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Full text of "Archiv für österreichische geschichte"

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i 


Archiv 


für 


Österreichische  Geschichte. 


Herausgegeben 

von  d«r 

znr  Pflege  vaterländischer  Geschichte  aufgestellten  Commission 

der 

kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Dreiundsiebzigster  Band. 

Erste  Hälfte. 


Wien,  1888. 

In   Commission   bei    F.  Tempsky 

Bnchhlndler  d«r  kai«.  Aksdtmi«  der  WkMntebafUn. 


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Druck  von  Adolf  HolzhauseD  in  Wien, 
k.  k.  Hof-  and  UiüT«r«it&ta*Baohdniokor. 


Inhalt  des  dreiund^iebzigsten  Bandes. 

Erste  Hälfte. 


Seite 
Erzherzog  Carl  und  Prinz  Hohenlohe-Kirchberg.    Ein  Beitrag  zur  Ge- 
schichte des  Feldzuges   in   die  Champagne  (1792).    Von  Dr.  H. 
R.  V.  Zeissberg 1 

Zur  Wahl  Leopold  I.  (1654—1658).  Von  Dr.  Alfred  Francis  Pribram, 

Docent  an  der  Universität  in  Wien 79 

Eine  amtliche  Handlongsreise  nach  Italien  im  Jahre  1754.  Ein  neuer 
Beitrag  zur  Geschichte  der  Osterreichischen  Commercialpolitik 
▼on  Dr.  August  Fournier,  o.  5.  Professor  an  der  k.  k. 
deutschen  Universität  Prag 223 


ERZHERZOG  CARL 


UND 


PRINZ  HOHENLOHE-KIRCHBERG. 


EIN  BEITRAG 

ZUR 

GESCHICHTE  DES  FELDZUGES  IN  DIE  CHAMPAGNE 

(17  öS). 


VON 


D"  H.  R.  V.  ZEISSBERG. 


IrckiT.  Bd.  LXXIII.  I.  H&lfte. 


»Von  hier  und  heute  geht  eine  neue  Epoche  der  Welt- 
geschichte aus,  und  ihr  könnt  sagen,  ihr  seid  dabei  gewesen  I'  * 
An  dies  geflügelte  Wort  unseres  Dichterfürsten  fühlte  ich  mich 
erinnert,  als  ich  zum  ersten  Male  in  den  Briefen  blätterte, 
welche  der  damals  21jährige  Erzherzog  Carl  1792  von  dem 
Feldzuge  in  Lothringen  aus  theils  an  den  Kaiser,  theils  an 
seine  Tante,  die  Erzherzogin  Maria  Christine,  richtete.  Denn 
wohnte  auch  der  Erzherzog  dem  Treffen  von  Valmy  nicht 
persönlich  bei,  so  war  doch  auch  er  einer  der  Zeugen  jenes 
Kanonendonners,  der  über  die  Höhen  des  Argonnenwaldes  in 
das  benachbarte  Lager  Hohenlohe-Kirchberg's  hinab  erscholl 
and  in  demselben  wenigstens  ahnen  liess,  dass  die  Stunde  der 
Entscheidung  eingetreten  sei. 

Eß  war  übrigens  nicht  das  erste  Mal,  dass  der  junge 
Erzherzog  dem  Feinde  gegenüberstand.  Derselbe  hatte  bereits 
zuvor  auf  französisch-niederländischem  Grenzgebiete,  im  Gefechte 
von  Glisuelle  (11.  Juni  1792),  unter  den  Augen  seines  Oheims,  des 
Herzogs  Albert  von  Sachsen-Teschen,  die  Feuertaufe  empfangen. 
Aber  bald  darnach,  bei  der  Kaiserkrönung  zu  Frankfurt,  war 
Franz  II.  mit  seinem  Bruder  übereingekommen,  dass  sich  dieser, 
sobald  das  preussische  Hauptheer  sich  den  Grenzen  Frank- 
reichs nähern  würde,  aus  den  Niederlanden  zu  jenem  Hohen- 
lohe'schen  Corps  begeben  sollte,  welchem  die  Aufgabe  zufiel, 
den  linken  Flügel  der  verbündeten  Invasionsarmee  zu  bilden. 
Man  nahm  an,  dass  es  hier  bald  zu  entscheidenden  Schlägen 
konmien   und   dass   sich   dem  Erzherzog  in  Folge   dessen   die 

*  Goethe,  Campagne  in  Frankreich  1792  (Hempersche  Ausgabe,  XXV.  Band, 
8.  60).  In  der  franz^Jsischen  Ausgabe  von  Chuquet  (Paris  1884),  p.  93. 
Der  Ausspruch  Goethe^s  klingt  übrigens  sehr  an  Massenbach,  Memoiren 
zur  Geschichte  des  preussischen  Staates,  1.  Band,  Amsterdam  1800,  S.  94: 
fier  20.  September  (1792)  hat  der  Welt  eine  andere  Gestalt  gegeben; 
er  ist  der  wichtigste  Tag  des  Jahrhunderts*  (vgl.  S.  115),  an. 

1* 


Gelegenheit  bieten  werde,  sich  ein  reicheres  Mass  militärisch- 
praktischer  Kenntnisse  und  Erfahrungen  zu  erwerben,  als  dies 
bisher  auf  dem  belgischen  Elriegsschaaplatze  der  Fall  ge- 
wesen war. 

Dass  im  Gegensätze  zu  dem  preossischen  Kronprinzen^ 
der  sich  bei  der  Hanptarmee  befand  and  von  dem  fast  in  allen 
Darstellungen  dieses  Krieges  die  Rede  ist,  die  Anwesenheit 
des  Erzherzogs  Carl  bei  dem  Hohenlohe'schen  Corps  nur  hie 
und  da  erwähnt  wird,  findet  seine  Erklärung  nicht  nur  in  dem 
Umstände,  dass  der  Erzherzog  bei  den  Ereignissen,  die  ihm  ja 
blos  zur  Belehrung  und  zur  Vorbereitung  auf  seinen  künftigen 
Feldhermberuf  dienen  sollten,  zwar  keineswegs  eine  blos  no- 
minelle, aber  auch  keine  gerade  hervorragende  Rolle  spielte; 
vielmehr  hängt  diese  immerhin  aufTallende  Erscheinung  vor- 
züglich mit  der  Thatsache  zusammen,  dass  die  meisten  Dar- 
stellungen dieses  Feldzuges  naturgemäss  mit  umständlicher 
Ausführlichkeit  bei  den  Voi^ängen  der  Hauptarmee  verweilen, 
dagegen  die  Action  des  Seitencorps  nur  nebenher  berühren, 
und  dass  jene  Briefe  des  Erzherzogs  bisher  unbekannt  ge- 
bUeben  sind,  die  sich  als  Mittheilungen  eigener  Erlebnisse  und 
bemerkenswerther  Beobachtungen,  wenn  auch  nicht  ihrem  Um- 
fange, so  doch  ihrem  Gehalte  nach  den  viel  citirten  ,Remini- 
scenzen^  des  preussisehen  Thronfolgers  nicht  unwürdig  zur  Seite 
stellen. 

Und  doch  war  dem  Corps  Hohenlohe-Kirchberg's  vom 
Beginne  der  militärischen  Action  an  eine  nicht  unwichtige  Auf- 
gabe zugewiesen.  Vor  Allem  darf  man  wohl  behaupten,  dass 
ohne  die  Ausdauer,  mit  der  jenes  Corps  und  sein  würdiger 
Führer  sich  vor  Verdun  und  zu  Martin  Fontaine  dem  wuchtigen 
Andrängen  eines  siegreichen  und  an  Zahl  überlegenen  Feindes 
entgegensetzten,  der  Rückzug  der  preussisehen  Hauptarmee 
sich  zu  einer  Katastrophe  fUr  diese  gestaltet  haben  würde.  Auch 
mangelt  es  den  Vorgängen  auf  diesem  Theile  des  Kriegsschau- 
platzes ebensowenig  als  den  Ereignissen  in  der  Champagne  an 
dem  Zauber  poetischer  Verklärung ;  wie  dem  Zuge  nach  Vabuy 
Goethe,  so  hat  der  Belagerung  von  Thionville  Chateaubriand* 
beigewohnt  und  gleich  jenem  hat  auch  dieser  das  an  sich  Un- 
erfireuHche   in   die  Form  anmuthsvoller  Schilderung   gekleidet. 

1  M^moires  d'outre-tombe,  Paris  1S4»,  t.  Ol,  73  ff. 


Aach  in  der  neuesten  und  besten  Monographie  über  die 
Geschichte  dieses  Feldzuges,  in  den  drei  Büchern  Chuquet*8  * 
ist  die  Aufmerksamkeit  fast  ausschliesslich  den  Schicksalen 
der  preussischen  Hauptarmee  zugewandt.  ,Die  erste  preussische 
Invasion',  ,Valmy^  und  ,Der  Rückzug  Braunschweigs'  bilden 
die  Mittelpunkte  der  ebenso  gründlichen  als  anziehenden  Dar- 
stellung; blos  der  Belagerung  von  Thionville  und  den  Vor- 
gängen an  den  Islettes  sind  zwei  besondere  Capitel  gewidmet. 
Sonst  pflegt  man  sich,  was  die  rein  militärischen  Vorgänge  bei 
dem  Hohenlohe'schen  Corps  betrifft,  mit  Recht  auch  heute 
noch  an  die  vielcitirte  Arbeit  von  Gebier^  zu  halten,  die  bei 
dem  Umstände,  dass  seit  dem  Aufmarsche  an  den  Argonnen 
das  hessische  Hilfscorps  sieb  mit  jenem  österreichischen  in  die 
Bewachung  der  südlichen  Pässe  theilte,  durch  die  hessischen  Be- 
richte, welche  Renouard  ^  und  Ditfurth  *  zu  Grunde  liegen,  mehr- 
fach und  in  willkommener  Weise  ergänzt  wird. 

Indess  lag  dem  Aufsatze  Gebler's  nur  die  militärische 
Correspondenz  des  k.  k.  Kriegsarchivs  zu  Grunde;  die  auch 
auf  die  politische  Seite  des  Feldzuges  Bezug  nehmenden  Be- 
richte Hohenlohe's  an  den  Kaiser  wurden  von  Gebier  nicht 
benützt.  Und  doch  verdienen  dieselben  gewiss  nicht  minder 
Beachtung  als  jene  Briefe,  die  der  Erzherzog  aus  dem  Feld- 
lager an  seinen  kaiserlichen  Bruder  und  an  seine  Tante  ge- 
richtet hat,  deren  Inhalt  zugleich  den  Verlust  einer  ähnlichen 
an  den  Herzog  Albert  von  Sachsen-Teschen  adressirten  Serie 
von  Schreiben  bedauern  lässt.  * 

Durch  die  Mittheilung  jener  Berichte  und  Briefe  hoffe 
ich  einen  nicht   unwillkommenen  Beitrag   zur  Geschichte   der 


'  La  premi^re  Invasion  prussienne,  Paris  1886.  —  Valmy,  Paria  1887.  — 
La  retraite  de  Brunswick,  Paris  1887. 

'  Der  Zug  der  Allürten  in  die  Champagne,  1 792  (Oesterr.  militärische  Zeit- 
schrift, Jahrg.  1833). 

^  Geschichte  des  französischen  Revolutionskrieges  im  Jahre  1792,  Cassel 
1865. 

*  Die  Hessen  in  den  FeldzOgen  in  der  Champagne,  am  Maine  und  Rheine 
während  der  Jahre  1792,  1793  nnd  1794,  Marburg  1881. 

^  Dagegen  ist  im  k.  k.  Kriegsarchiv  noch  eine  andere  Reliquie  aus  dieser 
Zeit  erhalten.  Es  sind  dies  die  Fragmente  eines  von  dem  Erzherzog 
eigenhändig  concipirten  Tagebuches  und  Operationsjournals  auf  losen 
Blättern,  das,  wie  es  scheint,  als  Vorarbeit  zu  einer  Geschichte  des 
Feldznges    dienen    sollte.     Erhalten    sind    blos   der  3. — 5.  Sept.  (Kr.-A. 


Revolutionskriege  zu  liefern.  Ich  wollte  mich  dabei  indess 
nicht  auf  einen  blossen  Abdruck  von  ActensttLcken  beschränken. 
Ich  zog  es  vielmehr  vor,  die  letzteren  in  eine  Darstellung  der 
Operationen  des  Hohenlohe'schen  Corps  in  der  Art  zu  ver- 
weben, dass  sich  Urkimden  und  Erzählung  wechselseitig  be- 
leuchten und  ergänzen. 

Die  Berichte  und  Briefe  sind  aus  drei  Archiven  geschöpft. 
Die  Benützung  der  Correspondenz  des  Erzherzogs  Carl  ver- 
danke ich  vornehmlich  der  Gnade  Seiner  kaiserlichen  Hoheit  des 
durchlauchtigsten  Herrn  Erzherzogs  Albrecht,  aus  Höchst- 
dessen  Archiv  (A.-A.)  die  Mehrzahl  der  hier  benützten  Briefe 
stammt  und  Höchstdem  ich  hiefUr  meinen  ehrfurchtsvollsten 
Dank  auszusprechen  mir  erlaube.  Werthvolle  Ergänzungen  ge- 
währte das  k.  k.  geheime  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  dessen 
hochverehrter  Vorstand,  der  Herr  geheime  Rath  Ritter  von 
Arneth,  mir  die  betreffenden  Briefe  mit  allbekannter  Liberalität 
zur  Verfügung  stellte.  Die  Correspondenz  Hohenlohe- Kirch - 
berg's  mit  dem  Kaiser  endlich  fand  ich  im  k.  k.  Kriegsarchiv 
(Kr.-A.)  unter  den  Cabinetsacten  vor,  deren  Benützung  mir 
mit  dankbar  empfundener  Liebenswürdigkeit  der  einstige  Vor- 
steher desselben  Herr  Oberst  von  Rechkron  gestattete.  Zu 
besonderem  Danke  hat  mich  endlich  auch  der  erzherzogliche 
Archivar  Herr  Malcher  verpflichtet. 


Erzherzog  Carl  hatte  der  Kaiserkrönung  seines  Bruders 
Franz  H.  zu  Frankfurt  beigewohnt  und  war  also  Zeuge  jener 
altehrwürdigen  Ceremonie  gewesen,  durch  welche  das  heilige 
römische  Reich  deutscher  Nation  seinem  letzten  Oberhaupte 
in  prunkvoller  Weise  huldigte.  Sodann  (19.  Juli  1792)  be- 
gleitete er  Franz  H.  nach  Mainz,  wo  unter  nicht  minder  glän- 
zenden Festlichkeiten  die  Begegnung  des  letzteren  mit  seinem 
Verbündeten,  dem  Könige  von  Preussen,  und  die  letzte  Ver- 
abredung bezüglich  des  bevorstehenden  Angriffes  auf  Frank- 
reich   stattfand.     Auch   der  junge  Erzherzog   lernte   hier   den 


Feldacten  Deutschland  9/32|),  der  8.— 20.  Sept.  (ebenda  9/ad  198  b)  und 
der  30.  Sept.  bis  8.  Oct  (ebenda  9/198  b),  welche  Aufzeichnungen  gleich 
so  manch  anderen  Actenstücken  als  ^^onation  des  Erzherzogs  Carl'  ins 
Kriegsarchiv  gelangten. 


König  von  Preussen,  den  Kronprinzen,  den  Herzog  von  Braun- 
schweig  und  Schulenburg  kennen.  In  Gegensatz  zu  dem  Könige, 
über  den  er  sich  noch  später  recht  ungünstig   äusserte,^   fand 
er  den  Herzog,  der  den  Oberbefehl  der  verbündeten  Truppen 
f&hren  sollte,  ,ehrwürdig  und  interessant^   Besonders  aber  war 
er  über  die  Anwesenheit  der  Prinzen   von   Hessen-Darmstadt 
«itzückt,  mit  denen  er  sich  zwei  Jahre  zuvor  bei  der  Krönung 
seines  Vaters  befreundet  hatte.     ,Ich  wohne  hier,'  meldete  der 
Erzherzc^  am  21.  Juli  seiner  Tante,  ,bei  dem  Kurfürsten  von  Cöln. 
Morgen  werden  wir  uns  zusammen  einschiffen  und  nach  Coblenz 
gehen,  wo  ich  die  Preussen  sehen  werde.  In  Bonn  werde  ich  die 
Nacht  von  Montag  auf  den  Dienstag  schlafen,  wie  ich  dem  Kur- 
fürsten versprochen  habe,  und  von  da  zu  Euch  zurückkehren.'  ^ 
In  der  That  trennten  sich  am  22.  die   erlauchten  Gäste. 
Um  5  Uhr  Morgens   reiste   der  König  von  Preussen  zu  Schiff 
zur  Armee   nach   Coblenz  ab.  ^    Zwei  Stunden  später  verliess 
der  Kaiser  die  Stadt,  um  sich  nach  Prag  zur  böhmischen  Königs- 
krönung zu  begeben.  *  Auch  Erzherzog  Carl  nahm  von  seinen 
Brüdern,  dem  Kaiser  und  EIrzherzog  Josef,  Abschied  und  eilte 
mit  seinem  Oheim,  dem  KurfUrsten  von  Cöln^  und  mit  seinem 
Obersthofmeister,  Baron  Wamsdorf,  auf  einer  leichten  Mainzer 
Yacht  den  Rhein   hinab,   um   den   Kurfürsten  von  Trier,   den 
Schwager  seiner  Tante  Maria  Christine,  zu  begrüssen,  der  mit 
seiner  Leibyacht  dem  König  von  Preussen  entgegenfuhr.   ,Un- 
fem  Boppard,^   so   schildert  ein  Zeitgenosse^   in   treuherziger 
Weise   diese   Fahrt,    ,stiessen   sie   Abends   auf  die   Yacht,    in 
welcher  der  Kurfürst  von  Trier  seinen  Gast,   den  König  von 
Preassen,  erwartete.   Sie  bestiegen  die  kurtrierische  Leibyacht, 
wo   sie   ausser    dem  Kurfürsten    auch    dessen   Schwester,   die 
Fürstin  Kunigunde  von  Thom  und  Essen,  und  dessen  Bruder, 

'  Vgl.  Geschichte  des  ersten  Krieges  der  französischen  Revolution,  S.  11 

in  Strefflear*s  Zeitschrift. 
'  Erzherzog  Carl  an  Maria  Christine,  Mayence,  ce  21  juillet  1792.    A.-A. 

Or.  eigenh. 
3  Minntoli,  Militär.  Erinnernngen,  17—18. 
^Wiener  Zeitung,    1792,  Nr.  61:  Yivenot,  Quellen   zur   Oeschicbte   der 

deutschen  Kaiserpolitik  Oesterreichs,  II,  153 — 154. 
^  Stramberg,  Rhein.  Antiqnarius,   1.  Abtfa.,  1.  Bd.,  S.  87 — 91.     Nach  dem 

Tagebuche  des  kurfürstlich  trierischen  Obersthofmarschalls  Orafen  Boos 

Ton  Waldeck.     Vgl.  auch  Becker,  Das  königliche  Schloss  zu  Coblenz, 

Coblenz  1886,  S.  128  ff. 


■ 


8 

den  Prinzen  Xaveri,  antrafen.     Das  Wetter  wurde   stürmisch, 
es  fing  an  stark  zu  regnen  und  dunkel  zu  werden.     Dennoch 
erwartete   man  die  Ankunft  des  Königs^   der,  von   dem  Kron- 
prinzen begleitet,  ebenfalls  in  die  Yacht  des  Trierer  Kurfürsten 
überstieg  und  sich  freudig  überrascht  zeigte,  als  er  im  Yacht- 
zimmer des  KurfUrsten  von  Cöln  und  des  £k*zherzogs  ansichtig 
wurde.  Sodann  wurde  im  Zimmer  der  Yacht  das  Souper  servirt 
—  25  Couverts.    Der  Sturm  hinderte  die  Abfahrt,  welche  nach 
dem  Souper  erfolgen  sollte.     Man  war  gezwungen,  bei  Kamp 
anzuhalten  und  erst  gegen  12  Uhr  Mitternachts  setzte  man  die 
Fahrt  nach  Coblenz   fort.     Als  man   an   Boppard   vorbeikam, 
paradirten  mit  Pechflambeaux  die  dasigen  emigrirten  Franzosen 
und  riefen:  Vive  le  roi,  vive  Tölecteur!     Viele  Häuser  waren 
allda  beleuchtet  und  die  Stadt  Hess  kanoniren.  Der  König  unter- 
hielt sich  beständig  in  der  Cajoute  mit  Ihro  königlichen  Hoheit 
der  Frau  Fürstin  von  Thorn  und  beiden  höchsten  Herren  Kur- 
fUrsten im  Gespräch.    Beide  königliche  Hoheiten  —  der  Kron- 
prinz  und  der  £i*zherzog  Carl  —  retirirten   sich   Hnker  Hand 
in  den  kleinen  Gang,   setzten   sich  da  auf  die  Bank^  blaseten 
das  Licht  aus  und  überliessen   sich    dem  Schlaf.     Ihro  könig- 
liche Hoheit,  der  Prinz  Xaveri,  setzten  sich  ins  vordere  ZAmmer 
und  schliefen  auch  einige  Stunden.    Die  königlichen  und  kur- 
fürstlichen Suiten  thaten  ein' Gleiches  und  fast  Alles  war  einge- 
schlafen.   Anfangs  wollten  der  königliche  Oberstallmeister  Graf 
von   Lindenau   und   der  am    kurmainzischen   Hof  accreditirte 
königlich  preussische  Minister  von  Stein  alle  Schlafende  durch 
Kurzweil  wach  halten,  allein  zuletzt  überfiel  sie  auch  der  Schlaf 
und  Graf  Lindenau,  um  ungestört  zu  schlafen,  schlich  sich  in 
der  Stille  auf  die  Bank  des  tief  schlafenden  Erzherzogs,  legte 
dessen  Haupt  auf  seine  Brust  und  machte  hierdurch,  dass  ihn 
Niemand  vom  Schlaf  aufzuwecken  unternahm.     Der  englische 
Capitain  Smith,  ein  Bruder  der  bekannten  Madame  Fitzherbert, 
retirirte   sich   rechter  Hand   in   das  Cabinet  der  Frau  Fürstin 
von  Thorn,  machte  die  Thür   zu,   setzte   sich  auf  den  dasigen 
Sessel   und   schlief   ein;    allein    mitten   im   Schlafe   sprang   er 
träumend  auf  und  erschien,  einem  Gespenst  gleichend,  vor  der 
Thür,  welches   ein   allgemeines  Gelächter   verursachte.     Beide 
Kurfürsten  kamen  zuweilen  wechselweise  hervor  und  betrach- 
teten   diese   Schlafgesellschaft,    wobei  jedoch   viele,   besonders 
von  den  königlichen  Adjutanten  wach  wurden  und  aufstanden.^ 


9 

Um  3  Uhr  Morgens  langte  die  Yacht  in  Coblenz  an. 
Der  König  von  Preussen  bezog  das  kurfürstliche  Schloss  Schön- 
bomslust^  *  der  Erzherzog  und  der  Kurfürst  von  Cöln  wohnten 
in  der  kurfürstlichen  Residenz.  Am  23.  um  11  Uhr  Vormittags 
setzten  die  letzteren  ihre  Reise  zu  Wasser  nach  Bonn  fort, 
jiachdem  sie  zuvor  bei  Serenissimo  das  Frühstück  eingenonmien 
and  in  der  Hofcapelle  die  heilige  Messe  gehört  hatten^^)  Am 
25.  Juli  langte  Erzherzog  Carl  in  Brüssel  an.*) 

Hier  war  er  von  Maria  Christine  um  so  sehnsüchtiger  er- 
wartet worden,  je  trüber  die  Stimmung  war,  in  der  sie  sich 
gerade  damals  befand.  Seit  der  Wiederherstellung  der  öster- 
reichischen Herrschaft  in  den  Niederlanden  war  das  Statt- 
halterpaar, Maria  Christine  und  ihr  Gemahl,  unablässig  bemüht 
gewesen,  inmitten  einander  bekämpfender  Gegensätze  die  Auto- 
rität des  Kaisers  aufrecht  zu  erhalten.  Aber  sie  sahen  ihre  Ab- 
sicht nicht  nur  durch  die  Unversöhnlichkeit  der  beiden  grossen 
Parteien  des  Landes  durchkreuzt,  sondern  sie  meinten  auch 
den  widrigen  Druck  einer  Partei  des  Hofes  zu  empfinden,  an 
deren  Spitze  in  Wien  der  Vicekanzler  Graf  Philipp  Cobenzl, 
zu  Brüssel  der  bevollmächtigte  Minister  Graf  Metternich  stand.  ^ 

Zur  Sorge  für  die  Aufrechthaltung  der  inneren  Ruhe  des 
Landes  gesellte  sich  die  nicht  minder  schwierige  Aufgabe, 
gleich  dem  Eindringen  revolutionärer  Ideen  die  Ueberfluthung 
der  Grenzen  durch  den  auswärtigen  Feind  hintanzuhalten.  Denn 
seit  dem  Frühling  1792  sah  sich  Belgien  beständig  den  An- 
griffen französischer  Armeen  ausgesetzt.  Wohl  war  es  bisher 
der  bedächtigen  Umsicht  des  Herzogs  Albert  von  Sachsen- 
Teschen  gelungen,  sich  dieser  Angriffe  mit  Glück  zu  erwehren, 
aber  die  2jahl  der  Feinde  wuchs  täglich,  während  der  Kaiser 
dem  Herzoge  den  Auftrag  ertheilte,  den  grössten  Theil  seiner 
Truppen  Clerfayt  zu  überlassen,  um  dies  Corps  zur  Deckung 
der  rechten  Flanke  jener  preussischen  Armee  zu  verwenden, 
die  sich  im  Sommer  zu  Coblenz  unter  dem  Herzoge  von  Braun- 
schweig versammelte  und  deren  linken  Flügel  das  vom  Ober- 
rheine  anrückende  Corps  Hohenlohe-Kirchberg  bilden  sollte. 


'  Minatoli  a.  a.  O.  18. 

'  8tramberg  a.  a.  O.  S.  92  und  Becker  a.  a.  O.  S.   135. 
^  Maria  Christine  an  die  Kaiserin,  ce  27  joiUfit  L792.  Or. 
'  Le  comte  de  Fersen,  II,  343. 


10 

Maria  Christine  und  ihr  Qemahl  waren  regierungsmttde. 
Die  innere  wie  die  äussere  Lage  Belgiens  rief  diese  Stimmung 
hervor.  Dem  Herzoge  lastete  der  Befehl  des  Kaisers  schwer 
auf  dem  Herzen.  £r  bat  zwar  nicht  gerade  um  seine  fkit- 
hebung,  aber  er  erklärte  dem  Kaiser  doch,  dass  er  seinen 
Posten  verlassen  müsse,  falls  man  ihm  zumuthe,  ohne  Rück- 
sicht auf  die  Erhaltung  der  ihm  anvertrauten  Lande  den 
Wünschen  Clerfayt's  in  ihrem  vollen  Umfange  zu  genügen.  * 
Und  was  Maria  Christine  betrifft,  so  fUhlte  auch  sie  sich  durch 
Alles,  was  um  sie  vorging,  auf  das  Schmerzlichste  berührt. 
Namentlich  meinte  sie  das  Vertrauen  des  neuen  Kaisers  nicht 
in  dem  Masse,  wie  jenes  des  früheren,  ihres  Bruders,  zu  be- 
sitzen. Es  kränkte  sie,  dass  ihr  nicht  gestattet  worden  war, 
sich  mit  Erzherzog  Carl  zur  Krönung  nach  Frankfurt  zu  be- 
geben, um  dem  Kaiser  persönlich  ein  Bild  der  niederländischen 
Zustände  zu  entwerfen,  dass  dieser  vielmehr  den  Grafen  Metter- 
nich,  der  zu  den  Ständen  neigte,  zu  sich  beschied. 

Eben  in  dieser  trüben  Stimmung  gereichte  ihr  die  Rück- 
kehr Carls  nach  Belgien  zu  doppeltem  Tröste,  nicht  nur  um 
ihrer  selbst  Willen,  sondern  auch  wegen  ihres  Gemahls,  in 
dessen  Lager  zu  Mons  sich  der  junge  Erzherzog  sofort  be- 
gab. ^  Sie  hoffte,  dass  die  ruhige  Heiterkeit  Carls  auch  ihren 
bekümmerten  Gatten  erheitern  und  beruhigen  werde.  ^  Um  so 
tiefer  musste  es  sie  berühren,  dass  ihr  Liebling  ihr  alsbald 
wieder  entrissen  werden  sollte. 

Die  Krise,  in  welche  die  niederländischen  Angelegenheiten 
durch  jene  Erklärung  Herzog  Alberts  eintreten  zu  sollen  schienen, 
war  zu  Frankfurt  der  Gegenstand  ernster  Berathung  zwischen 
dem  Kaiser  und  seinem  Bruder  gewesen.  Man  hatte  alle  Mög- 
lichkeiten erwogen,  die  sich  aus  den  eventuellen  Entschlüssen 
des  Herzogs  ergeben  konnten;   man  hatte   beide  Fälle,   dass 


1  Albert  von  Sachsen-Teschen  an  den  Kaiser.  Au  quartier-g:^n^ral  Mons, 
le  5  juillet  1792.  A.-A.  Copie.  ,Si,  apr^  toutes  les  repr^ntations  que 
ma  conscience  m'aura  dict^  de  vons  faire  k  cet  ^gard,  voas  vous  d^- 
terminez  k  ce  demier  parü,  i1  ne  m'en  restera  d^autre  k  prendre  que 
celui  de  vous  demander  la  permission  de  m*en  retirer,  avant  de  me 
trouver  dans  le  cas  d'en  4tre  chass^  ou  devoir  Tabandouner  k  rennemi-' 

3  Maria  Christine  an  die  Kaiserin,  ce  27  juillet  1792.    Or. 

3  Maria  Christine  an  den  Kaiser,  Bruxelles,  du  23  juillet  (1792).  A.-A. 
Copie. 


11 

Herzog  Albert  entweder  blos  die  Armee  oder  auch  die  Nieder- 
lande verlassen  würde,  ins  Auge  gefasst.  Im  letzteren  Falle 
sollte  Erzherzog  Carl,  von  Mettemieh  unterstützt,  sofort  das 
Gouvernement  der  Niederlande  übelnehmen.  Im  ersteren  Falle, 
sowie  felis  der  Herzog  auf  seinem  doppelten  Posten  verbleibe, 
sollte  der  Erzherzog  sich  zum  Corps  Hohenlohe-Kirchberg  be- 
geben und  ihn  dahin,  seinem  Wunsche  gemäss,  Hauptmann 
Vermatti  begleiten.  * 

Die  Anwesenheit  des  Erzherzogs  bei  dem  Hohenlohe'schen 
Corps  sollte  zu  seiner  militärischen  Ausbildung  dienen.  Denn 
während  sich  Herzog  Albert  in  Anbetracht  der  ihm  zur  Ver- 
f&guDg  stehenden  Truppenzahl  bisher  auf  die  engste  Defensive 
hatte  beschränken  müssen,  gehörte  das  Hohenlohe'sche  Corps 
zu  jener  Armee,  welche  demnächst  mit  allem  Nachdrucke  die 
Offensive  gegen  Frankreich  ergreifen  sollte.  Und  während  der 
Herzog,  durch  den  bevorstehenden  Abzug  Clerfayt's  geschwächt, 
aacb  weiterhin  auf  strenges  Ansichhalten  verwiesen  und  daher 
fär  die  nächste  Zeit  irgend  eine  durchgreifende  Action  in 
Belgien  nicht  zu  erwarten  war,  so  nahm  man  mit  um  so  grösserer 
Zuversicht  an,  dass  es  auf  dem  beabsichtigten  Zuge  nach 
Lothringen  und  in  die  Champagne  demnächst  zu  einer  grossen 
Entscheidung  kommen  werde. 

Uebrigens  trat  die  Eventualität,  welche  der  Kaiser  zu 
Frankfurt  in  jener  vertraulichen  Abmachung  mit  seinem  Bruder 
ins  Auge  gefasst  hatte,  nicht  ein.  Herzog  Albert  verblieb  auch 
fanerhin  im  Felde,  und  auch  Maria  Christine  beschloss  zuletzt, 
auf  ihrem  Posten  auszuharren^  wozu  sie,  wie  sie  selbst  sagt,  ^ 
durch  die  Rücksicht  auf  Carls  Zukunft  und  Glück  bestimmt 
ward.  Denn  sie  wünschte  und  hoffte^  dass  sich  Carl  unter 
ihren  Augen  zum  würdigen  Nachfolger  in  der  Statthalterschaft 
ausbilde. 

Dass  übrigens  die  Krise  innerhalb  der  belgischen  Re- 
gierungskreise damals  noch  eine  alle  betheiligten  Personen  be- 
friedigende Lösung  fand,  war  wohl  zum  nicht  geringen  Theile 


'  Nach  einer  Aufzeichnung  des  A.-A.,  datirt  Frankfurt  im  Juli  1792.  Sie 
b^teht  in  einer  Reihe  von  Fragepunkten,  welche  Erzherzog  Carl  eigen- 
händig concipirte  und  welche  am  Rande  der  Kaiser  eigenhändig  be- 
antwortete. 

*  Maria  Christine  an  den  Kurfürsten  von  Cöln,  ce  21  juillet  1792.  A.-A. 
Or.  eigenh. 


12 

auch  Carls  Verdienst.  Durch  Liebe  und  Verehrung,  welche  er 
ebenso  aufrichtig  dem  kaiserlichen  Bruder  als  seinen  Adoptiv- 
eltern entgegenbrachte,  zur  Rolle  des  Vermittlers  in  ganz 
besonderem  Masse  befähigt,  scheint  er  von  dieser  vortheilhaften 
Stellung  den  ausgiebigsten  Gebrauch  gemacht  zu  haben.  Es 
dürfte  sich  an  anderer  Stelle  die  Gelegenheit  finden,  dies  im 
Einzelnen  zu  erweisen.  Hier  genüge  die  Bemerkung,  dass  Carl, 
der  in  den  inneren  Angelegenheiten  Belgiens  damals  durchaus 
den  Standpunkt  des  Statthalterpaares  theilte,  zu  Frankfurt 
wiederholt  denselben  in  vertraulichem  Gespräche  mit  seinem 
Bruder  vertrat,  *  und  dass  er  auch  die  Nachgiebigkeit  —  na- 
mentlich Spielmann's  —  gegen  die  Anforderungen  Preussens 
missbilligte,  *^  so  dass  man  wohl  annehmen  darf,  er  habe  auch 
in  dieser  Beziehung  den  Kaiser  umzustimmen  gesucht.  That- 
Sache  ist,  dass  dieser  bereits  von  Frankfurt  aus  beruhigende 
Schreiben  sowohl  an  Maria  Christine,  ^  als  an  den  Herzog 
Albert^  richtete,  dass  er  versprach,  in  der  Verwaltung  der 
Niederlande  keine  Anordnung  ohne  ihr  Vorwissen  zu  treffen,^ 
dass  er  den  Verdiensten  Alberts  um  die  Vertheidigung  der 
Niederlande  die  gerechte  Anerkennung  zu  Theil  werden  Hess 
und  ihn  nicht  nur  auf  die  bevorstehende  Conferenz  von  Mainz 
vertröstete,  sondern  es  zu  Mainz  wirklich  dahin  brachte,  dass 
sich  der  König  von  Preussen  statt  des  früher  stipulirten  Corps 
von  27.000  Mann  unter  Clerfayt  mit  einem  Corps  von  6000 
bis  8000  Mann  zufriedenstellte.  ^ 

Was  übrigens  die  bevorstehende  Reise  des  Erzherzogs 
Carl  zu  dem  Hohenlohe'schen  Corps  betriflft,  so  war  es  nicht 
so  sehr  diese  Thatsache  an  sich  und  der  betrefi^ende  Befehl 
des  Kaisers,  auch  nicht  der  Umstand,  dass,  wie  ihr  der  Kur- 
fürst von   Cöln   mittheilte,  ^   der  Erzherzog   selbst   den  Kaiser 


^  Erzherzog    Carl    an    Maria  Christine,    Francfort,    ce  14  juillet    und    ce 
16  juillet  1792.    A.-A.  Or. 

2  Desgleichen,  Francfort,  ce  11  jnillet  1792.    A.-A.  Or. 

3  Kaiser  Franz  an  Maria  Christine,  Francfort,  le  18  jnillet  (1792).     A.-A. 
Copie. 

*  Kaiser  Franz  an  Albert  von  Sachsen-Teschen,  Francfort,  ce  18  juillet 

(1792).     A.-A.  Or. 
^  Kaiser  Franz  an  Maria  Christine,  Francfort,  le  18  juillet  (1792).    A.-A. 

Copie. 
^  Kaiser  Franz  an  Albert,  Mayence,  ce  21  juillet  1792.     A.-A.  Or. 
"^  Maria  Christine  an  den  Kurfürsten  von  Cöln,  ce  24  juillet  1792.  A.-A.  Or. 


13 

gebeten  hatte,  ihn  an  jenem  Zuge  ins  Innere  Frankreichs  theil- 
nehmen  zu  lassen,  was  die  Erzherzogin  Maria  Christine  mit 
der  tiefsten  Besorgniss  erfüllte.  Den  Wunsch  ihres  LiebUngs 
beurtheilte  sie  sogar  mit  einiger  Kachsicht;  sie  hielt  ihm  den- 
selben in  Anbetracht  seines  jugendlichen  Alters  und  seiner 
Lebhaftigkeit  zu  Gute.  Auch  wusste  Carl  selbst  sie  darüber 
za  beruhigen,  dass  er  nicht  den  Kaiser  um  die  Erlaubniss  zu 
jener  Reise  gebeten,  sondern  nur  seine  Befehle  eingeholt  habe.^ 
Und  dem  Kaiser  schrieb  die  Erzherzogin  zwar  unter  dem 
ersten  Elindrucke  der  schmerzlichen  Nachricht,  dass  sein  Be- 
fehl ihr  und  ihrem  Gemahl  das  Herz  zerrissen  habe;  aber  sie 
fägte  sich  doch  zuletzt  in  das  Unvermeidliche,  indem  sie 
ihrem  kaiserlichen  Neffen  in  einem  späteren  Briefe  erklärte: 
Jch  will  Ihnen  nicht  verbergen,  dass  seine  Abreise  uns  sehr 
viel  Kummer  bereitet;  aber  in  Allem,  was  die  Pflicht  er- 
heischt, muss  man  Muth  haben  und  der  Vernunft  folgen/ ^ 
Was  sie  jedoch  mit  dem  schwersten  Kummer  erfüllte,  war 
die  Besorgniss,  welche  sie  hegte,  dass  Erzherzog  Carl  sich 
allein,  ohne  einen  angesehenen  und  erfahrenen  Rathgeber  in 
das  entfernte  Feldlager  Hohenlohe's  begeben  sollte.  Wohl 
sollten  ausser  dem  Hauptmann  Vermatti  auch  der  Obersthof** 
meister  Baron  Wamsdorf  und  Graf  Wratislaw  den  Erzherzog 
ins  Feld  begleiten.  Maria  Christine  bezeichnet  jenen  als  einen 
inständigen  Mann',  diesen  als  einen  ,guten  Jungen' ;  aber  nicht 
mit  Unrecht  meinte  sie,  dass  beide  ohne  Gewicht  gegenüber 
Carl  und  der  Armee  sein  wlürden.  ,Du  kennst  Carl/  schrieb 
^e  in  ihrer  Bekümmemiss  an  ihren  Bruder,  den  Erzbischof 
von  Cöln,  ,er  ist  sanft,  in  jeder  Hinsicht  lobenswerth  und 
geistreich.  Aber  er  ist  erst  20  Jahre  alt,  ohne  Weltkenntniss, 
lebhaft,  ungestüm  und  leichtfertig.  Was  soll  aus  ihm  werden, 
wenn  man  ihn  in  die  Armee  hinausstösst,  ohne  Zügel,  ohne 
Aufsicht,  ohne  von  irgend  Jemand  abhängig  zu  sein,  ohne 
irgend  etwas,  was  ihm  imponirt?^  Zwar  lässt  sie  Carl  die 
Gerechtigkeit  widerfahren,  zuzugestehen,  dass,  wenn  man  ihm 
Zeit  zur  Ueberlegung  gönne,  er  das  Gute  erkenne  und  sich 
äus  Ehrgeftihl   befleisse;   aber,   klagt  sie,   das  geschehe  nicht 


*  Enhenog  Carl  an  Blaria  Christine,  Mona,  ce  4  aoüt  1792.    A.-A.  Or. 
>  MariA  Christine  an  Kaiser  Franz,  Bruxelles,  ce  16  aoüt  (1792).    A.A. 
Oopie. 


14 

aus  eigenem  Antriebe.  Bei  all  seinem  Geiste  liebe  er  Zer- 
streuungen, und  es  koste  Mühe,  ihn  zu  Leetüre  oder  zum 
Schreiben  eines  Briefes  oder  Memoires  zu  bewegen.  ,CarV 
fthrt  sie  in  dem  Briefe  an  den  Kurfllrsten  fort,  ,flihlte  sich 
zufrieden  und  glücklich  bei  uns.  Unsere  einfache,  gleichmässige 
Lebensweise  gefiel  ihm ;  er  fand  seine  Gesundheit  dadurch  ge- 
kräftigt. Unsere  Zärtlichkeit  und  Herzlichkeit  gewann  es  über 
sein  Herz,  das  eine  derartige  Behandlung  nie  gewohnt  ge- 
wesen war,  und  nun  hat  jene  höllische  Clique,  ^  um  mir  so  viel 
Kummer  als  möglich  zu  bereiten,  diesen  verwünschten  Vor- 
schlag gemacht,  ihn  uns  zu  nehmen.  Denn  kehrt  er  auch 
zurück,  so  wird  das  nur  auf  ein  paar  Wochen  sein  und  er  sich 
in  unsere  Lebensweise  nicht  mehr  schicken.'^  Auch  dem 
Kaiser  verhehlte  die  Erzherzogin  ihren  Kummer  nicht.  Sie 
beschwor  ihn,  seinem  Bruder  einen  erfahrenen  General  zur 
Seite  zu  stellen,  etwa  so,  wie  einst  ihm  selbst  Kinsky  oder 
ihrem  Bruder,  dem  Kurfürsten  von  Cöln,  Ferraris  zugetheilt  ge- 
wesen sei,  damit,  falls  etwa  Warnsdorf  erkranke,  doch  irgend 
jemand  Anderer  bei  ihm  sei  und  damit  er  bei  seiner  geringen 
Erfahrung  und  seinem  jugendlichen  Alter,  bei  seiner  Lebhaftig- 
keit und  seinem  Feuer  in  einem  Augenblicke,  in  welchem  sich 
die  Blicke  Aller  auf  ihn  richten  würden,  nicht  ohne  Rath- 
geber  dastehe,  da  es  ja  sonst  wohl  Niemand  wagen  würde, 
dem  Bruder  des  Souverains  die  Wahrheit  zu  sagen.  ^ 

Offenbar  war  es  ein  Uebermass  besorgter  Zärtlichkeit, 
welches  Maria  Christine  Befürchtungen  aussprechen  Hess,  die, 
soweit  sie  den  jungen  Erzherzog  betrafen,  in  der  Folge  keine 
Rechtfertigung  finden  sollten  und  die  sie  fast  ungerecht  machten 
gegen  den  Kaiser,  der,  was  über  jeden  Zweifel  erhaben  ist, 
für  das  Wohl  seines  Bruders  nicht  minder  besorgt  war  als  sie. 
Um  ihrem  Wunsche  zu  genügen,  stellte  ihr  der  Kaiser  sogar 
die  Wahl  des  Generals  frei,  welcher  dem  Erzherzog  zur 
Armee  folgen  sollte.^  Dies  setzte  die  Erzherzogin  freilich  in 
nicht  geringe  Verlegenheit.  Sie  eilte  selbst  in  das  Haupt- 
quartier ihres  Gemahls  nach  Mons,  um  mit  ihm  und  dem  alten 


1  Vermathlich  sind  Ph.  Cobenzl  und  Spielmann  gemeint. 
'  Maria  Christine  an  den  Kurfürsten  von  Cöln,  ce  24  juillet  1792.    A.-A.  Or. 
3  Maria  Christine  an  Franz  II.,  ce  27  jnillet  1792.    Or. 
*  Franz   II.    an    Erzherzog   Carl,    Prag,   den  9.  August  1792.     Vgl.  auch 
Franz  II.  an  Maria  Christine,  Prag,  le  9  aoüt  (1792).     A.-A.  Copie. 


15 

befreundeten  Feldzengmeister  Browne  die  Sache  zu  besprechen. 
Da  indesB  bei  der  niederländischen  Armee  kein  Qeneral  oder 
Stabsofficier  entbehrlich  war^  so  bat  die  Erzherzogin  neuerdings 
den  Kaiser,  selbst  die  Auswahl  eines  Officiers  zu  treffen,  der 
im  Stande  sein  würde,  Carl  militärischen  Unterricht  zu  er- 
theilen  und  im  Falle  einer  Erkrankung  Wamsdorf  zu  ersetzen.^ 
Dazu  kam  es  aber  nicht  und  auch  die  Erzherzogin  stand  in 
der  Folge  ausdrücklich  von  diesem  Wunsche  ab,  ^  da  ja  der 
Kaiser  selbst  mittlerweile  die  Obsorge  für  seinen  Bruder  in 
die  besten  Hände  gelegt  hatte,  und  überdies  in  der  Folge,  als 
er  den  Erzherzog  zum  General  ernannte,  die  Anordnung  traf, 
dass  bei  der  ihm  zugewiesenen  Brigade  der  bisherige  Brigadier 
^eichsam  als  sein  militärischer  Berather  verbleiben  sollte.  ^ 

,Da  Meines  Herrn  Bruders,  des  Erzherzogs  Karl  kön. 
Hoheit,'  so  lautete  ein  Handschreiben,  welches  der  Kaiser  am 
9.  August  an  Hohenlohe-Kirchberg  richtete,  ,die8e  Campagne 
bei  der  Ew.  Liebden  untergeordneten  Armee  mitzumachen 
wünschen,  so  empfehle  Ich  denselben  der  Fürsorge  und  dem 
freondschafUichen  Unterricht  Ew.  Liebden  und  ersuche  Sie, 
Heines  Herrn  Bruders  kön.  Hoheit  in  allem  jenen  an  die  Hand 
ZQ  gehen,  was  Ihm  in  diesem  Fache  zu  einiger  Aufklärung 
and  Vermehrung  der  bereits  erworbenen  Kenntnisse  dienen 
kann,  wodurch  Ew.  Liebden  Mich  insbesondere  verbinden 
werden.'  * 

Erzherzog  Carl  selbst  befand  sich  einige  Tage  hindurch 
in  peinlicher  Ungewissheit  über  die  nächste  Zukunft.  Am 
28.  Juh  noch  schrieb  er  an  den  Kaiser,  dass  er  bisher  nicht 
bbe  entdecken  können,  welchen  Entschluss  Herzog  Albert 
fassen,  ob  er  in  Belgien  bleiben  oder  das  Land  verlassen 
werde.  ^  Erst  am  2.  August  vermochte  er  zu  melden,  es  sei 
iast  sicher  anzunehmen,  dass  Herzog  Albert  bleiben  werde, 
,aiich  wenn  bis  27.000  Mann  zu  FZ.  Clerfayt  stossen  sollten', « 


ChriBtiiie  an  Kaiser  Franz,  ce  11  aoüt  1792.    Or.  ei^nh. 
3  Siebe  unten  8.  39  Anm. 
'  Siehe  onten  S.  38. 

*  Vivenotn,  169  theüt  dies  Schreiben  fälschlich  als  ein  kaiserliches  Hand- 
Bcbreiben  an  Albert  von  Sachsen-Teschen  mit  Der  Znsammenhang  lehrt 
dagegen,  dass  es  an  Hohenlohe-Kirchberg  gerichtet  ist. 

^  Enherzog  Carl  an  Kaiser  Franz,  Mons,  den  28.  Juli  1792.  Or.  eigenh. 

*  Desgleichen,  Mons,  den  2.  Augnst  1792.     Or.  eigenh. 


16 

da,  wie  es  in  einem  anderen  Schreiben^  heisst,  Seckendorf 
einen  Plan  entworfen  habe,  demzufolge  auch  nach  Abzug  jener 
Truppenzabl   die  Vertheidigung   der  Niederlande   möglich   aei. 

So  stand  also  der  Abreise  des  Erzherzogs  zum  Corps 
Hohenlohe  nichts  mehr  im  Wege,  obgleich  er  es  für  gut  fand, 
zuvor  noch  einmal  den  Kaiser  um  Verhaltungsbefehle  anzu- 
gehen. ^  Der  Kaiser,  der  dies  Schreiben  in  Prag  inmitten  der 
Krönungsfestlichkeiten  empfing,  beantwortete  dasselbe  sofort  in 
zustimmender  Weise.'  Nur  Metternich  erhob  noch  im  letzten 
Augenblicke  Bedenken  formeller  Art  dagegen,  dass  sich  der 
Erzherzog  zu  einer  Armee  begeben  wolle,  welche  sich  mit  der 
des  Königs  von  Preussen  vereinigen  sollte.  Aber  Erzherzog 
Carl  Hess  sich  nun  nicht  mehr  zurückhalten,  obgleich  ihm 
Metternich  den  Brief  vorlas,*  den  er  hierüber  an  den  Kaiser 
zu  richten  willens  war.  Vielmehr  schrieb  er  unmittelbar  vor 
seiner  Abreise  zum  Hohenlohe'schen  Corps  an  seinen  kaiser- 
lichen Bruder:  ,Du  wirst  selbst  einsehen,  wie  empfindlich  es 
mir  fallen  müsste  und  wie  nachtheilig  es  für  meine  Ehre  sein 
würde,  wenn  ich  etwa  mitten  in  wichtigen  Operationen  die 
Armee  verlassen  müsste,  in  einem  Augenblicke,  wo  ich  mich 
am  meisten  unterrichten  könnte.  Ich  überlasse  Dir  alle  diese 
und  weitere  Betrachtungen  über  diesen  Gegenstand.  SoUte  aber 
die  Convention  zwischen  denen  Höfen,  keine  Volontärs  zu  den 
Armeen  zu  nehmen,  der  einzige  Anstand  sein,  so  hängt  es  nur 
von  Dir  ab,  mir  auch  blos  pro  forma  Anstellung  bei  einer 
Brigade  zu  geben.'  *  Und  auch  die  Erzherzogin  glaubte  jetzt, 
trotz  des  Schmerzes,  den  ihr  Carls  Abreise  verursachte,  gegen- 
über der  bestimmten  Weisung  des  Kaisers  derartigen  poUtischen 
Erwägungen  keinen  Raum  gewähren  zu  dürfen.  ^ 

Am  22.  August  Morgens  reiste  Erzherzog  Carl  von  Brüssel 
zu  dem  Armeecorps  Hohenlohe  -  Kirchberg  ab.  ^  In  seinem 
Gefolge  befanden  sich  Warnsdorf  und  Wratislaw.     Später  erst 


1  Erzherzog  Carl  an  Maria  Christine,  le  2  aoüt  1792.    A.-A.  Or. 

2  EIrzherzog  Carl  an  den  Kaiser,  Mons,  den  2.  Angnst  1792.    Or. 

3  Kaiser  Franz  an  Erzherzog  Carl,  Prag,  den  9.  Angust  1792.  A.-A.  Or. 
*  Maria  Christine  an  Kaiser  Franz,  (23  oder  28  aoüt)  1792.  Or.  eigenh. 
^  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser,  Brüssel,  den  22.  August  1792.     Or. 

^  Maria  Christine   an  den  Kaiser,    Bruxelles,    du  22  aoüt  (1792).     A.-A. 

Copie. 
"^  Metternich  an  Kaunitz,  Brüssel,  den  22.  August  1792. 


17 

traf  Hauptmann  Vermatti  ein,  der  bereits  früher  zum  Corps 
Clerfayt's  abgegangen  war  und  bei  der  Belagerung  von  Longwy 
Gelegenheit  fand,  sich  hervorzuthun.  ^  Am  23.  August  befand 
sich  Carl  zu  Viviers  TAgneau.  ^  Am  24.  August  Morgens  langte 
der  Erzherzog  in  Luxemburg  an.  ^  ,Ich  habe  bereits/  schreibt 
er  noch  an  diesem  Tage  der  Erzherzogin,  *  ,einen  Theil  der 
Festung  gesehen  und  werde  den  Rest  Nachmittags  besichtigen. 
Morgen  will  ich  bei  Hohenlohe  eintreffen.  .  .  .  Durch  Prinz 
Schwarzenberg  werden  Sie  bereits  die  Details  der  Einnahme 
von  Longwy  vernommen  haben.  Der  Oberst  von  Chamboran 
ist  mit  Officieren  und  Soldaten  seines  Regiments  emigrirt.  Er 
wollte  deren  400  mitbringen.  Aber  die  französische  Infanterie 
hat  sie  zerstreut,  indem  sie  Feuer  gab,  als  jene  abmarschiren 
wollten.  Das  sind  sämmtliche  Nachrichten,  die  ich  unterwegs 
einziehen  konnte.  Es  heisst,  dass  auch  Luckner  emigrirt  sei, 
80  wie  Lafayette,  der  sich  zur  selben  Zeit  wie  ich  zu  Namur 
befand.^ 

In  Luxemburg  wusste  Niemand,  wo  sich  zur  Stunde 
Hohenlohe  befinde;  man  vermuthete  blos,  dass  er  bei  Remich 
stehe.  Daher  sendete  der  Erzherzog  den  Grafen  Wratislaw  mit 
dem  Auftrage  ab,  den  Prinzen  aufzusuchen  und  ihm  seine 
Ankunft  anzuzeigen.'^  Wratislaw  traf  den  Prinzen  zu  Wies 
gegenüber  von  Remich  an.**' 

Der  Herzog  von  Braunschweig  hatte  nämlich  den  Prinzen 
Hohenlohe-Blirchberg,    der   mit   seinem   Corps  ^   und   dem   der 

^  Erzherzog  Carl  an  Kaiser  Franz,  Mons,  den  28.  Juli  1792.  Or.;  vgl. 
unten  S.  25. 

^  Kr.-A.  Feldacten.  Bericht  des  Rittmeisters  Blum,  Mons,  den  23.  August 
1792.  ,Der  Lieat.  Baron  Bourscheid,  welcher  in  diesem  Augenblicke  von 
Laxemburg  zurückkommt,  hat  die  Gnade  gehabt,  heute  um  6  Uhr  Früh 
bei  Viviers  TAgnean  Seine  königliche  Hoheit  den  Erzherzog  Carl  zu 
begegnen.    Allerhöchst  dieselben  befanden  sich  vollkommen  wohl.* 

'  Operationsjoumal  9/13  a.  Kr.-A.  Hofkriegsraths-Acten.  Wiener  Zeit.  1792, 
Beil.  zu  Nr.  76. 

*  Erzherzog  Carl  an  Maria  Christine,  Luxemburg,  ce  24  aoüt  1792.  A.-A. 
^Ebenda. 

*  Erzherzog  Carl  an  Maria  Christine,  Luxemburg,  ce  26  aoüt  1792. 
A.-A.  Zu  den  folgenden  Märschen  ist  die  Karte  bei  Massenbach, 
Memoiren  L  zu  vergleichen,  auf  welcher  jene  bei  Renouard,  Geschichte 
des  französischen  Revolutionskrieges,  Cassel  1866,  beruht. 

^  Einem  Briefe  des  Erzherzogs  Carl  an  die  Erzherzogin  Maria  Christine 
vom  9.  September  (A.-A.)  ist  ein  Standesausweis  der  unter  dem  Befehle 
AitktT.  Bd.  LXXin.  I.  H&iri«.  2 


18 

flmigranten  unter  Cond^  am  1.  August  den  Rhein  bei  Mann- 
heim überschritt^  *  aufgefordert,  an  die  Mosel  zu  marschiren 
und  diesen  Fluss  bei  Remich  zu  passiren,  wobei  er  es  seiner 
Einsicht  überiiess,  unterwegs  einen  Versuch  auf  Saarlouis  oder 
ThionyiUe  zu  wagen.  In  der  That  hatte  Hohenlohe,  der  mit 
seiner  Hauptmacht  am  14.  August  Kaiserslautem  err^chte^ 
anfangs  die  Absicht,  sich  der  Festungen  Bitsch  und  Saariouis 
zu  bemächtigen^  da  von  ersterem  Orte  Deputirte  zu  ihm  ge- 
kommen waren,  um  ihn  zu  versichern,  dass  das  Schweizer- 
regiment Chateau -Vieux,  welches  das  dortige  Schloss  besetzt 
hielt,  dies  den  Oesterreichem  übergeben  wolle.*  Doch  stand 
er  davon  ab,  da  Braunschweig  angesichts  der  kritischen  Lage 
Ludwigs  XVI.  zur  Eile  drängte,  und  rückte  nun  vielmehr  ge- 
radenwegs an  die  Mosel  vor,  die  er  am  26.  erreichte,  und  wo 
er  die  Preussen  ablöste,  welche  bis  dahin  unter  General  Köhler 
Remich  besetzt  gehalten  hatten.^ 

Denn  mittlerweile  war  auch  die  preussische  Hauptarmee 
(11.  August)  aus  ihrem  Lager  bei  Hontheim  aufgebrochen 
und  hatte  sodann  bei  Konsarbrück  ein  neues  Lager  bezogen, 
wo  man  sich  durch  die  mangelhafte  Verpflegung  zu  sieben- 
tägigem Verweilen  genöthigt  sah.  Dieser  unerwartete  Aufent- 
halt der  Preussen  brachte  Luckner  auf  die  Vermuthung,  dass 
es  dieselben  auf  Thionvilie  oder  Saarlouis  abgesehen  hätten, 
weshalb  er  sein  Lager  bei  Longueville  nächst  Metz  verliess. 
und  sich  bei  Richemont  an  der  Mündung  der  Ome  in  die 
Mosel  aufstellte.  Doch  die  preussische  Hauptarmee  rückte  viel- 
mehr in  östlicher  Richtung  nach  Montfort  (13.  August),  und 
nachdem  der  Herzog  von  Braunschweig  hier  vier  Tage  v^- 
weilt  hatte,    lagerte   er  zwischen  Körtzingen  und  Bettemburg, 


Hohenk>he*s  stehenden  gesammten  Tmppenmacht  beigefügt.  Sie  bestand 
aus  drei  Corps:  1.  dem  Corps  Hohenlohe,  der  eigentlichen  Opermtions- 
armee,  in  der  Stärke  ron  19.16S  Mann  in  13  Bataillons  und  10  Diri- 
sionen;  2.  dem  Corps  Erbach,  das  sor  Deckung  der  Magamine  bei 
Speier  sarQckblieb,  9349  Bfann  in  7  Bataillons  und  3  Divinonen; 
3.  dem  bei  Freiburg  im  Breisgau  stehenden  Corps  Elsxterhazy,  12.141  Mann 
in  9  Bataillons  und  6  Divisionen.  Im  Gänsen  betrug  die  Armee  also 
40.648  Mann  in  29  Bataillons  und  19  Divisionen. 

1  Minutoll,  Militärische  Elrinnerungen,  43.  Derselbe,  Der  Feldzng  der  Ver- 
bündeten in  Frankreich  im  Jahre  1792,  Berlin  1847,  S.  108. 

'  Hohenlohe-Kirchberg  an  den  Kaiser,  25.  August  1794.  Kr-A.  Cab.-Act  Cr. 

>  Gebier  a.  a.  O.  Heft  IV,  15. 


19 

überschritt  sodann  die  Grenze  und  näherte  sich  über  Tiercelet 
and  Yillers  la  Montagne  der  Festung  Longwy,  bei  der  er 
sieh  mit  Clerfayt,  der  über  Arlon,  Bnvange,  Messancy,  Aix- 
sur-Clois  und  St.  Remy  herangerückt  war,  vereinigte.  Von 
Clerfayt  unterstützt,  schritt  der  Herzog  an  die  Belagerung  von 
Longwy,  das,  da  Luckner  noch  immer  unbeweglich  bei  Riche- 
mont  lagerte,  am  23.  August  capituliren  musste  und  am  fol- 
genden Tage  im  Namen  des  Königs  von  Frankreich  durch  je 
ein  österreichisches  und  preussisches  Bataillon  in  Besitz  ge- 
nommen wurde.  Zu  Longwy  verweilte  Braunschweig  noch 
mehrere  Tage,  um  die  Ankunft  Hohenlohe  -  Kirchberg's  vor 
Thionville  und  den  Ausgang  seines  Unternehmens  abzuwarten.^ 
Wie  wir  sahen,  hatte  Hohenlohe-Eirchberg  am  26.  August 
die  Mosel  erreicht,  die  er  am  28.  August  überschritt,  worauf 
er  bei  Rodemachem  lagerte.  Hier  nun  erhielt  der  Prinz  von 
dem  Herzog  von  Braunschweig  neuerdings  den  bestimmten  Be- 
fehl, sich  der  Festung  Thionville  zu  bemächtigen.  Einstweilen, 
theilte  der  Herzog  ihm  im  Vertrauen  mit,  werde  er  selbst  sich 
gegen  Verdun,  Clerfayt  gegen  Stenay  wenden,  wo  jene  Armee 
stand,  die  eben  damals  Lafayette  verlassen  hatte.  Nach  der 
Eannahme  von  Thionville  sollte  auch  Hohenlohe-Eirchberg  an 
die  Maas  gegen  Verdun  aufbrechen.  Dass  die  Eroberung 
Thionvilles  keine  Schwierigkeiten  bereiten  werde,  schien  dem 
Herzoge  damals  noch  gewiss.  Am  31.  August,  meinte  er,  könne 
die  Festung  gefallen  sein,  denn  der  feindliche  Commandant, 
Feldmarschalp  Felix  Louis  Wimpfen,  stehe  im  geheimen  Ein- 
verständnisse mit  den  Emigranten  und  habe  unter  gewissen 
Bedingungen  sich  zur  Uebergabe  bereit  erklärt.  Die  Beding- 
niss,  an  welche  jener  die  Uebergabe  knüpfe,  sei,  dass  Luckner 
von  Thionville  abgeschnitten  werde,  während  am  rechten  Mosel- 
ofer  gegen  das  hier  gelegene  Kronwerk  und  Fort  Scheinangriffe 
gerichtet  werden  sollten.^  Auch  Erzherzog  Carl  schrieb  an 
den  Kaiser,  man  rechne  auf  ein  Einverständniss  in  der  Stadt 


'  Gebier  a.  a.  O.  23.    Die  preassische  Marschroute  bei  Massenbach  a.  a.  O. 

I,  ISO  ff. 
^  Mir^hal  de  camp  =  Generalmajor,  lieber  ihn  Tgl.  Souvenirs  et  corre- 

spondence  du  comte  de  Neuilljr  (publi^s  par  M.  de  Barberey)  Paris  1865, 

8.  49;  Chnquet,  La  retraite  etc.,  235. 
5  Gebier  a.  a.  O.  23—24. 

2* 


20 

selbst  und  hoffe,  dass  einige  Haubitzen,  Bomben  und  glühende 
Kugeln  das  Ihrige  dazu  beitragen  würden,  um  die  Sommation 
zu  unterstützen,  die  im  Namen  der  französischen  Prinzen  an 
sie  ergehen  sollte.  ^ 

Erzherzog  Carl  war  bis  zum  28.  August  in  Luxemburg 
verblieben,  da  Hohenlohe  ihm  auf  seine  erste  Anfrage  gerathen 
hatte,  hier  noch  so  lange  zu  verweilen,  bis  das  ganze  Corps 
beisammen  sein  und  den  Marsch  gegen  Thionville  antreten 
werde.  ^  Ein  Brief,  den  der  Erzherzog  von  Luxemburg  aus 
an  seine  Tante  richtete,  enthält  manch  interessante  Einzeln- 
heit über  die  damaligen  Vorgänge  in  dieser  Festung  und 
über  die  Ki'eise,  in  denen  er  daselbst  verkehrte.  Unter  Anderen 
sah  er  hier  den  regierenden  Fürsten  von  Anhalt-Zerbst,  der 
einst  sein  Land  verlassen  hatte,  indem  er  behauptete,  dass  der 
König  von  Preussen  die  Absicht  habe,  ihn  aufheben  zu  lassen. 
Seither  war  er  nicht  mehr  in  sein  Ländchen  zurückgekehrt, 
so  viele  Mühe  sich  auch  seine  Schwester,  die  ihm  als  vermeint- 
liche Parteigängerin  des  Berliner  Hofes  verhasste  russische 
Kaiserin  geben  mochte,  ihn  auf  andere  Gedanken  zu  bringen. 
Er  hatte  sich  vielmehr  zur  Zeit,  als  Kaiser  Josef  mit  den 
Holländern  zerfiel,  von  Freiburg  im  Breisgau  nach  den  Nieder- 
landen begeben  und,  indem  er  sich  mit  seiner  Duodezarmee 
von  400 — 500  Mann  Infanterie  und  40  Reitern  im  Solde  des 
Kaisers  dem  Regimente  Bender  anschloss,  an  der  Bewältigung 
des  belgischen  Aufstandes  theilgenommen.  ^  Jetzt  cantonnirte 
er  mit  seinen  Truppen  in  Luxemburg,  wo  er  dieselben  zu 
Ehren  des  anwesenden  Erzherzogs  unter  dem  Zulaufe  der 
ganzen  Stadt  exerciren  liess. 

Auch  weilten  damals  viele  Emigranten  in  der  Stadt. 
,Gestem  Abends,'  schreibt  Erzherzog  Carl  an  seine  Tante,  ,war 
ich  in  einer  Gesellschaft  bei  Madame  Tournau;  es  waren  viele 
Damen  aus  dieser  Gegend  und  Französinnen  zugegen,  aber 
fast  kein  Mann,  ausser  einigen  Officieren.'  Ueber  die  Emigranten, 
,welche  nichts  haben  und  Alles  haben  wollen',  hörte  der  Erz- 


1  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser,  Luxemburg,  den  28.  August  1792.    Or. 
^  Hohenlohe-Kirchberg   an  den  Kaiser,  Lager  bei  Wiese,  gegenüber  von 

Remich.    Kr.-A.  Cab.-Act. 
5  Memoiren  des  Herzogs  Albert   von  Sachsen-Teschen.    A.-A.    Vgl.  Puy- 

maigre,  Comte  Alex,  de,  Souvenirs,  8  ff. 


21 

herzog  vielfach  klagen.  Jeh  war  gefasst  auf  Klagen  gegen  die 
Preussen ;  aber  im  Gegentheile  scheint  man  mit  denselben  sehr 
zufrieden  zu  sein.  Das  Einzige,  was  das  Land  belästigt,  sind 
die  Fuhren,  welche  die  Bewohner  leisten  müssen.^  ,Gestem,^ 
fiigte  er  hinzu,  ,habe  ich  die  ganze  Festung  gesehen.  General 
AUemand,  der  vor  einiger  Zeit  bei  Grisuelle  uns  gegenüber- 
stand, ist  jetzt  hier.  Ein  Hussar  von  Eszterhazy  hat  ihn  zur 
Hauptwache  gebracht,  ihn  dort  aufgepflanzt  und  sich  sodann 
entfernt^  ohne  zu  sagen,  ob  er  ihn  zum  Gefangenen  gemacht 
habe  oder  ob  derselbe  emigrirt  sei.  Der  General  versichert 
das  letztere ;  er  hat  sein  Ehrenwort  gegeben,  die  Festung  nicht 
zu  verlassen.' ' 

Am  27.  August  machte  der  Erzherzog  dem  FZM.  Hohen- 
lohe  in  seinem  Lager  einen  Besuch,  kehrte  aber,  da  es  da- 
selbst an  einer  passenden  Unterkunft  ftir  ihn  fehlte,  noch  ein- 
mal nach  Luxemburg  zurück.  ^ 

Am  28.  August  um  10  Uhr  Vormittags  brach  das  Corps 
Hohenlohe  in  zwei  Colonnen  nach  Thionville  auf,  passirte  die 
Mosel  und  langte  nach  31  stündigem  Marsche  am  29.  Nach- 
mittags um  5  Uhr  auf  den  Höhen  vor  Thionville  an.  4  Bataillons 
Infanterie,  1  Division  Croaten,  6  Escadrons  Dragoner  und 
2  Escadrons  Hussaren  blieben  unter  dem  Commando  des 
FML.  Wallis  vor  Thionville  auf  der  Anhöhe  von  Guentrange 
stehen.  Hohenlohe  selbst  aber  mit  8  Bataillons  Infanterie,  2  Di- 
visionen Croaten,  6  Escadrons  Chevauxlegers  und  6  Escadrons 
Hußsaren  marschirte  unausgesetzt  fort  und  bezog  ein  festes 
Lager  bei  Richemont.  Das  Hauptquartier  der  französischen 
Prinzen,  welche  sich  dem  Marsche  des  Hohenlohe' sehen  Corps 
nach  Thionville  angeschlossen  hatten,  befand  sich  zu  Hettange 
und  ihre  Truppen  schlössen  sich  an  den  linken  Flügel  des 
Wallis'schen  Corps  an.  ^  Marschall  Castries  lagerte  mit  einem 
Theile  der  Emigranten  am  rechten  Mosel iifer  bei  Yütz.  '*  Zur 
Aufstellung    der    Batterien    wurde    zunächst    die    Höhe    von 


»  Eneheraog  Carl  an  Maria  Christine,  le  27  aoüt  1792.  A.-A.  Or. 

2  Ebenda.     Vgl.  Wiener  Zeitung  1793,  S.  2594. 

'  Operationsjoumal,  Hofkriegsraths-Acten  8/161.  9/13  a.  13/66.    Vgl.  Cha- 

teaabriand,  1.  c.  III,  75.        ^ 
*  8.  unten  8.  24.  Darnach  ist  Chuquet,  La  retraite  etc.,  237  zu  berichtigen, 

der  sämmtliche  Emigranten  bei  Basse -Yütz  und  Haute -Yütz  lagern  länst. 


22 

Guentrange,  dann  (3.  September),  da  diese  von  der  Festung  zu 
weit  entfernt  war,  das  auf  der  Südwestseite  derselben  gelegene 
Dorf  Beauregard  ausersehen,  während  das  kaiserliche  Haupt- 
Corps  den  Abfall  der  Höhen  krönte,  welche  sich  am  linken 
Ufer  der  Ome  von  Beauvange  nach  Richemont  hinziehen.  Die 
Hauptaufgabe  dieses  Corps  bestand  darin,  die  Armee  Luckner's 
zu  beobachten,  welche  seit  dem  24.  bei  Frescati  unfern  Metz 
am  rechten  Moselufer  stand.  ^ 

Erzherzog  Carl  hatte  sich  am  29.  August  neuerdings  im 
Lager  Hohenlohe's  eingefunden  imd  nahm  nun  Theil  an  dem 
Marsche  nach  Thionville.  ^  Mit  der  Aufnahme,  die  er  bei 
Hohenlohe  fand,  war  er  sehr  zufineden.  ,Ich  habe,*  schrieb  der 
Erzherzog  an  seinen  kaiserlichen  Bruder,  ,bei  dem  Fürsten 
Hohenlohe,  sowie  Du  es  mir  vorhergesagt  hattest,  alle  mög- 
liche Leichtigkeit  und  Gefälligkeit  gefunden,  und  er  hat  mir 
das  grösste  Vergnügen  gezeigt,  dass  Du  mir  erlaubt  hast,  zu 
seiner  Armee  zu  gehen.' ^  Nicht  minder  belobt  sich  Eirzherzog 
Carl  gegenüber  seiner  Tante  des  alten  Feldzeugmeisters,  den 
er  ,den  König  der  anständigen  Leute*  ^  nennt  und  als  von 
seinen  Truppen  sehr  geliebt  bezeichnet.  * 

Die  Armee  fand  er  trotz  der  starken  Märsche,  die  sie 
zurückgelegt  hatte,  in  sehr  gutem  Zustande.  «Sie  hat,*  meldet 
er  dem  Kaiser,  ,8ehr  wenig  an  Krankheiten  und  Desertion 
gelitten.  Alle  wünschen  nichts  als  zu  raufen.  Allein  ich  fürchte, 
zu  einer  Schlacht  wird  es  nicht  kommen,  und  schon  hat  sich 
Luckner  mit  seiner  Armee  bis  hinter  Metz  zurückgezogen.*  •  Bei 
alledem  war  er  selbst  guter  Dinge  und  blickte  mit  der  fröh- 
lichen Hoffnung  der  Jugend  in  die  Zukunfl.  ,Ich  befinde  mich 
wohl,*  schreibt  er  aus  Richemont,  dem  Hauptquartiere  Hohen- 
lohe's,  seiner  Tante,  ,und  Alles  geht  gut.  Hohenlohe  wartet  mit 
der  Antwort  an  Sie  nur  bis  zu  dem  Zeitpunkte,  wo  er  Ihnen 
eine  gute  Nachricht  wird  melden  können.  .  .  .  Ich  habe  bereits 
zwei  Briefe  von  Maldeghem  und  war  so  unartig,  ihm  nicht  zu 


1  Gebier  a.  a.  O.  26—27. 

'  Vgl.  die  obencitirten  Operationsjournale. 

3  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser,  28.  Augast  1792.     Cr. 

*  ,Le  roi  des  honnetes  hommes.' 

^  Erzherzog  Carl  an  Maria  Christine,  ce  31  aoüt  1792.     A.-A. 

«  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser,  28.  August  1792.     Or. 


23 

antworten.    Aber  ich  ziehe  manchmal  den  Schlaf  dem  Schrei- 
ben vor/  ' 

Mit  besonderer  Besorgniss  hatte  es  unter  Anderm  Maria 
Christine  erftlllt,  dass  ein  Theil  des  Emigrantencorps  unter  der 
Führung  der  französischen  Prinzen  der  Armee  Hohenlohe's  zu- 
getheilt  worden  war.  Sie  betrachtete  diese  ,schöne  Gesellschaft' 
geradezu  als  eine  Gefahr  für  ihren  Liebling.  2  Auch  späterhin 
noch,  am  5.  September,  in  einem  Briefe  an  den  Kaiser,  in  welchem 
sie  diesem  schmerzerftillt  die  Mittheilung  macht,  dass  man 
ihre  Schwester  Maria  Antoinette  von  ihrem  Gemahl  und  ihrem 
Sohne  getrennt  habe,  kommt  sie  auf  jene  Besorgnisse  zurück. 
Sie  urtheilt  ganz  richtig,  dass  zwar  die  Erfolge  von  Longwy, 
Stenay  u.  dgl.  den  Weg  nach  Paris  erleichtern,  dass  dagegen 
der  Mangel  an  Lebensmitteln  für  eine  so  grosse  Armee  den- 
selben erschwere,  zumal  in  einem  Lande,  wo  der  üble  Wille 
selbst  der  Landbewohner  alles  ins  Werk  setze,  um  deren  Vor- 
dringen zu  hindern.  ,Namentlich  die  Erbitterung  gegen  die 
Brüder  des  Königs,^  fährt  sie  fort,  ,i8t  grenzenlos.  Die  Bauern 
in  Französisch -Flandern  machen  kein  Hehl  daraus,  dass  sie 
za  Allem  eher  entschlossen  seien,  als  sich  ihnen  zu  unter- 
werfen. Sie  äussern,  dass  sie  nicht  so  sehr  die  Oesterreicher 
hassen,  da  sie  dieselben  f)ir  gerecht  und  folglich  dem  Könige 
und  einer  weisen  und  gemässigten  Verfassung  geneigt  erachten, 
wohl  aber  die  Emigranten,  die,  durch  Unglück  gereizt,  sie  von 
Neuem  in  die  unerträgliche  Knechtschaft  des  alten  Regimes 
stürzen  wollen,  weshalb  man  allenthalben,  wohin  sie  kämen. 
Alles  anwenden  würde,  um  sich  ihrer  zu  erwehren.  Beurtheilen 
Sie  darnach,  liebster  NeflFe,  meine  Sterbensangst,  Ihren  Bruder 
in  Gesellschaft  eben  dieser  Prinzen  in  Thionville  zu  wissen. 
Die  Vorsehung  wird,  hoffe  ich,  über  ihn  wachen.'^  Auch  der 
Kaiser  theilte  die  Ansicht  seiner  Tante.  Auch  er  besorgte 
gleich  anfangs,  dass  die  Anwesenheit  der  Prinzen  dem  ver- 
bündeten Heere  nur  Verlegenheit  bereiten  werde.  , Deshalb,' 
sagt  er,  ,habe  ich  auch  den  König  von  Preussen  gebeten,  sie 
ganz  von  jedem  Unternehmen  fernzuhalten.    Aber  da  er  für  gut 


1  Erzherzog  Carl  an  Maria  Christine,  ce  31  aoüt  1792.     A.-A.  Or. 

^  Maria    Christine   an    den    Karfüraten    von    Cöln,    ce  3  septembre  1792. 

A,-A.  Or. 
*  Maria  Christine  an  den  Kaiser,  Bruxelles,  du  6  septembre  (1792).    A.-A. 

Copie. 


24 

befunden  hat^  das  Oegentheil  zu  thun,  und  da  unsere  Position 
demselben  gegenüber  sehr  delicat  ist,  so  musste  ich  mich  fligen/  * 

Oflfenbar  um  Besorgnisse  dieser  Art  zu  zerstreuen,  schrieb 
Erzherzog  Carl  am  3.  September  an  die  Erzherzogin:  ,Die 
Prinzen  campiren  links  von  dem  Corps  Wallis  zu  (H)ettange  und 
Marschall  Castries  hinter  der  Höhe  von  Yütz,  um  von  dieser 
Seite  die  Einschliessung  der  Festung  zu  vollenden.  Doch  ist 
der  Zwischenraum  zwischen  denselben  und  uns  gross  genug. 
Nur  die  Nothwendigkeit  hat  uns  gezwungen,  dieselben  an  den 
Operationen  theilnehmen  zu  lassen,  da  der  Conmiandant  sich 
nur  den  Prinzen  ergeben  will.  Doch  hoflFt  man,  sie  zurückzu- 
lassen, wenn  es  einmal  vorwärts  gehen  wird.  Hohenlohe  ist 
keineswegs  französisch  gesinnt  und  wünscht  nichts  mehr  als 
dies.  Doch  muss  man  gestehen,  dass  sie  uns  nicht  lästig  fallen ; 
freilich  sind  sie  weit  genug  von  uns  entfernt  Monsieur  war 
gestern  hier,  um  uns  zu  besuchen  und  die  Armee  zu  sehen.^^ 
,Das  ist/  schliesst  der  Erzherzog  sein  Schreiben,  ,die  Summe 
unserer  wenig  interessanten  Neuigkeiten ;  es  ist  stets  sehr  heiss, 
trotz  des  Sturmes,  den  wir  gestern  hatten.  Wir  hören  häufig 
in  Thionville  die  Trommel  rühren,  und  man  kann  sehen,  wie 
sie  an  ihren  Werken  beschäftigt  sind.  Man  hört  Kanonenschüsse 
abfeuern  auf  die  Kroaten,  welche  sich  in  den  Gräben  heran- 
schleichen, um  einige  ihrer  Soldaten  zu  tödten.'^ 

Die  Beschiessung  Thionvilles  verzögerte  sich  um  einige 
Tage.  Am  31.  August  imternahm  der  FML.  Prinz  von  Waldeck 
eine  grössere  Recognoscirung  in   der  Richtung  von  Metz,   um 

^  Kaiser  Franz  an  Maria  ChrUtine,  Hetzendorf,  den  17.  September  (1792). 
A.-A.  Or. 

'  Erzherzog  Carl  kommt  in  einem  späteren  Schreiben  vom  19.  September 
an  Maria  Christine  (A.-A.)  noch  einmal  auf  die  Emigranten  zurück: 
,Vou8  vous  etes  inqui^tee  aussi  de  notre  r^union  avec  Tarm^e  des  Princes; 
mais  cette  r6union  n*a  jamais  consist^  qu^en  ce  que  les  Princes 
campaient  avec  leur  arm^e  k  une  Heue  et  demie  d'une  partie  de  la  nötre 
et  4  3  Heues  du  quartier-g^n^ral,  et  qu'eu  ce  qu'ils  contribuaient  par  la 
k  investir  Thionville.  Mais,  jamais  de  leurs  troupes  se  sont  r^unies  aux 
notres,  et  k  priesen t  il  y  a  entre  nous  et  eux  toute  Tarm^  pmssienne 
et  Celle  de  Clerfayt.  Je  n'ai  vu  que  les  Princes  et  les  fils  da  Comte 
d'Artois  en  visite  chez  moi,  et  je  ne  leur  ai  pas  meme  eu  le  tems  de 
reudre  la  visite,  puisque  nous  avons  march^  d'abord  apr^s/  Es  ist  un- 
gewiss, ob  damit  die  oben  angedeutete  Visite  des  Monsieur  gemeint  ist- 

3  Erzherzog  Carl  an  Maria  Christine,  Richemont,  ce  3  septembre  1792. 
A.-A.  Or. 


25 

die  Stellnng  der  Armee  Luckner  s  zu  ermitteln.  Unfern  des 
an  der  Strasse  gelegenen  Dorfes  Mezi^re^  bei  dem  Schlosse 
Maison  rouge,  stiess  man  auf  den  Feind.  Es  entspann  sich 
eine  kurze  Kanonade;  doch  trat,  da  es  bereits  dämmerte, 
Waldeck  den  Rückzug  nach  Thionville  an.  Obgleich  hiemit 
der  Zweck  der  Recognoscirung  erreicht  war,  so  wurde  doch 
das  Bombardement  von  Thionville  noch  einmal  verschoben^ 
da  man  erst  die  Ankunft  des  schweren  Geschützes,  das  von 
Longwy  herbeigeschafft  werden  musste,  abwarten  wollte,  um 
die  Festung  aus  weiterer  Entfernung  mit  geringerem  Verluste 
beschiessen  zu  können.  Da  war  es  die  Nachricht  von  dem 
mittlerweile  (2.  September)  erfolgten  Falle  Verduns,  welche 
Prinz  Hohenlohe  am  3.  September  durch  eine  von  dem  preus- 
sischen  Generale  dieses  Namens  entsendete  Patrouille  erhielt, 
die  ihn  veranlasste,  ohne  das  Eintreffen  des  schweren  Ge- 
schützes abzuwarten,  den  moralischen  Eindruck,  den  jenes  Er- 
eignisft  auf  die  Gemüther  ausüben  musste,  zu  benützen,  um  an 
die  ernstliche  Ausführung  seiner  Aufgabe  zu  schreiten.  ' 

Am  4.  September  erfolgte  die  erste  Sommation.  Sie  datirte 
aus  dem  Hauptquartier  der  französischen  Prinzen,  Hettaitge  la 
Grande  und  war  von  dem  Grafen  von  Provence  ,im  Einver- 
nehmen' mit  Hohenlohe  unterzeichnet,  erging  aber  im  Gegen- 
satz zu  der  Sommation  von  Verdun,  die  von  dem  Herzoge  von 
Braunschweig  erlassen  worden  war,  nicht  im  Namen  der  Be- 
fehlshaber der  Verbündeten,  sondern  im  Namen  des  Grafen  von 
Provence  und  des  Gh*afen  von  Artois.  ^  Diese  Aufforderung 
2ur  Uebergabe  wurde  jedoch  noch  an  demselben  Tage  von 
dem  Commandanten  der  Festung  mit  der  Bemerkung  abge- 
lehnt, dass  Bürger  und  Garnison  der  Nation,  dem  Gesetze 
und  dem  Könige  stets  treu  geblieben  seien,  dass  sie  aber  Be- 
fehle nur  von  den  Militär-  und  Civilbehörden  ihres  Departe- 
ments entgegenzunehmen  vermöchten.  ^  Man  schrieb  diese  ab- 
lehnende Haltung  dem  Einflüsse  des  103.,  ,eine8  enragirten' 
Regimentes  zu,  das  in  den  letzten  Tagen  des  August  aus  der 
Umgebung    von    Paris    eingetroffen    war.  ^     Wirksamer   noch 


'  Plunkett*8  OperatioDftjournal,  Kr.-A.  13/56. 

^  Abgedruckt  bei  Mortimer-Ternaux,  Histoire  de  la  Terreur,  Paris  1864,  IV,  525. 
'  Ebenda  527.  Wiener  Zeit.  1792,  6.  2594. 

*  Beuas  an  Spielmann,  Offenbach  den  19.  September  1792  bei  V ivenot,  II,  207. 
BeoM  war  eben  damals  yon  einem  Besuche  bei  Hohenlohe  zurückgekehrt. 


26 

scheint  der  Umstand  gewesen  zu  sein^  dass  der  spätere  Convents- 
deputirte  Merlin  sich  damals  in  seiner  Vaterstadt  aafhielt  und 
Alles  in  Bewegung  setzte,  um  den  Platz  zu  behaupten.  ^ 

Da  es  in  der  Antwort  Wimpffen's  unter  Anderem  hiess, 
den  Bewohnern  und  der  Besatzung  von  Thionville  sei  die  Lage 
Frankreichs  nicht  bekannt,  so  erging  am  5.  September  an  die 
Stadt  eine  zweite  Sommation,  welcher  die  Erklärung  der  fran- 
zösischen Prinzen  vom  8.  August,  das  Manifest  des  Herzogs 
von  Braunschweig  vom  25.  Juli  und  eine  kurze  Mittheilung 
dessen,  was  sich  seit  dem  8.  August  ereignet  hatte,  beigefügt 
war.  2  Der  Trompeter,  welcher  die  Aufforderung  überbrachte^ 
wurde  jedoch  vom  Pöbel  bereits  beschimpft,  sein  weisses  Sack- 
tuch mit  Roth  beworfen  und  wenn  auch  Wimpffen  zwei  Deser 
teure,  die  sich  an  diesem  Auftritte  betheiligt  hatten,  verhaften 
liess,^  so  erfolgte  doch  auch  auf  die  zweite  Sommation  eine  ableh 
nende  Antwort.  ,Wir  seufzen,'  so  lautete  sie,  ,mit  Euch  über 
das  Unglück,  welches  Frankreich  betroffen  hat,  wir  tbeilen 
nicht  und  werden  nie  die  Verbrechen  theilen,  welche  die 
Annalen  unserer  Revolution  besudeln;  aber  als  französische 
Bürger  sind  wir  ebensowenig  Willens,  uns  dem  Despotismus 
zu  unterwerfen,  den  Ihr  uns  anbietet,  üebrigens  wissen  die 
Prinzen  wohl,  dass,  abgesehen  von  jeder  Meinungsverschieden- 
heit, eine  Versammlung  von  Ehrenmännern  die  Waffen  nicht  auf 
eine  Aufforderung,  die  einer  Drohung  gleichkommt,  niederlegt.'  ^ 

So  war  zwar  die  Hoffnung,  dass  sich  Thionville  auf  eine 
blosse  Sommation  hin  ergeben  werde,  nicht  in  Erfüllung  ge- 
gangen. Da  aber  die  beiden  Antworten,  mit  denen  Wimpffen 
die  zweimalige  Aufforderung  erwidert  hatte,  ziemlich  unbe- 
stimmt lauteten  und  in  denselben  von  dem  Entschlüsse,  sieb 
ernsthaft  zu   vertheidigen,   nicht   die   Rede  war,  so  entschlose 

^  So  berichtet  wenigstens  Joinville,  Campagne  de  1792  en  France  (Spectateur 
militaire,  XXX,  374),  freilich  ohne  Quellenangabe.  Nach  Chuquet,  La 
retraite  etc.,  240  scheint  aber  vielmehr  der  Vater  Merlin^s  gemeint 
zn  sein. 

2  Mortimer-Temaux,  1.  c,  IV,  527—629. 

3  Kurzgefasstes  Journal,  Kr.-A.  13/84. 

*  Die  Antwort  datirt  aus  Thionville,  den  5.  September  1792,  im  vierten 
Jahre  der  Freiheit,  und  ist  von  Wimpffen  unterzeichnet.  Abgedruckt 
bei  Mortimer-Temaux,  IV,  529.  Erzherzog  Carl  theilte  in  einem  Briefe 
an  die  Erzherzogin  Maria  Christine  vom  7.  September  diese  Antwort 
derselben  abschriftlich  mit.    Vgl.  auch  Wiener  Zeitung,  1792,  8.  2594. 


27 

sich  nun  doch  Hohenlohe,  ungeachtet  des  Mangels  an  ent- 
sprechendem Geschütz,  zu  einem  Bombardement,  welches  in 
der  Nacht  vom  5.  auf  den  6.  September  stattfand,  aber  bei 
der  geringen  Tragweite  der  bei  der  Chapelle  St.-Anne  aufge- 
üahrenen  Geschütze  ^  nicht  zu  dem  gehofften  Resultate  führte. 
Wohl  wurde  das  Geschütz  bis  400  Schritte  vom  Glacis  vor- 
gefahrt und  aus  zwei  Batterien  gefeuert;  auch  war  der 
Feind  auf  den  Angriff  nicht  vorbereitet.  Die  Kanonade  der 
Gestenreicher,  welche  um  Mittemacht  begann,*''  hatte  schon 
fast  eine  Stunde  gedauert,  bevor  von  den  Wällen  der  Festung 
die  donnernde  Antwort  erscholl,  die  sich  nunmehr  freilich 
nicht  nur  gegen  Hohenlohe's  Corps,  sondern  auch  gegen  die 
Batterien,  welche  Cond^  imd  Monsieur  am  andern  Ufer  der 
Mosel  errichtet  hatten,  mit  Nachdruck  vernehmen  Hess.  Es 
schien  fast,  als  ob  die  Belagerten  das  Versäumte  nachholen 
wollten,  während  Maröchal  de  Castries  wegen  des  schweren 
Transportes  seiner  Kanonen  zu  spät  in  den  Geschützkampf 
eingriff.  Auch  zündeten  zwar  die  Granaten  an  ein  paar  Stellen 
der  Stadt,  da  aber  die  Dächer  in  Folge  anhaltender  Regen- 
gösse  stark  durchnässt  waren,  fiel  es  nicht  schwer,  der  Ver- 
breitung des  Brandes  Einhalt  zu  thun.  Da  ausserdem  die 
Belagerten  durch  wohlunterhaltenes  Kleingewehrfeuer  das  Er- 
richten von  Schanzkörben  möglichst  gehindert  hatten,  so  war 
es  bei  Anbruch  des  Tages  in  der  Nähe  des  überlegenen  fran- 
zonschen  Geschützes  schlechterdings  unmöglich,  die  Beschies- 
SQBg  noch  weiter  fortzusetzen,  so  dass  vielmehr  das  österrei- 
chische Geschütz  wieder  ausser  den  Bereich  des  feindlichen 
gebracht  werden  musste.  ^  Auch  Mar^chal  de  Castries  musste 
seine  Position  bei  Haute -Yütz  wieder  beziehen.'* 

Der  erste  Versuch,  sich  Thionvilles  zu  bemächtigen,  war 
also  gescheitert.  Hatte  er  auch  den  Oesterreichem  sonst  nur 
geringe  Opfer  an  Mannschaft  gekostet,  so  schlug  man  doch 
wn  80  höher  den  Verlust  des  FML.  Prinzen  von  Waldeck  an. 


^  Naeh  Eraherzog  Carls  Operationsjonmal  6  Haubitzen  and  6  ZwOlfpfttnder. 
'  12  Ukr  Nachts:  Kurzgefasstes  Operationsjonmal  13/84.  Kr.-A.  127]  Uhr 

Nachts:  Erzherzog  Carls  Operationsjonmal.     Nach  Chateaubriand,  1.  c, 

106  um  1  Uhr  Nachts. 
'  Ebenda  und  Plnnkett^s  Operationsjournal.    Kr.-A.     Nach  Chateaubriand 

ie.  107  hOrte  das  Osterreichische  Geschütz  um  4  Uhr  Morgens  zu  feuern  auf. 
^Wtahi&nog  Carls  Operationsjonmal. 


28 

dem;  als  ihn  persönliche  Bravour  bis  zum  Glacis  der  feind- 
lichen Festung  vortrieb,  eine  Kanonenkugel  den  Arm  abschlug. 
Es  war  dies  derselbe  Prinz  Waldeck,  der  zwei  Jahre  darnach 
auf  dem  niederländischen  Kriegsschauplätze  als  General-Quartier- 
meister Coburgs  fiingirte. 

Auch  Erzherzog  Carl,  der  —  es  war  die  Nacht  nach 
seinem  Geburtsfeste  —  der  Kanonade  persönlich  beigewohnt 
hatte  und  jeden  Blessirten  mit  zwei  Ducaten  beschenkte,  * 
sprach  sich  in  Briefen  an  den  Kaiser  und  an  seine  Tante  mit 
warmer  Theilnahme  über  den  Unfall  aus,  der  den  Prinzen 
Waldeck  betroffen  hatte.  ,Man  kann  sich  keinen  Begriff  machen,' 
schreibt  er  an  die  Erzherzogin,  ,wie  sehr  die  ganze  Armee 
über  das  Unglück  betcübt  ist,  das  diesen  armen  Prinzen  er- 
eilte, der  allgemein  beliebt  war.  .  Alle  Welt  hat  ihn  beweint, 
besonders  die  Cavallerie,  die  ihn  wie  ihren  Vater  ansah  und 
ihn  nur  „unseren  Prinzen"  nannte.  Der  Staat  verliert  in  ihm 
einen  seiner  besten  Generale,  der  sicher  mit  Auszeichnung 
Armeen  commandirt  haben  würde,  und  der  Prinz  Hohenlohe  einen 
Mann,  auf  den  er  eine  Menge  seiner  Sorgen  und  Detailarbeiten, 
besonders  den  Vorpostendienst,  abzuwälzen  pflegte  und  in  den 
er  das  grösste  Vertrauen  setzte.  Bevor  das  Feuer  begann, 
Sassen  wir  noch  beisammen  und  unterhielten  uns  in  einer 
Baracke.  Er  verliess  mich,  um  sich  zu  den  Batterien  zu  be- 
geben, und  bald  nachher  traf  ihn  das  Unglück.  Er  zeigte  sich 
sehr  kaltblütig  und  sprach  noch  den  Kroaten,  die  ihn  trugen, 
Muth  zu,  indem  er  sagte,  es  sei  nichts  und  dergleichen  träfe 
heute  den  und  morgen  jenen.  Die  Chirurgen  hoffen,  ihn  am 
Leben  zu  erhalten ;  der  Arm  ist  bis  über  den  Ellenbogen  abge- 
hauen; man  hat  das  verlorene  Glied  nicht  mehr  gefunden.^  2 


^  Operationsjournal  9/19  b.  Kr.-A.  Hof  kriegsraths- Acten.  Wiener  Zeitung, 
Beilage  zu  Nr.  77. 

2  Erzherzog  Carl  an  Maria  Christine,  quartier-g^n^ral  Richemont,  ce 
6  septembre  1792.  A.-A.  Or.  Am  9.  September  konnte  Erzherzog  Carl 
dem  Kaiser  mittheilen,  dass  sich  Waldeck  ausser  Lebensgefahr  befinde 
und  nach  Luxemburg  gebracht  worden  sei,  ,was  er  dem  Regimentsarzt 
von  Fürst  Kinsky,  einem  gewissen  Sangotti,  zu  danken  hat,  der  nach 
dem  Zeugnisse  der  ganzen  Welt  ein  recht  geschickter  Mann  ist  und 
hier  die  Stabschirurgusstelle  versieht*.  Am  21.  October  war  Waldeck 
vollkommen  geheilt.  ,Man  sagt,  er  werde  mit  Hilfe  eines  elaatischen 
Armes  noch  dienen  können*.  Hohenlohe'an  den  Hof  kriegsraths-Pr&sidenten 
( Hof kriegsraths- Acten,  10/ad  7). 


29 

In  dem  an  den  Kaiser  gerichteten  Schreiben  ^  kommt  der 
Erzherzog  auch  auf  Hohenlohe  neuerdings  zurück.  ,Hohenlohe/ 
sagt  er,  ^babe  ich  ganz  so  gefunden,  wie  Du  mir  ihn  be- 
schrieben hast,  ganz  aufrichtig,  redlich  und  trocken,  so  wie 
die  wahren,  redlichen  Leute  sind,  ohne  Complimente.  Er  hat 
viele  Güte  för  mich,  gibt  sich  recht  viel  Mühe,  um  mich  zu 
unterrichten,  mir  die  Absichten  aller  seiner  Unternehmungen  zu 
expUciren ;  kurz,  ich  könnte  nicht  besser  als  mit  ihm  sein/  Auch 
Qber  den  ihm  zugetheilten  Hauptmann  Vermatti,  den  Clerfayt 
nur  sehr  ungern  von  seiner  Armee  entlassen  und  der  sich  nach 
dem  Zeugnisse  preussischer  Officiere  bei  der  Belagerung  von 
LoDgwy  hervorgethan  hatte,  äusserte  sich  damals  der  junge 
Erzherzog  in  Worten  der  wärmsten  Anerkennung. 

Die  Theilnahme  Hohenlohe's  für  seinen  erlauchten  Schütz- 
ling sprach  sich  indess  nicht  blos  darin  aus,  dass  er  demselben 
Gelegenheit  gkb,  sich  durch  eigene  Anschauung  militärische 
Kenntnisse  und  Erfahrungen  zu  erwerben,  sondern  auch  in 
der  Sorge,  die  er  dafür  trug,  denselben  vor  ernstlichen  Ge- 
fahren zu  bewahren.  Darum  vermochte  der  Erzherzog  seine 
bekümmerte  Tante  mit  den  Worten  zu  beruhigen:  ,Prinz 
Hohenlohe  weist  mir  stets  einen  Platz  zu,  und  ich  habe  ihm 
versprechen  müssen,  denselben  niemals  ohne  seine  Erlaubniss 
zu  verlassen,  was  ich  denn  auch  gewissenhaft  erfUUe.  Aber  er 
hat  mir  auch  versprochen,  dass  ich  trotzdem  Alles  sehen  werde, 
vorausgesetzt,  dass  es  etwas  Interessantes  zu  sehen  gibt.'^ 

Es  trat  nun  eine  Pause  in  den  Operationen  vor  Thion- 
ville  ein,  da  die  Erwartung  einer  baldigen  Einnahme  der 
Festung  sich  nicht  erfüllt  hatte  und  man  daher  auf  weitere 
Befehle  des  Herzogs  von  Braunschweig  warten  musste.  ,Da8s 
Thionville  sich  nicht  auf  die  Art  wie  Longwy  und  Verdun  er- 
geben hat,*  schreibt  Hohenlohe  an  den  Kaiser,  ,davon  liegen 
die  Ursachen  in  dem  Vorzug,  den  diese  Vestung  vor  den 
andern  an  und  für  sich  selbst  hat,  und  dass  die  darinnen  be- 
findlichen Canoniers  und  Nationalgarden  die  Municipalität  und 
den  Conmiandan^n  nicht  zum  Worte  kommen  lassen.  Erstere 
haben  sogar  gedroht,  selbst  in  die  Stadt  zu  schiessen,  wenn  von 


*  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser,  Richemont,  den  7.  September  1792. 
'  Enheraog  Carl    an    Maria    Christine,    quartier -g^n^ral    Richemont,    ce 
7  leptembre  1792.    A.-A.  Or. 


30 

Uebergabe  die  Rede  wäre.  Ich  habe  zwar  alles  dieses  vorher 
an  den  Herrn  Herzog  berichtet  und  meine  Zweifel  an  dem 
guten  Erfolge  vorgelegt,  musste  aber  die  Sache  unternehmen^ 
weil  der  Vorwurf,  eines  ausdrücklichen  Befehles  ohngeachtet 
nichts  versucht  zu  haben,  weit  empfindlicher  gewesen  wäre. 
Ich  habe  nunmehr  den  Herzog  gebeten,  entweder  mir  sur 
Einnahme  von  Thionville  und  Metz  die  nöthigen  Mittel  zu  ver- 
schaffen und  hernach  erst  die  weiteren  Operationen  vorzu- 
nehmen, oder,  wenn  diese  gleich  geschehen  müssten  und  ich 
mitwirken  sollte,  mir  die  Sicherheit  zu  verschaffen,  damit  meine 
Bagage,  Artillerie  und  Nachschub  auf  meinem  Marche  gegen 
Verdun  nicht  denen  Anfällen  der  Gamisons  von  Thionville 
und  Metz^,  welche  12!«000  Mann  ausmachen,  ausgesetzt  sein 
möge.  Ich  erwarte  hierauf  die  Entscheidung  in  einigen  Tagen 
und  weil  die  Lucknerische  Armee,  so  bisher  gegen  mich  zu 
Frescati  stunde,  nunmehr  gegen  Paris  über  J^ont  k  Mouzon 
marschirt  ist,  so  wird  dieser  Umstand  den  Grund  seiner  E}nt- 
schliessungen  ausmachen.  Nach  meinem  Urtheil  wird  die  Ent- 
fernung des  Luckner  die  Wegnahme  der  beiden  Vestungen  sehr 
erleichtem,  diese  aber  denen  weiteren  Operationen  die  wahre 
Sicherheit  verschaffen  und  höchstens  eine  Verzögerung  von 
14  Tagen  daraus  entstehen,  weil  von  keinen  förmlichen  Be- 
lagerungen, sondern  nur  von  Zugrunderichtung  der  beyden  Städte 
die  Rede  sein  kann,  der  sie  ausgesetzt  sein  würden,  wenn  sie 
sich  nicht  ergeben  wollten.'  * 

Erzherzog  Carl  weiss  ebenfalls  von  dem  Gerücht  zu  er- 
zählen, dass  ein  Theil  der  Armee  Luckner's  von  Metz  nach 
Pont-k-Mouzon  aufgebrochen  sei.  Er  fügt  zugleich  hinzu,  dass 
auch  die  Armee,  welche  früher  unter  Lafajette  gestanden  habe 
und  nun  unter  Dumouriez  stehe,  den  Marschbefehl  erhalten 
habe,  um  Paris  zu  decken.  ,Der  Herzog  von  Braunschweig,* 
so  urtheilt  er,  ,wolIte  die  Maas  bei  Verdun  passiren  und  einen 
Posten  von  2000 — 3000  Mann  zur  Verbindung  mit  uns  zu  Etain 
zurücklassen.  Er  selbst  hatte  vor,  auf  Paris  loszurücken ;  viel- 
leicht, dass  der  üble  Ausgang  der  hiesigen  Unternehmung,  deren 
Gelingen  ihm  sehr  am  Herzen  lag  und  das  er  für  sehr  leicht 
erachtete,  ihn  ein  wenig  aufhalten  wird.'^ 


1  Hohenlohe  an  den  Kaiser,  6.  September  1792,  Richemont.  Cab.-Act  K.-A. 

2  Erzherzog  Carl  an  Maria  Christine,  Richemont,  ce  6  septembre  1 792.  A.-A.  Or. 


31 

Die  Vermuthong  erwies  sich  in  ihrem  letzten  Theile  frei- 
lich nicht  als  richtig.  Schon  hatte  nämlich  Hohenlohe  die  Vor- 
bereitungen zu  einem  neuen  Angriffe  auf  Thionville  getroffen^ 
indem  er  aus  dem  zu  Longwy  eroberten  Geschütze  und  aus 
den  Luxemburger  Vorräthen  einen  Belagerungs-Artilleriepark 
zusammenstellte,  auch  eine  Art  Laufgraben  mit  mehreren 
Batterien  errichtete  und  die  Verpflegung  des  bei  Richemont 
stehenden  Corps  für  mehrere  Monate  zu  sichern  suchte,  *  als 
am  8.  September  ein  Befehl  des  Herzogs  von  Braunschweig 
eintraf,  der  ihm  wenigstens  vorläufig  eine  ganz  andere  Auf- 
gabe zuwies.  Sobald  nämlich  der  Herzog  durch  das  Vorrücken 
des  Fürsten  von  Hohenlohe  an  die  Mosel  seine  rückwärtigen 
Communicationen  gegen  die  feindliche  Armee  gesichert  wusste, 
hatte  er  den  Beschluss  gefasst,  gegen  Verdun  an  die  Maas  vor- 
zugehen und  sich  dieses  schlechtbefestigten  und  überdies  von 
einer  fast  nur  aus  Nationalgarden  bestehenden  Besatzung  ver- 
theidigten,  immerhin  aber  wichtigen  und  bequemen  Uebergangs- 
punktes  durch  rasche  Eroberung  zu  versichern.  Am  28.  August 
setzte  sich  die  preussische  Avantgarde  in  Bewegung.  Am 
30.  erreichte  die  preussische  Hauptmacht  Verdun.  In  der 
Nacht  vom  1.  auf  den  2.  September  begann  die  Beschiessung 
der  Festung,  die  sich  am  2.  September  auf  Wunsch  des  Ver- 
theidigungsrathes  und  der  Civilbehörden  der  Stadt  ergab, 
während  der  heroische  Commandant  Beaurepaire  durch  einen 
Pistolenschuss  seinem  Leben  ein  Ende  machte. 

Die  französischen  Armeen  waren  ausser  Stande  gewesen, 
den  bisherigen  Unternehmungen  der  preussischen  Armee  ein 
Uindemiss  entgegenzusetzen.  Nun  aber  erhielt  Luckner's  Armee 
(die  sogenannte  armöe  du  centre),  da  dieser  der  Nationalver- 
sammlung verdächtig  geworden  war,  in  General  Kellermann 
einen  neuen  Befehlshaber,  während  auch  der  Befehl  der  Nord- 
&nnee  nach  der  Flucht  Lafayette's  an  einen  andern  Führer, 
Dumouriez,  übei^ng,  der,  da  durch  all  diese  Vorgänge  die 
Disciplin  der  Truppen  sehr  gelockert  und  er  selbst  von  Keller- 
mann durch  eine  ihnen  beiden  zusammengenommen  überlegene 
feindUche  Armee  getrennt  war,  sich  zunächst  in  einer  höchst 
bitischen  Lage  befand.  In  dieser  Lage  war  es,  obgleich  er 
dies  selbst  in  seinen  Memoiren   erzählt,   nicht  Dumouriez,   der 

*  Benoiuurd  a.  a.  O.  151.    Vgl.  Wiener  Zeitung  1792,  Beilage  su  Nr.  77. 


32 

gegenüber  der  Meinung  des  am  28.  August  zu  Sedan  versam- 
melten und  entmuthigten  Kriegsrathes,  sich  hinter  die  Marne 
zurückzuziehen  und  dort  die  Vereinigung  mit  Luckner  and 
das  Eintreffen  von  Verstärkungen  abzuwarten,  dem  kühnen 
Plane  zum  Siege  verhalf,  vielmehr  die  Engpässe  der  zwi- 
schen Maas  und  Aisne,  zwischen  Sedan  und  St.-Menehould 
sich  ausbreitenden  Argonnen  zu  ,Frankreich8  Thermopylen* 
zu  machen.  Der  Plan  einer  rückwärtigen  Bewegung,  welche 
zugleich  den  Vortheil  darbot,  dass  sich  die  bisher  getrennten 
und  dem  Feinde  einzeln  ausgesetzten  Corps  hinter  den  Ar- 
gonnen oder  hinter  der  Marne  bei  Chalons  vereinigen  konnten, 
ging  von  dem  französischen  Eriegsminister  Servan  aus.  Du- 
mouriez,  der  sich  bis  dahin  mit  dem  Plane  eines  Einfalles 
in  Belgien,  getragen  hatte,  musste  sich  den  bestimmten  Wei- 
sungen Servan's  um  so  mehr  fügen,  als  seit  dem  Falle  Verduns 
sein  Rückzug  ernstlich  bedroht  war,  und  nur  so  viel  ist  richtig, 
dass  Dumouriez  noch  vor  dem  Eintreffen  jener  Weisung  selbst 
/Von  seiner  Meinung  zurück-  und  durch  den  Marsch  nach 
Grandpr^  den  directen  Befehlen  des  Pariser  VoUziehungsrathes 
zuvorkam.  ^ 

Die  Argonnen  zweigen  von  den  Vogesen  ab ;  sie  scheiden 
die  Aisne  von  der  Aire  und  die  Aisne  von  der  Bar,  einem 
Zuflüsse  der  Maas.  Ihre  durchschnittliche  Höhe  beträgt  etwa 
100  Meter  über  dem  nächsten  Thalwege.  Die  Abhänge  gegen 
Osten  hin  sind  steiler  als  jene  gegen  Westen,  ein  Umstand, 
welcher  ihrer  Vertheidigung  zu  Statten  kommt.  Sie  bilden  die 
Grenze  zwischen  Lothringen  und  den  Ebenen  der  Champagne 
und  erstrecken  sich  von  Beaulieu  und  Passavant  bis  Ch^ne-le- 
Populeux  in  der  Richtung  von  Südosten  nach  Nordwesten. 
Der  Argonnenwald  setzt  dem  Eindringen  tausend  Schwierig 
keiten  entgegen:  Defileen,  Bäche,  Teiche  und  Sümpfe.  Der 
Boden  ist  lehmig  und  mit  Kalk  vermengt  und  verwandelt  sich 
bei  Regengüssen,  mit  Ausnahme  einiger  sandiger  Stellen,  in 
eine  grundlose  Fläche,  welche  dann  besonders  für  den  Wagen- 
verkehr ganz  unbrauchbar  ist.  Ausserdem  verengen  sich  die 
Strassen  in  den  Argonnen  stets  da,  wo  sie  in  eine  Gorge  oder 
ein  Thal   hinabsteigen,   zu   schwer  zu  passirenden  Schluchten, 


*  Joinville,    Campagne  de   1792  en  France    (Spectateur    militaire,  XXX, 
268  ff.).  Sybel,  Gesch.  d.  Rerolutionszeit,  I^  548  ff.  Chuquet,  Valmy,  36  ff. 


33 

den  y^chav^es^  wie  man  sie  im  Lande  nennt.  Auch  darf  man 
nicht  Übersehen,  dass  von  den  in  den  neueren  Karten  einge- 
tragenen Communicationen  im  Jahre  1792  viele  noch  nicht  vor- 
handen waren  und  dass  die  vorhandenen  sich  nicht  in  jenem 
gaten  Zustande  wie  heute  befanden.  Man  gelangt  aus  dem  Bassin 
der  Maas  und  aus  LfOthringen  in  das  Thal  der  Aisne  durch 
verschiedene  Defil^en,  unter  denen,  von  Süd  nach  Nord,  die 
Grandes  Islettes  oder  die  Cöte  de  Biesme,  der  Pass  La  Cha- 
lade,  Grandpr^,  La  Croix  aux  Bois  und  Ch^ne-le-Populeux  die 
wichtigsten  sind.  ^ 

Die  preussische  Armee  war  nach  der  Eroberung  von 
Verdun  noch  bis  zum  5.  September  in  dem  Lager  am  rechten 
Uaaaufer  stehen  geblieben.  Die  Absicht,  Verdun  zu  einem 
Hagazinsplatze  einzurichten  und  die  darauf  Bezug  nehmenden 
Vorkehrungen,  vor  Allem  aber  die  Meinungsverschiedenheit  be- 
xüglich  der  weiteren  Unternehmungen,  ob  man  nämlich  auf  Paris 
losgehen  solle,  wie  dies  der  König  von  Preussen  wünschte,  oder 
ob  man  sich  nicht  vielmehr  zuerst  der  Mosel-  und  Maasfestungen 
bemächtigen  müsse,  wie  dies  in  der  Absicht  des  Herzogs  von 
Braonschweig  lag,^  hatten  jenes  längere  Verweilen  verursacht. 
Brst  am  ö.  September  erfolgte  der  Uebergang  über  die  Maas, 
auf  deren  linkem  Ufer  ein  neues  Lager  bezogen  wurde,  und 
zwar  so,  dass  sich  das  Hauptquartier  des  Königs  zu  Glorieux, 
jenes  des  Herzogs  zu  Regret  befand.  Hier  blieb  das  preussi- 
sche Heer,  statt  sich  des  fUr  den  beabsichtigten  Marsch  nach 
Paris  so  wichtigen  und  damals  vom  Feinde  noch  nicht  be- 
setzten Argonnenpasses  der  Islettes  zu  bemächtigen,  neuer- 
dings bis  zum  11.  September  unbeweglich  stehen,  bis  endlich 
den  Herzog  die  Nachricht,  dass  Dumouriez  und  Kellermann 
»lle  ihre  Streitkräfte  vereinigen  und  sodann  dem  Angriflfe  der 
Verbündeten  die  Stime  bieten  wollten,  zum  Aufbruche  bewog. 
Um  auch  seinerseits  so  viele  Streitkräfte  als  möglich  zu  einem 
Hauptschlage  zu  versammeln,  beschloss  der  Herzog  das  Ein- 
treffen mehrerer  einzelner  kleinerer  Corps  und  namentlich  die 
Annäherung  des  Fürsten  Hohenlohe-Kirchberg  abzuwarten.^ 

»  JoinviUe,  1.  c,  XXX,  875  ff. 
*  Chuquet,  Valmy,  80  ff. 

'  Gebier  a.  a.  O.  71.     Die  Angabe  der  prenssischen  Marschtage  ist  nach 
Masienbach,  I,  130  und  den  Mittheilungen  des  prenssischen  Kronprinzen 
154  sn  berichtigen. 
ArUt.  Bd.  LXXIII.  I.  H&lfte.  3 


34 

Dumouriez  kam  die  Unthätigkeit  seines  Gegners  insofeme 
zu  Statten,  als  er  dadurch  in  den  Stand  gesetzt  wurde,  den 
bei  Baalon  lagernden  Clerfayt  über  seine  wahren  Absichten 
irrezuführen  und  bei  Mouzon  die  Maas  zu  überschreiten,  worauf 
er  die  Argonnenpässe  in  der  Weise  besetzte,  dass  er  selbst  zur 
Ueberwachung  des  nördlichen  Abschnittes  derselben  bei  Grand- 
pr^  verblieb,  dagegen  die  Vertheidigung  der  wichtigen  Pässe 
La  Chalade  (bei  Varennes)  und  Grandes  Islettes  (bei  St.  Mene- 
hould,  beziehungsweise  Clermont),  kurz  der  ganzen  Strecke  des 
Argonnenwaldes  von  Vienne  le  Cbäteau  bis  Passavant  dem 
General  Dillon  übertrug,  mit  dem  sich  hier  Galbaud  vereinigte.  * 

An  Hohenlohe-Kirchberg  erging  am  7.  September^  der 
Auftrag  des  Herzogs  von  Braunschweig,  sich  bei  Thionville 
und  Metz  durch  das  bei  Speier  zurückgebliebene  Corps  Er- 
bach's  ablösen  zu  lassen.  Er  selbst,  der  Herzog,  beabsichtige, 
die  feindliche  Stellung  bei  Grandpr^  zu  umgehen,  was  aber 
erst  dann  ohne  Gefahr  geschehen  könne,  wenn  ein  ansehn- 
liches Corps  bei  Clermont-en-Argonne  dem  Feinde  entgegen- 
gesetzt werde,  wozu  die  Armee  des  Fürsten  und  das  hessische 
Hilfscorps  unter  dem  Landgrafen  Wilhelm  IX.  ausersehen  sei. 

Er  habe  zwar,  meldete  Hohenlohe-Kirchberg  dem  Klaiser, 
dem  Herzoge  von  Braunschweig  alle  nur  möglichen  Vorstel- 
lungen gemacht,  insbesondere  auf  die  Beschwerlichkeit  des 
Marsches  und  auf  den  Mangel  an  jeder  Subsistenz  hingewiesen ; 
da  aber  vier  Couriere  an  einem  Tage  bei  ihm  eingetroffen  seien, 
so  sei  ihm  nichts  übrig  geblieben,  als  dem  Befehle  des  Herzogs 
nachzukommen,  damit  wenigstens  das  Fehlschlagen  des  Unter- 
nehmens nicht  auf  seine  Rechnung  gesetzt  werden  könne.^ 

Demnach  ertheilte  Hohenlohe  dem  Grafen  Erbach  die  ent- 
sprechenden Weisungen.  *  Während  nun  auch  der  grössere 
Theil  der  bisher  ihm  zugewiesenen  Emigranten  die  Gegend  von 
Thionville  verliess  und  nach  Dun  marschirte,  ^  Hess  er  selbst 
vor  Thionville  einen  Theil   seines  Corps   —   7   Bataillons   und 


*  Chnqaet,  Valmy,  72. 

^  Am  8.  September  bei  Hohenlohe  eingelangt,  nach  den  Operationsjoumalen 

9/19  b  und  10/28  b  der  Hof  kriegsraths- Acten. 
^  Kr.-A.  Cab.-Act.  16.  September. 
^  Zu  Speier  blieben  blo8  das  dritte  Bataillon  Gyulai  und  die  Mainziscben 

Truppen  zurttck.    Erzherzog  Carls  Operationsjoumal. 

*  Ditfurth,  70. 


35 

3  DiTisionen  (=  6  Escadrons)  ^  —  nebst  dem  schweren  Gepäck 
and  dem  Reservegeschütz  unter  dem  FML.  Grafen  Wallis  zurück^ 
da,  wie  Erzherzog  CarP  bemerkt,  Hohenlohe  noch  immer  der 
Meinung  war,  der  Herzog  verlange  diese  Vereinigung  nur,  um 
irgend  einen  Coup  auszuführen  und  werde  ihn  sodann  zur  Ein- 
nahme von  Thionville  und  Metz  zurückbeordern.  Mit  dem  Reste 
seines  Corps  —  6  Bataillons  und  7  Divisionen  (=  14  Escadrons)  ^ 
—  brach  Hohenlohe  am  10.  September  nach  Verdun  auf.  ^ 
Am  10.  rückte  man  unter  fortwährenden  Regengüssen  auf 
der  Verduner  Chaussee  bis  Aubou^,  wo  man  auf  den  Anhöhen 
links  vom  Dorfe  campirte.  *  Den  11.  konnte  der  Marsch  der 
ausserordentlich  schlechten  Wege  und  der  üblen  Witterung 
wegen  nur  bis  Conflans  fortgesetzt  werden.  Man  war  vor 
Tagesanbruch  ausgerückt  imd  traf  ungefähr  um  9  Uhr  Morgens 
in  Conflans  ein.*  ,Da8  Lager  war  auf  Sturzäckern,  wo  man 
auf  der  durchgenässten  firde  bis  am  Waden  hereinfiele.  Den 
ganzen  Tag  und  Nacht  dauerte  das  Wetter;  man  kann  sich 
also  aus  diesem  einen  Begriff  machen,  was  wir  ausgestanden, 
die  wir  keinen  Fetzen  von  unserer  Bagage  mithatten.'*  ,Den 
12.  wurde  früh  aufgebrochen  und  der  Marsch  ging  auf  der 
nämlichen  Chaussöe  immerfort  auf  E(8)tain  zu,  woselbst  das 
Hauptquartier,  die  Regimenter  und  Bataillons  cantonirten.  .  .  . 
Heute  war  die  Witterung  leidentlich.' '  ,Den  13.  früh  wurde 
abgerückt  und  der  Marsch   ging,  nachdem  man  die  Chaussee, 

*  Zur  Besetzung  der  Position  von  Richemont:  2  Bataillons  Mitrowsky, 
1  Bstaillon  Manfredini,  3  Divisionen  Josef-Dragoner  und  ein  paar  Corapa- 
gnien  Croaten  unter  General  Schröder;  zu  Quentrange  3  Bataillons 
Stain,  1  Bataillons  Manfredini,  3  Divisionen  Josefund  die  übrigen  Croaten. 
FZM.  Olivier  Wallis  schlug  sein  Hauptquartier  zu  Huckange  auf.  Erz- 
herzog Carls  Operationsjoumal. 

'  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser,  9.  September  1792.  Derselbe  an  Maria 
Christine,  Richemont,  ce  9  septembre  1792.  A.-A.  Or.  Reuss  an  Spiel- 
mann bei  Vivenot,  II,  208. 

'  Nimlich :  4  Divisionen  Wurmser-Hussaren,  3  Divisionen  Kinsky-Chevaux- 
legers,  2  Bataillons  Schrdder,  1  Bataillon  d' Alton,  1  Bataillon  Josef  Collo- 
redo,  1  Bataillon  F.  Kinsky,  1  Batterie  Devins.  Erzherzog  Carls  Operations- 
joomal. 

*  Minutoli,  Militärische  Erinnerungen,  Berlin  1845,  S.  115. 

^  Korzgefasstes  Journal.  Kr.-A.  13/84.  Erzherzog  Carl  an  Erzherzog  Josef, 

Hauptquartier  Neuvilly,  den  25.  September  1792.  A.-A.  Or. 
^  Plankett*s  Journal,  Kr.-A.  13/56  und  Kurzgefasstes  Journal. 
'  Kurzgefasstes  Journal. 

3» 


36 

die  wir  der  Cantoninmg  halber  verlassen  mussten,  wieder 
erreicht  hatte^  auf  Verdan  zu;  sodann  über  selbes  hinaus  ins 
Lager  bei  Mari  (Marre).  ^  Heute  war  das  Wetter  so^  dass  es 
schiene,  als  wenn  der  Höchste  uns  unserer  so  gerechten  Unter- 
nehmungen wegen  strafen  wollte.  Ein  den  ganzen  Marsch  hin- 
durch fortdauernder  Platzregen  ruinirte  uns  platterdings.  Heute 
wurde  der  Mannschaft  wegen  dem  hinteracht  der  so  widrigen 
Witterung  erwiesenen  guten  Muth  eine  Gratis -Löhnung  be- 
willigt, mit  dem  Beisatz,  dass  man  sich  ein  Vergnügen  machete, 
so  standhafte  Truppen  zu  führen.^  ^ 

Auch  Hohenlohe-Kirchberg  klagt   in   einem  Berichte    an 
den  Kaiser  über  die  ungewöhnlichen  Beschwerden  dieses  Mar 
sches  und  die  Unbilden  der  Witterung :  , Durch  den  anhaltender 
ausserordentlich    starken    Regen,   von    Sturmwinden    begleitet 
war  Alles  bis  auf  die  Haut  nass  und  der  Weg  so  verderbt,  das^ 
jeden  Tag  ein  paar   hundert   Schuhe   auf  der   Strasse    lieget 
blieben  und  die  Leute   barfuss   gehen   mussten,   und   obgleicl 
nur  die  leichteste  Bagage  mitgenommen  wurde,  so  konnte  aucl 
diese  niemals  der  Truppe  folgen.     Dass   bei   solchen  Gelegeij 
heiten  Excesse  geschehen,  die  freilich  nicht  geschehen  soUtei 
kann  beinahe  nicht  vermieden  werden,  besonders   da,  wo  Bi 
gagewagen   zu   24  Stunden   nicht  aus  der  Stelle  konnten   un 
die  dabei  befindliche,  ohnehin  rohe  Menschen  sich  in  Feinde 
land  dazu  berechtigt  glaubten.'     inzwischen  zeigt  sich   doob 
iUhrt  Hohenlolie  fort,  ,dass  die  sogenannte  promenade  militaii 
k  Paris  weit  schwerer  wird,  als  Viele  geglaubt  haben,  und  da 
die  Vorstellungen,  die  ich  oft  diesfalls  gewagt  habe,  nicht  u- 
gegründet  waren.     Mir    scheint,   dass    die   Politik    nur  nein 
denen  Armeen  agiren  könne,  dass  diese  also  immer  militärisr 
manoevriren  müsse.    Dass  man  aber  dieses  gerade  umgekeb 
macht,   verursacht  mir  eine   unbeschreibliche  Sorge   vor   d* 
Fall  des  Fehlschlagens.' ^ 

Auch  Erzherzog  Carl  schloss  sich  diesem  Marsche  a 
Zwar  hatte  auch  er  in  Folge  der  Regengüsse  und  der  durc 
dringenden  Feuchtigkeit  unmittelbar  vor   dem  Aufbruche 

1  Wiener  Zeitung  1792,  S.  2691:  ,Der  Fürst  Hohenlohe-Kirchberg  i 
der  Erzherzog  Karl  bezogen  am  13.  ein  Lager  bei  Marne  (I)  am  linl 
Ufer  der  Maas'.    Vgl.  Wiener  Zeitung  1792,  Beilage  zu  Nr.  80. 

^  Kurzgefasstes  Journal,  1.  c. 

3  Hohenlohe  an  den  Kaiser,  15.  September.    Kr.-A.  Cab.-Act. 


37 

DarchföUen  zu  leiden;  doch  wurde  er  bald  wieder  herge- 
stellt *  und  zog  damals  noch  mit  den  besten  HofFhungen  in 
Feindeeland  einher.  ,Da  Du  mir,  bester  Bruder/  schrieb  er 
von  Richemont  aus  an  den  Kaiser,  ,gar  keine  Weisung  ge- 
geben hast,  was  ich  thun  solle,  im  Falle  sich  Fürst  Hohen- 
lohe  mit  der  preussischen  Armee  vereinige,  so  glaube  ich  nicht 
änderst  thun  zu  können,  als  mit  ihm  dahin  zu  gehen,  besonders 
da  es  vor  den  Feind  gehet  und  da  doch  Fürst  Hohenlohe  ein 
separirtes  Corps  formiren  wird.'^ 

Wir  verdanken  diesem  Umstände  manch  interessante  Beob- 
achtung, die  der  Erzherzog  auf  dem  Marsche  zu  machen  Ge- 
legenheit fand  und  die  er  in  den  Briefen  an  seine  Brüder,  den 
Kjiser  und  den  Erzherzog  Josef,  sowie  an  die  Erzherzogin  nieder- 
legte. ,Man  beklagt  sich,'  schreibt  er  an  die  letztere,  ,allenthalben 
sehr  über  die  Preussen  und  die  Hessen,  die  Alles  plündern  und  ver- 
wüsten. Unsere  Truppen  benehmen  sich  gut;  doch  das  Land  muss 
Omen  Alles  liefern,  da  die  Preussen,  von  denen  wir  hofften,  dass 
sie  uns  die  Lebensmittel  liefern  würden,  deren  nicht  zur  Genüge 
haben  und  ebenfalls  gezwungen  sind,  sich  Alles  vom  Lande  liefern 
zu  lassen.  Man  bezahlt  Brod  und  Mehl;  für  das  Uebrige  stellt 
man  Quittungen  im  Namen  des  Königs  von  Frankreich,  zahlbar 
an  dessen  Gassen,  aus.  Ueberall,  wo  wir  hinkommen,  ist  der 
Bewohner  gut  demokratisch  gesinnt  und  sehr  verwöhnt;  wir 
waden  ihn  niemals  bekehren.  Unsere  Vorgänger  (d.  i.  die 
Preussen)  haben  sie  so  behandelt,  dass  sie  bei  unserer  An- 
kunft in  grosser  Zahl  die  Flucht  ergreifen;  aber  die  Zurück- 
bleibenden entschädigen  sich  dafUr,  indem  sie  unseren  Soldaten 
Salz  und  andere  Lebensmittel  zu  enormen  Preisen  verkaufen. 
Nehmen  Sie  die  Märsche  und  den  beständigen  Regen  hinzu, 
und  man  muss  gestehen,  dass  unsere  Leute  auf  das  Aeusserste 
leiden.  Dennoch  desertiren  sie  nicht,  sondern  hoffen  stets  mit 
dem  Feinde  handgemein  zu  werden.'^  Auch  in  einem  Briefe 
an  den  Kaiser^  schildert  der  Erzherzog  die  Mühseligkeiten, 
mit  denen   die   Truppen   Hohenlohe's    auf  dem   Marsche   von 


*  Erzherzog  Carl  an  Maria  Christine,  Richemont,  ce  9  septembre  1792.  A.-A.Or. 
^  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser,  9.  September  1792. 

*  Erzherzog  Carl  an  Maria  Christine,  ce  14  septembre  1792.    A.-A.  Or. 

*  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser,  Hauptquartier  Neuvilly,  17.  September. 
Or.  Vgl.  die  ähnlich  lautenden  Briefe  an  die  Erzherzogin  und  an  Erz- 
herzog Josef  vom  25.  September  1792.    A.-A.  Or. 


ThioQTille  an  die  Aire  za  kSmpfen  hatten.  Aber  der  V^tt- 
herzog  hoflft  Alles  von  der  Truppe;  ,denn,'  tUtrt  er  fort, 
,sie  erträgt  alles  Ungemach  mit  sehr  viel  Math,  da  sie  Dich 
liebt  und  weiss,  dass  Da  ihr  Gerechtigkeit  leistest  und  sie  zu 
schätzen  weiset  Sie  erwarten  mit  Ungeduld  den  AngenbUck, 
sich  mit  den  FVanzosen  messen  zu  können.' 

Schon  früher  waren,  wie  wir  sahen,  von  Seiten  Metter- 
nich's  Bedenken  gegen  die  Anwesenheit  des  Erzherzogs  bei 
der  unter  dem  Oberbefehl  eines  prenssischen  Feldherm  ste- 
henden Armee  erhoben  worden.  Daher  hatte  der  &Eherzog 
selbst  bereits  von  BrUssel  ans  >  an  den  Kaiser  die  Bitte  ge- 
richtet, flir  den  Fall,  dass  etwa  zufolge  der  mit  Preossen  ge- 
schlossenen ConventioD  die  Zulassung  von  Volontärs  zur  Armee 
unzulässig  erscheine,  ihn  bei  einer  Brigade  anzustellen.  Der 
Kaiser  entsprach  denn  auch  der  Bitte  seines  Bruders,  zu  deren 
GewähruDg  er  den  Geburtstag  des  Erzherzogs  (5,  September)  er- 
sah, an  welchem  er  dem  Prinzen  Hohenlohe  Folgendes  eröffnete : 
,Meinen  Herrn  Bruder,  den  Erzhersc^  Carl,  ernenne  ich  unter 
Einem  zum  General-Feldwachtmeister  ^  und  stelle  denselben 
zur  wirklichen  Dienstleistung  in  diesem  Grade  bei  Ihrem  unter- 
habenden Corps  d'arm^e  an.  Sie  werden  demselben  daher  eine 
Brigade  nach  Ihrem  Gutbefinden  untergeben,  den  sonstigen 
Brigadier  jedoch  dabei  lassen,  damit  Mein  Herr  Bruder  sich 
Ton  seiner  Brigade  entfernen  könne,  um  sich  bei  Ihnen  bei 
guten  Gelegenheiten  einfinden  zu  können,  und  den  Ich  Ihrer  Ob- 
sorge empfehle.'  ^  In  dem  Schreiben,  das  der  Kaiser  aus  diesem 
Anlasse  an  seinen  Bruder  richtete,  ftlgte  er  noch  hinzu:  .Da- 
durch hoffe  ich  auch  dem  Herzoge  (Albert)  Gentige  zu  leisten, 
welcher  wünscht,  einen  General  an  Deiner  Seite  zu  wissen. 
Die  Wahl  der  Brigade  and  des  Generals  Überlasse  ich  dem 
Fürsten  Hohenlohe,  welcher  gewiss  seine  Leute  am  besten 
kennt.' ^   Schon  am  17.  September  konnte  Erzherzog  Carl  dem 

'  Siebe  obeo  S.   16. 

Dtücb  mit  OeneraJ  major. 

«not,  H,  186. 

ser   Frmnz   an    den   Enhenop  Carl,   Hetaendorf,   den   ä.   September 

'i.   A.-A.  Or.    Vgl.  das  kaUerliche  Handschreiben  an  den  Hofkrie^ 

is-Prisidenten  Wallis  vom  5.  September  ( Hof  kriefimtba- Acten,  Kr.-A. 

)    and    ein   Schreiben    der    Kaiserin   an    Maria  Christine   vom  9.  Sep- 

iber  17!K  (A.-A.  Or.),  worin  sie  ihr  diese  VerfOgluig  niittheUt.  Uebrigens 


39 

Kaiser  meldeD^  dass  er  sich  mit  GM.  Wemeck  in  dessen  Bri- 
gade ^  theile  und  sich  bei  demselben  ^gewiss  in  guten  Händen' 
befinde.  2  Noch  an  demselben  Tage  wurde  Erzherzog  Carl  im 
Lager  als  ^wirklicher  General-Feldwachtmeister  und  Brigadier^ 
vorgestellt.  ^ 

Sein  Dienst  war  indess  nicht  blos  nominell.  ^Sie  wollen 
wissen,*  schreibt  er  an  Maria  Christine/  ,worin  meine  Functionen 
als  General  bestehen.  Sie  beschränken  sich  bisher  darauf^  die 
Berichte  entgegenzunehmen  und  sie  dem  Generallieutenant 
d' Alton  zu  übermitteln.  Auf  dem  Marsche  werde  ich  bei  der 
Brigade  sein;  ebenso  im  Gefechte.  Wenn  Ruhe  ist,  gibt  es 
nichts  zu  thun  als  zuzusehen,  wa&  die  Leute  machen,  ihre 
Arbeiten  zu  besichtigen  u.  dgl.  Wir  sind  unser  so  wenig  Ge- 
nerale hier,  dass  wir  weder  Inspection,  noch  Tagdienst  haben*. 
Als  in  der  Folge  EoUonitsch  am  schleichenden  Fieber  er- 
krankte und  nach  Luxemburg  gebracht  werden  musste,  da 
ruhte  alle  Last  auf  den  Generalen  GM.  d' Alton,  GM.  Werneck, 
6M.  Lilien  und  dem  Erzherzoge.^ 

Die  letzterwähnten  Schreiben  des  Erzherzogs  sind  aus 
dem  neuen  Hauptquartier  Hohenlohe's,  Neuvilly  (eigentlich 
Seufvilly)  an  der  Aire  bei  Varennes  datirt.    Denn  mittlerweile 


bestand  Maria  Christine  selbst  nicht  mehr  auf  ihrem  früheren  Verlangen, 
dass  ein  besonderer  General  dem  Erzherzog  zugewiesen  werde.  ,Comme 
Tons/  beisst  es  in  einem  Schreiben  derselben  an  den  Kaiser  vom 
15.  September  (A.-A.  Copie),  ^me  parlez  encoi'e  de  lui  donner  quel- 
qu'nn,  il  me  parait  que  pour  cette  ann^e,  la  saison'^tant  d^j4  si  avancee 
Ters  Tbiver,  il  n'en  vaudra  plus  la  peine;  jusqu'au  printems  prochain 
que  la  campagne  recommence,  vous  eu  aurez  plus  de  tems  k  faire  un 
choix,  et  si  je  dois  dire  mon  sentiment,  de  lui  en  äcrire  k  Ini-meme, 
paisquUl  est  d^age  et  de  raison  qu^on  puisse  le  consulter  dans  une  chose 
qui  le  regarde  de  si  pres,  pour  savoir  qui  lui  serait  agr^able.^  Nament- 
lich war  sie  mit  der  Wahl  Hohenlohe's  vollkommen  einverstanden, 
dessen  Eigenschaften  sie  alle  Gerechtigkeit  widerfahren  lässt.  (Maria 
Christine  an  den  Kaiser,  Bruxelles,  du  20  septembre  1792.  A.-A.  Copie.) 

'  Dieselbe  bestand  aus  1  Bataillon  Colloredo,  1  Bataillon  Kinsky,  1  Bataillon 
Devins.  Erzherzog  Carl  an  Maria  Christine,  ce  19  septembre  1792.  A.-A. 
Or.  und  ce  21  septembre  1792.    A.-A.  Or. 

^  Erzherzog  Carl  an  Kaiser  Franz,  Hauptquartier  Neuvilly,  den  1 7.  Sep- 
tember 1792.    Or. 

^  Operationsjoumal.  Kr.-A.  Hof  kriegsraths- Acten  10/28  b. 

^  £rxherzog  Carl  an  Maria  Christine,  ce  28  septembre  1792.   A.-A.  Or. 

^Ebenda. 


40 

hatte  Braunschweig  seinen  Flankenmarsch  angetreten,  in  der 
Art,  dass  Clerfayt,  der  am  7.  September  das  Lager  bei  Baalon 
verliess,  bei  Stenay  die  Maas  überschritt  und  bei  Nouart  das 
Corps  des  preussischen  Generallieutenants  Kaikreuth  aufnahm, 
der  sodann  bei  Busancy  Stellung  nahm,  während  die  prenssi- 
sche  Hauptarmee  am  12.  bei  Landres  lagerte. 

Die  Absicht  Braunschweig's  war  zunächst  auf  die  Er- 
stürmung des  wichtigen  Passes  La  Croix  aux  Bois  gerichtet.  Da- 
her erhielt  Hohenlohe-Kirchberg  den  Auftrag,  an  die  Aire  vor- 
zugehen, um  Dillon's  Corps  bei  den  Islettes  zu  beobachten  und 
womöglich  zu  beunruhigen,  sobald  aber  der  erstgenannte  Pass 
gefallen  sein  würde,  sich  unverzüglich  der  Strasse  von  St.  Me- 
nehould  zu  bemächtigen.  Dies  war  die  Ursache,  um  derent- 
willen Hohenlohe-Kirchberg  am  14.  von  Marre  aufbrach  und 
nach  einer  Recognoscirung  der  Umgegend  von  Varennes*  am 
15.  an  der  Aire  auf  den  Höhen  zwischen  BoureuUes,  Neufvilly 
und  Aubreville  lagerte,  ihm  zur  Linken  die  Hessen,  welche  sich 
mit  einer  preussischen  Batterie  schon  zuvor  (13.  September)  in 
und  vor  Clermont  aufgestellt  hatten.  Von  Varennes  aus  wurde 
der  Pass  von  La  Chalade,  von  Clermont  aus  der  Pass  Islettes 
beobachtet.  ^  Es  war  dies  eine  Stellung,  welche  zugleich  die 
Verbindung  mit  Verdun  decken  sollte  und  mit  welcher  der 
Aufmarsch  der  Verbündeten  vor  den  Argonnen  vollzogen  war. 

Das  Unternehmen  auf  den  Pass  La  Croix  glückte  voll- 
ständig. Dumouriez,  über  die  Festigkeit  des  Passes  durch 
falsche  Berichte  irregeführt,  hatte  zur  einstweiligen  Besetzung 
des  Verhaues  nur  100  Mann  zurückgelassen  und  erst  als  es 
bereits  zu  spät  war,  den  General  Chazot  dahin  abgesandt,  um 


1  Hohenlohe-Kirchberg  bemerkt  (in  einem  Briefe  an  den  Küiser  vom 
16.  September):  ,Bei  dem  gestrigen  marche  habe  ich  eine  Recognoscirung 
bis  über  Varenne  vorgenommen  und  nichts  vom  Feinde  angetroffen^ 
wohl  aber  die  Stadt  von  denen  National-Volontaires  ganz  ausgeplündert 
gefunden.  Bei  dieser  Gelegenheit  habe  ich  auch  den  Ort  gesehen,  wo 
Se.  Majestät  der  König  arretirt  geworden,  und  einen  andern,  von  welchem 
er  entkommen  sein  würde,  wenn  die  Relais  dagestanden  hätten,  anstatt 
dass  sie  in  der  engsten  Gasse  warten  mussten.* 

^  Erzherzog  Carls  Operationsjoumal :  ,Zur  Deckung  unserer  und  der  hessi- 
schen Communication  besetzte  Oberstlieutenant  Wagenheim  mit  1  Division 
Wurmser-Hussaren  die  Orte  Nizevilles,  Villers  (recte:  Ville)  sur  Cousance, 
Rarecourt  und  Rampont/     Vgl.  auch   dessen   Brief  an  Erzherzog  Josef. 


41 

die  öBterreichischen  Jäger  aus  den  eroberten  Defil^en  wieder 
zn  vertreiben.  Vielmehr  nöthigte  nach  heissem  Kampfe,  in 
wekhem  der  österreichische  Obrist  Prinz  von  Ligne,  Sohn  des 
Feldmarschalls/ den  Heldentod  fand  (14.  September),  >  Clerfayt 
den  Greneral  Chazot  zum  Rückzuge  nach  Vouziers. 

Die  Li^e  der  französischen  Armee  war  jetzt  höchst 
bedenklich.  Der  Weg  durchs  Gebirge  schien  nun  mit  einem 
Male  den  Verbündeten  geö£Fhet.  Dumouriez  sah  sich  von  Chazot 
getrennt,  während  Kellermann  damals  noch  in  weiter  Entfer- 
nang  von  ihm  stand.  Sein  Heer  war  dadurch  auf  15.000  Mann 
reducirt.  £r  sah  sich  jetzt  gleichzeitig  in  der  Front  durch  die 
bei  Landres  lagernde  preussische  Hauptarmee  und  im  Rücken 
durch  Clerfayt  und  Kaikreuth  bedroht.  In  dieser  äusserst 
kritischen  Lage  fasste  Dumouriez  mit  der  ihm  eigenen  Ge- 
wandtheit den  raschen  und  kühnen  £ntschluss,  sein  Heer  in 
das  Lager  von  St.  Menehould  zu  fuhren,  den  südlichen  Theil 
des  Argonnenwaldes  noch  länger  zu  behaupten  imd  alle  bis 
jetzt  noch  zerstreuten  Hauptkräfte  in  dieser  neuen  Stellung  zu 
vereinigen. 

Mit  derselben  Raschheit,  mit  der  er  es  gefasst  hatte, 
fährte  Dumouriez  sein  Vorhaben  aus.  Im  Dunkel  der  Nacht 
fiberscbritt  er,  überall  die  Brücken  hinter  sich  abbrechend,  die 
Aire  und  sodann  die  Aisne,  so  dass  er  am  folgenden  Morgen 
Aatry  erreichte  und  nachdem  er  sich  mit  Chazot,  der  anfangs 
vor  den  verfolgenden  Preussen  geflohen  war,  wieder  vereinigt 
hatte,  am  16.  das  Lager  von  St.  Menehould  bezog.  Diese  neue 
Stellung  stützte  sich  rechts  an  die  Aisne,  links  an  den  Teich 
von  Braux  und  sumpfige  Wiesen.  Die  Front  war  durch  ein 
enges  Thal  (von  Maffrecourt  und  Braux)  von  dem  Höhenzuge 
ITron  getrennt,  der  in  einiger  Entfernung  das  rechte  Ufer  der 
Bionne  begleitet.  Westlich  von  der  ganzen  Aufstellung  lagen 
die  Höhen  von  Valmy.  Um  aber  auch  Dillon,  der  sich  noch 
immer  in  den  Pässen  von  Chalade  und  Islettes  behauptete  und 
somit  die  rechte  Flanke  Dumouriez'  deckte,  vor  einer  Um- 
gehung längs  der  Aisne  und  Biesme  zu  schützen,  besetzte  der 
Letztere  auch  das  feste  Schloss  St.  Thomas  und  vertheilte 
überdies  einige  Bataillons  und  einige  Cavallerie  zwischen  die 
beiden  genannten  Flüsse. 


*  Perey,  Histoire  d'ane  g^ande  dame,  430  ff. 


42 

So  trefflich  aber  auch  an  sich  die  Stellung  sein  mochte^ 
welche  Dumouriez  gewählt  hatte,  so  war  dieselbe  doch  nur 
dann  zu  behaupten,  wenn  sie  hinlänglich  stark  besetzt  war. 
Eben  deshalb  sah  Dumouriez  der  Vereinigung  mit  Beurnon* 
ville,  der  von  Rethel  (an  der  Aisne)  im  Norden,  und  mit 
Kellermann,  der  von  Süden  kam,  mit  Ungeduld  entgegen.  Die 
UnschlUssigkeit  des  Herzogs  von  Braunschweig,  der  bis  zum 
18.  September  mit  der  Hauptarmee  bei  Landres  stehen  blieb, 
erfüllte  Dumouriez  auch  diesen  Wunsch.  Am  19.  fand  die 
Vereinigung  der  beiden  französischen  Generale  mit  Dumou- 
riez statt. 

Erst  am  18.  September  passirte  die  preussische  Haupt- 
armee die  Aisne.  Am  19.  lagerte  dieselbe  mit  Einschluss  des 
Corps  Ealkreuth  und  Clerfayt  längs  der  Tourbe.  Am  20.  mit 
Tagesanbruch  erfolgte  der  Marsch  nach  La  Lune  und  die  be- 
rühmte Kanonade  von  Valmy,  welche  bekanntlich  ihren  Haupt- 
zweck, den  Feind  von  der  Rückzugslinie  an  die  Marne  abzu- 
drängen und  zu  schlagen,  verfehlte.  * 

Mittlerweile  befand  sich  das  Hauptquartier  Hohenlohe- 
Kirchberg's  noch  immer  zu  Neuvilly,  wo  Erzherzog  Carl  im 
Hause  eines  französischen  Generals  (mar^chal  de  camp)  wohnte, 
den  die  Preussen  verhaftet  und  nach  Verdun  abgeführt  hatten, 
da  er  mit  dazu  beigetragen  haben  soll,  den  Fluchtversuch  des 
Königs  Ludwigs  XVI.  zu  Varennes  zu  vereiteln.  ^  ,Da8  Lager,^ 
so  schildert  ein  Augenzeuge  anschaulich  diese  Stellimg,  ,liegt 
an  der  Chaussee  von  Varennes  auf  Clermont,  die  Front  gegen 
Paris  oder  gegen  Abend :  mithin  Varennes  rechts  und  Clermout 
links.  Neuvilly,  das  Hauptquartier,  woran  unser  linker  Flügel 
stösst,  ist  gerade  den  halben  Weg  von  Varennes  auf  Clermont. 
Vor  uns  die  Chaussee,  über  selbe  der  Fluss  Aire  und  über 
selben  hinaus  eine  ebene  von  Gebürg  rechts  und  links.  Im 
Rücken  einen  ziemlich  dichten  Wald  und  Weingebürg .  . . 
Gerade  gegenüber  von  unserer  Fronte  über  den  Fluss  befand 
sich  ein  Meyerhof  an  der  Gränze  des  Waldes,  in  welchem 
sich  ein  feindliches  Haber-  und  Heumagazin  befand,  welches 
ganz  nach  Willkühr  der  Regimenter  ausfouragirt  worden.' ^ 


1  Gebier  a.  a.  O.  S.  72  ff. 

2  Erzherzog  Carl  an  Maria  Christine,  quartier-g^u^ral  Neuvilly,  ce  14  sep- 
tembre  1792.    A.-A.  Or. 

'  Kurzgefasstes  Journal.   Kr.-A.  13^84. 


43 

In  dieser  Stellung  erfuhr  FZM.  FUrst  Hohenlohe  am 
15.  September  Dumouriez'  Abmarsch  über  die  Aisne.  Von 
Stünde  zu  Stunde  wartete  nim  der  kaiserliche  Feldherr  auf 
die  Disposition  zu  einer  allgemeinen  kräftigen  Offensive.  Da 
aber  eine  solche  noch  immer  nicht  eintraf^  vielmehr  Hohenlohe 
in  unverzeihlicher  Weise  ohne  Kenntniss  von  den  Vorgängen 
im  Hauptquartier  belassen  wurde^  beschloss  er,  sich  wenigstens 
über  die  einlaufenden  einander  widersprechenden  Gerüchte, 
namentlich  aber  darüber  Klarheit  zu  verschaffen,  ob  die  Pässe 
Chalade  und  Islettes  vom  Feinde  noch  besetzt  oder  bereits 
geräumt  seien.  Zu  diesem  Zwecke  erfolgte  am  17.  September 
die  Recognoscirung  beider  Pässe.  Jene  der  Islettes  auf  der 
grossen  Heerstrasse,  die  von  Clermont  nach  St.  Menehould 
fährt.  Hohenlohe-Kirchberg,  Erzherzog  Carl  und  der  Landgraf 
von  Hessen  nahmen  persönlich  an  dieser  Recognoscirung  theil. 
Eine  starke  feindliche  Bereitschaft,  die  am  Eingange  des  wal- 
digen Thaies  stand,  durch  welches  der  Bach  Houtebras  der 
Biesme  zueilt,  zog  sich  aus  ihrem  Verhaue  nach  unerheblichem 
Geplänkel  hinter  die  Verschanzungen  am  Fusse  der  C6te  de 
Biesme  zurück.  Die  von  der  Höhe  herab  erfolgten  Kanonen- 
schüsse wurden  durch  das  Feuer  aus  zwei  Kanonen  und  zwei 
Haubitzen  erwidert,  während  Hohenlohe  sich  bemühte,  die  feind- 
liche Stellung  so  viel  als  möglich  auszuforschen.  Nach  etwa 
zwei  Stunden  kehrte  Hohenlohe,  der  dich  von  der  Festigkeit 
der  feindlichen  Stellung  und  Dillon's  ansehnlicher  Macht  über- 
zeugt zu  haben  glaubte,  wieder  in  seine  frühere  Stellung  zu 
Neuvilly  zurück.  Auch  der  nach  Chalade  unternommene  Streif- 
zag lieferte  kein  besseres  Ergebniss.  ^ 


'  Ditfürth,  Dio  Heeren  in  den  Feldzttgen  in  der  Champagne,  am  Main  und 
Rhein  während  der  Jahre  1792,  1793  und  1794,  Marburg  1881,  8.  79.  Aus 
Ditfnrth*s  auf  den  Journalen  hessischer  Of&ciere  beruhender  Darstellung 
geht  auch  die  Anwesenheit  des  Erzherzogs  Carl  bei  der  ersten  der  beiden 
Recognoscirungen  hervor,  die  dieser,  ohne  in  kekannter  Bescheidenheit 
•einer  persönlichen  Gegenwart  dabei  zu  gedenken,  selbst  in  Briefen  an  den 
Kaiser  (ddo.  Neuyilly,  17.  September  1792,  Or.)  und  an  Maria  Christine 
(ddo.  19.  September  1792,  A.-A.  Or.)  erw&hnt.  Auch  im  Magazin  der 
neuesten  merkwürdigen  Kriegsbegebenheiten,  Frankfurt  1795,  S.3d7,  wird 
bei  Schilderung  dieser  Recognoscirung  die  Anwesenheit  des  Erzhersogs  Carl 
hervorgehoben.  Vgl.  auch  Gebier  a.  a.  O.  81 — 85  und  Renouard  203,  der  die 
Bewegungen  der  Hessen  ausführlich  schildert.  Das  Kurzgefasste  Journal 
(Kr.-A.  13/84)  schildert,  doch  unter  dem  falschen  Datum  18.  September, 


44 

Selbst  noch   an   dem   entscheidenden  20.  September,  am 
Tage  der  Kanonade  von  Valmy,  befand  sich  Hohenlohe-Kirch- 

diese  Recognoscirung  wie  folgt:  ,Deii  18.  wurde  eine  Recognosciraog 
auf  da8  feindliche  Lager  vorgenommen.  Hiezn  worden  bestimmt:  2  DitI- 
sionen  (?!)  von  Carl  Schröder  mit  3  Canonen  and  2  Divisionen  von  Kinskj- 
Chevanzlegers  mit  2  Haubitzen.  Diese  nahmen  ihren  Weg  gerade  bei 
Clermont  auf  der  Pariser  Chaussee  zwischen  die  zwei  Berge  o  und  b 
fort.  Wo  die  Strasse  rechts  dreht,  blieb  eine  Division  Cavallerie  im 
Hinterhalte  stehen.  Die  Infanterie  und  die  noch  übrige  Cavallerie  mar- 
schirte  vor  bis  in  ^,  wo  erstere  in  masse  postirt  wurde,  die  Cavallerie 
links  daneben.  In  o  waren  die  3  Canonen,  in  p  die  2  Haubitzen.  Mit 
diesen  wurde  auf  das  feindliche  Retranchement  gewaltig  und  mit  ziem- 
lichem Effect  gefeuert,  bis  sich  die  dabei  befindliche  Generalität  genug- 
sam orientirt  hatte,  wornach  sich  zurückgezogen  wurde.  EU  wurde  aaf 
uns  ebenfalls  lebhaft  canonirt.  Die  natürliche  Lage  aber  des  Terrains, 
auf  welchem  sie  postirt  waren,  verhinderte  die  Wirkung  der  feindlichen 
Kugeln.  Wir  verloren  also  keinen  Mann  dabei.  Nach  Aussage  einiger 
Deserteurs  aber  erfuhr  man,  dass  bis  30  der  Feinde  theils  todt,  theils 
beschädigt  wurden ;  ja  dass,  wenn  man  noch  das  Feuer  eine  WeUe  fort- 
gesetzt hätte,  sie  die  erste  Redoute  verlassen  hätten.  Heute  wurde  auch 
zur  nämlichen  Zeit,  als  dies  vorging,  ein  Streifcommando  von  Carl 
Schröder*  —  der  Berichterstatter  gehörte,  wie  es  scheint,  selbst  diesem 
Regimente  an  —  ,beordert,  welches  aus  einem  Officier  und  60  Frei- 
willigen bestünde.  Diese  mussten  den  Wald  vor  uns  von  der  nördlichen 
gegen  die  südliche  Seite  heraufstreifen,  um  die  etwa  darin  befindlichen 
Bauern  herauszutreiben.  Die  Streifer  fanden  Hütten  und  Baracken  ge- 
nug, wo  man  sah,  dass  Leute  gegenwärtig  sein  müssten,  da  aber  die 
Waldung  ausserordentlich  dicht  war,  so  waren  selbe  in  die  Hecken  ge- 
flohen, bis  auf  einige,  die  auf  uns  Feuer  gaben.  Die  Sache  war  aber 
von  keiner  Bedeutung/  Kurz  fasst  sich  das  officielle  Operationsjoumal 
( Hof  kriegsraths- Acten  10/28  b):  ,Den  17.  d.  ...  Um  doch  von  der  Stellung 
des  Feindes  bei  den  Grandes  Islettes  vergewissert  zu  sein,  wurde  eine 
Recognoscirung  angeordnet,  die  ich  selbst  vornahm.  Man  drang  bis  an 
das  vom  Feinde  besetzte  und  verschanzte  Dorf  und  beschoss  denselben 
mit  Haubitzen  und  Sechspfündern,  nachdem  man  alle  dessen  Vorposten 
zurückgetrieben  hatte.  Der  Feind  feuerte  zwar  aus  seinen  Batterien, 
traf  aber  Niemanden.  Des  Feindes  Lager  wurde  auf  dem  Berg  hinter 
die  Grandes  Islettes  in  einer  sehr  vortheilhaften  Gegend  wahrgenommen 
und  um  der  Hessen  rechte  Flanque  zu  decken,  eine  Division  Infanterie 
auf  einer  sehr  günstigen  AnhOhe  gestellet.*  Vgl.  Wiener  Zeitung,  Beilage 
zu  Nr.  80.  Unter  den  Berichten  der  französischen  Befehlshaber  ist  hier 
namentlich  Money*s  Geschichte  des  Feldzuges  im  Jahre  1792  in  Betracht 
zu  ziehen,  von  der  mir  blos  die  deutsche  Uebersetzung  aus  dem  Eng- 
lischen, Deutschland  1 798,  vorliegt.  Hier  werden  die  Kämpfe  in  den  Is- 
lettes S.  63  ff.  geschildert,  woraus  zugleich  erhellt,  dass  die  Franzosen 
in  diesem  Passe  nicht  von  Dillon,  sondern  von  dem  Berichterstatter 
Money  befehligt  waren. 


45 

berg  ohne  jede  Nachricht  ^  von  dem^  was  jenseits  des  Argonnen- 
Waldes  vorging.  Ohne  zu  wissen^  was  dies  bedeute,  hörte  man 
Ton  früh  Morgens  7  Uhr  bis  Nachmittags  4  Uhr^  eine  ge- 
waltige Kanonade  in  der  Richtung  von  St.  Menehould.  Man 
Termuthete,  dass  es  in  dieser  Gegend  zwischen  der  preussischen 
Hauptarmee  und  Dumouriez  zu  einer  Schlacht  gekommen  sei. 
Da  überdies  die  Patrouillen  in  dem  gegenüber  befindlichen  Lager 
der  Franzosen  eine  lebhafte  Bewegung  wahrgenommen  haben 
wollten,  so  schloss  man  daraus,  dass  der  Feind  geschlagen  worden 
sei  und  im  Begriffe  stehe,  den  Pass  Islettes  zu  räumen.  Daher 
Hessen  sich  die  Hessen,  obgleich  es  zwischen  dem  Landgrafen 
and  Hohenlohe  darüber  zu  keiner  Verabredung  gekommen  war, 
doch  nicht  mehr  zurückhalten;  sie  wollten  nicht  müssige  Zu- 
hörer der  furchtbaren,  wiewohl  unsichtbaren  Eiinonade  sein. 
Sie  rissen  die  Zelte  ab  und  Alles  stürzte  sich  nach  Clermont.  ^ 
Aach  Hohenlohe, ,  der  den  Augenblick  für  gekommen  hielt, 
um  dem  Befehle  des  Herzogs  von  Braunschweig  gemäss  den 
Rückzug  des  Feindes  seinerseits  auszunützen,  ertheilte  seinen 
Chevauxlegers  und  dem  Bataillon  Devins  den  Auftrag,  vorzu- 
rücken, um  das  hessische  Corps  zu  unterstützen.^  ,Es  war 
schön  anzusehen,'  heisst  es  in  einem  hessischen  Berichte,  ,wie 
sieh  Oesterreicher  und  Hessen  den  Rang  zur  Gefahr  ablaufen 
wollten.'  ^  Der  Landgraf  und  Hohenlohe  drangen  bis  an  die  Is- 
lettes vor.  Doch  der  Feind  war  keineswegs  im  Abmärsche  be- 
griffen; sein  Lager  stand  wie  zuvor,  und  aus  seiner  Redoute  er- 
widerte er  nachdrücklich  das  Eanonenfeuer,  das  ihm  aus  den 
Schlünden  der  österreichischen  und  hessischen  Geschütze  ent- 
gegentönte. Dillon  (beziehungsweise  Money)  war,  nachdem  er 
einige  Verstärkungen  an  sich  gezogen  hatte,  gegen  einen  Angriff 
in  guter  Verfassung.  Auch  hier  wie  zu  Valmy  beschränkte  sich 
das  Unternehmen  der  Verbündeten  auf  eine  lebhafte  Kanonade. 
Nachdem  man  sich  von  der  Unrichtigkeit  der  umlaufenden 
Gerüchte  überzeugt  hatte,  umsomehr,  als  eingebrachte  Gefan- 
gene  versicherten,    der  Feind    denke    gar   nicht    daran,    sein 


*  KnngefBastes  Journal:  ^afifallend  war  es,  dass  ein  Vorfall,  wie  dieser 
sejm  muBste,  bis  den  4.  nnd  ö.  Tag  verschwiegen  blieb.* 

^  Ebenda. 

'  Magaarin  der  neuesten  merkwürdigen  Kriegsbegebenheiten,  IV,  387  ff. 

*  Kr.-A.  Hofkriegsraths-Acten  10/28  b. 

^  Magazin  der  neuesten  merkwürdigen  Kriegsbegebenheiten,  IV,  337  ff. 


46 

Lager  zu  ändera,  rückte  das  österreichisch-hessische  Corps  in 
seine  frühere  Stellung  wieder  ein.  Nur  das  hessische  Lager 
erhielt  jetzt  eine  veränderte  Stellung,  so  dass  dasselbe  mit 
dem  vorigen  einen  Winkel  nach  links  machte,  da  der  linke 
Flügel  bisher  in  der  Luft  geschwebt  hatte  und  nun  von  den 
Franzosen,  die  sich  bei  Beaulien  sehr  verstärkten,  bedroht 
wurde.  Zugleich  aber  war  man  fest  entschlossen,  auch  ferner- 
hin den  Pass  Islettes  maskirt  zu  halten,  ,theils  um  bei  dem 
Feinde  eine  Jalousie  dahin  zu  unterhalten,  theils  um  den  Feind 
zu  verhindern,  über  Clermont  vorzudringen  und  die  Zufahren 
nach  der  Armee  zu  coupiren  oder  wohl  gar  die  Armee  selbst 
von  Verdun   abzuschneiden.*  * 

Es  trat  nun  längere  Waffenruhe  ein.  Nur  an  den 
Vorposten  fanden  einige  untergeordnete  Plänkeleien  statt,  bei 
Gelegenheit  der  Fouragirungen ,  die  stets  mit  bewaffneter 
Hand  unternommen  werden  mussten.  Es  vergingen  mehrere 
Tage,  ohne  dass  man  im  Lager  Hohenlohe's  erfuhr,  was  in- 
zwischen bei  Valmj  sich  zugetragen  hatte. 

Erst  am  25.  September  traf  ein  Courier  des  Herzogs  von 
Braunschweig  mit  näheren  Nachrichten  über  den  Verlauf  des 
Treffens  von  Valmy  und  mit  der  Meldung  ein,  dass  die  Fran- 
zosen um  einen  Waffenstillstand  gebeten  hätten,  der  ihnen  aiif 
die  Dauer  von  24  Stunden  gewährt  worden  sei.  Der  Courier 
fügte  hinzu,  dass  der  Feind,  von  allen  Seiten  eingeschlossen, 
anfangs  um  freien  Abzug  mit  Waffen  und  Gepäck  gebeten 
habe,  was  aber  sofort  abgeschlagen  worden  sei.  ^  Bauern,  die 
aus  der  Gegend  von  Valmy  und  Dommartin,  wo  die  Preussen 
standen,  kamen,  versicherten,  dass  die  Franzosen  aus  Mangel 
an  Lebensmitteln  gezwungen  sein  würden,  sich  nach  Vitry  zu- 
rückzuziehen. Wohl  auf  Grund  jener  Meldung  aus  Braun- 
8chweig*s  Hauptquartier  erging  noch  am  25.  ein  Tagesbefehl 
dem   zufolge  der   Mannschaft   bekanntgegeben    werden    sollte, 


1  Magazin  der  neuesten  merkwürdigen  Kriegsbegebenheiten,  IV,  337  ff- 
Kr.-A.  Hofkriegsraths-Acten  10/28  b.  Kursgefasstes  Journal.  Kr.-A.  13/S4. 
Was  Money  a.  a.  O.  S.  71  ff.  von  einem  neuen  Angfriffe  auf  die  Islettes 
am  22.  September  meldet,  muss  sich  in  Wirklichkeit  auf  den  Augriff 
vom  20.  beziehen. 

2  Auch  nach  Brüssel  wurde  dem  Grafen  Mettemieh  von  einem  ofScier 
civil  autrichien  durch  eine  Estafette  vom  ,25.  diese  falsche  Meldung 
hinterbracht.    Le  comte  de  Fersen,  H»  38 — 39. 


47 

dass  die  Affaire  vom  20.  ftir  die  Preussen  sehr  vortheilhaft 
tosgefallen^  dass  von  den  Feinden  600,  von  den  Preussen  nur 
150  Mann  geblieben  seien,  und  dass  der  ganze  feindliche  Mu- 
nitionsvorrath  in  die  Luft  gesprengt  worden  sei.  Allein  schon 
damals  schüttelte  im  österreichischen  Lager  so  Mancher  zu 
diesen  Nachrichten  bedenklich  den  Kopf.  Es  fiel  auf,  dass  die 
Meldung  über  den  Ausgang  des  Treflfens  von  Valmy  trotz  der 
geringen  Entfernung  des  preussischen  Lagers  erst  am  fUnften 
Tage  einlief.  Auch  liess  sich  mit  jener  Nachricht  nicht  gut 
die  Thatsache  zusammenreimen,  dass  der  Feind  von  den  Is- 
lettes  aus  wiederholt  Miene  machte,  das  österreichische  Lager 
zu  aberfallen,  und  dass  im  Rücken  des  letzteren,  im  Dorfe 
Dille  bei  St.  Michel  sich  eine  Truppe  Patrioten  sammelte,  die 
einen  Officier  von  Wurmser-Hussaren  sammt  seinem  Commando 
von  25  Köpfen  aufhob,  ein  Zwischenfall,  der  den  Prinzen 
Hohenlohe  veranlasste,  eine  Abtheilung  von  1000  Mann  unter 
dem  GM.  Wemeck  zur  Bestrafung  jenes  ,erzdemokratischen 
Nestes'  abzusenden.  ^ 

Wie  wenig  man  sich  übrigens  im  Hauptquartier  Hohenlohe's 
über  die  wahre  Lage  der  Dinge  täuschte,  geht  auch  aus  einem 
Briefe  hervor,  den  Erzherzog  Carl  an  seine  Tante  richtete.  Wohl 
schloss  er  bei  Empfang  jener  Nachricht  aus  Braunschweig's 
Hauptquartier  einen  Brief  an  seinen  Bruder  Josef  mit  den  scherz- 
haften Worten :  ,To  ge  piekne*  (das  ist  schön).  Aber  an  seine 
Tante  schrieb  er:  ,Gott  gebe,  dass  die  Pariser  ihren  Schrecken 
und  Verbrechen  nicht  die  Krone  aufsetzen.  Sie  werden  dafUr 
sicherlich  bestraft  werden,  aber  nicht  so  bald  und  nicht  so  leicht, 
als  es  sich  snfangB  unsere  Verbündeten  eingebildet  haben. 
Man  kommt  nicht  so  leicht  nach  Paris  als  nach  Amsterdam.'  ^ 

Ueberhaupt  befand  sich  nunmehr  der  Erzherzog  in  pein- 
Hoher  Lage  und  gedrückter  Stimmung.  Er  hatte  sich  zu  seiner 
lailitärischen  Belehrung  und  in  der  Hoffnung,  dass  es  auf  dieser 
Seite  zu  entscheidenden  Schlägen  kommen  werde,  dem  Marsche 
des  Hohenlohe'schen  Corps  angeschlossen.  Und  nun  waren  seit 
der  Ankunft  an  der  Aire  mehr  als  14  Tage  vergangen,  ohne 
dass  es  zu  irgend  einem  grösseren  Gefechte  kam.  Von  der 
Recognoscirung  der  Islettes  und  von  der  erwähnten  bedeutungs- 

*  Knnge^Aflstes  Jonmal. 

*  Snhersog  Carl   an    Maria  Christine,    NeuviUy,    ce  25  septembre  1792. 


48 

losen  Kanonade  abgesehen^  lag  man  dem  Feinde  unthftlig 
gegenüber.  Und  so  mochte  damals  den  jungen^  kampfes 
lustigen  Erzherzog  zuweilen  die  stille  Sehnsucht  beschlichen 
haben^  sich  vielmehr  in  dem  Hauptquartier  seines  Oheims 
Albert  zu  befinden,  der  die  Gelegenheit,  dass  die  Feinde  alle 
ihre  Streitkräfte  in  den  Argonnen  concentrirten,  dazu  benützte, 
um  sich  im  Norden  Frankreichs  erobernd  auszubreiten. 

Endlich  —  in  der  Nacht  vom  29. — 30.  September  — 
langte  eine  Depesche  des  Herzogs  von  Braunschweig  an,  in 
der  es  hiess,  dass  er  selbst  wegen  Mangels  an  Fourage,  der 
vielen  Kranken  u.  dgl.  sich  gezwungen  sehe,  mit  der  Armee 
den  Rückzug  über  Dun  nach  Verdun  anzutreten.  Zugleich 
erging  an  Hohenlohe-Kirchberg  die  Weisung,  sich  mit  seinen 
eigenen  und  mit  den  hessischen  Truppen  nach  Verdun  zurück- 
zuziehen. 

Die  fruchtlose  Kanonade  von  Valmy  hatte  die  Folgen 
einer  verlorenen  Schlacht.  Der  Muth  der  Preussen  sank,  der 
Muth  der  Feinde  stieg.  Zugleich  erwies  sich  das  neuntägige 
Verweilen  auf  dem  Schlachtfelde  für  die  Verbündeten  sehr  ver- 
hängnissvoll, da  sich  ihre  Lage  durch  Mangel,  Seuchen  und 
steigenden  Missmuth  der  Truppen  täglich  verschlimmem,  jene 
der  Franzosen  sich  eben  dadurch,  sowie  durch  ihr  wieder- 
kehrendes Selbstvertrauen  täglich  bessern  musste.  Es  hatte 
sich  zugleich  gezeigt,  dass  die  Anzahl  der  königlich  Gesinnten 
in  Frankreich  keineswegs  so  gross  sei,  als  die  Emigranten  an- 
nahmen oder  vorgaben.  Dazu  gesellte  sich  ein  anderer  Um- 
stand, der  die  Aussichten  in  dieser  Beziehung  noch  mehr  ver- 
düsterte. Die  Nationalversammlung  hatte  dem  Nationalconvente 
Platz  gemacht,  der  an  dem  Tage  seines  Zusammentrittes 
(21.  September)  das  Königthum  in  Frankreich  für  abgeschafft 
erklärte  und  die  Republik  proclamirte.  Die  Schreckensmänner, 
die  nunmehr  an  die  Spitze  Frankreichs  traten,  hatten  sich 
durch  ihre  verübten  Grausamkeiten  dermassen  compromittirt, 
dass  fortan  auf  irgend  einen  mässigenden  Einfluss  in  der 
Hauptstadt  kaum  mehr  zu  rechnen  war. 

Allerdings  war  auch  die  Lage  Dumouriez'  noch  immer 
eine  schwierige.  Die  Kanonade  von  Valmy  hatte  zunächst 
doch  nur  die  Bedeutung,  dass  in  derselben  die  französische 
Revolutionsarmee  ihre  Feuertaufe  glücklich  bestanden  bfttte, 
und  dass  in  Anbetracht  der  vorgerückten  Jahreszeit  dar  BUImkBag 


49 

der  PreoBsen  zu  erwarten  stand.  Allein  besiegt  waren  die 
Preofisen  keineswegs  und  das  Gewonnene  noch  keineswegs  be- 
festigt. Zu  Letzterem  bedurfte  Dumouriez  vor  Allem  Zeit ;  es 
kam  ihm  jetzt  in  erster  Linie  darauf  an^  jenen  Rückzug  zu 
verzögern,  da  er  voraussah,  dass  sich  mit  jedem  Tage  die 
Lage  der  Dinge  fllr  ihn  günstiger;  fllr  seine  Gegner  ver- 
häDgnissvoIler  gestalten  werde.  Er  musste  überdies  zu  hindern 
suchen,  dass  nicht  etwa  der  Feind  seine  linke  Flanke  umgehe 
and  in  südwestlicher  Richtung  Hohenlohe-Kirchberg  die  Hand 
reiche.^  Darum  schloss  er  am  24.  einen  Waffenstillstand  ab, 
der  sich  indess  blos  auf  die  Fronten  der  beiden  gegenüber- 
stehenden Armeen  beschränkte  und  ihm  die  Möglichkeit  ge- 
währte, durch  ausgesandte  fliegende  Corps  die  Verbündeten 
—  namentlich  das  hessische  Corps  —  in  ihrer  Flanke  zu  be- 
drohen und  die  Verpflegungslinie  derselben  (über  Grandpr^) 
m  gefährden.  Zugleich  knüpfte  er  durch  den  Privatsecretär 
des  preussischen  Königs,  Lombard,  der  in  seine  Gefangenschaft 
gerathen  war,  sodann  durch  den  Obersten  Manstein  Unter- 
handlungen mit  König  Friedrich  Wilhelm  IL  an,  bei  denen  es  vor 
Allem  darauf  abgesehen  war,  Preussen  von  der  Coalition  mit 
Oesterreich  abzuziehen,  und  die  vor  Allem  daran  scheiterten, 
dass  der  König  als  erste  Bedingung  jeder  weiteren  Verhandlung 
die  Freilassung  Ludwigs  XVI.  bezeichnete,  während  Dumou- 
riez dies  mit  der  Nachricht  erwidern  musste,  dass  der  Convent 
in  seiner  ersten  Sitzung  das  Königthum  abgeschafft  habe.  ^ 
Worden  trotzdem  und  trotz  des  neuen  drohenden  Manifestes,^ 
welches  der  Herzog  von  Braunschweig  am  28.  September  er- 
liess  und  das  von  Seiten  Dumouriez*  die  Kündigung  des  Waffen- 
stillstandes zur  Folge  hatte,  preussischerseits  die  Verhandlungen 
mit  Letzterem  (durch  Benott  und  Westermann)  noch  fortge- 
i^rt,  so  geschah  dies,  wie  gegenwärtig  aus  den  archivalischen 
Forschungen  sich  ergibt,  lediglich  zu  dem  Zwecke,  sich 
den  ungefährdeten  Rückzug   durch   die   grundlosen  Pässe   der 


*  Vgl.  Massenbach,  Memoiren,  I,  118. 

*  r.  Sybe),  Gescbicbte  der  Revolutionszeit,  I*,  566,  688.  A.  ßorel,  Un 
g^^ral  diplomate  (Revue  des  deux  mondes,  1884,  1  aoüt,  p.  689  ff.). 
Cbuqnet,  La  retraite  etc.,  p.  70  ff. 

'  Cksehichte  der  vier  ersten  Feldzüge  des  französiscben  Krieges,  von 
iiarai  prenssiücben  Officier.  1.  Tbeil,  welcher  den  Feldzug  von  1792 
mOMi,  DeutBctilaiid  tM^  a  116  ff. 


50 

Argonnen  zu  sichern.  Die  Täuschung  der  Franzosen,  auf  die 
es  bei  jenen  Verhandlungen  abgesehen  war,  gelang  vollkommen 
und  war  gegenüber  den  Vortheilen,  die  Dumouriez  während 
des  Waffenstillstandes  geerntet  hatte,  gleichsam  eine  Vergeltung 
mit  gleicher  Münze.  ^  Indem  er  sich  den  Anschein  gab, 
einer  Trennung  von  Oesterreich  und  einer  Verbindung  mit  der 
Republik  geneigt  zu  sein,  trat  Braunschweig  den  Rückzog  an, 
der  sich  zwar,  da  der  Argonnenwald  zur  Linken  dem  Auge 
jedwede  feindliche  Bewegung  verbarg,  die  preussische  Armee 
hingegen  mit  zahlreicher  Artillerie  und  einer  Menge  Wagen 
fUr  das  Gepäck  versehen  war,  in  Folge  anhaltender  Regen- 
güsse auf  grundlosen  Wegen,  die  durch  viele  Engpässe  und 
über  viele  grosse  und  kleine  Gewässer  führten,  und  bei  dem 
Ueberhandnehmen  der  Ruhr  unendlich  schwierig  gestaltete,  der 
aber  in  Folge  jener  Unterhandlungen  und  nicht,  wie  Dumou- 
riez vorgab,  in  Folge  seiner  Zerwürfnisse  mit  Kellermann  ^  nun 
doch  in  guter  Ordnung  vor  sich  ging,  da  die  geftlrchtete  nach- 
drückliche Verfolgung  des  Feindes  unterblieb.  Am  30.  Sep- 
tember brachen  die  Verbündeten  aus  ihren  bisherigen  Stellungen 
auf.  Von  dem  Feinde  nur  schwach  verfolgt,  fand  die  Armee 
Zeit,  den  Engpass  von  Grandprö  zu  durchschreiten  und  damit 
der  grössten  Gefahr  fUr  ihren  weiteren  Rückzug  zu  entgehen. 
Mit  bemerkenswerthem  Scharfblicke  hatte  Erzherzog  Carl 
bereits  zuvor  geahnt,  dass  dies  der  Ausgang  des  Unternehmens 
sein  werde.  ,Nach  Maass  als  wir  in  Frankreich  avancirt  sind,^ 
schreibt  er  am  23.  September  an  den  Kaiser,  ,haben  wir  die 
Landleute  und  Bauern  immer  mehr  fUr  die  neue  Constitution 
eingenommen  und  folglich  immer  mehr  uns  feind  gefunden. 
Die  Art,  mit  welcher  sie  von  den  Preussen  und  Hessen  be- 
handelt worden,  bestärkt  sie  immer  mehr  in  diesen  Grund- 
sätzen. Kurz,  wir  haben  das  ganze  Land  so  sehr  wider  die 
alte  und  so  sehr  für  die  neue  Ordnung  der  Sachen  einge- 
nommen gefunden,  dass  man  das  Project  der  emigrirten  Fran- 
zosen, Alles  auf  den  alten  Fuss  herzustellen,  als  ungereimt  und 
immöglich  ansehen  muss.  Das  preussische  Cabinet  scheint 
dies    auch    einzusehen   und    das    System   des    Baron    Breteuil 


»  Vgl.  Mortimer-Ternaux,  1.  c,  IV,  ö53  flf. 

^  Chnquet,  La  retraite  etc.,  p.  1.30  ff.,  154  ff.  und  namentlich  p.  159  ff., 
wo  zum  ersten  Male  der  diese  Verhandlungen  verhüllende  Schleier  ge- 
lüftet wird.    Vgl.  auch  A.  Sorel  a.  a.  O.  597  ff. 


51 

aogenommen  zu  haben,  nämlich  eine  Constitution  nach  dem 
Model  der  englischen  in  Frankreich  einflihren  zu  wollen.  Der 
König  von  Preussen  hat  sogar  den  Breteuil  nach  Verdun 
kommen  lassen,  vermuthlich;  um  das  Project  gemeinschaftlich 
mit  seinem  Cabinet  auszuschreiben/  ,Die  Preussen/  fkhrt 
der  Erzherzog  fort,  ,mögen  nun  darin  die  Partei  ergreifen, 
welche  sie  wollen,  so  wünsche  ich  nichts  mehr,  als  Dich  und 
ansere  Monarchie  bald  aus  diesem  Krieg,  der  uns  gewiss  gar 
keinen  Nutzen  schafft,  heraus  zu  wissen,  da  es  gewiss  sehr 
gleich  für  uns  ist,  was  für  eine  Constitution  in  Frankreich 
sein  wird.  Könnten  wir  zugleich  anstatt  aller  Entschädigung  ftLr 
die  Unkosten,  so  uns  der  Krieg  gemacht  hat,  einen  glücklichen 
Tausch  treffen  und  einige  Jahre  Frieden  und  Ruhe  geniessen, 
80  würde  unsere  Monarchie  gewiss  bald  sich  wieder  erholen 
und  wieder  in  den  blühendsten  Stand  kommen.  Gott  gebe  nur, 
dass  wir  bald  Streiche  führen  können,  welche  uns  ausser  der 
Nothwendigkeit  setzen,  eine  zweite  Campagne  zu  machen. 
Allein,  ich  fUrchte,  dass  wir  diesem  Uebel  nicht  werden  aus- 
weichen können.^  > 

Es  mochte  dem  Erzherzog  zur  Genugthuung  gereichen,  dass 
sieh  sein  kaiserlicher  Bruder  mit  dieser  Auffassung  der  Dinge 
vollkommen  einverstanden  erklärte.  ,Gott  gebe  uns,'  erwiderte 
der  Kaiser,  ,in  dieser  Lage  bald  den  Frieden  und  den  von 
Dir  berührten  Tausch,  und  die  Monarchie  wird  sich  bald  wieder 
erholen  und  Du  kommst  zu  mir  wieder  zurück,  wo  ich  Dich 
dann  nicht  mehr  weglasse,  weil  ich  Dich  bei  mir  zu  etwas 
Besserem  zu  brauchen  gedenke.  Allein  dies  sind  glückliche 
Träume,  deren  Erfolg  ich  zwar  wünsche,  aber  mir  nicht  sicher 
versprechen  kann.'^ 

Der  Tausch,  von  dem  hier  die  Rede  ist,  war  das  in  jenen 
Tagen  wiederaufgenommene  Project,  für  Belgien  Baiem  und 
dazu  die  beiden  fränkischen  Markgrafschaften  einzutauschen. 
Vielleicht,  dass  das  erneute  Auftauchen  dieses  Projectes  nicht 
ganz  ohne  Einfluss  auf  die  Entstehung  jenes  apokryphen  Thei- 
lungsTcrtrages  war,  welcher  bald  darnach  —  im  November 
1792  —   zu   Paris   in   dem  Werke:    Fastes   de   la  r^publique 


^  Enhenog   Carl   an   den    Kaiser,   Nenvilly,    den   23.   September    1792. 

A.-A.  Or.. 
^Pw  Kauer  an  den  Erzherzog  Carl,  Wien,  den  6.  October  1792.  A.-A.  Or. 

4* 


52 

fran^aise  im  Änszuge  erschieD  und  angeblich  jene  Verein- 
barongen  enthielt,  welche  nach  der  Flucht  Ludwigs  XVI.  im 
Juli  1791  Kaiser  Leopold  I.  zn  Pavia  eingegangen  sein  sollte. 
Auch  des  Erzherzogs  Carl  wird  in  diesem  angeblichen  Ver- 
trage gedacht,  der  im  Wesentlichen  auf  die  Schwächung  Frank- 
reichs zu  (runsten  der  Niederlande,  des  deutschen  Reiches 
(Abtretung  von  Elsass),  eventueU  auch  der  Schweiz,  Sardiniens 
und  Spaniens,  auf  den  Austausch  Belgiens  gegen  Baiem  und 
die  Auftheilung  Polens  zwischen  Russland,  Prenssen  und  Sachsen 
hinauslief.  ,Ihro  kön.  Hoheit,'  heisst  es  in  jenem  Vertrags- 
entwurfe, ,die  EIrzherzogin  Maria  Christine  soll  gemeinschaftlich 
mit  ihrem  Neffen,  dem  firzherzog  Carl,  in  den  erb-  und  eigenthüm- 
liehen  Besitz  des  Herzogthums  Lothringen  eingesetzt  werden.' ' 
So  weit  nun  verstiegen  sich  die  Pläne  des  Wiener  Hofes 
keineswegs  und  auch  aus  dem,  was  in  jenem  angeblichen  Pro- 
jecte  den  Thatsachen  wirklich  entsprach,  dem  gewünschten 
Austausche  der  Niederlande  gegen  Baiem,  würde  man  mit 
Unrecht  folgern,  dass  etwa  der  Kaiser  Willens  gewesen  sei, 
den  bisherigen  Verbündeten  in  Stich  und  sich  in  Separatver- 
handlungen mit  dem  Feinde  einzulassen.  Nicht  einmal  be- 
züglich Hohenlohe-Kirchberg's  trifft  die  mehrfach  geäusserte 
Behauptung^  zu,  dass  derselbe  während  des  Feldzuges  in  die 
Champagne  auf  Conferenzen  mit  Dumouriez  angetragen  habe. 
In  den  noch  vollständig  erhaltenen  Berichten  Hohenlohe's 
an  den  Kaiser  findet  sich  davon  keine  Spur.  Der  Feldzeug- 
raeister  klagt  wohl  darüber,  dass  die  rein  militärischen  Opera- 
tionen, die  ihm  am  Herzen  lagen,  durch  den  von  politischen 
(Gründen  eingegebenen  Plan  einer  promenade  a  Paris  durch- 
kreuzt worden  seien ;  ^  ihm  selbst,  dem  alten  Haudegen,  lag 
indess   nichts   femer   als  Politik.  *     Und   auch  der  Kaiser  war 

>  üirtanner,  Politische  Annalen,  I,  1793,  S.  203  ff.  (Leipziger)  Magazin 
der  neuesten  merkwürdigen  Kriegsbegebenheiten,  Frankfurt  1795,  II, 
120  ff.  Martens,  Receuil,  t.  V,  p.  ö.  Vgl.  Garden,  Histoire  des  trait^s  de 
paix,  t,  V,  161  ff, 

'  V.  Sybel,  Geschichte  der  Revolutionszeit,  I*,  563,  dem  sich  Renouard  229 
und  Chuquet  (siehe  Anm.  4)  anschliessen. 

5  Hohenlohe- Kirchberg  an  den  Kaiser,  Neuvilly,  den  28.  September  1792. 
Kr.-A.  Cab.«Act. 

*  Wohl  berufen  sich  r.  Sybel  in  dei«  Hist  Zeitschrift,  XXV,  74  und  Chuquet, 
La  retraite  etc.,  76  auf  einen  im  Pariser  Kriegsarchiv  befindlichen  Be- 
richt Dumouriex*  vom  24.  September  an  den  Minister  Lebrun,  demzufolge 


53 

so  weit  davon  entfernt,  sich  von  seinen  Pflichten  gegen  das 
verbündete  Preossen  lossagen  zu  wollen,  dass,  als  Hohenlohe 
anter  bitteren  Klagen  über  den  Befehl  Braunschweig's,  sich 
nach  Verdun  zurückzuziehen^  erklärte,  er  halte  sich,  ,da  die 
politischen  Vermuthungen  nicht  eingetroffen,  hingegen  seine 
Prophezeiungen  leider  in  ErftlUung  gegangen  seien,  nunmehr 
filr  berechtigt,  nach  seinen  eigenen  Einsichten  zu  handeln^ 
ihm  vielmehr  erwidert  wurde,  dass  der  misslungene  Versuch, 
gegen  Paris  vorzudringen,  zwar  eine  nicht  nach  echt  militäri- 
schen Grundsätzen  entworfene  Unternehmung,  dass  aber  die 
seltsame  politische  Lage  Frankreichs  ein  mächtiger  Beweg- 
^pruni  gewesen  sei,  der  einen  entscheidenden  glücklichen  Er- 
folg mit  vieler  Wahrscheinlichkeit  anhoffen  liess,  und  dass  nun- 
mehr unter  veränderten  Umständen  andere  Massregeln^  darunter 
die  zur  Sicherung  der  Winterquartiere  erforderliche  Einnahme 
mehrerer  Festungen,  zu  erwarten  seien,  worüber  er  sich  jedoch 
mit  dem  Herzoge  von  Braunschweig  zu  verständigen  habe.  ^ 
Nur  das  ist  richtig,  dass  der  Wiener  Hof  das  baldige  Ende 
des  Krieges  zwar  wünschte,  aber  keineswegs  zu  hoffen  wagte. 
Es  war  dies  dieselbe  Stimmung,  wie  sie  damals  auch  im  preus- 
sischen  Hauptquartier  herrschte,  bis  man  sich  hier  wie  dort 
von  der  Unerreichbarkeit  jener  Wünsche  überzeugte. 

Wie  wir  oben  sahen,  lautete  die  Weisung,  welche  Hohenlohe- 
Kirchberg  in  der  Nacht  vom  29. — 30.  September  von  dem  Herzoge 
von  Braunschweig  erhalten  hatte,  dabin,  sich  mit  den  eigenen  und 

Hohenlohe  Öfters  um  eine  Unterhandlung  nachgesucht  habe,  aber  ab- 
gewiesen worden  sei.  Trotz  dieses  scheinbar  entscheidenden  Argumentes 
iBt  die  Möglichkeit  eines  Missverständnisses  nicht  ausgeschlossen;  denn 
die  Thatsache,  dass  weder  Hohenlohe  noch  Erzherzog  Carl  in  ihren 
Schreiben  an  den  Kaiser  diesen  Zwischenfall  berühren,  ist  doch  nicht 
10  leicht  von  der  Hand  zu  weisen,  wie  dies  v.  Sybel  (ihm  folgend  Chu- 
qnet)  selbst  zu  fUhlen  scheint,  wenn  er  bemerkt,  Hohenlohe  werde  einen 
solchen  Schritt  nicht  ohne  höhere  Weisung  unternommen  haben.  Uebrigens 
hat,  wie  ich  nachträglich  bemerke,  schon  Vivenot,  Herzog  Albrecht  von 
Sacbsen-Teschen,  H,  1,  606,  Anm.  **)  hierauf  aufmerksam  gemacht.  Auch 
widerspricht  der  gewöhnlichen  Annahme  das  spätere  Verhalten  Hohen- 
lohe^B  (s.  unten  8.  62,  Anm.  und  8.  64).  Sollte  nicht  eine  Verwechselung 
mit  dem  prenssischen  General  Hohenlohe  anzunehmen  sein?  Vgl.  Moni- 
tear,  1792,  no.  275:  ,D^tails  utiles  de  Tarm^e  de  Kellermann  du  25  sep- 
tembre.* 

'  Hohenlohe  an  den  Kaiser,  30.  September  1792.     Kr.-A.  Cab.-Act. 

5  Vivenot  a.  a.  O.  n,  267,  Nr.  602. 


54 

den  hessischen  Truppen  nach  Verdun  zurückzuziehen.  Braun- 
schweig selbst  gedachte  dort  am  8.  October  einzutreffen  und 
hierauf  die  Avantgarde  vielleicht  vor,  das  Gros  seiner  Truppen 
aber  hinter  der  Maas^  die  er  bei  Dun  passiren  wollte,  aufzu- 
stellen. Während  sodann  Clerfayt  mit  den  französischen  Prinzen 
bei  Stenay  den  rechten  Flügel  der  Verbündeten  bilden  würde, 
sollten  Hohenlohe  und  die  Hessen  bei  Verdun,  und  zwar  so  zu 
stehen  kommen,  dass  die  Oesterreicher  sich  rechts  an  die  Cita- 
delle,  links  an  das  Stadtgehölz  (bois  de  la  ville)  lehnen  würden. 
Zu  Verdun  sollte  sodann  verabredet  werden,  was  weiters,  nament- 
lich zur  Deckung  der  bereits  von  den  Franzosen  bedrohten 
Reichslande  zu  geschehen  habe.^ 

Da  es  sich  zugleich  den  Weisungen  Braunschweig's  zu- 
folge vor  Allem  darum  handelte,  den  Pass  von  Clermont  so  lange 
zu  behaupten  und  Verdun  zu  decken,  bis  die  Armee  der  Ver- 
bündeten die  untere  Maas  erreicht  haben  würde,  ^  so  hatte 
Hohenlohe  zum  Zeitpunkte  des  Aufbruches  von  NeuviUy  die 
Nacht  vom  2.  auf  den  3.  October  festgesetzt,  als  plötzlich  am 
1.  Abends  die  Hessen,  welche  den  wichtigen  Posten  von  Cler- 
mont, den  einzigen  Punkt,  von  dem  aus  die  Franzosen  die 
Stellung  der  Oesterreicher  gefährden  konnten,  besetzt  hielten, 
dem  Prinzen  melden  Hessen,  dass  sie  sich  nicht  mehr  für  sicher 
erachteten,  sondeni  von  dem  Feinde  umgangen  zu  werden 
fürchteten  und  daher  im  Begriffe  ständen,  diesen  Posten  zu 
verlassen  und  nach  Verdun  aufzubrechen.  ^  Nun  war  es  aller- 
dings richtig,  dass  ein  Theil  von  dem  Corps  des  Generals 
Dillon  unter  Neuvilly  von  Passavant  aus  mit  einer  Abtheilung 
Hessen  und  Wurmser  -  Hussaren ,  welche  die  Einwohner  des 
im  Thalgrunde  der  Aire  gelegenen  Dorfes  Fleury  wegen  der 
Tödtung  eines  fouragirenden  Reiters  hatten  züchtigen  wollen, 
am  1.  October  gegen  Mittag  handgemein  wurde  und  die  bei 
Autrecourt  aufgestellte  Abtheilung  der  Hessen  über  die  Aire 
zurückwarf.  Aber  obgleich  es  Dillon  bei  diesem  Erfolge  be- 
wenden Hess,  da,  wie  er  selbst  sagt,   der  dazwischen  liegende 


1  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser,  Hauptquartier  Neuvilly,  den  30.  Sep- 
tember 1792.    Or. 

3  Renouard  a.  a.  O.  287. 

3  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser,  Hauptquartier  Glorieux,  den  4.  October 
1792.  Or.  Derselbe  an  Maria  Christine,  qnartier-g^n6ral  Glorieux,  ce 
5  octobre  1792:    A.-A.  Or. 


55 

Flu8B  und   die  Ermüdung   seiner  Truppen   ihm  nicht   die   er- 
wünschte Ueberfltigelung  der  Hessen  gestattete,  so  rief  doch  der 
unerwartete  Angriff  der  Franzosen,  deren  Cavallerie  bis  in  die 
Nähe  von   Clermont    gelangte,    unter   den   Hessen   gewaltigen 
Schrecken  hervor.  *     Sie   führten  ihr  Vorhaben   aus :   sie   ver- 
liessen  ihre  Stellung   und   machten  sich  auf  den  Marsch  nach 
Verdun.     Dies  nöthigte  auch  Hohenlohe,  in  der  Nacht  vom  1. 
auf  den  2.  October  um  2  Uhr  Neuvilly  zu  verlassen  und  nach 
Verdun  aufzubrechen,  wo  man  noch  an  demselben  Tage  eintraf.^ 
Das  hessische  Hauptquartier  befand  sich  jetzt  zu  Regret, 
jenes  Hohenlohe's  zu  Glorieux.    ,Wir  campiren  hier/  heisst  es 
in  einem  Schreiben  des  Erzherzogs  an  Maria  Christine,  ,zwischen 
der  Citadelle  und  dem  Stadtgehölze.  ^  Das  Hauptquartier  befindet 
sich  zu  Glorieux.   Wir   erwarten  hier  die  Armee  des  Herzogs 
von  Braunschweig^  welcher  beabsichtigt,  mit  dem  Prinzen  sich 
über  die  Bewegungen  zu  besprechen,  welche  unser  Corps  ferner- 
hin auszuführen  haben  wird.'   ,Sie  werden/  fügt  er  hinzu,  ,be- 
reits  wissen,  dass  ein  Monturtrapsport,  320  Pferde  u.  s.  f.,  die 
für   die  Armee   Clerfayt's    bestimmt   waren,    dem    Feinde    zu 
Grandprö  in  die  Hände   gefallen   sind.     Nur  die  Casse  ist  ge- 
rettet worden.     Die  Escortc,   50  Mann   und   2  Officiere,   sind 
gefangen.    Ebenso  haben  wir  gegen  20  Hussaren  verloren,  die 
zur  Deckung  von  Fouragewagen   für   die   preussische  Armee 
dienten   und   gefangen   genommen  wurden.     Man   sagt,   es  sei 
unbeschreiblich,  wie  sehr  die  Armee  in  dem  von  Lebensmitteln 
und  Holz  entblössten  Lande  leide;   auch   die   unsrige  hat  viel 
zu  erdulden.     Zu  Glorieux  habe  ich  Ihren  theuren  Brief  vom 
20.  empfangen  und  habe  mit  Vergnügen  vernommen,  dass  der 
Herzog  (Albert)  mit  der  Belagerung  von  Lille  beschäftigt  ist. 
Ich  wünsche,  dass  er  glücklicher   sei   als  wir,  und  er  wird  es 
auch  sein,   da   er  weiser  und   klüger  ist  als   unser  Oberleiter 
(directeur  en  chef )  und  da  er  auf  die  Vorstellungen  gemässigter 
und  weiser  Menschen  horcht.    Hätte  man  auf  die  wiederholten 
Vorstellungen  des  Prinzen  von  Hohenlohe  gehört  und  sie  befolgt. 


^  Dillon  an  Dumouriez  bei  Mortimer-Ternaax,  IV,  549  und  Dltfurth  a.  a.  O. 

100  ff. 
^  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser,  Hauptquartier  Glorieux,  den  4.  October 

1792.    Or.     Derselbe  an  Maria  Christine,   quartier-g^n^ral   Glorieux,  ce 

5  octobre  1792.     A.-A.  Or. 
3  Im  Texte  fälschlich:  ,le  bois  de  Tlsle*  statt  ,le  bois  de  la  ville*. 


56 

so  hätte  man  nicht  die  traurige  Rolle  gespielt,  die  wir  spielten 
und  noch  gegenwärtig  spielen.  .  .  .  Gebe  Gott,  dass  Alles  gut 
und  rühmlich  für  uns  ende ;  bis  jetzt  kann  man  nichts  vorher- 
sagen. Nur  eines  lässt  sich  mit  Bestimmtheit  sagen^  nämlich, 
dass  wir  eine  erste  Campagne  verfehlt  und  eine  Menge  Geld 
unnütz  zum  Fenster  hinausgeworfen  haben.^^ 

Von  Verdun  aus  wirft  zugleich  der  Erzherzog  noch  ein- 
mal einen  Rückblick  auf  den  bisherigen  Verlauf  des  Feldzuges, 
in  einem  Briefe,  den  er  an  den  Kaiser  richtete  und  in  dem 
sich  zugleich  nicht  nur  seine  eigene  Stimmung,  sondern  auch 
jene  Hohenlohe's  und  des  österreichischen  Hauptquartiers  ab- 
spiegelt. ,Nach  der  Einnahme  von  Verdun  durch  die  Preussen/ 
schreibt  Erzherzog  Carl,  ,8tand  der  Herzog  von  Braunschweig 
so  lange  bei  diesem  Orte,  dass  er  den  Franzosen  Zeit  gab, 
St.  Menehould  und  Islettes  zu  besetzen,  so  sehr  wichtige  Posten 
waren,  und  die  Vereinigung  der  Armeen  von  Luckner  (richtig 
Kellermann)  und  Dumouriez  nicht  verhinderte,  so  er  beides 
sehr  leicht  thun  konnte.  Nachdem  rückten  wir  Alle  auf  seinen 
Befehl,  ohngeachtet  den  öfteren  Vorstellungen  unseres  würdigen 
Fürsten  Hohenlohe,  voraus,  ohne  Magazine  formirt  zu  haben, 
folglich  so,  dass  wir  von  einem  Tag  zum  andern  und  durch 
blosse  Landeslieferungen  leben  mussten.  Am  20.  September, 
als  beide  Armeen,  die  preussische  und  Clerfaytische,  gegen  der 
französischen  standen,  war  der  Augenblick  da,  wo  man  einen 
schlecht  gestellten  Feind  leicht  über  den  Haufen  werfen  konnte. 
FZM.  Clerfayt  sah  es  ein,  bat  öfters  den  Herzog,  ihm  zu  er- 
lauben, mit  seinem  Corps  wenigstens  anzugreifen.  Er  würde 
gewiss  den  Feind  schlagen.  Oefters,  aber  immer  umsonst, 
wiederholte  er  diese  Bitte.  Indessen  machten  die  Franzosen 
einen  Waffenstillstand  mit  den  Preussen,  gewannen  die  Zeit, 
fliegende  Corps  den  Preussen  im  Rücken  zu  schicken,  ihnen 
die  Zufuhr  der^Vivres  abzuschneiden,  und  brachen  den  Waffen- 
stillstand, sobald  sie  wussten,  dass  der  Herzog  aus  Mangel  an 
Lebensmitteln  gezwungen  war,  wieder  nach  Verdun  zu  mar- 
schiren.  Diese  und  dergleichen  mehrere  unzählbare  und  un- 
verzeihliche Fehler,  so  der  Herzog  von  Braunschweig  begangen, 
beweisen  nach  dem  Urtheil,   das   alle   unsere  Generals   gefällt 


1  EIrzherzog  Carl  an  Maria  Christine,  quartier-g^n^ral  Glorieux,  ce  ö  octobre 
1792.    A.-A.  Or. 


57 

iiabeiiy  dass  der  Herzog  gewiss  nicht  der  Mann  ist;  fUr  welchen 
man  ihn  hält  und  ausgegeben  hat.  ^  Keiner  der  Unsrigen  hätte 
sie  gewiss  nicht  begangen ;  sie  haben  beide  oft  genug  darüber 
protestirt  und  wie  eben  heute  Früh  Fürst  Hohenlohe  sagte, 
verdient  ein  General;  der  solche  Fehler  begeht;  nichts  weniger 
als  cassirt  zu  werden.  Die  preussischen  Generals  selbsten  sehen 
diese  Fehler  ein.  Auch  sie  sind  äusserst  verdrüsslich  und  un- 
wiUig.  FZM.  Clerfayt  aber  soll  auf  das  Aeusserste  piquirt  und 
aa%ebracht  sein,  besonders  da  der  Herzog  nicht  immer  die 
beste  Art  hat  und  da  er  nun,  dass  er  sieht;  wie  sehr  er  ge- 
fehlt hat;  seine  Fehler  durch  grobe  und  freche  Art  zu  ver- 
decken sucht.  Mit  dem  Fürsten  Reuss  ^  hat  er  auch  eine  Dispute 
gehabt;  auf  die  letzt  fragte  er  ihu;  was  unser  Hof  über  diese 
Campagne  sagen  würde,  worauf  ihm  der  Fürst  versicherte; 
unser  Hof  würde  gewiss  darüber  aufgebracht  sein.  Mit  dem 
Minister  Schulenburg;  der  gut  für  uns  gesinnt  ist;  hatte  er  auch 
so  eine  Dispute;  dass  Schulenburg  nach  Berlin  zurückgegangen 
ist  Kurz  Alles  ist  über  ihn  aufgebracht;  und  in  unserer  Armee 
i«t  nicht  der  mindeste  Officier,  welcher  nicht  sagt,  wenn  Fürst 
Hohenlohc;  Clerfayt;  Browne  oder  ein  unsriger  General  com- 
mandirtC;  so  würden  gewiss  nicht  so  viele  Fehler  gethan  und 
eine  so  elende  Campagne  gemacht  worden  sein.  Das  Unglück, 
eine  so  schlechte  Campagne  gemacht  zu  haben,  ist  gewiss  gross, 
die  Dauer  des  Krieges  wird  dadurch  verlängert,  welches  für 
uns  keine  kleine  Last  ist.  Gott  gebe,  dass  eine  andere  Cam- 
pagne glücklicher  sei.  Wie  unglücklich  ist  es  nicht  für  unS; 
dass  unsere  braven  Truppen  nicht  von  unsrigen  Generals  ab- 
hängen und  für  sich  agiren.  Gewiss  würde  es  besser  gehen 
und  die  Truppe  nicht  das  grosse  Elend  leiden;  so  sie  nun  aus- 
stehen muss  und  das  wirklich  unbeschreiblich  ist.^^ 

Es  ist  heute  freilich  durch  archivalische  Forschungen 
siehei^estellt,  dass  den  Herzog  von  Braunschweig  nur  ein  Theil 
jener  schweren  Vorwürfe  trifft,  die  der  Erzherzog  in  erregter 
ätonde  und   inmitten   all  des  Ungemaches,  welches   nun   auch 


*  £•  entspricht  dies  Urtheil  demjenigen,  welches  neuerdings  Ditfurth  in 
seinem  trefflichen  Buche  über  Braunschweig^s  Kriegführung  gefällt  hat. 
Entgegengesetste  Urtheile  bei  von   der  Goltz,  Bossbach  und  Jena,  36. 

2  Heinrich  XIV.  Reuss,  Österreichischer  Gesandter  in  Berlin.  Vgl.  Hüffer, 
GoethenJahrbuch,  IV,  86. 

'  Enherzog  Carl  an  den  Kaiser,  4.  October  1792.    Or. 


62 

machte  die  überaus  schwierige  Lage  der  Verbündeten  den 
Herzog  von  Braunschweig  neuerdings  und  zu  demselben  Zwecke 
wie  zuvor  zu  Verhandlungen  mit  den  Franzosen  geneigt 

Am  8.  October  ritt  Kaikreuth  soeben  mit  dem  Herzoge 
von  Braunschweig,  der  von  Consenvoy  herüber  gekommen  war, 
um  die  Position  von  Verdun  zu  sehen,  nach  Glorieux  ins 
Hauptquartier  Hohenlohe's,  als  er  von  dem  Major  von  Ziethen, 
den  er  mit  einem  Detachement  von  300  Dragonern  seines  Re- 
gimentes ausgesandt  hatte,  um  der  hessischen  Cavallerie  das 
Fouragiren  zu  erleichtem,  einen  mit  Bleistift  geschriebenen 
Zettel  erhielt,  des  Inhaltes,  dass  General  La  Baroli^re,  der  in 
der  Gegend  commandirte.  Ordre  erhalten  habe,  die  hessischen 
Jägerposten,  die  mit  den  französischen  am  Rande  des  Waldes 
in  gleicher  Linie  standen,  zu  delogiren,  dass  er  jedoch  ,au8 
Consideration'  flir  Kaikreuth  die  Attaque  bis  zu  einer  vor- 
herigen Besprechung  aufschieben  wolle.  Kaikreuth  las  dem 
Herzog  in  Gegenwart  Hohenlohe's  diesen  Zettel  vor,  worauf 
ihm  Braunschweig  befahl,  zu  den  Vorposten  zu  reiten,  wohin 
er  sich  selbst,  sobald  er  den  rechten  Flügel  besichtigt  haben 
würde,  begeben  wolle. 

Kaikreuth  ritt  zwischen  die  Vorposten,  wo  er  mit  La 
Baroli&re  zusammentraf,  in  dessen  Begleitung  sich  Galbaud 
befand.  Es  war  dies  bei  dem  Meierhofe  Billemont  unweit  Bel- 
leray. Die  Unterredung  bezog  sich  zunächst  auf  jene  hessischen 

g^edeutete  Schreiben  bei  Vivenot,  Quellen  zur  Qescbichte  der  deutschen 
Kaiserpolitik  Oesterreichs,  II,  192  ff.,  Nr.  644,  an,  das  der  Heraus- 
geber fälschlich  zum  8.  September  ansetzt.  Allerdings  trägt  das  eigen- 
händige Concept  Hohenlohe*s  im  Kr.-A.  Feldacten  9/57  auf  der  Rück- 
seite von  einer  anderen  gleichzeitigen  Hand  die  Bemerkung:  ,8.  Sept. 
2.  Abschnitts  wodurch  es  sich  als  die  muthmassliche  Fortsetzung  eines 
zweiten  Stückes  (ebenda  Feldacten  9/58)  darstellt.  Aber  beide  Stficke 
sind  ursprünglich  nicht  datirt  gewesen  und  das  unsrige  kann  nicht  am 
8.  September  entstanden  sein,  da  in  demselben  nicht  nur  der  10.  Sep- 
tember, sondern  sogar  schon  der  8.  October  erwähnt  wird  und  sich  das- 
selbe offenbar  gleich  9/58  nicht  auf  den  Zug  von  Thionville  nach  Verdun, 
sondern  auf  den  ROckzug  von  Varennes  nach  Verdun  bezieht  Uebrigeni< 
ist  bei  Vivenot  statt  Haag:  Stenay  zu  lesen;  Hettange  ist  nicht  Hessing^n 
im  Luxemburgischen,  sondern  Hettange  bei  Thionville.  Statt  Wootf  i*^ 
zu  lesen:  Mens;  statt  Melin:  Malinye;  statt  Lisse  in  Flandenc  liUe. 
Endlich  liefert  das  Schreiben,  das  um  den  8.  October  entitaailM  W^ 
muss,  den  Beweis,  daas  selbst  jetzt  noch  Hohenlohe  nicht  a«f  < 
mit  dem  Feinde  antrug. 


59 

Oeneral  Kaikreuth  mit  der  preussischen  Avantgarde  in  der 
Nähe  von  Hohenlohe*8  Corps  ein  und  lagerte  sich  zur  Rechten 
desselben,  auf  der  Höhe  von  St.  Michael,  am  rechten  Ufer 
der  Maas.  <  Allein  gleichzeitig  erhielt  auch  Dillon  ansehnliche 
Verstärkungen,  da  statt,  wie  Dumouriez  empfahl,  über  Etain 
und  Longuion  hinter  die  Crune  in  den  Rücken  der  retirirenden 
preussischen  Hauptarmee  zu  eilen,  Kellermann  es  vorzog,  von 
St.  Menehould  aus  ebenfalls  nach  Dombasle  zu  rücken,  wo  sich 
auch  Valence,  der  den  Preussen  bis  Buzancy  gefolgt  war,  ein- 
fand, 2  so  dass  eine  französische  Armee  von  etwa  60.000  Mann 
bei  Sivry  la  Perche,  den  rechten  Flügel  bis  an  die  Strasse 
von  Varennes,  den  linken  bis  an  jene  von  Clermont  ausgedehnt, 
den  wenigen  Schwadronen  und  Bataillons  (6  Bataillons  und 
10  Escadrons)  ^  Kalkreuth's  bei  Belleville,  dem  Corps  Hohen- 
lohe  (6  Bataillons  und  14  Escadrons)  bei  Glorieux  und  den 
4000  Hessen  bei  Regret  gegenüber  lagerte,^  während  die 
preussische  Hauptarmee  hinter  der  Maas  bei  Consenvoy  ver- 
blieb. Und  auch  das  gestaltete  die  Lage  Hohenlohe's,  über- 
haupt der  Verbündeten  immer  misslicher,  dass  am  30.  Sep- 
tember Custine  die  österreichischen  Magazinsvorräthe  zu  Speier 
erbeutet  hatte  und  nun  auch  ein  Angriff  auf  Mainz  und  auf 
die  zu  Coblenz  befindlichen  preussischen  Magazine  zu  be- 
färchten  stand.  * 


^  Nach  Kaikreuth *8  eigener  Aussage.  Minerva  1793,  II,  165.  Journal 
Kr.-A.  13/66. 

2  Renonard,  291—292. 

'  Ditfurth  a.  a.  O.  111. 

*  Hohenlohe-Kirchberg  an  den  Kaiser,  8.  October.    Kr.-A.  Cab.-Act. 

'  Erzherzog  Carl  schreibt  über  die  Wegnahme  von  Speier  an  seine  Tante 
(8.  October  1792.  A.-A.  Or.):  ,Vous  saures  que  Tennemi  a  attaqu6  Spire 
avee  48  escadrons  et  20.000  hommes.  Notre  3me  bataillon  de  Gynlai 
et  les  2  de  Mayence  se  sont  defendus  tout  un  jour  comme  des  diables, 
apr^  qu'ils  out  ^t^  Obligos  de  se  retirer  vers  le  Rhin.  hk  ils  ont  appel6 
des  bateaux  qui  se  trouvaient  en  nombre  süffisant  pour  les  transporter 
et  qui  ^taient  k  Tautre  rive  du  Rhin.  Mais  les  bateliers  ont  refus^  de 
venir,  en  disant  que  le  prince-^veque  le  leur  avoit  d^fendu,  sous  peine 
de  mort.  Sur  cela,  nos  troupes  ont  M  oblig^es  de  se  rendre.  Le  g^n^ral 
Custine,  ^tonn^  de  leur  valeur,  a  laiss^  aller  tous  les  officiers  sur  leur 
ptrole  d*honneur  et  a  laiss^  k  la  troupe  leurs  fusils  et  leurs  sabres,  en 
faiaant  öter  les  baTonnettes  et  les  batteries  des  fusils.  II  leur  a  donn^ 
an  tres-bel  attestat  et  a  fait  dire  qu'il  les  rendrait  d*abord  qu*on  vou- 
drait  ran^ouner.*    Der  Erzherzog  theilt  nun  mit,  dass   er,  da  er  wisse, 


64 

bezieht.  Jch  glaubte/  schreibt  der  Feldzeugmeister^  ^dass  bei 
der  Ankunft  der  preussischen  Armee  alle  Verlegenheiten  von 
uns  aufhören  würden.  Da  aber  jene-  des  Herzogs  von  Braun- 
schweig auf  einen  Grad  gestiegen  sind,  die  an  Kleinmuth 
grenzen,  so  konnte  ich  ihn  nicht  bewegen,  diesseits  der  Maas 
zu  bleiben.  Heute  Früh  bei  der  Ankunft  musste  ich  vielmehr 
mit  Verwunderung  vernehmen,  dass  er  mit  den  feindlichen 
Generals  Bourli^re  und  Du  Fort^  gleichsam  par  bazard  za- 
sammengekommen  und  eine  Unterredung  gepflogen,  die  einer 
Capitulation  ähnlich  wäre.  Da  ich  nicht  mehr  als  einige  Schritte 
davon  entfernt  war.  konnte  ich  Alles  verstehen  und  besonders 
die  Aeusserung  des  feindlichen  Generals,  dass  die  Oesterreicher 
ihnen  schon  vor  der  Kriegserklärung  als  Feinden  begegnet 
wären  und  also  alle  Conventionen  nicht  vor  diese  gelten  könnten. 
Ich  nahm  also  gleich  nachher  Gelegenheit,  dem  Herrn  Herzog 
zu  erinnern,  dass  er  als  Chef  der  alliirten  Armee  ohneweiters 
verpflichtet  seye,  vor  das  Wohl  von  Allen  zu  sorgen,  und  dass 
dieses  darin  bestände,  dass  die  18  Bataillons  und  26  f^cadrons, 
so  auf  seinen  Befehl  zu  Hettange,  Ellange,  Richemont  und  hier 
verstreuet  wären,  die  nämliche  Sicherheit  durch  Convention 
erhielten  als  die  preussischen  und  hessischen  Truppen.  Das 
Nehmliche  habe  ich  ihm  diesen  Abend  schriftlich  mit  Nach- 
druck, aber  ganz  bescheiden  erklärt  und  werde  morgen  im 
Stande  sein,  Ew.  Majestät  den  weiteren  Erfolg  allerunterthänigst 
zu  berichten.  Indessen  versichere  ich  allerunterthänigst,  dass, 
so  geneigt  mich  die  bedenklichen  Umstände  machen,  Ew.  Ma- 
jestät Truppen  durch  Convention  zu  erhalten,  so  gerne  werden 
wir  auch  das  Aeusserste  wagen,  um  die  Ehre  derjenigen  Waffen 
zu  erhalten,  denen  bisher  noch  kein  Affront  geschehen.  Das 
Wunderbarste  bey  dem  heutigen  Vorfall  war,  dass  die  Franzosen 
durch  einen  Wald  bis  an  die  hessische  Fronte  auf  Schuss- 
distanz vorgedrungen  und  daselbst,  ohne  zu  schiessen,  bis  zu 
der  erwähnten  Unterredung  stehen  geblieben  und  hierauf  sich 
zurückgezogen  und  dass  der  Herr  Landgraf  von  Cassel  sich 
sogleich  nach  Erscheinung  der  Franzosen  aus  dem  Staub  ge- 
macht.' Am  9.  setzte  Hohenlohe  zu  diesem  Berichte  noch 
folgende  Nachschrift:  ,Der  Herzog  von  Braunschweig  hat  also 
denen  französischen   Generals    folgende  Propositionen   machen 


1  Entstellt  ans  La  Baroli6re  und  Galband  (?). 


65 

lassen:  1.  Weil  beyderseitige  Armeen  in  der  späten  Jahreszeit 
und  anhaltenden  üblen  Witterung  Ruhe  vonnöthen  hätten,  auch 
die  hiesige  Gegend  bereits  von  aller  Subsistenz  entblösst  wäre, 
90  wäre  man  nicht  abgeneigt  Verdun  und  Gegend  freywillig 
zu  evaeuiren.  2.  Dass  hierzu  das  dienlichste  Mittel  sein  könne, 
dnen  Waffenstillstand  zu  schliessen,  welcher  zwar  nicht  auf 
bestimmte  Zeit,  sondern  so  eingerichtet  wäre,  dass  derjenige 
Theil,  so  denselben  länger  zu  halten  Anstand  finden  mögte, 
es  dem  andern  8  Tage  vorhero  zu  wissen  thun  müsste.  3.  Dass 
hicTon  der  Vortheil  entspringen  würde,  dass  um  so  leichter  und 
geschwinder  ein  förmlicher  Friedensschluss  und  die  allgemeine 
Rohe  herzustellen  sein  könnte.  Der  preussische  General  Kalk- 
renth  hat  von  denen  oberwähnten  firanzösischen  Generals  die 
Antwort  mündlich  erhalten,  dass  weder  sie  noch  Dumouriez 
hierüber  entscheiden  könnten,  sondern  dass  es  denen  bei  Du- 
mouriez befindlichen  Commissairen  überlassen  bleiben  müsse. 
Inzwischen  aber  würde  nicht  geschossen  werden.'^ 

Auch  £j*zherzog  Carl  spricht  in  einem  Briefe  an  den 
Kaiser  von  diesen  Unterhandlungen.  ,Es  scheint,'  sagt  er,  ,dasB 
die  Preussen  schon  seit  langer  Zeit  unter  der  Hand  mit  den 
Franzosen  negocüren,  und  dies  zwar  sclion  seit  dem  20. 
Es  scheint  aus  allen  ihren  Bewegungen,  als  ob  sie  mit  dem 
Feinde  einverstanden  seien  und  nur  suchen,  sich  herauszu- 
ziehen und  uns  sitzen  zu  lassen.  Kurz,  wie  ich  es  Dir  voraus- 
sagte, es  scheint  und  es  zweifelt  fast  Niemand,  dass  wir  hier 
wieder  angefUhrt  und  ein  Opfer  ihrer  Politik  sind  und  sein 
werden.  Es  muss  den  20.,  den  Tag,  wo  sie  FZM.  Clerfayt 
so  sehr  bat,  zu  attaquiren,  etwas  vorgegangen  sein,  was  wir 
nicht  wissen;  allein  seitdem  ist  ihre  Art  zu  reden  und  zu 
handeln  ganz  anders  als  zuvor.  Mehrere  Beweise  davon  werde 
ich  Dhr  gelegentlich,  hoffe  ich,  mündlich  geben  können.  Fürst 
Hohenlohe,  welcher  sich  vornimmt,  den  Winter  in  Wien  zu- 
zubringen, wird  Dich  gewiss  vollständig  unterrichten  können.'  ^ 

Es  muss  allerdings  auch  hier  wie  bereits  an  einer  früheren 
Stelle  hervorgehoben  werden,  dass  der  von  dem  Erzherzoge 
ontOT  dem  unmittelbaren  Eiindrncke  der  Ereignisse  ausgesprochene 


^  Hohenlohe-Kirchberg  an  den  Kaiser,  Glorienx,  8.  October  1792.    Kr.-A. 

Cab.-Aet  Or. 
'  Enii«rxog  Carl  an  den  Kaiser,  Hauptquartier  Glorienx,  den  9.  October 

nn.  Or.  • 
JMiT.  Bd.  LXXni.  I.  Hälfte.  5 


66 

und  daher  auch  vollkommen  begreifliche  Argwohn  gegen 
die  Preussen  insofern  nicht  hinlänglich  begründet  war^  als 
aus  archivalischen  Forschungen  unserer  Zeit  hervorgeht,'  dass 
es  dem  Herzog  von  Braunschweig  bei  jenen  Verhandlungen 
mit  den  französischen  Generalen  nicht  auf  eine  Hintergehung 
der  Verbündeten,  sondern  auf  die  Täuschung  des  Gegners  an- 
kam, um  die  Truppen  womögUch  unversehrt  aus  Feindesland 
hinauszufuhren,  wie  denn  auch  der  Kaiser  den  Prinzen  Hohen- 
lohe,  der  aus  Anlass  des  Waffenstillstandes  vom  24.  September 
und  aus  dem  längeren  Stillschweigen  des  Herzogs  von  Braun- 
schweig schon  früher  Verdacht  zu  schöpfen  begann  und  die 
Vermuthung  aussprach,  dass  dies  ,wegen  der  politischen  Ge- 
heimnisse^ beobachtet  werden  müsse,  ^  durch  die  Antwort  zu 
beruhigen  suchte,  dass  er  in  Ansehung  des  bestehenden  Waffen- 
stillstandes mit  dem  Feinde  bereits  auf  anderem  Wege  infor- 
mirt  und  ihm  zugleich  auch  ,de88en  gute  Absicht^  mitgetfaeilt 
worden  sei.  ^  Wenn  man  jedoch  bedenkt,  dass  sich  bereits  bei 
jenen  Verhandlungen  mit  Dumouriez  die  Preussen  den  An- 
schein gaben,  als  wären  sie  geneigt,  dem  Bündnisse  mit  Oester- 
reich  zu  entsagen,  und  dass  selbst  Fürst  Reuss,  der  diploma- 
tische Vertreter  Oesterreichs  im  preussischen  Hauptquartier, 
sonst  von  der  Loyalität  des  Königs,  des  Herzogs  und  Lucche- 
sini's  überzeugt,  *  Verdacht  zu  schöpfen  begann,  *  wie  denn 
auch  später  bei  der  Uebergabe  Verduns  wirklich  nur  den  da- 
selbst befindlichen  Verwundeten  und  Kranken  des  preussischen 
Heeres  freier  Abzug  gesichert,  der  österreichischen  und  hes- 
sischen Leidensgeftlhrten  aber  vergessen  wurde,  ^  so  wird  man 


>  Vgl.  Chuquet,  La  retraite  etc.,  100—102,  154,  168  ff.  und  namentlich 
auch  Hänsser,  Deutsche  Geschichte,  I',  357  (Depesche  Lucchesinrs  vom 
17.  October,  worin  es  heisst:  ,Die  Oesterreicher  schöpfen  in  allem  Bmst 
Verdacht.  Spielmann  hat  seine  Besorgniss  geäussert;  Hohenlohe,  der 
Erzherzog  Carl  und  selbst  Clerfayt  glauben,  der  König  wolle  einen 
Separatfrieden  schliessen*). 

2  Hohenlohe-Kirchberg  an  den  Kaiser,  28.  September  1792.  Kr.-A.  Gab.- Act. 

a  Vivenot  a.  a.  O.,  II,  258,  Wien,  den  8.  October  1792. 

^  Hänsser  a.  a.  O.  357.  Vivenot,  II,  242,  Beuss  an  Spielmann,  Ferme, 
den  2.  October  1792. 

5  V.  Sybel  a.  a.  O.  594. 

6  Vgl.  das  von  Feuillet  de  Conches,  VI,  373  mitgetheilte  Fragment  der 
Memoiren  des  Prinzen  von  Nassau-Siegen,  und  ebenda  394  den  Brief 
desselben  an  die  russische  Kaiserin,  Luxembourg,  le  15/26  octobr©  1792. 


67 

es  nicht  auffallend  finden  können,  dass  dem  Prinzen  Hohenlohe 
and  dessen  Umgebung,  also  auch  dem  jungen  Erzherzog,  was 
um  sie  vorging,  im  Lichte  ^geheimer  Accorde'^  erschien. 

Indessen  ,war  es  bei  dem  schon  Wochen  währenden 
Regenwetter,  dem  Mangel  an  Subsistenz  und  der  Beschwerlich^ 
keit  der  Lage  der  allseitigen  Truppen  bereits  so  weit  ge- 
kommen, dass  der  Herzog  von  Braunschweig  die  schleunigste 
Eracnimng  Verduns  und  die  Zurückziehung  der  Armeen  bis 
hinter  den  Fluss  Chiers  fUr  nöthig  erachtete,  gleichwie  denn 
auch  das  Corps  des  Fürsten  Hohenlohe-Kirchberg  nur  noch  bis 
auf  den  12.  mit  nöthiger  Subsistenz  versehen  war  und  unter 
solchen  Umständen  selbst  ein  glücklicher  Angriff  der  auf  den 
Anhöhen  um  Verdun  postirten  Feinde  dem  Uebel  nicht  ab- 
helfen würde'.  2 

Es  trat  hinzu,  dass  bei  jener  ersten  Unterredung  zwischen 
Brannschweig  einer-,  La  Baroli^re  und  Galbaud  andererseits 
(S.October)  ein  24  stündiger  Waffenstillstand,  zunächst  zur  Be- 
richtigung der  Vorpostengrenze  vereinbart  worden  war,  welcher 
zwar  den  9.  um  weitere  24  Stunden  verlängert,  am  10.  Abends 
aber  von  französischer  Seite  gekündigt  wurde.  ^  Da  mittler- 
weile die  Brüsseler  Regierung  das  Corps  Clerfayt's  abberief, 
da,  wie  wir  sahen,  auch  der  Landgraf  von  Hessen  (8.  October) 
auf  die  erste  Kunde  von  den  Erfolgen  Custine's  nach  Hause 
geeilt  war,  mit  dem  gemessenen  Befehl  an  seine  Truppen, 
ebenfalls  so  schnell  als  möglich  den  Rückzug  anzutreten,^  so 
ordnete  Braunschweig  noch  am  Abend  des  10.  October  den 
Rückzug  der  Hessen  und  Hohenlohe-Kirchberg's  über  die  Maas 
an,  so  dass  am  11.  October  bei  Tagesanbruch  die  ersteren  bei 
Belrupt,  die  Oesterreicher  bei  Eix  lagerten.  Nur  eine  kleine 
Abtheilung  Hessen  blieb  in  Verdun  zurück,  um  den  den  Verbün- 
deten nunmehr  auf  der  Ferse  folgenden  Feind  in  angemessener 
Feme  zu  halten.  Als  sodann  Verdun  auf  dem  linken  Maasufer 
7(m  den  Franzosen  bereits  völlig  eingeschlossen  war  und  an  den 
preussischen  Commandanten  Courbifere,  den  späteren  Vertheidiger 


'  Plunkett   an    den  FML.  Fürsten  Eszt^rhazy,  9.  October  1792.    Kr.-A. 

Hofkriegsraths-Acten  10/24. 
»  Spielmann  an  Ph.  Cobenzl,  Lnxembnrg,  den  lö.  October  1792.  Vivenot, 

n,  273. 
'  Eenonard  a.  a.  O.  293,  294,  298. 

«  mtenda,  297. 

5* 


68 

von  Graudenz^  die  erste  Sommation  erging,  fand  zu  Glorieux 
(11.  Oetober)  die  zweite  Unterredung  zwischen  Kaikreuth  und 
den  französischen  Generalen  Dillon  und  Galbaud  statt,  bei  der 
man  Übereinkam,  dass  Verdun  den  14.  geräumt  werden  sollte, 
wogegen  Dillon  sich  verpflichtete,  die  Verbündeten  auf  ihrem 
ferneren  Rückzuge  nicht  zu  beunruhigen.  ^ 

Hohenlohe  war  von  Braunschweig  angewiesen  worden, 
um  seinen  Rückzug  zu  decken,  nach  Estain  zu  marschiren. 
Allein  der  alte  Feldzeugmeister  hatte  schon  früher  dem  Kaiser 
erklärt,  dass  er  sich  unter  den  gegenwärtigen  Verhältnissen 
nicht  mehr  an  die  Befehle  Braunschweig's  gebunden  erachte, 
da  es  sich  um  die  Erhaltung  seiner  eigenen  Truppen  handle, 
die  durch  das  Verhalten  der  Hessen  allerdings  sehr  gefährdet 
war,  wozu  sich  noch  das  Misstrauen  gesellte,  mit  welchem  ihn 
die  fortgesetzten  Unterhandlungen  des  preussischen  Haupt 
quartiers  mit  den  Franzosen  erfüllte.  Daher  poussirte  er  viel- 
mehr ,wider  die  Ordre  des  Herzogs  von  Braunschweig'  bis 
Nouillompont,  da  er  in  der  ihm  angewiesenen  Stellung  zu  Estain 
durch  die  nachfolgende  Kellermann'sche  Armee  abgeschnitten 
zu  werden  fürchtete.  ^ 

Erzherzog  Carl  schreibt  über  diesen  Rückzug,  an  dem  er 
sich  noch  betheiligte,  Folgendes :  ,Ich  benütze  den  ersten  freien 
und  ruhigen  Tag,  den  wir  seit  einiger  Zeit  haben,  um  Ihnen 
von  uns  Nachricht  zu  geben.  Wir  sind  in  der  Nacht  des 
(10. — 11.)  3  von  Glorieux  aufgebrochen,  ohne  vom  Feinde  be- 
lästigt zu  werden,  und  bei  Tagesanbruch  zu  Eix  angelangt. 
Hier  blieben  wir  den  ganzen  Tag.  Als  wir  Abends  erfuhren, 
dass  der  Feind  alle  WaflFenstillstandsvorschläge  verworfen  und 
an  den  Commandanten  von  Verdun  die  Aufforderung  zur  Ueber- 
gabe  habe  ergehen  lassen,  sowie  dass  die  Preussen  nicht  Willens 
seien,  daselbst  Stand  zu  halten,  dass  sie  vielmehr  ihre  Kran- 
ken und  Magazine  weggesendet  hätten,  so  entschlossen  wir 
uns,  Eix   zu   verlassen^   nachdem  wir   unser  Gepäck  von   dort 


1  Minerva  1793,  II,  176  nach  Kalkreuth's  eigener  Angabe. 

2  Hohenlohe-Kirchberg  an  den  Kaiser,  Longwy,  den  18.  Oetober  1792. 
Hof  kriegsratbs- Acten  10/9.  Or.  eigenh.  Vgl.  auch  des  Kronprinzen  von 
Preussen  Reminiscensen  aus  der  Campagne  in  Frankreich,  167  (Beiheft 
zum  militHrischen  Wochenblatte  1846). 

3  Im  Briefe  eine  Lücke,  die  aus  Hohenlohe-Kirchberg's  Bericht  an  den 
Kaiser,  ddo.  18.  Oetober  1792,  zu  ergänzen  ist. 


69 

weggeschafft  hatten.  Wir  marschirten  um  3  Uhr  Morgens  ab 
and  erreichten  nach  einem  12 — ISstUndigen  Marsche  Nouillom- 
pont,  wo  wir  heute  (13.)  ^  Rasttag  halten.  Unser  Marsch  dauerte 
so  lange^  da  vor  uns  eine  Colonne  der  Emigranten  zog,  und 
da  das  hessische  Corps,  dreimal  so  gross  als  das  unsrige,  die 
Wege  verstopfte,  die  ohnedies  inpracticabel  sind,  wodurch  eine 
Verwirrung  entstand,  die  man  sich  ebensowenig  vorsteUen  kann, 
wenn  man  sie  nicht  gesehen  hat,  wie  die  Excesse  und  die 
Plünderungen,  welche  die  Hessen  allenthalben  übten.  Diese 
haben  am  (10.)  ^  zu  Belrupt  ^  und  gestern  und  heute  zu  Estain 
campirt.  Hier  haben  wir  dank  den  guten  Dispositionen  der 
Preossen  nichts  zu  essen  gefunden,  nicht  einmal  Brot;  aber 
wir  hoffen,  dass  der  Platz  uns  für  heute  wird  liefern  können, 
wenn  die  Hessen  und  Preussen  nicht  Alles  weggenommen 
haben.  Nehmen  Sie  hinzu,  dass  unsere  Leute  hier  in  einem 
Kothe  campiren,  von  dem  man  sich  keine  Vorstellung  machen 
kann,  dass  der  Regen  in  Strömen  giesst,  so  können  Sie  dar- 
aus ermessen,  was  unsere  armen  Truppen  auszustehen  haben. 
Trotzdem  keine  Desertion.  Morgen  werden  wir  zu  Longuion, 
übermorgen  Abends  oder  den  folgenden  Tag  zu  Longwy  sein, 
wo  man  Rasttag  halten  will.'^ 

Von  NouiUompont,  wo  den  13.  gerastet  worden  war,  setzte 
Hohenlohe,  nachdem  er  Nachts  die  Bagage  vorangesendet  hatte 
und  nachdem  die  Brücke  bei  Spincourt  gesprengt  worden  war, 
«n  Morgen  des  14.  den  Marsch  über  Rouvroy  nach  Longuion  fort, 
um  den  Chiers  daselbst  zu  passiren,  fortwährend  vom  Feinde,  der 
die  Arrieregarde  attaquirte,  harcelirt,  doch  mit  unbedeutendem 
Verloste  und  in  bester  Ordnung,  da  man  ihn  mit  Kanonen  in 
g^emender  Entfernung  hielt. 

Während  dieser  Vorgänge  bei  der  österreichischen  Nachhut 
passirten  die  preussische  Artillerie  und  die  preussische  Bagage 
die  beschwerhchen  Defil^en  von  Mangiennes  bis  Pilon,  jeden 
Augenblick  in  Gefahr,  in  die  Hände  der  Feinde  zu  gerathen, 
wenn  sich  nicht  das  kaiserliche  Corps   ihrer  annahm.     Daher 


^  So  in  dem  Ton  dieRem  Tage  datirten  Briefe  des  Erzherzogs,  während 
Hohenlohe-Kirchberg  iu  seinem  Berichte  an  den  Kaiser  vom  18.  October 
1792  den  13.  als  Rasttag  angibt. 

'  LQcke  im  Original.  Vgl.  Renouard  a.  a.  O.  298. 

'  Im  Original  fHlschlich:  Belreys. 

*  Erzherzog  Carl  an  Maria  Christine,  ce  12  octobre  1792.     A.-A.  Or. 


70 

nahm  Hohenlohe,  den  bei  einer  persönlichen  Zusammenkunft 
zu  Rouvroy  der  Herzog  von  Braunschweig  und  der  König 
selbst  darum  inständigst  gebeten  hatten^  Stellung  auf  den  Höhen 
zwischen  Longuion  und  Rouvroy  zu  Martin  Fontaine  und  harrte 
trotz  des  strömenden  Regens  und  trotz  der  zunehmenden  Zahl 
der  Kranken  und  des  Mangels  an  Zelten,  Brot  und  Fourage 
mit  seiner  ausgehungerten  Mannschaft  bis  zum  16.  auf  diesem 
Posten  aus,  während  welcher  Zeit  der  grösste  Theil  des  preus- 
sischen  Trains  glücklich  nach  Longuion  gelangte.  EIrst  am 
16.  um  10  Uhr  Morgens  brach  Hohenlohe,  da,  wie  sich  immer 
deutlicher  herausstellte,  der  Waffenstillstand  nur  den  preussi- 
sehen  Truppen  zu  Statten  kam,  hingegen  auch  an  diesem  Tage 
von  den  Preussen  gegen  das  gegebene  Versprechen  keine  An- 
stalten zur  Ablösung  seines  Corps  getroffen  wurden,  aus  jener 
Stellung  wieder  auf  und  rückte  imi  7  Uhr  Abends  im  Lager 
bei  Piemont  hinter  Longwy  ein,  wohin  ihm  der  Feind  sofort 
nachsetzte.  * 

Doch  hören  wir  Hohenlohe  -  Kirchberg  selbst  über  die 
Gründe,  welche  ihn  bewogen,  fortan  allen  Vorstellungen  des 
Herzogs  von  Braunschweig  zum  Trotz  seinen  Rückzug  zu  be- 
schleunigen. ,Der  preussische  Qeneral  Kalkreuth,^  so  erzählt 
er,  ,wurde  nun  abermals  an  die  Feindliche  abgeschickt,  um 
Unterhandlungen  zu  pflegen,  und  erhielte  von  diesen  die  Ant- 
wort, dass  ein  Stillstand  unter  der  Bedingung  angenommen 
würde,  dass  Longwy  und  Alles,  was  auf  französischem  Boden 
liegt,  freiwillig  geräumt  würde.  Der  König  von  Preussen  wollte 
aber  dies  keineswegs  annehmen.  Ich  nahm  mir  die  Freiheit, 
dem  König  diesfalls  alle  Vorstellungen  zu  thun,  und  wieder- 
holte diese  gegen  den  Minister  Lucchesini.  Ich  führte  an,  daßs 
der  schlechte  Zustand  aller  Armeen  keineswegs  gestattete,  etwas 
zu  unternehmen,  dass  ich  also  davor  hielte,  dass  ein  Stillstand 
vors  Qanze  weit  zuträglicher  wäre  als  die  Behauptung  eines 
einzigen  Platzes,  den  man  gleichwohl  in  14  Tagen  verlieren 
und  daraus  der  Nachtheil  entstehen  würde,  dass  man  noch 
einige  Wochen  im  Luxemburgischen  wird  Krieg  führen  und 
ganz  unsichere  und  unruhige  Winterquartiere  haben  müsste. 
Weil  ich  aber  nicht  viel  ausrichten  konnte,   so   fasste  ich  den 


>  Journal.  Kr.-A.  13/56.    Hohenlohe-Rirchberg  an  den  Kaifler,  18.  October 
1793.    Kr.-A.  Cab.-Act. 


71 

Ent&chlusfiy  mein  Corps  den  16.  Früh  um  10  Uhr  in  Marche 
zu  setzen.  Diesfalls  wurde  mir  von  dem  Herrn  Herzog  sehr 
zugesetzt  und  Alles  angewandt^  um  mich  zum  längeren  Bleiben 
zu  überreden.  Ich  Hess  mich  aber  nicht  irre  machen  und 
sagte  ohne  alle  Scheu,  dass  ich  die  mir  anvertrauten  Truppen 
nicht  mehr  sacrificiren  würde  und  jetzt  umsoweniger,  da  es  in 
des  Königs  Macht  stünde,  uns  Allen  nach  einer  der  müh- 
seligsten Campagnen  Ruhe  zu  verschaffen,  wenn  er  jetzt  eine 
Sache  freiwillig  thäte,  wozu  er  ohnausbleiblich  in  14  Tagen 
zum    grössten  Nachtheil   des  Qanzen  gezwungen  sein  würde. 

,6egen  Abend  kam  ich  mit  Allem  hier,  in  Piemont  an.  Der 
Verlust,  den  ich  hiebey  hatte,  waren  einige  zerbrochene  Wagen, 
die  liegen  bleiben  mussten,  und  dass  die  Regimenter  gezwungen 
waren,  ihre  Zelter,  so  seit  4  Wochen  niemals  trocken  gewor- 
den und  ohnehin  unbrauchbar  waren,  wegzuwerfen,  um  nur 
wenigstens  mit  dem  Ueberrest  durch  die  unbeschreiblich  bösen 
Wege  durchzukommen.  Der  FML.  Graf  Wallis,  der  seit  der 
Zeit  bei  Hettange,  Ellange  und  Richemont  gestanden,  ist 
gestern  auch  von  da  abgegangen  und  wird  heute  bei  Luxem- 
burg eintreffen.  Wann  ich  hierbei  dem  Willen  des  Herzogs 
gefolgt  hätte  und  den  FML.  Graf  Wallis  nach  Longwy  hätte 
kommen  lassen,  so  sind  alle  unsere  Magazins  in  Grevenmachern 
und  Trier  verloren  und  jetzt  schon  würde  der  Feind  sicher  ins 
Luxemburgische  eingerückt  sein.  So  aber  kann  ich  in  zwei 
Märschen  mich  mit  ihm  vereinigen  und  also  ein  Corps  d'arm^e 
von  18  Bataillons  und  26  Escadrons  formiren,  welche  nur 
wieder  mundirt  und  ausgerüstet  werden  dürfen,  um  gehörige 
Dienste  zu  leisten,  statt  dass  eine  so  stattliche  Truppe  en  detail 
wäre  aufgerieben  worden,  wann  ich  es  nicht  durch  Wider- 
sprüche gegen  positive  Befehle  erhalten  hätte.^ 

,Der  FML.  Wallis  hat  seinen  Rückzug  fast  ohngehindert 
gemacht.  Nur  ein  Posten  von  den  Warasdiner  Grenzern  bei 
Quentrange  wurde  von  der  Garnison  von  Thionville,  beiläufig 
1000  Mann  stark,  attaquirt,  jedoch  soutenirt,  wobei  3  £Lroaten 
todtgeschossen  und  21  blessirt  worden.  Besagter  Feldmarschall- 
Lieutenant  hat  vor  seinem  Abmarche  alles  Belagerungsgeschütz 
und  Munition  und  seine  Magazins  bis  auf  ein  paar  tausend 
Säcke  Haber  gerettet,  und  ich  muss  ihm  das  Zeugniss  geben, 
<1as6  er  in  allen  Gelegenheiten  Einsicht,  Muth  und  Klugheit 
bewiesen    hat.     Die  Lage   des  Herzogs  von  Braunschweig   ist 


74 

Bruder  Carl  wiedersah,  Gott  sei  Dank,  bei  guter  Gesundheit 
nach  so  vielen  Strapazen,  die  er  erduldet  hat.  Er  beabsichtigt, 
in  zwei  Tagen  sich  nach  Toumay  zu  meinem  Gemahl  zu  be- 
geben.  Ich  bin  eine  zu  gute  Gattin,  um  meinen  lieben  Mann 
des  Trostes  zu  berauben,  seinen  geliebten  Carl  wieder  bei  sich 
zu  haben.^i  Und  an  Mercy  schrieb  sie:  ,Da  ich  weiss,  wie 
sehr  Ihre  Freundschaft  an  meinen  Freuden  und  Leiden  theil- 
nimmt,  so  zeige  ich  Ihnen  an,  dass  ich  seit  24  Stunden  meinen 
lieben  theuren  Carl  wieder  besitze.  Sie  können  sich  vorstellen, 
welche  Genugthuung  mir  dies  bereitet.  Sein  Befinden  ist  vor- 
trefflich, und  er  hat  nur  bedauert,  Sie  unterwegs  verfehlt  zu 
haben.  Sicher  wiLrde  er  sonst  sich  aufgehalten  haben,  um  Sie 
zu  sprechen  und  Ihnen  alle  Achtung  und  Freundschaft,  die  er 
für  Sie  empfindet,  zu  bezeugen.*  ^ 

Den  Personen,  mit  welchen  der  Erzherzog  auf  dem  Zuge 
nach  Lothringen  in  nähere  Berührung  kam,  bewahrte  er  auch 
fernerhin  freundlich-dankbare  Erinnerung.  Besonders  empfahl 
er  seinen  treuen  Begleiter,  den  Hauptmann  Vermatti,  der  nun 
wieder  zu  dem  Corps  Clerfayt's  sich  begab,  der  Gkiade  des 
Kaisers.  ^  Und  ebenso  bezeichnete  er  später  den  Adjutanten 
Hohenlohe's,  Hauptmann  Plunkett,  als  einen  ,sehr  braven  und 
geschickten  Officier*,  der  wichtige  Dienste  geleistet  habe.  * 
Beide  bezeichnete  er  als  der  Beförderung  zu  Majoren  würdig. 
Vor  Allem  aber  liess  er  den  Verdiensien,  die  sich  Hohenlohe- 
Kirchberg  nicht  nur  um  seine  Person,  sondern  um  die  gute 
Sache  überhaupt  erworben  hatte,  dieselbe  Gerechtigkeit  wider- 
fahren, die  ihm  selbst  der  alte  Feldzeugmeister  zollte,  der,  wie 
sich  der  Kaiser  ausdrückt,  des  Lobes  über  den  Erzherzog  voll  war.^ 


»  Maria  Christine  an  den  Kaiser,  ce  18  octobre  1792.  Vgl.  Wiener  Zeitung 
vom  3.  November  1792,  S.  2974. 

2  Maria  Christine  an  Mercy,  ce  19  octobre  1792.     A.-A.  Copie. 

3  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser,  Brüssel,  den  21.  October  1792.  Or.:  ^ch 
kann  Dir  ihn  wegen  seinem  Eifer  für  den  Dienst,  seiner  Fähigkeit  und 
Geschicklichkeit  und  seinem  guten  Charakter  nicht  genug  anpreisen 
und  Dich  bitten,  wenn  es  möglich  wäre,  ihn  zum  Major  zu  avanciren. 
Zu  Longwy  hat  er  sich  in  Placirung  der  Batterien  besonders  hervor- 
gethan  und  hat  darüber  auch  die  schönsten  Zeugnisse  von  preussischen 
Stabsofficieren.' 

*  Desgleichen,  Cöln,  den  16.  Januar  1793.    Or. 

*  Kaiser  Franz  an  Maria  Christine,  Hetzendorf,  den  30.  September  (1792). 
A.-A.  Or.  \ 


73 

alle  in  Frankreich  gemacliten  Eroberungen  fahren  zu  lassen 
gesonnen  seien.  * 

Der  damals  22  jährige  Kronprinz  von  Preussen,  der  spätere 
König  Friedrich  Wilhelm  III.,  hatte  den  Feldzng  in  die  Cham- 
pagne mitgemacht;  über  den  er  höchst  werthvolle  ^Reminiscen- 
zen'  hinterliess.  Jetzt  theilte  er  auf  dem  unseligen  Rückzuge 
die  Leiden  und  Entbehrungen  der  preussischen  Armee.  Am 
15.  October  besuchte  er  den  Prinzen  Hohenlohe-Eirchberg  in 
seiner  Stellung  im  Walde  hinter  der  nach  Longuion  führenden 
Chaussee.  ^Dabei  hatte  ich/  schrieb  er  in  sein  Tagebuch,  ,hin- 
län^ch  Gelegenheit,  zu  bemerken,  dass  unsere  beiderseitigen 
Armeen  sich  wegen  ihres  gänzlich  abgerissenen,  zerlumpten 
und  besudelten  Zustandes  einander  nichts  vorzuwerfen  hatten.^ 
,Den  alten  Fürsten,^  heisst  es  weiter,  ,traf  ich  mit  seiner  Ge- 
neralität zu  Martin  Fontaine  in  einem  Hause,  wo  weder  Thüren 
noch  Fenster  vorhanden.  Er  schien  sehr  verdriesslich  und  miss- 
vergnügt über  den  Ausgang  unserer  Campagne  zu  sein,  übrigens 
ein  alter,  gerader,  biederer  Mann.  Erzherzog  Carl,  den  ich  an- 
zutreffen hoffte,  war  nicht  mehr  beim  Corps,  wo  er  bis  dahin 
gewesen,  sondern  war,  ich  glaube  den  Tag  vorher,  durch  den 
alten  Fürsten  fortgeschickt  worden,  weil  er  es  nicht  auf  sich 
nehmen  wollte,  ihn  in  dieser  misslichen  Lage  der  Dinge  zu 
cxponiren.^  -^ 

In  der  That  muss  Erzherzog  Carl  spätestens  am  14.  die 
Annee  Hohenlohe's  verlassen  haben,  da  er  sich  bereits  am  15. 
zu  Longwy  befand,  von  wo  aus  er  neuerdings,  wie  bereits 
zuvor,  3  den  Kaiser  von  seiner  beabsichtigten  Rückkehr  nach 
den  Niederlanden  in  Eenntniss  setzte,  wo  es,  wie  er  richtig 
ahnte,  demnächst  zu  wichtigen  Entscheidungen  kommen  musste.^ 
Am  17.  October  Abends  traf  er  in  Brüssel  ein.  ,Ein  ausge- 
zeichnetes Heilmittel,'  schrieb  in  ihrer  Freude  über  dieses 
Wiedersehen  Maria  Christine  an  den  Kaiser,  ,war  die  Genug- 
thuung,  die  ich  empfand,  als  ich  gestern  Abends  Ihren  lieben 


'  Ersherzog  Carl  an  den  Kaiser,  Longwy,  den  15.  October  1792.    Cr. 

^  Reminiscenzen  ans  der  Campagne  in  Frankreich,  S.  168.  Aach  Erzherzog 
Carl  bemerkt,  dass  Hohenlohe  selbst  ihm  gerathen  habe,  nach  den 
Niederlanden  zurückzukehren.  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser,  Tournay, 
den  26.  October  1792.  Or. 

'  Erzherzog  Carl  an  den  Kaiser  vom  9.  October.  Or. 

'  Desgleichen,  Longwy,  den  15.  October  1792. 


76 

Ueberzeugung  ganz  entgegengesetzten  Plan  folgenden  Wider- 
wärtigkeiten ertrug.  Die  wichtigsten  Dienste  leistete  er  Ihrer 
Majestät  durch  seine  kluge  Anstalten,  womit  er  denen  schäd- 
lichen Folgen,  die  ftlr  Ew.  Majestät  Länder  selbst  entstehen 
konnten,  zuvorzukommen  wusste.  In  Neuvilly  bei  Clermont  legte 
er  vorzügliche  Beweise  seines  Muthes  und  seiner  Klugheit  am 
Tag,  dass  er  die  immer  zum  Rückzug  bereiten  Hessen  auf- 
gehalten und  einem  mächtigen  unangreifbaren  Feind  die  Spitze 
geboten.  Hier  erwarb  er  sich  allgemeine  Bewunderung.  Er 
musste  wegen  unvermuthetem  Rückzug  der  Hauptarmee  und 
des  Hessischen  Corps  in  das  hiesige  Lager,  da  eine  seinen  Kräften 
gar  nicht  angemessene  Stellung  besetzen  und  so  4  Tage  hin- 
durch ohne  aller  Unterstützung  und  unter  beständiger  Drohung 
eines  Rückzuges  von  Seite  der  Hessen  und  eines  Angriflfes 
von  einem  übermächtigen  Feind  bleiben,  um  Verdun  zu  decken. 
Alles  war  ohne  seiner  Standhaftigkeit,  womit  er  den  zum  Wei- 
chen entschlossenen  Landgrafen  von  Hessen-Cassel  zurückhielt, 
verloren.  Die  preussische  Armee  verdankt  (ihm)  die  Deckung 
aller  ihrer  Operationen,  die  Sicherheit  ihres  Rückzuges,  die 
Erhaltung  ihrer  Eroberungen  und  die  Schützung  ihrer  Magazins^ 
wo  er  doch  anstatt  40.000  Mann  nur  6  Bataillons  und  7  Di- 
visions Cavallerie  commandirte.  Stolz,  unter  der  Anftihrung 
eines  so  rechtschaffenen  Mannes  zu  dienen,  wollten  wir  es  auch 
Ew.  Majestät  beweisen  dadurch  ,dass  wir  AUerhöchstdenenselben 
von  dem  so  ruhmwürdigen  als  nützlichen  Betragen  unseres 
commandirenden  Generals  allem nterthänigst  Bericht  erstatten. 

Im  Lager  bey  Verdun,  den  9.  October  1792. 

Carl  GM.  m/p.  D* Alton  FML.  m  p. 

Werneck  GM.  m/p.  Lilien  GM.  m/p. 

Dass  dieses  von  denen  k.  k.  Herren  Generals  bestätigte 
und  mir  bekannte  so  tapfere  als  kluge  Benehmen  Sr.  Durch- 
lauchten des  Fürsten  von  Hohenlohe  dem  Gantzen  mehr  als 
eine  gewonnene  Bataille  genutzet  habe,  attestire  ich  unter- 
schriebener hiermit. 

Theodor  Philipp  Baron  Pfau, 

kgl.  Preussischer  Generalmajor  und  Officier  de  confiance 
bey  der  kayserl.  Hohenlohischen  Arm^e.* 


77 

Der  Feldzug  in  die  Champagne^  wenngleich  nicht  gerade 
epochemachend  in  strategischer  und  taktischer  Beziehung,  *  so  dass 
er  in  dieser  Richtung  keineswegs  den  von  unserem  Erzherzoge 
gehegten  Erwartungen  entsprach,  ist  doch  ohne  Zweifel,  wie  für 
30  viele  Andere,  auch  fiir  ihn  eine  reiche  Quelle  der  Belehrung 
geworden.  Denn  es  war  eine  Thatsache,  welche  die  Aufmerk- 
samkeit aller  Militärs  in  Anspruch  nahm  und  die  das  grösste 
Äa&ehen  erregte,  dass  all'  die  grossen  Hoffnungen,  mit  denen 
man  ins  Feld  zog,  so  gar  nicht  in  Erfüllung  gegangen  waren, 
und  dass  die  alliirte  Armee,  die  aus  den  sieggewohnten  Truppen 
Friedrichs  des  Grossen  und  aus  den  alterprobten  Regimentern 
des  Kaisers  bestand  und  die  ein  Feldherr  befehligte,  der  im 
siebenjährigen  Kriege  und  im  Feldzuge  in  Holland  sich  den 
Ruf  eines  unternehmenden,  einsichtsvollen  und  vom  Glück  meist 
begünstigten  Generals  erworben  hatte,  nach  anfänglichen  Schein- 
erfolgen einen  Rückzug  antreten  musste,  der  in  seinen  Folgen 
einer  verlorenen  Schlacht  gleichkam.  Das  Alles  musste  zu 
ernstem  Nachdenken  Anlass  geben  und  rief  zugleich  eine 
Literatur  über  diesen  Feldzug  hervor,  die  unmittelbar  darnach 
begann  und  heute  noch  nicht  abgeschlossen  erscheint.  Auch 
Erzherzog  Carl  hat,  freilich  erst  in  viel  späteren  Jahren,  einen 
Beitrag  zu  dieser  Literatur  geliefert,  der  zwar  zunächst  nicht  flir 
die  Oeffentlichkeit,  sondern  nur  fllr  den  Unterricht  seiner  durch- 
lauchtigsten Söhne  bestimmt  war,  der  aber  bei  aller  Gedrängt- 
heit umsomehr  Beachtung  verdient,  als  hier  das  Urtheil  des 
gereiften  Mannes  und  sieggekrönten  Feldherm  die  von  uns 
mitgetheilten  unmittelbaren  Eindrücke  des  Jünglings  mehrfach 
ergänzt  und  berichtigt.  ^ 

'  Vgl.  Fürst  N.  S.  Galitzin,  Allgemeine  Kriegsgeschichte  der  neuesten 
Zeit,  Cassel  1887,  I.  Bd.,  8.  108—109. 

^  Gemeint  ist  die  , Geschichte  des  ersten  Krieges  der  französischen  Re- 
volution vom  Jahre  1792 — 1797  in  den  Niederlanden,  Frankreich,  Deutsch- 
land, Italien  und  Spanien*  von  Erzherzog  Carl  von  Gestenreich,  mitge- 
theilt  als  Beiheft  zur  Gesterr.  militar.  Zeitschrift  von  Strefflenr,  VI.  Jahrg., 
3.  Bd.,  Wien  1865,  wo  S.  377  ff.  der  Feldzug  von  1792  geschildert 
wird.  Da  nach  einer  redactionellen  Bemerkung  S.  133  diese  Arbeit  zum 
Unterrichte  seiner  Söhne  bestimmt  war,  so  wird  sie  wohl  auch  ei'st 
später  als  1815  entstanden  sein,  in  welches  Jahr  Freiherr  ven  Wald- 
sUtten,  Erzherzog  Carl,  Berlin  1882,  S.  Vtl  (Militärische  Classiker  des 
In-  und  Auslandes)  deren  Entstehung  ansetzt. 


ZUR  WAHL 


LEOPOLD    I 


1654  —  1658. 


VON 


D"  ALFRED  FRANCIS  PRIBRAM, 

DOCKST  AN  DER  UNIVERSITÄT  IN  WIEN. 


Vorwort. 


Die  Wahl  Leopold  I.  hat  eine  dreifache  Bedeutung :  für 
Oesterreich,  für  Deutschland  und  für  Europa.  Für  Oesterreich, 
weil  die  Entscheidung  in  der  Wahlsache  fUr  die  Haltung  des 
österreichischen  Herrschers  in  allen  Fragen  der  Politik  mass- 
gebend werden  musste ;  fUr  Deutschland,  weil  mit  der  Zurück- 
weisung der  Candidatur  Leopolds  der  völlige  Bruch  mit  der  bis- 
herigen Ueberlieferung  vollzogen  worden  wäre ;  für  Europa,  weil 
mit  der  Wahlfrage  auch  jene  des  Machtverhältnisses  der  beiden 
grossen  Parteien  erledigt  wurde,  welche  damals  um  die  Vor- 
herrschaft auf  dem  Continente  stritten.  Der  Wichtigkeit,  die 
man  an  allen  Höfen  Europas  dem  Ausfalle  der  Wahl  bei- 
mass,  entsprach  der  Eifer,  mit  dem  von  den  mächtigsten 
Staaten  die  Verhandlungen  mit  den  Wählern  gepflogen  wurden. 
Von  den  Höfen  dieser  Fürsten  und  von  dem  Wahlorte  Frankfurt 
aas  haben  die  zahlreichen  Vertreter  europäischer  Mächte  über 
die  von  und  nach  allen  Seiten  geführten  Verhandlungen  an  ihre 
Regierungen  berichtet.  An  die  Verwerthung  des  auf  diese 
Weise  in  den  verschiedenen  Archiven  aufgestapelten  Materiales 
ist  man  erst  im  letzten  Decennium  geschritten.  Die  Materialien 
des  Berliner  Archivs  hat  B.  Elrdmannsdörffer  im  8.  Bande  der 
,Acten  und  Urkunden  zur  Geschichte  des  Grossen  Kurfürsten* 
mitgetheilt,  die  des  Münchener  bilden  die  Grundlage  eines  Auf- 
satzes von  G.  Heide  ,Ueber  die  Wahl  Leopolds^  Chöruel  in 
seiner  ^Geschichte  Mazarin's^  und  einem  kürzlich  erschienenen 
Aufsatze  der  TAcad^mie  des  seien  ces  morales  et  politiques,  und 
Valfrey  in  seinem  ,Lionne'  haben  die  Haltung  dieser  beiden 
Männer  auf  Grundlage  des  reichen  handschriftlichen  Schatzes 
des  französischen  Archivs  zu  kennzeichnen  versucht.  Trotz- 
dem wird  man  nicht  behaupten  können,  dass  wir  über  alle  bei 

AnkiT.  Bd.  LXXIII.  I.  H&lfte.  G 


82 

der  Wahl  vom  Jahre  1658  in  Betracht  kommenden  Fragen 
genügend  unterrichtet  sind.  Ja,  ich  möchte  die  Behauptung 
wagen,  dass  wir  bisher  vergebens  nach  Aufklärung  von  Punkten 
gesucht  haben,  die  zu  den  allerwesentlichsten  gehören.  Ueber  die 
Verhandlungen  bis  zum  Tode  Ferdinand  III.  lag  nur  die  Schil- 
derung der  Mission  des  Ferdinand  Khurtz  nach  Bayern  im  Jahre 
1655  durch  Wilhelm  Arndt  vor,  über  die  Politik  Oesterreichs 
nur  die  gänzlich  verworrenen  Mittheilungen  inWalewski's  un- 
beachtet gebliebenem  Werke.  Dazu  kam,  dass  eingehende 
Forschungen  im  französischen  Archive  mich  erkennen  Hessen, 
dass  Ch^ruel  und  Valfrey  die  eigentlich  entscheidenden  Docu- 
mente  zum  grossen  Theile  übersehen  hatten ;  dass  meine  Studien 
in  den  Archiven  von  Wien,  Berlin,  Dresden,  Düsseldorf,  Paris 
und  London  mir  die  Ueberzeugung  verschafften,  dass  die  bis- 
herige Auffassung  von  der  Haltung  der  Kurfürsten,  insbesondere 
der  des  Erzkanzlers  Johann  Philipp,  nicht  aufrecht  zu  erhalten  sei. 

Diese  Lücken  auszufüllen  und  die  unrichtigen  Auffas- 
sungen zu  berichtigen,  ist  der  Zweck  der  nachfolgenden  Ab- 
handlung, bei  deren  Abfassung  ich,  wie  mit  dem  Gegenstande 
Vertraute  leicht  erkennen  werden,  Bekanntes  und  zum  Ver- 
ständnisse der  Wahlfrage  nicht  unumgänglich  Nothwendiges 
nur  äusserst  flüchtig  berührt  habe,  um  bei  dem  überaus  reichen 
Materiale  und  der  umfangreichen  Literatur  der  Arbeit  keinen 
allzu  grossen  Umfang  zu  geben. 

Auch  diese  Gelegenheit  will  ich  nicht  vorübergehen  lassen, 
ohne  air  jenen  Herren  Archiv  vorständen  und  Beamten,  die 
mich  bei  meinen  Studien  unterstützt  haben,  meinen  besten 
Dank  auszusprechen. 


A.  Oesterrelchs  Politik  bei  der  Wahl  Leopold  I. 

1.  Bis  zum  Tode  Ferdinand  m. 

Wenige  Tage  nach  dem  Tode  des  jugendlichen  römischen 
Königs  Ferdinand  IV.  —  9.  Juli  1654  —  traf  in  Wien  ein 
Beileidsschreiben  des  Mainzer  Kurfürsten,  Johann  Philipps  von 
Sebönbom,  ein.  Neben  philosophischen  Betrachtungen  über  den 
Wechsel  menschlichen  Glückes  und  Unglückes,  lauter  Freude 
und  herben  Schmerzes,  neben  tröstenden  Worten  über  den 
schweren  Verlust,  welcher  den  alternden  Kaiser  getrofiFen,  ent- 
hielt dasselbe  folgende  Worte :  ,Ich  für  meine  Person  versichere 
hiemit  E.  K.  M.  aus  schuldigster  treuester  Devotion  und  von 
ganzem  treuergebenem  Herzen,  dass  £.  K.  M.  ich  dergestalt 
angelegentlich  und  willfkhrig  auf  dero  gnädigsten  Befehl  und 
Veranlassung  beispringen,  assistiren  und  dienen  will,  dass  sie 
darob  verhoffentlich  ein  gnädigstes  Wohlgefallen  und  Freude 
haben  werden;  wie  ich  dann  nicht  absehen  kann,  warum  bei 
nächstkünfliger  Wahl  es  mit  E.  K.  M.  nunmehr  ältesten  Herrn 
Sohn  einige  Difficultet  geben  könne,  mich  zu  Gott  getröstend, 
die  andere  meine  Herrn  Mitkurfürsten  werden  hierin  mir  bei- 
stimmen, wie  ich  dann  auch  zu  Erreichung  E.  K.  M.  Intention 
bei  allen  und  jeden  an  diensamen  officiis  und  Unterbauungen 
nichts  an  mir  werde  erwinden  lassen.**  Das  Schreiben  traf 
Ferdinand  III.  in  der  denkbar  schlechtesten  Stimmung.  Im 
Kri^e  vorzeitig  gealtert,  von  Krankheit  heimgesucht,  der  Ruhe 
bedürftig,  hatte  er  gemeint  in  seinem  Sohne  Ferdinand  IV., 
d»8en  Wahl  er  allen  Hemmnissen  seiner  mächtigen  Gegner 
zum  Trotze  mit  unendlicher  Mühe  nach  jahrelangen  Verband- 
hmgen  durchgesetzt  hatte,  den  erwünschten  kräftigen  Ge- 
nossen gefunden  zu  haben,   der  ihm  die  Last  der  Regierungs- 


*  Schreiben  des  Johann  Philipp  von  SchOnbom  an  Ferdinand  ni..  Würz- 
bwg,  14.  Juli  1664.  Wiener  Archiv  (W.-A.)  (Wahlacten.) 

6* 


84 

geschäfte  tragen  helfen  werde.  Und  nun  hatte  der  Tod  mit 
unbarmherziger  Grausamkeit  all'  seine  Hoffnungen  vernichtet, 
in  einem  Momente  die  Erfolge  jahrelanger  Bemühungen  zu- 
nichte gemacht  und  an  Stelle  der  Freude  und  des  Triumphes, 
den  Schmerz  und  die  Verzweiflung  gesetzt.  Abgeschieden  voo 
der  Welt,  mit  seinem  Kummer  allein^  jeder  Arbeit  abhold,  so 
wird  uns  der  Kaiser  in  den  ersten  Wochen  nach  dem  Tode 
seines  Sohnes  geschildert.  Da  traf  das  Schreiben  des  Erz- 
kanzlers ein,  das  Ferdinand  lU.  daran  erinnerte,  dass  er  neben 
dem  todten  Ferdinand  noch  einen  lebenden  Leopold  seinen 
Sohn  nannte,  und  dass  er  im  Reiche  noch  auf  Freunde  zählen 
könne,  bereit,  ihre  ganze  Macht  fUr  das  Interesse  des  Reichs- 
oberhauptes einzusetzen.  Was  der  unmittelbare  Eindruck  dieses 
Schreibens  war,  wissen  wir  nicht,  aber  gewiss  ist,  dass  Ferdi- 
nand in.  bald  darauf  die  Regierungsgeschäfte  wieder  über- 
nahm und  seine  Aufmerksamkeit  mit  in  erster  Linie  der  WabI 
Leopold  I.  zuwandte. 

Es  galt  vor  Allem  sich  darüber  Sicherheit  zu  verschaffen, 
inwieweit  man  den  Worten  des  Erzkanzlers  trauen  könne,  was 
sich  von  ihm  erhoffen  lasse.  Ein  Mittel  zur  Anknüpfung  war  leicht 
gegeben.  Graf  Isaak  Volmar,  der  damals  als  Bevollmächtigter 
der  Wiener  Regierung  an  den  Berathungen  des  einberufenen 
Deputationstages  theilnehmen  sollte,  erhielt  den  Auftrag,  Johann 
Philipp  von  Schönbom  aufzusuchen  und  mit  demselben  über 
die  Wahlangelegenheit  zu  berathen.  * 

Dies  geschah,  allein  nicht  mit  dem  erwünschten  Erfolge. 
Der  Mainzer  wiederholte  zwar  die  dem  Kaiser  schriftlich  ge- 
gebenen Erklärungen,  berichtete  auch  über  seine  im  Interesse  der 
Wahl  Leopolds  mit  dem  Kurflirsten  von  Trier  gepflogenen  Ver- 
handlungen, der  erklärt  hatte,  mit  Kurmainz  gemeinsam  vor 
gehen  zu  wollen,  seinerseits  aber  die  Wahl  des  Erzherzogs 
Leopold  Wilhelm  befürwortete  und  unter  allen  Umständen  Be- 
rücksichtigung seiner  Interessen  gefordert  hatte.  ^  Allein  Johann 
Philipp  trat  ftlr  die  Befriedigung  der  Trier'schen  Forderungen 
ein,  er  glaubte  nur  in  diesem  Falle  für  Trier  einstehen  zu  können ; 


»  Instruction  für  Volmar,  ddo.  Wien,  10.  August  1654.  W.-A.  (Wahlacten.) 
5  Bericht  Volmar^s,  26.  September  1664.  W.-A.  (Wahlacten.)  Der  Kurfürst 
von  Trier  wünschte   unumschränktes  Recht  über  St.  Maximin  und  die 
ihm  bei  der  letzten  Wahl  versprochenen  40.000  Reichsthaler. 


85 

er  sprach   auch   von  der  Nothwendigkeit^  Brandenburg  durch 
ein  Zugeständniss  in  der  Jägemdorfer  Angelegenheit  *  günstiger 
za  stimmen  y    und    hielt    dafür ,    dass    man    die    Sache    nicht 
überhasten,  sondern  in  aller  Buhe  vorbereiten,   die  Huldigung 
in  den  Erblanden   erfolgen   lassen,   die  Wahl   aber   erst  nach 
Scfaluss  des  fUr  den  Mai  1656  zusammenberufenen  Reichstages 
vornehmen  solle.    Man  kann  mit  Bestimmtheit  behaupten,  dass 
Johann  Philipp  es  mit  diesen  Erklärungen  ehrlich  meinte.  Seine 
ganze  Lage  wies  ihn  darauf  hin,  Schutz  und  Schirm  beim  Kaiser 
zu  suchen.   Von  einer  Anlehnung  an  Frankreich  und  Schweden 
war  bei  Johann  Philipp  damals  noch  nicht  die  Rede;  mit  dem 
Korfürsten  von  Köln,   der  in  Deutschland   die   österreichfeind- 
liche Richtung  vertrat,  stand   er  nicht  auf  dem  besten  Fusse, 
dem  rheinischen  Allianzwesen  hatte  er  sich  entfremdet  und  an 
die  Gründung  einer  Liga   unter   der  Ftihnmg  des  Kaisers  ge- 
dacht. ^    Musste  ihm  nicht  unter  solchen  Umständen  die  Fort- 
dauer der  Kaiserwürde  im  Hause  Habsburg  überaus  wünschens- 
werth  erscheinen?   Der  Wiener  Hof  glaubte  denn  auch  an  der 
Aufrichtigkeit  der  Absichten   Johann   Philipps   nicht  zweifeln 
zu  sollen.     Seine  Auseinandersetzungen   bildeten  vielmehr   die 
Grundlage  der  Berathungen,  die  jetzt  am  Wiener  Hofe  über  die 
Nachfolge  im  Reiche  gepflogen  wurden.   Dieselben  drehten  sich 
vornehmlich   um  die  Frage,   in  welcher  Weise  die  Wahlange- 
legenheit der  firledigung  zugeführt  werden  sollte.  Mehr  als  ein 
gewichtiger   Grund    sprach    fllr    die   Beschleunigung  der  Ver- 
handlungen. Man  fürchtete  bei  längerer  Verzögerung  eine  Ver- 
schlechterung der  Lage  Spaniens,   man  fürchtete,  dass  Frank- 
reich, je  länger  die  Durchführung  der  Wahl  Leopolds  dauere, 
je  mehr  an  Ansehen  im  Reiche  gewinnen  werde,  man  fUrchtete, 
dass  der  junge  Kurfürst  von  Baiern,   der  in  diesem  Momente 
noch  ganz  unter  der  Leitung  der  österreichischgesinnten  Kur- 
fnrstenmutter  Maria  Anna  und  des  Ministers  Maximilian  Khurtz 
stand,  im  Laufe  der  Jahre  selbstständiger  werden  und  für  den 
Plan  der  Erwerbung  der  Kaiserkrone  gewonnen  werden  könnte, 
man  flirchtete  endlich,  dass  der  Oesterreich  gewogene  Kurfürst 

*  Vgl.  Urkunden   und   Acten    zur   Geschichte    des    Grossen   Kurfürsten, 

VI,  201  f.,  2U  f.,  226  ff. 
'  Ueber  die  Haltung  Johann  Philipps  in  der  Allianzfrage  vgl.  meine  Ab- 

htndlong  ,Beitrag  zur  Geschichte  des  Rheinbundes  von  1658*,  Sitzungsber. 

der  Wiener  Akademie,  CXV.  Bd.,  p.  99  ff. 


86 

von  Sachsen^  Johann  Qeorg  I.,  sterben  und  sein  Sohn^  über 
dessen  Haltung  verschiedenartige  Gerüchte  verbreitet  wurden, 
die  Zügel  der  Regierung  ergreifen  werde. 

Aber  auch  flir  die  Verzögerung  der  Wahl,  wie  sie  der 
Mainzer  empfahl,  gab  es  Gründe  die  Menge.  Leopold  war  noch 
minorenn,  es  stand  zu  besorgen,  dass  die  Frage  der  Stellver- 
tretung des  jungen  Königs,  falls  Ferdinand  lU.  vor  der  Majo- 
rennetät  Leopolds  sterben  sollte,  vor  der  Wahl  in  Erwägung 
gezogen  und  zu  heftigen  Conflicten  Anlass  geben  würde,  und 
man  wusste  am  Wiener  Hofe  nicht  recht,  wie  man  dieser  Frage 
eine  befriedigende  Lösung  geben  könne.  *  Dazu  kam  die  Eb*- 
wägung,  dass  es  langer  Verhandlungen  bedürfen  werde,  um 
die  von  allen  Kurfürsten  geltend  gemachten  Ansprüche  zu  be- 
friedigen und  die  Erkenntniss  der  Nutz-  und  Zwecklosigkeit 
zur  Wahl  zu  schreiten,  bevor  man  über  das  Ergebniss  der- 
selben im  Eüaren  sei.  Dieser  letztere  Grund  war  es  vornehm- 
lich, der  die  kaiserlichen  Räthe  zu  dem  Entschlüsse  brachte, 
sich  der  Ansicht  des  Mainzers  anzuschliessen  und  ihrem  Herrn 
die  schleunige  Vornahme  der  Erbhuldigung  in  den  österreichi- 
schen Ländern,  sowie  die  Verzögerung  der  Wahl  Leopolds  bis 
nach  Schluss  des  fUr  den  Mai  1656  einberufeuen  Reichstages  zu 
empfehlen.  Ferdinand  billigte  das  Vorgehen  der  Minister  vollstän- 
dig und  erliess  ganz  in  der  von  ihnen  gewünschten  Weise  das 
Dankschreiben  an  Johann  Philipp  von  Mainz. ^  Zu  gleicher  Zeit 
erhielt  Volmar  Befehl,  die  von  ihm  geplante  Reise  an  den  Hof 


1  Votum  deputatorum  in  puncto  successionis,  7.  October  1654.  W.-A.  Die 
Räthe  behaupten,  es  gäbe  mehrere  Wege,  die  Stellvertretungsfirage  zn 
erledigen;  man  kOnne  den  tutor  domus  auch  zum  Stellvertreter  im 
Reiche  für  die  Zeit  der  Minderjährigkeit  vorschlagen,  oder  aber  es  beim 
Vicariate  lassen.  Im  ersteren  Falle  wäre  es  zweifelhaft,  ob  Leopold 
Wilhelm  die  Wahl  annehmen,  sehr  fraglich,  ob  die  Kurfürsten  ihm  ein 
solches  Amt  übertragen,  und  selbst  dann  noch  ungewiss,  ob  die  übrigen 
Stände  nicht  Protest  einlegen  würden.  Das  Vicariat  in  Wirksamkeit 
treten  zu  lassen,  Hess  der  heftige  Streit,  der  um  diese  Würde  zwischen 
den  Pfälzern  und  Baiem  geführt  wurde,  unräthlich  erscheinen.  Volmar, 
der  in  seinem  weiter  unten  p.  88  erwähnten  Memoriale  auch  diese 
Frage  berührte,  sprach  die  Vermuthung  aus,  dass  die  Kurfürsten  statt 
der  Vicare  Administrationsräthe  dem  jungen  Könige  adjungiren  würden. 
Gutachten  Volmar*s,  ddo.  20.  November  1654.  W.-A.  (Wahlacten). 

3  Schreiben  Ferdinand  III.  an  Johann  Philipp,  ddo.  Ebersdorf,  12.  October 
1654.  W.-A.  (Wahlacten). 


87 

dea  Kurfürsten  von  Trier  vorerst  zu  unterlassen.  *  Und  was  in 
jenen  Tagen  an  neuen  Nachrichten  in  Wien  einlangte,  konnte 
nur  dazu  beitragen,  die  Regierung  in  den  von  ihr  gefassten 
Beschlüssen  zu  bestärken.  Denn  wie  der  Mainzer  nach  Mit- 
theilungen des  Kurfürsten  von  Trier  berichtete,  hatten  die 
Kurfürsten  von  Brandenburg  und  Köln  sich  zu  Arnsberg  ^  dahin 
geeinigt,  falls  der  Kaiser  die  Wahlsache  zur  Berathung  bringen 
sollte,  sich  nur  dann  fUr  einen  Sprossen  des  Hauses  Habsburg 
zu  erklären,  wenn  ihnen  Satisfaction  fUr  das  bei  der  Wahl 
Ferdinand  IV.  erlittene  Unrecht  und  Befriedigung  ihrer  neuen 
Forderungen  zu  Theil  werde,  und  wie  Volmar  von  gutunter- 
richteter Seite  erfuhr,  hatte  Franz  Egon  von  Fürstenberg,  der 
allmächtige  Minister  Maximilian  Heinrichs  von  Köln,  dem  Kur- 
försten  von  Trier  eifrigst  zugeredet,  von  der  Wahl  eines  öster- 
reichischen Fürsten  abzusehen,  da  man  am  Wiener  Hofe  zwar 
viel  verspreche,  aber  wenig  halte  und  da  es  jetzt  in  Baiem, 
Savoyen  und  in  anderen  Ländern  Fürsten  gebe,  die  im  Stande 
und  Willens  seien,  treugeleistete  Dienste  zu  belohnen. 

Da  waren  es  die  Bestrebungen  der  Gegenpartei,  welche 
die  Wiener  Regierung  zwangen,  aus  ihrer  zögernden  Haltung 
herauszutreten.  Schon  am  12.  October  hatte  Volmar  die  An- 
kunft eines  französischen  Officiers  gemeldet,  der  im  Interesse 
Frankreichs  bei  den  Fürsten  des  Reiches  zu  verhandeln  be- 
auflagt sei,  ^  und  nur  wenige  Wochen  später  wusste  er  zu  be- 
richten, dass  ein  Abgesandter  Ludwig  XIV.  bei  Maximilian 
Heinrich  von  Köln  erschienen  sei  mit  dem  Ersuchen  des  fran- 
zösischen Königs,  in  der  Wahlangelegenheit  sich  nicht  zu  über- 
eilen und  fUr  den  Fall,  dass  die  Vornahme  der  Wahl  sich  als 
nothwendig  erweisen  sollte,  unter  keiner  Bedingung  seine 
Stimme  einem  Mitgliede  des  Hauses  Habsburg  zu  geben.  ^ 
Auch  von  der  beabsichtigten  Sendung  eines  Franzosen  in  die 
Reichsyersammlung,  welcher  gleiche  Eröffnungen  thun  und 
gegen  die  Wahl  eines  römischen  Königs  zu  Lebzeiten  Ferdi- 
nand in.  protestiren  sollte,  wusste  Volmar  zu  berichten.  *  Und 


>  Weisung  an  Volmar,  12.  October  1654.  W.-A.  (Wahlacten.) 

'  Ueber  die  Amaberger  Ztisammenkunft  vgl.  Erdmannsdörffer, Graf  Waldeck, 

p.  257  ff. 
3  Bericht  Volmar^s  vom  12.  October  1654.  W.-A.  (Wahlacten.) 
*  Desgleichen  vom  6.  November  1654.  W.-A.  (Wahlacten.) 
^  Desgleichen  vom  12.  November  1654.  W.-A.  (Wahlacten.) 


88 

um  die  Wiener  Regierung,  deren  zögerndes  Benehmen  Volmar, 
dem  das  Gutachten  der  kaiserlichen  Räthe  übersendet  worden 
war,  durchaus  nicht  billigte,  von  der  Noth wendigkeit  energischer 
Massregeln  zu  überzeugen,  verfasste  der  kaiserliche  Gesandte 
gegen  Ende  des  Monats  November  1654  ein  ausführliches 
Memorial,  in  welchem  er  auf  die  Bemühungen  Frankreichs  hin- 
wies, das  Haus  Habsburg  zu  vernichten,  und  den  Nachweis  zu 
fuhren  suchte,  dass  Mazarin's  Vorspiegelungen  nur  dahin  ge- 
richtet seien,  die  Nachfolge  im  Reiche  dem  Könige  von  Frank- 
reich oder  einem  Fürsten  zu  verschaffen,  der  vermöge  seiner 
Schwäche  ganz  von  Frankreich  abhängen  würde.  Zu  gleicher 
Zeit  betonte  Volmar,  dass  der  Mainzer  durchaus  nicht  für  die 
Verzögerung  der  Wahl  bis  nach  Schluss  des  für  den  Mai 
1656  berufenen  Reichstages  gestimmt,  sondern  blos  die  erfolgte 
Huldigung  in  den  Erblanden  gefordert  habe,  bevor  man  zur 
Wahl  schreite.  Und  in  entschiedenster  Weise  kehrte  sich  Volmar 
gegen  die  Behauptung,  als  könnte  die  Berufung  eines  Kur- 
fürstentages  dem  Kaiser  grosse  Gefahr  bringen.  Er  wies  dar- 
auf hin,  dass  die  Franzosen  die  Wahl  nur  so  lange  zu  ver- 
zögern wünschten,  bis  sie  Spanien  vollends  besiegt  und  die 
Kurfürsten  auf  ihre  Seite  gebracht  haben  würden,  ,0b  nun 
auf  solchen  schlechten  Fall  zu  warten,*  schliesst  Volmar  seine 
Au6einandei*setzungen,  ,und  ob  man  dann  noch  Zeit  haben 
wird,  die  Gemüther  für  sich  zu  stimmen,  bezweifle  ich  sehr; 
vielmehr  steht  zu  besorgen,  dass  mit  solcher  Dissimulation  die 
Gemüther  mehr  alterirt  und  der  Kurfürst  von  Mainz  in  die 
Gedanken  versetzt  werden  könnte,  dass  man  seine  consilia  in 
Winde  schlage  und  wenig  nachthue,  welche  dahin  gehen,  keine 
Zeit  zu  versäumen,  sondern  zu  trachten,  die  Kurfürsten  zu  ge- 
winnen. Dieser  Meinung  gebe  ich  unmassgeblicher  Meinung 
meinen  vollständigen  Beifall,  nicht  zwar  darum,  damit  Majestät 
nicht  den  Wahltag  ausschreiben,  sondern  bei  ein  und  anderen 
Kurfürsten  die  widrige  consilia  penetriren  und  mit  guten  Gründen 
ablehnen  könnte.'  * 

Das  Gutachten  Volmar's  hatte  nicht  verfehlt,  Eindruck 
auf  Ferdinand  IH.  zu  machen.  Er  berief  gegen  Ende  des 
Jahres  1654  von  Neuem  seine  hervorragendsten  Minister  zur 
Berathung.  Von  ausschlaggebender  Bedeutung  für  das  Resultat 


1  Gutachten  Volmar's  vom  20.  November  1664.  W.-A.  (Wahlacten.) 


89 

derselben    war,    dass    alle    Räthe    Ferdinand  III.    darin    einig 
waren,  ein  allzurasches  Vorgehen  könne  nur  schaden,  und  dass 
es  der  Wahlsache  förderlich  sein  würde,  das  von  vielen  deutschen 
Fürsten  gewünschte  Bündniss  zu  gemeinsamer  Abwehr  der  An- 
griffe feindlicher  Mächte   in   den  Vordergrund  zu  rücken  und 
die  Nachfolge  Leopolds  im  Reiche   als   eines   der   zur  Durch- 
föhrang  der  Allianzpläne  dienenden  Mittel  zu  bezeichnen.  Man 
verhehlte  sich  allerdings  am  Wiener  Hofe  die  Berechtigung  der 
von  Vohnar   angeführten   Gründe   fUr   ein   rasches   Vorgehen 
nicht,  allein  man  glaubte   doch  unter  den  gegebenen  Verhält- 
nissen die  Entscheidung  innerhalb  einer  so  kurzen  Frist  nicht 
wagen  zu    dürfen,   vor  Allem   deshalb,   weil  man   der  vollen 
Unterstützung  des  Erzkanzlers  noch  immer  nicht  sicher  zu  sein 
meinte.    Wie  vor  Monaten,  erhielt  Volmar  auch  nun  den  Auf- 
trag, an  Johann  Philipp  heranzutreten  und  denselben  um  eine 
bestinmite  Erklärung  darüber  zu  ersuchen,   ob  man  die  Wahl 
vor  oder   nach   dem  ausgeschriebenen  Reichstage   vornehmen, 
und  ob  Volmar   bei   seiner  Reise  an  die  Höfe  der  Kurfürsten 
von  ElöIu    und    Trier    blos    der   Allianzfrage    oder   auch    der 
Successionsangelegenheit    gedenken    solle.     Mit   einem   Worte, 
man  stellte  auch  jetzt,  wie  vor  Monaten,  dem  Mainzer  anheim, 
zu  entscheiden,  was  des  Kaisers  Interesse  sei.  ^  Johann  Philipps 
Antwort  lautete  nicht  anders   als   die  frühere.     Er  rieth  noch- 
mals. Alles  zur  Wahl  vorzubereiten,  mit  Trier  und  Köln   und 
desgleichen  mit  Brandenburg  zu  verhandeln.  '^  Eine  bestimmte 
&klämng   über   den  Zeitpunkt   der  Vornahme   der  Wahl  hat 
er  nicht  abgegeben.    Trotzdem  glaubte  die  Wiener  Regierung 
aof  diese  neuen  Betheuerungen    der   ernstlichen  Absicht,  Leo- 
polds Wahl  zu  fördern,  die  Absendung  Volmar^s  an  die  Höfe 
der  beiden  anderen   geistlichen  Kurfürsten  wagen  zu  dürfen.  ^ 
Als  Volmar  dem  Erzkanzler  von  diesem  Auftrage  Mittheilung 


*  Votum  deputatorum  vom  21.  December  und  Protocollum  conferentiae  vom 
22.  December  1654.  W.-A.  (Wahlacten.) 

*  Bericht  Volmar's  vom  14.  Januar  1666.  W.-A.  (Wahlacten.) 

'  Votum  deputatorum  vom  30.  Januar  1656.  Volmar  hatte  Vollmacht,  dem 
Trierer  bezüglich  St.  Maximins  und  der  40.000  Reichsthaler  die  besten 
Versprechungen  su  machen.  Eine  goldene  Kette,  die  dem  Bruder  des  Kur- 
Areten  von  Trier  yersprochen  worden  war  und  die  Volmar  demselben  nun 
zu  fiberbringen  hatte,  sollte  Zeugniss  ablegen,  wie  ernst  es  Ferdinand 
mit  seinen  Versprechen  nahm. 


90 

machte^  fand  er  denselben  durchauß  nicht  so  freundlich  gesinnt, 
wie  er  vermuthet  hatte.  Es  stellte  sich  bald  heraus,  dass  die  An- 
sichten der  Wiener  Regierung  mit  denen  des  Mainzers  doch  nicht 
so  ganz  übereinstimmten.  Insbesondere  bezüglich  der  Verbindung 
der  Allianz-  und  Successionsfrage  gingen  die  Pläne  Ferdinand  III. 
und  Johann  Philipps  auseinander.  Während  der  Erstere  forderte, 
dass  Volmar  die  Unionssache  in  den  Vordergrund  rücken  und 
der  Successionsangelegenheit  nur  nebenher  gedenken  solle, 
sprach  sich  der  Letztere  ftir  das  umgekehrte  Vorgehen  aus. 
Dass  die  von  dem  Mainzer  zur  Rechtfertigung  seines  Ver- 
haltens vorgebrachte  Behauptung,  er  fürchte,  die  Franzosen 
oder  die  Schweden  könnten  Kunde  von  den  AUianzverhand- 
lungen  erhalten,  nicht  der  wahre  Grund  dieser  MeinungsdiflFerenz 
wai*,  kann  uns,  die  wir  des  Mainzers  Verhalten  in  der  Allianz- 
angelegenheit in  jedem  Momente  zu  verfolgen  in  der  Lage 
sind,  nicht  zweifelhaft  sein.  Volmar  aber  und  die  Minister  in 
Wien  glaubten  an  der  Aufrichtigkeit  des  Erzkanzlers  um  so 
weniger  zweifeln  zu  dürfen,  als  derselbe  sich  von  Neuem  bereit 
erklärte,  in  der  Wahlfrage  die  Sache  des  Kaisers  zu  vertreten, 
und  in  der  That  sich  bemühte,  die  Vertreter  der  einzelnen  Kur- 
fürsten für  die  Wahl  Leopolds  günstig  zu  stimmen.  *  Volmar 
erhielt  daher  den  Auftrag,  nochmals  mit  Johann  Philipp  über 
die  Zweckmässigkeit  seiner  Reise  an  die  Höfe  der  Kurfürsten 
von  Trier  und  Köln  zu  berathen  und  dieselbe  erst  dann  an- 
zutreten. ^  Ende  März  finden  wir  Volmar  auf  dem  Wege  zu 
Karl  Kaspar  von  Trier.  Er  fand  denselben  zurückhaltender, 
als  er  vermuthet  hatte.  Der  Trierer  wurde  nicht  müde,  von 
den  Bemühungen  zu  sprechen,  die  Frankreich  aufwende,  ihn 
zu  gewinnen,  und  wie  standhaft  er  bisher  allen  Lockungen 
widerstanden;  er  versäumte  auch  nicht,  die  Schwierigkeiten 
zu  betonen,  die  der  Wahl  Leopolds  im  Wege  stünden,  und  wie 
gewagt  es  für  ihn  wäre,  ohne  Kenntniss  der  Gesinnung  der 
übrigen  Kurfürsten  eine  bindende  Zusage  in  der  Wahlange- 
legenheit zu  geben.  Als  Volmar  darauf  hinwies,  dass  Sachsen 
für  Leopold  zu  stimmen  entschlossen  sei  ^  und  dass  Brandenburg 


»  Bericht  Volmar's  vom  13.  Februar  1655.  W.-A.  (Wahlacten.) 

2  Weisung  an  Volmar  vom  24.  Februar  1665.  W.-A.  (Wahlacten.) 

3  Der  Kurfürst  von  Sachsen,  mit  dem  der  Mainzer  seit  dem  Beginne  des 
Jahres  durch  den  Landgrafen  von  Uessen-Darmstadt  und  dessen  Rath 
Georg  Dietrich  verhandelte,  hatte  sich,  wie  sich  aus  der  vom  Mainaer  dem 


91 

allem  Anscheine  nach  mit  Sachsen  stimmen  werde,  verfehlte  das 
nicht,  Eindruck  auf  Karl  Kaspar  zu  machen ;  er  meinte,  wenn 
die  Sache  bei  diesen  beiden  KurfUrsten  so  weit  sei,  könnte  man 
an  die  Berufung  eines  Collegialtages  denken;  seine  Bedenken 
worden  aber  dadurch  nicht  behoben.  Noch  am  selben  Tage 
hat  er  Volmar  in  einer  zweiten  Unterredung  einen  genaueren 
Einblick  in  seine  Pläne  und  Ansichten  ermöglicht.  Er  gedachte 
der  letzten  Wahl  und  der  schmählichen  Behandlung,  die  ihm 
bei  derselben  zu  Theil  geworden ;  er  betonte,  dass  er  vorsichtiger 
geworden,  sich  die  Belohnung  für  seine  Dienste  zu  sichern  ent- 
schlossen sei;  er  begann  genau  zu  präcisiren,  worum  es  ihm 
eigentlich  zu  thun  sei.  Und  um  seinen  Forderungen  um  so 
grösseren  Nachdruck  zu  verleihen,  machte  er  Volmar  von  den 
bedrohlichen  Nachrichten  Mittheilung,  welche  ihm  vom  Hofe 
des  Kurfürsten  von  Baiem  zugekommen  waren,  in  denen  von 
der  Sendung  Schlippenbach's,  von  den  Plänen  Frankreichs  und 
Schwedens  den  BaiernAirsten  zur  Annahme  der  ihm  ange- 
botenen Kaiserkrone  zu  vermögen  die  Rede  war,  und  die  mit 
der  Vermuthung  schlössen,  dass,  falls  Ferdinand  Maria  die  Krone 
aasschlagen  sollte,  Ludwig  XIV.  als  Candidat  für  dieselbe  auf- 
treten würde.  Als  Volmar  sich  am  Tage  nach  dieser  Unter- 
redung verabschiedete,  betonte  Karl  Kaspar  nochmals  ^eine 
Neigung  filr  den  Kaiser  und  sein  Haus,  empfahl  die  Berufung 
eines  Collegialtages  vor  dem  Reichstage,  erklärte  aber  zu  glei- 
cher Zeit,  er  könne  sich  bezüglich  der  Person  des  zu  Wäh- 
lenden vor  Berathung  mit  seinen  CoUegen  nicht  entscheiden. 
Volmar  hörte  die  Rede  des  Kurfürsten  ruhig  an,  dankte  und 
empfahl  sich.  Dass  er  keinen  vollen  Erfolg  errungen,  wusste 
er,  aber  ehrgeizig,  wie  er  war,  die  Wahl  Leopolds  allen  Hin- 
dernissen zum  Trotze  durchzusetzen,  glaubte  er  seinem  Hofe 
mittheilen  zu  dürfen,  man  könne  sich  der  Stimme  des  Trierers 


Kaiser  am  19.  März  übersendeten  Correspondeuz  ergibt,  für  die  Förderung 
der  Wahl  Leopolds  aasgesprochen  und  gleichsam  als  Vorbedingung  die 
KrOnong  in  den  EIrblanden  gefordert  (Schreiben  des  Landgrafen  Georg 
von  Hessen-Darmstadt  an  Johann  Philipp  von  Mainz,  ddo.  Meissen, 
26.  Februar  1655.  W.-A.  (Wahlacten.)  Boineburg  berichtet  über  Sachsen 
in  Ferdinand  Khurtz  am  18.  März  (W.-A.  Wahlacten):  ,Bei  Chur-Sachsen 
(sedsub  rosa)  ist  alles  richtig;  auch  ratione  temporis  et  aetatis;  Selbiger 
wird  sich  certe  mit  Meinem  gnädigsten  Herrn  in  allem  super  ntgotio 
electionis  conformiren.  .  .* 


92 

für  sicher  kalten,  falls  man  dessen  billige  Forderungen  za  be- 
friedigen gewillt  sei.  * 

Von  Trier  begab  sich  Volmar  nach  Bonn  zum  Kurfürsten 
von  Köln.  Er  bekam  von  demselben  und  dessen  Räthen  un- 
gefUhr  dasselbe  zu  hören  wie  in  Trier.  Nur  klangen  die  Beden 
hier  viel  schärfer,  nur  waren  hier  die  Forderungen  grössere, 
nur  wurde  hier  noch  viel  Beunruhigenderes  von  den  Plänen 
Frankreichs  und  Schwedens  berichtet.  Und  auch  hier  blieb 
es  schliesslich  dabei,  dass  der  Kurf\irst  sich  nicht  binden  könne, 
aber  wenn  irgend  möglich  seine  Stimme  im  Interesse  des 
Hauses  Habsburg  abgeben  werde,  auch  hier  wurde  die  Ein- 
bei*ufung  eines  CoUegialtages  in  nächster  Zeit  gerathen,  auch 
hier  schliesslich  Volmar  mit  Versprechen,  aber  ohne  jedes 
sichtbare  Zeichen  eines  guten  Willens  entlassen.^  Viel  be- 
deutender als  diese  Verhandlungen  mit  Maximilian  Heinrich 
waren  aber  die  geheimen  UnteiTcdungen,  die  Volmar  mit  Franz 
Egon  von  Fürstenberg  in  diesen  Tagen  geführt  hat.  Mit  einer 
ans  Unglaubliche  grenzenden  Kühnheit  hat  dieser  Mann  bereits 
damals  nach  beiden  Seiten  hin  sein  Spiel  gespielt.  Während 
er  mit  Mazarin  und  den  Vertretern  Frankreichs  am  Hofe  seines 
Herrn  in  ununterbrochenem  Verkehre  stand,  ihnen  die  besten 
Versprechungen  auf  Förderung  ihrer  Pläne  gab'  und  die 
Wahrung  des  Geheimnisses  zur  ausdrücklichen  Bedingung  seiner 
Mitwirkung  machte,  hatte  er  den  kaiserlichen  Bevollmächtigten 
von  den  Absichten  Mazarin's  in  Kenntniss  gesetzt  und  eine 
ganze  Reihe  von  Documenten  übergeben,  welche  Volmar  in 
den  Stand  setzten,  seiner  Regierung  über  die  Umtriebe  Frank- 
reichs die  Augen  zu  öffnen.  In  der  That  hat  Volmar  auch 
nicht  gezögert,  dies  zu  thun,  und  im  Interesse  der  Wahl  Leopolds 
dem  Kaiser  die  sofortige  Absendung  eines  wohlunterrichteten 
Mannes  an  den  Hof  des  jungen  Kurfürsten  von  Baiern  empfoh- 
len. ^  Sein  Schreiben  rief  am  Wiener  Hofe  grosse  Bewegung 
hervor.  Dass  man  daselbst  von  Frankreichs  und  Schwedens 
Bemühungen  in  München  gar  keine  Kenntniss  gehabt  haben 
sollte,   ist   nicht   zu   glauben;   denn   abgesehen  von   den  Mit- 


1  Bericht  Volmar*»,  ddo.  Frankfurt,  24.  April  1666.  W.-A.  (Wahlacten.) 

3  Ebenda. 

3  Vgl.  unter  Anderem   auch  Joachim,  Die  Entwicklung  des  Rheinbundes 

Yon  1658,  p.  61,  Note. 
*  Bericht  Volmar's  vom  24.  April  mit  BeiIngen;  Tgl.  weiter  unten. 


93 

theilongen  VoImar*8  musste  man  in  Wien  doch  wohl  auch  von 
Baiem  selbst  aus  über  die  dortigen  Verhältnisse  unterrichtet 
worden  sein.  Aber  gewiss  liess  erst  Volmar's  ausführlicher 
Bericht  die  Grösse  der  Gefahr,  der  man  bisher  entgangen^  und 
jener,  die  noch  drohte,  erkennen.  Man  entschloss  sich  in  Wien 
sogleich  im  Sinne  Volmar's,  eine  geeignete  Persönlichkeit  nach 
München  zu  senden.  <  Dass  die  Wahl  gerade  auf  den  Reichs- 
vicekanzler  Ferdinands  Ehurtz  fiel,  und  dass  dieser  trotz  seiner 
Unpässlichkeit  die  Mission  übernahm,  zeigt  am  besten,  wie  be- 
deutsam der  Ausgang  der  Verhandlungen  in  München  dem 
Wiener  Hofe  schien.  Ueber  den  Verlauf  und  das  Resultat  der 
Khurtz'schen  Sendung  sind  wir  jetzt  vollkommen  unterrichtet.  ^ 
Wir  wissen,  dass  auch  Baiem  gegenüber  das  gemeinsame  Ver- 
theidigungswerk  in  den  Vordergrund  gerückt  und  gleichsam 
nur  als  eine  Voraussetzung  und  Folge  desselben  zu  gleicher 
Zeit  die  Wahl  eines  Sprossen  des  habsburgischen  Hauses  zum 
romischen  Könige  in  Vorschlag  gebracht  wurde.  Wir  wissen 
femer,  dass  Ferdinand  Ehurtz  in  München  mit  dem  ersteren 
Vorschlage  gar  kein  und  mit  dem  letzteren  nur  halbes  Gehör 
fand.  Man  leugnete  in  München  nicht  die  grossen  Gefahren, 
die  aus  einem  Interregnum  dem  Reiche  erwachsen  müssten, 
allein  man  hielt  es  aus  verschiedenen  Rücksichten  fUr  durch- 
aus unzeitgemäss,  so  ohneweiters  f)ir  die  Wahl  eines  Eönigs 
einzutreten,  und  empfahl  ähnlich  wie  der  Mainzer,  Ferdinand  HI. 
möge  sich  vorerst  der  Zustimmung  der  Eurfürsten  vergewissern, 
dann  aber  auf  das  Schleunigste  die  Wahl  durchftihren,  bevor 
Frankreich  und  Schweden  den  beabsichtigten  Einspruch  er- 
beben könnten.  Dass  dabei  Ferdinand  Maria  bezüglich  der 
Person  des  zu  Erwählenden  keine  Zweifel  aussprach,  dass  er  die 
Schwierigkeiten,  welche  der  Wahl  Leopolds  im  Wege  standen, 
ftbr  leicht  zu  überwindende  hielt,  war  nebst  der  Gewissheit, 
dass  Baiem  den  Werbungen  Frankreichs  und  Schwedens  gegen- 
über taub  geblieben,  das  erfreulichste  Resultat  dieser  Sendung. ^ 
Zur  Beschleunigung  der  Wahlverhandlungen  haben  die  Er- 
klärungen Ferdinand  Marias   aber   nicht  beigetragen.     Da  die 

'  Votam  depntatonim  vom  7.  Jnni  1656.  W.-A.  (Wahlacten.) 

'  Vgl.  Arndt  Wilhelm,  Zur  Vorgeschichte  der  Wahl  Leopold  I.  in    den 

Aufsätzen  zum  Gedächtnisse  von  Waitz,  1886,  p.  577  ff. 
*  Die  Hauptrelationen  sind  datirt:  München,  29.  Juli,  3.  und  4.  August 

1655.  W.-A.  (Wahlacten.) 


94 

drohende  Gefahr  einer  bairischen  Candidatur  sich  als  unb^rün- 
det  erwiesen  hatte  und  von  dieser  Seite  nichts  mehr  zu  furchten 
war,  wurde  der  Wiener  Hof  vielmehr  etwas  zurückhaltender. 
Nicht  dass  man  die  Sache  aufgegeben  hätte;  man  beschloss 
auch  weiterhin  mit  den  einzelnen  KurfUrsten  zu  verhandeln; 
aber  noch  entschiedener  als  vorher  wurde  jetzt  die  Ansicht 
ausgesprochen,  dass  die  Frage  der  Einigung  zu  gemeinsamer 
Vertheidigung  in  den  Vordergrund  gerückt  werden  müsse,  und 
das  umsomehr,  als  nach  Erledigung  derselben  im  Sinne  der 
kaiserlichen  Wünsche,  die  Wahl  Leopolds  eine  reine  Formsache 
werden  musste.  Ganz  in  diesem  Sinne  wurde  Volmar  instruirt. 
Er  erhielt  den  Auftrag,  bei  den  rheinischen  Fürsten  die  Fort- 
setzung der  Berathimgen  über  die  Allianz  in  Frankfurt,  wo- 
selbst der  Reichsdeputationstag  abgehalten  wurde  und  wo  daher 
geheime  Verhandlungen  am  unauflUlligsten  gepflogeu  werden 
konnten,  in  Vorschlag  zu  bringen;  unterdessen  hoffte  Ferdi- 
nand in.  die  vorbereitenden  Schritte  zur  Vornahme  der  Wahl 
getroffen  zu  haben.  ^ 

Allein  wie  täuschte  sich  die  Wiener  Regierung,  wenn  sie 
auf  Förderung  ihrer  Pläne  bei  den  rheinischen  Fürsten  rechnete. 
Der  Kölner  war  ganz  entschieden  gegen  eine  Anlehnung  an 
den  Kaiser,  der  Trierer  äusserte  sich  dahin,  man  müsse  nicht 
alle  Zeit  an  Oesterreich  gebunden  sein,^  und  auch  der  Mainzer 
zeigte  sich  ungleich  zurückhaltender  als  vor  einigen  Monaten. 
Und  mit  gutem  Grunde.  Durch  die  Unterzeichnung  der  Frank- 
furter Convention  war  er  Mitglied  einer  Einigung  geworden, 
deren  Ziele  in  keinem  Falle  ganz  mit  jenen  der  kaiserlichen 
Politik  übereinstimmten,  die  unter  Umständen  sogar  eine  die 
Pläne  Ferdinand  III.  kreuzende  Richtung  annehmen  konnte. 
Johann  Philipp  wusste  damals  noch  nicht,  ob  dies  der  Fall 
sein  werde ;  er  persönlich  war  nicht  principiell  gegen  eine  An- 
lehnung an  den  Kaiserhof,  ja  wir  dürfen  annehmen,  dass  er 
eine  solche  Verbindung  der  später  erfolgten  mit  den  Feinden 
des  Hauses  Habsburg  vorgezogen  haben  würde.  Allein  durfte 
er  wagen,  bevor  diese  Angelegenheit  entschieden  war,  bevor 
man  wusste,  wo  die  in  ihrer  jetzigen  Organisation  gänzlich  un- 
zulängliche Allianz  einen  Rückhalt  finden  werde,  die  Geschicke 


*  Weiaung  an  Volmar  vom  21.  August  1655.  W.-A.  (Wahlaeten.) 
»  Bericht  Volmar's  vom  16.  Juli  1655.  W.-A.  (Wahlaeten.) 


95 

der  deutschen  Nation  durch  die  Wahl  eines  römischen  Königs 
aus  Habsburgs  Hause  auf  Jahrzehnte  hinaus  an  diese  Familie 
zu  knüpfen?  Und  um  so  weniger  glaubte  Johann  Philipp  dies 
wagen  zu  dürfen,  als  auch  die  allgemeine  Lage  der  Dinge  es 
ihm  mit  Rücksicht  auf  seine  persönlichen  Interessen  wenig 
zweckmässig  erscheinen  liess,  durch  ein  entschiedenes  Eintreten 
(für  den  Elaiser  in  der  Allianz-  und  der  Successionsfrage  sich 
den  Folgen  der  dadurch  bedingten  Feindschaft  Frankreichs 
and  Schwedens  auszusetzen.  Frankreich  war  —  das  wusste 
der  Mainzer  —  jetzt  ungleich  mächtiger  als  in  den  Jahren,  da 
um  die  Wahl  Ferdinand  IV.  verhandelt  worden  war ;  der  innere 
Zwiespalt  war  beigelegt  und  die  grossen  Kräfte  des  Reiches 
standen  ganz  zur  Verfügung  des  Mannes,  der  die  Geschicke 
Frankreichs  leitete,  und  wie  fest  entschlossen  Mazarin  war,  die- 
jenigen KurftLrsten,  die  sich  als  treue  Anhänger  des  Hauses 
Habsburg  erweisen  würden,  zu  züchtigen,  das  musste  der  Kur- 
filrst  von  Mainz  aus  dem  Munde  aller  jener  Männer  vernommen 
haben,  die  damals  im  französischen  Interesse  an  deutschen 
Höfen  wirkten.  Und  nicht  weniger  war  der  Zorn  und  die 
Bache  jenes  P&lzers  zu  fürchten,  der  durch  die  Gunst  des 
Geschickes  Herrscher  eines  mächtigen  Reiches  geworden  war 
und  mit  seinen  weitausgreifenden,  vielumfassenden  Plänen  die 
ganze  Welt  in  Spannung  hielt.  Abwarten,  dem  Gange  der 
Ereignisse  folgen  und  dann  die  Partei  ergreifen,  von  welcher 
grösserer  Vortheil  fUr  das  Reich  und  ftlr  seinen  Besitz  zu  erhoffen 
war,  das  war  der  Plan  Johann  Philipps,  der  seinen  Ausdruck 
auch  in  den  Erklärungen  fand,  die  er  dem  kaiserlichen  Be- 
vollmächtigten gab.  Denn  wie  er  sich  bezüglich  der  Allianz- 
angelegenheit  zu  keinem  den  Wünschen  des  Wiener  Hofes 
ganz  entsprechenden  Entschlüsse  bestimmen  liess,  wie  er  in 
dieser  Frage  ein  langsames,  jeden  Conflict  vermeidendes  Vor- 
gehen empfahl,  ^  so  hielt  er  auch  in  der  Wahlangelegenheit  an 
^inen  früher  geäusserten  Ansichten  fest  und  betonte  von  Neuem 
die  Nothwendigkeit,  sich  vorerst  der  Stimmen  der  Kurftlrsten 
zu  versichern. 

In  Wien  haben  des  Mainzers  Erklärungen  voUen  Beifall  ge- 
fimden.  Man  war  daselbst  noch  immer  von  der  aufrichtigen  Er- 
gebenheit des  Erzkanzlers  an  den  Kaiser  und  sein  Haus  überzeugt 


'  V^l.  Pribram  1.  c,  p.  172  f. 


98 

um  die  Kaiserkrone  bewerben,  oder  ob  man  von  einer  solc&en 
Fortsetzung  der  althergebrachten  Politik  des  habsburgischen 
Hauses  abstehen  und  in  der  Verwerthung  der  Kräfte  nach  einer 
anderen  Richtung  hin  Ersatz  für  die  aus  der  Kaiserwürde  ent- 
springende Machterweiterung  suchen  solle.  Es  hat  an  Gründen 
für  das  Einschlagen  des  letzteren  Weges  nicht  gefehlt.  Dass 
die  Kaiserkrone,  wie  die  Verhältnisse  lagen,  mehr  Nach-  ab 
Vortheile  wenigstens  für  die  erste  Zeit  bringen  werde  oder  doch 
bringen  könne,  mussten  selbst  die  begeistertsten  Anhänger  der 
Kaiseridee  zugestehen;  dass  die  Mühen  und  Kosten,  sie  fiir 
einen  Sprossen  des  Hauses  Habsburg  zu  erlangen,  grosse,  ja 
ungeheure  sein  würden,  konnte  Keiner  leugnen,  dem  die  Ver- 
hältnisse bekannt  waren,  unter  denen  die  Wahl  Ferdinand  IV. 
stattgefunden  hatte  und  der  diese  Verhältnisse  mit  jenen  ver- 
glich, unter  denen  jetzt  die  Erhebung  eines  Habsburgers  auf 
den  Kaiserthron  erfolgen  sollte.  Und  kaum  war  einem  öster- 
reichischen Herrscher  jemals  eine  so  günstige  Gelegenheit  ge- 
boten, ein  grosses,  im  Osten  und  Westen  Europas  gleich 
mächtiges  Habsburgerreich  zu  gründen,  als  in  diesem  Augen- 
blicke, wo  die  Polen  den  jungen  Herrscher  zu  Hilfe  riefen, 
indem  sie  ihm  die  Krone  zu  Füssen  legten,  wo  die  Heirat 
Leopolds  mit  der  Erbin  der  grossen  spanischen  Monarchie  den 
Erwerb  dieses  ungeheuren  Ländercomplexes  in  Aussicht  stellte 
und  die  immer  trüberen  Verhältnisse  im  Innern  des  Osmanen- 
reiches  die  berechtigte  Hoflfnung  auf  die  gänzliche  Vernichtung 
der  Türkenherrschaft  in  Europa  gewährte. 

Allein  gegen  alle  diese  Gründe  Hessen  sich  Gegengründe 
vorbringen.  Jenen,  welche  die  Nachtheile  hervorhoben,  die  aus 
der  Annahme  der  Kaiserwürde  entspringen  mussten,  konnte  man 
getrost  erwidern,  dass  Oesterreichs  Herrscher  niemals  eine  so 
hervorragende  Stellung  in  der  europäischen  Staatenwelt  einge- 
nommen hätten,  wenn  die  Kaiserkrone  nicht  ihr  Haupt  ge- 
schmückt haben  würde  und  dass  der  voraussichtliche  momen- 
tane Nachtheil,  der  doch  wohl  vornehmlich  in  der  Absorbirung 
der  Kräfte  gesehen  werden  konnte,  bei  weitem  durch  die  Vor- 
theile überwogen  werden  musste,  welche  dem  österreichischen 
Herrscher  durch  die  Erlangung  der  Kaiserkrone  erwachsen 
würden.  Und  dann,  hätten  die  Habsburger  das  Streben  nach 
der  höchsten  weltlichen  Würde  der  Christenheit  aufgeben 
können,  ohne  damit  zuzugestehen,   dass   sie   sich   unfähig  und 


97 

za'  Stande.     Starhemberg^   der   nach   Berlin   gesendet  wurde, 
fand   Friedrich  Wilhelm   mitten    in    den   Vorbereitungen    zum 
Kampfe  um  die  Erhaltung  seines  Besitzes.    Was  der  Gesandte 
Ferdinands  dem  Kurfürsten  als  Preis  einer  Einigung  mit  dem 
Kaiser  anbieten  konnte,  schien  dem  Brandenburger  zu  gering; 
was  dieser  forderte,  Antheilnahme  am  Kriege  gegen  Karl  Gustav, 
wollte  und  konnte  der  Kaiser  nicht  zugestehen.    Damit  war  die 
Möglichkeit  einer  Verständigung  ausgeschlossen.  Und  diese  Ver- 
hältnisse änderten  sich  im  Laufe  des  Jahres  1656  keineswegs 
zu  Ghinsten  Ferdinands  m.   Der  KurfUrst  von  Brandenburg  sah 
sich  vielmehr  genöthigt,  in  immer  engere  Beziehungen  zu  dem 
Schwedenkönige  zu  treten,  von  dem  allein  er  die  Befriedigung 
seiner  Wünsche  erhoffen  durfte.  Je  inniger  aber  seine  Verbindung 
mit  Karl  Gustav  wurde,  desto  weniger  war  von  ihm  eine  För- 
derung der  Successionspläne  Ferdinand  DI.  zu  erwarten.  Unter 
solchen  Umständen,   wo   die   geistlichen   Kurfürsten   sich   dem 
Kaiser  immer  mehr  entfremdeten,  die  Kurfürsten  von  Branden- 
barg imd  von  der  Pfalz   sich  ganz   entschieden   den  Gegnern 
Oeaterreichs  angeschlossen  hatten,  schien  es  Ferdinand  HI.  und 
seinen  Käthen  am  zweckentsprechendsten,  die  Successionsfrage 
gar  nicht  zu  berühren,  umsomehr  als  sie  die  Wahl  eines  anderen 
Fürsten  —  nach  den  Erklärungen  Ferdinand  Marias  —  in  diesem 
Momente  nicht  ftlrchten  zu  müssen  glaubten.  Die  Angst,  durch 
ein  energisches  Vorgehen  zu  ungelegener  Zeit  das  ganze  Unter- 
nehmen zu  geMirden,  die  Hoffnung,  dass  eine  günstigere  Ge- 
legenheit  sich  ergeben   werde,   und   die  Ueberzeugung   durch 
Zögern  nichts  zu  verlieren,  sind  die  Gründe,  welche  das  Still- 
schweigen der  Wiener  Regierung  und  ihrer  Vertreter  in  jener 
Zeit  erklären. 


2.0eiterreioh8  Politik  in  der  Wahlfrage  vom  Tode  Ferdinand  HI.  an. 

a.  Allgemeines. 

Für  die  österreichische  Regierung  war  es  in  dem  Momente, 
wo  durch  den  Tod  Ferdinand  HI.  die  Wahlfrage  zu  einer 
brennenden  wurde,  eine  Sache  von  der  allerwesentlichsten  Be- 
dentang, eine  principielle  Entscheidung  darüber  zu  treffen,  ob 
Leopold  oder   ein   anderer  Sprosse  des  Hauses  Habsburg  sich 

AxcUt.  Bd.  LXXHL  1.  H&lfta.  7 


100 

Einflusses  am  Wiener  Hofe  galt.  ^  Er  verkannte  die  Bedeutung 
der  Fortdauer  der  Kaiserwürde  im  Hause  Habsburg  für  das- 
selbe keineswegs,  er  hat  sich  ganz  ausdrücklich  dagegen  ver- 
wahrt;  als  sei  er  ein  Anhänger  der  Richtung,  welche  das 
Streben  nach  der  Kaiserkrone  als  eine  schädliche  Sache  be- 
zeichnet hatte.  ^  Allein  er  glaubte  doch  dem  jungen  Könige 
den  Erwerb  der  spanischen  Monarchie  als  empfehlenswerther 
hinstellen  zu  sollen.  ,Primum  fundamentum  sei/  so  äusserte 
er  sich  in  der  Sitzung  des  geheimen  Rathes  am  6.  Mai,  ,dass 
man  alle  Gedanken  zusammentrage  ratione  monarchiae  Hispa- 
nicae  obtinendae  mediante  matrimonio.  Secundum  fundamentum 
sei,  wann  dieses  nicht  zu  erheben,  dass  man  aufs  wenigist  der 
römischen  Cron  gesichert  sein  möge.     Eins  und  anders  müsse 


Mittheilungen  über  die  Parteiverhältnisse  am  Wiener  Hofe  enthalten 
die  Berichte  des  auch  über  den  Verlauf  der  Wahlangelegenheit  vortreff- 
lich unterrichteten  venetianischen  Gesandten  Nani.  Am  23.  Juni  be- 
richtet derselbe  von  der  Ernennung  Portia's  zum  ersten  Minister;  Aners- 
perg  habe  beschlossen,  sich  zurückzuziehen,  werde  aber  von  seinen 
Freunden  gedrängt,  auszuharren,  da  Portia  bei  seinem  Alter  und  seiner 
Unfähigkeit  den  verantwortungsvollen  Posten  eines  leitenden  Ministers 
nicht  lange  werde  behalten  können.  Wie  Nani  meldet,  war  die  Wahl 
Portia's  mit  in  erster  Linie  durch  Schwarzenberg  erfolgt,  der  in  der 
Voraussicht,  selbst  die  Würde  eines  Obersthofmeisters  nicht  erlangen  zu 
können,  gegen  Auersperg,  seinen  Feind,  die  Wahl  Portia^s  beförderte. 
(Bericht  Nani's,  23.  Juni.  W.-A.  Venetianische  Gesandtschaftsberichte, 
vol.  57.) 

1  Für  die  engen  Beziehungen  Auersperg's  zum  spanischen  Uofe  führe  ich 
an,  dass  La  Fuente,  der  spanische  Gesandte,  erklärte,  mit  Niemand 
anderem  als  mit  Auersperg  verhandeln  zu  wollen  (V.-G.-B.,  vol.  57, 
Bericht  Nani's  vom  27.  April)  und  wiederholte,  allerdings  vergebliche 
Versuche  machte,  für  Auersperg  bei  Leopold  Wilhelm  zu  wirken.  Leo- 
pold Wilhelm  erwiderte:  ,L' aversione  del  Rk  verso  il  Prencipe  esser 
tale,  che  non  occorreva  parlarne  et  ch'  essendo  S.  M.  in  etit  giovanile 
non  era  bene  irritarla  con  fargli  credere,  che  si  volesse  forzar  il  suo 
gusto*. 

2  Conferenzprotocoll,  6.  Mai  1657.  W.-A.  (Wahlacten.)  Die  betreffenden 
Worte  lauten :  Es  weren  für  diesem  und  noch  discurs  gefUhret,  das  dem 
hochlöbl.  Ertzhauß  die  Rom.  Cron  mehr  schädtlich  al5  nüUlich  were; 
indeme  Ihre  Mt.  nit  allein  keinen  nutzen  darvon  zu  gewarten  betten, 
sondern  auß  Ihren  Erblanden  die  Kay.  dignitet  zu  erhalten  milionen 
spendiren  muessten.  Er  begerte  diesen  Tag  nit  zu  erleben  und  alfttoiP 
wflrde  man  erst  sehen,  in  was  für  einen  streit  man  mit 
tione  privilegiorum  et  jurium  domus  gerathen  würde. 


101 

mit  solcher  Behutsamkeit  und  Circumspection  tractirt  werden, 
dtmit  man  nicht  zwischen  zwei  Stühlen  niedersitze,  welches 
dann  geschehen  dürfte,  wann  mans  nicht  zur  rechten  Zeit 
n^tiirte.'  * 

Auersperg  und  seine  Anhänger  haben  sich  bei  dieser 
Gelegenheit  nicht  darüber  ausgesprochen,  wem  sie,  im  Falle  die 
spuiische  Heirat  zu  Stande  kommen  sollte,  an  Stelle  Leopolds 
als  Candidaten  für  die  Kaiserkrone  aufstellen  würden ;  allein 
es  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  man  in  diesem  Falle  in  erster 
Linie  an  des  Königs  Oheim,  an  Leopold  Wilhelm,  hätte  denken 
müssen.  Für  ihn  sprach  sein  Alter  und  seine  Vergangen- 
heit Er  hatte  sich  als  tüchtiger  Heerführer  gezeigt,  hatte 
seh  Jahren  an  den  wichtigsten*  politischen  Verhandlungen  An- 
theil  genommen,  und  erfreute  sich  des  Rufes  eines  Fürsten, 
der  föhig  sei,  das  Reich  in.  stürmischen  Tagen  gegen  alle 
inneren  und  äusseren  Gefahren  zu  schützen.  Für  ihn  sprach 
ferner  der  Umstand,  dass  alle  jene  Einwände,  die  gegen  die 
Wahl  Leopolds  erhoben  werden  konnten,  bei  Leopold  Wilhelm 
nicht  in  Betracht  kamen,  dass  daher  die  Wahl  des  letzteren 
ungleich  leichter  bei  den  Kurfürsten  durchzusetzen  sein  würde, 
als  die  des  jungen  Königs  von  Ungarn  und  Böhmen.  Dass 
dieser  nicht  so  leicht  dareinwilligen  werde,  für  seine  Person 
auf  die  Krone  zu  verzichten,  war  vorauszusehen.  Auf  ihn,  den 
lljahrigen,  der  nach  Jünglingsart  die  Dinge  von  der  heiteren 
Seite  betrachtete,  und  der  Schwierigkeiten  leicht  Herr  zu 
werden  hoffte,  musste  der  Gedanke  die  Kaiserkrone  zu  tragen, 
die  das  Haupt  so  vieler  seiner  Vorfahren  geschmückt  hatte 
und  die  ihn  zum  ersten  Fürsten  der  Christenheit  machte,  mit 
nnwiderstehlicher  Gewalt  wirken.  Allein  man  hoffte  ihn,  falls 
die  spanische  Heirat  beschlossen  werden  sollte,  von  der  Noth- 
wendigkeit  zu  überzeugen,  dem  grösseren  Gewinne  zu  Liebe 
auf  den  geringeren  zu  verzichten.  Eine  Folge  dieser  Erwä- 
gungen war  denn  auch  der  Vorschlag  der  Räthe  in  jener 
Sitzung  vom  6.  Mai,  von  ernsten  Verhandlungen  in  der  Wahl- 
angelegenheit abzustehen,  bis  man  über  die  Aussichten  der 
Vermählung  Leopolds  mit  Maria  Theresia  im  Klaren  sei.  Da 
aber  die  ersehnte  Zustimmung  des  spanischen  Königs  ausblieb, 
dagegen  die  Nachricht  von   der  Schwangerschaft   der  Königin 


U  Tom  6.  Mai  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 


102 

einlief, '  welche  die  Hoffnung  auf  die  Beerbung  Philipp  IV. 
möglicherweise  vernichten  konnte,  das  Benehmen  der  Kur- 
fürsten aber  ein  energisches  Vorgehen  nothwendig  erscheinen 
liess,  wurde  der  Beschluss  gefasst,  die  Wahl  Leopolds  mit 
allen  zu  Gebote  stehenden  Mitteln  zu  befördern  und  die  spani- 
sche Heiratsfrage  vorerst  ein  wenig  ruhen  zu  lassen.  * 

Die  Candidatur  Leopold  Wilhelms  war  damit  noch  nicht 
cndgiltig  aufgegeben.  Das  Project  derselben  tauchte  vielmehr 
bald  nachdem  die  spanische  Partei  sich  flir  die  Beförderung 
der  Wahl  Leopolds  entschlossen  hatte,  von  Neuem  auf.  Ins- 
besondere Graf  Schwarzenberg,  der  entschiedene  Gegner  Spa- 
niens und  Auersperg's,  war  unermüdlich  in  diesem  Sinne  thätig. 
Dasß  persönliche  Motive,  die  Hoffnung,  als  Obersthofmeister 
Leopold  Wilhelms,  falls  dieser  Kaiser  werden  sollte,  die  her- 
vorragendste Rolle  am  Hofe  zu  spielen,  den  ehrgeizigen  Mann 
in  erster  Linie  bestimmt  hat,  ist  gewiss.  ^  Aber  niemals  hätte 
er  gewagt,  die  Erfüllung  dieser  Wünsche  zu  hoffen,  wenn  ihm 
nicht  die  äusseren  Umstände  die  Durchführung  seines  Planes  als 
möglich  hätten  erscheinen  lassen.  Insbesondere  in  jenen  Tagen, 
da  die  Anwesenheit  des  mainzischen  Rathes  Blum,  dem  Wiener 
Hofe  zu  erkennen  gab,  wie  ernst  es  die  geistlichen  Kurfürsten 
mit  der  Candidatur  Leopold  Wilhelms  meinten,  ^  hat  Schwarzen- 
berg  mit  allen  ihm  zu  Gebote  stehenden  Mitteln  dem  Ge- 
danken der  Wahl  des  Erzherzogs  zum  Siege  zu  verhelfen  ge- 
sucht. Dass  Leopold  selbst  nicht  leicht  einwilligen  werde^ 
wusste  er,  aber  er  glaubte  den  Widerstrebenden  durch  den 
Vorschlag  gewinnen  zu  können,  dass  Leopold  Wilhelm  nach 
einigen  Jahren  der  Regierimg,  sobald  Leopold  das  zur  Wahl 
nothwendige  Alter  erreicht  und  die  Stürme,  welche  in  diesem 
Momente  das  Reich   durchtobten,    sich   gelegt  haben   würden, 


J  Berichte  Nanfs  vom  2.  und  9.  Juni  1657.  W.-A.  V.-G.-B.  In  dem 
letzteren  Schreiben  betont  Nani  ganz  ausdrücklich,  dass  die  Nachricht 
von  der  Schwangerschaft  der  spanischen  Königin  die  Wiener  Regierung 
zur  energischen  Förderung  der  Wahl  Leopolds  vermocht  habe. 

2  Votum  deputatorum,  1.  Juni  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

3  Ftlr  die  Stellung  Schwarzenberg's  in  der  Wahlangelegenheit  vgl.  Wolf, 
Lobkowitz,  86  ff.  nach  dem  Diarium  Schwarzenberg's.  Im  Allgemeinen 
ist  Wolfs  Darstellung  von  geringem  Werthe,  nicht  so  sehr  wegen  der 
nicht  seltenen  Irrthümer,  sondern  vornehmlich  durch  die  gänzliche 
Ausserachtlassung  der  wesentlichsten  Punkte. 

*  Vgl.  weiter  unten  p.  107  ff. 


103 

2u  Gkinsten  Leopolds  auf  die  Kaiserwürde  verzichten  werde.  * 
Aber  trotz  all'  dieser  Bemühungen  Schwarzenberg's  und  der 
Unterstützung,  die  seinem  Plane  von  verschiedenen  Seiten  zu 
Theil  wurde,  ist  derselbe  gescheitert ;  vornehmlich  daran,  dass 
der  junge  König  von  der  Uebertragung  der  Krone  auf  ein 
anderes  Mitglied  seines  Hauses  nichts  wissen  wollte  und  jede 
(jebietsabtretung  an  seinen  Onkel  verweigerte,  die  zur  Bestrei- 
tung der  grossen  Kosten,  welche  zur  Wahrung  der  Würde  eines 
Kaisers  nothwendig  waren,  gefordert  wurde;  dann  aber  auch 
weil  alle  Jene,  welche  den  Charakter  der  deutschen  Provinzen 
Oesterreichs  in  Betracht  zogen,  welche  die  Stellung  Oesterreichs 
im  europäischen  Staatensysteme  erwogen,  von  der  Ueberzeugung 
durchdrungen  waren,  dass  die  Uebertragung  der  Kaiserwürde 
auf  einen  anderen  Sprossen  des  Hauses  Habsburg  nicht  nur 
diesem  selbst,  sondern  auch  dem  ganzen  Staate  zum  Verderben 
gereichen  musste. 

Wie  Leopold  Wilhelm  persönlich  von  der  Sache  dachte,  ist 
schwer  zu  sagen.  Er  hat  sich,  darüber  kann  kein  Zweifel  sein, 
schliesslich  ganz  offen  für  die  Sache  seines  Neffen  erklärt.  Neben 
der  Rücksicht  auf  das  Familieninteresse  und  auf  sein  Ferdi- 
nand ni.  gegebenes  Versprechen,  für  die  Sache  Leopolds  einzu- 
treten —  er  selbst  hat  dies  als  die  ausschlaggebenden  Ghünde  seiner 
Verzichtleistung  bezeichnet  —  dürfte  doch  auch  die  Erwägung 
auf  die  Entscheidung  des  Erzherzogs  eingewirkt  haben,  dass 
er  auf  friedlichem  Wege  von  seinem  Neffen  nichts  erwarten 
und  gegen  dessen  Willen  auf  die  Dauer  die  Zügel  der  Re- 
gierung führen    zu   können,   nicht   hoffen   durfte.  ^     Wie    dem 


'  Bericht  Nani's  vom  29.  Au^st  1667  (W.-A.  V.-G.-B.  vol.  58).  Am 
10.  October  meldet  derselbe  Gewährsmann,  dass  man  Schwarzenberg, 
dessen  Plan  der  Erhebung  Leopold  Wilhelms  gänzlich  gescheitert  sei, 
an  den  Berathangen  des  geheimen  Rathes  in  der  Wahlfrage  nicht  theil- 
nebmen  lasse. 

^  Leopold  Wilhelms  Aeusserungen,  die  uns  erhalten  sind,  lauten  sämmtlich 
zu  Gunsten  seines  Neffen.  Vgl.  insbesondere  weiter  unten  seine  Erklä- 
rungen an  Blum.  An  seine  Schwester,  die  verwittwete  KurfUrstin  von 
Baiem  schrieb  er  am  2.  Juli:  ,Ich  liebe  den  König  wie  einen  Sohn  und 
er  liebt  mich  hinwider  inniglich*.  (W.-A.  Bavarica.)  Und  Maximilian 
Kburtz  schreibt  seinem  Bruder,  dem  Reichsvicekanzler,  am  25.  November 
(W.-A.  Bavarica),  er  freue  sich  aus  dessen  Correspondenz  zu  entnehmen, 
dass  das  gute  Verhältniss  zwischen  Leopold  und  seinem  Oheim  ,conti- 
nuire*.    Doch  liegen    uns   vertrauenswürdige  Mittheilungen  vor  (Wolf, 


104 

aber  auch  sei,  gewiss  ist,  dass  mit  der  Verzichtleistang  Leo- 
pold Wilhehns  die  Einigung  im  Hause  Habsbui^  hergestellt 
war.  Denn  was  dem  Oheim  des  Königs  nicht  gelungen  war, 
durfte  der  Vetter  in  Tirol  noch  viel  weniger  durchzusetzen  hoffen. 
Sobald  man  am  Wiener  Hofe  sich  über  die  Person  ge- 
einigt hatte,  für  die  der  Kampf  um  die  Krone  aufzunehmen 
sei,  ging  man  daran,  einen  klaren  Ueberblick  über  die  Kräfte 
zu  gewinnen,  auf  die  man  in  dem  heftigen  Streite  rechnen 
könne,  der  mit  den  Gegnern  des  Hauses  Habsburg  zu  erwarten 
war.  Das  Ergebniss  war  kein  gerade  ermuthigendes.  Eine 
reele  Unterstützung  durfte  man  nur  von  der  Krone  Spanien 
erhoffen,  Dass  der  Papst  für  Leopold  eintreten  werde,  wnsste 
man^  aber  seine  Hilfe  konnte  nur  eine  moralische  sein.  Von 
dem  verbündeten  Polenkönige  und  von  Friedrich  HI.  von 
Dänemark,  mit  dem  der  Wiener  Hof  damals  in  Verhandlungen 
stand,  war  gleichfalls  Unterstützung  zu  erwarten,  aber  auch 
diese  konnte  nur  eine  untergeordnete  sein.  Die  Hauptlast  — 
darüber  konnte  man  sich  nicht  täuschen  —  fiel  dem  Herrscher 
Oesterreichs  zu,  dessen  finanzielle  Lage  eine  überaus  misslicfae 
war,  und  den  die  Verhältnisse  im  Norden  und  Osten  Europas 
zu  möglichster  Concentrirung  seiner  Kräfte  zwang.  Gegen 
Leopold  aber  standen  Frankreich,  Schweden,  England  und 
eine  ganze  Reihe  deutscher  Fürsten.  Und  unter  den  Kur- 
fUi-sten,  von  deren  Entscheidung  die  Wahl  abhing,  konnte  Leo- 
pold von  vorneherein  nur  auf  die  Stimme  des  Sachsen  rechnen; 
von  den  Uebrigen  war  grösserer  oder  geringerer  Widerstand 
zu  erwarten,  der  nicht  ohne  grosse  Zugeständnisse  überwunden 
werden  konnte.  Unter  diesen  Verhältnissen  hat  die  Wiener 
Regierung  den  Kampf  begonnen. 


Lobkowitz,  88),  auch  Nachrichten  Nani's,  welche  auf  eine  Erkaltung 
der  Beziehungen  zwischen  beiden  Fürsten  hinweisen.  Es  scheint,  dass 
in  jenen  Wochen,  da  Blum  in  Wien  weilte  und  das  Project  der  Wahl 
Leopold  Wilhelms  die  besten  Aussichten  auf  Verwirklichung  hatte,  der 
junge  König  trotz  air  der  Versicherungen  seines  Oheims  diesen  ge- 
fürchtet hat.  Nachdem  dann  die  Candidatur  Leopold  Wilhelms  fallen 
gelassen  war,  trat  wieder  das  gute  Verhältniss  ein,  von  dem  Ferdinand 
Khurtz  seinem  Bruder  Mittheilung  machte.  Vgl.  auch  die  Historia  di 
Leopoldo  Cesare  von  Priorato,  Bd.  I,  p.  86  f. 


105 

b.  Verhandlungen  mit  den  geistlichen  Kurfürsten. 

a.  Mainz. 

Von  vorneherein  war  man  in  Wien  darüber  im  Klaren, 
dass  die  Haltung  des  KurfUrsten  von  Mainz  in  der  Wahlfrage 
den  Ausschlag  geben  werde.  Um  so  bitterer  empfand  man  da- 
selbst die  Erkenntniss,  dass  man,  wie  die  Verhältnisse  lagen, 
von  Johann  Philipp  von  Schönborn  sich  nicht  allzuviel  ver- 
sprechen durfte.  Die  Verhandlungen,  die  Ferdinand  HI.  um 
die  Nachfolge  im  Reiche  gepflogen,  hatten  zu  keinem  Ergeb- 
nisse geführt  und  was  in  den  letzten  Monaten  in  der  Allianz- 
angelegenheit sich  ereignet,  konnte  nur  dazu  beitragen,  die 
angünstige  Meinung,  die  am  Wiener  Hofe  über  Johann  Philipp 
herrschte,  zu  bestärken.  Und  doch  glaubte  man  daselbst 
an  der  deutschen  Gesinnung  des  Erzkanzlers  nicht  zweifeln 
zu  dürfen.  Es  galt  also,  sich  Klarheit  über  Johann  Philipps 
Neigungen  und  Pläne  zu  verschaffen.  Isaac  Volmar,  der  vor 
Jahren  bereits  in  der  Wahlangelegenheit  intervenirt  hatte  und 
in  diesem  Momente  den  Kaiser  beim  Deputationstage  vertrat, 
erhielt  Befehl  sich  zum  Mainzer  zu  begeben,  sich  über  die 
Pläne  desselben  zu  informiren  und  ihn  an  sein  vor  Jahren  ge- 
gebenes Versprechen  zu  erinnern. '  Johann  Philipp  zeigte  sich, 
als  Volmar  an  ihn  herantrat,  nicht  gerade  sehr  freundlich  ge- 
sinnt Er  betonte  den  üblen  Eindruck,  den  die  oflFene  Unter- 
stützung der  Spanier  durch  die  Oesterreicher  aller  Orten  hervor- 
gerufen ^  und  die  Gefahr,  in  welche  Leopold  ihn  und  die  übrigen 


^  Weisung  an  Volmar,  16.  Mai  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 
^  Leopold  und  seine  Anhänger  haben  behauptet,  Ferdinand  III.  habe  nur 
nach  den  Bestimmungen  der  Wahlcapitulation  gehandelt,  als  er  zur  Er- 
hsltang  eines  so  bedeutenden  Reichslehens  wie  Mailand,  Truppen  dahin  ge- 
sendet habe,  dass  man  denselben  daher  nicht  mit  Recht  des  Friedensbruches 
seihen  könne.  Leopolds  Vorgehen  aber  wurde  mit  der  grossen  Gefahr 
entschuldigt,  der  er  und  ganz  Europa  ausgesetzt  gewesen  wäre,  falls  er 
die  im  Mailändischen  befindlichen  Truppen  zurückgezogen  hätte.  (Haupt- 
instrnction  für  Oettingen  von  23.  Juni  1657.  W.-A.  Wahlacten.)  lieber 
diese  und  alle  übrigen  den  Streit  Frankreichs  und  Oesterreichs  be- 
treffenden Fragen  gibt  es  eine  umfassende  zeitgenössische  Literatur. 
Die  meisten  Flugschriften,  die  vor  und  während  der  Wahlverhandlungen 
erschienen  sind,  beschäftigen  sich  mit  diesen  Dingen.  Die  officiellen 
fieschwerdeschriften  Frankreichs  und  Erwiderungen  Oesterreichs  sind 
▼iel&ch  gedruckt,  so  unter  anderen  Theatrum  Europaeum  YIII. 


106 

rheinischen  Fürsten  dadurch  stürze;  auch  die  BegtUistigang 
des  Heidelberger  KurfUrsten  durch  den  Wiener  Hof  hielt  der 
Mainzer  dem  kaiserlichen  Gesandten  vor.  Auf  die  Erklärungen 
des  letzteren  bezüglich  der  Wahl  Leopolds  erwiderte  Johann 
Philipp,  indem  er  die  Minorennität  des  jungen  Königs  und  die 
spanische  Heiratsangelegenheit  als  besonders  schwer  zu  über- 
windende Hindemisse  bezeichnete,^  zu  gleicher  2^it  aber  weitere 

*  Wenn  auch  zu  Lebzeiten  Ferdinand  III.  und  während  des  Interregnums 
von  der  Minorennität  Leopolds  viel  gesprochen  und  geschrieben  wurde, 
so  ist  doch  nicht  zu  ersehen,  dass  diese  Frage  bei  irgend  einem  der 
Kurfürsten  mehr  als  ein  Vor  wand  gewesen  ist,  eine  ausweichende  Er- 
klärung zu  rechtfertigen.  Die  Flugschriften  der  Zeit  beschäftigen  sich 
auch  mit  dieser  Frage.  In  Wicquefort's  vielgelesenem  Discours  historique 
wird  p.  289  das  passive  Wahlrecht  Leopolds  zugestanden.  Unter  Leo- 
polds Käthen  war  es  insbesondere  Volmar,  der  sich  die  grOsste  Mühe 
gab,  aus  allen  möglichen  Werken  den  Nachweis  zu  erbringen,  dass  die 
Minorennität  durchaus  kein  Hindemiss  des  passiven  und  activen  Wahl- 
rechtes bilden  könne.  Er  fand  in  diesem  Bestreben  an  dem  kurtrierischen 
Kanzler  Anethan  einen  gelehrten  Genossen.  Sehr  richtig  betont  übrigens 
Leopold  in  der  Instruction  für  Oettingen  vom  23.  Juni  (W.-A.  Wahl- 
acten),  dass  der  Erzkanzler  das  active  Wahlrecht  Leopolds  durch  die  Ein- 
ladung des  böhmischen  Königs  zugestanden  habe.  In  dieser  Instruction 
weist  Leopold  auch  die  Einwände,  die  gegen  seine  Wahl  erhoben  werden 
könnten,  zurück.  So  den,  dass  er  sich  im  Kriege  mit  Schweden  befinde, 
durch  die  Bemerkung,  dass  er  den  Polen  nur  die  Sicherung  ihres  Landes 
versprochen  und  den  Krieg  von  Deutschland  abzuhalten  sich  verpflichtet 
habe.  Zugleich  hatte  Oettingen  Befehl,  zu  erklären,  Leopold  habe  ebenso- 
wenig die  Absicht  die  Krone  von  Polen  zu  erwerben  als  sein  Vater.  Sehr 
bezeichnend  lautet  die  Stelle  bezüglich  der  spanischen  Heirat.  Es  sei 
richtig,  sollte  Oettingen  den  Fragenden  erwidern,  dass  zu  Lebzeiten 
seines  Vaters  an  die  spanische  Heirat  gedacht  worden  sei,  nachdem  aber 
die  Schwester  Leopolds  und  sein  Vater  gestorben  seien,  der  König  von 
Spanien  gesund  und  erst  53  Jahre  alt,  die  Königin  jung  sei  und  schon 
viele  Kinder  zur  Welt  gebracht  habe,  begreife  Leopold  nicht,  wie  man 
so  viel  Aufsehens  von  dieser  Angelegenheit  machen  könne.  Zu  gleicher 
Zeit  erklärte  Leopold,  Deutschland  in  keinem  Falle  verlassen  zu  wollen. 
,Endlich  aber,*  fährt  die  Instruction  fort,  ,wann  unsere  Gesandten  ver- 
spüren sollten,  dass  kein  ander  Mittel  und  Remonstration  dieselbe  ans 
diesen  Gedanken  zu  bringen  statt  und  platz  finden  wollte,  so  sollen  sie 
ad  extremum  und  wann  das  Werk  allein  daran  haften  und  anderer 
Gestalt  nit  zu  erheben  sein  würde,  mit  diesem  Vorschlag  herausgehen, 
dass  wir  zufrieden,  wann  sich  der  casus  bei  uns  oder  unsern  aus  dieser 
Heurat  verhoffenden  Kindern  begeben  sollte,  dass  diese  zwo  Potenzen, 
auf  ein  Person  fallen  sollten,  uns  zu  Reversion  die  eine  von  uns  za 
lassen  und  dass  auch  derentwegen  in  der  königlichen  Wahlcapitulation 
einige  Fürsehung  beschehen  möchte.* 


107 

Berathangen  mit  seinen  Mitkurfbrsten  in  Aussicht  stellte.  Kurz 
er  gab  eine  ausweichende  Antwort,  die  so  gut  wie  nichts  be- 
sagte. *  Wenige  Tage  darauf  erfuhr  Vohnar  noch  viel  Unan- 
genehmeres. Franz  Egon  von  Fürstenberg,  der  seine  Hände 
auch  jetzt  in  der  Wahlangelegenheit  hatte  und  nach  beiden 
Seiten  hin  um  Belohnung  aussah,  theilte  dem  kaiserlichen  Ge- 
sandten mit,  der  Erzkanzler  sei  entschlossen,  die  Wahl  des 
Erzherzogs  Leopold  Wilhelm  zu  fördern.  ^  Dass  des  Ftlrsten- 
bergers  Rede  auf  Wahrheit  beruhte,  zeigte  sich  alsbald.  In 
den  ersten  Tagen  des  Jidi  erschien  der  in  der  Wahlangelegen- 
heit von  Johann  Philipp  vielbeschäftigte  kurmainzische  Rath 
Blum  in  Wien.  Er  betonte,  dass  die  Wahl  Leopolds  auf  un- 
überwindliche Schwierigkeiten  stossen  dürfte,  und  bezeichnete 
die  Minorennität  des  jungen  Königs,  den  Plan  einer  Heirat 
desselben  mit  der  Erbin  der  spanischen  Krone,  die  Verhält- 
nisse in  Mailand  und  im  Elsass  als  die  vornehmsten  derselben. 
Er  hob  hervor,  dass  von  all*  diesen  Bedenken  kein  einziges 
gegen  die  Wahl  Leopold  Wilhelms  geltend  gemacht  werden 
könnte,  dass  vielmehr  durch  dessen  Erhebung  auf  den  Kaiser- 
thron  das  Hausinteresse  gewahrt  und  zu  gleicher  Zeit  Leopold 
die  Möglichkeit  geboten  werde,  seine  Macht  nach  allen  Seiten 
hin  frei  zu  entfalten.  Und  um  die  letzten  Bedenken  des  jungen 
Königs  und  der  österreichischen  Räthe  zu  beseitigen,  betonte 
er,  wie  Schwarzenberg  dies  gethan,  die  Möglichkeit,  die  Nach- 
folge Leopolds  durch  dessen  in  wenigen  Jahren  leicht  zu  be- 
werksteUigende  Wahl  zum  römischen  Könige  zu  sichern. 

In  ganz  bestimmter  Weise  hat  Erzherzog  Leopold  Wil- 
helm das  ihm  gemachte  Anerbieten  abgelehnt.  Er  erklärte 
dem  Abgesandten  des  Erzkanzlers,  er  danke  fUr  das  ihm  ent- 
gegengebrachte WohlwoUen,  könne  aber  von  dem  Antrage 
keinen  Gebrauch  machen,  da  er  die  zur  würdigen  Verwaltung 
des  kaiserlichen  Amtes  nothwendigen  Mittel  nicht  besitze  und 
vom  Könige  nicht  fordern  könne.  Er  fügte  hinzu,  dass  er  die 
Würde  eines  Kaisers  nicht  erstrebe,  vielmehr  entschlossen  sei, 
dem   von    seinem   Bruder    auf    dem    Sterbebette    geäusserten 


'  Bericht  Volmar'»  vom  29.  Mai  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 
5  Desgleichen  vom  9.  Juni  1667.   W.-A.  (Wahlacten.)    Was  Adam  Wolf, 
Lobkowitz,  p.  86,  von   der  Initiative  Frankreichs  bei  der  Candidatur 
Leopold  Wilhelms  behauptet,  ist  ein  grober  Irrthum.  Vgl.  weiter  unten. 


108 

Wunsche  entsprechend^  die  Wahl  seines  Neffen  zu  fördern, 
und  dass  er  es  daher  als  ein  Zeichen  besonderer  Freundschaft 
ansehen  würde,  wenn  der  Kurfürst  von  Mainz  diese  Neigung 
auf  den  jungen  König  von  Ungarn  und  Böhmen  übertragen 
würde. 

So  deutlich  aber  auch  diese  Erklärung  war,  Blum  gab 
sich  mit  derselben  nicht  zufrieden.  &  hat  den  kaiserlichen  Mi- 
nistem seinen  Missmuth  zu  erkennen  gegeben  und  obgleich  auch 
diese,  vor  allem  Auersperg,  Khurtz  und  Portia,  ihn  fUr  den 
Plan  der  Wahl  Leopolds  zu  gewinnen  suchten,  blieb  er  dabei, 
dass  sein  Herr,  eher  als  sich  in  einen  Krieg  einzulassen,  der 
bei  der  Wahl  Leopolds  zu  fürchten  sei,  ,sich  eines  andern 
resolviren  und  ausser  des  Hauses  gehen  würde*.  ^ 

Die  feste  Haltung  Blum's,  der  auch  bei  einer  zweiten 
Unterredung  allen  Auseinandersetzungen  Leopold  Wilhelms 
gegenüber  stumm  blieb  und  die  Achsel  zuckte,  verfehlte  nicht 
Eindruck  auf  den  Wiener  Hof  zu  machen.  Man  bescbloss, 
La  Fuente,  den  Vertreter  Spaniens  in  Oesterreich,  um  Rath 
anzugehen.  Dieser  nahm  die  Sache  bei  Weitem  leichter  als 
die  kaiserUchen  Minister.  Er  meinte,  wenn  nur  der  Kur- 
fürst für  das  Haus  zu  stinmien  entschlossen  sei,  werde  sich 
alles  ordnen  lassen.  Die  Bedenken,  die  Blum  gegen  die 
Wahl  Leopolds  erhoben  hatte,  glaubte  er  leicht  beseitigen 
zu  können.  &  wies  auf  die  Unwahrscheinlichkeit  hin,  dass 
Leopold,  selbst  wenn  er  Maria  Theresia  heimführe,  die  Nach- 
folge in  Spanien  erlangen  werde,  und  erklärte  sich  damit  ein- 
verstanden, dass  anstatt  der  Absendung  österreichischer  Truppen 
nach  Mailand  —  was  als  einer  der  Hauptgründe  gegen  die 
Wahl  Leopolds  galt  —  den  Spaniern  blos  die  Ermächtigung 
zur  Werbung  von  Soldaten  in  den  Erblanden  ertheilt  werde. 
Ja  er  behauptete,  man  brauche  die  Franzosen  überhaupt  nicht 
zu  fürchten;  sie  seien  von  den  Spaniern  so  in  die  Enge  ge- 
trieben, dass  man  ihrerseits  eine  Offensive  gegen  Deutschland 
nicht  zu  erwarten  habe.  Diese  Aeusserungen  La  Fuente's, 
insbesondere  aber  der  Hinweis  auf  das  Geld,  das  er  zur  För- 
derung der  Wahl  Leopolds  aufzuwenden  befehligt  sei,  gab  der 


>  »Votum  depaUtomm  ueber  des  Churmainiischen  Abgeordneten  Blnms 
Anbringen  in  negotio  snccessionis  Am  Reich.'  12.  Jnli  1657.  W.-A. 
(Wahlacten.) 


109 

Wiener  Regierung  den  Muth,  Blum  abzufertigen.  In  Überaus 
höflicher^  aber  ebenso  entschiedener  Weise  theilten  Fortia  und 
Ehurtz  dem  Abgesandten  Johann  Philipps  am  14.  Juli  den 
festen  Entschluss  des  Königs  und  des  Erzherzogs  mit^  bei  dem 
gefassten  Plane  zu  beharren^  mit  allen  Kräften  die  Wahl  Leo- 
polds zu  fördern^  indem  sie  zu  gleicher  Zeit  ganz  mit  denselben 
Argumenten  die  La  Fuente  gebraucht  die  Haltlosigkeit  der 
kurfürstlichen  Einwände  darzulegen  suchten.  Blum  musste  sich 
%en.  Er  nahm  die  Erklärungen  des  Wiener  Hofes  entgegen, 
blieb  aber  bis  zum  Schlüsse  bei  der  Ansicht^  dass  die  Schwierig- 
keiten bei  der  Wahl  Leopolds  unüberwindliche  seien.  ^ 

Johann  Philipp  war  über  das  Benehmen  des  Wiener  Hofes 
sehr  angehalten.  Er  hat  den  kaiserlichen  Qesandten  Volmar 
and  Oettingen^  als  diese  ihm  mit  dem  Vorschlage  eines  von 
den  gesammten  Kurfürsten  des  Reiches  abzuschliessenden  Ver- 
trages nahten,  durch  welchen  den  von  Johann  Philipp  fiir  den 
Fall  der  Wahl  Leopolds  geltend  gemachten  Gefahren  begegnet 
werden  sollte,  erwidert,  er  könne  von  einem  solchen  Vertrage 
nichts  Gutes  erhoffen,  da  die  Franzosen  niemals  ihre  Zustimmung 
zum  Abschlüsse  desselben  geben  würden,  er  sehe  vielmehr 
nach  wie  vor  keinen  andern  Ausweg  als  die  Wahl  Leopold 
Wilhelms,  die,  wie  er  denke,  auch  dem  Papste  genehm  sein 
werde.  2 

Auf  den  Wiener  Hof  machten  diese  Aeusserungen  des 
Mainzers,  mit  denen  zu  gleicher  Zeit  ähnliche  der  beiden  an- 
deren geistlichen  KurfUrsten  einlangten,  einen  niederschmettern- 
den Eindruck.  An  der  Aufrichtigkeit  der  Erklärungen  Johann 
Philipps  glaubte  man  nicht  zweifeln  zu  können.  Man  hatte  am 
Wiener  Hofe  keine  Ahnung  davon,  dass  in  denselben  Tagen, 
wo  diese  ungünstigen  Nachrichten  in  Wien  eintrafen,  Mit- 
theilongen  ähnlicher  Art  Mazarin  aus  seinen  hoffnungsvollen 
Träumen  weckten.  Begreiflich  daher,  dass  unter  dem  unmittel- 
baren Eandrucke  dieser  Mittheilungen  und  dem  Zweifel,  ob 
Baiem  die  angetragene  Krone  ausschlagen  werde,  im  Rathe 
der  österreichischeu  Minister  die  Frage  aufgeworfen  wurde,  ob 


'  Votom  deputatorum  mit  Anhang  über  die  Verbandlungen  am  14.  Juli 

16o7.  W.-A.  (Wahlacten.) 
^Bericht   Oetüngen's   und   Volmar's   ddo.  Mainz,  24.  Juli   1657.     W.-A. 

(Wahlacten.) 


110 

man  sich  ^wann  es  Gottes  Willen  wäre,  diese  Dignitet  auf 
andere  Catholische  zu  transferiren,  dem  Willen  Gottes  entgegen 
setzen  und  den  letzten  sforzo  gebrauchen  sollet  '  Die  Frage 
ist  im  Sinne  des  Kampfes  bis  aufs  Aeusserste  fUr  die  Kroue 
entschieden  worden^  vornehmlich  deshalb,  weil  man  von  der 
Erwägung  ausging,  dass  die  Wahl  Ferdinand  Marias  die  katho- 
lische Religion  in  Deutschland  nicht  stärken,  sondern  schwächen 
würde,  da  an  ein  gütliches  Nebeneinanderwirken  des  Witteis- 
bacher  und  des  habsburgischen  Hauses  bei  dem  fortwährenden 
Schüren  der  kaiserfeindlichen  Partei  am  Münchner  Hofe  nicht 
zu  denken  sei.  Es  hiess  also,  koste  es  was  es  wolle,  die  geist- 
lichen Kurfürsten  gewinnen;  für  die  Erwerbung  der  Kaiser- 
krone durfte  kein  Opfer  zu  gross  scheinen.  Das  war  auch  die 
Ansicht  der  Räthe  Leopolds.  Allein  es  fehlte  an  den  Geld- 
mitteln, deren  man  bedurfte  um  mit  Erfolg  den  Bestrebungen 
der  Franzosen  entgegenzuarbeiten.  Peneranda,  der  Vertreter 
Spaniens  in  der  Wahlangelegenheit,  der  das  Geld  bringen  sollte, 
befand  sich  auf  der  Reise  nach  Prag,  wohin  Leopold  seinen 
Hof  verlegt  hatte;  ^  bis  Peneranda  anlangte,  musste  man  trachten, 
auf  andere  Weise  dem  Ziele  näher  zu  kommen.  Man  beschloss, 
vorerst  neue  Unterhandlungen  mit  Blum  zu  beginnen;  man 
forderte  ihn  auf,  mitzutheilen,  was  ihm  von  seinem  Herrn  für 
Nachrichten  zugekommen  seien.  Blum  erwiderte,  Johann  Philipp 
halte  trotz  all'  der  Entgegnungen  der  Wiener  Regierung,  die 
Wahl  Leopolds  in  diesem  Momente  Rir  allzu  gefährlich;  in 
einigen  Jahren  werde  Leopold  ohne  Schwierigkeit  zum  römischen 
König  erwählt  werden  können.  Dass  eine  derartige  Antwort 
nicht  befriedigte,  ist  begreiflich ;  doch  wagte  man  nicht,  diesem 
Missfallen  Ausdruck  zu  geben.  Man  war  der  Ansicht,  ,bis 
auf  das  letzte  das  Thor  ad  reconciliationem  offen  zu  halten^: 
man  erwiderte  daher  auf  die  Erklärungen  Blum's,  indem  man 
die  Hoffnung  aussprach,  Johann  Philipp  von  der  Möglichkeit 
zu   überaeugen,   die   der  Wahl   Leopolds   im  Wege  stehenden 


1  Votum  deputatorum  vom  1.  August  1657.  W.-A.  (WahUcten.) 
3  Der  Aufeuthalt  iu  Prag  war  ursprünglich  nur  für  kurze  Zeit  geplant; 
es  sollte  nur  eine  Durchgangsstation  auf  der  Reise  Leopolds  nach  Frank- 
furt sein.  (ConfereuzprotokoU  vom  19.  Juni  1657.  W.-A.  Wahlaeten.) 
Erst  die  ungünstigen  Mittbeilungen,  die  in  Prag  einliefen  und  die  Reise 
nach  Frankfurt  unräthlich  erscheinen  Hessen,  bewogen  Leopold  seinen 
Aufenthalt  in  Prag  auf  Monate  auszudehnen. 


111 

Schwierigkeiten  zu  beheben.  Und  was  noch  viel  mehr  bedeutete, 
Leopold  erklärte  sich  bereit,  den  Mainzer,  falls  dieser  fUr  die 
äieherheit  seiner  Länder  und  des  Rheinstromes  fürchte,  mit 
lO.OOO — 12.000  Mann,  oder  den  zum  Ausbaue  der  Festungs- 
werke der  Stadt  Mainz  nöthigen  Sunmien  zu  unterstützen.  * 
Za  gleicher  Zeit  ¥nirde  Fürst  Lobkowitz,  das  Haupt  der  böh- 
mischen Wahlgesandtschaft,  aufgefordert,  von  diesem  Aner- 
bieten dem  Kurfürsten  von  Mainz  persönlich  Mittheilung  zu 
machen^  und  den  übrigen  Deputirten  Leopolds  aufgetragen, 
die  Minister  Johann  Philipps,  koste  es  was  es  wolle,  zu  ge- 
winnen. ^  Allein  bevor  noch  diese  Weisungen  in  die  Hände 
der  Vertreter  Leopolds  gelangt  waren,  hatten  in  Frankfurt 
Verhandlungen  stattgefunden,  durch  welche  die  Wahlfrage  in 
ein  ganz  anderes,  dem  Könige  von  Ungarn  und  Böhmen  un- 
gleich günstigeres  Licht  gerückt  worden  war.  In  den  ersten 
Tagen  des  September  hatte  Johann  Philipp  mit  Lobkowitz  und 
Nietungen  geheime  Unterredungen  gepflogen,  in  denen  er  zum 
Erstaunen  der  kaiserlichen  Minister  erklärte,  er  habe  bei  noch- 
maliger Erwägung  eingesehen,  dass  insbesondere  mit  Rücksicht 
auf  die  von  Osten  her  drohende  Gefahr,  die  Wahl  Leopolds 
zum  Könige  und  Kaiser  eine  Nothwendigkeit  sei.  Zu  gleicher 
Zeit  gab  er  die  Versicherung,  flir  dieselbe  mit  dem  Aufgebote 
all'  Beiner  Kräfte  einti*eten  zu  wollen,  vorausgesetzt,  dass  Leopold 
äeine  Zustimmung  zum  Abschlüsse  des  spanisch-französischen 
Friedens  vor  der  Wahl  gebe  und  dieser  in  der  That  erfolge. 
Er  behauptete  auf  dieser  Forderung  um  so  fester  beharren  zu 
müssen,  als  von  Seite  der  französischen  Gesandten  unaufhörlich 
die  Friedensliebe  ihres  Königs  betont  und  Lionne  zumal  nicht 
mtde  würde,  von  seinen  Bemühungen  in  Madrid  zu  erzählen,^ 
die  ausschliesslich  an  der  Störrigkeit  der  spam'schen  Regierung 
gescheitert  seien.  Und  wie  Johann  Philipp  es  verstand,  die 
Vortheile  eines  französisch-spanischen  Friedens  für  Leopold  in's 
rechte  Licht  zu  stellen,  so  wusste  er  die  Vertreter  desselben 
durch  die  Erklärung  zu  gewinnen,  dass,  falls  sich  Frankreichs 
Friedensbetheuerungen  als  unechte  erweisen   sollten,   Leopolds 


'  Conferenzprotokoll  vom  27.  August  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

^  Leopold  an  Lobkowitz,  2.  September  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

-  Conferenzprotokoll  vom  27.  August  1657.  W.-A.  (Wahlacten.)  Boineburg 

sollten  30.000  Gulden  versprochen  werden. 
*  Vgl.  weiter  unten. 


112 

Wahl  um  so  gesicherter  sein  würde.  ^  Die  Vertreter  des  jungen 
Königs  waren  mit  diesen  Aeusserungen  des  Erzkanzlers  sehr 
zufrieden.  Sie  hatten  starke  Zweifel  bezüglich  der  Aufrichtig- 
keit der  französischen  Friedensbetheuerungen  und  hielten  daher 
die  Annahme  des  mainzischen  Friedensanbotes  fUr  durchaas 
unbedenklich.  Sie  wussten  noch  nicht,  wie  ernst  es  Johann 
Philipp  mit  diesen  Friedensverhandlungen  meinte;  sie  hatten 
keine  Ahnung  davon,  dass  er  und  nicht  Frankreichs  Vertreter 
es  war,  der  den  Plan  des  Friedensschlusses  vor  der  Wahl  ge- 
fasst  und  mit  seltener  Zähigkeit  gegenüber  allen  Bedenken 
und  Einwänden  der  Franzosen  an  demselben  festgehalten  hatte^ 
dass  er  den  Gesandten  Ludwigs  das  Versprechen  gegeben  hatte, 
wenn  Spanien  sich,  wie  zu  erwarten  stand,  weigere,  die  Friedens- 
verhandlungen zu  beginnen,  unter  keinerlei  Umständen  in  die 
Wahl  eines  Habsburgers  zu  willigen,  dass  er  zur  selben  Zeit, 
da  er  dem  Könige  von  Böhmen  und  Ungarn  seine  wärmste 
Sympathie  ausdrücken  liess,  auf  das  Eifrigste  bestrebt  war, 
Karl  Gustav  von  Schweden,  Oesterreichs  Gegner,  zum  Eintritte 
in  die  Allianz  zu  bewegen,  die  das  deutsche  Reich  gegen 
innere  und  äussere  Feinde  schützen  sollte.  ^  Gewiss,  all'  diese 
Bestrebungen  Johann  Philipp's  hatten  den  Zweck,  das  Reich 
vor  den  Gräueln  des  Krieges  zu  bewahren,  den  theuer  erkauften 
Frieden  zu  erhalten.  Allein  in  das  Friedensreich,  das  dem  Erz- 
kanzler vorschwebte,  passte  ein  übermächtiger  Kaiser  ebenso- 
wenig als  ein  allzugewaltiger  Nachbar.  Eine  Ausgleichung,  ein 
Gleichgewicht  der  Kräfte,  das  war  es,  was  Johann  Philipp 
wünschte,  und  er  hoffte  dies  durch  die  Herstellung  des  spanisch- 
französischen und  polnisch-schwedischen  Friedens,  sowie  durch 
die  Gründung  eines  Bundes  zu  ermöglichen,  dessen  Mitglieder 
unter  seiner  Führung  jede  Ueberschreitung  der  für  die  Fortdauer 
des  Friedens  nothwendigen  Schranken  verhindern  konnten. 

Allein  von  air  diesen  den  Interessen  Oesterreichs  mehr 
oder  minder  zuwiderlaufenden  Plänen  Johann  Philipps  wussten 
die  Räthe  Leopolds  nichts  oder  wenig  und  sie  glaubten  umso- 
weniger  an   eine  günstige  Erledigung  der  Wahlfrage  zweifeln 


1  Schreiben  Oettingen's  an  Portia,  11.  September  1657.  Beilage  des 
Schreibens  von  Portia  an  Ferd.  Khorts  vom  9.  Octob^  1667.  W.-A. 
(Wahlacten.) 

2  Vgl.  Joachim  1.  c.  261  ff. 


113 

za  sollen,  als  der  KurfUrst  von  Mainz  in  den  nächsten  Wochen 
die  hofirnngsvoUsten  Versprechungen  gab.  Er  hat  dem  Kur- 
fürsten von  Trier,  der  seine  Bedenken  gegen  eine  längere 
Verzögerung  der  Wahl  äusserte,  erklären  lassen,  er  sei  ent- 
schlossen, falls  Frankreich  zögere  die  Friedensunterhandlungen 
vorzanehmen,  zur  Wahl  zu  schreiten  und  seine  Stimme  Leopold 
zu  geben  und  mit  diesem,  mit  Spanien  und  allen  Freunden 
des  Hauses  Habsburg  ein  Defensivbündniss  gegen  Frankreich 
zu  schliessen.  *  In  noch  hoffnungsvollerer  Weise  äusserte  er 
sich  bald  darauf  in  einem  Gespräche  mit  Volmar.  Er  meinte, 
Peoeranda  möge  nur  kommen,  er  wisse,  dass  die  französischen 
Gesandten  weder  Instruction  noch  Vollmacht  besässen  und  auch 
keine  erhalten  würden ;  um  so  eher  werde  man  zur  Wahl  Leo- 
polds schreiten  können.  Und  wie  Musik  musste  es  den  Ohren 
Volmar*s  klingen,  als  der  schlaue  Erzkanzler,  welcher  der  Zu- 
stimmung Frankreichs  zu  den  Friedensverhandlungen  schon 
sicher  war,  als  er  in  dieser  Weise  sprach,  hinzufLLgte,  ,er  müsse 
offenherzig  bekennen,  dass  er  andere  Gedanken  nicht  habe, 
als  den  König  von  Ungarn  und  Böhmen  zum  römischen  Könige 
zu  machen;  er  habe  zwar  anfangs  die  Absicht  gehabt,  auf 
Leopold  Wilhelm  zu  gehen,  weil  aber  so  bewegliche  ,remon- 
strationes^  dagegen  vorgebracht,  so  begehre  er  es  nicht  mehr, 
sondern  bleibe  bestimmt  dabei,  die  Wahl  auf  Leopold  richten 
zu  helfen;  denn  er  wüsste  wohl,  dass  dem  Reich  jetziger  Zeit 
nicht  verständig  sein  könnte,  selbige  auf  ein  anderes  Haus  zu 
richten/ 2  Konnte  man  sich  günstigere  Erklärungen  von  einem 
Hanne  denken,  der  noch  wenige  Wochen  vorher  die  Wahl  Leo- 
polds als  undurchführbar  bezeichnet  hatte?  Liess  nicht  das 
Eingeständniss,  dass  die  Wahl  des  jungen  Königs  von  Ungarn 
und  Böhmen  die  einzig  zweckmässige  sei,  und  die  Art  und 
Weise,  wie  der  Mainzer  von  der  voraussichtlichen  Haltung 
Frankreichs  zur  Friedensfrage  sprach,  die  Erhebung  Leopolds 
auf  den  Kaiserthron  in  kurzer  Zeit  erhoffen? 

Freilich  tiefer  Blickende  erkannten  schon  damals,  dass 
was  der  Mainzer  den  Vertretern  des  jungen  Königs  gegenüber 
äusserte,  wenig  mit   seinen  Handlungen   übereinstimmte.     Der 


*  VolüMir  an  Portia,  30.  September  1657.  Beilag^e  zum  Schreiben  Portia's 

an  Ferd.  Kburtz,  9.  October  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 
^  EbendaBelbst. 
ArdÜT.  Bd.  LXini.  I.  H&lfle.  8 


114 

überaus  freundschaftliche  Verkehr  mit  den  Gesandten  Lud- 
wig XIV.  kam  dabei  weniger  in  Betracht;  das  konnte  ja 
Maske  sein,  um  dieselben  irrezuführen.  Allein  bedenklicher 
war  schon,  dass  der  KurfUrst  von  Mainz  sich  gerade  damals 
auf  das  Entschiedenste  gegen  die  Auflösung  des  Deputations- 
tages aussprach  und  eifriger  als  je  an  dem  Abschlüsse  der 
Liga  arbeitete,  die  ihre  Spitze  bereits  ganz  deutlich  gegen  das 
Haus  Habsburg  richtete.  Es  war  die  feste  Ueberzeugung  dieser 
Männer,  dass  man  den  Worten  des  Mainzers  nicht  trauen  dürfe, 
vielmehr  durch  schleunige  Abmachung  mit  den  übrigen  Kur- 
fürsten die  Wahl  Leopolds  sichern  und  dann  mit  oder  gegen 
den  Willen  des  Erzkanzlers  dieselbe  vornehmen  solle.  * 

Auch  in  der  Umgebung  Leopolds  hat  es  an  Leuten  nicht 
gefehlt,  die  des  Mainzers  Absichten  durchschauten.  So  der 
spanische  Gesandte,  Graf  Peneranda.  Er  erklärte  Johann  Phi- 
lipps Vorschläge  für  geßlhrlich  und  rieth,  denselben  kein  Ge- 
hör zu  schenken.  Er  meinte,  Leopold  möge  so  bald  als  mög- 
lich mit  dem  Kurfürsten  von  Sachsen  nach  Frankfurt  eilen  und 
die  Wahl  unter  allen  Umständen  erzwingen.  ^  Peneranda's  Er- 
klärungen verfehlten  nicht,  Eindruck  auf  die  Minister  Leopolds 
zu  machen.  Allein  es  ist  fraglich,  ob  nicht  doch  die  Mehrzalil 
derselben  den  Worten  des  Erzkänzlers  Glauben  geschenkt  hätte, 
wenn  nicht  in  diesen  Tagen  Nachrichten  aus  Frankfurt  einge- 
laufen wären,  die  unzweifelhaft  darthaten,  dass  des  Mainzers 
Friedenspläne  keineswegs  so  problematischer  Natur  waren,  als 
er  den  kaiserlichen  Gesandten  hatte  glauben  machen  wollen. 
Er  hatte  am  3.  October  die  Vertreter  der  Kurfürsten  von  Köln, 
Trier  und  Baiern  zu  sich  berufen  und  ihnen  eröffnet,  er  sehe 
sich  ausser  Stande,  den  immer  heftigeren  Beschwerden  der 
französischen  Gesandten  über  die  Verletzung  des  Friedens 
durch  den  verstorbenen  und  den  jetzt  regierenden  Herrscher 
Oesterreichs  zu  begegnen.  Er  hob  hervor,  wie  nothwendig  im 
Interesse  des  Reiches  die  Erhaltung  des  Friedens  sei,  dass 
aber  nach  den  Erklärungen  Frankreichs  der  Krieg  unver 
meidlich  wäre,   falls  vor  Beilegung   des   spanisch-französischen 


»  Schreiben  HohenfeldX  ddo.  Frankfurt,  26.  September  16^57.  W.-A.  (Wahl- 

acten.) 
2  Schreiben  Portia's  an  Ferd.  Kliurtz,  ddo.  Prag,  9.  October  1657.  W.-A. 

(Wahlacten.) 


115 

Conflictes  die  Wahl  eines  römisch-deutschen  Kaisers  aus  dem 
Hause  Habsburg  erfolgen  sollte.  Er  theilte  den  Anwesenden 
die  Hauptbeschwerden  Frankreichs  mit;  sie  betrafen  die  Sen- 
dung kaiserlicher  Truppen  nach  Italien  und  den  Niederlanden; 
er  betonte,  was  der  Wahrheit  nicht  entsprach,  welche  Mühe 
er  sich  gegeben,  die  Franzosen  von  ihrer  Forderung  —  Ab- 
scUuBS  des  französisch-spanischen  Friedens  vor  der  Wahl  — 
abzubringen;  er  machte  schliessUch  darauf  aufmerksam,  dass 
er  keinen  andern  Ausweg  als  den  Frieden  sehe,  um  die  dem 
Reiche  drohende  Gefahr  abzuwenden.  Und  überaus  geschickt 
woBste  er  die  KurfUrsten  bei  der  Stelle  zu  fassen,  wo  sie  am 
empfindlichsten  waren.  ,Die  grossen  streitenden  Mächte/  sagte 
er,  ,haben  leicht  Krieg  führen,  ihnen  bleibt  selbst  im  Falle  der 
Niederlage  genug  tlbrig;  wir  Kurfürsten  aber,  insbesondere 
wir  geistlichen,  finden,  wenn  wir  unser  Scherflein  verloren 
haben,  kein  anderes.'  * 

Und  ganz  ähnlich  lauteten  die  Erklärungen,  die  Johann 
Philipp  wenige  Tage  später  Lobkowitz  und  Volmar  gab.  Auch 
ihnen  gegenüber  betonte  er  die  Unerlässlichkeit  der  Herstellung 
des  Friedens,  nur  hob  er,  um  sie  dieser  Idee  günstiger  zu 
stimmen,  besonders  hervor,  dass,  falls  sich  die  Nothwendigkeit 
ergeben  sollte,  vor  Abschluss  des  französisch-spanischen  Friedens 
rar  Wahl  zu  schreiten,  die  Trennung  der  beiden  Linien  des 
Hauses  Habsburg  durch  die  Wahlcapitulation  zweifelsohne  fest- 
gesetzt werden  würde,  was  er  im  Interesse  der  katholischen 
Religion  und  des  habsburgischen  Hauses  vermeiden  möchte. 
Alle  Versuche  Volmar's,  den  Erzkanzler  von  dieser  Ansicht  ab- 
Kobringen,  blieben  fruchtlos.^ 

Unter  dem  Eindrucke  dieser  Nachrichten  ist  es  in  Wien 
zu  Berathungen  über  die  Massregeln  gekommen,  die  im  Interesse 
der  Wahl  Leopolds  zu  ergreifen  wären.  Es  handelte  sich  vor- 
nehmlich darum,  ob  die  Zustimmung  zu  Johann  Philipps  Frie- 
densplänen  zu  ertheilen  oder  zu  verweigern  sei.  Was  man  in 
dem  ersteren  Falle  fürchtete,  war  insbesondere  eine  lange  Ver- 
zögerung der  Wahl,  welche  die  Mehrzahl  der  Räthe  für  ver- 
derblich   hielt.     Im   kommenden  Frühjahre  hatte  man  Kämpfe 


*  Bericht  Oettingen's  und  Volmar*8,  ddo.  Frankfurt,  6.  Oclober  1657.  W.-A. 

(WahUcten.) 
'  Bericht  der  Gesandtschaft,  13.  October  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

8* 


116 

im  Osten  und  Norden  zu  erwarten,  von  Seiten  der  Türken 
stand  ein  Einfall  in  Siebenbürgen  und  Ungarn,  von  Seiten  der 
Schweden  der  Einmarsch  in  Schlesien  oder  Böhmen  zu  fürchten; 
eine  Niederlage  der  Truppen  Leopolds  konnte  seine  Aussichten 
auf  die  Erlangung  der  Kaiserkrone  nur  vermindern.  Dazu  kam, 
dass  man  in  diesem  Momente  auf  fünf  Stimmen  rechnen  zu 
können  glaubte  und  es  für  sehr  bedenklich  hielt,  den  fiir  die 
Wahl  Leopolds  gewonnenen  Fürsten  Monate  zur  Ueberlegung 
zu  gewähren.  Begreiflich  daher,  dass  von  verschiedenen  Seiten 
der  Vorschlag  gemacht  wurde,  Leopold  möge  unverzüglich  nach 
Frankfurt  reisen  und  daselbst  für  die  sofortige  Vornahme  der 
Wahl  wirken,  umsomehr,  als  der  päpstliche  Nuntius  geschrieben 
hatte,  er  sei  fest  überzeugt,  in  Leopolds  Gegenwart  würden  in 
zwölf  Tagen  Schwierigkeiten  aus  dem  Wege  geräumt  werden,  zu 
deren  Beseitigung  sonst  kaum  zwölf  Wochen  oder  Monate  hin- 
reichen würden.  Um  das  zur  Reise  nothwendige  Geld  zu  er- 
halten, beschlossen  jene  Räthe  Leopolds,  die  fiir  den  baldigen 
Aufbruch  desselben  nach  Frankfurt  eingenommen  waren,  die 
Vertreter  Spaniens  von  dem  Ergebnisse  der  bisherigen  Ver- 
handlungen in  Kenntniss  zu  setzen,  denselben  den  Nachweis 
zu  liefern,  dass  Leopold  auf  fünf  Stimmen  rechnen  könne,  um 
sie  für  den  Plan  der  Reise  nach  Frankfurt  zu  gewinnen;^ 
unterdessen  sollten  die  Vertreter  Oesterreichs  dem  Erzkanzler 
von  dem  Entschlüsse  Leopolds  Mittheilung  machen  und  ihn  um 
seine  Meinung  über  die  Zweckmässigkeit  desselben  fragen.^ 
Peneranda  war  gleich  für  den  Plan  der  Reise  nach  Frankfurt 
gewonnen ;  er  wollte  ja  nichts  Anderes  als  die  möglichst  rasche 
Durchftihrung  der  Wahl.  Johann  Philipp  dagegen  erklärte,  er 
halte  es  für  zweckmässiger,  wenn  Peneranda  zur  Ordnung  der 
Friedensangelegenheit  vor  Leopold  in  Frankfurt  erscheine.  Und 
von  Tag  zu  Tag  zeigte  der  Erzkanzler  deutlicher,  wie  fest  er 
auf  seinem  Plane  beharre,  den  französisch-spanischen  Frieden 
vor  der  Wahl  zu  Stande  zu  bringen.  Er  traf  Anstalten,  die 
Beschwerdeschriften  der  Franzosen  und  Schweden  gegen  Fer- 
dinand lU.  und  Leopolds  Benehmen  dem  Deputationstage  zur 
Berathung  vorzulegen,  und  erklärte  den  österreichischen  Ge- 
sandten,  er   könne  von  seiner  Friedensforderung  umsoweniger 


'  Conferenzprotokoll  vom  13.  October  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

'  Weisung  an  die  Genandtschaft  vom  14.  October  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 


^^ 


117 

abstehen,  als  die  Franzosen  immer  heftiger  die  Vornahme  der 
Verhandlungen  begehrt  und  den  savoy'schen  Gesandten,  Grafen 
BigKori,  vermocht  hätten,  sieh  die  nothwendigen  Vollmachten 
zur  Berathung  über  den  montferrat'schen  Streit  zu  verschaffen. 
Vergebens  war  es,  dass  Volmar  sich  auf  Mittheilungen  aus 
Paris  berief,  um  die  Behauptungen  des  Erzkanzlers  zu  wider- 
legen. '  Dieser  blieb  bei  seiner  Auffassung,  übergab  die  Be- 
schwerdeschrift der  Franzosen  und  Schweden  dem  Deputations- 
tage zur  Berathung  und  richtete  ein  überaus  fein  stilisirtes 
Schreiben  an  Peneranda,  in  welchem  er  denselben  ersuchte, 
zur  Vornahme  der  Friedensverhandlungen  so  bald  als  möglich 
in  Frankfiirt  einzutreffen.  ^  Zu  gleicher  Zeit  machte  er  die 
Räthe  Leopolds  von  Neuem  darauf  aufmerksam,  dass  eine 
Wahlcapitulation,  wie  sie  im  Falle  der  Wahl  des  jungen  Königs 
vor  Abschlnss  des  französisch-spanischen  Friedens  festgesetzt 
werden  müsste,  die  Interessen  des  Hauses  Habsburg  viel  empfind- 
licher schädigen  würde  als  der  Friede,  und  ersuchte  sie,  die 
Absendung  Peneranda's  nach  Frankfurt  zu  befürworten.  Dem 
Könige  selbst  aber  empfahl  er,  die  Reise  nach-  der  Wahlstätte 
vorerst  noch  zu  unterlassen.  ^ 

Für  das  Wiener  Cabinet  gab  es  in  dieser  Lage,  wo  der 
Erzkanzler  seine  Geneigtheit,  Leopold  zu  wählen,  an  die  Be- 
dingung des  vorher  erfolgten  Friedens  zwischen  Spanien  und 
Frankreich  knüpfte,  der  Wege  mehrere.  Man  konnte  des 
Mainzers  Forderung  befriedigen  und  sich  verpflichten,  von 
Spanien  die  Vornahme  der  Friedensverhandlungen  zu  erwirken ; 
dann  aber  lag  die  Möglichkeit  vor,  gegen  Johann  Philipps  Vor- 
gehen zu  protestiren  und  mit  Hilfe  der  für  eine  schleunige 
Durchführung  der  Wahl  eingenommenen  Kurfürsten  den  Wähl- 
tet vorzunehmen.  Allein  Leopold  und  seine  Räthe  glaubten, 
keinen  dieser  Wege  einschlagen  zu  dürfen.  An  die  Billigung 
des  mainzischen  Begehrens  war  nicht  zu  denken,  schon  des- 
halb nicht,  weil,  wie  man  wusste,  Spaniens  Gutheissung  nicht 
zu  erlangen  und  eine  Trennung  von  Spanien  in  dieser  Lage 
nieht  möglich  war.  Dazu  kam,  dass  auch  dem  jungen  Könige, 

*  Beriebt  Volmar's  vom  19.  October  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

'  Johann  Philipp  an  Pefieranda,  ddo.  Frankfurt,  20.  October  1657.  W.-A. 

(Wahlacten.) 
'  Bericht  der  Gesandtfichaft,  ddo.  29.  October  1657.    W.-A.  (Wahlacten.) 

Aehnlicbe  Erklärungen  auch  im  Berichte  rom  29.  November  1657. 


118 

obgleich  er  keine  principiellen  Bedenken  gegen  die  Vornahme 
der  Friedensverhandlungen  in  Frankfurt  vor  der  Wiüd  hatte 
die  Berathung  über  diesen  Gegenstand  mit  Rücksicht  auf  die 
vielen  Beschwerden^  die  Frankreich  gegen  sein  und  seines 
Vaters  Vorgehen  zu  erheben  Willens  war^  nicht  angenehm  sein 
konnte,  dazu  kietm  femer,  dass  Leopold  und  seine  Räthe  mit 
Recht  ftirchteten,  es  könnte  den  Anschein  gewinnen,  als  ob 
sie  durch  die  Zustimmung  zu  des  Mainzers  Vorschlag  in  eme 
Verzögerung  der  Wahl  willigten,  was  sie  unter  allen  Umstän- 
den zu  vermeiden  wünschten.  Anderseits  lagen  auch  gewich- 
tige Bedenken  gegen  eine  Verzichtleistimg  auf  des  Mainzers 
Mitwirkung  vor,  ganz  abgesehen  davon,  dass  er  schon  ver- 
möge seiner  Stellung  eine  ihm  unangenehme  Wahl  verzögern 
konnte.  Denn  Johann  Philipp  übte^  wie  man  am  Hofe  Leo- 
polds wohl  wusste,  seinen  bedeutenden  Einfluss  auf  seine  Mitkur- 
fUrsten,  insbesondere  auf  Karl  Kaspar  von  Trier  aus.  Entschloss 
sich  nun  der  Mainzer,  durch  ein  rücksichtsloses  Vorgehen 
Leopolds  verletzt,  der  Wahl  desselben  entgegenzuarbeiten,  so 
war  nicht  allein  der  Verlust  der  Stimme  des  Mainzers,  sondern 
auch  der  des  Trierers  zu  fürchten.  So  gewiss  also  Leopold  in 
diesem  Momente  bereits  auf  den  Sieg  in  der  Wahlfrage  rechnen 
konnte,  wenn  er  der  Stimme  Johann  Philipps  sicher  war,  so 
wenig  durfte  er  hoffen,  gegen  dessen  Willen  sein  Ziel  zu  er- 
reichen. In  dieser  Lage,  wo  die  Haltung  Spaniens  und  das 
eigene  Interesse  ebenso  gegen  die  volle  Billigung  der  mainzi- 
schen Forderung  als  gegen  den  Abbruch  der  Beziehungen  zu 
Johann  Philipp  sprach,  beschloss  die  Wiener  Regierung  noch- 
mals den  Versuch  zu  machen,  den  KurfUrsten  von  seinem 
Friedensplane  ganz  abzubringen,  oder,  falls  sich  das  als  un- 
durchftihrbar  erweisen  sollte,  denselben  wenigstens  zu  dem  Zu- 
geständnisse zu  bewegen,  die  Vornahme  der  Wahl  vor  Ab- 
schluss  des  Friedens  zu  gestatten.  Die  Hoffnung,  Johann 
Philipp  zum  Aufgeben  seiner  Friedensidee  zu  vermögen,  er- 
wies sich  bald  als  eine  leere.  Denn  gerade  in  diesen  Tagen 
langte  in  Prag  die  Nachricht  ein,  dass  der  Elrzkanzler  die 
Friedensfrage  im  KurflirstencoUegium  zur  Sprache  gebracht,  und 
dass  flinf  der  kurfUrstlichen  Vertreter  sich  im  Principe  flir  die 
Vornahme    derselben    entschieden    hätten.  *     Dagegen  zeigten 

>  Conferenz  der  Berathang  vom  12.  NoTember  1657.  M.-A.  (Wahlacten.) 
Ueber  den  Verlauf  dieser  Debatte,  in  der  Sachsen  nnd  Baiern  sich  ent- 


119 

die  Beschränkungen;  unter  denen  allerseits  diese  Zustimmung 
gegeben  worden  war,  die  ausdrückliche  Versichenmg  aller 
Redner,  dass  deshalb  die  Wahl  nicht  verzögert  werden  solle, 
dass  es  Leopold  bei  energischem  Vorgehen  gelingen  werde, 
den  Erzkanzler  zur  Vornahme  der  Wahl  vor  Abschluss  des 
Friedens  zu  vermögen.  In  der  That  wurden  Seitens  der  Wiener 
Regierung  umfassende  Massregeln  zu  diesem  Behufe  ergriffen. 
Peneranda  erklärte  in  seiner  Antwort  auf  das  kurfürstliche 
Schreiben,  er  sei  blos  fUr  die  Wahlangelegenheit  instruirt.  > 
Indem  er  zu  gleicher  Zeit  den  Erzbischof  von  Trani  anwies, 
diese  Aeusserungen  mündlich  zu  wiederholen  und  dem  Kur- 
fürsten die  Nothwendigkeit  der  Wahl  vorzuhalten^  arbeitete  er 
der  grossen  Pression  vor,  die  im  Laufe  des  Monats  December 
Seitens  aller  der  schleunigen  Wahl  Leopolds  günstig  gesinnten 
Parteien  auf  den  Erzkanzler  des  Reiches  ausgeübt  wurde.  *^ 

Der  Vertreter  des  Papstes,  San  Feiice,  der  seit  Beginn  des 
Wahltages  im  Interesse  Leopolds  wirkte,  drängte  unaufhörlich 
den  Mainzer,  die  Wahl  durch  die  Friedensverhandlungen  nicht  zu 
verzögern; 3  in  gleichem  Sinne  sprach  Trani,  und  ähnlich  wie 
die  Erklärungen  dieser  Priester  klangen  jene  der  Gesandten  der 
weltlichen  Kurfürsten  von  Brandenburg,  Baiern  und  Sachsen, 
welche  der  Wiener  Hof  auf  Wegen,  die  wir  verfolgen  können, 
bewogen  hatte,  vom  Mainzer  die  unverzögerte  Vornahme  der 
Wahl  zu  fordern.  *  Aber  weniger  dem  Drängen  dieser  Männer, 
denen  sich  noch  der  Kurfürst  von  Trier  und  die  Vertreter  Leo- 
polds anschlössen,  als  anderen  Ereignissen,  die  gerade  zu  Ende 
des  Jahres  eintraten,  werden  wir  in  erster  Linie  es  zuzuschreiben 


schieden  gegen  die  Friedensverhandlungen  aussprachen,  Brandenburg 
sich  sehr  reservirt  äusserte,  vgl.  Urk.  und  Acten  etc.  VIII,  467. 

'  Pefieranda  an  Johann  Philipp,  16.  November  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

'  Ueber  Trani  vgl.  weiter  unten. 

'  Ueber  San  Feiice  und  seine  Mission  vgl.  weiter  unten. 

*  Leopold  wendete  sich  in  eigenhändigen  Schreiben  an  die  Kurfürsten  von 
Baiem,  Sachsen  und  Brandenburg,  wie  auch  an  Trier  mit  der  Bitte, 
Alles,  was  in  ihrer  Macht  stehe,  beizutragen,  auf  dass  die  Wahl  ohne 
Verz5g^ung  vorgenommen  werde.  (Schreiben  an  Baiem,  Sachsen  und 
Brandenburg  vom  21.  November,  an  Trier  vom  23.  November.)  Die 
Antworten  lauteten  insgesammt  zustimmend.  (Baiern  vom  30.,  Trier  vom 
29.,  Sachsen  vom  24.  November  1657.  W.-A.  Wahlacten.)  In  gleichem 
Simie  wie  die  Schreiben  an  die  Kurfürsten  lautete  die  Weisung  an  die 
Gesandten  vom  21.  November  1657. 


120 

faaben^  dass  Johann  Philipp  sich  wenigstens  theilweise  zrir  Be- 
rücksichtigung der  Wünsche  Leopolds  entschloss.  Vor  Allem  fiel 
durch  die  Geburt  eines  spanischen  Infanten  eines  der  gewichtig- 
sten Bedenken  gegen  die  Wahl  Leopolds  weg.  Die  Furcht  vor 
übergrosser  Macht  des  jungen  Königs,  falls  er  Kaiser  und  durch 
die  Heirat  mit  der  Erbin  der  spanischen  Krone  König  von  Spanien 
werden  sollte  —  von  vielen  Seiten  als  ein  Hauptargument  gegen 
die  Wahl  Leopolds  geltend  gemacht  —  bestand  nicht  mehr. 
Dann  aber  wirkte  auf  die  Entschlüsse  des  Kurfürsten  auch  das 
gänzliche  Scheitern  des  französischen  Planes  ein,  den  Kurßirsten 
von  Baiern  zur  Annahme  der  Kaiserkrone  zu  vermögen.  Nicht 
dass  Johann  Philipp  diese  Wahl  jemals  aufrichtig  gewünscht 
oder  lebhaft  gefördert  hätte ;  ^  allein  erst  jetzt,  wo  Frankreich 
sich  durch  die  Mission  Grammont's  selbst  überzeugt  hatte,  dass 
es  nicht  den  lauen  Bestrebungen  des  Mainzers  und  seiner  Mit- 
kurfürstcn,  sondern  der  wahren  Abneigung  des  Kurfürsten  Fer- 
dinand Maria  zugeschrieben  werden  musste,  dass  dessen  Can- 
didatur  nicht  aufrecht  erhalten  werden  konnte,  jetzt  erst,  wo 
Johann  Philipp  annehmen  durfte,  dass  auch  Mazarin  die  Un- 
möglichkeit einsehen  werde,  die  Wahl  Leopolds  zu  hintertreiben, 
duifte  er  hoffen,  bei  Frankreich  mit  seinen  Allianz-  und  Wahl 
capitulationsplänen  Gehör  zu  finden.  Und  gerade  dieses  letztere 
Moment  ist,  wie  mich  dünkt,  für  das  Verständniss  des  Schrittes, 
den  der  Erzkanzler  damals  that,  wie  flir  die  Politik  desselben 
in  der  ganzen  Wahlangelegenheit  von  der  allerwesentlichsten  Be- 
deutung. Denn^  wie  wenig  berechtigt  das  Urtheil  der  meisten  Zeit- 
genossen und  Nachgeborenen  ist,  die  in  des  Mainzers  Vorgehen 
einen  plötzlichen,  unbegreiflichen  Wechsel  der  Gesinnung  sahen,^ 


^  Wilhelm  Fürstenberg  erzählte  dem  französischen  Gesandten  Lionne  im 
December,  als  die  Aussichten  auf  die  Durchführung  der  bairischen 
Candidatur  fast  ganz  geschwunden  waren,  dass,  als  er  und  Boineburg 
kurz  nach  dem  Tode  Ferdinand  III.  nach  München  gesendet  worden 
seien,  «les  Instructions  de  leurs  Mres  estoit  de  raporter  une  negative  dn 
Duc  de  Baviere  pour  faire  leurs  excuses  envers  la  France*,  dass  er 
aber  auf  eigene  Gefahr  der  Sache  eine  andere  Richtung  gegeben^  Be- 
richt Lionne^s  an  Mazarin  vom  18.  December  1657.  P.-A.  Allemagne. 
Vol.  136.  Wie  viel  an  dieser  Mittheilung  wahr  ist,  möge  dahingestellt 
bleiben;  gewiss  gibt  dieselbe  aber  in  richtiger  Weise  die  Baiern  wenig 
günstige  Stimmung  des  Mainzer  Kurfürsten  wieder. 

2  So  konnte  unter  vielen  Anderen  Heinrich  Friesen,  der  sächsische  Minister, 
sich  den  plötzlichen  Gesinnungswechsel  des  Kurfürsten  von  Mainz  nicht 


121 

wird  allsogleich  klar^  wenn  man  erwägt^  dass  es  eigentlich  der 
Erzkanzler,  und  zwar  er  allein,  war,  der  auf  seinen  von  An- 
fang an  geltend  gemachten  Principien  beharrte.  In  dem  Mo- 
mente, da  die  Kaiserwahl  durch  den  Tod  Ferdinand  UI.  eine 
brennende  Frage  geworden,  hatte  Johann  Philipp  erklärt,  es 
sei  ein  dringendes  Gebot  für  Alle,  denen  das  Interesse  des 
Reiches  am  Herzen  liege,  darauf  zu  achten,  dass  die  Wahl  in 
einer  Weise  erfolge,  durch  die  der  schwer  erworbene  Reichs- 
friede nicht  nur  nicht  bedroht,  sondern  befestigt  werde.  Und 
an  dieser  Idee  hat  er  bis  zu  dem  Augenblicke  festgehalten,  da 
Leopold  I.  durch  einstimmigen  Beschluss  der  Wähler  die  Kaiser- 
krone empfing.  Nicht  das  Ziel,  sondern  nur  die  Mittel,  durch 
welche  das  Ziel  erreicht  werden  sollte,  haben  in  Laufe  der 
Verhandlung  gewechselt.  ^  Johann  Philipp  hatte  ursprünglich 
in  der  Förderung  der  Wahl  Leopold  Wilhelms  das  beste  Mittel 
zur  Wahrung  des  Reichsfriedens  zu  sehen  geglaubt.  Als  er  dann 
erkannte,  dass  an  die  Durchführung  dieses  Planes  bei  dem  starren 
Festhalten  der  österreichischen  Regierung  an  der  Candidatur 
Leopolds  nicht  zu  denken  sei,   hat   er  diesen  Vorschlag  fallen 


erklären.  Friesen  an  Khnrts,  Dresden,  25.  December  1657/4.  Januar 
1658.  W.-A.  ,Mann  vernimmt  hier  die  Chur-Maynzische  fast  plötzliche 
Änderung  mit  etwas  Verwunderung;  Gott  gebe  das  sicherlich  darauff  zu 
bawen  sey;  repentinae  mutationes  saepe  inde  non  carent  suspicionibus 
aut  periculis*.  Ferdinand  Khurtz  urtheilte  zwar  richtiger,  wenn  er  dem 
Friesen  erwiderte:  ,Ich  mueß  bekhennen  und  verdenckhe  meine  Herrn  nit, 
daß  Sie  die  resolutionem  Moguntinam  pro  repentina  halten.  Mein  hoch- 
geehrter Herr  aber  mueß  wisßen,  daß  Sie  so  repentina  alß  Sie  scheinet  nit 
ist,  indeme  ein  geraume  zeithhero  mit  Ihrer  ChurfUrstlichen  Gnaden  un- 
aaßsetzlich  tractirt  worden.*  (Khurtz  an  Friesen,  Prag,  12.  Januar  1658. 
Priratarchiv  der  Barone  von  Friesen  zu  Rötha  bei  Leipzig.)  Aber  auch 
Khartz  übersah,  dass  Johann  Philipp  eigentlich  gar  nicht  seine  princi- 
pielle  Auffassung  in  der  Wahlfrage  geändert  hatte. 
'  Sehr  richtig  hat  Lionne  in  seinem  Schreiben  vom  8.  Januar  1658 
(Archive  du  Ministere  des  affaires  ^trnng^res  (A.  d.  A.  £.),  Allemagne, 
Vol.  136)  die  Politik  Johann  Philipps  gekennzeichnet,  indem  er  sagt: 
,Die  Intentionen  Johann  Philipps  seien  von  allem  Anfang  an  dahin  ge- 
richtet gewesen,  Frankreich  nur  in' einem  Punkte,  der  Satisfaction  fUr 
die  Infractionen  Oesterreichs  gegen  den  Frieden,  zu  befriedigen  und 
Vorsorge  für  die  Zukunft  zu  treffen.  Niemals  aber  hat  der  Kurfürst 
die  Idee  gehabt,  die  Kaiserwürde  vom  Hause  Gestenreich  auf  das  Haus 
Baiern  zu  übertragen.  Man  kann  heute  sehen,  dass  selbst  in  der 
Zeit,  wo  er  uns  die  besten  Erklärungen  gegeben,  er  dies  nur  gethan, 
weil  er  überzeugt  war,   dass  Baiem  die  Krone  nicht  annehmen  werde.' 


138 

^eUsaen.  &  erklärte  sich  mit  der  Wahl  des  jungen  Königs 
einverstanden.  Allein  sogleich  zeigte  sich,  dass  er  mit  der 
Person  nicht  auch  die  Idee  aufgegeben.  Er  forderte^  dass  der 
Abschluss  des  Friedens  zwischen  Frankreich  und  Spanien  der 
Wahl  Leopolds  vorausgehe.  Drang  er  mit  dieser  Forderung 
durchs  so  konnte  er  zufrieden  sein.  Allein  auch  gegen  dieses 
Begehren  erhob  sich  ein  allzugrosser  Widerstand^  als  dass  Jo- 
hann Philipp  hätte  hoffen  können^  zum  Ziele  zu  gelangen.  So 
entschloss  er  sich,  als  ihm  die  äusseren  Verhältnisse  die  Mög- 
lichkeit dazu  boteUy  den  letzten  Weg^  der  ihn  zu  dem  er- 
wünschten Ende  führen  konnte^  einzuschlagen.  Licopold  sollte 
Kaiser  werden^  aber  zugleich  durch  die  von  demselben  zu  be- 
schwörende Wahlcapitulation  die  vollständige  Trennung  der 
österreichischen  und  spanischen  Politik  festgesetzt  und  durch 
den  Abschluss  der  grossen  Allianz,  an  der  seit  Jahren  gearbeitet 
wurde,  den  deutschen  Ftlrsten  die  Mittel  gegeben  werden,  den 
neuen  Kaiser,  £eü1s  er  der  beschworenen  Capitulation  zuwider 
an  dem  Kampfe  seines  Blutsverwandten  mit  dem  Könige  von 
Frankreich  und  dessen  Verbündeten  theilnehmen  sollte,  in  die 
Schranken  zurückzuweisen,  die  er  überschritten. 

Dass  durch  diese  beiden  Massregeln  dasselbe  erreicht 
wurde  —  soweit  es  das  Bestreben  des  Erzkanzlers  um  die 
Wahrung  des  Reichsfriedens  betraf  —  wie  durch  die  Wahl 
Leopold  Wilhelms  oder  durch  den  Abschluss  des  französisch- 
spanischen  Friedens  vor  der  Wahl,  liegt  auf  der  Hand.  Nicht 
den  Kurfürsten  von  Mainz,  vielmehr  jene  Männer  wird  didier  der 
Vorwurf  der  Inconsequenz  treffen,  die  ganz  gegen  ihre  anfangs 
geäusserte  Ansicht  sich  schliesslich  auch  mit  dieser  Ordnung 
der  Angelegenheit  einverstanden  erklärt  haben. 

Solche  Erwägungen  —  und  kaum  dürften  es  andere  ge- 
wesen sein  —  haben  den  Mainzer  vermocht,  gegen  Ende  des 
Jahres  1657  dem  Grafen  Oettingen  das  bindende  Versprechen 
zu  geben,  im  Sinne  der  weltlichen  Kurftirsten  und  Triers  für 
die  schleunige  Durchfiihrung  der  Wahl  noch  vor  Beendigung 
der  Friedensverhandlungen  wirken  zu  wollen. 

Die  Nachricht  von  dieser  flntschliessnng  Johann  Philipps 
rief  in  Wien  und  überall,  wo  man  die  Wahl  Leopolds  wünschte, 
fireudigste  Erregung  hervor.  Begreiflich,  denn  der  Stimme  des 
Mainzers  versichert,  durfle  Leopold  es  getrost  wagen,  die 
Wahlmänner  zur  Ausübung  ihrer  Pflicht  aufzufordern.    Wenn 


123 

iigead  etwas  in  diesen  Wochen^  wo  Leopold  auf  die  Mit- 
tbeihing  des  Mainzers  hin  sich  zur  Reise  nach  Frankfurt  an- 
schickte, die  Freude  dämpfte,  so  war  dies  nicht,  wie  man  ver- 
mathen  sollte,  die  Furcht  vor  der  Capitulation  und  vor  den  in 
dieselbe  aufzunehmenden  Bestimmungen,  auf  deren  Kothwendig- 
keit  der  Mainzer  hingewiesen  hatte,  sondern  die  Thatsache,  dass 
Johann  Philipp  zugleich  mit  dem  Versprechen  die  Wahl  im 
Sinne  Leopolds  vornehmen  zu  wollen,  eine  Reihe  persönlicher 
Forderungen  steUte,  die  zu  erf\illen  dem  jungen  Könige  nicht 
ohne  grosse  Opfer  möglich  war. 

Wir  erinnern  uns,  dass  Leopold  zu  Beginn  des  Monats 
September  1657,  als  die  Oefahr  der  Wahl  eines  andern  Can- 
didaten  am  grössten  war  und  der  Mainzer  die  Furcht  vor 
einem  UeberfaUe  durch  die  Franzosen  als  das  schwerwiegendste 
Moment  gegen  die  Wahl  Leopolds  bezeichnet  hatte,  dem 
Mainzer  eine  Hilfe  von  10.000 — 12.000  Mann  oder  eine  zur 
Fortification  von  Mainz  hinreichende  Geldsumme  antragen  liess.^ 
So  lange  der  Abschluss  des  spanisch-französischen  Friedens 
vor  der  Wahl  möglich  schien,  hat  Johann  Philipp  von  diesem 
Anerbieten  des  jungen  Königs  keinen  Gebrauch  gemacht.  Jetzt 
aber,  wo  er  durch  das  bestimmte  Versprechen  der  Förderung 
der  Wahl  Leopolds  die  Franzosen  verletzt  hatte  und  nicht 
wissen  konnte,  ob  es  ihm  gelingen  werde,  sie  durch  die  von 
ihm  beabsichtigte  Beschränkung  der  Macht  des  künftigen  Kaisers 
zn  versöhnen,  glaubte  er  unter  allen  Umständen  sich  vorsehen 
zu  müssen,  liess  den  Fürsten  Lobkowitz  an  das  vor  Monaten 
gegebene  Versprechen  erinnern  und  bat  überdies,  ihm  statt 
der  in  Aussicht  gestellten  100.000  Gulden  100.000  Reichsthaler 
zu  überlassen,  ihm  die  zur  Werbung  von  1000  Landsknechten 
und  200  Reitern  nothwendige  Summe  zu  geben  und  2000  Centner 
Pulver  zur  Verfügung  zu  stellen,  wogegen  er  sich  verpflichten 
wollte,  diese  Truppen,  sobald  er  ihrer  nicht  mehr  bedürfe,  und 
überdies  500  Landsknechte  und  200  Reiter  dem  Kaiser  zu 
überlassen.  ^ 

Leopold  wäre  zweifelsohne  bereit  gewesen,  die  Forderungen 
Johann  Philipps  ganz  zu  befriedigen,  allein  es  mangelte  ihm  an 
den  Mitteln  und  Peneranda,  den  er  anging,  erklärte,  nur  einen  Theil 


>  VgL  p.  111. 

'  Beriebt  Lobkowitz*  Tom  12.  Januar  1(568.  W.-A.  (Wahlacten.) 


124 

der  nöihigen  Summe  dem  Könige  zur  Verfügung  stellen  zu  können  J 
Man  suchte  daher  den  KurfUrsten  so  gut  es  ging  zu  befriedigen 
und    beschloss    die   endgiltige   Ordnung   der   Angelegenheit  in 
Frankfurt,  wohin  Leopold  in  diesen  Tagen  aufbrach.  ^   Allein  in 
der  Wahlstadt  angekommen,  sollte  der  junge  König  allsogleich 
erkennen,  wie  sehr  er  im  Irrthume  gewesen,  als  er  in  der  zu- 
stimmenden Erklärung  des  Mainzers  bezüglich  der  Beschleunigung 
der  Wahl  ein  Aufgeben  der  von  demselben  früher  vertretenen 
Auffassung  vermuthet  hatte.  Denn  Johann  Philipp  bestand  jetzt 
mit  noch  grösserer  Zähigkeit  als  vorhin  auf  dem  Abschlüsse  des 
französisch-spanischen  Friedens   oder  auf  der  Aufnahme  eines 
Artikels  in  die  von  Leopold  zu  beschwörende  Capitulation,  kraft 
dessen  dem  künftigen  Kaiser   aus   dem  Hause  Habsburg  jede 
Antheilnahme  an  dem  Kampfe,   der  zwischen   Spanien   einer-, 
Frankreich   und   dessen   Verbündeten   anderseits   ausgefochten 
wurde,    unmöglich    gemacht   werden    sollte.     Und   da   es  ihm 
unterdess  geglückt  war,  die  Franzosen  für  seinen  Plan  zu  ge- 
winnen, da  er  sie  zu  überzeugen  verstanden  hatte,  dass  durch 
die  Aufnahme  eines  solchen  Artikels  in  die  Wahlcapitulation  und 
durch  den  Abschluss  der  rheinischen  Liga  ihr  Interesse  ebenso- 
gut gewahrt  werde,  wie  durch  die  Wahl  eines  Nichthabsburgers, 
hörte  für  ihn  die  Nothwendigkeit  einer  Rüstung   auf.     Um  so 
fester  aber  bestand  er  auf  seiner  Forderung,   durch   die  Capi- 
tulation  die  zur  Wahrung  des  Reichsfriedens  nothwendigen  Vor- 
kehrungen zu  treffen.    Und  nichts  vermochte  ihn  diesem  Vor- 
satze  abwendig  zu  machen.     Alle  Bemühungen  Leopolds  und 
seiner  Räthe,    wie    der   vielen  Männer,    die  im   Interesse   des 
österreichischen   Candidaten   wirkten,    blieben  fruchtlos.     Das 
Ende    der    langen    Verhandlungen   über  die  Wahlcapitulation, 
über  deren  Verlauf  wir  genügend   unterrichtet   sind,  ^  brachte 
eine  Lösung   der  Frage,   die   am   allermeisten   den   Interessen 
und  Zielen   der   Mainzer   Politik   entsprach.     Denn  weder  für 
Frankreich,   noch   f\ir  das  Haus  Habsburg  bedeutete  die  Ent- 
scheidung in  dem  langen  Wahlkampfe  einen  vollen  Sieg.    Für 


^  Secretär  Schröder  an  Leopold,  Prag,   19.  Januar  1658.     W.-A.  (Wahl- 

acten.) 
3  Leopold  an  Lobkowitz,  29.  Januar  1658.  W.-A.  (Wahlacten.) 
3  Vgl.  Heide,  Die  Wahl  Leopold  I.  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte, 

Bd.  25,  p.  60  ff. 


125 

Oesterreich  nicht,  weil  dem  Kaiser  die  Hände  gebunden  und 
ihm  Verpflichtungen  auferlegt  wurden,  die  er  nur  auf  Kosten 
der  Interessen  seines  Hauses  erftUlen  konnte;  für  Frankreich 
nicht,  weil  die  vornehmlich  durch  den  KurfLlrsten  von  Branden- 
hvig  in  die  Capitulation  aufgenommene  Clausel  auch  Frank- 
reichs Actionsfreiheit  beeinträchtigt  hat,  ^  und  weil  weder  durch 
die  Liga  noch  durch  die  Wahlcapitulation  das  Ziel  erreicht 
war,  das  Mazarin  vorgeschwebt  und  dem  zu  Liebe  er  so  viel 
Geld  und  Zeit  geopfert  hatte.  Johann  Philipp  aber  konnte  an 
dem  Tage,  da  Leopold  seine  Zustimmung  gab,  unter  den  ihm 
Torgeschriebenen  Bedingungen  die  Krone  aus  der  Hand  des 
Erzkanzlers  zu  empfangen,  vollauf  zufrieden  sein.  Was  er 
Ton  Anfang  an  als  Ziel  seiner  Wünsche  bezeichnet  hatte,  war 
erreicht.  Der  Friede  war  gesichert,  das  Reichsoberhaupt  ge- 
schwächt und  er  selbst,  als  Friedensvermittler  zwischen  Spanien 
and  Frankreich  wie  zwischen  Schweden  und  Polen,  sowie  durch 
den  Rückhalt  an  die  rheinische  Liga,  die  er  sein  Werk  nennen 
durfte,  eine  der  einflussreichsten  Personen  nicht  nur  des  Reiches, 
sondern  der  gesammten  continentalen  Welt.^ 

ß.  Kurtrier. 

m 

Ungleich  einfacher  als  mit  Johann  Philipp  gestalteten  sich 
die  Verhandlungen  mit  Karl  Kaspar  von  Trier.  Von  den  all- 
gemeinen Gesichtspunkten,  welche  die  Politik  des  Erzkanzlers 
beherrschten,  von  der  Initiative,  die  von  demselben  ausging, 
ist  beim  Kurfürsten  von  Trier  keine  Spur  zu  finden.  Karl 
Kaspar  von  der  Leyen  war  ein  deutschgesinnter,  friedlieben- 
der, etwas  furchtsamer  Herr,  der,  wenn  er  seinen  Neigungen 
ungehindert  hätte  folgen  dürfen,  entschieden  fUr  Leopold  einge- 
treten wäre.  Allein  es  entsprach  seinen  Interessen  nicht,  sogleich 
in  unzweifelhafter  Weise  für  des  jungen  Königs  Candidatur 
zu  wirken.  Einmal  deshalb,  weil  er,  im  Falle  trotz  seines  Ein- 
tretens ftlr  Leopold   ein  anderer  Fürst  gewählt  werden  sollte, 

^  i  U  der  Wahlcapitulation.    Vgl.  Theatrum  Europaeum,  VIII,  443. 

^  Es  Hegt  mir  ferne,  dnrch  diese  Bemerkungen  etwa  das  Vorgehen  Johann 
Philipps  als  ein  in  jeder  Hinsicht  richtiges  bezeichnen  zu  wollen.  Ich 
habe  die  Schwächen  der  mainzischen  Politik  in  dieser  Zeit  bereits  an 
einem  anderen  Orte  betont:  ,Beitrag  zur  Geschichte  des  Bheinbundes', 
Siteungsber.  der  Wiener  Akademie,  CXV,  160  ff. 


126 

die  Rache  des  beleidigten  Franzosenkönigs  zu  fttrchten  hatte, 
dann  aber  auch^  weil  er  nur  bei  zögerndem  Benehmen  auf  Ge- 
währung der  Forderungen  hoffen  durfte,  die  zu  stellen  er  fest 
entschlossen  war.  Sein  Verhalten  in  der  Wahlangelegenheit 
war  damit  gegeben.  Es  galt,  der  Wahl  Leopolds  die  Wege  zu 
bahnen,  ohne  jedoch  selbst  eine  bindende  Erklärung  abzugeben, 
bis  der  Erfolg  gesichert  und  ihm  der  bedungene  Lohn  ge- 
wiss war. 

In  diesen  beiden  Richtungen  bewegen  sich  denn  auch  die 
Verhandlungen,  die  Karl  Kaspar  und  seine  Räthe  mit  den 
verschiedenen  Mächten  im  Verlaufe  des  Wahlkampfes  gefiihrt 
haben.  Dass  der  Trierer  die  Sache  Leopolds  in  mancherlei 
Weise  gefördert  hat,  ist  gewiss.  Einmal  dadurch,  dass  er  sich 
in  Cärlich,  trotz  aller  Bemühungen  der  beiden  anderen  geist- 
lichen Kurfürsten,  gegen  die  Förderung  der  Candidatur  Ferdi- 
nand Marias  aussprach  und  bei  dieser  Ansicht  verblieb;  dann 
aber  auch  durch  seine  Haltung  in  jenem  Momente,  wo  es 
galt,  den  Erzkanzler  von  der  Ansicht  abzubringen,  da«s  die 
Herstellung  des  Friedens  der  Wahl  vorangehen  müsse.  ^  In 
beiden  Fällen  war  die  Thatsache,  dass  einer  der  geistlichen  Kur- 
fürsten seinen  Collegen  opponirte,  von  der  grössten  Bedeutung. 
Auf  Ferdinand  Maria  musste  es  Eindruck  machen,  dass  einer 
der  angesehensten  KirchenfÜrsten  seine  Candidatur  fUr  un- 
zweckmässig  und  unthunlich  erklärte,  und  für  Johann  Philipp 
konnte  es  unmöglich  belanglos  sein,  dass  Karl  Kaspar,  der  in 
noch  höherem  Masse  als  der  Mainzer  die  Rache  der  Franzosen 
zu  ftirchten  hatte,  in  so  rückhaltsloser  Weise  für  die  Be- 
schleunigung  der  Wahl  eintrat.  Und  als  dann,  nachdem  die 
Wahl  Leopolds  gesichert  war,  über  die  Frage  verhandelt  wurde, 
inwieweit  man  dem  neuen  Herrscher  durch  die  Wahlcapitulation 
und  die  rheinische  Liga  die  Hände  binden  solle,  hat  der  Kur- 
filrst  von  Trier   mit  seinen  Collegen   aus  Baiern  und  Sachsen 


^  Schon  Ende  September  hatte  Anethan  im  Namen  des  Rurflirsten  von 
Trier  ein  derartiges  Ansuchen  bei  Mainz  um  Reschleunig'ung  der  Wahl 
gestellt.  Volmar  an  Portia,  30.  September  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 
Am  3.  December  berichtet  Volmar  dann  von  energischem  Einschreiten 
Triers  im  Interesse  der  Beschleunigung  der  Wahl,  während  Karl  Kaspar 
selbst  in  seinem  Schreiben  vom  15.  December  Leopold  räth,  die  Reise 
nach  Frankfurt  als  bestes  Mittel  der  Beschleunigung  der  Wahl  allsogleicb 
anzutreten.  W.-A,  (Wahlacten.) 


127 


auf  das  Entschiedenste  fUr  die  Sache  des  Hauses  Habs* 
borg  eingesetzt  >  und  die  rheinische  Liga  vom  18.  August  1658 
nicht  unterzeichnet.  ^ 

Der  Wiener  Hof  hat  an  der  Oesterreich  günstigen  Ge- 
sinnung Karl  Kaspars  keinen  Augenblick  gezweifelt.  Während 
des  ganzen  Verlaufes  der  Verhandlungen  um  die  Kaiserkrone 
hat  man  sich  der  Trier'schen  Stimme  fUr  gesichert  gehalten.  ^ 
Trotzdem  kann  nicht  geleugnet  werden,  dass  Karl  Kaspars 
Vorgehen  nicht  in  jedem  Momente  den  Wünschen  des  Wiener 
Hofes  entsprach;  denn  dieser  forderte  ein  rückhaltsloses  Ein- 
treten ftlr  die  Sache  und  ein  bedingungsloses  Versprechen  der 
Wahlstimme  für  die  Person  Leopolds,  und  der  Kurfürst  meinte 
Beides  im  eigenen  Interesse  nicht  thun  zu  dürfen.*  Er  hat 
dem  Vertreter  des  jungen  Königs  ganz  ausdrücklich  erklärt 
and  diesem  selbst  geschrieben,  er  hätte  sich  gerne  bestimmter 
verpflichtet,  ,wan  nit  wegen  meineß  ahn  der  frontieren  deß 
Romischen  reichß  näher  alß  andere  situirten  unndt  der  kri- 
genden  hohen  Cronen  angrentzenden  Ertzstieffite  bey  vorge- 
fallener revolution  der  waffen  unndt  dahero  zuwachsender  ge- 
fahr,  so  dan  anderen  Umbständen,  noch  hette  zurücktreten 
müssen'.^  Und  auf  das  wiederholte  Ansuchen  Leopolds  und 
seiner  Gesandten,  Karl  Kaspar  möge  sich  zu  dem  bestimmten 
schriftlichen  Versprechen  entsch Hessen,  seine  Stimme  nur  Leopold 
zuzuwenden,  erwiderte  der  Kurfürst  zwar  mit  der  Versicherung 
Böner  besten  Absichten,  betonte  aber  zugleich,  dass  die  Be- 
stimmxmgen  der  Goldenen  Bulle  ihn  an  der  Erfüllung  der  ihm 
zugemutheten  Beschränkung  seiner  Wahlfreiheit  verhinderen.  ^ 


^  Vgl.  Heide  1.  c,  46  ff. 

'  Vfl.  Pribram  1.  c,  187  f. 

^  Votum  deputatomm  vom  1.  Augast  1667.  W.-A.  (Wahlacten.) 

*  In  der  Instruction  fOr  die  böhmische  Wahlgesandtschaft  Tom  27.  August 
wurde  dem  Fürsten  Lobkowitz  der  Auftrag  su  Theil,  sich  die  Stimme 
Triers,  wenn  nicht  Töllig,  so  doch  in  substantialibus  gleich  su  sichern, 
falls  dessen  Stimme  aber  nicht  antecedenter  zu  erlangen,  weder  forma- 
liter noch  substantialiter,  sondern  erklärt  der  Kurfürst,  seine  Stimme 
Leopold  nur  dann  geben  zu  wollen,  wenn  die  Majorität  bereits  ge- 
wonnen ist,  hat  sich  Lobkowitz,  so  weit  es  ihm  räthlich  scheint,  ein- 
verstanden zu  erklären.   W.-A.  (Wahlacten.) 

''  Karl  Kaspar  an  Leopold,  28.  August  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

•  Schreiben  Hohenfeld's  an  seinen  Bruder,  30.  September  1657.  W.-A. 
(Wahlacten.) 


128 

Unzweifelhaft  hatte  Karl  Kaspar  die  Berechtigung,  eine  der- 
artige Forderung  zurückzuweisen.  Auch  hat  die  Furcht,  durch 
ein  Vergehen  gegen  die  Bestimmungen  der  Goldenen  Bulle 
—  und  ein  solches  lag  in  der.  Abgabe  der  Stimme  vor  Zu- 
sammentritt des  Conclave  —  einer  herben  Strafe  zu  verfallen, 
nicht  allein  den  Trierer  ergriffen.  Die  Aengstlichkeit,  mit 
welcher  der  Pfölzer  von  Frankreich,  der  KurfUrst  von  Baiern 
von  Oesterreich  die  Geheimhaltung  der  von  ihnen  gegebenen 
Versprechen  forderten,  beweist,  wie  sehr  sie  sich  des  Ver- 
gehens bewusst  waren,  das  sie  durch  eine  bindende  Erklärung 
vor  dem  Wahltage  begingen.  Trotz  alledem  wird  man  sich 
bei  genauer  Erwägung  der  Verhältnisse  des  Gedankens  nicht 
entschlagen  können,  dass  neben  dem  von  Karl  Kaspar  hervor- 
gehobenen Bedenken  gegen  ein  rückhaltsloses  Versprechen  der 
Wahlstimme  noch  ein  anderes  vorlag.  Der  Kurfürst  von  Trier 
hatte  es  wie  seine  CoUegen  bitter  empfunden,  dass  Ferdinand  III. 
seine  vor  der  Wahl  Ferdinand  IV.  gegebenen  Versprechungen 
nach  der  Wahl  nicht  eingelöst  hatte.  Sie  waren  gewitzigt  und  fest 
entschlossen,  sich  jetzt  von  Leopold  nicht  täuschen  zu  lassen.^ 
In  der  That  hatte  denn  auch  Karl  Kaspar  gleich  zu  Beginn 
der  Verhandlungen  seine  Forderungen  gestellt,  an  denen  er 
dann  mit  grosser  Zähigkeit  festgehalten  hat. 

Der  Wiener  Hof  war  auf  Bedingungen  gefasst  und  zu 
manchem  Zugeständnisse  bereit.  Die  Vertreter  Leopolds  er- 
hielten gleich  anfangs  Vollmacht,  dem  Kurfürsten  ausgiebige 
Unterstützung  für  den  Fall  zu  versprechen,  dass  er  ob  seines 
Verhaltens  in  der  Wahlangelegenheit  von  Frankreich  ange- 
griffen werden  sollte.  ^  Allein  bald  zeigte  sich,  dass  der  Trierer 
wesentlich  höhere  Forderungen  zu  stellen  entschlossen  war,  als 
man  in  Wien  vermuthet  hatte.  Es  war  das  Wenigste,  dass 
man  den  Vertretern  Leopolds  zu  verstehen  gab,  der  Kurfürst 
wünsche  die  Bezahlung  der  ihm  versprochenen  30.000  Gulden 
und   den   Kauf  des   Rittersitzes  Burweiler   für   seinen   Bruder 


1  Nach  dem  Berichte  Hohenfeld's  hat  sich  Karl  Kaspar  dahin  geäussert,  er 
habe  bei  der  letzten  Wahl  sein  Votum  nitro  offerirt,  man  h&tte  ihm 
damals  Ttel  Tersprochen,  als  er  aber  darum  gefiragt,  gesagt,  es  sei  jetxt 
nicht  mehr  Zeit,  er  hätte  seine  Forderungen  vor  der  Wahl  stellen  sollen. 

»  Instruction  für  Oettingen,  23.  Juni  l6o7.  W\-A.  (Wahlacten.)  Zu  gleicher 
Zeit  wurden  beträchtliche  Summen  für  die  beiden  Brüder  des  Knr- 
fÜrsten  und  dessen  Räthe  festgesetst. 


129 

Damian;^  das  waren  Forderungen^  zu  deren  Erfüllung  sich  der 
Wiener  Hof  allsogleich  bereit  erklärte.  ^  Etwas  bedenklicher  war 
schon,  dass  der  Kurfürst  die  zur  Werbung  von  1000  Mann  zu  Fuss 
und  500  zu  Pferde  noth wendigen  Summen  und  überdies  das  Ver- 
sprechen der  Wiener  Regierung  forderte,  bei  Spanien,  im  Falle 
Leopold  gewählt  werden  sollte,  die  Verzichtleistung  auf  die  von 
dieser  Macht  zu  Karl  Kaspars  Nachtheile  geltend  gemachte  Pro- 
tection über  die  Stadt  Trier  durchzusetzen.  ^  Doch  auch  zur  Ge- 
währung dieser  Forderungen  erklärte  sich  Leopold  bereit*  und 
begehrte  die  Abfassung  eines  Vertrages.  Als  aber  wenige  Wochen 
später  der  Abgesandte  des  Kurfürsten,  Achatius  Freiherr  von 
Hohenfeld,  in  Prag  die  Forderungen  seines  Herrn  genau  präci- 
sirte,  fanden  sich  unter  denselben  so  manche,  die  Leopold  nicht 
erMen  konnte.  Denn  Karl  Kaspar  begehrte  eine  Summe  von 
50.000  Thalern  zur  Fortification  von  Coblenz  und  erklärte,  nur 
nach  Erhalt  dieser  Summe  von  dem  Anerbieten  Leopolds,  die  zur 
Werbung  von  1000  Mann  noth  wendige  Summe  —  12.000  Thaler 
—  zu  erlegen,  Gebrauch  machen  zu  können ;  er  forderte  femer, 
dass  Spanien  der  Protection  über  die  Stadt  Trier  gänzlich  ent- 
sage und  den  Abt  von  St.  Maximin  zum  Gehorsam  an  ihn, 
den  Kurfürsten,  weise,  dass  ihm  für  die  Zeit  des  Aufenthaltes 
in  Frankfurt  4000  Thaler  monatlich  und  nach  der  Wahl  Leo- 
polds 100.000,  seinem  Bruder  20.000  Gulden  gegeben  werden 
sollten.^  Dass  die  Wiener  Regierung  nur  einen  Theil  dieser 
Forderungen  billigte,^  verletzte  den  Trierer.  Als  Hohenfeld 
ihn  von  dem  Ergebnisse  seiner  Mission  in  Kenntniss  setzte, 
schüttelte  er  das  Haupt  und  meinte:  ,Ich  verkaufe  zwar  mein 
Votum  imd   erste  Stimme   nicht,   sonst  würde   mir  Frankreich 


1  Der  Kalifschilling  betrug  15.000  Gulden.     Volmar  an  Leopold,  27.  Juli 

1667.  W.-A.  (Wahlacten.) 
'  Votum  deputatorum,  1.  August  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 
'  Oettingen    und   Lobkowitz    an  Leopold,    1.   September   1657   und  Karl 

Kuspar  an  Leopold,  26.  August  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

*  Leopold  an  Karl  Kaspar,  18.  September  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

^  Hohenfeld's  Schreiben  vom  30.  September  1657  und  Votum  deputatonim, 
27.  October  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

*  Der  Wiener  Hof  erklärte  sich  bereit,  das  zur  Werbung  der  1000  Mann, 
deren  Führer  zugleich  in  kaiserlichen  Eid  genommen  werden  sollten, 
nothwendige  Geld  hergeben,  bei  Spanien  fiir  Trier  ein  gutes  Wort  ein- 
legen und  dem  KurfQrsten,  sowie  dessen  Bruder  nach  der  Wahl  eine 
entsprechende  Summe  Geldes  zur  Verfügung  stellen  zu  wollen. 

ArckiT.  Bd.  LXIIU.  I.  Hilft«.  9 


130 

zweimal  so  viel  geben-,  es  hat  mir  eine  hohe  Summe  und 
meinem  Bruder  eine  standesgemässe  Herrschaft  versprochen 
und  meine  Stimme  nur  für  den  Fall  begehrt,  dass  der  von 
Frankreich  aufgestellte  Candidat  so  wie  so  die  Majorität  fiir 
sich  hat;  umsomehr  verwundere  ich  mich  (über  des  Wiener 
Hofes  Vorgehen),  weil  ich  weiss,  dass  anderen  Mitgliedern  des 
kurfürstlichen  CoUegs  grosse  Geldsummen  und  ansehnliche 
Hen'schaften  zugesichert  worden  sind/  Dem  Oesterreich  günstig 
gesinnten  trierschen  Kammerpräsidenten  schien  es,  als  ob  der 
Kurfürst  schwankend  geworden  sei.  ,Ich  habe  den  Kurflirsten,^ 
schrieb  er  nach  Prag,  ,ziemlich  alterirt  gefunden;  er  weiche 
von  seinem  Vortrage  nicht  ein  Haar.  So  Ihre  May.  nicht  wohl 
resolvirt  ist,  dürfte  man  Trier  wohl  ganz  verlieren.  Ich  warne 
treulich;  Mainz  bekommt  ihr  nicht,  müsste  gar  wunderbarlich  her- 
gehen, Heidelberg  hat  Geld  von  Frankreich  bekommen,  Neu- 
burg hebt  den  Kopf  auch  wieder  empor.  Wenn  Baiem  nicht 
will,  wird  Neuburg  hervorgesucht  werden ;  Böhmen  hat  grosse 
Gefahr  mit  den  meisten  Stimmen  aufzukommen.  Ich  habe  trea- 
lieh  gewarnt  und  warne  noch ;  denn  es  ist  hohe  Zeit.'  ...  * 

An  der  Richtigkeit  dieser  Bemerkungen  konnte  man  in 
Prag  nicht  zweifeln;  man  wusste  daselbst,  was  mit  der  Stimme  des 
Trierers  auf  dem  Spiele  stand ;  allein  es  lag  nicht  in  der  Macht 
Leopolds  und  seiner  Räthe,  alle  Forderungen  des  Kurfürsten 
zu  erfüllen.  Der  grössere  Theil  betraf  Dinge,  über  die  allein 
Spanien  entscheiden  konnte,  und  Peneranda,  den  man  anginge 
erklärte,  die  Fragen  bezüglich  der  Stadt  Trier  und  St.  Maxi- 
mins,  als  Rechtsfragen,  nicht  entscheiden,  sondern  blos  das  Be- 
gehren Karl  Kaspars  bei  seinem  Herrn  befürworten  zu  können^ 
und  betonte  im  Uebrigen,  dass  er  zu  jeder  Geldleistung  bereit 
sei,  falls  der  Kurfürst  ein  bindendes  schriftliches  Versprechen 
bezüglich  seiner  Stimme  gebe,  auf  blosse  Worte  hin  sich  aber 
zu  nichts  verstehen  könne.  ^  Diese  allgemein  gehaltenen  Ver- 
sprechen befriedigten  die  Räthe  Leopolds,  die  des  Trierers  For- 
derungen gerne  vollständig  gutgeheissen  hätten,  nicht.  In  der 
That  wurden  Volmar  Weisungen  gegeben,  die  zwar  nicht  im 
principiellen  Gegensatze  zu  Peneranda's  Erklärungen  standen, 
jedoch  weit  über  das  von  ihm  Gebilligte  hinausgingen. 


1  Hohenfeld'8  Schreiben  vom  30.  September  16ö7.  W.-A.  (Wählacten.) 

2  Votum  deputatomm  vom  27.  October  1657.  W.-A.  (Wählacten.) 


131 

Nicht  nur  die  von  Karl  Kaspar  für  sich  und  seine 
BrQder  begehrten  Summen^  die  Vermittlung  bei  Spanien^  die 
Gelder  für  die  Werbjing  der  1000  Mann  wurden  zugestanden^  son- 
dern Volmar  hatte  auch  Befehl,  als  Ersatz  für  die  50.000  Thaler, 
welche  Trier  fUr  den  Ausbau  der  Festung  Coblenz  forderte, 
die  Spanien  nicht  bewilligen  wollte,  Leopold  aber  momentan 
nicht  bewilligen  konnte,  in  des  Letzteren  Kamen  dem  Kur- 
fürsten 50.000  Gulden,  die  in  zwei  nicht  näher  bezeichneten 
Terminen  erlegt  werden  sollten,  zu  versprechen.  *  Trotz  alle- 
dem kam  die  von  Leopold  gewünschte  Einigung  vorerst  nicht 
zu  Stande,  denn  der  Kurfürst  blieb  bei  der  Forderung  der 
50.000  Thaler  und  erklärte,  ohne  den  sofortigen  Erlag  der 
Hälfte  dieser  Summe  und  das  Versprechen,  innerhalb  eines 
halben  oder  längstens  eines  Jahres  die  andere  Hälfte  zu  er- 
halten, sich  in  keinerlei  Weise  binden  zu  wollen.  ^  Der  junge 
König  suchte  von  Neuem  einen  Ausgleich  herbeizuführen.  Da 
aber  seine  Räthe  immer  wieder  von  der  Unmöglichkeit  be- 
richteten, den  Trierer  zum  Aufgeben  seiner  Forderungen  zu 
vermögen,  beschloss  er,  die  Verhandlungen  durch  persönliches 
Eingreifen  zum  Abschlüsse  zu  bringen.  In  der  That  hat  Leo- 
pold kurz  nach  seiner  Ankunft  in  Frankfurt  die  entscheidenden 
Schritte  dazu  gethan.  Von  ausschlaggebender  Bedeutung  fUr 
dieselben  wurde  die  Erwägung,  dass  man  der  Unterstützung 
des  Trierers,  obgleich  die  Wahl  Leopolds  gesichert  war,  in  drin- 
gendster Weise  bedürfe,  um  die  von  den  Gegnern  Oesterreichs 
geplante  Beschränkung  der  kaiserlichen  Macht  zu  verhindern. 
Da  nun  der  Kurfürst  erklärte,  bei  der  ihm  von  Frankreich 
drohenden  Gefahr,  sich  nur  dann  xückhaltslos  für  Leopold  aus- 
sprechen zu  können,  wenn  ihm  genügende  Sicherheit  geboten 
werde,  diese  aber  in  der  blossen  Gewährleistung  seines  Besitzes 
nicht  fand,  vielmehr  die  Befestigung  der  Stadt  Coblenz  für  uner- 
iässlich  dazu  hielt,  beschlossen  die  Räthe  Leopolds  in  einer  unter 
dem  Vorsitze  des  jungen  Königs  gehaltenen  Berathung,  von 
Peneranda  die  zur  Erfüllung  dieses  Begehrens  nothwendigen 
Summen  zu  fordern. '    Dies  gelang,  wenngleich  nicht  ganz  in 


»  Leopold  an  Volmar,  28.  October  1667.  W.-A.  (Wahlacten.) 

^  Anetban  an  Volmar,  27.  November  1657.   Beilage  zum  Berichte  Volmar^s 

vom  1.^.  December  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 
'  Votum  depaUtorum  vom  28.  Mars  1658.  W.-A.  (Wahlacten.) 

9* 


132 

der  von  Trier  gewünschten  Form.  Neue  Verhandlungen,  die 
nothwendig  waren,  und  die  Langsamkeit,  mit  der  das  Wiener 
Cabinet  jener  Tage  amtirte,  verzögerten  den  Abschluss.  Erst 
am  22.  Juni  1658  wurde  der  Vertrag  unterzeichnet.  Derselbe 
enthielt  das  Versprechen  des  Kurfürsten,  ,au8  freiem  Ent- 
schlüsse und  in  Erwägung  der  von  einer  neuerlichen  Verzö- 
gerung der  Wahl  drohenden  Gefahren  die  Wahl  eines  Eiüsers 
fördern  und  dieselbe  auf  Leopold  dirigiren  zu  woDen^  Zu 
gleicher  Zeit  verpflichtete  sich  Karl  Kaspar  den  österreichischen 
Truppen  den  Pass  und  Repass  zu  Wasser  und  zu  Lande  so 
oft  als  nöthig  zu  gestatten.  Leopold  dagegen  bot  dem  Kur- 
ftirsten  über  den  gewöhnlichen  Schutz,  den  derselbe  als  Kur- 
flirst  zu  fordern  berechtigt  war,  vollständige  Sicherung  gegen 
alle  jene,  die  ihn  ob  seiner  Haltung  in  der  Wahlangelegenheit 
angreifen  würden,  und  Schadloshaltung  im  Falle  eines  Krieges 
an,  und  erklärte  sich  bereit,  über  die  zur  Werbung  eines  Regi- 
mentes von  1000  Mann  zu  Fuss  bereits  gezahlten  12.000  Thaler, 
weitere  6000  Thaler  und  bei  dauernder  Gefahr  monatlich  über- 
dies 3000  Thaler  so  lange  erlegen  zu  wollen,  bis  der  Kurfürst 
die  geworbenen  Völker  dem  künftigen  Kaiser  überlassen  könne. 
Ueberdies  aber  wurde  dem  Kurflirsten,  im  Falle  er  in  seinem 
eigenen  Lande  angegriffen  werden  sollte,  der  Anmarsch  der  ge- 
sammten  österreichischen  Armee  gegen  die  Verpflichtung  zu- 
gesagt, für  deren  Verpflegung  zu  sorgen,  und  zur  Fortsetzung 
des  Coblenzer  Festungsbaues  eine  Summe  von  50.000  Gulden 
bewilligt,  deren  eine  Hälfte  gleich,  die  andere  innerhalb  Monats- 
frist nach  erfolgter  Wahl  erlegt  werden  sollte.  Schliesslich  ver- 
sprach Leopold  mit  seinem  ganzen  Einflüsse  dahin  wirken  zu 
wollen,  dass  die  zwischen  der  Krone  Spanien  und  dem  Kurftlrsten 
von  Trier  bestehenden  Differenzen  zu  Gunsten  des  Letzteren 
ausgeglichen  würden.  ^ 

•• 
Y-  Köln, 

Unter   den   geistlichen   Kurfürsten   war   es   unzweifelhaft 
der  Kölner,  der  die  Candidatur  Leopolds  am  unliebsten  sah.^ 

»  Vertrag  vom  22.  Juni  1658.  W.-A.  (Wahlacten.) 

2  Es  scheint  mir  bezeichnend  für  die  Stärke  der  Abneigung  des  Kölner 
Kurfürsten  gegen  die  Wahl  Leopolds,  dass  in  den  zeitgenössischen  Flag- 
Bchriften    der    Kölner    überall    als    Gegner    der   habsburgischen   Wahl 


133 

Nicht  dass  Maximilian  Heinrich  eine  besondere  Abneigung 
gegen  die  Person  des  jungen  Königs  gehabt  hätte.  Es  liegt 
kein  Beweis  dafiir  vor,  dass  ihm  der  Herzog  von  Neuburg,  oder 
der  EIrzherzog  Leopold  Wilhelm  besser  zu  Gesichte  gestanden 
wäre  als  Leopold.  Auch  reichspatriotische  Gründe  dtii'ften  es 
nicht  gewesen  sein,  welche  ihn  vermochten,  der  Wahl  Leo- 
polds Hindemisse  in  den  Weg  zu  legen.  Es  waren  vielmehr 
ganz  persönliche  Motive,  die  ihn  zu  einem  solchen  Vorgehen 
bewogen.  Er  glaubte  vom  Hause  Habsburg  in  mehr  als  einer 
Hinsicht  beleidigt  und  benachtheiligt  worden  zu  sein.  Er 
konnte  es  nicht  verwinden,  dass  nicht  ihm,  sondern  dem 
Mainzer  die  Elrönung  Ferdinand  IV.  tibertragen  worden  war, 
dass  der  Wiener  Hof  die  Versprechen  nicht  eingelöst  hatte, 
die  er  bei  dieser  Gelegenheit  gegeben,  dass  er  durch  die  Ein- 
falle der  spanisch  -  cond^isch  -  lothringischen  Völker  wiederholt 
Schaden  gelitten  hatte.  Hält  man  damit  zusammen,  wie  mächtig 
auf  ihn,  dessen  Ehrgeiz  seine  Befähigung  weit  überstieg,  die 
Erwägung  wirken  musste,  dass  die  Wahl  eines  Witteisbachers 
in  diesem  Momente  bei  ernstem  Willen  der  Betheiligten  durch- 
gefbhrt  werden  konnte,  so  wird  man  begreifen,  wie  leicht  es 
geistig  hochbegabten  Männern,  wie  den  Brüdern  Ftirstenberg, 
werden  musste,  den  von  ihnen  völlig  abhängigen  Fürsten  für 
jene  Schaukelpolitik  zu  gewinnen,  welche  die  Fürstenberge, 
insbesondere  Franz  Egon,  in  dieser  wie  in  allen  anderen 
Fragen  getrieben  haben.  Es  kann  nicht  unsere  Aufgabe  sein, 
in  diesem  Zusammenhange  die  vielverschlungenen  Fäden  der 
inrstenbergischen  Politik  in  der  Wahlfrage  zu  entwirren  oder 
die  Umstände  auseinander  zu  setzen,  unter  denen  dieselben  von 
Baiem  auf  Neuburg,  von  Neuburg  auf  Leopold  Wilhelm, 
von  diesem   wieder    auf  Baiem    ihre   Sympathien    übertragen 


eraeheint.  Frischmann  in  seinem  Collegium  Electorale  de  eligendo  Roma- 
ooruin  imperatore  1657  und  Wicquefort  in  seinem  Discours  erklären,  so 
verschieden  sie  auch  sonst  über  die  voraussichtliche  Entscheidung  der 
einzelnen  Kurfürsten  denken,  übereinstimmend,  der  Kölner  werde  gegen 
Oesterreich  und  für  Baiern  stimmen.  Ich  bemerke,  dass  ich  in  diesem 
Znsammenhange  mich  in  eine  Kritik  der  zeitgenössischen  Literatur  nicht 
eingelassen  habe.  Ich  denke  das  in  anderem  Zusammenhange  zu  thun.  Für 
die  Kritik  der  Schriften  zur  Wahl  Leopolds  vgl.  übrigens  Droysen  J.  G., 
Zur  Quellenkritik  der  deutschen  Geschichte  des  17.  Jahrhunderts.  Forsch, 
zur  deutschen  Geschichte,  IV,  15  ff. 


134 

haben.  *  Nur  das  Verhältniss  des  Wiener  Hofes  zu  Maximilian 
Heinrich  und  die  Umstände  in  Kürze  zu  schildern^  unter  denen 
schliesslich  auch  die  Stimme  des  Kölner  Kurfürsten  fUr  Leo- 
pold  gewonnen  wurde,  sei  mir  gestattet. 

Eine  besonders  günstige  Ansicht  von  Maximilian  Heinrich 
hat  man  in  Wien  von  vornherein  nicht  gehabt.  Sein  Ver- 
halten in  der  Wahlangelegenheit  zu  Lebzeiten  Kaiser  Ferdi- 
nand ni.  gab  wenig  Hoffnung  auf  ein  Entgegenkommen.  Man 
war  daher  auch  nicht  überrascht^  als  Volmar  nach  seiner  ersten 
Unterredung  mit  dem  KurfUrsten  und  dessen  Käthen  von  den 
ausweichenden  Erklärungen  Maximilian  Heinrichs  und  den 
direct  ablehnenden  des  leitenden  Ministers  Franz  Egon  Ftirsten- 
berg  meldete.  2  Man  suchte  durch  Versprechen  auf  den  Kur- 
fürsten und  durch  Bestechung  auf  seine  Minister  zu  wirken.^ 
Trotz  alledem  kam  man  nicht  um  einen  Schritt  weiter.  Franz 
Egon  von  Fürstenberg  erklärte  dem  kaiserlichen  Gesandten 
—  es  geschah  dies  in  jenen  Tagen,  da  Boineburg  und  Wilhelm 
Fürstenberg  nach  München  eilten,  um  die  Stimmung  Ferdinand 
Marias  zu  erforschen  —  die  Wahl  Leopolds  sei  unmöglich  und 


1  Für  die  Politik  der  Fürstenberge  in  der  Wahlfrage  TgL  Ennen,  Frank- 
reich und  der  Niederrhein,  I.  und  Heide  1.  c,  8  u.  a.  O. 

'  Bericht  Volmar*»  vom  9.  Juni  16ö7.  Wenn  Fürstenberg  in  dieser  Zeit 
behauptete,  Kanstein,  Friedrich  Wilhelms  Vertreter,  habe  ihm  g^esa^: 
,SoTiel  die  personam  eligendi  regis  anlangte,  da  vermeinte  sein  gne- 
digster  ChurfÜrst  und  Herr  gar  nit  rathsamtt  sein,  daß  man  wideramb 
einen  auß  dem  Hauß  Oestereich  nemmen  solte,  sonderlich  die  su  Hmi- 
garn  und  BOheimb  K.  M. ;  deroselbeu  potentia  seye  gar  zu  hoch,  sonder- 
lich wann  E.  M.  Heurath  mit  der  Infanta  in  Hispanien  fortgehen  und  also 
beede  Mouarchiae  coniungirt  werden  solten*,  so  stimmt  dies  wenig  mit 
dem  überein,  was  Kanstein  über  diese  Unterredung  mit  Fürstenberg  an 
seine  Regierung  berichtete.  Urkunden  und  Acten  etc.,  VHI,  440. 

3  Instruction  für  Oettingen,  23.  Juni  1657.  Egon  von  Fürstenberg  wurden 
im  Falle  der  Wahl  Leopolds  die  Stifter  Murbach  und  Luders  ver- 
sprochen. Da  man  aber  am  Wiener  Hofe  wusste,  dass  der  Fürstenberger 
das  Stift  Strassburg  wünsche,  wurde  Oettingen  angewiesen,  falls  es  sich 
herausstellen  sollte,  dass  Fürstenberg's  Einfluss  so  bedeutend  sei,  dass 
er  dem  Hause  Habsburg  die  Stimmen  der  drei  geistlichen  Kurftirsten 
sichern  könne,  dem  Fürstenberger  zu  versprechen,  dass  Leopold  den 
Erzherzog  Leopold  Wilhelm  bewegen  werde,  auf  Strassburg  zu  Gunsten 
Fürstenberg's  zu  verzichten.  Auch  für  den  kurkdlnischen  Kanzler  Busch- 
mann und  andere  Räthe  Maximilian  Heinrichs  wurden  OeldbelohBungen 
in  Aussicht  gestellt. 


135 

empfahl   die    des  Erzherzogs  Leopold  Wilhelm.     Und   als   die 
Vertreter  Leopolds  die  Behauptung  aussprachen^  dass  der  Erz- 
herzog  niemals   die  Krone   annehmen  werde^   meinte  Fürsten- 
berg, dann  werde   man   genöthigt   sein,   an  Baiem   oder  Neu- 
bui^  zu  denken.^  Begreiflich,  dass  unter  solchen  Umständen  das 
Wiener  Cabinet,   dem  von   allen  Seiten  Nachrichten   über  das 
Oesterreich  feindliche  Gebahren  der  Fürstenberge  zugingen,  die 
Hoffnung  aufgab,  Köln  zu  gewinnen.  Ende  August,  als  die  böh- 
mische Gesandtschaft  nach  Frankfurt  reiste,  urtheilte  man  über 
den  Kölner  Kurfürsten,  ,er  werde  entweder  simpliciter  auf  eine 
andere  Person  gehen,  oder  Leopold  Versprechen  geben,   dann 
aber  schliesslich  doch  seine  Stimme  einem  Gegencandidaten  zu- 
wenden*. ^     Nur  um   nichts   zu   verabsäumen,  was   unter  Um- 
ständen der  Wahl  Leopolds  förderlich  sein  könnte,  wurde  den 
Bevollmächtigten    der   Auftrag   ertheilt,    mit    dem    Kurfürsten 
zu  verhandeln,    und    dieselben    ermächtigt,    Fürstenberg    die 
Summe  von  100.000  Gulden  zu  versprechen,  falls  er  Kurtrier 
oder  Kurköln,  oder  letzteres  allein  für  die  Wahl  Leopolds  ge- 
winne. Im  Uebrigen  war  man  entschlossen,  die  Verhandlungen 
mit  den  anderen  KurfUrsten  zum  Abschlüsse   zu   bringen   und 
dann,  sei  es  mit,  sei  es  ohne  Kölns  Einwilligung,  die  Wahl  vor- 
zunehmen.    Li  der  That  hat  sich  denn  auch  der  Verkehr  der 
Räthe  Leopolds  mit  denen  des  Kölner  KurfUrsten  und  mit  diesem 
selbst  auf  das  AUemothwendigste  beschränkt.  Eigentliche  Ver- 
bandlungen sind   in  jenen  Monaten,   da   die  Entscheidung  be- 
treffs der  zu  wählenden  Person  fiel,   nicht  gepflogen  worden, 
b  allen  Fragen  aber,  die  inzwischen  auftauchten  und  zur  Be- 
rathung  kamen,  hat  der  Kölner  mit  zu  den  heftigsten  Gegnern 
des  Hauses  Habsburg   gezählt.     Auch  Egon  Ftlrstenberg   ver- 
hielt sich  lange  Zeit  zurückhaltend  und  ablehnend ;  erst  als  er 
sich  in  München  davon  überzeugt  hatte,  dass  Ferdinand  Maria 
niemals  die  Krone   annehmen  werde,   begann   er   einzulenken, 
um  dann,   nach   dem  Scheitern   der  Grammont'schen  Mission, 
in  einer  der  Wahrheit  hohnsprechenden  Weise  seine  Unschuld 
und  Neigung  für  das  Haus  Habsburg  betheuemd,   zu  Kreuze 


^  Oetüngen  und  Volmar  an  Leopold,  Frankfurt,  3.  August  1657.    W.-A. 

(Wahlacten.) 
'  Instruction    für    die    böhmische  Gesandtschaft,   27.  August  1657.    W.-A. 

(Wahlacten.) 


136 

zu  kriechen.  1   Es  hätte  der  Würde  Leopolds  entsprochen,  die 
Anerbietungen  dieses  doppelzüngigen  Mannes  mit  Umnuth  zu- 
rückzuweisen. Allein  man  glaubte  die  Unterstützung,  die  Fürsten- 
berg anbot,  nicht  entbehren  zu  können;   man   hoffte  auf  eine 
wahre  Umkehr  des  Ministers  und  meinte  in  diesem  Falle  auf  einen 
Erfolg   bei   Maximilian   Heinrich    rechnen    zu    können.     Auch 
diese  Hoffnung  hat  sich  als  eine  leere   erwiesen.     Fürstenberg 
nahm  Geld   und  Gut   von  Oesterreich,   aber  zu  gleicher   Zeit 
auch  von  Frankreich  und  fuhr  fort,  seinen  Herrn  zur  Förderung 
der  französischen  Pläne  zu  ermuntern.    Trotz  alledem  glaubte 
Leopold  die  Verhandlungen  mit  Kurköln  nicht  abbrechen   zu 
dürfen.     Er   hat   den  Kurfürsten  wenige  Tage  vor   seiner  Ab- 
reise aus  Prag  durch  ein  eigenhändiges  Schreiben  aufgefordert, 
nach  Frankfurt  zu  kommen  und  um  Förderung  der  Wahlsache 
gebeten  ^  und  bald  nach  seiner  Ankunft  in  Frankfurt  einen  seiner 
Räthe  den  Grafen  Tschernin,   zu   dem  säumenden  Kurfürsten 
gesendet.  ^     Aber  auch  dieser  Versuch  scheiterte.     Maximilian 
Heinrich  und  sein  Minister  betheuerten   zwar   wiederholt   ihre 
dem  jungen  Könige   und   seinem   Hause   günstige   Gesinnung, 
blieben  aber  im  Uebrigen  bei  der  Ansicht,  dass  die  Herstellung 
des  französisch-spanischen  Friedens  vor  der  Wahl  eine  Noth wen- 
digkeit sei,  von  der  nicht  abgesehen  werden  könne.  *  Und  wie 
in  dieser  Frage,   zeigte   sich   der  Kurfürst   von  Köln   in   allen 
übrigen  als  ein  unversöhnlicher  Gegner  des  Hauses  Habsburg, 
der  seine  Stimme  dem  jungen  Könige  nur  widerwillig  und  erst 
dann  gab,   als  demselben    durch  die  Wahlcapitulation  und  die 
dem  Abschlüsse  nahe  Liga  die  freie  Entfaltung   seiner  Kräfte 
unmöglich  gemacht  worden  war.  ^ 


1  Egon  Filrstenberg  au  Ferdinand  Khurtz,  28.  Januar  1668.     Vgl.  Heide 
1.  c,  43  f. 

2  Leopold  an  Maximilian  Heinrich,  23.  Januar  1658.   W.-A.  (Wahlacteo.) 

3  Bericht    Tschernin's    über    seine    Mission,    15. — 23.  März    1658.     W.-A. 
(Wahlacten.) 

^  Ebendaselbst. 

5  Vgl.  Heide  1.  c,  41  ff. 


137 


c.  Verhandlungen  mit  den  weltlichen  Kurfürsten. 

a.  Baieni. 

Für  den  gefUhrlicbsten  Concurrenten  Leopolds  hat  man 
am  Wiener  Hofe  von  allem  Anfange  an  den  Kurflirsten  von 
Baiern  gehalten.  Denn  dass  die  KurfUrsten  sich  zur  Wahl 
Ludwig  XIV.  nicht  entschliessen  würden,  galt  als  ausgemachte 
Sache,  und  gegen  die  Wahl  des  Neuburgers  sprach  in  erster 
Linie  die  von  Kurbrandenburg  zu  erwartende  Opposition.  Be- 
greiflich daher,  dass  man  mit  der  grössten  Spannung  den  Ver- 
handlungen folgte,  die  am  Hofe  Ferdinand  Marias  geführt 
wurden^  und  alles  Mögliche  aufzubieten  entschlossen  war,  um 
den  jungen  Kurfürsten  für  die  Sache  des  Hauses  Habsbui^ 
zu  gewinnen.  Ueber  die  Haltung  Ferdinand  Marias  war  man 
zur  Zeit,  da  die  Verhandlungen  begannen,  nicht  im  Klaren. 
Der  Einfluss  seiner  ehrgeizigen  jungen  Gemahlin  —  der  savoyi- 
schen  Prinzessin  Adelheid  *  —  machte  sich  in  bedenklicher 
Weise  geltend;  es  war  fraglich,  ob  derselbe  nicht  den  der 
Mutter  —  Maria  Anna  —  und  des  leitenden  Ministers  Maximilian 
Khurtz^  überwiegen  werde.  Dazu  kam,  dass  man  jetzt  eine 
ungleich  stärkere  Agitation  der  Gegner  des  Hauses  Habsburg 
in  München  erwarten  musste  als  in  den  Vorjahren.  Air  das 
gab  zu  Besorgnissen,  zu  gleicher  Zeit  aber  auch  zur  sofortigen 


'  Ueber  Adelheid  von  Sayoyen  vgl.  Gaadenzio  Claretta,  Adelaide  di 
Savoia  e  i  suoi  tempi,  1877;  Heide  G.,  Adelheid  von  Savoyen,  Cotta'sche 
Zeitschrift  für  Geschichte  und  Literatur,  Bd.  II.  Der  Artikel  Ueiger»  in 
den  Münchner  Sitzungsberichten,  1887,  beschäftigt  sich  mit  der  Zeit  von 
1647—1653.  Ueber  das  Verhalten  dieser  Fürstin  in  der  Wahlfrage 
spedell  G.  Heide  1.  c,  9  ff. 

'  Ueber  Maximilian  Khurtz'  Verhalten  in  der  Wahlfrage  vgl.  Heide  1.  c, 
16.  Wie  verhasst  dieser  Minister  den  Feinden  des  Hauses  Habsburg  war 
und  welche  Mühe  sich  diese  gaben,  ihn  zu  stürzen,  geht  aus  den  Corre- 
spondenzen  dieser  Zeit  hervor.  Maximilian  Khurtz  schreibt  darüber 
seinem  Bruder,  dem  Reichsvicekanzler,  am  19.  October  (W.-A.):  ,Man 
sucht  mich  parte  per  stratagema  allhier  untüchtig  zu  machen,  parte 
per  artem  meine  Treu  und  Redlichkeit  zu  tentiren,  per  stratagema,  weil 
man  mich  schier  einer  Untreu  bezichtigt;  um  willen  ich  gar  zu  viel 
von  der  verwittweten  kurfürstlichen  Durchlaucht  dependire  . . .  per  artem, 
weil  mir  KurkOln  allein  30.000  Reichsthaler  baar  und  in  contiuentt 
nach  der  Wahl  von  eigener  Hand  versprochen,  ich  aber  rotunde  re- 
fnsiret. .  .  .* 


138 

energischen  Inangriffnahme  der  Verhandlungen  Anlass.  Sobald 
man  am  Wiener  Hofe  zu  entscheidenden  Entschlüssen  in  der  Wahl- 
angelegenheit gelangt  war,  wurde  Graf  Wolkenstein  mit  demBe 
fehle  an  den  Hof  des  Kurfürsten  von  Baiern  gesendet,  Mittheilung 
von  dem  Abschlüsse  des  österreichisch-polnischen  Bündnisses' 
zu  machen  und  sich  zugleich  über  die  Stimmung  zu  orientiren, 
die  am  bairischen  Hofe  bezüglich  der  Successionsangelegenheit 
herrsche.^    Was  Wolkenstein  als  Resultat  seiner  Mission  nach 
Wien  berichtete,  lautete  nicht  allzugünstig.    Zwar  die  verwit- 
wete KurfUrstin  Maria  Anna,  Leopold  I.  Tante,  gab  die  besten 
Versprechen.     Sie  versicherte,  ihr  Sohn   habe   ihr  zu  wieder- 
holten Malen  betheuert,   er  werde  die  Krone  nicht  annehmen. 
Der  junge  Fürst   selbst  aber  verhielt  sich   äusserst  reservirt 
Er  erklärte,   er   halte   es   fiir  ungesetzlich,  sich  vor  der  Wahl 
bexUglich  der  zu  wählenden  Person  zu  entscheiden,  und  Wolken- 
stein glaubte  aus  der  Ungeduld,  mit  welcher  der  Kurfürst  seine 
Auseinandersetzungen  anhörte,  den  Schluss  ziehen  zu  müssenj 
dass  Ferdinand  A[aria  die  Kaiserkrone,   falls   ihm  dieselbe  an- 
geboten werden  sollte,  nicht  zurückweisen  werde.  ^  Diese  Mit- 
theilung Wolkenstein's  mosste  nun  den  Wiener  Hof  umsomehr 
beunruhigen,   als   man  daselbst  durch   den  Grafen  Maximilian 
Khurta  darüber  unterrichtet  war,   dass  die  Franzosen  bereits 
durch  Vermittlung  Maximilian  Heinrichs  von  Köln  ein  solches 
Anerbieten  an  Ferdinand  Maria  gestellt  hatten,  und  dass  dieser, 
wenn  auch  nicht  eingewilligt^   doch  auch  nicht  refosirt  hatte.  ^ 
Tm   ^^  dringender   schien    es    der  Wiener  Regierung,   durch 
Mouo  Vorhandlungen  den  jungen  Kurfürsten  von  diesem  für  das 
Hhu{^  Hab$biunr,   wie  für  die   katholische  Religion  überhaupt, 
$\>   verh^igni^svoUen  Schritte  absuhahen.    Als  Graf  Trautson, 
dorn  dio*t>  >[i$^^n   lutiel«   in  München  anlangte,  fand  er  Fer- 
dinand Maria  in  der^lben  Stimmung«  in  dar  ihn  Wolkenstein 
Yoriaii^Mi  hatte :  auch  Trautson  s^s^fnüber  blieb  er  dabei,  sich 
nicht    ontschciden   m    ki^nnen.     Beissere    Hoffiiung   gab   Graf 

*  l>N>c  .1*»  B«»l«»^  «v«i  tT.  Mai  1<»T    akf«^rw^  M  Kttdawski,  Histo. 
«%MmM  IVK^M«^  »V   ^jL^c^isMi  Vl»A»lu  n\  SM'   TgL  Pribna,  Berichte 

-  \\^^«<  ^%^  :»j^  )Ui  liK^r    \V^    \raUM«M.) 

'  Hm>v^^I  W\*4it^0««%r.>  a»$  R<y<mi^«rg.  17.  Joi  1«S7   W.A.  (WaUadan.) 

«  ^  «^^  4^^^  ^«9«««  Y^Httftihu^w  SM  H«i»  Fiifiaiai  )iarias  t^  Heide 


139 

Maximilian  Khurtz.    Er  verkannte  zwar  nicht  die  grossen  Ge- 
fahren, denen  der  Kurfürst  durch  die  fortwährenden  Lockungen 
der  vielen  Gegner  Oesterreichs  ausgesetzt  sei,  aber  er  glaubte, 
dass  es  bei  steter  Wachsamkeit  und  mit  einigen  Opfern  gelingen 
werde,  seinen  Herrn  von  einer  Verbindung  mit  Frankreich  ab- 
zuhalten.   Er  verkannte  auch  nicht  die  Berechtigung  gewisser 
Bedenken  gegen  Leopolds  Wahl  —  insbesondere  die  Verhält- 
nisse in  Italien  und  die  spanische  Heirat  schienen  ihm  von  Be- 
deutung —  aber  er  meinte,  auch  diese  könnten  beseitigt  werden.  * 
Noch  viel   hoffiiungsvoUer  als   der  Staatsmann  Khurtz   sprach 
die  leidenschaftliche  Maria  Anna.     Ihr   schien   es   sicher,  dass 
ihr    Sohn    dem    Hause    Habsburg    treu    bleiben,    die    Krone 
zurückweisen  werde.    Auch  war  sie  bereit,  Alles,  was  in  ihrer 
Macht   stand,    aufzubieten,   mü.   ihn  in    dieser  Ansicht  zu   be- 
stärken.  Sie  glaubte  dies  um  so  eher  thun  zu  können,  als  sie 
fest   davon    überzeugt   war,    dass    die    Annahme    der    Krone 
ihrem  Sohne  schweres  Unglück  bringen  würde.^    Und  Khurtz 
wie  Maria  Anna  waren  darin  einig,   dass   die   grösste  Gefahr, 
die  der   Candidatur   Leopolds   am   Münchner   Hofe   drohe,  in 
dem  Einflüsse  liege,   den   die  junge  KurfUrstin  auf  ihren  Ge- 
mahl  ausübte.     Bitterlich    klagte   Khurtz   über    das  Vorgehen 
Adelheids,  die  den  jungen  Kurfürsten,  so  oft  er  —  Khurtz  — 
denselben  von  der  Nothwendigkeit   des   engen  Anschlusses  an  , 
Oesterreich   überzeugt   habe,   für  die  gegentheilige  Auffassung 
zu  gewinnen   wisse,  ^  und   die   verwitwete   Kurfürstin   betonte 
ausdrücklich,   ,die  junge   Curfllrstin   verlange   die   keyserliche 
Hochheit   undt  werde   noch  mehr  instigiert  von  Ihrer  Frauen 
muetter;  sie  carezziere  aniezo  Ihren  Gemahl  den  Curfiirsten  mehr 
alß  zuvor  und  treibe  an,  dass  Ehr  nach  Franckhfort  raise  undt 
sie  mitnembe^^  Auch  sonst  stimmten  Khurtz  und  Maria  Anna  in 
ihren  Ansichten  über  die  Wahlverhältnisse  überein.  Sie  betonten 
Beide,  dass  der  Wahl  Leopolds  in  erster  Linie  von  den  rheinischen 
Kurfürsten  Hindemisse   in   den  Weg  gelegt  werden  würden.^ 


^  TrautsoD  an  Oettingen,    München,  18.  Juli,    und    an   Leopold,  22.  Juli 

1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 
2  Bericht   Trautaon's    an    Leopold,    ddo.  München,  24.  Juli  1657.    W.-A. 

(Wahlacten.) 
5  Desgleichen  vom  23.  Juli  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 
*  Desgleichen  vom  22.  Juli  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 
^Ebenda. 


140 

In  der  That  langten  in  jenen  Tagen  Boineborg  und  Wilhelm 
Fürstenberg  in  München  an,  um  Ferdinand  Maria  die  Kaiser^ 
kröne  anzubieten,  auf  den  schon  vorher  der  savoysche  Ge- 
sandte, Graf  Bigliori,  und  Landgraf  Georg  Christian  von  Hessen- 
Homburg  im  antiösterreichischen  Sinne  zu  wirken  versucht 
hatten.  Trautson  hatte  Gelegenheit,  sich  zu  überzeugen,  wie 
ernstlich  all'  diese  Männer  der  Candidatur  Leopolds  entgegen- 
arbeiteten. *  Air  dies  rief  am  Wiener  Hofe  grosse  Beunruhigung 
hervor.  Man  fürchtete  trotz  der  guten  Erklärungen  der  Kur- 
fllrstin  -  Mutter  und  des  leitenden  Ministers,  dass  Ferdinand 
Maria  der  Versuchung  erliegen  und  die  Hand  nach  der  ihm 
dargereichten  Krone  ausstrecken  werde.  £k  galt  daher,  so  bald 
als  mögUch  ein  bindendes  Versprechen  von  dem  jungen  Kur- 
fürsten zu  erhalten.  2  In  diesem  Sinne  wendete  sich  Erzherzog 
Leopold  Wilhelm  an  seine  Schwester.  Die  Bemühungen  der- 
selben und  des  Ministers  Maximilian  Khurtz  waren  von  Erfolg 
begleitet.  Schon  am  17.  August  konnte  der  Letztere  seinem 
Bruder,  dem  Reichs  vi  cekanzler,  berichten,  ,man  hat  meinen 
Herrn  abermals  mit  dem  Kaiserthron  von  unten  herauf  ge- 
kitzelt, er  bleibt  aber  bei  seiner  gefassten  Resolution,  die,  ich 
hoffe,  er  selbst  dem  Herrn  Bruder  überschreiben  wird  und  das 
mit  nächstem.'  ^  Und  eine  Woche  später  gieng  in  der  That 
»  das  Schreiben  des  Kurfürsten  von  Baiem  ab,  durch  das  er  seine 
Stimme  dem  Hause  Habsburg  anbot  und  zugleich  tun  Einleitung 
von  Verhandlungen  behufs  Errichtung  einer  Defensivallianz 
zwischen  beiden  Mächten  ersuchte.  *  Ueber  die  Gründe,  die 
Ferdinand  Maria  zu  diesem  Schritte  vermochten,  kann  kaum 
ein  Zweifel  obwalten.  Der  Einfluss  seiner  Mutter,  der  glühen- 
den Vertheidigerin  der  habsburgischen  Interessen,  sowie  des 
Herzogs  Albrecht  und  des  Grafen  Khurtz,  die  Erkenntniss  von 
dem  unausbleiblichen  Kampfe  mit  dem  Hause  Habsburg,  falls 
er  die  Wahl  annahm,  und  das  Bewusstsein,  sich  gegen  das- 
selbe nur  durch  vollständige  Unterwerfung  unter  Frankreich 
mit  Erfolg   vertheidigen    zu   können,   haben   unzweifelhaft   mit 


*  Bericht  Trautson's  vom  24.  Juli  1657.  Sehr  ausführlich,  aber  verworren 
und  ungeniessbar  sind  die  Mittheilungen  über  Trautson's  Aufenthalt  in 
München  bei  Walewski  1.  c,  II.  Theil,  I.  Abtheilung,  209  ff. 

2  Votum  deputatorum  vom  1.  August  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

3  Maximilian  Khurtz  an  Ferdinand  Khurtz,  17.  August  1657.  W.-A. 

*  Abgedruckt  bei  Heide  1.  c,  p.  30  f.,  Note. 


141 

in  erster  Linie  zu  dem  Entschlüsse  des  jungen  Fürsten  beige- 
tragen. Den  Ausschlag  scheint  aber  die  £rwägung  gegeben 
zu  haben,  dass  die  Anerbietungen  Frankreichs  und  der  rheini- 
schen Fürsten  nicht  so  rückhaltslos  waren,  als  Ferdinand  Maria 
gewünscht  hätte.  Frankreich  dachte  in  dieser  Zeit  an  die  Wahl 
Ludwig  XIV.,  die  Kurfürsten  von  Mainz  und  Köln  an  die 
des  Erzherzogs  Leopold  Wilhelm.  Den  Reden  der  Vertreter 
dieser  beiden  Kurfürsten  glaubte  Ferdinand  Maria  entnehmen 
zn  können,  dass  sie  Bedenken  gegen  seine  Erhebung  hatten. 
Sollte  er  unter  diesen  Umständen  wagen,  die  Macht  und  das 
Ansehen,  das  er  besass,  aufs  Spiel  zu  setzen,  um  einem  Ziele 
nachzujagen,  das  verlockend,  wie  es  war,  der  Gefahren  und 
Mühen  so  viele  in  sich  schloss,  das  ihn  in  die  heftigsten  Conflicte 
mit  jenem  Hause  bringen  musste,  an  das  ihn  sein  Glaube  und 
verwandtschaftliche  Beziehungen  wiesen  und  das  ihn,  wenn  er 
es  erreichen  wollte,  zu  einem  Sclaven  des  Reichsfeindes  machen 
musste?  Ferdinand  Maria  brauchte  nur  die  Ereignisse  der 
jüngstvergangenen  Zeit  an  seinem  geistigen  Auge  vorüberziehen 
zu  lassen,  um  der  Gefahr  bewusst  zu  werden,  die  ihm  drohte, 
wenn  er  die  Krone  erstrebte  und  annahm.  Welch*  ein  schmäh- 
hohes  Ende  hatte  jener  Pßllzer  gefunden,  der  sich  —  nicht 
zum  letzten  durch  den  Ehrgeiz  seiner  Gemahlin,  der  englischen 
Ehsabeth  —  hatte  verleiten  lassen,  die  böhmische  Königskrone 
anzunehmen.  Auch  Friedrich  hatte  man  allerseits  Hilfe  zuge- 
sagt und  dann  im  Stiche  gelassen.  Und  musste  nicht  das  Bei- 
spiel des  Vaters  bestimmend  auf  den  jungen  Fürsten  wirken? 
Auch  Maximilian  war  die  Kaiserkrone  angeboten  worden  und 
er  hatte  sie  zurückgewiesen,  obgleich  er  ehrgeizig  genug  war, 
sie  zu  erstreben,  und  Talente  genug  besass,  sie  mit  Würde  zu 
tragen.  Er  hatte  es  abgelehnt,  römisch- deutscher  Kaiser  zu 
werden,  weil  er  wusste,  dass  seine  eigene  Macht  nicht  hin- 
reiche, ihn  in  dieser  Stellung  zu  behaupten,  und  weil  er  von 
der  richtigen  Voraussetzung  ausging,  dass  man  auf  fremde 
Hilfe  nicht  bauen  dürfe.  Wie  treffend  solche  Erwägungen  waren, 
hat  die  Geschichte  bewiesen.  Denn  als  fast  ein  Jahrhundert 
später  ein  Nachkonmie  Maximilians  sich  durch  die  Versprechen 
auswärtiger  und  deutscher  Fürsten  verleiten  Hess,  in  einem 
Momente,  da  Oesterreichs  Macht  tiefer  gesunken  war  als  je 
vorher,  die  Kaiserkrone  sich  aufs  Haupt  zu  setzen,  konnte 
er  nur  wenige   Jahre   sich   des   Glückes    freuen;   von   seinen 


142 

Freunden  verlassen,  verlor  er  nicht  nur  den  Thron,  sondern 
musste,  wie  einst  Friedrich  von  der  Pfalz,  sehen,  wie  sein 
eigenes  Land  in  die  Hände  des  Feindes  fiel. 

Die  Wiener  Regierung  nahm  die  Nachricht  von  der  Ent- 
scheidung Ferdinand  Marias  mit  Jubel  auf.  Ferdinand  Khurtz, 
dem  der  KurfUrst  das  Schreiben  mit  der  Bitte  zugesendet  hatte, 
von  dem  Inhalte  desselben  nur  Leopold  und  dessen  Oheim 
Mittheilung  zu  machen,  war  ausser  sich  vor  Freude.  Er  ver- 
sprach sich  den  besten  Erfolg  davon  bei  den  übrigen  Kurfilrsten.' 
Und  wie  er,  dachten  der  junge  König  und  dessen  Oheim  Leopold 
Wilhelm.  Sie  haben  sich  darin  auch  nicht  getäuscht.  Der 
Entschluss  Ferdinand  Marias  war  von  der  grössten  Bedeutung. 
Denn  gerade  in  diesem  Momente,  da  der  Kurfürst  von  Baiern 
dem  Wiener  Hofe  das  Versprechen  gab,  die  Kaiserkrone,  fall» 
sie  ihm  angetragen  werden  sollte,  nicht  annehmen,  vielmehr 
ftir  das  Haus  Habsburg  agitiren  zu  wollen,  hatten  die  in  Frank- 
furt angelangten  Vertreter  Ludwig  XIV.  das  bairische  Project 
erst  recht  in  Gang  gebracht.  *  Und  so  gross  waren  die  Aner- 
bietungen der  Franzosen  und  das  Drängen  aller  Mächte,  die 
im  Interesse  Frankreichs  am  Hofe  Ferdinand  Marias  wirkten, 
so  nachhaltig  der  Einfluss,  den  Adelheid  von  Savoyen  auf 
ihren  Gemahl  zu  Gunsten  der  Candidatur  ausübte,  dass  alle 
jene,  welche  von  den  Abmachungen  des  Wiener  Hofes  und 
dem  Schreiben  Ferdinand  Marias  keine  Kenntniss  hatten,  nicht 
glauben  wollten,  dass  der  Kurfürst  all'  diesen  Versuchungen 
Stand  halten  werde.  ^  Insbesondere  in  den  letzten  Monaten 
des  Jahres  1657,  als  die  allarmirendsten  Nachrichten  aus  Mün- 
chen und  Frankfurt  über  die  Bemühungen  der  französischen 
Partei,  Ferdinand  Maria  zur  Annahme  der  Krone  zu  vermögen^ 
in  Prag  einliefen,   mehrte  sich  die  Zahl  jener  Männer,  welche 

»  Ferdinand  Khurtz  an  Maximilian  Khurta,  28.  Angnst  1657.  W.-A. 

'  Vgl.  weiter  unten. 

3  Auch  am  Hofe  Leopolds  gab  es  Viele,  welche  an  der  Aufrichtigkeit 
Baierns  zweifelten.  Unter  ihnen  auch  der  spanische  Botschafter  Peile- 
randa.  Ja  dieser  ging  so  weit,  die  vom  Hofe  begehrten  Qeldunter- 
stflttnngen  zu  versagen,  da  man  über  Baierns  Haltung,  ohne  dessen  Zu- 
stimmung nicht«  zu  erhoflfen  stünde,  im  Unklaren  sei.  Um  Penerand« 
zu  beruhigen,  sah  sich  die  Wiener  Regierung  genöthigt,  demselben  troU 
der  gelobten  Wahrung  des  Geheimnisses  wenigstens  theilweise  Mit- 
theilung von  dem  Inhalte  des  bairischen  Schreibens  vom  14  August  «» 
machen.  Votum  deputetorum  vom  12.  October  1667.  W.-A.  (Wahlacten ) 


143 

einen  Abfall  Baiems  von  Oesterreich  fürchteten.  Und  nicht 
eher  schwand  diese  Angst^  als  bis  das  Scheitern  der  Gbam- 
mont'schen  Mission  auch  den  kurzsichtigsten  Politikern  klar 
gemacht  hatte,  dass  Ferdinand  Maria  fest  entschlossen  sei,  die 
Krone,  falls  sie  ihm  angeboten  werden  sollte,  zurückzuweisen. 
Der  junge  Kurfürst  übersandte  das  Schreiben,  durch  das 
er  sich  verpflichtete,  in  der  Wahlfrage  für  das  Haus  Habs- 
burg einzutreten,  dem  Grafen  Ferdinand  Khurtz  mit  der  Bitte, 
von  dem  Inhalte  desselben  blos  dem  jungen  Könige  und  dessen 
Oheime  Mittheilung  zu  machen,  ihnen  die  Geheimhaltung  auf 
das  Dringendste  zu  empfehlen  und  das  Originale  des  kurfürst- 
lichen Schreibens  so  bald  als  möglich  zurückzusenden.  Zu 
gleicher  Zeit  ersuchte  Ferdinand  Maria  den  Reichsvicekanzler 
um  Förderung  des  zur  Sicherung  Baiems  geplanten  Abkommens.^ 
Khurtz  entsprach  dem  Wunsche  des  Kurfürsten  in  jeder  Hin- 
sicht Schon  am  5.  September  konnte  er  ihm  das  Original  des 
Schreibens  vom  24.  August  übersenden.  ^  Am  selben  Tage  er- 
gingen auch  die  Schreiben  des  jungen  Königs  und  seines 
Oheims.  Leopold  betheuerte  in  dem  seinen,  der  Kurfürst  hätte 
ihm  und  seinem  Hause  keinen  besseren  Beweis  seiner  Neigung 
geben  können  als  durch  die  in  der  Wahlfrage  abgegebene  Er- 
klärung, versicherte  denselben  der  strengsten  Geheimhaltung 
und  fUgte  im  Hinblicke  auf  die  von  Ferdinand  Maria  ge- 
wünschte Sicherung  für  den  Fall  eines  AngriflFes  die  Bemer- 
kung hinzu,  ,dass  sie  auf  allerhand  unverhofften  Fall,  der  ihnen 
ans  ihrer  mir  zu  best  gefassten  Resolution  begegnen  möchte, 
von  mir  und  meinem  Erzhaus  mit  aller  Macht  geschützt  und 
wider  alle  besorgende  Gewalt,  so  viel  Hilfe,  als  sie  bedürftig, 
unfehlbar  zu  erwarten  haben  sollen*.  *  Und  Erzherzog  Leopold 
Wilhelm  hob  in  seinem  Dankschreiben  ganz  ausdrücklich  hervor, 
er  freue  sich  über  die  Aeusserung  Ferdinand  Marias  zu  Gunsten 
Leopolds  ,als  wanns  mir  selber  geschehen  wäre'.^  In  der  That  aber 
hstte  der  Kurfürst  von  Baiem  der  Person  Leopolds  in  seinem 
Versprechen  nicht  Erwähnung  gethan,  vielmehr  bewusst  dem 
Schriftstücke  eine  allgemein  auf  das  Haus  Habsburg  gerichtete 

*  Ferdinand  Maria  an  Ferdinand  Khnrtz,   Schieissheim,  24.  August  1657. 
W.-A.  (Bavarica.) 

'  Ferdinand  Khurtz  an  Ferdinand  Maria,  5.  Juli  1667.  W.-A.  (Bavarica.) 
'  Leopold  an  Ferdinand  Maria,  ß.  Juli  1657.  W.-A.  (Bavarica.) 

*  Leopold  Wilhelm  an  Ferdinand  Maria,  6.  Juli  1657.    W.-A.  (Bavarica.) 


144 

Fassung  gegeben.  Es  entging  ihm  auch  nicht;  dass  der  Wiener 
Hof  seiner  Erklärung  eine  viel  bestimmtere  Deutung  gab,  als 
er  beabsichtigt  hatte ;  er  wusste^  dass  es  einen  ganz  besonderen 
Zweck  hatte,  wenn  Erzherzog  Leopold  Wilhelm  in  seinem 
Schreiben  die  Fähigkeiten  des  jungen  Königs  in  überschwäng- 
licher  Weise  pries.  Trotzdem  glaubte  er  an  den  allgemeinen 
Ausdrücken,  in  die  er  sein  Versprechen  in  der  Wahlangel^en- 
heit  gekleidet  hatte,  festhalten  zu  müssen.  Nicht  dass  er  die 
Wahl  Leopolds  nicht  wünschte ;  im  Gegentheil,  er  gönnte  dem- 
selben, wie  er  dem  Reichsvicekanzler  geschrieben  hat,  diese 
Würde  vom  Grunde  seines  Herzens  und  war  auch  bereit,  für 
ihn  einzutreten,  aber  erst  ,zu  seiner  Zeit',  wie  er  sich  aus- 
drückte. Im  gegenwärtigen  Momente  sich  bereits  auf  das  Be- 
stimmteste fUr  Leopold  auszusprechen,  hielt  er  mit  Rücksicht 
auf  die  von  allen  Seiten  geltend  gemachten  Bedenken  gegen 
die  Erhebung  des  jungen  Königs  zum  Kaiser  für  allzu  geßlhr- 
lich.  Und  um  so  eher  hoffte  er  den  Wiener  Hof  mit  dieser 
etwas  allgemein  gehaltenen  Versicherung  befriedigen  zu  können, 
als  er  zugleich  das  Versprechen  gab,  soweit  es  in  seiner  Macht 
stehe,  für  die  Beseitigung  der  Schwierigkeiten,  die  der  Wahl 
Leopolds  im  Wege  standen,  zu  wirken  und  damit  zu  er- 
kennen gab,  wie  sehr  er  principiell  mit  der  Wahl  des  jungen 
Königs  einverstanden  war.  Ferdinand  Maria  hat  in  vollem 
Masse  gehalten,  was  er  versprach.  In  jenen  ereignissreichen 
letzten  Monaten  des  Jahres  1657,  da  ein  Bote  Frankreichs  den 
andern  am  Hofe  Ferdinand  Marias  ablöste,  da  Mazarin  mit 
allen  möglichen  und  unmöglichen  Mitteln  auf  den  jungen  Kur- 
ftirsten  einzuwirken  suchte,  hat  dieser  in  ununterbrochener 
Correspondenz  mit  Leopold  gestanden,  ihm  von  allen  Ver- 
handlungen, die  an  seinem  Hofe  gepflogen  wurden,  Mittheilung 
gemacht  und  in  allen  Streitfragen,  über  die  in  Frankfurt  be- 
rathen  wurde,  auf  das  Eifrigste  die  Sache  Leopolds  vertreten. 
Niemand  hat  lauter  als  die  Vertreter  Ferdinand  Marias  gegen 
die  Fortdauer  des  Deputationstages,  gegen  die  Verzögerung  der 
Wahl  protestirt,  Niemand  ist  eifriger  als  sie  für  die  Admission 
der  böhmischen  Gesandtschaft  eingetreten. 

Es  war  nur  eine  natürliche  Folge  dieses  Vorgehens, 
dass  Ferdinand  Maria  immer  dringender  das  Bedürfhiss 
empfand,  von  Leopold  eine  Gewährleistung  seines  Besitzes 
zu    erlangen.     Bereits    in   jenem    Schreiben    vom    24.   August 


145 

hat  er  die  Ausstellung  eines  Assecurationsrecesses  gefordert 
and  diesem  Wunsche  in  seinen  an  Ferdinand  Khurtz  gerich- 
teten Briefen  seitdem  wiederholt  Ausdruck  verliehen.  *  Man 
war  am  Wiener  Hofe  sogleich  bereit,  dem  Begehren  des  Kur- 
ftirsten  von  Baiem  zu  entsprechen,  doch  verzögerte  das  schwere 
Leiden  des  Reichsvicekanzlers,  das  seinen  längeren  Aufenthalt 
in  Carlsbad  nothwendig  machte,  die  Abfassung  des  gewünschten 
Projectes.  Erst  Ende  October  konnte  Ferdinand  Khurtz  das- 
selbe nach  München  senden.  ^  Es  enthielt  das  Versprechen  des 
Wiener  Hofes,  den  Inhalt  des  kurfürstlichen  Schreibens  geheim 
zn  halten  und  Ferdinand  Maria  gegen  Jeden  zu  schützen,  der 
ihn  ob  seines  Verhaltens  in  der  Wahlangelegenheit  angreifen 
würde;  dann  aber  die  Forderung  der  Hilfe  Seitens  Baiem,  falls 
Oesterreich  vom  Feinde  angegriffen  werden  sollte,  sowie  die  aus- 
drücklichste Verpflichtung  für  den  Kurfürsten,  seine  Stimme  dem 
Könige  von  Ungarn  und  Böhmen  zu  geben.  ^  Ferdinand  Maria 
war  mit  dieser  allgemein  gehaltenen  Erklärung  des  Wiener  Hofes 
durchaus  nicht  einverstanden.  Er  betonte  —  mit  Recht,  wie 
mich  dünkt  —  eines  solchen  Recesses  bedürfe  er  nicht,  denn 
was  in  demselben  enthalten  sei,  habe  ihm  Leopold  bereits  mit 
Hand  und  Siegel  in  dem  Schreiben  vom  5.  September  zuge- 
sagt; er  forderte  vor  Allem  detaillirtere  Bestimmungen  über  die 
Trappenzahl,  mit  der  Leopold  ihm  zu  Hilfe  eilen  wolle,  falls 
er  im  eigenen  Lande  angegriffen  werden  sollte.-*  Um  eine 
rasche  Erledigung  zu  ermöglichen,  schlug  Ferdinand  Maria  die 
Zusammenkunft  zweier  mit  den  zum  Abschlüsse  nothwendigen 
Vollmachten  versehener  Abgesandten  der  beiden  Höfe  an  einem 
neutralen  Orte  vor.  Der  Wiener  Hof  ging  sogleich  auf  diesen 
Vorschlag  ein.  Um  die  übrigen  Mächte,  denen  das  Zusammen- 
treten Theisinger's  und  Puecher's,  der  Abgesandten  Baiems 
und  Oesterreichs,  nicht  unbekannt  bleiben  konnte,  zu  täuschen, 
wurden  Beschwerdeschriften  über  den  Einfall  bairischer  Truppen 
in  österreichisches   und  österreichischer  Truppen  in  bairisches 


1  Ferdinand   Maria   an    Ferdinand   Khnrtz,   12.  September  1657.    W.-A. 

(BaTarica.) 
>  Ferdinand    Khnrtz    an    Ferdinand    Maria,    31.    October    1657.    W.-A. 

(Bavarioa.) 
'  Project  des  Recesses  vom  28.  October.  W.-A.  (Bavarica.) 
*  Ferdinand   Maria   an   Ferdinand   Khnrtz,   5.    November    1657.    W.-A. 

(Bavariea.) 
Arehir.  Bd.  LXXUI.  I.  HUfke.  10 


146 

Gebiet  gewechselt^  und  die  Zusammenkunft  Tbeisinger's  and 
Puecher's  zu  Waldmünchen  als  Versuch  eines  Ausgleiches  in 
dieser  Streitfrage  hingestellt.  In  den  ersten  Tagen  des  De- 
cember  trafen  die  beiden  Männer  zusammen.  Gleich  die  ersten 
Berathungen  zeigten,  dass  noch  principielle  Differenzen  vor* 
lagen.  Puecher  erklärte,  über  die  Wahlfrage  nicht  verhandeln 
zu  wollen,  da  diese  bereits  erledigt  seL  Theisinger  wideroin 
behauptete,  nur  dann  in  Unterhandlungen  sich  einlassen  zn 
können,  wenn  die  Wahlfrage  zugleich  mit  der  des  Assecurations- 
recesses  vorgenommen  werde.  ^  Während  ein  Bote  Puecher's 
Leopold  die  Mittheilung  von  dieser  Forderung  des  bairischen 
Hofes  überbrachte,  machte  Theisinger  den  österreichischen  Be- 
vollmächtigten mit  •  den  Bedingungen  vertraut,  unter  denen 
sein  Herr  das  Abkommen  mit  der  österreichischen  Regierung 
treffen  wolle.  Dieselben  lauteten:  1.  Leopold  verpflichtet  sich, 
Ferdinand  Maria  gegen  Jedermann  zu  vertheidigen,  der  densel- 
ben ob  seiner  Haltung  in  der  Wahlangelegenheit  angreift;  speciell 
2.  gegen  den  Kurfürsten  von  der  Pfalz  und  dessen  Adhärenten. 
Fällt  die  Wahl  auf  ein  Mitglied  des  Hauses  Habsburg,  so  wird 
Leopold  sich  bemühen,  die  Differenzen  zwischen  diesen  beiden 
Kurfürsten  auszugleichen.  3.  Die  Hilfe  für  Baiem  soll  aus  7000 — 
8000  Mann  zu  Fuss  und  4000—5000  zu  Ross  deutscher  Truppen 
bestehen.  Doch  bleibt  es  dem  Belieben  des  Kurfürsten  überlassen, 
eine  grössere  oder  geringere  Anzahl  Fussleute  oder  Reiter  zu 
wählen.  4.  Leopold  wird  dem  Kurfürsten  mit  Proviant  und  Mu- 
nition an  die  Hand  gehen.  5.  Bietet  sich  die  Gelegenheit,  so  wird 
Leopold  die  kurfürstlichen  Truppen  aus  seinen  Erbländem  mit 
Quartieren,  Munition  etc.  versehen.  In  jedem  Fall  verpflichtet 
sich  Leopold  6.  darauf  zu  achten,  dass  des  Kurfürsten  Lande 
mit  Winterquartieren  verschont  werden.   7.  Fällt  die  Wahl  auf 


1  Dieser  Gedanke  war  von  Ferdinand  Maria  ausgegangen,  Postsoriptnm 
zum  Schreiben  vom  5.  November  1657.  W.-A.  (Bavarica.)  Am  10.  No- 
vember ergeht  die  Beschwerdeschrift  Leopolds  an  Ferdinand  Maria,  am 
15.  November  die  von  Baiem  an  Leopold.  Am  Tage  nach  dem  Ab- 
gange der  Beschwerdeschnften  richtet  Ferdinand  Maria  an  Ferdinand 
Khurtz  und  dieser  an  jenen  ein  Privatschreiben,  in  welchem  aatdrüek- 
lieh  hervorgehoben  wird,  dass  den  officiellen  Schreiben  keine  Bedeutung 
beizumessen  sei. 

2  Bericht  Puecher's  ddo.  Waldmünchen,  6.  December  1657.  W.-A. 
(Wahlacten.) 


147 

ein  Mitglied  des  Hauses  Habsburg,  so  wird  der  Erwählte  Alles 
than,  damit  der  Kurfürst  nicht  in  Krieg  geräth  und  dass  wo- 
möglich für  alle  Zeit  sedes  belli  von  den  kurförstlichen  Län- 
dern entfernt  bleibe.  8.  Das  Commando  über  die  österreichischen 
Hilfstruppen  steht  dem  KurfUrsten  zu,  so  lange  die  Truppen 
in  seinem  Lande  kämpfen.  * 

Puecher  fand  diese  Forderungen  etwas  hoch  gegriffen, 
umsomehr  als  der  KurfUrst  in  der  Wahlfrage  bei  seinem  all- 
gemein gehaltenen  Versprechen  blieb  und  seinerseits  sich  zu 
einer  Hilfeleistung  Leopolds,  falls  dessen  Erbländer  angegriffen 
werden  sollten,  nicht  verstehen  wollte.  Doch  blieben  alle  Versuche 
Puclier's,  eine  Herabsetzung  zu  erwirken,  fruchtlos.  Theisinger 
drohte  vielmehr,  falls  nicht  binnen  Kurzem  die  von  ihm  ge- 
forderte Einwilligung  der  österreichischen  Regierung  zur  gleich- 
zeitigen Behandlung  der  Wahlfrage  einlangen  sollte,  abzureisen.^ 

Unterdessen  war  man  in  Prag  in  diesem  Punkte  zu  einem 
Entschlüsse  gelangt.  Puecher  erhielt  Befehl,  dem  Theisinger 
die  Eröffnung  zu  machen,  Ferdinand  Maria  habe  sich  Leopold 
und  dieser  jenem  gegenüber  bezüglich  der  Wahlfrage  so  er- 
klärt, dass  Leopold  diese  Angelegenheit  fUr  abgeschlossen  und 
richtig  gehalten  habe ;  trotzdem  sei  man  bereit,  neue  Vorschläge 
des  bairischen  Kurfürsten  in  Erwägung  zu  ziehen.  Man  gab 
auf  diese  Weise  dem  bairischen  Hofe  zu  wissen,  dass  man 
eine  neuerliche  Erörterung  der  Angelegenheit  nicht  wünsche 
und  der  Stimme  des  KurfUrsten  fllr  Leopold  sicher  zu  sein  glaube, 
ohne  jedoch  durch  eine  entschiedene  Weigerung  den  bairischen 
Hof  zu  verletzen.  Ungleich  entgegenkommender  zeigte  sich 
die  österreichische  Regierung  bezüglich  der  von  Baiem  ge- 
stellten Forderungen.  Man  billigte  sie  fast  ausnahmslos;  nur 
die  Versehung  der  kurfürstlichen  Truppen  mit  Munition  und 
Proviant,  sowie  mit  Winterquartieren  in  den  Erblanden  wies 
man  entschieden  zurück  und  begehrte  von  Baiern  eine  reci- 
proke  Verpflichtung,  Leopold,  falls  er  in  seinen  Erblanden 
angegriffen  werden  sollte,  zu  unterstützen.  ^  Als  Puecher  dem 
Vertreter  Ferdinand  Marias  von  dem  Inhalte  der  kaiserlichen 
Weisung  Mittheilung   machte,    zeigte    sich    derselbe   durchaus 


^  Bericht  Paecher*8,  Waldmünehen,  6.  December  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 
'  Desgl^chen,  13.  December  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 
'  Weisung  an  Paecher  Yom  13.  December  1657.  W-A.  (Wahlacten.) 

10» 


148 

nicht  zufriedengestellt.  Er  meinte^  wenn  Leopold  statt  Ober 
das  Votum  und  die  Garantie  für  Baiem  über  gegenseitige 
Unterstützung  verbandeln  wolle^  wozu  er  keine  Instruction  habe 
und  wovon  man  am  Münchner  Hofe  nichts  wisse,  werde  die 
gewünschte  Einigung  niemals  erfolgen ;  die  reciproke  Verpflich- 
tung seines  Herrn  habe  sich  blos  darauf  bezogen^  dass  der- 
selbe neben  den  Truppen  Leopolds  zur  Sicherung  des  bairischen 
Landes  beitragen  solle.  *  Alle  Versuche  Puecher*s,  ihn  von 
dieser  Ansicht  abzubringen,  waren  vergebens.  Theisinger  er- 
klärte, nicht  länger  in  Waldmünchen  verweilen  zu  können; 
er  versprach,  in  München  über  das  Resultat  seiner  Verhand- 
lungen zu  berichten,  und  empfahl  dem  Vertreter  Leopolds 
fUr  die  vollständige  Befriedigung  der  von  Baiem  gestellten 
Forderungen,  zu  denen  er  einige  neue  hinzufügte,  einzutreten. ' 
Es  schien,  als  sollten  sich  die  Verhandlungen  noch  in  letzter 
Stunde  zerschlagen.  Allein  viel  zu  klar  war  an  beiden  Höfen 
die  Erkenntniss  von  der  Nothwendigkeit  eines  gemeinsamen 
Vorgehens,  als  dass  man  den  Abschluss  des  Bündnisses  um 
irgend  einer  Ursache  willen  unterlassen  hätte.  In  der  That  er- 
folgte derselbe  alsbald.  Der  RurfUrst  gab  seine  Geneigtheit  zu 
erkennen,  in  der  Wahlfrage  Leopolds  Wünschen  Rechnung  zu 
tragen,^  und  dieser  unterzeichnete  das  ihm  von  Ferdinand 
Maria  durch  Vermittlung  des  Grafen  Ferdinand  Khurtz  über- 
mittelte Project,  *  verzichtete  auf  eine  Hilfeleistung  Seitens  des 
Kurfürsten,  erklärte  sich  bereit,  bezüglich  des  Proviantes  ,ein 
und  andersmahl  etwas  beizuschaffen',  und  versprach  in  einem 
besonderen  Schreiben,  die  von  Baiern  gewünschte  Berathung 
wegen  des  Salzaufschlages,  der  Wassermauth  und  anderer 
Differenzen  in  Bälde  stattfinden  zu  lassen.  ^    Die  Gründe,  die 


1  Bericht  Puecher's,  Waldmünchen,  16.  December  1657.  W.-A.  (WahUoten.) 
^  Ebendaselbst.    Die  neuen  Forderungen  betrafen  den  übermässigen  Auf- 
schlag für  das  ,Hallingische  Salz*,  die  übermässige  Wassermauth  und 
die  Differenzen  zwischen  den  Bewohnern  Böhmens  und  des  KurfÜrsten- 
thums  Baiem. 
'  Ferdinand  Maria  an  Leopold,  1.  Januar  1658.  W.-A.  (Bavarioa.) 
^  Ferdinand  Maria  an  Ferdinand  Khurtz,   1.  Januar  1668.   W.-A.  (Bavi- 

rica.) 
^  Leopold  an  Ferdinand  Maria,  12.  Januar  1658.  W.-A.  (Bayarica.)  Auch 
zu  der  von  Ferdinand  Maria  gewünschten  Diatachirung  einer  grosseren 
Truppenzahl   an    die   böhmische    Qrenze  erklärte  sich  Leopold  bereit, 
Postscriptum  zum  Schreiben  vom  12.  Januar  1658. 


J 


149 

Leopold  bewogen,  in  allen  Punkten  die  Forderungen  Ferdinand 
Marias  zu  erfUUen,  liegen  auf  der  Hand.  Er  stand  auf  dem 
Sprunge,  nach  Frankfurt  zu  reisen.  EJr  wünschte  die  Wahl  so 
bald  als  möglich  vollzogen  zu  sehen.  Auf  die  Stimmen  von 
Mainz,  Trier,  Sachsen  imd  Brandenburg  glaubte  er  rechnen  zu 
können.  Gelang  es  ihm,  jetzt  auch  von  Baiern  eine  bindende  Er- 
klärung zu  erlangen,  dann  durfte  er  mit  dem  Bewusstsein  eines 
unausbleiblichen  Erfolges  die  Reise  nach  Frankfurt  antreten. 
Und  da  nun  Ferdinand  Maria  in  einem  eigenhändigen  Schreiben 
Leopold  nicht  mehr  in  der  aUgemeinen  Fassung  der  Erklärung 
Tom  24.  August,  sondern  in  ganz  unzweideutiger  Weise  seine 
Stimme  zugesagt  hatte,  ^  glaubte  das  Wiener  Cabinet  dieses 
Versprechen  durch  die  Nichtunterfertigung  des  in  denselben 
Tagen  übersendeten  Vertragsprojectes  nicht  rückgängig  machen 
zu  dürfen.  Am  12.  Januar  erfolgte  die  Unterzeichnung  des 
Recesses  durch  Leopold.  Eine  wesentliche  Aenderung  in  den 
Beziehungen  der  beiden  Fürsten  durch  denselben  trat  nicht 
ein.  Auch  wurde  es  leicht,  den  Vertrag  geheim  zu  halten. 
Der  Kurflirst  von  Baiem  hatte  sich  schon  seit  Monaten  Oester- 
reich  so  günstig  gesinnt  gezeigt,  dass  es  nicht  auffallen  konnte, 
wenn  er  auch  jetzt  in  den  strittigen  Fragen  auf  das  Entschie- 
denste die  Sache  Leopolds  vertrat. 

ß.  Brandenburg. 

Mehr  als  bei  den  Verhandlungen  des  Wiener  Hofes  mit 
den  übrigen  Kurfürsten  trat  bei  jenen  mit  dem  Kurfürsten 
von  Brandenburg  der  innige  Zusammenhang  der  Wahlangelegen- 
heit mit  den  anderen  grossen  Fragen,  welche  die  politische 
Welt  der  damaligen  Zeit  in  Spannung  erhielten,  zu  Tage. 
Denn  obgleich  Friedrich  Wilhelm  schon  in  dem  Momente,  wo 
mit  dem  Tode  Ferdinand  III.  die  Wahlfrage  eine  brennende 
geworden  war,  erkannte,  dass  die  Erhebung  Leopolds  allein 
den  Literessen  des  Reiches  entspreche,  hat  er  lediglich  im  Hin- 
blicke auf  die  allgemeine  Lage  der  Dinge  und  der  schwanken- 
den Stellung,  welche  er  selbst  innerhalb  der  sich  bekämpfenden 
Gewalten  in  jenem  Momente  einnahm,  mit  einem  bestimmten 
Versprechen  für  die  Wahl  Leopolds  zurückgehalten.  Und  auch 


^  Ferdinand  Maria  an  Leopold,  5.  Januar  1658.  W.-A.  (Bavarica.) 


150 

darüber  darf  man  sich  nicht  täuschen,  dasB  Friedrich  Wilhelm 
trotz  der  vielen  Erklärungen,  die  er  im  Sinne  der  habsborgi- 
acben  Candidatur  schon  vor  dem  Abschluss  des  Berliner  Vertrages 
vom  9.  Februar  1658  abgegeben  hat,  und  trotz  der  Ueber- 
zeugung  von  der  Vortheilhaftigkeit  der  Wahl  Leopolds  l\ir  das 
Reichswohl,  keinen  AugenbUck  gezögert  hätte,  die  Candidatnr 
eines  Nichthabsburgers  mit  aUen  ihm  zu  Gebote  stehenden 
Mitteln  zu  fördern,  wenn  die  seit  dem  Beginne  des  Jahres 
1657  geführten  Verbandlungen  mit  Polen  und  Oesterreich  nichl 
zu  einen»  die  Interessen  des  Kurfürsten  fördernden  Ende  ge- 
fllbrt  hätten.  Die  Umstände,  unter  denen  dieser  Änschluu 
Friedrich  Wilhelms  an  die  österreichische  Partei  und  mit  dem- 
selben die  Entscheidung  in  der  Wahlfrage  erfolgte,  liegen  jetzt 
klar  vor  unserem  Auge.  *  Schritt  fUr  Schritt  sind  wir  im  Stande, 
die  Einwirkung  der  allgemeinen  Verbältnisse  auf  die  Haltung 
des  KurfUrsten  in  der  Wahlangelegenheit  zu  verfolgen.  Je 
grösser  die  Aussicht  auf  eine  Einigung,  desto  günstiger  lauten 
die  Weisungen  Friedrich  Wilhelms  an  seine  Vertreter  in  Frank- 
furt. Der  Unsicherheit,  die  beim  Regierungsantritte  LeopoldB 
über  die  Haltung  herrschte,  die  der  junge  König  den  grossen 
Fragen  der  europäischen  Politik  gegenüber  einnehmen  werde, 
entsprach  die  Weisung,  die  Friedrich  Wilhelm  seinen  nach 
Frankfurt  bestimmten  Vertretern  gab.  Er  befahl  ihnen,  Alles 
anzuhören,  nichts  abzuschliesaen  und  so  oft  des  Hauses  H&bs- 
hurgs  gedacht  werde,  zu  betonen,  dass  er  auf  dasselbe  ein  be- 
sonderes Absehen  gerichtet  habe  und  dass  dasselbe  bei  ihm  in 
grosser  Cousideration  stunde.' 

>  Für  die  Politik  Braadenbargs  kommen  in  eriter  Linie  die  Hittbei[uDg:eD 
in  Betracht,  die  sich  im  achten  Bande  der  .UrkaDden  nnd  Aclen  lur 
Geschichte  des  Groaaen  KurfUralcn',  p.  433  ff-,  und  auch  an  andereo  Orten 
dieses  Bandes  vor6aden.  Das  Verbältniss  OesterreichB  eu  Brandenbn^ 
in  der  Wahl-  wie  in  der  Alliaazfra^c  ist  klar  dargelegt  in  deo  , Be- 
richten LisoU'n',  Archiv  für  Kunde  Ssterr.  Gesch.,  Bd.  LXX,  das  Frank- 
reichs im  (weiten  Bande  der  , Urkunden  nnd  Acten',  p.  38  ff.  Vgl.  auch 
für  die  Stellung  BrandenbnrgB  in  dieser  Zeit  Drojsen,  Oesch.  d.  prson. 
Politik,  IIli,  3S3  ff.,  dessen  Darstellung  allerdings  so  manche  Uingsl 
aufweist,  und  die  Eiuleituiig  in  den  Berichten  Lisola's  I.  c,  33  B. 

'  Weisung  Friedrich  Wilhelms  an  seine  Gesandten  vom  27.  April  IGü'- 
Berliner  Archiv.  Vgl.  auch  ftlr  die  schwankende  Ballung  Friedrich 
Wilhelms  in  dieser  Zeit  die  Instruction  für  den  an  Johann  Georg  gv- 
sendeten Johann  Fr.  von  Loben,  Urkunden  und  Acten,  Vm,  iU. 


151 

Als  dann  die  ersten  Regierungshandlungen  Leopolds 
keinen  Zweifel  darüber  Hessen,  dass  der  Sohn  die  von  dem 
Vater  betretene  Bahn  weiter  wandeln  wolle,  als  Lisola  von 
Neuem  am  Hofe  Friedrich  Wilhelms  erschien  und  die  mit 
seltenem  Geschicke  geführten  Verhandlungen  dieses  Staats- 
mannes den  baldigen  Äbschluss  des  brandenburgisch-polnischen 
Bfindnisses  in  Aussicht  stellten,  da  liess  sich  der  KuriUrst  von 
Brandenburg  schon  deutlicher  vernehmen.  Er  hat  nicht  blos 
dem  Vertreter  Leopolds  bei  einem  Gelage,  das  zur  Feier  der 
Gebart  eines  Prinzen  —  es  war  dies  der  nachmalige  erste  König 
von  Preussen  —  veranstaltet  wurde,  gesagt,  ,Böhmen,  Branden- 
burg tmd  Sachsen  werden  dem  Reiche  einen  Kaiser  geben  und 
euer  Herr  erkennen,  wie  ergeben  ich  ihm  bin' ;  ^  sondern  er 
hat  in  einem  Schreiben  an  den  Kurfürsten  von  Köln,  der  im 
Rufe  stand,  die  bairische  Candidatur  zu  fördern  und  des 
Brandenburgers  Ansicht  in  dieser  Sache  zu  erfahren  suchte,^ 
ganz  ausdrücklich  erklärt,  er  halte  es  unter  den  herrschenden 
Verhältnissen  nicht  für  angezeigt,  an  die  Wahl  eines  Herrschers 
ans  einem  andern  Hause  als  aus  dem  der  Habsburger  zu  denken.^ 
Das  ausdrückliche  Versprechen,  Leopold  seine  Stimme  zuzu- 
wenden, hat  Friedrich  Wilhelm  aber  —  und  zwar  blos  münd- 
lich —  erst  in  dem  Augenblicke  gegeben,  wo  in  Wehlau  die 
Unterzeichnung  des  Vertrages  erfolgt  war,  durch  den  ihm  die 
Souveränetät  in  Preussen  von  seinem  ehemaligen  Lehensherm, 


1  Bericht  LiBola's  vom  31.  Juli  1657,  Pribram  1.  c,  311. 

'  Maximilian  Heinrich  an  Friedrich  Wilhelm, -19.  Jnni  und  27.  Juli  1657, 
Urkunden  und  Acten,  VIII,  449,  451. 

'  Friedrich  Wilhelm  an  Maximilian  Heinrich,  21.  August  1657,  Urkunden 
und  Acten,  Vni,  452  f.  Ein  ähnliches  Schreiben  erging  auch  an  den  Haupt- 
bevollmächtigten des  Brandenburgers  bei  der  Wahl,  Moriz  von  Nassau, 
24.  August.  Berliner  Archiv.  Vgl.  damit  die  entgegengesetzten  Erklärun- 
gen, die  Friedrich  Wilhelm  dem  Vertreter  Frankreichs,  d^Avaugour,  gab, 
Urkunden  und  Acten,  II,  130:  II  me  confia  aussi  en  grand  secret  avoir 
re^u  une  lettre  de  Cologne  en  ces  termes,  qu^il  ^tait  temps  aujourd'hui 
de  penser  k  donner  Texclusion  k  la  Maison  d'Autriche,  et  il  m'assura 
lui  avoir  r^pondu  de  mdme  par  un  expr^s,  qu'il  se  joindrait  k  lui  en 
ce  bon  dessin.  Friedrich  Wilhelm  wollte  Frankreich  eben  bis  zum  letzten 
Augenblicke  im  Glauben  erhalten,  dass  er  gegen  Leopold  stimmen 
werde,  um,  falls  sich  die  Verhandlungen  mit  Leopold  zerschlagen  sollten, 
den  Anschluss  an  Frankreich  um  so  leichter  erzielen  zu  können.  Wie 
wenig  es  ihm  aber  gelang,  Mazarin  zu  täuschen,  zeigt  die  Instruction, 
die  Blondel  im  Herbste  1657  erhielt,  Urkunden  und  Acten,  II,  136. 


152 

dem  Könige  von  P 
dem  voraichtigen  Vi 
Versprechen,  das  ei 
sich  zu  geben  sich  gi 
vom  9.  Februar  165f 
Leopolds  in  allen  F 
seiner  Politik  bedeu 
Erklärung  zur  Abgs 
Wenn  aber  dieser  u 
KurfÜTBt  von  Brand 
Verbündeten  Rechn 
bitter  enttäuscht.  A 
reiche  ist  bei  Fried 
Wohl  Leopolds  unc 
Reiches  und  höher  a 
wie  jenes  forderte  i 
Actionsfreiheit  des 
möglich  wünschen,  < 
antritte  in  einen  Kri 
lichkeit  nach  auf  de 
und  Friedrich  Wilh( 
Karl  Gustav  von  Sei 
er  der  UnterstUtzun 
er  täuschte  sich  kei 
drücklithes  Verbot 
Blutsverwandten  al 
Stimmung  des  allgei 
burgischen  Interesa 
übrigen  Kurfürsten  " 
zu  überzeugen,  na< 
nähme  an  dem  epai 
jedem  Fingreifen  ir 
halten  werden  solltf 
zösi sehen  und  Östei 
eine  völlige  Unterwi 
denken  war,  bot  der 


'  Bericbt  Liaola's  voi 
'  Vgl.  den  Abdruck 

Verträge,  6S6  ff. 


153 

Mitte]^  den  von  beiden  Seiten  mit  grosser  Heftigkeit  geftihrten 
Kampf  zu  einem  beide  Theile  zwar  nicht  befriedigenden,  aber 
erträglichen  Ende  zu  bringen.  ^ 

f.  Sachsen, 

Von  allen  KurfUrsten  war  es  der  sächsische  allein,  auf  dessen 
Stimme  man  am  Wiener  Hofe  von  allem  Anfange  an  mit  Be- 
stimmtheit gerechnet  hat.  Dass  man  sich  demungeachtet  zu  einer 
besonderen  Mission  an  den  Dresdner  Hof  entschloss,  geschah, 
weil  man  Johann  Qeorg  durch  Unterlassung  derselben  zu  be- 
leidigen fürchtete,  und  weil  man  den  Kurfürsten  für  ein  ener- 
gisches actives  Eingreifen  im  Interesse  Leopolds  zu  bewegen 
wünschte.  Graf  Wolkenstein,  der  Mitte  Juli  in  Dresden  an- 
langte, fand  Johann  Georg  und  dessen  Räthe  in  der  besten 
Stimmung. '  Der  Kurfürst  gab  ein  ganz  bestimmtes  Versprechen 
bezüglich  der  Person  Leopolds  und  erklärte  sich  bereit.  Alles, 
was  in  seinen  Eoilften  liege,  zu  thun,  um  seine  Mitkur- 
fiirsten  zu  gleichem  Vorgehen  zu  vermögen.  ^  Neigung  und 
Interesse  haben  in  gleich  hohem  Masse  zu  diesem  Entschlüsse 
beigetragen,  von  dem  Gebrauch  zu  machen  der  Wiener  Hof 
sich  allsogleich  entschloss.  ^  Ende  August  trafen  der  Reichs- 
vicekanzler  Ferdinand  Khurtz  und  Heinrich  von  Friesen,  einer 
der  vertrautesten  und  fähigsten  Räthe  Johann  Georgs,  in  Raudniz 
znsanmien.  Ueber  das  Resultat  ihrer  Unterredung  berichtete 
der  Reichsvi^ekafizler  seinem  Bruder :  ,Friesen  hat  solche  Satis- 
faction  für  seinen  Herrn  gebracht,  dass  man  billig  damit  con- 
tent und  seiner  Aflfection  versichert  sein  kann.'  ^  Eine  lebhaft 
geiUirte  Correspondenz   des   sächsischen   und   österreichischen 


*  Ueber  die  Haltung  BrandeDbargs  bei  den  Verhandlungen  über  die  Wahl- 
capitulation  vgl.  Urkunden  und  Acten,  VIII,  486  ff.  und  Heade  1.  c,  54  ff. 

^  Wie  auB  einem  Berichte  Georg  Ulrichs  von  Wolkenstein  vom  4.  Juli 
1657  ans  Prag  (W.-A.  Wahlacten)  hervorgeht,  war  er  bereits  Ende  Juni 
auf  kurze  Zeit  in  Dresden  gewesen  und  hatte  sich  daselbst  von  der 
günstigen  Stimmung  des  Kurfürsten  und  seiner  Rftthe  überzeugt.  Die 
neue  Instruction,  die  ursprünglich  für  den  Qrafen  Rothai  abgefasst 
worden  war,  ist  datirt:  1.  Juli  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

'  Bericht  Wolkenstein's,  ddo.  Prag,  24.  JuU  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

*  Votum  dejmtatorum  vom  1.  August  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

>  Fardinand  Khurtz  an  MaximilUn,  28.  August  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 


154 

Ministers  war  die  Folge.  *  Sie  bewegt  sich  vomehmlich  in 
zwei  Richtungen.  Oesterreich  fordert  ein  entschiedenes  Ein- 
treten Johann  Georgs  flir  Leopold  in  den  vielen  Streitfragen, 
die  sich  in  Frankfurt  ergaben,  und  Sachsen  dringt  auf  eine 
Gelduuterstützung.^  Der  Kurfürst  von  Sachsen  ist  den  Wünschen 
des  Wiener  Hofes  in  jeder  Hinsicht  nachgekommen.  Er  hat 
nicht  nur  selbst  in  lebhaftester  Weise  gegen  die  Verzögerung  der 
Wahl  Leopolds  protestirt  und  auch  in  allen  übrigen  Fragen 
die  Sache  Leopolds  vertreten,^  sondern  auch  durch  persönliche 
Unterredung  und  schriftliche  Aufforderung  die  Kurfilrsten  von 
Brandenburg  und  Baiem  für  ein  gleiches  Vorgehen  zu  gewinnen 
gesucht.  *  Und  da  auch  der  Wiener  Hof  das  von  Johann  Gkorg 
gestellte  Begehren,  ihm  eine  Summe  von  100.000  Reichsthalem 
zur  Verfügung  zu  stellen^  erfüllte  und  allsogleich  30.000  Reichs- 
thaler  anwies,  ^  so  herrschte  zwischen  den  beiden  Höfen  vollste 


<  Ein  grosser  Theil  dieser  Correspondenz  befindet  sich  im  Wiener  ArcbiTe. 
Die  Originale  der  Khurtz^schen  Schreiben,  sowie  die  Concepte  der 
Friesen'schen  sind  in  einem  stattlichen  Bande  vereinigt,  der  sich  auf 
dem  Schlosse  Rötha  bei  Leipzig,  Eigenthum  der  Nachkommen  des  Hein- 
rich von  Friesen,  vorfindet  und  der  mir  von  dem  jetzigen  Bentier  mit 
grdsster  Bereitwilligkeit  zur  Verfügung  gestellt  wurde,  wofür  ich  dem- 
selben meinen  besten  Dank  hiemit  ausspreche. 

3  Sowohl  bei  dem  ersten  als  auch  bei  dem  zweiten  Aufenthalte  Wolken- 
stein^s  in  Dresden  wurde  von  Seite  der  sächsischen  Minister  die  Notb- 
wendigkeit  einer  Unterstützung  Johann  Georgs  mit  Geld  Seitens  der 
Wiener  Regierung  hervorgehoben.  Es  bandelte  sich  um  ein  Darieben 
von  100.000  Thalem. 

3  Vgl.  die  Instruction  Johann  Georgs  au  seine  Gesandten  in  Frankfurt, 
deren  Copie  er  Leopold  am  24.  November  1657  eingesendet  hat  W.-A. 
(Wahlacten.)  Die  umfangreichen  Berichte,  welche  Strauch  von  Frank- 
furt aus  nach  Dresden  geschrieben,  enthalten  fast  nichts,  was  nicht  ancb 
aus  anderen  Mittheilungen  zu  entnehmen  wäre.  Strauch  erscheint  täs 
ein  Mann,  der  den  entscheidenden  Bewegungen  doch  etwas  femer  steht 

*  Vgl.  das  .Schreiben  Johann  Georgs  an  Ferdinand  Maria  von  Baiem  vom 
13.  December  1657.  An  den  Hof  des  Brandenburgers  sendete  Johann 
Georg  den  geheimen  Rath  Dietrich  Freiherm  von  Tauber  mit  Instraction 
vom  24.  November,  ddo.  Lichtenburg.  Dresdner  Archiv.  Ganz  ähnlich 
lautet  die  Instruction  an  Strauch,  ddo.  Lichtenburg,  22.  November  1657. 
Dr.A.  Ueber  die  persönliche  Unterredung  zu  Lichtenburg  vgl.  Pufsn- 
dorf  S.,  De  rebus  gestis  Friderici  Wilhelmi,  VII,  §.  33. 

*  Portia  an  Ferdinand  Khurtz,  26.  August  1657.  W.-A.  (Wahlacten.)  Aach 
bei  dieser  Angelegenheit  hatte  der  spanische  Botschafter  eine  «atpcliei* 
dende  Stimme. 


155 

UebereiDstimmang,  die  ihren  Ausdruck  in  den  zahlreichen 
Schreiben  fand,  welche  die  beiden  Herrscher  und  ihre  Räthe  in 
jener  Zeit  wechselten.  *  Eine  vorübergehende  Störung  trat  erst 
eio,  als  Johann  Georg  sich  weigerte,  nach  Leopolds  Wunsch  Mitte 
J&naar  die  Reise  nach  Frankfurt  anzutreten.  Doch  genügte 
das  energische  Auftreten  der  nach  Dresden  gesendeten  kaiser- 
lichen Beyollmächtigten  und  eine  neue  Abschlagszahlung  auf 
die  bereits  bewilligten  100.000  Thaler,  Johann  Georgs  Wider- 
stand zu  brechen.^ 

Doch  haben  innere  Angelegenheiten  und  die  Furcht  vor 
einem  Einfalle  Frankreichs  nach  Deutschland,  den  man  auch 
am  sächsischen  Hofe  im  Laufe  des  Februar  1658  fUr  wahr- 
scheinlich hielt,  die  Abreise  des  Kurfürsten  verzögert,  und  als 
diese  endlich  erfolgte,  verursachte  die  durch  das  schlechte 
Wetter  herbeigeführte  Verkehrsstörung  neue  Verzögerung.  ^  So 
geschah  es,  dass  Leopold  gegen  den  ursprünglichen  Plan  vor 
Johann  Georg  in  Frankfurt  anlangte,   dessen  Abwesenheit  er 


1  Die  lebhafte  CorreepondenK  der  beiden  Fürsten  findet  sieb  fast  vollständig 
im  Wiener  Arcbive  vor. 

^  Diese  Angelegenheit,  obgleich  durchaus  nicht  von  hervorragender  Be- 
deutung, hat  Anlass  zu  einer  sehr  lebhaft  geführten  Correspondenz 
zwischen  den  beiden  HOfen  und  zu  mehreren  Missionen  gegeben.  Söhon 
Ende  December  war  Wolkenstein  an  den  Hof  des  Kurfürsten  von 
Sachsen  mit  dem  Auftrage  gesendet  worden,  denselben  zur  Reise  nach 
Frankfurt  zu  vermOgen.  Bericht  Wolkenstein's  vom  5.  Januar  1658. 
W.-A.  (Wahlaoten.)  Da  Wolkenstein  nichts  ausrichtete,  wurde  eine  zweite 
Gesandtschaft,  Lobkowitz  (nicht  der  Minister)  und  Kaltschmidt,  nach 
Dresden  abgefertigt,  der  es  nach  langen  Verhandlungen  (Berichte  vom 
18.  und  25.  Januar  1658.  W.-A.  (Wahlacten)  gelang,  den  Kurfürsten  zu 
dem  Versprechen  zu  vermögen,  die  Reise  nach  Frankfurt  allsogleich  an- 
zutreten, sobald  er  von  dem  Aufbruche  Leopolds  Mittheilung  erhalte. 
Ein  gleiches  Versprechen  gab  Johann  Qeorg  in  dem  Schreiben  an  Leo- 
pold  vom  11.  Januar  st.  v.  W.-A.  (Wahlacten.)  Die  Verhandlungen  über 
die  Geldangelegenheit  wurden  in  Prag  durch  den  Dresdner  Rath  Lütti- 
chau  geführt  (Protokoll  vom   19.  Januar  1658.  W.-A.  Wahlacten). 

^  lieber  die  Reise  des  Kurfürsten  Johann  Georg  nach  Frankfurt  und  seinen 
Aufenthalt  daselbst  liegt  im  Dresdner  Archiv  ein  culturgeschichtlich 
höchst  interessantes  Diarium,  die  Zeit  vom  11.  Februar  bis  29.  August 
1668  umfassend,  vor.  Mit  der  grOssten  Genauigkeit  ist  hier  das  Leben  des 
KuHÜrsten  in  diesen  Monaten  geschildert.  Wie  viel  Zeit  durch  HOf  lich- 
keitivisiten  und  Gelage  verloren  ging  und  mit  welch'  nichtigen  Dingen 
n  besobifUgen  der  sächsische  Kurfürst  —  und  wie  er  die  übrigen  — 
S^ilOÜiigt  war,  ist  aus  diesem  Tagebuche  sehr  deutlich  zu  entnehmen. 


156 

um  80  bitterer  empfand,  als  ihm  die  immer  deutKcher  hervor- 
tretende Neigung  der  KurfUrsten  von  Mainz,  Köln  und  Pfalz^ 
seine  Actionsfreiheit  durch  die  Wahlcapitulation  zu  schrnftlem, 
ein  energisches  Vorgehen  der  Gutgesinnten  nothwendig  er- 
scheinen Hess.  Um  den  säumenden  EurRirsten  zur  raschen 
Vollendung  der  Reise  anzuspornen,  wurde  Ulrich  Einsky,  der 
spätere  mächtige  Minister,  ausersehen.  >  Er  traf  Johann  Geoi^ 
in  der  Nähe  Frankfurts.  Am  1.  April  hat  derselbe  in  der 
üblichen  feierlichen  Weise  seinen  Einzug  gehalten.  Wenn  sich 
Leopold  aber  von  der  Anwesenheit  Johann  Georgs  einen  be- 
deutenden Erfolg  versprochen  hatte,  so  sah  er  sich  bald  enttäuscht 
Nicht  dass  der  Kurfürst  es  an  gutem  Willen  hätte  fehlen  lassen. 
Er  hat  vielmehr  in  all'  den  Streitfragen,  welche  in  jenen  Wochen 
im  Collegium  und  ausserhalb  desselben  ausgefochten  wurden, 
auf  directem  oder  indirectem  Wege  die  Interessen  des  Hauses 
Habsburg  wahrgenommen.  Allein  darin  täuschte  sich  Lieopold, 
dass  er  mit  Hilfe  des  Kurfilrsten  von  Sachsen  den  Widerstand 
d^r  opponirenden  Fürsten  brechen  zu  können  hoffte.  Auch 
Johann  Georg  vermochte  nicht,  die  Kurfürsten  von  Mainz,  Köln 
und  Pfalz  von  ihren  Ansichten  abzubringen,  und  aU'  seine  Be- 
mühungen ^haben  den  Brandenburger  nicht  abgehalten,  ftir  die 
seiner  Auffassung  nach  nothwendige  Beschränkung  der  Actions- 
freiheit Leopolds  zu  stimmen. 

8.  Pfalz, 

Auch  mit  Karl  Ludwig  von  der  Pfalz  hat  der  Wiener 
Hof  im  Interesse  der  Wahl  Leopolds  Unterhandlungen  ge- 
pflogen. Dass  man  auf  einen  günstigen  Ausgang  derselben  mit 
Bestimmtheit  gerechnet  hat,  ist  nicht  zu  ersehen,  aber  zweifel- 
los wusste  man  in  Wien  nicht,  in  welcher  Weise  sich  Karl 
Ludwig  durch  den  im  Jahre  1656  mit  Frankreich  geschlossenen 
Vertrag  gebunden  hatte,  ^  und  hielt  es  nicht  für  unmöglich,  den 
Pfklzer  für  die  Sache  Leopolds  zu  gewinnen.  Bereits  im  Juli 
1657  machte  Volmar  den  Versuch,  sich  über  Karl  Ludwigs 
Gesinnungen  Klarheit   zu  verschaffen.    Was   er   in  Heidelberg 


*  Vgl.  über  diese  Mission  den  Bericht  Kinsky's  vom  1.  April  1668.  W.-A. 

(Wahlacten.) 
'  Vgl.  Valfrey,  Hugues  de  Lionne,  Vol.  n,  81.    Häusser,   Geschichte  der 

Pfalz,  n,  616.     Was  Häusser  über  die  Wahl  im  Allgemeinen  sagt,  ist 

ganz  unrichtig. 


157 

erfahr,  schien  ihm  nicht  gerade  hoffnungslos  zu  sein.  Der  Kur- 
fürst betonte  zwar  die  von  Frankreich  drohende  Gefahr,  er- 
klärte sich  aber  bereit,  gegen  entsprechende  Entschädigung 
für  die  Sache  Leopolds  einzutreten.  ^  Dass  er  dieses  Ver- 
sprechen aufrichtig  gemeint  hat,  ist  nicht  anzunehmen;  er 
wollte  nur  nicht  zwischen  zwei  Stühlen  sitzen  bleiben,  und 
da  er  mit  Frankreich  den  neuen  Vertrag  über  seine  Haltung 
in  der  Wahlfrage  noch  nicht  abgeschlossen  hatte,  wollte  er 
sich  den  Ausweg  einer  Einigung  mit  Oesterreich  durch  eine 
entschiedene  Zurückweisung  der  habsburgischen  Candidatur 
nicht  verschliessen.  Der  Wiener  Hof  aber,  der  des  PfUlzers 
Erklärungen  fUr  den  Ausdruck  seiner  wahren  Gesinnung  hielt, 
gab  dem  Grafen  Oettingen  Befehl,  die  Verhandlungen  mit  Karl 
Ludwig  fortzusetzen  und  dessen  Räthe  durch  reichliche  Geld- 
spenden zu  gewinnen.  Als  Oettingen  und  mit  ihm  Volmar  bei 
dem  Pflllzer  in  den  ersten  Tagen  des  August  vorsprachen, 
wurden  sie  nicht  besonders  herzlich  aufgenommen.  Karl  Lud- 
wig hob  in  ungleich  höherem  Grade  als  vorher  die  Schwierig- 
keiten hervor,  die  der  Wahl  Leopolds  entgegenstünden,  und 
war,  obgleich  die  kaiserlichen  Räthe  mit  Versprechungen 
nicht  sparten,  zu  einer  Leopolds  Candidatur  günstigen  Aeusse- 
nmg  nicht  zu  vermögen.  ^  Oettingen  und  Volmar  mussten  im- 
verrichteter  Dinge  abreisen.  Wenige  Tage,  nachdem  sie  Heidel- 
berg verlassen  hatten,  trafen  die  Vertreter  Ludwig  XIV.  ein, 
um  die  in  Paris  fast  bis  zum  Abschlüsse  gediehenen  Ver- 
handlungen zu  Ende  zu  führen.  In  der  That  ist  es  ihnen  ge- 
langen, von  Karl  Ludwig  das  bindende  Versprechen  zu  er- 
langen, seine  Stimme  ganz  nach  dem  Wunsche  Frankreichs 
abzugeben.  ^  Damit  war  eigentlich  jede  weitere  Verhandlung 
mit  dem  österreichischen  Hofe  unmöglich.  Trotzdem  haben 
solche  stattgeflinden.  Die  Unbeständigkeit  und  Geldgier,  welche 
Karl  Ludwig  in  Conflicte  mit  den  französischen  Gesandten 
brachten,    haben    den  Vertretern    Leopolds    die    Möglichkeit 


1  Bericht  Volmar's  vom  4.  Juli  1667.  W.-A.  (Wfthlacten.)  Karl  Ludwig 
forderte  bereits  damals  die  Begleichung  der,  wie  er  behauptete,  ,kraft 
Friedensschlusses  wegen  seiner  Brüder  an  ihn  erwachsenen  100.000  Reichs- 
thaler^. 

<  Bericht  Oettingen's  und  Yolmar's,  ddo.  Frankfurt,  10.  August  1667. 
W.-A.  (Wahlacten.) 

'  YgL  weiter  unten. 


158 

geboten,  meist  auf  indirectem  Wege  eine  Einwirkung  auf  den 
Kurfürsten  zu  versuchen.  Von  Erfolg  waren  diese  Bestrebungen 
aber  nicht  begleitet.  Der  Pflllzer  blieb  ein  entschiedener  Gegner 
der  habsburgischen  Candidatur  und  hat,  als  die  Wahl  Leopolds 
nicht  mehr  zu  bekämpfen  war,  durch  sein  unzweideutiges  Ein- 
treten für  Frankreich  mit  am  meisten  zur  Schmälerong  des 
kaiserlichen  Ansehens  beigetragen. 

B.  Spanien. 

Unter  den  Fürsten,  welche  für  die  Wahl  Leopold  I.  ein- 
getreten sind^  hat  es  keiner  mit  seinen  Bemühungen  so  ernst 
genommen  als  Philipp  IV.  von  Spanien.  Erwägungen  ver- 
schiedenster Art  trugen  dazu  bei.  Einmal  die  Rücksicht  auf 
das  Interesse  des  Hauses,  dem  anzugehören  er  sich  nicht  we- 
niger rühmte  als  sein  deutscher  Vetter.  Die  Idee  der  Zu- 
sammengehörigkeit war  bei  den  Habsburgem  trotz  der  viel- 
fach differirenden  Interessen  der  deutschen  und  spanischen 
Linie  und  der  heftigen  Conflicte,  in  welche  diese  seit  den 
Tagen  Karl  V.  und  Ferdinand  I.  gerathen  waren,  nicht  er- 
loschen. Philipp  IV.  musste  aber  ganz  besonders  die  moralische 
Verpflichtung  fühlen,  für  die  deutsche  Linie  des  Hauses  Habs- 
burg einzutreten.  Er  musste  die  Unterstützung  Leopolds  in  der 
Wahlfrage  für  eine  passende  Gelegenheit  halten,  dem  Sohne 
einen  Theil  des  Dankes  abzustatten,  den  er  dem  Vater  schul- 
dete. Und  doch  dürften  nicht  diese  Erwägungen,  sondern  Rück- 
sichtnahme auf  das  eigene  Interesse  den  Ausschlag  gegeben 
haben.  Denn  für  Philipp  IV.,  der  mit  den  Franzosen  in  Italien 
und  in  den  Niederlanden  Krieg  führte,  konnte  es  keinen  herberen 
Schlag  geben,  als  die  Wahl  eines  habsburgfeindlichen  Fürsten 
zum  römisch-deutschen  Kaiser.  Die  Erhebung  Ludwig  XIV., 
oder  eines  von  Frankreich  abhängigen  Fürsten  bedeutete  für 
Spanien  mehr  als  eine  verlorene  Schlacht.  Und  durfte  Philipp  IV. 
hoffen,  von  Leopold  in  dem  Kampfe  gegen  Frankreich  ferner- 
hin unterstützt  zu  werden,  wenn  er  nicht  mit  allen  ihm 
zu  Gebote  stehenden  Mitteln  die  Wahl  desselben  förderte? 
Musste  er  nicht  empfinden,  dass  er  für  seine  eigene  Sache 
kämpfte,  indem  er  die  seines  Vetters  vertrat?  Und  in  dieser 
Auf&ssung  von  der  Nothwendigkeit  und  Zweckmltesigkeit 
der    Förderung    der    Wahl    Leopolds    musste    der    spasisohe 


159 

König  nur  noch  bestärkt  werden,  wenn  er  den  Erwägungen 
Gehör  schenkte,  die  dem  durch  einen  langen  Aufenthalt  am 
Wiener  Hofe  mit  den  dortigen  Verhältnissen  wohlvertrauten 
Castel-Rodrigo  ein  entschiedenes  Eintreten  für  die  Wahl  Leo- 
polds wünschenswerth  erscheinen  Hessen.  In  einem  ausführlichen, 
lichtvollen  Gutachten  hat  Castel-Rodrigo  seine  Ansicht  nieder- 
gelegt. ^  ,  Von  Seite  der  Franzosen/  so  sagt  er,  ,ist  Ludwig  XIV., 
und  falls  dessen  Wahl  sich  als  undurchführbar  erweisen  sollte, 
ier  Kurfürst  von  Baiem  und  der  Herzog  von  Neuburg  in  Aus- 
sicht genommen.  Weigern  sich  aber  die  Kurfürsten  hartnäckig, 
von  dem  Hause  Habsburg  zu  lassen,  dann  werden  die  Fran- 
zosen die  Erhebung  Leopold  Wilhelms  und  die  Verheiratung 
desselben  mit  der  Prinzessin  von  Orleans  fordern,  um  auf  diese 
Weise  DiflFerenzen  im  Hause  Habsburg  zu  erregen,  die  in 
jedem  Falle  eine  Unterstützung  Spaniens  unmöglich  machen 
würden.*  Die  Wahl  Ludwig  XIV.  schien  dem  spanischen  Staats- 
manne  überaus  unwahrscheinlich.  Die  Deutschen,  meint  er, 
^kennen  zu  genau  den  Unterschied  des  französischen  und  öster- 
reichischen Regimentes,  die  Härte  des  ersteren  und  die  Milde 
des  letzteren,  sie  wünschen  viel  zu  lebhaft  einen  Herrscher, 
der  in  ihrem  Lande  geboren  ist  und  ihre  Sprache  spricht,  als 
dass  sie  Ludwig  XTV.  ihre  Stimme  geben  sollten.'  Auch  von 
Baiem  glaubte  Castel-Rodrigo  wenig  fürchten  zu  müssen.  Es 
schien  ihm  mehr  als  zweifelhaft,  ob  Ferdinand  Maria  bei  seiner 
ausgesprochenen  Neigung  für  das  Kaiserhaus  die  Hand  nach  der 
Krone  ausstrecken  werde,  die  sein  Vater  unter  günstigeren  Um- 
ständen zurückgewiesen  hatte.  Und  da  er  die  Wahl  des  Herzogs 
von  Neaburg  für  unmöglich  hielte  schien  ihm  die  grösste  Ge- 
fahr in  der  Möglichkeit  der  Wahl  Leopold  Wilhelms  zu  liegen. 
Alle  Ghründe,  welche  später  von  den  verschiedenen  Vertretern 
dieser  Candidatur  geltend  gemacht  worden  sind,  das  Alter, 
die  &fia.hrung  des  Erzherzogs  und  vor  Allem  die  Möglichkeit, 
die  Zustimmung  der  Gegner  Leopolds  für  dessen  Wahl  zu  ge- 
winnen, finden  wir  bereits  in  dem  Gutachten  des  vielerfahrenen 


^  Relacion  que  de  orden  de  su  Magestad  hi^o  el  Senor  Marques  de  Castel- 
Rodrigo  etc.  British  Museam,  Cod.  Add.  14004.  Ein  starker  Band,  der 
spanische  Documente  aus  verschiedenen  Zeiten  enthält  Der  Bericht 
Castel-Rodrigo's  ist  eine  Art  Finalhericht  nach  Muster  der  yenetianischen. 
Castel-Bodrigo  berichtet  ausführlich  über  die  Wahl  Ferdinand  IV.  und 
die  WaliWerhSltnisso  nach'  dessen  Tode. 


160 

spanischen  Staatsmannes.  Allein  es  entgingen  dem  scharfen 
Blicke  Castel-Rodrigo's  auch  die  grossen  Gefahren  nicht,  welche 
dem  Hause  Habsburg  aus  der  Wahl  des  Erzherzogs  erwachsen 
konnten.  ,Sollte  Leopold  Wilhelm/  schrieb  er,  ,sich  in  den 
Kopf  setzen,  die  Kaiserwürde  anzustreben,  so  wird  dies  zu 
seinem  und  zum  Ruine  des  ganzen  Hauses  führen,  unsere 
Gegner  aber  werden  in  diesem  Falle  einen  grösseren  Sieg 
davontragen,  als  wenn  der  König  von  Frankreich  zum  Kaiser 
gewählt  worden  wäre.'  Zugleich  sprach  er  aber  die  Hoflfhung 
aus^  dass  Leopold  Wilhelm  sich  durch  die  Liebe  für  den  jongen 
König  und  durch  das  Beispiel  seines  Ahnen  Maximilian,  dem  in 
allen  Dingen  nachzustreben  er  vorgebe,  bewegen  lassen  werde, 
sich  selbst  von  jeder  Candidatur  auszuschliessen.  Alle  diese 
Erwägungen  haben  denn  auch  Castel-Rodrigo  vermocht,  dem 
Könige  die  Absendung  eines  besonders  geschickten  Mannes  zu 
empfehlen,  der  mit  Wort  und  That  für  die  Wahl  Leopolds 
wirken  und  dadurch  den  jungen  König  von  vorneherein  für 
die  Interessen  der  spanischen  Monarchie  gewinnen  sollte.* 

Inwieweit  Castel-Rodrigo's  Gutachten  die  Entscheidung 
Philipps  beeinflusst  hat,  wissen  wir  nicht.  Gewiss  ist  aber, 
dass  die  Instruction,  welche  für  den  Grafen  Peneranda  abge- 
fasst  wurde,  seinen  Rathschlägen  vollkommen  entsprach.  Phi- 
lipp IV.  betonte  in  derselben  ausdrücklich,  er  wünsche  die 
Wahl  seines  Vetters  Leopold^  der  von  deutscher  Herkunft  sei, 
genügende  Einkünfte  und  alle  sonstigen  Eigenschaften  besitze^ 
die  von  den  Wählern  gefordert  werden  könnten,  und  gab 
Peneranda  Befehl,  mit  allen  ihm  zu  Gebote  stehenden  Mitteln 
die  Wahl  des  jungen  Königs  zu  fbrdem.  Dass  die  Instruction 
auch  Vorschriften  für  den  Fall  enthält,  dass  die  Kurfürsten 
aus  freien  Stücken  Philipp  IV.  oder  einem  der  Erzherzoge  die 
Krone  zuwenden  wollten,  kann  uns  nicht  irre  machen,  denn 
Philipp  rV.  erklärte  ausdrücklich,  es  geschehe  dies  blos,  um 
Peneranda  ftir  jeden  denkbaren  Fall  zu  instruiren,  und  legte 
dem  Gesandten  ganz  besonders  ans  Herz,  dem  Erzherzoge 
Leopold  Wilhelm,  dessen  Candidatur  am  spanischen  Hofe  am 
meisten  gefUrchtet  wurde,  auf  das  Entschiedenste  von  der  An- 
nahme der  Krone  abzurathen.  ^ 

1  Relacion  etc.  Br.  M.,  Add.  14004. 

3  Instniction  für  Peneranda,  8.  Jnni  1657.  Br.  M.,  Add.  14004.  Eine  AbaehriA 
findet  sich  anch  im  Pariser  Archive  der  auswärtigen  Angelen^eoWten. 


161 

Die  Unterstützung,  die  der  spanische  König  seinem  deut- 
schen Vetter  angedeihen  lassen  konnte  und  wollte^  war  eine  dop- 
pelte. Er  konnte  demselben  Geld  zur  Verfügung  stellen,  um  die 
Kurfürsten  zu  gewinnen,  und  er  konnte  die  Schwierigkeiten 
beseitigen  helfen,  die  sich  etwa  der  Wahl  Leopolds  in  den 
Weg  stellen  sollten.  Das  Erstere  hat  Philipp  IV.  in  vollem 
Masse  gethan.  Wir  kennen  zwar  nicht  die  Höhe  des  für  diesen 
Zweck  aufgewendeten  Betrages,  aber  unzweifelhaft  war  der- 
selbe ein  höchst  bedeutender,  wenn  er  auch  nicht  immer  hin- 
reichte, die  Forderungen  des  Wiener  Cabinets  zu  decken.*  Da- 
gegen gestattete  das  Interesse  der  spanischen  Regierung  nicht 
rückhaltslos  flir  Leopold  durch  die  Beseitigung  der  seiner  Wahl 
im  Wege  stehenden  Hindernisse  einzutreten.  Insbesondere 
bezüglich  des  von  dem  Erzkanzler  dringend  geforderten  Ab- 
schlusses des  französisch-spanischen  Friedens  ergaben  sich  ver- 
hängnissvolle  Differenzen.  Denn  für  Leopold  und  die  deutsche 
Linie  des  Hauses  Habsburg  wäre  es  ein  grosses  Glück  ge- 
wesen, wenn  die  von  Lionne  in  Madrid  geführten  Verhand- 
hiDgen  zum  Abschlüsse  gebracht  worden  wären.  Wäre  ja  da- 
durch das  Hauptargument  der  Kurfürsten  gegen  die  Erhebung 
Leopolds  we^efallen  und  dem  Wiener  Hofe  die  schweren 
Kämpfe  und  Demüthigungen  erspart  worden,  die  er  bestehen 
und  erdulden  musste.  Auch  hat  sich  die  Opposition  Leopolds 
nicht  gegen  den  Frieden,  sondern  nur  gegen  eine  durch  lang- 
dauernde  Verhandlungen  bedingte  Verzögerung  der  Wahl  ge- 
richtet. Philipp  dagegen  wünschte  in  diesem  Momente,  wo  er 
den  Kampf  gegen  Frankreich  mit  Erfolg  zu  führen  begann, 
die  Fortsetzung  des  Krieges  und  hoffte  durch  Förderung  der 
Wahl  Leopolds  sich  eine  ausgiebige  Unterstütztmg  Oesterreichs 


Die  entscheidende  Stelle  lautet:  ,Pero  el  qne  yo  mas  deseo,  7  el 
qne  maü  conviene  a  nostra  caaa  es  el  Bey  mi  sobrino,  en  el  qnal 
qnisa  son  circostancias  de  conveniencia  gyrata  a  los  mesmos  Aleroanes,  per 
so  Majd  nacido  en  Alemania  y  teniendo  estados  bastantes  no  passan 
desto  para  hacer  les  cnidado,  quäl,  se  dice,  le  tubieron  en  tiempo  de  la 
felia  memoria  de  Carlos  quinto  mi  Bisabuelo;  por  esto  y  tener  mi 
sobrino  la  primagenitnra  de  la  linia  de  mi  casa  en  Alemania  nostras 
intendonesy.que  procureis  con  todas  las  diligencias  y  esfuer^s  posibles, 
qne  cayga  esta  Di^dad  en  su  persona  .  . .' 

'  Die  Wahlacten  des  Wiener  Archiyes  umfassen  viele  Documente,  die 
sich  auf  Verhandlungen  der  spanischen  Minister  La  Faente  und  PeKe- 
randa  mit  den  B&then  Leopolds  in  Geldangelegenheiten  beziehen. 

ArUt.  Bd.  LXXUL  1.  HilfU.  ^^ 


162 

in  den  Niederlanden  und  in  Italien  zu  sichern.  Da  nun  aber 
die  Wiener  Regierung  durch  La  Fuente  von  den  Plänen  des 
Madrider  Hofes  auf  das  Genaueste  unterrichtet  war  und  nach 
dessen  Mittheilungen  auf  eine  schleunige  Beendigung  der  Frie- 
densverhandlungen nicht  hoffen  konnte,  sah  sich  Leopold  ge* 
nöthigt,  seinerseits  von  allem  Anfange  an  gegen  die  Vornahme  der 
Friedensverhandlungen  zu  protestiren.  *  Peneranda  billigte,  als  er 
am  7.  October  1657  in  Prag  anlangte,  das  Vorgehen  Leopolds 
vollkommen.  -  Er  betonte,  wie  unzweckmässig  es  sein  würde, 
sich  in  Friedensverhandlungen  einzulassen,  die  nichts  Anderes 
bezwecken  würden,  als  die  Wahl  zu  verzögern,  da  er  zur  Vor- 
nahme solcher  Verhandlungen  nicht  instruirt,  eine  Antwort  aus 
Spanien  aber  vor  drei  bis  vier  Monaten  nicht  zu  erwarten  sei,^ 
und  lehnte  die  wiederholten  Aufforderungen  des  Erzkanzlers, 
nach  Frankfurt  zu  kommen,  in  entschiedenster  Weise  ab.* 

Um  einen  Bruch  mit  Johann  Philipp  zu  vermeiden,  der 
ihm  mit  Rücksicht  auf  Leopold  gefährlich  schien,  und  den  er 
durch  eine  barsche  Weigerung,  den  kurfürstlichen  Friedem- 
anerbietungen  Gehör  zu  schenken,  herbeizuführen  fürchtete,  ent- 
schloss  sich  Peneranda  im  November  1657,  den  Erzbischof  von 
Trani,  Saria,  nach  Frankfurt  mit  dem  Auftrage  zu  senden,  dem 
Erzkanzler  die  Gründe  in  ausführlicher  Weise  vorzuführen,  aus 
denen  er  in  eine  Vornahme  der  Friedensverhandlungen  nicht 
willigen  könne,  und  flir  die  Vornahme  der  Wahl  zu  stimmen.^ 

Saria  fand  den  Kurfürsten  in  einer  entgegenkommenden 
Stimmung.  Denn  wenn  es  demselben  auch  gelungen  war,  die 
Vornahme  der  Friedensverhandlungen  vor  der  Wahl  durch  ein 
Majoritätsvotum  im  kurfürstlichen  Conclave  zum  Beschlüsse  zu 
erheben,  so  hatte  ihm  doch  die  Art,  in  der  dieser  Beschloss 
erfolgte,  und  die  bald  darauf  erfolgende  Weigerung  der  welt- 
lichen Mitglieder,  ein  Gesammtschreiben  an  Peneranda  im 
Sinne  der  Vornahme   der   Friedensverhandlungen   ergehen  zu 


1  Bericht  der  Gesandtschaft  vom  7.  September  1667.  W.-A.  (Wahlacten.) 
Weisung  an  die  Gesandtschaft,  17.  September  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

2  Portia  an  Ferdinand  Khurt«,  Prag,  9.  October  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

3  Ferdinand  Khurtz  theilte  seine  Ansicht  in  diesem  Punkte.     Ferdinand 
Khurtz  an  Leopold,  12.  October  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

*  Peneranda  an  Johann  Philipp,  Prag,  16.  November  1657.  W.-A.  (Wahl- 
acten.) 
^  Saria  an  Peßeranda,  27.  November  1657.  Copie.  W.-A.  (WahkotOB.) 


163 

lassen^  zum  Bewusstsein  gebracht^  welchen  Schwierigkeiten 
sem  Friedensplan  auch  bei  seinen  MitkurfUrsten  begegnen 
werde.  ^  Die  Verhandlungen  des  Erzkanzlers  mit  Saria  sind 
nicht  ohne  Bedeutung.  Johann  Philipp  gab  in  der  ersten  Unter- 
redimg,  die  zwischen  beiden  Männern  stattfand,  eine  ausführ- 
liche Darstellung  seiner  Bemühungen  um  den  Frieden,  dessen 
Nothwendigkeit  er  nicht  milde  wurde  zu  betonen.  Dass  Trani 
die  Erklärungen  der  Franzosen,  deren  Geneigtheit  Frieden  zu 
schliessen  der  Erzkanzler  wiederholt  hervorhob;  fUr  falsch  und 
die  Friedensverhandlungen  vor  der  Wahl  für  unzweckmässig 
erklärte,  hinderte  Johann  Philipp  nicht,  bei  dieser  Frage  zu 
verweilen  und  zugleich  mit  der  UnerlässHchkeit  der  Friedens- 
verhandlungen ihre  Nützlichkeit  zu  betonen.  Trotzdem  hat  er 
sich  zu  einer  Aeusserung  herbeigelassen,  welche  dem  Wiener  Hofe 
überaus  erwünscht  sein  musste  und  die  langgehegten  Zweifel  in 
die  Aufrichtigkeit  der  mainzischen  Behauptungen  beseitigte.  Als 
Trani  immer  dringender  die  Vornahme  der  Wahl  vor  Abschluss  der 
Bpanisch-französischen  Friedensverhandlungen  forderte,  erklärte 
Johann  Philipp,  er  wolle  dem  jungen  Könige  von  Ungarn  seine 
Stimme  geben,  derselbe  möge  in  Gottes  Namen  kommen,  aber 
Leopold  werde,  wenn  nicht  genügende  Garantie  für  die  Her- 
stellung des  Friedens  vorher  geboten  sei,  eine  Wahlcapitulation 
aimehmen  müssen,  die  ihn  zur  Aufrechthaltung  des  Friedens 
zwingen  werde.^   Die  Drohung,  welche  in  diesen  letzten  Worten 


*  Vgl.  weiter  oben  p.  118  f. 

'  SarU  an  Peneranda,  27.  November  1657.  W.-A.  (Wahlacten.)  Saria'B 
Berichte  sind  ansserordentlich  breit.  Ich  hebe  nur  die  wichtigsten  Stellen 
herans.  Die  Franzosen  seien  bereit  ssu  Verhandlungen,  daher  halte  er 
dafür,  ,que  considerando,  que  la  ocasion  presente  es  la  mejor  que  pue- 
de  hallarse  para  pacificar  el  mundo,  desea  con  grandes  ansias  se  llegue 
a  otra  tal  declara^ion  de  parte  de  Espaffa,  para  que  si  Franceses  hablan 
de  yeras,  se  acomodase  el  mundo  puesto  que  el  Rey  mi  Sr  desea  de 
venu  la  Paz  y  la  a  tanto  menester  hallandose  por  todos  partes  atacado 
de  tantos  enemigos,  y  si  Franceses  no  ablasen  de  veras  conociese  el 
mundo  su  inten^on  y  en  ese  caso  se  los  cargase  la  culpa  de  todo  el 
dafio,  con  que  se  passaria  a  una  feliz  Ele^ion ;  que  es  lo  que  sumamente 
desea  por  que  siendo  su  inten^ion  no  elegfir  otro  que  al  Sr  Rey  de 
Ungria  ni  aver  tenido  jamas  otra  en  caso,  que  no  sea  iustase  la  paz 
o  por  los  menos  la  corona  de  Espafla  hiciese  cono<;er  al  Imperio  des- 
earia  tlegando  a  los  terminos  que  con  su  Em»  han  Uegado  Franceses  en 
eata  Junta  del  Collegio  Electoral :  en  la  capitula^ion  que  devera  iurar  el 
Eleeto  Emperador  seria  for^so  que  jurase  la  manutention  de  la  paz, 

11* 


164 

lag,  hat  man  am  Wiener  Hofe  nicht  gewürdigt;^  man  empfing 
die  Nachricht  mit  Jubel,  der  sich  noch  steigerte,  als  Johann 
Philipp  in  seinen  weiteren  Unterredungen  immer  von  Neuem 
die  Reise  Leopolds  nach  Frankfurt  forderte,  und  seine  Stimme 
demselben  zu  g^ben  versprach,  ^  und  als  die  Mittheilungen  der 
kaiserlichen  Gesandten  und  endlich  ein  eigenhändiges  Schreiben 
Johann  Philipps  Saria's  Meldimgen  bestätigten. 

Peneranda  war  für  die  schleunige  Abreise  Leopolds  nach 
Frankfurt.'  Er  hoffte  wohl  Johann  Philipp  noch  ganz  zu  gewinnen, 


qne  reyocase  sns  armas  de  Italia,  que  abrogasse  el  vicariato  del  Imperio, 
no  pudiendo  ser  de  otra  manera  .  .  .  qne  este  pnnto  de  la  Capitniacion 
seria  mny  dafloso  a  1a  Corona  de  Espaßa  y  de  Alemania  sin  qne  el 
Emperador  pndiese  soccoirer  a1  Rey  mi  Sr,  lo  que  no  sn^ederia  en  caso 
que  la  Corona  de  Espafla  quiciese  sincerarse  en  este  punto  de  la  ptz 
y  ha<;er  cono<;er  a  qui  a  vista  del  Imperio  y  del  mundo  desearla  con 
lleg^ar  con  su  declara^ion  al  termino  que  hau  llegado  Fran^eses  con  U 
sua,  pues  si  entonces  no  obra^asen  el  tratado  se  pasaria  luego  a  la  Ele- 
<;ion  y  se  escusaria  la  clausula  del  iuramento  en  la  Capitula^ion  dexando 
en  liverdad  al  Emperador  para  poder  socorrer  a  su  Ma^,  que  a  Sa 
Em*  se  he  ha<;e  muy  aspero  que  al  mismo  tiempo  que  se  ha^e  un  servi^io 
a  la  Augma  ciisa  elegiendo  Emperador  al  S.  Rey  de  Ungria  en  es  miimo 
tiempo  seria  for^oso  desobligarla  con  capitula^ion  inescusable  qne 
estaria  muy  mal  a  la  augm*  casa  y  al  Rey  nostro  Senor.*  Am  Ende 
der  Berathungen  rief  Johann  Philipp,  als  er  sah,  dass  Saria  ron  der 
FriedensYomahme  unter  keinerlei  Umständen  etwas  wissen  wolle,  ans: 
^  Seflor  Arcebispo,  que  occasion  perdemas  a  qui  per  no  teuer  V.  £. 
mandato  para  tratar  la  paz/  Saria  an  Peneranda,  11.  December  1657. 
W.-A.  (Wahlacten.) 

1  Auch  Saria  schrieb  am  4.  December,  der  Kurfürst  habe  ihm  gesagt, 
que  escriviesse  a.  V.  E.  que  el  todo  consiste  en  que  8.  M.  y  V.  E- 
bengan,  pero  que  la  capitula^ion  ne  se  podra  escusar  por  la  mannten- 
cion  por  la  paz  y  esto  es  lo  que  desean  Francesos,  come  V.  E.  bera  en 
este  memorial  y  dice  S.  E.,  diga  yo  a.  V.  E.  que  quando  allos  piensen 
que  la  capitula^ion  ne  sera  a  favor  suyo  se  acomodaran  a  buen  partido.' 
W.-A.  (Wahlacten.) 

3  Saria  an  Pefieranda,  4.  December  1657.  W.-A.  (Wahlacten.)  ,Finalmente 
SU  conclnsion  es,  que  Su  Mag^  y  V.  E.  bengan  sin  perder  tiempo;  en 
este  Senor  Elector  reconoce  bnena  inclina^ion  y  me  dice  .  .  .  que  quando 
y.  E.  haya  visto  mis  cartas  espera  que  V.  E.  se  asegurava  algo  de  ea 
buena  Intention.' 

>  Pelieranda  an  Leopold  s.  d.  (December  1657).  W.-A.  (Wahlacten.)  ,Ego 
vix  credo  posse  amplius  differri  profectum  M^«  Y^  versus  Francofurtoro, 
sed  humiliter  rogo,  ut  quantocius  deliberare  dignetur,  ne  diutius  diffe- 
rendo  responsum  videamur  contemnere  electoris  sincerationem.* 


165 

denn  er  blieb,  trotzdem  der  Kurftlrst  immer  wieder  forderte, 
er  möge  einige  Zeit  vor  Leopold  nach  Frankfurt  kommen ' 
und  die  FriedensTerhandlungen  beginnen,  dabei,  sich  in  solche 
Verhandlangen  nicht  einzulassen.  Wenn  Peneranda  durch  ein 
solches  Vorgehen  Johann  Philipp  von  seinen  Friedensplänen 
abzubringen  dachte,  so  hat  er  sich  gründlich  getäuscht.  Wäh- 
rend die  spanische  Gesandtschaft  sich  auf  dem  Wege  nach  der 
Wahlstadt  befand,  hatte  Johann  Philipp  in  wiederholten  Be- 
rathongen  sich  mit  den  Vertretern  Ludwig  XIV.  geeinigt  und 
diese  filr  seinen  Friedensplan  zu  gewinnen  vermocht.  Als  er  nun 
erfiihr,  dass  Peneranda  und  Leopold  sich  Frankfurt  näherten, 
berief  er  Volmar  zu  sich,  betheuerte  seine  dem  Erzhause  gün- 
stige Gesinnung,  betonte,  wie  grosse  Mühe  er  sich  gegeben 
habe,  Frankreich  von  dem  nach  dem  Tode  Ferdinand  HI.  be- 
schlossenen Angriffe  auf  Oesterreich  abzuhalten,  wie  es  ihm 
geglückt  sei,  die  Franzosen,  welche  auf  die  Erhebung  Ferdi- 
nand Marias  von  Baiem  rechneten,  zur  Vornahme  der  Friedens- 
verhandlungen zu  vermögen,  wie  dann  Frankreich,  als  die 
Wahl  des  bairischen  Kurfürsten  sich  als  undurchführbar,  jene 
Leopolds  aber  als  unvermeidlich  erwiesen,  von  Neuem  eine  Er- 
klärung des  KurfÜrstencoUegiums  gefordert,  durch  die  Oester- 
reich des  Friedensbruches  schuldig  befunden  würde  und  im 
Weigerungsfalle  mit  offenem  Kriege  gedroht  hätte,  und  welche 
Mühe  es  ihm  —  dem  Erzkanzler  —  gekostet  habe,  von  Ma- 
zarin  die  Billigung  der  Wahl  Leopolds  unter  gleichzeitiger 
Vornahme  der  Friedensverhandlungen  zu  erwirken.  Und  als 
Vohnar  die  Befürchtung  aussprach,  Frankreich  werde  unan- 
nehmbare Bedingungen  stellen,  entwickelte  Johann  Philipp  ein 
Friedensprogramm,  wie  es  günstiger  die  Spanier  selbst  nicht 
wünschen  konnten.^ 

Leopold  und  seine  Räthe  griffen  den  Vorschlag  des  Main- 
zers mit  Freuden  auf.  Sie  hofften  durch  die  Einwilligung  Spa- 
niens in  die  Vornahme  der  Friedensverhandlungen,  jene  durch  die 
Bestimmungen  der  Wahlcapitulation  dem  neuen  Kaiser  drohende 
Gefahr  abzuwenden.     Man    theilte   Peneranda    die   Forderung 


*  Schreiben  vom  1.,  4.  und  11.  December  1657.  W.-A.  (Wahlacten.)  ,Que 
Sa  Mag^  (Leopold)  venga  in  nombre  de  Dios,  per6  que  V.  E.  se  adelante 
11  dias  antes  para/  (1.  December.) 

'  Volmar  an  Leopold,  6.  Mätjb  1658.  W.-A.  (Wahlacten.) 


166 

Johann  Philipps  mit  und  ersuchte  ihn^  als  Zeichen  des  TSui- 
gegenkommens  das  vom  Erzkanzler  gewünschte  Schreiben  an 
Philipp  IV.  im  Sinne  des  Beginnes  der  Verhandlungen  vor 
der  Wahl  abzusenden.  Zu  gleicher  Zeit  aber  sollte  hervorge- 
hoben werden,  dass  die  Wahl  nicht  verzögert,  sondern  so  bald 
als  möglich  vorgenommen  werden,  ,der  punctus  assecurationis 
in  der  Wahlcapitulation  gänzlich  ausgelassen  und,  falls  Spanien 
wider  Verhoffen  in  solche  Verhandlungen  nicht  willigen  sollte, 
dem  EurfUrstencolleg  anheimgestellt  bleiben  möge,  hierüber 
ein  Reichsbedenken  unter  der  Hand  vorzunehmen,  was  in  der 
Sache  zu  thun;  im  Uebrigen  aber  die  Wahlcapitulation  Fer- 
dinand IV.  unverändert  in  die  neue  übernommen  werdet' 
Aber  man  missverstand  den  Mainzer,  wenn  man  meinte,  dass 
er  gegen  das  Versprechen,  die  Friedensverhandlungen  beginnen 
zu  wollen,  sich  der  von  Frankreich  und  Habsburgs  übrigen 
Gegnern  geforderten  Beschränkung  der  kaiserlichen  Actions- 
freiheit  energisch  widersetzen  werde.  Das  zeigte  sich  sogleich, 
als  Peneranda  dem  Eurflb:sten  von  Mainz  mittheilen  liess,  er 
sei  bereit,  an  den  König  von  Spanien  zu  schreiben,  dessen 
Antwort  in  Frankfurt  abzuwarten  und  für  den  Fall  einer  zu- 
stimmenden Erklärung  die  Verhandlungen  zu  beginnen.  ^  Demi 
der  Erzkanzler  fasste  dieses  Anerbieten  in  der  Weise  auf,  dass 
die  Friedensverhandlungen  noch  vor  der  Wahl  zum  Abschlüsse 
gebracht  werden  sollten,  und  forderte  von  Leopold  energisebe 
Unterstützung  dieses  Planes.  Da  aber  der  junge  König  sich 
weigerte,  durch  ein  Billigen  dieses  Vorganges  selbst  die  Ver- 
zögerung der  Wahl  zu  fc^rdem,  da  sich  überdies  im  Verlaufe 
der  Verhandlungen  grosse  Differenzen  in  der  Auffassung  der 
Angelegenheit  durch  den  Mainzer  und  Peneranda  ergaben,  be- 
schloss  Johann  Philipp,  seinen  ursprünglichen  Plan  der  Herstel- 
lung des  Friedens  vor  der  Wahl  nunmehr  definitiv  aufzugeben, 
sich  mit  der  Absendimg  von  Schreiben  an  die  Könige  von 
Spanien  und  Frankreich  zu  begnügen,  ^  durch  die  er  ihre  Zu- 
stimmung zur  Vornahme  der  Friedensverhandlung  im  Reich 
nach  der  Wahl  zu  erwirken  hoffte,  zugleich  aber  die  seiner 
Ansicht    nach    berechtigten    Forderungen    der    französischen 


^  Couferensprotokoll  vom  23.  März  1658.  W.-A.  (Wahlacten.) 

*  Leopold  an  Lamberg,  Frankfürt,  8.  Juni  1658.  W.-A.  (Wahlacten.) 

3  Das  Schreiben  erging  am  4.  MaL  Theatnim  Europaeam,  ym«  381. 


167 

Itegienmg  durch  die  Aufnahme  der  die  Actionsireiheit  des 
neuen  Kaisers  beschränkenden  Bestimmungen  in  die  Wahl- 
capitulation  und  durch  den  Abschluss  des  Rheinbundes  zu  be- 
friedigen. Ein  solches  Vorgehen  zu  rechtfertigen  wurde  ihm 
um  80  leichter^  als  die  Bereitwilligkeit^  mit  der  Ludwig  XIV. 
auf  den  von  Wilhelm  Fürstenberg  im  Auftrage  der  Mainzer 
and  Kölner  Kurfürsten  gemachten  Vorschlag  einging,  die  Frie- 
densverhandlungen durch  Vermittlung  des  KurfÜrstencollegs 
nach  der  Wahl  vorzimehmen,  im  schroffsten  Gegensatze  zu 
Peneranda's  ablehnender  Haltung  stand  und  allüberall  die  An- 
sicht bestärkte,  dass  Spanien  der  dem  Frieden  widerstrebende 
Theil  sei.  ^  Das  von  Johann  Phihpp  geplante  Werk  wurde  in 
der  gewünschten  Weise  durchgeführt.  Leopold  musste  sich 
eidUch  verpflichten,  an  dem  Kampfe  Spaniens  und  Frankreichs 
nicht  theilzunehmen.  Spanien  sah  sich  dadurch  seines  Helfers 
b^aubt.  Der  Zweck,  den  es  bei  der  Förderung  der  Wahl 
Leopolds  verfolgt  hatte,  war  nicht  erreicht  worden.  Der  Friede, 
den  zu  schliessen  es  sich  geweigert,  wurde  immer  nothwendiger. 
Aber  zu  tief  war  die  Abneigung  gegen  den  Mainzer  und  dessen 
CoUegen,  als  dass  Spanien  ihnen  die  Vermittlimg  anvertraut 
hätte.  Der  Plan  Johann  Philipps,  den  Friedensvermittler 
Enropas  zu  spielen,  scheiterte  gleich  beim  ersten  Versuche. 
Die  Verhandlungen,  die  er  in  diesem  Sinne  führte,  verliefen 
im  Sande.  Ein  Jahr  später  haben  die  beiden  sich  bekriegen- 
den Nationen  durch  directe  Verhandlungen  ein  Abkommen 
getroffen. 

C.  Der  Papst.   Dänemark.   Polen. 

Von   dem   besten  Willen   beseelt,   die  Wahl  Leopolds  zu 
fördern,   war   Papst  Alexander  VIT.  ^     So   weit    es    in    seinen 


*  Leopold  an  Lamberg,  21.  JuU  1658.  W.-A.  (Wahlacten.) 
'  Unmittelbar  nach  dem  Tode  Ferdinand  III.  war  Friquet  nach  Rom  ge- 
sendet worden,  vornehmlich  um  eine  Geldnnterstützung  vom  Papste  für 
den  Kampf  gegen  Schweden  zu.  fordern.  Doch  hat  Friquet  auch  der 
Wahlangelegenheit  gedacht  und  vom  Papste  die  besten  Versicherungen 
erhalten.  Friquet  an  Leopold,  Rom,  16.  Juni  1657,  abgedruckt  bei 
Walewski,  Leopold  I.  und  die  heilige  Ligue,  II,  I,  Anhang  IV — VUI, 
auch  221  £,  wo  eine  leider  unbrauchbare  Darstellung  der  Wahl  Verhält- 
nisse  sich   findet.    Als   die   Nachricht  von    dem  Plane   der  Erhebung 


168 

Kräften  lag,  hat  er  auch  thätig  im  Interesse  der  Erhebung 
Leopolds  auf  den  Kaiserthron  gewirkt.  Er  hat  die  katholischen 
Kurfürsten  in  besonderen  Schreiben  ausdrücklich  aufgefordert, 
die  den  Interessen  der  katholischen  Religion  und  des  deutschen 
Reiches  gleich  förderliche  Wahl  des  jungen  Königs  von  Ungarn 
und  Böhmen  zu  unterstützen  *  und  hat  seinerseits  den  Erzbischof 
von  Consenza,  Giuseppe  Maria  San  Feiice,  nach  Frankfurt  ge- 
sendet, um  hier  die  Sache  des  jungen  Habsburgers  zu  fbrdem. 
In  einem  stattlichen  Bande  hat  der  päpstliche  Gesandte  das 
Ergebniss  seiner  Bemühungen  niedergelegt.^  Was  sich  aus 
seinen  Mittheilungen  ergibt,  ist,  dass  seine  Verhandlungen  in 
allen  wesentlichen  Punkten  ohne  Erfolg  geblieben  sind.  Die 
Zusammenkunft  der  drei  geistlichen  Kurfürsten,  die  San  Feiice, 
um  ein  gemeinsames  Vorgehen  im  Sinne  Leopolds  zu  ermög- 
lichen, herbeigeführt  zu  haben  sich  berühmt,  endete  nicht  in 
der  gewünschten  Weise,  ^  und  seine  Bemühungen,  den  Era- 
kanzler  von  dem  Friedensplane  abzubringen,  blieben  fruchtlos. 
Die  Stellung  San  Felice's  in  dieser  letzteren  Frage  war  übrigens 
eine  äusserst  schwierige.  Als  Vertreter  des  Papstes,  des  Frie- 
densstifters, konnte  er  unmöglich  sich  als  principieller  Gegner 
der  Friedensverhandlungen  erklären.  Dazu  kam,  dass  Gram- 
mont  und  Lionne  nicht  müde  wurden,  mit  ihm  von  der  Noth- 


Baiems  in  Wien  bekannt  wurde,  erhielt  Friquet  den  Auftrag,  vom 
Papste  ein  energisches  Einschreiten  gegen  dieselbe  zu  fordern.  (Weisung 
vom  3.  August  1657.  W.-A.  Wahlacten.)  Der  Papst  antwortete  zu- 
stimmend, indem  er  zugleich  die  Ansicht  aussprach,  Baiern  werde  die 
Krone  nicht  annehmen.  (Friquet  an  Leopold,  Rom,  23.  August  1657. 
W.-A.  (Wahlacten.) 

*  Das  Original  des  Schreibens  an  Karl  Kaspar  von  Trier  vom  30.  Juni 
1657  findet  sich  noch  im  Coblenzer  Archive  vor.  Die  Schreiben  an 
Leopold  sind  abgedruckt  bei  Walewski  1.  c.  XXV  f.  und  XXXII  f.  vom 
30.  Juni  und  28.  Juli  1657. 

3  Diarium  deir  elezzione  dell*  Imperador  Leopold  I.  da  Giuseppe  Maria 
Sanfelice,  herausgegeben  von  Ferdinand  Sanfelice,  Neapel  1717.  Sehr 
ausführliche  Mittheilungen  über  die  Sendung  San  Felices  finden  sich 
auch  in  der  Historia  di  Leopolde  Cesare  etc.  von  Galeaxzo  Gualdo 
Priorato,  Bd.  I,  Libro  ü,  p.  77  ff.,  doch  hat  San  Feiice  nicht  die  her- 
vorragende Rolle  gespielt,  die  Priorato  ihm  zuweist. 

'  Diarium  etc.,  p.  26.  Wenn  er  behauptet,  die  Kurfürsten  hätten  sich  dahin 
geeinigt,  Leopold  Wilhelm,  und  falls  dessen  Wahl  undurchführbar  sein 
sollte,  Leopold  zu  wählen,  so  ist  dies  unrichtig. 


169 

weodigkeit  und  Vortheilhafltigkeit  des  Friedens  zu  sprechen/ 
and  dAss  Johann  Philipp  ihn  direct  aufforderte,  sich  vom  Papste 
die  zur  Vermittlung  zwischen  beiden  Staaten  nothwendige 
Vollmacht  zu  verschaflFen.  ^  Da  aber  San  Feiice  die  fran- 
zösischen Friedensanerbietungen  nicht  ernst  nahm  —  eine  An- 
sicht, die  man  auch  in  Rom  theilte  ^  —  hielt  er  es  fUr  eine  mit 
seinem  Gewissen  unvereinbare  Aufgabe,  in  der  vom  Erzkanzler 
gewünschten  Weise  bei  Leopold  und  dem  Papste  die  Vor- 
nahme imd  den  Abschluss  der  Friedensverhandlungen  zu 
empfehlen.  Der  Ausweg  aber,  den  er  in  dieser  schwierigen 
Lage  wählte  —  er  schlug  vor,  die  Friedensverhandlungen  an 
einem  anderen  Orte  zu  beginnen,  in  Frankfurt  aber  unver- 
weilt  zur  Wahl  zu  schreiten  —  fand  die  Billigung  Johann 
Philipps  nicht.  ^  Und  ebensowenig  wie  in  dieser  Frage,  ver- 
mochte er,  trotz  wiederholter  Unterredimgen,  den  Erzkanzler 
bezüglich  der  Wahlcapitulation  imd  der  rheinischen  Allianz 
umzustimmen.  In  das  Zugeständniss  der  wenig  erfolgreichen 
Intervention  klingt  denn  auch  sein  Bericht  aus.  ^ 

Obgleich  man  sich  am  Wiener  Hofe  keinen  besonderen 
Erfolg  von  der  Intervention  des  Papstes  versprach,  nahm  man 
sein  Anerbieten  mit  Freuden  an,  ja  man  suchte  seine  Mit- 
wirkung; mussten  ja  doch  die  Zeichen  einer  wahren  Neigung 
des  Oberhauptes  der  Christenheit  der  Candidatur  Leopolds  sehr 
forderlich  sein.  Dagegen  glaubte  man,  das  Anerbieten  des 
dänischen  Königs   aus   eben   diesem  Grunde   zurückweisen  zu 


'  Lionne  behauptete  in  einer  Unterredung  mit  San  Feiice,  aus  dem  Munde 
d^  Papstes  gehört  zu  haben,  derselbe  ,esser  ben  contenta  di  chiuder 
gli  occhi  al  mondo  qnel  giomo,  in  cui  si  fasse  conclusa  la  tanto  bra- 
mata  pace/  Diarium  etc.,  p.  37. 

^  Diese  Vollmacht  ist  datirt  vom  22.  September  1667. 

'  Ueber  die  Haltung  Alexander  VII.  und  seine  Abneigung  gegen  Frank- 
reich Wagner  1.  c,  I,  37. 

*  Der  Papst  erklärte:  ,Maturandam  ob  presentia  a  Turcia  pericula  electio- 
nem,  pacem  alibi  et  opportunius  perfici  posse.'  Wagner  1.  c,  I,  37. 

^  Ich  habe  das  Buch  San  Felice's  im  British  Museum  in  London  gefunden 
und  benutzt;  in  Wien  findet  sich  kein  Exemplar  vor.  Den  Erzkanzler 
beortheilt  er  folgendermassen :  ,11  suo  tratto  ^  grave  e  modesto,  i  costnmi 
iunocenti,  capacissimo  del  negozio,  segreto,  cauto  e  talvolta  perplesso, 
amator  d'  hnomini  virtuos!  e  de*  buoni  Ecclesiastici,  parla  mediocremente 
latino  et  italiano,  elegantemente  francese,  contese  con  questa  nazione 
per  la  vicinanza  de'Stati,  ^  ben  affetto  alla  casa  d*Austria. 


170 

müssen.  Man  fürchtete  in  der  Umgebung  Leopolds^  und  wie 
wir  glauben  mit  Recht;  dass  das  Eintreten  des  Königs  von 
Dänemark  für  Leopold  bei  den  Kurfürsten  den  Verdacht  er- 
wecken werde^  dass  diese  Unterstützung  der  Ausflnss  geheimer 
Abmachungen  sei;  durch  die  sich  der  junge  König  bereits  zar 
Antheilnahme  an  dem  Kriege  gegen  Schweden  verpflichtet 
habe,  und  so  der  Wahl  Leopolds  eher  schädlich  lüs  nütz- 
lich sein  werde.  *  Als  daher  Friedrich  DI.  durch  Go^  — 
den  österreichischen  Gesandten  in  Kopenhagen  —  bei  der 
Wiener  Regierung  anfragen  Hess,  ob  er  in  irgend  einer  Weise 
die  Pläne  derselben  fordern  könne,  ^  wurde  Goßss  der  Auf- 
trag zutheil,  dieses  Anerbieten  in  möglichst  verhüllter  Weise 
dankend  abzulehnen,  ^  was  den  Vertreter  Friedrich  III.  in 
Frankfurt,  den  Grafen  Rantzau,  allerdings  nicht  gehindert 
hat,  mit  Billigung  des  Wiener  Hofes,  soweit  es  in  seiner  Macht 
lag,  auf  directem  und  indirectem  Wege  fUr  die  Sache  Leopolds 
einzutreten.  * 

In  ähnlicher  Weise  wie  zu  dem  Anerbieten  Friedrich  ID. 
verhielt  sich  der  Wiener  Hof  zu  jenem  Johann  Casimirs  von 
Polen.  Auch  ihn  ersuchte  man,  von  jedem  offenen  Eingreifen 
zu  Gunsten  Leopolds  abzustehen,  während  man  sich  seiner  be- 
diente, um  den  KurfUrsten  von  Brandenburg  flir  die  Sache  des 
Hauses  Habsburg  zu  gewinnen.  ^ 

D.  Frankreich. 

Unmittelbar  nach  dem  Tode  Ferdinand  IV.  —  darüber 
kann  kein  Zweifel  mehr  bestehen  —  hat  der  Leiter  der  fran- 
zösischen Politik  die  ersten  Schritte  unternommen,  um  die 
Wahl  des  nunmehr  ältesten  kaiserlichen  Prinzen  —  Leopold 
Ignaz  —  zu  verhindern.  Um  sich  über  die  unter  den  Kurfürsten 


1  V^tum  deputatorum  vom  30.  Juli  1657.  W.-A.  (Wahlacten.) 

2  GoSsB  an  Leopold,  Kopenhagen,  27.  Juni  1667.  W.-A.  (Wablacten.) 
Vgl.  Walewßky  1.  c,  XXXVIU  flf. 

3  Votum  deputatorum  vom  30.  Juli  1667.  W.-A.  (Wahlacten.) 

*  Ich  habe  im  Kopenhagener  Archiv  die  Berichte  Rantzau's  durchgeiehea 
Sie  enthalten  nichts  von  besonderer  Bedeutung  und  zeigen,  dass  er  von 
den  entscheidenden  Vorgängen  nicht  immer  genügende  Keuntniss  erhielt 

^  Vgl.  über  des  Königs  von  Polen  Verhalten  in  der  Wahlfrage  auch  Des 
Noyers,  Lettres,  a.  v.  O. 


171 

harschende  Stimmung  Gewissbeit  zu  verschaffen^  zugleich  aber 
aach^  um  seinen  Plan  der  Erhebung  des  jungen  Kurfürsten 
Ton  Baiem  auf  den  Kaiserthron  kundzuthun,  wendete  sich 
Mazarin  an  Maximilian  Heinrich  von  Köln^  an  dessen  Hofe 
der  mit  der  französischen  Regierung  in  engster  Verbindung 
stehende  Franz  Egon  von  Fürstenberg  die  leitende  Rolle  spielte. 
Die  Anfrage  Mazarin's  traf  die  kurkölnische  Regierung  nicht 
anvorbereitet.  Bereits  zu  Beginn  des  Monats  September  1654 
hatte  sich  Franz  Egon  von  Fürstenberg  in  einem  vertraulichen 
Schreiben  an  Maximilian  Khurtz  gewendet  und  ihm  mitge- 
theilt,  dass  die  Kurfürsten  von  Köln^  Trier  und  Brandenburg 
sich  zu  gemeinsamem  Vorgehen  in  der  Wahlangelegenheit  ent- 
schlossen hätten.  Auch  des  Planes,  Ferdinand  Maria  die  Elrone 
zuzuwenden,  that  er  in  diesem  Schreiben  Erwähnung.  Khurtz 
erwiderte  in  zurückhaltender  Weise,  die  Sache  sei  so  beschaffen, 
dass  man  sie  wohl  überlegen  müsse,  bevor  man  sie  angreife, 
man  müsse  erwägen,  ob  der  Schade  im  Falle  des.  Misslingens 
nicht  grösser  sei  als  der  Nutzen  im  Falle  des  Gelingens.  * 
Fürstenberg  versuchte  darauf  in  einem  neuen  Schreiben  die  bai- 
rische  Regierung  ftlr  den  Plan  der  Erwerbung  der  Kaiserkrone 
za  erwärmen.  Er  betonte,  dass  die  Kurfürsten  von  Trier  und 
Brandenburg  fUr  den  Witteisbacher  eingenommen  seien,  und 
forderte  dringend  eine  Erklärung  Ferdinand  Marias.^  Allein  seine 
Bemühungen  hatten  auch  diesmal  keinen  Erfolg.  Der  junge 
Eurförst  Hess  dem  Minister  Maximilian  Heinrichs  durch  Khurtz 
mittbeilen,  er  halte  es  mit  Rücksicht  auf  den  Argwohn,  den 
die  Verhandlungen  in  dieser  Frage,  falls  dieselben  bekannt 
würden,  am  Kaiserhofe  hervorrufen  könnten,  filr  angezeigter, 
die  Sache  vorerst  in  suspenso  zu  lassen.^  Diese  Erklärungen 
Ferdinand  Marias  scheinen  auf  den  Kurfürsten  von  Köln  und 
auch  auf  Fürstenberg  nicht  ohne  Eindruck  geblieben  zu  sein. 


^  Maximilian  Khurtz  an  Egon  Fürstenberg,  München,  16.  September  1654. 
Dfisseldorfer  Archiv. 

^  Egon  Fürstenberg  an  Maximilian  Khurtz,  4.  October  1664.  Düssel- 
dorfer Archiv. 

'  Maximilian  Khurtz  an  Egon  Fürstenberg,  München,  20.  October  1664. 
Düsseldorfer  Archiv.  Khurtz  fügte  hinzu,  mau  könnte  die  Sache  um  so 
mehr  in  suspenso  lassen,  weU  der  Kaiserhof,  wie  in  München  bekannt 
sei,  au  die  Durchführung  der  Wahl  Leopolds  in  diesem  Momente  schon 
im  Hinblicke  auf  dessen  Jugend  nicht  denke. 


172 


Insbesondere    die   Rücksicht    av,: 
Heinrich,  dessen  Länder  den  K 
ausgesetzt  waren,  zur  Vorsicl. 
Graf  Wagn^e    als    Abgesa  . 
Hofe    ein.     Seine   Auseim 
wägung,   dass  von  Spai  " 
so  lange  die  Kaiserwn 
Philipp  IV.  in  diese] 
Stützung  Seitens  soii 
daher   auch    im  Ti  * 
Reichsfriedens  k- 
zusehen.  Zu  o*!*  ■ 


Kurfürsten  v. 
werde  dureli 
die  Annalu- 
Heinricli    \ 

zeufceii.    ' 
dem  K'^ 
aii<l'  '  * 

für 


'•    *l(^s  Kurfürsten  von 
.u  h    bei  Karl  Kaspar 
i    (hin  Schwedenkönige 
i^'  i]'As  Beiden  erwünschte 
^ -eil eil  i\Iacht,  zu  erreichen 
i:e    Ansicht   verbreiten,   dass 
.t)j5sen   abstamme    und    daher 
ige  im  Reiche  besitze  als  das 
1  jungen  KurfUrsten  von  Baiem 
i:e  Hand   nach   der  Kaiserkrone 
iner    seiner  Vorfahren    getragen 
niinand  Maria,  von  dessen  Bereit- 
ster Linie   abhing,   fand  die  franzö- 
.•id:>ten  Widerstand.     Denn   als    Graf 
.-  tlüiigsten  Minister  Karl  Gustavs,  im 
.mi  im  Sinne  Mazarin's  am  bairischen 
•ongen  Kurfürsten  für  den  Plan  der 
.  %roue  unter  den  günstigsten  Bedingungen 
:    vtiraweg  abgewiesen.  Zu  gleicher  Zeit 
*.  et»,   um  jeden  Verdacht  zu   beseitigen, 
1   S'hlippenbach'schen  Mission  und  ihrem 
^  ^macht.  * 
^vb    durch    diesen    Misserfolg    nicht   irre 
^    jm  Diur,  die  Wahl  Leopolds  zu  verhindern, 
V  i-A  oder  lang  ans  Ziel  zu  kommen.  Gewiss, 
.   *ii  Ferdinand  Marias,  aber  doch  nur  darum, 
..•>4t*u   durchführbar   erschien;   der  Gedanke, 
,,,,.uii   Fürsten  —  auch  Ludwig  XIV.  und  der 
.„.iits   w\urden    in    Betracht    gezogen^   —   zu 


s* 


k,.otu»iC^n  Frankreichs  mit  Trier  in  dieser  Zeit  berichtet 
.vr  1654  und  24.  April  1655.  W.-A.  (Wahlacten.) 

,^t  Javon  nnter  dem  20.  Noyember  1654.    W.-A.  fW*hl- 

H»>MOÄ  Sihlippenbach's  vgl.  Arndt  1.  c,  573  ff.,  doch  be- 

.v<s   >"^'*  Arndt  über  die  Mission  Homburgs  a.  a.  0.  mit- 

u  a^vi  Jahr  1665,    sondern   in   das   folgende  Jahr  gehört 

^its^^^f  Christian  war  vor  dem  Jahre  1656  nicht  als  fran- 

oiiitttw  am  Hofe  Ferdinand  Marias  erschienen. 

jr^i'f^    »"    Maximilian    Khurte,    Bonn,    1.  November  1654. 

'vivhiv.     Ks    scheint,   berichtet  Fürstenberg,   dass  wie  in 


173 

machte,  fand  des  Kölners  Vorgehen  vollste  Billigung.  *  Da- 
gegen war  Mazarin  mit  Maximilian  Heinrichs  Haltung  durchaus 
nicht  einverstanden.  Wagn^e  erhielt  Befehl,  dem  Kurftirsten 
za  erklären,  der  Cardinal  verhehle  sich  die  mit  der  schleunigen 
Erhebung  des  bairischen  Kurfürsten  auf  den  Kaiserthron  ver- 
bundenen Gefahren  nicht,  allein  er  halte  die  Sache  fUr  durch- 
fahrbar, sobald  nur  Baiem  ernstlich  wolle.  Friedrich  Wilhelm 
Ton  Brandenburg  sei  fUr  diese  Wahl  sehr  eingenommen  und  in 
der  Lage,  den  jungen  Johann  Georg,  der  in  Kurzem  den  Thron 
seines  Vaters  besteigen  dürfte,  zu  gewinnen;  die  Stimme  des 
Trierers  halte  Mazarin  fUr  sicher  und  glaube  auch  auf  die 
des  P&lzers  rechnen  zu  können;  er  sehe  nicht,  wie  gegen 
den  Willen  dieser  Kurfürsten  ein  die  Wahl  Ferdinand  Marias 
hindernder  Widerspruch  erfolgen  könne.  Und  indem  Mazarin 
die  Stellung  Ferdinand  IH.  in  dem  gegenwärtigen  Augenblicke 
mit  jener  seines  Vaters  in  dem  Momente  vergleicht,  wo  Maximilian 
von  Baiem  die  ihm  angetragene  Krone  mit  Rücksicht  auf  die  ihm 
von  dem  Hause  Habsburg  drohenden  Gefahren  zurückwies, 
glanbt  er  den  Einwand  zurückweisen  zu  können,  dass  der 
Erhebung  Ferdinand  Marias  dessen  baldiger  Sturz  nachfolgen 
werde.  Er  forderte  daher  nochmals  den  Kurfürsten  von  Köln 
auf,  Alles,  was  in  seiner  Macht  liege,  für  die  Erhebung  Fer- 
duiand  Marias  zu  thun,  stellte  ihm  die  Geldmittel  seines  Herrn 
zw-  Verfügung  und  betonte,  dass  die  zwei  wesentlichsten  Be- 
dingungen einer  gedeihlichen  Entwicklung  der  Wahlfrage  die 
Verhinderung  der  Wahl  Leopolds  —  wozu  die  Minorennität 
desselben  ein  hinreichender  Grund  sei  —  und  die  Forderung 
der  strengen  Beobachtung  des  Münsterer  Friedens  Seitens  Fer- 
dinand ni.  seien.  2 


'  Maximilian  Khurts  an  Egon  Fürstenberg,  München,  25.  November  1654. 
Düsseldorfer  Archiv. 

'  Copie  des  Schreibens  Wagn^e^s  an  Egon  Fürstenberg,  Lüttich,  21.  De- 
cember  1654,  von  Volmar  als  Beilage  seines  Berichtes  vom  24.  April 
1655  nach  Wien  gesendet.  Nach  dem  Inhalte  dieses  Schreibens  zu 
■chlieasen,  hat  Mazarin  bereits  damals  den  Plan  gefasst,  in  die  zur 
Wahning  des  Münsterer  Friedens  geplante  Einigung  der  deutschen 
Fürsten  einzutreten :  Der  Schutz  des  Reiches,  heisst  es,  ,c*est  le  fondement 
de  la  ligue  embauch^e  en  Allemagne  entre  Cologne  et  ses  alliez,  et 
dans  laquelle  la  France  o£fre  trös  volontiers  d'entrer  avec  conditions, 
qni  seront  trouv^  raisonnables  et  qu*on  seroit  bien  ais^  que  Cologne  et 
86$  confSderez  proposassent,  pour  voir,  si  eile  pourroit  s^y  aiusterS 


174 

Und  zur  selben  Zeit  wie  am  Hofe  des  Kurflirsten  von 
Köln  Hess  Mazarin  in  gleichem  Sinne  auch  bei  Karl  Kaspar 
von  Trier  verhandeln,^  begann  er  mit  dem  Schwedenkönige 
Karl  Gustav  darüber  zu  berathen,  wie  das  Beiden  erwünschte 
Ziel,  die  Vernichtung  der  habsburgischen  Macht,  zu  erreichen 
sei,*  Hess  er  durch  die  Feder  die  Ansicht  verbreiten,  dass 
Ludwig  XIV.  von  Karl  dem  Grossen  abstamme  und  daher 
grösseres  Anrecht  auf  die  Nachfolge  im  Reiche  besitze  als  das 
Haus  Habsburg,  ^  suchte  er  den  jungen  Kurfllrsten  von  Baiern 
für  den  Plan  zu  gewinnen,  die  Hand  nach  der  Kaiserkrone 
auszustrecken,  die  schon  einer  seiner  Vorfahren  getragen 
hatte.  Aber  gerade  bei  Ferdinand  Maria,  von  dessen  Bereit- 
willigkeit der  Erfolg  in  erster  Linie  abhing,  fand  die  franzö- 
sische Partei  den  dauerndsten  Widerstand.  Denn  als  Graf 
Schlippenbach,  einer  der  fähigsten  Minister  Karl  Gustavs,  im 
Auftrage  seines  Herrn  und  im  Sinne  Mazarin's  am  bairischen 
Hofe  erschien,  um  den  jungen  Kurfllrsten  für  den  Plan  der 
Erwerbung  der  Kaiserkrone  unter  den  günstigsten  Bedingungen 
zu  gewinnen,  wurde  er  kurzweg  abgewiesen.  Zu  gleicher  Zeit 
wurde  dem  Wiener  Hofe,  um  jeden  Verdacht  zu  beseitigen, 
von  dem  Zwecke  der  Schlippenbach'schen  Mission  und  ihrem 
Verlaufe  Mittheilung  gemacht.  * 

Mazarin  liess  sich  durch  diesen  Misserfolg  nicht  irre 
machen ;  gelang  es  ihm  nur,  die  Wahl  Leopolds  zu  verhindern, 
so  hoffte  er  über  kurz  oder  lang  ans  Ziel  zu  kommen.  GewisB, 
er  wünschte  die  Wahl  Ferdinand  Marias,  aber  doch  nur  dämm, 
weil  sie  am  leichtesten  durchführbar  erschien;  der  Gedanke« 
es  mit  einem  andern  Fürsten  —  auch  Ludwig  XIV.  und  der 
Herzog   von    Orleans    wurden    in    Betracht    gezogen^   —    zn 


*  lieber  die  Verhandlnng^en  Frankreichs  mit  Trier  in  dieser  Zeit  berichtet 
Volmar  12.  October  1664  und  24.  April  1655.  W.-A.  (Wahlacten.) 

«  Vgl.  Ch^mel  1.  c,  H,  278. 

'  Volmar  berichtet  davon  unter  dem  20.  November  1654.  W.-A.  (^''ahl- 
acten.) 

*  lieber  diese  Mission  Schlippenbach 's  vgl.  Arndt  1.  c,  573  ff.,  doch  be- 
merke ich,  dass,  was  Arndt  ttber  die  Mission  Homburgs  a.  a.  O.  mit- 
theilt,  nicht  in  das  Jahr  1655,  sondern  in  das  folgende  Jahr  gehdri. 
Der  Landgraf  Georg  Christian  war  vor  dem  Jahre  1656  nicht  als  fran- 
zösischer Vermittler  am  Hofe  Ferdinand  Marias  erschienen. 

*  Egon  Fttrstenberg  an  Maximilian  Khurtz,  Bonn,  1.  November  1654. 
Düsseldorfer  Archiv.     Es    scheint,    berichtet  Fürstenberg,    dass  wie  in 


175 

versachen^  falls  Baiern  sich  nicht  umstimmen  lassen  sollte^ 
nihm  immer  mehr  von  dem  Cardinal  Besitz.  Vor  Allem  aber 
kielt  er  es  fUr  nothwendig,  der  Candidatur  eines  Habsburgers 
entgegenzuarbeiten. 

Im  Frühjahre  1655  ging  de  Lumbres  an  den  Hof  Fried- 
rieh Wilhelms,  um  diesen  EurfUrsten  in  seiner  Frankreich 
günstigen  Haltung  zu  bestärken.  £r  erhielt  den  Auftrag,  auf 
seiner  Reise  beim  Eurfdrsten  von  Eöln  vorzusprechen  und  den- 
selben über  die  Wahlangelegenheit  auszuforschen.  De  Lumbres 
konnte  nicht  allzu  Erfreuliches  über  seine  Mission  berichten. 
Er  fand  Maximilian  Heinrich  und  dessen  Räthe  noch  zurück- 
haltender als  Wagn^e  sie  angetroffen  hatte.  Der  Eurfürst  be- 
thenerte,  sieben-  bis  achtmal  an  Ferdinand  Maria  geschrieben, 
aber  keine  Antwort  erhalten  zu  haben.  *  Als  de  Lumbres  be- 
tonte, dass  afl  die  Wahl  Leopolds  schon  mit  Rücksicht  auf  seine 
Jagend  nicht  zu  denken  sei,  erwiderte  der  Eölner,  die  Goldene 
Bolle  enthalte  keine  Bestimmung  über  das  zum  passiven  Wahl- 
rechte nothwendige  Alter.  Und  ähnlich  sprach  auch  Franz  Egon 
von  Ftlrstenberg.  Er  betonte  zwar,  sein  Herr  habe  auf  das  An- 
suchen Ferdinand  HI.,  seine  Zustimmung  zur  Abhaltung  einer 
WiUversammlung  zu  geben,  ablehnend  geantwortet,^  zeigte 
sich  aber  sonst  über  die  französischen  Angelegenheiten  schlecht 
unterrichtet  und  wenig  geneigt,  ftir  eine  rasche  Erledigung 
der  Wahlfrage  im  Sinne  Mazarin's  einzutreten. 


Schweden  auch  in  Frankreich  Gelüste  nach  der  Kaiserkrone  vorhanden 
sind,  anmalen  die  reden  daselbst  haben  der  knndtschaft  nach  vorfallen, 
daß  falß  etwa  selbigen  Königs  Person,  gewisser  consideration  willen  nit 
Bolte  annehmblich  sein,  im  Reich  anch  niemandts  sich  darzn  erkleren 
Uasen  wollte,  alßdan  deßen  Bruder  darzn  vorgeschlagen  nnd  mit  den 
ElMt5isch  und  anderen  im  Reich  nnd  Deutschland  an  sich  gebrachten 
Lindem  versehen  werden  kOnnteS 

*  Schreiben  de  Lnmbres",  30.  Mai  1656.  Pariser  Archiv.  A.  d.  A.-E.  Cologne, 
VoL  n. 

'  Ich  entnehme  diese  Nachricht  den  M^moires  de  Lumbres,  die  sich  im 
Archiv  des  Ministeriums  des  Aeussern  zu  Paris  handschriftlich  befinden, 
and  deren  Publication  —  es  sind  zwei  stattliche  Bände  —  für  die  Ge- 
schichte des  nordischen  Krieges  und  für  die  Vorgeschichte  der  polnischen 
KOnigswahl  von  1669  von  grosser  Bedeutung  wäre.  Eine  Vergleichnng 
der  Berichte  de  Lumbres'  mit  den  M^moires  hat  mir  die  Gewissheit  ver- 
schafft, dass  de  Lumbres  fast  wOrtlich  den  Inhalt  seiner  Berichte  in 
den  Memoiren  wiedergibt. 


176 

Aber  auch  der  geringe  Erfolg  der  Mission  de  Lumbres'  ent- 
muthigte  den  Leiter  der  französischen  Politik  nicht;  er  hatte 
sogleich  einen  andern  Boten  zur  Hand.  Anfangs  Juni  1655 
erschien  Landgraf  Georg  Christian  von  Hessen-Homburg,  der 
den  spanischen  Dienst  mit  dem  französischen  vertauscht  hatte 
und  in  den  folgenden  Jahren  einer  der  eifrigsten  Förderer  der 
Mazarin'schen  Pläne  in  Deutschland  wurde,  ^  am  Hofe  des 
Kölner  Kurfürsten.  Er  forderte  jetzt  im  Namen  Mazarin's  ein 
ganz  bestimmtes  Versprechen  von  Maximilian  Heinrich,  seine 
Wahlstimme  keinem  Habsburger  zu  geben.  ^  Aber  auch  dazu 
wollte  sich  der  Kurfttrst  von  Köln  nicht  verstehen.  Wie  seine 
Vorgänger  verliess  auch  Georg  Christian  den  Hof  des  Kölners 
ohne  befriedigende  Erklärungen.  Und  ebensowenig  wie  Maxi- 
milian Heinrich  waren  Johann  Philipp  von  Mainz  und  Karl 
Kaspar  von  Trier  zu  bindenden  Versprechen  im  Sinne  des  Aus- 
schlusses eines  habsburgischen  Wahlcandidaten  zu  vermögen.  ^ 
Jetzt  sah  auch  Mazarin  ein,  dass  die  sofortige  Vornahme  der 
Wahl  nicht  zu  erzielen  sein  werde.  Er  beschloss,  mit  einem 
entscheidenden  Schritte  zu  zögern,  die  nach  allen  Seiten  hin 
begonnenen  Verhandlungen  fortzuführen  und  dieselben  im  ge- 
eigneten Momente  bei  Ferdinand  Maria  wieder  aufzunehmen. 
Dieser  ergab  sich  früher,  als  er  gedacht  hatte.  Schon  im  Früh- 
jahre 1656  lagen  die  Verhältnisse  so,  dass  Mazarin  von  Neuem 
an  directe  Verhandlungen  mit  dem  Münchner  Hofe  denken 
konnte.  Mehrere  Kurfürsten  hatten  im  Laufe  dieser  Monate 
bindende  Versprechen  gegeben;  so  vor  Allen  der  Branden- 
burger, der  sich  durch  das  Bündniss  vom  24.  Februar  1656 
verpflichtet  hatte,  in  allen  Punkten  die  Interessen  Frankreichs 
in  Deutschland  zu  vertreten.^    Der  Vertrag  mit  dem  Pfälzer 


>  Am  27.  Mai  1657  schrieb  Servien  an  Mazarin,  er  wisse  nicht,  wie  man  den 
Landgrafen  fUr  seine  Dienste  in  der  Wahlsache  genügend  belohnen  kOnne, 
,dont  la  verit^  est,  qa'il  est  le  principal  antheur,  qu*il  a  defrisch^e  pjir 
ses  soins  et  par  ses  voyages,  mesmes  en  des  temps  qa*on  n'avoit  pas 
snbjet  d'avoir  si  bonne  opinion  de  Taffaire  qne  Ton  a  maintenant'.  A.  d. 
K.-E.  Allemagne.  Vol.  137. 

'  Maximilian  Heinrich  von  KOln  an  Ferdinand  Maria,  Bonn,  7.  Juni 
1665.  Düsseldorfer  Archiv. 

'  Volmar  an  Ferdinand  III.,  16.  Juli  1655.  W.-A.  (Wahlacten.) 

*  MOmer,  Karbrandenbnrgs  Staatsverträge,  201  ff.  De  Lumbres  berichtet 
in  dieser  Zeit  wiederholt  über  seine  Unterredungen  mit  Friedrich  Wilhelm 
und  dessen  Räthen  betreffs  der  Wahlfrage,  aus  deren  Aeusserungen  or 


177 

war  dem  Abschlüsse  nahe.  *     Die   drei   geistlichen  KurfUrsten 
durfte  Mazarin  um  so   eher   für   den  Plan  der  Erhebung  Fer- 
dinand   Marias   günstig  gesinnt   hoffen,    als   dieselben   ja   die 
mächtigsten   Mitglieder    der   Allianz    waren,    deren    Hauptbe- 
streben in  dieser  Zeit  dahin  ging,  den  Kurftlrsten  von  Baiern 
«im   Eintritte  in  dieselbe   zu   vermögen.     Und    um    so    mehr 
musste   man  am  Hofe  Ludwig  XIV.  die  Berechtigung  fühlen, 
die  Verhandlungen  am   Münchener   Hofe   von  Neuem   zu  be- 
ginnen, als  man  auf  indirectem  Wege  die  Mittheilung  erhalten 
hatte,    dass   der  junge    Kurfürst  sich    Philipp    Wilhelm    von 
Pfidz-Neuburg  gegenüber   nicht  abgeneigt  gezeigt  habe,   der 
Allianz  beizutreten  und  die  Kaiserkrone  zu  erstreben.  ^  In  der 
sicheren  EWartung  eines   Erfolges   erschien   Landgraf  Georg 
Christian  von  Hessen-Homburg  in  den  ersten  Tagen  des  Monats 
März  1656  in  München.  Um  seiner  Mission  ein  um  so  grösseres 
Qewicht  zu   geben,   behauptete   er,  Credenzschreiben   an   den 
Kurfürsten  von  Frankreich,   Köln   und   Neuburg  mit   sich   zu 
tehren.    Als   er  aufgefordert  wurde,  diese  Schreiben  zu  über- 
geben, weigerte  er  sich  dies  zu  thun,   bevor  Ferdinand  Maria 
ach  darüber  geäussert  habe,  ob  er  die  ihm  von  den  Kurfürsten 
angebotene  Kaiserkrone  annehmen  wolle  oder  nicht.  Der  junge 
Kurfürst  seinerseits  erklärte  aber  mit  dem  Landgrafen  erst  dann 
verhandeln  zu  wollen,  wenn  er  die  Credenzschreiben  überreiche. 
Nun  stellte  sich  heraus,  dass  Georg  Christian  gar  nicht  im  Besitze 
eines  französischen  Creditivs  war.  ^    Alle  Ausflüchte,  die  er  vor- 
brachte, um  sein  Vorgehen  zu  rechtfertigen,  waren  vergebens. 
&8t  als  Maximilian  Heinrich,  an  den  sich  der  Homburger  um 
Vermittlung  wendete,  bestätigte,  dass  Georg  Christian  berechtigt 
sei,  mit  Ferdinand  Maria  in  Unterhandlungen  zu  treten,  wurden 


die  Geneigtheit  des  Knrfürsten,  in  dieser  Frage  mit  dem  Könige  von 
Frankreich  gemeinsam  vorzugehen,  schliesst.  Urkunden  und  Acten,  II, 
41,  45  a.  a.  O.  Auch  die  Candidatnr  Ludwig  XIV.  wird  in  einer  dieser 
Unterredungen  berührt.  Berichte  de  Lumbres\  20.  Juli  1 655.  Urkunden 
und  Acten,  II,  45. 

>  Gemeint  ist  der  am  19.  Juli  1656  abgeschlossene  Vertrag.  Dumont, 
Corps  diplomatique,  t.  VI,  II.  Theil,  143. 

3  Für  den  Aufenthalt  Philipp  Wilhelms  in  München  vgl.  Joachim  1.  c, 
94  t  und  95  Anm. 

3  Ferdinand  Maria  an  Maximilian  Heinrich  von  Köln,  München,  8.  März 
1656.  Düsseldorfer  Archiv. 

ArduT.  Bd.  LUHI.  I.  Hüfte.  12 


178 

diese  aufgenommeB. '  Das  Resultat  entsprach  durchaus  nicht 
den  Erwartungen  und  Wünschen  der  französischen  Partei. 
Denn  Ferdinand  Maria,  der  den  Versprechungen  des  Land- 
grafen um  so  weniger  traute,  als  ihm  berichtet  worden  war, 
dass  derselbe  gleiche  Anerbietungen  dem  Neuburger  gemacht 
habe,^  und  der  es  fUr  überaus  gefährlich  hielt,  sich  in  bestimmter 
Weise  zu  binden,  glaubte  Homburg  am  besten  durch  die  Er- 
klärung abfertigen  zu  können,  dass  er  sich  äussern  werde,  bo- 
bald  ihm  das  Credenzschreiben  Frankreichs  übergeben  werden 
würde,  jedoch',  fügte  er,  um  jede  falsche  Auffassung  von  vorne- 
herein zu  verhindern,  hinzu,  ,nur  insoweit  es  mir  meine  Pflicht 
dem  Heiligen  Römischen  Reiche  gegenüber  gestattet,  die  ich 
alle  Zeit  für  das  Hauptabsehen  meiner  Handlungen  halten 
werdet  ^ 

Georg  Christian  war  mit  diesen  Erklärungen  wenig  zu- 
frieden; er  war  fest  entschlossen,  sicU  so  bald  als  möglich  in 
den  Besitz  des  französischen  Credenzschreibens  zu  setzen  und 
dann  von  Ferdinand  Maria  die  versprochene  Antwort  zu  fordern. 
Um  den  Kurfürsten  von  Köln  in  seiner  guten  Absicht  zu  be- 
stärken, die  Wünsche  Mazarin's  zu  erfüllen,  richtete  der  Land- 
graf ein  Schreiben  an  denselben,  in  welchem  er  von  seinen 
Erfolgen  bei  Ferdinand  Maria  meldete.  Maximilian  Heinrich 
war  sehr  erstaunt,  als  er  dem  Berichte  Georg  Christians  ent- 
nahm, dass  der  junge  KurBirst  die  grösste  Neigung  zeige, 
Kaiser  zu  werden.  Nach  den  Antworten,  die  ihm  von  München 
auf  seine  wiederholten  Anfragen  zugekommen  waren,  hätte  er 
Alles  eher  erwartet  als  ein  freundliches  Eingehen  Ferdinand 
Marias  auf  den  Vorschlag  der  Franzosen.  Er  gab  diesem  Er- 
staunen auch  in  einem  Schreiben  an  den  Kurfürsten  von  Baiem 
Ausdruck.  *  Man  kann  sich  die  Entrüstung  Ferdinand  Marias 
denken,   als   er   erfuhr,   in   welcher  Weise    der  Landgraf  von 


1  Maximilian  Heinrich  an  Ferdinand  Maria,  9.  Mars  1656.     Düsseldorfer 

Archiv. 
3  Ferdinand    Maria    an    Maximilian    Heinrich,.  München,  29.  Mftrs  1656. 

Du 8.<<el dorfer  Archiv. 
3  Desgleichen,  München,  5.  April  1656.  Düsseldorfer  Archiv.  Der  Kurfürst 

von  Baiem  theilte  dem  Wiener  Hofe  sogleich  Verlauf  und  Resultat  der 

Unterredung  mit  dem  Landgrafen  mit;  14.  März  1656.  W.-A.  (Bavarica.) 
*  Maximilian  Heinrich  an  Ferdinand  Maria,  16.  April  1666.    Düsseldorfer 

Archiv. , 


179 

£Ee88eii*  Homburg  seine  Erklärungen  gedeutet  hatte.  Er  be- 
«lieiierte  dem  Kurfürsten  von  Köln,  dass  er  solche  Aeusserungen 
gethan  und  sich  auch  in  Zukunft  nur  so  erklären  wolle, 
ich  es  mir  vor  Oott,  vor  dem  römischen  Kaiser  und  dem 
n  Reich  zu  verantworten  getrauet  *  Bald  genug  ergab 
«eb  Gelegenheit  dazu.  Oeorg  Christian  war  rasch  in  den  Be- 
ats der  französischen  Credenzschreiben  gelangt.  Er  machte 
iem  Kurftirsten  sogleich  davon  Mittheilung  und  stellte  seine 
ABkunflt,  wie  die  des  französischen  Oesandten  Oravel,  in 
Aussicht  Ferdinand  Maria  war  über  diese  Nachricht  nicht 
gerade  sehr  erfreut.  Er  hätte  am  liebsten  die  Reise  der 
iläden  Männer  nach  München  hintertrieben;  er  fUrchtete,  die 
wiederholten  Verhandlungen  mit  französischen  Gesandten  — 
karze  Zeit  vorher  hatte  sich  Vignacourt  auf  der  Durchreise 
nach  Wien  in  München  aufgehalten  —  könnten  Besorgnisse 
am  Wiener  Hofe  her^rrufen.  Allein  sein  Vorschlag,  durch 
Amaoldy  den  Secretär  Homburgs,  die  Verhandlungen  führen 
m  lassen,^  fand  keine  Billigung.  Der  Landgraf  wie  Oravel 
blieben  dabei,  mit  dem  Kurfürsten  persönlich  verhandeln  zu 
Mfissen.  ^  In  der  That  erschienen  sie  Ende  Juni  1656  in  Mün- 
chen. Die  Schreiben  Ludwig  XIV.  und  Mazarin's^  die  sie  vor- 
wiesen^  waren  ziemlich  allgemein  gehalten;^  dagegen  gab  der 
Landgraf  erst  mündlich  und  auf  wiederholtes  Drängen  Ferdi- 
Band  Marias  auch  schriftlich  die  Versicherung,  der  König  von 
Frankreich  habe  ihn  nach  München  gesendet,  nicht  allein,  um 
ihn  der  Freundschaft  Frankreichs  und  der  Mitglieder  der 
riieinischen  Allianz  zu  versichern,  sondern  um  das  bindende  Ver- 
brechen zn  geben,  dass  Ludwig  XFV.  ihn  auf  den  Kaiserthron 
erheben  nnd  auf  demselben  gegen  alle  Neider  und  Gegner  er- 
halten wolle,  vorausgesetzt,  dass  Ferdinand  Maria  seine  Bereit- 
willigkeit kundgeben  würde,  Alles,  was  in  seiner  Macht  stehe, 
flür  die   Durchführung   eines   so   hochbedeutenden   und   rühm- 


*  Ferdinand   Maria   an   Maximilian   Heinrich,   Mfinchen,  26.  April  1666. 
Düaieldorfer  AroMy. 

^  Desgleicben,  München,  14.  Jnni  1656.    Düsseldorfer  Archiv. 

3  Georg  Christian  von  Hessen-Hombnrg   an    Ferdinand   Maria,  Nenburg, 

31.  Mai  1656.  Beilage  znm  Schreiben  vom  14.  Juni  1656.  Düsseldorfer 

Arehir. 

*  Die  Schreiben  des  KOnigs  und  des  Cardinals  sind  datirt  Paris,  11.  April 
1656.  A.  d.  A.-E.  Bavi^re.  Vol.  2. 

12* 


180 

liehen  Werkes  zu  thun.  ^  Die  Antwort  des  bairischen  Kur- 
fürsten auf  diese  entgegenkommenden  Erklärungen  war  eine 
Zurückweisung  in  der  höflichsten  Form.  Er  bemerkte,  die 
Goldene  Bulle  verbiete  ihm,  ganz  abgesehen  von  der  Frage 
der  Zweckmässigkeit  des  ihm  gestellten  Antrages,  sich  schon 
jetzt  in  der  Wahlfrage  zu  entscheiden.  Sollte  ihm  zur  Zeit, 
wo  ihm  eine  Aeusserung  gestattet  sein  werde,  dergleichen  An- 
erbieten gemacht  werden,  dann  werde  er  sich  entscheiden,  wie 
es  die  Rücksicht  auf  das  Reichsinteresse  und  seine  Pflicht  ge- 
bieten würden.  ^  Qravel  hatte  der  Wahlfrage  bei  seinen  Ver- 
handlungen nicht  Erwähnung  gethan;^  er  war,  wie  ans  der 
ihm  mitgegebenen  Instruction  erhellt,  blos  zur  Förderung  des 
Allianzplanes  nach  Deutschland  gesendet  worden^  und  unter- 
handelte am  Hofe  Ferdinand  Marias  auch  nur  in  dieser  An- 
gelegenheit. 

Nach  dieser  Weigerung  des  bairischpn  Kurfürsten,  sich  unter 
den  bestehenden  Verhältnissen  bezüglich  der  Wahlfrage  zu  einer 
entscheidenden  Erklärung  herbeizulassen,  waren  weitere  Ver- 
handlungen Frankreichs  in  München  fUrs  Erste  unmöglich. 
Und  da  auch  der  Wiener  Hof  die  Frage  der  Nachfolge  im 
Reiche  in  dieser  Zeit  im  wohlverstandenen  eigenen  Interesse 
ruhen  zu  lassen  beschloss,  trat  ein  Stillstand  ein.  Ludwig  XTV. 
wie  Ferdinand  UI.  wandten  ihre  Aufmerksamkeit  der  Allianz 
zu,  deren  Abschluss,  bei  den  heftigen  Stürmen,  die  das  ganze 
Festland  durch  tobten,  ihnen  dringender  schien,  als  die  Er- 
ledigung der  Frage,  wer  der  Nachfolger  Ferdinand  IH.  werden 
sollte,  dem  aller  Voraussicht  nach  noch  viele  Regierungsjahre 
bevorstanden.  In  der  That  finden  wir  Gravel  und  Homburg 
in  den  letzten  Monaten  des  Jahres  1656  und  in  den  ersten  des 
folgenden   einzig  und   allein   damit   beschäftigt,   der   Einigung 


»  Protokoll  vom  7.  Juni  1656,  München.  Düsseldorfer  Archiv  und  W.-A 
(Bavarica),  da  Ferdinand  Copien  sämmtlicher  in  dieser  Angelegenheit 
gewechselter  Papiere  nach  Wien  sendete. 

3  Antwort  Ferdinand  Marias,  6.  Juni  1656.    Düsseldorfer  Archiv. 

3  Ferdinand  Maria  an  Blaximilian  Heinrich,  München,  6.  Juli  1666.  Düssel- 
dorfer Archiv. 

*  Vgl.  Joachim  94  ff.  Pribram  1.  c,  139  f.  Unrichtig  ist,  was  Joachim 
1.  c,  245,  über  die  Theilung  der  Aufgaben  unter  Gravel  und  dem 
Landgrafen  mittheilt.  Es  fand  gerade  die  verkehrte  ArbeitstheUnng 
statt. 


181 

%  deutschen  Fürsten  eine  den  französischen  Interessen  ent- 
-mchende  Richtung  zu  geben  und  durch  Separatverträge 
oift  den  einzelnen  weltlichen  und  geistlichen  Herrschern  den 
äifluss  Frankreichs  in  Deutschland  zu  vergrössern.  Dass  es 
.fattn  bei  diesem  Versuche  nicht  nach  Wunsch  ging,  beun- 
-olngte  Mazarin,  wünschte  und  benöthigte  er  ja  zur  Durchführung 
4«|ner  gegen  das  Haus  Habsburg  gerichteten  Pläne  einen  Rück- 
oah  an  die  Mitglieder  des  Rheinbundes.  Wie  ausschliesslich 
iimgens  dieser  Gedanke  der  Einigung  mit  den  deutschen 
flfarsten  gegen  die  feindliche  Macht  Mazarin  noch  unmittelbar 
war  dem  Tode  Ferdinand  HI.  beschäftigte,  beweist  der  Um- 
4uLij  dass  er  in  der  Instruction,  die  er  in  diesen  Tagen  seinen 
Ycrtretem  in  Deutschland  gab,  mit  keinem  Worte  der  Wahl- 
frage Erwähnung  that. '  Noch  bevor  aber  das  Actenstück  in  die 
sar  Absendung  bestimmte  Form  gekleidet  war,  langte  in  Paris 
£e  Nachricht  ein,  dass  Ferdinand  HI.  gestorben  sei.  Mit 
einem  Schlage  war  die  Situation  geändert.  Die  Allianzfrage 
trat  ganz  in  den  Hintergrund.  ^  Mazarin 's  Aufmerksamkeit 
concentrirte  sich  auf  die  Wahlfrage,  von  deren  Entscheidung 
ibm  die  künftige  Gestaltung  der  europäischen  Verhältnisse  zum 
grossen  Theile  abzuhängen  schien.  Wie  er  sich  Frankreichs 
Stellung  zu  der  nun  brennend  gewordenen  Angelegenheit  dachte, 
darüber  sehen  wir  jetzt  ganz  klar.  Als  Grundlage  jeder  Er- 
wägung betrachtete  er  die  unbedingte  Nothwendigkeit,  dem 
Hanse  Habsburg  die  Krone  zu  entreissen,  deren  Sprossen  die- 
selbe seit  mehr  als  200  Jahren  ununterbrochen  getragen  hatten. 
Das  war  und  blieb  der  leitende  Gesichtspunkt  des  französischen 
Staatsmannes  bis  spät  in  den  Herbst  des  Jahres  1657.  Die 
zahlreichen  Männer^  die  damals  das  französische  Interesse  an 
deutschen  Höfen  vertraten,  wurden  alle  in  dem  Sinne  benach- 
richtigt, dass  Frankreich  die  Wahl  eines  Habsburgers  unter 
keinerlei  Umständen  dulden  könne  und  eine  solche  selbst  mit 
Waffengewalt  zu  verhindern  entschlossen  sei.^  Weniger  be- 
stimmt lauteten  die  Weisungen  Mazarin's  bezüglich  der  Person, 
in  deren  Interesse  die  vielen  Abgesandten  Frankreichs  wirken 

'  Instruction    vom  29.  April  1657;    Concept    vom   15.  April.    A.  d.  A.-E. 

Allemagne.  Vol.  135. 
'  Vgl.  Pribram  }.  c,  p.  135  f. 
'  Iiwtniction   für  Homburp  und  Gravel,  27.  April  1657,    A.  d.  A.-E.  All. 

Vol.  135,  und  für  Orammont  und  Lionne,  29.  Juli  1657. 


184 

geräumt  werden  könnten^  *  und  was  die  Vertreter  Frankreichs 
an  den  verschiedenen  kurfürstlichen  Höfen  vernommen  hatten^ 
konnte  ihn  nur  in  der  Ansicht  von  der  Durchfllhrbarkeit  der 
Wahl  Ludwig  XIV.  bestärken.  Der  Stimmen  des  Branden- 
burgers ^  imd  des  Pfälzers  ^  glaubte  er  sicher  zu  sein ;  dass  es 
lediglich  von  Franz  Egon  von  Fürstenberg  abhängen  werde, 
im  Falle  Ferdinand  Maria  sich  weigern  sollte^  die  Wahl  anzu- 
nehmen, den  Kurfürsten  von  Köln  fUr  die  Candidatur  Lud- 
wig XIV.  zu  gewinnen,  wusste  Mazarin,  und  er  zweifelte  keinen 
Augenblick  daran,  dass  er  die  Mittel  besitze,  Fürstenberg  für 
seine  Pläne  günstig  zu  stimmen.  Alles  hing  davon  ab,  ob  auch 
der  Erzkanzler  des  Reiches,  ob  Johann  Philipp  von  Mainz  sich 
für  Ludwig  XIV.  entscheiden  werde.  Mazarin  war  entschlossen, 
das  Aeusserste  aufzubieten,  um  den  Kurfürsten  von  Mainz  auf 
seine  Seite  zu  ziehen.  Gravel,  der  fähigste  der  damaligen  Ver- 
treter Frankreichs  in  Deutschland,  erhielt  Befehl,  sich  über 
Johann  Philipps  Stimmung  zu  orientiren.  Von  dessen  Hit- 
theilungen  musste  es  Mazarin  abhängen  lassen,  inwieweit  er  die 
Candidatur  Ludwig  XIV.  verfolgen  könne.  GraveFs  Berichte 
lauteten  über  alles  Erwarten  günstig.  Schon  am  24.  April 
konnte  er  aus  Frankfurt  melden,  dass  Boineburg,  Johann 
Philipps  vertrautester  Rath,  *  erklärt  habe,  er  sehe  nur  drei 
Personen,  denen  man  die  Krone  anbieten  könne,  den  König 
von  Frankreich,  Leopold  und  Leopold  Wilhelm.  ^  Eine  Woche 
später  berichtete  er  frohlockend,  Boineburg  habe  ihm  zwanzig- 


1  Vgl.  die  sehr  bezeichnende  Weisung  Mazarin's  bei  Ch^mel  1.  c,  III,  101. 

2  Vgl.  das  interessante  Schreiben  des  Kurfürsten  an  Mazarin  gelegentlich 
des  Ablebens  Ferdinand  III.  Ch^ruel  1.  c,  92,  Anm. 

^  Vgl.  das  Schreiben  Mazarin's  an  Senden.  Ch^ruel  1.  c,  93. 

*  Ich  bemerke,  dass  Boineburg  in  vielen  Dingen  wohl  die  Initiative  f&r 
die  Entschliessnngen  Johann  Philipps  gegeben  hat,  doch  ist  sein  Antheil 
aus  den  uns  erhaltenen  Documenten  nicht  in  jedem  Momente  zu  er- 
sehen, lieber  das  Verhältniss  Johann  Philipps  zu  Boineburg  berichtet 
Strauch,  der  Gesandte  Johann  Georg  II.  von  Sachsen,  ,Boinebarg  ist 
das  Factotum  des  Kurfürsten*  (Strauch  an  Johann  Georg,  6./ 16.  October 
1657.  Dresdner  Archiv),  und  Lobkowitz  an  Leopold,  16.  Januar  1658, 
,al(i  ohne  welches  (Boineburg's)  beyrathung  der  herr  Churfürst  sich  nicht 
gern  zu  resolviren  pflegt*.  Boineburg  galt  im  Allgemeinen  als  Gegner 
Oesterreichs. 

*  Gravel  an  Mazarin,  Frankfurt,  24.  April  1657.  A.  d.  A.-E.  All. 
Vol.  137. 


183 

F&r   ihn    sprach    seine    deutsche   Herkunft,    sein   katholisches 
Glanbensbekenntniss,    das    Ansehen    seiner    Familie    und    die 
Grösse   seines   Besitzes.     Allein    nach    den   Aeusserungen   des 
jungen   Kurfürsten   war   es   sehr  zweifelhaft,    ob    es   den   Be- 
mühungen Frankreichs   und   seiner  Anhänger  gelingen  werde, 
denselben   zur  Annahme   der   Kaiserkrone  zu   vermögen,   imd 
da  es  Mazarin  in  erster  Linie  doch  um  die  Hintertreibung  der 
Wahl    eines   Habsburgers   zu    thun    war,    die   Person   des    zu 
Wählenden   dagegen   erst  in   zweiter  Linie   in  Betracht  kam, 
hielt  er  es  im  Interesse  seiner  Pläne  gelegen,  in  der  Frage  der 
Candidatur    von    vorneherein   jede   Eventualität  in   Erwägung 
zu  ziehen.     Es  wäre   unbegreiflich   gewesen,  wenn    ihm  dabei 
nicht  zu  allererst  der  Gedanke  an  die  Erhebung  Ludwig  XIV. 
gekommen  wäre.   Seit  der  denkwürdigen  Wahl  des  Jahres  1519, 
da  Franz  I.  als  Gegner  Karls  —  und  nicht  ohne  Aussicht  auf 
Erfolg  —  bei  der  Bewerbung  um  die  Kaiserkrone  aufgetreten, 
war  fast  keine  Kaiserwahl  vorübergegangen,  bei  der  nicht  von 
Neuem  der  Versuch  untemonmien  worden  oder  wenigstens  der 
Gedanke  aufgetaucht  wäre,  einem  Sprossen  des  Hauses  Capet 
die  Kaiserkrone  aufs  Haupt  zu  setzen.  Dass  diese  Bemühungen 
bislang   firuchtlos  geblieben  waren,  brauchte  Mazarin  nicht  zu 
entmuthigen,    denn    es   konnte    seinem    klarblickenden    Geiste 
nicht  entgehen,   dass  die  Verhältnisse  in  diesem  Momente  fUr 
die  Candidatur   eines   französischen  Königs  ungleich  günstiger 
waren  als  je  vorher.  Frankreichs  Einfluss  in  Deutschland  hatte 
seit  den  Tagen  Franz  I.  in  eben  so  hohem  Masse  zugenommen, 
alB  die    Autorität    des   Hauses   Habsburg   abgenommen   hatte, 
und  mit  der  Abneigimg  der  deutschen  Fürsten  gegen  das  Re- 
giment   der    österreichischen    Herrscher,    welche    das    Reichs- 
interesse wiederholt  dem  Wohle  ihrer  Familie  geopfert  hatten, 
musste   die  Aussicht  jedes   fremden   Fürsten   grösser   werden, 
die  Wahlmänner  für  sich  zu  gewinnen.    Allerdings,  das  dürfte 
Mazarin    nicht    entgangen    sein,   dass    gerade    die    übergrosse 
Macht  Frankreichs   und   die   strenge  Ordnung,    die    innerhalb 
dieses  Staates  herrschte,  den  Kurfürsten  die  Wahl  Ludwig  XIV. 
mindestens    in    eben    so   hohem   Grade    unräthlich    erscheinen 
lassen  musste   als   die   fremde  Herkunft,    die  Unkenntniss  der 
Sprache  oder  die  Unmöglichkeit  eines  dauernden  Aufenthaltes 
innerhalb  der  Reichsgrenzen.   Allein  Mazarin  wusste,  wie  grosse 
Hindernisse  bei  deutschen   Fürsten  durch  Geld  aus  dem  Wege 


186 

gesagten  Weise.  Er  betonte,  dass  es  ihm  unmöglich  sei,  so 
frei  zu  sprechen  wie  andere  Fürsten,  weil  er  die  Nähe  der 
Spanier  zu  flirchten  habe,  und  gab  Gravel  gute,  wenn  auch 
allgemein  gehaltene  Versicherungen.  ^ 

Nicht  ganz  so  günstig  wie  die  Berichte  OraveFs  lauteten 
jene  des  Landgrafen  von  Hessen-Homburg  und  Wagn^'s.  Der 
Letztere  fand  den  Kurftlrsten  von  Köln  für  die  Candidatur 
Ferdinand  Marias  sehr  eingenommen.'  Auf  die  Frage,  wem 
man  die  Krone  zu  verschaffen  suchen  sollte,  falls  der  Kurfürst 
von  Baiem  dieselbe  ausschlage,  nannte  Maximilian  Heinrieb 
blos  den  Herzog  von  Neuburg  imd  den  Erzherzog  Leopold 
Wilhelm,  und  Fürstenberg  betonte  dem  Landgrafen  Georg 
Christian  gegenüber  gleichfalls  die  Neigung  seines  Herrn  für  den 
Oheim  Leopolds.  Da  aber  derselbe  Fürstenberg  die  Ho£fnung 
aussprach,  falls  Mainz  ehrlich  für  die  Candidatur  Ludwig  XIV. 
eintreten  wolle,  den  Kurfürsten  von  Köln  für  die  Sache  Frank- 
reichs zu  gewinnen  3  und  Gravel  kurz  darauf  berichten  konnte, 
dass  Franz  Egon  von  Fürstenberg,  der  lange  Zeit  Bedenken 
gegen  die  Aufrichtigkeit  der  mainzischen  Erklärungen  ge- 
äussert,* ihm  gesagt  habe,  er  bemerke  eine  solche  Veränderung 
bei  Johann  Philipp,  dass  er  Hoffnung  habe,  die  drei  geist- 
lichen Kurfürsten  für  die  Ausschliessung  Oesterreichs  zu  ge- 
winnen, ^  glaubte  man  am  Hofe  Ludwig  XIV.  den  Aeusserungen 
des  Kölner  Kurfürsten  kein  zu  grosses  Gewicht  beimessen  zu 
dürfen  und  hielt  es  mit  Rücksicht  auf  die  günstigen  Erklärungen 
des  Erzkanzlers  für  erlaubt,  dem  Gedanken  der  Candidi^ur 
Ludwig  XIV.  näher  zu  treten.  Freilich  so  lagen  die  Ver 
hältnisse  nicht,  dass  Mazarin  es  hätte  wagen  dürfen,  offen 
mit  diesem  Plane  hervorzutreten.  Es  war  ganz  überflüssig, 
wenn  der  Herzog  von  Neuburg  zugleich  mit  der  Ver- 
sicherung, dem  Könige  von  Frankreich  mit  Freude  zu  weichen, 
Mazarin   beschwören    Hess,   erst   mit    döm   Mainzer  eingehend 

1  Gravel  an  Mazarin,  Coblenz,  13.  Juni  1656.  A.  d.  A.-E.  Vol.  136.  Auf 
die  Schreiben  Mazarin^s  und  Ludwig  XIY.  antwortet  der  Trierer  am 
10.  Juni  mit  der  Versicherung,  im  besten  Einvernehmen  mit  Frank- 
reich leben  zu  wollen.  (A.  d.  A.-E.  Regensb.  Abtheilung.) 

3  Bericht  Wagn^e's,  ohne  Datum.  A.  d.  A.-E.  Cologne.  Vol.  2. 

3  Landgraf  von  Hessen-Homburg  an  Senden,  5.  Juni  1657.  A.  d.  A.-E. 
All.  Vol.   137. 

*  Schreiben  Fürstenberg's  vom  31.  Mai  1667.  A.  d.  A.-E.  Col.  Vol.  2. 

5  Gravel  an  Mazarin,  19.  Juni  1667.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  185. 


187 

beratken  zu  lassen  and  den  König  nicht  in  die  Sache  zu 
ziehen,  bis  er  des  Erfolges  sicher  sei.  *  Mazarin  wnsste  so  gut 
als  Philipp  Wilhelm  von  Neuburg,  wozu  ihn  die  Erklärungen 
des  Erzkanzlers  berechtigten.  In  seinen  Weisungen  an  Gravel 
hat  er  den  Gedanken,  die  ihn  in  dieser  Zeit  beherrschten, 
Aasdrack  gegeben. 

Die  Grundlage  seiner  Auseinandersetzungen  bildet  auch 
jetzt  die  Nothwendigkeit,  das  Haus  Habsburg  von  der  Nach- 
folge im  Reiche  auszuschliessen,  auch  jetzt  betont  Mazarin  alle 
Vortheile  der  Wahl  Ferdinand  Marias  und  vergisst  nicht,  der 
Candidatur  Philipp  Wilhelms  Erwähnung  zu  thun ;  ja  geflissent- 
lich stellt  er  diese  beiden  Fürsten  in  den  Vordergrund,  um 
dann  von  der  Wahl  Ludwig  XIV.  gleichsam  als  von  einem 
Nothbehelfe  zu  sprechen,  um  die  Wiederwahl  eines  Habs- 
burgers zu  verhindern.  Wie  Mazarin  die  Sache  darstellt,  ist 
die  Bewerbung  Ludwig  XIV.  fUr  diesen  nur  ein  Opfer,  das 
er  —  aber  nur  in  dem  Falle,  wenn  der  Erfolg  gesichert  ist  — 
freudigen  Sinnes  flir  die  Ruhe  und  das  Wohl  des  Reiches 
bringt.  In  ausführlichster  Weise  werden  in  diesem  Schrift- 
stücke die  Vortheile  der  Wahl  des  Franzosenkönigs  flir  das 
Reich  und  speciell  flir  den  Erzkanzler,  dem  alle  Ehren  und 
die  ganze  Regierungsgewalt  zufallen  würden,  dargelegt,  da- 
gegen mit  keinem  Worte  des  ungeheuren  Gewinnes  gedacht, 
den  der  Erwerb  der  Kaiserkrone  flir  Frankreich  mit  sich 
bringen  wtirde.  Zugleich  wird  Gravel  der  Befehl  ertheilt,  dem 
Erzbischofe  und  dessen  Bruder  im  höchsten  Geheim  die  Mit- 
theilung zu  machen,  dass  Mazarin  der  Stimmen  zweier  Kur- 
fiirsten  —  er  meinte  Brandenburg  und  Pfalz  —  sicher  sei,  von 
Karköln  die  besten  Versprechen  erhalten  habe,  imd  dass  daher 
der  Erfolg  der  Candidatur  Ludwig  XIV.  im  Falle  einer  gün- 
stigen Erklärung   des   Erzkanzlers   unausbleiblich   sei.  ^     Ganz 

^  Landgraf  von  Hessen-Homburg  an  Mazarin,  Köln,  19.  Juni  1667.  A.  d. 
A.-E.  All.  Vol.  135.  ,M.  de  Neubourg  ayant  sceu  de  Furstemberg  que 
sa  M.^  pretende  donc  eile  mesme  a  TElection,  m'a  charg^  de  prier  tr^s 
instamment  d'asseurer  Sa  M<^  que  tant  s*en  faut  qu'il  pretendit  d'estre 
en  eelle  son  conrival,  que  de  son  cost^  il  contribueroit  sinceremeut  et 
de  tont  ce  qui  seroit  en  son  pouvoir  et  que  V.  E.  trouvera  a  propos 
pour  le  faire  reussir;  mais  qu41  la  supplioit  au  nom  de  Dien  de  faire 
parier  clair  M.  de  Mayence.' 

'  Ans  dem  Juni  liegen  zwei  Weisungen  Mazarin^s  an  Gravel  vor.  Die 
eine  vom  23.  Juni  1657  hat  Ch^ruel  in  seinem  Examen  d*un  Memoire 


190 

lauteten  überaus  günstig,  sie  bezeichneten  sogar  eine  Steigerung 
der  HoflFnungen  gegenüber  den  früheren  Mittheilungen.    Georg 
Christian  von  Hessen-Homburg,  obgleich  persönlich  weniger  für 
die  Wahl  Ludwig  XIV.  als  für  die  des  Neuburgers  eingenom- 
men, *    schrieb    Mitte    Juli    an    Servien,    Mazarin's    vertrautem 
Rathe  in  der  Wahlangelegenheit :  ,  Wenn  der  König  von  Frank- 
reich Kaiser  werden  will,  wird  er  es  sein/^    Zu  gleicher  Zeit 
berichtete  Gravel  über  seine  Mission  bei  Johann  Philipp  in  über- 
aus günstiger  Weise.     Der  Erzkanzler   zeigte    sich    über  Lud- 
wig XIV.  Wohlwollen  sehr  erfreut,  erklärte  sich  mit  der  Reise 
des   Königs   nach   Metz   einverstanden    und    billigte    den   Eot- 
schluss   Mazarin's,   französische  Truppen   nach  Luxemburg  zu 
senden.     Er   forderte   Gravel    überdies   auf,    dem    Cardinal   in 
seinem  Namen  die  Versicherung  zu  geben,  dass  er  seine  Stimme 
niemals  dem  Könige  von  Ungarn  geben  werde, •"*  und  wiederholte 
diese  Worte  mehrere  Male.    Und  was  dieser  Aeusserung  noch 


1  Landgraf  von   Hessen-Homburg  an   Servien,    1.  Juli  1657.     A.  d.  A.-E. 

All.  Vol.  137.    Der  Mainzer,  berichtet  der  Landgraf  in  diesem  Schreiben, 

hat  Gravel  aus  Heidelberg   schnell    zurückrufen    lassen;    der  Landgraf 

veranstaltet  eine   Unterredung  mit  Gravel    und    Boineburg,  und  GraTel 

,confirma  en  ma  presence  au   dit  Chanceliier  ce   dont  j^avoj  eu    ordre 

d^asseurer  M.  de  Neubourg,  a  s^avoir  que    le  Roy  pensoit  sincerement 

et  serieusement  a  sa  personne    pour   la   future  Election,   car  Forstem- 

berg  luy  avoit  faict  connoistre,  que  S.  M.  travailloit  ponr  eile  mesme; 

ce   qui    Vobligea  a  roe    prier  de  vous  vouloir    escrire   en    la    forme   et 

termes,  que  vous  aurez  veu  dans  ma  precedenteS     Er   fährt   dann   fort 

zu  betonen,  wenn  der  Cardinal   mit  seiner  gewöhnlichen  Energie  und 

Klugheit   bei    den    Kurfüsten  von  Mainz,  KGln  und   Trier    nnd    deren 

Räthen  verhandelt,  ,1a  chose  sera  infallible  pour  M.  de  Neubourg.  Ponr 

moy  je  ne  puis  m*empdcher  de  vous  dire  avec   sincerit^    et   francbise, 

que  je  croy  plus  glorieux  et  mesme  plus  adyantageux  pour  la  France, 

que  le  Roy  cede  TEmpire  a  M.  de  Neubourg,  qu^autrement  eneore  que 

je  n*ay  pas  os^  vous  en  dire  si  nettement  mes  sentimens,  lorsque  j'ay 

sceu,  qn'on  avoit  cette  pens^e  pour  le  Roy,  en  quoy  Ton  ma  faict  en 

quelqne  fa^on  tort,  car  si  je  Teusse  sceu,  je  ne  me  fenase  pas  si  fort 

engag^  pour  M.  de  Neubourg,  estant  oblig^  de  preferer  les  interests  de 

mon  maistre  a  cenx  de  qui  que  ce  seit  sans  aneune  reserve  .  .  .* 

2  Desgleichen,  15.  Juli:  Ich  kann  nur  wiederholen,  was  ich  bezüglich  der 

Wahl  des  Königs  schon  gesagt,   ,s9avoir  que  s'il  venlt  eatre  Empereur 

il  le  sera,  pourveu  qu'il  seit  assenr^  de  Mayenoe  et  celuy-cy  deTreve 

et  Coloigne*. 
»  Gravel  an  Mazarin,  Frankfurt,  19.  Juli  1657.  A.  d.  A.-E.  All.  VoL  137. 
jQu'il  ne  donneroit  jamais  sa  voix  au  Roy  de  Hongria* 


189 

Personen  eine  Nachricht  von  dem  Plane  Mazarin's  in  die 
Oeffentlichkeit  zu  bringen,  bevor  er  des  Erfolges  sicher 
sei.'  Wir  sehen,  Mazarin  hat  unzweifelhaft  an  die  Erhebung 
Ludwig  XIV.  auf  den  Kaiserthron  gedacht  und  diese  Ange- 
legenheit zum  Gegenstande  ernster  Erwägungen  gemacht.  Ja 
noch  mehr,  wir  dürfen  sagen,  Mazarin  hat  die  Wahl  seines 
jungen  Herrn  lebhaft  gewünscht  und  wäre  gewiss  bereit  ge- 
wesen, die  grössten  Opfer  zu  bringen,  um  ans  Ziel  zu  ge- 
langen, allein  höher  als  die  Wahl  Ludwig  XIV.  stand  ihm  die 
Vernichtung  der  habsburgischen  Macht;  und  da  es  ihm  in 
erster  Linie  darauf  ankam,  dass  kein  Sprosse  dieses  Hauses 
gewählt  werde,  er  aber  fUrchtete^  durch  ein  entschiedenes  Ein- 
treten für  die  Candidatur  Ludwig  XIV.,  wenn  dessen  Wahl 
nicht  gesichert  war,  eine  Wendung  zu  Gunsten  Oesterreichs 
herbeizuführen^  war  er  aufs  Eifrigste  darauf  bedacht,  jede  be- 
stimmte Erklärung  so  lange  zu  vermeiden,  bis  er  der  Zu- 
stinmiung  des  Erzkanzlers  sicher  war.  Erst  wenn  diese  erfolgt, 
war  er  entschlossen,  fUr  die  Wahl  Ludwig  XIV.  rückhaltlos 
einzutreten.  Anfangs  schien  es,  als  sollte  dies  in  der  That  der 
Fall  sein.    Die  nächsten  Berichte  des  Landgrafen  und  Gravel's 

Sa  W^  desireroit  au  conseil  que  M.  de  Mayence  luy  donneroit  la-dessus 
et  qaoyqu^elle  n*ayt  aucune  ambition  pour  TEmpire,  si  neantmoins  on 
jcq^it  quHl  fat  de  Tinterest  de  la  religion  catholiqne,  du  bien  g^neral 
de  la  Chrestiennet^  on  repos  de  rAllemagne  et  de  radvantag«  de  Mi^  les 
electeun  et  antres  Princes  et  estats  et  TEinpire,  que  cette  dignit^  toin- 
bast  pIuBtost  sur  sa  tete,  que  sur  celle  du  Roy  d'Hongrie  .  .  .  en  cas 
dis-je  8a  M^^  se  diaposeroit  a  y  songer  et  se  conduiroit  en  cela  selon 
la  derniere  reconnoisaance  de  la  maniere  dont  il  a  parl^  de  sa  peraoune 
sur  ce  sujet  et  que  sHl  croyoit  que  le  Roy  y  deust  penser  et  que  la 
ehoM  reussit,  ce  seroit  S.  A.  qui  auroit  tont  le  faix  et  lee  fatignes  de 
l'Empire  et  Sa  M.^ ,  sana  estre  a  charge  de  quoyque  ce  fuat  a  Tempire, 
ne  songeroit  qu'a  employer  sa  personne,  ses  biens  et  ses  forces  pour  le 
goarentir  de  tons  ses  ennemies  et  le  maintenir  dans  la  g^andeur  et  le 
lustre  ou  il  doit  estre.*  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  135.  Man  wird  leicht  er- 
leheii,  dass  dieses  letztere  Document  für  die  Augen  des  Kurfürsten,  das 
erstere  blos  für  die  Gravers  bestimmt  war. 
1  Mazarin  an  Gravel,  13.  Juli  1657.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  137.  ,Et  quand 
Toos  le  (M.  de  Mayence)  verrez  dispos^  a  cela  (^lection  de  Louis  XIV.), 
ainsy  que  vous  m*aYez  escrit  autresfois  avoir  recogneu,  qu*il  estoit  tant 
par  ces  discours  que  par  ceux  de  M.  de  Benneberg,  vous  luy  direz  de 
ma  part,  que  je  le  conjure  de  ne  vouloir  en  aucune  fa^on  permettre  qu^il 
s^oi)  parie  de  la  dignit^  imperiale  pour  le  Roy  saus  estre  assecur^,  que 
iniailliblement  la  chose  reussira. 


192 

von  Baiem  wird  an  erster,  die  des  Neuburgers  *  an  zweiter 
Stelle  betont,  und  von  der  Erhebung  Ludwig  XIV.  nur  als 
eines  Nothbehelfes  gesprochen.  ^  Der  wesentliche  Unterschied 
dieser  Erklärungen  von  den  früheren  liegt  nur  in  der  Ein- 
dringlichkeit, mit  der  alle  Gründe  für  und  gegen  jeden  der 
Candidaten  erwogen  werden,  und  in  der  ausführlichen  Angabe 
aller  Mittel,  durch  die  das  erstrebte  Ziel  erreicht  werden  könne. 
Ueberaus  bezeichnend  ist  die  Art,  wie  Mazarin  von  der  Wahl 
Ludwig  XIV.  spricht.  Er  verhehlt  sich  keines  der  vielen  Be 
denken,  die  gegen  dieselbe  geltend  gemacht  werden  können. 
Er  weiss  recht  wohl,  dass  man  gegen  die  Wahl  Ludwig  XIV. 
ebensogut  wie  gegen  die  Leopolds  die  Furcht,  in  grosse  Kriege 
verwickelt  zu  werden,  anfUhren  könne,  und '  er  zögert  auch 
nicht,  die  Berechtigimg  dieses  Bedenkens  zuzugeben.  ^  Worin 
sich  aber  Mazarin  täuschte,  war  seine  Auffassung  von  der  Ge 
sinnung  der  KurfUrsten.  Er  hielt  sie  insgesammt,  mit  Ausnahme 
Johann  Georgs  von  Sachsen,  für  frei  und  in  höherem  oder 
geringerem  Grade  geneigt,  die  Wünsche  Frankreichs  zu  be- 
rücksichtigen,  wenn  man  ihre  Privatinteressen  nicht  ausser 
Acht  liess  und  mit  Versprechen  im  Falle  der  Bereitwilligkeit, 
mit  Drohungen  im  Falle  der  Weigerung  bei  der  Hand  war. 
In  diesem  Sinne  lauteten  die  Weisungen  an  die  französischen 
Gesandten.  Sie  hatten  Aufb*ag,  sich  dem  Mainzer,  von  dessen 
ausschlaggebender  Bedeutung  Mazarin  überzeugt  war,  in  Allem 
gefkllig  zu  erweisen,  ihn  an  die  guten  Beziehungen,  die  er  seit 
Langem  mit  Frankreich  pflege  und  an  den  Hass  zu  erinnern,  den 
er  Seitens  Spaniens  als  Urheber  des  Münster'schen  Friedens  auf 
sich  geladen,  und  ihm  die  glänzende  Stellung  zu  vei^egen 
Wärligen,  die  er  im  Falle  der  Wahl  eines  Nichthabsbui^ers  im 
Reiche  einnehmen  werde.  Wenn  aber  Johann  Philipp  Ausflüchte 


'  Für  die  Politik  des  Neuborgen  in  dieser  Zeit:  Krebs  Oskar,  Beiträge 
■or  Gesckichte  Wolfganp  Wilhelms  and  Philipp  Wilhelms  Ton  Nenbur^, 
16;M>--1660,  33  ff. 

'  Und  awar  nicht  in  der  Hauptinstmction,  sondern  in  den  diese  ergin- 
aenden  Schreiben  M««urin*s  Tom  selben  Tafe.  Die  entscheidende  Stelle 
Examen  etc.  1.  c„  lä  tL 

'  Unrichtig  ist,  wenn  Vidfirej  1.  c^  76  die  Sache  so  darstellt,  als  ob  Ha 
■arin  in  erster  Linie  die  Wahl  Philipp  Wilhelms  befUrwortet  hätte 
ValArer  hat  den  Sata  ans  de«  Zasammeahange  heraasgerissen.  & 
heimt  ansdrückJich  erst  Baiera  und  dann  erst  Neahnrg.  InstmctioD^ 
British  MttMHun,  UarWjana  4. 


193 

suchen  und  mit  der  Sprache  zurückhalten  sollte,  dann  hatten 
die  Vertreter  Ludwig  XIV.  Befehl,  dem  Erzkanzler  zu  er- 
klären, ihr  Herr  habe  sich  lediglich  auf  seinen  Rath  und  seine 
Zusicherungen  hin  zu  dieser  französischen  Gesandtschaft  ent- 
schlossen, die  er  nicht  der  Schande  aussetzen  wolle,  Zeuge  des 
Triumphes  der  Habsburger  zu  sein.  ^  Und  was  für  den  Mainzer 
in  Vorschlag  gebracht  wurde,  galt  auch  flir  alle  übrigen  Wähler. 
Hoffiiung  und  Furcht  sollten  gleichmässig  dazu  beitragen,  den 
Plänen  Mazarin's  zum  Siege  zu  verhelfen.  Wie  fest  aber  Ma- 
zarin  davon  überzeugt  war,  sein  vornehmstes  Ziel,  die  Wahl 
eines  Nichthabsburgers,  zu  erreichen,  dafür  spricht  nichts  deut- 
licher als  die  Art  und  Weise,  wie  er  in  der  erwähnten  In- 
struction über  jenes  Bündniss  urtheilte,  über  das  seit  Jahren 
Seitens  der  deutschen  Fürsten  verhandelt  wurde,  und  in  das 
einzutreten  er  wiederholt  seine  Geneigtheit  ausgesprochen  hatte. 
Denn  Mazarin  erklärte  ganz  ausdrücklich,  dass  der  Bund  in 
diesem  Momente,  wo  Ferdinand  HI.  todt  sei  und  die  Wahl 
seines  Sohnes  zum  Kaiser  nicht  erfolgen  dürfe  und  werde, 
eigentlich  überflüssig  sei  und  den  Plänen  Ludwig  XIV.  eher 
hinderlich  als  förderlich  werden  könnte,  und  verwahrte  sich 
von  vorneherein  auf  das  Entschiedenste  gegen  die  Zumuthung, 
als  werde  Frankreich  sich  mit  der  Wahl  eines  Habsburgers 
einverstanden  erklären,  falls  durch  die  Bestimmungen  der 
Wahlcapitulation  und  des  Rheinbimdes  der  neue  Kaiser  an  der 
freien  Entfaltung  seiner  Kräfte  gehindert  werde.  2 

'  Auch  diese  Stelle  ist  bei  Valfrey  1.  c,  78  citirt,  nur  vergisst  Valfrey 
hinzuznfQgen,  dass  die  Vertreter  Ludwig  XIV.  solche  Erklärungen  nur 
im  Eussersten  Falle,  wenn  kein  anderes  Mittel  verfange,  machen  sollten. 
Instruction,  British  Museum,  Harleyana,  4681. 

^  Instruction  vom  29.  Juli.  British  Museum,  Harleyana.  Vgl.  Pribram  1.  c, 
144  ff.  Ich  bemerke,  dass  es  ganz  unrichtig  ist,  wenn  von  allen  neueren 
Forschem  behauptet,  wird,  Mazarin  habe  den  Gesandten  die  Förderung 
der  Allianz  gleich  damals  ans  Herz  gelegt.  Ch^ruel,  Histoire  du  Ma- 
zarin, m,  98  f.  und  Examen  etc.  1.  c,  16,  Valfrey  1.  c,  160  ff.,  der 
übrigens  die  das  Qegentheil  beweisende  Stelle  aus  der  Instruction  vom 
29.  Juli  abdruckt,  161.  Dass  dies  nicht  der  Fall,  habe  ich  zum  Theile 
bereits  in  meiner  Arbeit  über  den  Rheinbund  nachgewiesen,  zum  Theile 
folgt  der  Beweis  in  den  folgenden  Auseinandersetzungen.  Mazarin  bat 
ihnen  wohl  ausführliche  Weisung  bezüglich  der  Allianzfrage  gegeben, 
aber  ausdrücklich  und  wiederholt  erklärt,  den  Abschluss  nicht  zu  wün- 
schen und  vor  Allem  dies  nicht  als  Ersatz  für  die  Wahl  eines  Habs- 
burgers betrachten  zu  wollen. 
IrclÜT.  Bd.  LXXm.  I.  Hilft«.  13 


194 

Wenige  Tage  nachdem  der  Herzog  von  Gh*ammont  und 
Hugues  de  Lionne  Paris  verlassen  hatten,  um  in  Frankfart 
und  an  den  verschiedenen  deutschen  Höfen  die  Interessen 
Frankreichs  wahrzunehmen,  langten  die  ersten  ungünstigen 
Nachrichten  aus  Deutschland  ein.  Georg  Christian  von  Hessen- 
Homburg  begann  an  der  Aufrichtigkeit  des  Erzkanzlers  zu 
zweifeln  und  sprach  die  Befiirchtung  aus,  Johann  Philipp  werde 
wohl  für  den  Ausschluss  Leopolds,  aber  flir  die  Wahl  des  Erz- 
herzogs Leopold  Wilhelm  stimmen.  '  Insbesondere  die  immer 
deutlicher  hervortretende  Abneigung  des  Kurfürsten  von  Mainz 
gegen  das  dem  Abschlüsse  nahe  Offensivbündniss  Neuburgs 
mit  Frankreich  gab  ihm  zu  denken.  Denn  wenn  Johann  Philipp 
die  Wahl  Ludwig  XIV.  oder  eines  von  demselben  abhängigen 
Fürsten  billigte,  dann  musste  ihm  ja  dieses  Bündniss,  das  den 
Kampf  des  Neuburgers  gegen  Spanien  bezweckte,  nur  er- 
wünscht sein.  Und  in  dieser  Auffassung  über  das  veränderte 
Benehmen  des  Erzkanzlers  stand  er  nicht  allein.  Auch  Gravel 
V  konnte  sich  nicht  verhehlen,  dass  das  Vorgehen  des  Kurfärsten 
wenig  mit  den  Versicherungen  übereinstimmte,  die  derselbe 
ihm  gegeben  hatte  und  noch  jetzt  zu  wiederholen  nicht  müde 
wurde.  Immer  vernehmlicher  drang  die  Kunde  von  den  zu 
Cärlich  gefassten  Beschlüssen  an  das  Ohr  der  französischen 
Gesandten,  mehrten  sich  die  Mittheilimgen  von  der  Geneigtheit 
Johann  Philipps,  den  Erzherzog  Leopold  Wilhelm  zum  Kaiser 
zu  wählen.  ^  Die  Berichte  des  Landgrafen  von  Hessen-Homburg 
und  GraveFs  mussten  die  Hoffnungen  Mazarin's  bedeutend  ver- 
mindern. Und  bald  genug  sollte  er  aus  dem  Munde  eines  compe- 
tenten  Mannes  Erklärungen  vernehmen,  welche  ihm  zeigten, 
dass  der  Plan,  dem  jungen  Könige  von  Frankreich  die  Kaiser- 
krone aufs  Haupt  zu  setzen,  auch  nicht  die  geringste  Aussicht 
habe,  durchgeführt  zu  werden.  Wagn^e  war  gerade  auf  dem 
Wege  nach  Köln,  um  daselbst  Erkundiguügen  über  den  Erfolg 
der  Mission  Boineburg's  und  Wilhelm  Fürstenberg's  in  München 
einzuziehen,  als  ihm  der  Letztere  begegnete  und  mittheilte,  dass 
er  beauftragt  sei,  in  Sedan  mit  dem  Cardinale  über  die  Wahl- 
angelegenheit zu  berathen.     Diese  Berathungen  fanden  in  der 


1  Der  Landgraf  von  Hessen-Homburg  an  Servien,  7.  and  8.  Angnst  1657. 

A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  136. 
'  Gravel  an  Mazarin,  31.  Juli  1657.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  137. 


195 

That  statt.  In  drei  langdaaernden  UnterreduDgen  enthüllte 
Ffirstenbei^  die  Pläne  der  geistlichen  Kurftürsten.  Um  Mazarin 
günstig  zu  stimmen,  begann  er  mit  der  Erklärung,  dass  die 
drei  geistlichen  Eorftirsten  gemeinsames  Vorgehen  '  und  die 
Aosscfaliessung  des  jungen  Königs  Leopold  beschlossen  hätten. 
Dann  aber  kam  Schlag  auf  Schlag.  Die  Wahl  Ludwig  XIV., 
fuhr  Fürstenbei^  fort,  habe  man  in  Erwägung  gezogen,  allein 
aus  vielerlei  Qründen  für  unmöglich  erklärt;^  dagegen  sei  man 
entschlossen,  falls  Baiern  die  Krone  ausschlagen  sollte,  für 
Leopold  Wilhelm  zu  stimmen.  Das  entscheidende  Wort  war 
gefallen.  Ueberaus  bezeichnend  ist  die  Haltung,  die  Mazarin 
diesen  Aeusserungen  gegenüber  einnahm.  Nicht  mit  einem 
Worte  hat  er  der  Weigerung  der  Kurfürsten,  Ludwig  XIV.  zu 
wählen,  gedacht.  Es  schien,  als  habe  er  die  betre£Penden  Worte 
überhört  oder  die  Angelegenheit  von  vorneherein  fllr  ein  Spiel 
der  Phantasie  gehalten.  Aber  um  so  fester  entschlossen  zeigte 
er  sich,  die  Wahl  eines  Habsburgers,  wenn  es  sein  müsse 
auch  mit  Gewalt,  zu  verhindern.  Den  Gedanken  einer  Ein- 
schränkung der  Macht  Leopold  Wilhelms  durch  die  Wahl- 
capitolation  oder  durch  die  rheinische  Liga  warf  er  weit  weg. 
Er  meinte,  der  Erzherzog  werde  von  Spanien  noch  viel  ab- 
hängiger sein  als  sein  Neffe,  denn  dieser  folge  seiner  Neigung, 
jener  werde  sich  der  Noth  fügen,  wenn  er  sich  an  Spanien 
anscUiesse;  er  drohte,  im  Falle  die  Kurfürsten  sich  täuschen 
lassen  und  dem  Habsburger  ihre  Stimmen  geben  sollten,  mit 
dem  Anmärsche  einer  grossen  Armee,  mit  dem  Kriege  bis  zur 
Vernichtung.  Und  als  einzigen  Ausweg  aus  diesem  Labyrinthe 
bezeichnete  er  die  Wahl  Ferdinand  Marias.  Rückhaltsloser 
&ls  je  vorher  ist  er  in  diesen  Unterredungen  mit  Wilhelm 
Fürstenbei^  für  dieselbe  eingetreten.  Es  geschah  wohl  im  Hin- 
blicke auf  die  Erregtheit  Mazarin's  und  dessen  deutlich  aus- 
gesprochenen Wunsch,  Baiern  die  Krone  zuzuwenden,  dass 
Wilhelm  Fürstenberg  über  seine  Mission  am  Münchner  Hofe 
einen  Bericht  erstattete,  der,  den  wirklichen  Begebenheiten 
widersprechend,^  überaus  günstig  klang.    Denn  wie  der  Rath 


'  Diese  wie  viele   andere  Bemerkungen    Ftirstenberg's   entsprechen   der 

Wibrfaeit  dnrohans  nicht. 
'  Masarin  an  Grammont  nnd  Lionne,  Sedan,  18.  Angnst. '  A.  d.  A.-E.  Vol.  140. 
'  Vgl.  für  die  Begebenheiten  «m  Münchner  Hofe  Heide  1.  c,  11  ff. 

13* 


196 

Maximilian  Heinrichs  meldete,  hatte  sich  Ferdinand  Maria  dem 
Plane  seiner  Erhebung  auf  den  ELaiserthron  durchaus  nicht 
abgeneigt  gezeigt,  die  gegentheilige  Behauptung  eine  Lüge 
genannt  und  seine  Entscheidung  nach  eingeholtem  Radischlage 
des  Kölner  Kurflirsten  versprochen.  Dass  der  Kurfürst  von 
Baiem  diese  günstigen  Erklärungen  an  die  Bedingung  knüpfte, 
dass  die  zur  Bestreitung  der  Wahl  erforderlichen  Geldmittel  auf- 
gebracht würden,  musste  Mazarin  umsomehr  in  der  Ansicht 
bestärken,  dass  Ferdinand  Maria  es  ernstlich  mit  seiner  Candi- 
datur  meine.  Und  wie  gerne  war  er  bereit,  das  geforderte  GeW 
zur  Verfügung  zu  stellen,  wenn  er  durch  dasselbe  seinem  Ziele, 
der  Vernichtung  der  Macht  des  feindlichen  ELauses,  um  einen 
Schritt  näher  kommen  konnte.  Er  erklärte  auch  jetzt,  wenn 
Ferdinand  Maria  keinen  andern  Grund  gegen  die  Annahme 
der  Kaiserkrone  vorbringe,  als  die  Scheu  vor  den  Kosten,  dann 
stehe  die  Sache  gut.  Er  versprach,  von  Ludwig  XIV.  neben 
momentaner  Unterstützung  eine  jährliche  Subsidie  für  den  Kur- 
fürsten zu  erwirken.  '  Fürstenberg  verliess  den  Cardinal  in 
guter  Stimmung;  er  hatte  zu  derselben  viel  durch  seine  Be- 
theuerung  beigetragen,  dass  nur  Johann  Philipp  für  den  Erz- 
herzog eingenommen  sei,  sein  Herr  dagegen  wie  er  selbst  die 
Wahl  Ferdinand  Marias  wünschten.  ^ 

Während  Fürstenberg  in  Sedan  mit  dem  Cardinal  über 
die  Mittel  berieth,  durch  die  man  die  Wahl  des  bairischen 
Kurfürsten  fördern  könnte,  hatten  Grammont  und  Lionne 
ihre  Mission   bei  den  Kurfürsten  begonnen.  ^    Auf  dem  Wege 


^  Mazarin  an  Qrammont  und  Lionne,  Sedan,  18.  August.  A.  d.  A.-E. 
All.  Vol.  140.  Mazarin  hat  über  die  Art,  wie  durch  Geld  die  bairische 
Candidatur  gefördert  werden  könnte,  mit  Ffirstenberg  lange  berathen. 
In  einer  Weisung  vom  21.  August  hat  er  die  entsprechenden  Mittheilongen 
an  Grammont  und  Lionne  abgehen  lassen.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  140. 
Ueber  den  Aufenthalt  Fürstenberg's  am  französischen  Hofe  vgl.  auch 
Priorato  1.  c,  I,  95  f. 

'  Volmar  war  über  den  Inhalt  —  vielleicht  durch  Fürstenberg  selbst  — 
gut  unterrichtet.  Vgl.  seinen  Bericht  vom  1.  September  1667.  W.-A 
(Wahlacten.) 

^  Ueber  Grammont^s  Mission  in  dieser  Zeit  sind  uns  seine  auBführlieben 
M^moires  erhalten,  die  nach  seinen  Aufzeichnungen  von  seinem  Sohne 
herausgegeben  worden  und  lange  Zeit  hindurch  für  die  Aufifassrang  diesej* 
Ereignisses  massgebend  gewesen  sind.  (Collection  des  M^moires  de 
Petitot,  vol.  LVI,  435  ff.)  Ohne  in  eine  eingehende  Kritik  dieser  Memoiren 


197 

nach  Frankfurt  nahmen  sie  die  Gelegenheit  wahr,  die  seit 
Langem  in  Paris  mit  Karl  Ludwig  von  der  Pfalz  geführten 
Verhandlungen  zu  Ende  zu  bringen.  Es  wiirde  ihnen  schwerer, 
als  sie  gedacht  hatten.  Die  unersättliche  Geldgier  des  pfiüzischen 
Kurfürsten,  gegen  die  selbst  seine  Untergebenen  geeifert  haben,  • 
erschwerte  den  Abschluss  des  Vertrages.  Karl  Ludwig  hatte 
ächon  Gravel  gegenüber,  der  ihn  Ende  Juni  besuchte,  auf  die 
durch  den  Tod  Ferdinand  HI.  veränderte  Lage  hingewiesen  und 
betont,  dass  er,  um  Ludwig  XIV.  Pläne  zu  fördern,  bedeutend 
höherer  Subsidien  —  er  sprach  von  200.000  Thalem  —  bedtlrfe, 
als  Servien  seinem  Vertreter  in  Paris  angetragen  habe.  2  Er  trat 
Orammont  und  Lionne  mit  denselben  und  überdies  mit  anderen 
Forderungen  entgegen.  Und  dann  weigerte  er  sich  auf  das  Ent- 
schiedenste gegen  die  Aufnahme  eines  seine  Wahlfreiheit  be- 
schränkenden Passus  in  den  Vertrag.  Erst  nach  langen  Verhand- 
lungen gelang  es,  einen  alle  Theile  befriedigenden  Ausweg  zu 
finden.  In  dem  Vertrage,  der  am  15.  August  geschlossen  wurde 
und  in  Paris  unterzeichnet  werden  sollte,  wurde  der  Wahl  nicht 
besonders  Erwähnung  gethan.    Er  enthielt  nur  Bestimmungen 


mich  hier  einzulaBsen,  bemerke  ich,  dass  die  Behauptung  des  Herausgebers, 
sich  an  die  Schriftstücke  seines  Vaters  gehalten  zu  haben,  bei  einer  Ver- 
gleichungder  Berichte  Grammonts  mit  den  Memoiren  sich  als  eine  der  Wahr- 
heit entsprechende  gezeigt  hat.  Ich  fand  wiederholt  wörtliche  und  fast 
immer  inhaltliche  Uebereinstimmung  (vgl.  z.  B.  die  Charakteristik  Ferdi- 
nand Marias,  M^moires,  475,  und  Ch^ruel,  Examen  etc.,  19).  Da  aber  das 
Hauptbestreben  der  Memoiren  dahin  gerichtet  ist,  die  Mission  Grammont*s 
als  einen  Triumph  französischer  Diplomatie  hinzustellen,  unterdrückt  Gram- 
mont  das  Unangenehme  und  stellt  die  Sache  so  dar,  als  hätte  Frankreich 
nicht  im  Entferntesten  mehr  als  das  erhofft,  was  es  dann  erlang^  hat. 
Vgl  M^moires,  438 :  ,Le  bruit  s'^tant  r^pandu  k  la  cour  de  Tambassade 
d'Allemagne,  il  y  eut  peu  de  personnes  qui  ne  la  toumassent  en  ridi- 
cole*;  ja  die  bestunterrichtetesten  Leute  ,ne  comprenoient  pas  aisement, 
qoe  M"  les  plenipotentiaires  nomm6s  pussent  rien  obtenir  du  tont,  que 
la  caprice  et  la  volubilit^  des  langues  de  Fran^ais  leur  faisoit  publier, 
qn'on  avoit  k  demander  .  .  .*  Um  so  grösser  dann  der  Erfolg,  der  erzielt 
wurde.  Dieser  Grund  erklärt  auch,  warum  Grammont  von  der  Friedens- 
fnige  so  spricht,  als  ob  bezüglich  derselben  keine  Meinungsdifferenz 
zwischen  den  Franzosen  und  dem  Erzkanzler  bestanden  hätte,  Mämoires, 
462  f.  Im  Uebrigen  ist  es  bezeichnend,  wie  erhaben  sich  Grammont  als 
Bürger  des  Culturstaates  über  diese  Halbbarbaren  fühlt. 

*  Des  Kurfürsten  Resident  in  Paris  betonte  dies  Servien  gegenüber  wieder- 
holt Servien  an  Mazarin,  31.  Mai  1657.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  137. 

^  Qravel  an  Mazarin,  Heidelberg,  26.  Juni.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  137. 


200 

werde  sie  aach  zu  Terhindem  wissen.  *  Um  sich  Sicherheit  za 
verschaffen^  begaben  sie  sich  einige  Tage  nach  der  erwähnten 
Unterredung  neuerdings  zu  Johann  Philipp^  machten  ihm  vcm 
den  Aeusserungen  Fürstenberg's  Mittheilung  und  baten  um  Auf- 
klärung. Der  Kurfürst  war  anfangs  sehr  bestürzt;  er  fasste 
sich  jedoch  bald  und  erklärte^  er  könne  sich  nicht  bestimmt  fiir 
Ferdinand  Maria  aussprechen^  weil  er  noch  nicht  wisse^  ob  dieser 
Fürst  die  Wahl  annehmen  werde,  und  weil  er  fachten  müsse, 
dass  der  Wiener  Hof  Ton  seinem  Entschlüsse  Mittheilung  er- 
halte. Grammont  und  Lionne  begnügten  sich  mit  dieser  Er- 
klärung nicht.  Sie  drängten  zu  weiterer  Aus^nandersetzung. 
Eine  solche  hatte  Johann  Philipp  gewünscht.  Er  wurde  auf  diese 
Weise  gleichsam  genöthigt,  jenen  Vorschlag  zu  machen,  dessen 
Durchführung  ihm  mehr  als  alles  Andere  am  Herzen  lag.  Er 
enthüllte  den  Vertretern  Ludwig  XIV.  seinen  Friedensplan; 
zugleich  versprach  er,  falls  er  der  Durchfuhrung  desselben  vor 
der  Wahl  versichert  sein  könne,  seine  Stimme  dem  Baiem- 
fUrsten  zu  geben.  Und  sogleich  war  er  mit  einer  R^e  von 
Gründen  bei  der  Hand,  um  den  Nachweis  dafür  zu  erbringen, 
dass  ein  Eingeben  auf  seine  Friedensidee  Frankreichs  Interessen 
nur  förderlich  sein  könnte.  Dass  die  Vertreter  Ludwig  XTV.  sich 
nicht  gleich  von  der  Richtigkeit  seiner  Auseinandersetzungen 
überzeugt  erklärten,  dass  sie  Ferdinand  Maria  auch  auf  andere 
Weise  zur  Annahme  der  Kaiserkrone  bewegen  zu  können 
glaubten,  verdross  den  Kurfürsten.  Aber  alF  ihre  Entgegnungen 
vermochten  ihn  nicht  von  seinem  Entschlüsse  abzubringen.  Er 
fuhr  fort,  die  Nothwendigkeit  der  Herstellung  des  Friedens 
vor  der  Wahl  zu  betonen,  versprach  die  günstigsten  Bedin- 
gungen für  Frankreich  und  verpflichtete  sich  von  Neuem  eid- 
lich, falls  Spanien  in  die  Au&ahme  der  Verhandlungen  nicht 
willigen  sollte,  die  Habsburger  nicht  allein  von  der  Wahl  aus- 
schliessen,  sondern  wie  Leute  behandeln  zu  wollen,  die  fiir 
einen  ewigen  Krieg  eingenommen  seien.  ^  Ja  er  behauptete 
den  widerstrebenden  Hörern  gegenüber,  nicht  er,  sondern  Ma- 
zarin  sei  der  Erste  gewesen,  der  Wilhelm  Fürstenberg  von  dem 
Frieden  gesprochen  habe,  und  auch  in  Frankfurt  sei  das  erste 


>  Grammont   und   Lionne   an    Mazarin,    Frankfurt,    3.   September   1657. 

A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  137. 
a  Desgleichen,  Frankfurt,  10.  September  1657.   A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  137. 


199 

Wenige,  was  er  ihnen  mittheilte,  klang  durchaus  nicht  er- 
muthigend.  Denn  so  oft  auch  Grammont  und  Lionne  betonten, 
dass  Leopold  Wilhelm  nicht  gewählt  werden  dürfe,  der  Erz- 
kanzler war  zu  einer  zustinmienden  Erklärung  nicht  zu  ver- 
mögen. Er  sehe,  äusserte  er  sich,  neben  dem  Hause  Habs- 
borg  nur  drei  Fürsten,  die  in  Betracht  gezogen  werden  könnten: 
den  KurfUrsten  von  Baiern,  den  Herzog  von  Neuburg  und  den 
König  von  Frankreich.  Dem  Elrsten  würde  er  seine  Stimme 
gerne  geben,  glaube  aber  nicht,  dass  derselbe  sich  um  die 
Krone  bewerben  wolle,  des  Neuburgers  Wahl  werde  sich  nicht 
durchfuhren  lassen,  und  des  Königs  von  Frankreich  könne 
man  überhaupt  nicht  Erwähnung  thun.  *  Zu  gleicher  Zeit  be- 
tonte er  die  Nothwendigkeit  des  französisch-spanischen  Friedens, 
bot  sich  dem  Cardinale  als  Vermittler  an,  versprach  günstige 
Bedingungen  für  Frankreich  zu  erwirken  und  schwor,  falls 
Spanien  das  Zustandekommen  des  Friedens  verhindern  sollte, 
das  Haus  Habsburg  von  der  Kaiserkrone  auszuschliessen.  ^  Die 
Gesandten  Ludwig  wussten  nicht,  wie  sie  die  Reden  Johann 
PhiUpps  deuten  sollten.  Sie  konnten  und  wollten  nicht  glauben, 
dass  der  Erzkanzler,  über  dessen  Frankreich  günstige  Stinmiung 
so  viel  berichtet  wurde,  das,  was  er  gesagt,  ernstlich  gemeint 
habe.  Sie  meinten  es  mit  einer  vorübergehenden  Verstimmung 
zu  thun  zu  haben.  Fürstenberg  aber,  mit  dem  sie  in  ununter- 
brochenem Verkehre  standen,  behauptete  auf  das  Entschiedenste, 
der  Mainzer  wünsche   die  Wahl  Ferdinand  Marias   nicht  und 


cette  rencontre  cette  leuteur  redoubla  pour  bien  chercher  ses  mots,  pour 
n''en  dire  aucan  qu*avecq  poid  et  mesiire.* 

*  Grammont   und   Lionne    an    Mazarin,    Frankfurt,    3.   September    1657. 

.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  137.  ,Que  pour  le  roy  il  ne  devoit  pas  noos  dissi- 
moler  pour  ne  tromper  personne,  qu*il  ne  voyoit  pas  disposition  pour 
cette  fois  •  cy  (ce  fut  son  mot)  en  M^  les  Electeurs  a  couferer  a  Sa 
Mte  la  dignit^  Imperiale  a  moins  qu'il  arrivast  quelque  conioncture  qui 
par  d*autres  plus  grandes  raisons  les  y  fist  songer/  Sehr  bezeichnend  ist, 
dass  Grammont  und  Lionne  bei  dieser  Gelegenheit  betonten,  falls  ein 
Habsburger  gewählt  werden  sollte,  werde  Ludwig  XIV.  seine  Massregeln 
treffen,  ohne  sich  zu  ,amuser  a  celles  des  capitulations,  qui  n*ont  est^ 
et  ne  seront  jamais  tenues  qu'autant  qu'il  conviendra  a  celuy,  qui  les 
aoroit  jur^es.* 

^  Grammont  und  Lionne  an  Mazarin,  Frankfurt,  4.  September  1657. 
A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  137.  Aus  diesem  Bericht  ein  Extract  bei  Valfrey 
1.  c,  98. 


202 

ihnen  als  eine  Ironie  des  SchicksalB  erscheinen,  dass  ihnen 
Ätto,  ein  Bote  Mazarin's,  eine  Flugschrift  überbrachte,  auf 
Veranlassung  und  unter  dem  Einflüsse  des  Cardinais  in  jener 
Zeit  verfasst,  da  die  Candidatur  Ludwig  XIV.  mit  berechtigter 
Hoffnung  von  Seite  der  französischen  Regierung  geplant  wor- 
den war,  in  welcher  mit  grossem  Geschicke  die  Wahl  Lud- 
wig XIV.  als  die  den  Interessen  des  Reiches  am  meisten  ent- 
sprechende geschildert  wurde. '  An  eine  Verwerthung  derselben 
war  in  diesem  Augenblicke  nicht  zu  denken.  ,Wir  haben/ 
schrieben  Grammont  und  Lionne,  ,mit  grossem  Vergnügen  den 
italienischen  Brief  erhalten,  den  £ure  Excellenz  uns  durch  Atto 
übersendet  hat.  Derselbe  ist  ausgezeichnet  geschrieben  und 
enthält  zwingende  Gründe,  allein  da  man  ersehen  muss,  dass 
der  vornehmste  Zweck  desselben  die  Förderung  der  Wahl  des 
Königs  von  Frankreich  ist,  wohin  Niemand  in  dieser  Versammlung 
zielt,  so  haben  wir  es  für  gefUhrlich  erachtet,  durch  Verbreitung 
des  Schriftstückes  unseren  Feinden  den  Vortheil  zu  gewähren, 
in  der  Stadt  die  Ansicht  zu  verbreiten,  dass  dies  der  Haupt-,  ja 
der  einzige  Zweck  unserer  Hieherkunft  sei,  und  behalten  uns 
die  Veröffentlichung  fllr  eine  Zeit  vor,  wo  die  Angelegenheit 
dies  gestattet.''^     Man   sieht,   die  Vertreter  Ludwig  XIV.  ver- 

1  Auszüge  aus  dieser  ,Lettera  scritta  di  Roma  dal  Signore  N.  ad  un  suo 
amico  in  Francfort*  und  der  Antwort  aus  Frankfurt  bei  Valfrey  1.  c, 
115  ff.;  doch  scheint  er  die  Abfassung  in  eine  spätere  Zeit  zu  versetzen. 
Die  Gesandten  bedanken  sich  aber  ganz  ausdrücklich  in  ihrem  Berichte 
Yom  12.  September  für  den  Empfang.  Die  bezeichnendsten  Stellen  fehlen 
bei  Valfrey,  sie  lauten :  ,La  Maison  d' Anstriche  a  jett^  de  trop  profondes 
racines  de  sa  domination,  son  estendue  est  trop  grande,  ses  pensees 
trop  vastes  et  ses  propres  interests  trop  bien  m^nagez  en  tont  ce  qn^elle 
fait,  pour  ne  leur  sacrifier  pas  tout  le  bien  public.  .  .  .  Enfin  je  dis,  qoe 
pour  rendre  k  TEurope  le  repos  apr^  le  quel  eile  soupire  il  y  a  si 
longtemps,  il  faut  separer  TEmpire  de  la  Maison  d*Austriche  et  luy  hasset 
demesler  sur  son  compte  ses  entreprises  et  conduire  toute  aeule  les 
machines,  qu^elle  dresse  de  tous  costez,  qu^elle  demeure  ayec  ses  amis 
et  avec  ses  ennemies  et  si  cela  se  fait,  cet  hyver  la  Paix  se  fera.  . . . 
La  Maison  d' Austriebe  ayant  ainsi  re^eu  Texclusion,  il  ne  reste  qae  le 
Koy  de  France  capable  de  soustenir  le  poids  et  la  dignit^  de  l'Empire 
et  je  croy  veritablement,  qu'en  ces  temps  difficiles  et  malheureox,  Dieu 
a  -  fait  naistre  ce  Prince  \k  pour  la  gloire,  le  restablissement  et  les 
delices  des  hommes.*  Erst  diese  Stellen  erklären,  warum  die  GeMiidten 
vor  der  Veröffentlichung  der  Schrift  zurückschreckteiL 

>  Grammont  und  Lionne  an  Mazarin,  Frankfurt,  1%,  Aflficatav  W?- 
A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  137. 


•  f  ■ 


203 

zweifelten  nicht.  Sie  beBcblossen  vielmehr;  mit  allen  Mitteln 
die  Schwierigkeiten;  die  sich  ergeben  hatten;  aus  dem  Wege 
zu  räumen.  Zunächst  galt  eS;  die  Differenzen  mit  dem  Pfälzer 
beizulegen;  da  die  Mittheilungen  Fürstenberg's  von  grossen 
Anerbietungen  Spaniens  in  Heidelberg  und  die  Grammont  und 
Lionne  bekannte  Geldgier  Karl  Ludwigs  die  Gefahr  als  eine 
drohende  erscheinen  Hessen.  Unter  dem  Vorwande  der  Jagd 
begaben  sich  die  Vertreter  Ludwig  XIV.  dreimal  nach  Oppen- 
heim; wo  sie  mit  dem  Kurftirsten  von  der  Pfalz  zusammen- 
trafen. Es  kam  hier  zu  heftigen  Scenen.  Gravel  hat  dem 
Piälzer^  der  behauptete;  von  einer  Clausel  nichts  zu  wissen, 
nach  der  er  die  40.000  Reichsthaler  nur  erhalten  sollte; 
wenn  ein  Nichthabsburger  gewählt  würdC;  ins  Gesicht  gesagt; 
dass  er  eine  Unwahrheit  spreche.  Endlich  gelang  es  durch 
Vermittlung  des  französischgesinnten  Obersten  Balthasar;  Karl 
Ludwig  zu  versöhnen.  Grammont  und  Lionne  erklärten  sich 
bereit;  ohne  erst  die  Ermächtigung  Mazarin's  abzuwarten;  die 
dem  Kurfürsten  missliebige  Clausel  in  der  Schrifb  zu  streichen 
und  ihm  die  Ermächtigung  zu  ertheileU;  den  Vicariatsstreit  mit 
Korbaiem  auf  eine  ihm  mögUchst  vortheilhafte  Weise  zu 
schlichten;  während  sie  ihrerseits  nur  auf  der  Forderung  be- 
standen; dass  der  PfUlzer  seine  Stimme  Ferdinand  Maria  gebC; 
falls  Ludwig  XIV.  es  von  ihm  begehren  sollte.  ^  Zu  gleicher 
Zeit  wurde  AttO;  mit  einem  eigenhändigen  Schreiben  Lud- 
wig XIV.  an  die  Kurfürstin  Adelheid  versehen;  *  nach  München 
gesendet;  um  den  Kurfürsten  durch  grosse  Anerbietungen  für 
den  Plan  der  Erwerbung  der  Krone  zu  gewinnen.  Die  Ge- 
sandten Ludwig  XIV.  aber  wendeten  ihre  Aufmerksamkeit 
wieder  dem  Erzkanzler  zu.  Es  gelang  ihnen  auch;  ihn  zu 
besseren  Erklärungen  zu  vermögen.  Als  die  Fürstenberge  auf 


^  Grammont  und  Lionne  an  Brienne,  Frankfurt,  12.  September  1657. 
BritiBh  Museum,  Harleyana,  4d31.  Vgl.  Heide  1.  c,  21.  , 

'  Ludwig  XIV.  an  Adelheid,  1.  September  1657.  A.  d.  A.-E.  Bavarica. 
Vol.  2.  Ludwig  schreibt,  da  er  hOre,  dass  Ferdinand  Maria  sich  durch 
ttbelgemeinte  Kathschlftge  wolle  verleiten  lassen,  die  günstige  Gelegen- 
heit zur  Erwerbung  der  Kaiserkrone,  wie  eine  solche  in  Jahrhunderten 
nicht  wiederkehren  werde,  unbenutzt  vorübergehen  zu  lassen,  wolle  er 
durch  Atto  noch  einen  Versuch  machen,  den  Kurfürsten  umzustimmen. 
Ueber  Atto:  Ch^ruel  1.  c,  III,  96,  Heide  1.  c,  28  Anm.  und  Wagner, 
Hill  Leopold!  Hagni,  I,  83. 


204 

Änrathen  der  französischen  Gesandten  im  Namen  des  Kur- 
füi*sten  von  Köln  den  Mainzer  um  eine  bestimmte  Aeussening 
über  sein  Verhalten  zur  Candidatur  Ferdinand  Marias  angingen, 
erklärte  Johann  Philipp,  sie  könnten  ihrem  Herrn  mittheilen,  dass 
er  unter  allen  Umständen  bereit  sei,  dem  KurfUrsten  von  Baiem 
seine  Stimme  zu  geben,  und,  was  noch  mehr  bedeutete,  er  gab 
seine  Einwilligung,  auch  Ferdinand  Maria  von  diesem  Ent- 
schlüsse in  Kenntniss  zu  setzen.  ^  Wie  wenig  aufrichtig  es  der 
Ei'zkanzler  mit  diesen  Erklärungen  meinte,  wissen  wir.  Gram- 
mont  und  Lionne  aber  fanden  dieselben  sehr  trostreich.  Willigte 
der  junge  Kurfürst  von  Baiern  ein,  dann  war  bei  der  günstigen 
Gesinnung  Johann  Philipps  an  dem  Erfolge  nicht  zu  zweifeln. 
Mit  der  grössten  Spannung  sahen  sie  daher  den  Mittheilungen 
Ätto's  entgegen.  Unterdess  war  Mazarin  in  den  Besitz  ihrer 
ersten  Schreiben  gelangt.  Er  war  keinen  Äugenblick  darüber 
im  Zweifel,  was  zu  thun  sei.  Es  galt,  den  Mainzer,  koste  es 
was  es  wolle,  umzustimmen.  Die  Gesandten  erhielten  Auftrag 
zu  bitten«  zu  versprechen,  nöthigenfaUs  zu  drohen.  ^  Gegen  die 
Behauptung  des  Erskanzlers,  Mazarin  habe  Fürstenberg  seine 
Geneigtheit  ausgesprochen,  diurch  das  KurfurstencoUegium  die 
Friedensverhandlimgen  noch  vor  der  Wahl  zum  Abschlüsse 
bringen  au  lassen  und  die  Vertreter  Ludwig  XIV.  in  diesem 
Sinne  bereits  mit  Vollmachten  versehen,  verwahrte  sich  der 
Cardinal  auf  das  Entschiedenste.  Er  gab  zu,  dem  Fürsteo- 
berger  Mittheilungen  von  dem  Verlaufe  der  in  Madrid  ge- 
pflogenen Verhandlungen  gemacht  und  betont  zu  haben,  dass 
der  nur  im  Augenblicke  der  Noth  und  widerwillig  geschlossene 
Vertrag  mit  England'  im  Miün  des  Jahn^s  1658  zu  Ende  gehe; 
er  g«ib  auch  lu«  seine  Bereitwilligkeit  erklärt  zu  haben,  die 
Gesandten  Ludwig  XIV.  mit  den  zur  Vornahme  der  Friedens- 
verhandlttui^^n  nothweudigen  Vv^Uiuaohten  zu  versehen,  falls 
sich  eine  Aussicht  üuf  gUnstigtHi  Verlauf  derselben  zeige.  Wie 
sehr  uuterschie\len  i-ich  abiT  diese  Aeus<^erungen  von  jenen, 
die   ihm  der  KrAkar.iler  in   den  iCund  le:^*n  wollte.     Mazarin 


'  OnuMM^«:    «int    Uk  ntM»   «»   MmmHiu    K^aaktet    1^»    £!«pt«Bb€r   1657. 

A  a  A  K.  AU  \o:  ijj; 

*  Mmaiui  a»  l«nuMiMKMii  «1(4  IJKHMtoK  ^  ^'^ftiffcV**  tfft^I.  A.  d.  A.*E.  All 

\^^t    U\<  0%^  «-«(is.rWksA^'Mk  $^W  Wi  iVhr«i»a  l  c,  UL  t^». 
^  <;^Nnii«iit  ;>«  Uwe  \v<Uii^  \v4»  :{^  )lAt«  lik'« 


205 

war  über  die  Auslegung  und  Verdrehung  seiner  Worte  sehr 
entrüstet ;  aber  er  glaubte  im  Interesse  der  Sache  seinen  Zorn 
unterdrücken  zu  müssen.  Ja  er  ging  weiter.  Er  suchte  nach 
einem  Auswege,  um  die  directe  Zurückweisung  der  mainzischen 
Friedensanträge  zu  vermeiden.  ,Ich  glaube/  schrieb  er  Gram- 
mont  und  Lionne,  ,da8  beste  Mittel,  dem  Willen  des  Kurfürsten 
Rechnung  zu  tragen  und  zugleich  unser  Interesse  zu  wahren, 
ist;  dass  ihr  euch  über  die  Friedensbedingungen  im  tiefsten 
Geheimnisse  mit  Johann  Philipp  einiget  und  nachdem  dies  ge- 
schehen, ihm  das  bestimmte  Versprechen  gebet,  dass  der  König 
seine  Zustimmung  zum  Frieden  unter  den  verabredeten  Be- 
dingungen geben  wird,  sobald  ein  Kaiser  gewählt  sein  wird, 
der  nicht  dem  Hause  Habsburg  entstammt.' '  Johann  Philipp 
zeigte  sich,  als  ihm  von  diesem  Plane  Mazarin's  Mittheilung 
zukam,  durchaus  nicht  gewillt,  auf  denselben  einzugehen.  Er 
betonte  die  Möglichkeit,  den  Frieden  in  Kürze  und  vor  der 
Wahl  zu  Stande  zu  bringen ;  es  liege  in  seiner  Macht,  äusserte 
er,  die  Wahl  hinauszuschieben.^  Die  DiflFerenzen  in  der  Auf- 
fassung Mazarin's  und  Johann  Philipps  stellten  sich  immer  klarer 
heraus.  Frankreich  wünschte  die  Wahl  vor,  der  Erzkanzler 
nach  dem  Abschlüsse  des  Friedens;  Frankreich  erklärte  sich 
bereit,  vor  der  Wahl  die  Friedensbedingungen  festzustellen,  auf 
Grund  deren  es  den  Frieden,  falls  die  Wahl  im  Sinne  Frank- 
reichs erfolgt  sei,  schliessen  wolle,  Johann  Philipp  dagegen 
forderte  den  Abschluss  des  Friedens  vor  der  Wahl  und  ohne 
jede  Rücksicht  auf  das  Ergebniss  der  letzteren.  '  Vergebens 
boten  Grammont  und  Lionne  alle  Künste  der  Ueberredung  auf, 
Johann  Philipp  zu  überzeugen.  Ihre  Worte  blieben  ebenso 
ohne  Erfolg,  wie  ihre  Versprechungen  und  Gunstbezeugungen. 
Der  Erzkanzler  schritt  unbeirrt  auf  dem  eingeschlagenen  Wege 
weiter.  Die  Versanmilung  vom  3.  October  und  das  Schreiben  an 
Peneranda  vom  16.  desselben  Monats  waren  die  nächsten  sicht- 


^  Mazarin  an  Grammont  und  Lionne,  Verdnn,  15.  September  1657.  A.d.  A.-E. 

All.  Vol.  140.    Damit  sind  die  Zweifel  gelöst,  die  Heide  1.  c,  23  Anm. 

in  diesem  Punkte  äussert. 
^  Grammont    und   Lionne    an    Mazarin,  26.  September  1657.    A.  d.  A.-E. 

All.  Vol.  136.  In  diesem  Schreiben  berichten  die  Vertreter  Ludwig  XIV. 

von  der  Aeusserung  Fürstenberg's,   ,quHl  nous  permettroit  de  Iny  dire 

en  plelne  assembl^  qu'il   estoit  un  chelme,   en  cas  que  son  M<^  allait 

Jamals  a  la  Maison  d' Anstriche. 


206 

baren  Zeichen  seiner   unermüdlichen  Tbätigkeit   im  Interesse 
des  Friedens.^ 

Für  die  Vertreter  Ludwig  XIV.  blieb  nur  noch  eine 
Hoffnung,  der  feste  und  rasche  Entschluss  Ferdinand  Ma- 
rias, die  Krone  anzunehmen.  Dieser  junge  Kurfürst  wurde 
wiederum  die  massgebende  Persönlichkeit.  Man  darf  sagen, 
von  seiner  Entscheidung  hing  in  diesem  Momente  zum  guten 
Theile  die  künftige  Gestaltung  Europas  ab.  Dass  Ferdinand 
Maria  diese  Entscheidung  bereits  getroffen,  dass  er  in  rück- 
haltsloser Weise  für  das  Haus  Habsburg  einzutreten  sich  ver- 
pflichtet hatte,  wissen  wir.  Aber  weder  in  Paris,  noch  im  fran- 
zösischen Cirkel  zu  Frankfurt  kannte  man  diese  Entschliessungen, 
und  die  Nachrichten,  welche  von  der  zweiten  Hälfte  des  Monats 
September  an  in  beiden  Orten  einliefen,  Hessen  hoffen,  dass 
die  vornehmlich  durch  Vermittlung  der  Kurfurstinmutter,  der 
Herzogin  Christine  von  Savoyen,  angeknüpfte  Verbindung  des 
französischen  und  bairischen  Hofes  zum  erwünschten  Ziele  flihren 
würde.  Die  junge  KurfUrstin  Adelheid  hatte  das  Gerücht,  als 
habe  sie  die  Hoffnung  aufgegeben,  ihren  Gemahl  fUr  den  Plan 
der  Erwerbung  der  Kaiserkrone  zu  gewinnen,  widerrufen  und 
ausdrücklich  erklärt,  dass  ihr  Gemahl,  falls  ihm  ausgiebige 
Unterstützung  von  Frankreich  zu  Theil  werden  sollte,  wie  sie 
mit  Bestimmtheit  behaupten  könne,  die  Krone  nicht  zurück- 
weisen werde.  2  Und  Egon  Fürstenberg  sprach  so  voller  Hoff- 
nung von  der  ihm  an  den  Hof  Ferdinand  Marias  aufgetragenen 
Mission,^  die  ersten  Berichte  Atto's  klangen  so  siegesgewiss, 
dass  selbst  der  weitblickende  Cardinal  und  ein  so  kluger  Mann 
wie  Lionne  mit  grosser  Zuversicht  der  Entscheidung  der  bai- 
rischen Regierung  entgegensahen  und  den  kölnischen  Minister 


*  Vgl.  weiter  oben  p.  112  ff. 

^  KurfUrstin  Adelheid  an  Madame  Courtenay  (Favoritin  der  Herzogin 
Christine  von  Savoyen),  September  1657.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  136.  ,Je 
ne  s^ay  qui  fust  courir  le  bruit,  qne  M.  rElecteur  mon  mary  veaille 
refuser  Tempire,  pnisqne  ce  n^est  pas  nne  si  petite  ehose  ponr  laisser 
eschapper  une  si  belle  occasion,  anssy  si  Sa  M^  nons  conserve  la  bonne 
volonte,  qn^il  nons  tesmoigne  et  nons  assiste  de  son  pniasant  secoors, 
11  ne  sera  pas  rejett^  de  mon  man  nne  si  belle  fortnne,  je  s^ay  trop 
bien  ses  sentimens  ponr  en  donter.*  Vgl.  über  dieses  Schreiben  Cb^roel 
1.  c,  106. 

3  Grammont  nnd  Lionne  an  Mazarin,  2.  October  1667.  A.  d.  A.-E.  All- 
Vol.  136.    Die  entscheidende  Stelle  bei  Valfrey  1.  c,  98  f. 


205 

war  über  die  Auslegung  und  Verdrehung  seiner  Worte  sehr 
entrüstet;  aber  er  glaubte  im  Interesse  der  Sache  seinen  Zorn 
unterdrücken  zu  müssen.  Ja  er  ging  weiter.  Er  suchte  nach 
einem  Auswege,  um  die  directe  Zurückweisung  der  mainzischen 
Friedensanträge  zu  vermeiden.  ,Ich  glaube/  schrieb  er  Gram- 
mont  und  Lionne,  ,da8  beste  Mittel,  dem  Willen  des  Kurflirsten 
Rechnung  zu  tragen  und  zugleich  unser  Interesse  zu  wahren, 
ist,  dass  ihr  euch  über  die  Friedensbedingungen  im  tiefsten 
Oeheimnisse  mit  Johann  Philipp  einiget  und  nachdem  dies  ge- 
schehen, ihm  das  bestimmte  Versprechen  gebet,  dass  der  König 
seine  Zustimmung  zum  Frieden  unter  den  verabredeten  Be- 
dingungen geben  wird,  sobald  ein  Kaiser  gewählt  sein  wird, 
der  nicht  dem  Hause  Habsburg  entstammt.' '  Johann  Philipp 
zeigte  sich,  als  ihm  von  diesem  Plane  Mazarin's  Mittheilung 
znkam,  durchaus  nicht  gewillt,  auf  denselben  einzugehen.  Er 
betonte  die  Möglichkeit,  den  Frieden  in  Kürze  und  vor  der 
Wahl  zu  Stande  zu  bringen ;  es  liege  in  seiner  Macht,  äusserte 
er,  die  Wahl  hinauszuschieben.  ^  Die  DiflFerenzen  in  der  Auf- 
fassung Mazarin's  und  Johann  Philipps  stellten  sich  immer  klarer 
heraus.  Frankreich  wünschte  die  Wahl  vor,  der  Erzkanzler 
nach  dem  Abschlüsse  des  Friedens;  Frankreich  erklärte  sich 
bereit,  vor  der  Wahl  die  Friedensbedingungen  festzustellen,  auf 
Grund  deren  es  den  Frieden,  falls  die  Wahl  im  Sinne  Frank- 
reichs erfolgt  sei,  schliessen  wolle,  Johann  Philipp  dagegen 
forderte  den  Abschluss  des  Friedens  vor  der  Wahl  und  ohne 
jede  Rücksicht  auf  das  Ergebniss  der  letzteren.  Vergebens 
boten  Grammont  imd  Lionne  alle  Künste  der  Ueberredung  auf, 
Johann  Philipp  zu  überzeugen.  Ihre  Worte  blieben  ebenso 
ohne  Erfolg,  wie  ihre  Versprechungen  und  Gunstbezeugungen. 
Der  Erzkanzler  schritt  unbeirrt  auf  dem  eingeschlagenen  Wege 
weiter.  Die  Versanmilung  vom  3.  October  und  das  Schreiben  an 
Peneranda  vom  16.  desselben  Monats  waren  die  nächsten  sicht- 


'  Mazarin  an  Grammont  und  Lionne,  Verdan,  15.  September  1657.  A.d.A.-E. 

All.  VoL  140.    Damit  sind  die  Zweifel  gelOst,  die  Heide  1.  c,  23  Anm. 

in  diesem  Punkte  äussert. 
^  Grammont   und   Lionne   an   Mazarin,  25.  September  1657.    A.  d.  A.-E. 

All.  VoL  136.  In  diesem  Schreiben  berichten  die  Vertreter  Ludwig  XIV. 

von  der  Aeusserung  Fürstenberg's,   ,qu*il  nous  permettroit  de  luy  dire 

OB  pleine  assembl^  qu'il    estoit  un  chelme,   en  cas  que  son  M<)  allait 

jamais  a  la  Maison  d' Austriebe. 


208 

Begreiflich  daher,  dass  sie  diese  Nachrichten  mit  Jabel  aufnah- 
men und  zugleich  den  Entschluss  fassten,  die  ihnen  übertragene 
Aufgabe  mit  Anspannung  aller  Kräfte  und  Verwerthung  aller 
Mittel,  die  ihnen  in  so  reichlichem  Masse  zu  Gebote  standen^ 
zu  Ende  zu  fUhren.  Anfangs  schien  es,  als  ob  ihre  Bemühungen 
auch  von  Erfolg  begleitet  sein  würden.  Egon  Ftirstenberg,  der 
wie  sein  Bruder  Wilhelm  in  dieser  Zeit  im  intimsten  Verkehre 
mit  den  Vertretern  Ludwig  XIV.  stand,  versicherte,  den  Kur- 
fürsten von  Trier  zu  dem  Versprechen  vermocht  zu  haben^ 
falls  Ferdinand  Maria  die  Krone  wolle  und  vier  Stimmen  für 
denselben  gewonnen  seien,  sein  Votum  fiir  den  bairischen  Kur- 
fürsten abzugeben;  und  sein  Bruder  Wilhelm  gab  bezügUch 
der  Kölner  Stimme  die  besten  Hoffnungen.  ^  Und  da  die  Stimme 
des  PfiÜzers  fllr  sicher  gehalten  wurde,  hing  wiederum  Alles 
von  der  Entscheidung  Johann  Philipps  ab.  Es  wurde  den  Ve^ 
tretem  Ludwigs  schwer,  sich  über  den  Weg  zu  einigen,  den 
man  bei  den  Verhandlungen  mit  dem  Erzkanzler  einschlagen 
sollte.  Sie  hielten  es  vor  Allem  fllr  verfehlt,  ihn  allsogleich  von 
den  günstigen  Erklärungen  Ferdinand  Marias  in  Kenntniss  zu 
setzen.  Sie  fUrchteten,  er,  der  nur  den  Frieden  im  Auge  habe, 
werde  die  Entschliessung  des  bairischen  Kurfürsten  als  eine 
seine  Friedenspläne  kreuzende  missbilligen.  Und  in  dieser  Auf- 
fassung wurden  sie  durch  die  Aeusserungen  der  Fürstenberge 
bestärkt,  die  gleiche  Vermuthungen  hegten  und  den  Rath  gaben, 
dem  Kurfürsten  von  Mainz  eine  Verzögerung  der  Wahl  bis  in 
den  April  des  Jahres  1658  unter  der  Bedingung  zuzugestehen, 
dass  bis  dahin  der  Friede  geschlossen  sein  müsse  und  in  jedem 
Falle  keine  weitere  Verschiebung  des  Wahltermines  statthaben 
solle.  ^  Allein  einen  solchen  Ausweg  glaubten  die  französischen 


mente  il  Ser°^o  elettore  ^  tanto  restato  novamente  sodisfatto  dl  voi  che 
r  hayete  portato  k  consolare  il  C*^  di  Firstemberg  come  dal  medesimo 
sentirete,  e  se  bene  uon  dara  al  R^  nna  parola  certa  che  accetta  rimperio, 
si  e  vero  tanto  dichiarato  con  noi  et  con  11  medi°o  Qto  che  non  so  che 
cosa  piö  potesse  bromare.*  Am  24.  October  aber  meldet  Atto  ganz  ans* 
drücklich:  ,11  Ser^o  elettore  non  si  ^  voluto  in  scritto  dichiarare  di 
rantaggio,  ma  in  voce  tanto  al  Cte  di  Firstimberg  qaanto  a  me  hk  detto 
che  assolutamente  non  vnol  rifiutar  Tlmperio.  .  .  .*  Vgl.  für  die  Ver 
handlangen  Atto^s  auch  Wagner  1.  c,  34. 

1  Grammont   und   Lionne   an   Mazarin,   13.  November  1657.   A.  d.  A-& 
All.  Vol.  136. 

2  Desgleichen,  6.  November  1667.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  136. 


209 

Greeandten  nicht  billigen  zu  dürfen.    Sie  meinten  auch  auf  ande- 
rem Wege  des  Erzkanzlers  Forderungen  befriedigen  und  seine 
Befürchtungen  zerstreuen  zu  können.    ^Da  das  Hauptbestreben 
des  Mainzers  dahin  gerichtet  ist,  schrieben  sie  dem  Cardinale, 
äich  zu  sichern,   und  da  er  fürchtet,  welcher  Partei  er  sich 
auch    anschliesst,    in    Krieg    zu    gerathen,    haben    wir    einen 
Vortheil  vor   dem   Feinde,   weil   des   KurfUrsten   Staaten    uns 
näher  liegen  und  er  von  uns  unmittelbare  Gefahr  zu  fürchten 
hat    Ein  weiterer  Vortheil  für  uns  ist,  dass  er  den  Krieg  für 
unvermeidlich  hält,  wenn  wir  nicht  Genugthuung  erhalten. . . . 
Er  ist  sogar,  wie  uns  Wilhelm  Fürstenberg  mittheilt,  zur  üeber- 
zeugung  gelangt,  dass,   falls  Ferdinand  Maria  gewählt  werden 
sollte,  Oesterreich  nicht  wagen  wird,  diesen  von  allen  Anderen 
unterstützten  Fürsten  anzugreifen.  Dann  hat  der  Mainzer  Angst, 
dass  Frankreich  den  Krieg  in  das  Reich  bringen  wird,   und 
schliesst  dies,   obgleich   die   ganze  Sache   paradox  klingt,   auf 
folgende  Weise.   Er  sagt,  Oesterreich  wird  beleidigt  dem  Könige 
von  Spanien   Hilfe,    und   zwar  nicht   nach   Flandern,  sondern 
nach  ItaUen  schicken ;  Ludwig  XIV.  wird  vom  neuen  Kaiser  Ab- 
hilfe dagegen  fordern,  und  wenn  diese  nicht  erfolgt,  sich  selbst 
Abhilfe  zu  verschaffen  suchen   und  deshalb   die  Reichsgrenze 
überschreiten.'^  Diese  Befürchtung  des  Kurfürsten  zu  beseitigen, 
schlugen   die  Vertreter   Ludwig  XIV.   vor,   im  Nothfalle   dem 
Mainzer  das  Versprechen  zu  geben,  dass  Frankreich,  falls  Fer- 
dinand Maria  Kaiser  werden,  Oesterreich  Truppen  nach  Italien 
senden   und   allen  Vorstellungen  des  Kaisers   und  des  Reiches 
kein  Gehör  schenken  würde,  deswegen  die  Ruhe  Deutschlands 
nicht  stören  wolle.  ^  Wir  sehen,  Grammont  und  Lionne  dachten 
noch   ernstlich   an   die   Möglichkeit    eines   Erfolges.     Sie    ent- 
schlossen sich,  um  Johann  Philipp  entgegenzukommen,  diesem 
ihre  Geneigtheit  zur  Vornahme  der  Friedensverhandlungen  zu 
bezeigen.     Sie  ermahnten  die  Vertreter  des  Pßllzers,   falls  der 
Erzkanzler    diese    Frage    im   Collegium    zur   Sprache   bringen 
sollte,   für   den  Beginn  der  Friedenstractate   zu   stimmen,  und 
theilten  dem  Mainzer  bald  darauf  persönlich  mit,  sie  seien  be- 
vollmächtigt, über  den  Frieden  zu  berathen,  sobald  Peneranda 


^  Grammont  und  Lioone  an  Mazarin,    13.  November   1657.    A.  d.  A.-E. 

AlL  Yol.  136. 
2  Ebenda. 
ArAhr,  Bd.  LXXm.  I.  Hüfte  14 


210 

sich  einverstanden  erklärt  haben  werde.  <  Allein  all'  dies  ver- 
mochte den  Eurftlrsten  von  Mainz  nicht  zu  der  gewünschten 
rückhaltslosen  Erklärung  zu  Gunsten  der  bairischen  Candidator 
zu  vermögen.  Den  Mittheilungen  Egon  Fürstenberg's  mass  er 
keinen  Glauben  bei;  hatte  ja  Ferdinand  Maria  dieselben  als 
Ausgeburt  der  Phantasie  bezeichnet.  ^  Dass  der  kölnische 
Minister  auch  dann  betheuerte,  die  Wahrheit  gesprochen  zu 
haben,  machte  auf  den  Mainzer  keinen  Eindruck.  Er  hat  sich 
dahin  geäussert,  man  dürfe  kein  Fondement  auf  das  setzen^ 
was  Fürstenberg  gemeldet  hat.  Trotz  alledem  hielten  die  Ver- 
treter Ludwig  XIV.  die  Sache  nicht  fUr  verloren.  Ja  selbst  als 
Mazarin  an  dem  günstigen  Ausgange  der  Wahlangelegenheit 
zu  zweifeln  begann  und  den  Gesandten  mittheilte,  aus  Wien 
bestimmte  Nachricht  zu  haben,  dass  Leopold  die  Stimme 
Baiems  für  sicher  halte  und  auch  den  Mainzer  fUr  sich  einge- 
nommen wisse,  ^  glaubten  Grammont  und  Lionne  den  Cardinal 


1  Grammont  and  Lionne  an  Mazarin,  27.  November  1657.  A.  d.  A.-E. 
All.  Vol.  136.  Bezeichnend  ist,  dass  die  Vertreter  Frankreichs  von  der 
von  Mazarin  geforderten  Clansei,  dass  Frankreich  unter  Spanien  so 
günstigen  Bedingungen  nur  dann  Frieden  schliessen  wolle,  wenn  Oester- 
reich  von  der  Wahl  ausgeschlossen  würde,  dem  Mainzer  keine  Mit- 
theilnng  machten.  Sie  haben  Mazarin  als  Grund  ihres  Benehmens  die 
Ueberzeugung  von  der  Zurückweisung  der  Friedensanerbietungen  Seitens 
Peneranda^s  angegeben,  zugleich  aber  betont,  der  Mainzer  habe  bezüg- 
lich dieses  Punktes  seine  Ansicht  oft  genug  betont. 

2  Vgl.  Heide  l.  c,  27  ff.  und  Anm.  Doch  ist  es  sehr  bezeichnend,  A»» 
in  der  Antwort,  welche  der  Kurfürst  dem  Atto  am  31.  October  durch  die 
Kurfürstin  geben  Hess,  ausdrücklich  betont  wurde,  der  Kurfürst  sei  wobl 
für  die  Grösse  seines  Hauses  eingenommen,  fürchte  aber  die  Folgen. 
,De  Sorte,  que  non  obstant  le  veritable  desir  qu'elle  auroit  de  donner 
a  Sa  Mt6  une  pleine  et  evidente  ouverture  de  ses  pens^es,  si  est  ce 
neantmoins  que  Testat  des  affaires  se  pouvant  facilement  changer,  eile 
croid,  qu'une  declaration  trop  anticip^e  seroit  capable  de  davantage  nnire 
que  de  profitter;  ou  comme  eile  n^a  point  ny  a  cette  heure  ny  cy-denst 
refus^  la  couronne  de  TEmpire,  ainsy  est  eile  d*opinion  qu^en  un  sujet 
de  si  grande  importance,  eile  est  obligS  d'user  d'une  grand  retena  et 
circumspection.*  £2s  scheint  also  doch  von  Seite  des  bairischen  Hofes 
ein  zweideutiges  Spiel  gespielt  worden  zu  sein.  Auch  Adelheid  sehrieb 
an  Ludwig  XIV.  persönlich,  ihr  Gemahl  habe  die  Bedeutung  der  An* 
gelegenheit  wohl  erkannt,  aber  er  fürchte  sich,  seine  wahre  Meinung 
SU  äussern.  6.  November  1657.  A.  d.  A.-E.  Bav.  Vol.  2. 

3  Mazarin  an  Grammont  und  Lionne,  Vincennes,  10.  November  1667. 
A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  140. 


211 

beruhigen  und  die  Lage  der  Dinge  als  durchaus  nicht  ver- 
zweifelt hinstellen  zu  dtlrfen.  *  Diese  verhältnissmässig  gün- 
stige Auffassung  der  Vertreter  Ludwig  XTV.  hatte  ihre  Ver- 
anlassung darin^  dass  der  P^ürstenberger  einen  ganz  plausiblen 
6nmd  für  das  zweideutige  Vorgehen  Ferdinand  Marias  anzu- 
ftlhren  wusste  und  dabei  verblieb^  dass  der  bairische  Kur- 
ftrst  nach  wie  vor  die  Krone  anzunehmen  Willens  sei^  falls 
ihm  die  nöthige  Gewähr  geboten  werde,  dass  er  dieselbe  wider 
den  zu  erwartenden  AngriflF  des  Hauses  Habsburg  werde  be- 
haupten können,^  —  eine  Ansicht,  die  durch  Atto's  mündliche 
und  schriftliche  Berichte  Bestätigung  erhielt, '  —  so  dass  Gram- 
mont  und  Lionne  ein  entschiedenes  Vorgehen  Ferdinand  Marias 
und  durch  dasselbe  eine  Aenderung  in  der  Haltung  des  Mainzers 
erwarteten.  Allein  bald  sollten  sie  erkennen,  dass  auch  diese 
Hoffnung  eine  eitle  war.  Die  Dinge  nahmen  von  Tag  zu  Tag 
einen  immer  bedrohlicheren  Charakter  an.  Die  Fürstenberge, 
diese  Wetterfahnen  des  damaligen  Europas,  begannen  unruhig 
zu  werden.  Zumal  Wilhelm,  der  Begabtere,  Unstetere  und  zu- 
0eich  Habgierigere,  der  sich  rühmte,  seinen  Oesterreich  er- 
gebenen Bruder  zum  Parteigänger  Frankreichs  gemacht  zu 
haben,  *  drängte  auf  eine  Entscheidung  Seitens  des  Erzkanzlers 


'  Grammont  und  Lionne  an  Mazarin,  27.  November  1657.  A.  d.  A.-E. 
AlL  Vol.  136. 

'  Egon  Füratenberg  berichtete,  er  habe  bei  seiner  Rückkehr  ans  München 
bemerkt,  dass  er  in  der  Hand  des  Baiemfürsten  eine  Schrift  von  seiner 
Hand  gelassen,  worin  die  Gründe  aufgezählt  waren,  aus  denen  der  Kur- 
fürst die  Krone  annehmen  solle,  und  worin  er  dem  Kurfürsten  die  Ge- 
sinnung des  Biainzers  kundgethan,  der  nicht  zufrieden  gewesen  sei  mit 
den  Erklärungen  des  bairischen  Gesandten  bezüglich  des  Friedens;  er 
—  Fürstenberg  —  habe  geschrieben,  man  müge  ihm  die  Originale  zurück- 
loiden  und  sich  eine  Copie  behalten.  Diese  Depesche  mnss  nun  statt 
in  die  Hände  des  Pater  Vemaux  in  die  Maximilian  Khurtz*  gelangt  sein, 
denn  Fürsteiiberg  erhielt  eine  sehr  spitze  Antwort  des  Inhalts,  dass 
der  Kurfürst  bei  seiner  Erklärung  bezüglich  des  Friedens  verbleibe. 
Dieses  Schreiben  wurde  von  Khurtz  an  Oexle,  den  zweiten,  nicht  an 
Erman  Fürstenberg,  den  ersten  bairischen  Gesandten,  geschickt,  weil 
Oexle  eine  Creatnr  des  Khurtz  ist  Fürstenberg  sagte  aber,  wenn  man 
Mainz  gewinne,  werde  man  schon  Ferdinand  Maria  als  Kaiser  haben. 
Chrammont  und  Lionne  an  Mazarin,  20.  November  1657.  A.  d.  A.-E. 
AU.  Vol.  136. 

'Ebenda. 

*  Desgleichen,  13.  November  1657.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  136. 

14* 


212 

und  wiederholte  seine  oft  ausgesprochene  Drohung^  falls  diese 
Entscheidung  ungünstig  lauten  sollte,  die  Sache  Frankreichs 
aufzugeben.  ^  Die  Versprechen  Gh"ammont*s  und  Lionne's  ver- 
fingen nicht  mehr.  Wilhelm  Fürstenberg  erklärte,  er  und  sein 
Bruder  könnten  sich  nicht  um  Frankreichs  Willen  zu  Grunde 
richten  lassen.  Alle  Versuche,  ihn  zu  beruhigen,  scheiterten. 
Immer  deutlicher  wies  er  darauf  hin,  dass  Johann  Philipp  die 
Sache  Frankreichs  verlasse,  dass  man  von  ihm  nicht  mehr 
fordern  könne  als  von  dem  Erzkanzler  des  Reiches.  Die 
Räthe  Ludwigs  konnten  sich  nicht  mehr  verhehlen,  dass  mehr 
als  ein  Grund  dafür  vorlag,  dass  Fürstenberg  die  Wahrheit 
spreche.  Sie  hatten,  so  lange  es  ging,  den  Gedanken  nicht 
fassen  wollen,  dass  alle  Betheuerungen  Johann  Philipps  nor 
Comödie  gewesen  sein  sollten,  sie  hatten  das  sehende  Auge 
vor  der  von  Tag  zu  Tag  wachsenden  Vertraulichkeit  in  dem 
Verkehre  des  Erzkanzlers  mit  den  Vertretern  Leopolds  geschlos- 
sen und  den  unzähligen  Nachrichten  über  die  Unzuverlässigkeit 
der  mainzischen  Erklärungen  keinen  Glauben  geschenkt.  Jetzt 
aber,  wo  das  Benehmen  Johann  Philipps  dem  Erzbischofe  von 
Trani  gegenüber,  dem  Boten  des  erklärten  Feindes  Frankreichs, 
keinen  Zweifel  an  der  üblen  Gesinnung  des  Kurflirsten  Hess, 
galt  es,  durch  ein  energisches  Vorgehen  Klarheit  in  die  Situa- 
tion zu  bringen.  Die  Vertreter  Frankreichs  begaben  sich  zu 
Johann  Philipp  und  forderten  Aufklärung.  Er  betonte,  nur  die 
Aussichtslosigkeit  der  bairischen  Candidatur  habe  ihn  bewogen, 
sich  dem  österreichischen  Hofe  zu  nähern.  ^  Die  Gesandten 
Ludwig  XIV.  sahen  immer  deutlicher,  dass  nur  eine  offene 
Erklärung  Ferdinand  Marias,  die  ihm  angebotene  Krone  an- 
nehmen zu  wollen,  den  Mainzer  umstimmen  könnte.  Da  nun 
die  vom  Münchner  Hofe  einlaufenden  Nachrichten  zum  grössten 
Theile    günstig   lauteten,  ^    hielten    die   Vertreter   Frankreichs 


>  Grammont  nnd  Lionne  an  Mazarin,  27.  November  1667.  A.  d.  A.-E. 
All.  Vol.  136. 

2  Desgleichen,  11.  December  1657.    A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  136. 

3  Ebenda.  Insbesondere  Atto's  Berichte  lauteten  günstig,  die  Vemanx*  da- 
gegen weniger.  [Am  7.  November  1657  berichtete  Atto  Melani  an  Masirin 
(A.  d.  A.-E.  Bay.  Vol.  2),  Ferdinand  Maria  habe  bei  der  letsten  Andiene, 
die  Atto  gehabt,  ,prote8t6,  qne  assolutamente  voleva  accettar  Timperio, 
pnrcbi  non  doyessere  perdere  TElettorato  et  conseginse  il  modo  da 
potersi    mantenere   eon    sicurezza  e  decoro   per  le  occorreoxe  di  tante 


213 

einen  letzten  Versuch;  Ferdinand  Maria  zu  einer  entschiedenen 
AeoBserung  zu  vermögen,  nicht  allein  für  erlaubt,  sondern  flir 
dringend  geboten.  Ohne  die  Ermächtigung  Mazarin's  abzu- 
warten, *  entschloss  sich  der  Herzog  von  Grammont,  für  dessen 
Reise  an  den  bairischen  Hof  ein  Vorwand  leicht  zu  finden  war, 
diese  Mission  zu  übernehmen.  Ueber  den  Verlauf  und  das 
Resultat  derselben  sind  wir  zur  Genüge  unterrichtet.^  Gram- 
mont kehrte  nach  vielen  Unterredungen  mit  dem  Kurfürsten 
und  Maximilian  Ehurtz  mit  der  Ueberzeugung  nach  Frankfurt 
zurück,  dass  an  die  Annahme  der  Wahl  Seitens  Ferdinand 
Maria  nicht  zu  denken  sei.  ^  Unterdessen  war  auch  bezüglich 
des  Mainzers  die  Entscheidung  erfolgt.  Lionne,  der  ungleich 
Begabtere  der  Vertreter  Ludwig  XIV.,  hatte  sogleich  nach  der 
Abreise  seines  Collegen  den  Entschluss  gefasst,  sich  Gewissheit 
über  die  Pläne  Johann  Philipps  zu  verschaffen.  Denn  trotz  aller 
Momente,  die  gegen  die  Aufrichtigkeit  des  Mainzers  sprachen, 
war  Lionne  noch  nicht  in  der  Lage,  mit  Bestimmtheit  anzu- 
geben, ob  der  Erzkanzler  bereits  mit  Oesterreich  abgeschlossen, 
oder  ob  derselbe  selbst  noch  nicht  wisse,  für  welche  der  beiden 


spese  necessarie  che  si  conyengono  a  tal  dignita*.  Er  werde  gewiss  nach 
Frankfürt  kommen.  ^Sperava  che  sarebbero  vere  tutte  le  cose,  che  il 
S.  Conte  et  io  le  haviamo  dette  ma  che  per  hora  non  giudicava  di  ser- 
Titio  sno  di  dichiararsi  in  carta  di  piu  di  quello  faceva  con  il  meso 
anche  della  S™^  Elettrice.  Che  S.  M.  pnol  assicurarsi,  che  quando  non 
manche  che  il  buo  voto,  sempre  se  lo  darii  h  se  stesso; . .  /  Vgl.  die  M6- 
moires  Grammont's  1.  c,  466. 

*  Es  ist  unrichtig,  wenn  Ch^ruel,  Examen  1.  c,  19  behauptet,  Grammont 
sei  auf  Befehl  Mazarin's  nach  München  gereist;  eine  Nachricht,  die  sich 
übrigens  auch  bei  Wagner,  Hist.  Leop.,  I,  35  findet.  Mazarin  hat  nicht 
nur  nichts  von  diesem  Plane  gewusst,  sondern  denselben,  sobald  er 
Nachricht  erhielt,  missbillig^.  Mazarin  an  Grammont  und  Lionne, 
10.  Januar  1668.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  140. 

'  Vfl.  Valfrey  1.  c,  104  ff. ;  Ch^ruel,  H.  d.  M.,  III,  106  ff.  und  Examen 
l  c,  18  ff.,   sowie  GrammonVs  M^moires,  6d.  Petitot,  tom.  LVI,  469  ff. 

'  Grammont  an  Brienne,  Frankfurt,  15.  Januar  1658.  British  Museum, 
Hariejana,  4631.  Fast  w^Jrtlich  mit  dem  Berichte  an  Mazarin  vom 
22.  Januar  übereinstimmend.  Die  entscheidenden  Worte  über  die  Erfolg- 
losigkeit seiner  Mission  lauten :  ,La  reflexion  que  je  puis  faire,  est,  que 
dans  Taffaire  dont  il  est  question,  Ton  ne  doit  faire  aucun  fondement 
mr  le  Dnc  de  Bavari^re,  le  qu*il  selon  mon  adris  se  face  assez  grande 
justice  lors  qu'il  croid  ne  pouvoir  soustenir  le  faix  de  la  couronne  im- 
perialle et  que  tous  les  soins  et  Targent  de  Sa  Mte  pour  la  luy  mettre 
snr  la  teste  seroient  yainement  et  inutilement  employez.* 


L 


214 

Parteien  er  sich  entscheiden  werde.  Lionne  hielt  vorerst  die 
letztere  Auffassung  für  die  begründetere.  Seine  Unterredungen 
mit  Johann  Philipp  sollten  ihn  eines  Besseren  belehren.  Schon 
die  Ankündigung  des  wirklichen  Zieles  der  Grammont'schen 
Reise  *  erregte  den  Unwillen  des  Erzkanzlers ;  er  warnte  vor 
allzuweitem  Entgegengehen;  Lionne  entnahm  seinen  Reden, 
dass  er  insbesondere  ein  bestimmtes  Versprechen  der  mainzi- 
schen  Stimme  durch  Grammont  in  München  ftirchte.  Dass 
Johann  Philipp  zur  selben  Zeit  Gravel  bessere  Versicherungen 
gab,  die  Wahl  Ferdinand  Marias  fördern  zu  wollen  versprach, 
falls  dieser  seine  Bereitwilligkeit,  die  Krone  anzunehmen,  kund- 
gebe, und  der  Friede  durch  Verschulden  der  Spanier  vor  der 
Wahl  nicht  geschlossen  werden  könnte,  vermochte  Lionne 
durchaus  nicht  zu  beruhigen.  ^  Der  Verdacht,  dass  die  Inten- 
tionen des  Erzkanzlers  feindliche  seien,  wuchs  vielmehr,  als 
der  Bruder  des  Kurfürsten,  dem  er  an  den  Leib  rückte,  mit 
der  Sprache  nicht  recht  heraus  wollte  und  den  immer  grösseren 
Versprechungen  Lionne's  keinen  Werth  beimass.  Schon  damals 
schrieb  Lionne  dem  Cardinal,  er  denke,  er  habe  zu  günstig 
geurtheilt,  als  er  die  Meinung  geäussert,  der  Mainzer  wisse 
selbst  noch  nicht,  wohin  er  sich  neigen  solle,  und  sprach  die 
Befürchtung  aus,  dass  der  Erzkanzler  sich  schon  gänzlich  för 
Leopold  entschieden  habe.  ,Aber  ich  glaube,  fährt  Lionne  in 
seinen  Auseinandersetzungen  fort,  er  will  seine  Ansicht  ver- 
bergen, weil  er  derjenige  gewesen  ist,  der  die  Gesandtschaft 
des  Königs  von  Frankreich  gefordert  und  Geld  fUr  sich  und 
seine  Leute  genommen  hat,  und  weil  er  hofiTt,  die  Sache  so 
erledigen  zu  können,  wie  wenn  die  Wahl  Leopolds  gegen  seinen 
Willen  erfolgt  wäre,  sei  es  dadurch,  dass  der  BaiemfÜrst  die 
Krone  ausschlägt,  oder,  falls  er  sie  anzunehmen  sich  bereit 
erklärt,  nicht  leisten  wird,  was  man  von  ihm  fordert,  sei  es, 
weil  wir  die  zu  dessen  Wahl  nothwendigen  Stimmen  nicht  er- 
halten werden.' 3 

Dass    auch    diese    Auffassung    eine    noch    allzugünstige 
war,  musste  Lionne  erkennen,   als   er   eine  Woche  «päter  auf 


1  Officiell  war  als  Ziel  der  Reise  Heidelberg  angegeben  worden.  M^moires 
de  Grammont  1.  c,  468. 

2  Lionne  an  Mazarin,  18.  December  1657.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  136. 

3  Ebenda. 


215 

oeues  Drängen  Mazarin's '   nochmals   mit  Johann  Philipp  ver- 
bandelte. Denn  während  dieser  bisher  immer  die  Unsicherheit 
über  die   Entscheidung   Ferdinand   Marias    als    Grund    seiner 
Zurückhaltung  bezeichnet  hatte,  begann  er  jetzt  seinen  Reden 
eine  derartige  Wendung  zu  geben,  dass  kein  Zweifel  darüber  be- 
stehen konnte,  er  werde,  wie  auch  immer  die  Mission  Grammont^s 
ausfalle,  die  Candidatur  des  Kurfürsten  von  Baiem  nicht  unter- 
stützen.    Zugleich  suchte  Johann  Philipp  den  Nachweis  dafUr 
zu  erbringen,  dass  er  den  Plan  der  Erhebung  Ferdinand  Marias 
in  der  besten  Absicht  aufgegriffen  und  verfolgt  habe,-  und  dass 
das  Scheitern  desselben  einzig  und  allein  dem  bairischen  Kur- 
ftureten  zugeschrieben  werden  müsse.  Aber  weder  diese  Reden, 
noch  der  Versuch,  die  Unzweckmässigkeit  der  bairischen  Can- 
didatur nachzuweisen,  machte  auf  Lionne  Eindruck.  Er  drang 
unaufhörlich  auf  eine  bestimmte   Erklärung.    Nur  widerwillig 
und  um   den  gänzlichen  Bruch  mit  Frankreich  zu  vermeiden, 
gab  Johann   Philipp    das   Versprechen,    für    Ferdinand   Maria 
stimmen  zu  wollen,  falls  dieser  die  Krone  erstreben  würde  und 
der  Friede  vorher  zu  Stande  gekommen  sein  sollte.    Lionne  gab 
sich  damit  nicht  zufrieden.    Er  forderte  ein  weiteres  Versprechen 
fär  den  Fall,   dass   der  Friede    durch   Spaniens    Verschulden 
nicht  zu  Stande  kommen  sollte.   Johann  Philipp  gerieth  in  die 
peinlichste  Lage.     Nach  dem,  was   geschehen  war,   konnte  er 
ein  solches  Versprechen  nicht  geben.  Er  erwiderte  also:  ,Wenn 
die  Spanier  den  Frieden   nicht  wollen  und  die  deutsche  Linie 
des  Hauses  Habsburg  sich  nicht  verpflichtet,  den  Frieden  von 
Münster  zu  beobachten,  werde  ich  dem  Baiem   meine  Stimme 
geben,   wenn   er   Kaiser  werden   will.'  ^     Lionne    entging   der 
wesentliche  Unterschied  zwischen  diesen  und  den  früheren  Er- 
klänmgen   des  Mainzers   nicht.    Es   war   das   erste   Mal,   dass 
Johann  Philipp   den  Vertretern  Ludwig  XIV.   gegenüber  dem 

^  Mazarin  an  Grammont  und  Lionne,  17.  December  1657.  A.  d.  A.-E. 
All.  Vol.  140.  Auch  in  dieser  Weisung  betont  Mazarin,  dass  Alles  von 
dem  Mainzer  abhänge. 

*  Lionne  an  Mazarin,  27.  December  1667.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  136*  Vgl. 
Valfrey  1.  c,  109  flF.  Die  entscheidenden  Worte  lanten:  ,il  (Mayence) 
s'est  adrise  d'y  ajonster  une  condition  nouvelle  dont  il  n'avoit  jamais 
parl^,  qui  est  qne  s'il  s^avoit  clairement,  que  les  Espagnols  ne  veulent 
pis  la  paix  et  qne  la  Maison  d' Anstriche  d*Allemagne  ne  venille  pas 
observer  le  traite  de  Monster,  il  donnera  sa  yoix  a  Baviere  voulant 
estre  Emperenr.* 


216 

Gedanken  Ausdruck  verlieh,  durch  die  Wahlcapitulation  die 
Forderungen  Frankreichs  zu  befriedigen,  was  indirect  das  Zu- 
geständniss  der  Unmöglichkeit,  Leopolds  Wahl  zu  hintertreiben, 
in  sich  schloss.  Lionne  war  über  diese  Aeusserungen  des  Kur- 
fürsten empört.  Mit  dem  Ausdrucke  höchster  Unzufrieden- 
heit verliess  er  denselben.  Er  hoffte  auf  dem  Wege  der  Dro- 
hung etwas  zu  erreichen.  Dass  der  Erzkanzler  ihn  durch 
Gravel  zu  neuen  Verhandlungen  auffordern  liess,  schien  ihm 
ein  günstiges  Zeichen.  Allein  die  Unterredung,  die  stattfand, 
verlief  ebenso  resultatlos  wie  die  erste.  Wiederum  schob  Jo- 
hann Philipp  dem  Kurfürsten  von  Baiem  alle  Schuld  zu  und 
wich  jeder  definitiven  Erklärung  auch  dann  aus,  als  Lionne 
die  ganz  präcise  Frage  an  ihn  richtete,  ob  er  Ferdinand  Maria 
seine  Stimme  geben  wolle,  falls  Grammont  dessen  Zustimmung 
melde  und  es  gelänge,  den  Kurfürsten  von  Trier  zu  gewinnen. 
,Wie  die  Dinge  liegen,  kann  man  darüber  nicht  sprechen,*  war 
die  Antwort  des  Kurfürsten.  Und  so  unermüdlich  Lionne  war, 
dieselbe  Frage  immer  von  Neuem  zu  stellen,  ebenso  unermüd- 
lich war  Johann  Philipp,  ihm  mit  denselben  Worten  zu  er- 
widern. Die  Stimmung  der  beiden  Männer  wurde  immer  ver- 
bitterter. Da  lässt  der  Kurfürst  wiederum  das  Wort  ,Capitula- 
tion'  fallen.  Das  gibt  Lionne  den  erwünschten  Anlass,  seinem 
Zorne  Luft  zu  machen.  Er  springt  auf,  hält  sich  die  Obren 
zu  und  erklärt,  dieses  Wort  nicht  hören  zu  wollen.  Mit  dem 
ganzen  Aufgebote  seiner  Stimmmittel  ruft  er  dem  Erzkanzler 
zu:  ,Täuschen  Sie  sich  nicht  durch  falsche  Vermuthungen.  Der 
König  von  Fi*ankreich  ist  überzeugt,  imd  mit  nur  zu  gutem 
Grunde,  dass  Sie  allein  diese  Angelegenheit  entscheiden  werden, 
dass  es  von  Ihnen  abhängt,  ob  die  Kaiserkrone  ein  Mitglied 
des  Hauses  Habsburg  schmücken  wird  oder  nicht.  Es  hilft 
nichts,  von  verzweifelter  Lage  zu  sprechen,  zu  behaupten, 
Baiern  will  den  Thron  nicht,  Trier  wird  nicht  gewonnen  werden 
können.  Alles  dies  wird  sich  leicht  geben,  wenn  Sie  es  wollen, 
oder  —  ich  wage  dies  zu  behaupten  —  wenn  Sie  ims  handeln 
lassen  und  unsere  Pläne  nicht  durchkreuzen  würden.'^    Nach 


1  ,Monsiear  a  fin  que  V.  A.  ne  se  trompe  pas  sur  des  presupositions,  le  Roy  est 
persuadä  et  avec  tr6s  g^ande  raison,  que  yous  seul  donnerez  le  coup  tel 
qa*il  vous  plaira  a  cette  affaire,  c'est  a  dire  qae  selon  que  voos  Tavez  de- 
termiuä  en  vostre  teste,  TEmpire  oa  sortira  de  la  Maison  d'Austiiche  ou  y 
rentrera/  Lionne  an  Mazarin,  27.  December  1657.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  136. 


217 

einer  derartigen  Scene  war  ein  directer  Verkehr  zwischen 
beiden  Männern  fUrs  Erste  wenigstens  nicht  mehr  möglich. 
Die  Erregung,  die  Beide  erfasst  hatte,  Hess  Wiederholungen 
solcher  Auftritte  und  damit  den  gänzlichen  Abbruch  der  Be- 
ziehungen Frankreichs  mit  dem  Erzkanzler  befUrchten,  was 
weder  im  Interesse  der  einen  noch  der  andern  Macht  lag.  So 
wurde  denn  der  vertraute  Rath  des  Kurftirsten,  Boineburg, 
zum  Vermittler  ausersehen.  Durch  ihn  lässt  der  Mainzer  dem 
Vertreter  Ludwig  XIV.  versichern,  dass  er  seine  Stimme  noch 
Niemandem  gegeben  habe  und  dies  auch  bis  zum  Eintritt  ins 
Conclave  nicht  thun  werde ;  dass  er  Saria  nur  gesagt,  er  werde 
der  Wahl  Leopolds  nicht  entgegentreten,  falls  dieser  der  Stimmen 
Baiems,  Sachsens,  Triers  und  Brandenburgs  sicher  sei.  Durch 
ihn  lässt  er  Lionne  mittheilen,  dass  die  Kurfürsten  von  Baiern, 
Brandenburg,  Sachsen  und  Trier  ihn  zur  Vornahme  der  Wahl 
drängen,  dass  der  Trierer  Leopold  eingeladen  habe,  so  rasch 
wie  möglich  nach  Frankfurt  zu  eilen,  um  sich  die  Krone  aufs 
Haupt  zu  setzen,  dass  an  die  Annahme  der  Wahl  Seitens  Fer- 
dinand Maria  nicht  zu  denken  sei.  *  Zu  gleicher  Zeit  ver- 
suchte Boineburg  auf  zarte  Weise  von  Neuem  die  Frage  der 
WaUcapitulation  und  der  Allianz  zur  Sprache  zu  bringen. 
Lionne  aber,  der  noch  immer  die  Hoffnung  nicht  aufgibt,  falls 
Orammont  günstige,  entscheidende  Erklärungen  aus  München 
bringen  sollte^  den  Mainzer  durch  Versprechungen  und  Drohun- 
gen zur  Förderung  der  bairischen  Candidatur  zu  vermögen, 
will  von  Liga  und  Capitulation  nichts  wissen,  verspricht  Boine- 
burg, wenn  es  ihm  gelänge,  Johann  Philipp  für  die  Pläne  Ma- 
zarin*8  zu  gewinnen,  eine  gleich  auszuzahlende  Summe  von 
50.000  Thalem  und  eine  gleichgrosse  Summe  oder  die  Würde 
eines  Reichsvicekanzlers  nach  der  Wahl  des  von  Frankreich 
gewünschten  Candidaten,  dem  Bruder  des  Kurfürsten  aber  die 
Würde  eines  Duc  und  Pairs  von  Frankreich  mit  den  ent- 
sprechenden  Besitzthümern.  ^  Allein  auch  diese  Anstrengungen 
bleiben  erfolglos.  Boineburg  muss  im  Auftrage  des  Kurfürsten 
die  glänzenden  Anerbietungen  zurückweisen.  ^  Wenige  Tage 
darauf  trifft   der   Bruder   Gravel's,   Grammont's  Begleiter   auf 


'  Lionne  an  Mazarin,  1.  Januar  1658.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  136. 
^  Desgleichen,  8.  Jannar  1658.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  136. 
'  Desgleichen,  12.  Januar  1658.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  136. 


218 

der  Reise  nach  München,  in  Frankfurt  ein.  Aus  seinen  Mit- 
theilungen ergibt  sich,  dass  Ferdinand  Maria  definitiv  abge- 
lehnt hat,  die  Krone  anzunehmen.  Jetzt  erst  gibt  Lionne  die 
Hoffnung  auf,  ans  Ziel  zu  kommen.  Er  hat  bis  zum  letzten 
Augenblicke  an  der  Ueberzeugung  festgehalten,  dass  ein  Vor- 
marsch der  französischen  Truppen  an  den  Rhein  bei  günstiger 
Stimmung  Ferdinand  Marias  den  Mainzer  vermocht  hätte,  sich 
Frankreichs  Wünschen  zu  fügen.  *  Jetzt,  nach  der  erfolglosen 
Mission  Grammont's,  war  an  der  Niederlage  Frankreichs  in 
der  Wahlfrage  nicht  mehr  zu  zweifeln.  Denn  —  und  das  ist  das 
Entscheidende  —  als  eine  Niederlage  hat  Lionne  den  Ausgang 
des  Wahlkampfes  in  diesem  Momente  bezeichnet.  Ganz  aus- 
drücklich sprach  er  in  seinem  und  im  Namen  Grammont's  die 
Hoffnung  aus,  Ludwig  XTV.  werde  den  schlechten  Ausgang 
der  Dinge  nicht  ihnen  zm*  Last  legen.  ^  Und  ähnlich  dachte 
auch  der  Leiter  der  französischen  Politik.  Er  konnte  sich  nicht 
verhehlen,  dass  die  Erhebung  Leopolds  zum  Elaiser  eine  Nieder- 
lage für  jene  Macht  bedeute,  die  seit  dem  Tode  Ferdinand  HI. 
ununterbrochen  erklärt  hatte,  die  Wahl  eines  Habsburgers, 
welche  Genugthuung  flir  das  Geschehene  und  welche  Ver- 
sicherungen für  die  Zukunft  auch  gegeben  werden  möchten, 
als  Feindseligkeit  betrachten  und  die  Truppen  ins  Reich  ein- 
fallen lassen  zu  wollen.  Daher  auch  die  Zähigkeit,  mit  der 
Mazarin  an  dem  Plane  der  Wahl  Ferdinand  Marias  auch  dann 
noch  festhielt,  als  er  sich  bei  ruhiger  Ueberlegung  über  die  Erfolg- 
losigkeit jeder  weiteren  Bemühung  nicht  mehr  täuschen  konnte.^ 

1  Lionne  an  Mazarin,  14.  Januar  1658.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  136.  ^t  je 
demeure  encore  persuad^,  que  s*il  (Ferdinand  Maria)  eüst  donn^  ane 
bonne  response  a  M.  le  M<^1  le  Roy  s^advancaut  sur  le  Rhin,  on  eust  pü 
obliger  Mayence  bou  gr^  mal  gr^  luy  a  nons  tenir  parole.*  Sehr  be- 
zeichnend lautete  folgende  EIxpectoration:  ^Gependant  je  fois  denx  re- 
flexions  principales  sur  tout  ce  qui  s^est  pass^,  Tune  que  la  Maison 
d* Anstriche  doit  louer  Dieu,  qu'il  se  seit  trouv^  au  monde  un  Comte 
Curtz;  il  peut  dire,  que  luy  seul  leur  fait  retomber  Tempire*,  zweitens 
dass  nichts  so  vortheilhaft  für  Oesterreich  war  als  die  protestantische 
Partei,  denn  wenn  einer  dieser  Ftlrsten,  Sachsen  oder  Brandenburg, 
hätte  thun  wollen,  was  Baiem  hätte  thun  sollen,  und  so  von  Frankreich 
unterstützt  worden  wäre,  hätte  Oesterreich  die  Kaiserkrone  nicht  mehr 
erhalten. 

3  Ebenda. 

3  Mazarin  an  Qrammont  und  Lionne,  10.  Januar  1658.  A.  d.  A.-E.  All 
Vol.  140. 


219 

Als  aber  das  Scheitern  der  Grammont'Bchen  Mission  ein  wei- 
teres Beharren  auf  die  Durchführung  der  Wahl  Ferdinand 
Marias  unmöglich  gemacht  hatte,  warf  sich  der  französische 
Staatsmann  mit  der  ihm  eigenen  Energie  auf  das  erreichbare 
Ziel  und  suchte  zugleich,  was  er  gethan,  nicht  nur  zu  recht- 
fertigen, sondern  ak  auf  dieses  neue  Ziel  allein  gerichtet  hin- 
zustellen. Er  erklärte,  Ludwig  XIV.  habe  niemals  daran  ge- 
dacht, die  Krone  fUr  sich  zu  fordern,  er  behauptete,  die 
Kriegsdrohung  im  Falle  der  Wahl  eines  Habsburgers  sei  nur 
ein  Schreckschuss  gewesen,  er  habe  niemals  ernstlich  daran 
gedacht,  der  Wahl  wegen  Krieg  zu  führen;  er  betonte,  dass 
jetzt  nach  der  Geburt  des  spanischen  Infanten,  die  ihm  recht 
gelegen  kam,  kein  Grund  für  Frankreich  vorliege,  sich  der 
Wahl  Leopolds  aus  principiellen  Gründen  zu  widersetzen.  * 
Ja  nicht  einmal  die  inmier  wiederholte  Abneigung  gegen  die 
Wahl  eines  Habsburgers  gab  Mazarin  in  diesem  Momente  mehr 
zu.  Er  behauptete,  Ludwig  XIV.  hätte  von  vorneherein  die 
Wahl  eines  Habsburgers  ebensogern  gesehen  wie  die  des  Kur- 
filrsten  von  Baiem,  falls  er  die  Ueberzeugung  gehabt  hätte, 
dass  die  deutsche  Linie  des  Hauses  nicht  gänzlich  unter  spa- 
nischem Einflüsse  stehen  werde.  Mazarin's  Vorgehen  war  über- 
aus klag.  Er  hoffte  durch  diese  und  ähnliche  Erklärungen,  mit 
denen  er  nicht  sparte,  seine  Niederlage  zu  verdecken  und  seine 
Zustinmiung  zur  Ergreifung  jener  Massregeln  zu  rechtfertigen, 
die  er  monatelang  als  unzulänglich  und  unannehmbar  bezeichnet 
hatte.  In  der  That  ist  ihm  dies  gelungen.  Die  Wahlcapitulation, 
die  Leopold  unterzeichnen  musste,  und  der  kurz  nach  der 
KrOnong  desselben  erfolgte  Abschluss  der  rheinischen  Liga  haben 
bis  auf  unsere  Zeit  als  glänzende  Beweise  der  weitblicken- 
den, genialen  Politik  Mazarin's  gegolten,  als  dessen  von  allem 
Anfange  an  ins  Auge  gefasstes  Ziel  man  einzig  und  allein  die 
Beschränkung  der  kaiserlichen  Macht  bezeichnet  hat.  ^  Dass 
dieses  Urtheil  kein  richtiges  ist,  dass  das  Ergebniss  der  Wahl 


*  Macarin  an  Gbrammont  und  Lionne,  10.  Januar  1658.  A.  d.  A.-E.  All. 
Vol.  140.  ,Cela  (die  Gebort  des  Infanten)  nous  foumust  an  pretexte 
anee  honorable  (puisqn'aussy  bien  rinfidelit^  de  Mayence  nous  a  re> 
duits  anx  termee  de  ne  ponvoir  mieux  faire)  pour  nona  relascher  nn 
pen  de  nos  oppositions.' 

*  VfL  Cb&uel,  H.  d.  M.,  m,  129  f.  nnd  Examen  etc.,  24;  Valfrey  1.  c, 
69  f.,  174  ff.;  Heide  1.  c.,  67. 


220 

de»  Jahres  1658  durchaus  nicht  als  Triumph  Mazarin'scher 
Politik  bezeichnet  werden  kann,  wird,  wie  ich  hoflfe,  nach  der 
vorausgegangenen  Darstellung  nicht  mehr  bezweifelt  werden 
können. '  Denn  Mazarin  hat  ernstlich  daran  gedacht,  die  Kaiser- 
krone dem  Hause  Habsburg  zu  entreissen,  er  hat  von  dem 
Momente  an,  da  die  Nachricht  vom  Tode  Ferdinand  HI.  in 
Wien  einlief,  bis  zu  dem  Augenblicke,  wo  jeder  Einwand 
gegen  die  Wahl  Leopolds  nutzlos  wurde,  von  Beschränkung 
der  kaiserlichen  Machtvollkommenheit  durch  Wahlcapitulation 
und  Allianz  nichts  hören  wollen,  er  hat  ganz  ausdrücklich  und 
wiederholt  erklärt,  dass  derartige  Bestimmungen  einen  Kaiser 
aus  dem  Hause  Habsburg  niemals  abgehalten  haben  und  nie- 
mals abhalten  würden,  ihnen  zuwider  das  zu  thun,  was  in 
seinem  Interesse  liege,  und  dass  daher  der  König  von  Frank- 
reich Capitulationen  und  Bündnissen  keinen  rechten  Werth 
beimessen  könne.  Dass  aber  diese  Aeusserungen  nicht  blos 
gethan  wurden,  um  die  Kurfürsten  zu  schrecken  und  zur 
Förderung  der  französischen  Pläne  zu  vermögen,  ist  schon  dar- 
aus ersichtlich,  dass  Mazarin,  nachdem  er  bereits  entschlossen 
war,  sich  mit  der  Wahlcapitulation  und  dem  Rheinbunde  zu 
bescheiden,  den  Vertretern  Ludwig  XIV.  das  Bekenntniss  ab- 
legte, dass  alle  Verträge,  alle  Wahlcapitulationen  und  alle  Vor- 
kehrungen vergebens  sein  würden,  so  lange  der  spanische  Ein- 
fluss  in  Wien  fortdauere,  und  dass  das  einzige  Mittel  gegen 
alle  Frankreich  drohenden  Gefahren  die  Uebertragung  der 
Krone  auf  ein  anderes  Haus  gewesen  wäre.  ^  Ja,  auch  nach- 
dem er  sich  durch  die  ihm  übersendeten  Projecte  der  Wahl- 
capitulation und  der  Allianz  davon  überzeugt  hatte,  dass  durch 
dieselben  die  für  die  Genugthuung  und  zur  Sicherung  Frank- 
reichs nothwendigen  Massregeln  in  einer  den  höchsten  An- 
forderungen genügenden  Weise  getroflfen  werden  sollten,  hat 
er  Grammont  und  Lionne  seine  Ansicht  in  folgender  Weise  zu 
erkennen  gegeben.  ,Ich  habe  die  Projecte  der  Capitulation 
und  der  Allianz  in  terminis  gefunden,  wie  man  sie  nur  wün- 
schen kann,  und  die  in  der  That  für  die  Sicherheit  des  Königs 


^  Für   die   Allianzfrage    vgl.    meine    Auseinandersetzungen,    Beitrag  etc. 

1.  c,  161  f. 
2  Mazarin   an   Qrammont  und  Lionne,  18.  Januar  1658.    A.  d.  A.-E.  All- 

Vol.  140. 


221 

genügend  wären,  wenn  uns  die  Erfahrung  seit  dem  Frieden 
zu  Münster  nicht  darüber  belehrt  hätte,  dass  weder  Worte  noch 
Verträge  in  Deutschland  viel  nützen,  da  man,  anstatt  dem 
feierheh  beschworenen  Vertrage  gemäss  zu  leben,  einen  neuen 
Bchliesst,  um  den  alten  dann  ungehindert  verletzen  zu  können, 
und  wenn  man  sich  nicht  überzeugt  hätte,  dass  ein  Kaiser^  der 
im  Besitze  der  österreichischen  Länder  ist,  nicht  vieler  Scrupel 
bedarf,  um  alle  Vorschriften  zu  verletzen,  die  man  ihm  ge- 
macht und  die  er  zu  beobachten  versprochen  hat/  ,Aber,'  f^rt 
Mazarin  sehr  bezeichnend  fort,  ,man  erkennt  wohl,  dass  dies 
doch  mehr  als  nichts  ist,  und  dass  dies  fast  das  Einzige  ist, 
was  man  unter  den  gegenwärtigen  Verhältnissen  thun  kann/  ^ 
Ako  nicht  in  der  Zuversicht,  durch  die  Wahlcapitulation  und 
die  rheinische  Allianz  einen  vollen  Ersatz  für  die  in  der  Wahl- 
frage erlittene  Niederlage  zu  erlangen,  sondern  in  der  Absicht, 
die  Schlappe,  die  er  erlitten,  möglichst  zu  verdecken,  und  das 
unter  den  gegebenen  Verhältnissen  günstigste  Restiltat  zu  er- 
ziden,  hat  Mazarin  sich  entschlossen,  die  lange  verweigerte 
Einwilligung  zu  den  Verhandlungen  zu  geben,  deren  Zweck 
sein  sollte,  die  Macht  des  neuen  Kaisers  zu  beschränken  und 
die  Unterstützung  Spaniens  durch  die  deutsche  Linie  des 
Hauses  Habsburg  zu  verhindern.  Dass  diese  Verhandlungen 
—  deren  Verlauf  zu  verfolgen  wir  jetzt  in  der  Lage  sind  ^  — 
in  einer  die  Interessen  Frankreichs  fördernden  Weise  zum 
Abschlüsse  gelangten,  hatte  seinen  Grund  vornehmlich  darin, 
dass  in  diesen  Punkten  die  Pläne  Mazarin's  mit  jenen  des 
Erzkanzlers  in  vielen  Stücken  übereinstimmten,  und  dass  es 
dem  Kurfürsten  Friedrich  Wilhelm  von  Brandenburg  im  eigenen 
und  im  Interesse  des  Reiches  zweckmässig  schien,  die  Actions- 
freiheit  Leopolds  durch  die  Bestimmungen  der  Wahlcapitulation 
zu  schmälern.  Denn  die  Vertreter  Ludwig  XIV.  haben,  ob- 
gleich sie  es  an  Bemühungen  durchaus  nicht  fehlen  Hessen, 
zum  schliesslichen  Erfolge  eigentlich  nur  wenig  beigetragen. 
Ihr  Versuch,  Karl  Kaspar  von  Trier  zum  Anschlüsse  an  die 
beiden  anderen  geistlichen  Kurfürsten  zu  bewegen,  scheiterte ; 
ihre  in  derselben  Absicht  untemonmienen  Schritte  bei  Baiem 
und  Sachsen  blieben  ohne  Erfolg,  und  wenn  auch  der  Kurfüi'st 


*  Mazarin  an  Grammont  und  Lionne.  A.  d.  A.-E.  All.  Vol.  140. 
'  VglValfrey  1.  c,  119  ff.  und  Heide  1.  c,  49  ff. 


EINE 


AMTLICHE  HANDLUN68REI8B 


NACH  ITALIEN 


IM  JAHRE  1754. 


EIN  NEUER  BEITRAG 

ZUB 

68SCHICHTK  DER  ÖSTERREICHISCHEN  COIIERCIALPOLITIK 

VON 

D«  AUGUST  FOURNIER, 

O.  Ö.  PB0FE8S0R  AN  DER  K.  K.  DEUTSCHEN  UNIVERSITÄT  PRAG. 


An  meiner  akademischen  Schrift  über  ^Handel  und  Ver- 
kehr in  Ungarn  und  Polen  um  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts' 
meinte  ich,  wo  von  den  im  Auftrage  des  Staates  unternom- 
menen Handlnngsreisen  die  Rede  ist,  den  wahrscheinlichen 
Verlust  des  Berichtes  über  eine  solche  Fahrt  beklagen  zu 
müssen  y  die  im  Jahre  1754  nach  Oberitalien  unternommen 
worden  warJ  Glücklicherweise  hat  sich  diese  Beftirchtung  als 
nicht  gerechtfertigt  erwiesen:  der  Bericht  ist  erhalten,  und  wenn 
auch  nicht  im  Originale,  so  doch  im  Concept  einer  amtlichen 
Copie,  welche  Maria  Theresia  am  27.  März  1755  ihrer  königlichen 
Repräsentation  in  Böhmen  übersandte.  Der  die  Sendung  be- 
gleitende Erlass  lautet:  ,Liebe  Getreue.  Aus  der  beygehenden 
abschrifUichen  Relation  werdet  Ihr  des  mehreren  ersehen,  was- 
massen  unser  Mährischer  Commercial-Consessus  eine  Reise  nach 
Italien  und  Unsere  benachbarte  Lande  unternehmen  lassen,  um 
dadurch  sowohl  in  die  Elänntniss  der  Ersten  Wechsel-  und 
Kaofinannshäuser,  als  jener  Inn-  imd  Ausländischer  Waaren 
za  kommen,  die  zu  einem  vortheilhaften  Debit  und  nützlichen 
Baratto  dienen  können.  Die  hiebey  erhobene  Muster  theilen 
wir  dem  Consessui  Commerciali  zu  seiner  Einsicht  und  darüber 
zu  machenden  näheren  Ueberlegung  hieneben  mit,  befehlen 
auch  zugleich,  dass  Selber  sich  hierüber  fordersamst  mit  dem 
Mährischen  Consessu  Commerciali  einverständigen  und  dem- 
selben specific^  anzeigen  solle,  welche  von  denen  gang  und 
gebigsten  oder  anverlangten  Innländischen  Waaren  bey  Euch, 
auch  in  was  ftr  Qualitaet,  Breite,  Länge  und  Preiss,  entweder 
bereits  vorfindig,  oder  doch  zu  erzeugen  seyn  dürfften;  wie 
solcher  sich  denn  überhaupt  mit  demselben,  sowie  mit  der  in 


^  Archiv  ffir  Osterr.  Geschichte,  LXIX.  Bd.,  zweite  Hälfte,  S.  357. 
Arckir.  Bd.  LXXHI.  I.  Hilft«.  15 


226 

Nieder  -  Oesterreichischen  Commercien  -  Sachen  delegirten  Hof- 
Commission,  in  eine  regulirte  gegenseitige  Correspondenz  setzen 
und  ein  Land  dem  andern  die  in  linea  Commerciali  diensame 
Nachrichten  mittheilen  soll;  da  im  Uebrigen  die  beygehende 
Muster  Ihr  ehestens  zu  Händen  Unseres  Commercien-Direktorii 
wieder  zurückzusenden  bedacht  seyn  werdet/  * 

Die  diesem  Decrete  beiliegende  Relation  zerfällt,  gleich 
dem  Elaborat  über  die  später  unternommene  Handelsfahrt  nach 
Ungarn  und  Polen,  in  zwei  Theile:  a)  in  den  eigentlichen 
Reisebericht,  von  den  Berichterstattern  ,Protokoll'  genannt, 
und  b)  in  Reflexionen  über  das  Gesehene  und  Erfahrene.  Ich 
vermuthete  in  meiner  früher  angezogenen  Arbeit,  deren  Kennt- 
niss  ich  bei  dem  Leser  dieses  Nachtrags  voraussetzen  darf, 
die  Reisenden  nach  Italien  wären  dieselben  beiden  Männer  ge- 
wesen, die  Jahrs  darauf  nach  Osten  und  Norden  gingen:  der 
junge  Graf  Otto  Haugwitz  und  der  Brünner  Manufacturen- 
Inspector  Procop.  Das  ist  jedoch,  wie  sich  nun  herausstellt,  nur 
bezüglich  des  Zweiten  richtig.  Mit  Procop  war  1754  Graf  Alois 
Podstatzky  nach  Italien  gereist,  der  dann,  weil  er  in  Wien 
nöthig  war,  bei  der  nächsten  Fahrt  durch  Haugwitz  ersetzt 
wurde.  2 

Die  Reisenden  nahmen  ihren  Weg  über  Graz  und  Laibach 
nach  Fiume  und  Triest,  und  ihre  Angaben  über  die  Handek- 
zustände  an  diesen  Orten,  insbesondere  bezüglich  der  letztgenann- 
ten Stadt,  sind  von  dem  grössten  Interesse.  (Wie  aus  einer  Ver- 
gleichung  mit  der  Relation  von  1756  hervorgeht,  ist  auch  hier 
Procop  als  Hauptberichterstatter  anzusehen.)  Darauf  wandten 
sie  sich  über  Görz  nach  Venedig,  welches  damals  noch  mit 
scharfen  Waffen  dem  aufstrebenden  Rivalen  an  der  Adria  zu 
Leibe  ging,  und  über  Ferrara  nach  dem  durch  seinen  Juli- 
markt in  der  ganzen  Handelswelt  berühmten  Sinigaglia.  Dann 
ward  der  Hafen  von  Ancona  besucht,  von  wo  die  Reisenden  über 
Foligno  nach  den  toscanischen,  d.  i.  damals  kaiserlichen  Plätzen 


1  Von  Degelmann  verfasstes,  von  Neffzer  reTidirtes  and  mit  dem  Yisnin 
Chotek*8  versehenes  Concept  des  Commerz-Directoriums.  Archiv  des 
Ministeriums  des  Innern,  V.  G.  12.  60  ex  Martio  1755. 

2  So  resolvirte  Maria  Theresia  am  27.  März  1755  auf  einen  Vortrag  des 
Commerz-Directoriums  vom  9.  Februar,  welches  Procop  und  Podstatzky 
auch  für  die  ungarisch -polnische,  Reise  in  Vorschlag  gebracht  hatte. 
Hofkammer-Archiv,  Böhmen,  Commerz,  Fase.  2. 


227 

von  Florenz  und  Livorno  fuhren,  die  sich  nicht  weniger  als  Triest 
der  besonderen  Rücksicht  und  Sorge  Franz  I.  erfreuten.  Lucca, 
Bologna,  Modena,  Reggio,  Parma,  Piacenza,  Pavia  wurden 
hierauf  kurz  berührt,  bis  Mailand  Gelegenheit  zu  eingehender 
Unterrichtung  bot.  Von  da  kehrten  die  Reisenden  zurück,  in- 
dem sie  den  Weg  über  Cremona,  Mantua,  Verona  nach  Tirol 
wählten,  wo  nach  kurzer  Rast  in  Ala,  Roveredo  und  Trient 
das  wichtige  Bozen,  damals  noch  in  voller  Blüthe,  besichtigt 
und  studirt  wurde.  Dann  ging  es  mit  Aufenthalten  in  Innsbruck, 
HaU,  Salzburg,  Linz  und  Krems  heimwärts  nach  Wien.  Ueber 
alle  die  genannten  Orte  ist  mehr  oder  weniger  eingehend  ge- 
handelt: bei  den  meisten  derselben  sind  die  eigenen  Fabrica- 
tionen,  die  gangbarsten  Artikel  mit  ihren  Preisen,  die  wichtigsten 
Finnen  angegeben,  auch  welche  Verbindungen  man  im  Namen 
der  mährischen  Export-Compagnie  angeknüpft  habe  und  welche 
Geschäfte  man  da  und  dort  in  die  Bahn  zu  richten  gedenke; 
anf  Geld,  Mass  und  Gewicht  ist  überall  Rücksicht  genommen. 
Im  Ganzen  aber  ist  der  Rapport  doch  weniger  detaillirt  als  der 
bereits  von  mir  am  angeführten  Orte  veröffentlichte  über  die 
Reise  des  folgenden  Jahres,  so  wichtig  und  historisch  werth- 
voll  auch  die  dargebotenen  Notizen  sind. 

Dagegen  sind  die  Reflexionen,  mit  denen  die  Berichterstatter 
ihre  Wahrnehmungen  begleiten,  von  besonderem  geschichtlichen 
Interesse  und  verdienen  nicht  minder  als  das  Protokoll  in  ex- 
tenso mitgetheilt  zu  werden.  Sie  zerfallen  in  vier  grössere 
Capitel.  Das  erste  ordnet  die  in  den  italienischen  Städten  ge- 
machten Erfahrungen  mit  Rücksicht  auf  die  einzelnen  Waaren- 
gattongen:  bei  welchen  derselben  der  österreichische  Export 
nnd  was  er  zu  wünschen  übrig  lasse,  und  wie  ihm  der  Weg 
zu  ebnen  wäre.  Ein  zweiter  Abschnitt  beschäftigt  sich  mit  dem 
Triester  Seehandel  und  dessen  Zukunft;  ein  dritter  lässt  noch- 
mals die  besuchten  Orte,  auch  die  erbländi sehen,  Revue  passiren, 
um  bei  Besprechung  eines  jeden  derselben  Vorschläge  anzu- 
bringen, welche  sämmtlich  die  Hebung  des  Handelsverkehrs 
mit  dem  Auslande  im  Auge  haben ;  ein  vierter  endlich  handelt 
im  Besonderen  von  Mährens  commerciellen  Verhältnissen  und 
wie  dieselben  durch  die  Gründung  von^  Handelsgesellschaften, 
durch  Erleichterungen  für  die  fremden  Capitalisten ,  durch 
Standeserhöhungen  und  sonstige  Auszeichnungen  für  die  ein- 
heimischen Grosshändler  in  Flor  zu  bringen  wären.  In  diesem 

16* 


228 

letzten  Capitel  finden  sich  bereits  deutlich  die  Grundlagen  der 
österreichischen  Exportpolitik  in  Hinsicht  auf  Ungarn  und  Polen, 
wie  sie  später  in  den  Reflexionen  zum  Reisebericht  von  1756 
des  Breiteren  dargelegt  worden  sind,  angemerkt.  *  Schon  hier 
heisst  es,  man  müsse  trachten,  ,denen  Hungam  aUes,  was  sie 
nur  brauchen,  in  denen  benachbarten  Erbländem  zu  ver- 
schaffen, und  ihnen  die  Abnahme  aus  fremden  beschwerlich 
zu  machen',  wozu  eine  Brünner  Messe  in  Vorschlag  gebracht 
wird,  und  schon  hier  äussert  sich  die  Absicht,  mit  den  Polen 
einen  einträglichen  Austauschhandel,  mit  Troppau  als  Stapel- 
platz, einzuleiten,  d.  i.  sie  von  Breslau  dahin  abzulenken.  Dass  die 
erste  Informationsreise  der  Delegirten  des  mährischen  Commerz- 
consesses  nicht  sogleich  nach  Ungarn  und  Polen,  sondern 
vorerst  nach  Italien  ging,  hat  seine  Erklärung  wohl  darin, 
dass  Podstatzky  und  Procop  nicht  blos  im  Auftrage  der 
mährischen  Interessenten,  d.  i.  der  Brünner  Lehnbank,  welche 
allerdings  die  Kosten  der  Reise  trug,  sondern  vor  Allem  in 
dem  des  Central-Commerz-Directoriums  in  Wien  reisten,  und 
wir  wissen,  dass  es  gerade  die  ersten  Fünfzigerjahre  des 
vorigen  Jahrhunderts  waren,  in  denen  sich  die  Regierung  Maria 
Theresias  ganz  besonders  für  Triest  und  seinen  Aufschwung 
interessirte ,  der  mit  demjenigen  Livomos  Hand  in  Hand 
gehen  und  die  dominirende  Concurrenz  Venedigs  und  Ham- 
burgs ebenso  aus  dem  Felde  schlagen  oder  doch  einschränken 
sollte,  wie  man  im  Norden  das  Uebergewicht  von  Breslau 
und  Leipzig  zu  mindern  trachtete.^  Unter  diesem  Gesichts- 
punkte aufgefasst,  lag  das  nördliche  Italien,  von  dem  neben 
Toscana  dazumal  bekanntlich  auch  Mailand  und  Mantua  der 
habsburgischen  Herrschaft  unterthan  waren,  nahe  genug,  um 
es  in  die  grosse  Conception  des  österreichischen  Export-  und 
Baratthandels  einzubeziehen. 

Die  Sammlung  von  Waarenproben ,  Massen,  Tarifen, 
Tabellen  etc.,  im  Ganzen  60  Stück  Beilagen,  auf  welche  in 
der  Relation  verwiesen  wird,  ist  wohl  ebenso  zerstoben  und 
verschollen  wie   die  von  der  ungarisch-polnischen  Reise  heim- 

*  Archiv  für  österr.  Geschichte,  LXIX,  362  ff. 

'  Vgl.  Löwenthal,  Geflchichte  von  Triest,  8.  180  ff.;  Arneth,  Äürit 
Theresia,  IV,  80  f.;  Ranke,  Sämmtl.  Werke,  XXX,  40  f.;  Fechner, 
Die  handelspolitischen  Beziehnngen  Preossens  eu  Oesterreich,  S.  227f.; 
Arohiv  für  österr.  Geschichte,  LXIX,  356. 


229 

gebrachte  MustercoUection.  Wenn  in  dem  hier  folgenden  Ab- 
dracke  des  Berichtes  die  Bezugnahme  darauf  gleichwohl  nicht 
unterdrückt  wurde,  so  geschah  dies  vor  Allem  aus  dem  Grunde, 
weil  daraus  die  Umsicht  und  der  Eifer  erhellen,  mit  welchen  die 
beiden  Reisenden  ihrer  Aufgabe  gerecht  zu  werden  suchten. 

Welches  die  schliesslichen  Ergebnisse  dieser  Fahrt  waren 
and  welchen  Einfluss  der  Bericht  darüber  auf  die  Commercial- 
politik  des  Staates  ausgeübt  hat,  lässt  sich  im  Einzelnen  aller- 
dings nicht  constatiren.  Vielleicht  ist  die  Errichtung  der  Triester 
Handelsbörse  im  nächstfolgenden  Jahre  zum  nicht  geringen  Theile 
auf  die  Anregung  unserer  Berichterstatter  zurückzuftlhren,*  viel- 
leicht sind  auf  ihre  Mittheiiungen  hin  im  Jahre  1756  die  Görzer 
Stände,  als  sie  die  Widerrufung  des  Essito-Zolledictes  von  1750 
für  Rohseide  begehrten,  abgewiesen  worden  ^  u.  dgl.  m.  Jeden- 
falls hat  das  Commerz-Directorium  dem  Berichte  sein  Lob  nicht 
versagt,  und  wie  wenig  es  die  Vorschläge  der  Reisenden  von 
der  Hand  gewiesen,  lehrt  der  Umstand,  dass  kurz  nach  der 
Heimkehr  derselben  und  der  Vorlage  ihrer  Relation  Ungarn  und 
Polen  wirklich  als  Absatzgebiete  für  die  erbländische  Industrie 
ganz  besonders  ins  Auge  gefasst  wurden,  so  dass  schon  am 
19.  Mai  1755  Procop  mit  Haugwitz  die  Fahrt  in  die  beiden 
Länder  antreten  konnte.  ^  Manche  freilich  von  den  unter- 
schiedlichen Absichten  und  Vorsätzen,  welche  die  italienische 
Handlungsreise  gezeitigt  hatte,  mögen  im  Drange  des  bald 
darauf  neu  ausbrechenden  Krieges  untergegangen  sein. 


^  LOwenthal,  Geschichte  von  Trieat,  I,  195. 

3  Czoernig,  Görz,  I,  830. 

'  Der  Bericht  über  die  italienische  Reise  ist  nicht  datirt.  Dass  dieselbe 
jedoch  im  Jahre  1754  unternommen  wurde,  lehrt  die  wiederholte  be- 
stimmte Angabe  in  den  Reflexionen  über  die  Reise  von  1755/56,  dass 
die  Fahrt  nach  Italien  in  dem  genannten  Jahre  stattgefunden,  und  die 
in  dem  Votum  des  Commerz-Dlrectoriums  über  den  Bericht  enthaltene 
Bemerkung,  dass  die  MustercoUection  ihr  schon  am  7.  Januar  1755  vor- 
gelegen habe.  Nur  in  einem  Punkte  schränkte  die  OberbehOrde  ihr 
Lob  ein:  die  Berichterstatter  hätten  Mähren  allzusehr  berücksichtigt^ 
wo  doch,  insbesondere  beim  EIxport  von  Leinenwaaren,  Böhmen  vor 
Allem  in  Betracht  komme. 


A.  Das  Reiseprotokoll. 

1.  Gratz. 

Stadt  und  Land  handlet  an  eigenen  Produetis  mit  ge- 
druckter Leinwand,  so  aus  Landesflachs  erzeuget  und  zu  Grratz 
in  denen  drey  Fabriquen  des  Farovino,  Koch  und  Certahede 
gedruckt  wird.  Erstere  ist  die  stärkeste,  Letztere  aber  hat 
nach  erlangtem  Privilegio  hierzu  den  Anfang  gemachet  und 
solle  jährlich  bis  20,000  Stuck  meist  nach  Italien  und  Spanien 
verschleissen,  nunmehro  aber  die  weitere  Einfuhr  in  Spanien 
verbothen  worden  seyn.  Die  Leinwand  ist  gantz  ordinaire, 
1  Gratzer  Elle  breit,  16  lang,  und  in  völliger  Breite  gepacket, 
anbey  von  viererley  Sorten,  das  Stuck  k  5,  6,  7  et  8  Fr,  wie 
dann  auch  viererley  gebleichte  Leinwand,  52  Ellen  lang,  k  7, 
8,  9,  10  Fr  hierzu  genommen  wird.* 

Eisen-,  Kupfer-  und  Messing- Waar  wird  nach  Italien  ver- 
schlissen, auch  viele  Sensen  und  Sicheln  auf  der  Mur  in  Hun- 
gam  und  Türkey.  Der  Messing-Preyss-Courant  wird  erst  er- 
wartet, um  zu  sehen,  ob  solches  in  Mähren  und  andere  Länder 
mit  Vortheil  zu  verschleissen?  Kupfer-  und  Eisenwaar  aber 
bekommt  Mähren  leichter  aus  Hungarn.  Grünspan  wird  der 
Centner  k  35  Fr  und  Berggrün  k  50  Fr  fabriciret  und  ver- 
kauflfet.  Letzteres  ist  besser  aus  Hungarn  zu  haben  und  Ersteres 
noch  nicht  gut  genug,  um  das  französische  zu  entbehren.  Speyk- 
Kraut  wird  von  dem  hierzu  privilegirten  Negotianten  Dobler 
häuffig  gesammelt  und  über  Triest,  Venedig  nacher  Alexandria 
und  Egypten  denen  dasigen  Völkern  zum  Waschen  beym 
Gottesdienst  zugesendet,  und  sonst  in  Commercio  nicht  ge- 
brauchet, wäre  ihme  also  zu  lassen.  Pfund-Leder  wird  gemacht 
und  etwas  nach  Saltzburg  und  Bayern  verschlissen  im  Preyss 
k  33,  34  und  35  Fr.  Die  Grazer  Zwirn-Fabrique  und  Filatorium 
wäre  aus  Garn-  und  vielleicht  Geldmangel  samt  der  im  nehm- 
lichen  Hauss  befindlichen  Rossoglio-Fabrique  müssig,  und  die 
vorgewiesene  Zwirn-Proben  nicht  schön  weiss,  sondern  schwartz- 
blaulicht.   Die  Directorin  Türmannin  hat  den  genauesten  Preyss 


^  Unter  Fr  ist  der  Wiener  Gulden  (=  60  xr.)  verstanden. 


231 

deren  Garn-Mustern  N*"  1  franco  in  Wienn  gelegter  zu  wissen 
verlangt  ^ 

Der  Handel  mit  Erb-  und  Ausländischen  Waaren  besteht : 
r  in  Tüchern,  die  Elle  von  1  bis  4  Fr,  die  geringsten  bis  1  Fr 
18  auch  24  xr  werden  zwar  theils  aus  denen  drey  Böhmischen 
Landen,  weiters  aber,  und  bis  auf  2  Fr,  aus  Preussisch-Schlesien 
und  Sachsen,  und  die  noch  feinem  von  Aachen  und  Leiden 
genommen.  Die  oflFerirte  inländische  feinere  Tücher  gebeten 
zwar  denen  Kauff-Leuthen  gar  wohl  k  conto.  Sie  zeigen  aber 
wenig  Neigung  hierzu,  weilen  Sie  beym  Ausländischen  Ankauff 
den  Preyss  zu  ihrem  Nutzen  besser  verbergen  können,  und 
weilen  ihnen  die  Lehn-Bank  als  ein  zu  ihrem  Verderben  ge- 
reichendes und  unstandhafftes  Werk  abgebildet  worden.  2^°  in 
Halb-Woll-  und  Halb  -  Leinen -Waaren  als  Halb-Castor  und 
Halb -Rasch,  auch  Mesulan,  welcher  bloss  aus  Preussisch- 
Schlesien  kommet.  Zwey  Verlegere  von  Englischer  Kurtz-  und 
Nürnberger  Waar  versehen  sich  aus  Leipzig  und  Nürnberg. 
3*^*  in  Lein  -Waar,  das  Schlesische  Schock  zu  42  Wiener  Ellen 
iMg,  4V2  Viertl  breit,  ä  15  bis  20  Rthlr.  Item  Weeben  von 
52  Ellen  k  30  bis  50  Rthlr.  Lintzer  Leinwand  wird  zwar  auch, 
aber  nicht  so  viel  als  Schlesische  verschlissen.  Wie  dann  auch 
viel  Schlesischer  und  Sächsischer  Tisch-Zeug,  die  Garnitour 
k  10  bis  30  Rthlr,  dahin  kommet.  Femers  handlet  man  mit 
feiner  blau-  und  rothgestreifter  Leinwand,  auch  fein  und 
ordinari  Zwillich  und  Trillich  nach  denen  Mustern  N®  2.  Der 
grösste  Handel  beschiehet  in  denen  zweien  fast  durch  1  Mo- 
nath  dauernde  Mittfasten-  und  Aegidii-Jahrmärkten,  da  sich 
viele  Hungam,  Croaten  und  die  Land-Cramer  providiren.  Die 
Grazer  Kauffleuthe  handien  aber  auch  alla  minuta. 

Consumo-  und  Essito-ZoU  zeiget  sich  aus  N®  3.  Wobey 
merkwürdig,  dass  solcher  wider  die  gewöhnliche  Maxime  in 
Jahr-Märkten  höher  ist.  Vielleicht  geschiehet  es  aber  in  bene- 
ficiom  deren  dortigen  Kauff-Leuthen,  welche  auch  ausserm 
Markt  Waaren  einführen  können.  Doch  ist  der  Zoll  bis  auf 
das  Wachs  so  leidentlich,  dass  durch  sothane  Erhöhung  we- 
der denen   Fremden   ein  Nachtheil,   noch   durch   die   sonstige 


^  Die  Grazer  Zwirnfabrik  war  1753  errichtet  worden.  Fechner,  Die 
handelBpolitischen  Beziehungen  Preussens  zu  Oesterreich  von  1741 — 1806, 
S.  237. 


232 

Minderung  denen  Inwohnern  ein  erheblicher  Vortheil  zugehet 
Der  Magistrat  hat  auch  eine  Jahr-Markts-Mauth  per  30  xr 
vom  Collo,  er  mag  1  oder  10  Centen  wiegen.  Die  Grazer 
Elle  (N^  4)  ist  10  p  C*^  länger  als  die  Wiener,  das  Gewicht 
aber  dem  Wiener  gleich. 

Der  beste  Negotiant  Dobler  ist  denen  Landes-Fabricatis 
nicht  sehr  geneigt,  mithin  zum  Correspondenten  der  Godola 
ein  sicherer  und  dienstfertiger  Mann,  welcher  mit  Pottasche 
stark  über  Triest  handlet,  erwehlet  worden.  Mit  Lein-Waaren 
handlet  der  Heyder  und  Stephan,  in  Tuch-  und  halbwollenen 
Waaren  der  Mayer,  ein  freundwilliger  Mann.  Hendel,  Eigentiers 
Wittib,  Pilgram  und  Kratzer  seynd  gute  Handels-Leuthe,  Latour 
aber  ein  blosser  Wechsler  von  guten  Mitteln. 

2.  Laubach  < 

handlet  sammt  dasigem  Land  mit  erzeugenden  geringen  Lein- 
wanden, mit  etwas  Eisen  und  groben  Kotzen-Ttichem  fiftr  das 
Land- Volk.  Die  viele  Weissgärber  von  Cilley  und  Marpurger 
Hutmacher  verschleissen  ihre  Arbeiten  nacher  Triest.  Die 
bessere  Leinwanden,  Tücher  und  halbwollene  Zeuge  werden 
aus  Preussisch-Schlesien  genommen. 

Der  Kauffmann  Weitenhiller  zu  Laubach  hat  zwar  eine 
gute  Tuchfabrique,  ^  die  Waar  aber  keinen  gangbahren  Preyss 
und  wird  die  Fabrique  haubtsächlich  durch  die  contractmässige 
Lieferung  für  die  croatische  Miliz  erhalten.  Diese  Tücher  seynd 
gut  und  crois^  gearbeitet.  Durch  zwei  daselbst  vorhandene 
Wasser-Machinen  werden  die  Tuche  gekartet,  dann  Boy  und 
Flanel  aufgerieben. 

Der  Negoziant  Zebold,  *  von  sehr  guter  Speculation,  hat 
zwar  eine  Seidenzeug  -  Fabrique  und  Filatorium  errichtet,  so 
aber  wegen  seiner  deswegen  contrahirten  Schulden  mit  Arrest 
belegt  ist  und  nicht  betrieben  wird.  Michael  Angelo  Zois  hat 
fast  alle  Crain-  und  Eärnthnerische  Eisenwerke  durch  Miethungen 


^  So  vielfach  im  vorigen  Jahrhundert  neben  ,Laibach*. 

2  Dimitz,  Geschichte  Krains,  II,  179  nennt  für  das  Jahr  1763  als  Firma 
der  Fabrik  Ruard-Desselbrunner. 

3  Zebull  bei  Dimitz,  II,  179,  wo  neben  dieser  in  den  Viensigerjahren 
gegründeten  eine  1735  ins  Leben  getretene  Seidenfabrik  von  de  Wertb- 
Tabouret  erwähnt  wird,  die  hier  nicht  vorkommt  und  1754  wohl  nicht 
mehr  bestanden  haben  dürfte. 


233 

gleichBam  als  ein  Monopolium  an  sich  und  dadurch  in  Zeit 
Ton  12  Jahren  eine  halbe  Million  zusamen  gebracht,  negotiret 
über  Triest  in  gantz  Italien,  bauet  den  Sinigallier  Markt,  nihmt 
sieh  aber  sonst  um  nichts  an.  Zu  Correspondenten  hat  man 
den  Weitenhiller  und  Kirchschlager  genommen  —  alle  übrige 
seynd  nicht  besonders  considerable  —  und  könnten  dorthin 
Tuche  und  Leinwanden,  wovon  das  weitere  in  den  Reflexioni- 
bu8  folget,  verschlissen  werden.  Kirchschlager  verlanget  zur 
Speculation  ein  Kistel  mit  etlichen  Stück  Halb-Rasch,  Halb- 
Castor,  mittlfein  Tuch  von  Mode-Farben,  die  Elle  k  30  bis 
35  gr.,  weisse  und  rohe  Leinwanden,  30  Ellen  lang,  1  Elle 
breit,  von  4  bis  10  Fr.,  blau,  roth,  grün,  gelb  und  schwartze 
Glantz-Leinwand,  17  bis  18  Ellen  lang,  1  Elle  breit,  k  4  bis 
6  Fr,  und  halb  gebleichten  Cannefass,  vide  Muster  N®  5. 

3.  Fiume. 

Dahin  kommen  Levantische  Schiffe,  setzen  aber  aus 
Hangel  derer  Negotianten  und  Magazinen  keine  Waaren  ab, 
sondern  laden  von  denen  beständig  da  vorhandenen  Brettern, 
Latten  und  Nägeln  etc.  oder  bessern  ihre  Schiffe  und  nehmen 
frisch  Wasser.  Die  Compagnie-Schiffe  der  dasigen  Wachs-  und 
Zackerfabrique  bringen  Zuckerrohr,  Erde  zum  Sieden,  Levan- 
tisches Wachs  und  Saltz  von  Barletta,  haben  aber  keine  Rück- 
ladung, ausser  Wachs-Kertzen  und  Bretter  etc.  Aus  Puglia 
emp&nget  der  Negotiant  Mignioli  viel  0hl  für  die  Erb-Länder 
und  weiter,  wobei  Er  über  100000  Fr  erworben.  Die  Einfuhr 
im  Haven  wird  für  beschwerlich  und  die  Fiumara  für  grosse 
Schiffe  zu  seicht  gehalten.  Situs,  Wasser  und  Lufft  seynd  gut, 
Victualien  wohlfeil,  aber  in  der  Stadt  kein  Würths-Hauss. 

Die  Arnoldische  Fabrique  ist  ansehnlich,  ihr  Zucker  schön, 
aber  lauth  Preyss-Courrant  N^  6  zu  theuer.  Wachs-Bleichen 
und  Eertzen  seynd  gut  und  gehen  meist  nach  Italien,  woselbst 
dreymahl  mehr  als  in  andern  gleich  grossen  Ländern  ver- 
brauchet und  an  grossen  Festen  gantze  Kirchen  mit  6  und 
mehr  Tausend  Kertzen  beleuchtet  werden.  Venedig,  so  bisher 
den  Verschleiss  allein  gehabt,  kränket  die  Amoldische  Com- 
pagnie  und  hat  ihren  Negotianten  sogar  verordnet,  das  Pfund 
etwas  wohlfeiler  zu  geben  mit  Versicherung,  sie  aus  dem 
Schatz  der  Republik  zu  indemnisiren.  Dieser  Compagnie  hat 
man  die  Pohlnische  Wachs-Preyse  zu  notifiziren  versprochen. 


236 

bahren  Waaren  ein  Mnster-Stuck  nach  Triest  eingesendet  werden 
solle^  um  die  Qualitaet  und  Packung  zu  treffen.  Tele  Rigate 
haben  allerlei  Farben  von  obiger  Länge  und  Breite.  6**  aus 
Preussisch-Schlesien :  Neuroder  Tücher  ä  26  bis  30  Sgr,  Halb- 
Rasch  und  Halb-Castor  von  Breslau,  Hirschberg,  Schmiedeberg, 
Landshut  und  Greiffenberg  etc.,  allerhand  weisse  und  rohe 
Leinwanden,  absonderlich  Tele  Bastoneti  in  Yi  Schock,  das 
Schock  16  bis  24  Fr,  Schleyer  aus  Hirschberg,  Färber-Röthe 
und  mehr  als  um  Eine  Halbe  Million  Ghüden  Pohlnisches 
Wachs  aus  Breslau. 

In  Loco  seynd  3  Rosoglio-Fabriquen;  er  ist  fast  dem  Bo- 
logneser gleich,  wird  verkaufft  in  gantz  und  V2  Bouteillen. 
Die  gantze,  beyläufig  1  Mähr.  Mass^  kostet  16  Sgr,  die  besseren 
bis  30  Sgr  haben  aber  wenig  Anw  ehr.  Rozzi,  Palleti,  Miani, 
Brentani,  Cimaroli,  Venino  unterhalten  die  Fabrique.  Ersterer 
verschleisst  am  mehresten  und  condiret  Früchten  auf  Arth  der 
Genueser.  Lütyens  et  Comp,  fabriciret  Cremor  Tartari  besser 
und  wohlfeiler  als  die  Venetianer,  den  Centen  per  22  Fr.  Auf 
dem  Land  giebt  es  etwas  Oliven-Bäume  und  0hl,  mehr  wird 
aber  von  der  hinbringenden  Frucht  gepresst  und  das  meiste 
schon  fertiger  eingefUhret.  Die  Triester  Weine  seynd  schwehr, 
hitzig  und  brauchen  viel  Wasser,  seind  auch  wohlfeil,  der 
Moggio  von  32  Wiener  Maass  k  372  auch  4V2  Fr.  Das  Land 
hat  fast  keine  andere  Nahrung  und  klaget  über  wenigen  Ver- 
schleiss  und  Einfuhr  des  Venetianer  Weines,  wo  doch  der 
Triester  im  Venetianischen  verbothen  wäre. 

Die  beste  Handelsleuth  seynd  Brentano,  Cimaroli  e  Venino, 
Österreicher,  Tribuzii,  Seemann  e  Comp,  all  grosso  Handlere, 
Blanquenay,  Braun,  Cuniali,  Wittib  Grosselin,  Schop,  Loch- 
mann, Platner,  Flantini,  ingleichen  etliche,  aber  nicht  so  reno- 
mirte  Juden  Marpus,  Vitalevi,  Marpurgi  etc.  Sie  seynd  aber 
meistens  nur  Commissionärs  und  Spediteurs  und  ausser  des 
Brentano  und  Flantini  verschreiben  sie  wenig  auf  eigene  Rech- 
nung. Die  reichesten  seynd  denen  Preussisch-Schlesischen  und 
Sächsischen  Kegotianten  günstiger  als  denen  Erbländischen 
Fabricatis,  welches  die  Lehn-Bank  mit  denen  an  den  Oster- 
reicher  versendeten  und  fast  durch  1  Jahr  unverschlissen  ge- 
bliebenen Waaren  erfahren.  Diese  seynd  also  denen  zweyen 
gar  honneten  Handelsleuthen  Neidiser  und  Werkl,  denen  die 
Amoldische  Compagnie  ihr  Magazin  anvertrauet,  zum  Verschleiss 


235 

Baom-Ohl;  Baum-Woll,  Caffö,  Kurtze  Waar,  Rosenkräntz,  Flor, 
Bücher,  Farbholtz,  Fischtran;  Zucker,  viele  Materialien,  und 
was  sonst  die  Preyss-Courrant  N^  8  enthaltet.  Hiervon  ist  aber 
Terachiedenes  bis  zu  einer  mehreren  Erleichterung  annoch  wohl- 
feiler aus  Hamburg  zu  haben.  Es  kommen  auch  Fisch-  und 
Englische  Waaren  etc.,  doch  ohne  rechten  Zug  in  die  Erb- 
Lande ;  Hamburg,  Leipzig  und  Breslau  behaubten  noch  immer 
den  Verlag.  Aus  denen  Erbländern  und  durch  dieselbe  kom- 
men nacher  Triest:  1"^  Aus  Steyer,  Kärnthen,  Crain  durch 
obgedachten  Zois  und  Andere:  Stahl,  Eisen,  Sensen,  Sicheln, 
Drat,  Nägel,  Blech,  schwartz  und  verzinnt,  auch  andere  Eisen- 
Waar,  Kupfer,  Gewehr,  Glass,  Schachteln,  ordinari  Leinwand, 
Messing  und  detto  Fabricata,  Pfund-  und  Weissgärber-Leder, 
Sieb-Böden,  Speck,  Wachs,  viele  Gratzer  Leinwand,  und  durch 
obgedachten  Godola  etliche  1000  Centen  Hungarische  Pottasche. 
2^  aus  Osterreich  viel  Hungarisch  Kupfer  durch  Kinner  & 
Comp.*  von  Wien,  Ober-Österreicher  Lein  wanden  und  Woll- 
Waaren,  Schmeltz-Tegel.  3'^®  aus  Mähren  negotiret  dahin  der 
einzige  Scholtz  aus  Brunn,  welcher  einen  Bedienten  nebst 
einem  kleinen  Waarenlager  von  Tuch,  Trillich  und  ZwiUich  in 
Triest  haltet,  auch  die  Sinigallier  Märkte  bauet.  Johann  Beütl  aus 
Hof  spedirt  dahin  jährlich  etliche  1000  Stück  dieser  Lein-Waar, 
aber  nur  als  Factor  deren  Bresslauer-KauflFleuthen.  Die  Lehn- 
Bank  hat  mit  etlichen  100  Stück  Tuch,  Lein-  und  halb-wollener 
Waar  ebenfalls  angefangen  und  hofft  bald  was  mehreres  zu 
thun.  4***  aus  Böhmen  und  Böhmisch-Schlesien :  Lein-  und  WoU- 
Waar,  böhmische  Steine,  Gläser  etc.,  item  aus  Böhmisch- 
Schlesien  durch  den  Neysser  Kauffmann  Cassetti  Weiss-  und 
\\  gebleichtes  Garn,  jährlich  bei  200000  Fr  vor  besagte  Le- 
nossische  Fabrique.  5'**  aus  Sachsen:  weiss  und  gestreiffte  Lein- 
wanden, Tele  cavalline  e  rigate  genannt,  Tischzeug,  Tücher 
k  30  bis  40  Sgr  die  Elle,  wollene  Zeuge,  Strümpfe  etc.  Von 
der  Tela  cavallina  gehen  viel  100  Stück  in  Italien.  Man  nennet 
sie  so  von  der  Signatur  mit  einem  Pferd.  Ihre  Sorten  lauffen 
von  N**  4  oder  4500  bis  3  oder  3500;  die  geringste  kostet 
9V4  Fr  zu  Zittau  das  Schock  in  zweien  Stücken  k  30  Breslauer 
Hlen,  1  Wiener  Elle  breit,  und  steiget  jeder  N^  k  3/4  Fr.  Man 
bat  versmstaltet,  dass  von  dieser  und  anderen  in  Italien  gang- 


1  Kühner  &  Goll,  Tgl.Archiy  f.  österr.  Geschichte,  LXIX,  428,  Anm.2. 


238 

wohl  besetzet  ist,  wie  auch  dui'ch  die  Wehere  verarbeitet* 
Sonsten  werden  nur  zur  Landes -Consumption  Tuch,  Strumpf 
und  Hüth  aus  dem  Venetianischen ,  Gantz-  und  Halb-Rasch, 
weisse  Leinwanden  aus  Preussisch- Schlesien,  detto  blau  ge- 
streiflFte  aus  Sachsen  und  die  oben  bemerkte  Sorte  der  Lenus- 
sischen  Fabrique  bei  Tolmeso  verschrieben.  Diese  ist  von  dem 
Lenussi  mittels  eines  Venetianischen  Privilegii  in  trefflichen 
Stand  gesetzet  worden  und  wegen  des  grossen  Abzugs  muss 
.die  Waar  im  Voraus  bestellet  werden.  Graf  Podstatzky  aber 
hat  keine  Gelegenheit  gehabt,  solche  selbst  ansehen  zu  können. 
Bassa  von  Scherersberg  hat  solche  zu  Görtz  imitiren  wollen  und 
dessentwegen  auf  ein  Gam-Monopolium  angetragen;  wegen 
seiner  Abwesenheit  wäre  aber  nicht  zu  erfahren,  wie  weit  er  es 
gebracht. 

Dort  ist  das  Venetianische  Gewicht  und  Maass  üblich,  und 
die  meisten  Verkehrungen  geschehen  mit  dieser  Nachbahrschafft 

Kauff-Leuthe  seynd  vorhanden  und  handien  mit  Seiden- 
Waaren:  Segala,  Luzati,  Manasse,  und  Aaron  Marpurgi,  item 
Manasse  quondam  Moyse  Gentili,  mit  WoU-  und  Lein -Waar: 
Barbati,  Miani,  Periello,  und  Marco  di  Georgio.  Dieser  Letztere 
will  Correspondent  seyn  und  verlanget  Tuch,  Mode-  und  Livree- 
Farben  k  20  bis  30  Groschen,  Halb-Castor  verschiedene  Farben, 
wie  sie  zu  Neurode  gemacht  werden,  gestreiffte  und  operirte 
Lenussische  Lein  wanden,  verschiedene  Mährische  weisse  und 
rohe  Leinwanden,  das  Stück  30  Wiener  Ellen  lang,  V4  breit  von 
4  bis  10  Fr,  item  Leinen -Tüchl  das  Dutzet  k  3  bis  6  Fr. 

6.  Venedig. 

Dort  distinguiren  sich  in  der  Handlung  besonders  die 
Teutsche,  deren  Handlungs-Hauss  grosse  Freiheiten  geniesset. 
Man  fabriciret  viele  Sachen,  und  sobald  eine  nur  etwas  empor- 
kommt, wird  deren  Einfuhr  verbothen.  Vide  N^  10,  welches 
auch  respectu  der  Ausfuhr  der  selbst  brauchenden  Materialien 
beschiehet;  vide  den  gantz  neuen  Verboth  W 11,  woraus  zu  ent- 
nehmen, dass  man  unsere  nunmehrige  Principia  fllr  die  rechten 
ansiehet.     Ihre  auf  dem  Land  befindliche  Tuch-Fabriquen  hat 


^  Das  ärarische  Filatoriam  Ton  Farra  war  1724  errichtet  and  monopolisirt 
worden.   Dasselbe  ward  später  verpi^chtet.   Cf.  Czoernig,  Gör«,  I,  829. 


239 

man  nicht  gesehen,  in  und  bey  der  Stadt  geynd  die  Spiegel-, 
Christallen-GIas-  und  Schmeltzfabriquen  berühmt. 

Für  jetzo  wäre  von  uns  allein  ihr  Schmeltz  von  allerhand 
Farben  zu  gebrauchen  und  auch  dieser  (vide  Muster  N^  12) 
leicht  nachzumachen,  da  es  nur  auf  die  Gebung  der  Farbe  an- 
kommt. Das  kleine  Venetianer  Pfund  Stroh-Schmeltz  kostet  9  xr, 
fein  Rabin  3  Fr,  ein  Bund  Staub -Schmeltz  von  12  Schnüren 
4  xr,  ein  Bund  grössere  von  4  Päkeln  oder  4  Schnüren  N**  1 
4  Sgr,  N°  2  6  Sgr,  N^  3  10  Sgr,  N"  4  18  Sgr.  Von  ordinari 
Rubin  kommet  das  Pfund  3  xr  höher  als  andere  Farben.  Item 
gehen  in  die  Erb-Lande:  Venetianische  Hüth,  Tücher,  Strumpf, 
Kron-Rasch,  die  berühmte  Lenussische  und  verschiedene  Seiden- 
Waaren,  welche  aber  dagegen  in  das  Venetianische  nicht  ein- 
gelassen werden.  Wie  dann  die  Görtzer  ihre  meiste  Provisiones 
von  Udina  oder  Weiden  nehmen.  —  Die  Wachs-Bleich-  und 
Ziehereyen  verarbeiten  viele  1000  Centen  Pohlnisches,  Hunga- 
risches  und  Levantisches  Wachs  und  versehen  fast  gantz  ItaUen. 
Die  Negotianten  Fer  und  Meling,  so  jährlich  über  V^  Million 
übernehmen,  wollten  bey  findenden  Vortheil  das  Wachs-Negotium 
mit  Bresslau  abbrechen  und  sich  von  Brunn  providiren.  Der 
Wiener  Centen  kostete  damals  74  bis  75  Fr. 

Die  Negotia  beschehen  meist  in  gantz  Italien  und  Levante 
mit  Reiss,  Weinberl  (von  Letzteren  praetendiret  man  das  Mono- 
poliom,  dass  sie  erst  nach  Venedig  imd  sodann  weiter  gefUhrt 
werden  sollen,  was  also  grad  auf  Triest  gehet,  stehet  in  Gefahr 
des  Contrabands)  Spiegel  und  Spiegel-Gläser,  Christall,  Seiffen, 
Cremor  Tartari,  Bleyweiss,  Droguerie-Waaren,  Terpentin,  The- 
riae,  Medritat,  Sammet,  Damast,  TafFet,  Brocatell,  Tücher  für 
die  Levante,  auch  andere,  so  in  Ceneda  gemacht  werden,  lauth 
Muster  N^  13,  wovon  die  Elle  zu  Triest  und  Fiume  26  Groschen 
varkaufft  wird. 

Venedig  wird  über  das  Triester  Commercium  jaloux.  Der 
grösste  Vortheil  des  Venetianischen  ist  der  von  der  Republic 
garantirende  Banco  von  5  Millionen  Dukaten.  Alle  Wechsel,  so 
auf  Venedig  oder  auf  andere  Länder  gezogen  werden,  müssen 
durch  denselben  lauffen.  Ein  Kaufmann  kann  sein  darin  haben- 
des Capital  auf  einen  andern  umschreiben  lassen.  Das  Banco- 
Geld  übersteiget  das  Currente  um  20  p  C*^.  Alle  Frey  tag 
werden  die  Bilancen  und  viermahl  des  Jahres  die  Hauptbilancen 
gezogen.    Die  Wechsel-Briefe  müssen  6  Tag  nach  der  Praesen- 


240 

tation  acceptiret  oder  protestiret  werden,  und  wann  sie  mittels 
der  Banque  zahlbahr  seynd,  müssen  sie  directe  an  den,  der 
das  Geld  za  erheben  hat,  und  nicht  auf  Ordre  ausgestellet 
werden.  ^ 

Buch  und  Rechnung  wird  in  Ducati  correnti,  Grossi  e 
Denari  geflihret.  1  Ducato  corr.  wird  in  24  Grossi,  1  Grosso 
in  12  Denari  getheilet.  Ein  Venetianer  Ducato  corrente  hat 
6  Lire  4  Soldi,  die  Lira  20  Soldi  oder  unsere  4  Groschen.  Das 
Gewicht  ist  klein  und  gross:  100  kleine  Venetianische  Pfund 
machen  54  Wiener  Pfund,  und  100  Grosse  Venet.  Pfand 
86  Wiener.  Sonsten  machen  100  Pfiind  gross  Gewicht  158  Pfand 
klein  Gewicht  und  100  Pfund  klein  Gewicht  63 V2  Pfund  gross 
Gewicht.^  —  Die  Elle  ist  zweierley,  als  eine  für  wollene 
Waar,  und  die  andere  für  Seiden-,  Gold-  und  Lein-Waar.  Die 
Erstere  ist  grösser  um  6V4  p  C*^.    (vide  N**  14  et  15.) 

Zu  Freunden  hat  man  erwählet  den  Pommer,  Meling  und 
Fer.  Dem  Meling  hat  man  ordinari  Trillich,  detto  Schachwitz 
mitter  und  feineren,  blau  und  weiss  gestreiflften  Cannefass, 
ordinari  weisse  Leinwand  aus  Triest  (ut  N**  16)  zugesendet  und 
den  Betrag  empfangen.  Er  verlanget  noch  zur  Prob  feine 
Currant- Ballen,  feinen  Trillich,  Lenussische  Lein  wanden  von 
jeder  Sorte  2  Stuck  zu  seiner  Disposition  an  den  Braun  nacher 
Triest  zu  versenden.  Der  Fer  aber  verlanget  zur  Speculation 
100  Stük  unterschiedliche  Sorten  feine  Currant -Ballen  und 
Trillich  nach  denen  Mustern  N^  17. 

7.  Ferrara 

ist  der  Lage  nach  kein  besonderer  Handels-Platz,  hat  aber 
einige  Grossirer,  so  auf  dem  Po  bis  Turin  und  auf  dem  Canal 
bis  Bologna  verschiedene  in  diesem  ProtocoU  anderwärts  be- 
rührende Schlesische   und   Sächsische  Lein-Waaren   spediren. 


*  lieber  den  Geschäftsgang  in  der  Bank  von  Venedig  vgl.  Marpergeff 
Beschreibung  der  Banquen,  p.  190 ff.;  Ladovici,  Eröffnete  Akademie 
der  Kanfleute  oder  vollständiges  Kanfmannslexicon  (1755),  V,  374  ff.; 
Straensee,  Knrzgefasste  Beschreibung  der  Handlung  der  vornehmsten 
europäischen  Staaten,  n,  165—168  (1779). 

2  So  einfach  lagen  die  Dinge  nicht  ganz.  Man  unterschied  im  alten 
Venedig  ausserdem  mehrere  Gattungen  Pfunde,  je  nach  den  Waaren, 
die  gewogen  wurden:  Brotpfunde,  Goldpfunde,  Metallpfunde.  Vgl.  Volk- 
mann,  Histor.-kritische  Nachrichten  von  Italien,  Tu,  692. 


241 

Der  Orth  ist  wegen  des  Flusses  auch  geschickt  zur  Spedition 
in  das  Mantuanische,  Modenesische,  Parmesanische  und  May- 
ländische,  wie  auch  mit  kleinen  Land-Transporten  kostbahrer 
und  nicht  schwehrer  Waaren  aus  dem  Mayländischen  nacher 
Genua  und  von  Bologna  in  das  Florentinische ,  wobey  der 
Risico  tlber  Meer  vermieden  und  Zeit  gewonnen  wird.  Der 
hohe  Cremoneser  Zoll  soll  diesen  Weg  bishero  in  etwas  gehemmet 
haben  und  die  seltsame  Transporte  verursachen,  dass  die  Waaren 
bis  zur  completen  Ladung  liegen  bleiben  müssen,  dahero  man 
die  Sachen,  um  solche  geschwinder  zu  haben,  zu  Lande  bringen 
lasset  Spediteurs  wollen  abgeben  Bergonzini  e  Mainardi,  Merli  e 
Comp.,  welche  gute  ELandels-Leuthe  seynd  und  Muster-Charten 
hierländiger  Leinwanden  mit  Anzeigung  der  Länge,  Breite  und 
Preyse  verlanget  haben,  um  akogleich  einigen  Verschleiss  zu 
veranlassen.  —  Von  denen  Mtlntzen  beschiehet  die  Meldung 
bei  anderen  Orthen  des  Kirchen- Staats.  In  der  fUle  machen 
100  Ferrareser  80  V3  Wiener.  Im  Gewicht  100  Ferrareser  Pfund 
60V^  Wiener.  Die  daselbstige  und  sonst  im  Kirchenstaat  be- 
findliche viele  Juden  sollen  dem  Commercio  verhinderUch  seyn, 
und  in  der  That  distinguiret  sich  Bologna,  wo  es  keine  Juden  gibt. 

8.  Sinigalliai 

handlet  nur  am  Jahr-Markt  von  halben  bis  End  Julii;  aber 
da  kommen  die  Stärkesten  Negotianten  aus  Italien,  viele  aus 
Frankreich,  Schweitz,  Nürnberg,  Augspurg  und  anderen  Reichs- 
städten, aus  Triest,  Levante  und  Africa.  Theils  kauffen,  theils 
verkauffen,  oder  thun  beydes.  Man  findet  Seide  und  detto 
Waare  aus  Italien,  Frankreich,  Levante ;  Tücher,  Wollene  Zeug, 
Httth  und  Strumpf  aus  Engel-,  Holl-  und  Teutschland,  aus  dem 
Venetianischen  Londres  Seconds  und  Scharlach,  Lein- Waaren 
ans  Schlesien,  Sachsen,  Schweitz,  Kämthen,  Krain,  Steyer, 
Böheim;  Messing- Waar  von  Nürnberg;  Eisen- Waar  aus  Käm- 
then, Crain  und  Steyer;  alle  Levantinische  Waare,  Asiatische 
Seide,  Cameel-Haar,  gesponnene  und  ungesponnene  Baum-WoU, 
roth  Türkisch  Garn  und  allerhand  Friandisen.  Und  wann  eine 
Waar  stark  gesuchet  oder  aber  überführet  wird,  macht  man 
oft  grosse  Glücks-Streiche.  Anbey  aber  ist  bedenklich,  dass 
viel,  auch  bis  in  die  Levante,   und   allzeit  bis   zur  folgenden 


1  SinigagUa. 

ArduT.  Bd.  LIHII.  I.  H&lfte.  16 


242 

Mess,  creditiret  wird,  wobei  man  exponiret  ist  und  das  Geld 
in  einem  gantzen  Jahr  nicht  umkehren  kann. 

Den  ordinari  Zoll  zahlet  man  zur  Markt-Zeit  nicht.  Bey 
dessen  End  aber  muss  die  Waar,  so  nicht  zurückgefiihret  wird, 
die  Gebühr  entrichten.  Zu  Sinigallia  und  an  mehr  Italieni- 
schen Orthen  ist  der  Zoll  in  Verpachtung,  anderwärts  aber,  als 
zu  Ferrara,  dependiret  die  Abnahme  von  der  Willkühr  des 
Legaten.  Wegen  so  vieler  KaufFleuthe  seynd  die  Magazins- 
Zinse  sehr  hoch,  und  ein  einziges  Gewölb  kostet  nur  zur  Markt- 
Zeit  70,  80  und  90  Scudi.  Von  Triest  bis  Sinigallia  kostet  der 
Centen  bey  bequemer  Zeit  15  xr  und  wird  bey  guten  Wind 
in  2  bis  3  Tagen  überbracht.  Bey  üblen  Wetter  aber  bleiben 
die  Schiffe  auch  12  Tag  aus. 

Der  Sinigallier  Mauthner  Grossi,  ein  sicherer  Mann,  machet 
zur  Markt-Zeit  einen  Commissionaire.  Die  Lehn-Bank  hat  ihre 
Waaren  an  ihne  adressiret,  so  aber  dasmahl  zu  spath  eingelanget 
Aus  Mangel  derer  Wechsleren  beschehen  die  Zahlungen  nacher 
Bologna  zur  Uberwechslung  in  andere  Länder.  Der  einzige 
Grossi  wechslet  etwas  innerhalb  Italien.  Sinigallier  Maass  und 
Gewicht  wird  in  commercio  nicht  betrachtet,  sondern  die  an- 
kommende Waaren  nach  der  Maass  unde  verkauffet. 

Gegen  dem  Castell  über  soll  ein  grosses  Hauss  Ihro  Maj. 
der  Kayserin  gehören.  * 

9.  Ancona. 

Aus  dasigem  schönen  Haven  bedecken  die  Venetianer 
Galeren  den  Markt  von  dem  im  Gesicht  liegenden  Sinigallia, 
welches  hierzu  keinen  geschickten  Porto  hat.  Der  Handel  ist 
nach  der  trefflichen  Lage,  wie  fast  bei  allen  Päbstlichen 
Städten,  zu  gering  ;2  doch  kommen  Schiffe  aus  Levante,  Hell-, 
Engeland  und  Norden.  Den  besten  Handel  machen  die  be- 
rühmten Juden  Israel  Raffaele  Solino  e  Comp.,  Moyse  CJoem, 
Samuele  Cagli,  Isaac  Constantini  und  Michael  Azzis.  Unter 
den  Christen  lasset  der  einzige  Frantz  Triumfi  gantze  Schiff- 
Ladungen  auf  seine  Rechnung  kommen.  £r  zwinget  aber  seine 
Verkehrungen  durch  vielen  Credit,  könte  also  bey  einigen 
Unglücksfällen  ein  grosses  Falliment  folgen. 

<  Marchesi  Giorgio,  Della  cittA  di  8inigaglia(  1765)  war  mir  nicht  erreichbar. 
3  Das  Gleiche  beobachtete  1741  Kejssler,  Fortsetsung  neuester  Reisen, 
S.  446. 


243 

Dorthin  kommen,  und  seynd  ofFt  wohl  zu  kauffen,  Levan- 
tische Waaren,  als  Baum-Woll,  Cameel-Haar,  Seide,  Türkisch 

••  

Garn,  Caff^,  Gallus,  Färb -Waaren  etc.,  Baum-Ohl  aus  Puglia, 
Tücher  aus  Frankreich,  Holland,  Venedig,  Leinwanden  aus 
Holland  und  Preussisch- Schlesien,  allerhand  Englisch  Wollen- 
Zeug  und  Messing -Waaren,  Frantzösische  Londrins  Seconds. 
Dasige  Negotianten  klagten  aber  über  die  dermahlige  frantzö- 
sische Verordnung,  diese  Sorte  directe  in  die  Levante  zu  ver- 
negotiren,  und  da  ihnen  die  producirte  Muster  gefallen,  so  hat 
man  ihnen  die  allhier  nicht  annehmlich  geweste  derley  Prob- 
Stüke  zu  einem  Versuch  zugesendet. 

Li  der  benachbahrten  Stadt  Recanati  ist  die  längste  Messe 
in  Italien  vom  15.  September  bis  15.  November,  so  sehr  besuchet 
wird  und  mit  hiesigen  Waaren  gebauet  zu  werden  verdienet. 
Dahero  der  Versuch  mit  denen  nach  Sinigallia  zu  spath  eingelof- 
fenen  Waaren  veranlasset  worden. 

Man  hat  zwar  obbeschriebenen  Negotianten  die  hierländige 
Waaren  recommendiret;  wegen  der  mit  Wälschen  und  absonder- 
lich mit  Juden  nöthigen  Vorsichtigkeit  aber  lasset  man  alles 
durch  den  Antonio  Cheli  gehen,  der  von  der  Amoldischen 
Compagnie  aus  Fiume  gar  sehr  recommendiret  worden. 

Buch  und  Rechnung  wird  gehalten  in  Scudi  und  Bajochi, 
deren  100  einen  Scudo,  10  aber  einen  Paolo  machen.  Dort 
seynd  keine  eigentliche  Banquiers.  Doch  beschiehet  der  Wech- 
sel auf  Ancona,  und  wird  mittels  daselbst  ausgebender  Cours- 
Zettel  und  durch  Commissionairs  der  auswärtigen  Wechslern 
getrieben,  100  Pund  in  Ancona  machen  98  in  Livomo  und 
100  Livomeser  60^4  Wiener,  wovon  bey  Livomo  ein  mehreres. 
Die  Elle  ist  fast  3V2  Viertl  Wiener  (vide  N°  18).  i  Zwey  solche 
Ellen  breit  werden  dort  die  Londrins  seconds  ohne  End  erfor- 
dert Aus  Ancona  kann  man  die  Waaren  am  besten  nach 
Rom  oder  sonst  ins  Päbstliche  versenden.  Mit  geringen  ordi- 
nari  Tüchern  aber  darff  man  aus  diesem  Porto  franco  in  den 
Kirchen-Staat,  eigener  Fabriquen  halber,  nicht  negotiren. 

10.  Loretto 

hat  in  commercio  nichts  beträchtliches,  als  einen  Teutschen, 
Jacob  Mosseyg,  welcher  aus  verdorbenen  unzeitigen  Pomerantzen 

*  Diese  Mass-  and  Gewichtsangaben    sind   etwas    obenhin   gemacht.    Es 
gab  in  Ancona  ss.  B.  verschiedenes  EUlenmass   für  Seide  und  Leinen. 

16» 


244 

Rosen-Kräntze  drächslet  und  jährlich  um  mehr  als  50000  Fr 
über  Triest  und  sonst  in  Teutschland  und  Pohlen  versendet.^ 

11.  Foligno. 

Wegen  der  Communication  mit  anderen  Städten  und  Thei- 
lung  der  Strasse  nach  Rom  und  Florenz  seynd  daselbst  yiele 
Grossisten,  als  Bocotelli,  Eredi  di  Solari,  Barugi,  Seracchi,  Leri, 
Bechelli  etc.,  so  unter  andern  die  Messen  von  Sinigallia  und 
Recanati  mit  Lenussischen  und  anderen  weissen  und  rohen  Lein- 
wänden aus  der  Schweitz,  Sachsen  und  Preussisch -Schlesien, 
dann  mit  anderen  bei  Ancona  und  Sinigallia  bemerkten  Engel- 
und  Holländischen  Woll-Waaren  besuchen.  Nach  gesehenen 
Mährischen  Mustern  hat  Barugi,  Bocottelli  und  Serachi  sich 
durch  Correspondenz  weiter  einzulassen  versprochen. 

Weiter  in  Italien  steigen  die  Verschleiss-Preyse  immer; 
mithin  wäre  mit  denen  von  dem  Banquier  Pommer  aus  Venedig 
mitgehabten  Recommendations-Brieffen  zu  Rom  in  der  Jacob 
RaflFaelischen  Handlung,  so  an  WoU-  und  Lein-Waaren  ein 
Lager  von  etlichen  Millionen  hat,  wie  auch  im  Neapolitanischen 
etwas  nutzliches  zu  versuchen  gewesen,  welches  aber  der  Reyss- 
Entwurf  nicht  zugelassen. 

12.  Florenz, 

so  im  Wechsel  stärker  als  Livorno  und  voller  Handels-Läden 
ist,  auch  die  Waaren  auf  dem  Amo-Fluss  und  Canal  nach  Li- 
vorno bringen  kann,  verschaffet  berühmten  Atlass  und  Moir, 
(vide  Muster  und  Preyss  N®  19),  item  Sammt,  Taffet,  Gros  de 
Tour,  Strumpf,  Tüchel  etc.,  und  dannoch  wird  viel  rohe  Seyde, 
so  besser  als  die  übrige  Italienische  ist,  nach  Frankreich, 
Lucca  etc.  verflihret.  Die  Landesfbrstliche  Fabrique  von  reichen 
Zeugen  kann  die  Frantzösische,  so  man  fUr  gustoser  und  netter 
ausgiebet,  noch  nicht  zurückhalten.  In  der  Fabrique  im  GaUerie- 
Gebäude   werden   aus    zusamm   gesetzten    kostbahren    Steinen 


Vgl.  Strnensee,  11,  176.  Nelkenbrecher^s  Taschenbuch  der  neaesten 
Münz-,  Mass-  und  GewichtsverfaBsung,  S.  18. 
>  Ueber  das  Rosenkranzgeschäft  und  den  ausgedehnten  Handel  mit  heiliger 
Waare,  die  vorher  in  der  irdenen  Schale,  aus  der  angeblich  das  Jesu- 
kind  seinen  Brei  genossen,  umhergerührt  worden  war,  siehe  Kejssler, 
a.  a.  O.,  S.  442. 


245 

gantze  Gemählde  vorgestellet.  ^  Aldort  werden  auch  künstliche 
Arbeiten  von  Gold  und  Silber  in  Mahlereyen  und  Kupfer- 
stichen etc.  gemachet;  und  in  der  Nachbarschafft  unterhalt  der 
Gouverneur  von  Livomo  eine  kostbahre  Porcellain-Fabrique.  ^ 
Zu  Prato  werden  ordinari  Tücher,  aber  von  keiner  besonderen 
Qualitaet,  verfertiget  und  theils  nur  für  die  Miliz  verwendet,  theils 
einiger  Verschleiss  durch  die  scharffe  Zoll- Verordnungen  beför- 
deret. Wein,  und  sonderheitlich  Monte  Polciano,  ist  ein  starkes 
Commercial-Capo  und  wird  fast  in  gantz  Europa  verfUhret  in 
Küsten  von  40  grossen  oder  60  kleinen  Flaschen,  so  zu  Livomo 
8  bis  10  Fr  kosten.  Der  Lac  ist  nicht  so  gut  als  der  Wienerische, 
Darm-Saiten  aber  seynd  nach  denen  Romanischen  die  besten. 
Leinwanden  nihmt  Florentz  aus  Schweitz,  Sachsen,  Preussisch- 
Schlesien,  Holland  und  Römischen  Reich;  Muster  deren  gang- 
bahrsten,  so  in  keine  Sortimenter  eingeschlagen,  vide  N°  20. 
Die  Tücher  kommen  meist  aus  Engeland  und  etwas  aus  Frank- 
reich und  Holland. 

Von  Zoll  und  Aufschlägen,  wovon  zwar  keine  Tariffe  zu 
haben  gewesen,  vide  Notam  sub  N^  21,  woraus  zu  ersehen, 
dass  die  erweislich  Teutsche  Producta  nur  die  Helffte  zahlen 
und  dass  250  Pfund  von  Triest  bis  Florenz  20  Lire  oder  30  Paoli 
kosten. 

Zum  Handlungs-Freund  für  die  etwa  dahin  senden  wol- 
lende Güter  hat  man  den  Mercantelli,  einen  geschickten  Mann, 
angenommen.  Starke  Leinwand -Handlere  seynd  unter  denen 
Christen :  Brunoni,  Perini,  Mingoni,  unter  denen  Juden :  Samuel 
Calligo  e  Raffaele,  Vitale  Finci  e  fratelli,  RafFaele  e  Isaac  Polafi. 
Wann  man  die  nach  Leipzig  gewöhnte  Hungam  und  Sieben- 
bürger mit  Florentiner  Seiden- Waar  versehen  wollte,  so  ist  Be- 
kanntscbaflFt  gemacht  worden  mit  denen  Negotianten  Raffael 
Mori,  Zeni  e  Burgani,  (deren  Preyss-Courrant  und  Muster  vide 

*  Jenerzeit  im  zweiten  Stockwerke  der  Fabrica  degli  Uffizii,  vgl.  Neue 
Europäische  Staats-  und  Reisegeographie  (1762)  X,  1165.  wört- 
lich tibereinstimmend  mit  Büsching,  Neue  Erdbeschreibung  11.  2.  948. 

'  Die  Porzellan*  und  Fayencefabrik  befand  sich  zu  Doccia,  vier  Meilen 
Ton  Florenz.  Sie  war  durch  den  Marchese  Carlo  Ginori  angelegt  worden, 
der  zunächst  Mitglied  des  Regentschaftsrathes,  von  1747 — 1797  Gouver- 
neur von  Livomo  war.  Vgl.  über  dieselbe  in  jener  Zeit  unter  Anderen 
Volk  mann,  Histor.- krit.  Nachrichten  I.  655  ff.,  über  Ginori:  Passerini, 
Genealogia  e  storia  della  famiglia  Ginori,  p.  81;  Reumont,  Geschichte 
ToBcanas  II.  65. 


246 

N^  22,  23),  Gioseppe  Frescobaldi,  Tomaso  Baldi  und  mit  denen 
Seiden-  Strumpf- Handleren  Duclos  e  StefFanini,  welcher  die 
Kays.  Fabric  innen  hat.  Die  berühmtesten  Banquiers  seynd 
Kicolo  Maria  Sassi  Comp,  e  Liberi,  und  Cosimo  del  Sera  quon- 
dam  Alessandro.  Die  Wachs-Fabrique  hat  Strozzi  in  Appalto 
und  providiret  sich  aus  Livorno  mit  Levantischen,  Moscovitischen 
und  Pohlnischen  Wachs,  jährlich  bis  600  Centen  k  30  Scudi. 
Buch  und  Rechnung  wird  geflihret  in  Ducati  oder  Scudi,  Soldi 
e  Denan  d'oro,  so  eine  moneta  imaginaria.  Der  Scudo  hat 
20  Soldi,  dieser  12  Denan  d'oro.  Sonst  macht  auch  1  Scudo 
7  Lire,  dieser  20  Soldi  und  dieser  12  Denan.  Femer  gehen 
daselbst  Talen  zu  10,  dann  halbe  zu  5  Paoli,  Testoni  zu  2  Lire 
oder  3  Paoli,  Grazien,  deren  8  einen  Paolo  machen,  Soldi  und 
Quatrini,  davon  3  einen  Soldo  machen.  *  Gewicht  ist  2  p  C*** 
schwehrer  als  zu  Livorno.  1  Pfund  6^/2  Loth  machen  23 V4  Wiener. 
Die  Elle  auf  WoU-  und  Seiden -Waar  vide  sub  N**  24  et  25. 
117  Brazen^  in  Woll  und  119  in  Seiden  machen  90  Wiener  ElUen. 

13.  Livorno. 

Alle  daselbst  vor  Anker  ^elegeiie  Schiffe  müssen  in  denen 
Päbstlichen,  Neapolitanischen  und  Spanischen  Häven  Quarantaine 
halten,  weswegen  sie  lieber  nach  Genua  fahren,  welches  einen 
guten  Theil  des  Livorneser  Commercii  dahinziehet.  Nach  Li- 
vorno kommen  alle  Levantische,  viele  Africanische,  Moscovitische, 
Dänische,  Schwedische,  Hamburger,  Engel-  und  Holländische 
Waaren  (vide  Preyss  Courrant  N**  26).  Fast  alle  Monath  gehet 
ein  Schiff  nacher  Triest  zu  grosser  Beförderung  des  dasigen 
Commercii.  Von  denen  von  Triest  ausgehenden  Lein- Waaren 
aber  gemessen  annoeh  die  Schlesier  und  Sachsen  den  grössten 
Vortheil.  Die  Nahmen,  Länge,  Breite  und  Werth  deren  da- 
selbst gangbahren  Lein  wanden  vide  sub  N^  27.  Um  diesfiallß 
denen  Fremden  was  abzugewinnen,  hat  man  denen  erworbenen 
Handelsfreunden  Frank  und  Lütyens  committiret,  ein  Stuck  von 
jeder  Sorte  nacher  Triest  zur  erforderlichen  genauesten  Nach- 
ahmung zu  senden.    Die  Nota  sub  N**  28  zeiget  die  Preyse  deren 


1  Eine  Lira  =  20  Soldi  d'argento  ==  240  Denari  d'argento  =  V/^  Paoli 
=  12  Grazie  =  60  Quatrini;  ein  Scudo  =  7  Lire  =  20  Soldi  d'oro  = 
240  Denari  d'oro  =  IOV2  Paol>- 

3  Bracci,  deren  yier  eine  Canna  ausmachten.  Ein  Braccio  wurde  in  zwei 
Palmen  eingetheilt. 


l 


247 

Farb-Waaren,  und  wäre  mit  denen  Hamburger  Preysen  zu  com- 
biniren^  um  zu  sehen^  ob  man  sie  von  dieser  Seite  nicht  wohl- 
feiler haben  könnte.  Der  Verschleiss  dasiger  berühmter  Coral- 
len-Fabrique  beschiehet  meistens  nach  Portugal!  und  Indien^ 
doch  auch  in  Pohlen  (Muster  und  Preyse  vide  N**  29.  30).  ^ 

Die  stärksten  christlichen  Negotianten  seynd:  Justo  Ray- 
mundo  et  Caspero  de  Schmet,  so  gantze  SchiflFe  Juchten,  Eisen 
and  Wachs  aus  Moskau  erhalten,  Huigens  e  Borghini,  Roberto 
Perimani  e  Compagni,  Engelländer,  Eugenio  Finochietti,  Bonaini 
e  Compagni,  Behrenberg  e  van  Spreghelsen,  Bartels  e  Heüsch, 
Frank  e  Lütyens,  Francesco  de  la  Rive  et  Rilliet,  Gio:  Pietro 
Ricci  e  Compagni,  Jean  du  Four,  etc.  Antonio  Damiani  und 
David  Scherimann  seynd  grosse  Jubiliers.  Die  stärksten  Juden 
seynd:  Gioseppe  e  Raffaele  Franco,  Jacob  Bassano,  Salvatore 
Lazaro  Recanati,  Moyse  Gratiadio  e  fratelli,  Salomo  Aghio  etc. 
Von  denen  zur  Bekanntschafft  erwehlten  Häusern  Behrenberg 
e  van  Spreghelsen,  dann  Frank  e  Lütyens,  hat  Letzeres  nach  ein- 
gesehenen Mustern  die  Bestellung  N**  31  gemachet.  Ersteres  ver- 
langet allerhand  Mährische  weisse  und  rohe  Leinwanden,  feine, 
mittere  und  ordinari  Courrant  Ballen,  detto  Trillich,  Canefass, 
leinene  Tüchl  und  Zwirn  zur  Spekulation,  wie  man  sich  dann 
überhaubt  in  Italien  mit  denen  unbekannten  Böhmischen  und 
Mährischen  Fabricatis  ohne  vorläuffiger  Prob  nicht  einlassen  will. 

Die  schöne  Getreyd-  und  0hl  -  Repositoria  seynd  sehr 
nutzlich.  Von  dem  zur  Börse  designirten  Hauss  wird  kein 
Gebrauch  gemachet,  sondern  die  Negotianten  besprechen  sich 
in  der  Mittags-Stund  beym  Platz  in  der  Strada  grande.  Nicht 
weit  davon  kommen  die  Cassiers  wöchentlich  zweymahl  zu- 
sammen, berechnen  sich  und  saldiren  die  Conti  mit  Geld 
oder  Wechsel-Briefen.  Das  Wechsel-Negotium  wird  nur  mittels 
Anfrage  in  denen  Häusern  oder  Affigirung  derep  Offerten  in 
vorgedachtem  Orth  getrieben,  massen  diese  Arth  die  Negotia 
besser  verdecket  als  eine  ordentliche  Banque  oder  die  sonst 
gewöhnliche  Einrichtung.  Bey  jetziger  Regierung  ist  wegen 
übermachung  deren  Toscanischen  Geldern  ein  dem  Platz  nütz- 
liches, vorhin  über  Venedig  gegangenes  Wechsel-Negotium 
zwischen  Wien  und  Livomo  entstanden.  Buch  und  Rechnung 
fiihrt  man  in  Pezze,  Soldi  e  Denari  da  otto  Reali.     Eine  Pezza 


*  Ueber  die  Korallenfabrik  vgl.  Volk  mann,  I.  721  ff. 


260 

Die  besten   Seiden -Negotianten  heissen  FiKppo  Mattioli, 
Roncadelli,  Cermasi,  Carl  Antonio  Pedretti,  Gioseppe  Canavelli. 
Mit  dem  Cermasi  ist  Bekanntschafft  gemacht  worden.    Die  Flor- 
Fabriquen  unterhalten   Domenico  Medici,    Geronimo   Barletto^ 
Carlo  Antonio  Facci,  so  zugleich  seidene  Ttichel  arbeiten  lasst^ 
einen  Banquier  macht   und   zum   Correspondenten  genommen 
worden.  Mit  halb  seidenen  Strümpfen  (handlet)  Ludovico  Dal- 
monte,  wormit  auch  handien  Gaetano  Cavalari  e  Compagni,  Carlo 
Antonio  Gnudi  und  Benedetto  Capelli.     Leinwand  führen   Gio: 
Antonio  Nicoli  e  Comp.,  solle  jährlich   20000  Stück  Tela  Ca- 
vallina  verhandlen    und  verlanget   zur  Prob   die  Waaren    sub 
N**  35,  ferner  Landi  e  RoncadelK,  Andrea  Landi  e  Comp.,  GKo: 
Pelegrini,  so  zugleich  Banquier,  Fernando  e  Sebastiano  Bassi^ 
Fernando  Gratiani,  Gosetti  Garbagni  e  Comp.     Letzterer  ver- 
langt zwey  Prob-Stück  von  allen  oben  angeführten  Sorten.  Die 
Correspondenz  kann   mit  Landi    und   Roncadelli,    Nicoli,    und 
Garbagni  e  Comp,    als    wohl  renommirten    Leuthen    gepflogen 
werden.     Berühmte  Wechsler  seynd  Riccordi  Gandolfi  e  Casu- 
lari,  Carlo  Zovanardi,  Innocenzo  Faconi  e  Comp. 

Buch  und  Rechnung  bestehet  in  Lire,  Soldi,  Denari.  1  Lira 
(macht)  20  Soldi,  dieser  12  Denari.  Auf  1  Fr  corrent  in  Botzen 
rechnet  man  2  Lira  7  Soldi,  und  auf  1  Fr  Wechsel-Geld  3  Lire 
3  Soldi.  Eine  Pezza  da  otto  Reali  macht  4  Lire  8  Soldi.  Bo- 
logna wechselt  mit  Botzen,  Livorno,  Napoli,  Novi,  Rom,  Venedig;  | 
Ancona,  Frankfurth,  Augspurg  und  Wien  etc.  —  In  der  Ellen 
bei  WoU- Waaren  thun  90  Wiener  IO8V4  Bologneser,  in  Seiden- 
und  Lein- Waaren  aber  116,  und  im  Gewicht  100  Wiener  Pfund 
154  zu  Bologna. 

16.  Modena. 

Von  dem  dasigen  gar  schlechten  Commercio  ist  nichts 
anzumerken  als  die  fabricirende  schmale  halbseidene  Zeuge, 
Pavelina  genannt  (vide  Muster  W  36). '  Die  Elle  kostet  19  Ba- 
jochi;  man  könnte  sie  nöthigenfalls  durch  die  Negotianten  Urbinie 
Rovigo  haben.  Buch  und  Rechnung  halt  man  in  Lire,  Soldi; 
Denan.  Eine  Lira  gibt  20  Soldi,  und  dieser  12  Denari.  3251 
Lire,  1  Soldo  und  8  Denari  machen  zu  Reggio  4876  Lire  12  Soldi 

*  Der  nicht  unbedeutende  Handel  Modena*8  mit  Masken,  insbesondere  n*ch 
Venedig,  entgieng  den  Reisenden.  Vgl.  Ludovici,  Eröffnete  Akademie, 
W,  1893. 


249 

Die  besten  Seiden-Negotianten  seynd:  Pietro  Talenti,  Gio: 
di  Bartolomeo  Talenti,  Gio:  di  Bartolomeo  Conti,  Gio:  Fran- 
cesco Orsetti,  Gio:  Leonardi,  Gio:  Parenzi,  Steffano  Conti,  Nicolo 
quondam  Carlo  Fancischini.  Special  Bekanntschafft  ward  mit 
Pietro  Talenti  gemacht.  Dieser  hat  gerathen,  mittels  seiner 
Recommendations-Briefen  ein  Ktistel  mit  allerhand  Lein-Waar 
an  Carlo  Augustino  Nocci  e  Comp,  nach  Lisbona^  zu  schicken. 
Francesco  Gerolimo  Lippi,  ein  Senator,  will  en  compagnie  einen 
Lein-Waaren-Handel  in  Portugal  und  Spanien  einleiten,  wess- 
wegen  er  schon  in's  Reich,  Sachsen  und  Schlesien  gereiset  und 
gesinnet  ist,  sich  mit  der  Mährischen  privilegirten  Compagnie 
zu  engagiren.  Zum  Verschleiss  derer  pro  consumptione  erfor- 
derlichen Lein-Waaren  hat  man  den  wohlrecommendirten  Gia- 
como  Favilla  zum  Correspondenten  genommen,  welcher  Andere 
verlegen  und  die  Verschleisse  gegen  gewöhnliche  Provision 
befördern  wUl. 

15.  Bologna, 

ein  sehr  wichtiger  Handelsplatz,  wo  Getreyd  und  Früchte  wohl- 
feil seynd,  auch  viele  Seide  und  HanflF  von  ausserordentlicher 
Länge  und  Weisse  erzeuget  wird.  (Dessen  Manipulation  zeiget 
N®  33,  wodurch  dieses  beträchtliche  Mährische  Productum 
ohnfehlbar  zu  verbessern  seyn  wird.)  Muscat-Wein  ist  vor- 
trefflich und  die  stark  verführende  Kreide  von  Consideration. 
1000  Pfund  oder  700  Venetianer  Grossgewicht  kosten  20  Paoli. 
Die  sehr  gute  Seide  wird  roher  und  zum  Färben  bereiteter 
verhandelt,  auch  viele  in  loco  zu  allerley  Zeugen  und  Tücheln 
verarbeitet.  Dasige  schwartze  und  weisse  Flor-Fabriquen  haben 
glfhitmi^bgang.  (Preyss  und  Sorten  vide  N**  34.)  Man  macht 
auch  weiss  florene  Tüchl,  das  Stück  zu  8  Paoli.  Ingleichen 
müssen  die  sehr  dauerhafte  allerhandfärbige  Floretseidene  Manns- 
und Weiber-Strümpfe,  erstere  per  95  und  die  andern  per  70  Paoli 
das  Duzet  in  dasiger  Fabrique  wegen  vielen  Abgangs  voraus- 
bestellet werden.  Der  dasige  Rosoglio  und  Cervelade -Würste 
seynd  bekannt.  Dasige  gangbahre  Lein-Waaren  seynd:  Tele 
cavalline,  rohe  Sangalline  k  72  Bresslauer  EUen,  allerhand 
gestreiffle  und  operirte  Lenussische  Fabricata,  fein  und  mittere 
Courrant-Ballen,  ordinari,  mitter  und  fein  TrilHch,  fein  und 
mitter  Schachwitz,  Tischzeug  die  Garnitour  von  10  bis  20  Rthlr. 

'  Lissabon. 


252 

Die  drey  Handels-Häuser  Ortalli  seynd  renommirt  und 
führen  nebst  Seiden- Waar  auch  Leinwanden.  Der  sogenannte 
Parmesaner  Kääss  wird  meist  bei  Lodi  verfertigt.  *  Buch  und 
Rechnung  wird  geführt  in  Lire,  Soldi,  Denari.  Eine  Parme- 
saner Lira  macht  Vj  Venetianer.  Florentiner  und  Romaner 
Zechini  gelten  44  Lire,  die  Ongari  aber  nur  42.  Gewicht  ist 
um  Vs  pC*^  geringer  als  zu  Reggio.  108  Brazze  di  Parma 
machen  100  Venetianische  Brazze  di  lana,  oder  1  Elle  zu  Parma 
V2  Pariser  Stab  oder  '^j^  Wiener  Ellen. 

19.  Piacenza 

hat  ein  stärkeres  Negotium.  Man  handelt  mit  Lein-  und 
WoU-Waaren  nicht  nur  für  den  dortigen  Consumo,  sondern 
auch  all  grosso  weiter  in  Italien.  Die  Waaren-Capi  seynd  wie 
bei  Reggio.  Leinwand  -  Negotianten  seynd  die  vornehmsten: 
Gio:  Viciago,  Fratelli  Faustini,  Gio:  Martelli  und  Carlo  Antonio 
Signorini;  Seiden -Handlere:  Gio:  Cavagnati,  Raineri  fe  Gilar- 
doni.  Pietro  Faustini  handlet  mit  Lein-,  Wolle-  und  Seiden- 
Waar.  Dieser  kann  der  Correspondent  seyn  und  verlanget  Lein- 
wand von  mittel  und  feinen  Courrant-Ballen^  ordinari,  mitter 
und  feinen  Trillich,  etliche  Stück  weisse  und  rohe  Mährische 
Leinwand  samt  einer  Muster-Charte  von  Tüchern  mit  Anzaigung 
des  Preyses.    Buch,  Rechnung  und  Gewicht  ist  wie  zu  Parma. 

20.  Pavia 

hat  etliche  gute  Contoirs,  und  wird  mit  Lodiser  Kääss,  Reiss 
und  Seiden,  auch  all  grosso  mit  denen  in  Italien  gangbahren 
Leinwand-Sorten  gehandlet.  BekanntschafFt  ist  mit  Gio:  Andrea 
Vidari  und  Carlo  Giuseppe  Pagnano  e  figli  gemachet  worden, 
welche  Mährische  Proben  und  hierunter  16  Stük  doppelt  Halb- 
Rasch,  in  völliger  Breite  geleget,  in  Farben  W  39  gewärtigen. 
Der  nahe  Po-Fluss  könnte  diesem  Orth  zu  grossen  Vor- 
theil  gereichen.  Müntz-  Maass  und  Gewicht  ist  dem  Maylän- 
dischen  gleich. 


1  Lodi  lag  schon  im  Mailändischen.  ,Die  meisten  und  besten  Parmes&n- 
käse  kommen  eigentlich  aus  dem  May  ländischen,  und  zwar  aus  der  Ge- 
gend um  Lodi*  heisst  es  bei  Volk  mann,  L  312,  Anm.  Danach  Her- 
mann*s  Abriss  der  physikalischen  Beschaffenheit  der  (Ssterr.  Staaten 
und  des  gegenwärtigen  Zustandes  der  Landwirtschaft  etc.  (1782),  S.  171. 
Vgl.  auch  Keyssler,  a.  a.  O.,  S.  574. 


253 

21.  Mayland 

ist  ein  sehr  wichtiger  Handels -Platz.  Da  werden  von  der 
Landes-Seide  alle  Sorten  Zeuge^  TUchl  und  Strumpf,  die  beste 
sogenannte  Mayländer  Tüchel  aber  in  dem  K.  Sardinischen  Orth 
Viggevano  fabriciret.  *  Man  machet  auch  reiche  Borten  und 
Spitzen,  Leonische  Waar,  Gold-Tok  und  Theatral-Zeuge.  Die 
Compagnie  Clerici  hat  eine  Camelot-Fabrique.  ^  Ciocolata  hat 
grossen  Abgang.  (Von  all  diesen  Sachen  vide  Muster,  Sorten 
und  Preyse  W  40,  41,  42.) 

Aus  Teutschland  kommen  hin:  1"*®  Tücher  und  Flanelle 
(ut  N^  43),  2^^  Halb -Rasch  nach  schon  angefiihrten  N**  38, 
3^  allerhand  in  Mähren  schon  verfertigende  Lein -Waar  (ut 
N'*44),  4**  weisse  Leinwanden  von  Memmingen,  Campedonien 
und  Isna^  in  3  Stück  k  21  Ellen  gepackt,  werden  auch  Ulmer- 
Leinwanden  genannt,  seynd  IV4  Ellen  breit,  doppelt  gelegt, 
breit  gepresst  und  mit  Leonischen  Spitzeln  und  rother  Seyde 
wie  die  Schlesische  gezieret,  im  Preyss  k  6  bis  11  Fr;  auch 
feinere  um  V4  Ellen  schmäler  von  9  bis  16  Fr  franco  Chur. 
5^  alle  Numeri  von  Tela  cavallina,  6'°  Schleyer  11  Ellen  lang, 
IVg  breit,  von  2^2  bis  6  Fr  im  Unterschied  k  20  xr,  geblümte 
detto  %  breit  10  Vj  Ellen  lang  in  Sorten  von  3  bis  7  Fr,  eben- 
fiülß  um  20  xr  unterschieden,  noch  eine  Sort,  V4  breit,  von 
4  Fr  bis  10  Fr.  Die  Schleyer  heissen  daselbst  Tele  cambr^, 
solate,  fiorate,  rigate.  7"°  alle  Sorten  gestreiflTt-  und  operirter 
Lenossischer  Leinwand,  die  Elle  21  bis  22  Mayländ.  Soldi. 
8"  Constanzer  Lein  wanden,  V/2  Ellen  breit,  60  lang,  die  Elle 
von  25  xr  bis  1  Fr  steigend  um  2  xr.  9"*>  Tele  Cenerine  und 
Rouane,  eine  Sort  von  Glantz-Leinwand  (lauth  N**  45)  nicht  recht 
gläntzend,  IV2  Ellen  breit,  30  bis  40  lang,  k  15  xr,  werden  in 
gantzer  Breite  gelegt.  10"^  Parchet,  27  Ellen  lang,  y^  breit,  in 
10  Sorten,  werden  100  Stuck  beysammen  gekaufft,  im  Sortiment 
die  Elle  13  xr.  Die  geringste  Sort  vide  N^  46.  11"»«  Tele 
S.  Galline  oder  Steyff-Leinwand,  20  Ellen  lang,  1  '/j  breit,  doppelt 
gelegt,  das  Stück  k  2  Fr  28  xr.  12"«  roth  und  blau  gestreiflfte 
Schnupftüchel,  das  Duzet  von  1  Fr  30  xr  bis  8  Fr,  item  roth 
gestreiffte  per  5  Fr  28  xr,  Grösse  1 D  Wiener  Elle. 

*  Das  Gebiet  von  Vigevano  war  im  Wormser  Vertrag  von  1743  von  Oester- 

reich  an  Sardinien  abgetreten  worden. 
^  Ueber  die  Fabriken  der  Firma  Clerici  ondAnderer  vgl.  Volk  mann  L  312  ff. 
'  Kempten  und  Isny. 


254 

Mit  Lein-Waar  handien  Innocenzo  Canna,  Maggiore  Bianchi 
e  Palesterione,  Simone  e  fratelli  Bestalozza,  GiuUo  e  firatelli 
Bussi  —  diese  Letztere  verlangen  die  Waaren  sub  N**  47  — 
Carlo  Battalio,  Gio:  Alessandro  Bincinetti,  Gioseppe  Bossisio. 
Dieser  will  allerhand  gestreiflFte  Cannefass,  das  Stück  k  30  Ellen 
von  6  bis  9  Fr.  Gio:  Mondino  will  wollene  allerhand  farbige 
Manns-  und  Frauen-Strümpf,  das  Duzet  Ersterer  12  bis  18  Fr, 
die  andere  6  bis  12  Fr.  Gio:  Riva  begehret  etliche  100  Hüth 
k  1  Fr  30  xr  bis  3  Fr.  Carlo  Maria  e  fratelli  Biumi,  Gioseppe 
Antonio  Chiroli  etc.  Alle  haben  sich  aus  Sachsen,  Preuss.- 
Schlesien,  Rom.  Reich  und  Schweitz  versehen,  und  gehet  Ver- 
schiedenes auch  nach  Genua  und  Turm.  Banquiers,  Commissio- 
naires  und  Spediteurs  seynd :  Johann  Venino,  Andrea  Brentano, 
Fratelli  Rho,'  Gioseppe  Balabio,  Antonio  Venino.  Letzten  hat 
man  zum  Freund  erwählet,  um  an  ihn  obspecificirte  Waaren 
zu  dirigiren. 

Buch  und  Rechnung  wird  in  Philippi,  Lire,  Soldi,  Denan 
gehalten.  1  PhUippo  gilt  7'/.^  Lire,  1  Lira  20  Soldi,  1  Soldo 
12  Denari,  1  Venet:  oder  Florent:  Zechin  im  Wechsel  14 Vi 
sonst  aber  15  Lire.  Gewicht  ist  gross  und  klein.  Nach  dem 
grossen  Pfiind  von  28  Unzen  werden  alle  essende,  all  andere 
Waaren  aber  nach  dem  kleinen  von  12  Unzen  verkauflft 
233  Va  Pfund  klein  machen  100  Pfund  gross  Gewicht,  und 
100  Pfund  klein  Gewicht  machen  96  detto  zu  Livomo.  Elle 
ist  auch  zweyerley,  die  lange  für  die  WoU-  und  Lein-,  dann 
die  kurtze  für  die  Seiden- Waaren.  (vide  N**  48,  49.) 

22.  Cremona 

handlet  nur  mit  Seiden,  so  nach  Mayländer  Gewicht  und  Geld 
verkaufFet  wird,  fein  das  Pfund  k  19  Lire,  10  Soldi,  ordinari  k 
18  Lire  10  Soldi.  Wann  man  etwas  hievon  bestellen  oder 
Tuch-  und  Lein- Waaren  hinein  verschleissen  wollte,  könnte  es 
durch  den  Gioseppe  Antonio  Tonetti  geschehen.  Allhier  ist 
der  beschwerliche  Zoll  auf  dem  Po,  wo  dem  Pächter  von  jedem 
Stuck  Waar  2  Fr  bezahlt  werden  müssen.  150  Pfund  Cremo- 
neser  machen  100  Pfund  peso  grosso  Venetianer.  Die  Elle  ist 
der  Venetianischen  Brazza  di  lana  gleich. 

'  lieber  das  Handlungsbaus  der  Brüder  Rbo  vgl.  Montorfani,  Giastifica* 
zione  dei  fratelli  Rbo,  introduttori  della  manufattora  delle  tele  indUne 
e  calanci  nella  cittii  di  Milano.    Milano,  1766. 


255 


23.  Mantua. 


Daselbst  wird  ausser  der  Local  -  Consumption  und  Be- 
süchung  einiger  Märkten  von  denen  dasigen  Negotianten  nicht 
gar  viel  gethan.  Das  beste  Hauss  ist  Ferrari  e  Zucbelbi 
mit  Seiden  und  Lein-Waaren ;  sodann  Antonio  Maria  Romanati 
und  Steffano  Petruzzi,  dann  der  Jud  Laudadio  Franchetti. 
Dieser  hat  Schock-  und  Weben-Leinwand,  mittere  Sorten,  fein 
gestreiffte  Leinwanden  oder  Cannefass  mit  allerhand  Farben 
verlanget,  so  aber  Sicherheit  wegen  durch  Ferrari  e  Zucbelbi 
oder  Romanati  zu  dirigiren  wären.  Buch  und  Rechnung  wird 
gefuhrt  in  Lire,  Soldi,  Denari.  45  Mantuaner  Lire  gelten 
1  Venet.  Cziggin.  Gewicht  ist  wie  das  Cremoneser.  Die  Elle 
aber  um  6  p  C***  kleiner. 

24.  Verona 

hat  ansehnliche  Handlung.  Dasige  Eauffleuthe  versehen  sich 
mit  ausländischen  Waaren  meist  von  Botzen,  handien  stark  mit 
Lem-Waar  und  Tüchern,  dörffen  aber  letztere  in  das  Venetia- 
nische  nicht  fiihren  und  lassen  alle  dort  verbotene  fremde 
Waaren  directe  an  ihre  Verschleiss-Orther  gehen.  Ad  extra 
verkehren  sie  mit  Mayland,  Genua,  Reggio,  Sinigallia  und 
anderen  Plätzen.  In  loco  macht  man  allerhand  Seiden-Zeug, 
aber  nicht  so  stark  wie  zu  Vicenza.  Die  aldorthige  Nähseide 
ist  die  beste  und  wird  die  Charte  gern  um  30  xr  theuerer 
bezahlt. 

Die  besten  Handels -Häuser  seynd:  Alberto  Albertino, 
Andrea  Giovan  Mosconi  e  Comp.,  Giacomo  Piatti  e  Wenceslao 
Huberti;,  Perroti  e  Rossetti,  Pietro  Buccalori,  Pietro  Antonio 
Serpini,  Gio:  Balladore,  Francesco  Caravetta,  Gio:  Soldini  und 
Nicolo  Loccatelli.  Bekanntschafft  wurde  gemacht  mit  Alber- 
tini  und  Mosconi.  Letzterer  verlangt  die  Leinwand  Sorten  N**  50 
nach  Botzen  zur  Prob  an  H.  Gummer  einzusenden.  Piatti  e 
Huberti  verlangen  das  nehmliche  Sortiment,  Perrotti  e  Rossetti 
aber  jenes  sub  N**  51.  Darbei  befinden  sich  die  dort  übliche 
Tuchfarben.  Der  vermögliche  Matratzen -Händler  Bartolomeo 
Darif  hat  die  Muster  W  52  ausgesetzet.  Buch,  Rechnung, 
Müntzen  seynd  wie  zu  Venedig.  Ln  Gewicht  aber  machen 
100  Venetianer  schwehre  Pfund  143  zu  Verona,  und  100  Venet. 
Brazze  di  lana  103  zu  Verona. 


256 


25.  Alla  in  Tirol 


machet  viel  Sammet,  zwar  nicht  den  besten,  aber  den  wohl- 
feilsten. (Muster  und  Preyse  vide  N*^  53).  Man  könnte  solchen 
haben  von  denen  Fabrique -Verlegeren  Francesco  Caravetta, 
Simone  e  fratelli  Ferari,  Philippe  Giacomo  Bemardi,  Giacomo 
Angolini,  Francesco  de  Blasse,  Vito  Bragha.  Der  Verkauff 
geschiehet  nach  der  Botzner  Elle  und  Valuta  franco  Botzen, 
und  beschiehet  der  meiste  Verschleiss  nach  Leipzig. 

26.  Roveredo. 

Auf  denen  Botzner  Märkten  verkauffen  die  Rovereder 
die  meiste  Seide  und  senden  auch  sonsten  sehr  viele  nach 
Teutschland.  Die  besten  Verlegere  seynd  Ignatio  Todeschi 
und  Domenico  Antonio  Scarperi.  Von  ihnen  können  nöthigen- 
falls  die  hiesigen  Posamentirer  aus  der  ersten  Hand  versehen 
werden.  Scarperi  hat  die  Sorten  und  Preyse  N**  54  comuni- 
ciret,  mit  Versicherung,  dass  er  auch  etwas  unter  dem  currenten 
Preyss  thue.  Andere  Seiden -Verlegere  seynd  Gio:  Giacomo 
Sicort,  Lorenzo  Antonio  Fontana,  Francesco  Chiusole,  so  Alle 
ihre  Seide  franco  Botzen  nach  dorthiger  Valuta  verkauffen. 

27.  Trient 

hat  keine  sonderliche  Commercia,  jedoch  fabriciret  Antonio 
Slup  einige  sehr  wohlfeile  Damaste  (sub  N**  55).  Man  bauet 
auch  Seide  zum  guten  Nutzen  deren  vorangefiihrten  Roveredem. 
Die  Handthierung  mit  denen  Maulbeer-Bäumen  vide  N**  56. 

Michael  Wentz,  Gio:  Mattiabelli,  und  Pietro  Parulini  kauflFen 
leinene  Waaren  auf  dem  Botzner  Markt,  und  richtet  sich  der 
gantze  Handel  nach  Botzner  Miintz,  Maass  und  Gewicht. 

28.  Botzen 

ist  wegen  dasiger  vier  Messen  ein  sehr  wichtiger  Platz  des 
Teutschen  Negotii  ad  extra.  Die  alldorten  zahlreich  eintref- 
fende Wälsche  KauflFleute  nehmen  sehr  vieles  ab,  halten  da 
ihre  Abrechnungen  und  stellen  aus  weitentlegenen  Orthen  Ita- 
liens die  Zahlungs -Termine  auf  die  Botzner  Märkte,  unter- 
werffen  sich  auch  dem  dorthigen  Handels-Gericht.*  Mancher 
Eauffmann  setzt  in  einem  Markt  um  100000  Fr  Waaren  ab. 


1  Vgl.  Marperger*s  Tractat  von  Messen,  cap.  XI  und  XII. 


257 

Dorthin  kommen  Leidner  und  Aachner  Tücher  von  3  bis  5  Fr 
durch  die  Augspurger,  detto  von  1  bis  2  Fr  aus  Sachsen, 
Preossisch- Schlesien,  Böhmen  und  Mähren,  allerhand  fUrbige 
Futter-Tücher  von  8  bis  12  Sgr  aus  Bayern,  Flanell  von  10 
bis  15  Sgr  aus  Bayern  und  Mähren,  wollene  Manns-  und 
Weiber -Strumpf  aus  Padua,  Hüth  aus  dem  Reich  und  andere 
Sorten  ut  N^  57.  Die  fremde  Negotianten  machen  daselbst  das 
Haubt-Negotium,  mit  welchen  man  also,  um  sie  beyzubehalten, 
gelind  umgehen  muss.  Man  beschwehrte  sich  über  die  Müntz- 
Einschränkung  und  Visitationes  auf  der  La  viser  Brücke,  welche 
nicht  von  verschiedenen  Beamten  sondern  von  betrunkenen 
Invaliden  mit  Insolenz  vorgenommen  und  einige  nach  erlegtem 
Trinkgeld  unvisitirt  gelassen  wurden.  Diesfalls  wäre  einige 
Nachsicht  oder  andere  Modalität  um  so  nöthiger,  als  so  viele 
nach  Botzen  kommende  Nationen  ihr  Geld  ohne  grosser  Un- 
gelegenheit  und  Verlust  nicht  umsetzen  könnten  und  solches 
ohnedeme  wieder  in  die  Fremde  gehe. 

Gummer,  Putzer  und  Graf  seind  daselbst  renommirte 
Wechselere.  Mit  Tuch  und  Leinwand  handien  Semrod,  Mentz, 
Stockhammer ;  Frantz  Anton  Bok  unterhaltet  ein  Lein- Waaren- 
Laager  über  100000  Fr.  Man  hat  mit  allen  Bekanntschaft 
gemacht,  zur  Commission  und  Spedition  aber  das  Gummer'sche 
HauBs  erwehlet.  Buch  und  Rechnung  wird  in  Fr  und  xr  ge- 
föhret.  Real  ist  die  moneta  longa,  bestehend  in  viertel,  halben 
und  gantzen  Spezies -Thalem,  dann  17  und  7  Kreuzern.  Fin- 
girt  aber  ist  der  Giro-Thaler,  im  Wechsel  nach  Italien  k  93  xr 
und  nach  Teutschland  als  ein  Reichsthaler.  Etwas  wird  auch 
in  Batzen  k  4  xr  verkauflFt.  Elle  vide  N^  58.  100  Pfund 
Botzner  machen  90  Wiener.  Handlungs-Ordnung  und  Landes- 
f&rstliche  Begabnussen,  denen  dieser  Orth  sein  Aufnehmen  zu 
danken,  seynd  gedrukt,  und  auf  dem  dorthigen  Fluss  Eüsach 
kQnnen  die  Waaren  bis  Verona  imd  weiter  befördert  werden. 
Durch  die  privilegirte  Compagnie  von  Sacco  werden  solcher- 
gestalt 450  Pfund  sammt  Mauth  und  anderen  Unkosten  bis  Verona 
um  5  Fr  befördert.  ^ 

29.  Inspruk 
hat  ein  sehr  geringes  Commercium  und  keine  Niederläger.    Es 
werden  fast  nichts  als  Handschuhe  da  gemacht  und,  wann  man 

^  Die  Handelsgesellschaft  in  Sacco   hatte  ihr  Speditionsprivileg  1744  er- 
halten. Egger,  Geschichte  Tirols,  HI,  71. 
AidiiT.  Bd.  LXXm.  I.  HUfte.  17 


258 

• 

Manns-  und  Weiber-Handschuhe  in  gleichen  Theilen  nihmt,  das 
Duzet  k  4  Fr  20  xr  verkauflFet.  Der  einzige  Christoph  Andres 
Hubner  thuet  etwas  mit  Tüchern  in  Stücken  und  hat  sich  zur 
Correspondenz  angebothenJ  Weisskopf,  Wallhauser,  Silier, 
Schmakhofer,  Hold  seynd  nur  Botegari  und  der  Job.  Karl 
Sturm  der  Beste,  von  deme  man  Handschuhe  nehmen  könnte. 
Ellen,  Maass  und  Gewicht  ist  von  dem  Botznerischen  fast  nicht 
unterschieden. 

30.  Halle.  2 

Von  da  aus  spediren  die  Negotianten  auf  dem  Innflass. 
Wegen  deren  hohen  Bayerischen  Wasser-Mauthen  wird  vieles 
lieber  zu  Land  überschicket.  Dahero  fUrträglich  wäre,  mit 
Bayern  diesfalls  ein  Abkommen  zu  treffen.  Man  hat  auch 
nöthigen  Fall  mit  Frantz  Leopold  Aichingers  Erben  als  dem 
besten  Spediteur  Bekanntschaft  gemacht.  Wann  dermahleins 
Venedig  den  Transite  durch  ihr  Gebieth  in  die  Lombardie 
schwehr  machen  wollte,  könnte  man  von  Halle  durch  einen 
Seiten- Weeg  über  Graubündten  bis  Chiavenna  oder  Cleve,  alwo 
man  auf  die  von  Lindau  über  Chur  gebende  Strasse  eintrittet, 
in  das  Mayländische  gelangen.  Hierdurch  communiciret  man 
dermahlen  mit  der  Schweitz  und  rechnet  bis  Chiavenna  14  bis 
16  Tag,  an  Fracht  aber  für  den  Centen  3  bis  3'/,  Fr.  Der- 
gleichen Spediteurs  seynd  auch  Christoph  Griesenbek,  Johann 
Aichingers  Erben,  Johann  Leopold  Stofferin  und  Joseph  ToflFer- 
steiner. 

31.  Saltzburg. 

Auf  die  dasige  Jahr-Märkte  kommen  viele  Augspurger, 
Regenspurger,  Müncher  und  Schweitzer  Kauffleuthe,  von  welchen 
die  Kärntner,  Crayner,  Tyroler  und  Ober-Oesterreicher  Kauf- 
leuthe  Waaren  abnehmen.  Derer  Saltzburger  Negotium  ad 
extra  bestehet  in  ordinari  Tüchern  aus  Mähren  und  Preussisch- 
Schlesien,  Ober-Oesterreichische  Leinwanden,  Halb-Rasch  und 
Halb-Castor  aus  Preussisch-Schlesien,  welch  alles  meist  auf  denen 
Lintzer  Märkten  erkaufft  oder  ausser  solchen  bestellet  wird. 
Im   Land    macht   man    allerhand    Beth-Zeug,    sehr    schlechte 

1  Der  Artikel  Jnspruck'  bei  Ludovici,  Eröffnete  Akademie,  ni,  583, 
lässt  dem  Handel  der  tirolischen  Hauptstadt  doch  etwas  mehr  Gerechtig- 
keit widerfahren. 

2  Hall  im  Unterinnthale. 


269 

TrilKche,  aber  von  grosser  Anwehr  in  Italien.  Viele  Baum- 
wollene Strümpfe  und  andere  Waaren  gehen  in  die  Erb-Länder. 
Berühmt  ist  der  dasige  Vitriol  k  18  Fr  der  Centen,  wie  auch 
die  Berchtolds-Gadner  Waar.  (Andere  Producta  und  Preyse  vide 
in  N^  59.) 

Die  beste  Negotianten  und  Spediteurs  seynd  Sigmund 
Hafoer  und  Franz  Anisser,  zugleich  auch  Wechsler.  Andere 
gute  Häuser:  Dominici  Kauffmann  Erben,  Frantz  Anton  Murald, 
Wönigers  Erben,  Ignatz  Weisser,  Frantz  Anton  Spangler, 
Lechner,  und  Joseph  KoflFler.  Correspondent  ist  erwehnter 
Hafner,  verlanget  ordinari  Mährische  Tücher  in  Mode-Farben 
per  1  Fr  die  Elle,  Halb  Castor,  ein  Doppel-Stück  per  13  bis 
14  Fr,  etwas  rohe  und  weisse  Mährische  Leinwand  zu  4  und 
8  Fr  k  36  Ellen  zur  Prob  franco  Lintz.  Buch  und  Rechnung 
in  Gulden  und  Kreutzern.  Tuch-EUe  ist  wie  die  Botzner,  Lein- 
wand-I31e  um  29  p  0>  grösser  als  die  Wiener,  Gewicht  fast 
wie  das  Wiener. 

32.  Lintz. 

In  dasigem  bekannten  Negotio '  seynd  die  Lintzer  Lein- 
wanden und  Eisen -Waaren  von  Steyer  das  beträchtlichste  ad 
extra,  die  WoU -Waaren  aus  dasiger  Fabrique  aber  zum  Ver- 
sehleiss  ausser  Land  annoch  zu  theuer.  Leinwanden  gehen 
nach  Saltzburg,  Botzen  und  Italien,  Eisen  in  die  Erb-Lande, 
Preussisch-Schlesien,  Pohlen,  Moskau. 

In  der  schön-  und  wohleingerichteten  Wollfabrique  werden 
fast  alle  Sächsische  Zeuge,  als  Calmanten,  Concent,  Barcan, 
Diablement  fort,  Cron-Rasch,  Gantz-  und  Halb  -  Parterre  etc. 
gemacht.  Die  Land-Meistere  werden  daraus  mit  WoU  zu  Halb- 
Raschen  verleget.  Man  arbeitet  daselbst  Bosnische,  Macedonische, 
Böhmische,  Himgarische  und  Land-WoUe.  Sortiret,  geschlagen^ 
gespikt  und  kartätschet  wird  in  der  Fabrique,  gesponnen  aber 
ausserhalb.  Die  Wehere  wohnen  und  arbeiten  in  der  Fabrique 
nach  dem  Ellen -Lohn,  und  in  der  Fabrique  wird  die  Arbeit 
erst  außgefertiget.  Einige  Stühle  von  Parterre,  Camlot  etc.  werden 
doch  auch  in  der  Fabrique  betrieben.  Die  ordinari  Flanelle 
drucket  man  zwar  gut,  die  Calcas  mit  chimischen  Farben  aber 
kann  man  nicht  machen,  und  ein  desswegen  nach  Sachsen 
Abgesendeter  hat  es  nicht  begriffen.  Es  fehlet  noch  an  einem 
Formen-Stecher,  sonst  wäre  alles  vorhanden   und  nur  zu  be- 

17* 


V 


262 

dem  Bedacht  conserviret  zu  werden^  dass  das  Zois'iBche  Mono- 
polium  mit  der  Zeit  keinen  Nachtheil  bringe.  Die  feinere 
Waar  aber,  womit  die  Nürnberger  den  Meister  spielen,  braucheie 
einige  Anstalten. 

Kupfer  hat  guten  Abgang,  auch  einigermassen  der  Mes- 
sing in  Tafeln,  Rollen,  Stangen  und  Drat  über  Triest;  in  der 
übrigen  Waar  aber  thun  die  Nürnberger  das  mehrste.  Auf 
derley  Fabriquen  wäre  also  um  so  mehr  fUrzudenken,  als  Italien 
viel  brauchet  und  nichts  erzeuget. 

Der  böhmische  Glas-Handel  brauchet  keine  Verbesse- 
rung und  kann  zur  Speculation  dienen,  auch  andere  Negotia 
so  weit  auszubreiten. 

Wachs-  uild  Eerzenhandel  seynd  von  gröster  Wichtig- 
keit. Zu  Hintertreibung  des  Venetianischen  Kerzen- Monopolii 
ist  die  Unterstützung  der  Fiumeser  Fabrique,  welche  ohnehin 
das  Quäle  und  vormahlige  Pretium  schon  erreichet  hat,  das 
nächste  Mittel.  Um  den  Pohlnischen  Wachshandel  von  Bresslau 
nach  Troppau  zu  bringen,  müste  man,  da  ohnedeme  der  Ober- 
Schlesische  Situs  vortheilhafft  ist^  denen  Pohlen  gleiche  Con- 
venienz  machen  und  die  Bewandtnuss  ihres  diesfklligen  Negotii 
mit  Bresslau  genau  erforschen  oder  solche  von  dem  auf  der 
Messe  gewesenen  Lehnbanks-Inspectore  erheben.^ 

Pfund-,  Roth-  und  Weissgärberleder  ist  in  Italien 
allenthalben  zu  verschleissen.  Von  Augsburg  kommet  zwar 
vieles  dahin,  solches  ist  aber  kein  anderes  als  Erbläpdisches 
Leder,  massen  absonderlich  von  denen  Juden  gantze  Wägen 
rohe  Häuthe  nacher  Bresslau  gefUhret  und  von  da  weiter  nacher 
Nürnberg  und  Augspurg  spediret  werden. 

Queksilber  nihmt  Italien  aus  Engelland,  Schiess- 
Pulver  und  Tischler-Leim  aus  Holland,  Hüth  und  wollene 
Strumpf  aus  dem  Venetianischen,  welch  alles  die  Erbländer 
viel  wohlfeiler  dahin  verschaflfen  könnten. 

Italien  hat  nicht  genügsames  Getreyd,  sondern  nihmet 
den  Abgang  aus  Sicilien,  Levante,  Engelland,  Frankreich  and 
Dantzig,  und  zu  Livomo  kostete  der  Sack  von  160  bis  170 
Pfund,  so  Waitzen  als  Korn,  12  Lire.  Warum  sollte  also  Hun- 
gam  ihren  Uberfluss  nicht  dahin  liefern  und  denen  nach  Triest 
kommenden  Schiffen  die  nöthige  Rückladung  verschaffen  können? 


*  Kemhofer,  der  im  Auftrage  der  Lehnbank  dahin  gereist  war. 


261 


B.  Beflexionen. 


L  Primo  wird  jenes^  was  auf  der  Reyse  beobachtet  wor- 
den, in  genere  angeftlhret: 

Es  wird  der  Flachs-  und  Hanff-Bau  und  die  Lein- 
Waaren-Erzeugung  in  Italien  ausser  der  Lenussischen  Fa- 
brique,  und  was  sonst  weniges  im  Venetianischen,  Toscanischen, 
Bolognesischen  und  Lombardie  gethan  wird^  sehr  negligiret 
Der  Verschleiss  ist  doch  sehr  gross,  und  liesse  sich  durch  dieses 
so  wohl  gelegene  Land  auch  in  andere  Welt-Theile  ausbreiten. 
Die  Teutsche  Erb-Lande  aber  könnten  solchen  um  so  leichter 
an  sich  ziehen,  als  sie  die  materiam  primam,  viele  arme,  aber 
arbeitsame  Inwohner,  wohlfeile  Lebens-Mittel,  dann  den  Triester 
Haven  und  die  besitzende  Wälsche  Länder  zur  Communication 
haben. 

Mit  Tuch-  und  Woll-Waaren  ist  schon  nicht  so  viel 
zu  thon.  Dann  nachdem  solche  im  Venetianischen  gäntzlich, 
im  Romanisch-  und  Florentinischen  aber  die  ordinari  Tuche 
verbothen,  die  Englisch-,  Holländisch-  und  Französische  Fabri- 
cata  sehr  beliebt  und  die  Venetianer  in  Verschleissung  der 
ihrigen  sehr  vigilant  seynd,  so  wäre  nur  durch  Verbesserung 
de»  Qaalis,  Erzwingung  des  Pretii,  Excludirung  der  Fremden 
in  denen  eigenen  Italienischen  Landen,  und  endlich  durch 
Barattirung  mit  denen  in  denen  k.  k.  Erb-Landen  erforderlichen 
Sachen  etwas  zu  thun.  Bey  denen  Londres  Seconds,  welche 
Frankreich  an  Ancona  nicht  mehr  überlassen,  sondern  selbst 
in  die  Levante  verschleissen  will,  kommet  zu  beobachten,  dass 
Ancona  zu  Continuirung  ihres  Negotii  nach  anderweitigen  Pro- 
visionen trachtet,  mithin  dörffte  diesfalls  mit  ihnen  was  zu 
machen  seyn,  wann  die  Waar  mittels  Uberkommung  Spanisch- 
nnd  Portugiesischer  Wolle  verbessert  vrürde.  Wesswegen  Venedig 
mit  dem  Levantischen  Verschleiss  ihrer  nicht  so  gar  guten 
Tüchern  pro  exemplo  dienen  kann.  Wie  dann  auch  andere 
Tücher  in  Ansehung  des  starken  Verschleisses  über  Botzen  eine 
Anwehr  finden  dörfften.  Von  wollenen  Zeugen  wären  anerst 
die  nöthige  Fabriquen  einzuleiten,  um  sodann  den  starken 
Englisch-  und  Sächsischen  Verschleiss  wenigstens  von  der  Seite 
des  Adriatici  theilen  zu  können. 

Eisen-  und  Stahl-Handel  hat  ohnedeme  seinen  guten 
Gang  nacher  Sinigallia,  Napoli,  Sicilien  und  brauchet  nur  mit 


264 

Fernambuck,  Indigo^  Thee,  Ingwer,  Pfeffer,  ja  sogar  Moscowi- 
tische  Juchten  wegen  vortheilhaffter  Barattirung  von  Livomo 
besser  als  von  Hamburg  toumiren,  so  wurden  diese  Schiffe, 
wann  man  von  ihnen  anfänglich  die  Erfordernussen  zu  Livomo 
abziehet,  endlich  selbst  nach  Triest  kommen,  die  Frequenz 
wurde  den  Preyss  mindern,  und  das  meiste  Hamburger  Nego- 
tium liesse  sich  nicht  nur  auf  Triest  ziehen,  sondern  auch  über 
das  Meditullium  zwischen  Hamburg  und  Triest  von  dämmen 
extendiren,  weilen  die  gute  Erbländische  Weege  den  Transport 
geschwinder  und  wohlfeiler  machen,  fremde  mit  Zöllen  be- 
schwehrte  Territoria  evitiret  werden  und  auf  eigenem  Grund 
alles  nach  Gutbefund  erleichtert  werden  kann.  Venedig  wird 
zwar  dargegen,  absonderlich  in  Betreff  des  Levantischen  Com- 
mercii,  alles  tentiren  und  könnte  mit  ihrer  See-Macht  wichtige 
Hindemüsse  machen.  Da  aber  in  Rücksicht  der  K.  El.  Landes- 
Macht  nicht  leicht  was  zu  besorgen,  so  seynd  solcher  gestalten 
von  Triest  mittels  Livomo  mit  Frankreich,  Spanien,  Portugal, 
Engelland,  Holland,  dann  in  ordine  des  Wälschen  Negotii  in 
die  Häven  des  ganzen  Littoralis  Adriatici  et  Mediterranei,  so- 
fort in  beyde  Sicilien  die  Communicationes  offen.  Und  lassen 
sich  auch  die  Verschleisse  mittels  Äncona  im  Kirchenstaat,  mit- 
tels Ferrara  gegen  Bologna,  auch  ins  Toscanische,  auf  dem  Po 
in  die  Lombardei,  Piemont  imd  gegen  Genua,  und  auf  der  Land» 
Seite  durch  Tyrol  ohne  Betrettung  des  Venetianischen,  wann 
man  daselbst  den  Transite  beschwehren  wollte,  extendiren. 

in.  Belangend  die  Negotia  deren  besuchten  Orthschafften, 
so  seynd  die  meisten  Gr atzer  Elauff-Leüth  denen  Erbländischen 
Fabricatis  abgeneigt,  welche  Gesinnung  ihnen  durch  eine  gleiche, 
die  Erbländische  Fabriquen  befördernde  Tariff,  ad  exemplum 
Bohemiae,  zu  benehmen  wäre.^  Wobey  auch  die  von  ihnen 
löblich  unterhaltende  gedruckte  Leinwand-Fabrique  alle  Pro- 
tection verdienet. 

Bey  Laubach  ist  die  nehmliche  Correction  erforderlich, 
und  scheinete  nicht  übel  zu  seyn,  die  Zeboldische  Seiden- 
Fabrique,  intuitu  deren  darauf  schon  gemachten  Spesen  und 
überflüssigen  Görtzer  Seide,  nach  vorläuffiger  Untersuchung 
wieder  emporzubringen. 

*  Der  Zolltarif  für  Böhmen,  Mähren  und  Schlesien  war  am  1.  April  1753 
In  Kraft  getreten.  Am  2.  April  1755  erschien  der  für  die  österreichischen 
Erbländer.   Vgl.  Archiv  f.  österr.  Geschichte,  LXIX,  35. 


265 

Es  scheinet  zwai'^  dass  bey  Fiume,  welches  ein  so 
schlechtes  Negotinm  hat^  nichts  tentiret  werden  sollte^  bis  nicht 
Triest  emporgekommen  ist;  vieles  Hesse  sich  aber  auch  ohne 
Schaden  von  Triest  thuen.  Also  wäre  1"®;  eine  sehr  nutzliche 
Messe,  um  die  Kauffleüthe  von  der  von  Sinigallien  herüberzu- 
ziehen, besser  zu  Fiume  als  zu  Triest,  wo  ohnedeme  ein  be- 
ständiger Markt  ist,  anzulegen;  und  eben  desswegen  mag 
die  Sinigallier  Messe  nicht  in  dem  berühmten  Haven  Ancona 
angeleget  worden  seyn.  2^^;  die  Hungarisch-  und  Croatische 
Producta,  absonderlich  Getreyd,  seynd  leichter  nach  Fiume 
zu  bringen;  und  wann  man  darbey  nur  die  Fracht-Spesen  bis 
Triest  gewinnet,  so  kann  das  Negotium  reichlich  bestehen. 
3^:  wären  mit  Erbländischen  Waaren  verschiedene  kleine,  des 
Jahrs  aber  doch  etwas  betragende  Negotia  an  die  dort  ein- 
fahrende Partheyen  zu  machen.  —  Die  Fiumeser  Zucker- 
Siederey  wäre  quovis  modo  zu  unterstützen,  da  selbe  das  Quäle 
b^eits  erreichet  und  das  Pretium  so  heruntergebracht  hat, 
dass  selber  denen  Brünnem  gegen  dem  Hamburger  schon 
wtoklich  ä  conto  gehete,  wann  er  als  ein  Erbländisches  Pro- 
dactom  nur  dem  Zoll  ohne  Aufschlag  unterliegete.  Durch 
die  Amoldische  Wachs-Fabrique  zu  Fiume  kann  denen  Vene- 
tianem  der  nahmhaffte  Italienische  Verschleiss  disputiret,  der 
Pohlnische  Wachs  -  Baratto  befördert  und  viele  Leüthe  er- 
nähret werden.  Um  aber  solche  gegen  die  vorhabende  Unter- 
drnckung  derer  Venetianer  zu  schützen,  wären  denselben  in 
denen  K.  K.  Wälschen  Staaten  einige  Vortheile  vor  denen 
Venetianem  zu  verleihen,  damit  sie  durch  fortsetzenden  Ver- 
schleiss zu  mehrerer  Facilitaet  gelangen  können,  massen  sich 
dieses  Werk  zu  Fiume  besser  als  zu  Venedig  besorgen  lasset 
und  es  nur  an  guten  Anstalten  fehlen  müste,  wann  man  die 
Venetianer  künffdg  im  Preyss  nicht  übersehen  sollte! 

Triest  hat  besagter  massen  über  Venedig  verschiedene 
Vorzüge;  es  fehlet  aber  zu  Emporbringung  des  dasigen  Com- 
mercii  an  genügsamen  fUr  die  Erbländische  Fabricata  gut  ge- 
sinnten Elauff-Leüthen,  welche  im  Stande  wären,  denen  dahin 
konunenden  Schiffen  die  Zufuhr  abzimehmen  und  die  gesuchte 
Ladung  zu  geben.  Wo  nun  Gewinn  ist,  da  gibt  es  auch  Kauff- 
Leüth  und  entstehet  der  Gewinn  aus  dem  Handel,  dieser  aber 
aus  eigener  und  fremder  Bedürinuss.  Wobey  es  dann  auf 
Cognition  und  Anstalten  ankommet.     Mit  der  Cognition,  was 


266 

man  aus  fremden  Landen  brauchet  und  denenselben  dargegen 
vom  eigenen  Uberfluss  überlassen  kann,  wie  auch  mit  Herstellung 
des  Quanti,  Qualis  et  Pretii  beschäfftiget  sich  das  Mährische  Manu- 
facturen-Amt.  Was  aber  fremde  Länder  aus  denen  Erblanden 
brauchen,  oder  denenselben  mittheilen  können,  wird  aus  Reysen, 
wie  die  vorgeweste,  am  besten  erlernet.  In  Betreff  deren  Anstal- 
ten, und  da  sich  das  totum  consumptionis  deren  Erblanden  an 
fremden  Waaren  auf  viele  Millionen  belauffen  muss,  darff  man 
denen  Eauff-Leüthen  nur  den  Fingerzeig  geben,  dass  was  rechtes 
hierbey  zu  gewinnen  seye,  und  wird  es  bey  vielen  Capi  nur 
den  Instrado  erforderen,  dass  man  die  Waare  nacher  Triest 
kommen  und  die  Convenienz  des  Preyses  gegen  Hamburg  denen 
Erbländischen  Negotianten  durch  Preyss-Courranten  kund  wer- 
den lasset.  Bey  anderen  hingegen  wurde  eine  Zoll- Verminderung, 
wann  sie  über  Triest,  oder  eine  Erhöhung,  wann  sie  über  Ham- 
burg kommen,  erforderlich,  dieses  aber  weder  dem  Publice 
noch  dem  Aerario  schädlich  seyn,  massen  man  die  wenige  noth- 
wendig  von  Hamburg  kommen  mtUsende  Waaren  über  Triest 
nicht  zu  zwingen  gedenket,  sondern  nur  jene  verstehet,  wdche  so 
leicht  nach  Triest,  als  nach  Hamburg  gebracht  werden  können; 
nach  welch  eingeleiteten  Zug  obige  Hülffen  nicht  mehr  erfor- 
derlich seyn  werden.  Die  Erbländische  Eauff-Leüthe  können 
bey  dieser  Verwechselung  des  loci  unde  in  die  Stelle  derer  Ham- 
burger tretten,  mithin  sich  entweder  selbst  zu  Triest  etabliren 
oder  daselbst  Factores  halten  imd  allerhand  Negotia  anstossen. 
Zu  einem  Anfang  wären  nur  einige  Compagnien  gleich  der 
Amoldischen  nöthig,  welche  sich  aber  mehr  ad  negotia,  als  auf 
Fabriquen  zu  verlegen,  Niederlagen  zu  halten  und  sowohl  In- 
ländern als  Fremden  die  Nothdurfft  mit  Convenienz  zu  ver- 
schaffen hätten.  Derley  Compagnien  werden,  wann  man  nur 
denen  Leüthen  den  Nutzen  demonstriret  und  Sie  behörig  ein- 
leitet, leicht  aufzubringen  seyn,  welches  zu  erreichen  dem  Com- 
mercien-Directorio  überlassen  wird. 

Nachäem  Exempla  vorhanden,  dass  Frankreich  die  Seide 
durch  ihren  Aufkauff  offt  vertheueret,  so  wäre  denen  Vene- 
tianem  die  Ausfuhr  der  besten  Görtzer  Seide  nicht  leicht  zu 
gestatten,  sondern  solche  zu  eigenen  Fabriquen  anzuwenden 
und  denen  Venetianem  die  Gelegenheit  zu  benehmen,  uns  ihre^ 
aus  unserer  Seide  verfertigte  Waar  um  doppeltes  Geld  zu  ver 
kauffen.     Deme   noch   beyzusetzen  kommet,   dass   die  Görtzer 


267 

Tuch-  und  Lein-Waaren  von  Udina  holen  und  man  dargegen 
solche  in  das  Venetianische  nicht  führen  darf. 

Venedig  ist  ein  Haubtfeind  von  Triest,  mithin  muss  man 
sich  dargegen  in  Verfassung  setzen,  auch  ihre  Fabricata,  wann 
man  solche  in  Ländern  selbst  erzeuget,  hindanhalten.  Ob  eine 
Banque  ad  exemplum  der  Venetianischen  zu  Herüberziehung 
des  Wechsel-Negotii  zu  Triest  aufzurichten  nutz-  und  nöthig 
»eye,  wird  höherer  Einsicht  überlassen. 

Es  könnte  ein  Einverständnuss  mit  dem  Kirchen-Staat, 
Parma  und  Modena  nicht  schaden,  um  den  Transport  deren 
von  Triest  gegen  Ferrara  bringenden  Sachen  auf  dem  Po 
sowohl  gegen  das  Florentinische  bis  Bologna,  als  in  das  Man- 
tuanische,  Mayländische,  sofort  von  Pavia  gegen  Genua  zu 
Land,  weiters  aber  auf  demselben  bis  Turin  zu  erleichtern. 

Der  berühmte  Sinigallier  Markt  wäre  allerdings  zu  fre- 
qnentiren,  massen  man  die  von  denen  Venetianem,  Sachsen, 
Schweitzern,  Schlesien!  und  Reichern  dahin  bringende  Tuch-, 
Lein-  und  andere  Waaren  aus  denen  Erblanden  wohlfeiler 
Terschaffen  kann.  Solches  gebete  auch  Gelegenheit  zur  Be- 
kanntschaft mit  vielen  Negotianten  zum  Gegenkauff,  Baratto, 
Anlockung  nacher  Triest  oder  auf  den  allenfalls  aufrichtenden 
Fiomeser  Markt. 

An  CO  na  ist  geschickt  bis  gegen  Rom  zu  handien,  die 
Hess  von  Recanati  zu  bauen  und  die  auf  dem  Sinigallier 
Markt  nicht  verkauffte  Waaren,  um  sich  nach  demselben  der 
Verzollung  nicht  unterwürffig  zu  machen,  dahin  zu  bringen, 
ond  von  denen  daselbst  aus-  und  einlauffenden  Schiffen  zu 
profitiren. 

Da  von  Loretto  jährlich  um  50,000  Fr  Rosen-Cräntze 
konunen  und  die  hierzu  erforderliche  verdorbene  Pomeranzen 
leicht  nach  Triest  oder  Fiume  zu  bringen  seynd,  so  könnten 
einige  Drächslere  daselbst  guten  Verdienst  finden; 

Foligno  wäre  aus  dem  Waaren-Lager  von  Ancona  zu 
providiren  und  die  Negotianten,  wann  sie  nicht  die  Waaren 
franco  Triest  abnehmen  weiten,  Sicherheit  wegen  an  den  Cor- 
respondenten  in  Ancona  zu  verweisen. 

Florenz  und  Livorno  hat  bishero  viele  in  denen  Erb- 
landen erzeugenden  Waaren  ex  defectu  cognitionis  aus  anderen 
Ländern  genommen  und  sich  der  einverstandenen  halben  Zoll- 
abnahme nur  respectu  seiner  Waaren  zu  erfreuen  gehabt.     In 


268 

Rücksicht  dieser  Vorzüglichkeit  und  obschon  die  in  dem  Porto 
Franco  Livomo  ein-  und  auslauffende  Sachen  zoUfi^y  seynd, 
kann  man  doch  alle  andere  Nationes  im  Verkauff-Preyss  über- 
sehen, mithin  wäre  sich  der  Gelegenheit  mit  Ekust  zu  ge- 
brauchen. Sonst  ist  dieses  der  schon  besagte  Platz,  die  Erb- 
ländische Waaren,  bis  Triest  emporkommet,  in  der  Welt 
auszubreiten,  Portugiesisch-  und  Spanische  Woll  und  auswärtige 
Färb- Waaren  für  die  inländische  Fabriquen  zu  erlangen  und 
endlich  das  Hamburger  Negotium  zu  übertragen,  worzu  die 
heilsame  Absendung  deren  Schiffe  von  Livomo  nacher  Trieste 
würklich  die  Hand  biethet. 

Von  Lucca,  Bologna,  Modena,  Reggio,  Parma,  Pia- 
cenza  wären  zu  Herbey bringung  deren  Hungam  und  Sieben- 
bürger die  ihnen  anständige  Seiden- Waaren,  bis  man  sie  selbst 
erzeugen  kan,  mittels  barattirenden  Tuch-  und  Lein- Waaren 
herzunehmen,  absonderlich  aber  mit  dem  schon  berührten  Bo- 
logneser Hanff-Bau,  allenfalls  mit  Verschreibung  eigenen  Saamens, 
eine  Prob  zu  machen. 

Im  Mayländischen  ist  nicht  nur  eine  grosse  Con- 
sumption,  sondern  auch  ein  beträchtlicher  Zug  gegen  Genua. 
Man  kennet  aber  ebenfalls  die  Erbländischen  Waaren  nicht; 
und  wann  auch  etwas  davon  hinkommt,  so  beschiehet  es  durch 
Ausländer,  welche  dargegen  Mayländer  Waaren  in  die  Erb- 
länder bringen,  folgsam  doppelten  Nutzen  haben.  In  Rücksicht 
des  viel  geräderen  Weegs  aber,  und  absonderlich  wann,  wie 
im  Florentinischen,  der  Favor  des  halben  Zolles  hinzutretten 
sollte,  könnte  man  es  denen  Preyssisch-Schlesiem,  Sachsen  und 
Reichem,  so  über  Lindau  und  Chur  dahin  kommen,  leicht  ab- 
gewinnen. Und  da  Venedig  den  geraden  Weeg  durch  ihr 
Territorium  difficultiren  dörffte,  könnte  man  sich  der  in  der 
Beschreibung  bemerkten  anderweitigen  Strasse,  oder  der  Fahrt 
auf  dem  Po  bedienen,  alwo  aber  auf  Moderationes  des  Zolls 
zu  Cremona  fürzudenken  wäre  und  sonach  auch  das  Man- 
tuaner  Commercium  belebet  werden  könnte. 

Verona,  Roveredo,  Alla  und  Trient  schlagen  ins 
Botzner  Commercium.  Ersterer  Orth  nihmt  von  da  viel  Tuch- 
und  Lein- Waaren,  aber  wenig  Inländische.  Bey  Roveredo  wäre 
an  der  Seide  zu  gewinnen.  Die  Sammet  von  Alla  gehen  stark 
nach  Leipzig  für  die  Pohlen,  Hungarn  und  Siebenbürger,  die 
Seide  aber  wird  von  denen  Venetianern  genutzet,  so  doch  alles 


269 

zu  denen  Erbländischen  Commercien  und  Fabriquen  verwendet 
werden  könnte.  Mit  der  beschriebenen  Manipulation  derer 
Maulbeerbäume  im  Trientischen  wäre  ein  Versuch  zu  thun, 
und  hat  sich  ein  ansehnlicher  daselbst  befindlicher  Mährer  hervor- 
gethan,  welcher  solches  gegen  einen  massigen  Gehalt  unternehmen 
und  das  Land- Volk  in  der  Seiden-Erzeugung  abrichten  wollte. 

Zu  Botzen^  wo  Gelegenheit  vorhanden,  allerley  Erb- 
ländische Waaren  in  recht  grossen  Quantis  abzusetzen,  wäre 
dag  nunmehro  verfallende  Negotium  nach  Möglichkeit  zu  unter- 
stützen und  zu  verordnen,  dass  sowohl  dasige  Messen  mit  denen 
in  der  Beschreibung  angezeigten  Erbländischen  Waaren  gebauet, 
als  auch  von  der  Tyrolischen  Repraesentation  ein  in  Handlungs- 
Sachen  erfahrener  Commissarius  zur  Mess-Zeit  dahin  geschicket 
werden  solle,  welcher  alle  Umstände  zu  bemerken  und  samt 
dem  dasigen  Mercantil-Magistrat  an  Hand  zu  geben  hätte,  wie 
denen  antreffenden  Nachtheiligkeiten  abzuhelffen  wäre,  auf 
welche  Arth  viele  bishero  verschwiegene  oder  ungleich  an- 
gebrachte Sachen  ins  Klare  gesetzet  werden  dörfften. 

Bey  Halle  und  Inspruck  ist  über  das  schon  Bemerkte 
noch  anzuführen,  dass  Inspruck  bey  weiten  keine  so  vermög- 
liche Handels-Leüthe  wie  Saltzburg  habe,  ohngeacht  es  die 
Botzner  Märkte  näher  als  Saltzburg  frequentiren  kann. 

Die  Saltzburger  Negotianten  seynd  durch  ihre  beträcht- 
liche Abnahme  auf  denen  Lintzer  Märkten  denen  Erbländischen 
NegotÜB  fUrträglich  und  würden  es  noch  mehr  seyn,  wann  man 
ihnen  die  von  denen  Sachsen  und  Schlesiem  nehmende  Waaren 
verschaffete. 

Zu  Wiederherstellung  des  für  die  Mährische  Tuche  so 
importanten  Lintzer  Commercii  wären  die  Weege  des  vor- 
mahligen  Debits  und  was  solchen  jetzo  hemmet  zu  unter- 
suchen. Bekannter  massen  seynd  vorhin  viele  Tücher  in  Bayern 
und  von  dort  weiter  gegangen.  Dependiret  also  von  höheren 
Befand,  ob  nicht  mit  Bayern  ratione  commercii  ein  Vernehmen 
zu  treffen,  oder  wenigstens  die  Weege  des  weiteren  Debits  zu 
öffiien  wären,  da  doch  auch  Bayern  für  seine  Fabriquen  die 
Hungarische  Wolle  brauchet.  Bey  der  Lintzer  Fabrique  ist 
nicht  zu  begreiffen,  warum  nach  erreichtem  Quali  in  allerhand 
Waaren  nicht  auch  das  Pretium  mittels  guter  Anstalten  er- 
reichet werden  sollte?  Wegen  des  grossen  Mangels  an  derley 
Waaren  wäre  zu  verstatten,  dass  man  sich  von  seithen  Mährens 


270 

in  Bothaner  Fabrique  über  ein  und  andefes  belehren  und 
etwelche  Persohnen  dahin  in  die  Lehre  geben  dörffte.  Durch 
die  in  Pohlen  so  annehmliche  Eisen -Waar  der  Ober -Oster- 
reichischen Gewerbschaflft  wäre  das  Pohlnische  Wachs-Negotium 
einzuleiten  und  der  Baratto  in  Troppau  zu  facilitiren. 

Das  Negotium  mit  denen  Italienern  brauchet  eine  grosse 
Fürsichtigkeit,  massen  sie  zwar  sehr  accurat  aber  bis  zum  Be- 
trug eigennützig  seynd  und  sich  absonderlich  in  der  Correspon- 
denz  solcher  Ausdruckungen  gebrauchen,  welche  sie  auf  alle 
Fälle  zu  ihrem  Besten  auslegen  können.  Die  Wäkche  Justiz 
ist  gegen  die  Schuldnere  prompt  und  scharff;  man  arretieret 
sie  sonder  Umgang  und  entlasset  sie  nicht,  sie  haben  denn 
völlige  Richtigkeit  gepflogen.  Nachtheilig  aber  ist  das  Asylum 
in  Clöstem,  wo  sie  zu  grossen  Schaden  ihrer  Creditorum  auf 
Nachlasse  accordiren. 

IV.  Betreffend  das  Mährische  Commercium  in  speeie, 
so  hat  dieses  Land  quo  ad  intra  sehr  berühmten,  häuffig  ans- 
fiihrenden  Flachs  und  vielen  Hanff.  Die  WoU  ist  zwar  nicht 
so  gut,  kann  aber  verbessert  und  vermehret  werden,  auch  ist 
der  Hungarische  Uberfluss  an  der  Hand.  Man  hat  viele  auch 
ausländische  geschickte  WoU-  und  Lein -Arbeitere,  wohlfeile 
Lebensmittel,  und  denen  Manufacturen  wird  durch  die  neuen 
Tariffen  und  durch  die  Obsicht  des  Manufacturen-Amts  auf- 
geholffen,  mithin  seynd  alle  Erfordemussen  vorhanden,  derlei 
Fabricata  durch  Güte  und  Wohlfeilkeit  in  der  Welt  auszubreiten. 
Quo  ad  extra,  und  praescindendo  von  der  Communication  mit 
denen  Teutschen  Erbländern,  ist  Mähren  das  Land,  woher 
Himgam  seine  erforderliche  viele  und  im  Land  selbst  nicht 
erzeugende  WoU-  und  Lein-Waaren  am  nächsten  und  wohl- 
feilsten zu  hohlen  hat,  und  bei  dieser  Gelegenheit  zur  Abnahm 
anderer  Waaren  wie  ehehin  vermöget,  mithin  von  Leipzig; 
Frankfurth  an  der  Oder  und  Bresslau  abgezogen  werden  kann. 
Es  werden  freilich  denen  Hungam  viele  mährische  Fabricata 
hujus  rubricae  zugeflihret.   Weilen  sie  aber  solche  nicht  selbst 

in  Mähren    hohlen    dörffen,   so   folget  eben   hieraus,   dass  sie 

•  •  ••  _ 

alles  Übrige  aus  obbesagten  fremden  Orthern  hernehmen.  Und 
da  der  grösste  Handlungsflor  eines  Orths  darinn  bestehet,  wann 
fremde  Waaren  dahin  gebracht,  die  eigenen  aber  von  dannen 
gehohlet  werden,  so  müsse  man  trax^hten,  denen  Hungam  aUes, 
was  sie  nur  brauchen,  in  denen  benachbarten  Erblanden  zu  ver- 


271 

schaffen  und  Urnen  die  Abnahme  aus  fremden  beschwerlich  zu 
machen.  Zu  Erreichung  des  Ersten  müssen  zu  Brunn,  wohin 
die  WoU-  imd  Lein-Waaren  besonders  wohlfeil  beygeschafft 
werden  können,  die  allschon  bestimmten  Messen  eingeleitet 
werden,  um  denen  Hungam  das  Beneficium  des  kurtzen  Weegs 
muwenden.  Ingleich  wäre  erforderlich  von  jenem,  was  die 
Hungam  aus  der  Fremde  nehmen,  Waaren-Lager  aus  der  ersten 
Hand,  woher  es  nehmlich  Leipzig,  Frankfurth,  Bresslau  nähmet, 
aiizalegen,  um*  sie  in  gleichen  Quali  et  Pretio  bedienen  zu  kön- 
nen; wobey  auch  nützlich  wäre,  mit  denen  grössten  Hungarischen 
Negotianten  BekanntschafiPt  und  ihnen  Offerta  zu  machen.  Das 
Andere,  nehmlich  die  Weege  aus  fremden  Landen,  zu  praeclu- 
diren,kann  änderst  nicht  als  durch  LandesfUrstliche  Anordnungen, 
gleichwie  die  rectificirte  Hungarische  Tariffa  ist,  erreichet  werden.  ^ 

Mit  Pohlen  hat  es  quo  ad  manufacta  die  Beschaffenheit 
wie  mit  Hungam,  mit  dem  Unterschied  jedoch,  dass  es  weniger 
baares  Geld  giebt,  und  man  Juchten,  Wachs,  Vieh,  rohes  Leder, 
Woll,  rauhes  Futter- Werk,  Fadian  etc.  gegen  fremde  Waaren 
zu  verstechen  suchet.  Da  nun  die  Pohlen  zeithero  in  Bresslau 
allerhand  bessere  Tücher,  Halb-  und  Qanz-Rasche,  Strumpf, 
Hath,  wollene  Zeug,  Seide,  Nümberger  Waare,  feinere  Lein- 
wanden, Spezerey,  Friandis,  Wein  und  viele  Steyrische  Eisen- 
Waare  eingehandlet,  Bresslau  selbst  aber  viele  von  diesen 
Waaren  aus  denen  Erblanden  nihmt  oder  durch  solche  kommen 
lasset,  diese  also  erwehnte  Waaren  selbst  erzeugen  oder  fUglicher 
ab  extra  verschaffen  können  und  die  rohe  Pohlnische  Pro- 
ducta aller  Orthen  ihre  An  wehr  haben,  so  wäre  Troppau 
gegen  Pohlen,  wie  Brunn  gegen  Hungam  zu  einem  Handels- 
platz zu  machen,  mit  dem  Bedacht  jedoch,  dass  auf  eine 
Troppauer  Messe  bald  eine  Brünner  Messe  zu  folgen  hätte, 
auf  welcher  die  Pohlen  dasjenige  respective  anbringen  oder 
haben  könnten,  was  ihnen  zu  Troppau  übrig  geblieben  oder 
nicht  zu  haben  war. 

Preussisch-Schlesien  und  Sachsen  ist  denen  Erbländischen 
WoU-  und  Leinfabriquen  selbst  überlegen,  mithin  bei  denenselben 
diesfalls  nichts  zu  tentiren.  Was  Sachsen  an  Qam  und  Preussisch- 
Schlesien  an  Flachsgam,  rohen  Häuthen  und  unzugerichteten 
Leinwanden  abnihmet,  ist  nur  in  so  weit  vortheilhafft  als  es  einen 


1  Der  ScfantsxollUiif  fdr  Ungarn  datirte  vom  1.  October  1764. 


272 

selbst  nicht  verarbeiten  könnenden  Uberfluss  ausmachet  Wann 
man  es  aber  diesen  beiden  Ländern^  wie  es  seyn  kann,  nachthun 
will,  so  erfolget  doppelter  Nutzen,  nehmlich  die  Nahrung  deren 
Landesfabrikanten  und  nebst  Herbeybringung  des  Commercii 
auch  der  Gewinn,  so  diese  beyde  Länder  jezo  ziehen.  Der- 
mahlen  wird  auch  Pottasch,  Knoppem,  gedörrtes  Obst,  Wein,  etc. 
als  ein  Uberfluss  nach  Schlesien  nützlich  versendet,  welches  man 
dortlandes,  wegen  vorhabender  Emporbringung  deren  Erblän- 
dischen Fabriquen,  per  repressalia,  wiewohl  allzeit  mit  Schaden 
des  eigenen  Commercii,  zurückhalten  dürfte.  Es  hat  aber  nicht 
viel  zu  bedeuten,  denn  das  übermässige  Pottaschenbrennen  ist 
nur  eine  Verschwendung  des  Holzes,  so  man  in  andere  Weeg 
besser  verbrauchen  kann,  und  für  die  übrigen  Sachen,  bis  auf 
den  Wein,  seynd  die  Verschleiss-Weege  über  Triest  offen,  und 
der  hoffende  Gewinn  weit  grösser,  als  dieser  geringe  Einbuss. 
Was  aber  ein  und  andere  Particulares  hierunter  leiden  dörfften, 
verdienet  intuitu  boni  publici  keine  Consideration  und  könnte 
auch  diesen  Particularibus  in  andere  Weege  geholfen  wer- 
den. In  Bayern  und  dem  Römischen  Reich,  allwo  es  auf  Local- 
Erforschung  ankommt,  ist  dermahlen  nur  mit  Tuch  etwas 
zu  thun,  respectu  Italiens  aber  das  Nöthige. schon  angef&hret 
worden. 

Die  Mittel  zu  Erhebung  des  Mährischen  Comercii  seynd: 
1°^^  die  Excolirung  deren  Landes-Sachen  nach  dem  Geschmack 
der  Abnehmer  und  Bewürkung  eines  a  conto  gehenden  Preyses, 
2^®  die  Facilitirung  derer  Verschleisse  und  Beybringung  derer 
Fabrique-Requisiten  und  anderer  die  Debite  ad  extra  befördern- 
den Waaren,  3^^  die  Aufbringung  hinlänglicher  Kauff-Leüthe  zu 
Ausführung  der  unternehmenden  Negotien.  Ad  primum  be- 
schäfftiget  sich  schon  das  Manufacturen-Amt,  die  Erkanntnoss 
derer  Landes -Facultatum,  Uberfluss  und  Abgangs-Zahl  und 
Geschicklichkeit  der  Professionisten  etc.  zu  erlangen  und  die 
Gebrechen  zu  verbessern,  wie  dann  zu  verschiedenen  neuen 
Erzeugungen,  als  Röthe,  Weyde,  Maulbeer-Bäume,  feiner  Tuch-^ 
Lein-  und  Zeug- Arbeit,  Gelbgiesserey,  Camelhaar-Gespunst  etc. 
der  Grund  geleget  worden.  Ad  secundum  ist  der  Ghrund  durch 
die  Tariffen,  Frey-Pässe  auf  die  Fabrique-Nothdurfften,  eingelei- 
tete Messen,  gute  Weege,  Post-  und  Fuhrwesens- Anstalten  etc. 
ebenfalls  schon  geleget,  und  vortheilhaffte  Commercien-Tract&te 
werden  es  noch  mehr  unterstützen.   Dahero  ad  tertium  annoch 


273 

die  Aufbringung  der  Negotianten  zu  besorgen  wäre^  masseii  in 
Mähren  ausser  der  Lehnbanks-Compagnie  keine  ku  denen  er- 
forderlichen Unternehmungen  geschickte  Handels-Leüthe  vor- 
banden  seynd^  sondern  die  Besten  unter  ihnen^  nehmUch  die 
Brünner,  tragen  nur  das  Geld  aus  dem  Lande  und  suchen 
von  dem  Land-Mann  zu  gewinnen.  Das  Negotium  erfordert 
Wissenschafft  und  Geschicklichkeit ^  Geld  und  Credit,  Lust 
und  patriotische  Gesinnung,  welches  sich  aber  selten  in  einer 
Persohn  vereinbahret,  dahero  wäre  auf  Compagnien,  so  viel 
möglich  aus  Erbländem  bestehend,  fbrzudenken,  deren  auf  der 
vorgehabten  Reyse  verschiedene  Wohlstehende  angetroffen  wor- 
den. In  einer  solchen  Compagnie  müsste  sich  in  ordine  der 
Geschicklichkeit  und  Wissenschafft  wenigstens  ein  in  der  Hand- 
lang wohl  versirter  und  gut  renommirter,  obschon  mit  keinem 
grossen  Capital!  eintrettender  Elauffmann  befinden.  Die  übrige 
Interessenten  könnten  allenfalls  nur  Geld  beytragen,  welches 
sonder  Zweifel  zu  allen  Unternehmungen  hinreichend  beyfliessen 
würde,  wann  nur  denen  VermögUcheren  durch  Demonstrirung 
des  Nutzens  Lust  zur  Handlung  beigebracht  und  ihnen  die 
dem  Publice  et  Commercio  so  schädliche  Gemächlichkeit,  von 
denen  Interessen  zu  leben,  benommen,  haubtsächlich  aber  die 
Bejtrettung  des  Adels  mit  seinem  Vermögen  erreichet  werden 
könnte.  Wobey  nicht  unberührt  zu  lassen,  dass  solcher  in 
Frankreich  durch  eine  königl.  Erklärung,  wienach  ein  Com- 
mercium all  grosso  demselben  nicht  derogire,  aufgemunteret 
worden,  und  dass  das  Venetianer  Commercium  abgenommen 
babe,  als  sich  die  Nobili  desselben  zu  entschlagen,  mithin  es 
an  Protection,  Anstalten  und  Errafften  zu  gebrechen  angefangen. 
Denen  Ausländem  wären  die  Inländischen  Handlungen,  abson- 
derlich bei  Herbeibringung  eines  ansehentlichen  Capitals  nicht 
zu  verwehren,  doch  seynd  die  Negotia  samt  dem  Nutzen  in 
denen  Händen  derer  Erb  -  Unterthanen  besser  aufgehoben. 
Wenigstens  selten  die  Ausländer  mit  denen  Inländern  ver- 
banden, übrigens  aber  die  patriotische  Gesinnung  durch  vorbie- 
gende Gesätze  eingepräget  werden,  massen  sonst  der  Kaüffmann 
sein  Interesse  dem  Publice  vorziehet.  Es  wäre  kundzumachen: 
l"**  dass  man  denen,  so  nutzbahre  Handlungen  etabliren  wollen, 
alle  billige  Freyheiten  und  Sicherheit  verwilligen,  die  kostbahre 
Cognitiones  beybringen  und  zu  Instradirung  des  Negotii  samt 
dem  Fingerzeig  allen  Vorschub  geben  wolle.   2'^*'  Nachdeme  die 

Archiv.  Bd.  LXXHI.  I.  Hilfte.  18 


274 

bisherige  GeringschÄtaung  derer  Eauff-Leüthen  verursachet, 
dass  jsie  nach  erworbenen  Oapitali^i  den  Adel  and  Güter  er- 
kauffet,  das  Geld  aber  dem  Negotio  entzogen,  so  müssten  sie 
versichert  werden,  dass  man  jenen,  so  gewisse  vortheilhaffte  Vor- 
kehrungen erweisen  wurden,  nach  Proportion  die  in  linea 
commerciali  offen  werdende  Raths-  oder  andere  Ehren-Stellen, 
ja  sogar  den  Adel  verleihen  wolle;  massen  auch  Venedig^  den 
berühmten  Leinfabrique-Entrepreneur  Lenussi  fiir  einen  Nobile 
angenommen.  3^^^  hat  sich  bishero  in  Mähren  von  dämmen  kein 
Kauffmann  auf  den  Grosso-Handel  verlegen  wollen,  weil  sie 
darbey  nicht  minutiren  dörffen,  wo  doch  dem  Minutirer  all 
grosso  zu  handien  freystehet.  Dahero  wären  die  Minutirer  ein- 
zuschränken, die  Grossirer  aber,  besonders  ani^glich,  zu  be- 
fördern, welches  dardurch  erreichet  würde,  wann  da,  wo  der 
Verleger  aufhöret,  der  Minutirer  anfangen  darff,  und  dem 
Ersteren  die  Verkauffs-Quanta  möglichst  herabgesetzet  werden, 
e(xempli)  g(ratia)  bey  denen  Tüchern  bis  auf  ein  ganzes  Stuck 
und  so  weiter.  Dann  wann  man  dem  Verleger  auch  den  gäntz- 
liehen  Minuta-Handel  lassete,  so  dörffte  sich  selber  darmit  be- 
gnügen und  sich  um  den  Debit  ad  extra  nicht  bekümmern. 
Wann  aber  der  Minutirer,  so  selten  die  rechte  Wissenschaft 
hat,  auch  den  Verleger  macht,  so  wird  diesen  Letzteren  der 
Handel  verdorben. 

Pro  nunc  sollte  forderist  die  Lehen-Bank  von  denen  be- 
schriebenen nützlichen  Erforschungen  profitiren  und  mit  nütz- 
lichen Unternehmungen  die  Bahn  brechen. 


Archiv 


für 


isterreichische  Geschichte. 


Herausgegeben 


▼on  d«r 


zur  Pflege  vaterländischer  Geschichte  aufgestellten  Commission 


der 


kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Dreiundsiebzigster  Band. 

Zweite  Hälfte. 


Wien,  1888. 

In    Commission   bei    F.  Tempsky 

Baehhindler  d«r  kait.  Akadtmi«  dtr  WiHUuelufWn. 


Archiv 


fflr 


Österreichische  Geschichte. 


Herausgegeben 

Ton  der 


ZOT  Pflege  vaterländischer  Geschichte  aufgestellten  Commission 


der 


kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Dreiundsiebzigster  Band. 


Wien,  1888. 

In    Commission    bei    F.   Tempsky 

Bnehliindler  d«r  kaU  Akademie  der  Wie— necbillen. 


Druck  von  Adolf  Holzhaasen  in  Wi«n, 
k.  k,  Hof-  und  UniTaraiULU-BacUdruck«-. 


Inhalt  des  drelundslebzlgsten  Bandes. 


S«it« 
Erzherzog  Carl  and  Prinz  Hohenlohe-Kirchbergf.    Ein  Beitrag:  zur  Ge- 
scbichte  des  Feldzngfes    in    die  Champa^e  (1792).     Von  Dr.  H. 
R.  ▼.  Zeissberg 1 

Zur  Wahl  Leopold  I.  (1654—1668).  Von  Dr.  Alfred  Francis  Pribram, 

I>ocent  an  der  Universität  in  Wien 79 

Eine  &intlicbe  Handlungsreise  naeb  Italien  im  Jahre  1754.  Ein  neuer 
Beitrag  zur  Gescbichte  der  österreicbischen  Commercialpolitik 
▼on  Dr.  August  Fournier,  o.  ö.  Professor  an  der  k.  k. 
deutschen  Universitfit  Prag 223 

NeerologiuBD  des    ehemaligen   Benedictinerstiftes  Ossiacb    in    Kärnten. 

Bearbeitet  von  P.  Beda  SchroU,  O.  8.  B 275 

I>er  Humanist  und  Historiograpb  Kaiser  Maximilians  I.  Joseph  Grünpeck. 
Von  Albin  Czerny,  regulirtem  Chorherm  und  Bibliothekar  zu 
St.  Florian 316 

Geschichte  des  Clarissenklosters  Paradeis  zu  Judenburg  in  Steiermark. 

Von  P.  Jacob  Wi ebner,  Archivar  des  Stiftes  Admont  ....     366 

D^  Bmcker  Landtag  des  Jahres  1672.  Von  Dr.  Franz  Martin  Mayer     467 


NECROLOGIUM 


DBS 


EHEMALIGEN  BENEDICTINERSTIFTES 


OSSIACH  IN  KÄRNTEN. 


BEARBEITET 

VON 

P.  BEDA  SCHROLL,  o.  s.  B 


Ar^T.  Bd.  LXXm.  n.  Hilfto.  19 


Einleitung. 

JDas  Benedictinerstift  Ossiach  wurde  von  den  Eltern  des 
Patriarchen  Poppe  von  Aquileia  (1021 — 1042)  gegrtlndet.  Der 
Patriarch  löste  das  von  seinen  Eltern  gegründete  Stift  aus  der 
Vogtei  seines  Bruders  Ozzius  und  stellte  dasselbe  unter  die 
Vogtei  des  Patriarchates,  welche  Verfügung  der  deutsche  König 
Konrad  11.  der  Salier  (1024—1039)  bestätigte  und  König  Kon- 
rad in.  am  14.  Mai  1149  erneuerte. 

Die  Namen  der  Stifter  sind  nicht  bekannt.  Nach  einer 
Legende  hiessen  sie  Ozzius  und  Irenburg.  Im  folgenden  Ne- 
crologium  erscheinen  Ozzius  am  23.  October,  Irenburg  am 
4.  April  und  Patriarch  Poppe  am  28.  September  angeführt. 
Von  dem  Qeschlechte^  welchem  sie  angehörten,  wissen  wir  nur 
so  viel,  dass  sie  zu  der  Verwandtschaft  des  Bischofs  Meinwerk 
von  Paderborn  gehörten. 

Das  Stiftungsjahr  ist  ebenfalls  unbekannt;  doch  kann  die 
Stiftung  nicht  nach  1039,  dem  Todesjahre  des  Königs  Konrad  II., 
erfolgt  sein.  Da  dieser  König  sich  im  Frühlinge  1026  in  der 
Lombardie  aufhielt,  Patriarch  Poppe  sich  zur  Begrtissung  des- 
selben dahin  begab,  so  ist  es  wahrscheinlich,  dass  bei  dieser 
Gelegenheit  die  Bestätigung  der  Ablösung  und  Uebertragung 
der  Vogtei  von  dem  Bruder  des  Patriarchen  Poppe,  Namens 
Ozzius,  an  das  Patriarchat  durch  den  König  stattfand.  Daher 
IUU88  die  Stiftung  Ossiachs  durch  die  Eltern  Poppos  vor  1026, 
und  da  schon  der  Sohn  derselben,  Ozzius,  als  Vogt  erscheint, 
uia  das  Jahr  1000  stattgefunden  haben. 

Der  erste  urkundlich  bekannte  Abt  Wolfram  erscheint  1063. 

Die  Series  abbatum  in  Wallner's  ,Annus  millesimus  Ossiacensis' 

und  in  den  ,Annales  Ossiacenses^  im  VII.  Bande  des  Archivs 

^r  Kunde  österreichischer  Geschichts-Quellen  zeigt  sich  nach 

19» 


278 

dem  noch  erhaltenen  urkundlichen  Materiale  als  unvollständig 
und  theilweise  unrichtig.  Das  Stift  wurde  am  1.  März  1783 
aufgehoben. 

Das  folgende  Necrologium  befindet  sich  in  dem  Codex 
Nr.  7243,  Fol.  217—223  der  k.  k.  HofbibHothek  in  Wien  und 
ist  kein  Original,  sondern  blos  ein  Auszug  aus  dem  Todten- 
buche  Ossiachs,  welcher  aus  den  Excerpten  des  Marcus  Hansiz 
stammt.  Das  Original  ist  verloren  gegangen.  Herr  S.  Herzberg- 
Fränkel,  Privatdocent  an  der  Universität  in  Wien,  sagt  über 
dasselbe  Folgendes:  ,Obgleich  der  grösste  Theil  der  Namen 
der  neueren  Zeit  angehöii;,  sind  auch  das  12.,  13.  und  14.  Jahr- 
hundert genügend  vertreten;  wir  finden  zahlreiche  Aebte,  oft 
leider  ohne  Ortsanweisung,  und  viele  Adelige,  besonders  Orten- 
burger  und  Dietrichsteine.  Der  sagenhafte  Gründer  Ossiachs, 
Ozzius  comes,  hat  unter  dem  23.  October  seine  Stelle  geftmden. 
Wann  dieses  Todtenbuch  angelegt  ist,  lässt  sich  aus  dem  Aus- 
zuge nicht  entnehmen.  Gräfin  Hemma,  die  Stifterin  von  Qurk, 
wird  noch  nicht  ,beata^  genannt.  Der  Notiz  über  das  Erdbeben 
zum  25.  Jänner  ist  die  Jahreszahl  1348  beigesetzt;  eine  solche 
Nachricht  aber  wäre  kaum  aus  einem  älteren  Todtenbuche 
übernommen  worden.  Ich  vermuthe  daher,  dass  das  Original, 
welches  dem  Auszuge  zu  Grunde  liegt,  im  14.  Jahrhunderte 
schon  vorhanden  war  und  bis  in  das  17.  im  Gebrauche  stand.^ 


Neorologinm. 
Januariu8. 

KaL  Jannarii  (1.  Jänner). 

Alheidis^  cometisBa  de  Ortenburg.^ 

IV.  Won.  (2.  Jänner). 

Eberhardus  abb.^  et  Hartmannus  abb.  de  s.  Lamperto.^ 
—  Rudolfos  abb.  de  s.  Paulo.* 


^  Gräfin  Adelheid  Ton  Ortenbarg,  Gremahlin  des  Grafen  Friedrich  II., 
Tochter  des  Grafen  Meinhard  m.  von  GOrz-TiroI,  starb  1283  oder  1284. 
(Dr.  Tangl,  Die  Grafen  yon  Ortenbarg,  II.  Abth.,  63  im  36.  Bande  des 
Arch.  fQr  Kande  Osterr.  Gesch.-Qaellen.)  Graf  Friedrich  IL  starb  am 
28.  März  1304.  (Rabeis,  Monam.  eccl.  Aqaileg.,  731 ;  Necrologiam  des  Pre- 
diger-Ordens in  Cividale.) 

'  Eberhard,  M($nch  yoii  Prüfening,  Abt  von  Aspach,  wo  er  resignirte, 
dann  Abt  von  Prüfening,  1163  —  t  1-  JÄnner  1168.  Einige  Necro- 
logien  haben  den  2.  Jänner.  (Braomüller,  Reihe  der  Aebte  im  Kloster 
Prüfening  [jetzt  Priefling]  in  den  Stadien  aas  dem  Benedictiner- 
Orden  etc.,  HL  Jahrg.,  I.  Bd.,  132.) 

'  Abt  Hartmann  von  St  Lambreoht,  1102?  —  1108?  Er  starb  1114 
(Pangerl  in  den  Beiträgen  zar  Kande  Steiermark.  Gesch.-Qaellen,  11,  136; 
Brunner,  Benedictinerbach,  197.)  Die  Necrologien  von  St.  Lambrecht 
(Pangerl  in  Fontes  rer.  aastr.,  H.  Abth.,  29.  Bd.)  and  St.  Paul  (SchroU, 
im  Arch.  für  vaterländ.  Geschichte  etc. ,  heraasgegeben  von  dem  Kämtn. 
Gesch.-Vereine,  X.  Jahrg.)  haben  denselben  Tag. 

*  Abt  Rudolf  von  St.  Paul  im  Lavantthale,  1302—  1311.  (Neugart, 
Bist,  monast.  s.  Pauli,  11,65;  Schroll,  Gesch.  von  St.  Paul  in  der  Zeit- 
schrift Carinthia,  1876;  Schroll,  Urkandenbuch  von  St.  Paul  in  Fontes 
rer.  austr.,  II.  Abth.,  39.  Bd.)  Das  Necrologium  von  St.  Paul  erwähnt 
Beiner  am  18.  März. 


J 


280 

Vin.  Id.  (6.  Jänner). 

Berenhardus  pius  dux  de  Karin tfaia  senior.^  —  Duringus 
abb.  de  Arnoldstein.^  —   Andreas  abb.  de  Malhartßtorflf.  ^ 

VII.  Id.  (7.  Jänner). 

Johannes  abb.  de  Arnoldstein.* 

V.  Id.  (9.  Jänner). 

Ortwinus  abb.  de  Belenga.* 

IV.  Id.  (10.  Jänner). 

Johannes  abb.  de  s.  Lamperto.^ 

m.  Id.  (11.  Jänner). 

Sigismandus  prepositus  s.  Nicolai  extra  menia  Patauie." 

II.  Id.  (12.  Jänner). 

Perengerus  abb.  s.  Lamberti.^ 

Friedericus  abb.  Augustinus  abb.  huius  loci.® 

*  Herzog  Bernhard  von  Kärnten  aus  dem  Hause  Sponheim,  1199— 
1202  gemeinschaftlich  mit  seinem  Bruder,  Herzog  Ulrich  II. ;  dann  allem 
1202 — 1256.  Er  wird  hier  »senior'  genannt  im  Gegensatze  zu  seinem 
Sohne  Bernhard,  welcher  als  Jüngling  starb  und  zu  Landstrass  in  Krain 
begraben  ist.  Herzog  Bernhard  wurde  am  10.  Jänner  1266  in  der  Stifts- 
kirche zu  St.  Paul,  dem  alten  Begräbnissorte  der  Sponheimer,  beigesetzt. 
(Neugart,  1.  c,  I,  78;  SchroU,  Gesch.  der  Sponheimer  in  der  Carinthia, 
1873;  ürkundenbuch  von  St.  Paul,  1.  c,  Nr.  94,  pag.  147.) 

'  Die  Regierungszeit  des  Abtes  During  von  Arnoldstein  ist  urkund- 
lich nicht  bekannt.  Er  fehlt  auch  im  Abtverzeichnisse  bei  Marian. 
(Austr.  Sacra,  V,  361.) 

3  Abt  Andreas  Mullich  von  Mallersdorf,  1464  —  resignirt  1476 
(Monum.  boic.  XV,  263.) 

*  Abt  Johann  I.  von  Arnoldstein,  1324  —  7.  Jänner  1330.  (Aineth,  Die 
Aebte  von  Arnoldstein,  Msc.  im  Arch.  des  Kärntn.  Gesch.-Vereines; 
Marian,  1.  c,  V,  365.) 

*  Abt  von  Beligne  bei  Aquileia.  Das  Necrologium  von  StLambrecht 
hat  denselben  Tag. 

6  Abt  Johann  I.  Fridberger  von  St.  Lambrecht,  1341— 1358.  (Brnn- 

ner,  1.  c,  200.)    Die  Neurologien  von  St.  Lambrecht  und  St.  Paul  haben 

denselben  Tag. 
■^  Propst  Sigismund  Reilacher  von  St.  Nicolai  bei  Passau,  1619— 

1539.  (HundiuB,  Metrop.  Salisburg.,  H,  402.) 
«  Abt  Pernger  von  St.  Lambrecht,  1181?— 121«.  (Pangerl,  1.  c,  137; 

Brunner,  l.  c,  198.)  Das  Necrologium  von  St.  Lambrecht  stimmt  überein- 
«  Abt  Augustin  von  Ossiach,  1462—1472,  in  welch  letzterem  Jahreer 

am  31.  December  resignirt.  (Wallner,  Annus  milles.  Osdae.  84  j  Ankers- 


281 

ErasmoB  abb.  montis  s.  Georgii.^ 
Id.  (13.  jÄnner.) 

Hainricus  dux  Austrie.^  —  Maximilianus,  rom.  rex  hora 
tercia  ante  diem  a.  1519.^ 

XVm  Kai.  (15.  Jänner). 

Hertnidus    abb.   Admunt.*    —    Dominus   Wolfgangus 
Puechaimer. 

XIV.  KaL  (19.  Jänner), 
Johannes  abb.^ 


hofen,  Annales  Ozziac.,  1.  c.)  Er  wurde  am  4.  September  1462  von 
dem  Bischöfe  Tibold  von  Lavant  als  Commissär  des  Erzbischofs  Burk- 
hard von  Salzburg  confirmirt.  (Orig.  Perg.,  Arch.  des  Kärntn.  Gesch.- 
Vereines.)  Erzbischof  Bernhard  bevollmächtigt  am  12.  December  1472 
den  Jacob  Sam,  Propst  am  Vergilienberge  zu  Friesach,  und  Paul  Megkh, 
Propst  von  Maria  Saal,  die  Resignation  des  alten  kranken  Abtes  Augustin 
von  Ossiach  anzunehmen,  ihm  eine  Pension  anszumitteln  und  einen 
Nachfolger  erwählen  zu  lassen.  (A.  Eichhornes  Urk.-Sammluug  im  Arch. 
zu  8l.  Paul,  Msc.)  Die  Annahme^  der  Besignation  erfolgte  am  31.  De- 
cember. Nach  Mezger  (Hist.  Salisb.)  starb  er  1473.  Das  Necrologium 
TOD  St.  Paul  erwähnt  seiner  am  12.  Februar. 
'  Qeorgenberg  oder  Fiecht  in  Tirol. 

'  Herzog  Heinrich  U.  von  Oesterreich,  1141 — 1177.  (Meiller,  Babenb. 
Reg.)   Die  Necrologien  von  St.  Lambrecht,  Admont  (Friess,  im  66.  Bande 
des  Arch.  für  Osterr.  Gesch.),  ELlosterneuburg  (Dr.  Zeibig,  im  VII.  Bande 
desselben  Archivs),  Schottenstift  uud  Klostemeuburg  (Pez,  Script,   rer. 
austr.,  I,  699.  491),   Heiligenkreuz    (Gymnas.-Zeitschrift  1877),   Seckau 
(Cod.  390,  Msc.  in  der  Universitätsbibl.  zu  Graz)  haben  denselben  Tag. 
Das  Necrologium  von  Klein-Mariazell  (Studien,  1.  c,  I.  Jahrg.,  II.  Heft) 
bat  den  12.,  die  von  Melk  (Pez,  1.  c,  I,  30)  und  Lilienfeld  (Dr.  Zeiss- 
berg  in  Fontes  rer.  austr.,  II.  Abth.,  41.  Bd.)  den  14.  Jänner. 
'  Kaiser  Maximilian  L,  1493 — 1519.     Die  Necrologien   von  Nonnberg 
(Friess,  im  Arch.  für  österr.  Gesch.,  71.  Bd.),  Admont  (Pez,  1.  c,  II),  Klein- 
Mariazell  und  Schottenstift  erwähnen  seiner  am  12.,  das  von  Lilienfeld 
am  25.  Jänner. 
^  Abt  Hertnid  von  Admont,  1391 — 1411.  (Wichner,  Gesch.  von  Admont, 
^101.)  Das  Necrologium  von  Admont  bei  Pez  erwähnt  seiner  am  18.  Jän- 
ner, das  von  Tegemsee  (Beiträge  zur  Kunde  Steiermark.  Gesch.-Quellen, 
m,  86)  am  12.  Jänner. 
'Abt  Johann   Pflug   von   Raitenhaslach,    1417—1438,   dessen   die 
Necrologien  von  Admont  bei  Pez  und  Domstift  Salzburg  (Dr.  Wiedemann, 
im  Arch.  für  Kunde  österr.  Gesch.-Quellen,  28./1.  Bd.)  am  18.  Jänner  ge- 
denken.   Nach  Hundius  (1.  c,  IH,  138)  starb  er  1438,  XV.  Kai.  Januarü; 
*  9qIX  wohl  heissen  ,Februarii*. 


282 

X.  Kai.  (23.  Jänner). 

Benedictu8  abb.  de  Amoldstain  a.  1553,  hie  in  Ossiach 
professus.^  —  Benedictus  abb.  in  AtÜ  a.  1569.^ 

Vm.  Kai.  (25.  Jänner). 

Reverendissimus   et  piissimus  Georgias   de  Euenbarg, 
archiepisc.  Salisb.  a.  1587.3  —  Terre  motus  a.  1348.* 

VI.  Kai.  (27.  Jänner). 

Michael  abb.^ 
V.  Kai,  (28.  Jänner). 

Dietricus  abb.^ 

ra.  Kai.  (30.  Jänner). 

QregoriuB  episc.  noue  ciuitatis.^ 

Februariu8. 

Kai.  Febmarii  (1.  Februar). 
Hainricus  abb.^ 


1  Abt  Benediet  Taxer  yon  Arnoldstein,  1516 — 12.  Februar  1544,  an 
welchem  Tage  er  resignirte;  dann  nach  wenigen  Monaten,  als  sein  Nach- 
folger Franz  Rosaris  ebenfalls  resignirte,  zum  zweiten  Male  1544— res- 
gnirt  am  26.  März  1562.  Er  starb  1663.  (Marian,  1.  c,  Y,  374.)  Das 
Necrologium  von  Nonnberg  hat  den  22.  Jänner. 

2  Abt  Benedict  Hohendanner  TonAttl,  1647—1569.  (Monom,  boic, 
I,  264.) 

3  Georg  YonKuenbnrg,  Coadjutor  des'Erzbischofs  Johann  Jacob,  1580— 
1686,  dann  Erzbischof  yon  Salzburg,  1686—1687.  Garns  (Series 
episc.  307)  hat  ebenfalls  den  26.,  das  Necrologium  von  Nonnberg  aber 
den  26.  Jänner. 

*  Das  heftige  Erdbeben,  welches  in  Kärnten,  Krain  und  Steiermark  grossen 
Schaden  yerursachte.  (A.  Rauch,  Script,  rer.  austr.,  n,  323;  Pes,  1.  c,  1^ 

'412.  496).  Die  Stadt  Villach  litt  grossen  Schaden;  durch  den  Berg- 
sturz am  Dobratsch  wurden  viele  Ortschaften,  darunter  das  Pfarrdorf 
St  Johann,  verschüttet.  (Arch.  für  vaterl.  Gesch.  Kämt.,  VII,  66;  Unrest, 
Kämt.  Chronik.) 

»  Abt  Michael  von  Garsten,  1336—1362.  (Pritz,  Gesch.  von  Garsten, 
31;  Friess,  Gesch.  von  Garsten,  in  Studien  etc.,  11.  Jahrg.,  1.  Heft,  16.) 
Nach  den  Necrologien  von  St.  Lambrecht  und  Admont  bei  Pez  starb  er 
am  28.  Jänner. 

«  Abt  Dietrich  Pruchler  von  St.  Paul,  1284—1289.  Er  wurde  von 
St.  Peter  in  Salzburg  zum  Abte  von  St.  Paul  postulirt.  (Nengart,  1.  c,  Ü; 
Schroll,  1.  c.)  Das  Necrologium  von  Admont  bei  Pez  hat  denselben  Tag- 

'  Bischof  Gregor  Angerer  von  Wiener-Neustadt,  1630—  f  2.  April 
1648.  (Dr.  Kerschbaumer,  Gesch.  des  Bisthums  St.  Polten,  I,  661.) 

8  Abt  Heinrich  von  Milstat,  1166  — circa  1186;  denn  das  Necrologium 
von  Milstat  (Perg.-Cod.  im  Arch.  des  Kärntn.  Gesch.-Yereines)  hat  x^ 


283 

Oswaldos  abb.  in  Mettn.*  —  Wolfgangus  Marbawser^  abb. 
Ratenbaslach.  —  Mathias  Stossberger  abb.  —  Philippus 
Perzelius  abb.  1620.  —  Christoph.  Marhofer  1624,  omnes 
abb.  Ratenhaslach.^  —  Chunradus  abb.  Chremifan. 

IV.  Ion.  (2.  Februar). 

Bernardus  abb.  Chunradus  Auer,  abb.  in  Attl  1573.^ 

IIL  Ion.  (3.  Februar). 

Vdelhardus  abb.  istius  loci.^  —  Hermannus  abb. 

Vm.  Id.  (6.  Februar). 

Helena  cometissa  de  Ortenbarg.  ^ 

IV.  Id.  (10.  Februar). 

Sigismundus  Frisch,  abb.  huius  loci  1556.^ 


diesem  Tage:  ,Heinricii8  abb.  8.  Balvatoris*.  Die  Necrologien  yon  St.  Lam- 
brecht,  8t  Peter  (Meiller  im  Arch.  fOr  Kunde  Osterr.  Gesch. -Quellen, 
19.  Bd.),  Domstift  Salzburg,  Nonnberg  und  Admont  stimmen  ttberein. 

^  Abt  Oswald  I.  yon  Metten  in  Baiem,  1497—1516.  (Brunner,  1.  c,  510.) 
Hondius  (L  c,  ü,  347)  hat  ftlr  diese  Zeit  zwei  Aebte:  Abt  Oswald  I., 
1493  -t  6.  Jänner  1503;  Abt  Oswald  n.,  1503  —f  &•  Februar  1514.  Siehe 
auch  Monum.  boic,  XI,  350. 

'  Abt  Wolfgang  Manhauser,'  1667— resignirt  1690,  starb  am  26.  Atigust 
1594.  Abt  Mathias  Stossberger,  1590  — f  18.  November  1601.  Abt 
Philipp  Percellius,  1601  — f  19.  December  1620.  Abt  Christof  II. 
Mayrhofer,  1621  —  f  17.  Mai  1624;  alle  Aebte  von  Raitenhaslach. 
(Monum.  boic,  III,  102.) 

'  Abt  Conrad  I.  Auer  von  Attel,  1669—1673.  (Monum.  boic,  I,  264.) 
Das  Necrologium  von  Nonnberg  hat  den  1.  Februar. 

^  Abt  Udelhard  von  Ossiach  lebte  im  XII.  Jahrhunderte,  ist  aber  ur- 
kundlich nicht  bekannt.  (Wallner,  1.  c,  66.)  Nach  Mezger  starb  er  1 187. 
Hier  ist  eine  Lücke  in  den  Urkunden,  indem  Abt  Berthold,  welcher 
nach  Wallner  1182  gestorben  sein  soll,  1177  das  letzte  Mal,  Abt  Uild- 
ward  aber  erst  1187  vorkommt.  (Orig.-Perg.  im  Arch.  des  Kärtn.  Gesch.- 
Vereines.) 

^  Gräfin  Helena  von  Ortenbnrg,  Gemahlin  des  Grafen  Albrecht  11. 
Ihr  Todesjahr  ist  unbekannt;  doch  überlebte  sie  ihren  1335  verstorbenen 
Gemahl.  (Dr.  Tangl,  1.  c,  11,  177;  Dr.  Göth,  Ürk.-Reg.  in  Mittheil,  des 
Steiermark.  Gesch .-Vereines,  V.  Jahrg.)  Das  Necrologium  von  Renn 
(Diplom,  sac.  Styr.  U)  hat  als  Todestag  den  7.  Februar. 

•  Abt  Sigmund  Frisch  von  Ossiach,  16.  April  1666  —  f  1^«  Februar 
1656.   (Wallner,  1.  c,  86;  Annales  Ozziac,  1.  c) 


Id.  (13.  Februar). 

Dymodis  abbadsea.'    Älhaydis  monaclia   nostra   congr. 
Cbilianus  abb.  b.  Petri.^ 
XTI.  KaL  Martii  (14.  Februar). 

Johannea  abb.^   —   Nobilis   vir   Johannes  Snebetss  in 
Ämoldstain  1Ö14.* 
XV.  Kai.  (15.  Februar). 

Otto  abb."'  —  Christiannus  abb. 
XIU.  Kai.  (17.  Februar). 

Symou  abb.  de  Sewn.* 
Xn.  Kai.  (18.  Februar). 

RemuuduB  patriarcba  de  Aquileia.' 
XI.  Kai.  (19.  Februar). 

Ottilia  abbattssa.^ 
VI.  Kai.  (24,  Februar). 

Dietmams  abb.  a.  Petri,  mon.  nostre  congr.* 

■  AebtisBiu   Diemut   des    BenedictinerinnsnRliilea    6L  Geor^ea   an< 

Längaee,   welche   1S91    nrkandlich   vorkommt.     Vna  Necrologium  von 

St.  Lambrecht  erwKbut  ihrer  am  14.  Februar. 
1  Abt   Chilian   Fitrich   von   St.  Peter,    lG!d-1535.     (Sotat.  chron 

a.  Petri,  4öG.)     Du  Necrologium   von   Seckau   (cod.  390,  1,  c.)   bat  den 

aelbsD   Tag,  du  von  Nouaberg  deo  14,  Februar. 
'  Abt  Johann  IL  von  Admont,  1360—1361.    (Wiehner,  I.  c,  UI,  64 

Die  Necrologien  van  Admont,   St.  Petar,  Domstift  Salzburg  baben  den- 
selben Tag. 
<  Aus  der  edlen  kSrtn.  Familie  der  Schneeweiss  sn  AmoldsteiD.  (Wd;.- 

Kärntens  Adel,  243.  310.)     Sie  erscheinen   zaerst   im  XV.  Jahrhnnderi 

unter  dam  Adel  Kärntens.     (Hermann,  Oesch.  von  Kärnten,  1,  380.) 
>  Abt   Otto   von   Milstat,   circa  1242  — circa  12G3.     Das   Necrologiui 

von  Milstal  slinimt  Uberein;  das  von  St.  Lambrecht  bat  den  14.  Febroi 

und  nennt  ihn  ausdrücklich  Abt  von  Hilslat. 
0  Abt  Simon   Farcber  von  Seon,  138G  —  t  20.  JSnner  1411.     (Maigv, 

I.  c,  1178;  Monom,  boic,  U,  120.)    Nach  Hnnd  (I.  c,  m,  241)  aUtb  •■ 

am  ao.  Jänner  1112. 
'  Patriarch  Raimund 

bruar  1209.    (Bubeis,  I 

disca,  300.) 
B  Aebtissin  Ottilia  vi 

NecTologium  von  Admi 
«  Abt  Dietmar  II.  von 

291}    Das  Necrologiun 


285 

V.  Kai.  (25.  Februar). 

Lupoldus  abb.' 
IV.  Kai.  (26.  Februar). 

Hainrieus  abb.  —  Ambrosius  Mintzer,  abb.  v.  Emmerani.^ 

Martiu8. 

VI.  Von.  Martii  (2.  März). 

Eufemia^,    läula,    monache    nostre    congr.    Benedictus 
abb.  V.  Lamperti,  1662.^ 
IV.  Won.  (4.  März). 

Dittricus  episc* 
Ion.  (7.  März). 

Hermannus,  abb.  istius  loci.^ 
Vm.  Id.  (8.  März). 

Dittmarus  abb.  istius  loci.^  —  Perchta,  mon.  nostre  congr. 

^  Abt  Liupold  Ton  Rosazzo  in  Frianl  erscheint-  in  Urkunden  des 
Patriarchen  Peregrin  I.  von  Aquileia  1152  und  den  20.  October  1154  als 
Zeuge.  (Urkundenbuch  von  Steiermark,  I,  338;  Schroll,  Ürk.-Reg.  von 
Ebemdorf)  Nr.  11,  21.)  lieber  die  Stiftung  von  Rosazzo  siehe  Rubeis,  1.  c, 
565;  Dr.  Tangl,  Die  Grafen,  Markgrafen  und  Herzoge  aus  dem  Hause 
Eppenstein,  IV.  Abth.,  39  im  Arch.  für  Kunde  österr.  Gesch.-Quellen. 
Das  Kecrologium  von  Milstat  erwähnt  seiner  am  26.  Februar  als  ,abb. 
Bosac.  et  mon.  nostre  congr.*. 

^  Abt  Ambros  Münzer  von  St.  Emmeran  in  Reg^ensburg,  11.  Mai  1517 
— 129.  Jänner  1535.  (Braumüller  in  Studien,  1.  c,  IV.  Jahrg.,  IL  Bd.,  133.) 

'  Das  Necrologium  von  St.  Lambrecht  hat  zu  diesem  Tage  sec.  XIH.  eine 
,Offemia,  conv.  Oziac.'. 

^  Abt  Benedict  Pierin  von  St  Lambrecht,  1638^1662.  (Mezger, 
L  c,  1193.) 

*  Dietrich  I.  von  Kolnitz,  Bischof  von  Gurk,  1179—1194,  in  welch 
letzterem  Jahre  er  resignirte.  (Schroll,  Series  episc.  Gurc.  im  XV.  Jahrg. 
des  Arch.  für  vaterl.  Gesch.  Kärntens.)  Sein  Todesjahr  ist  unbekannt. 
Die  Necrologien  von  Milstat,  St.  Peter,  Nonnberg,  St.  Lambrecht  setzen 
seinen  Tod  auf  den  3.  März,  das  der  Karthause  Seitz  (Diplom,  sac.  Styr. 
II,  330)  apf  den  21.  März.  Hohenauer  (Kirchengeschichte  von  Kärnten. 
86)  lässt  ihn  am  6.  März  1194  sterben. 

<^  Abt  Hermann  H.  von  Ossiach,  1275—1279.  (Wallner,  1.  c.  Annales 
Ozziac.)  Abt  Hermann  erscheint  urkundlich  blos  1275;  im  Jahre  1277 
aber  der  bei  Wallner  nicht  vorkommende  Abt  Friedrich  von  Ossiach 
(MittheU.  des  Steierm.  Gesch.-Vereines,  V,  216,  Nr.  V;  Dr.  Tangl,  Die 
Orafen  von  Ortenburg,  II,  30,  1.  c.)  Im  Jahre  1279  stand  Abt^  Conrad 
der  Abtei  Ossiach  schon  vor. 
'Abt  Dietmar  IV.  von  Ossiach,  1301—1307.  (Wallner,  I.e.,  77;  Ann. 
Ozziac.,  1.  c.) 


286 

VL  Id.  (10.  März). 

Thomas  abb.' 

n.  Id.  (14.  März). 

Eberhardus  abb.  nostre  congr.^  —  Otto  miles  de  Dietrich- 
stain.' 

m 

XVI.  Kai.  AprUis  (17.  März). 
Rudolfds  abb.^ 

Xn.  Kai.  (21.  März). 
Martinus  abb.* 

ZI.  Kai.  (22.  März). 
Ulricus  abb. 

IZ:  Kai.  (24.  März). 

Bertholdus  abb. 

VI.  Kai.  (27.  März). 

Thomas  abb.  in  Arnoldstain.^ 

IV.  Kai.  (29.  März). 

Albero  abb.  istius  loci, '  et 


1  Abt  Thomas  von  Göttweig,  1439— 1443.  Er  resignirte  in  leUterem 
Jahre  und  starb  am  10.  März  1444.  (Brunner,  1.  c,  134.)  Das  Necro- 
logium  von  St.  Polten  (Wiedemann,  Font.  rer.  austr.,  IL  Abth.,  21.  Bd.) 
hat  denselben  Tag. 

2  Abt  Eberhard  ron  Ossiach,  1363—1365  (Wallner,  1.  c,  81;  Annal. 
Osziac,  1.  c),  da  sein  Nachfolger  Abt  Michael  schon  am  7.  März  1366 
urknndlich  vorkommt.  Das  Necrologinm  von  St  Lambrecht  erwähnt 
seiner  am  26.  November,  das  von  St.  Paul  am  29.  November. 

3  Aus  der  edlen,  später  fürstlichen  Familie  von  Dietrichstein.  Bitter 
Otto  erscheint  1360—1367  in  Urkunden.  (Arch.  des  Kämtn.  Gesch.-yer- 
eines.)    Das  Stammschloss  Dietrichstein  liegt  bei  Feldkirchen. 

*  Kudolf  von  Liechteneck,  Abt  von  St.  Lambrecht,  1387—1419. 
(Brunner,  1.  c,  200.)  Die  Necrologien  von  St.  Lambrecl)t  und  Seckau 
haben  den  18.  März. 

^  Das  Necrologium  von  St.  Lambrecht  hat  an  diesem  Tage  sec.  XII  eben- 
falls einen  Abt  Martin  ohner  Ortsangabe. 

^  Abt  Thomas  Steyerberger  von  Arnoldstein,  1441  ^1481.  (Marian, 
1.  c,  y,  372.)    Das  Necrologium  von  Admont  hat  denselben  Tag. 

^  Abt  Albero  II.  von  Ossiach,  1201  — f  29.  März  1235.  (WaUner, 
1.  c,  69.)  Die  Annales  Ozziac.  nennen  diesen  Abt  nicht;  es  ist  hier 
eine  Lücke.  Die  Angabe  des  Wallner  ist  unrichtig,  indem  in  dieser 
Zeit  vier  Aebte  regierten,  nämlich  Albero  L  (siehe  13.  October),  Gott- 


287 

NicolauB  abb.  istius  loci.^ 

HL  KaL  (30.  März). 

Heinricus  abb.^ 

Aprilis. 

Kalend.  (1.  April). 

Mauras  Maucher,  abb.  huius  loci^  1642.^ 
IV.  Ion.  (2.  April). 

Ulricus  patriarcha.^  —  Ulricus  abb.  —  Leutoldus  abb."^ 
HL  Ion.  (3.  April). 

Adamus  Schrötell,  abb.  huius  loci;  1595.^ 

fried  1206  —  1207,  Conrad  1208  — nach  1220,  Albero  II.  (Annales  Ozziac. 
ad  1215;  Ankershofen,  Urk.-Reg.  Nr.  720,  742,  760,  774;  ürkundenbuch 
Ton  Steiermark,  n,  Nr.  146,  181.)  Nach  Mezger  roU  Abt  Albero  1212 
oder  1250  gestorben  sein.  Gewiss  ist  letzteres  Jahr  unrichtig,  da  Abt 
Hermann  L  1246  als  Zeuge  urkundlich  erscheint  (Orig.-Perg.  im  Arch. 
in  St.  Paul;  Ankershofen,  Urk.-Beg.  Nr.  1069)  und  1249  abgesetzt  wird. 
Nach  den  Annales  Ozziac.  soll  diese  Absetzung  zwar  1251  stattgefunden 
haben,  allein  am  6.  November  1249  erscheint  schon  Abt  Berthold  III. 
(Arch.  für  yaterländ.  Gesch.  Kärntens,  IX,  90;  Tangl,  Die  Grafen  von 
Ortenburg,  I.  c.) 

*  Abt  Nicolaus  von  Ossiach,  1338—1342.  (Wallner,  l.  c,  79;  Annales 
Ozziac)  Das  Necrologium  von  St.  Paul  stimmt  überein ;  das  von  St.  Lam- 
brecht  hat  den  30.  MSrz. 

'Vielleicht  Abt  Heinrich  von  Klein-Mariazell,   welcher  um   1336 

lebte.    Das  Necrologium  von  Klein-Mariazell  erwähnt  seiner  am  31.  März. 

Oder  Abt  Heinrich  von  Windberg,  welcher  am  30.  März  1276  starb. 

(Ifonum.  boic,  XIV,  6;  Necrologium  von  Ober-Altaich  im  Arch.  für  Kunde 

Osterr.  Gesch.- Quellen,  26.  Bd.,  321.) 
>  Abt  Maurus  Mancher  von  Ossiach,  1629—1642.  (Wallner,  1.  c,  93; 

Annale^  Oxziac.)    Er  wurde  am  14.  December  1628   gewählt   und  war 

vorher  Prior.  (Orig.  Oonsistor.-Begistratur  Gurk.) 

*  Patriarch  Ulrich  H.  von  Aquileia,  1161—1182,  ein  gebomer  Graf 
von  Treffen.  (Bubeis,  1.  c,  590;  CzOmig,  1.  c,  273.)  Die  Necrologien 
von  Milstat  und  St.  Lambrecht  stimmen  überein;  das  von  Admont  bei 
Pez  hat  den  1.  April. 

*  Luitold,  Graf  von  Pfannberg,  Abt  von  St  Paul,  1248-1258.  (Neu- 
gart, 1.  c,  n,  32 ;  Schroll,  1.  c.)  Siehe  über  seine  Abstammung  Dr.  Tangl, 
Die  Grafen  von  Pfannberg  im  18.  Bd.  des  Arch.  für  Kunde  österr.  Gesch.- 
Quellen,  pag.  121.  Die  Necrologien  von  St.  Paul  und  St.  Lambrecht 
haben  denselben  Todestag. 

*  Abt  Adam  SchrOttl  von  Ossiach,  früher  Prior  zu  St  Paul,  vom 
9.  Juni  1593—  25.  Juli  1595.  (Wallner,  1.  c,  90;  Annales  Ozziac., 
CoDsistor.-Begistratur  Gurk.) 


j 


288 

II.  Non.  (4.  April). 

Irenbiirgis,  fundatrix  huius  eccl.^ 

Vn.  Id.  (7.  AprU). 

Adelbertus  episc.  Salczburg.^ 

V.  Id.  (9.  April). 

Chunradus  episc.  ^ 

IV.  Id.  (10.  AprU). 

Fridericus  Hirsperger,  abb.  huius  loci,  vir  etema  me- 
moria dignissimus,  1656.^ 

IL  Id.  (12.  April). 

Ulricus,  abb.  huius  loci  1429.* 

Id.  (13.  April). 

Andreas  Hasenberger,  abb.  huius  loci,  155.5.*^ 

XV.  Kai.  Maü  (17.  April). 

Hartwicus,"  Hainricus  abbates.^ 

1  Gräfin  Irenbnrg)  die  Matter  des  Patriarchen  Poppo  von  Aqnileia^ 
Gemahlin  des  Grafen  Ozzias,  Stifters  von  Ossiach. 

>  Eribischof  Adalbert  von  Salzburg,  1168—1177  und  1188—1200, 
(Meiller,  Salsb.  Reg.)  Das  Necrologium  von  Nonnberg  hat  ebenfalls  den 
7.  April ;  die  Necrologien  von  Admont,  St.  Lambrecht,  Domstift  Salzbarg, 
Klosterneuburg,  Melk  den  8.,  das  von  Seckau  (cod.  390, 1.  c.)  den  9.  AprU. 

»  Erzbischof  Conrad  I.  von  Salzburg,  1106—1147.  (Meiller,  Sah- 
burger Keg.)  Die  meisten  Osterreichischen  Kecrologien  stimmen  mit 
diesem  Tage  überein;  die  von  Nonnberg  und  Melk  (Fez,  1.  c,  I,  S03) 
haben  den  8.  April. 

*  Abt  Friedrich  Hirschberger  von  Ossiaeh,  1642—1656  (Wallner, 
1.  c,  9S;  Annales  Ozziac)  Er  wurde  am  5.  Juni  1642  einstimmig  in 
einem  Alter  von  34  Jahren  zum  Abte  erwählt  und  war  vor  der  Wahl 
Novizenmeister.  Er  starb  nach  der  Anzeige  des  Conventes  an  den  Erz- 
bischof von  Salzburg  am  13.  ApriL  (Consistor.-Registratur  Gurk.)  Das 
Necrologium  von  St.  Paul  hat  ebenfalls  den  13.  April. 

*  Abt  Ulrich  von  Ossiach  regierte  nach  Wallner  (I.  c,  81)  1892 
—  t  13'  April  1429.  In  den  Annales  Ozziac.  ist  hier  eine  Lücke. 
Wallner  hat  hier  zwei  Aebte  zusammengezogen.  Abt  Ulrich  IL  regierte 
blos  1407—1429.  Siehe  26.  September.  Das  Necrologium  von  Ebemdorf 
(SchroU,  im  68.  Bd.  des  Arch.  für  Gslerr.  Gesch.)  stimmt  überein. 

*  Abt  Andreas  Hasenberger  von  Ossiach,  28.  April  1528—1553. 
(Wallner,  1.  c,  S7;  Annales  Ozziac)  Das  Necrologium  von  Nonnberg 
stimmt  übeirein;  das  von  Ebemdorf  hat  den  12.  ApriL 

^  Abt    Hartwig    von    St  Paul,    1240—1248.    Das   Necrologium    von 

St.  Lambrecht  gedenkt  seiner  an  demselben  Tage. 
»  Abt  Heinrich  IL  Moyker  von  St  Lambrecht,  1419—1455.  (Bnnmer, 

L  c,  200. "k   Die  Necrologien  von  St.  Lambredit  und  Admont  haben  den- 


289 

XIV.  KaL  (18.  April). 

Volckmarus  abb.* 
Xn.  Kai.  (20.  April). 

Mainhardus  comes.^  —  Oswaldus  abb.  1521. 
X.  KaL  (22.  April). 

Hainricus  abb.' 
VnL  Kai.  (24.  April). 

Albertus,  dux  Karinthie.^ 
VL  Kai.  (26.  April). 

Jacobus,  abb.  huius  loci.^ 

IV.  KaL  (28.  AprU). 

Fridericus,  comes  de  Ortenburg,  a.  1418.^ 

selben  Tag;  das  7on  Seckau  (cod.  390,  1.  c.)  hat  denselben  Tag  und  das 
Todesjahr  1455. 

*  Das  Necrologiom  von  St.  Lambrecht  nennt  ihn  am  19.  April  sec.  XIV: 
^Folchmaras,  abb.  de  Milstat*;  allein  ein  Abt  von  Milstat  dieses  Namens 
ist  nrknndlich  nicht  bekannt  and  auch  im  Abtverzeichniss  bei  Marian 
nicht  enthalten.  Wohl  aber  hat  Ossiach  einen  Abt  Volkmar,  welcher 
1342—1353  regierte.    (Wallner,  1,  c.,  79;  Annal.  Ozziac.) 

'  Dieser  Graf  Meinhard,  sowie  der  am  12.  Mai  vorkommende  kOnnen  blos 
Grafen  von  GKSrz  oder  Ortenbarg  sein.  Ich  halte  dieselben  für  Orten- 
burger,  da  diese  Dynastie  im  Necrologe  vorkommt.  Es  sind  daher  Graf 
Meinhard  I.  urkundlich  1289—1332  und  dessen  Sohn  Graf  Meinhard  II. 
von  Ortenburg  urkundlich  1329 — 1337  wahrscheinlich  gemeint.  (Dr.Tangl, 
1.  c,  n.  Abth.,  126,  148;  Huschberg,  Gesch.  des  Gesammthauses  Orten- 
burg; Dr.  Göth*s  Ürk.-Eeg.,  1.  c,  V— VII.) 

^  AbtHeinrichI.vonGleink,1348— 1873.  (Pritz,Gesch.vonGleink,177.) 
Das  Necrologium  von  St.  Lambrecht  erwähnt  seiner  an  demselben  Tage. 

*  Albert,  Sohn  des  Herzogs  Meinhard  von  Kärnten,  starb  am 
24.  April  1292.  Das  Chronicon  von  Stams  (Pez,  1.  c,  II,  457)  sagt:  ,Anno 
M.  CC.  XCn.  in  die  s.  Georgii  martiris  obiit  Albertus,  illustris  dux  Ca- 
rinthie,  filius  fund&toris  nostri.*  Siehe  auch  Rubels,  1.  c,  737;  Fröhlich, 
Archontologia  Carinth.,  genealogische  Tafel  VI. 

^Abt  Jacob  Rösler  von  Ossiach,  1523—1528.  (Wallner,  1.  c,  87; 
Annal.  Ozziac.)  Er  wurde  am  25.  November  1523  erwählt.  (Orig.-Perg. 
im  Arch.  des  Rämtn.  Gesch.-yereines.)  Nach  Mezger  starb  er  1527; 
Allein  der  Prior  Christof  und  der  Convent  erklären  am  26.  April  1528, 
dass  Abt  Jacob  an  diesem  Tage  gestorben  sei  und  am  28.  April  nach 
dem  Begräbnisse  desselben  der  neue  Abt  gewählt  werde.  (Orig.-Pap.  im 
Arch.  des  Kämtn.  Gesch.  -  Vereines.)  Das  Necrologium  von  Seckau 
(cod.  390,  1.  c.)  hat  ebenfalls  den  26.  April,  das  von  St.  Pmten  den 
6.  Mai  und  das  von  Ebemdorf  den  27.  Mai. 

*  Oraf  Friedrich  HI.  von  Ortenburg,  der  Letzte  seines  Mannsstammes. 
Mit  ihm  starb  seine  Dynastie  aus  und  seine  Besitzungen  gingen  in  Folge 


290 

n.  Kai.  (30.  April). 

Wemherus,  abb.  pie  memorie  istius  loci.^ 

Malus. 

IV.  Kon.  Hau.  (4.  Mai). 

Engelbertus  abb.^  —  Scbwikerus  comes.  —  Erasmos 
miles  de  Stemberg.'^ 
III.  Kon.  (5.  Mai). 

Ulricus  abb.^ 
n.  Kon.  (6.  Mai). 

Symon,  abb.  buius  loci.*  —  Hartmannas  abb. 


der  Heirat  seiner  Schwester  Adelheid  mit  dem  Grafen  Ulrich  von  Cilli 
und  des  1377  zwischen  diesen  beiden  Häusern  geschlossenen  Erbvertrages 
an  die  Grafen  von  Cilli  über.  Nach  Haschberg  soll  Graf  Friedrich 
1420  oder  1421  gestorben  sein,  was  durch  die  hier  beistehende  Jahres- 
zahl 1418  corrigirt  wird. 

1  Wallner  fahrt  drei  Aebte  dieses  Namens  auf:  Werner  L  1283—1289, 
Werner  II.  1297—1300  und  Werner  XU.  1307—1315.  Die  ersten  zwei 
sind  urkundlich  nicht  nachweisbar,  da  1279  ein  Abt  Conrad,  1281 — 1294 
Abt  Berthold,  1295—1299  Abt  Dietmar  erscheinen.  £^  kann  also  hier 
nur  .der  1307—1315  regierende  Abt  Werner  von  Ossiach  gemeint 
sein.  Das  Necrologium  von  St  Lambrecht  erwähnt  seiner  am  26.  Mai, 
sec.  XIV. 

^  Die  Necrologien  von  St.  Peter  und  Admont  bei  Pez  haben  zn  diesem 
Tage:  ,Engilbero  abb.  de  Oberburg*  (in  Untersteiermark),  welcher  um 
1173  regierte.  (Oroien,  Das  Bisthum  Lavant,  H,  11.)  Das  Necrologium 
von  Milstat  hat  aber  an  demselben  Tage  ebenfalls  »Engelbertus  abb.  et 
mon.  nostre  congr.*  mit  der  Schrift  des  XU.  Jahrhunderts.  Er  kann  also 
auch  ein  Abt  von  Milstat  gewesen  sein,  obwohl  dieser  wegen  Mangel 
an  Urkunden  nicht  nachgewiesen  werden  kann. 

3  Sternberg  bei  Velden  am  WOrther-See  war  früher  eine  reichsunmittel- 
bare  Grafschaft.  Die  Grafen  waren  aber  mit  der  Zeit  so  verarmt,  dass 
sie  ein  Gut  nach  dem  andern,  zuletzt  Gräfin  Katharina  von  Stemberg 
und  ihre  Söhne  Ulrich  und  Walther  1311  sogar  die  Burg  Stemberg  an 
König  Heinrich  von  Böhmen,  Herzog  von  Kärnten,  verkauften  und  als 
Lehen  wieder  erhielten.  Der  letzte  Graf  Walther  von  Stemberg  ver- 
kaufte dann  1329  die  Veste  und  Herrschaft  Sternberg  an  den  Grafen 
Otto  V.  von  Ortenburg.  (Tangl,  1.  c,  II.  Abth.,  160.)  Ritter  Eraamus 
von  Sternberg  gehörte  einem  BIlnisterial-Geschlechte  an. 

*  Das  Necrologium  von  St.  Lambrecht  hat  an  diesem  Tage  sec  Xn  einen 
jVlricus,  abb.  Mosniz',  das  von  St.  Peter  einen  Abt  Ulrich  ohne 
Ortsangabe.  Es  ist  ,Ulrich  abb.  Mosacensis',  Moggio,  welcher  1164 — 
1169  urkundlich  vorkommt    (Arch.  des  Kärtn.  Gesch.-Yereines.) 

^  Abt  Simon  von  Ossiach  1354  nach  den  Annales  Ozsiao.  Wallner 
(1.  c,  79)  erklärt,  ihn  nicht  einreihen  zu  können.   Nach  MaigerfCiri»  Aht 


^ 


291 

Vn.  Id.  (9.  Mai). 

Otakenis  dux.'  —  Amestus  abb. 
VL  Id.  (10.  Mai). 

Bronno  abb.^  —  Benedictus  arcbiepisc.  Tiberiadensis, 
prelatus  huius  monasterii  1458  VI°  ascensionis  domini.'  — 
Casparus  Reiner,  abb.  et  professus  huius  loci,  cum  laudabiliter 
viginti  quatuor  annis  pro  et  prefuisset  1621.  Nota,  ita  quidem 
ibi  annuß  adnotatur,  sed  erroneum  esse,  necesse  est.  Hansiz.* 
V.  Id.  (11.  Mai). 

Johannes,  abb.  s.  Lamperti  1518.^  —  Hiltprandus  abb. 

Simon  ü.  1352,  was  nicht  möglich  ist,  da  Abt  Yolkmar  1342—1353, 
Abt  Simon  blos  1354,  dann  von  1357  an  Abt  Engelbert  in  den  Annalen 
▼on  Ossiach  vorkommt.  Urkundlich  erscheint  Simon  am  31.  Mai  1353 
nnter  Abt  Yolkmar  als  Prior,  während  sein  Nachfolger  Abt  Engelbert 
erst  am  11.  März  1360  vorkommt.  (Eichhom's  Urk.-Sammlung  im  Arch. 
zu  St.  Paul,  Msc.)  Abt  Simon  regierte  also  1353  —  circa  1356.  Das 
Necrolog^om  von  St.  Lambrecht  erwähnt  seiner  an  diesem  Tage  sec.  XIY. 

*  Ottokar  VI.  (Vin.),  Markgraf  von  Steier,  1164—1180,  Herzog  1180— 
1192,  der  erste  and  letzte  Herzog  von  Steiermark  aas  dem  Geschlechte  der 
Tnangaaer.  Die  Necrologien  vonAdmont,  St.  Lambrecht,  Renn  haben  den 
8.  Mai,  die  von  Seckaa  (Diplomat,  sac.  Styr.  and  cod.  390, 1.  c.)  den  9.  Mai. 

*  Abt  Bruno  von  St.  Paul,  1115—1138.  Die  Necrologien  von  St.  Peter, 
St  Lambrecht,  Milstat,  Domstift  Salzburg,  Admont,  Melk  (Pez,  1.  c,  I,  306) 
stimmen  überein;  das  von  St.  Paul  hat  den  14.  Mai.  Er  erscheint  auch 
im  Verbrüderungsbuche  von  Seckau  (Cod.  511  in  der  k.  k.  Hof  bibliothek 
in  Wien)  unter  den  als  im  Mai  verstorben  Angeführten. 

'  Benedict,  Erzbischof  von  Tiberias,  Abt  von  Ossiach,  1454 — 
1457,  in  welchem  Jahre  er  auf  die  Abtwürde  resignirt  (Wallner,  1.  c,  84 ; 
Amial.  Ozziac.)  Nach  Mezger  starb  er  1458.  Das  Necrologium  von  Ebern- 
dorf erwähnt  seiner  ebenfalls  am  10.  Mai;  die  von  St.  Paul  und  St.  Lam- 
brecht haben  auch  diesen  Tag,  aber  mit  der  Bezeichnung  ,professus  Ossiac*. 

'  Abt  Caspar  Rainer  von  Ossiach,  15.  September  1595  —  2.  November 
1616,  an  welchem  Tage  er  resignirte.  (Wallner,  1.  c,  90;  Annales 
Ozziac;  Consistor.-Registratur  Gurk.)  Er  war  zur  Zeit  der  Wahl  Prior. 
Die  Resignation  erfolgte  nach  urkundlichen  Daten  im  Consistor.-Arch. 
Gurk  und  dem  des  Stiftes  St.  Paul  im  November  1616.  Er  starb  am 
30.  April  1621.  Am  28.  April  1621  erliess  das  erzbischaf  liehe  Consisto- 
riom  an  Caspar  Rainer,  Senior,  ein  Schreiben  in  Bezug  auf  die  Confir- 
mation  des  Abtes  Johann  Geisser.  Am  3.  Mai  1621  antwortet  der  Propst 
Ton  VSlkermarkt,  Johann  Franz  Gentilottus,  dem  Abte  Johann  Geiser 
von  Ossiach  auf  die  an  ihn  gelangte  Nachricht,  dass  Caspar  Rainer,  der 
alte  Herr  Prälat,  gestorben  sei;  daher  der  30.  April  1621  als  Todeszeit 
richtig  ist. 

*  Abt  Johann  Sachs  von  St.  Lambrecht,  1478—1518  (Branner,  l.  c, 
mfy  Das  Necrologium  von  St.  Lambrecht  stimmt  überein;  das  Necro- 
,UXUI.  II.  H&lfte.  20 


292 

IV.  Id.  (12.  Mai). 

Mainhardus  comes.^ 

m.  Id.  (13.  Mai). 

Daniel  Krachenwerger,  abb.  huius  loci  1496.' 

XVn.  Kai.  Jnnii  (16.  Mai). 

Peregrinus  pab*iarcha.-^ 

XIV.  Kai.  (19.  Mai). 

Hainricus,  abb.  istius  loci.^ 

XI.  Kai.  (22.  Mai). 

Udalschalcus  episc.^  —  Hainricus  abb.^ 

X.  Kai.  (23.  Mai). 

Percbtoldus  patriarcha.' 

logium  von  Seckau  hat  den  12.  Mai  mit  folgender  Collectiv-Eintragüng: 
,yen.  pater  dns  Johannes,  abb.  in  s.  Lamperto,  Christophorus  E^hastaer, 
Johannes  Ferner,  Panlns  Wochner,  Johannes  Lienfelder,  Marquardns 
MOtniczer,  Bemhardns  Hürbling,  Johannes  Marter,  Pangracius  Pirgkel, 
Maurus  Khogler,  Wolfgangas  Schmidleytter,  Thomas  Hornberger,  Bem- 
hardus  Strennel,  Michael  Flantzscher,  Christannus  Stier,  Andreas  Yieregk, 
Johannes  Adam,  Petrus  Erman,  Sebastianns  Hainfelder,  mon.  et  pbri 
anno  1521/ 

1  Siehe  20.  April. 

2  Abt  Daniel  Krachenberger  von  Ossiach,  31.  December  1484— 
1496.  (Wallner,  1.  c,  85;  Annales  Ozziac,  Arch.  des  K&rtn.  Gesch.- 
Vereines.) 

3  Patriarch  Peregrin  II.  von  Aqnileia,  1195  —  f  15.  Mai  1204. 
Rabeis,  1.  c,  639;  CzOmig,  1.  c,  276;  Neagart,  Hist.  monast.  s.  Pauli, 
I,  74.)  Das  Necrologium  von  St.  Lambrecht  hat  ebenfalls  den  16,  das 
von  Ebemdorf  den  7.  Mai. 

*  Abt  Heinrich  von  Ossiach,  1315—1319.  (Wallner,  1.  c,  78;  Anna- 
les  Ozziac.)  Er  erscheint  am  7.  Jänner  1316  schon  als  Abt  (Eichhorn, 
1.  c,  ex  orig.  Oasiac.)  Das  Necrologium  von  St.  Lambrecht  erwähnt 
seiner  am  26.  Mai. 

^  Bischof  Udalschalk  von  Gurk,  1217— resignirt  vor  December  1220. 
(SchroU,  Series  episc.  Gare,  1.  c,  15  und  Anhang  1.)  Er  starb  am  25.  Mai 
1231.  Die  Necrologien  von  St.  Lambrecht,  St.  Peter,  Domstift  Salabur^ 
haben  den  22.  Mai,  das  von  Nonnberg  den  23.  Mai,  ein  Fragment  eines 
Catal.  episc.  Gare.  (Msc.-Perg.  Nr.  205  im  Arch.  des  Kärtn.  Gesch .-Vereines) 
den  25.  Mai  (in  die  s.  Urbani)  1231. 

6  Abt  Heinrich  L  von  Arnoldstein,  1383  — f  22.  Mai  1386.  (Marian, 
1.  c,  370.) 

^  Patriarch  Berthold  von  Aquileiü,  1218—1251.  (Bubeis,  1.  c,  677; 
Czörnig,  1.  c,  289.)    Das  Necrologium  von  Aquileia  stimmt  überein. 


293 

ülricus  abb.*  —  Sebastianus  Paltram,  prepositus  et  archi- 
diaconus  in  Garscb.^ 

Ym.  KaL  (25.  Mai). 
Ubicuß  abb.^ 

Vn.  KaL  (26.  Mai). 

Fridericus  abb.  istius  loci.^ 

VL  Kai.  (27.  Mai). 

Wolfgangus  Nagell,  abb.  Burensis,  1551.^ 

V.  Ktl.  (28.  Mai). 
Azzo  abb. 

Vf.  Ktl.  (29.  Mai). 

Willenburgis  abbatissa. 

Junius. 

Kalend.  (1.  Jani). 

Poppo  comes.® 


«  Abt  Ulrich  von  St.  Lambrecht,  1123?  — 23.  Mai  1148.  (Pangerl  in 
Betrage  Eor  Kande  Steiermark.  Oesch .-Quellen,  U,  136.)  Die  Necrolo- 
gien  Ton  St  Peter,  St.  Lambrecht,  Renn  und  Admont  haben  denselben 
Tag.  Im  Verbrüderungsbuche  von  Seckau  (cod.  511  1.  c.)  wird  er  eben- 
Calls  unter  den  im  Mai  Verstorbenen  angeführt. 

'  Propst  Sebastian  Paltram  von  Gars,  1516 — resignirt  1533.  (Monum. 
boic.  I,  10.) 

3  Abt  Ulrich  von  Mallersdorf,  1248—1258.  (Hundins,  Metrop.  Salisb. 
n,  321.)  Das  Necrologium  von  Oberaltaich  (Dr.  Wiedemann  im  26.  Bande 
des  Arcb.  fOr  Kunde  Osterr.  Gesch.-Quellen)  hat  zu  diesem  Tage  ,Ulri- 
cQs  abbas  de  Malsarstorf.* 

*  Wahrscheinlich  Abt  Friedrich  II.  von  Ossiach,  welcher  1277  ur- 
kundlich erscheint  (Mittheil,  des  Steiermark.  Gesch.-Vereines,  V,  216; 
Dr.  Tangl,  Die  Grafen  von  Ortenburg,  II,  40,  1.  c.)  Im  Verzeichnisse  der 
Aebte  bei  Wallner  ist  er  nicht  enthalten. 

*  Abt  Wolfgang  Nagel  von  Michael-Beuern,  1518  —  1531;  er  re- 
signirte  in  letzterem  Jahre  und  starb  am  26.  Mai  1551.  (Filz,  Geschichte 
Yon  Michael-Beuern,  405.)  Das  Necrologium  von  St.  Paul  erwähnt 
seiner  am  6.  Juni. 

*  Aach  das  Necrologium  von  St.  Lambrecht  hat  zu  diesem  Tage  einen 
»Poppo  comes*.  Wahrscheinlich  ist  es  Graf  Poppo  von  Heunburg, 
welcher  1123—1135  urkundlich  vorkommt.  (Dr.  Tangl,  Die  Grafen  von 
Heunburg  im  19.  Bande  des  Arch.  fUr  Kunde  Osterr.  Gesch.-Quellen.) 

20* 


294 

IL  Non.  (4.  Juni). 

Perchtoldus  abb.  huius  loci.*  —  Otto  abbas.^ 

Non.  (5.  Juni). 

Marquardus  abb.^ 

Vni.  Id.  (6.  Juni). 

Chunradus  abb.^ 
IV.  Id.  (10.  Juni). 

Fridericus  imperator.'^  —  Gotschalcus  abb. 

m.  Id.  (11.  Juni). 

Erbardus  abb.**  —  Cbristophorus  abb.  Milstat.' 

n.  Id.  (12.  Juni). 

Rudgerus  abb.  huius  loci.^ 

Id.  (13.  Juni). 

Johannes,  prepositus  in  Voraw.^ 

)  Abt  Berthold  m.  von  Ossiach,  1251  — f  4.  Juni  1263.  (WaUner, 
1.  0.,  69;  Annales  Omiiac.)  Nach  Wallner  soll  sein  Vorgänger  Abt 
Hermann  I.  1251  abgesetat  worden  sein,  was  aber  nnrichtig  ist,  indem 
Abt  Berthold  schon  am  6.  November  1249  als  Abt  dem  Grauen  Hennann 
Ton  Ortenburg  ein  Lohen  verlieh.  (Arch.  für  vaterL  Gesch.  Kärntens, 
IX,  90;  Tangl,  Die  Grafen  von  Ortenbnrg,  1.  c.) 

>  Abt  Otto  II.  von  St,  Peter,  1375—1414.  (Noviss.  chron.  s.  Petri, 
337.^    Die  Series  abbatom  s.  Petri  hat  dm  5.  Juni  als  Todestag. 

»  Vielleiciit  Abt  Mar quard  von  Gleink,  1155  — nm  1190.  (Pritx,Lc^  161.) 
Das  Necrologium  von  Admont  hat  anm  13.  Juni  einen  Abt  Marqnard. 

*  Abt  Conrad  von  Kremsmünster,  1360 — 1363.  (Pachmajr,  Series 
abb.  Cwmifan.,  II,  191.^ 

^  Kaiser  Friedrich  I.  starb  1190.  Die  Necrologien  von  Admont,  St,  Lam- 
brecht,  Nonuberg,  St.  Peter,  Klein-Mariasell,  Klostemenborg,  Seckan 
vcod.  390,  L  c.^  haben  denselben  Tag,  das  von  Melk  den  9.  JnnL 

^  Abt  Erhard  von  Garsten,  1352  —  1365.  ^Pritz,  Gesch.  von  Garsten 
nm)  OKnnk«  3t;  Friess,  Gesch.  von  Garsten  in  Studien  etc.,  U.  Jahrg., 
aU  Abt  Eberhard. "^  Das  Kecrologiom  von  St.  Lamhrecht  erwähnt  sein^ 
an  d«m»elbi^n  Tag«. 

^  Abi  CKri$t<«f  I  ririci  von  Milstat,  141S— 144&  (Marian,  I.  cl,  V; 
Arch    d«9  Kärata.  Gescftu« Vereines.^ 

*  Abt  R«dger  von  Ossiach,  12Ttv— 1272.  ^Waltnar.  L  t,  71;  Annales 
i>uiac''    Dias  Ni><f\^K>^«ai  v^si  Sc  Laaibreckt  kat  deaaelbeti  Tag. 

*  Pr^i^^it  Johan»  IIL  v«»«  V%^ratt.  1518^  Er  wuah  xwet  Monate  nach 
»MiM>c  Wahl  v^<^»«^  Hist.>ttff<^.  LexifcM  vwi  Stäensark,  IT,  277; 
RnmiMir,  0:«riMn^Wtck,  <ji»  ^    ]>m  X>M>tsfie»  twi  Adw»t  uid  Beim 


295 

XVm.  Kai.  Julü  (14.  Juni). 

Jacobus  abb.^  —  Katharina  Steinerin^,  Veronica  Earls- 
pergerin^,  Dorothea  Embergerin  in  monasterio  virginum 
professarum.^ 

XVn.  Kai.  (15.  Juni). 

Depositio  Gebhardi  archiepisc.  eccl.  Admont."^  —  Gun- 
therus  episc.^  —  Fridericus  dux.' 

XVL  KaL  (16.  Juni). 
Erasmus  abb. 

XV.  Kai.  (17.  Juni). 

MauruB  abb.  Burensis.®  —  Diemud,  mon.  nostre  congr. 

X.  Kai.  (22.  Juni). 

Eberhardus,  archiepisc.^  —  Weriandus  abb.*** 


^  Abt    Jacob    Hohenfelder    von    Mondsee,    1406 — 1415.     (Schmid, 

Beiträge  zur  Gesch.  von  Mondsee  in  Stadien  etc.,  in.  Jahrg.,  4.  Heft, 

290.)    Die  Necrologien   von  Admont,   Nonnberg,   Kremsmünster  haben 

denselben  Tag. 
'  Aus  dem  Ministerialengeschlechte   der  Grafen  von  Ortenbarg,  genannt 

von  Stein  oder  de  Petra.    Schloss  Stein  lag  zwischen  Oberdranbarg 

and  Greifenbarg. 
'  Aus  dem  edlen  kämtnerischen  Geschlechte  der  Herren  von  KarUberg. 

(Weiss,  Kärntens  Adel,  83.)    Schloss  Karlsberg   lag   in   der   Gemeinde 

Hörzendorf,  Bezirk  St.  Veit. 

*  Zu  Ossiach  bestand  anch  ein  Fraaenkloster,  welches  1484  endete.  Wallner 
sagt:  ,Sab  eias  (nempe  abbatis  Leonardi)  gubernatione  periit  totam  coe- 
nobiimi  miserrimo  et  calamitosissimo  incendio  ipsa  die  s.  Leonardi 
anno  1484.     Post  hanc  incinerationem  desiit  conventos  sororum.' 

*  Erzbischof  Gebhard  von  Salzbarg,  1060-1088,  Stifter  von  Admont 
und  daselbst  begraben.  (Wichner,  Gesch.  von  Admont,  I.)  Die  Necro- 
logien von  Admont,  St.  Peter,  St.  Lambrecht,  Melk  and  Nonnberg  stimmen 
Qberein. 

'Günther  von  Krapfeld,  der  erste  Bischof  von  Gurk,  1072-1090. 
(ScbroU,  Series  episc.  Gare,  1.  c.)  Die  Necrologien  von  Admont,  St.  Peter, 
Domstift  Salzbarg  haben  denselben  Tag. 

^Herzog  Friedrich  H.  von  Oesterreich,  1230  —  1246.  (Meiller, 
Babenb.  Reg.)  Die  Necrologien  von  Admont,  St.  Peter,  Klein-Mariazell, 
Klostemeabarg,  Lilienfeld,  Nonnberg,  Seckaa  stimmen  überein. 

^  Abt  Maaras  von  Michael-Beaern,  1531 — 1533  Administrator,  dann 
1533—1541  Abt.     Er  starb  am  18.  Jani.    (Filz,  1.  c,  416.) 

*Erzbischof  Eberhard  L  von  Salzbarg,  1147—1164.  (Meiller,  Salz- 
burg. Reg.)  Seiner  gedenken  die  meisten  österreichischen  Todtenbücher. 

»^  Abt  Weriand  von  St.  Paal,  1311—1314.  (Neagart,  1.  c,  H;  Schroll, 
1-  c.)    Die  Necrologien  St.  Paul  and  St.  Lambrecht  haben  den  24.  Juni. 


296 

IX.  Kai.  (23.  Juni). 

Ortolfuß  abb.^ 

VIL  Kai.  (25.  Juni). 

Godefridus  abb.^  —  Georgias  abb.  in  Arnoldstain.^ 

in.  Äal.  (29.  Juni). 

Hemma    cometissa,    fundatrix    eccl.    Gurckensis.*    — 
Petrus  abb.  in  Arnoldstain  1578.* 

Julius. 

V.  Id.  Julü  (11.  JuU). 

Bemhardus  archidiaconus.^  —  Martinus  abb.' 

m.  Id.  (13.  Juli). 

Petrus  abb.®  —  Wolfgangus  abb.  Salzburg. 

n.  Id.  (14.  Juli). 

DeuzO;  abb.  huius  loci.^ 


1  Abt  Ortolf  von  St.  Lambrecht,  1330—1341.  (Branner,  1.  c,  200.) 
Die  Necrologien  von  Admont  und  St.  Lambrecht  stimmen  überein. 

2  Abt  Gottfried  I.  von  Admont,  1138—1165.  (Wichner,  1.  c,  L)  Viele 
Necrologien  erwähnen  seiner  an  diesem  Tage. 

3  Abt  Georg  Matschberger  von  Arnoldstein,  1506—1507.  (Mariaji, 
1.  c,  y,  374.)  Nach  urkundlichen  Notizen  im  Arch.  des  Kärtn,  Gesch.- 
Vereines  hiess  er  ,Magen8berger'. 

*  Gräfin  Hemma  von  Friesach  und  Zeltschach,  Stifterin  von  Gurk, 
starb  am  29.  Juni  1045.  (Ankershofen,  Gesch.  von  Kärnten,  II,  374.) 
Das  Necrologium  von  St.  Peter  hat  den  28.,  das  des  Domstiftes  Salsborg 
im  I.  den  29.,  im  II.  den  28 ;  die  von  Admont,  Seckau  and  Gork  (Cod. 
1119,  alt  39/1  in  der  Grazer  Universitäts-Bibliothek  and  Msc  7243  in 
der  Wiener  k.  k.  Hof  bibliothek)  den  29.  Jani. 

^  Abt  Peter  Römer  von  Arnoldstein,  1552 — 1578.  (Marian,  1.  c, 
V,  375.) 

^  Wahrscheinlich  der  bei  Robeis  (1.  c,  552.  648)  1201  und  1213  voHLom- 
mende  ,Bernardus  archidiac.  YillacensisS 

"^  Abt  Martin  von  Kremsmünster,  1376 — 1399.  (Pachmayr,  1.  c,  U, 
200.)  Die  Necrologien  von  St.  Lambrecht  und  St.  Polten  haben  den- 
selben Tag. 

8  Abt  Peter  von  St.  Lambrecht,  1358—1376.  (Brunner,  1.  c,  200.) 
Die  Necrologien  von  St.  Lambrecht  und  Seckau  erwähnen  seiner  an 
demselben  Tage. 

9  Abt  Deuzo  von  Ossiach,  um  1072—1125.  (Wallner,  1.  c,  61;  Annales 
Ozziac.)  Diese  Reg^erungszeit  ist  unrichtig.  Für  das  Jahr  1072  berufen 
sich  beide  Quellen  auf  den  Patriarchen  Ulrich  L  von  Aquileia;  allein 
dieser  regierte  1085—1121.  (Rubeis,  1.  c,  541;  Czömig,  1.  c,  267.)    Die 


297 

Chunradas  abb.^ 

ZVIL  Kai.  Angosti  (16.  Juli). 

Elisabeth  monialis  nostre  coDgr.  1658  ad  s.  Georgium.^ 

XVL  ZaL  (17.  Juli). 

Hainricus  abb.' 

XIV.  Kai.  (19.  Juli). 

Werenherus  abb.^  —  Wolfgangus  abb.  s.Petri  Salzburg.* 

Xm.  Kai.  (20.  Juli). 

Chunradus  abb. 

XL  KaL  (22.  Juli). 

Philippus,  dux  Eaiinthie.^ 

Vm.  Kai,  (25.  Juli). 

Jobannes  episc.'' 


Datirang  der  Notiz,  Indiction  und  Regierungsjahr  passen  auf  1096 ;  daher 
Abt  Denzo  um  1096  r^erte.  Auch  das  Todesjahr  ist  unrichtig,  da  nach 
Wallner  auf  Deuzo  Abt  Friedrich  Niger  und  dann  Abt  Hezelln  folgen 
und  letzterer  Abt  schon  1124  urkundlich  vorkommt.  (Ankershofen,  Urk.- 
Reg.,  Nr.  176,  211;  Muchar,  Gesch.  der  Steiermark,  lY,  352.) 

*  Abt  Conrad  von  Admont,  1231—1242.  (Wichner,  1.  c,  II.)  Seiner 
gedenken  die  Necrolog^en  von  Admont,  St.  Lambrecht  und  Salzburg. 

'  Im  Benedictinerinnenstifte  St.  Georgen  am  Längsee. 
'  Das  Necrologium  von  St.  Lambrecht  hat  an  diesem  Tage  sec.  XIY.  auch 
einen  Abt  Heinrich  ohne  Ortsangabe. 

*  Abt  Wernher  von  St.  Paul,  1138—1159.  (Neugart,  1.  c,  II,  8;  Schroll, 
1.  c.)  Seiner  gedenken  die  Necrologien  von  St.  Paul,  St.  Peter,  St.  Lam- 
brecht, Milstat,  Klostemeuburg,  Nonnberg,  Domstift  Salzburg  an  diesem 
Tage. 

5  Abt  Wolfgang  von  St.  Peter,  1602—1618.  (Noviss.  chron.  s.  Petri, 
437.)    Er  erneuerte  mit  Ossiach  die  ConfOderation. 

*  Philipp,  Sohn  des  Herzogs  Bernhard  von  Kärnten,  1247—1266 
ohne  kirchliche  Weihen  erwählter  Erzbischof  von  Salzburg,  1269  zum 
Patriarchen  von  Aquileia  erwählt,  machte  1269  nach  dem  Tode  seines 
Bniders,  Herzog  Ulrich  IH.  von  Kärnten,  gegen  KOnig  Ottokar  von 
Böhmen  Anspruch  auf  Kärnten,  wurde  im  Februar  1275  von  dem  römischen 
Könige  Rudolf  I.  mit  Kärnten  belehnt,  ohne  aber  zum  wirklichen  Besitze 
SU  gelangen,  verzichtete  zu  Gunsten  des  Grafen  Meinbard  von  Tirol  auf 
das  Herzogthum  und  starb  1279  zu  Krems.  (Schroll,  Das  Herzogthum 
Kärnten,  1269—1336  in  Carinthia  1874;  Tangl,  Gesch.  von  Kärnten.) 

Johann  L  von  Enstal,  Bischof  von  Gurk,  1279—1281.  Er  starb 
zu  Toscien  am  22.  Juli  nach  einem  Fragmente  eines  Katalogs  von  Gurk 


298 

VEL  Kai.  (26.  Juli). 

Alkerus  abb.^ 

VL  Kai.  (27.  Juli). 

Hellich  abbatissa.^ 

IV.  Kai.  (29.  Juli). 

Lupoldus  dux.' 

m.  KaL  (30.  JuH). 

Otto  episc*  —  Nicolaus  abb. 

n.  KaL  (31.  JuK). 

Augustinus  abb. 

Augustus. 

Kalend.  (1.  August). 

fjmestus  abb.^ 

in.  Kon.  (3.  August). 

Werenherus  abb.*"' 


als  Gesandter  des  KOnigs  Rudolf.  ^Schroll,  Series  epiac  Gare.,  1.  c.) 
Die  Necrologien  von  Admont,  St.  Peter,  Domstifl  Salzburg  haben  eben- 
falls den  25.  Juli. 

>  Abt  Alker  Ton  Milstat,  circa  1201  ->  nach  1218.  (Urk.  im  Arch.  de:« 
Kämtn.  Gesch.- Vereines.)  Die- Necrologien  ron  Milstat  und  St.  Lambrecbt 
erwähnen  seiner  an  demselben  Tage. 

'  Aebtissin  Helwig  Ton  St.  Georgen  am  Langsee.  Sie  kommt  1321 
nrkundlich  vor.  (^Vidimirtes  Copialbnch  im  Arch.  des  Kärtn.  Gesch.- 
Vereines.) 

3  Hersog  Leopold  VL  ron  Oesterreich,  1195—1230.  (Keiller, 
Babenb.  Reg.)  Seiner  gedenken  viele  Todtenbucher  am  28.  Jnli;  andere, 
wie  die  von  Admont  bei  Pex  nnd  Seckan  (cod.  390,  1.  c)  den  29,  Melk 
und  Schottenstifi  am  27.  Jnli. 

«  Bischof  Otto  ^electns)  von  Gnrk,  1214.  ^SchioU,  Series  episc. 
Gore.,  1.  c.)  Die  Necrologien  von  St.  Peter,  Klostemenborg,  Domstift 
Salsbnrg  haben  denselben  Tag«  das  von  St.  Lambrecht  den  29.,  das  von 
Gnrk  vMsc.  «243,  1.  c.)  den  19.  JoU. 

»  Abt  Ernest  Ottsdorfer  von  Kremsmünster,  1349—1360.  (Pach- 
mayr,  1.  c.)  Das  Necrologinm  von  Kremsm&iister  erwlhnl  seiner  sm 
31.  Juli. 

*  Abt  We ruber  von  St.  Lambrecbt,  1163  — circa  1130.  (Pangerl,  in 
B4*itrage  anr  Kunde  steiem.  Gesch. -A^eUea,  U,  124;  Bnmner,  1.  e^  198.) 
Die  Necrologien  von  Admont,  St.  Peter,  St.  Lambrecht,  Klein- Maiiaxell 
haben  denselben  Tag;  die  von  Nonnberg  nnd  Doaastift  Salabnrg  den 
2.  August. 


299 

n.  ITon.  (4.  August). 

Fridericus,  dux  de  Techk,  a.  1406.^ 
Hon.  (5.  August). 

Andreas,  abb.  buius  loci  a.  1437.^ 
VI.  Id.  (8.  August). 

Peregrinus  patriarcba.^  —  Gotscbalcus  abb.'* 
V.  Id.  (9.  August). 

Wolframus '^,  Geroldus,  Ulricus®  abbates. 
IV.  Id.  (10.  August). 

Geroldus  abb.' 
XIX.  Kai.  Septembris  (14.  August). 

Ulricus  abb.^ 
XVL  Kai.  (17.  August). 

Hermannus  abb.**^  —  Hainricus,  comes  de  Ortenburg.*" 


*  Herzog  Friedrichs  von  Teck  Tochter  Margaretha  war  die  Gemahlin 
des  Grafen  Friedrich  IQ.  von  Ortenburg.  (Haschberg,  1.  c.)  Dieser  Um- 
stand erklärt  sein  Erscheinen  in  diesem  Todtenbuche. 

2  Abt  Andreas  I.  von  Ossiach,  1429—1437.  (Wallner,  l.  c,  83; 
Annales  Ozziac.) 

'  Patriarch  Peregrin  I.  von  Aqnileia,  1131—1161,  ein  Sohn  des 
Herzogs  Ulrich  I.  von  Kärnten  ans  dem  Hanse  Sponheim.  (Rnbeis,  1.  c, 
564;  Nengart,  Hist.  monast.  s.  PauU,  I,  74;  Czörnig,  1.  c,  271.)  Die 
Necrologien  von  Aqnileia,  Bbemdorf,  Milstat  haben  denselben  Tag. 

*  Abt  Gbttschalk  von  St.  Lambrecht,  1258—1279.  (Branner,  1.  c, 
198.)  Er  resignirte  am  31.  Jnli  1279  and  starb  am  8.  Angaat  1280. 
Die  Necrologien  von  Admont  und  St.  Lambrecht  erwähnen  seiner  an 
demselben  Tage. 

*  Abt  Wolfram  von  St.  Lambrecht,  1148  —  1150.  (Pangerl,  1.  c; 
Branner,  1.  c,  197.)    Das  Necrologinm  von  St.  Lambrecht  stimmt  überein. 

*  Abt  Ulrich  I.  von  St.  Panl,  1192—1222.  (Neugart,  1.  c,  H,  19; 
Schroll,  1.  c.)  Das  Necrolog^um  von  St.  Paul  erwähnt  seiner  am  11.  Augast. 

''  Nach  dem  Necrologium  von  St.  Lambrecht  war  Gerold  Abt  von  Ro- 
sazzo  in  Friaal,  sec.  XHI. 

^  Abt  Ulrich  IV.  Ecklinger  von  St,  Paul,  1414—1432.  (Neugart, 
1.  c,  H,  83;  Schroll,  1.  c.)  Das  Necrologium  von  St.  Paul  gedenkt  seiner 
am  11.  Augast. 

'  Hermann  H.  von  Schwamberg,  Abt  von  St.  Paul,  1391—1399. 
Er  wurde  im  Auftrage  des  Erzbischofs  Gregor  von  Salzburg  abgesetzt 
und  starb  am  17!  August  1401  zu  St.  Lorenzen  in  der  Wüste  in  Steier- 
mark, einer  Besitzung  des  Stiftes  St.  Paul.  (Neugart,  1.  c,  U,  79;  Schroll, 
1.  c.)  Die  Necrologien  von  Ebemdorf  und  Seckau  (cod.  390,  1.  c.)  haben 
denselben  Tag. 

^^  Graf  Heinrich  HI.  von  Ortenburg  starb  nach  1270.  (Tangl,  1.  c,  H,  28.) 


300 

XV.  Kai.  (18.  August). 

Otto  comes  et  prepositus.^ 

XIV.  Kai.  (19.  August). 

Fridericus  imperator  a.  1493.' 

XI.  Kai.  (22.  August). 

Nicolaus  abb.  —  Otto  miles;  fundator  capelle  adhereotis 
monasterio.  —  Albertus  prepositus  monast.  in  Gries.' 

VII.  Kai.  (26.  August), 

OttakeruS;  rex  Bohemie^  occisus  a  Rudolfo,  rege  romano 
1278.* 

V.  Kai.  (28.  August), 

Ottakerus  abb. 

IV.  Kai.  (29.  August). 

Hiltwardus^  abb.  huius  loci.^ 

m.  Kai.  (30.  August). 

Generosus  Mauricius  Dietricbstainer;  officialis  buius  loci, 
die  lune  etc  septimo  etc  (sic!).^ 


1  Graf  Otto  IV.  von  Ortenburg  erscheint  schon  1248  als  Domherr  von 
Bamberg,  1266  als  Propst  von  St.  Jacob  in  Bamberg.  (Dr.  Tangl,  1.  c, 
n,  6;  Ankershofen,  Urk.-Beg.,  Nr.  1239.) 

3  Kaiser  Friedrich  III.,  1440—1493.  Das  Necrologiom  von  Klein- 
Mariazeil  und  das  Chronicon  von  Stams  in  Tirol  (Pez,  Script,  rer.  anstr., 
II,  457)  haben  ebenfalls  den  19.,  das  Necrologinm  von  Nonnbeig  den  20., 
die  des  Schottenstiftes  und  von  Lilienfeld  den  18.  Angost. 

3  Propst  des  ehemaligen  Ang^stiner-Chorherrenstiftes  Qries  bei  Boxen. 

*  Die  Necrologien  von  Lilienfeld  (Zeissberg,  in  Fontes  rer.  aostr.,  II.  Abth., 
41.  Bd.),  Seckan  (Diplomat,  sac.  Styr.,  II,  und  cod.  390,  1.  c),  Klein- 
Mariazell,  Klostemeuburg,  Minoriten  in  Wien  (Pez,  1.  c,,  II,  471)  haben 
denselben  Tag,  das  von  Admont  bei  Pez  den  22.  Angnst. 

s  Abt  Hiltward  von  Ossiach,  bis  1187.  (Wallner,  I.e.,  66;  Arch.  fUr 
Vaterland.  Gesch.  Kärntens,  X,  265.)  Er  soll  23  Jahre  regiert  haben, 
was  unmöglich  ist,  da  vor  1169  —  nach  1177  Abt  Berthold  I.,  dann  Abt 
Udelhard  und  endlich  Abt  Hiltward  regierten.  Nach  Mezger  (Bist 
Salisb.,  pag.  1171)  starb  Abt  Udelhard  1187  und  sein  Nachfolger 
Abt  Hiltward  1210.  Er  kannte  daher  die  Aebte  Berthold  II.,  1187  — 
nach  1192,  Ebbo  oder  Albero  L,  vor  1197—1206,  Gottfried  1206—1207 
nicht,  sondern  erst  Abt  Conrad  I.,  1207  —  nach  1220,  welchen  er  1231 
sterben  lässt. 

^  Moriz  von  Dietrichstein  erscheint  urkundlich  1497  aU  Richter  su 
Ossiach  (Arch.  des  K&rntn.  Gesch.-Vereines)  und  starb  1607. 


299 

E  Von.  (4.  August). 

Fridericus,  dux  de  Techk,  a.  1406.^ 
Hon.  (5.  August). 

Andreas,  abb.  buius  loci  a.  1437.* 
VL  Id.  (8.  August). 

Peregrinus  patriarcha.^  —  Gotschalcus  abb.* 
V.  Id.  (9.  August). 

WolframuB  "^j  Geroldus,  Ulricus®  abbates. 
IV.  Id.  (10.  August). 

Geroldus  abb.' 
XIX.  KaL  Septembris  (14.  August). 

Ukicus  abb.^ 
XTL  KäL  (17.  August). 

Hermannus  abb.^  —  Hainricus,  comes  de  Ortenburg.*" 


'  Hersog  Friedrichs  von  Teck  Tochter  Margaretha  war  die  Gemahlin 
des  Grafen  Friedrich  IIL  von  Ortenburg.  (Huschberg,  1.  c.)  Dieser  Um- 
stand erkl&rt  sein  Erscheinen  in  diesem  Todtenbache. 

2  Abt  Andreas  I.  von  Ossiach,  1429—1437.  (Wallner,  1.  c,  83; 
Annales  Ozziac.) 

'  Patriarch  Peregrin  I.  von  Aqnileia,  1131 — 1161,  ein  Sohn  des 
Herzogs  Ulrich  I.  von  Kärnten  aus  dem  Hause  Sponheim.  (Bubeis,  1.  c, 
564;  Neugart,  Hist.  monast.  s.  Pauli,  I,  74;  CzOmig,  1.  c,  271.)  Die 
Kecrologien  von  Aquileia,  Ebemdorf,  Bülstat  haben  denselben  Tag. 

^  Abt  Qbttschalk  von  St  Lambrecht,  1258—1279.  (Brunner,  1.  c, 
198.)  Er  resignirte  am  31.  Juli  1279  und  starb  am  8.  August  1280. 
Die  Necrologien  von  Admont  und  St.  Lambrecht  erwähnen  seiner  an 
demselben  Tage. 

*Abt  Wolfram  von  St.  Lambrecht,  1148  —  1150.  (Pangerl,  1.  c; 
Bnumer,  1.  c,  197.)    Das  Necrologium  von  St.  Lambrecht  stimmt  überein. 

'Abt  Ulrich  L  von  St.  Paul,  1192—1222.  (Neugart,  1.  c,  II,  19; 
SchroU,].  c.)  Das  Necrologium  von  St.  Paul  erwähnt  seiner  am  11.  August. 

^  Nach  dem  Necrologium  von  St.  Lambrecht  war  Gerold  Abt  von  Ro- 
saizo  in  Friaul,  sec.  XIII. 

^Abt  Ulrich  IV.  Ecklinger  von  St.  Paul,  1414—1432.  (Neugart, 
1.  c,  n,  83;  SchroU,  1.  c.)  Das  Necrologium  von  St.  Paul  gedenkt  seiner 
im  11.  AuguBt 

^  Hermann  n.  von  Schwamberg,  Abt  von  St.  Paul,  1391—1399. 
Er  wurde  im  Auftrage  des  Erzbischofs  Qregor  von  Salzburg  abgesetzt 
und  starb  am  17.  August  1401  zu  St.  Lorenzen  in  der  Wüste  in  Steier- 
mark, einer  Besitzung  des  Stiftes  St.  Paul.  (Neugart,  1.  c,  n,  79 ;  SchroU, 
1.  c.)  Die  Necrologien  von  Ebemdorf  und  Seckau  (cod.  390,  L  c.)  haben 
denselben  Tag. 

"*  Graf  Heinrieh  m.  von  Ortenburg  starb  nach  1270.  (Tangl,  1.  c,  II,  28.) 


302 

VI.  Id.  (8.  September). 

Albertus  comes  et  episc.  Trident.* 

V.  Id.  (9.  September). 

Ludwicus,  Jobaones^,  Fridericus^  abbates.   —    Hiero- 
nymus  abb.  s.  Lamperti.^ 

n.  Id.  (12.  September), 

Vitus  Pisßinger,  abb.  8.  Paiüi.^ 

XVm.  Kai.  Octobris  (14.  September). 

Ulricus  episc.  ^  —  Chonradus  Weixelpaumb,  abb.  Sco- 
torum  Vienne.' 

XVII.  Kai.  (15.  September). 

Victor,  abb.  Altahe  inferioris.^ 

Xm.  Kai.  (19.  September). 
Cbristianus  abb. 


1  Graf  Albert  U.  von  Orteuburg,  Bischof  von  Trient,  1363—1390. 
(Marian,  1.  c,  II,  33.)  Garns  (Series  episc.)  hat  den  9.  September  als 
Todestag. 

2  Abt  Johann  IV.  von  Göttweig,  1444.  (Brunner,  1.  c,  134.)  Das 
Necrologium  von  St.  Polten  stimmt  überein. 

3  Vielleicht  Friedrich  II.  von  Weidenberg,  Abt  von  St  Emmeran 
in  Regensburg,  1386  — f  10.  September  1395.  (Die  Aebte  von  St.  Emme- 
ran von  Braunmüller  in  Studien  etc.,  1883,  Jahrg.  IV/3,  1 18.) 

*  Abt  Hieronymus  von  St.  Lambrecht  in  Seon,  1521-1529.  IX.KaL 
Septembris.  (Hundius,  1.  c,  III,  242.)  Ist  wahrscheinlich  ,Kal.*  mit 
Unrecht  beigesetzt;  es  soll  wohl  ,IX.  die  Septembris*  heissen. 

5  Abt  Veit  Pissinger  von  Öt.  Paul,  1530—1631.  (Neugart,  1.  c,  II; 
Schroll,  1.  c.)  Das  Necrologium  von  Seckau  (cod.  890,  1.  c.)  hat  den- 
selben Tag. 

6  Graf  Ulrich  I.  von  Ortenburg,  Bischof  von  Gurk,  1221  — Ende  De- 
cember  1253.  (Schroll,  Series  episc.  Gurc,  1.  c,  16  und  Anhang  43; 
Dr.  Tangl,  Die  Grafen  von  Ortenburg,  I.  Abth.,  288,  1.  c.)  Hansiz  (Germ, 
sac.  n,  348),  Hundius  (1.  c,  10),  Marian  (1.  c,  V,  211),  Mooger  (Ver- 
zeichniss  der  deutschen  Bischöfe,  43),  Gams  (1.  c,  268)  haben  ebenfalls 
den  14.  September  als  Todestag.  Allein  er  erscheint  am  16.  December 
1263  noch  urkundlich  (Orig.-Perg.  Domcapitel  Gurk),  während  sein 
Nachfolger  Bischof  Dietrich  II.  am  16.  Mai  1254  in  einem  päpstlichen 
Breve  schon  als  ,electu8*  erscheint.  (Diplom,  sac.  Styr.,  I,  214;  Ankers- 
hofen,  Urk.-Reg.,  Nr.  1200.) 

7  Abt  Conrad  Weixelbaum  zu  den  Schotten  in  Wien,  1528—1541. 
(Brunner,  1.  c,  395.)    Das  Necrologium  von  St.  Polten  hat  denselben  Tag. 

8  Abt  Victor  von  Nieder-Altaich,  1534—1535.  (Monum.  boic,  XI,  11) 


301 

Septembris. 

nL  Von.  Septembris  (3.  September). 

Leutoldus  abb.*  —  Johannes  abb.^ 

n.  Hon.  (4.  September). 

Marquardos  abb.^  —  Lucas  abb.  Gottwic.^  —  Thomas 
abb.*  —  Johannes  Ezzlinger,  abb.  s.  Faulig  1483.* 

Vm.  Id.  (6.  September). 

Engelschalcus  ^,  Gbegorius  abbates. 
Vn.  Id.  (7.  September). 

Hainricas  episc.®  —  Johannes,  abb.  huius  loci.^ 

*  Laitold  von  Tovernich,  Abt  von  Admont,  1165 — 1171.  (Wichner, 
1.  e^  L)  Seiner  gedenken  die  Todtenbücher  von  Admont,  St  Lambrecht 
nnd  Salzburg. 

^  Abt  Johann  I.  von  Admont,  1199—1202.  (Wichner,  1.  c,  II.)  Die 
Necrologien  von  Admont,  Milstat,  St  Peter,  Domstift  Salzburg  stimmen 
überein. 

'  Abt  Marquard  Ton  Arnoldstein.  Er  gehOrt  dem  XII.  sec.  an,  ist 
aber  urkundlich  nicht  bekannt  In  der  Abtreihe  bei  Marian  (1.  c,  V, 
361)  fehlt  er  ebenfalls.  Die  Necrologien  von  St.  Lambrecht  und  Nonn- 
berg haben  denselben  Tag,  das  von  Admont  bei  Pez  den  3.  September. 

'Abt  Lucas  Stockstall  von  Qöttweig,  1482  —  1439.  (Brunner, 
1.  c,  133.)  Nach  dem  Necrologium  Ton  Klein- Mariazeil  starb  er  am 
22.  September. 

'  Das  Necrologium  ron  Admont  bei  Pez  hat  zu  diesem  Tage  ,Thoma8, 
abb.  de  cella  prineipum*.  Abt  Thomas  von  Fürstenzell  in  Baiern, 
1427—1438.     (Monum.  boic,  V.) 

*  Abt  Johann  Esslinger  von  St  Paul,  1456  —  1483.  (Neugart,  1.  c, 
n*,  Schroll,  1.  c.)  Das  Necrologium  von  St.  Paul  erwähnt  seiner  am  2., 
das  von  Seckau  (cod.  390)  am  4.  September. 

^  Abt  Engelschalk  von  Arnoldstein,  circa  1192.  (Meiller,  Salzb. 
Reg.,  Nr.  74,  pag.  156;  Ankershofen,  Urk.-Beg.,  Nr.  555.)  Er  fehlt  in 
der  Abtreihe  bei  Marian  (1.  c,  V,  361).  Das  Necrologium  von  Milstat 
bat  denselben  Tag. 

^Bischof  Heinrich  n.  von  Gurk,  1214-1217.  (Schroll,  Series  episc. 
Ourc,  1.  c.)  Das  Necrologium  der  St.  Morizcapelle  im  Schlosse  Strass- 
burg,  der  ehemaligen  Residenz  der  Fürstbischöfe  von  Gurk  (Orig.-Msc. 
im  Arch.  Bisthum  Gurk)  hat  denselben  Tag;  die  Necrologien  von 
Bt  Peter  und  Domstift  Salzburg  haben  den  8.  September. 

*  Abt  Johann  von  Ossiach,  1373—1390.  (Wallner,  1.  c,  81;  Annales 
Ozziac.)  Er  kann  erst  1391  gestorben  sein,  da  er  am  18.  November 
1390  noch  urkundlich  erscheint  (Orig.-Perg.  im  Arch.  zu  St  Paul.)  Die 
Necrologien  von  Milstat  und  Ebemdorf  haben  den  7.  November,  das 
▼on  Admont  bei  Pez  den  7.  September. 


304 

Dyttricus,  Nicolaus  abbates.^ 

n.  Kai.  (30.  September). 

Gebwolfus  abb.  —  Leonardus  Zorn,  abb.  buius  loci  1485.* 

Octobris. 

Kalend.  Octobris  (1.  October). 

Berenhardus  abb.^ 
VI.  Kon.  (2.  October). 

Chunradus  abb.  —  Leo  Dietricbstainer,  armiger. 

V.  Non.  (3.  October). 

Chuno  prepositus.*  —  Philippus,  rex  Castelle^  Maxi- 
miliani  regis  filius.^ 

IV.  Kon.  (4.  October). 

Hermannus  dux.^ 

n.  Kon.  (6.  October). 

Wemberus  epist.*^  —  Otto  miles  de  Himelperg  1345.^ 
Johannes  comes  a  Pappenbeim  in  prelio  apud  Luzam%  nbi 
et  Bernardus  abbas  Fuldensis,  singularis  zelator  et  promotor 
noßtri  ordinis  et  reformator  eximius  sui  ducalis  monasterii. 


1  Abt  Nicolans  von  Oberbarg  in  Untersteiermark,  1365  —  nach  1405. 
Oroien,  1.  c,  U,  138.)  Das  Necrologium  von  St.  Lambrecht  gedenkt 
seiner  an  demselben  Tage. 

3  Abt  Leonard  Zorn  von  Ossiach,  1473 — 1485.  (Wallner,  1.  c,  85.) 
Er  resignirte  am  30.  November  1484  und  starb  1485.  (Annales  OzEiac) 
Die  Resignation  ist  richtig,  da  Erzbischof  Johann  von  Qran,  Admini- 
strator von  Salzburg,  dieselbe  am  18.  December  1484  genehmigte.  (Arch. 
des  Kärtn.  Gesch.-Vereines.) 

3  Abt  Bernhard  von  Lambach,  1148 — 1167.  Die  Necrologien  von 
Admont,  St.  Peter  und  St.  Lambrecht  haben  denselben  Tag. 

*  Propst  Chuno  von  Salzburg,  1234 — 1242.  Das  Necrologiom  von 
St.  Peter  stimmt  überein,  das  von  Nonnberg  hat  den  4.  October. 

^  König  Philipp  von  Castilien,  Sohn  des  Kaisers  Maximilian  L, 
starb  1506. 

^  Herzog  Hermann  von  Kärnten,  1161—1181.  (Neugart,  1.  c,  I; 
Schroll,  1.  c.)  Das  Necrologium  von  St.  Peter  hat  denselben  Tag,  das 
von  Seckau  (cod.  390,  1.  c.)  den  5.  October. 

^  Wahrscheinlich  ein  Schreibfehler  fttr  ,Wichardus*.  Erzbischof  Wi- 
chard von  Salzburg,  1312—1315.  Das  Necrologium  des  Domstifiee 
Salzburg  hat  ebenfalls  den  6.,  das  von  Nonnberg  den  7.  October. 

^  Aus  der  edlen  kärtnerischen  Familie  der  Herren  von  Himmelberg. 

^  Die  Schlacht  bei  Lützen,  in  welcher  Graf  Pappenheim  fiel,  fand  am 
16.  November  1632  statt. 


305 

Ion.  (7.  October). 

Georgias,  abb.  s.  Lamperti.* 

Vn.  Id.  (9.  October). 

Gottfridus  patriarcha.2  —  Chunradus  abb. 

IV.  Id.  (12.  October). 

Hainricus  dux.» 

m.  Id.  (13.  October). 

Schwigkerus,  abb.  huius  loci.^  —  Albero,  abb.  istius  loci.^ 

n.  Id.  (14.  October). 

Chunradus  episc*  —  Hainricus  abb.' 

Id.  (15.  October). 

Johannes  abb.^ 


^  Abt  Georg  Ton  St.  Lambrecht  in  Seon,   1529 — 1533,  septima  die 

Octobria.    (Hnndins,  1.  c,  m,  242.) 
'  Patriarch  Gottfried  Ton  Aqaileia,  1182—1194.    (Rabeis,  1.  c,  627; 

CzOmig,  1.  c,  276.)    Das  Neorologium  Ton  Admont  hat  denselben  Tag. 
'Herzog  Heinrich  V.  Ton  Kärnten,  1144—1161.  (SchroU,  Die  Spon- 

heimer,  L  c;    Neugart,    1.  c,   I,  65.)     Die  Necrolog^en  Ton   Admont, 

St  Peter,  St.  Lambrecht,  Milstat,  Seckan,  Domstift  Salzburg  erwähnen 

seiner  an  demselben  Tage. 

*  Abt  Swiker  Ton  Ossiach,  1272—1274.  Wallner  (1.  c,  71)  lässt  ihn 
erst  1278  sterben;  allein  sein  Nachfolger  Abt  Hermann  erscheint  schon 
1275  orkondlich.     (Eichhorn,  1.  c,  ex  orig.  Feldkirchen.) 

'Abt  Albero  I.  von  Ossiach,  vor  1197 — 1206.  Wallner  kennt  diesen 
Abt  nicht  Fez  (1.  c,  II,  Chronicon  Admont,  195)  hat  ad  a.  1206:  ,A1- 
bero  abb.  Ozziac.  obiit;  pro  quo  dominns  Gotfridus  ex  Admant.  mona- 
sterio  eligitor.'  Bei  Pertz  (Monnm.  Germ.  Script,  XI,  49,  gesta  archi- 
episc  Salzb.)  heisst  es  ad  a.  1206:  4^em  dominus  Gotfridus,  frater  noster 
(Admnnt)  Alberone  Ozziacensi  abbate  defuncto  pro  eo  inibi  substituitur, 
Item  anno  incam.  domini  1207  düs  Wolframus,  Admunt.  abbas  paralisi 
dissolutus  eure  pastorali  cessit  et  ei  dfls  Gotfridus,  abbas  Ozziacensis, 
snbrogatur.*  Das  Necrologium  von  St.  Lambrecht  hat  fdr  Abt  Albero 
den  12.  October  als  Todestag. 

*  Conrad  von  Boteneck,  Bischof  von  Brixen,  1200 — tl4.  September 
1217.  (Mooger,  1.  c.)  Die  Necrologien  von  St.  Lambrecht,  St  Peter, 
Domstift  Salzburg  haben  ebenfalls  den  14.  October.  Er  war  vorher 
Propst  von  Neustift  bei  Brixen  bis  1197,  wurde  in  diesem  Jahre  zum 
Propste  Ton  Gurk  postullrt  und  bestieg  1200  den  bischöflichen  Stuhl 
▼on  Brixen. 

^  Abt  Heinrich  L  von  St  Paul,  1323—1356.  Das  Necrologium  von 
St  Paul  erwähnt  seiner  am  13.  October. 

*  Abt  Johann  IV.  Hofmann  von  Admont,  1581  —  f  14.  October  1614. 
(Wicbner,  1.  c,  IV,  215.) 


306 

XII.  Kai.  Kovembris  (21.  October). 

Udalricus  prepositus  monast.  Brixinensis.^ 

XI.  Kai.  (22.  October). 

Wolfgangus,  abb.  in  Gleunk.^ 

X.  Kai.  (23.  October). 

Ozzius  comes,  fundator  huius  eccl.  Ossiac.^  —  Wilhel- 
mu8,  abb.  in  Ensdorf.* 

Vm.  Kai.  (25.  October).. 
Erhardus  abbas. 

Vn.  Kai.  (26.  October). 
Fridericus  abb.^ 

VI.  Kai.  (27.  October). 

Maurus  Rasdorffer,  abbas  Aspach.  1657/» 

IV.  Kai.  (29.  October). 
Willielmus  abb.' 

Novembris. 

Kalend.  (1.  November). 

Wolfgangus    Dingel,    prepositus    ad    s.    Andreara    ad 
Trayssam.^  —  Hainricus,  abb.  in  Seittensteten.^ 


*  Wahrscheinlich  Propst  Ulrich  I.  von  Nenstift  bei  Brixen,  1210 — 
1220.  E2r  war  Chorherr  von  Gurk  und  wurde  nach  Nenstift  als  Propst 
postulirt.     (Bmnner,  Chorherrenbuch,  417.) 

»  Abt  Wolfgang  I.  von  Gleink,  1436—  f  20.  November  1466.  (Prita, 

Gesch.  von  Garsten  und  Gleink,  180.) 
'  Graf  Ossins,  der  Stifter  von  Ossiach,  lebte  um  1000.     (Ankershofen, 

Gesch.  von  Kärnten,  n,  884.) 
«  Abt    Wilhelm    Rorstetter    von   Ensdorf,    1397  —  1413   deponitur. 

(Monum.  boic,  XXIV.) 

*  Abt  Friedrich  von  Garsten,  1261—1281.  (Priess,  Gesch.  von  Garsten, 
1.  c;  Prit»,  1.  c,  28.)  Die  Necrologien  von  Admont,  Tegernsee  (Oefele, 
Rer.  boic.  Script.  I),  Traunkirchen  (Msc.  in  der  k.  k.  Hofbibliotfaek  zu 
Wien),  Kremsmünster  (Msc.  in  der  Bibliothek  zu  KremsmOnster)  gedenken 
seiner  am  28.  October. 

«  Abt  Maurus  Rasdorfer  von  Aspach,  1687—1667.   (Monum.  boic  V.) 

■^  Wilhelm  von  Reissberg,  Abt  von  Admont,  1384 — 1391.  (Wichner, 

1.  c,  m,  89.)  Das  Necrologium  von  Admont  erwähnt  seiner  am  31.  October. 

*  Das  Necrologium  von  Seckau  (cod.  890,  1.  c.)  hat  den  4.  October. 

*  Abt  Heinrich  Sues  von  Seitenstetten,  1521 — 1582.  (Bmnner, 
1.  c,  439;  Biarian,  1.  c,  YIII,  265.)  Das  Necrologium  des  Schottenstiftes 
hat  denselben  Tag. 


BOT 

IV.  Ifon.   PirminiuB  episc.  et  confessor.  (2.  November). 

Kon.  (5.  November). 

Ludwicus,  abb.  in  Ensdorf. '  —  Wilhelmus  Schweizer, 
abb.  huius  loci  meritissimus  et  pater  perenni  memoria  eele- 
brandos  etc.  professus  Wibligensis  postulatus;  obiit  1628.*-' 

Vm.  Id.  (6.  November). 

Emmeranus  abb.  Burensis  1566.^  —  Balthasar,  prepo- 
situs  Griffensis,  1651.^ 

Vn.  Id.  (7.  November). 

Urbanus  episc.  Gurc.  a.  1573.'' 

UL  Id.  (11.  November). 

Antonius,  abb.  Scotorum  Vienne.*' 

n.  Id.  (12.  November). 

Paulas,  abb.  in  Ensdorf.'  —  Item  Hainricus  abb. 

XVni.  Kai.  Decembris  (14.  November). 
Dedicatio  huius  ecclesie. 

'  Abt  Liiflwip  von  Ensdorf,  1425  -1441,  resignirt.  (Monum.  boic.,XXIV.) 

2  Abt  Wilhelm  Schweizer  von  Ossiach,  Profess  von  Wiblingen,  dann 
Prior  von  St.  Lambrecht  und  cor  Zeit  der  Postulation  cum  Abte  von 
Ossiacb,  am  26.  April  1622,  Prior  zu  8t.  Paul.  Er  starb  am  5.  November 
1628.  (Wallner,  1.  c,  92;  Annales  Ozsiae.,  Oonsist.-Registrattir  Qurk.) 
Das  Necrolog^nm  von  Nonnberg  hat  den  6.  November. 

^  Abt  Emmeran  Mayrhofer  von  Michael-Beuern,  Administrator 
1541—1548,  Abt  1648  —  6.  November  1666.  (Filz,  1.  c,  428.)  Das  Ne- 
erologinm  von  8t  Paal  hat  den  1.3.  November. 

*  Balthasar  Regulus  (Königl),  Propst  des  Prämonstratenser- 
stiftes  Grifen  in  Unterkämten  1633—1651.  (Schroll,  Gesch.  von 
Grifen  im  16.  Jahrg.  des  Arch.  für  vaterländ.  Geschichte  Kärntens.)  Er 
atarb  am  3.  November  zwischen  2  und  3  Uhr  Morgens  im  51.  Lebens- 
jahre.    Das  Necrologium  von  St.  Paul  erwähnt  seiner  am  2.  November. 

'-'  Urban  Sagstetter,  genannt  der  Oesterreicher,  Fürstbischof  von 
Gurk,  1556—1673.  (Schroll,  Series  episc.. Gurc,  1.  c.)  Das  Necrolo- 
gium von  St.  Lambrecht,  Marian  (1.  c,  V,  537),  Hohenauer  (Kirchen- 
geschichte von  Kärnten,  91)  setzen  seinen  Tod  auf  den  13.  October.  Er 
starb  in  der  ehemaligen  bischöflichen  Residenz  zu  Strassburg  und  wurde 
im  C&ore  der  Collegiatkirche  daselbst  begraben. 

^  Anton  Spindler  von  Hofegg,  Prior  von  Melk,  seit  1615  Abt  zu  Garsten, 

1642—1648   Abt  zu  den   Schotten   in  Wien  (Pritz,   1.  c,  61;  Friess, 

1.  c,  m.  Jahrg.,  II.  Bd.,  6;  Brunner,  1.  c,  403.)     Die  Necrologien  von 

St.  Lambrecht  und  Nonnberg  gedenken  seiner  an  demselben  Tage. 

^  Abt  Paulus  Keiner  von  Ensdorf.  1441—1445.  (Monum.  boic,  XXIV.) 

Arekir.  Bd.  LXXIIl.  U.  H&lfte.  21 


308 


XVn.  KaL  n^  \r 

^  (lO.  Aovember). 

Jacobiw  abba«. 
XV.  KaL  (17.  November). 

Erasmufi  Tötrer    «ki 
Rexit  «nnoa  15..        '''"'"'"«'-•  H.  Nove.brfs  ,5. 
Xm.  Zai.  (19.  November). 

Hainricus  abba«. 
Xn.  Xal.  (20.  November). 

Otto  prepositus. 
XL  ZaI.  (21.  November). 

Burchardus  abbas  ~~  Pui- 
1662.^  •       Ph.hpp„«,  ,bb.  Be„edietopm.„. 

X.  ZaI.  (22.  November).  ' 

Hainricus  abbas.  ">  —.  w  w 

Johannes,  abb.  Scotorum  Vienn.       • 
suffraganeus  Viennensis,  1641.«  '  ^P'««"  G^«"»anicen«., 

'  Abt  Erasmu»T«trer  von  O..-      .. 

wurde  «m  20.  Mai  U96  erwähl     Jor'  !*'f-'«'«-  (W.IIdt  ,  e    «5 ,  k- 
'  Abt  Philipp  von  Benedict  pi^^-^'"''  •"*«  "^S«»-  0«eh  -vll^  "^^ 

>  wa^heiniich  Abt  Heiri:;"r:;rM:;r'  <M„r:.  .:rm 

23.  November  1194  sUrb    n- v        .     ^"    ***'Jer8dorf     »«i.u 

Abt  i^olfgrangf  Qaispacher  von  "    .  ''■««*<»T>J>-' 

lOr^A^h.  d«  KJrt».  0«»ch.-Ve„i«e^    vJi  7'"*'  "'»  «»^'t, 

«^•w  Nachfolge«,  de,  «„   25.  Nov..b«r  irMÜ!.  *"  ^•«''*»e™te 

Abt  A«,r«»ti,   Pittrifh  >•  de.Tr.^^     ""^^^ 

•^•*r  a»  2K  N>x^b^.  **  **«x*.p«  v«  Xowb.^  ?«ie«kt 

•  >KNb«»»   X     Vr»|»«rrt«rer     Ak> 


309 

VI.  KaL  (26.  November). 

Andreas  prepositns.    -  Eua  Maria  Rotingerin,  abbatissa 
in  monte  monialium  Salzpurgi,  1641.' 

V.  Kai.  (27.  November). 

Nicolaus,  abb.  in  Pewni.^  —  Paulus,  abb.  ad  8.  Paulum 
1660.3 

HL  Kftl.  (29.  November). 

Alexius,  abbas  huius  monast.,  professus  Ochsenhusanus 
postulatus.    Obiit  1620.^ 

Decembris. 

Kalend.  (1.  December). 

Tiboldus,  abb.  in  Pewni.*^  —  Petrus  Qröblaeher,  abbas 
huius  loci  1588.« 


^  Eva  Maria,  Aebtissin  von  St.  Erentrud  in  Salzburg.     Das  Necro> 

logium  von  Nonnberg  stimmt  ilberein. 
'Abt  Nicolans  I.   von   Michael-Benern,  1392  —  3.  December  1406. 

(Filz,  1.  c,  3ö2.) 

*  Abt  Paul  Memminger  von  St.  Panl,  1638  —  1660.  (SchroU,  1.  c; 
Neagart,  1.  c,  II.)     Das  Kecrologinm  von   St.  Paul  hat  denselben  Tag. 

*  Abt  Alexins  Gerer  von  Ossiacb,  28.  Februar  1617  — f  9.  Mai  1621. 
(Wallner,  1.  c,  91;  Annales  Ozziac.)  Er  war  Profess  von  Oehsenhausen, 
dann  Prior  zu  St.  Paul.  Als  solcher  wurde  er  vom  Erzbischofe  von 
Salzburg  am  2.  Jftnner  1617  zum  Abte  von  Ossiach  ernannt,  da  der 
Convent  ffir  dieses  Mal  ihm  die  Wahl  übertrug,  und  am  23.  Februar 
benedicirt.  Die  Todesangabe  ist  unrichtig,  indem  nach  einem  Original- 
schreiben Prior  Jacob  und  der  Convent  am  2.  December  1620  dem  Erz- 
biflchofe  Paris  anzeigen,  dass  Abt  Alexius  am  nächstvergangenen  Montage 
den  letzten  November,  Abends  zwischen  7  und  8  Uhr,  gestorben  sei. 
Er  wurde  am  6.  December  begraben  und  am  17.  Februar  1621  sein 
Nachfolger  Johann  Geisser  postulirt.  (Consistor.- Registratur  Gurk,  Arch. 
des  KXrtn.  Gesch.-Vereines.)  Das  Necrologium  von  Nonnperg  hat  den 
30.  November. 

*AbtTibold  von  Michael-Beuern,  1406  —  f  16.  Juni  1418.  (Filz, 
1.  c,  366.) 

*  Abt  Petrus  GrOblacher  von  Ossiach,  1656  —  1.  December  1687. 
(Wallner,  1.  c,  89;  Annales  Ozsiac.)  Er  resignirte  am  10.  December 
15S6  gezwungen  auf  die  Prftlatur  und  hatte  seinen  am  10.  März  1587 
tum  Abte  erwählten  Bruder  Zacharias  GrOblacher  zum  Nachfolger.  (Orig.- 
Pap.  in  der  Consistor.- Registratur  Gurk.)  Abt  Peter  starb  am  1.  De- 
<?ember  1688. 

21* 


310 

IV.  Kon.  (2.  December). 

Georgias  abbas.   —    Barth olomeus,  abb.  Oxenhusanus, 
CoDstancie  in  exilio  1632. 

III.  Kon.  (3.  December). 

Heinrieuß,  abb.  in  Pewm.' 
VI.  Id.  (8.  December). 

UdalricuB  Pfintzing,  quondam  abbas  ad  s.  Paulum.^ 

V,  Id.  (9.  December). 

Udakicus,  abb.  in  Pewrn.^ 

n.  Id.  (12.  December). 

Pancratiusy  abb.  in  Metten,  1496.* 
XVI.  Kai.  Jannarii  (17.  December). 

Petrus,  prepositns  Gryffensis  1632.'' 
XI.  Kai.  (22.  December). 

Daniel,  abb.  Arnoldstainensis.^ 
V.  Kai.  (28.  December). 

Johannes  abb.  huius  loci,   postulatus   ex   s.  Lamberto, 
1621.' 


1  Abt  Heinrich  IV.  von  Michael-Beuern,  1365  — f  28.  August  1391 
(Filz,  1.  c,  847.) 

2  Abt  Ulrich  IV.  Pfinzing  von  St.  Paul,  1516—1530.  Er  resignirte 
1530,  starb  aber  noch  in  demselben  Jahre  am  30.  December  zu  Hainbnrg 
und  wurde  zu  Volkermarkt  begraben.  (Neugart,  1.  c,  II;  Schroll,  1.  c) 
Das  Necrologium  von  St  Paul  erwähnt  seiner  am  13  Juli. 

»  Abt  Ulrich  m.  Slipfinger  von  Michael-Beuern,  U73— fU.De- 
cember  1474.    (Filz,  1.  c,  390.) 

*  Abt  Pancraz  von  Metten,  1478  — f  1493  oder  1495.  (Monum.  boic, 
XI,  350.) 

*  Propst  Petrus  Bawarus  von  Grifen,  1617—1632.  (Schroll,  1.  c,  100.) 
^  Abt  Daniel  Heuslein  von  Arnoldstein,  Administratpr  1629 — 1632, 

Abt  1632—1635.  (Marfan,  1.  c,  V,  278.) 
^  Abt  Johann  Gaisser  von  Ossiach,  1621— 1 10.  April  1622.  (WaUner, 
1.  c,  92;  Annales  Ozziac.)  Abt  Johann  wurde  am  17.  Februar  1621 
aus  St.  Lambrecht  postnlirt  und  starb  am  30.  December  1621;  denn  am 
3.  Jänner  1622  bestätigt  der  Propst  und  Archidiakon  Johann  Frtni 
Gentilottus  von  Volkermarkt  dem  Prior  von  Ossiach,  dass  er  die  Anzeige 
von  dem  Tode  ihres  Abtes  Johann  erhalten  habe.  (Orig.  im  Areh.  des 
Kärtn.  Gesch.- Vereines.)  Die  Necrologien  von  St.  Lambrecht  und  St  Ptal 
haben  den  30.  December  1621,  das  von  Nonnberg  den  31.  December  als 
Todeszeit. 


Index. 


Abbatis:  Alkerus,  26.  VII;  Araestus,  9.  V,  1.  VIII;  AuguBtinafl,  81.  VU; 
Axzo,  28.  V;  Beraardus,  2.  II,  1.  X;  Bertholdus,  24.  III;  Bruno,  10.  V; 
Barohardas,  21.  XI;    Christannus,  16.  II,   19.  IX;    Chanradiis,  6.  VI, 

14.  20.  Vn,  28.  IX,  2.  9.  X;  Dietricns,  28.  I,  29.  IX;  Eberhardas,  2. 1; 
Eng^bertos,  4.  V;  Engelschalcus,  6.  IX;  Erasmns,  16.  VI;  Erhardus, 
11.  VI,  25.  X;  Fridericos,  2.  I,  9.  IX,  26,  X;  Qebwolfos,  80.  IX;  Geor- 
giüs,  2.  XII;  Geroldus,  9.  10.  VIII;  Godefridus,  26.  VI;  Gotachalcos, 
10.  VI,  8.  Vm;  Gregorius,  6.  IX;  Hainricu«,  1.  26.  II,  80.  III,  17. 22.  IV, 
22.  V,  17.  vn,  14.x,  12.  19.  22.  XI;  HartmaDnus,  6.  V;  Hartwicus, 
17.  rV;  HermannuB,  3.  II,  12.  VIH;  Hilprandu«,  11.  V;  Jacobu»,  14.  VI, 

15.  IX;  Johannes,  19. 1,  14.  H,  3.  9.  IX,  16.  X;  Lentoldus,  2.  IV,  3.  IX; 
Lndwiens,  9.  22.  IX;  Lnpoldus,  26.  II;  Marquardus,  6.  VI,  4.  IX;  Mar- 
tinn»,  21.  in,  11.  VU;  Michael,  27.1;  Nicolaus,  30.  VU,  22.  VIII, 
29.  IX;  Ortolfus,  23,  VI;  Oswaldus,  1621,  20.  IV;  Ottakerus,  28.  VIII; 
Otto,  16.  n,  4.  VI;  Petrus,  13.  VU;  Budolfus,  17.  HI,  23.  IX;  Thomas, 
10.  m,  4.  IX;  Ulricus,  22.  HI,  2.  IV,  6.  23.  26.  V,  9.  14.  VOI;  Volk- 
mams,  18.  IV;  Werenhardus,  19.  VII;  Werenherus,  3.  VlH;  Weriandus, 
22.  VI;  Willielmus,  29.  V;  Wolframus,  9.  VIII.  Vide  etiam  Admont, 
Altaha  inferior,  Amoldstain,  Aspach,  Attel,  ad  s.  Paulum,  Belenga, 
Benedictopuranum,  s.  Peter,  Buranum,  Cremifan,  s.  Emmeran,  Ens- 
dorf,  Fuldensis,  mons  s.  Georgii,  Gleunk,  s.  Lamberti,  Malhartsdorff, 
Metten,  Milstat,  Ossiac,  Raitenhaslach,  Salzburg,  Scotorum  Vienne, 
Seittensteten. 

Abbatissae:  Dymudis,  13.  U;  Hellich,  27.  VH;  OttiliA,  19.  U;  Wüliburgis, 

29.  V.     Vide  etiam  Salzburg. 
Admontensis  abbas:  Hertnidus,  15. 1. 
Alttbe  inferioris  abbas;  Victor,  15.  IX. 

A^ndream  ad  Trayssam:  Wolfgangus  Dingel,  prepositus  ad  s.  — ,   1.  XI. 
Andreas,  prepositus,  26.  XI. 
Aqiileia,  Tide  patriarchae. 

Arehidiaconus:  Bemhardus  — ,  11.  VII;  vide  etiam  Garsch. 
Archiepiscopi  (Salzburgenses):  Adalbertus,  7.  FV;  Chunradus,  9.  IV;  29.  IX; 

Eberhardus,  22.  VI;   Gebhardus,  16.  VI;  Georgius  de  Kuenburg,  1687, 

25. 1;  Wemherus,  6.  X. 
--    Tiberiadensis:  Benedictus,  1458,  10.  V. 


312 

Arnoldstein:  Abbates  de  — ,  Benedictus,  1553,23.1;  Petrus,  1578.  29.  VI*. 

Daniel,  22.  XII;     Duringus,  6.  I;     Georgius,  25.  VI;    Johannes,  7.1; 

Thomas,  27.  III. 
—    Johannes  Snebeiss  de  — ,  1514,  14.  II. 
Aspach,  Manras  Rasdorfer,  abb.  de  — ,  1657,  27.  X. 

Attel:  Abbates  in  — ,  Benedictus,  1569,  23.1;  Chunradus  Auer,  1573,2.11 
Austriae,  Leopoldus,  archidux  —  et  comes  Tirolis,  22.  IX;  Hainricos,  dux 

— ,  13.  I. 
Pappenheim,  Johannes,  comes  de  — ,  6.  X. 

Pataviae,  Sig^mundus,  prepositns  s.  Nicolai  extra  menia  — ,  11.  L 
Patriarchae  (Aquilegienses) :    Berchtoldus,  23.  V;    GotMdus,  9.  X;    Pere- 

grinus,  16.  V,  8.  VIII;  Popo,  28.  IX;  Remundus,  18.  II;  Ulricus,  2.  IV. 
Paulum:  Abbates  ad  f*.  — ,  Johannes  Ezzlinger,  1483,  4.  IX;    Paulos,  1660, 

27.  XI;    Rudolfus,  2.  I;    Udalricus  Phintzing,  8.  XU;    Vitus  Piasinger. 

12.  IX. 
Belenga,  Ortwinus,  abbas  de  — ,"9.  I. 
Benedictopuranns,  Philippus,  abb.  — ,  1662,  12.  XI. 
Bernhardus,  archidiaconns,  11.  VIII. 

Petri:  Abbates  s.  — ,  Chilianus,  13.  II;  Dietmarns,  24.  II;  Wolfgangus,  19.  VII. 
Philippus,  rex  Castelle,  3.  X;    — ,  dux,  22.  VII. 
Bohemie:  Ottakerus,  rex  — ,  1278,  26.  VIII. 
Poppo,  comes,  1.  VI. 
Prepositi:  Andreas,  26.  XI;   Chuno,  3.  X;   Otto,  20,  XI;   — ,  comes  et  pre- 

pos.,  18.  VIII;     Romanus,  24.  IX.     Vide  etiara   s.  Andreae  ad  Trays- 

sam,  Patavie,  Brixinensis,  Garsch,  Griess,  Gryffen,  Voraw. 
Brixinensis:  Udalricus,  propositus  monast.  — ,  21.  X. 
Puechhaimer,  dfis  Wolfgangus — ,  15.1. 
Purenses,  Pewrn,    Abbates:    Emmeranus,  1556,  6.  XI;     Heinricus,  3.  XII; 

Maurus,  17.  VI;  Nicolaus,  27,  XI;  Tipoldus,  1.  XII;  Udalricus,  9.  XII; 

Wolfgangus  Nageil,  1551,  27.  V. 
Charinthiae:  Duces—,  Albertus,  24.  IV;  Bernhardus,  6. 1;  Philippus,  22. VIL 
Comites:    Albertus  — ,  et  episc,  8.  IX;     Otto,   — ,  et  prepositus,  18.  VIII; 

Ozzius,  23.  X;    Pappenheim  Johannes  — ,  6.  X;    Poppo  1.  VI;    Mein- 

hardns,  20.  IV,  12.  V;  Schwikerus,  4.  V;  Tirolis,  Leopoldus,  comes —, 

22.  IX.    Vide  etiam  Ortenburg. 
Cometissa:  Hemma  — ,  29.  VI.    Vide  etiam  Ortenburg. 
Cremifanensis  abbas:  Chunradus,  1.  II. 
Techk,  Fridericus,  dux  de  — ,  1406,  4.  VIU. 
Tiberiadensis,  Benedictus,  archiepisc.  — ,  1458,  10.  V. 
Dietrichs ta in,  Leo  de  — ,  armiger,  2.  X;     Mauritius  — ,  30.  VIII;    Otto, 

miles  de  — ,  14.  III. 
Thomam,  Thechia  inclusa  in  monte  ad  s.  — ,  1805,  24.  IX. 
Tirolis,  Leopoldus,  archidux  Austrie  et  comes  — ,  22.  IX. 
Trayssam,  Wolfgangus  Nageil,  prepos.  ad  ».  Andream  ad  — ,  1.  XI. 
Tridentinus,  Albertus  comes  et  episc.  — ,  8.  IX. 
Duces:  Friedericus,  15.  VI;  Heinricus,  12.  X;   Hermannns,  4.  X;   Lupoldus, 

29.  VII;     Ottakerus,    9.  V;     Philippus,  22.  VII.     Vide  etiam  Austria, 

Carinthia,  Techk. 


313 

Emmertni:  Ambroflius  Mintser,  abbas  s.  — ,  26.  II. 

Ensdorf:  Abbates  de  —,  Lndwicus,  5.  XI;  Paulus,  12.  XI;  Wilhelmus,  23.  X. 

Episeopi:   Chnnradus,  14.  X;  Dietricus,  4.  III.;  Qunthenis,  15.  VI;  Hain- 

ricuB,  7.  IX;   Johanne»,  25.  VII;  Otto,  30.  VII;  Udahchalcus,  22.  V; 

Ulrictu,  14.  IX.  Vide  etiam  Gerxnanicensia,  Qnrc,  Nene  civitatis,  Trident. 
FridericuB,  imperator,  10.  VI;  1498,  19.  VIII;  —  dux,  15.  VI. 
Fnldensis,  Bemardus,  abb.  — ,  6.  X. 
Toraw,  Johannes,  prepositus  de  — ,  13.  VI. 
Gtrsch,  Sebastianus  Paltram,  prepos.  et  archidiac.  in  — ,  23.  V. 
Georgii,  Erasmus,  abbas  montis  s.  — ,  12. 1. 
Qertrndis,  reg^na,  28.  EX. 

Germanicensis,  Johannes,  episc.  — ,  1641,  23.  XI. 
Gleink,  Woligangus,  abbas  in  — ,  22.  X. 
Gottwicensis,  Lucas,  abbas  — ,  4.  X. 
Griess,  Albertus,  prepositus  in  — ,  22.  VIII. 

Grjffenses:  Prepositi  — ,  Bartholomaeus,  1651,  6.  XI;  Petrus,  1682,  17.  XII. 
Garcensis,  Urbanus,  episc.  — ,  1573,  7.  XI. 

—  eccl.  fundatriz:  Hemma  cometissa,  29.  VI. 
Htinricns,  dux,  12.  X. 

Hermann  US,  dux,  4.  X. 

Himelperg,  Otto,  miles  de  — ,  1345,  6.  X. 

Imperator:  Fridericus  — ,  10.  VI;  1493,  19.  VIII. 

Irenburgis,  fündatrix  monast.  Ossiac,  4.  IV. 

Lamperto:   Abbates  de  s.  — ,    Benedictus,    1662,   2.  III;   Qeorgius,  7.  X; 

Hartmannus,  2.  I;   Hieronymus,  9.  IX;  Johannes,  10.  I;   1518,  11.  V; 

Peringerus,  12. 1. 
Lupoldus,  dux,  29.  VII. 
Malhart sdorff,  Andreas,  abbas  de  — ,  6. 1. 
Meinhardus,  comes,  20.  IV;  12.  V. 

Metten:  Abbates  in  — ,  Pancratius,  1496,  12.  XII;  Oswaldns,  1.  II. 
Milst&t:  Christophorus,  abbas  de  — ,  11.  VI. 
Nicolai,  Sigismnndus,  prepos.  s.  — ,  extra  menia  Pat&vie,  U.  I. 
Noue  civitatis:  Gregorius,  episc.  — ,  30.  I. 
Ortenburg:  Comites  de  — ,   Fridericus,  1418,   28.  IV;   Hainricus,   17.  VIII. 

—  Cometissae  de  — ,  Alheidis,  1. 1;  Helena,  6.  II. 

Ossiacenses:  Abbates  — ,  Adamus  SchrOttl,  1595,  3.  IV;  Albero,  29.  HI; 
13.  X;  Alexius,  1620,  29.  XI;  Andreas,  1437,  5.  VIII;  Andreas  Hasen- 
berger,  1555,  13.  IV;  Augustinus,  12. 1;  Benedictus,  1458,  10.  V;  Perch- 
toldus,  4.  VI;  Casparus  Reiner,  1621,  10.  V;  Daniel  Krachenwerger, 
1496,  13.  V;  Deuzo,  14.  VH;  Dietmarus,  8.  IH;  Eberhardus,  14.  HI; 
Erasmus  Tötrer,  1510,  17.  XI;  Fridericus,  26.  V;  Fridericus  Hirsperger, 
1666,  10.  IV;  Hainricus,  19.  V;  Hermannus,  7.  HI;  Hiltwardus,  29.  VUI; 
Jacobus,  26.  IV;  Johannes,  7.  IX;  1621,  28.  XU;  Leonardus  Zorn, 
1485,  30.  IX;  Maurus  Mancher,  1642,  1.  IV;  Nicolaus,  29.  IH;  Petrus 
Gröblacher,  1588,  1.  XU;  Rudgerus,  12.  VI;  Schwigkerus,  13.  X; 
Sigismundus  Frisch,  1556,  10.  U;  Symon,  6.  V;  Udalhardus,  3.  II; 
Ulricus,  1429,  12.  IV;  1407,  26.  IX;  Wernherus,  1300,  80.  IV;  Wilhel- 
mus  Schweiier,  1628,  5.  XI;  Wolfgangus,  1523,  22.  XI. 


314 

Ossiacensis:  Moniales  — ,  Alheidis,  13.  II;  Perchta,  8.  III;  Katiierina 
Steinerin,  14.  VI;  Diemnd,  17.  VI;  Dorothea  firnbergerin ,  14.  VI; 
Elisabeth,  1658,  16.  VII;  Eufemia,  2.  III;  Isala,  2.  DI;  Veroniea  KarU- 
pergerin,  14.  VI. 

—  Fandator  — ,  Ozzias  comes,  23.  X;   Popo,  patriarcha,  28.  IX. 

—  Fundatrix  — ,  Irenburgis,  4.  IV. 

Otakerus,  rex  Bohemiae,  1278,  26.  VHI;  —  dux,  9.  V. 

Otto,  comes  et  prepositus,  18.  VIII;  —  prepositus,  20.  XI;  —  miles,  22.  Vm. 

Oxenhusanus,  Bartholomaeus,  abb*.  — ,  1632,  2.  XII. 

Raitenhaslach:   Abbates  de   — ,   Christophorus   Marhofer,   1624;   MathUa 

Stossberger,  Philippas  Perzelius,   1620;  Wolfgangus  Marhauser,   1.  IL 
Regina,  Gertrudis  — ,  28.  IX;  Sophia  — ,  et  mon.,  20.  IX. 
Kex,   Otakerus,    —  Bohemie,    1278,  26.  VIII;    Philippus,  —  Castelle,  'S.  X; 

MaximiliahuH,  —  romanus,  1519,  13. 1,  3.  X;  Rndolfus,  —  rom.,  26.  VIIL 
Salzburg.  Vide  arcbiepiscopi. 

—  Wolfgangns,  abbas  — ,  13.  VII. 

—  Ena  Maria  Rotingerin,  abbatissa  in  nionte  monialium  — ,  1641,  26.  XL 
Schwikerus,  comes,  4.  V. 

Scotorum  Viennae:  Abbates  — ,  Antonius,  11.  XI;  Augustinus,  1629,  22.  XI; 

Chunradus  Weixelpaumb,  14.  IX;  Johannes,  1641,  23.  XI. 
Seittensteten,  Hainricus,  abbas  de  — ,  1.  XI. 
Seen,  Simon,  abbas  de  — ,  17.  Fl. 
S  neb  ei  SS,  Johannes  — ,  de  Amoldstain,  1514,  14.11. 
Sophia,  regina  et  mon.,  20.  IX. 
Sternberch,  Erasmus  miles  de  — ,  4.  V. 


SV 


DER  HUMANIST 


UND 


HISTORIOGRAPH  KAISER  MAXIMILIANS  I. 


JOSEPH  GRÜNPECK. 


VON 


ALBIN  CZERNY, 

REGÜLIRTEM  OHORHERRN  UND  BIBLIOTHEKAR  ZU  ST.  FLORIAN. 


I 


318 

in  ihrem  Reiche  sich  nicht  mehr  als  Königin  fUhle  gegenüber 
dem  Meister  aller  Jagdkünste,  dem  kühnen  MaX;  und  dass  sie 
vor  Begierde  brenne,  ihm  Spiess  und  Bogen  besiegt  zu  FUssen 
zu  legen. 

Der  heidnische  Schmeichler  war  ein  Priester,  ein  Geheim- 
Schreiber  des  König  und  Schöngeist  k  la  mode,  Joseph  Grün- 
peck,  der  lange  für  ein  Steyrer  Stadtkind  gehalten  wurde  und 
mit  dem  wir  uns  etwas  eingehender  beschäftigen  wollen.  Wir 
haben  zwar  vor  nicht  langer  Zeit  in  der  Allgemeinen  deut- 
schen Biographie  eine  sehr  sorgfältige  Lebensgeschichte  dieses 
seltsamen  Vogels  von  Oefele  erhalten,  gleichwohl  werden  die 
nachfolgenden  Zeilen  noch  Manches  zur  Ergänzung  und  Be- 
richtigung bringen  können. 

Grünpeck's  sehr  bewegter  Lebenslauf  begann  sicherlich 
in  der  Stadt  Burghausen  am  Inn.  In  seiner  Historia  Fride- 
rici  IV.  et  Maximiliani  I.  erzählt  er  uns  scherzend,  dass  er 
mitten  im  Barbarenlande,  auf  dem  rauhen  Boden  NoricumS; 
in  der  Stadt  Burghausen  geboren  sei.*  Von  der  Zeit  seiner 
Studien  rückwärts  schliessend,  nimmt  Michael  Denis  das  Jahr 
1473  als  iGreburtsjahr  an.  Ueber  seine  Jugendzeit  wissen  wir 
nichts.  Er  trieb  anfangs  humanistische  Studien;  später  wandte 
er  sich  wie  die  meisten  Humanisten  anderen  Disciplinen  zu, 
so  namentlich  der  Theologie  und  Medicin,  höchst  wahrschein- 
lich zu  Ingolstadt,^  worauf  seine  Nationalität,  seine  Werke  und 
seine  Freunde  hindeuten.    Doii;  erhielt  er  wahrscheinlich  schon 


^  Chmel,  Oesterr.  Geschichtsforscher,  Bd.  1,  S.  66. 

2  Die  Acten  und  Jahrbücher  der  Wiener  Universität  melden  nichts  von 
einem  Aufenthalt  in  Wien.  Seine  medicinischen  Schriften  waren  lang« 
Zeit  Ursache,  dass  man  zwei  Grünpeck,  einen  geistlichen  Historiographen 
and  einen  Doctor  der  Heilkunst,  annahm.  Allein  die  Verbindung  des 
Studiums  der  Theologie  und  der  praktischen  Medicin  war  su  Grünpeck's 
Zeiten  häufig.  Der  passauische  Domherr,  Pfarrer  und  Lehrer  der  Aranei- 
kunde  Georg  Mayr  verkauft  seine  Besitzung  zu  Indersee,  Pfarre  Kotten- 
bach,  den  2.  November  1464  an  Bischof  Ulrich  von  Passan.  Mod. 
boica,  vol.  31,  S.  490.  —  Der  Pfarrer  von  St.  Paul  zu  Paasau,  Greorgios 
de  Amberg,  war  zugleich  Medicinae  Doctor  und  wurde  1478  von  einem 
Chorherrn  von  St.  Florian  consultirt.  —  Paul  Jovius,  der  bekannte 
Geschichtschreiber,  studirte  Medicin  zu  Pavia,  wurde  später  Geistlicber 
und  Bischof  von  Nocera.  Er  war  Grünpeck's  Zeitgenosse,  sowie  der 
berühmte  französische  Witzbold  Rabelais,  welcher  Theologe  und  Anl 
zugleich  war. 


Üis  war  am  1.  März  des  Jahres  1501 ,  dass  der  grosse 
Saal  im  Schlosse  zu  Linz  eine  festliche  Gesellschaft  versammelt 
sah.^  Der  römische  König  Maximilian  mit  Bianca  von  Mailand, 
seiner  zweiten  Gemahlin,  ihre  Verwandten,  die  Fürsten  Massi- 
miliano  und  Francesco,^  der  ganze  Hofstaat  harrten  gespannt 
auf  ein  Singspiel,  welches  Conrad  Geltes,  der  gekrönte  Dichter, 
mit  einer  Schaar  humanistischer  Schöngeister  den  hohen  Herr- 
schaften zum  Besten  geben  wollten.  Dem  leidenschaftlichen 
Jäger  Maximilian  wollte  man  mit  einem  Festspiel  Dianens 
(ludus  Dianae)  in  zierlichen  lateinischen  Versen,  anmuthigen 
Gesängen  und  Chören  Beifall  und  Ehre  abgewinnen. 

Als  das  Stück  beginnen  sollte,  trat  der  beflügelte  Mer- 
curius  auf,  um.  Inhalt  und  Gang  des  Dramas  kurz  zu  be- 
leuchten und  es  gleich  von   vornherein  zu  sagen,   dass  Diana 

^  Oefele  in  der  Allgemeinen  deutschen  Biographie  8nb  Grünpeck  hat  den 

I.  März   1500   angesetzt.      Klüpfel,  De  vita  et  scriptis    Conrad!  Celtis 

II,  92.  Kaltenbäck,  welcher  uns  die  Aufführung  des  Schauspieles  in 
der  Oesterreichischen  Zeitschrift  für  Geschichts-  und  Staatskunde  1835, 
8.  10  f.  ausführlich  beschreibt,  ebenso  Asch bach ,  Geschichte  der  Uni- 
versität Wien  I,  240,  sind  für  das  Jahr  1501.  Da  Maximilian  nach 
Kaltenbäck  die  Schauspieler  am  2.  März  in  Linz  reichlich  bewirthete, 
kann  die  Aufführung  nicht  im  Jahre  1500  stittgefunden  haben,  denn 
am  2.  März  dieses  Jahres  war  der  König  in  Augsburg.  Siehe  Stalin, 
Aufenthaltsorte  Kaiser  Maximilians  I.  in  den  Forschungen  zur  deutschen 
Geschichte,  I.  Bd.,  360.  Ebenso  Gasser,  Annales  Augstburg.  bei  Mencken, 
Scriptores  rer.  germ.  I,  1725.  Die  gedruckte  Ausgabe  des  Stückes, 
welche  am  15.  Mai  1501  in  Nürnberg  erschien,  sagt,  dasselbe  sei  ,Ca- 
lendis  Martüs  et  Ludis  Saturnalibus  (Faschingspiel)*  aufgeführt  worden. 
Wenn  letztere  Worte  nicht  eine  Hypothese  des  Heransgebers  sind,  so 
hat  die  Aufführung  that^sächlich  in  den  Fasten  stattgehabt,  denn  anno 
1501  fiel  der  1.  März  auf  den  Montag  nach  dem  ersten  Fastensonntag. 

'  Die  Sühne  des  von  den  Franzosen  gefangenen  Herzogs  Lodovico  il  moro 
hielten  sich  am  Hofe  des  Königs  auf.  Verri,  Storia  di  Milano  106,  109. 
Dazu  Kaltenbäck  I.  c.  14;  Endlicher  in  den  Wiener  Jahrbüchern  der 
der  Lit.,  Bd.  45,  S.  153. 


320 

Ursprung,  Ursachen  und  Heilung  des  Uebels.    In  Deutschland 
war  die  hässliche  Krätze  nicht  lange-  vorher  1494  oder  1495 
mit  unerhörter  Wuth  aufgetreten,  und  die  Furcht  vor  ihr  wbf 
nicht  weniger  gross   als   in   Italien,    von   wo  Albrecht   Dürer, 
Venedig,   28.  August  1506,   nach   Hause   schreibt:    ,Ich  weiss 
nichts,  was  ich  jetzt  mehr  fürchtete,   denn  fast  jeder  hat  sie. 
Viele   Leute  fressen   sie   (die  Geschwüre)   ganz   auf,   dass   sie 
daran  sterben/"     Dieser  Umstand   verschaffte    den    18    Qaart- 
blättem   seines  Büchleins  grosse  Verbreitung  und   wiederholte 
Auflagen  in  lateinischer  und  deutscher  Sprache.    Einen  Monat 
später   widmete   er    dem  Bürgermeister   und   Rath    der    Stadt 
Augsburg  seine  deutsche  Uebersetzung  unter  dem  Titel:    Ein 
hübscher  Tractat  von  dem  Ursprung  des  bösen  Franzos.    Der 
Bürgermeister,  Ritter  Hanns  Langenmantel,  war  schon  vorher 
von   ihm  mit   einem  Sprössling   seiner  astrologischen  Träume, 
nämlich  mit  einen  Prognostiken  auf  die  Jahi*e  1496 — 1499  heim- 
gesucht worden,  worin  er  hervorhebt,  ,dass  die  Figuration  und 
grosse  Constellation  der  Sterne  ihre  Wirkung  haben  in  die  niedem 
Ding,  darum  auch  der  Papst  und  der  Kaiser  den  Sternen  unter- 
worfen sind^  Diesen  Wahnglauben  seiner  Zeit,  die  damalige  gei- 
stige Krätze  Europas,  wusste  er  überhaupt  prächtig  auszunützen. 
Noch  im  selben  Jahre  gab  er  einen  neuen  Beweis  seiner 
tiefen  Einsicht  in  die  Wirksamkeit  der  Sterne,    indem  er  im 
Rückblick    auf   die   Verbindung   von    Saturn   und   Jupiter  im 
Jahre    1484,    dem  Bischof  Christoph  Schachner   von    Passau* 
seine  Weissagungen  über  Ursprung  und  Ende   des  Antichrist 
zu  Füssen  legte.     Das  war  ja  ein  herrliches  Thema,   um  die 
Aufmerksamkeit   von  Hoch   und  Niedrig  auf  sich   zu  lenken. 


lescentiae  saae,  quam  ignavia  luxu  qooque  inerti  sine  boniB  literi» 
traducere  puduerit,  foetnm.  Die  Phrase:  primus  adolescentiae  frnctu!< 
bezieht  sich  übrigens  auf  das  erste  gedruckte  Werk.  HandschriftUcb 
waren  seine  Commentare  zu  den  Elegantiae  des  Laurentius  Valla  schon 
früher  vollendet.  Siehe  unten:  Humanistische  Schriften.  Aus  der  Wid- 
mung seines  medicinischen  SprOsslings  darf  man  keinen  roreih'g^en 
Schlnsa  auf  die  Sittlichkeit  Waldkirch*s  machen.  Auch  der  Wiener  Ant 
und  Humanist  Steber  widmete  sein  Buch  über  die  Lustseuehe  dem 
Professor  der  Theologie  und  Rector  der  Wiener  Hochschule  Briccin» 
Pieprost  anno  1497.  Unter  die  Ursachen  derselben  rechnet  er  auch  die 
ConsteUation  der  Planeten.  Aschbach  L  c.  II,  356. 

>  Siehe  Thausing,  Albrecht  Dttrer*s  Briefe,  S.  16. 

3  Gewählt  den  9.  M&rs  1490,  gestorben  den  8.  Jänner  1600. 


321 

Dieses  Werkchen ,  in  welchem  er  König  Maximilian  die  £r- 
hOhmig  seines  Namens  ,biB  zu  seinem  40.  Lebensjahre'  (1499) 
Terkündet,  wurde  wohl  nicht  ohne  Absicht  bei  Johann  Winter- 
boi^er  in  Wien  anno  1496  gedruckt.  Conrad  Celtes^  mit  dem 
er  80  wie  sein  Herzensfreund  Bernhard  von  Waldkirch  damals 
im  Briefverkehr  stand  und  den  er  als  fautor  noster  singularis 
feiert,  konnte  hier  seine  vielvermögende  Fürsprache  walten 
lassen  und  den  Druck  des  Werkchens  und  vielleicht  noch 
mehr  vermitteln.  Des  Celtes  Collegen  von  Ingolstadt  her, 
Stiborius  und  Stabius^  wirkten  ja  bereits  an  der  Wiener  Hoch- 
schule. Aus  Grttnpeck's  Brief  an  Celtes  (October  1496)  wissen 
wir,  dass  ihm  damals  die  Mauern  Augsburgs  zu  enge  wurden, 
und  aus  seinem  Schreiben  an  den  bairischen  Kanzler  Eolberg 
ersehen  wir,  dass  er  damals  Schritte  zu  einer  Anstellung  als 
Historiograph  des  bairischen  Herzogs  machte.^  Unterdessen 
miterrichtete  er  in  Augsburg  Patriciersöhne  in  den  Feinheiten 
de«  Stiles  und  dichtete  Komödien.^  Im  Jahre  1497  am  26.  No- 
rember  hatte  er  das  Glück,  eine  solche  vor  dem  römischen 
König  mit  seinen  Zöglingen  aufführen  zu  dürfen.  Der  Titel 
war:  ,Streit  zwischen  Virtus  und  Fallacicaptrix  vor  Maximilians 
Richterstuhl';  im  Schauspiel  wird  Maximilian  auf  Kosten  des 
Königs  von  Frankreich  verherrlicht;  Grünpeck  hatte  selbst  eine 
Rolle  darin  übernommen.^  Schon  im  nächsten  Jahre  konnte 
der  Dichter  erfahren,  dass  Maximilian  Air  jene  dramatische 
Huldigung  nicht  unempfänglich  blieb.  Er  wurde  nämlich  im 
Auftrag  des  Königs  am  20.  August  1498  zu  Freiburg  im  Breis- 
gau von  dem  Doctor  und  Canonicus  Sigismund  Klreuzer  mit 
der  Lorbeerkrone  und  dem  Dichterepheu  geschmückt,^  wodurch 


'  Siehe  unten  Brief  Grttnpeck^s  an  Celtes  Yom  29.  October  1496  nnd  den 
Landshuter  Kanzler  Qrafen  Ton  Kolberg. 

'  Sein  Commentar  zn  den  libri  de  Elegantia  lingnae  latinae  des  Lan* 
rentius  Valla  ist  Termnthlich  ans  dieser  Zeit.  Er  nennt  sich  darin 
schlechthin  liberalinm  stndiomm  magister.  Dass  er  einige  Anfmerksam- 
heit  damals  erregte,  zeigen  die  Annales  Augnstani  von  dem  Benedic- 
tiner  Reginbald  MOhner  von  St.  Ulrich  nnd  Afira,  welcher  znm  Jahre 
1496  bemerkt;  Conradus  Pentinger  et  Josephns  Grünbeck  nee  non 
Sigismandns  Grimm  Angnstae  flomere.  Siehe  Placidns  Braun,  Notitia 
Hist  Lit.  de  Cod.  Manusc.  s.  Udalrici,  vol.  V,  p.  24. 

*  Oefiele  1.  c. 

*  Sz  jnssn  Maximiliani  ddo.  Fribnrgi,  IS.Ang.  1498,  Josephns  Gmenbeck  ex 
Barghansen  lanrea  Corona  poeticaqne  hedera  insignitor  per  Sigismnndnm 


322 

er  auch  das  Recht  auf  den  Titel:  Magister  der  freien  Künste 
erwarb.  Der  arme  Augsburger  Schullehrer  war  bereits  im 
Dienst  des  Königs^  der  unter  mancherlei  Festen  und  öffent- 
lichen Disputationen  damals  vom  18.  Juni  bis  Ende  August  auf 
dem  Reichstag  zu  Freiburg  verweilte.  Seine  Stellung  war  die 
eines  Amanuensis  oder  Secretarius  in  der  königlichen  Kanzlei, 
in  welcher  manchmal  zwölf  solcher  Secretäre  beschäftigt  warenJ 
Daneben  versah  er  wie  andere  seiner  Collegen  die  Dienste  mes 
Caplans  bei  Hofe,  deren  Aufgabe  es  wohl  war,  abwechselnd 
dem  König  die  Messe  zu  lesen.  Was  er  für  dieses  Doppelamt 
beiläufig  an  Einkünften  bezog,  lernen  wir  aus  einem  Zusage- 
brief Maximilians  ftir  den  kaiserlichen  Caplan  und  Schreiber 
Gregor  Mändl,  welchem  alle  Jahre,  bis  ihn  der  Kaiser  mit 
einer  Pfründe  versieht,  20  Gulden  gereicht  werden  sollen.^ 
Dass  Grünpeck  zugleich  Leibarzt  gewesen  sei,  wie  Aschbach 
meint,  ist  unrichtig.    Er  nennt  sich  wohl  Doctor  ,der  Erzenei' 

I 

in  seiner  Eingabe  an  die  oberösterreichische  Landeshauptmann- 
schaft, aber  nie  Leibmedicus  Seiner  Majestät,  was  der  ruhm- 
redige Mann  nie  zu  bemerken  unterlassen  hätte.  Aach  die 
Verleihungsurkunde  seines  Leibgedings  erwähnt  wohl  seines 
Doctortitels,  führt  ihn  aber  blos  als  ,kaiserlichen  Caplan'  auf.^ 
Er  erhielt  von  seinem  königlichen  Herrn  den  Auftrag,  Mate- 
rialien zur  Geschichte  seines  Hauses  zu  sammeln,  gleichwie 
Stabius,   Ladislaus  von  Suntheim,   Melchior  Pfintzing,  Treitz- 

Kreuzer,  Doctorem  et  Canonicum  Ratisbonensem,  PassaTiensem  et  Bri- 
xinensem.  Wiener  Staatsarchiv,  Sig^n.  Deutsches  Reichsarchiv  KK. 
fol.  119.  Der  Auftrag  wurde  am  20.  August  vollzogen,  LL.  fol.  119. 
'  ScbOnherr,  Max  Treitzsauerwein ,  Bd.  48  im  Archiv  für  österreichische 
Geschichte  362.  —  Grünpeck  ViU  Friderici  IV.  et  Maximiliani,  S.  95: 
mihi  uni  a  secretis  suis  materiam  dictavit.  Chmel,  Geschichtsfoncher 
I,  95.  Dazu  8.  66,  78,  92,  95. 

2  Aus  dem  Vizdomamt  zu  Laibach.  Staatsarchiv  Wien.  Datum  Innsbrnck, 
24.  Febr.  1515.  Sign.  Deutsches  Reicbsarchiv'T.  fol.  97. 

3  Sie  ist  vom  12.  April  1518.  Wegen  des  Doctors  der  Erzenei  siehe  anten 
Grünpeck's  Briefe.  —  Die  Worte  Grünpeck's  in  der  Vita  Friderici  et 
Mazimiliani:  Maximiliani  Caesaris  vitam  depingam,  cui  quidem  cum 
pluribus  annis  a  secretis  fnerim  et  caet.  hat  der  alte  deutsche  Bear- 
beiter dieser  Vita  gegeben  durch:  ,beichender  (für  Beih&nder,  amaanen- 
Bis)  und  heimblicher  Rathsgenoss'.  Johann  Jacob  Moser,  der  diese 
deutsche  Lebensbeschreibung  zu  Tübingen  1721  herausgab,  macht  des- 
halb auf  dem  Titelblatt  Grünpeck  zum  geheimen  Rath  und  Beichtnter 
Maximilians. 


323 

sauerwein^  Manilas  in  ähnlicher  Stellung,  und  hierauf^  wie  auf 
seine  Vita  Friderici  IV.  et  Maximiliani  bezieht  sich  der  Titel 
.Historicus  kaiserlicher  Majestät^^  den  er  sich  in  ämtlichen  Ein- 
gaben selbst  beilegt.  Daneben  berieth  er  Seine  Majestät^ 
welche  sich  schon  in  der  Jugend  mit  Stemdeuterei  abgegeben 
hatte  und  sich  öfter  ein  Prognostiken  machen  Hess,  aus  dem 
Lauf  der  Gestirne. 

Die  Beschäftigung  mit  so  disparaten  Fächern^  wie  schöne 
claasiscfae  Literatur ,  Theologie,  Astronomie  und  Medicin  sind, 
gab,  wie  oben  erwähnt,  lange  Zeit  Anlass,  dass  man  einen 
literarischen  Doppelgänger  annahm,  einen  Joseph  Ghünpeck,  den 
lateinischen  Dichter  und  Geschichtsschreibjer  aus  Stadt  Steyr 
und  den  heilkundigen  Arzt  Joseph  Grünpeck  von  Burghausen. 
Wenn  man  sich  nun  auch  von  der  Identität  der  Personen 
später  überzeugte,  so  meint  doch  der  neueste  Biograph  in 
der  Allgemeinen  deutschen  Biographie,  nur  der  Priester  und 
Magister  der  freien  Künste  stehe  durch  Grünpeck's  eigene 
Angaben  fest.  Hierüber  ertheilt  das  Archiv  der  Stadt  Steyr 
vollkommenen  Aufschluss.  Durch  die  Unterfertigung,  welche 
seine  verschiedenen  an  die  oberste  Landesbehörde  gerichteten 
Acte  tragen,  steht  fest,  dass  er  ,Ihrer  Majestät  Caplan,  Histo- 
ricus  und  Astronomus*  war,  und  nebstbei  bekennt  er  sich  auch 
als  einen  ,Doctor  der  Erzenei^  Diese  Ansprüche  müssen  für 
desto  verlässlichißr  gelten,  als  die  vorgenannten  Eingaben  noch 
bei  Lebzeiten  des  Kaisers  gemacht  wurden. 

In  dieser  glücklichen  Lage,  welche  im  Jahre  1500  noch 
durch  ein  Canonicat  am  Stifte  Altötting  verbessert  wurde,  sollte 
er  nicht  lange  verbleiben.  Oefele  erzählt  uns,  dass  er  1501, 
wahrscheinlich  zugleich  mit  Maximilian,  wieder  in  sein  altes 
bekanntes  Augsburg  kam  und  dort  auf  Bitten  seiner  Freunde 
ein  Gastmahl  zum  Besten  gab,  bei  welchem  nicht  allein  dem 
Bacchus  und  der  Ceres,  sondern  auch  der  Venus  geopfert 
wiffde  —  cui  non  solum  Bacchus  et  Ceres,  sed  etiam  Venus 
intererat.  In  Folge  dieser  Orgie  befiel  ihn  das  Leiden,  mit 
dessen  Heilmethode  er  einst  seine  literarische  Laufbahn  eröffnet 
batte.  Er  musste  sich  natürlich  jetzt  vom  Hofe  entfernen  und 
zog  sich  muthmasslich  in  seinen  Geburtsort  Burghausen  zu- 
rtick,  wo  er  sich  vergeblich  nach  seinem  eigenen  Recept  zu 
heilen  versuchte,  bis  es  ihm  endlich  auf  einem  anderen  Wege 
gelang,    den  er  in  einer  neuen  Schrift  über  jenes  scheussliche 

ArehiT.    Bd.  LXXni.    II.  H&lfte.  22 


J 


324 

üebel  Anderen  zu  Nutz  und  Frommen  bekannt  machte.    ,De 
Mentulagra   alias   morbo   gallico'   ist   der  Titel   dieses    Oeistes- 
products,  welches  er  nach  der  Eingangsepistel  den  5.  Mai  1503 
zu   Burghausen   vollendete.     Dass  der  Verfasser  seines  Titels 
als  Schreiber  in  der  kaiserlichen  Kanzlei  und  wahrscheinlich 
auch    seines    Gehaltes    nicht    verlustig   ging,    erhellt   aus  der 
zweiten  Ausgabe   dieses  Büchleins,   in  welchem  er  von  seinen 
Freunden  mit  Lobsprtichen  überhäuft,   das  Buch  kräftig  em- 
pfohlen und  der  Autor  noch  immer  als  Secretarias  regius  aus- 
gezeichnet wird.     Aber  eine  dauernde  Wiederverwendung  bei 
Hofe  erlangte  er  trotz  der  im  letzten  Werke  eingeflochtenen 
Schmeicheleien  gegen  Maximilian  nicht.  Wir  sehen  ihn  dämm 
die    Segel    bei    widrigen   Winden    nach    verschiedenen   Häfen 
richten.  Am  8.  April  1505  erhielt  er  vom  Regensburger  Rath 
die  Erlaubniss,  eine  Poetenschule  aufzurichten.  &  wird  in  der 
Concession    ,kai8.    Majestät   Sekretary'    genannt   und   ihm  ein 
Jahresgehalt  von  40  Gulden  rheinisch  vergönnt.     Es  Htt  ihn 
aber  nicht  lange  in  Regensburg.  ^    Den  20.  October  desselben 
Jahres   schreibt   er  von  München  aus  an  Celtes,   der  ihn  zn 
einer  Zusammenkunft  in  Augsburg  eingeladen  hatte,   er  wolle 
nur  die  Ordnung  seiner  Angelegenheiten  abwarten,  um  dorthin 
aufzubrechen. 2     Im  August  1506  treffen  wir  ihn  in  der  That 
in  Augsburg.     Vielleicht  hat  er  hier,   noch  ganz  voll  von  den 
Eindrücken  des  bairischen  Erbfolgkrieges,  die  jetzt  verlorenen 
Common taria  divi  Maximiliani,   der  im  Kriege  zum  Gemahle 
seiner  Schwester  Kunegunde,   dem  Herzog  Albrecht  IV.  von 
Baiern-München    stand,   geschrieben,    welche  gerade  mit  dem 
Jahre  1505  abbrechen,   so  wie  es  am  geeignetsten  erscheint 
seine   Geschichte    der   Erzbischöfe    von   Salzburg  in  die  Zeit 
der  unfreiwilligen  Müsse   in  Burghausen   etliche  Jahre  vorher 
zu  verlegen.  Das  Jahr  darauf  1507  treibt  er  sich  in  Nürnberg 
herum    und    bearbeitet   im   dortigen   Predigerkloster   eine  Ge- 
schichte  Deutschlands   von   Karl   dem   Gh*ossen   bis   auf  seine 


1  Die  Besoldung^  findet  sich  nar  ein  Jahr  lang  ;in  den  Stadtrechnongen. 
Gemeiner  Chronik  von  Regensburg,  Bd.  IV,  98. 

3  Oefele  1.  c.  setzt  den  Brief  in  das  Jahr  1503,  aber  Denis,  Nachtrag  lor 
Buchdruckergeschichte  Wiens,  in  das  Jahr  1505;  ebenso  Klüpfel,  Vita 
Celtis  II,  92;  Endlicher,  Wiener  Jahrbuch  der  Literatur,  Bd.  45,  8.174, 
und  Herr  Men6ik,  Beamter  der  kais.  Hofbibliothek,  dessen  Qfite  ich 
die  Abschrift  des  unten  folgenden  Briefes  verdanke. 


Zeit.  Er  beencht  auch  Constanz,  wo  er  dem  versammelten 
Seich Btsg  zur  Mahnung  eine  im  Interesse  der  königlichen 
Majestät  verfasate  Prophezeiung  herausgibt.'  Im  Jahre  1508 
ist  er  abermals  in  Regensburg,  wie  aus  der  Vorrede  zu  seinem 
Specnlum  naturalis,  caelestis  et  propheticae  visionis  hervor- 
gebt, worin  er  den  Cardinallegaten  Bemardinus  de  sancta  cruce, 
der  im  December  1807  nach  Deutschland  gekommen  war,  um 
Maximilian  auf  seinem  beabsichtigten  Römerzug  zu  begleiten, 
mit  erstaunt  ich  er  Kühnheit  wegen  der  unerträglichen  Miss- 
bräuche  der  römischen  Kirche  haranguirte  und  dem  Schifflein 
Petri  die  schwerBten  Stürme  in  Bälde  voraussagte,  woillr  ihn 
Ep&ter  die  Protestanten  unter  die  Vorläufer  Luther's  und  Zeugen 
der  Wahrheit  aufnahmen.^  Im  Jahre  1510  legte  er  da«  ihm 
veriiehene  Canonicat  zu  Altötting  aus  unbekannten  Orttnden 
nieder.  Das  nächste  Jahr  macht  er  sich  durch  ein  astrologische s 
Urtheil  Aber  die  Stadt  Regensburg  bemerkbar.^  Die  Hälfte 
des  Jahres  1514  verbringt  er  in  der  Schweiz,  um  Natur  und 
•Sitten  dieses  merkwürdigen  Volkes  kennen  zu  lernen,  er  be- 
TOcht  auf  einer  Wallfahrt  das  Kloster  Einsiedeln  und  das 
lästige  Baden  im  Canton  Aargau,  worauf  er  über  den  Bodensee 
zorKckkehrt  und  bei  Scbloss  Hartau  nächst  Bregenz  ans  Land 
tteigt.  Im  Jänner  1515  treffen  wir  ihn  in  Landshut;  hier  wird  an 
die  Bischöfe  von  Freisingen  und  Regcnsburg  die  Exhortatio  ad 
reverendissimos  principcs  Phitippum  et  Joannem  tosgelassen.  So 
hat  sich  der  Mann,  ohne  feste  Lebensaufgabe  herumdämmernd, 
nach  dem  Vorbild  seines  Ileldenideals  Conrad  Celtes  und  so 
vieler  Nachtreter,  Unterhalt  und  Mittel  fUr  literarische  Arbeiten 
in  Klöstern  suchend  (St.  Peter  in  Salzburg,  Prediger  in  Nürn- 
berg, Tegemsec,  Einsiedeln),  dann  und  wann  ein  Wahraager- 
tibell  für  einen  Buchhändler  oder  einen  Stadtratb  schreibend, 
bis  zmn  Jahre  1518  durchgebracbt.  In  diesem  Jahre  verleiht 
ihm,  ,dem  Doctor  Joseph  GrUnpeck,  seinem  Caplan',  Kaiser  Max 
am  12.  April  die  von  Sigmund  von  Dietrichstein  ihm  über- 
gebenen   und  ins  Vizdomamt  ob  der  Enns  incorporirten  Mubt- 

'  Weitläufig  besprochen  in  Friedrich,  Axlrologie   und   Keforiniitidi,  HOn- 

chM  1864,  8.  64  f. 
'  AurfUhTÜch  BD^seigt  in   FreylSf ,    AdjiaratuH    Litterarius,    t.   II,   831  f. 

und  Friedrieb  I.  c.  S,  70  n.  f. 
*  Hjudicbriftlich  in  der  MQDchuer  Staatsbibliothek,  Katalog  der  denUchen 

Hudschriften  unter  dem   irrthflinlichen    Namen   Wolfgang  GrUnpeck. 

22» 


326 

dienstzinse  und  Gülten  in  der  Stadt  Steyr  zum  Leibgeding.*  E» 
war  dieses  die  sogenannte  kaiserliche  Hofmühle  an  der  Steyrer 
Brücke,  gegenüber  dem  jetzigen  Pfarrhofe,  der  einstmals  Spital- 
kirche gewesen,  gelegen.  Sie  gehörte  zur  kaiserlichen  Herr- 
schaft Steyr  und  wurde  später  unter  Rudolf  H.  verkauft. 
Damit  vereinigt  war  die  sogenannte  Fischhub  in  der  Nahe 
der  Stadt  Steyr,  mit  Wiesen,  Aeckern  und  anderen  Stücken 
belehnt.^ 

Diese  Hube,  die  ihm  ungerechterweise  vorenthalten  werden 
wollte,    in    lebhafter   Eingabe    an    den   Magistrat   Steyr  bean- 
spruchend,  sagte   er,   dass  sie  ihm  vom  Kaiser  unlängst  ,am 
sein  langwerig  Dienst^  verliehen   worden    sei,   woraus  hervor- 
geht, dass  Grünpeck  in  Folge  der  oben  erwähnten  Modekrank- 
heit seines  Dienstes  nicht  vollständig  entlassen  wurde,  sondern 
wahrscheinlich  seinen  Gehalt  von  20  Gnilden   ohne  bestimmte 
Verwendung  bei  Hofe  fortbezog,   bis  ihm  endlich  die  Pfründe 
zu   Steyr  zu  Theil  wurde.     Er  wollte  das  fröhliche,   g^werb- 
reiche  Städtlein  als  Hafen  der  Ruhe  betrachten,    seine  Zinsen 
einstreichen   und    nebenher    seine    medicinischen    und    astrolo- 
gischen   Kenntnisse    verwerthen.     Allein    die    Dinge    verliefen 
nicht  so  glatt,    als  er  sich  eingebildet.     Das  städtische  Archiv 
bewahrt  mehrere  Eingaben  an   den  Bürgermeister   und  Rath, 
desgleichen   an   die   Landeshauptmannschaft   in   Linz  aus  den 
Jahren  1518  und  1519,  aus  denen  wir  erfahren,  dass  man  die 
Mühlzinse   säumig  zahlte,    die   Possession   der   Fischhub  voll- 
kommen  bestritt  und   ihm   die  Honorare   ftir   seine   ärztlichen 
Bemühungen  grausam  vorenthielt.  ^ 

Auf  die  Nachricht,  dass  der  Kaiser  im  Jänner  1519  tod- 
krank in  Wels  damiederliege ,  eilt  er  dorthin  und  findet  mit 
Schrecken,  dass  des  Kaisers  Pferde  die  Köpfe  unter  die  Barren 
halten,    Thränen    vergiessen,    sich   etlicher   Tage   des  Futters 


*  Wiener  Staatsarchiv,  Sign.  Dentsches  Reichsarchiv  BB.  fol.  119.  Datum 
Innsbruck,  12.  April  1518.  —  Nach  Preuenhuber,  Annales  Styr.  184,  soll 
er  schon  im  Jänner  1508  in  Steyr  auf  der  Mühle  neben  dem  Spital  ge- 
wohnt und  einstmal  vor  einer  kritischen  Bathswahl  ein  astrologisches 
Urtheil  abgegeben  haben.  Ein  vorübergehender  Aufenthalt  und  das 
Wahrsagen  ist  möglich,  aber  die  Mühle  hat  er  nach  obiger  Urkunde 
1508   nicht  besessen. 

3  Sie  ist  in  der  Pfarre  Ulrich  bei  Steyr  gelegen. 

3  Siehe  die  Actenauszüge  im  Anhang. 


327 

gänzlich  enthielten ,  und  dass  seine  Vögel  sich  schmiegten^  als 
wollten  sie  mit  ihm  sterben.  Bei  dem  darauffolgenden  Tode 
spricht  er  in  höchst  pathetischen  Worten  seinen  Schmerz  über 
den  Hintritt  desjenigen  aus,  ,der  ihm  ein  Herr  und  Vater,  ein 
Ernährer  und  Beschirmer'  gewesen  istJ  So  warm  würde  er 
sich  gewiss  nicht  geäussert  haben,  wenn  er  in  Folge  seines 
Fehltrittes  bis  zum  Jahre  1518  im  Schatten  voller  kaiserlicher 
Ungnade  gelebt  hätte. 

Nach  Maximilians  Tode  versäumte  er  nicht,  sich  auch 
vor  Kaiser  Karl  V.  als  Stemseher  hervorzuthun.  Im  Jahre 
1522  erschien  sein  Dialogus  Epistolaris  bezüglich  des  kummer- 
vollen Jahres  1524,  worin  über  Christen  und  Türkenglauben, 
über  Pest,  Hunger,  Krieg  und  Wassernoth  viel  aus  den 
Sternen  gefaselt  wird.  In  der  Zuschrift  an  den  Kaiser  nennt 
er  sich  einen  Amanuensis  des  verstorbenen  Imperators.  Alle 
diese  Zeichendeuterschriften,  mit  denen  die  Welt  damals  in 
unglaublicher  Menge  überschwemmt  wurde,  waren  geradezu 
erbärmlich  nach  Inhalt  und  Form,  voll  geschraubter,  geheim- 
nissvoll  tönender  Redensarten  und  pathetisch  ausgemalter  Zu- 
kunftsbilder. Man  betrachtete  sie  wohl  auch  von  Seite  der 
geistlichen  Verfasser  als  eine  Art  Busspredigten,  welche  durch 
Schwarzmalerei  die  Menschen  zur  Reue  und  Besserung  bewegen 
sollten.  Man  übersah  aber  dabei,  dass  die  Menschen  von 
^hrecklichen  Besorgnissen  gequält  und  mit  Unzufriedenheit 
mit  den  jgegenwärtigen  Zuständen  aufs  Höchste  erfüllt  wurden. 
Gunst  und  Gewinn  bei  Hofe  brachte  darum  dieses  Libell  Grün- 
peck's  nicht  ein,  umsoweniger,  als  der  Leibarzt  des  Erzherzogs 
Ferdinand,  Georg  Thanstetter,  in  eben  demselben  Jahre  1522 
mit  einem  Tractate  auftrat,  worin  er  seinem  Herrn  und  dem 
Volke  zum  Tröste  die  durch  die  Sterndeuter  hervorgerufenen 
Besorgnisse  zu  zerstreuen  sucht. ^  Einen  Erfolg  flir  Grünpeck 
mosste  ein  anderes  Ereigniss  bringen.  Am  31.  Juli  1527  war 
dem  Erzherzog  in  Wien  ein  Sohn,  der  nachmalige  Kaiser 
Maximilian   H.,   geboren   worden.     Grünpeck   stellte   ihm   das 


1  Deatache  Lebensbeschreibung  Friedricbs  und  Max  L,  S.  100. 

'  Thanstetter's  Tractat  erschien  den  20.  März  1522  bei  Johann  Singreiner 
in  Wien  als  libellus  consolatorius  quo  opinionem  jam  dudum  animis 
hominnm  ex  quorundam  astrologornm  dirinatione  insidentem  de  futuro 
dilnylo  et  aliis  multis  horrendis  periculis  anni  XXIV.  a  fundamentis 
exfitirpare  conatur. 


328 

Horoskop  und  überreichte  das  höchst  trostreiche  Resultat  dem 
Ftirsten  in  dem  noch  immer  in  der  kaiserlichen  Bibliothek  ver- 
wahrten ,Genethliacon^  Er  sieht  sich  in  der  That  am  20.  Mai 
1528  durch  ein  allerhöchstes  Gnadengeld  beglückt.'  In  seiner 
Zurückgezogenheit  in  Steyr  hatte  er  Zeit  und  Gel^enheit 
genug,  den  Blödsinn  seiner  Zeit  weiter  auszubeuten.  Hier  ent- 
stand das  ,Horo8kop  der  Stadt  Steyr*,  worin  er  aus  der  Con- 
stellation  der  Planeten  zur  Zeit  der  Gründung  der  Stadt,  die 
er  natürlich  bis  auf  eine  Stunde  kennt  (wir  wissen  noch  gegen- 
wärtig nicht  das  Jahr)  die  geistige  und  körperliche  Beschaffen- 
heit ihrer  Bewohner  ableitet.  Sie  ist  ein  leicht  zugängliches 
Product  unsers  Propheten,  indem  Pritz  in  seiner  Geschichte 
der  Stadt  Steyr  sie  im  Anhang  abgedruckt  hat.  Hieher  ge- 
hört auch  das  ludicium  über  die  Stadt  Regensbui^  1523  ge- 
druckt und  das  Prognosticon  Doctoris  Josephi  Ghruenpeck  ab 
anno  32  usque  ad  annum  40  imperatoris  Caroli  V.  plerasqoe 
futuras  historias  continens,  welches  anno  1532  an  das  Tagea- 
licht  trat.  Wie  bald  der  Seher  seine  Augen  nach  1532  ge- 
schlossen habe,  wissen  wir  nicht.  Bei  seinem  Alter  ist  die  Be- 
merkung von  Pritz, ^  dass  Grünpeck  in  Steyr  verstorben  sei, 
wohl  sehr  wahrscheinlich.  Das  lange  Angedenken,  in  welchem 
er  bei  den  Bewohnern  lebte  und  selbst  für  ein  ,Steyrerkind* 
galt,  sowie  die  Mühle,  welche  er  als  Leibgeding  besass,  mögen 
gleichfalls  als  Beweis  gelten.  Preuenhuber  spricht  hxl  den 
Stellen,  welche  Pritz  anführt,  nur  davon,  dass  Grünpeck 
im  hohen  Alter  auf  der  ihm  verliehenen  Mühle  beim  Spital 
gewohnt  habe.^ 

Wir  haben  hier  einen  Mann  vor  uns,  wie  er  zur  Zeit 
des  Emporblühens  der  classischen  Literatur  zu  Dutzenden  vor- 
kommt. Ohne  ein  ernstes  bestimmtes  Lebensziel,  dem  er  ge- 
wissenhaft Zeit  und  Kräfte  widmet,  zieht  er  unstet  umher  und 
vertändelt  lange  Jahre  in  dem  einen  oder  andern  Kloster, 
in  der  einen  oder  andern  Stadt.  Dabei  huldigt  er  den  freien 
Ansichten  über  Lebensgenuss  und  Lebensfreuden,  welche  die 
Humanisten  aus  der  ihnen  liebgewordenen  Heidenwelt  herüber- 
genommen   hatten.     Das    hält   ihn    aber    durchaus   gar  nicht 


1  Hofanansact  vom  Jahre   1528.     Siehe    Bd.   22    des  Archivs   für  Oster- 
reichische Geschichte,  S.  40,  Anm. 
»  1.  c.  892. 
'  Preuenhuber,  Annales  Stjr.,  S.  4  und  Vorrede  fol.  3. 


329 

$hf  den  anderen  Ständen  gegenüber  und  besonders  gegenüber 
den  Geistlichen  den  schärfsten  Sittenprediger  zu  machen.     Er 
hüUt  sich   ohne  Bewusstsein   der  eigenen  Schwäche  in  seinen 
Prophezeiungen    in  den  Tugendmantel   ein    und    donnert    voll 
sittlicher  Entrüstung  gegen  die  damalige  Geistlichkeit,   der  er 
den  grössten  Theil  der  gewiss  zu  erwartenden  allgemeinen  Um- 
wälzung auf  die  Schultern  ladet.  ^    Auch  das  war  Humanisten- 
art Uebrigens  gab  dieses  Verhalten  Änlass,    dass  ihn  Manche 
unter  die  Vorläufer  der  Reformation  oder  unter  die  Anhänger 
Luther's  zählten.^  Allein  darin  irrten  sie.    Er  wusste,  dass  fUr 
ein  scandalsüchtiges  Publicum  Strafpredigten  und  Herabsetzung 
geistlicher  und  weltlicher   Obern   ein   höchst   dankbarer  Stoff 
sind;  er  that,  was  sehr  viele  katholische  Prediger  und  Schrift- 
steller  vor   Luther   thaten.     Als   sich   aber   die   Folgen   dieser 
Thätigkeit  auf  der  Kanzel  und  in  der  Presse  zeigten,  schweigt 
er  von  der   Verhetzung  der  Geistlichen   und   sieht  anno  1531 
f^  das  Jahr  1540  die  Besiegung  aller  Secten  und  Ungläubigen, 
sowie    die    Unterwerfung    der    ganzen   Welt    unter    die   Herr- 
schaft des  römisch-deutschen  Kaisers^  das  ist  Karl  V.,  voraus. 
Nirgends    erscheint    die    Absicht,    eine    von    der    Kirche    ab- 
weichende Glaubenslehre  vertheidigen  zu  wollen.     ,Er  hat 
viele  Büchlein,*  wie  er  sagt,  ,nur  in  der  Absicht  einer  gottseligen 
Mahnung  an  alle  Stände  christlicher  Obrigkeit  ausgehen  lassen. 
Er  glaubte,  es  werde  eine  bessere  Ordnung  guter  Sitten  daraus 
erfolgen.'^    Der  Vertreter  einer  von   der  Kirche  verworfenen 
Olaubensverbesserung    hätte    auch    von    dem    glaubenseifrigen 
Erzherzog  Ferdinand   im  Jahre   1528   unmöglich   ein  Gnaden- 
geld empfangen  können. 

Der  weiter  unten  folgende  Brief  Grünpeck's  an  den  Bischof 
Berthold  von  Mainz,  den  Reformfreund  der  politischen  Ordnung 
des  Reiches,  beweist,  dass  er  empfänglich  war  für  die  Schäden 
der  schlechten,  kraftlosen  Reichsverfassung,  sowie  seine  Schrift 
an  die  auf  dem  Reichstag  zu  Constanz  anno  1507  versammelten 
Fürsten  lebhaft  zur  Einigkeit  und  Anschluss   an   Maximilian 

>  Siehe  FreyUg,  Adparatus  Literarius  II,  836  und  Friedrich  1.  c.  72,  77. 

^Löscher,  Reformationsurkunden,  Bd.  I,  S.  90.  —  Fiacius,  Catalogus 
testiiun  Teritatis,  p.  888.  —  Hagen,  Deutschlands  religiöse  und  literari- 
sche Verhältnisse  im  Reformations-Zeitalter  I,  263. 

'  Grünpeck's  Pronostication  vom  32.  bi.s  auf  das  40.  Jahr  Kaiser  Carols 
des  Fünften. 


330 

gegen  die  Feinde  des  ReicheB,  seien  es  nun  Türken  oder  Gral- 
Her,    ermahnt.     Dabei   vergisst  er   nicht  zu   bemerken,   dass, 
solle   das   Reich   wirklich   gedeihen,   der  Einigkeit  unter  den 
Fürsten  die  Einigkeit  derselben    mit  ihrem  Volke  durch  Ab- 
schaffung  aller   Bedrückung    vorausgehen   müsse.     Er   kommt 
aber  dabei  über  die  allgemeinsten  Ideen  und  Wünsche,  wie 
sie  eben  Viele  damals  hegten,    nicht   hinaus.     Einen  verderb- 
lichen Einfluss  hat  er  aber  durch  die  vielen  Auflagen  seiner 
Flugschriften  gewiss  gehabt,  indem  er  immer  den  Clerus  und 
die  Fürsten  als  die  eigentlich  zu  Reformirenden  hinstellt.    Für 
die  Unterthanen,  behauptet  er,  seien  göttliche,  menschhche  und 
natürliche  Rechte   aufgehoben;   gegen  sie   müsse   man  wieder 
Gerechtigkeit  üben.   Es  lässt  sich  ganz  gut  vermuthen,  welche 
Aufregung   und    Spannung   diese   Sprache   und  Argumentation 
zwischen  den  Gebietenden  und  den  Gehorchenden  hervorrufen 
musste. '    Grünpeck  gehörte  zu  dem  Freundeskreis  von  Conrad 
Geltes,   wie  seine  beiden   vorhandenen  Briefe   bezeugen.     Dass 
er  auch  ein  Mitglied  der  gelehrten  Donaugesellschaft  gewesen 
sei,2  ist,  wie  Oefele  mit  Recht  bemerkt,  unerwiesen.    Aus  den 
Briefen   an  Geltes,   auf  welche   sich  Aschbach   beruft,  erhellt 
nur,  dass  er  zu  den  warmen  Verehrern  des  Dichterbundes  an 
der  Donau  gehörte.     Das  Wort  sodalitatis  litterariae  cultores, 
welches  Grünpeck  dort  von  sich  und  seinem  Freunde  Bemard 
Waldkirch    gebraucht,    schliesst   nicht   die   Mitgliedschaft  ein 
und   wäre    eine    willkürliche  Ausdehnung  des   bisherigen  usus 
loquendi.     Xystus  Schier  in  seinem   handschriftlichen  Tractat 
de  Sodalitate  Danubiana  nennt  ihn  zwar  mit  Waldkirch  ^  als 
Mitglied  der  Gesellschaft,  aber  Beweis  dafür  wird  keiner  er- 
bracht.    Es   ist   überhaupt   fraglich,    ob  er   trotz   der  Dichter- 
krönung je  einen  Vers   gemacht.     Seine   zwei  Komödien  ver- 
rathen  in  Anlage  und   Durchführung,  in  Dialog  und  Sprache 
grosse  poetische  Armuth.  Seine  natürlichen  Gaben  waren  über- 
haupt merklich  unter  dem  Mittel.    Im  Gebiete  der  Geschichte 
half  er  sich  grösstentheils  mit  Compilationen;  doch  muss  man 
zugeben,  dass  aus  ihnen  ein  patriotischer  Nationalgeist  weht, 

1  Friedrich  1.  c.  S.  70. 

2  So  Kink,  Geschichte   der  Universität  Wien    I,  207,   n.  239,  und  A«jh- 
bach  1.  c.  U,  437,  n.  5. 

3  Waldkirch  war  es  allerding^s.  Siehe  oben  S.  319,  Anm.  2  und  Aschbach 
1.  c.  II,  257  Anm. 


L. 


331 

der  uns  häufig  in  den  Schriften  der  Humanisten  begegnet.  Die 
gloria  alemanie  oder  laus  germanie  finden  wir  auf  manchem 
Blatte '  als  Ziel  seines  Strebens.  Besonders  ein  historisches 
Werk,  die  Vita  Friderici  III.  und  Maximiliani  I.,  die  wir  unten 
eingehender  besprechen,  hat  ihm  in  neuerer  Zeit  die  Ehre  oft- 
maliger Erwähnung  eingetragen.  Seine  medicinischen  Trac- 
tätchen  entsprechen  ganz  der  Thätigkeit  des  Doctors  Dulca- 
mara,  als  welcher  er  in  Stadt  Steyr  wirkte.  ^  Die  Citate,  die 
wir  in  seinen  Werken  finden,  tiberzeugen  uns  wohl,  dass  er 
in  alter  Geschichte  und  Geographie,  in  Bibel  und  römischen 
Classikem  belesen  war,  aber  Witz,  Scharfsinn,  schwungvolle 
Gedanken  sucht  man  hier  vergebens  gerade  so  wie  in  seinen 
gespreizten,  in  Phrasen  und  Lobsalm  ersterbenden  Briefen. 
Die  ganze  geistige  Wirksamkeit  des  Mannes,  der  als  gekrönter 
Dichter,  als  Schulmann  in  den  bedeutendsten  Reichsstädten, 
als  Geheimschreiber  und  Historiograph  bei  Hofe  ein  gewisses 
Aufsehen  zu  erregen  geeignet  war,  zeigt  uns  nur,  mit  welch 
kleinem  Massstab  man  damals  Ruhm  und  Gelehrsamkeit  mass. 
Die  zahlreichen  literarischen  Kraftäusserungen  Grünpeck's 
zerfallen  in  medicinische,  astrologische,  humanistische  und  histo- 
rische.    Sie  sind  theils  gedruckt,  theils  ungedruckt. 

Medicinische  Werke. 

Tractatus  de  pestilentiali  scorra  sive  mala  de  Franzos, 
originem  remediaque  ejusdem  continens.  Gewidmet  ist  das 
Buch  seinem  Freunde  Bernhard  de  Waldkirch,  Domherrn  an 
der  Kathedrale  von  Augsburg.  Die  Zueignungsepistel  ist  datirt: 
Auguste  ex  edibus  Magistri  Steimack  Fautoris  mei  precipui 
15  Kalendas  Novembris  (18.  October)  1496.  Der  Autor  ver- 
breitet sich  darin  über  Ursprung,  Verbreitung  und  Heilmittel 
der  Lustseuche.  Hervorgerufen  wurde  das  Buch  durch  ein 
Gedicht  Sebastian  Brant's  de  pestilentiali  scorra  anni  1496  elo- 
gium,  gewidmet  dem  Johann  Reuchlin.  Für  diesen  ,primus 
adolescentiae  suae  foetus^  war  ihm  das  Interesse  des  Publicums 
gewiss.  Hain  ftihrt  in  seinem  Repertorium  bibliographicum  vier 
lateinische  Ausgaben  an,  welche  vor  1500  erschienen.  Die  erste 
Ausgabe   zählt   18   Blätter  in  4^.     Diese  wie  die  drei  anderen 


Siebe  unten:  Deutsche  Briefe  und  Actenauszüge. 


334 

sind  Addiciones  ex  judiciis  astronomicis  eines  gewissen  Chri- 
stannus  ex  clagenfurt. 

Ein  newe  ausslegung  der  seltzamen  wundertzaicben  und 
wunderpürden,  so  ein  zeyther  im  reich  als  vorpoten  des  Al- 
meebtigen  gottes  auffmonende  auffrUstig  ze  sein  wider  die  feindt 
christi  und  des  heyligen  reichs,  erschinen  sein,  an  alle  Kur- 
fürsten und  Fürsten  so  auff  dem  reichstag  zu  Costnitz  versammelt 
sein  gewesen,  von  einem  Erwirdigen  briester,  Herrn  Josephen 
Grtinpecken  beschehen.  Ohne  Ort  und  Jahr,  aber  1507  ge- 
druckt, 4  Blätter  in  4<*  mit  Titelholzschnitt J  Die  Vorrede  ist 
von  Costnitz  datirt. 

Das,  was  den  Reichsständen  vor  Allem  Noth  thue,  sei 
die  Einigkeit  untereinander  und  vorzüglich  mit  ihren  Unter- 
thanen;  femer  der  Gehorsam  gegen  das  erlauchte  Reichs- 
oberhaupt. Die  Wunderzeichen  am  Himmel  und  auf  Erden, 
von  denen  man  so  häufig  vernehme,  zeigen,  wie  er  im  Einzelnen 
nachzuweisen  versucht,  die  im  Reich  grassirenden  Sünden, 
Zerrüttungen  und  Gebrechen  an  und  fordern  zur  Bestrafung  und 
ernsthaften  Besserung  auf,   bevor  Gottes  Strafgericht  einfelltJ 

Speculum  naturalis,  coelestis  et  propheticae  visionis:  om- 
nium  calamitatum  tribulationum  et  anxietatum  quae  super  omnes 
Status,  stirpes  et  nationes  christianae  reipublicae  praesertim,  quae 
cancro  et  septimo  climati  subjecte  sunt,  proximis  temporibus 
venture  sunt.  Die  Vorrede  ist  an  den  Cardinallegaten  Bernar- 
dinus  vom  heiligen  Kreuz  gerichtet,  der  in  der  Absicht,  Maxi- 
milian auf  seinem  Römerzug  zu  begleiten,  den  31.  Detember 
1507  in  Augsburg  eintraf  und  in  dessen  Gegenwart  Maximilian 
dscs  Jahr  darauf  sich  in  Trient  zum  Kaiser  krönen  liess. 
Grünpeck  nennt  sich  in  der  Vorrede  presbyterum  indignum 
und  datirt  dieselbe  von  Regensburg  1508.  Das  Speculum  ist 
aber  ohne  Druckort  und  Jahrzahl  mit  11  interessanten  Holz- 
schnitten in  18  Blättern  klein  2^  herausgekommen. ^  Wie  sehr 
dieses  Buch  die  öffentliche  Aufmerksamkeit  beschäftigte,  be- 
weisen  wiederholte   Auflagen,    die    man    theil weise   mit  Hob- 


*  Siehe  Weller,  Repertorium  typographicum,  Nr.  390.  —  Eine  Notis  vom 
Reichstag  in  Costnitz  1607  von  Grünpeck  wird  im  Cod.  817  der  deut- 
schen Handschriften  der  Münchner  Hof-  nnd  Staatsbibliothek  verseichneL 

2  Ausführlich  bei  Friedrich,  Astrologie  und  Reformation,  München  1864, 
8.  64  f. 

3  Denis  1.  c.  S.  7. 


833 

De  Mentulagra  alias  morbo  gallico  Libellus.  (Das  Pro- 
ömium  ist  unterzeichnet:  Datum  in  natali  solo  Burckhausen  tercio 
Ilonas  Maji  [5.  Mai]  anno  1503.  Regni  Maximiliani  decimo 
octavo.)  Voran  gehen  die  Verse  eines  Georg  Gadius  und  die 
Empfehlungen  des  Aloisius  Marlianus  und  Christanus  Umhauser, 
der  den  Autor  Secretarium  Regium  nennt  Das  Büchlein  zählt 
14  Blätter  in  #,  ohne  Druckort,  Jahrzahl  und  Buchdrucker- 
angabe,  aber  nach  Panzer  und  Hain  zu  Memmingen  von  Albert 
Kunne  yon  Duderstadt  gedruckt.  Eine  andere  Ausgabe  ohne 
Proömium,  Druckort  und  Jahrzahl,  12  Blätter  in  4^,  war  dem 
trefflichen  Denis  bekannt.  Zu  Venedig  erschien  1503  ein  Nach- 
druck bei  Scoti.^ 

Astrologische  und  prophetische  Werke. 

In  die  Zeit  seiner  Lehrthätigkeit  in  Augsburg  fHllt  das 
Prognostikon  auf  das  Jahr  1496,  handschriftlich  in  der  Münchner 
Hof-  und  Staatsbibliothek. 2 

Percelebris  viri  Josephi  Gruenpeck  Prognosticon  sive  Judi- 
cium ex  conjunctione  Saturni  et  Jovis  (welche  anno  1484  statt- 
fand), decennalique  revolutione  Saturni,  Ortu  et  fine  antichristi 
ac  aliis  quibusdam  interpositis.  Die  erste  Vorrede  wider  die 
Verächter  der  Astrologie  ist  nicht  von  Grünpeck.  Die  zweite 
an  den  Bischof  Christoph  von  Passau  ^  enthält  dessen  Lob  und 
Jammer  über  die  Zeiten.  Unter  Anderem  führt  er  an,  dass 
eine  verderbliche,  aus  der  Ueppigkeit  des  Fleisches  hervor- 
gehende Seuche  beinahe  den  ganzen  Erdkreis  überzogen  habe. 

Maximilian  wird  gewarnt,  sich  in  diesen  Zeiten  wohl  in  Acht 

• 

zu  nehmen  vor  seinen  bösen,  rebellischen  Unterthanen  bis  zu 
seinem  40.  Lebensjahre.  Hierauf  werde  er  die  Erhöhung  seines 
Namens  erfahren.  Das  40.  Lebensjahr  fiel  auf  das  Jahr  1499. 
Das  Werkchen,  16  Blätter  in  4^  stark,  wurde  in  Wien  bei 
Johann  Winterburger  im   Jahre   1496   gedruckt.*     Angehängt 


*  Denis,  Nachtrag  zur  Baehdnickergeschichte  Wiens,  S.  7. 

^  Mit    Bürgermeister    Hans     LangenmanteVs    und    Grünbeck's   gemalten 

Wappen.  Katalog  der  deutschen  Handschriften  Nr.  3042. 
'  Chr.  Schachner,  gewählt  9.  März  1490,  gestorben  3.  Jänner  1500. 

*  Denis  1.  c.  S.  6.  —  Kobolt,  Ergänzungen  und  Berichtigungen  zum 
baier.  Gelehrtenlexikon,  8.  121,  lässt  irrthttmlich  noch  ein  zweites  Pro- 
gnostikon 1496  in  Wien  von  Grttnpeck  erscheinen.  Das  oben  genannte 
Prognostikon  erschien  nach  Hain  auch   in  Abdrücken  ohne  Endschrift. 


336 

läufenden  Gerüchtes,  dass  das  SchiflFlein  Petri  in  diesen  Zeit- 
läuflFen  an  viele  geftthrliche  Felsen  stossen  und  beinahe  unter- 
gehen solle  J 

In  diesem  Speculum  spricht  er  auch  von  einem  ähnlichen 
Werk,  das  er  zur  Zeit  ,auf  dem  Amboss  habe^  Libri  tres  de 
mutatione  mundi  war  der  Titel.  Sie  sind  aber  auf  dem  Amboss 
geblieben.  2 

In  der  Münchner  Hof-  und  Staatsbibliothek  befindet  sich 
ein  weiterer  Sprössling  von  Grünpeck's  Seherkraft:  Doctor 
Wolfgang  (wir  halten  es  filr  einen  Schreib-  oder  Druckfehler 
für  Joseph)  Grünpeck's  astrologisches  Judicium  über  die  Stadt 
Regensburg  vom  Jahre  1511;  11  Blätter  in  2^;  deutsch.^ 

Ad  reverendissimos  et  illustr.  principes,  Philippum  et 
Johannem,  Frisingensis  et  Ratisbon.  ecclesiarum  Episcopos, 
comites  Palatinos  et  duces  Bavariae  salubris  exhortatio  Josephi 
Qruenpeck  in  litterariarum  rerum  et  universorum  graduum  cum 
bonorum  tum  dignitatum  gravissimam  jacturam.  Landshut  sexto 
Kalendas  Februarii  1515.  4  Bl,  in  4^  Panzer  führt  (Bd.  IX  114) 
noch  eine  zweite  Ausgabe  aus  dem  Jahre  1515;  aber  ohne 
Druckort  an. 

Die  Geburt  eines  schrecklich  aussehenden  weiblichen 
Zwillingpaares  verbunden  mit  den  Eindrücken  der  eben  be- 
endigten Schweizerreise  gab  Anlass  zu  der  Schrift.  Er  glaubt, 
Gott  und  Natur  habe  durch  die  zwei  monströsen  zusammen- 
gewachsenen Mädchen  des  römischen  Reiches  und  deutscher 
Nation  Missgestalt  anzeigen  wollen,  dessen  verweichlichte  Sitten, 
weibische  Gewohnheiten,  Unbeständigkeit  in  Plan  und  Aus- 
führung, unheilvolles  Misstrauen,  Feindschaften  und  innere 
Kriege,  was  er  Alles  an  den  einzelnen  Gliedern  der  Missgeburt 
nachzuweisen  sucht.  Er  kommt  zur  merkwürdigen  Aeusserung: 


1  Es  wurde  schon  oben  erwähnt,  wie  dieses  Speculum  Grünpeck  die  Ehre 
eintrug,  von  den  Protestanten  unter  die  Vorläufer  Lutber^s  eingereiht 
zu  werden.  Löscher,  Reforroationsurkunden,  Bd.  I,  S.  90,  sagt  fälschlich, 
Grünpeck  sei  ein  eifriger  Lehrer  gewesen  und  habe  in  Nürnberg  1501 
bis  1508  gepredigt.  Hagen  erweitert  noch  diese  Behauptung,  Grünpeck 
sei  ein  Freund  Pirkheimer^s  gewesen  und  habe  in  Nürnberg  gegen  das 
alte  Kirchensystem  gepredigt.  Ueber  den  Einfluss  des  Büchleins 
siehe  Jörg,  Deutschland  in  der  Revolutionsperiode,  S.  92. 

»  Notiz  bei  Freytag  1.  c.  836. 

'  Katalog  der  deutschen  Handschriften,  8.  208. 


337 

Weil  das  Männergeschlecht  Deutschlands  so  entartet  ist^   wird 
nach    Maximilians    Ableben    die    oberste    Herrschaft    hervor- 
ragenden Weibern   zufallen  oder   zum   Urzustand,   der  Volks- 
aatorität,  zurückkehren,  wie  die  steigende  Macht  und  Einfluss 
des  Schweizervolkes  deutlich  drohen.  Das  kaiserliche  Regiment 
soll  aber  nicht  der  Unwissenheit,  Gewaltthätigkeit  und  Grausam- 
keit des  ungebildeten  vulgus  zu  Theil  werden  und  die  Urroheit 
in  Sitte,   Gesetz   und  Einrichtungen    überall   platzgreifen  wie 
in  der  Schweiz,  nach  deren  verführerischem  Beispiele  Viele  in 
Erwartung  von  des  Kaisers  Tode  sich  anschicken,   die  kaiser- 
liche Wtirde  mit  ihm  auf  immer  zu  begraben.  Dieses  ihrerseits 
jetzt  und  späterhin  durch  Rath  und  That  zu  hintertreiben  be- 
schwöre er  die  beiden  genannten  Bischöfe  als  Leuchten  pastoralen 
Eifers.  Sonst  werde  das  gemeine  aufrührerische  Volk,  wie  man 
es  kürzlich  in  Pannonien  gesehen,  den  Grafen  und  Herren,  den 
Gelehrten  und  Ungelehrten  das  Mass  vorschreiben. 

Elme  unglaubliche  Angst  und  Besorgniss  hatte  zu  Grün- 
peck's  Zeiten  die  Menschen  bezüglich  des  Jahres  1524  ergriffen, 
hl  Schrift  und  Bild  hatte   man  schon  vor  Luther's  Auftreten 
das  Jahr  1524   dem  Volke  als   dasjenige   vor  Augen  gestellt, 
welches  die   Rache   Gottes    über  die   Erde,    Deutschland   vor 
Allem,  ausgiessen  werde,   wenn  die  Reform  nach  dem  Evan- 
gelium nicht  ernstlich  durchgeführt  werde.     Viele  erwarteten 
eine  neue    Sintfluth,    wogegen   Andere   milderen   Sinnes   blos 
eine  greuliche  Ueberschwemmung  annahmen,  welche  durch  die 
Pianetenconjunction    im    Zeichen    der   Fische    anno    1524   an- 
gedeutet werde.*  Dieser  erschrecklichen  Wasserfluth  ging  aber 
schon  lange  eine  Ueberschwemmung  astrologischer  Scharteken 
vorher,  und  hier  konnte   unser  Ghiinpeck   nicht  fehlen.     Von 
Johann  Weyssenburger  in  Landshut  wurde  wahrscheinlich  1522 
herausgegeben:    Dialogus   epistolaris   Doctoris   Josephi   Gruen- 
peck  ex  Burckhausen,   in   quo  Arabs   quidam  Turcorum  Im- 
peratoris  Mathematicus   disputat  cum  Mamalucho   quodam  de 
christianorum  fide  et  turcorum  secta  atque  inde  de  bellorum 
et  aquarum  exundationibus,  fame,  pestilentia  et  aliis  horribilibus 
plagia,  que  anno  vigesimo  quarto  ex  omnium  planetarum  in  signo 
pisciam  configurationibus   ob  venture   sunt,  jucunde   et   utiliter 
disputant.    In    der   Zuschrifl   an   König    Karl   V.    nennt   sich 


'  Friedrich  L  c.  87  f.,  126,  131. 


338 

Grünpeck  Maximiliani  quondam  Caesaris  Amanaensem.  Das 
Werkchen  ist  3  Bogen  stark  in  4"  ohne  Jahrzahl.  Derselbe 
Dialog  erschien  auch  deutsch  bei  dem  nämlichen  Drucker  den 
12.  Februar  anno  1522  (laut  Endschrift) ,    4'/2  Bogen  in  4^i 

Etwas  früher  oder  später  veröflFentlichte  unser  Autor: 
lieber  die  künftige  Zusammenfügung  der  Planeten  im  Fisch. 
Ohne  Druckort  und  Jahr  in  4^^ 

Das  Judicium  über  die  Stadt  Regensburg,  welches  für 
den  Eintritt  der  Wassergefahr  Rathschläge  gibt,  hauptsächlich 
sich  aber  bemüht,  Ereignisse  neuerer  Zeit,  wie  Bürgeraufruhr 
und  Judenvertreibung,  als  durch  die  Sterne  prädestinirt,  hin- 
zustellen, kam  nach  Oefele,  Allgemeine  deutsche  Biographie  im 
Jahre  1523  heraus. 

Genethliacon  germanicum  Maximiliani  U.  handschriftlich 
auf  der  kaiserl.  Hof  bibliothek  in  Wien  Nr.  8489. 

Es  ist  das  Horoskop  Kaiser  Maximilians  U.,  der  1527 
geboren  wurde.'  Von  Denis  und  nach  ihm  von  Chmel  wurde 
es  fälschlich  auf  Kaiser  Max  I.  bezogen.^ 

Wir  lernen  aus  der  Vorrede  die  hohe  Ansicht  des  Sehers 
von  seiner  Kunst.  Gott  hat  aus  dem  Meere  der  Gaben  des 
heiligen  Geistes  den  Menschen  die  edelste  und  höchste  Kunst 
der  Sterne  deswegen  mitgetheilt,  damit  sie,  welche  mit  Nebeln 
der  Unwissenheit  umgeben,  den  rechten  Weg  filr  ihre  Hand- 
lungen nicht  finden  können,  in  den  Fackeln  und  in  dem  klaren 
Lichte  derselben  auf  das  Sicherste  wandeln  mögen.  ,Die  Kunst 
des  Gestirnes^  lehrt  nicht  allein  wohl  und  recht  leben,  sondern 
auch  die  Eigenschaften,  Sitten  und  Gewohnheiten  der  Menschen 
erkennen,  das  Glück  und  Unglück  bemessen,  Gesundheit  und 
Krankheit  abnehmen,  die  Gelegenheit  der  Heiraten  der  Kinder, 
Freundschaften  und  Feindschaften,  den  Tod  und  das  Leben 
klärlich   erweisen.     Wer  nur  ein   wenig,   sagt   er,    durch  die 


1  Panzer,  Annalen  der  älteren  deutschen  Literatur  11,  124. 

3  Denis,  Nachtrag  8. 

^  Oefele  L  c. 

*  Denis  Nachtrag.  —  Chmel,  Die  Handschriften  der  kais.  Hof  bibliothek  II, 
S.  489—492.  Schon  aus  dem  Eingang  der  Schrift:  Die  Vorred  Doctor 
Joseph  Gruenpeck  in  die  Geburt  des  grossmächtigisten  Fürsten,  Herren, 
Herren  Maximilian,  König  zu  Hungern  und  Beham,  Ertzherzog  zu  Oster- 
reich, ersieht  man,  dass  sie  nicht  auf  Maximilian  I.  verfasst  war,  dem 
der  Titel:  König  von  Hungern  und  Böhmen  nicht  zukommt 


L 


339 

AstroDomey  erleachtet  ist,  vermag  die  Zügel  seines  Lebens  und 
seitlicher  Regierung  leichtlich  durch  alles  Ungestüm  wieder- 
wftrtiger  Wetter  an  das  sichere  Gestade  zu  führen!  (sie). 

Es  folgen  in  12  Capiteln  die  Weissagungen  Grünpeck's, 
höchst  schmeichelhaft  fUr  den  neugebomen  Prinzen,  höchst 
behutsam  im  Ausdruck,  und,  um  den  Sehernimbus  nicht  aufs 
Spiel  zu  setzen,  in  allerlei  schwülstigen  Redensarten  einher- 
gehend. Der  Prinz  wird  aus  überschwänglicher  ,Lindigkeit^ 
seines  Gemüthes  zwar  viel  betrogen  werden  und  mit  falschen 
Satfaschlägen  umgeben  sein,  aber  seine  Geschicklichkeit  wird 
ihn  aus  allen  seinen  Anfechtungen  erledigen,  dermassen  ,dass 
er  in  der  Glori  und  Magnificenz  über  alle  Könige  und  Fürsten 
schweben  und  ein  gut  Alter  erreichen  wird*. 

Pronosticon  Doctoris  Josephi  Gruenpeck  ab  anno  32  usque 

ad  annum   40,*  Imperatoris    Caroli    quinti    plerasque    futuras 

historias  continens.  Ratispone  apud  Joannem  Ehol  Anno  1532. 

7  Seiten  Text  in  4«.' 

Deutsche   Uebersetzungen    davon:   Pronostication   Doctor 

Joseph  Grünpeck's  vom  zwei  und  dreyssigsten  Jar  an  bis  auf 

das  viertzigst  Jar  des  allerdurchlauchtigsten,    grossmächtigsten 

Kaiser  Carols  des  ftinfften  etc.  und  begreyfft  in  ir  vil  zukünff- 

tiger  Hysterien.   Getruckt  zu  Nürmberg  durch  Künigund  Her- 

gotin,  4^^  ohne  Jahrzahl.^ 

Eine  zweite  wurde  in  Nürnberg  von  Hanns  Guldenmundt 
in  klein  4*^  gedruckt,  ohne  Jahrzahl,  Text  kaum  6  Seiten. ^ 

Eine  dritte  erschien  mit  der  Jahrzahl  1532  ohne  Angabe 
des  Ortes  und  Druckers  gleichfalls  in  klein  4^,  aber  grösseren 
Lettern  als  die  vorhergehende  auf  nicht  ganz  10  Seiten.* 

Eine  vierte,  6  Blätter  in  4^,  ohne  Jahrzahl,  Ort  und 
Buchdrucker,  befindet  sich  in  der  Stiftsbibliothek  St.  Florian. 
Das  Titelblatt  enthält  den  kaiserlichen  Adler  zwischen  den 
Säulen  des  Herkules  und  den  Wahlspruch:  Plus  ultra. ^ 


*  In  der  Wiener  Hofbibliothek.  —  Eine  andere  lateinische  Ausgabe  ver- 
Eeichnet  Panser,  Annal.  Typogr.,  vol.  IX,  p.  153,  sine  nota  loci,  typo- 
giaphi  et  anni. 

'  Denis,  Nachtrag  8. 

*  Wiener  Hof  bibliothek. 

*  Wiener  Hofbibliothek. 

^  Das  Florianer  Exemplar  wurde  zur  Zeit  seines  Erscheinens  um  zwei 
Pfennige  gekanfL 
ArektT.  Bd.  LXXai.  U.  H&lfte  23 


340 

Eine  fUnfte  ist  handschriftlich  in  der  Wiener  Hof  bibliothek^ 
wenigstens  differirt  Anfang  und  Ende  derselben  von  dem  Flo- 
rianer Exemplar.^ 

Die  gute  Absicht,  sagt  er  uns  im  Eingangs  welche  er 
bei  seinen  vielen  Prognostiken  verfolgte,  als  einer  gottsefigen 
Mahnung  an  alle  Stände  christlicher  Obrigkeit,  habe  er  leider 
nicht  erreicht.  Er  glaubte,  es  werde  eine  bessere  Ordnung 
guter  Sitten  daraus  erfolgen.  Allein  es  fallen  täglich  so  schwere 
Händel  vor,  dass  man  eine  rechte  Weise  guter  Ordnung  imd 
Reformation  gar  nicht  erfinden  und  ersinnen  könne.  Gleichwohl 
erscheinen  täglich  am  Himmel  neue  Wunderzeichen  und  Mirakel, 
welche  uns  unruhig  und  betrübt  machen,  dass  es  gar  nicht 
zu  wundern  wäre,  wenn  Verzweiflung  das  ganze  Menschen- 
geschlecht erfassen  würde.  Er  habe  darum,  wie  einem  treuen  Chri- 
sten gebührt,  seine  früheren  Schreiben  und'Ermahnungen 
wieder  vornehmen  wollen,  damit  die  Kleinmüdiigen  eines 
sichern  Rath  und  in  ihren  Aengsten  eine  Zuflucht  hätten. 

Es  war  nämlich  im  Jahre  1531  kein  Zweifel  mehr,  dass 
die  im  Jahre  1529  von  den  Mauern  Wiens  unverrichteter  Dinge 
abziehenden  Türken  bald  mit  frischer  Macht  heranziehen  und 
einen  neuen  Stoss  gegen  die  Christenmacht  versuchen  würden. 
Die  verzagenden  Gemüther  sollten  mit  Hoffnungen  und  Ver- 
heissungen  aufgerichtet  werden.  Er  geht  darin  so  weit,  dass 
er  im  Jahre  1536  die  zwei  allermächtigsten  Reiche  Rom  und 
Byzanz  wieder  aufgerichtet  erblickt.  Im  Jahre  lo37  werden 
Spanien  und  Portugal  ihre  Herrschaft  über  Afrika  wieder 
gewinnen,  im  Jahre  1538  wird  der  Tempel  des  Herrn  und 
Jerusalem  wieder  aufgebaut,  im  Jahre  1539  wird  in  Egypten 
und  umliegenden  Landen  kein  Saracene  mehr  gefunden,  alle 
Secten  und  Religionen  werden  durch  ein  Band  verbunden 
werden.  Die  Juden,  jetzt  über  die  ganze  Welt  verstreut^  werden 
sich  in  Armenien,  Persien  und  Egypten  sammeln,  um  ihren 
Messias  zu  erwarten,  aber  die  Christen  werden  ihnen  grossen 
Widerstand  thun,  so  dass  Blutvergiessen  den  ganzen  Erdkreis 
erfüllt.  Im  Jahre  1540  wird  die  ganze  Welt  unter  die  Herr- 
schaft des  Adlers,  des  römisch-deutschen  Reiches  gestellt,  das 
Grab  des  Herrn  ist  wieder  Christeneigenthum  und  die  Secte 
der  Nazarener,  die  letzte  unter  allen  Secten,  wird  ausgerottet 


1  Tabalae  Codd.  Manusc.  sub  N.  4756,  fol.  161—164. 


Ea  iat  unmöglich,  etwas  (leiBtloeeres  zu  leeen  als  di 
Werk  Grünpeck'a;  nicht  ein  gescheidter  oder  poetisch  ach' 
Gedanke,  die  Sprache  lächerlich  gedunsen  und  geapreizt, 
sie  nur  ein  ordinärer  Gaukler  und  Marktschreier  gebram 
ktmi.  Und  um  diesen  Unainn  acheinen  aicb  die  Bucbhän 
ordentlich  gerissen  zu  haben,  wie  die  vielen  Ausgaben  bewe: 
Was  man  doch  damals  dem  Volke  und  nicht  blos  dem 
meinen, "wie  die  lateinischen  Exemplare  bezeugen,  bieten  kon 

Von  dem  durch  Kunigund  Hergotin  in  Nürnberg 
druckten  deutschen  Exemplare  der  erwähnten  Pronosticatior 
findet  aicb  eine  Handschrift  in  der  Wiener  Hof  biWiothek,  wel 
angehängt  ist:  Ausslegung  Über  den  Kometen,  der  im  1531 
atn  und  sibentzig  tag  geschinen  hat.  Denis,  der  davon  Er' 
nm^  macht,  spricht  sich  über  die  Autorschaft  nicht  weiter 

Practica  der  gegenwärtigen  grossen  Trlibsalen  —  d 
die  letzt  chilias  bia  zum  end  werhafiFtig.  Strasaburg  bei  Ji 
Cammerlander  in  4",  leider  ohne  Angabe  dea  Jahrea.'  Pa 
erwähnt  dieae  Firma  mit  ihren  Werken  erst  1534  und  1535. 
Katalog  der  BUc  her  Sammlung  dea  Theresianuma  in  Wien  b] 
von  Jakob  Cammerlander  einen  deutschen  Valeriue  Max 
Tom  Jahre  1533.  Sollte  Cammerlander  erst  in  diesem  Jahr 
drucken  angefangen  haben,  so  würde  daraus  folgen,  daas  G 
peck  seine  Schwärmereien  bis  in  das  Jahr  1533  oder 
Epäter  ausgedehnt  habe. 

Das  Horoakop  der  Stadt  Hteyr.'  Aus  der  Conjunctur 
Planeten  zur  Zeit  der  Erbauung  der  Stadt,  deren  Datun 
ihn  allein  kein  Geheimniss  ist,  weist  er  die  geistigen 
kürperhchen  Eigenschaften  der  Bewohner  im  Einzelnen  i 
Sie  könnten,  sagt  er  mit  gravitätischer  Miene,  ein  gutes  . 
erreichen,  aber  sie  verlegen  sich  zu  viel  auf  Essen  und  Trii 
wodurch  das  Leben  gekürzt  wird.  In  Betreff  der  Zukunft 
Stadt  ist  er  sehr  zurückhaltend;  er  sagt  nichts,  was  nicht  _ 
von  uns  sagen  könnte. 

Ans  dem  Inhalt  lässt  sich  übrigens  nicht  entnehmei 
welche  Zeit  sie  einzureihen  ist. 

'  Abgedrückt  in  Priti'  BMchreibDDg  und  Geschichte  der  8t»dt 
Lira  18B7,  8.  S9if.  —  Naolt  Prenenliuber,  Aonalee  Styr.,  S.  * 
dioM  NatiritiUsatellaDf  tou  Ste^r  id  feiner  Zeit  (1628)  noch  in 
L«iite  Hände. 

*8» 


342 

Hnmaniitiiohe  Sohriften. 

Comoediae  utilissimae  omnem  latini  sermonis  elegantiam 
continentes.^  Es  sind  ihrer  zwei;  beide  von  Johann  Froschauer 
in  Augsburg  1497  gedruckt,  15  Bl.  in  4**.  Grtinpeck  widmete 
sie  seinem  und  der  schönen  Künste  innigen  Freunde,  Bernhard 
von  Waldkirch.  Da  sie  zu  den  frühesten  Schulkomödien  ge- 
hören und  zugleich  den  Geschmack  einer  vornehmen.  Reichs- 
stadt darstellen,  wollen  wir  uns  dieselben  etwas  näher  ansehen. 

Die  erste  Komödie,  anlässlich  der  Heirat  eines  Augs- 
burger Bürgers  am  23.  Juli  1497  gegeben,  soll  ein  Bild  der 
verderbten  Sitten  der  Welt  sein,  welche  der  Autor  hier  aber 
nur  bezüglich  eines  Standes,  nämlich  der  ausgelassenen  männ- 
lichen und  weiblichen  Jugend  schildert,  die  nun  allerdings  nichts 
weniger  als  sittsam  und  ehrbar  erscheint.  Schmerzlich  rügt  der 
Dichter  im  Prologe  die  geringe  Achtung,  welche  den  Pflegern 
der  Musen  allenthalben  zu  Theil  wird.  ,Artium  amatores  non 
modo  probro  affici  fas  est,  sed  etiam  admotis  digitis  verborum 
impudentissimorum  eculeo  (!)  pungi,  unde  non  tam  extemplo 
bonus  civis  verbum  emittit  ex  ore  latinum,  quin  lacessantium 
hominum  improbus  sit  sermo:  En  scolasticus  bibulusque  atra- 
mentarius  veretur  uti  matemo  idiomate;  abeamus,  nostrae  sit 
expers  sodalitatis.^  Das  Stück,  welches  keinen  Titel  hat,  ist 
eigentlich  nur  ein  Dialog,  welchen  weltlich  gesinnte,  genuss- 
süchtige Mädchen  und  Jünglinge  mit  den  Vertretern  einer 
strengeren  Lebensansicht,  einer  frommen  Jungfrau,  zu  der  sich 
später  als  Verbündete  ein  altes  Weib  schlägt,  unterhalten. 
Auf  die  Ermahnungen  der  Einen  folgen  die  sophistischen 
Argumente  der  Anderen.  Von  einer  Handlung,  von  spannender 
Verwicklung,  von  Geist  und  Witz  ist  platterdings  nichts  zu 
entdecken.  Das  Ganze  ist  eine  schülerhafte  und  bäuerisch  rohe 
Arbeit,  und  es  wird  uns  geradezu  unbegreiflich,  wie  derartig 
geistloses  Zeug  und  so  gemeine  Spässe  vor  den  Senatoren 
einer  der  ersten   Städte  des  Reiches  und  von  Patriciersöhnen 


1  Sie  worden  mir  mit  weltbekannter  Liberalität  von  dem  Vorstand  der 
königlichen  Hof-  nnd  Staatsbibliothek  in  München  znr  Einsicht  fiber- 
sandt,  wofQr  ich  hier  meinen  verbindlichsten  Dank  ausspreche.  —  Fall* 
mann  im  Artikel  ^Grünpeck*  bei  Ersch  und  Qruber  spricht  von  iwei 
Ausgaben.  Was  den  Druck  bei  Froschauer  anbelangt,  nehe  Notitia 
Hist.  Lit  de  Ubris  monast.  SS.  Udalrici  et  Afrae  Augnstae  exstantibuSf 
vol.  n,  290. 


•84S 

aufgeführt  werden  kooDten.  Charakteristisch  fUr  jene  Zeit  ist 
auch  die  Freiheit  und  Frechheit,'  mit  welcher  die  Zöglinge 
Grttnpeck'e  sich  Über  die  Liebe  und  Liebschaften  aussprechen, 
das  Älter  und  elterliche  Strenge  verhohneii.  Man  merkt  den 
EinäusB,  welchen  Terenz  und  Plantus  auf  Weglassung  alles 
Zwanges  in  dieser  Beziehung  geübt.  Und  doch  versichert  uns 
der  Dichter  in  der  Dedicationsepistel  an  Waldkircb,  seine  Ab- 
sicht sei  gewesen  ,hujuB  seculi  mores  notando  adolescentibus 
prima  oratorum  elementa  capessentibus  prodesse',  und  am 
Schlüsse  lobt  er  die  Schüler  (ingenui  pueri  patricii)  als  summa 
modestia  atque  urbanitate  praediti !  Die  Wechselgesprftche 
Verden  von  den  Spielern,  welche  auch  die  weiblichen  Rollen 
auf  sich  nehmen,  in  lateinischer  Prosa  geführt.  In  den  Bürger- 
schalen  der  grossen  und  kleinen  Städte  des  Reiches  wurde 
nbuUcb  damals  auch  Latein  gelehrt.  Auf  sein  Latein  thut 
sich  Grünpeck  viel  zu  Oute,  denn  er  behauptet  auf  dem  Titel- 
blatt, dass  jeder  durch  seine  Dramen  ein  vortrefflicher  Lateiner 
werden  könne.  Das  Compliment,  welches  ihm  Probst  Tucher 
von  St.  Sebald  über  das  feine  Latein  macht,  entspricht  Übrigens 
mehr  der  Höflichkeit  als  der  Wirklichkeit.  Die  Zuhörer  waren 
nur  Itiftnner.  I^nge  hat  übrigens  der  "Dichter  sein  Publicum 
nicht  aufgehalten,  das  ganze  Spiel  steht  auf  13  Quartseiten.  Er 
eelbst  war  unter  den  Spielenden,'  wahrscheinlich  als  Sprecher 
des  Prologes. 

Das  zweite  Stück,  zu  Ehren  des  Königs  Maximilian  am 
'26.  November  1497  zu  Augsburg  aufgeführt,  bewegt  sich  in 
demselben  Ideenkreis  wie  das  erste :  Tugend  und  betrügerische 
Weltlust  mit  einander  im  Kampfe  als  Sittengemälde  des  gegen- 
wartigen Weltlaufes.  Die  Tugend  (Virtus),  von  ihrer  ewigen 
Feindin,  der  betrügerischen  Weltlust  (Fallacicaptrix)  überall 
tun  verfolgt  und  vertrieben,  durchwandert  ruhelos  den  Erd- 
kreis,^ bis  sie,  vom  Vertrauen  zum  neuen  Herrscher  Maximilian 

'  Den  einen  der  JDaglInge  entiUckt  nn  seiner  Geliebten  nichts  mehr  als 
^niu  ille  qnnm  pedit,  quod  tota  rMonst  domiu'. 

'  efit  uitot  ipiemet,  am  Schlaue. 

*  QrQDpeck  ISsst  sie  eralUilen  Ton  den  Arimaspen,  welche  nor  ein  Ango 
mitten  anf  dei  Slirne  haben;  den  Sauromaten,  welche  nnr  alle  dritten 
Tag  Speise  nehmen,  den  schlangengebomen  Tolkern  Afrikas,  den  Hodo- 
stelen  in  Indien,  welche  ein  Bein  mit  wanderbarer  SchnellkTaft  besitzen; 
den  Volkern,  welche  keinen  Nacken  und  die  Augen  anf  den   Schnltern 


geleitet;  nach  Augsburg  kommt ,  wo  sie  dessen  Richterspruch 
gegen  Fallacicaptrix ,  die  stolz  sich  rühmt,  dass  der  Erdkreis 
ihr  angehöre,  anruft.  Vor  dem  Tribunal  des  Königs  entspinnt 
sich  zwischen  beiden  Nebenbuhlerinnen  ein  hitziger  Kampf  um  die 
Jugend.  Vivite  leti  o  imberbes  (!)  adolescentes,  fruimini  gaudio 
et  voluptate  dum  vires  etasque  sinunt,  sequimini  puellarum 
amores.  So  beginnt  Fallacicaptrix  das  Spiel  und  den  Wett- 
streit. Sie  sollen  sich  ja  nicht  durch  ihre  tadelsüchtigen  Väter 
abhalten  lassen,  welche  die  Söhne  etwa  Wüstlinge,  Schlemmer, 
Säufer  und  Verschwender  nennen.  Ebensowenig  sollen  die 
,innuptae  puellae'  auf  die  ernsten  Worte  ihrer  Mütter  hören, 
die  früher  dasjenige  selbst  gethan  haben,  was  sie  jetzt  an 
ihnen  tadeln.  Durch  Stellen  aus  Horaz  werden  die  Schmeichel- 
worte der  Fallacicaptrix  verstärkt.  Bei  dem  Auftreten  der 
Virtus  ergreifen  die  ,pueri'  wie  vor  einer  Schreckgestalt  eiligst 
die  Flucht;  nur  auf  beweglichen  Zuruf  halten  sie  stille,  bitten 
aber  den  König  um  endliche  Beilegung  des  unerträglichen 
Zankes  zwischen  den  beiden  Gegnerinnen.  Der  König  kann 
Niemand  ohne  ordentlichen  Process  verurtheilen,  ein  Herold 
verkündet,  dass  er  den  Gerichtsstab  an  sich  nehme  und  das 
Gericht  beginne.  Nun  folgen  gegenseitige  Anklagen  und  Be- 
schuldigungen, bis  endlich  der  König  zur  Entscheidung  gedrängt 
wird,  als  Virtus  ihn  an  die  Wohlthaten  erinnert,  die  sie  ihm 
in  allen  Handlungen  und  Geschäften  bisher  erwiesen.  Besonders 
möge  er  gedenken,  wie  sie  ihm  während  des  Krieges  gegen 
den  treulosen  französischen  König  (perfidum  regem  Franeie), 
der  ihm  die  Gemahlin  geraubt,  tröstend  zur  Seite  gestanden 
und  ihn  im  schwersten  Kummer  zur  Geduld  und  Ergebung 
angespornt.  Sie  sei  es  auch  gewesen,  die  ihn,  als  er  von 
seinen  rebellischen  Unterthanen  in  den  Niederlanden  (versi- 
pelles  Flamingi)  in  den  Kerker  geworfen  wurde  und  von 
Allen  verlassen  war,  allein  mit  mütterlicher  Zärtlichkeit  pflegte. 
Besiegt  umarmt  der  König  die  Tugend,  die  er  von  nun  an 
als  Lenkerin  aller  seiner  Schritte  erklärt.  Fallacicaptrix  wird 
feierlich  verbannt.  Die  lateinische  Sprache,  obgleich  gesucht  nnd 
schwülstig,  ist  hier  dennoch  gewählter  und  feiner  als  im  ersten 
Stück.  Es  erscheinen  darin  viele  Anklänge  an  lateinische 
Dichter  und  Autoren.  Rohe  Scherze  bleiben  fern.  Man  merkt 
es  dem  Drama  an,  dass  es  vor  einem  König  und  seinem  Hof- 
staat,  vor  den  edlen  Geschlechtern  der  Stadt 


g     UUU     BOIUOUi    UVi 

idt  Augsbtti^,  vor 


345 

Uännleia  und  Fräulein  gespielt  werden  sollte.  OrOnpeck  ent- 
Khnldigt  sich,  dass  er  es  in  lateinischer  Sprache,  welche  aur 
wenige  Zueeher  verstehen,  zur  AuflUbrung  gebracht.  Aber  vor 
dem  Könige  konnte  er  ein  bo  erhabenes  Thema  nicht  in  einer 
b&rbariBchen,  hSsslichen  und  abscheulichen  Sprache  behandeln.* 

Aach  hier  sucht  man  vergebens  nach  einer  Handlung. 
Das  ganze  Wortgefecht  verbreitet  sich  in  geistloser  Prosa  über 
13  Seiten  in  4''.  Die  Spieler  waren  auch  hier  die  jugendlichen 
Zdglinge  QrUnpeck's  aus  vornehmen  Äugsburger  Hftusem.  Er 
selbst  trug  den  Prolog  vor. 

Laurentii  Vallae  libri  de  elegantia  linguae  Latinae  a 
Josephe  Qruenpeck  explanati.  Sie  sind  nur  handschriftlich  in 
einem  Codex  des  Klosters  Tegemsee,  jetzt  in  der  Münchner 
Hof-  und  Staatsbibliothek  (Nr.  18998)  vorhanden.'  Die  Ele- 
gutiae  Vallas,  eine  Anleitung  zur  classisch -lateinischen  Schreib- 
ireise,  wurden  schon  vor  Gruenpeck  vielfach  commentirt.  Die 
Znschrift  hebt  an:  Joseph  Gruenpeck  liberalium  studiorum 
magister  omnibus  ingenuamm  arcium  anditoribus,  felicitatem 
optat.  Danials  war  also  GrUnpeck  nicht  mehr  als  lateinischer 
Schulmeister. 

Er  preist  das  Wiedererwachen  der  Wissenschaften  und 
RüDBte  zu  seiner  Zeit  in  Italien.^  Er  hofft,  dasB,  wenn  Frieden 
und  Müsse  seiner  Zeit  beschieden  seien,  die  Sprache  der  Römer 
und  mit  ihr  die  Grosszahl  der  Disciplinen  wieder  werde  her- 
stellt werden.  Sein  Buch  ist,  wie  er  selbst  sagt,  nur  ein  Aus- 
zag  aus  den  Elegantiae  .doctissimi  et  latinissimi  Vallae'.  Er 
bringe  kein  neues  Werk,  nur  wo  es  nothwendig  war,  habe  er 
manchmal  etwas  Neues  aus  seiner  Erfahrung  hinzugefügt.  GrUn- 
peck befolgt  übrigeoB  eine  andere  Ordnung  und  behandelt  den 
reichhaltigen  Stoff  in  61  kurzen  Capiteln.  Die  Abfassung  iUllt 
in  die  Zeit  seines  IngolstAdter  Lehramtes  149Ö  oder  1496.  Das 
Ganze  ist  eine  unbedeutende  Arbeit,  das  Beste  seine  warme 
Empfindung  fUr  sein  Vaterland  und  Deutschland,  wobei  er  aber 


1  iniqQiuii  daxi,  rem  tantam  barbaro  et  foedo  atqae  tarpi  aermoDe   tractari. 

'  Die  Haadacbrift  gebttrt  dem  Auigtuif  de«  15.  oder  Beginn  des  Ifi.  Jahr- 
kauderto  an.  GrUnpeck's  Abhandlnng  steht  &uf  58  beschTiebenen  Octav- 
bUtlem.     6ie   nurde   mir  inr  Einuobt   auf  da«   ZuvorkoDiniendste   zu- 


346 

nicht  unterläsBt;  dem  ersteren  derbe  Dinge  ins  Gesicht  zu 
sagen.  Aus  Pietät  gegen  sein  Geburtsland,  sagt  er  im  flingangt 
und  zu  allen  Deutschen  überhaupt,  speciell  zu  den  Liebhabern 
der  Beredsamkeit  des  Ingolstädter  Gymnasiums  (hujus  gymnasü 
Ingolstatiensis)  habe  er  diese  mühevolle  Arbeit  auf  sich  ge- 
nommen. Er  wollte  mit  seinen  schwachen  Kräften  beitragen, 
dass  die  Jünger  nützlicher  Wissenschaften  fUr  römische  Bered- 
samkeit empfänglicher  würden,  andererseits  die  Barbarei  aus 
dem  Baierlande  ausgetilgt  würde,  welches  ausländische  Nadonen 
nicht  nur  roh  und  ungebildet  vor  allen  deutschen  Völkern, 
sondern  auch  das  gefrässigste  und  unreinlichste  schmählicher 
Weise  nennen.^ 

Hiitorisohe  Werke. 

Am  bekanntesten  wurde  Grünpeck  durch  seine  Historia 
Friderici  III.  et  Maximiliani  I.^ 

Dem  jungen  Fürsten  von  Burgund,  Erzherzog  Karl,  sollten 
bei  seinem  Regierungsantritt  die  Tugenden  und  glorreichen 
Thaten  der  beiden  Ahnherren  zu  Nutz  und  Frommen  vor  Angen 
gestellt  werden,  was  in  46  kleinen  Abschnitten  geschieht,  in 
denen  Herkommen,  Gestalt,  Jugend,  Lebensweise,  Sitten  und 
Fertigkeiten  gleichwie  die  Grossthaten  in  überschwenglich  pane- 
gyrischer Weise  und,  wie  Grünpeck  meint,  im  schlichten,  volks- 
mässigen,  in  der  That  aber  überladenen  und  schwülstigen  Style 
vorgebracht  werden.  Was  die  Quellen  anbelangt,  aus  denen 
er  das  hier  Mitgetheilte  schöpfte,  so  spricht  er  sich  selbst 
darüber  aus,  indem  er  uns  erzählt,  der  Kaiser  habe  ihm  aufge- 
tragen, was  er  immer  von  merkwürdigen  Aussprüchen  oder 
Thaten  seines  Vaters  Friedrich  III.  oder  anderer  Mitglieder 
seiner  Familie  erfahren  würde,  zu  Papier  zu  bringen.  Was  er  nun 

^  Weg^en  des  Wortspieles  geben  wir  die  Stelle  im  Original:  atqae  nt 
barbaria  tamquam  sentina  exbauriatur  presertitn  ex  nostra  bavarie  pro- 
▼incia  quam  extere  gentes  inter  omnes  germanie  nationes  non  rüdem 
solnm  ac  agrestem,  sed  omni  ingluvie  ac  squalore  sordidissimam  in* 
digp[ie  vocitant. 

2  Das  Original  befindet  sich  im  k.  k.  geheimen  Hausarchiv  in  Wien. 
Veröffentlicht  wurde  dasselbe  von  Cbmel  im  Oesterreichischen  Geschichts- 
forscher, Wien  1838,  Bd.  I,  S.  64  f.  Siehe  dazu  BOhm,  Handschriften 
des  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchives,  Nr.  24.  —  Auch  dieses  Werk  sollte 
einst  wie  Weisskunig,  Theuerdank  und  andere  durch  KttnsUerhsnd 
illustrirt  werden,  FlUcbtige  Skizsen  dazu  gehen  den  einzelnen  Capiteln 
voraus. 


S47 

über  die  ruhmreicheD  Handlungen  der  Urgrossväter,  Groseväter 
luid  EUteni  des  Prinzen  Karl  aus  den  Berichten  der  Zett- 
genoBsen  und  gedruckten  Werken  schSpfen  konnte,  das  wolle 
er  nun  dem  Prinzen  zu  Ehren  erzählen.  Besonders  aber  wolle 
er  eich  mit  dem  Lebenslaufe  Maximilians  beschäftigen,  dessen 
Sitten,  Worte  und  Thaten  er  um  so  getreuer  darstellen  kOnne, 
aU  er  ihm  durch  mehrere  Jahre  als  Geheimachreiber  zur  Seite 
stand  und  Maximilian  in  seiner  huIdvoDen  Weise  ihm  Auf- 
klärung über  Dinge  gab,  die  er  von  seinen  Ammen,  Gespielen, 
Zeitgenossen  und  Kriegskameraden  in  Erfahrung  brachte.'  Ja 
■ach  direct  habe  ihm  der  Kaiser  Ereignisse  aus  seinem  Leben, 
wie  es  eben  kam,  bei  Tische,  im  Lager  und  auf  der  Jagd  mit 
wQDderbarer  Qedächtnissfriscbe  in  die  Feder  dictirt. 

Auf  diese  Weise  sind  viele  ZUge,  besonders  aus  der  Kind- 
heit und  dem  Jugendalter  des  feurigen  Monarchen  erbalten 
worden,  von  denen  wir  sonst  nichts  wUssten,  aber  — Kritik 
ihot  bei  allen  Noth,  denn  Hofklatsch  und  schmeichlerische 
Uebertreibung  sehen  bei  allen  Fenstern  heraus. 

Das  Buch  wurde  Übrigens  wie  andere  vom  Kaiser  inäuen- 
drle  Werke  demselben  zur  Durchsicht  unterbreitet.  Eigen- 
bindige  Notizen  finden  sich  hie  und  da  am  Rande  des  Textes 
oder  bei  den  Federzeichnungen.  Es  lag  das  in  Maximilians 
Art  Wir  wiesen  ja,  dass  die  Autoren  und  Künstler  häufig  Aus- 
kunft und  Belehrung  betreffs  der  ihnen  aufgetragenen  Werke 
Tom  Kaiser,  dem  ein  vortreffliches  Gedächtniss  zu  Statten  kam, 
erhalten.  So  bewahrt  die  kaiserliche  Hofbibliothek  ein  Exem- 
plar des  Theuerdank,  in  welchem  Zusätze  und  Anmerkungen 
von  Maximilians  Hand  vorkommen.'  Mit  Sorgfalt  hat  er  die 
Beschreibung  der  Figuren,  welche  vor  ein  jedes  Capitel  gesetzt 
werden  sollten,  angegeben.  Vom  Weisskunig  bezeugt  dasselbe 
der  Origtoalcodex  der  Hofbibliothek  mit  den  vielen  Hand- 
zeichnungen und  Anfragen  seines  Secretärs  Marx  Treitzsauer- 
wein.'  Aach  der  Ritter  Freydal  enthält  Notizen  ans  Maximi- 
lisna  Feder.^     Welchen   Einfluss    er    auf   das   Werden    dieser 

1  Eingutgsepiitel  «nr  Vila  Friderici  8.  66  und  HaximiliaDi  8.  78. 

)  Siehfl  Khauti,  Verancli  einer  Oesohichte  der  diterr.  Oelehrteo,  8.  103. 

'  Moni,  Gescliichte  der   k.  k.   Hofbibüothek,   S.  314,  and  Chmel,   Hand- 

Ktiriften  der  Hofbibliothek,  Bd.  I,  S.  476,  Nr.  76;  S.  4SI,  Nr.  76. 
'  MoMl  1.  c.    8.   81.   —   HerauBgagehen    von   Quirin    von   Leitner,    Wien 


348 

historischen  Arbeiten  nahm,  beweist  sein  Historiograph  Jakob 
Manlius,  der  zu  dem  Buch  ,von  den  fJrlauchtigen  und  Klaren 
Weibern  des  löblichen  Hauses  Habsburg'  überall  nach  Bei- 
trägen fahndete  und  die  Auswahl  dem  Kaiser  tiberliess.*  Für 
Friedrich  IH.  Lebensbeschreibung  fehlte  ihm  allerdings  der 
persönliche  Verkehr;  aber  er  hätte  wohl  bei  Hofe  und  im  Lande 
Leute  genug  gefunden,  welche  Friedrich  näher  kannten.  Er 
bringt  uns  aber  höchst  unbedeutende  Notizen  und  weiss  nichts, 
was  einen  Ritter  oder  Regenten  wahrhaft  auszeichnet,  anzu- 
führen. Die  unendliche  Geduld,  Nachsicht,  das  langmüthige 
Abpassen  der  Gelegenheit,  wo  der  Gegner  von  anderer  Seite 
bedrängt  wurde,  um  sich  an  ihm  zu  rächen,  waren  nachgerade 
keine  blendenden  Vorbilder  für  einen  jungen  hochgesinnten 
Fürsten.  Ueberdies  zeigen  die  im  Original  durchstrichenen 
Stellen  und  Capitel,  dass  auch  das  Wenige,  was  er  über 
Friedrich  bringt,  vor  dem  Auge  des  kaiserlichen  Kritikers 
keine  Gnade  fand. 

Was  die  Zeit  der  Abfassung  betrifft,^  so  erwähnen  wir 
als  das  jüngste  darin  berührte  Ereigniss,  die  grosse  Gemsjagd^ 
auf  welcher  Maximilian,  er  war  damals  ungefähr  in  seinem 
49.  Lebensjahr  (undequinquagesimo  forte  etatis  sue  anno),  meh- 
rere hundert  Gemsen  erbeutete.  ^  Das  49.  Lebensjahr  vollendete 
Max  im  März  1508.  Von  den  kriegerischen  Unternehmungen 
des  Kaisers  erwähnt  er  zuletzt  die  Schlacht  bei  Regensbui^ 
gegen  die  Böhmen  12.  September  1505,  setzt  aber  bei,  dase  er 

1  Chmel  1.  c.  Bd.  I,  S.  475,  Nr.  75.  Siehe  dazu  im  selben  Codex  den  Auftrag 
des  Kaisers  an  Manlius  in  Betreff  der  Chronik  von  den  ,zotteten  MendP. 

2  Pallmann  in  Encyklopädie  von  Ersch  und  Gruber  sub  Grünpeck  glaubt 
1508,  wie  schon  vor  ihm  Potthast,  Wegweiser  durch  die  Geschieh ts- 
werke  des  Europäischen  Mittelalters.  Oefele  in  der  Allgemeinen  deut- 
schen Biographie,  und  Krones,  Grundriss  der  österreichischen  Geschichte, 
S.  21  meinen  1508—1516. 

'  Pallmann  übersetzt  irrthümlich  den  Satz:  undequinquagesimo  forte  etatis 
sue  anno  ita  exercuit  (nämlich  die  tollkühne  Jagdlust),  ut  una  vena- 
cione  trecentas  sexingentasve  capras  caperet  mit:  Maximilian  habe 
bis  zu  seinem  49.  Jahre  900  Gemsen  erbeutet.  Grünpeck  wollte  nicht 
überhaupt  die  Zahl  der  von  Max  bis  zu  einem  bestimmten  Zeitraum 
erlegten  Gemsen  angeben,  sondern  nur  zeigen,  wie  tüchtig  er  und 
seine  Leute  in  dieser  Art  von  Jagd  geschult  waren,  indem  man  bei 
einer  einzigen  Jagd,  una  venacione,  300  bis  600  Gemsen  fing.  Es  heisst 
trecentas  sexingentasve  (für  sexcentasve).  Grünpeck's  Quellen  waren 
bezüglich  der  Anzahl  offenbar  getheilt. 


849 

noch  sehr  viele  andere  kriegerische  Expeditionen  ausAihrte, 
welche  Grünpeck  in  anderen  Abschnitten  zu  erzählen  sich  vor- 
behalte ^  em  Beweis^  dass  die  Abfassung  des  Werkes  in  spätere 
Zeiten  als  1508  zu  versetzen  ist.  Das  wahrscheinlichste  Jahr 
der  Vollendung  ist  1515,  indem  Prinz  Karl,  für  den  er  seinen 
Fürstenspiegel  verfasste  und  den  er  in  der  Widmungsepistel 
Bni^ndionum  faustissimus  princeps  titulirt,  die  Regierung  der 
Niederlande  im  September  des  Jahres  1514  thatsächUch  antrat. 
Damals  konnte  Maximilian,  dem  die  Handschrift  vorgelegt 
wurde,  die  etlichen  Verweise  auf  den  Weisskunig  machen,* 
welcher  fdr  den  nämlichen  Prinzen  und  zum  nämlichen  Zweck 
von  Marx  Treitzsauerwein  zusammengestellt  wurde  und  Weih- 
nachten 1514  in  seiner  gegenwärtigen  Gestalt  fertig  war.^ 
Ebenso  konnte  damals  dieselbe  hohe  Hand  auf  den  Thenerdank 
hinweisen,^  der  gleichfalls  flir  Karl  als  ein  Spiegel  zur  Nach- 
folge bestimmt  und  von  Melchior  Pfintzing  um  dieselbe  Zeit 
wie  der  Weisskunig  im  Manuscript  vollendet  war.*  Eine  spätere 
Ab&ssung,  etwa  1516,  ist  aus  dem  Grunde  zurückzuweisen, 
weil  Prinz  Karl  durch  den  im  Jänner  1516  erfolgten  Tod 
König  Ferdinands  von  Aragonien  auch  König  von  Spanien 
wurde  und  Grttnpeck  in  der  Widmungsepistel  voll  Lob  und 
Schmeichelei  Elarl  wohl  nicht  blos  Fürsten  von  Burgund  und 
Erzherzog  von  Oesterreich  genannt  hätte. 

Die  beim  Beginn  der  Geschichte  Maximilians  angebrachte 
Federzeichnung  —  Grünpeck  überreicht  dem  Kaiser  knieend  sein 
fertiges  Buch  —  und  der  Inhalt  dieses  zweiten  Proömiums  selbst 
sind  schliesslich  ein  Beweis,  dass  Grünpeck  die  lateinische  Bear- 
beitung des  Lebens  seines  kaiserlichen  Herrn  noch  bei  dessen 
Lebzeiten   vollendete.     Eine  zweite   historische  Arbeit  ist  die: 

Lebensbeschreibung  Kayser  Friederichs  des  HL  (IV.)  und 
Maximilians  des  I. 

Das  Werk  ist  eine  greulich  ungeschlachte  deutsche  Ueber- 
setzung  eines  lateinischen  Originals,  welches  nicht  mehr  voi^ 
banden  ist  und  welches  in  nächster  Beziehung  zu  der  obge- 


*  Chmel,  Geschichtsforscher,  S.  84—87. 

*  Vorrede  zum  Weisskunig.         »  Chmel,  Geschichtsforscher,  67. 

*  Thenerdank  lag  den  1.  März  1517  bereits  gedruckt  vor.  Aber  Entwürfe 
und  Notizen  Ton  des  Kaisers  Hand  geschrieben,  waren  schon  Tor  der 
Redaction  des  Ganzen  durch  Pfintzing  vorhanden.  Siehe  Mosel  1.  c. 
S.  19  und  KhauU  1.  c.  S.  96,  97. 


350 

nannten  Vita  Friderici  III.  et  Maximiliani  I.  stand.  Grünpeck's 
Air  den  Prinzen  Karl  ausgearbeiteter  Fürstenspiegel  ist  offenbar 
nicht  in  dessen  Hände  gekommen.  Da  mochte  sich  nach  Maxi- 
milians Tode  der  schreibselige  Historicus  wohl  versucht  gefehlt 
habeu;  noch  einmal  den  Wurf  zu  wagen.  So  wurde  denn  die 
ursprüngliche  Vita  erweitert  und  umgearbeitet  und  dem  heran- 
gereiften Brüderpaar  y  Karl  dem  deutschen  Kaiser  und  Ferdi- 
nand dem  Könige  Ungarns  und  Böhmens^  zwischen  1526  und  1530 
gewidmet.  Der  würtembergische  Regierungsrath  und  Professor 
Juris  in  Tübingen ,  Johann  Jakob  Moser,  fand  das  deutsche 
Manuscript  in  der  würtembergischen  Regierungsraths-BibUothek 
und  hat  es  1721  in  Tübingen  in  Druck  gegeben.*  In  der 
Handschrift  wird  der  Autor  ausdrückUch  Dr.  Joseph  Grünpeck 
genannt.  Pallmann  (Encyklopädie  von  Ersch  und  Gruber)  hielt 
das  Buch  fUr  eine  schlechte  Uebersetzung  der  von  Chmel 
herausgegebenen  Historia,  allein  es  ist  offenbar  mehr.  Es  sind 
ganz  neue  Capitel  dazugekommen^  die  anderen  häufig  durch 
interessante  Zusätze  erweitert,  manche  gektU'zt,  die  G^chichte 
Maximilians  bis  zu  dessen  Tode  weitergeführt,  der  Ausdruck 
vielfach  verändert.  Dass  diese  erweiterte  Historia  in  lateinischer 
Sprache  abgefasst  war,  kann  wohl  nicht  bezweifelt  werden. 
Die  Widmung  an  so  vornehme  Herren  wie  Karl  und  Ferdinand, 
die  Verachtung,  in  welcher  die  deutsche  Sprache  stand,  und 
die  Vornehmheit,  welcher  sich  die  lateinische  erfreute,  sprechen 
laut  dafür.  Zudem  entschuldigte  er  Seite  5  des  deutschen 
Textes  ausdrücklich  ,das  bairische  Latein^  in  welchem  das 
Opus  geschrieben  sei.^ 

Grünpeck  mochte  sich  veranlasst  gefunden  haben,  sein 
Werk  durch  eine  deutsche  Uebersetzung  auch  weiteren  Kreisen 
bekannt  zu  machen;  jedoch  erwähnt  er  nichts  davon.  Auf 
jeden  Fall  war  der  Uebersetzer  ein  Mann,  der  mit  dem  öster- 
reichischen Dialekt  vollkommen  vertraut  war.  Zahllose  Idio- 
tismen wie:  anplatzen,  kiefeln,  aindlf,  gelblet,  Fleiss  ankehreD, 
geschämig,  fuchtlatt,  zapplat,  Mann  für  Mond  und  dei^leichen 
sprechen  dafür.     Oft   hängt  er  sclavisch  am  Wort  seiner  Vor- 

1  Das   Buch    int   äusserst   selten    und  befindet  sich   in   der   Bibliothek  zu    ' 
ftt.  Florian.  ' 

2  iniqnnm  duxi,  rem  tantatn  barbaro  et  foedo  atqne  turpi  sermone  tractsri. 
8o  lauten  die  Worte  Grünpeck's,  womit  er  die  lateinische  Aufführung 
der  Komödie  ^Fallacicaptrix^  vor  dem  deutschen  Publicum  begründet 


i  i 


S61 

lige,  das  er  in  der  plumpsten,  sehr  oft  unverständlichen  Weise 
wiedergibt,  Bilder  and  Redensarten  werden  falsch  aafgefasat, 
wu  nicht  fUr  QrUnpeck  als  Uebersetzer  spricht,  eigene  Namen 
entstellt  Ausserdem  kommen  zahlreiche  sinnstOrende  Lese- 
fehler aof  Rechnung  des  Herausgebers,  sowie  die  häufigen 
Druckfehler  auf  die  des  Correctors.  Auf  ein  merkwürdiges 
l'ebersetKerstUck  wollen  wir  speciell  aufmerksam  machen.  Die 
Worte  seines  lateinischen  Originals  Amanuensis  und  a  secretis 
gibt  der  Uebersetzer  Seite  7  durch:  beicbender  (ftlr  BeihSnder. 
Amanuensis)  und  heimblicher  Ratfasgenoss,  was  den  gelehrten 
Heransgeber  Moser  verleitete,  unsern  GrUnpeck  auf  dem  Titel- 
blatt zu  Kaiser  Maximilians  geheimen  Rath  und  Beichtvater 
la  machen,  ein  Irrthom,  der  sich  auch  in  manche  neuere 
Geschichtawerke  eingeschlichen  hat.' 

Charakteristisch  ist  die  Art,  wie  OrUnpeck  in  seiner 
erweiterten  Historia  den  Stoff  behandelt.  Es  werden  nicht  blos 
allenthalben  Aenderungen  vorgenommen,  sondern  der  Tod  des 
^ser  Maximihan  hat  ihn  auch  offenbar  von  mancher  RUck- 
ncbt  los  gemacht  und  das  vorgerückte  Alter  der  Prinzen  eine 
grössere  Offenheit  ermöglicht.  Daher  kommt  manche  ei^ftn- 
lende  Erzählung,  die  vorher  Hofgeheimnias  war,  in  den  Text 
Interessante  Notizen,  die  früher  fehlten,  haben  jetzt  ihren  Platz, 
wie  zum  Beispiel:  Seite  26  der  Zug  des  Kaisers  Friedrich  nach 
Rom,  Seite  30  die  Beschreibung  des  Linzer  Schlosses,  Seite  22 
die  Bemerkung ,  dass  Karl  von  Burgund  auf  Anreizung 
Kaiser  Friedrichs  durch  Herzog  Sigmund  von  Tirol  und  die 
Schweizer  erschlagen  worden  sei,*  Seite  55  die  Nativität 
Maximilians,  welche  den  eingefleischten  Astrologen  verräth, 
Seite  69  die  Stellen  Über  die  unehelichen  Kinder  dieses  Kaisers 
and  seine  verunglückte  Ehe  mit  Bianca  Maria.  Sehr  bezeich- 
nend ist  auch  die  Weise,  wie  er  sich  über  den  Appetit 
Friedrichs  in  der  ersten  und  in  der  zweiten  Historia  ausspricht 
Die  Stelle  in  der  kürzeren  Histona  (Chmel,  Seite  74),  dass 
Friedrich  zweimal  des  Tages .  reichliche  Nahrung  zu  sich 
genommeD,  hatte  damals  bei  dem  kaiserlichen  Corrector  Anstoss 

■  Potlhut,  Weg^eUer;  Kroiiea,  OMchiohte   Oetteirelcha.  II,  604. 

'  Si^andi  Söldner  lUndfln  ia  den  Schlftchtec  von  Onngon  und  Marteo 
tat  Seita  der  Eidgenouen.  Oberleitner,  Oesterreichs  Fioansan  und 
KriagBWMen  unter  Ferdinand  L  im  Archir  fQi  OBterreichüche  OMchlcble, 
Bd.  3S,  6.  U. 


erregt,  indem  er  zweimal  in  einmal  (semel)  Terwandelte.  Die 
erweiterte  Historis  bat  das  alte  Wort  gbis'  wieder  hergestellt 
und  begründet  (Seite  36).  Von  den  ganz  neuen  Hauptetacken 
in  der  erweiterten  Darstellung  nennen  wir  Seite  69  Maximilians 
Vermählung  mit  Bianca ,  Seite  73  vom  Tenedischen  Krieg, 
Seite  94-100  vom  Tode  des  Kusers. 

Schon  früher  einmal  hatte  QrUnpeck  den  Anlauf  ge- 
nommen, das  Leben  des  ruhmreichen  Monarchen  zu  hescbreiben. 
Dahin  ziehe  ich  nämlich  die  Commentaria  divi  Mazimiliani  ab 
anno  etatis  ejus  XVII.  ueque  ad  quadragesimum  sextum  (1Ö06), 
von  welchen  der  SecretÄr  des  Erzherzogs  Ferdinand  von  Tirol, 
ConraduB  Deciua  (Dietz)  a  Waydenberg  erzählt,  dass  sie  in 
einem  geschriebenen  Bande  der  Bibliothek  seines  Herrn  ge- 
funden und  bei  Abfassung  der  Ännales  rerum  austriacaram 
von  (rerard  de  Roo  benutzt  worden  seien.'  Sie  können  nicht 
mit  der  von  Chmel  veröffentlichten  Historia  identisch  gewesen 
sein,  weil  die  Commentaria  mit  der  Verm&hluug  MaximilisJiE 
beginnen,  letatere  aber  sich  auch  mit  der  Geburt  und  frühesten 
Jugend  beschäftigt.  Eine  Vergleichung  des  handschrifUichen 
Materiales,  welches  Decius  aus  dem  gefundenen  Werke  Grlin- 
peck's,  der  das  vorliegende  aus  des  Kaisers  Munde  erfahren 
zu  haben  versichert,  zog,  zeigt  liberdies,  dass  dasselbe  ein 
ganz  anderes  war  als  die  Historia  bei  Chmel  oder  die  von 
Moser  publicirte  Lebensbeschreibung.  Weder  die  erzählten 
Ereignisse,  noch  die  Ausdnicksweise  deuten  auf  diese  zwei 
Arbeiten  als  Quelle.  Vielleicht  waren  es  jene  Commentaria  de 
rebus  suis  gestis,  welche  Maximilian  dem  GhDnpeck  in  die 
Feder  dictirte  und  welche  sich  nebst  anderen  kaiserlichen 
Geisteswerken  in  seinem  Besitze  befanden.^ 

Leider  ist  diese  Arbeit  Orlinpeck's,  welche  die  Geschichte 
Maximilians  von  seinem  Beilager  mit  Maria  von  Bui^^d  bis  zum 
Schlüsse  des  bairischen  Erbfolgekriegee  umfasste,  verschollen.' 

'  So  Decius  in  der  Ep.  Dedicatoria  der  lateinbicheii  Aasgabe  des  Genrdiu 

de  Boo.  Oeniponti  169S.     Es  beisst  dort  sacb:    Es   *e  Josephos  Ornn- 

becoios  ex  ipsin»  Imperatoris    ore  exce; 

weisen,  dasa   GrflDpeck,   deaaen   Commen 

erstrecken,   aach    nach    seiner  Entfernni 

Hkiimilian  in  persönlichen  Verkehr  trat. 
*  Siehe  Chmel,  Bist.  Friderici  et  Mftxiniilii 
'  de  Koo  bringl  Citate  ana  derselben  p. 


Vitae  FoDtificum  Saliaburgensium  Joseph!  OrUnpeck  Bur- 
diuensis  in  einem  Codex  maDusc.  der  königlicben  Bibliothek 
m  MUncheD,  aus  dem  16.  Jahrhundert,  53  Blätter  in  Folio. 
Angeflihrt  sub  Nr.  1276  im  Catal.  Codd.  Latin.  Bibl.  Reg. 
Monacensia.  Eine  Abacbrift  davon  aus  dem  18.  Jahrhundert, 
38  Blätter  stark,  besitzt  die  Wiener  Hofbibliotbek  sub  Nr.  8120. 

Eobolt  erwähnt  in  seinem  Nachtrag  zum  Bairiachen  Ge- 
lehrten-Lexikon unter  ,Grunbeck'  ein  von  ihm  verfaestes  und 
bandschrifUicb  im  Kloster  St  Peter  zu  Salzburg  verwahrtes 
Chronicon  Salisbut^euBe ;  es  ist  wahrscheinlich  das  Dämliche 
Werk  mit  dem  vorhergehenden,  welches  nach  Oefele  geringen 
Werth  besitzt  und  in  der  Biographie  des  Erzbischofs  Leonhart 
(1495 — 1519)  bei  der  Wahlvorbereitung  abbricht. 

Historie  de  plerisqne  gestis  et  precipue  in  Germania  & 
Cvolo  magno  per  generacionee  principum  usque.  nostra  tem- 
pora  pro  cognittone  temporum  et  laude  Qermanie  usque  ad 
iDDom  1488.  Die  weitere  Fortsetzung  berührt  auch  die  Ent- 
deckung von  Amerika  (fol.  49  de  Ouadalupa  insula).  Am 
SchlnsBe  fol.  Ö3:  Doctor  Joseph  Grunpeck  de  Burckhsusen  bec 
absolvit  in  ambitu  predicatorum  Nuremberge  anno  1507.  Im 
Codex  23751  der  königlichen  Bibliothek  in  Mllnchen,  aus  dem 
16.  Jahrhundert,  Folio.  Der  ganze  Codex  wurde  von  dem  be- 
kuinten  Nürnberger  Gelehrten  Hartmann  Schedel  geschrieben.' 

GrUnpeck  beginnt  sein  Geschichtswerk  mit  Karl  dem 
tirossen,  dem  er  8  Folioblätter  widmet.  In  dem  Folgenden 
wird  er  sehr  kurz,  bespricht  Lebenslauf  und  Thaten  der 
einzelnen  deutschen  Kaiser,  sowie  der  zeitgenössischen  vor- 
oehniBten  deutschen  LandesiUrsten  oder  ausländischen  Regenten, 
verzeichnet  Abstammung,  Gemahlinnen  und  Kinder,  flicht  dabei 
Gründungen  der  Städte,  Klöster  und  Universitäten  ein.  Aber 
selten  Überschreiten  diese  Notizen  12 — 15  Zeilen.  Die  Päpste 
erwähnt  er  blos  von  1484  bis  1503,  Julius  II.,  mit  dessen  Er- 
liebnng  1503  er  abbricht.  Fol.  49  und  50  erzählt  er  uns  die 
Entdeckung  Amerikas  durch  Columbus,  seinen  grossen  Zeit- 
genossen, und  die  Beschaffenheit  der  Insel  Guadeloupa,  wo  die 
Spanier  in  den  verlassenen  Wohnungen  die  Beweise  grässlicber 
Menschenfresserei  fanden:   Stabant  mense   instructe   et   in   his 


ostria  similes,  psitacis  phaBianorum  avium  ma^itndine 
qua  carnibas  plene;  pendebat  et  in  proximo  humaoam 
centi  adhuc  cruore  madena. 

erwäbnt  noch  den  Kometen  vom  Jahre  1506  und 
1  Philipps  des  Scbänen,  den  er  oder  sein  Abschreiber 
li  1607  (statt  1506)  sterben  lässt.  Vollendet  wurde 
a  laut  seiner  Einzeichnung  den  2.  October  1507. < 
B  Quellen,  welche  den  Autor  leiteten,  nennt  er  nns 
Weil  die  ChronikBchreiber,  besonders  die  Italiener,  so 
ber  die  Ereignisse  in  Deutschland  bringen,  habe  er 
cht,  aus  deutschen  Werken  und  dem,  was  verlÄsslicIie 
gesammelt,  einiges  Weniges  mitzuth eilen. ^  Die  Schrifi 
il  nicht  fUr  die  Veröffentlichung,  sondern  für  den  Ge- 
iea  Predigerklostera  in  Nürnberg,  wo  er  sich  aofhielt, 
t,  denn  er  sagt  im  Vorwort,  der  wohlwollende  Leser 
\a  Fehlende  durch  anhaltendes  Studinm  der  Geschichte 
I  und  die  Glorie  Deutschlands  zu  vermehren  bestrebt 
erselbe  werde  viele  Nachrichten  finden,  welche  sich 
Zeit  in  eine  bessere  und  zierlichere  Ordnung  werden 
lassen. 

,B  Ganze  ist  eine  unbedeutende  Compilation  nach  der 
es  viel  verbreiteten  Fasciculus  temporum  von  Rolevink. 
rftig  die  Notizen  unseres  Autors  sind  und  zugleich 
nredig  er  seine  berühmten  Männer  bebandelt  und  ihre 
IJharaktereigenschaften  verschweigt,  zeigt  unter  Anderm, 
von  Papst  Alexander  VI.  und  Kaiser  Friedrich  ID. 
ibt.  Der  Erstere  ,novitati  et  magnitudini  rerum  nsqne 
duit,  ut  nihil  magis  appetiisse  videatur,  quam  quomodo 
let,  nihil  sibi  vel  a  legibus,  vel  a  natura  vel  a  deo 
im  fuiase,  vir  magni  animi'  (fol,  46);  der  Letztere  ,reiii 
manam  ita  administravit,  ut  per  44  annos  imperans 
m  unum  eidem  aufferri  permiserit'  (fol.  48). 

>3. 

TIS  Tenmculis  ac  quo  accurktUaimi  vir!  collegemnt. 


OrÜDpeok  an  den  Orafeo  Wolfgang  von  Kolberg.' 

Anno  14Se,  JnU  10 

Tae  excellencie  submissus  familiaris  magieter  ioseph  gr 
peck  de  purkansen  Magnifico  et  ezcellentissimo  domino  domi 
Wolfgango  comiti  de  Kolberg,  dacali  cancellario,  domino  a 
^cioBissimo.  Magna  res  et  fortasse  mira  videbitur  excellt 
tiedme  caccellarie  domineque  graciosisBime ,  quod  non  vert 
■d  toam  excellenciam  scribere,  qui  nee  nomine  nee  re  ap 
te  sam  notus,  qnoniam  plures  longe  et  ingenio  et  doctrina  i 
cellentes  ab  epistolari  officio  proreuB  arocantur,  quos  cum  gei 
roiitatis  tne  sammam  fastiginm  dignitatiaqne  snblimitas  ti 
inprimia  pndor  ipse  atque  verecundta  ad  te  suas  mitti 
epistolaa  vetant,  qai  quidem  magnificeDcie  tue  praeconia  e 
^Dcioribas  rerbis  explicarent,  nominis  tui  gloriam  eternit 
cangervarent.  Tamen  ea  fruor  ape,  si  minus  politam,  omat 
comptamque  misero  epietolam  ingenuus  animus  tuus  eam  i 
veniam,  quam  et  omnes  boni  et  eingulari  prudencia  prae< 
coDcedere  soliti  sunt.  Kon  enim  me  racio  ipsa  impellit 
errorem  sed  magnitudo  rei,  qne  ingenü  mei  vires  exced< 
Tidetnr.  Quid  enim  unqiiam  difEcilins,  laboriosius,  magis  sc 
citom  esse  debet,  quam  incepti  laboriB  mei  ingens  onus,  qi 
^  ferre  potero.  Namqne  cnm  splendidiBsimam  tuam  ad  laud 
celebr&ndam  convertero,  mox  lingua  tremit,  tox  faucibus  bei 
quid  rero  acribere  aggredior,  calamua  haud  facit  officium  am 
Qoamobrem  non  immerito  deberemua  ab  hujuamodi  scribe 
^ere,  qaoniam  quum  te  verbis  laudare  conor,  res  i 
te  laudat,  qaum  vero  anmmopere  extollere  affecto,  deua  i 
anctor  tae  fortune  ex  vulgi  grege  te  exceptum  iri  ab  ete 
non  dabitarit,  in  altiaaimo  dignitatis  culmine  positnm  om 
conapicinnt.  Quid  hoc  effecit?  Divina  virtna  tna,  imme 
uinencia,  summa  prudencia,  ingens  doctrina,  nobilia  ingi 
toi  fiiigor  quibus  cunctia  antecellaiati.     Hec  in  uno   ubi   ai 

>  Er  war  Kanzler  dea  Senoga  Oeorg  toq  Buern-Landahnt.  — 
Codex,  in  nelchem  der  Brief  sich  befindet,  ehemals  Ei^nthum 
Tegernsee,  ist  jetzt  in  dar  königl,  Hof-  and  Slaatebibliothek  in  MUnc 
Nr.  IBBU.     Er  Hnrde  mir  mit  bekannter  Liberalltit   zur  Einaicht 

sewjidet 
Archii.  Bd.  Lixiii.  II.  nutu.  U 


356 

divinus  homo  non  humanus   apellandus  est,    non   mortalis  sed 
immortalis   vivus.     Consequenter   tarnen   causa  siquidem  sunt, 
quibus   imperia   gubemari,   res  publicas  dirigi  videmus.    Non 
solum  regum  et  prineipum^   sed  omnis  populi  et  agrestis  con- 
ciliant  volantatem.  Quibus  igitur  laudibus  te  efferam^  qua  bene- 
volencia  complectar.    Non  certe  cum  summis  viris  comparabo, 
sed  similem  numini  alicui  judicabo.    Sie  Socrates  ipse  humane 
sapiencie  quasi  terrestre  oraculum  gentibus  admiratum  exstitit^ 
si  Plato,   Aristoteles,  Pithagoras,  Zeno,  Diogenes,  Democratas, 
Theophrastus   ceterique   philosophi   omnisque   sapiencie  lumina 
et    omamenta   non   solum   gentes   sed   eciam   omnes  religionis 
cultores   in    stuporem    duxere;    si    denique   romane   eloquencie 
unicum  speculum  M.  T.  Cicero  omnem  posteritatem  etatesque 
omnes,  gentes  innumeras  fulmine  lingue  concitavit,  minus  minun. 
Namque    stellarum   fluxui   attribuuntur    delectissimo ,    qui  tarn 
influxit  simili  quoque  bonitati,  quibus  nobis  preiverunt*    Nam 
nostro  seculo  omnia  gracia  eveniunt.     In  rerum  omnium  aspe- 
ritatem  incidimus,  in  hujus  mundi  fluctibus  et  procellis  misere 
versamur.     Dum    in    hoc    vite    circulo    angustias    cruciatusqoe 
ferimus    omnes,    parum    temporis    ad    bonarum    arcium  stadia 
incoUenda  nacti  erimus.  Dum  res  nostras  obimus,  vite  necessaria 
acquirimus,   ludos  celebramus,   tempestiva  convivia  peragimus, 
alee  et  pile  indulgemus  ceterisque  voluptatibus  animi  et  corporis 
damus  operam,  media  vita  absumpta  est,  reliqua  miserum  vüe 
exitum  cum  suspiriis  et  lacrimis  exspectabit.^  Sed  ne  longo  ser- 
mone  aures  tuas  tedio  afficiam  audiendi,  ad  rem  ipsam  revertar, 
cujus    causa    calamum    ad    scribendum  impuli.     Namque  jam 
pridem   intellectum   mihi   est,   qua   benivolencia   quove  honore 
eos  prosequeris  quos  singularium  arcium   cultores  existere  co- 
gnoveris.  Fateor  Germaniam  nostram  non  minus  quam  Italiam 
liberalissimis    studiis    literatissimisque    hominibus    affinere;   in- 
primis  Bavariam   a  nostris  clarissimis  et  illustrissimis  dueibus 
apprime  omatam  ac  lumine  quodam  omatissimo  liberalinm  stu- 
diorum  ceterarumque  arcium  dignissimarum  proprio  illustratam 
i  nemo  ambigit  ita  profectam  ut  nulli  provincie  inferior  sit  Sed 

hoc   me   maximo   dolore   in  dies  afficit,   nullos  esse  qui  hunc 
laborem  subirent^  quo  nostrorum  prefatorum  principum  splendi- 


I 


1  Verdorbene  Stelle. 

2  Im  Original:  exspectanda  erit. 


diseima  geeta  qnibiui  nemini  cedunt  euiB  acriptie  illua 
et  etemitati  conservarent,  ne  quasi  tenebris  obruta  sordei 
Qae  si  tua  magnificencia  affectaverit  ad  lucem  deduci, 
qoi  onus  hoc  snsciperent  et  historiam  noetre  Bavarie  du< 
cellencium  cancellarioniniqiie  magnificorum  posteritati  ci 
darent  nee  tua  quidem  acta  prestantisBima  ailencio  pertra 
Postremo  te  obsecro  obtestorque  me  numero  familiär ium 
ascribas.  Enitar  profecto,  quomodo  tibi  honori  et  virti 
Tsleam  et  si  quid  fuerit,  tua  excellencia  presenti  cum  ta 
cerciorem  me  reddat.  Valeat  tua  Magniücencia  felix.  I 
Ingolstat  sezto  idus  julii.'  Anno  1496. 


Brief  an  Conrad  Geltfla. 

Anoo  1490,  Octol 

Divo  auguatoque  interpreti  C  C(elti) ,  fautori 
sin^nlari. 

Sodalitatis  litterariae  cultores,  Bemhardaa  Waltkir 
JoBephuB  Grunpekh  C(oiirado)  C(elti}  felicitatem  Optant. 
Becundam  valetadinem  sane  iDtelleximos,  quod  noD 
volaptat!  nobis  eBt.  Nos  etiam  (deo  ac  fatis  volentibui 
lames  perBistimua,  nisi  quod  mocDibas  urbis  cincti 
neqiiimua.  Alter  religioni  jam  deditus  est,  ut  dii  imE 
fenne  contemplacione  eum  irretitum  teuere  videantur,  a 
!iaud  parum  aeria'^  in  dies  couBequitur,  alterum  tem 
turbineB  remorantur  unde  et  prorsus  in  aestuariia '  illi 
deliciarum  genere  refertis  conjicitur.  Quam  primut 
Jupiter  benign iori  radio  Neptuni  miniBtroa  mirummodo  si 
super  quendam  mitigaverit  et  gratum  et  jocundum  nur 
nobia  excipiea,  qui  cerciorem  te  reddet  de  rebus  meia 
exactis  diebue  tractatis,  tabellarii  euim  repentina  abi 
est  passa,   ut  longius   tecum  egiBsemus.     Si   quid   aute 

'  10,  JdIL 

'  Im  Cod.  C«ltU  UTJB,  wu  aber  Schreibfebler  für  aeris,  Änspi« 
du  Pfründeneinkammea ,  m  lein  scbeint.  Barnhard  war  Do 
Angsharg  geworden. 

*  Soll  ea  Aiupielang  aaf  die  heiuen  BclinlKimmer  (BaRtaarium,  e 
kalten)  sein,  io  welchen  damali  Grflnpeuk  ale  pnieceptor  sich 
INe  Zasohrift  letDes  Tractati  de  pestilentiali  «corra  an  Bernba 
kirch  ist  buk  den  Hans«  des  MagiKleri  Sixtns  Steimack  datirt. 

24« 


358 

esset,  quod  nos  intelligere  non  esset  inutile,  proximo  cum  noD- 
cio  ad  nos  scribas.  Vale  felix.  Datae  ex  Augosta  qoarto 
Calendas  Novembris  (14)96 J 


Siztus  Tuoher  in  Kümberg^  an  Grünpeok. 

Anno  1496—1498. 

V.  I.  d.  Sixtus  Tucher  bonarum  arcium  magistro  Joseph. 
Accepi  tuas  literas  vir  spectabilis  et  tersas  et  omni  humaDitatis 
officio  refertas,  que  mihi  gratissime  fuere  et  eo  graciores,  quod 
te  nullis  meis  vel  litteris  vel  verbis  provocatum  mei  studiosum 
intellexerim,  quo  fit  ut  non  potuerim  te  ingenti  benevolencia 
non  complectiy  quin  summo  alicujus  in  te  conferendi  ofBcii 
desiderio;  qui  et  latino  eloquio  raro  admodum,  excellenti  tarnen 
apud  nos  Germanos  ornamento,  et  virtute  ipsa  prae  ceteris 
mihi  eminere  visus  esses,  ita  ut  illa  duo  praeclarissima  partim 
nature  partim  animi  dona  in  te  uno  sibi  locum  vendicssse 
videantur^  bene  dicere  scilicet  cum  vite  ac  morum  probatissima 
integritate,  quibus  vel  dici  vel  cogitari  inter  mortales  excellen- 
cius  quidquam  nequit,  quorum  alterum  oratorem,,  alteram 
philosophum  parit.  Que  singula  cum  non  mediocri  cuique 
omamento  sint,  quis  non  jure  meritoque  utraque  in  eodem 
cumulatissime  conjuncta  et  laudabit  et  mirabitur.  Quare  si 
quid  vel  officii  vel  beneficii  in  me   est,  non  possum  id  totum 


>  Dieser  and  der  unten  folgende  zweite  Brief  an  Celtes  aus  dem  Cod. 
Celticus  der  Wiener  Hof  bibliothek,  Nr.  3448.  Gegenwärtiger  Brief  be- 
findet sich  fol.  58^.  Die  Abschriften  beider  verdanke  ich  der  G^efillig- 
keit  des  Herrn  Bibliotheksbeamten  Ferdinand  Mendik.  —  Quarte  Kai 
Nov.  ist  der  29.  October. 

^  Der  Brief  ist  aus  demselben  Codex  wie  der  an  Kanzler  Kolberg.  — 
Sixtus  Tucher  war  ein  Bruder  des  Anton  Tucher,  des  hocbangesehenen 
Kaufmanns  in  Nürnberg,  dessen  Haushaltbuch  der  Literarische  Verein 
in  Stuttgart  herausgegeben  hat.  Sixtus  war  geboren  1459,  studirte  iu 
Heidelberg,  Padua,  Bologna  und  wurde  Doctor  beider  Rechte.  1487 
Professor  in  Ingolstadt,  wirkte  er  dort  im  Geiste  der  Humanisten.  1497 
wurde  er  zur  erledigften  Probstei  von  St.  Laurenz  in  Nürnberg  berufen. 
Starb  1507.  Haushaltbuch,  S.  53. 

Der  Brief  ist  aus  der  Zeit  vor  dem  Eintritt  Grünpeck's  in  den 
Dienst  Maximilians,  etwa  1496—1498.  Wäre  der  Brief  aus  der  Zeit 
nach  der  Anstellung  Grünpeck^s  bei  Hofe,  würde  Tucher  wohl  mehr  sls 
bonarum  artium  magister  in  der  Anrede  gesagt  haben. 


tue  viiinti  non  poUioeri,  que  unica  me  tibi  adeo  devii 
nullo  loco  vei  tempore  tuis  hoaori,  fame  ac  conunodo 
velim  cnjuB  si  periculum  fecerie,  iiitelliges  me  homini 
isgratom  et  tue  in  me  humaoitatiB  qua.  me  a  te  prevei 
fictum  plane  fateor,  non  immemorem.  Vale  ac  faia 
veDiam  praebe,  quod  veloci  calamo,  ne  tardior  in  amic 
haberer,  taic  carte  mandavi.     Iterum  vale. 


Anno  1600  c 
Bererendiasimo  In  Christo  Patri  et   domioo  domino  B< 
Moguntinensi    Archipresnli , '    Jo&ephua    Gruenpeck    su! 
familiär  is. 
Felicitatem  Optat. 
Reverendissime  ArchipreBul.    Quam  fideliter  bacte 
Imperii   Conservatione    laboravcris,    fugere   arbitror   ne 
Xullis   enim   laboribus,   nulHs   excubÜH,   band   defecto 
corpori   hactenus    peperciati.     Ut  idem   incolume    consi 
languidum   atque  infirmum    pristinis   viribus   restituerei 
diffidenteB  principe»  amoris  vinculo  colligaree,  vulnerata  i 
sanarea,  simultatea  et  omnia  intestina  odia  exstingueres, 
ingenü  nervoa  exercuisti.     Deo  optimo  maximo  duce  p 
jam  diacordiarum  atque  tumultuum  procellas  sedasti.   Si 
adhuc  injuriarum  scintille  reliquum  est,  Sanctissima   oi 
proximo  in  conventu  Augustensi  decreta  restinguet.^ 
ea   erigenda    dens    precipnua    est   adbibendua    coadjut 
demonea  qui  totia  viribus   eam  impedire  conabuntur, 
evadant.   Cum  etenim  divinum  cultum  virtutesque  omni 
videtnr  et  vicia   pestiferosque   ritus   abjicere   cogit.   In 

<  B«rtfaoId  von  Hennebergp  warde  Erzbischof  tmao  1486  aod  atArl 
canber  1604, 

'  Die  BrwiLhiiDng  der  nealichsD  RsichiTerummlQDg  in  Aagi 
Teilt,  dau  der  Brief  ans  dem  Jabre  1600  ist.  Aaf  diesem  ] 
wurde  eine  hnchst  nichtige  Aendemng  in  der  BeicbBverfoMu^ 
EinfnbniDg'  einer  von  den  FQrBten  g^wiblten  Reichseiecnlivgi 
■chlonen.  Eh  war  dlsB  du  ßeichsre^meDt,  nu  zwanEig;  Abge 
(darunter  nur  zwei  BtRdtiBclie)  boBtebend.  Der  Beeehlnu  kam  vi 
nnter  FUhrang  Bischof  Bertbolds  von  Maini  eu  SUnde.  Der  1 
wnide  im  An^nst  g«ichlos«en.  Jansen,  Oeachicbte  du  dentsehen 
8.  U7. 


360 

demum  apud  Germanos  ita  firmat,  ut  haud  facile  vel  a  Gallis 
vel  a  Turcis  inftingi  possit^  non  parum  molestie  bis  ipais 
malis  spiritibus  inferet.  Hujusmodi  siqaidem  errores  mentibus 
hominum  ingerunt,  ut  manus  in  aUenae  fortunaa  conjiciant, 
aliorum  regna  auferant;  titulos  et  triumphos  consequantur.  Qaod 
quidem  sine  maximis  cedibus  horrendisque  animamm  detri- 
mentis  nullo  pacto  contingit.  £n  est  demonum  venatio,  qua 
plures  anime  in  gehennam  ignis  demerguntur.  Discurront  igitor 
furibimdi  inferorum  duces  et  clam  dolos  fraudesque  in  salubrem 
illam  ordinacionem^  ne  in  lucem  prodeat  et  eorum  potestatem 
minuat,  cudont.  Excitant  invidiam,  rebellionem  et  onmem  Regi 
inobedienciam  et  in  dies  magis  impedimenta  struent  Qaod  si 
ita  est;  tibi  sapientissimo  presuli  elaborandum  est^  ut  Plutoni 
et  ejus  maledicte  societati  resistatur^  antedieta  ordinacio  bonis 
auspieiis  ineipiatur.  Poterunt  enimvero  hec  commode  fieri, 
quia  tocius  Christian itatis  spes  in  te  sita  est.  Principes  racio- 
nem  tui  habent,  Cives  ad  te  desperati  refugiunt,  Unicum  vide- 
ris  desolatorum  refugium.  Omnem  fidem  tibi  vendicas,  saltem 
Imperium  ex  atrocissime  tempestatis  fiuctibus  magna  jam  parte 
ereptum  tranquillumque  in  littus  restituendum  haud  deserueris, 
religiöse  ac  sancte^  uti  hactenus  fecisti,  omnia  perfeceris,  Chri- 
stiane religioni  optime  consultum  erit,  que  Bertholdum  etemis 
celebrabit  laudibus  et  ejus  opera  incolumitate  freta  in  celam 
evehet,  ubi  perfruetur  usque  in  omne  evum  jucimdissimo 
sancte  trinitatis  intuitu.  Vale  felicissime  Presulum  decos. 
Iterum  vale.* 

Anno  1505. 

Josepfaus  Grunpeckh  Excellentissimo  viro  domino  Chunrado 
Celti  poetarum  prineipi^  domino  et  fautori  suo  praecipuo. 

Salvus  Bis  poetarum  decus  et  ornamentum.  Reeepi  pridem 
faumanissimas  litteras  tuas,  quibus  efHagitare  videbaris  adven- 
tum  meum;  paruissem  jam  dudum  desiderio  tuo  meque  hinc 
ad  Augustam  reeepissem^  si  expeditionem  rerum  mearum  potais- 
sem   consequi;   nondum   enim  primae   expeditionis  portam  in- 


>  Der  Brief  befindet  moh  im  Cod.  lat.  434  der  kCnigl.  Hol-  und  Staats- 
bibliothek  in  Mfinohen  und  wird  im  Katalog  ausdrücklich  als  anno 
1600  geaohrieben  beseichnet.  Ich  verdanke  die  Abscfarifk  der  oft  be- 
w&brten  Mühewaltung  des  Herrn  Professors  Felix  Stieve   in  München. 


861 

gressos  sum.  Spe  pendeo^  at  quam  primum  abBolutus  fuero, 
Her  arripiam.  Idoirco  precor  non  velis  affici  tedio.  Vale 
felix.^  Ex  Monaco  datum  in  vigilia  undecim  milUum  vir- 
gmum'  anno  1505. 


Deutsche  Briefe  und  Acten  auB  Grünpeck's  Steyrer  Aufent- 
halt im  Auszüge.^ 

I.  Eingabe  Grünpeck's  an  Bürgermeister  und  Rath 

von  Steyr.   Sine  dato,  aber  1518. 

Seine  Majestät  der  Kaiser  haben  ihm  ^nagst  verschinen 
Zeiten  umb  sein  langwerig  Dienst'  die  Fischhub  mit  Wiesen, 
Aeckem  und  anderen  Stücken  zugestellt.'^  Das  Gut  ist  ihm  fUr 
1000  fl.  gegeben  und  angeschlagen  worden.  Ein  gewisser  Moser 
anterstehe  sich,  ihm  wider  kaiserlichen  Befehl,  Siegel  und 
Handschrift  die  Possession  vorzueiithalten.  Bittet  um  Schutz 
gegen  seine  Widerwärtigen  und  verspricht  hinwiederum  bei 
kaiserlicher  Majestät  ihnen  Gegendienste  zu  erweisen. 

Die  Eingabe  unterfertigt  er:  Doctor  Josef  gruenpeck, 
kaiserl.  Majestät  Capellan,  Historicus  imd  Astronomus. 

n.  Eingabe  desselben  an  den  Landeshauptmann. 

Sine  dato,  aber  1518. 

Kaiserliche  Majestät  habe  ihn  mit  etlichen  Gütern  zu 
Steyr  versehen,  welche  von  kaiserlicher  Majestät  laut  Urkund 
erkauft  sind  worden.*  Die  von  Steyr  aber  wollen  sie  ftlr  Bürger- 
güter ansprechen  und  erfordern  hieven  Steuern.  Das  erscheine 
ihm  unbillig.  Der  Fürst  ist  nicht  schuldig,  von  seinen  eigenen 
Gutem  zu  dienen  oder  zu  steuern.  Aus  der  Eingabe  erhellt 
zugleich,  dass  Grünpeck  auch  zu  Steyr  noch  Arzneien  be- 
reitete und  Kranke  mit  seinem  Rath  bediente.  Seine  Mühle 
in  Steyr  hatte  er  in  Pacht  gegeben.    Er  beklagt  sich,  dass  er 


1  Cod.  CelticiiB  fol.  161 K 

^  Dm  ist  der  20.  October. 

3  Ans  dem  StadtArchiv  zu  Steyr. 

*  Die  Fischhab  an  der  Enns  existirt  noch,  g^ehOrt  zur  P£arre  St.  Ulrich 

and  politischen  Bezirk  Steyr. 
^  2.  B.  die  Spitalmühle 


362 

in  verschiedenen  ^Beschwerungen^  sein  Recht  bei  dem  R«the 
von  Steyr  nicht  finden  könne.  Auch  über  seine  Zinsleate  er- 
hebt er  Beschwerde. 

Unterfertigt:  Doctor  Josef  Grünpeck  etwan  kais.  Majestät 
Diener. 

m.  Eingabe  desselben  an  den  Landeshauptmann.  Sine 
dato,  aber  1518  um  den  10.  September. 

Er  beklagt  sich;  dass  von  ihm  behandelte  Kranke  ihm 
die  Bezahlung  vorenthalten.  Unter  Andern  habe  er  der  Frau  des 
Hannsen  Prantstetters  Bürger  von  Steyr,  welche  in  schwerer 
Krankheit  lag,  geholfen.  *  Er  habe  ihr  eine  Flasche  mit  Balsam, 
womit  er  viel  Menschen  in  Verzweiflung  ihres  Lebens  ge- 
holfen, in  Händen  gelassen,  damit  sie  sich  daraus  in  ihren  Ohn- 
mächten laben  sollte.  Ihr  Mann  aber  habe,  weil  er  glaubte, 
die  Medicin  sei  Branntwein,  dieselbe  ausgetrunken  und  ver- 
weigere die  Zahlung  fUr  den  Schaden.  Der  Bürgermeister 
Khölnpeck  ,hat  sich  gegen  mir  merken  lassen,  man  sol  mir 
für  ain  gang  sechzehen  pfennig  geben,  das  nit  allain  aUcD 
doctoren  der  Ertzenei,  sonder  Konigen,  Kaysem,  fursten  und 
andern  stifftern  der  hohen  schulen  schimpflich,  spotlich  und 
nachtailig  were,  darumb  sich  nyemants  umb  der  hailbening 
willen  der  menschen  umb  Kunst  neben  wird,  dan  ain  doctor 
gewinne  ain  gantze  wochen  nit  so  vil,  das  er  ain  tag  das  brot 
mocht  haben'.  ^ 

Unterschrift:  Josef  Gruenpeck  ihrer  Majestät  diener. 

IV.  Wolfgang  Jörger  von  Tolet,  Landeshauptmann  in 
Oesterreich   ob  der  Enns,   ,den  ehrsamen   und  weisen 
Bürgermeister,  Richter  und  Rath  zu  Steir^  Linz,  Pfingst- 
tag  nach  Crucis  Exaltationis  (16.  September)  1518. 

Er  empfiehlt  ihnen  darauf  zu  sehen,  dass  die  verklagten  von 
Grünpeck  behandelten  Kranken  mit  demselben  sich  vergleichen^ 

*  Unbestimmt  ob  Hanns  Prantstetter  der  Aeltere  oder  der  Jüngere.  Die 
Prantstetter  gehörten  eu  den  reichsten  Bürgern  Ton  Stejrr.  Siebe  das 
Vermögen  des  Aelteren  bei  Prenenhuber,  Annales  Styr.,  S.  216.  Er 
starb  1621.     Ueber  den  Jüngeren  siehe  1.  c.  S.  280. 

'  Andre  Khölnpeok  wurde  schon  1508  snm  Bürgermeister  gewählt  und 
erlangte  diese  Würde  noch  oftmals.  Prenenhaber  1.  c.  $.  187,  188. 


363 

,denn  am  sollicher  mocht  am  Hof  ain  geschrei  machen^  das 
euch  und  den  partheien  zu  nachtheil  reichet^ 

In  einer  Rechtfertigung  leugnet  Pranntstetter  die  Angaben 
Grünpeck's.  Die  Mittel  Grünpeck's,  es  waren  darunter  Casioi 
und  Sena^^  seien  gar  nicht  gebraucht  worden.  Er  habe  ihm 
einen  Reichsgulden  gegeben,  woran  er  ein  gut  Benügen 
gehabt.  Das  Glesl  mit  dem  Wasser ,  welches  aquavita  oder 
Branntwein  sein  sollte,  ist  vorhanden,  und  dass  er  es  ausge- 
trunken, gegen  die  Wahrheit.  Grilnpeck  habe  ihn  angegangen 
um  ein  Darlehen  von  20  ä.  und  viel  andere  Dinge,  was  er  ihm 
abgeschlagen  habe. 

Auch  der  andere  Kunde,  der  von  Grilnpeck  behandelt 
wurde,  leugnet  dessen  Angabe,  als  habe  er  ihn  nicht  bezahlt. 
Der  Rath  entschied  aber  Freitag  nach  Koloman  (15.  October) 
1518  gegen  denselben.  Der  Kunde  Sigmund  Müllner  zwischen 
pruekh,^  habe  dem  Doctor  Grtinpeck  2  tal.  zu  zahlen. 

V.  Ein  Decret  der  Rom.  Kais.  Majestät  Hofräthe  ,so 
jetzo   zu   Linz   sein^   an   Bürgermeister,    Richter   und 

Rath  von  Steyr  ddo.  6.  Jänner  1519. 

Das  Decret  empfiehlt  denselben  die  Supplication  Grün- 
peck's zu  beachten,  wenn  es  sich  so  verhält,  wie  er  sagt. 
,Wir  empfehlen  euch,'  heisst  es  darin,  ,anstatt  kaiserlicher 
Majestät  mit  Ernst.' 

VI.  In   einer  weiteren  Eingabe,   datirt  Steyr,   Pfingsttag 

vor  Lätare  (31.  März)  1519, 

wendet  sich  Gbnenpeck  ,weillent  kais.  Majestät  hochloeblicher 
Gedächtniss  Caplan'  an  den  verordneten  Statthalter  des  Fürsten- 
thoms  ob  der  Enns  wegen  unbilliger  Beschwerung  seines  armen 
Zinsmannes.  Auf  dem  Umschlag  der  Eingabe  werden  die  von 
Steyr  angewiesen,  Grünpeck  Recht  zu  verschaflFen. 


*  Dm  ist  Cassia  und  Sennes.  Einige  Arten  der  Cassiapflanze  liefern  die 
Sennesblätter,  welche  dnrch  die  Araber  als  eines  der  gewöhnlichsten 
und  gelindesten  Abführmittel  in  die  Medicin  eingeführt  wurden. 

*  Zwischenbrücken,  ein  Stadttheil  von  Steyr.  Wegen  des  Müllners  siehe 
unten  Nr.  VIII. 


364 

Vn.    Decret   von:    Landeshauptmann    und    verordnet^ 
Landräthe  an   Bürgermeister,   Richter  und  Rath    toh 
Steyr,  Samstag  vor  Lätare  (2,  April)  1519. 

Es  nimmt  Bezug  auf  die  Supplication  Grünpeck's  betreffs 
der  zahlungverweigemden  Patienten  und  empfiehlt  schliesslich: 
,Sollen  der  Billigkeit  nach  handeln/ 

Eine  Supplication  GrUnpeck's;  unmittelbar  an  den  Kaiser 
wegen  Prantstetter's  gerichtet,  liegt  bei.  Auch  hier  die  Klage, 
dass  er  sich  wegen  der  von  schwerer  Krankheit  erledigten 
Frau  nicht  bedankt  und  ihn  einer  Flasche  ,mit  artifizial  Balsam, 
damit  er  sich  selbst,  den  seinen  und  andern,  so  in  schwerer 
Krankheit  gelegen  sein,  hätt  rathen  imd  helfen  mögen^  be- 
raubt  habe. 

Ohne  Datum,  aber  aus  der  1.  Hälfte  Jänners  1519. 

VIU.  Eine  Entscheidung  von  Landeshauptmann  und 
verordneten  Landräthen  wegen  der  Klagen  Grünpeck's, 
Linz,  Freitag  nach  Exaltationis  crucis  (16.  September)    1519. 

Dr.  Josef  ist  wegen  der  Steuer  betreffs  seiner  Güter, 
weil  sie  dem  Viztumbamt  incorporirt  sind,  nicht  mehr  zu 
behelligen.  Auch  wegen  Hanns  Prantstetter  und  wegen  des 
Mühlknechtes  sollen  Bürgermeister,  Richter  und  Rath  dahin 
wirken,  dass  Grünpeck  zu  seinem  Rechte  komme. 

IX.  Bürgermeister,  Richter  und  Rath  an  den  Landes- 
hauptmann und  verordnete  Landräthe.  Stejr,  Erchtag 

nach  Michaelis  (4.  October)  1619. 

Alle  Güter  im  Burgfried  gelegen  müssen  nach  ihren 
Freiheiten  zur  Steuer  beitragen.  Es  wird  dabei  erwähnt,  dass 
Grünpeck  diese  leibgedingweise  inne  habe.  Wegen  Prantstetter 
und  Müller  Sigmund  legen  sie  deren  Vertheidigung  bei  und 
befehlen  die  Sache  den  oben  erwähnten  Herren. 

Damit  enden  die  Acten. 


GESCHICHTE 


DES 


CLARI88ENKL08TERS  PARADEIS 


ZU 


JUDENBÜRG  IN  STEIEKMAKK. 


VON 


P.  JACOB  WICHNER, 

ARCHIVAR  DES  STIFTES  ADMONT. 


r 


Vorwort. 


^n    Werken,    welche    die    Gegehichte    österreichischer 
Klöster    behandeln,    ist    eben   kein   Mangel,    doch  ist  unsere 
Steiermark  in  der  Reihe   derselben   nicht  aUzu  reichlich  ver- 
treten.    Das  dem  Umfange  nach  bedeutendste  Werk  ist  wohl 
die  ,Q-e8chichte  des  Benedictinerstiftes  Admont^  von  P.  J.Wichner 
(Graz,  1874—1880)  in  vier  Bänden  mit  mehr  als  700  Urkunden. 
Hieran  reihen  sich:   Oroien,   ,Das  Benedictinerstift  Oberburg^ 
(Marburg,   1876),   Dr.   Jacob   Max   Stepischnegg,   ,Das  Kart- 
hä^oserkloster  Seiz^  (Marburg,   1884),   und  F.  S.  Pichler,   ,Die 
Habsburgerstiftung  Cistercienserabtei  Neuberg'   (Wien,  1884). 
Das  Chorherrenstift  Rottenmann  hat  nur  ftlr  die  Periode  1465 
— 1480   einen  Bearbeiter  gefunden  in   Mathias  Pangerl,  ,Ge' 
schiebte   des   Chorherrenstiftes  St.  Niclas  zu  Rottenmann  von 
seiner   Qründung   bis    zu    seiner  Uebertragung  in   die   Stadt' 
(Mitth.    des   histor.  Vereines  fiir  Steiermark,   XVI,   73—182). 
Für  eine  Geschichte  der  ältesten  Klosterstiftung  unseres  Landes, 
ffir  Göss   bei  Leoben,   hat   P.  Johann  Jentsch  in   den   Jahren 
1875 — 1876  das  Materiale  gesammelt,  und  er  scheint  seine  Ar- 
beit auch  zum  Abschlüsse  gebracht  zu  haben,  weil  sie  in  den 
5ffentlichen  Blättern  schon  angekündet  war ;  doch  die  Ausgabe 
unterblieb  aus  uns  unbekannten  Gründen.    Einigen  Ersatz  für 
diesen  Verlust  erhielten  wir  durch  die  Publication  der  ,Chronik 
des    Stiftes   Göss',   welche  Josef  von   Zahn  1884    in   ,Steier- 
märkische  Geschichtsblätter',  V.  Jahrgang,  herausgegeben  hat. 
Die   Minoriten-,   Franciscaner-   und   Clarissenconvente   werden 
mehr  oder  minder  weitläufig   geschildert   bei   Herzog,  ,Cosmo- 
graphia  Austriaco-Franciscana'  (Coloniae,  1740).  Marfan- Wendt, 
,6eschichte  der  ganzen  österreichischen  weltlichen  und  klöster- 
lichen KleriseyS  VI.  Band   (Wien,  1784),   hat  den  Fehler  zu 
knapper  Kürze  und  nur  relativer  Verlässlichkeit.    Ueber  einige 
Stifte  und  Klöster   sind    sehr  gediegene  Aufsätze  in  Fachzeit* 


i 


Bchriften  erschienen,  so  Über  St.  Lambrecht  von  Pangeri  and 
Zahn,  über  Föllsu  von  Q-dth  und  Über  dae  DomiDicanerkloster 
zu  Pettau  von  Zahn.  Wenn  wir  noch  der  Werke  and  Ur- 
knndensammlungen  von  Pusch  (Fröhlich),  Caesar,  Mucbar  und 
j„   c.„: „_i.:,.i.„„  TT-i...„j„.u„-u„_. '7.i._  -aenken,  in 

hinterlegt 

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V.  S««sle^  , 
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des  hohen   Bteiernittrkischeii   Landesausschusses   in    liberaleter 
Weise  geatattet. 

Das  Repertorium  besteht  in  zwei  dem  Inhalte  nach  nicht 
TJel  abweichenden  Heften.  Beide  wurden  erat  nach  der  Äuf- 
bebnng  des  Klosters  verfaast  nnd  hat  a)  (1783)  den  Titel  ,Con- 
Eignation  der  Urkunden  and  Schriften'  und  b)  (1798)  ,ElenchuB 
liier  Urkunden  und  Schriften  des  Frauen  Stiffts  zu  Paradeiß. 


Um  das  Jahr  1S19  gelangte  die  erste  Mission  der  Söhne 
des  heil.  Franciscus  nach  Deutschland.  Da  aber  die  minderen 
Brttder  mit  den  Sitten  und  der  Sprache  der  Deutschen  nicht 
vertraut  waren,  fanden  sie  solche  unbesiegbare  Hindemisse, 
iwi  Bie  sich  zur  Rückkehr  nach  Italien  genöthigt  sahen.  Einen 
nachhaltigen  Erfolg  erzielten  sie  zwei  Jahre  später,  als  ein  ge- 
boroer  Deutscher,  Caesariua  von  Speier,  die  Mission  in  die  Hand 
atbm  und  in  der  Schaar  seiner  Geführten  zwei  Landsleute,  die 
Brüder  Baraabas  und  Conrad,  mit  sich  brachte. 

Die  erste  urkundliche  Nachricht  über  die  Existenz  des 
Ordens  in  Oesterreich  haben  wir  vom  Jahre  1234,  in  welchem 
Pspst  Gregor  IX.  den  Herzog  Friedrich  den  Streitbaren  er- 
sucht, die  Minoriten  in  Schutz  zu  nehmen.  Dass  um  diese  Zeit 
der  Orden  in  Oesterreich  völlig  organisirt  und  schon  eine 
Ordensprovinz  vorhanden  war,  geht  aus  dem  Wortlaute  der 
Urkunde  hervor  ,qaidam  de  fratribus  Minoribus  in  terra  tua 
morantes'  und  aus  dem  Umstände,  dass  derselbe  Papst  1235 
eine  Bulle  an  den  Provinzial  in  Oesterreich  (,dilecto  fiiio  mi- 
DiBtro  provinciali  in  Äustria  .  .  .')  gerichtet  hat. '  Da  aber  die 
Emchtnng  der  einzelnen  Klöster  und  die  Constituimng  einer 
Ordensprovinz  einen  längeren  Zeitraum  in  Anspruch  genommen 
bftben  müssen,  so  ist  das  Auftreten  der  Minoriten  in  Oester- 
reich vor  das  Jahr  1234,  etwa  um  1230,  zu  setzen.  Das  erste 
KloBter  des  seraphischen  Ordens  in  Oesterreich  war  jenes  zu 
Wien  und  das  erste  in  Steiermark  jenes  zu  Graz,  von  welchem 
im  Jahre  1239  zuerst  urkundliche  Nachrichten  vorliegen.  Die 
EJDstens  eines  Minoritenconventes  zu  Judenburg  ist  durch  ein 

'  FiMo,  ,Oe*cbichte  der  Osterreichiicbeii  HinoriMDproTini',  97—98. 


370 

Document  vom  Jahre  1257   Bichergestellt,   und   die   Gründang 
des  Klosters  mag  mehrere  Jahre  früher  geschehen  sein. 

An  der  Spitze  des  ganzen  Ordens  stand  der  General 
(minister  generalis  totius  ordinis  fratrum  Minorum).  Ein  Car- 
dinal fungirte  als  Protector  des  Ordens.  Die  einzelne  Provinz 
wurde  von  dem  Provinzial  (minister  provincialis,  Landmeister) 
geleitet.  Die  Prorinz  bestand  wieder  aus  Custodien.  Die 
steirische  Custodie  umfasste  die  Klöster  zu  Graz^  Brück  an  der 
Mur,  Judenburg  und  Wolfsberg.  Jedem  einzelnen  Kloster 
stand  ein  Guardian  vor,  welchem  im  Range  am  nächsten  der 
Lector  stand,  welcher  die  Priestercandidaten  in  den  theologi- 
schen Disciplinen  zu  unterrichten  hatte. 


8t.  Clara  und  ihr  Orden. 

Der  vom  heil.  Franz  von  Assis  gestiftete  Orden  der 
minderen  Brüder  trieb  verschiedene  Zweige,  wie  die  Capuciner, 
Tertiarier  und  andere.  Den  ersten  Zweig  am  Ordensbaume  er- 
lebte noch  der  heil.  Franciscus,  und  er  war  bei  dessen  Grün- 
dung und  Entfaltung  persönlich  betheiligt.  Es  ist  der  Orden 
der  Ciarissen,  welchem  die  heil.  Clara  ihren  Namen  verlieh 
und  auf  dessen  Satzungen  sie  besonderen  Einfluss  geübt  hat. 
Clara  hatte  im  Jahre  1193  zu  Assisi  das  Licht  der  Welt  er- 
blickt und  stammte  aus  einem  adeligen  Hause.  Das  Beispiel 
und  die  Lehre  ihres  grossen  Landsmannes  Franciscus  bewogen 
sie,  der  Welt  zu  entsagen  und  als  achtzehnjährige  Jungfrau 
das  Kloster  der  Benedictinernonnen  zu  St.  Paul  als  Woknst&tte 
zu  wählen.  Hier  und  zu  St.  Angelo,  wohin  sie  sich  später  be- 
gab, der  Askese  und  mystischer  Betrachtung  lebend,  reifte  in 
ihr  der  Entschluss,  eine  eigene  Ordensgemeinde  zu  gründen. 
Nach  langer  und  gründlicher  Vorbereitung  sammelte  sie  bei 
der  Kirche  St.  Damian  eine  kleine  gleichbeseelte  Schaar,  welcher 
auch  ihre  Mutter  Hortulana  und  ihre  Schwester  Agnes  ange- 
hörten. Im  Jahre  1220  bestätigte  Papst  Honorius  in.  den  neuen 
Orden  und  gab  demselben  mit  einigen  besonderen  Bestimmungen 
die  strenge  Regel  des  heil.  Benedict.  Doch  schon  im  Jahre 
1224  erhielten  die  Ciarissen  durch  den  heil.  Franciscus  und 
den  Cardinal  Hugolin  eine  eigene  Regel,  welche,  auf  jener 
des   Minoritenordens   fussend,    der   Schwäche    des   weiblichen 


371 

(■eechlechteB  Rechnung  trug. '  Gregor  IX,  und  Icnocenz  IV, 
(1251)  gaben  dieser  Regel  ihre  Billigung,  obwohl  Clara  Belhet 
strengere  Satzungen  gewünscht  hätte.  Clara,  bei  welcher  Inno- 
cenz  IV.  oft  Rath  und  Trost  gesucht  hatte,  starb  am  11.  August 
1253  und  Alexander  IV.  nahm  sie  1255  unter  die  Heiligen  auf.' 

Die  von  Franciscua  den  Clariasen  gegebene  Regel  ent- 
hält zwölf  Theile  oder  HauptstUcke.  Der  Eingang  lautet:  In 
nomine  domini  amen.  Incipit  regula  et  forma  vitae  ordinis 
sororum  panperum,  quae  quidem  est  sanctum  evangelium  do- 
mini nostri  Jesu  Christi  ohservare  vivendo  in  obedientia^  sine 
proprio  et  in  caatitate,  Clara,  indigna  ancilla  Christi,  pro- 
mittit  obedientiam  et  reverentiam  domino  papae  Honorio  sc 
successoribuB  ejus  canonice  intrantibus  et  ecciesiae  Romanae. 
Et  sicut  in  priocipio  conversionis  suae  unacum  sororibus  suis 
promisit  obedientiam  tratri  Francisco,  ita  eamdem  promittit 
inviolabiliter  obaervare  successoribuB  suis,  et  aljae  sorores 
leDeantnr  semper  auccessoribus  fratria  Francisci  et  aorori 
Clarae  et  aliis  abbatissia  canonice  electia  ei  auccedentibus 
obedire.'  * 

Die  folgenden  Capitel  haben  die  Ueberschriften :  II.  Qua- 
liter  recipi  debeant,  III.  De  divino  officio  et  jejunio  et  quoties 
communicent.  IV,  De  electione  abbatiaaae.  V.  De  silentio  et 
modo  loquendi  ad  locutorium  et  ad  cratem.  VI.  Qualiter  so- 
rores non  recipiant  poBaeaaionem  aliquam  vel  proprietatem  per 
se  Tel  per  interpositam  personam.  VII.  De  modo  laborandi. 
Vm,  Qualiter  aorores  nihil  sibi  approprient  et  de  infirmis  ao- 
roribua.  IX.  De  poenitentia  sororibus  imponenda.  X.  De  visi- 
t&tione  BOrorum  ab  abbatiasa.  XI.  De  oatiaria.  XÜ.  De 
vidtatione. 

'  J>egM  obserrandaii  simul  ferebaot  apUntes  Minoritictu  foemineae  fra- 
gfiliUti.'    WaddingOB,  .Annsles  Minorum',  Romae,  1732.  H,  77. 

'  Nach  Macber  in  ,Graeciuin  inclyti  ducatita  Styriae  metrnpolis',  Oraecii, 
1100,  befanden  nich  in  der  Burg:  z"  Oi'az  ,Capil1i  s.  Clarae,  particnta 
il«m  fli  babitu  ejoadem  Divae,  (ei)  palHo,  cilicio,  cingnlo',  Wafar- 
Bcbeinlieb  sind  diesB  Kaliquien  durcb  die  ErEbenogin  Maria,  Oemahliu 
Carla  von  Steiermark,  in  die  Barg  (fekonmen.  Sie  war  Slifterin  dea 
ClariuenkloBters  Paradeifl  in  Graz.  Uebrigens  ist  die  Annahme  nicht 
allzu  gewagt,  daas  Maria  Anna,  erste  Gemahlin  Ferdinands  II,,  welche 
im  fi-eandlichen  Verkehre  mit  deo  Nonnen  zn  Judeobarg  stand,  diese 
HeilthOmer  von  dort  erhalten  habe. 

'  Wadding,  n,  78. 
kteui.  Bd.  Liiin.  II.  autu.  25 


374 

der  Ordenstracht:  ^Quelques  religieuses  de  Tordre  de  sainte 
Claire,  qui  suivent  la  regle  de  s.  Fran9oi8,  portent  de«  sca- 
pulaires  et  d'autres  n'en  ont  point.  Quelques-unes  ont  des 
robes  de  drap  gris,  d'autres  de  serge;  les  unes  ont  des  soqaes 
ou  sandales,  d*autres  sont  toujours  nuds  pieds.  II  y  en  a  qui 
portent  des  manteaux  descendant  jusqu'aux  talons  et  d'aatres 
fort  courS;  les  unes  et  les  autres  ont  leurs  robes  ceintes  d'nne 
corde  blanche  k  plusieurs  noeuds.  U  y  a  encore  de  la  diffe- 
rence  dans  la  coeffure;  les  unes  aiant  des  volles  noirs,  les 
autres  les  aiant  en  forme  de  capuce/ 

In  der  österreichischen  Ordensprovinz  entstanden  im  13. 
und  14.  Jahrhundert  acht  Häuser  der  Clarissen^  und  zwar  zu 
Brixen  (1234),  Judenburg,  Dümstein  (1289),  Heran  (1310), 
St.  Clara  in  Wien  (um  1306),  Minkendorf  in  Krain  (1300). 
Lack  in  Krain  (1358)  und  St.  Veit  in  Kärnten  (1326).  In 
Steiermark  erhob  sich  1602  ein  zweites  Kloster  dieses  Ordens, 
das  zu  Graz,  welches  wie  jenes  zu  Judenburg  ,Paradeis'  ge- 
nannt worden  ist. 

Das  Clarissenkloster  zur  hell.  Maria  Im  Paradeis 

bei  Judenburg. 

,Parthenio8  retus  hie  Churae  vestalibus  ortos 
Tempore,  quo  vixit  Clara  colenda  parena, 
Floridas  est  situs  et  Paradysns  obinde  yocatos 


.  .  .  Sumpta  in  coelos  tutator  sponsa  tonantis, 
Quae  faoit,  ut  veras  sit  Paradynas  adhoc/* 


Lage,  Käme  und  Siegel  des  Klosters. 

In  der  oberen  Steiermark  durchströmt  der  Murfluss  ein 
schönes  und  fruchtbares  Thal,  in  welches  nicht  weit  von  der 
Stadt  Judenburg  das  Pölsthal  mündet.  Man  kennt  es  unter 
dem  Namen  ,das  obere  Murthal'  und  die  Stadt  liegt  an  der 
Grenze  des  oberen  und  unteren  Murbodens.  Von  Judenburg 
bis  gegen  Knittelfeld  zieht  sich  das  Eichfeld  hin.^    Die  Stadt 


Bonani,    ^Verzeichnuss    der    geistlichen    Ordens  -  Personen*.    Nürnberg 

1701,  n,  82. 
>  Herzog,  ^Cosmographia  Austriaco-Franciscana  seu  exacta  descriptio  pro- 

yinciae  Anstriae^    Coloniae  Agrippinae,  1740,  I,  700. 
^  Leithner,   »Versuch    einer   Monographie   über  .  .  .  Jndenbnrg^    Janiich, 

»Topographisch-statistisches  Lexikon  ron  Steiermark^  II,  334. 


373 

nie  einer  einzelnen  Person  zu  Gute  kommen.  Ebenso  gehört 
der  Erlös  von  Handarbeiten  der  ganzen  Gemeinde,  Den 
Kranken  soll  besondere  Sorgfalt  gewidmet  werden.  Sie  dürfen 
zu  ihrem  Lager  Strohsäcke  und  Hauptkissen  gebrauchen  und 
auch  wollene  Strümpfe  tragen.  Fehlende  mag  die  Oberin  ein- 
oder  zweimal  ermahnen^  und  wenn  sie  sich  nicht  bessern^  sollen 
rie  nur  Brod  und  Wasser  bekommen  und  einer  strengeren 
Strafe  gewärtig  sein.  In  die  Clausur  darf  Niemand  ohne  Er- 
iaubniss  des  Cardinal-Protectors  eintreten.  Der  Visitator  soll 
immer  dem  Orden  der  minderen  Brüder  angehören.  Der 
Caplan  des  Klostenr  muss  stets  von  einem  Genossen  begleitet 
seines  Amtes  walten. 

Da  einige  Klöster  an  der  Benedictinerregel  festhielten^ 
andere  wieder  nach  den  von  Gregor  IX.  und  Innocenz  IV.  er- 
lassenen Normen  lebten,  gab  ihnen  Urban  IV.  (1264)  eine  ge- 
meinsame Regel,  in  welcher  er  viele  Milderungen  gewährte. 
Die  meisten  Convente  unterwarfen  sich  dieser  Regel,  daher 
deren  Bewohnerinnen  Urbanistae  genannt  wurden,  während 
jene,  welche  die  strengere  Observanz  beibehielten,  den  Namen 
Clarissae  oder  Damianistae  führten.  Aus  der  Regel  des  Papstes 
Urban  IV.  entnehmen  wir  nur  unseren  Zwecken  genügend  die 
Professformel  der  Nonnen :  ,Ego  soror  N.  promitto  deo  et  beatae 
Mariae  semper  virgini  et  beato  Francisco  et  omnibus  sanctis 
in  manibus  vestris,  mater,  vivere  secundum  regulam  .  .  . ,  prout 
a  domino  Urbano  papae  IV.  est  correcta  et  approbata,  toto 
tempore  vitae  meae  in  obedientia  et  castitate,  sine  proprio  et  etiam 
sab  clauBura,  secundum  quod  per  eandem  regulam  ordinatur.^  ^ 

Die  verschiedene  Observanz,  nach  welcher  die  Ciarissen, 
Damianaten  und  Urbanistinnen  sich  richteten,  hatte  ihre  Rück- 
wirkung auf  die  Kleidung  der  Nonnen.  Es  gab  beschuhte 
und  unbeschuhte  Ciarissen,  mit  und  ohne  Scapulier.  ,Sie  tragen 
ein  Kamelbärin  Unter-Kleid  und  einen  sehr  schlechten  grauen 
Rock  negst  einem  Scapulir  von  gleicher  Färb  imd  feiner 
schwartzen  Weyhel.  Den  Rock  aber  gürten  sie  mit  dem  Strick 
deß  Franciscaner  Ordens.*  2  Helyot'  sagt  über  diese  Ungleichheit 

»  Wadding,  1.  c.  m,  608. 

>  yKortze  nnd  gründliche  Historie  von  Ursprung  aller  Geistlichen  Frawen- 

und  Nonnen-Ordens.*  Angspnrg,  1692,  S.  103. 
*  ^istoire    des    ordres    monastiqnes ,    religieox    et    militaires.'      Paris, 

1718,   yn,    193.     Die    Kleidung   der   Urbanistinnen   beschreibt  Philipp 

25» 


376 

Kloster  ist  auch  abgebildet  ^Lithographie)  in  Leithner's  ^Mono- 
graphie  von  Judenbaig^. 

Wir  haben  nun  die  Frage  zu  erörtern^  warum  das  Kloster 
den  Namen  ^Paradeis^  (in  Paradiso)  erhalten  habe.  Schon  in 
einer  Urkunde  des  Papstes  Innocenz  IV.  vom  Jahre  1253  er- 
scheinen die  Nonnen  als  ,8orores  inclusae  monasterii  s.  Mariae 
de  Paradiso  in  Judenburch^  Der  Name  ^Paradeis'  findet  sich 
öfters  bei  Kirchen  und  Klöstern.  Die  Kirche  St.  Marein  bei 
Elnittelfeld  hiess  auch  St.  Maria  im  Paradies  und  im  Wiener- 
walde war  einst  ein  Franciscanerkloster  genannt  ad  s.  Mariam 
in  Paradiso.  Was  unser  Kloster  zu  Judenburg  betrifft^  können 
wir  verschiedene  Meinungen  constatiren^  welche  sich  auf  die 
Herleitung  des  Namens  beziehen.  So  sagt  Herzog:^  ^on  tarn 
ob  aurae  salubritatem,  situs  amoenitatem^  pratorum,  silvarum, 
coUium  ac  montium  propinquitatem,  quam  ob  peculiarem  erga 
dei  matrem  (quae  hoc  loco  patronam  agit  et  causa  est  nostrae 
laetitiae)  affectum  et  reverentiam  (parthenon)  communi  vocabulo 
in  Paradyso  nuncupatum.^  Eine  handschriftliche  Beschreibung 
der  Stadt  Judenburg  vom  Jahre  1702  sagt:  ^Am  Fusse  der 
Stadt  nahe  beim  Ufer  der  Mur  liegt  das  uralte  Kloster  der 
Clarisserinnen,  welches  wegen  der  Annehmlichkeit  seiner  Lage 
und  wegen  des  englischen  Friedens  seiner  Hallen  das  Paradeis 
genannt  wird.'^  Ein  von  einem  Fr.  Honorius  unterfertigter 
Brief, '  welcher  einige  historische  Daten  über  das  Kloster  ent- 
hält und  ungefähr  um  1737  geschrieben  ist,  hat  die  Stelle: 
,Fuerat  ante  quingentos  annos  hoc  in  loco,  ubi  nunc  conventos 
stat,  pratum  aliquod,  quod  vocabatur  propter  suam  amoenitatem, 
quia  circum  erat  arboribus  cinctum,  das  Paradeyss.'  Caesar^ 
behauptet:  ,Das  Kloster  hat  den  Namen  nicht  allein  von  den 
engelreinen  Inwohnerinnen  dieses  Ortes,  sondern  auch,  weil  in 
dem  Altarblatte  Maria  ihr  göttliches  Kind  in  den  Garten  fah- 
rend ausgedrückt  und  vorgestellt  wird'.  Wir  haben  nun  ver 
schiedene  Stimmen  gehört,  welche  über  den  Ursprung  und  die 
Bedeutung  des  Namens  ,Paradeis^  sich  aussprachen.  Das  allein 
Richtige    und  Zutreffende   glauben  wir   aber   aus   Folgendem 


*  yCosmographiaS  I,  701. 

^  Peinlich,  fJudenburg  and  das  heil.  Qeist-Spital  daselbst',  47. 
'  Manuscript  der  Universitätsbibliothek  in  Gras,  Nr.  960. 

*  ,Be8chreibung  des  Herzogthums  Steyermark,*  Orftts,  1778,  II,  649. 


377 

ableiten  zu  müssen.  Als  der  heil.  Franciscus  dem  Tode  nahe 
war,  äusserte  er  in  seiner  Demuth  den  Wunsch^  man  möge 
seine  Gebeine  an  jenem  Orte  bei  Assisi  zur  Ruhe  bestatten, 
welcher  als  Hinrichtungsstätte  grosser  Verbrecher  bisher  gedient 
hatte.  Das  Volk  nannte  diesen  Platz  den  Höllenhtlgel.  Der 
Wunsch  des  Sterbenden  wurde  erfüllt.  Papst  Gregor  ES.  legte 
selbst  den  ersten  Stein  zu  einer  grossen  Kirche,  welche  sich 
bald  über  dem  Grabe  erhob,  und  ordnete  an,  den  Ort  künftig 
Paradieshügel  zu  nennen.  *  Was  liegt  nun  näher  als  die 
Annahme,  dieser  Umstand  habe  auch  unserem  Kloster  den 
Namen  geliehen. 

Ueber  die  Siegel  der  Aebtissin  und  des  Conventes  haben 
wir  einige  Nachrichten  und  sind  jene  zum  Theile  noch  erhalten. 
Herzog  (I,  723)  beschreibt  ein  Sigillum  abbatissae  majus.  ,Ex 
argenteo  metallo  in  sat  parva  et  quodammodo  ovali  figura 
(pnmaevam  suae  andquitatis  formam  retinens)  in  medio  stantis 
deiparae  imaginem  exprimit;  per  circuitum  vero  legitur:  SIG. 
ABBATISS.  S.  MONAST.  ORD.  S.  CLAR.E  DE  ASSIS  IN 
lüDENßURG.  1254.'  Ob  Herzog  ein  solches  Siegel  mit  Jahres- 
zahl selbst  eingesehen  habe,  möchten  wir  bezweifeln,  wenigstens 
ist  es  nicht  auf  unsere  Zeit  gelangt.  Wohl  aber  kennen  wir 
zwei  Siegel  aus  dem  14.  Jahrhundert.  Das  eine  ist  spitzoval, 
39/23  Mm.  gross,  aus  rothem  Wachse  und  wurde  noch  im 
16.  Jahrhundert  gebraucht.  Es  zeigt  die  heil.  Clara  mit  Zweig 
und  Buch  mit  der  Inschrift  S:  chlara  (in  gothischen  Charak- 
teren). Umschrift  in  Lapidarzeichen:  S:  ABATISSE  IN  — 
lüDENBURGA.  Das  andere  ebenfalls  spitzoval,  58/34  Mm. 
gross,  in  grünem  Wachse,  hat  die  Lapidarumschrift:  f  S  - 
ABBISSE  S:  M.D'  PADISO  ORDlS  SCI  DAMI IVDEBVRCH 
Beide  Siegel  hängen  an  Urkunden  des  steiermärkischen  Landes- 
archivs. ^  Im  oberen  Felde  des  zweiten  Siegels  erscheint  das 
Brustbild  der  heil.  Maria  mit  dem  Kinde;  im  unteren  Felde 
tragen  die  Gestalten  der  Stifter  einen  romanischen  Kirchen- 
bau und   man  liest  die  Namen:   HAINRICVS   und   GEISLA. 


*  Franz  M.  Angelo  von  Rivortort,  ,Die  Lieblichkeit  deß  Paradeys-Hügels 

oder   die    Qeschichte   des   Convents    zu  Assis'.    Wiener-Nenstadt,   1722. 

Das  ursprünglich  lateinisch  geschriebene  Werk  hatte  den  Titel:  ,Colli8 

Paradisi  nmoenitas'  n.  s.  w. 
'  Lnschin,  ,Die    mittelalterlichen    Siegel    der  Abteien   und    Conrente   in 

Steiermark*.   Wien,  1874,  S.  14—15. 


378 

• 

—  Das  bei  Herzog  als  Sigillum  abbatissae  alterum  minus  be- 
zeichnete Siegel  findet  sich  abgedruckt  in  einer  Urkunde  des 
Admonter  Archivs  vom  Jahre  1664.  Es  ist  rund,  misst  im 
Durchmesser  24  Mm.  und  hat  im  Allgemeinen  dieselbe  Dar- 
stellung wie  das  zuletzt  beschriebene,  nur  ruht  das  Brustbild 
der  Gottesmutter  auf  Wolken.  Umschrift:  SI.  AB.  SAG.  MO- 
DE. PA  OR  S.  CLAR^.  DE  AS.  IN  IVD.  Die  bisher  be- 
sprochenen  Siegel  gehörten  den  Aebtissinnen  an.  Die  Admonter 
Urkunde  von  1664  und  mehrere  Schriftstücke  desselben  Archivs 
bis  zum  Jahre  1772  haben  auch  das  von  Herzog  erwähnte  Si- 
gillum Conventus.  Es  ist  rund,  21  Mm.  im  Durchmesser,  hat 
keine  Legende  und  enthält  das  Bild  (Kniestück)  der  Gottes- 
mutter mit  der  Krone  (ohne  Nimbus)  auf  dem  Haupte,  auf 
dem  rechten  Arme  das  Kind  und  in  der  Linken  das  Scepter 
haltend. 

Die  Orundung  des  Klosters. 

Die  Urgeschichte  vieler  Klöster  ist  in  Dunkel  gehüllt; 
die  Volkstradition  ist  oft  die  einzige  Quelle,  und  selbst  die 
alten  Chroniken  sind  in  ihren  Angaben  schwankend.  Aebn- 
liohes  ist  auch  bei  dem  Kloster  Paradeis  der  Fall;  Tradition 
und  ,iuralte*  Aufschreibungen  vindiciren  ftlr  dasselbe  ein  höheres 
Alter  und  stehen  im  Widerspruch  mit  dem  Inhalte  der  Ur- 
kunden. Nach  Herxog '  soll  das  Kloster  in  Paradeis  ein  ur- 
altes Document  (an  pervetusto  quopiam  manuscripto^  besessen 
haben«  in  welchem  die  Nachricht  stand:  ,Pauperum  sororum 
ludenbxirgensium  (^reclusarum  dictarum)  tempellum  sat  angustum 
jam  anno  1222  consecrationis  beneficium  obtinuisse/  Also 
$chon  im  Jahre  1222  sollen  Nonnen  in  Judenburg  gewesen 
und  soll  ihn?  kleine  Kirche  geweiht  worden  sein.  Ist  das  Erste 
der  Fall,  so  waren  es  schwerlich  Ciarissen,  sondern,  wie  Friess' 
meinte  Beguinen  oder  sonst  ein  Verein  firommer  Frauen  ohne  be- 
stimmte iVdeusregoL  OUrissen  konnten  es  nicht  leicht  sein.  Als 
beiblufig^^  J^il  des  Erscheinens  der  Minoriten  in  Oesterreich 
kann  das  Jahr  1230  ang^enommen  werden.  Einige  Jahre  sp&ter 
er^tAiul  das  erste  Kloster  diese*  Ordens  in  Steiermark  zu  Graz, 
und  Kwischcn  l2Cv>  und  I24i^  durften  skk  die  minderen  Brüder 

»  L  T»t 


379 

zu  Judenburg  niedergelassen  haben.  Die  erste  urkundliche 
Nachricht  von  dem  Bestehen  eines  Frauenklosters  daselbst 
haben  wir  vom  Jahre  1253,  und  dass  dieses  schon  längere  Zeit 
bestanden  habe,  aber  keinem  bestimmten  Orden  angehörte, 
erhellt  aus  den  Worten  des  Documents:  ,ipsaeque  nullum  ad- 
huc  ordinem  sunt  professae,  inclusae  corpore  in  castris  clau- 
stralibus^  Ein  ungenannter  Schriftsteller  *  will  zwar  das  Kloster 
von  seinem  Anbeginne  an  dem  Orden  der  heil.  Clara  zuweisen. 
Er  sagt:  ,Si  enim  tempore  Innocentii  IV.  anno  1254  fuerunt 
ibidem  (Brixinae  et  ludenburgi)  abbatissae  et  monasteria  com- 
pleta  et  quidem  sub  magisterio  et  directione  F.  F.  Minorum  .  .  ., 
facile  credendum  est,  jam  30  annis  prius  ibidem  fuisse  sorores 
et  fratres,  licet  non  magni  adhuc  numeri,  institutum  seraphicum 
proplantare  exordientes.'  Nach  der  oben  erwähnten  Urkunde 
vom  Jahre  1253  haben  erst  damals  die  Klosterfrauen  zu  Juden- 
burg, da  sie  noch  keine  Regel  hatten,  sich  an  Innocenz  IV. 
mit  der  Bitte  gewendet,  ihnen  eine  solche  zu  geben  und  ihr 
Kloster  dem  Orden  S.  Damiani,  d.  i.  dem  Ciarissenorden  ein- 
zuverleiben. ^ 

Auf  den  alten  Siegeln  des  Klosters  erscheinen  zwei  Per- 
sonen, ein  Mann  imd  eine  Frau,  eine  Kirche  tragend,  und  im 
Siegelfelde  liest  man  die  Namen  Hainricus  imd  Geisla;  beide 
gelten  als  die  eigentlichen  Gründer  des  Klosters.  Die  Nonnen 
liatten  bisher  in  der  Stadt  Judenburg  gewohnt,  aber  der  be- 
schränkte Raum  ihrer  Wohnstätte  und  die  durch  den  Verkehr 
der  Btirger  und  Fremden  bedingte  Unruhe^  machten  es  wün- 
schenswerth,  das  Kloster  an  einem  mehr  abgelegenen  und  da- 
her stillen  Orte  den  Bedürfnissen  der  Frauen  gemeinde  ent- 
sprechend neu  aufzubauen.  Ein  Judenburger  Btirger  Namens 
Heinrich  (Henricus)  und  seine  Ehegesponsin  Frau  Geisla  (Gisla, 


^  «Facies  nascentis  et  snccrescentis  provinciae  Seraphico-Austriacae/  Ratis- 
bonae,  1743,  p.  37. 

^  Im  Urkundenrepertoriiim  des  Klosters  vom  Jahre  1783  steht  folgendes 
Regest:  ,1240,  Pleibuch  (Bleiburg?).  Ulrich,  Graf  zu  Heunburg,  ver- 
zichtet zu  Gunsten  des  Klosters  auf  die  Vogtei  über  die  Pfarre  Zyll 
(Cilli).*  Diese  Urkunde  gehört  aber,  wie  wir  sehen  werden,  zum 
Jahre  1301. 

'  Judenbnrg  war  ein  bedeutender  Handelsort,  und  selbst  hohe  Frauen, 
wie  Theodora  (1233)  und  Gertrude  (1259),  hatten  es  vorübergehend  als 
Doniicil  gewählt. 


380 

Gisella)  unterzogen  sieh  diesem  frommen  Werke.  In  einer  Ur- 
kunde des  Bischofs  Ulrich  I.  von  Seckau  (1256)  wird  Hein- 
rich (dilectus  nobis  Henricus  civis  de  ludenburg)  als  Erbauer 
genannt.  Ob  der  in  einem  Documente  vom  Jahre  1259  ge- 
nannte Bürger  Heinrich  der  Sattler  ^  mit  unserem  Stifter  iden- 
tisch sei,  ist  nicht  unwahrscheinlich,  lieber  diesen  haben  wir 
keine  weiteren  Nachrichten.  Es  ist  anzunehmen,  dass  er  und 
seine  Gemahlin,  einem  alten  Gebrauche  gemäss,  dass  Stifter 
und  Donatoren  in  den  von  ihnen  gegründeten  oder  unter- 
stützten Kirchen  ihre  Grabstätte  fanden,  auch  nach  ihrem 
Tode  in  den  Hallen  des  Paradeisklosters  beigesetzt  worden 
sind.  Das  schon  citirte  Manuscript  der  Grazer  Universitäts- 
bibliothek vom  Jahre  c.  1737  spricht  von  einem  ,epitaphium 
de  fundatore,  quod  autem  amplius  ob  diumitatem  temporis  non 
est  legibile^ 

Mit  dem  Neubau  des  Klosters  ging  die  Reform  desselben 
Hand  in  Hand.  Sowohl  die  Nonnen  als  auch  die  kirchlichen 
Behörden  hatten  sich  an  den  Papst  Innocenz  IV.  imd  wohl 
auch  an  die  heil.  Clara  gewendet  mit  dem  Ansuchen,  das  neue 
Haus  einem  Orden  einzuverleiben  und  den  Frauen  eine  be- 
stimmte Regel  zu  geben.  Zwei  Nonnen  aus  dem  Orden  der 
heil.  Clara  und  aus  dem  Mutterkloster  St.  Damian  zu  Assisi 
kamen  nach  Judenburg  und  führten  die  Reform  durch.  Die 
ältere  derselben,  Benedicta,  wurde  die  erste  Aebtissin  in  Para- 
deis. Aber  schon  nach  vier  Jahren  kehrte  sie  wieder  heim 
nach  Italien,  theils  vom  Heimweh  ergriflFen,  theils  wohl  auch, 
weil  der  Tochter  Italiens  die  rauhe  Luft  der  norischen  Bei^e 
nicht  gut  gethan  hatte.  ,Cum  aura  hujus  patriae  ipsis  immitior 
fuerit.*2  Ueber  Benedictas  weitere  Schicksale  belehrt  uns 
Marcus  de  Lisabona:^  ,In  diser  versamblung  (S.  Damian  in 
Assisi)  ist  ein  Closterfraw  gewest  mit  namen  Benedicta,  die 
ist .  .  .  in  der  Regel  so  eyfferig  und  heilig  gewest,  dass  man 
sie,    nachdem   die   h.   Clara  ...  in  die   Glory   aufgenommen 


1  Muchar,  ,Qe8chichte  des  Herzogthums  Steiermark*,  V,  276.  Ein  tob 
Dr.  H.  R.  von  Zeissberg  im  Archiv  für  österr.  Geschichte,  LIV,  227 
mitgetheiltes  Fragment  eines  Reuner  Todtenbuches  hat  unter  21.  April 
die  Eintragung:  ,Heinricus  de  ludenburg*,  und  unter  24.  April  eine 
,QeiseIa*. 

2  »Facies*,  287. 

3  ,Chroniken  der  minderen  Brüder.*    Mündien,  1620,  HI,  139. 


381 

worden^  zu  einer  Ebtissin  gemacht . . .  Seligklich  ist  sie  . . .  ent- 
scUaffen,  ligt  in  dem  Chor  in  St.  Clara  Kirchen  zu  Assisi  be- 
graben/ Ihre  Nachfolgerin  im  Paradeis  war  des  Stifters  Hein- 
rich Tochter  Cäcilia.  Die  Grtlndung  des  ELlosters  ist  in  die 
Jahre  1253 — 1256  zu  setzen;  es  ist  abo  möglich,  dass  die 
he3.  Clara  (f  11.  August  1253)  noch  die  Grundsteinlegung  er- 
lebte und  vielleicht  noch  persönlich  Einfluss  auf  die  Gründung 
üben  konnte.  Weniger  glaubwürdig  erscheint  es  aber,  dass 
Clara  Briefe  an  das  Erlöster  gerichtet  habe  und  selbe  lange 
Zeit  dort  aufbewahrt  gewesen  seien.  ^ 

Die  Confolidimng  des  Klosters  durch  päpstliche  und  bischöfliche 

PriYilegien. 

Haben  wir  uns  bisher  in  unseren  Forschungen  fast  aus- 
schliesslich an  der  Krücke  der  Tradition  forthelfen  müssen,  ist 
es  uns  nun  gestattet,  unter  Leitung  der  Diplome  festen  histori- 
schen Boden  zu  betreten.  Wie  schon  oben  bemerkt,  hatten 
sich  die  Nonnen  an  den  heil.  Stuhl  gewendet,  um  einem  be- 
stimmten Orden  zugewiesen  zu  werden.  Papst  Innocenz  IV. 
bewilligte  diese  Bitte.  Er  richtete  am  5.  Juli  1253  an  den 
Cardinal-Bischof  von  Ostia  und  Veletri^  folgenden  Auftrag,  er 
solle  das  Kloster  dem  Orden  des  heil.  Damian  zu  Assisi  ein- 
verleiben, es  der  Jurisdiction  des  Ministers  der  österreichischen 
Ordensprovinz  unterordnen  und  demselben  die  von  Gregor  IX. 
erlassene  Regel  geben.  Das  EJoster  soll  aller  dem  Mutter- 
kloster zu  Assisi  gewährten  und  noch  zu  gewährenden  Privi- 
legien theilhaftig  sein.  Der  Minister  hat  des  Recht,  es  zu  visi- 
üren  und  den  Nonnen  die  Sacramente  zu  spenden,  entweder 
in  eigener  Person  oder  durch  geeignete  Vertreter,  welche  nicht 
gehalten  sind,  im  Kloster  daselbst  zu  wohnen.  Doch  Alles 
nor  mit  Gutheissung  des  Cardinalprotectors.  Die  Wahl  der 
Aebtissin  steht  dem  Convente   zu  und   dem  Kloster  wird  die 


*  iQnod  autem  omni  reritati  consentaneum  sit,  hoe  monasterium  vivente 
adliQc  8.  Clara  aedlficatam  esse  probant  non  solum  et  demonstrant 
annale«  nostri  ordinis,  vemm  etiam  litterae,  quae  propria  manu  8.  Clarae 
ad  hoc  monasteriam  faerant  scriptae,  quae  autem  omnes  deplorabili  casu 
snnt  deperditae.'  Manascript  der  Grazer  Uniyersitätsbibliothek,  Nr.  960. 

3  itaTnaldus  de  Segoi  1231 — 1254,  dann  als  Papst  Alexander  lY.  Garns, 
ySeries  episcoporam  ecclesiae  catholicae*,  p.  Y. 


i 


382 

Befugniss  eingeräumt,  bewegliches  und  unbewegKches  Gut  zu 
erwerben,  obwohl  die  Satzungen  von  St.  Damian  dieses  nicht 
gestatten.  ^  Die  Ursache,  warum  der  Papst  dem  Paradeiser 
Kloster  den  Erwerb  und  Besitz  zeitlichen  Gutes  im  Wider- 
spruche zur  in  Assisi  herrschenden  Strenge  gestattet  bat,  mag 
wohl  die  sein,  um  der  jungen  Rlosterpflanze  Kraft  und  Ge- 
deihen zuzufiihren  und  um  den  Ausbau  und  die  Ausstattung 
von  Kirche  und  Kloster  leichter  bewerkstelligen  zu  können. 

Am  23.  März  1254  erliess  derselbe  Papst  eine  weitere 
Anordnung  bezüglich  der  Vermögensgebahrung  des  Klosters. 
Der  Inhalt  derselben  ist  etwas  dunkel  stilisirt.  Es  handelt  sich 
um  jene  Gütererwerbungen  und  Geschenke,  die  von  den  Gebern 
durch  Raub,  Wucher  oder  auf  andere  unrechtmässige  Art  zu 
Stande  gebracht  waren.  Sind  die  Beschädigten  nicht  bekannt, 
filllt  die  Restitution  hinweg.  ^ 

Am  29.  März  desselben  Jahres  gab  der  Papst  den  Nonnen 
das  Privileg,  dass  Niemand  sie  vor  Gericht  belangen  dürfe, 
selbst  wenn  er  auf  irgend  eine  Art  ein  apostolisches  Schreiben 
zu  Hand  bekommen  hätte,  und  dass  nur  vom  Orden  selbst  und 
seinen  Organen  mit  vorausgesetzter  Vollmacht  von  Seite  des 
heil.  Stuhles  gegen   das  Kloster  vorgegangen  werden  könne.' 

Von  grösserer  Wichtigkeit  ist  die  grosse  Bulle  vom 
24.  Juni  des  gleichen  Jahres.  In  derselben  bestätigt  Innocenz 
die  neue  Stiftung  und  versichert  selbe  seines  Schutzes.  Der 
Orden  des  heil.  Damian  soll  in  alle  Zukimft  im  Kloster  Para- 
deis Bestand  haben.  Der  gegenwärtige  und  künftige  Güter- 
besitz wird  anerkannt.  Die  Urkunde  zählt  die  Besitzobjecte 
auf,  als:  der  Ort,  auf  welchem  das  Kloster  steht,  mit  seiner 
Zugehörung,  Grundstücke  zu  Welmersdorf  und  Mittemdorf/ 
Burgrechtszinse,  Käsegült  und  zwei  Aecker  zu  Judenburg.  Das 
Kloster  darf  freie  Personen,  welche  der  Welt  entsagen,  auf- 
nehmen, aber  wenn  selbe  Profess  abgelegt  haben,  ist  es  ihnen 
nicht  mehr  gestattet,  das  Kloster  zu  verlassen;  eine  flüchtige 
Nonne  soll  Niemand  aufnehmen  oder  zurückhalten.  Die  Con- 
secration  der  Kirche,  Altäre  und  der  heiligen  Oele,  sowie  die 


J  »Facies*,  32.     Friess,  1.  c.  S.  110. 
3  Urkunde  im  Landesarchiv. 

s  Wadding,  ,Annales  Minorum*,  HI,  516.     »Facies,*  284. 
*  Welmersdorf  bei  Jiidenburg.     Mittemdorf  in  der  Pfarre  St.  Peter  bei 
Judenburg. 


383 

Weihe  (benedictio)  der  Nonnen,  der  gottesdienstlichen  Ge&sse 
and  Kleider  steht  dem  Bischöfe  der  Diöcese  zu.  ^ 

Nur  bei  Vacanz  des  bischöflichen  Stuhles  dürfen  sich 
die  Nonnen  an  einen  fremden  Bischof  in  diesen  Angelegen- 
heiten wenden.  Wird  ein  Interdict  über  das  Land  verhängt, 
ist  es  ihnen  erlaubt,  bei  verschlossenen  Thüren  und  ohne 
Glockenschall  G-ottesdienst  zu  feiern.  Die  Aebtissin  wird  vom 
Convente  gewählt,  und  es  entscheidet  die  absolute  Mehrzahl  der 
Stimmen.  Die  Clausur  ist  strenge  zu  beobachten  und  Niemand, 
selbst  wenn  er  einen  Verbrecher  ergreifen  will,  darf  in  die- 
selbe eindringen  oder  einen  Gewaltact  üben.  Bemerkenswerth 
ist  auch  in  diesem  Diplom,  dass  an  zwei  Stellen  die  Regel  des 
heil.  Benedict  betont  wird.  Selbe  war  eben  das  Fundament,  auf 
welchem  St.  Franciscus  und  Clara  bei  ihren  Satzungen  fussten.^ 

Da  unseren  Ciarissen  manche  Punkte  der  Ordensregel 
zu  beobachten  allzu  beschwerlich  war,  baten  sie  den  Papst 
am  eine  Milderung.  Auf  dessen  Befehl  hatte  der  Protector- 
Cardinal  Rainaldus  am  22.  Juni  1254  eine  Anordnung  gemacht, 
welche  Innocenz  IV.  vier  Tage  später  vollinhaltlich  confirmirte. 
Die  wesentlichen  Punkte  dieser  Dispens  sind:  Von  Ostern  an 
bis  zum  Feste  des  heil.  Franciscus  dürfen  die  Frauen  (mit 
Ausnahme  der  Freitage  und  gebotenen  Fasttage)  Wein,  Mehl- 
brei, Eier  und  Milchspeisen  geniessen.  Kranken  und  Schwachen 
ist  eine  weitergehende  Dispens  zu  gewähren.  Selbe  dtlrfen 
auch  im  Krankenzimmer  untereinander  oder  mit  den  Wärterinnen 
und  besuchenden  Schwestern  reden.  In  Anbetracht  des  rauheren 
Klimas  ist  den  Nonnen  erlaubt,  drei  Röcke  (tunicae),  Pelzwerk, 
einen  gewöhnlichen  und  einen  kurzen  Mantel  (diesen  bei  der 
Arbeit),  wollene  Strümpfe  und  mit  Heu  oder  Spreu  gefüllte 
Decken  und  Hauptkissen  zu  benützen.  Die  dienenden  Schwe- 
stern dürfen  Schuhe  tragen  und  ihr  Fasten  ist  weniger  strenge. 
In  Bezug  auf  das  Schweigen  kann  die  Aebtissin  zeitweilig 
eine  Milderung  eintreten  lassen.  Einige  Bestimmungen  be- 
treiSfen  noch  den  Visitator  und  Beichtvater.  ^  In  diesem  Jahre 

*  Jndenbiirg  and  Umgebnng  gehörten  zur  ErzdiOcese  Salzburg.  Die  nahe 
Fiaire  Fohnsdorf  war  aber  Dotationsgnt  des  Bisthums  Seckaa.  Der 
Bischof  von  Seckaa  war  Generalvicar  des  Salzburger  Metropoliten  für 
Steiermark. 

'  Urkunde  im  Landesarchiv. 

<  Ebenda. 


384 

soll  auch  der  Papst  einen  Ablass  für  die  Feste  des  heil.  Fran- 
ciscus  und  der  Kirchweihe  verliehen  haben.  *  Auch  Ulrich  L, 
Bischof  von  Lavant^  spendete  1255  einen  Ablass  von  vierzig 
Tagen  für  Alle,  welche  zum  Eirchenbau  Beiträge  leisteten.^ 
Wann  die  Weihe  der  Kirche  stattgefunden  habe,  lässt  sich  nicht 
bestimmt  nachweisen.  Aus  einer  Urkunde  des  Patriarchen  Rai- 
mund von  Aquileja  erhellt,  dass  im  Jahre  1277  der  Kirchen- 
bau wohl  vollendet,  aber  noch  nicht  geweiht  war.  ^  Da  wohl 
nicht  anzunehmen  ist,  dass  der  Bau  vom  Jahre  1253  bis  1277 
gedauert  habe,  ist  es  wahrscheinlich,  dass  die  Kirche  vielleicht 
durch  einen  der  Pröpste  des  nahen  Chorherrenstiftes  Seckaa 
einfach  benedicirt  worden  war  und  erst  1277  die  bischöfliche 
Consecration  erhalten  habe. 

Das  Kloster  Paradeis  stand  bisher  im  Diöcesanverbande 
und  unter  der  geistlichen  Gerichtsbarkeit  des  Salzburger  Erz- 
bischofs. Da  aber  die  übrigen  Klöster  des  St.  Claraordens 
unmittelbar  dem  römischen  Stuhle,  beziehungsweise  dem  Mi- 
nister generalis  der  Minoriten  unterworfen  waren,  befreite  auf 
die  Bitte  der  Nonnen  Erzbischof  Philipp  von  Salzburg  am 
17.  December  1255  das  Kloster  von  der  Jurisdiction  seiner 
Hochkirche,  und  zur  Erinnerung  an  diese  Wohlthat  mussten 
sich  die  Nonnen  verpflichten,  alljährlich  am  Feste  Maria 
Himmelfahrt  ein  Pfund  Wachs  dem  Erzbischofe  zu  entrichten. 
Bezüglich  rein  bischöflicher  Functionen  sollten  sie  sich  auch 
in  Zukunft  an  denselben  wenden.^ 

Obwohl  fast  im  Weichbilde  der  Stadt  Judenburg  gelegen, 
lag  das  Kloster  doch  innerhalb  der  Ghrenzen  der  Pfarre  FohnB- 
dorf,  welche  zum  Dotationsgute  des  1219  errichteten  Bisthmns 
Seckau  gehörte.  Aus  diesem  Grunde  konnte  die  Entstehung 
eines  Klosters  auf  dem  Boden  seiner  Pfarre  dem  Bischöfe  nicht 
gleichgiltig  sein.  Aber  auf  die  Ftlrbitte  des  Stifters,  des  Bürgers 
Heinrich,  willigte  er  am  1.  Juni  1256  in  die  klösterliche  An- 
Siedlung  und  den  Kirchenbau,  sich  der  Hoffnung  hingebend, 
Heinrich   und  dessen  Erben  würden   den  Nachtheil,  welcher 


^  Repertorium  des  Klosterarchivs. 

2  Herzog,  I,  702.     ,Facie8S  286.    Mnchar,  V,  266. 

'  yCum  igitor  .  .  .  ecclesiam  vestram  in  ipsias  beate  virginis  honore  con 

stmctam  intendatis  facere  consecrari .  .  .' 
^  Copialbach  des  Klosters. 


385 

durch  das  Kloster  der  Pfarre  Fohnsdorf  erwachsen  werde,  auf 
andere  Weise  gutzamachen  sich  bestreben.  ^ 

Im  Jahre  1257  ertheilte  Papst  Alexander  IV.  ftlr  das 
Kirchweihfest  des  Klosters  eine  Indulgenz  von  hundert  Tagen.^ 
Das  fUoster  war,  wenigstens  im  ersten  Jahrhundert  seines  Be- 
standes, an  die  milden  Gaben  der  Gläubigen  angewiesen  und 
sandte  Almosensammler  in  der  Gegend  herum.  Da  aber  diesen 
manche  Hindemisse  in  den  Weg  gelegt  wurden,  beschwerten 
sich  die  Nonnen  beim  Papste,  und  dieser  schützte  sie  1258 
durch  ein  besonderes  Breve  in  ihrem  Rechte  und  Gebrauche.'^ 
Im  gleichen  Jahre  gab  Frater  Rainaldus  Poenitentiarius  die 
Erlaubniss,  dass  der  Provinzial  mit  einigen  Brüdern  die  Clausur 
betreten  dürfe,  um  die  Messe  zu  lesen;  auch  der  Gemahlin 
des  Stifters  wurde  die  Befugniss  ertheilt,  mit  drei  bis  vier  ehr- 
baren Frauen  in  das  Innere  des  Klosters  zu  gehen.  Bei 
Feindesgefahr  dürfen  die  Nonnen  die  Clausur  brechen  und  die 
Flucht  ergreifen.  *  Im  Jahre  1265  bestätigte  Papst  Clemens  IV, 
alle  von  seinen  Vorgängern  dem  Kloster  ertheilten  Freiheiten 
und  Indulgenzen,  ebenso  die  von  weltlichen  Fürsten  gegebene 
Nachsicht  von  gewissen  Abgaben.  ^  Um  das  Jahr  1273  erliess 
Bischof  Herbord  von  Lavant  an  alle  Gläubigen  seines  Sprengeis 
die  Mahnung,  dem  Kloster  im  Paradeis  milde  Gaben  zuzu- 
wenden. ®  In  dieser  Urkunde  wird  zum  ersten  Male  der  Orden, 
welchem  die  Paradeiserinnen  angehörten,  ordo  s.  Clarae  ge- 
nannt, während  die  früheren  Documente  nur  immer  von  einem 
ordo  s.  Damiani  gesprochen  haben. 

Weitere  Geschicke  des  Klosters  im  13.  Jahrhundert   Päpstliche, 
bischöfliche  und  landesforstliohe  Onadenerweise, 

Stets  war  es  bei  geistlichen  Genossenschaften  eine  der 
ersten  Sorgen  und  Aufgaben,  sich  des  Schutzes  des  jeweiligen 
Papstes  und  Landesregenten  zu  versichern.  Dieser  Gebrauch 
wurde  auch  im  Kloster  Paradeis  aufrecht  erhalten.  Am  8.  August 


1  Henog,  I,  701. 

'  Bepeitorinin  des  KlofterarchiTs. 

*  Urkunde  im  Landesarchiv. 

*  Bepertorinm  des  Klosterarehirs. 

*  Urkunde  im  Landesarohir. 

*  Urkunde  im  Landesarchiv. 


386 

1297  nahm  Papst  Bonifaz  VIII.  das  Kloster  und  dessen  Be- 
wohner in  seinen  und  des  heil.  Petrus  Schutz  und  bestätigte 
den  Besitz  an  liegenden  Gütern.  ^  Am  gleichen  Tage  confir- 
mirte  er  alle  Freiheiten  und  Immunitäten,  welche  seine  Vor- 
gänger dem  Kloster  gegeben  hatten,  sowie  alle  Spende-  und 
Freibriefe  weltlicher  Machthaber.  ^  Diese  beiden  Documenta, 
obwohl  am  gleichen  Tage  und  Orte  ausgestellt,  haben  das 
Eigenthümliche,  dass  im  ersten  das  Kloster  in  der  Seckauer 
Diöcese  erscheint  und  im  andern  als  in  der  Salzburger  Diö- 
cese  gelegen  bezeichnet  wird. 

Am  18.  August  1297  soll  der  Papst  dem  Bischöfe  von 
Seckau^  die  Weisung  gegeben  haben,  den  Bann  über  jene 
zu  verhängen,  welche  dem  Kloster  etwas  an  dessen  Rechten 
und  Gütern  entziehen  und  nicht  Genugthuung  leisten  würden.* 
Das  Repertorium  des  Klosterarchivs  enthält  auch  die  Notiz, 
dass  der  Abt  von  Göttweig,  Marquard  von  Weissenburg  (1317 
— 1323),  eine  Urkunde  vom  Jahre  1298  vidimirt  habe,  in 
welcher  Papst  Bonifaz  VIII.  das  Kloster  aller  Privilegien  der 
minderen  Brüder  theilhaftig  gemacht  hat. 

Das  eifrige  Streben  der  Klöster  und  Kirchen  ging  stets 
dahin,  für  ihre  Altäre  und  Bruderschaften  Ablässe  zu  erhalten. 
Am  24.  September  1277  verlieh  Raimund,  Patriarch  von  Aglai, 
dem  Kloster  für  dessen  zu  Ehren  der  heil.  Maria  erbaute 
BLirche  gelegentlich  der  vorhabenden  Weihe  derselben  einen 
Ablass  von  vierzig  Tagen.  ^  Unsere  oft  citirte  Quelle  ^  be- 
richtet, dass  in  demselben  Jahre  Indulgenzen  von  acht  ver- 
schiedenen Bischöfen  gewährt  worden  seien,  und  dass  im  Jahre 
1300  drei  ungenannte  Bischöfe  den  Gnadenschatz  der  Ablässe 
für  alle  jene  aufgeschlossen  haben,  welche  an  den  Ordens- 
festen St.  Francisci  und  St.  Clarae  die  Kirche  im  Paradeis  be- 
suchen wtlrden. 

Um  1259  hatte  sich  Gertrude,  Nichte  Friedrichs  des 
Streitbaren,  einige  Zeit  in  Judenburg  aufgehalten.  Bei  dieser 
Gelegenheit   mag   es   gewesen    sein,    dass    sie    der  Paradeiser 


*  Urkunde  im  Landesarchir. 
'  Urkunde  im  Landesarchiv. 
»  Ulrich  n.  von  Paldau. 

*  Repertorium  des  Klosterarchivs. 

*  Urkunde  im  Landesarchiv. 

*  Repertorium  des  Klosterarchivs. 


387 

Nonne  Alfaaid  von  Hof  verschiedene  Grundstücke  zu  St.  Peter 
ob  Judenburg  und  einen  Dienst  von  500  Käsen  zum  Ge- 
schenke gemacht  hat.  Am  25.  April  1277  bestätigte  König 
Rudolf  dem  Kloster  diese  Schenkung.  ^  Da  das  Kloster  auf 
einem  Grunde  erbaut  war,  welcher  der  Stadt  Judenburg  zins- 
pftichtig  war,  gab  Otto  von  Liechtenstein  den  Bürgern  zwei 
Aecker  zum  Tausche,  um  das  Kloster  vom  Unterthanenverbande 
zu  ledigen.  Da  aber  diese  Aecker  landesfürstliche  Lehen 
waren,  gab  Herzog  Albrecht  I.  am  14.  Jänner  1289  seine 
Einwilligung.  ^ 

Waehtender  Wohlstand  des  Klosters.     Schenkungen  und  Legate. 
Yermehrung  des  Grundbesitxes  durch  Kauf  und  Tausch. 

Im  Laufe  des  13.  und  14.  Jahrhunderts  flössen  dem 
Kloster,  welches  in  den  ersten  Zeiten  seines  Bestandes  auf  die 
Sammlung  von  Almosen  angewiesen  war,  reichliche  Spenden 
an  liegenden  Gründen  und  jährlichen  Zinsen  zu.  Oft  waren 
diese  Schenkungen  eine  Art  Morgengabe  oder  Aussteuer  für 
die  Töchter  des  Adels  oder  der  ansehnlichen  Bürger,  welche 
das  Ordenskleid  der  heil.  Clara  wählten.  Am  3.  Februar  1277 
übergaben  Ulrich  und  Agnes,  Grafen  von  Heunburg,  dem 
Kloster  eine  Schwaige  zu  Göttschach  bei  Fohnsdorf.  ^  Un- 
gemein wohlthätig  gegen  geistliche  Institute  bezeigte  sich  der 
Büiger  Conrad  Leglaer.  In  seinem  Testamente  vom  1.  April 
1279  wies  er  nicht  nur  der  Pfarrkirche,  dem  Spitale  und  den 
Minoriten   zu  Judenburg   ansehnliche   Gaben    zu,    sondern    er 


*  Maehar,  m,  393  und  V,  397.  Nach  dem  Repertoiium  des  Klosters 
bitte  auch  König  Adolf  (1277!)  dieselbe  Schenkung  bestätigt.  Wenn 
dieses  wahr  ist,  kann  es  nur  1292 — 1298  geschehen  sein. 

>  Caesar,  ,AnnalesS  II,  352.    Muchar,  VI,  66. 

'  Copialbuch  des  Klosters.  —  Wir  haben  es  unterlassen,  die  citirten  Ur- 
kunden unserer  historischen  Darstellung  einzureihen,  theils  weil  einige 
derselben  schon  in  anderen  Werken  abgedruckt  erscheinen,  theils  weil 
die  Zahl  und  der  Umfang  derselben  einen  zu  grossen  Baum  in  An- 
q^roeh  genommen  bitte.  Doch  dürfte  die  Anführung  der  in  den  Docu- 
menten  yorkommenden  Zeugen  nicht  unwillkommen  sein.  Wir  geben 
die  Zeugenreihen  in  der  Schreibart  der  uns  yorliegenden  Quellen.  In 
der  Urkunde  yom  3.  Februar  1277  erscheinen  als  Zeugen:  ,Ott  yon 
Jadenburg,  Ortolf,  Dietmar  und  Hainreich  gepmeder  yon  Stretweg,  herr 
Walfing  yon  Hannaw,  Englbreoht  unser  offenschreiber  .  .  .* 
Arehir.  Bd.  LXXllI.  II.  Hilft«.  26 


388 

bedachte  auch  das  Kloster  Paradeis,  in  welchem  seine  Tochter 
Kunegnnd  den  Schleier  genommen  hatte.  An  allen  vier  grös- 
seren Frauenfesten  sollen  dem  Elloster  und  seiner  Tochter  je 
eine  halbe  Mark  Pfennige  verabreicht  werden,  und  nach  dem 
Ableben  Kunegunds  soll  den  Nonnen  eine  Jahresrente  von 
vierzig  Pfennigen  verbleiben.  *  —  Um  1280  vermachte  letzt- 
willig ein  gewisser  Waltheras  dictus  Dens  (2^hn)  den  Frauen 
,duo8  millearios  (?)  ferri^  ^  Otto  11.  von  Liechtenstein  gab  am 
17.  März  1287  dem  Kloster  einen  Hof  zu  Thalheim  bei  Pols, 
welchen  er  von  Conrad  von  Pillichdorf  erkauft  hatte.  ^  Die 
Edelfrau  Perchta  von  Reifenstein  hatte  ihre  Töchter  M&tza 
und  Geuta  in  das  Clarenkloster  aufnehmen  lassen.  Als  deren 
Aussteuer  spendete  sie  am  11.  Juni  1290  Gülten  zu  Oberdorf 
bei  dem  ^Eaysersperg',  eine  Mühle  am  Pölsflusse  und  eine 
Hube  zu  Hitzendorf.  ^  Bei  der  Aufnahme  seiner  Tochter  Agnes 
in  die  Frauengemeinde  opferte  Otto  von  Weisseneck  zwei  Mark 
Gült  am  Grebersberg.  *  Am  24.  April  1291  erscheint  aber- 
mals Otto  von  Liechtenstein,  Kämmerer  in  Steier,  in  der  Reihe 
der  Wohlthäter  des  EUosters,  indem  er  demselben  ^durch  meiner 
lieben  tochter  willen'  einen  Hof  zu  Wasendorf  bei  Judenbnrg 
widmete.  ^ 

Hermann,  Engelschalks  Bruder  zu  Judenburg  und  Lieb- 
hart von  Oberwelz  hatten  eine  Verwandte,  Frau  Benedicta,  im 


^  An  dem  im  steiermärkisohen  Landesarchiv  befindlichen  Originale  hingt 
auch  das  Siegel  des  Frauenklosters. 

2  Ein  Rüdiger  Zahn  erscheint  1282  als  Bürger  zu  Judenbnrg.  Huch«r, 
V,  442. 

3  Zeugen:  ^Dominus  Offo  de  Tiufenbach,  Herrandus  de  Wildonio,  Hert- 
nidus  de  Göttwig,  dominus  Emestus  de  Lobnich^  dominus  Otto  (de) 
Piswich,  dominus  Rihardus  Ramler,  dominus  Chunradus  Grueber,  dominus 
Fridericns  de  Hasslach,  Heinricus  Chelbo,  lacobus  Clauselius(?),  Henricos 
Friesacrius  (?).  Urkunde  im  Landesarchiv.  Dieser  Hof  kommt  im  Para- 
deiser Repertorium  unter  dem  Namen  ,Reßlmairhof  vor. 

*  Copialbuch  des  Klosters.  Zeugen:  Her  Ditmar  von  Btretbeg,  her  Hain- 
reich sein  prueder,  Ott  von  Pux,  Hermann  yon  Pfaffendorf^  Offerlio 
herren  Hainreich  aiden,  Hainreich  und  örtl  geprueder  des  Kolben, 
Weinkart  und  Gerung  yon  Awen,  Jacob  Klostermann,  Eberlin  tod 
Gehenn  .  .  . 

'  Copialbuch  des  Klosters. 

^  Copialbuch  des  Klosters.  In  einer  Urkunde  vom  Jahre  131 1  wird  diese 
Tochter  Adelheid  genannt  und  ist  selbe  wahrscheinlich  identisch  mit 
der  gleichnamigen  Aebtissin,  1813 — 1318. 


369 

Kloster.  Aus  diesem  Anlasse  opferten  sie  eine  Hube  zu  Stadel 
bei  Morau  und  ein  halbes  Pfund  GHÜt  zu  Pausendorf  bei 
Enittelfeld.  i  Am  18.  Februar  1298  vergabte  Bischof  Leopold 
Ton  Bamberg  an  das  Kloster  eine  Sohwaighube,  ^pej  dem 
kkineren  Praetenek^,  welche  500  Käse  diente  und  welche  bis- 
her Otto  Ungnad  zu  Lehen  trug.^  Von  einem  gewissen  Ernst 
von  St.  Lorenzen  im  Murthale  hatte  das  Kloster  eine  Mühle 
XU  Wasendorf  um  vier  Mark  Silber  käuflich  erworben.  Da  aber 
diese  ein  Lehenbesitz  Ottos  von  Liechtenstein  war,  gab  dieser 
am  15.  Juni  1299  dieselbe  den  Nonnen  in  ihr  volles  Eigenthum.  ^ 
Als  Proun  (Bruno),  Sohn  des  Wiener  Büi^ers  Mathias,  dem 
S^  Lilienfeld  drei  Weingärten  zu  Pfaffstetten  bei  Baden 
schenkte,  wurde  in  der  bezüglichen  Urkunde  der  Vermerk  ge- 
macht, dass  davon  den  Nonnen  zu  Juden  bürg  zehn  Pfund  Pfen- 
nige zu  reichen  seien.'*  Am  17.  September  1300  beurkunden  Abt 
Friedrich,  Prior  Conrad  und  der  Convent  zu  St.  Lambrecht,  dass 
Jntha,  Gemahlin  des  Ulrich  von  der  Wisen,  mehrere  dem  Kloster 
St.  Lambrecht  lehenbare  Aecker  auf  der  Anhöhe  ob  Wasendorf 
gekauft  habe.  Das  Stift  begibt  sich  seiner  Lehensherrlichkeit, 
und  Frau  Jutha  widmet  diese  Aecker  dem  Elloster  Paradeis 
zum  Unterhalte  ihrer  Schwester  Elisabeth,  Nonne  daselbst.^ 

Solche  zahlreiche  und  ausgiebige  Schenkungen  setzten 
bald  das  Kloster  in  die  Lage,  durch  Kauf  und  Tausch  weitere 
Gilter  zu   erwerben.     Diese   Erwerbungen    beschränkten    sich 


^  Copudbach  des  Klosters.  Zwei  Urkunden,  ddo.  1293, 16.  und  17.  October, 
Judenburg.  2^ügen  im  ersten  Docnmente:  Her  Hainreich  von  Stretwicb, 
Vlreich  der  Leizer,  Orte!  von  Reiffenstein,  Ch&onrat  der  Legier.  — 
Zengen  der  zweiten  Urkunde:  Herman  der  Altenhofer,  Vlreich  von 
Leys,  Ruedof  (sie!)  der  Wajner,  Jans  der  Klampfrer,  Wölfl  des  Alten- 
hofer  aeden  und  Herman  der  Zfthe. 

^  Copialbuch  des  Klosters.  2ieugen:  Ott  Vngnad,  iunkher  Eberhart,  Ott 
von  Erenuels,  Hainrich  wirt  am  Pieren  vnsers  hoff,  Benignus  ain  purger 
zw  Villmch  vnser  notari.  Ort  der  Ausstellung:  Wolfsberg. 

'  Copialbuch  des  Klosters.  Zeugen:  Her  Ott  von  Liechtenstain,  Vlreich 
der  Lejsxer,  G^erunch  der  Scheuf  lieber,  Gotfrid  von  der  Muer,  Herman 
der  richter  zw  Judenburg,  Dietmar  der  Adeldeg. 

*  Keiblinger,  ,Geschichte  des  Nonnenklosters  zu  Dürreustein  an  der 
Donau*  in  Cbmel,  ,Der  teterr.  Geschichtsforscher^  II,  6. 

^  Copijdbach.  Zeugen:  Dy  purger  zw  Judenburg  Hainreich  TrttUer, 
Hainreich  S^ramer,  maistei^  Strachant  goldsmid,  auch  etlich  hofdiener 
des  conuents  sand  Lamprecht,  Ott  hofrichter,  Ott  chumber,  Hainreich 
vnd  Wolfgang  ambtlewt. 

26» 


390 

nicht  auf  die  Qegend  von  Judenburg,  sondern  griffen  selbst  in 
das  steirische  Unterland  hinab.  Im  Jahre  1274  verkaufte 
Rudolf  von  Losenhaym  dem  Kloster  um  29  Mark  Silber  eine 
Qillt  zu  Morschdorf  bei  Mooskirchen  und  drei  Unterthanen 
(Holden)  zu  Plankenwart.  Als  Siegler  erscheint  neben  Gun- 
daker  von  Plankenwart  der  Custos  der  Minoriten  in  Kärnten, 
Bruder  Conrad.  ^  Dass  das  Nonnenkloster  seinen  Holden  gegen- 
über milde  vorging,  ist  durch  ein  Document  der  Aebtissin 
Clara  vom  25.  Jänner  1287  beglaubigt,  in  welchem  einem  ge- 
wissen Herbord  und  seinem  Weibe  Geisla,  welche  auf  einer 
Klostermühle  sassen,  erlaubt  wurde,  sich  mit  der  Zinseshälfte 
schadlos  zu  halten,  wenn  sie  auf  irgend  eine  Weise  bedrängt 
würden.  ^ 

Am  22.  Februar  1288  erwarb  das  EJoster  kaufsweise  um 
120  Mark  Silbers  von  den  Gebrüdem  Ulrich,  Friedrich  und 
Heinrich  von  Stubenberg  zwei  Höfe  zu  Welmersdorf  und  Buch 
bei  Judenburg.  Die  Bedingungen  und  Verclausulirungen  der 
Urkunde  geben  einen  Einblick  in  das  damalige  Rechtsleben 
Steiermarks.  Die  Frauen  der  Brüder  und  die  Kinder  Ulrichs ' 
mussten  ihre  Einwilligung  geben.  Die  Verkäufer  geloben,  das 
verkaufte  Gut  (,secundum  formam  prediorum^)  innerhalb  des 
im  Lande  geltenden  Zeitraumes  zu  schirmen.  Könnten  oder 
wollten  sie  dies  nicht  thun,  machten  sie  sich  anheischig. 
200  Mark  in  Silber  zu  zahlen.  In  einem  solchen  Falle  wollten 
sie  Einen  aus  ihnen  nach  Judenburg  senden,  der  dort  so  lange 
zu  verbleiben  hätte,  bis  die  ganze  Sache  geordnet  wäre.  Als 
Zeugen  der  Handlung  figuriren  hochadelige  Namen,  wie  Ul- 
rich Graf  von  Heunburg,  Otto  von  Liechtenstein,  Hertnid  und 
Herrant  von  Wildon  und  Friedrich  und  Hertnid  von  Pettau.  * 
—  Am  26.  September  desselben  Jahres  war  es  auch,  dass 
Otto  von  Liechtenstein  den  Bürgern  von  Judenburg  zwei  Aecker 

1  Copialbuch.  Zeugen:  Her  Ott  von  Liechtenstain,  pnieder  Knenrad 
custos  in  Kirnten,  her  Percbtold  Ton  Obdach,  Chuentz  vnd  Ott  von 
Judenbori^  sCtai  der  frawn  Herrad,  Oundaker  vnd  Rnedolf  von  Plankben- 
wart,  Eng^lscalc  Ledrer,  Herman  Heller. 

3  Copialbneh.  Zeugen:  Gotfrid,  Rnedolf,  Wnlfing,  Hainrich  genandt 
Schurger,  Hainreich  Hopfer,  all  pnrger  sw  Voitsperg.  Da  unter  den 
Zeugen  Anf  Bürger  Ton  Voitsberg  genannt  werden,  dürfte  wohl  anch 
die  Mühle  in  jener  Gegend  su  suchen  sein. 

*  Friedrich  und  Heinrieh  waren  kinderlos. 

*  Urkunde  im  LandesarchiT. 


391 

übergab,  um  den  Grund,  auf  welchem  das  Kloster  sich  erhob, 
Ton  Zins  imd  Dienst  zu  freien.  * 

Am  11.  November  1293  ging  die  Aebtissin  Elsbet  einen 
Tauschhandel  ein  mit  Rudolf  von  Plankenwart.  Dieser  ein- 
antwortete dem  Kloster  drei  und  eine  halbe  Hube  zu  Morsch- 
dorf und  erhielt  drei  Hüben  bei  Plankenwart  und  eine  Auf- 
zahlung von  sieben  Mark  Silber.  ^  Am  3.  März  1298  verkaufte 
Leopold  Wackerzil,  Bürger  zu  Graz,  den  Nonnen  ein  Gut  zu 
Pirchach,  3  worauf  Rudolf,  der  Richter  zu  Marburg,  welcher 
Wackerzil's  Tochter  Elsbet  zur  Ehe  hatte,  im  Namen  seiner 
Hausfrau  sich  aller  Ansprüche  auf  jenes  Gut  entschlug.  ■*  Am 
2^7.  Juli  erwarb  das  Kloster  um  neun  und  eine  halbe  Mark 
Silber  von  Gumprecht,  Partleins  Sohne  von  Judenburg,  ein 
Pfand  Gült  im  Möderbachgraben  bei  Pols.  *  Unter  den  Zeugen 
finden  wir  einen  Klosterbeamten,  Conrad  den  KnoU,  der  Frauen 
Schaflfer  und  Pfleger.  Am  23.  August  gab  Albrecht  von  Mittern- 
dorf  im  Tausche  dem  Erlöster  zwei  Gärten  zu  Feistritz  ^  flir 
eine  Wiese   zu   Mitterndorf. '     Auf  dieser   Wiese    haftete    ein 


*  Copialbuch. 

^  Copialbuch.  Zeugen:  Her  Dietmar  auf  der  Geule,  her  Hainreich  von 
Stretwich,  Herman  von  Phaffendorff  vnd  sein  snne,  her  Hainreich  der 
Kolbe  vnd  sein  brueder  öttel,  Vlreich  der  Leizzer,  Herman  der  richter, 
Chnenradt  der  Leggier,  Wolfhart  vnd  Reicher  von  Voisperg. 

'  Wahrscheinlich  Pirka  bei  Hitsendorf. 

*  Copialbuch.  Zwei  Urkunden  su  Qras  und  Marburg  ausgestellt.  Zeugen 
des  ersten  Docnmentes:  Her  Friderich  von  Lonsperch,  Jacob  der  richter, 
Hainrich  herren  Volchmares  sun,  Friderich  von  Windischgräcz,  Walchun 
sein  sun,  Heinrich  der  Friescher,  Jans  sein  brueder,  Walchun  herren 
Oetschelines  sun.  —  Zeugen  der  andern  Urkunde :  Eberhart  von  March- 
p&rch,  maister  Hainreich  der  schuelmaister  zw  Marchpfirch,  Friderich 
der  Tzinck,  Herman  der  Paumfalk,  Fridereich  der  Windischgr&czer, 
Chainrat  der  Windischgr&czer,  Alhoch  sein  brueder  vnd  WalchAn  vnd 
Herman  die  Windischgr&czer,  Jacob  der  Schaffer  richter  zw  Gr&cz, 
Walchun  von  Gr&cz,  Jans  der  Friescher,  Hainreich  sein  brueder,  Jänsel 
der  öthchlinne  sdn  zw  Gr&cz. 

'  Copialbuch.  Zeugen:  Her  Ott,  her  Ruedolf  die  iungen  von  Liechten- 
stain,  her  Emnst,  Leb  dy  prueder  von  Lobming,  Herwott,  WÄlfing  von 
Pfaffendorf  geprueder,  Dietreich  der  L&gler,  Kuenrad  der  Knolle  der- 
selbigen  frawn  schaffer  vnd  pfleger. 

^  Wahrscheinlich  bei  Weisskirchen. 

"^  Copialbuch.  Zeugen:  Her  Dietmar  von  Stretbeg,  her  Hainreich  sein 
pnieder,  her  Hainreich  der  Kolb,  Ottl  sein  prueder,  Dietmar  der  Schurf- 
ling,  Vlreich  der  Pustramer,  Vlreich   der  Le^zzer,  Liephart  von  Beltz, 


392 

Dienst  von  zwanzig  Pfennigen,  welche  eine  Frau  Kunegund 
(vielleicht  die  Nonne  Kunegund  Leglaer)  zu  einer  frommen 
Stiftung  (selgeret)  bestimmt  hatte.  Dies  ist  das  erste  Beispiel 
eines  Anniversars  oder  Gottesdienstfundation  im  Paradeis.  Eine 
halbe  Hube  zu  ^GuntheresdorfiP  ^  gab  Ulrich  der  Leysser  im 
Kaufe  dem  Convente  im  Paradeis.  ^ 

Am  30.  November  1300  übernahm  die  Aebtissin  Diemut 
gegen  Erlag  von  sieben  und  einer  halben  Mark  Silber  Wiener 
Gewichtes  aus  den  Händen  Bertholds  von  Wasendorf  Gülten 
zu  St.  Peter  ob  Judenburg.  ^  Als  Siegler  erscheint  neben  Otto 
von  Liechtenstein  auch  Abt  Friedrich  von  St.  Lambrecht.  Doch 
nicht  immer  liefen  solche  Erwerbungen  glatt  ab,  und  manche 
Ansprüche  konnten  nur  mit  Geld  abgefertigt  werden.  So 
machte  Gerung  Scheuflinger  Rechte  geltend  auf  einen  Acker, 
und  die  Nonnen  mussten  sich  mit  ihm  um  zwei  Mark  ,lawter8 
vngebegens  sUber'  abfinden.  * 

Von  anderen  Ereignissen,  welche  im  13.  Jahrhundert  im 
Kloster  vorfielen,  schweigen  unsere  Quellen  fast  gänzlich.  Nach 
Caesar,  ,Annales  duc.  Styriae',  H,  243  soll  Paradeis  im  Jahre 
1283  abgebrannt  sein.  Doch  liegt  hier  wohl  nur  ein  Lapsus 
calami  oder  ein  Satzfehler  vor,  denn  diese  Feuersbrunst  ist 
im  Jahre  1383  vorgefallen.  ^ 

Dass  im  Kloster  auf  Zucht  und  Ordnung  gehalten  worden 
sei,  davon  ist  ein  Beleg  das  Factum,  dass  Leuthold  I.  von 
Kuenring  und  seine  Gemahlin  Agnes  Gräfin  von  Ahsberg,  als 
sie    1289    das    Clarissenkloster    zu    Dürnstein    an    der   Donau 


ietz  richter  zu  Judenburg  vnd  darzue  äy  gemain  der  ritter  knappen  vnd 
purger  zw  Judenburg. 

1  Vermuthlich  Gundersdorf  bei  Stainz. 

2  Copialbucb.  Zeugen:  Her  Hainreich  der  Cholb,  her  Ott  von  Puks,  her 
Ortolf  von  Reiffenstain,  Chuenrad  der  Knolle  derselben  frawen  sehaffer. 
Den  Brief  siegelte  Otto  von  Liechtenstein. 

3  Copialbucb.  Zeugen:  Dy  geistlichen  Friedrich  von  Nuemberg,  Hain- 
reich  von  Speyr,  Dietreich  von  Fürstenfeld  vnd  dy  edlen  herren  herre 
Ott  vnd  Ruedolf  von  Lichtenstain,  ETerword  von  Phaffendorff  ritter, 
Herman  vnd  Wtilfing  von  Pfaffendorff,  Ortolff  Cholber,  Kuenrad  Keier, 
Chuenrad  Knoll. 

*  Copialbucb.  Zeugen:  Her  Ott  von  Liechtenstain ,  Vlreich  Leyxer, 
Weichkart  vnd  Gerungus  geprueder  genent  von  Awen,  Herman  «n 
prueder  des  Engelscalch,  Liebhart  von  Weltz,  Eberlin  Heller. 

5  Herzog,  I,  702.    Leithner,  82,    Muchar,  VII,  25, 


893 

gr&ndeten,    eine   Colonie  Nonnen   aus  Paradeis    in    ihre   neue 
Stiftung  beriefen.  ^ 

Bas  Clarenkloster  im  14.  Jahrhundert    Päpstliche  und 

landesforstliohe  Briefe. 

Ulrich  U.  Oraf  von  Heunburg  hatte  sich  schon  im  Jahre 
1277  durch  Schenkung  einer  Schwaige  zu  Göttschach  den 
Dank  des  Klosters  verdient.  AUein  die  Grossmuth  des  Grafen 
war  noch  nicht  erschöpft.  Er  tibertrug  das  Patronatsrecht 
aber  die  Pfarre  Cilli  in  der  Aglaier  Diöcese  auf  das  Erlöster. 
Wann  dieses  geschehen  sei,  ist  unbekannt.  Im  Jahre  1301 
bestätigte  Papst  Bonifaz  Vin.  diese  Schenkung.  ^  Die  Urkunde 
hebt  hervor,  dass  das  Kloster  den  Schenkungsbrief  mit  dem 
Siegel  des  Grafen  vorgewiesen  habe.  Ob  und  wie  lange  die 
Ciarissen  ihr  Patronatsrecht  geübt  haben^  darüber  schweigen 
sUe  Quellen.  Nur  wissen  wir^  dass  am  16.  April  1319  der 
Patriarch  Paganus  von  Aquileja  dem  Stifte  Sittich  gegenüber 
behauptet;  die  Pfarre  gehöre  pleno  jure  zum  Stuhle  von  Aglai.^ 

Dass  es  immer  Leute  gegeben  hat,  die  sich  an  fremdem 
Gute  vergriffen,  mussten  auch  die  Frauen  im  Paradeis  zu  ihrem 
Schaden  erfahren.  Zehente  und  Zinsen  wurden  verweigert, 
Qrand  und  Boden  vorenthalten  oder  beschädigt;  ja  selbst  die 
brieflichen  Rechtsbehelfe  des  Klosters  (privilegia,  instrumenta 
publica)  waren  nicht  sicher  vor  räuberischer  Hand.  Daher 
sah  sich  Papst  Bonifaz  YIII.  veranlasst,  im  März  1302  an  den 
Bischof  von  Lavant^  die  Weisung  zu  geben,  die  Schädiger 
der  klösterlichen  Güter  und  Rechte  zum  Schadenersatze  zu 
mahnen  und  die  Widerstrebenden  mit  dem  Banne  zu  belegen.^ 
Im  selben  Jahre  am  26.  April  (in  Laterano)  erfloss  im  Namen 
des  Papstes  ein  Erlass  des  Cardinal-Protectors  Matthäus,^  in 
welchem    das  Recht    des   Diöcesanbischofs    betont   wird,    die 


*  Friess,  (Geschichte  der  Osterr.  Minoritenproyins*,  S.  39. 

^  Urkunde  im  Landesarchiv.     Gedruckt  bei  Oroien,    ,Da8   Bisthum    und 

die  Diöcese  LavantS  III,  30. 
3  Oroien,  1.  c.  m,  29  und  279. 
^  Wnlfing  Ton  Stubenberg  (1298—1304). 
'  Original  im  Landesarchiv. 
^  Wohl  Matthaeus  de  Aquasparta,  ordinis  s.  Francisci,'episcopus  Portuensis, 

Garns,  ,Serie8  episcopornm  .  .  .*,  IX. 


394 

Kirchen  der  Klöster  einzuweihen^  die  Nonnen  einzukleiden 
und  selbst  die  Clausur  zu  betreten  in  Gegenwart  und  unter 
Assistenz  des  Provinzials. '  Es  ist  dies  eine  wiederholte  Ein- 
schärfung der  in  der  Bulle  Innocenz  IV.  vom  24.  Juni  1254 
erlassenen  Bestimmungen.  Wir  können  hier  füglich  zwei  In- 
dulgenzverleihungen  einflechten.  Im  Jahre  1364  gab  Agapitus, 
Bischof  von  Estual  (?),  einen  Ablass  für  die  Besucher  des  Qara- 
altares  in  der  Klosterkirche^  und  am  13.  März  136Ö  bestätigte 
Erzbischof  Ortolf  von  Salzburg  diesen  Indulgenzbrief  und  ver- 
lieh gleichzeitig  einen  Ablass  von  vierzig  Tagen.  ^ 

Zahlreicher  als  die  päpstlichen  und  bischöflichen  Ur- 
kunden für  Paradeis  sind  uns  jene  der  Landesflirsten  filr  dieses 
Jahrhundert  erhalten.  Am  ^9.  Jidi  1338  bewilligte  Heriog 
Albrecht  II.  (auch  im  Namen  seines  Bruders  Otto)  dem  Kloster 
den  Bezug  von  zwölf  Fudern  Salzes  aus  der  Saline  zu  Aussee 
mauth-  und  gebührenfrei. '  Am  25.  August  1340  erklärte  der- 
selbe, dass  Getreide,  Wein,  Tuch  und  andere  Kaufmannswaaren 
für  den  Hausbedarf  des  Klosters  frei  von  Mauth  und  Umgeld 
sein  sollen.  ^  Der  Schaffer  Jörg  zu  Sil  weg  bei  Fohnsdorf  hatte 
einen  Holden  des  Ellosters  thätlich  misshandelt  und  dem  Kloster- 
schaffer  und  Bürger  zu  Judenburg  Thomas  Kolb  manche  Hinder- 
nisse in  den  Weg  gelegt.  Auf  die  Beschwerde  der  Aebtissin 
gab  Herzog  Albrecht  dem  Tristram  von  Teufenbach  den  Be- 
fehl, den  händelsüchtigen  Jörg  zur  Ruhe  zu  verweisen.*  Am 
27.  Mai  1367  bestätigten  die  Herzoge  Albrecht  IH.  und  Lreo- 
pold  IH.  den  Freibrief  ihres  Vaters  (ddo.  Wien,  25.  August 
1340),  vermöge  welchem  die  zur  Hausnothdurft  des  Klosters 
zugeführten  Waaren  zoll-  und  gebührenfrei  passiren  dürfen.* 
In  diesem  Briefe  wird  erwähnt,  dass  die  Nonnen  des  Paradeis 


*  Repertorium  des  Klosterarchivs.  Herzog,  I,  702.  Caesar,  II,  39S. 
Muchar,  VI,  154. 

^  Repertorium  des  Klosters. 

3  Aus  dem  landschaftlichen  Privilegienbuche,  16.  Jahrhundert,  fol.  119  im 
Landesarchiv.  Auch  das  Insert  in  dem  Confirmationsbriefd  des  En- 
herzogs  Carl  für  Kloster  Paradeis,  ddo.  1567,  10.  Deoember,  Graz.  Lieh- 
nowsky,  Nr.  1158. 

*  Insert  in  obcitirtem  Bestätigungsdiplome.  Lichnowsky,  Nr.  1245.  Mn- 
char,  VI,  287. 

6  Copialbuch.     Lichnowsky,  Nr.  1300.     Muchar,  VI,  29S. 

*  Urkunde  im  Landesarchiv.  Lichnowsky,  Nr.  794  mit  der  unrichtigen 
Patirung  (18.  April). 


395 

bei  Herzog  Albrecht  II.  in  grosser  Qunst  gestanden  seien.  Am 
Pfingstabend  desselben  Jahres  bestätigten  dieselben  auch  den 
dem  Kloster  von  Albrecht  11.  (am  29.  Juli  1338)  bewilligten 
Salzbezug  aus  Aussee.  > 

Fromme  Stiftungen. 

Bisher  haben  wir  nur  über  eine  Jahrtagsstiftung  (1298) 
zu  sprechen  Gelegenheit  gefunden.  Aber  im  14.  Jahrhundert 
treten  derlei  Fundationen  schon  häufiger  auf.  Als  Jäkl  der 
Schneider^  Bürger  zu  Judenburg,  seine  Tochter  Catharina  in 
das  Kloster  treten  liess,  opferte  er  Gtllten  zu  Unterzeiring  und 
Katzling,  deren  Erträgniss  die  Nonnen  mit  den  Minoriten  zu 
theilen  hätten.  Aber  er  knüpfte  an  seine  Schenkung  (1338, 
lö.  März)  die  Bedingung  eines  Jahrtages.  ^  Als  die  Bürgerin 
Percht  die  Tackin  in  der  Stadt  Judenburg  die  Kirchen  be- 
schenkte, ergoss  sich  der  Strom  ihrer  Wohlthätigkeit  auch  über 
unser  Paradeis,  dem  sie  sechs  Aecker  zu  ihrem  Seelgeräth 
widmete.  ,Davon  sol  man  geben  den  vrown  in  daz  chloster 
2'  2  lot  Silber,  also  daz  si  vns  singent  vigili  vnd  selmess.^  ^ 

Wir  haben  schon  oben  bemerkt,  dass  die  Frauen  im 
Paradeis  sich  der  besonderen  Gunst  des  Herzogs  Albrecht  IL 
erfreut  haben.  Einen  Beweis  seines  Wohlwollens,  aber  auch 
seines  frommen  Sinnes  gab  er  am  21.  Juni  1343  durch  Stiftung 
einer  Seelenfeier  für  seinen  1339  verstorbenen  Bruder  Otto.  * 
Am  27.  December  reversirte  die  Aebtissin  Leukart  (eine  ge- 
bome  von  Saurau),  diesen  Jahrtag  getreulich  am  ersten  Mitt- 
woch in  der  Fasten  mit  Vigil,  Seelmesse  und  Gebet  nach  Ordens- 
brauch halten  zu  wollen  und  verpönte  sich  und  ihr  Kloster  im 
widrigen  Falle  mit  dem  Verluste  von  vier  Mark  Bergrecht  zu 
Marburg.  *  —  Bischof  Conrad  von  Chiemsee  und  Rudolf  und 
Otto  von  Liechtenstein  waren  Geschwister,  und  eine  Schwester, 
Frau  Agnes,  lebte  als  Nonne  im  Paradeis.  Mit  dieser  Schwester 
setzten   sie   sich   nun   am  4.  Mai  1346  über  einige  Theile  des 


'  Repertorimn  des  Klosterarchivs. 
'  Copialbach. 

'  Original  ddo.  1339,  23.  Mai,  Judenbnrg,  im  steienn.  Landesarchiv. 
*  Muchar,  V,  298. 

^  Abschrift  im  Landesarchiv  aus  den  HofschatzgewOlbbüchern  der  Statt- 
halterei  zu  Graa,  IV,  604.    Leitbner,  8.  8. 


396 

Erbes  nach  ihrem  Vater  Rudolf  auseinander.  Sie  übergaben 
der  Schwester^  beziehungsweise  dem  Kloster^  GkÜten  von  einer 
Wiese  auf  dem  Moos  zu  Friesach  und  auf*  einem  Hofe  zu 
Götzendorf  bei  Pols.  Bestimmte  Theile  dieser  Renten  sollen 
der  Oblei  des  Klosters  zur  Erhaltung  des  Lichtes  und  für 
einen  Jahrtag  für  die  Liechtensteiner  zufallen. '  Die  Oblei 
(Obellaria,  Oblaia)  der  alten  Klöster  hat  ihren  Namen  von  den 
Opfern  und  Spenden  (oblata),  welche  für  den  Lebensunterhalt 
und  die  Kleidung^  der  Klosterbewohner  vorztlglich  gewidmet 
waren.  Die  Mannsklöster  hatten  ihren  eigenen  Verwalter  der 
Oblei,  den  Oblaier  (obellarius).  Wahrscheinlich  war  auch  im 
Paradeis  dieses  Amt  einer  älteren  Nonne  anvertraut. 

Perchta  die  Puztramerin  übergab  am  21.  Jänner  1347 
der  Aebtissin  Leukart  ein  Gut  zu  Rattenberg  bei  Fohnsdorf 
und  stiftete  zwei  Jahrtage.  Den  Brief  siegelte  Niclas  von 
Pfaffendorf  und  Niclas  Puztramer.  ^  Kunegund  die  Zwetlerin 
bedachte  das  Kloster  1355  mit  einem  Geld-  und  G^treidegült 
zu  Obertann  bei  Weisskirchen.  Davon  soll  die  Aebtissin  Wil- 
burg  von  Pfaffendorf  den  Minoriten  zu  St.  Johann  in  Juden- 
burg vierzig  Pfennige  für  einen  Jahrtag  reichen,  das  Uebrige 
bleibt  den  Frauen,  welche  auch  eine  Seelmesse  zu  halten  ver- 
pflichtet wurden.  Siegler  waren  Andrä  von  Liechtenstein,  Her- 
mann von  Pfaffendorf  und  Hans  Unkhl,  Bürger  zu  Judenbuig/' 

Am  6.  November  1357  kaufte  die  Nonne  Catharina  Verber 
von  Gerung  dem  Scheiflinger  zwei  Mark  Gült  am  Puxbcrge 
bei  Murau.  Nach  ihrem  Tode  sollte  dafür  fllr  sie  und  ihre 
Schwester  Margaretha,  Friedrichs  von  Enzersdorf  Hausfrau,  ein 
Anniversar  gefeiert  werden.*  Mit  einem  Gute  zu  ,Gawzndorff* 
stifteten  Dietmar  und  Margaretha  von  Lobming  vier  Jahrtage 
mit  Vigil  und  Seelmesse. '    In  dem  Documente  wird  Hermann 


1  Copialbach. 

*  ,Pro  refectione  meliori  et  pro  supplendo    defectu  vestiam/   sagt  eine 
Admonter  Urkunde  vom  Jahre  1317. 

3  Copialbnch  des  Klosters.     Ein   Ulrich  PuzkramärO)   erscheint  auch  in 
einer  Urkunde  von  1377.     Muchar,  VI,  210. 

*  Copialbuch.   Die  Pfaffendorfer  hatten  ihren  Stammsits  im  gleichnamigen 
Orte  bei  Judenburg. 

^  Copialbuch  des  Klosters. 

Q  Gausendorf   bei    Trofaiach?     Wahrscheinlicher    aber,    ein   Fehler  des 

Schreibers  vorausgesetst,  Pausendorf  bei  Knittelfeld. 
"^  Copialbuch  des  Klosters. 


397 

von  Pfaffendorf  als  Schaffer  des  Klosters  genannt.  Sein  Siegel 
hing  an  den  Brief  Leupold  von  Stretweg.  Am  4.  November 
1364  versicherten  sich  die  Brtlder  Hans  und  Haug  von  Gold- 
eck durch  Spende  von  zwei  Mark  Wiener  Pfennigen  Gült  zu 
Katsch  und  Stallbaum  bei  Murau  einen  Jahrtag. '  Am  28.  No- 
vember 1389  beurkundet  Gertraud  die  Schiemin,  Bürgerin  zu 
Jadenburg,  dass  ihr  seliger  Gatte  Conrad  dem  Kloster  letzt- 
willig einen  Acker  zu  Wasendorf  zugedacht  habe.  Indem  sie 
nim  denselben  übergibt,  spendet  sie  aus  Eigenem  ein  Gut,  ge- 
nannt die  ,Lossniz^,  und  bedingt  sich  und  ihrem  Gatten  einen 
ewigen  Jahrtag  und  ,das  vns  auch  alles  das  zw  hilff  vnd  zw 
trost  körn  vnser  sei  vnd  allen  glaubigen  seien,  was  si  gueter 
sach  begent  in  yerm  Kloster  mit  singen  vnd  mit  lesend  Dies 
Alles  bekräftigte  Hans  von  Liechtenstein,  Kämmerer  in  Steier, 
mit  seinem  Insiegel.  ^ 

Outemwachs  durch  Schenkung  und  Legate. 

Kunegunde  von  Reiffenstein,  Witwe  Ottos  von  Pux, 
opferte  dem  Clarenkloster  am  13.  December  1301  mit  Gut- 
heissung ihrer  Kinder  Oertlein,  Geuta,  Wilburg,  Berchta  und 
Otilia  als  Aussteuer  ihrer  Nichte  Gertraud,  welche  sich  im 
Paradeis  vergelübdet  hatte,  Gülten  zu  Kaindorf  bei  Murau  und 
zu  St.  Lorenzen  an  der  Mur. -^  Unter  den  Zeugen  finden  wir 
den  Anwalt  des  BLlosters  Gerung  Scheiflinger.  Am  22.  Sep- 
tember 1304  verordnete  Bianca,  Herzogin  von  Oesterreich,  in 
ihrem  Testamente,  dass  vierzig  Pfund  an  die  Klöster  des 
St.  Ciarenordens  vertheilt  werden  sollen.  *  Im  gleichen  Jahre 
und  an  demselben  Tage  schenkten  Jans  und  Geschwister,  des 
Ghrazer  Bürgers  Oetschlein  Blinder,  zum  Unterhalte  ihrer 
Schwestern  Margaretha  und  Catharina,  Nonnen  im  Paradeis, 
drei  Mark  Gülten  zu  Paal  bei  Stadl.  ^    Als  Gerung  der  Scheif- 

*  Copialbuch  des  Klosters. 
'  Copialbuch. 

'  Copialbuch.  Zeugen:  Herre  Otto  der  elter  yon  Liechtenstain  Kamrer  in 
Steyr  vnd  Qemng  Scheuf  linger  anbold  der  yorgenanten  sweetem,  Hain- 
rich  der  Stretbeg,  Dietreich  vnd  Chune  geprueder  von  Hohenstain, 
Herman  richter  zw  Judenbnrg,  Eberlin  Heller. 

*  Pe«,  jAnecd.*,  VI,  P.  II,  201.  Sava,  ,Die  Siegel  der  österr.  Fürstinnen 
im  Mittelalter*.  Regest  zum  Siegel  Nr.  9. 

'  Copialbuch.  Zeugen:  Leopolt  der  iunge  Wakkerzil  richter  zu  Gracz, 
her  Chuenrat  der  Grabner,  her  Nicla  berren  Herten   sun,  Fridereich, 


398 

linger  am  25.  October  der  Margaretha  von  Eppenstein  eine 
Habe  zu  Zeltweg  und  eine  Gült  von  fünfzig  Pfund  verkaufte, 
widmete  er  dem  Kloster  die  ^aegenschaft  des  vorgenanten  gaets'. 
Otto  der  Ähe  von  Liechtenstein  und  die  Stadt  Judenbnrg 
siegelten  die  Urkunde.  *  Am  7.  September  1305  übergaben 
Kathrei;  Ottos  Haus&au  von  Leoben,  und  deren  Sohn  Peter 
in  die  Hände  der  Äebtissin  Diemut  ein  Pfund  Geld  von  zwei 
Hüben  und  einen  Acker  zu  Attendorf  bei  Hitzendorf  in  Unte^ 
steier.  Zeugen  der  Handlung  waren  Friedrich  von  Landsbei^; 
Bartel  und  Wolsing,  die  Richter  zu  Voitsberg.  ^  Für  ihre 
Tochter  Katharina  im  Klloster  Paradeis  spendeten  Friedrich 
von  Windischgrätz  und  seine  Hausfrau  Elsbet  zwei  Mark 
Gülten  von  zwei  Hüben  und  einer  Hofstätte  zu  Lembach  im 
Dorfe.  3  Als  Zeugen  erscheinen  Otto  von  Liechtenstein,  Her- 
bord von  Pfaffendorf,  Conrad  von  Windischgrätz  und  Leopold 
Wakerzill,  Richter  zu  Graz.  Da  die  genannte  Nonne  eine 
Nichte  des  Bürgers  Walchun*  zu  Graz  war,  schenkte  auch 
dieser  am  gleichen  Tage  (1306,  14.  August)  eine  Mark  Gült 
zu  TöUach  unter  dem  Hessenberge  bei  Trofaiach.  * 

Aus  dem  uralten  Hause  der  Saurauer  war  eine  Tochter 
Leukart®  in  die  Reihe  der  Nonnen  getreten.  Ihre  Brüder 
Friedrich  und  Ulrich  widmeten  bei  dieser  Gelegenheit  Gülten 
zu  Feistritz  am  Katschbache,  zu  Oberwölz,  Lind  und  Ligist.' 


Chuenrat  vnd  Herman  die  Windischgräczer,  Fridereich  der  Ekker,  Hain- 
reich  der  Friescher,  Walchuen  von  Gracz,  Chuenrat  der  Schreiber  purger 
zw  Qracz,  Chuenrat  der  Treueiacker  Jacob  der  HierschmSgel,  Hainrich 
der  Marckgraf.     An  der  Urkunde  hing  das  Stadtsiegel  von  Graz. 

1  Copialbuch  des  Klosters. 

3  Copialbuch  des  Klosters. 

'  Copialbuch  des  Klosters.  Lembach  gibt  es  mehrere  in  Steiermark;  hier 
dürfte  jenes  bei  Marburg  gemeint  sein. 

*  Walchun,  Bürger  und  Wechsler  zu  Graz,  in  Urkunden  von  1313  und 
1323  bei  Muchar,  VI,  197  und  228. 

*  Copialbuch.  Zeugen*.  Her  Otte  von  Liechtenstain,  her  Herwort  von 
Phaffendorff,  her  Chuenradt  ahm  Graben,  Chuenradt  der  Windiscbgriczer, 
Leopold  der  Wackherzäl,  Chainradt  der  Schreiber  zw  Gräcz,  Jacob  der 
Hierschmägel. 

«  War  1340—1347  Äebtissin  im  Paradeis. 

"^  Abschrift  im  Landesarchiv  nach  dem  im  k.  k.  ReichsarchiT  sn  Wien 
befindlichen  Originale.  Zeugen:  Her  Herbot  von  Pfaffendorf,  Ortel  der 
Cholbe,  Herbot  vnd  Fricze  die  brüder  von  Lobnich,  Hainreicb  von  Stret- 
wich,  Philippe  der  Wayse,  Jacob  der  ricUter  ze  Judenburcb. 


399 

In  seinem  Testamente  am  10.  October  1311  vermachte  Otto  II. 
von  Liechtenstein^'  der  alte  Kämmerer  von  Steier,  seiner  Tochter 
Adelheid,  Clarissin  im  Paradeis,  eine  lebenslängliche  Rente  von 
acht  Qrazer  Pfand  Geldes  und  der  Nonne  Kunegunde  von 
der  Glein^  zwei  Mark  dreissig  Pfennige.  Dem  Kloster  selbst 
verordnete  er  zehn  Mark.''  Margaretha  von  Eppenstdn  wid- 
mete am  21.  October  1313  dem  Kloster  eine  Hube  zu  Kathal 
bei  Obdach.  *  Unsere  Hauptquelle,  das  Copialbuch,  erhärtet 
noch  urkundfa'ch,  dass  am  4.  April  1305  Ortolf  von  Ejranich- 
berg  zu  Gunsten  seiner  Muhme  Margaretha,  Witwe  nach  Ul- 
rich von  Eppenstein,  auf  jenes  Gut  verzichtet  habe,  und  dass 
es  dem  Kloster  später  ftir  sechszehn  Mark  Silber  verpfändet 
gewesen  wäre. 

Für  ihre  Tochter,  beziehungsweise  Schwester  Wilburg^ 
spendeten  Agnes  von  Pfaffendorf  und  deren  Söhne  Herbot, 
Wölfl,  Hermann  und  Oertel  1318  eine  Hube  zu  Weyer  bei 
Judenburg.**  Ernst  von  Praitenfurt  opferte  für  seine  Tochter 
Mechtilde  eine  Hube  sammt  Wald  ,in  dem  Amemaispach^  ober 
St  Peter. '  Unter  Siegelfertigung  des  Ulrich  von  Wallsee  (,der 
do  haubtman  in  Steyr  was*)  und  der  Brüder  Otto  und  Rudolf 
von  Liechtenstein  erhielten  am  16.  März  1321  die  Nonnen  von 
Margaretha  von  Eppenstein  einen  halben  Hof  zu  Thalheim  ,zw 
ierem  gewandte  ^  Ein  Anger  zu  Weyer  bei  Judenburg  kam 
1327  an  das  Kloster,  als  Elsbet,  Tochter  des  Leo  von  Lob- 
ming,  von  der  Aebtissin  Catharina  den  Schleier  empfing.^ 

*  Gestorben  am  24.  November  1311. 

2  Glein  bei  Knittelfeld. 

3  Original  im  Landesarchiv  zu  Graz.    Mnchar,  VI,  185. 

*  Copialbncb.  Zengen:  Her  Vlreich  von  Wallsee  haubtman  In  Steyr,  her 
Hertneid  von  Wildon  marschale  in  Ste^rr,  her  Ott  von  Liechtenatain, 
her  Raedolf  von  Liechtenstain,  her  Kuenrad  der  Windischgr&tzer,  her 
Knenrad  der  Gradner. 

*  War  1364—1356  Aebtissin. 

^  Copialbuch.    Zeugen:  Her  Dietmar  vnd  Otaker  auz  der  Gal,  Fritz  vnd 

Ernst   von   Loming,   Dietmar   von   Reiffenstain,    Nicla  und  Wölfl   von 

Pfaffendorfif. 
^  Copialbuch.    Zeugen:   Her   Ortolf  von   Beiffenstain,   her  Herbort   von 

P£iiffendorf,   her  Dietmar  von  Reischperg,    her  Fridreich   von  Loming, 

her  Dietmar  Wamne. 
^  Copialbuch  des  Klosters. 
'  Copialbuch.    Zengen :  Her  Emnst,  her  Fridreich,  her  Vlreich  vnd  Herbot 

dy  Lominger. 


400 

Am  24.  April  1328  hatte  Elisabeth,  römische  Kön^, 
ihr  Testament  gemacht.  In  demselben  bestimmte  sie  auch 
yHintz  Judenburch  .  .  .  den  vraven  sant  Ciaren  ordens  zwai 
phant^  *  Als  Hertneid  von  dem  Tum  und  Margaretha,  seine 
Hausfrau,  der  Stadtkirche  und  den  minderen  Brüdern  zu  Jaden- 
burg sich  wohlthätig  bezeigten,  fiel  1330  an  das  Klosters  Para- 
deis eine  Spende  von  56  Pfennigen.^  Liebhart  der  Terkeis 
und  sein  Bruder  Heinrich  gaben  am  30.  Mai  1331  bei  der 
Einkleidung  ihrer  Schwester  Catharina  eine  Mark  und  acht 
Pfennige  Gült  bei  Zeiring.  ^  Alle  drei  waren  Sander  des  Jaden- 
burger  Bürgers  Conrad  Verber,  und  wir  werden  die  Nonne 
Catharina  später  als  Aebtissin  finden.  In  seinen  letztwilligen 
Anordnungen  gab  Otto  IH.  von  Liechtenstein  am  31.  Aogost 
1336  dem  Ciarenkloster .  vier  Mark  Pfennige.^  Jeckel  der 
Schneider,  Bilrger  zu  Judenburg,  widmete  1338  fünfzehn  Mark 
Renten  zu  frommen  Zwecken,  ,dauon  schol  mau  nemen  ein 
march  pfenning  vnd  schol  die  geben  meiner  lieben  tohter 
swester  Kathrein  in  das  closter  all  iar  an  sand  JArgentag  vntz 
an  iren  tod,  nach  ir  tod  schol  ez  ewicklich  darinn  beleiben*. 
Auch  ordnete  er  an  einen  halben  ,tzenten^  Oel  zu  einem 
ewigen  Licht.  "^  Otto  der  Trüller,  Bürger  zu  Judenburg,  schenkte 
am  30.  Jänner  1339  beim  Eintritte  seiner  Tochter  Margaretiia 
in  den  Orden  der  ,weisen  frawen  Agnesen  der  abtessin  vnd 
der  samlung  yers  conuentz'  vier  und  drei  Viertel  Bergrecht 
zu  Morschdorf  bei  Mooskirchen.  ^  Mitsiegler  des  Briefes  war 
Wolfhart  von  Pfaffendorf,  des  Klosters  Schaffer  und  Pfleger. 
Derselbe  siegelte  gleichzeitig  eine  Urkunde,  in  welcher  Niclas 
der  Unkel,  Bürger  zu  Graz,  die  Pfründe  seiner  Tochter  Mar- 
garetha  mit  vier  und  einer  halben  Mark  Gülten  zu  Eich  bei 
Hitzendorf  ,in  der  march'  und  im  Burgfried  zu  Judenburg  ge- 
bessert hat. '  Ihr  Siegel  hingen  an  das  Document  auch  Hein- 
rich und  Dietmar  die  Lobminger.  Am  4.  April  desselben 
Jahres   opferten  Wiguleus   von   Dietersdorf  flir   seine  Tochter 

1  Pez,  ^ecd.*,  VI,  P.  IH,  13. 

*  Original  im  steierm.  Landesarchiv. 
3  Copialbuch  des  Klosters. 

*  Abschrift  im  Landesarchiv  ans  einem  Copialbuche  der  Pfarre  Mnrta. 
^  Original  im  steierm.  Landesarchiv. 

^  Copialbuch  des  Klosters.     Die  Aebtissin  war  eine  Liechtenstein. 
^  Copialbuch  des  Klosters. 


401 

Dorothea  Gülten  zu  VinBterpeld  '  und  Oberzeiring.  ^  Siegler  des 
Briefes  war  Rudolf  von  Liechtenstein  vor  den  Zeugen  Niclas 
und  Wolf  hart  von  Pfaffendorf  und  Heinrich  und  Dietmar  von 
Lobming. 

Am  21.  Jänner  1340  vergabte  Wulfing  der  Cbäczer  ^  fUr 
seine  Tochter  Catharina  an  die  Aebtissin  Agnes  eine  Mark 
Gülten  zu  Parschlug  und  Pogier  im  Mürzthale  vor  den  Zeugen 
Friedrich  und  Ulrich  von  Stubenberg  und  Ortolf  (von  Aflenz); 
Barggraf  zu  Kapfenberg.  *  Am  4.  Juli  gleichen  Jahres  spendete 
Walfing  von  Mittemdorf  ftlr  seine  Tochter  Clara  der  Aebtissin 
Agnes  drei  Mark  GtÜten  zu  Hinterberg  bei  Oberwölz  und  zu 
Niederzeiring.  ^  Als  Siegler  fungirte  Wolf  hart  von  Pfaffendorf, 
Schaffer  des  Klosters.  Conrad  von  dem  Stain  opferte  am 
24.  April  1342  für  seine  Tochter  Margaretha  eine  Mark  und 
fünf  Schilling  GHilt  von  Gütern  am  Wöllbache  bei  Judenburg 
und  zu  ,Püchel  in  der  Peunt^  ^  Der  Urkunde  lieh  sein  Siegel 
Wolfhart  von  Pfaffendorf,  der  Schaffer  des  Klosters.  Zeugen: 
Radolf  von  Liechtenstein,  Jacob  und  Philipp  von  Hohenstain. 
Mit  Brief  und  Siegel  versicherte  Niclas  der  Lederer,  Bürger 
zu  Murau,  am  27.  August  1346  dem  Kloster  für  seine  Tochter 
Diemut  eine  Peunt  bei  Murau  und  ein  Pfund  Gült  von  einer 
halben  Hube  am  Riedeneck  bei  Schöder.  ^  Jacob  der  Nickel, 
Bürger  zu  Judenburg,  opferte  am  24.  August  1348  ftir  seine 
Tochter  Margaretha  eine  Gült  von  einer  MxLvk  und  zwei  Hühnern 
aaf  einem  Gute  zu  Oberweg  bei  Judenburg.  ^  In  dieser  Ur- 
konde  wird  die  Aebtissin  Elsbet  genannt,  während  schon 
in  einer  Urkunde  vom  16.  März  1348,  sowie  am  24.  December 
1349,  Agnes  Saurer  in  diesem  Amte  erscheint.  Zwischen  März 
und  August  —  einem  verhältnissmässigen  kurzen  Zeiträume  — 


'  Bretstein  im  PdlBthale.  Zahn,  ,Urkundenbuch  des  Herzogthums  Steier- 
mark', II,  615. 

^  Copialbuch  des  Klosters. 

'  Ob  Katscher  oder  Ketzer  ist  fraglich.  WOlfel  Katscher  erscheint  in 
einer  Admonter  Urkunde  vom  Jahre  1346. 

*  Copialbuch  des  Klosters. 

^  Copialbuch.  Zeugen:  Niklas  vnd  Peter  dy  Weniger,  her  Nikla  von 
P&ffendorf,  her  Lewtold  von  Stretbeg,  Hainreich  vnd  Niklas  dy  Lo- 
minger,  Jacob  der  Sneider. 

0  Copialbuch  des  Klosters. 

"^  Copialbudi  des  Klosters. 

^  Copialbuch  des  Klosters. 


402 

muss  uns  der  Name  einer  Aebtisin  Elsbet  befremden.  Wir 
können  hier  nur  einen  Fehler  des  Schreibers  oder  eine  sswie- 
spaltige  Wahl  vermuthen.  Am  9.  März  1348  finden  wir  Ebbet 
Welzer  noch  als  einfache  Nonne. 

Am  24.  December  1349  nahm  die  Aebtissin  Agnes  Saurer 
geschenkweise  vier  Mark  weniger  zehn  Pfennige  Gült  zu  Aich- 
dorf  bei  Fohnsdorf,  zu  Mauterndorf  und  Farrach  entgegen, 
welche  Kunegund,  Jacobs  des  Neumeister  Witwe,  fUr  ihre  En- 
kelin Margaretha  gegeben  hatte. '  Hermann  von  Pfaffendorf 
war  des  Briefes  Siegler.  Für  ihre  Tochter  Catharina,  ,dye  ge- 
hayssen  ist  Schwester  Christein  in  dem  KJoster*,  spendete  Ka- 
threi  die  Muelichin  zu  Murau  das  Gut  an  der  Oed  am  Lind- 
berge bei  Niederwölz.  ^  Hier  haben  wir  auch  eine  Andeutung, 
dass  bei  der  Einkleidung  oder  bei  der  Profess  der  Vorname  ge- 
ändert worden  ist.  Später  —  im  17.  Jahrhundert  —  setzten  die 
Nonnen  vor  ihren  Familiennamen  den  Tauf-  und  Klostemamen. 

Von  den  Erben  nach  Heinrich  dem  Verber,  deren  Schwester 
Magdalena  das  Kleid  der  heil.  Clara  angezogen  hatte,  erhielt 
die  Aebtissin  Wilburg  am  24.  Juni  1354  eine  Mark  und  zehn 
Pfennige  Gült  auf  dem  Gute  ,Liebenprunn'.  ^  Den  Brief  siegelte 
Jacob  der  Wenger,  Stadtrichter  zu  Judenburg.  In  seinem 
Testamente  am  7.  Juni  1356  verschaffte  Niclas  der  Wenger 
den  Minoriten  zu  Judenburg  jährlich  ,zwainzik  semel  von  ain 
gröz,  viertail  wein  und  den  vrown  in  daz  chloster  auch  als 
viP.  *  Am  17.  Mai  1357  schenkte  Sophey  die  Haubenporstlin 
für  ihre  Tochter  Dorothea  eine  Mark  von  dem  Gute  ,an  dem 
Stain^  ^  Siegler  war  Ritter  Mathes  der  Saurauer.  Der  Büif  er 
zu  Judenburg  Hans  TrüUer  gab  zur  Besserung  der  Pfründe 
seiner  Tochter  Catharina  der  Aebtissin  Catharina  Verber  am 
3.  April  1361  Gülten  von  vier  Aeckern  zu  Niederzeiring,  von 
einer  Hofstätte  zu  Mauterndorf  und  von  einem  Anger  ,pey 
dem  Schretenperg'.  Nach  dem  Ableben  seiner  Tochter  sei 
der  Ertrag  ,zw  dem  wein'  zu  verwenden.^    Als  ihre  Muhmen 

>  Copialbach  des  Klosters. 

2  Copialbach.     Ein  Hans  Mueleich  erscheint  in  einer  Admonter  Urkunde 

Ton  1396  als  Vicar  zu  Sagritz  in  Kärnten. 
^  Copialbach  des  Klosters. 

*  Original  im  steierm.  Landesarchiv. 
^  Copialbt^ch  des  Klosters. 

•  Copialbach  des  Klosters.  Schrattenberg,  Schloss  b^  Unzmarkt;  Schratten- 
bergkogel,  Berg  bei  Neumarkt. 


403 

Aleys  und  Mai^aretha  den  Schleier  wählten,  schenkten  die 
Grebrüder  Hans  und  Haug  von  Goldeck  Gülten  zu  Lassnitz  bei 
Morau.  ^  Sein  Siegel  hing  an  die  Urkunde  Rudolf  Otto  von 
Liechtenstein,  Oheim  der  Goldecker.  Unter  dem  Siegel  des 
Hermann  von  Pfaffendorf  widmete  am  29.  Jänner  1363  Peter 
der  Snejder,  Bürger  zu  Judenburg,  als  seine  Tochter  Anna 
Nonne  ward,  Gülten  zu  Zeiring,  Mautemdorf  und  ein  Burg- 
recht in  der  Vorstadt  zu  Judenburg.  ^ 

In  Anbetracht   der   reichen   Güterspenden,   welche   beim 
Eintritte  von  Jungfrauen    aus   vornehmem  Hause  dem  Kloster 
zufielen,  sollte  man  meinen,  dass  in  solchen  Fällen  dieses  gern 
und  schnell  die  Aufnahme  in  den  Ordens  verband  gewährt  habe. 
Dass  aber  dieses  nicht  oder  nicht  immer  der  Fall  gewesen,  be- 
zeugt folgende  Thatsache.    Die  Windischgrätzer,  denen  wir  in 
Paradeiser   Urkunden   öfters    begegnen,   waren   in   Steiermark 
sehr  begütert   und    genossen   grosses  Ansehen.     Dennoch   sah 
sich  Walchun    von  Windischgrätz   veranlasst,    die  Vermittlung 
des  Herzogs  Rudolf  IV.  in  Anspruch  zu  nehmen,   als   es   sich 
darum   handelte,    dass   seine  Tochter  Catharina  Aufnahme   im 
Paradeis   finde.     Einer  so  gewichtigen  Intercession  konnte  die 
Aebtissin    nicht    widerstehen.     Am    11.  März    1363   bethätigte 
Walchun    seine    Dankbarkeit    durch    Spende    von    Gülten    zu 
Mautemdorf  und  Farrach.  ^     Nach   seiner  Tochter   Tod   sollte 
diese   Schenkung   der   Oblei    des   Klosters   zu   Gute   kommen. 
Am  31.  Mai  1364  übergab  Perchtold  ChnoU,  Bürger  zu  Juden- 
burg, mit  seiner  Tochter  Margaretha  zu  deren  Aussteuer  dem 
Kloster  vierzig  Pfund  Wiener  Pfennige  Gült   in   der  Lobming 
bßi  Knittelfeld  und  zu  Katzling  bei  Pols.  *     Siegler :  Hermann 
von  Pfaflfendorf  und  Andrä  der  Schrot,  Bürger  zu  Judenburg. 
Am  3.  November  desselben  Jahres  spendeten  Hans  und  Haug 
von  Goldeck  ftir  ihre  Muhmen  Ursula  und  Anna  eine  Mühle  zu 
Scheifling.  ^    Das   Andenken   an   obgenannte  Anna  und   zwei 
andere  Frauen  aus  dem  Hause  Goldeck  hat  sich  in  einer  Hand- 
schrift der  Grazer  Universitätsbibliothek  (15.  Jahrhundert,  Perg., 


^  Copialbuch  des  Klosters. 
'  Copialbuch  des  Klosters. 
'  Copialbuch.     Siegler:  Walcbau   von  Windischgrätz    und   Hermann    von 

Pfaffendorf. 
*  Copialbuch  des  Klosters. 
^  Copialbuch  des  Klosters. 
AnkiT.  Bd.  LIXllI.  U.  H&lfta.  27 


404 

8^,  Signatur  33/1)  erhalten.  Das  Manuscript  ist  ein  Legendär 
und  hat  die  Einschreibung:  ,Eyn  closterfraw  cze  Judenburk 
sand  Clara  orden  genant  Anna  Goldekarin,  dye  da  gegen- 
wuertigs  puechel  in  den  eren  des  lyeben  sand  Ludoweygen 
von  lateyn  czu  der  deuchcz  hat  lassen  machen  .  .  .  nu  hat  sy 
eyn  muem  genant  Garalis '  Qoldekarin  .  .  .  Margaretha  Golde- 
karin  ir  swester  .  .  /  Anna  von  Goldeck  erscheint  noch  1406 
in  einer  Urkunde. 

Eberhard  der  Fohnsdorfer  widmete  am  26.  August  1369 
für  geine  Tochter  Dorothea  eine  Schwaige  zu  Elrakan  bei 
Murau.  Dieselbe  diente  jährlich  ,dreyhundert  käss^  da  yeder 
käss  dreyer  phenning  wol  werdt  ist  vnd  ain  achtel  smalcz^* 
Den  Schluss  der  Schenkungen  dieses  Jahrhunderts  macht  eine 
Anordnung  des  Hans  von  Stubenberg  in  seinem  Testamente 
vom  23.  März  1376:  ,Auch  schaff  ich  meiner  liben  swester,^ 
di  ym  dem  claster  ist  zu  Judenburgh,  zweliff  pfunt  pfening 
gelcz,  di  man  in  all  iar  ierleichen  zwü^  in  dem  iar  raychen 
sol  von  dem  ampt  zu  Judenburch.^  ^ 

Kloster  Paradeis  auf  der  Höhe  zeitlichen  Wohlstandes.    Grund- 

und  Qültenerwerb  durch  Kaul 

Ursprünglich  auf  Almosen  angewiesen,  gelangte  das  Klo- 
ster im  14.  Jahrhundert  in  so  blühenden  Zustand,  dass  es  fort 
und  fort  Anlass  und  Mittel  fand,  Grund  und  Boden,  Gülten 
und  Renten  zu  erwerben.  Am  11.  Juni  1302  verzichtete  Johann 
von  Losenheim,  Ruegers  Sohn,  zu  Gunsten  der  Nonnen  auf 
seine  Ansprüche  auf  ein  Gut  zu  Morschdorf  bei  Mooskirchen 
und  ^in  dem  Liesach'  gegen  eine  Vergütung  von  sieben  und 
einer  halben  Mark.  ®  Zeugen  dieser  Abdication  waren  Ulrich 
von  Wallsee,  Hauptmann  und  Truchsess  in  Steier,  Otto  von 
Liechtenstein  und  dessen  Söhne  Otto  und  Rudolf,  Herbot  von 
Pfaffendorf,  Albrecht  der  Landschreiber  in  Steier,  Ulrich  Leisser 
und  Hermann   der   Richter   zu   Judenburg.     Von   Kati-ei,  der 


*  Wohl  richtiger  Aleys. 

^  Copialbnch  des  Klosters. 

>  Elsbet,  welche  noch  in  Urkunden  von  1376  und  1389  vorkommt. 

*  In  zwei  Raten. 

^  Original  im  steierm.  Landesarchiv.     Muchar,  Vll,  9. 
^  Copialbuch  des  Klosters. 


405 

Witwe  Conrads  des  Vorn  er,  erkaufte  1304  die  Aebtissin  Die- 
mut  um  ,funff  vierdung  silbers'  eine  Wiese  zu  Attendorf  bei 
Hitzendorf.  ^  Dieselbe  erwarb  am  3.  März  1305  von  Otacher 
von  Waltsdorf  um  zwei  und  drei  Viertel  Mark  Silber  eine 
Hube  zu  Morschdorf  unter  Zeugensehaft  des  Friedrich,  Hert- 
reich  und  Conrad  von  Windischgrätz.  ^  Ebendaselbst  kaufte 
die  Aebtissin  von  Otacher  ab  dem  Ekke  um  fünf  und  ein  Viertel 
Mark  Silber  ein  Bergrecht  von  acht  Eimern.  Als  Zeugen 
waren  gegenwärtig  Friedrich  von  Landsberg,  Friedrich  und 
Hermann  von  Windischgrätz  und  Walchun,  der  Richter  zu 
Graz.'  Den  Besitz  zu  Morschdorf  vermehrte  Aebtissin  Die- 
mut  noch  mit  einer  Hube,  welche  ihr  Conrad  von  Planken- 
wart  um  ,vierdhalbs  marckh  gewegens  silbers'  zu  kaufen  gab,^ 
und  mit  einer  anderen  Hube,  welche  ihr  Otto  ab  dem  Ekke 
am  15.  October  1305  um  zwei  imd  drei  Viertel  Mark  käuflich 
überliess. 

Die  Brüder  Mercbil  und  Perchtold,  Söhne  Friedrichs  von 
Algersdorf,  veräusserten  am  1.  Juni  1308  an  das  Kloster  um 
zehn  Mark  Silber  ein  ,8chäflehen'  im  ,Muemlspach'  ober  Algers- 
dorf* und  eine  Hube  auf  dem  ,Pairperg^*^  Siegler:  Herbot 
Ton  Pfaffendorf,  Conrad  von  Eppenstein.  Zeugen:  Leo  von 
Lobming,  Ortolf  von  Reifenstein.  Am  26.  Februar  1310  erhielt 
die  Aebtissin  Diemut  von  Walchun,  Bürger  zu  Graz,  im  Kaufe 
um  drei  und  ein  Viertel  Mark  Silber  eine  Zinshube  zu  Tollach 
bei  Trofaiach  vor  den  Zeugen  Conrad  und  Hermann  von 
Windischgrätz.  ^  Von  Conrad,  dem  Schreiber  zu  Frauenburg, 
kaufte  im  gleichen  Jahre  die  Nonne  Frau  Perchta,  die  junge 
Puztramerin,   um  zehn  Mark  Silber  Gülten  zu  Rattenberg  bei 


*  Copialbuch.  Siegel  der  Stadt  Voitsberg.  Zeugen:  Her  Fridreich  von 
Lanssperch,  Bartl  vnd  Wilsung  die  richter  von  Voitsperch,  Hainreich  der 
Levschenphager  (?). 

'  Copialbuch  des  Klosters. 
'  Copialbuch  des  Klosters. 

*  Copialbuch.  Zeugen:  Her  Friderich  von  Lonssperg,  her  Othacher  der 
Schafflaser,  Virich  der  Lyzer,  Bartili  vnd  Wolsinck  die  richter  zw 
Voitsperich. 

*  Vielleicht  Allersdorf  bei  Weisskirchen.  In  der  Nähe  liegt  auch  eine 
Ortschaft  Paisberg. 

*  Copialbuch  des  Klosters. 
'  Copialbuch  des  Klosters. 

27* 


4()6 

Fohnsdorf.  ^  Ott  von  dem  Stain  übergab  am  24.  Juli  1314  im 
Kaufe  eine  Hube  am  Wetzeisberge  bei  Pichlhofen.  ^  Ihr  Siegel 
hingen  an  den  Brief  Rudolf  von  Liechtenstein  und  Herbot  von 
Pfaffendorf^  der  Schaffer  des  Klosters.  .Zeugenschaft  leisteten 
Leo,  Herbot,  Fritz  und  Ernst  von  Lobming,  Bernhard  von 
Frank  und  Hermann  von  Pfaffendorf.  Der  Aebtissin  Alhiit^ 
verkaufte  Heinrich  Fläming  1318  ein  Bergrecht  zu  Hartmanns- 
dorf.  ^  Von  Gtinther  von  Leoben  erwarben  die  Nonnen  am 
6.  Mai  1319  um  acht  Mark  Silber  Grazer  Gewichtes  ein  Pfund 
Gülten  zu  Rattenberg  bei  Fohnsdorf.  ^  Als  Zeugen  nennt  die 
Urkunde  Conrad  und  Walchun  von  Windischgrätz  und  Conrad, 
den  Landschreiber.  Am  28.  Juni  desselben  Jahres  kam  eine 
Hube  zu  Feistritz  ober  Katsch  durch  Kauf  von  Ortolf  dem 
Cholb  um  sieben  Mark  Silbers  an  das  Kloster.^ 

Um  den  Besitz  einer  Mühle  zwischen  Morschdorf  und 
Attendorf  hatte  sich  ein  Streit  mit  Hertneid  von  Leoben  ent- 
sponnen, welchen  die  Frauen  im  Paradeis  nur  mit  drei  Eimer 
Bergrechts  beilegen  konnten. '  Am  31.  Mai  1322  verkauften 
Hermann  und  Veit,  die  Brüder  von  Kranichberg,  im  Einver- 
ständnisse mit  ihrer  Muhme  Margaretha  von  Eppenstein  dem 
Kloster  um  zwanzig  und  ein  Viertel  Mark  die  Hälfte  eine« 
Hofes  zu  Thalheim  vor  den  Zeugen  Otto  und  Rudolf  von 
Liechtenstein,  Otto  und  Dietmar  von  Reifenstein,  Ortolf  von 
Pux,  Wölfl  dem  Prueschink  und  Herbot  von  Pfaffendorf, 
Schaffer  im  Paradeis.  ^  Die  Kirche  Maria  Buch  bei  Juden- 
burg  war,    besonders    durch    die    Anschaffung    einer    neuen 

*  Copialbuch.  Zeugen:  Her  Herman  der  Puztramer,  her  Herbot  Tnd 
Herman  pede  prueder  von  Pfaffendorf,  Rueger  der  Pajr,  Herman  won 
Altenhofen  der  richter,  Vlrich  vnd  Ortl  die  Pnstramer. 

'  Copialbnch  des  Klosters. 

^  Wahrscheinlich  die  Tochter  Otto  U.  von  Liechtenstein. 

*  Copialbuch.  Zeugen:  Her  Ott  von  Liechstenstain  vnd  her  Rudolf  »ein 
prueder,  her  Kunrad  der  Windischgritser,  Walchuen  vnd  Cbunrad  ssin 
prueder  dj  Windischgritier,  Chunrat  Qunthers  aeden  ron  Judenboff. 
Ein  Hartmannsdorf  war  nach  den  Rationarium  Stiriae  1266  bei  Mooi* 
kirchen. 

^  Copialbuch  des  Klosters. 

^  Original  im  steierm.  Landesarchiv. 

^  Copialbuch.  Zeugen :  Her  Herwort  ron  Phaffendorff^  her  Chnenzatt  tmi 
Windischgr&me,  her  Vlreich  ron  Sawrawe,  der  Wechsler  des  schaffer  tod 
\Yalts«e>  Paule  der  Metschacber,  Herman  der  Krottendorfer. 

*  Copialbuch  de»  Klosters. 


407 

Glocke,  in  grosse  Schulden  gerathen.  Sie  musste  von  den  in 
der  Stadt  angesiedelten  Juden  grosse  Summen  borgen.  Dies 
war  der  Grund,  warum  die  Zechleute  des  Gotteshauses  der 
Schwester  Diemut  im  Ciarenstifte  eine  Hube  zu  Eichdorf  bei 
Fohnsdorf  käuflich  überlassen  haben.  Rudolf  von  Liechten- 
stein, der  Pfarrer  Otto  zu  Judenburg  und  Herbot  von  Pfaffen- 
dorf verbrieften  diesen  Verkauf.  ^  Am  8.  Jänner  1329  ver- 
kaufte Heinrich  von  Irdning  der  Aebtissin  Diemut  zwei  Mark 
dreissig  Pfennig  Gült  Grazer  Gewichts  bei  Obdach.  ^  Von 
Horell(?),  Stoffels  Eidam  in  Obdach,  erwarb  das  Kloster  am 
4.  Jänner  1330  Gülten  zu  St.  Johann  und  Unzdorf  bei  Knittel- 
feld.  ^  Die  Urkunde  wurde  gesiegelt  von  Rudolf  von  Liechten- 
stein unter  Zeugenschaft  des  Herbot  von  Pfaffendorf  und  seiner 
Söhne  Niclas  und  Wölfel.  Am  17.  Mai  desselben  Jahres  be- 
stätigten dieselben  Siegler  und  Zeugen ,  dass  Jörg,  Sohn  des 
Conrad  Spiess,  eine  Gült  von  sechs  Schilling  und  drei  Pfennigen 
auf  Aeckem  bei  Zeiring  an  das  Kloster  veräussert  habe.  *  Vor 
den  Zeugen  Wölfl  von  Pfaffendorf  und  Heinrich  und  Dietmar 
von  Lobming  beurkundete  am  26.  Mai  1331  Conrad  der  Peuger, 
dass  er  ein  Haus  mit  zwei  Gärten  zu  Strettweg  bei  Juden- 
burg um  flinf  Mark  und  ,suben  lot  Wienner  gebicht'  den 
Paradeiserinnen  gegeben  habe.  * 

Um  einen  Hof  zu  Morschdorf,  welchen  1293  Rudolf  von 
Plankenwart  im  Tauschwege  dem  Kloster  gegeben  hatte,  wurden 
von  Ulrich  dem  Saurer  Streitigkeiten  erhoben,  doch  Hess  er 
sich  am  26.  Juli  1334  von  der  Aebtissin  Margaretha  zur  völligen 
Verzichtleistung  bewegen.  ^  Diese  Handlung  bezeugten  Rudolf 
von  Liechtenstein,  Friedrich,  Heinrich  und  Dietmar  von  Lob- 
ming   und    Ortolf    und    Heinrich    von    Strettweg.      Derselben 


^  CopiiJbach.  Zeugen:  Her  Ott  von  Liechtenstain,  her  Artolf  vnd  her 
Dietmar  von  Reiffenatain,  her  Starchant  von  Stretbeg,  Nikla  der  Kolb, 
Herman  von  Pfaffendorf,  her  Jacob  von  Hohenatain  vnd  Philipp  sein 
prneder,  Onndel  ab  der  Litznich,  Ottl  ab  dem  Stettenperg. 

'  Copialbuch.  Zeugen:  Her  Hertneyd  von  dem  Tneren,  her  Dietmar  au8 
der  Oenle,  her  Dietmar  von  Reyffenstain,  Fridreich  der  Sawrer,  Niklas 
der  Kolb,  Niclas  vnd  Wolffei  die  Pfaffendorffer. 

'  Copialbnch  des  Klosters. 

*  Copialbuch  des  Klosters. 

^  Copialbuch  des  Klosters. 

^  Copialbuch  des  Kloster».     Mit  Insi^rt  des  Documenta  von  1298. 


408 

Aebtissin  gaben  Otto^  Ub:ich  und  Friedrich  ab  dem  Ghraben 
am  2.  Februar  1335  kaufweise  ein  Pfund  Gült  ^an  dem  Schawm- 
berg^  *  Den  ganzen  Vorgang  beglaubigten  Rudolf  von  Liechten- 
stein, Niclas  und  Wölfel  von  PfaflFendorf.  Derselben  Oberin 
überliessen  Ulrich,  Hermann  und  Dietmar,  Söhne  Hermanns 
von  Scheiben,  am  5.  März  um  zwölf  Mark  Silber  eine  Gült 
von  einem  Pfund  an  der  Raa. ^  Siegler:  Friedrich  von  Lob- 
ming  und  Wolf  hart  von  PfaflFendorf.  Zeugen:  Heinrich  und 
Dietmar  von  Lobming. 

Wir  gelangen   nun   zu   einer  Urkunde,  welche   in  mehr- 
facher Beziehung  unser  Interesse    erregt.     Sie   ist    das   erste 
Document,  von  einer  Aebtissin  ausgestellt  und  tnit  ihrem  In- 
Siegel  versehen,  welches   sich   noch   erhalten   hat.     Sie  repiii- 
sentirt  aber  auch   das  erste  Beispiel   eines  Gutsverkaufes 
von  Seite  des  Klosters.    Am  22.  Juni  1335  verkauft  Aebti^ 
Margaretha  an   Bischof  Conrad   von  Freising   um   zehn  Mark 
Silber  jene  Hube   zu  Feistritz   am  Katschbache,   welche  1309 
Friedrich  und  Ulrich  von  Saurau  als  Dotation  flir  ihre  Schwester 
Leukart   dem   Kloster   geschenkt   hatten.  ^     Der   Genannten, 
welche   die  Würde   einer  Aebtissin   erlangt   hatte,    verkauften 
1340  Heinrich  und  Dietmar  von  Lobming  ein  Gut  zu  Farrach 
um  fUnAindsechzig  Gulden  Pfennig.  *    Um  zehn  Gulden  Pfennig 
kam  das  Ehester  am  15.  September  1343  in  Besitz  eines  Krant- 
gartens   bei  Judenburg,   welchen  Ulrich  Sneider   inne  gehabt 
hatte.  ^     Den  Brief  siegelte  Niclas   der   Seide,  Stadtrichter  in 
Judenburg.    In  Gemeinschaft  mit  Heinrich  von  Lobming  hing 
dieser   auch  sein  Siegel  an  ein  Document,  kraft  dessen  Jacob 
der  Aufgeber,  Bürger  zu  Judenburg,  am  23.  October  1344  den 
Frauen  eine  Hofstätte  sammt  Garten   bei   der  Stadt  um  zwei- 
unddreissig  Gulden  Pfennig   abgetreten   hat.  ^     Eine  Gült  von 
zwei  Mark  im  Möderbachgraben  bei  Pols  brachte  die  Aebtissin 
Leukart  am  23.  November  desselben  Jahres   um   einhundert- 
und  zehn  Gulden  Pfennig  durch  Kauf  von  Conrad  dem  Riczen- 


>  Copialbnch  des  Klosters. 

2  Copialbuch   des  Klosters.     Baa  in  der  Gemeinde  RothenÜmm,  ?hm 
St  Peter  bei  Judenburg. 

3  Original  im  k.  k.  Reichsarchiv  zu  Wien. 
*  Copialbuch. 

'^  Copialbuch  des  Klosters. 
^  Copialbuch  des  Klosters, 


409 

dorfer  an  ihr  Kloater.  >  Siegler:  Jacob  von  Hohenstain.  Die 
Schwester  Agnes  (von  Liechtenstein)  erkaufte  am  10.  Mai 
1345  von  Weigand  von  Paumkirchen  eine  Gült  von  vierund- 
fünfzig  Pfennig  auf  einem  Gute  ^do  Vlreich  an  dem  Fedegust 
aufsitzt^  ^  Am  31.  August  gab  Peter  der  Weniger  der  Nonne 
Chunegund  um  neunzig  Gulden  Pfennig  drei  Güter  an  der 
langen  Ecke  ob  Reichenfds  in  Elämten.  ^  Durch  Kauf  von 
Margaretha  der  Glockengiesserin  erwarb  die  Aebtissin  Leukart 
am  21.  Jänner  1346  um  zweiundzwanzig  Gküden  Pfennig  zwei 
Aeeker  sammt  Wald  zu  Nussdorf.'*  Siegler:  Wolfgang  von 
Pfaffendorf.  Am  6.  Februar  veräusserte  Johann  von  Zwetel 
an  die  Nonnen  um  zwölf  Gulden  Pfennig  einen  Acker  ^in  dem 
Champ^  bei  Judenburg.  Doch  sollte  die  Schwester  Ynne(?) 
von  Salzburg  den  Nutzgenuss  für  ihre  Lebenszeit  haben. ^  Den 
Brief  siegelte  Otto  von  Liechtenstein. 

Conrad,  Diether  und  Ulrich^  Diethers  Söhne  zu  Mautem- 
dorf,  verkauften  am  15.  Juni  1347  der  Nonne  Wilburg,  Schwester 
des  Wolf  hart  und  Hermann  von  Pfaffendorf,  einen  Acker  zu 
Mautemdorf  und  sechzig  Pfennig  Gült  um  zweiundzwanzig 
Gulden.  Der  Nonne  läsbet  Welzer  gaben  dieselben  am  9.  März 
1348  ebendaselbst  einen  Acker  um  neun  Gküden  Pfennig  und 
vierundzwanzig  Aglayer  und  der  Aebtissin  Agnes  Saurer  einen 
Acker  ^auf  dem  Multal^  um  neun  Gulden  und  einunddreissig 
Aglayer.  Alle  drei  Briefe  siegelte  Hermann  von  Pfaffendorf. 
Den  Klosterfrauen  Cunegunde  von  Wolfsberg  und  Mai^retha 
von  Gkiiz  trat  Heinrich  Weis^  Bürger  zu  Murau,  um  einhundert- 
und  zwei  Gnlden  Pfennig  am  1.  Februar  1348  ein  Ghit  zu  Aich- 
dorf  bei  Fohnsdorf  ab.  Drei  andere  Nonnen,  Wilburg  von 
Pfaffendorf,  Margaretha  die  Symonin  von  Graz  und  Cunegunde 
Paomaister  sicherten  sich  gegen  Erlag  von  einhundertundvi^ 
Salden  am  28.  December  13&3  den  Besitz  von  drei  Mark 
Otüt  bei  ScheifUng. '^   Die  eben  genannte  Margaretha  erkaufte 

*  Copialbueh  des  Klosters. 

^  Copiallmcfa  des  Klosters.     Ueberschrift   ron    anderer    Hand:    Foegperg 

(d.  i.  Peeberg^  bei  Jndenbnig). 
'  Copuübach  des  Klosters.     1>mb  Original    im   Archiv  des  histor.  Vereins 

zu.  Klagenfnrt 

*  Copialbach  des  Klosters.     Nnssdorf  bei  Unxmarkt  oder  MarialioC 
>  Copialbncb  des  Klosters. 

*  Copialbneh  des  Klosters,  dem  aoch  die  rorbergelieBden  und  nachfolgen- 
den Käofe  entnommen  sind. 


410 

am  17.  Mai  1367  eine  Mark  Güh  ron  dem  Gme  .an  dem  Stain' 
and  eine  wehere  Mark  die  Noone  Elsbet  die  Besecberiii  von 
einem  Gnte  am  Pnxberge  im  Kataehthale. '  Reicber  der  ChnoD, 
Borger  zn  Jodenbnrg,  gab  am  12.  Mai  1358  der  Nonne  Mar- 
garetha  der  Hofnieydenn  kiUlfHcli  um  zweinndftnfdg  Golden 
Pfennig  ein  Gnt  ^n  der  Rae^  Den  Brief  siegelten  Hans  Goldl, 
Richter^  nnd  Hans  Perman,  Bürger  zn  Jodenborg.  Am  7.  Juni 
gleichen  Jahres  brachten  die  Nonnen  Gerbend  Unkl  and  Cone- 
gmid  von  Talheim  um  achtnndvierzig  Golden  Pfennig  eine  | 
Wiese  ,an  dem  Siming'  an  das  Kloster.  Verkäufer  war  Otto 
Heussler. 

Im  Jahre  1368  finden  wir  eine  Aebtissin  Namens  Chri- 
stein fChristinaJ.  Dieselbe  gab  im  Tanschwege  dem  H&ns 
Goldel  einen  Acker  und  Anger  nnter  dem  Jadenfriedhofe  zu 
Judenbarg  bei  dem  Bronn  gegen  einen  Garten  ond  Anger  in 
der  äosseren  Schweingasse  daselbst.  Gleichfalls  vertaaschte 
die  Nonne  Dorothea  die  Wigelasin  ^  an  Ortel  den  Reifensteiner, 
Vogt  des  Spitales  zo  Jodenborg^  am  21.  Joli  1370  eine  halbe 
Mark  Gült  ,in  der  pewg'  gegen  eine  Herberge  beim  Kloster 
Derselben  Nonne  verkaofte  am  9.  Juli  1371  Lienhard  Strasser 
Bürger  zo  Jodenburg,  ,vmb  achzechen  gueter  goldin  phenning 
wol  gewogen*  drei  Hofstätten  bei  dem  Kloster.  Den  Brief 
siegelten  Conrad  der  Füller,  Stadtrichter,  und  Erasmos  Unke), 
Bürger  zu  Judenburg.  Unter  dem  Siegel  des  Wolfhard  von 
Pfaffendorf  erwarb  dieselbe  Klosterfrau  am  6.  September  1372 
um  vierundzwanzig  Gulden  von  Chonz  dem  Schoren  ein  fl&us 
sammt  Garten  am  Rain  zo  Judenburg.  Am  22.  März  erkaufte 
die  Nonne  Elsbet  von  Stubenberg  von  Leutfrid  Heussler  eine 
Wiese  ,an  der  Syemick'  um  achtnndvierzig  GKdden.  Andr* 
der  Poxer  siegelte  den  Brief.  Die  Nonne  Catharina  Verber  er- 
warb am  10.  October  1384  durch  Kauf  von  Hans  dem  Mantzel 
om  neon  Pfand  Wiener  Pfennig  ein  Got  zo  Oberzeiring.  Ihr 
Siegel  liehen  der  Urkunde  Friedrich  von  Pfaffendorf  und  der 
Judenburger  Bürger  Hans  Unkel.  In  einem  Leibgedingreverse 
des  Conrad  Voezl,  Bürgers  zu  Oberwölz,  welchen  er  am  12.  Juni 


»  Nach  Chmel,  »Geschichtsforscher',  II,  28  könnte  das  Wort  »BesecheriB* 
ein  Amt,  wie  Oekonomin  oder  Wirthschafterin,  bedeuten.  Auch  im  Cl»- 
rlssenkloster  Dttrnstein  erscheint  1809  eine  Beseherin. 

'  Tochter  des  Wiguleus  von  Dietersdorf. 


411 

1387  an  Abt  Wilhelm  von  Admont  über  Güter  bei  Oberwölz 
aasstellte,  findet  sich  auch  folgende  Verpflichtung :  , Wir  schullen 
anch  von  jer  guter  einem,  daz  da  haizzt  daz  schaefflehen, 
atizrichten  vnd  geben  .  .  .  zehen  vnd  drei  Schilling  phennig  den 
frawn  in  daz  frawnchloster  ze  Judenburg.*  *  Am  1.  Mai  1389 
verkaufte  Gertraud  die  Scaprinnin  der  Nonne  Elsbet  von  Stuben- 
berg um  sechzehn  Pfund  Wiener  Pfennig  ein  Haus  sammt 
Garten  beim  Kloster  ,zw  aller  nächst  dem  pach  gelegen,  der 
aus  der  stat  da  rint'.  Siegler:  Hans  der  Leisser,  Hans  von 
Pfaffendorf. 

Am  30.  Mai  1390  erwarb  die  Nonne  Magdalena  Verber 
von  Christan  Pluemler,  Bürger  zu  Knittelfeld,  um  dreizehn  und 
ein  halb  Pftmd  Wiener  Pfennige  einen  Acker  im  Niedernfeld 
beim  Dorneck  unter  Hautzenbüchel.  Chunz  der  Lederer,  Stadt- 
richter zu  Knittelfeld,  hing  sein  Siegel  an  das  Document.  Am 
3.  Mai  1391  gab  das  Kloster  dem  Judenburger  Bürger  Jacob 
Drihaupter  einen  Krautgarten  ,in  der  nideren  gemain^  und  er- 
hielt dafür  ein  Haus  sammt  Garten.  Die  Nonnen  Magdalena 
Verher  und  Christein  Mueleich  kauften  am  21.  October  vom 
Peter  Perman,  Bürger  zu  Knittelfeld,  um  dreizehn  Pfund  Wiener 
Pfennig  mehrere  Grundstücke  ,an  der  Vundran^^  Siegler 
waren  Niclas  der  Hyerschekk,  Stadtrichter,  und  Christan 
Pluemler,  Bürger  zu  Knittelfeld.  Der  Klosterfrau  Anna  von 
Goldeck  übergab  am  19.  Mai  1393  Conrad  der  Lederer,  Bürger 
zu  Judenburg,  um  acht  und  ein  halb  Pfund  Pfennig  einen  Acker 
«hinderhalb  der  Pels,  do  man  get  ge  Wassendorf  an  der  weg- 
schaiden'.  Als  Siegler  erscheinen  Ulrich  der  Paumkircher, 
Landrichter  im  Pölsthale,  und  Friedrich  von  Pfaffendorf.  Am 
19.  Juni  gleichen  Jahres  veräusserte  Ulrich  der  Bauer  zu  Kn- 
börn  bei  Knittelfeld  um  eilf  und  ein  halb  Pfund  Wiener  Pfennig 
an  die  Nonne  Ursula  die  Pignötlin  Aecker  zu  Einhorn  und 
Sachendorf  bei  Knittelfeld.  Niclas  der  Perman,  Stadtrichter 
zu  Judenburg,  war  des  Briefes  Siegler.  Mit  Heinrich  Schwab, 
Bürger  zu  Knittelfeld,  schloss  am  31.  October  1395  die  Aebtissin 
Margaretha  Chnol  einen  Tauschhandel.  Sie  erhielt  einen  Acker 
tei  Knittelfeld  gegen  einen  solchen  zu  St.  Johann  im  Felde. 
Das  Document  siegelte  Mertlein  am  Steg,  Stadtrichter  zu  Knittel- 


'  Original  im  Admonter  Stiftsarchiv. 
^  Wohl  Ingering  bei  Knittelfeld. 


414 

meinen,  sondern  auch  fdr  das  Judenburger  Kloster  als  Statut 
und  Norm  gegolten  habe.  Der  Inhalt  betont  vorzüglich  das 
Verhalten  in  Kirche,  Chor  und  Refectorium,  enthält  aber  noch 
andere  Bestimmungen.  Dem  Schriftcharakter  oder  vielmehr 
dem  sprachlichen  Momente  nach  dürfte  das  Ordinarium  der 
ersten  Zeit  des  15.  Jahrhunderts  angehören.  Wir  theilen  nun 
das  Wesentliche  desselben  mit. 

Zuerst  werden  die  Glockenzeichen  näher  bestimmt,  je 
nachdem  ein  Festum  duplex  oder  simplex  (,zwiueltige  hochzeit'^ 
,halbhochzeitleicher  tag')  eintritt  und  das  Matutinum  (Mette), 
die  Landes,  die  Horae  und  die  Vesper  sammt  Complet  gebetet 
werden. .  Es  gab  auch  eine  Convent-  und  eine  Capitelglocke. 
Vor  dem  Eintritte  in  das  Refectorium  (Revent)  mussten  die 
Nonnen  sich  waschen.  Eine  Nonne  (,die  sengerin^)  beginnt 
das  Tischgebet  und  erbittet  mit  den  Worten:  ,Iube  domiua 
benedicere'  den  Segen  der  Aebtissin.  Täglich  wurde  die  so- 
genannte Conventsmesse  gelesen.  Von  Ostern  bis  Maria  Geburt, 
also  in  der  wärmeren  Jahreszeit,  durften  die  Nonnen  nach  dem 
Mittagsmahle  kurze  Zeit  der  Ruhe  pflegen,  mussten  aber  das 
Schweigen  beobachten.  Das  Matutinum  enthielt  neun  Lectionen 
(,letzen^).  Die  meisten  Bestimmungen  beziehen  sich  auf  das 
Chorgebet  und  dessen  einzelne  Bestandtheile,  wie  die  Psalmen 
(,salm*),  Versikel  (,versiggel'),  Antiphonen  (,antiffen*),  die  Prim 
(,preim*)  u.  s.  w.  Das  Stehen,  Knieen  und  Sitzen,  das  Neigen 
und  Beugen,  das  Sprechen  und  Singen^  Alles  wird  genau  vor- 
geschrieben. Auch  in  der  Nacht  wurde  das  Chorgebet  ver- 
richtet (,die  nechtickleichen  responsoria*).  Zur  ZJeit  eines  kirch- 
lichen Interdictes  schweigt  jeder  Gesang.  Im  Chor  befand  sich 
ein  Altar  und  ein  Kerzenpult  (,kirzstal^.  Als  .Feste  erster 
Classe  zählten  die  Tage  des  heil.  Franciscus,  Antonius  und 
der  heil.  Clara.  Wird  das  Sacrament  zu  einer  Kranken  ge- 
tragen, wird  es  von  zwei  Nonnen  mit  brennenden  Kerzen  in 
den  Händen  begleitet.  Zur  Communion  gehen  die  Schwestern 
paarweise.  Fünfzehnmal  im  Jahre  wird  das  Haar  beschnitten. 
Viele  Stellen  des  Ordinariums  beziehen  sich  auf  den  Gesang, 
die  Modulation  und  die  Pausen. 

Nicht  uninteressant  sind  die  Bezeichnungen  (Titulaturen), 
mit  welchen  die  Aebtissin  und  der  Convent  in  Urkunden  vom 
14.  bis  in  das  16.  Jahrhundert  beehrt  werden.  Die  Aebtissin 
wird    genannt:    1339    die    weise  vnd    besichtige    fraw;    1344 


413 

anderem  Murkloster.  ^  Zu  Wien  hatte  Bianca,  Oemahlin  Ru- 
dolfs m.,  ein  Clarissenkloster  zu  stiften  den  Plan  gefasst.  Ihr 
frühzeitiger  Tod  mag  denselben  vereitelt  haben  und  erst  ihr 
Gatte  fertigte  1305  den  Stiftsbrief.  2  Der  Bau  und  die  Ein- 
richtung des  Klosters  nahm  längere  Zeit  in  Anspruch,  doch 
erscheinen  1316 — 1330  schon  vier  Aebtissinnen.  ^  In  mehreren 
Geschichtswerken  erscheint  aber  Anna,  Tochter  Friedrichs  des 
Schönen,  als  Gründerin  dieses  Klosters.  Höchst  wahrschein- 
lich hat  sie  den  Bau  vollendet  und  so  die  Intentionen  der 
Stifterin  erfüllt.  Sie  berief  aus  unserem  Judenburger  Kloster 
eine  Colonie  von  Nonnen  und  führte  selbe  am  17.  März  1334 
in  ihre  neue  Heimstätte  ein.^ 

Man  muss  sehr  bedauern,  dass  sich  keine  chronikalischen 
Aofschreibungen  über  das  Klosterleben  im  Paradeis  erhalten 
haben.  Wir  sind  zwar  durch  die  gebrachten  Urkunden  über 
die  Beziehungen  des  Klosters  nach  aussen  hin  genügend  unter- 
richtet, aber  sehr  schwer  vermissen  wir  Nachrichten  über  die 
Arbeiten  und  Beschäftigungen  seiner  Bewohnerinnen,  über  die 
Haasordnung  und  sonstigen  Gebräuche.  Die  Thatsache,  dass 
die  Schwester  Anna  von  Goldeck  eine  Legende  abschreiben 
liess,  steht  gewiss  nicht  einzig  da,  und  wir  können  nach  dem 
Vorgange  in  anderen  Frauenklöstem  annehmen,  dass  im  Para- 
deis Bücher,  wenn  auch  nur  asketischer  und  liturgischer  Rich- 
tung, geschrieben  worden  sind,  dass  sich  daselbst  eine  Bücherei 
(armarium)  und  ein  Schreibezimmer  (scriptorium)  befunden 
habe.  Waren  ja  doch  viele  Nonnen  aus  adeligen  imd  vor- 
nehmen bürgerlichen  Häusern  entsprossen  und  haben  einen 
höheren  Chrad  der  Bildung  in  ihr  neues  Heim  mitgebracht. 

Doch  so  ohne  Kenntniss  des  inneren  Klosterlebens  sind 
wir  nicht  geblieben.  Es  liegt  vor  uns  ein  ,Ordinarium  sand 
Ciaren  ord^is',  dessen  Original  mit  der  Bezeichnung  Nr.  26 
sich  einst  im  Archiv  des  ELlosters  befunden  hat.  Der  Um- 
stand, dass  es  dort  aufbewahrt  wurde,  macht  es  glaubwürdig, 
dass  der  Inhalt  desselben  nicht  nur   für  den  Orden  im  Allge- 


1  Herzog,  I,  593.     Hermann,   ,Haiidbach    der   Gesch.    des   Herzogthams 

K&mtenS  I,  411. 
'  Hormayr,  ,Wien8  Geschichte  und  seine   Denkwürdigkeiten*,  H.  Jahrg., 

L  Band,  3.  Heft,  S.  60. 
>  VbettdaseThst,  S.  61. 
*  Battog,  I,  708.    Caesar,  III,  177.    ,Facie8S  p.  287.    Mncbar,  VI,  262. 


416 

am  15.  Juli  1476  gewährte  er  den  Nonnen  Befreiimg  von  ge- 
wöhnlicher Gerichtsbarkeit  und  unmittelbare  Unterstellung  unter 
den  Kaiser,  *  und  am  6.  Mai  1482  hob  er  ein  zu  Ungunsten 
des  Klosters  in  einem  Streite  mit  dem  Judenburger  Bürger 
Bernhard  Kneusel  um  eine  Mühle,  Eisenziehe  und  Schleife  ge- 
fülltes Urtheil  auf  und  verfügte  eine  neuerliche  Untersuchung.' 
Minder  zahlreich  als  im  vorigen  Jahrhundert  war  die 
Zahl  der  frommen  Stiftungen.  Am  22.  Mai  1402  widmete 
die  Nonne  Anna  von  Stubenberg  eine  Wiese  ,in  dem  Syeming* 
und  ein  Haus  am  Bache  im  Burgfried  zu  Judenburg  mit  der 
Bestimmung,  dass  der  Ertrag  dieser  Güter  in  die  Oblei  des 
Klosters  (für  Wein  und  Kleidung)  und  auf  zwei  Jahrtage  mit 
Vigil,  Seelenamt  und  gesprochenen  Messen  für  die  Stifterin 
und  deren  verstorbene  Muhme  Elsbet  von  Stubenberg'  ver- 
wendet werde.  *  Dieses  Document  ist  deswegen  merkwürdig, 
weil  die  Zustimmung  des  Ministers  der  minderen  Brüder  eigens 
betont  wird*  und  Anna  von  Stubenberg,  die  Rudolf  von 
Liechtenstein  ihren  Oheim  nennt,  als  Klosterfrau  sich  ihres 
angeborenen  Insiegels  bedient.  —  Ebenfalls  unter  ihrem  Siegel 
übergab  am  18.  Mai  1406  die  Nonne  Anna  von  Goldeck  der 
Aebtissin  Margaretha  Knol  einen  Acker  am  Pölsbache  und  eine 
Wiese  zu  Wasendorf  und  bedingte  sich  für  sich  und  ihre  Schwe- 
ster Margareth  einen  Jahrtag  mit  einem  Amte  und  zehn 
Messen  zu  Ehren  des  heil.  Ludwigs.^  Andrä  Pranker  und 
dessen  Schwester  Anna,  Witwe  nach  Hans  dem  Ligister,  spen- 
deten am  11.  November  1465  der  Aebtissin  Barbara  ein  Haus 
zu  Trofaiach,  dann  mehrere  Hüben  ,am  Truentersperg^  bei 
Donawitz,  zu  Erlach,  ,im  Pirchach*,  am  Kamp  bei  Juden- 
burg, im  Breitenwiesengraben  in  der  Rachau  und  zu  Ober- 
weg mit  der  Verpflichtung  eines  Jahrtages  in  den  Quatember 

»  Herzog,  I,  721.     Caesar,  U,  244.    Muchar,  VHI,  90. 

3  Bepertorium  des  Klosterarchivs. 

'  Diese  erscheint  1372 — 1389  als  Nonne  im  Paradeis. 

^  Copialbuch. 

*  ,.  .  .  mit  willen  vnd  vrlaub  meins  obristen  prneder  Niklas  die  zeit  Tiiser 
minister  zw  Osterreich  vnd  zw  Steyr/ 

^  Ludwig,  Sohn  des  Königs  Carl  II.  von  Sicilien,  FrauciscanermOneh  und 
Bischof  von  Toulouse,  starb  1297  und  wurde  1317  heilig  gesprocheo. 
Unsere  Goldeckerin  scheint  eine  besondere  Verehrerin  dieses  Heiligeo 
gewesen  zu  sein,  da  sie  ja  auch,  wie  schon  frQher  bemerkt,  eine  be- 
zügliche Legende  desselben  hat  schreiben  lassen. 


417 

zelten.  *  Am  16.  Jänner  1467  verglichen  sich  die  Aebtissin 
Barbara  und  Jacob  Kolb,  Pfarrer  zu  Friedlach  in  Kärnten,  vor 
den  Schiedsleuten  Caspar  Lobenschrot,  Lehrer  geistlicher  Rechte 
und  Pfarrer  zu  Judenburg,  Mathias  Schrack,  Gesellpriester,  und 
Leonhard  Angrer,  Bürger  zu  Judenburg,  bezüglich  eines  Streites 
um  Weingärten  und  Aecker.  Der  Pfarrer  anerkennt  die  Grund- 
berrlichkeit  der  Aebtissin  über  einen  Weingarten  und  tritt  dem 
Kloster  um  fünf  und  ein  halbes  Pfund  Pfennige  einen  Oel- 
garten(?)  ab.  Für  einige  Grundstücke,  welche  bisher  Thomas 
Kolb  benützt  hatte  und  nun  dem  Kloster  heimstellt,  verspricht 
die  Aebtissin  jährlich  einen  Jahrtrag  zu  begehen.  ^  Der  Notar 
Leonhard  Protmann  von  Pforzheim  fertigte  die  Urkunde  in 
der  kleineren  Kammer  des  Klosters.  Am  9.  November  1472 
gab  Wolfgang  Phaffenmayr  dem  Kloster  siebenundzwanzig  Pfund 
Pfennige  ,in  beraitten  gelt^  und  zwei  Aecker  zu  Farrach  und 
bedingte  sich  einen  Jahrtag.  Er  bat  femer  die  Aebtissin,  seine 
Ehefrau  Anna  und  seine  Tochter  Dorothea  in  Schutz  zu  nehmen, 
Letztere  zu  erziehen,  aber  ihr  die  Wahl  des  künftigen  Standes 
freizustellen.  Dafür  sollen  nach  Annas  Tode  auch  andere 
Grundstücke  dem  BLloster  zufallen.  Den  Brief  siegelte  Hein- 
rich Neupauer,  Bürger  zu  Judenburg.  Am  8.  Jänner  1480 
siegelte  Augustin  AdlofF,  Stadtrichter  zu  Judenburg,  ein  Docu- 
ment,  in  welchem  Hans  am  Knie  zu  Tamsweg  beim  Eintritte 
seiner  Enkelin  Katharina  in  das  Paradeis  der  Aebtissin  Bar- 
bara sechs  Pfund  Gült  von  einer  Wiese  im  Stadtfelde  ob  Ju- 
denburg einhändigt  und  einen  Jahrtag  mit  Vigil,  Seelamt  und 
zwei  Messen  stiftet. 

An  Schenkungen  sind  in  diesem  Jahrhundert  zu  ver- 
zeichnen: Hans  Panzier  von  Morschdorf,  des  Klosters  Amt- 
mann, schenkte  am  19.  November  1430  einen  Weingarten  mit 
Keller  und  Presse  zu  Morschdorf.  Siegler  waren  Niclas  der 
Czerer  und  Niclas  Damach,  Bürger  zu  Judenburg.  AlsVeronica, 
Muhme  des  Bartholomäus  Munsmaister  zu  Fohnsdorf,  den 
Schleier  wählte,  gab  dieser  zu  ihrer  Aussteuer  die  Schrotthube 
in  der  Feistritz   und  einen  Acker  zu  Hetzendorf  unter  Siegel- 

'  Siegler  des  Briefes:  Audrä  Pranker,  Caspar  von  Payn  und  Hans  Pfaffen- 
dorfer.  Anna  von  Ligist,  gebome  Pranker,  erscheint  1475  als  Nonne 
im  Paradeis. 

^  Copialbnch  des  Klosters,  welchem  auch  alle  feigenden  Daten  entlehnt 
sind,  wenn  nichts  Anderes  bemerkt  wird. 


418 

Fertigung  des  Judenburger  Bürgers  Mathias  Harer.  Dieses  ge- 
schah am  2.  September  1454.  Von  Georg  Sporer,  Bürger  zu 
Judenburgy  erhielt  am  6.  Februar  1466  die  Aebtissin  Barbara 
für  seine  Tochter  Margaretha  sechs  Schilling  Pfennig  Zins  von 
einem  Hause  und  Garten  in  der  Vorstadt.  Peter  Kessler,  Stadt- 
und  Judenrichter  zu  Judenburg,  heftete  sein  Siegel  an  die 
Urkunde. 

Hans  PfaflFendorfer  schenkte  am  8.  Mai  1474  für  seine 
Tochter  Cäcilia  zwei  Pfund  Gülten  in  der  Lobming  unter  Siegel- 
fertigung des  Georg  Phanauer.  Die  Nonne  Anna  von  Ligist, 
Tochter  des  Friedrich  von  Prank,  spendete  am  24.  April  1475 
ein  halbes  Haus  zu  ,Palderspach^  ^  sammt  Grundstücken  ,7m 
Güssfeld,  zu  Tawchstein,  Freym  und  in  der  Goldgrueben'. 
Siegler  waren:  Hans  von  Raming,  Pfleger  auf  Liechtenstein, 
und  Hans  PfaflFendorfer.  Am  17.  November  1477  schenkte  An- 
drä  Welzer  zur  Ausstattung  seiner  Nonne  gewordenen  Tochter 
Mai'garetha  zwanzig  Schilling  sechzehn  Pfennig  Geldes  auf 
Gütern  zu  Feistritz.  Sein  Schwager  Hans  PfaflTendorfer  siegelte 
den  Brief.  Hans  Wultz,  Bürger  zu  Gmünd,  übergab  für  seine 
Schwester  Elatharina  als  väterliches  Erbtheil  ein  Haus  mit 
Lederstube  bei  der  Murbrücke  zu  Judenburg.  Siegler  war 
Benedict  Prantner,  Stadtrichter  daselbst. 

Wir  schalten  hier  eine  urbarielle  Aufzeichnung  des  Para- 
deisklosters aus  dem  Anfang  des  16.  Jahrhunderts^  hier  ein, 
weil  auch  in  derselben  von  einer  Schenkung  die  Kede  ist. 
Selbe  lautet :  ,Item  der  Peter  Prantel,  purger  zu  Neuenmarckt, 
hat  kauflPt  von  majster  Hamerl  laut  des  kauffsbrieflTs,  der  geben 
ist  ym  XllII  C  vnd  im  4®  iar,  ain  hüben  genant  die  Tripler 
hüben  gelegen  zu  DiemerstorflT  bei  Newenmarckt  in  Hoffer  pfar 
. . .  dis  gut  haben  mir  von  Schwester  Potentianen  seligen,  welches 
gut  ir  ibergeben  hat  mit  brieflf  vnd  jnsigel  jr  leiplich  prüder 
Jacob  Prantel,  pfarrer  zu  Neuenmarck.' 

Mit  diesen  Schenkungen  gingen  Hand  an  Hand  zahl- 
reiche Güter-  und  Gültenerwerbungen  durch  Kauf  und  Tausch. 
Hainzl  der  Pinter  zu  Dietersdorf  veräusserte  am  29.  Miirz 
1401  an  die  Klosterfrau  Anna  von  Goldeck  um  fünfzehn  Pfand 


1  Ein  ,Paldinbmch'  kommt  vor  bei  Muchaur,  MI,  37  und  ist  in  der  Gegend 

von  Murau  su  suchen. 
'  Im  steierm.  Landesarchiv. 


419 

sechzehn  Pfennige  eine  Wiese  zu  Wasendorf  unter  den  Siegeln 
des  Hans  Pfaffendorfer  und  des  Thomas  von  St.  Lambrecht, 
Landrichters  zu  Judenburg.  Im  Tausche  gab  am  7.  April 
1402  Ernst  von  Lobming  der  Aebtissin  Margaretha  Knoll  ein 
Gnt  am  ünterberg  bei  Teufenbach  gegen  ein  solches  bei  Ober- 
tann. An  dieses,  von  Eunegund  der  Zwetlerin  herrührend, 
war  eine  Jahrtagsstiftung  geknüpft.  Gesiegelt  wurde  die  Ur- 
kunde von  Friedrich  dem  Pösenpacher  und  Moriz  dem  Welzer. 
Am  17.  Juni  1404  verkaufte  Niclas,  Wolfgangs  Sohn  auf  der 
niederen  Zeiring,  der  Nonne  Magdalena  Verber  um  ftlnfzehn 
Pfund  Wiener  Pfennige  Grundstücke  am  Kienberg  (bei  Ob- 
dach?). Rudolf  von  Liechtenstein,  Kämmerer  in  Steier,  hing 
sein  Siegel  an  den  Brief.  Von  demselben  Niclas  erwarb  am 
13.  Juni  1405  diese  Klosterfi-au  ein  Gut  »in  den  Taum^  '  Siegler 
war  Friedrich  von  Pfaffendorf.  Von  Ulrich  Grakauer,  Bürger 
zu  Knittelfeld,  erkaufte  am  25.  Juni  gleichen  Jahres  die  Aebtis- 
sin Margaretha  um  ftinfzehn  Pfund  Wiener  Pfennige  eine  Wiese 
unter  St.  Johann.  Chunz  der  Lederer,  Stadtrichter,  und  Otto 
Schekkenpacher,  Bürger  zu  Knittelfeld,  siegelfertigten  die  Ur- 
ktmde.  Die  Nonne  Mai^aretha  von  Goldeck  brachte  am 
1.  Mai  1406  durch  Kauf  von  Herbot  zu  Mautemdorf  ob  dem 
oberen  Pölshals  einen  Acker  an  das  Kloster.  Des  Briefes 
Siegler  war  Hans  der  Grasel  zu  Judenburg.  Am  8.  August 
erhielt  das  Kloster  von  Pilgram  Pranker  ein  Haus  sammt  Garten 
zu  Niederzeiring  im  Tausche  gegen  gleiche  Objecto  ,datz  dem 
Doerflen^  Leo  der  Lobminger  siegelte  den  Brief.  Einen  Werd 
am  Pölsbache  ,an  der  nyderen  chrawtwysen*  erhielt  käuflich 
die  Klosterfrau  Anna  von  Spangstein  um  zwölf  und  ein  halb 
Pfund  Wiener  Pfennig  von  Niclas  dem  Czeyerecker  unter  dem 
Siegel  des  Thomas  von  St.  Lambrecht,  Judenrichters  zu  Ju- 
denbui^. 

Um  eine  Zinsschuld  zu  tilgen,  übergab  am  17.  Mai  1409 
Peter,  Pfarrer  zu  Judenburg  und  Erzpriester  in  Obersteier, 
dem  Kloster  unter  Vermittlung  des  Bernhard  von  Liechten- 
stein eine  Hofstätte  ,an  dem  Pargrab'  bei  den  minderen  Brü- 
dern. Am  8.  Jänner  1410  siegelte  Ortolf  der  Puxer  ein  Do- 
cument,  in  welchem  Hans  von  Teufenbach  der  Aebtissin  Mar- 
garetha ein  Gut  zu  Farrach  im  Tausche  gegen  ein  solches  am 


^  Am  Rottenmannertauem. 
ArchlT.  Bd.  LXXUI.  U.  Hilft«.  28 


420 

Unterberg  bei   Teufenbach   eingeantwortet   hat.     Ebenfalls  im 
Tauschwege  empfing  am  6.  Juli  1413  die  Aebtissin  Clara  Schinekh 
von  Ortolf  dem  Puxer  eine  Hube  im  ,Vahental^  ob  Fohnsdorf 
gegen  eine  solche  auf  dem  Puxberge.  Friedrich  von  Pfaffendorf 
und  Stefan  Chumer  zu  Judenburg  hingen  ihre  Siegel  an  den  Brirf. 
Am  31.  August  1415  verkaufte  Hans  Krösler,  Bürger  zu  Jaden- 
burg, der  Aebtissin  Meyla  von  Minckendorf  *  siebzehn  Ae<ier 
bei    Wasendorf  um   hundertsechzig    Pfund    Wiener   Pfennige. 
Siegler  war  Conrad  GesöUer,  Stadtrichter  zu  Judenburg.  Eine 
Urkunde   vom  11.   März   1416,   kraft  welcher   Andrä  Spi^el 
seinem  Mitbürger  zu  Judenburg   Tibold   Domach   einen  beim 
Fräuenkloster  gelegenen  Garten  verkaufte,   hat   im  Texte  die 
Bemerkung:    ,den   wir    zu   purkrecht    kaufft    haben    von   der 
erbem  geistleichen  junkfrawen  Margrethen  der  Gk)ldekcherin, 
dauon  man  ir  alle  iar  ierleich  dient  auf  sand  Michels  tag  vir- 
tzig  wienner  phennig   vnd   newn   phennig  für  zway   huener'.^ 
Am  8.  März  1421  verkaufte  Niclas   Fleischhacker   dem  Bans 
Kroph  eine  Fleischbank   zu  Judenburg,   ,dauon   man  alle  iar 
ierleich  dient  den  klosterfrawn  sand  Chlaren  ordens  ze  Juden- 
burg achzig  wienner  phenig   auf  sand  Michels  tag.''    Gleich- 
falls einer  Urkunde  *  vom  Jahre  1424  entnehmen  wir  die  Notiz, 
dass  von  einem  Haus  und  Garten  zu  Wasendorf  jährlich  ein 
Pfund  Wachs  dem  Kloster  fUUig  war. 

Am  15.  August  1424  verkaufte  die  Aebtissin  Clara  Fran- 
ker'^ mit  Einwilligung  des  Klostervogts  Rudolf  von  Liechten- 
stein dem  Stefan  Scheller,  Bürger  zu  Judenburg,  um  zweiund- 
zwanzig  Pfund  Wiener  Pfennige  und  einen  Gulden  zu  Leihkauf 
eine  Mühle  unter  dem  Rain  beim  Spitale.  ^   In  dieser  Urkunde 

^  Dieselbe  erscheint  auch  unter  dem  Namen  Mila  die  Peyschatterin.    Selbe 
war  wahrscheinlich  aus  dem  Clarissenkloster  Minkendorf  in  Knün. 

3  Original  im   steierm.  Landesarchiv   mit  den  Siegeln  der  Aebtissin  oihI 
der  Margaretha  von  Goldeck. 

3  Original  ebenda. 

^  Original  ebenda. 

*  Es  ist  fraglich,  ob  diese  identisch  ist  mit  der  Nonne  Clara,  Tochter 
des  Friedrich  Pranker,  welche  1449  ihr  Erbtheil  an  ihren  Brader  Hans 
abgetreten  hat.  (Regest  des  k.  k.  Staatsarchivs  in  Wien.)  Die  Aebtissinoen 
wurden  in  der  Regel  nur  auf  drei  Jahre  gewählt,  konnten  nach  TerUof 
dieser  Zeit  wieder  gewählt  werden  und  wurden,  wenn  dieses  nicht  der 
Fall  war,  wieder  einfache  Nonnen. 

^  Original  im  Landesarchive.     Die   Siegel    des    Frauenconvents    und  de« 
Klostervogtes  Rudolf  von  Liechtenstein  fehlen. 


421 

wird  zum  ersten  Male  eines  Vogtes  Erwähnung  gethan.  Wir 
werden  wohl  nicht  irren,  wenn  wir  die  Vogtei  über  Paradeis 
ab  erblich  dem  Hanse  Liechtenstein  vindiciren.  Verfiel  auch 
die  Borg  Liechtenstein  bei  Judenburg  schon  frühzeitig  in 
Rainen, *  sassen  denn  doch  die  Liechtensteiner  noch  lange  zu 
Frauenburg  und  Murau  und  waren  in  und  bei  Judenburg 
begütert 

Am  3.  Juni  1436  stellte  Hans  von  Stubenberg,  Landes- 
hauptmann in  Steier,  auf  Bitte  des  Klosteranwaltes  Thomas 
Cholb  einen  Schirmbrief  über  das  Lerchegg^  aus.  Das  Kloster 
behauptete  1439  diese  Alpe  gegenüber  den  Ansprüchen  des 
Judenburger  Bürgers  Hans  Kropf.  "^  Der  Aebtissin  Margaretha 
Hohenberger  verkaufte  am  28.  November  1441  Wilhelm  Payr- 
hofer  um  neun  Pfund  Wiener  Pfennige  ein  Haus  zu  Thalheim 
,niit  ausfart  vnd  infart,  mit  Hecht  vnd  dachtraeflf^.  Siegler  war 
Adam  von  Payn.  Dieselbe  Aebtissin  erhandelte  am  10.  Mai 
1455  von  Erhard  Gleichweiss  um  vierunddreissig  Pfund  ,gueter 
landeswerung'  einen  Weingarton  mit  Keller,  Presse  und  Stube 
zu  Morschdorf  bei  Mooskirchen.  Den  Brief  versahen  mit  ihren 
Siegeln  Michel  der  Mülhofer ,  Stadtrichter,  und  Thomas  Kolb, 
Rathsbürger  zu  Juden  bürg.  Im  Tauschwege  erhielt  Aebtissin 
Margaretha  am  5.  April  1456  von  Wülfing  dem  Winkler  eine 
Hube  ,an  dem  Poxruk'  fiir  eine  solche  am  Schrattenberg. 
Ruprecht  Trientner,  Pfleger  zu  Frauenburg,  war  des  Briefes 
Siegler.  Am  5.  Februar  1463  gab  Mathias  Harrer,  Bürger  zu 
Judenburg,  derselben  Aebtissin  im  Kaufe  eine  Wiese  zu  Flat- 
Bchach  bei  Knittelfeld.  Derselbe  war  Siegler,  als  am  26.  Fe- 
bruar 1467  Hans  Raming  der  Aebtissin  Barbara  Payner  die 
Strimitzhube  ,in  der  Muschnitz'^  verkauft  hat.  Derselben  Oberin 
gab  am  1.  October  Leonhard  Angrer,  Bürger  zu  Judenburg, 
im  Auswechsel  eine  Wiese  im  ,Zeilach^  unter  Thaling  gegen 
eine  Hofstätte  zu  Stadihof  bei  Lind.  Caspar  von  Rogendorf 
verkaufte  am  28.  Juli  1474  dem  Kloster  das  Burgrecht  von 
einer  Mühle  zu  Judenburg  ,enhalb  der  murprukhen'  und  meh- 
rere Aecker  um  ,260  hungrisch  vnd  ducaten  guidein  guet  an 

9 

1  Im  Jahre  1268  von  Ottokar  von  Böhmen  zerstört.  Mochar,  V,  322. 
Leithner,  S.  120.  Schlots  Nealiechtenstein  wurde  erst  im  17.  Jahr- 
hundert erhaut. 

^  Alpe  im  Zeiringgraben.         ^  Repertorium  des  Klosterarchivs. 

*  MOschitxgraben  su  8t.  Peter  ob  Judenburg. 

28» 


422 

gold  vnd  gerecht  an  der  goldwag^  Den  Brief  siegelten  Hans 
von  Raming,  Pfleger  auf  Liechtenstein,  und  Andrä  Galler.  Am 
27.  März  1478  gab  kaufweise  Andrä  Welzer  der  ,erwaren 
frawen  Anna  der  Mayrin  von  PhaflFendorf  yecz  wonhafft  jm 
frawnkloster  sand  Ciaren  orden'  bei  Judenburg  sein  rechtes 
,inwerzaigen*  *  eine  Wiese  in  der  Pfarre  Fohnsdorf.  Siegler 
war  Georg  Pyswech,'  Pfleger  zu  Fohnsdorf.^  Im  Jahre  1483 
tauschten  die  Zechleute  der  Kirche  St.  Ruprecht  zu  Trofaiach 
mit  dem  dortigen  Bürger  Felix  Spansagler  Hofstätten  in  diesem 
Orte,  welche  nach  Paradeis  zinspflichtig  waren.  Augustin  Adloff, 
Btirger  zu  Judenburg,  veräusserte  am  4.  April  1484  an  die 
Aebtissin  Barbara  Payner  ein  Haus  sammt  Garten  und  Schmelz- 
hütte zu  Judenburg  ,vnder  der  Greyssennekher  spital  neben 
dem  statpach^  Dem  Bürger  Christan  Amering  verlieh  am 
24.  April  1491  Aebtissin  Barbara  zu  Burgrecht  einen  Garten 
in  der  Stadt  Judenburg.''  Unter  dem  Siegel  des  Leonhard 
Ruedel,  Stadtrichters  zu  Judenburg,  reversirte  Thomas  Hueber 
der  Fleischhacker  am  6.  April  1500,  dass  er  von  seiner  Fleisch- 
bank zu  Judenburg  ,zwischen  Hansen  Palkentaler  vnd  des 
Gayser  fleyschbenkh'  dem  Kloster  jährlich  einen  Dienst  von 
achtzehn  Pfand  Unschlitt  reichen  müsse  und  wolle.  Von  Valentin 
Gerolt,  Rathsbürger  zu  Judenburg,  erwarb  im  gleichen  Jahre 
die  Aebtissin  Barbara  Payner  durch  Kauf  einen  Krautgarten 
,vor  der  stat  Judenburg  jm  purckfrid  vor  dem  thor  bey  dem 
oberen  kloster^* 

Weitere   Begebenheiten   im    16.   Jahrhundert.    Klosterbrand  und 

Türkennoth. 

Die   Geschichte   des  Klosters   Paradeis,    inwiefeme   sich 
deren   Blätter  uns   bisher  entfaltet  haben,    überzeugt  uns  zur 

1  ,Ain  inwert  aigen,  das  zu  ains  dinstherren  herachaft  gpehort.'  Bischoff, 
tSteiermärkisches  Landrecht  des  Mittelalters^  S.  116. 

^  Die  Pisweg^er  waren  eine  k&rtnerische  Adelsfamilie.  Weiss,  ,Kjlrntens 
Adels  114  und  235,  wo  auch  unser  J6Tg  Piswich  vorkommt. 

'  Es  ist  unklar,  ob  Anna  die  Ma/rin  von  Pfaffendorf  als  Könne  in  das 
Paradeis  getreten  ist  oder  dort  nur  als  Leibrentnerin  sich  nieder- 
gelassen hatte.  Wohl  aber  finden  wir  deren  Tochter  Dorothea  1503 
bis  1506  als  Nonne  daselbst. 

4  Original  im  steierm.  Landesarchiv. 

B  Seit  1362  bestand  su  Judenburg  auch  ein  Kloster  des  Augnsünerordeos 
zum  Unterschiede  von  jenem  der  Minoriten  das  ^niedere*  Kloster  genannt 


423 

Genüge^  dass  dieses  Kloster  keine  unbedeutende  Stellung  unter 
d^i  Stiften  des  Landes  eingenommen  habe.     Töchter  der  ein- 
fluBsreichsten  Familien  des  Landes,  wie  Liechtenstein,  Stuben- 
berg,   Windischgrätz,    Saurau,    Welzer,    Prank   und  Andere, 
mannen   dort  den  Schleier,  und  der  Grund-  und  Gültenbesitz 
der    Ciarissen   war    ein    nennenswerther.     Daher   darf  es   uns 
nicht  überraschen,  zu  vernehmen,  dass  die  jeweilige  Aebtissin 
Sitz    und    Stimme    im    steiermärkischen    Landtage    hatte    und 
übte.  1  Solchen  Ehrenrechten  standen  aber  auch  Pflichten  gegen 
Staat    und  Land  gegenüber.     Steuern,    Anlehen   und   Kriegs- 
rüstung  forderten   daher  auch   Opfer  von  Seite  des  Klosters. 
Vor  uns  liegt  eine  ,Ordnung,   so  die  landtschafl't  in  Steyr  mit 
.  .  .    des   Römischen  Königs   Rathen  ...  zu  Raggaspurg  ge- 
macht haben  (sie!)  am  freytag  vor  Servaty  a.  d.  (14)  46.  Jar^^ 
Es  handelte  sich  um  die  Kriegsbereitschaft  gegen  die  Ungarn. 
Diesem   Actenstücke    entnehmen  wir,    dass    die   Aebtissin   zu 
Judenburg  zwei  Mann  ,ze  ross'  zum  Aufgebot  zu  stellen  hatte. 
Wir  wissen,    dass  der  Ciarissenorden  unter  Oberaufsicht 
und   Leitung   der   minderen  Brüder  gestellt  war,    daher  auch 
Paradeis   seine  Beichtväter  und  Prediger  aus   dem  Minoriten- 
kloster  zu  Judenburg  immer  erhalten  hat.     Dieses  Verhältniss 
bestimmt  uns^  von  dem  Umstände  Notiz  zu  nehmen,    dass  im 
Jahre  1455  Jobannes  Capistran  das  Mannskloster  reformirt  hat.^ 
Dessen   Bewohner  hiessen   von   nun   an  Fratres  regularis   seu 
strictioris  observantiae  und  gemeinhin  Franciscaner.   Capistran, 
der  längere  Zeit  in   Judenburg   sich  aufgehalten   hat/   dürfte 
das  Paradeiskloster   öfters    besucht  und  auch  dasselbe  visitirt 
und  reformirt  haben,  obwohl  darüber  alle  Nachweise  mangeln. 
Im  Februar  oder  März  des  Jahres  1463  war  die  Aebtissin 
Hargaretha  Hohenberger  mit  Tod  abgegangen.     Es  war  also 
eine  neue  Wahl  vorzunehmen.     Dem  Gebrauche  gemäss  sollte 
selbe  in  Gegenwart  und  unter  der  Leitung  des  Ordensministers 
oder  seines  Stellvertreters  stattfinden.     Das  Letztere  scheinen 


^  Caesar,   ,Staat-    und  Kirchengeschiehte    des  Herzogthams  StejermarkS 

VI,  186. 
3  Manoscript  des  16.  Jahrhunderts  im  Admonter  Stiftsarchive. 
'  ,Facies  nascentis  et  succrescentis  provinciae   Seraphico-Austriacae*  177. 

Klein,    ,Geschichte  des  Christenthums  in  Oesterreich   und   Steiermark*, 

m,  163. 
*  Hersog,  I,  409. 


424 

die  Nonnen  unterlassen  zu  haben.  Entweder  haben  sie  den 
Minister  gar  nicht  eingeladen^  oder  sie  haben  dessen  Ankunft 
nicht  abgewartet.  Die  Priorin  Apollonia  Schachner  und  der 
Convent  wählten  aus  ihrer  Mitte  einstimmig  die  Barbara  Payner 
zur  Oberin.  Dieses  Vorgehen  gab  dem  Minister  Heinrich  CoIIis 
eine  Handhabe ,  um  die  Election  für  null  und  nichtig  zu  er- 
klären. Er  erschien  plötzlich  im  Kloster  und  brachte  eine 
fremde  Nonne  Namens  Veronica  mit  und  stellte  selbe  dem 
Klostercapitel  als  Aebtissin  vor.  Der  Convent  protestirte  und 
wandte  sich  im  April  1463  an  den  Kaiser  Friedrich.  Die 
Nonnen  beriefen  sich  auf  die  ihnen  von  Innocenz  IV.  ge- 
währte Wahlfreiheit,  auf  die  bisherige  Gepflogenheit  und  auf 
die  strenge  Disciplin  und  den  sittenreinen  Wandel  der  Conven- 
tualen,  ,Auch  allergnedigster  herr  rueflh  wir  an  ewer  kaiser- 
liche gnad,  ir  weit  ansehen,  das  wir  mit  geystlichayt  vnd  in 
gerechten  gehorsam  mit  aller  czucht  vnd  zjmlichayt  nach  anff- 
sacz  vnser  regel  ordenlich,  als  wir  hoffen  zu  got,  volpnujht 
haben  in  raynigkayt  fleissiger  gotzdienst  von  kindhayt  vnser 
tag  pis  auff  den  heutigen  tag,  darumb  wir  hoffen,  das  wir 
vnser  wall  pillich  bestattiget  mit  gunst  ewer  kayserliche  gnad, 
vnd  vnder  vns  ain  wirdige  mueter  zu  einer  abtessin  erwellen 
mtlge.**  Ob  und  in  welchem  Sinne  der  Kaiser  das  Bittgesach 
des  Klosters  erledigt  habe,  ist  nicht  bekannt.  Am  21.  Jänner 
14t>4  musste  der  Notar  Leonhard  Gobier  eine  Appellation  im 
Namen  des  Conventes  an  Papst  Pias  H.  verfassen.  In  derselben 
werden  die  Vorgänge  bei  und  nach  der  Wahl  geschildert  und 
auch  betont,  dass  die  eingedrfingte  Veronica  keine  Kenntniss 
der  inneren  Verhältnisse  und  äusseren  Beziehungen  des  Klosters 
besitze,  IVr  Protector  des  Ordens,  der  Cardinal  des  Titels 
Nioaena  und  der  Minister  hätten  einen  Process  gegen  den 
Convent  einsr^^leitet  und  eine  bezügliche  Schrift  an  die  Kirchen- 
thftr  anheften  lassen.  Die  Nonnen  bitten  daher  um  geneigte 
Interce^on  des  api^stolischen  Stuhles.'  Der  Erfolg  war  ein 
gilnsiigw,  denn  wir  tiudeu  Barbara  Payner  noch  im  Jahre  1500 
und  wie  es  scheint  ununterbrochen  ak  würdige  Aebtissin  in 
Paradois> 

Am  Ä^.  September  14Ti^  übergab  Friedrich  Veldpltun  der 
Aebtissin  Rarbcum  ein  Hans  in  der  Stadt  Judenburg  und  ein 


425 

solches  sammt  Garten  ober  dem  Frauenkloster  und  bedingte 
sich  fbr  sich  und  seine  Gemahlin  Anna  lebenslänghcben  Unter- 
halt.^ Ueber  die  nähere  Art  dieser  Pfründe  oder  Leibrente 
wurde  ein  eigenes  Dociunent  aufgesetzt. 

Die  Herleitung  des  nöthigen  Trinkwassers  zum  Kloster 
war  mit  vielen  Schwierigkeiten  und  Kosten  verbunden,  weil 
die  Brunnenröhren  über  fremde  Grundstücke  gelegt  werden 
mussten.  Die  Nonnen  sahen  sich  sogar  veranlasst,  die  Vermitt- 
lang des  LandesfUrsten  jn  Anspruch  zu  nehmen.  Am  12.  Mai 
1480  eröffnete  Kaiser  Friedrich  dem  Hans  Ramung,  Pfleger 
auf  Liechtenstein,  und  dem  ßathe  zu  Judenburg,  er  habe  den 
Nonnen  erlaubt,  das  Wasser  vom  Brunnen  unter  dem  Schlosse 
in  ihr  Kloster  zu  leiten.^ 

Die  Jahre  1479  und  1480  waren  voll  des  Unglücks  für  das 
Kloster.  Nach  mehreren  Quellen  soll  dasselbe  1479  ein  Raub  der 
Flammen  geworden  sein.^  Herzog  hat  die  Stelle:  ,£piscopus 
Todunensis  (Todi?)  christifidelibus  centum  dierum  indulgentias 
dispensat,  qui  pro  aedificio  claustrali,  quod  anno  1479  ex  horribili 
incendio  conflagravit,  iterum  restaurando  eleemosynas  po^e- 
xerint.^  Das  Jahr  der  Ablassverleihung  ist  nicht  angegeben.  Eine 
andere  Quelle  sagt:  ,Anno  1479  vehementissimo  incendio  domus 
tota  unacum  monumentorum  scripturis  absumpta  fuit,  ut  firmiora 
antiquitatis  documenta  penes  claustrum  non  exstent.^  Es  ist  daher 
zweifelhaft,  ob  die  Nachrichten  vom  Brande  des  Jahres  1479 
aus  gleichzeitigen  Chroniken  und  Urkunden  geschöpft  seien, 
oder  ob  sie  auf  einer  blossen  mündlichen  Ueberheferung  be- 
ruhen. Uns  scheint  es  glaubwürdiger,  dass  beim  grossen  Türken- 
einfall des  folgenden  Jahres  das  Kloster  in  Flammen  aufge- 
gangen ist,  sei  es^  dass  die  Bürger  Judenburgs  selbst,  um  dem 
Feinde  die  Gelegenheit  zu  nehmen,  sich  unmittelbar  unter  der 
Stadtmauer  einnisten  zu  können,  die  Brandfackel  in  das  Haus 
der  heil.  Clara  geworfen  haben,  oder  sei  es,  was  wahrschein- 
licher ist,  dass  die  Söhne  des  Propheten  selbst  nach  ihrer 
alten  Kriegsweise  Kirche  und  Kloster  eingeäschert  haben.  Am 
7.  August  1480  brach  ein  Türkenhaufe  aus  Kärnten  bei  Dürn- 


'  CopUlbuch. 

^  Regest  aus  dem   k.  k.  Staatsarchiv  za  Wien.    Die  Klosterbrunnenfrage 

wird  aach  noch  später  uns  beschäftigen. 
'  Facies  287.   Herzog,  I,  702,   720  und  721.    Caesar,  »AunalesS  II,  243. 

Mnchar,  YIII,  112. 


428 

• 

Fundator^  dessen  Gemahlin  Regina  und  für  den  Landeshaupt- 
mann in  Steier  Sigmund  von  Dietrichstein.' 

Im  Jahre  1518  spendete  Christof  Räuber ,  Bischof  m 
Laibach  und  Administrator  von  Seckau,  eine  Indulgenz  flir 
den  Hochaltar  der  Klosterkirche.^ 

Am  Montag  nach  Reminiscere  1515  vidimirte  Gr^or 
Schardinger,  Propst  zu  Seckau,  auf  Ansuchen  des  Klosters 
verschiedene  von  Kaiser  Friedrich  und  Max,  sowie  von  dem 
Landeshauptmanne  Caspar  Kiniberger  3  ertheilte  Privilegien  und 
Gnadenbriefe.*  Am  3.  October  1506  ^  bestätigte  König  Max 
die  Rechte  und  Freiheiten  des  Klosters.  Am  8.  October  (Grax) 
befiehlt  derselbe  dem  Landesverweser  in  Steier,  das  Kloster 
in  Schutz  zu  nehmen.^  Vom  28.  August  1521  (Graz)  datirt  ein 
Bestätigungsdiplom  des  Erzherzogs  Ferdinand,  welcher  auch  am 
10.  Juni  1525  (Graz)  eine  ähnliche  Urkunde  (Schutzbrief?)  er- 
lassen haben  soU.^  Am  Mittwoch  nach  Philipp  und  Jacob  1537 
bestätigte  König  Ferdinand  I.  den  Gnadenbrief  des  Herzogs 
Albrecht  II.  (ddo.  29.  Juli  1338)  betreffs  des  kostenfreien 
Bezuges  von  Salz  aus  Aussee.  Die  ursprünglichen  zwölf  Fuder 
sind  in  dieser  Urkunde,  deren  Wortlaut  leider  nicht  vorliegt, 
schon  auf  sechzig  erhöht.  Es  muss  daher  Ferdinand  oder 
einer  seiner  Vorgänger  diese  Erhöhung  bewilligt  haben.  Am 
2.  October  1537  erliess  der  Landesfiirst  einen  Befehl  bezüglich 
eines  Holzstreites  in  der  Feistritz  zwischen  dem  Kloster  und  den 
Bürgern  von  Judenburg.  Am  15.  März  1538  willigte  Ferdinand 
in  den  Kauf  von  Aeckern  und  Wiesen,  über  welchen  das  Kloster 
in  Unterhandlungen  mit  Caspar  von  Rechendorf  (Rogendorf?) 
getreten  war,  und  am  gleichen  Tage  gab  er  seinen  Consens 
zum  Grundtausche  im  Spitalfelde  bei  Judenburg  mit  Christof 
Pranker.  Am  15.  Februar  1561  confirmirte  Kaiser  Ferdinwid  I. 


*  Des  Teufenbachers  zweite  Gemahlin  Regina  war  eine  Schwester  Sigmunds 
von  Dietrichstein.  Stammtafel  der  Teufenbache  bei  Beckh-Widman- 
stetter,  ,Stndien  an  den  Grabstätten  alter  Geschlechter*. 

3  Repertorium  des  Rlosterarchivs. 

3  Wohl  Caspar  von  Khünburg,  welcher  1605  als  Landesverweser  erscheiBt. 

*  Repertorium  des  Klosterarchivs. 

5  Dieses  Datum  steht  im  Repertorium,  während  Herzog  und  Muchar  den 

8.  October  haben. 

6  Regest  aus  dem  k.  k.  Staatsarchiv  in  Wien.  Das  Repertorium  spricht  im 
Allgemeinen  noch  von  vier  »Briefen*  des  Königs  Max. 

^  Repertorium. 


427 

klösterlichen  Disciplin  nur  abträglich  8ei^  habe  der  heilige 
Stuhl  die  Transferirung  in  die  Stadt  erlaubt.^  Ob  die  Nonnen 
das  Haas  bei  St.  Martin  wirklich  bezogen  haben ,  darüber 
fehlen  sichere  Anhaltspunkte.  Jedenfalls  wohnten  sie  so  lange 
in  der  Stadt,  bis  das  alte  Kloster  wieder  aus  den  Ruinen  sich 
erhoben  hatte.  Ueber  den  Neubau  schweigen  unsere  Quellen, 
nur  das  wissen  wir,  dass  der  Bischof  von  Todi  den  Unter- 
stützem  desselben  einen  Ablass  verliehen  habe. 

£s  war  von  jeher  und  ist  noch  jetzt  Gebrauch  in  den 
KlQstem,  gegenseitig  geistliche  Bündnisse  (confoederationes)  zu 
dem  Zwecke  zu  schliessen,  um  den  abgeschiedenen  Ordens- 
genossen  die  Wohlthat  des  Messopfers,  der  Gebete  und  des 
Verdienstes  der  guten  Werke  zuzuwenden.  Ohne  Zweifel  war 
auch  Paradeis  mit  anderen  Klöstern  confbderirt  oder  empfing 
wenigstens  die  Rotein  (Todesanzeigen)  von  solchen.  Necro- 
logien  des  Klosters,  die  uns  darüber  belehren  könnten,  haben 
sich  keine  bis  auf  unsere  Zeit  erhalten.  Aus  einer  Admonter 
Rotel  von  1496  erfahren  wir,  dass  der  bezügliche  Bote  bei 
den  Franciscanem  zu  Judenburg  zugesprochen  habe.  Eine 
Lambrechter  Rotel  vom  Jahre  1501  trägt  hingegen  folgende 
Inscription  von  Seite  des  Frauenklosters:  ,Portitor  presentis 
rotule  comparuit  in  cenobio  monasterii  nostri  B.  M.  V.  in  Pa- 
radiso extra  Judenburg  ordinis  sancte  Cläre  in  die  Alexii.* 
Leider  haben  die  Nonnen,  wie  es  sonst  oft  der  Fall  ist,  ihre 
Todten  in  die  Rotel  einzutragen  unterlassen. 

Paradeis  im  16.  Jahrhundert. 

Wir  beginnen  die  Reihe  der  Nachrichten  mit  einer  kirch- 
lichen Stiftung.  Am  1.  October  1516  übergab  Hans  von  Teufen- 
hach  dem  Kloster  einen  Weingarten,  genannt  der  ,Zerer',  einen 
öden  Weinberg  und  einen  Acker,  genannt  ,PagnoP,  gelegen  am 
Morschdorferberg.  Mit  diesen  Grundstücken  stiftete  er  einen 
Gottesdienst  mit  vier  Priestern  an  jedem  Quatembermittwoch, 
und  zwar  ,ain  gantze  gesungen  vigili  sambt  ainem  placebo', 
ein  Seelamt,  ein  gesungenes  Amt  und  zwei  Messen.  Beim 
Seelamte  soll  sich  der  Priester  nach  dem  Evangelium  um- 
wenden   und    ein   Pater    noster    sammt    Ave    beten    für   den 


*  Herzog:,  h  706. 


480 

und  Conrad  Loeb^   Stadtrichter  zu  Jadenbnrg.     Durch  Kai 
von  Mört  Zeller  erwarb  die  Aebtissin  zwei  Viertel  WeT 
in  jSupperspach^  Derselben  verkaufte  am  18.  December  151 
Mathias  Weiss,  Lederer  und  Büi'ger  zu  Judenburg,  einen  Acker^ 
gelegen  ,zw  spitall  ym  Muerfeld*.  Den  Brief  siegelte  Leoi 
Unterschoffer,  Rathsbürger  zu  Judenburg. 

Vom  Jahre  1526  (10.  März)  datirt  ein  Schirmbrief  i 
Klosters  über  ein  Gut  zu  Farrach  unter  den  Linden.'  Am 
24.  Februar  1580  gab  Stefan  Grasswein  zu  Weyer  der  AehtLssin 
Ursula  Fegberger  im  Kaufe  einen  Acker  zu  Wasendorf.  Am 
22.  März  1532  vertauschte  dieselbe  Oberin  mit  Niclas  Körbler, 
Bürger  zu  Judenburg,  ein  Feld  zu  Wasendorf  gegen  mehrere 
Aecker  im  Spitalfelde.  Siegler  waren  der  edle  Lorenz  Hattinger, 
röm.  königl.  Majestät  Forstmeister  in  Obersteier,  und  Leonhard 
Mayr,  Bürger  zu  Judenburg.  Mit  der  Aebtissin  Barbara  m 
Goess  tauschte  das  Kloster  im  Jahre  1540  die  Kummerhabe 
bei  St.  Lorenzen  an  der  Mur  gegen  die  Brunnmühle  am 
Gleinbache  und  das  Mühlangerl  an  der  Pölsen.  Ebenfalk  im 
Tauschwege  erlangte  die  Aebtissin  Ursula  am  30.  November 
1566  von  Reinprecht  Welzer  zu  Spiegelfeld  die  Oede  in  Stall- 
baum für  eine  Hube  ,an  der  BugrelP  ob  Moos  bei  St  Marein. 
Dem  Gilg  Stier  ertheilte  das  Kloster  am  14.  April  1587  einen 
Schirmbrief  über  Aecker  zu  Kaindorf  bei  Murau.^ 

Verschiedene  Ereignisse  im  16.  Jahrhundert 

Wie  allen  anderen  Klöstern  in  den  österreichischen  Landen 
wurde  auch  dem  Paradeiskloster  durch  die  sogenannte  Quart 
eine  tiefe  Wunde  geschlagen.  Durch  Patent  vom  12.  November 
1529  (Linz)  ordnete  König  Ferdinand,  um  die  Kosten  zum 
Türkenkriege  zu  decken,  an,  dass  der  vierte  Theil  der  geist- 
lichen Güter,  beziehungsweise  ihres  Werthes  auf  den  Altar  des 
Vaterlandes  gelegt  werden  solle.  Am  28.  Jänner  1530  erfolgte 
die  specielle  Ausfertigung  für  das  Kloster.'*  Es  ist  nicht  bekannt, 
wie  hoch  dasselbe  taxirt  worden  ist,  aber  in  Anbetracht  des 
Grund-  und  Gliltenbesitzes  dürfte  eine  ziemlich  grosse  Summe 
in  Anspruch   genommen   worden   sein.     Am   28.  Jänner  1530 

^  ,Blittheiliingen  des  histor.  Vereins  für  Steiermark^  VI,  44. 

3  Ebenda. 

>  Regest  aus  dem  k.  k.  Staatsarchiv  in  Wien. 


431 

quittirte  der  LandesfÜrst  den  Empfang  von  600  Ghdden  Kriegs- 

ateuer.*     In  Beziehung  zur  Quart  dürfte  auch   der  von  König 

Ferdinand  am  4.  August  1537  ratificirte  Verkauf  zweier  Kloster- 

wiesen    zu    bringen   sein.     Die    TUrkengefahr    erheischte   stets 

neue   Rftstungen,   und    es    wurden    daher    Adel^    Geistlichkeit 

und  Bürgerschaft  vom  Staate  um  Darlehen  angehalten.    Auch 

Kloster  Paradeis  erftlUte  seine  patriotischen  Pflichten  und  gab 

im  Jahre  1541  dreihundert  und  im  Jahre  1543  sechzig  Gulden 

zu  diesem  Zwecke.*     Auch  zur  Stellung  von  Mannschaft  war 

das  Kloster  verpflichtet;    so   hatte    im    Jahre    1566    die    Aeb- 

tissin   zwei  Gültpferde  und  zehn  Büchsenschützen  beizustellen. 

Am  3.  October  1568  (Pettau)  forderte  Erzherzog  Carl  von  der 

Aebtisain  Ursula  Fegperger  Auskünfte  über  folgende    Punkte. 

Sie  möge  nachweisen,   welche  Passiva  sie  beim  Antritt  ihres 

Amtes    vorgeftmden   habe,   was   seitdem   an    Schulden   gezahlt 

worden    sei,    wie    hoch    sich    das   Einkommen    in    Geld   und 

Zehenten  belaufe,  welche  Verwendung  dasselbe  finde,  wie  viele 

und   welche   Personen   das   Kloster  in  und  ausserhalb   erhalte 

und    besolde,    ob  und    welcher    Wirthschaftsplan    bestehe,    in 

welchem  Zustande  sich  die   Baulichkeiten  befänden,   ob  noch 

Güter  und  Renten  verpftlndet  seien.     Dies  Alles   wolle   er   in 

Erfahrung  bringen,    ,damit  wir  vns   vollgents   yber   ains   und 

das  ander  zu  vilbemelts  gotshauss  aufnemen  vnd  frumen  gne- 

digist  zu  entschliessen  habend    Hierauf  erbat  sich  die  Aebtissin 

vom  Propste  Lorenz  Spielberger  zu  Seckau  Rath  und  Beihilfe, 

,wie  dan  jeder  zeit  von  ewer  gnaden  vorfarn  bröbst  sälliger  ge- 

dechtnus   vns   vnd   vnsern   closter  jn   dergleichen   sachen    mit 

trewen  erwisen  worden*.'    Mit  der  Canonie  Seckau  und  deren 

Pröpsten  stand  wirklich  Paradeis  in  freundlich  nachbarlicher 

Verbindung,    und    die   Frauen    waren   gewohnt,    sich    dort   in 

Rechtsfällen  Rath    und   Beistand   zu   holen.     So   sah   sich  die 

Aebtissin    Barbara^    veranlasst,    im   Jahre    1579    den    Propst 

Lorenz  zu  ersuchen,  er  möge,  da  über  sie  ehrenrührige  Reden 

im  Umlauf  seien,    ihre   Vertheidigung    in    die    Hand    nehmen 

und   ihre   Sache    bei    den    erzbischöflichen   Commissären,    die 

ohnehin  jetzt  im  Lande  wären,  vertreten.^ 

1  Repertorium.         >  Machar,  Vm,  461.  483. 
'  Beide  Originale  im  LandesarchiT. 
*  Deren  Familienname  ist  unbekannt. 
^  Originalschreiben  im  Landesarchiv. 


4B2 

Auch   die  Brunnenfrage  gab  in  diesem  Jahrhundert  An- 
lass  zu  Verhandlungen.   Am  Freitag  nach  Christi  Himmel&hrt 
1530  gab  König  Ferdinand  dem  Pfleger  zu  Liechtenstein  Hans 
Kaming  und  dem  Ratbe  zu  Judenburg  den  Befehl,  das  Kloster 
in  seiner  Wasserleitung  nicht  zu  beirren,  wenn  nur  nicht  dem 
Schlosse  ein  Schade  erwachse.^     Am  Freitag  vor  Beminiscere 
1559    schloss    das    Kloster    einen    Vergleich    mit    FVanz    vod 
TeuflFenbach,  Sophia  Galler  Witwe  und  Christof  Galler  wegen 
Legung  der  Brunnenrohre  über  das  Feld  des  Paradeiser  Holden 
Simon  Oeckrer.  Im  Jahre  1541  wurde  eine  Glocke  angeschaflPt 
und  zu  Ehren  der  heil.  Justina  geweiht.^  Im  Jahre  1561  hatte 
das  Kloster  die  Ehre  und  Freude,  eine  seiner  Bewohnerinnen, 
Barbara  Wolmuth,  als  Aebtissin  in  Timstein  eingesetzt  zu  sehen. 
Die  Installation  geschah  am  12.  März.    Doch  regierte  sie  dort 
nur  kurze  Zeit,  da  schon  am  24.  November  desselben  Jahres  Ur- 
sula Walch  als  Aebtissin  erscheint.^  Es  ist  daher  wahrscheinlich; 
dass   Barbara   Wolmuth   wieder  in   ihr   Mutterkloster   zurück- 
gekehrt  und   mit   der   späteren   Paradeiser  Aebtissin  Barbara 
(1577  —  1579)  identisch  gewesen  sei. 

Um  das  Jahr  1562  waren  die  Franciscaner  von  den 
protestantischen  Bürgern  Judenburgs  aus  ihrem  Kloster  ver- 
trieben worden,  daher  sahen  sich  die  Ciarissen  ihres  geistlichen 
Beistandes  beraubt;  die  Verbindung  mit  dem  Orden  wurde 
immer  mehr  gelockert,  und  endlich  wurde  das  Kloster  der 
Jurisdiction  des  Salzburger  Erzbischofs  untergeordnet.  ^Sorores 
minus  quietam  et  satis  miseram  vitam  ducebant  aliquot  an- 
norum  lustris.'^  Daher  kam  es  auch,  dass  die  Erzbischöfe  die 
Wahlen  der  Aebtissinnen  zu  bestätigen  hatten,  was  sonst  den 
Ministern  des  Ordens  als  Recht  vorbehalten  war.  So  confinnirtc 
Erzbischof  Johann  Jacob  am  1.  September  1581  die  Wahl 
der  Katharina  Waschl  und  Wolf  Dietrich  am  28.  November 
1587  jene  der  Christina  Kolberger  (Khalenperger).* 

Im  Jahre  1577  gab  es  eine  CoUision  mit  dem  Spitale  «u 
Judenburg.  Der  Klosterhirte  weidete  eine  Heerde  von  achtiig 


1  Repertorium.  '  Herzog,  I,  719. 

»  Bi^lsky,  ,Tirn8tein  im  V.  O.  M.  B.*  in  ,Berichte  und  Mittheilungen  d» 
Alterthumsvereins  zu  WienS  in,  171. 

*  Herzog,  I,  606. 

*  Bepertorium.     Aebtissin    Christina   stammt    möglicher    Weise  ans  der 
Familie  RUd  von  Kaienberg. 


433 

Frischlingen  auf  und  an  der  Landstrasse^  und  da  mag  es 
geschehen  sein^  dass  eine  Anzahl  dieser  Thiere  in  den  Burg- 
fried des  Spitales  gerathen  war.  Der  Spitalmeister  Hans 
Grassl  liess  die  ganze  Heerde  in  den  Spitalhof  treiben  und 
gab  sie  erst  nach  längerer  Zeit  wieder  frei.  Die  Aebtissin 
Barbara  sah  in  dieser  Handlung  eine  Verletzung  ihrer  Rechte 
und  begehrte  100,  später  40  Ducaten  Busse  vom  Spital.  Kurz 
ein  Process  in  optima  forma  war  eingeleitet;  Bischof  Georg 
Agricola  von  Seckau  wandte  sich  in  dieser  Angelegenheit  an 
den  Seckauer  Propst  Lorenz,  um  mit  dessen  Hilfe  den  Streit 
zu  schlichten.^  Der  weitere  Erfolg  ist  und  unbekannt. 

Gleich  dieser  Aebtissin  Barbara  scheint  auch  die  Oberin 
Christina  Kalenberger  eine  eifrige  Verfechterin  des  Kloster- 
rechtes gewesen  zu  sein.  Sie  hatte  mit  den  Brüdern  OflFo 
und  Karl  von  TeuflFenbach  zu  Sauerbrunn  Gülten  getauscht 
und  meinte  sich  bei  diesem  Geschäfte  verkürzt  und  über- 
vortheilt,  daher  sie  bei  der  niederösterreichischen  Regierung 
eine  EJage  einbrachte.  Diese  bestellte  im  Juli  1588  den 
Seckauer  Propst  Wolgang  Schweiger,  den  Abt  von  St.  Lam- 
brecht  Johann  Trattner  und  Ehrenreich  von  Mosheim,  salzbur- 
gischen  Kastner  zu  Judenburg,  als  Untersuchungscommissäre.^ 
Indessen  war  sie  von  der  Prälatur  abgetreten,  und  ihre  Nach- 
folgerin Christina  Zankl  dürfte  mehr  friedliebender  Natur  ge- 
wesen sein,  denn  die  ganze  Angelegenheit  schien  vergessen 
zu  sein.  Aber  1595  hatte  die  Kalenbergerin  wieder  die  Leitung 
der  Abtei  in  die  Hände  genommen.  Ihr  energischer  Geist 
holte  die  Papiere  abermals  aus  ihren  staubigen  Gestellen 
hervor  und  wiederum  entbrannte  der  Process  Paradeis  contra 
Teuflfenbach.  Im  Juli  wurden  der  Propst  Sebastian  Koeler 
von  Seckau,  der  Admonter  Abt  Johann  Hofmann  und  Adam 
von  Gallenberg  zur  Untersuchung  abgeordnet  und  ein  Ver- 
handlungstag zu  Sauerbrunn  anberaumt.^  Ueber  das  Resultat 
erfahren  wir  nichts  weiter.  Gleichzeitig  beschwerte  sich  die 
Aebtissin  bei  dem  Admonter  Prälaten,  es  werde  ihrem  Kloster 
eine  Erbschaft,  welche  schon  die  vorige  Oberin  Christina  Zankl 
nach  dem  Tode  des  vulgo  Krotmayr  zu  Eppenstein  hätte  be- 
konmien  sollen,  vorenthalten. 

*  ^ten  des  Landesarchivs. 
'  Acten  des  Landesarchirs. 
'  Acten  im  Admonter  Stiftsarchiv. 


434 

Im  Jahre  1585  setzte  Erzherzog  Karl  nach  Rücksprache 
mit  dem  römischen  Stuhle  die  1562  vertriebenen  Franciscaner 
wieder  ein  und  übergab  ihnen  ihr  altes  Kloster.  Die  Söhne 
des  heil.  Franciscus,  mit  Recht  eifersüchtig  auf  die  Herhaltung 
ihrer  alten  Satzungen  und  Gewohnheiten,  machten  bei  Kirche 
und  Staat  mit  Beharrlichkeit  die  entsprechenden  Schritte,  um 
wieder  in  die  früheren  Beziehungen  zum  Frauenkloster  gelangen 
zu  können.  Ihre  Bemühungen  wurden,  wenn  auch  nach  längerer 
Zeit,  vom  Erfolge  gekrönt,  denn  am  3.  Juni  1598  incorporirte 
und  unterordnete  Bischof  Martin  Prenner  von  Seckau  als 
Commissär  des  Salzburger  Erzbischofs  Wolf  Dietrich  das 
Kloster  Paradeis  wieder  dem  seraphischen  Orden  und  ?ne8  die 
Nonnen  an,  dem  Provinzial  P.  Anton  Kemmerer  gebührende 
Obedienz  zu  leisten.^ 

Geschicke  des  Klosters  im  17.  Jahrhundert. 

Die  Blüthezeit  des  Klosters  ist  nun  längst  vorüber.  Türken, 
Feuersbrunst,  die  durch  den  Protestantismus  bedingte  freiere 
Geistesrichtung,  die  sogenannte  Quart,  die  stets  wiederkehrenden 
Anforderungen  des  Staates  trugen  bei,  den  materiellen  Wohl- 
stand zu  schädigen  und  auch  die  innere  Disciplin  im  Hause 
zu  lockern,  so  dass  sogar  eine  Reform  von  aussen  her  als 
nothwendig  erschien. 

Im  Jahre  1607  ertheilte  Papst  Paul  V.  einen  Abl&ss  für 
diejenigen,  welche  am  Feste  der  Himmelfahrt  Maria»,  als 
am  Patrociniumstage  der  Klosterkirche,  dieselbe  andächtig  be- 
suchen.^  Auch  Urban  VIH.  öfl&iete  im  Jahre  1632  den  Schatz 
kirchlicher  Indulgenzen,  und  zwar  für  die  Bewohnerinnen  des 
Klosters,  so  oft  sie  die  zum  Andenken  an  die  sieben  Haupt- 
kirchen Roms  in  den  Hallen  und  Kreuzgängen  aufgestellten 
sieben  Altäre  besuchten,  und  wenn  sie  zu  vier  verschiedenen 
Jahreszeiten  die  sogenannte  heilige  Treppe  (scala  sancta)  aof 
den  Knieen  sich  fortbewegend  erklommen  hatten  (,8i  flexis 
genibus  conscenderint').^  An  Stiftungen  ist  im  ganzen  Jahr- 
hundert nur  eine  zu  verzeichnen.  Am  12.  August  1613,  König* 
stetten,   schenkte  der  Passauer  Hofkammerrath  Johann  Kris- 


1  Herzog,  I,  607. 

2  Herzog,  I,  721. 
•>  Herzog  a.  a.  O. 


4a5 

neritsch  6000  Golden  für  einen  Jahrtag ^  ftir  ein  monatliches 
Requiem  und  eine  Messe  an  allen  Qnatembertagen.  Jedem 
Priester  sollen  8  Schilling  und  eine  Wachskerze,  am  Jahrtage 
den  Armen  12  Gulden  und  den  Franciscanern  15  Gulden  ge- 
reicht werden.  Diese  Stiftung  bestätigte  Erzherzog  Ferdinand 
am  24.  Juni  1614,  und  der  bezügliche  Revers  der  Aebtissin 
and  ihres  Conventes  trägt  das  Datum  12.  August  1614.^ 

Am  1.  Juli  1614  schenkte  Erzherzog  Ferdinand,  der  be- 
sondere Wohlthäter  und  Freund  des  Klosters,^  demselben  ein 
Fischwasser  an  der  Pölsen,  worauf  am  5.  Jänner  1615  eine 
zu  diesem  Zwecke  abgeordnete  Commission  die  Grenzen  des- 
selben näher  bestimmte.^  Auch  bestätigte  der  erlauchte  Fürst 
am  30.  April  1614  das  Tafemrecht  zu  Fürth  am  Möschnitzbache. 

Mit  Wilhelm  Rauchenperger  zu  Hainfelden  tauschte  im 
September  1607  die  Aebtissin  Margaretha  Grasl  einen  Acker 
im  Pirkfeld  gegen  einen  solchen  an  der  Elm,  ein  Baumgärtl 
in  Unterzeiring  und  zwei  Aecker  beim  Rauchenperger  altem 
Hofstock,  *  und  mit  David  Rauscher,  Hammermeister  zu  Murau, 
die  Oede  zu  Stallbaum  sammt  dem  Seewiesel  gegen  das  Finken- 
lehen ob  Falkendorf  bei  Murau.  ^  Bei  einem  Waldstreite  mit 
dem  Stifte  Admont  Hess  sich  die  Aebtissin  Anna  Resslmair 
durch  ihren  Schaffner  Matthäus  Lackher  vertreten.  Der  da- 
mals (6.  September  1614)  geschlossene  Vergleich  wurde  im 
Jahre  1763  in  mehreren  Punkten  abgeändert,  wobei  im  Namen 
des  Klosters  dessen  Verwalter  Peter  Anton  Schabl  inter- 
venirte.  Es  handelte  sich  um  Wald-  und  Weidenutzung  zu 
Aichdorf  bei  Fohnsdorf.^ 

Wir  haben  schon  hervorgehoben,  dass  unser  Paradeis  bei 
den  Pröpsten  des  nahen  Seckau  oft  Rath  und  Hilfe  gesucht 
und  gefunden  habe.  Ein  besonderer  Gönner  des  Frauenklosters 
war  der  Propst  Anton  de  Potiis.     Dieser  schenkte  1630  den 


1  Acten  im  steierm.  Landesarchiv. 

'  Eine  Reihe  von  Briefen,  welche  wir  im  Aaszuge  mitzutheilen  in  der 
angenehmen  Lage  sind,  wird  uns  über  die  wahrhaft  freundschaftlichen 
Benehnngen  des  ElnhenBOgs  und  nachmaligen  rtfmischen  Ktfnigs  und 
seiner  Oemablin  Maria  Anna  hinlänglich  unterrichten. 

'  Repertorium. 

*  Acten  im  Landesjurefaiy» 

^  Ebendaselbst. 

^  Admonter  Archiv. 

ArehiT.  Bd.  LIIUI.  II.  Hilft«.  29 


436 

Nonnen  den  Göltlhof  (Goldhof).  Als  König  Ferdinand  diese 
seinen  Schützlingen  erwiesene  Wohlthat  erfahren  hatte^  richtete 
er  ein  eigenhändiges  Anerkennungsschreiben  an  den  Propet* 
Am  24.  Februar  1637  erhielt  das  Klöster  im  Tauschwege  Ton 
Andreas  Eder  zu  Kainbach  ungenannte  Güter.  ^  Am  20.  Juni 
1664  wechselten  Abt  Raimund  von  Admont  und  die  Aebtissin 
Anna  Mai-ia  Preuenhuber  Wiesen  zu  Buch.^  Im  Jahre  1676  ver- 
pachtete Admont  auf  sechs  Jahre  dem  Frauenkloster  den  Stadt- 
und  Bergzehent  um  Judenburg  für  jährlich  hundert  Thaler.  Der 
Berg-  (Bürgler)  Zehent  wurde  gehoben  im  Ossergraben,  Rastat, 
Oberweg,  Reifling,  Auerling,  am  hangenden  Weg  und  zn 
Fehberg.  Ausgenommen  war  der  an  den  Freiherm  Heinrichs- 
berg in  Bestand  hintangelassene  Zehent.  Am  6.  Mai  1677 
gab  Pudentiana  Reichenauer,  geborne  Geyer  von  Geyersegg, 
testamentarisch  ihr  Gut  Oberdorf  bei  Mariahof  sammt  Zugehör 
den  Clarissen.^  Mit  dem  Rathe  zu  Judenburg  schloss  das 
Kloster  am  1.  Jänner  1680  einen  Vergleich  bezüglich  der  An- 
lait  und  anderer  Gaben  und  Dienste  von  zwei  Häusern  und 
einem  Garten  in  der  Stadt.  Später  im  Jahre  1756  stellte  der 
Rath  einen  Revers  aus,  das  Jus  inventandi  in  diesen  Häasera 
nur  in  dem  Falle  üben  zu  wollen,  wenn  auf  denselben  ein 
bürgerliches  Gewerbe  geübt  würde.* 

Abermalige  Absicht,  das  Kloster  an  einen  andern  Ort  xn 

übertragen.    Klosterreform. 

Luther's  Lehre  hatte  auch  zu  Judenburg  schon  frühzeitig 
Fuss  gefasst.  Die  Franciscaner  waren  1562  aus  ihrem  Kloster 
verdrängt  worden,  und  Paradeis  musste  auf  die  Tröstungen 
seiner  geistlichen  Führer  Verzicht  leisten.  Die  Bürgerschaft 
und  der  Adel  auf  den  umliegenden  Schlössern  hielt  zur  Lehre 
des  Reformators  von  Wittenberg  und  untersagte  seinen  Fraaen 
und  Töchtern  jeden  Verkehr  mit  den  Nonnen.    Die  natüiüche 


»  Herzog,  I,  719. 

3  Bepertorinm.    Da  Eder  das  Schloss  Bothentharm   bei   Jadenbaij^  und 

die   Mauth   zu  Zeiring  innehatte ,    dürften   die  Taoschobjecte  wohl  in 

dieser  Gegend  zu  suchen  sein, 
s  Bevers  der  Aebtissin  mit  zwei  Siegeln  im  Admonter  Arehir. 
*  Bepertorinm. 
^  Ebendaselbst. 


437 

Folge  war,  dass  sich  keine  oder  nur  wenige  Frauen  zum  Ein- 
tritte  in   das  Kloster  meldeten    und  der  Convent  eine  immer 
schwächere  Anzahl  von  Gliedern  aufwies.   Zwar  war  im  März 
1600  die  Gegenreformation  auch  in  Judenburg  ins  Werk   ge- 
setzt  worden ;   aber   die  Nachwehen   des  Protestantismus   und 
der   den   Klöstern   abholde   Geist   waren   noch   lange   fUhlbar. 
Es  mag   hier   bemerkt  werden,   dass   keine   der  Nonnen   vom 
katholischen  Glauben  abgefallen  war.     Die  Schwierigkeit  der 
Verhältnisse  und  die  geringe  Aussicht,  dass  der  Convent  sobald 
wieder   zum   vorigen    Flor  gelangen   werde,   Hessen   den   Ent- 
schlußs   fassen,   in   ein   anderes  Kloster   desselben    Ordens   zu 
ziehen.     Diesem  Wunsche  kam  die  Erzherzogin  Maria,  Witwe 
Carls  von  Steiermark,  welche  kurz  zuvor  (1603)  das  Clarissen- 
kloster  zu  Allerheiligen  im  Paradeis  zu  Graz  gegründet  hatte, 
entgegen,  indem  sie  die  Judenburger  Nonnen  einlud,  sich  dem 
neuen  Kloster  in  Graz  einverleiben  zu  lassen.    Verhandlungen 
wurden  im  Jahre  1605  eingeleitet,  und  Ihrer  fürstlichen  Durch- 
laucht Commission   gab  den  Paradeiserinnen  folgende  Punkte 
kund:  Man  fragt,  ob  sie  geneigt  seien,  sich  der  in  ihren  Stift-  und 
Privilegienbriefen  enthaltenen  Rechte  und  Pflichten  zu  begeben ; 
die  Renten   und   der  volle   Besitz   soll   dem   Kloster  in   Graz 
,appUcirt   vnd   allerdings   vniert^   werden.     Die  Nonnen   sollen 
bedenken,  dass  ihre  Transferirung  ihrem  Seelenheile  erspriess- 
lich  sei    und  mit  päpstlichem    und   landesherrlichem    Consens 
vor  sich  gehe;  ein  Inventar  des  Ellosters  und  ein  Vermögens- 
ausweis  sei  vorzulegen;  endlich  soll  Rebhuen^  die  klösterlichen 
Beamten    controliren    und    ,aller8eits    vleissige    Administration 
praestiem'.^    Nach   einigen  Bedenken  formulirten  die  Nonnen 
folgende  Bedingungen,   unter  welchen  es  ihnen  allein  möglich 
scheine,   nach  Graz   zu   gehen.     Es   komme  ihnen    bedenkUch 
vor,   ihr  altes  Erlöster  zu  verlassen,   weil  es  nach   den  Inten- 
tionen  der  Stifter   nur  zu  Judenburg  zu  bestehen    habe   und 
60  viele  fromme  Fundationen  an   die  Kirche  im  Paradeis   ge- 
bunden seien.    Um  ihr  Gewissen  zu  entlasten,  möge  die  geist- 
liche und  weltliche  Obrigkeit  die  Verantwortung  auf  sich  nehmen; 
die  dem  Kloster   gehörigen  Liegenschaften  soUen   nicht   ver- 
äussert  werden;  man  möge  sie  nicht  verpflichten,   fUr  immer 


*  Sigmund  Bephnenf  Pfarrer  zn  Pols  und  früher  zn  Judenbnrg. 
^  Act  des  Landesarchivs  ohne  Datirung. 


438 

in  Graz  zu  bleiben,  sondern  ihnen  die  Zusage  machen  ^  zu 
fiiglicher  Zeit  wieder  ihr  altes  Heim  beziehen  zu  dürfen;  sie 
wollen  auch  in  Zukunft  dem  seraphischen  Orden  und  öster- 
reichischen Provinzial  unterworfen  sein,  ,sintemahlen  ihnen  wohl 
bewusst  ist  (welches  sie  auch  leichtlich  in  kein  Vei^essenheit 
stellen  werden),  was  ftir  ein  confusion,  irr-  vnd  zerrittung 
damahls  vnter  denen  Schwestern  gewest  ist,  als  sie  ausser  des 
h.  Ordens  schütz  gelebet  haben';  sie  wollten  daher  keiner  andern 
Provinz  untergeordnet  sein  als  ihrer  bisherigen,  der  öster- 
reichischen, und  sie  seien  entschlossen,  früher  keinen  Schritt  aus 
ihrem  Kloster  zu  machen,  bevor  sie  nicht  mit  ihrem  Provinzial, 
den  sie  stündlich  erwarten,  Rücksprache  gepflogen  hätten.' 

Da  die  Ciarissen  in  Graz  ihre  ersten  Schwestern  aus 
St.  Jacob  in  Mainz  erhalten  hatten,  standen  sie  (bis  1687) 
unter  der  Jurisdiction  der  Strassburger-Bayrischen  Provinz. 
Dieser  Umstand  war  für  die  Frauen  des  Judenburger  Klosters 
in  erster  Linie  entscheidend,  daher  blieben  sie  in  ihrem  alt- 
gewohnten Hause.  Immerhin  muss  einige  Gefahr  dem  Kloster 
gedroht  haben,  denn  sonst  hätte  der  Generalcommissär  des 
Ordens,  Alphonsus  Requesens,  nicht  Anlass  gehabt,  am  3.  De- 
cember  1605  eine  Zuschrift  an  die  Nonnen  zu  richten.  In 
dieser  ermahnt  er  sie,  womöglich  in  Judenburg  auszuharren, 
so  lange  nicht  offene  Gewalt  stündlich  in  ihr  Haus  einzugreifen 
drohe.  In  diesem  Falle  erlaube  er  ihnen,  in  das  Kloster  ihres 
Ordens  zu  Brixen  zu  fliehen  und  dort  ruhigere  Zeiten  ab- 
zuwarten. Diese  Zuschrift  sollte  ihnen  als  Geleitschein  dienen 
und  ihnen  auf  der  Reise  sowohl,  als  in  Brixen  selbst  freund- 
liche Aufnahme  und  liebevolle  Behandlung  verschaffen.' 

Doch  gestalteten  sich  die  Zustände  besser  und  hoffnungs- 
reicher, und  die  Schwestern  sahen  keinen  Anlass  mehr,  den 
Wanderstab  zu  ergreifen.  Aber  sie  waren  zur  Erkenntniss 
gelangt,  dass  nur  eine  eingreifende,  vom  Orden  selbst  aus- 
gehende Reform  im  Haupte  und  in  den  Gliedern  den  geistigen 
und  materiellen  Glanz  ihres  Hanses  wieder  herstellen  könne. 
Die  Aebtissin  Margaretha  Grasl,  welche  die  Last  ihrer  Würde 
schwer  drückte,  und  der  Convent  betrieben  diese  Angelegen- 
heit bei  der  Erzherzogin  Maria  Anna,  der  Gemahlin  Ferdinands, 


>  Hemog,  I,  708. 
)  Henog,  I,  709. 


439 

und  richteten  im  Beginne  des  Jahres  1609  ein  Sendschreiben  ^ 
an  die  Oberin  des  Königsklosters  zu  Wien,  Agnes  PurckoflFsky, 
mit  der  Bitte,  sie  möge  ihnen  eine  Reformatorin  senden.  Selbst- 
verständlich musste  die  ganze  Sache  an  den  römischen  Stuhl 
gebracht  werden,  und  Paul  V.,  welcher  mit  Freuden  diese 
Sehnsucht  nach  einer  geistigen  Erneuerung  des  Klosters  ver- 
nahm, Hess  am  3.  October  1609  durch  den  Cardinal  Borghese 
an  den  Nuntius  in  Graz  Job.  B.  Salvaggo  (Salvagi),  Bischof 
von  Luni-Sarzana ,  den  Auftrag  ergehen,  die  Uebersiedlung 
von  zwei  Frauen  aus  Wien  nach  Judenburg  einzuleiten,  deren 
eine  hinlänglich  geeignet  wäre,  die  Reform  durchzuführen  und 
die  ganze  Leitung  des  Klosters  zu  übernehmen.^  Diesem  Be- 
fehle nachkommend,  gab  der  Nuntius  dem  Provinzial  P.  Bona- 
ventura Daumius  (Tomio)  folgende  Weisung.  Er  möge  zwei 
Chorfrauen  aus  dem  Königski oster^  welche  die  dortigen  Nonnen 
zu  wählen  hätten,  nach  Paradeis  abordnen,  und  die  Ueber- 
siedlung derselben  sei  mit  möglichster  Schnelligkeit  in  Be- 
gleitung einer  ehrbaren  Matrone  so  zu  veranstalten,  dass  die 
Schwestern  auf  der  ganzen  weiten  Reise  sich  als  inner  der 
geistigen  Clausur  der  Ehrbarkeit  und  des  sittlichen  Anstandes 
betrachten  sollen. ^ 

Der  Convent  zu  Wien  bestimmte  die  zwei  Chorschwestern, 
Anna  Röslmayr  und  Barbara  Furtwagner  und  die  Laien- 
schwester Barbara  Schwäger  zu  dieser  schwierigen  Mission. 
Erstere  war  zur  Reformatorin  und  Oberin  im  Paradeis  be- 
stimmt. Bevor  aber  Schwester  Anna  die  schwere  Bürde 
ihres  Amtes  übernahm,  stellte  sie  bittweise  acht  Bedingungen, 
unter  welchen  sie  allein  einen  glücklichen  und  nachhaltigen 
Erfolg  ihrer  Thätigkeit  erwarten  könne.  Diese  waren:  Der 
Provinzial  möge  jährlich  in  eigener  Person  das  Kloster  visitiren ; 
der  Beichtvater  der  Nonnen  soll  dem  Franciscanerorden  an- 
gehören; ihr  imd  ihren  Genossinnen  stehe  die  Rückkehr  nach 
Wien  frei,  wenn  sie  im  Paradeis  nichts  ErspriessUches  zu  wirken 
im  Stande  wären ;  das  Kloster  soll  in  die  Lage  gesetzt  werden, 
Auswahl  in  Fastenspeisen  beschaffen  zu  können;  bezüglich  der 
Disciplin,   des   Gottesdienstes,    Chorgebetes   und   der   internen 


^  »Litteras  patbeticis  in  termmis  ab  omnibus  subscriptasS    Herzog,  I,  710. 
^  Ebendaselbst. 


f  Ebendaselbst. 


440 

Verrichtungen  sollen  die  Statuten  des  Königskloster  mass- 
gebend  sein;  die  Aufnahme  von  Candidatinnen  soll  dem  Con* 
vente  freigestellt  werden;  ein  eifriger  Prediger  aus  dem  Orden 
sei  nothwendigy  und  endlich  soU  die  Clausur  auch  fremden 
Frauen  nicht  zugänglich  sein.  Die  Erfüllung  dieser  Bedingungen 
wurde  am  4.  Februar  1610  zugesagt;  worauf  die  drei  auser- 
lesenen Schwestern  in  einem  geschlossenen  Wagen  unter  der 
schützenden  Begleitung  der  Edelfrau  Veronica  von  Mollard, 
gebornen  von  Holleneck,  in  Judenburg  ankamen.  Hier  wurde 
nach  der  Resignation  der  bisherigen  Oberin  Margaretha  Grasl, 
um  der  Form  zu  genügen,  Anna  Röslmayer  von  dem  Convente 
einstimmig  gewählt  (,absens  postulata,  praesens  vero  denuo 
electa^).  Am  26.  Februar  1610  bestätigte  der  Provinzial  Gabriel 
Bonaventura  Daumius  diese  Wahl  und  stellte  in  der  bezü^ichen 
Urkunde^  der  neuen  Aebtissin  das  glänzendste  Zeugniss  ihrer 
Tugenden  aus. 

Anna  Röslmayr  war  in  zarter  Kindheit  an  den  Hof  der 
ehemaligen  Königin  Elisabeth  von  Frankreich,  der  Tochter 
Kaisers  Maximilian  H.,  gekommen,  und  als  diese  1582  das 
Königskloster  zu  Wien  gegründet  hatte,  trat  sie  in  dasselbe 
und  bekleidete  später  daselbst  durch  zwölf  Jahre  das  Amt 
der  Priorin,  bis  ihre  Berufung  nach  Paradeis  erfolgte.  Da  die 
Wahlen  damals  nur  auf  drei  Jahre  sich  erstreckten,  wurde  sie 
siebenmal  gewählt,  ein  Beweis,  dass  sie  die  Liebe  und  das 
volle  Vertrauen  ihrer  Mitschwestem  genoss  und  vollauf  den 
Erwartungen  entsprochen  hat,  welche  man  schon  bei  ihrer 
ersten  Berufung  vorausgesetzt  hatte.  Die  innere  Reform  des 
Klosters  gelang  ihr  in  erfreulicher  Weise,  und  auch  die  äusseren 
Verhältnisse  besserten  sich.  Sie  lebte  wahrhaftig  heiligmässig, 
und  zwei  merkwürdige  Ereignisse,  welche  sich  bei  ihrem  am 
21.  April  1630  erfolgten  Ableben  zutrugen,  waren  geeignet, 
den  Ruf  ihrer  Frömmigkeit  in  ferne  Kreise  zu  tragen.'  Als 
man  im  September  1635  die  Fundamente  zu  einem  Neubau 
legte,   wurde   ihre    sterbliche   Hülle    erhoben   und    unversehrt 


^  Herzog,  I,  712.  Die  Urkunde  ist  gegeben  ^Judenbnrgi  ex  aedibiu  eon- 
fessomm^  woraus  erhellt,  dass  die  Franciscaner,  welche  als  BeichtWUar 
und  Prediger  im  Paradeis  fungirten,  ein  eigenes  Haus  bewohnt  haben. 

2  P.  Anton  Stöckler,  ,Tugent-8piegel* ,  Wien  1676,  8.  437.  P.  Fortunit 
Huber,  ,Stammen-Buch  oder  .  .  .  Vorstellung  .  .  .  aller  Heyligen  nn^ 
Seeligen .  .  .'  München  1693,  S.  207. 


441 

gefunden.  ^Corpus  elapso  quinquennio ,  dum  vetus  claustrum 
minae  proximum  reaedificaretur,  ab  operariis  e£Fo8um  gratum 
spargens  odorem;  flexibile;  et  pallidum  in  vivacem  mutans 
colorem  incorruptumque  ad  omnium  stuporem  repertum  est/^ 
üeber  diesen  Vorgang  wurde  ein  Protokoll  aufgenommen  und 
von  Conrad  Haller,  Stadtpfarrer,  Anton  Liscuthin,  J.  U.  Dr., 
Hermann  Heinricher  von  Heinrichsperg,  Burggrafen  zu  Juden- 
huTgy  und  Adam  Gbimming,  Pfleger  zu  Fohnsdorf,  unterfertigt. 
Als  Zeugen  waren  noch  vier  Judenburger  Bürger  beigezogen. 
Um  Stil  und  Richtung  dieses  Protokolls  anschaulich  zu  machen, 
geben  wir  hier  wörtlich  den  dritten  Punkt  desselben:  ,Drittens 
anbelangend  die  Kleyder,  seynd  selbe  gantz  und  frisch,  das 
Scapulier  in  allen  bey  seiner  rechten  Färb  und  der  Schlayr 
nur  ein  wenig  auf  der  Seiten  herumb  schleissig;  darbey  auch 
neben  ihr  ein  PfillterP  von  Holtz  um  den  Hals  hangend, 
welcher  sambt  den  seydenen  Schnürl  und  dem  Creutzl  aus 
Federkiel  gemacht,  auch  S.  Joannis  Evangelium  darinnen,  ganz 
miverletzter  zu  sehen  gewesen.  Nicht  weniger  drey  Cräntzl 
von  Blumen- Werck,  deren  Seyden  noch  guter  Färb  imd  einer 
darunter  von  falschen  Gold  sehr  glantzend;  die  zerribene 
Blumen  aber  geben  von  sich  ihren  natürlichen  Geruch.' 

Wir  sehen,  dass  die  Aebtissin  ohne  besondere  Kenn- 
zeichen  ihrer  Würde,  ohne  Beigaben  von  Edelmetall  bestattet 
gewesen  ist  imd  also  wie  im  Leben  so  im  Grabe  die  Armuth 
ihres  Ordens  gewahrt  wissen  woUte.  Der  Leib  wurde  nun  in 
einem  Holzsarge  verschlossen  im  gewöhnlichen  Klosterfriedhof 
beigesetzt,  und  als  am  3.  August  1650  eine  abermaÜge  Ex- 
humirung  vorgenommen  wurde,  fanden  sich  nur  noch  die  Ge- 
beine und  wurden  selbe  in  die  Gruft  der  Aebtissinnen  über- 
tragen. ^ 

Freundliche  Beiiehungen  des  Klostert  zum  Begentenhauie. 

Wir  haben  schon  oben  bemerkt,  dass  schon  1605  die 
Erzherzogin  Maria  die  Uebersiedlung  der  Ciarissen  nach  Gh-az 
lebhaft  gewünscht  und  betrieben  habe.  Die  Aebtissin  Anna 
Röslmayr  war  in  ihrer  Jugend  längere  Zeit  am  Hofe  der  Erz- 

»  Heraog,  I,  712. 
'  Bofenkranz. 
»  Herzog,  I,  716. 


442 

Herzogin  Elisabeth^  verwitweten  Königin  von  Frankreich,  und 
als  sie  Oberin  im  Paradeis  geworden  war,  wurde  sie  von  den 
Mitgliedern  der  steirischen  Linie  des  Hauses  Habsburg  geehrt 
und  ausgezeichnet.  Aber  auch  eine  andere  Klosterfrau,  Anna 
Elisabeth  Freiin  von  Brenner,  war  im  steten  Contacte  mit  dem 
erzherzoglichen  Hofe.  Sie  war  die  Tochter  des  Obersthof- 
marschalls Jacob  Brenner  und  der  Magdalena  Renata  Freiin 
von  Preising.  Sie  war  Hofdame  bei  Maria  Anna,  der  Gemahlin 
des  Erzherzogs  Ferdinand.  Ihr  Klostername  war  Francisca» 
Das  Verhältniss  der  beiden  Nonnen  Anna  und  Francisca,  der 
Aebtissin  und  Priorin,  zum  Hofe  in  Graz  darf  fast  ein  familiäres 
genannt  werden  und  hatte  auch  fUr  das  Kloster  seine  guten 
Folgen. 

Wir  sind  in  der  angenehmen  Lage,  eine  Reihe  von  Briefen ' 
im  Auszuge  mittheilen  zu  können,  welche  die  Erzherzogin  Maria 
Anna  an  unsere  Paradeiserinnen  gerichtet  hat.  An  diese  schhessen 
sich  ein  Schreiben  des  Erzherzogs  Maximilian  Ernst,  Gross- 
meisters des  deutschen  Ordens,  und  ein  solches  der  Erzher- 
zogin Maria  Magdalena,  Grossherzogin  von  Florenz.  Wir  skiz- 
ziren  hier  kurz  den  Inhalt  dieser  Briefe.  Am  26.  Mai  1611 
sendet  Maria  Anna  der  Aebtissin  ein  Altartuch.  Die  eiserne 
Thür  sei  schon  fertig  und  werde  ehestens  hinaufgelangen.  Am 
15.  Juni  bedauert  sie,  dass  das  Klostergebäude  im  schlechten 
Zustande  sei  und  wenig  Mittel  vorhanden  wären,  den  nöthigen 
Neubau  zu  fUhren.  Sie  schickt  der  Aebtissin  ein  Intercessions- 
schreiben  an  Abt  Johann  von  Admont,  damit  derselbe  tausend 
Gulden  vorschiesse.  Sie  möge  der  Schwester  Brenner  sagen, 
sie  (die  Prinzessin)  und  ihr  Gemahl  hätten  am  letzten  Kirch- 
tage ihrer  nicht  vergessen,  sondern  hätten  eine  Truhe  voll 
Gewürz  f\ir  sie  in  Bereitschaft.  Schliesslich  empfiehlt  sie  sich 
,sambt  meiner  klainen  Pursch'^  dem  Gebete  des  Conventes.  In 
einem  Postscriptum  berichtet  sie,  dass  ihr  Schwager,  der  Pfalz- 
graf, sich  zur  katholischen  Religion  bekehrt  habe.  Am  11.  De- 
cember  drückt  sie  an  die  Franzisca  Brenner  ihr  Mitleid  aus, 
dass  es  dem  Kloster  nicht  am  besten  gehe,  und  sendet  Seide 
und  Gold-  und  Silberftlden  zu  weiblichen  Handarbeiten.    Ein 


>  Zwei  Originale,  die  übrig^en  Copien  im  Landesarchir. 
9  Kinder  der  Ersberao^n:  Jobann  Carl  damals  6  Jabre  nnd  Ferdinaod 
3  Jabre  alt. 


443 

Dinrnale  habe  sie  bestellt  und  ein  Bildet^  auf  welches  Erz- 
herzog Ferdinand,  ihr  Gemahl;  seinen  Namen  schreiben  werde. 
Sie  fragt  an,  ob  die  königliche  Brant*  ihnen  etwas  geschenkt 
habe.  In  einem  Schreiben  an  die  Äebtissin  vom  12.  December 
beklagt  sie  den  Tod  der  frommen  Königin  von  Spanien.  Die 
versprochene  Fastenspeise  werde  sie  ehemöglichst  senden.  Sie 
habe  kein  Antiphonar  auftreiben  können,  werde  aber  ein  solches 
schreiben  lassen.  Am  18.  December  richtet  sie  wieder  einen 
Brief  an  Francisca  Brenner.  Sie  spricht  ihren  Dank  aus,  dass 
das  Kloster  einen  Trauergottesdienst  ftir  die  spanische  Königin 
gehalten  habe. 

Vom  9.  Jänner  1612  datirt  ein  Schreiben  des  Erzherzogs 
Maximilian  Ernst  an  die  Brenner.  Er  bedankt  sich  fttr  den 
Keujahrswunsch  und  fUr  das  erhaltene  Agnus  dei.  Zugleich 
sendet  er  Südfrüchte  und  Zucker  und  fUr  die  Äebtissin  zwölf 
Ellen  goldene  Borten.  Am  4.  April  berichtet  die  Erzher- 
zogin Maria  Anna  der  Priorin  Brenner  über  zwei  Ordenscan- 
didatinnen;  die  eine  sei  aus  München,  die  andere  eine  Tochter 
der  Doctorin  Clar.^  Ihre  Kleine,^  schreibt  sie,  lässt  Dank 
^en  für  das  Ohrgehänge;  sie  darf  es  aber  noch  nicht  tragen, 
um  nicht  ho£Färtig  zu  werden.  Sie  sendet  Gewürz  und  ,Wein- 
berl'  und  ihr  Gemahl  drei  Zuckerhüte  und  das  versprochene 
Bildl  mit  seinem  Namenszug.  Dieser  sei  aber  ,was  aussgelest^; 
das  habe  der  Ferdinand^  gethan,  weil  er,  ,ehe  es  Trukhen 
worden',  darnach  gelangt  habe.  Aus  dem  Briefe  geht  auch 
hervor,  dass  damals  der  Botenverkehr  von  Graz  über  Lanko- 
witz  und  die  Stubalpe  nach  Judenburg  gegangen  sei.  Am 
31.  Mai  schickt  die  Erzherzogin  in  Begleit  von  wenigen  Zeilen 
ein  ,LöbersälbeP.  Am  6.  Juli  schreibt  sie  der  .Brenner,  der 
Rottal  habe  das  Geld  schon  bereit,  und  man  möge  nur  die 
schriftlichen  Behelfe  einsenden.^     Sie  empfiehlt  zwei  Mädchen 


^  Hier  ist  die  Erzherzogin  Margaretha  gemeint,  welche  als  Gemahlin  des 
Königs  Philipp  III.  von  Spanien  am  3.  October  1611  gestorben  war. 

*  Maria  Magdalena  Clar  erscheint  noch  1637  ab  Nonne  in  Paradeis. 
'  Erzherzogin  Maria  Renata,  etwas  über  2  Jahre  alt. 

*  Nachmals  Ferdinand  III.,  damals  nicht  völlig  4  Jahre  alt. 

^  Es  handelte  sich  nm  das  Heiratsgnt  einer  gebomen  Rottal  nnd  ver- 
witweten Teuffenbach,  welche  unter  dem  Namen  Clara  in  das  Kloster 
getreten  war. 


444 

ftlr  das  Kloster;  sie  habe  selbe  indessen  im  Paradeis  zu  Gras 
untergebracht.  Am  6.  August  1613  sendet  sie  für  eine  kranke 
Nonne  einen  Ring.  ^Derfft  nicht  gedenkhen^  das  etwan  eine 
Zauberei  oder  aberglauben  seye.'  Sie  berichtet^  dass  sie  nach 
Neustadt  reise  ^  dort  woUe  sie  Glasscheiben  und  Blei  für  das 
Kloster  einkaufen.  Den  letzten  Brief  an  die  Breuner  richtete 
Erzherzogin  Maria  Anna  am  2.  August  161Ö.  Sie  spricht  in 
demselben  von  Gütern  des  Klosters,  welche  die  Judenbuiger 
in  Händen  hätten  ^  von  der  Liechtensteiner  Capelle  und  einer 
Geldschuld  an  Admont.  Sie  stellt  eine  Ordensnovizin  in  Aus- 
sicht, erzählt;  dass  der  Hof  in  der  Gegend  von  Brück  des  edlen 
Waidwerkes  sich  erfreuen  werde ,  und  es  ihr  dann  vielleicht 
möglich  sein  werde,  einen  Besuch  im  Paradeis  zu  machen.  Am 
15.  October  1616  schrieb  Maria  Magdalena,  Grossherzogin  von 
Florenz,  an  die  Breuner.  Sie  bedankt  sich  für  das  Q^bet  de^ 
selben  und  tröstet  sie  über  den  Tod  der  Erzherzogin  Maria 
Anna.*  Sie  wisse  den  Verlust  zu  würdigen,  welchen  das  Kloster 
erfahren  habe.  Sie  trägt  der  Breuner  auf,  auf  ein  Pathenkmd 
(aus  dem  Hause  Frank),  ein  wachsames  Auge  zu  richten.  Im 
Jahre  1619  hatte  eine  Klosterfrau  in  Paradeis  ein  Gratulati<m8- 
schreiben  an  Ferdinand  H.  gerichtet  aus  Anlass  der  erlangten 
Würde  eines  römischen  Königs.  Am  7.  November  beant- 
wortete er  diese  Zuschrift.^  Wir  können  nicht  irren,  wenn 
wir  in  jener  Klosterfrau  die  Schwester  Francisca  Breuner  er- 
bhcken.  Nach  dem  Tode  der  Oberin  Anna  Röslmayr  wurde 
sie  1630  zur  Aebtissin  gewählt,  xmd  sie  ist  am  22.  Juli  1637 
als  solche  gestorben.  Hier  mag  noch  einer  Tradition  gedadit 
werden,  welche  im  18.  Jahrhundert  unter  den  Nonnen  vot- 
breitet  war.  Es  sollen  nämlich  zwei  Erzherzoginnen  im  Kloster 
den  Schleier  genommen  haben,  und  eine  sei  sogar  die  Schwester 
(!)  des  Papstes  gewesen.  ,Harum  nomina  edisserere  nequeunt,^ 
bemerkt  Herzoge  imd  Caesar  sagt:  ,Nomina  quidem  eanun 
latent.'  Als  Beweis  für  die  Richtigkeit  der  ihnen  liebgewor- 
denen Ueberlieferung  pflegten  sie  ein  auf  Pergament  geschrie- 
benes Diumale  vorzulegen,  dessen  Einband  ein  erzherzogliches 
Wappen  trug.  Wir  wissen  jedoch  aus  dem  Briefwechsel  der 
Erzherzogin  Maria  Anna  mit  der  Schwester  Francisca  Breuner, 


i  Gestorben  am  18.  Märe  1616  zu  Gras. 

2  ,Mitth.  des  histor.  Vereines  für  Steiermark^  lY,  26. 


445 

dsLss  entere  versprochen  hatte^  ein  solches  Buch  schreiben  zu 
lassen,  und  als  es  einlangte,  war  es  wohl  mit  dem  Wappen 
der  hohen  Geberin  geschmückt. 

Sonstige  Vorfalle  im  17.  Jahrhundert.   Kirchen-  nnd  Klosterban. 

Ueber  den  höchst  baufklligen  und  ruinenhaften  Znstand 
der  Klostergebäude  haben  wir  schon  in  dem  Briefe  der  EJrz- 
herzogin  Maria  Anna  vom  15.  Juni  1611  eine  Andeutung  ge- 
funden. Im  Jahre  1606  wandte  sich  die  Aebtissin  Margaretha 
Orasl  an  die  Landschaft  um  Beihilfe  zum  Neubau,  und  die  land- 
schafüichen  Ausgabenbücher^  enthalten  unter  19.  September 
dieses  Jahres  die  Stelle:  ,Frauen  Margretta  Abbtessin  des 
Junkfirau  Closters  s.  Clarae  Ordens  zu  Judenburg,  die  auf  der 
ftlrstl.  Durchlaucht  gnedighiste  Intercession  zur  Erhebung  irs 
paofelügen  Closters  vermüg  Landtags  Ratschlag  vom  3.  Fe- 
bruar 1605  guet  gemacht  150  Gulden.'  Uebrigens  scheint 
unter  dieser  Aebtissin,  welche  1610  abgedankt  hatte  und  am 
21.  September  1616  als  Priorin  gestorben  war,  nicht  viel 
gebaut  worden  zu  sein.  Ihre  Nachfolgerin^  Anna  Röslmayr,  griff 
mit  gewohnter  Energie  den  Plan  wieder  auf,  den  Bau  zu 
beginnen.  Es  gelang  ihr  auch,  zwei  Flügel  des  Klosters  und 
das  Kastengebäude  unter  Dach  zu  bringen,^  Sie  wurde  in 
ihrem  Vorhaben  von  ihrer  mächtigen  Gönnerin,  der  Erzherzogin 
Maria  Anna,  sehr  gefördert,  welche  ihr  Materialien  zum  Baue, 
wie  eine  eiserne  Thtir,  Fensterscheiben,  Blei  und  Anderes 
schenkte  und  auch  ein  Anlehen  zu  Bauzwecken  vermittelte. 
Erst  den  zwei  nächstfolgenden  Aebtissinnen  war  es  vorbehalten, 
Kirche  und  Kloster  neu  und  stattlich  herzusteUen.  Die  Land- 
schaft wies  1633  abermals  einen  Beitrag  an.^  Die  Dotationen 
der  Nonnen  wurden  der  Baucasse  zugeführt  und  von  Wohl- 
thätem  flössen  Gaben  ein.  Der  grossmüthigste  Helfer  in  der 
Noth  war  aber  der  Seckauer  Propst  Anton  de  Potiis.  &  liess 
auf  seine  Kosten  die  Kirche  sammt  Thurm  neu  bauen  und 
drei  Altäre  errichten.     Eine  Gedenktafel  sollte  dieses  seltene 


'  Herausgegeben  von  Kümmel  in   ,Bei träge   znr  Kunde  steiermärkischer 
QescbichtsqnellenS  XIV,  56. 

*  Herzog,  I,  718. 

'  .Beiträge  znr  Kunde  steiermärkiscber  GeschichtsquellenS  XVI,  117. 

*  Abscbrift  im  Landesarcbiv. 


446 

Beispiel  von  Munificenz  noch  auf  die  späte  Nachwelt  bringen. 
Eine  kleinere  Inschrift  ober  dem  Thore  der  Elirche  besagte: 
,Beneficio  s.  ecclesiae  Seccoviensis  MDCXXXVÜ.'  Die  Kirche 
hatte  drei  Altäre  zu  Ehren  Marias,  des  heil.  Franciscus  und 
der  heil.  Clara.  Am  6.  December  1637  weihte  Bischof  Johann 
Marcus  von  Seckau  das  Gotteshaus  sammt  Zugehör.  Als  Patro- 
cinium  wurde  das  Fest  Maria  Himmelfahrt  und  als  Dedi- 
cationsfest  der  Dienstag  nach  Ostern  erklärt.  Aebtissin  Anna 
Elisabeth  Francisca  Brenner  erlebte  nicht  mehr  die  Ein- 
weihung der  Kirche.  Ihre  Nachfolgerin  Euphrosina  Victoria 
Pichler  baute  das  an  das  Erlöster  anstossende  Haus  der  Francis- 
caner,  gewöhnlich  die  Residenz  genannt,  im  Jahre  1648  vom 
Grund  auf.* 

Dieses  Haus  wurde  in  der  Regel  von  vier  bis  fünf  Ordens- 
brüdern bewohnt,  welche  den  Gottesdienst  besorgten,  als  Beicht- 
väter fiingirten  und  deren  Superior  den  Titel  ,Prae8iden8'  ge- 
führt hat.  So  erscheint  in  den  Necrologen  des  Franciscaner- 
Ordens  am  13.  December  1640  P.  Ludovicus  Pollinger  Prae- 
sidens  Judenburgi  apud  moniales  s.  Clarae.  1646  P.  Accureius 
Ludermann  Praesidens  obiit  in  Paradyso  Judenburgensi.  Am 
12.  December  1648  stirbt  der  Beichtvater  P.  Mauritius  Mitter- 
hoffer,  dem  der  ehrende  Nachruf  folgt:  ,Innocentiae  decus  et 
religiositatis  splendor  nuncupatus.'  Am  14.  Februar  1696 
verlässt  das   Irdische   der  Praesidens  P.  Bonagratia  Knaupp.' 

Aus  der  Zeit  der  Aebtissin  Euphrosina  haben  sich  mehrere 
Nachrichten  erhalten.  Sie  beschwerte  sich  am  24.  November 
1637  beim  Rathe  zu  Judenburg  wegen  Abstrafung  ihres  Unter- 
thans  Bartholomäus  Höd  und  ästimirte  die  Verletzung  ihres 
gutsherrlichen  Rechtes  auf  100  Thaler.'  Mit  dem  Rathe  schloss 
sie  am  1.  Juni  1639  einen  Vertrag  bezüglich  des  Abfallwassers 
aus  dem  heil.  Geistspitale.^  Eine  besondere  Auszeichnung 
wurde  dem  Kloster  zu  Theil,  als  1644  zwei  seiner  Bewohne- 
rinnen in  das  Clarissenkloster  St.  Hieronjmus  in  der  Singer- 
strasse zu  Wien  berufen  wurden.  Dieses  von  Eleonora,  Ge- 
mahlin Ferdinand  H.,  1623  gestiftete  Kloster  hatte  im  Laufe 
der  Jahre  seine  älteren  und  brauchbarsten  Mitglieder  verloren 

1  Henog,  I,  722. 

>  Benogy  I,  100.  104.  122.   123. 

*  RatbsprotokoU  der  Stadt  Judenbnrif. 

«  Ropertoriam. 


447 

und  wurde  von  einer  Aebtissin  geleitet,  welche  weder  der 
deutschen  Sprache,  noch  einer  ökonomischen  Gebahrung  kundig 
war.  Dieses  veranlasste  die  Stifterin  Eleonora  und  die  Ordens- 
Torstände,  an  Abhilfe  zu  denken.  Am  30.  Mai  1644  richteten 
der  Generalcommissär  des  Ordens,  Franciscus  Maxentius  ab 
Arco  und  der  Provincial  Paulus  de  Tauris  ein  Sendschreiben 
an  Aebtissin  und  Convent  im  Paradeis,  dass  sie  dem  Wiener 
Ehester  ,mit  zweyen  eyfrigen,  an  Jahren  und  Verstand  genug- 
samben  und  zur  Regierung  tauglichen  und  erfahrnen  Mütter 
Vorsehung  tun  sollen'.  Es  sei  dies  auch  der  Wunsch  der 
Kaiserin  Eleonora,  und  es  läge  im  Interesse  des  Paradeisklosters, 
Personen  in  Wien  zu  wissen,  welche  mit  Mitgliedern  des 
Kaiserhauses  verkehren  und  dem  steirischen  Kloster  von 
Nutzen  sein  könnten.  Die  beiden  Nonnen  sollten  in  Begleitung 
des  Hofrichters  und  seiner  Gemahlin  die  Reise  antreten.^  Aus 
der  Judenburger  Frauen  gemeinde  waren  Maria  Renata  Dietl 
und  Barbara  Mechtildis  Kirchbichler  ^  für  diese  Mission  aus- 
erwählt worden.  Auch  an  sie  richteten  die  oben  genannten 
Ordens  vorstände  ein  Schreiben.^  Maria  Renata  starb  als 
Aebtissin  am  11.  Juni  1663  und  ihr  folgte  als  Oberin  zu 
St.  Nicolaus  Barbara  Mechtildis,  welche  am  15.  April  1684 
das  Zeitliche  gesegnet  hat.^ 

Im  Jahre  1645  waren  die  Schweden  nach  der  Schlacht 
bei  Jankau  bis  hart  an  Wien  vorgedrungen  und  hatten  alles 
Land  nördlich  der  Donau  in  ihren  Händen.  Es  galt  daher. 
Alles  zu  versuchen,  um  Wien  zu  retten  und  den  Feind  zurück- 
zuwerfen. Es  mussten  genügende  Mannschaften  aufgebracht 
werden,  und  das  kostete  G^ld.  Es  wurde  ein  allgemeines  An- 
lehen  ausgeschrieben.  Am  22.  Mai  1645  eräoss  eine  Zuschrift 
des  Kaisers  Ferdinand  HI.  an  die  Aebtissin,  in  welcher  vom 
Kloster  tausend  Ghilden  auf  drei  bis  vier  Jahre  mit  Sicher- 
stellung auf  der  Saline  zu  Aussee  gefordert  wurden.^ 

Der  Abt  Urban  von  Admont  hatte  dem  Frauenkloster 
die  Bewilligung  ertheilt,  in  dem  zur  Herrschaft  Admontbüchel 


*  Herzog,  I,  716. 

^  Die  Kircbbiohler  besassen  um  diese  Zeit  das  Scbloss  Rotbenthurn  bei 
Judenbarg. 

*  Henog,  I,  717. 

*  Henog,  I,  742. 

^  Abtcbrift  im  Landesarcbir. 


448 

gehörigen  Lavantsee  fischen  zu  dürfen.  Am  17.  Mai  1646 
stellte  die  Aebtissin  Euphrosina  einen  Revers  aus,  dass  sie, 
wenn  und  sobald  ein  WideiTuf  erfolgt,  von  der  Ausübung  des 
Fischrechtes  abstehen  wolle J  Dass  das  Kloster  Paradeis  noch 
im  Jahre  1660  im  Genüsse  des  Fischwassers  sich  befunden 
habe,  erhellt  aus  einem  Briefe  des  Admonter  Küchenmeisters 
P.  Blasius  Schräger  an  den  Verwalter  zu  Admontbüchel,  worin 
jener  diesen  anweist,  für  die  Frauen  im  Paradeis  ein  neues 
Seenetz  machen  zu  lassen. 

Der  23.  März  1649  war  für  das  Kloster  ein  Tag  des 
Schreckens  und  Unheiles.  Während  die  Nonnen  die  Vesper 
sangen,  schlugen  plötzlich  aus  dem  Gebälke  des  DachstuUes 
die  Flammen  empor.  Die  Hilfe  der  Bürger  Judenburgs  und 
der  Bewohner  der  Nachbarschaft  machte  es  möglich,  den 
Brand  auf  die  Dachungen  zu  beschränken,  doch  war  der 
Schade  dennoch  so  gross,  dass  die  Mittel  des  Conventes  für 
die  völlige  Restauration  nicht  ausreichten  imd  die  Aebtissin  an 
den  Wohlthätigkeitssinn  der  allerhöchsten  Persönlichkdten  zu 
Wien  zu  appelliren  sich  genöthigt  sah.  So  gelang  es  ihr ^  in 
kurzer  Zeit  die  Spuren  des  Brandes  verschwinden  zu  lassen.^ 
Sehr  willkommen  mag  daher  auch  im  Jahre  1651  das  Geschenk 
von  1000  Gulden  von  Seite  einer  Frau  Kirchbichler^  gewesen 
sein,  welche  eine  Anverwandte,  Schwester  Barbara  Renata 
Echinger,  im  Kloster  hatte. 

Am  5.  Mai  1650  bestätigte  auf  ,unterthänig8te  Bitte^  die 
Hofkammer  den  Bezug  des  Salzdeputates  aus  Aussee,  ^  und 
am  10.  April  1656  bewilligte  Ferdinand  DI.  den  Nonnen  ,bey 
U.  L.  Frauen  im  Paradeyss'  36  Fuder  Salz.**^  Am  18.  November 
1651  anerkannte  der  ELaiser  das  alte  Recht  des  Klosters,  fbr 
seine  Tafeme  zu  Fürth  bei  St.  Peter  aller  Orten  Wein  kaufen 
und  daselbst  ausschenken  zu  dürfen.^  Am  1.  August  1655 
starb  die  verdienstvoUe  Aebtissin  Euphrosina  Pichler.  Ihre  leib- 
liche Schwester  Victoria  Katharina  folgte  ihr  in  der  Regierang. 


>  Gleichzeitige  Abschrift  im  Admonter  Stiftsarchiv. 
'  Herzog,  I,  721. 

3  Ein  Christian  Kirchbichler  war  1625  Besitzer  des  Schlosses  Rothenthim 
bei  Jndenburg. 

*  Bepertorinm. 

6  Herzog,  I,  262. 

*  Repertorium. 


449 

Mit  den  Steuern  und  Abgaben  an  die  Landschaft  scheint  das 
Kloster  mitunter  schwer  aufgekommen  zu  sein^  denn  im  Jahre 
1658  wandte  sich  der  Rath  zu  Judenburg  an  die  Landschaft 
um  Bewilligung  einer  GültenpfUndung,  weil  die  Aebtissin  mit 
einem  Leibsteuerreste  von  145  fl.  4^^  19^  im  Rückstande  sei. 
Am  13.  Februar  erfolgte  daher  von  Seite  der  Landschaft  eine 
diesbezügliche  Mahnung.^  Im  selben  Jahre  wurden  drei  Glocken 
angeschaft  und  zu  Ehren  der  Heiligen  Josef,  Clara  und  Antonius 
geweiht.  2 

Am  25.  Mai  1659  (Laxenburg)  erfolgte  die  Bestätigung 
des  Klosters  und  seiner  Rechte  und  Freiheiten  durch  ELaiser 
Leopold  I.^  Als  am  3.  September  1660  die  Aebtissin  Victoria 
Katharina  Pichler  mit  Tod  abgegangen  war,  fiel  die  Wahl  des 
Conventes  auf  die  Schwester  Anna  Maria  Prevenhuber.  Ihre 
Eltern  waren  Hans  und  Eva  Prevenhuber.*  Am  7.  November 
1667  bewilligte  die  Büi^erin  Eunegunde  Oexl  dem  Kloster, 
die  Brunnleitung  durch  ihren  Garten  zu  fUhren,  gegen  einen 
Naturalzins  von  jährlich  einem  Achtel  Roggen.^ 

Um  1670  wurde  die  Tochter  des  Grazer  Bürgers  und 
Schmiedmeisters  Johann  Bayer,  während  sie  beim  Kegelspiele 
zusah,  unversehens  dui'ch  die  Schiebkugel  schwer  verwundet. 
In  ihrem  gefährlichen  Zustande  gelobte  sie  eine  Wallfahrt 
nach  Lankowitz^  und  sie  trat  nach  erlangter  Gesundheit  als 
Schwester  Francisca  in  das  Judenburger  Erlöster.  ^  Die  Aebtissin 
Anna  Maria  Prevenhuber  leitete  das  Kloster  durch  sechzehn 
Jahre  und  schied  am  15.  Jänner  1676  aus  dem  Leben.  Von 
nun  an  sollte  nach  Anordnung  der  geistlichen  Obern  keine 
Aebtissin  ununterbrochen  länger  als  drei  Jahre  ihres  Amtes 
walten.  Daher  finden  wir  als  Oberinnen  1676 — 1679  Christina 
Sosanna  Ramschüssel^  1679—1682  Esther  Bosalia  von  Pichl 
und  1682—1685  wieder  Christina  Susanna.  Abermals  wurde 
^aubt^  die  Oberin  nach  Ablauf  der  drei  Jahre  unmittelbar 
wieder   wählen    zu  dürfen^    und    so  geschah    es,    dass   Maria 


>  Act  im  steienn.  LftndeMrchiy. 

'  Herzog,  I,  719.         '  Bepertoiitim. 

*  Im  Jahre  1668  wurde  ein  bei  der  Innerberger  Hauptgewerkschaft  an> 

liegendes   Capital  per  4407  Gulden  (das   Erbtheil  der  Aebtissin)  dem 

Kloster  gutgeschrieben.  Repertorium. 
^  Bepertorium. 
"  Hietling,  ,Mariani8ches  Jahrbuch*,  Wien  1720,  I,  62. 


450 

Febronia  Neuringbeuer  innerhalb  der  Jahre  1685 — 1721  nicht 
weniger  als  eilfmal  gewählt  wurde.  Gewiss  ein  glänzendes 
Zeugniss  der  Liebe,  Achtung  und  des  Vertrauens,  welche  ihr 
ihre  Mitschwestern  zollten.  Schon  im  Jahre  1253  war  Paradeis 
dem  Mutterkloster  St.  Damian  zu  Assisi  einverleibt  worden. 
Im  Laufe  der  Jahrhunderte  mögen  die  Beziehungen  zwischen 
Tochter  und  Mutter  immer  schwächer  geworden  und  endlich 
aus  der  Erinnerung  geschwunden  sein.  Endlich  scheint  man 
im  Jahre  1689  die  Erneuerung  der  Incorporation  wieder  be- 
trieben zu  haben,  denn  das  Repertorium  des  Klosters  ftihrt 
ein  Schreiben  an  des  Joh.  B.  Serugia,  Secretär  der  päpstlichen 
Gesandtschaft  in  Wien,  jenen  Gegenstand  betreflfend.  Ener 
anderen  Quelle  i  entnehmen  wir  die  Notiz,  der  römische  König 
Josef  habe  bei  seinem  Vater  Leopold  eine  jährliche  Oelgabe 
für  das  Kloster  bewirkt.  Hat  diese  Sache  ihre  Richtigkeit,  so 
kann  dieses  nur  zwischen  1690 — 1705  geschehen  sein. 

Die  letzten  Jahrzehnte  des  Klosters   bis  zu  dessen  Aufhebung. 

In  der  Geschichte  der  Klöster  darf  man  es  als  Regel 
hinstellen,  dass  das  Urkundenmateriale  immer  geringer  wird, 
je  mehr  sich  die  neuere  Zeit  nähert,  aber  dafür  die  Acten- 
menge  so  anwächst,  dass  es  schwer  hält,  selbe  zu  über 
sehen  und  zu  bewältigen.  Paradeis  macht  hier  eine  Ausnahme. 
Urkunden  haben  sich  im  Original  oder  in  Abschrift  bis  in 
das  sechzehnte  Jahrhundert  herab  zahlreich  erhalten,  aber  sehr 
enttäuscht  fühlt  sich  der  Historiker,  wenn  er  an  der  Hand 
der  Acten  die  Geschichte  des  Klosters  weiter  ft^khren  will,  aber 
keine  mehr  vorfindet.  ^  Das  Kloster  hatte  ein  eigenes  Archiv- 
gebäude, und  das  noch  vorhandene  Repertorium  lässt  auf  den 
guten  Zustand  und  erheblichen  Inhalt  der  daselbst  bewahrten 
schriftlichen  Denkmale  schliessen.  Wir  dürfen  daher  annehmen, 
dass  die  Archivalien,  wenigstens  die  Acten,  entweder  schon 
bei  der  Aufhebung  des  Klosters  oder  durch  Schuld  und  Zu- 
lassung der  späteren  Besitzer  des  Gebäudes  der  Verüichtmig 
anheimgefallen    sein   werden.     Aus   dieser   Ursache   kann  die 

1  Leithner,  ,Monographie  von  JudenbargS  S.  81  mit  der  JahrsAhl  1661  (I). 
>  Das  Landesarchiy,  diese  reiche  Fondgrabe  für  geschichtliehe  Forsohongt 

besitzt  äusserst  wenig  an  Paradeisacten,  und  dieses  Wenige  haben  wir 

bentttst. 


451 

Sehildemng  der  Ereignisse  des  18.  Jahrhunderts  im  Paradeis- 
kloster nur  korz  gefasst  werden. 

Es  war  Sitte  in  den  Erlöstem,  ihre  Stifts-  und  Privilegiums- 
briefe  durch  jeden  neuen  Regenten  bestätigen  zu  lassen.  Solche 
Confirmationsurkunden  erliessen  fUr  Paradeis  Joseph  I.  (1706, 
2.  Oct.,  Wien),  Carl  VI.  (1713,  29.  März,  Wien)  und  Maria 
Theresia  (1742,  21.  April,  Wien).i  Der  spanische  Erbfolge- 
krieg und  die  EinfkUe  der  Kurutzen  nöthigten  1704  den  Staat, 
Contributionen  in  Geld  und  einen  Theil  des  Kirchensilbers  zu 
Ejriegszwecken  zu  fordern.  Dass  das  Judenburger  Kloster 
Beides  beisteuern  musste,  erhellt  aus  einem  Berichte,  ^  worin 
die  Verwendung  der  aus  der  Silberablieferung  entspringenden 
Interessen  nachgewiesen  wird.  Im  Jahre  1705  weihte  der 
Seekauer  Bischof  Franz  Anton  Rudolf  Graf  Wagensperg  eine 
Glocke  in  honorem  s.  Laurentii  fUr  Paradeis.  Im  Jahre  1711 
soll  das  Kloster  abermals  von  einer  Feuersbrunst  heimgesucht 
worden  sein.^  Am  22.  Mai  1712  starb  im  Residenzhause 
P.  Vitus  Prosperger.*  Im  Jahre  1719  hatte  das  Kloster  einen 
Process  zu  führen  mit  Maria  Constantia  Aichberger  geborenen 
Pansch  eines  Erbschaftsrestes  wegen.^  Mit  der  IHlrstin  Maria 
Charlotte  von  Eggenberg  wegen  des  Holzungsrechtes  im  Man- 
dorferwalde  bei  Neumarkt  entstand  1722  eine  Irrung.  Am 
26.  März  1721  war  die  Aebtissin  Maria  Febronia  Neuringbeuer 
gestorben,  welche  durch  36  Jahre  ihres  Amtes  gewaltet  hatte. 
Die  Wahl  fiel  nun  auf  Anna  Maria  Rosmann,  welche  dann 
noch  fünfinal  gewählt  wurde. 

Der  1637  errichtete  Hauptaltar  der  Klosterkirche  wurde  im 
Jahre  1723  durch  einen  neuen  G^^^g^  elegantioris  formae')  er- 
setzt, und  1727  wurden  die  zwei  Seitenaltäre  und  die  Kanzel 
neu  gebaut.  Auch  die  ganze  Kirche  wurde  einer  Restauration 
imterzogen.^  Aebtissin  Anna  Maria  sah  sich  öfters  genöthigt,  die 
Rechte  ihres  Gotteshauses  vor  der  Landschranne  zu  vertheidigen. 
So  1725,  als  die  Unterthanen  wegen  Abgabensteigerung  Be- 
sehwerde führten;  1727  entstand  ein  Streit  mit  St.  Lambrecht 


'  Bepertoriam.  Herzog,  I,  721. 
'  R^>ertoriiiiD. 

*  Ciesar,  ^imales*  II,  243.  Heraog  und  Leithner  erw&hnen  derselben  nicht. 

*  Henog,  I,  106. 
^  Bepertoriam. 

*  Hersog,  I,  722. 

ArehiT.  Bd.  LIXUI.  U,  HUfte.  30 


462 

wegen  des  Jus  lignandi;  1732  mit  der  Herrscbaft  Liechtenstein 
wegen  Beseitigung  eines  Zaunes  bei  einem  Zinsgote ,  und 
1733 — 1736  wegen  der  Reisachhube  im  MöschnitzgrabenJ 

Säcularfeier  der  Kirche.   Beschreibung  der  B[irohe  und  des 

Klosters. 

Am  6.  Jänner  1637  war  die  auf  Kosten  des  Propstes 
Anton  de  Potiis  von  Seckau  erbaute  Kirche  mit  besonderer 
Feier  geweiht  worden.  Im  Jahre  1737  galt  es,  das  erste  Jahr- 
hundert dieser  neuen  Kirche  würdig  zu  begehen.  Der  Pi^ 
Clemens  XII.  gewährte  allen  Theilnehmern  an  dieser  Feier 
einen  .vollkommenen  Ablass.  Der  Präses  der  Franciscaner- 
Residenz  P.  Hermann  Lechner  leitete  alle  Vorkehrungen,  und 
die  Kirche  wurde  prachtvoll  geschmückt.  2  Die  Feier  begann 
am  23.  April  und  währte  durch  acht  Tage.  Das  Capitel  des 
Domstiftes  Seckau  betheiligte  sich  an  den  Festlichkeiten  und 
P.  Josef  CoUenegg  S.  J.  hielt  die  Festpredigt.^  Die  neu  er- 
baute Pforte  der  Kirche  erhielt  die  Aufschrift: 

ECCLesIae   CeLebrato   prIMI  saeCVLI  IVbILo    haeC   pw^ 

noVa  sVrreXIt. 

Von  dieser  Zeit  an  wurde  auch  der  bis  zur  Klosterauf- 
hebung dauernde  Gebrauch  eingeführt,  jährlich  drei  Tage 
hindurch  alle  Armen  der  Umgebung  mit  Speise  und  Trank  zu 
erquicken.  Das  Kloster  zählte  im  Jahre  1740  einund vierzig 
Nonnen  und  im  Residenzhause  wohnten  fUnf  Franciscaner,  und 
zwar  der  Präsident,  der  Beichtvater,  der  Prediger,  der  t%liche 
Messeleser  und  ein  Laienbruder,  welcher  als  Sacristan  an- 
gestellt war.* 

Wir  beschreiben  nun  Kirche  und  BJoster,  wie  selbe  im 
Jahre  1740  beschaffen  waren  und  wie  sie  sich  im  Grossen  und 
Ganzen  bis  zur  Aufhebung  (1782)  dem  Beschauer  darboten.^ 
Die  Kirche,  auf  festen  Grundmauern  ruhend,  war  klein  und 
licht.     Vom    sogenannten    Triumphbogen    hing    ein   in  H(Jz 

^  Repertoiiam. 

'  jEcclesia  per  totmn  sjmboliB,   emblematibiis,  pictnris,  fl<mbiis  alüsqno 

ejosmodi  oroamentiA,  prmeeipae  arm  mi^or,  decdrata.'  Hersog,  I,  721 
'  Leithner,  S.  84. 
«  Henog,  I,  180.  722. 
»  Nach  Hersog,  I,  719. 


453 

gescfamlEtes  kolossales  Kreuz  herab  ^  in  welchem  zahlreiche 
BeUquien  eingelassen  waren J  Der  Thurm^  solid  aus  Steinen 
aa%ef&hrt  und  mit  Weissblech  gedeckt,  enthielt  ftlnf  Glocken 
geringen  Gewichtes  (^minoris  soni^,  deren  älteste  aus  dem  Jahre 
1541  (?)  gestammt  haben  soll.  Weiteres  über  die  Kirche  weiss 
onsere  Quelle  nichts  zu  berichten,  desto  mehr  über  das  Kloster. 
Dasselbe  bildete  (mit  der  Kirche)  ein  regelmässiges  Viereck, 
hatte  zwei  Stockwerke  und  ein  Dormitorium.  Es  waren  über 
siebzig  Zimmer  und  Zellen  und  eine  Anzahl  von  Magazinen, 
eine  Infirmarie,  Apotheke,  Paramentenkammer,  Refectorium, 
Archiv  u.  s.  w.  Herzog,  welcher  den  Frauen  das  höchste  Lob 
crtheilt,^  beschreibt  dann  wieder  einige  Reliquien,  welche  im 
Kloster  aufbewahrt  wurden,  und  kommt  dann  auf  ein  Marien- 
bild^ zu  sprechen,  welches  uralt  sei  und  früher  in  der  Kirche 
zur  öffentlichen  Verehrung  ausgestellt  gewesen  sei.  Zur  Zeit 
der  lutherischen  Wirren  habe  man  es  aus  der  Kirche  entfernt 
und  in  der  Capelle,  wo  die  Aebtissinnen  begraben  werden, 
aufbewahrt;  es  sei  auch  bei  allen  Feuerbrünsten  unversehrt 
geblieben.  Innerhalb  des  Conventgebäudes  waren  sieben  Altäre, 
der  Siebenzahl  der  Hauptkirchen  Roms  entsprechend,  aufgestellt 
und  gab  es  eine  heilige  Treppe,  in  welcher  Reliquien  ein- 
gemauert waren.^  Der  Garten,  welchen  die  Nonnen  selbst 
pflegten,*  hatte  eine  geringe  Ausdehnung,  und  an  der  Wand 
einer  Umfassungsmauer  erblickte  man  Frescogemälde  aus  der 
Leidensgeschichte  des  Herrn.  Von  diesem  Garten  durch  die 
Kirche  getrennt,  lag  der  Friedhof  der  Conventschwestem, 
durch  welchen  man  in  die  Kirche  gelangte. 

Wir  berichten  nun  noch  das  Wenige,  was  sich  acten- 
massig  über  unser  Kloster  nachweisen  lässt.  Am  12.  September 
1743  stellte  das  Kloster,  anlässlich  eines  zwischen  der  Diener- 
schaft desselben  stattgefundenen  Excesses  (,nach  ereigneten 
Raufhandeln  zwischen  ihren  Hausdomestiquen*),  dem  Rathe  zu 
Judenburg    einen    Revers    aus,    dass   es   der  landgerichtlichen 


^  Herzog  f&brt  dieselben  einzeln  an. 

'  ySorores  yitae   mommqne  integritate,   pietate  ao  religione  apnd   omnes 

in  reneratione  .  .  .  yitam  reUgiosissimam  traducentes  cum  summa  men- 

tinm  tranquillitate/ 
'  ficon  deiparae  virginis  an  ex  lapide  an  ex  terra  coeta  figurata  ignoratur.* 

*  Beide  Objecte  waren  schon  im  Jahre  1632  vorhanden. 

*  ,Qnem  coliint  sorores.'  Herzog,  I,  720. 

80» 


454 

Jurisdiction  der  Stadt  nicht  nahetreten  wolle,  aber  auch  nicht 
gesonnen  sei,  sich  in  seinen  Privilegien  kränken  zu  lassen J 
Am  13.  April  1744  wurde  mit  der  Stadt  ein  Vertrag  geschlosseo; 
betreffend  die  Neuanlage  der  Wasserleitung  über  den  Purbach 
und  durch  einige  Gründe  der  Bürger.^  Im  Jahre  1765  wxude 
der  Thurm  restaurirt  und  eine  diesbezügliche  Urkunde  im 
Knaufe  desselben  hinterlegt.^  Vom  Jahre  1770  hat  sich  ein 
Professbrief  der  Schwester  Maria  Jacobina  auf  Pergament  mit 
einem  aufgeklebten  Christusbilde  erhalten.*  Vom  Frauenstifte 
Göss  hatte  Paradeis  seit  langer  Zeit  jährlich  ein  Almosen 
von  einem  Startin  Wein  bezogen.  Im  Jahre  1773  wurde 
dieser  Bezug  aufgehoben.^  Um  1775  zählte  der  Convent  nebst 
der  Aebtissin  und  Priorin  23  Chorschwestern  und  12  Laien- 
schwestem.^  Confessarius  Ordinarius  war  P.  Angelicus  Super, 
Confessarius  extraordinarius:  P.  Pacificus  Sumnacher,  Sonntags- 
prediger: P.  Marinus  Haslinger,  Festtagsprediger:  P.  Emeramus 
Lipoumigg,  sämmtlich  aus  dem  Judenburger  Franciscaoer 
convente.  Am  1.  November  1774  verpachtete  die  verordnete 
Stelle  in  Steier  dem  Kloster  den  Weinaufschlag  im  Amte 
Doblegg  (Dobeleck)  und  von  den  Bergholden  in  der  Pfarre 
Hitzendorf  auf  zehn  Jahre.''  In  der  Sterbmatrik  der  Stadtpfarre 
Judenburg  vom  Jahre  1776  steht  die  Eintragung^  dass  CatharinA 
Schraiff,  gebürtig  aus  Tirol,  mit  Erlaubniss  des  Pfarrers  ^ 
coemeterio  apud  moniales^  beerdigt  worden  sei.  Die  Verstorbene 
dürfte  eine  Wohlthäterin  oder  treue  Dienerin  des  Klosters 
gewesen  sein. 

Die  Aufhebung  des  Klosters.  Zustand  der  Gebäude  nach  derselben 

und  in  neuerer  Zeit. 

Eine  der  tiefeingreifendsten  Reformen  Kaiser  Josefs  D. 
war  die  Aufhebung  der  meisten  Klöster.  Jene  Ordensinstitute, 

^  Repertorium. 

3  Ebendaselbst. 

'  Im  Landesarchive. 

^  ,Mitth.  des  histor.  Vereines  für  Steiermark^  X,  65. 

^  »Chronik  des  Stiftes  Qoess*  in  Zahn,  ,SteiermSrkiBche  Geschichtsblitter', 

V,  206. 
'  yBestandtheUe  und  Eintheilung  der  heutigen  DiOcese  Seckaa  vor  circt 

hundert  Jahren*.  Graz  1878,  S.  39. 
"^  Repertorium. 


456 

welche  keine  praktische  Wirksamkeit  nach  Aussen  ühten^ 
welche  weder  Unterricht  noch  Krankenpflege  besorgten,  sondern 
nur  dem  beschaulichen  Leben  huldigten,  wurden  nach  dem 
herrschenden  Utilitätsprincipe  als  fUr  die  Menschheit  und  das 
Gemeinwohl  unnütz  zuerst  aufgehoben.^  Zu  dieser  letzten 
Gattung  von  Klöstern  zählte  auch  Paradeis.  Es  unterhielt 
weder  Schulen,  noch  ein  Spital,  und  seine  Bewohnerinnen  ver- 
kehrten im  Geiste  ihres  Ordens  und  ihrer  Stiftung  nicht  mit 
der  AuBsenwelt.  Wohl  wechselte  bei  ihnen  das  Chorgebet  mit 
d^  Arbeit.  Sie  bebauten  ihren  Garten,  und  die  kunstfertige 
Hand  der  Nonnen  spann,  webte  und  nähte  manch  kirchliches 
Kleid  und  gewiss  auch  manches  Kleidungsstück  fbr  die  Armen 
und  deren  Eander. 

In  Graz  wurde  für  Innerösterreich  eine  eigene  Commission 
aufgestellt.  Dieselbe  bestimmte  die  aufzuhebenden  Erlöster,  er- 
nannte zu  diesem  Zwecke  die  Commissäre  und  überwachte 
die  Agenden  derselben.  Mitglieder  dieser  Commission  waren 
Graf  Wenzel  Sauer,  Freiherr  Christoph  von  Rottenberg  und 
Franz  von  Ploekner.^  Die  Aebtissin  Maria  Catharina  Drexler 
in  Paradeis  wollte  den  ihrem  alten  Ordenshause  drohenden 
Schlag  ablenken,  indem  sie  die  Erklärung  abgab,  sie  sei  daran, 
im  Kloster  ein  Spital  für  Frauen  und  eine  Erziehungsanstalt 
flir  Mädchen  zu  errichten;^  allein  diese  Erklärung  kam  zu 
spät  und  schon  am  22.  Jänner  1782  erschien  der  Commissär 
Gubemialrath  Graf  Wenzel  Sauer  im  Convente  und  wies  das 
Aufhebungsdecret  vor.  Der  Convent,  welcher  damals  33  Köpfe 
zählte,  fügte  sich  in  Demuth  in  das  Vorhergesehene  und  Un- 
vermeidliche, und  die  Nonnen  baten  um  Schutz,  Kleidung  und 
Nahrung  für  die  Zukunft.  Die  Aebtissin,  47  Jahre  alt,  machte 
geltend,  sie  habe  an  Erbschaft  und  Schenkung  36000  Gulden 
dem  Kloster  zugebracht.  Für  sie  wurde  eine  Pension  von 
365  Gulden  ausgeworfen.  Die  Nonnen,  befragt,  ob  sie  in  einen 
andern  Orden  oder  in  ein  anderes  Kloster  treten  wollten, 
gaben  nur  unbestimmte  Antworten.  Zwei  derselben  erklärten, 
«u  den  Elisabethinerinnen  in  Klagenfurt  gehen  zu  wollen.  Eine 
achtzigjährige  Nonne  hatte  nur  die  Bitte,   man  möge  ihr  ein 

'  Hock,  ,Der  österreichische  Staatsrath'.  Wien  1879,  S.  396. 

*  Wir  folgen  hier  den  Angaben   von  Wolf,    ,Die  Aufhebung  der  Klöster 
in  Innerösterreich  1782—1790*,  S.  66. 

*  Leithner,  8.  86. 


456 

Krankenzimmer  in  Graz  anweisen,  um  dort  ruhig  sterben  za 
können.  Die  übrigen  erhielten  eine  Pension  und  verf&gten  sich 
zu  ihren  Anverwandten.  Zwei  sollen  nach  Aussage  alter  Bürger 
in  Judenburg  abgelebt  haben.  Der  Bischof  von  Seckau  entband 
alle  ihrer  Gelübde,  der  Guardian  der  Franciscaner  übernahm 
die  für  die  Kirche  gemachten  Stifhmgen,  und  die  EÜrche  selbst 
wurde  execrirt  und  gesperrt.  Das  Activvermögen  des  Klosters 
wurde  auf  195748  Gulden  geschätzt,  davon  entfielen  auf  Siübet 
und  Prätiosen  10319  Gulden  (darunter  eine  Monstranze  im 
Werthe  von  2000  Gulden),  auf  Weinvorrath  2632  Gulden,  auf 
Mobilien  und  Fahrnisse  1611  Ghilden,  auf  den  Viehstand,  aof 
Getreide,  Futter  und  ökonomische  Geräthe  4967  Gulden  raid 
auf  liegende  Gründe  und  Häuser  100381  Gulden.  Die  Passiva 
beliefen  sich  auf  31553  Gulden.  Das  Kloster  besass  das  Domi- 
nium Paradeis  mit  drei  Meierhöfen  (Paradeiserhof,  G^ltlhof 
und  Steinmayrhof),  ein  Gut  bei  Graz  (wohl  Morschdorf  bei 
Mooskirchen),  das  Amt  Doblegg,  eine  Gült  in  Kärnten  mit 
fünf  Unterthanen,  vier  Bergrechte  bei  Leibnitz  und  den  Wald 
Lercheck  bei  Zeiring. 

Der  sämmtliche  Grund-  und  Gültenbesitz  des  Klosters 
gelangte  nun  in  die  Verwaltung  des  Staates  und  führte  den 
officiellen  Titel  ,ReIigionsfond8herrschaft  Paradeis^  Es  hat  sich 
noch  eine  ,Oekonomi8che  Beschreibung  der  Religionsfonds- 
herrschaft Paradeis  bei  Judenburg'  vom  Jahre  1795  erhalten, 
welche  die  Unterschriften  des  Verwalters  Franz  Liebmann  und 
des  Controlors  Franz  X.  Sprung  trägt.  ^  Diese  Beschreibung 
gibt  ein  Bild  von  dem  Zustande  des  ehemaligen  ELlosterbesitzes 
und  zwar  dreizehn  Jahre  nach  der  Aufhebung.  Wir  entnehmen 
derselben  einige  nicht  uninteressante  Notizen. 

Herrschaftsgrenzen  lassen  sich  nicht  feststellen.  Die  Herr- 
schaft hat  acht  Aemter,  deren  Unterthanen  zum  Theile  viele 
Meilen,  ja  ganze  Tagreisen  von  Judenburg  entfernt  sind.  Das 
Fischrecht  wird  ausgeübt  in  der  Mur,  in  der  Pölsen  und  im  Brct- 
Steinerbach.  Die  Unterthanen  sind  in  60  Ortschafl^n,  31  Pfarren 
und  26  Werbbezirken  zerstreut.  Es  gibt  60  grosse  Bauerngüter, 
28  mittlere,  33  kleine  und  72  Ueberländ-  oder  Zulehens- 
gründe.  Der  Gelddienst  an  die  Herrschaft  beträgt  1281  Gulden 
31 V4  Kreuzer  und  die  Naturaleindienung  (in  Weizen,  Roggen 


)  I^andesarchiv  in  Graz. 


457 

und  Hafer)  548  Hetzen  12  Maäsl.     Dazu  kommen  das  zehn- 
procentige  Laudemiom  und  die  üblichen  Veränderungsgebühren. 
Die    kämtnerischen  Unterthanen  wurden  hintangegeben.     Die 
Weingärten  um  LeibnitZ;  Marburg^  und  Radkersburg  hat  man 
zur    Staatsherrschaft   Herberstorf  geschlagen.     Die   Meierhöfe 
sind    schon  im  Jahre   1788    sammt   ihrem   Zugehör  öffentlich 
versteigert  worden.     Der  Postacker   (9^/4   Joch)    durfte  nicht 
"w^^ggogeben  werden,  weil  er  für  die  Judenburger   Garnison 
als  Sxercierplatz  nothwendig  ist,  und  die  Stadt  zahlt  für  den- 
selben einen  Bestandzins  von  achtzig  Gulden.   An  Waldungen 
und  Teichen  ist  Alles  weggekommen.  Den  Baum-  oder  Küchen- 
garten  beim   Verwaltungsgebäude    und   einige    innerhalb    der 
Ringmauer  gelegene  Grasflecke  benützt  der  Oberbeamte.     An 
Gebäuden  bestehen:  Das  Stiftsgebäude,  30  Klafter  lang,  20 
breit,  gemauert,  mit  Brettern  eingedeckt,  hat  zwei  Stockwerke. 
Zu  ebener  Erde  befinden  sich  ein  Vorhof,   drei  Keller,  vier 
Speisgewölbe,  zwei  Küchen,  drei  Einsetze,  zwei  Capellen,  ein 
Friedhof  (1),  sieben  Zimmer  und  ein  gewölbter  Gang  mit  drei 
Treppen;   im  ersten  Stocke   drei  Eürankenzimmer,   ein  grosses 
Befectorium,  das  Zimmer  der  Aebtissin,  sechs  Kammern,  sechs 
Zimmer  und  ein  gemauertes,  mit  Ziegeln  gedecktes,  feuerfestes 
Archiv;   im  zweiten  Stocke  42  Zellen,  das  Beichtzimmer,  das 
Novitiatszimmer,  der  Betchor  und  die  Mehlkammer.  ^     Dieses 
Gebäude  ist  auf  1500  Gulden   geschätzt,   findet  aber   keinen 
Liebhaber;  es  wird  immer  bauflUliger,  kann  ohne  grosse  Kosten 
nicht  reparirt  werden  und  wirft  keinen  Ertrag  ab.     Das  Ver- 
waltungsamtsgebäude ^  ist  20  Klafter  lang  und  5  breit,  hat  zu 
ebener  Erde  einen  Keller,  drei  Zimmer,  eine  Küche  und  einen 
gewölbten  Gang   und  im  ersten  Stocke  acht  Zimmer.     Es  ist 
im  guten  Bauzustande.   Der  Getreidekasten  hat  sieben  Zimmer. 
Die  Wohnimg  des  Gerichtsdieners  umfasst  zwei  Zimmer  und 
zwei  Arreste.   Ausserdem  ist  noch  eine  Stallung  sammt  Wagen- 
remise vorhanden.  Hiemit  endet  die  ökonomische  Beschreibung 
vom  Jahre  1795. 

Die  Herrschaft  Paradeis  gelangte  1824  durch  Kauf  an 
Emilie  von  Pech^,  geborene  Freiin  d'  Aubigny,  und  von  dieser 
1836  3  an  Josef  Sessler.    Die  Wirthschaftsgebäude  erwarb  der 

1  Eine  Beschreibung  der  Kirche  mangelt 
'  Die  ehemalige  Residenz  der  Franoiscaner. 
3  Nach  Leithner  im  Jahre  1832. 


^i^rw*TTu^  Tnsan  lk\^      K3r*«-   mic  yHmpr   rng 
eir:; ^T^  -  ci^c  «i«   d««:  jimc:g*a>CK:  Sucäi:   äst 


tieli*    ^yi^f    urd    *:ri    d«a   pSulj^iäl   S 
I>er  «iS^ü^nbiriLlb^k«  Lofideiarcrli&rjb'je  Cir:  Hje» 

>S«r;t  1*06  iet  Herr  Frwix  Habiuriiel  P*  **"''*»■  ^er  efcc- 
ouJ^^'rf.  K]r/«UTg<;bäude.  LHeser  Herr  war  »•  grftffg,  «u 
eiui^e  SzMihtichx^u  üb*fr  t^iiie  Bei::erktt::je2t  xsi  Fssie  ak- 
zuxL^/A'^Uy  mit  WH\*:hHn  wir  on^cre  Kk^^rpe&jrUck^^e  ^escUesenL 
Aku  t>e*V;D  war  da«  gei«tliclie  Haa§  '^Beadecz  der  FFUboscaner) 
erltaJteo.  f^n  Tract  des  Klosters  war  euu  Tqattwaiwko; 
ron  den  zwei  anderen  waren  alle  PlafoiMls.  Fas»b5da  isd 
Oew<>lbe  darcbgeM;lilagen:  dieses  war  ancli  bei  den  Giagen 
zu  ebener  Erde  der  F^all,  50  daßs  man  von  diesen  aas  durch 
die  zwei  Stockwerke  auf  das  Dach  sehen  konnte.  Das  Archiv 
mit  drei  Gewölben  trotzte  noch  dem  Ruine.  Was  die  Kirche 
l>etrifft,  trug  ein  Benitzer  das  Dach  ab,  sein  Xachfolger 
C,  Mayr  den  oberen  Tbei!  des  Gebäudes  und  unser  Gewihr»- 
mann  den  Rest.  An  der  Stelle  der  Kirchenruine  wurde  non 
ein  Garten  angelegt,  bei  welcher  Gelegenheit  man  auf  die 
Gruft  der  AebtisHinnen  stiess.  Man  fand  das  Mauerwerk  sch<m 
von  zwei  Seiten  durchgeschlagen  und  den  Boden  durchwühlt 
Kinige  Gel>eine  und  eine  Schuhschnalle  aus  Messing  waren 
der  ganze  Fund,  Die  Klosterruine  wurde  in  ein  Wohnhaus 
für  Arbeiter  und  kleine  Parteien  umgestaltet  Gel^entBch 
dicHCS  Baues  fand  man  in  einem  Keller  einen  sieben  Fuss  im 
Durchmesser  haltenden  Pfeiler,  welcher  das  Gewölbe  durch- 
brach und  noch  das  obere  Gelass  stützte.  Zwischen  diesem 
Pfeiler   und   der   Hauptwand    führte   eine  Treppe   empor  und 

«  »Monographie  von  Judenbnrg^  S.  86. 

>  »Mltth.  dea  hUtor.  Vereines  fUr  Steiermark*,  VII,  216. 


459 


führte  zu  einem  nur  30  Zoll  im  Quadrate  fassenden  hohlen 
Raum.  Dieser  hatte  eine  dreifache  Deckung:  zuerst  eine  dichte 
Platte  aus  Eisenblech  ^  darüber  eine  weisse  Steinplatte  und 
dann  erst  ein  Ziegelpflaster.  Man  glaubt,  dass  hier  einst  die 
Werthgegenstände  der  Kirche  und  des  EJosters  verwahrt  wurden. 
Nicht  weit  davon  war  das  Refectorium,  ein  zwölf  Klafter  langer 
Saal,  an  dessen  Schmalseiten  sich  eine  Nische  (für  eine  Statue) 
und  Spuren  eines  Gemäldes  zeigten.  Im  Baumgarten  an  der 
Mauer  gewahrt  man  noch  fast  völlig  unkennbare  Reste  von 
Fresken. 

Beihenfolge  der  Aebtissüinen.^ 


1254—1258  Benedicta. 

1424  Clara  Pranker. 

1258-1264  CäcUia. 

1436.  41.  54—56.  63  Marga- 

1287 Clara. 

retha  Hohenberger. 

1293  FJi«abeth. 

1463.  66.  67.  70.  72.  74    77. 

1300.  04.  05.  09.  10  Diemut. 

80.  84.  91.  1500  Bar- 

1318 Adelheid   von  Liechten- 

bara  Payner. 

eteio. 

1509.  14—17.  24.   Margaretha 

1327  Catharina. 

Trauner. 

1329  Diemut. 

1530.  62.  64.  66    68.    Ursula 

1334.  35  Margaretha. 

Fegperger. 

1339.  40  Agnes  von  Liechten- 

1577. 79  Barbara. 

stein. 

1581 1 1587  Catharina  Waschl. 

1340—47  Leucart  von  Saurau. 

1537  Christina  Kalenberger. 

1348  Elsbet  Welzer. 

1590  Christina  Zankl. 

1348.  49  Agnes  Saurer. 

1595  Christina  Kalenberger. 

1354. 55  Wüburgv.PfafiFendorf. 

1606.  08.  10  Margaretha  Grasl. 

1361.  63. 64  Catharina  Verber. 

16 10     1 1630  Anna  Rosslmayr. 

1368  Christina. 

1630—  1 1637  Anna  Elisabeth 

1369  Catharina  Verber.       * 

Francisca  Freiin  Breu- 

1395.  1402.  05.  06.  10  Marga- 

ner. 

retha  Chnol. 

1637      1 1655  Euphrosina  Vic- 

1413 Clara  Schinckh. 

toria  Pichler. 

1416  Meyla  von  Min-j 

1655—  1 1660  Victoria  Catha- 

kendorf.           ^I^ -/ 

rina  Pichler. 

1416  Mila    die    Pey-    '^: 

1660—76  Anna  Maria  Preven- 

schatterin. 

huber. 

*  So  weit  selbe  in  Urkunden  und  Acten  vorkommen. 


460 


1676  —  79    Cbristina   Susanna 

Ramschüssl. 
1679—82  Esther  RosaJia  von 

Püchl. 
1682 — 85    Christina    Susanna 

Ramschüssl. 
1685—  1 1721  Maria  Febronia 

Neuringbeuer. 


1721.  29.  37.  40.  Anna  Marii 

Rosmann. 
1765  Maria  Rosalia  Egg^. 
1768  —  73     Maria     Catharin» 

Drexler.' 
1773  Maria  Rosalia  Egger.^ 
1782  Maria  Catharina  Drexler. 


Verzeichniss  der  aus  Urkunden  und  Acten  bekannten  Vonnen. 


1277  Adelheid  von  Hof. 

1318.  47.  53  WüburgvonPfef- 

1297  Chunegunde  Leglaer. 

fendorf. 

1289  WUburg.3 

1320  Mechtilde    von    Pndten- 

1290  Matza  von  Reifenstein. 

furt. 

1290  Genta  von  Reifenstein. 

1322  Diemut. 

1290  Agnes  von  Weisseneck. 

c.  1323  Seldena.7 

1293  Benedicta. 

1327  Elsbet  von  Lobnung. 

1300  Elisabeth. 

1331.  57.  84  Catharina  Verber. 

1301  Gertraud.^ 

1338  Kathrein.» 

1304  Margaretha.* 

1339  Margaretha  Trüller. 

1304  Catharina.  5 

1339  Mai^aretha  Unkel.» 

1306  Catharina  von  Windisch- 

1339  Dorothea    (von   Dieters- 

grätz. 

dorf). 

1309  Leueart  von  Saurau. 

1340  Catharina  Chaeczer. 

1310.  47  Berchta  Puztramer. 

1340  Clara  (von  Mitterdorf). 

1311  Adelheid    von   Liechten- 

1342 Margaretha.«« 

stein.^ 

1345  Agnes. 

1311  Cunegunde    von    der 

1345  Chunegund   (von  Wolfs- 

Gleyn. 

^          berg). 

*  Geboren  1717  zu  Wien. 

3  Seit  1718  Nonne  in  Paradeis  und  siebenmal  gewählt. 

'  Aebtissin  zu  Tirnstein. 

^  Nichte  der  Chunigunde  von  Reifenstein. 

^  Tochter  des  Grazer  Bürgers  Oetschlein. 

^  E^cheint  schon  1291. 

'  Aebtissin  zu  St.  Veit  in  Kärnten. 

B  Tochter  des  Jndenburger  Bürgers  Jekel  des  Schneiders. 

*  Wohl  identisch  mit  der  1348  vorkommenden  Margaretha  von  Gras. 
10  Tochter  des  Conrad  von  dem  Stein. 


461 


346  Yime  (von  Salzburg). 
346  Agnes  von  Liechtenstein. 
346  Diemut.1 
348  Elsbet  Welzer. 

348  Margaretba.^ 

349  Margaretha  Nenmeister. 

352  Catharina      Chiistina 

Mueleich.^ 
363  Mai^aretha  die  Sjmonin 
von  Graz. 

353  Cunegonde  Paomaister. 
354.  90.  91.  1404.  05  Magda- 
lena Verber. 

357  Dorothea.^ 

357  Elsbet  Besecherin. 

358  Margaretha    die    Hof- 

schneiderin. 

358  Gertraud  Unkel. 

358  Cunegunde    (von    Tal- 
heim). 

361  Catharina  TrUUer. 

361  Aleis.s 

361.  1416  Margaretha.» 

361.  64.  Ursula.* 

361.  93.  1401.  06  Anna.» 

363  Anna.* 

363  Catharina    v.    Windisch- 
grätz. 


1364  Margaretha  Chnol. 

1369  Dorothea  von  Fohnsdorf. 

1370—72  Dorothea  die  Wige- 
lasin. 

1372,  76.  89.  Elsbet  von   Stu- 
benberg. 

1393  Ursula  die  Pignötlin. 

1402  Anna  von  Stubenberg. 

1406  Anna  von  Spangstein. 

1449  Clara  Pranker. 

1454  Veronica.' 

1464  Apollonia    Schachner^ 
Priorin. 

1466  Margaretha.® 

1474  Cäcilia  v.  PfaflFendorf. 

1475  Anna   von    Ligist^    geb. 

Pranker. 
1477  Margaretha  Welzer. 
1480  Catharina.» 
1491  Catharina.  <« 
1490—1500  Potentiana.ii 
1503.  06  Dorothea.i2 
1561  Barbara  Wolmuth.*' 
1579  Catharina  Ehessler. 
1610  Barbara  Furtwagner. 
1610  Barbara  Schwäger. 
1611—30  AnnaElisabethFran- 

cisca  Freiin  Brenner, 


1  Tochter  des  Murauer  Bürgers  Niclas  Lederer. 
'  Tochter  des  Bürgers  Jacob  Nikel  zu  Judenbnrg. 
'  Lebte  noch  im  Jahre  1399. 

*  Tochter  der  Sophia  Haubenporstl. 

'  Verwandte  der  Brüder  Hans  und  Hang  ron  Goldeck. 
^  Tochter  des  Judenbnrger  Bürgers  Peter  Schneider. 
^  Mnhme  der  Barbara  Munsmaister. 
^  Tochter  des  Jndenborger  Bürgers  Georg  Sporer. 

*  Tochter  des  Hans  Walz  im  Lungau. 

1^  Schwester  des  Hans  Wulz,  Bürgers  za  Gmünd. 
^'  Schwester  des  Neumarkter  Pfarrers  Jacob  Prantol. 
*'  Der  Mayrin  zu  Pfaffendorf  Tochter.  . 
>^  Wurde  Aebtissin  zu  Timstein. 


1.^*' 


Sophia  XeX 
Marü  Ttf 


X 

Catkmrätt  lingL 


n 
n 
ff 
n 
n 
n 


— 1«4  Barbara  Meclitflde 

KirchbieUer. 
— 1644  Maria    Renata 

DietL 

Anna  Snsanna  EUsabedi 

Panmgartner. 

Catharina  Victoria  Pich- 
1er. 

Anna  Clara  Goeaeer. 
Anna  Maria  Prevenhuber. 
Maria   Anna   GrOnpökh. 
Rebecca  Elisabeth  Geyer. 
Anna  Mayr. 

Margaretha    Martha 
Gull«». 

Leonora   Wamblsberger. 


ir- 


lei 

1570— 17J0  F] 
1*7 


Bajo. 


17IÄ 

>«  Mana  Comtaata  Reitter 

m  27.  Jitt- 
dieses  Jabcs). 
17<d3— 7^  BcMfcta     Stepb 

mg^,  PrionB.^ 
1765  Catharima  Drexl^,  Prio- 


r 

*  * 

n 

n 

j? 

j? 

ij 

17 
7) 
17 


Antonia 

XaTeria  MaetsauL 

\lcloria  Pinr. 

AJexia  Felder. 

Lndovica  Ddgn. 

Hyacintha  FrendenbicU. 

Coleta  BartU. 

Bemardina  Schaffer. 
Joliana  Penntner. 
Barbara  Seisser. 
Anna  Schreiber. 
Constantia  Hopf. 
Engenia  SteinbüehL 
Gabriela  Kunstat 
Clara  Stephanigg. 
Bonaventura  Eder. 
Rosa  Schrekenfax. 
Francisca  Haslinger. 
Theresia  Eggstain. 


'  torfthj^r  «ririM  Oraser  Borgers. 
*  OflWftfi  1730  tn  Obdach. 


463 


176Ö  Rosalia  Bnrgstaller. 

CreBcentia  Schweiger. 
Magdalena  Fink. 
Martha  Neumann. 
Hortulana  Richter. 
Floriana  Mayr. 
Monica  Zigler. 


n 
n 
ff 


1766  Veronica  Gatzaer. 

„      Agatha  Eberger. 

yy      Cajetana  Eder. 

„     Nepomucena  Vogl. 

„      Josepha  Eunstat. 
1770  Maria  Jacobina.  ^ 


Offioiale  des  Klosters. 


1298  Conrad  KnoU,  SchaflFer 
und  Pfleger. 

1301  Gerung  Scheiflinger,  An- 
walt. 

1314.  1322  Herbot  von  PfaflFen- 
dorf,  Schaffer. 

1339—1342  Wolf  hart  von  Pfaf- 
fendorf, SchafFer  und 
Pfleger. 

1342  Thomas  Chojb,  Schaf- 
fer. 


1359  Hermann  von  PfaflFen- 
dorf,  Schaffer. 

1417  Nicias  der  Walpacher, 
Schaffer. 

1430  Hanns  Panzier,  Amtmann 
zu  Morschdorf. 

1436  Thomas  Cholb,   Anwalt. 

1614  Matthäus  Lackher,  Schaf- 
fer. 

1763  Peter  Anton  Schabl,  Ver- 
walter. 


Ortschaften  und  Oertlichkeiten,   in  welchen   das   Kloster  Güter 

und  Gülten  besessen  hat.^ 

Aichdorf  (Aichendorff)  bei  Fohnsdorf.  Allersdorf  (Algersdorf) 
bei  Weisskirchen.  Ameisbach  bei  St.  Peter  ob  Juden- 
burg. Attendorf  (Adendorf,  Otendorff)  bei  Hitzendorf 

Bocksrücken  (Poxruk),  Berg  zwischen  Schönberg  und  Frauen- 
dorf. Breitenwiesengraben  (Praytenwisen)  bei  Knittelfeld. 
Bretetein  (Vinsterpels)  nw.  von  Oberzeiring.  Buch,  auch 
Maria-Buch,  bei  Judenburg  (Puech,  B&ch). 

(Champ,  in  dem)  bei  Judenburg. 

Dimersdorf  (Diemerstorff)  bei  Mariahof.  Doblegg,  auch  Dobel- 
eck,  bei  Hitzendorf  (Dorflen^  daz  dem). 

(Exike,  an  der  langen)  bei  Reichenfels  in  Kärnten. 

lach  (Aech)  bei  Hitzendorf.  Einhorn  (Anhören)  bei  Ejiittelfeld 
(Erlach,  in  dem). 


^  Zuname  unbekannt.    Legte  am  2.  December  die  Gelübde  ab. 

'  Die  in  Urkunden  erscheinenden  Bezeichnungen  stehen  inner  Klammer. 


464 

Falkendorf  bei  St.  Georgen  nächst  Muran.  Farrach  (Vorch) 
bei  Lind.  Feeberg  bei  Judenburg.  Feistritz  (Veustritz 
bi  der  Chetse)  am  Katschbache.'  Feistritz  (Fenstritz) 
nö.  von  Weisskirchen.  Fiatschach  bei  Knittelfeld.  Fohns- 
dorf  (Vanstorf)  nö.  von  Judenburg.  (Freym).  Friesach. 
Fürth  am  Möschnitzbache  in  der  Pfarre  St.  Peter. 

Getzendorf  bei  Pols.  Glein  bei  Knittelfeld.  Göttschach  bei 
Fohnsdorf.  (Goldgrueben,  in  der).  Grebersberg,  der,  in 
Kärnten.  (Guessfeld;  ym).  Gundersdorf  (Guntheresdorff) 
bei  Stainz. 

Hartmannsdorf  bei  Mooskirchen.  Hautzenbüchl  bei  Knittelfeld. 
Hetzendorf  bei  Fohnsdorf.  Hitzendorf  sw.  von  Graz. 
Hinterberg  (Hinterperkh)  bei  Oberwölz. 

Ingering  (Vundrun)  nw.  von  Knittelfeld.  St.  Johann  bei  Knittel- 
feld. Judenburg  (J&denburg,  Judenburch,  Jundeburch! 
Indeburch!).  Hier  finden  wir  in  unseren  Urkunden  die 
Oertlichkeiten:  Murbrticke,  an  dem  Pargrab^  am  Rain, 
Stadtfeld,  Spitalfeld,  in  der  Vorstadt,  bei  dem  Brunn, 
Judenfriedhof  und  Schweingasse. 

Kaindorf  (Kuendorf)  bei  Murau.  Kathal  (Kateil)  bfei  Obdach. 
Katsch  (Chetse)  nö.  von  Murau.  Katzling  bei  Pols.  Kien- 
berg, der,  bei  Obdach.  (Klasberg)  bei  Hitzendorf.  Bj^kau 
nw.  von  Murau. 

Lassnitz  (Lessnicz)  bei  Murau.  Lembach  bei  Marburg.  Lerch- 
egg,  Alpe  im  Zeiringgraben.  Ligist  (Lubgast)  sw.  von 
Grraz.  Lind  (Linte)  bei  Knittelfeld.  Lindberg  (Lyntperg) 
bei  Niederwölz.  Lobming  bei  Knittelfeld.  Lorenzen  (Sand 
Larentzen  pey  der  Muer)  nö.  von  Knittelfeld. 

Mandorf,  Mandorferkogel  bei  Neumarkt.  Marburg.  Mautern- 
dorf  bei  Pols.  Mitterndorf  (Mitterdorff)  bei  Rothenthurm 
ob  Judenburg.  Möderbachgraben  (Möderpach)  bei  Pols. 
Möschitzgraben  (Muschnitz)  zu  St.  Peter  ob  Judenbnrg. 
Moos  bei  Marein  im  Murthale.  Morschdorf  (Martdor^ 
Mortdorf,  Mörtdorf)  bei  Mooskirchen  sw.  von  Graz. 
(Muemlspach)  bei  Weisskirchen?  (Muhal,  auf  dem).  Muratt. 

Niederzeiring.  Nussdorf  bei  Unzmarkt. 

Obdach.  (Oberdorf)  bei  Kaisersberg.  Oberndorf  bei  Mariahof. 
Obertann  bei  Weisskirchen. 

Oberweg  bei  Judenburg.  Oberwölz. 


465 

Paal  (Paul)  bei  Stadel.  (Pagnol),  Flomame  am  Morschdorfer- 
berg.  Paisberg  (Pairbei^)  bei  Weisskirchen.  (Palderspach) 
bei  Murau? 

Parschlng  bei  Brack  an  der  Mar.  Paasendorf  (Paazendorf) 
bei  Enittelfeld.  St.  Peter  ob  Jadenburg.  (Pewg,  in  der). 
Pfaffstetten  bei  Baden  in  Niederösterreich.  (Pirchach,  im). 
(Pirchach)  bei  Hetzendorf.  Pirka  (Birchach)  bei  Hitzen- 
dorf. Plankenwart  nw.  von  Graz. 

Pölshals,  Uebergang  vom  Pölsthale  in  das  Murthal. 

Pogier  (Podyor)  im  Mürzthale.  (Praeteneck,  am  kleinen)  in 
Kärnten?  Puxberg  bei  Frojach  im  Eatschthale. 

Raa  (Rae)  zu  Rotenthurm  bei  Judenburg. 

Rachau  nö.  von  Knittelfeld.  Rattenberg  (Ratenperg)  bei  Fohns- 
dorf.  Riedeneck  bei  Schöder. 

Sachendorf  bei  Knittelfeld.  Scheifling  n.  von  Neumarkt. 
Schrattenberg  (Schretenperg)  bei  Scheifling.  (Schawm- 
berg,  an  dem).  (Siming,  an  dem).  Stadel  w.  von  Murau. 
Stadihof  bei  Lind.  Stallbaum  (Stolpain)  bei  Murau.  Strett- 
weg  bei  Judenburg.  (Sumperperg)  bei  Mooskirchen  oder 
Hitzendorf.  (Suppersbach).  (Syernick,  an  der). 

Tauem  (in  den  Taum),  Uebergang  vom  Paltenthal  in  das  Mur- 
thal. (Tawchstain).  Thalheim  bei  Pols.  Tollach  (Toelach) 
bei  Trofaiach.  Trofaiach  (Tropheyach)  nw.  von  Leoben. 
(Truentersperg,  der)  bei  Donawitz. 

Unterberg  bei  Teufenbach.  Unzdorf  bei  Knittelfeld.  (Vahental) 
ober  Fohnsdorf. 

Wasendorf  (Waiczendorf,  Waessendorf,  Watzendorf)  bei  Juden- 
burg.  Wetzeisberg  (Wezzelsperg)  bei  Pichlhofen.  Weyer 
(Weyem)  bei  Judenburg).  Wöll,  Wöllbach  (an  der  Woll) 
bei  Judenburg.  Wölmersdorf  bei  Murdorf  in  der  Pfarre 
Judenburg. 

(Zeilach,  im)  unter  Thaling  bei  Pols.  Zeiring,  Ober  und  Nieder- 
zeiring;  nw.  von  Judenburg. 

2ieltweg  zwischen  Jadenburg  und  Elnittelfeld. 

^rer*  Flurname  am  Morschdorferberg. 


DER 


BRUCKER  LANDTAG 


DES  JAHRES  1572. 


VON 


D"  FRANZ  MARTIN  MAYER. 


AkUt.  Bd.  LXXin.   tl.  H&lfto.  Sl 


jirzherzog  Karl  II.  fand  bei  Beinern  Regierungsantritte 
den  Protestantismus  in  Innerösterreich  als  eine  Macht  von 
grosser  Bedeutung  vor.  Fast  alle  Familien  des  Adels  gehörten 
der  neuen  Lehre  an,  die  Bürger  vieler  Städte  und  Märkte 
neigten  sich  ihr  zu,  und  die  Landbevölkerung  wurde  durch  den 
Adel  vielfach  zu  ihr  hinübergezogen.  Es  ist  selbstverständlich, 
dass  die  evangelischen .  Stände  dahin  trachteten,  den  neuen 
Landesflirsten  für  sich  zu  gewinnen  oder  wenigstens  eine 
gesetzliche^  Anerkennung  ihrer  Religion  zu  erringen.  Daher 
kam  es,  dass  auf  allen  Landtagen,  sie  mochten  wegen  der 
von  dem  Erzherzoge  übernommenen  Schulden  oder  wegen  der 
Türkengefahr  berufen  worden  seiü,  die  Religionsangelegenheit 
zur  Hauptsache  gemacht  wurde.  Von  allen  diesen  Landtagen 
ist  keiner  bekannter  geworden  als  derjenige,  welcher  im 
Jahre  1578  zu  Brück  an  der  Mur  versammelt  war,  denn 
auf  diesem  Tage  sah  sich  der  Landesfilrst  genöthigt,  den 
protestantischen  Ständen  erhebliche  Zugeständnisse  zu  machen. 
Dieser  Landtag  hat  auch  eine  ausführliche,  wenn  auch  keines- 
wegs erschöpfende  und  richtige  Darstellung  gefunden;  dagegen 
ist  die  Bedeutung  des  Landtages  vom  Jahre  1572,  der  auch 
in  Brück  abgehalten  wurde,  noch  nicht  erkannt  und  der  Ver- 
lauf desselben  auch  noch  nicht  geschildert  worden.  Was  Hurter 
erzählt,'  ist  unvollständig,  ungenau  und  lässt  die  Wichtigkeit 
der  auf  diesem  Tage  zu  Stande  gekommenen  Vereinbarung 
nicht  erkennen.  Hurter  hatte  die  Hauptquelle  für  die  Ge- 
schichte dieses  Landtages,  die  Acten  und  Aufzeichnungen  über 
verschiedene  Vorfälle  nicht  vor  sich.  Sie  befinden  sich  jetzt 
im  Landesarchive  zu  Graz  und  standen  mir  vollständig  zu  Ge- 
bote. Auf  Grund  derselben  beabsichtige  ich  die  Verhandlungen 
dieses  denkwürdigen,   für  die  Geschichte   des  Protestantismus 

1  Geschichte  Kaiser  Ferdinands  11.,  I,  247—261. 

81* 


470 

in  Innerösterreich  so  wichtigen   Landtages  auf  den  folgenden 
Blättern  darzustellen. 

Der  erste  Landtag,   welchen  der  neue  Landesherr  nach 
dem  Huldigungslandtage  berief,  trat  im  December  1565  in  Graz 
zusammen.     In  der  Proposition  ^  gestand  der  Erzherzog,   dass 
ihn  die  verwirrten  religiösen  Zustände  seiner  Länder  sehr  be- 
kümmern. Schon  zu  Lebzeiten  seines  Vaters  habe  er  Schlimmes 
gehört,  aber  in  der  kurzen  Zeit  seiner  Regierung  habe  er  ge- 
funden, dass  die  Zustände  viel  ärger  seien,  als  er  sich  gedacht, 
denn   er  habe    gesehen,    dass   ,die  geistlich   hoche   Obrigkheit 
der  Enden  mehr  dem  weltlichen  Thuen  und  aignem  Wolsein, 
als   ihrem   anbefolchnem  Ambt  auswarten,   die  Khirchen  und 
Pfarren    übel   versehen   und   sich   des   augenscheinlichen  Ver- 
derbens  so    vil    christlicher   Seilen    wenig    bekhümem   lassen. 
So  erscheint  auch  an  mehr  Orten  bey  der  gemainen  Priester- 
schafft  zusambt  allerlay   Misspreucheii   ain    so   hoch  straff  lichs, 
ergerlichs  Leben,    dass  sich  dieses  Abfalls  und  Zeitlichait  in 
Religionsachen  nit  zu  verwundern,  sunder  vill  mehr  die  Lang- 
müetigkhait  und  Güete  Gottes  hierin  zu  preisen  ist,  die  solichs 
so   langher   zuesehen  und   gedulden    mugen,   dabey   dann  die 
armen   christlichen  Underthanen   an  Lehr  und  Exempel  übel 
versehen  und  verabsaumbt  worden   imd  sich  bey  der  Hirtten 
Unfleiss   und  Verwarlosung   frembde   Mietling  überzwercLs  in 
die  christliche  Gmain  eingetrungen,   die  auch  on  Erforschung 
ires  Berueffs  und  Ordination  auch  wie  sy  von  andern  Ortten 
abgeschieden    villmalls    on    Underschied   an-   und   aufgenumen 
sein  worden,  die  haben  sich  nun  des  Khirchen-Ambt  unörden- 
lich  understanden  und*  mit  ihrem  unzeitigen  Wietten  das  under 
über  sich  khert  und  den  Jammer  und  Spaltung  angericht,  der 
jetzo  laider  vor  Äugend   Eine  Menge  Secten  seien  entstanden, 
so  dass  viele  ,nit  wissen,   was  sy  bey  dieser  Spaltung  glauben 
sollend  Man  zwinge  die  Unterthanen  zum  Wechsel  der  Religion^ 
unterstehe  sich  verbotener  Handlungen  und  ,bösser  Praktickhen 
wider  die  Obrigkhait  unter  dem  Teckhl  der  Religion',   lästere 
auch   seine  Person  wie  die  Religion,   so  dass  es   scheint,  als 
handle  es  sich  nicht  um  diesC;  sondern  um  die  landesfürstlicbe 
Hoheit.     Er   wolle   Ordnung  machen  und  fordere   die  Stände 


1  Abgedrockt  bei  Harter  I,  Beil.  II,  aber  ohne  Datam.  In  den  Landtag»* 
handlungen  (Landosarchiv)  ist  sie  rom  5.  December  1565  datirt 


471 

auf,    Abgeordnete    zu   wählen,    welche  an   einem  bestimmten 
Tage  vor  ihm  erscheinen  sollten,  um  zu  berathen,  wie  Besserung 
und  Einigung  herbeigeführt  werden  könnten.  Wenn  man  ^hierinn 
allen  menschlichen  Affect,  Hass  und  Widerwillen  beiseits  legen 
und  allain  die  Ehre  Gottes  und  dabey  die  Wolfart  und  Ainig- 
khait    seiner   armen    christlichen    Gemain    mit   Lieb    suechen' 
wolle,  werde  Gott  das  Unternehmen  segnen ;  und  es  werde  sich 
zeigen,  wie  gut  es  sei,  dass  Christen,  die  einer  Sprache,  eines 
Vaterlandes  und  eines  Herrn  sind,  auch  einen  Glauben  haben. 
Aus  der  Antwort  der  Stände,  welche  sie  am  9.  December 
gaben,  lässt  sich  das  Bild  des  damaligen  religiösen  Zustandes 
vervollständigen.     Es  herrsche,   sagen  sie,   ein  grosser  Mangel 
an  gelehrten  christlichen  Seelsorgern;  das  komme  daher,   weil 
,der   aigen   Nutz,   weltlich   Pracht,   Geiz  und   dergleichen  un- 
geistliche  Untugend    mehr    bey    den   Bischoven  imd   Prelaten 
dennassen  so  hoch  khumen,   dass  obangezogene  Mängel  nun- 
mehr nit  allain  nit  wollen  abgestellt,  sonder  durch  die  bemelten 
geistlichen  Ordinarien  noch  viel  mehr  und  beschwärlicher  ge- 
macht werden  mit  dem,  dass  sie  erstlichen  junge,  ungeschickte, 
unerfame   und  der  deutschen  Sprach  unkhundige  Leutt  mehr 
umbs  Gelt  wegen,  dann  dass  sie  es  sunsten  würdig  wären,  zu 
der    Ordination   khummen  lassen.     Und  dieweill  sie  dann  die 
maisten  und  fast  alle  Pharren  und  Beneficia  im  Landt  zu  ver- 
leihen haben  oder  aber  iren  Stifften  incorporirt  sindt,  in  bemelte 
Pharren  und  Seelsorgen  untauglich,  ungeschickt  und  dermassen 
Personen  zu  Pharrherren  und  Hirtten  aufstellen,   die  nit  allain 
ihrem  Ambt  und  Berueflf  mit  warer  Verkhundung  des  heiligen 
gütlichen  Wortt  Gottes  irer  Ungeschickhlichait  halber  nit  vor- 
zustehen  wissen,   sundern   zusambt  allerlay  Mispreuchen   dem 
armen  gemainen  Mann  mit  ihrem  unpriesterlichen  unehrlichen 
Leben  alda   sie   nur  mit  Saufifen,   Fressen,   allerlay   Unzucht^ 
weltlicher  Hantierung,  Weinschenkhen  und  KbauffmanschaflFten 
umbgehen  und  mehr  Ergernuss  dann  guette  Exempel  fiii^tragen^ 
Mit   solchen  weltlichen  Dingen  müssen  sie  sich  aber  befassen, 
ydamit    sie    nur   ire    schlechte    Unterhaltung   haben    und   dem 
Ordinario  sein  Absendt  und  Präsent  raichen  mügen';  geschickte 
und  ehrbare  Priester,  die  etwa  in  das  Land  kommen,   werden 
nicht  allein  nicht  befördert,  sondern  ,durch  bemelte  Ordinarios 
aus  dem  Landt  verjagt  und  vertrieben^     So  komme   es,   dass 
das   Volk    in   Unwissenheit    dahinlebe   und  viele   Leute   nicht 


472 

einmal  das  Vaterunser^  die  zehn  Gebote  Gottes^  den  GlaabeD, 
geschweige  denn  etwas  Anderes  gelernt  haben. 

Als  Commissäre  zur  Berathung  der  Religionsangelegen- 
heiten wurden  vom  Landtage  folgende  Männer  gewählt:  Eras- 
mus  von  Windischgrätz,  Adam  Pögel,  Christoph  von  Eainach, 
Ferdinand  von  Kolonitsch  auf  Burgschleinitz^  Georg  Seifried 
von  Trübeneck,  Maximilian  Ruepp;  dann  Sylvester  Windhager 
Rathsbürger  von  Graz,  und  Hans  Pückl,  Stadtrichter  zu  Brück. 
Aber  es  ist  niemals  zu  einer  Berathung  gekommen.' 

Dem  Landtage,  der  sich  am  20.  Jänner  1567  versammelte, 
stellte  der  Erzherzog  vor,  dass  er  bisher  noch  nicht  Zeit  ge- 
funden, die  Commission  zur  Berathung  der  Religionsangelegen- 
heiten einzuberufen,  dass  er  aber  die  Frage  der  Religions- 
vergleichung nicht  aus  dem  Auge  lassen  werde.  Zugleich  wies 
er  darauf  hin,  dass  er  von  seinem  Vater  eine  Million  Gulden 
nicht  hypothecirter  Schulden  habe  übernehmen  müssen,  zu 
deren  Tilgung  die  Stände  beitragen  sollten.  Dazu  liessen  sich 
diese  aber  nicht  herbei;  vielmehr  verlangten  sie  jetzt  und  auf 
dem  folgenden  Landtage  wieder  die  Abschaffung  der  Miss- 
bräuche und  die  Aufstellung  von  Geistlichen,  welche  der 
Augsburger  Confession  angehörten.^ 

Dringender  wurden  die  Stände  auf  dem  Landtage,  der 
auf  den  1.  November  1569  ausgeschrieben  wurde  und  der 
sich  in  das  folgende  Jahr  hineinzog.  Auf  die  Propositionen 
des  Erzherzogs  erklärten  sie,  der  Landesfllrst  habe  sich  zu 
einer  Religionsvergleichung  bereit  erklärt;  dazu  sei  es  noch 
nicht  gekommen.  Bis  diese  gelinge,  müsse  der  Erzherzog  die 
Landschaft  bei  ihrer  Religionsübung  lassen.  Aber  es  sei  nicht 
genug,  dass  die  Landschaft  dieses  Recht  hat  und  dass  das 
reine  Wort  Gottes  ,in  etlichen  Flecken  und  Orttem,  auch 
alhie  (in  Graz)  öffentlich  durch  einer  ersamen  Landschaft 
Predicanten  also  wirdt  flirgetragen%  sondern  sie  mussten  ver 
langen,  dass  ,auch  derselben  arme  und  christliche  Underthanen 
auf  dem  Gay,  dessgleichen  in  den  anderen  Stetten  und  Märkhten 
und  Flecken  im  Land  mit  dergleichen  heilsamen  Lehr  nnd 
Lob,  Ehr  und  Preis  des  göttlichen  Namens  und  ihrer  annen 
Seilen  zu  Trost  underwiesen  mochten  werden'. 


<  Nach  den  Landtagsacten  im  Landesarchiv. 

J  Pas  Nähere  über  diese  Landtage  bei  Hurter  I,  100— 110. 


473 

Die  Stände  erinnerten  den  firzfaerzog  an  ihre  Darstellung 
der  kirchlichen  Zustände  auf  dem  Landtage  von  1566  und 
wiederholten  die  Hauptpunkte  daraus.  Die  ungeschickten  katho- 
lischen Qeistlichen  führen  ein  leichtfertiges  Leben,  können  oft 
nicht  einmal  gut  lesen ,  huldigen  dem  Aberglauben,  halten 
mehr  auf  die  Heiligen  als  auf  Christus  und  begünstigen  die 
Wallfahrten.  Der  Elrzherzog  möge  doch  einschreiten.  Er  möge 
die  Verkündigung  der  Augsburger  Confession  im  ganzen  Lande 
freigeben  und  auf  diese  Weise  das  Beispiel  des  Kaisers 
nachahmen;  er  möge  eine  Kirchenordnung  wie  in  Oesterreich 
einführen;  einen  Superintendenten  ernennen  und  ein  Consi- 
storium  zusammensetzen. 

Die  Antwort  des  Erzherzogs  nennt  die  letzte  Forderung 
stark  und  neu.  Er  sei  in  der  katholischen  Lehre  erzogen  und 
werde  darin  verharren;  würde  er  ihnen  darin  willfahren ^  so 
könnte  es  heisseU;  es  ^hetten  I.  f.  D.  mit  ihnen;  den  Stenden, 
und  sy  herwider  mit  ir  umb  die  Religion  gekhramet  und 
soliche  Andrung  allain  von  der  yerhofifenden  Hilff  und  Dar- 
reichung zu  Abhelffung  irer  Durchl.  Schuldenlasts  zuegelassen 
und  gestattete  Was  würden  die  geistlichen  Obrigkeiten  und 
die;  welche  Pfarren  zu  verleihen  haben;  dazu  sagen,  wenn  er 
ihnen  ihr  Vermögen  nehme?  E>  könne  daher  ihre  Wünsche 
nicht  erfüllen;  doch  werde  er  darauf  sehen ;  dass  die  Pfarren 
mit  tauglichen  Personen  besetzt  werden.  Uebrigens  sagte  er 
den  Herren  und  Rittern  zU;  er  wolle  sie  ;in  den  Reh'gions- 
Sachen ;  wie  er  dieselben  bei  dem  Antritt  seiner  Regierung 
gefunden  und  bis  der  Allmächtige  heilsame  Mittel  zur  Einigkeit 
und  gleichem  Verstände  schicken  werdC;  nicht  beschwerend 

Dieses  dem  Herren-  und  Ritterstande  gemachte;  eigent- 
lich wiederholte  Versprechen  bedeutete  aber  eine  Absonderung 
der  Städte  und  Märkte  von  der  Landschaft;  denn  diesen  wurde 
ein  solches  Versprechen  nicht  gegeben.  Daher  baten  denn  die 
Stände  den  Erzherzog;  die  Städte  und  Märkte  nicht  von  der 
Landschaft  zu  trennen  und  seine  Qnade  auch  diesen;  die 
;Under  dem  Namen  Landschafft  auch  begriffen  und  jederzeit 
mit  und  neben  den  gehorsamisten  Landleutten  zu  obangezogener 
christlicher  Confession  sich  bestendiglich  bekhent  und  noch'; 
zuzuwenden.  Zudem  erhob  sich  auch  ein  Streit  über  die 
Besetzung  der  Pfarreien.  Die  Stände  forderten,  dass  das  Recht, 
Pfarrer  zu  ernennen,  nicht  den  Lehnsherren,   also  den  Landes- 


476 

• 

Der  Erzherzog  beklagt  darin  zuerst,  dass  die  Stände  ,aas 
ihrer  uns  gethanen  und  von  uns  angenommenen  Bewilligung 
ohn  alle  genuegsame  Ursache  gehend  d.  h.  ihren  Beschluas, 
die  Schulden  zu  übernahmen,  widerrufen  wollten.  Er  habe 
immer  recht  zu  handeln  getrachtet,  grosses  Vertrauen  in  die 
Landschaft  gesetzt,  die  Justiz  gut  verwaltet.  Niemandem  den 
Zugang  zu  ihm  verwehrt.  Die  versprochene  Religionsver- 
gleichung habe  nur  deshalb  nicht  in  Angriff  genommen  werden 
können,  weil  er  solange  ausser  Landes  gewesen.  ,So  bringen 
alle  die  seither  derselben  Yergleichung  ergangne  Landtagsacten 
und  sonderlich  die  fertigen .  (vorigjährigen)  lautter  mit  rieh, 
dass  wir  uns  jederzeit  auf  soliche  Vergleichung  gezogen,  re- 
ferirt  und  alle  Sachen  bis  dahin  in  altem  Standt  .  .  .  verbleiben 
lassen.^  Selbst  als  sie  die  freie  Zulassung  der  augsburgischen 
Confession  und  ihre  ,au8geende  Ausrichtung'  begehrt,  habe  er 
diese  Bitte  ,in  ain  Bedacht  genommen.  Euch  die  Ursachen 
solichs  Bedachts  ausführlich  eröffnete  Er  habe  die  Prote- 
stanten immer  so  wie  die  Katholiken  behandelt,  Angehörige 
beider  Religionen  in  seinen  Ratb  berufen  und  ,gefürdert*.  Stets 
sei  er  ,überflttssig  mildt,  sanfftmüttig  und  guetig^  gegen  sie 
gewesen. 

Nach  diesen  Bemerkungen  bespricht  der  Erzherzog  die 
drei  von  den  Ständen  vorgebrachten  Beschwerdepunkte,  um 
seine  Handlungsweise  zu  rechtfertigen. 

Bezüglich  der  Entsetzung  des  Riegersburger  Prädicanten 
erklärt  er  der  Meinung  gewesen  zu  sein,  dass  die  Lehenschaft 
über  die  Pfarre  Riegersburg  ihm  und  den  Reichenburgern 
alternative  zustehe,  und  dass  sie  ihm  nach  dem  Tode  des 
letzten  Reichenburgers  ganz  heimgefallen  sei.  Bezüglich  des 
Radkersburger  Vorfalles  gebe  er  noch  einmal  die  Erklärung 
ab,  dass  er  seinen  Städten  und  Märkten  die  freie  Religions- 
disposition  nicht  einräumen  werde.  Die  landesfUrstlichen  Orte 
stehen  ,unter  der  Landleut  Gezwang  nit,  sunder  Ihrer  f.  D. 
und  derselben  nachgesetzten  Obrigkheiten^  Auch  die  Stände 
lassen  sich  von  ihren  Unterthanen  nicht  ,fllrgreiffen*,  das  wäre 
der  Billigkeit,  ja  sogar  der  ,Vemunft*  zuwider.  Sie  sehen  es 
nicht  gerne,  wenn  ihre  Unterthanen  sie  umgehen;  so  sollen 
auch  die  Bürger  seiner  Städte  sich  mit  ihren  Wünschen  zuerst 
an  ihn,  den  Landesflirsten ,  wenden.  Und  Lehensherr  der 
Radkersburger  Kirche  sei  der  Bischof  von  Seckau,   dem  also 


475 

• 

Reichenburg^  dem  Lehens-  und  Vogtherm  der  Pfarrei  Riegers- 
burg,  als  Pfarrer  vocirt  worden  und  versah  bis  zum  Tode  des 
Vogtherm  sein  Amt.  Dann  aber  sollte  er  nach  Salzburg  zur 
^Erlangung  der  Confirmation*  gehen ,  ^  erhielt  aber  vom  Erz- 
bischof kein  Geleit;  die  Herren  und  Landleute  nahmen  sich 
seiner  auf  Wunsch  der  Reichenburgischen  £rben  an  und 
wendeten  sich  an  den  Erzherzog.  Aber  es  geschah  nichts,  und 
Gröblacher  musste  mit  Weib  und  Kind  das  Land  verlassen. 

Den  Radkersburgem,  erzählen  die  Stände  weiter,  hat  der 
Bischof  von  Seckau  sieben  Jahre  lang  einen  protestantischen 
QeistUchen  gehalten.  Als  dieser.,  Abraham  Hemberger  mit 
Namen,  starb,  schickte  der  Bischof  untaugliche  katholische 
GeistUche,  die  nicht  einmal  lesen  können.  Als  die  Radkers- 
burger  auf  ihr  Beneficium,  dessen  Lehens-  und  Vogtherren  sie 
selbst  sind,  einen  Protestanten  aufnahmen,  wurden  sie  vom 
Bischöfe  verklagt,  worauf  einige  Bürger  vor  den  Erzherzog 
nach  Wien,  wo  er  sich  damals  aufhielt,  berufen  wiirden.  Der 
eine  von  ihnen  starb  in  Wien,  die  anderen  empfingen  das 
strenge  Verbot,  je  wieder  einen  Prädicanten  zu  berufen. 

Die  Pfarrei  von  Fürstenfeld  versah  ein  Protestant,  der 
besonders  zur  Zeit  der  Infection  treu  bei  den  Bürgern  aus- 
harrte.    Dieser  wurde  mit  Gewalt  fortgeschafft. 

In  Anbetracht  dieser  Vorfälle,  so  erklärten  ,die  Landleut, 
so  anitzo  auf  Erforderung  einer  ersamen  Landschaft  Ver- 
ordneten alhie  bey einander  versamblet%  könnten  sie  in  Geld- 
angelegenheiten nichts  beschliessen  und  gingen  auseinander. 

Wir  wissen  nicht,  wie  der  Landesfürst  diese  trotzige 
Erklärung  aufgenommen.  Er  befand  sich  damals  in  Wiener- 
Neustadt,  von  wo  er  am  22.  December  1570  an  die  Verordneten 
ein  Sendschreiben  erliess,  das  den  Auftrag  enthielt,  sogleich 
alle  Landleute  einzuladen,  zum  Wohle  des  Vaterlandes  sich 
am  6.  Jänner  1571  in  Graz  zu  versammeln,  um  seine  Bot- 
schafk  zu  vernehmen.^ 

Der  Landtag  kam  in  der  That  zu  Stande  und  vernahm 
den  7.  Jänner  1571  die  Zuschrift  des  LandesfÜrsten.^  Diese 
war  in  einem  sehr  gewinnenden  Tone  gehalten,  vormochte  aber 
dennoch  nicht,  die  beiden  Parteien  einander  näher  zu  bringen. 


^  Nach  den  Landta^handlungen  1570.  Landesarchiv. 
'  Datum:  Wiener-Neustadt,  2.  Jänner  1671. 


478 

Yociren^  und  in  diesem  ihren  Rechte  sollen  sie  durch  die  geist 
liehen  Lehensherren  und  Ordinarien  nicht  gehindert  werden. 
Die  letzteren  sollen  nicht  die  Macht  haben  ^  die  von  den 
ersteren  vocirten  Geistlichen  zu  entfernen;  auch  wenn  sie 
dieselben  nicht  bestätigen,  sollen  sie  im  Amte  bleiben  können. 

Dieser  zweite  Punkt  wurde  zuletzt  die  Hauptsache.  Wolle 
der  Erzherzog  darin  den  Ständen  nachgeben,  so  wollen  sie 
die  Schulden  übernehmen.  Es  wurde  darüber  no6h  viel  ver- 
handelt, wiederholt  wurden  die  Stände  von  dem  Erzherzoge 
in  die  Burg  berufen,  wo  der  Bischof  von  Gurk  und  die  landes- 
fürstlichen Räthe  sich  abmühten,  die  Widerspenstigen  zur 
Nachgiebigkeit  zu  bewegen.  Umsonst;  sie  verlangten  immer 
wieder  die  Assecuration.  Da  auch  der  Erzherzog  fest  blieb, 
so  ward  eine  Einigung  nicht  erzielt.  Am  25.  Februar  lies» 
der  LandesfUrst  dem  Landtage  erklären,  dass  er  die  Sache 
auf  sich  beruhen  lasse. 

Im  Herbste  des  Jahres  1571  wurde  der  Landtag  noch 
einmal  berufen,  aber  es  erschien  nur  eine  geringe  Zahl  von 
Landleuten,  und  diese  wollten  nichts  beschliessen  und  baten 
wiederholt,  der  Erzherzog  möge  sie  entlassen.  Uebrigens  stellten 
sie  diese  Bitte  erst,  als  ihre  Forderungen  bezüglich  der  religiösen 
Fragen  ohne  Erfolg  geblieben  waren.  Sie  hatten  nämlich  ver- 
langt, dass  der  Erzherzog  den  ,ferten  genummenen  Bedacht 
von  wegen  freier  Zulassung  der  offtgedachten  Augsburger 
Confession  mit  erster  Gelegenheit  vätterlich  eröflfne^  und  die 
Erlaubniss  zur  Verwendung  der  Württembergischen,  Witten- 
bergischen oder  Nürnberger  Agende  ertheile,  wodurch  die 
Gleichheit  in  den  Ceremonien  hergestellt  werden  sollte.  Alle 
Verhandlungen  waren  fruchtlos:  wie  der  LandesfUrst  nicht  die 
freie  Religionsübung  zugab,  so  bewilligten  die  Stände  nicht 
die  für  die  Grenzvertheidigung  und  die  flir  die  Schuldentilgung 
erforderlichen  Summen.  Daher  kündigte  der  Erzherzog  die 
Berufung  eines  neuen  Landtages  an,  der  Anfangs  Jänner  1572 
in  Brück  zusammentreten  sollte. 

Die  Landtagsmitglieder  fanden  sich  im  Laufe  des  Jänner 
ein.  Die  am  4.  Februar  vorgelegten  Propositionen  thaten  der 
Religionsangelegenheit  mit  keinem  Worte  EJrwähnung;  sie  ver- 
langten vielmehr  rasche  Erledigung  der  Geldbewilligungen.  Die 
Regierung  forderte  zunächst  die  Bewilligung  von  jährlichen 
110.000  Gulden  für  den  Zeitraum  von  fünf  Jahren,  vom  1.  Mfin 


479 

1572  an;  dann  die  Rüstung  eines  Pferdes  auf  je  100  Gulden 
Einkommen,  statt  des  30.  Mannes  2000  HakenscbUtzen;  persön- 
Uchen  Zuzug,  &lls  der  Erzhensog  ausziehe,  und  die  Bereitschaft 
des  fbnften  und  zehnten  Mannes;  femer  durch  fünf  Jahre 
jährlich  50.000  Gulden  zur  Herstellung  der  Grenzgebäude; 
dann  die  Uebemahme  einer  Million  Gulden  Schulden,  die  schon 
1569  bewilligt,  dann  aber  widerrufen  worden  war.  Endlich 
verlangte  die  Regierung ,  dass  jene ,  welche  mit  der  Zahlung 
früherer  Contributionen  im  Rückstande  geblieben,  zur  Zahlung 
verhalten  würden,  dass  eine  neue  Waldordnung,  eine  Getreide- 
preisesatzung berathen  werde. 

Vorher  schon  hatten  die  landesfürstlichen  Räthe  die  Ver- 
treter der  Städte  und  Märkte  vorgerufen  und  sie  aufgefordert, 
in  den  Religionsangelegenheiten  mit  den  Herren  und  Rittern 
nicht  gemeinsame  Sache  zu  machen.  ,Stark  und  embsig'  wurden 
sie  angegangen,  dieses  Versprechen  zu  geben,  und  nur  ungern 
gingen  sie  in  diese  ,abäonderliche  Handlung'  ein,  als  ihnen 
der  Erzherzog  mit  Hand  und  Mund  zusagte,  dass  er  keinen 
Bürger  in  seinem  Gewissen  zu  beunruhigen  gedenke.  Die 
Religionsdisposition  in  seinen  Städten  und  Märkten  gab  er 
damit  aber  nicht  auf,  wie  er  ausdrücklich  versicherte;  auch 
verbot  er  den  Bürgern,  weder  allein  noch  in  Verbindung  mit 
Anderen  ihn  in  Religionssachen  weiter  zu  behelligen.*  Die  Ver- 
treter der  Städte  hatten  mit  dieser  Erklärung  nichts  gewonnen; 
sie  waren  auch  nur  dem  Zwange  gewichen  und  erwarteten 
dann  von  den  Herren  und  Rittern,  dass  diese  ihre  Sache  bei 
dem  Erzherzoge  führen  würden. 

Diese  traten  denn  auch  sofort  für  ihre  Religionsgenossen 
ein.  In  ihrer  am  6.  Februar  gegebenen  Antwort  auf  die  Propo- 
sitionen bedauerten  sie,  dass  der  Erzherzog  mit  der  Assecuration 
wieder  zurückhalte;  dann  machten  sie  es  ihm  zum  Vorwurfe, 
dass  er  mit  den  Städten,  die  doch  ein  Stand  und  Mitglied  des 
Landtags,  ,absönderliche  Handlung  mit  scharffen,  starkhen  und 
eusseristen  Bedroungen  pflegen  und  fürnemen  lassen',  welche 
Verhandlungen  doch  in  die  Landtagssitzungen  gehören.  Eine 
solche  Neuerung  möge  er  künftig  unterlassen.  Endlich  ver- 
langten sie  die  Assecuration.  Der  Erzherzog  sollte  versprechen, 


<  Die  schriftlichen  Erkl&rnngeii  des  Ensherzogs  yom   9.  nnd  10.  J&nner 
hei  Harter  I,  596. 


480 

dass  er  die  ganze  Landschaft ,  Niemand  ausgescUossen ;  also 
Jeden;  der  sich  frei  und  ungezwungen  zu  der  dem  Kaiser 
Karl  V.  übergebenen  Augsburger  Confession  bekenne,  in  ihrem 
Gewissen  ungetrübt,  ihre  Prädieanten  unangefochten  nnd  an- 
verjagt,  ihre  Kirchen  und  Schulen  uneingestellt  lassen  werde, 
so  dass  Niemand  gezwimgen  sei,  diese  oder  jene  Kirche  za 
besuchen;  femer  solle  er  die  Vogtherren  und  die  ,Pfarrmenge* 
bei  ihrem  Rechte  ,mit  Fümembung  und  Fürstellung  eines 
gelerten  und  tauglichen  Priesters'  xmd  diesen  durch  die  Ordi- 
narios  ,der  Confirmation  halben  unbedrengt'  lassen;  damit  in 
den  Ceremonien  Gleichheit  herrsche,  solle  er  der  Landschaft 
entweder  die  vom  Kaiser  den  Oesterreichern  gewährte  Agende 
oder  die  Wtirttembergische,  Wittenbergische  oder  Nürnberger 
gestatten.  Die  Protestanten  verlangten  also  Zulassung  ihrer 
Religion,  so  dass,  wie  sie  zuletzt  noch  einmal  hinzufiigten^ 
Niemand  im  ganzen  Lande  in  seinem  Gewissen  ,bekhamert, 
betrüebt,  verfolgt  und  verhasst'  werde  und  die  ganze  Land- 
schaft, Niemand  ausgenommen,  bei  ihrer  Religion,  ihren  Gütern 
und  Rechten  verbleiben  könne.* 

So  detaillirt  hatten  die  Stände  ihre  Forderungen  bisher 
noch  nicht  vorgebracht.  Aber  sie  erreichten  nichts,  denn  der 
Erzherzog  antwortete  am  9.  Februar  schroff  ablehnend.  Sie 
sollten  sich  nicht   darum   kümmern,   was  er  mit  den  Städtern 


'  Neben  den  im  Landesarcbive  mehrfach  vorhandenen  Aufzeichnimgen 
über  die  Landtagsverhandlungen  benütze  ich  auch  die  ,Acta  und  Hind- 
Inngen*,  einen  ebenfalls  im  Landesarchiv  befindlichen,  über  600  Blatter 
zählenden  Band,  welchen  Andreas  Sötzinger  in  Nürnberg  zusammen- 
gestellt hat.  Ein  Stefan  Sötzinger,  aus  Regenburg  gebürtig,  war  von 
1690  bis  1598  Schullehrer  zu  Brück  a.  d.  M.,  wo  er  auch  in  der  stSdti- 
sehen  Kanzlei  beschäftigt  wurde.  Von  Brück  Tertrieben,  kam  er  voi 
seiner  Familie  nach  Graz,  wo  ihm  die  Landschaft  in  der  Stiftssebde 
eine  Stube  einräumte.  Hier  unterrichtete  er  die  Knaben  im  Lesen  und 
Schreiben.  Möglicher  Weise  war  Andreas  Sötzinger  der  Sohn  diesM 
Lehrers,  der  wahrscheinlich  um  1600  mit  einer  Adelsfamilie  nach  NAm- 
berg  auswanderte.  Denn  in  dieser  Stadt  steUte  Andreas  aus  Acftes. 
welche  ihm  drei  steirische  Exulantenfamilien  mittheilten,  den  Band  m- 
sammen.  Am  1.  März  1652  schloss  er  sein  Werk  ab.  Die  in  demflelbeo 
enthaltenen  Acten  umfassen  die  Zeit  von  1572  bis  1627  und  betreffs^ 
die  Verhandlungen  der  protestantischen  Stände  Steiermarks  mit  doi 
Landesfürsten.  Vgl.  die  von  J.  v.  Zahn  herausgegebenen  Steiend^* 
sehen  Geschichtsblätter,  n.  Jahrg.  (1882),  72,  Amn. 


481 

seinen  Unterthanen^  yerhandle.  Die  verlangte  Assecuration 
könne  er  nicht  geben. 

Diese  Antwort  schickte  der  Erzherzog  nicht  dem  Land- 
tage, sondern  ^den  mehreren  der  Herren  und  Ritter^,  womit 
er  andeutete,  dass  er  diese  nicht  als  den  Landtag  ansehe,  da 
in  demselben  die  Vertreter  der  Prälaten  und  Bürger  fehlten. 
Dies  bedauerten  die  Stände  in  ihrer  Erwiderung  sehr;  es 
komme,  sagten  sie,  auf  die  Mehrheit  der  Stimmen  an;  wofür 
diese  stimme,  das  sei  als  Landtagsbeschluss  anzusehen,  und 
diesem  hätten  sich  auch  jene,  welche  anderer  Meinung  gewesen, 
zu  fligen.  Auch  die  Prälaten  mtlssten  dies  thun.  Ihre  Ab- 
sonderung solle  der  Erzherzog  nicht  dulden.  Auch  bitten  sie 
ihn,  so  absonderliche  Yerhandlimgen  mit  den  Städten  in 
Dingen,  welche  vor  die  ganze  Landschaft  gehören,  nicht 
mehr  vorzunehmen;  denn  wenn  auch  die  Städtebewohner  seine 
,Kammerleute^  seien,  so  seien  sie  doch  in  den  Erbhuldigungs- 
handfesten  imd  anderen  Freiheiten  als  ein  Mitglied  der  Land- 
schaft bezeichnet  und  dürfen  von  dieser  nicht  getrennt  werden. 
Die  Bürger  hätten  ihnen  erklärt,  dass  sie  sich  in  Religions- 
sachen nicht  von  ihnen  trennen  würden.  Der  Erzherzog  habe 
behauptet,  er  könne  die  Religionsassecuration  nicht  geben,  und 
doch  habe  er  sie  darauf  vertröstet.  Auch  der  Kaiser  habe 
für  Ober-  und  Niederösterreich  eine  solche  Versicherung  ge- 
geben, und  zwar  für  sich,  seine  Nachkommen  und  Erben. 

Der  Erzherzog  sah  ein,  dass  die  Protestanten  bei  der 
Religionsangelegenheit  verharren  imd  auf  die  Behandlimg  der 
Propositionen  nicht  eingehen  würden.  Er  erliess  nun  an  den 
Landeshauptmann  Wolf  von  Stubenberg,  Pangraz  von  Windisch- 
grätz,  Servatius  von  TeuflFenbach,  Paul  von  Tannhausen,  Chri- 
stoph von  Rägnitz,  Ferdinand  von  Kolonitsch  und  Bernhard 
Rindschaidt,  welche  auch  landesfUrstliche  Räthe  waren,  ein 
vom  13.  Februar  datirtes  Decret,  durch  welches  er  diese 
Herren  aufforderte,  die  übrigen  Landleute  zur  Verhandlung 
der  Geldangelegenheiten  zu  bewegen.  Sie  sollten  ,nunmehr  ohne 
verrer  DifGcultim  zu  gedachter  Landtagsproposition  greiffen 
und  mit  derselben  Erwegung  und  Berathschlagung  solang  die 
Zeit  zuebringen,  biss  sich  Ihr  f.  D.  auf  ir  sovilfeltig  Flehen 
und  Bitten,  das  dann  inner  wenig  Tagen  gewisslich  beschehen 
solle,  in  den  gedachten  strittigen  Religionsachen  ainest  ent- 
BchUessen  und  aller  Müglichait  nach  erklären  khünden^ 


482 

Ueber  diesen  Schritt,  den  ihnen  der  Erzherzog  entgegen- 
that,  waren  die  protestantischen  Stände  sehr  erfreut,  und  sie 
versprachen  auch  die  Propositionen  in  Verhandlung  zu  nehmen 
und  allen  Fleiss  darauf  zu  verwenden,  doch  ,solche8  alles  mit 
disem  Beding  und  Conditionen,  wofern  Ir  f.  D.  ainer  ersamen 
Landtschafft  underthenigisten  und  gewissen  Hofnung  nach  inDcr 
wenig  Tagen  in  wehrunden  Landtag  in  der  Religionssachen 
einer  ersamen  Landtschafft  nun  vilfeltigen  underthenigisten  und 
gehorsamisten  Flehen,  Seuffzen  und  Pitten  nach,  inmassen  es 
in  der  Landtags- Antwort  einkhumen,  genedigist  sich  wirdt  e^ 
klären,  so  solle  alsdann  die  anjetzo  fürgenomene  Beratschlagung 
in  Bewilligungssachen  gehorsamist  eröffnet  werden.  Do  es 
aber  obgehörtermassen  nit  beschehe,  dessen  sich  doch  ain 
ersame  Landtschafft  gar  nit  versiecht,  das  alsdann  solche  Be- 
ratschlagung und  Bewilligung  ainer  ersamen  Landtschafft  un- 
vergriffen und  unpräjudicierlich  sey,  also,  als  ob  von  solchem 
nichts  gehandelt  oder  beratschlagt  wäre  worden^* 

Diese  Erwiderung  Hess  den  Ernst  der  Lage  erkennen. 
Der  Erzherzog  sah  ein,  dass  die  Stände  entschlossen  seien, 
keine  Bewilligung  zu  machen,  bevor  sie  nicht  eine  Religions- 
versicherung erhalten  hätten.  Und  so  Hess  er  sich  denn  dazu 
herbei.  In  seiner  Zuschrift  vom  16.  Februar  ist  die  Religions- 
versicherung enthalten.  In  derselben  setzte  er  zuerst  aus- 
einander, warum  er  die  frühere  Antwort  der  Stände  nicht  ab 
einen  Landtagsbeschluss  habe  ansehen  können.  Zur  Berathung 
dieser  Antwort  seien  die  Prälaten  nicht  zugezogen  worden,  und 
die  Vertreter  der  Städte  und  Märkte,  deren  Anwesenheit  die 
Stände  gerne  gesehen  hätten,  seien  fem  geblieben.  Es  sei 
demnach  ,die  ganze  Tractation  allein  under  ihnen,  den  mehrern 
von  Herrn  und  Ritterschafft  fiirgeloffen,  der  gemainen  Sachen 
aber,  als  nemblich  der  Landtags-Proposition- Abhandlung  sei 
auf  die  gesambte  Landschafft,  das  ist  denen  von  Prälaten, 
Herren,  vom  Adel,  Statt  und  Märkht  Consultation  angestelt 
worden^  Sie  sollen  solch  unnöthiges  Disputiren  einstellen  und 
im  Verein  mit  den  anderen  Ständen  zur  Berathung  der  Pro- 
positionen schreiten.  ,Was  alsdann  in  gehaltener  Umfirag  die 
meisten  Stimmen  ergeben,  dasselbe  solle  billich,  allain  löbUcbem 


^  Diese  Erwidemng  trägt  kein  Datum ;  sie  wird  wohl  vom  14.  oder  15.  Fe* 
brnar  stammen. 


483 

Herkommen  nach  .  .  .  würkhiich  geschlossen  und  volzogen 
werden,  welches  Ir  f.  D.  denen  von  Herrn  und  Adel  von 
ainer  ganzen  ersamen  Landschafft  wegen  in  diesen  Sachen  flbr 
alle  Zeit  hiemit  anzaigen  lassen  wollen/ 

Dann  folgt  die  Versicherung,  welche  also  lautet:  ,. . .  Und 
mögen  sy  die  von  Herren  und  Ritterschafft  gleichfahls  Irer  f.  D. 
bey  Ihren  ftlrsthchen  wortten  sicherlich  darumben  trauen,  dass 
Irer  f.  D.  sy  und  ihre  Religionsverwandten  wider  Ihr  Gewissen 
and  den  Standt,  darinnen  Ir  f.  D.  die  Religionssachen  in  Ein- 
tretung Ihrer  Regierung  befunden,  hinwider  solang  sie  sich 
der  gebuerlichen  Beschaidenheit  und  schuldigen  G^horsambs 
verhalten,  so  viel  sich  Irer  f.  D.  Gewissens  halben  thun  und 
vor  Gott  verant wortten  last,  gar  nicht  vergwdlttigen  oder  be- 
schwären,  sondern  ihnen  als  deroselben  gethreuen  Undterthanen 
jederzeitt  mit  landsfiirstlichen  Gnaden  entgegengehen  wollen, 
doch  mit  diser  ferrern  namhafften  ausgetrukhten  Condition, 
dass  herwiderumb  sy,  die  begehrenden  Herrn  und  Ritterschafft, 
Ir  f.  D.  und  alle  Ihre  Religionsverwandten  bei  deroselben  ihrer 
allen  wahren  katholischen  Religion,  auch  an  ihren  Personen, 
wohlhergebrachten  Guettem,  Rechten  und  Gerechtigkeiten  un- 
geschmäht,  unbetriibt,  unangefochten,  unabpracticirt  bleiben 
lassen  und  es  einer  mit  dem  andern  als  seinen  christlichen 
Mitglied  beederseits  allenthalben  voll  gutt  und  treulich  meinen/  ^ 

Von  dieser  allgemein  gehaltenen  ,Ueclaration*  erklärten 
sich  die  Protestanten  nicht  befriedigt,  was  sie  dem  Erzherzoge 
am  22.  Februar  meldeten.  In  dieser  ihrer  Entgegnung  auf  des 
Landesherm  Antwort  protestirten  sie  auch  gegen  die  Nicht- 
anerkennung ihrer  früheren  Antwort  als  eines  Landtagsbe- 
schlusses. Was  der  Landeshauptmann  als  Majoritätsansicht 
constatirt,  habe  als  Beschluss  des  Landtages  zu  gelten;  sollte 
darin  eine  Aenderung  eintreten,  so  wüssten  sie  nicht,  ,wie 
etwan  die  Landtag  zu  halten  oder  zu  beschlUssen'.  Wenn  sich 
die  Prälaten  vom  Landtage  absonderten,  so  sei  dies  nicht  ihre 
Schuld,  dadurch  könne  der  Landtag  an  Werth  nichts  ver- 
lieren. Dann  stellten  sie  nochmals  die  Bitte  um  eine  Religions- 
assecuranz  und  gaben  abermals  ausführlich  die  Punkte  an, 
die    in    derselben    enthalten    sein    müssten.     Die    Herren    und 


1  Diese  Versicherung  vom  16.  Februar  stimmt  nicht  ganz  mit  der,  welche 
Uurter  I  als  ,abermalige*  Erklärung  (Beil.  XVIII,  ohne  Datum)  abdruckt. 
ArchiT.  Bd.  LXXUI.   U.  Hkitte.  32 


484 

Ritter,  ihre  Weiber,  Kinder  und  Unterthanen  durften  in  ihrem 
Gewissen,  das  nur  Gott  und  ,keinem  andern  Potentaten  an- 
gehört%  nicht  bekümmert  werden.  Sie  wären  entschlossen 
gewesen,  mit  einem  Fussfall  um  die  Assecuranz  zu  bitten,  da 
aber  der  Erzherzog  erst  heute  verlauten  Hess,  dass  er  ,sich 
merers  erklären  wolte,  als  wann  ain  faessfall  beschehen  soUeV 
so  sei  es  unterblieben.  Nicht  ,aus  ainigem  Misstrauen  gegen 
Ir  f.  D.  oder  ainichem  Privat-AflFect^  werde  die  Assecuration 
begehrt,  sondern  weil  die  Zeitverhältnisse  gefährlich  seien. 

Die  Antwort  des  Erzherzogs  erfolgte  schon  am  24.  Fe- 
bruar. Er  erklärte,  eine  Versicherung,  welche  die  von  den 
Ständen  gewünschten  Punkte  enthalte,  nicht  geben  zu  können, 
doch  gab  er  eine  andere,  welche  immer  als  ,Erleuterung  der 
Declaration  vom  16.  Februar^  bezeichnet  wirdJ 

Als  diese  zweite  Versicherung  im  Landtagssaale  eintraf, 
wurde  sie  mit  der  vom  16.  Februar  Satz  fUr  Satz  verglichen 
und  sofort  die  Bedingung,  unter  welcher  der  Erzherzog  den 
Herren  und  Rittern  die  Uebung  ihrer  Religion  zusagte  und 
welche  lautete:  ,so  lange  sy  sich  der  gebüerlichen  Beschaiden- 
hait,  wie  in  Ir  f.  D.  Declaration  vermeldet,  verhalten  werden^, 
ausgestrichen.  Nicht  allein,  weil  diese  Bedingung  darin  ent- 
halten war,  sondern  auch,  weil  sie  keine  der  Forderungen 
der  Stände  erfüllte,  wurde  auch  diese  zweite  Versicherung 
verworfen.  Da  die  Stände  nunmehr  die  volle  Gewissheit  er- 
langt hatten,  dass  der  Erzherzog  nicht  geneigt  sei,  eine  ihren 
Wünschen  ganz  entsprechende  Assecuration  zu  geben,  so  än- 
derten sie  die  letzte  Erklärung  des  Erzherzogs  durch  Aufnahme 
aller  jener  Punkte  um,  deren  Zusicherung  derselbe  bisher  ab- 
gelehnt hatte.  Sie  erzählten  diesen  Vorgang  selbst  in  ihrer 
dem  Landesfürsten  auf  die  Versicherung  vom  24.  Februar 
gegebenen  Antwort.  In  derselben  brachten  sie  zuerst  neue 
Beschwerden  vor:  ihre  Prädicanten  werden  abgeschafft,  dagegen 
soll  ein  neuer  und  ,zuvor  in  diesem  Lande  nie  erhörter  Orden, 
so  man  Jesuiter  nent%  eingeführt  werden,  der  überall  Zwie- 
tracht verursacht.  Damit  nun  künftig  keine  Irrung  zwischen 
dem  Landesfürsten  und  den  Ständen  eintreten  könne,  hat  die 


*  Dies  ist  aber  nicht  die  bei  Harter  I,  598  als  Beil.  XIX  stehende  »dritte 
Erklärung*  vom  24.  Febrnarf  wie  man  aus  dem  gleichen  Datum  fehliessen 
könnte.     Die  weitere  Darstellung  wird  die  Sache  klar  machen. 


485 

LandBchaft  die  jüngst  ^übergebene  Erklärung  in  Keligions- 
Sachen  ^  fiir  Händen  genomen,  dieselbige  treuherzig  erwogen 
and  mit  gar  wenig  Wortten  allain  zu  mererm  und  pesserm 
Verstandt,  wie  etwo  ain  ersame  Landschafft  jetzo  und  khunfftig 
fiir  zuefallunden  Missverstandt  versichert  möchte  werden,  er- 
ieuttert,  dann  sich  E.  f.  D.  gnedigst  zu  erindem  wissen,  dass 
dise  langwierige  Tractation,  welche  bisher  zu  gewissem  Be- 
schloss  nit  khumen,  allain  daher  erfolgt,  dass  man  in  Sachen 
zu  wenig  Erleutterung  gefunden,  welche  khünftigen  Irrsall  und 
Missverstandt  verhüeten  mügen  mit  gehorsamisten  und  under- 
thenigisten  Bitten,  E.  f.  D.  die  wolle  nunmehr  hiersvon  ainen 
gewünschten  Beschluss  genedigist  machend 

Diese  umgeänderte  Declaration   lautet  so:  Ihre   fürstliche 
Durchlaucht  erklären  ,hiemit  ferner  zum  Uberfluss  ganz  gnedigk- 
Uch  für  Sich,  ire  Erben  und  Nachkhumen,  dass  sy  die  von 
Herrn  und  Ritterstand t  sambt  iren  Weib  und  Eindt,   Gesindt 
und  Underthonen,   so  sich  frey  guetwillig  und  unbezwungen 
zu    dieser   ReUgion    bekhennen,    auch    angehörigen    Religions- 
verwandten, Niemands  ausgeschlossen,   in  denselben  Religions- 
sachen  wider  ire   Gewissen  nit  bekhumem,   besch wären  oder 
vei^walttigen,  sonder  inen  zugleich  den  andern,   so  irer  f.  D. 
ReUgion  zuegethon,  jederzeit  mit  landsfUrstlichen  Gnaden  ent- 
gegengehen,  voraus   aber  ire   Predicanten  unangefochten  und 
unverjagt,  also  auch  ire  habunde  Kirchen  und  Schnellen  jetzo 
und    khunfftig   uneingestellt,    item    die    Vogtherrn    und    Pfarr- 
menig  bey  iren  alten  Rechten  mit  Fümemung  und  schrifftlicher 
Benennung  aines  gelerten  und  tauglichen  Priesters  genedigist 
bleiben  und  woferr  derselbig  diser  Confession  verwant,  durch  die 
Lehnsherrn   und  Ordinarios  der  Presentation  und  Confirmation 
halber  unbedrangt  zu  lassen,    denen   nicht  weniger  als   zuvor 
bemelter  Presentation   und   Confirmation    halben    ir   gebilrlich 
Geföll  ain  Weg  als  den  andern  nit  entzogen  solle  werden  und 
solches  alles  biss  zu  ainer  allgemeinen  ainhelligen  christlichen 
und  fridlichen  Vergleichung  in  deutschen   Landen,    doch  mit 
ausgedingten  namhafften  Conditionen,  dass  ir  f.  D.  wie  alle  ire 
Religionsverwandte  bei  irer  alten  catholischen  Religion  also  auch 
die  Herren  und  Ritterschafft  sambt  obbemelten  iren  Religions- 
verwandten  bei  derselben  Religion,  also  auch  an  iren  Personen 


1  Also  die  vom  24.  Februar. 

82* 


486 

beederseits  und  wolhergebrachten  Giiettern,  Rechten  und  Ge- 
rech tigkhaiten  ungeschwächt,  unbetrilebt^  unangefochten  und 
unabpracticirt  bleiben  lassen  und  es  ainer  dem  andern  ab 
seinem  cristlichen  Mitglidt  beederseits  wol,  guet  und  treulich 
meinen  sollet 

Dem  neuen  Actenstück,  welches  durch  diese  Umgestaltung 
der  erzherzoglichen  Versicherung  entstand,  wurde  das  Datum: 
26.  Februar  gegeben.  Zugleich  wählte  der  Landti^  einen 
Ausschuss,  welcher  dafür  arbeitefi  sollte,  dass  der  Erzherzog 
diese  Versicherung,  diese  ,NöteP,  wie  die  Protestanten  dieselbe 
nannten,  anerkenne.  Dieser  Ausschuss  bestand  aus  folgenden 
Herren:  Hans  zu  Schärfenberg  auf  Spielberg,  Rath  und  Landes- 
hauptmann; Pankraz  von  Windischgrätz ,  Rath,  Hofmarschall 
und  Präsident  des  Hofraths;  Hans  Friedrich  Hoffmann,  Rath 
und  Landmarschall;  Wolf  von  Stubenberg,  Rath  und  oberster 
Stallmeister;  Erasmus  von  Windischgrätz,  Rath  und  d.-ö. 
Kammerpräsident;  Freiherr  Lukas  Zäckl,  Rath;  Paul  von 
Tannhausen;  Jakob  von  Windischgrätz;  Servatius  von  Teuffen- 
bach;  Bernhardin  Rindschaidt  zu  Schiechleuten ;  Christoph  von 
Kainaoh  der  ältere;  Ferdinand  von  Kolonitsch  zu  Burgschleinitz^ 
Georg  Seifried  von  Trübeneck,  Vicedom. 

Diese   Ausschüsse  überreichten   wahrscheinlich   noch  am 
26.  Februar  dem  Erzherzoge  ihre  ,Nötel*,  welche  aber  in  hohem 
Grade  den  Unwillen  des  Landesherrn  erregte.     Nun  arbeitete 
der   Landtag  eine  Entschuldigungsschrift  aus,    in  welcher  zu- 
nächst die  Ursachen  der  Umänderung  der  erzherzoglichen  Er- 
klärung,   dann    die    einzelnen    geänderten    Punkte    aufgezählt 
wurden.     Diese  Schrift  überreichten  die  Ausschüsse  dem  En- 
herzoge  am  27.  Februar.  Dieser  nahm  sie  entgegen,  hörte  auch 
die  mündliche  Auseinandersetzung  der  Ausschüsse  an  tmd  liess 
diese  dann  abtreten,  um  sich  mit  seinen  Räthen  zu  besprechen. 
Nachher  wurden  die  Ausschüsse  wieder  vorgerufen.    Der  Erz- 
herzog  erklärte   ihnen,   er  habe   ihnen   eine  Declaration  (vom 
16.  Februar)  und  eine  Erläuterung  (vom  24.  Februar)  gegeben, 
und   damit   könnten  sie  und  ihre  Auftraggeber  wohl  zufrieden 
sein.     Aber  sie  waren  es  nicht;  denn  nachdem  sie  sich  untöP- 
einander  berathen,   baten  sie  durch  ihren  Sprecher,  den  Mar 
schall  HoflFmann,   um  eine  gnädigere  Antwort,   weil  sonst  der 
Landtag    die    Berathung    über    die   Geldangelegenheiten  ein- 
stellen   und    die    bisherigen    Ergebnisse    derselben    annulfiren 


487 

würde.  Auf  diese  Drohung  antwortete  der  Erzherzog,  ohne 
acb  früher  mit  seinen  Käthen  besprochen  zu  haben,  aus- 
ftLhrlich  und  mit  grossem  Ernst,  worauf  die  Ausschüsse  um 
Urlaub  baten,  um  den  übrigen  Landtagsmitgliedern  Bericht 
za  erstatten. 

Am  28.  Februar,  um  2  Uhr  Nachmittags,  begaben  sich 
die  Ausschüsse  mit  Ausnahme  des  Marschalls  Hoffmann,  der  an 
diesem  Tage  ,etwas  übel  aufgewest%  abermals  in  die  landes- 
färstliche  Burg.  Das  Wort  führte  Bernhard  Rindschaidt,  welcher 
den  Erzherzog  bat,  er  möge  seinen  Räthen  befehlen^  eine 
.gtietliche,  vertreuliche  Tractation  und  Conversation  ftlrzunemen', 
damit  die  Irrungen  beseitigt  und  die  Angelegenheit  glücklich 
zu  Ende  gefUhrt  werde.  Nachdem  der  Redner  geendet,  sagte 
der  Erzherzog  die  Erfüllung  ihres  Wimsches  zu.  Er  hiess  die 
Ausschüsse  in  das  Tafelzimmer  treten  und  zu  warten;  dann 
besprach  er  sich  mit  seinen  Räthen,  dem  obersten  Kämmerer 
Georg  Khevenhiller  zu  Aichelburg  und  dem  Deutsch-Ordens- 
ritter und  Hof-Vicekanzler  Hans  Kobenzl  zu  Prosseck.  Diesen 
gab  er  den  Auftrag,  mit  den  Ausschüssen  zu  unterhandeln. 
Sie  erschienen  bald  nachher  bei  den  Ausschüssen  im  Tafel- 
zimmer; alle  nahmen  um  den  grossen  Tisch  Platz  und  die 
Berathung  begann.^ 

Der  oberste  Kämmerer  Georg  Khevenhiller  ergriff  zuerst 
das  Wort  und  gestand  ganz  offen,  dass  sie  den  Auftrag 
hätten,  die  Ausschüsse  zu  bewegen,  die  Religionsangelegenheit 
im  alten  Stande  zu  lassen.  Sie  wollten  daher  die  einzelnen 
Punkte  der  von  den  Ständen  vorgelegten  Declaration  be- 
sprechen und  jedem  derselben  eine  Erläuterung  geben,  die 
beide  Parteien  befriedigen  werde.  Es  handelte  sich  vor  Allem 
um  vier  Punkte.     Der  erste  dieser  strittigen  Punkte  war  der 


1  lieber  diese  Vorgänge  sind  zwei  Berichte  vorhanden:  ein  landfürst- 
liches, von  Khevenhiller  und  Kobenzl  verfasstes  Protokoll,  welches  die 
Ueberschrift:  ,In  perpetuam  rei  memoriam*  trägt.  Es  steht  in  den  Land- 
tagshandlungen (Sign.  LH  14)  und  ist  als  Beilage  I  zu  dieser  Abhand- 
lung abgedruckt.  Der  zweite  Bericht  ist  der,  welchen  die  Ausschüsse 
aufisetzten  und  den  Ständen  vorlegten.  SOtzinger  hat  ihn  in  sein  er- 
wähntes Werk  aufgenommen  und  dadurch  gerettet;  denn  sonst  habe 
ich  diesen  Bericht  nirgends  gefunden.  Er  ist  weit  ausführlicher  als  der 
Bericht  der  Bäthe,  geht  in  das  Einzelne  ein  und  wurde  daher  der  Dar- 
stellung vorzugsweise  zu  Grunde  gelegt. 


488 

Eingang,  in  welchem  sich  der  Erzherzog  auch  fUr  seine  Erben 
und  Nachkommen  verpflichten  sollte.  Er  hatte  auf  dem  ihm 
von  den  Ausschüssen  übergebenen  Entwürfe  die  Worte:  fiir  die 
,Erben  und  Nachkhumen*  selbst  durchstrichen,  und  jetzt  machte 
Khevenhiller  die  Ausschüsse  aufmerksam,  dass  der  Landes- 
fürst  seine  Nachkommen  unmöglich  binden  könne,  weshalb 
sie  diesen  Zusatz  fallen  lassen  sollten.  Die  Räthe  traten  ab 
und  die  Ausschüsse  beriethen  sich  untereinander.  Sie  meinten 
zwar,  der  Erzherzog  könnte  immerhin  diesen  Zusatz  aufnehmen, 
weil  es  der  Kaiser  auch  gethan,  doch  legten  sie  kein  gar  zu 
grosses  Gewicht  auf  denselben  und  Hessen  ihn  fallen.  Diesen 
Beschluss  meldete  Rindschaidt  den  Käthen,  die  sehr  erfreut 
waren,  die  Ausschüsse  in  diesem  Punkte  so  nachgiebig  ge- 
funden zu  haben. ^ 

Nun  schritt  man  zu  dem  zweiten  Punkte.  Dieser  betraf 
die  Einfügung  des  Wortes  ,Unterthanen',  so  dass  der  Satz 
lauten  sollte,  der  Erzherzog  wolle  ,die  vom  Herrn  und  Ritter- 
stand sambt  iren  Weib,  Khindt,  Gsindt,  und  Underthonen* 
u.  8.  w.  nicht  beschweren.  In  ihrer  Entschuldigungsschrift 
hatten  die  Stände  angeführt,  sie  hätten  ,ihre  ünterthonen  ge- 
horsamist eingeführt^  weil  sie  für  dieselben  ebenso  wie  für 
Weib,  Kind  und  Gesinde  Sorge  und  Verantwortung  tragen 
mttssten,  doch  sei  der  Zusatz  nicht  so  zu  verstehen,  als  ob  die 
Unterthanen  einem  Zwange  unterworfen  werden  sollten.  Jetzt, 
bei  der  Berathung  mit  den  Ausschüssen,  gab  Khevenhiller  die 
Erklärung  ab,  die  Unterthanen  seien  ohnehin  unter  dem  Aas- 
drucke: ,angehörigen  Religions verwandten'  mitverstanden.  Der 
Erzherzog  wolle  die  Unterthanen  der  Stände  ebensowenig  wie 
diese  selbst  beschweren,  man  solle  dem  Fürsten  trauen  und 
es  bei  seiner  Religionserklärung  bewenden  lassen.  ,Ire  f.  D/, 
sagte  er,  ,khünnen  sich  nichts  bloss  geben,  damit  sy  sich  auch 
gegen  den  andern  habe  zu  defendiren,  wiewohl  Ire  f.  D- 
khain  Bedenkhen  haben,  diese  SchriflFten  die  khümmen  hin, 
wo  sy  wollen;  aber  sollen  sy  anitzo  in  ainem  und  dem  andern 
mehrers  als  zuvor  einführen,    das  Ir  f.  D.  nit  wolle  gebüren/ 


1  Jetzt  erst  ist  die  Stelle  in  der  Denkschrift  der  innerösterreicbischen 
Stände  vom  24.  Februar  1600  (Dimitz  III,  304),  welche  sa^t,  die  Aus- 
dehnung der  Concessionen  auf  die  Erben  des  Landesfürsten  sei  w» 
38.  Februar  1572  abgeschlagen  worden,  verstindlich. 


489 

Nach  dieser  Erklärung  traten  die  Räthe  ab,  und  die  Aus- 
schüsse berietfaen  die  Sache.  Sie  blieben  bei  ihrem  Verlangen 
und  gaben  dies  den  zurückkehrenden  Käthen  kund.  Diese 
wandten  neuerdings  alle  ihre  Beredsamkeit  auf,  die  Ausschüsse 
umzustimmen.  Ehevenhiller  konnte  aber  auch  jetzt  nichts 
Anderes  thun,  als  betheuem,  dass  unter  den  Rehgionsver- 
wandten  auch  die  Unterthanen  gemeint  seien.  Er  ,vermeldt 
bey  seinem  Gewissen,  dass  es  gewisslich  kain  andern  Ver- 
stand hab^  Eobenzl  dagegen  machte  aufmerksam,  dass  der 
Ausdruck  ,angehörige  Religions -Verwandten*  genereller,  um- 
fassender sei  als  der  Ausdruck  ,Unterthanen%  so  dass  ihnen 
also  mit  jenem  Worte  mehr  bewilhgt  werde,  als  sie  wünschten. 
Er  ,yermeldt,  dass  ain  ersame  Landschafft  vielmehr  mit  der 
Generalität  der  Angehörigen  und  Niemandts  ausgeschlossen, 
wie  es  zuvor  in  der  Schrifft  einkhumen,  als  mit  Specificirung 
der  Underthanen  content  und  zufrieden  sein  solle  und  wann 
er  unserer  Religion  wäre,  so  khunde  er  änderst  nicht  befinden, 
denn  dass  die  Generalität  viel  besser  und  gewisser  in  allen 
zuefallenden  Sachen  als  solche  Specificirung  seye'. 

Diese  Beweisführung  scheint  Eindruck  auf  die  Ausschüsse 
gemacht  zu  haben,  denn  nach  einer  neuen  Berathung  unter 
sich  gaben  sie  die  Erklänmg  ab,  dass  sie  zwar  das  Wort 
,Unterthanen'  gerne  in  der  Urkunde  sähen,  dass  sie  jedoch  auf 
die  Aufnahme  desselben  verzichteten  im  Vertrauen  auf  die 
Auseinandersetzung  der  Räthe,    welche  sie   festhalten  wollten. 

So  hatten  die  Ausschüsse  auch  den  zweiten  Punkt  auf- 
gegeben, und  ebenso  leicht  Hessen  sie  sich  in  dem  dritten 
überwinden. 

Dieser  Punkt  betonte  die  Rechte  der  Vogtherren  gegen- 
über denen  der  Lehensherren  und  Ordinarien.  Die  Räthe  ver- 
langten, dass  die  Stände  auch  diesen  Punkt  fallen  lassen  sollten. 
Man  könnte  sich,  sagten  sie,  so  vergleichen:  Wenn  der  Lehens- 
herr oder  Ordinarius  einen  Geistlichen  ,8perren'  wolle,  so  ,solle 
diese  Beschaidenhait  gebraucht  werden,  dass  man  sy  wol  sup- 
plicim  und  lauffen  wirdt  lassen,  aber  sy  würden  dameben 
guetlich  von  irem  Anhalten  abgewiesen,  dass  sy  hierinnen 
Geduldt  truegen,  wo  nicht,  alsdann  sy  zu  den  Landtsrechten 
zu  weisen,  wie  es  nun  gehalten  werden  solle,  das  verstehet  man 
woll^  Mit  diesem  Versprechen  sollten  sie  zufrieden  sein,  aber 
in  die  Religionserklärung  könnte  es  nicht  aufgenommen  werden. 


i 


490 

Der  Sinn  dieses  Zugeständnisses  ist  der:  Die  Vogtherren 
nehmen  den  Geistlichen  auf;  wenn  die  Lehensherren  und  Or- 
dinarien denselben  nicht  anerkennen  wollen,  werden  sie  von  der 
Regierung  zur  Geduld  verwiesen  oder  die  Streitsache  kommt 
vor  das  Landrecht,  dessen  Beisitzer  protestantische  Adelige 
sind,  deren  Entscheidung  also  den  Vogtherren  nicht  ungünstig 
sein  könnte. 

Diesen  dritten  Punkt  Hess  man  übrigens  einstweilen  in 
der  Schwebe,  und  man  wandte  sich  dem  vierten  zu.  In  ihrem 
Concepte  hatten  nämlich  die  Stände  den  Satz:  ,so  lang  sy  sich 
der  gebüerlichen  Beschaidenhait,  wie  in  Ir  f.  D.  Dedaration 
vermeldet,^  verhalten  werden',  ausgelassen  und  dies  damit  mo- 
tivirt,  dass  sie  die  Einstellung  des  protestantischen  Gottes- 
dienstes verhindern  wollten,  die  ja  vielleicht  schon  eintreten 
könnte,  wenn  ein  einziger  aus  ihrer  Mitte  unbescheiden  handle. 
Zur  Besprechung  dieses  Punktes  begaben  sich  die  Herren 
Rindschaidt  und  TeuflFenbach  zu  den  Räthen  und  erklärten 
diesen:  , Wofern  derselbig  Artikel  also  verbleiben  solle,  so 
wäre  die  ganze  Tractation  vergebens.'  Die  Räthe  entgegneten, 
sie  hätten  den  Erzherzog  zur  Auslassung  dieses  Satzes  nicht 
bewegen  können.  ,Doch  wolle  Ir  f.  D. ,  dass  es  gegen  den 
Herrn-  und  Ritterstand  allerdings  bey  der  letzten  Erklänmg 
soll  bleiben  und  bestehen,  aber  der  Vorbehalt,  der  sich  auf 
die  vorige  Erklärung  thut  referiren,  sey  nur  Ir  f.  D.  Behelf^ 
damit  sie  sich  im  Fall  der  Noth  und  da  es  Irer  f.  D.  under 
die  Augen  gewähet,  als  betten  Ire  f.  D.  alles  under  ainst  zu 
Poden  gehen,  auch  Hand  und  Füss  fallen  lassen,  gegen  Hi- 
spania,  Rom,  Bayern  und  den  benachbarten,  die  sy  dennoch 
vor  Augen  haben  müeste,  entschuldigen  khunde,  aber  die 
Herrn  und  Landleuth  soll  es  nicht  binden.* 

Ich  gestehe,  dass  ich  über  den  Sinn  dieser  Worte  nicht 
vollkommen  klar  geworden  bin.  Ich  verstehe  dieselben  so: 
Die  letzte  Erklärung,  d.  i.  die  vom  24.  Februar  mit  dem  Satze: 
,so  lange  sy  sich  der  gebüerlichen  Beschaidenhait  verhalten 
werden*,  bleibt,  aber  der  Vorbehalt,  d.  i.  eben  dieser  Satz,  der 


*  In  der  Dedaration  vom  16.  Februar  lautet  die  Stelle:  »solang  sie  sich 
der  gebüerlichen  Beschaidenhait  und  schuldigen  Gehorsam bs  verhalten, 
so  viel  sich  Irer  f.  D.  Gewissens  haibor  thun  und  vor  Gott  veranl- 
wortten  last*. 


491 

auch  schon  in  der  vorigen  Erklärung;  der  vom  16.  Februar, 
enthalten  ist  und  dort  mit  dem  Satze:  ,so  viel  sich  Irer  f.  D. 
Gewissens  halben  thun  und  vor  Gott  verantwortten  last',  in 
Verbindung  steht,  soll  den  Herren  und  Rittern  keinen  Schaden 
bringen,  sondern  nur  ein  Schild  sein  gegen  etwaige  Vorwürfe, 
welche  der  Papst  und  die  katholischen  Mächte  gegen  den  Erz- 
herzog wegen  seiner  Nachgiebigkeit  erheben  könnten.  Wenn 
diese  meine  Auffassung  richtig  ist,  so  versprach  hiermit  die 
Regierung,  den  Bestrebungen  der  Protestanten  gegenüber  ein 
milderes  Verfahren  in  Anwendung  bringen  zu  wollen,  als  es 
nach  dem  Wortlaute  der  Declaration  erwartet  werden  konnte. 
Diese  Mittheilung  brachte  die  Ausschüsse  auf  einen  andern 
Gedanken.  Nachdem  sie  sich  berathen ,  schickten  sie  die 
Herren  Rindschaidt  imd  TeuflFenbach  wieder  zu  den  geheimen 
Räthen  und  liessen  diese  ersuchen,  dahin  zu  wirken,  dass 
der  &zherzog  der  Landschaft  eine  ihren  Wünschen  voll 
entsprechende ,  unterschriebene  ReHgionsdeclaration  ausstelle, 
welche  ,die  gehorsambisten  Herren  und  Landleuth  in  grosser 
Gehaimb  behalten  und  solche  khainem  andern  communicirt 
oder  abgeschrieben  gegeben  solle  werden,  sondern  unter  der 
Herren  Verordnete  Pedtschaden  verwarth  imd  verschlossen 
jederzeit  sein  und  bleiben'.  Ihr  Ziel  war  eine  vom  Erzherzoge 
unterfertigte ,  ihrem  Entwürfe  gleiche  Versicherung ;  diese 
wollten  sie  geheim  halten.  In  die  fUr  die  Oeffentlichkeit  be- 
stimmte Erklärung  konnten  dann  immerhin  jene  Sätze  auf- 
genommen werden,  welche  den  Erzherzog  gegen  die  Vor- 
würfe der  Katholiken  schützen  konnten. 

Die  Räthe  benachrichtigten  den  Erzherzog  von  diesem 
Wunsche  der  Ausschüsse.  Dieser  jedoch  brach  die  Verhand- 
lungen ab,  da  es  schon  spät  am  Abend  war,  und  lud  die  Aus- 
schüsse ein,  am  folgenden  Tage  früh  zwischen  sechs  und  sieben 
Uhr  wieder  vor  seinen  Räthen  zu  erscheinen. 

In  dieser  frühen  Stunde  fanden  sich  die  Ausschüsse  voll- 
zählig, denn  auch  der  Marschall  Hans  Friedrich  HofFmann 
hatte  sich  angeschlossen,  in  der  erzherzoglichen  Burg  ein.  Die 
beiden  Räthe  empfingen  die  Landherren  mit  der  Erzählung, 
dass  sie  am  vorigen  Abende  dem  Erzherzoge  noch  lange 
zugeredet,  den  Willen  der  Ausschüsse  zu  erfüllen,  dass  er 
,hierinnen  auch  etwas  kleinmüttig  gewesen',  doch  habe  er  sich 
doch  nicht  schrecken  lassen.     Aber  der  Erzherzog  habe   sich 


492 

doch  zu  einer  ,NöteP  entschlossen ,  mit  der  sie  zufrieden 
sein  könnten J  Die  Räthe  gestanden  zwar  selbst,  dass  mit 
dieser  Declaration  den  Wünschen  der  Stände  nicht  vollkommen 
entsprochen  sei,  aber  sie  gaben  die  Versicherung,  dass  Tor- 
kommenden  Falles  so  vorgegangen  werden  solle,  wie  sie  ver- 
langt hatten:  sollte  der  Lehensherr  oder  Ordinarius  den  von 
einem  Vogtherrn  eingesetzten  Geistlichen  nicht  confirmiren,  so 
soll  die  Sache  vor  das  Landrecht  gebracht  werden;  sollten  von 
diesem  ,beschwärliche  Erkhandtnussen^  ergehen ,  so  ,wöllen 
Ire  f.  D.  solche  Moderation  und  Conjungirung  filmemben,  dass 
die  gehorsambisten  Landleuth  gänzlich  zufrieden  sein  sollen'. 
Doch  müsste  diese  Sache  nicht  allzurasch  in  die  OeflFentlich- 
keit  gebracht  werden.  ,Aber  zum  höchsten  zu  verhütten,  dass 
man  nicht  in  allen  Wirthsheusem  darvon  rede,  auch  sich  der- 
massen  zu  stöllen,  als  ob  es  nicht  zugleich  anjetzo,  sondern 
noch  hievor  also  abgehandelt  und  beschlossen  wäre  worden 
und  wann  es  auch  ir  aigen  Sachen,  ja  Leib,  Qutt  und  Blutt 
antreffen  solle  und  zehen  Fuessftlll  gethan  betten,  so  wüsten 
sy  ain  mehrers  nit  zu  erlangen,  ja  sy  haben  auch  dameben 
zuegesagt  und  versprochen,  wie  sy  es  dann  ohne  das  schuldig, 
dass  wo  Ire  f.  D.  darunter  ichtes  leiden  wurde,  dass  sy  neben 
deroselben  Leib,  Gutt  und  Blutt  aufsetzen  wollen.' 

Als  die  Räthe  abgetreten  waren,  that  der  Landmarschall 
Hans  Friedrich  Hoffmann  bei  den  Ausschüssen  die  Umfrage, 
und  Alle  erklärten  sich  mit  der  neuen  ,Nötel'  zufrieden.  ,E8 
habe  auch  ain  ersame  Landtschafft  anders  nichts,  dann  am 
solche  Erleuterung,  damit  man  einander  woll  verstehen  kbundte, 
gesucht.*  Nicht  diese  neue  für  die  Oeffentlichkeit  bestimmte 
Religionserklärung  war  die  Hauptsache,  sondern  die  bezüglich 
dieser  Erklärung  zwischen  den  erzherzoglichen  Räthen  und 
den  Ausschüssen  getroffene  Vereinbarung  oder  ,mündliche  Er- 

J  Dies  ist  die  bei  Harter  I  als  Beil.  XIX  gedruckte  dritte  Erklärung.  Sie 
ist,  um  es  hier  noch  einmal  zu  wiederholen,  die  vierte  der  in  den 
Handschriften  vorhandenen  ReligionserklSrungen.  Die  erste  stammt 
vom  16.  Februar  (Hurter  I,  Beil.  XVHI*,  in  den  Handschriften  einig«"- 
massen  anders  lautend,  daher  von  mir  oben  mitgetheilt) ;  die  zweite  £e 
vom  24.  Februar  (nicht  gedruckt),  an  deren  Stelle  die  Stände  eine 
dritte,  von  ihnen  verfasste,  einsetzten ,  die  vom  26.  Februar  datirt  er- 
scheint und  oben  abgedruckt  wurde;  endlich  die  vierte,  welche,  wie 
ich  ausführen  werde,  am  29.  concipirt  und  in  den  Act  vom  24.  Fe- 
bruar eingeschaltet  wurde  (Hurter  I,  Beil.  XIX). 


493 

leuterung',  von  welcher  die  Stände  wünschten,   dass  der  Erz- 
herzog sie  unterschriebe.     Doch  standen  sie  auch  von  diesem 
Wunsche  ab  und  bestanden  nur  darauf,    dass  der  Erzherzog 
bewogen  werde,  ,8ich  zu  dieser  beschechnen  Tractation  und  der 
Herren  Gehaimen  Rftth  mündliche  Erklärung  zu  bekhennen  und 
solches   mit  Deroselben   fürstlichem   Mund    gegen    den   Herrn 
vom  Ausschuss  gnädigst  zu  ratificim^  Sie  selbst  würden  ,diese 
Tractation    und    Handlung   nimmermehr  aus   ihrem   Sinn   imd 
Herzen   khummen   lassen  wollen,   nit  minder  als  wann  sy  es 
täglich  in   einer  Tafel   vor  ihren  Augen  beschriebener  betten*. 
Die  mündliche  Bestätigung  der  Ergebnisse  der  Verhand- 
lungen zwischen  den  Käthen  und  den  Ausschüssen  durch  den 
Erzherzog  erfolgte  noch  am  29.  Februar  Vormittags.    Die  Er- 
zählung der   Ausschüsse   lautet   so:    ,Auf  solches   alles   seindt 
die    Herrn   Ausschuss   von   Irer  f.  D.   in  Deroselben  innerste 
Kammer   ftlrgefordert  und   selbst  mündtlich   gegen   ihnen  ver- 
melt,  sy  werden  sich  ungezweiflt  der  Tractation  und  Handlung, 
so   die  Gehaimben  Räthe  mit  dem  Ausschuss  an  gestern  und 
heut  in  Irer  f.  D.  Namen  schrijfftlich  und  mündlich  vertreuHch 
geredt    und    fürgebracht,    mit    mehrerm    zu    erindem   wissen, 
welches  alles  und  was  also  schriifftlich  und  mündlich  gehandelt 
und  beschlossen  worden,  das  ist  Irer  f.  D.  gnedigister  Willen 
und  Mainung  und  wollen  auch  alles  dasselbige  treulich  und  ohn- 
gevehrlich  halten  und  dameben  ainer  ganzen  Ersamen  Land- 
schafft  auch  der  gegenwärtigen  gnedigister  Herr  und  Landts- 
fürst  jederzeit  sein  und  bleiben  mit  gnedigistem   Vermahnen, 
dass  sy  solches  nunmehr  mit  bester  BefÜrderung   hinder  sich 
bringen  und   also  ainst  den  Sachen  ainen  gewünschten  Land- 
tagsbeschluss   machen    wollen.     Darauf  Irer  f.  D.   durch  den 
Herrn  Landmarschalch  underthenigiste  Dankhsagung  beschehen 
mit    bester    Commendation    ainer   Ers.    Landschafft,    dass    sy 
solches  alles  umb  Ir  f.  D.  jederzeit  ganz  gehorsamist  zu  ver- 
dienen willig  und  beflissen  sein  wollen.' 

Die  Erklärung  vom  16.  Februar  blieb  in  den  Acten,  die 
Erläuterung  vom  24.  Februar  dagegen  wurde  der  erzherzog- 
lichen Kanzlei  zurückgestellt.  Dort  wurde  in  den  Act  die 
neue  Versicherung  eingesetzt,  demselben  aber  das  frühere 
Datum  (24.  Februar)  belassen,  obgleich  die  Abfassung  der 
neuen  Versicherungsformel  am  29.  Februar  erfolgte.  Diese 
neue  Formel  ist  die,   welche  Hurter  im  ersten  Bande  seiner 


494 

Geschichte  Ferdinands  II.,  S.  598,  ganz  richtig  als  des  Erz- 
herzogs dritte  Erklärung  in  Betreff  der  Religionssache  ab- 
gedruckt hat.  Sie  unterscheidet  sich  von  der  zweiten,  be- 
seitigten, Erklärung  nur  durch  die  Auslassung  des  Satzes: 
,so  lange  sy  sich  der  gebüerlichen  Beschaidenhait,  wie  in  Ir 
f.  D.  Declaration  vermeldet,  verhalten  werdend 

Am  1.  März  machten  die  Ausschüsse  dem  Landtage 
ausführliche  Mittheilung  über  den  Verlauf  der  Verhandlungen 
und  legten  auch  eine  schriftliche  Dai*stellung  vor.  Die  neue 
Erklärung  des  Erzherzogs  befriedigte  freilich  nicht;  die  Land- 
tagsmitglieder  fanden  dieselbe  ,nit  gar  allerdings  also  gesteh 
und  beschaffen,  dass  unsere  vorigen  und  gehorsamisten  An- 
langen und  Bitten  genedigiste  Willfahrung  erfolgt  seye^  Aber 
die  Emmgenschaften  lagen  ja  auch  nicht  in  dieser  Erklärung, 
sondern  in  den  nicht  für  die  Oeffentlichkeit  bestimmten  Ab- 
machungen, denen  der  Erzherzog  mündlich  zugestimmt  hatte.  In 
ihrer  Dankschrift  vom  1.  März^  fassten  die  Landtagsmitglieder 
ihren  Gewinn  noch  einmal  zusammen,  und  der  Landesherr  be- 
stätigte denselben  abermals  in  seiner  Antwort  vom  2.  März,^ 
welche  als  die  Schlussschrift  in  den  Religionsangelegenheiten 
betrachtet  werden  kann. 

Nachdem  so  diese  Sache  abgethan  war,  gingen  die 
Stände  wieder  an  die  Berathung  der  Geld-  und  Grenzver- 
theidigungsangelegenheit.  Auch  diese  wurde  nicht  vollkommen 
nach  den  Wünschen  des  Erzherzogs  zu  Ende  geführt,  doch 
erklärte  er  sich  in  seiner  Schlussschrift  vom  13.  März  immerhin 
für  befriedigt.  An  diesem  Tage  wurde  der  denkwürdige  Land- 
tag geschlossen. 

Dies  ist  der  Verlauf  der  Verhandlungen  auf  dem  Land- 
tage des  Jahres  1572,  der  unser  Interesse  in  demselben  Grade 
in  Anspruch  nehmen  muss  wie  der  vom  Jahre  1578,  dessen 
Vorläufer  er  ist.  Wir  sehen  einen  seiner  Macht  sich  bewussten, 
stolzen  Adel,  welcher  nach  Religionsfreiheit  ringt  und  diese 
dem  Landesfürsten  dadurch  abringen  will,  dass  er  die  Ver- 
handlung der  Proposition  verweigert;  ihnen  gegenüber  einen 
Fürsten,  der  seiner  Religion  mit  derselben  Treue  ergeben  i«t 
wie    die   Herren    und   Ritter  der  ihrigen,   und   ihr  und  ihren 


1  Beilage  II. 

2  Beilage  III. 


495 

Bekenoem  nichts  vergeben  will,  aber  auch  abhängig  ist  von 
den  protestantischen  Ständen,  deren  Geldhilfe  er  in  Anspruch 
nehmen  muss;  zMrischen  beiden  Parteien  die  Räthe,  welche  sich 
abmühen,  die  Gegner  einander  zu  nähern  und  eine  Einigung 
durch  Zugeständnisse  zu  erzielen,  welche  mündlich  gemacht 
wurden  und  nicht  an  die  Oeffentlichkeit  treten  sollten.  Aehn- 
liche  Scenen  wiederholten  sich  auch  auf  dem  Landtage  des 
Jahres  1578,  und  daher  mag  es  kommen,  dass  Hurter  bei 
diesem  Jahre  erzählt,  was  sich  1572  ereignet  hat. 

Hurter  berichtet  nämlich,^  dass  1578  die  ständischen  Aus- 
schüsse eigenmächtig  in  die  Acte,  welche  die  Zugeständnisse 
des  Erzherzogs  enthielt,  die  Worte  aufnahmen,  der  Erzherzog 
verpflichte  sich  zu  dem  Bewilligten  für  seine  Erben  und  Nach- 
kommen. Der  Erzherzog  habe  sich  gegen  diesen  Zusatz  ver- 
wahrt und  ihn  dann  weggestrichen.  Diese  Erzählung  ist  in  alle 
folgenden  Darstellungen  dieser  Zeit  übergegangen.  Felix  Stieve 
hat  in  seinem  Werke  ,Die  Politik  Baierns^^  aufmerksam  gemacht, 
dass  sich  Hurter  geirrt,  und  nach  ihm  hat  Pfarrer  Doleschall,^ 
ohne  Stieve's  Anmerkung  zu  kennen,  seine  Bedenken  geäussert, 
ist  aber  auf  die  Sache  nicht  weiter  eingegangen.  Aber  konnte 
sich  denn  nicht  auch  auf  dem  Landtage  von  1578  dieselbe 
Scene  ereignet  haben,  die  sich  1572  abgespielt  hat?  Yß  wäre 
doch  als  möglich  anzunehmen,  dass  die  Stände  auch  auf 
diesem  Landtage  den  Versuch  gemacht  haben,  die  Anerkennung 
ihrer  Errungenschaften  auf  Generationen  hinaus  zu  sichern. 
Eine  genauere  Betrachtung  der  von  Hurter  benützten  Quellen 
bringt  uns  die  Ueberzeugung ,  dass  sich  diese  Scene  nur 
einmal,  und  zwar  1572  zugetragen  hat,  denn  der  Bericht  des 
fürstlichen  Kanzlers  Schranz,^  des  Augenzeugen  der  Vorfälle 
im  Jahre  1578,  enthält  nichts  von  dieser  Scene,  und  der  Brief 
der  Witwe  Karls  vom  Jahre  1591,*  auf  den  sich  Hurter  vor- 
zugsweise beruft,  erwähnt  zwar  den  Vorfall,  aber  ausdrücklich 
als  im  Jahre  1572  geschehen.  Hurter  hat  diesen  Brief  ober- 
flächlich gelesen,    weil    sich   bei   ihm   schon   die   Anschauung 


«  I,  347. 

'  I,  91. 

^  Im  Jahrbuch  der  Gesellschaft  fUr  die  Geschichte  des  Protestantismus  in 

Oesterreich,  6.  Jahrg.  (1884),  8.  166  ff. 
«  I,  619,  Beil.  XXXI. 
*  II,  570,  in  der  Beil.  XCVIII. 


496 

festgeBctzt  hatte,  dass  die  EinschmuggeluDg  des  Zusatzes  und 
die  Wegstreichung  durch  den  Erzherzog  iin  Jahre  1578  ge- 
schehen ist.  Und  diese  Ueberzeugung  hatte  er  ohne  Zweifel 
durch  die  Lecture  von  Khevenhiller's  Annalen  gewonnen,  denn 
merkwürdiger  Weise  findet  sich  dieser  Fehler  bereits  bei 
diesem  Schriftsteller  vor.  Der  Erzherzog,  erzählt  er,^  gab  1578 
den  Ständen  das  liberum  exercitium  ihrer  Religion,  und  ,ob 
Ihr  f.  D.  wohl  stark,  damit  bemeldte  Concession  derselben 
Erben  und  Nachkümbling  auch  binden  und  verobligieren 
möchte,  zugemut  worden,  so  haben  sie  es  doch  rund  ab- 
geschlagen^ 

Der  Vergleich  des  Jahres  1572  brachte  dem  Lande  nickt 
den  religiösen  Frieden;  er  war  wie  der  vom  Jahre  1578  nur 
ein  WaflFenstillstand,  welcher  in  den  Kampf  der  beiden  Parteien 
nur  auf  eine  sehr  kurze  Zeit  eine  Unterbrechung  brachte. 


BEILAGEN. 
I. 

Bericht  der  erzherzoglichen  geheimen  Eäthe  über  ihre  Verhand- 
lungen mit  den  Ausschüssen. 

(AuB  dem  Cod.  des  Grazer  Landesarchivs:  LH  14.) 

Ad  perpetuam  rei  memoriam. 
Als  die  Herrn  und  vom  Adl  in  Steyr  der  f.  D.  unserm 
gnedigisten  Herrn  den  sibenundzwainzigisten  Februarii  anno 
im  zwayundsibenzigisten  auf  Irer  f.  D.  inen  vom  vierund- 
zwainzigisten  dito  übergebne  Erleutterung  der  Declaration,  so 
inen  Ir.  f.  D.  vom  sechzehenden  ejusdem  der  Religionsachen 
halben  zuegestelt,  ain  Schrifften,  so  bey  den  Landtagsactis  mit 
AA  zufinden,  angehendigt,  haben  Ir  f.  D.  die  Ausschüss  ab- 
tretten lassen,  die  Schriflften  mit  iren  geheimen  Ratten  ver- 
numen  und  inen  auf  beschehne  wider  fllrforderung  lautter 
angezaigt,  nachdem  sy  sich  deren  inen  hievor  gegebnen  De- 
claration  und  darauf  gefolgten  Religionserleutterung  mit  guetem 

'  Annal.  Ferdinand  I  (1721),  7. 


497 

zeitigen  Rath^  so  weit  sy  es  ires  cristlichen  Gwissens  halben 
thaen  khünden,  entschlossen ,  so  wissten  sy  davon  nit  zu 
weichen^  sonder  verharreten  dabey  flir  alzeit  und  vermaneten 
sy  sambt  iren  Principaln  gnedigklich,  dass  sy  gehorsamblich 
daran  zufriden  und  beniegig  sein  und  dann  zu  Eröffnung  ires 
Beschluss  der  Gränizen  auch  Landt  und  Leuth -Versicherung 
belangend,  sambt  den  andern  Ständen  greiffen  weiten. 

über  welches  sy  ain   andres   begert  und   wie  sy  filr  Ir 
f.  D,  wider  khumen^  durch  den  Herrn  Marschalch  vermelden 
lassen,  sy  betten  sich  aber  Irer  f.  D.  Erklärung  zum  höchsten 
entsetzt,  zweifelten  auch  nit,   da  sy  ire  Principaln  vememen, 
dass  sy  zum  höchsten  darob  erschreckhen  wurden  und  sich  also 
nichts  anders  zuversehen,  dann  dass  die  Sachen  zerstossen  und 
die  ersten  müheseiligen  Terminos,  wiewol  man  sonsten  zimblich 
weit  davon  und  zusamenkhumen,  erlangen  wurde,  des  begerten  sy 
ires  thailss  herzlich  fürzukhumen  und  hätten  daneben  ir  f.  D., 
dass  sy  sich  genediger  gegen  inen  erklären  und  erweisen  wolten. 
Auf  welches   nun  Ir  f.  D.   inen  one   allen  Bedacht  oder 
mit   derselben  Ratten    communicieren   unverzüglich   mit  unge- 
wöndlichem^   sonder  scheinunden  Ernst  gleichwol  in  effectu  auf 
die  Mainung,  wie  die  Schrifften  mit  HB  bey  den  Landtags- Actis 
zu  finden,  solches  in  Eingang  referiert,  aber  doch  vil  ausflier- 
lieber  und  beweglicher  geantwort  und   so  vil  damit  gewürkht, 
dass  der  Marschalch  Herr  Hofman   vermeldet,  er  hette  khain 
weittere  Bevelch,   Irer  f.  D.  auf  ir  beschehne  ausfiirliche  Ver- 
meldung zu  antworten  oder  zu  repliciem,  aber  für  sein  Person 
hätte  er  Ir  f.  D.  ganz  gehorsamblich,  dass  sy  weder  ine  noch 
ain  ganze   ersame    Landschafft  ainicher  Widerspen igkhait  nit 
verdenkhen  sonder  vergwist  sein  wolten,  was  dissfals  beschehen, 
das  es  alles  von  desto  pessern  Verstands  wegen  bedacht  und 
fUrgenomen,  sonsten  wissten  sy  sich  allesambt  von  den  Gnaden 
Gottes,    der   schuldigen    Gehorsamb    und    Gebüer    gegen   Irer 
f.  D.  wol  zu  berichten  (und  wünschten  nichts  änderst,  dann  dass 
sy  von  Mund  zu  Mund   darumben  besprochen  wurden)  wolten 
auch    dabey  die   Zeit   ires    Lebens    verharren,   underthenigist 
bittundt,   Ir  f.  D.  geruechten  inen  zu  erlauben,    solches  alles 
an  ire  Principaln  umb  ir  fernere  Erklärung  gelangen  zu  lassen. 
Das   dann   Ir  f.    D.   inen    genedigklich   zuegegeben   mit 
Vermanen,  dass  man  alles  den  Ständen  referiern  und  darunter 
die  gemain  Ruhe  und  Wolfart  beflirdem  wolle. 


498 

Demnach  sein  die  Ausschüss  abgeschiden  und  den  acht- 
,  undzwainzigisten  Februarii  umb  zway  Ur  Nachmittag  bey  Irer 
f.  D.  wider  fUrkhumen  und  erstlich  mündlich  dann  schriftlich, 
wie  underm  BB  zu  sehen,  ir  und  der  andern  gehorsame  Ent- 
schuldigung fürgebracht  und  ausdruckhlich  durch  Herrn  Bern- 
harden Rindschadten ,  nachdem  Herr  Marschalch  etwas  übl 
aufgewest,  gebetten,  dass  Ir  f.  D.  die  Sachen  dahin  gnedigist 
khumen  und  gelangen  lassen  weiten,  damit  sy  mit  Irer  f.  D. 
geheimen  Ratten  von  Sachen  weitter  in  Irer  f.  D.  Abwesen 
referiem  und  also  Vleiss  fUrwenden  möchten,  die  übrigen 
schlechten  Iriningen  und  Missverständt  auch  hin  und  beyzu- 
legen  und  also  der  langwierigen  Handlung  ainest  ain  gewinschtes 
Ende  zu  machen. 

Welches  Ir  f.  D.  inen  genedigklich  alspald  bewilliget  mit 
disem  Vermelden,  dass  sy  den  Herrn  öbristen  Camrer  und 
mich  Vicekanzler  darzue  flirgenomen  und  deputiert,  darauf 
wir  nun  möchten  zusamenkhumen  und  die  Handlung  für  Händen 
nemen.  Hierauf  sein  die  Herrn  Ausschüss  in  Irer  f.  D.  Tafel- 
Stuben  gangen,  daselbsten  des  Herrn  öbristen  Camrers  und 
meiner  erwartet,  da  wir  samentlich  nidergesessen  und  hat  Herr 
Obrist  Camrer  sy  nachfolgunderweiss  angesprochen. 

Wie  sy  sich  Irer  f.  D.  unsers  gnedigisten  Herrn  Be- 
willigung und  Verordnung  zuerindern  (wissen),  also  zweifelte 
ime  und  mir  auch  nit,  sy  wurden  sich  tiberflüssig  zu  berichten 
wissen,  wie  ausfllrlich  Ir  f.  D.  erst  den  vorigen  Tag  hoch  be- 
teuert und  contestiert,  dass  sy  sich  über  die  inen  und  iren 
Principaln  gegebne  Declaration  und  demselben  Erleutterung 
mit  inen  weitter  einzulassen  nit  wissten. 

So  dann  solches  dermassen  geschaffen,  auch  sy  als  Irer 
f.  D.  anschliche  flimeme  Rätt,  Diener,  Ambt  und  Landtleuth 
leichtlich  zu  erachten,  da  Ir  f.  D.  solcher  Contestation  zuwider 
sich  in  weittere  Handlung  einlassen  weiten,  zu  was  merkh- 
licher  verweislicher  Beschwärung  es  iro  nit  allain  bey  inen, 
sonder  auch  sonsten,  wo  es  nur  erfam,  geraichen,  so  betten 
uns  Ir  f.  D.  gnedigist  bevolhen,  sy  solches  mit  allerhandt  Avßr 
ftierung  zuerindern  und  sy  mit  allen  dienstlichen  Persuasion« 
dahin  zu  bewegen,  dass  sy  den  Wegen  und  Mitln  nachge- 
denkhen,  dieselben  auch  sambt  uns  befürdem  weiten,  danÜ 
also  alle  Sachen  im  alten  Standt  verbleiben  möchten« 


499 

Neben  diesem  hat  auch  Herr  Obrist  Camrer  vermeldet, 
wie  wir  nichts  anders  wünschten^  dann  die  Gnad  von  Gott  zu 
erlangen,  dass  wir  Irer  f.  D.  gnedigisten  Bevelch  und  dem 
Vertrauen,  so  villeicht  ain  ersame  Landschafft  in  unsem  Per- 
sonen neben  andern  gesetzt,  ain  volkhumenlichs  Beniegen  thuen 
khündten. 

Und  hat  darnach  der  Herr  weitter  vermeldet,  damit  aber 
die  Herrn  Ausschüss  umb  sovil  mer  Ursach  hetten,  Irer  f.  D. 
ftlr  ire  Personen  und  von  irer  Abgesandten  wegen  gnetherzig 
zu  verschonen,  so  wolte  man  inen  von  ainem  zum  andern  Ar- 
tikel ain  Erleutterung  thuen,  darob  sy  sehen  und  vememen 
wurden,  dass  man  nunmer  in  effectu  zusamenkhumen  und 
khain  ainige  Ursach  habe,  die  Sachen  zu  ainer  und  der  andern 
Parthey  ewigen  vorsteunden  Bosch  wärung  zerstossen  zu  lassen. 

Als  erstlich,  da  die  Stände  begeren,  dass  Ir  f.  D.  die 
Declaration  flir  sich,  ire  Erben  und  Kachkhumen  stellen  sollen, 
da  hetten  sy  vernünfftig  zu  bedenkhen,  dass  Ir  f.  D.  dissfals 
ire  Erben  und  Nachkhumen  nit  binden  khünden,  wie  dann  sy, 
die  Landtleuth,  von  iren  frumen  Voreltern  mit  Haltung  irer 
Stifft  und  andetn  dergleichen  Sachen  nit  gebunden  sein  wollen 
und  darumben  so  sollen  sy  gegen  Irer  f.  D.  die  evangelisch 
und  natürlich  Regel  quod  tibi  non  vis,  alteri  non  feceris  auch 
in  alweg  halten. 

Was  sy  dann  von  den  Underthanen  über  die  Wortt  an- 
gehörige  Religionsverwante ,  Niemands  ausgenommen,  in  die 
Correctur  gesetzt^  weill  es  sonsten  in  effectu  die  Mainung  hette, 
welche  aus  iren  Underthanen  freywillig  und  unbezwungen  irer 
Religion  alberait  schon  seyen  oder  nach  sein  wollen,  dass  die- 
selben in  diser  Declaration  verstanden  werden,  wie  dann 
auch  den  Wortten  angehörige  Religionsverwante  khain  ander 
Verstandt  zu  imaginieren,  so  sollen  sy  sich  zu  Ruhe  begeben 
und  Irer  f.  D.  darumben  trauen,  dass  sy  es  nit  änderst  mainen. 

Dass  sy  dann  begert,  bey  den  Wortten  ire  habunde 
Kirchen  und  Schnellen  dise  Wortt  jetzo  und  khunfftig  zu  setzen, 
weill  hernach  der  ganzen  Erleutterung  Beschluss  mit  disen 
Wortten  vermeldet,  biss  man  sich  der  strittigen  Religionsachen 
halber  cristenlich,  fridlich  und  gotsäUig  von  den  Gnaden  des 
Allmechtigen  verglichen  wird  haben,  so  seyen  solche  ire  hin- 
zuegesetzte  Wortt  überflüssig  und  mügen  one  allen  iren  Mangel 
sicherlich  wol  ausbleiben. 

ArcbiT.  Bd.  LIXUI.  U.  HUfte.  33 


500 

Was  sy  aber  in  die  ausgedingte  Condition  von  Ihrer  f.  D. 
und  Religions-Verwanten  auch  von  derselben  Personen  und 
Güetter  Versicherung  gesetzt,  weill  sy  hievor  absonderlich  und 
ausser  mit  Einziehung  Ir.  D.  und  derselben  Religions-Ver 
wandten  genuegsamb  und  überflüssig  versichert,  so  wäre  solches 
alda  zu  tafftalogiern  uud  vergebenlich  zu  repetiern  unnott  mit 
merer  statlicher  Ausflierung;  der  Zusatz  von  der  Vogt  und 
Lehensherm  Rechten  und  Gerechtigkhaiten  hette  khain  andern 
Verstandt  bey  Irer  f.  D.,  denn  das  Ir  f.  D.  jedermenigkKci 
bey  seinen  wolhergebrachten  Rechten  und  Gerechtigkhaiten 
beleiben  lassen  und  da  sich  aber  je  darunder  Stritt  und  Irrungen 
begeben,  Ir  f.  D.  dieselben  für  das  Recht  angebüerunde  Ende 
und  Ortt  remittiem  und  sich  in  solchen  Sachen  vor  und  her 
nach  dermassen  verhalten  und  erweisen  weiten,  darob  ver- 
hoffenlich  aine  und  die  ander  Parthey  nach  Gelegenhait  der 
Leuff  und  Zeit  khain  billiche  Beschwerden  haben  solle  und 
obwol  Herr  Bernhardt  Rindschadt  den  folgunden  Morgen^  wie 
diese  Sachen  als  hernach  zu  vermelden,  iUrkhumen,  vermaint, 
dass  Ir  f.  D.  die  Sachen  für  das  Landsrecht  remittiem  wurden^ 
so  ist  doch  lautter  durch  mich  Vicecanzler  angezaigt,  dass  es 
angebüerenden  Enden  und  Ortten  geschehen  werde. 

Die  übrigen  Begeren  fiellen  sonderlich  aus  dem  ersten 
Vermelden  für  sich  selbs  und  darauf  vermoneten  wir  sy  ganz 
treuherzig  und  wolmainlich,  dass  sy  alle  Umbstände  auch  Irer 
f.  D.  vätterliches  und  unser  getreues  Wolmainen  notwendigklich 
bedenkhen  und  darauf  in  Gottes  Namen  die  Sachen  dahin  richten 
weiten,  damit  maus  ainst  zu  gewünschtem  Ende  bringen  möchte. 

Über  welches  und  sonderlich  das  erst,  ander  xmd  drits 
auch  die  andern  unsere  Anbringen  und  Vermanungen  sich  die 
Herrn  Ausschüss  jeder  Zeit  aller  Schidlichait  gegen  uns  yer- 
nemen  lassen,  doch  daneben  allemal  vermeldet,  dass  sy  solche 
unsere  Erklärungen  an  ire  Principaln  bringen  und  ires  pesten 
Vermügens  dem  gemainen  Wesen  zum  pesten  befürdem  wolten. 

Welches  wir  lestlich  Irer  f.  D.  zu  referiem  und  iren  ge- 
treuen wolmainunden  Eiffer  gegen  Iro  zu  rttemen  angenomen^ 
inmassen  wir  dann  hievor  anfangs  gegen  inen  von  des  pesten 
wegen  vermeldet,  da  sy  sich  in  Sachen  fbrdersamb  und  schidUd) 
erweisen  wurden,  dass  Ir  f.  D.  solche  ir  getreue  Guetwillig- 
khait  gegen  inen  und  allen  iren  Erben  auch  jeder  Zeit 
erkhennen  und  bedenkhen  wolten  und  hoffen  nit  Unrechts  dann 


501 

gethon  haben  7  weill  sich  solches  Ir  f.  D.  gegen  inen  hievor 

selbst  mandUch  erbotten. 

Und  nachdem  im  Abzug  obgedachter  Herr  Rindtscheidt 
nnd  Herr  Servaci  von  Teuffenbach  zu  uns  baiden  khumen  und 
sich  entUch  von  der  andern  Herrn  wegen  so  weit  gegen  uns 
erklärt,  wo  Ir  f.  D.  haben  weiten,  dass  die  Declaration  bei 
den  Actis  blib,  aber  die  erfolgte  Erleutterung  wider  zu  Irer  D. 
Händen  genomen  und  ain  andre  ungefilrlich  der  beschehnen 
Erklärung  gemäss  inen  angehendigt  wurde,  das  solches  sonder 
Zweifel  den  Ständen  auch  nit  zugegen  sein  wurde,  haben  wir 
inen  geredet,  die  Sachen  an  Ir  f.  D.  zu  bringen  und  aller 
Gebtier  nach  unsers  pesten  Vermögens  zu  befürdem. 

Wie  nun  Ir  f.  D.  den  lesten  Februari  morgens  frue  mit 
iren  gehaimen  Ratten  die  Sachen  in  Beratschlagung  gezogen, 
auch  der  allmechtige  Qott  sein  Gnad  verlihen,  dass  man  sich 
der  erfolgten  ferrem  Erklärung  und  Correctur  Irer  f.  D.  hievor 
von  sich  gegebenen  Erleutterung  ainhelligklich  nomine  dis- 
crepante  verglichen,  dieselb  auch  bei  Irer  f.  D.  aufs  Papier 
gebracht,  verlesen  und  erwogen,  haben  Ir  f.  D.  den  Herrn 
obristen  Camrer  und  mich  Vice  Canzlern  zu  den  ernenten 
Herrn  und  Ausschüssen,  die  zwischen  sechs  und  siben  Ur  be- 
scbiden  und  all  vorhanden  gewest,  abgesandt  und  uns  Bevelch 
gegeben,  inen  nachfolgunde  Mainung  anzuzaigen. 

Obwol  Ir  f.  D.  hoch  beteuert  haben,  dass  sy  weiter  als 
hievor  beschehen,  nit  zu  gehen  wissten,  jedoch  auf  unser  und 
der  andern  Herrn  gehaymen  Ratte  so  vilfeltigs  beschehens  ge- 
horsamistes  Bitten  und  Vermonen  betten  sy  zu  überflüssiger 
Bezeugung  irer  getreuer  vätterlicher  Wolmainung  uns  so  vil 
eingeraum bt,  dass  wir  uns  zu  inen  verfüegen  und  nemblich 
sehen  selten,  ob  die  Sachen  auf  die  Weg  und  Mitl  zu  bringen, 
wie  hernach  zu  vememen. 

Des  wir  nun,  Gott  ist  unser  Zeug,  von  wegen  Befürderung 
der  gemainen  Wolfartt  eyfrig  gethon  und  den  Herrn  Aus- 
schüssen verzaichneter  angehendiget,  wie  die  inen  jüngst  zue- 
gestelte  Erleutterung  ferrer  zu  erleuttem  und  die  Sachen  damit 
zu  cristenlichem  guetten  gottsäligen  Verstandt  zu  bringen  sein 
möchte,  uns  zum  höchsten  erfreyend  und  Gott  dankhend^  dass 
die  Sache  die  Mitl  und  Weg  erraicht  hette. 

Nach  solchem  sein  wir  in  die  Camer  gangen  und  dar- 
innen über  neune,   biss  uns  die  Herrn  wider  erfordert,   ver- 

33* 


502 

bliben.  Wie  wir  nun  zu  inen  khumen,  haben  sy  uns  durch 
den  Herrn  Landt  Marschalch  naehfolgunde  Mainong  anzaigen 
lassen. 

Sy  betten  unser  nechtige  und  heuttige  Erklärung  der 
strittigen  Religionsachen  halben  vernomen;  dankheten  Gott, 
dass  es  zu  solchem  gewinschten  Verstandt  khumen  wäre  und 
obwohl  unser  beschehne  Erklärung  zimblicb  khurz,  weill  sy 
aber  das  betheuern^  so  Ir  f .  D.  öffter  gethon,  dass  sy  nemblich 
alle  Sachen  gnedig^  vätterlich^  treulich  und  ungefärlich  mai- 
neten,  zu  Gemüet  gefüert,  auch  darfiier  hielten,  dass  wir  alles 
aus  Irer  f.  D.  Mundt  und  Bevelch  angezogen  und  vermeldet, 
so  wolten  sy  es  auch  zum  Pesten  versteen  und  inen  khainen 
Zweifel  machen,  es  werde  denselben  Verstandt  haben,  wolten 
auch  darauf  in  Ir  f.  D.  khain  Misstrauen  stellen,  inmassen 
es  dann  hie  vor  nie  beschehen,  sonder  es  alzeit  die  Hainung 
gehabt,  wie  sy  verstanden  worden,  mit  Bitt,  die  Sachen  dahin 
zu  befürdem,  dass  Ir  f.  D.  solches  alles  selbst  mündlich  gegen 
inen  bestetigen  wolten,  damit  sy  es  iren  Principalln  anbringen 
und  die  Sachen  ainest  zu  Beschluss  abgehandelt  werden 
khündte.  Dagegen  wolten  sy  verhoflFenlich  sovil  erhalten, 
dass  man  Ir  f.  D.  des  Underzaichens  auch  erlassen  und  son- 
sten  dise  fürwendung  thuen,  dass  die  Sachen  in  aller  pesten 
verbleiben  solte. 

Welches  wir  nun  alles  Irer  f.  D.  underthenigklich  refe- 
riert und  Ir  f.  D.  dahin  gehorsamblich  vermügt,  dass  sy  die 
Ausschttss  für  sich  gelassen,  unser  mit  inen  gepflogne  Hand- 
lung selbst  mündlich  bestettiget  und  neben  gnedigistem  Be- 
geren,  dass  sy  die  Sachen  bey  iren  Principalln  irem  Erbietten 
nach  zum  pesten  befördern  wolten,  sich  gegen  inen  aller  gne- 
digen  Dankhparkhait  auch  der  jungst  gethonen  Erleutterung, 
wann  dieselb  wider  originaliter  zu  der  Canzley  erlegt,  Cor- 
rectur  und  Verferttigung  vermüg  der  inen  gethonen  Aus- 
fUerung  gnedigist  erbotten,  die  sy  dann  nach  Essens  mir  Vice- 
Canzlem  durch  den  Secretari  Aman  zuegebracht,  dieselb 
darauf  wie  darinen  zu  sehen,  corrigiert,  umbgeferttigt,  inen  an- 
beut wider  angehendiget  und  damit  verhoffenlich  Irer  f.  D. 
und  dem  ganzen  Lande  viller  Beschwärungen  und  BehölH- 
gungen  abgeholffen  worden,  alles  flirnemblich  zu  der  Ehren 
Gottes  Erhalttung  und  der  gemainen  Wolfartt  BefUrderung. 
Amen. 


503 

Und  des  zu  ewiger  volstendiger  Gedechtnua  und  Urkhundt 
haben  wir   uns   baid   hie   underschriben,   prima   Martii   a.   im 
Ljnndsibenzigisten. 

Georg  Khevenhüller  zu  Aichlberg,  Freyherr. 
Hans  KobenzI  von  Prossegg. 


n. 

Der  Landtag  an  den  Erzherzog.     Erklärung  der  Annahme   der 
zwischen  den  geheimen  Rathen  und  den  Ausschüssen  getroffenen 

Vereinbarungen. 

(Ana  S^tnnger's  ,Acta  und  Handlungen'  nnd  den  LH  14.)' 

Durchleuchtiger  Erzherzog,  genedigister  Fürst  und  Herr, 
Euer  f.  D.  genedigist  übergebene  schrifftliche  Erleuterung  und 
Erkblärung  in  der  strittigen  Religionssachen  haben  wir  an  heut 
in  allem  Gehorsamb  empfangen,  angehört  und  dieselbige  treu- 
herzig nach  NotturfFt  erwogen.  Nun  befinden  wir  gleichwohl 
solche  genedigiste  Erkblärung  im  Buchstaben  nit  gar  allerdings 
also  gesteh  und  beschaffen  sein,  dass  unserm  vorigen  und 
gehorsamisten  Anlangen  und  Bitten  genedigiste  Willfahrung 
erfolgt  seye.  Als  uns  aber  die  Herrn  vom  Ausschuss,  welche 
durch  uns  fürgenummen  und  erkhiest  zu  Euer  f.  D.  in  aller 
Underthenigkeit  von  wegen  güettlicher  Vergleichung  und  Ab- 
handlung obangezogner  Strittigkeiten  zu  erscheinen,  nach  lengst 
und  mit  mehrerm  mündtlich  entdekht,  wie  und  was  gestalt  die 
güetliche  Tractation  von  Artikl  zu  Artikl  zwischen  E.  f.  D. 
gehaimen  Käthen  Herrn  Georgen  Khevenhüller,  Freyherrn, 
obristen  Camrer  und  Herrn  Hansen  Khobenzl  von  Prossegkh, 
Teutsch-Ordens  Ritter  und  Hof-Vicekanzler  und  denen  von 
Ausschuss  aus  genedigister  Verordnung  Eur  f.  D.  fllrgeloffen, 
was  auch  darunder  mit  hohen  betheuerten  Wortten  durch 
wolernennte  Herrn  gehaimbe  Räth  mündlich  zu  Erhaltung 
gleichen  Verstandts  für  Erklärung  erfolgt  und  beschehen, 
nemblich  und  fürs  erste:  Obwohl  die  Underthanen  nit  mit 
ausgetrukhten  Wortten  in  der  Erklärung  begriffen,  so  werden  sy 


1  Dieses  Actenstück  stimmt  bei  Sötzinger  und  in  den  LH  14  nicht  immer 
Wort  für  Wort  tiberein,  doch  merke  ich  nur  zwei  grössere  Abweichungen 
besonders  an. 


604 

doch  lauter  under  dieser  Generalität  und  Wortten :  Angehörigen 
Religion»  Verwanthen  Niemandts  ausgeschlossen  verstanden.! 

Fürs   ander,   nachdem    bisher   der   Stritt   und   Irrigkhait 
der  Vogthey  und  Lehenschafften  wegen  aus  dem  ftlmemblieh 
erfolgt,  dass  etwo  die  Lehnsherrn  diesen  Priester,  welchen  die 
Vogtherrn   und  Pfarrmenig  fürgestelt  und  gebetten,   ihme  die 
Pfarr  zu  verleihen,  wann  derselbig  nit  des  Lehensherm  Religion, 
die  Pfarr  nit  verleihen,   also  auch   wann  etwo  der  Lehensherr 
gleich   ainem   tauglichen   die  Pfarr   thuet   verleihen,    dass  der 
Ordinarius  demselben  die  Confirmation  aus  obangezogener  ür- 
sach   nit  will  mittheilen,    sondern  denselben   Priester  von  der 
Pfarr  abzuziehen   thuet   tringen,    darin   nun   E.   f.  D.   als  ein 
gerechter  Herr  und  Landtsftirst  dieses  genedigistes  Bedenkhen 
gehabt,    dass    dieselbig    menigklichen    ainem   Theil    sowol   als 
dem  andern  lustitiam  halten  zue  lassen  vor  Gott  schuldig  und 
also  ainem  sein  Recht  mit  Gwalt  nit  nemen  und  dem  andern 
dasselbige    zueaignen    khüunen,    jedoch    so    wollen    E.    f   D. 
hierinnen   und  darunter  solche  Mitl  und  Weeg  an  die  Hand 
nemen,  daran  man  billich  wol    zufriden   sein  solle,    also  wann 
etwo    obangezogene    und    dergleichen    Beschwärung    von   den 
Lehensherrn  und  Ordinariis  fUrkhämbe,  dass  E.  f.  D.  dieselbigen 
mit    besser   Glimpfen    und   Gelegenhait    von    solcher  irer  Be 
schwärung  abweisen,  wo  sy  aber  glietlich  darvon  nit  abstüenden, 
alsdann  fürs  Recht  genedigist  beschaiden  zu  lassen  und  da  es 
hernach    gleich    zu    Erkhäntnuss    khäme    und    das    Urthl  ge- 
sprochen  wurde,    so  wollen   doch  E.  f.  D.  darunder  die  Exe- 
cution    genedigist    moderirn,    darneben    auch    bey    deroselben 
hochlöblichen  Regierung  die  Sachen  dahin  genedigist  verfliegen 
und   fllrnemblich   durch    das  Mitl,    das  E.   f.  D.   derogleichen 
Religionssachen    selbst    für    sich    nemen    und    dermassen  ab- 
handien  lassen,   darob  ungezweiflt  alle  Beschwärung  verhüetet 
sollen  bleiben.2 


1  So  Sötzinger.  In  den  LH  14  lautet  dieser  Satz:  ,  .  .  .  begriffen,  so 
werden  doch  diejenigen  Underthanen,  so  alberait  schon  unser  Religion 
zuegethon  oder  noch  hinfüro  frey  willig  und  unbezwungen  danne  trettes 
würden,  notwendigklich  under  den  Wortten:  Angehörige  ReligioBlve^ 
wonten  verstanden,  weill  sonst  solchen  Wortten  unsers  thailss  kbiin 
ander  Yerstandt  gegeben  werden  khündte  oder  möchte. 

3  So  bei  Sötzinger.  In  den  LH  14  lautet  dieser  Satz:  also  waai  etwo 
dergleichen  Irrung  und   Beschwäruugen   von  ainem  dem   andam  oder 


505 

Welches  alles  und  was  also  bederseits  vertreulich  geredt, 
gehandelt  und  hernach  schrifftlich  uns  überschikht  durch  E.  f.  D. 
selbst  fürstlichen  Mund  und  Wortt  in  G-egenwührt  bemeltes 
onsers  Ausschuss  bestätet  und  ratificirt  dasselbe  genädigist 
Yätterlichy  treulich  und  ungevärlich  zu  halten. 

Diese  genedigiste  senffte  und  milde  Eur  f.  D.  Erklärung 
bat  uns  und  sonderlich  auf  unserer  Abgesandten  AusschUss 
beschehnen  Relation  billich  von  vorgehabten  unsem  Bedenkhen 
abgeftierth;  dass  wir  nunmehr  dermassen  mit  rechtem  under- 
thenigisten  gehorsambisten  Vertrauen  allen  diesen  verloffenen 
Handlungen  und  Erklärungen  und  in  sonderm  Ansehen  und 
Bedenkhen  E.  f.  D.  hochbeteurten  landtfiirstlichen  Wortt  und 
Ratification  volkhumentlichen  beständigen  Glauben  und  Trauen 
tinzweiflich  setzen  und  stellen^  nit  minder  als  ob  wir  von 
E.  f.  D.  destwegen  gefertigten  Schein  ^  Brief  und  Siegel  dar- 
umben  empfangen  betten,  dero wegen  wir  dann  diese  anjetzo 
genedigist  erfolgte  mündliche  Erleuterung  umb  so  viel  mehr 
mit  grösserm  Verlangen  und  Frolokhen  angehört  und  sagen 
auch  Gott  dem  Allmächtigen  Lob,  Ehr  und  Preiss,  dass  er 
uns  den  Tag  und  Stund  erleben  lassen,  damit  kunfftiger  Zeit 
ditsfahls  aller  Missverstandt  vermitten  bleibe,  E.  f.  D.  aber 
als  unsern  hochgeliebten,  genedigisten  Herrn  und  Erb  Landts- 
fürsten  dankhen  wir  in  ganz  underthenigistem  Gehorsamb, 
dass  sich  dieselbige  so  gnädigist  und  vätterlich  gegen  uns, 
deroselben  gehorsambisten  Landtleuthen  und  Underthanen  er- 
zaigt  und  wollen  solches  umb  E.  f.  D.  als  unserm  genedigisten 
Herrn  und  Landtsftirsten  mit  Darstrekhung  Leib,  Guetts  und 
Bluts  aller  Müglichkait  nach  zu  verdienen  willig,  gehorsamb 
und  beflissen  sein.  Ungezweiflt  wird  der  Allmechtig  güttig 
Gott  seinen  h.  Geist  und  Segen  geben,  darumben  wir  dann 
von  Grundt  unsers  Herzens  bitten,   dass  solcher  gleicher  Ver- 

dritten  Thaill  fQrkhuinen,  dass  £.  f.  D.  dieselben  mit  pester  Beschaiden- 
halt  und  Glimpfen  zu  güetlicher  freundlicher  Vergleichung  und  Hin- 
legung weisen,  auch  darunder  neben  Iren  nachgesetzten  Obrigkaiten 
selbst  alle  guette  Fürwendung  erzaigen,  wo  aber  solches  nit  verfahen 
würde,  alsdann  die  Sachen  fürs  Recht  beschaiden  und  weisen  lassen, 
auch  da  schon  daselbsten  mit  rechtlicher  Erkhantnus  färgegangen,  so 
wOlln  doch  E.  f.  D.  die  Sachen  dermassen  moderiren  und  allenthalben 
solche  Yermitlung  darunder  fümemen,  auch  dieselben  so  Til  immer 
müglich,  für  sich  selbs  ziehen  und  dermassen  vätterlich  abhandlen,  dass 
ungezweifelt  alle  Besch wärung  verhüet  werden  solle. 


604 

doch  lauter  ander  dieser  Generdit 
ReligionB  Verwanthen  Nienurndto 
Fürs  ander,  nachdem    b- 
der  Vogthey  und  Lehenschaf 
erfolgt,  dass  etwo  die  Lehnf 
Vogtherrn  und  Pfarnnem? 
Pfarr  zu  verleihen,  wann  (' 

die  Pfarr  nit  verleihen, 

gleich  ainem  tauglich» 

Ordinarius  demselber 

8«ch   nit  will  mitth< 

Pfarr  absuaiehen 


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Men   «»'* 
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underthenigistem  ^^beo 

..  „  entgegen  deroseften  ^  ^^, 
_.^^3te  Vertuen     jeb^  ^„, 


,jaigiste  Vertrauen ,  --^"  ^^^^ 

gehabt,   dass J1  .^^  i^^     ^.^^ 

dasselbige         ,  ^flen  ^  '^  und  was  also  -^i'^^J^  Oe- 
hierinnen        1  i*^' "^       --:*-"   worden,  im  höchster 


dem  andern  l 
also  ainem  f         ' 

hierinnen  ..  d»*-'  ^^"  g^ohriben  worden ,  .m 
„emen,  .1  >i  ^^^  ^.  erhahen  solle  werden, 
etwo   o'   .  •*:  bei  n»^  ""  ,,    f    p.  wir  auch  ganr  gebors»^ 

Lebe,     »^'^.h  *  «"^^^  «„  Missversundt  zwischen  E.  .^■ 
""'    '         .  ir^k  ****  ^«n  «nversehens  zuegetragen.  welche» 
'f^r  1 1-  ^'«^iTs  «nd  für  ihre  Person  fünet^^^^ 
noi  <.  „*  0^^  *^T^^  „  .«.n  ihnen  ausgelegt  werden. 


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""^':S  --  *-'  TwT-7;rihnen  ausgelegt  wenleo- 

""''i^a.  F-  f  l'  "^^^^^o.^di.'ist  faUen  las«n,  damit  0 
b^^^*^^..,«  i»^  *         2pi~^^  UrsÄch  haben. 

.«iei»»  "^      V  M^rtiaai  lu  dienen. 

^2^'«^   ^  ni^^^v««rbe6ei«*n.    solche  und 
ir  IV   **  «*  «««**^  T-a«the«isk«i«   ^  «''""'?'" 

dk  Hcm  and 


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V.-AÜ 


*  aitr 

^i-etten  wurc\^,^ 
gehörigen   Religio^;  ^. 
.chen    Wortten   unser*    ['' 
.n  werden  kündt  noch  tnet\' 
.chdeme   sich    etwo   bisher  zVi    \ 
i  und  Ordinariis  Irrungen  und  Stritt*^*     ' 
unsern  Landtagsschrifften  zuvernemen  a    •    ' 
aU  ain  gerechter  Herr  und  Landtsftirst  gleich*'  '^ 
akhen  gehabt,  dass  dieselbe  ainem  Theil  so  wol  aU  ä    ' 
Justitiam  halten  zu  lassen  vor  Gott  schuldig  und  jetua 
Recht    mit   Gwalt  nit   nemen    khunde,  jedoch   so  wolte 
t.  D.  hierinnen  solche  Mitl  und  Weg  suchen,  befürdem  und  an 
lue  Hand  nemen,  darob  man  billich  zufriden  sein  solle,  als  wann 
etwo  dergleichen  Irrung  und  Beschwärungen  von  ainem  dem  an- 
dern oder  dritten  Theil  fürkhummen,  dass  E.  f.  D.  dieselben  mit 
besser  Beschaidenheit  und  Glimpfen  zu  güetlicher  freundlicher 
Vergleichung  und  Einlegung  weisen  auch  darunder  neben  ihren 
nachgesetzten   Obrigkheiien    selbst    alle  gute    Fürwendung  er- 
zaigen.  Wo  aber  solches  nit  verfachen  wurde,  alsdann  die  Sachen 
fürs  Recht  beschaiden  und  weisen  lassen,  auch  da  schon  daselb- 
sten   mit   rechtlicher   Erkhantnuss   fürgangen,    so   wollen  doch 
E.  f.  D.  die  Sachen  dermassen  moderirn  und  allenthalben  solche 
Vermitlung  darunter  fürnemen,  auch  dieselben  soviel  immer  müg- 
lich  für  sich  selbst  ziehen  und  dermassen  vätterlich  abhandlen, 
dass  ungezweifelt  alle  Beschwärung  verhüett  werden  solle. 

lU. 

(Aus  Sötzinger's  ,Acta  und  Handlungen*  und  den  LH  14.) 

Ihrer  f.  D.  unsers  genedigisten  Herrn  Schlussschrifft  in 
den  Religionsachen. 

Die  f.  D.,  unser  gnedigister  Herr,  haben  deren  von  Hern 
und  Ritterschafft  diss  ihres  löblichen  Fürstenthumbs  in  Steyer 

*  Dieser  Zusatz  steht  nur  in  SötzingerV  ,Acta  und  Handlungen*;  in  den 
LH  wurde  er,  wie  aus  den  Noten  ersichtlich,  in  den  Text  aufgenommen. 


508 

underthenigiste ,  mündlich  und  schrifftliche  Dankhsagung  der 
abgehandelten  Religionssachen  halben  nachlengst  genädigklich 
angehört  und  verstanden  und  weil  sich  nun  Ir  f.  D.  aller  für- 
geloffnen  Handlung  sonderlich  aber  ier,  deren  von  Herrn  und 
der  Ritterschafft  angehörigen  Underthonen  auch  der  Vogtheyen, 
Lehenschafften  und  anderer  demselben  angehörigen  Sachen,  wie 
durch  sy  vermeldt,  wol  zu  erindern  (wissen),  so  lassen  es  I.  f.  D. 
nochmahls  mit  Gnaden  darbey  verbleiben  und  erfreuen  sich 
selbst  genädiglich,  dass  sy  der  so  langwürrigen  mühsamen  Sachen 
nunmehr  übrig  sein  khündten,  setzen  auch  in  kainen  Zweifl, 
sy  werden  sich  dieser  verglichnen  Handlung  irem  selbst  Ver- 
melden nach  dermassen  gebrauchen,  dass  man  verhoffentlich 
fllrbasshin  in  gleichem  Verstand  wol  verbleiben  wirdt  mügen. 
Welches  Ier  f.  D.  zu  jeder  vorstehenden  Gelegenheit  gegen 
ihnen  auch  ihrer  Nachkhommen  sament  und  sonderlich  in 
Gnaden  erkhennen  wollen  und  seindt  Ihnen  in  gemain,  wie 
auch  den  Veromdten  insonderheit  damit  volbenaigt  der  gene- 
digisten  Zuversicht,  sy  werden  hinfüro  irer  f.  D.  zu  andern 
kain  Ursach  geben,  sonder  sich  allenthalben  der  schuldigen 
Gebüer  und  Gehorsambs  in  all  weg  zu  erweisen  und  zu  er- 
halten wissen. 

Den  2.  Märty  a.  1572.  Khobenzl. 


Ausgegeben  am  23.  November  1888. 


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STANFORD  UNIVERSrnr  LIBRARY 
Stanford,  Calilonda 


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