980.
cesis publicns imperiali auetoritate notarius predictis appellacioni insi-
noacioni notificacioni intimacioni affixioni et deposicioni omnibusque aliis
et gingulis dum sie fierent et agerentur una cum collega meo suprascripto
presens interfui eaque omnia et singula sie fieri vidi et audiyi manuque
propria conscripsi et in hanc publicam formam redegi signoque et nomine
meis solitis consignavi rogatus et requisitus in fidem et testimonium om-
nium premissorum.
Von anderer Hand:
Ode mne Przybika z Odlochowicz tobie knieze lene biskupe z Lyto-
misle dawam wiediety, tak yakoz mnye w kostele Olomuczkem napomenul,
wiecz, zet sem sie odwolal k swatemu zboru do Costnycze a k buduczymu
papezy a to swe odwolanie ohlasyl sem take w kostele Olomuczkem a
chczyt se prawem branyty a toho odwolanie ted. posylam przepyss. Dan
w Lutowly w sobotu po swietym Valentine. (20. Febr.) D. h.: Von mir
Przybik von Odlochowicz gebe ich dir, dem Priester Johann, Bischof von
Leitomischl, zu wissen: So wie du mich in der Olmützer Kirche gemahnt
bast, wisse, dass ich appelliert habe zum Concil nach Constanz und zum
kflnfkigen Papst, und diese meine Appellation habe ich angekündigt auch
in der Olmfltzer Kirche, und ich will mit Becht vei-theidigen, und von
dieser Appellation schicke ich eine Abschrift. Gegeben zu Littau am
Samstag nach dem heil. Valentin.
* Der Rest am unteren Rande wegfgeschnitten. Ergänzt nach der unten
folgenden Formel.
400
Nr. 24.
Der Cardinal Alamannas, vom Concil bestellter Richter und Com-
missär im Streite zwischen dem Bischof Johann von Leitomiaclü
und dem Domherrn Alei nm das Bisthnm Olmntz, an den Sr*
bisohof Konrad, Alei und dessen Anhänger: spricht dem Domherrn
AleS die Administration des Olmfitzer Bisthnms in spiritoalibni
et temporalibns ab und yemrtheilt ihn znr Zahlung der erwach-
senen Kosten, deren Höhe erst noch su bestimmen ist Constans
14J7, Juni 16.
(Cod. arch. terr. Mor. Cerr. 358.)
(p. 871—877.)
p.87i. Alamannus miseraciono divina tituli sancti Eusebii sacrosancte
Romane ecclesie presbjter cardinalis, iudex et commissarius ad infra-
scripta a sacrosancta Constanciensi synodo specialiter deputatus reve-
rendo in Chiisto patri et domino dqmino Conrado arcbiepiscopo Pragensi
nee non venerabilibus viris dominis Alssoni, qui se geritpro electoOlo*
mucensi, Wenceslao Kadecz, Nicoiao Henzlini, Francisco de Gewiczka,
Stephano et lankoni de Sternberg, lacobo de Werona, Nicoiao übaidini)
Zdenkoni de Labun, Ludowico de Holessaw, Chwaloni de Smylkow,
Hanusskoni de Welwar et Vito de Lompnycz canonicis ecclesie Olomu-
censis eisque in hac parte adherentibus ex adverso principalibus ac Om-
nibus aliis et singulis, qnornm interest aut interesse poterit quomodolibet
in futurum, quibuscunque nominibus censeantur, salutem in Domino
sempiternaro.
Nuper ßev""" in Christo pater et dominus dominus lobannes mise-
racione divina episcopus Ostiensis sancte Bomane ecclesie cardinalis ei
yicecancellarius auctoritate dicte synodi sacrosancte ad hoc suffultus qoan-
dam commissionis sive supplicacionis cedulam nobis per certum sedis
apostolice cui-sorem presentari fecit, quam reverenter, ut decuit, recepimus,
huiusmodi sub tenore:
Beverendissime pater, licet alias sacrosancta Constanciensis synodos
in sessione publica cni*am, regimen et administracionem ecclesie Olomu-
censis in spiritualibns et temporalibus in i*egno Boemie et marchionata
Moravie tunc vacantis et legitime administratore carentis per obitum
bone memorie Wenceslai patriaiche Antioceni, qui dum adviveret,
eandem auctoritate apostolica habebat in commendam, re verende pa^i
401
domino lohanni episcopo Lnthomisslensi in favorem fidei concesserit et
commiserit, nichilominus tarnen hiis premissis non obstantibus atque
minime attentis et consideratis vos reyerendissime pater per partem ad-
▼ersam, nt creditur, circumventns et seductas causam et cansas quarnn-
dam pretenearom apposicionam pro parte cniusdam pretensi Alssonis
pretensi electi ac quornndam pretensorum canonicomm dicte ecclesie et
aliomm eidem Alssoni adherencium in partibus a quibusdam processibns
monitorüs per dictum dominum lohannem episcopum et administratorem
de et super administracione eiusdem ecclesie decretis emissis et fulmi-
natiSy ut dicitur, ad sanctam sedem apostolicam interposite et intei'posi-
tarom unacum negocio principali venerabili et circumspecto viro domino
Bertholdo Wildunghen sacri palacii apostolici causanim auditori, ut
pretenditur, commisit.
Qui quidem auditor in yim huiusmodi pretense commissionis cita-
donem per «dictum nee non inbibicionem extra Bomanam curiam et ad
partes decrevit et concessit. Cum autem, Bev"** pater, ista videantnr esse
facta, extorta et pei*petrata contra administracionem predictam et ipsius
synodi decretum et ordinacionem nee non favorem fidei et in dicte | eccle- p. 872.
sie ac ipsius administratoris predicti non modicum dampnum, preiudicium
et gravamen et scandalum plurimorum : supplicatur igitur B. P. V . pro
parte nacionis Germanice, qnatenus attentis premissis uni ex Bev""^'
patribus dominis sancte Bomane ecclesie cardinalibus committere digne-
mini, ut attento quod administracio huiusmodi in publica sessione decreta
foit et per consequens notoria existit, dictas pretensam commissionem,
dtacionem et inbibicionem cum omnibus et singulis inde secutis mox et
in continenti absque cuiuscunque partis ad hoc yocacione reyocet, cesset
et annullet ac reyocandas cassandas et annullandas nulliusque roboris
vel momenti existere et eis nnllam penitus fore fidem adhibendam decla-
ret, nee non mandet et precipiat capitulo, yasallis et subditis dicte eccler
Bie Olomucensis totique clero et populo ciyitatis et diocesis Olomucensis,
qnatenus sub penis et censuris ecclesiasticis et aliis penis formidabilibus
qoas, si contrarium fecerint, ipsi incnrrant ipso facto prefato domino
lohanni episcopo yelut administratori eiusdem ecclesie in omnibus et
per omnia iuxta formam et teuerem litemram sibi per eandem synodum
super dictam administracionem graciose concessarum pareant et obediant
realiter et cum effectu, statum cause huiusmodi nomina et cognomina
indicum, commissionum impetratarum, apposicionum interpositarum te-
nores habentes presentibus pro expressis nee non apposicionibus inter-
ponendis stilo palacii premissis et aliis contrariis non obstantibus quibus-
CQuqne.
402
In fine vero dicte commissionis sive sopplicacionis cedale scripta
erant de alterius manus litera superiori litere ipsins cedale penitoset
omnino dissimili et diversa hec verba, videlicet:
Audiat Bev"***' pater dominus cardinalis Pisanus, annollet, re-
Yocet, declaret et procedat eciam sub penis etc. ut petitur, si et pront de
iure, revocata tarnen prius inhibicione iam facto probato, quod ex ea
scandalum oriretur.
Post cuius quidem commissionis sive supplicacionis cedule presen-
tacionem et recepcionem in causa huiusmodi rite et legitime procedendnm
ad proTidi yiri magistri Michaelis de Broda Teutunicali in Bomana
curia et reyerendi patris domini lohannis episcopi Luthomisslensis
principalis in iam dicta nobis facta et presentata commissione principa-
liter nominati procuratoris instanciam provido Tiro magistro lohanni
Helling in eadem curia et prefatorum dominorum Alssonis ac alionim
snpradictorum ex adverso principalium eciam in dicta commissione ex
adyerso principaliter nominatorum procuratore coram nobis iudicialiter
comparenti, prout de ipsorum hinc inde procuratorum procuracione man-
datis nobis legitima extitit facta fides ad dicendum et opponendum, quic-
quid Terbo vel in scriptis dicere sive opponere Teilet contra pretactam
nobis presentacionem, commissionem cei*tum terminum peremptorium
competentem prefiximus et assignayimus.
p. 878. In quo quidem | termino productis tamen primitus per predictuin
magistrum Michaelem procuratorem, nomine quo supra procuratorio, coram
nobis nonnullis testibus fidedignis ad informandum animum nostrum de
et super veritate narratorum seu contentorum in iam dicta commissione
ipsisque per vos receptis et admissis et in forma iui'isiuratis et exami-
natis eorumque dictis et deposicionibus in publicam formam redactis, com-
paruit coram nobis iudicialiter magister lohannes Helling procurator
predictus, nomine quo supra procuratorio, et contra supradictam nobis
presentatam commissionem nonnullas excepciones ai*ticulatas £Etcta realiter
et in scriptis exhibuit atque dedit.
Demum prefatus roTerendissimus pater dominus lohannes epi-
scopus Ostiensis et vicecancellaiius quandam aliam dependentem commis-
sionis sive supplicacionis cedulam nobis Alamanno iudici et commissario
supradicto per certum sedis predicte cursorem presentari fecit quam ite-
iTim reverenter ut decuit recepimus in hec yerba : Alias exposito V" B"* P* *
ut sequitur: B""* pater, licet alias sacrosancta* — quibuscunque. Dicta
signacio fiiit sie signata: Audiat B. P. dominus cardinalis Pisanus, anullet,
* wie oben.
403
refocet, declaret et procedat eciam sub penis etc. ut petitur, si et prout
de iore, revocata tarnen prius inbibicioae, iam facto probato quod ex oa
scandalom oriretur.
Oum autem R. P. dicta administracio per decretum sacri concilii
commissa fnerit et cause concernentes catbedrales ecclesias'sint de maio-
ribus et infeiioribus sedis apostolice, ut concilium* non habeat potestatem
eas committendi presertim postquam sedes^ apostolica yel sacrum conci-
limn manum apposuit, ne protextu commissionis et inbibicionis huius
dicius dominus episcopus in administi*acione sibi per sacimm concilium
in favorem fidei commissa impediatur et turbetur, dignetur B. P. Y. eidem
domino cardinali committere, ut dictas commissionom domini Bertholdi et
inhibicionem per eum decretam et omnia inde secuta casset, irritet et annul-
let et mandet capitulo et vasallis et subditis dicte ecclesie sub penis etc.
ut supra continetur etc.
Et nichilominus causas ipsas sibi ut dicitur per V. Rev"**" | P**"p.876.
commissas ad sacrum concilium et sedem apostolicam remittat et se eis
eioneret et se de eis ulterius non impediat; statum cause huiusmodi teno-
ris commissionis babentis pro sufficienter expressis stilo palacii et aliis
in contrarium facientibus non obstantibus quibuscuilque.
In fine vero dicte dependentis commissionis sive supplicacionis
cedule scripta erant de alterius manus litera superiori litere ipsius cedule
pcnitos et omnino dissimili et diYei*sa bec Ycrba, videlicet: Andiat idem
Rev""* pater dominus caidinalis et procedat secundum primam signa-
eionem, ut supra, sublatis istis verbis, probato quod ex ea scandalum
oriretur.
Post cuius quidem ultimo dependentis commissionis sive supplica-
cionis cedule presentacionem, nos Alamannus iudex et commissarius su-
pradictus ad providi viri magistri Gerardi de Werdena in dicta curia
et pre&ti magistri Micbaelis de Broda Tbeutunicali procuratoris
substituti, de cuius substitucionis mandato nobis constabat, prout constat
l^tlmis documentis, instanciam prefatum magistrum lobannem Helling
procuratorem ex adverso quo supra nomine procnratono per certum sedis
apostolice predicte cursorem ad dicendum et opponendum quidquid verbis
n\ in scriptis dicere seu opponere vellet contra ultimam nobis ut pre-
fertur presentatam commissionom dependentem citari mandavimus et
fecimus ad cei*tum peremptorium terminum competentem.
Quo adveniente termino comparuit coram nobis prefatus magister
lohannes Helling, procurator nomine quo supra procuratorio, et buius-
* Cod.: yel concilio. ^ Cod.: sedis apostolicam.
404
modi dicto termino pro parte Bua Batisfacieudum contra supradictam de-
pendontom commissionem uounuUas oxccpciones factis facta et in scriptis
oxhibuit ot produxit. Contra quas quidem excepcionem per profatum ma-
gistrom Gerard um deWerdena procaratorcm substitutum ex adverso
vci'bo solum et generaliter in alio termino ad hoc sibi per nos assignato
oxtitit replicatum. Subsequenter yero productis coram nobis per partes
hinc inde seu eorum procuratores nonnullis litteris, ficripturis, instru-
mentis, iuribus et munimontis ac testibus fide dignis eisque per nos debite
roceptis et admissis ac in forma ioiisinratis et examinatis eorumque
dictis et depoBicionibus de nostro mandato in formam pnblicam fideliter
rcdactis.
Tandem qoadam peticionis cedula per dictum magistrum Gerar-
dumdeWerdena procuratorom quo supra nomine coram nobis oblata
in hunc modom: Petit procurator et procnratorio nomine Rey'*' patris do-
mini lohannis episcopi Luthomisslensis administratoris ecclosie
Olomncensis per vos Rev"^""* in Christo patrem et dominum dominum
Alamannum tituli sancii Eusebii sancte Romane e<xle8ie cardinalem
p. 876. vestramque sentenciam pronunciari decerni et declarari pretensam | inhi-
bicionem per venerabilem et circumspectum yirum dominum Bortholdnm
Wildunghen sacri palacii apostolici causarum auditoris in causa, que tunc
coram eo yerti pendebatur inter dictum dominum lohannem et administra-
torem ex una et quendam Alssonem pro canonico Wissegradensi se gereu-
tem in huiusmodi causa adyersarium de et super ecclesiam Olomucensem
et ipsius in spiritualibus et temporalibus administracionem et aliis in
huiusmodi causa deductis et eorum occasione paiie ex altera decretum
per yos reyocari iuxta teuerem commissionis yobis desuper facte ipsumque
Alssonem in expensis propterea coram yobis legitime factis condempnan-
dum fore et per yos condempnari et alias in et super premissis sibi fieri
iusticie complementum salvo iure addendi minuendi mutandi corrigendi etc.
Qua sie oblata peticione nos Alamannus cardinalis iudex et commissarius
supradictus ad sepedicti magistri Gerardi de Werdena procoratoris sub-
stituti nomine procuratorio quo supra conun nobis iudicialiter comparentis
instandam prefato magistro Johanne Helling ex adyerso procuratore ibi-
dem presente et andiente yisis primitus per yos et diligenter inspectis
Omnibus et singulis actis acticatis literis scripturis instrumentis ioribus
et munimentis testiumque deposicionibus in hac causa habitia exhibitis et
productis eisque cum diligencia debita ac matura deliberacione debite re-
censitis de iurisperitomm consiUo ad hanc nostram in hac causa pro-
ferendam et promulgandam sentenciam duximus procedendum et processi-
mus eamque per oa que vidimus et cognoyimus et de presenti cognoscimus
405
et viderons in scriptis tullmus et promulgavimus ac presentibus promul-
gamus et ferimus in hunc modum de iurisperitorum consilio per hanc
nostram sentenciam, quam fenmus in hiis scriptis, inhibicionem per vene-
rabilem yinun dominum Bertholdnm de Wildunghen sacri palacii apostolici
causarum audltoris in bac causa, que tunc coi*am eo veiiiebatur et nunc
vertitur coram nobis, inter dictum dominum lohannem episcopum et admi-
ni&ti*atorem ex una et quendam Alssonem pro canonico Wissegi-adensi se
gereutem de et super ecclesia Olomucensi et ipsius in spiritualibus et tem-
poralibus administi'acionem et aliis in ipsa causa deductis et eorum occa-
sione partis ex altera decretam revocamus iuxta teuerem commissionis
nobis desuper facte ipsumque Alssonem in expensis propterea
coram nobis legitime factis condempnandum, quarum taxacionem
nobis in posterum reservamus. | Que omnia et singula vobis domino Con- p. 877.
rado arcbiepiscopo ac Alssoni omnibusque aliis et singulis supmdictis ex
adverso principalibus intimamus insinuamus et notificamus et ad vestram
et cuiuslibet vestrum noticiam deducimus et deduci volumus per pro-
sentes. In quorum omnium et singuloimm fidem et testimonium premisso-
rum presentes nostras literas seu presens publicum instrumentum exinde
fieri et per Theodricum notarium publicum nostrumque et buiusmodi
cause coram vobis scribarium ac secretarium infi'ascriptum scribi et publi-
cari mandayimus nostrique sigilli appensione muniii. Lecta lata et in
scriptis promulgata fuit hec presens nostra sentencia per nos Alamannum
cardinalem iudicem et commissarium supradictum Constancie in domi-
bus nostre solite residencie nobis inibi bora vesperarum consueta ad iura
reddendum pro tribunali sedentibus, sub anno nativitate Domini 1417
iadiccione decima, die vero Mercuiii sexta decima mensis lunii apostolica
sede vacante presentibus ibidem venerabllibus viris dominis et magistris
lohanne de Laudis, licenciato in decretis, archidiacono Wlteranensi, 6e-
rardo Stuerman canonico Coloniensi et Gerardo Lupi litterai*um apostoli-
carum scriptore testibus ad premissa Tocatis specialitor et rogatis.
Et ego Theodricus de 6oy clericus Traiectensis diocesis publicus
imperiali auctoritate notarius approbatus Bev™^ in Gbristo patris et do-
mini dominl cardinalis iudicis et commissaiii prefati in causis buiusmodi
coram eo scriba, quia prefatis scntencie peticioni eiusque ut premittitur
in scriptis promulgacione ac aliis premissis, dum sicut premittitur per
prelibatum dominum cardinalem iudicem et commissarium ac coram eo
agerentur et fierent unacum prenominatis testibus presens interfui eaque
sie fieri yidi et audivi, ideo hoc presens publicum instrumentum per alium
fidelem fldeliter scriptum de mandato et iussione ipsius dominl cardinalis
iudicis et commissarii prius in notam recepto exinde confeci subscripsi
406
pnblican et in hanc yublicam formam redegi signoque ei nomine meis
solitis ei consneiis una com appensione sigilli domini cardinaiis iudiciB
ei commiasarii sepedicü signayi rogatos ei requisitus in fidem ei iesiimo-
ninm omnium et singolonun premissonim. Constat michi notario de nso-
riB factiB in Ticesima secnnda linea deorsnm computando, in dicdonibns snb
penis etc., nt petitar, quam approbo.
Nr. 25.
•
Der Cardinal Alamannns, Yom Coneil bestellter Richter and Com-
mittar, erklart die Conflrmation des erwählten Bischofs Ton Olmits,
Alei, durch den Srxbischof Konrad yon Prag ffir nichtig. Con-
stani, 1417, JnU 16.
CassaciO) irriiacio, revocacio et annullacio confirmacionis et omnium
inde secutorum.
(Cod. arch. terr. Mor. Cerr. Sö8, fol. 883—887.)
p.888. In nomine Domini Amen. Pridem Rev""' in Chnsto pater et do-
minus dominus lohannes miseracione divina episcopus Ostiensis sancie
Romane ecclesie cardinaiis et vicecancellaiins quandam commissionem sive
supplicacionis cedulam yenerabili et circumspecto viro domino Bertholdo
de Wildungen sacri palacii apostolici causarum auditori per ceriom
sedis apostolice cursorem presentari fecit, quam idem dominus Berthol-
dus auditor reyerenter, ut decuit, recepit huiusmodi sub tenore:
Dignetur R. P. Y. causam et causas appellacionis et appellacionum
pro parte Bev'^^ patris domini Alssonis electi, confirmati et Wenceelai
Radecz, Nicolai Henslini, Francisci de Gewiczka, Stephani et lankonis de
Sternberg, lacobi de Werona, Nicolai Ubaldini, Sdenkonis de Labun, Lu-
dovici de Holessow, Ghwalkonis de Smylkow, Hanusskonis de Welwar et
Viti de Lompnicz, canonicorum ecclesie Olomucensis et aliorum videlicet
cleri et populi sibi et eis adherencium in partibus ad sedem apostolicam
interposite et intei'positai'um a quibusdam pretensis processibus monito-
riis per Rev. patrem dominum lohannem episcopum Luthomisslensem
de et super pretensa administracione eiusdem ecclesie Olomucensis ut
dicitnr fulminatis nullitatisque et iniusticie eomndem una cum n^^io
principali buiusmodi ac dampnorum, spoliorum, iniuiiarum et interesse
ac aliis in huiusmodi causa deducendis et eorum occasione committere
alicui ex yenerabüibus et circumspectis viris dominis sacri palacii aposto-
lici causarum auditoribus audiendas, cognoscendas, decidendas et fine
407
debito terminaadas cnin potestate citandi dictum dominum lohannem
omnesque alios et singulos sua communiter vel divisim Interesse putantes
eciam per edictom publicum in Bomana curia exti-a et in partibus in locis
eircumyiciniSf cum ad eum non pateat tutas accessus, affigendum ' ipsum-
que Be?. patrem dominum Alssonem et singulos canonicos ac adheren-
tes et adherere yolentes prefatos a quibuscunque excommunicacionis et
sospensionis penis sentenciis et censuris, si quibus forsan premissorum
occasione dicerentur innodati, simpliciter vel ad cautelam absolvendi ac
pretensum interdictum relaxandi tociens quociens opus erit, non obstante
qnod causa et cause huiusmodi forsan non sint in dicta curia tractande
aot faciende seu ad eam legitime devolute. In fine vero dicte commissionis
8i?e supplicacionis cedule scripta erant de alterius manus litera superiori
litere ipsius cedule penitus et omnino dissimili et diversa hec verba
Tidelicet:
Audiat magister Berthold us, citet ut petitur eciam per edictum,
relaxet etc. et absolvet eciam ad cautelam, si et prout de iure et insti-
cia &ciat.
Cuius quidem commissionis vigore per eundem dominum Bertholdum •
anditorem in causa et causis huiusmodi ad nonnullos actus inter partes in
eadem sibi facta commissione contentas processo, tandem idem Bev"""'
pater dominus lohannes episcopus Ostiensis et vicecancellarius quan-
dam allam commissionem si?e supplicacionis cedulam nobis Alamanno
eadem miseracione titoli sancti Eusebii sancte Bomane ecclesie presbytero
cardinali Pisano vulgariter nuncupato per certum sedis predicte cursorem
presentari fecit, quam nos reverenter ut decuit recepimus in hec verba: |
Bev"" pater. Nuper B. P. V. causam et causas appellacionis et f. 884.
appellacionum in paiübus ad sanctam sedem apostolicam et presens sa-
emm generale concilium a nonnullis gravaminibus reverendo patri do-
mino Alberto alias Alssoni electo et confirmato ecclesie Olomucensis
per reverendum patrem dominum lohannem episcopum Luthomisslensem
oecasione ipsius ecclesie illatis interposite et intei'positarum ac negocii
liiÜQgmodi principalis commisit venerabili et circumspecto viro domino
Bertboldo Wildungen sacri palacii apostolici causaiiim auditori audiendas,
cognoscendas, decidendas et fine debito terminandas. Cuius quidem com-
lussionis tenor de verbo ad verbum sequitur et est talis: Dignetur B. P. Y.
causam et causas ^ Verum Bev"* pater, quia
propter varios clamores dicte partis adverse dictus dominus Bertholdus
* Darüber aber undeutlich : affigendi.
* Text wie oben bis de iure et instieia faciat.
ArekiT. Bd. LIXXH. II. H&lfto. 27
408
forsan huinsmodi cansam andire non est bene inclinatus aut saltem aliqoi
ex nacione Germanica, ut eam audiat minus bene sunt content! , dignetnr
B. P. y. causam et causas huiusmodi ab eodem domino Bertboldo auditore
adyocare et eam seu eas uni aut duobus ex Rey""'* in Christo patribns
dominis sacrosancte Bomane ecclesie cardinalibus in eo statu quo conun
prefato domino Bertboldo de presenti existunt, quem dignemini habere
pro sufficienter expresso committere resumendas, ulterius audiendai,
f. 885. cognoscendas, | decidendas et fine debito terminandas et quod coratn uno
ex dictis Bev"** patribus dominis cardinalibus, quibus forsan causa et
cause huiusmodi committentur, ternum consweti seryari iuxta stilum Bo-
mane curie possint et yaleant cum Omnibus et singulis suis emergendis,
incidendis, dependendis et connexis. In fine yero dicte ultimo commissio-
nis si?e supplicacionis cedule scripta erat de alterius manus litera supe-
riori litere ipsius cedule penitus et omnino dissimili et diyersa hec yerba
yidelicet:
Audiat Bey"***' pater dominus cardinalis Pisanus et procedat in
Omnibus ut petitur, si et prout de iure, reyocata tamen prius inhibicione,
* probate quod ex ea scandalum oiiretur, huiusmodi itaque commissionis
yigore, causa et causis huiusmodi per nos Alamannum cardinalem iudicem
et commissarium supradictum debite resumptis ac inter partes in eadem
contentas rite et legitime ulterius processo compainiit demum coram nobis
iudicialiter magister GerardusdeWerdenain Bomana curia et domini
lohannis episcopi Luthomisslensis principalis in dictis commissio-
nibus principaliter nominati procurator, de cuius procuracionis mandato
nobis legitima extitit facta fides et nonnullas posiciones et articulos pro
paHe sua in hac causa facta et in scriptis exhibuit et produxit: Nos tune
Alamannus cardinalis iudex et commissarius supradictus ad eiusdem ma-
gistri Gerardi de Werdena procuratoris quo supra nomine instanciam'
proyido yiro magistro lohanni Helling in eadem curia et dominonim
Alssonis qui se gerit pro electo et confirmato ecclesie Olomucensis ac
aliorum eidem adherencium in supradictis commissionibus ex adyerso
eciam principaliter nominatorum procuitttori, de cuius eciam procuracionis
mandato nobis constabat legitimis documentis ibidem presenti et conun
nobis iudicialiter comparenti terminum peremptorium ad dicendnm et
opponendum quidquid yerbo yel in scriptis dicere siye opponere yellet
contra posiciones et articulos huiusmodi necnon eisdem respondendnm
in quautum posiciones existerent et esse censerentur prefiximus et assi-
gnayimus. In quo quidem teimino comparuit coram nobis supradictus
* Cod.: instan.
409
magister Gerardus de Werdena procurator nomine procuratorio quo
sopra et partis sibi in hac causa adverse non comparentis neque termino
bniusmodi satisfacere curantis contumaciam' accusayit ipsamque per nos
contnmacem reputari instanter postulavit, nos tunc dictam partem ad-
Tersam repntayimus quoad actum et teiminum huinsmodi exigente iusticia
contnmacem in eiusque contumacium* receptis per nos ad eiusdem ma-
gistri Gerardi de Werdena procuratoris quo supra nomine instanciam
nonnullm testibus fidedignis admissis^ eisdem ac iuratis in forma nee non
fideliter examinaüs eorumque dictis et deposicionibus de nostro mandato
in formam publicam fideliter redactis. Subsequenter vero quadam peti-
cionis cedula per dictum magistrum Gerardum de Werdena procuratorem,
qni supra nomine pro parte sua in bac causa oblata et exbibita in hunc
modum:
Petit procurator et procuratorio nomine reverendi patris domini
lohannis episcopi Lutbomisslensis et administratoris ecclesie Olomucensis
per Y08 Key™*™ patrem dominum Alamannum tituli sancti Eusebii
sancte Bomane ecclesie cardinalem vestramque sentenciam pronunciari,
decerni et declaraii confirmacionem predictam ac omnia inde secuta fdisse
et esse post delacionem appellacionis attemptata et innovata nee non ut
talia cassanda, irritauda, revocanda et annullanda | fore ac per vos cas- f. 886.
sariy irritariy i-evocari et annullari ipsumque Alssonem in expensis prop-
terea in bniusmodi causa coram yobis legitime factis condempnandum fore
et per tos condempnari.
Qua oblata nos Alamannus cardinalis iudex et commissarius supra-
dictus ad predicti magistri Gerardi de Werdena procuratons quo supra
nomine instanciam supradictum magistrum lohannem Helling procu-
ratorem ex adverso ad videndum et audiendum per nos in hac causa pro-
nunciari ac nostram sentenciam ferri et promulgari per nostrum portirium
iuratum citari mandayimus et fecimus ad cei*tum peremptorium teiminum
congmentem» videlicet ad diem et horam inferius annotatas. Quem eciam
terminum eidem magistro Gerardo de Werdena procuratori instanti
prefiximus tunc ad idem. Adveniente igitur huinsmodi termino comparuit
indicialiter coram nobis magister Gerardus de Werdena procurator nomine
procuratorio quo 8upi*a et in contumaciam * supradicte partis adverse sen-
tenciam per nos in bac causa iuxta et secundum formam peticionis per
ipsnm Oblate ut prefertur feni et promulgan debita cum instancia postu-
laYft. Nos tunc Alamannus cardinalis iudex et commissarius^ supi-adictus
* Cod.: contuam. ^ Cod.: ad admissis. <^ Cod.: conessarius.
27*
410
dictam pai*tem adversam non comparentem neqne hniüsmodi termino
satisfacientem imputavirnus id dictante iusticia contumacem et in eins
contumaciam visis primitus et per nos diligenter inspectis omnibns et
singulis actis actitatis literis scripturis instramentis inribus et muni-
mentis ac testium deposicionibus supradictis in hac causa habitis, ex-
hibitis et productis eisque cum diligencia debita ac deliberacione matura
recensitis de iurisperitorum consilio ad nostram in hac causa proferendam
sentenciam duximus procedendum et processimus eamque per ea qne tI*
dimus et cognovimns ac de presenti cognoscimus et yidemus in scriptis
tnlimus et promulgavimus ac presentibus promulgamus et ferimus in
hunc modum: De iurisperitorum' consilio per haue nostram sentendam
quam ferimas in hüs scriptis pronunciamus, decernimus et declaramos
confirmacionem predictam, ac omnia inde secuta fuisse et esse post dela-
cionem appellacionis attemptata et innovata nee non ut talia cassanda,
irritanda et revocanda et annullanda fore ac cassamus, irritamus reTO-
camus et annullamus ipsumque Alssonem in expensis propterea in hniüs-
modi causa coram nobis legitime factis condempnandum fore et condemp*
namus. Quarom expensarnm taxacionem nobis in posterum reservamas.
In quoram omniam et singulorum premissomm fidem et testimonium
presentes nostras literas sive presens publicum instrumentum exinde fieri
et per Theodericum notarium publicum nostrumque et hniüsmodi cause
scribam ac secretarium infrascriptum subscribi et publicari mandayimus
nostrique sigilli appensione muniri. Lecta, lata et in scriptis promulgata
fuit hec presens sentencia per nos Alamannum cardlnalem iudicem et
commissarium Constancie nobis inibi hons yesperarum causai'um consueta
ad iura roddendum pro tribunali sedentibus sub anno a natiyitate Domini
f 887. 1^1 "^ indiccione decima die vero Veneris XVI* | mensis lulii apostolica
sede vacante. Presentibus ibidem reverendo patre domino Nicoiao sedis
apostolice prothonotario Pratensi vulgariter nuncupato vonerabili Tiro
domino lohanne de Laudis licenciato in decretis, archidiacono Wltera-
nensi et magistro GerardoLupi literamm apostolicarum scriptore testi*
bus ad premissa yocatis specialiter et rogatis.
Et ego Theodericus de Goy clericus Traiectensis diocesis
publicus imperiali auctoritate notarius approbatus reverendissimi in Christo
patris et domini domini Alamanni cardinalis iudicis et commisearii pre*
fati in causa et causis huiusmodi coi-am eo scriba, quia prefate sentencia
in scriptis promulgacionum omnibnsque aliis premissis dum sie ut pre*
mittitur per prelibatum dominum cardinalem iudicem et commissarium ac
Cod.: iusperitonim.
411
coram eo agerentor et fierent una cum preoominatis testibas prescns
interfui eaque omnia et singula sie fieri Tidi et audivi, ideo hoc presens
pablicum instromentum per alium Meiern me aliis occnpato negociis fide-
liter scriptum de mandato ipsius domini cardinalis iadicis et commissarii
prins in notam recepto exinde confeci subscripsi publicavi et in hanc pn-
blicam formam redegi signoque et nomine meis solitis et consnetis una
com appensione sigilli sepedicti domini cardinalis iudicis et commissarii
sigaaTi rogatus et requisitus in fidem et testimonium omnium et singo-
lomm premissoinim.
Nr. 26.
Cardinftl Branda, Yom Papste Martin V. bestellter Commissär in
der Streitfrage um das Olmützer Bisthnm, richtet eine Gitation
an den Eindringling Alei. Constanz, 1418, Mai.
(Cod. arch. terr. Mor. Cerr. 358, p. 879—882.)
Univei'sis et singulis Christifidelibus et preseiüm Boemie naciouis p. 879.
Branda miseracione divina tituli sancti Glementis sacrosancte Komane
ecclesie presbyter cardinalis Placentinensis vulgariter nuncupatus,
iudex et commissarius causarum et cause ac partibus infrascriptis a do-
miao nostro papa specialiter deputatus salutem in Domino et mandatis
oostris hniusmodi ymmo verius apostolicis fii-miter obediro. Noveritis
qnod nuper sanctissimus in Christo pater et dominus noster, dominus
Martin US divina provideucia papa quintus qnandam commissionis sive
BQpplicacionis cedulam nobis per certum suum cursorem prescntari fecit,
quam reverenter, prout decait, recepimus huiusmodi sub tenore :
Beatissime pater. Yacante alias ecclesia Olomucensi per obitum
bonememorie domini Wenceslai quondam patriarche Anthioceni et dicte
eeclesie dum vixit commenda(ta)rii venerabiles Tiri domini canonici ipsius
ecdesie devotam creaturam s. c. Alssonem presbyterum de militari ge-
nere procreatum, tunc ecclesie* sancti Petri Wissegradonsis Pra-
tensis canonicum in suum elegerunt episcopum et pastorem, licet nonnulli
61 eiusdem ecclesie canonicis ante terminum eleccionis indicte aliis cano-
nicis absentibus et in civitate et provincia P ragen si constitutis minime
Tocatis seu saltem debite expectatis reverendum patrem dominum lohan-
nem episcopnm Luthomisslensem ad eandem ecclesiam, ut dicitur,
postolarnnt. Et licet precedente proclamacione seu crida solitis et con-
suetis eleccio dicti domini Alssonis per dominum Conradum archiepi-
• Cod.: ecclesia.
412
scopum Pragensem, in cuias metropoli dicta ecclesia Olomncensis dta
eititit vacante sode apostolica confirmata fuisset, ipseque dominas Alsso
dicte ecclesie Olomucensis possessionem assecutns extitisset ac teneat
de presenti, prefatur tarnen dominus episcopus Luthomisslensis
dicta tali quali sue pretense postnlacioni innitens mlssis per eom certis
Buis nuociis ad sacinim generale Constanciense concilinm tacitoque de
eleccione et confirmacione domini Alssonis predicti falsoqne per eos con-
ficto, qnod dictus dominas Alsso dampnate Wiklefistarum secte adhe-
reret, intei-venientibus, nt creditur, nonnuUoinim dicti domini Alssonis
emuloram suggestionibus, dictam ecciesiam Olomucensem ad certum
tempus iam dudum effluxum per dictam saciiim concilinm sibi obtinoit
commondari et vigore commende administi*acionem huiasmodi contra pre-
fatum dominam Alssonem canonicos ecclesie Olomncensis et ipsis ad-
herentes at dicitar certos pretensos processas pönales fulminavit, a quibos
pro parte dicti domini Alssonis ad prefatum saciiim concilinm appellato
et caasa appellacionis hniasmodi et negocii principalis primo Yenerabili
viro dominoBertholdo de Wildungen sacri palacii apostolici caasarum
auditori et deinde reverendissimo patri domino A. cardinali Pisano dici-
tar fuisse commissa; quique dominus A. cardinalis Pisanus forte caoM
meiitis minus rite examinatis per suam pretensam sentenciam confirma-
cionem eleccionis dicti domini Alssonis exponentis per dictum dominom
ai-chiepiscopum Pragensem factam in omnibus inde secntis, ut didtur,
annullavit et cassavit cum condempnacione expensarum; a quo appellato
et causa appellacionis commissa reverendissimo patri domino F. cardinali
Veneciarum, ipseque dominus F. cardinalis in causa ipsa rite etma-
ture procedens prefati domini cai^dinalis Pisani sentenciam pretensam per
suam sentenciam annullavit ipsumque dominum lohannem episcopom
Luthomisslensem in exposicionibus coram se et dicto domino cardinali
Pisano factis condempnavit; a qua appellato et causa appellacionis hoius-
modi commissa reverendissimo patri domino cardinali Placentinensi,
coram quo ad nonnullos actus dicitur processum, cuius cause statom
S. y. dignetur habere pro expressis. Et licet beatissime pater S. Y. dicto
p.880. domino cardinali Veneciarum eciam inter cetera commisei*at, ut se | de
eleccione et confirmacione ac habilitate et idoneitate persone dicti domini
A. exponentis infoimaret et S. V. referret firmiterque testes super pre-
missis per eum recepti et examinati, interim tamen lite sie pendente in-
decisa dictus cardinalis Pisanus, qui iam dictum A. gravavit, eum plus gra-
vando testes pro pai*te dicti domini lohannis episcopi, ut dicitar, recepit,
pro parte dicti A. ad hoc minime vocata, ad cuius relacionem eciam dicta
lite pendente S. V. ut dicitur factam V. S. dicto domino lohanni episcopo
413
Luthomisslonsi de dicta ecclesia Olomucensi lite huiusmodi adhuc
coram dicio domino cardinali pendente indocisa dicitur providisse. Suppli-
caior igitor humiliter S. V. pro parte prefati domiDi Alssonis electi,
quatenus causam et causas buiusmodi quam seu qoas moYot seu movere
iütendit prefato domino lohanni episcopo tarn super ecclesia Olomucensi
quam eciam pretense postulacionis ac nullitatis et ininsticie ipsius ac
processuum inde secutorum quam nullitatis processus per dominum car-
dinalem Pisanum in recepcionem pretensorum testium partis advei-se ha-
biti committere alicui ex reverendissimis patiibus sancte Bomane ecclesie
cardinalibus audiendis, decidendis et fine debito terminandis cum omnibus
et singulis emergendis, incidendis, dependendis et connexis cum potestate
citandi ipsum dominum lobannem episcopum prefatum eiusque alios et
singulos Bua communiter vel divisim interesse putando* per edictum pu-
blicum in Bomana curia et in pai-tibus in civitate Olomucensi, cum ad
eum non patet tutu9 accessus, tociens quociens opus fuerit affigendum,
nee non inhibendum dicto domino episcopo, ne lite buiusmodi pendente
indecisa aliquid innoyet yel attemptet eciam sub penis ecclesiasticis, de
quibus sibi videbitur, non obstante, quod causa seu cause huiusmodi for-
san de sui natura non sint in dicta curia tractande seu finiende aut ad
eam legitime devolute stilo palacii constitucionibus apostolicis et aliis in
contrarium editis non obstantibus quibuscunque. In fine vero dicte com-
missionis sive supplicacionis cedule scripta erant de alterius manus litei*a
superiori litere ipsius cedule penitvs et omnino dissimili et diversa bec
ferba Tidelicet: De mandato domini nostri pape:
Attdiat reyerendissimus pater dominus cardinalis Placentinus, mo-
neat dictum Alssonem intrusum et eins adherentes sub penis et censu-
ris etc. quod desistant ab occupacione etc. cum citacione optima in casu etc.
eciam per edictum. Posterius quidem commissione siye supplicacione ce-
dule presentacione et recepcione productis eciam nobis per honorabilem
fimm magistimm Gerardum de Verdena in Romana curia et dicti
reverendi patris domini lobannis episcopi Luthomisslensis princi-
palis indicta nobis facta et presentata commissione principaliter nominati
procuratorem, de cuius procuratorio mandato nobis legitima extitit facta
fides nonnullis testibus fide dignis ad infojmandum animum nostrum de
non kto accessu ad ipsum Alssonem et alios adherentes ipsisque testi-
bus per nos rite receptis, admissis, iuratis et fideliter examinatis. Sub-
sequenter fuimus per eundem magistrum Gerardum de Werdena pro-
«iratorem quo supra nomine coram nobis constitutum debita cum iustan-
' Cod.: pataff.
414
cia requlsiti, quatenus sibi literas monitorias ot in eventum citatorias
contra et adyei*8us Alssonem principalem in eadem nobis facta et pre-
sentata commissione principaliter nominatnm eiusqne occasione predicte
ecclesie Olomncensi adherentes per edictum publicum in Bomana curia et
in partlbus in locis circumyicinis exequendum, iuxta yim formam et
effectum signature commissionem supi-adicte decernere et concedere digna-
remur. Nos igitur Branda cardinalis iudex et commissarins prefatus
attendentes huiusmodi requisicionem fore iustam et consonam racioni
volentesque in causa et cansis ac negocio huiusmodi rite et legitime pro-
p.88l. cedere ac partibus ipsis dante | Domino insticiam ministrare, ut tenemnr,
et quia ex informacione testium predictorum reporimus ad ipsum Alsso-
nem et eius adherentes tutum non patere accessnm, idciico auctoritate
apostolica nobis in hac paii;e commissa, per hoc presens publicum edictam
in audiencia publica literarum contradictarum dicti domini nostri pape
legendum ac Talvis seu portis sancti Stephani Constanciensis pro
loco audiencie causarum apostolice specialiter depntate ac cathedralis Con-
stanciensis necnon in partibus et locis circumyicinis Olomucensis et
Luthomisslensis cathedralium ecclesiarum affigondum, prefatos Als-
sonem inti-usum eiusque adherentes tenore presencium requirimas et
monemus pnmOy secundo, terclo et peremptorio ' eisque nichilominus et
eorum cuilibet in yirtute sancte obediencie et snb excommunicacionis
aggrayacione, reaggrayacione ac ecclesiastici interdicti in loca ponendi ad
que tales declinari contigerit^ ac priyacionem et inhabilitacionem benefi-
ciornm dignitatum et bonoioim feudal i um ecclesiasticorum quoiimicunque
obtentorum et obtinendorum peius quos ipsos et eoinim qnemlibet contra
facientem incurrere volumus ipso facto, nisi fecerint que mandamus di-
stricte precipiendo mandantes quatenus infra duodecim dierum spaciam
post lecturam in audiencia publica et affixionem et apposicionem in yalyis
seu portis antedictis, nee non publicacionem et execucionem presendam
modo et forma premissis factis immediate sequentibus °, quorum duodecim
dierum quatuor pro primo, quatuor pro secundo et reliquos quatuor dies
eis et eorum cuilibet pro tercio et peremptorio termino ac monicione ca-^
nonica assignamus. Ipse Alsso et alii sibi adherentes seu alias bonorum
dicte ecclesie Olomucensis occnpatores ab occupacione et detencione eccle-
sie Olomucensis possessioneque eiusdem ecclesie nee non ciyitatnm, ter-
rarum, castrorum, yillarum et aliorum quorumcunque bonorum ad eandem
ecclesiam spectancium et peii;inencium desistant, illisque prefato domino
lohanni episcopo seu eius legitime procuratori legitime cedant et illam
• Cod.: peremptoris. ^ Cod.: coutingorit. ** Cod.: sequent
415
seu ilia dimittant realiter et cum effectu et amplius se de eisdcm non
miromittant noc de cetero eundem dominum lohannem episcopum super
Ulis impediant, molestent vel perturbent seu per alios impediri procurent
nee non infitt triginta dies dictos duodecim dies immediate sequentes se
Dostris hoiusmodi monicionibus paruisse nos vel alium loco uostii forsan
Burrogandom iudicem et commissarium certificent, alioquin dictis teiminis
elapsis per simile edictum modo et forma premissis exequendum pre&tum
Alssonem et sibi adherentes citamus, quatenus yicesima die post publi-
cacionem presencium modo et forma premissis factam et terminos ante-
dictos immediate sequentes, si dies ipsa vicesima inridica fuerit, et nos
Yel alius loco nostri forsan surrogandns iudex et commissaiins ad iura
reddendnm pro tribnnali sederimus Tel sederit, alioquin proxima die iuri-
dica extunc immediate sequente qua nos vel surrogandum iudicem et com-
missarium predictum Constancie vel alibi, ubi tnnc foi'san dictns dominus
noster papa cum sua curia residebit, hora vesperainim vel quasi consueta
ad iui-a reddendum pro ti'ibunali sedere contigeret, compareant in iudicio
coram nobis vel surrogando predicto per se vel procuratorem seu procu-
ratores suos ydoneos ad causam seu.causas buiusmodi sufficienter in-
stnictos se sentencias et penas ac censuras predictas incidisse declai'ari
visori ac causam racionabilem, quaie id fieri non debeat allegaturi, alias-
qae dicturi, facturi, audituri | et recepturi, quod iusticia suadebit et ordop.882.
dictaverit racionis, ceiüficantes nichilominus eosdem monitos et citatos,
quod sive in dicto citacionis termino, ut premissum est, comparere cura-
verint sive non, nos nichilominus vel suiTogandus predictus ad declara-
donem buiusmodi alias ad premissa omnia et singula prout de iure pote-
rimus sive poterit procedemus sive procedet dictorum monitorum et cita-
torum absencia seu contumacia in aliquo non obstante loca vero audiencio
pablice contradictarum ac valvarum seu portaimm predictarum ecclesiarum
tamquam publica et ydonea ad monicionem et citacionem nostras buius-
modi publicandas ad instar edictorum publicorum, que olim in albo preto-
rio scribebantur duximus eligenda, que presentes nostras citacionem et
monicionem suo quasi sonoro preconio ac patulo iudicio publicabunt in
qaibus ipsas monicionem et citacionem modo premisso decrevimus publi-
candas, ne prenominati Alsso ex adverso principalis et sibi adherentes
sie moniti et citati de premissis ignoranciam aliqnaliter pretendere valeant
seu in posterum quomodolibet allegare, cum non sit verisimile apud dictos
sie monitos et citatos remanere incognitum quod tam patenter et notorie
extitit Omnibus publicatum, volentes nichilominus et dicta auctoritate
apostolica decernentes quod buiusmodi monicio et citacio prefatos monitos,
et citatos taliter arceat et astringat ac si eis eorum cuilibet fuissent
416
08sent prosencialiter et personaliter intimate et insinuate. In qüornm
omnium et singulorem fidem et tostimonium pi-omissoi-um presentes no-
stras literas sive presens publicum instrnmentum huinsmodi nostras mo-
nicionem et citacionem in se continentes si?e continens exinde fieri et per
Henricum notarium publicum nostramqne et huiusmodi cause coram nobis
scribam infrascriptum subscribi et publicari mandaYimus nostrique sigilli
iussimus et fecimus appensionem communiri.
DatumetactumGonstancieprovincieMaguntinensisindomibns
nostre solite residencie sub anno a nativitate Domini 1418 indiccione II.
Mensis Maii pontificatus dicti domini nostii domini Martini pape Y anno
primo presentibus ibidem reverendo in Christo patre domino Alexio epi-
scopo Placentino nee non venerabili viro domino Nicoiao de LiptoTia
preposito We sprunnensi testibus ad premissa yocatis specialiter et rogatis.
Et ego Henricus Benner clericus Padeburnensis dioeesis
publicus apostolica auctoritate notarius dictique reverendissimi in Christo
patris et domini domini Brande cardinalis indicis et commissarii caosa-
i*um et cause huiusmodi coram eo scriba, quia presentis monitorii peticioni
eiusque decreto omnibusque aliis et singulis dum sicut premittitur age-
rentur et fierent una cum prenominatis testibus presens interfui atqoe
sie fieri vidi et audivi, ideo presens publicum instrumentum huinsmodi
monitorium in se continens per alium me aliunde occupato fideliter scrip-
tum de mandato ipsius domini cardinalis iudicis et commissarii exinde
confeci, publicavi et in hanc publicam formam redegi signoque et nomine
meis solitis et consuetis una cum profati domini cardinalis iudicis et
commissarii sigillo signavi rogatus et requisitus in fidem et testimonium
omnium et singulorum premissorum.
Nr. 27.
Der Eidschwnr des erwählten Bitchoft AleS von Olmütz Yor dem Sri-
bischof Konrad von Prag, der katholischen Kirche treu zu bleiben und
sich der Wiclifistisohen Secte fernzuhalten und sie aosznrotten. 1416.
luramontum Alssonis episcopi Olomucensis factum coram Conrado
in confiimacione sua.
(E cod. bibl. pal. Vindob. 8934, fol. 148 •.)
1 • Ego A. eloctus ecclesie 0. promitto et iuro, quod ab hac hora et in
antea, quamdiu vixero, fidelis et obediens ero beato Petro sanctequo apo-
stolice Romane ecclesie ac concilio Constanciensi et pape futuro, qni
• Die Ziffern sind in gleicher Weise am Rande vermerkt
417
eanonice per concilium eligetur suisque succossoribus canonice intrantibus
et Yobis reverendo in Christo patri domino C. archiepiscopo P. metropoli-
tano meo et apostolice sedis legato ac vestns successoribus.
2. Non ero in consilio, consensu vel facto, ut vitam perdant aut mem-
bram yel capiantnr mala capcione.
3. GonsUinm vero, qnod mihi credituri sunt aut per nancios sive lite-
ras, nulli manifestabo ad eorum dampnum me sciente. n
4. Papatum Bomanom et regalia sancti Petri, adiutor eis ero ad reti-
neodum, defendendum et recuperandum salvo meo ordine contra omnem
hominem.
5. Ac honorem et statam ipsonim, in quantum in me fuerit, conser-
Tabo, ipsisque adherebo et pro posse fiavebo.
6. Legates et nuncios sedis apostolice benigne in teiTis ecclesie mee
soscipiam, dirigam* et defendam securumque ducatam prestabo eisdem ac
in enndo et redeundo honorifice tractabo et in suis necessitatibus iuvabo
nee, quantum in me fuerit, permittam eis aliquam iniuiiam fieri vel
iaferri.
7. Et quibuscunque qui contra premissa Tel eorum aliquod conarentur
aliquid attemptare, quantum potero, me opponam eosque pro posse im-
pediam.
8. Offensiones et dampna predicti domini nostri pape et dicte Romane
ecclesie ac paternitatis vestre, quantum potero, evitabo.
9. Et non ero in consilio vel in facto seu tractatu, in quibus contra
ipsum vel eandem Romanam ecclesiam aliqua sinistra vel preiudicialia
machinentur, et si talia ab aliqnibus procurari novero vel tractari impe-
diam, hec pro posse et quantocius potero, commode significabo alteri, per
quem possit äd eorum noticiam pervenire.
10. Yocatus ex quacunque causa ad synodum seu ad cos accedam, nisi
prepeditus fuero canonica prepedicione, eisque obedienciam et reverenciam
debitas exhibebo et prestabo.
U. Apostolorum limina Romane curie existente (sie) singulis annis,
ultra vero montes bienniis singulis visitabo aut per me vel per nuncium
meum, nisi apostolica absolvat licencia.
12. PoBsessiones vero ad mensam meam episcopalem pertinentes non
vendam nee dabo nee inpignorabo nee de novo infeudabo nee aliquo modo
alienabo inconsulto Romano pontificatu.
13. Item iure canones sanctorum patrum et constituciones ac consue-
tndines sancte Romane ecclesie circa ministracionem corporis Christi per
Cod.: digeram.
418
me et michi in diocesi mea subiitos tenere et fideliter obsei'Yai*e, nuUas
novitates circa miüi8ti*acionein sacramentorum et sacre eukaristie faciendo
aut permittendo.
14. Quodque nallam suspectum de secta Wiclofistarum taeri aat
meis officialibus in spiritualibus ad quodcunque beneficium ecclesiasticum
prasentandum nee per me nee per meos officiales recipiam nee eos con-
firmato nee confirmare admittam.
15. Nee eeiam aliquos ex ipsis ad sacros ordines ordinandos peimittuD
ordinäre seienter.
16. Et si aliqui ab ipsoiiim beneficiis sunt aut fuerint amoti violenter
aliis intimsis in locum ipsomm, euram animamm non committam nee
committi admittam, sed, quantnm potero, inetabo ut sie amoti ad ipsomm
benoficia restitaantnr eum effectn.
17. Item inro, qnod articulos lohannis Wicleff et lohannis Has con-
dempnatos et alios quosenmque erroneos et heresim ss^^ientes non tenebo
nee tenentes ant dogmatisantes eosdem in mea diocesi fovebo et ad extir-
pandum huiusmodi heresim et errores in eadem mea diocesi diligendun
cum affectu apponam quam potero ampliorem.
Sic me Dens adiuvet et hoc saneta Dei ovangelia. *
DEUTSCHLANDS
SÜDÖSTLICHE MAßKEN
IM
10., 11. UND 12. JAHRHUNDERTE.
VON
D" VICTOR HASENÖHRL.
MIT 6 KARTEN.
§. 1. Durch die Lechfeldschlacht des Jahres 955 war den
UDgameinfkllen definitiv ein Ende gemacht worden. Es wurde
nun, und zwar — wie es scheint — recht bald darauf für die
Sicherung der südöstlichen Grenze des Reiches Vorsorge ge-
troffen, indem man zu ähnlichen Institutionen zurUckgriff, wie
sie in diesen Gegenden unter den letzten Herrschern aus dem
karoUngischen Hause bestanden hatten. Seit den Siebzigerjahren
des 10. Jahrhunderts tauchen längs dieser Grenze einzelne
Markgrafen auf^ und nach und nach vereinigen sich die spär-
lichen Nachrichten jener Zeiten zu einem deutlichen Bilde,
welches eine ganze Reihe von Marken erscheinen lässt, die
von der Grenze Böhmens an bis zur Adria zu einem vollstän-
digen Systeme festorganisirter Grenzbewachung sich zusammen-
schliessen.
Die Feststellung dieser Marken und, so weit es möglich,
ihrer Begrenzung soll den Gegenstand dieses Aufsatzes bilden.
Diese Verhältnisse sind zwar schon wiederholt wissenschaftlich
untersucht worden, die bisherigen Arbeiten, so bahnbrechend
und scharfsinnig sie auch sind, erscheinen jedoch deswegen
als ungenügend, weil mit geringen Ausnahmen die einzelnen
Forscher immer nur mit den Zuständen einer Mark sich be-
fiissten, bei der Dürftigkeit der Quellen und der Gleichheit
der Einrichtungen in den einzelnen Marken jedoch nur eine
zusammenfassende Beobachtung zu einem befriedigenden Er-
gebnisse ftlhren kann.
Vor Allem müssen jedoch einige Irrthümer beseitigt wer-
den, welche auf diesem Gebiete der Forschung nicht wenig
Verwirrung hervorzurufen drohen. Es handelt sich darum, das
Verhältniss von marchia und comitatus, dann aber auch die
Bedeutung des Ausdruckes pagus flir diese Zeit festzustellen.
422
I. Marehla and eomltatas'^).
§. 2. In zahlreichen Urkunden des südöstlichen Deutsch-
lands wird zur näheren Bezeichnung der Lage einzelner Orte
gesagt, dass sie sich ,in marchia' befinden. Trägt man die auf
solche Art gekennzeichneten Oerthchkeiten auf einer Land-
karte ein, so sieht man, dass sie sich über einen breiten Gürtel
*) Erläuterung der Abkürzungen.
A. = Archiv für österreichische Geschichte, herausgegeben von der kaiser-
lichen Akademie der Wissenschaften in Wien.
CDI. = Kandier, Codice diplomatico Istriano.
CDM. = Codex diplomaticus et epistolaris Moraviae von Boczek, 1836 f.
D. = Fontes rerum Austriacarum, 2. Abtheilung: Diplomataria et Acta,
herausgegeben von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in
Wien.
Eichh. Beitr. = Eichhorn, Beiträge zur Geschichte und Topographie des
Herzogthuros Kärnten, 1817 f.
Horm. Beitr. = Hormayr, Kritisch-diplomatische Beiträge zur Geschiebte
Tirols 2, 1804.
Horm. W. = Hormayr, Geschichte Wiens.
MB. = Monumenta Boica.
MG. = Monumenta Germaniae, Scriptores.
OeLR. = HasenOhrl, Oesterreichisches Landesrecht im 13. und 14. Jahr-
hundert, 1867.
OeW. = Oesterreichische Weisthümer, gesammelt von der kais. Akademie
der Wissenschaften in Wien, 1870 f.
RB. = Meiller, Regesten zur Geschichte der Markgrafen und Herzoge
Oesterreichs aus dem Hause Babenberg, 1850.
RK. = Ankershofen, Urkunden-Regesten zur Geschichte Kärntens im Archiv
der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien If.
RS. = Meiller, Regesten zur Geschichte der Salzburger ErzbischOfe, 1866.
Ruh. = Rubeis, Monumenta Ecclesiae aquilejensis, 1740.
Schumi A. = Schumi, Archiv für Heimatkunde, 1882 f.
Sitzb. = Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in
Wien.
UK. = Urkunden- und Regestenbnch des Herzogthums Krain, herausgegeben
von Schumi, 1882 f.
UNOe. = Niederösterreichisches Urisundenbuch, herausgegeben vom Vereine
für Landeskunde von Niederösterreich, 1891.
UOE. = Urkundenbuch des Landes ob der Enns, herausgegeben vom Museam
Francisco-Carolinum, 1 862 f.
US. = Urkundenbuch des Herzogthums Steiermark, bearbeitet von Zahn,
1876 f.
423
erstrecken, welcher, an der Grenze Böhmens im heutigen Ober-
österreich beginnend, sich über Steiermark und Krain bis zur
Südspitze Istriens ausdehnt.*
Hierbei müssen einige Verschiedenheiten in den Bezeich-
nungen hervorgehoben werden.
1. Der gesammte Markboden theilt sich in Verwaltungs-
bezirke, marchiae in diesem Sinne, welche in verschiedener
Weise benannt werden.
Die älteste Bezeichnung der einzelnen Marken besteht in
der Angabe des sie verwaltenden Beamten. So kommt vor:
marca Liutbaldi 985 * und c. 987 ^ ; marcha Emusti 1066 * und
1067 ö; marchiaAdalbertil019«, 1020^,10218, 1035»; marchia
Sigefndi 1045*^; marchia Adalberonis 1000"; marchia Gote-
fridi 1048*«; marchia Otacharii 1056, 1059, 1140 *»; marchia
OdaWci 1063, 1066, 1067 **.
Daneben finden sich auch besondere Namen für einzelne
Marken: marchia Osterriche 1058**, 1058*^, 1076*^; riedmar-
cha, das erste Mal 1115 *8; marchia Styriae, jedoch erst 1215
vorkommend*»; marcha Q-eina 973, 1040 «<>, 1058 «i, 1062",
auch marcha Camiola oder Carniole genannt 1070^^, 1077,
1093^, 1132«^ 1210, 1214, 1220, 1230 «^ marchia Istria, Istrie
oder Hystriensis 1062, 1066 «7, 1096^8, 1210, 1214, 1220, 1230«».
Auf die Zugehörigkeit zu einem Hinterlande weist hin die Be-
nennung marchia Karentana oder Carintina 1058 und 1059*^.
Nach der geographischen Lage werden bezeichnet die marchia
transalpina c. 1145^*, dann die marchia transsilvana oder trans
silvam 1091 und c. 1145^*, nach dem Hauptorte die marchia
pitoviensis c. 1130^^. Endlich kommt eine Benennung nach
dem angrenzenden Lande vor: marchia hungariae 1162^ und
» S. die Kartenbeilagen. " MB. 28, 1. 244. » UNOe. 1, 3.
* Horm. W. 1. 6. » MB. 29, 1. 173. • MB. 11, 143. » MB. 6, 160.
* D. 31. 62. » KB. 6 n. 8. »<> CDM. 1, 118. 119. " US. 1, 40.
" US. 1. 64. " US. 1. 71, 76, 196. " UK. 1. 62, 55, 66.
" Horm. A. f. Südd. 2. 235. " UNOe. 1.6. " D. 4. 188.
" UOE. 1. 149. " US. 2. 205. ^ UK. 1. 11, 34, 36, 36.
•* Schumi A. 1. 6. " UK. 1. 51. » D. 40. 314. «* UK. 1. 63, 67.
" Mitth. d. bist. Vereines f. Krain 1856. 37.
*• Schumi A. 1. 41, 156, 44, 168. " UK. 1. 50, 55. «» Rnb. 549.
*• Schumi A. 1. 41, 156, 44, 158. «^ US. 1. 74, 75. " US. 1. 238.
" US. 1. 100, 238. » US. 1. 143. ^ UK. 1. 149, 150.
ArehiT. Bd. LXXXII. II. U4lfte. 28
424
1186^^, vorausgesetzt, dass damit das Grenzland und nicht die
Grenze gegen Ungarn gemeint ist^^.
Will nun die Lage eines im Markgebiete befindlichen
Ortes angegeben werden, so wird entweder die einzelne Mark
genannt, oder es heisst nur im Allgemeinen, der Ort liege in
marchia. Felicetti ^^ meint, letzteres gelte nur filr Orte, welche
im Flussgebiete der Mur von Rötheistein bis zur ungarischen
Grenze und an der Rabnitz liegen; es fehlt jedoch nicht an
Orten im Südsteiermark und Krain, welche ebenfalls als ^in
marchia', ohne Beisatz, gelegen bezeichnet werden, und zwar
kommt dies in Krain auch vor der späteren Scheidung der
Mark Krain in Camiola und Marchia vor. So die Flüsse und
Bäche Souue, Gurke, Copriunize, Ohodinie und Oguanie 1025,
1028 und 1130 38, die Orte Gamniz und Razwai 1100»», Roas,
dann die Flüsse Zottla, Niringa, Sowina und die Berge Frezniz,
Dobrich und Stenniz 1130*^, femer Brunne und Roger 1145*S
Gyrio 1174*^, Wolchenberc 1191**, Gemniz, Holem und Reiste
1196**, endHch die Karthause Seitz 1207 *». Auch die Ver-
gleichung zweier Urkunden 1224 und 1229*^ spricht gegen
Felicetti, indem Bemhardus praepositus Frisacensis in der ersten
als archidiaconus marchiae, in der zweiten als archidiaconos
marchiae inferioris bezeichnet wird, woraus zu entnehmen, dass
auch die Gegenden der sogenannten marchia inferior einfach
marchia genannt wurden.
Vielleicht können wir dasselbe auch flir die Ostmark an-
nehmen in Urkunden, welche Orte als in marchia et in comi-
tatu marchionis N. gelegen angeben,*^ da wegen des zweiten
,in' der Name des Markgrafen nur mit comitatus in Verbin-
dung zu bringen und nicht auch auf marchia zu beziehen sein
dürfte.
» US. 1. 650.
'* S. unten §. 8 bei Note 8 f. Ein ähnlicher Ausdruck, marchia bohemica,
bedeutet die Grenze gegen Böhmen und nicht eine besondere böhmische
Mark; s. unten §. 4 bei Note 47.
" Beitr. z. K. steierm. Gesch. 9. 45.
w US. 1. 62, 54; UK. 1. 85.
»• US. 1. 103, 104. *o UK. 1. 85. " US. 1. «44. *» US. 1. 530.
*» UK. 1. 139. ** D. 39. 101. ** US. 2. 134. « US. 2. 814, 360.
*' Beispiele: 996, 1033, 1040 D. 31. 51, 74, 77; 1045 CDM. 1. 119; 1067
KB. 8 n. 2.
425
Es bestätigt sich also, was übrigens schon Felicetti*^ er-
kannt hat^ dass marchia häufig im Sinne von Markboden
überhaupt gebraucht wird, dass aber auch die einzelnen
Verwaltungsbezirke des Markbodens als marchiae bezeichnet
werden.
Auf dem Markboden ist auch von Grafschaften die Rede,
welche meist mit den Namen ihrer Inhaber bezeichnet werden,
fiir welche aber auch eigene Namen sich finden; so: comitatus
Emestonis Osterich dictus 1055*^, comitatus Hengest 1042^*^,
comitatus Sovuina oder Souna 980, 1025, 1028 ^\ comitatus Po-
ponis comitis quod Camiola uocatur et quod uulgo Creina
marcha appellatur 973 ^* oder comitatus Uuatilonis — Creina uoci-
tatus 1004^^, comitatus Camiole 1230^; femer comitatus Istrien-
8is oder Istriae 1012 ^^ 1041 ß*^, 1102 ^^ 1132^8, 1230^^
2. Wenn man die Urkunden der damaligen Zeit durch-
mustert, so findet sich, dass die Lage eines Ortes nicht selten
durch die Angabe bestimmt wird, der Ort sei in marchia oder
in einer einzelnen benannten marchia. Es kommt aber auch
vor, dass von einem Orte gesagt wird, er liege in einem ge-
wissen comitatus und in marchia; endlich wird mitunter nur
der comitatus bezeichnet, zu welchem der Ort gehört. Auf
diese verschiedene Ausdrucksweise der Urkunden gründet nun
Felicetti ^^ seine Unterscheidung der Verwaltungsbezirke. Nach-
dem er davon gesprochen, dass zur Kräftigung der Landes-
hoheit die im Gebiete der Karantanermark gelegenen Graf-
schaften in der Hand des Markgrafen vereinigt wurden, sagt
er weiter: ,In dieser Hinsicht scheint auch die königUche
Kanzlei Unterschiede gemacht zu haben.' Sie bezeichnete die
Ortslage mit in comitatu marchionis, in marchia et comitatu
marchionis oder in marchia marchionis, je nachdem die Güter
,in einer Grafschaft des Markgrafen oder in einer Grafschaft
der Mark oder in der Mark überhaupt gelegen sind^ Diese
Worte lassen sich fliglich nur so auffassen, dass Felicetti drei
Gebiete unterscheidet: 1. Grafschaften, welche ohne zur Mark
zu gehören einem Markgrafen unterstehen; 2. Markgebiete,
*■ A. a. O. 40. *» MB. 29, 1. 122. »« US. 1. 60. »^ US. 1. 36, 52, 64.
*• ÜK. 1. U. w UK. 1. 23. »* Schumi A. 1. 158. » UK. 1. 25.
»• CDI. *» UK. 1. 73.
»• Mitth. d. hiat. Vereines f. Krain 1856. 37. *» Schumi A. 1. 158.
*> A, a. O. 32.
28*
426
welche eine Grafschaft bilden, in welchen also die Grafschafts-
verfassung besteht, und 3. Markboden ausser dem Grafschafts-
verbande. Diese Ansicht Felicettis wurde trotz der Bemer-
kungen Hubers *^^ von Mell^* aufgenommen, jedoch mit einer
Modification. Meli sagt: ,In marchia et comitatu bezeichnet •
das Gebiet, das die Mark und die an dieselbe sich anschlies-
sende Grafschaft als zusammengehöriges Ganze umfasst. Soll
jedoch die Ortsbestimmung eine genauere sein, so wird blos
„in marchia" oder „in comitatu" gesetzt/ Meli unterscheidet also:
1. die Mark und 2. nicht zur Mark gehörige Grafschaften,
über welche der Markgraf gebietet. Heisst es, dass der Ort
in marchia et comitatu liege, so wird überhaupt das Gebiet
gemeint, dem der Markgraf vorsteht; sollen hingegen die Be-
standtheile dieses Gebietes, Mark und Grafschaft (oder Graf-
schaften), auseinandergehalten werden, so ist nur von marchia
oder nur von comitatus die Rede.
Die Unhaltbarkeit dieser Ansichten erhellt daraus, dass
sich nicht wenig Orte finden, welche in den Urkunden einmal
als in marchia, ein andermal als in comitatu gelegen aufgeführt
werden, ohne dass sich eine in der Zwischenzeit vorgefallene
Aenderung der Verwaltungsbezirke annehmen Hesse. Weiters
liegen aber auch die Oertlichkeiten, deren Lage in der einen
oder anderen Art bezeichnet wird, derartig wirr durcheinander,
dass sich auf diese Verschiedenheit der Bezeichnungen unmög-
lich eine Unterscheidung der Verwaltungsbezirke gründen lässt
Zum Nachweise dessen mögen die einzelnen Markgebiete
durchgegangen werden®^.
Beginnen wir mit den zuerst besiedelten Gegenden Nieder-
österreichs. Die Vuachowa wird 972 als in comitatu Bur-
chardi marchionis gelegen bezeichnet; wenig Jahre darauf,
c. 987 heisst es, dass die in der Wachau gelegenen Orte
St. Michaelis, Rosseza und Mutarun und der ganze Landstrich
Donau abwärts bis Chlepadorf ^ in marca Liutbaldi marchionis
sich befinden. 1002 wieder kommt vor, dass mitten zwischen
«* Mitth. d. Inst. f. österr. Geschichtsf. 6. 391.
•* Historische und territoriale Entwicklung Krains 40.
^ S. für das Nachfolgende die Kartenbeilagen und die Quellenbelege des
O rtsver zeich n isses.
** Seither verschwundene« Dorf bei HoIIenbnrg, Meiller RB. 191 nud
Karlin D.S. 116.
427
diesen Orten Liupna in comitatu Heinrici gelegen ist. Chre-
misa (Krems) findet sich 995 in marcha et in comitatu, 1014
in comitatu Heinrici. Schreiten wir weiter gegen das Tuliner
Feld, so ist Liliunhova bei Tulln c. 987 in marca Liutbaldi,
Tulna selbst 1014 in comitatu Heinrici. Um Tulln herum er-
scheinen Asparan, Abbatestetin und Zeizinmure in marchia,
Sigiharteschiriha und Frigendorf in comitatu, Alarun in mar-
chia et in comitatu. In der Traisengegend liegen Treisima
(St. Polten) und östlich davon Persnicha und Plintindorf in der
Mark, Herzogenburch und Bribesendorf dagegen in comitatu
und Pirchehe in marcha Osterrichi et in comitatu Ernesti. Im
Westen, südlich von der Donau, kommen Crebezbach, Ardacker,
ad Murun, Chrellindorf und Rudnicha, dann die Wasserläufe
Urula, Zuchaha und Ibisa in comitatu vor, ebenso der Enisi-
walt, dagegen Zudamaresfelt und Niuuanhova in marchia et in
comitatu. Auch Waidhoven und Holnstain müssen in der Mark
gelegen sein, weil sich in ihnen die der Mark eigen thümliche
Abgabe des Markfutters findet. Im Südosten werden die
meisten Oertlichkeiten als in marchia gelegen bezeichnet, so der
mens Comagenus, Bobsouua und die Flüsse Tristnicha und
Pistnicha, es kommt aber auch Risinpcrch in comitatu Sige-
fridi und Mandeswerede in marchia Osterriche et in comitatu
Emestes vor. Die Flüsse Fiscaha und Litaha endlich werden
1045 und 1051 bald als in marchia, bald als in comitatu befindUch
bezeichnet. Blicken wir auf das linke Donauufer, so finden sich
im Westen Nochilinga und die Gewässer Sabinichi und Ispera
in comitatu. In der Gegend der oberen Krems erfolgt die
Tradition des Chotiwald, an dessen Grenzen die noch heute
nachweisbaren Oerflichkeiten pratum Wolfperti, Sigin und Vo-
gitisawa erwähnt werden ^^, coram marchione L., was voraus-
setzt, dass diese Gegend zur Mark gehörte. Dies wird auch
dadurch bestätigt, dass Markgraf Leopold den Wald später in
8uum ius traxit ^®. Im Norden Oesterreichs liegen silva Rogacs
einmal in der marcha, ein andermal in comitatu, silva Hart
und Valchenstein in marchia, Gravenberch in comitatu, Bulka
fluvius, Ortvvinesdorf und Movriberg in marchia et in comitatu.
SüdUch davon an der Donau sind Abbadorf und Smidaha in
« D. 8. 22, 142.
" Vgl. auch Tradition LXXII D. 8. 21, welche sich auf diese Gegend bezieht.
428
marha et comitatu, Trebinse in marca Liutbaldi marchionis.
Nordöstlich kommen Chrubet und Gowacisbrunnun 1063 in
comitatu Ernasti marchionis, Zaia flumen 1045 einmal in marcha
et in comitatu, ein andermal in comitatu Sigefridi marchionis
vor. Boumgarden erscheint 1063 in comitatu, 1067 in marcha
Emusti marchionis. Südlich davon findet sich Auerhiltesburch-
stal und Frumahana in comitatu, Sahsonaganc, Orta, Stout-
pharrich und die Maraha in der Mark, Stillefrida endlich in
marcha et in comitatu.
Ueberblicken wir darnach die Landkarte, so finden wir,
dass eine Scheidung des Landes nach Mark und Grafschaft
hier ein Ding der Unmöglichkeit ist. Nicht einmal das lässt
sich behaupten — was an sich am plausibelsten schiene —
dass die an der äussersten Grenze gelegenen Landschaften
nicht zu Grafschaften gehörigen Markboden bildeten, denn
auch da werden uns Oertlichkeiten als in comitatu befindhch
bezeichnet (Boumgarden, Chrubet, Frumahana, Risinperch),
während andererseits auch im Innern des Landes Orte vor-
kommen, von denen gesagt wird, dass sie in marchia Hegen,
ohne dass ein comitatus erwähnt würde (St. Michaelis, Rosseza,
Mutarun, Hart).
In Steiermark wird die überwiegende Mehrzahl der
Orte im Murgebiet als in marchia befindlich bezeichnet; da-
zwischen finden sich jedoch einzelne Orte, deren Lage in an-
derer Weise angegeben wird, so Gestnic, Liutoldasdorf, der
Wald Susil und Vduleniduor in comitatu eines Markgrafen,
Odelisnitz 1056 in marchia et comitatu und 1185 in marchia,
Lipnizza 970 in comitatu und 1144 in marchia, Losnica 1045
in comitatu Gotefridi, dann 1059 und 1185 in marchia, die
Svarzaha 1058 in marchia et in comitatu und 1144 in mar-
chia. Im Draugebiete werden ebenfalls die meisten Orte nur
nach ihrer Lage in der Mark bezeichnet, Kazwei jedoch kommt
985 als in comitatu Rachuuini comitis gelegen vor, später,
1100 und 1130, wird es als in der Mark gelegen angegeben.
Im Gebiete von Cilli endlich finden sich die Flüsse Zotle, Ni-
ringe, Soune und Souue bald in comitatu bald in marchia, die
Wasserläufe Chodinie, Copriuniza und Oguanie einmal in comi-
tatu et marchia, ein andermal in marchia.
Für Krain sind in dieser Frage nur die Urkunden bis
c. 1100 in Betracht zu ziehen, denn hier hat sich später die
429
Unterscheidung von Krain und der ,Mark' herausgebildet,
welche die ältere Zeit nicht kannte. Vor 1100 heisst es von
den meisten in Krain gelegenen Oertlichkeitcn, dass sie in der
Hark Krain und in comitatu eines benannten Markgrafen
liegen. Jedoch gilt dies nicht ausnahmslos. Veldes und das
Waldland zwischen der Wocheiner und der Wurzner Save wird
auch als nur in comitatu gelegen bezeichnet, ebenso auch der
benachbarte Fluss Libniza, die Save und das Gut Strasista.
Dagegen wird 1003 von der Gegend um den Berg Otales im
heutigen Görzer Gebiet gesagt, sie befinde sich in marchia
ohne Angabe eines Comitatus. Daraus erhellt, dass zu dieser
Zeit alle Theile des Landes zu einem Grafschaftsbezirke ge-
hörten, und dass auch alle Theile Bestandtheile der Mark Krain
waren. Diese Thatsache lässt sich insbesondere mit Mells
Ansicht nicht vereinigen, welche er wohl vorzugsweise im Hin-
blick auf Krain aufgestellt hat, indem sich kein Theil der
marcha Creina findet, von welchem man annehmen könnte,
dass er vom Grafschaftsverbande ausgeschlossen war. Aller-
dings kommt es als vereinzelte Ausnahme vor, dass für die
Gegend um den Berg Otales eine Grafschaft nicht bezeichnet
wird, dies berechtigt aber nicht zur Annahme, dass in dieser
weit westlich gelegenen, damals wohl noch zu dem sehr spär-
lich besiedelten Waldlande gehörigen Gegend eine kleine, zu
keiner Grafschaft gehörige Mark bestanden hat, wo doch die
weiter östlichen Gegenden um Bischoflack und Zirknitz in einer
Grafschaft lagen.
In I Strien ist es noth wendig, chronologisch vorzugehen,
weil in diesem Lande, welches früher zu Italien, später zu
Deutschland gerechnet wurde, Aenderungen in den Verwaltungs-
bezirken möglich gewesen wären. In der älteren Zeit hören
wir nur von einer Grafschaft Istrien, so 991, in welchem Jahre
Schöfi*en aus Tergeste, Piranum, Justinopolis und Civitas nova
im Gerichte des Grafen von Istrien in S. Andrea mitwirken.
Dann erscheinen 1012 Pisino und Penna und 1041 Insula in
comitatu Istriensi. Diese Orte liegen zumeist im Nordwesten
Istriens mit Ausnahme der in der Mitte des Landes befindlichen
Pisino und Penna.
Als in marchia gelegen kommen istrische Orte erst in den
Jahren 1062, 1066 und 1067 vor, meist Orte in Nordosten,
aber auch im Süden St. Petrus und im Westen Piranum, welches
430
noch 991 in der Grafschaft sich fand. Dazwischen werden
noch immer Orte als in comitatu Odalrici marchionis oder in
comitatu Istriensi befindlich bezeichnet, so insbesondere 1064
und 1102, und zwar finden sich darunter Orte im Nordwesten
wie Cernogradus, im Osten wie Vrane und im Süden wie Cali-
sedium, darunter St. Petrus, das 1067 noch in marchia erschien.
Als später der Patriarch von Aquileja die Mark Istrien er-
worben hatte, sind ihm als Markgrafen Orte in allen Theilen
des Landes unterworfen. Sie werden als in marchionatu Istriae
gelegen bezeichnet, darunter auch viele Orte, welche früher als
in comitatu befindlich vorkommen. Der Patriarch wird dann
auch c. 1300 marchio totius Istrie genannt und hat als solcher
Rechte in tota Istria ^'.
Unter diesen Umständen scheint es auch in Istrien nicht
zulässig, eine Scheidung zwischen Mark und Grafschaft vor-
zunehmen. Istrien bildete ein einheitliches Verwaltungsgebiet ^,
welches ursprüngHch Grafschaft genannt wurde, später aber
nach seiner Vereinigung mit Deutschland zur marchia wurde,
wie des Genaueren noch darzustellen sein wird.
Wir werden demnach durch die Diction der Urkunden
zu der Ansicht gedrängt, dass die Grafschaftsverfassung im
gesammten Markgebiete bestanden hat. Die ganze marchia
war in Grafschaften getheilt, wobei ein Markgraf entweder
mehrere Grafschaften verwaltete, wie wahrscheinlich in Oester-
reich, oder auch nur eine Grafschaft besass, wie z. B. in Krain.
Im letzten Falle fiel eben die marchia des Markgrafen mit
seinem comitatus zusammen. Wenn also in den Urkunden
gesagt wird, ein Ort hege in marchia oder in comitatu oder in
marchia et comitatu, so können wir darin nicht einen Hinweis
auf verschiedene Arten von Verwaltungsbezirken sehen, sondern
sind vielmehr zu der Annahme genöthigt, dass, wenn nur die
marchia oder der comitatus erwähnt wird, der Schreiber auch
bei einer weniger genauen Bestimmung der Ortslage das Aus-
•' D. 1. 289.
^ Es dürfte daher auch die Behauptung Händlers, Indicazioni 21, und
Czoemigs, Görz 292 Note 2, welche beide ohne Quellenangabe hin-
stellen, unrichtig sein, wornach die spätere Grafschaft Mitterburg oder
Pisino 1112 von der Markgrafschaft Istrien abgetrennt worden sein soll.
8. dagegen Huber, Mitth. d. Inst. f. österr. Geschichtsf. 6. 394 und Meli,
Krain 72 Note 3.
431
kDgen zu finden hofi'te. Der Fall liegt gerade so, wie wenn
heutzutage Jemand sagt, ein Ort in Oesterreich befinde sich
im Sprengel eines bestimmten Bezirksgerichtes, da damit ge-
wiss nicht implicite ausgesprochen werden will, dass der Ort
nicht zugleich auch zu einer Bezirkshauptmann schaft gehöre,
sondern vielmehr die Angabe der Bezirkshauptmannschaflt neben
dem Bezirksgerichte nur als überflüssig betrachtet wird.
3. Gleichwie die einzelnen Verwaltungsbezirke bald ab
Mark, bald als Grafschaft bezeichnet werden, findet sich in
den Anfängen wenigstens auch flu' die verwaltenden Beamten
abwechselnd die Titel marchio und comes.
In Oesterreich wird der älteste Beamte, von dem wir
hören, Burkhard, stets als marchio bezeichnet *^^. Der erste Baben-
berger, Leopold, erscheint anftlnglich als marchio '^^, später in
einer Urkunde 985 als comes, wobei er unter Einem auch
Markgraf genannt wird '*. Auch c. 987 ^* kommt er als mar-
chio vor. Heinrich, der zweite Babenberger, wird von Kaiser
Otto in. 995'^ als comes noster, 998^* als marchio bezeichnet,
von Kaiser Heinrich H. 1002 am 1 . Juli ^^ als comes und am
1. November'^ als marchio. Marchio nennt ihn derselbe Kaiser
auch 1011 und 1014^', wogegen er 1015^® wieder vom comi-
tatus Heinrici comitis spricht, weiters den dritten Babenberger
Adalbert 1019 und 1020'^ als marchio und 1021 »<> als comes
bezeichnet. In den Jahren 1025 — 1040 erscheint Adalbert aus-
nahmslos als marchio®^; nur 1043^^ ist noch von einem Orte
situm in comitatu Adalberti comitis et marchibnis et in pago
Pielahe die Rede. Von da an hört der Titel comes für die
Verwalter der Ostmark gänzlich auf, sie werden nun alle,
zuerst 1048®', marchiones genannt.
In Steiermark kommt ftU- den nördlichen Verwaltungs-
bezirk der Ausdruck marchio mit einer einzigen Ausnahme
<* 972 MB. 28, 1. 193, c. 987 UNOo. 1. 4.
^ 976 MB. 28, 1. 214; 977 UOE« 2. 65.
'* MB. 28, 1. 243. In marca actenus liutbaldi comitis — dann weiter: —
nee — a marchione — cogantur.
" UNOe. 1. 3. "^ D. 31. 48. ''* MB. 28, 1. 271.
' " MB. 28, 1. 293. '• RB. 3 n. 5.
" MB. 6. 158; 11. 141; 28, 1. 449. '« MB. 28, 1. 457.
'» MB. 31, 1. 293; 28, 1. 488. «<> D. 31. 62.
" RB. 6 n. 4—8 und 6 n. 9. " Fischer, Klosternenburg 2. 115.
• D. 4. 187.
432
vor. 1005^ wird nämlich Adalbero comes genannt, fireilich in
einer Urkunde, welche die königliche Schenkung eines Gutes
ausserhalb der Mark in dem ebenfalls von Adalbert verwalte-
ten pagus Ensitala enthält In der Pettauer Mark wird der
älteste Beamte, den wir kennen, Rachwin, 980 und 985*^
comes genannt. Auch in Saunien kommt 1016, 1025 und
1028*^ Wilhelm als comes vor. Die auf ihn folgenden Ver
Walter dieser Grafschaft kennen wir nicht; als nach etwa
80 Jahren die Starkhande hier auftauchen, fUhren sie den Titel
marchio®'.
Die Verwalter Erains werden anfänglich comites genannt,
so Popo®* und Waltilo®^ Der nächste, Udalrich, flihrt in der
einen Urkunde 1011 **, in welcher er vorkommt, keinen Titel.
Später, und zwar seit 1040 kommen nur marchiones vor, zu-
erst 1040 »1 Eberhard, dann 1058, 1062 und 1063»« Udalrich.
Aus dieser Quellen Zusammenstellung entnehmen wir, dass
die Verwalter der Ostmark anfänglich bald comites, bald mar-
chiones genannt wurden, ja dass nicht selten eine und dieselbe
Person abwechselnd als comes und als marchio bezeichnet
wurde. Die Erklärung dieser Erscheinung kann nur darin
liegen, dass beide Titel als gleichwerthig betrachtet wurden.
Der Markgraf war eben ursprünglich nichts Anderes als ein
Graf, dessen Grafschaft in der Mark lag, seine Stellung war
keine höhere als die des Grafen, so dass beide Titel filr ihn
gebraucht werden konnten. Dasselbe kommt auch in der
oberen Karantanermark vor, da Adalbero einmal 1000»^ mar-
chio, ein andermal, und zwar später (1005) comes genannt
wird. Damit, dass die Urkunde 1005 sich nicht auf die mar-
chia Adalberos bezieht, Hesse sich der Grafentitol in der ü^
künde nicht rechtfertigen, denn wenn marchio als das Höhere
betrachtet wurde, gebührte Albero dieser Titel auch in den
seine übrigen Besitzungen betreffenden Urkunden.
Der Gebrauch des Grafentitels für Markgrafen nahm
übrigens bald ein Ende, das letzte Mal findet er sich in Oester-
reieh 1021, in der oberen Karantanermark 1005, in der Pettauer
M US. 1. 41. «» US. 1. 36, 39. «« US. 1. 44, 52, 54.
'7 Zuerst 1103: Starchant marchio de Sone, US. 1. 110.
»« 973 UK. 1. II, 13. 8» 989, 1002 UK. 1. 14, 22.
»« UK. 1. 24. " UK. 1. 34, 35, 36.
»« Schumi A. 1. 6; UK. 1. 51, 62. " US. 1. 40.
433
Mark 985, in Saunien 1028 und in Krain 1002, so dass sich
annebmen lässt, dass diese Uebung im 3. Jahrzehnt des 11. Jahr-
hunderts in diesen Marken ein Ende genommen hat. Der
Grund hiervon kann ftlglich nur darin gelegen sein, dass die
Markgrafen ziemlich rasch eine höhere Stellung als die ein-
fachen Grafen erlangten, so dass, wenn ausnahmsweise noch
das Grafenamt des Markgrafen durch den Gebrauch des Grafen-
titels betont wurde, man es für nöthig hielt, den Zusatz ,et
marchio^ zu machen, wie wir dies in der Urkunde 1043 für
den Babenberger Adalbert sehen.
So wie die Grafschaft kein der Mark untergeordnetes
Verwaltungsgebiet war, so spricht auch nichts daflir, dass in
der von uns behandelten Periode der Graf in den Marken eine
vom Markgrafen verschiedene, unter ihm stehende Amtsperson
war, wie dies, meist ohne jeden Anhaltspunkt, behauptet wird,
80 insbesondere flir Steiermark von Felicetti^.
Aus diesen Gründen lässt sich MelP* nicht beistimmen,
welcher zwar (Note 4) meint, dass für die Markgrafen der
Ostmark comes blos ein wechselnder Ausdruck flir marchio
gewesen sei, die ersten Krainer Markgrafen aber nicht flir
Markgrafen hält, weil sie immer nur comites genannt werden,
woran er dann die weitere unrichtige Folgerung knüpft, dass
Krain anfllnglich nur einen comitatus und keine eigentliche
Mark gebildet habe. Der Schluss Mells wäre nur dann viel-
leicht berechtigt, wenn wir eine grössere Reihe von Urkunden
besässen, in welchen Popo und Waltilo regelmässig als comites
bezeichnet werden; aus den je zwei Urkunden, in welchen sie
vorkommen, lässt sich jedoch nicht mit Sicherheit schUessen,
dass die Verhältnisse in Krain von den Zuständen in den
übrigen deutschen Marken abgewichen haben ^*'\
In Istrien stellt sich die Sache anders infolge seiner
früheren Verbindung mit Italien. Die Verhältnisse daselbst
können jedoch erst weiter unten in einem anderen Zusammen-
hange in Betracht gezogen werden.
•* A. a O. 10.25. ^ A. a. O. II.
•• Gleicher Ansicht wie Meli ist auch Huber, Mitth.d. Inst. f. österr. Geschichtsf.
6. 390 und Gesch. Oesterr. 1. 219, während Büdinger, Oest. Gesch. 268,
Waitz VG. 7. 72 Note 1 und Riegler, Gesch Baierus 1. 356 in Popo einen
Markgrafen erkennen.
434
4. Die bisherigen Erörterungen ermöglichen es, einige
Ausdrücke zu erklären, welche, wie es scheint, bisher unrichtig
aufgefasst worden sind.
a) In Urkunden des 13. Jahrhunderts, welche sich auf
die Uebcrtragung von Krain und Istrien an das Patriarchat
Aquileja beziehen, werden marchiae Carniole et Istrie cum
comitatu als Gegenstand der Uebcrtragung bezeichnet. Daraas
wurde nun geschlossen, dass es damals neben den beiden Mar-
ken noch zwei Grafschaften gleichen Namens gegeben habe,
welche mit den Marken selbst nicht zu verwechseln seien. Das
Unrichtige dieser Anschauung ergibt sich aus der Vergleichung
der verschiedenen Urkunden, welche von der Uebcrtragung
dieser Marken an d<as Patriarchat handeln.
Die erste Ueberlassung der beiden Marken an Aquileja
ging 1077 vor sich ^^. Heinrich IV. überlässt in diesem Jahre
an Aquileja marchiam Carniole — omnigena lege et quo sibi
placeat iure utatur^® und in einer an dem gleichen Tage aus-
gefertigten Urkunde^® comitatum Istrie — ea quippe racione
ut idem prefatus patriarcha Sigeardus liberam potestatem habeat
eundem comitatum possidendi, obtinendi uel cuicumque dandi.
Im Jahre 1093 erklärt dann Heinrich IV. ^^^ marchiam nomine
Carniolam ^^^ Aquilejensi ecclesiae — dedimus, postea vero —
eandem marchiam predictae ecclesiae subtrahendo abstuUmus,
alii eam concedentes. Nunc igitur recognoscentes justitiam
— praefatae ecclesiae reddidimus — praedictam marchiam
Aquilejensi ecclesiae — in proprium dedimus. Der Dielion
dieser Urkunden entsprechend, bestätigt Innocenz 11. 1132^'*'
dem Patriarchate comitatum Istriae und marcham Cameole.
1210^®^ sagt Otto IV.: cum propter enormes excessus Henrici
quondam marchionis Ystrie, quos ipse nomine criminis lese
maiestatis in decessore (sie!) nostro domino PhiUppo commisit,
marchia Carniole et Ystrie cum comitatu et universis, pertinen-
tiis suis — per sententiam principum sibi fuerit abiudicata et
^ Die Nachricht von der Uebertragung im Jahre 1070 ist nicht genügend
beglaubigt, s. unten §. 9 bei Note 45.
»•• UK. 1. 63. w UK. 1. 64. ««x» UK. 1. 67.
**** Schumi emendirt willkürlich ,Camiole*, um seine noch zu besprechende
Hypothese zu stützen.
^^ Mitth. d. bist. Vereines f. Krain 1866. 37.
*<* Schumi A. 1.41.
435
ad dominium imperii marchia Ystrie libere et absolute sit addita,
DOS eandem marchiam — Ludovico du ei Bavarie iure feudali
concessimus. Procedente vero tempore — Wolfcherus patriar-
cha Aquilegensis — in presencia principum de predieta mar-
chia nobis questionem movit et quod ex antiqua donatione
Henriei regis augusti tertii ecclesie Aquilegensi pertineret, pri-
vilegiis autenticis ipsi ecclesie collatis evidentissime in publice
curia nostre presentibus principibus nobis demonstravit. — pre-
fatus dux sepedictam marchiam — in manus nostras resignavit
et nos eam — Aquilegensi ecclesie cum omni honore et
universis pertinenciis — donamus. Diese Schenkung wird
dann von Friedrich II. bestätigt, zuerst 1214^^ mit den Worten:
losuper marchiam Camiolam et Istriam^^^ cum comitatu et
honore et universis pertinentiis omnique jure imperiali,
secundum quod ab antecessore nostro Ottone imperatore tunc
ante rege Aquilegensi ecclesie de consilio et voluntate prin-
cipum ratione antiquorum privilegiorum suorum — Wolchero
patriarche — donavit — eidem Wolcherio et ecclesie Aquile-
gensi — perpetuo haben da et possidenda confinnamus, dann
als Kaiser im Jahre 1220 ^®^ nahezu gleichlautend, jedoch mit
der Aenderung: marchiam Carniole et Istrie cum comitatu et
omni honore etc. Schliesslich ist noch die Urkunde 1230^®'
zu erwähnen, worin Friedrich II. bestätigt: dux Meranie in
presentia principum ceteroi-um nostrorum conspectui se presen-
tans petitionis quam dudum contra eumdem patriarcham de
marcha et comitatu Histrie et Carniole, quos dictus patri-
archa in feudum pro eadem Aquilegensi sede ab imperio tenet,
dudum et sepe jam moverat, spontanea cessione et gratuita
voluntate remittens in perpetuum ei et eidem sedi Aquilegensi,
omne jus et questionem que contra eum in eisdem Marcha et
Comitatu Histrie et Carniole requirere poterat si quid juris in
Hs videbatur habere. Von diesen Uebertragungen beruft sich
die eine auf die andere. 1093 erfolgt die Wiederverleihung
durch Heinrich IV. im Hinblicke auf die Rechtsansprüche
Aquilejas, und Otto IV. motivirt seine Verleihung mit dem der
**• Schumi A. 1. 156.
** Von Schumi in ,Camiole et Istrie* emendirt aus dem Note 101 ange
g«henen Grunde.
»*» Schumi A. 1. 44. »<" Schumi A. 1. 168.
436
Fürstenversammlung vorgelegten Nachweise der Rechte des
Patriarchats auf Istrien (fUr Krain fehlt die Urkunde), wobei
sich auf die Urkunde Heinrichs IV. ausdrückHch berufen wird.
Friedrich 11. wieder bezieht sich auf das Privilegium Ottos IV.,
und auch in der Verzichtserklärung des Herzogs Otto von
Heran ist die Rede von den Rechtsansprüchen des Patriarchats
auf die beiden Marken. Es lässt sich demnach nicht bezweifeln,
dass alle diese Urkunden sich auf denselben Verleihimgsgegen-
stand beziehen, wenngleich die Bezeichnungen desselben in den
einzelnen Urkunden variiren. Daraus folgt, dass der comi-
tatus Istrie, welcher 1077 verUehen wurde, identisch ist mit
der marchia Istrie oder Istria der späteren Urkunden, dann
aber auch, dass, wenn in den älteren Urkunden nur die mar-
chia und in den späteren marchia cum comitatu oder, wie es
1230 heisst, marchia et comitatus verliehen wird, die jüngeren
Urkunden nichts Anderes und nicht mehr als die früheren
übertragen wollten. Der Unterschied liegt nur darin, dass man
im 13. Jahrhunderte es für nöthig fand, neben der Mark auch
noch die durch ihre Verleihung mit übertragenen Rechte, dar-
unter besonders die Grafschafksrechte, hervorzuheben, was in
den älteren Urkunden, weil selbstverständlich, nicht fiir noA-
wendig gehalten wurde. Ob also die marchia schlechtweg
oder marchia cum omni honore et universis pertinentiis, wie
1210, oder endlich marchia cum comitatu et honore et universis
pertinentiis übertragen wurde, stets war der Gegenstand der
Verleihung derselbe, die Mark mit den damit verbundenen
Grafschafts- und anderen Rechten, so dass also comitatus in
diesen Urkunden des 13. Jahrhunderts nicht im Sinne von
Grafschaftsbezirk, sondern im Sinne von Grafschafls rechten
zu nehmen ist.
b) Es ist nun auch mögUch, die vielbesprochene Stelle
Ottos von Freising ^®* zu erklären, in welcher dieser Schrift-
steller über die Erhebung Oesterreichs zum Herzogthum mit
folgenden Worten berichtet: ,Heinricus maior natu ducatum
Baioariac Septem per vexilla imperatori resignavit. Quibus
minori traditis ille duobus vexiUis marchiam Orientalem cum
comitatibus ad eam ex antiquo pertinentibus reddidit.
Exinde de eadem marchia cum praedictis comitatibus, quos
»^ MG. 20. 415.
437
tres dicunt^ iudicio principum ducatum fecit, eumque — cum
duobus vexillis tradidit. Es ist viel darüber gestritten worden,
was unter diesen drei Comitaten zu verstehen sei^^®. Früher
wurde allgemein angenommen, es habe bei der Erhebung
Oesterreichs zum Herzogthum im Jahre 1156 eine Vergrösserung
seines Territoriums stattgefunden, indem Oberösterreich zur
Ostmark hinzugeschlagen worden sei. Dies begründete man
einmal mit der Angabe des Privilegium majus^**^: ,marchionatum
Austrie et dictam marchiam supra anesum commutavimus in-
ducatum^, dann aber auch mit den Nachrichten mehrerer öster-
reichischer Chronisten, welche erzählen, Oesterreich sei damals
bis zum Passauer Walde ausgedehnt worden. Die Autorität
des majus ist mit dem Nachweise seiner Uneöhtheit gefallen;
von den Schriftstellern, welche diese Erzählung bringen ^^\ ist
einer, Chunrad de Wizzenberge, zwar ein Zeitgenosse, es hat
sich jedoch herausgestellt, dass die betreffende Stelle ein nach-
träglicher Zusatz aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts
ist, welcher ebensowenig Glauben verdient wie die Angaben
jüngerer Schriftsteller, des Hermann von Niederaltaich und
seiner Nachschreiber ^^*, da urkundlichen Nachrichten zufolge
der Traungau noch nach 1156 zum Herzogthum Baiern ge-
hört hat. Wir erfahren nämUch aus dem Codex traditionum
m. Reichersbergensis ^*', dass Herzog Heinrich von Baiern 1176
^^ Bach mann Zeitschr. f. österr. Gymnasien 1887, 556 f., meint, die drei
Comitate seien der Traungau, die Riedmark und der Schweinachgau ge-
wesen. Von diesen drei Gebieten war die Kiedmark allerdings baben-
bergisch, nicht so der Traungau, wie noch zu besprechen sein wird, und
ebensowenig lässt sich dies für den Schweinachgau annehmen. Aller-
dings kommt in Urkunden 1010 und 1040 (MB. 28, 1. 420; 20, 1. 63)
ein Adalbero oder Adalbertus vor, welcher eine Grafschaft im Schweinach-
gau verwaltete und der einmal comes un<} einmal marchio genannt wird.
Diese Persönlichkeit hält Bachmann (und auch Strnadt Geburt 30) für
einen Babenberger, Tangl Archiv 1. 177 für einen Eppensteiner; er
kann aber ebensogut aus einer andern Familie gewesen sein, denn zur
Erklärung des von ihm geführten Markgrafentitels genügt die Lage des
Schweinachgaues an der Reichsgrenze.
"•A.8. 112.
*" S. für das Folgende die ausführlichen Auseinandersetzungen Strnadts,
Geburt des Landes ob der Enns 66 f., auf deren Inhalt sich hier be-
rufen wird.
*" 8 die Stellen bei Strnadt a. a. O. 69 f.
"* UOE. 1. 348.
438
eine Gerichtsversammlung nach Enns einberief und bei der-
selben den Vorsitz führte, in welcher über eine Klage des
Stiftes Reichersberg gegen Heinrich von Stein wegen des Dorfes
Munsteur^^* verhandelt wurde, was nur unter der Voraus-
setzung möglich war, dass Enns zum Jurisdictionsbezirke des
Herzogs gehörte *^'*. Weiters heisst es daselbst: postea ab Omni-
bus transito ponte fluuii Ans cum in unum conuenissent dox
bawarie et austrie, woraus hervorgeht, dass die Enns damals
die Grenze zwischen Oesterreich und Baiem gebildet hat, da
die beiden Fürsten, wie es üblich war, an der Grenze ihrer
Länder zusammenkamen. Dass das Land am linken Ennsafer
damals noch nicht zu Oesterreich gehörte, ergibt sich auch aus
der Tradition Un Garsten 1170^^^, worin zuerst die Uebergabe
eines Hofes in Iphe^^^ berichtet und dann gesagt wird: in
austria uero — curtim unam, was voraussetzt, dass Iphe nicht
in Oesterreich befindlich war^^*. Als später Steiermark zum
Herzogthum erhoben und damit die Besitzungen der steierischen
Markgrafen in Oberösterreich von Baiem abgetrennt wurden,
erscheint das Unke Ennsufer den steierischen Herzogen unter-
worfen. Innsbesondere gehörte die Stadt Enns zu deren (Jebiet,
daher Herzog Ottokar c. 1190^^* diese Stadt villam nostram
celebrem Ense nennt und 1191^^^ ihr die von seinem Vater
gegebenen Handelssatzungen bestätigt **^ Auch nördUch von
der Donau fand eine Vergrösserung der Ostmark nicht statt,
*" Bei Obernberg am Inn.
**° Ganz ungerechtfertigt ist es, wenn Bachmann a. a. O. 560 in seiner wohl
nicht glücklichen Polemik gegen Strnadt sich dem Gewichte dieses Ar-
guments durch die. Behauptung zu entziehen trachtet, dass H. Heinrich
in diesem Rechtshandel nur als Vermittler aufgetreten sei. Die ganse
Erzählung zeigt vielmehr, dass der Herzog in dieser Streitsache als In-
haber der Gerichtsgewalt intervenirte. Mau nehme z. B. seine Worte
(S. 348) : Querimoniam super iniuria uobis illata in auribus meis deponite
illo presente, et plenam uobis de ipso faciam iusticiam et uindictam.
So kann wohl der Richter, nicht aber der blosse Vermittler sprechen.
"• UOE. 1. 176.
^" Bei St. Florian, s, Lamprecht Hist.-topograph. Matrikel ob der Enns 53.
^" S. weitere Beweise bei Huber Sitzb. 34. 21 und Strnadt a. a. O. 83.
"» US. 1. 708. ^*^ UOE. 2. 431.
^'^ Diese Handelssatzungen hätten Enns von den Ottokaren nicht gegeben
werden kennen, wenn sie, wie Bachmann a. a. O. 556 will, nur Allodial-
besitzer von Enns gewesen wären und ihnen nicht einmal die Orafen-
gewalt an diesem Orte zugestanden hätte.
439
indem die Riedmark schon lange unter den Babenbergern
stand ^** und der westlich davon gelegene Ilzgau nach wie vor
zu Baiern gehörte. Es bestätigte sich demnach die Angabe
Ottos, dass die drei Comitate schon früher zu Oesterreich ge-
hört haben **', und man begreift dann auch^ dass im minus von
einer Vergrösserung oder dem Zuschlage irgend eines Gebietes
keine Rede ist, sondern nur gesagt wird: marchiam Austrie in
ducatum commutavimus ^**.
Auch die von verschiedenen Seiten, geschehenen Versuche,
die Lage der drei Grafschafken innerhalb des österreichischen
Markgebietes festzustellen, waren ebensowenig befriedigend
als die Behauptung Fickers ^^^, dass unter den drei Comitaten
nur ,nicht verwirklichte Ansprüche^ zu verstehen seien.
Auf das Richtige leiten die Auseinandersetzungen
Stmadts^*^, welcher meint, dass die drei Comitate nicht ein
von der Ostmark verschiedenes Gebiet bedeuten. Aus OeLR.
Art. 1. ergebe sich, dass die Ostmark aus drei Grafschaften
gebildet war, deren echte Dingstätten sich in Mautem, TuUn
und Neuburg befanden, daher die Stelle Ottos von Freisingen
dahin zu übersetzen sei, dass Heinrich Jasomirgott ,die bis-
herige Ostmark mit den von Alters zu derselben gehörigen
Qrafschaftsgebieten (Gerichtssprengeln)' erhielt. Dass die Ost-
mark in der Zusammenfassung dreier Grafschaften bestand,
wird durch die erwähnten drei Dingstätten sehr wahrschein-
lich^*', wie denn auch die markgräfliche Gerichtsversammlung
985^*® urkundlich als comitatus bezeichnet wird. Im Sinne
Straadts kann dieses Wort bei Otto jedoch nicht genommen
werden, denn es ist wohl unzulässig, denselben sagen zu lassen,
"* 8. unten §. 4.
*^ Damit behebt sich auch die Hypothese Hnbera Gesch. Oesterr. 1. 250
und Oesterr. Reichsgesch. 7, dass die drei Comitate das Land zwischen
der Traun und dem Passauer Walde umfassten, s. dagegen auch Brunner
Sitzb. 47. 366 f.
^ A. 8. 111. "» Huber Sitzb. 34. 21. «*» A. a. O. 79f.
^ S. darüber auch unten §. 6. Ich trete daher der Ajisicht Brunners,
Sitzb. 47. 321 bei und sehe in diesen drei Ding^stätten die ehemaligen
Hauptorte verschiedener Gerichtsbezirke (so auch Stmadt a. a. O. 81 und
Luschin Gesch. d. Gerichtsw. 52 Note 70) gegen meine frühere, Oesterr.
Landr. 179 aufgestellte und nun auch von Huber Oesterr. Reichsgesch.
50 Note 2 vertretene Meinung.
"• MB. 28, 1. 244.
ArehiT. Bd. LXXXII. U. HUfte. 29
440
dass Heinrich Jasomirgott das Gebiet der Ostmark mit dem
(damit identischen) Gebiet der drei Grafschaften erhalten habe.
Uebrigens nähert sich Stmadt bereits einer richtigen Auffassong,
wenn er, freiUch nicht in Harmonie mit seinen übrigen Aus-
einandersetzungen^ sagt, dass der Ausdruck comitatos hier m
der Bedeutung von ,Gerichtsfolge, das ist der Verpflichtung,
das Ding an einer bestimmten Malstatt zu suchen', zu nehmen
sei. Diese ^Verpflichtung' wurde dem Herzoge wohl nicht
übertragen, sondern vielmehr die gegenüberstehende Berechti-
gung, von den Eingesessenen den Besuch des Grafendinges zu
begehren, und in diesem letzten Sinne, also als Grafenberech-
tigung ist in der Stelle das Wort comitatus zu nehmen. Gleich-
wie Aquileja die Marken Istrien und Krain cum comitatu, das
ist mit den Grafschaftsrechten in ihnen, übergeben wurde, er-
hielt auch Heinrich Jasomirgott die in ein Herzogthum umge-
wandelte Ostmark cum comitatibus, d. h. mit den Grafechafts-
rechten in den drei Sprengein.
Stmadt ist noch in einem andern Punkte zu berichtigen.
Die beiden Fahnen, mit welchen Heinrich belehnt wurde, sym-
bolisiren nicht, wie Strnadt meint, die eine die Herzogsgewalt
und die andere die Grafschaften, also die bisherige Ostmark,
sondern es ist vielmehr anzunehmen, dass mit einer Fahne die
zum Herzogthum erhobene Ostmark und mit der andern Fahne
die Grafengewalt in der Ostmark geliehen wurde.
Durch diese Auslegung der Bedeutung von comitatus er-
klärt es sich auch, dass Otto von Freising Zweifel über die
Anzahl der comitatus hegen konnte (quos tres dicunt), denn es
war leicht möglich, dass er die Anzahl der comitatus, welche
ehedem zur Ostmark zusammengeschmolzen waren, nicht mit
Sicherheit anzugeben wusste, während man von einem den
politischen Angelegenheiten der Zeit so nahestehenden Manne
wie Otto annehmen muss, dass er das Gebiet des neuen Herzog-
thums genau gekannt habe, also über neu hinzugekommene
Grafschaften mit Bestimmtheit berichtet hätte. Die Worte Ottos
in dem hier behaupteten Sinne stehen auch genau im Einklänge
mit dem minus: ,ducatum cum omni iure — Heinrico — con-
cessimus.' Die Grafenberechtigung fHUt hier unter das mit dem
Ducate verliehene omne lus.
441
n. Pagns.
§. 3. Zur Vermeidung von Missverständnissen ist es noth-
wendig, die Bedeutung festzustellen^ welche in dieser Periode
mit dem Worte pagus verbunden wird. Zur Zeit der Karolin-
ger bezeichnet pagus^ Gau, bekanntlich den Verwaltungsbezirk
des Grafen, obwohl auch schon damals mitunter kleinere Be-
zirke Gaue genannt werden^, so dass schon damals der Aus-
druck nicht immer streng technisch, sondern auch nur geogra-
phUch genommen wurde.
1. In unserer Periode findet sich der Ausdruck in der
Mark fbr die einzelnen Verwaltungsbezirke. So wird die Ost-
mark pagus Osterrichi oder Ostrich* oder auch pagus Orien-
talist genannt, die Grafschaft Wilhelms pa^us Seuna oder
Sounae*, Krain pagus Creina oder Greine^, Istrien pagus Hi-
stria oder Hystriensis ^. Von dem Orte Razuuai (bei Marburg)
heisst es, er liege in pago Zitilinesfeld ', d. h. in der Gegend
des Drauf eld es.
Auch ausser den Marken kommt der Ausdruck pagus
für grössere Verwaltungsbezirke vor, z. B. fllr Kärnten pagus
Karintriche ®, für Friaul pagus Forojulii^.
Pagus bedeutet hier einen grossen Bezirk, ftlr welchen
sich auch noch andere gleichwertige Ausdrücke finden, wie
provincia flir die Ostmark als provincia orientalis ^^, für Istrien**
und auch für Kärnten **, regio für die Ostmark *^, Krain ** und
• Waia VG. 2. 380; Schröder RG. 121; Ankerehofen Gesch. Kärntens
2.359.
• 998, 1015 MB. 28, 1. 271, 457; 1051 MB. 29, 1. 106; 10G6 Horm. W. 1. 6;
1076 D. 4. 188; 1078 Biß. 81, 1. 361.
• UOE. 1. 512; 1048 MB. 11. 166.
• 1016, 1028 US. 1. 45, 64.
» 1004, 1011, 1062 UK. 1. 23, 24, 51.
• 1064, 1066, 1067 UK. 1. 64, 56, 56.
' 985 US. 1. 39.
• 980 RK. n. 66.
• 1028 Rub. 608.
*• 1021 D. 31. 62; 1026 MB. 29, 1. 18.
" 104O UK. 1. 44; 1296 CDI.
" 978 RK.n. 53; 1007 US. 1. 42, 43.
" 996 D. 31. 50: re^o Ostarrichi; 1115 UOE. 2. 149: orientalis regio.
** 973, 989, 1002 UK, 1. 12, 14, 22.
29*
442
Kärnten ^^ und regnum fUr die Ostmark ^^, Istrien ^' und Kftrn-
ten ^®, der letzte Ausdruck auch verdeutscht in den Zusammen-
setzungen Ostarrichi ^* und Karintriche *^, welche Zusammen-
setzungen auch für kleinere Bezirke, wie Champriche *^, Peuch-
rich (Boigreich)" vorkommen.
Wollte man auf solche grosse Bezirke hinweisen, so wurde
auch der Ausdruck in partibus gebraucht, wie fiir Oester-
reich *' und Kärnten **. In orientalibus partibus heisst übrigens
überhaupt ,im Osten' und wird von Oertlichkeiten gebraucht,
welche in Kärnten *^, in der Ostmark *^ oder im Püttener Be-
zirke*' liegen. Auch orientaUs plaga und oriens werden in
diesem Sinne angewendet, für die Ostmark *®, Steiermark ** und
das Land Putten»®.
2. Pagus wird auch auf Verwaltungsbezirke ausserhalb
der Mark in Gegenden angewendet, für welche die alte Gau-
verfassung durch die UngarneinMle nicht gänzUch vernichtet
wurde, sondern in modificirter Form als Grafschaft fortbestand.
In diesem Sinne kommen in dieser Periode vor: pagus Tran-
gowe»^, Atergev»*, Matihgowe»», rotgawo^ in Oberösterreich,
" 979 RK. n. 55; 1039 Horm. Beitr. 2. 37.
'« 1014 MB. 28, 1. 449; 1017—40 MB. 6. 13.
*' 1066 Coroniui ten tarnen geneal. 179; im Abdtoicke UK. 1. 55 kommt
statt regnum das Wort pagus vor und nur in N. a. das in ,rogo* cor-
rumpirte regnum.
" 888 Inv. 106.
" Z. B. 996 D. 31. 51 ; 1066 Horm. W. 1. 6; 1076 D. 4. 188.
»° 980 RK. n. 56.
" 1050 MB. 11. 157, in Niederösterreich an der böhmischen Grenze.
** MB. 4. 296, wahrscheinlich für das Gebiet von Oberösterreich zwischen
der Donau und Böhmen.
» C. 1081 UOE. 2. 107.
** 965 RK. n. 43; c. 1030 D. 31. 67; c. 1050 US. 1. 65.
«ß 895 US. 1. 15.
«° 1034 D. 31. 75; 1152, 1166 UOE. 1. 306, 364.
" C. 1084 UOE. 1. 643,
•« 1002 MB. 6. 157; 1011 MB. 11, 140; c. 1140 UOE. 1. 724; 1144 UOE.
2. 213; c. 1150 und c. 1170 UOE. 1. 716, 745; 1160 MB. 28, 2. 116.
•» 883 UOE. 2. 25, 970; US. 1. 29.
»° 1094, 1100 UOE. 1. 627, 780.
" Z. B. 977, 1099, 1111 UOE. 2. 65, 67, 122, 144.
" Z. B. 1007 UOE. 2. 74; 1035 UOE. 1, 474.
8» Z. B. 1007, 1014, 1039, 1056 UOE. 2. 73, 76, 81, 89.
^ 1170 UOE. 1. 94.
443
pagus Croudi oder Crouuati^^, Gurcthal oder Gurka^^, Grap-
yeld''' in Kärnten, pagus Muriza^®, LiubenetaP^, EnstaH^ nnd
Palta^^ im heutigen Steiermark, pagus Intale**, Orital*', Fins-
gowe**, Passyr**, Bustrissa*^ in Tirol.
3. Endlich werden bedeutend kleinere Bezirke ebenfalls
als pagus bezeichnet, sehr häufig in Tirol, aber auch in den
übrigen Alpenländern. So wird in Gestenreich die Gegend um
die Pielach pagus Pielahe*' benannt, in Steiermark ist die
Rede von einem pagus Guniwiz (Gonobitz)*® und von dem
pagus inter flumina Fustrizam et Sedingam (Feistriz und Sö-
ding)*^. In Krain kommt später ein ,villa seu pagus^ Mettnach
vor^^ Ganz allgemein werden in Tirol die Bezirke einzelner
Städte oder Ortschaften als pagi bezeichnet. Sinnachers Samm-
lung enthält eine ganze Reihe solcher pagi, wie pagus Lien-
zina^^, Varna*^ (Vahrn bei Brixen), Filandres^^ (Villanders),
Buoh** (Buch), Stegon^^ (Steg) und noch viele andere.
Der Ausdruck pagus hat also in dieser Periode jede
technische Bedeutung verloren und ist ausschliesslich zur geo-
graphischen Bezeichnung geworden. Er wird etwa in dem
Sinne genommen, in welchem heutzutage von der Gegend von
. . . oder vom Bezirke von . . . gesprochen wird.
III. Die einzelnen Marken.
1. Die Biedmark.
§. 4. Wenn wir mit der Reihe der Marken im Norden
beginnen, so finden wir eine kleine Mark am linken Donau-
ufer, welche bisher nicht als besonderer Verwaltungsbezirk
erkannt worden ist, die Riedmark. Wir müssen mit ihr und
" 993 RK. n. 68; 964, 961, 979 US. 1. 27, 28, 34.
■• 975 Eichli. Beitr. 1. 161; 1042 RK. n. 115.
^ 993 Sinnacher, Beitr. z. Gesch. v. Säben u. Brixen 2. 171.
* 1023 US. 1. öO. »• 1023 US. 1. öl.
* C. 1130, c. 1140 US. 1. 144, 207. " 1048 US. 1. 64.
** 1097 Horm. Beitr. 2. 82. *» 1028 Sinn. 2. 368.
** 1077, 1109 Horm. Beitr. 2. 57, 125. *» 1078 Horm. Beitr. 2. 59.
^ 1048 Horm. Beitr. 2. 77. *' 1043 Fischer Klostern. 2. 115.
*• 1165 US. 1. 453. *» 1146 US. 1. 254. *« 1263 UK. 2. 248.
" Sinn. 2. 376. " Sinn. 2. 604, 606, 658. «» Sinn. 2. 640.
** Sinn. 2. 607. »* Sinn. 2. 612.
444
der Feststellung ihres Umfanges beginnen^ da nur auf diesem
Wege die westliche Ausdehnung der Ostmark im Norden der
Donau bestimmt werden kann.
1. Zur Karolingerzeit war das heutige Oberösteireich
nördlich von der Donau mit dichten Waldungen bedeckt, daher
man von diesen Gegenden wohl auch noch später als von der
Waldmark sprach: c. 1130^ praedia sua in Windeberge sita
— quod uulgo ibi nuncupatur Waldmarch — ibique dilatanda
est per siluestria loca usque ad Pehaim geschait. Konrad ÜI.
1142^ schenkt an Garsten 400 Mausen in silua nostra qae
uocatur Ritmarch uideUcet a äuuio Jowerniz usque ad fluuium
Agast et exinde usque ad terminum sclauorum. Dieser grosse
Wald, welcher Böhmen von dem Donaugebiete schied, wurde
Nordwald oder Böhmerwald genannt. Von ihm ist schon in
der Zollverordnung von RaflFelstetten die Rede: licentiam —
mercandi habeant usque ad siluam Boemicam *. Er findet sich
im Ilzgau 1010^: siluae quae uocatur Nortuualt in comitatu
Adalberonis in longitudine a fönte fluminis, quod dicitur Bzisa,
sursum usque ad terminum praedictae silvae, qui separat duas
terras Baioariam videlicet et Boemiam, et ita usque ad fontem
fluuii, qui dicitur Rotala; 1154, 1216^ silva boemitica oder boe-
mica; ebenso in der Riedmark 853^: inter agastam et nar-
dinam — ad loca, ubi de uenis in amnes deriuantur et itaque
usque in nortuualt; 1125': ultra lozperch — in silua, que dici-
tur nortwalt; 1224®: ante boemicum nemus et in Riedmarch,
dann aber auch im Norden des Machlandes 1209*: de nordica
— silua in Kunegeswisen.
Im 12. Jahrhunderte scheint man mit dem Roden im
grossen Massstabe begonnen zu haben, und aus dieser Zeit her
stammen wohl die vielen hier vorkommenden Ortsnamen, welche
auf -schlag oder -reut endigen, und auch der Name der Ried-
mark selbst ^^
2. Die Grenzen der Riedmark lassen sich erkennen, so-
bald wir die Urkunden der späteren Jahrhunderte heranziehen.
» US. 1. 142. « UOE. 2. 204. > UOE. 2. 54.
* UOE. 2. 75. > UOE. 1. 273, 477, 681. « UOE. 2. 16.
^ UOE. 2. 164. « UOE. 2. 648, 660. " UOE. 2. 617.
*<> Strnadt A. 17. 155, wogegen Lampel Putten 10 den Namen von Ried =
Sumpf ableiten will; Sumpfmark wäre aber für das hügelige Terrain
dieser Mark die am wenigsten passende Bezeichnung.
445
Dies ist hier thunlich^ da — abgesehen von der Grenze gegen
Böhmen — Grenzveränderungen nicht stattgefunden haben.
Wir sind wenigstens nicht berechtigt, solche anzunehmen, da
die Nachrichten aus den verschiedenen Jahrhunderten, so einer-
seits die Angaben über den Passauer Besitz in der Riedmark
im codex traditionum pataviensium ^^ und anderseits das Ratio-
narium Austriaca* in genauem Einklänge stehen ^^. In der
Kartenbeilage sind alle Orte eingetragen, welche ausdrücklich
als in der Riedmark gelegen bezeichnet werden und deren
Lage sich bestimmen lässt; wir erhalten dadurch ein Bild ihres
Umfanges von genügender Deutlichkeit.
Die Südgrenze wird* durchgehends von der Donau ge-
bildet.
Im Westen lässt Strnadt" die Grenze den Haselgraben
entlang laufen, dann etwa bei Hellmonsöd sich nordwestlich
Zwettl zuwenden und längs der grossen Rodel gegen Norden
gehen, so dass Schenkenfelden innerhalb und Leonfelden ausser-
halb der Grenze zu liegen kommt. Dieser Qrenzzug bedarf
jedoch einer Rectificirung, da die Orte Eizenberge, Chramvit
und Eben im Westen des Haselgrabens zur Riedmark gehören.
Die Grenze der Riedmark war hier mit der Grenze zwischen
den Herrschaften Wildberg u:nd Waxenberg identisch. Als
nämlich die Grenze zwischen diesen beiden Herrschaften be-
stimmt werden sollte, wurde der Richter dazu a rege Henrico,
Lmpoldo duci Austrie et domino Gebhardo patauiensi episcopo
ernannt^*, woraus zu schHessen ist, dass beide Landesflirsten,
der Babenberger imd der Bischof von Passau, bei dieser Grenz-
bestimmung betheiligt waren, indem die zu bestimmende Grenze
mit der Grenze der Amtsbezirke dieser beiden Fürsten zu-
sammenfiel. Die Grenze Wildbergs wird nun 1198 und 1212,
dann nach ergangenem Richterspruche *^ folgendermassen be-
schrieben^': loco Teisching nomi^ato a trunco quercus (1198:
qnaedam quercus) fixo usque in chvntprvnne, a chvntprvnne
" UOE. 1. 477. " Eauch Scr. 2. 31 f.
" Kurz Beitr. 4. 503 nimmt ohne alle Begründung GrenzYeränderungeu au.
" A. 17. 16 und die Kartenbeilage daselbst. " UOE. 1. 479.
" UOE. 2. 461, 635 und 1. 478. Die Zuweisung des Richters muss zwischen
1222 und 1230 geschehen sein, da Qebhard 1222 Bischof von Passau
wurde, ein Leopold aber nur bis 1230 in Oesterreich herrschte.
" 8. auch die Grenzbestimmung c. 1220 UOE. 1. 481.
446
usque in paludem^ qui uilzmos dicitur, ab ipöa palude per
medium Greblich usque ad viam, que Schefwech (Schefecke)
dicitur; de ueteri via Schefecke (1198: ab ipsa via in rivolum
vocatum Oensbach) deorsum usque ad riuulum qui Roetel
(1198 in Restie corrumpirt) dicitur, de ipso riunlo — sursum
usque in Wilantestanne finiuntur, oder wie es 1198 heisst: ubi
ad partem septemtrionalem dictae possessiones Bofaemionim
confinio terminantur. Mons etiam vocatus Stella, sicut ex sui
situ infra terminos dictos probatur, est connumerandus possessio-
nibus antedictis.
Darnach mag die Grenze vom Ausflusse des Haselbaches
in die Donau längs dieses Baches etwa bis zur Mitte des
Haselgrabens gegangen sein und sich dann westwärts gewendet
haben, um im Bogen nördlich von Zwettl *® die grosse Rodel
zu erreichen. Von da hat wohl dieser Fluss die Grenze ge-
bildet, welche sich weiter bis zum Stemstein und bis zur
böhmischen Grenze hin erstreckte.
Die in einer Urkunde 1110*^ angegebenen Grenzen der
benachbarten nicht zur Riedmark gehörigen Pfarre Grama-
stetten stehen mit diesen Grenzangaben nicht in Widerspruch.
In dieser Urkunde wird zuerst die westliche Grenze der Pfarre
durch den Lauf der kleinen und grossen Rodel bis zur Donau
festgestellt: a capite rotilich usque dum idem riuulus rotilam
influat et sie per chonzanwisa et pertinolsperch usque in ripam
danubii. Dann heisst es, gehe die Grenze contra meridiem
usque ad terminum ecclesie buchnowe (Puchenau) und weiters
supra montem contra orientem (PöstKngberg?) usque hasilbach.
Die südliche Grenze läuft also bis St. Magdalena am Eingange
des Haselgrabens, denn dieses ist unter hasilbach zu verstehen '^.
Endlich wird gesagt: Quarte quoque a ripa — danubii contra
septemtrionem usque ad marcham boemicam. Von der öst-
lichen Grenze heisst es also nur ganz allgemein, sie gehe von
der Donau bis zur böhmischen Grenze *^ Eine genauere An-
gabe dieses Theiles der Grenze wurde vielleicht deswegen
^^ Zwettl selbst gehörte znr Pfarre Gramastetten, also nicht in die Ried-
mark; 1292 UOE. 4. 176.
" UOE. 2. 129.
^ Lamprecht Hi8t.-topogr. Biatrikel d. Liandes ob d. Enns 159.
'^ Darüber, dass dies unter der marcha boemica der Urkimde zu verstehen
ist, 8. unten bei Note 47 f.
447
nicht für nothwendig gehalten, weil sie hier mit der ohnedies
bekannten Grenze der Kiedmark zusammenfiel. Eben des-
wegen, bei der Ungenauigkeit oder eigentlich dem Mangel
einer näheren Grenzbestimmung gegen Osten, lässt sich nicht
sagen, dass die Angaben der Urkunde mit den sonstigen An-
deutungen über den Verlauf der westlichen Riedmarksgrenze
in Widerspruch stehen.
Die Nordgrenze ist nicht genau festzustellen. Anfänglich
war das Land mit Wald bedeckt, und es gab wohl noch keine
bestimmte Grenze. Nach und nach rückten die Siedelungen
und Rodungen von Deutschland aus gegen Norden und von
Böhmen aus gegen Süden vor, und da dürfte es im Laufe der
Zeit zu einer Grenzbestimmung gekommen sein, die wir jedoch
nicht kennen. Die zur Feststellung der Grenze zu Gebote
stehenden Anhaltspunkte sind ziemlich dürftig. In der Ein-
leitung zu Enenkels Fürstenbuch wird der Zug dieser Grenze
folgendermassen beschrieben**: die Muchel auf zu perge uncz
recht auf den spicz des vnctompergs alz die regen wazzer
fliezzent vncz in den Chunigsprunne den Chuningsprunne her-
nider vncz in die gostenicz in die luensnich nider ecc. Alle
hier vorkommenden Oertlichkeiten sind fraglich; vnctomperg
dürfte corrumpirt sein, vielleicht ist damit der Pernstein
(Schindlauer Berg) gemeint, welcher auch sonst als Land-
marke vorkommt *'. Unter dem Chuningsprunne muss ein nicht
mehr nachweisbarer Bach gemeint sein (den Chuningsprunne
hemider), sonst Messe sich der Name etwa in dem heutigen
Kaltenbrunn südlich von Hohenfurt finden. Noch unsicherer
sind die weiteren Angaben. Die Luensnich ist zweifellos die
Lainsitz, die Gostenicz, wie wir aus einer noch zu besprechen-
den Grenzregulirung entnehmen^*, der Kastainzer Bach; diese
beiden Wasserläufe sind also bei Enenkel in verkehrter Reihen-
folge aufgeführt, so dass uns Enenkel flir die Bestimmung des
hier in Frage konmienden Theiles im Grenzzuge beinahe ganz
im Stiche lässt.
Die besten Anhaltspunkte bieten noch die Oertlichkeiten,
welche sich im äussersten Norden der Riedmark finden, näm-
lich der Stemstein, Herbischlag und Elhenperge, dann Haide,
*■ Rauch 8cr. 1. 246. » 1164 UOE. 273; 1237 UOE. 3. 56.
** 8. unten §. 5 bei Note 93.
448
vorausgesetzt, dass unter dem Haide in der Riedmark das
heutige Ober-Haid in Böhmen zu verstehen ist. Damach läset
sich annehmen, dass die spätere Nordgrenze der Riedmark
beiläufig dem heutigen Zug der Grenze zwischen Böhmen und
Oesterreich entsprochen hat. Für diese Annahme haben wir
auch andere urkundliche Andeutungen. Im codex traditionum
pataviensium von c. 1220*^ ist die Rede von dem ehemaligen
castrum Stella (wohl das heutige Ober-Stem am Pusse des
Sternsteins), und es heisst dann: de Stella usque ad terminoB
Bohemicales protrahitur, und dann: ab origine fluuü dicti Gras-
pach episcopales proprietates ac proventus — usque ad ter-
minos Boemie postea protrahuntur, wobei noch gesagt wird,
dass der Graspach bei Richerawe, heutzutage Reichenau, west-
lich von Ottenschlag entspringt. Daraus ergibt sich, dass diese
beiden Oertlichkeiten noch entfernt von der böhmischen Grenze
lagen. Femer findet sich betreffs des weiteren Grenzzuges
1125*® die Angabe, dass das Land zwischen der Waldaist und
der Feidaist sich gegen Böhmen erstreckte: inter duos bino-
mios fluuios, qui dicuntur Aggist, usque ad terminos boemi-
ensium.
Die Westgrenze, der wir uns nun zuwenden, scheidet
die Riedmark vom Machlande. Ueber das Verhältniss dieser
beiden Gebiete zu einander bestehen noch vielfach un-
richtige Ansichten. Lamprecht *^ lässt das Machland bis zum
Haselgraben reichen und bezeichnet die Riedmark als dessen
westlichen Theil. Stliltz in seinen Anmerkungen zu Stmadts
Aufsatz*® zweifelt den Ausftlhrungen Stmadts gegenüber, ob
nicht die Riedmark ein Theil des Machlandes oder umgekehrt
dieses ein Theil jener gewesen sei. Krones ** nennt das Gebiet
um Freistadt Machland und sagt, dass dessen südlicher Theil
die Riedmark bildete. Und noch LampeP^ fasst die Riedmark
und das Machland als ein Gebiet auf, welches zwischen Isper
und Nam liege, beschränkt also die Riedmark auf die Gegend,
welche ausschliesslich dem Machlande zuzuweisen ist.
Stmadt^* hat der erste erkannt, dass beides verschiedene,
wenngleich aneinandergrenzende Gebiete sind, doch wird die
2* UOE. 1. 481. ^ UOE. 2. 165.
«' A. a. O. 136, 169. «« A. 17. 206. " Gesch. Oeat. 1. 367,
»0 Putten 10. " A. 17. 161 f.
449
Grenze von ihm nicht richtig gezogen. Wenn man die beiden
Kärtchen^ welche die Orte in der Riedmark und jene im
Machlande enthalten^ nebeneinander hält^ so sieht man, dass
die Grenze an der Donau westlich von Nam beginnt, von dort
nordöstlich zum grossen Nambach läuft imd nun diesen Bach
entlang geht. Ob vom Zusammenflusse der grossen und der
kleinen Nam an der eine oder der andere dieser Bäche die
Grenze gebildet, muss unentschieden bleiben. Es ist daher
unrichtig, die Waldaist als Grenze anzunehmen^*, und auch
Stmadt hat unrecht, die Grenze weiter östlich in das Machland
hinein zu verlegen. Zwar rechnet er Awe an der Donau zum
Machlande, woftlr nichts spricht, schlägt aber dafür die Pfarrei
Altenburg, Münzbach, St. Thomas (Plasenstein), Pirchehe und
St. Georgen zur Riedmark. Er beruft sich hieflir auf das
Rationarium Austrie. In diesem nehmen aber die Einkünfte
aus dem Amte Zell auf S. 58 ein Ende, in den weiteren Ein-
tragungen wird nirgends die Riedmark erwähnt, die daselbst
vorkommenden Orte, wie z. B. Plasenstein, können daher un-
möglich wegen der Angaben des Rationariums in die Riedmark
versetzt werden. Die Urkunden flir Orte, welche in diesen
Pfarren liegen, werden regelmässig von den Landrichtern im
Machlande besiegelt oder bezeugt, und wir müssen sie diesem
Lande vindiciren. Am tiefsten lässt Stmadt die Grenze in
das Machland einschneiden, weil er in dem Pannholtz des Ratio-
nariums S. 36 und 49, welches daselbst in der Riedmark ge-
legen aufgeführt wird, ein Pannholtz bei Grein sieht. Bann-
hölzer oder Bannwälder mag es aber wohl manche in der
Riedmark gegeben haben, so dass wir nicht nöthig haben, das
Bannholz bei Grein in die Riedmark zu verlegen. So findet
sich z. B. auf der Generalstabskarte östlich von Schenken-
felden ein ,Pannholz', gewiss zur Riedmark gehörig. Die heuti-
gen Pfarren Altenburg, Münzbach, Bierbach, Königswiesen,
St. Georgen und Neukirchen sind demnach dem Machlande
zuzuweisen.
Damit wären Umfang imd Grenzen der Riedmark, so weit
es möglich ist, festgestellt.
" So Lamprecht a. a O. 169, Meiller Regpesten der Salzborger Ers-
bischOfe 467 und darnach auch Lampel Einl. zum Fürstenbuch 31
Note 1.
450
3. Der Name Riedmark kommt zum ersten Male in der
Urkunde 1115*^ vor, mittels welcher Markgraf Leopold IV.
das Kloster Garsten a redibitione uel reditu mei iuris in rid-
marchia uel in omnibus locis mei regiminis trans danubium
positis befreit. Die Riedmark stand also schon damals unter
der Jurisdiction der Babenberger. Daher war es auch Herzog
Leopold VII., welcher St. Florian von der Zahlung des March-
futters fllr seine Güter in der Riedmark befreite, 1202^: iusti-
cias nosti'i iuris marchfvter dictas de prediis — in Riedmarchia
— remittimus, und königliche Schenkungen in der Riedmark
erfolgten regeknässig unter Zustimmung des babenbergischen
Markgrafen: König Lothar 1125^^: consensu henrici ducis
bauuarie eiusque filii heinrici et liupaldi marchionis orientalis
— mönasterio St. Flosiani predicta predia (welche alle nach
Urk. 1115, Note 33 in der Riedmark lagen) donamus. König
Konrad III. 1142^^: assensu dilecti fratris nostri Heinrici mar-
chionis — ecclesie Garstensi — 400 mansos in silua nostra que
uocatur Ritmarch — concessimus. Wir sahen daher auch schon
oben^' den Babenberger Herzog bei Bestimmung der Grenzen
zwischen den Herrschaften Wildberg und Waxenberg be-
theiUgt.
Wenn nun gleich die Riedmark den Babenbergem unter-
stand, so folgt daraus doch nicht, wie Stmadt ^® annimmt, dass
sie einen Bestandtheil der Ostmark bildete. Es fehlt nicht
an Anhaltspunkten, welche zeigen, dass sie nicht zur Ostmark
gehörte. So heisst es, dass die Besitzungen Passaus in der
Riedmark sich usque ad terminos Australes uidelicit Witra er-
strecken**, worunter nur die österreichische Grenze gemeint
sein kann, ebenso wie unter den wenige Zeilen früher er-
wähnten terminis Boemie die böhmische Grenze. 1171*® ver-
spricht Heinrich Jasomirgott die Besitzungen von Garsten infra
terminos rietmarchie et in austria zu schützen. Die Riedmark
und Oesterreich werden auch auseinandergehalten; 1238*^: pre-
dia ante bohemicum nemus et in Riedmarch — accepit — con-
M UOE. 2. 149. »* UOE. 2. 486. ^ UOE. 2. 162.
^ UOE. 2. 204. " S. bei Note lö.
^ Geburt d. L. o. d. Enns 34. Ebenso auch neuestens Wernnsky Oesterr.
Reichsgesch. 29.
" UOE. 1. 478. *« UOE. 1. 130 und 2. 345. " UOE. 3. 66.
451
ferens e conuerso predia sua in Austria; 1298**: ze wechsil —
meins aigens daz ich het in der Riedmarich — vmb ir aigen,
daz si hetin in Osterreich. Wir mUssen daher in der Ried-
mark ein besonderes^ für sich bestehendes Gebiet sehen.
Dabei war die Riedmark eine rechte Mark. Schon zur
Earolingerzeit gehörten diese Gegenden zur Mark. Urkunde
Ludwigs des Kindes 900**: quidquid seruus quidem noster no-
mine Perhart in aquilonali parte danubii — in ipsa marha
tenuit. Dass aber auch später hier eine Mark bestand^ ergibt
sich^ ganz abgesehen vom Namen^ daraus^ dass daselbst die
Abgabe des Marchfutters zu zahlen war; Leopold VII. 1202**:
iosticias nostri iuris marchfvter dictas de prediis — in Ried-
marchia — remittimus; Ration. Austr.*^: in officio Ottonis de
CeUe in Riedmarch hat zu zahlen ad Marchstewer Uhicus
ibidem (Lugendorf) 2 modios frumenti etc. — denarii in eodem
officio (Celle) qui dicuntur Marchstevr.
Die Riedmark hat also eine besondere, unter Verwaltung
der Babenberger stehende kleine Mark gebildet.
Schon Heyrenbach *^ wollte in diesen Gegenden nördlich
von der Donau eine besondere Mark finden, welche er als
böhmische Mark bezeichnete, jedoch nicht mit der Riedmark
identificirte. Seine Ansicht, von welcher nur das richtig ist,
dass es hier überhaupt eine besondere Mark gab, konnte leicht
durch Kurz*' widerlegt werden. Der Beweis des Vorhanden-
seins dieser böhmischen Mark wurde nämlich durch den in
Urk. 1110*® gebrauchten Ausdruck marchia bohemica geführt,
bis zu welcher die Pfarre Gramastetten sich erstreckte. Dar-
unter sollte nämlich nicht die böhmische Grenze verstanden
sein, weil die Pfarre Gramastetten sich unmöglich von der
Donau bis an diese Grenze habe ausdehnen können, es lasse
sich dieser Ausdruck hier also nur im Sinne von Markgraf-
»chaft verstehen, und es habe demnach eine besondere ,bohe-
mica' genannte marchia im Norden des Pfarrbezirkes von
Gramastetten bestanden. Diese Argumentation widerlegte Kurz
durch den Hinweis auf die Urkunde 1292**, nach welcher
** UOE. 4. 274. *» UOE. 2. 47. ** UOE. 2. 486.
** Rauch Scr. 2. 37, 39, 66.
*• Magazin f. Kunst u. Litteratur IV. 4, 39, 1796.
*' Beiträge 4. 492. ♦• S. oben Note 21. *• UOE. 4. 176.
452
diese Pfarre sehr ausgedehnt war und Filialen in Leonfelden
und Weissenbach hatte, also in der That bis zur böhmischen
Grenze sich erstreckte: ecciesiam parochialem in Greimatsteten
— parrochialibus valde diffusam limitibus et habentem in Lon-
uelde, in Newnkirchen, in Weyssenpach — ecclesias filiales
annexas.
Auch einen Markgrafen seiner böhmischen Mark wollte
Ileyrenbach gefunden haben in der Person des Markgrafen
Konrad. Trotz dem Vielen, was über denselben geschrieben
wurde ^®, ist die Persönlichkeit dieses Markgrafen noch nicht
festgestellt. Er kommt, abgesehen von einer Stelle im Gtött-
weiher Saalbuche ^^, nur in Waldhausner Urkunden aus dem
Jahre 1147^* vor als Betheiligter oder Zeuge in Angelegen-
heiten, welche sich auf das Machland beziehen. Mit der Ried-
mark oder mit den Gegenden, in welche Heyrenbach seine
böhmische Mark versetzte, hat er gar nichts zu thun, und es
ist daher auch nicht gestattet, ihn damit in irgend eine Ver-
bindung zu bringen.
2. Die Ostmark.
§. 5. Vor Allem dürfte nach der Schlacht am Lechfelde
die Markgrafschaft an beiden Ufern der Donau wiedererrichtet
worden sein, ftir welche die Namen Ostarrichi, zuerst 996^,
und Austria, zuerst 1074^, vorkommen. Andere Bezeichnungen,
wie Orientalis regnum, orientalis plaga, orientalis provinria,
Orientalis regio u. dgl. m. beziehen sich nicht, wie Meiller ^ meint,
ausschliesslich auf die Ostmark, sondern bedeuten überhaupt
im Osten gelegenes Land, wie wir bereits gesehen haben. Auch
,marchia bohemica' bezeichnet weder die Ostmark im Ganzen,
noch einen Theil derselben. Wir haben bereits geftmden, dass
in der Urkunde, in welcher dieser Ausdruck sich findet, damit
nicht eine böhmische Markgrafechaft, sondern die böhmische
■* Knn Beitr. 4. 507f., Blnmberger Archir f. Geogr. 1S18. SSSf., Honnajr
Wiener Jahrb. d. Lit 31, Am. 51 f., Stüli im Osterr. Geochichtsf. ChmeVi
1. 286 f., Blnmbeiiper Wiener Jjihrb. d. Lit 87, Ani. 34 f., Karlin I). 8.
194f.
" D. 8. 66.
» l*OE. 3. 888, 230, 838, 837, 838, 840.
>1). 31. 51. »RH. 9 n. 11. ' RR 198.
453
Grenze gemeint ist*, und in einer andern Urkunde 1055^,
wo gesagt wird: ,ultra — fluuium Bulka iaeentem, in marchia
boemia in comitatu Adelberonis, haben diese Worte auch diese
Bedeutung®.
1. Als erster Markgraf Oesterreichs kommt Burkhard vor.
Er war Zeitgenosse des Bischofs Adalbert von Passau (945 —
971); Urk. c. 987': Adalbertus episcopus sub Purchardo mar-
chione in sua tenuit vestitura; und kommt zuletzt noch 972®
als Markgraf vor: in comitatu Burchardi marchionis.
Auf Grund der geographischen Andeutimgen des Nibe-
lungenliedes meint Zamcke®, die Grenze der Markgra&chaft
Burkhards im Süden der Donau sei in eine Linie zu verlegen,
welche, beiläufig bei Spitz an der Donau beginnend, über die
Berge im Süden bis an die Traisen unterhalb St. Polten läuft.
Spitz oder die Donaubeuge bei Rossatz wird als Grenzpunkt
angenommen, weil dorthin im Nibelungenliede die Grenze
zwischen der Mark Rüdigers von Pechlarn und dem Osterlande
verlegt werde und der Dichter dabei die Grenze vor Augen
hatte, welche zu seiner Zeit gegen Ungarn bestand. Es mag
dahingestellt sein, ob die Dichtung, welche ja die Vergangen-
heit darstellen wollte, nicht ebensogut einen bekannten älteren
Grenzzug berücksichtigt haben kann; aber ganz abgesehen
davon, findet sich im Nibelungenliede gar nicht, dass die Grenze
dort war, wohin sie Zamcke verlegt, was er eigentlich auch
zugibt. Die betreffende Stelle lautet: ein wirt was (in Mede-
liche) gesezzen — der wiste si die straze nider in Osterlant
gegen Mutaren die Tuonowe nider. Damit ist nur gesagt, dass
der Wirth Chrimhilden die Strasse ins Osterland längs der
Donau gegen Mautern zu wies, also dass die Strasse in das
Osterland gegen Mautem zu ging, ohne dass damit auch nur
angedeutet würde, wo das Osterland begann und ob Mautem
schon im Osterlande gelegen war. Ebensowenig findet sich
* S. oben §. 4 bei Note 48.
* Horm. W. 1.4.
' MeUler RB. 199.
' ÜNOe. 1 . 4.
* MB. 28, 1. 193.
* Beiträge zur Erklärung des NibelnngenUedes in Berichten der sächs.
Gesellsch. der Wiflsenschaften 8. 174 f. und ihm zustimmend Büdinger
Oesterr. Gesch. 1. 268 und Huber Gesch. Oesterr. I. 175.
454
im Nibelungenliede eine Angabe der Passauer Diöcesangrenze.
Pischof Piligrim kann allerdings Chrimhilden nach damaliger
Sitte bis zur Grenze seiner Diöcese begleitet haben, doch sagt
das Lied nicht, wo er von ihr Abschied nahm. In einer
Strophe wird nur erzählt, dass sie von Melk gegen Mautem
zogen, und in der nächsten Strophe der Abschied Piligrims
ohne Ortsangabe berichtet, worauf es dann weiter heisst, dass
sie ,kurz darauf' an die Traisen kamen. Daraus ist also nur
zu entnehmen, dass der Abschied an irgend einem von der
Traisen nicht allzu fernen Orte im Westen derselben stattfand.
Aus dem NibelungenUede lässt sich also nichts Genaues über
die Ostgrenze der Mark an der Donau entnehmen. Zamcke
führt zwar auch eine Stelle aus Biterolf ins Treffen: der herre
kam in Osterland, da er ein burc ouch vant diu hiez ze Mu-
taren. Daraus kann aber auch nicht gefolgert werden, dass
Mautern als in Ungarn gelegen gedacht wurde, denn Osterland
bedeutet hier wohl dasselbe wie plaga oder regio orientalis in
den Urkunden, nämlich im Allgemeinen die im Osten gelegenen
Landstriche.
Die weitere Annahme Zamckes, dass die Grenze zur
Zeit Burkharts südlich von St. Polten gelaufen sei, so dass also
St. Polten nicht zu Burkhards Bezirk gehörte, beruht darauf,
dass Zamcke ,Treisima' nicht für St. Polten, sondern für einen
Ort (er sagt ein Dorf) südlich von St. Polten hält. In der
Urkunde c. 987 ^^ heisst es aber: Treisimam civitatem S. Ypoliti
— ea integritate ut quondam beate memorie Adalbertus episco-
pus sub Purchardo marchione in sua tenuit vestitura, und dass
unter dieser civitas des heil. Hypolit St. Polten zu verstehen
ist, kann umsoweniger bezweifelt werden, als ausdrücklich be-
zeugt wird, dass das Kloster des heil. Hypolitus, nach welchem
die Stadt St. Polten benannt wurde, im Orte Treisma sich be-
fand: 976^^: Treisma ad monasterium S. Ypoliti, so dass ohne
allen Zweifel Treisima oder Treisma der alte Name der Stadt
St. Polten gewesen ist.
Die Grundlagen für die Grenzbestimmung Zamckes sind
also zum Theile unsicher und zum Theile unrichtig. Seine An-
sicht findet auch keine Stütze darin, dass die erwähnte Urkunde
10 UNOe. 1. 4.
" UNOe. 1. 2.
455
von c. 987 von praediis que tunc sub ditione tenebantur domi-
nica spricht. Wenn dies auch voraussetzt^ dass ein kürzlich
den Ungarn abgenommenes Gebiet noch nicht den früheren
Eigenthümem zurückgestellt war, so brauchen wir deshalb doch
nicht anzunehmen^ dass die in der Urkunde ei*wähnten Orte
nicht unter Burkhard gestanden seien^ da auch später noch^
974 1«, und zufolge Urkunde 985 " selbst zur Zeit Ottos III. i*
(nostri regni tempore) UngameinfUlle in die Ostmark stattfanden^
welche eine erneute Regelung der Eigenthumsverhältnisse noth-
wendig gemacht haben können.
Wir müssen uns übrigens begnügen^ Zamckes Qrenzbe-
stimmung als unbegründet zu charakterisiren, ohne im Stande
zu sein^ eine andere halbwegs genaue an ihre Stelle zu setzen.
Es steht nur so viel fest^ dass die Wachau und St. t^ölten zu
Burkharts Amtsbezirk gehörten; ob er sich noch nach Osten
weiter ausgedehnt hat^ bleibt ungewiss^ doch ist es wahrschein-
lich, dass, wenn die Deutschen St Polten besassen, das Reiter-
Tolk der Ungarn die Donauenge westHch von der Traisen
auch nicht mehr innehatte. Es mag also immerhin ange-
nonmien werden, dass Burkharts Mark sich mindestens bis an
die Traisen erstreckt habe ^^.
Die Gründe der Entfernimg Burkhards von der Mark-
gra&chaft kennen wir nicht; möglich, dass er in den Aufstand
Heinrichs des Zänkers verwickelt war und deswegen vor oder
nach dem Scheitern der Unternehmung Heinrichs (976) die
Markgrafschaft verlor ^^. Gewiss ist nur, dass spätestens 976^'
ein Getreuer Ottos II., Luitpold von Babenberg, Graf im Donau-
gaue (983*®: in pago tounahgeuui in comitatu liutpoldi), als
Markgraf der Ostmark auftritt, welcher dabei nicht nur den
" WilmÄiis Jahrb. 2, 2. 17.
" MB. 28, 1. 244.
" Hnber Gesch. Oeaterr. 1. 177 Note 1.
^ Ueber die Ausdehnung seines Amtsbezirkes im Norden der Donau gegen
Westen haben wir keine Daten. Für die von Huber Oesterr. Rechtsg. 6
behauptete Ausdehnung bis zur grossen Rodel fehlt es an jedem Belege.
'• Vgl. Bttdinger Oesterr. Gesch. 1. 272 Note 1; Huber, Gesch. Oesterr.
1. 189.
" Ueber den Zeitpunkt seiner Erhebung: Meiller RB. 187; Waitz Jahrb.
1. 176.
" MB. 28, 1. 237.
ArehJT. Bd. LXXXn. II. H&lfte. 30
456
Donaugau behielt, ^^ sondern auch noch den Traungau ver-
waltete; 977'®: in pago trungowe in ripa Anesi flominis in
comitata Livpoldi.
An der Hand der Urkunden lässt sich das allmftlige
Vorrücken der Colonisation im Donauthale gegen Osten beob-
achten, wenigstens entnimmt man daraus das Minimum an Land,
welches jeweilig von den Deutschen besiedelt war. Eine solche
Grenzerweiterung findet sich schon imter Luitpold I. Melk ist
zwar gewiss nicht erst von ihm erobert worden*^, dafür er-
fahren wir bald nach seiner Erhebung zum Markgrafen, dass
das Land bis zum Wienerwalde von Deutschen bewohnt wird;
c. 987**: zu den praediis, que tunc sub ditione tenebantur do-
minica, gehören Güter usque in cacumen montis Comageni und
ultra Danubium usque ad Marevinos terminos; daher auch Pili-
grim die Zehnten bis zum Wienerwald seiner Passauer Kirche
zusprechen lassen konnte: c. 988*^: tempore Piligrimi episcopi
sjmodo aggregato — orientales diocesaneos — hanc conivere
sententiam — omnem decimationem infra praescriptos Umites
anesi scilicet fluminis et comageni montis ante proximam barba-
ricam devastationem in dicione et potestate — pataviensis eccle-
siae — fuisse. Auch unter Luitpolds Nachfolgern Heinrich
(994-1018) und Adalbert (1019—1055) können wir das Vor-
schreiten der Ansiedelungen verfolgen. 1002 ** schenkt Kaiser
Heinrich H. dem Markgrafen Heinrich predium — inter durran
liezniecham et trieznicham et insuper XX hobas inter cham-
bam et maraaho eligendas ubicumque sua desiderat optatio.
Daraus entnehmen wir, dass das Land östlich vom Kamp,
wenngleich noch sehr dürftig besiedelt, doch schon bis zur
March in den deutschen Machtbereich fiel, der sich also da-
*• S. vorige Note.
«<> UOE. 2. 66, ebenso 67.
'^ Pez Scr. 1. 29 behauptet dies, bezweifelt wird es von Büdinger t. 466
und Haber 1. 175 Note 4, und Meiller Denkscbr. 18. 14 f. hat nach-
gewiesen, dass die Nachricht sich zuerst in der sehr unglaubwürdigen
Chronik des Conrad von Wizzenberge findet und nur von da in spätere
Schriften übergegangen ist.
" UNOe. 1. 4.
» MB. 28, 2. 88.
«* RB. 3 n. 6.
457
mak bis zur March*^ und Triesting*^ erstreckt haben muss.
Es ist daher auch ganz möglich^ dass Unvizinesdorf^ in welchem
Kaiser Heinrich II. 1002 ein Qut seinem miles piUgrimus
schenkte*^, Langenzersdorf am Bisamberge war*®. Aus den
Jahren 1011 imd 1019** finden sich weiters Schenkungen an
Niederaltaich von Hüben bei Absdorf und Schmida nördlich
von der Donau. Dann erfahren wir, dass Tegemsee 1020^®
5 Mansen inter duos fluuios id est Pistnicha et Tristnicha, dass
im nächsten Jahre 1021*^ Weihenstephan partem insule Sah-
ßonaganc — usque in locum Orta — et inde usque ad siluam
— Hart und 1025** Graf AmoW 50 Mansen sitos inter
TÜlam frumanaha et inter fluvios Danubium et Maraha in comi-
tatv Adalberti marchionis erhielt^.
** Dagegen meint Thausing Forschungen z. deutschen Gesch. 4. 358, aus
dieser Urkunde sei kaum zu schliessen, dass die March bereits feste
Reichsgrenze war, im Geg^ntheile zeige die unbestimmte Bezeichnung
in so grossem Baume, dass man von der Entfernung der March vom
Kamp keinen rechten Begriff hatte. Aus der Urkunde geht aber nur
hervor, dass dieser grosse Kaum noch nahezu unbewohnt war; die March
musste Heinrich II. doch als Reichsgrenze ang^ehen haben, da er die
Freiheit der Wahl sonst unmöglich bis zu diesem Flusse hätte aus-
dehnen können. Am wenigsten sprechen für Thausing die gleich zu
erwähnenden Urkunden von 1011 und 1019, denn es ist nicht richtig,
dass, wie Thausing behauptet, darin ,blos* die Gegend zwischen Schmida
und der Donau als zur Markgrafechaft Adalberts gehörig bezeichnet wird.
^ Unter den beiden Flüssen durra lieznicha und trieznicha sind, wie Meiller
RB. 193 gezeigt hat, die dürre Liesing und die Triesting gemeint. Da
die dürre Liesing sich nidit sehr weit in das Gebirge hinein erstreckt,
muss das gesclienkte Gut mehr in der Ebene, etwa dort, wo der spätere
babenbergische Besitz Mödling sich befand, gewesen sein ; wenn Meiller
meint, dass dieses Gebiet den grössten Theil des Wienerwaldes um-
fasst, so rührt dieser Irrthum daher, dass er die dürre Liesing unbegreif-
licher Weise auf der Wasserscheide des Wienerwaldes entspringen lässt
" MB. 28, 1. 293.
^ So Fischer Gesch. y. Klostemeuburg 2. 21, Büdinger 1. 473, Huber 1.
180, Hirsch Heinrich U. 1. 234; a. M. Meiller RB. 192.
* MB. 11. 140, 142. ^ MB. 6. 160. " D. 31. 62.
» CDM. 1. 110. » Von Lambach, Meüler RB. 195.
^ Nicht angeführt wurde die Schenkung Konrads H. an Salzburg aus 1020
(luY. 216) Ton sex regales mansos in eapite fluminis — Viscaha vocati
— nbi TituBtissimi — ecclesie adhuc manant muri. Diese Schenkung
wurde allgemein, noch von Huber Oesterr. Gesch. 1. IJBl, auf die nieder-
Österreichische Fischa bezogen, wogegen Becker NiederOsterr. Topographie
2. 122 dies bestreitet und Lampel Putten 38 in der Viscaha den heut-
80*
458
Diesem Vorrücken der Colonisation folgend, scheint auch
der Sitz des Markgrafen, der zur Zeit Burkhards wahrschein-
lich in Pechlam war **, unter Heinrich I. nach Melk verlegt
worden zu sein, da dieser die Leiche des heil« Colomann in
civitatem suam bringen Hess, als deren Name Medelicha be-
zeichnet wird*®. Später wird Tulln als Hauptstadt genannt'^.
Das neu gewonnene Land scheint nicht zu dem alten
Comitate Burghards hinzugeschlagen worden zu sein, es dürften
vielmehr daraus, etwa bei jedem einzelnen namhaften Vor-
rücken der Grenze, süccessive neue Comitate gebildet worden
sein, und so entstanden wohl die drei Grafschaften, deren Spur
wir in den drei alten babenbergischen Gerichtsstätten finden.
Wenn es gestattet ist, in dieser Beziehung eine Vermuthung
auszusprechen, so ginge sie dahin, dass Mautem die Gerichts-
stätte in der ursprünglichen Grafschaft und Mark Burkhards
war, dass nach Ausdehnung des Landes bis zum Wienerwalde
ein zweiter Comitat mit der Gerichtsstätte in Tulln gebildet
und dass ftlr das Land im Osten des Wienerwaldes und fbr
die Eroberungen im Norden bis zur March Neuburg als Ding-
stätte bestimmt wurde.
So hatte die Ostmark im Norden der Donau schon die
heutige Grenze Oesterreichs gegen Ungarn, im Süden derselben
die Fischagrenze erreicht. Sie sollte jedoch nicht so weit vor-
geschoben bleiben. Nach einem unglücklichen Feldzuge sah
sich Kaiser Eonrad U. genöthigt im Frieden von 1031 dem
Ungarnkönig Stephan im Norden der Donau einen Landstrich
von der March bis zu einer von der Fischamündung bis Tracht
satage Fiachach genannten Abflnss des Walleraees sieht Ist die Viscahs
der Urkunde in NiederOsterreich za suchen, so kann dies entweder die
sogenannte kleine Fischa sein, welche bei Fischan, westlich von Wiener
Neustadt, entspringt und bei Unter-Eggendorf in die Leitha mfindet,
oder der Fischafluss, welcher, westlich von Ebenlurt entspringend, wh
bei Fischamend in die Donau ergiesst Dass aber hier am Ostabban^
des Wienerwaldes ,ura]te' Kirchenminen sich fanden, ist höchst unwahr-
scheinlich, Tiel eher ISsst sich dies von der Umgebung des Wallenee«
annehmen, an dessen Ufern, wie sein Name seigt, rGmische AnsiedlnBg«ii
gewesen sein mflssen. Da also die Zngeh5ri^eit der Urkunde vom Jtbi«
1090 SU NiederOsterreich mindestens sweifelhalt ist, musKte sie hier na-
berOcksichtigt bleiben.
** Bfidinger 1. 466. — P. Cholom. MO. 4. 677.
** Enenkel, Rauch Ser. 1. 853.
459
an der Thaia gezogenen Linie zu überlassen. Die Annalisten
der damaligen Zeit berichten zwar nicht, dass der Friede des
Jahres 1031 einen Qebietsverlust fllr Deutschland bedingte.
Dass ein solcher eintrat, ergibt sich aber daraus, dass das Ge-
biet, welches, wie wir sofort sehen werden, im Jahre 1043 von
Ungarn an Kaiser Heinrich HL tiberlassen wurde, als ein Land-
strich bezeichnet wird, welcher einst dem Könige Stephan ge-
geben worden war ^*. Diese Uebergabe an Stephan kann nicht
vor 1025 (Jahr der Schenkung von Mansen an der March an
Grafen Arnold) und nicht nach 1038 (Todesjahr Stephans) statt-
gefunden haben; in diesem Zeiträume findet sich aber kein anderer
Anlass zu einer Gebietsabtretung als der Friede von 1031^*.
Ungarn sollte das abgetretene Gebiet nicht lange behalten.
Die Siege Kaisers Heinrich IH. (1043) erzwangen im Frieden
mit Aba die Zusage, dass er das gesammte Land westlich von
der March und Leitha abtreten wolle **^. Aus dem neuge-
wonnenen Gebiete wurde im Einklang mit früheren ähnlichen
Vorgängen eine neue Grafschaft und Mark gebildet, jedoch
nicht dem ^österreichischen Markgrafen Adalbert zur Verwaltung
überlassen*^.
Es kann sein, dass zunächst Luitpold, der tapfere Sohn
Adalberts, die neue Mark als Markgraf erhielt. Gewiss ist
dies jedoch nicht, denn wir erfahren nur, dass Luitpold Ende
November 1043 von Heinrich HI. zum Markgrafen erhoben
wurde**, es kann dies aber ebensogut eine Eventualbelehnung
*" Ann. Altah. ad 1043 MG. 20. 798 : quondam Stephane data fuerat causa
amiciciae. Diese Bemerkung kann sich nur auf das Land nOrdlich von
der Donau bezogen haben, denn für die Erreichung der Fischagrenze
im Jahre 1043 spricht nichts, selbst wenn man die Urkunde 1020
(Note 34) auf NiederOsterreich bezieht, Lampel Putten 38 f.
** Thausing a. a. O. 359 f., Huber 1. 182. A. M. Giesebrecht Kaiserzeit 1. 110,
354, dessen Ansicht, dass die Abtretung 1009 geschehen sei, jedoch durch
die vorerwähnten Urkunden aus den Jahren 1020, 1021 und 1025 wider-
legt wird.
** Herrn. Aug. MG. 5. 124: Heinricus — regnique usque ad Litaha flumen
partem acdpiens, discessit; Ann. Altah. MG. 20. 798.
" S. über diese Mark bes. Thausing Die Neumark Oesterreich und das
Privilegium Heinricianum 1043 — 1058 in Forschungen zur deutschen
Gesch. 4. 355f., dann Huber 1. 188.
" Herrn. Aug. (MG. 5. 124) ad 1043: Liutpaldus Adalberti marchionis filius,
— ab ipso rege marchio promotus. Ann. Hildesh. MG. 3. 104 kennen
auch einen Liupoldus marchio.
nr..'t fh^tfffTf'l^h bedientet hab^n ab die Verleihiaig der neu
mr.^^rK'htfrt^n Mark^. Kem*t^bl]s trat Lintpold sein Amt an,
da er wenige Tage darauf, am 9. December 1013 eines pkMs-
H^^h^^n Todes starb. Beiläufig 1 ' , Jahre später, saerst im
März 1045, begf^gnet ans in mehreren Ui^nnden fSar die neu
gewonnenen Gebiete ein )Iarkgraf Siegfiried, dessen Herkunft
an bekannt ist^, dessen Macht in diesen Gegenden aber durch
amfangreiche k<5nigliche Landschenkongen aaf eine feste Grund-
lage gestellt werden woDte. Er bekam 150 mansos infra
flanios I^iscaha et Litaha et Maraha, abicnmqae inibi nos sibi
precipiamus mensarae in proprium — stos in marcha praedicti
marchionis CSigefridij ^^, dann: 15 areas in longam prope Da-
nabiam extensas et retro has 30 regales mansos contra ün-
garicam plateam mensaratos et ab adiacente villa Stülefride
eiasdemqae contigois terminis iaxta Maraham areas 20 in
longitadinem porectas, 100 qae regales mansos retro predictas
areas contra Ungaricam plateam respicientes et abi finiantur
termini proxime uillae adiacet (sie!) StiUefiridae infra Maraham
et Zaiam (so and nicht Taiam im Original nach Meiller RB.
197) nee non Svlzaha atque iaxta eadem loca et flamina ubi-
cumque sibi per nostram nuncium inibi demonstrentur alios
100 regales mansos in marcha et in comitata prenominati mar-
chionis (öigefridi) sitos in proprium*^. Dieser Siegfried kommt
auch noch in einigen anderen Urkunden des Jahres 1045 als
der Markgraf vor, in dessen Comitat von Heinrich HI. ver-
schenkte Güter liegen. So in der Schenkungsurkande ftlr
Niederaltaich von 10 mansos regales circa flumen Zaiove dic-
tum, ab eo quidem loco, ubi iuxta nostre dationis et praecep-
tionis mensuram predium Sigefridi marchionis certis limitibus
terminatur*', dann in der Schenkungsurkunde für Reginold
von dimidietatem Risinperch et insuper tantum inter flumina
^ Ersteres Ansicht Meillers RB. 205, letzteres die Büdingers 1. 476, Thau-
sin^ a. a. 0. 366 und Hubers 1. 188.
^ Die verschiedenen Hypothesen über seine Familie s. bei Meiller RB. 193,
Thausing a. a. O. 366 Note 5, Giesebrecht Kaiserz. 2. 620 und von
älteren Schriftstellern bei Schrötter Gesch. 1. 190 und ViXz Gesch. von
Michelbeuern 1. 68.
*» CDM. 1. 118.
*« CDM. 1. 119.
♦' MB. 11. 162.
461
Litaha et Fiscaha; scilicet deorsum jaxta litus Fiscaha^ donec
10 regales mansos habeat^*.
Die Ausdehnung der Mark Siegfrieds lässt sich aus einer
Urkunde von 1051 *^ entnehmen, in welcher Kaiser Heinrich III.
der neugegründeten Propstei Haimburg den Zehenten in dem
Ungarn abgenommeneu Gebiete überliess. Da der Zehent in
der Ostmark zufolge einer Verleihung aus dem Jahre 1025^®
dem Bisthum Passau gebührte, so zeigt die Urkunde 1051,
dass das neu gewonnene Gebiet nicht von selbst an die Ost-
mark zurückfiel, sondern als neue Eroberung behandelt wurde.
Die darin vorkommende Begrenzung der Zehentberechtigung
Haimburgs muss mit der Grenze der neu errichteten Mark
zusanmienfallen.
In der Urkunde 1051 wird nun der Propstei Haimburg
geschenkt: decimum mansum, rectamque fruguum decima-
tionem totius regionis in finibus ungarorum gladio ab hostibus
adquisitae in pago Oesterriche in comitatu ex una
parte danubii inter fiscaha et litacha ex altera autem inter
strachtin et ostia fiscaha usque in maraha etc. Den Angel-
punkt für die Bestinmiung dieser Grenze bildet die Feststellung
des Ortes Strachtin, da alle übrigen Angaben der Urkunde
nur bekannte Namen enthalten. Streipfing am Marchfelde (auf
der Generalstabskarte Stripfing bei Weikendorf südlich von
Angern), welches Meiller ^^ für das Strachtin der Urkunde hält,
kann es nicht sein, da Strachtin nach der Urkunde den nord-
westlichen Endpunkt der Zehentberechtigung Haimburgs und
damit auch der Mark Siegfrieds bildete, diese Mark jedoch
nach den vorstehenden Urkunden sich über die Zaia hinaus
gegen Norden erstreckt hat. Nach der Weise, wie Strachtin
zur Grenzbestimmung verwendet wird, muss es ein namhafter
Ort gewesen sein, und da in Niederösterreich sich kein ein-
ziger Ort mit einem auch nur ähnhchen Namen findet, so
dürfte die Ansicht Thausings^* richtig sein, dass unter Strach-
tin das ehemalige Schloss Strachotin oder Tracht nördlich von
*• MB. 29, 1. 81. *• MB. 29, 1. 103.
^ MB. 29, 1. 18: omnem decimationem in orientali provincia sitam in sep-
temtrionali parte fluminis Danubii in comitatu uero Adalberti marchionis.
^' Veneichnis von Oertlichkeiten in Oesterr. unter der Enns des 9., 10. und
11. Jahrh. 167.
" A, a. O. 863.
462
Nicolsburg** zu verstehen ist. Allerdings kann dagegen die
nördliche Lage von Tracht ins TreflFen geführt werden, da
unsere Urkunde doch voraussetzt, dass Strachtin nicht in
Mähren oder höchstens hart an der Grenze liegt; dafUr aber,
dass die österreichische Grenze auch noch später nördlicher
lag als heutzutage, haben wir einen Anhaltspunkt in der Ein-
leitung zu Enenkels Fürstenbuch, woselbst die Schwarzawa als
Grenzfluss bezeichnet wird: So geht das gemerkch — die Tey
nider vncz in di Swarcza ^. Es kann daher sein, dass Tracht
damals noch zu Ungarn gehörte und 1043 den Ungarn abge-
wonnen wurde. Kommt doch auch im Jahre 1030 vor, dass
die Mündung der Thaia in die March an der ungarischen
Grenze lag: in conterminio Ungarorum iuxta fluuium Maraua,
ubi alius fluuius qui Tye nuncupatur in eandem profluit^.
Nimmt man an, dass Strachtin das heutige Tracht ist, so
läuft die Grenze der Mark Siegfrieds in einer Linie, die von
der Fischamündung bis Tracht reicht, geht dann etwa längs
der Thaia in die March und diesen Fluss abwärts bis zu seiner
Mündung in die Donau. Südlich von der Donau gehörte zu
dieser Mark das Land zwischen Leitha und Fischa.
Thausing*® nennt die neu errichtete Mark die ,Neumark
Oesterreich'. Es braucht nicht gesagt zu werden, dass dieser
Name ganz unhistorisch ist und daher besser vermieden wird.
Die Urkunden reden nur von marchia oder comitatus Sigefridi.
Nach einer Urkunde 1051*^ gehört das Gebiet dieser Mark
zum pagus Osterriche, in einer andern Urkunde 1045 ^ ist der
Name des pagus ausgelassen: 10 mansos regales circa flumen
Zaiove dictum — in pago et in comitatu Sigefridi marchionis.
Nach 1045 wird Markgraf Siegfried nirgends mehr erwähnt,
es mag sein, .dass er in den folgenden Kriegsjahren gegen
Ungarn fiel. Dafür, dass er 1048 nicht mehr Markgraf in
diesen Gegenden war, spricht der Umstand, dass er sich unter
den Commissären nicht findet, welche in diesem Jahre von
Kaiser Heinrich III. mit dem Wiederaufbau von Haimburg be-
traut wurden ^^ Aber auch zur Mark Adalberts gehörte das
" 1176CDM. t. 293: castrum Strachotin; 1190CDM. 1. 332: Capella S. Oeor-
gii in Strachotin.
^ Rauch Scr. 1. 246. " CDM. 1. 112. »« A. a. 0. 361.
*' 8. oben Note 49. " MB. 11. 152.
^ Herrn. Aug. 1060 (MG. ö. 129), Ann. Altah. 1060 (MG. 20. 806).
463
ehemalige Gebiet Siegfrieds noch nicht. Dies zeigt die Ver-
gleichung der zwei vom 25. October 1051 datirten Urkunden,
welche Kaiser Heinrich III. für die Propstei Haimburg aus-
stellte. In der einen bereits angeführten Urkunde, durch welche
der Zehent in der ehemaligen Mark Siegfrieds der Propstei ge-
schenkt wurde, ist der Name des Grafen, zu dessen Grafschaft
der Zehentbezirk gehört, oflFen gelassen; in der anderen Ur-
kunde ^^ wird der Propstei Haimburg predium Sigehailtes
chiriha geschenkt und gesagt, es sei in comitatu Adalberti
marchionis — situm. Darin liegt der von Thausing^* hervor-
gehobene Beweis, dass damals Rir diese Mark ein Markgraf
gar nicht bestellt war.
Es sind denn auch die Beweise nicht stichhältig, welche
Btidinger** dafür vorgebracht hat, dass Adalbert diese Mark
schon 1048 besass. Die Mitwirkung Adalberts bei der Com-
mission zum Wiederaufbau von Haimburg beweist dies gewiss
nicht, da auch der Bischof von Regensburg und andere baieri-
sche Fürsten dabei beschäftigt waren. Ebensowenig bietet einen
Beweis die Urkunde 1048 ^*, in welcher Kaiser Heinrich III.
seiner Gemahlin 30 regales mansos in circuitu duorum flumi-
num que dicuntur Zaiowa ubi confluunt sitos schenkt, nach-
dem Meiller ^ nachgewiesen hat, dass statt Zaiowa richtig
Taiowa zu lesen ist, so dass das geschenkte Gut am Zusammen-
flüsse der beiden Thaias, weit westlich von der Mark Sieg-
frieds lag.
Nach Siegfried kommt in seiner Mark überhaupt durch
längere Zeit kein Markgraf vor^*; noch 1055*® und 1056 ^^
erfolgen Schenkungen daselbst ohne Nennung eines Markgrafen,
es ist daher möglich, dass die Grafschaft wegen der Unsicher-
heit der Verhältnisse einige Zeit unbesetzt blieb. Erst 1063*®:
in comitatu Emasti marchionis sita Gowacisbrunnun et Boum-
garden ac Chrubet, und dann wiederholt, 1067 und 1074*^,
werden diese Gegenden als zur Mark des Babenberger Mark-
* MB. 29, 1. 106. " A. a, O. 364.
" Oerterr. Gench. 1. 477 Note 3. " D. 4. 187. •* RB. 197.
^ Gegen die Ansicht Thaasings a. a. O. 371, dass der 1055 (D. 31. 79) ge-
nannte Mark^af Otto Nachfolger Siegfrieds gewesen sei, s. Riezler For-
schungen 18. 532 f.
•• MB. 29, 1. 126. " MB. 29, 1. 129. •» UOE. 2. 92.
~ MB. 29, 1. 172 und RB. 9 n. 11.
464
grafen Ernst gehörig bezeichnet, und von da an blieb der neue
Markboden mit der Ostmark vereint.
Thaosing '® gkubt aus dem falschen österreichischen Frei-
heitsbriefe von 1058 schliessen zu können, dass Markgraf Ernst
schon in diesem Jahre die Mark Siegfrieds verwaltet habe.
Von diesem Freiheitsbriefe steht nun wohl fest, dass er einer
echten Traditionsurkunde Kaiser Heinrichs III. nachgebildet
wurde, dies zeigt die mehreren echten Traditionsurkunden
genau entsprechende Schlussformel mit dem darin vorkommen-
den, in den Freiheitsbrief gedankenlos heriibergenommenen
Ausdruck traditio. Thausing behauptet nun, die echte Vorlage
des Fälschers müsse eine Urkunde gewesen sein, mittelst welcher
Heinrich HI. dem Markgrafen Ernst Güter in der ehemaligen
Mark Siegfrieds geschenkt habe, woraus dann geschlossen wird,
dass Ernst damals diese Mark schon verwaltet habe. Zum
Nachweise seines Satzes führt Thausing ein ziemlich künst-
liches Gebäude auf.
Wattenbach ^* hat angenommen, dass die echte Vorlage
des Freiheitsbriefes 1058 ein Diplom gewesen sei, welches
Heinrich HI. dem Markgrafen Adalbert am 1. October 1058
zu Brumeslavesdorf ausgestellt hat'*. In der That stimmt die
Schlussformel des Freiheitsbriefes mit diesem Diplome so wie
mit einer am 2. October 1058 für Passau in Ybbs ausgestellten
Kaiserurkunde '^ nahezu wörtlich und jedesfalls genauer als
mit den Schlussformeln anderer Traditionen dieses Kaisers
überein, wie die folgende Nebeneinanderstellung zeigt:
Freiheitsbrief '*
ddo. Tnrrinbvobc.
Et nt baec nostra
tradicio stabilis et in-
conuulsa omni perma-
neat aevo, banc pagi-
nam indeconscribi ma-
nuque propria utsubtns
uidetur corroborantes
sigilli nostri impres-
sione iussimus insig-
niri.
Urkunde für Adalbert
ddo. Bmmeslavesdorf.
Et nt bec nostra re-
galis traditio stabilis et
inconnnlsa omni per-
maneat aevo banc pa-
ginam inde conscribi
mannqiie propria ut
subtus nidetur corro-
borantes sigilli nostri
impressione iussimus
insigniri.
Urkunde fQr Passau
ddo. Jbese.
Et ut hec nostra re-
galis traditio stabilis
et inconvulsa omni
permaneat evo, hanc
paginam inde conscribi
manuque propria ut
subtus videtur corro-
borantes sigilli nostri
impressione iussimus
insigniri.
'« A. a. O. 876f. " A. 8. 91.
^ Horm. A. f. Südd. 2. 285. « UNOe. 1. 5.
'* A. 8. 10.
465
Man vergleiche damit nachstehende^ dem Freiheitsbriefe
ferne stehende Schlussformeln. 1048'*: Et ut hec nostre auc-
toritatis traditio stabilis et inconuulsa permaneat omni eno hoc
preceptum inde conscriptum manu propria corroborantes sigUli
nostri impressione jussimus insigniri. Und 1061'^: Et ut hec
nostra regalis traditio nunc et in euum stabilis et inconuulsa
permaneat, hanc cartam inde conscribi et ut subtus cemitur,
manu propria corroborantes sigilli nostri impressione iussimus
insigniri. Nun meint Thausing, die Datirung ,Turrinbuohc* des
falschen Privilegiums weise darauf hin, dass auch die Vor-
lage des Fälschers zu Diirrenbuch (bei Strengberg in N.-Oe.)
ausgestellt worden sei, weil sonst der Fälscher unmöglich auf
diesen in das Itinerar Heinrichs lU. genau passenden, unbe-
deutenden Ort hätte verfallen können. Mit dieser Argumen-
tation mag Thausing wohl recht haben, damit ist aber noch
nichts gewonnen, denn es spricht gar nichts dafür, dass die
unbekannt gebliebene Vorlage sich irgendwie auf die Mark
Siegfrieds bezogen habe. Zunächst weisen die Ausdrücke plaga
Orientalis und terra orientalis durchaus nicht gerade auf Sieg-
frieds Mark hin, da, wie wir gesehen, diese und ähnliche Be-
zeichnungen nur überhaupt östlich gelegene Länder bedeuten.
Das weitere Argument Thausings, dass die Erwähnung der
jüngst gemachten Eroberungen auf die Mark Siegfrieds bezogen
werden und schon in der Vorlage vorgekommen sein müsse,
liesse sich nur aufrecht erhalten, wenn die Fälschung richtige
Angaben über diese Eroberungen brächte. Das falsche Privi-
legium theilt aber mit, dass Markgraf Ernst in instanti anno
cum exercitibus suis bellatorie illas terrarum partes contra pa-
ganos obtinuit vicibus trinis eosque exinde pepulit, und da
dieser Satz nichts als offenbare Unrichtigkeiten enthält, so kann
er wohl nicht einer echten Kaiserurkunde entnommen wor-
den sein.
Bei genauer Betrachtung zerfallen also Thausings Ausein-
andersetzungen in nichts.
2. Nachdem wir einen Ueberblick über das allmälige
Anwachsen des babenbergischen Amtsbereiches gewonnen, lässt
sich genauer auf die Begrenzung des Landes eingehen. Wir
besitzen darüber in der Einleitung zu Enenkels Fürstenbuch
^ D. 4. 188. " ÜOE. 2. 92.
466
Angaben, welche zwar aus späterer Zeit herrühren, die jedoch
im grossen Ganzen auch auf die früheren Jahrhunderte dort
Anwendung finden können, wo Andeutungen auf den gleichen
Grenzverlauf in älterer Zeit vorliegen, oder wo es an Anhalts-
punkten fehlt, welche auf spätere Aenderungen des Grenzzuges
hindeuten.
Die Grenze der Ostmark gegen Westen, nördlich von
der Donau, kennen wir bereits, da sie mit der Ostgrenze der
Riedmark zusammenfallt. Das hier an die Riedmark grenzende
Gebiet wird das Machland genannt. Wir können dessen Aus-
dehnung zwar nicht, wie fiir die Riedmark geschehen, aus der
Zusammenstellung der Oertlichkeiten entnehmen, welche urkund-
lich als im Machlande gelegen bezeichnet werden, denn solche
ausdrückliche Bezeichnungen finden sich nur selten. Daftir
hat man einen andern Anhaltspunkt, welcher zu einem sichern
Ergebniss fUhrt. In späterer Zeit treten Landrichter ,im Mach-
lande' auf, und wenn man die Orte auf einer Karte aufträgt,
auf welche sich die Vergabungen beziehen, welche durch Land-
richter im Machlande besiegelt oder bezeugt werden, so er-
langen wir einen genau abgegrenzten Bezirk '', in welchem die
Klöster Baumgartenberg und Waldhausen liegen und der im
Süden von der Donau, im Westen von der Riedmark und im
Osten von der Isper begrenzt wird. Die östliche Grenze des
Machlandes fällt also mit der heutigen Grenze zwischen Ober-
und Niederösterreich zusammen, die schon in einem Copial-
buche des Klosters Baumgartenberg vom Jahre 1511 als solche
bezeichnet wird'®: duplex Ischper superior et inferior diuidens
Austriam a terra Anesi in vno latere. Im Norden befand sich
im Anfange unserer Periode Waldland ohne feste Grenze. Die
spätere Nordgrenze werden wir weiter unten in Verbindung
mit den übrigen Theilen der nördlichen Ostmarkgrenze in Be-
tracht ziehen. Nur ein Ausnahmsfall kommt vor, in welchem
ein Landrichter im Machlande eine Vergabung bezeugt, welche
nicht auf seinen Bezirk, sondern auf die Riedmark Bezug hat.
1322'® wird die Stiftung eines Seelgeräthes auf einen Hof su
Drunsperich in der Riedmarich von einem Landrichter im
Machlande bezeugt. Neben demselben erscheinen in der Ur-
kunde auch die Richter zu Linz und Perg als Zeugen, die
" S. die Karteubeilage. »" UOE. 2. 249. '• UOE. 6. 319.
467
Zeugenschaflt des Landrichters im Machlande scheint daher zu
rühren^ dass das Seelgeräthe dem Kloster Baumgartenberg zu-
gedacht wurde, welches im Machlande gelegen ist.
Das Machland gehörte zum Amtsbezirke der Babenberger,
und zwar zur Ostmark. Dies ergibt sich, abgesehen von seiner
Lage zwischen den übrigen Theilen der Ostmark und der
Riedmark, daraus, dass die Babenberger über das Machland
die Jurisdiction auf der alten Gerichtsstätte der Ostmark zu
Mautem ausübten. C. 1190®*^ erfolgt die Delegirung von Gütern
des Klosters Waldhausen in soUempni Liupoldi ducis austrie
placito aput Mutam, und 1209®^ wird dem Kloster Baumgarten-
berg die Freiheit von jeder andern als der landesfbrstUchen
Vogtei in placito nostro (Leopold VII.) Mutam bestätigt. Auch
1227 »« wird Us et controuersia zwischen Herrandum prepositum
de walthusen et vlricum de Saehsen super tribus curtilibus von
Herzog Leopold entschieden. Endlich bestimmt Bischof Alt-
mann von Passau c. 1075 ®* im Stiftsbriefe des Klosters St. Ni-
colaus bei Passau, dass Heinrich Graf von Formbach Advocat
der Stiftsgüter quocunque loco in Wabaria (Baiem) sunt posita,
Markgraf Leopold hingegen Advocat des Klosters filr ver-
schiedene in Oesterreich gelegene Orte et in Machlant — et
generaliter super omnia predia eorum quocunque loco superius
vel inferius in sui marchionatus districtu posita sein solle.
Das Machland wird also hier ausdrücklich der Markgrafschaft
Leopolds zugewiesen.
Im Machlande waren die Herren von Machland reich be-
gütert, sie werden jedoch nicht als Grafen, sondern als nobiles ^
oder liberi®^ bezeichnet, wenn sie gleich nach einer Notiz des
Baumgartenberger Copialbuches vom Jahre 1511®^ Grafschafts-
rechte in verschiedenen Theilen Oesterreichs ausübten; es heisst
nämlich daselbst, dass sie comiciani in Spielberch, dann comi-
ciam starhenberckh, weiten und rechperg haben. Im Mach-
lande als solchem gebührten ihnen diese Rechte nicht. Unter
dem Kaufe des Machlandes durch den Herzog von Oesterreich
•* UOE. 2. 421. " UOE. 2. 618. •« UOE. 2. 666.
•* UOE. 2. 113.
•* 1139, IUI, 1147, 1149, 1150, 1164, 1158, 1209, UOE. 1. 479, 2. 186,
192, 228, 247, 252, 268, 292, 516.
•* 1141, 1142, 1209, UOE. 2. 192, 206, 516. •• UOE. 2. 247 f.
468
kann denn auch nicht, wie wohl gemeint wurde®', ein Kauf
der Grafschaft, sondern nur ein Kauf der Allodialgüter im
Machlande verstanden werden.
In späterer Zeit wird das Machland als eine Grafschaft
des Herzogs Albrecht bezeichnet: 1290^ daz achlant und
swaz zue der selben grafschaft gehoeret, und damit ist es auch
im Einklänge, wenn 1293 •* von vestra (des Herzogs Albrecht)
provincia in Machland die Eede ist.
Als Theil der Ostmark gehörte das Machland zum Mark-
boden. Die Abgabe des Marchfutters findet sich auch daselbst,
wie aus den Befreiungen des Klosters Waldhausen von dieser
Abgabe hervorgeht. Urkunde Herzogs Ottokar von 1252 *•:
hanc graciam indulgemus, ut prouentus illos, qui Marchvuter
vulgariter nuncupantur, in prediis ipsorum ad nos hactenus
pertineutes — usibus propriis debeant uendicare, und ebenso
Urkunde Herzogs Albrecht von 1284 •*.
Die Nordgrenze der Ostmark entspricht im grossen Ganzen
der heutigen Gb*enze, allerdings mit manchen im Einzelnen nicht
mehr nachweisbaren Abweichungen. Ueber den Verlauf der
Grenze in der späteren Zeit haben wir ausser der Einleitung
zum FUrstenbuche noch eine Grenzregulirungsurkunde K. Fried-
richs I. von 1179**, welche sich jedoch nur auf einen
kleinen Theil der Grenze gegen Böhmen bezieht. Die Grenz-
beschreibung bei Eneukel lautet^': vncz in die Gostenicz in
die luensnich nider vncz in die obern grub. Die Grenze Uef
also längs der Lainsitz gegen Weitra. Weitra selbst gehört
noch 1185 zu Böhmen, in diesem Jahre ^ verleiht Herzog
Friedrich von Böhmen dem Hadamar von Kuenring partem
terre nostre Austrie adiacentem Withra uidelicet cum silua a
fluuio Lvsnitz usque ad alium fluuium — Stropnitz (heute
Strobnitz)*^ Wenn daher 1160*^ gesagt wird: usque ad ter-
*^ So in Beitr. z. Landesk. Oesterr. n. d. Enns 1. 202.
•• UOE. 4. 120. •• UOE. 4. 188. *> UOE. 3. 181.
*^ UOE. 4. 22. Die Vergleichnng der beiden gleichzeitig anagesteliten Ur-
kunden Ottokars vom 17. Februar 1262 (UOE. 3. 181 und 182) und der
Inhalt der Urkunde Albrechts Ton 1284 zeigen, dass der proventaSy ron
dessen Leistung Waldhausen 1240 und 1247 (UOE. 3. 78, 151) befreit
wurde, kein Marohfntter, sondern eine andere Abgabe war.
•■ CDM. 1. 802. •• Bauch Scr. 1. 246. •* CDM. 1. 816.
•• Priess Kuenringer 12, 87. "• UOE. 1. 478.
469
minos aastrales uidelicet Witra, so kann damit nur die öster-
reichische Grenze bei Weitra gemeint sein, und wir entnehmen
daraus, dass Weitra hart an der Grenze lag. Gegen Norden
verfolgte die Grenze den weiteren Lauf der Lainsitz jedoch
nur beiläufig bis Lembach. Von da weicht die Grenze nach
der Grenzbestimmung Kaiser Friedrichs von 1179 vom Laufe
der Lainsitz ab. Die betreffende Urkunde sagt: In superiori
— parte utriusque terre — terminus est mons, qui dicitur
altus; ab illo monte terminus dirigitur usque ad concursus
duorum riuulorum — Schremelize, alter Lunsenize; inde porri-
gitur usque in proximum vadum, quod est iuxta Segor. Ab
illo vado recta estimationis linea terminus idem extenditur usque
ad ortum Postice (Gestice) fluminis; ab ortu vero eiusdem
fluminis usque in Ugruch (ürgrube). Daraus erfahren wir
also, dass ein mons altus die Grenze bildete. Ein Berg dieses
Namens findet sich nun wohl nicht mehr in der Gegend, wohl
aber ein Ort Hohenberg am Fusse des Lagerberges, in dem
wir daher den mons altus der Urkunde sehen. Die Grenze
muss also, wie erwähnt, etwa bei Lembach die Lainsitz ver-
lassen haben, um der Höhe des Lagerberges zuzustreben. Von
dort wendet sie sich zum Zusammenflusse der Lainsitz und
jSchremeHze^ MeiUer ®' nimmt an, es sei dies der von Schrems
herabfliessende Bach, der heutige Braunaubach, so dass also
die Grenze bei Gmünd wieder die Lainsitz erreicht hätte, die
Böhmisch-Zeil von Gmünd müsste dann als auf böhmischem
Gebiet gelegen angesehen werden. Es dürfen jedoch die Be-
denken nicht verschwiegen werden, welche gegen diese Grenz-
bestimmung obwalten. Im 14. Jahrhunderte gehört das linke
Ufer der Lainsitz bei Gmünd zu Oesterreich, denn es heisst^®,
dass Zwettl in Gamundia — unam curiam ante ciuitatem ver-
sus Bohemiam ex altera parte aque Lvensnitz habe. Und auch
eine Grenzbestimmung zwischen Weitra einerseits und Gratzen
und Wittingau anderseits aus dem Jahre 1339** spricht für
einen westlicheren Zug der Grenze an dieser Stelle. Diese Grenz-
bestimmung beginnt pai dem dorff zu Nakkalitz (NagUtz), läuft
dann pei dem moz hin untz an den Weche, der do get zu dem
(uert, des do haist zu dem Prukklein, von dem fürt den pach
ze Pei^e der haist — Rotpach oder Jakole, vncz an den obem
" RB. 234. •• D. 3. 504. »» Kurz Albrecht der Lahme 360.
470
fort; von dem obern fürt dem rechten weg nach untz an die
dorfstat ze Pachek mitten durch die dorfstat hin untz an daz
xnoz. dem moz nach untz an den Pach — Greblein oder Tertz-
gvBjy von dann czwischen dem Laitterschothen und dem moz
hin untz an den pache der da get in daz wasser — Damnach
oder Tuche. Mit Ausnahme von Naglitz lassen sich diese Oert-
lichkeiten nicht mehr bestimmen^ der Name des Baches Jakole
weist aber auf den Ort Jakute und den Jakuler Forst bei der
Eisenbahnstation Oratzen hin, so dass wir mehrere Anhalts-
punkte dafür haben, dass die Grenze vom mons altus nach
NagUtz und von dort beiläufig so wie heute gegen die Lain-
sitz lief. Es wäre dann der heutige Schwarzbach (Cema stoka)
identisch mit der Schremelize des Fürstenbuches. Unter dieser
Voraussetzung würde auch die Bezeichnung der Furt bei Segor,
dem heutigen Suchdol (Suchenthal), als proximum vadum ge-
rechtfertigt, was kaum passt, wenn man in der Schremelize
den Braunaubach sieht.
Bei Suchdol verliess die Grenze den Lauf der Lainsitz
und ging in den Bach Gestics über, den sie bis zu seinem Ur-
sprünge verfolgt. Dieser Bach ist der Kastanitzerbach, welcher
in seinem Unterlaufe den Namen Reisbach annimmt. Nach
einer Mittheilung in den Beiträgen zur Landeskunde Oesterreichs
unter der Enns ^^® wurde dieser Bach wegen der Urkunde von
1179 auch in einem Grenzstreite der Jahre 1775 — 1791 als
Grenze angenommen. Derselbe Bach dürfte auch die Gestnitz
des Fürstenbuches sein, welche daselbst irrig vor der Lainsitz
genannt wird.
Vom Ursprünge des Eastanitzerbaches bei Neu-Bistritz
wendet sich die Grenze nach Osten und erreicht einen Ort,
welcher in der Grenzbestimmung von 1179 Ugruch oder Ur-
grube, im Fürstenbuche obern grub heisst und den Meiller***
in dem Dorfe Auern, heute in Böhmen gelegen, vermuthet.
Das Fürstenbuch sagt femer, von der obern grub sei die
Grenze gegangen: damider vncz in die Tey die Tey nider
vncz auf die sechis der Sechis nider vncz in die Tey die
Tey nider vncz in die Swarcza von der Swarcza wider
nider in die Tey die Tey nider in die March die markch vncz
in die Tunaw. Aus diesen Angaben ist der Grenzzug wohl nur
»«» 1. 172. '*" RB. 234.
471
im Allgemeinen zu entnehmen und so viel zu ersehen^ dass er
längs der Thaya und March lief. Nähere Details fehlen leider,
da es an Urkunden für diese Gegenden mangelt. Von der
obern grub muss die Grenze an die mährische Thaia gegangen
sein, weil das Gebiet zwischen ihr und der deutschen Thaia
nach einer Urkimde von 1048 *®* und Raabs nach einer Urkunde
von 1074^**^ zur Mark Oesterreich gehörten. Letzteres wird
auch dadurch sichergestellt, dass die Pfarre Raabs zur Passauer
Diöcese zu zählen ist ^^. Im Allgemeinen lief die Grenze längs
der Thaia und verliess sie nur, um über die ,sechtis' zu laufen,
ein Name, der wahrscheinlich corrumpirt und jedenfalls nicht
mehr zu eruiren ist. Wahrscheinlich deutet das Verlassen der
Thaiagrenze darauf hin, dass das Stück Landes am rechten
Thaiaufer, welches im Süden von Znaim jetzt zu Mähren ge-
hört, schon damals mährisch war. Gewiss ist dies wenigstens
von dem dort befindUchen Gnadlersdorf, ftlr welches der Mark-
graf Wladislav eine Zehentvergabung im Anfange des 13. Jahr-
hunderts sollemnizavit *^'^. Nach den Angaben des Fürsten-
buch ging die Grenze bis zum Einflüsse der Schwarzawa in
die Thaia und vielleicht auch noch weiter gegen Norden. Dies
macht es begreiflich, dass Tracht als Grenzpunkt in einer öster-
reichischen Urkunde*^* bezeichnet wird. Tracht muss eben in
Oesterreich oder hart an der österreichischen Grenze gelegen
sein und das Gebiet von Nicolsburg südlich von der Thaia
zu Oesterreich gehört haben, so dass in ihrem unteren Laufe
die Thaia und dann die March bis zu ihrer Mündung in die
Donau die Grenze bildeten.
Thausing*^' nimmt auch an, dass sich Siegfrieds Gebiet
bis gegen Tracht erstreckt habe, meint aber, die Grenze sei
bald darnach viel südlicher verlaufen, weil aus den Worten
einer Urkunde 1056*^®: Poumgartun — cum omni utilitate,
quae contra boemos quoquomodo haberi et conquiri potuerit
hervorgehe, dass die böhmische Grenze damals nicht weit von
Herrenbaumgarten war. Allein in derselben Urkunde ist auch
die Rede davon, dass das geschenkte Gut usque ad definitas
Dotas Ungaricorum terminos gehe, die ungarische Grenze an
^ 8. oben bei Note 63. »«» Horm. Beitr. 1. 387.
*^ D. 3. 278. »<» CDM. 2. 66. »«» S. oben bei Note 49.
*" A. a. O. 374. »«» MB. 29, 1. 129.
Arclüy. Bd. LXXXU. U. H&lfk«. 31
L
472
der March ist aber nicht näher, sondern eher entfernter von
Herrenbaumgarten als die Thaiagi'enze gegen Mähren, das
Gut konnte sich also ganz gut bis zu letzterer erstreckt haben.
Uebrigens dürfte die utilitas conti'a Boemos sich gar nicht auf
die Grenze beziehen, sondern auf die Abgaben der auf dem
Gute angesiedelten Slaven, so dass aus dieser Urkunde keines-
falls eine Folgerung auf die Lage der Grenze gezogen wer-
den kann.
Die Grenze der Mark Oesterreich im Süden der Donau
bildete zuletzt, wie wir gesehen haben, die Leitha. Diese
Grenze ist auch bis auf die Gegenwart ziemUch unverändert
gebHeben. Ebenso wie heute dürfte der Unterlauf der Leitha
auch damals nicht durchgehends die Grenze gebildet haben,
sie mag vielmehr ähnlich wie heute dort, wo die Leitha sich
gegen Südosten wendet, also etwa bei Gattendorf diesen FIuss
verlassen haben imd nordwärts an die Donau gegangen sein. Lam-
pel *®^ bemerkt zu diesem Theil der Grenze, die sogenannte kleine
Leitha sei ursprünglich der Theil eines alten Donauarmes ge-
wesen, welcher von Kittsee herkam und der sich eben in der
kleinen Leitha fortsetzte, die Leitha selbst habe bei der Pa-
mauer Mühle (wohl die Leithamühle der Generalstabskarte
zwischen Pama und Gattendorf) sich in diesen Donauarm er-
gossen. Ich möchte dazu bemerken, dass sich im TeiTain
nördlich und östlich von Kittsee allerdings Spuren finden,
welche auf alte Donauarme hindeuten können, dass es aber
zwischen Kittsee und der Leithamühle an jeder Andeutung
eines solchen Armes fehlt. In der Sache selbst hat aber Lam-
pel gewiss recht, wenn er auch für unsere Periode annimmt,
dass die Leitha nicht in ihrem ganzen Laufe bis zu ihrer
Mündung bei Wieselburg die Landesgrenze gebildet habe.
Die Südgrenze verlief in ihrem östlichen Theile anders
als heutzutage, indem der Bezirk Putten zu Steiermark gehörte.
In der Einleitung zum Fürstenbuche beginnt die Beschreibung
der Grenze erst an der Piesting. Ueber den Grenzzug bis zu
diesem Flusse gibt uns auch folgende Stelle ^^'^ der Einleitung
keine Aufklärung: Graue Ektprecht (von Puten) het von dem
Semernich vnd von dem Harperch als vliezzunde wasser vlies-
*«• Putten 36 Note 1.
"0 Rauch Scr. 1. 244.
473
sent hincz (zu der) Pistnich vnd von danne zu willenprukk etc.,
denn die eingeklammerten Worte ,zu der*, welche bei Rauch
vorkommen, haben wegzufallen *^^, unter Pistnich ist daher der
Ort Pistnich und nicht der Fluss dieses Namens zu verstehen.
Dies ermöglicht uns auch willenprukk an der Piesting zu suchen
und mit Felicetti^^* und LampeP** in dem heutigen Steina-
br&ckl bei Felixdorf zu sehen, während Meiller *^* den Ort bei
Zillingsdorf sucht und Newald*^^ sich für Willendorf westlich
von Wiener-Neustadt ausspricht. Im Wesen der Sache hat
übrigens Meiller allerdings recht. Die Grenze des Landes
PiLtten und damit der Steiermark gegen Oesterreich wird wohl
hier mit der alten Diöcesangrenze zwischen Passau und Salz-
bui^ zusammengefallen sein, diese verliess aber die Piesting
bei Wöllersdorf und lief in ziemlich gerader Richtung bis
zur Mündung der kleinen Fischa in die Leitha bei Unter-
E^endorf ^*®.
Eine Bestätigung dieses Qrenzzuges findet sich auch in
Folgendem. Die Gemeinde Eggendorf, nordöstlich von Wiener-
Neustadt, gehörte zur Diöcese Salzburg"', lag also noch im
Püttener Bezirke der Earantaner Mark, die nächsten nördlich
gelegenen Gemeinden SoUenau und Ebenfurth fallen schon in
den Passauer Sprengel, und da findet sich nun, dass die nörd-
liche Gemeindegrenze von Eggendorf und damit die Diöcesan-
grenze hier genau denselben Verlauf nimmt, wie er von der
Südgrenze der Ostmark angenommen wurde. Im Banntaiding
von Eggendorf 1532 ^^® wird die nördliche march und Hotter
%gendorfs folgendermassen beschrieben: an der landstrass so
man fort geen Pruckh (Brück an der Leitha) abwertz und
aufwertz zu der Newstat — darnach — piss an den hotter so
da ligt mitten auf dem Stainfelt zwischen hie und Salhenaw
(SoUenau) und von dem hotter piss zu dem marchstain so ligen
auf dem gemerk so man zeucht geen Egenfuert (Ebenfurth)
und darnach von dem marchstain biss auf an di Leytta.
Dieser auf der Mitte des Steinfeldes zwischen SoUenau und
Eggendorf gelegene Markstein fUllt ziemlich genau in die Linie
"» Meiller Sitzb. 47. 11, Lampe! Bl. f. Landesk. v. Nied.-Oesterr. 20. 271
Note 1.
*» A. a. 0. 9. 31 Note 87. "» A. a. O. 271. "* A. a. O. 11 Note 1.
"* Gesch. V. Gutenatein 64. "« Meiller a. a. O. 4.
"' Meüler a. a. O. 7. "» OeW. 7. 107.
31*
474
zMriscben WöUersdorf und der Mündung des Fischabaches, be-
stätigt also den behaupteten Grenzzug.
Die weitere Grenze verlief längs der Piesting, welche
uns auch als die Grenze des späteren Landgerichtes Wiener-
Neustadt angegeben wird; Stadtr. Wr.-Neustadt c.92**^: ter-
minos iudicii Nove civitatis, id est citra montes Hartperkch
et Semernik et aquam Piestnik et confinia Austrie et metas
Ungarie. Ebenso auch Enenkel, welcher den Grenzzug hier
folgendennassen beschreibt**^: Das gemerche zwischen 08te^
reich und Steyr ist Piestnich daz wasser von Piestnich auf
hincz Gutenstain da tailt sich die Piestnich endrew So get
das gemerkch innerthalben des landes an die Piestnich die
zwischen Gutenstain vnd Mautam perig auz dem pirge vliezzet
vnd die Piestnich auf in ir haubt^ von dem haubt der Piest-
nich vncz vber Golch den perch. Diese Angaben sind unklar,
denn einmal ist die Bedeutung der Worte ,innerthalben des
landes^ zweifelhaft, dann findet sich in der Gegend kein Berg,
welcher einen dem ,Mautam perig^ ähnlichen Namen ßihrt
Es ist nun ein Verdienst Lampeis, diesen Theil der Grenze
auf Grund des Banntaidings zu Gutenstein bestimmt zu haben.
Li diesem Banntaidinge wird nämlich die Grenze der Herr-
schaft Gutenstein angegeben ***, und diese muss umsomehr auch
als ältere Landesgrenze angesehen werden, als sie zum Theile
auch der späteren Landgerichtsgrenze entspricht*** und als
auch die Angaben der Einleitung zum Fürstenbuche mit dem
Banntaiding in Harmonie stehen. Letzterer beschreibt nun die
Herrschaftsgrenzen, so weit sie uns interessiren, mit folgenden
Worten: Item, die rein heben sich an zu Kaczenfurt im marg-
stein und get auf die Alte Oed. darin gen dreier hem guter,
von der Alten Oed unz an das Sebareck, vom Sebareck unz
an den Ruderskogel, von dem Ruderskogel unz an die Weys
erd. von der Weyssen erd in die Prog, von der Prog auf den
Untern perg. Item, vom Untern perg auf der Griesser gscheide,
von der Griesser gscheid auf das Hamereck, vom Hamereck
auf die Pernprunst, von der Pemprunst auf die Kalten kuchen,
von die Kalten kuchen auf den Hohenperg, von dem Hohen-
perg auf das Hohenwerger gscheid, von dem Hohenwei^r
"• Winters Ausgabe. "« Rauch Scr. 1. 245. "» OeW. 7. 362.
^» OeW. 7. 334.
475
gscheid auf das Garteneck, von dem Garteneck auf das
Gilger gscheid, von dem Gilger gscheid auf das Gipel. Die
Ghrenze trennt sich darnach von der Piesting an der Katzen-
fort, welche zwischen Pemitz und Gutenstein am Fusse des
Eatzberges zu suchen ist, läuft dann auf die Höhe des Sebam-
ecks, dessen Name sich noch im Seebauernhofe findet, und
folgt dem Höhenzuge zur weissen Wand, welche wohl mit der
weissen Erde identisch ist. Weiter verläuft sie in die Prog,
deren Name noch im heutigen Blockboden anklingt, und wen-
det sich dann zum Unterberg. Der fernere Zug geht den
Höhen entlang gegen Westen. Das Griesser gscheid muss ein
Uebergang aus dem Griesthale sein, das Hammereck fuhrt
noch heute diesen Namen; eine Pemprunst findet sich nicht,
wohl aber das Wirthshaus Kalte Küchel am Uebergange aus
dem Hallthale gegen Schwarzau. Der Hohenperg heisst heute
Hegerberg, das Hohenwerger gscheid ist zweifelsohne das
Hallbachgscheid, welches den Uebergang vom Orte Hohenberg
nach Schwarzau vermittelt. Der Name des Gartenecks findet
sich nicht mehr, das Gilgergscheid ist aber die Höhe des Gais-
rückens zwischen St. Aegyd (St. Gilgen) und Schwarzau; über
dieses Joch läuft die Herrschaftsgrenze zum Gippel und ver-
lässt da die Landesgrenze, um nach Süden zu gehen. Mit
Hilfe dieser Grenzbestimmung lassen sich die Angaben des
Fürstenbuches genügend erklären. Die Worte ,innerthalben
des landes' zeigen an, dass die Grenze aufhört, dem Wasser-
laufe zu folgen. Der Mautam perig ist der Unterberg, und
diese unrichtige Schreibweise ist nach Lampeis scharfsinniger
Erklärung dadurch entstanden, dass der Copist das m des
Torausgehenden Artikels irrthümlicher Weise zu ontamperig
hinzugezogen hat und ,vnd Mautam perig^ statt richtig ,vnd
dem Ontam perig* geschrieben hat. Das Weitere erklärt sich,
sofern man, allerdings nicht ganz genau, sagen kann, dass
die Steinapiesting zwischen Gutenstein und dem Unterberg
entspringt
Die nächste Landmarke ist der Berg Golch des Fürsten-
baches, welcher auch 1266^*^ in einem Schiedssprüche als
Qrenzpunkt zwischen St. Lambrecht und Lilienfeld und damit
zwischen Steiermark und Oesterreich vorkommt. Im Namen
m
Lampel Bl. f. Landesk. v. Nied.-Oesterr. 20. 287.
476
dieses Berges erkennen wir den heutigen QöUer^**, so dass
die Grenze auf dem Höhenzuge zwischen Gippel und Göller
fortgelaufen sein muss. Dem widerspricht Newald in seiner
Geschichte Gutensteins, indem er den Golch als Gippel erklärt
und die Grenze von diesem Berge gegen Süden auf die Schnee-
alpe laufen lässt. Allein aus dem Gutensteiner Gemerke ist
zu erkennen^ dass der Gippel diesen Namen schon in alter
Zeit trug, auch weisen die weiteren Angaben über die Landes-
grenze nicht nach der Schneealpe hin (wohin allerdings die
weitere Grenze der Herrschaft Gutenstein ging), sondern nach
dem Westen des Göllers.
Die Fortsetzung der oben ausgeschriebenen Stelle des
FUrstenbuches lautet nämlich nach Benennung des ,Golch' fd-
gendermassen : von dannen vncz in die dürren veucht von dannen
vncz vbir die Pirchmalben von dannen vncz vbem Annenperch
der hueczenhaupt erlafflwez von dannen vber die innem alben
vnd die Techling alben von dannen vber die wilden leznik.
Die ,durrenveucht^ erkennen wir in der Gegend ,bei den 3
Feuchten' im Westen des Göllers, noch heute hart an der
Grenze gelegen, duri'enveucht dürfte, wie Lampel richtig ver-
muthet, im Fürstenbuche aus drei Feuchten (Feuchte = Föhre)
coiTumpirt sein, und es war dies offenbar eine alte Landmarke,
welche die Stelle angab, wo, wie wir sehen werden, die alte
Grenze ebenso wie die heutige sich nach Norden wandte.
Felicetti^*^ dagegen meint ohne Grundangabe, diese Gegend
sei in der heutigen Terz zu suchen, was ungenau ist, da die
drei Feuchten etwas mehr gegen Nordwesten liegen. Die
Pirchmalben wird von Felicetti ftlr den Schwarzkogel und von
Lampel fUr die Bürgeralpe bei Mariazell gehalten, doch scheint
der Name mehr auf die nördUcher liegende Büchleralpe zu
passen, was auch dem gegenwärtigen Grenzzug und der Fort-
setzung desselben in alter und neuer Zeit besser entspricht,
denn der Annaberg des Fürstenbuches ist, wie sich schon aus
der Diction (vbern Annenperch) ergibt, nicht der viel nörd-
licher gelegene Ort Annaberg, sondern der heute als Josefeberg
bekannte Uebergang, an welchem auch die gegenwärtige Grenze
läuft. Ftlr den weiteren Zug der Grenze sind zwei Schieds-
"* Felicetti a. a. O. 9. 30, 10. 61; Lampel a. a. O. 279.
»» A. a. O. 9. 30.
477
Sprüche von Belange durch welche die Besitzungen des steieri-
schen Klosters St. Lambrecht und des niederösterreichischen
Klosters Lilienfeld geschieden wurden. In dem ersten von
1266'^^ heisst es: ductus terminorum nemoris a monte — Gulch
— incipiens in fluvium Salza nuncupatum porrigitur et per
descensum ejusdem fluvii ad montes apellatos Hut, womit das
ganze Gebiet von Mariazell zu Lilienfeld zugeschlagen wurde,
im zweiten von 1269^*' hingegen wurde der erste Schieds-
spruch rectificirt, es heisst darin: conventum S. Lamberti debere
— habere — circulum cuiusdam nemoris circa Wizenbach
Cella lacu et salina, ibidem aliisque terminis adjacentibus pos-
sessionem liberam — in lacu — conventus de Lylinvelde duos
tantum habere debent piscatores — molendinum — circa flumen
Wizenbach (ein Bach, welcher bei St. Sebastian in die Erlaf
mündet) ipsi monasterio de Lylinveld remanebit. Aus diesem
rectificirenden Spruche ist zu entnehmen, dass der Erlafsee
damals schon die Grenze gebildet hat, so dass der Grenzzug
vom Annaberg herab dem heutigen entspricht.
Der Grenze läuft nach der richtigen Textirung des
Pürstenbuches zum hut ze houpt Erlafsewez. Mit Zuhilfenahme
einer Beschreibung der Gaminger Grenze von 1352**®, womach
die Grenze de Prunnstain super Reznikegk (in der deutschen
Uebersetzung Rezzingekk, offenbar der Berg im Hintergrund
des Thaies, an dessen Ausgang der Ort Rasing liegt) et inde
sursum super exteriorem montem dictum Hutt geht, ersieht
man, dass die Grenze von dem obem Ende des Erlafsees auf
den Brunnstein hinauflief (welcher aber deswegen nicht, wie
Felicetti wiU, mit dem Hut zu identificiren ist) und von diesem
auf dem grossen Zellerhut und auf den Schwarzkogel. Von
den nächsten Grenzpunkten des Fürstenbuches ist die innere
Alpe nicht mehr zu eruiren, die Teckhngsalpe aber nach
den umständlichen Auseinandersetzungen Lampeis***, auf die
wir hier verweisen, das Marcheck, so dass die Grenze, so ziem-
lich den Lauf der heutigen verfolgend, sich zum Lassingbache
**• Lampel a.a,0. 287.
^^ Lampel a. a. O. 290. — Felicetti 10. 61 Note 159 hält dies für unmöglich
und sieht in den montes Hut den Hüttenboden (so auch 9. 30), allein
der Plural montes weist zu deutlich auf die drei Zeller Hüte hin, als
dass man zweifeln konnte.
**« Lampel a. a. O. 291. ^~ A. a. O. 301 f.
478
herabsenkte. Alle diese Anhaltspunkte rühren allerdings aus
einer späteren Zeit her, dass aber auch in älterer Zeit der
Grenzzug nicht sehr abweichend gewesen sein kann, zeigt die
Urkunde, womit die Grenze der Pfarre Steininchirchen fest-
gesetzt wurde, nach welcher die Grenze Kärntens südlicher
als der Oetscher verlief: ad montem Othzan et inde usque ad
terminnm chemten**^.
Den weiteren Grenzzug stellt das Fürstenbuch folgen-
dermassen dar: über die wilden leznik da nider pey der
Salcza für Gredeihalz und für Raidnur und von dannen
zu der guldeiner standen und von dannen über die Ens
daz sand Gallen. Auf Grund dieser Stelle zieht Lampel *'^
die Grenze in folgender Weise. Er lässt sie längs des Zeller-
brunnbaches nach Dürradmer gehen, dann über die Höhe der
Kräuterin und den Eräuterhals die Salza bei Wildalpen er-
reichen. Es heisst nämlich, die Grenze laufe ,uber^ die wilde
Lassing, und daher könne sie diesen Bach nur übersetzt haben
und nicht längs desselben gelaufen sein, da es sonst, wie an
anderen Stellen, die ,wilde leznik nider' hätte heissen müssen;
der Gredeihalz sei aber der Eräuterhals. Allein das Fürsten-
buch sagt, ,vber die wilden leznik da nider pei der Salcza',
was wohl nicht anders verstanden werden kann, als dass die
Grenze längs der Lassing bis zur Salza lief. Lampeis Er-
klärung leidet auch an der Unzukömmlichkeit, dass darnach
die Grenzlinie zuerst Radmer, dann den Kräuterhals und zuletzt
die Salza erreicht, wo doch die Reihenfolge im Fürstenbuche
die verkehrte ist. Gegen Lampel sprechen auch mehrere
Grenzbeschreibungen des 14. Jahrhunderts, in welchen auf
Grund alter Urkunden die Grenze zwischen dem Admonter
Klostergut und den Besitzungen von Gaming bestimmt wird.
Admont war in Steiermark begütert, Gaming gehörte zu Oester-
reich, die Grenze ihrer Besitzungen muss also wohl auch als
die alte Landesgrenze gelten. Betrachten wir nun den Inhalt
dieser Grenzbeschreibungen. 1346^** wird ermittelt, dass zum
Admonter Klostergut gehöre: alpis Grideralb tota et Laeznik
minor cum suis decursibus Laeznik rufa de Grasalb cum suis
»*« UOE. 1. 90.
"* A. a. O. 319, wohl im Anschlüsse an Felicetti 9. 31.
"• Lampel a. a. O. 305.
479
descensibas et decursibus. Laeznik maior cum suis descensibus
decorsibus. Und 1352 ^" wird Gaming zugeschrieben: Tekleins-
alben totam Grasalbam usque ad terminos monasterii Admon-
tensis. Wir wollen uns auf die Einzelnheiten dieser Grenzbestim-
mnngen nicht einlassen^ so viel geht jedoch aus ihnen hervor^ dass
die Grenze in der Nähe der Lassing zu suchen ist, ja dass
Admonts Besitz sich noch über die Lassing hinaus erstreckte,
wogegen es an jeder Andeutung fehlt, dass Gaming im Süden
der Lassing irgend welche Besitzungen gehabt habe. Insbe-
sondere wird die Kräuterin in ihrer ganzen Ausdehnung (tota)
Admont zugewiesen.
Es lässt sich daher nicht annehmen, dass Oesterreich bis
zum Kräuterhals sich erstreckt habe. Die Grenze lief vielmehr
längs der Lassing zur Salza und dann längs dieses Flusses.
WestUch Ton Palfau findet sich ein Joch zwischen dem Blaser-
kogel im Norden und der Sulzkogelmauer im Süden, Hals ge-
nannt, welches in den jenseitigen Kreistengraben führt. Es ist
nicht ausgeschlossen, dass dieses Joch einst Ereistenhals hiess,
und dass man in ihm den Gredeihals des Fürstenbuches zu
sehen hat. Wo Raidnur und die güldene standen zu suchen
sind, bleibt zweifelhaft, jedenfalls muss die Grenze den Frenz-
graben erreicht haben, da dieser, wie wir noch sehen werden,
die alte DiOcesangrenze zwischen Passau und Salzburg gebildet
hat. Uebrigens herrschten gerade für diesen Theil der Grenze
zahlreiche Streitigkeiten, von welchen uns Lampel erzählt,
deren Ergebniss die heutige, auf den Höhenzug im Norden
zurückgedrängte Grenze bildet.
Es erübrigt noch die Feststellung der Westgrenze im
Süden der Donau. Hier bildete die Enns die alte Grenze
zwischen dem Traungau und der Ostmark. Enns selbst liegt
im Traungau, 977^**: praedium — Anesipurch — in pago
Trungowe in ripa Anesi fluminis. Weiter südlich tritt die Ost-
markgrenze von der Enns zurück, doch lässt sich nicht mit
Stmadt^'* annehmen, dass dies gerade bei Kronstorf gewesen
sei, denn die Urkunde 843 ^*^, auf welche er sich beruft, ent-
hält davon nichts. Li den südUcher gelegenen Theilen bedeckte
ein ausgedehnter Forst, der Ennswald, das Land zu beiden
* Lampel a. a, O. 803. ^ UOE. 2. 66.
"» Geburt des Landes ob der Enns 15. >»« UOE. 2. 13.
480
Seiten der Enns^ und in diesem Gebiete war in der älteren
Zeit die Grenze zwischen der Ostmark, dem Traungaue und
dem Ennsthalgaue wohl noch nicht feststehend. Später, als
Rodungen die Wälder zugänglicher gemacht hatten, fehlt es an
Angaben über die Linie, in welcher die Grenze bestimmt wurde.
Der vielfache Grundbesitz der Traungauer in dem östlich von
der Enns gelegenen Waldgebiete, ermöglicht es uns jedoch,
die Grenze annähernd zu bestimmen, da die Traungauer so
ausgedehnten Grundbesitz wohl nur in ihrer eigenen Graf-
schaft haben konnten. 1082 ^^^ überlässt Markgraf Ottokar
von Steier an Passau predium unum ad beheimperch et eccle-
siam cum area, in qua constituta est ecclesia, und erhält daftlr
nebst Anderem alles inter rubnicham inferius urbem manantem
(Ramingbach, welcher bei Steyr in die Enns mündet) et rubi-
nicham superiorem (Reichramingbach) et infra fluuium anesnm
et flumen styram — et curtem illam, ubi rubincha labitur in
anesum. C. 1110^*®: unter den Gütern, welche Markgraf Ottokar
an Garsten vergabte, finden sich: dotum trans anesim cum
silua contigua — et quicquid cultum siue incultum inter fluuio-
los tanpach (Dambach) et fruznich situm est. beneficium arn-
helmi inter rubinich et fruznich — possessio etiam iuxta sita,
que iagirinberge dicitur. Einen weiteren Anhaltspimkt bildet
die Bestimmung der Pfarrgrenze von Gaflenz 1140"*: a fluuio
Robinich usque ad cursum Frodenize alterius fluminis et usque
ad principium auelenze iuxta portam — fundum predicte eccle-
sie — stirensis marchionissa Sophia a principiis fluminum
auelenze discurrentium pro salute anime — sponsi sui — mar-
chionis Liutpoldi tradiderit s. ecclesie de garsten. Damit im
Einklänge steht auch Urkunde 1160^*®, wornach Admont par-
rochiam — ex utraque parte Anesi usque in flumen Frodnize
erhielt, und die Angabe c. 1074, dass Admont besitzt quicquid
utilitatis in Aneso flumine esse potest de Glasibach usque Frod-
niz et forestum de Ediltscach usque in medium fundum Frod-
nize **^. EndUch wäre noch die Gründimgsurkunde von Seiten-
stetten 1116^** hervorzuheben, in welcher dieses Kloster von
Passau decimationes noualium — ex utraque parte fluminis
"' UOE. 2. 116. *»• UOE. 2. 134. »»• UOE. 2. 188.
"« US. 1. 392. »" US. 1. 86.
^*« D. 33. 3
481
ybese et ad occidentem asque Karintscheide sammt der Pfarre
aspach erhält.
Die Zusammenfassung dieser Urkunden zeigt, dass die
Grenze schon damals den heutigen Lauf hatte. Sie geht längs
des Ramingbaches und gelangt zum Ursprünge des Gaflenz-
baches. Die porta der Urkunde 1140 ist wohl der enge Ueber-
gang aus dem Enns- in das Ybbsgebiet bei Oberland. Auch
weiter bildet die Wasserscheide zwischen Ybbs und Enns die
Grenze. Nun lässt sich auch der Qrenzzug vom Gredeihals an
annäherungsweise bestimmen; derselbe lief offenbar von da
auf die Höhe des Gebirges (die Radmur ist etwa in der Nähe
der Stumpfmauer zu suchen) und dann nordwärts in den eben
beschriebenen weiteren Grenzzug. Am oberen Ende des Frenz-
grabens zweigte sich die Grenze zwischen den Pfarren Admont
und Gaflenz und damit zwischen den Diöcesen Salzbui^ und
Passau ab.
Hiezu noch einige Bemerkungen. Nach der Urkunde
1082 besass Markgraf Ottokar ein predium in beheimperch
(Behamberg im Osten des Ramingbaches). Der Besitz dieses
einen praedium genügt nicht fllr die Annahme^ dass die Graf-
schaf); Ottokars sich auch auf das rechte Ufer des Fläming-
baches erstreckte^ vielleicht veräusserte Ottokar dieses praedium
im Tauschwege gerade deswegen, weil es nicht in seiner Graf-
schaft lag.
Nach der Urkunde 1116 liegt im Westen des Ybbslaufes
die Karintscheide, die Kärntner Grenze. Daraus in Verbindung
mit ähnlichen Angaben in anderen Urkunden schUesst Stmadt^**,
dass die Grenze der Kämtnermark bis gegen Weyer reichte,
und dass der Höhenzug im Westen der Ybbs schon Jahr-
hunderte früher die Grenze Carantaniens gebildet habe. Ich
halte diesen Schluss für unzulässig, weil in früherer Zeit und
auch noch im 12. Jahrhunderte die Grenze Baiems und der
Ostmark einerseits und Kärntens anderseits hier mit derDiöcesan-
grenze von Passau und Salzburg zusammenfiel, letztere aber
zweifelsohne am Frenzbache zu suchen ist. Der Ausdruck
Karintscheide ist daher ein ungenauer, möglich, dass er daher
rührte, dass man die einzelnen Besitzungen des Karantaner
Markgrafen nicht unterschied, sehr möglich aber auch, dass
*** A. a. O. 17f.
482
die Orientirung der Urkunde von 1116 eine unrichtige war
und man die Earintscheide in den Westen statt in den Süden
des Ybbsthales verlegte"*.
8. Die obere Karantanermark.
§.6. 1. Die Gebirgsgegenden Steiermarks scheinen nicht
so viel durch die UngameinfäUe gelitten zu haben wie das
nach Osten offene Niederösterreich. In den westlichen Theilen
der heutigen Steiermark wenigstens erlosch nicht alle Cultur.
Auch in den argen Zeiten von 907—965 erfahren wir da von
Güterkäufen und -täuschen, welche die Fortdauer deutschen
Lebens in diesen Gegenden verbürgen. Die Gütertäusche des
Erzbischofs Odalbert von Salzburg beziehen sich auf Besitzun-
gen in Hus (Haus im Ennsthal)^, Adamunton (Admont)^, bei
Rotenmannum (Rotenmann) *, auf die Gegend von Judenburg
und Enittelfeld, ad Undrimam^ oder Ingeringam^, mit den
Orten Puoch^ (Maria -Buch bei Judenburg oder nach Felicetti'
Buchfeld bei Neumarkt), Furti® (Fürth bei Judenburg oder
nach Felicetti® bei Neumarkt), Pouminunchirichun ^® (Baum-
kirchen bei Judenburg), Lominichakimundi ^^ (Gross-Lobming
oder St. Stephan in der Lobming), Pnochskeho ** (BuchschacJien
bei Sekkau), dann auch das Thal der Lieznicha^^ (Liesing)
und den Ort Vualde ** (Wald) daselbst, auf das Liupinatale **
(Leobenthal), Muorizakimundi *^ (Brück an der Mur), auf die
Gegend an der Muoriza ^^ (Mürz) u. dgl. m. Dagegen fehlt es
in dieser Zeit vollkommen an derartigen Acten fUr die östlichen
Gegenden der Steiermark, die spätere Mark.
^^ Die Besitzungen der Babenberger im Westen der Riedmark wurden erst
nach der Erhebung Oesterreichs zum Herzogthum erworben, wir haben
uns daher mit denselben nicht zu befassen. 8. übrigens Stmadt
Geb. 66 f.
» 928 US. 1. 22. » 931 US. 1. 25. • 927 US. 1. 21.
• 930, 936 US. 1. 23, 26. » C. 926 US. 1. 19.
• C. 926, 930 US. 1. 19, 23.
' A. a. 0. 10. 40 s. aber auch 46.
• 930 US. 1. 23. • A. a. O. 10. 40.
»0 936 US. 1. 26. " 927 US. 1. 20.
" C. 926 US. 1. 18. " C. 926 US. 1. 18.
" C. 926 US. 1. 18. " 926 US. 1. 17.
w 927 US. 1. 21. " C. 925 US. 1. 18.
483
Allerdings meint Koch-Stemfeld ^® von den in der Urkunde
930** benannten Orten seien Puoche und Piscoffesperch mit
Unterbuch und Bischofedorf bei Waitz identisch^ die Ansicht
Tangls*®, Zahns *^ und Felicettis** ist aber wohl vorzuziehen,
welche, wenngleich untereinander hinsichtlich Puochs diffenrend,
alle diese Orte in das obere Murthal versetzen. Dafür spricht
insbesondere, dass das Puoch, welches 930 von Odalbert ver-
äussert wird, wohl dasselbe ist, welches er mittelst Urkunde
925*' erworben hat; in dieser letzten Urkunde wird aber ge-
sagt, dass der Ort ad Infrierum hege, was Zahn richtig in
Inheringum emendirt und wodurch die Ortslage im oberen Mur-
thal sichergestellt wird.
Erst in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts finden
sich Nachrichten über deutsche Ansiedelungen in den östlichen
Gegenden, und zwar zunächst nur für Südsteiermark; so fUr
die Oegend von Lipnizza ** (Leibnitz), für die Berge Doberich,
Stenniz und Frezniz'^, für Razuuai*^ (Rosswein bei Marburg),
dann weiter südlich für das Land an der Sann und Save'^.
Später erfahren wir auch von nördlicheren Ansiedlungen Stra-
zcan*^ (Strassgang) und Gestnic'^ (Gösting). Es scheint also
mit der Colonisation längs der Drau begonnen worden zu sein
tmd dieselbe sich zu beiden Seiten derselben gegen Norden
und Süden fortgesetzt zu haben. Dabei dürfte Deutschland
schon damals das ganze früher deutsch gewesene und durch
die UngameinfUlle dem deutschen Machtbereiche entzogene Ge-
biet bis beiläufig zur heutigen ungarischen Grenze für sich in
Anspruch genommen haben, denn dies und nicht mehr bedeutet
es, wenn K. Otto H. 977 «^ dem Erzbisthum Salzburg nebst
Anderem auch Besitzungen bestätigt, welche im äussersten
Osten der heutigen Steiermark gelegen sind, von welchen nur
Penninchaha (an der Pinka ^^), Durnauua (östlich von Radkers-
hurg), Sabniza ecdesia (in oder bei Hartberg ^*), Nezilinpach
" A. 7. 360. " US. 1. 23.
*» A. 1. 166. " US. 1. 23.
» A. a, O. 10. 40. •• US. 1. 19. ^ 970 US. 1. 30.
» 9S0 US. 1. 36. " 986 US. 1. 39. " 1016, 1026 US. 1. 46, 62.
" C. 1030 US. 1. 66. » 1042 US. 1. 60. »« US. 1. 32.
*^ Dass Salzburg Besitzungen an der Pinka hatte, geht ans den späteren
Schenkungen an Admont herror; 1166, 1169 US. 1. 362, 381.
" Felicetti a. a. O. 10. 87.
484
(Nestelbach an der Hz) und Pettovia (Pettau) als solche hervor-
gehoben werden sollen, deren Lage im Osten feststeht.
Ebenso wie in Niederösterreich findet sich auch hier
bald nach dem Siege am Lechfelde eine Markeneinrichtung.
Der erste Markgraf, von welchem wir hören, war Markward,
der Stammvater der Eppensteiner *', welcher in zwei Urkunden
970 und 980 ** vorkommt. Aus der älteren dieser Urkunden
entnehmen wir, dass die Gegend um Leibnitz zu seiner Mark
gehörte: predia in comitatu Marchuuardi marchionis nostri in
plaga origentali constituta — curtem ad Vdulenidor lingua
Sclauanisca sie vocatam, Theotisce vero Nidrinhof nominatam
— pariterque etiam ut contiguum atque adiacens eidem cvrti
nemus Susil nuncvpatum et ad civitatem Ziub — quicquid in
ea nostrae potestatis vel regiminis esse deprehenditur, atque
iuxta situm locvm civitatis Lipnizza vocatum. Hier wird also
zunächst Leibnitz selbst genannt, dann die civitas Ziub, welche
in der Nähe von Leibnitz gelegen war (iuxta situm), jedoch
nicht damit identificirt werden kann'*^, da es in der Urkunde
neben Leibnitz genannt wird. Tangl** stellt die gewagte Ver-
muthung auf, Ziup sei das heutige Zähndorf (richtig Zehndorf)
südlich von Preding. Allein Ziub lag nach den Urkunden
977 und 1051 »' an der Sulm (Sulpa), während Zehndorf weit
von diesem Flusse in der Nähe der Lassnitz liegt. Da Tangl
die zweite dieser Urkunden kannte, so bemerkt er, viel-
leicht imi dieser Einwendung zu entgehen, dass in der Ul^
künde Ziub nicht bloss eine Bui^, sondern auch der dazuge-
hörige Landstrich von der Mur zwischen Sulm und Lassnitz
bis zu deren Ursprung genannt werde. Wenn es aber in den
beiden Urkunden heisst: civitatem Ziup — vocatam cum Omni-
bus iure ad eandem civitatem pertinentibus — sicut iUa fossa
"* Tangl A. 1. 163 f. glaubt auch den Vater dieses Markivard — ebenfalls
Markward genannt — gefunden xu haben. Es ist hier nicht am Platze,
auf genealogische Hypothesen weiter einsugehen; daher nur die Bemer-
kung, dass der Hauptgrund Tangls, dass der Name Markward ,sosusagen
ein wahrhaftes nomen proprium, ja unicum, das ist im strengsten Sinne
nur einer Person angehOrig* sei, ganx unrichtig ist, s. die VeneichnisBe
der yerschiedenen Markwarde US. 1. 977, UOE. 1. 885, 2. 820, UKOe.
1. 799.
»* US. 1. 29, 36. «So Zahn US. 1. 860. «• A. 1. 173f.
•' US. 1. 33, 68.
485
que incipit de Mora et tendit usque ad Luonznizam et ut Luon-
zniza et Sulpa in alpibus fluunt, quicquid inter has daas
amnes habemus, so ist damit wohl gesagt, dass ein gewisses Zu-
behör mit der civitas Ziub übertragen werde, nieht aber dass
auch dieses Zubehör Ziub heisse. Eher könnte man Ziub an
der Stelle des heutigen Schlosses Seggau suchen, dessen ge-
sicherte Lage an der Sulm und in unmittelbarer Nähe von
Leibnitz noch am ersten auf die Angaben der Urkunden passt.
Weiter kommt in der Urkunde der Wald Sausal (Susil) vor
und Vdulenidor, welches Zahn '* in Udeldorf bei Arnfeld sieht,
während Felicetti^^ wegen dessen zu grosser Entfernung von
Leibnitz sich filr die spätere Salzburger Besitzung Tillnitsch am
Sausal ausspricht. Jedenfalls befanden sich alle diese Oertlich-
keiten nicht fem von Leibnitz. Sie sind die einzigen, von
welchen wir hören, dass sie in Markwards Grafschaft ge-
legen waren. Nachfolger Markwards war sein Sohn Adalbero,
welcher 1000*® als Verwalter der Mark erscheint: ,Adalberoni
marchioni 100 mansos donauimus in prouincia Earinthia ac in
marchia comitatuque memorati marchionis Adalberonis. Derselbe
war auch Graf im Enns- und Undrimathale: 1005*^: Adamunta
— in comitatu Adalberonis comitis in pago Ensitala; 1007*^:
Uueliza et Linta (Wölz und Lind) — in provincia Earinthia
et in comitatu Adelberonis, und erhielt 1012 das Herzogthum
Kärnten**, welches er nebst der Mark verwaltete. Im Jahre
1035 wurde er von Eonrad 11. abgesetzt** und verlor sowohl
das Herzogthum als auch die Mark**. Letztere bekam Arnold
von Wels und Lambach*^, welcher 1043 als der Markgraf er-
scheint, in dessen Mark und Grafschaft Ramarstetin liegt:
*• US. 1. 928. ~ A. a. O. 1072 Note 208.
*« US. 1. 40. " US. l. 41.
« US. 1. 43.
** Herrn. Aug. 1012 MO. 5. 119: Adalbero ducatum accepit.
** Herrn. Aug. 1036 MG. 6. 122 : Adalbero dux Carentani et Hystriae, amissa
imperatoris gratia, ducatu quoqne privatus est. Ann. Saxo 1036 MG. 6.
679: dncatnm Carentinomm — a qao priori anno Adalberonem maiestatis
reum dimoverat.
^ Brief des Clerikers bei Giesebrecbt Kaisergesch. 2. 659: Abdicaturqne
Adalberoni ducatos et marchia.
** Briefe des Clerikers a. a. O.r Marcham vero ipsios Adalberonis fertnr
commissain caidam A. de L.; 1088 UOE. 2. 118: mem. Amalfo magnifico
comite de Welsa atque de Lambachha.
486
Kamarsstetin — in marchia et in comitatu Amoldi marchionis^^.
Die Lage von Ramarstetin oder (wie es auch genannt wird)
Ramprechtestetin ^^ ist nicht zu eruiren. Es steht weder fest,
dass es mit dem Qunprehtesteten der Urkunde 1056 und 1059 *•
identisch ist, wie Moriz ^^ will, noch dass es das heutige Romat-
schachen ist, wie Felicetti** vermuthet. Qegen die letzte An-
nahme spricht insbesondere, dass Romatschachen schon im
12. Jahrhunderte Ramarschache oder Ramasschache genannt
wird **. Gleichzeitig mit Arnold kommt auch sein Sohn ^ Gott-
fried als Markgraf vor. In seiner Markgrafschaft liegen Gösting
und Leitersdorf: 1042^: Gotifredo marchioni — in loco Gestnic
et in comitatu Hengest praedicti marchionis; 1045^^: Liutoldas-
dorf — in comitatu Gotefridi marchionis et foresto Susil iuxta
litus Losnicae fluminis situm. Ausserdem war er Graf im
Ennsthale und im Undrimathale: 1041^^: in uallibus Ensetal
et Baltal in comitatu Gotefredi comitis; 1048^^: Rotenmannum
— in marchia Gotefridi et in ualle pagoque Palta situm. 1054
oder 1055 fiel Gottfried im Kampfe gegen die Ungarn^ und
wurde von seinem Vater Arnold tiberlebt**.
Das Verhältniss zwischen Vater und Sohn bleibt unklar.
Moriz*® meint, Gottfried habe erst c. 1048 die Markgrafen-
wtirde erlangt, wenn er in Chroniken schon frtiher Markgraf
*» US. 1. 62. ^ US. 1. 62 Note 1. *• US. 1. 72, 76.
^ Abb. d. baier. Akad. 121.
" A. a. O. 9. 42 N. 121; 10. 81.
" 1187, 1188 US. 1.669, 673.
" 1061 UOE. 2. 92. Bestätigung der von Bischof Adalbero von Würzburg
gemachten Stiftung des Klosters Lambach durch Heinrich IV. anter An-
gabe der Güter, eo iure, quo parentes eins scilicet auus Amoldna et
item pater saus Amoldus et frater saus marchio Gotefridus et ad ulti-
mum idem episcopus Adelbero — habuerunt.
»* US. 1. 60. » US. 1. 63.
" US. 1. 68. " US. 1. 64.
^ Ann. Altah. 1060 MG. 20. 804: marchio Gotefridus ab iniqais circomTeutus,
innocens misere occiditur.
^ y. Adalberonis MG. 12. 131: Amoldus itaque comes — uxore yiduatus,
filiis et heredibus excepto Wirzburgense episcopo Adelberone orbatus.
Dieser Adalbero wird denn aach als der letzte seines Stammes bemeicb-
net. 1056 Pez Scr. 2. 12: Adalbero Wirceburgensis episcopus baeres
parentom suorum, qui in loco Lambach congregationem institnermt
clericorom.
•0 A. a. O. 23.
487
genannt werde ^^, so geschehe dies ,im voraus', weil er die
Mark statt seines Vaters verwaltete und später Markgraf wurde.
Muchar*' hingegen vermuthet, dass Gottfried nur die Anwart-
schaft auf die Mark erhalten habe, Ankershofen ®*, dass er nur
den Titel fUhrte. Diese Ansichten widerlegen sich durch die
Urkunde 1042, nach welcher Qottfiied schon in diesem Jahre
Markgraf war und eine eigene Grafschaft hatte. Die Meinung
Felicettis^, dass Gottfried 1042 die ,eigentliche' Leitung der
Mark übernommen habe, und Wahnschaflfes ^*, dass er in
diesem Jahre ,neben* seinem Vater zum Markgrafen ernannt
wurde, erklären eigentlich nichts, zwei gleichzeitige Markgrafen
fär eine Mark sind überdies wohl nicht anzunehmen.
Will man nicht auf jede Erklärung verzichten, so erübrigt
vielleicht nur die Annahme, dass die sogenannte obere Karan-
tanermark ursprüngüch zwei Grafschaften gebildet habe. Von
der Grafschaft Markwards erfahren wir, dass sie sich im Norden
zur Lassnitz erstrecktet^, von einer weiteren Ausdehnung
gegen Norden spricht keine Nachricht. Ueber die Grösse der
Mark Adalberos fehlt jede Angabe, nur der Umstand, dass er
die Grafschaften im Undrima- und Ennsthale besass, lässt ver-
muthen, dass er auch die vorlagernden Gegenden in der Mark
verwaltete. Auch über die Ausdehnung der Grafschaft Arnolds
fehlt es an Nachrichten. Der südlichste Punkt in der Graf-
schaft Hengist Gottfrieds, welcher angegeben wird, ist Leiters-
dorf ^', am nördlichen Ufer der Lassnitz. Alle diese Angaben
Hessen sich dahin vereinigen, dass Mark ward und Arnold die
südliche Grafschaft bis zur Lassnitz, Gottfried die nördliche
verwaltete; Adalbero könnte beide besessen haben. Mag auch
diese Hypothese als zu gewagt erscheinen, keinesfalls hat
Huber ^* mit seiner Angabe recht, dass Arnold und Gottfried
theilweise in denselben Gebieten vorkommen.
Unter Markgraf Gottfried trat übrigens, wie es scheint,
eine namhafte Vergrösserung der Mark gegen Norden ein. Er
*^ Thnrocz Chr. Hang. c. 36 p. 123 ad a. 1042: Godefridus marchio austrie
HuDgaros caedit ad Pettoviam.
^ Gesch. Steienn. 4. 283. ^ Gesch. Kärntens 2. 830.
•* A. a. O. 10. 73.
*^ A. f. Kärnten 14. 38, s. auch Huber Gesch. Oesterr. 1. 215.
•• Urk. 970 oben bei Note 34. " Urk. 1045 oben bei Note 56.
•• Gesch. Oesterr. 1. 215 Note 6.
ArduT. Bd. LXXUl. II. Hüfte. 32
488
war ein tapferer Kämpfer gegen die Ungarn, und die Ansicht
Lampeis ^^ hat viel ftir sich, dass es Putten und nicht Pettau
war, um welche sich seine Kämpfe drehten. Auf die Erobe-
rung des Püttener Gebietes durch ihn'® ist wohl sein ausge-
dehnter Besitz daselbst'^ zurückzuführen'*, welcher ihm mög-
licherweise durch den Frieden mit Ungarn 1045 gesichert
wurde '*. Gottfrieds Güterbesitz ging — und daraus sieht man,
dass es Allode waren — an seine Tochter Mathilde und durch
sie an ihren Gatten Grafen Eckbert von Formbach über '*. Die
grosse Ausdehnung dieser Allode entnehmen wir aus späteren
Urkunden der Formbacher, nach welchen diese Besitzungen ein
zusammenhängendes Ganzes von Putten bis zum Hartberg bil-
deten und sich noch darüber hinaus erstreckten. C. 1160'^:
Erat autem continuatum eo tempore predium comitis ipsius (Ekke-
berti) a putinowe usque ad montem hartperch. C. 1150'®: Graf
Eckbert von Putten verschenkt siluam inter albam Lauenz et
maiorem Lauenz (Lafnitz). Mit Gottfrieds Mark wurde sein Ver-
wandter, " der Traungauer Ottokar belehnt, welcher schon 1056,
dann 1058 und 1059 als Markgraf vorkommt. 1056'*: Odelis-
niz — in marchia et comitatu Otacharii marchionis; 1058'^:
ö» Putten 41.
'® Ann. Altah. 1042 MG. 20. 797: Per idem tempus aliqui de Ungaria eg^ressi
contra Carintheam captivaverunt innumerabilem praedam. Sed Gotefrido
marchione superveniente et eosdem iuvadeute, omnes occubueruut
^^ V. Adalb. MG. 12. 130: Cuias (Gotfridi) ditioui cum reditibus circom-
jaceutibus serviebat Putina, urbs inclyta et famosa.
'* Moriz a. a. O. 27 zweifelt, ob die Erwerbung durch Erbschaft oder Heirat
vermittelt wurde. Das erste gewiss nicht, fUr das zweite fehlt jeder
Anhaltspunkt.
'3 Wahnschaflfe a. a. O. 39.
''* V. Adalb. MG. 12. 130: Gotfridus — habebat tiliam, quae nupsit Ekke-
berto comiti, cuius castrum Niwenburc dictum, in hora Eni fluminis est
situm. Uuic post felicem fratrum excessum, in sortem dotis urbs Putina
cum Omnibus ad se pertinentibus cecidit. UOE. 1. 627: Ekkebertus —
tradidit — que conjugi sue in partem ceciderunt de familia patmi soi
Adalberonis episcopi. Der Name seiner Frau kommt vor 1094 und 1096
MB. 4. 12, 14.
'» UOE. 1. 316. ^« UOE. 2. 670.
" 1088 UOE. 2. 118: haec omnia predictus marchio (Ottakerius) — ab Ar-
nulfe magnifico comite de Welsa atque de Lambachha Ipsorum consan-
guineo ad eos fuerant deuoluta.
" US. 1. 71. ^ US. 1. 74.
t_.
489
Gvzbretdesdorf et deorsum Svarzaha — in marcha Karentana
et in comitatu Otacheres marehionis; 1059*®: in marchionis
Otacheres marchia Carintina in uilla — Gunprehtesteten.
Beweise der markgräflichen Thätigkeit Ottokars und seiner
Nachfolger finden sich flir das Püttener Gebiet, wie wir noch
sehen werden, und für Mittelsteiermark. Als südlichster Ort
ihrer nachweisbaren Thätigkeit kann Leibnitz bezeichnet wer-
den. Von hier ist das actum einer ihrer Urkunden ®^, hier
wird einer Salzburger Urkunde das markgräfliche Siegel bei-
gedrückt **, und bei einem Streite über mehrere Güter, darunter
Parshalchesdorf (Bachsdorf) bei Leibnitz, heisst es, deren In-
haber in manum Styrensis marchionis locaverat®^.
2. Auch in diesem Gebiete wird die Mark anfänglich nur
mit dem Namen des sie verwaltenden Beamten bezeichnet,
wovon schon zahlreiche Beispiele vorkamen. Eine andere Be-
nennung ist: marcha Earcntana oder Carintina^. Femer wird
die Grafschaft Gottfrieds comitatus Hengest^^ genannt, wor-
unter je nach der Ansicht, welche man über die Ausdehnung
seiner Mark hat, die ganze oder nur der nördliche Theil der
Earantanermark zu verstehen ist. Marchia superior ist ein
Ausdruck, welcher sich zuerst 1108®*^ findet, später öfter,
z.B. 122087.
In einer St. Pauler Urkunde, welche der Herausgeber
des St. Pauler Urkundenbuches in die Jahre 1123 oder 1124
versetzt^, Zahn®^ unter dem Jahre 1145 verzeichnet, kommt
eine marchia transalpina mit zwei darin liegenden Villen vor:
in marchia transalpina duas trado villas Gomilnitz et Polibane.
Schroll, der Herausgeber des Urkundenbuches, hält diese beiden
Villen ftlr Gomilsko, südlich von Frasslau und Polana, westlich
von Gonobitz, Felicetti ®^ und Zahn ^^ sehen dagegen in Gomil-
nitz Gamlitz bei Ehrenhausen; betreffs Polibane meint Felicetti,
es könne dies Pölhtschberg bei Ganüitz sein; Zahn begnügt
sich, es in die windischen Büheln, also wohl auch in die
Nähe von Gamlitz zu versetzen. Die Frage, welche von diesen
*» US. 1. 75.
" 1136 US. 1. 171. « 1157 US. 1. 373. «» 1153 US. 1. 342.
*♦ 1058, 1059 US. 1. 74, 75. •» 1042 US. 1. 60.
** Pez Thes. 6. 298: districtos superioris marcbiae.
" US. 2. 254. " D. 39. 80. «» US. 1. 238.
« A. a, O. 9. 44, 10. 86. »» US. 1. 770, 829.
32»
490
Meinungen die richtige ist, lässt sich nur durch die Betracht-
nahme anderer Urkunden lösen. Gomilnitz wird wiederholt in
Urkunden genannt. C. 1100^* widmen die Sponheimer dem
Kloster St. Paul cui-tim illam et ecclesiam ad Saccah, nee non
et oppidum Saccah cum aliis 4 uillulis hoc est Gomilniz et
item Gomilniz Meginwarstetin et Gozzier. 1170^^^ bestätigt Erz-
bischof Adalbert von Salzburg die Filialen der Pfarre Leibnitz:
s. Marie in Monte, s. Mychahelis in Castro, s. Jacobi in foro,
in Saccach s. Johannis baptiste, item sancte Marie sub confinio
monti» Raedelach, in Klune s. Georii, in Harintschach s. Phi-
lippi et Jacobi, in Gomeliz s. Petri, item Vlenberch s. Mycha-
helis, in Mukemow s. Nycolai, in Graelaw s. Rudberti. Alle
diese Orte liegen begreiflich in nicht sehr weiter Entfernung
von Leibnitz. S. Marie in Monte ist Frauenberg südwestlich von
Leibnitz, Saccah St. Johann bei Saggau, mons Raedelach der
Radelberg zwischen Eibiswald und Mahrenberg, s. Marie in
der Nähe dieses Berges wahrscheinlich Arnfels ^*, Harintschach
Heimschuh südwestlich von Leibnitz, Mukemow St. Nikolai im
Sausal bei Muggenau, Graelaw Gralla nördlich von Leibnitz.
Die übrigen nicht bestimmbaren Orte lagen sicherlich auch in
der Nähe dieser Stadt, ebenso Gomilnitz ®*, welches daher nicht
das im Sanngebiete befindliche, von Leibnitz weit entfernte
Gomilsko gewesen sein kann. Auch nach der Urkunde c. 1100
ist Gomilniz in der Nähe von Saggau zu suchen, es spricht
diese Urkunde also auch für Gamliz und da dieser Ort sich in
Ober- und Untergamliz theilt, sind auch die beiden Gomilnitz
der Urkunde erklärt. C. 1220 »^ werden dem Kloster St. Paul
sex mansus — in loco qui dicitur Gemenz aput Gomelniz ge-
schenkt. Man könnte nun versucht sein, Gemenz mit Eament-
sche zwischen Frasslau und Gomilsko zu identificiren; was
dafUr sprechen würde, dass Gomilnitz Gomilsko sei, allein an-
gesichts der übrigen Beweise müssen wir in Gemenz einen
andern, nicht mehr nachweisbaren Ort bei Gamlitz sehen;
umsomehr als wir auch in den St. Pauler Urkunden die Aende-
rung des Namens in den heutigen verfolgen können. Bis
»• US. 1. 104. ^ US. 1.481.
»* Zahn US. 1. 767.
^ Daher auch der Pfarrer als Collator für die ecclesia in Gamblits er-
scheint 1460, Felicetti 10. 86 Note 266.
^ US. 2. 266.
491
1367^' findet sich die Form Goinelnitz, 1372»» heisst der Ort
Gomlitz und 1480^^ schon Gamliz. Es steht also wohl ausser
Zweifel^ dass Gomilnicz das heutige Gamliz ist. Dagegen fehlt
es uns an Anhaltspunkten zur Bestimmung von Polibane^ die
oben mitgetheilten Ansichten Schrolls und Felicettis sind doch
nur reine Vermuthungen.
Dass aber der Ausdruck marchia transalpina nicht blos
eine geographische Bezeichnung bildet, sondern auf eine be-
sondere Mark im technischen Sinne hindeutet, zeigt die Neben-
einanderstellung von marchia transsiluana und marchia trans-
alpina in der bei Note 88 citirten Urkunde. Die Orte, welche
nach dieser Urkunde in der marchia transiluana lagen, finden
sich nach anderen Angaben in der marchia pitoviensis, so dass
diese beiden Ausdrücke Bezeichnungen für dieselbe Mark sind.
Gamlitz liegt nun im Norden der in der marchia pitoviensi
gelegenen Orte, wie Pesniza, Dobrenga, Circuniz u. s. w., und
damit ist festgestellt, dass die marchia transalpina mit der Mark
Markwarts identisch ist, wofür auch der Name spricht, da sie
vom Standpunkte Kärntens aus jenseits der (Kor) Alpe ge-
legen ist. Felicetti ^^^ rechnet ebenfalls Gamlitz zu dieser Mark,
macht jedoch dazu die nicht verständliche Aeusserung, dass
der zu marchia beigesetzte Ausdruck ,transalpina' nur den
Gegensatz zu marchia transiluana ausdrücke und daher (!) be-
deutungslos sein dürfte. Es hängt dies mit seiner Ansicht
zusammen, dass die in der sogenannten oberen Karantanermark
gelegenen Orte stets als ,in marchia' ohne Zusatz befindlich
aufgeführt werden ^^^
Auch die Bezeichnung ,marchia iuxta Rabam' sollte eine
weitere Benennung dieser Mark sein *^*. Dieser Ausdruck
kommt nur in einer Urkunde 1073 und daraus wiederholt
^ 1291, 1296, 1303, 1319, 1342, 1363, 1367 D. 39. 177, 183, 186, 209,
232, 241, 246.
•• D. 39. 251.
•• D. 39. 478. 1460 kommt ,Gamblitz* vor, s. Note 96.
*«• A. a. O. 9. 45.
'*^ Ankershofen Gesch. Kärntens 2. 823 hält die marchia transsiluana und
die marchia transalpina für eine und dieselbe Mark, eine Ansicht, deren
Unrichtigkeit aus dem Vorstehenden hervorgeht.
*** So Wahnschaife a. a. O. 46 Note 126, Huber Gesch. Oesterr. 1. 213
Note 3.
492
inQio3 Jq folgender Zusammenstellung vor: iuxta Moram
fluuium Flachsaha^ iuxta Liesniche Meizzenstein, in marchia
iuxta Rabam fluuium Chuniperge. Abgesehen von der Un-
echtheit der älteren Urkunde^®*, hätte schon die Diction d^r
Urkunde gegen den Gedanken der Verbindung von Raba mit
marchia sichern sollen. Die Lage sämmtlicher Orte wird hier
durch Beisetzung der vorüberfliessenden Wasserläufe bestimmt,
die Lage von Chuniperge noch ausserdem durch die Angabe,
dass der Ort in marchia gelegen sei. Daraus eine besondere
marchia iuxta Rabam zu construiren, wäre ebenso unrichtig,
als wenn man aus dem Worte: c. 1100*^^: in marchia trans
fluvium Dravva — Razwei und 895 *®^: in marchia iuxta So warn
tres regales ^lansos quod Richenburch dicitur annehmen wollte,
es habe zwei Marken gegeben, von welchen die eine marchia
trans Dravva und die andere marchia iuxta Sowam hiess, wo
doch diese Urkunden nur die Ortslage vor Razwei und Richen-
burch durch Benennung des Flusses, an dem sie liegen, und
durch die Angabe, dass sie in dem Markgebiete sich befinden,
bestimmen wollen.
Seit dem Ende des 11. Jahrhunderts nennen sich die
Markgrafen dieser Mark marchiones stiriensis oder de stire
nach ihrer Burg Steyer; so 1074^^': Oezo marchio de styre;
1074—1087^^»: Otakari marchionis de Stire und stirensis; 1086 >^:
marchio de stire, dann seit dem Anfange des 12. Jahrhunderts
in zaUreichen Urkunden, s. UOE. 2 und US. 1.
Auf das Land selbst wird der Name stiria angewendet
zuerst in der Zusammenstellung: marchio stirie, im 11. und
12. Jahrhundert jedoch noch höchst selten, da wir nur Fälle
aus den Jahren 1088*^® und 1163^^^ kennen, wozu noch die
Bezeichnung princeps stirie aus 1183*^* kommt. Im 12. Jahr-
hundert kommt die Bezeichnung des Landes als stiria zunächst
bei Schriftstellern vor^^', seit dem 13. Jahrhunderte auch in
»08 US. 1. 8i, 565. "4 Zahn US. 1. 85 Note 1. ><» US. 1. lOS.
»«» US. 1. 15. 10^ RB. 9 n. 11.
*o8 US. 1. 86, 94. Ueber die Jahreszahl Huber Gesch. Oesterr. 1. 217
Note 5.
»« US. 1.99. "« UOE. 2. 118.
"1 US. 1. 443, UOE. 2. 327.
"• UOE. 2. 382, 386.
"» S. Huber Gesch. Oesterr. 1. 217 Note 6 und Waitz VG. 7. 74 Note 3.
493
Urkunden, zuerst 1215'^* als marchia Styrie und 1242"^ per
Styriam et Marchiam. In der letzten Bezeichnung werden die
zwei Bestandtheile der unter der Landeshoheit der Traungauer
stehenden Bezirke, je nachdem sie auf Markboden liegen oder
nicht, geschieden, während sonst unter Stiria ebenso wie unter
dem späteren Steiermark diese beiden nach und nach zu einem
Lande zusammengeschmolzenen Gebiete verstanden werden,
welche 1180 zum Herzogthum erhoben waren.
3. Behufs Feststellung der Nordgrenze dieser Mark ist
zunächst die bisher vorausgesetzte Zugehörigkeit des Püttener
Ländchens zur Karantanermark nachzuweisen. Nach seiner
Lage kann füglich nicht bezweifelt werden, dass dieses Gebiet
zum Markboden gehörte, obwohl ausser der noch zu bespre-
chenden Urkunde 1058 auffallenderweise keine einzige andere
Urkunde aus dem 10. bis zum 14. Jahrhundert darauf hinweist.
Erst im 15. Jahrhunderte wird der Püttener Wald als , Wald-
mark' bezeichnet, zuerst 1428^*^*: ungelten in dem landgericht
80 zu der Newnstat gehört, auzgenomen der fumfzig phunt
gelts — auf unserm ungelt daselbs, den man etwenn in die
Waldmarch hat gevechsnet und später öfter"', woraus Lampel
mit Recht schliesst, dass dies eine von Altersher tiberlieferte
Bezeichnung war. Dieselbe deutet nun allerdings auf die
Markeigenschaft des Ländchens hin, dabei fehlt es jedoch an
jedem Anhaltspunkte für die Annahme, dass Putten für sich
eine Mark oder Grafschaft gebildet habe. Auch wenn man
mit Felicetti^^® die Urkunde 1058^^^: Gvzbretdesdorf et deor-
sum Svarzaha — in marcha Earentana et in comitatu Ota-
cheres marchionis, hieher zieht, lässt sich nicht eine eigene
Grafschaft Putten als Bestandtheil der Mark Ottokars annehmen,
da dies nur unter der Voraussetzung angehen würde, wenn
Felicettis Ansicht über das Verhältniss von marchia und comi-
tatas richtig wäre.
Auch der Titel ,Graf von Putten', welche die in Putten
wohnhaften Grafen von Formbach führen ^^^, weist nicht auf
eine Grafschaft Putten hin; sie flihren diesen Titel nicht wegen
*** US. 2. 205. "» US. 2. 616. "• Lampel Putten 43.
**' Lampel a. a. O. 8.
*" A. a. O. 10. 64; so auch Huber Gesch. Oesterr. 1. 216 Note 3.
"• US. 1. 74. **> C. 1130 D. 31. 96, c. 115« US. 1. 379.
494
ihrer Allodialbesitzungen in und um Putten, sondern wegen
der Grafschaft, die sie am Inn besassen; 1142^'^: in ripa Ini
in regione norica in comitatu Ekkeberti comitis.
Man darf also nicht von einer Grafschaft Putten reden ^^,
aber auch der Ausdruck Mark Putten, welchen Lampel"*
trotz seiner richtigen Auffassung des Sachverhältnisses be-
fürwortet, ist nicht anzuempfehlen; er wäre nur zulässig, wenn
Putten eine besondere Mark fUr sich gebildet hätte und nicht
nur ein Bestandtheil der oberen Karantanermark gewesen
wäre. Der Beweis dieser letzten Thatsache liegt vorzüglich
in der Urkunde 1058, da Felicetti^'^ durch eine scharfsinnige
Zusammenstellung urkundlicher Nachrichten dargethan hat, dass
das in der Mark Ottokars befindliche Guzbretdesdorf der Ur-
kunde, welches noch Zahn ^^^ bei St. Georgen an der Stiefing
suchte, an der niederüsterreichischen Schwarzau bei Loipers-
dorf, somit im Piittener Bezirke gelegen war. Dafilr spricht
ferner Urkunde 1166^*^, worin die Markgräfin Kunigunde den
Kauf zu Burgrecht eines Hofes iuxta amnem Viscah (Fischa,
N.-Oe.) licentia tam nostra quam filii nostri et consilio consensu-
que ministerialium nostrorum bestätigt und dies und die Be-
stätigung von Schenkungen an Sekkau im Eingange der Ur-
kunde folgendermassen rechtfertigt: -debiti nostri ius videtur
exigere materno affectu consulendo et auxiliando bis subuenire
quos constat in provincia nostre ditionis sub tutela defensioms
mariti et filii nostri vixisse. Der Kauf erfolgt coram ministe-
rialibus et forensibus nostris in foro Uiscah (Fischau). Additi
sunt postmodum in negocii huius testimonium coram nobis in
foro Hartperch de hominibus et ministerialibus nostris etc. Es
kann nicht zweifelhaft sein, dass Kunigunde hier als Ver-
walterin der Mark auftritt, zu welcher Fischau gehört**'.
" UOE. 1. 284.
" So noch Meiller RS. 470. Felicetü 9. 32 betrachtet die Sache ali
zweifelhaft
•• Putten 7.
^ A. a. O. 9. 33; zustimmend Huber Gesch. Oesterr. 1. 216 Note 3, Lanpel
Ptttten 7 und Wahnschaffe a. a. O. 6 Note 9.
" US. 1. 74. »" US. 1. 461.
*^ Keinen Beweis der markgräflichen Thätigkeit von Seite der Ottokare im
Bezirke Putten bildet die Mittheilnng (UOE. 1. 677), dass die Delegation
eines predinm in rorebach in placito martihionis de styre habito kait-
perge stattfand, da dieses rorebach wahrscheinlich nicht Rohrbach an
495
Dies vorausgesetzt, soll zur genaueren Darstellung des
Grenzzuges übergegangen werden.
Die Nordgrenze ist identisch mit dem östlichen Theile der
südlichen Ostmarkgrenze.
Die westliche Grenze bestimmt sich im Allgemeinen durch
die Lage der Orte, welche als in marchia befindlich bezeichnet
werden. Wir entnehmen daraus, dass der Gebirgszug, welcher,
Tom Semmering ausgehend, im Süden des Hochlantsch die
Mur erreicht und die Wasserscheide zwischen der Mürz und
der Feistritz bildet, dann auf dem rechten Murufer der Höhen-
zug, welcher über den Schafi^erkogel der Hochalpe zustrebt
und sich über Glein-, Stub- und Koralalpe bis zur Drau fort-
setzt, die Grenze gebildet hat. Im Osten dieses Gebirgszuges
liegen die Orte in marchia mehr oder weniger dicht, während
im Westen, mit einer einzigen noch zu besprechenden Aus-
nahme, in der markgräflichen Periode der Ausdruck marchia
sich nie findet. In diesem Westen besteht vielmehr eine Reihe
von Grafschaften, von welchen wir annehmen müssen, dass sie
nicht auf Markboden gelegen sind, die jedoch in die Hand des
Markgrafen der oberen Karantanermark gelangten und dadurch
mit dersdben nach und nach zu einem Gebiete zusammen-
schmolzen. Von der ursprünglichen Sonderung dieser beiden
Gebiete finden wir noch eine Spur in dem 1242 ^^^ vorkommen-
den Ausdruck styria et marchia. Wenn aber einmal, nämlich
1048, Rotenmann in marchia Gotefridi et in ualle pagoque
Palta erwähnt wird ^**, womach also die Mark sich auch über
das Paltenthal erstreckt hätte, so kann man — falls nicht, was
beinahe wahrscheinlicher ist, ein Versehen vorliegt — darunter
angesichts der sonstigen Nachrichten nur ein Zeichen der sich
langsam vorbereitenden Vereinigung dieser verschiedenen Ge-
biete sehen ^*^.
Fasse des niederOsterreichischen Schneeberges, sondern yielmehr Rohr-
bach bei Friedberg sein dürfte. Und wenn es c. 1185. (US. 1. 646)
heisst: Pemhardns de Putine presente et annitente domino sno Otaker
dace Styrense deleganit — mansos apud Harde (bei Qloggnitz), so er-
folgt die Zustimmung des Herzogs hier wohl nur in seiner Eigenschaft
als Herr des Ministeriais von Putten.
S. oben bei Note 115. »»• US. 1. 64.
^^ Dass das Gebiet der Mark die westlichen Qrafischaften nicht in sich
schloss, nimmt auch Hiiber Gesch. Oesterr. 1. 213 an, wogegen Felicetti
496
Wir gehen mm auf die Details des Grenzzuges ein,
welche wir hauptsächlich aus den späteren Landgerichtsgrenzen
entnehmen, die bekanntlich mit den früheren Grafechaftsgrenzen
meistens zusammenfallen.
Die nördhchste Grafschaft, welche sich im Westen an das
Markgebiet anschliesst, ist das Comitat Mürzthal. Wir kennen
einen Turdogowi als Verwalter dieses Comitats; 1023***: in
pago — Muriza in comitatu uero qui nuper fuit Turdogowi;
1025^**: in comitatu comitis Dvrgouuues (auf Rasur) in loco
Auelniz (Aflenz). In der ersten dieser Urkunden heisst es,
dass Turdogowi die Grafschaft nicht mehr verwalte, da aber
in der zweiten Urkunde der Name Dvrguuues nachträglich
eingesetzt zu sein scheint, ist kein Grund vorhanden, warum
angenommen werden sollte, dass die beiden Urkunden zwei
verschiedene Grafen benennen *'*. Später finden wir bedeutenden
Allodialbesitz der Eppensteiner in dieser Grafschaft, und die
Ottokare übten in derselben Grafschaftsrechte aus. Daraus,
dass, nachdem die Matrone Beatrix 1025*** 100 Mausen in comitata
comitis Dvrgouuues von Kaiser Eonrad 11. erhalten hatte, bei
Vergabung dieser 100 Mausen durch ihren Enkel Herzog Hein-
rich IL von Kärnten 1114*^^^ die Lage dieser Mausen a ter-
minis Wizenbahc et Fuhte bestimmt wird und sie sammt saline
übertragen werden, schliesst Felicetti, dass dieser Comitat sich
bis gegen Mariazell erstreckt habe, da erst in dessen Nähe ein
Weissenbach und Salzwerke sich finden. Wir können daher
annehmen, dass dort, wo die Grenze der Ostmark sich von
der der Karantanermark trennt, die Grenze der Grafschaft
Mürzthal begmnt.
Den genauen Grenzzug entnehmen wir aus der, wenn
auch aus späterer Zeit herrührenden Beschreibung des Raines
der hier der Reihe nach an der Grenze gelegenen Herrschaften
Gutenstein, Reichenau und Klamm. Den Gutensteiner Rain haben
wir bereits bis zum Gippel verfolgt, von diesem Berge an ver-
läuft er südlich und bildet anfknglich zugleich die Grenze gegen
die Grafschaft Mürzthal. Die oben §. 5 bei Note 121 abgedruckte
9.46, 10. 60 und Wahnschaffe 42 Note 127 diene Grafschaften bis xiun
Lnngau znr Mark rechnen.
"1 US. 1. 60. "« US. 1. 63.
»» Felicetti 10. 60 beiweifelt die IdentitÄt. ■«* US. 1. 63.
«» US. 1. 118.
497
Stelle fährt folgendennassen fort: von dem Gipel in das Per-
schadn von dem Perschadn in die Gros aw, von der Gros aw
in das Steinelbl^ von dem Elbel in dem Amaskogel, von dem
Amaskogel auf die Nas, von der Nas in Rauhenstein, vom
Rauhenstein auf das Haberfeld. Damach ging der Grenzzug
vom Gippel auf das nächst demselben südlich gelegene Persch-
hom (Perschadn). Das weiters im Zug der Grenze genannte
Steinelbl ist Steinalpel an der Kalten Mürz. Die zwischen
Perschhom und Steinalpel genannte gros aw findet sich nicht
mehr unter diesem Namen und dürfte in der Nähe des Gscheides
am Passe des Perschhorns zu suchen sein oder vielleicht am
Grasbache, da Gras und gross vom Abschreiber leicht ver-
wechselt werden konnten. Im Amaskogel und der Nas ist
nicht, wie naheliegend wäre, der Ameisbühel und die Nass zu
sehen, weil es dann unmöglich wäre, im weiteren Verlaufe des
Grenzzuges zum Rauhenstein, zum Rain der Herrschaft Rei-
chenau und zum Haberfeld auf der Raxalpe zu gelangen.
Unter der Nas dürfte daher das Nassköhr und unter Amas-
kogel ein zwischen diesem und dem Steinalpel gelegener Höhen-
punkt zu verstehen sein. Der Rauhenstein endlich ist die süd-
lichste Erhebung der Schneealpe. Hier verlässt der Guten-
steiner Rain die Grafschaftsgrenze und läuft über den Nasskamm
zu dem auf der Höhe der Raxalpe gelegenen Haberfeld. Dass
dieser Theil des Raines auch Grafschaftsgrenze war, ergibt
sich daraus, dass er die Grenze des späteren Landgerichts
Schwarzau und Rohr bildete; 1597 ^^^: von dem Gippel auf
den Bärschadn, von dem Bärschadn auf die Grossaw, von der
Ghpossaw in das Steinalbl, von dem Steinalbl auf den Ameis-
kogel, von dem Ameiskogel auf die Nass, von der Nass in den
Rauchenstein, vom Rauchenstain auf das Haberfeld. Der
weitere Verlauf der Grenze wird durch den Reichenauer Rain
gebildet. Dieser Rain wurde 1343 durch Herzog Albrecht H.
festgestellt. Die betreflFende Stelle lautet ^^' : Haberveid, di
ganz Rächsneralbm und den Amäsbüchel, in den Rauchenstain,
in di Mitterwant da der Hochenwerger rain anstösst her wider
das Gflöz under der Rächsner albm, das gross und klain Gschaid,
den Sitzenpuchl, den Taterman, oben auf dem Gämbsnpuchl
auf den Chaltenberg. Vom Haberfeld bis zum Rauhenstein
"^ OeW. 7. 334. "' OeW. G. 61.
498
läuft die OreDze der Herrschaft Reichenau längs des Goten- i
Steiner Raines. Vom Rauchenstein an bildet er die Landes-
und Grafschaftsgrenze. Die Mitterwand kann nur der im
Norden des Mitterbaches gelegene Theil der Raxmauer sein,
so dass der nördliche Theil der heutigen Gemeinde Altenberg
zur Mark gehörte. Das Gfloez ist der sich im Süden derRax
anschliessende Gflösswald. Das Preiner Gscheid^ der Sitzbühel
und Tottermanns Kreuz bilden die weiteren Landmarken. Von
dort lief der Rain über den Gämsnpuchl (vielleicht Drahte-
kogel?) auf den Kaltenberg im Norden des oberen Adlitz-
grabens. Die Grafschaftsgrenze in ihrem weiteren Verlaufe
folgte aber der Grenze des späteren Landgerichts Neunkirchen
einerseits und des Landgerichts Kapfenberg andei-seits. Diese
Grenze wird folgendermassen beschrieben: 1564*'®: auf den
Semering beim creiz da sich das landgericht Khapfenwerg an-
hebt von dannen gericht der Dürr nach biss auf das geschait
in der Prein. Die ,Durr' bedeutet hier die Wasserscheide.
Diese Bedeutung des Wortes entnehmen wir aus der Grenz-
beschreibung des Landgerichts Aspang^ c. 1295*'*: von der
Räch unz in den Slach, von dem Slach der Dürr nach unz auf
den Pfaffen alz das regen wazzer sait Das Semmeringkreuz
muss ebenfalls auf der Wasserscheide^ also auf dem heutigen
Semmeringjoche gestanden sein, denn der Burgfrieden von
Schottwien geht c, 1540 **• auf zu dem creuz auf den semring
der wassersag (nachl unzt an die lantstrass. Damit stimmt es
auch wenn die Grenze iudicii novae civitatis im Wiener-Neu-
städter Stadtrecht'** folgendermassen bestimmt wird: citra montes
Hartperkch et Semernik et aquam Piestnik etc. Vom Preiner
Gschaid an bildet also der über den Drathekogel und die
Kampalpe gehende Höhenzug die Grenze.
Wir finden dieselbe Grenze mit manchen Detailangaben
auch im Rain der Prein*** mit folgenden Worten: von der
Khampalben hinauf in Ganntzenpüchl, von dem Ganntzenpüchl
inn GämbsenkhogK von den Gämbsenkhögl in den GU>sskhögl,
von dem GosskhQgel herab in die Goss, von der Goss herüber
» OeW. 7. 216, »• OeW. 7. 106S. »*• OeW. 7. 317.
*•> Winter Stedtr. t. Wieoer-NeusUdt c. 92, Ueber das YeriüÜtniss des
Laukdirf'nchts Wiener-Neiutadt mm Landgericht Neonkirchen ebendas 63.
»« OeW, 7. 331.
499
in den tftterman in die drei stain, von dem taterman in Siz-
püchl u. s. w. zum Preiner Qschaid.
Bevor wir zur Feststellung des weiteren Grenzzuges
schreiten können, ist es nothwendig, einen Blick auf die Grenze
zwiscben den beiden in den Püttener Bezirk gehörigen Land-
gerichten Neunkirchen und Aspang zu werfen. Diese Grenze
von Raach bis zum grossen PfaflFen wird für Neunkirchen
folgendermassen beschrieben: 1564^*': von der Räch imzt in
den Schlag, von dem Schlag der Dürr nach biss auf ainen perg
genennt der PfaflF. Für Aspang erfolgt die Grenzbeschreibung
in gleicherweise: c. 1295^**: von der Räch unz in den Slach,
von dem Slach der Dürr nach unz auf den Pfaffen alz das
regenwazzer sait; und Genaueres für einen Theil dieser Grenze
erfahren wir aus den Angaben über den Burgfrieden von
Schottwien, so weit er mit der Landgerichtsgrenze zusammen-
fällt, c. 1540^*^: vom Schlag ganz auf die Dürr, nach der Dur
nach der wassersieg inn oder nach dem Oder, nach der wasser-
sag gericht hindurch in die Winkhelrisen, von der Winkhel-
risen in Schwartzperg zum creüz und nach dem Schwartzperg
auf unzt an Laibrigl, vom Laibriegel durch nach dem Wein-
weg inn Altkhögl. Die Grenze zwischen diesen beiden Land-
gerichten lief also von Raach bei Wartenstein über Schlagl
längs der Wasserscheide zum grossen Pfaffen. Von da wendete
sich die Grenze des Landgerichts Aspang nach Osten, die des
Landgerichts Neunkirchen nach Westen. Die Fortsetzung der
Grenzbeschreibung dieses letzten Gerichts lautet: von dem
P&ffen der gericht nach unzt an die Dürr, auf den Semering
beim creiz, das heisst vom Pfaffen in gerader Richtung bis auf
die Wasserscheide am Semmering beim Kreuz. Würde man
die Grenze nach diesen Worten allein bestimmen, so wäre an-
zunehmen, dass die Grenze vom Pfaffen über den Froschnitz-
sattel, Alpkogel und Dürriegel nach dem Semmering ging,
was aber unmöglich der Sinn der Worte sein kann, da die
Grenze, wie wir gesehen haben, auf diesem Wege den Pfaffen
erreichte und daher nicht wieder in sich selbst zurückkehren
konnte, so dass also der weitere Grenzzug westUcher gelaufen
sein muss. Wie aber die ,gerade Richtung^ vom Pfaffen auf
den Semmering zu nehmen ist, bleibt fragUch, und ebensowenig
"» OeW. 7. 216. »** OeW. 7. 1063. **« OeW. 7. 317.
500
kommt man zu einem Ergebnisse, wenn man unter Dürr hier
den Dürrkogel oder Dürrgraben verstehen wollte. Eine Auf-
klärung könnte vielleicht in der Grenze des Wildbannes von
Klamm gefunden werden, c. 1540^^^: am wein weg auf die
Fröschnitz, von der Fröschnitz hin ubem grossenperg und auf
die sehmelzhütten und aufs Stainhauss ausbin, doch darf nicht ge-
leugnet werden, dass in älterer Zeit diese Grenze nicht ge-
golten haben kann, da der wiltpan in der pigmark von Spital
am Semmering dieser Stiftung in folgendem Umfange gehörte:
c. 1285**^: von dem perk genannt Düeren-Freschniz und mit
dem pächlein das da entspringt, mit allen andern zuflüssenden
wässern, alss wol auf dem ain tail alss auf dem andern tail^
nachdem alss dass regenwasser oder wassersag von dem perg
Sembering obfleust oder anstockt unz an das wasser Müerz,
womach also das gesammte Gebiet des Fröschnizbaches zum
Wildbann Spitals zu rechnen war**^. Der Zug der Grenze
zwischen dem Senmiering und dem grossen Pfaffen bleibt also
zweifelhaft t
Zur Bestimmung der weiteren Grenze haben wir die An-
gabe c. 1066 ^*® : prope Moram fluuium inter fontem iuxta rotin-
stein quo marcha et comitatus ad Liubana terminantur. Dar-
nach war also die Grenze zwischen der Grafschaft Leoben und
der Mark bei Rötheistein. Bis hieher ging auch die spätere
Landgerichtsgrenze. Das Landgericht St. Peter erstreckte sich
1294 vntz an die rinne bei Roetenstein ^*®, und von dem Land-
gericht Landskron (bei Brück an der Mur) heisst es im 17. Jahr-
hunderte*^*: das lantgericht erstreckt sich büs zum cretlz an die
Rottleuten bei Fronletithen, davon aber die frau abbtissin zu
Göss denen von Prugg als pfantschaftem dasselbige tails lant-
**« OeW. 7. 322. "^ OeW. 6. 62.
'^^ Es ist dies genau der Umfang der ursprünglichen Stiftung, in welcher dem
Hospitale jedoch nur ein beschränktes Jagdrecht eingeräumt wurde;
GrUnduugsurkunde 1160 (US. 1. 395): tradidimus (silvam Cerwalt) —
cum exitibus et reditibns — excepta piscatione et uenatione nostra,
quam ex parte nobis seruauimus, partim in usum hospitalis ea uti con-
cessimus. Uii vero sunt termini silue ad hospitale deputate, a meridie
amnis Froscnice cum alpe, a septentrione scaturigines fontium et aqoa-
rum in Murce fluuium confluentium etc.
"» US. 1. 78.
**** Felicetti a. a. O. 10. 57 aus dem Admonter Saalbuche.
^^ OeW. 6. 330.
501
gericht von der Kalten rünen ob Röttelstain bis zum bemelten
creuz bei Fronleüten im possessorio aberhalten und nunmehr sich
das Pruggerische landgericht bei derselben Kalten rünen endet.
Es kann nicht bezweifelt werden, dass der fons des Jahres
1066, die rinne bei Rötheistein des Jahres 1294 und die Kalte
rüne ob Röttelstain des 17. Jahrhunderts ein uud derselbe Wasser-
lauf war. Da nun der Streit mit Göss um das Landgericht sich
offenbar auf das rechte Muimfer bezog und auch das (noch heute
vorhandene) Kreuz an der Poststrasse bei Rothleiten oberhalb
Frohnleiten sich an diesem rechten Ufer befindet, so ist die
andere Landmarke, die Rinne oberhalb Rötheistein ebenfalls am
rechten Murufer zu suchen. FeUcetti^** hat daher recht, wenn
er den fons des Jahres 1066 fUr das Bächlein hält, welches
gegenüber dem Berge Rötheistein in die Mur fkUt, denn dieses
ist die nächste ,Rinne^ oberhalb des Ortes Rötheistein.
Am linken Murufer beginnt die Landgerichtsgrenze ge-
rade diesem Bächlein gegenüber und zieht von da längs der
Wasserscheide. Die Fortsetzung der Grenze für das Land-
gericht Landskron wird folgendermassen beschrieben: und von
der ain seüten hinüber die Mhur, soweit sich der Perneggerische
purkfridt erstreckt, wehm thuet. Banntaiding zu Passail 1662^^^:
der Stubeggerische purkfridt grenzt an das Bruggerische land-
gericht und Pemeggerischen purckfridt, alles nach der höche
der wasserschaid. Immer unter der Annahme, dass die frühere
Grafschaftsgrenze mit der späteren Landgerichtsgrenze zu-
sammenfUllt, ist nicht zu zweifeln, dass die Markgrenze von
Pfeflfen auf der Höhe des Gebirgszuges über das Stuhleck und
die Pretulalpe, den Teufelstein , Reschenkogel, Kulmkogel und
Hochlantsch lief, dann über die rothe Wand und den Röthei-
stein zur Mur sich herabsenkte. Das rechte Murufer um Leoben
herum gehörte zur Grafschaft Leobenthal; 904^^: in ualle quae
dicitur Liupinatal, in comitatu — Otacharii hobas 20 — in
loco Zlatina dicto ubi riuus eiusdem nominis Zlatina in flumen
Muora dictum intrat — in uilla Costiza. 925^^^: in Liupinatale
— beneficium — ad Lieznicham — cum ecclesiis. 1020**®: Gossia
in comitatu Liubana. Darnach gehörte St. Michael, Schladnitz
und Göss bei Leoben, diese Orte sind nämlich unter ecclesia
"» A. a. O. 9. 64. »» OeW. 6. 172.
**• U8. 1. 16. »w US. 1. 17. »w US. 1. 47.
502
ad Lieznicham^ Zlatina und Costiza oder Gossia zu yerstehen ^^\
in die Grafschaft Leobenthal. Die Grenze zwischen dieser Graf-
schaft und der Mark ist auch aus den Landgerichtsgrenzen za
entnehmen. Die oben citirte Grenzbeschreibung ftir das Land-
gericht Landskron setzt sich in folgender Weise fort: auf der
andern Seiten hinauf an Schiffal (Berg westlich von Rötheistein),
von danen ans Mclthorn^ weiter an die Raineben^ von danen an
die Praütrüssen beim Träxelhueter an LauiFnizegk (Laufnitz-
berg) gelegen, als dan nach des Eüsenpass und an des Wingkhler
albm (der Name kommt noch heute vor), nach der wassersaig hin
an die Hochalbm. Weiter können wir die Grenzangaben über
das auf ehemaligem Markboden gelegene Landgericht Uebel-
bach benützen, welches ^^ biss auf die Hob- und Gleinalben,
von der Hobalben der wassersäg nach auf den Creuzsadl (Kreuz-
sattel) der wassersäg nach auf den alten Austeig reicht An-
gaben über den weiteren Grenzverlauf fehlen, doch genügen
die vorstehenden Daten, um festzustellen, dass die Grenze der
Mark von der Binne bei Rötheistein sich auf den Schiffal
erhob und längs des Höhenzuges über den Laufnitzberg, die
Hochalpe und Gleinalpe, weiter aber längs der heutigen kämt-
nerisch-steiermärkischen Grenze über die Höhe der Hirschegg-
und Koralpe gegen die Drau zu veriief.
Soweit die Ostgrenze das Püttener Ländchen umschUesst,
ist Felicetti^*^ zu dem Ergebnisse gelangt, dass die damalige
Grenze mit der heutigen so ziemlich zusammenfallt. Die Süd-
grenze seiner Grafschaft Putten konnte er freilich nicht finden,
da es eine solche von der Karantanermark gesonderte Graf-
schaft nicht gab.
Wir haben die Nordgrenze bis Unter-Eggendorf verfolgt
Am rechten Leithaufer, gegenüber Unter-Eggendorf, findet sich
das Dorf ZiUingdorf, welches nicht, wie Meiller *^^ angenommen
hat, erst unter Maria Theresia zu Niederösterreich kam, son-
dern schon vor 1493 dazu gehört haben muss. Li diesem Jahre
wurde dieses Dorf nämlich von K. Friedrich HI. der Probstei
Wiener-Neustadt geschenkt ^^^. Die im Banntaiding aus dem-
selben Jahrhunderte angegebene marich und hotter des Dorfes
»»» Zahn US. 1. 834, 904; FeUcetti a. a. O. 10. 62, 64.
^ OeW. 6. 359. "• A. a. O. 10. 66 f. *•» Sitab. 47. 6.
"* OeW. 7. 102 Note *).
503
wird in dem Theile, der hier von Belang ist, folgendermassen
beschrieben**'*: von ZillingsdorflFer prugk hinab nnz auf Sey-
barstarflFer werd, nach dem marichstain hinaus unzt auf Stin-
khenprunner hotter, von Stinkenprunner hotter nach dem grabm
ombhin unzt an den lebar, dabei h'gt auch ain hotter, und von
dem botter unz auf die Hofstetegker, daselbs ligt auch ein
hotter, und von den Hofstetegkem unz an des Smids holz, da
ligt auch ain hotter, von des Smids holz und hotter unz auf
den Turkhen, do ligt auch ein hotter, von dem Turkhen unz
an die Tamanleytn, von der Tamanleytn ab auf des Haiden
Weingarten, nach dem steig ab unz auf den Ungerweg, von
dem Ungerweg unz auf den Gtisser bei des Kunigsperger
Weingarten, von dem Güsser unz auf den Wartperg da das
kreuz stet, von dem Wai-tperig herwider umb nach unserm
holz unz auf den Urbarweg, von dem Urbarweg herwider in
unz zu der Frawnhoferinn püchl. Vergleicht man diese Grenz-
beschreibung mit der Generalstabskarte, so stellt sich die
Identität der damaligen mit der heutigen Grenze heraus. Der
Seybarstarffer werd ist die bei der Neu-Ebenfurther Papier-
fabrik beginnende Leithainsel, von wo die heutige Grenze
sich von der Leitha trennt und in gerader Richtung gegen
Stinkenbrunn zu geht. Der Stinkenbrunner Hotter bezeichnet
den Punkt, von wo die Grenze sich scharf nach Südwest
wendet. Die scharfen Ecken, welche die Grenze nun bildet,
sind alle durch hotter bezeichnet. Der Name des Haidenwein-
garten findet sich noch heute in den Haidäckern, von da führt
die Grenze auf die heutige Strasse von Wiener-Neustadt nach
Ungarn (Ungerweg), zu Weingärten und zu dem Kreuz an
der Gtrenze neben der Eisenbahn. Von diesem Kreuze wendet
sich die Grenze (umb) längs des Zillingdorfer Waldes (unser
holz) wieder der Leitha zu. Seit wann dieser Grenzzug be-
steht, ist allerdings nicht eruirt und ist es denn auch fraglich,
ob das am rechten Leithaufer gelegene ZiDingdorfer Gebiet
schon in unserer Periode zu Deutschland gehört hat. Anfänglich
war übrigens die Grenze in diesen Gegenden gewiss nicht
feststehend ^^'.
Auch der weitere Grenzzug, so weit wir ihn verfolgen
können, entsprach im Ganzen dem heutigen. Die Grenze des
'«■ OeW. 7. 102. >•• Wahnschaffe a. a. O. 4.
ArehiT. Bd. LXXXII. II. H&lfte. 33
504
Landgerichtes Putten wird, so weit sie gegen Ungarn zu läuft,
beschrieben: 1527*^'*: Judenfuii; innerhalb Kazlenstorff^ und
geet wider aufwerz unz an den Vocann zwischen des hungri-
schen und teutschen gschaid unzt an den Klingenfurt. Ebenso
wird der Burgfriede von Putten beschrieben, jedoch zwischen
Voraw (Vocann) und dem gschaid der Lajdaperg einge-
schaltet*^. Für den weiteren Grenzzug ist von Belang, da®
der auch gegenwärtig an der Grenze gelegene Hackbühel
(Hackhepühel) als Grenzpunkt des Amtes Hochwolkersdorf an-
gegeben wird *^^; femer der Grenzzug gegen Ungarn des Land-
gerichtes Aspang c. 1295**'': der Pinka nach unz an das un-
grisch recht gemerkch, dem gemerkch nach hinumb unz in die
SpretZy der Spretz nach auf uncz an den ungrischen fbrt an
das Spretzekk, und der Grenzzug des Landgerichtes Friedberg
gegen Ungarn 16. Jahrhundert*®®: an den hungrischen rain
unter Göczingschtarff. Nach dem ungrischen rain erwider in
Scheiczlehengrabm. Und von Scheiczlehen grabm erwider
nach dem hungrischen rain in den weissen stein. Femer: Nach
den hungrischen rain ze Laffnicz mitten zu fiiert: Nach der
Laffnicz zu auf in die weiss Laffnicz. Nach diesen Daten
lief also die Grenze auf dem Höhenzuge von Katzelsdorf (Eaz-
lenstorflF) bei Wiener-Neustadt gegen Süden, KUngenfurt, dann
östlich von Hochwolkersdorf den Hackbühel, und weiter süd-
lich Spratzeck (Spretzekk) einschliessend^ von dort an bildet
der Unterlauf des Spratzbaches die Grenze^ welche dann^ sich
nach Westen wendend, südlich von Götzendorf (GöczingschtarflF)
über die Pinka (an derselben ist wohl der weisse Stein des
Friedberger Rains zu suchen) zur Lafnitz zieht. Es gibt keinen
Punkt dieser Grenze, in welchem eine Abweichung von der
heutigen nachzuweisen wäre, womit freilich nicht behauptet
werden will, dass beide in jedem Detail zusammenfielen.
Eine andere Frage ist es, ob dieser Zug der Grenze
auch schon in der hier behandelten Zeit galt. Wir haben flir
diese Zeit allerdings keine genauen Greiizangaben, und es ist
überhaupt fraglich, wann in diesem Waldgebiete die erste Ab-
markung der Grenze stattgefunden hat. Das eine kann aber
bemerkt werden, dass aus den allgemeinen Angaben des
*•* OeW. 7. 89. *« OeW. 7. 85 Note.
>•• OeW. 7. 69. "' OeW. 7. 1053. ^" OeW. 6. 88.
505
12. Jahrbunderts hervorgeht, dass bedeutende Abweichungen
von der heutigen Grenze sieh für diese Zeit auch nicht an-
nehmen lassen. Von der Pfarre Bramberg sagt Erzbischof
Eonrad I. von Salzburg 1144^^^: eadem parrochia de adiacenti
silua Putinensi — potest ampliari a loco — Putinowe, usque
ad terminos Ungarorum et usque ad montem Hartperch in
predio comitis Ekkeberti. Und c. 1155^'® schreibt der Propst
von Reichersberg mit Beziehung auf das Vorstehende: Erat
autem continuatum eo tempore predium comitis ipsius a Puti-
nowe usque ad montem Hartperch — ne nobis decimas ullas
permitteret ultra uallem(?) Ungaricum, eo quod illa terra licet
a comite sub titulo proprietatis possessa, non esset sua sed
Ungarorum. Daraus ergibt sich, dass das Gebiet von Putten
bis zum Hartberg schon damals zu Deutschland gehörte, so-
wie auch, dass hier schon damals eine bestimmte Grenzmarke
gegen Ungarn bestanden hat. Für das Land südlich vom
Hartberg erfahren wir, dass die Gegend an der oberen Pinka,
Dechantskirchen zwischen der Pinka und der Lafnitz, endlich
das Gebiet zwischen dem Lafnitzäusse und der weissen Lafnitz
zu Deutschland gerechnet wui'de; Urkunde 977 ^'*; dann 1161 ^'*
Zehentbestätigung für Reichenberg: certiorem prefigimus ter-
minum, uidelicet fluuium Pincah ad cuius ripam noualia in
siliia Putinensi — in decimis — proueniunt. Eberhard I. von
Salzburg schenkt dem Kloster Admont 1155^^^: duos mansus
in uilla Techanschirche cum decimatione tota inter Pincam et
Lauenta. Konrad I. von Salzburg bestätigt dem Kloster Form-
bach 1146^'*: decimationem — inter duo flumina Lauenze et
minorem Lonciviz. 1163 übergibt Erzbischof Eberhard von
Salzburg die Kirche Münchwald an Formbach ^'^: petente simul
illustri marchione Stirie — sub hiis uocabulis, ubi uidelicet
fluuius Lavenz nigra ab ortus sui principium in Lavenz albam
decurrit. In der Stiftungsurkunde von Voran 1163^'^ werden
die Grenzen des geschenkten predium vom Markgrafen Ottokar
bestimmt: ab aqua — Vorowe (Voraubach) — usque ad aliam
aquam — Lauenz (Lafnitz) — quicquid inter duas istas aquas
continetur quod ad nostrum spectat dominicale — quicquid
"• US. 1. 236. "« US. 1. 368. "» Oben bei Note 30.
»" US. 1. 428. "» US. 1. 352. "* US. 1. 260.
»» US. 1. 443. "« US. 1. 415.
33»
506
etiam inter eandem Lauenz et Tucham minorem, item a capite
riuuli — Sulzbach, et a — capite riuuli — Zelver skevere, a
capite etiam qui dicitur Lenger skevere (Tauchenbach, Sulz-
bach und SchäfFembäche, sämmtlich unmittelbar oder mittelbar in
die Pinka fliessend) usque in Hungariam proprietatis habuimus.
Für den weiteren Grenzzug entnehmen wir aus obiger
Urkunde 1146, dass das Gebiet zwischen der Lafnitz und der
Lungitz (Bach im Westen der Lafnitz) zur Karantanermark
gehörte, ebenso die Stadt Hartberg, was aus wiederholten Tra-
ditionen steierischer Markgrafen hervorgeht, c. 1128, 1147 und
1189177 Daher galt auch in Hartberg bairisches Mass; c. 1128^^®:
bauarice mete decem — mansus, und wiederholt hielten sich
die Markgrafen in dieser Stadt auf und amtirten daselbst.
Weiter südlich verlassen uns alle Anhaltspunkte für den
Verlauf der Grenze. Es mag sein, dass in den gegen Ungarn
offenen Gebieten der Lafnitz, Feistritz, Raab und Mur häufige
•Aenderungen des ungarischen Machtbereiches stattfanden. Wir
begnügen uns daher, auf Felicetti ^^^ zu verweisen, welcher ans
den schon damals bestandenen Pfarrbezirken schliesst, dass
grosse Abweichungen von der heutigen Grenze nicht stattfanden.
Die Betrachtung der Stidgrenze verbinden wir besser mit
der Darstellung der marchia pitoviensis, deren Nordgrenze mit
der Südgrenze der oberen Karantanermark zusammenftÜH.
4. Die Mark Fettsu.
§.7. 1. Im Süden der oberen Karantanermark finden
wir in den letzten Jahrzehnten des 10. Jahrhunderts eine be-
sondere Grafschaft, die Grafschaft Rachwins, welche sowohl
von der oberen Karantanermark als auch von der Mark Saunien
unterschieden wird ^; 980*: usque ad proprietatem Marchuuärdi
"» US. 1. 136, 272, 684. "» US. 1. 136. »»» A. a. O. 10. 83f.
^ Auf die älteren, längst widerlegten Ansichten über diese Mark, wie über
die Mark Saunia einzugehen, ist wohl überflüssig, vgl. darüber Tangl in
Mitth. f. Steierm. 7. 71f., welcher die älteren Ansichten widerlegt und
dann eine eigene, ganz abenteuerliche Ansicht aufstellt, womach die
Berge Doberich, Stenniz und Frezniz der Urkunde 980 (US. 1. 36) in
Nordsteiermark zu suchen sind, daher er die Mark Pettau bis zum Mürz-
thale ausdehnt!!
' US. 1. 35.
507
comitis, quicquid uisi sumus habere in comitatu Rachvuini
comitis^ ac inde quo ad usque idem comitatus conuenit et
tangit comitatum — Sovuina. Hier ist allerdings nur von einem
Allode und nicht von einer Grafschaft des Eppensteiners Mark-
ward die Rede, da er aber als Graf bezeichnet wird und es
im 10. Jahrhundert keinen Grafen ohne Grafschaft gab, so
werden in dieser Urkunde die erwähnten drei Grafschaften
nnterschieden. Die Grafschaft Rachwins kommt dann auch
wenige Jahre später in einer zweiten Urkunde vor; 985':
Razuuai — in pago Zitilinesfeld — ac comitatu Rachuuini
comitis. Unter dem Zitilinesfeld haben wir uns das Pet-
tauer Feld zu denken; nach dem, was wir oben hinsichtlich
des Ausdruckes pagus festgestellt haben, wäre es unrichtig,
diesen Ausdruck mit der Grafschaft Rachwins zu identificiren ^,
derselbe ist vielmehr als eine rein geographische Bezeichnung
aufzufassen, durch welche die Lage von Razzuuai in der Graf-
schaft näher präcisirt werden wollte. C. 1130* kommt eine
marcha pitoviensis vor mit dem Orte Razwei, dann 1091 und
c. 1145^ eine marchia trans silvam oder transsilvana. Die so
bezeichneten Marken sind mit der Grafschaft Rachwins iden-
tisch. Für die marchia pitoviensis ergibt sich dies daraus,
dass der Ort Razwai (Rosswein, slov. Razwina südlich von
Marburg) c. 1130 als in ihr gelegen erscheint, nachdem er
985 als in der Grafschaft Rachwins befindhch angegeben wurde.
Die oben abgeschriebene Stelle 980 beginnt folgender-
massen: ab orientali parte montis — Doberich, usque ad sum-
mitatem montium Stenniz, Frezniz, et ipsius montis — Doberich
summitatem vsque ad proprietatem Marchuuardi comitis. C. 1130
kommen nebst anderen auch die Orte Dobrenga, Noblitwitz
und Boratsowe in marchia pitoviensi vor. Das Gebiet dieser
Markgrafschaft erstreckte sich also von der Gegend von Weiten-
stein bis an die untere Mur. In diesem Gebiete liegen aber die
Orte der marchia transsilvana Redimlac (St. Lorenzen in der
Wüste), Ruoste (Maria Rast), Caminitz (Gams) und Pesnitza (Pes-
niz), welche in den erwähnten Urkunden 1091 und c. 1145 auf-
gezählt werden, womit festgestellt ist, dass marchia transsilvana
auch nur eine andere Benennung der Mark Pettau ist. ,Mar-
• US. 1. 39. * So Felicetti 10. 98, 100.
» US. 1. 143. • US. 1. 100, 238.
508
chia transsilvana^ muss übrigens als feststeheirde Bezeichnung
gelten und nicht als eine blos geographische Angabe^ da dieser
Name in zwei mehr als 50 Jahre auseinanderliegenden Ur-
kunden gebraucht wird.
C. 1100 kommt vor^, dass Bemhardus comes — cum aliis
multis in Marchia trans fiuvium Dravva hoc sui iuris predium
Razwei dem Kloster St. Paul widmete. Trans fluvium Dravva
ist hier; wie schon bemerkt wurde^ nicht mit marchia in Ver-
bindung zu bringen®, diese Worte besagen nur, dass Razwei
jenseits der Drau gelegen ist. Felicetti * will auch eine weitere
Benennung dieser Mark in ,inter Celles' gefiinden haben. Wenn
aber H. Heinrich sagt: Inter colles trade villam Pesnitza*®, so
will er damit nur angeben, dass Pesnitz in den windischen
Büheln liege, ohne damit einen eigenen Verwaltungsbezirk za
benennen.
Marchia inferior findet sich erst später, urkundlich das erste
Mal 1209^^ im Titel eines archidiaconus marchiae inferioris.
Aus Urkunde 1257 ^' ergibt sich, dass damit die Mark Pettau
und nicht etwa die Mark Saunien gemeint ist, da in derselben
Urkunde auch ein archidiaconus Sauniae vorkommt^'.
2. Von den Grafen dieser Markgrafschaft wissen wir
wenig. Der erste, von welchem wir hören, ist der bereits
genannte Rachwin, dessen Familie nicht bekannt ist^^. Später
finden wir hier die Sponheimer reich begütert^*, und es ist
nicht ausgeschlossen, dass sie auch im Besitze der Grafschafts-
rechte waren. Der letzte Sponheimer in dieser Mark war Graf
Bernhard von Kärnten, Schwager des Markgrafen Leopold des
Starken von der oberen Karantanermark. Er starb 1148 auf
dem Kreuzzuge Konrads m. und vermachte seine AUodien
' US. 1. 103.
* So Muchar Gesch. Steierm. 2. 276, Ankenhofen Gesch. Kärntens 2. 823,
Haber Gesch. Oesterr. 1. 218.
• A. a. O. 10. 98. " C. 1123 D. 39. 81.
" US. 2. 148. S. auch 1229 US. 2. 360. " D. 39. 149.
^ Schumi A. 1. 62 irrt also, wenn er meint, die Grafschaft Sannthal habe
sur marchia inferior gehOrt.
^^ Felicetti 10. 99 hält ihn für einen Sponheimer, weil seine Besitiung Rosa-
wein später den Sponheimem gehOrt, dieser Grund ist aber wohl nicht
ausreichend.
>* 1091, 1100, 1124, 1130, 1146, 1164 US. 1. 100, 103, 126, 147, 249, 460.
609
dem Neffen seiner Frau, Ottokar; 1162^®: amita nostra (Mark-
graf Ottokars) uxor preclari comitis Bernhard! sine sobole
moriens in extremis suis — predium — contolit Quod factum
cum DOS ratum esse noUemus^ quia ad nos hereditario iure
respicere uidebatur. Von nun an erscheinen die Traungauer
in dieser Mark begütert*^. Auch haben wir Anhaltspunkte
dafür, dass ihnen die Grafschaflsrechte in derselben zustanden.
Im Jahre 1222^* sagt Leopold VI. von Oesterreich: colla-
tionem — monasterio uestro (St. Paul) per — Hainricum oHm
dncem Earinthie factam de bonis Holern et Rost (Hollem und
Maria-Rast am rechten Drauufer, westlich von Marburg) cum
earundem uillarum appendiciis cultis et incultis^ scilicet a de-
8censa aquarum ymbrium a summitate montis Pocher (Bacher)
osque in Trauum fluuium in quibus bonis iudicium sanguinis
usque ad riuum qui minor Lubenz (Lobencicabach^ welcher
westlich von Maria-Rast in den Lobnitzbach [major Lubenz]
sich ergiesst) uocatur^ ad nos dicitur pertinere^ et ab eodem
riuo usque in riuum Welik (Wölkabach) coUationem per eun-
dem ducem cum judicio sanguinis quod ad cum pertinebat —
monasterio uestro traditam — predicta libertates et iura a tem-
pore — Otakari marchionis sine interruptione usque nunc uos
confitemur — possedisse. Er bestimmt daher, ut a sepedicto
riuo Lubenz usque in riuum sepefatum Welik uullus presumat
— officium usurpare, solo hoc dumtaxat excepto, quod damp-
nandi ad mortem — teneantur nostris iudicibus — presentari.
Dieser letzte Satz zeigt, dass Leopold VI. Inhaber der Graf-
schaft zwischen dem Lobencicabache und dem Wölkabache war,
aber auch Markgraf Ottokar muss diese Grafschaftsrechte be-
sessen haben, nachdem gesagt wird, dass diese Verhältnisse
sich seit seiner Zeit unverändert erhalten haben. C. 1145^^:
in provincia Radelach (am Radelberg östlich von Mährenberg)
— inter Chemenaten (?) et Frezen (Fresen an der Drau) —
tres mansus Sigfridus de Liubnowe sibi usurpavit per milites
suos G. et S., quos nuncius marchionis O. de Styra — iussu
domini sui expulit. Der Markgraf hatte also in dieser Gegend
Jurisdictionsrechte, da er durch seinen Gerichtsboten eine ge-
*• US. 1. 434; vgl. 1161 und c. 1190 US. 1. 429, 708.
" 1161, 1164 US. 1. 429, 449. " US. 2. 275.
» US. 1. 249.
510
richtliche Ausweisung vornehraen Hess. 1165**^ stiftet Markgraf
Ottokar V. die Karthause Seitz in marchia mee dicionis**,
deren genaue Lage er durch die Angabe feststeUt: est pagus
qui uulgo dicitur Qoniwiz (Gonobitz), so dass also auch die
Gegend um Seitz und Gonobitz unter der markgräflichen Ver-
waltung Ottokars stand.
Felicetti ** meint, dass diese Grafschaft ebenso wie Saunien
keine eigentliche Markgrafschaft, sondern eine gewöhnliche
kämtnerische Grafschaft gewesen sei, deren Grafen ,vielleicht
auch die Grenzhut zu besorgen hatten^ Der Grund dieser
Ansicht ist darin zu suchen, dass die von ihm anerkannten
Verwalter der beiden Grafschaften (Markgraf Starchant von
Saunien wird von ihm als solcher verworfen) nur den Grafen-
titel ftihrten. Nachdem wir jedoch gesehen, dass in der ältesten
Zeit der Grafentitel für die Verwalter der Marken häufig vor-
kommt, zerfilllt dieses Argument, und es besteht kein Grund,
warum man nicht annehmen sollte, dass diese beiden Graf-
schaften ebenso wie die übrigen auf dem Mai'kboden ein-
gerichteten Grafschaften organisirt gewesen sein sollen.
3. Für die Bestimmung der Nordgrenze, durch welche
die Pettauer Mark von der oberen Karantanermark sich schied,
besitzt man wenig Anhaltspunkte. Die südlichsten Orte, von
welchen wir wissen, dass sie in der oberen Mark lagen, sind
Udelsdorf und Gomelnitz. Zur Pettauer Mark gehörte das
Gebiet südlich vom Radelberg, in den windischen Büheln Pes-
niza, Dobrenga und Circuniz, an der unteren Mur NobUtwitz
und Boratsowe. Die Grenze lässt sich also etwa so ziehen, dass
sie über das Radelgebirge, den Posruck und die windischen
Büheln die Mur südlich von Gomilnitz etwa bei Spielfeld er-
reichte und dann längs dieses Flusses hinzog.
Für die Westgrenze finden wir einen Anhaltspunkt darin,
dass das Gebiet von Windischgrätz und Saldenhofen noch im
14. Jahrhunderte zu Kärnten gerechnet wurde. Dafür spricht
eine Urkunde 1323, wonach diese Bezirke zum Archidiakonat
*« US. 1. 453.
^^ Da von marchia mee dicionis die Rede ist, kann unter dicio nicht
Eigenthumsrecht, sondern nur die markgpräfliche Gewalt verstanden
werden. S. auch 1207 US. 2. 134: marchia nostre dicionis.
»» A. a. O. 9. 55, 60.
511
Kärnten gehörten*'. Nördlich von der Drau gehörte die Ge-
gend vom ßadelberge noch zur Mark**. Im Süden der Drau
bildete nach der Urkunde 1222** der Wölkabach die Grenze.
Noch südlicher finden wir einen Anhaltspunkt für die Aus-
dehnung der Mark gegen Westen in der Urkunde 980 *^. Die
darin genannten Berge Stenniz und Frezniz kommen noch
heute unter den Namen Wresen (Brezje) und Stenica südlich
von Weitenstein vor. Der mons Doberich soll nach Felicetti
der Dobrinitzaberg östUch von Stemstein sein*'. Dies ist
jedoch kaum richtig. Nach der Urkunde erstreckt sich das
geschenkte Gut von der Ostseite des Berges Doberich zum
Berge Stenniz; femer wird gesagt, es gehöre die summitas des
Doberich dazu. Damach muss sich der Berg Doberich im
Westen des Stenicaberges befunden haben, denn nur unter
dieser Voraussetzung konnte er dem letzteren seine Ostseite
zuwenden. Ich möchte daher dafür halten, dass der Berg
Doberich den Gebirgsstock bildet, der nördlich vom Bade Neu-
haus sich ausbreitet und auf welchem sich noch heute eine
Oertlichkeit Dobaricnik findet. Die Namen Doberich, Stenniz
und Frezniz begegnen uns auch später 1130*®, jedoch nicht
als Berguamen, sondern als Namen von Prädien des Bisthums
Gurk. Das praedium Doberich wäre dann entweder um den
Ort Neuhaus (slov. Doberna) oder um das nördlich davon ge-
legene Schloss Gutenegg zu suchen.
Für die Südgrenze fehlt es nahezu an allen Anhalts-
punkten. WahrscheinUch begann dieselbe nicht weit südlich
vom Doberich. FeUcetti *^ meint, sie sei über den Schwagberg
im Bacher, den Wotsch und Donatiberg gegangen. Dass die
beiden letzten Berge Grenzpunkte gebildet haben, ist möglich,
dagegen muss die Grenze weit südlich vom Schwagberge ge-
laufen sein, da das Gebiet von Gonobitz noch zu dieser Mark
gehört hat.
*» Notiaenbl. 1868. 405, Felicetti a. a. O. 9. 58.
** Oben bei Note 19. Nach Felicetti a. a. O. 9. 56 bildete auch am linken
Draunfer ein WOlkabach die Grenze, ich finde jedoch seine Grttnde nicht
überzeugend.
** 8. oben bei Note 18. »« S. oben bei Note 2 und nach Note 6.
" A. a. O. 10. 98. Zahn US. 1. 801 nennt ihn nur Berg Dobritsch bei
Weitenatein.
*• UK. 1. 85. «• A. a. O. 10. 106.
512
Auch über die östliche Ausdehnung der Mark haben wir
keine Angaben aus dem 10. und 11. Jahrhunderte, sie dürfte
je^ nach dem Stande des Kampfes mit den Ungarn sehr ge-
wechselt haben. Seit dem 12. Jahrhunderte gehörten die Ge-
biete um Radkersburg und Luttenberg bereits zur Mark, wie
aus folgenden urkundlichen Angaben zu entnehmen ist.
C. 1130*^: in marcha pitouiensi — Boratsowe — Noblitwitz;
11748ij Voran erhält sacerdotalia jura von Salzburg infra ter-
minos cuiusdam terre que dicitur Lutun werde; 1222^': St. Paul
überlässt dem Herzog Leopold 7 Mausen iuxta Bakerspurch
quos comes Sifridus dedit ecclesie uestre (St. Paul), proprie-
tates quoque predii uestri iuxta Lotenwerde quas nostri (des
Herzogs) ministeriales fevdali tytulo prius a uobis et uestris
predecessoribus possidebant. 1242 '^ H. Friedrich hat als
Lehen von Salzburg insulam — quae Lutenwerde dicitur, cum
Castro.
Das Gebiet von Grosssonntag wurde erst im 13. Jahr-
hunderte den Ungarn entrissen. 1222^: Friedrich von Pettau
widmet dem deutschen Orden proprietatem suam in Dominico
— eo tempore cum praedictam terram -- pater noster de
manibus Ungarorum eripiens — sue sujjjugauit potestati. Später
finden wir denn auch die ungarische Grenze in dieser Gegend
beiläufig dort, wo sie heute ist. 1322** wird der Umfang des
Bezirkes von Pettau bis zur ungarischen Grenze laufend so
angegeben, dass Polstrow (Polsterau) und Holrmus (Friedau,
welches auch Ormus heisst) diesseits der Grenze zu liegen
kommen.
6. Die Mark Saunien.
§.8. 1. An die Pettauer Grafschaft sich anschliessend,
finden wir im Süden derselben den comitatus Sovuina, Souna
oder Sounae; 980^: in comitatu Rachvuini comitis, ac inde quo
ad usque idem comitatus conuenit ac tangit comitatum —
Sovuina. 1025*: Willihelmo comiti — in comitatu ipsius —
Souna — in eiusdem marchie locis. 1028*: Willihelmo comiti
— in pago et comitatu Sounae — in eodem comitatv — in
»• US. 1. 143. " US. 1. 634. " US. 1. 276.
w RS. 281 n. 614. »♦ US. 2. 292. " OeW. 6. 403.
» US. 1. 86. « US. 1. 62. • US. 1. 64.
513
einsdem marcfaiae locis. Auch werden diese Gegenden als
pagos Seuna oder Sounae^ bezeichnet, wobei pagus in dem
oben festgestellten Sinne zu nehmen ist. Später hören wir von
Harkgrafen de Soune^, c. 1130 findet sich eine Ortsbezeich-
nnng in Sounio^ und seit c. 1170^ in zahlreichen Urkunden
fbr diese Gegenden der Ausdruck Saunia, wobei jedoch nicht
behauptet werden kann, dass die Ausdehnung von Saunia mit
der des anfängUchen Comitates zusammenfallt.
In einigen wenigen Urkunden findet man auch ,marchia
Ungarie oder Ungarica^ 1161® schreibt ein kaiserlicher Notar
von seiner Reise: pertransiens Earinthiam, Carniolam, Istriam,
doas marchias, aUas partes Sclaveniae usque in Vngariam
praedicans mandatum expeditionis — Inimicis etiam imperii,
pseudocardinalibus per marchias Vngarie irequenter transeun-
tibus insidias etcaptionem ordinavi. 1162 — 1164® schreibt der
Patriarch Ulrich von Aquileja: terminum, quem sibi (einen
Gkafen E.) in Marchia Hungariae locaveramus. 1177^®: villas
in marchia ungarica juxta Gurch fiuvium sitas — Drasizdorf
— Globochdorf. 1186": in marchia Vngarie Pilstain. — Drasiz-
dorf und Globochdorf sind Dratschdorf und Globoko an der
Gurk im Westen des Ortes Ober-Gurk, diese Orte lagen also
in der Mark Krain^ und zwar in dem Theile, welcher später
zur windischen Mark gerechnet wurde. Allerdings erstreckte
sich die Mark Souna auch über das rechte Saveufer^ da aber
schon Lipnak im Nordosten dieser beiden Orte zur Creina-
marca gehörte, könne Drasizdorf und Globochdorf auch im
11. Jahrhunderte nicht 'in der Mark Sauuien gelegen sein.
Pilstein ist das im Westen der Sottla, nördlich von Drachen-
burg befindUche Peilenstein, das somit zweifellos zur Mark
Soona zu rechnen ist. Damit ist festgestellt, dass es zwei
Marken gab, welche als ungarische Marken bezeichnet wurden,
wie denn auch der kaiserUche Notar im Schreiben vom Jahre
1161 zuerst duas marchias, welche er bereist habe, erwähnt,
und dann, offenbar dieselben Oertlichkeiten meinend, mittheilt,
dass er in den ,marchias Ungarie' die Pseudocardinäle habe
gefangen setzen lassen. Auch kann nicht bezweifelt werden.
• 1016, 1028 US. 1. 46, 64. » 1103, 1144 US. 1. 110, 112, 230.
• US. 1. 147. » Zuerst 1173 US. 1. 621. • UK. 1. 148.
• UK. 1. 149. »« UK. 1. 160. " US. 1. 650.
514
dass in all' diesen Urkunden marchia im Sinne von Markgraf-
schaft und nicht in der Bedeutung ,Grenze^ zu nehmen ist
Drasizdorf, Globochdorf und Peilenstain lagen nicht an der ungari-
schen Grenze, und im Schreiben des Notars zeigt die Anein-
anderreihung von Kärnten, Krain, Istrien und den zwei Marken,
dass auch unter den letzteren Ländergebiete zu verstehen sind.
Endlich ist auch nicht anzunehmen, dass der Patriarch den
Grafen E. ,an die ungarische Grenze^ habe vorladen lassen.
Marchia Ungarie oder Ungarica ist also ein Ausdruck,
welcher auch die Mark Souna bezeichnete.
Dagegen ist die Annahme ungerechtfertigt^ dass diese
Mark marchia iuxta Souvam hiess^*. In den Worten der Ur-
kunde 895^^ ,in marchia iuxta Sowam tres regales mansos
quod Richenburch dicitur, et aUud predium ultra fluuium So-
wam Gurcheuelt' ist, worauf schon oben hingewiesen wurde**,
die Benennung des Flusses nicht mit marchia in Verbindung
zu bringen, sondern sie hat nur zur genaueren Bestimmung
der Ortslage in der Mark zu dienen. Die Stelle sagt nur,
dass in der Mark 3 Mausen, Reichenburg genannt, an der
Save und das Gut Gurkfeld jenseits der Save geschenkt
wurden ^^.
Dass die Grafschaft Souna eine Markgrafschaft war, wird
ausdriickHch gesagt, 980 und 1025 bei Noten 2 und 3, und
ergibt sich auch daraus, dass Orte in derselben als in marchia
gelegen bezeichnet werden. Die Verwalter der Grafschaft
ftlhren in späterer Zeit den Titel marchio. FeKcetti**^ hält
allerdings Seuna flir eine gewöhnliche Grafschaft, welche im
Grenzgebiete gelegen war, nur dieses bedeute marchia in der
Anwendung auf dieses Gebiet und nicht eine eigentliche Mark-
grafschaft. Die Begründung dieser Ansicht mit dem Grafen-
titel Wilhelms, des ersten uns bekannten Verwalters der Mark,
hält jedoch aus dem bekannten Grunde nicht Stich, weil in der
älteren Zeit auch die Verwalter anderer Marken diesen Titel
führen. Wenn aber Felicetti hervorhebt, dass in späterer Zeit
12 So Muchar Gesch. Steierm. 2. 276, Ankerehofen Gesch. Kärntens 2. 823,
Tangl Mitth. 10. 8, 12.
^ US. 1, 15. " S. oben §. 6 bei Note 106.
1^ Vgl. auch Urkunde 1043 US. 1. 61 : predium quod apud Sowam in Richen-
burch habebat.
" A. a. O. 9. 55.
515
der markgi*äflicfae Titel hier nur einmal 1103^' vorkomme, daher
ihm diese Titulatur verdächtig erscheint, so irrt er, denn mar-
chio de Soune findet sich sowohl in einer zweiten Urkunde
gleichen Datums, als auch noch 1144^®.
2. Als Verwalter dieser Mark wird uns ein Wilhelm ge-
nannt; 980**: K. Otto IL schenkt ein Gut in comitatu Rach-
vuini coniitis ac inde quo ad usque idem comitatus conuenit
ac tangit comitatum qui dicitur Sovuine dem Grafen Vuilli-
helmus. 1016*^: Heinrich 11. schenkt Willihelmo comiti pre-
dium in pago Seuna in comitatu suo. 1025** schenkt K. Kon-
rad II. Willihelmo comiti Güter in comitatu ipsius qui dicitur
Souna und bestätigt 1028 ** die zwei letzten Schenkungen. Da
es nicht wahrscheinlich ist, dass eine und dieselbe Persönlich-
keit eine Grafschaft durch 48 Jahre verwaltet habe, nimmt
man allgemein mit Recht an, dass der Graf Wilhelm der Ur-
kunde 980 der Vater des in den übrigen Urkunden vorkom-
menden Grafen Wilhelm war. Ob nun schon dieser Vater die
Mark Seuna verwaltet habe*^, ist zweifelhaft, nachdem es auf-
fallend ist, dass 980 der comitatus Sovuina erwähnt wird ohne
die Angabe, dass er die Grafschaft des in der Urkunde Be-
schenkten sei, und da der Grafentitel Wilhelms auch von einer
anderen Grafschaft herrühren kann.
Der zweite Graf Wilhelm starb 1036 eines gewaltsamen
Todes**, Erbin seiner Allode war seine Mutter Hemma, die
Stifterin von Gurk. Da nun bei Uebergabe ihrer Güter an
Gurk ein Graf Aschuuinus als ihr advocatus intervenirt **, nahm
man wohl kaum mit zureichendem Grunde an, dass derselbe
auch die Mark Saunia verwaltet habe. Dagegen mag aller-
dings der Starchant marchio, welcher in einer Salzburger Ur-
" US. 1. 112.
'* US. 1. HO, 230. — MitFelicetti einverstanden ist übrigens Wahnschaffe
a. a. O. 43 Note 131, dagegen nehmen eine besondere Mark Soune an
Hirsch Heinrich U. 1. 161 und Waiz VG. 7. 72 Note 6.
*» US. 1. 36. " US. 1. 44. « US. 1. 62. " US. 1. 54.
** Ankershofen Gesch. Kärntens 2. 823.
** Muchar Gesch. Steierm. 4. 295 schaltet hier einige Markgrafen aus dem
Hause Weimar-Orlamünde ein, indem er den Krainer Markgrafen Poppo
(t 1070) * irrthümlicher Weise nach Saunien versetzt und ihm einen
Sohn Poppo Starchand andichtet; letzterer wird dann von ihm mit dem
historischen Markgrafen Starchand von Soune identificirt.
» 1045 RK. n. 118.
516
künde 1072*^ vorkommt, den markgräfiiehen Titel von dieser
Mark gefülni; haben. Er war wahrscheinlich der Vater des
1103 vorkommenden Starchant marchio de Soune*'. Wie lange
dieser letzte die Mark verwaltete, wissen wir nicht, er wurde
durch Herzog Heinrich von Kärnten aus dem Hause Sponheim
und dessen Bruder Graf Bernhard bekämpft und seiner Allode
beraubt, vielleicht auch ganz aus der Mark vertrieben. Im
Jahre 1141 lebte er nicht mehr; Urkunde 1141 '®: marchio star-
chant et frater ejus Werigant et subsequens huius filia — nos
pulsauerunt prediumque Cezt (bei Bohitsch) — suum esse
dixerunt. Aus dieser Urkunde geht auch hervor, dass er einen
Bruder hinterliess, der nicht Markgraf wurde. Wir finden
dann einen Gunterus de Hohenwarte als marchio de Soune in
in den Jahren c. 1140, 1144 und c. 11Ö0'^ Er war Sohn
eines Piligrimus, von welchem ohne Grund angenommen wurde,
dass er vor oder neben seinem Sohne die Mark besessen
habe »«.
Markgraf Gunter starb vor 1444 in Regensbui^'*.
Nach ihm soll Graf Bernhard von Kärnten und dann
dessen Erbe Markgraf Ottokar VII. die Mark Saunien erhalten
haben'*. Dafili* spricht nur eine Stelle Enenkels": Der Graue
Pemhart von Marchpurg der dinget dem Marchgrauen Otachern
von Öteyr daz haus zu Marchpurch — Er dingt im Tiuer
(Tüffer) vnd Sitich das Chlostcr vnd Geirowe (Geirach), aus
welcher jedoch nichts Anderes hervorgeht, als dass Graf Bern-
hard gewisse Güter (TUffer und Geirach) in Saunien besass
und auf Ottokar vererbte, von der Grafschaft selbst ist dabei
** Eichhorn Beitr. 1. 194. Wohl derselbe Starchant, Von dem 1097 in
A. Salisb. MO. 11. 67 die Rede ist.
" US. 1. 110, 112. » US. 1. 214.
** US. 1. 200, 230, 232, 296; Ann. Adm. 1137 MO. 9. 677 nennen ihn mar-
chio de Cylie.
*^ So Machar Gesch. Steierm. 4. 406 und Tangl Mitth. Steierm. 10. 10. Dm-
^gen besonders die Urkunde, in welcher er neben seinem Sohne genannt
und wohl diesem, nicht aber ihm selbst der Titel marchio gegeben
wird: 1444 US. 1. 230, 232.
*^ 1144 US. 1. 232: marchio Gunthems de Hohenwarte — Ratispone egr»-
taret — Homines eins mortuum enm per Danubium ad Anesum trmn»*
tulerunt S. aber ihn bes. Tangl a. a. O. 9 f.
*' Machar Gesch. Steierm. 4. 406, Tangl a. a. O. 10.
" Bauch Scr. 1. 244.
517
keine Rede. Ebensowenig beweist die Angabe des rationarium
Stiriae^ dass dem Herzog von Steiermark officium in Tyver
und Judicium in Sachsenvelde gebührt hat^*, den Besitz dieser
Mark von Seite des Herzogs, da das officium auch zur Ver-
waltung von AUodialgütern gedient haben kann, das iudicium
aber kein indicium provinciale, sondern ein niederes Gericht
war. Letzteres geht daraus hervor, dass das rationarium genau
zwischen Judicium provinciale und Judicium unterscheidet.
Zum Beispiel: iudicium intra muros oppidi Graetzen et iudicium
provinciale vltra Muram; officium in fvrstenvelde cum iudicio
— et duobus iudiciis provincialibus supra Rabam et circa
furstenvelde; Ratgei'spvrch cum iudiciis fori et provincie; March-
purch cum judicio provinciali — item Judicium eiusdem oppidi
etc. ^^ Damit stimmt denn auch, dass wir keinen einzigen
Verwaltungsact kennen, den die Traungauer oder ihre Nach-
folger die Babenberger^ in der Mark Souna vorgenommen hätten.
3. Die Grenzen dieser M^rk lassen sich nur ganz im
Allgemeinen bestimmen. Im Norden fUllt die Grenze mit der
bereits besprochenen Südgrenze der Mark Pettau zusammen.
Betreffs der Ostgrenze wissen wir, dass Peilenstein zur
Mark gehörte, imd dass sie sich zur Sottla hin erstreckte.
Dieser Fluss dürfte daher ebenso wie heute die Grenze gegen
Ungarn gebildet haben.
Im Westen wurde der Grenzzug ebenso wie heute durch
die Sannthaler Alpen gebildet, nur dürfte das heute zu Krain
gerechnete Möttnig in diese Mark gehört haben, weil es später
dem Archidiakonate Saunien unterstände^.
Im Süden gehört auch ein Gebiet am rechten Saveufer
zwischen der Neiring und der Gurk in unbekannter Ausdehnung
zu dieser Mark. 1016 *': inter — Zotle et Nirine in pago Seuna
in comitatu suo (Willihelmi); ebenso 1028'®.
Ob und welche Veränderungen später eintraten, wissen
wir nicht. Keinenfalls verschmolz Saunien mit der späteren
marchia Winidorum*^; 1265*®: Marchie et Carniolae ac Saunie
archidiaconatibus. Auffallend ist es aber, dass später Oertlich-
keiten zum Archidiakonate Saunien gerechnet wurden, welche
»* Rauch Scr. 2. 116. » Rauch Scr. 2. 114, 116. ^ UK. 2. 68.
" Ü8. 1. 46. " US. 1. 64.
•• Annahme Tangls a. a. 0. 12. *« ÜK. 2. 263.
518
in der Mark Pettau lagen, wie Gonobitz, Studcnitz, Pulsgau
und Sleunz^^ Anderseits finden sieh in dem Verzeichnisse
der zu diesem Archidiakonate gehörigen Kii^chen keine am
rechten Saveufer gelegenen.
6. Die Mark Kraln.
§. 9. Ueber die Zeit, wann die Markenverfassung in Krain
eingeführt wurde, fehlt es an Angaben. Es kann sein, dass
die Ungarn in diesen Gegenden erst später zurückgedrängt
wurden und die Markeinrichtung sich dadurch verzögerte.
Wahrscheinlich ist aber die gleichzeitige Begründung sämmt-
licher Marken an der Grenze gegen Ungarn. Die erste Nach-
richt von dem Bestehen einer Mark in Krain aus dem Jahre
973 ist ja doch nahezu gleichzeitig mit der ersten Erwähnung
von Markgrafen in der Ostmark (972) und in der oberen
Karantanermark (970). .
Die meisten Schriftsteller nehmen an, dass das Land Krain
schon im 10. Jahrhunderte, also gleich bei der ersten Einrich-
tung der Marken in mehrere (zwei oder gar drei) Verwaltimgs-
bezirke getheilt worden sei, und es hat sich diese Ansicht trotz
der Gegenbemerkungen Hubers* bis in die neueste Zeit er-
halten; noch der als Sammler verdienstvolle Schumi* in seiner
ebenso heftigen als werthlosen Polemik gegen Huber, und
Mell^, der letzte Schriftsteller, welcher sich über die Frage
ausgesprochen hat, nehmen für das 10. Jahrhundert eine Graf-
schaft Krain und eine davon verschiedene Mark Krain an.
Wir wollen diese verschiedenen Ansichten vorläufig ausser
Acht lassen und die Verhältnisse so zur Darstellung bringen,
wie sie sich aus der Betrachtung der Urkunden ergeben, daran
erst die Besprechung der bisherigen Literatur knüpfend, so
weit dies nöthig erscheint.
1. Von der Schlacht am Lechfelde bis zur Ver-
leihung der Mark Krain an Aquileja (955 — 1077).
" Notizenbl. 1868. 403.
^ Mitth. d. Inst. f. österr. Geschichtsf. 6. 391. S. auch dessen Oesterr. Reichs-
geschichte 10 Note 3.
« Schumi A. 2. 2l9f
' Historische und territoriale Entwicklung Krains (1888) 40 f.
619
a) In diesem Zeiträume wird das Land Erain Camiola^
Creina, Creina marcha oder marchia Creina genannt^. Dass
die Ausdrücke Camiola und Creina marcha gleichbedeutend
sind, ergibt sich aus 973^: in comitatu Poponis comitis quod
Camiola uocatur et quod uulgo Creina marcha appellatur. Die
Vergleichung dieser Urkunde mit einer anderen Urkunde aus
demselben Jahre 973^ zeigt, dass dasselbe Land auch mit
Creina bezeichnet wird, denn in dieser zweiten Urkunde wird
gesagt, das Gebiet von Bischoflaak liege in regione vulgari
Yocabulo Chreine et in marcha et in comitatu Paponis comitis,
und dies ist dasselbe Gebiet, welches nach der ersten Urkunde
zu Camiola oder Creina marcha gehört. Da femer Veldes
nach Urkunde 1011^ in pago Creina in comitatu Odalrici und
nach Urkunde 1040® in marchia Creina in comitatu Eberhardi
marchionis gelegen ist, so zeigt sich, dass auch die vierte Be-
nennung ,marchia Creina' nichts Anderes bedeutet. Aus der
Mehrheit der Namen lässt sich demnach kein Anhaltspunkt
ftlr eine Mehrheit der Verwaltungsbezirke in Krain entnehmen.
b) Verwalter von Erain kennen wir in dieser Periode
ftnf: 1. Popo, 973*5 2. Waltilo; 989^^: in regione uulgari uoca-
bulo Chreine et in marcha ducis Heinrici et in comitatu Wal-
tilonis comitis; 1002^^: in regione Camiola et in comitatu
Vualtilonis comitis; 1004^^: Ueldes situm in pago Creina nomi-
nato in comitatu Uuatilonis. 3. Udalrich L; 1011^': castellum
Veldes — in pago Creina in comitatu Odalrici. 4. Eberhard;
1040 ^*: Circheniza — in marchia Creina in comitatu Eberardi
marchionis; 1040^^: a fluuio — Vistrizza usque ad curtem —
Ueldes — in Marchia Creina in comitatu Eberhardi marchionis;
1040^*: ebenso. 5. Udahichü.; 1058^': in marcha Kraina et
in comitatu Odelrici marchionis; 1062^^: in pago Creine in
Marcha ad eundem pagum pertinente in comitatu Vodalrici
marchionis; 1063^*: in marchia Odalrici marchionis.
* lieber den Ursprung des Namens vorzugsweise Diemitz Gesch. Krains
1. 144 und Meli a. a. O. 9f.
» UK. 1. 11. « UK. 1. 12. » ÜK. 1. 24. » UK. 1. 36.
• 8. oben bei Noten 5 und 6. " UK. 1. 14. " UK. 1. 22.
" ÜK. 1. 28. " UK. 1. 24.
" ÜK. 1.34. »» UK. 1.36.
» ÜK. 1. 86. " Schumi A. 1. 6.
" ÜK. 1. 61. » ÜK. 1. 62.
▲z«kiT. Bd. LXXIU. IL Hilft«. 34
520
Aus diesen Urkunden entnehmen wir, dass Popo und
Waltilo dieselbe Grafschaft besassen, da nach den Urkunden
973 und 989 dasselbe Gebiet von Bischoflaak in der Graf-
schaft dieser beiden Grafen lag. Alle begrenzen das Gebiet
nahezu in denselben Worten: Est — in ipso comitatu riuulus
paruus — Sabniza (Safniz), ab exitu illius ubi oritur — uersus
usque ad Zelsah (Selzach) — trans Zouriza (Seizacher Zeier)
usque ad montem Lubnic (Lubnik) — usque ad maiorem am-
nem Zoura (Pöllander Zeier) sind die wichtigsten Grenzangaben,
welche ziemlich gleichlautend vorkommen. Waltilo, Udalrichl.
und Eberhard sind aber auch die Grafen, in deren Grafschaft
Veldes liegt, Urkunden 1004, 1011 und 1040«», und da in
Eberhards Grafschaft nicht nur Veldes, sondern auch Zirknitz
sich findet«^, so gehörte wohl auch das dazwischen liegende
Gebiet von Bischoflaak zu seiner Grafischaft. In der Ghraf-
schaft Ulrichs 11. liegen einerseits montes — Staeinberch et
Otales«* (Ottalesch, heutzutage im Görzischen, nordwestlich
von Idria), anderseits die Gegenden um Obergurk; 1(^**:
Herzogenbach (Ponobreg oder Ponova vas, westlich von Weixel-
burg) und 1062**: in superiori riuus qui dicitur Gurca sicut
predium Rvodperti usque in riuum Bitsa vocatum (Biezepotok
westlich von Weixelburg) finit, und uilla Lonsa (Laase). Es
muss also das dazwischenliegende Gebiet dazu gehört haben,
welches früher zu Eberhards Grafschaft gerechnet wurde. Da-
mit ist festgestellt, dass auch Ulrich II. dasselbe Gebiet ver-
waltete, wie die übrigen Grafen.
Aus all dem ergibt sich, dass die genannten Grafen und
Markgrafen dem gesanmiten Eo'ain vorstanden, soweit dasselbe
zum deutschen Reiche gehörte. Davon, dass der Eine oder der
Andere nur einen Theil des Landes verwaltet hätte, findet sich
keine Spur. Freilich bleibt es dabei ungewiss, wie weit sich
die Mark Krain nach Stlden und Westen erstreckte, wir er-
fahren nur, dass der Berg Ottalesch, Zirkniz, Ober-Gurk und
Lipnak in Krain lagen, dass es sich also mindestens bis über
diese Oertlichkeiten erstreckt haben muss.
c) Dafür, dass Eo'ain schon in dieser Periode eine Mark
gebildet hat, spricht der Titel marchio, welchen die späteren
•0 Noten 12, 13, 15. " Bei Note 14. « 1068 Note 19.
» Note 17. •* Note 18.
521
Verwalter flihren, dann auch die Benennung Krains als Creina
marcha und marchia Creina^ noch mehr die Bezeichnung der
Lage von OertUchkeiten in Eo'ain mit marchia ohne Zusatz,
973, 1062, 1063 «^
Krain bildete aber zugleich auch eine Grafschaft. S. Urk.
bei Noten 5, 6, 11—18.
Eine Scheidung zwischen Mark und Grafschaft ist auch
hier nicht zulässig; es bestanden in Krain vielmehr dieselben
Verhältnisse wie in den übrigen Marken, alle Theile Krains
gehörten gleichzeitig zur Mark und zu der darin eingerichteten
Grafschaft*«.
Wahnschaffe*', Huber*® und Meli*® vertreten die Ansicht,
Krain habe ursprünglich nur eine Grafschaft gebildet und marcha
bedeute in der Anwendung auf Krain Grenzland; erst unter
Eberhard sei Krain zur Mark erhoben worden. lEine solche
Gh'afschaft ohne Markeinrichtung im Grenzlande findet sich
jedoch nirgends, und auch der Titel comes, welchen die beiden
ersten uns bekannten Verwaltungsbeamten Krains ftihren und
auf welchen sich Huber und Meli berufen, spricht, wie wir
wissen, nicht flir ihre Ansicht. Sagt Meli*® doch selbst, dass
in der Ostmark comes nur ein wechselnder Ausdruck flir mar-
chio gewesen sei, und wenn er meint, dass dies flir Krain nicht
angenommen werden könne, weil Popo und Waltilo nur als
,come8^ bezeichnet wurden, so ist dies doch nicht ausschlag-
gebend. Der Eppensteiner Adalbero z. B. erscheint nur in einer
einzigen Urkunde (1000) als marchio und fiihrt sonst regel-
mässig den Titel comes. Nehmen wir nun an, diese eine Ur-
kunde wäre nicht auf uns gekommen, würde es gerechtfertigt
sein, aus dem Comes-Titel Adalberos in den übrigen Urkunden
zu schliessen, dass die obere Karantanermark keine eigentliche
Mark gewesen sei und dass der Name Mark flir sie nur in der
Bedeutung von Grenzland genommen werden könne?
Wenn Meli hervorhebt, dass Krain 989 eine Mark des Her-
zogs Heinrich genannt wird, so zeigt dies nur. dass Krain nicht
unter einem vom Herzoge unabhängigen Grafen stand. Dieses
Argument würde nur dann von Belang sein, wenn ausgemacht
Noten 6, 18, 19. «« Huber a. a. O. 391. " A. f. Kärnten 14. 44.
A. a. O. 390. So auch in seiner Oesterr. Reichsgesch. 10.
A.a.O. 11. ««A.a.O. Note 24.
34*
522
wäre^ dass die Markgrafen im Gegensatze zu den Grafen von
den Herzogen unabhängig gewesen sind. Man mag darüber fär
die spätere Zeit was immer für eine Ansicht haben^ für die
ältere Zeit kann dies gewiss nicht angenommen werden, da ja
in anderen Marken, wie wir gesehen haben, wiederholt eine
und dieselbe Person abwechselnd die Titel comes und marchio
führte und damit feststeht, dass diese Titel damals als gleich-
werthig betrachtet wurden und keine Verschiedenheit in der
Stellung begründeten *^
d) Mit diesen Anschauungen in Widerspruch sind die
Schriftsteller, welche eine Mehrheit von Verwaltungsbezirken in
Krain annehmen. Hieher gehören Richter, theilweise auch
Hitzinger und von den Neueren Schumi und Meli.
Richter" unterscheidet drei Verwaltungsgebiete in Krain:
Oberkrain, Unterkrain, welches er als windische Mark Erains
erklärt, dann Mittelkrain mit Möttling und Tschemembl, das er
die windische Mark Istriens nennt. Er gründet seine Ansicht
auf eine missverstandene Stelle in Fröhlichs Arch., und es
mag vorläufig nur bemerkt werden, dass eine windische Mark
Istriens nirgends vorkommt, dieses Verwaltungsgebiet also ein
reines Phantasiegebilde dieses Schriftstellers ist. Hitzingers**
Meinung geht dahin, dass Oberkrain einen, Unterkrain mit
Saunien zusammen einen zweiten Verwaltungsbezirk gebildet
habe. Er kommt der Wahrheit nur insofern näher, als er aus
Krain und Saunien zusammen zwei Verwaltungsgebiete bildet,
doch ist die von ihm behauptete Ausdehnung der Mark Saunien
bis Zirknitz, den Krainer Schneeberg und die Kulpa ohne alle
Begründung. Aus den uns vorliegenden Nachrichten wissen wir
nur, dass Saunien am rechten Saveufer sich über ein Gebiet
'V Für die hier vertretene Ansicht Büdinger Oesterr. Oesch. 1. 268, Wutx
y. G. 7. 72, Riessler Gresch. Baiems 1. 356. Eine besondere Ansicht ye^
tritt Schumi A. 1. 100, 114. Nach ihm war Popo Markgraf, weil 973 ron
seiner marchia die Rede ist, Waltilo hingegen nnr Graf, weil 989 der
Ausdruck marchia ducis Heinrici Torkommt, dem Herzoge also die Greni-
vertheidigung überlassen gewesen sein müsse. Es ist aber aus diesem
letzten Ausdruck nichts Anderes zu entnehmen, als daas die Mark Krain
eine dem Herzoge von Kärnten unterworfene Mark war.
" Hormayer Arch. 1819. 223.
^ Mitth. f. Krain 1856. 34. Ihm folgt Diemitz Gesch. Krains 1. 145, viel-
leicht auch Krones Umrisse des Geschichtslebens 41 und 150, Note 50 d.
523
zwischen Neiring und Gurk erstreckte ; sehr gross kann dieses
Gebiet jedoch nicht gewesen sein, da Lipnak schon in der
Mark Elrain lag. Eine weitere Ausdehnung wäre somit nur am
rechten Gurkufer möglich gewesen, ist aber ausgeschlossen
durch andere Nachrichten, nach welchen Landstrass damals
noch zu Ungarn gehörte**; auch das Gebiet von Möttling und
Tschemembl bildete noch lange keinen Bestandtheil von Krain'*.
Ueberdies unterscheiden spätere Urkunden Saunien von der
Mark und Erain; 1265'^: in marchie et Camiolae ac Saunie
archidiaconatibus.
Richters Ansicht wurde von Schumi*' aufgenommen. Er
meint, dass Ober- und Unterkrain zusammen marchia Creina
oder Creina genannt worden seien, Unterkrain allein sei die
marchia Greine oder marchia schlechtweg, Oberkrain der comi-
tatus Greine gewesen. Seine Ausführungen beruhen auf der
besprochenen unzidässigen Unterscheidung zwischen marchia
und comitatus und hauptsächlich auf dem Genitiv Greine. Dieser
Genitiv findet sich jedoch noch gar nicht in den Urkunden
dieses Zeitraumes, sondern erst im nächsten, und wir behalten
uns vor, zu zeigen, dass aus denselben ein Argument ftlr die
Zweitheilung nicht gezogen werden könne. Auch in der Ur-
kunde 1062*® liegt kein Beweis fiir Schumi. Er schliesst daraus,
dass es neben dem pagus Greine noch eine Mark gegeben haben
müsse, welche zu diesem pagus gehörte, während Mell*^ sich
vorsichtiger dahin ausdrückt, dass aus den Worten ad eundem
pagum pertinente allein sich noch nicht mit Sicherheit auf eine
Theilung zwischen pagus und marchia schliessen lasse, wenn
dies gleich der Fall gewesen sei. Schumi und Meli übersetzen
die betreffende Stelle mit: ,Mark, welche zu dem Gaue ge-
hörte'; pertinere heisst aber zunächst ,auf etwas Bezug nehmen',
,etwa8 betreffen', die Stelle redet also nur von der Mark, welche
sich auf Krain bezieht, d. h. welche von Krain gebildet wird.
Auf einen weiteren Grund Richters für die Zweitheilung
sind Schumi und Meli nicht mehr eingegangen, nämUch auf
den, welcher aus einer Urkunde 989*® hergeleitet wurde. Es
heisst darin, dass das in comitatu Waltilonis gelegene und Frei-
•* Schumi A. 1. 63. » 8. unten bei Note 106. »• UK 2. 263.
•* A. 1. 61, 97; 2. 219. »• Oben bei Note 18. »• a. a. O. 29.
*• UK. 1. 15.
524
sing geschenkte Gebiet von Bischofslaak an die proprietas
Vuernhardi comitis grenze ; daraus folgt aber nur, dass das Ge-
biet an ein Allod eines Gi'afen Vuemhard grenzte, und nicht,
dass dieser Graf — wahrscheinlich ein Graf Istriens*^ — auch
seine Grafschaft in der Nähe gehabt haben müsse.
2. Erain seit der Erwerbung durch Aquileja (1077).
Markgraf Udalrich starb 1070** mit Hinterlassung unmün-
diger Kinder. Was nach seinem Tode mit der Mark geschah,
wissen wir nicht. In Urkunde 1073*' schenkt K. Heinrich IV.
dem Bisthume Brixen einen Wildbann in Krain, ohne den
Namen eines Markgrafen fUr den Bezirk zu nennen, und dies
scheint dafUr zu sprechen, dass Erain nicht sofort vergabt
wurde. So wird es auch allgemein angenommen; nur Wahn-
schaffe** schwankt, indem er die Mark für unvergabt erklärt,
aber doch meint. Markward von Eppenstein habe als Vormund
der unmündigen Söhne Udalrichs sie in Besitz genommen. In
einem EanzlerprotokoUe enthaltenden Codex findet sich die
Notiz**: in 1070 — Henricus Romanorum imperator — Gerardo
patriarche concessit imperpetuum Marchiam Camiole — cum
Omnibus suis iuribus et honoribus uniuersis. Diese Aufschreibung
ist gewiss ungenau, da Gerhard erst 1122 den Patriarchenstuhl
bestieg, und so dürfte auch die Jahreszahl irrig 1070 statt
1077 lauten sollen*^
Im Jahre 1077 wurde nämlich die Mark Erain allerdings
von Heinrich IV. an das Patriarchat Aquileja verliehen, und
zwar mit Worten, welche zeigen, dass dies eine erste Verlei-
hung war. Die betreffende Urkunde sagt*': marchiam Camiole
de nostra regali proprietate et potestate in proprietatem et po-
testatem s. Aquilegensis aecclesie et prenominati eiusdem sedis
«^ Hitzinger Mitth. 1856. 84 hält diesen Grafen für einen in Laibach sess-
haften Pfalzgrafen und sieht in dem Pfalzgrafen Cuono, welcher die
Urk. 1077 (UK. 1. 63) bezeugt, seinen Nachfolger. Die Zogehdrigkeit
Kunos zu Krain ist aber durch nichts beglaubigt und Wemhard wird
nicht Pfalzgraf, sondern einfach Qraf genannt.
*' Ann. Saxo 1070, MG. 6. 697: Odalricus marchio Carentinorum obiit.
*» ÜK. 1. Ö9. ** A. a. O. 59. " D. 40. 314.
^ Schumis (A. 1. 177) Erklärung, Aquileja habe 1070 Krain geschenkt er-
halten, jedoch dessen Besitz nicht erlangen können, wird durch die Ver-
leihungsurkunde 1077 widerlegt, in welcher jede Berufung auf «ne
frühere Schenkung fehlt
*' UK. 1. 63.
525
patriarche Sigehardi suorumque successorum tradidimus — ea —
racione ut idem Sigehardus patriarcha eandem marchiam pos-
sideat, obtineat e^ omnigena lege et quo sibi' placeat iure
utatur.
Hier taucht abermals die Frage auf, ob die Verleihung
sich auf ganz Krain oder nur auf einen Theil desselben bezog.
Schumi und Meli meinen, nur Unterkrain sei an Aquileja ver-
geben worden.
Mell^^ weißt darauf hin, dass die Marken meistens mit
rückwärts liegenden Comitaten in einer Hand vereinigt waren,
und beruft sich auf den Traungau und das Ennsthal als Bei-
spiele, da in der älteren Zeit der erste vom Markgrafen der
Ostmark, das letzte vom Markgrafen der oberen Karantaner-
mark verwaltet wurde. Daraus folgt aber nicht, dass das Gleiche
in Krain vorgekommen sein müsse; nach den Urkunden bildete
bis 1077 Krain in allen seinen Theilen eine einheitliche Mark
und einen Comitat. Hätte Aquileja nur einen Theil dieses Ver-
waltungsbezirkes erhalten sollen, so würde irgend ein beschrän-
kender Zusatz in die Verleihungsurkunde 1077 aufgenommen
worden sein.
Schumis Argument*^ ist, wie schon erwähnt, der Genitiv
in der Zusammenstellung marchia Camiole. Er beachtet nicht,
dass in der damaligen Zeit die Anwendung des Genitivs für
den Namen eines Landes ganz allgemein übUch war, wenn eine
dem Titel des Landesherm entsprechende Bezeichnung bei-
gesetzt ist. An Beispielen ist kein Mangel: 1186, 1245*®: du-
catus Austrie et Stirie; 1192, 1203, 1217 **: dueatus Stirie;
1215«^«: marchia Styrie; 1237**: dueatus Austrie et Styrie et
marchia Camiole; 1247**: dueatus Austrie, Stirie atque Car-
niolae; 1261**: in Austrie et Stirie ducatibus ac in Marchia
Camiolis. Niemand wird zweifeln, dass es neben den Herzog-
thttmem Oesterreich und Steier nicht noch ein besonderes
Oesterreich und ein besonderes Steiermark gegeben habe, eben-
sowenig gab es neben der Mark Krain noch ein besonderes
Krain. Wollte man aber vieDeicht erwidern, dass diese Bei-
spiele aus späterer Zeit und nicht geeignet sind, die Latinität
*• A. a. O. 40. *• Bee. A. 1. 51, 179 und 2. 226.
«> US. 1. 661; 2. 569. " US. 2. 18, 106, 228. " US. 2. 205.
»• US. 2. 456. »* Schumi A. 1. 204. » UK. 2. 218.
526
des 11. Jahrfaunderts zu UlustrireDy so sehen wir doch ans der
Ver^eichung der Urkunde 1028^: in pago et comitatu Sonnae
und der Urkonde 1016*': in pago Seuna ujd 1025**: in comi-
tatu — qui dicitur Souna^ dass sich der lateinische Sprach-
gebrauch des 11. von dem des 13. Jahrhunderts in diesem
Punkte nicht unterschied.
Ueberdies kommt marchia Camiole bei Weitem nicht aus-
schliesslich vor, wir finden auch 1093**: Marchiam nomine Car-
niolam und 1214^: Marchiam Camiolam et Istciamy was Schumi
freilich seiner Hypothese zuliebe ganz unberechtigterweise in
Camiole und in Istrie emendirt
Am gewichtigsten spricht die schon oben vorgenommene
VergleichuDg der einzelnen Verleihungsurkunden daftlr, dass
Aquileja schon 1077 ganz Krain erhidten habe, und zwar kommt
man zu diesem Ergebnisse selbst dann, wenn man der oben
befürworteten Erklärung des Wortes comitatus nicht beipflichtet,
sondern comitatus im Sinne von Gh'afschaftsbezirk nimmt.
Interessant ist es zu beobachten, zu welchem Rechte die
Verleihungen an Aquileja erfolgten. 1077 und 1093 wird ohne
allen Zweifel Eigenthum übertragend^, in den späteren Urkunden
heisst es nur donamus et tradimus oder confirmamus, und zwar
1210 libere et absolute possidendam und 1214 (und 1220) in
perpetuum possidendam. Die eine EigenthumstLbertragung cha-
rakterisirenden Zusätze der Urkunde 1077: ut — patriarcha
marchiam — quo sibi placeat iure utatur, oder 1093: patriarcha
ejusque successores liberam potestatem habeant — quidquid illis
ad utilitatem ecclesiae placuerit faciendi, fehlen. Ek ist diese
Aenderung in der Textirung offenbar eine Folge des Wormser
Concordates. 1230 heisst es auch geradezu: marcha et comitatu
Histrie et Camiole, quos dictus patriarcha in feudum pro
eadem Aquilegensi sede ab imperio tenet.
Daraus, dass ganz Krain an Aquileja kam, erklärt es sich
auch, dass kein einziger Vorsteher des angeblichen Comitatus
Krain vorkommt. Graf Poppo de Creine, dem wir 1141" be-
M UK. 1. 30. »' UK. 1. 27. " ÜK. 1. 28. »• UK. 1. 67.
~ Schumi A. 1. 166.
•* Irrthümlich nimmt Meli a. a. O. 38 eine — vor AbschlusB des Wormser
Concordates (1122) unsulXssige — Belohnung an.
•• UK. 166.
527
gegnen, kann nicht dafür gelten ^*^; in der Mitte des 12. Jahr-
hunderts nannte sich Graf ein Jeder^ welchem in einem grösseren
Gtttercomplexe Gi*afschaftsrechte zustanden, dass aber die Be-
rechtigung Poppos sich nicht auf das ganze Land Erain oder
Oberkrain bezog, zeigt die Benennung de Creine; als Graf
Erains müsste sein Titel comes Creine gewesen sein^.
Aquilejas Besitz von Krain blieb übrigens nicht unan-
gefochten. Schon die späteren Wiederverleihungen zeigen, wie
oft die Mark dem Patriarchate entfremdet wurde und in den
Besitz weltlicher Fürsten kam. Auf das Detail einzugehen, ist
hier nicht am Platze; es genügt der Hinweis auf die genauen
Angaben Mells a. a. O. 46 fg.
3. Ein Punkt muss noch besonders besprochen werden.
Seit 1077 kommt die Bezeichnung marchia Camiole (oder Car-
niola) nur mehr in gewissen Urkunden vor, nämlich in Eaiser-
Urkunden, in einigen päpstUchen Urkunden, dann in Urkunden,
welche der Patriarch von Aquileja ausstellt. In den Eaiser-
Urkunden des 11., 12. und 13. Jahrhunderts findet sich diese
Bezeichnungsweise nahezu ausnahmslos, sowohl in Urkunden,
welche die Rechte Aquilejas auf Erain sichern sollen (1077,
1093, 1210, 1214, 1220, 12306*), als auch in Urkunden, welche
zu Gunsten des deutschen Ordens ausgestellt werden. 1237 ^^i
in ducatibus Austrie et Styrie et marchia Carniole und officia-
libus — per ducatus Austrie et Styrie nee non per marchiam
Camiole constitutis. In einer einzigen Eaiserurkunde dieser
Zeit wird das einfache Camiola gebraucht, 1249*', in der Zu-
sammenstellung: in Stiria et Camiola.
Auch die Papsturkunden dieser Zeit bedienen sich regel-
mässig des Ausdruckes marcha Cameole (1132*^) oder marchia
" Wie Schumi A. 1. 195 irrig annimmt.
^ Huber a. a. O. 392, Meli a. a. O. 50.
» 8. oben §. 2 bei Noten 97, 101, 103, 104, 106 und 107.
•• ÜK. 2. 67, 69.
** UK. 2. 129. Ein Verseben ist es wobl, wenn Qraf Otto ▼. Eberstein als
Statthalter Kaiser Friedrichs IL 1247 (Schumi A. 1. 204) schreibt: in toto
ducatu Austrie, Stirie atque Camiole. Im Entwürfe der Urkunde, mit
welcher Kaiser Friedrich II. Oesterreich und Steiermark zum Königreiche
und Krain zum Herzog^ume erheben wollte (1246 Schumi A. 1. 202), ist
Ton provincia Camiole die Rede, wohl um mit den Ansprfichen des Patri-
archats nicht in offenen Conflict zu gerathen.
•• Mitth. f. Krain 1856. 37.
528
Camiolis (1261*'); nur wenn rein kirchliche Districte vo^
kommen, fehlt die Bezeichnung marchia. So redet der Papst
1261 ^^ Tom Archidiakon Marchie et Camiole und schreibt
1265^^: plebanis et vicariis in Marchie et Camiolae ac Saoniae
archidiaconatibus constitutis. Endlich spricht Aquileja selbst in
seinen Urkunden von der Mark Krain, so 1257^': in pardbus
Marchie Camiole und 1264'*: in marchia Camiole (wobei sich
Patriarch Gregor Istriae atque Camiolae marchio nennt) ; es sei
denn, dass es sich um kirchliche Districtseintheilungen handelt,
wie 1240'^: plebanis in Camiola constitutis. Aber es kommt
auch c. 1265'^: archidiacono marchie Camiole und anderseits
1265'*: vicedomino — patriarche in Carniola vor.
In allen übrigen Urkunden, insbesondere in solchen, welche
die Bezeichnung von Ortslagen enthalten, findet sich der Aus-
druck marchia Camiole nicht mehr, es ist vielmehr von Car-
niola allein oder von Camiola et marchia die Rede, wobei der
letzte Ausdruck auf die in Unterkrain gelegenen Orte Anwen-
dung findet.
Besonders interessant ist in dieser Beziehung der Vertrag
zwischen Gregor, Patriarchen von Aquileja, und Herzog Ulrich
von Kärnten^ 1261 '', in welchem dort, wo von den Jurisdic-
tionsrechten des Patriarchen in Erain die Rede ist, von mar-
chia Camiole, dort, wo von den Gütern der Herzogin Agnes
(Gemahlin Ulrichs) in Erain die Rede ist, von Camiola und
Marchia gesprochen wird.
Auch sonst findet sich die Unterscheidung von marchia
und Camiola 1250 und 1257 '*j wie sich aber diese beiden
Landestheile gegen einander abgrenzen, lässt sich ftür das 12.
und 13. Jahrhundert kaum bestimmen. Man kann nur sagen,
dass Moräutsch (Moralsz), Wartenberg (Wartenberch), Wittis
(Vitis) und PüchKng (Pvhelern) am Laibachflusse die östlichsten
Orte sind, welche in Camiola, und Wolkenberg (Wolchenberc),
Globochdorf (Globoko) und Dratschdorf (Drasizdorf) die west-
lichsten, welche in marchia vorkommen'».
•• UK. 2. 218. '0 UK. 2. 236. ^ UK. 2. 268.
^' D. 81. 194. Du ,etS welches der Herausgeber zwischen ,Marcbie* and
,CamioIe^ einschaltet, hat eben wegzufallen.
»» UK. 2. 260. '* UK. 2. 81. '» UK. 2. 279. '• UK. 2. 267.
" UK. 2. 228. ^« UK. 2. 188, 194.
^ 1146, 1177, 1191, c. 1202, UK. 1. 98, 139, 160; 2. 2.
529
Die Gründe, welche diese Verschiedenheit in der Aus-
drucksweise der Urkunden veranlasst haben, dürften in Fol-
gendem zu suchen sein. Auf dem Gebiete von Krain erwarben
weltliche Fürsten immer grösseren Grundbesitz, mit welchem
nach und nach auch Grafenrechte verbunden wurden. Dadurch
wurden die Jurisdictionsrechte des Patriarchen, als Markgrafen
Erains, immer mehr eingeschränkt, so dass für das gewöhn-
Uche Leben die Macht des Markgrafen als solchen immer mehr
vor der der besitzenden Fürsten zurücktrat und vielleicht in
späterer Zeit mehr oder weniger zu einer nominellen wurde.
Am meisten mag dies durch den grossen Besitzerwerb der
Babenberger in Erain geschehen sein, der den Anlass bot, dass
Friedrich der Streitbare und seine Besitznachfolger den Titel
dominus Camiolae annahm. Aquileja hielt natürlicherweise auf
seine markgräflichen Rechte und auf den Titel Markgraf von
Elrain, im gewöhnlichen Leben gaben aber die thatsächlichen
Besitz- und Machtsverhältnisse den Ausschlag, man sprach nicht
mehr von der marchia Camiole, sondern schlechtweg von Car-
niola, wobei auch die Gewohnheit entstand, die östlich gelegenen
Gegenden als marchia ohne Zusatz*® zu bezeichnen. Hier be-
deutet also marchia nicht mehr Markgrafschaft, sondern nur
Grenzgebiet.
Es wäre irrig Camiola und Marchia in diesem Stadium
der Entwicklung als verschiedene Verwaltungsbezirke aufzu-
fassen, erst langsam und allmälig ging die Scheidung von Car-
niola und Marchia auch in die officielle Sprechweise über. Dies
zeigt insbesondere die Art und Weise, wie die besondere Er-
wähnung der marchia iiv verschiedenen Titulaturen, so den
Titeln des dominus, des archidiaconus und des decanus Car-
niolae Eingang fand. Friedrich der Streitbare nennt sich nur
dominus Camiolae®^, ebenso Ulrich von Kärnten beinahe aus-
schliesshch**, dessen Gattin Agnes domina Camiolae®*, auch in
*^ Marchia Vinidorum, windische Mark, kommt erst am Ende des 13. Jahr-
hunderts vor.
« 1231, 1233, 1240, 1242, UK. 2. 66, 60, 83, 90; 1243 D. 2. 119; 1243
RK. 1026.
»• 1247,1262, 1263, 1266—1269, UK. 2. 113, 153, 168, 161, 169, 170, 173, 176,
178, 183, 186, 191, 192, 202, 208, 211, 216, 222, 223, 236, 288, 248, 260,
261, 263, 260, 261, 271, 272, 273, 280, 284, 286, 292, 293, 296, 298, 299.
« 1248, 1268, UK. 2. 119, 202.
530
Angelegenheiten, welche die sogenannte marchia betreffen^.
Zum ersten Male nennt sich Ulrich 1261 dominus Camiolae et
marchiae^^y und auch später kommt dies mitunter Tor^^
Der Archidiakon von Krain heisst meist archidiaconos
Camiolae et marchiae^^, aber auch archidiaconus Camiolae^.
Der Decan Berthold wird 1221 und 1239 decanus Camiole^^
dazwischen 1228^ decanus Camiole et marchie genannt.
Man sieht also, dass ganz übereinstimmend in diesen Titu-
laturen der Zusatz ,et marchiae^ erst nach und nach Eingang
fand, und dass durch einige Zeit diese Titel abwechselnd bald
mit, bald ohne den Zusatz vorkommen. Später wurde das ,Car-
niolae et marchiae' ausnahmslos angewendet. Diese Erscheinung
lässt sich nur damit erklären, dass unter ,Carniola et marchia'
genau dasselbe zu verstehen ist, was man früher als Camiola
bezeichnete, und dass die Erwähnung der marchia in den Titu-
laturen deswegen Aufnahme fand, um den Titel mit dem all-
gemeinen Sprachgebrauche in Einklang zu bringen.
In einigen Urkunden des 12. Jahrhunderts kommt auch
die Bezeichnung marchia Ungarica oder marchia Ungarie für
Orte in Krain vor; in welchem Sinne dies zu nehmen, wurde
bereits oben»^ auseinandergesetzt.
Die Entwicklung, welche diese Verhältnisse weiter nahmen,
und das Aufkommen der Bezeichnung ,windische Mark' fkLilt
in die zweite Hälfte des 13. und in das 14. Jahrhundert; die
Darstellung all dieses überschreitet daher die Grenzen dieses
Aufsatzes.
4. Die Grenzen der Mark Krain lassen sich ftlr diese
Periode nur ganz im Allgemeinen bestimmen.
Der nördUche Grenzzug wird wohl durch die natürliche
Grenze der Karawanken gebildet, er entspricht der heutigen
Grenze. Weiter gegen Osten trat aber die Nordgrenze gegen
die heutige zurück, da das Land zwischen Neiring und Gurk
bis gegen Lipnak zur Mark Saunien gehörte**.
•* So Friedrich der Streitbare 1236 (UK. 2. 64) und Ulrich 1247 (Schumi
A. 1. 11).
•» ÜK. 2. 220.
•• 1266—1268, UK. 2. 270, 275, 282, 288, 289, 298.
•^ 1259, 1261, 1262, 1264, 1265, UK. 2. 206, 235, 239, 241, 244, 257, 263, 276.
•• 1288, 1263 UK. 2. 79, 263. •• UK. 2. 32, 79. ^ UK. 2. 43.
*^ §. 7 bei Note 8 f. ^ S. oben §. 8 bei Note 37.
531
Im Westen umgrenzt das Land der Gebirgsstock des
Tei^lou, weiter gegen Süden überschreitet die damalige Grenze
die heutige, da, wie wir gesehen, die Gegend um den Berg
Ottalesch zur Mark Krain gehörte**. Ob Ober-Idria zu Ejrain
zu rechnen ist, bleibt zweifelhaft. Schumi** und Meli *^ nehmen
es an, weil Heinrich Graf von Görz 1083** der Abtei Kossazo
contratam de Pletio (Flitsch) schenkte, mit dem Beisatze, dass
dazu auch super Tulminum: Idria imd Livina gehöre; Livina ist
das in unmittelbarer Nähe von Tolmein, oberhalb desselben, ge-
legene Lubinj, und so wird auch das Idria der Urkunde nicht
Ober-Idria in Krain, sondern Idria bei Baca sein, welches un-
weit Tolmein am Idriaflusse gelegen ist Aus dieser Urkunde
ist demnach fUr die Frage der Zugehörigkeit von Ober-Idria
nichts zu entnehmen.
Ebensowenig nützt uns für die Entscheidung dieser Frage
die Angabe des Stockurbars der Hauptmannschaft Tolmein von
1607 (?)*^ dass die Grenze dieser Hauptmannschaft gegen die
krainerische Herrschaft Bischoflaak durch den Bach Cattauglia
gebildet werde. Dieser Bach ist offenbar der rivulus Catabla,
welcher in den Urkunden 973 und 989** als Grenzpunkt des
Qutes Bischoflaak bezeichnet wird imd, heute Hotavlie ge-
nannt, bei Hotaule in die PöUander Zeier sich ei^esst. Ein
Blick auf die Karte zeigt, dass, wenn das Tolmeinische bis
hieher gereicht hat, der Berg Ottalesch unmöglich zu Krain
gehören konnte, es müssen also, da dessen Lage in Krain zur
markgräflichen Zeit ausser Zweifel steht, seither Grenzverände-
rungen hier stattgehabt haben, welche die Grenzbeschreibung
von 1607 für unsere Zwecke unbrauchbar machen. Gewiss ist
nur, dass im 17. Jahrhundert Ober-Idria noch in das Görzer
Gebiet fiel, von dem es erst 1783 getrennt und zu Krain ge-
schlagen wurde ®®.
Weiter östlich können wir ein kleines Stück des Grenz-
zuges genauer bestimmen, er lief von Loitsch nach Zirknitz ;
1265^^: ab eadem ecclesia (de Cirqueniz) tenduntur dicti ter-
mini (die Visitationsgrenzen der Karthause Freudenthal) per
terminos qui solebant esse inter Patriarcham Aquileie et ducem
•• 8. oben bei Note 22. •* A. 1. 166. •» A. a. O. 127.
»• C«oemig Gör« 486. ^ Schumi A. 1. 106. •• UK. 1. 18, 14.
•• Caoernig a. a. O. 621. "» Schumi A. 1. 110.
532
Karinthie, usque in Logach. Damit ist auch festgestellt^ dass
die Gebiete von Wippach und Planina nicht zu Erain gehörten,
was übrigens auch aus anderen Urkunden sich ergibt. 1001 ^•^
schenkt Otto III. dem Patriarchen Ton Aquileja das Land inter
Lisontium (Isonzo), Vipacum et Ortona atque juga alpium mit
ausgedehnten Jurisdictionsrechten, daher auch 1202^®* Krain
und das Gebiet von Wippach auseinandergehalten werden:
quicquid proprietatis et alodii habet in Camiola et apud Wipach.
1217 ^<^» verfiigt Graf Engelbert von Görz, dass das Kloster
Sittich keinen Zoll zu zahlen habe in suo foro versus comitatum
Goritiensem, ad fluvium cognomento Vucze (Unz). Zirknitz
selbst gehörte zur Mark Krain ^^.
Ganz ungewiss ist die Ost- und SUdostgrenze. Es scheint,
dass sie sich im Laufe der Zeit nach und nach gegen Ungarn
ausgedehnt hat, ob dies aber gerade 1074 geschehen sei, wie
angenommen wird^®*, oder später, ist wohl nicht eruirbar, so
lange nicht neue Quellen aufgefunden werden. Gewiss ist nur,
dass die Districte von Sichelburg, Möttling und Tschemembl
1091 zur Ausstattung des Erzbisthums Agram verwendet wurden,
da diesem Erzbisthume in diesen Bezirken später gewisse Metro-
politanrechte zustanden ^®^. In welcher Weise diese Gebiete an
Krain kamen, ist ebenfalls ungewiss; Einige nehmen an durch
Eroberung *% Andere durch Heiraten der Andechser und Spon-
heimer^^.
Der District von Gottschee endlich scheint in seinen süd-
lichen Theilen noch lange ganz unbewohnt und uncultivirt ge-
wesen zu sein, so dass es eine bestimmte Grenze da wohl noch
gar nicht gab. 1363 sagt der Patriarch Ludwig von Aquileja ^^:
in quibusdam nemoribus seu siluis infra confines curatae eccle-
siae s. Stephani in Reifihiz (zwischen Auersperg und Gottschee)
— quae inhabitabiles erant et incultae, multae hominum habi-
tationes factae sint. Daher fUr diese Bewohner neue Elirchen
gebaut wurden in Gotsche, Pölan (PöUand südlich von Auers-
pei^), Costel, Ossiwnitz (Kostel und Ossiunitz an der Kulpa)
et Goteniz (Göttenitz wesdich von Gottschee).
»M UK. 1. 17. »<« UK. 2. 6. »« UK. 2. 24.
^^ S. oben bei Note 14. ^^ Von Diemitz Gesch. Krains 1. 161.
»« Schumi A. 1. 49. »•» Honnayr Arch. 1821. 192.
^<* Schorni A. 1. 58, Meli 86. ^^ Schumi A. 1. 80.
533
7. Die Mark Istrien.
§. 10. In Istrien gestalteten sich die Verhältnisse anders
als in den nördlicher gelegenen Marken. Hier wurden die karo-
lingischen Institutionen durch die Ungamein&Ue gänzUch ver-
nichtet^ oder sie blieben doch nur in Trümmern bestehen, so
dass im 10. Jahrhundert eine vollkommene Neuorganisation der
Marken nöthig wurde, welche kaum noch mit den älteren Ein-
richtungen zusammenhängt. An Istrien hingegen zogen die
Ungarn bei ihren Einfällen nach Italien wohl wiederholt vorüber,
die Halbinsel selbst scheinen sie jedoch nur selten besucht zu
haben, und daher kam es, dass der Verwaltungsorganismus der
KaroHngerzeit hier bestehen blieb und die Basis der späteren
Einrichtungen bildete; es ist daher noth wendig, für Istrien von
den Einrichtungen des 9. Jahrhunderts auszugehen.
1. Die Zeit bis 828. Das grosse Gebiet der südöstlichen
deutschen Marken imter den Karolingern wurde in zwei Herzog-
thümer oder Markgrafschaften getheilt, welche anfkngUch dem
Herzoge Erich von FriaiJ und dem Grafen Gerold unterstellt
wurden. Die Verwalter dieser beiden Marken werden als ava-
rici limitis custodes oder pannonici limitis praefecti bezeichnet^.
Für die Bestimmung der Grenze zwischen beiden Ver-
waltungsbezirken finden wir einen Anhaltspunkt in Folgendem:
Pannonien bis zur Drau war von König Pipin Salzburg zuge-
wiesen worden*. Als nun der Landbischof Theodorich daselbst
eingeführt werden sollte, war es Gerold und nicht Erich, der
dies vollführte: ordinatus est Deodericus episcopus ab Amone
archiepiscopo Juvavensium: quem ipse Am et Geroldus comes
perducentes in Sclaviniam — commendantes illi episcopo re-
gionem Carantanorum et confines eorum occidentaH parte Dravi
fluminis, usque dum Dravus fluvius fluit in amnem Danubii*.
In Pannonien bildete also die Drau die Grenze, für die west-
lichen Gegenden fehlt es an directen Nachrichten. Da aber
anter den Karolingern die poUtischen und die kirchUchen
Grenzen meist zusammenfielen, so können wir annehmen, dass
auch im Westen die Grenze durch die Drau gebildet wurde*,
'» Einh. Ann. 826 MG. 1. 214. " Conv. Bag. MG. 11. 9.
» Cony. Bag:. MG. 11. 10.
* Chabert Oesterr. Rachtsgesch. 56 Note 6, Ankershofen Gesch. Kärn-
tens 2. 118.
534
da dieser Fluss in seinem ganzen Laufe nach einer Verordnung
Karl des Grossen die Sprengel von Aquileja und Salzburg schied^
811^: prouinciam Karantanam ita inter se (Ursus Aquilegiensis
ecclesie archiepiscopus) dividere jussit, ut Drauus fluuius^ qui
per mediam illam prouinciam currit, terminus ambarum djoce-
seon esset. Die Ansicht Büdingers* und Dümmlers', wornacb
ganz Kärnten zu Erichs Bezirk gehörte, ist demnach zurück-
zuweisen. Dagegen spricht schon, wie Dümmler auch einsieht,
die geographische Lage der Länder. Es wäre zu unzweck-
mässig gewesen, das Hinterland Kärnten nördlich von der Drau
in eine andere Hand zu geben als das vorgelagerte Pannonien.
Dümmler fllhrt für sich allerdings die Worte Einharts® an: in
Carantanorum regionem, quae ad ipsius (Baldrici) curam perti-
nebat. Allein derselbe Einhart erzählt, dass die Camiolenses,
qui circa Savum fluvium habitant et pars Carantanorum sich
Erich ergaben*, und berichtet später*® von einem Gesandten,
welcher ad Baldricum et Geroldum — in Carantanorum pro-
vinciam gesendet wurde. Wenn man diese Nachrichten im
Zusammenhange auffasst, so kann man die erste dieser Stellen
nur dahin verstehen, dass darin von einem Theile Karan-
taniens, d. i. von dem Theile, welcher Balderich unterstand,
die Rede ist.
Die südliche Mark wurde zunächst durch Erich verwaltet,
nach seinem Tode (799*0 folgte ihm Cadolaus*« und 819 Bal-
derich**, welcher 828 abgesetzt wurde**.
2. Die Zeit von 828 — 952. Nach Balderichs Absetzung
wurde, wie die Stelle Note 14 sagt, seine Mark unter vier Grafen
vertheilt, was wohl heisst, dass die Mark in vier Theile getheilt
und jeder Theil einem Grafen übergeben wurde, der keinem
» US. 1. 5. • Gesch. Oeaterr. 1. 167.
^ Marken 16, Ostfränk. Reich 1. 29. < Einh. Ann. 819 MG. 1. 206.
« Einh. Ann. 820 MG. 1. 207. ^^ Einh. Ann. 826 MG. 1. 214.
" Einh. Ann. 799 MG. 1. 186.
" Einh. Ann. 817 fg. MG. 1. 203 fg., Danduli Chron. 7. 15. 8 -bei Muratori
rer. ital. 8cr. 12. 155.
^ Einh. Ann. MG. 1. 206: Cadolah dux forojolienBis, febre correptos, in ip«a
marca decessit Cni cum Baldricas esset subrogatos.
^* Einh. Ann. 828 MG. 1. 217: Baldricus, dux Forojuliensis, cum propter eins
ignayiam Bulgaronim ezercitns terminos Pannoniae snpeiioris inpone
vastasset, honoribus qaos habebat privatus, et marcha, quam sohl« tenebat,
inter qoatuor comites diyisa est.
535
Herzoge oder Markgrafen untergeordnet war. Welches diese
vier Grafschaften waren, lässt sich nicht mit voller Sicherheit
bestimmen. Manche Forscher haben diesen Grafschaften Ge-
biete zugewiesen, welche gar nicht zu Balderichs Mark ge-
hörten. So vor Allem Karantanien nördlich von der Drau,
welches von dem Verweser der nördlichen Mark verwaltet
wurde; dann auch das Veroneser Gebiet, fUr welches sich kein
Anhaltspunkt findet, dass es zu Balderichs District gehört
hätte, da es in späterer Zeit wenigstens gewiss unter einem
eigenen Markgrafen stand. Ebenso sind die östlichen Länder,
welche einst bis zur Öetine und dem Verbas dem Franken-
reiche zugehört hatten ^^, auszuscheiden, das Reich der Chor-
vaten in Dalmatien war ebenso wie das Land zwischen Drau
und Save, letzteres durch Balderich, verloren gegangen ^^ Das
Gebiet, welches nach Ausscheidung dieser Länder übrig bleibt,
besteht in späterer Zeit aus vier Grafschafts- oder Markgebieten,
und es dürfte daher die Annahme gestattet sein, dass diese vier
Gebiete im grossen Ganzen durch die Zerschlagung der grossen
Friauler Mai:k entstanden sind. Darnach würden die vier Graf-
schaften Saunien, Kärnten südlich von der Drau mit Krain,
Istrien und das eigentliche Friaul sein^''.
Dafür, dass eine dieser Grafschaften an der unteren Drau
und Save gelegen war, also beiläufig im späteren Saunien,
spricht das Vorkommen eines Grafen Salacho in diesen Ge-
genden c. 895^®; auch erfahren wir, dass 895 an der laiteren
Save eine karolingische Mark bestand:- in marchia iuxta Souvam
tres regales mansos quos Riechenburch dicitur^^. Ein zweiter
Theil dürflie Krain und das kärntnerische Gailthal gewesen sein,
doch fehlt es hieftir an Belegen.
Die späteren Schicksale dieser beiden Grafschaften unter
den Karolingern sind uns unbekannt, auch erfahren wir nicht,
wann und auf welche Weise sie zu Deutschland gekommen sind.
Wahrscheinlich waren sie in Folge der UngarneinföUe ziemUch
verödet, wurden dann von Deutschland aus colonisirt und zählten
darnach ohne staatsrechtlichen Act zum deutschen Reiche.
** Dümmler Marken 17. ^' Dümmler Marken 29.
^' So auch Chabert a. a. O. 6S. S. über diese Frage besonders Chabert 57
Note 15 und Dttmmler Marken 30.
" Conv. Bag. MG. 11. 12. » US. 1. 15.
ArehiT. Bd. LXXXII. II. H&lft«. 35
536
Die dritte Grafschaft dürfte Istrien gewesen sein. Es bU-
dete schon früher, gleich nachdem Karl der Grosse die Halb-
insel den Griechen abgenommen hatte, einen besonderen Bezirk
mit einem von Karl dem Grossen ernannten oder bestätigten
Herzog Johannes, welcher später (803 — 810) abgesetzt wurde.
Der vierte Theil endlich bestand in der Grafschaft Friaul
vom Isonzo bis zur Livenza. Diese Grafschaft, welche als
comitatus forojulianus 921 urkundlich vorkommt, bildete das
Kemland des Markherzogthums Friaul, mit welchem es einerlei
Namen hatte, darf aber damit nicht verwechselt werden *^
Schon hier müssen wir auf einen Unterschied in den Ver-
hältnissen Deutschlands und Italiens aufmerksam machen, der
für die späteren Erörterungen von Wichtigkeit ist. Er betrifft
die Stellung der Markgrafen. In Deutschland bestehen Herzog-
thümer und die Markgrafen stehen, wenigstens in den fiüheren
Jahrhunderten, ebenso wie die Grafen unter den Herzogen, ja
auf baierischem Gebiete hatten die Markgrafen eine nahezu
gleiche Stellung mit den Grafen, sie waren denselben coordinirt
und unterschieden sich von ihnen nur durch die Lage ihrer
Grafschaft an der Reichsgrenze, sowie durch eine strammere
Organisation ihrer Grafschaften. Hier schloss also allerdings,
wie Ficker sagt**, die Markgrafschaft die Grafechaft aus, inso-
fern nämlich, als jene die Grafschaft selbst bildete. In Italien
hingegen steht der Markgraf im Wesen dem Herzoge gleich
und ist dem Grafen übergeordnet. Es werden daher auch die
Ausdrücke marchia und ducatus anfUnglich ftlr dieselben Gre-
biete gebraucht. So wird einmal von der marcha des Balderich
gesprochen**, ein anderes Mal gesagt: pulsus est ducatu*'. Die
Verwalter dieser Marken flihren übrigens nicht selten den Titel
comes oder werden abwechselnd bald marchio, bald comes ge-
nannt, so z. B. Walfrid**. Es kommt aber nicht vor, dass der
'^ Rub. 465. Aus Dümmler Ostfränk. Reich 2. 14, entnimmt man, dass er
allerdings die Qrafschaft und das Herzogthnm Friaul nicht g^enfigend
auseinanderhält.
*' Forschungen zur Rechtsgesch. Italiens 1. 7.
" Einh. Ann. 828 MG. 1. 217. « Vita Hludow. MG. 2. 631.
«* Er heisst comes 876 (MG. Leg. 1. 629), 880, 881 (Muratori Ant. It 1. 435,
2, 931), 892 (Muratori Ant. It. 1. 937), 895 (Herrn. Aug. MG. 5. 110) und
marchio 888 (Muratori Ant. It. 6. 345), 890 (Tiraboschi memoria mude-
nesi 1. 63) und 896 (Ann. Fuld. MG. 1. 412).
537
Verwalter einer Grafschaft marchio genannt wurde, so dass wir
aus diesem Titel ebenso wie aus dem Titel dux schliessen können,
dass der Besitzer einem grösseren, aus mehreren Grafschaften
bestehenden Bezirke vorstand.
Nach Balderichs Absetzung fehlte in den vier Grafschaften
die höhere Stufe des Markgrafen oder Herzogs. Doch scheint
dies flir die beiden südhchen Grafschaften Friaul und Istrien
nicht lange gedauert zu haben, wir finden sie bald wieder unter
Markgrafen vereint, welche später auch dem Grafen von Ve-
rona tibergeordnet wurden. Wir erkennen die höhere Stellung
dieser Markgrafen an ihrem Titel und daran, dass ihr Wirkungs-
kreis sich weiter als die Grafschaft Friaul zwischen Isonzo und
Livenza gegen Osten und Westen erstreckte. Der erste Mark-
graf ist hier Eberhard, der Schwiegersohn Ludwig des Frommen.
Er kommt 840 und 855 als Graf vor; in seinem Bezirk liegt
sowohl Istrien als Aquileja, denn c. 840** bittet der Patriarch
von Aquileja um Zuweisung von Kirchen in Istrien per Eve-
rardum comitem, und 855** wendet sich der Patriarch in einer
andern Angelegenheit an Kaiser Lothar ebenfalls per Evrardum
comitem. Seine höhere Stellung entnehmen wir auch aus An-
dreas Presbyter, einem Schriftsteller des 9. Jahrhunderts: impe-
rator (Lothar) Forojulianorum Eberardum principem constituit*^.
Er starb 864 oder 866** und hatte seinen Sohn Unruoch zum
Nachfolger*®, nach dessen baldigem Tode sein zweiter Sohn
Berengar folgte, der 888 die Königskrone von Italien erwarb.
Später finden wir Graf Walfried von Verona, der zuerst 890
marchio genannt wird*®, also schon in diesem Jahre ein grös-
seres Gebiet als die Grafschaft Verona verwaltet haben muss
und der seit 895 das gesammte Italien östUch vom Mincio und
nördlich vom Po verwaltete: Peringariumque perterritum —
Waltfi-edo Maginfredoque comitibus ItaUam eis Padum distri-
buit (Amolfus)'^. Er wird denn auch Foro Julii marchensis
genannt'*. 921 kommt ein Grimaldus marchio vor, auf dessen
Bitte Berengar dem Patriarchen von Aquileja das Schloss
» Rub. 436. «• Rub. 438. >' Rub. 427.
^ Ann. Alam. 864 MG. 1. 50, Ann. Xant. 866 MG. 2. 231.
** Rub. 429: Eberardo defnncto, Unrochum filinm ejus principatum (Foro-
joliensium) sttBcepisse.
•• Tiraboschi memorie modeneai 1. 63. •* Herrn. Aug. MG. 6. 110.
« Ann. Fnld. 896 MG. 1. 412.
36*
638
Putioli^ pertinens et adjacens in comitatu forojuliano schenkt''.
Es ist nicht zu bezweifeln, dass dieser Grimoald ein Nachfolger
Waltfrieds war und also auch Istrien verwaltete**. Zwölf Jahre
später finden wir einen Uuintherius marchio, welcher 933'^ sammt
den Bischöfen und dem Volke von Istrien einen Vertrag mit
Venedig schliesst. Er tritt in dieser Urkunde als Vorsteher
Istriens auf, ohne jedoch Markgraf Jstriens^ genannt zu werden,
man könnte daher in ihm einen Friauler Markgrafen sehen, zu
dessen Verwaltungsbezirk Istrien gehörte. Allerdings bezeichnet
ihn Dandolo'* als Vintherius marchio Istriae, doch ist es sehr
fraglich, ob dieser Ausdruck flir die Annahme gentigt, dass
Winther Istrien allein als Mark verwaltet habe. Wir finden sonst
in dieser Periode keine Spur von einer Mark Istrien, und sie
wäre auch sehr schwer in das damalige Verwaltungsgeflige
unterzubringen. Eher Hesse sich annehmen, dass Dandolo den
Winther als marchio Istriae bezeichnet, weil dieser venetianische
Schriftsteller ihn als den obersten Verwaltungsbeamten in Istrien
vorfindet. Vielleicht ist dies ein Seitensttkck dazu, dass der
Herzog von Kärnten auch nur dux Istriae genannt wurde*',
obwohl er bei Weitem nicht Istrien allein verwaltete.
Wir können annehmen, dass unter diesen Friauler Mark-
grafen mehrere Grafschaften vereinigt waren, in welchen Grafen
die Jurisdiction unter der Oberhoheit des Markgrafen ausübten.
Für Istrien finden wir eine Spur hievon. Es kommt nämUch
vor, dass im Anfange des 9. Jahrhunderts der rhätische Graf
Hunfried totam Histriam tenebat, und nach ihm erscheint sein
Sohn Adalbert in Istrien**. Chabert'® bezweifelt diese Nach-
richt, weil anderen Thatsachen widersprechend, sobald man
aber in Hunfried einen dem Markgrafen von Friaul unter-
geordneten Grafen Istriens sieht, hört jeder Widerspruch auf.
Die Ernennung eines rhätischen Grafen ftir Istrien könnte
» Rub. 466.
"^ Dümmler Marken 31. Gegen dessen Annahme eines Markgrafen Odalrich
in Friaul (a. a. O.), s. Grion Arch. stör. Tr. 1. 338, 341.
•» UK. 1. 6.
** Dandali Chron. 8. 11. 6 in Muratori rer. itaL Scr. 12. 202.
'^ Wipo MG. 1. 257: duces autem — contemporanei hl fuerant — Adalbero
dux Histriae.
^ Translatio sang. Dom. MG. 4. 448.
'* Oesterr. Bechtsgesch . 67 Note 9.
539
übrigens eine Erklärung des immerhin auffallenden Umstandes
geben, dass die lex Romana Churrhätiens auch in Istrien vor-
kommt**^.
3. Die Zeit von 952—1077. Als Otto I. das Königreich
Italien an Berengar zurückgab, trennte er davon die Mark
Verona und Aquileja imd belehnte damit den Herzog von
Baiem (952**). Die Mark blieb nun bis 976 mit Baiem ver-
einigt. In diesem Jahre wurde aus dem von Baiem getrennten
Kärnten ein neues Herzogthum gebildet und ihm die Veroneser
Mark zugeschlagen**.
Zu dieser Veroneser Mark gehörte auch Friaul und Istrien;
es ergibt sich dies sowohl aus der geographischen Lage als
auch aus späteren Thatsachen*^. Damit wurde also im grossen
Ganzen dasselbe Gebiet von Italien abgetrennt, welches wir
bereits als Markherzogthum Friaul kennen gelernt haben.
Für die Folgezeit fehlt es nicht an Fällen, in welchen der
Herzog von Kärnten in Friaul und Istrien die herzogliche Ge-
walt ausübte. In Urkunde 1001** wird bezeugt, dass, als publice
iudicio presideret domnus Hotto dux istius marchiae zu Verona,
eine Schenkungsurkunde über ein an Grafen Vuerihen ge-
schenktes halbes Praedium Silikano (Salcano bei Görz) et Gorza
(Görz) gerichtlich anerkannt wurde. Die Kärntner Herzoge
erscheinen auch als Intervenienten bei königlichen Schenkungen
in Istrien; 976*^: Otto H. bestätigt dem Patriarchen von Aqui-
leja den Besitz von Insula (Isola) in Istrien: Henricus Karen-
tanorum dux — suggessit, was freilich nicht flir sich allein,
sondern nur in Verbindung mit den übrigen Thatsachen auf
eine herzogliche Thätigkeit in Istrien hinweist. Der Herzog von
Kärnten wird daher auch Herzog der Veroneser Mark ge-
nannt: 1001*^: dux istius marchiae; 1013*'': dum — in comi-
" Bninner RG. 1. 362.
*' Cont. Regln. MG. 1. 621: Eodem tarnen anno (952) — Berengarius —
Italiam — accepit regendam. Marca tan tum Veronensis et Aquilejensis
excipitiir, qoae Heinrico, fratri regis, committitar.
*^ Ueber das Jahr der Trennung Kärntens von Baiem Wabnscbaffe a. a. O. 3
Note 5.
*• Für Istrien findet Hirsch Heinrich H. 1. 9 Note 1 einen directen Beweis
in den Urkunden von 977 (in CDI. 976, s. unten bei Note 46) und
993 (UghelU Italia sacra 1. 746).
** UK. 1. 18. « CDI. *• 8. oben bei Note 44.
*"* Muratori Antich. Estensi 1 85.
540
tatu Veronense in judicio resideret domno Adalperio dux istius
marchie ad — justitias faciendas; 1017*®: Domnus Adalpeyro
dux istius (veronensis) marchiae et Carentanorum; auch Herzog
von Kärnten und Istrien; 1035: Adalbero dux Garen tani et
Istriae; 1036: ducatum in Carentano et in Histria*^, dann Adal-
bero dux Histrianorum sive Carintanorum**^ oder gar nur Herzog
von Istrien; 1028^^: duces autem — contemporanei hi fuerunt
— Adalbero de Histria; aber auch^* Charantae totiusque mar-
chiae dux.
Aus diesen Titulaturen wurde geschlossen^ dass Istrien
durch den Herzog von Kärnten unmittelbar verwaltet wurde ^'.
Diese Ansicht widerlegt sich aber dadurch, dass wir in Istrien
ebenso wie in den übrigen Theilen der Veroneser Mark Grafen
kennen, welche unter dem Herzoge walteten.
Durch die Verfügung Ottos I. wurde die Mark Verona
nicht ein Bestandtheil des Herzogthums Kärnten, sie blieb eine
Mark für sich, welche von dem Herzoge von Baiem und später
von dem Herzoge von Kärnten verwaltet wurde. Darauf wird
auch in den Nachrichten über spätere Verleihungen hingewiesen:
Henricus — recepto Bawariae ducatu obiit. Cuius filio Heinrico
pius rex ducatum et marcam dedit^; Guelfum, — qui ducatum
Carinthiorum et marcham Veronensem adquisivit^**. Als Ver-
walter dieser Mark wird der Herzog von Kärnten dux mar-
chiae genannt und damit seine Stellung am besten charakte-
riöirt. Er hatte als Markgraf im italienischen Sinne in der Mark
die gleiche Gewalt, welche er als Herzog in Kärnten hatte.
Die Mark war aber auch ebenso wie das Herzogthum in Graf-
schaften getheilt, welche dem Herzoge oder Markgrafen unter-
geordnete Grafen verwalteten.
Solche Grafen finden wir in allen Theilen der Veroneser
Mark. In der Urkunde 1001^^ erscheinen als Beisitzer des Her-
zogs Otto mehrere Grafen, darunter die von Vicenza und Pa-
dua. 1027 ^"^ sitzt Herzog Konrad zu Gericht in veronense
comitatu.
« A. 1849. 316. *» Herrn. Aug. MG. 5. 122, 124.
w Wipo MG. 11. 267. " Wipo MG. 11. 266.
M 1116 Acta 79, S. 73, s. Waitz VG. 7. 72, Note 6.
» Waitz VG. 7. 72, Huber Gesch. Oesterr. l. 219.
^ Cont. Regin. MG. 1. 623. » Hist. Weif. MG. 21. 461.
^ S. oben Note 44. »* Rub. 600.
541
Friaul bildete ebenfalls eine Grafschaft der Veroneser
Mark^ in welcher am Anfange des 11. Jahrhunderts ein Graf
Werihen oder Varientns waltete; 1001^®: Vuerihen comes comi-
tatus Forojulii; 1002^^: Verihen comes comitatus Forojulii;
1028®*^: in pago Forojulii in comitatu Varienti comitis. Ein
späterer Graf Friauls dürfte jener Ludwig gewesen sein, dessen
beneficium in Friaul sammt der Grafschaft an Aquileja fiel.
Im Jahre 1077 ^^ schenkte nämlich Heinrich IV. dem Patriarchen
Sigehard comitatum Forojulii et villam Lunzanigam^^ dictam
omneque beneficium quod Ludowicus comes habebat in eodem
comitatu situm cum omnibus ad regaliä et ad ducatum pertinen-
tibus — in proprium. Damit erhielt Aquileja diese Grafschaft
als Eigenthum unter Exemtion von allen herzoglichen Rechten,
denn dahin und nicht dahin, dass diese Grafschaft ein eigenes
Ducat wurde, sind wohl die Worte der Urkunde zu ver-
stehen ^'.
Auch Istrien wird als Grafschaft bezeichnet, 1012^: civi-
tates in comitatu Hystriensi sitas. Von den Grafen Istriens aus
dieser Periode dürfte der erste, von welchem wir erfahren, ein
Sygardus comes sein, welcher 977^* una cum cunctis habitan-
tibus civitatis Justinopolis mit dem Dogen von Venedig einen
später von Otto IL bestätigten Vertrag schliesst. Wenngleich
dieser Graf hier nur an der Spitze der Bewohner einer Stadt
erscheint, lässt sich doch annehmen, dass er fiir ganz Istrien
und nicht blos flli* JustinopoUs bestellt war; neben ihm erscheint
in der Urkunde ein locopositus als unmittelbarer Stadtverwalter.
Nach ihm hören wir von einem Grafen Heribent 991^^: rese-
disset Hueribent Histriensium comes ad colloquium in loco —
at trajectum S. Andree juxta marc. Es ist dies wohl derselbe
Heribent oder Variandus, welcher später von 1001 an bis 1029
als Graf von Friaul auftritt, der also, da wir schon vor 1012
in Istrien andere Grafen finden, die Grafschaft Friaul statt der
Grafschaft Istrien erhalten haben muss. In einer Bestätigungs-
urkunde Heinrichs H. 1012®', betreflfend die Städte in comi-
tatu Hystriensi sitas Penna (Pedena) und Pisino, werden dem
*» S. oben Note 44. »• Rub. 491. «> Rub. 503. " UK. 1. 61.
•• Lucenik, zwischen Cormons und Görz.
* Ficker Forschungen zur Rechtsgeach. Italiens 1. 269. A. M. Czoernig
G^rz 266 Note 2 und Meli a. a. O. 37 Note 2.
•* UK. 1. 25. " CDL •« CDI. «' ÜK. 1. 26.
542
Patriarchate functiones eingeräumt^ quas liberi homines in pre-
dictis civitatibus habitantes antea tempore Poponis et Sizonis
comitum tenuerunt. Dies waren also zwei Istrianer Grafen,
welche, sei es vor, sei es nach Heribent, die Grafschaft ver-
walteten. Bald darauf kommt ein comes Vizelinus 1015^ und
1027^^ vor, von dem wir aus einer späteren Urkunde 1040'*
erfahren, dass er ein Graf Istriens war".
Wezelins Tochter Azika war die Mutter jenes Ulrich'*,
welchen wir schon als Markgraf von Erain kennen gelernt
haben. Er wurde auch Markgraf von Istrien und kommt als
solcher in den Jahren 1062 — 1067 urkundlich vor; 1062^': in
marcha histria in comitatu Oudalrici — marchionis; 1062'*: in
marcha histria in comitatu marchionis Odalrici; 1064'^: in pago
Histria — in comitatu Odalrici marchionis; 1064'®: in pago
Histrie — in comitatu Odalrici marchionis; 1066": in pago et
in marchia Hystriensi Wuodalrici marchionis; 1067'®: in pago
Istria in marcha Odalrici marchionis'^. Es ist auffallend^ dass,
nachdem es bisher nur Grafen Istriens gegeben, nunmehr Udal-
rich den Titel Markgraf führt. Wahnschaffe's*® Ansicht, dieser
Titel beziehe sich nur auf Krain, reicht nicht aus, da in den
Urkunden, in welchen Udalrich vorkommt, auch das Land
Istrien mitunter als marchia bezeichnet wird. Die Erklärung
dürfte vielmehr in Folgendem liegen: Durch die nun schon
ein Jahrhundert dauernde Verbindung Istriens mit KUmten
" Ughelli Italia sacra 10. 312. «» Rub. 501.
'® UK. 1. 38: Azcia — patre Wecelino et Wilpurge — Hystriensium qnondain
comite et comitissa procreata.
^^ Meli a. a. O. 17 Note 2, hält diesen Wecelin für eiue and dieselbe Person
mit dem Grafen Werihent, den wir früher erwähnt, weil Wezelin ein
Kosename für Wemhard sei, allein aus der Urkunde 1027 (Note 69) er-
fahren wir nur, dass Wezelin auch Valpertus genannt Mrurde. Walbert
ist aber nicht derselbe Name wie Wemhard. Uebrigeus kommt, wie schon
Czoernig a. a. O. 479 Note 1, bemerkt hat, Varientus in derselben Ur-
kunde 1027 ebenfalls vor (als Eidhelfer), womit jede Identität dieser beiden
Personen ausgeschlossen ist. Gleicher Ansicht mit Meli ist auch Hirsch
Heinrich H. 1. 177 Note 5.
'* In der Urkunde Note 70 heisst es weiter: Azcica consensu — Wolderici
filii sui.
'8 A. f. Gesch. 1812. 178. ^* UK. 1. 50. '» UK. l. 53.
'• UK. 1. 64. " UK. 1. Ö6. ^« UK. 1. 56.
'• S. über die Zeit, in welcher Udalrich als Markgraf von Istrien vor-
kommt Meli a. a. O. 22 Note 3. ^ A. a. O. 57.
543
wurden unwillkürlich deutsche Anschauungen und Einrichtungen
allmälig nach Istrien übertragen. Man begann die an der Grenze
gelegene Grafschaft Istrien als eine Mark im deutschen Sinne
zu betrachten und benannte den zum ersten Male aus einem
deutschen Hause — Weimar-Orlamünde — genommenen Grafen
als marchio, und dies nicht in dem Sinne^ dass er wie der
italienische Markgraf dem Herzoge gleichgestellt gewesen wäre,
sondern im deutschen Sinne als Grenzgraf, Graf einer an der
Grenze gelegenen Grafschaft. Damit in Uebereinstimmung ist
auch die Textirung der citirten Urkunden aus den Jahren 1062
bis 1067 — durchgehends Eaiserurkunden — in welchen die
Reichskanzlei auf Istrien genau dieselben Ausdrücke anwendet
wie auf die nördlicheren Marken. Besonders der unterschieds-
lose Gebrauch von marchia und comitatus ist in dieser Bezie-
hung charakteristisch.
Istrien blieb denn auch trotz seiner Bezeichnung als mar-
chia dem Kärntner Herzoge untergeben, welcher noch immer
dux Istriae war, und dieses Verhältniss änderte sich auch nicht,
wie wir sehen werden, durch die 1077 erfolgte Verleihung
Istriens an Aquileja®*.
4. Die Erwerbung Istriens durch das Patriarchat
Aquileja (1077). Im Jahre 1077 schenkte Heinrich IV. dem
Patriarchen Sigehard von Aquileja den comitatus Forojulii und
kurz darauf Istrien und Krain. Es ist interessant, die Diction
der drei Schenkungsurkunden zu vergleichen. In der Schenkung
von Friaul®* heisst es, es werde der comitatus Forojulii — cum
Omnibus — ad ducatum pertinentibus geschenkt. In einer
zweiten Urkunde** wird der comitatus Istrie ohne allen Zusatz
und in einer dritten Urkunde®* die marchia Camiole auch ohne
jeden Beisatz als Gegenstand der Schenkung bezeichnet. Es
ist am Tage liegend, dass diese verschiedene Redeweise in
diesen Urkunden, von welchen zwei an demselben Tage
*' Meli a. a. O. 28 f. geht von der Meinung aus, dass auch der deutsche
Markgraf grundsätzlich von der herzoglichen Macht unabhängig war, er
weiss sich daher die Bezeichnung Udalrichs als marchio Carentinorum
nicht recht zu erklären und findet den einzigen Ausweg darin, dass Udal-
rieh in Kärnten thatsächlich eine grosse Macht ausübte. Allein abgesehen
davon, dass dafür jeder Beweis fehlt, hätte dies doch nur dahin fuhren
können, ihn dux Carentinorum zu nennen.
»«UK. 1. 61. "UK. 1. 64. •*ÜK. 1.63.
544
(11. Juni) und die dritte wenige Monate zuvor (vor Ostern)
ausgestellt wurde, nicht absichtslos gewählt ist. Die Ver-
gleichung der Schenkung Friauls mit der Istriens zeigt, dass
die Exemtion von der herzoglichen Gewalt nur für Friaul und
nicht für Istrien gelten, dass also Istrien dem Herzoge von
Kärnten untergeordnet bleiben sollte. Bei Vergleichung der
Istrien und Krain betreffenden Urkunden f^lt es auf, dass
Krain marchia, Istrien hingegen comitatus genannt wird, ob-
schon letzteres, wie wir sahen, in früheren Kaiserurkunden als
marchia bezeichnet wird.
Istrien war ursprünglich italienisches Territorium. Seit
seiner Verbindung mit Baiern und Kärnten wurde daselbst wohl
manche deutsche Einrichtung eingeführt, die Basis der Ver-
hältnisse blieb aber eine italienische. Da nun nach der Absicht
Heinrichs IV. Istrien von der Gewalt des Kärntner Herzogs
nicht befreit werden sollte, so war es nothwendig, der Schen-
kung eine solche Fassung zu geben, dass ein Zweifel in dieser
Richtung nicht entstehen konnte. Wäre nun Istrien in der
Schenkungsurkunde als Mark bezeichnet worden, so hätte Aqui-
leja diesen Ausdruck im italienischen Sinne nehmen können,
wornach der Markgraf in seinem Gebiete herzogliche Gewalt
hatte, und dies mag der Grund sein, warum der Ausdruck
marchia für Istrien vermieden wurde. Bei dem rein deutschen
Territorium Krain fiel diese Gefahr weg, daher die Bezeichnung
als marchia beibehalten werden konnte.
Die Ausdrucksweise der Urkunde 1077 gab übrigens An-
lass zu der Ansicht, dass das Patriarchat nicht ganz Istrien er-
halten habe, sondern nur den ,comitatus Istriae', welchen man
von der marchia Istriae unterschied ®^ Diese Ansicht fand auch
eine Stütze darin, dass nach 1077 das Patriarchat durch lange
Jahre nur selten Istrien besass, indem es regelmässig weltlichen
Fürsten verliehen wurde; es war naheliegend, anzunehmen,
dass das Istrien, welches diesen Fürsten geliehen wurde, ein
anderes Istrien sei als jenes, dessen Besitz dem Patriarchen
wiederholt bestätigt worden ist.
Aus der Vergleichung der ersten Verleihungsurkunde mit
den späteren Bestätigungsurkunden haben wir jedoch schon
^ Krones Gesch. Oesterr. 1. 350. Das Richtige hat schon Czoernig a. a. O. 366
Note 1.
545
entnommen^ dass die Unterscheidung zwischen dem comitatus
und der marchia Istrie unzulässig ist, dass jene weltlichen
Fürsten, welchen die marchia Istrie verliehen wurde, genau
dasselbe erhielten, was 1077 Aquileja zugesagt worden war und
was ihm später wiederholt wieder genommen wurde. Erst 1230
durch die Verzichtleistung Herzog Bertolds von Meran kam
Aquileja in den dauernden Besitz Istriens. Während früher die
Bezeichnung marchio Istriae nur selten für die Patriarchen Aqui-
lejas sich findet**, wird dies ein regelmässiger Zusatz zu seinem
Titel ®^. Auch zeigt die Vergleichung der Ortslage, dass die
Sonderung der marchia vom comitatus in Istrien auch in den
späteren Jahrhunderten nicht durchführbar ist. Auf der bei-
liegenden Karte sind die Orte, welche bis ins 14. Jahrhundert
als in der Grafschaft Istrien befindlich bezeichnet werden, von
jenen unterschieden, welche sich in der marchia Istrie befinden,
und man sieht, dass beide Oertlichkeiten in ganz Istrien zer-
streut sind. Der Patriarch wird denn auch mit Recht marchio
totius Istriae genannt. Aufzeichnung von c. 1300®*: Ista sunt
jura d. patriarche ac ecclesie Aquilegie in tota Istria. In primis
est marchio totius Istrie.
5. Ueber die Grenzen Istriens in dieser Periode lässt sich
sehr wenig sagen. Wir entnehmen nur aus den Urkunden, dass
die gesammte Halbinsel zur Mark und Grafschaft gehörte, und
zwar mit Inbegriff von Triest. Wie weit sich das Territorium
Istriens gegen Norden und Nordwesten erstreckte, ob die Poik
dazu gehörte und der heute zu Istrien gerechnete Landstrich
gegen Ungarn zu, bleibt im Dunkel. Die beiliegend« Karte
zeigt übrigens, dass bis in das 14. Jahrhundert hinein kein Ort
in diesen Gegenden als zu Istrien gehörig bezeichnet wird. Auch
die Beschränkung des markgräflichen Gebiets durch die Erobe-
rungen der Venetianer gehört einer späteren Periode an.
•• 1203 CDI., 1222 Mitth. f. Krain 1856. 37.
*'' 1251, 1259 Minotto docnmenta ad fonim julii patriarchatum ecc. spec-
tantU (1870) 23, 26; 1264 UK. 2. 260; CDL; 1268, 1277, 1283 CDI.
^ D. 1. 289. Es fragt sich, ob diese Aufzeichnng identisch ist mit dem
von Minotto 53 unter dem Jahre 1303 erwähnten Instmmentum iurium
sive inrisdictionnm patriarche in tota Histria.
Verzeichniss
der auf den Karten vorkommenden Oertlichkeiten.
(In diesem Ortsverzeichnisse sind alle Orte ausgelassen,
deren Lage zweifelhaft ist.)
Riedmark.
Die im Rationarium Austriae bei Rauch Scr. 2 vorkom-
menden Orte sind mit R und der Seitenzahl in Rauch be-
zeichnet.
Appholter, AflFpholter R 46, 50, Abfoltern.
Agsthoven, Azehofen R 41, 1277 UOE. 3. 470, 1287 UOE.
4. 77, Aisthofen.
Agast, Aiste R 46; fluvius in silva Ritmarch 1142 UOE. 1.
132, Aist.
Agest, Aist R 35, 48, Alt- Aist.
Alberndorf R 47, Alberndorf.
Antiquum castrum R 48, Altenburg.
Aurspach, Ovrpach R 36, 50, Auerbach.
Awe, Owe R 35, 46, Au.
Panholz R 36, 49, Pannholz.
S. Petrus R 46, St. Peter.
Begeringin, Beigirin, 1115, 1125, UOE. 2. 150, 162, Bairing.
Pirche, Pircheh, Pyrcheh R 39, 45, 51, Pürach.
Poesenperge, Poysenperge R 36, 49, Besenberg.
Praminoede R 49, Promenöd.
Pregarten R 36, 42, 48, Prägarten.
Chavfleuten R 55, 56, Kaufleu tn er.
Chaetzlinstorf, Cethcisdorf R 46, 1171 UOE. 1. 130, Kelzen-
dorf.
Celle forum, Cell R 40, 52, 1287 UOE. 4. 77, Zell.
Chirchperch R 37, Kirchberg.
547
Zierknarn, Cirtanaran, Oberzirtnärn, 1125 UOE. 2. 162, 1343
UOE. 6. 447, 1368 UOE. 8. 373.
Chogelhof R 45, Kogelhof.
Chranwit, Chranwittech R 40, 56, Ea*anabithedt.
Chulm 1171 UOE. 1. 130 und 2. 346, Kulm.
Zvluzze R 50, Zuliessen.
Tal R 34, 41, Thal.
Tanpach R 32, Tanbach.
Tyerperch R 50, Thierberg.
Dorna, Domech R 34, 48, Domach.
Threbinicha 1115 UOE. 2. 150, Treffling.
Traegun, Tragaeum R 41, 1287 UOE. 4. 76, Tragwein.
Durrehoven, Duerrenhof R 32, 43, 44, Dlimhofer.
Eben R 32, Eben.
Eich, Aych R 38, 1171 UOE. 1. 130 und 2. 346, Aich.
Eizenberge R 32, Eibenberg. Dass das Eibenberg im Westen
des Haselgrabens hieher gehört, ergibt sich aus U. c. 1 220
UOE. 1. 481.
Elhenperge, Elhenperch R 38, 41, Elmberg.
Veltagst UOE. 1. 478, Feidaist.
Vierlinge R 36, 49, FirUng.
Flenitz, Vloenz fluvius, UOE. 1. 478, 1328 UOE. 5. 521,
Flenitz.
Franchenberch 1171 UOE. 1. 130 und 2. 346, Frankenberg.
Vreinstat 1362 UOE. 8. 76, Freistadt.
Gaizpach R 34, 43, Gaisbach.
Graben, Fossa, Vossen R 34, 47, 1362, 1366 UOE. 8. 76, 281,
Graben (bei Karlsberg, Pfarre Gallneukirchen, oder bei
Freistadt).
Grazpach major UOE. 1 477, Grasbach.
Gruob, Ghnieb, Gruebe, Grube (apud Pregarten) R 36, 38, 40,
42, 43, 47, 51, 54, Grub.
Grvenpach R 46, Grünbach.
Gvtenprunne R 48, Gutenbrunn. Stmadt A. 17 hält dies für
das Guten brunn östlich von Schenkenfeld, wogegen jedoch
der Umstand spricht, dass es im Rat. zwischen Lungitz
und Guttau aufgeflihrt wird.
Gutowe forum, Götawe R 36, 48, Guttau.
Qusen fluvius UOE. 1. 477, Gusen.
GvBin R 35, 36, Gusen.
548
Hagenperge R 48, Hagenberg.
Hai de, Haid R 49, 56, Oberhaid oder Haid an der Donau bei Aist.
Hasilpach aqua UOE. 1. 478, Haselbach; Haselbach cortile
1171 UOE. 1. 130 und 2. 346. S. Magdalena.
Helwigsöde UOE. 1. 478, Helmonsöd (dürfte auch das Huetdes-
mundes des R 32 sein).
Herlibschlag R 50, Herschlag (und nicht Liebenschlag bei
Schenkenfelden, wie Lampel, Einl. z. Fürstenbuch 40,
Note 1, meint).
Hirzpach, Hirspach R 46, 50, UOE. 1. 478, Hirschbach.
Hohenstein 1349 UOE. 7. 99, Hohenstein.
Hvngerperge R 35, Hungerberg.
Jowerniz, Jowemizze maior UOE. 1. 133 (1142), 478, Jauniz.
Lazperge, Lozberc R 43, 1171 UOE. 1. 130 und 2. 346,
Lassberg.
Lanpach R 46, Lambach (-Au).
Lancendorf R 40, Lanzendorf.
S. Leonhardus R 37, 46, 49, UOE. 1. 478, St. Leonhard.
Liechtenowe R 46, Liechtenau.
Liehtenstain R 46, 50, Lichtenstein.
Lom R 35, 36, vielleicht Luemer.
Lvfsteten, Luefstetten R 36, 48, Lunsstetten.
Lvgendorf R 37, 54, Lugendorf.
Lvngewitz, Lvnkewiz R 35, 45, 48, 54, Lungitz.
Marbach castrum R 47, Marbach.
Mezleinstorf R 47, Mazelsdorf.
Moderreut, Modrevt R 31, 44, 45, 49, Mareith.
Neunchirchen forum, Gallenneunchirichen UOE. 1. 478,
1356 UOE. 7. 436; 1366, 1373 UOE. 8. 281, 633, Gall-
neukirchen.
Keys tat R 32, Neustat.
Niwenmarkt, Novum forum R 36, 50, US. 1. 130, 1323 UOE.
5. 359, Neumarkt.
Nvzpavm R 49, 54, Nussbaum.
Obernaiche R 48, Ober-Aich.
Ottenslag, Ottenslage, Ottinslage R 46, 50, UOE. 1. 478,
1277 UOE. 3. 477, Ottenschlag.
S. Oswaldus UOE. 1. 478, St. Oswald.
Revt R 35, 40, 56, Reit. Es finden sich mehrere Orte dieses
Namens, eines östlich von Steiregg, an der Gusen u. a. m.
549
Strnadt A. 17 hält Reut ftir den alten Pfarrort Ried bei
Cirtanaran, was sehr unwahrscheinHch ist, wenngleich auch
dieser Pfarrort nach seiner Lage zur Riedmark gehört
hat. Allerdings wird 1332 UOE. 6. 78 die Stiftung eines
Seelgeräthes in der Pfarre Ried von Landrichtern im
Machlande besiegelt, dies erklärt sich aber vielleicht damit,
dass die Stiftung zu Gunsten des im Machlande gelegenen
Klosters Baumgartenberg erfolgte.
Heinpach R 46, Rainbach.
Reichenstain R 42, Reichenstein.
Rizendorf R 35, Rinzendorf.
Rotel fluvius UOE. 1. 477, Rodel.
Ruchmansöde R 40, Rauchenedt.
Spedendorf 1171 UOE. 1. 130 und 2. 346, Spattendorf.
Spilberch, SpinUberch R 46, 1297 UOE. 4. 263, Spielberg.
Sprinzenstain R 43. Es kann dies nicht das Sprinzenstein
an der kleinen Mühel, südUch von Rohrbach, sein, denn
nach keinen Kachrichten erstreckte sich die Rindmark so
weit gegen Westen. Nach dem Rationarium Austriae besass
ein gewisser Eberwinus Hüben an vier Orten, welche nach-
einander aufgeführt werden, in Lazperge, Wurmsperge,
Sprinzenstain und Duerrenhof. Der Dürrenhof ist noch
südlich von Lassberg gegen Guttau hin nachweisbar, und
80 werden wohl auch die beiden anderen Hüben Eber-
win's in der Nähe gelegen sein. Nach Lampel, Einl. z.
Fürstenb. 40, Note 1, findet sich auch in der That ein
Sprinzelsteiner Hof zwischen Lassberg und Guttau, der
übrigens auf der Generalstabskarte nicht vorkommt.
Scherchen velde R 46, Schenkenfelden.
Schermstorf R 35, Schramensdorf.
Schilt R 50, SchUd.
Schonowe, Schoeno forum R 41, Schönau.
Sebarn R 46, Sehern.
Seriestorf R 45, 47, Schallersdorf.
Stadlern R 35, Stadler.
Standorf, Stendorf, Stondorf, Strandorf R 34, 35, 41, 47,
Standorf.
Stella UOE. 1. 477, Sternberg.
Stoigei 1115 UOE. 2. 150, Steeg.
Straeze R 41, Strass.
550
Sumerowe R 46, Summerau.
Sunberch, Sonneberch R 46, 50, Sonnberg.
Swertperg 1287 UOE. 4. 76, Schwertberg.
Wagrein R 34, Wagrain.
Waldagst UOE. 1. 478, Waldaist.
Warperg R 35, 48, Wartberg.
Weberperge R 56, Weberberg.
Werganstorf R 33, 48, Weignersdorf.
Vvitrach 1171 UOE. 1. 130 und 2. 346, Weitrag.
Willihartisdorf 1115 UOE. 2. 150, WiUingdorf.
Winchel, Niederwinchel R 47, 1171 UOE. 1. 130 und 2. 346,
1373 UOE. 8. 633, Winkel.
Windekk 1287 UOE. 4. 76, Windeck.
Winden R 54, 55, 56, Winden.
Hachland.
Wo nichts Anderes angegeben, ergibt sich die Lage des
Ortes im Machlande aus der Besiegelung oder Zeugenfertigung
der Urkunde durch einen Landrichter im Machlande.
Altenpurg 1351 UOE. 7. 240, Altenburg. Im Rationarium
Austriae bei Rauch Scr. 2. 48 kommt ein antiquum castrum
in der Riedmark vor, daher auch, wie es scheint, Stmadt
A. 17 das Altenburg, welches zwischen Perg und Münz-
bach gelegen ist, für einen Ort der Riedmark hält. Das
antiquum castrum des rationarium muss jedoch eine an-
dere alte Burg gewesen sein, da die sämmthchen pag. 48
vorkommenden Orte viel nördlicher um Pregarten herum
gelegen sind und der hier erwähnte Pfarrort Altenburg
nach obiger Stelle sammt dem ganzen Pfarrbezirke im
Machlande gelegen war.
Alhartzberg 1360 UOE. 7. 731, Achatzberg.
Aw in Erwinger pfan- 1338, 1340 UOE. 6. 265, 320; 1349
UOE. 7. 105.
Pirichach 1337 UOE. 6. 229, Pierbach.
Plasenstain aput Machlant c. 1150 UOE. 1. 479, 1343 UOE.
6. 446, St. Thomas.
Pranstat 1356 UOE. 7. 443, Brandstatt.
Kirichstegen 1348 UOE. 7. 63, Kirchstetten.
Chlamme aput machlant c. 1150 UOE. 1. 479.
551
Kolwing, Kolbing, Cholwing 1339, 1345 UOE. 6. 300, 531;
1358 UOE. 7. 584, Kolbing.
Chreuzen, Kreutzen 1358 UOE. 7. 549; 1372, 1373 UOE. 8.
604, 654, Kreutzen.
Thoman 1356 UOE. 7. 454, St. Thomas.
Dunpech 1337 UOE. 6. 248, Dimbach.
Eben 1347 UOE. 7. 18, Ebner.
Eytznndorf 1347 UOE. 7, 37, Einzendorf.
Erwing 1338, 1349 UOE. 6. 265, 7. 151, Arbing.
Ganng 1356 UOE. 7. 443, Gang.
Gozzoltingen 1318 UOE. 5. 209, Gassolding.
St. Görgen 1347, 1348 UOE. 7. 18, 41, St. Georgen.
Herstorf 1357 UOE. 7. 512, Horstorf.
Hohnperg 1349 UOE. 7. 151, Hohenberg.
Imtzing, Ymzinge c. 1240 UOE. 3. 89, 1342 UOE. 6. 412,
1354 UOE. 7. 383, Inzing.
Innerveld, hof in dem ipachlant 1313 UOE. 5. 117, Innem-
fellner.
Mitterchirchen 1332 UOE. 6. 47; 1349, 1352, 1356, 1358
UOE. 7. 147, 155, 279, 443, 449.
Munspach, Münspeckh 1315 UOE. 5. 146; 1343 UOE. 6. 446;
1350, 1351 UOE. 7. 171, 225, Mtinzbach.
Kern, Nären 1333, 1340 UOE. 6. 101, 351, Naam.
Ried 1332 UOE. 6. 78.
Sachsen, Sagsn 1347, 1360 UOE. 7. 37, 731, Sachsen.
Sachssenn dorf, Sechssendorf 1313, 1318 UOE. 5. 102, 209,
Saxendorf.
Sirnicha quod situm est machlant UOE. 1. 164.
Stafflarn 1314, 1367 UOE. 5. 134, 8. 329, Staffling.
Walthausen 1371 UOE. 8. 507, Waldhausen.
Ostmark.
Abbadorf in marha et comitatu Heinrici marchionis, 1011
MB. 11. 141; Abstorf in marha comitatu Adalberti mar-
chionis, 1019 MB. 11. 143, Ober- Absdorf.
Abbatestetin in marca Liutbaldi marchionis, c. 987 UNOe.
1. 4, Abtstätten.
Alarun in marchia et in comitatu Adalberti marchionis, 1033,
1040 D. 31. 74, 77, OUem.
ArcbiT. Bd.LXXXU. IL H&lfte. 36
552
Ardacker in comitatu marchionis Adalberti, 1049 D. 31. 78,
Ardagger.
A spar an (ibi — praedium — in — potestatem orientalis mar-
chie redeat) D. 4. 60, Aspem.
Auerhiltesburchstal in comitatu Emestonis Osterich dicto,
1055 MB. 29, 1. 122, Auersthal.
Persnicha in marca Liutbaldi marchionis, c. 987 ÜNOe. 1. 4,
Perschling.
Pirchehe in marcha Osterriche et in comitatu Emestes mar-
chionis, 1058 Horm. A. f. Südd. 2. 235, Pira (nach Meiller
RB. 200).
Biesnicka, Pistnicha, fluvius in marchia Adalberti, 1020 MB.
6. 160, 1035 RB. 5 n. 8, Piesting.
Plintindorf; praedium ad — tradiderunt, in placito domini
L (iupoldi) marchionis hoc idem denuntiauit, D. 8. 91,
Blindorf.
Bobsouua in marchia Adalberti, 1035 RB. 5 n. 8, Wöpfing.
Boumgarden in comitatu Emasti marchionis, 1063 UOE. 2.
93; Povngartvn in pago Ostricha in marcha Ernvsti mar-
chionis, 1067 MB. 29, 1. 173, Baumgarten.
Bribesendorf in comitatu Adalberti comitis et marchionis,
1043 RB. 6 n. 10, Prinzersdorf (?).
Bulka fluvius in marchia boemia in comitatu Adelberonis, 1055
Horm. W. 1. 5, Pulka.
Zaia, flumen in marcha et in comitatu Sigefridi marchionis,
1045 CDM. 1. 119; Zaiove in comitatu Sigefridi marchio-
nis, 1045 MB. 11. 152, Zaia.
Zeizenmure in marca Liutbaldi marchionis, c. 987 UNOe. 1. 4,
Zeiselmauer.
Chotiwalt Silva, coram marchione L. — tradidit, D. 8. 21,
in suum ins marchio (Liupoldus) traxisset, D. 8, 41,
Wald bei Kottes (nach Friess Kuenringer 12 die heutige
Kottinger Haide).
Comagenusmonsin marca Liutbaldi marchionis, c. 987 UNOe.
1. 4, Wienerwald.
Crebezbach in comitatu Heinrici marchionis, 1011 MB. 6. 158,
Kroisbach bei Strengberg.
Chrellindorf in comitatu marchionis Adalberti, 1034 D. 31.
76, Kröllendorf.
553
Cremisa, Chremasa, in marcha et in comitatu Heinrici comitis^
995 D. 31. 48; in comitatu Heinrici marchionis^ 1014 MB.
28, 1. 449, Krems.
Chrubet in comitatu Ernasti marchionis, 1063 UOE. 2. 93,
Böhmisch-Krut.
Zachaha in comitatu marchionis Adalberti, 1034 D. 31. 76,
Zauchbach.
Zadamaresfelt in eadem marha (es war früher die Rede von
einem praediolum — in confinio nostrae proprietatis orien-
talis urbis que dicitur Cremisa) et in comitatu Heinrici
comitis, 995 D. 31. 48, Ulmerfeld, s. auch Vmaruelt.
Trebinse in marca Liutbaldi marchionis, c. 987 UNOe. 1. 4,
Triebensee.
Treisima civitas S. Ypoliti, sub Purchardo marchione und in
marca Liutbaldi marchionis, c. 987 UNOe. 1. 4, St. Polten.
Triesnicka, Tristnicha fluvius in marchia Adalberti, 1020
MB. 6. 160, 1035 RB. 5 n. 8, Triesting.
Taina in comitatu Heinrici marchionis, 1014 MB. 28, 1. 449, Tulln.
Enisiwalt in comitatu Heinrici marchionis, 1011 MB. 6. 158;
Enseuualda in comitatu Adelberti marchionis, 1049
Juv. 234.
Fiscaha, Phiscaha fluvius, in marcha Sigefridi marchionis 1045
CDM. 1. 118; in comitatu Sigifridi marchionis 1045 MB.
29, 1. 81; in pago Osterrich in comitatu — 1051 MB.
29, 1. 104.
üogitisawa, Tradition coram marchione L., D. 8. 21, Vogtsau.
Frigendorf in comitatu Liutpaldi marchionis, 1078 MB. 31, 1.
361, Freundorf.
Frumahana in comitatu Adalberti marchionis, 1025 CDM. 1.
110, Pframa.
Gowacisbrunnun in comitatu Ernasti marchionis, 1063 UOE.
2. 93, Köttlasbrunn.
Qravenberch in comitatu marchionis Adelberti, 1051 Horm.
W. 1. 3, Grafenberg.
Hart Silva in marchia Adalberti comitis, 1021 D. 31, 62, Mann-
hartsberg.
Hecimannesuisa in marchia et in comitatu marchionis Ernusti,
1057 Link Ann. Zwettl. 1. 49, Kuenring nach Friess
Kuenringer 6, und nicht Hetzmannsdorf, wie Meiller R. B.
200 meint.
86*
554
Herzogenbarch in comitata Heinriei marchionis^ 1014 MB.
28, 1. 449, Herzogenborg.
Holnstain, marichfuter — que de prediis Frisingensis ecciesie
in — nobis — debebat, 1276 D. 31. 333, ebenso 1317
D. 36. 83, Holenstein.
Ibisa fluvius in comitatu marchionis Adalberti, 1034 D. 31.
76, Ybbs.
Ispera fluvius in comitatu Heinriei marchionis, 998 MB. 28,
1. 271, Isper.
Litaha fluvius in marcha Sigefridi marchionis, 1045 CDM. 1.
118; in comitatu Sigifridi marchionis, 1045 MB. 29, 1. 81;
in pago Osterriche in comitatu — 1051 MB 29, 1. 104;
Leitha.
Liliunhova iuxta TuUonam in marca Liutbaldi marchionis,
c. 987 UNOe. 1. 4.
Liupna in comitatu Heinriei, 1002 MB. 6. 157, Loiben (zwischen
Stein und Dlirrenstein nach Meiller RB. 193).
Mandeswerede in marchia Osterriche et in comitatu Emestes
marchionis, 1058 IINOe. 1. 5, Mannswerd.
S. Michaelis in marca Liutbaldi marchionis, c. 987, UNOe.
1. 4, St. Michael.
Maraha fluvius in marcha Sigefridi marchionis, 1045 CDM. 1.
118; in pago Ostricha in marcha Ernvsti marchionis, 1067
MB. 29, 1. 173, March.
Mutarun in marca Liutbaldi marchionis, c. 987 UNOe. 1. 4,
Mautem.
Movriberg in marcha boemia in comitatu Adelberonis, 1055
Horm. W. 1. 5, Mailberg.
Ad Murun in comitatu marchionis Adalberti, 1034 D. 31. 75,
Mauer.
Niuuanhova in marcha et in comitatu Heinriei comitis filii
Liutpaldi marchionis, 996 D. 31. 51, Neuhofen.
Nochilinga in comitatu Heinriei marchionis, 998 MB. 28, L
271, NöchUng.
Orta in marchia Adalberti comitis^ 1021 D. 31. 62, Ort
Ortvvinesdorf in marcha Osterriche et in comitatu Emestes
marchionis, 1058 Horm. A. f. Süddeutschi. 2. 235, Roth-
weinsdorf.
556
Risinperch in comitatu Sigifridi marchionis, 1045 MB. 29, 1.
81, Reisenberg.
Rogacs Silva in marcha suimet (des Markgrafen Ernst) seilicet
Osterriche, 1074 Horm. Beitr. z. Tirol 2. 387, in pago
Osterriche in comitatu ipsius (Liupoldi marchionis) D. 4.
188, Raabser Wald.
Rosseza in marca Liutbaldi marchionis, c. 987 lINOe. 1. 4,
Rossatz.
Rudnicha in comitatu marchionis Adalberti, 1034 D. 31. 76,
Reidling.
Sabinichi, fluvius in comitatu Heinrici marchionis, 998 MB.
28, 1. 271; in comitatu Adalberti marchionis, 1049 UOE.
2. 85, Sarming.
Sahsonaganc in marchia Adalberti comitis, 1021 D. 31. 62,
Sachsengang.
Sigehartteschiriha in comitatu Adalberti marchionis in pago
Ostericha, 1051 MB. 29, 1. 106, Sighartskirchen.
Smidaha in marha et comitatu Adalberti marchionis, 1029
MB. 11. 142, Schmida.
Stillefrida in marcha et in comitatu Sigefridi marchionis, 1045
CDM. 1. 119, Stillfried.
Stovtpharrich in pago Ostricha in marcha Ernvsti marchionis.
1067 MB. 29, 1. 173, Stupfernut.
Vmaruelt, marchfuter — que de prediis Frisingensis ecclesie
in — nobis debebat, 1276 D. 31. 333, Ulmerfeld, s. auch
Zudamaresfeld.
Urula fluvius in comitatu marchionis Adalberi, 1034 D. 31.
75, Url.
Wagreine in marha et comitatu Adelberti marchionis, 1019
MB. 11. 142, der Wagrein.
Waidhoven, marichfuter — que de prediis Frisingensis eccle-
sie in — nobis debebat, 1276 D. 31. 333, ebenso 1317
D. 36. 83, Waidhofen a. d. Ybbs.
Valchenstein in marcha suimet (des Markgrafen Ernst) seili-
cet Osterriche, 1074 Horm. Beitr. 387; in pago Oster-
riche in comitatu ipsius (Liupoldi) D. 4. 188, Wolken-
stein.
Vuachowa in comitatu Burchardi marchionis, 972 MB. 28, 1.
193, Wachau.
656
Steiermark.
Adelgersdorf in marchia, 1161 US. 1. 432, Algerßdorf.
Arberdorf in marchia, 1171 US. 1. 502, Albersdorf.
Padebrunne in marchia, c. 1183, 1185, 1187 US. 1. 593, 614,
627, 663, Badenbrunn.
Baierdorf in marchia, 1147 US. 1. 278, Baiersdorf.
Belochowe in marchia, 1196 D. 39. 101, Welachau.
Pesniza, Pezniz in marchia transsilvana c. 1145 US. 1. 238;
in marchia 1196 D. 39. 101, Pesnitz.
Pilstain in marchia Ungarie, 1186 US. 1. 650, Peilenstein.
Boratsowe in marchia pitouiensi, c. 1130 US. 1. 143, Wö-
ritschau.
Brunne in marchia, c. 1145 US. 1. 244, Brunndorf.
Cheinahc in marchia, c. 1070 US. 1. 80, Kainach.
C amini tz in marchia transiluana, c. 1145 US. 1. 238, Gamniz,
c. 1100, Kamniz 1185, Gemniz 1196 in marchia, US. 1.
104, 626, D. 39. 101, Garns.
Celniz in marchia pitoviensi, c. 1130 US. 1. 143, Zelnitz.
Circuniz wie Celniz.
Ziub civitas in comitatu Marchuuardi marchionis, 970 US. 1.
30, bei Leibnitz, s. auch Lipnizza.
Zotle, Zotel in comitatu Willihelmi 1016, in comitatu Sounae
1028, in marchia 1130, US. 1. 45, 54, 137, Sottla.
Chulesdorf in marchia, 1179 US. 1. 569, Kaisdorf.
Culmen in marchia, 1196 D. 39. 101, Kumen.
Chodinie fluens in comitatu Souna et in eiusdem (Willihelmi)
marchiae locis 1025, in marchia 1028, 1130, US. 1. 52,
54, 137, Köttnig.
Copriuniza, ebenso wie Chodinie, Kopreinitz.
Chrottendorff (vel Bealsdorff) in marchia, 1210 US. 2. 162,
Krottendorf.
Diepoldisperge in marchia, 1185 US. 1. 627, Diepoldsberg.
Dobrenga in marchia pitouiensi, c. 1130 US. 1. 143, Dobreng.
Doberich, Dobrich mons in comitatu Rachvuini comitis 980,
in marchia 1130, US. 1. 35, 137.
Tubilink in marchia, c. 1100 US. 1. 104, Täubling.
Eppendorf in marchia, 1160 US. 1. 388, Ettendorf.
Eicha in marchia, 1217 US. 2. 218, 219, Aich.
Vokhir in marchia, 1185 US. 1. 626, Wochera.
557
Fresniz mons^ ebenso wie Doberich, Wresen.
Wstriz in marchia, 1147 US 1. 278, Feistritz.
Qestnic in comitatu Hengest marchionis Gotifredi, 1042 US.
1. 60, Gösting.
Gyrio in marchia, 1174 US. 1. 530, Geiraeh.
Gomilnitz in marchia transalpina, c. 1145 US. 1. 238, Gamlitz.
Gotelinsperge in marchia, 1185 US. 1. 627, Götzeisberg.
Gurka flumen, so wie Chodinie, Gurk.
Hainrichsdorf in marchia, 1171 US. 1. 502, Heinersdorf.
Hempsach in marchia, 1144 US. 1. 232, Haimschah.
Hizzendorf in marchia, 1185 US. 1. 627, Hizzendorf.
Holern in marchia, 1196 D. 39. 101, Hollern.
Lazlawisdorf in marchia, c. 1145 US. 1. 249, Lasseldorf.
Ladeisdorf in marchia, 1185 US. 1. 627, Ladersdorf.
Laven z in marchia, 1184 US. 1. 603, Lafnitz.
Legindorf in marchia, c. 1100 US. 1. 104, Lendorf.
Lipnizza, Libeniz, in comitatu Marchuuardi marchionis 970,
in marchia 1144 US. 1. 29, 233, Leibnitz.
Livtoldasdorf in comitatu Gotefridi marchionis, 1045 US. 1.
63, Leitersdorf.
Lonch in marchia, c. 1145 US. 1. 244, Lang.
Losnica, Lonsinice, Losniz in comitatu Gotefridi marchionis
1045, in marchionis Otacheres marchia Carintiua 1059, in
marchia 1185, US. 1. 63, 75, 626, Lasnitz.
Lubgast in marchia, 1173 US. 1. 522, Ligist.
Mocrinowe, Mukkernowe in marchia c. 1140, 1161 US. 1.
196, 425, Mukkenau.
Muldorf in marchia, 1184 US. 1. 603, Mühldorf
Muora fluvius in marchia, 1147 US. 1. 278, Mur.
Niringe, Nerina, wie Zotlo, Neiring.
Noblitwitz in marchia pitouiensi, c. 1130 US. 1. 143, Blitzwitz.
Oguanie fluens, so wie Chodinie, Wogleina.
Odelisnitz in marchia et comitatu Otacharii marchionis 1056,
Olsinize in marchia 1185, US. 1. 71, 627, Oisniz.
Raba in marchia, 1073, 1179 US. 1. 84, 565.
Rabniz in marchia, 1185 US. 1. 627, Rabnitz.
Razwei in comitatu Rachuuini cömitis 985, in marchia
1100, in marcha pitouiensi c. 1130, US. 1. 39, 103, 143,
Rosswein.
Radeck in marchia, c. 1150 US. 1. 324, Radoch.
558
Rassendorf in marchia, c. 1145, 1163 US. 1. 243, 447,
Ratzendorf.
Redimlac heremuni in marchia trans siluam, 1091 US. 1. 100,
St. Lorenzen in der Wüste.
Roas in marchia, 1130 UK. 1. 137, Rohitsch.
Rotinstein — fontem iuxta — , quo marcha et comitatos ad
Liubana terminatur, 1066 US. 1. 78, Rötheistein.
Rogor in marchia, c. 1145 US. 1. 244, Rogeis.
Ruoste, Roiste in marchia trans siluam 1091 US. 1. 100, in
marchia 1196 D. 39. 101, Maria Rast.
Scirmdorf in marchia, 1124 US. 1. 126, Schirmdorf.
Svarzaha — Guzbretdesdorf et deorsum Svarzaha — in marcha
Karentana et in comitatu Otacheres marchionis 1058 US.
1. 74, Swarza in marchia iuxta Libeniz 1144 US. 1. 233.
Ob unter dem Flusse Schwarza in der Urk. 1058 die
Schwarza bei St. Georgen a. d. Stiefing, wie Zahn US.
1. 905 meint, oder die Schwarzau im Gebiete von Putten,
N.-Oe., wie Andere denken, zu verstehen ist, bleibt fraglich.
Stauwenz rivus in marchia, 1160 US. 1. 388, Stainz.
Steniz mons, so wie Doberich, Stenitz.
Heremum Ordinis Cartusiensis in marchia, 1207 US. 2. 134,
Seitz.
Strazkanch in marchia, c. 1145 US. 1. 249, Strassgang.
Stubenik in marchia, 1147 US. 1. 278, Stübing.
Soune fluens, so wie Zotle, Sann.
Souuue, Sowe fluens, so wie Zotle, Save.
Sülze in marchia, 1185 US. 1. 627, Suk.
Svsil, Svsel nemus in comitatu Marchuuardi marchionis 970,
in comitatu Gotefridi 1045 US. 1. 30, 63, Sausal.
Vduleniduor theotisce Nidrinhof in comitatu Marchuuardi
marchionis, 970 US. 1. 30, Udeldorf.
Werde in marchia, 1147 US. 1. 278, Wörth.
Erafn.
Bizi et flumen Bizi in marcha Kreina et in comitatu Odelrici
marchionis, 1058 Schumi A. 1. 6, Peischat (Pesata), östlich
von Laibach, nach Schumi A. 1. 7, Huber Mitth. d. Instit.
f. österr. Geschichtsforsch. 6. 391, und Meli Kraiu 29.
569
Bitsa rivus, in pago Creine in marcha^ ad eundem pagiim
pertinente, in comitatu Vodalrici marchionis, 1062 UK. 1.
51, Bijcepotok.
Zelsah in comitatu Poponis comitis — Carniola — Creina-
marcha, 973 UK. 1. 11, Selzach.
Circheniza in marchia Creina in comitatu Eberardi marchionis,
1040 UK. 1. 34, Zirknitz.
Zoura in comitatu Poponis comitis — Carniola — Creina
marcha, 973 UK. 1. 11; in comitatu Vualtilonis, 1002
UK. 1. 22, Zeyer.
Zouriza in comitatu Poponis comitis — Carniola — -Creina
marcha, 973 UK. 1. 11, kleine Zeyer.
Dobelgogesdorf in marcha Kreina et in comitatu Odelrici
marchionis, 1058 Schumi A. 1. 6, Diepoldsdorf.
Ueldes in comitatu Ualtilonis 1004, in comitatu Odalrici 1011,
in marchia Creina in comitatu Eberhardi marchionis 1040,
UK. 1. 23, 24, 35, Veldes.
Vistriza fluvius in marchia Creina in comitatu Eberhardi mar-
chionis, 1040 UK. 1. 35, Feistriz.
Gurca superior rivus in marcha — Creina — in comitatu Vodal-
rici marchionis, 1062 UK. l. 51, Gurk.
Herzogenbach in marcha Kreina et in comitatu Odelrici mar-
chionis, 1058 Schumi A. 1. 6, Ponovbreg nach Schumi
A. 1. 7 und Huber, Mitth. d. Inst. 6. 391.
Lipnack in marcha Kreina et in comitatu Odelrici marchionis,
1058 Schumi A. 1. 6, Lipnik.
Libniza fluvius in comitatu Vualtilonis, 1002 UK. 1. 22,
Leibnitz.
Lonca in comitatu Poponis comitis — Carniola — Creina
marcha, 973 UK. 1. 11, Bischoflaak.
Lonsa in marcha — Creina — in comitatu Vodalrici mar-
chionis, 1062 UK. 1. 51, Gross- oder Klein-Lack südlich
von Weixelburg und nicht Laze, wie Schumi UK. 1. 187
zweifelnd annimmt, da letzteres mit den übrigen Angaben
der benachbarten Orte (superior rivus Gurka und Bitsa)
nicht stimmt.
L üb nie mons in comitatu Poponis comitis — Carniola — Creina
marcha, 973 UK. 1. 11, Lubinek.
Otales mons in marchia Odalrici marchionis, 1063 UK. 1. 52,
Otalesch.
560
Sabniza rivulus in comitatu Poponis comitis — Carniola —
Creina marcha^ 973 UK. 1. 11, Safiiiz.
Strasista in comitatu Vualtilonis comitis, 1002 UK. l. 22,
Strasize.
Sabus in comitatu Vualtilonis 1002, Sovva maior et minor in
comitatu Odalrici 1011, Suowa in marchia Creina in comi-
tatu Eberhardi marchionis 1040, UK. 1. 22, 24, 36, Save.
Susan e in comitatu Poponis — Carniola — Creina marcha,
973 UK. 1. 11, Zauchen.
Istrien.
Adignano facimus gastaldionem — salvo jure marchionatus
Istrie, 1331 CDL, Dignano.
Albena, Albona. Patriarch ist marchio totius Istriae, in Albena
ponit gastaldionem suum, c. 1300 D. 1. 293; de marchio-
natu Istrie Rub. 945, Albona.
S. Andrea, resedisset Hueribent Histriensium comes — ad
Trajectum S. Andree iuxta mare, 991 CDL, S. Andrea.
Bangul in comitatu Odalrici marchionis, 1064 UK. 1. 54;
Baniol castrum in comitatu Istriensi, 1102 UK. 1. 74;
so wie Albena D. 1. 293; Bagnoli.
Parencium, so wie Albena D. 1. 294, Parenzo.
S. Petrus, in marcha Odalrici marchionis, 1067 UK. 1. 56, in
comitatu Istriensi 1102 UK. 1. 74; dann so wie Albena
D. 1. 293, S. Peter.
Petrealbe in comitatu Istriensi, 1102 UK. 1. 74, Piera bianca.
BellegraduB in comitatu Istriensi, 1102 UK. 1. 74, Bellegrado.
Penna in comitatu Hystriensi, 1012 UK. 1. 25, Pedena.
Bergont, so wie Albena D. 1. 293.
Puviendi in comitatu Odalrici marchionis 1064 UK. 1. 54,
Pinquent castrum in comitatu Istriensi 1102 UK. 1. 74,
Pinquetto, so wie Albena D. 1. 294; Pinventum de mar-
chionatu Istrie, 1366 Rub. 945; de Pinguento — nolebant
mihi de juribus marchionatus aliqualiter respondere, 1393
CDI., Pinguente.
Pirani, im Gerichte des Histriensium comes sind anwesend
scavini de Castro Pirani, 991 CDI.; Pyrian in marcha
Histrie in comitatu marchionis Odalrici 1062 UK. 1. 50;
der Patriarch als marchio totius Istriae — in Pirano ponit
561
gastaldionem sunm, qui cognoscit de omnibus questionibus
et punit omnes malefactoreS; c. 1300 D. 1. 290, Pirano.
Pisino in comitaiu Hystriensi, 1012 UK. 1. 26, Pisino.
Pola und Polesana, der Patriarch als marchio totias Istriae
hat daselbst omnem jorisdictionem, c. 1300 D. 1. 292,
Pola.
Portule, 80 wie in Albena D. 1. 291, Portulis de marchionatu
Istriae, 1366 Rub. 945, Portole.
Ballis, so wie in Albena D. 1. 291; Buglis de marchionatu
Istriae 1366 Rub. 94d, Buje.
Calisedum in comitatu Istriensi, 1102 UK. 1. 74, Calesana.
Castan, wie Calisedum, Castagna.
Castrum Veneris, wie Calisedum, dann c. 1300: der Patriarch
als marchio totius Istriae — habet castrum Veneris cum
toto territorio, D. 1. 291, Castel Venere.
Cernogradus in comitatu Istriensi, 1102 UK. 1. 74; Ceme-
glado, wie Albena D. 1. 294, Cemigrad.
Ciyitas nova, im Gerichte des Histriensium comes ist an-
wesend ein scavinus civitatis nove, 991 CDI., Cittanova.
Cisterne in comitatu Istriensi, 1102 UK. 1. 74, Sterna.
Cholm castrum in comitatu Istriensi, 1102 UK. 1. 74; Culmo,
wie Albena D. 1. 294; Colinum de marchionatu Istriae
1366 Rub. 945; de Coline — nolebant mihi de juribus
marchionatus aliqualiter respondere, 1393 CDI., Colmo.
Gabi da in marcha Odalrici marchionis, 1067 UK. 1. 56,
Covedo.
Tergeste, so wie civitas nova, Triest.
Truscvlo in marcha Odalrici marchionis, 1067 UK. 1. 56,
Trusche.
Druuine in comitatu Istriensi, 1102 UK. 1. 74, Tribano.
Duo Castra, wie Albena D. 1. 292; de marchionatu Istriae
1366 Rub. 945, Due Castelli.
Flanona, wie Albena D. 1. 293; de marchionatu Istriae 1366
Rub. 945.
Vrane castrum in comitatu Istriensi, 1102 UK. 1. 74, Vragna.
Grimaldo, so wie Albena D. 1. 294.
Insula in comitatu Istriensi, 1041 CDI., Isola.
Justinopolis, im Gerichte des Histriensium comes erscheinen
scavini civitatis Justinopolis, 991 CDI.; dann c. 1300 wie
Pirano D. 1. 290.
562
S. Laurentius, so wie Albena D. 1. 292.
Letai castrum in comitata Istriensi, 1102 UE. 1. 74, Letano
wie Albena D. 1. 293.
Lemo in comitatu Istriensi, 1102 UK. 1. 74, Lemo.
Lovnca in marchia Odalrici marchionis, 1067 UK. 1. 56,
Lonche.
Malezana, wie Albena D. 1. 293.
Ad S. Martinum Rus in comitatu Odalrici marchionis, 1064
UK. 1. 54; S. Martini castrum in comitatu Istriensi 1102
UK. 1. 74; Villa S. Martini c. 1300, wie Albena D. 1. 293;
St. Martin.
Mimilliani in comitatu Istriensi, 1102 UK. 1. 74, Momiano.
Montona, Mrie Albena D. 1. 292, Montone.
Mugla, der Patriarch als marchio totius Istriae in Mugla ponit
gastaldionem qui cognoscit — et est terra Mugle camera
d'. patriarche, c. 1300 D. 1. 290; Muglia de marchionatu
Istriae 1366 Rub. 945.
Ozpe in marchia Odalrici marchionis, 1067 UK. 1. 56, Ospo.
Razari in marcha Odalrici marchionis, 1067 UK. 1. 56, Rosariol.
Ronz in comitatu Istriensi, 1102 UK. 1. 73; Roz, wie Albena
D. 1. 293, Rozzo.
Rana, Rubinium, in comitatu Odalrici marchionis 1064 UK. 1.
54; c. 1300 wie Albena D. 1. 292, Rovigno.
S. Sirgo, wie Albena D. 1. 293, Sergo.
Strengi in marchia Hystriensi Wuodalrici marchionis, 1066
UK. 1. 55, Stregna.
Umego castrum in comitatu Istriensi, 1102 UK. 1. 74, Umago.
Berichtigungen.
Auf Taf. IV ist Gurke mit == zu unterstreichen.
Auf Taf. V ist Sabniz mit :== au unterstreichen.
Auf Taf. VI statt Porencii lies Parencii.
Hasenohbl. Dentschla
Taf. I.
Kasenoiirl. Deutschlands südöstl. Marken im 10., 11. u. 12. Jahrh.
Taf. II.
lüacliland.
SwiH».**
Mafsstab 1:300.000
5
L.
0
5
-L.
10
IS
20 km
A.^^\.tm. #ll_ a— A^>...I^V:^.V> /»*^.Ll.t.A. V ^w«r*« «k- „ s VT •*••».
Hasenöhrl. Deutschlands Bfldöstl. Marken im 10., 11. u. 12. Jabrh. Taf. I
Ostmark.
Mafsstab 1:1,200.000
Hasenohbl. Deutschlands südöstl. Marken im 10., 11. u. 12. Jahrh.
Taf.
Steiermark.
"marchiw
convttettuM
'iruxrekia 9t comUeUtts
I Zppenateiner
II Xcunhajcker
m ü-uungauer
* WUhdttv
r m^tmnHcJpmjo.
f ^lipitotderufis
P irutrtxnssüxninit
Taf. V.
Kjain Ms 1100.
afsstab 1:600.000
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30 SSkffI
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Hasbnöhrl. Deutschlands südöstl. Marken im 10., 11. ii. 12. Jahrh.
Taf. VJ
Istrien.
O vviruxrMjdy
• th^ ccrnzttUu/
Mafsstab 1:600.000
0
10
IS
20
25
30
35 km
Archiv für dsterreichiocho Geochichte. LXXXII. Band ir
H&lfftA
STUDIEN
ÜBER DIE
COßßESPONDENZ DER GENERALE
GALLA8, ALDßINGEN UiND PICCOLOMINI
IM FEBRUAR 1634.
VON
D"^ ALFONS HUBER,
WIRKUCHBM lOTOLIEDE DER KAIS. AKADEMIE DEE WISSEMSCHAPTElf.
im k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien be-
findet sich ein Manuscript (Nr. 377) mit dem Titel: , Wahr-
hafte Relation, wie der endleibte Herzog von Friedland under
dem praetext gesuechter Winterquartieren vor die kaiserlichen
soltadesca sich des hohen erzstifts Salzburg impatroniren wollen,
so ihm aber durch die sonderbare Schickung Gottes misslungen,
und dardurch seine vorgehabte grausambe rebellion vomemblich
an den tag komben. Deswegen dan auch die gerechte straf
Gottes über ihne und seine vomembste redelsftlhrer ergangen,
so alles auf das kürzest hierinnen erzehlet und mit vielen
kaiserl. Curbair.- Friedland- Gallas- Aldringen- Piccolominischen
und anderen annoch vorhandenen Schriften erweiset und pro-
birt würd/ Der Verfasser dieser Relation ist des Generals Aldrin-
gen Bruder Paul, Titularbischof von TripoKs, der sie mit einem
Schreiben vom 26. December 1639 dem Erzbischofe von Salz-
burg tiberreichte. Das WerthvoUste in derselben sind die 81 Bei-
lagen, welche leider nur aus nicht immer fehlerlosen Abschriften
bestehen. Sie bilden ihrem Inhalte nach zwei wesentlich ver-
schiedene Gruppen. Die erste betrifft die Bemühungen, dem
Corps AJdringen's, welcher sich nach dem Entsätze Breisachs
am Ende des Jahres 1633 nach Baiem und endlich über den
Inn zxuückziehen musste, Winterquartiere im Salzburgischen zu
verschaffen, was bekanntlich am Widerspruche des Erzbischofs
scheiterte. Hieran schliesst sich ein Briefwechsel der Generale
Gkdlas, Aldringen und Piccolomini, welcher sich auf die Kata-
strophe Wallenstein's bezieht und, weil er die Stinmiungen und
das Vorgehen der genannten Generale beleuchtet, von grösster
Wichtigkeit flir die Geschichte ist.
Schon Hurt er ^ hat dieselben, allerdings in sehr ungenü-
gender Weise und ohne nähere Bezeichnung seiner Quelle,
^ Wallenstein s leUte Lebensjahre, S. 378 ff.
566
benützt. Dann hat Ha 11 wich, der verdiente Herausgeber der
Briefe und Acten über ,WaUen8tein's Ende', in einem am 1. Juni
1879 in der Wanderversammlung des Vereines für Geschichte
der Deutschen in Böhmen gehaltenen Vortrage ,üeber Wallen-
stein's Verrath' einige Stellen daraus mitgetheilt.^ Endlich hat
Irmer in seiner so werthvollen Publication ,Die Verhandlungen
Schwedens und seiner Verbündeten mit Wallenstein und dem
Kaiser von 1631 bis 1634' (3, 130 — 317)* die wichtigeren Briefe
aus der Zeit vom 14. Jänner bis zum 3. März zu den betreffen-
den Tagen meist vollständig abdrucken lassen und auch in der
Einleitung, S. XLVH ff., mit der Besonnenheit, welche seine
Darstellung überhaupt auszeichnet, verwerthet. Doch scheint
mir die Anordnung der meist undatirten Briefe Aldringen's und
Piccolomini's nicht immer richtig zu sein und Irmer auch darin
geirrt zu haben, dass er annimmt, Aldringen habe Anfangs Fe-
bruar 1634 im tiefsten Incognito eine Reise nach Wien unter-
nommen, und er habe den Befehl, Wallenstein todt oder lebendig
einzuliefern, von dort zurückgebracht, worin ihm dann auch
Wittich in seiner verdienstvollen Studie über , Wallenstein 's
Katastrophe^* gefolgt ist. Bei der grossen Wichtigkeit, welche
die Versuche des Kaisers und der üntergenerale Wallenstein's,
den GeneraUssimus auf irgend eine Weise unschädlich zumachen,
für die Geschichte dieser Periode des dreissigjährigen Krieges
haben, dürfte eine eingehendere Prüfung der Datirung der er-
wähnten Briefe wohl gerechtfertigt erscheinen, was nur durch
eine genaue Angabe des Inhaltes möglich ist.
Da muss nun vor Allem constatirt werden, dass die Bei-
lagen zu der Relation des Bischofs von TripoUs nicht chrono-
logisch geordnet sind, wie denn die Briefe des Generallieute-
nants Gallas fast alle den anderen vorausgehen, ja dass durch
ein Versehen beim Einbinden Briefe durch Blätter, die einen
andern enthalten, unterbrochen sind. Es ist daher nicht za
tadeln, dass sich Irmer bei der Einreihung der Actenstücke nicht
ausschliesslich durch die Handschrift, sondern durch sachliche
Gesichtspunkte bestimmen Uess, obwohl sich mir ergeben hat,
* Mittheilangen des Vereines, 18, 11 f.
• Publicationen aus den königl. preussischen Staatsarchiven, XL VI. Bd.,
Leipzig 1891.
', Historische ZeitschriftS 73, 224.
567
dass die Aufeinanderfolge der Schreiben Aldringen's und Pic-
colomini's in der Handschrift richtiger ist als in der Ausgabe
Inneres.
Sehen wir auf den Inhalt der Briefe, die ,einen streng
vertraulichen Charakter tragen', so ergibt sich aus denselben
mit Sicherheit, dass trotz des am 12. Jänner unterzeichneten
Reverses von Pilsen und der damit verbundenen Vorgänge bis
zum Ende dieses Monats von einem Verrath Wallenstein's in
ihnen nicht die Rede ist.
Gallas spricht in einem Briefe, den er noch von Gross-
Glogau aus an Aldringen schrieb, nur von den Schwierigkeiten,
in welchen man sich in Schlesien ,in Folge des unbegreiflichen
Verdrusses Wallenstein's über den Hof' befinde.^ Aber auch
als er am 24. Jänner, einem Rufe Wallenstein's folgend, nach
Pilsen gekommen war, weiss er nichts Anderes zu melden, als
dass er Se. Hoheit wohlauf gefunden habe, und dass dieser
dem Feinde nicht traue.* Am l. Februar schreibt Gallas
an Aldringen, dass Wallenstein ihm gesagt habe, er wünsche
nur eine Entschädigung ftir das Herzogthum Mecklenburg,
Sicherheit für sich und sie alle, dass ihm nicht statt einer Be-
lohnung eine Beschimpfung (qualche afironto) zu Theil werde,
und Befriedigung der Armee.*
Man könnte annehmen, dass Gallas aus Furcht, seine
Briefe aus Pilsen könnten in die Hände Wallenstein's oder
seiner Anhänger fallen, mit seinen wahren Ansichten zurück-
gehalten habe. Aber Piccolomini und Aldringen, von denen
Ersterer an den Kaiser, Letzterer an den spanischen Botschafter
in Wien über die Vorgänge in Pilsen (am 11. und 12. Jänner)
Bericht erstattet,* und welche dieselben offenbar in bedenk-
lichem Lichte haben erscheinen lassen, denken in dieser Zeit
noch an keinen Verrath Wallenstein's, wie ihre Briefe zeigen,
^ Qui ne troviamo in grandisimi travagli per li desgusti inresonevoli, che
sna Altezza k della Corte. Irmer 3, 164, zum 23. Jänner, was unmög-
lich ist, da Gallas nach Schreiben Trczka's vom 26. »gestemS also am
24. nach Pilsen kam. Ebendas., S. 166 f.
•Irmer 3, 166.
•Irmer 3, 193.
* Aldringen sagt dies selbst (Irmer 3, 205), von Piccolomini meldet es
der venetianiBche Gesandte in Wien am 4. und 26. Februar. ,Archiv für
österr. Geschichte' 2S, 417 f., 424.
ArehiT. Bd. LXXXH. II. Hilft«. 37
568
in denen sie sich ganz offen aussprechen. Piccolomini erklärt
in den Briefen, welche er vom 26. bis zum 30. Jänner an
Aldringen und Gallas schrieb,^ unumwunden, dass er mit dem
Verhalten Wallenstein's, mit der militärischen Unthätigkeit, mit
der Wiederankntipfung der Friedensverhandlungen mit Sachsen
und Brandenburg nicht einverstanden sei. jUnsere Armeen
schwinden zusammen/ schreibt er au Aldringen, ,die Feinde
werden die Gunst der Zeit benützen, am Hofe denkt man an
keine Vorsorge.' ,Ich habe nur die Furcht, dass der Herzog
sich (von den Feinden) betrogen sehen und das Haus Oester-
reich von seiner Höhe herabgestürzt werden wird.' Der Feind,
äussert er sich am 30. Jänner gegen Oallas, wird einen Platz
nach dem andern in Schwaben und Amberg in der Oberpfalz
nehmen und sich dann mit allen Kräften gegen Böhmen wen-
den können; Wallenstein werde sich getäuscht sehen, weil
die Feinde, wenn seine Armeen nicht ebenso stark sind wie
die ihrigen, ihm Gesetze vorschreiben oder ihn wieder wie
früher mit leeren Worten abspeisen werden. Aber er hofft, dass
die Ankunft des Generallieutenants Gallas in Pilsen, wohin auch
er auf Wunsch Walleustein's gehen will, Abhilfe bringen werde.
,Mit meiner eigenen guten Absicht,' schreibt er am 26. Jänner an
Aldringen, ,und mit der Klugheit des Herrn Gallas hoffe ich den
Herzog zu jenen Entschlüssen zu überreden, welche zu seinem
Ruhme und zum Dienste Sr. Majestät gereichen werden, und
wenn Se. Hoheit vom Hofe ftir seine Stellung (stabilimento)
Sicherheit erhält, so weiss ich nicht, w^as er mehr verlangen
könnte, ohne sich in Labyrinthe zu stürzen, aus denen
er keinen Ausweg finden könnte.' Auch in einem Briefe an
Gallas selbst, vom 27. Jänner, drückt Piccolomini seine Freude
aus, dass dieser in Pilsen sei und durch sein Ansehen und seine
Klugheit viele Dinge in das rechte Geleise und den Herzog
von Fricdland dahin gebracht habe, sich seiner Meinung zu-
zuwenden. Er sei nicht überzeugt gewesen, dass der Herzog
bei Gallas' Ankunft gut gesinnt gewesen sei, und wenn er
jetzt dem Feinde nicht vollständig traue, so handle er nur
nach seiner gewöhnlichen Klugheit, welche nicht dulde, sich
Urmer 3, 172, 1S6— 190. Der Brief Piccolominrs Tom 27. Jänner bei
Hof 1er, Beiträg^e zur Katastrophe des Hersogs von Friedland. .Oesterr.
Revue', 1867, 1, 86 f.
569
zweimal von demselben berücken zu lassen. Gallas solle in
Pilsen bleiben, bis er dorthin zurückgekehrt sei. Wenn der
Herzog und Gallas ihn wollen, sei er bereit, dahin zu fliegen,
um zu erfahren, was man verhandle, und wenn der Herzog
sich nach dem Rathe des Gallas benehme, so wollten sie ihn
gross machen, oder den Feind schlagen und zu -Tractaten
zwingen, wenn der Herzog wolle.
Piccolomini ist also von einem gewissen Misstrauen gegen
Wallenstein erftiJlt und billigt namentlich seine Unterhandlun-
gen mit Sachsen nicht, weil er überzeugt war, dass er nur
betrogen werden würde. Aber an einen ofi^enen Verrath glaubte
er sicher noch nicht. ^
Auf einmal tritt nun aber eine auffallende Aenderung im
Tone der Briefe dieser Generale ein.
Die Ursache lag vielleicht in neuen Nachrichten, welche
aus Pilsen eingetroffen sein konnten imd die ihnen bedenklich
vorkommen mochten, vielleicht aber auch in den Mittheilungen
und Weisungen, welche sie von Wien erhalten hatten.
In Folge der Nachrichten, welche der Kaiser aus Pilsen
erhalten, wo Wallenstein am 12. Jänner seine versammelten
^ Es kann daher nnr auf leeren Gerüchten bemhen, wenn der päpstliche
Nuntius in Wien, Kocci, am 24. Februar 1634 berichtet, dass Wallen-
stein schon vor zwei Monaten diesem General einen Theil seiner Pläne
zu enthüllen begonnen habe, die darin gipfelten, sich mit den Feinden
gegen den Kaiser zu verbinden, sich zum Könige von Böhmen zu
machen und das Haus Gestenreich der Kaiserwürde und seiner erb-
lichen Besitzungen zu berauben, von denen er einen Theil Frankreich,
Schlesien dem Kurfürsten von Sachsen zukommen lassen wollte, dass er
gehofft habe, hiezu rasch die Zustimmung der italienischen Fürsten zu
gewinnen, wenn er den Spaniern Mailand und Neapel entrisse und einen
Theil des Mailändischen mit dem K^nigstitel dem Herzoge von Savoyen,
den andern Theil dem Herzoge von Parma, weiter dem Grossherzoge
von Toscana einen Theil ^es genuesischen Gebietes und dem Papste
Neapel gäbe, dass Piccolomini, als er gesehen, dass die Ausführung dieses
Planes im Werke sei, beim General Gallas, zu dem er, um ihn zu ge-
winnen (Anfangs Jänner), nach Schlesien geschickt worden, im entgegen-
gesetzten Sinne gewirkt, dass er Aldringen durch Altieri, den Kaiser
aber brieflich von diesem Verrath in Kenntniss gesetzt und als bestes
Mittel dagegen die Ermordung Wallenstein^s empfohlen und der Kaiser
ihm dies erlaubt habe, wenn es ohne Gefahr für sein eigenes Leben ge-
schehen könne. (Mitgetheilt von Gindely in der ,Allg. Zeitung* 1882»
April 13, Nr. 103, Beilage.)
37*
570
Obersten und Generale einen Revers hatte unterschreiben lassen,
der sie fest an ihn ketten sollte, und wo zum Zwecke der
Verhandlungen mit Sachsen imd Brandenburg der General-
lieutenant Arnim erwartet wurde und der Herzog Franz Albrecht
von Sachsen -Lauenburg noch früher eintraf, wie in Folge der
vom spanischen Botschafter Onate erhobenen Anklagen gegen
Wallenstein wurde vom Kaiser am 24. Jänner die Erlassung
eines Patentes beschlossen, durch welches er wegen der Noth-
wendigkeit, mit dem General-Obristen-Feldhat^tmann eine Ver-
änderung vorzunehmen, die Officiere und Soldaten ihrer Pflichten
gegen ihn enthob und vorläufig an den General lieutenant Gallas
wies und wegen der Vorgänge in Pilsen allen Theilnehmem
Amnestie versprach, nur Wallenstein und ,zwei andere Personen
(Ilow und Trczka) ausgenommen, die sich zu diesem Werk als
Rädelsfllhrer vor andern gebrauchen lassend
Doch wollte man zunächst nur jene Generale, auf die
man sich unbedingt verlassen konnte, Gallas, Aldringen und
Piccolomini, in das Geheimniss einweihen. Wahrscheinlich am
letzten Jänner ^ wurde der Generalkricgscommissär Walmerode an
Piccolomini und Aldringen abgesendet, während derselbe nicht
wagte, sich zu Gallas nach Pilsen zu begeben.
Ueber die Aufträge, welche Walmerode ihnen überbrachte,
haben wir leider keine unmittelbaren Nachrichten. Doch meldet
der gut unterrichtete spanische Botschafter, dass die getreuen
Häupter den geheimen Befehl erhalten haben. Wallenstein und
einige wenige Personen, seine intimsten Vertrauten, gefangen
nehmen zu lassen, um ihn zu verhören und ihm wegen der
gegen ihn erhobenen Anklagen den Process zu machen.* Fürst
Eggenberg theilte dem bairischen Gesandten Eichel mit, der
Kaiser habe denen, ,die es exequiren sollen', den Befehl ge-
geben, ,sicher und dextre zu gehen, damit sie sich selbst und Ihre
Maj. sambt dem gemeinen Wesen nit zumal präcipitiren, da
man nit fUr ratsamb befunden, das werk gestrack a violenti
anzufangen, und weil etliche imder der armada rein, etliche
nit, dieselbe offenlich von einanderen zu trennen und in ein
^ Am 81. Jänner schrieb der Bischof von Wien dem General Aldringen,
Walmerode werde ihn vom Stande der Dinge in Kenntniss setzen.
Harter, a. a. O., S. 376. Früher wird Walmerode nicht abgereist sein.
3 Ranke, Gesch. Wallenstein's (3. Au6.), S. 369.
571
raptur zu bringen, sintemal hieraus den feinden, so in der nahe
und nichts mehrers begehren, grosser vorthel, ihrer Maj. aber . . .
unwiderbringlicher schaden zuewachsen würde. Den bevelch,
zu exequiren, haben ihre Maj. gegeben, aber darneben nit vor-
schreiben konden, wann und wie man's exequiren soll, sonder dies
müessen die verordnete executores erst ex re nata schliessen und
sich darnach richten, ob es ohne erweckung grösserer gefahren
violenter, oder in andere weg sicherer kond exequirt werden.'^
Spätestens am 3. Februar muss Walmerode bei Piccolo-
mini in Linz eingetroffen sein, weil er bereits am 4. bei Al-
dringen im Passau war.^
Doch ist es möglich, dass der Brief, den Piccolomini am
3. Februar an Aldringen richtete, * noch vor Walmerode's An-
kunft abgefasst worden ist, da nichts darin mit Bestimmtheit
auf Weisungen vom Hofe hindeutet. Piccolomini schreibt, dass
ihm der Oberst Diodati mit Zustimmung des Gallas einen chiffrir-
ten Brief geschickt habe, den der ihm sendet, dass man sich aber
sehr in Acht nehmen müsse, damit der (Wallenstein) den Qallas
und ihn (me) nicht täusche. Er werde sich nach dessen (des
Gallas) • Nachrichten richten und auch wenn er glaube, dass
es ihn das Leben koste, nach Pilsen gehen und den Entschluss
fassen, der nothwendig sei. Um Trczka im Vertrauen zu er-
halten, habe er ihm geschrieben, dass er auf das Verhalten
Aldringen's sein Augenmerk richten werde, ^ weswegen dieser
in einem etwaigen Briefe nach Pilsen sich stellen möge, dass
er mit ihm unzufrieden sei. Auch der Hof soll die Sache
geheim betreiben. (Wallenstein) leugne dem Gallas gegenüber,
was Aldringen demselben gesagt; er wolle aber Frieden machen
Urmer 3, 242 f.
' Aldringen's Schreiben an Wallenstein, bei Hall wich, 2, 211 ff.
' In der Handschrift, fol. 222. Irmer 3, 200. Was hier als Postscriptum 1
folgt, ist in der Handschrift, fol. 223, nicht als solches bezeichnet und
steht auf einem eigenen Blatt, wie dann auch, fol. 224, das als Post-
scriptum bezeichnete StUck, das Irmer als Postscriptum 2 mitgetheilt hat.
Im ,Directoriam der BeilagenS welches in der Handschrift der geschicht-
lichen Relation beigegeben ist, sind sie als des Piccolomini ,drey under-
schiedliche Handbrieflein, so dessen Redlichkeit testificiren*, bezeich-
net. Ich glaube nach dem Inhalte die zwei letzten Stücke später setzen
^ zu sollen.
* Dies war ihm am 1. Februar von Trczka befohlen worden, der ihm zugleich
die Ankunft des Herzogs Franz Albrecht gemeldet hatte. IrnTer 3, 191.
572
und sich des Heeres versichern, und dann werde man sehen.
Qallas werde bis zur Ankunft Amim's in Pilsen bleiben, weil
dieser nach der Behauptung Trczka's nur mit ihm unterhandeln
wolle, was aber wohl eine Finte sei. Sie zeigen auch grosse
Anerbietungen von Seite Frankreichs.
Wohl noch am nämlichen Tage wurde ein Brief Piccolo-
mini's an Aldringen geschrieben, welcher sich in der Hand-
schrift an die ,drei Handbrieflein' anschliesst. ^ ,Von Herrn
Walmerode habe ich den Willen (la mente) des Kaisers ver-
nommen. Ich bin bereit. Alles auszuführen, aber wie ich früher
gemeldet,* muss mich GaDas, ehe ich abreise, benachrichtigen,
wie ich mich verhalten soll, weil es ihm, der jetzt dort ist, zu-
kommt, nach seiner Meinung die Sachen anzuordnen . . . Wenn
Gallas mich nicht benachrichtigt, ist es ein Zeichen, dass die
Dinge nicht so gefährlich stehen, wie der Mensch (rhuomo)
glaubt. Für die Vollstreckung (esecutione) muss man uns andern
Häuptern den Tag mittheilen . . . Ich bestärke mich in der io
einem andern Briefe* geäusserten Meinung, dass man Arnim und
Franz Albert, wenn sie dort sein werden, gefangen nehmen
oder tödten soll . . . Wenn Gallas mich benachrichtigt, um diese
Sache auszuführen, ist es sehr nothwendig, dass wir uns be-
sprechen, um darüber Anordnungen zu treffen.'
In der Handschrift folgt unmittelbar darauf die Antwort
Aldringen's,^ die spätestens am 4. Februar geschrieben sein
wird. Er meldet, dass er dessen Brief durch Walmerode er-
halten, diesem Alles mitgetheilt, was sie vereinbart, und ihn
gebeten habe, dass man am Hofe für Geld sorge und die treuen
Diener des Kaisers unterstütze. Er sei ganz bestürzt, weil er
vor mehr als vierzehn Tagen dem spanischen Botschafter mit-
getheilt, was in Pilsen geschehen, und noch keine Antwort er-
halten habe, während doch nach seiner Ansicht keine Stunde
zu verlieren sei. Er dankt ihm für den chiffrirten Brief und
lobt seine Rathschläge, glaubt aber, dass vor Allem Gallas und
CoUoredo unterrichtet werden sollten, damit ein gemeinsames
Vorgehen möglich sei. Er werde, wenn es ihm befohlen wird und
Gallas ihn dazu anweist, nach Pilsen zu gehen, weil Wallenstein
»Fol. 226. Irmer 3, 204.
' Der betreffende Brief ist bisher leider nicht bekannt geworden.
» Fol. 227. Irmer 3, 205.
573
keine entschlossenen Leute bei sich hat. Wenn sie dann sehen^
dass dieser sich nicht in den gebührenden Schranken halten
wolle,* so werden GaUas und er alle jene Schlechtgesinnten und
deren Haupt beim Kopfe nehmen, da er 500 Reiter vier Stunden
von Pilsen einquartirt habe und Diodati mit seinem Regimente
ebenfalls dort sei, so dass sie zur Ausführung eines Entschlusses
stark genug seien. Er sei auch der Meinung, dass man Franz
Albert und Arnim, wenn sie nach Pilsen kämen und man sähe,
dass sie die Absicht hätten, sich mit Wallenstein zu verbinden,
auf dem Wege in Stücke hauen lassen solle, eine Ansicht, die
er auch gegen Walmerode geäussert, damit er sie dem Hofe
oder dem Fürsten Eggenberg oder einem entschlossenen Minister
niittheile. Er hoflfe auch, dass G alias und er den (Wallen-
stein) umzustimmen vermöchten, und dass diesen das Gewissen
drücken würde.
Hier könnte man vielleicht den von Inner 3, 201 als Post-
scriptum 1 abgedruckten Brief Piccolomini^s (fol. 223) einreihen,
worin er Aldringen mittheilt, dass man mit einer allgemeinen
Rebellion gegen den Kaiser umgehe und der GeneraUssimus
auf jede Weise sich mit dem Feinde zu verständigen suche,
worin er weiter sagt, dass er mit vielen Anderen für den Kaiser
und die Religion sterben wolle, und den Wunsch nach einer
Unterredung mit jenem ausspricht. Denn Piccolomini bemerkt
hier, dass Gallas und Colloredo von Allem unterrichtet seien,
was Aldringen in seiner Antwort auf Piccolomini's Schreiben
vom 3. Februar als vor Allem nothwendig bezeichnet hatte.
In einer Nachschrift, worin er die Absendung eines eingehen-
den Berichtes über die Lage und die in Pilsen gepflogenen
Verhandlungen erwähnt, ersucht er um die Bezeichnung einer
verlässlichen Person ftlr die Correspondenz, wenn sie sich nicht
so bald sehen könnten.
Für eines der nächsten Stücke möchte ich den Brief
Aldringen's halten, welchen Irmer 3, 209 als Postscriptum 1 zu
einem vom 5. Februar datirten mitgetheilt hat, der aber in der
Handschrift (fol. 230) nicht als solches bezeichnet ist und auch
auf einem eigenen Blatte steht. Er sei, schreibt er, in grösster
Verlegenheit und möchte für den grossen Dienst, welchen er
dem Hause Oesterreich zu leisten hoffe, nicht mit Undankbar-
^ Se yedessimo, che S. A. non vogli stare su termini.
574
keit belohnt werden. Er habe auf verschiedene Berichte an
Gallas und Colloredo nur einen Brief von Gallas erhalten^ und
auch der Hof schicke ihm keine Nachrichten.
Was Inner als Postscriptum 2 bezeichnet, kann ein selbst-
ständiges Schreiben sein, wie es auch in der Handschrift ein eige-
nes Blatt (fol. 231) bildet, dürfte aber zeitlich mit dem Voraus-
gehenden zusammenfallen. Aldringen meldet, dass Franz Albert
(am 1. Februar) in Pilsen angekommen sei, wie auch ein Mann
aus Frankreich, bemerkt weiter, dass er vom Hofe noch keine
Antwort erhalten habe und daher die Entschliessimg desselben
nicht kenne, dass er neuerdings einen Boten um Weisungen
absende, dass er gehört habe, Eggenberg oder andere Minister
soUten nach Pilsen gehen, und dass er vor Allem die Absen-
dung von Geld verlange.
Der Brief Piccolomini's, den Inner, S. 206 f , aus fol. 232,
abdruckt,^ ist oflFenbar die Antwort auf dieses Schreiben, nicht,
wie jener meint, auf das S. 205 mitgetheilte. Piccolomini drückt
sein Bedauern aus, dass, während Franz Albert mit einer Per-
sönlichkeit in Pilsen sei, Aldringen noch keine Antwort und
keine Entscheidung vom Hofe erhalten habe. Jede Verzögerung
sei gefkhrlich, und Aldringen habe recht gcthan, neuerdings an
den Hof zu senden. Wenn auch Eggenberg oder ein anderer
Minister nach Pilsen gehe, so werde dies zu nichts dienen als
den (Wallenstein) einzuschläfern. Vor Allem sei nothwendig,
sich mit Geld' zu versehen und sich des (Wallenstein) und
seiner Anhänger zu bemächtigen, was aber nur durch das An-
sehen des . . . (chiffrirter Name) oder des Gallas geschehen
könne. Man dürfe aber keine Zeit verlieren.*
Endlich trafen aus Wien die ersehnten Weisungen ein.
Das leider ebenfalls undatirte und am Anfange unvollständige
Actenstück (fol. 245) hat Irmer 3, 215 f mitgetheilt. Er habe.
* Uebrigens mit dem willkürlichen Datum ,Febr. 5, Krumau*, während in
der Handschrift das Datum fehlt.
' Statt dovero ist natürlich danaro zu lesen. Die Handschrift hat dauero.
' In der Handschrift folg^ nun zunächst, fol. 233, der Brief des Gallas Yom
2. Februar (Irmer 3, 193), dann fol. 236 ein ausnahmsweise datirtes
(di Lintz li 4. Febraro 1634), aber inhaltlich bedeutungsloses Schreiben
Piccolomini's an Aldringen, dem er meldet, dass eben Spinaci gekommen
sei und einen Brief Wallenstein^s an denselben und des Gallas an ihn
gebracht habe.
575
meldet der Schreiber, dem spanischen Botschafter lebhaft er-
widert, was der Adressat (,V. E/) ihm aufgetragen, und nach-
dem sie von 9 bis l Uhr die Sache erörtert, habe derselbe sich
die wichtigsten Punkte notirt, um sie dem Kaiser mitzutheilen.
Die Absendung eines Minister könne nicht stattfinden, weil
dies, da Se. Hoheit (Wallenstein) es nicht verlangt, nur dessen
Verdacht erregen und keinen sichtlichen Vortheil bringen würde.
Denn für die Zeit vor dem ,Falle' (caso) und bei der Ausfüh-
rung desselben sei das Patent für Gallas sehr umfassend (am-
plissima) und für Alles, was geschehen kann, ausreichend, nach
dem Falle werde gleich N. (chiffiirter Name) kommen, die
Armee befriedigen und das weiter Noth wendige thun. Man
möge aber bedenken, dass, wenn auch die Sache bis jetzt ge-
heim sei, jeder Tag die Gefahr der Entdeckung bringen könne,
weil Viele davon wissen und der (Wallenstein) sehr hochstehende
Spione (grandissime spie) habe. Der spanische Botschafter rathe
d^er, die Execution sobald als möglich vorzunehmen, weil davon
der Dienst des Kaisers und des Hauses Oesterreich und das
Leben des Adressaten abhänge und der Kaiser sich auf den
(Wallenstein) nie mehr verlassen könne. Geld könne man jetzt
nicht schicken, weil dies nur den Verdacht Sr. Hoheit erregen,
das Leben des Gallas und Anderer in Gefahr bringen und jenen
veranlassen würde, sich den Feinden in die Arme zu werfen.
Aber das Geld werde bereit sein, wie der Kaiser und der Bot-
schafter versichern, abgesehen davon, dass die Confiscation der
Güter des (Wallenstein) und Trczka die Mittel zur Befriedigung
der Armee und zur Belohnung der Getreuen liefern werde; man
möge nur die Execution schnell vornehmen, weil jedes Uebel,
das daraus folgen könne, geringer sei als der Ruin, der jeden
Tag eintreten könne, wenn man diesen Menschen länger am
Leben lasse. Den Antrag, Arnim und Franz Albert in Stücke
hauen zu lassen, wolle der Kaiser nicht gutheissen. Das sei
das Wesentliche, was er neulich erfahren habe. Als er gestern
Abends die Resolution holen gegangen und am Orte der Zu-
sammenkunft gewesen sei, habe ihm der Botschafter durch
seinen Secretär sagen lassen, dass er nichts wisse, und dass
sie ihn (mi) ohne eine bestimmte Antwort nicht fortschicken
könnten, dass diese aber längstens in zwei oder drei Tagen er-
folgen würde. Er halte sich also Incognito vor dem Thore (alla
porta) auf und werde die Depesche erwarten, die sie ihm geben
576
werden, um dem Adressaten Nachricht und an Gallas die Re-
solution zu bringen.
Irmer nimmt an,* dass dieser Bericht von Aldringen an
Piccolomini gerichtet und am 6. oder 7. Februar geschrieben
sei, dass also Aldringen selbst eine geheime Reise nach Wien
unternommen habe, um durch Onate vom Kaiser bestimmte
Befehle einzuholen, und dass er mit dem Botschafter vor den
Thoren Wiens (alla porta) eine geheime Unterredung gehabt
habe. Dass diese Hypothese, der auch Wittich gefolgt ist,*
sich nicht halten lasse, unterliegt keinem Zweifel.
Schon der Ton des Schreibens zeigt, dass dasselbe nicht
an einen Gleichgestellten, sondern an einem Höherstehenden ge-
richtet sei.' Das Itinerar Aldringen's lässt eine Heise desselben
nach Wien um diese Zeit geradezu als unmöglich erscheinen.
Wir haben von ihm Briefe aus Passau vom 28. und 30. Jänner
imd von 3., 4. und 5. Februar.* Am Morgen des 7. oder des
8. Februar brach er nach Böhmen auf und ist bereits am
9. in Krumau.^ Zwischen dem 30. Jänner und dem 3. Februar
ist er sicher nicht in Wien gewesen, weil er vor der Ankunft
Walmerode's keinen Anlass dazu hatte. Für eine Reise von
Passau nach Wien und wieder zui'ück zwischen dem 5. und
dem Morgen des 8. Februar reichte die Zeit nicht aus. Denn
der Schreiber des früher mitgetheilten Berichtes ist ja nicht
nach Wien gekommen, um etwa mit Onate vor dem Stadtthore
eine kurze Unterredung zu pflegen, und dann wieder rasch
zurückgereist, sondern er hat mit ihm länger verhandelt, schon
» 3, LI f.
> Historische Zeitschrift, 73, 224 ff.
' S. z. B. den Anfang : Ho replicato vivamente all* ambasciatore di Spa^«
qaello che V. £. mi command6.
* Irmer, 3, 186. Hall wich, 2, 201, 208, 210 f., 216, 449. Oesterr. Revue,
a. a. O., S. 87, 98.
'Schreiben an den Kaiser bei Hallwich, 2, 458. Nach dem Berichte
Richers aus Wien vom 15. Februar sind Aldringen und Piccolomini, der
eine aus Passau, der andere aus Linz am 7. Februar ,in der Nacht
morgens früh* nach Pilsen abgereist, und zwar Piccolomini um 2, Al-
dringen um 4 Uhr (Aretin, Wallenstein. Urkunden, S. 18). Aber Picco-
lomini schreibt noch am 7. von Linz aus an Aldringen und Gallas und
meldete diesem seine Absicht, am 8. nach Pilsen abzureisen. Irmer,
3, 218; Oesterr. Revue, S. 88. Wahrscheinlich erfolgte also auch die
Abreise Aldringen's am Morgen des 8. Februar.
577
am Tage vor der Al^fassung des Schreibens eine Antwort von
ihm erhalten und musste dann noch auf eine definitive Entschei-
dung waften. Wir wissen übrigens aus den früher angeführten
Briefen Aldringen's an Piccolomini, dass er sehnsüchtig Wei-
sungen von Wien erwartete, und dass er einen eigenen Boten
dorthin abgeschickt hatte.^ Dieser ist offenbar der Schreiber
des Briefes und nicht an Piccolomini; sondern an Aldringen ist
er gerichtet.
Bald kam denn auch der Bote zurück und brachte die
ersehnten Weisungen, wie Aldringen an Piccolomini mittheilt.
,Die Person (schreibt er diesem*) ist aus Wien zurückgekehrt
und bringt vom Grafen Onate die EntSchliessung des Kaisers,
sich des (Wallenstein) durch Verhaftung oder Tod zu ver-
sichern.*' Da aber, fUhrt er fort, die Ausführung schwer sei,
wenn nicht der Hof zur Gewinnung des missvergnügten Heeres
Vorsorge treflfe, so sende er von Neuem nach Wien, um noch
genauer darzuthun, dass die Sache nicht übereilt werden könne,
dass der Hof sich verstellen, für Geld sorgen imd unter dem
Scheine, den Friedensunterhandlungen mehr Ansehen zu geben,
einen beherzten Minister nach Pilsen schicken solle, um die
Conventikel zu stören, welche nach der Ankunft Arnim's statt-
finden sollen. Wenn man dann (dort) einen Beschluss zum
Nachtheile des Kaisers fasse, so bleibe, da man ohne Gallas und
ihn (me) nichts machen könne, noch Zeit, das zu thun, was
nothw^endig sei, um sich vor den Gefahren zu schützen, die
man dem Kaiser bereite. Dieselbe Person werde dann zu Gallas
gehen und ihm von Allem Nachricht geben. Da er sehe, dass
man am Hofe die schnelle Ausführung wünsche, aber lau in
der HerbeischaflFung der nothwendigen Mittel sei, so werde er
ihnen in entschiedenen Worten sagen, sie möchten sich wohl
in Acht nehmen, damit sie nicht, um ein Feuer auszulöschen,
ein ebenso gefährliches entzünden.
Auch der Inhalt dieses Schreibens spricht dafür, dass die
Ansicht, Aldringen selbst sei in Wien gewesen und habe die
Weisung, Wallenstein gefangen oder todt einzubringen, mit-
* Vgl. auch die Mittheilung seines Bruders Paul bei Irmer 3, 214, N. 1.
»Fol. 237, Irmer 3, 216.
• i tomata la persona da Vienna e porta dal Conte d'Ognate la risolutione
deir Imperatore d'assicurarsi del (Wallenstein) per prigionar o per morte.
578
gebracht, unhaltbar sei. Aldringen hätte doch gewiss nicht sich
als ,die Person' bezeichnet, wie er denn von sich immer in der
ersten Person spricht. Auch die Annahme Hallwich's, dass
Piccolomini den Brief geschrieben, und dass Walmerode ,die
Person' sei,^ lässt sich nicht halten.
Das ,Directörium' macht es auch wahrscheinlich, dass
dieses Stück ebenfalls am Anfange unvollständig ist, indem es
den Inhalt desselben mit folgenden Worten wiedergibt: , Aldrin-
gen bericht dem Piccolomini, das er bey Ankhunft des Herrn
Walmerod's durch einen aignen nacher Hoff berichtet, weillen
er zwar die kay. Resolution wieder den Friedtländer aber khein
Geld mitbracht, und das er nebent diesen auch soUicitire, damit
man einen vomemben kay. Ministrum von Hoff auß nacher
Pilsen schickhe, die Conventicula und Tractaten zu verhindern/
Wenn es weiter heisst: , Aldringen communicirt dem Piccolo-
mini, was ihme der Herr Oniate auf seine vnderschiedHchen
nacher Wien durch einen aignen tiberschickhte puncta geant-
wortet,' so deutet dies darauf hin, dass der früher mitgetheilte
Bericht seines Boten über die Unterredungen mit dem spani-
schen Botschafter die Beilage zu einem Schreiben Aldringen's
an Piccolomini gebildet hat, das der Verfasser der ,Relation^
nicht unter die Beilagen aufgenommen hat.
Der Brief, welchen Piccolomini auf diese Mittheilungen
und die Bitte Aldringen's, ihm seine Ansicht hierüber bekannt-
zugeben, an diesen gerichtet hat, liegt uns vor* und schliesst
sich in der Handschrift (fol. 238) unmittelbar an das Schreiben
Aldringen's an. Piccolomini dankt diesem für die Mittheilung
der vom Hofe erhaltenen Resolution wie eines von Gallas er-
haltenen Briefes, billigt seine dem Hofe gemachten Vorstellun-
gen, ftlrchtet aber doch Nachtheil von einer Verschiebung der
Execution, weil ,die Person' (Wallenstein) Nachricht erhalten und
seine Pläne ausführen könnte. Gallas und Aldringen sollen daher
wohl überlegen, was besser sei: die Ausführung zu verschieben
oder sich ,der Person' und seiner Anhänger zu versichern.
Unzweifelhaft später fallen die Briefe Aldringen's und
Piccolomini's, welche Irmer unmittelbar vor den zuletzt skizzir-
ten eingereiht hat.
* Ueber WallenBtein's Verrath a. a. O., S. 12.
'Irmer 3, 217.
579
Aldringen schreibt,^ Piccolomini werde mit einem andern
Briefe die ihm vom Hofe zugekommene Resolution erhalten
haben. Er könne ihr aber nicht nachkommen, ehe er Nach-
richten von Gallas bekomme, nach dessen Befehlen er sich
richten müsse. £r glaube, dass man keine Zeit verlieren solle,
weil Qallas ihm Nachi'icht gegeben hätte, wenn von der Be-
schleunigung Gefahr drohte. Aber wenn der Hof diese Armeen
nicht mit Geld versehe, könne nach der Execution ein noch
grösserer Scandal entstehen. Er werde thun, was der Dienst
des Kaisei's erfordere, und den Verlust des Lebens nicht in An-
schlag bringen. Er hoflfe übrigens, dass Gallas den (Wallen-
stein) von seinen bösen Gedanken abgebracht habe und, wenn
die Verhandlungen mit den Feinden abgebrochen sein würden,
durch Verstellung sich weiter helfen und einen entsprechenden
Elntschluss fassen werde. Er fürchte, dass der Hof nicht rasch
verfahre und etwas dem (Wallenstein) zu Ohren komme. Er
rathe dem Gallas neuerdings, im Falle eines ungünstigen Standes
der Dinge die Hände auf Franz Albrecht und Arnim legen
zu lassen. Die Missbilligung dieses Vorhabens durch den
Kaiser vermochte also den General nicht von demselben abzu-
bringen.
Der in der Handschrift^ folgende Brief Piccolomini's an
Aldringen erscheint nicht als eine Antwort auf den voraus-
gehenden und mag sich mit diesem gekreuzt haben. Er räth
ihm, unter einem passenden Vorwande in Passau zu bleiben,
um sich dieses Platzes zu versichern und sein Volk mit den
Spaniern (den in Baiern liegenden Resten des Corps Feria's)
und den Baiern zu vereinigen und, wenn er (Piccolomini) ab-
reise, um die Gefangennehmung oder Ermordung des (Wallen-
stein) auszuführen,^ nach Linz zu kommen und die unter seinem
Commando stehenden Regimenter in Gehorsam zu erhalten. Aus
»Fol. 240, Irmer 3, 211.
'Fol. 241, Irmer 3, 212.
' Per eseguire o la prigionia o la morte del. Dieser Ausdruck beweist
wohl, dass die durch Onate übermittelte Weisung des Kaisers bereits
eingetroffen war. Es spricht aber auch gegen die Richtigkeit der An-
gabe in der Depesche des päpstlichen Legaten Rocci (vgl. oben S. 569,
N. 1), dass Piccolomini die Gefangensetzung Wallenstein^s gar nicht ge-
wollt, sondern sammt Altleri mit dem festen Entschlüsse, Wallenstein zu
ermorden, nach Pilsen gereist sei.
580
Pilsen habe er nichts Neues, was er flir ein Zeichen halte, dass
die Dinge sich zum Bessern wenden, weil Qallas ihm sonst
Nachricht gegeben haben würde.
Aldringen antwortet^ dem General Piccolomini, das Schrei-
ben, welches er diesen Morgen erhalten, gehe von der Ansicht
aus, dass die Dinge gut gehen, weil er von Gallas keine Nach-
richt habe. Aber heute Mittags sei ein Edelmann, den dieser
ihm geschickt, gekommen und habe ihm mündlich berichtet,
dass Gallas den Generalissimus zur Aenderung seiner Gedanken
zu bewegen gesucht, aber dadurch dessen Misstrauen in einer
Weise erregt habe, dass er kaum noch mit ihm rede, umso-
weniger mit ihm eine Sache bespreche. Gallas sei in solcher
Gefahr, dass nur eine schnelle und gut geleitete Execution
helfen könne. Wenn Piccolomini Ordre habe, möge er mit der
Ausführung nicht zögern; denn wenn Gallas verloren, sei Ab-
hilfe schwer. In seiner Hand liege es, durch Schnelligkeit und
ei«en guten Entschluss Alle zu retten oder durch Zögern sie
dem Untergange preiszugeben, wobei er sich auf sein gestriges
Billet beruft. Wenn er von Linz abreise, möge er die Obersten
anweisen, sich nach seinen Befehlen zu richten.
In der Handschrift folgt ein Schreiben Piccolomini's,* das
eine Erwiderung auf das Vorhergehende, aber auch vor dem
Eintreffen desselben abgesendet sein kann. Er schickt ihm einen
aus Wien erhaltenen Brief, aus dem er Alles erfahren werde.
Er sei zur Ausführung bereit, wünschte aber, dass Aldringen
heimlich zu ihm komme, damit sie über die Sicherung dieses
Platzes, Wiens und der hier liegenden Regimenter sich ver-
ständigen könnten, worauf er in Gottes Namen nach Pilsen ab-
reisen werde.
An dieses Schreiben Piccolomini's schliesst sich zeitlich
ein weiteres desselben Generals, worin er Aldringen einen Brief
des Generallieutenants Gallas mittheilt, der räth, die Sache nicht
zu überstürzen.^
» Fol. 242, Irmer 3, 213.
«Fol. 244, Irmer 3, 214.
' Da Irmer diesen Brief weggelassen hat, theile ich ihn ans der Hand-
Schrift (fol. 247), mit den zum Yerständniss nothwendigen Interpuncdonen,
mit: ,Mando qni inclnso, quanto mi viene dal signore Gallasso e redo,
che questo negotio non bisogna precipitarlo, e senza che il raedesimo
non m'avvisi, non posso mettermi fare cosa alcuna. — Was in der Band-
581
Auf diese beiden Briefe Piccolomini's erfolgte die Ant-
wort schon am 5. Februar.^ Gestern Morgens, schreibt Aldrin-
gen, habe er dessen Brief mit einem weitläufigen Berichte über
das, was die von Piccolomini nach Wien geschickte Person über
die EntSchliessung des Kaisers geschrieben,* erhalten und habe
erfahren, dass er im Begriffe sei^ nach Pilsen abzureisen, um
Alles zur Ausführung zu bringen, dass er sich aber früher noch
mit ihm zu besprechen wünsche. Im BegriflFe abzureisen, habe
er dessen gestriges Schreiben mit Abschriften der Briefe Gallas'
und Trczka's erhalten. Er sehe, dass man glaube, man solle
nichts überstürzen; möge Gott verhüten, dass diese Verzöge-
rung das geftirchtete Uebel herbeiführe. Die Ordre des Kaisers
sei deutlich und bedingungslos^ und der Bericht der nach Wien
geschickten Person so klar, dass er nicht begreife, wie der
Aufschub der Execution mit dem Gehorsam gegen den Befehl
des Kaisers zu vereinbaren sei. Gallas und Piccolomini haben
Recht, in einer deUcaten Sache sich der Rathschläge anderer
zu bedienen.* Aber kein Rathgeber werde es rechtfertigen
können, wenn man den Befehl, den man mit unbeschränkter
Vollmacht erhalten hat, nicht befolgt und ausführt. Er wollte,
dass er nie an der Sache Antheil gehabt hätte, wenn man sie
nicht ausführe. Die guten Woile des (Wallenstein) und des
(Trczka?) sollten nur dazu dienen, Gallas und Piccolomini ein-
zuschläfern. W^almerode wolle nach Wien zuiückkehren, wenn
er sehe, dass die Erwartungen des Kaisers nicht erfüllt würden.
Schrift fol. 248 folgt, scheint der Brief des Grafen Gallas selbst zu
sein: ,11 signore Golloredo non pa6 altro in questo negotio, perch^
& in sospicione. Ma pero ha saputo (I) cosi bene, che lei resta descol-
pato, ne posso hora dirle. Con questo la prego k non precipitare.
eotu.
P. S. : II 586 ^ buono, quando venghi da persona non interessata (Hs. : quando
eoiM.
non venghi la persona interessata). II 585 ^ buono, quando prima sono
troyati gli essecutori. £ facile la cosa scrivere a Tamico: Fatte fabe,
mentre se sta nella stufa al caldo. il da dubitare, che con il inimico 695
si dirk in un modo (!) et si f&rk nel aloro (!). Et questo basti.' Unter
der Chiffre 585 dürfte die ,EzecutionS d. h. die Gefangennehmnng oder
Niedermachung Wallenst«in*8 zu verstehen sein.
*Fol. 229, Irmer 3, 208.
' Dieser Bericht fehlt leider, ebenso der später erwähnte Brief Trczka' s.
' L'ordine deF Imperatore ö expresso e senza conditione.
* Statt di non servirsi di consegli ist offenbar zu lesen di servirsi di
consegli. N
582
aber er halte ihn bis zum Eintreffen einer Antwort Piecolomini*8,
die er ihm rasch schicken möge, zurück. Ehe er (Aldringen)
abreise, möchte er sich mit Piccolomini besprechen, aber dieser
müsste ohne Begleitung und, ohne das Ziel seiner Reise be-
kanntzugeben, kommen. Er möge den Ort und die Stunde
bestimmen, und er werde im Fluge hineilen.
Es folgt nun noch ein Schreiben Piccolomini's ^ an Aldrin-
gen, worin er sagt, es sei mehr als wahr, dass die Verzöge-
rung sehr gefährlich sei. Aber Aldringen habe gesehen, was
Gallas aus Pilsen schreibe, und ohne Weisung desselben könne
er nicht abreisen, weil jener Alles leiten müsse. Von Wien aus
werde Gallas den Willen des Kaisers erfahren haben. Morgen
oder übermorgen erwarte er seinen Sergeant-Major aus Pilsen,
den er vor vier Tagen mit der Post dorthin geschickt habe.
Der Brief, den er von Pilsen erhalten, sei confus. Er suche
die Regimenter, auf die er sich nicht verlasse, zu trennen und
schicke möglichst viel Volk nach Niederösterreich, um die
Brücken und Wien zu beschützen.
Lässt sich die Reihenfolge des Briefwechseb zwischen
Aldringen und Piccolomini mit ziemlicher Sicherheit feststellen,
so ist es sehr auifallend, dass diese grosse Anzahl von Briefen
in den engen Zeitraum zwischen den 3. und 6. Februar zu
fallen scheint. Aldringen hätte demnach täglich ein bis zwei,
Piccolomini zwei bis drei Briefe geschrieben. Die Boten zwi-
schen beiden müssten in steter Bewegung gewesen sein. Und
doch lässt sich kaum etwas Anderes annehmen, wenn die Daten
des ersten Briefes Piccolomini's (3. Februar) und des letzten
Aldringen's (5. Febniar) in der Handschrift richtig wiederge-
geben sind. Aber auch wenn der erwähnte Brief Piccolomini's
vom 3. Februar nicht die Correspondenz zwischen beiden er-
öffnet hat, gewinnen wir kaum mehr als einen Tag. Denn
wenn Walmerode am 31. Jänner, von welchem Tage das allem
Anscheine nach als Beglaubigung ihm mitgegebene Schreiben des
Bischofs von Wien an Piccolomini datirt ist, von Wien abge-
reist ist, so kann er nicht vor dem 1. Februar Nachts nach
Linz gekommen sein. Nach dem 6. Februar aber können
auch die letzten Briefe nicht abgeschickt worden sein, weil
an diesem oder am folgenden Tage die Zusammenkunft der
*Pol. 249. Irmer 3, 210.
583
beiden Generale stattgefunden hat, welche Beide fiir nothwendig
gehalten haben.
Nach einem Berichte des bairischen Gesandten RicheP
ist diese Besprechung Aldringen's und Piccolomini's nicht in
Liinz, wie dieser anfangs beantragt^ sondern ^n grosser ge-
beimb' in Baierbach an der westlichen Grenze Oberösterreichs
erfolgt, worauf jener wieder nach Passau, dieser nach Linz
zurückgekehrt sei. Auch Aldringen's Bruder erwähnt in seiner
Relation' diese Zusammenkunft' und berichtet, dass zwischen
beiden Generalen dabei Meinungsverschiedenheiten entstanden
und in Folge dessen ein Bote an den spanischen Gesandten
Onate abgeschickt worden sei, um Aufklärung zu erhalten. Es
ist dies ja immerhin möglich. Kur darf man nicht annehmen,
dass erst dieser Bote die Weisung gebracht habe^ sich Wallen-
stein's durch Gefangennehmung oder Tödtung zu versichern,
da diese Zusammenkunft unmittelbar vor der Reise beider
Generale nach Böhmen stattgefunden haben muss und schon
in den früher gewechselten Briefen von diesem Befehle die
Rede ist. Es müsste sich um die Einholung von Weisungen
über andere Fragen gehandelt haben.
Früh am Meißen des 8. Februar sind Piccolomini und
Aldringen, jener von Linz, dieser von Passau aus, gegen Pilsen
abgereist.* Piccolomini ist am 10. in Wodnian* nordwestlich von
Budweis, von wo aus er dem hinter ihm herreisenden Aldrin-
gen meldet, dass der von ihm nach Pilsen geschickte Bote noch
nicht zurückgekommen sei und auch bis Abends nicht werde
hier sein können, und dass er nach Strakonitz abreise, wo er
Abends spät sein und ihm Nachricht geben werde. Von Stra-
konitz aus^ schreibt er ihm dann, dass er den Hauptmann
Altieri an ihn sende, der ihm mittheilen werde, was Gallas ihm
gesagt, dass er im Begriffe sei, nach Pilsen abzureisen, und
^ Bei Aretin, WallenBtein. Urkunden, S. 118.
•Irmer 3, 214, N. 1.
• 8. oben 8. ö76 N. 6.
*Irmer 8, 247, welcher den Ausstellungsort ,di Budiano' auf Budweis
deutet, Ton wo aus Piccolomini aber nicht am nämlichen Tage noch
nach 8trakonitz hätte gelangen können.
•Irmer 3, 219, zum 7. Februar, indem er das Datum: ,Di Straconiz a
höre 7. dl Febraro* falsch gedeutet hat. Der Brief dürfte am 11. Fe-
bruar um 7 Uhr Morgens g^eschrieben sein.
iMhir. Bd. LXXXII. II. Hilft«. 38
584
dass er hoffe, Aldringen werde sich entschliessen , auch zu
kommen, weil er sonst Alles zu Grunde richten würde. Da
die Luftlinie nach Pilsen achtzehn Stunden beträgt, dürfte
Piccolomini hier am 12. Februar eingetroffen sein, wo damals
auch Qallas noch anwesend war. Aldringen dagegen, welcher
am 9. Februar in Erumau südlich von Budweis angelangt war
und von hier aus Gallas bat, ihm auf der Strasse nach Strako-
nitz einen Wagen entgegenzuschicken,* wollte nicht nach Pilsen
gehen, sondern hielt sich unter verschiedenen Vorwänden bald
da, bald dort auf, so dass er am 13. vielleicht noch nicht weiter
als nach Frauenberg* nördlich von Budweis gekommen war.
Nach dem schon erwähnten Berichte des spanischen
Botschafters' hatten die Generale die Absicht gehabt, Wallen-
stein und seine nächsten Vertrauten in Pilsen gefangen zu
nehmen, den Plan aber aufgeben müssen, weil derselbe unter-
dessen die Garnison gewechselt und in die Stadt und deren
Umgebung Truppen gelegt hatte, auf welche wie auf deren
Officiere er sich verlassen konnte. Es seien ihnen nur zwei
Wege übrig geblieben: entweder sich zu verstellen oder die
Kräfte des Kaisers zu vereinigen, indem man die Getreuen von
den Untreuen trennte. Das Erste sei immöglich gewesen, weil
man gewiss wusste, dass Friedland rasch handeln und in
kürzester Zeit nach Prag ziehen wollte, um seine böse Absicht
auszuführen. Es sei also nur der zweite Weg übrig geblieben,
obwohl man den Nachtheil und die grossen Gefahren desselben
erkannte, sich zu trennen und unter verschiedenen Vorwänden
sich aus Pilsen zu entfernen. Dem Auftrage des Kaisers (dem
Patente vom 24. Jänner) entsprechend hätten sie nach allen
Theilen Ordres gesendet und erklärt, dass Seine Majestät Wallen-
stein seiner Würde entsetzt habe, und dass die Obersten ihm
nicht mehr gehorchen sollten.
In der That entfernte sich Gallas am Morgen des 12. Fe-
bruar* unter dem Verwände, dass er seinen von Wallenstein
»»Oesterr. Revue*, 1867, 1, 88. Vgl. Hallwich 2, 458.
' Von hier aus schickte er am 13. dem ObersUieatenant Mohra in Prag
eine geheim in haltende Weisung (boUetino) des Qrafen Qallas. Förster,
Wallenstein's Briefe 3, 194.
'Ranke, Walleustein, S. 369.
^ Am 12. schreibt er an Aldringen, dass Wallenstein ihm aufgetragen
habe, nel far del* alba sich zu ihm zu begeben. Irmer 3, 248.
585
sehnlichst erwarteten Schwager Aldringen holen wolle, aus Pilsen,
kam am 13. nach Frauenberg, wo er mit Aldringen und wahr-
scheinlich auch mit dem vom Kaiser nach Böhmen gesendeten
General Marradas zusammentraf und mit diesen die weiteren
Massregeln vereinbarte, und traf mit Aldringen am 14. Februar
Abends in Gratzen, am 15. in Weitra in Niederösterreich ein,
von wo Gallas sich eiligst nach Linz begab, um sich der Truppen
in Oberösterreich zu versichern, während Aldringen dem Kaiser
Bericht erstatten wollte.^ Am 15. Februar Abends entkam auch
Piccolomini, indem ihn Wallenstein, der ihm blind vertraute,
nach Oberösterreich zurückschickte, um sich der dortigen Plätze
zu versichern. Schon am 17. um Mitternacht kam er in Linz an.'
Wenn Wittich (a. a. O., S. 244 flF.) annimmt, dass Gallas
mit Aldringen am 14. Februar gegen Abend unweit Budweis
zusammengekommen sei, dass diese beiden und Piccolomini dann
zwischen dem 14. und 16. das Complott, den Friedländer leben-
dig oder todt in ihre Gewalt zu bringen, geschlossen, und dass
,Piccolomini zur Ausführung seines grossen und gewagten Unter-
nehmens am 16. in Pilsen angelangt oder auf dem Wege dahin'
gewesen sei, so ergibt sich aus den Quellen die Unrichtigkeit
dieser Annahme. Piccolomini und Aldringen haben sich nach
ihrer Zusammenkunft in Baierbach nicht mehr gesehen. Zur
Zeit, wo Gallas mit Aldringen zusammentraf, ist Piccolomini
nicht bei ihnen, sondern in Pilsen gewesen, wo er nicht am 16.,
sondern schon am 12. eingetroffen sein dürfte und das er bereits
am 15. Abends wieder verlassen hat. Sonst hätte er ja auch
unmöglich am 17. um Mittemacht schon in Linz eintreffen
können. '
^Schreiben Aldringen's vom 14. Februar ans Schweinitz, vom 15. aas
Weitra, bei Are t in, Urkunden, S. 113 f.
* Nach Schreiben Gallas^ vom 17. Februar bei Irmer 3, 257, ,a mezza
notte*. Nach dem Berichte des bairischen Commissärs Rogge aus Pilsen
vom 18. Febmar bei Ar et in, S. 120 ff., ist Piccolomini ,ftlr 3 tagen spät
am Abend wider eylends von hinnen^
* Auch nach Irmer 3, LIII hat Piccolomini Pilsen ,am 17. Februar* ver-
lassen. Man reiste aber damals doch nicht so schnell wie jetzt mit der
Eisenbahn !
38*
Reihenfolge der Briefe.
Vorliegende
Handschrift Abhandlung
Fol. 222 (Febr. 3) . . Nr. 1
»226 „2
„227 „3
„ 223 I ,
. 224 1
n .230 „5
„231 „6
«232 „ 1
„ 236 (Febr. 4) . . „8
V 245 »9
«237 „10
„238 „11
„240 „12
„241 „13
„242 „14
„244 „15
„247 „16
„ 229 (Febr. 5) . . „17
„249 „18
„ 250 (Febr. 7) . . „19
Irmer
. Nr. 410* (p. 200)
. „ 413 (p.204)
. „ 414 (p. 205)
„ 410, P.S. 1 (p.201)
„ 410, P.S. 2 (p.201)
„ 416, P.S. 1 (p.209)
„ 416, P.S. 2 (p.209)
„ 415 (p.206)
„411 (p.202)
„ 424 (p.215)
„ 425 (p.216)
„ 426 (p.217)
„ 420 (p.211)
„ 421 (p. 212)
„ 422 (p.213)
„ 423 (p.214)
„ 416*(p.208)
„ 419 (p.210)
„
427 (p.218)
STTJDIE]Sr
ZU DEN
UNGARISCHEN GESCHICHTSQÜELLEN.
III. UND IV.
VON
D« RAIMUND FRIEDRICH KAINDL,
PRITATDOOENTEN IK OZBRNOWITZ.
m.
Ueber die ungarisch-polnische Chronik.
lieber die ,Cronica Ungarorum iuncta et mixta cum cro-
nieis Polonorum et vita sancti Stephani^, welche in den vorher-
gehenden zwei Studien oft genannt wurde/ haben bisher nur
polnische Historiker ausführlicher gehandelt; Zeissberg und
Marczali haben derselben in ihren einschlägigen Werken nur
kurz erwähnt. Da die fremden Arbeiten den deutschen Histo-
rikern theils unbekannt geblieben, theils ihnen schwer zugäng-
lich sind, andererseits aber auch in manchen Beziehungen der
Richtigstellung bedürfen, so wird die folgende Studie nicht ganz
unwillkommen sein. Gegliedert ist dieselbe in folgende vier
Theile: 1. Zeit der Abfassung; 2. Interpolationen; 3. ursprüng-
licher Bestand und eigen thümliche Nachrichten; endlich 4. der
Ort der Abfassung und der Autor.
* S. Archiv LXXXI, 1, S. 323 ff. — Bei dieser Gelegenheit mögen hier
einige Nachträge gestattet sein. Bekanntlich bricht die (einzige) Hand-
schrift der Vita maior mit den Worten ,fidem orthodoxam servare' ab,
welche Stelle in der Vita von Hartwich im §. 22 (bei Florianus, Hist.
hung. fönt. I^ 60) steht. Während also bis zu diesen Worten durch einen
Vergleich mit der Vita maior (and der Vita minor) die Möglichkeit vor-
handen war, den Text der Legende von Hartwich in ihre ursprünglichen
Bestandtheile zu zerlegen, ist es von der citirten Stelle an sehr schwierig,
zu entscheiden, was von den folgenden Ausfahrungen der Hartwich*schen
Legende bereits in der Vita maior stand. Als der Vita maior ursprüng-
lich fremde Stellen ist Florianus geneigt, den Schluss von §. 22, dann
zwei Einschaltungen in §. 23 und ebenso zwei in §. 24 anzunehmen.
Dieser Ansicht glaubte ich mich ebenfalls anschliessen zu dürfen und
habe daher a. a. O. S. 342 die Stelle aus §. 22 und S. 344 f. die vier
Stellen aus den §§. 23 und 24 gerade so behandelt wie alle jene, die in
den früheren Paragraphen durch den Vergleich mit der Vita maior (und
minor) als der Vita von Hartwich eigenthümlich sich ergaben. Ob nicht
noch weitere Stellen der Vita maior fremd und somit der Vita von Hart-
590
1. Ueber die Zeit der Abfassung der ungarisch- pol-
nischen Chronik gehen die Ansichten der einzelnen Forscher |
sehr weit auseinander.
Zum ersten Male hatte J. LeIeweP im Jahre 1811 die
Aufmerksamkeit auf die Chronik gelenkt, welche er in der aus
dem 15. Jahrhundert herrührenden Handschrift des Sandko
(S§dziwoj) von Czeehel kennen gelernt hatte; die zweite, ältere
Handschrift der Grafen Zamojski, welche aus der zweiten Hälfte
des 14. Jahrhunderts stammt und der erstgenannten als Vorlage
diente, war ihm unbekannt geblieben. Lelewel hielt die Chronik
zunächst ftir ein Werk des 11. Jahrhunderts, dann änderte er
seine Meinung dahin, dass sie aus dem 13. Jahrhundert (circa
1240) herrühre. Zu der letzteren Ansicht gelangte er durch die
(irrige) Beobachtung, dass die in der Chronik §. 6 enthaltene
Weissagung über die einstige Verleihung der Königskrone an
wich eigenthümlich wareo, mnss dabiDgestellt werden. Für die spStere
Einschiebung der ersten Stelle in den §. 23 (s. 8. 344 f.) spricht sowohl die
Wiederholung der Zeitangabe aus dem Anfange des Paragraphen (XLV
annis), als die Hervorhebung des päpstlichen Einflusses bei der Erhebung,
der thatsichlich nicht vorhanden gewesen eu sein scheint (vgl. Floria-
nus a. a. O., I, 217 und II, 300) und somit erst sp&t geltend gemacht
werden konnte. Die zweite Stelle im §. 23 erweist sich hiedurch aU eine
Einschiebung, weil die ersten Worte des folgenden Paragraphen (Com-
pleto igitnr tercie diei ieiunio) sich eng an die der Interpolation vorher-
gehenden Sätze anschliessen (triduanum cunctis indixit ieiunium u. s. w.),
nicht aber an die umfangreiche Einschaltung. Was aber auf diese Ein-
schaltung folgt, muss als wörtliche Wiederholung des bereits vor der
Einschaltung Gesagten wegfallen. Auch die Einschaltung am Schloss des
§. 24 ist hiedurch als solche gekennzeichnet, dass der Anfang von §• 2§
(Mane facto) sich eng anschliesst an den Satz vor der Interpolation (po-
pulus vero vigiliis et orationibns intentus . . .). — Hingewiesen sei noch
darauf, dass die Erzählung über Emerich*s Seele (Vita §. 20, ungar.-
poln. Chronik, §. 11, Archiv LXXXI, 1, S. 342) nach Ker^kgyÄrt<S (Mar-
czali, Oeschichtsquellen, S. 22) erst nach 1109 bekannt geworden sein
konnte. — Schliesslich sei bemerkt, dass nach unseren Ausführungen der
Pester Codex fftnferlei Bestandtheile hat: 1. Entlehnungen aus der Vita
maior, 2. Zusätze Hartwich*s, 3. Entlehnungen aus der Vita minor, 4. Zu-
sätze des Pester Schreibers, 5. noch jüngere Correcturen und Zusätze.
Florianus hat diese verschiedenen Arten der Bestandtheile weder ge-
nügend scharf erkannt, noch consequent durch den Druck bezeichnet
^ Vgl. Bielowski, Mon. PoL bist. I, 494 und E. Swieiawski, Zarysj
badan krytycznych I, 9 f. (Warschau 1871). — Ueber das Verhältniss der
beiden Handschriften lu einander siehe Mon. Pol. bist. IV, 346.
591
Polen in der um etwa 1260^ entstandenen Vita s. Stanislai
(angeblich) benutzt sei. Wir werden auf dieses Verhältniss
nocbmals zurückkommen.
Nach der flüchtigen Abschrift LeleweFs hat hierauf H. Kow-
nacki im Jahre 1823 die Chronik herausgegeben.^ Er hielt sie
wegen ihrer engen Verwandtschaft mit der Vita s. Steph. von
Hartwich für ein Werk dieses Autors, ja er war sogar geneigt,
die Chronik als das ursprüngliche Werk zu betrachten, aus
dem die Vita ein Auszug sei. Daher hat er auch die Widmung,
mit welcher Hartwich seine Vita dem König Koloman zueignet,
der Chronik vorgesetzt. Als Endlicher die Ausgabe des Kow-
nacki in seinen Mon. Arp. Script. S. 60 ff. erneuerte, druckte er
ohne weitere Bemerkung auch diese Vorrede mit ab. Nach
Kownacki wäre also die Chronik zu Anfang des 12. Jahr-
hunderts entstanden. Wie überaus irrig die Voraussetzung war,
welche ihn zu dieser Annahme führte, ist kaum nöthig zu
bemerken.^
Aehnliche Ansichten über die Zeit der Entstehung der
Chronik äusserten Bielowski* und nach ihm St. Pilat in
seiner neuen, im Jahre 1864 in den Mon. Pol. bist. I, 485 ff. er-
schienenen Ausgabe der Chronik. Darnach wäre dieselbe etwa
am Anfang des 12. Jahrhunderts (gegen 1120) geschrieben
worden, und zwar wahrscheinlich durch einen Mönch, der in-
folge der Grausamkeit Giselas Ungarn verlassen hatte, woraus
sich die Dürftigkeit seiner Nachrichten für diese Zeit erklärt.
Abgesehen davon, dass diese Ansicht ein gar zu hohes Alter
des Chronisten voraussetzt, können für sie auch nur sehr
schwache Gründe vorgebracht werden. Wenn nämlich be-
hauptet wird, dass die Chronik unter dem Eindrucke der Heilig-
sprechung Stefans entstanden sei, so ist es klar, dass dies nicht
von der Chronik, sondern von der in diese aufgenommenen
Vita 8. Steph. von Hartwich gilt. Wenn femer darauf Gewicht
gelegt wird, dass die Chronik mit Ladislaus dem HeiUgen ab-
' Vgl. Zeissberg, Die poln. Geschichtsschreibung im Mittelalter (1873),
8. 87, Anm. 1, und die neue Arbeit von Ketrzyüski über die Stanis-
lans-Legende, Mon. Pol. bist. lY, 334.
* ,Kronika wfgierska na pocz^tku wieku XII.* Warschau 1823. Vgl. be-
sonders S. VlUf. S. auch Mon. Pol. bist. I, 487 u. 494.
* üeber das Verhältniss der Chronik zur Vita von Hartwich s. die Studie I.
* Vgl. Swiezawski a. a. O., 8. 11 u. 16.
• *■, *
^ '' / X II aiÄi * :'. ^ .:.^ 4^1,..^ ^.,j. jj ^ 32i.tai=«-t Z«
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«.':f/-fi Ja.f.r». r^.:h dea Erv L-inen .f^r Arf>*ä tob PSUt
<(;.>/ K •.*i^^,aw.ki v-ir.^ -r-^iiaLi.:*= kr-^^Les Sks-Sm fceniis,
|r,r,-. d-.r. Uo, d.j.'tUr.t.V he Art^.t.» Er wi;: aüt »H« Mhteh
».--♦r.-.*^o, ,U*» di^ C».r',n.k dem Ende de* 13. oder Titflddit
«^ri,t d/.in H. Jahrhunderte angehört. In welcher Art er kiebei
v»^rfA\,n, mnfi,:,, Hmiic,: Beinpiele lehren. Die Ommik des Kea
»M.he,,,t ihr« in der Chronik J^enfitzt za sein, weil in beiden
• Oi« PAui^^n B«n.«rkon,fM. richten nch «omit «och ««n die oben
»rilt|f«!tt.«i(t« AnnHit KownackiV
• Mm«, l'ol, hlut. I, r.lSf.
• «, o».«„ H. f,W, Anm. 1 _ Bemerkt mag hier werden, <U» eine in der Kronika
fod/lnn« I, 190 m«r«th«a 1868) unter dem Titel ^Korona wegienk. ^.
Ml«r«„«. erschienene Arbeit nicht, für unser Thema Bemerkenswerth«
hrlriKt, trot«d«m .i« in Finkel, Bibliopraöa hiat. pol. (1891) I, 373 als
Mn/M Kxlinrenil anK«nibrt wird.
593
Skythien, Dacien und Lithauen erwähnt werden (§. 26); das
Eyilath bei Eeza, §. 3/ sei gleichzustellen dem Aquileja in der
Chronik; der Name der Eneth, welche bei Eeza a. a. O. als
Frau Menroth's genannt wird, soll mit ihrem Namen auf Ve-
netien, Venedig in der Chronik weisen (S. 29). Wenn in der
Chronik §. 3 dem Attila verheissen wird, dass sein Geschlecht
einst von Rom die Königskrone erhalten werde,^ so bezieht
Swieiawski (S. 27) diese Prophezeiung auf die Regierung des
unglücklichen Andreas, welcher im Jahre 1345 auf Veranlassung
seiner Gemahlin Johanna von Neapel ermordet worden ist.
Hiebei übersah Swieiawski völlig, dass die Geisa angeblich
gegebene Verheissung bereits an Stefan in Erfüllung ging, wor-
auf übrigens der Chronist selbst hinweist, wenn er in §. 5 sagt:
. . . ideirco . . . sanctum electum suum Stephanum hac temporali
statuerat feliciter insignire corona, postmodum felicius cum de-
coratus aetema, sicut avo eiusAquilae per angelum sanc-
tum suum promiserat.' Die in der Chronik verzeichneten
Worte der aufständigen und durch Attila angeblich gebändigten
Chorvaten (§. 3), dass sie keinen König haben wollten, glaubt
SwieÄawski ftlr ein Echo der polnischen Zustände des 13. Jahr-
hunderts halten zu müssen (S. 33). Ebenso scheinen ihm die
Mittheilungen von der ehelichen Keuschheit Emerichs wenig-
stens zum Theil aus den Anschauungen des 13. Jahrhunderts
hervorgegangen zu sein (S. 91) u. dgl. m.* Auf Grund derartiger
3eweise^ gelangt also Swiezawski zur Ueberzeugung, dass
die Chronik ein Werk des 13., wenn nicht gar des 14. Jahr-
hunderts sei!
Dieser Ansicht stimmte Zeissberg in seinen polnischen
Geschichtsquellen bei.^ Bewogen hat diesen bedeutenden For-
* Font. hang. bist. II, 55.
* Mon. Pol. bist. I, 497 . , . generationem antem tuam post te in hnmilitate
Romam visitare et coronam perpetnam habere faciam.
* Mon. Pol. bist. I, 501.
* Man vgl. noch besonders die Ausführungen im Abschnitte über Adelbeid-
Sarolta (S. 41ff.).
* 8. 87, Anm. 1. Früher war Zeissberg der Ansicht, dass die Chronik
aus dem 12. Jahrhundert herrühre (Miseco I., Archiv f. österr. Gesch.
XXXVIII [1867], S. 114. — Nach Zeissberg habe ich in meinen Bei-
trägen zur älteren ungar. Geschichte 8. 43 f. die Chronik beurtheilt.
Trotzdem ich nun im Einzelnen hievon abweiche, bleibt die Nachricht
über Adelheid völlig unhaltbar.
594
Bcher hiezu die Meinung, dass in einer Handschrift der Vita
8. Stanislai jene (angeblich) aas der Chronik entnommene SteUe
fehlt, aus der man das Bestehen der Chronik vor der Vita
8. Stanislai folgerte.^ Der nähere Sachverhalt ist nftmfich fi^
gender: BekanntHch hat zunächst Bandtke im Jahre 1824 die
Stanislaus-Legende zugleich mit der Chronik des sogenannten
Gallus aus der schon oben genannten Handschrift des Sandko
herausgegeben.' In dieser Redaction erscheint dasjenige Capitel,
welches die (angeblich) aus der Chronik entlehnte Prophezeiung
über die an Polen einst zu verieihende Königskrone enttuüt,
am Schlüsse (S. 376—380). In einer anderen in neuerer Zeit
in den Mon. Pol. bist. IV veröffentUehten Redaction der Vita
ist hingegen das betreffende Capitel an einer anderen SteUe
untergebracht.' Eine Handschrift dieser letzteren Redaction be-
schreibt Bialecki in seiner bei Zeissberg a. a. O., S. 87 und 89
citirten Arbeit, wobei er bemerkt, dass das Schlusscapitel der
Vita bei Bandtke diesem Manuscript fehle.* Zeissberg scheint
nun diese Bemerkung dahin verstanden zu haben, dass der In-
halt dieses Capitels in der von Bialecki beschriebenen Redaction
(und wohl auch in anderen) überhaupt fehlte und schloss daraus,
dass es erst in die Vita bei Bandtke später interpolirt worden
wäre. Hiedurch hielt er den wichtigsten Grund, weshalb man
die Chronik vor die Vita s. Stanislai (1260) setzen zu müssen
glaubte, für beseitigt und erklärt, dass man den Ausführungen
Swiezawski^s folgen könnte. Dieser Ansicht werden wir nicht
beistinunen können, weil die Ausführungen Swiezawski's durch-
aus nicht beweisend sind und überdies noch verschiedene Grtinde,
welche wir weiter unten kennen lernen werden, gegen seine
Zeitbestimmung sprechen. Von dem Umstände, dass Zeissberg^s
» Vgl. oben 8. 690 f.
' Martini Galli chronicon etc. Warschau 1824. In der Handschrift de«
Sandko (Gnesner Codex, codex Clodaviensis, Czartoryski) befindet sich
die Chronik des Gallus (8. 242—307), die Vita s. Stanislai (S. 307—326),
das Jahrbuch des Traski (8. 326 — 349), endlich die ungar.-poln. Chronik
(S. 349—359). Dieselben Geschichtswerke befinden sich in derselben
Reihenfolge in der Vorlage dieser Handschrift, dem bereits genannten
Codex Varsaviensis comitum Zamoiscorum. Vgl. Mon. Pol. bist IV, 345 f.
» 8. Mon. Pol. bist. IV, 392 f.
* Vgl. Ketrzynski, Mon. Pol. hist. IV, 320 über die Handschrift H der
Vita s. Stan., und 8. 326 ff. über die Gruppirung der verschiedenen
Redactionen.
595
Annahme^ die Stelle über die Prophezeiung der Krone sei erst
später in die Stanislaus-Legende interpolirt worden, irrig ist,
sehen wir hiebei ganz ab. Es kommt nämlich gar nicht darauf
an, ob jene Stelle in der Legende schon ursprünglich vorhanden
war oder erst später eingeschoben wurde, denn sie ist offenbar
nicht aus der Chronik genommen worden. Das Nähere darüber
wird weiter unten ausgeführt werden.
Zwei neuere Arbeiten — wie früher übrigens auch Zeiss-
berg ^ — setzen endlich die Entstehung der Chronik gegen das
Ende des 12. Jahrhunderts. Marczali spricht sich in seinen
ungarischen Geschichtsquellen (1882, S. 156) ohne weitere Mo-
tivirung für diese Ansicht aus, und J. Rosner sucht sie in
seiner klar und übersichtlich geschriebenen Arbeit im ,Rocznik
filarecki' 1886, S. 129 ff., vorzügUch durch folgende drei Gründe
zu erweisen: Die Bemerkungen der Chronik über Rothrussland
und sein Verhältniss zu Ungarn könnten erst zur Zeit der Unter-
nehmung Belas ni. (1188) gegen dieses Gebiet veranlasst
worden sein; der den heil. Ladislaus so sehr erhebende Schluss
der Chronik scheint dem Geiste der Zeit kurz vor der Erhebung
Ladislaus' zu entsprechen (1192); endlich seien (angeblich) die
Nachrichten über Adelheid und die Gesandtschaft Lamberts von
Krakau um die Krone aus der Chronik bereits am Anfang des
13. Jahrhunderts, imd zwar schon mittelbar durch eine Zwischen-
quelle, in die Annales Camenzenses gelangt.'
Zu einer ähnlichen Zeitbestimmung werden auch wir in
der folgenden Betrachtung, doch auf einem anderen Wege,
gelangen. Schon oben ist darauf hingewiesen worden, dass
nach einer Nachricht im letzten Paragraphen der Chronik'
Koloman, ohne König geworden zu sein, vor seinem Bruder
Ladislaus gestorben wäre. Dieser Irrthum konnte Niemandem
zustossen, der den Zeiten Kolomans (f 1114) nahestand.
Andererseits ist es sicher, dass unserem Chronisten noch
nicht die ungarischen Chroniken vorlagen, wie sie gegen
das Ende des 13. Jahrhunderts (seit etwa 1270) verbreitet
^ In ,Miseco 1/ (1867). S. oben S. 593; Anm. 5.
* Letztere Annahme Rosner^s beruht auf den Ausführungen in Smolka,
Die poln. Annalen (1873), S. 62 u.68ff. Wir werden aber weiter unten
sehen, dass 8molka*s Ansicht, die ungar.-poln. Chronik sei die Quelle der
Ann. Camenz. gewesen, unbegründet ist.
* Hon. Pol. bist. I, 513f.
596
waren;* denn die ungarisch - polnische Chronik weist nicht
nur keine Entlehnungen aus diesen Werken auf, sondern sie
steht mit denselben oft in den naheliegendsten Momenten im
Widerspruch. Es gentigt beispielsweise, darauf aufmerksam zu
machen, dass nach der ungarisch-polnischen Chronik Attila der
Erbauer Aquilejas ist, während nach Keza und den National-
chroniken derselbe diese Stadt zerstörte; oder dass erstere von
der doppelten Einwanderung der Hunen-Ungam, welche diese
so scharf auseinanderhalten, nichts weiss.* Und wie dürftig ist
die ungarisch- polnische Chronik, wie reich dagegen die natio-
nalen ! Der Schreiber der ungarisch-polnischen Chronik war aber
durchaus nicht der Mann, eine ihm vorliegende Quelle spärlich
auszuschreiben; das wird uns sofort klar, wenn wir bedenken,
wie ergiebig er die Vita s. Steph. ausnützte! Nur die grösste
Kurzsichtigkeit und die Sucht, seine Hypothese mit allen Mitteln
zu beweisen, konnte Swieiawski zur Ansicht verleiten, eine Be-
nützung Keza's durch die ungarisch-polnische Chronik anzu-
nehmen. Wenn nun die Chronik einerseits längere Zeit nach
Koloman, andererseits noch etwa vor 1270 entstanden ist, so
liegt es nahe, dieselbe gegen das Ende des 12. oder in den
Anfang des 13. Jahrhunderts zu setzen. Eine weitere Berech-
tigung zu diesem Schlüsse ergibt sich aus dem Umstände, dass
unserem Chronisten die um etwa 1215 entstandene* Legende
des heil. Ladislaus wolJ noch nicht bekannt war, weil er sonst
von derselben Gebrauch gemacht hätte. Auch das Nibelungen-
lied kennt der Chronist nicht, welches im 13. Jahrhundert in
Ungarn allgemein bekannt wird (Keza, Anonymus). Endlich lag
— wie dies in Studie I und II nachgewiesen wurde — unserem
Chronisten noch die ursprüngliche Redaction der Vita von Hart-
wich vor und nicht die etwa um 1200 entstandene und seither in
zahlreichen Exemplaren verbreitete Pester Redaction; also auch
hier ein Fingerzeig darauf, dass die Chronik kurz vor oder
nach 1200 entstanden sei.
2. Interpolationen. Bei dem vorstehenden Versuche,
die Entstehungszeit der ungarisch-polnischen Chronik zu be-
stinmien, haben wir mit Absicht auf jene Stellen über Adelheid
^ Darüber soll in den nächsten Stadien gehandelt werden.
" Vgl. auch Bosnor, a. a. O., S. 78—84.
' Marczali, Ungar. G^chichtsquellen, S. 34.
I
it
597
und über Lamberts Gesandtschaft; welche sich auch in den
Annales Camenzenses und anderen jüngeren finden^ ebenso auf
jene über die Prophezeiung der einstigen Verleihung der Krone
an Polen^ welche in der Vita s. Stanislai und anderen pol-
nischen Quellen ebenfalls vorkommt^ keine Rücksicht genommen;
vielmehr stützt sich unsere Darlegung durchaus nur auf Stellen
der Chronik, welche ungarische Verhältnisse betreffen. Dies
geschah aus folgendem Gi*unde: während nänüich gar keine
Veranlassung vorliegt, irgend eine Ungarn allein betreffende
Nachricht als interpoliii; zu betrachten, liegt andererseits die
Vermuthung nahe, dass die in Polen verbreitete und in polni-
schen Handschriften überlieferte Clironik in Polen Erweiterungen
erhalten hat.^ Zu diesen späteren Interpolationen scheinen alle
oben angeführten Stellen, auf welche sich Lelewel und Rosner
bei ihrer Beweisführung stützen, zu gehören.
Was zunächst den Bericht anlangt, dass die polnische
Prinzessin Adelheid den Herzog Geisa und mit ihm alle Ungarn
dem Christenthume zuführte, so ist es an und fUr sich schwer
glaublich, dass derselbe zunächst in Ungarn aufkam und in der
— wie wir sehen werden — ebenda entstandenen Chronik zum
ersten Male verzeichnet worden wäre. Das Fehlen dieser Nach-
richt in den anderen ungarischen Quellen weist darauf hin,
dass diese Ueberlieferung in Ungarn gar nicht verbreitet war;
andererseits kommt sie in Polen sehr häufig vor. Wenn aber
behauptet wird, dass sie in die polnischen Quellen (zunächst
in die Annales Camenzenses und dann in andere) aus der un-
garisch-polnischen Chronik gelangten, so scheint vielmehr das
Gegentheil richtig zu sein. Man erinnere sich nur, dass die
Bekehrung Geisa's durch Adelheid so sehr derjenigen Mesko's
durch die böhmische Dubrawka gleicht; ist es da nicht sehr
wahrscheinlich, die Nachbildung nach Polen zu verlegen? Und
thatsächlich begegnen uns schon in den Ann. Camenzenses
die beiden Ueberlieferungen in einem sehr verdächtigen Zu-
sammenhange. Die Stelle lautet nämlich:^ Mesco qui appellatus
est rex Polonorum, cum esset gentilis, sub pacto conversionis
accepit Danbrovcam filiam ducis Boemie in uxorem, que venit ad
^ Auch Bosner nimmt Interpolationen an (S. 95 ff.); hiebei gehen freilich
seine und unsere Ausführungen zum Theil auseinander.
• Mon. Pol. bist. U, 776 f.
598
eum anno incarnationis dominice nonagentesimo sexagesimo quinto,
de qua genuit Bolezlaum Magnum. Iste Mesco habuit sororem
nomine Adeydeni; quam Jesse rex Ungarie accepit in uxorem.
Que cum esset christiana, virum suum Jesse convertit ad fidem
Christi. Ista post visionem per beatum Stephanum prothomar-
tyrem sibi revelatam coneepit et genuit Stephanum regem
Ungarie. Also: Mesko führt Dubrawka heim, sie bekehrt ihn
und gebiert den grossen Boleslaus; Mesko's Schwester Adelheid
vermählt sich mit Jesse — welche Namensform nebenbei ge-
sagt den ungarischen Quellen fremd ist — j gewinnt ihn für das
Christenthum und schenkt ihm einen Sohn, Stefan den Heiligen.
Die beiden Berichte sind doch allzu parallel, als dass sie nicht
gemeinsamen Ursprungs sein soUten, und dieser ist offenbar in
Polen zu suchen. Dem ungarischen Chronisten stand die Er-
dichtung der Ehe der Polin mit Qeisa sicher fem; oder soll er
sie erfunden haben, um im §. 6 scharf hervorheben zu können,
welche grossen Verdienste den Polen die ,gens Ungarorum, quae
ferox et indomita est'^ verdanke? Kaum denkbar! Die Stelle
scheint vielmehr von einem späteren polnischen Interpolator her-
zurühren, der sie offenbar einer den oben citirten Annales Ca-
menzenses verwandten und wie diese auf die verlorenen Kra-
kauer Jahrbücher zurückgehenden Quelle * entnommen hat. Ein
ungarischer Chronist hätte sich nie versucht gefühlt, diesen Polen
erhebenden Bericht aufzunehmen. Auch mag noch bemerkt
werden, dass Smolka, welcher zuerst die Benützung der unga-
risch-polnischen Chronik durch die Annales Camenzenses an-
nahm,' gar keine Gründe daßir anführen kann, dass gerade
dieses und nicht das von uns angenommene imd wahrscheinlich
gemachte Verhältniss obwalte. *
Unsere Ansicht wird übrigens durch die Betrachtung der
zweiten Stelle über die Gesandtschaft Lamberts um die Krone
noch bestärkt. Wie soll der Chronist in Ungarn auf den Ge-
^ Ebenda I, 503.
« Vgl. Roepell und Arndt, Mon. Germ. SS. XIX, 580; f«mer Mon. Pol.
hist. II, 776; Smolkaa. a. O.; dieser Quellengruppe ist anch die Namens-
form Danbrovca, Dambrovca eigen, woher sie in die ungar.-poln. Clironik
kam. Vgl. unten S. 612. — Auf die Krakauer Jahrbücher bezieht sich also
wohl die Eingangsnotiz des Compilators der Ann. Cam.: »ista accepta sunt
de cronicis Polonorum*.
' Polnische Annalen, S. 62 u. 72.
599
danken gekommen sein, einen Bischof von Krakau namens
Lambert als Boten Mesko*s anzufUbren? Was kann ihm daran
gelegen haben, mit dieser Angabe den ihm vorliegenden Bericht
der Vita Hartwich's zu erweitem, wobei noch zu bedenken ist,
dass wir es hier mit einem unhistorischen, also erfundenen
Bischof zu thun haben. ^ Was für einen Zweck hätte ein unga-
rischer Chronist mit allem dem verfolgt?! Dagegen gehen die
Annales Camenzenses auf verlorene Krakauer Jahrbücher zu-
rück.* Ist es da nicht sehr wahrscheinlich, dass auf diese letz-
teren sowohl die Notiz in den Annales Camenzenses zum Jahre
995 ,Lambertus episcopus Cracoviensis efficitur', als auch die
daselbst zum Jahre 1000 angeflihrte Erwähnung desselben Lam-
berts als Gesandten Mesko's um die Königskrone zurückzuführen
sei? In Krakau mochte man Interesse haben, einen Bischof
dieser Stadt zu erfinden; aber der ungarische Chronist muss
von dieser Sünde freigesprochen werden. Dazu kommt noch,
dass noch manches Andere gegen die Entlehnung der bezüg-
lichen Stelle aus der ungarisch - polnischen Chronik spricht.
Vergleicht man nämUch den Bericht der Vita s. Steph. von
Hartwich, welcher der Chronik zu Grunde liegt, mit den Aus-
führungen dieser und mit den Annalen,^ so wird man finden,
dass, abgesehen von dem Namen Lamberts, alles in der be-
treffenden Stelle der Annalen Enthaltene und ihnen mit der
Chronik Gemeinsame schon in der Vita s. Steph. von Hart-
wich steht, dagegen die Annalen gar nichts davon erwähnen,
was die Chronik über die Vita hinaus besitzt; man findet in
denselben nichts von den Gründen, weshalb die Königskrone
den Polen verweigert wurde, auch nichts von der Vertröstung
auf die spätere Verleihung derselben. Schon dieser Umstand
führt uns auf die Vermuthung, dass die Nachricht der Annalen
direct auf die Vita von Hartwich zurückzuführen sei,* nur dass
^ Rosner S. 90ff. ist geneigt anznnehmen, dass der Chronist diesen Bischof
der (ungarischen) Ueberliefemng entnahm. Warum findet sich von dem-
selben in den anderen ungarischen Quellen keine Spur?
* Vergl. vorige S., Anm. 2.
* Die betreffenden Stellen sind weiter unten abgedruckt.
* Was Smolka, Pol. Annalen, S. 72, dagegen anführt, beruht auf einem
Trugschluss. Auch er nahm wahr, dass die Ann. Cam. (und ihre Vorlage)
in ihrer Nachricht über die Gesandtschaften sehr gut auf Hartwich
zurückgehen konnten. Weil aber die Annalen und die Chronik auch die
Nachricht über Adelheid gemeinsam haben, der Vita von Hartwich die-
Archir. Bd. LXXXU. II. H&lft«. 39
600
sie tendenziös durch Hinzufügung des Namens Lambei*ts von
Krakau erweitert erseheint. Natürlich genügt aber der Beweis
,ex silentio^ noch nicht. Fassen wir nun einen anderen Umstand
ins Auge. Sowohl die Annalen als die Chronik fligen zu dem
Berichte Ilartwichs über die Gesandtschaft auch den Namen
des Papstes hinzu; nun ist in den Annalen Silvester genannt
— den die polnischen Chronisten mit einer gewissen Vorliebe
als Teufelsbanner bezeichnen* — in der Chronik aber Papst
Leo; dieser Unterschied, der sich übrigens auch in späteren
polnischen QueUen noch findet,* ist neuerdings ein Fingerzeig,,
dass die Annalen nicht aus der Chronik schöpften. Dafür spricht
schliesslich auch folgender Umstand: dem Chronisten liegt, wie
in den Studien 1 und II bewiesen wurde, die erste ursprüng-
liche Redaction der Vita von Hartwich vor; in dieser erscheint
Astrik, der ungarische Bote um die Königskrone, als Erzbischof
(praesul) von Gran, und so nennt ihn auch stets die ungarisch-
polnische Chronik. In den späteren, nach 1200 entstandenen
Redactionen der Vita, welche aus dem verderbten Pester Codex
flössen, wird Astrik dagegen zum Bischof (von Calocsa) ge-
macht,^ und diesen Titel führt er auch in den Annalen. Man
wird also doch wohl annehmen müssen, dass die Annalen ihre
Nachricht über die Gesandtschaft nach Rom aus der Vita von
Hartwich (in jüngerer Redaction) schöpften uüd diese durch
Hinzufügung der Namen Silvesters und Lamberts in tenden-
ziöser Absicht interpolirten ; aus der Chronik haben die Annalen
nicht geschöpft; da ferner dem in Ungarn lebenden Verfasser
derselben die Erfindung und Interpolation über den Krakauer
Bischof fernlag, andererseits — wie wir hinzufügen können —
selbe aber fehlt, so zieht Smolka daraus den Schluss, dass die Chronik
den Annalen zu Grunde liegen müsste. Hiebei geht aber Smolka Ton der
nicht bewiesenen und thatsächlich unrichtigen Voraussetzung aus, dass
die Nachricht über Adelheid der Chronik ursprünglich eigen war.
^ Ann. Cam. in einer Randnote zum Jahre 1000 (Mon. Pol. bist H, 777)
u. Ann. Siles. comp, zu demselben Jahre. (Mon. Germ. SS. XIX, 537.)
* Vgl. die bei Smolka, Pol. Ann. S. 68 citirten Quellen, ferner das Chron.
Traski (Mon. Pol. bist. II, 829), welche sftmmtliche Silvester nennen,
gegenüber der Vita s. Stanislai, die den Papst Leo anführt (bei Bandtke,
S. 379, und Mon. Pol. bist. IV, 392); femer im Chronicon Galli aus dem
Heibjberger Codex, S. 76 (in ,Vincentius Kadlubko et Martinus Oallus*,
Danzig 1749).
' Vgl. meine Beiträge zur älteren ungar. Geschichte, S. 80.
601
diese InterpoHrung in dem Texte der Chronik ziemlich deutlich
hervortritt/ so liegt gar kein Grund für die Annahme vor, dass
Bischof Lambert schon ursprünghch in der Chronik genannt
war. üebrigens scheint auch der Name des Papstes Leo in die
Chronik erst später intei'poHrt worden zu sein.*
Mit den beiden im Vorstehenden besprochenen Interpola-
tionen über Adelheid und Lambert hängt eine dritte grössere
Erweiterung der Chronik zusammen. Im §. 6 wird nämlich
weitläufig erörtert, warum die Krone den Polen nicht verliehen
worden sei: es sei Qottesstrafe, veranlasst durch die Frevel der
polnischen Könige; hierauf wird ganz in biblischer Weise ^ die
Krone späteren Geschlechtem in Aussicht gestellt; der Papst
tröstet Lambert damit, dass inzwischen den Polen hiedurch
Ehre und Ruhm zu Theil geworden sei, dass das wilde und
uncultivirte (ferox et indomita) Volk der Ungarn durch die
Schwester ihres Fürsten dem Christenthum und dem Papste
gewonnen wurde. Femer wird scharf betont, dass übngons die
königliche Ehre keinem Fremden, sondern dem Neffen des pol-
nischen Herrschers zu Theil geworden sei; und von hier fand
sich leicht der Uebergang auf den Friedensvertrag zwischen
beiden Herrschern, der im Folgenden geschildert wird und auf
den wir weiter unten zurückkommen werden. Alle diese Mit-
theilungen hängen eng mit den früher citirten über Adelheid
und Lambert zusammen; sie sind mit ihnen eines Sinnes und
eines Geistes und rühren also ofi*enbar auch alle aus derselben
Quelle her: sie sind polnische Interpolationen. Durch die fol-
gende Betrachtung wird diese Annahme ihre volle Bestätigung
finden. Wie von den Nachrichten über Adelheid und Lambert,
so nahm man — wie wir dies schon oben bemerkt haben —
auch von den Mittheilungen über die polnische Gesandtschaft
um die Krone und von den Gründen, weshalb dieselbe den
*■ Die Stelle ist unten abgedruckt. Nach dem vorhergehenden missis ad
romanae sedis antistitem . . . nnntiis etc. muss offenbar das folgende Ad
quem accedens praesul Lambertus etc. späterer Zusatz sein.
' S. unten 8. 611. Gegen die Ansicht, dass die Nachrichten über Adellieid
und Lambert aus der ungar.-poln. Chronik herrühren, sprach sich — wie
ich nachträglich sehe — auch A. Semkowicz im Kwart. bist. I, 317 aus.
* Aus den Worten ,quia ego dominus deus fortis, ulciscens in tertiam et
quartam generationem^ wollte Pilat (Mon. Pol. liist. I, 602, Anm. 22) Zeit-
bestimmungen ableiten. Indess sind sie eine der Bibel entlehnte Phrase;
vgl. a. B. Exod. 20, 2; Num. U, 18 und 84, 2; Deut. 5, 9.
39*
602
Polen versagt wurde, bisher oft an,^ sie seien aus der Chronik
in die polnischen Geschichtsquellen gelangt; und zwar sollen die
letztangefiihrten Mittheilungen zunächst in die um 1260 ver-
fasste Vita s. Stanislai aufgenommen worden sein. Schon K§-
trzyAski^ sieht sich indess veranlasst, anzunehmen, dass dem
Verfasser Vicentius der Stanislaus-Legende eine andere Bearbei-
Vita 8. Steph. von Hartwich.
§. 9. Quarto post patris
obitum anno, divina commo-
nente dementia eundem Ascri-
cum presulem ... ad limina
sanctorum apostolorum misit,
ut a successore sancti Petri
principis apostolorum postula-
ret . . . regio etiam dignaretur
ipsum (Stephanum) diademate
roborare . . . Eodem forte tem-
pore Misca Poloniorum dux,
christianam cum suis amplexus
fidem, missis ad romane sedis
antistitem nuntiis, apostoUca ful-
ciri benedictione, ac regio po-
stulaverat diademate redimiri,
Cuius
peticioni annuens papa, coro-
nam egregii operis parari iam
Annal. Cam.
Anno 1000 presidente
Sylvestro secundo sedi aposto-
lice (am Rand: iste Silvester
homagium fecit diabolo), Ste-
phanus rex Ungarie post obi-
tum patris sui lesse anno quarto
misit Adstricum episcopum ad
ipsum Silvestrum pro Corona
regni petenda. Eo-
dem tempore pro simili negotio
premiserat dux Mesco Lam-
bertum episcopum Cracovien-
sem. Sed dominus papa vi-
* Vgl. oben S. 590 f. und 694 f.; ferner Mon. Pol. bist IV, 838.
» Mon. Pol. bist. IV, 338.
^ Die Vita s. Stepb. citirt nacb Florianus a. a. O. I, 44 f.; die Ann. Cam.
nacb der Ausgabe in Mon. Pol. bist. II, 777; die ungar.-poln. Chronik
603
tuDg der Chronik habe vorliegen müssen ak die uns bekannte;
Veranlassung zu dieser Annahme bot die abweichende Textirung
beider Stellen. Betrachten wir nun dieselben näher; und zwar
wird es von Vortheil sein, wenn wir hiebei uns nicht auf die un-
garisch-polnische Chronik und die Vita s. Stanislai beschränken,
sondern auch zwei andere verwandte Berichte daneben stellen.*
Ungar.-poln. Chronik.
§. 5. . . . Unde habito con-
silio cum episcopis et principi-
bus terrae, quarto post obitum
patris anno, divina commovente
dementia, Astricum praesulem,
ad limina sanctorum apostolo-
rum misit, ut a successore sancti
Petri, principis apostolorum, do-
mino apostolico postularet . . .
regio etiam dignaretur ipsum
diademate coronare. Eodera
forte tempore, Mescho Polono-
rum dux, christianam roborare
cum suis amplexatus fidem,
missis ad romanae sedis antis-
titem, Leonem nomine, nuntiis,
apostolica fulciri benedictione
ac regio postulaverat diademate
coronari. Ad quem accedens
praesul Lambertus civitatis cra-
coviae, humiUter petitionem por-
rexit, dicens: Supplicat Sancti-
tati vestrae, pater 8ancte,Mescho,
dux Polonorum, ut eum vestra
pia dextra benedicens, regio
dignaretur diademate coronare.
Cuius petitioni annuens papa
coronam egregii operis parari
Vita s. Stan. (Bandtke).
Hoc autem probabile est
et verissime, quod dicimus.
Nam in descripcionibus anna-
lium Polonorum et in vita beati
Stephani, regis Ungarorum,
descriptum inveni-
mus, quod Mescho, dux Po-
lonie, piimus effectus Christia-
nus, ad dominum papam Leo-
nem solempnes nuntios misit,
et ab eo, regni coronam Po-
lonie sibi dari, humiliter postu-
lavit. Cumque summus pontifex
sue pe-
titioni benignum assensum prae-
beret, et corona miro opere iam
nach Mon. Pol. hist. I, 500 flf.; die Vita s. Stan. endlich nach der Aus-
gabe von Bandtke, mit Berücksichtigung der Aasgabe in Mon. Pol.
hist. IV, 392.
604
fecerat, quam ilH cum bene-
dictione et regni gloria mittere
decreverat. Sed quia novit do-
minus, qui sunt eius . . . elec-
tum suum Stephanum hac tem-
porali statuerat feliciter insig-
nire Corona, ipse postmodum
eundem felicius decoraturus
etema. Prefixa itaque die, qua
parata iam Corona Poloniorum
duci miitenda fuerat, nocte que
precedebat, pape per visum do-
mini nuntius astitit. Cui et dixit:
Crastina die, prima diei hora
ignote gentis nuntius ad te ven-
turus esse cognoveris, qui suo
duci coronam a te regiam cum
benedictionis apostolice munere
flagitabunt. Coronam ergo quam
preparari fecisti eorum duci
prout peteret eures sine cunc-
tatione largiri; sibi enim eam
cum regni gloria pro vite sue
meritis scito deberi. lux-
sione roonitus angelica coro
605
iam fecerat u. s. w. wie in der
Vita von Hartwich, mit einem
kurzen Zusatz^ dass diese Krone
schon dem Attila verheissen
worden sei. Damit schliesst
der §. 5. Der §. 6 trägt die
Ueberschrift: ,Quare et quo-
modo Corona Poionis non fuit
data', und setzt dann fort: Prae-
fixa itaque die, qua Corona miro
opere praeparata Meschoni Polo-
norum mittenda erat, nocte, quae
praecedebat, Papae per visum
angelus, Christi nuntius, adsti-
tit, cui dixit: Crastina die, hora
prima u. s. w. wie in der Vita
von Hartwich bis zu den Worten
meri-
tis scito deberi. Sodann folgt
ohne irgendwelche Zwischen-
bemerkung die Angabe der
Ursachen, warum die Krone
dem Polenflirsten verweigert
werde: lUi autem, cui postu-
lata fuerat, non erit data, quia
generatio de ipso exibit, quae
plus delectabitur in silvis cre-
scendis quam in vineis; plus in
tribuUs crescendis et herbis
superfluis, quam irugibus et
frumentis speciosis; plus feras
silvarum, quam oves et boves
camporum; plus canes quam
fabricata esset, ecce ex Un-
garia eodem tempore Romam
missi veniunt nuncii petentes
suum dominum ducem Stepha-
num regio diademate insigniri.
Cumque in cras-
tino Polonie legatis dari Corona
debuisset, ecce eadem nocte
per visum pape Leoni, angelus
dei apparuit, et duci Stephane
eam dari precepit. Qua-
re autem Stephane, duci Un-
garie, dari iussit, et duci Po-
lonie non dedit, in cronicis Po-
lonorum (andere Redactionen:
in eisdem cronicis)^ insinuatur
per angelum herum terra ma-
lorum: hec inquit gens magis
diliget calumpniam quam iusti-
ciam, silvarum densitudinem et
ferarum venationem, quam cam-
porum planitiem et frugum
ubertatem, magis diliget canes
quam homines, plus pauperum
oppressiones quam divinas leges.
» Nach Mon. Pol. bist. IV, 392. Wie die Vita bei Bandtke lautet die Stelle
in der oben S. 600, Anm. 2, citirten Redaction des Gallus.
606
ta igitur huius visionis modum
prescripta sequentis diei hora
presul Ascricus ad papam per-
venit. Qui officium iDiunctum
sibi prudenter exequens et
sancti ducis gesta referens or-
dine, ab apostolica sede que
premisimus insignia postulavit.
Hierauf wird erzählt, dass der
Papst die Bitte gewährte und
dem Boten die Krone und
»crucem ante regi ferendam'
gab. In §. 10 wird dann fort-
gesetzt: Impetratis ergo om-
nam, quam duci Mesconi prae-
paraverat, transmisit Stephane
regi Ungarie. — Hierait sehliesst
der Bericht.
607
homines, plus iniquitatem quam
iustitiain^ plus traditionein quam
concordiam, plus tyrannidem
quam caritatem; eruntque quasi
belluae vorantes homines et
bestias et quasi genimina vipe-
ramm rodentes cor terrae suae:
obliviscentes Domini creatoris
sui, confidentes in stulta po-
tentia sua, et non credentes
dictis prophetiarum sanctarum:
Quia ego dominus deus fortis,
ulciscens in tertiam et quartam
generationem et affligentes me
affligam^ nee pertransibit apud
me malum impunitum et bonum
irremuneratum. Post hoc gene-
rationi eorum sequenti me mi-
serens, miserebor et eam exal-
tabo^ et Corona regni coronabo.
Modo vero fac, ut dixi. Et sta-
tim discessit angelus sanctus ab
60. luxta ergo huius visionis
modum, praescripta sequente
die hora prima^ praesul Strigo-
niensis ecclesiae, Astricus no-
mine, ad papam pervenit, qui
officium u. s. w., wie in der
Vita von Hartwich mit ganz
geringen Aenderungen und Zu-
sätzen. So ist z. 6. bemerkens-
werth, dass mit der Krone und
dem Kreuze auch ,literae pri-
vilegiatae' dem Boten tibergeben
wurden. Zuletzt heisst es in
sachlicher Uebereinstimmung
mit der Vita folgendermassen :
Mox praesul Ungarorum, Astri-
cus, ut fidelis nuntius ab apo-
stolica sede accepta benedic-
et cetera, que ibi continentur.
Verump-
tamen per eundem angelum
bona spes a domino de regni
restitucione datur, ex eo quod
ibidem legitur: Ac tamen in fine
dierum gentis illius miserebor
et gloriam regni illam illustrabo.
Deus enim prescius futurorum
visitans peccata parentum in
terciam et quartam generatio-
nem filiorum, solus novit, quando
debeat misereri genti Polonorum
et restauraro ruinas eorum. Ideo
forte usque ad hec tempora re-
galia insignia, coronam videli-
cet, sceptrum et lanceam in
armario Cracoviensi ecclesie,
que est urbs regia, servat re-
condita usque dum ille veniat,
qui vocatus est a deo tamquam
David, cui hec sunt reposita.
Tu autem domine miserere
nobis.
1
608
bu8 prout petiit presul Ascricus
letus ad propria remeavit, se-
cum ferens propter que incep-
tum iter prospere peregerat.
Benedic-
tionis ergo apostolice litteris cum Corona et cruce simul allatis,
presulibus cum clero^ comitibus cum populo laudes congruas
adclamantibus, dilectus deo Stephanus rex appellatus unctione
erismali perunctus, diademate regalis dignitatis feliciter coronatar.
609
tione^ a cardinalibus et curia- |
libus romanae curiae petita li-
ceDtia^ laetus et exultans Un-
gariam veloci cursu properavit.
Nun folgt eine weitläufige
Schilderung, wie der polnische
Gesandte ^crastina autem die' kam, den Papst um die Krone
bat und dieser ihm mittheilt, was geschehen sei: Der Bote des
Anverwandten seines Herrn habe ihm die Königskrone ge-
nommen. Dann tröstet er den verzweifelnden Lambert: Die Polen
mögen Busse thun, und Gott werde ihnen die zeitliche und ewige
Blrone wiedergeben. Gott habe sich von ihnen noch nicht gänz-
lich abgewendet, wenn er dem Neffen ihres Königs die Krone
gab. Den Polen hätte dafür Gott die Ehre und den Ruhm ge-
währt, dass die Schwester ihres Herzogs den ungarischen
Herrscher Jesse mit seinen Mannen zum Christenthum bekehrte
und sie unter den Schutz des Papstes stellte. Beide Fürsten
mögen daher auch Frieden halten; keiner von ihnen soll es
wagen, den Frieden zu brechen. — Nun eilt Lambert dem un-
garischen Boten nach, sie kommen in Venedig zusammen und
setzen gemeinsam ihren Weg fort. Sobald sie sich Stuhlweissen-
burg auf eine Tagreise genähert haben, werden Boten voraus-
gesandt. Der König geht nun den Bischöfen mit dem Clerus
und Volk entgegen. Astrik übergibt ihm die Krone, das Kreuz
und die Privilegien (cum confirmatione privilegiorum). — Der
polnische Gesandte meldet aber von dem Frieden, den der Papst
anbefohlen, und diesen lässt Stefan ,ad memoriam posterorum
in scripto redigi^ Hierauf wird die Krönung umständlicher als
in der Vita von Hartwich beschrieben, doch unter Anlehnung
an dieselbe, z. B. : praesul cum clero, railites cum populo Kyrie-
eleison cum laudibus congruis proclamant, deum omnipotentem
et sanctos apostolos Petrum et Paulum benedicunt, quod sanctus
et deo dilectus Stephanus ex unctione sacri crismatis per-
unctus diademate regalis dignitatis feliciter coronatus est . . .
610
Wer die vorstehenden Stellen vergleichend betrachtet, wird
zunächst bestätigt finden, dass die Vita von Hartwich, nicht aber
die Chronik dem Schreiber der Annalen vorlag; denn — ab-
gesehen von den anderen oben S. 599 f. angefahrten Gründen
— kann man es kaum einem polnischen Chronisten zutrauen^
dass derselbe von allem Material für die polnische Geschichte,
welches die ungarisch-polnische Chronik in der uns erhaltenen
Gestalt bietet, nichts aufgenommen hätte. Auch wird man
zwischen den Annalen und der Chronik stets nur da eine be-
merkenswerthe Berührung finden, wo beide der Vita von Hart-
wich nahestehen; so die Worte jquai-to post patris obitum anno*,
das ,eodem tempore', die Aufeinanderfolge der Gesandtschaften
(Stefan-Mesko; dagegen in der Vita Stanislai: Mesko-Stefan).
Femer wird es aus der Betrachtung der obigen Citate
klar, dass zwischen der Chronik und der Vita s. Stanislai durch-
aus nicht eine so nahe Berührung stattfindet, dass man annehmen
müsste, erstere sei die Vorlage der letzteren gewesen. Die Reihen-
folge der Gesandtschaften ist in der Vita die entgegengesetzte;
weder Lambert noch Astrik werden genannt; bei der Aufzählung
der Gründe für die Verweigerung der Krone herrscht manche
Abweichung, ebenso bei der folgenden Prophezeiung. Vor Allem
ist aber folgender Umstand bemerkenswerth: Die ungarisch-
polnische Chronik erzählt fortlaufend die Geschichte der Gesandt-
schaft und knüpft ohne weitere Bemerkung daran die Gründe,
weshalb die Polen die Krone nicht erhielten; nirgends eine An-
deutung, woher jene Nachrichten stammen, noch weniger eine
directe Andeutung, dass sie etwa aus verschiedenen Quellen
genommen seien. Wenn nun diese Chronik von einem anderen
Schriftsteller ausgeschrieben würde, so könnte derselbe höchstens
bemerken, dass er das Folgende dieser einen Quelle entnahm,
die ihm als untheilhaftes, abgeschlossenes Ganze vorlag. Was
bemerkt aber der Verfasser der Vita s. Stanislai? Die Mitthei-
lungen über die Gesandtschaft leitet er mit den Worten ein,
dass er sie ,in descripcionibus annalium Polonorum et in vita
beati Stephani^ gefunden habe; offenbar darum, weil er sie in
mehreren Quellen fand, erscheint ihm das Mitgetheilte ,proba-
bile et verissime*. Und sobald er zu der Aufzählung der Gründe
übergeht, da hebt er ausdrücklich hervor, dass er sie den pol-
nischen Jahrbüchern entnehme. Wie merkwürdig ist diese Be-
merkung gerade an der Stelle, wo die Mittheilungen enden.
611
welche auch in der Vita s. Stephani stehen, und wo andere ihr
fremde Nachrichten beginnen!^ Aus allem dem wird es klar,
dass der Verfasser der Vita s. Stanislai nicht die fertige fort-
laufende Erzählung der ungarisch-polnischen Chronik in der
vorliegenden Gestalt vor sich hatte, sondern die Vita s. Ste-
phani und polnische Quellen. Aus letzteren entnahm er den
Namen des Papstes und die Gründe der Verweigerung der
Krone an die Polen, und aus denselben Quellen, scheint auch
der Interpolator der ungarisch-polnischen Chronik beide Mit-
theilungen geschöpft zu haben. An die Vita s. Stephani lehnt
sich dagegen der Verfasser der Vita s. Stanislai an, wenn er
Mesko ,nuntios' an den Papst schicken lässt, ohne Lamberts zu
gedenken; vielleicht hat er gewusst, dass derselbe unhistorisch
sei und seinen Namen daher ausgelassen, wiewohl derselbe wohl
in seineu polnischen Quellen stand und aus denselben vom
Interpolator der ungarisch-polnischen Chronik dieser eingefligt
wurde.
Spuren späterer polnischer Interpolationen zeigen sich auch
noch im §. 7 bei der Schilderung des ungarisch-polnischen
Friedensschlusses, auf den wir später bei der Besprechung der
eigenthümlichen Nachrichten der Chronik zurückkommen werden ;
dann vor Allem in den zwei letzten Abschnitten (§§. 12 und 13).
Es steht zwar auch historisch fest, dass im 11. Jahrhundert
Polen eine Zufluchtsstätte fllr unzufriedene oder vertriebene
Ungarn war; und daher mag schon auch in der echten Gestalt
der Chronik Polen und dessen Fürsten öfters genannt gewesen
sein. In der uns vorliegenden Redaction ist aber Ungarn
geradezu zu dem Range eines polnischen Vasallenstaates herab-
gedrückt, in dem Boleslaus ganz nach Willkür wirthschaftiet.
^ Daraus wird klar, wie Unrecht Ketrzyiiski hat, wenn er alle in der
Vita 8. Stan. an der citirten Stelle genannten Quellen für die ungar.-poln.
Chronik ausgibt (Mon. Pol. bist. IV, 338). — Bemerkt mag werden, dass
auch das Chronicon Traski (Mon. Pol. hist. II, 829), nachdem es überein-
stimmend mit den Ann. Cam. über die (Gesandtschaften berichtet hat,
hinzufügt: ,Sed cur fuerit non data (sc. Corona) Polonis in cronica ha-
betur*. Dazu vergleiche man die Bemerkung ebenda S. 228 ,ut in cronicis
premissis habetur* und S. 531 ,ut in cronica declaratur superius*. Ob diese
Verweise auf die in den Handschriften vorangehenden und folgenden
Quollen oder auf andere sich beziehen (s. oben S. 594, Anm. 2), mochte
ich zunächst nicht entscheiden.
612
So wird z. B. erzählt (S. 513), dass Boleslaus den König Leventha
mit dem königlichen Diadem gekrönt habe; als ihm aber ge-
meldet wurde, dass derselbe gestorben sei, da sei er plötzlich
in Alba erschienen ,et congregatis episcopis et magnatibus terrae,
nolnit coronare Belam, maiorem fratrem (sc. Leventhae), sed
ipse contra omnium voluntatem elegit Petrum, iuniorem
fratrem in regem^ Dass dies nicht ein ungarischer Chronist
erfunden hat, ist augenscheinlich. Uebrigens findet sich die un-
mittelbar auf die oben citirte Stelle mitgetheilte Nachricht, dass
Boleslaus nach der Krönung ,recessit in Carinthiam et ibi metas
(sc. sui regni) posuitS wohl in polnischen, nicht aber in unga-
rischen Quellen wieder. Auch Bemerkungen, wie ,Erat enim
timor eins (sc. Boleslai) super omnia montana Carinthiae et Ale-
maniae et Austriae, quia per Austriam cum victoria Poloniam
reversus est in civitatem Cracoviam' deuten klar genug auf pol-
nische Interpolationen. Wenn femer im §.12 Dambrovca als
Grossmutter der ungarischen Prinzen Leventha, Bela und Peter
(den angeblichen Söhnen Stefans des Heiligen) genannt wird
und im Folgenden eine bedeutende Rolle spielt, so ging diese
Interpolation offenbar von demselben aus, der die polnische
Prinzessin Adelheid zur Mutter Stefans machte. Thatsächh'ch er-
scheinen in der oben S. 597 f. citirten Stelle aus den Annales Ca-
menzenses bereits diese beiden Frauen nebeneinander genannt, und
bemerkenswertherweise lautet in diesen Annalen ebenso wie in
der angeführten Stelle der Chronik der Name Dam[n]brovca,
während der Name sonst gewöhnlich ohne den Nasallaut in der
ersten Silbe erscheint, so beim sogenannten Gallus (Mon. bist.
Pol. I, 399) Dubrovca, in der Chronica eccl. s. crucis (Mon. Pol.
bist. II, 773) Dubrovka, ferner im Jahrbuch des Krakauer Ca-
pitels (ebenda S. 792) Dubrouka, in der Chronica brevior
(ebenda) Dubrowka, im Jahrbuch des Traski und in den An-
nales Crac. (ebenda S. 828) Dobrawca, Dobrovca u. s. w.; nur
in den sogenannten Grosspolnischen Jahrbüchern (ebenda S. 792)
Dambrovca. Diese Bemerkung bestätigt neuerdings unsere schon
oben geäusserte Annahme der Interpolation der Chronik aus
einer auf die verlorenen Krakauer Jahrbücher zurückgehenden
Quelle. Uebrigens mag noch bemerkt werden, dass Spuren von
Umarbeitungen in dem letzten Theile der Chronik auch sonst
bemerkbar sind, und zwar rühren sie von Jemandem her, welcher
die ungarische Geschichte wenig beherrschte. So lautet die
613
XJeberschrift zum §. 10 (S. 509) ,De successione Albae in
regnum post mortem patris'; unter dem ,pater' müsste Stefan
der Heilige verstanden werden; diesen Irrthum hat sicher nicht
der ungarische Chronist begangen^ der übrigens in seinen genea-
logischen Bemerkungen Alba nicht als Kind Stefans aufzählt.
Dasselbe gilt von der Ueberschrift zum §. 12 (S. 511): ,De fraude
reginae (sc. Giselae) contra Albam regem, maritum suum.^
Bemerkenswerth ist auch noch Folgendes : Im §. 10 bezeichnet
der Chronist als den ältesten Sohn Stefans aus seiner zweiten
Ehe einen Leventha, als zweiten Peter, endlich als dritten Bela;
an der oben citirten und als polnische Interpolation verdäch-
tigten Stelle über die Einsetzung Peters zieht angebUch Boles-
laus den jüngeren Peter dem älteren Bela vor. Hier hat sich
also der Interpolator auch noch durch seine Unvorsichtigkeit
verrathen.
Nach der vorstehenden Untereuchung erscheint es somit
sehr wahrscheinlicl)^ dass die oben angeführten, Polen
betreffenden Nachrichten urspijünglich unserer Chro-
nik fremd waren und erst später durch einen polni-
schen Interpolator hinzugefügt wurden. Von diesem
kann auch erst in den Titel, welchen die Chronik jetzt führt,
das ,mixta cum cronicis Polonorum' liineingebracht worden sein;
dieser Zusatz ist aber wieder ein Fingerzeig darauf, dass die
besprochenen Interpolationen aus einer polnischen Quelle flössen.
Wann die InterpoHrung stattgefunden haben könnte, müsste
eine Untersuchung über das nähere Verhältniss zwischen den
einzelnen polnischen Quellen erweisen. In der zweiten Hälfte
des 14. Jahrhunderts liegt die Chronik bereits in der interpolirten
Redaction vor.
3. Wir wenden uns nun der Betrachtung des ursprüng-
lichen Bestandes der Chronik und vor Allem ihren eigen-
thümlichen Nachrichten zu, insofeme dieselben Beachtens-
werthes enthalten.
Die Chronik zerfällt in drei Theile, und zwar: 1. die Vor-
geschichte Ungarns bis auf Stefan I., 2. die Regierung Stefans,
endlich 3. die Nachfolger Stefans bis auf Ladislaus den Heiligen.
Für die Vorgeschichte (§. 1 — 4) lagen dem Autor ausser
einzelnen Andeutungen in der Vita s. Stephani von Hartwich
sicher keine schriftlichen Quellen vor; daher zeigt auch dieser
Theil keine nähere Verwandtschaft mit den anderen ungarischen
614
Quellen, wie dies schon oben hervorgehoben wurde. So ist
Attila nach dem Berichte unseres Chronisten nicht der Zer-
störer, sondern der Erbauer von Aquileja; nach ihm sei die
Stadt genannt worden (§. 3, S. 497). Schon diesem Könige
wh-d das Orakel zutheil, dass seinem Geschlechte einst die
Königskrone werde verliehen werden, eine Mittheilung, die den
nationalen Standpunkt des Chronisten scharf kennzeichnet (§. 3,
S. 497). Im Gegensatze zu den späteren ungarischen Chroniken,
die in diesem Theile auch auf gelehrter Forschung beruhen,*
unterscheidet unsere Chronik nicht zwei hunisch- ungarische
Einwanderungen, sondern sie zieht beide zusammen. Für ihren
Verfasser fallen Hünen und Ungarn überhaupt ganz zusammen^
ja er setzt zwischen Attila und Geisa nur noch zwei Genera-
tionen. Es ist nun bekannt, dass vor Allem die mündliche Volks-
überlieferung es liebt, weit auseinanderliegende Ereignisse zu-
sammenzudrängen, wie dies etwa auch im Nibelungenliede ge-
schah. Daher wird man wohl annehmei^ dürfen, dass der
Verfasser der Chronik füj diesen Theil den StoflF zumeist aus
der mündlichen Ueberlieferung schöpft und uns somit — wie
schon Rosner annahm' — in derselben die erste Aufzeich-
nung der ungarischen Ueberlieferungen über Attila
vorliegt. Darin wäre der Hauptwerth dieses Theiles zu suchen.'
Doch mag auch hier schon Bücherweisheit miteingeflossen sein
und Manches auf der Combination des Chronisten allein be-
ruhen. Wenn er z. B. auf Attila dessen Sohn Koloman und auf
diesen Bela folgen lässt, als des Letzteren Nachfolger aber gleich
Geisa nennt, so ist hierin ganz offenbar der Einfluss der Be-
merkung der Vita s. Stephani von Hartwich zu erkennen, dass
Geisa war ,princeps quidem quartus ab illo, qui ingressionis
Hungarorum in Pannoniam dux pnmus fuit'.* Die Einleitung
(Praefatio) und was über die Regierung Geisa's erzählt wird,
ist ebenfalls der Vita entnommen, natürlich mit Ausnahme der
späteren Interpolation über Adelheid.
^ Darüber werde ich in den folgenden Studien handeln.
» A. a. O., S. 74.
■ Aus der Ueberlieferung schöpft der Chronist auch die Nachricht über die
Eintheilung der Ungarn in Heerhaufen und das strenge Heerfolgegesetz (§. 1,
S. 495), worüber auch Keza ähnlich berichtet (Font. bist. hung. II, 67 f.).
An eine Entlehnung aus Keza ist hiebei natürlich nicht zu denken.
^ Font bist. hang. I, 85.
615
Die Regierung und das Leben Stefans (§. 4 — 11)
wird bis auf wenige eigenthtimliche Nachrichten des Chronisten,
auf welche wir noch zurückkommen werden, sehr weitläufig
nach der Biographie von Hartwich geschildert.^ Insofern uns
also ein Plagiat der bekannten Legende voriiegt, ist dieser
Theil stofflich werthlos. Aber andere Umstände machen ihn
sehr schätzbar. Dem Chronisten lag nämlich — worüber in den
Studien I und 11 ausfiihrlicher gehandelt wurde — eine ur-
sprünglichere Redaction der Vita vor, als die uns im Pester
Codex erhaltene ist. Da der Chronist von derselben sehr aus-
giebigen Gebrauch machte, so verdanken wir ihm die Kennt-
niss der ursprünglichen Legende Hartwichs in ziemlich umfang-
reichem Masse. Darnach bestand dieselbe nur aus der Vita
maior s. Steph. und eigenthümlichen Nachrichten Hartwichs;
mit der Vita minor s. Steph. hatte diese ursprüngliche Redac-
tion der Hartwich'schen Legende keine Berührung; Stellen aus
derselben sind erst oflTenbar durch den Schreiber der Pester
Handschrift interpolirt worden. Der Text in der Chronik gibt
uns femer ein Mittel an die Hand, eine verderbte Stelle des
Pester Codex, welche in alle jüngeren Handschriften überging,
richtigzustellen. Nach diesen letzteren würde nämlich Astrik,
der bekannte Freund des heil. Adalbert, nicht der erste Erz-
bischof von Gran, sondern Bischof von Kalocsa gewesen sein.
Wie dieser Fehler in den Pester Codex durch die Correctur
eines unauftnerksamen Lesers sich einschlich, lässt sich zwar
schon durch einen Vergleich dieser Handschrift mit der Vita
maior s. Steph. erkennen. Man vergleiche hierüber Kaindl,
Beiträge zur älteren ungar. Gesch., S. 80 f. Von grossem Werthe
ist es aber, dass in der Chronik, welcher noch die unverderbte
Redaction vorlag, stets Astrik als Erzbischof erscheint. Die
Chronik hat zwar uns den §. 8, in welcher sich der Bericht
über die Erhebung Astriks zum Erzbischof befindet, nicht auf-
bewahrt, aber sie nennt ihn an mehreren Stellen in §. 5 (S. 500),
§. 6 (S. 503) und §. 7 (S. 505) ,praesul', und zweimal (§. 6,
S. 503 und §. 7, S. 505) ausdrücklicher ,praesul Strigoniensis
ecclesiae^ oder ,praesulem Strigoniae^ Ausser diesen kritischen
Behelfen zur Vita s. Steph. von Hartwich bietet der dem heil.
* Darüber vgl. die Studien I und II und die Anm. 1, 8. 689, zu dieser
(m.) 8tudie.
▲rehiT. Bd. LXXXU. H. Hilfte. 40
616
Stefan gewidmete Abschnitt der Chronik auch einige bemerkens-
werthe eigenthtimliche Nachrichten. Zu diesen zählt zunächst
die ausführlichere Schilderung der Königskrönung Stefans im
§. 6 (S. 504), die sicher bis auf die Erwähnung der mit Astrik
aus Italien eingelangten polnischen Gesandtschaft echt ist. Auch
der §. 7, welcher jetzt die Aufschrift trägt: ,De congressione
regis Ungariae cum rege Poloniae' (S. 504 fF.), enthält sicher
ausser der interpolirten Bemerkung über Lambert einen echten
Bericht über die damaligen polnisch-ungarischen Grenzen und
eine Zusammenkunft des ungarischen und des polnischen Herr-
schers, unter welchem letzteren natürlich nicht Mesko, sondern
Boleslaus I. zu verstehen wäre. So sehr nämlich der oben an-
geflihrte, tendenziös gefilrbte Bericht im §. 6 über die Mitthei-
lungen des Papstes an Lambert und über die päpstliche An-
ordnung des Friedens zwischen den angebHchen Verwandten
verdächtig erscheint, so wird man andererseits sich nicht der
Ansicht verschliessen dürfen, dass der §. 7 nicht nur eigen-
thümliche, sondern auch beachtenswerthe Nachrichten des un-
garischen Chronisten enthält. Was zunächst die Gründe betriflft,
welche uns veranlassen, diesen Abschnitt als in seinen Haupt-
zügen bereits der echten Chronik eigenthümlich zu betrachten,
so sind dieselben folgende: In der äusseren Fassung und dem
Geiste des Stückes liegt durchaus kein Grund vor, eine pol-
nische Interpolation anzunehmen, vielmehr dürfte man in dem
Umstände, dass der polnische Herzog den König in Ungarn
aufsucht und die feierliche Zusammenkunft auf ungarischem
Boden stattfindet, einen Hinweis auf den ungarischen Ursprung
dieser Mittheilungen erblicken; auch kann die Behauptung,
dass Stefan hiebei wie die Sonne unter den Sternen (ut sol
inter Stellas, S. 505) hervorgeleuchtet hätte, sicher auf keinen
polnischen Schreiber zurückzuführen sein. Femer spielt bei
diesen Ereignissen nicht nur Astrik von Gran, sondern auch
der ungarische ,princeps militiae Alba' eine Rolle; letzteren an
dieser Stelle anzuflihren, wäre dem polnischen Interpolator kaum
eingefallen. Auch wird mitgetheilt, dass die feierliche Zusammen-
kunft in der Kathedrale zu Gran stattfand, ,quae tunc in ho-
norem sancti martyris Adalberti, Polonorum et Ungarorum apo-
stoli novo opere fabricabatur'; die völlig glaubwürdige Nachricht
von dem Baue dieser Kirche findet sich nur noch bei einem
französischen Schriftsteller des 13. Jahrhunderts, der sie nach-
617
weisbar einer ungarischen Quelle aus dem Ende des 11. Jahr-
hunderts entnahm^ ^ nirgends aber in polnischen Quellen. Hierzu
kommt noch, dass gerade die Erwähnung des Baues dieser
Kirche in Gran, verbunden mit einigen anderen Bemerkungen
über diese Stadt, es sehr wahrscheinlich machen, dass sie
geradezu in Gran niedergeschrieben wurden. Einige Zeilen vor
der Erwähnung des Kirchenbaues verräth der Chronist weit
genauere Kenntnisse Über die Lage der Stadt, als man sie bei
einem fremden, insbesondere einem in Polen lebenden Schrift-
steller jener Zeit voraussetzen würde; ausschlaggebend ist aber
die Bemerkung im §. 12, dass Ki^nig Alba den Deutschen ,ex
ista parte civitatis Strigoniensis' entgegenzog.* Ist aber die
Chronik in Gran geschrieben — dass sie in Ungarn entstanden
ist, werden wir noch aus anderen Andeutungen feststellen
können — so ist es leicht erklärUch, dass wir in ihr die
Nachricht über die von Stefan erbaute Adalbertskirche finden,
und andererseits gewinnen hiedurch die in demselben Para-
graphen enthaltenen Mittheilungen über die Zusammenkunft der
beiden Herrscher in Gran und den Verlauf der damaligen un-
garisch-polnischen Grenzen sehr an Wahrscheinlichkeit. Dass
man über die längs der Donau bei Gran dahinziehende Grenze
an letzterem Orte auch in späteren Zeiten genaue Kenntniss
haben konnte, ist leicht erklärlich, zumal diese Grenze zugleich
diejenige der Diöcesangewalt des Erzbisthums war. Der Bericht
der Chronik ist auch gerade an dieser Stelle sehr klar gehalten
und die Grenzbestimiüung so deutlich gegeben, dass man auf
einen mit der OertUchkeit und den Verhältnissen wohl vertrauten
Mann denken muss. Die Stelle lautet nämUch: ,Qui (sc. dux
Poloniae) congregato omni exercitu suo, ad regem ante Strigo-
nium venit, ibique in tenninis Poloniae et Ungariae tentoria sua
fixit; nam termini Polonorum ad litus Danubii ad civitatem
Strigoniensem terminabantur, dein in Agriensem (Erlau)* civi-
* Vgl. meine ^Beiträge zur älteren ungar. Gesch.*, S. 45 ff. — Dm vor-
gesetzte yPolonomm* an nnserer Stelle der Chronik wird ebenfalls
polnische Interpolation sein.
' Mon. Pol. hist. I, 611. Vgl. anch auf S. 512 die Bemerkung: ,inter montes
prope ciTitatem Strigoniensem*. Wahrscheinlich handelt es sich hiebei
um eine LocalUberlieferung.
' Der gute Pilat bemerkt dazu: »deutsch Eger, eine Stadt am gleichnamigen
i^usse* (I).
40»
618
tatem ibant^ demum in fluvium, qui Tizia nominatur, cedentes
regyrabant iuxta fluvium, qui Cepla nuncupatoT; usque ad ca-
ßtrum Galis (Salis, jetzt Saros)^ ibique inter Ungaros, Ruthenos
et Polonos finem dabant/ Gegen diese den natürlichen Ver-
hältnissen sehr entsprechende Grenzbestimmung wird man umso-
weniger Bedenken hegen müssen, da gegenwärtig wohl auch
die letzten Zweifel gegen die Ausdehnung Polens unter Boles-
laus I. bis an die Donau als beseitigt angesehen werden dürfen.^
Mit dieser Ausbreitung der polnischen Herrschaft mag auch
die vom Chronisten geschilderte Zusammenkunft beider Herrscher
zusammenhängen, über die in Gran vielleicht selbst eine Aufzeich-
nung vorlag. Veranlassung, an dieser Stelle seiner Chronik darauf
zurückzukommen, mag dem Chronisten folgende, an der entspre-
chenden Stelle^ der Vita s. Steph. von Hartwich stehende Bemer-
kung gegeben haben: ,Et ut pacis per quam Christus orbein
coadunavit, se fore probaret filium, quod nullus alium hostiliter
invaderet ... subscriptione federis non pereuntis posteris
suis reliquit stabilitum^ Der Verfasser der Legende hatte
freilich diese Worte mit Bezug auf das wenige Zeilen früher
erwähnte Decretum I. s. Stephani niedergeschrieben. — Die mit
Gran im Zusammenhang stehenden Nachrichten sind die wich-
tigsten eigenthümlichen Mittheilungen unserer Chronik zur Ge-
schichte Stefans; Anderes ist kaum bemerkenswerth oder doch
sehr zweifelhaft. So knüpft der Chronist (§. 7) an die aus der
Vita s. Steph., §. 16, entnommenen Worte: ,Quadam vero nocte
monitu^, statt in der Erzählung der Legende fortzufahren, einen
Bericht, wie der heil. König nächtlicherweile in den Kirchen
durch das Auflegen seiner Kleider die Kranken heilte, worauf
er dann mit den entsprechenden Mittheilungen des §. 17 der
Vita fortfuhrt. Im §. 8 setzt er zum Bericht der Vita s. Steph.
(§. 17) über den Einfall der Bessen hinzu, dass sie ,pro censu'
Ungarn plünderten. In den §§. 9 imd 10 theilt der Chronist
^ Die Namenform Salis steht auf S. 506 und 512. Auch der Anonymus
nennt diesen Ort: scilicot usque ad fluvium Souyou et usque ad castnim
salis (Hist. hung. fönt. 11, 18). Die Identificirung mit Saros in der Nähe
der Toplaquellen sprach bereits Kownacki a. a. O., S. 49, Anm. 61, ans.
• Vpfl. W. Ketrzyiiski, Die Grenzen Polens im 10. Jahrhundert^ S. lö.
(Abhandlungen der Akademie in Krakau, Ser. II, Tom. V, 1893.) —
Anders freilich Marczali, Geschichtsquellen, S. 156.
' Font. hist. hung. I, 46.
619
genaue Zeitangaben der Krankheitsdauer, der Sterbetage und
Sterbestunden Emerichs, seiner Frau und Stefans mit. Endlich
bezieht er im §. 1 1 die in der Vita §. 20 über die Seele Eme-
richs mitgetheilte Erzählung auf diejenige Stefans.
Der letzte Theil der Chronik behandelt endlich die Nach-
folger Stefans bis auf Ladislaus den Heiligen (§§. 10,
12, 13); hierzu rechnen wir auch schon die Mittheilungen über
die Einsetzung der Regentschaft durch Stefan. Die Nachrichten
dieses Theiles sind überaus wirr. Schuld daran trägt sicher zu
grossem Theile der spätere polnische Interpolator, welcher nicht
nur die ganze DarsteDung der Chronik mit seinen Zusätzen
durchhechelt hat, sondern hiebei auch überaus ungeschickt ver-
fuhr; man vergleiche diesbezügUch die Bemerkungen oben S. 613.
Andere Irrthümer wird allenfalls schon der ungarische Verfasser
begangen haben, indem er die ihm vorliegenden, wohl nur spär-
lichen Nachrichten zu einem Ganzen umzugestalten sich be-
strebte, wie die ihm vorUegende Vita s. Steph. war. Hiebei darf
man nicht vergessen, welche bedeutenden Schwierigkeiten die
Geschichte Ungarns gerade im 11. Jahrhunderte bietet. So ver-
worren aber auch in Folge aller dieser Umstände die Dar-
stellung der Chronik in der uns vorliegenden Gestalt ist, so
wird man doch fiir diesen dritten Theil derselben im Gegensatz
zum ersten (vgl. oben S. 613 f.) neben mündlicher UeberHefe-
rung^ auch eine schriftliche Quelle annehmen müssen; sie ent-
hält nämlich doch zu viele Einzelheiten, als dass man dieselben
auf mündliche UeberUeferung allein zurückftüiren könnte. Vor
Allem ist dies schon aus dem Grunde schwer glaubUch, weil sie,
wenn auch verwirrt, doch fast alle Herrschemamen des 11. Jahr-
hunderts anftlhrt; der Chronist nennt nämlich: Alba, Leventha,
Peter, Bela, Albertus (= Bela oder Andreas?), Jesse, Coloman,
Salomon und Ladislaus. Dass sich eine derartige Reihe von
Namen mündHch 150 — 100 Jahre erhalten könnte, ist nach den
Erfahrungen, welche man täglich sammeln kann, sehr zweifel-
haft. Dazu kommt noch, dass, wenn auch nicht alle seiner
speciellen Zeitangaben vertrauenswürdig sind (vgl. diese S. oben,
^ Derselben ist z. B. die Bemerkung in §. 13 entnommen: ,unde usqne in
hodiemam diem appellator palus Albae regis*; wahrscheinlich auch die
folgende Notiz über den Tod Heinrichs in den Bergen bei Qran (vgl.
oben S. 617, Anm. 2); s. aach unten S. 623, Anm. 3.
620
ferner Mon. Pol. bist. I, 511), so doch z. B. die Angabe, dass
Leventha nur ein halbes Jahr König war (S. 514), sehr wahi^
scheinlich ist; auch der Mittheilung, dass Peter zwei Jahre
regierte (S. 515), liegt etwas Wahres zu Grunde.^ Ferner er-
innern wir uns, dass der Chronist über die Ereignisse, welche
Gran betreffen, sich sehr gut unterrichtet zeigte. Wir haben
auch schon daraufhingewiesen (S. 616 f.), dass er in seiner An-
gabe über die Erbauung der Adalbeiiskirche in dieser Stadt
mit einer Aufzeichnung, die wahrscheinUch am Ende des
11. Jahrhunderts entstanden ist und dem französischen Chronisten
Alberich von Troisfontaines vorlag, sich begegnet. Dieselbe
Aufzeichnung lässt nun auch Peter zweimal je zwei Jahre
regieren. In ihr findet bereits auch der Hass der Ungarn gegen
Gisela ebenso scharfen Ausdruck wie in der uns vorliegenden
Chronik. Schliesslich brach jene Aufzeichnung ebenso wie
unsere Chronik gegen das Ende des 11. Jahrhunderts ab.*
Nach alledem wird man die Vermuthung aussprechen dürfen,
dass unserem Chronisten eine Aufzeichnung vorlag, die der
Quelle Alberichs verwandt war. Erinnert sei auch noch daran,
dass wir uns schon oben zur Ansicht gedrängt sahen, der Ver-
fasser der Chronik schreibe in Gran; andererseits hat schon
Wilmans die Vermuthung ausgesprochen,* Alberich hätte seine
ungarische Vorlage durch Robert von Leyden, der seit 1227
Erzbischof von Gran war und von Alberich auch genannt wird,
erhalten können. An sich ist es sehr wahrscheinlich, dass am
Sitze des Erzbischofs schon frühzeitig historische Aufzeichnungen
gemacht wurden, so über die erste Königskrönung, über jene
Zusammenkunft in Gran, über die Grenzen der Diöcese u. dgl.,
aber auch über die einzelnen Könige. Eine solche Aufzeichnung
mag auch unser Chronist benützt haben. So erklärt sich denn
auch die Aufschrift seines Werkes: ,Incipit cronica Unga-
* Ueber Leventha vgl. Chronicon Budense (ed. Podhraczky), S. 102 und
hiezu Büdinger, Oesterr. Gesch. I, 437; über Peters Regierungsjahre
weiter unten im Texte.
* Vgl. meine , Beiträge zur älteren ungar. Geech.*, S. 45 ff. — Dass die Vor-
lage des Chronisten mit Ladislaus thatsächlich abbrach, i.st aus dem Um-
stände zu ersehen, dass er dessen Bruder Colomau schon vor Ladislaus
— den er an letzter Stelle nennt — sterben lässt; also stand in seiner
Vorlage offenbar nichts mehr von Coloman.
' Archiv d. Gesellsch. f. ältere deutsche Geschichtskunde X (1851), S. 189.
621
romm iuncta et mixta cum cronicis Polonorum et Vita s. Ste-
phan!'; dass das ,cronieis Polonorum' nur späterer Zusatz sein
kann^ ist schon oben (S. 613) bemerkt worden.
4. Es erübrigt nun noch, einiges Wenige über den Ort
der Abfassung des echten Theiles der Chronik und über den
Autor derselben zu sagen.
Schon oben ist darauf hingewiesen worden (S. 617), dass
der Chronist wahrscheinlich in Gran schrieb; wir fol-
gerten dies ausser aus anderen Andeutungen aus der Bemer-
kung im §. 12, dass Alba den Deutschen ,ex ista parte civi-
tatis Strigoniensis' entgegengezogen sei. Wenn dagegen Rosner*
aus dem Umstände, dass in der Chronik angeblich über die
Rechte der Stuhlweissenburger Kirche mehr mitgetheilt sei als
in der Vita s. Steph., den Schluss zog, dass die Chronik in
Stuhlweissenburg entstanden sei, so ist dieser Schluss an und
für sich nicht sehr sicher; man konnte näuiHch auch an einem
anderen Orte über jene Rechte gut unterrichtet sein. Vor Allem
aber sind thatsächlieh die Angaben über Stuhlweissenburg in
der Vita s. Steph. viel reichlicher als in der Chronik. Was der
Chronist an dieser Stelle über die Rechte und die Dotirung
der Marienkirche sagt, ist offenbar nur Auszug und Paraphrase
der weilläufigen Mittheilungen in seiner Vorlage. Während letz-
tere flinfzehn lange Zeilen^ über das Thema ,ut nullus episco-
porum in ea cuiusvis iuris quicquam haberet . . . vel cuiushbet
episcopalis officii exercendi sibi licentiam usurparet' handelt,
fasst der Chronist (§. 7) dies in die Worte zusammen: ,ut nullus
archiepiscoporum vel episcoporum in ea cuiusque iurisdictionem
haberet'; ebenso kurz drückt er sich über die materielle Aus-
stattung der Kirche aus, indem er sagt: ,deinde canonicis, qui
eam ad honorem dei genitricis officiarent, praebendas largas
statuit'; die Vita bemerkt dagegen Folgendes: ,Preterea eiusdem
ecclesie populum instituit esse tam Hberum, ut nichil decimarum
cuiquam episcopo dare deberet, sed proposito soH et fratribus,
prout ab eo instutum est, servicium exhiberet. Demum servus
dei, que tunc habebat et acquirere poterat, omnia Christo . . .
conferre studuit . . .' — Dass die Chronik in Ungarn verfasst
worden sei, hatten übrigens ausser Anderen bereits auch
» A. a. O., 8. 130 f.
* Font. bist. hang. I, 48 f.
622
Pilat^ und Zeissberg* angenommen, während Marczali' sicher
mit Unrecht die Chronik unter den polnischen Quellen auf-
zählt. Für die Entstehung der Quelle in Ungarn sprechen
ausser den bereits aufgezählten Gründen noch folgende: Zu-
nächst der ungarische Standpunkt des Verfassers, der sich z. B.
in den Mittheilungen offenbart, dass bereits dem Attila die
Königskrone fiir sein Geschlecht in Aussicht gestellt worden
sei, dass Stefan bei der Zusammenkunft mit dem Herzog von
Polen wie die Sonne hervorgeleuchtet hätte, ebenso auch in
dem Hasse gegen die Deutschen und besonders gegen Gisela.*
Femer beweist der Chronist tiberall eine besondere Landes-
kenntniss Ungarns. Man vergleiche ausser bereits angeftlhrten*
noch z. B. folgende Stellen: §. 3 . . . et pertransivit (Attila)
Alpes Carinthiae et venit in terminos Chrvatiae et Sclavoniae
inter fluvios Savam et Dravam . . . Cum autem post victoriam
fluvium, qui Drava dicitur, pertransisset et vidisset terram pla-
nam atque fructiferam . . . Pertransiens autem Danubium in-
venit terram planam et campestrem, herbisque superfluis vi-
rentem, pastoribus et pecudibus, seu iumentis et poledris indo-
mitis plcnam; nam in terra hac solummodo pastores et aratores
morabantur . . . Post haec autem movit se et pertransivit flu-
vium, qui Thisa dicitur, ibique planitiorem et spatiosiorem terram
invenit, in qua magis delectare coepit. — Interessant ist auch
noch die Bemerkung §. 13 . . . unde (palus prope Pesth) usque
in hodiemum diem appellatur palus Albae regis.
Was die Person des Autors anlangt, so war er seinem
Stande nach allenfalls ein Geistlicher. Als solchen verrathen
1 Mon. Pol. bist. I, 493.
' Poln. Geechichtsflchreibung, 8. 87, Anm. 1.
' Ungar. Geschichtsquellen, S. 156.
^ Wenn der Chronist §. 2 die heil. Ursula zu Attila, der ilir einen Heirats-
antrag macht, sagen lässt: ,Inique canis, ferox et audax! ego regi coelo>
rum copulata sum* u. s. w., so wird man das sicher nicht gegen das oben
Gesagte geltend machen können. An einer anderen Stelle (§. 6) steht
der Ausdruck ,ferox et indomita* in einer polnischen Interpolation. In
§. 4 ist der Ausdruck ,indomita' der Vita s. Steph. §. 4 entnommen, und
auch der Ausdruck ,ignota' (§. 6) findet sich bereits in der Vita (§. 9).
Wenn also Pilat a. a. O., S. 492, aus diesen Ausdrücken folgern wollte,
dass der Chronist die Ungarn ,nicht liebtS so irrt er.
* 8. oben 8. 617 und 619, Anm. 1.
623
ihn z. B. Bemerkungen wie die folgende: Mox praesul Unga-
rorum Astricus, ut fidelis nuntius ab apostolica sede accepta
benedictione, a cardinalibus et curialibas romanae curiae petita
licentia, laetus et exultans ... (S. 503). Ebenso scheint die
genaue Beschreibung der kirchlichen Feier bei der Königs-
krönung (S. 504) und bei der Zusammenkunft des ungarischen
und polnischen Herrschers (S. 505) darauf zu deuten; auch bei
der Schilderung der Todesstunde Stefans (S. 510) kann er sich
nicht versagen, alle hiebei gesprochenen Gebete aufzuzählen.
Hiezu sei noch bemerkt, dass es sich an dieser, sowie an den
anderen SteDen um Zusätze zur Vita s. Steph. handelt. Anderer-
seits hat freilich der Chronist wie andere Capitel dieser Vita
80 auch diejenigen über die Errichtung der Bisthümer aus-
gelassen.^ Auf die Formel ,Tu autem domine miserere nostri^,
mit welcher die Chronik in ihrer jetzigen Gestalt die §§. 1, 2
und 3 beschliesst, möchten wir nicht solches Gewicht legen wie
der Herausgeber der Chronik in den Mon. Pol. bist. I, 492.
Diese Formel könnte nämlich auch erst durch den Schreiber
des 14. Jahrhunderts hinzugefügt worden sein. Wenigstens
schliesst die Vita s. Stanislai bei Bandtke, welche in beiden
oben S. 594, Anm. 2 genannten Handschriften der Chronik voran-
geht, mit derselben Gebetformel, während dieselbe den anderen
Redactionen der Vita fremd ist.* — Der Nation nach scheint der
Chronist ein ungarischer Slave gewesen zu sein. Trotz seines
ungarischen Standpunktes hebt er nämlich, wo es nur angeht,
die ungarischen Slaven hervor; und zwar geschieht dies an
Stellen, wo offenbar nicht etwa an den polnischen Interpolator
zu denken ist. So wenn er z. B. in der der Vita s. Steph. ent-
nommenen Praefatio die Worte einflickt, dass die Ungarn ,non
in propria regione, (sed) in aliena, quae Sclavonia nominatur'
das Christenthum angenommen hätten. In §. 3 theilt er eine
offenbar slovenisch-croatische Ueberlieferung über das Eingreifen
Attilas in die südsla vischen Verhältnisse mit.* Auch berichtet
^ §. 6 (zweite Hälfte) bis §. 8 incl., femer die betreffenden Bemerkungen
im §. 9.
* Auch der Heilsber^r Codex (s. S. 600, Anm. 2), der sonst mit der Vita
bei Bandtke übereinstimmt, hat die Gebetformel nicht.
* In den Geschicken »Kasimirs^ (§. 3) verschmilzt offenbar die Ueberliefe-
rung die Ermordung Miroslaws (durch den Ban Pribunia) mit dem Namen
634
er, Attila hätte es fiir vortheilhaft erachtet, wenn seine Mannen
,uxores Sclavas et Chrvatas copularent, ita terram in pace et
quiete possideret' (S. 497). Attila selbst vermählt sich mit einer
Slovenin imd sein angeblicher Sohn Coloman mit einer Kroatin
u. dgl. m. — Ueber die Fähigkeiten unseres Chronisten und
seine schriffcsteUerische Thätigkeit wird man allenfalls ein etwas
günstigeres Urtheil i^Uen milssen, als es bisher oft geschah.'
Man übersah nämlich, dass viele der Irrthümer, darunter woJil
auch Missverständnisse der Vita s. Steph.,* erst durch den
späteren Interpolator und die Schreiber veranlasst sein dürften
(s. oben S. 613). Ausser bibhschen Phrasen,^ von denen übri-
gens viele erst der Interpolator einfügte, verwendet der Chronist
auch einmal eine Reminiscenz aus einem Alexanderroman. Als
Stefan sich anschickte, dem König Konrad entgegenzuziehen^ da
soll er sich an die Worte Alexanders des Grossen erinnert haben:
,stare pro patria, patriis titulis et honori invigilare decet^ (S. 507).
Am Schlüsse möge das Ergebniss der vorangegangenen
Untersuchung kurz zusammengefasst werden. Die Chronik ist
um das Jahr 1200 in Ungarn, und zwar wahrscheinlicb zu
Gran, verfasst worden. Ihr Autor war ein Cleriker, und zwar
wohl slavischer Abkunft. In späterer Zeit (vor dem Ende des
14. Jahrhunderts) ist die Chronik in Polen mit polenireund
liehen Nachrichten interpolirt worden. lin ersten Theile scheint
uns die Chronik die ursprünglichste Ueberlieferung über Attila
zu übermitteln; im zweiten Theile fügt sie zu dem Auszuge
aus der m'sprünglichen Redaction der Vita s. Steph. von Hart
wich einige wissenswerthe Nachrichten hinzu, wie sie auch das
vorzüglichste Mittel zur kritischen Erkenntniss dieser Vita ist
In ihrem letzten Theile (und wohl auch schon bei den selbst
seines Vorgängers Kresimir oder dem des späteren Kresimir-Peter foic
lOöU), ferner mit dem bald nach dem Tode des letztgenannten Herrscher?
erfolgten Eingreifen der Ungarn. Vgl. Huber, Gesch. Oest^rr. I, 3i*>
bis 824. Anders Rosner a. a. O., S. 77.
> Vgl. z. B. Zeissberg, Miseco I., S. 114 (Archiv f. österr. G^^
XXX VUI); Marczali, Geschieh toquellen, S. 156; Rosner a. a. 0.
S. 107 ff., 126 u. ö.
• Vgl. Rosner a, a. O., S. 107 ff.
' Dazu gehört auch die echt epische Kampfschilderuug im §. 3, S. 497.
635
ständigen Nachrichten des zweiten) scheint sie sich auf eine
ungarische (Graner) Geschichtsaufzeichnung zu stützen, die bis
auf Ladislaus den Heiligen reichte; stofflich ist die Chronik in
ihrer jetzigen Gestalt in diesem letzten Abschnitte fast werthlos.
IV.
Ueber die Urkunde Stefans des Heiligen fßr Martinsberg-
Pannonhalma.
Ueber die Echtheit der vielumstrittenen Urkunde Stefans I.
für Martinsberg hat zuletzt^ J. Karäcsonyi in seiner Schrift
,Szt. Istvan oklevelei ^s a Szilveszter-bulla etc/, Budapest 1891,
gehandelt. Ein Auszug aus derselben erschien im folgenden
Jahre in der ,Ungar. Revue' XII, 284 ff. Karäcsonyi kommt
in seiner Untersuchung zu dem Ergebnisse, dass die Urkunde
mit Ausnahme des Postscriptes ein echtes Original sei und um
das Jahr 1030 verfasst wurde; das Postscript, welches die Aus-
stellung der Urkunde fälschlich in den Anfang des 11. Jahr-
hunderts verlegt,* sei hingegen erst nach dem Jahre 1137 hinzu-
gekommen. * Zu theilweise ähnlichen Schlüssen werden auch wir
in der folgenden Darstellung gelangen; doch sollen in derselben
mehrere, zum Theil weit verbreitete Irrthümer berichtet werden.
Vor Allem scheint die Ansicht, als ob unsere Urkunde im
Original uns vorläge — sie wäre dann die einzige ungarische
Originalurkunde jener Zeit — sehr zweifelhaft zu sein. Diese
^ Die vorliegeude Studie lag schon längere Zeit druckfertig und zum Ab-
senden bereit, als ich darauf aufmerksam wurde, dass Pauler in neuerer
Zeit gegen Karicsonyi auftrat und die Urkunde als eine Fälschung
bezeichnet. Ich habe seine Untersuchung nicht nachprüfen können, aber
düs Ergebniss erscheint sehr zweifelhaft. Vgl. Ungar. Revue 1894, S. 331,
und Jahresber. d. Gw., XIV, III, 283.
* Nicht 1001, wie bisher allgemein und auch von Kar^csonyi angenommen
wurde, sondern 1002 scheint der Schreiber des Postscripts gesetzt zu haben.
Die Stelle ist in der Urkunde nicht deutlich lesbar. Man vergleiche neben
Fej^r, Codex dipl. I, 282, der 1001 ansetzt, das Facsimile bei NovAk, Vin-
diciae diplomatis (1780) und die neue Ausgabe bei Florianus, Hist. hung.
fönt. 1, 101, darnach angeblich ,MLI* zu lesen ist. Richtiger ist offenbar ,MIIS
was auch mit der Ind. (XV.) und dem zweiten Reg^erungsjahre überein-
stimmt
» S. 291 ; vgl. auch S. 288 f.
^
626
Ansicht setzt nämlich amnächst den Ausnahmsfall voraus, dass
die Originalorkunde nicht datirt war; denn das irrige Datum
kann nur vom Schreiber des Postscriptes herrühren. Femer
ist der umstand verdächtig, dass das Postscript, wenn es auch
wahrscheinlich nicht nach so langer Zeit hinzugefügt wurde, wie
Karicsonyi meint, in der Schrift u. s. w. völlig der Urkunde
gleicht Eine so ,vorzüghche Nachahmung^ — wie sie Karäcsonyi
annimmt — würde doch kaum möglich gewesen sein; vielmehr
scheint es wahrscheinlicher zu sein, dass uns eine Copie der Ur-
kunde sammt dem bereits früher hinzugefügten Postscript vorliegt
Diese Vermuthung wird durch die nähere Betrachtung einer Stelle
der Urkunde zur Gewissheit erhoben. In Zeile 9 und 10 heisst
es nämlich daselbst, dass Stefan sein bekanntes Gelübde bezüg-
lich des Martinsklosters ,astantibus ducibus videlicet Poznano,
Cuntio, Orozio, domino quoque (10) Dominico archiepiscopo'^
geleistet habe. Nun ist es bekannt, dass in der Zeit des bei
Veszprim niedergeschlagenen Aufstandes noch überhaupt kein
Erzbischof in Ungarn vorhanden war und überdies der erste
EIrzbischof dieses Landes Astrik hiess. Es ist aber auch ferner
in der Urkunde Zeile 13 ausdrückUch bemerkt, dass, als Stefan
nach der Niederwerfting des Aufstandes daran ging, sein Ge-
lübde zu erfüllen, ,necdum enim episcopatus et abbatiae preter
ipsum locum (sc. Martini monasterium) in regno ungarico site
erant^* Folglich ist jenes ,domino quoque Dominico archi-
episcopo* sicher nicht ursprünglich in der Urkunde gestanden;
hiebei ist es zunächst gleichgiltig, ob uns eine echte oder un-
echte Urkunde vorhegt, denn auch der absichtliche Fälscher
hätte nicht im Räume weniger Zeilen sich derart widersprochen;
übrigens wird auch in der Zeile 12, wo die Zeugen nochmals
angeführt werden, der Erzbischof nicht erwähnt.* Wir haben
somit eine Abschrift vor uns, in welche der unwissende
und unachtsame Schreiber, weil er am Schlüsse der Urkunde
die später zu erklärenden Worte ,Dominicus archiepiscopus vice-
cancerarius fecit^ las, den Erzbischof auch unter jene Zeugen
des Gelübdes Stefans einschob; er glaubte offenbar, wie tibri-
* Florianus a. a. O., 8. 100.
* Ebenda.
' . . . sab testimonio prefatorum ducum, multorumque comitom, absqu^
ulla inora . . .
627
gens auch manche neuere Historiker, dass Dominicas der erste
angarische Erzbischof und Zeitgenosse jenes Aufstandes war,
und bemerkte nicht den Widerspruch, der zwischen seiner
Interpolation und der oben aus Zeile 13 citirten Behauptung
der Urkunde entstand. Vielleicht ist auch sein Irrthum durch
eine Bemerkung genährt worden, welche jetzt zwischen seiner
Interpolation und der Behauptung in Zeile 13, dass es keine
Bisthümer damals gab, steht. In Zeile 11 heisst es nämlich,
dass Stefan dem Kloster die aufgezählten Besitzungen und
Rechte schenkte, ,ne parrochiano episcopo pertinere videretur*.
Aber diese Bemerkung ist gegenüber der deutlichen Bemerkung
in Zeile 13 leicht als eine den Zeitverhältnissen vorgreifende
Bemerkung des — wie wir sehen werden — späteren Ver-
fassers der Urkunde zu erkennen. Da nun die Schrift unserer
Copie der Zeit Stefans entspricht, so wird man auch annehmen
müssen, dass die uns vorliegende Abschrift nicht allzulange
nach Stefan verfertigt wurde; denn an eine so überaus ge-
lungene spätere Nachahmung der Schrift wird man so lange
nicht denken dürfen, als hiezu kein dringender Grund vor-
handen ist. Dass dies thatsächUch nicht der Fall ist, werden
wir weiter unten gegen die Ansicht Karäcsonyi's feststellen
können. Hier sei nur noch bemerkt, dass dieser bewiesen hat,
dass die Formeln unserer Urkunde zumeist denen in den
Diplomen Heinrichs H. gleichen, also wohl der Zeit des-
selben nicht ferne stehen. Das an der Urkunde befindUche
Siegel ist allenfalls von einer anderen genommen; dieses Ver-
fahren setzt aber noch durchaus nicht voraus, dass der Inhalt
der Urkunde gefälscht sei.
Nachdem wir die Urkunde, soweit es nöthig und möglich
war, vom diplomatischen Standpunkte betrachtet haben, wollen
wir auf den Inhalt derselben näher eingehen. Derselbe mag
daher hier wenigstens in aUer Kürze angeführt werden. Er
lautet: Ich, König Stefan, habe auf Veranlassung des Abtes
Anastasius vom St. Martinskloster, welches mein Vater begonnen
und ich vollendet habe, diesem Kloster die Privilegien des-
jenigen von Monte Cassino verheben (concessimus), weil ich
durch die Bitten der Mönche und durch den Rath und die
Mithilfe des Abtes Anastasius gestärkt und preisgekrönt worden
bin. Auch wollte ich hiemit ein Denkmal an die Hilfe errichten,
welche mir in meinen Knabenjahren (in pueritia mea) durch
628
den heil. Martin zu Theil geworden ist. In den kriegerischen
Zeiten nämlich^ als der arge Zwist zwischen den Deutschen
und Ungarn entstanden war, der Bürgerkrieg wüthete und der
Somogyer Comitat mich vom väterlichen Sitze vertreiben wollte,
da gelobte ich, sobald ich als Sieger hervorgehen würde, den
Zehent des genannten Comitates sofort dem Kloster zu schenken.
Sobald ich Sieger geblieben war, bin ich sofort an die Aus-
führung meines Gelöbnisses geschritten. Da nun damals in
Ungarn weder Bisthümer noch Abteien ausser dem Martins-
berger Kloster bestanden, und es mir freistand, in jedem belie-
bigen Orte Bisthümer und Abteien zu errichten, sollte es mir
nicht gestattet gewesen sein, für jeden Ort das zu thun, was
ich wollte? Damit nicht aber jetzt (adhuc) die Kirche zum
heil. Michael und der Diöcesanbischof geschädigt werden, habe
ich ihm das Dorf Kortö mit den Einwohnern daselbst gegeben.
Wenn dieser aber etwas gegen meine Bestimmungen unter-
nehmen wollte (Zeile 17), so möge er wissen (sciat!), dass
er einst vor Gott mit mir rechten werde. Jetzt (adhuc) treflfe
ich aber folgende Nachtragsbestimmungen (subjungens dico):
Das Kloster sei (sit) von allen Beunruhigungen frei, die Mönche
mögen das Recht haben (habeant) ... u. s. w. — es werden
Rechte aufgezählt, wie sie z. B. unter Stefan auch die Stuhl-
weissenburger Kirche erhielt, und hiebei wird die kirchUche
Hierarchie und der weltliche Beamtenstand in der vollen Ent-
wicklung, welche sie unter Stefan erreicht hatten, erwähnt. Wer
gegen diese Rechte verstösst, möge 100 Pfund .des reinsten
Goldes zahlen (componat) und möge verflucht sein (. . . feriatur).
Sodann folgen die gewöhnlichen Schlussformeln, darunter in der
24. Zeile die Worte: Dominions archiepiscopus vicecancerarius
fecit. In der 25. Zeile beginnt das Postscript: Anno dom. ine.
MII* ind. XV. anno Stephani primi regis Ungarorum secundo
hoc Privilegium scriptum et traditum est. Hae sunt nominatae
villae in dedicatione aecclesie ab archiepiscopo Sebastiane et a
comite Ceba: Piscatores . . . Murin, Curtov . . . Tertia pars tri-
buti de Poson in omnibus rebus sive presentibus sive futuris.
Dies ist der Inhalt der Urkunde, welche den äJteren
Forschem unüberwindbare Schwierigkeiten bereitet hat Da
dieselben nämlich den erwähnten Abt Anastasius von Martins-
^ S. S. 626, Anm. 2.
629
berg mit dem aus anderen Quellen^ bekannten gleichnamigen
Abt von Meseritz, dem Begründer von Peesvarad und späteren
Erzbischof von Ungarn, identificirten und die im Postscript an
gefiihrte Jahreszahl als richtiges Datum der ganzen Urkunde
auffassten, ergaben sich ihnen drei gleichzeitige Erzbischöfe:
Anastasius, den sie mit dem Martinsberger Abt identificirten;
Dominicus, der die Urkunde schrieb; endlich Sebastianus, der
im Postscript genannt wird. Man stand vor einem Räthsel; das
völlig unlösbar schien und dem auch Karäcsonyi nicht völlig
gerecht geworden ist. Auch er ist der Meinung, dass der
Martinsberger Abt und der Erzbisehof Anastasius identisch sind.
Das ist unrichtig. Die Stefanslegenden, welche doch von Ana-
stasius, dem Begründer des Pecsvarader Klosters und ersten
Erzbischofe, so viel zu erzählen wissen,* hätten nicht verfehlt,
bei der Erwähnung des Klosters auf dem Martinsberge ^ auch
mitzutheilen, dass derselbe Anastasius auch dessen Abt war
und in dieser Stellung Stefan beistand. Ferner ist es bekannt,
dass dieser Radla-Anastasius, der nahe Freund des heil. Adal-
berts, noch am Ende des Jahres 996 oder anfangs 997 dem
von dem eben genannten Heiligen zu Meseritz in Grosspolen
begründeten Kloster als Abt vorstand und somit frühestens
Ekide 997 nach Ungarn kam> Wie soll nun in der kurzen
Spanne Zeit bis zur Königskrönung Stefans, an welcher schon
der Erzbischof Anastasius theilnahm, der aus Polen gekommene
Radla bereit» das Pecsvarader Kloster begründet haben, Abt
von Martinsberg gewesen und überdies zu solchem ßnfluss
gekommen sein, dass er dem König bei dem übrigens vielleicht
noch vor 997 ausgebrochenen Aufstande schon thatkräftige
Hilfe gewährte?! Dies ist schlechterdings unmögUch. Anastasius
* Vgl meine «Beiträge znr älteren ungar. Gesch. S S. 66 — 73 und S. 75 AT.
' Vita maior §. 7 (Florianuß a. a. O., I, 16) und Vita von Hartwich,
§§. 7, 8 und 9 (ebenda S. 42 ff.). — Nichts gemein hat dagegen dieser
Astrik mit dem im §. 12 von Hartwich genannten Ascricus von Calocsa;
vgl. meine »Beiträge zur älteren ungar. Gesch.*, S. 81 ff.
» Vita maior, §. 8, Vita von Hartwich, §§. 6 und 8, Vita minor, §. 6 (Flo-
rianus a. a. O., I, 4).
* Die Nachricht über das Kloster Meseritz findet sich in der anonymen
,Pas8io s. Adalperti martiris* (Mon. Germ. SS. XV, 2, 8. 706); vgl. dazu
meinen Aufsatz in der Deutschen Zeitschr. f. Geschichtsw., IX, 106 f.,
ferner die soeben, Anm. 1, ciürten Stelleu in den Beiträgen*.
630
von Martinsberg und der aus Polen gekommene Anastasius-
Radla, der Pecsvarad begründete und erster Erzbischof von
Ungarn wurde, sind verschiedene Personen. Jener muss schon
früher nach Ungarn gekommen sein, und vielleicht ist er mit
jenem Papas (-Astrik) zu identificiren, der nach Brun von Quer-
furt (Vita s. Adalb., Cap. 23) schon am Hofe Geisas und Sa-
roltas geweilt hatte und von diesen nicht fortgelassen wurde,
als der heil. Adalbert vor seiner Reise nach Polen um ihn sandte.
Dass dieser in Ungarn verbliebene Papas nicht identisch sein
kann mit dem von Adalbert auf seiner polnischen Reise zum
Abt von Meseritz eingesetzten Anastasius, ist klar.*
Wenn nun aber auch die beiden Anastasius miteinander
nichts gemein haben, so war doch der eine thatsächlich zu
Anfang des 11. Jahrhunderts Erzbischof von Ungarn. In welchem
Verhältnisse steht dieser zu den in der Urkunde als angeblich
gleichzeitig genannten Erzbischöfen Dominicus und Sebastianas.
über welchen letzteren auch in der Vita s. Stephani von Hart-
wich (§. 12) erzählt wird, dass er ein Mönch des Klosters
Martinsberg war, und dass er wegen seiner Frömmigkeit vom
Könige Stefan auf den erzbischöflichen Stuhl berufen wurde?
Karäcsonyi hat auch diese Frage nur zum Theil gelöst.* Er
hat zwar erkannt, dass das angebUche im Postscript enthaltene
Datum der Urkunde falsch sei, und dass dieselbe nicht kurz
nach 1000 unter Erzbischof Anastasius, sondern erst unter einem
späteren Erzbischof Dominicus verfasst sei; er hat aber bezüg-
lich des ebenfalls im Postscript genannten Sebastian keine Ent-
scheidung gewagt. Mit Hilfe des oben citirten Berichtes der
Stefanslegende ist der Sachverhalt leicht erklärt: Der erste
Erzbischof von Ungarn war Anastasius, der bis etwa um das
Jahr 1030 regierte, denn um diese Zeit soll ihn der Mönch
Arnold von Regensburg besucht haben;' ihm folgte Seba-
stian von Martinsberg, der als ein Mönch dieses Klosters
sowohl die Vollendung und Einweihung der längst begon-
nenen Klosterkirche vollzog, als auch bei dieser Gelegen-
^ Auch darüber sind die Beiträge an den citirten Stellen zu vergleichen.
• Seine neue Arbeit über die ersten Erzbischöfe von Ungarn, in welcher
er auch der Ansicht Florianus* über die Legende von Hartwich beistimmt^
ist mir unzugänglich. Vgl. Jahresber. d. Gw. XV, III, 223.
' Arnold schildert seinen Empfang bei dem Erzbischofe Anastasius in seiner
Schrift De s. Emmerammo (Mon. G^rm. SS. IV, 547).
631
heit flir das materielle Wohl seiner Klosterbrüder Sorge trug;
dessen Nachfolger im Amte, und zwar schon in den letzten
Begierongsjahren Stefans, war endlich Dominicus, der in Ueber-
einstimmung mit dieser Annahme auch in der, wenn auch ge-
fälschten Urkunde von Bakonyb^l zum Jahre 1037 genannt
wird. ^ Unter diesem Dominicus gegen das Ende der Regierung
Stefans ist also unsere Urkunde ausgefertigt worden, womit das,
was oben über die Formeln der Urkunde bemerkt wurde, gut
übereinstimmt.
Wenn nun die in der Urkunde angeführten drei Erz-
bischöfe einander in ihrem Amte ablösten, so sind in derselben
offenbar Ereignisse aus verschiedenen Jahren erzählt, öeht
dies nicht vielleicht aus der Urkunde selbst hervor? Man lese
nur nochmals dieselbe oder auch nur ihren oben mitgetheilten
Inhalt. Was Stefan in derselben über die Hilfe, welche ihm
durch Anastasius von Martinsberg zu Theil geworden ist, über
den inneren Krieg und über sein Gelübde erzählt, stellt er als
längst vergangen, in seinen Knabenjahren (pueritia) geschehen
hin, wobei er ausdrücklich hervorhebt, dass damals noch keine
Abtei und kein bischöflicher Sitz sich im Lande befand imd er
daher jeder neubegründeten Stiftung beliebige Rechte verleihen
konnte. Sobald er aber von den Entschädigungen, die er dem
durch die Vorrechte Maiünsbergs geschädigten Diöcesanbischof
(von Veszprim) gewährt, zu sprechen beginnt, heisst es: ,Damit
nicht aber jetzt der Bischof geschädigt erscheine (ne ad-
huc . . .y, und ebenso werden die folgenden Verfolgungen über
die Rechte Martinsbergs mit den Worten ,Jetzt aber treffe ich
folgende Nachtragsbestimmungen^ (adhuc autem subjungens dico)
eingeleitet. Aus allem dem wird es klar, dass zwischen den im
Eingange der Urkunde geschilderten Vorgängen und den im
zweiten Theile derselben enthaltenen Verfügungen eine lange
Zeit verstrichen ist. Vor uns liegt nicht der Stiftbrief der Abtei,
sondern ein ihr später verliehenes Privilegium, das sie gegen
die Angriffe des inzwischen entstandenen Diöcesanbisthums
schützen soll. Stefan gab dem Bischof als Abfindung den Ort
Kortö; dieser sollte hiefÜr niemals mehr in die Rechte des
Klosters eingreifen, und darüber stellte der damals regierende
^ Fej^r, Cod. dipl. I, 327 ff. — Ueber die ersten ErzbischOfe Ung&ras
vgl. auch in meinen jB^^^rägen zur älteren ungar. Gesch.* die Studie XI.
▲rohiT. Bd. LXXXU. O. H&lft«. 41
632
Erzbischof Dominicafl die Urkunde aus, in welcher der Ereignisse
vor 1000 nur aus dem Grunde Erwähnung geschieht, um die
Veranlassung der Vorrechte Martinsbergs und deren rechtliche
Grundlage gegenüber den Anmassungen des später entstandenen
Bisthums klarzulegen. ^ Dass aber thatsächlich ein ziemlich hef-
tiger Zwist zwischen der alten Stiftung der Arpaden und dem
Veszprimer Bisthum stattgefunden haben muss, geht klar ans
dem Tone der Urkunde hervor. ,Quod si — ruft Steßm aus —
vos fideles, licuit mihi quo volui loco episcopatus et abbatias
statuere, an non licuit cuipiam loco quod volui ut facerem?'
Und dem Bischof ruft er zu: ,Quod si ipse (episcopus) contra
mea statuta quid inique agere vel adquirere voluerit, ante deum
judicem vivorura et mortuorum in die judicii se contendere
mecum sciat!'
Wie kommt es nun aber, dass dasselbe Kortö, welches
in der Urkunde als Entschädigung an das Bisthum vergabt
wird, im Postscript als Besitz des Klosters angeftlhrt wird?
Karäcsonji bemerkt dazu, dass die Urkunde Ladislaus' vom
Jahre 1093, welche sämmtliche Besitzungen der Abtei anfilhrt,'
diese Ortschaft ebensowenig wie das im Postscript genannte
Murin, femer den Pressbuiger Zoll kennt; daraus schliesst er,
dass das Postscript erst in späterer Zeit, da diese Besitzthümer
an die Abtei gelangten, geschrieben wurde, insbesondere erst
nach 1 137, weil in diesem Jahre Bela 11. ein Drittel des Press-
burger Zolles an die Abtei schenkte.' Wir haben nun schon
oben darauf aufmerksam gemacht, dass die Urkunde (Abschrift)
ihrem Schriftcharakter gemäss kaum in so späte Zeit fallen
dürfte; andererseits wird man bei dem Umstände, dass Besitz-
thllmer verloren und wieder gewonnen werden können, den
Schluss Karäcsonyi's als gewagt erklären müssen. Thatsäch-
lich kann zunächst von Kortö gezeigt werden, dass es seinen
Besitzer wechselte. Wie wir oben bemerkt haben, wird dieser
Ort in unserer Urkunde, also unter Erzbischof Dominicus, an
das Veszprimer Bisthum als Entschädigung seiner durch die
* Aus diesem Zwecke der Urkunde erklärt sich die oben S. 627 schon
besprochene Bemerkung in Zeile 11: . . . ne parrochiano episcopo per-
tinere videretur.
* Fejör, Cod. dipl. I, 8. 482 ff.
* Ebenda U, 87.
633
wenn auch älteren Privilegien Martinsbergs geschädigten Rechte
tiberlassen; nach dem Postscripte, also zur Zeit des Erzbischofs
Sebastian, gehört Kortö dagegen dem EJoster. Erinnern wir
uns nun, dass wir oben bemerkt haben, Sebastian habe vor
Dominicus die erzbischöfliche Würde bekleidet, so ist der
Sachverhalt sofort klar: unter Sebastian besass Martinsberg
Kortö ; dann wurde dasselbe, um den Diöcesanbischof zufrieden-
zustellen, an denselben unter dem Erzbisehof Dominicus abge-
treten; daraus erklärt es sich, warum diese Besitzung in der
Urkunde von 1093 nicht genannt wird; später wurde sie wieder
gewonnen und seit 1216 wieder unter den Besitzungen Martins-
bergs aufgezählt. Aehnlich scheint es sich mit dem Pressburger
Zoll zu verhalten; wenigstens wird in einer Urkunde des Papstes
Innocenz in. vom Jahre 1215 nach einem vorgelegten Privileg
Stefans behauptet, ^ dass dieser Zoll bereits vom König Stefan dem
Kloster geschenkt worden sei. Dasselbe könnte allenfalls auch vom
Orte Murin gelten. Man wird sich somit den Ausführungen Karä-
csonyi's nicht anschliessen können; vielmehr ist es sehr wahr-
scheinlich, dass das Kloster thatsächhch schon zur Zeit Seba-
stians die genannten Besitzungen besass und das Postscript nicht
allzulange nach der Ausfertigung der Originalurkunde dieser
hinzugefügt wurde. Bald darauf muss dann von dieser ergänzten
Urkunde die uns vorliegende Copie angefertigt worden sein.
Ihr Schreiber war unzuverlässig und erlaubte sich willktlrliche
Aenderungen; auch war er offenbar in der Geschichte der
letzten Jahrzehnte wenig erfahren. So hat er, wie schon oben
bemerkt wurde, in den Zeilen 9/10 unter die Zeugen des Ge-
lübdes Stefans den Erzbischof Dominicus eingeschoben. Damit
hängt nun aber offenbar auch die falsche Jahreszahl des Post-
scriptes zusammen. Da nämUch der Copist den Erzbischof Do-
minicus in die Anftlnge der Regierungszeit Stefans versetzte,
so musste er nothwendigerweise die von diesem ausgefertigte
Urkunde ebenfalls dahin verlegen. Wie er nun gerade dazu
kam, die übrigens in ihren Theilen widerspruchslose* Dati-
rung Mn., ind. XV., Steph. regis anno 11. zu setzen, wird sich
^ Fej^r, Cod. dipl. III, 1, 172. Das in dem päpstlichen Schreiben citirte
Privileg Stefans kann, nach den Schlussworten «Tributa autem, quae etc.*
za ortheilen, nicht unsere Urkunde sein, trotsdem Fejör dies andeutet.
* S. oben S. 626, Anm. 2.
41*
634
kaum bestimmen lassen. Am wahrscheinlichsten ist es^ dass er
bereits ein Datum vorfand, dieses für unrichtig hielt und durch
irgend einen Theil der Datirung zu seiner Berechnung veran-
lasst wurde.
Für die zeitliche Aufeinanderfolge der in der Urkunde
erzählten Thatsachen ergibt ferner auch folgende Betrachtung
ein bemerkenswerthes Resultat. Man kann es nicht scharf
genug hervorheben, dass Sebastian nicht etwa bei der Begrün-
dung, sondern bei der Weihe (in dedicatione aecclesie) an-
wesend war. Diese Andeutung hätte genügen sollen, um den
zeitlichen Abstand von Sebastian zurück auf Astrik zu erkennen.
So weit wir nämlich über die Baugeschichte der grossen unga-
rischen Gotteshäuser jener Zeit unterrichtet sind, tritt uns überall
eine ziemlich lange Baudauer entgegen; so wurde das Pecs-
varader Kloster vom Jahre 1000 — 1015 gebaut,^ und die Stuhl-
weissenburger Kirche war noch beim Tode Stefans nicht ge-
weiht,* trotzdem ihr Bau ziemlich früh begonnen zu haben
scheint.^ Es ist somit auch sehr wahrscheinlich, dass die Her-
stellung der Martinsberger Kirche eine lange Reihe von Jahren
erfordert hat, was sehr gut damit übereinstimmt, dass sie erst
etwa zwischen 1030 und 1035 eingeweiht wurde. Dass die endliche
Vollendung und Weihe unter dem aus Martinsberg hervor-
gegangenen Erzbischofe Sebastian erfolgte, ist schon oben als
sehr bezeichnend angefahrt worden.
Schliesslich mag noch auf einen Umstand aufmerksam
gemacht werden, der sowohl darauf hinweist, dass zwischen dem
in der ersten und der zweiten Hälfte der Urkunde Erzählten
eine Zeit verstrichen ist, als auch mit ein Beweis filr die Echt-
heit der Urkunde ist. Wie schon früher erwähnt wurde, leistete
Stefan nach Zeile 9 der (noch nicht interpolirten) Urkunde blos
in Gegenwart von drei ,duces', neben denen in Zeile 12 noch
,comites' als Zeugen genannt werden, sein Gelübde; Bischöfe
gab es damals noch nicht, wie die Urkunde selbst Zeile 13
^ S. meine ,Beiträgpe zur älteren angar. Gesch/, S. 72, Anm. 21.
* Vita s. Stephan! von Hartwich, §. 23 (bei Florianus, Hist. hung. fönt.
I, 62) ... Et quoniam ecclesia beatissime virginis ab ipso constracta
nondum erat dedicata, inito consilio statnunt pontifices prins baailicam
sanctificare, deinde corpus (sc. s. Stephani) terre commendare . . .
' Vgl. die freilich zweifelhaften Angaben in den ungarischen Chroniken
(Chronicon Budense ed. Podhraczky, S. 66).
635
hervorhebt, was freilich dem späteren Abschreiber nicht mehr
hewusst war. Im zweiten Theile der Urkunde hingegen,
welche nach unserer Annahme Verhältnisse der letzten Zeit
Stefans berührt, werden dementsprechend schon der ,archi-
episcopus, episcopus, dux, marchio, comes et vicecomes^ ange-
ftüirt. Diese feine Differenzirung ist nicht nur ein Hinweis auf
die zeitliche Entwicklung, sondern sie darf auch als ein Zeug-
niss für die Echtheit der Urkunde gelten.
So weit wir bisher die einzelnen Nachrichten unserer Ur-
kunde betrachtet haben, erscheinen dieselben als durchaus
historisch und unterstützen die Annahme, dass die Urkunde
ihrem Inhalte nach echt sei. Es erübrigt noch, einige Mitthei-
Inngen zu prüfen. Zunächst die Nachricht, dass das Martins-
berger Kloster schon zur Zeit Geisas begonnen und von Stefan
beendet worden ist. Bei dem Eifer, mit welchem si^h Qeisa des
Christenthums annahm und der bisher sicher unterschätzt wurde, ^
ist es zunächst ganz natürlich, dass er Stiftungen zu religiösen
Zwecken errichtet habe. Von seinen Kirchenbauten berichtet
die Vita maior s. Stephani übrigens auch ausdrücklich, ja sie
theilt sogar mit, dass Geisa bereits an die Errichtung von Bis-
thümem gedacht habe,* was doch auch nicht unmöglich ge-
-wesen wäre. Dass er unter diesen Umständen auch die Anfänge
zu einem Kloster legte, ist sehr wahrscheinlich. Dazu kommt
noch, dass die Vita minor s. Stephani nur von der Erbauung
einer ,basilica' zu Ehren des heil. Martin nach der Bewältigung
des Aufstandes berichtet* und die allenfalls nicht viel später
entstandene Legenda s. Emerici ebenfalls nur eine von Stefan
erbaute ,ecclesia s. Martini^ erwähnt;* man wird aber wohl kaum
annehmen können, dass die Legendenschreiber unter ,basilica'
oder ,ecclesia* das ganze Kloster verstanden haben. Bemerk ens-
werth ist es femer, dass im Postscript unserer Urkunde eben-
falls nur von der Weihe der Kirche unter Sebastian die Rede
ist. Der Verfasser der Vita maior scheint freilich der Ansicht
gewesen zu sein, dass Stefan das Kloster (monasterium) über-
^ Vgl. darüber meine ^Beiträge zur älteren ungar. Gesch.*, S. 19.
« Im §. 3 bei Florianus, I, 13.
• Im §. 5 bei FlorianuB, I, 4.
^ Ebenda I, 131 .. . ecclesiam s. Martini, quam ipse in sancto monte Pan-
nen ie inchoaverat.
636
baupt erbaut habe^ was aber leicht auf einem Irrthum beruhen
könnte. Darauf deutet der Wortlaut der Stelle selbst,^ welche
einen Widerspruch in sich schliesst^ indem sie einerseits zwar
von der Erbauung des »monasterium' durch Stefan berichtet, an-
dererseits aber doch andeutet, dass sich seine Stiftung an eine
bereits bestehende anschloss. Die betreffenden Sätze lauten
nämlich: ,Et quoniam Pannonia beati pontificis Martyni nativi-
täte gloriatur . . . rex . . . inito cum theophilis consilio, iuxta
fundum sancti presulis in loco, qui sacer mons dicitur, sub
titulo ipsius monasterium construens . . / Nach allem dem wird
man wohl die Nachricht der Urkunde, dass das Kloster bereits
unter Geisa bestand, nicht bezweifeln. Hiezu mag noch auf die
schon oben ausgesprochene Verrauthung hingedeutet werden, dass
der am Hofe Geisas und Saroltas nach den Berichten Bruns von
Querfurt sehr geschätzte Papas (-Astrik) der in imserer Urkunde
erwähnte Abt Anastasius von Martinsberg gewesen sein könnte.
Höchst beachtenswerth ist ferner die Bemerkung der Ur-
kunde über den bei Veszprim niedergeworfenen Aufstand. Der-
selbe wird nämlich in der Urkunde als ein durchaus pohtischer
geschildert. ,Ingruente namque bellorum tempestate — heisst es
nämlich daselbst — qua inter Theotonicos et Ungaros seditio
maxima excreverat, precipueque cum civihs belli ruina urgerer,
volonte comitatu quodam nomine Sumigiense patria me sede
repellere, quid fluctuanti animo consilii darem . . / Der Umstand,
dass in dieser Bemerkung das politische Moment hervorgehoben
wird, während z. B. die späteren Stefanslegenden den Aufstand
als aus religiösen Motiven hervorgegangen darstellen, ist ein
sehr beachtenswerthes Zeichen für die Ursprünglichkeit und
Echtheit der Urkunde; denn es ist sicher richtig, dass diesem
Aufstande wie nicht minder der späteren unter Peter ausge-
brochenen Bewegung zunächst politische Bedeutung zukam.
Wenn die Legenden den Aufruhr allein aus religiösen Motiven
entstehen lassen, so ist dies nur in Hinsicht auf die besonders
betonte apostolische Thätigkeit Stefans geschehen. Die Erwäh-
nung einer ,seditio inter Theotonicos et Ungaros^ ist aber völlig
unverdächtig. Es ist sicher, dass mit Gisela das deutsche Ele-
ment sehr an Einfluss gewann, und dass es darüber zum Auf
rühr der Ungarn kam, ist eine in diesem Lande nicht unge-
^ Bei FlorianuB, I, 17.
637
ivöhnliche Erscheinung. Damals mag der Hass gegen Gisela, den
die national-ungarischen Geschichtsquellen, und zwar schon seit
dem 11. Jahrhundert zum Ausdrucke bringen,^ seinen Anfang
genommen haben. Vor Allem ist es aber sehr beachtenswerth,
welche bedeutende Rolle die Deutschen bei der Niederwerfung
des Aufstandes des ,dux Kuppan^ nach der ungarischen Chronik
spielen; der Bericht hierüber ist aber offenbar ursprünglich und
glaubwürdig, weil der spätere, durchaus national gesinnte Chro-
nist weder so unparteiisch und ruhig, noch in so ehrenwerther
Weise der Verdienste der Deutschen erwähnt und noch viel
weniger diesen Bericht erst erfunden hätte. Der Bericht der
Chroniken lautet nämlich:* ,Sanctus autem Stephanus . . . convo-
cato exercitu, perrexit obviam hosti suo, et ad amnem Garany
primitus accinctus est gladio (durch die im Folgenden genannten
Schwaben Hunt und Pazman, wie die Chronik an einer an-
deren Stelle^ und Keza* berichten) ibique ad custodiam corpo-
ralis salutis sue duos principes Hunt et Pazman constituit. To-
ciuß autem exercitus sui principem et ductorem Vencellinum
hospitem Almanum genere prefecit. Commisso itaque prelio,
inter utrumque diu et fortiter est pugnatum; sed divine misera-
tionis auxilio beatus Stephanus dux(!) gloriosam obtinuit victo-
riam; in eodem autem prelio Vencellinus comes interfecit Cupan
ducem, et largissimis beneficiis a beato Stephane, tunc duce, (!)
remuneratus est. Ipsum vero Cupan . . .' Aus diesem Berichte
ist klar zu ersehen, dass die Deutschen schon in der ersten Zeit
Stefans eine hervorragende Rolle spielten und insbesondere der
Aufstand, der Stefan leicht den Thron hätte kosten können,
zumeist mit ihrer Hilfe unterdrückt worden war. Dies mag mit
ein Grund gewesen sein, weshalb Stefan in seiner Ermahnungs-
schrift an Emerich den sonst recht sonderbaren und in Ungarn
längst vergessenen Ausspruch that: ,. . . nam unius lingue unius-
que moris regnum imbecille et fragile est.^^
* Schon Alberich von Trois fontaines sagt nämlich, wobei er sich auf eine
wohl noch aus dem Ende des 11. Jahrhunderts herrührende ungarische
Quelle stützt (vgl. meine »Beiträge*, S. 46ff.) Folgendes: sed illa Gisla
regina, ut dicunt, multas malitias in terra illa fecit etc.
* Chronicon Budense (ed. Podhraczky), 8. 63.
* S. 48.
* Florianus a. a. O. II, 94.
'^ Ebenda I, 109.
638
Schliesslich erübrigt noch zu bemerken, dass die in der
Urkunde dem Kloster gewährleisteten Rechte durchaus unver-
dächtig sind. Qanz ähnliche Begünstigungen hat Stefan beispiels-
weise auch der Marienkirche in Stuhlweissenburg verliehen.*
Auch passt zu den in der Urkunde angeführten Privilegien
trefflich die Bemerkung in der Vita maior und von Hartwich
§.8: ,. . . simile fecit episcopiis.^*
Fassen wir die Ergebnisse der vorstehenden Untersuchung
zusammen, so ergibt sich Folgendes: Unsere Urkunde ist
kein Original; sie ist vielmehr eine der Zeit Stefans
allenfalls nicht sehr fern stehende Copie, welcher man das
Aussehen einer Originalurkunde zu geben sich bemüht hat. Die
ursprüngliche Originalurkunde war in den letzten Regierungs-
jahren Stefans, etwa zwischen 1035— 1038, unter dem Erz-
bischof Dominicus ausgefertigt worden; sie war nicht die Stiftungs-
urkunde der Abtei Martinsberg, sondern sollte dieselbe besonders
gegen die Ansprüche des später entstandenen Veszprimer Bis-
thums schützen. Nicht lange nach der Ausstellung der Urkunde
hat Jemand unterhalb der Datumszeile derselben eine Notiz über
die Besitzthümer des Klosters zur Zeit des Erzbischofs Seba-
stian, welcher der Vorgänger des Dominicus war, hinzugefügt;
an eine Fälschung zu rechtlichen Zwecken kann hiebei kaum
gedacht werden. Von der so erweiterten Urkunde wurde noch
im 11. Jahrhundert unsere Abschrift angefertigt. Der Hersteller
derselben glaubte die Urkunde in die ersten Regiei-ungsjahre
Stefans verlegen zu müssen und hat daher das ursprüngliche
Datum (zwischen 1035 — 1038) in 1002 verwandelt; da ihm nun
femer der am Ende der Originalurkunde als Kanzler genannte
Erzbischof Dominicus als Zeitgenosse der Ereignisse um 1000
erschien, so brachte er ihn mit denselben in Verbindung. Ab-
gesehen von diesen zwei Verstössen des späteren Co-
pisten, erscheinen alle anderen Angaben der Urkunde
und der Zuschrift als unverdächtig.
^ Vita s. Stephan! v. Hartwich §13; dem Kern nach als echt und ursprüng-
lich bezeugt durch die entsprechende Bemerkung in der ungar.-poln.
Chronik §. 7, bei Bielowski, Mon. Pol. bist I, 606. Vgl. die vorliegen-
den ^Studien' I und n.
* Florianus a. a. O. I, 17 und 44.
Ausgegeben am 22. Juli 1896
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