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i
Archiv
für
Österreichische Geschichte.
Herausgegeben
von d«r
znr Pflege vaterländischer Geschichte aufgestellten Commission
der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Dreiundsiebzigster Band.
Erste Hälfte.
Wien, 1888.
In Commission bei F. Tempsky
Bnchhlndler d«r kai«. Aksdtmi« der WkMntebafUn.
■^•^Rt; DßR^,
*'"--^' ^• • • f,'
^AQtt
Druck von Adolf HolzhauseD in Wien,
k. k. Hof- and UiüT«r«it&ta*Baohdniokor.
Inhalt des dreiund^iebzigsten Bandes.
Erste Hälfte.
Seite
Erzherzog Carl und Prinz Hohenlohe-Kirchberg. Ein Beitrag zur Ge-
schichte des Feldzuges in die Champagne (1792). Von Dr. H.
R. V. Zeissberg 1
Zur Wahl Leopold I. (1654—1658). Von Dr. Alfred Francis Pribram,
Docent an der Universität in Wien 79
Eine amtliche Handlongsreise nach Italien im Jahre 1754. Ein neuer
Beitrag zur Geschichte der Osterreichischen Commercialpolitik
▼on Dr. August Fournier, o. 5. Professor an der k. k.
deutschen Universität Prag 223
ERZHERZOG CARL
UND
PRINZ HOHENLOHE-KIRCHBERG.
EIN BEITRAG
ZUR
GESCHICHTE DES FELDZUGES IN DIE CHAMPAGNE
(17 öS).
VON
D" H. R. V. ZEISSBERG.
IrckiT. Bd. LXXIII. I. H&lfte.
»Von hier und heute geht eine neue Epoche der Welt-
geschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen I' *
An dies geflügelte Wort unseres Dichterfürsten fühlte ich mich
erinnert, als ich zum ersten Male in den Briefen blätterte,
welche der damals 21jährige Erzherzog Carl 1792 von dem
Feldzuge in Lothringen aus theils an den Kaiser, theils an
seine Tante, die Erzherzogin Maria Christine, richtete. Denn
wohnte auch der Erzherzog dem Treffen von Valmy nicht
persönlich bei, so war doch auch er einer der Zeugen jenes
Kanonendonners, der über die Höhen des Argonnenwaldes in
das benachbarte Lager Hohenlohe-Kirchberg's hinab erscholl
and in demselben wenigstens ahnen liess, dass die Stunde der
Entscheidung eingetreten sei.
Eß war übrigens nicht das erste Mal, dass der junge
Erzherzog dem Feinde gegenüberstand. Derselbe hatte bereits
zuvor auf französisch-niederländischem Grenzgebiete, im Gefechte
von Glisuelle (11. Juni 1792), unter den Augen seines Oheims, des
Herzogs Albert von Sachsen-Teschen, die Feuertaufe empfangen.
Aber bald darnach, bei der Kaiserkrönung zu Frankfurt, war
Franz II. mit seinem Bruder übereingekommen, dass sich dieser,
sobald das preussische Hauptheer sich den Grenzen Frank-
reichs nähern würde, aus den Niederlanden zu jenem Hohen-
lohe'schen Corps begeben sollte, welchem die Aufgabe zufiel,
den linken Flügel der verbündeten Invasionsarmee zu bilden.
Man nahm an, dass es hier bald zu entscheidenden Schlägen
konmien und dass sich dem Erzherzog in Folge dessen die
* Goethe, Campagne in Frankreich 1792 (Hempersche Ausgabe, XXV. Band,
8. 60). In der franz^Jsischen Ausgabe von Chuquet (Paris 1884), p. 93.
Der Ausspruch Goethe^s klingt übrigens sehr an Massenbach, Memoiren
zur Geschichte des preussischen Staates, 1. Band, Amsterdam 1800, S. 94:
fier 20. September (1792) hat der Welt eine andere Gestalt gegeben;
er ist der wichtigste Tag des Jahrhunderts* (vgl. S. 115), an.
1*
Gelegenheit bieten werde, sich ein reicheres Mass militärisch-
praktischer Kenntnisse und Erfahrungen zu erwerben, als dies
bisher auf dem belgischen Elriegsschaaplatze der Fall ge-
wesen war.
Dass im Gegensätze zu dem preossischen Kronprinzen^
der sich bei der Hanptarmee befand and von dem fast in allen
Darstellungen dieses Krieges die Rede ist, die Anwesenheit
des Erzherzogs Carl bei dem Hohenlohe'schen Corps nur hie
und da erwähnt wird, findet seine Erklärung nicht nur in dem
Umstände, dass der Erzherzog bei den Ereignissen, die ihm ja
blos zur Belehrung und zur Vorbereitung auf seinen künftigen
Feldhermberuf dienen sollten, zwar keineswegs eine blos no-
minelle, aber auch keine gerade hervorragende Rolle spielte;
vielmehr hängt diese immerhin aufTallende Erscheinung vor-
züglich mit der Thatsache zusammen, dass die meisten Dar-
stellungen dieses Feldzuges naturgemäss mit umständlicher
Ausführlichkeit bei den Voi^ängen der Hauptarmee verweilen,
dagegen die Action des Seitencorps nur nebenher berühren,
und dass jene Briefe des Erzherzogs bisher unbekannt ge-
bUeben sind, die sich als Mittheilungen eigener Erlebnisse und
bemerkenswerther Beobachtungen, wenn auch nicht ihrem Um-
fange, so doch ihrem Gehalte nach den viel citirten ,Remini-
scenzen^ des preussisehen Thronfolgers nicht unwürdig zur Seite
stellen.
Und doch war dem Corps Hohenlohe-Kirchberg's vom
Beginne der militärischen Action an eine nicht unwichtige Auf-
gabe zugewiesen. Vor Allem darf man wohl behaupten, dass
ohne die Ausdauer, mit der jenes Corps und sein würdiger
Führer sich vor Verdun und zu Martin Fontaine dem wuchtigen
Andrängen eines siegreichen und an Zahl überlegenen Feindes
entgegensetzten, der Rückzug der preussisehen Hauptarmee
sich zu einer Katastrophe fUr diese gestaltet haben würde. Auch
mangelt es den Vorgängen auf diesem Theile des Kriegsschau-
platzes ebensowenig als den Ereignissen in der Champagne an
dem Zauber poetischer Verklärung ; wie dem Zuge nach Vabuy
Goethe, so hat der Belagerung von Thionville Chateaubriand*
beigewohnt und gleich jenem hat auch dieser das an sich Un-
erfireuHche in die Form anmuthsvoller Schilderung gekleidet.
1 M^moires d'outre-tombe, Paris 1S4», t. Ol, 73 ff.
Aach in der neuesten und besten Monographie über die
Geschichte dieses Feldzuges, in den drei Büchern Chuquet*8 *
ist die Aufmerksamkeit fast ausschliesslich den Schicksalen
der preussischen Hauptarmee zugewandt. ,Die erste preussische
Invasion', ,Valmy^ und ,Der Rückzug Braunschweigs' bilden
die Mittelpunkte der ebenso gründlichen als anziehenden Dar-
stellung; blos der Belagerung von Thionville und den Vor-
gängen an den Islettes sind zwei besondere Capitel gewidmet.
Sonst pflegt man sich, was die rein militärischen Vorgänge bei
dem Hohenlohe'schen Corps betrifft, mit Recht auch heute
noch an die vielcitirte Arbeit von Gebier^ zu halten, die bei
dem Umstände, dass seit dem Aufmarsche an den Argonnen
das hessische Hilfscorps sieb mit jenem österreichischen in die
Bewachung der südlichen Pässe theilte, durch die hessischen Be-
richte, welche Renouard ^ und Ditfurth * zu Grunde liegen, mehr-
fach und in willkommener Weise ergänzt wird.
Indess lag dem Aufsatze Gebler's nur die militärische
Correspondenz des k. k. Kriegsarchivs zu Grunde; die auch
auf die politische Seite des Feldzuges Bezug nehmenden Be-
richte Hohenlohe's an den Kaiser wurden von Gebier nicht
benützt. Und doch verdienen dieselben gewiss nicht minder
Beachtung als jene Briefe, die der Erzherzog aus dem Feld-
lager an seinen kaiserlichen Bruder und an seine Tante ge-
richtet hat, deren Inhalt zugleich den Verlust einer ähnlichen
an den Herzog Albert von Sachsen-Teschen adressirten Serie
von Schreiben bedauern lässt. *
Durch die Mittheilung jener Berichte und Briefe hoffe
ich einen nicht unwillkommenen Beitrag zur Geschichte der
' La premi^re Invasion prussienne, Paris 1886. — Valmy, Paria 1887. —
La retraite de Brunswick, Paris 1887.
' Der Zug der Allürten in die Champagne, 1 792 (Oesterr. militärische Zeit-
schrift, Jahrg. 1833).
^ Geschichte des französischen Revolutionskrieges im Jahre 1792, Cassel
1865.
* Die Hessen in den FeldzOgen in der Champagne, am Maine und Rheine
während der Jahre 1792, 1793 nnd 1794, Marburg 1881.
^ Dagegen ist im k. k. Kriegsarchiv noch eine andere Reliquie aus dieser
Zeit erhalten. Es sind dies die Fragmente eines von dem Erzherzog
eigenhändig concipirten Tagebuches und Operationsjournals auf losen
Blättern, das, wie es scheint, als Vorarbeit zu einer Geschichte des
Feldznges dienen sollte. Erhalten sind blos der 3. — 5. Sept. (Kr.-A.
Revolutionskriege zu liefern. Ich wollte mich dabei indess
nicht auf einen blossen Abdruck von ActensttLcken beschränken.
Ich zog es vielmehr vor, die letzteren in eine Darstellung der
Operationen des Hohenlohe'schen Corps in der Art zu ver-
weben, dass sich Urkimden und Erzählung wechselseitig be-
leuchten und ergänzen.
Die Berichte und Briefe sind aus drei Archiven geschöpft.
Die Benützung der Correspondenz des Erzherzogs Carl ver-
danke ich vornehmlich der Gnade Seiner kaiserlichen Hoheit des
durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Albrecht, aus Höchst-
dessen Archiv (A.-A.) die Mehrzahl der hier benützten Briefe
stammt und Höchstdem ich hiefUr meinen ehrfurchtsvollsten
Dank auszusprechen mir erlaube. Werthvolle Ergänzungen ge-
währte das k. k. geheime Haus-, Hof- und Staatsarchiv, dessen
hochverehrter Vorstand, der Herr geheime Rath Ritter von
Arneth, mir die betreffenden Briefe mit allbekannter Liberalität
zur Verfügung stellte. Die Correspondenz Hohenlohe- Kirch -
berg's mit dem Kaiser endlich fand ich im k. k. Kriegsarchiv
(Kr.-A.) unter den Cabinetsacten vor, deren Benützung mir
mit dankbar empfundener Liebenswürdigkeit der einstige Vor-
steher desselben Herr Oberst von Rechkron gestattete. Zu
besonderem Danke hat mich endlich auch der erzherzogliche
Archivar Herr Malcher verpflichtet.
Erzherzog Carl hatte der Kaiserkrönung seines Bruders
Franz H. zu Frankfurt beigewohnt und war also Zeuge jener
altehrwürdigen Ceremonie gewesen, durch welche das heilige
römische Reich deutscher Nation seinem letzten Oberhaupte
in prunkvoller Weise huldigte. Sodann (19. Juli 1792) be-
gleitete er Franz H. nach Mainz, wo unter nicht minder glän-
zenden Festlichkeiten die Begegnung des letzteren mit seinem
Verbündeten, dem Könige von Preussen, und die letzte Ver-
abredung bezüglich des bevorstehenden Angriffes auf Frank-
reich stattfand. Auch der junge Erzherzog lernte hier den
Feldacten Deutschland 9/32|), der 8.— 20. Sept. (ebenda 9/ad 198 b) und
der 30. Sept. bis 8. Oct (ebenda 9/198 b), welche Aufzeichnungen gleich
so manch anderen Actenstücken als ^^onation des Erzherzogs Carl' ins
Kriegsarchiv gelangten.
König von Preussen, den Kronprinzen, den Herzog von Braun-
schweig und Schulenburg kennen. In Gegensatz zu dem Könige,
über den er sich noch später recht ungünstig äusserte,^ fand
er den Herzog, der den Oberbefehl der verbündeten Truppen
f&hren sollte, ,ehrwürdig und interessant^ Besonders aber war
er über die Anwesenheit der Prinzen von Hessen-Darmstadt
«itzückt, mit denen er sich zwei Jahre zuvor bei der Krönung
seines Vaters befreundet hatte. ,Ich wohne hier,' meldete der
Erzherzc^ am 21. Juli seiner Tante, ,bei dem Kurfürsten von Cöln.
Morgen werden wir uns zusammen einschiffen und nach Coblenz
gehen, wo ich die Preussen sehen werde. In Bonn werde ich die
Nacht von Montag auf den Dienstag schlafen, wie ich dem Kur-
fürsten versprochen habe, und von da zu Euch zurückkehren.' ^
In der That trennten sich am 22. die erlauchten Gäste.
Um 5 Uhr Morgens reiste der König von Preussen zu Schiff
zur Armee nach Coblenz ab. ^ Zwei Stunden später verliess
der Kaiser die Stadt, um sich nach Prag zur böhmischen Königs-
krönung zu begeben. * Auch Erzherzog Carl nahm von seinen
Brüdern, dem Kaiser und EIrzherzog Josef, Abschied und eilte
mit seinem Oheim, dem KurfUrsten von Cöln^ und mit seinem
Obersthofmeister, Baron Wamsdorf, auf einer leichten Mainzer
Yacht den Rhein hinab, um den Kurfürsten von Trier, den
Schwager seiner Tante Maria Christine, zu begrüssen, der mit
seiner Leibyacht dem König von Preussen entgegenfuhr. ,Un-
fem Boppard,^ so schildert ein Zeitgenosse^ in treuherziger
Weise diese Fahrt, ,stiessen sie Abends auf die Yacht, in
welcher der Kurfürst von Trier seinen Gast, den König von
Preassen, erwartete. Sie bestiegen die kurtrierische Leibyacht,
wo sie ausser dem Kurfürsten auch dessen Schwester, die
Fürstin Kunigunde von Thom und Essen, und dessen Bruder,
' Vgl. Geschichte des ersten Krieges der französischen Revolution, S. 11
in Strefflear*s Zeitschrift.
' Erzherzog Carl an Maria Christine, Mayence, ce 21 juillet 1792. A.-A.
Or. eigenh.
3 Minntoli, Militär. Erinnernngen, 17—18.
^Wiener Zeitung, 1792, Nr. 61: Yivenot, Quellen zur Oeschicbte der
deutschen Kaiserpolitik Oesterreichs, II, 153 — 154.
^ Stramberg, Rhein. Antiqnarius, 1. Abtfa., 1. Bd., S. 87 — 91. Nach dem
Tagebuche des kurfürstlich trierischen Obersthofmarschalls Orafen Boos
Ton Waldeck. Vgl. auch Becker, Das königliche Schloss zu Coblenz,
Coblenz 1886, S. 128 ff.
■
8
den Prinzen Xaveri, antrafen. Das Wetter wurde stürmisch,
es fing an stark zu regnen und dunkel zu werden. Dennoch
erwartete man die Ankunft des Königs^ der, von dem Kron-
prinzen begleitet, ebenfalls in die Yacht des Trierer Kurfürsten
überstieg und sich freudig überrascht zeigte, als er im Yacht-
zimmer des KurfUrsten von Cöln und des £k*zherzogs ansichtig
wurde. Sodann wurde im Zimmer der Yacht das Souper servirt
— 25 Couverts. Der Sturm hinderte die Abfahrt, welche nach
dem Souper erfolgen sollte. Man war gezwungen, bei Kamp
anzuhalten und erst gegen 12 Uhr Mitternachts setzte man die
Fahrt nach Coblenz fort. Als man an Boppard vorbeikam,
paradirten mit Pechflambeaux die dasigen emigrirten Franzosen
und riefen: Vive le roi, vive Tölecteur! Viele Häuser waren
allda beleuchtet und die Stadt Hess kanoniren. Der König unter-
hielt sich beständig in der Cajoute mit Ihro königlichen Hoheit
der Frau Fürstin von Thorn und beiden höchsten Herren Kur-
fUrsten im Gespräch. Beide königliche Hoheiten — der Kron-
prinz und der £i*zherzog Carl — retirirten sich Hnker Hand
in den kleinen Gang, setzten sich da auf die Bank^ blaseten
das Licht aus und überliessen sich dem Schlaf. Ihro könig-
liche Hoheit, der Prinz Xaveri, setzten sich ins vordere ZAmmer
und schliefen auch einige Stunden. Die königlichen und kur-
fürstlichen Suiten thaten ein' Gleiches und fast Alles war einge-
schlafen. Anfangs wollten der königliche Oberstallmeister Graf
von Lindenau und der am kurmainzischen Hof accreditirte
königlich preussische Minister von Stein alle Schlafende durch
Kurzweil wach halten, allein zuletzt überfiel sie auch der Schlaf
und Graf Lindenau, um ungestört zu schlafen, schlich sich in
der Stille auf die Bank des tief schlafenden Erzherzogs, legte
dessen Haupt auf seine Brust und machte hierdurch, dass ihn
Niemand vom Schlaf aufzuwecken unternahm. Der englische
Capitain Smith, ein Bruder der bekannten Madame Fitzherbert,
retirirte sich rechter Hand in das Cabinet der Frau Fürstin
von Thorn, machte die Thür zu, setzte sich auf den dasigen
Sessel und schlief ein; allein mitten im Schlafe sprang er
träumend auf und erschien, einem Gespenst gleichend, vor der
Thür, welches ein allgemeines Gelächter verursachte. Beide
Kurfürsten kamen zuweilen wechselweise hervor und betrach-
teten diese Schlafgesellschaft, wobei jedoch viele, besonders
von den königlichen Adjutanten wach wurden und aufstanden.^
9
Um 3 Uhr Morgens langte die Yacht in Coblenz an.
Der König von Preussen bezog das kurfürstliche Schloss Schön-
bomslust^ * der Erzherzog und der Kurfürst von Cöln wohnten
in der kurfürstlichen Residenz. Am 23. um 11 Uhr Vormittags
setzten die letzteren ihre Reise zu Wasser nach Bonn fort,
jiachdem sie zuvor bei Serenissimo das Frühstück eingenonmien
and in der Hofcapelle die heilige Messe gehört hatten^^) Am
25. Juli langte Erzherzog Carl in Brüssel an.*)
Hier war er von Maria Christine um so sehnsüchtiger er-
wartet worden, je trüber die Stimmung war, in der sie sich
gerade damals befand. Seit der Wiederherstellung der öster-
reichischen Herrschaft in den Niederlanden war das Statt-
halterpaar, Maria Christine und ihr Gemahl, unablässig bemüht
gewesen, inmitten einander bekämpfender Gegensätze die Auto-
rität des Kaisers aufrecht zu erhalten. Aber sie sahen ihre Ab-
sicht nicht nur durch die Unversöhnlichkeit der beiden grossen
Parteien des Landes durchkreuzt, sondern sie meinten auch
den widrigen Druck einer Partei des Hofes zu empfinden, an
deren Spitze in Wien der Vicekanzler Graf Philipp Cobenzl,
zu Brüssel der bevollmächtigte Minister Graf Metternich stand. ^
Zur Sorge für die Aufrechthaltung der inneren Ruhe des
Landes gesellte sich die nicht minder schwierige Aufgabe,
gleich dem Eindringen revolutionärer Ideen die Ueberfluthung
der Grenzen durch den auswärtigen Feind hintanzuhalten. Denn
seit dem Frühling 1792 sah sich Belgien beständig den An-
griffen französischer Armeen ausgesetzt. Wohl war es bisher
der bedächtigen Umsicht des Herzogs Albert von Sachsen-
Teschen gelungen, sich dieser Angriffe mit Glück zu erwehren,
aber die 2jahl der Feinde wuchs täglich, während der Kaiser
dem Herzoge den Auftrag ertheilte, den grössten Theil seiner
Truppen Clerfayt zu überlassen, um dies Corps zur Deckung
der rechten Flanke jener preussischen Armee zu verwenden,
die sich im Sommer zu Coblenz unter dem Herzoge von Braun-
schweig versammelte und deren linken Flügel das vom Ober-
rheine anrückende Corps Hohenlohe-Kirchberg bilden sollte.
' Minatoli a. a. O. 18.
' 8tramberg a. a. O. S. 92 und Becker a. a. O. S. 135.
^ Maria Christine an die Kaiserin, ce 27 joiUfit L792. Or.
' Le comte de Fersen, II, 343.
10
Maria Christine und ihr Qemahl waren regierungsmttde.
Die innere wie die äussere Lage Belgiens rief diese Stimmung
hervor. Dem Herzoge lastete der Befehl des Kaisers schwer
auf dem Herzen. £r bat zwar nicht gerade um seine fkit-
hebung, aber er erklärte dem Kaiser doch, dass er seinen
Posten verlassen müsse, falls man ihm zumuthe, ohne Rück-
sicht auf die Erhaltung der ihm anvertrauten Lande den
Wünschen Clerfayt's in ihrem vollen Umfange zu genügen. *
Und was Maria Christine betrifft, so fUhlte auch sie sich durch
Alles, was um sie vorging, auf das Schmerzlichste berührt.
Namentlich meinte sie das Vertrauen des neuen Kaisers nicht
in dem Masse, wie jenes des früheren, ihres Bruders, zu be-
sitzen. Es kränkte sie, dass ihr nicht gestattet worden war,
sich mit Erzherzog Carl zur Krönung nach Frankfurt zu be-
geben, um dem Kaiser persönlich ein Bild der niederländischen
Zustände zu entwerfen, dass dieser vielmehr den Grafen Metter-
nich, der zu den Ständen neigte, zu sich beschied.
Eben in dieser trüben Stimmung gereichte ihr die Rück-
kehr Carls nach Belgien zu doppeltem Tröste, nicht nur um
ihrer selbst Willen, sondern auch wegen ihres Gemahls, in
dessen Lager zu Mons sich der junge Erzherzog sofort be-
gab. ^ Sie hoffte, dass die ruhige Heiterkeit Carls auch ihren
bekümmerten Gatten erheitern und beruhigen werde. ^ Um so
tiefer musste es sie berühren, dass ihr Liebling ihr alsbald
wieder entrissen werden sollte.
Die Krise, in welche die niederländischen Angelegenheiten
durch jene Erklärung Herzog Alberts eintreten zu sollen schienen,
war zu Frankfurt der Gegenstand ernster Berathung zwischen
dem Kaiser und seinem Bruder gewesen. Man hatte alle Mög-
lichkeiten erwogen, die sich aus den eventuellen Entschlüssen
des Herzogs ergeben konnten; man hatte beide Fälle, dass
1 Albert von Sachsen-Teschen an den Kaiser. Au quartier-g:^n^ral Mons,
le 5 juillet 1792. A.-A. Copie. ,Si, apr^ toutes les repr^ntations que
ma conscience m'aura dict^ de vons faire k cet ^gard, voas vous d^-
terminez k ce demier parü, i1 ne m'en restera d^autre k prendre que
celui de vous demander la permission de m*en retirer, avant de me
trouver dans le cas d'en 4tre chass^ ou devoir Tabandouner k rennemi-'
3 Maria Christine an die Kaiserin, ce 27 juillet 1792. Or.
3 Maria Christine an den Kaiser, Bruxelles, du 23 juillet (1792). A.-A.
Copie.
11
Herzog Albert entweder blos die Armee oder auch die Nieder-
lande verlassen würde, ins Auge gefasst. Im letzteren Falle
sollte Erzherzog Carl, von Mettemieh unterstützt, sofort das
Gouvernement der Niederlande übelnehmen. Im ersteren Falle,
sowie felis der Herzog auf seinem doppelten Posten verbleibe,
sollte der Erzherzog sich zum Corps Hohenlohe-Kirchberg be-
geben und ihn dahin, seinem Wunsche gemäss, Hauptmann
Vermatti begleiten. *
Die Anwesenheit des Erzherzogs bei dem Hohenlohe'schen
Corps sollte zu seiner militärischen Ausbildung dienen. Denn
während sich Herzog Albert in Anbetracht der ihm zur Ver-
f&guDg stehenden Truppenzahl bisher auf die engste Defensive
hatte beschränken müssen, gehörte das Hohenlohe'sche Corps
zu jener Armee, welche demnächst mit allem Nachdrucke die
Offensive gegen Frankreich ergreifen sollte. Und während der
Herzog, durch den bevorstehenden Abzug Clerfayt's geschwächt,
aacb weiterhin auf strenges Ansichhalten verwiesen und daher
fär die nächste Zeit irgend eine durchgreifende Action in
Belgien nicht zu erwarten war, so nahm man mit um so grösserer
Zuversicht an, dass es auf dem beabsichtigten Zuge nach
Lothringen und in die Champagne demnächst zu einer grossen
Entscheidung kommen werde.
Uebrigens trat die Eventualität, welche der Kaiser zu
Frankfurt in jener vertraulichen Abmachung mit seinem Bruder
ins Auge gefasst hatte, nicht ein. Herzog Albert verblieb auch
fanerhin im Felde, und auch Maria Christine beschloss zuletzt,
auf ihrem Posten auszuharren^ wozu sie, wie sie selbst sagt, ^
durch die Rücksicht auf Carls Zukunft und Glück bestimmt
ward. Denn sie wünschte und hoffte^ dass sich Carl unter
ihren Augen zum würdigen Nachfolger in der Statthalterschaft
ausbilde.
Dass übrigens die Krise innerhalb der belgischen Re-
gierungskreise damals noch eine alle betheiligten Personen be-
friedigende Lösung fand, war wohl zum nicht geringen Theile
' Nach einer Aufzeichnung des A.-A., datirt Frankfurt im Juli 1792. Sie
b^teht in einer Reihe von Fragepunkten, welche Erzherzog Carl eigen-
händig concipirte und welche am Rande der Kaiser eigenhändig be-
antwortete.
* Maria Christine an den Kurfürsten von Cöln, ce 21 juillet 1792. A.-A.
Or. eigenh.
12
auch Carls Verdienst. Durch Liebe und Verehrung, welche er
ebenso aufrichtig dem kaiserlichen Bruder als seinen Adoptiv-
eltern entgegenbrachte, zur Rolle des Vermittlers in ganz
besonderem Masse befähigt, scheint er von dieser vortheilhaften
Stellung den ausgiebigsten Gebrauch gemacht zu haben. Es
dürfte sich an anderer Stelle die Gelegenheit finden, dies im
Einzelnen zu erweisen. Hier genüge die Bemerkung, dass Carl,
der in den inneren Angelegenheiten Belgiens damals durchaus
den Standpunkt des Statthalterpaares theilte, zu Frankfurt
wiederholt denselben in vertraulichem Gespräche mit seinem
Bruder vertrat, * und dass er auch die Nachgiebigkeit — na-
mentlich Spielmann's — gegen die Anforderungen Preussens
missbilligte, *^ so dass man wohl annehmen darf, er habe auch
in dieser Beziehung den Kaiser umzustimmen gesucht. That-
Sache ist, dass dieser bereits von Frankfurt aus beruhigende
Schreiben sowohl an Maria Christine, ^ als an den Herzog
Albert^ richtete, dass er versprach, in der Verwaltung der
Niederlande keine Anordnung ohne ihr Vorwissen zu treffen,^
dass er den Verdiensten Alberts um die Vertheidigung der
Niederlande die gerechte Anerkennung zu Theil werden Hess
und ihn nicht nur auf die bevorstehende Conferenz von Mainz
vertröstete, sondern es zu Mainz wirklich dahin brachte, dass
sich der König von Preussen statt des früher stipulirten Corps
von 27.000 Mann unter Clerfayt mit einem Corps von 6000
bis 8000 Mann zufriedenstellte. ^
Was übrigens die bevorstehende Reise des Erzherzogs
Carl zu dem Hohenlohe'schen Corps betriflft, so war es nicht
so sehr diese Thatsache an sich und der betrefi^ende Befehl
des Kaisers, auch nicht der Umstand, dass, wie ihr der Kur-
fürst von Cöln mittheilte, ^ der Erzherzog selbst den Kaiser
^ Erzherzog Carl an Maria Christine, Francfort, ce 14 juillet und ce
16 juillet 1792. A.-A. Or.
2 Desgleichen, Francfort, ce 11 jnillet 1792. A.-A. Or.
3 Kaiser Franz an Maria Christine, Francfort, le 18 jnillet (1792). A.-A.
Copie.
* Kaiser Franz an Albert von Sachsen-Teschen, Francfort, ce 18 juillet
(1792). A.-A. Or.
^ Kaiser Franz an Maria Christine, Francfort, le 18 juillet (1792). A.-A.
Copie.
^ Kaiser Franz an Albert, Mayence, ce 21 juillet 1792. A.-A. Or.
"^ Maria Christine an den Kurfürsten von Cöln, ce 24 juillet 1792. A.-A. Or.
13
gebeten hatte, ihn an jenem Zuge ins Innere Frankreichs theil-
nehmen zu lassen, was die Erzherzogin Maria Christine mit
der tiefsten Besorgniss erfüllte. Den Wunsch ihres LiebUngs
beurtheilte sie sogar mit einiger Kachsicht; sie hielt ihm den-
selben in Anbetracht seines jugendlichen Alters und seiner
Lebhaftigkeit zu Gute. Auch wusste Carl selbst sie darüber
za beruhigen, dass er nicht den Kaiser um die Erlaubniss zu
jener Reise gebeten, sondern nur seine Befehle eingeholt habe.^
Und dem Kaiser schrieb die Erzherzogin zwar unter dem
ersten Elindrucke der schmerzlichen Nachricht, dass sein Be-
fehl ihr und ihrem Gemahl das Herz zerrissen habe; aber sie
fägte sich doch zuletzt in das Unvermeidliche, indem sie
ihrem kaiserlichen Neffen in einem späteren Briefe erklärte:
Jch will Ihnen nicht verbergen, dass seine Abreise uns sehr
viel Kummer bereitet; aber in Allem, was die Pflicht er-
heischt, muss man Muth haben und der Vernunft folgen/ ^
Was sie jedoch mit dem schwersten Kummer erfüllte, war
die Besorgniss, welche sie hegte, dass Erzherzog Carl sich
allein, ohne einen angesehenen und erfahrenen Rathgeber in
das entfernte Feldlager Hohenlohe's begeben sollte. Wohl
sollten ausser dem Hauptmann Vermatti auch der Obersthof**
meister Baron Wamsdorf und Graf Wratislaw den Erzherzog
ins Feld begleiten. Maria Christine bezeichnet jenen als einen
inständigen Mann', diesen als einen ,guten Jungen' ; aber nicht
mit Unrecht meinte sie, dass beide ohne Gewicht gegenüber
Carl und der Armee sein wlürden. ,Du kennst Carl/ schrieb
^e in ihrer Bekümmemiss an ihren Bruder, den Erzbischof
von Cöln, ,er ist sanft, in jeder Hinsicht lobenswerth und
geistreich. Aber er ist erst 20 Jahre alt, ohne Weltkenntniss,
lebhaft, ungestüm und leichtfertig. Was soll aus ihm werden,
wenn man ihn in die Armee hinausstösst, ohne Zügel, ohne
Aufsicht, ohne von irgend Jemand abhängig zu sein, ohne
irgend etwas, was ihm imponirt?^ Zwar lässt sie Carl die
Gerechtigkeit widerfahren, zuzugestehen, dass, wenn man ihm
Zeit zur Ueberlegung gönne, er das Gute erkenne und sich
äus Ehrgeftihl befleisse; aber, klagt sie, das geschehe nicht
* Enhenog Carl an Blaria Christine, Mona, ce 4 aoüt 1792. A.-A. Or.
> MariA Christine an Kaiser Franz, Bruxelles, ce 16 aoüt (1792). A.A.
Oopie.
14
aus eigenem Antriebe. Bei all seinem Geiste liebe er Zer-
streuungen, und es koste Mühe, ihn zu Leetüre oder zum
Schreiben eines Briefes oder Memoires zu bewegen. ,CarV
fthrt sie in dem Briefe an den Kurfllrsten fort, ,flihlte sich
zufrieden und glücklich bei uns. Unsere einfache, gleichmässige
Lebensweise gefiel ihm ; er fand seine Gesundheit dadurch ge-
kräftigt. Unsere Zärtlichkeit und Herzlichkeit gewann es über
sein Herz, das eine derartige Behandlung nie gewohnt ge-
wesen war, und nun hat jene höllische Clique, ^ um mir so viel
Kummer als möglich zu bereiten, diesen verwünschten Vor-
schlag gemacht, ihn uns zu nehmen. Denn kehrt er auch
zurück, so wird das nur auf ein paar Wochen sein und er sich
in unsere Lebensweise nicht mehr schicken.'^ Auch dem
Kaiser verhehlte die Erzherzogin ihren Kummer nicht. Sie
beschwor ihn, seinem Bruder einen erfahrenen General zur
Seite zu stellen, etwa so, wie einst ihm selbst Kinsky oder
ihrem Bruder, dem Kurfürsten von Cöln, Ferraris zugetheilt ge-
wesen sei, damit, falls etwa Warnsdorf erkranke, doch irgend
jemand Anderer bei ihm sei und damit er bei seiner geringen
Erfahrung und seinem jugendlichen Alter, bei seiner Lebhaftig-
keit und seinem Feuer in einem Augenblicke, in welchem sich
die Blicke Aller auf ihn richten würden, nicht ohne Rath-
geber dastehe, da es ja sonst wohl Niemand wagen würde,
dem Bruder des Souverains die Wahrheit zu sagen. ^
Offenbar war es ein Uebermass besorgter Zärtlichkeit,
welches Maria Christine Befürchtungen aussprechen Hess, die,
soweit sie den jungen Erzherzog betrafen, in der Folge keine
Rechtfertigung finden sollten und die sie fast ungerecht machten
gegen den Kaiser, der, was über jeden Zweifel erhaben ist,
für das Wohl seines Bruders nicht minder besorgt war als sie.
Um ihrem Wunsche zu genügen, stellte ihr der Kaiser sogar
die Wahl des Generals frei, welcher dem Erzherzog zur
Armee folgen sollte.^ Dies setzte die Erzherzogin freilich in
nicht geringe Verlegenheit. Sie eilte selbst in das Haupt-
quartier ihres Gemahls nach Mons, um mit ihm und dem alten
1 Vermathlich sind Ph. Cobenzl und Spielmann gemeint.
' Maria Christine an den Kurfürsten von Cöln, ce 24 juillet 1792. A.-A. Or.
3 Maria Christine an Franz II., ce 27 jnillet 1792. Or.
* Franz II. an Erzherzog Carl, Prag, den 9. August 1792. Vgl. auch
Franz II. an Maria Christine, Prag, le 9 aoüt (1792). A.-A. Copie.
15
befreundeten Feldzengmeister Browne die Sache zu besprechen.
Da indesB bei der niederländischen Armee kein Qeneral oder
Stabsofficier entbehrlich war^ so bat die Erzherzogin neuerdings
den Kaiser, selbst die Auswahl eines Officiers zu treffen, der
im Stande sein würde, Carl militärischen Unterricht zu er-
theilen und im Falle einer Erkrankung Wamsdorf zu ersetzen.^
Dazu kam es aber nicht und auch die Erzherzogin stand in
der Folge ausdrücklich von diesem Wunsche ab, ^ da ja der
Kaiser selbst mittlerweile die Obsorge für seinen Bruder in
die besten Hände gelegt hatte, und überdies in der Folge, als
er den Erzherzog zum General ernannte, die Anordnung traf,
dass bei der ihm zugewiesenen Brigade der bisherige Brigadier
^eichsam als sein militärischer Berather verbleiben sollte. ^
,Da Meines Herrn Bruders, des Erzherzogs Karl kön.
Hoheit,' so lautete ein Handschreiben, welches der Kaiser am
9. August an Hohenlohe-Kirchberg richtete, ,die8e Campagne
bei der Ew. Liebden untergeordneten Armee mitzumachen
wünschen, so empfehle Ich denselben der Fürsorge und dem
freondschafUichen Unterricht Ew. Liebden und ersuche Sie,
Heines Herrn Bruders kön. Hoheit in allem jenen an die Hand
ZQ gehen, was Ihm in diesem Fache zu einiger Aufklärung
and Vermehrung der bereits erworbenen Kenntnisse dienen
kann, wodurch Ew. Liebden Mich insbesondere verbinden
werden.' *
Erzherzog Carl selbst befand sich einige Tage hindurch
in peinlicher Ungewissheit über die nächste Zukunft. Am
28. Juh noch schrieb er an den Kaiser, dass er bisher nicht
bbe entdecken können, welchen Entschluss Herzog Albert
fassen, ob er in Belgien bleiben oder das Land verlassen
werde. ^ Erst am 2. August vermochte er zu melden, es sei
iast sicher anzunehmen, dass Herzog Albert bleiben werde,
,aiich wenn bis 27.000 Mann zu FZ. Clerfayt stossen sollten', «
ChriBtiiie an Kaiser Franz, ce 11 aoüt 1792. Or. ei^nh.
3 Siebe unten 8. 39 Anm.
' Siehe onten S. 38.
* Vivenotn, 169 theüt dies Schreiben fälschlich als ein kaiserliches Hand-
Bcbreiben an Albert von Sachsen-Teschen mit Der Znsammenhang lehrt
dagegen, dass es an Hohenlohe-Kirchberg gerichtet ist.
^ Enherzog Carl an Kaiser Franz, Mons, den 28. Juli 1792. Or. eigenh.
* Desgleichen, Mons, den 2. Augnst 1792. Or. eigenh.
16
da, wie es in einem anderen Schreiben^ heisst, Seckendorf
einen Plan entworfen habe, demzufolge auch nach Abzug jener
Truppenzabl die Vertheidigung der Niederlande möglich aei.
So stand also der Abreise des Erzherzogs zum Corps
Hohenlohe nichts mehr im Wege, obgleich er es für gut fand,
zuvor noch einmal den Kaiser um Verhaltungsbefehle anzu-
gehen. ^ Der Kaiser, der dies Schreiben in Prag inmitten der
Krönungsfestlichkeiten empfing, beantwortete dasselbe sofort in
zustimmender Weise.' Nur Metternich erhob noch im letzten
Augenblicke Bedenken formeller Art dagegen, dass sich der
Erzherzog zu einer Armee begeben wolle, welche sich mit der
des Königs von Preussen vereinigen sollte. Aber Erzherzog
Carl Hess sich nun nicht mehr zurückhalten, obgleich ihm
Metternich den Brief vorlas,* den er hierüber an den Kaiser
zu richten willens war. Vielmehr schrieb er unmittelbar vor
seiner Abreise zum Hohenlohe'schen Corps an seinen kaiser-
lichen Bruder: ,Du wirst selbst einsehen, wie empfindlich es
mir fallen müsste und wie nachtheilig es für meine Ehre sein
würde, wenn ich etwa mitten in wichtigen Operationen die
Armee verlassen müsste, in einem Augenblicke, wo ich mich
am meisten unterrichten könnte. Ich überlasse Dir alle diese
und weitere Betrachtungen über diesen Gegenstand. SoUte aber
die Convention zwischen denen Höfen, keine Volontärs zu den
Armeen zu nehmen, der einzige Anstand sein, so hängt es nur
von Dir ab, mir auch blos pro forma Anstellung bei einer
Brigade zu geben.' * Und auch die Erzherzogin glaubte jetzt,
trotz des Schmerzes, den ihr Carls Abreise verursachte, gegen-
über der bestimmten Weisung des Kaisers derartigen poUtischen
Erwägungen keinen Raum gewähren zu dürfen. ^
Am 22. August Morgens reiste Erzherzog Carl von Brüssel
zu dem Armeecorps Hohenlohe - Kirchberg ab. ^ In seinem
Gefolge befanden sich Warnsdorf und Wratislaw. Später erst
1 Erzherzog Carl an Maria Christine, le 2 aoüt 1792. A.-A. Or.
2 EIrzherzog Carl an den Kaiser, Mons, den 2. Angnst 1792. Or.
3 Kaiser Franz an Erzherzog Carl, Prag, den 9. Angust 1792. A.-A. Or.
* Maria Christine an Kaiser Franz, (23 oder 28 aoüt) 1792. Or. eigenh.
^ Erzherzog Carl an den Kaiser, Brüssel, den 22. August 1792. Or.
^ Maria Christine an den Kaiser, Bruxelles, du 22 aoüt (1792). A.-A.
Copie.
"^ Metternich an Kaunitz, Brüssel, den 22. August 1792.
17
traf Hauptmann Vermatti ein, der bereits früher zum Corps
Clerfayt's abgegangen war und bei der Belagerung von Longwy
Gelegenheit fand, sich hervorzuthun. ^ Am 23. August befand
sich Carl zu Viviers TAgneau. ^ Am 24. August Morgens langte
der Erzherzog in Luxemburg an. ^ ,Ich habe bereits/ schreibt
er noch an diesem Tage der Erzherzogin, * ,einen Theil der
Festung gesehen und werde den Rest Nachmittags besichtigen.
Morgen will ich bei Hohenlohe eintreffen. . . . Durch Prinz
Schwarzenberg werden Sie bereits die Details der Einnahme
von Longwy vernommen haben. Der Oberst von Chamboran
ist mit Officieren und Soldaten seines Regiments emigrirt. Er
wollte deren 400 mitbringen. Aber die französische Infanterie
hat sie zerstreut, indem sie Feuer gab, als jene abmarschiren
wollten. Das sind sämmtliche Nachrichten, die ich unterwegs
einziehen konnte. Es heisst, dass auch Luckner emigrirt sei,
80 wie Lafayette, der sich zur selben Zeit wie ich zu Namur
befand.^
In Luxemburg wusste Niemand, wo sich zur Stunde
Hohenlohe befinde; man vermuthete blos, dass er bei Remich
stehe. Daher sendete der Erzherzog den Grafen Wratislaw mit
dem Auftrage ab, den Prinzen aufzusuchen und ihm seine
Ankunft anzuzeigen.'^ Wratislaw traf den Prinzen zu Wies
gegenüber von Remich an.**'
Der Herzog von Braunschweig hatte nämlich den Prinzen
Hohenlohe-Blirchberg, der mit seinem Corps ^ und dem der
^ Erzherzog Carl an Kaiser Franz, Mons, den 28. Juli 1792. Or.; vgl.
unten S. 25.
^ Kr.-A. Feldacten. Bericht des Rittmeisters Blum, Mons, den 23. August
1792. ,Der Lieat. Baron Bourscheid, welcher in diesem Augenblicke von
Laxemburg zurückkommt, hat die Gnade gehabt, heute um 6 Uhr Früh
bei Viviers TAgnean Seine königliche Hoheit den Erzherzog Carl zu
begegnen. Allerhöchst dieselben befanden sich vollkommen wohl.*
' Operationsjoumal 9/13 a. Kr.-A. Hofkriegsraths-Acten. Wiener Zeit. 1792,
Beil. zu Nr. 76.
* Erzherzog Carl an Maria Christine, Luxemburg, ce 24 aoüt 1792. A.-A.
^Ebenda.
* Erzherzog Carl an Maria Christine, Luxemburg, ce 26 aoüt 1792.
A.-A. Zu den folgenden Märschen ist die Karte bei Massenbach,
Memoiren L zu vergleichen, auf welcher jene bei Renouard, Geschichte
des französischen Revolutionskrieges, Cassel 1866, beruht.
^ Einem Briefe des Erzherzogs Carl an die Erzherzogin Maria Christine
vom 9. September (A.-A.) ist ein Standesausweis der unter dem Befehle
AitktT. Bd. LXXin. I. H&iri«. 2
18
flmigranten unter Cond^ am 1. August den Rhein bei Mann-
heim überschritt^ * aufgefordert, an die Mosel zu marschiren
und diesen Fluss bei Remich zu passiren, wobei er es seiner
Einsicht überiiess, unterwegs einen Versuch auf Saarlouis oder
ThionyiUe zu wagen. In der That hatte Hohenlohe, der mit
seiner Hauptmacht am 14. August Kaiserslautem err^chte^
anfangs die Absicht, sich der Festungen Bitsch und Saariouis
zu bemächtigen^ da von ersterem Orte Deputirte zu ihm ge-
kommen waren, um ihn zu versichern, dass das Schweizer-
regiment Chateau -Vieux, welches das dortige Schloss besetzt
hielt, dies den Oesterreichem übergeben wolle.* Doch stand
er davon ab, da Braunschweig angesichts der kritischen Lage
Ludwigs XVI. zur Eile drängte, und rückte nun vielmehr ge-
radenwegs an die Mosel vor, die er am 26. erreichte, und wo
er die Preussen ablöste, welche bis dahin unter General Köhler
Remich besetzt gehalten hatten.^
Denn mittlerweile war auch die preussische Hauptarmee
(11. August) aus ihrem Lager bei Hontheim aufgebrochen
und hatte sodann bei Konsarbrück ein neues Lager bezogen,
wo man sich durch die mangelhafte Verpflegung zu sieben-
tägigem Verweilen genöthigt sah. Dieser unerwartete Aufent-
halt der Preussen brachte Luckner auf die Vermuthung, dass
es dieselben auf Thionvilie oder Saarlouis abgesehen hätten,
weshalb er sein Lager bei Longueville nächst Metz verliess.
und sich bei Richemont an der Mündung der Ome in die
Mosel aufstellte. Doch die preussische Hauptarmee rückte viel-
mehr in östlicher Richtung nach Montfort (13. August), und
nachdem der Herzog von Braunschweig hier vier Tage v^-
weilt hatte, lagerte er zwischen Körtzingen und Bettemburg,
Hohenk>he*s stehenden gesammten Tmppenmacht beigefügt. Sie bestand
aus drei Corps: 1. dem Corps Hohenlohe, der eigentlichen Opermtions-
armee, in der Stärke ron 19.16S Mann in 13 Bataillons und 10 Diri-
sionen; 2. dem Corps Erbach, das sor Deckung der Magamine bei
Speier sarQckblieb, 9349 Bfann in 7 Bataillons und 3 Divinonen;
3. dem bei Freiburg im Breisgau stehenden Corps Elsxterhazy, 12.141 Mann
in 9 Bataillons und 6 Divisionen. Im Gänsen betrug die Armee also
40.648 Mann in 29 Bataillons und 19 Divisionen.
1 Minutoll, Militärische Elrinnerungen, 43. Derselbe, Der Feldzng der Ver-
bündeten in Frankreich im Jahre 1792, Berlin 1847, S. 108.
' Hohenlohe-Kirchberg an den Kaiser, 25. August 1794. Kr-A. Cab.-Act Cr.
> Gebier a. a. O. Heft IV, 15.
19
überschritt sodann die Grenze und näherte sich über Tiercelet
and Yillers la Montagne der Festung Longwy, bei der er
sieh mit Clerfayt, der über Arlon, Bnvange, Messancy, Aix-
sur-Clois und St. Remy herangerückt war, vereinigte. Von
Clerfayt unterstützt, schritt der Herzog an die Belagerung von
Longwy, das, da Luckner noch immer unbeweglich bei Riche-
mont lagerte, am 23. August capituliren musste und am fol-
genden Tage im Namen des Königs von Frankreich durch je
ein österreichisches und preussisches Bataillon in Besitz ge-
nommen wurde. Zu Longwy verweilte Braunschweig noch
mehrere Tage, um die Ankunft Hohenlohe - Kirchberg's vor
Thionville und den Ausgang seines Unternehmens abzuwarten.^
Wie wir sahen, hatte Hohenlohe-Eirchberg am 26. August
die Mosel erreicht, die er am 28. August überschritt, worauf
er bei Rodemachem lagerte. Hier nun erhielt der Prinz von
dem Herzog von Braunschweig neuerdings den bestimmten Be-
fehl, sich der Festung Thionville zu bemächtigen. Einstweilen,
theilte der Herzog ihm im Vertrauen mit, werde er selbst sich
gegen Verdun, Clerfayt gegen Stenay wenden, wo jene Armee
stand, die eben damals Lafayette verlassen hatte. Nach der
Eannahme von Thionville sollte auch Hohenlohe-Eirchberg an
die Maas gegen Verdun aufbrechen. Dass die Eroberung
Thionvilles keine Schwierigkeiten bereiten werde, schien dem
Herzoge damals noch gewiss. Am 31. August, meinte er, könne
die Festung gefallen sein, denn der feindliche Commandant,
Feldmarschalp Felix Louis Wimpfen, stehe im geheimen Ein-
verständnisse mit den Emigranten und habe unter gewissen
Bedingungen sich zur Uebergabe bereit erklärt. Die Beding-
niss, an welche jener die Uebergabe knüpfe, sei, dass Luckner
von Thionville abgeschnitten werde, während am rechten Mosel-
ofer gegen das hier gelegene Kronwerk und Fort Scheinangriffe
gerichtet werden sollten.^ Auch Erzherzog Carl schrieb an
den Kaiser, man rechne auf ein Einverständniss in der Stadt
' Gebier a. a. O. 23. Die preassische Marschroute bei Massenbach a. a. O.
I, ISO ff.
^ Mir^hal de camp = Generalmajor, lieber ihn Tgl. Souvenirs et corre-
spondence du comte de Neuilljr (publi^s par M. de Barberey) Paris 1865,
8. 49; Chnquet, La retraite etc., 235.
5 Gebier a. a. O. 23—24.
2*
20
selbst und hoffe, dass einige Haubitzen, Bomben und glühende
Kugeln das Ihrige dazu beitragen würden, um die Sommation
zu unterstützen, die im Namen der französischen Prinzen an
sie ergehen sollte. ^
Erzherzog Carl war bis zum 28. August in Luxemburg
verblieben, da Hohenlohe ihm auf seine erste Anfrage gerathen
hatte, hier noch so lange zu verweilen, bis das ganze Corps
beisammen sein und den Marsch gegen Thionville antreten
werde. ^ Ein Brief, den der Erzherzog von Luxemburg aus
an seine Tante richtete, enthält manch interessante Einzeln-
heit über die damaligen Vorgänge in dieser Festung und
über die Ki'eise, in denen er daselbst verkehrte. Unter Anderen
sah er hier den regierenden Fürsten von Anhalt-Zerbst, der
einst sein Land verlassen hatte, indem er behauptete, dass der
König von Preussen die Absicht habe, ihn aufheben zu lassen.
Seither war er nicht mehr in sein Ländchen zurückgekehrt,
so viele Mühe sich auch seine Schwester, die ihm als vermeint-
liche Parteigängerin des Berliner Hofes verhasste russische
Kaiserin geben mochte, ihn auf andere Gedanken zu bringen.
Er hatte sich vielmehr zur Zeit, als Kaiser Josef mit den
Holländern zerfiel, von Freiburg im Breisgau nach den Nieder-
landen begeben und, indem er sich mit seiner Duodezarmee
von 400 — 500 Mann Infanterie und 40 Reitern im Solde des
Kaisers dem Regimente Bender anschloss, an der Bewältigung
des belgischen Aufstandes theilgenommen. ^ Jetzt cantonnirte
er mit seinen Truppen in Luxemburg, wo er dieselben zu
Ehren des anwesenden Erzherzogs unter dem Zulaufe der
ganzen Stadt exerciren liess.
Auch weilten damals viele Emigranten in der Stadt.
,Gestem Abends,' schreibt Erzherzog Carl an seine Tante, ,war
ich in einer Gesellschaft bei Madame Tournau; es waren viele
Damen aus dieser Gegend und Französinnen zugegen, aber
fast kein Mann, ausser einigen Officieren.' Ueber die Emigranten,
,welche nichts haben und Alles haben wollen', hörte der Erz-
1 Erzherzog Carl an den Kaiser, Luxemburg, den 28. August 1792. Or.
^ Hohenlohe-Kirchberg an den Kaiser, Lager bei Wiese, gegenüber von
Remich. Kr.-A. Cab.-Act.
5 Memoiren des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen. A.-A. Vgl. Puy-
maigre, Comte Alex, de, Souvenirs, 8 ff.
21
herzog vielfach klagen. Jeh war gefasst auf Klagen gegen die
Preussen ; aber im Gegentheile scheint man mit denselben sehr
zufrieden zu sein. Das Einzige, was das Land belästigt, sind
die Fuhren, welche die Bewohner leisten müssen.^ ,Gestem,^
fiigte er hinzu, ,habe ich die ganze Festung gesehen. General
AUemand, der vor einiger Zeit bei Grisuelle uns gegenüber-
stand, ist jetzt hier. Ein Hussar von Eszterhazy hat ihn zur
Hauptwache gebracht, ihn dort aufgepflanzt und sich sodann
entfernt^ ohne zu sagen, ob er ihn zum Gefangenen gemacht
habe oder ob derselbe emigrirt sei. Der General versichert
das letztere ; er hat sein Ehrenwort gegeben, die Festung nicht
zu verlassen.' '
Am 27. August machte der Erzherzog dem FZM. Hohen-
lohe in seinem Lager einen Besuch, kehrte aber, da es da-
selbst an einer passenden Unterkunft ftir ihn fehlte, noch ein-
mal nach Luxemburg zurück. ^
Am 28. August um 10 Uhr Vormittags brach das Corps
Hohenlohe in zwei Colonnen nach Thionville auf, passirte die
Mosel und langte nach 31 stündigem Marsche am 29. Nach-
mittags um 5 Uhr auf den Höhen vor Thionville an. 4 Bataillons
Infanterie, 1 Division Croaten, 6 Escadrons Dragoner und
2 Escadrons Hussaren blieben unter dem Commando des
FML. Wallis vor Thionville auf der Anhöhe von Guentrange
stehen. Hohenlohe selbst aber mit 8 Bataillons Infanterie, 2 Di-
visionen Croaten, 6 Escadrons Chevauxlegers und 6 Escadrons
Hußsaren marschirte unausgesetzt fort und bezog ein festes
Lager bei Richemont. Das Hauptquartier der französischen
Prinzen, welche sich dem Marsche des Hohenlohe' sehen Corps
nach Thionville angeschlossen hatten, befand sich zu Hettange
und ihre Truppen schlössen sich an den linken Flügel des
Wallis'schen Corps an. ^ Marschall Castries lagerte mit einem
Theile der Emigranten am rechten Mosel iifer bei Yütz. '* Zur
Aufstellung der Batterien wurde zunächst die Höhe von
» Eneheraog Carl an Maria Christine, le 27 aoüt 1792. A.-A. Or.
2 Ebenda. Vgl. Wiener Zeitung 1793, S. 2594.
' Operationsjoumal, Hofkriegsraths-Acten 8/161. 9/13 a. 13/66. Vgl. Cha-
teaabriand, 1. c. III, 75. ^
* 8. unten 8. 24. Darnach ist Chuquet, La retraite etc., 237 zu berichtigen,
der sämmtliche Emigranten bei Basse -Yütz und Haute -Yütz lagern länst.
22
Guentrange, dann (3. September), da diese von der Festung zu
weit entfernt war, das auf der Südwestseite derselben gelegene
Dorf Beauregard ausersehen, während das kaiserliche Haupt-
Corps den Abfall der Höhen krönte, welche sich am linken
Ufer der Ome von Beauvange nach Richemont hinziehen. Die
Hauptaufgabe dieses Corps bestand darin, die Armee Luckner's
zu beobachten, welche seit dem 24. bei Frescati unfern Metz
am rechten Moselufer stand. ^
Erzherzog Carl hatte sich am 29. August neuerdings im
Lager Hohenlohe's eingefunden imd nahm nun Theil an dem
Marsche nach Thionville. ^ Mit der Aufnahme, die er bei
Hohenlohe fand, war er sehr zufineden. ,Ich habe,* schrieb der
Erzherzog an seinen kaiserlichen Bruder, ,bei dem Fürsten
Hohenlohe, sowie Du es mir vorhergesagt hattest, alle mög-
liche Leichtigkeit und Gefälligkeit gefunden, und er hat mir
das grösste Vergnügen gezeigt, dass Du mir erlaubt hast, zu
seiner Armee zu gehen.' ^ Nicht minder belobt sich Eirzherzog
Carl gegenüber seiner Tante des alten Feldzeugmeisters, den
er ,den König der anständigen Leute* ^ nennt und als von
seinen Truppen sehr geliebt bezeichnet. *
Die Armee fand er trotz der starken Märsche, die sie
zurückgelegt hatte, in sehr gutem Zustande. «Sie hat,* meldet
er dem Kaiser, ,8ehr wenig an Krankheiten und Desertion
gelitten. Alle wünschen nichts als zu raufen. Allein ich fürchte,
zu einer Schlacht wird es nicht kommen, und schon hat sich
Luckner mit seiner Armee bis hinter Metz zurückgezogen.* • Bei
alledem war er selbst guter Dinge und blickte mit der fröh-
lichen Hoffnung der Jugend in die Zukunfl. ,Ich befinde mich
wohl,* schreibt er aus Richemont, dem Hauptquartiere Hohen-
lohe's, seiner Tante, ,und Alles geht gut. Hohenlohe wartet mit
der Antwort an Sie nur bis zu dem Zeitpunkte, wo er Ihnen
eine gute Nachricht wird melden können. . . . Ich habe bereits
zwei Briefe von Maldeghem und war so unartig, ihm nicht zu
1 Gebier a. a. O. 26—27.
' Vgl. die obencitirten Operationsjournale.
3 Erzherzog Carl an den Kaiser, 28. Augast 1792. Cr.
* ,Le roi des honnetes hommes.'
^ Erzherzog Carl an Maria Christine, ce 31 aoüt 1792. A.-A.
« Erzherzog Carl an den Kaiser, 28. August 1792. Or.
23
antworten. Aber ich ziehe manchmal den Schlaf dem Schrei-
ben vor/ '
Mit besonderer Besorgniss hatte es unter Anderm Maria
Christine erftlllt, dass ein Theil des Emigrantencorps unter der
Führung der französischen Prinzen der Armee Hohenlohe's zu-
getheilt worden war. Sie betrachtete diese ,schöne Gesellschaft'
geradezu als eine Gefahr für ihren Liebling. 2 Auch späterhin
noch, am 5. September, in einem Briefe an den Kaiser, in welchem
sie diesem schmerzerftillt die Mittheilung macht, dass man
ihre Schwester Maria Antoinette von ihrem Gemahl und ihrem
Sohne getrennt habe, kommt sie auf jene Besorgnisse zurück.
Sie urtheilt ganz richtig, dass zwar die Erfolge von Longwy,
Stenay u. dgl. den Weg nach Paris erleichtern, dass dagegen
der Mangel an Lebensmitteln für eine so grosse Armee den-
selben erschwere, zumal in einem Lande, wo der üble Wille
selbst der Landbewohner alles ins Werk setze, um deren Vor-
dringen zu hindern. ,Namentlich die Erbitterung gegen die
Brüder des Königs,^ fährt sie fort, ,i8t grenzenlos. Die Bauern
in Französisch -Flandern machen kein Hehl daraus, dass sie
za Allem eher entschlossen seien, als sich ihnen zu unter-
werfen. Sie äussern, dass sie nicht so sehr die Oesterreicher
hassen, da sie dieselben f)ir gerecht und folglich dem Könige
und einer weisen und gemässigten Verfassung geneigt erachten,
wohl aber die Emigranten, die, durch Unglück gereizt, sie von
Neuem in die unerträgliche Knechtschaft des alten Regimes
stürzen wollen, weshalb man allenthalben, wohin sie kämen.
Alles anwenden würde, um sich ihrer zu erwehren. Beurtheilen
Sie darnach, liebster NeflFe, meine Sterbensangst, Ihren Bruder
in Gesellschaft eben dieser Prinzen in Thionville zu wissen.
Die Vorsehung wird, hoffe ich, über ihn wachen.'^ Auch der
Kaiser theilte die Ansicht seiner Tante. Auch er besorgte
gleich anfangs, dass die Anwesenheit der Prinzen dem ver-
bündeten Heere nur Verlegenheit bereiten werde. , Deshalb,'
sagt er, ,habe ich auch den König von Preussen gebeten, sie
ganz von jedem Unternehmen fernzuhalten. Aber da er für gut
1 Erzherzog Carl an Maria Christine, ce 31 aoüt 1792. A.-A. Or.
^ Maria Christine an den Karfüraten von Cöln, ce 3 septembre 1792.
A,-A. Or.
* Maria Christine an den Kaiser, Bruxelles, du 6 septembre (1792). A.-A.
Copie.
24
befunden hat^ das Oegentheil zu thun, und da unsere Position
demselben gegenüber sehr delicat ist, so musste ich mich fligen/ *
Oflfenbar um Besorgnisse dieser Art zu zerstreuen, schrieb
Erzherzog Carl am 3. September an die Erzherzogin: ,Die
Prinzen campiren links von dem Corps Wallis zu (H)ettange und
Marschall Castries hinter der Höhe von Yütz, um von dieser
Seite die Einschliessung der Festung zu vollenden. Doch ist
der Zwischenraum zwischen denselben und uns gross genug.
Nur die Nothwendigkeit hat uns gezwungen, dieselben an den
Operationen theilnehmen zu lassen, da der Conmiandant sich
nur den Prinzen ergeben will. Doch hoflFt man, sie zurückzu-
lassen, wenn es einmal vorwärts gehen wird. Hohenlohe ist
keineswegs französisch gesinnt und wünscht nichts mehr als
dies. Doch muss man gestehen, dass sie uns nicht lästig fallen ;
freilich sind sie weit genug von uns entfernt Monsieur war
gestern hier, um uns zu besuchen und die Armee zu sehen.^^
,Das ist/ schliesst der Erzherzog sein Schreiben, ,die Summe
unserer wenig interessanten Neuigkeiten ; es ist stets sehr heiss,
trotz des Sturmes, den wir gestern hatten. Wir hören häufig
in Thionville die Trommel rühren, und man kann sehen, wie
sie an ihren Werken beschäftigt sind. Man hört Kanonenschüsse
abfeuern auf die Kroaten, welche sich in den Gräben heran-
schleichen, um einige ihrer Soldaten zu tödten.'^
Die Beschiessung Thionvilles verzögerte sich um einige
Tage. Am 31. August imternahm der FML. Prinz von Waldeck
eine grössere Recognoscirung in der Richtung von Metz, um
^ Kaiser Franz an Maria ChrUtine, Hetzendorf, den 17. September (1792).
A.-A. Or.
' Erzherzog Carl kommt in einem späteren Schreiben vom 19. September
an Maria Christine (A.-A.) noch einmal auf die Emigranten zurück:
,Vou8 vous etes inqui^tee aussi de notre r^union avec Tarm^e des Princes;
mais cette r6union n*a jamais consist^ qu^en ce que les Princes
campaient avec leur arm^e k une Heue et demie d'une partie de la nötre
et 4 3 Heues du quartier-g^n^ral, et qu'eu ce qu'ils contribuaient par la
k investir Thionville. Mais, jamais de leurs troupes se sont r^unies aux
notres, et k priesen t il y a entre nous et eux toute Tarm^ pmssienne
et Celle de Clerfayt. Je n'ai vu que les Princes et les fils da Comte
d'Artois en visite chez moi, et je ne leur ai pas meme eu le tems de
reudre la visite, puisque nous avons march^ d'abord apr^s/ Es ist un-
gewiss, ob damit die oben angedeutete Visite des Monsieur gemeint ist-
3 Erzherzog Carl an Maria Christine, Richemont, ce 3 septembre 1792.
A.-A. Or.
25
die Stellnng der Armee Luckner s zu ermitteln. Unfern des
an der Strasse gelegenen Dorfes Mezi^re^ bei dem Schlosse
Maison rouge, stiess man auf den Feind. Es entspann sich
eine kurze Kanonade; doch trat, da es bereits dämmerte,
Waldeck den Rückzug nach Thionville an. Obgleich hiemit
der Zweck der Recognoscirung erreicht war, so wurde doch
das Bombardement von Thionville noch einmal verschoben^
da man erst die Ankunft des schweren Geschützes, das von
Longwy herbeigeschafft werden musste, abwarten wollte, um
die Festung aus weiterer Entfernung mit geringerem Verluste
beschiessen zu können. Da war es die Nachricht von dem
mittlerweile (2. September) erfolgten Falle Verduns, welche
Prinz Hohenlohe am 3. September durch eine von dem preus-
sischen Generale dieses Namens entsendete Patrouille erhielt,
die ihn veranlasste, ohne das Eintreffen des schweren Ge-
schützes abzuwarten, den moralischen Eindruck, den jenes Er-
eignisft auf die Gemüther ausüben musste, zu benützen, um an
die ernstliche Ausführung seiner Aufgabe zu schreiten. '
Am 4. September erfolgte die erste Sommation. Sie datirte
aus dem Hauptquartier der französischen Prinzen, Hettaitge la
Grande und war von dem Grafen von Provence ,im Einver-
nehmen' mit Hohenlohe unterzeichnet, erging aber im Gegen-
satz zu der Sommation von Verdun, die von dem Herzoge von
Braunschweig erlassen worden war, nicht im Namen der Be-
fehlshaber der Verbündeten, sondern im Namen des Grafen von
Provence und des Gh*afen von Artois. ^ Diese Aufforderung
2ur Uebergabe wurde jedoch noch an demselben Tage von
dem Commandanten der Festung mit der Bemerkung abge-
lehnt, dass Bürger und Garnison der Nation, dem Gesetze
und dem Könige stets treu geblieben seien, dass sie aber Be-
fehle nur von den Militär- und Civilbehörden ihres Departe-
ments entgegenzunehmen vermöchten. ^ Man schrieb diese ab-
lehnende Haltung dem Einflüsse des 103., ,eine8 enragirten'
Regimentes zu, das in den letzten Tagen des August aus der
Umgebung von Paris eingetroffen war. ^ Wirksamer noch
' Plunkett*8 OperatioDftjournal, Kr.-A. 13/56.
^ Abgedruckt bei Mortimer-Ternaux, Histoire de la Terreur, Paris 1864, IV, 525.
' Ebenda 527. Wiener Zeit. 1792, 6. 2594.
* Beuas an Spielmann, Offenbach den 19. September 1792 bei V ivenot, II, 207.
BeoM war eben damals yon einem Besuche bei Hohenlohe zurückgekehrt.
26
scheint der Umstand gewesen zu sein^ dass der spätere Convents-
deputirte Merlin sich damals in seiner Vaterstadt aafhielt und
Alles in Bewegung setzte, um den Platz zu behaupten. ^
Da es in der Antwort Wimpffen's unter Anderem hiess,
den Bewohnern und der Besatzung von Thionville sei die Lage
Frankreichs nicht bekannt, so erging am 5. September an die
Stadt eine zweite Sommation, welcher die Erklärung der fran-
zösischen Prinzen vom 8. August, das Manifest des Herzogs
von Braunschweig vom 25. Juli und eine kurze Mittheilung
dessen, was sich seit dem 8. August ereignet hatte, beigefügt
war. 2 Der Trompeter, welcher die Aufforderung überbrachte^
wurde jedoch vom Pöbel bereits beschimpft, sein weisses Sack-
tuch mit Roth beworfen und wenn auch Wimpffen zwei Deser
teure, die sich an diesem Auftritte betheiligt hatten, verhaften
liess,^ so erfolgte doch auch auf die zweite Sommation eine ableh
nende Antwort. ,Wir seufzen,' so lautete sie, ,mit Euch über
das Unglück, welches Frankreich betroffen hat, wir tbeilen
nicht und werden nie die Verbrechen theilen, welche die
Annalen unserer Revolution besudeln; aber als französische
Bürger sind wir ebensowenig Willens, uns dem Despotismus
zu unterwerfen, den Ihr uns anbietet, üebrigens wissen die
Prinzen wohl, dass, abgesehen von jeder Meinungsverschieden-
heit, eine Versammlung von Ehrenmännern die Waffen nicht auf
eine Aufforderung, die einer Drohung gleichkommt, niederlegt.' ^
So war zwar die Hoffnung, dass sich Thionville auf eine
blosse Sommation hin ergeben werde, nicht in Erfüllung ge-
gangen. Da aber die beiden Antworten, mit denen Wimpffen
die zweimalige Aufforderung erwidert hatte, ziemlich unbe-
stimmt lauteten und in denselben von dem Entschlüsse, sieb
ernsthaft zu vertheidigen, nicht die Rede war, so entschlose
^ So berichtet wenigstens Joinville, Campagne de 1792 en France (Spectateur
militaire, XXX, 374), freilich ohne Quellenangabe. Nach Chuquet, La
retraite etc., 240 scheint aber vielmehr der Vater Merlin^s gemeint
zn sein.
2 Mortimer-Temaux, 1. c, IV, 527—629.
3 Kurzgefasstes Journal, Kr.-A. 13/84.
* Die Antwort datirt aus Thionville, den 5. September 1792, im vierten
Jahre der Freiheit, und ist von Wimpffen unterzeichnet. Abgedruckt
bei Mortimer-Temaux, IV, 529. Erzherzog Carl theilte in einem Briefe
an die Erzherzogin Maria Christine vom 7. September diese Antwort
derselben abschriftlich mit. Vgl. auch Wiener Zeitung, 1792, 8. 2594.
27
sich nun doch Hohenlohe, ungeachtet des Mangels an ent-
sprechendem Geschütz, zu einem Bombardement, welches in
der Nacht vom 5. auf den 6. September stattfand, aber bei
der geringen Tragweite der bei der Chapelle St.-Anne aufge-
üahrenen Geschütze ^ nicht zu dem gehofften Resultate führte.
Wohl wurde das Geschütz bis 400 Schritte vom Glacis vor-
gefahrt und aus zwei Batterien gefeuert; auch war der
Feind auf den Angriff nicht vorbereitet. Die Kanonade der
Gestenreicher, welche um Mittemacht begann,*'' hatte schon
fast eine Stunde gedauert, bevor von den Wällen der Festung
die donnernde Antwort erscholl, die sich nunmehr freilich
nicht nur gegen Hohenlohe's Corps, sondern auch gegen die
Batterien, welche Cond^ imd Monsieur am andern Ufer der
Mosel errichtet hatten, mit Nachdruck vernehmen Hess. Es
schien fast, als ob die Belagerten das Versäumte nachholen
wollten, während Maröchal de Castries wegen des schweren
Transportes seiner Kanonen zu spät in den Geschützkampf
eingriff. Auch zündeten zwar die Granaten an ein paar Stellen
der Stadt, da aber die Dächer in Folge anhaltender Regen-
gösse stark durchnässt waren, fiel es nicht schwer, der Ver-
breitung des Brandes Einhalt zu thun. Da ausserdem die
Belagerten durch wohlunterhaltenes Kleingewehrfeuer das Er-
richten von Schanzkörben möglichst gehindert hatten, so war
es bei Anbruch des Tages in der Nähe des überlegenen fran-
zonschen Geschützes schlechterdings unmöglich, die Beschies-
SQBg noch weiter fortzusetzen, so dass vielmehr das österrei-
chische Geschütz wieder ausser den Bereich des feindlichen
gebracht werden musste. ^ Auch Mar^chal de Castries musste
seine Position bei Haute -Yütz wieder beziehen.'*
Der erste Versuch, sich Thionvilles zu bemächtigen, war
also gescheitert. Hatte er auch den Oesterreichem sonst nur
geringe Opfer an Mannschaft gekostet, so schlug man doch
wn 80 höher den Verlust des FML. Prinzen von Waldeck an.
^ Naeh Eraherzog Carls Operationsjonmal 6 Haubitzen and 6 ZwOlfpfttnder.
' 12 Ukr Nachts: Kurzgefasstes Operationsjonmal 13/84. Kr.-A. 127] Uhr
Nachts: Erzherzog Carls Operationsjonmal. Nach Chateaubriand, 1. c,
106 um 1 Uhr Nachts.
' Ebenda und Plnnkett^s Operationsjournal. Kr.-A. Nach Chateaubriand
ie. 107 hOrte das Osterreichische Geschütz um 4 Uhr Morgens zu feuern auf.
^Wtahi&nog Carls Operationsjonmal.
28
dem; als ihn persönliche Bravour bis zum Glacis der feind-
lichen Festung vortrieb, eine Kanonenkugel den Arm abschlug.
Es war dies derselbe Prinz Waldeck, der zwei Jahre darnach
auf dem niederländischen Kriegsschauplätze als General-Quartier-
meister Coburgs fiingirte.
Auch Erzherzog Carl, der — es war die Nacht nach
seinem Geburtsfeste — der Kanonade persönlich beigewohnt
hatte und jeden Blessirten mit zwei Ducaten beschenkte, *
sprach sich in Briefen an den Kaiser und an seine Tante mit
warmer Theilnahme über den Unfall aus, der den Prinzen
Waldeck betroffen hatte. ,Man kann sich keinen Begriff machen,'
schreibt er an die Erzherzogin, ,wie sehr die ganze Armee
über das Unglück betcübt ist, das diesen armen Prinzen er-
eilte, der allgemein beliebt war. . Alle Welt hat ihn beweint,
besonders die Cavallerie, die ihn wie ihren Vater ansah und
ihn nur „unseren Prinzen" nannte. Der Staat verliert in ihm
einen seiner besten Generale, der sicher mit Auszeichnung
Armeen commandirt haben würde, und der Prinz Hohenlohe einen
Mann, auf den er eine Menge seiner Sorgen und Detailarbeiten,
besonders den Vorpostendienst, abzuwälzen pflegte und in den
er das grösste Vertrauen setzte. Bevor das Feuer begann,
Sassen wir noch beisammen und unterhielten uns in einer
Baracke. Er verliess mich, um sich zu den Batterien zu be-
geben, und bald nachher traf ihn das Unglück. Er zeigte sich
sehr kaltblütig und sprach noch den Kroaten, die ihn trugen,
Muth zu, indem er sagte, es sei nichts und dergleichen träfe
heute den und morgen jenen. Die Chirurgen hoffen, ihn am
Leben zu erhalten ; der Arm ist bis über den Ellenbogen abge-
hauen; man hat das verlorene Glied nicht mehr gefunden.^ 2
^ Operationsjournal 9/19 b. Kr.-A. Hof kriegsraths- Acten. Wiener Zeitung,
Beilage zu Nr. 77.
2 Erzherzog Carl an Maria Christine, quartier-g^n^ral Richemont, ce
6 septembre 1792. A.-A. Or. Am 9. September konnte Erzherzog Carl
dem Kaiser mittheilen, dass sich Waldeck ausser Lebensgefahr befinde
und nach Luxemburg gebracht worden sei, ,was er dem Regimentsarzt
von Fürst Kinsky, einem gewissen Sangotti, zu danken hat, der nach
dem Zeugnisse der ganzen Welt ein recht geschickter Mann ist und
hier die Stabschirurgusstelle versieht*. Am 21. October war Waldeck
vollkommen geheilt. ,Man sagt, er werde mit Hilfe eines elaatischen
Armes noch dienen können*. Hohenlohe'an den Hof kriegsraths-Pr&sidenten
( Hof kriegsraths- Acten, 10/ad 7).
29
In dem an den Kaiser gerichteten Schreiben ^ kommt der
Erzherzog auch auf Hohenlohe neuerdings zurück. ,Hohenlohe/
sagt er, ^babe ich ganz so gefunden, wie Du mir ihn be-
schrieben hast, ganz aufrichtig, redlich und trocken, so wie
die wahren, redlichen Leute sind, ohne Complimente. Er hat
viele Güte för mich, gibt sich recht viel Mühe, um mich zu
unterrichten, mir die Absichten aller seiner Unternehmungen zu
expUciren ; kurz, ich könnte nicht besser als mit ihm sein/ Auch
Qber den ihm zugetheilten Hauptmann Vermatti, den Clerfayt
nur sehr ungern von seiner Armee entlassen und der sich nach
dem Zeugnisse preussischer Officiere bei der Belagerung von
LoDgwy hervorgethan hatte, äusserte sich damals der junge
Erzherzog in Worten der wärmsten Anerkennung.
Die Theilnahme Hohenlohe's für seinen erlauchten Schütz-
ling sprach sich indess nicht blos darin aus, dass er demselben
Gelegenheit gkb, sich durch eigene Anschauung militärische
Kenntnisse und Erfahrungen zu erwerben, sondern auch in
der Sorge, die er dafür trug, denselben vor ernstlichen Ge-
fahren zu bewahren. Darum vermochte der Erzherzog seine
bekümmerte Tante mit den Worten zu beruhigen: ,Prinz
Hohenlohe weist mir stets einen Platz zu, und ich habe ihm
versprechen müssen, denselben niemals ohne seine Erlaubniss
zu verlassen, was ich denn auch gewissenhaft erfUUe. Aber er
hat mir auch versprochen, dass ich trotzdem Alles sehen werde,
vorausgesetzt, dass es etwas Interessantes zu sehen gibt.'^
Es trat nun eine Pause in den Operationen vor Thion-
ville ein, da die Erwartung einer baldigen Einnahme der
Festung sich nicht erfüllt hatte und man daher auf weitere
Befehle des Herzogs von Braunschweig warten musste. ,Da8s
Thionville sich nicht auf die Art wie Longwy und Verdun er-
geben hat,* schreibt Hohenlohe an den Kaiser, ,davon liegen
die Ursachen in dem Vorzug, den diese Vestung vor den
andern an und für sich selbst hat, und dass die darinnen be-
findlichen Canoniers und Nationalgarden die Municipalität und
den Conmiandan^n nicht zum Worte kommen lassen. Erstere
haben sogar gedroht, selbst in die Stadt zu schiessen, wenn von
* Erzherzog Carl an den Kaiser, Richemont, den 7. September 1792.
' Enheraog Carl an Maria Christine, quartier -g^n^ral Richemont, ce
7 leptembre 1792. A.-A. Or.
30
Uebergabe die Rede wäre. Ich habe zwar alles dieses vorher
an den Herrn Herzog berichtet und meine Zweifel an dem
guten Erfolge vorgelegt, musste aber die Sache unternehmen^
weil der Vorwurf, eines ausdrücklichen Befehles ohngeachtet
nichts versucht zu haben, weit empfindlicher gewesen wäre.
Ich habe nunmehr den Herzog gebeten, entweder mir sur
Einnahme von Thionville und Metz die nöthigen Mittel zu ver-
schaffen und hernach erst die weiteren Operationen vorzu-
nehmen, oder, wenn diese gleich geschehen müssten und ich
mitwirken sollte, mir die Sicherheit zu verschaffen, damit meine
Bagage, Artillerie und Nachschub auf meinem Marche gegen
Verdun nicht denen Anfällen der Gamisons von Thionville
und Metz^, welche 12!«000 Mann ausmachen, ausgesetzt sein
möge. Ich erwarte hierauf die Entscheidung in einigen Tagen
und weil die Lucknerische Armee, so bisher gegen mich zu
Frescati stunde, nunmehr gegen Paris über J^ont k Mouzon
marschirt ist, so wird dieser Umstand den Grund seiner E}nt-
schliessungen ausmachen. Nach meinem Urtheil wird die Ent-
fernung des Luckner die Wegnahme der beiden Vestungen sehr
erleichtem, diese aber denen weiteren Operationen die wahre
Sicherheit verschaffen und höchstens eine Verzögerung von
14 Tagen daraus entstehen, weil von keinen förmlichen Be-
lagerungen, sondern nur von Zugrunderichtung der beyden Städte
die Rede sein kann, der sie ausgesetzt sein würden, wenn sie
sich nicht ergeben wollten.' *
Erzherzog Carl weiss ebenfalls von dem Gerücht zu er-
zählen, dass ein Theil der Armee Luckner's von Metz nach
Pont-k-Mouzon aufgebrochen sei. Er fügt zugleich hinzu, dass
auch die Armee, welche früher unter Lafajette gestanden habe
und nun unter Dumouriez stehe, den Marschbefehl erhalten
habe, um Paris zu decken. ,Der Herzog von Braunschweig,*
so urtheilt er, ,wolIte die Maas bei Verdun passiren und einen
Posten von 2000 — 3000 Mann zur Verbindung mit uns zu Etain
zurücklassen. Er selbst hatte vor, auf Paris loszurücken ; viel-
leicht, dass der üble Ausgang der hiesigen Unternehmung, deren
Gelingen ihm sehr am Herzen lag und das er für sehr leicht
erachtete, ihn ein wenig aufhalten wird.'^
1 Hohenlohe an den Kaiser, 6. September 1792, Richemont. Cab.-Act K.-A.
2 Erzherzog Carl an Maria Christine, Richemont, ce 6 septembre 1 792. A.-A. Or.
31
Die Vermuthong erwies sich in ihrem letzten Theile frei-
lich nicht als richtig. Schon hatte nämlich Hohenlohe die Vor-
bereitungen zu einem neuen Angriffe auf Thionville getroffen^
indem er aus dem zu Longwy eroberten Geschütze und aus
den Luxemburger Vorräthen einen Belagerungs-Artilleriepark
zusammenstellte, auch eine Art Laufgraben mit mehreren
Batterien errichtete und die Verpflegung des bei Richemont
stehenden Corps für mehrere Monate zu sichern suchte, * als
am 8. September ein Befehl des Herzogs von Braunschweig
eintraf, der ihm wenigstens vorläufig eine ganz andere Auf-
gabe zuwies. Sobald nämlich der Herzog durch das Vorrücken
des Fürsten von Hohenlohe an die Mosel seine rückwärtigen
Communicationen gegen die feindliche Armee gesichert wusste,
hatte er den Beschluss gefasst, gegen Verdun an die Maas vor-
zugehen und sich dieses schlechtbefestigten und überdies von
einer fast nur aus Nationalgarden bestehenden Besatzung ver-
theidigten, immerhin aber wichtigen und bequemen Uebergangs-
punktes durch rasche Eroberung zu versichern. Am 28. August
setzte sich die preussische Avantgarde in Bewegung. Am
30. erreichte die preussische Hauptmacht Verdun. In der
Nacht vom 1. auf den 2. September begann die Beschiessung
der Festung, die sich am 2. September auf Wunsch des Ver-
theidigungsrathes und der Civilbehörden der Stadt ergab,
während der heroische Commandant Beaurepaire durch einen
Pistolenschuss seinem Leben ein Ende machte.
Die französischen Armeen waren ausser Stande gewesen,
den bisherigen Unternehmungen der preussischen Armee ein
Uindemiss entgegenzusetzen. Nun aber erhielt Luckner's Armee
(die sogenannte armöe du centre), da dieser der Nationalver-
sammlung verdächtig geworden war, in General Kellermann
einen neuen Befehlshaber, während auch der Befehl der Nord-
&nnee nach der Flucht Lafayette's an einen andern Führer,
Dumouriez, übei^ng, der, da durch all diese Vorgänge die
Disciplin der Truppen sehr gelockert und er selbst von Keller-
mann durch eine ihnen beiden zusammengenommen überlegene
feindUche Armee getrennt war, sich zunächst in einer höchst
bitischen Lage befand. In dieser Lage war es, obgleich er
dies selbst in seinen Memoiren erzählt, nicht Dumouriez, der
* Benoiuurd a. a. O. 151. Vgl. Wiener Zeitung 1792, Beilage su Nr. 77.
32
gegenüber der Meinung des am 28. August zu Sedan versam-
melten und entmuthigten Kriegsrathes, sich hinter die Marne
zurückzuziehen und dort die Vereinigung mit Luckner and
das Eintreffen von Verstärkungen abzuwarten, dem kühnen
Plane zum Siege verhalf, vielmehr die Engpässe der zwi-
schen Maas und Aisne, zwischen Sedan und St.-Menehould
sich ausbreitenden Argonnen zu ,Frankreich8 Thermopylen*
zu machen. Der Plan einer rückwärtigen Bewegung, welche
zugleich den Vortheil darbot, dass sich die bisher getrennten
und dem Feinde einzeln ausgesetzten Corps hinter den Ar-
gonnen oder hinter der Marne bei Chalons vereinigen konnten,
ging von dem französischen Eriegsminister Servan aus. Du-
mouriez, der sich bis dahin mit dem Plane eines Einfalles
in Belgien, getragen hatte, musste sich den bestimmten Wei-
sungen Servan's um so mehr fügen, als seit dem Falle Verduns
sein Rückzug ernstlich bedroht war, und nur so viel ist richtig,
dass Dumouriez noch vor dem Eintreffen jener Weisung selbst
/Von seiner Meinung zurück- und durch den Marsch nach
Grandpr^ den directen Befehlen des Pariser VoUziehungsrathes
zuvorkam. ^
Die Argonnen zweigen von den Vogesen ab ; sie scheiden
die Aisne von der Aire und die Aisne von der Bar, einem
Zuflüsse der Maas. Ihre durchschnittliche Höhe beträgt etwa
100 Meter über dem nächsten Thalwege. Die Abhänge gegen
Osten hin sind steiler als jene gegen Westen, ein Umstand,
welcher ihrer Vertheidigung zu Statten kommt. Sie bilden die
Grenze zwischen Lothringen und den Ebenen der Champagne
und erstrecken sich von Beaulieu und Passavant bis Ch^ne-le-
Populeux in der Richtung von Südosten nach Nordwesten.
Der Argonnenwald setzt dem Eindringen tausend Schwierig
keiten entgegen: Defileen, Bäche, Teiche und Sümpfe. Der
Boden ist lehmig und mit Kalk vermengt und verwandelt sich
bei Regengüssen, mit Ausnahme einiger sandiger Stellen, in
eine grundlose Fläche, welche dann besonders für den Wagen-
verkehr ganz unbrauchbar ist. Ausserdem verengen sich die
Strassen in den Argonnen stets da, wo sie in eine Gorge oder
ein Thal hinabsteigen, zu schwer zu passirenden Schluchten,
* Joinville, Campagne de 1792 en France (Spectateur militaire, XXX,
268 ff.). Sybel, Gesch. d. Rerolutionszeit, I^ 548 ff. Chuquet, Valmy, 36 ff.
33
den y^chav^es^ wie man sie im Lande nennt. Auch darf man
nicht Übersehen, dass von den in den neueren Karten einge-
tragenen Communicationen im Jahre 1792 viele noch nicht vor-
handen waren und dass die vorhandenen sich nicht in jenem
gaten Zustande wie heute befanden. Man gelangt aus dem Bassin
der Maas und aus LfOthringen in das Thal der Aisne durch
verschiedene Defil^en, unter denen, von Süd nach Nord, die
Grandes Islettes oder die Cöte de Biesme, der Pass La Cha-
lade, Grandpr^, La Croix aux Bois und Ch^ne-le-Populeux die
wichtigsten sind. ^
Die preussische Armee war nach der Eroberung von
Verdun noch bis zum 5. September in dem Lager am rechten
Uaaaufer stehen geblieben. Die Absicht, Verdun zu einem
Hagazinsplatze einzurichten und die darauf Bezug nehmenden
Vorkehrungen, vor Allem aber die Meinungsverschiedenheit be-
xüglich der weiteren Unternehmungen, ob man nämlich auf Paris
losgehen solle, wie dies der König von Preussen wünschte, oder
ob man sich nicht vielmehr zuerst der Mosel- und Maasfestungen
bemächtigen müsse, wie dies in der Absicht des Herzogs von
Braonschweig lag,^ hatten jenes längere Verweilen verursacht.
Brst am ö. September erfolgte der Uebergang über die Maas,
auf deren linkem Ufer ein neues Lager bezogen wurde, und
zwar so, dass sich das Hauptquartier des Königs zu Glorieux,
jenes des Herzogs zu Regret befand. Hier blieb das preussi-
sche Heer, statt sich des fUr den beabsichtigten Marsch nach
Paris so wichtigen und damals vom Feinde noch nicht be-
setzten Argonnenpasses der Islettes zu bemächtigen, neuer-
dings bis zum 11. September unbeweglich stehen, bis endlich
den Herzog die Nachricht, dass Dumouriez und Kellermann
»lle ihre Streitkräfte vereinigen und sodann dem Angriflfe der
Verbündeten die Stime bieten wollten, zum Aufbruche bewog.
Um auch seinerseits so viele Streitkräfte als möglich zu einem
Hauptschlage zu versammeln, beschloss der Herzog das Ein-
treffen mehrerer einzelner kleinerer Corps und namentlich die
Annäherung des Fürsten Hohenlohe-Kirchberg abzuwarten.^
» JoinviUe, 1. c, XXX, 875 ff.
* Chuquet, Valmy, 80 ff.
' Gebier a. a. O. 71. Die Angabe der prenssischen Marschtage ist nach
Masienbach, I, 130 und den Mittheilungen des prenssischen Kronprinzen
154 sn berichtigen.
ArUt. Bd. LXXIII. I. H&lfte. 3
34
Dumouriez kam die Unthätigkeit seines Gegners insofeme
zu Statten, als er dadurch in den Stand gesetzt wurde, den
bei Baalon lagernden Clerfayt über seine wahren Absichten
irrezuführen und bei Mouzon die Maas zu überschreiten, worauf
er die Argonnenpässe in der Weise besetzte, dass er selbst zur
Ueberwachung des nördlichen Abschnittes derselben bei Grand-
pr^ verblieb, dagegen die Vertheidigung der wichtigen Pässe
La Chalade (bei Varennes) und Grandes Islettes (bei St. Mene-
hould, beziehungsweise Clermont), kurz der ganzen Strecke des
Argonnenwaldes von Vienne le Cbäteau bis Passavant dem
General Dillon übertrug, mit dem sich hier Galbaud vereinigte. *
An Hohenlohe-Kirchberg erging am 7. September^ der
Auftrag des Herzogs von Braunschweig, sich bei Thionville
und Metz durch das bei Speier zurückgebliebene Corps Er-
bach's ablösen zu lassen. Er selbst, der Herzog, beabsichtige,
die feindliche Stellung bei Grandpr^ zu umgehen, was aber
erst dann ohne Gefahr geschehen könne, wenn ein ansehn-
liches Corps bei Clermont-en-Argonne dem Feinde entgegen-
gesetzt werde, wozu die Armee des Fürsten und das hessische
Hilfscorps unter dem Landgrafen Wilhelm IX. ausersehen sei.
Er habe zwar, meldete Hohenlohe-Kirchberg dem Klaiser,
dem Herzoge von Braunschweig alle nur möglichen Vorstel-
lungen gemacht, insbesondere auf die Beschwerlichkeit des
Marsches und auf den Mangel an jeder Subsistenz hingewiesen ;
da aber vier Couriere an einem Tage bei ihm eingetroffen seien,
so sei ihm nichts übrig geblieben, als dem Befehle des Herzogs
nachzukommen, damit wenigstens das Fehlschlagen des Unter-
nehmens nicht auf seine Rechnung gesetzt werden könne.^
Demnach ertheilte Hohenlohe dem Grafen Erbach die ent-
sprechenden Weisungen. * Während nun auch der grössere
Theil der bisher ihm zugewiesenen Emigranten die Gegend von
Thionville verliess und nach Dun marschirte, ^ Hess er selbst
vor Thionville einen Theil seines Corps — 7 Bataillons und
* Chnqaet, Valmy, 72.
^ Am 8. September bei Hohenlohe eingelangt, nach den Operationsjoumalen
9/19 b und 10/28 b der Hof kriegsraths- Acten.
^ Kr.-A. Cab.-Act. 16. September.
^ Zu Speier blieben blo8 das dritte Bataillon Gyulai und die Mainziscben
Truppen zurttck. Erzherzog Carls Operationsjoumal.
* Ditfurth, 70.
35
3 DiTisionen (= 6 Escadrons) ^ — nebst dem schweren Gepäck
and dem Reservegeschütz unter dem FML. Grafen Wallis zurück^
da, wie Erzherzog CarP bemerkt, Hohenlohe noch immer der
Meinung war, der Herzog verlange diese Vereinigung nur, um
irgend einen Coup auszuführen und werde ihn sodann zur Ein-
nahme von Thionville und Metz zurückbeordern. Mit dem Reste
seines Corps — 6 Bataillons und 7 Divisionen (= 14 Escadrons) ^
— brach Hohenlohe am 10. September nach Verdun auf. ^
Am 10. rückte man unter fortwährenden Regengüssen auf
der Verduner Chaussee bis Aubou^, wo man auf den Anhöhen
links vom Dorfe campirte. * Den 11. konnte der Marsch der
ausserordentlich schlechten Wege und der üblen Witterung
wegen nur bis Conflans fortgesetzt werden. Man war vor
Tagesanbruch ausgerückt imd traf ungefähr um 9 Uhr Morgens
in Conflans ein.* ,Da8 Lager war auf Sturzäckern, wo man
auf der durchgenässten firde bis am Waden hereinfiele. Den
ganzen Tag und Nacht dauerte das Wetter; man kann sich
also aus diesem einen Begriff machen, was wir ausgestanden,
die wir keinen Fetzen von unserer Bagage mithatten.'* ,Den
12. wurde früh aufgebrochen und der Marsch ging auf der
nämlichen Chaussöe immerfort auf E(8)tain zu, woselbst das
Hauptquartier, die Regimenter und Bataillons cantonirten. . . .
Heute war die Witterung leidentlich.' ' ,Den 13. früh wurde
abgerückt und der Marsch ging, nachdem man die Chaussee,
* Zur Besetzung der Position von Richemont: 2 Bataillons Mitrowsky,
1 Bstaillon Manfredini, 3 Divisionen Josef-Dragoner und ein paar Corapa-
gnien Croaten unter General Schröder; zu Quentrange 3 Bataillons
Stain, 1 Bataillons Manfredini, 3 Divisionen Josefund die übrigen Croaten.
FZM. Olivier Wallis schlug sein Hauptquartier zu Huckange auf. Erz-
herzog Carls Operationsjoumal.
' Erzherzog Carl an den Kaiser, 9. September 1792. Derselbe an Maria
Christine, Richemont, ce 9 septembre 1792. A.-A. Or. Reuss an Spiel-
mann bei Vivenot, II, 208.
' Nimlich : 4 Divisionen Wurmser-Hussaren, 3 Divisionen Kinsky-Chevaux-
legers, 2 Bataillons Schrdder, 1 Bataillon d' Alton, 1 Bataillon Josef Collo-
redo, 1 Bataillon F. Kinsky, 1 Batterie Devins. Erzherzog Carls Operations-
joomal.
* Minutoli, Militärische Erinnerungen, Berlin 1845, S. 115.
^ Korzgefasstes Journal. Kr.-A. 13/84. Erzherzog Carl an Erzherzog Josef,
Hauptquartier Neuvilly, den 25. September 1792. A.-A. Or.
^ Plankett*s Journal, Kr.-A. 13/56 und Kurzgefasstes Journal.
' Kurzgefasstes Journal.
3»
36
die wir der Cantoninmg halber verlassen mussten, wieder
erreicht hatte^ auf Verdan zu; sodann über selbes hinaus ins
Lager bei Mari (Marre). ^ Heute war das Wetter so^ dass es
schiene, als wenn der Höchste uns unserer so gerechten Unter-
nehmungen wegen strafen wollte. Ein den ganzen Marsch hin-
durch fortdauernder Platzregen ruinirte uns platterdings. Heute
wurde der Mannschaft wegen dem hinteracht der so widrigen
Witterung erwiesenen guten Muth eine Gratis -Löhnung be-
willigt, mit dem Beisatz, dass man sich ein Vergnügen machete,
so standhafte Truppen zu führen.^ ^
Auch Hohenlohe-Kirchberg klagt in einem Berichte an
den Kaiser über die ungewöhnlichen Beschwerden dieses Mar
sches und die Unbilden der Witterung : , Durch den anhaltender
ausserordentlich starken Regen, von Sturmwinden begleitet
war Alles bis auf die Haut nass und der Weg so verderbt, das^
jeden Tag ein paar hundert Schuhe auf der Strasse lieget
blieben und die Leute barfuss gehen mussten, und obgleicl
nur die leichteste Bagage mitgenommen wurde, so konnte aucl
diese niemals der Truppe folgen. Dass bei solchen Gelegeij
heiten Excesse geschehen, die freilich nicht geschehen soUtei
kann beinahe nicht vermieden werden, besonders da, wo Bi
gagewagen zu 24 Stunden nicht aus der Stelle konnten un
die dabei befindliche, ohnehin rohe Menschen sich in Feinde
land dazu berechtigt glaubten.' inzwischen zeigt sich doob
iUhrt Hohenlolie fort, ,dass die sogenannte promenade militaii
k Paris weit schwerer wird, als Viele geglaubt haben, und da
die Vorstellungen, die ich oft diesfalls gewagt habe, nicht u-
gegründet waren. Mir scheint, dass die Politik nur nein
denen Armeen agiren könne, dass diese also immer militärisr
manoevriren müsse. Dass man aber dieses gerade umgekeb
macht, verursacht mir eine unbeschreibliche Sorge vor d*
Fall des Fehlschlagens.' ^
Auch Erzherzog Carl schloss sich diesem Marsche a
Zwar hatte auch er in Folge der Regengüsse und der durc
dringenden Feuchtigkeit unmittelbar vor dem Aufbruche
1 Wiener Zeitung 1792, S. 2691: ,Der Fürst Hohenlohe-Kirchberg i
der Erzherzog Karl bezogen am 13. ein Lager bei Marne (I) am linl
Ufer der Maas'. Vgl. Wiener Zeitung 1792, Beilage zu Nr. 80.
^ Kurzgefasstes Journal, 1. c.
3 Hohenlohe an den Kaiser, 15. September. Kr.-A. Cab.-Act.
37
DarchföUen zu leiden; doch wurde er bald wieder herge-
stellt * und zog damals noch mit den besten HofFhungen in
Feindeeland einher. ,Da Du mir, bester Bruder/ schrieb er
von Richemont aus an den Kaiser, ,gar keine Weisung ge-
geben hast, was ich thun solle, im Falle sich Fürst Hohen-
lohe mit der preussischen Armee vereinige, so glaube ich nicht
änderst thun zu können, als mit ihm dahin zu gehen, besonders
da es vor den Feind gehet und da doch Fürst Hohenlohe ein
separirtes Corps formiren wird.'^
Wir verdanken diesem Umstände manch interessante Beob-
achtung, die der Erzherzog auf dem Marsche zu machen Ge-
legenheit fand und die er in den Briefen an seine Brüder, den
Kjiser und den Erzherzog Josef, sowie an die Erzherzogin nieder-
legte. ,Man beklagt sich,' schreibt er an die letztere, ,allenthalben
sehr über die Preussen und die Hessen, die Alles plündern und ver-
wüsten. Unsere Truppen benehmen sich gut; doch das Land muss
Omen Alles liefern, da die Preussen, von denen wir hofften, dass
sie uns die Lebensmittel liefern würden, deren nicht zur Genüge
haben und ebenfalls gezwungen sind, sich Alles vom Lande liefern
zu lassen. Man bezahlt Brod und Mehl; für das Uebrige stellt
man Quittungen im Namen des Königs von Frankreich, zahlbar
an dessen Gassen, aus. Ueberall, wo wir hinkommen, ist der
Bewohner gut demokratisch gesinnt und sehr verwöhnt; wir
waden ihn niemals bekehren. Unsere Vorgänger (d. i. die
Preussen) haben sie so behandelt, dass sie bei unserer An-
kunft in grosser Zahl die Flucht ergreifen; aber die Zurück-
bleibenden entschädigen sich dafUr, indem sie unseren Soldaten
Salz und andere Lebensmittel zu enormen Preisen verkaufen.
Nehmen Sie die Märsche und den beständigen Regen hinzu,
und man muss gestehen, dass unsere Leute auf das Aeusserste
leiden. Dennoch desertiren sie nicht, sondern hoffen stets mit
dem Feinde handgemein zu werden.'^ Auch in einem Briefe
an den Kaiser^ schildert der Erzherzog die Mühseligkeiten,
mit denen die Truppen Hohenlohe's auf dem Marsche von
* Erzherzog Carl an Maria Christine, Richemont, ce 9 septembre 1792. A.-A.Or.
^ Erzherzog Carl an den Kaiser, 9. September 1792.
* Erzherzog Carl an Maria Christine, ce 14 septembre 1792. A.-A. Or.
* Erzherzog Carl an den Kaiser, Hauptquartier Neuvilly, 17. September.
Or. Vgl. die ähnlich lautenden Briefe an die Erzherzogin und an Erz-
herzog Josef vom 25. September 1792. A.-A. Or.
ThioQTille an die Aire za kSmpfen hatten. Aber der V^tt-
herzog hoflft Alles von der Truppe; ,denn,' tUtrt er fort,
,sie erträgt alles Ungemach mit sehr viel Math, da sie Dich
liebt und weiss, dass Da ihr Gerechtigkeit leistest und sie zu
schätzen weiset Sie erwarten mit Ungeduld den AngenbUck,
sich mit den FVanzosen messen zu können.'
Schon früher waren, wie wir sahen, von Seiten Metter-
nich's Bedenken gegen die Anwesenheit des Erzherzogs bei
der unter dem Oberbefehl eines prenssischen Feldherm ste-
henden Armee erhoben worden. Daher hatte der &Eherzog
selbst bereits von BrUssel ans > an den Kaiser die Bitte ge-
richtet, flir den Fall, dass etwa zufolge der mit Preossen ge-
schlossenen ConventioD die Zulassung von Volontärs zur Armee
unzulässig erscheine, ihn bei einer Brigade anzustellen. Der
Kaiser entsprach denn auch der Bitte seines Bruders, zu deren
GewähruDg er den Geburtstag des Erzherzogs (5, September) er-
sah, an welchem er dem Prinzen Hohenlohe Folgendes eröffnete :
,Meinen Herrn Bruder, den Erzhersc^ Carl, ernenne ich unter
Einem zum General-Feldwachtmeister ^ und stelle denselben
zur wirklichen Dienstleistung in diesem Grade bei Ihrem unter-
habenden Corps d'arm^e an. Sie werden demselben daher eine
Brigade nach Ihrem Gutbefinden untergeben, den sonstigen
Brigadier jedoch dabei lassen, damit Mein Herr Bruder sich
Ton seiner Brigade entfernen könne, um sich bei Ihnen bei
guten Gelegenheiten einfinden zu können, und den Ich Ihrer Ob-
sorge empfehle.' ^ In dem Schreiben, das der Kaiser aus diesem
Anlasse an seinen Bruder richtete, ftlgte er noch hinzu: .Da-
durch hoffe ich auch dem Herzoge (Albert) Gentige zu leisten,
welcher wünscht, einen General an Deiner Seite zu wissen.
Die Wahl der Brigade and des Generals Überlasse ich dem
Fürsten Hohenlohe, welcher gewiss seine Leute am besten
kennt.' ^ Schon am 17. September konnte Erzherzog Carl dem
' Siebe obeo S. 16.
Dtücb mit OeneraJ major.
«not, H, 186.
ser Frmnz an den Enhenop Carl, Hetaendorf, den ä. September
'i. A.-A. Or. Vgl. das kaUerliche Handschreiben an den Hofkrie^
is-Prisidenten Wallis vom 5. September ( Hof kriefimtba- Acten, Kr.-A.
) and ein Schreiben der Kaiserin an Maria Christine vom 9. Sep-
iber 17!K (A.-A. Or.), worin sie ihr diese VerfOgluig niittheUt. Uebrigens
39
Kaiser meldeD^ dass er sich mit GM. Wemeck in dessen Bri-
gade ^ theile und sich bei demselben ^gewiss in guten Händen'
befinde. 2 Noch an demselben Tage wurde Erzherzog Carl im
Lager als ^wirklicher General-Feldwachtmeister und Brigadier^
vorgestellt. ^
Sein Dienst war indess nicht blos nominell. ^Sie wollen
wissen,* schreibt er an Maria Christine/ ,worin meine Functionen
als General bestehen. Sie beschränken sich bisher darauf^ die
Berichte entgegenzunehmen und sie dem Generallieutenant
d' Alton zu übermitteln. Auf dem Marsche werde ich bei der
Brigade sein; ebenso im Gefechte. Wenn Ruhe ist, gibt es
nichts zu thun als zuzusehen, wa& die Leute machen, ihre
Arbeiten zu besichtigen u. dgl. Wir sind unser so wenig Ge-
nerale hier, dass wir weder Inspection, noch Tagdienst haben*.
Als in der Folge EoUonitsch am schleichenden Fieber er-
krankte und nach Luxemburg gebracht werden musste, da
ruhte alle Last auf den Generalen GM. d' Alton, GM. Werneck,
6M. Lilien und dem Erzherzoge.^
Die letzterwähnten Schreiben des Erzherzogs sind aus
dem neuen Hauptquartier Hohenlohe's, Neuvilly (eigentlich
Seufvilly) an der Aire bei Varennes datirt. Denn mittlerweile
bestand Maria Christine selbst nicht mehr auf ihrem früheren Verlangen,
dass ein besonderer General dem Erzherzog zugewiesen werde. ,Comme
Tons/ beisst es in einem Schreiben derselben an den Kaiser vom
15. September (A.-A. Copie), ^me parlez encoi'e de lui donner quel-
qu'nn, il me parait que pour cette ann^e, la saison'^tant d^j4 si avancee
Ters Tbiver, il n'en vaudra plus la peine; jusqu'au printems prochain
que la campagne recommence, vous eu aurez plus de tems k faire un
choix, et si je dois dire mon sentiment, de lui en äcrire k Ini-meme,
paisquUl est d^age et de raison qu^on puisse le consulter dans une chose
qui le regarde de si pres, pour savoir qui lui serait agr^able.^ Nament-
lich war sie mit der Wahl Hohenlohe's vollkommen einverstanden,
dessen Eigenschaften sie alle Gerechtigkeit widerfahren lässt. (Maria
Christine an den Kaiser, Bruxelles, du 20 septembre 1792. A.-A. Copie.)
' Dieselbe bestand aus 1 Bataillon Colloredo, 1 Bataillon Kinsky, 1 Bataillon
Devins. Erzherzog Carl an Maria Christine, ce 19 septembre 1792. A.-A.
Or. und ce 21 septembre 1792. A.-A. Or.
^ Erzherzog Carl an Kaiser Franz, Hauptquartier Neuvilly, den 1 7. Sep-
tember 1792. Or.
^ Operationsjoumal. Kr.-A. Hof kriegsraths- Acten 10/28 b.
^ £rxherzog Carl an Maria Christine, ce 28 septembre 1792. A.-A. Or.
^Ebenda.
40
hatte Braunschweig seinen Flankenmarsch angetreten, in der
Art, dass Clerfayt, der am 7. September das Lager bei Baalon
verliess, bei Stenay die Maas überschritt und bei Nouart das
Corps des preussischen Generallieutenants Kaikreuth aufnahm,
der sodann bei Busancy Stellung nahm, während die prenssi-
sche Hauptarmee am 12. bei Landres lagerte.
Die Absicht Braunschweig's war zunächst auf die Er-
stürmung des wichtigen Passes La Croix aux Bois gerichtet. Da-
her erhielt Hohenlohe-Kirchberg den Auftrag, an die Aire vor-
zugehen, um Dillon's Corps bei den Islettes zu beobachten und
womöglich zu beunruhigen, sobald aber der erstgenannte Pass
gefallen sein würde, sich unverzüglich der Strasse von St. Me-
nehould zu bemächtigen. Dies war die Ursache, um derent-
willen Hohenlohe-Kirchberg am 14. von Marre aufbrach und
nach einer Recognoscirung der Umgegend von Varennes* am
15. an der Aire auf den Höhen zwischen BoureuUes, Neufvilly
und Aubreville lagerte, ihm zur Linken die Hessen, welche sich
mit einer preussischen Batterie schon zuvor (13. September) in
und vor Clermont aufgestellt hatten. Von Varennes aus wurde
der Pass von La Chalade, von Clermont aus der Pass Islettes
beobachtet. ^ Es war dies eine Stellung, welche zugleich die
Verbindung mit Verdun decken sollte und mit welcher der
Aufmarsch der Verbündeten vor den Argonnen vollzogen war.
Das Unternehmen auf den Pass La Croix glückte voll-
ständig. Dumouriez, über die Festigkeit des Passes durch
falsche Berichte irregeführt, hatte zur einstweiligen Besetzung
des Verhaues nur 100 Mann zurückgelassen und erst als es
bereits zu spät war, den General Chazot dahin abgesandt, um
1 Hohenlohe-Kirchberg bemerkt (in einem Briefe an den Küiser vom
16. September): ,Bei dem gestrigen marche habe ich eine Recognoscirung
bis über Varenne vorgenommen und nichts vom Feinde angetroffen^
wohl aber die Stadt von denen National-Volontaires ganz ausgeplündert
gefunden. Bei dieser Gelegenheit habe ich auch den Ort gesehen, wo
Se. Majestät der König arretirt geworden, und einen andern, von welchem
er entkommen sein würde, wenn die Relais dagestanden hätten, anstatt
dass sie in der engsten Gasse warten mussten.*
^ Erzherzog Carls Operationsjoumal : ,Zur Deckung unserer und der hessi-
schen Communication besetzte Oberstlieutenant Wagenheim mit 1 Division
Wurmser-Hussaren die Orte Nizevilles, Villers (recte: Ville) sur Cousance,
Rarecourt und Rampont/ Vgl. auch dessen Brief an Erzherzog Josef.
41
die öBterreichischen Jäger aus den eroberten Defil^en wieder
zn vertreiben. Vielmehr nöthigte nach heissem Kampfe, in
wekhem der österreichische Obrist Prinz von Ligne, Sohn des
Feldmarschalls/ den Heldentod fand (14. September), > Clerfayt
den Greneral Chazot zum Rückzuge nach Vouziers.
Die Li^e der französischen Armee war jetzt höchst
bedenklich. Der Weg durchs Gebirge schien nun mit einem
Male den Verbündeten geö£Fhet. Dumouriez sah sich von Chazot
getrennt, während Kellermann damals noch in weiter Entfer-
nang von ihm stand. Sein Heer war dadurch auf 15.000 Mann
reducirt. £r sah sich jetzt gleichzeitig in der Front durch die
bei Landres lagernde preussische Hauptarmee und im Rücken
durch Clerfayt und Kaikreuth bedroht. In dieser äusserst
kritischen Lage fasste Dumouriez mit der ihm eigenen Ge-
wandtheit den raschen und kühnen £ntschluss, sein Heer in
das Lager von St. Menehould zu fuhren, den südlichen Theil
des Argonnenwaldes noch länger zu behaupten imd alle bis
jetzt noch zerstreuten Hauptkräfte in dieser neuen Stellung zu
vereinigen.
Mit derselben Raschheit, mit der er es gefasst hatte,
fährte Dumouriez sein Vorhaben aus. Im Dunkel der Nacht
fiberscbritt er, überall die Brücken hinter sich abbrechend, die
Aire und sodann die Aisne, so dass er am folgenden Morgen
Aatry erreichte und nachdem er sich mit Chazot, der anfangs
vor den verfolgenden Preussen geflohen war, wieder vereinigt
hatte, am 16. das Lager von St. Menehould bezog. Diese neue
Stellung stützte sich rechts an die Aisne, links an den Teich
von Braux und sumpfige Wiesen. Die Front war durch ein
enges Thal (von Maffrecourt und Braux) von dem Höhenzuge
ITron getrennt, der in einiger Entfernung das rechte Ufer der
Bionne begleitet. Westlich von der ganzen Aufstellung lagen
die Höhen von Valmy. Um aber auch Dillon, der sich noch
immer in den Pässen von Chalade und Islettes behauptete und
somit die rechte Flanke Dumouriez' deckte, vor einer Um-
gehung längs der Aisne und Biesme zu schützen, besetzte der
Letztere auch das feste Schloss St. Thomas und vertheilte
überdies einige Bataillons und einige Cavallerie zwischen die
beiden genannten Flüsse.
* Perey, Histoire d'ane g^ande dame, 430 ff.
42
So trefflich aber auch an sich die Stellung sein mochte^
welche Dumouriez gewählt hatte, so war dieselbe doch nur
dann zu behaupten, wenn sie hinlänglich stark besetzt war.
Eben deshalb sah Dumouriez der Vereinigung mit Beurnon*
ville, der von Rethel (an der Aisne) im Norden, und mit
Kellermann, der von Süden kam, mit Ungeduld entgegen. Die
UnschlUssigkeit des Herzogs von Braunschweig, der bis zum
18. September mit der Hauptarmee bei Landres stehen blieb,
erfüllte Dumouriez auch diesen Wunsch. Am 19. fand die
Vereinigung der beiden französischen Generale mit Dumou-
riez statt.
Erst am 18. September passirte die preussische Haupt-
armee die Aisne. Am 19. lagerte dieselbe mit Einschluss des
Corps Ealkreuth und Clerfayt längs der Tourbe. Am 20. mit
Tagesanbruch erfolgte der Marsch nach La Lune und die be-
rühmte Kanonade von Valmy, welche bekanntlich ihren Haupt-
zweck, den Feind von der Rückzugslinie an die Marne abzu-
drängen und zu schlagen, verfehlte. *
Mittlerweile befand sich das Hauptquartier Hohenlohe-
Kirchberg's noch immer zu Neuvilly, wo Erzherzog Carl im
Hause eines französischen Generals (mar^chal de camp) wohnte,
den die Preussen verhaftet und nach Verdun abgeführt hatten,
da er mit dazu beigetragen haben soll, den Fluchtversuch des
Königs Ludwigs XVI. zu Varennes zu vereiteln. ^ ,Da8 Lager,^
so schildert ein Augenzeuge anschaulich diese Stellimg, ,liegt
an der Chaussee von Varennes auf Clermont, die Front gegen
Paris oder gegen Abend : mithin Varennes rechts und Clermout
links. Neuvilly, das Hauptquartier, woran unser linker Flügel
stösst, ist gerade den halben Weg von Varennes auf Clermont.
Vor uns die Chaussee, über selbe der Fluss Aire und über
selben hinaus eine ebene von Gebürg rechts und links. Im
Rücken einen ziemlich dichten Wald und Weingebürg . . .
Gerade gegenüber von unserer Fronte über den Fluss befand
sich ein Meyerhof an der Gränze des Waldes, in welchem
sich ein feindliches Haber- und Heumagazin befand, welches
ganz nach Willkühr der Regimenter ausfouragirt worden.' ^
1 Gebier a. a. O. S. 72 ff.
2 Erzherzog Carl an Maria Christine, quartier-g^u^ral Neuvilly, ce 14 sep-
tembre 1792. A.-A. Or.
' Kurzgefasstes Journal. Kr.-A. 13^84.
43
In dieser Stellung erfuhr FZM. FUrst Hohenlohe am
15. September Dumouriez' Abmarsch über die Aisne. Von
Stünde zu Stunde wartete nim der kaiserliche Feldherr auf
die Disposition zu einer allgemeinen kräftigen Offensive. Da
aber eine solche noch immer nicht eintraf^ vielmehr Hohenlohe
in unverzeihlicher Weise ohne Kenntniss von den Vorgängen
im Hauptquartier belassen wurde^ beschloss er, sich wenigstens
über die einlaufenden einander widersprechenden Gerüchte,
namentlich aber darüber Klarheit zu verschaffen, ob die Pässe
Chalade und Islettes vom Feinde noch besetzt oder bereits
geräumt seien. Zu diesem Zwecke erfolgte am 17. September
die Recognoscirung beider Pässe. Jene der Islettes auf der
grossen Heerstrasse, die von Clermont nach St. Menehould
fährt. Hohenlohe-Kirchberg, Erzherzog Carl und der Landgraf
von Hessen nahmen persönlich an dieser Recognoscirung theil.
Eine starke feindliche Bereitschaft, die am Eingange des wal-
digen Thaies stand, durch welches der Bach Houtebras der
Biesme zueilt, zog sich aus ihrem Verhaue nach unerheblichem
Geplänkel hinter die Verschanzungen am Fusse der C6te de
Biesme zurück. Die von der Höhe herab erfolgten Kanonen-
schüsse wurden durch das Feuer aus zwei Kanonen und zwei
Haubitzen erwidert, während Hohenlohe sich bemühte, die feind-
liche Stellung so viel als möglich auszuforschen. Nach etwa
zwei Stunden kehrte Hohenlohe, der dich von der Festigkeit
der feindlichen Stellung und Dillon's ansehnlicher Macht über-
zeugt zu haben glaubte, wieder in seine frühere Stellung zu
Neuvilly zurück. Auch der nach Chalade unternommene Streif-
zag lieferte kein besseres Ergebniss. ^
' Ditfürth, Dio Heeren in den Feldzttgen in der Champagne, am Main und
Rhein während der Jahre 1792, 1793 und 1794, Marburg 1881, 8. 79. Aus
Ditfnrth*s auf den Journalen hessischer Of&ciere beruhender Darstellung
geht auch die Anwesenheit des Erzherzogs Carl bei der ersten der beiden
Recognoscirungen hervor, die dieser, ohne in kekannter Bescheidenheit
•einer persönlichen Gegenwart dabei zu gedenken, selbst in Briefen an den
Kaiser (ddo. Neuyilly, 17. September 1792, Or.) und an Maria Christine
(ddo. 19. September 1792, A.-A. Or.) erw&hnt. Auch im Magazin der
neuesten merkwürdigen Kriegsbegebenheiten, Frankfurt 1795, S.3d7, wird
bei Schilderung dieser Recognoscirung die Anwesenheit des Erzhersogs Carl
hervorgehoben. Vgl. auch Gebier a. a. O. 81 — 85 und Renouard 203, der die
Bewegungen der Hessen ausführlich schildert. Das Kurzgefasste Journal
(Kr.-A. 13/84) schildert, doch unter dem falschen Datum 18. September,
44
Selbst noch an dem entscheidenden 20. September, am
Tage der Kanonade von Valmy, befand sich Hohenlohe-Kirch-
diese Recognoscirung wie folgt: ,Deii 18. wurde eine Recognosciraog
auf da8 feindliche Lager vorgenommen. Hiezn worden bestimmt: 2 DitI-
sionen (?!) von Carl Schröder mit 3 Canonen and 2 Divisionen von Kinskj-
Chevanzlegers mit 2 Haubitzen. Diese nahmen ihren Weg gerade bei
Clermont auf der Pariser Chaussee zwischen die zwei Berge o und b
fort. Wo die Strasse rechts dreht, blieb eine Division Cavallerie im
Hinterhalte stehen. Die Infanterie und die noch übrige Cavallerie mar-
schirte vor bis in ^, wo erstere in masse postirt wurde, die Cavallerie
links daneben. In o waren die 3 Canonen, in p die 2 Haubitzen. Mit
diesen wurde auf das feindliche Retranchement gewaltig und mit ziem-
lichem Effect gefeuert, bis sich die dabei befindliche Generalität genug-
sam orientirt hatte, wornach sich zurückgezogen wurde. EU wurde aaf
uns ebenfalls lebhaft canonirt. Die natürliche Lage aber des Terrains,
auf welchem sie postirt waren, verhinderte die Wirkung der feindlichen
Kugeln. Wir verloren also keinen Mann dabei. Nach Aussage einiger
Deserteurs aber erfuhr man, dass bis 30 der Feinde theils todt, theils
beschädigt wurden ; ja dass, wenn man noch das Feuer eine WeUe fort-
gesetzt hätte, sie die erste Redoute verlassen hätten. Heute wurde auch
zur nämlichen Zeit, als dies vorging, ein Streifcommando von Carl
Schröder* — der Berichterstatter gehörte, wie es scheint, selbst diesem
Regimente an — ,beordert, welches aus einem Officier und 60 Frei-
willigen bestünde. Diese mussten den Wald vor uns von der nördlichen
gegen die südliche Seite heraufstreifen, um die etwa darin befindlichen
Bauern herauszutreiben. Die Streifer fanden Hütten und Baracken ge-
nug, wo man sah, dass Leute gegenwärtig sein müssten, da aber die
Waldung ausserordentlich dicht war, so waren selbe in die Hecken ge-
flohen, bis auf einige, die auf uns Feuer gaben. Die Sache war aber
von keiner Bedeutung/ Kurz fasst sich das officielle Operationsjoumal
( Hof kriegsraths- Acten 10/28 b): ,Den 17. d. ... Um doch von der Stellung
des Feindes bei den Grandes Islettes vergewissert zu sein, wurde eine
Recognoscirung angeordnet, die ich selbst vornahm. Man drang bis an
das vom Feinde besetzte und verschanzte Dorf und beschoss denselben
mit Haubitzen und Sechspfündern, nachdem man alle dessen Vorposten
zurückgetrieben hatte. Der Feind feuerte zwar aus seinen Batterien,
traf aber Niemanden. Des Feindes Lager wurde auf dem Berg hinter
die Grandes Islettes in einer sehr vortheilhaften Gegend wahrgenommen
und um der Hessen rechte Flanque zu decken, eine Division Infanterie
auf einer sehr günstigen AnhOhe gestellet.* Vgl. Wiener Zeitung, Beilage
zu Nr. 80. Unter den Berichten der französischen Befehlshaber ist hier
namentlich Money*s Geschichte des Feldzuges im Jahre 1792 in Betracht
zu ziehen, von der mir blos die deutsche Uebersetzung aus dem Eng-
lischen, Deutschland 1 798, vorliegt. Hier werden die Kämpfe in den Is-
lettes S. 63 ff. geschildert, woraus zugleich erhellt, dass die Franzosen
in diesem Passe nicht von Dillon, sondern von dem Berichterstatter
Money befehligt waren.
45
berg ohne jede Nachricht ^ von dem^ was jenseits des Argonnen-
Waldes vorging. Ohne zu wissen^ was dies bedeute, hörte man
Ton früh Morgens 7 Uhr bis Nachmittags 4 Uhr^ eine ge-
waltige Kanonade in der Richtung von St. Menehould. Man
Termuthete, dass es in dieser Gegend zwischen der preussischen
Hauptarmee und Dumouriez zu einer Schlacht gekommen sei.
Da überdies die Patrouillen in dem gegenüber befindlichen Lager
der Franzosen eine lebhafte Bewegung wahrgenommen haben
wollten, so schloss man daraus, dass der Feind geschlagen worden
sei und im Begriffe stehe, den Pass Islettes zu räumen. Daher
Hessen sich die Hessen, obgleich es zwischen dem Landgrafen
and Hohenlohe darüber zu keiner Verabredung gekommen war,
doch nicht mehr zurückhalten; sie wollten nicht müssige Zu-
hörer der furchtbaren, wiewohl unsichtbaren Eiinonade sein.
Sie rissen die Zelte ab und Alles stürzte sich nach Clermont. ^
Aach Hohenlohe, , der den Augenblick für gekommen hielt,
um dem Befehle des Herzogs von Braunschweig gemäss den
Rückzug des Feindes seinerseits auszunützen, ertheilte seinen
Chevauxlegers und dem Bataillon Devins den Auftrag, vorzu-
rücken, um das hessische Corps zu unterstützen.^ ,Es war
schön anzusehen,' heisst es in einem hessischen Berichte, ,wie
sieh Oesterreicher und Hessen den Rang zur Gefahr ablaufen
wollten.' ^ Der Landgraf und Hohenlohe drangen bis an die Is-
lettes vor. Doch der Feind war keineswegs im Abmärsche be-
griffen; sein Lager stand wie zuvor, und aus seiner Redoute er-
widerte er nachdrücklich das Eanonenfeuer, das ihm aus den
Schlünden der österreichischen und hessischen Geschütze ent-
gegentönte. Dillon (beziehungsweise Money) war, nachdem er
einige Verstärkungen an sich gezogen hatte, gegen einen Angriff
in guter Verfassung. Auch hier wie zu Valmy beschränkte sich
das Unternehmen der Verbündeten auf eine lebhafte Kanonade.
Nachdem man sich von der Unrichtigkeit der umlaufenden
Gerüchte überzeugt hatte, umsomehr, als eingebrachte Gefan-
gene versicherten, der Feind denke gar nicht daran, sein
* KnngefBastes Journal: ^afifallend war es, dass ein Vorfall, wie dieser
sejm muBste, bis den 4. nnd ö. Tag verschwiegen blieb.*
^ Ebenda.
' Magaarin der neuesten merkwürdigen Kriegsbegebenheiten, IV, 387 ff.
* Kr.-A. Hofkriegsraths-Acten 10/28 b.
^ Magazin der neuesten merkwürdigen Kriegsbegebenheiten, IV, 337 ff.
46
Lager zu ändera, rückte das österreichisch-hessische Corps in
seine frühere Stellung wieder ein. Nur das hessische Lager
erhielt jetzt eine veränderte Stellung, so dass dasselbe mit
dem vorigen einen Winkel nach links machte, da der linke
Flügel bisher in der Luft geschwebt hatte und nun von den
Franzosen, die sich bei Beaulien sehr verstärkten, bedroht
wurde. Zugleich aber war man fest entschlossen, auch ferner-
hin den Pass Islettes maskirt zu halten, ,theils um bei dem
Feinde eine Jalousie dahin zu unterhalten, theils um den Feind
zu verhindern, über Clermont vorzudringen und die Zufahren
nach der Armee zu coupiren oder wohl gar die Armee selbst
von Verdun abzuschneiden.* *
Es trat nun längere Waffenruhe ein. Nur an den
Vorposten fanden einige untergeordnete Plänkeleien statt, bei
Gelegenheit der Fouragirungen , die stets mit bewaffneter
Hand unternommen werden mussten. Es vergingen mehrere
Tage, ohne dass man im Lager Hohenlohe's erfuhr, was in-
zwischen bei Valmj sich zugetragen hatte.
Erst am 25. September traf ein Courier des Herzogs von
Braunschweig mit näheren Nachrichten über den Verlauf des
Treffens von Valmy und mit der Meldung ein, dass die Fran-
zosen um einen Waffenstillstand gebeten hätten, der ihnen aiif
die Dauer von 24 Stunden gewährt worden sei. Der Courier
fügte hinzu, dass der Feind, von allen Seiten eingeschlossen,
anfangs um freien Abzug mit Waffen und Gepäck gebeten
habe, was aber sofort abgeschlagen worden sei. ^ Bauern, die
aus der Gegend von Valmy und Dommartin, wo die Preussen
standen, kamen, versicherten, dass die Franzosen aus Mangel
an Lebensmitteln gezwungen sein würden, sich nach Vitry zu-
rückzuziehen. Wohl auf Grund jener Meldung aus Braun-
8chweig*s Hauptquartier erging noch am 25. ein Tagesbefehl
dem zufolge der Mannschaft bekanntgegeben werden sollte,
1 Magazin der neuesten merkwürdigen Kriegsbegebenheiten, IV, 337 ff-
Kr.-A. Hofkriegsraths-Acten 10/28 b. Kursgefasstes Journal. Kr.-A. 13/S4.
Was Money a. a. O. S. 71 ff. von einem neuen Angfriffe auf die Islettes
am 22. September meldet, muss sich in Wirklichkeit auf den Augriff
vom 20. beziehen.
2 Auch nach Brüssel wurde dem Grafen Mettemieh von einem ofScier
civil autrichien durch eine Estafette vom ,25. diese falsche Meldung
hinterbracht. Le comte de Fersen, H» 38 — 39.
47
dass die Affaire vom 20. ftir die Preussen sehr vortheilhaft
tosgefallen^ dass von den Feinden 600, von den Preussen nur
150 Mann geblieben seien, und dass der ganze feindliche Mu-
nitionsvorrath in die Luft gesprengt worden sei. Allein schon
damals schüttelte im österreichischen Lager so Mancher zu
diesen Nachrichten bedenklich den Kopf. Es fiel auf, dass die
Meldung über den Ausgang des Treflfens von Valmy trotz der
geringen Entfernung des preussischen Lagers erst am fUnften
Tage einlief. Auch liess sich mit jener Nachricht nicht gut
die Thatsache zusammenreimen, dass der Feind von den Is-
lettes aus wiederholt Miene machte, das österreichische Lager
zu aberfallen, und dass im Rücken des letzteren, im Dorfe
Dille bei St. Michel sich eine Truppe Patrioten sammelte, die
einen Officier von Wurmser-Hussaren sammt seinem Commando
von 25 Köpfen aufhob, ein Zwischenfall, der den Prinzen
Hohenlohe veranlasste, eine Abtheilung von 1000 Mann unter
dem GM. Wemeck zur Bestrafung jenes ,erzdemokratischen
Nestes' abzusenden. ^
Wie wenig man sich übrigens im Hauptquartier Hohenlohe's
über die wahre Lage der Dinge täuschte, geht auch aus einem
Briefe hervor, den Erzherzog Carl an seine Tante richtete. Wohl
schloss er bei Empfang jener Nachricht aus Braunschweig's
Hauptquartier einen Brief an seinen Bruder Josef mit den scherz-
haften Worten : ,To ge piekne* (das ist schön). Aber an seine
Tante schrieb er: ,Gott gebe, dass die Pariser ihren Schrecken
und Verbrechen nicht die Krone aufsetzen. Sie werden dafUr
sicherlich bestraft werden, aber nicht so bald und nicht so leicht,
als es sich snfangB unsere Verbündeten eingebildet haben.
Man kommt nicht so leicht nach Paris als nach Amsterdam.' ^
Ueberhaupt befand sich nunmehr der Erzherzog in pein-
Hoher Lage und gedrückter Stimmung. Er hatte sich zu seiner
lailitärischen Belehrung und in der Hoffnung, dass es auf dieser
Seite zu entscheidenden Schlägen kommen werde, dem Marsche
des Hohenlohe'schen Corps angeschlossen. Und nun waren seit
der Ankunft an der Aire mehr als 14 Tage vergangen, ohne
dass es zu irgend einem grösseren Gefechte kam. Von der
Recognoscirung der Islettes und von der erwähnten bedeutungs-
* Knnge^Aflstes Jonmal.
* Snhersog Carl an Maria Christine, NeuviUy, ce 25 septembre 1792.
48
losen Kanonade abgesehen^ lag man dem Feinde unthftlig
gegenüber. Und so mochte damals den jungen^ kampfes
lustigen Erzherzog zuweilen die stille Sehnsucht beschlichen
haben^ sich vielmehr in dem Hauptquartier seines Oheims
Albert zu befinden, der die Gelegenheit, dass die Feinde alle
ihre Streitkräfte in den Argonnen concentrirten, dazu benützte,
um sich im Norden Frankreichs erobernd auszubreiten.
Endlich — in der Nacht vom 29. — 30. September —
langte eine Depesche des Herzogs von Braunschweig an, in
der es hiess, dass er selbst wegen Mangels an Fourage, der
vielen Kranken u. dgl. sich gezwungen sehe, mit der Armee
den Rückzug über Dun nach Verdun anzutreten. Zugleich
erging an Hohenlohe-Kirchberg die Weisung, sich mit seinen
eigenen und mit den hessischen Truppen nach Verdun zurück-
zuziehen.
Die fruchtlose Kanonade von Valmy hatte die Folgen
einer verlorenen Schlacht. Der Muth der Preussen sank, der
Muth der Feinde stieg. Zugleich erwies sich das neuntägige
Verweilen auf dem Schlachtfelde für die Verbündeten sehr ver-
hängnissvoll, da sich ihre Lage durch Mangel, Seuchen und
steigenden Missmuth der Truppen täglich verschlimmem, jene
der Franzosen sich eben dadurch, sowie durch ihr wieder-
kehrendes Selbstvertrauen täglich bessern musste. Es hatte
sich zugleich gezeigt, dass die Anzahl der königlich Gesinnten
in Frankreich keineswegs so gross sei, als die Emigranten an-
nahmen oder vorgaben. Dazu gesellte sich ein anderer Um-
stand, der die Aussichten in dieser Beziehung noch mehr ver-
düsterte. Die Nationalversammlung hatte dem Nationalconvente
Platz gemacht, der an dem Tage seines Zusammentrittes
(21. September) das Königthum in Frankreich für abgeschafft
erklärte und die Republik proclamirte. Die Schreckensmänner,
die nunmehr an die Spitze Frankreichs traten, hatten sich
durch ihre verübten Grausamkeiten dermassen compromittirt,
dass fortan auf irgend einen mässigenden Einfluss in der
Hauptstadt kaum mehr zu rechnen war.
Allerdings war auch die Lage Dumouriez' noch immer
eine schwierige. Die Kanonade von Valmy hatte zunächst
doch nur die Bedeutung, dass in derselben die französische
Revolutionsarmee ihre Feuertaufe glücklich bestanden bfttte,
und dass in Anbetracht der vorgerückten Jahreszeit dar BUImkBag
49
der PreoBsen zu erwarten stand. Allein besiegt waren die
Preofisen keineswegs und das Gewonnene noch keineswegs be-
festigt. Zu Letzterem bedurfte Dumouriez vor Allem Zeit ; es
kam ihm jetzt in erster Linie darauf an^ jenen Rückzug zu
verzögern, da er voraussah, dass sich mit jedem Tage die
Lage der Dinge fllr ihn günstiger; fllr seine Gegner ver-
häDgnissvoIler gestalten werde. Er musste überdies zu hindern
suchen, dass nicht etwa der Feind seine linke Flanke umgehe
and in südwestlicher Richtung Hohenlohe-Kirchberg die Hand
reiche.^ Darum schloss er am 24. einen Waffenstillstand ab,
der sich indess blos auf die Fronten der beiden gegenüber-
stehenden Armeen beschränkte und ihm die Möglichkeit ge-
währte, durch ausgesandte fliegende Corps die Verbündeten
— namentlich das hessische Corps — in ihrer Flanke zu be-
drohen und die Verpflegungslinie derselben (über Grandpr^)
m gefährden. Zugleich knüpfte er durch den Privatsecretär
des preussischen Königs, Lombard, der in seine Gefangenschaft
gerathen war, sodann durch den Obersten Manstein Unter-
handlungen mit König Friedrich Wilhelm IL an, bei denen es vor
Allem darauf abgesehen war, Preussen von der Coalition mit
Oesterreich abzuziehen, und die vor Allem daran scheiterten,
dass der König als erste Bedingung jeder weiteren Verhandlung
die Freilassung Ludwigs XVI. bezeichnete, während Dumou-
riez dies mit der Nachricht erwidern musste, dass der Convent
in seiner ersten Sitzung das Königthum abgeschafft habe. ^
Worden trotzdem und trotz des neuen drohenden Manifestes,^
welches der Herzog von Braunschweig am 28. September er-
liess und das von Seiten Dumouriez* die Kündigung des Waffen-
stillstandes zur Folge hatte, preussischerseits die Verhandlungen
mit Letzterem (durch Benott und Westermann) noch fortge-
i^rt, so geschah dies, wie gegenwärtig aus den archivalischen
Forschungen sich ergibt, lediglich zu dem Zwecke, sich
den ungefährdeten Rückzug durch die grundlosen Pässe der
* Vgl. Massenbach, Memoiren, I, 118.
* r. Sybe), Gescbicbte der Revolutionszeit, I*, 566, 688. A. ßorel, Un
g^^ral diplomate (Revue des deux mondes, 1884, 1 aoüt, p. 689 ff.).
Cbuqnet, La retraite etc., p. 70 ff.
' Cksehichte der vier ersten Feldzüge des französiscben Krieges, von
iiarai prenssiücben Officier. 1. Tbeil, welcher den Feldzug von 1792
mOMi, DeutBctilaiid tM^ a 116 ff.
50
Argonnen zu sichern. Die Täuschung der Franzosen, auf die
es bei jenen Verhandlungen abgesehen war, gelang vollkommen
und war gegenüber den Vortheilen, die Dumouriez während
des Waffenstillstandes geerntet hatte, gleichsam eine Vergeltung
mit gleicher Münze. ^ Indem er sich den Anschein gab,
einer Trennung von Oesterreich und einer Verbindung mit der
Republik geneigt zu sein, trat Braunschweig den Rückzog an,
der sich zwar, da der Argonnenwald zur Linken dem Auge
jedwede feindliche Bewegung verbarg, die preussische Armee
hingegen mit zahlreicher Artillerie und einer Menge Wagen
fUr das Gepäck versehen war, in Folge anhaltender Regen-
güsse auf grundlosen Wegen, die durch viele Engpässe und
über viele grosse und kleine Gewässer führten, und bei dem
Ueberhandnehmen der Ruhr unendlich schwierig gestaltete, der
aber in Folge jener Unterhandlungen und nicht, wie Dumou-
riez vorgab, in Folge seiner Zerwürfnisse mit Kellermann ^ nun
doch in guter Ordnung vor sich ging, da die geftlrchtete nach-
drückliche Verfolgung des Feindes unterblieb. Am 30. Sep-
tember brachen die Verbündeten aus ihren bisherigen Stellungen
auf. Von dem Feinde nur schwach verfolgt, fand die Armee
Zeit, den Engpass von Grandprö zu durchschreiten und damit
der grössten Gefahr fUr ihren weiteren Rückzug zu entgehen.
Mit bemerkenswerthem Scharfblicke hatte Erzherzog Carl
bereits zuvor geahnt, dass dies der Ausgang des Unternehmens
sein werde. ,Nach Maass als wir in Frankreich avancirt sind,^
schreibt er am 23. September an den Kaiser, ,haben wir die
Landleute und Bauern immer mehr fUr die neue Constitution
eingenommen und folglich immer mehr uns feind gefunden.
Die Art, mit welcher sie von den Preussen und Hessen be-
handelt worden, bestärkt sie immer mehr in diesen Grund-
sätzen. Kurz, wir haben das ganze Land so sehr wider die
alte und so sehr für die neue Ordnung der Sachen einge-
nommen gefunden, dass man das Project der emigrirten Fran-
zosen, Alles auf den alten Fuss herzustellen, als ungereimt und
immöglich ansehen muss. Das preussische Cabinet scheint
dies auch einzusehen und das System des Baron Breteuil
» Vgl. Mortimer-Ternaux, 1. c, IV, ö53 flf.
^ Chnquet, La retraite etc., p. 1.30 ff., 154 ff. und namentlich p. 159 ff.,
wo zum ersten Male der diese Verhandlungen verhüllende Schleier ge-
lüftet wird. Vgl. auch A. Sorel a. a. O. 597 ff.
51
aogenommen zu haben, nämlich eine Constitution nach dem
Model der englischen in Frankreich einflihren zu wollen. Der
König von Preussen hat sogar den Breteuil nach Verdun
kommen lassen, vermuthlich; um das Project gemeinschaftlich
mit seinem Cabinet auszuschreiben/ ,Die Preussen/ fkhrt
der Erzherzog fort, ,mögen nun darin die Partei ergreifen,
welche sie wollen, so wünsche ich nichts mehr, als Dich und
ansere Monarchie bald aus diesem Krieg, der uns gewiss gar
keinen Nutzen schafft, heraus zu wissen, da es gewiss sehr
gleich für uns ist, was für eine Constitution in Frankreich
sein wird. Könnten wir zugleich anstatt aller Entschädigung ftLr
die Unkosten, so uns der Krieg gemacht hat, einen glücklichen
Tausch treffen und einige Jahre Frieden und Ruhe geniessen,
80 würde unsere Monarchie gewiss bald sich wieder erholen
und wieder in den blühendsten Stand kommen. Gott gebe nur,
dass wir bald Streiche führen können, welche uns ausser der
Nothwendigkeit setzen, eine zweite Campagne zu machen.
Allein, ich fUrchte, dass wir diesem Uebel nicht werden aus-
weichen können.^ >
Es mochte dem Erzherzog zur Genugthuung gereichen, dass
sieh sein kaiserlicher Bruder mit dieser Auffassung der Dinge
vollkommen einverstanden erklärte. ,Gott gebe uns,' erwiderte
der Kaiser, ,in dieser Lage bald den Frieden und den von
Dir berührten Tausch, und die Monarchie wird sich bald wieder
erholen und Du kommst zu mir wieder zurück, wo ich Dich
dann nicht mehr weglasse, weil ich Dich bei mir zu etwas
Besserem zu brauchen gedenke. Allein dies sind glückliche
Träume, deren Erfolg ich zwar wünsche, aber mir nicht sicher
versprechen kann.'^
Der Tausch, von dem hier die Rede ist, war das in jenen
Tagen wiederaufgenommene Project, für Belgien Baiem und
dazu die beiden fränkischen Markgrafschaften einzutauschen.
Vielleicht, dass das erneute Auftauchen dieses Projectes nicht
ganz ohne Einfluss auf die Entstehung jenes apokryphen Thei-
lungsTcrtrages war, welcher bald darnach — im November
1792 — zu Paris in dem Werke: Fastes de la r^publique
^ Enhenog Carl an den Kaiser, Nenvilly, den 23. September 1792.
A.-A. Or..
^Pw Kauer an den Erzherzog Carl, Wien, den 6. October 1792. A.-A. Or.
4*
52
fran^aise im Änszuge erschieD und angeblich jene Verein-
barongen enthielt, welche nach der Flucht Ludwigs XVI. im
Juli 1791 Kaiser Leopold I. zn Pavia eingegangen sein sollte.
Auch des Erzherzogs Carl wird in diesem angeblichen Ver-
trage gedacht, der im Wesentlichen auf die Schwächung Frank-
reichs zu (runsten der Niederlande, des deutschen Reiches
(Abtretung von Elsass), eventueU auch der Schweiz, Sardiniens
und Spaniens, auf den Austausch Belgiens gegen Baiem und
die Auftheilung Polens zwischen Russland, Prenssen und Sachsen
hinauslief. ,Ihro kön. Hoheit,' heisst es in jenem Vertrags-
entwurfe, ,die EIrzherzogin Maria Christine soll gemeinschaftlich
mit ihrem Neffen, dem firzherzog Carl, in den erb- und eigenthüm-
liehen Besitz des Herzogthums Lothringen eingesetzt werden.' '
So weit nun verstiegen sich die Pläne des Wiener Hofes
keineswegs und auch aus dem, was in jenem angeblichen Pro-
jecte den Thatsachen wirklich entsprach, dem gewünschten
Austausche der Niederlande gegen Baiem, würde man mit
Unrecht folgern, dass etwa der Kaiser Willens gewesen sei,
den bisherigen Verbündeten in Stich und sich in Separatver-
handlungen mit dem Feinde einzulassen. Nicht einmal be-
züglich Hohenlohe-Kirchberg's trifft die mehrfach geäusserte
Behauptung^ zu, dass derselbe während des Feldzuges in die
Champagne auf Conferenzen mit Dumouriez angetragen habe.
In den noch vollständig erhaltenen Berichten Hohenlohe's
an den Kaiser findet sich davon keine Spur. Der Feldzeug-
raeister klagt wohl darüber, dass die rein militärischen Opera-
tionen, die ihm am Herzen lagen, durch den von politischen
(Gründen eingegebenen Plan einer promenade a Paris durch-
kreuzt worden seien ; ^ ihm selbst, dem alten Haudegen, lag
indess nichts femer als Politik. * Und auch der Kaiser war
> üirtanner, Politische Annalen, I, 1793, S. 203 ff. (Leipziger) Magazin
der neuesten merkwürdigen Kriegsbegebenheiten, Frankfurt 1795, II,
120 ff. Martens, Receuil, t. V, p. ö. Vgl. Garden, Histoire des trait^s de
paix, t, V, 161 ff,
' V. Sybel, Geschichte der Revolutionszeit, I*, 563, dem sich Renouard 229
und Chuquet (siehe Anm. 4) anschliessen.
5 Hohenlohe- Kirchberg an den Kaiser, Neuvilly, den 28. September 1792.
Kr.-A. Cab.«Act.
* Wohl berufen sich r. Sybel in dei« Hist Zeitschrift, XXV, 74 und Chuquet,
La retraite etc., 76 auf einen im Pariser Kriegsarchiv befindlichen Be-
richt Dumouriex* vom 24. September an den Minister Lebrun, demzufolge
53
so weit davon entfernt, sich von seinen Pflichten gegen das
verbündete Preossen lossagen zu wollen, dass, als Hohenlohe
anter bitteren Klagen über den Befehl Braunschweig's, sich
nach Verdun zurückzuziehen^ erklärte, er halte sich, ,da die
politischen Vermuthungen nicht eingetroffen, hingegen seine
Prophezeiungen leider in ErftlUung gegangen seien, nunmehr
filr berechtigt, nach seinen eigenen Einsichten zu handeln^
ihm vielmehr erwidert wurde, dass der misslungene Versuch,
gegen Paris vorzudringen, zwar eine nicht nach echt militäri-
schen Grundsätzen entworfene Unternehmung, dass aber die
seltsame politische Lage Frankreichs ein mächtiger Beweg-
^pruni gewesen sei, der einen entscheidenden glücklichen Er-
folg mit vieler Wahrscheinlichkeit anhoffen liess, und dass nun-
mehr unter veränderten Umständen andere Massregeln^ darunter
die zur Sicherung der Winterquartiere erforderliche Einnahme
mehrerer Festungen, zu erwarten seien, worüber er sich jedoch
mit dem Herzoge von Braunschweig zu verständigen habe. ^
Nur das ist richtig, dass der Wiener Hof das baldige Ende
des Krieges zwar wünschte, aber keineswegs zu hoffen wagte.
Es war dies dieselbe Stimmung, wie sie damals auch im preus-
sischen Hauptquartier herrschte, bis man sich hier wie dort
von der Unerreichbarkeit jener Wünsche überzeugte.
Wie wir oben sahen, lautete die Weisung, welche Hohenlohe-
Kirchberg in der Nacht vom 29. — 30. September von dem Herzoge
von Braunschweig erhalten hatte, dabin, sich mit den eigenen und
Hohenlohe Öfters um eine Unterhandlung nachgesucht habe, aber ab-
gewiesen worden sei. Trotz dieses scheinbar entscheidenden Argumentes
iBt die Möglichkeit eines Missverständnisses nicht ausgeschlossen; denn
die Thatsache, dass weder Hohenlohe noch Erzherzog Carl in ihren
Schreiben an den Kaiser diesen Zwischenfall berühren, ist doch nicht
10 leicht von der Hand zu weisen, wie dies v. Sybel (ihm folgend Chu-
qnet) selbst zu fUhlen scheint, wenn er bemerkt, Hohenlohe werde einen
solchen Schritt nicht ohne höhere Weisung unternommen haben. Uebrigens
hat, wie ich nachträglich bemerke, schon Vivenot, Herzog Albrecht von
Sacbsen-Teschen, H, 1, 606, Anm. **) hierauf aufmerksam gemacht. Auch
widerspricht der gewöhnlichen Annahme das spätere Verhalten Hohen-
lohe^B (s. unten 8. 62, Anm. und 8. 64). Sollte nicht eine Verwechselung
mit dem prenssischen General Hohenlohe anzunehmen sein? Vgl. Moni-
tear, 1792, no. 275: ,D^tails utiles de Tarm^e de Kellermann du 25 sep-
tembre.*
' Hohenlohe an den Kaiser, 30. September 1792. Kr.-A. Cab.-Act.
5 Vivenot a. a. O. n, 267, Nr. 602.
54
den hessischen Truppen nach Verdun zurückzuziehen. Braun-
schweig selbst gedachte dort am 8. October einzutreffen und
hierauf die Avantgarde vielleicht vor, das Gros seiner Truppen
aber hinter der Maas^ die er bei Dun passiren wollte, aufzu-
stellen. Während sodann Clerfayt mit den französischen Prinzen
bei Stenay den rechten Flügel der Verbündeten bilden würde,
sollten Hohenlohe und die Hessen bei Verdun, und zwar so zu
stehen kommen, dass die Oesterreicher sich rechts an die Cita-
delle, links an das Stadtgehölz (bois de la ville) lehnen würden.
Zu Verdun sollte sodann verabredet werden, was weiters, nament-
lich zur Deckung der bereits von den Franzosen bedrohten
Reichslande zu geschehen habe.^
Da es sich zugleich den Weisungen Braunschweig's zu-
folge vor Allem darum handelte, den Pass von Clermont so lange
zu behaupten und Verdun zu decken, bis die Armee der Ver-
bündeten die untere Maas erreicht haben würde, ^ so hatte
Hohenlohe zum Zeitpunkte des Aufbruches von NeuviUy die
Nacht vom 2. auf den 3. October festgesetzt, als plötzlich am
1. Abends die Hessen, welche den wichtigen Posten von Cler-
mont, den einzigen Punkt, von dem aus die Franzosen die
Stellung der Oesterreicher gefährden konnten, besetzt hielten,
dem Prinzen melden Hessen, dass sie sich nicht mehr für sicher
erachteten, sondeni von dem Feinde umgangen zu werden
fürchteten und daher im Begriffe ständen, diesen Posten zu
verlassen und nach Verdun aufzubrechen. ^ Nun war es aller-
dings richtig, dass ein Theil von dem Corps des Generals
Dillon unter Neuvilly von Passavant aus mit einer Abtheilung
Hessen und Wurmser - Hussaren , welche die Einwohner des
im Thalgrunde der Aire gelegenen Dorfes Fleury wegen der
Tödtung eines fouragirenden Reiters hatten züchtigen wollen,
am 1. October gegen Mittag handgemein wurde und die bei
Autrecourt aufgestellte Abtheilung der Hessen über die Aire
zurückwarf. Aber obgleich es Dillon bei diesem Erfolge be-
wenden Hess, da, wie er selbst sagt, der dazwischen liegende
1 Erzherzog Carl an den Kaiser, Hauptquartier Neuvilly, den 30. Sep-
tember 1792. Or.
3 Renouard a. a. O. 287.
3 Erzherzog Carl an den Kaiser, Hauptquartier Glorieux, den 4. October
1792. Or. Derselbe an Maria Christine, qnartier-g^n6ral Glorieux, ce
5 octobre 1792: A.-A. Or.
55
Flu8B und die Ermüdung seiner Truppen ihm nicht die er-
wünschte Ueberfltigelung der Hessen gestattete, so rief doch der
unerwartete Angriff der Franzosen, deren Cavallerie bis in die
Nähe von Clermont gelangte, unter den Hessen gewaltigen
Schrecken hervor. * Sie führten ihr Vorhaben aus : sie ver-
liessen ihre Stellung und machten sich auf den Marsch nach
Verdun. Dies nöthigte auch Hohenlohe, in der Nacht vom 1.
auf den 2. October um 2 Uhr Neuvilly zu verlassen und nach
Verdun aufzubrechen, wo man noch an demselben Tage eintraf.^
Das hessische Hauptquartier befand sich jetzt zu Regret,
jenes Hohenlohe's zu Glorieux. ,Wir campiren hier/ heisst es
in einem Schreiben des Erzherzogs an Maria Christine, ,zwischen
der Citadelle und dem Stadtgehölze. ^ Das Hauptquartier befindet
sich zu Glorieux. Wir erwarten hier die Armee des Herzogs
von Braunschweig^ welcher beabsichtigt, mit dem Prinzen sich
über die Bewegungen zu besprechen, welche unser Corps ferner-
hin auszuführen haben wird.' ,Sie werden/ fügt er hinzu, ,be-
reits wissen, dass ein Monturtrapsport, 320 Pferde u. s. f., die
für die Armee Clerfayt's bestimmt waren, dem Feinde zu
Grandprö in die Hände gefallen sind. Nur die Casse ist ge-
rettet worden. Die Escortc, 50 Mann und 2 Officiere, sind
gefangen. Ebenso haben wir gegen 20 Hussaren verloren, die
zur Deckung von Fouragewagen für die preussische Armee
dienten und gefangen genommen wurden. Man sagt, es sei
unbeschreiblich, wie sehr die Armee in dem von Lebensmitteln
und Holz entblössten Lande leide; auch die unsrige hat viel
zu erdulden. Zu Glorieux habe ich Ihren theuren Brief vom
20. empfangen und habe mit Vergnügen vernommen, dass der
Herzog (Albert) mit der Belagerung von Lille beschäftigt ist.
Ich wünsche, dass er glücklicher sei als wir, und er wird es
auch sein, da er weiser und klüger ist als unser Oberleiter
(directeur en chef ) und da er auf die Vorstellungen gemässigter
und weiser Menschen horcht. Hätte man auf die wiederholten
Vorstellungen des Prinzen von Hohenlohe gehört und sie befolgt.
^ Dillon an Dumouriez bei Mortimer-Ternaax, IV, 549 und Dltfurth a. a. O.
100 ff.
^ Erzherzog Carl an den Kaiser, Hauptquartier Glorieux, den 4. October
1792. Or. Derselbe an Maria Christine, quartier-g^n^ral Glorieux, ce
5 octobre 1792. A.-A. Or.
3 Im Texte fälschlich: ,le bois de Tlsle* statt ,le bois de la ville*.
56
so hätte man nicht die traurige Rolle gespielt, die wir spielten
und noch gegenwärtig spielen. . . . Gebe Gott, dass Alles gut
und rühmlich für uns ende ; bis jetzt kann man nichts vorher-
sagen. Nur eines lässt sich mit Bestimmtheit sagen^ nämlich,
dass wir eine erste Campagne verfehlt und eine Menge Geld
unnütz zum Fenster hinausgeworfen haben.^^
Von Verdun aus wirft zugleich der Erzherzog noch ein-
mal einen Rückblick auf den bisherigen Verlauf des Feldzuges,
in einem Briefe, den er an den Kaiser richtete und in dem
sich zugleich nicht nur seine eigene Stimmung, sondern auch
jene Hohenlohe's und des österreichischen Hauptquartiers ab-
spiegelt. ,Nach der Einnahme von Verdun durch die Preussen/
schreibt Erzherzog Carl, ,8tand der Herzog von Braunschweig
so lange bei diesem Orte, dass er den Franzosen Zeit gab,
St. Menehould und Islettes zu besetzen, so sehr wichtige Posten
waren, und die Vereinigung der Armeen von Luckner (richtig
Kellermann) und Dumouriez nicht verhinderte, so er beides
sehr leicht thun konnte. Nachdem rückten wir Alle auf seinen
Befehl, ohngeachtet den öfteren Vorstellungen unseres würdigen
Fürsten Hohenlohe, voraus, ohne Magazine formirt zu haben,
folglich so, dass wir von einem Tag zum andern und durch
blosse Landeslieferungen leben mussten. Am 20. September,
als beide Armeen, die preussische und Clerfaytische, gegen der
französischen standen, war der Augenblick da, wo man einen
schlecht gestellten Feind leicht über den Haufen werfen konnte.
FZM. Clerfayt sah es ein, bat öfters den Herzog, ihm zu er-
lauben, mit seinem Corps wenigstens anzugreifen. Er würde
gewiss den Feind schlagen. Oefters, aber immer umsonst,
wiederholte er diese Bitte. Indessen machten die Franzosen
einen Waffenstillstand mit den Preussen, gewannen die Zeit,
fliegende Corps den Preussen im Rücken zu schicken, ihnen
die Zufuhr der^Vivres abzuschneiden, und brachen den Waffen-
stillstand, sobald sie wussten, dass der Herzog aus Mangel an
Lebensmitteln gezwungen war, wieder nach Verdun zu mar-
schiren. Diese und dergleichen mehrere unzählbare und un-
verzeihliche Fehler, so der Herzog von Braunschweig begangen,
beweisen nach dem Urtheil, das alle unsere Generals gefällt
1 EIrzherzog Carl an Maria Christine, quartier-g^n^ral Glorieux, ce ö octobre
1792. A.-A. Or.
57
iiabeiiy dass der Herzog gewiss nicht der Mann ist; fUr welchen
man ihn hält und ausgegeben hat. ^ Keiner der Unsrigen hätte
sie gewiss nicht begangen ; sie haben beide oft genug darüber
protestirt und wie eben heute Früh Fürst Hohenlohe sagte,
verdient ein General; der solche Fehler begeht; nichts weniger
als cassirt zu werden. Die preussischen Generals selbsten sehen
diese Fehler ein. Auch sie sind äusserst verdrüsslich und un-
wiUig. FZM. Clerfayt aber soll auf das Aeusserste piquirt und
aa%ebracht sein, besonders da der Herzog nicht immer die
beste Art hat und da er nun, dass er sieht; wie sehr er ge-
fehlt hat; seine Fehler durch grobe und freche Art zu ver-
decken sucht. Mit dem Fürsten Reuss ^ hat er auch eine Dispute
gehabt; auf die letzt fragte er ihu; was unser Hof über diese
Campagne sagen würde, worauf ihm der Fürst versicherte;
unser Hof würde gewiss darüber aufgebracht sein. Mit dem
Minister Schulenburg; der gut für uns gesinnt ist; hatte er auch
so eine Dispute; dass Schulenburg nach Berlin zurückgegangen
ist Kurz Alles ist über ihn aufgebracht; und in unserer Armee
i«t nicht der mindeste Officier, welcher nicht sagt, wenn Fürst
Hohenlohc; Clerfayt; Browne oder ein unsriger General com-
mandirtC; so würden gewiss nicht so viele Fehler gethan und
eine so elende Campagne gemacht worden sein. Das Unglück,
eine so schlechte Campagne gemacht zu haben, ist gewiss gross,
die Dauer des Krieges wird dadurch verlängert, welches für
uns keine kleine Last ist. Gott gebe, dass eine andere Cam-
pagne glücklicher sei. Wie unglücklich ist es nicht für unS;
dass unsere braven Truppen nicht von unsrigen Generals ab-
hängen und für sich agiren. Gewiss würde es besser gehen
und die Truppe nicht das grosse Elend leiden; so sie nun aus-
stehen muss und das wirklich unbeschreiblich ist.^^
Es ist heute freilich durch archivalische Forschungen
siehei^estellt, dass den Herzog von Braunschweig nur ein Theil
jener schweren Vorwürfe trifft, die der Erzherzog in erregter
ätonde und inmitten all des Ungemaches, welches nun auch
* £• entspricht dies Urtheil demjenigen, welches neuerdings Ditfurth in
seinem trefflichen Buche über Braunschweig^s Kriegführung gefällt hat.
Entgegengesetste Urtheile bei von der Goltz, Bossbach und Jena, 36.
2 Heinrich XIV. Reuss, Österreichischer Gesandter in Berlin. Vgl. Hüffer,
GoethenJahrbuch, IV, 86.
' Enherzog Carl an den Kaiser, 4. October 1792. Or.
62
machte die überaus schwierige Lage der Verbündeten den
Herzog von Braunschweig neuerdings und zu demselben Zwecke
wie zuvor zu Verhandlungen mit den Franzosen geneigt
Am 8. October ritt Kaikreuth soeben mit dem Herzoge
von Braunschweig, der von Consenvoy herüber gekommen war,
um die Position von Verdun zu sehen, nach Glorieux ins
Hauptquartier Hohenlohe's, als er von dem Major von Ziethen,
den er mit einem Detachement von 300 Dragonern seines Re-
gimentes ausgesandt hatte, um der hessischen Cavallerie das
Fouragiren zu erleichtem, einen mit Bleistift geschriebenen
Zettel erhielt, des Inhaltes, dass General La Baroli^re, der in
der Gegend commandirte. Ordre erhalten habe, die hessischen
Jägerposten, die mit den französischen am Rande des Waldes
in gleicher Linie standen, zu delogiren, dass er jedoch ,au8
Consideration' flir Kaikreuth die Attaque bis zu einer vor-
herigen Besprechung aufschieben wolle. Kaikreuth las dem
Herzog in Gegenwart Hohenlohe's diesen Zettel vor, worauf
ihm Braunschweig befahl, zu den Vorposten zu reiten, wohin
er sich selbst, sobald er den rechten Flügel besichtigt haben
würde, begeben wolle.
Kaikreuth ritt zwischen die Vorposten, wo er mit La
Baroli&re zusammentraf, in dessen Begleitung sich Galbaud
befand. Es war dies bei dem Meierhofe Billemont unweit Bel-
leray. Die Unterredung bezog sich zunächst auf jene hessischen
g^edeutete Schreiben bei Vivenot, Quellen zur Qescbichte der deutschen
Kaiserpolitik Oesterreichs, II, 192 ff., Nr. 644, an, das der Heraus-
geber fälschlich zum 8. September ansetzt. Allerdings trägt das eigen-
händige Concept Hohenlohe*s im Kr.-A. Feldacten 9/57 auf der Rück-
seite von einer anderen gleichzeitigen Hand die Bemerkung: ,8. Sept.
2. Abschnitts wodurch es sich als die muthmassliche Fortsetzung eines
zweiten Stückes (ebenda Feldacten 9/58) darstellt. Aber beide Stficke
sind ursprünglich nicht datirt gewesen und das unsrige kann nicht am
8. September entstanden sein, da in demselben nicht nur der 10. Sep-
tember, sondern sogar schon der 8. October erwähnt wird und sich das-
selbe offenbar gleich 9/58 nicht auf den Zug von Thionville nach Verdun,
sondern auf den ROckzug von Varennes nach Verdun bezieht Uebrigeni<
ist bei Vivenot statt Haag: Stenay zu lesen; Hettange ist nicht Hessing^n
im Luxemburgischen, sondern Hettange bei Thionville. Statt Wootf i*^
zu lesen: Mens; statt Melin: Malinye; statt Lisse in Flandenc liUe.
Endlich liefert das Schreiben, das um den 8. October entitaailM W^
muss, den Beweis, daas selbst jetzt noch Hohenlohe nicht a«f <
mit dem Feinde antrug.
59
Oeneral Kaikreuth mit der preussischen Avantgarde in der
Nähe von Hohenlohe*8 Corps ein und lagerte sich zur Rechten
desselben, auf der Höhe von St. Michael, am rechten Ufer
der Maas. < Allein gleichzeitig erhielt auch Dillon ansehnliche
Verstärkungen, da statt, wie Dumouriez empfahl, über Etain
und Longuion hinter die Crune in den Rücken der retirirenden
preussischen Hauptarmee zu eilen, Kellermann es vorzog, von
St. Menehould aus ebenfalls nach Dombasle zu rücken, wo sich
auch Valence, der den Preussen bis Buzancy gefolgt war, ein-
fand, 2 so dass eine französische Armee von etwa 60.000 Mann
bei Sivry la Perche, den rechten Flügel bis an die Strasse
von Varennes, den linken bis an jene von Clermont ausgedehnt,
den wenigen Schwadronen und Bataillons (6 Bataillons und
10 Escadrons) ^ Kalkreuth's bei Belleville, dem Corps Hohen-
lohe (6 Bataillons und 14 Escadrons) bei Glorieux und den
4000 Hessen bei Regret gegenüber lagerte,^ während die
preussische Hauptarmee hinter der Maas bei Consenvoy ver-
blieb. Und auch das gestaltete die Lage Hohenlohe's, über-
haupt der Verbündeten immer misslicher, dass am 30. Sep-
tember Custine die österreichischen Magazinsvorräthe zu Speier
erbeutet hatte und nun auch ein Angriff auf Mainz und auf
die zu Coblenz befindlichen preussischen Magazine zu be-
färchten stand. *
^ Nach Kaikreuth *8 eigener Aussage. Minerva 1793, II, 165. Journal
Kr.-A. 13/66.
2 Renonard, 291—292.
' Ditfurth a. a. O. 111.
* Hohenlohe-Kirchberg an den Kaiser, 8. October. Kr.-A. Cab.-Act.
' Erzherzog Carl schreibt über die Wegnahme von Speier an seine Tante
(8. October 1792. A.-A. Or.): ,Vous saures que Tennemi a attaqu6 Spire
avee 48 escadrons et 20.000 hommes. Notre 3me bataillon de Gynlai
et les 2 de Mayence se sont defendus tout un jour comme des diables,
apr^ qu'ils out ^t^ Obligos de se retirer vers le Rhin. hk ils ont appel6
des bateaux qui se trouvaient en nombre süffisant pour les transporter
et qui ^taient k Tautre rive du Rhin. Mais les bateliers ont refus^ de
venir, en disant que le prince-^veque le leur avoit d^fendu, sous peine
de mort. Sur cela, nos troupes ont M oblig^es de se rendre. Le g^n^ral
Custine, ^tonn^ de leur valeur, a laiss^ aller tous les officiers sur leur
ptrole d*honneur et a laiss^ k la troupe leurs fusils et leurs sabres, en
faiaant öter les baTonnettes et les batteries des fusils. II leur a donn^
an tres-bel attestat et a fait dire qu'il les rendrait d*abord qu*on vou-
drait ran^ouner.* Der Erzherzog theilt nun mit, dass er, da er wisse,
64
bezieht. Jch glaubte/ schreibt der Feldzeugmeister^ ^dass bei
der Ankunft der preussischen Armee alle Verlegenheiten von
uns aufhören würden. Da aber jene- des Herzogs von Braun-
schweig auf einen Grad gestiegen sind, die an Kleinmuth
grenzen, so konnte ich ihn nicht bewegen, diesseits der Maas
zu bleiben. Heute Früh bei der Ankunft musste ich vielmehr
mit Verwunderung vernehmen, dass er mit den feindlichen
Generals Bourli^re und Du Fort^ gleichsam par bazard za-
sammengekommen und eine Unterredung gepflogen, die einer
Capitulation ähnlich wäre. Da ich nicht mehr als einige Schritte
davon entfernt war. konnte ich Alles verstehen und besonders
die Aeusserung des feindlichen Generals, dass die Oesterreicher
ihnen schon vor der Kriegserklärung als Feinden begegnet
wären und also alle Conventionen nicht vor diese gelten könnten.
Ich nahm also gleich nachher Gelegenheit, dem Herrn Herzog
zu erinnern, dass er als Chef der alliirten Armee ohneweiters
verpflichtet seye, vor das Wohl von Allen zu sorgen, und dass
dieses darin bestände, dass die 18 Bataillons und 26 f^cadrons,
so auf seinen Befehl zu Hettange, Ellange, Richemont und hier
verstreuet wären, die nämliche Sicherheit durch Convention
erhielten als die preussischen und hessischen Truppen. Das
Nehmliche habe ich ihm diesen Abend schriftlich mit Nach-
druck, aber ganz bescheiden erklärt und werde morgen im
Stande sein, Ew. Majestät den weiteren Erfolg allerunterthänigst
zu berichten. Indessen versichere ich allerunterthänigst, dass,
so geneigt mich die bedenklichen Umstände machen, Ew. Ma-
jestät Truppen durch Convention zu erhalten, so gerne werden
wir auch das Aeusserste wagen, um die Ehre derjenigen Waffen
zu erhalten, denen bisher noch kein Affront geschehen. Das
Wunderbarste bey dem heutigen Vorfall war, dass die Franzosen
durch einen Wald bis an die hessische Fronte auf Schuss-
distanz vorgedrungen und daselbst, ohne zu schiessen, bis zu
der erwähnten Unterredung stehen geblieben und hierauf sich
zurückgezogen und dass der Herr Landgraf von Cassel sich
sogleich nach Erscheinung der Franzosen aus dem Staub ge-
macht.' Am 9. setzte Hohenlohe zu diesem Berichte noch
folgende Nachschrift: ,Der Herzog von Braunschweig hat also
denen französischen Generals folgende Propositionen machen
1 Entstellt ans La Baroli6re und Galband (?).
65
lassen: 1. Weil beyderseitige Armeen in der späten Jahreszeit
und anhaltenden üblen Witterung Ruhe vonnöthen hätten, auch
die hiesige Gegend bereits von aller Subsistenz entblösst wäre,
90 wäre man nicht abgeneigt Verdun und Gegend freywillig
zu evaeuiren. 2. Dass hierzu das dienlichste Mittel sein könne,
dnen Waffenstillstand zu schliessen, welcher zwar nicht auf
bestimmte Zeit, sondern so eingerichtet wäre, dass derjenige
Theil, so denselben länger zu halten Anstand finden mögte,
es dem andern 8 Tage vorhero zu wissen thun müsste. 3. Dass
hicTon der Vortheil entspringen würde, dass um so leichter und
geschwinder ein förmlicher Friedensschluss und die allgemeine
Rohe herzustellen sein könnte. Der preussische General Kalk-
renth hat von denen oberwähnten firanzösischen Generals die
Antwort mündlich erhalten, dass weder sie noch Dumouriez
hierüber entscheiden könnten, sondern dass es denen bei Du-
mouriez befindlichen Commissairen überlassen bleiben müsse.
Inzwischen aber würde nicht geschossen werden.'^
Auch £j*zherzog Carl spricht in einem Briefe an den
Kaiser von diesen Unterhandlungen. ,Es scheint,' sagt er, ,dasB
die Preussen schon seit langer Zeit unter der Hand mit den
Franzosen negocüren, und dies zwar sclion seit dem 20.
Es scheint aus allen ihren Bewegungen, als ob sie mit dem
Feinde einverstanden seien und nur suchen, sich herauszu-
ziehen und uns sitzen zu lassen. Kurz, wie ich es Dir voraus-
sagte, es scheint und es zweifelt fast Niemand, dass wir hier
wieder angefUhrt und ein Opfer ihrer Politik sind und sein
werden. Es muss den 20., den Tag, wo sie FZM. Clerfayt
so sehr bat, zu attaquiren, etwas vorgegangen sein, was wir
nicht wissen; allein seitdem ist ihre Art zu reden und zu
handeln ganz anders als zuvor. Mehrere Beweise davon werde
ich Dhr gelegentlich, hoffe ich, mündlich geben können. Fürst
Hohenlohe, welcher sich vornimmt, den Winter in Wien zu-
zubringen, wird Dich gewiss vollständig unterrichten können.' ^
Es muss allerdings auch hier wie bereits an einer früheren
Stelle hervorgehoben werden, dass der von dem Erzherzoge
ontOT dem unmittelbaren Eiindrncke der Ereignisse ausgesprochene
^ Hohenlohe-Kirchberg an den Kaiser, Glorienx, 8. October 1792. Kr.-A.
Cab.-Aet Or.
' Enii«rxog Carl an den Kaiser, Hauptquartier Glorienx, den 9. October
nn. Or. •
JMiT. Bd. LXXni. I. Hälfte. 5
66
und daher auch vollkommen begreifliche Argwohn gegen
die Preussen insofern nicht hinlänglich begründet war^ als
aus archivalischen Forschungen unserer Zeit hervorgeht,' dass
es dem Herzog von Braunschweig bei jenen Verhandlungen
mit den französischen Generalen nicht auf eine Hintergehung
der Verbündeten, sondern auf die Täuschung des Gegners an-
kam, um die Truppen womögUch unversehrt aus Feindesland
hinauszufuhren, wie denn auch der Kaiser den Prinzen Hohen-
lohe, der aus Anlass des Waffenstillstandes vom 24. September
und aus dem längeren Stillschweigen des Herzogs von Braun-
schweig schon früher Verdacht zu schöpfen begann und die
Vermuthung aussprach, dass dies ,wegen der politischen Ge-
heimnisse^ beobachtet werden müsse, ^ durch die Antwort zu
beruhigen suchte, dass er in Ansehung des bestehenden Waffen-
stillstandes mit dem Feinde bereits auf anderem Wege infor-
mirt und ihm zugleich auch ,de88en gute Absicht^ mitgetfaeilt
worden sei. ^ Wenn man jedoch bedenkt, dass sich bereits bei
jenen Verhandlungen mit Dumouriez die Preussen den An-
schein gaben, als wären sie geneigt, dem Bündnisse mit Oester-
reich zu entsagen, und dass selbst Fürst Reuss, der diploma-
tische Vertreter Oesterreichs im preussischen Hauptquartier,
sonst von der Loyalität des Königs, des Herzogs und Lucche-
sini's überzeugt, * Verdacht zu schöpfen begann, * wie denn
auch später bei der Uebergabe Verduns wirklich nur den da-
selbst befindlichen Verwundeten und Kranken des preussischen
Heeres freier Abzug gesichert, der österreichischen und hes-
sischen Leidensgeftlhrten aber vergessen wurde, ^ so wird man
> Vgl. Chuquet, La retraite etc., 100—102, 154, 168 ff. und namentlich
auch Hänsser, Deutsche Geschichte, I', 357 (Depesche Lucchesinrs vom
17. October, worin es heisst: ,Die Oesterreicher schöpfen in allem Bmst
Verdacht. Spielmann hat seine Besorgniss geäussert; Hohenlohe, der
Erzherzog Carl und selbst Clerfayt glauben, der König wolle einen
Separatfrieden schliessen*).
2 Hohenlohe-Kirchberg an den Kaiser, 28. September 1792. Kr.-A. Gab.- Act.
a Vivenot a. a. O., II, 258, Wien, den 8. October 1792.
^ Hänsser a. a. O. 357. Vivenot, II, 242, Beuss an Spielmann, Ferme,
den 2. October 1792.
5 V. Sybel a. a. O. 594.
6 Vgl. das von Feuillet de Conches, VI, 373 mitgetheilte Fragment der
Memoiren des Prinzen von Nassau-Siegen, und ebenda 394 den Brief
desselben an die russische Kaiserin, Luxembourg, le 15/26 octobr© 1792.
67
es nicht auffallend finden können, dass dem Prinzen Hohenlohe
and dessen Umgebung, also auch dem jungen Erzherzog, was
um sie vorging, im Lichte ^geheimer Accorde'^ erschien.
Indessen ,war es bei dem schon Wochen währenden
Regenwetter, dem Mangel an Subsistenz und der Beschwerlich^
keit der Lage der allseitigen Truppen bereits so weit ge-
kommen, dass der Herzog von Braunschweig die schleunigste
Eracnimng Verduns und die Zurückziehung der Armeen bis
hinter den Fluss Chiers fUr nöthig erachtete, gleichwie denn
auch das Corps des Fürsten Hohenlohe-Kirchberg nur noch bis
auf den 12. mit nöthiger Subsistenz versehen war und unter
solchen Umständen selbst ein glücklicher Angriff der auf den
Anhöhen um Verdun postirten Feinde dem Uebel nicht ab-
helfen würde'. 2
Es trat hinzu, dass bei jener ersten Unterredung zwischen
Brannschweig einer-, La Baroli^re und Galbaud andererseits
(S.October) ein 24 stündiger Waffenstillstand, zunächst zur Be-
richtigung der Vorpostengrenze vereinbart worden war, welcher
zwar den 9. um weitere 24 Stunden verlängert, am 10. Abends
aber von französischer Seite gekündigt wurde. ^ Da mittler-
weile die Brüsseler Regierung das Corps Clerfayt's abberief,
da, wie wir sahen, auch der Landgraf von Hessen (8. October)
auf die erste Kunde von den Erfolgen Custine's nach Hause
geeilt war, mit dem gemessenen Befehl an seine Truppen,
ebenfalls so schnell als möglich den Rückzug anzutreten,^ so
ordnete Braunschweig noch am Abend des 10. October den
Rückzug der Hessen und Hohenlohe-Kirchberg's über die Maas
an, so dass am 11. October bei Tagesanbruch die ersteren bei
Belrupt, die Oesterreicher bei Eix lagerten. Nur eine kleine
Abtheilung Hessen blieb in Verdun zurück, um den den Verbün-
deten nunmehr auf der Ferse folgenden Feind in angemessener
Feme zu halten. Als sodann Verdun auf dem linken Maasufer
7(m den Franzosen bereits völlig eingeschlossen war und an den
preussischen Commandanten Courbifere, den späteren Vertheidiger
' Plunkett an den FML. Fürsten Eszt^rhazy, 9. October 1792. Kr.-A.
Hofkriegsraths-Acten 10/24.
» Spielmann an Ph. Cobenzl, Lnxembnrg, den lö. October 1792. Vivenot,
n, 273.
' Eenonard a. a. O. 293, 294, 298.
« mtenda, 297.
5*
68
von Graudenz^ die erste Sommation erging, fand zu Glorieux
(11. Oetober) die zweite Unterredung zwischen Kaikreuth und
den französischen Generalen Dillon und Galbaud statt, bei der
man Übereinkam, dass Verdun den 14. geräumt werden sollte,
wogegen Dillon sich verpflichtete, die Verbündeten auf ihrem
ferneren Rückzuge nicht zu beunruhigen. ^
Hohenlohe war von Braunschweig angewiesen worden,
um seinen Rückzug zu decken, nach Estain zu marschiren.
Allein der alte Feldzeugmeister hatte schon früher dem Kaiser
erklärt, dass er sich unter den gegenwärtigen Verhältnissen
nicht mehr an die Befehle Braunschweig's gebunden erachte,
da es sich um die Erhaltung seiner eigenen Truppen handle,
die durch das Verhalten der Hessen allerdings sehr gefährdet
war, wozu sich noch das Misstrauen gesellte, mit welchem ihn
die fortgesetzten Unterhandlungen des preussischen Haupt
quartiers mit den Franzosen erfüllte. Daher poussirte er viel-
mehr ,wider die Ordre des Herzogs von Braunschweig' bis
Nouillompont, da er in der ihm angewiesenen Stellung zu Estain
durch die nachfolgende Kellermann'sche Armee abgeschnitten
zu werden fürchtete. ^
Erzherzog Carl schreibt über diesen Rückzug, an dem er
sich noch betheiligte, Folgendes : ,Ich benütze den ersten freien
und ruhigen Tag, den wir seit einiger Zeit haben, um Ihnen
von uns Nachricht zu geben. Wir sind in der Nacht des
(10. — 11.) 3 von Glorieux aufgebrochen, ohne vom Feinde be-
lästigt zu werden, und bei Tagesanbruch zu Eix angelangt.
Hier blieben wir den ganzen Tag. Als wir Abends erfuhren,
dass der Feind alle WaflFenstillstandsvorschläge verworfen und
an den Commandanten von Verdun die Aufforderung zur Ueber-
gabe habe ergehen lassen, sowie dass die Preussen nicht Willens
seien, daselbst Stand zu halten, dass sie vielmehr ihre Kran-
ken und Magazine weggesendet hätten, so entschlossen wir
uns, Eix zu verlassen^ nachdem wir unser Gepäck von dort
1 Minerva 1793, II, 176 nach Kalkreuth's eigener Angabe.
2 Hohenlohe-Kirchberg an den Kaiser, Longwy, den 18. Oetober 1792.
Hof kriegsratbs- Acten 10/9. Or. eigenh. Vgl. auch des Kronprinzen von
Preussen Reminiscensen aus der Campagne in Frankreich, 167 (Beiheft
zum militHrischen Wochenblatte 1846).
3 Im Briefe eine Lücke, die aus Hohenlohe-Kirchberg's Bericht an den
Kaiser, ddo. 18. Oetober 1792, zu ergänzen ist.
69
weggeschafft hatten. Wir marschirten um 3 Uhr Morgens ab
and erreichten nach einem 12 — ISstUndigen Marsche Nouillom-
pont, wo wir heute (13.) ^ Rasttag halten. Unser Marsch dauerte
so lange^ da vor uns eine Colonne der Emigranten zog, und
da das hessische Corps, dreimal so gross als das unsrige, die
Wege verstopfte, die ohnedies inpracticabel sind, wodurch eine
Verwirrung entstand, die man sich ebensowenig vorsteUen kann,
wenn man sie nicht gesehen hat, wie die Excesse und die
Plünderungen, welche die Hessen allenthalben übten. Diese
haben am (10.) ^ zu Belrupt ^ und gestern und heute zu Estain
campirt. Hier haben wir dank den guten Dispositionen der
Preossen nichts zu essen gefunden, nicht einmal Brot; aber
wir hoffen, dass der Platz uns für heute wird liefern können,
wenn die Hessen und Preussen nicht Alles weggenommen
haben. Nehmen Sie hinzu, dass unsere Leute hier in einem
Kothe campiren, von dem man sich keine Vorstellung machen
kann, dass der Regen in Strömen giesst, so können Sie dar-
aus ermessen, was unsere armen Truppen auszustehen haben.
Trotzdem keine Desertion. Morgen werden wir zu Longuion,
übermorgen Abends oder den folgenden Tag zu Longwy sein,
wo man Rasttag halten will.'^
Von NouiUompont, wo den 13. gerastet worden war, setzte
Hohenlohe, nachdem er Nachts die Bagage vorangesendet hatte
und nachdem die Brücke bei Spincourt gesprengt worden war,
«n Morgen des 14. den Marsch über Rouvroy nach Longuion fort,
um den Chiers daselbst zu passiren, fortwährend vom Feinde, der
die Arrieregarde attaquirte, harcelirt, doch mit unbedeutendem
Verloste und in bester Ordnung, da man ihn mit Kanonen in
g^emender Entfernung hielt.
Während dieser Vorgänge bei der österreichischen Nachhut
passirten die preussische Artillerie und die preussische Bagage
die beschwerhchen Defil^en von Mangiennes bis Pilon, jeden
Augenblick in Gefahr, in die Hände der Feinde zu gerathen,
wenn sich nicht das kaiserliche Corps ihrer annahm. Daher
^ So in dem Ton dieRem Tage datirten Briefe des Erzherzogs, während
Hohenlohe-Kirchberg iu seinem Berichte an den Kaiser vom 18. October
1792 den 13. als Rasttag angibt.
' LQcke im Original. Vgl. Renouard a. a. O. 298.
' Im Original fHlschlich: Belreys.
* Erzherzog Carl an Maria Christine, ce 12 octobre 1792. A.-A. Or.
70
nahm Hohenlohe, den bei einer persönlichen Zusammenkunft
zu Rouvroy der Herzog von Braunschweig und der König
selbst darum inständigst gebeten hatten^ Stellung auf den Höhen
zwischen Longuion und Rouvroy zu Martin Fontaine und harrte
trotz des strömenden Regens und trotz der zunehmenden Zahl
der Kranken und des Mangels an Zelten, Brot und Fourage
mit seiner ausgehungerten Mannschaft bis zum 16. auf diesem
Posten aus, während welcher Zeit der grösste Theil des preus-
sischen Trains glücklich nach Longuion gelangte. EIrst am
16. um 10 Uhr Morgens brach Hohenlohe, da, wie sich immer
deutlicher herausstellte, der Waffenstillstand nur den preussi-
sehen Truppen zu Statten kam, hingegen auch an diesem Tage
von den Preussen gegen das gegebene Versprechen keine An-
stalten zur Ablösung seines Corps getroffen wurden, aus jener
Stellung wieder auf und rückte imi 7 Uhr Abends im Lager
bei Piemont hinter Longwy ein, wohin ihm der Feind sofort
nachsetzte. *
Doch hören wir Hohenlohe - Kirchberg selbst über die
Gründe, welche ihn bewogen, fortan allen Vorstellungen des
Herzogs von Braunschweig zum Trotz seinen Rückzug zu be-
schleunigen. ,Der preussische Qeneral Kalkreuth,^ so erzählt
er, ,wurde nun abermals an die Feindliche abgeschickt, um
Unterhandlungen zu pflegen, und erhielte von diesen die Ant-
wort, dass ein Stillstand unter der Bedingung angenommen
würde, dass Longwy und Alles, was auf französischem Boden
liegt, freiwillig geräumt würde. Der König von Preussen wollte
aber dies keineswegs annehmen. Ich nahm mir die Freiheit,
dem König diesfalls alle Vorstellungen zu thun, und wieder-
holte diese gegen den Minister Lucchesini. Ich führte an, daßs
der schlechte Zustand aller Armeen keineswegs gestattete, etwas
zu unternehmen, dass ich also davor hielte, dass ein Stillstand
vors Qanze weit zuträglicher wäre als die Behauptung eines
einzigen Platzes, den man gleichwohl in 14 Tagen verlieren
und daraus der Nachtheil entstehen würde, dass man noch
einige Wochen im Luxemburgischen wird Krieg führen und
ganz unsichere und unruhige Winterquartiere haben müsste.
Weil ich aber nicht viel ausrichten konnte, so fasste ich den
> Journal. Kr.-A. 13/56. Hohenlohe-Rirchberg an den Kaifler, 18. October
1793. Kr.-A. Cab.-Act.
71
Ent&chlusfiy mein Corps den 16. Früh um 10 Uhr in Marche
zu setzen. Diesfalls wurde mir von dem Herrn Herzog sehr
zugesetzt und Alles angewandt^ um mich zum längeren Bleiben
zu überreden. Ich Hess mich aber nicht irre machen und
sagte ohne alle Scheu, dass ich die mir anvertrauten Truppen
nicht mehr sacrificiren würde und jetzt umsoweniger, da es in
des Königs Macht stünde, uns Allen nach einer der müh-
seligsten Campagnen Ruhe zu verschaffen, wenn er jetzt eine
Sache freiwillig thäte, wozu er ohnausbleiblich in 14 Tagen
zum grössten Nachtheil des Qanzen gezwungen sein würde.
,6egen Abend kam ich mit Allem hier, in Piemont an. Der
Verlust, den ich hiebey hatte, waren einige zerbrochene Wagen,
die liegen bleiben mussten, und dass die Regimenter gezwungen
waren, ihre Zelter, so seit 4 Wochen niemals trocken gewor-
den und ohnehin unbrauchbar waren, wegzuwerfen, um nur
wenigstens mit dem Ueberrest durch die unbeschreiblich bösen
Wege durchzukommen. Der FML. Graf Wallis, der seit der
Zeit bei Hettange, Ellange und Richemont gestanden, ist
gestern auch von da abgegangen und wird heute bei Luxem-
burg eintreffen. Wann ich hierbei dem Willen des Herzogs
gefolgt hätte und den FML. Graf Wallis nach Longwy hätte
kommen lassen, so sind alle unsere Magazins in Grevenmachern
und Trier verloren und jetzt schon würde der Feind sicher ins
Luxemburgische eingerückt sein. So aber kann ich in zwei
Märschen mich mit ihm vereinigen und also ein Corps d'arm^e
von 18 Bataillons und 26 Escadrons formiren, welche nur
wieder mundirt und ausgerüstet werden dürfen, um gehörige
Dienste zu leisten, statt dass eine so stattliche Truppe en detail
wäre aufgerieben worden, wann ich es nicht durch Wider-
sprüche gegen positive Befehle erhalten hätte.^
,Der FML. Wallis hat seinen Rückzug fast ohngehindert
gemacht. Nur ein Posten von den Warasdiner Grenzern bei
Quentrange wurde von der Garnison von Thionville, beiläufig
1000 Mann stark, attaquirt, jedoch soutenirt, wobei 3 £Lroaten
todtgeschossen und 21 blessirt worden. Besagter Feldmarschall-
Lieutenant hat vor seinem Abmarche alles Belagerungsgeschütz
und Munition und seine Magazins bis auf ein paar tausend
Säcke Haber gerettet, und ich muss ihm das Zeugniss geben,
<1as6 er in allen Gelegenheiten Einsicht, Muth und Klugheit
bewiesen hat. Die Lage des Herzogs von Braunschweig ist
74
Bruder Carl wiedersah, Gott sei Dank, bei guter Gesundheit
nach so vielen Strapazen, die er erduldet hat. Er beabsichtigt,
in zwei Tagen sich nach Toumay zu meinem Gemahl zu be-
geben. Ich bin eine zu gute Gattin, um meinen lieben Mann
des Trostes zu berauben, seinen geliebten Carl wieder bei sich
zu haben.^i Und an Mercy schrieb sie: ,Da ich weiss, wie
sehr Ihre Freundschaft an meinen Freuden und Leiden theil-
nimmt, so zeige ich Ihnen an, dass ich seit 24 Stunden meinen
lieben theuren Carl wieder besitze. Sie können sich vorstellen,
welche Genugthuung mir dies bereitet. Sein Befinden ist vor-
trefflich, und er hat nur bedauert, Sie unterwegs verfehlt zu
haben. Sicher wiLrde er sonst sich aufgehalten haben, um Sie
zu sprechen und Ihnen alle Achtung und Freundschaft, die er
für Sie empfindet, zu bezeugen.* ^
Den Personen, mit welchen der Erzherzog auf dem Zuge
nach Lothringen in nähere Berührung kam, bewahrte er auch
fernerhin freundlich-dankbare Erinnerung. Besonders empfahl
er seinen treuen Begleiter, den Hauptmann Vermatti, der nun
wieder zu dem Corps Clerfayt's sich begab, der Gkiade des
Kaisers. ^ Und ebenso bezeichnete er später den Adjutanten
Hohenlohe's, Hauptmann Plunkett, als einen ,sehr braven und
geschickten Officier*, der wichtige Dienste geleistet habe. *
Beide bezeichnete er als der Beförderung zu Majoren würdig.
Vor Allem aber liess er den Verdiensien, die sich Hohenlohe-
Kirchberg nicht nur um seine Person, sondern um die gute
Sache überhaupt erworben hatte, dieselbe Gerechtigkeit wider-
fahren, die ihm selbst der alte Feldzeugmeister zollte, der, wie
sich der Kaiser ausdrückt, des Lobes über den Erzherzog voll war.^
» Maria Christine an den Kaiser, ce 18 octobre 1792. Vgl. Wiener Zeitung
vom 3. November 1792, S. 2974.
2 Maria Christine an Mercy, ce 19 octobre 1792. A.-A. Copie.
3 Erzherzog Carl an den Kaiser, Brüssel, den 21. October 1792. Or.: ^ch
kann Dir ihn wegen seinem Eifer für den Dienst, seiner Fähigkeit und
Geschicklichkeit und seinem guten Charakter nicht genug anpreisen
und Dich bitten, wenn es möglich wäre, ihn zum Major zu avanciren.
Zu Longwy hat er sich in Placirung der Batterien besonders hervor-
gethan und hat darüber auch die schönsten Zeugnisse von preussischen
Stabsofficieren.'
* Desgleichen, Cöln, den 16. Januar 1793. Or.
* Kaiser Franz an Maria Christine, Hetzendorf, den 30. September (1792).
A.-A. Or. \
73
alle in Frankreich gemacliten Eroberungen fahren zu lassen
gesonnen seien. *
Der damals 22 jährige Kronprinz von Preussen, der spätere
König Friedrich Wilhelm III., hatte den Feldzng in die Cham-
pagne mitgemacht; über den er höchst werthvolle ^Reminiscen-
zen' hinterliess. Jetzt theilte er auf dem unseligen Rückzuge
die Leiden und Entbehrungen der preussischen Armee. Am
15. October besuchte er den Prinzen Hohenlohe-Eirchberg in
seiner Stellung im Walde hinter der nach Longuion führenden
Chaussee. ^Dabei hatte ich/ schrieb er in sein Tagebuch, ,hin-
län^ch Gelegenheit, zu bemerken, dass unsere beiderseitigen
Armeen sich wegen ihres gänzlich abgerissenen, zerlumpten
und besudelten Zustandes einander nichts vorzuwerfen hatten.^
,Den alten Fürsten,^ heisst es weiter, ,traf ich mit seiner Ge-
neralität zu Martin Fontaine in einem Hause, wo weder Thüren
noch Fenster vorhanden. Er schien sehr verdriesslich und miss-
vergnügt über den Ausgang unserer Campagne zu sein, übrigens
ein alter, gerader, biederer Mann. Erzherzog Carl, den ich an-
zutreffen hoffte, war nicht mehr beim Corps, wo er bis dahin
gewesen, sondern war, ich glaube den Tag vorher, durch den
alten Fürsten fortgeschickt worden, weil er es nicht auf sich
nehmen wollte, ihn in dieser misslichen Lage der Dinge zu
cxponiren.^ -^
In der That muss Erzherzog Carl spätestens am 14. die
Annee Hohenlohe's verlassen haben, da er sich bereits am 15.
zu Longwy befand, von wo aus er neuerdings, wie bereits
zuvor, 3 den Kaiser von seiner beabsichtigten Rückkehr nach
den Niederlanden in Eenntniss setzte, wo es, wie er richtig
ahnte, demnächst zu wichtigen Entscheidungen kommen musste.^
Am 17. October Abends traf er in Brüssel ein. ,Ein ausge-
zeichnetes Heilmittel,' schrieb in ihrer Freude über dieses
Wiedersehen Maria Christine an den Kaiser, ,war die Genug-
thuung, die ich empfand, als ich gestern Abends Ihren lieben
' Ersherzog Carl an den Kaiser, Longwy, den 15. October 1792. Cr.
^ Reminiscenzen ans der Campagne in Frankreich, S. 168. Aach Erzherzog
Carl bemerkt, dass Hohenlohe selbst ihm gerathen habe, nach den
Niederlanden zurückzukehren. Erzherzog Carl an den Kaiser, Tournay,
den 26. October 1792. Or.
' Erzherzog Carl an den Kaiser vom 9. October. Or.
' Desgleichen, Longwy, den 15. October 1792.
76
Ueberzeugung ganz entgegengesetzten Plan folgenden Wider-
wärtigkeiten ertrug. Die wichtigsten Dienste leistete er Ihrer
Majestät durch seine kluge Anstalten, womit er denen schäd-
lichen Folgen, die ftlr Ew. Majestät Länder selbst entstehen
konnten, zuvorzukommen wusste. In Neuvilly bei Clermont legte
er vorzügliche Beweise seines Muthes und seiner Klugheit am
Tag, dass er die immer zum Rückzug bereiten Hessen auf-
gehalten und einem mächtigen unangreifbaren Feind die Spitze
geboten. Hier erwarb er sich allgemeine Bewunderung. Er
musste wegen unvermuthetem Rückzug der Hauptarmee und
des Hessischen Corps in das hiesige Lager, da eine seinen Kräften
gar nicht angemessene Stellung besetzen und so 4 Tage hin-
durch ohne aller Unterstützung und unter beständiger Drohung
eines Rückzuges von Seite der Hessen und eines Angriflfes
von einem übermächtigen Feind bleiben, um Verdun zu decken.
Alles war ohne seiner Standhaftigkeit, womit er den zum Wei-
chen entschlossenen Landgrafen von Hessen-Cassel zurückhielt,
verloren. Die preussische Armee verdankt (ihm) die Deckung
aller ihrer Operationen, die Sicherheit ihres Rückzuges, die
Erhaltung ihrer Eroberungen und die Schützung ihrer Magazins^
wo er doch anstatt 40.000 Mann nur 6 Bataillons und 7 Di-
visions Cavallerie commandirte. Stolz, unter der Anftihrung
eines so rechtschaffenen Mannes zu dienen, wollten wir es auch
Ew. Majestät beweisen dadurch ,dass wir AUerhöchstdenenselben
von dem so ruhmwürdigen als nützlichen Betragen unseres
commandirenden Generals allem nterthänigst Bericht erstatten.
Im Lager bey Verdun, den 9. October 1792.
Carl GM. m/p. D* Alton FML. m p.
Werneck GM. m/p. Lilien GM. m/p.
Dass dieses von denen k. k. Herren Generals bestätigte
und mir bekannte so tapfere als kluge Benehmen Sr. Durch-
lauchten des Fürsten von Hohenlohe dem Gantzen mehr als
eine gewonnene Bataille genutzet habe, attestire ich unter-
schriebener hiermit.
Theodor Philipp Baron Pfau,
kgl. Preussischer Generalmajor und Officier de confiance
bey der kayserl. Hohenlohischen Arm^e.*
77
Der Feldzug in die Champagne^ wenngleich nicht gerade
epochemachend in strategischer und taktischer Beziehung, * so dass
er in dieser Richtung keineswegs den von unserem Erzherzoge
gehegten Erwartungen entsprach, ist doch ohne Zweifel, wie für
30 viele Andere, auch fiir ihn eine reiche Quelle der Belehrung
geworden. Denn es war eine Thatsache, welche die Aufmerk-
samkeit aller Militärs in Anspruch nahm und die das grösste
Äa&ehen erregte, dass all' die grossen Hoffnungen, mit denen
man ins Feld zog, so gar nicht in Erfüllung gegangen waren,
und dass die alliirte Armee, die aus den sieggewohnten Truppen
Friedrichs des Grossen und aus den alterprobten Regimentern
des Kaisers bestand und die ein Feldherr befehligte, der im
siebenjährigen Kriege und im Feldzuge in Holland sich den
Ruf eines unternehmenden, einsichtsvollen und vom Glück meist
begünstigten Generals erworben hatte, nach anfänglichen Schein-
erfolgen einen Rückzug antreten musste, der in seinen Folgen
einer verlorenen Schlacht gleichkam. Das Alles musste zu
ernstem Nachdenken Anlass geben und rief zugleich eine
Literatur über diesen Feldzug hervor, die unmittelbar darnach
begann und heute noch nicht abgeschlossen erscheint. Auch
Erzherzog Carl hat, freilich erst in viel späteren Jahren, einen
Beitrag zu dieser Literatur geliefert, der zwar zunächst nicht flir
die Oeffentlichkeit, sondern nur fllr den Unterricht seiner durch-
lauchtigsten Söhne bestimmt war, der aber bei aller Gedrängt-
heit umsomehr Beachtung verdient, als hier das Urtheil des
gereiften Mannes und sieggekrönten Feldherm die von uns
mitgetheilten unmittelbaren Eindrücke des Jünglings mehrfach
ergänzt und berichtigt. ^
' Vgl. Fürst N. S. Galitzin, Allgemeine Kriegsgeschichte der neuesten
Zeit, Cassel 1887, I. Bd., 8. 108—109.
^ Gemeint ist die , Geschichte des ersten Krieges der französischen Re-
volution vom Jahre 1792 — 1797 in den Niederlanden, Frankreich, Deutsch-
land, Italien und Spanien* von Erzherzog Carl von Gestenreich, mitge-
theilt als Beiheft zur Gesterr. militar. Zeitschrift von Strefflenr, VI. Jahrg.,
3. Bd., Wien 1865, wo S. 377 ff. der Feldzug von 1792 geschildert
wird. Da nach einer redactionellen Bemerkung S. 133 diese Arbeit zum
Unterrichte seiner Söhne bestimmt war, so wird sie wohl auch ei'st
später als 1815 entstanden sein, in welches Jahr Freiherr ven Wald-
sUtten, Erzherzog Carl, Berlin 1882, S. Vtl (Militärische Classiker des
In- und Auslandes) deren Entstehung ansetzt.
ZUR WAHL
LEOPOLD I
1654 — 1658.
VON
D" ALFRED FRANCIS PRIBRAM,
DOCKST AN DER UNIVERSITÄT IN WIEN.
Vorwort.
Die Wahl Leopold I. hat eine dreifache Bedeutung : für
Oesterreich, für Deutschland und für Europa. Für Oesterreich,
weil die Entscheidung in der Wahlsache fUr die Haltung des
österreichischen Herrschers in allen Fragen der Politik mass-
gebend werden musste ; fUr Deutschland, weil mit der Zurück-
weisung der Candidatur Leopolds der völlige Bruch mit der bis-
herigen Ueberlieferung vollzogen worden wäre ; für Europa, weil
mit der Wahlfrage auch jene des Machtverhältnisses der beiden
grossen Parteien erledigt wurde, welche damals um die Vor-
herrschaft auf dem Continente stritten. Der Wichtigkeit, die
man an allen Höfen Europas dem Ausfalle der Wahl bei-
mass, entsprach der Eifer, mit dem von den mächtigsten
Staaten die Verhandlungen mit den Wählern gepflogen wurden.
Von den Höfen dieser Fürsten und von dem Wahlorte Frankfurt
aas haben die zahlreichen Vertreter europäischer Mächte über
die von und nach allen Seiten geführten Verhandlungen an ihre
Regierungen berichtet. An die Verwerthung des auf diese
Weise in den verschiedenen Archiven aufgestapelten Materiales
ist man erst im letzten Decennium geschritten. Die Materialien
des Berliner Archivs hat B. Elrdmannsdörffer im 8. Bande der
,Acten und Urkunden zur Geschichte des Grossen Kurfürsten*
mitgetheilt, die des Münchener bilden die Grundlage eines Auf-
satzes von G. Heide ,Ueber die Wahl Leopolds^ Chöruel in
seiner ^Geschichte Mazarin's^ und einem kürzlich erschienenen
Aufsatze der TAcad^mie des seien ces morales et politiques, und
Valfrey in seinem ,Lionne' haben die Haltung dieser beiden
Männer auf Grundlage des reichen handschriftlichen Schatzes
des französischen Archivs zu kennzeichnen versucht. Trotz-
dem wird man nicht behaupten können, dass wir über alle bei
AnkiT. Bd. LXXIII. I. H&lfte. G
82
der Wahl vom Jahre 1658 in Betracht kommenden Fragen
genügend unterrichtet sind. Ja, ich möchte die Behauptung
wagen, dass wir bisher vergebens nach Aufklärung von Punkten
gesucht haben, die zu den allerwesentlichsten gehören. Ueber die
Verhandlungen bis zum Tode Ferdinand III. lag nur die Schil-
derung der Mission des Ferdinand Khurtz nach Bayern im Jahre
1655 durch Wilhelm Arndt vor, über die Politik Oesterreichs
nur die gänzlich verworrenen Mittheilungen inWalewski's un-
beachtet gebliebenem Werke. Dazu kam, dass eingehende
Forschungen im französischen Archive mich erkennen Hessen,
dass Ch^ruel und Valfrey die eigentlich entscheidenden Docu-
mente zum grossen Theile übersehen hatten ; dass meine Studien
in den Archiven von Wien, Berlin, Dresden, Düsseldorf, Paris
und London mir die Ueberzeugung verschafften, dass die bis-
herige Auffassung von der Haltung der Kurfürsten, insbesondere
der des Erzkanzlers Johann Philipp, nicht aufrecht zu erhalten sei.
Diese Lücken auszufüllen und die unrichtigen Auffas-
sungen zu berichtigen, ist der Zweck der nachfolgenden Ab-
handlung, bei deren Abfassung ich, wie mit dem Gegenstande
Vertraute leicht erkennen werden, Bekanntes und zum Ver-
ständnisse der Wahlfrage nicht unumgänglich Nothwendiges
nur äusserst flüchtig berührt habe, um bei dem überaus reichen
Materiale und der umfangreichen Literatur der Arbeit keinen
allzu grossen Umfang zu geben.
Auch diese Gelegenheit will ich nicht vorübergehen lassen,
ohne air jenen Herren Archiv vorständen und Beamten, die
mich bei meinen Studien unterstützt haben, meinen besten
Dank auszusprechen.
A. Oesterrelchs Politik bei der Wahl Leopold I.
1. Bis zum Tode Ferdinand m.
Wenige Tage nach dem Tode des jugendlichen römischen
Königs Ferdinand IV. — 9. Juli 1654 — traf in Wien ein
Beileidsschreiben des Mainzer Kurfürsten, Johann Philipps von
Sebönbom, ein. Neben philosophischen Betrachtungen über den
Wechsel menschlichen Glückes und Unglückes, lauter Freude
und herben Schmerzes, neben tröstenden Worten über den
schweren Verlust, welcher den alternden Kaiser getrofiFen, ent-
hielt dasselbe folgende Worte : ,Ich für meine Person versichere
hiemit E. K. M. aus schuldigster treuester Devotion und von
ganzem treuergebenem Herzen, dass £. K. M. ich dergestalt
angelegentlich und willfkhrig auf dero gnädigsten Befehl und
Veranlassung beispringen, assistiren und dienen will, dass sie
darob verhoffentlich ein gnädigstes Wohlgefallen und Freude
haben werden; wie ich dann nicht absehen kann, warum bei
nächstkünfliger Wahl es mit E. K. M. nunmehr ältesten Herrn
Sohn einige Difficultet geben könne, mich zu Gott getröstend,
die andere meine Herrn Mitkurfürsten werden hierin mir bei-
stimmen, wie ich dann auch zu Erreichung E. K. M. Intention
bei allen und jeden an diensamen officiis und Unterbauungen
nichts an mir werde erwinden lassen.** Das Schreiben traf
Ferdinand III. in der denkbar schlechtesten Stimmung. Im
Kri^e vorzeitig gealtert, von Krankheit heimgesucht, der Ruhe
bedürftig, hatte er gemeint in seinem Sohne Ferdinand IV.,
d»8en Wahl er allen Hemmnissen seiner mächtigen Gegner
zum Trotze mit unendlicher Mühe nach jahrelangen Verband-
hmgen durchgesetzt hatte, den erwünschten kräftigen Ge-
nossen gefunden zu haben, der ihm die Last der Regierungs-
* Schreiben des Johann Philipp von SchOnbom an Ferdinand ni.. Würz-
bwg, 14. Juli 1664. Wiener Archiv (W.-A.) (Wahlacten.)
6*
84
geschäfte tragen helfen werde. Und nun hatte der Tod mit
unbarmherziger Grausamkeit all' seine Hoffnungen vernichtet,
in einem Momente die Erfolge jahrelanger Bemühungen zu-
nichte gemacht und an Stelle der Freude und des Triumphes,
den Schmerz und die Verzweiflung gesetzt. Abgeschieden voo
der Welt, mit seinem Kummer allein^ jeder Arbeit abhold, so
wird uns der Kaiser in den ersten Wochen nach dem Tode
seines Sohnes geschildert. Da traf das Schreiben des Erz-
kanzlers ein, das Ferdinand lU. daran erinnerte, dass er neben
dem todten Ferdinand noch einen lebenden Leopold seinen
Sohn nannte, und dass er im Reiche noch auf Freunde zählen
könne, bereit, ihre ganze Macht fUr das Interesse des Reichs-
oberhauptes einzusetzen. Was der unmittelbare Eindruck dieses
Schreibens war, wissen wir nicht, aber gewiss ist, dass Ferdi-
nand in. bald darauf die Regierungsgeschäfte wieder über-
nahm und seine Aufmerksamkeit mit in erster Linie der WabI
Leopold I. zuwandte.
Es galt vor Allem sich darüber Sicherheit zu verschaffen,
inwieweit man den Worten des Erzkanzlers trauen könne, was
sich von ihm erhoffen lasse. Ein Mittel zur Anknüpfung war leicht
gegeben. Graf Isaak Volmar, der damals als Bevollmächtigter
der Wiener Regierung an den Berathungen des einberufenen
Deputationstages theilnehmen sollte, erhielt den Auftrag, Johann
Philipp von Schönbom aufzusuchen und mit demselben über
die Wahlangelegenheit zu berathen. *
Dies geschah, allein nicht mit dem erwünschten Erfolge.
Der Mainzer wiederholte zwar die dem Kaiser schriftlich ge-
gebenen Erklärungen, berichtete auch über seine im Interesse der
Wahl Leopolds mit dem Kurflirsten von Trier gepflogenen Ver-
handlungen, der erklärt hatte, mit Kurmainz gemeinsam vor
gehen zu wollen, seinerseits aber die Wahl des Erzherzogs
Leopold Wilhelm befürwortete und unter allen Umständen Be-
rücksichtigung seiner Interessen gefordert hatte. ^ Allein Johann
Philipp trat ftlr die Befriedigung der Trier'schen Forderungen
ein, er glaubte nur in diesem Falle für Trier einstehen zu können ;
» Instruction für Volmar, ddo. Wien, 10. August 1654. W.-A. (Wahlacten.)
5 Bericht Volmar^s, 26. September 1664. W.-A. (Wahlacten.) Der Kurfürst
von Trier wünschte unumschränktes Recht über St. Maximin und die
ihm bei der letzten Wahl versprochenen 40.000 Reichsthaler.
85
er sprach auch von der Nothwendigkeit^ Brandenburg durch
ein Zugeständniss in der Jägemdorfer Angelegenheit * günstiger
za stimmen y und hielt dafür , dass man die Sache nicht
überhasten, sondern in aller Buhe vorbereiten, die Huldigung
in den Erblanden erfolgen lassen, die Wahl aber erst nach
Scfaluss des fUr den Mai 1656 zusammenberufenen Reichstages
vornehmen solle. Man kann mit Bestimmtheit behaupten, dass
Johann Philipp es mit diesen Erklärungen ehrlich meinte. Seine
ganze Lage wies ihn darauf hin, Schutz und Schirm beim Kaiser
zu suchen. Von einer Anlehnung an Frankreich und Schweden
war bei Johann Philipp damals noch nicht die Rede; mit dem
Korfürsten von Köln, der in Deutschland die österreichfeind-
liche Richtung vertrat, stand er nicht auf dem besten Fusse,
dem rheinischen Allianzwesen hatte er sich entfremdet und an
die Gründung einer Liga unter der Ftihnmg des Kaisers ge-
dacht. ^ Musste ihm nicht unter solchen Umständen die Fort-
dauer der Kaiserwürde im Hause Habsburg überaus wünschens-
werth erscheinen? Der Wiener Hof glaubte denn auch an der
Aufrichtigkeit der Absichten Johann Philipps nicht zweifeln
zu sollen. Seine Auseinandersetzungen bildeten vielmehr die
Grundlage der Berathungen, die jetzt am Wiener Hofe über die
Nachfolge im Reiche gepflogen wurden. Dieselben drehten sich
vornehmlich um die Frage, in welcher Weise die Wahlange-
legenheit der firledigung zugeführt werden sollte. Mehr als ein
gewichtiger Grund sprach fllr die Beschleunigung der Ver-
handlungen. Man fürchtete bei längerer Verzögerung eine Ver-
schlechterung der Lage Spaniens, man fürchtete, dass Frank-
reich, je länger die Durchführung der Wahl Leopolds dauere,
je mehr an Ansehen im Reiche gewinnen werde, man fUrchtete,
dass der junge Kurfürst von Baiern, der in diesem Momente
noch ganz unter der Leitung der österreichischgesinnten Kur-
fnrstenmutter Maria Anna und des Ministers Maximilian Khurtz
stand, im Laufe der Jahre selbstständiger werden und für den
Plan der Erwerbung der Kaiserkrone gewonnen werden könnte,
man flirchtete endlich, dass der Oesterreich gewogene Kurfürst
* Vgl. Urkunden und Acten zur Geschichte des Grossen Kurfürsten,
VI, 201 f., 2U f., 226 ff.
' Ueber die Haltung Johann Philipps in der Allianzfrage vgl. meine Ab-
htndlong ,Beitrag zur Geschichte des Rheinbundes von 1658*, Sitzungsber.
der Wiener Akademie, CXV. Bd., p. 99 ff.
86
von Sachsen^ Johann Qeorg I., sterben und sein Sohn^ über
dessen Haltung verschiedenartige Gerüchte verbreitet wurden,
die Zügel der Regierung ergreifen werde.
Aber auch flir die Verzögerung der Wahl, wie sie der
Mainzer empfahl, gab es Gründe die Menge. Leopold war noch
minorenn, es stand zu besorgen, dass die Frage der Stellver-
tretung des jungen Königs, falls Ferdinand lU. vor der Majo-
rennetät Leopolds sterben sollte, vor der Wahl in Erwägung
gezogen und zu heftigen Conflicten Anlass geben würde, und
man wusste am Wiener Hofe nicht recht, wie man dieser Frage
eine befriedigende Lösung geben könne. * Dazu kam die Eb*-
wägung, dass es langer Verhandlungen bedürfen werde, um
die von allen Kurfürsten geltend gemachten Ansprüche zu be-
friedigen und die Erkenntniss der Nutz- und Zwecklosigkeit
zur Wahl zu schreiten, bevor man über das Ergebniss der-
selben im Eüaren sei. Dieser letztere Grund war es vornehm-
lich, der die kaiserlichen Räthe zu dem Entschlüsse brachte,
sich der Ansicht des Mainzers anzuschliessen und ihrem Herrn
die schleunige Vornahme der Erbhuldigung in den österreichi-
schen Ländern, sowie die Verzögerung der Wahl Leopolds bis
nach Schluss des fUr den Mai 1656 einberufeuen Reichstages zu
empfehlen. Ferdinand billigte das Vorgehen der Minister vollstän-
dig und erliess ganz in der von ihnen gewünschten Weise das
Dankschreiben an Johann Philipp von Mainz. ^ Zu gleicher Zeit
erhielt Volmar Befehl, die von ihm geplante Reise an den Hof
1 Votum deputatorum in puncto successionis, 7. October 1654. W.-A. Die
Räthe behaupten, es gäbe mehrere Wege, die Stellvertretungsfirage zn
erledigen; man kOnne den tutor domus auch zum Stellvertreter im
Reiche für die Zeit der Minderjährigkeit vorschlagen, oder aber es beim
Vicariate lassen. Im ersteren Falle wäre es zweifelhaft, ob Leopold
Wilhelm die Wahl annehmen, sehr fraglich, ob die Kurfürsten ihm ein
solches Amt übertragen, und selbst dann noch ungewiss, ob die übrigen
Stände nicht Protest einlegen würden. Das Vicariat in Wirksamkeit
treten zu lassen, Hess der heftige Streit, der um diese Würde zwischen
den Pfälzern und Baiem geführt wurde, unräthlich erscheinen. Volmar,
der in seinem weiter unten p. 88 erwähnten Memoriale auch diese
Frage berührte, sprach die Vermuthung aus, dass die Kurfürsten statt
der Vicare Administrationsräthe dem jungen Könige adjungiren würden.
Gutachten Volmar*s, ddo. 20. November 1654. W.-A. (Wahlacten).
3 Schreiben Ferdinand III. an Johann Philipp, ddo. Ebersdorf, 12. October
1654. W.-A. (Wahlacten).
87
dea Kurfürsten von Trier vorerst zu unterlassen. * Und was in
jenen Tagen an neuen Nachrichten in Wien einlangte, konnte
nur dazu beitragen, die Regierung in den von ihr gefassten
Beschlüssen zu bestärken. Denn wie der Mainzer nach Mit-
theilungen des Kurfürsten von Trier berichtete, hatten die
Kurfürsten von Brandenburg und Köln sich zu Arnsberg ^ dahin
geeinigt, falls der Kaiser die Wahlsache zur Berathung bringen
sollte, sich nur dann fUr einen Sprossen des Hauses Habsburg
zu erklären, wenn ihnen Satisfaction fUr das bei der Wahl
Ferdinand IV. erlittene Unrecht und Befriedigung ihrer neuen
Forderungen zu Theil werde, und wie Volmar von gutunter-
richteter Seite erfuhr, hatte Franz Egon von Fürstenberg, der
allmächtige Minister Maximilian Heinrichs von Köln, dem Kur-
försten von Trier eifrigst zugeredet, von der Wahl eines öster-
reichischen Fürsten abzusehen, da man am Wiener Hofe zwar
viel verspreche, aber wenig halte und da es jetzt in Baiem,
Savoyen und in anderen Ländern Fürsten gebe, die im Stande
und Willens seien, treugeleistete Dienste zu belohnen.
Da waren es die Bestrebungen der Gegenpartei, welche
die Wiener Regierung zwangen, aus ihrer zögernden Haltung
herauszutreten. Schon am 12. October hatte Volmar die An-
kunft eines französischen Officiers gemeldet, der im Interesse
Frankreichs bei den Fürsten des Reiches zu verhandeln be-
auflagt sei, ^ und nur wenige Wochen später wusste er zu be-
richten, dass ein Abgesandter Ludwig XIV. bei Maximilian
Heinrich von Köln erschienen sei mit dem Ersuchen des fran-
zösischen Königs, in der Wahlangelegenheit sich nicht zu über-
eilen und fUr den Fall, dass die Vornahme der Wahl sich als
nothwendig erweisen sollte, unter keiner Bedingung seine
Stimme einem Mitgliede des Hauses Habsburg zu geben. ^
Auch von der beabsichtigten Sendung eines Franzosen in die
Reichsyersammlung, welcher gleiche Eröffnungen thun und
gegen die Wahl eines römischen Königs zu Lebzeiten Ferdi-
nand in. protestiren sollte, wusste Volmar zu berichten. * Und
> Weisung an Volmar, 12. October 1654. W.-A. (Wahlacten.)
' Ueber die Amaberger Ztisammenkunft vgl. Erdmannsdörffer, Graf Waldeck,
p. 257 ff.
3 Bericht Volmar^s vom 12. October 1654. W.-A. (Wahlacten.)
* Desgleichen vom 6. November 1654. W.-A. (Wahlacten.)
^ Desgleichen vom 12. November 1654. W.-A. (Wahlacten.)
88
um die Wiener Regierung, deren zögerndes Benehmen Volmar,
dem das Gutachten der kaiserlichen Räthe übersendet worden
war, durchaus nicht billigte, von der Noth wendigkeit energischer
Massregeln zu überzeugen, verfasste der kaiserliche Gesandte
gegen Ende des Monats November 1654 ein ausführliches
Memorial, in welchem er auf die Bemühungen Frankreichs hin-
wies, das Haus Habsburg zu vernichten, und den Nachweis zu
fuhren suchte, dass Mazarin's Vorspiegelungen nur dahin ge-
richtet seien, die Nachfolge im Reiche dem Könige von Frank-
reich oder einem Fürsten zu verschaffen, der vermöge seiner
Schwäche ganz von Frankreich abhängen würde. Zu gleicher
Zeit betonte Volmar, dass der Mainzer durchaus nicht für die
Verzögerung der Wahl bis nach Schluss des für den Mai
1656 berufenen Reichstages gestimmt, sondern blos die erfolgte
Huldigung in den Erblanden gefordert habe, bevor man zur
Wahl schreite. Und in entschiedenster Weise kehrte sich Volmar
gegen die Behauptung, als könnte die Berufung eines Kur-
fürstentages dem Kaiser grosse Gefahr bringen. Er wies dar-
auf hin, dass die Franzosen die Wahl nur so lange zu ver-
zögern wünschten, bis sie Spanien vollends besiegt und die
Kurfürsten auf ihre Seite gebracht haben würden, ,0b nun
auf solchen schlechten Fall zu warten,* schliesst Volmar seine
Au6einandei*setzungen, ,und ob man dann noch Zeit haben
wird, die Gemüther für sich zu stimmen, bezweifle ich sehr;
vielmehr steht zu besorgen, dass mit solcher Dissimulation die
Gemüther mehr alterirt und der Kurfürst von Mainz in die
Gedanken versetzt werden könnte, dass man seine consilia in
Winde schlage und wenig nachthue, welche dahin gehen, keine
Zeit zu versäumen, sondern zu trachten, die Kurfürsten zu ge-
winnen. Dieser Meinung gebe ich unmassgeblicher Meinung
meinen vollständigen Beifall, nicht zwar darum, damit Majestät
nicht den Wahltag ausschreiben, sondern bei ein und anderen
Kurfürsten die widrige consilia penetriren und mit guten Gründen
ablehnen könnte.' *
Das Gutachten Volmar's hatte nicht verfehlt, Eindruck
auf Ferdinand IH. zu machen. Er berief gegen Ende des
Jahres 1654 von Neuem seine hervorragendsten Minister zur
Berathung. Von ausschlaggebender Bedeutung für das Resultat
1 Gutachten Volmar's vom 20. November 1664. W.-A. (Wahlacten.)
89
derselben war, dass alle Räthe Ferdinand III. darin einig
waren, ein allzurasches Vorgehen könne nur schaden, und dass
es der Wahlsache förderlich sein würde, das von vielen deutschen
Fürsten gewünschte Bündniss zu gemeinsamer Abwehr der An-
griffe feindlicher Mächte in den Vordergrund zu rücken und
die Nachfolge Leopolds im Reiche als eines der zur Durch-
föhrang der Allianzpläne dienenden Mittel zu bezeichnen. Man
verhehlte sich allerdings am Wiener Hofe die Berechtigung der
von Vohnar angeführten Gründe fUr ein rasches Vorgehen
nicht, allein man glaubte doch unter den gegebenen Verhält-
nissen die Entscheidung innerhalb einer so kurzen Frist nicht
wagen zu dürfen, vor Allem deshalb, weil man der vollen
Unterstützung des Erzkanzlers noch immer nicht sicher zu sein
meinte. Wie vor Monaten, erhielt Volmar auch nun den Auf-
trag, an Johann Philipp heranzutreten und denselben um eine
bestinmite Erklärung darüber zu ersuchen, ob man die Wahl
vor oder nach dem ausgeschriebenen Reichstage vornehmen,
und ob Volmar bei seiner Reise an die Höfe der Kurfürsten
von ElöIu und Trier blos der Allianzfrage oder auch der
Successionsangelegenheit gedenken solle. Mit einem Worte,
man stellte auch jetzt, wie vor Monaten, dem Mainzer anheim,
zu entscheiden, was des Kaisers Interesse sei. ^ Johann Philipps
Antwort lautete nicht anders als die frühere. Er rieth noch-
mals. Alles zur Wahl vorzubereiten, mit Trier und Köln und
desgleichen mit Brandenburg zu verhandeln. '^ Eine bestimmte
&klämng über den Zeitpunkt der Vornahme der Wahl hat
er nicht abgegeben. Trotzdem glaubte die Wiener Regierung
aof diese neuen Betheuerungen der ernstlichen Absicht, Leo-
polds Wahl zu fördern, die Absendung Volmar^s an die Höfe
der beiden anderen geistlichen Kurfürsten wagen zu dürfen. ^
Als Volmar dem Erzkanzler von diesem Auftrage Mittheilung
* Votum deputatorum vom 21. December und Protocollum conferentiae vom
22. December 1654. W.-A. (Wahlacten.)
* Bericht Volmar's vom 14. Januar 1666. W.-A. (Wahlacten.)
' Votum deputatorum vom 30. Januar 1656. Volmar hatte Vollmacht, dem
Trierer bezüglich St. Maximins und der 40.000 Reichsthaler die besten
Versprechungen su machen. Eine goldene Kette, die dem Bruder des Kur-
Areten von Trier yersprochen worden war und die Volmar demselben nun
zu fiberbringen hatte, sollte Zeugniss ablegen, wie ernst es Ferdinand
mit seinen Versprechen nahm.
90
machte^ fand er denselben durchauß nicht so freundlich gesinnt,
wie er vermuthet hatte. Es stellte sich bald heraus, dass die An-
sichten der Wiener Regierung mit denen des Mainzers doch nicht
so ganz übereinstimmten. Insbesondere bezüglich der Verbindung
der Allianz- und Successionsfrage gingen die Pläne Ferdinand III.
und Johann Philipps auseinander. Während der Erstere forderte,
dass Volmar die Unionssache in den Vordergrund rücken und
der Successionsangelegenheit nur nebenher gedenken solle,
sprach sich der Letztere ftir das umgekehrte Vorgehen aus.
Dass die von dem Mainzer zur Rechtfertigung seines Ver-
haltens vorgebrachte Behauptung, er fürchte, die Franzosen
oder die Schweden könnten Kunde von den AUianzverhand-
lungen erhalten, nicht der wahre Grund dieser MeinungsdiflFerenz
wai*, kann uns, die wir des Mainzers Verhalten in der Allianz-
angelegenheit in jedem Momente zu verfolgen in der Lage
sind, nicht zweifelhaft sein. Volmar aber und die Minister in
Wien glaubten an der Aufrichtigkeit des Erzkanzlers um so
weniger zweifeln zu dürfen, als derselbe sich von Neuem bereit
erklärte, in der Wahlfrage die Sache des Kaisers zu vertreten,
und in der That sich bemühte, die Vertreter der einzelnen Kur-
fürsten für die Wahl Leopolds günstig zu stimmen. * Volmar
erhielt daher den Auftrag, nochmals mit Johann Philipp über
die Zweckmässigkeit seiner Reise an die Höfe der Kurfürsten
von Trier und Köln zu berathen und dieselbe erst dann an-
zutreten. ^ Ende März finden wir Volmar auf dem Wege zu
Karl Kaspar von Trier. Er fand denselben zurückhaltender,
als er vermuthet hatte. Der Trierer wurde nicht müde, von
den Bemühungen zu sprechen, die Frankreich aufwende, ihn
zu gewinnen, und wie standhaft er bisher allen Lockungen
widerstanden; er versäumte auch nicht, die Schwierigkeiten
zu betonen, die der Wahl Leopolds im Wege stünden, und wie
gewagt es für ihn wäre, ohne Kenntniss der Gesinnung der
übrigen Kurfürsten eine bindende Zusage in der Wahlange-
legenheit zu geben. Als Volmar darauf hinwies, dass Sachsen
für Leopold zu stimmen entschlossen sei ^ und dass Brandenburg
» Bericht Volmar's vom 13. Februar 1655. W.-A. (Wahlacten.)
2 Weisung an Volmar vom 24. Februar 1665. W.-A. (Wahlacten.)
3 Der Kurfürst von Sachsen, mit dem der Mainzer seit dem Beginne des
Jahres durch den Landgrafen von Uessen-Darmstadt und dessen Rath
Georg Dietrich verhandelte, hatte sich, wie sich aus der vom Mainaer dem
91
allem Anscheine nach mit Sachsen stimmen werde, verfehlte das
nicht, Eindruck auf Karl Kaspar zu machen ; er meinte, wenn
die Sache bei diesen beiden KurfUrsten so weit sei, könnte man
an die Berufung eines Collegialtages denken; seine Bedenken
worden aber dadurch nicht behoben. Noch am selben Tage
hat er Volmar in einer zweiten Unterredung einen genaueren
Einblick in seine Pläne und Ansichten ermöglicht. Er gedachte
der letzten Wahl und der schmählichen Behandlung, die ihm
bei derselben zu Theil geworden ; er betonte, dass er vorsichtiger
geworden, sich die Belohnung für seine Dienste zu sichern ent-
schlossen sei; er begann genau zu präcisiren, worum es ihm
eigentlich zu thun sei. Und um seinen Forderungen um so
grösseren Nachdruck zu verleihen, machte er Volmar von den
bedrohlichen Nachrichten Mittheilung, welche ihm vom Hofe
des Kurfürsten von Baiem zugekommen waren, in denen von
der Sendung Schlippenbach's, von den Plänen Frankreichs und
Schwedens den BaiernAirsten zur Annahme der ihm ange-
botenen Kaiserkrone zu vermögen die Rede war, und die mit
der Vermuthung schlössen, dass, falls Ferdinand Maria die Krone
aasschlagen sollte, Ludwig XIV. als Candidat für dieselbe auf-
treten würde. Als Volmar sich am Tage nach dieser Unter-
redung verabschiedete, betonte Karl Kaspar nochmals ^eine
Neigung filr den Kaiser und sein Haus, empfahl die Berufung
eines Collegialtages vor dem Reichstage, erklärte aber zu glei-
cher Zeit, er könne sich bezüglich der Person des zu Wäh-
lenden vor Berathung mit seinen CoUegen nicht entscheiden.
Volmar hörte die Rede des Kurfürsten ruhig an, dankte und
empfahl sich. Dass er keinen vollen Erfolg errungen, wusste
er, aber ehrgeizig, wie er war, die Wahl Leopolds allen Hin-
dernissen zum Trotze durchzusetzen, glaubte er seinem Hofe
mittheilen zu dürfen, man könne sich der Stimme des Trierers
Kaiser am 19. März übersendeten Correspondeuz ergibt, für die Förderung
der Wahl Leopolds aasgesprochen und gleichsam als Vorbedingung die
KrOnong in den EIrblanden gefordert (Schreiben des Landgrafen Georg
von Hessen-Darmstadt an Johann Philipp von Mainz, ddo. Meissen,
26. Februar 1655. W.-A. (Wahlacten.) Boineburg berichtet über Sachsen
in Ferdinand Khurtz am 18. März (W.-A. Wahlacten): ,Bei Chur-Sachsen
(sedsub rosa) ist alles richtig; auch ratione temporis et aetatis; Selbiger
wird sich certe mit Meinem gnädigsten Herrn in allem super ntgotio
electionis conformiren. . .*
92
für sicher kalten, falls man dessen billige Forderungen za be-
friedigen gewillt sei. *
Von Trier begab sich Volmar nach Bonn zum Kurfürsten
von Köln. Er bekam von demselben und dessen Räthen un-
gefUhr dasselbe zu hören wie in Trier. Nur klangen die Beden
hier viel schärfer, nur waren hier die Forderungen grössere,
nur wurde hier noch viel Beunruhigenderes von den Plänen
Frankreichs und Schwedens berichtet. Und auch hier blieb
es schliesslich dabei, dass der Kurf\irst sich nicht binden könne,
aber wenn irgend möglich seine Stimme im Interesse des
Hauses Habsburg abgeben werde, auch hier wurde die Ein-
bei*ufung eines CoUegialtages in nächster Zeit gerathen, auch
hier schliesslich Volmar mit Versprechen, aber ohne jedes
sichtbare Zeichen eines guten Willens entlassen.^ Viel be-
deutender als diese Verhandlungen mit Maximilian Heinrich
waren aber die geheimen UnteiTcdungen, die Volmar mit Franz
Egon von Fürstenberg in diesen Tagen geführt hat. Mit einer
ans Unglaubliche grenzenden Kühnheit hat dieser Mann bereits
damals nach beiden Seiten hin sein Spiel gespielt. Während
er mit Mazarin und den Vertretern Frankreichs am Hofe seines
Herrn in ununterbrochenem Verkehre stand, ihnen die besten
Versprechungen auf Förderung ihrer Pläne gab' und die
Wahrung des Geheimnisses zur ausdrücklichen Bedingung seiner
Mitwirkung machte, hatte er den kaiserlichen Bevollmächtigten
von den Absichten Mazarin's in Kenntniss gesetzt und eine
ganze Reihe von Documenten übergeben, welche Volmar in
den Stand setzten, seiner Regierung über die Umtriebe Frank-
reichs die Augen zu öffnen. In der That hat Volmar auch
nicht gezögert, dies zu thun, und im Interesse der Wahl Leopolds
dem Kaiser die sofortige Absendung eines wohlunterrichteten
Mannes an den Hof des jungen Kurfürsten von Baiern empfoh-
len. ^ Sein Schreiben rief am Wiener Hofe grosse Bewegung
hervor. Dass man daselbst von Frankreichs und Schwedens
Bemühungen in München gar keine Kenntniss gehabt haben
sollte, ist nicht zu glauben; denn abgesehen von den Mit-
1 Bericht Volmar*», ddo. Frankfurt, 24. April 1666. W.-A. (Wahlacten.)
3 Ebenda.
3 Vgl. unter Anderem auch Joachim, Die Entwicklung des Rheinbundes
Yon 1658, p. 61, Note.
* Bericht Volmar's vom 24. April mit BeiIngen; Tgl. weiter unten.
93
theilongen VoImar*8 musste man in Wien doch wohl auch von
Baiem selbst aus über die dortigen Verhältnisse unterrichtet
worden sein. Aber gewiss liess erst Volmar's ausführlicher
Bericht die Grösse der Gefahr, der man bisher entgangen^ und
jener, die noch drohte, erkennen. Man entschloss sich in Wien
sogleich im Sinne Volmar's, eine geeignete Persönlichkeit nach
München zu senden. < Dass die Wahl gerade auf den Reichs-
vicekanzler Ferdinands Ehurtz fiel, und dass dieser trotz seiner
Unpässlichkeit die Mission übernahm, zeigt am besten, wie be-
deutsam der Ausgang der Verhandlungen in München dem
Wiener Hofe schien. Ueber den Verlauf und das Resultat der
Khurtz'schen Sendung sind wir jetzt vollkommen unterrichtet. ^
Wir wissen, dass auch Baiem gegenüber das gemeinsame Ver-
theidigungswerk in den Vordergrund gerückt und gleichsam
nur als eine Voraussetzung und Folge desselben zu gleicher
Zeit die Wahl eines Sprossen des habsburgischen Hauses zum
romischen Könige in Vorschlag gebracht wurde. Wir wissen
femer, dass Ferdinand Ehurtz in München mit dem ersteren
Vorschlage gar kein und mit dem letzteren nur halbes Gehör
fand. Man leugnete in München nicht die grossen Gefahren,
die aus einem Interregnum dem Reiche erwachsen müssten,
allein man hielt es aus verschiedenen Rücksichten fUr durch-
aus unzeitgemäss, so ohneweiters f)ir die Wahl eines Eönigs
einzutreten, und empfahl ähnlich wie der Mainzer, Ferdinand HI.
möge sich vorerst der Zustimmung der Eurfürsten vergewissern,
dann aber auf das Schleunigste die Wahl durchftihren, bevor
Frankreich und Schweden den beabsichtigten Einspruch er-
beben könnten. Dass dabei Ferdinand Maria bezüglich der
Person des zu Erwählenden keine Zweifel aussprach, dass er die
Schwierigkeiten, welche der Wahl Leopolds im Wege standen,
ftbr leicht zu überwindende hielt, war nebst der Gewissheit,
dass Baiem den Werbungen Frankreichs und Schwedens gegen-
über taub geblieben, das erfreulichste Resultat dieser Sendung. ^
Zur Beschleunigung der Wahlverhandlungen haben die Er-
klärungen Ferdinand Marias aber nicht beigetragen. Da die
' Votam depntatonim vom 7. Jnni 1656. W.-A. (Wahlacten.)
' Vgl. Arndt Wilhelm, Zur Vorgeschichte der Wahl Leopold I. in den
Aufsätzen zum Gedächtnisse von Waitz, 1886, p. 577 ff.
* Die Hauptrelationen sind datirt: München, 29. Juli, 3. und 4. August
1655. W.-A. (Wahlacten.)
94
drohende Gefahr einer bairischen Candidatur sich als unb^rün-
det erwiesen hatte und von dieser Seite nichts mehr zu furchten
war, wurde der Wiener Hof vielmehr etwas zurückhaltender.
Nicht dass man die Sache aufgegeben hätte; man beschloss
auch weiterhin mit den einzelnen KurfUrsten zu verhandeln;
aber noch entschiedener als vorher wurde jetzt die Ansicht
ausgesprochen, dass die Frage der Einigung zu gemeinsamer
Vertheidigung in den Vordergrund gerückt werden müsse, und
das umsomehr, als nach Erledigung derselben im Sinne der
kaiserlichen Wünsche, die Wahl Leopolds eine reine Formsache
werden musste. Ganz in diesem Sinne wurde Volmar instruirt.
Er erhielt den Auftrag, bei den rheinischen Fürsten die Fort-
setzung der Berathimgen über die Allianz in Frankfurt, wo-
selbst der Reichsdeputationstag abgehalten wurde und wo daher
geheime Verhandlungen am unauflUlligsten gepflogeu werden
konnten, in Vorschlag zu bringen; unterdessen hoffte Ferdi-
nand in. die vorbereitenden Schritte zur Vornahme der Wahl
getroffen zu haben. ^
Allein wie täuschte sich die Wiener Regierung, wenn sie
auf Förderung ihrer Pläne bei den rheinischen Fürsten rechnete.
Der Kölner war ganz entschieden gegen eine Anlehnung an
den Kaiser, der Trierer äusserte sich dahin, man müsse nicht
alle Zeit an Oesterreich gebunden sein,^ und auch der Mainzer
zeigte sich ungleich zurückhaltender als vor einigen Monaten.
Und mit gutem Grunde. Durch die Unterzeichnung der Frank-
furter Convention war er Mitglied einer Einigung geworden,
deren Ziele in keinem Falle ganz mit jenen der kaiserlichen
Politik übereinstimmten, die unter Umständen sogar eine die
Pläne Ferdinand III. kreuzende Richtung annehmen konnte.
Johann Philipp wusste damals noch nicht, ob dies der Fall
sein werde ; er persönlich war nicht principiell gegen eine An-
lehnung an den Kaiserhof, ja wir dürfen annehmen, dass er
eine solche Verbindung der später erfolgten mit den Feinden
des Hauses Habsburg vorgezogen haben würde. Allein durfte
er wagen, bevor diese Angelegenheit entschieden war, bevor
man wusste, wo die in ihrer jetzigen Organisation gänzlich un-
zulängliche Allianz einen Rückhalt finden werde, die Geschicke
* Weiaung an Volmar vom 21. August 1655. W.-A. (Wahlaeten.)
» Bericht Volmar's vom 16. Juli 1655. W.-A. (Wahlaeten.)
95
der deutschen Nation durch die Wahl eines römischen Königs
aus Habsburgs Hause auf Jahrzehnte hinaus an diese Familie
zu knüpfen? Und um so weniger glaubte Johann Philipp dies
wagen zu dürfen, als auch die allgemeine Lage der Dinge es
ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen Interessen wenig
zweckmässig erscheinen liess, durch ein entschiedenes Eintreten
(für den Elaiser in der Allianz- und der Successionsfrage sich
den Folgen der dadurch bedingten Feindschaft Frankreichs
and Schwedens auszusetzen. Frankreich war — das wusste
der Mainzer — jetzt ungleich mächtiger als in den Jahren, da
um die Wahl Ferdinand IV. verhandelt worden war ; der innere
Zwiespalt war beigelegt und die grossen Kräfte des Reiches
standen ganz zur Verfügung des Mannes, der die Geschicke
Frankreichs leitete, und wie fest entschlossen Mazarin war, die-
jenigen KurftLrsten, die sich als treue Anhänger des Hauses
Habsburg erweisen würden, zu züchtigen, das musste der Kur-
filrst von Mainz aus dem Munde aller jener Männer vernommen
haben, die damals im französischen Interesse an deutschen
Höfen wirkten. Und nicht weniger war der Zorn und die
Bache jenes P&lzers zu fürchten, der durch die Gunst des
Geschickes Herrscher eines mächtigen Reiches geworden war
und mit seinen weitausgreifenden, vielumfassenden Plänen die
ganze Welt in Spannung hielt. Abwarten, dem Gange der
Ereignisse folgen und dann die Partei ergreifen, von welcher
grösserer Vortheil fUr das Reich und ftlr seinen Besitz zu erhoffen
war, das war der Plan Johann Philipps, der seinen Ausdruck
auch in den Erklärungen fand, die er dem kaiserlichen Be-
vollmächtigten gab. Denn wie er sich bezüglich der Allianz-
angelegenheit zu keinem den Wünschen des Wiener Hofes
ganz entsprechenden Entschlüsse bestimmen liess, wie er in
dieser Frage ein langsames, jeden Conflict vermeidendes Vor-
gehen empfahl, ^ so hielt er auch in der Wahlangelegenheit an
^inen früher geäusserten Ansichten fest und betonte von Neuem
die Nothwendigkeit, sich vorerst der Stimmen der Kurftlrsten
zu versichern.
In Wien haben des Mainzers Erklärungen voUen Beifall ge-
fimden. Man war daselbst noch immer von der aufrichtigen Er-
gebenheit des Erzkanzlers an den Kaiser und sein Haus überzeugt
' V^l. Pribram 1. c, p. 172 f.
98
um die Kaiserkrone bewerben, oder ob man von einer solc&en
Fortsetzung der althergebrachten Politik des habsburgischen
Hauses abstehen und in der Verwerthung der Kräfte nach einer
anderen Richtung hin Ersatz für die aus der Kaiserwürde ent-
springende Machterweiterung suchen solle. Es hat an Gründen
für das Einschlagen des letzteren Weges nicht gefehlt. Dass
die Kaiserkrone, wie die Verhältnisse lagen, mehr Nach- ab
Vortheile wenigstens für die erste Zeit bringen werde oder doch
bringen könne, mussten selbst die begeistertsten Anhänger der
Kaiseridee zugestehen; dass die Mühen und Kosten, sie fiir
einen Sprossen des Hauses Habsburg zu erlangen, grosse, ja
ungeheure sein würden, konnte Keiner leugnen, dem die Ver-
hältnisse bekannt waren, unter denen die Wahl Ferdinand IV.
stattgefunden hatte und der diese Verhältnisse mit jenen ver-
glich, unter denen jetzt die Erhebung eines Habsburgers auf
den Kaiserthron erfolgen sollte. Und kaum war einem öster-
reichischen Herrscher jemals eine so günstige Gelegenheit ge-
boten, ein grosses, im Osten und Westen Europas gleich
mächtiges Habsburgerreich zu gründen, als in diesem Augen-
blicke, wo die Polen den jungen Herrscher zu Hilfe riefen,
indem sie ihm die Krone zu Füssen legten, wo die Heirat
Leopolds mit der Erbin der grossen spanischen Monarchie den
Erwerb dieses ungeheuren Ländercomplexes in Aussicht stellte
und die immer trüberen Verhältnisse im Innern des Osmanen-
reiches die berechtigte Hoflfnung auf die gänzliche Vernichtung
der Türkenherrschaft in Europa gewährte.
Allein gegen alle diese Gründe Hessen sich Gegengründe
vorbringen. Jenen, welche die Nachtheile hervorhoben, die aus
der Annahme der Kaiserwürde entspringen mussten, konnte man
getrost erwidern, dass Oesterreichs Herrscher niemals eine so
hervorragende Stellung in der europäischen Staatenwelt einge-
nommen hätten, wenn die Kaiserkrone nicht ihr Haupt ge-
schmückt haben würde und dass der voraussichtliche momen-
tane Nachtheil, der doch wohl vornehmlich in der Absorbirung
der Kräfte gesehen werden konnte, bei weitem durch die Vor-
theile überwogen werden musste, welche dem österreichischen
Herrscher durch die Erlangung der Kaiserkrone erwachsen
würden. Und dann, hätten die Habsburger das Streben nach
der höchsten weltlichen Würde der Christenheit aufgeben
können, ohne damit zuzugestehen, dass sie sich unfähig und
97
za' Stande. Starhemberg^ der nach Berlin gesendet wurde,
fand Friedrich Wilhelm mitten in den Vorbereitungen zum
Kampfe um die Erhaltung seines Besitzes. Was der Gesandte
Ferdinands dem Kurfürsten als Preis einer Einigung mit dem
Kaiser anbieten konnte, schien dem Brandenburger zu gering;
was dieser forderte, Antheilnahme am Kriege gegen Karl Gustav,
wollte und konnte der Kaiser nicht zugestehen. Damit war die
Möglichkeit einer Verständigung ausgeschlossen. Und diese Ver-
hältnisse änderten sich im Laufe des Jahres 1656 keineswegs
zu Ghinsten Ferdinands m. Der KurfUrst von Brandenburg sah
sich vielmehr genöthigt, in immer engere Beziehungen zu dem
Schwedenkönige zu treten, von dem allein er die Befriedigung
seiner Wünsche erhoffen durfte. Je inniger aber seine Verbindung
mit Karl Gustav wurde, desto weniger war von ihm eine För-
derung der Successionspläne Ferdinand DI. zu erwarten. Unter
solchen Umständen, wo die geistlichen Kurfürsten sich dem
Kaiser immer mehr entfremdeten, die Kurfürsten von Branden-
barg imd von der Pfalz sich ganz entschieden den Gegnern
Oeaterreichs angeschlossen hatten, schien es Ferdinand HI. und
seinen Käthen am zweckentsprechendsten, die Successionsfrage
gar nicht zu berühren, umsomehr als sie die Wahl eines anderen
Fürsten — nach den Erklärungen Ferdinand Marias — in diesem
Momente nicht ftlrchten zu müssen glaubten. Die Angst, durch
ein energisches Vorgehen zu ungelegener Zeit das ganze Unter-
nehmen zu geMirden, die Hoffnung, dass eine günstigere Ge-
legenheit sich ergeben werde, und die Ueberzeugung durch
Zögern nichts zu verlieren, sind die Gründe, welche das Still-
schweigen der Wiener Regierung und ihrer Vertreter in jener
Zeit erklären.
2.0eiterreioh8 Politik in der Wahlfrage vom Tode Ferdinand HI. an.
a. Allgemeines.
Für die österreichische Regierung war es in dem Momente,
wo durch den Tod Ferdinand HI. die Wahlfrage zu einer
brennenden wurde, eine Sache von der allerwesentlichsten Be-
dentang, eine principielle Entscheidung darüber zu treffen, ob
Leopold oder ein anderer Sprosse des Hauses Habsburg sich
AxcUt. Bd. LXXHL 1. H&lfta. 7
100
Einflusses am Wiener Hofe galt. ^ Er verkannte die Bedeutung
der Fortdauer der Kaiserwürde im Hause Habsburg für das-
selbe keineswegs, er hat sich ganz ausdrücklich dagegen ver-
wahrt; als sei er ein Anhänger der Richtung, welche das
Streben nach der Kaiserkrone als eine schädliche Sache be-
zeichnet hatte. ^ Allein er glaubte doch dem jungen Könige
den Erwerb der spanischen Monarchie als empfehlenswerther
hinstellen zu sollen. ,Primum fundamentum sei/ so äusserte
er sich in der Sitzung des geheimen Rathes am 6. Mai, ,dass
man alle Gedanken zusammentrage ratione monarchiae Hispa-
nicae obtinendae mediante matrimonio. Secundum fundamentum
sei, wann dieses nicht zu erheben, dass man aufs wenigist der
römischen Cron gesichert sein möge. Eins und anders müsse
Mittheilungen über die Parteiverhältnisse am Wiener Hofe enthalten
die Berichte des auch über den Verlauf der Wahlangelegenheit vortreff-
lich unterrichteten venetianischen Gesandten Nani. Am 23. Juni be-
richtet derselbe von der Ernennung Portia's zum ersten Minister; Aners-
perg habe beschlossen, sich zurückzuziehen, werde aber von seinen
Freunden gedrängt, auszuharren, da Portia bei seinem Alter und seiner
Unfähigkeit den verantwortungsvollen Posten eines leitenden Ministers
nicht lange werde behalten können. Wie Nani meldet, war die Wahl
Portia's mit in erster Linie durch Schwarzenberg erfolgt, der in der
Voraussicht, selbst die Würde eines Obersthofmeisters nicht erlangen zu
können, gegen Auersperg, seinen Feind, die Wahl Portia^s beförderte.
(Bericht Nani's, 23. Juni. W.-A. Venetianische Gesandtschaftsberichte,
vol. 57.)
1 Für die engen Beziehungen Auersperg's zum spanischen Uofe führe ich
an, dass La Fuente, der spanische Gesandte, erklärte, mit Niemand
anderem als mit Auersperg verhandeln zu wollen (V.-G.-B., vol. 57,
Bericht Nani's vom 27. April) und wiederholte, allerdings vergebliche
Versuche machte, für Auersperg bei Leopold Wilhelm zu wirken. Leo-
pold Wilhelm erwiderte: ,L' aversione del Rk verso il Prencipe esser
tale, che non occorreva parlarne et ch' essendo S. M. in etit giovanile
non era bene irritarla con fargli credere, che si volesse forzar il suo
gusto*.
2 Conferenzprotocoll, 6. Mai 1657. W.-A. (Wahlacten.) Die betreffenden
Worte lauten : Es weren für diesem und noch discurs gefUhret, das dem
hochlöbl. Ertzhauß die Rom. Cron mehr schädtlich al5 nüUlich were;
indeme Ihre Mt. nit allein keinen nutzen darvon zu gewarten betten,
sondern auß Ihren Erblanden die Kay. dignitet zu erhalten milionen
spendiren muessten. Er begerte diesen Tag nit zu erleben und alfttoiP
wflrde man erst sehen, in was für einen streit man mit
tione privilegiorum et jurium domus gerathen würde.
101
mit solcher Behutsamkeit und Circumspection tractirt werden,
dtmit man nicht zwischen zwei Stühlen niedersitze, welches
dann geschehen dürfte, wann mans nicht zur rechten Zeit
n^tiirte.' *
Auersperg und seine Anhänger haben sich bei dieser
Gelegenheit nicht darüber ausgesprochen, wem sie, im Falle die
spuiische Heirat zu Stande kommen sollte, an Stelle Leopolds
als Candidaten für die Kaiserkrone aufstellen würden ; allein
es kann kein Zweifel sein, dass man in diesem Falle in erster
Linie an des Königs Oheim, an Leopold Wilhelm, hätte denken
müssen. Für ihn sprach sein Alter und seine Vergangen-
heit Er hatte sich als tüchtiger Heerführer gezeigt, hatte
seh Jahren an den wichtigsten* politischen Verhandlungen An-
theil genommen, und erfreute sich des Rufes eines Fürsten,
der föhig sei, das Reich in. stürmischen Tagen gegen alle
inneren und äusseren Gefahren zu schützen. Für ihn sprach
ferner der Umstand, dass alle jene Einwände, die gegen die
Wahl Leopolds erhoben werden konnten, bei Leopold Wilhelm
nicht in Betracht kamen, dass daher die Wahl des letzteren
ungleich leichter bei den Kurfürsten durchzusetzen sein würde,
als die des jungen Königs von Ungarn und Böhmen. Dass
dieser nicht so leicht dareinwilligen werde, für seine Person
auf die Krone zu verzichten, war vorauszusehen. Auf ihn, den
lljahrigen, der nach Jünglingsart die Dinge von der heiteren
Seite betrachtete, und der Schwierigkeiten leicht Herr zu
werden hoffte, musste der Gedanke die Kaiserkrone zu tragen,
die das Haupt so vieler seiner Vorfahren geschmückt hatte
und die ihn zum ersten Fürsten der Christenheit machte, mit
nnwiderstehlicher Gewalt wirken. Allein man hoffte ihn, falls
die spanische Heirat beschlossen werden sollte, von der Noth-
wendigkeit zu überzeugen, dem grösseren Gewinne zu Liebe
auf den geringeren zu verzichten. Eine Folge dieser Erwä-
gungen war denn auch der Vorschlag der Räthe in jener
Sitzung vom 6. Mai, von ernsten Verhandlungen in der Wahl-
angelegenheit abzustehen, bis man über die Aussichten der
Vermählung Leopolds mit Maria Theresia im Klaren sei. Da
aber die ersehnte Zustimmung des spanischen Königs ausblieb,
dagegen die Nachricht von der Schwangerschaft der Königin
U Tom 6. Mai 1657. W.-A. (Wahlacten.)
102
einlief, ' welche die Hoffnung auf die Beerbung Philipp IV.
möglicherweise vernichten konnte, das Benehmen der Kur-
fürsten aber ein energisches Vorgehen nothwendig erscheinen
liess, wurde der Beschluss gefasst, die Wahl Leopolds mit
allen zu Gebote stehenden Mitteln zu befördern und die spani-
sche Heiratsfrage vorerst ein wenig ruhen zu lassen. *
Die Candidatur Leopold Wilhelms war damit noch nicht
cndgiltig aufgegeben. Das Project derselben tauchte vielmehr
bald nachdem die spanische Partei sich flir die Beförderung
der Wahl Leopolds entschlossen hatte, von Neuem auf. Ins-
besondere Graf Schwarzenberg, der entschiedene Gegner Spa-
niens und Auersperg's, war unermüdlich in diesem Sinne thätig.
Dasß persönliche Motive, die Hoffnung, als Obersthofmeister
Leopold Wilhelms, falls dieser Kaiser werden sollte, die her-
vorragendste Rolle am Hofe zu spielen, den ehrgeizigen Mann
in erster Linie bestimmt hat, ist gewiss. ^ Aber niemals hätte
er gewagt, die Erfüllung dieser Wünsche zu hoffen, wenn ihm
nicht die äusseren Umstände die Durchführung seines Planes als
möglich hätten erscheinen lassen. Insbesondere in jenen Tagen,
da die Anwesenheit des mainzischen Rathes Blum, dem Wiener
Hofe zu erkennen gab, wie ernst es die geistlichen Kurfürsten
mit der Candidatur Leopold Wilhelms meinten, ^ hat Schwarzen-
berg mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln dem Ge-
danken der Wahl des Erzherzogs zum Siege zu verhelfen ge-
sucht. Dass Leopold selbst nicht leicht einwilligen werde^
wusste er, aber er glaubte den Widerstrebenden durch den
Vorschlag gewinnen zu können, dass Leopold Wilhelm nach
einigen Jahren der Regierimg, sobald Leopold das zur Wahl
nothwendige Alter erreicht und die Stürme, welche in diesem
Momente das Reich durchtobten, sich gelegt haben würden,
J Berichte Nanfs vom 2. und 9. Juni 1657. W.-A. V.-G.-B. In dem
letzteren Schreiben betont Nani ganz ausdrücklich, dass die Nachricht
von der Schwangerschaft der spanischen Königin die Wiener Regierung
zur energischen Förderung der Wahl Leopolds vermocht habe.
2 Votum deputatorum, 1. Juni 1657. W.-A. (Wahlacten.)
3 Ftlr die Stellung Schwarzenberg's in der Wahlangelegenheit vgl. Wolf,
Lobkowitz, 86 ff. nach dem Diarium Schwarzenberg's. Im Allgemeinen
ist Wolfs Darstellung von geringem Werthe, nicht so sehr wegen der
nicht seltenen Irrthümer, sondern vornehmlich durch die gänzliche
Ausserachtlassung der wesentlichsten Punkte.
* Vgl. weiter unten p. 107 ff.
103
2u Gkinsten Leopolds auf die Kaiserwürde verzichten werde. *
Aber trotz all' dieser Bemühungen Schwarzenberg's und der
Unterstützung, die seinem Plane von verschiedenen Seiten zu
Theil wurde, ist derselbe gescheitert ; vornehmlich daran, dass
der junge König von der Uebertragung der Krone auf ein
anderes Mitglied seines Hauses nichts wissen wollte und jede
(jebietsabtretung an seinen Onkel verweigerte, die zur Bestrei-
tung der grossen Kosten, welche zur Wahrung der Würde eines
Kaisers nothwendig waren, gefordert wurde; dann aber auch
weil alle Jene, welche den Charakter der deutschen Provinzen
Oesterreichs in Betracht zogen, welche die Stellung Oesterreichs
im europäischen Staatensysteme erwogen, von der Ueberzeugung
durchdrungen waren, dass die Uebertragung der Kaiserwürde
auf einen anderen Sprossen des Hauses Habsburg nicht nur
diesem selbst, sondern auch dem ganzen Staate zum Verderben
gereichen musste.
Wie Leopold Wilhelm persönlich von der Sache dachte, ist
schwer zu sagen. Er hat sich, darüber kann kein Zweifel sein,
schliesslich ganz offen für die Sache seines Neffen erklärt. Neben
der Rücksicht auf das Familieninteresse und auf sein Ferdi-
nand ni. gegebenes Versprechen, für die Sache Leopolds einzu-
treten — er selbst hat dies als die ausschlaggebenden Ghünde seiner
Verzichtleistung bezeichnet — dürfte doch auch die Erwägung
auf die Entscheidung des Erzherzogs eingewirkt haben, dass
er auf friedlichem Wege von seinem Neffen nichts erwarten
und gegen dessen Willen auf die Dauer die Zügel der Re-
gierung führen zu können, nicht hoffen durfte. ^ Wie dem
' Bericht Nani's vom 29. Au^st 1667 (W.-A. V.-G.-B. vol. 58). Am
10. October meldet derselbe Gewährsmann, dass man Schwarzenberg,
dessen Plan der Erhebung Leopold Wilhelms gänzlich gescheitert sei,
an den Berathangen des geheimen Rathes in der Wahlfrage nicht theil-
nebmen lasse.
^ Leopold Wilhelms Aeusserungen, die uns erhalten sind, lauten sämmtlich
zu Gunsten seines Neffen. Vgl. insbesondere weiter unten seine Erklä-
rungen an Blum. An seine Schwester, die verwittwete KurfUrstin von
Baiem schrieb er am 2. Juli: ,Ich liebe den König wie einen Sohn und
er liebt mich hinwider inniglich*. (W.-A. Bavarica.) Und Maximilian
Kburtz schreibt seinem Bruder, dem Reichsvicekanzler, am 25. November
(W.-A. Bavarica), er freue sich aus dessen Correspondenz zu entnehmen,
dass das gute Verhältniss zwischen Leopold und seinem Oheim ,conti-
nuire*. Doch liegen uns vertrauenswürdige Mittheilungen vor (Wolf,
104
aber auch sei, gewiss ist, dass mit der Verzichtleistang Leo-
pold Wilhehns die Einigung im Hause Habsbui^ hergestellt
war. Denn was dem Oheim des Königs nicht gelungen war,
durfte der Vetter in Tirol noch viel weniger durchzusetzen hoffen.
Sobald man am Wiener Hofe sich über die Person ge-
einigt hatte, für die der Kampf um die Krone aufzunehmen
sei, ging man daran, einen klaren Ueberblick über die Kräfte
zu gewinnen, auf die man in dem heftigen Streite rechnen
könne, der mit den Gegnern des Hauses Habsburg zu erwarten
war. Das Ergebniss war kein gerade ermuthigendes. Eine
reele Unterstützung durfte man nur von der Krone Spanien
erhoffen, Dass der Papst für Leopold eintreten werde, wnsste
man^ aber seine Hilfe konnte nur eine moralische sein. Von
dem verbündeten Polenkönige und von Friedrich HI. von
Dänemark, mit dem der Wiener Hof damals in Verhandlungen
stand, war gleichfalls Unterstützung zu erwarten, aber auch
diese konnte nur eine untergeordnete sein. Die Hauptlast —
darüber konnte man sich nicht täuschen — fiel dem Herrscher
Oesterreichs zu, dessen finanzielle Lage eine überaus misslicfae
war, und den die Verhältnisse im Norden und Osten Europas
zu möglichster Concentrirung seiner Kräfte zwang. Gegen
Leopold aber standen Frankreich, Schweden, England und
eine ganze Reihe deutscher Fürsten. Und unter den Kur-
fUi-sten, von deren Entscheidung die Wahl abhing, konnte Leo-
pold von vorneherein nur auf die Stimme des Sachsen rechnen;
von den Uebrigen war grösserer oder geringerer Widerstand
zu erwarten, der nicht ohne grosse Zugeständnisse überwunden
werden konnte. Unter diesen Verhältnissen hat die Wiener
Regierung den Kampf begonnen.
Lobkowitz, 88), auch Nachrichten Nani's, welche auf eine Erkaltung
der Beziehungen zwischen beiden Fürsten hinweisen. Es scheint, dass
in jenen Wochen, da Blum in Wien weilte und das Project der Wahl
Leopold Wilhelms die besten Aussichten auf Verwirklichung hatte, der
junge König trotz air der Versicherungen seines Oheims diesen ge-
fürchtet hat. Nachdem dann die Candidatur Leopold Wilhelms fallen
gelassen war, trat wieder das gute Verhältniss ein, von dem Ferdinand
Khurtz seinem Bruder Mittheilung machte. Vgl. auch die Historia di
Leopoldo Cesare von Priorato, Bd. I, p. 86 f.
105
b. Verhandlungen mit den geistlichen Kurfürsten.
a. Mainz.
Von vorneherein war man in Wien darüber im Klaren,
dass die Haltung des KurfUrsten von Mainz in der Wahlfrage
den Ausschlag geben werde. Um so bitterer empfand man da-
selbst die Erkenntniss, dass man, wie die Verhältnisse lagen,
von Johann Philipp von Schönborn sich nicht allzuviel ver-
sprechen durfte. Die Verhandlungen, die Ferdinand HI. um
die Nachfolge im Reiche gepflogen, hatten zu keinem Ergeb-
nisse geführt und was in den letzten Monaten in der Allianz-
angelegenheit sich ereignet, konnte nur dazu beitragen, die
angünstige Meinung, die am Wiener Hofe über Johann Philipp
herrschte, zu bestärken. Und doch glaubte man daselbst
an der deutschen Gesinnung des Erzkanzlers nicht zweifeln
zu dürfen. Es galt also, sich Klarheit über Johann Philipps
Neigungen und Pläne zu verschaffen. Isaac Volmar, der vor
Jahren bereits in der Wahlangelegenheit intervenirt hatte und
in diesem Momente den Kaiser beim Deputationstage vertrat,
erhielt Befehl sich zum Mainzer zu begeben, sich über die
Pläne desselben zu informiren und ihn an sein vor Jahren ge-
gebenes Versprechen zu erinnern. ' Johann Philipp zeigte sich,
als Volmar an ihn herantrat, nicht gerade sehr freundlich ge-
sinnt Er betonte den üblen Eindruck, den die oflFene Unter-
stützung der Spanier durch die Oesterreicher aller Orten hervor-
gerufen ^ und die Gefahr, in welche Leopold ihn und die übrigen
^ Weisung an Volmar, 16. Mai 1657. W.-A. (Wahlacten.)
^ Leopold und seine Anhänger haben behauptet, Ferdinand III. habe nur
nach den Bestimmungen der Wahlcapitulation gehandelt, als er zur Er-
hsltang eines so bedeutenden Reichslehens wie Mailand, Truppen dahin ge-
sendet habe, dass man denselben daher nicht mit Recht des Friedensbruches
seihen könne. Leopolds Vorgehen aber wurde mit der grossen Gefahr
entschuldigt, der er und ganz Europa ausgesetzt gewesen wäre, falls er
die im Mailändischen befindlichen Truppen zurückgezogen hätte. (Haupt-
instrnction für Oettingen von 23. Juni 1657. W.-A. Wahlacten.) lieber
diese und alle übrigen den Streit Frankreichs und Oesterreichs be-
treffenden Fragen gibt es eine umfassende zeitgenössische Literatur.
Die meisten Flugschriften, die vor und während der Wahlverhandlungen
erschienen sind, beschäftigen sich mit diesen Dingen. Die officiellen
fieschwerdeschriften Frankreichs und Erwiderungen Oesterreichs sind
▼iel&ch gedruckt, so unter anderen Theatrum Europaeum YIII.
106
rheinischen Fürsten dadurch stürze; auch die BegtUistigang
des Heidelberger KurfUrsten durch den Wiener Hof hielt der
Mainzer dem kaiserlichen Gesandten vor. Auf die Erklärungen
des letzteren bezüglich der Wahl Leopolds erwiderte Johann
Philipp, indem er die Minorennität des jungen Königs und die
spanische Heiratsangelegenheit als besonders schwer zu über-
windende Hindemisse bezeichnete,^ zu gleicher 2^it aber weitere
* Wenn auch zu Lebzeiten Ferdinand III. und während des Interregnums
von der Minorennität Leopolds viel gesprochen und geschrieben wurde,
so ist doch nicht zu ersehen, dass diese Frage bei irgend einem der
Kurfürsten mehr als ein Vor wand gewesen ist, eine ausweichende Er-
klärung zu rechtfertigen. Die Flugschriften der Zeit beschäftigen sich
auch mit dieser Frage. In Wicquefort's vielgelesenem Discours historique
wird p. 289 das passive Wahlrecht Leopolds zugestanden. Unter Leo-
polds Käthen war es insbesondere Volmar, der sich die grOsste Mühe
gab, aus allen möglichen Werken den Nachweis zu erbringen, dass die
Minorennität durchaus kein Hindemiss des passiven und activen Wahl-
rechtes bilden könne. Er fand in diesem Bestreben an dem kurtrierischen
Kanzler Anethan einen gelehrten Genossen. Sehr richtig betont übrigens
Leopold in der Instruction für Oettingen vom 23. Juni (W.-A. Wahl-
acten), dass der Erzkanzler das active Wahlrecht Leopolds durch die Ein-
ladung des böhmischen Königs zugestanden habe. In dieser Instruction
weist Leopold auch die Einwände, die gegen seine Wahl erhoben werden
könnten, zurück. So den, dass er sich im Kriege mit Schweden befinde,
durch die Bemerkung, dass er den Polen nur die Sicherung ihres Landes
versprochen und den Krieg von Deutschland abzuhalten sich verpflichtet
habe. Zugleich hatte Oettingen Befehl, zu erklären, Leopold habe ebenso-
wenig die Absicht die Krone von Polen zu erwerben als sein Vater. Sehr
bezeichnend lautet die Stelle bezüglich der spanischen Heirat. Es sei
richtig, sollte Oettingen den Fragenden erwidern, dass zu Lebzeiten
seines Vaters an die spanische Heirat gedacht worden sei, nachdem aber
die Schwester Leopolds und sein Vater gestorben seien, der König von
Spanien gesund und erst 53 Jahre alt, die Königin jung sei und schon
viele Kinder zur Welt gebracht habe, begreife Leopold nicht, wie man
so viel Aufsehens von dieser Angelegenheit machen könne. Zu gleicher
Zeit erklärte Leopold, Deutschland in keinem Falle verlassen zu wollen.
,Endlich aber,* fährt die Instruction fort, ,wann unsere Gesandten ver-
spüren sollten, dass kein ander Mittel und Remonstration dieselbe ans
diesen Gedanken zu bringen statt und platz finden wollte, so sollen sie
ad extremum und wann das Werk allein daran haften und anderer
Gestalt nit zu erheben sein würde, mit diesem Vorschlag herausgehen,
dass wir zufrieden, wann sich der casus bei uns oder unsern aus dieser
Heurat verhoffenden Kindern begeben sollte, dass diese zwo Potenzen,
auf ein Person fallen sollten, uns zu Reversion die eine von uns za
lassen und dass auch derentwegen in der königlichen Wahlcapitulation
einige Fürsehung beschehen möchte.*
107
Berathangen mit seinen Mitkurfbrsten in Aussicht stellte. Kurz
er gab eine ausweichende Antwort, die so gut wie nichts be-
sagte. * Wenige Tage darauf erfuhr Vohnar noch viel Unan-
genehmeres. Franz Egon von Fürstenberg, der seine Hände
auch jetzt in der Wahlangelegenheit hatte und nach beiden
Seiten hin um Belohnung aussah, theilte dem kaiserlichen Ge-
sandten mit, der Erzkanzler sei entschlossen, die Wahl des
Erzherzogs Leopold Wilhelm zu fördern. ^ Dass des Ftlrsten-
bergers Rede auf Wahrheit beruhte, zeigte sich alsbald. In
den ersten Tagen des Jidi erschien der in der Wahlangelegen-
heit von Johann Philipp vielbeschäftigte kurmainzische Rath
Blum in Wien. Er betonte, dass die Wahl Leopolds auf un-
überwindliche Schwierigkeiten stossen dürfte, und bezeichnete
die Minorennität des jungen Königs, den Plan einer Heirat
desselben mit der Erbin der spanischen Krone, die Verhält-
nisse in Mailand und im Elsass als die vornehmsten derselben.
Er hob hervor, dass von all* diesen Bedenken kein einziges
gegen die Wahl Leopold Wilhelms geltend gemacht werden
könnte, dass vielmehr durch dessen Erhebung auf den Kaiser-
thron das Hausinteresse gewahrt und zu gleicher Zeit Leopold
die Möglichkeit geboten werde, seine Macht nach allen Seiten
hin frei zu entfalten. Und um die letzten Bedenken des jungen
Königs und der österreichischen Räthe zu beseitigen, betonte
er, wie Schwarzenberg dies gethan, die Möglichkeit, die Nach-
folge Leopolds durch dessen in wenigen Jahren leicht zu be-
werksteUigende Wahl zum römischen Könige zu sichern.
In ganz bestimmter Weise hat Erzherzog Leopold Wil-
helm das ihm gemachte Anerbieten abgelehnt. Er erklärte
dem Abgesandten des Erzkanzlers, er danke fUr das ihm ent-
gegengebrachte WohlwoUen, könne aber von dem Antrage
keinen Gebrauch machen, da er die zur würdigen Verwaltung
des kaiserlichen Amtes nothwendigen Mittel nicht besitze und
vom Könige nicht fordern könne. Er fügte hinzu, dass er die
Würde eines Kaisers nicht erstrebe, vielmehr entschlossen sei,
dem von seinem Bruder auf dem Sterbebette geäusserten
' Bericht Volmar'» vom 29. Mai 1657. W.-A. (Wahlacten.)
5 Desgleichen vom 9. Juni 1667. W.-A. (Wahlacten.) Was Adam Wolf,
Lobkowitz, p. 86, von der Initiative Frankreichs bei der Candidatur
Leopold Wilhelms behauptet, ist ein grober Irrthum. Vgl. weiter unten.
108
Wunsche entsprechend^ die Wahl seines Neffen zu fördern,
und dass er es daher als ein Zeichen besonderer Freundschaft
ansehen würde, wenn der Kurfürst von Mainz diese Neigung
auf den jungen König von Ungarn und Böhmen übertragen
würde.
So deutlich aber auch diese Erklärung war, Blum gab
sich mit derselben nicht zufrieden. & hat den kaiserlichen Mi-
nistem seinen Missmuth zu erkennen gegeben und obgleich auch
diese, vor allem Auersperg, Khurtz und Portia, ihn fUr den
Plan der Wahl Leopolds zu gewinnen suchten, blieb er dabei,
dass sein Herr, eher als sich in einen Krieg einzulassen, der
bei der Wahl Leopolds zu fürchten sei, ,sich eines andern
resolviren und ausser des Hauses gehen würde*. ^
Die feste Haltung Blum's, der auch bei einer zweiten
Unterredung allen Auseinandersetzungen Leopold Wilhelms
gegenüber stumm blieb und die Achsel zuckte, verfehlte nicht
Eindruck auf den Wiener Hof zu machen. Man bescbloss,
La Fuente, den Vertreter Spaniens in Oesterreich, um Rath
anzugehen. Dieser nahm die Sache bei Weitem leichter als
die kaiserUchen Minister. Er meinte, wenn nur der Kur-
fürst für das Haus zu stinmien entschlossen sei, werde sich
alles ordnen lassen. Die Bedenken, die Blum gegen die
Wahl Leopolds erhoben hatte, glaubte er leicht beseitigen
zu können. & wies auf die Unwahrscheinlichkeit hin, dass
Leopold, selbst wenn er Maria Theresia heimführe, die Nach-
folge in Spanien erlangen werde, und erklärte sich damit ein-
verstanden, dass anstatt der Absendung österreichischer Truppen
nach Mailand — was als einer der Hauptgründe gegen die
Wahl Leopolds galt — den Spaniern blos die Ermächtigung
zur Werbung von Soldaten in den Erblanden ertheilt werde.
Ja er behauptete, man brauche die Franzosen überhaupt nicht
zu fürchten; sie seien von den Spaniern so in die Enge ge-
trieben, dass man ihrerseits eine Offensive gegen Deutschland
nicht zu erwarten habe. Diese Aeusserungen La Fuente's,
insbesondere aber der Hinweis auf das Geld, das er zur För-
derung der Wahl Leopolds aufzuwenden befehligt sei, gab der
> »Votum depaUtomm ueber des Churmainiischen Abgeordneten Blnms
Anbringen in negotio snccessionis Am Reich.' 12. Jnli 1657. W.-A.
(Wahlacten.)
109
Wiener Regierung den Muth, Blum abzufertigen. In Überaus
höflicher^ aber ebenso entschiedener Weise theilten Fortia und
Ehurtz dem Abgesandten Johann Philipps am 14. Juli den
festen Entschluss des Königs und des Erzherzogs mit^ bei dem
gefassten Plane zu beharren^ mit allen Kräften die Wahl Leo-
polds zu fördern^ indem sie zu gleicher Zeit ganz mit denselben
Argumenten die La Fuente gebraucht die Haltlosigkeit der
kurfürstlichen Einwände darzulegen suchten. Blum musste sich
%en. Er nahm die Erklärungen des Wiener Hofes entgegen,
blieb aber bis zum Schlüsse bei der Ansicht^ dass die Schwierig-
keiten bei der Wahl Leopolds unüberwindliche seien. ^
Johann Philipp war über das Benehmen des Wiener Hofes
sehr angehalten. Er hat den kaiserlichen Qesandten Volmar
and Oettingen^ als diese ihm mit dem Vorschlage eines von
den gesammten Kurfürsten des Reiches abzuschliessenden Ver-
trages nahten, durch welchen den von Johann Philipp fiir den
Fall der Wahl Leopolds geltend gemachten Gefahren begegnet
werden sollte, erwidert, er könne von einem solchen Vertrage
nichts Gutes erhoffen, da die Franzosen niemals ihre Zustimmung
zum Abschlüsse desselben geben würden, er sehe vielmehr
nach wie vor keinen andern Ausweg als die Wahl Leopold
Wilhelms, die, wie er denke, auch dem Papste genehm sein
werde. 2
Auf den Wiener Hof machten diese Aeusserungen des
Mainzers, mit denen zu gleicher Zeit ähnliche der beiden an-
deren geistlichen KurfUrsten einlangten, einen niederschmettern-
den Eindruck. An der Aufrichtigkeit der Erklärungen Johann
Philipps glaubte man nicht zweifeln zu können. Man hatte am
Wiener Hofe keine Ahnung davon, dass in denselben Tagen,
wo diese ungünstigen Nachrichten in Wien eintrafen, Mit-
theilongen ähnlicher Art Mazarin aus seinen hoffnungsvollen
Träumen weckten. Begreiflich daher, dass unter dem unmittel-
baren Eandrucke dieser Mittheilungen und dem Zweifel, ob
Baiem die angetragene Krone ausschlagen werde, im Rathe
der österreichischeu Minister die Frage aufgeworfen wurde, ob
' Votom deputatorum mit Anhang über die Verbandlungen am 14. Juli
16o7. W.-A. (Wahlacten.)
^Bericht Oetüngen's und Volmar's ddo. Mainz, 24. Juli 1657. W.-A.
(Wahlacten.)
110
man sich ^wann es Gottes Willen wäre, diese Dignitet auf
andere Catholische zu transferiren, dem Willen Gottes entgegen
setzen und den letzten sforzo gebrauchen sollet ' Die Frage
ist im Sinne des Kampfes bis aufs Aeusserste fUr die Kroue
entschieden worden^ vornehmlich deshalb, weil man von der
Erwägung ausging, dass die Wahl Ferdinand Marias die katho-
lische Religion in Deutschland nicht stärken, sondern schwächen
würde, da an ein gütliches Nebeneinanderwirken des Witteis-
bacher und des habsburgischen Hauses bei dem fortwährenden
Schüren der kaiserfeindlichen Partei am Münchner Hofe nicht
zu denken sei. Es hiess also, koste es was es wolle, die geist-
lichen Kurfürsten gewinnen; für die Erwerbung der Kaiser-
krone durfte kein Opfer zu gross scheinen. Das war auch die
Ansicht der Räthe Leopolds. Allein es fehlte an den Geld-
mitteln, deren man bedurfte um mit Erfolg den Bestrebungen
der Franzosen entgegenzuarbeiten. Peneranda, der Vertreter
Spaniens in der Wahlangelegenheit, der das Geld bringen sollte,
befand sich auf der Reise nach Prag, wohin Leopold seinen
Hof verlegt hatte; ^ bis Peneranda anlangte, musste man trachten,
auf andere Weise dem Ziele näher zu kommen. Man beschloss,
vorerst neue Unterhandlungen mit Blum zu beginnen; man
forderte ihn auf, mitzutheilen, was ihm von seinem Herrn für
Nachrichten zugekommen seien. Blum erwiderte, Johann Philipp
halte trotz all' der Entgegnungen der Wiener Regierung, die
Wahl Leopolds in diesem Momente Rir allzu gefährlich; in
einigen Jahren werde Leopold ohne Schwierigkeit zum römischen
König erwählt werden können. Dass eine derartige Antwort
nicht befriedigte, ist begreiflich ; doch wagte man nicht, diesem
Missfallen Ausdruck zu geben. Man war der Ansicht, ,bis
auf das letzte das Thor ad reconciliationem offen zu halten^:
man erwiderte daher auf die Erklärungen Blum's, indem man
die Hoffnung aussprach, Johann Philipp von der Möglichkeit
zu überaeugen, die der Wahl Leopolds im Wege stehenden
1 Votum deputatorum vom 1. August 1657. W.-A. (WahUcten.)
3 Der Aufeuthalt iu Prag war ursprünglich nur für kurze Zeit geplant;
es sollte nur eine Durchgangsstation auf der Reise Leopolds nach Frank-
furt sein. (ConfereuzprotokoU vom 19. Juni 1657. W.-A. Wahlaeten.)
Erst die ungünstigen Mittbeilungen, die in Prag einliefen und die Reise
nach Frankfurt unräthlich erscheinen Hessen, bewogen Leopold seinen
Aufenthalt in Prag auf Monate auszudehnen.
111
Schwierigkeiten zu beheben. Und was noch viel mehr bedeutete,
Leopold erklärte sich bereit, den Mainzer, falls dieser fUr die
äieherheit seiner Länder und des Rheinstromes fürchte, mit
lO.OOO — 12.000 Mann, oder den zum Ausbaue der Festungs-
werke der Stadt Mainz nöthigen Sunmien zu unterstützen. *
Za gleicher Zeit ¥nirde Fürst Lobkowitz, das Haupt der böh-
mischen Wahlgesandtschaft, aufgefordert, von diesem Aner-
bieten dem Kurfürsten von Mainz persönlich Mittheilung zu
machen^ und den übrigen Deputirten Leopolds aufgetragen,
die Minister Johann Philipps, koste es was es wolle, zu ge-
winnen. ^ Allein bevor noch diese Weisungen in die Hände
der Vertreter Leopolds gelangt waren, hatten in Frankfurt
Verhandlungen stattgefunden, durch welche die Wahlfrage in
ein ganz anderes, dem Könige von Ungarn und Böhmen un-
gleich günstigeres Licht gerückt worden war. In den ersten
Tagen des September hatte Johann Philipp mit Lobkowitz und
Nietungen geheime Unterredungen gepflogen, in denen er zum
Erstaunen der kaiserlichen Minister erklärte, er habe bei noch-
maliger Erwägung eingesehen, dass insbesondere mit Rücksicht
auf die von Osten her drohende Gefahr, die Wahl Leopolds
zum Könige und Kaiser eine Nothwendigkeit sei. Zu gleicher
Zeit gab er die Versicherung, flir dieselbe mit dem Aufgebote
all' Beiner Kräfte einti*eten zu wollen, vorausgesetzt, dass Leopold
äeine Zustimmung zum Abschlüsse des spanisch-französischen
Friedens vor der Wahl gebe und dieser in der That erfolge.
Er behauptete auf dieser Forderung um so fester beharren zu
müssen, als von Seite der französischen Gesandten unaufhörlich
die Friedensliebe ihres Königs betont und Lionne zumal nicht
mtde würde, von seinen Bemühungen in Madrid zu erzählen,^
die ausschliesslich an der Störrigkeit der spam'schen Regierung
gescheitert seien. Und wie Johann Philipp es verstand, die
Vortheile eines französisch-spanischen Friedens für Leopold in's
rechte Licht zu stellen, so wusste er die Vertreter desselben
durch die Erklärung zu gewinnen, dass, falls sich Frankreichs
Friedensbetheuerungen als unechte erweisen sollten, Leopolds
' Conferenzprotokoll vom 27. August 1657. W.-A. (Wahlacten.)
^ Leopold an Lobkowitz, 2. September 1657. W.-A. (Wahlacten.)
- Conferenzprotokoll vom 27. August 1657. W.-A. (Wahlacten.) Boineburg
sollten 30.000 Gulden versprochen werden.
* Vgl. weiter unten.
112
Wahl um so gesicherter sein würde. ^ Die Vertreter des jungen
Königs waren mit diesen Aeusserungen des Erzkanzlers sehr
zufrieden. Sie hatten starke Zweifel bezüglich der Aufrichtig-
keit der französischen Friedensbetheuerungen und hielten daher
die Annahme des mainzischen Friedensanbotes fUr durchaas
unbedenklich. Sie wussten noch nicht, wie ernst es Johann
Philipp mit diesen Friedensverhandlungen meinte; sie hatten
keine Ahnung davon, dass er und nicht Frankreichs Vertreter
es war, der den Plan des Friedensschlusses vor der Wahl ge-
fasst und mit seltener Zähigkeit gegenüber allen Bedenken
und Einwänden der Franzosen an demselben festgehalten hatte^
dass er den Gesandten Ludwigs das Versprechen gegeben hatte,
wenn Spanien sich, wie zu erwarten stand, weigere, die Friedens-
verhandlungen zu beginnen, unter keinerlei Umständen in die
Wahl eines Habsburgers zu willigen, dass er zur selben Zeit,
da er dem Könige von Böhmen und Ungarn seine wärmste
Sympathie ausdrücken liess, auf das Eifrigste bestrebt war,
Karl Gustav von Schweden, Oesterreichs Gegner, zum Eintritte
in die Allianz zu bewegen, die das deutsche Reich gegen
innere und äussere Feinde schützen sollte. ^ Gewiss, all' diese
Bestrebungen Johann Philipp's hatten den Zweck, das Reich
vor den Gräueln des Krieges zu bewahren, den theuer erkauften
Frieden zu erhalten. Allein in das Friedensreich, das dem Erz-
kanzler vorschwebte, passte ein übermächtiger Kaiser ebenso-
wenig als ein allzugewaltiger Nachbar. Eine Ausgleichung, ein
Gleichgewicht der Kräfte, das war es, was Johann Philipp
wünschte, und er hoffte dies durch die Herstellung des spanisch-
französischen und polnisch-schwedischen Friedens, sowie durch
die Gründung eines Bundes zu ermöglichen, dessen Mitglieder
unter seiner Führung jede Ueberschreitung der für die Fortdauer
des Friedens nothwendigen Schranken verhindern konnten.
Allein von air diesen den Interessen Oesterreichs mehr
oder minder zuwiderlaufenden Plänen Johann Philipps wussten
die Räthe Leopolds nichts oder wenig und sie glaubten umso-
weniger an eine günstige Erledigung der Wahlfrage zweifeln
1 Schreiben Oettingen's an Portia, 11. September 1657. Beilage des
Schreibens von Portia an Ferd. Khorts vom 9. Octob^ 1667. W.-A.
(Wahlacten.)
2 Vgl. Joachim 1. c. 261 ff.
113
za sollen, als der KurfUrst von Mainz in den nächsten Wochen
die hofirnngsvoUsten Versprechungen gab. Er hat dem Kur-
fürsten von Trier, der seine Bedenken gegen eine längere
Verzögerung der Wahl äusserte, erklären lassen, er sei ent-
schlossen, falls Frankreich zögere die Friedensunterhandlungen
vorzanehmen, zur Wahl zu schreiten und seine Stimme Leopold
zu geben und mit diesem, mit Spanien und allen Freunden
des Hauses Habsburg ein Defensivbündniss gegen Frankreich
zu schliessen. * In noch hoffnungsvollerer Weise äusserte er
sich bald darauf in einem Gespräche mit Volmar. Er meinte,
Peoeranda möge nur kommen, er wisse, dass die französischen
Gesandten weder Instruction noch Vollmacht besässen und auch
keine erhalten würden ; um so eher werde man zur Wahl Leo-
polds schreiten können. Und wie Musik musste es den Ohren
Volmar*s klingen, als der schlaue Erzkanzler, welcher der Zu-
stimmung Frankreichs zu den Friedensverhandlungen schon
sicher war, als er in dieser Weise sprach, hinzufLLgte, ,er müsse
offenherzig bekennen, dass er andere Gedanken nicht habe,
als den König von Ungarn und Böhmen zum römischen Könige
zu machen; er habe zwar anfangs die Absicht gehabt, auf
Leopold Wilhelm zu gehen, weil aber so bewegliche ,remon-
strationes^ dagegen vorgebracht, so begehre er es nicht mehr,
sondern bleibe bestimmt dabei, die Wahl auf Leopold richten
zu helfen; denn er wüsste wohl, dass dem Reich jetziger Zeit
nicht verständig sein könnte, selbige auf ein anderes Haus zu
richten/ 2 Konnte man sich günstigere Erklärungen von einem
Hanne denken, der noch wenige Wochen vorher die Wahl Leo-
polds als undurchführbar bezeichnet hatte? Liess nicht das
Eingeständniss, dass die Wahl des jungen Königs von Ungarn
und Böhmen die einzig zweckmässige sei, und die Art und
Weise, wie der Mainzer von der voraussichtlichen Haltung
Frankreichs zur Friedensfrage sprach, die Erhebung Leopolds
auf den Kaiserthron in kurzer Zeit erhoffen?
Freilich tiefer Blickende erkannten schon damals, dass
was der Mainzer den Vertretern des jungen Königs gegenüber
äusserte, wenig mit seinen Handlungen übereinstimmte. Der
* VolüMir an Portia, 30. September 1657. Beilag^e zum Schreiben Portia's
an Ferd. Kburtz, 9. October 1657. W.-A. (Wahlacten.)
^ EbendaBelbst.
ArdÜT. Bd. LXini. I. H&lfle. 8
114
überaus freundschaftliche Verkehr mit den Gesandten Lud-
wig XIV. kam dabei weniger in Betracht; das konnte ja
Maske sein, um dieselben irrezuführen. Allein bedenklicher
war schon, dass der KurfUrst von Mainz sich gerade damals
auf das Entschiedenste gegen die Auflösung des Deputations-
tages aussprach und eifriger als je an dem Abschlüsse der
Liga arbeitete, die ihre Spitze bereits ganz deutlich gegen das
Haus Habsburg richtete. Es war die feste Ueberzeugung dieser
Männer, dass man den Worten des Mainzers nicht trauen dürfe,
vielmehr durch schleunige Abmachung mit den übrigen Kur-
fürsten die Wahl Leopolds sichern und dann mit oder gegen
den Willen des Erzkanzlers dieselbe vornehmen solle. *
Auch in der Umgebung Leopolds hat es an Leuten nicht
gefehlt, die des Mainzers Absichten durchschauten. So der
spanische Gesandte, Graf Peneranda. Er erklärte Johann Phi-
lipps Vorschläge für geßlhrlich und rieth, denselben kein Ge-
hör zu schenken. Er meinte, Leopold möge so bald als mög-
lich mit dem Kurfürsten von Sachsen nach Frankfurt eilen und
die Wahl unter allen Umständen erzwingen. ^ Peneranda's Er-
klärungen verfehlten nicht, Eindruck auf die Minister Leopolds
zu machen. Allein es ist fraglich, ob nicht doch die Mehrzalil
derselben den Worten des Erzkänzlers Glauben geschenkt hätte,
wenn nicht in diesen Tagen Nachrichten aus Frankfurt einge-
laufen wären, die unzweifelhaft darthaten, dass des Mainzers
Friedenspläne keineswegs so problematischer Natur waren, als
er den kaiserlichen Gesandten hatte glauben machen wollen.
Er hatte am 3. October die Vertreter der Kurfürsten von Köln,
Trier und Baiern zu sich berufen und ihnen eröffnet, er sehe
sich ausser Stande, den immer heftigeren Beschwerden der
französischen Gesandten über die Verletzung des Friedens
durch den verstorbenen und den jetzt regierenden Herrscher
Oesterreichs zu begegnen. Er hob hervor, wie nothwendig im
Interesse des Reiches die Erhaltung des Friedens sei, dass
aber nach den Erklärungen Frankreichs der Krieg unver
meidlich wäre, falls vor Beilegung des spanisch-französischen
» Schreiben HohenfeldX ddo. Frankfurt, 26. September 16^57. W.-A. (Wahl-
acten.)
2 Schreiben Portia's an Ferd. Kliurtz, ddo. Prag, 9. October 1657. W.-A.
(Wahlacten.)
115
Conflictes die Wahl eines römisch-deutschen Kaisers aus dem
Hause Habsburg erfolgen sollte. Er theilte den Anwesenden
die Hauptbeschwerden Frankreichs mit; sie betrafen die Sen-
dung kaiserlicher Truppen nach Italien und den Niederlanden;
er betonte, was der Wahrheit nicht entsprach, welche Mühe
er sich gegeben, die Franzosen von ihrer Forderung — Ab-
scUuBS des französisch-spanischen Friedens vor der Wahl —
abzubringen; er machte schliessUch darauf aufmerksam, dass
er keinen andern Ausweg als den Frieden sehe, um die dem
Reiche drohende Gefahr abzuwenden. Und überaus geschickt
woBste er die KurfUrsten bei der Stelle zu fassen, wo sie am
empfindlichsten waren. ,Die grossen streitenden Mächte/ sagte
er, ,haben leicht Krieg führen, ihnen bleibt selbst im Falle der
Niederlage genug tlbrig; wir Kurfürsten aber, insbesondere
wir geistlichen, finden, wenn wir unser Scherflein verloren
haben, kein anderes.' *
Und ganz ähnlich lauteten die Erklärungen, die Johann
Philipp wenige Tage später Lobkowitz und Volmar gab. Auch
ihnen gegenüber betonte er die Unerlässlichkeit der Herstellung
des Friedens, nur hob er, um sie dieser Idee günstiger zu
stimmen, besonders hervor, dass, falls sich die Nothwendigkeit
ergeben sollte, vor Abschluss des französisch-spanischen Friedens
rar Wahl zu schreiten, die Trennung der beiden Linien des
Hauses Habsburg durch die Wahlcapitulation zweifelsohne fest-
gesetzt werden würde, was er im Interesse der katholischen
Religion und des habsburgischen Hauses vermeiden möchte.
Alle Versuche Volmar's, den Erzkanzler von dieser Ansicht ab-
Kobringen, blieben fruchtlos.^
Unter dem Eindrucke dieser Nachrichten ist es in Wien
zu Berathungen über die Massregeln gekommen, die im Interesse
der Wahl Leopolds zu ergreifen wären. Es handelte sich vor-
nehmlich darum, ob die Zustimmung zu Johann Philipps Frie-
densplänen zu ertheilen oder zu verweigern sei. Was man in
dem ersteren Falle fürchtete, war insbesondere eine lange Ver-
zögerung der Wahl, welche die Mehrzahl der Räthe für ver-
derblich hielt. Im kommenden Frühjahre hatte man Kämpfe
* Bericht Oettingen's und Volmar*8, ddo. Frankfurt, 6. Oclober 1657. W.-A.
(WahUcten.)
' Bericht der Gesandtschaft, 13. October 1657. W.-A. (Wahlacten.)
8*
116
im Osten und Norden zu erwarten, von Seiten der Türken
stand ein Einfall in Siebenbürgen und Ungarn, von Seiten der
Schweden der Einmarsch in Schlesien oder Böhmen zu fürchten;
eine Niederlage der Truppen Leopolds konnte seine Aussichten
auf die Erlangung der Kaiserkrone nur vermindern. Dazu kam,
dass man in diesem Momente auf fünf Stimmen rechnen zu
können glaubte und es für sehr bedenklich hielt, den fiir die
Wahl Leopolds gewonnenen Fürsten Monate zur Ueberlegung
zu gewähren. Begreiflich daher, dass von verschiedenen Seiten
der Vorschlag gemacht wurde, Leopold möge unverzüglich nach
Frankfurt reisen und daselbst für die sofortige Vornahme der
Wahl wirken, umsomehr, als der päpstliche Nuntius geschrieben
hatte, er sei fest überzeugt, in Leopolds Gegenwart würden in
zwölf Tagen Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt werden, zu
deren Beseitigung sonst kaum zwölf Wochen oder Monate hin-
reichen würden. Um das zur Reise nothwendige Geld zu er-
halten, beschlossen jene Räthe Leopolds, die fiir den baldigen
Aufbruch desselben nach Frankfurt eingenommen waren, die
Vertreter Spaniens von dem Ergebnisse der bisherigen Ver-
handlungen in Kenntniss zu setzen, denselben den Nachweis
zu liefern, dass Leopold auf fünf Stimmen rechnen könne, um
sie für den Plan der Reise nach Frankfurt zu gewinnen;^
unterdessen sollten die Vertreter Oesterreichs dem Erzkanzler
von dem Entschlüsse Leopolds Mittheilung machen und ihn um
seine Meinung über die Zweckmässigkeit desselben fragen.^
Peneranda war gleich für den Plan der Reise nach Frankfurt
gewonnen ; er wollte ja nichts Anderes als die möglichst rasche
Durchftihrung der Wahl. Johann Philipp dagegen erklärte, er
halte es für zweckmässiger, wenn Peneranda zur Ordnung der
Friedensangelegenheit vor Leopold in Frankfurt erscheine. Und
von Tag zu Tag zeigte der Erzkanzler deutlicher, wie fest er
auf seinem Plane beharre, den französisch-spanischen Frieden
vor der Wahl zu Stande zu bringen. Er traf Anstalten, die
Beschwerdeschriften der Franzosen und Schweden gegen Fer-
dinand lU. und Leopolds Benehmen dem Deputationstage zur
Berathung vorzulegen, und erklärte den österreichischen Ge-
sandten, er könne von seiner Friedensforderung umsoweniger
' Conferenzprotokoll vom 13. October 1657. W.-A. (Wahlacten.)
' Weisung an die Genandtschaft vom 14. October 1657. W.-A. (Wahlacten.)
^^
117
abstehen, als die Franzosen immer heftiger die Vornahme der
Verhandlungen begehrt und den savoy'schen Gesandten, Grafen
BigKori, vermocht hätten, sieh die nothwendigen Vollmachten
zur Berathung über den montferrat'schen Streit zu verschaffen.
Vergebens war es, dass Volmar sich auf Mittheilungen aus
Paris berief, um die Behauptungen des Erzkanzlers zu wider-
legen. ' Dieser blieb bei seiner Auffassung, übergab die Be-
schwerdeschrift der Franzosen und Schweden dem Deputations-
tage zur Berathung und richtete ein überaus fein stilisirtes
Schreiben an Peneranda, in welchem er denselben ersuchte,
zur Vornahme der Friedensverhandlungen so bald als möglich
in Frankfiirt einzutreffen. ^ Zu gleicher Zeit machte er die
Räthe Leopolds von Neuem darauf aufmerksam, dass eine
Wahlcapitulation, wie sie im Falle der Wahl des jungen Königs
vor Abschlnss des französisch-spanischen Friedens festgesetzt
werden müsste, die Interessen des Hauses Habsburg viel empfind-
licher schädigen würde als der Friede, und ersuchte sie, die
Absendung Peneranda's nach Frankfurt zu befürworten. Dem
Könige selbst aber empfahl er, die Reise nach- der Wahlstätte
vorerst noch zu unterlassen. ^
Für das Wiener Cabinet gab es in dieser Lage, wo der
Erzkanzler seine Geneigtheit, Leopold zu wählen, an die Be-
dingung des vorher erfolgten Friedens zwischen Spanien und
Frankreich knüpfte, der Wege mehrere. Man konnte des
Mainzers Forderung befriedigen und sich verpflichten, von
Spanien die Vornahme der Friedensverhandlungen zu erwirken ;
dann aber lag die Möglichkeit vor, gegen Johann Philipps Vor-
gehen zu protestiren und mit Hilfe der für eine schleunige
Durchführung der Wahl eingenommenen Kurfürsten den Wähl-
tet vorzunehmen. Allein Leopold und seine Räthe glaubten,
keinen dieser Wege einschlagen zu dürfen. An die Billigung
des mainzischen Begehrens war nicht zu denken, schon des-
halb nicht, weil, wie man wusste, Spaniens Gutheissung nicht
zu erlangen und eine Trennung von Spanien in dieser Lage
nieht möglich war. Dazu kam, dass auch dem jungen Könige,
* Beriebt Volmar's vom 19. October 1657. W.-A. (Wahlacten.)
' Johann Philipp an Pefieranda, ddo. Frankfurt, 20. October 1657. W.-A.
(Wahlacten.)
' Bericht der Gesandtfichaft, ddo. 29. October 1657. W.-A. (Wahlacten.)
Aehnlicbe Erklärungen auch im Berichte rom 29. November 1657.
118
obgleich er keine principiellen Bedenken gegen die Vornahme
der Friedensverhandlungen in Frankfurt vor der Wiüd hatte
die Berathung über diesen Gegenstand mit Rücksicht auf die
vielen Beschwerden^ die Frankreich gegen sein und seines
Vaters Vorgehen zu erheben Willens war^ nicht angenehm sein
konnte, dazu kietm femer, dass Leopold und seine Räthe mit
Recht ftirchteten, es könnte den Anschein gewinnen, als ob
sie durch die Zustimmung zu des Mainzers Vorschlag in eme
Verzögerung der Wahl willigten, was sie unter allen Umstän-
den zu vermeiden wünschten. Anderseits lagen auch gewich-
tige Bedenken gegen eine Verzichtleistimg auf des Mainzers
Mitwirkung vor, ganz abgesehen davon, dass er schon ver-
möge seiner Stellung eine ihm unangenehme Wahl verzögern
konnte. Denn Johann Philipp übte^ wie man am Hofe Leo-
polds wohl wusste, seinen bedeutenden Einfluss auf seine Mitkur-
fUrsten, insbesondere auf Karl Kaspar von Trier aus. Entschloss
sich nun der Mainzer, durch ein rücksichtsloses Vorgehen
Leopolds verletzt, der Wahl desselben entgegenzuarbeiten, so
war nicht allein der Verlust der Stimme des Mainzers, sondern
auch der des Trierers zu fürchten. So gewiss also Leopold in
diesem Momente bereits auf den Sieg in der Wahlfrage rechnen
konnte, wenn er der Stimme Johann Philipps sicher war, so
wenig durfte er hoffen, gegen dessen Willen sein Ziel zu er-
reichen. In dieser Lage, wo die Haltung Spaniens und das
eigene Interesse ebenso gegen die volle Billigung der mainzi-
schen Forderung als gegen den Abbruch der Beziehungen zu
Johann Philipp sprach, beschloss die Wiener Regierung noch-
mals den Versuch zu machen, den KurfUrsten von seinem
Friedensplane ganz abzubringen, oder, falls sich das als un-
durchftihrbar erweisen sollte, denselben wenigstens zu dem Zu-
geständnisse zu bewegen, die Vornahme der Wahl vor Ab-
schluss des Friedens zu gestatten. Die Hoffnung, Johann
Philipp zum Aufgeben seiner Friedensidee zu vermögen, er-
wies sich bald als eine leere. Denn gerade in diesen Tagen
langte in Prag die Nachricht ein, dass der Elrzkanzler die
Friedensfrage im KurflirstencoUegium zur Sprache gebracht, und
dass flinf der kurfUrstlichen Vertreter sich im Principe flir die
Vornahme derselben entschieden hätten. * Dagegen zeigten
> Conferenz der Berathang vom 12. NoTember 1657. M.-A. (Wahlacten.)
Ueber den Verlauf dieser Debatte, in der Sachsen nnd Baiern sich ent-
119
die Beschränkungen; unter denen allerseits diese Zustimmung
gegeben worden war, die ausdrückliche Versichenmg aller
Redner, dass deshalb die Wahl nicht verzögert werden solle,
dass es Leopold bei energischem Vorgehen gelingen werde,
den Erzkanzler zur Vornahme der Wahl vor Abschluss des
Friedens zu vermögen. In der That wurden Seitens der Wiener
Regierung umfassende Massregeln zu diesem Behufe ergriffen.
Peneranda erklärte in seiner Antwort auf das kurfürstliche
Schreiben, er sei blos fUr die Wahlangelegenheit instruirt. >
Indem er zu gleicher Zeit den Erzbischof von Trani anwies,
diese Aeusserungen mündlich zu wiederholen und dem Kur-
fürsten die Nothwendigkeit der Wahl vorzuhalten^ arbeitete er
der grossen Pression vor, die im Laufe des Monats December
Seitens aller der schleunigen Wahl Leopolds günstig gesinnten
Parteien auf den Erzkanzler des Reiches ausgeübt wurde. *^
Der Vertreter des Papstes, San Feiice, der seit Beginn des
Wahltages im Interesse Leopolds wirkte, drängte unaufhörlich
den Mainzer, die Wahl durch die Friedensverhandlungen nicht zu
verzögern; 3 in gleichem Sinne sprach Trani, und ähnlich wie
die Erklärungen dieser Priester klangen jene der Gesandten der
weltlichen Kurfürsten von Brandenburg, Baiern und Sachsen,
welche der Wiener Hof auf Wegen, die wir verfolgen können,
bewogen hatte, vom Mainzer die unverzögerte Vornahme der
Wahl zu fordern. * Aber weniger dem Drängen dieser Männer,
denen sich noch der Kurfürst von Trier und die Vertreter Leo-
polds anschlössen, als anderen Ereignissen, die gerade zu Ende
des Jahres eintraten, werden wir in erster Linie es zuzuschreiben
schieden gegen die Friedensverhandlungen aussprachen, Brandenburg
sich sehr reservirt äusserte, vgl. Urk. und Acten etc. VIII, 467.
' Pefieranda an Johann Philipp, 16. November 1657. W.-A. (Wahlacten.)
' Ueber Trani vgl. weiter unten.
' Ueber San Feiice und seine Mission vgl. weiter unten.
* Leopold wendete sich in eigenhändigen Schreiben an die Kurfürsten von
Baiem, Sachsen und Brandenburg, wie auch an Trier mit der Bitte,
Alles, was in ihrer Macht stehe, beizutragen, auf dass die Wahl ohne
Verz5g^ung vorgenommen werde. (Schreiben an Baiem, Sachsen und
Brandenburg vom 21. November, an Trier vom 23. November.) Die
Antworten lauteten insgesammt zustimmend. (Baiern vom 30., Trier vom
29., Sachsen vom 24. November 1657. W.-A. Wahlacten.) In gleichem
Simie wie die Schreiben an die Kurfürsten lautete die Weisung an die
Gesandten vom 21. November 1657.
120
faaben^ dass Johann Philipp sich wenigstens theilweise zrir Be-
rücksichtigung der Wünsche Leopolds entschloss. Vor Allem fiel
durch die Geburt eines spanischen Infanten eines der gewichtig-
sten Bedenken gegen die Wahl Leopolds weg. Die Furcht vor
übergrosser Macht des jungen Königs, falls er Kaiser und durch
die Heirat mit der Erbin der spanischen Krone König von Spanien
werden sollte — von vielen Seiten als ein Hauptargument gegen
die Wahl Leopolds geltend gemacht — bestand nicht mehr.
Dann aber wirkte auf die Entschlüsse des Kurfürsten auch das
gänzliche Scheitern des französischen Planes ein, den Kurßirsten
von Baiern zur Annahme der Kaiserkrone zu vermögen. Nicht
dass Johann Philipp diese Wahl jemals aufrichtig gewünscht
oder lebhaft gefördert hätte ; ^ allein erst jetzt, wo Frankreich
sich durch die Mission Grammont's selbst überzeugt hatte, dass
es nicht den lauen Bestrebungen des Mainzers und seiner Mit-
kurfürstcn, sondern der wahren Abneigung des Kurfürsten Fer-
dinand Maria zugeschrieben werden musste, dass dessen Can-
didatur nicht aufrecht erhalten werden konnte, jetzt erst, wo
Johann Philipp annehmen durfte, dass auch Mazarin die Un-
möglichkeit einsehen werde, die Wahl Leopolds zu hintertreiben,
duifte er hoffen, bei Frankreich mit seinen Allianz- und Wahl
capitulationsplänen Gehör zu finden. Und gerade dieses letztere
Moment ist, wie mich dünkt, für das Verständniss des Schrittes,
den der Erzkanzler damals that, wie flir die Politik desselben
in der ganzen Wahlangelegenheit von der allerwesentlichsten Be-
deutung. Denn^ wie wenig berechtigt das Urtheil der meisten Zeit-
genossen und Nachgeborenen ist, die in des Mainzers Vorgehen
einen plötzlichen, unbegreiflichen Wechsel der Gesinnung sahen,^
^ Wilhelm Fürstenberg erzählte dem französischen Gesandten Lionne im
December, als die Aussichten auf die Durchführung der bairischen
Candidatur fast ganz geschwunden waren, dass, als er und Boineburg
kurz nach dem Tode Ferdinand III. nach München gesendet worden
seien, «les Instructions de leurs Mres estoit de raporter une negative dn
Duc de Baviere pour faire leurs excuses envers la France*, dass er
aber auf eigene Gefahr der Sache eine andere Richtung gegeben^ Be-
richt Lionne^s an Mazarin vom 18. December 1657. P.-A. Allemagne.
Vol. 136. Wie viel an dieser Mittheilung wahr ist, möge dahingestellt
bleiben; gewiss gibt dieselbe aber in richtiger Weise die Baiern wenig
günstige Stimmung des Mainzer Kurfürsten wieder.
2 So konnte unter vielen Anderen Heinrich Friesen, der sächsische Minister,
sich den plötzlichen Gesinnungswechsel des Kurfürsten von Mainz nicht
121
wird allsogleich klar^ wenn man erwägt^ dass es eigentlich der
Erzkanzler, und zwar er allein, war, der auf seinen von An-
fang an geltend gemachten Principien beharrte. In dem Mo-
mente, da die Kaiserwahl durch den Tod Ferdinand UI. eine
brennende Frage geworden, hatte Johann Philipp erklärt, es
sei ein dringendes Gebot für Alle, denen das Interesse des
Reiches am Herzen liege, darauf zu achten, dass die Wahl in
einer Weise erfolge, durch die der schwer erworbene Reichs-
friede nicht nur nicht bedroht, sondern befestigt werde. Und
an dieser Idee hat er bis zu dem Augenblicke festgehalten, da
Leopold I. durch einstimmigen Beschluss der Wähler die Kaiser-
krone empfing. Nicht das Ziel, sondern nur die Mittel, durch
welche das Ziel erreicht werden sollte, haben in Laufe der
Verhandlung gewechselt. ^ Johann Philipp hatte ursprünglich
in der Förderung der Wahl Leopold Wilhelms das beste Mittel
zur Wahrung des Reichsfriedens zu sehen geglaubt. Als er dann
erkannte, dass an die Durchführung dieses Planes bei dem starren
Festhalten der österreichischen Regierung an der Candidatur
Leopolds nicht zu denken sei, hat er diesen Vorschlag fallen
erklären. Friesen an Khnrts, Dresden, 25. December 1657/4. Januar
1658. W.-A. ,Mann vernimmt hier die Chur-Maynzische fast plötzliche
Änderung mit etwas Verwunderung; Gott gebe das sicherlich darauff zu
bawen sey; repentinae mutationes saepe inde non carent suspicionibus
aut periculis*. Ferdinand Khurtz urtheilte zwar richtiger, wenn er dem
Friesen erwiderte: ,Ich mueß bekhennen und verdenckhe meine Herrn nit,
daß Sie die resolutionem Moguntinam pro repentina halten. Mein hoch-
geehrter Herr aber mueß wisßen, daß Sie so repentina alß Sie scheinet nit
ist, indeme ein geraume zeithhero mit Ihrer ChurfUrstlichen Gnaden un-
aaßsetzlich tractirt worden.* (Khurtz an Friesen, Prag, 12. Januar 1658.
Priratarchiv der Barone von Friesen zu Rötha bei Leipzig.) Aber auch
Khartz übersah, dass Johann Philipp eigentlich gar nicht seine princi-
pielle Auffassung in der Wahlfrage geändert hatte.
' Sehr richtig hat Lionne in seinem Schreiben vom 8. Januar 1658
(Archive du Ministere des affaires ^trnng^res (A. d. A. £.), Allemagne,
Vol. 136) die Politik Johann Philipps gekennzeichnet, indem er sagt:
,Die Intentionen Johann Philipps seien von allem Anfang an dahin ge-
richtet gewesen, Frankreich nur in' einem Punkte, der Satisfaction fUr
die Infractionen Oesterreichs gegen den Frieden, zu befriedigen und
Vorsorge für die Zukunft zu treffen. Niemals aber hat der Kurfürst
die Idee gehabt, die Kaiserwürde vom Hause Gestenreich auf das Haus
Baiern zu übertragen. Man kann heute sehen, dass selbst in der
Zeit, wo er uns die besten Erklärungen gegeben, er dies nur gethan,
weil er überzeugt war, dass Baiem die Krone nicht annehmen werde.'
138
^eUsaen. & erklärte sich mit der Wahl des jungen Königs
einverstanden. Allein sogleich zeigte sich, dass er mit der
Person nicht auch die Idee aufgegeben. Er forderte^ dass der
Abschluss des Friedens zwischen Frankreich und Spanien der
Wahl Leopolds vorausgehe. Drang er mit dieser Forderung
durchs so konnte er zufrieden sein. Allein auch gegen dieses
Begehren erhob sich ein allzugrosser Widerstand^ als dass Jo-
hann Philipp hätte hoffen können^ zum Ziele zu gelangen. So
entschloss er sich, als ihm die äusseren Verhältnisse die Mög-
lichkeit dazu boteUy den letzten Weg^ der ihn zu dem er-
wünschten Ende führen konnte^ einzuschlagen. Licopold sollte
Kaiser werden^ aber zugleich durch die von demselben zu be-
schwörende Wahlcapitulation die vollständige Trennung der
österreichischen und spanischen Politik festgesetzt und durch
den Abschluss der grossen Allianz, an der seit Jahren gearbeitet
wurde, den deutschen Ftlrsten die Mittel gegeben werden, den
neuen Kaiser, £eü1s er der beschworenen Capitulation zuwider
an dem Kampfe seines Blutsverwandten mit dem Könige von
Frankreich und dessen Verbündeten theilnehmen sollte, in die
Schranken zurückzuweisen, die er überschritten.
Dass durch diese beiden Massregeln dasselbe erreicht
wurde — soweit es das Bestreben des Erzkanzlers um die
Wahrung des Reichsfriedens betraf — wie durch die Wahl
Leopold Wilhelms oder durch den Abschluss des französisch-
spanischen Friedens vor der Wahl, liegt auf der Hand. Nicht
den Kurfürsten von Mainz, vielmehr jene Männer wird didier der
Vorwurf der Inconsequenz treffen, die ganz gegen ihre anfangs
geäusserte Ansicht sich schliesslich auch mit dieser Ordnung
der Angelegenheit einverstanden erklärt haben.
Solche Erwägungen — und kaum dürften es andere ge-
wesen sein — haben den Mainzer vermocht, gegen Ende des
Jahres 1657 dem Grafen Oettingen das bindende Versprechen
zu geben, im Sinne der weltlichen Kurftirsten und Triers für
die schleunige Durchfiihrung der Wahl noch vor Beendigung
der Friedensverhandlungen wirken zu wollen.
Die Nachricht von dieser flntschliessnng Johann Philipps
rief in Wien und überall, wo man die Wahl Leopolds wünschte,
fireudigste Erregung hervor. Begreiflich, denn der Stimme des
Mainzers versichert, durfle Leopold es getrost wagen, die
Wahlmänner zur Ausübung ihrer Pflicht aufzufordern. Wenn
123
iigead etwas in diesen Wochen^ wo Leopold auf die Mit-
tbeihing des Mainzers hin sich zur Reise nach Frankfurt an-
schickte, die Freude dämpfte, so war dies nicht, wie man ver-
mathen sollte, die Furcht vor der Capitulation und vor den in
dieselbe aufzunehmenden Bestimmungen, auf deren Kothwendig-
keit der Mainzer hingewiesen hatte, sondern die Thatsache, dass
Johann Philipp zugleich mit dem Versprechen die Wahl im
Sinne Leopolds vornehmen zu wollen, eine Reihe persönlicher
Forderungen steUte, die zu erf\illen dem jungen Könige nicht
ohne grosse Opfer möglich war.
Wir erinnern uns, dass Leopold zu Beginn des Monats
September 1657, als die Oefahr der Wahl eines andern Can-
didaten am grössten war und der Mainzer die Furcht vor
einem UeberfaUe durch die Franzosen als das schwerwiegendste
Moment gegen die Wahl Leopolds bezeichnet hatte, dem
Mainzer eine Hilfe von 10.000 — 12.000 Mann oder eine zur
Fortification von Mainz hinreichende Geldsumme antragen liess.^
So lange der Abschluss des spanisch-französischen Friedens
vor der Wahl möglich schien, hat Johann Philipp von diesem
Anerbieten des jungen Königs keinen Gebrauch gemacht. Jetzt
aber, wo er durch das bestimmte Versprechen der Förderung
der Wahl Leopolds die Franzosen verletzt hatte und nicht
wissen konnte, ob es ihm gelingen werde, sie durch die von
ihm beabsichtigte Beschränkung der Macht des künftigen Kaisers
zn versöhnen, glaubte er unter allen Umständen sich vorsehen
zu müssen, liess den Fürsten Lobkowitz an das vor Monaten
gegebene Versprechen erinnern und bat überdies, ihm statt
der in Aussicht gestellten 100.000 Gulden 100.000 Reichsthaler
zu überlassen, ihm die zur Werbung von 1000 Landsknechten
und 200 Reitern nothwendige Summe zu geben und 2000 Centner
Pulver zur Verfügung zu stellen, wogegen er sich verpflichten
wollte, diese Truppen, sobald er ihrer nicht mehr bedürfe, und
überdies 500 Landsknechte und 200 Reiter dem Kaiser zu
überlassen. ^
Leopold wäre zweifelsohne bereit gewesen, die Forderungen
Johann Philipps ganz zu befriedigen, allein es mangelte ihm an
den Mitteln und Peneranda, den er anging, erklärte, nur einen Theil
> VgL p. 111.
' Beriebt Lobkowitz* Tom 12. Januar 1(568. W.-A. (Wahlacten.)
124
der nöihigen Summe dem Könige zur Verfügung stellen zu können J
Man suchte daher den KurfUrsten so gut es ging zu befriedigen
und beschloss die endgiltige Ordnung der Angelegenheit in
Frankfurt, wohin Leopold in diesen Tagen aufbrach. ^ Allein in
der Wahlstadt angekommen, sollte der junge König allsogleich
erkennen, wie sehr er im Irrthume gewesen, als er in der zu-
stimmenden Erklärung des Mainzers bezüglich der Beschleunigung
der Wahl ein Aufgeben der von demselben früher vertretenen
Auffassung vermuthet hatte. Denn Johann Philipp bestand jetzt
mit noch grösserer Zähigkeit als vorhin auf dem Abschlüsse des
französisch-spanischen Friedens oder auf der Aufnahme eines
Artikels in die von Leopold zu beschwörende Capitulation, kraft
dessen dem künftigen Kaiser aus dem Hause Habsburg jede
Antheilnahme an dem Kampfe, der zwischen Spanien einer-,
Frankreich und dessen Verbündeten anderseits ausgefochten
wurde, unmöglich gemacht werden sollte. Und da es ihm
unterdess geglückt war, die Franzosen für seinen Plan zu ge-
winnen, da er sie zu überzeugen verstanden hatte, dass durch
die Aufnahme eines solchen Artikels in die Wahlcapitulation und
durch den Abschluss der rheinischen Liga ihr Interesse ebenso-
gut gewahrt werde, wie durch die Wahl eines Nichthabsburgers,
hörte für ihn die Nothwendigkeit einer Rüstung auf. Um so
fester aber bestand er auf seiner Forderung, durch die Capi-
tulation die zur Wahrung des Reichsfriedens nothwendigen Vor-
kehrungen zu treffen. Und nichts vermochte ihn diesem Vor-
satze abwendig zu machen. Alle Bemühungen Leopolds und
seiner Räthe, wie der vielen Männer, die im Interesse des
österreichischen Candidaten wirkten, blieben fruchtlos. Das
Ende der langen Verhandlungen über die Wahlcapitulation,
über deren Verlauf wir genügend unterrichtet sind, ^ brachte
eine Lösung der Frage, die am allermeisten den Interessen
und Zielen der Mainzer Politik entsprach. Denn weder für
Frankreich, noch f\ir das Haus Habsburg bedeutete die Ent-
scheidung in dem langen Wahlkampfe einen vollen Sieg. Für
^ Secretär Schröder an Leopold, Prag, 19. Januar 1658. W.-A. (Wahl-
acten.)
3 Leopold an Lobkowitz, 29. Januar 1658. W.-A. (Wahlacten.)
3 Vgl. Heide, Die Wahl Leopold I. Forschungen zur deutschen Geschichte,
Bd. 25, p. 60 ff.
125
Oesterreich nicht, weil dem Kaiser die Hände gebunden und
ihm Verpflichtungen auferlegt wurden, die er nur auf Kosten
der Interessen seines Hauses erftUlen konnte; für Frankreich
nicht, weil die vornehmlich durch den KurfLlrsten von Branden-
hvig in die Capitulation aufgenommene Clausel auch Frank-
reichs Actionsfreiheit beeinträchtigt hat, ^ und weil weder durch
die Liga noch durch die Wahlcapitulation das Ziel erreicht
war, das Mazarin vorgeschwebt und dem zu Liebe er so viel
Geld und Zeit geopfert hatte. Johann Philipp aber konnte an
dem Tage, da Leopold seine Zustimmung gab, unter den ihm
Torgeschriebenen Bedingungen die Krone aus der Hand des
Erzkanzlers zu empfangen, vollauf zufrieden sein. Was er
Ton Anfang an als Ziel seiner Wünsche bezeichnet hatte, war
erreicht. Der Friede war gesichert, das Reichsoberhaupt ge-
schwächt und er selbst, als Friedensvermittler zwischen Spanien
and Frankreich wie zwischen Schweden und Polen, sowie durch
den Rückhalt an die rheinische Liga, die er sein Werk nennen
durfte, eine der einflussreichsten Personen nicht nur des Reiches,
sondern der gesammten continentalen Welt.^
ß. Kurtrier.
m
Ungleich einfacher als mit Johann Philipp gestalteten sich
die Verhandlungen mit Karl Kaspar von Trier. Von den all-
gemeinen Gesichtspunkten, welche die Politik des Erzkanzlers
beherrschten, von der Initiative, die von demselben ausging,
ist beim Kurfürsten von Trier keine Spur zu finden. Karl
Kaspar von der Leyen war ein deutschgesinnter, friedlieben-
der, etwas furchtsamer Herr, der, wenn er seinen Neigungen
ungehindert hätte folgen dürfen, entschieden fUr Leopold einge-
treten wäre. Allein es entsprach seinen Interessen nicht, sogleich
in unzweifelhafter Weise für des jungen Königs Candidatur
zu wirken. Einmal deshalb, weil er, im Falle trotz seines Ein-
tretens ftlr Leopold ein anderer Fürst gewählt werden sollte,
^ i U der Wahlcapitulation. Vgl. Theatrum Europaeum, VIII, 443.
^ Es Hegt mir ferne, dnrch diese Bemerkungen etwa das Vorgehen Johann
Philipps als ein in jeder Hinsicht richtiges bezeichnen zu wollen. Ich
habe die Schwächen der mainzischen Politik in dieser Zeit bereits an
einem anderen Orte betont: ,Beitrag zur Geschichte des Bheinbundes',
Siteungsber. der Wiener Akademie, CXV, 160 ff.
126
die Rache des beleidigten Franzosenkönigs zu fttrchten hatte,
dann aber auch^ weil er nur bei zögerndem Benehmen auf Ge-
währung der Forderungen hoffen durfte, die zu stellen er fest
entschlossen war. Sein Verhalten in der Wahlangelegenheit
war damit gegeben. Es galt, der Wahl Leopolds die Wege zu
bahnen, ohne jedoch selbst eine bindende Erklärung abzugeben,
bis der Erfolg gesichert und ihm der bedungene Lohn ge-
wiss war.
In diesen beiden Richtungen bewegen sich denn auch die
Verhandlungen, die Karl Kaspar und seine Räthe mit den
verschiedenen Mächten im Verlaufe des Wahlkampfes gefiihrt
haben. Dass der Trierer die Sache Leopolds in mancherlei
Weise gefördert hat, ist gewiss. Einmal dadurch, dass er sich
in Cärlich, trotz aller Bemühungen der beiden anderen geist-
lichen Kurfürsten, gegen die Förderung der Candidatur Ferdi-
nand Marias aussprach und bei dieser Ansicht verblieb; dann
aber auch durch seine Haltung in jenem Momente, wo es
galt, den Erzkanzler von der Ansicht abzubringen, da«s die
Herstellung des Friedens der Wahl vorangehen müsse. ^ In
beiden Fällen war die Thatsache, dass einer der geistlichen Kur-
fürsten seinen Collegen opponirte, von der grössten Bedeutung.
Auf Ferdinand Maria musste es Eindruck machen, dass einer
der angesehensten KirchenfÜrsten seine Candidatur fUr un-
zweckmässig und unthunlich erklärte, und für Johann Philipp
konnte es unmöglich belanglos sein, dass Karl Kaspar, der in
noch höherem Masse als der Mainzer die Rache der Franzosen
zu ftirchten hatte, in so rückhaltsloser Weise für die Be-
schleunigung der Wahl eintrat. Und als dann, nachdem die
Wahl Leopolds gesichert war, über die Frage verhandelt wurde,
inwieweit man dem neuen Herrscher durch die Wahlcapitulation
und die rheinische Liga die Hände binden solle, hat der Kur-
filrst von Trier mit seinen Collegen aus Baiern und Sachsen
^ Schon Ende September hatte Anethan im Namen des Rurflirsten von
Trier ein derartiges Ansuchen bei Mainz um Reschleunig'ung der Wahl
gestellt. Volmar an Portia, 30. September 1657. W.-A. (Wahlacten.)
Am 3. December berichtet Volmar dann von energischem Einschreiten
Triers im Interesse der Beschleunigung der Wahl, während Karl Kaspar
selbst in seinem Schreiben vom 15. December Leopold räth, die Reise
nach Frankfurt als bestes Mittel der Beschleunigung der Wahl allsogleicb
anzutreten. W.-A, (Wahlacten.)
127
auf das Entschiedenste fUr die Sache des Hauses Habs*
borg eingesetzt > und die rheinische Liga vom 18. August 1658
nicht unterzeichnet. ^
Der Wiener Hof hat an der Oesterreich günstigen Ge-
sinnung Karl Kaspars keinen Augenblick gezweifelt. Während
des ganzen Verlaufes der Verhandlungen um die Kaiserkrone
hat man sich der Trier'schen Stimme fUr gesichert gehalten. ^
Trotzdem kann nicht geleugnet werden, dass Karl Kaspars
Vorgehen nicht in jedem Momente den Wünschen des Wiener
Hofes entsprach; denn dieser forderte ein rückhaltsloses Ein-
treten ftlr die Sache und ein bedingungsloses Versprechen der
Wahlstimme für die Person Leopolds, und der Kurfürst meinte
Beides im eigenen Interesse nicht thun zu dürfen.* Er hat
dem Vertreter des jungen Königs ganz ausdrücklich erklärt
and diesem selbst geschrieben, er hätte sich gerne bestimmter
verpflichtet, ,wan nit wegen meineß ahn der frontieren deß
Romischen reichß näher alß andere situirten unndt der kri-
genden hohen Cronen angrentzenden Ertzstieffite bey vorge-
fallener revolution der waffen unndt dahero zuwachsender ge-
fahr, so dan anderen Umbständen, noch hette zurücktreten
müssen'.^ Und auf das wiederholte Ansuchen Leopolds und
seiner Gesandten, Karl Kaspar möge sich zu dem bestimmten
schriftlichen Versprechen entsch Hessen, seine Stimme nur Leopold
zuzuwenden, erwiderte der Kurfürst zwar mit der Versicherung
Böner besten Absichten, betonte aber zugleich, dass die Be-
stimmxmgen der Goldenen Bulle ihn an der Erfüllung der ihm
zugemutheten Beschränkung seiner Wahlfreiheit verhinderen. ^
^ Vgl. Heide 1. c, 46 ff.
' Vfl. Pribram 1. c, 187 f.
^ Votum deputatomm vom 1. Augast 1667. W.-A. (Wahlacten.)
* In der Instruction fOr die böhmische Wahlgesandtschaft Tom 27. August
wurde dem Fürsten Lobkowitz der Auftrag su Theil, sich die Stimme
Triers, wenn nicht Töllig, so doch in substantialibus gleich su sichern,
falls dessen Stimme aber nicht antecedenter zu erlangen, weder forma-
liter noch substantialiter, sondern erklärt der Kurfürst, seine Stimme
Leopold nur dann geben zu wollen, wenn die Majorität bereits ge-
wonnen ist, hat sich Lobkowitz, so weit es ihm räthlich scheint, ein-
verstanden zu erklären. W.-A. (Wahlacten.)
'' Karl Kaspar an Leopold, 28. August 1657. W.-A. (Wahlacten.)
• Schreiben Hohenfeld's an seinen Bruder, 30. September 1657. W.-A.
(Wahlacten.)
128
Unzweifelhaft hatte Karl Kaspar die Berechtigung, eine der-
artige Forderung zurückzuweisen. Auch hat die Furcht, durch
ein Vergehen gegen die Bestimmungen der Goldenen Bulle
— und ein solches lag in der. Abgabe der Stimme vor Zu-
sammentritt des Conclave — einer herben Strafe zu verfallen,
nicht allein den Trierer ergriffen. Die Aengstlichkeit, mit
welcher der Pfölzer von Frankreich, der KurfUrst von Baiern
von Oesterreich die Geheimhaltung der von ihnen gegebenen
Versprechen forderten, beweist, wie sehr sie sich des Ver-
gehens bewusst waren, das sie durch eine bindende Erklärung
vor dem Wahltage begingen. Trotz alledem wird man sich
bei genauer Erwägung der Verhältnisse des Gedankens nicht
entschlagen können, dass neben dem von Karl Kaspar hervor-
gehobenen Bedenken gegen ein rückhaltsloses Versprechen der
Wahlstimme noch ein anderes vorlag. Der Kurfürst von Trier
hatte es wie seine CoUegen bitter empfunden, dass Ferdinand III.
seine vor der Wahl Ferdinand IV. gegebenen Versprechungen
nach der Wahl nicht eingelöst hatte. Sie waren gewitzigt und fest
entschlossen, sich jetzt von Leopold nicht täuschen zu lassen.^
In der That hatte denn auch Karl Kaspar gleich zu Beginn
der Verhandlungen seine Forderungen gestellt, an denen er
dann mit grosser Zähigkeit festgehalten hat.
Der Wiener Hof war auf Bedingungen gefasst und zu
manchem Zugeständnisse bereit. Die Vertreter Leopolds er-
hielten gleich anfangs Vollmacht, dem Kurfürsten ausgiebige
Unterstützung für den Fall zu versprechen, dass er ob seines
Verhaltens in der Wahlangelegenheit von Frankreich ange-
griffen werden sollte. ^ Allein bald zeigte sich, dass der Trierer
wesentlich höhere Forderungen zu stellen entschlossen war, als
man in Wien vermuthet hatte. Es war das Wenigste, dass
man den Vertretern Leopolds zu verstehen gab, der Kurfürst
wünsche die Bezahlung der ihm versprochenen 30.000 Gulden
und den Kauf des Rittersitzes Burweiler für seinen Bruder
1 Nach dem Berichte Hohenfeld's hat sich Karl Kaspar dahin geäussert, er
habe bei der letzten Wahl sein Votum nitro offerirt, man h&tte ihm
damals Ttel Tersprochen, als er aber darum gefiragt, gesagt, es sei jetxt
nicht mehr Zeit, er hätte seine Forderungen vor der Wahl stellen sollen.
» Instruction für Oettingen, 23. Juni l6o7. W\-A. (Wahlacten.) Zu gleicher
Zeit wurden beträchtliche Summen für die beiden Brüder des Knr-
fÜrsten und dessen Räthe festgesetst.
129
Damian;^ das waren Forderungen^ zu deren Erfüllung sich der
Wiener Hof allsogleich bereit erklärte. ^ Etwas bedenklicher war
schon, dass der Kurfürst die zur Werbung von 1000 Mann zu Fuss
und 500 zu Pferde noth wendigen Summen und überdies das Ver-
sprechen der Wiener Regierung forderte, bei Spanien, im Falle
Leopold gewählt werden sollte, die Verzichtleistung auf die von
dieser Macht zu Karl Kaspars Nachtheile geltend gemachte Pro-
tection über die Stadt Trier durchzusetzen. ^ Doch auch zur Ge-
währung dieser Forderungen erklärte sich Leopold bereit* und
begehrte die Abfassung eines Vertrages. Als aber wenige Wochen
später der Abgesandte des Kurfürsten, Achatius Freiherr von
Hohenfeld, in Prag die Forderungen seines Herrn genau präci-
sirte, fanden sich unter denselben so manche, die Leopold nicht
erMen konnte. Denn Karl Kaspar begehrte eine Summe von
50.000 Thalern zur Fortification von Coblenz und erklärte, nur
nach Erhalt dieser Summe von dem Anerbieten Leopolds, die zur
Werbung von 1000 Mann noth wendige Summe — 12.000 Thaler
— zu erlegen, Gebrauch machen zu können ; er forderte femer,
dass Spanien der Protection über die Stadt Trier gänzlich ent-
sage und den Abt von St. Maximin zum Gehorsam an ihn,
den Kurfürsten, weise, dass ihm für die Zeit des Aufenthaltes
in Frankfurt 4000 Thaler monatlich und nach der Wahl Leo-
polds 100.000, seinem Bruder 20.000 Gulden gegeben werden
sollten.^ Dass die Wiener Regierung nur einen Theil dieser
Forderungen billigte,^ verletzte den Trierer. Als Hohenfeld
ihn von dem Ergebnisse seiner Mission in Kenntniss setzte,
schüttelte er das Haupt und meinte: ,Ich verkaufe zwar mein
Votum imd erste Stimme nicht, sonst würde mir Frankreich
1 Der Kalifschilling betrug 15.000 Gulden. Volmar an Leopold, 27. Juli
1667. W.-A. (Wahlacten.)
' Votum deputatorum, 1. August 1657. W.-A. (Wahlacten.)
' Oettingen und Lobkowitz an Leopold, 1. September 1657 und Karl
Kuspar an Leopold, 26. August 1657. W.-A. (Wahlacten.)
* Leopold an Karl Kaspar, 18. September 1657. W.-A. (Wahlacten.)
^ Hohenfeld's Schreiben vom 30. September 1657 und Votum deputatonim,
27. October 1657. W.-A. (Wahlacten.)
* Der Wiener Hof erklärte sich bereit, das zur Werbung der 1000 Mann,
deren Führer zugleich in kaiserlichen Eid genommen werden sollten,
nothwendige Geld hergeben, bei Spanien fiir Trier ein gutes Wort ein-
legen und dem KurfQrsten, sowie dessen Bruder nach der Wahl eine
entsprechende Summe Geldes zur Verfügung stellen zu wollen.
ArckiT. Bd. LXIIU. I. Hilft«. 9
130
zweimal so viel geben-, es hat mir eine hohe Summe und
meinem Bruder eine standesgemässe Herrschaft versprochen
und meine Stimme nur für den Fall begehrt, dass der von
Frankreich aufgestellte Candidat so wie so die Majorität fiir
sich hat; umsomehr verwundere ich mich (über des Wiener
Hofes Vorgehen), weil ich weiss, dass anderen Mitgliedern des
kurfürstlichen CoUegs grosse Geldsummen und ansehnliche
Hen'schaften zugesichert worden sind/ Dem Oesterreich günstig
gesinnten trierschen Kammerpräsidenten schien es, als ob der
Kurfürst schwankend geworden sei. ,Ich habe den Kurflirsten,^
schrieb er nach Prag, ,ziemlich alterirt gefunden; er weiche
von seinem Vortrage nicht ein Haar. So Ihre May. nicht wohl
resolvirt ist, dürfte man Trier wohl ganz verlieren. Ich warne
treulich; Mainz bekommt ihr nicht, müsste gar wunderbarlich her-
gehen, Heidelberg hat Geld von Frankreich bekommen, Neu-
burg hebt den Kopf auch wieder empor. Wenn Baiem nicht
will, wird Neuburg hervorgesucht werden ; Böhmen hat grosse
Gefahr mit den meisten Stimmen aufzukommen. Ich habe trea-
lieh gewarnt und warne noch ; denn es ist hohe Zeit.' ... *
An der Richtigkeit dieser Bemerkungen konnte man in
Prag nicht zweifeln; man wusste daselbst, was mit der Stimme des
Trierers auf dem Spiele stand ; allein es lag nicht in der Macht
Leopolds und seiner Räthe, alle Forderungen des Kurfürsten
zu erfüllen. Der grössere Theil betraf Dinge, über die allein
Spanien entscheiden konnte, und Peneranda, den man anginge
erklärte, die Fragen bezüglich der Stadt Trier und St. Maxi-
mins, als Rechtsfragen, nicht entscheiden, sondern blos das Be-
gehren Karl Kaspars bei seinem Herrn befürworten zu können^
und betonte im Uebrigen, dass er zu jeder Geldleistung bereit
sei, falls der Kurfürst ein bindendes schriftliches Versprechen
bezüglich seiner Stimme gebe, auf blosse Worte hin sich aber
zu nichts verstehen könne. ^ Diese allgemein gehaltenen Ver-
sprechen befriedigten die Räthe Leopolds, die des Trierers For-
derungen gerne vollständig gutgeheissen hätten, nicht. In der
That wurden Volmar Weisungen gegeben, die zwar nicht im
principiellen Gegensatze zu Peneranda's Erklärungen standen,
jedoch weit über das von ihm Gebilligte hinausgingen.
1 Hohenfeld'8 Schreiben vom 30. September 16ö7. W.-A. (Wählacten.)
2 Votum deputatomm vom 27. October 1657. W.-A. (Wählacten.)
131
Nicht nur die von Karl Kaspar für sich und seine
BrQder begehrten Summen^ die Vermittlung bei Spanien^ die
Gelder für die Werbjing der 1000 Mann wurden zugestanden^ son-
dern Volmar hatte auch Befehl, als Ersatz für die 50.000 Thaler,
welche Trier fUr den Ausbau der Festung Coblenz forderte,
die Spanien nicht bewilligen wollte, Leopold aber momentan
nicht bewilligen konnte, in des Letzteren Kamen dem Kur-
fürsten 50.000 Gulden, die in zwei nicht näher bezeichneten
Terminen erlegt werden sollten, zu versprechen. * Trotz alle-
dem kam die von Leopold gewünschte Einigung vorerst nicht
zu Stande, denn der Kurfürst blieb bei der Forderung der
50.000 Thaler und erklärte, ohne den sofortigen Erlag der
Hälfte dieser Summe und das Versprechen, innerhalb eines
halben oder längstens eines Jahres die andere Hälfte zu er-
halten, sich in keinerlei Weise binden zu wollen. ^ Der junge
König suchte von Neuem einen Ausgleich herbeizuführen. Da
aber seine Räthe immer wieder von der Unmöglichkeit be-
richteten, den Trierer zum Aufgeben seiner Forderungen zu
vermögen, beschloss er, die Verhandlungen durch persönliches
Eingreifen zum Abschlüsse zu bringen. In der That hat Leo-
pold kurz nach seiner Ankunft in Frankfurt die entscheidenden
Schritte dazu gethan. Von ausschlaggebender Bedeutung fUr
dieselben wurde die Erwägung, dass man der Unterstützung
des Trierers, obgleich die Wahl Leopolds gesichert war, in drin-
gendster Weise bedürfe, um die von den Gegnern Oesterreichs
geplante Beschränkung der kaiserlichen Macht zu verhindern.
Da nun der Kurfürst erklärte, bei der ihm von Frankreich
drohenden Gefahr, sich nur dann xückhaltslos für Leopold aus-
sprechen zu können, wenn ihm genügende Sicherheit geboten
werde, diese aber in der blossen Gewährleistung seines Besitzes
nicht fand, vielmehr die Befestigung der Stadt Coblenz für uner-
iässlich dazu hielt, beschlossen die Räthe Leopolds in einer unter
dem Vorsitze des jungen Königs gehaltenen Berathung, von
Peneranda die zur Erfüllung dieses Begehrens nothwendigen
Summen zu fordern. ' Dies gelang, wenngleich nicht ganz in
» Leopold an Volmar, 28. October 1667. W.-A. (Wahlacten.)
^ Anetban an Volmar, 27. November 1657. Beilage zum Berichte Volmar^s
vom 1.^. December 1657. W.-A. (Wahlacten.)
' Votum depaUtorum vom 28. Mars 1658. W.-A. (Wahlacten.)
9*
132
der von Trier gewünschten Form. Neue Verhandlungen, die
nothwendig waren, und die Langsamkeit, mit der das Wiener
Cabinet jener Tage amtirte, verzögerten den Abschluss. Erst
am 22. Juni 1658 wurde der Vertrag unterzeichnet. Derselbe
enthielt das Versprechen des Kurfürsten, ,au8 freiem Ent-
schlüsse und in Erwägung der von einer neuerlichen Verzö-
gerung der Wahl drohenden Gefahren die Wahl eines Eiüsers
fördern und dieselbe auf Leopold dirigiren zu woDen^ Zu
gleicher Zeit verpflichtete sich Karl Kaspar den österreichischen
Truppen den Pass und Repass zu Wasser und zu Lande so
oft als nöthig zu gestatten. Leopold dagegen bot dem Kur-
ftirsten über den gewöhnlichen Schutz, den derselbe als Kur-
flirst zu fordern berechtigt war, vollständige Sicherung gegen
alle jene, die ihn ob seiner Haltung in der Wahlangelegenheit
angreifen würden, und Schadloshaltung im Falle eines Krieges
an, und erklärte sich bereit, über die zur Werbung eines Regi-
mentes von 1000 Mann zu Fuss bereits gezahlten 12.000 Thaler,
weitere 6000 Thaler und bei dauernder Gefahr monatlich über-
dies 3000 Thaler so lange erlegen zu wollen, bis der Kurfürst
die geworbenen Völker dem künftigen Kaiser überlassen könne.
Ueberdies aber wurde dem Kurflirsten, im Falle er in seinem
eigenen Lande angegriffen werden sollte, der Anmarsch der ge-
sammten österreichischen Armee gegen die Verpflichtung zu-
gesagt, für deren Verpflegung zu sorgen, und zur Fortsetzung
des Coblenzer Festungsbaues eine Summe von 50.000 Gulden
bewilligt, deren eine Hälfte gleich, die andere innerhalb Monats-
frist nach erfolgter Wahl erlegt werden sollte. Schliesslich ver-
sprach Leopold mit seinem ganzen Einflüsse dahin wirken zu
wollen, dass die zwischen der Krone Spanien und dem Kurftlrsten
von Trier bestehenden Differenzen zu Gunsten des Letzteren
ausgeglichen würden. ^
••
Y- Köln,
Unter den geistlichen Kurfürsten war es unzweifelhaft
der Kölner, der die Candidatur Leopolds am unliebsten sah.^
» Vertrag vom 22. Juni 1658. W.-A. (Wahlacten.)
2 Es scheint mir bezeichnend für die Stärke der Abneigung des Kölner
Kurfürsten gegen die Wahl Leopolds, dass in den zeitgenössischen Flag-
Bchriften der Kölner überall als Gegner der habsburgischen Wahl
133
Nicht dass Maximilian Heinrich eine besondere Abneigung
gegen die Person des jungen Königs gehabt hätte. Es liegt
kein Beweis dafiir vor, dass ihm der Herzog von Neuburg, oder
der EIrzherzog Leopold Wilhelm besser zu Gesichte gestanden
wäre als Leopold. Auch reichspatriotische Gründe dtii'ften es
nicht gewesen sein, welche ihn vermochten, der Wahl Leo-
polds Hindemisse in den Weg zu legen. Es waren vielmehr
ganz persönliche Motive, die ihn zu einem solchen Vorgehen
bewogen. Er glaubte vom Hause Habsburg in mehr als einer
Hinsicht beleidigt und benachtheiligt worden zu sein. Er
konnte es nicht verwinden, dass nicht ihm, sondern dem
Mainzer die Elrönung Ferdinand IV. tibertragen worden war,
dass der Wiener Hof die Versprechen nicht eingelöst hatte,
die er bei dieser Gelegenheit gegeben, dass er durch die Ein-
falle der spanisch - cond^isch - lothringischen Völker wiederholt
Schaden gelitten hatte. Hält man damit zusammen, wie mächtig
auf ihn, dessen Ehrgeiz seine Befähigung weit überstieg, die
Erwägung wirken musste, dass die Wahl eines Witteisbachers
in diesem Momente bei ernstem Willen der Betheiligten durch-
gefbhrt werden konnte, so wird man begreifen, wie leicht es
geistig hochbegabten Männern, wie den Brüdern Ftirstenberg,
werden musste, den von ihnen völlig abhängigen Fürsten für
jene Schaukelpolitik zu gewinnen, welche die Fürstenberge,
insbesondere Franz Egon, in dieser wie in allen anderen
Fragen getrieben haben. Es kann nicht unsere Aufgabe sein,
in diesem Zusammenhange die vielverschlungenen Fäden der
inrstenbergischen Politik in der Wahlfrage zu entwirren oder
die Umstände auseinander zu setzen, unter denen dieselben von
Baiem auf Neuburg, von Neuburg auf Leopold Wilhelm,
von diesem wieder auf Baiem ihre Sympathien übertragen
eraeheint. Frischmann in seinem Collegium Electorale de eligendo Roma-
ooruin imperatore 1657 und Wicquefort in seinem Discours erklären, so
verschieden sie auch sonst über die voraussichtliche Entscheidung der
einzelnen Kurfürsten denken, übereinstimmend, der Kölner werde gegen
Oesterreich und für Baiern stimmen. Ich bemerke, dass ich in diesem
Znsammenhange mich in eine Kritik der zeitgenössischen Literatur nicht
eingelassen habe. Ich denke das in anderem Zusammenhange zu thun. Für
die Kritik der Schriften zur Wahl Leopolds vgl. übrigens Droysen J. G.,
Zur Quellenkritik der deutschen Geschichte des 17. Jahrhunderts. Forsch,
zur deutschen Geschichte, IV, 15 ff.
134
haben. * Nur das Verhältniss des Wiener Hofes zu Maximilian
Heinrich und die Umstände in Kürze zu schildern^ unter denen
schliesslich auch die Stimme des Kölner Kurfürsten fUr Leo-
pold gewonnen wurde, sei mir gestattet.
Eine besonders günstige Ansicht von Maximilian Heinrich
hat man in Wien von vornherein nicht gehabt. Sein Ver-
halten in der Wahlangelegenheit zu Lebzeiten Kaiser Ferdi-
nand ni. gab wenig Hoffnung auf ein Entgegenkommen. Man
war daher auch nicht überrascht^ als Volmar nach seiner ersten
Unterredung mit dem KurfUrsten und dessen Käthen von den
ausweichenden Erklärungen Maximilian Heinrichs und den
direct ablehnenden des leitenden Ministers Franz Egon Ftirsten-
berg meldete. 2 Man suchte durch Versprechen auf den Kur-
fürsten und durch Bestechung auf seine Minister zu wirken.^
Trotz alledem kam man nicht um einen Schritt weiter. Franz
Egon von Fürstenberg erklärte dem kaiserlichen Gesandten
— es geschah dies in jenen Tagen, da Boineburg und Wilhelm
Fürstenberg nach München eilten, um die Stimmung Ferdinand
Marias zu erforschen — die Wahl Leopolds sei unmöglich und
1 Für die Politik der Fürstenberge in der Wahlfrage TgL Ennen, Frank-
reich und der Niederrhein, I. und Heide 1. c, 8 u. a. O.
' Bericht Volmar*» vom 9. Juni 16ö7. Wenn Fürstenberg in dieser Zeit
behauptete, Kanstein, Friedrich Wilhelms Vertreter, habe ihm g^esa^:
,SoTiel die personam eligendi regis anlangte, da vermeinte sein gne-
digster ChurfÜrst und Herr gar nit rathsamtt sein, daß man wideramb
einen auß dem Hauß Oestereich nemmen solte, sonderlich die su Hmi-
garn und BOheimb K. M. ; deroselbeu potentia seye gar zu hoch, sonder-
lich wann E. M. Heurath mit der Infanta in Hispanien fortgehen und also
beede Mouarchiae coniungirt werden solten*, so stimmt dies wenig mit
dem überein, was Kanstein über diese Unterredung mit Fürstenberg an
seine Regierung berichtete. Urkunden und Acten etc., VHI, 440.
3 Instruction für Oettingen, 23. Juni 1657. Egon von Fürstenberg wurden
im Falle der Wahl Leopolds die Stifter Murbach und Luders ver-
sprochen. Da man aber am Wiener Hofe wusste, dass der Fürstenberger
das Stift Strassburg wünsche, wurde Oettingen angewiesen, falls es sich
herausstellen sollte, dass Fürstenberg's Einfluss so bedeutend sei, dass
er dem Hause Habsburg die Stimmen der drei geistlichen Kurftirsten
sichern könne, dem Fürstenberger zu versprechen, dass Leopold den
Erzherzog Leopold Wilhelm bewegen werde, auf Strassburg zu Gunsten
Fürstenberg's zu verzichten. Auch für den kurkdlnischen Kanzler Busch-
mann und andere Räthe Maximilian Heinrichs wurden OeldbelohBungen
in Aussicht gestellt.
135
empfahl die des Erzherzogs Leopold Wilhelm. Und als die
Vertreter Leopolds die Behauptung aussprachen^ dass der Erz-
herzog niemals die Krone annehmen werde^ meinte Fürsten-
berg, dann werde man genöthigt sein, an Baiem oder Neu-
bui^ zu denken.^ Begreiflich, dass unter solchen Umständen das
Wiener Cabinet, dem von allen Seiten Nachrichten über das
Oesterreich feindliche Gebahren der Fürstenberge zugingen, die
Hoffnung aufgab, Köln zu gewinnen. Ende August, als die böh-
mische Gesandtschaft nach Frankfurt reiste, urtheilte man über
den Kölner Kurfürsten, ,er werde entweder simpliciter auf eine
andere Person gehen, oder Leopold Versprechen geben, dann
aber schliesslich doch seine Stimme einem Gegencandidaten zu-
wenden*. ^ Nur um nichts zu verabsäumen, was unter Um-
ständen der Wahl Leopolds förderlich sein könnte, wurde den
Bevollmächtigten der Auftrag ertheilt, mit dem Kurfürsten
zu verhandeln, und dieselben ermächtigt, Fürstenberg die
Summe von 100.000 Gulden zu versprechen, falls er Kurtrier
oder Kurköln, oder letzteres allein für die Wahl Leopolds ge-
winne. Im Uebrigen war man entschlossen, die Verhandlungen
mit den anderen KurfUrsten zum Abschlüsse zu bringen und
dann, sei es mit, sei es ohne Kölns Einwilligung, die Wahl vor-
zunehmen. Li der That hat sich denn auch der Verkehr der
Räthe Leopolds mit denen des Kölner KurfUrsten und mit diesem
selbst auf das AUemothwendigste beschränkt. Eigentliche Ver-
bandlungen sind in jenen Monaten, da die Entscheidung be-
treffs der zu wählenden Person fiel, nicht gepflogen worden,
b allen Fragen aber, die inzwischen auftauchten und zur Be-
rathung kamen, hat der Kölner mit zu den heftigsten Gegnern
des Hauses Habsburg gezählt. Auch Egon Ftlrstenberg ver-
hielt sich lange Zeit zurückhaltend und ablehnend ; erst als er
sich in München davon überzeugt hatte, dass Ferdinand Maria
niemals die Krone annehmen werde, begann er einzulenken,
um dann, nach dem Scheitern der Grammont'schen Mission,
in einer der Wahrheit hohnsprechenden Weise seine Unschuld
und Neigung für das Haus Habsburg betheuemd, zu Kreuze
^ Oetüngen und Volmar an Leopold, Frankfurt, 3. August 1657. W.-A.
(Wahlacten.)
' Instruction für die böhmische Gesandtschaft, 27. August 1657. W.-A.
(Wahlacten.)
136
zu kriechen. 1 Es hätte der Würde Leopolds entsprochen, die
Anerbietungen dieses doppelzüngigen Mannes mit Umnuth zu-
rückzuweisen. Allein man glaubte die Unterstützung, die Fürsten-
berg anbot, nicht entbehren zu können; man hoffte auf eine
wahre Umkehr des Ministers und meinte in diesem Falle auf einen
Erfolg bei Maximilian Heinrich rechnen zu können. Auch
diese Hoffnung hat sich als eine leere erwiesen. Fürstenberg
nahm Geld und Gut von Oesterreich, aber zu gleicher Zeit
auch von Frankreich und fuhr fort, seinen Herrn zur Förderung
der französischen Pläne zu ermuntern. Trotz alledem glaubte
Leopold die Verhandlungen mit Kurköln nicht abbrechen zu
dürfen. Er hat den Kurfürsten wenige Tage vor seiner Ab-
reise aus Prag durch ein eigenhändiges Schreiben aufgefordert,
nach Frankfurt zu kommen und um Förderung der Wahlsache
gebeten ^ und bald nach seiner Ankunft in Frankfurt einen seiner
Räthe den Grafen Tschernin, zu dem säumenden Kurfürsten
gesendet. ^ Aber auch dieser Versuch scheiterte. Maximilian
Heinrich und sein Minister betheuerten zwar wiederholt ihre
dem jungen Könige und seinem Hause günstige Gesinnung,
blieben aber im Uebrigen bei der Ansicht, dass die Herstellung
des französisch-spanischen Friedens vor der Wahl eine Noth wen-
digkeit sei, von der nicht abgesehen werden könne. * Und wie
in dieser Frage, zeigte sich der Kurfürst von Köln in allen
übrigen als ein unversöhnlicher Gegner des Hauses Habsburg,
der seine Stimme dem jungen Könige nur widerwillig und erst
dann gab, als demselben durch die Wahlcapitulation und die
dem Abschlüsse nahe Liga die freie Entfaltung seiner Kräfte
unmöglich gemacht worden war. ^
1 Egon Filrstenberg au Ferdinand Khurtz, 28. Januar 1668. Vgl. Heide
1. c, 43 f.
2 Leopold an Maximilian Heinrich, 23. Januar 1658. W.-A. (Wahlacteo.)
3 Bericht Tschernin's über seine Mission, 15. — 23. März 1658. W.-A.
(Wahlacten.)
^ Ebendaselbst.
5 Vgl. Heide 1. c, 41 ff.
137
c. Verhandlungen mit den weltlichen Kurfürsten.
a. Baieni.
Für den gefUhrlicbsten Concurrenten Leopolds hat man
am Wiener Hofe von allem Anfange an den Kurflirsten von
Baiern gehalten. Denn dass die KurfUrsten sich zur Wahl
Ludwig XIV. nicht entschliessen würden, galt als ausgemachte
Sache, und gegen die Wahl des Neuburgers sprach in erster
Linie die von Kurbrandenburg zu erwartende Opposition. Be-
greiflich daher, dass man mit der grössten Spannung den Ver-
handlungen folgte, die am Hofe Ferdinand Marias geführt
wurden^ und alles Mögliche aufzubieten entschlossen war, um
den jungen Kurfürsten für die Sache des Hauses Habsbui^
zu gewinnen. Ueber die Haltung Ferdinand Marias war man
zur Zeit, da die Verhandlungen begannen, nicht im Klaren.
Der Einfluss seiner ehrgeizigen jungen Gemahlin — der savoyi-
schen Prinzessin Adelheid * — machte sich in bedenklicher
Weise geltend; es war fraglich, ob derselbe nicht den der
Mutter — Maria Anna — und des leitenden Ministers Maximilian
Khurtz^ überwiegen werde. Dazu kam, dass man jetzt eine
ungleich stärkere Agitation der Gegner des Hauses Habsburg
in München erwarten musste als in den Vorjahren. Air das
gab zu Besorgnissen, zu gleicher Zeit aber auch zur sofortigen
' Ueber Adelheid von Sayoyen vgl. Gaadenzio Claretta, Adelaide di
Savoia e i suoi tempi, 1877; Heide G., Adelheid von Savoyen, Cotta'sche
Zeitschrift für Geschichte und Literatur, Bd. II. Der Artikel Ueiger» in
den Münchner Sitzungsberichten, 1887, beschäftigt sich mit der Zeit von
1647—1653. Ueber das Verhalten dieser Fürstin in der Wahlfrage
spedell G. Heide 1. c, 9 ff.
' Ueber Maximilian Khurtz' Verhalten in der Wahlfrage vgl. Heide 1. c,
16. Wie verhasst dieser Minister den Feinden des Hauses Habsburg war
und welche Mühe sich diese gaben, ihn zu stürzen, geht aus den Corre-
spondenzen dieser Zeit hervor. Maximilian Khurtz schreibt darüber
seinem Bruder, dem Reichsvicekanzler, am 19. October (W.-A.): ,Man
sucht mich parte per stratagema allhier untüchtig zu machen, parte
per artem meine Treu und Redlichkeit zu tentiren, per stratagema, weil
man mich schier einer Untreu bezichtigt; um willen ich gar zu viel
von der verwittweten kurfürstlichen Durchlaucht dependire . . . per artem,
weil mir KurkOln allein 30.000 Reichsthaler baar und in contiuentt
nach der Wahl von eigener Hand versprochen, ich aber rotunde re-
fnsiret. . . .*
138
energischen Inangriffnahme der Verhandlungen Anlass. Sobald
man am Wiener Hofe zu entscheidenden Entschlüssen in der Wahl-
angelegenheit gelangt war, wurde Graf Wolkenstein mit demBe
fehle an den Hof des Kurfürsten von Baiern gesendet, Mittheilung
von dem Abschlüsse des österreichisch-polnischen Bündnisses'
zu machen und sich zugleich über die Stimmung zu orientiren,
die am bairischen Hofe bezüglich der Successionsangelegenheit
herrsche.^ Was Wolkenstein als Resultat seiner Mission nach
Wien berichtete, lautete nicht allzugünstig. Zwar die verwit-
wete KurfUrstin Maria Anna, Leopold I. Tante, gab die besten
Versprechen. Sie versicherte, ihr Sohn habe ihr zu wieder-
holten Malen betheuert, er werde die Krone nicht annehmen.
Der junge Fürst selbst aber verhielt sich äusserst reservirt
Er erklärte, er halte es fiir ungesetzlich, sich vor der Wahl
bexUglich der zu wählenden Person zu entscheiden, und Wolken-
stein glaubte aus der Ungeduld, mit welcher der Kurfürst seine
Auseinandersetzungen anhörte, den Schluss ziehen zu müssenj
dass Ferdinand A[aria die Kaiserkrone, falls ihm dieselbe an-
geboten werden sollte, nicht zurückweisen werde. ^ Diese Mit-
theilung Wolkenstein's mosste nun den Wiener Hof umsomehr
beunruhigen, als man daselbst durch den Grafen Maximilian
Khurta darüber unterrichtet war, dass die Franzosen bereits
durch Vermittlung Maximilian Heinrichs von Köln ein solches
Anerbieten an Ferdinand Maria gestellt hatten, und dass dieser,
wenn auch nicht eingewilligt^ doch auch nicht refosirt hatte. ^
Tm ^^ dringender schien es der Wiener Regierung, durch
Mouo Vorhandlungen den jungen Kurfürsten von diesem für das
Hhu{^ Hab$biunr, wie für die katholische Religion überhaupt,
$\> verh^igni^svoUen Schritte absuhahen. Als Graf Trautson,
dorn dio*t> >[i$^^n lutiel« in München anlangte, fand er Fer-
dinand Maria in der^lben Stimmung« in dar ihn Wolkenstein
Yoriaii^Mi hatte : auch Trautson s^s^fnüber blieb er dabei, sich
nicht ontschciden m ki^nnen. Beissere Hoffiiung gab Graf
* l>N>c .1*» B«»l«»^ «v«i tT. Mai 1<»T akf«^rw^ M Kttdawski, Histo.
«%MmM IVK^M«^ »V ^jL^c^isMi Vl»A»lu n\ SM' TgL Pribna, Berichte
- \\^^«< ^%^ :»j^ )Ui liK^r \V^ \raUM«M.)
' Hm>v^^I W\*4it^0««%r.> a»$ R<y<mi^«rg. 17. Joi 1«S7 W.A. (WaUadan.)
« ^ «^^ 4^^^ ^«9««« Y^Httftihu^w SM H«i» Fiifiaiai )iarias t^ Heide
139
Maximilian Khurtz. Er verkannte zwar nicht die grossen Ge-
fahren, denen der Kurfürst durch die fortwährenden Lockungen
der vielen Gegner Oesterreichs ausgesetzt sei, aber er glaubte,
dass es bei steter Wachsamkeit und mit einigen Opfern gelingen
werde, seinen Herrn von einer Verbindung mit Frankreich ab-
zuhalten. Er verkannte auch nicht die Berechtigung gewisser
Bedenken gegen Leopolds Wahl — insbesondere die Verhält-
nisse in Italien und die spanische Heirat schienen ihm von Be-
deutung — aber er meinte, auch diese könnten beseitigt werden. *
Noch viel hoffiiungsvoUer als der Staatsmann Khurtz sprach
die leidenschaftliche Maria Anna. Ihr schien es sicher, dass
ihr Sohn dem Hause Habsburg treu bleiben, die Krone
zurückweisen werde. Auch war sie bereit, Alles, was in ihrer
Macht stand, aufzubieten, mü. ihn in dieser Ansicht zu be-
stärken. Sie glaubte dies um so eher thun zu können, als sie
fest davon überzeugt war, dass die Annahme der Krone
ihrem Sohne schweres Unglück bringen würde.^ Und Khurtz
wie Maria Anna waren darin einig, dass die grösste Gefahr,
die der Candidatur Leopolds am Münchner Hofe drohe, in
dem Einflüsse liege, den die junge KurfUrstin auf ihren Ge-
mahl ausübte. Bitterlich klagte Khurtz über das Vorgehen
Adelheids, die den jungen Kurfürsten, so oft er — Khurtz —
denselben von der Nothwendigkeit des engen Anschlusses an ,
Oesterreich überzeugt habe, für die gegentheilige Auffassung
zu gewinnen wisse, ^ und die verwitwete Kurfürstin betonte
ausdrücklich, ,die junge Curfllrstin verlange die keyserliche
Hochheit undt werde noch mehr instigiert von Ihrer Frauen
muetter; sie carezziere aniezo Ihren Gemahl den Curfiirsten mehr
alß zuvor und treibe an, dass Ehr nach Franckhfort raise undt
sie mitnembe^^ Auch sonst stimmten Khurtz und Maria Anna in
ihren Ansichten über die Wahlverhältnisse überein. Sie betonten
Beide, dass der Wahl Leopolds in erster Linie von den rheinischen
Kurfürsten Hindemisse in den Weg gelegt werden würden.^
^ TrautsoD an Oettingen, München, 18. Juli, und an Leopold, 22. Juli
1657. W.-A. (Wahlacten.)
2 Bericht Trautaon's an Leopold, ddo. München, 24. Juli 1657. W.-A.
(Wahlacten.)
5 Desgleichen vom 23. Juli 1657. W.-A. (Wahlacten.)
* Desgleichen vom 22. Juli 1657. W.-A. (Wahlacten.)
^Ebenda.
140
In der That langten in jenen Tagen Boineborg und Wilhelm
Fürstenberg in München an, um Ferdinand Maria die Kaiser^
kröne anzubieten, auf den schon vorher der savoysche Ge-
sandte, Graf Bigliori, und Landgraf Georg Christian von Hessen-
Homburg im antiösterreichischen Sinne zu wirken versucht
hatten. Trautson hatte Gelegenheit, sich zu überzeugen, wie
ernstlich all' diese Männer der Candidatur Leopolds entgegen-
arbeiteten. * Air dies rief am Wiener Hofe grosse Beunruhigung
hervor. Man fürchtete trotz der guten Erklärungen der Kur-
fllrstin - Mutter und des leitenden Ministers, dass Ferdinand
Maria der Versuchung erliegen und die Hand nach der ihm
dargereichten Krone ausstrecken werde. £k galt daher, so bald
als mögUch ein bindendes Versprechen von dem jungen Kur-
fürsten zu erhalten. 2 In diesem Sinne wendete sich Erzherzog
Leopold Wilhelm an seine Schwester. Die Bemühungen der-
selben und des Ministers Maximilian Khurtz waren von Erfolg
begleitet. Schon am 17. August konnte der Letztere seinem
Bruder, dem Reichs vi cekanzler, berichten, ,man hat meinen
Herrn abermals mit dem Kaiserthron von unten herauf ge-
kitzelt, er bleibt aber bei seiner gefassten Resolution, die, ich
hoffe, er selbst dem Herrn Bruder überschreiben wird und das
mit nächstem.' ^ Und eine Woche später gieng in der That
» das Schreiben des Kurfürsten von Baiem ab, durch das er seine
Stimme dem Hause Habsburg anbot und zugleich tun Einleitung
von Verhandlungen behufs Errichtung einer Defensivallianz
zwischen beiden Mächten ersuchte. * Ueber die Gründe, die
Ferdinand Maria zu diesem Schritte vermochten, kann kaum
ein Zweifel obwalten. Der Einfluss seiner Mutter, der glühen-
den Vertheidigerin der habsburgischen Interessen, sowie des
Herzogs Albrecht und des Grafen Khurtz, die Erkenntniss von
dem unausbleiblichen Kampfe mit dem Hause Habsburg, falls
er die Wahl annahm, und das Bewusstsein, sich gegen das-
selbe nur durch vollständige Unterwerfung unter Frankreich
mit Erfolg vertheidigen zu können, haben unzweifelhaft mit
* Bericht Trautson's vom 24. Juli 1657. Sehr ausführlich, aber verworren
und ungeniessbar sind die Mittheilungen über Trautson's Aufenthalt in
München bei Walewski 1. c, II. Theil, I. Abtheilung, 209 ff.
2 Votum deputatorum vom 1. August 1657. W.-A. (Wahlacten.)
3 Maximilian Khurtz an Ferdinand Khurtz, 17. August 1657. W.-A.
* Abgedruckt bei Heide 1. c, p. 30 f., Note.
141
in erster Linie zu dem Entschlüsse des jungen Fürsten beige-
tragen. Den Ausschlag scheint aber die £rwägung gegeben
zu haben, dass die Anerbietungen Frankreichs und der rheini-
schen Fürsten nicht so rückhaltslos waren, als Ferdinand Maria
gewünscht hätte. Frankreich dachte in dieser Zeit an die Wahl
Ludwig XIV., die Kurfürsten von Mainz und Köln an die
des Erzherzogs Leopold Wilhelm. Den Reden der Vertreter
dieser beiden Kurfürsten glaubte Ferdinand Maria entnehmen
zn können, dass sie Bedenken gegen seine Erhebung hatten.
Sollte er unter diesen Umständen wagen, die Macht und das
Ansehen, das er besass, aufs Spiel zu setzen, um einem Ziele
nachzujagen, das verlockend, wie es war, der Gefahren und
Mühen so viele in sich schloss, das ihn in die heftigsten Conflicte
mit jenem Hause bringen musste, an das ihn sein Glaube und
verwandtschaftliche Beziehungen wiesen und das ihn, wenn er
es erreichen wollte, zu einem Sclaven des Reichsfeindes machen
musste? Ferdinand Maria brauchte nur die Ereignisse der
jüngstvergangenen Zeit an seinem geistigen Auge vorüberziehen
zu lassen, um der Gefahr bewusst zu werden, die ihm drohte,
wenn er die Krone erstrebte und annahm. Welch* ein schmäh-
hohes Ende hatte jener Pßllzer gefunden, der sich — nicht
zum letzten durch den Ehrgeiz seiner Gemahlin, der englischen
Ehsabeth — hatte verleiten lassen, die böhmische Königskrone
anzunehmen. Auch Friedrich hatte man allerseits Hilfe zuge-
sagt und dann im Stiche gelassen. Und musste nicht das Bei-
spiel des Vaters bestimmend auf den jungen Fürsten wirken?
Auch Maximilian war die Kaiserkrone angeboten worden und
er hatte sie zurückgewiesen, obgleich er ehrgeizig genug war,
sie zu erstreben, und Talente genug besass, sie mit Würde zu
tragen. Er hatte es abgelehnt, römisch- deutscher Kaiser zu
werden, weil er wusste, dass seine eigene Macht nicht hin-
reiche, ihn in dieser Stellung zu behaupten, und weil er von
der richtigen Voraussetzung ausging, dass man auf fremde
Hilfe nicht bauen dürfe. Wie treffend solche Erwägungen waren,
hat die Geschichte bewiesen. Denn als fast ein Jahrhundert
später ein Nachkonmie Maximilians sich durch die Versprechen
auswärtiger und deutscher Fürsten verleiten Hess, in einem
Momente, da Oesterreichs Macht tiefer gesunken war als je
vorher, die Kaiserkrone sich aufs Haupt zu setzen, konnte
er nur wenige Jahre sich des Glückes freuen; von seinen
142
Freunden verlassen, verlor er nicht nur den Thron, sondern
musste, wie einst Friedrich von der Pfalz, sehen, wie sein
eigenes Land in die Hände des Feindes fiel.
Die Wiener Regierung nahm die Nachricht von der Ent-
scheidung Ferdinand Marias mit Jubel auf. Ferdinand Khurtz,
dem der KurfUrst das Schreiben mit der Bitte zugesendet hatte,
von dem Inhalte desselben nur Leopold und dessen Oheim
Mittheilung zu machen, war ausser sich vor Freude. Er ver-
sprach sich den besten Erfolg davon bei den übrigen Kurfilrsten.'
Und wie er, dachten der junge König und dessen Oheim Leopold
Wilhelm. Sie haben sich darin auch nicht getäuscht. Der
Entschluss Ferdinand Marias war von der grössten Bedeutung.
Denn gerade in diesem Momente, da der Kurfürst von Baiern
dem Wiener Hofe das Versprechen gab, die Kaiserkrone, fall»
sie ihm angetragen werden sollte, nicht annehmen, vielmehr
ftir das Haus Habsburg agitiren zu wollen, hatten die in Frank-
furt angelangten Vertreter Ludwig XIV. das bairische Project
erst recht in Gang gebracht. * Und so gross waren die Aner-
bietungen der Franzosen und das Drängen aller Mächte, die
im Interesse Frankreichs am Hofe Ferdinand Marias wirkten,
so nachhaltig der Einfluss, den Adelheid von Savoyen auf
ihren Gemahl zu Gunsten der Candidatur ausübte, dass alle
jene, welche von den Abmachungen des Wiener Hofes und
dem Schreiben Ferdinand Marias keine Kenntniss hatten, nicht
glauben wollten, dass der Kurfürst all' diesen Versuchungen
Stand halten werde. ^ Insbesondere in den letzten Monaten
des Jahres 1657, als die allarmirendsten Nachrichten aus Mün-
chen und Frankfurt über die Bemühungen der französischen
Partei, Ferdinand Maria zur Annahme der Krone zu vermögen^
in Prag einliefen, mehrte sich die Zahl jener Männer, welche
» Ferdinand Khurtz an Maximilian Khurta, 28. Angnst 1657. W.-A.
' Vgl. weiter unten.
3 Auch am Hofe Leopolds gab es Viele, welche an der Aufrichtigkeit
Baierns zweifelten. Unter ihnen auch der spanische Botschafter Peile-
randa. Ja dieser ging so weit, die vom Hofe begehrten Qeldunter-
stflttnngen zu versagen, da man über Baierns Haltung, ohne dessen Zu-
stimmung nicht« zu erhoflfen stünde, im Unklaren sei. Um Penerand«
zu beruhigen, sah sich die Wiener Regierung genöthigt, demselben troU
der gelobten Wahrung des Geheimnisses wenigstens theilweise Mit-
theilung von dem Inhalte des bairischen Schreibens vom 14 August «»
machen. Votum deputetorum vom 12. October 1667. W.-A. (Wahlacten )
143
einen Abfall Baiems von Oesterreich fürchteten. Und nicht
eher schwand diese Angst^ als bis das Scheitern der Gbam-
mont'schen Mission auch den kurzsichtigsten Politikern klar
gemacht hatte, dass Ferdinand Maria fest entschlossen sei, die
Krone, falls sie ihm angeboten werden sollte, zurückzuweisen.
Der junge Kurfürst übersandte das Schreiben, durch das
er sich verpflichtete, in der Wahlfrage für das Haus Habs-
burg einzutreten, dem Grafen Ferdinand Khurtz mit der Bitte,
von dem Inhalte desselben blos dem jungen Könige und dessen
Oheime Mittheilung zu machen, ihnen die Geheimhaltung auf
das Dringendste zu empfehlen und das Originale des kurfürst-
lichen Schreibens so bald als möglich zurückzusenden. Zu
gleicher Zeit ersuchte Ferdinand Maria den Reichsvicekanzler
um Förderung des zur Sicherung Baiems geplanten Abkommens.^
Khurtz entsprach dem Wunsche des Kurfürsten in jeder Hin-
sicht Schon am 5. September konnte er ihm das Original des
Schreibens vom 24. August übersenden. ^ Am selben Tage er-
gingen auch die Schreiben des jungen Königs und seines
Oheims. Leopold betheuerte in dem seinen, der Kurfürst hätte
ihm und seinem Hause keinen besseren Beweis seiner Neigung
geben können als durch die in der Wahlfrage abgegebene Er-
klärung, versicherte denselben der strengsten Geheimhaltung
und fUgte im Hinblicke auf die von Ferdinand Maria ge-
wünschte Sicherung für den Fall eines AngriflFes die Bemer-
kung hinzu, ,dass sie auf allerhand unverhofften Fall, der ihnen
ans ihrer mir zu best gefassten Resolution begegnen möchte,
von mir und meinem Erzhaus mit aller Macht geschützt und
wider alle besorgende Gewalt, so viel Hilfe, als sie bedürftig,
unfehlbar zu erwarten haben sollen*. * Und Erzherzog Leopold
Wilhelm hob in seinem Dankschreiben ganz ausdrücklich hervor,
er freue sich über die Aeusserung Ferdinand Marias zu Gunsten
Leopolds ,als wanns mir selber geschehen wäre'.^ In der That aber
hstte der Kurfürst von Baiem der Person Leopolds in seinem
Versprechen nicht Erwähnung gethan, vielmehr bewusst dem
Schriftstücke eine allgemein auf das Haus Habsburg gerichtete
* Ferdinand Maria an Ferdinand Khnrtz, Schieissheim, 24. August 1657.
W.-A. (Bavarica.)
' Ferdinand Khurtz an Ferdinand Maria, 5. Juli 1667. W.-A. (Bavarica.)
' Leopold an Ferdinand Maria, ß. Juli 1657. W.-A. (Bavarica.)
* Leopold Wilhelm an Ferdinand Maria, 6. Juli 1657. W.-A. (Bavarica.)
144
Fassung gegeben. Es entging ihm auch nicht; dass der Wiener
Hof seiner Erklärung eine viel bestimmtere Deutung gab, als
er beabsichtigt hatte ; er wusste^ dass es einen ganz besonderen
Zweck hatte, wenn Erzherzog Leopold Wilhelm in seinem
Schreiben die Fähigkeiten des jungen Königs in überschwäng-
licher Weise pries. Trotzdem glaubte er an den allgemeinen
Ausdrücken, in die er sein Versprechen in der Wahlangel^en-
heit gekleidet hatte, festhalten zu müssen. Nicht dass er die
Wahl Leopolds nicht wünschte ; im Gegentheil, er gönnte dem-
selben, wie er dem Reichsvicekanzler geschrieben hat, diese
Würde vom Grunde seines Herzens und war auch bereit, für
ihn einzutreten, aber erst ,zu seiner Zeit', wie er sich aus-
drückte. Im gegenwärtigen Momente sich bereits auf das Be-
stimmteste fUr Leopold auszusprechen, hielt er mit Rücksicht
auf die von allen Seiten geltend gemachten Bedenken gegen
die Erhebung des jungen Königs zum Kaiser für allzu geßlhr-
lich. Und um so eher hoffte er den Wiener Hof mit dieser
etwas allgemein gehaltenen Versicherung befriedigen zu können,
als er zugleich das Versprechen gab, soweit es in seiner Macht
stehe, für die Beseitigung der Schwierigkeiten, die der Wahl
Leopolds im Wege standen, zu wirken und damit zu er-
kennen gab, wie sehr er principiell mit der Wahl des jungen
Königs einverstanden war. Ferdinand Maria hat in vollem
Masse gehalten, was er versprach. In jenen ereignissreichen
letzten Monaten des Jahres 1657, da ein Bote Frankreichs den
andern am Hofe Ferdinand Marias ablöste, da Mazarin mit
allen möglichen und unmöglichen Mitteln auf den jungen Kur-
ftirsten einzuwirken suchte, hat dieser in ununterbrochener
Correspondenz mit Leopold gestanden, ihm von allen Ver-
handlungen, die an seinem Hofe gepflogen wurden, Mittheilung
gemacht und in allen Streitfragen, über die in Frankfurt be-
rathen wurde, auf das Eifrigste die Sache Leopolds vertreten.
Niemand hat lauter als die Vertreter Ferdinand Marias gegen
die Fortdauer des Deputationstages, gegen die Verzögerung der
Wahl protestirt, Niemand ist eifriger als sie für die Admission
der böhmischen Gesandtschaft eingetreten.
Es war nur eine natürliche Folge dieses Vorgehens,
dass Ferdinand Maria immer dringender das Bedürfhiss
empfand, von Leopold eine Gewährleistung seines Besitzes
zu erlangen. Bereits in jenem Schreiben vom 24. August
145
hat er die Ausstellung eines Assecurationsrecesses gefordert
and diesem Wunsche in seinen an Ferdinand Khurtz gerich-
teten Briefen seitdem wiederholt Ausdruck verliehen. * Man
war am Wiener Hofe sogleich bereit, dem Begehren des Kur-
ftirsten von Baiem zu entsprechen, doch verzögerte das schwere
Leiden des Reichsvicekanzlers, das seinen längeren Aufenthalt
in Carlsbad nothwendig machte, die Abfassung des gewünschten
Projectes. Erst Ende October konnte Ferdinand Khurtz das-
selbe nach München senden. ^ Es enthielt das Versprechen des
Wiener Hofes, den Inhalt des kurfürstlichen Schreibens geheim
zn halten und Ferdinand Maria gegen Jeden zu schützen, der
ihn ob seines Verhaltens in der Wahlangelegenheit angreifen
würde; dann aber die Forderung der Hilfe Seitens Baiem, falls
Oesterreich vom Feinde angegriffen werden sollte, sowie die aus-
drücklichste Verpflichtung für den Kurfürsten, seine Stimme dem
Könige von Ungarn und Böhmen zu geben. ^ Ferdinand Maria
war mit dieser allgemein gehaltenen Erklärung des Wiener Hofes
durchaus nicht einverstanden. Er betonte — mit Recht, wie
mich dünkt — eines solchen Recesses bedürfe er nicht, denn
was in demselben enthalten sei, habe ihm Leopold bereits mit
Hand und Siegel in dem Schreiben vom 5. September zuge-
sagt; er forderte vor Allem detaillirtere Bestimmungen über die
Trappenzahl, mit der Leopold ihm zu Hilfe eilen wolle, falls
er im eigenen Lande angegriffen werden sollte.-* Um eine
rasche Erledigung zu ermöglichen, schlug Ferdinand Maria die
Zusammenkunft zweier mit den zum Abschlüsse nothwendigen
Vollmachten versehener Abgesandten der beiden Höfe an einem
neutralen Orte vor. Der Wiener Hof ging sogleich auf diesen
Vorschlag ein. Um die übrigen Mächte, denen das Zusammen-
treten Theisinger's und Puecher's, der Abgesandten Baiems
und Oesterreichs, nicht unbekannt bleiben konnte, zu täuschen,
wurden Beschwerdeschriften über den Einfall bairischer Truppen
in österreichisches und österreichischer Truppen in bairisches
1 Ferdinand Maria an Ferdinand Khnrtz, 12. September 1657. W.-A.
(BaTarica.)
> Ferdinand Khnrtz an Ferdinand Maria, 31. October 1657. W.-A.
(Bavarioa.)
' Project des Recesses vom 28. October. W.-A. (Bavarica.)
* Ferdinand Maria an Ferdinand Khnrtz, 5. November 1657. W.-A.
(Bavariea.)
Arehir. Bd. LXXUI. I. HUfke. 10
146
Gebiet gewechselt^ und die Zusammenkunft Tbeisinger's and
Puecher's zu Waldmünchen als Versuch eines Ausgleiches in
dieser Streitfrage hingestellt. In den ersten Tagen des De-
cember trafen die beiden Männer zusammen. Gleich die ersten
Berathungen zeigten, dass noch principielle Differenzen vor*
lagen. Puecher erklärte, über die Wahlfrage nicht verhandeln
zu wollen, da diese bereits erledigt seL Theisinger wideroin
behauptete, nur dann in Unterhandlungen sich einlassen zn
können, wenn die Wahlfrage zugleich mit der des Assecurations-
recesses vorgenommen werde. ^ Während ein Bote Puecher's
Leopold die Mittheilung von dieser Forderung des bairischen
Hofes überbrachte, machte Theisinger den österreichischen Be-
vollmächtigten mit • den Bedingungen vertraut, unter denen
sein Herr das Abkommen mit der österreichischen Regierung
treffen wolle. Dieselben lauteten: 1. Leopold verpflichtet sich,
Ferdinand Maria gegen Jedermann zu vertheidigen, der densel-
ben ob seiner Haltung in der Wahlangelegenheit angreift; speciell
2. gegen den Kurfürsten von der Pfalz und dessen Adhärenten.
Fällt die Wahl auf ein Mitglied des Hauses Habsburg, so wird
Leopold sich bemühen, die Differenzen zwischen diesen beiden
Kurfürsten auszugleichen. 3. Die Hilfe für Baiem soll aus 7000 —
8000 Mann zu Fuss und 4000—5000 zu Ross deutscher Truppen
bestehen. Doch bleibt es dem Belieben des Kurfürsten überlassen,
eine grössere oder geringere Anzahl Fussleute oder Reiter zu
wählen. 4. Leopold wird dem Kurfürsten mit Proviant und Mu-
nition an die Hand gehen. 5. Bietet sich die Gelegenheit, so wird
Leopold die kurfürstlichen Truppen aus seinen Erbländem mit
Quartieren, Munition etc. versehen. In jedem Fall verpflichtet
sich Leopold 6. darauf zu achten, dass des Kurfürsten Lande
mit Winterquartieren verschont werden. 7. Fällt die Wahl auf
1 Dieser Gedanke war von Ferdinand Maria ausgegangen, Postsoriptnm
zum Schreiben vom 5. November 1657. W.-A. (Bavarica.) Am 10. No-
vember ergeht die Beschwerdeschrift Leopolds an Ferdinand Maria, am
15. November die von Baiem an Leopold. Am Tage nach dem Ab-
gange der Beschwerdeschnften richtet Ferdinand Maria an Ferdinand
Khurtz und dieser an jenen ein Privatschreiben, in welchem aatdrüek-
lieh hervorgehoben wird, dass den officiellen Schreiben keine Bedeutung
beizumessen sei.
2 Bericht Puecher's ddo. Waldmünchen, 6. December 1657. W.-A.
(Wahlacten.)
147
ein Mitglied des Hauses Habsburg, so wird der Erwählte Alles
than, damit der Kurfürst nicht in Krieg geräth und dass wo-
möglich für alle Zeit sedes belli von den kurförstlichen Län-
dern entfernt bleibe. 8. Das Commando über die österreichischen
Hilfstruppen steht dem KurfUrsten zu, so lange die Truppen
in seinem Lande kämpfen. *
Puecher fand diese Forderungen etwas hoch gegriffen,
umsomehr als der KurfUrst in der Wahlfrage bei seinem all-
gemein gehaltenen Versprechen blieb und seinerseits sich zu
einer Hilfeleistung Leopolds, falls dessen Erbländer angegriffen
werden sollten, nicht verstehen wollte. Doch blieben alle Versuche
Puclier's, eine Herabsetzung zu erwirken, fruchtlos. Theisinger
drohte vielmehr, falls nicht binnen Kurzem die von ihm ge-
forderte Einwilligung der österreichischen Regierung zur gleich-
zeitigen Behandlung der Wahlfrage einlangen sollte, abzureisen.^
Unterdessen war man in Prag in diesem Punkte zu einem
Entschlüsse gelangt. Puecher erhielt Befehl, dem Theisinger
die Eröffnung zu machen, Ferdinand Maria habe sich Leopold
und dieser jenem gegenüber bezüglich der Wahlfrage so er-
klärt, dass Leopold diese Angelegenheit fUr abgeschlossen und
richtig gehalten habe ; trotzdem sei man bereit, neue Vorschläge
des bairischen Kurfürsten in Erwägung zu ziehen. Man gab
auf diese Weise dem bairischen Hofe zu wissen, dass man
eine neuerliche Erörterung der Angelegenheit nicht wünsche
und der Stimme des KurfUrsten fllr Leopold sicher zu sein glaube,
ohne jedoch durch eine entschiedene Weigerung den bairischen
Hof zu verletzen. Ungleich entgegenkommender zeigte sich
die österreichische Regierung bezüglich der von Baiem ge-
stellten Forderungen. Man billigte sie fast ausnahmslos; nur
die Versehung der kurfürstlichen Truppen mit Munition und
Proviant, sowie mit Winterquartieren in den Erblanden wies
man entschieden zurück und begehrte von Baiern eine reci-
proke Verpflichtung, Leopold, falls er in seinen Erblanden
angegriffen werden sollte, zu unterstützen. ^ Als Puecher dem
Vertreter Ferdinand Marias von dem Inhalte der kaiserlichen
Weisung Mittheilung machte, zeigte sich derselbe durchaus
^ Bericht Paecher*8, Waldmünehen, 6. December 1657. W.-A. (Wahlacten.)
' Desgl^chen, 13. December 1657. W.-A. (Wahlacten.)
' Weisung an Paecher Yom 13. December 1657. W-A. (Wahlacten.)
10»
148
nicht zufriedengestellt. Er meinte^ wenn Leopold statt Ober
das Votum und die Garantie für Baiem über gegenseitige
Unterstützung verbandeln wolle^ wozu er keine Instruction habe
und wovon man am Münchner Hofe nichts wisse, werde die
gewünschte Einigung niemals erfolgen ; die reciproke Verpflich-
tung seines Herrn habe sich blos darauf bezogen^ dass der-
selbe neben den Truppen Leopolds zur Sicherung des bairischen
Landes beitragen solle. * Alle Versuche Puecher*s, ihn von
dieser Ansicht abzubringen, waren vergebens. Theisinger er-
klärte, nicht länger in Waldmünchen verweilen zu können;
er versprach, in München über das Resultat seiner Verhand-
lungen zu berichten, und empfahl dem Vertreter Leopolds
fUr die vollständige Befriedigung der von Baiem gestellten
Forderungen, zu denen er einige neue hinzufügte, einzutreten. '
Es schien, als sollten sich die Verhandlungen noch in letzter
Stunde zerschlagen. Allein viel zu klar war an beiden Höfen
die Erkenntniss von der Nothwendigkeit eines gemeinsamen
Vorgehens, als dass man den Abschluss des Bündnisses um
irgend einer Ursache willen unterlassen hätte. In der That er-
folgte derselbe alsbald. Der RurfUrst gab seine Geneigtheit zu
erkennen, in der Wahlfrage Leopolds Wünschen Rechnung zu
tragen,^ und dieser unterzeichnete das ihm von Ferdinand
Maria durch Vermittlung des Grafen Ferdinand Khurtz über-
mittelte Project, * verzichtete auf eine Hilfeleistung Seitens des
Kurfürsten, erklärte sich bereit, bezüglich des Proviantes ,ein
und andersmahl etwas beizuschaffen', und versprach in einem
besonderen Schreiben, die von Baiern gewünschte Berathung
wegen des Salzaufschlages, der Wassermauth und anderer
Differenzen in Bälde stattfinden zu lassen. ^ Die Gründe, die
1 Bericht Puecher's, Waldmünchen, 16. December 1657. W.-A. (WahUoten.)
^ Ebendaselbst. Die neuen Forderungen betrafen den übermässigen Auf-
schlag für das ,Hallingische Salz*, die übermässige Wassermauth und
die Differenzen zwischen den Bewohnern Böhmens und des KurfÜrsten-
thums Baiem.
' Ferdinand Maria an Leopold, 1. Januar 1658. W.-A. (Bavarioa.)
^ Ferdinand Maria an Ferdinand Khurtz, 1. Januar 1668. W.-A. (Bavi-
rica.)
^ Leopold an Ferdinand Maria, 12. Januar 1658. W.-A. (Bayarica.) Auch
zu der von Ferdinand Maria gewünschten Diatachirung einer grosseren
Truppenzahl an die böhmische Qrenze erklärte sich Leopold bereit,
Postscriptum zum Schreiben vom 12. Januar 1658.
J
149
Leopold bewogen, in allen Punkten die Forderungen Ferdinand
Marias zu erfUUen, liegen auf der Hand. Er stand auf dem
Sprunge, nach Frankfurt zu reisen. EJr wünschte die Wahl so
bald als möglich vollzogen zu sehen. Auf die Stimmen von
Mainz, Trier, Sachsen imd Brandenburg glaubte er rechnen zu
können. Gelang es ihm, jetzt auch von Baiern eine bindende Er-
klärung zu erlangen, dann durfte er mit dem Bewusstsein eines
unausbleiblichen Erfolges die Reise nach Frankfurt antreten.
Und da nun Ferdinand Maria in einem eigenhändigen Schreiben
Leopold nicht mehr in der aUgemeinen Fassung der Erklärung
Tom 24. August, sondern in ganz unzweideutiger Weise seine
Stimme zugesagt hatte, ^ glaubte das Wiener Cabinet dieses
Versprechen durch die Nichtunterfertigung des in denselben
Tagen übersendeten Vertragsprojectes nicht rückgängig machen
zu dürfen. Am 12. Januar erfolgte die Unterzeichnung des
Recesses durch Leopold. Eine wesentliche Aenderung in den
Beziehungen der beiden Fürsten durch denselben trat nicht
ein. Auch wurde es leicht, den Vertrag geheim zu halten.
Der Kurflirst von Baiem hatte sich schon seit Monaten Oester-
reich so günstig gesinnt gezeigt, dass es nicht auffallen konnte,
wenn er auch jetzt in den strittigen Fragen auf das Entschie-
denste die Sache Leopolds vertrat.
ß. Brandenburg.
Mehr als bei den Verhandlungen des Wiener Hofes mit
den übrigen Kurfürsten trat bei jenen mit dem Kurfürsten
von Brandenburg der innige Zusammenhang der Wahlangelegen-
heit mit den anderen grossen Fragen, welche die politische
Welt der damaligen Zeit in Spannung erhielten, zu Tage.
Denn obgleich Friedrich Wilhelm schon in dem Momente, wo
mit dem Tode Ferdinand III. die Wahlfrage eine brennende
geworden war, erkannte, dass die Erhebung Leopolds allein
den Literessen des Reiches entspreche, hat er lediglich im Hin-
blicke auf die allgemeine Lage der Dinge und der schwanken-
den Stellung, welche er selbst innerhalb der sich bekämpfenden
Gewalten in jenem Momente einnahm, mit einem bestimmten
Versprechen für die Wahl Leopolds zurückgehalten. Und auch
^ Ferdinand Maria an Leopold, 5. Januar 1658. W.-A. (Bavarica.)
150
darüber darf man sich nicht täuschen, dasB Friedrich Wilhelm
trotz der vielen Erklärungen, die er im Sinne der habsborgi-
acben Candidatur schon vor dem Abschluss des Berliner Vertrages
vom 9. Februar 1658 abgegeben hat, und trotz der Ueber-
zeugung von der Vortheilhaftigkeit der Wahl Leopolds l\ir das
Reichswohl, keinen AugenbUck gezögert hätte, die Candidatnr
eines Nichthabsburgers mit aUen ihm zu Gebote stehenden
Mitteln zu fördern, wenn die seit dem Beginne des Jahres
1657 geführten Verbandlungen mit Polen und Oesterreich nichl
zu einen» die Interessen des Kurfürsten fördernden Ende ge-
fllbrt hätten. Die Umstände, unter denen dieser Änschluu
Friedrich Wilhelms an die österreichische Partei und mit dem-
selben die Entscheidung in der Wahlfrage erfolgte, liegen jetzt
klar vor unserem Auge. * Schritt fUr Schritt sind wir im Stande,
die Einwirkung der allgemeinen Verbältnisse auf die Haltung
des KurfUrsten in der Wahlangelegenheit zu verfolgen. Je
grösser die Aussicht auf eine Einigung, desto günstiger lauten
die Weisungen Friedrich Wilhelms an seine Vertreter in Frank-
furt. Der Unsicherheit, die beim Regierungsantritte LeopoldB
über die Haltung herrschte, die der junge König den grossen
Fragen der europäischen Politik gegenüber einnehmen werde,
entsprach die Weisung, die Friedrich Wilhelm seinen nach
Frankfurt bestimmten Vertretern gab. Er befahl ihnen, Alles
anzuhören, nichts abzuschliesaen und so oft des Hauses H&bs-
hurgs gedacht werde, zu betonen, dass er auf dasselbe ein be-
sonderes Absehen gerichtet habe und dass dasselbe bei ihm in
grosser Cousideration stunde.'
> Für die Politik Braadenbargs kommen in eriter Linie die Hittbei[uDg:eD
in Betracht, die sich im achten Bande der .UrkaDden nnd Aclen lur
Geschichte des Groaaen KurfUralcn', p. 433 ff-, und auch an andereo Orten
dieses Bandes vor6aden. Das Verbältniss OesterreichB eu Brandenbn^
in der Wahl- wie in der Alliaazfra^c ist klar dargelegt in deo , Be-
richten LisoU'n', Archiv für Kunde Ssterr. Gesch., Bd. LXX, das Frank-
reichs im (weiten Bande der , Urkunden nnd Acten', p. 38 ff. Vgl. auch
für die Stellung BrandenbnrgB in dieser Zeit Drojsen, Oesch. d. prson.
Politik, IIli, 3S3 ff., dessen Darstellung allerdings so manche Uingsl
aufweist, und die Eiuleituiig in den Berichten Lisola's I. c, 33 B.
' Weisung Friedrich Wilhelms an seine Gesandten vom 27. April IGü'-
Berliner Archiv. Vgl. auch ftlr die schwankende Ballung Friedrich
Wilhelms in dieser Zeit die Instruction für den an Johann Georg gv-
sendeten Johann Fr. von Loben, Urkunden und Acten, Vm, iU.
151
Als dann die ersten Regierungshandlungen Leopolds
keinen Zweifel darüber Hessen, dass der Sohn die von dem
Vater betretene Bahn weiter wandeln wolle, als Lisola von
Neuem am Hofe Friedrich Wilhelms erschien und die mit
seltenem Geschicke geführten Verhandlungen dieses Staats-
mannes den baldigen Äbschluss des brandenburgisch-polnischen
Bfindnisses in Aussicht stellten, da liess sich der KuriUrst von
Brandenburg schon deutlicher vernehmen. Er hat nicht blos
dem Vertreter Leopolds bei einem Gelage, das zur Feier der
Gebart eines Prinzen — es war dies der nachmalige erste König
von Preussen — veranstaltet wurde, gesagt, ,Böhmen, Branden-
burg tmd Sachsen werden dem Reiche einen Kaiser geben und
euer Herr erkennen, wie ergeben ich ihm bin' ; ^ sondern er
hat in einem Schreiben an den Kurfürsten von Köln, der im
Rufe stand, die bairische Candidatur zu fördern und des
Brandenburgers Ansicht in dieser Sache zu erfahren suchte,^
ganz ausdrücklich erklärt, er halte es unter den herrschenden
Verhältnissen nicht für angezeigt, an die Wahl eines Herrschers
ans einem andern Hause als aus dem der Habsburger zu denken.^
Das ausdrückliche Versprechen, Leopold seine Stimme zuzu-
wenden, hat Friedrich Wilhelm aber — und zwar blos münd-
lich — erst in dem Augenblicke gegeben, wo in Wehlau die
Unterzeichnung des Vertrages erfolgt war, durch den ihm die
Souveränetät in Preussen von seinem ehemaligen Lehensherm,
1 Bericht LiBola's vom 31. Juli 1657, Pribram 1. c, 311.
' Maximilian Heinrich an Friedrich Wilhelm, -19. Jnni und 27. Juli 1657,
Urkunden und Acten, VIII, 449, 451.
' Friedrich Wilhelm an Maximilian Heinrich, 21. August 1657, Urkunden
und Acten, Vni, 452 f. Ein ähnliches Schreiben erging auch an den Haupt-
bevollmächtigten des Brandenburgers bei der Wahl, Moriz von Nassau,
24. August. Berliner Archiv. Vgl. damit die entgegengesetzten Erklärun-
gen, die Friedrich Wilhelm dem Vertreter Frankreichs, d^Avaugour, gab,
Urkunden und Acten, II, 130: II me confia aussi en grand secret avoir
re^u une lettre de Cologne en ces termes, qu^il ^tait temps aujourd'hui
de penser k donner Texclusion k la Maison d'Autriche, et il m'assura
lui avoir r^pondu de mdme par un expr^s, qu'il se joindrait k lui en
ce bon dessin. Friedrich Wilhelm wollte Frankreich eben bis zum letzten
Augenblicke im Glauben erhalten, dass er gegen Leopold stimmen
werde, um, falls sich die Verhandlungen mit Leopold zerschlagen sollten,
den Anschluss an Frankreich um so leichter erzielen zu können. Wie
wenig es ihm aber gelang, Mazarin zu täuschen, zeigt die Instruction,
die Blondel im Herbste 1657 erhielt, Urkunden und Acten, II, 136.
152
dem Könige von P
dem voraichtigen Vi
Versprechen, das ei
sich zu geben sich gi
vom 9. Februar 165f
Leopolds in allen F
seiner Politik bedeu
Erklärung zur Abgs
Wenn aber dieser u
KurfÜTBt von Brand
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Wohl Leopolds unc
Reiches und höher a
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Actionsfreiheit des
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lichkeit nach auf de
und Friedrich Wilh(
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er der UnterstUtzun
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Stimmung des allgei
burgischen Interesa
übrigen Kurfürsten "
zu überzeugen, na<
nähme an dem epai
jedem Fingreifen ir
halten werden solltf
zösi sehen und Östei
eine völlige Unterwi
denken war, bot der
' Bericbt Liaola's voi
' Vgl. den Abdruck
Verträge, 6S6 ff.
153
Mitte]^ den von beiden Seiten mit grosser Heftigkeit geftihrten
Kampf zu einem beide Theile zwar nicht befriedigenden, aber
erträglichen Ende zu bringen. ^
f. Sachsen,
Von allen KurfUrsten war es der sächsische allein, auf dessen
Stimme man am Wiener Hofe von allem Anfange an mit Be-
stimmtheit gerechnet hat. Dass man sich demungeachtet zu einer
besonderen Mission an den Dresdner Hof entschloss, geschah,
weil man Johann Qeorg durch Unterlassung derselben zu be-
leidigen fürchtete, und weil man den Kurfürsten für ein ener-
gisches actives Eingreifen im Interesse Leopolds zu bewegen
wünschte. Graf Wolkenstein, der Mitte Juli in Dresden an-
langte, fand Johann Georg und dessen Räthe in der besten
Stimmung. ' Der Kurfürst gab ein ganz bestimmtes Versprechen
bezüglich der Person Leopolds und erklärte sich bereit. Alles,
was in seinen Eoilften liege, zu thun, um seine Mitkur-
fiirsten zu gleichem Vorgehen zu vermögen. ^ Neigung und
Interesse haben in gleich hohem Masse zu diesem Entschlüsse
beigetragen, von dem Gebrauch zu machen der Wiener Hof
sich allsogleich entschloss. ^ Ende August trafen der Reichs-
vicekanzler Ferdinand Khurtz und Heinrich von Friesen, einer
der vertrautesten und fähigsten Räthe Johann Georgs, in Raudniz
znsanmien. Ueber das Resultat ihrer Unterredung berichtete
der Reichsvi^ekafizler seinem Bruder : ,Friesen hat solche Satis-
faction für seinen Herrn gebracht, dass man billig damit con-
tent und seiner Aflfection versichert sein kann.' ^ Eine lebhaft
geiUirte Correspondenz des sächsischen und österreichischen
* Ueber die Haltung BrandeDbargs bei den Verhandlungen über die Wahl-
capitulation vgl. Urkunden und Acten, VIII, 486 ff. und Heade 1. c, 54 ff.
^ Wie auB einem Berichte Georg Ulrichs von Wolkenstein vom 4. Juli
1657 ans Prag (W.-A. Wahlacten) hervorgeht, war er bereits Ende Juni
auf kurze Zeit in Dresden gewesen und hatte sich daselbst von der
günstigen Stimmung des Kurfürsten und seiner Rftthe überzeugt. Die
neue Instruction, die ursprünglich für den Qrafen Rothai abgefasst
worden war, ist datirt: 1. Juli 1657. W.-A. (Wahlacten.)
' Bericht Wolkenstein's, ddo. Prag, 24. JuU 1657. W.-A. (Wahlacten.)
* Votum dejmtatorum vom 1. August 1657. W.-A. (Wahlacten.)
> Fardinand Khurtz an MaximilUn, 28. August 1657. W.-A. (Wahlacten.)
154
Ministers war die Folge. * Sie bewegt sich vomehmlich in
zwei Richtungen. Oesterreich fordert ein entschiedenes Ein-
treten Johann Georgs flir Leopold in den vielen Streitfragen,
die sich in Frankfurt ergaben, und Sachsen dringt auf eine
Gelduuterstützung.^ Der Kurfürst von Sachsen ist den Wünschen
des Wiener Hofes in jeder Hinsicht nachgekommen. Er hat
nicht nur selbst in lebhaftester Weise gegen die Verzögerung der
Wahl Leopolds protestirt und auch in allen übrigen Fragen
die Sache Leopolds vertreten,^ sondern auch durch persönliche
Unterredung und schriftliche Aufforderung die Kurfilrsten von
Brandenburg und Baiem für ein gleiches Vorgehen zu gewinnen
gesucht. * Und da auch der Wiener Hof das von Johann Gkorg
gestellte Begehren, ihm eine Summe von 100.000 Reichsthalem
zur Verfügung zu stellen^ erfüllte und allsogleich 30.000 Reichs-
thaler anwies, ^ so herrschte zwischen den beiden Höfen vollste
< Ein grosser Theil dieser Correspondenz befindet sich im Wiener ArcbiTe.
Die Originale der Khurtz^schen Schreiben, sowie die Concepte der
Friesen'schen sind in einem stattlichen Bande vereinigt, der sich auf
dem Schlosse Rötha bei Leipzig, Eigenthum der Nachkommen des Hein-
rich von Friesen, vorfindet und der mir von dem jetzigen Bentier mit
grdsster Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellt wurde, wofür ich dem-
selben meinen besten Dank hiemit ausspreche.
3 Sowohl bei dem ersten als auch bei dem zweiten Aufenthalte Wolken-
stein^s in Dresden wurde von Seite der sächsischen Minister die Notb-
wendigkeit einer Unterstützung Johann Georgs mit Geld Seitens der
Wiener Regierung hervorgehoben. Es bandelte sich um ein Darieben
von 100.000 Thalem.
3 Vgl. die Instruction Johann Georgs au seine Gesandten in Frankfurt,
deren Copie er Leopold am 24. November 1657 eingesendet hat W.-A.
(Wahlacten.) Die umfangreichen Berichte, welche Strauch von Frank-
furt aus nach Dresden geschrieben, enthalten fast nichts, was nicht ancb
aus anderen Mittheilungen zu entnehmen wäre. Strauch erscheint täs
ein Mann, der den entscheidenden Bewegungen doch etwas femer steht
* Vgl. das .Schreiben Johann Georgs an Ferdinand Maria von Baiem vom
13. December 1657. An den Hof des Brandenburgers sendete Johann
Georg den geheimen Rath Dietrich Freiherm von Tauber mit Instraction
vom 24. November, ddo. Lichtenburg. Dresdner Archiv. Ganz ähnlich
lautet die Instruction an Strauch, ddo. Lichtenburg, 22. November 1657.
Dr.A. Ueber die persönliche Unterredung zu Lichtenburg vgl. Pufsn-
dorf S., De rebus gestis Friderici Wilhelmi, VII, §. 33.
* Portia an Ferdinand Khurtz, 26. August 1657. W.-A. (Wahlacten.) Aach
bei dieser Angelegenheit hatte der spanische Botschafter eine «atpcliei*
dende Stimme.
155
UebereiDstimmang, die ihren Ausdruck in den zahlreichen
Schreiben fand, welche die beiden Herrscher und ihre Räthe in
jener Zeit wechselten. * Eine vorübergehende Störung trat erst
eio, als Johann Georg sich weigerte, nach Leopolds Wunsch Mitte
J&naar die Reise nach Frankfurt anzutreten. Doch genügte
das energische Auftreten der nach Dresden gesendeten kaiser-
lichen Beyollmächtigten und eine neue Abschlagszahlung auf
die bereits bewilligten 100.000 Thaler, Johann Georgs Wider-
stand zu brechen.^
Doch haben innere Angelegenheiten und die Furcht vor
einem Einfalle Frankreichs nach Deutschland, den man auch
am sächsischen Hofe im Laufe des Februar 1658 fUr wahr-
scheinlich hielt, die Abreise des Kurfürsten verzögert, und als
diese endlich erfolgte, verursachte die durch das schlechte
Wetter herbeigeführte Verkehrsstörung neue Verzögerung. ^ So
geschah es, dass Leopold gegen den ursprünglichen Plan vor
Johann Georg in Frankfurt anlangte, dessen Abwesenheit er
1 Die lebhafte CorreepondenK der beiden Fürsten findet sieb fast vollständig
im Wiener Arcbive vor.
^ Diese Angelegenheit, obgleich durchaus nicht von hervorragender Be-
deutung, hat Anlass zu einer sehr lebhaft geführten Correspondenz
zwischen den beiden HOfen und zu mehreren Missionen gegeben. Söhon
Ende December war Wolkenstein an den Hof des Kurfürsten von
Sachsen mit dem Auftrage gesendet worden, denselben zur Reise nach
Frankfurt zu vermOgen. Bericht Wolkenstein's vom 5. Januar 1658.
W.-A. (Wahlaoten.) Da Wolkenstein nichts ausrichtete, wurde eine zweite
Gesandtschaft, Lobkowitz (nicht der Minister) und Kaltschmidt, nach
Dresden abgefertigt, der es nach langen Verhandlungen (Berichte vom
18. und 25. Januar 1658. W.-A. (Wahlacten) gelang, den Kurfürsten zu
dem Versprechen zu vermögen, die Reise nach Frankfurt allsogleich an-
zutreten, sobald er von dem Aufbruche Leopolds Mittheilung erhalte.
Ein gleiches Versprechen gab Johann Qeorg in dem Schreiben an Leo-
pold vom 11. Januar st. v. W.-A. (Wahlacten.) Die Verhandlungen über
die Geldangelegenheit wurden in Prag durch den Dresdner Rath Lütti-
chau geführt (Protokoll vom 19. Januar 1658. W.-A. Wahlacten).
^ lieber die Reise des Kurfürsten Johann Georg nach Frankfurt und seinen
Aufenthalt daselbst liegt im Dresdner Archiv ein culturgeschichtlich
höchst interessantes Diarium, die Zeit vom 11. Februar bis 29. August
1668 umfassend, vor. Mit der grOssten Genauigkeit ist hier das Leben des
KuHÜrsten in diesen Monaten geschildert. Wie viel Zeit durch HOf lich-
keitivisiten und Gelage verloren ging und mit welch' nichtigen Dingen
n besobifUgen der sächsische Kurfürst — und wie er die übrigen —
S^ilOÜiigt war, ist aus diesem Tagebuche sehr deutlich zu entnehmen.
156
um 80 bitterer empfand, als ihm die immer deutKcher hervor-
tretende Neigung der KurfUrsten von Mainz, Köln und Pfalz^
seine Actionsfreiheit durch die Wahlcapitulation zu schrnftlem,
ein energisches Vorgehen der Gutgesinnten nothwendig er-
scheinen Hess. Um den säumenden EurRirsten zur raschen
Vollendung der Reise anzuspornen, wurde Ulrich Einsky, der
spätere mächtige Minister, ausersehen. > Er traf Johann Geoi^
in der Nähe Frankfurts. Am 1. April hat derselbe in der
üblichen feierlichen Weise seinen Einzug gehalten. Wenn sich
Leopold aber von der Anwesenheit Johann Georgs einen be-
deutenden Erfolg versprochen hatte, so sah er sich bald enttäuscht
Nicht dass der Kurfürst es an gutem Willen hätte fehlen lassen.
Er hat vielmehr in all' den Streitfragen, welche in jenen Wochen
im Collegium und ausserhalb desselben ausgefochten wurden,
auf directem oder indirectem Wege die Interessen des Hauses
Habsburg wahrgenommen. Allein darin täuschte sich Lieopold,
dass er mit Hilfe des Kurfilrsten von Sachsen den Widerstand
d^r opponirenden Fürsten brechen zu können hoffte. Auch
Johann Georg vermochte nicht, die Kurfürsten von Mainz, Köln
und Pfalz von ihren Ansichten abzubringen, und aU' seine Be-
mühungen ^haben den Brandenburger nicht abgehalten, ftir die
seiner Auffassung nach nothwendige Beschränkung der Actions-
freiheit Leopolds zu stimmen.
8. Pfalz,
Auch mit Karl Ludwig von der Pfalz hat der Wiener
Hof im Interesse der Wahl Leopolds Unterhandlungen ge-
pflogen. Dass man auf einen günstigen Ausgang derselben mit
Bestimmtheit gerechnet hat, ist nicht zu ersehen, aber zweifel-
los wusste man in Wien nicht, in welcher Weise sich Karl
Ludwig durch den im Jahre 1656 mit Frankreich geschlossenen
Vertrag gebunden hatte, ^ und hielt es nicht für unmöglich, den
Pfklzer für die Sache Leopolds zu gewinnen. Bereits im Juli
1657 machte Volmar den Versuch, sich über Karl Ludwigs
Gesinnungen Klarheit zu verschaffen. Was er in Heidelberg
* Vgl. über diese Mission den Bericht Kinsky's vom 1. April 1668. W.-A.
(Wahlacten.)
' Vgl. Valfrey, Hugues de Lionne, Vol. n, 81. Häusser, Geschichte der
Pfalz, n, 616. Was Häusser über die Wahl im Allgemeinen sagt, ist
ganz unrichtig.
157
erfahr, schien ihm nicht gerade hoffnungslos zu sein. Der Kur-
fürst betonte zwar die von Frankreich drohende Gefahr, er-
klärte sich aber bereit, gegen entsprechende Entschädigung
für die Sache Leopolds einzutreten. ^ Dass er dieses Ver-
sprechen aufrichtig gemeint hat, ist nicht anzunehmen; er
wollte nur nicht zwischen zwei Stühlen sitzen bleiben, und
da er mit Frankreich den neuen Vertrag über seine Haltung
in der Wahlfrage noch nicht abgeschlossen hatte, wollte er
sich den Ausweg einer Einigung mit Oesterreich durch eine
entschiedene Zurückweisung der habsburgischen Candidatur
nicht verschliessen. Der Wiener Hof aber, der des PfUlzers
Erklärungen fUr den Ausdruck seiner wahren Gesinnung hielt,
gab dem Grafen Oettingen Befehl, die Verhandlungen mit Karl
Ludwig fortzusetzen und dessen Räthe durch reichliche Geld-
spenden zu gewinnen. Als Oettingen und mit ihm Volmar bei
dem Pflllzer in den ersten Tagen des August vorsprachen,
wurden sie nicht besonders herzlich aufgenommen. Karl Lud-
wig hob in ungleich höherem Grade als vorher die Schwierig-
keiten hervor, die der Wahl Leopolds entgegenstünden, und
war, obgleich die kaiserlichen Räthe mit Versprechungen
nicht sparten, zu einer Leopolds Candidatur günstigen Aeusse-
nmg nicht zu vermögen. ^ Oettingen und Volmar mussten im-
verrichteter Dinge abreisen. Wenige Tage, nachdem sie Heidel-
berg verlassen hatten, trafen die Vertreter Ludwig XIV. ein,
um die in Paris fast bis zum Abschlüsse gediehenen Ver-
handlungen zu Ende zu führen. In der That ist es ihnen ge-
langen, von Karl Ludwig das bindende Versprechen zu er-
langen, seine Stimme ganz nach dem Wunsche Frankreichs
abzugeben. ^ Damit war eigentlich jede weitere Verhandlung
mit dem österreichischen Hofe unmöglich. Trotzdem haben
solche stattgeflinden. Die Unbeständigkeit und Geldgier, welche
Karl Ludwig in Conflicte mit den französischen Gesandten
brachten, haben den Vertretern Leopolds die Möglichkeit
1 Bericht Volmar's vom 4. Juli 1667. W.-A. (Wfthlacten.) Karl Ludwig
forderte bereits damals die Begleichung der, wie er behauptete, ,kraft
Friedensschlusses wegen seiner Brüder an ihn erwachsenen 100.000 Reichs-
thaler^.
< Bericht Oettingen's und Yolmar's, ddo. Frankfurt, 10. August 1667.
W.-A. (Wahlacten.)
' YgL weiter unten.
158
geboten, meist auf indirectem Wege eine Einwirkung auf den
Kurfürsten zu versuchen. Von Erfolg waren diese Bestrebungen
aber nicht begleitet. Der Pflllzer blieb ein entschiedener Gegner
der habsburgischen Candidatur und hat, als die Wahl Leopolds
nicht mehr zu bekämpfen war, durch sein unzweideutiges Ein-
treten für Frankreich mit am meisten zur Schmälerong des
kaiserlichen Ansehens beigetragen.
B. Spanien.
Unter den Fürsten, welche für die Wahl Leopold I. ein-
getreten sind^ hat es keiner mit seinen Bemühungen so ernst
genommen als Philipp IV. von Spanien. Erwägungen ver-
schiedenster Art trugen dazu bei. Einmal die Rücksicht auf
das Interesse des Hauses, dem anzugehören er sich nicht we-
niger rühmte als sein deutscher Vetter. Die Idee der Zu-
sammengehörigkeit war bei den Habsburgem trotz der viel-
fach differirenden Interessen der deutschen und spanischen
Linie und der heftigen Conflicte, in welche diese seit den
Tagen Karl V. und Ferdinand I. gerathen waren, nicht er-
loschen. Philipp IV. musste aber ganz besonders die moralische
Verpflichtung fühlen, für die deutsche Linie des Hauses Habs-
burg einzutreten. Er musste die Unterstützung Leopolds in der
Wahlfrage für eine passende Gelegenheit halten, dem Sohne
einen Theil des Dankes abzustatten, den er dem Vater schul-
dete. Und doch dürften nicht diese Erwägungen, sondern Rück-
sichtnahme auf das eigene Interesse den Ausschlag gegeben
haben. Denn für Philipp IV., der mit den Franzosen in Italien
und in den Niederlanden Krieg führte, konnte es keinen herberen
Schlag geben, als die Wahl eines habsburgfeindlichen Fürsten
zum römisch-deutschen Kaiser. Die Erhebung Ludwig XIV.,
oder eines von Frankreich abhängigen Fürsten bedeutete für
Spanien mehr als eine verlorene Schlacht. Und durfte Philipp IV.
hoffen, von Leopold in dem Kampfe gegen Frankreich ferner-
hin unterstützt zu werden, wenn er nicht mit allen ihm
zu Gebote stehenden Mitteln die Wahl desselben förderte?
Musste er nicht empfinden, dass er für seine eigene Sache
kämpfte, indem er die seines Vetters vertrat? Und in dieser
Auf&ssung von der Nothwendigkeit und Zweckmltesigkeit
der Förderung der Wahl Leopolds musste der spasisohe
159
König nur noch bestärkt werden, wenn er den Erwägungen
Gehör schenkte, die dem durch einen langen Aufenthalt am
Wiener Hofe mit den dortigen Verhältnissen wohlvertrauten
Castel-Rodrigo ein entschiedenes Eintreten für die Wahl Leo-
polds wünschenswerth erscheinen Hessen. In einem ausführlichen,
lichtvollen Gutachten hat Castel-Rodrigo seine Ansicht nieder-
gelegt. ^ , Von Seite der Franzosen/ so sagt er, ,ist Ludwig XIV.,
und falls dessen Wahl sich als undurchführbar erweisen sollte,
ier Kurfürst von Baiem und der Herzog von Neuburg in Aus-
sicht genommen. Weigern sich aber die Kurfürsten hartnäckig,
von dem Hause Habsburg zu lassen, dann werden die Fran-
zosen die Erhebung Leopold Wilhelms und die Verheiratung
desselben mit der Prinzessin von Orleans fordern, um auf diese
Weise DiflFerenzen im Hause Habsburg zu erregen, die in
jedem Falle eine Unterstützung Spaniens unmöglich machen
würden.* Die Wahl Ludwig XIV. schien dem spanischen Staats-
manne überaus unwahrscheinlich. Die Deutschen, meint er,
^kennen zu genau den Unterschied des französischen und öster-
reichischen Regimentes, die Härte des ersteren und die Milde
des letzteren, sie wünschen viel zu lebhaft einen Herrscher,
der in ihrem Lande geboren ist und ihre Sprache spricht, als
dass sie Ludwig XTV. ihre Stimme geben sollten.' Auch von
Baiem glaubte Castel-Rodrigo wenig fürchten zu müssen. Es
schien ihm mehr als zweifelhaft, ob Ferdinand Maria bei seiner
ausgesprochenen Neigung für das Kaiserhaus die Hand nach der
Krone ausstrecken werde, die sein Vater unter günstigeren Um-
ständen zurückgewiesen hatte. Und da er die Wahl des Herzogs
von Neaburg für unmöglich hielte schien ihm die grösste Ge-
fahr in der Möglichkeit der Wahl Leopold Wilhelms zu liegen.
Alle Ghründe, welche später von den verschiedenen Vertretern
dieser Candidatur geltend gemacht worden sind, das Alter,
die &fia.hrung des Erzherzogs und vor Allem die Möglichkeit,
die Zustimmung der Gegner Leopolds für dessen Wahl zu ge-
winnen, finden wir bereits in dem Gutachten des vielerfahrenen
^ Relacion que de orden de su Magestad hi^o el Senor Marques de Castel-
Rodrigo etc. British Museam, Cod. Add. 14004. Ein starker Band, der
spanische Documente aus verschiedenen Zeiten enthält Der Bericht
Castel-Rodrigo's ist eine Art Finalhericht nach Muster der yenetianischen.
Castel-Bodrigo berichtet ausführlich über die Wahl Ferdinand IV. und
die WaliWerhSltnisso nach' dessen Tode.
160
spanischen Staatsmannes. Allein es entgingen dem scharfen
Blicke Castel-Rodrigo's auch die grossen Gefahren nicht, welche
dem Hause Habsburg aus der Wahl des Erzherzogs erwachsen
konnten. ,Sollte Leopold Wilhelm/ schrieb er, ,sich in den
Kopf setzen, die Kaiserwürde anzustreben, so wird dies zu
seinem und zum Ruine des ganzen Hauses führen, unsere
Gegner aber werden in diesem Falle einen grösseren Sieg
davontragen, als wenn der König von Frankreich zum Kaiser
gewählt worden wäre.' Zugleich sprach er aber die Hoflfhung
aus^ dass Leopold Wilhelm sich durch die Liebe für den jongen
König und durch das Beispiel seines Ahnen Maximilian, dem in
allen Dingen nachzustreben er vorgebe, bewegen lassen werde,
sich selbst von jeder Candidatur auszuschliessen. Alle diese
Erwägungen haben denn auch Castel-Rodrigo vermocht, dem
Könige die Absendung eines besonders geschickten Mannes zu
empfehlen, der mit Wort und That für die Wahl Leopolds
wirken und dadurch den jungen König von vorneherein für
die Interessen der spanischen Monarchie gewinnen sollte.*
Inwieweit Castel-Rodrigo's Gutachten die Entscheidung
Philipps beeinflusst hat, wissen wir nicht. Gewiss ist aber,
dass die Instruction, welche für den Grafen Peneranda abge-
fasst wurde, seinen Rathschlägen vollkommen entsprach. Phi-
lipp IV. betonte in derselben ausdrücklich, er wünsche die
Wahl seines Vetters Leopold^ der von deutscher Herkunft sei,
genügende Einkünfte und alle sonstigen Eigenschaften besitze^
die von den Wählern gefordert werden könnten, und gab
Peneranda Befehl, mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln
die Wahl des jungen Königs zu fbrdem. Dass die Instruction
auch Vorschriften für den Fall enthält, dass die Kurfürsten
aus freien Stücken Philipp IV. oder einem der Erzherzoge die
Krone zuwenden wollten, kann uns nicht irre machen, denn
Philipp rV. erklärte ausdrücklich, es geschehe dies blos, um
Peneranda ftir jeden denkbaren Fall zu instruiren, und legte
dem Gesandten ganz besonders ans Herz, dem Erzherzoge
Leopold Wilhelm, dessen Candidatur am spanischen Hofe am
meisten gefUrchtet wurde, auf das Entschiedenste von der An-
nahme der Krone abzurathen. ^
1 Relacion etc. Br. M., Add. 14004.
3 Instniction für Peneranda, 8. Jnni 1657. Br. M., Add. 14004. Eine AbaehriA
findet sich anch im Pariser Archive der auswärtigen Angelen^eoWten.
161
Die Unterstützung, die der spanische König seinem deut-
schen Vetter angedeihen lassen konnte und wollte^ war eine dop-
pelte. Er konnte demselben Geld zur Verfügung stellen, um die
Kurfürsten zu gewinnen, und er konnte die Schwierigkeiten
beseitigen helfen, die sich etwa der Wahl Leopolds in den
Weg stellen sollten. Das Erstere hat Philipp IV. in vollem
Masse gethan. Wir kennen zwar nicht die Höhe des für diesen
Zweck aufgewendeten Betrages, aber unzweifelhaft war der-
selbe ein höchst bedeutender, wenn er auch nicht immer hin-
reichte, die Forderungen des Wiener Cabinets zu decken.* Da-
gegen gestattete das Interesse der spanischen Regierung nicht
rückhaltslos flir Leopold durch die Beseitigung der seiner Wahl
im Wege stehenden Hindernisse einzutreten. Insbesondere
bezüglich des von dem Erzkanzler dringend geforderten Ab-
schlusses des französisch-spanischen Friedens ergaben sich ver-
hängnissvolle Differenzen. Denn für Leopold und die deutsche
Linie des Hauses Habsburg wäre es ein grosses Glück ge-
wesen, wenn die von Lionne in Madrid geführten Verhand-
hiDgen zum Abschlüsse gebracht worden wären. Wäre ja da-
durch das Hauptargument der Kurfürsten gegen die Erhebung
Leopolds we^efallen und dem Wiener Hofe die schweren
Kämpfe und Demüthigungen erspart worden, die er bestehen
und erdulden musste. Auch hat sich die Opposition Leopolds
nicht gegen den Frieden, sondern nur gegen eine durch lang-
dauernde Verhandlungen bedingte Verzögerung der Wahl ge-
richtet. Philipp dagegen wünschte in diesem Momente, wo er
den Kampf gegen Frankreich mit Erfolg zu führen begann,
die Fortsetzung des Krieges und hoffte durch Förderung der
Wahl Leopolds sich eine ausgiebige Unterstütztmg Oesterreichs
Die entscheidende Stelle lautet: ,Pero el qne yo mas deseo, 7 el
qne maü conviene a nostra caaa es el Bey mi sobrino, en el qnal
qnisa son circostancias de conveniencia gyrata a los mesmos Aleroanes, per
so Majd nacido en Alemania y teniendo estados bastantes no passan
desto para hacer les cnidado, quäl, se dice, le tubieron en tiempo de la
felia memoria de Carlos quinto mi Bisabuelo; por esto y tener mi
sobrino la primagenitnra de la linia de mi casa en Alemania nostras
intendonesy.que procureis con todas las diligencias y esfuer^s posibles,
qne cayga esta Di^dad en su persona . . .'
' Die Wahlacten des Wiener Archiyes umfassen viele Documente, die
sich auf Verhandlungen der spanischen Minister La Faente und PeKe-
randa mit den B&then Leopolds in Geldangelegenheiten beziehen.
ArUt. Bd. LXXUL 1. HilfU. ^^
162
in den Niederlanden und in Italien zu sichern. Da nun aber
die Wiener Regierung durch La Fuente von den Plänen des
Madrider Hofes auf das Genaueste unterrichtet war und nach
dessen Mittheilungen auf eine schleunige Beendigung der Frie-
densverhandlungen nicht hoffen konnte, sah sich Leopold ge*
nöthigt, seinerseits von allem Anfange an gegen die Vornahme der
Friedensverhandlungen zu protestiren. * Peneranda billigte, als er
am 7. October 1657 in Prag anlangte, das Vorgehen Leopolds
vollkommen. - Er betonte, wie unzweckmässig es sein würde,
sich in Friedensverhandlungen einzulassen, die nichts Anderes
bezwecken würden, als die Wahl zu verzögern, da er zur Vor-
nahme solcher Verhandlungen nicht instruirt, eine Antwort aus
Spanien aber vor drei bis vier Monaten nicht zu erwarten sei,^
und lehnte die wiederholten Aufforderungen des Erzkanzlers,
nach Frankfurt zu kommen, in entschiedenster Weise ab.*
Um einen Bruch mit Johann Philipp zu vermeiden, der
ihm mit Rücksicht auf Leopold gefährlich schien, und den er
durch eine barsche Weigerung, den kurfürstlichen Friedem-
anerbietungen Gehör zu schenken, herbeizuführen fürchtete, ent-
schloss sich Peneranda im November 1657, den Erzbischof von
Trani, Saria, nach Frankfurt mit dem Auftrage zu senden, dem
Erzkanzler die Gründe in ausführlicher Weise vorzuführen, aus
denen er in eine Vornahme der Friedensverhandlungen nicht
willigen könne, und flir die Vornahme der Wahl zu stimmen.^
Saria fand den Kurfürsten in einer entgegenkommenden
Stimmung. Denn wenn es demselben auch gelungen war, die
Vornahme der Friedensverhandlungen vor der Wahl durch ein
Majoritätsvotum im kurfürstlichen Conclave zum Beschlüsse zu
erheben, so hatte ihm doch die Art, in der dieser Beschloss
erfolgte, und die bald darauf erfolgende Weigerung der welt-
lichen Mitglieder, ein Gesammtschreiben an Peneranda im
Sinne der Vornahme der Friedensverhandlungen ergehen zu
1 Bericht der Gesandtschaft vom 7. September 1667. W.-A. (Wahlacten.)
Weisung an die Gesandtschaft, 17. September 1657. W.-A. (Wahlacten.)
2 Portia an Ferdinand Khurt«, Prag, 9. October 1657. W.-A. (Wahlacten.)
3 Ferdinand Khurtz theilte seine Ansicht in diesem Punkte. Ferdinand
Khurtz an Leopold, 12. October 1657. W.-A. (Wahlacten.)
* Peneranda an Johann Philipp, Prag, 16. November 1657. W.-A. (Wahl-
acten.)
^ Saria an Peßeranda, 27. November 1657. Copie. W.-A. (WahkotOB.)
163
lassen^ zum Bewusstsein gebracht^ welchen Schwierigkeiten
sem Friedensplan auch bei seinen MitkurfUrsten begegnen
werde. ^ Die Verhandlungen des Erzkanzlers mit Saria sind
nicht ohne Bedeutung. Johann Philipp gab in der ersten Unter-
redimg, die zwischen beiden Männern stattfand, eine ausführ-
liche Darstellung seiner Bemühungen um den Frieden, dessen
Nothwendigkeit er nicht milde wurde zu betonen. Dass Trani
die Erklärungen der Franzosen, deren Geneigtheit Frieden zu
schliessen der Erzkanzler wiederholt hervorhob; fUr falsch und
die Friedensverhandlungen vor der Wahl für unzweckmässig
erklärte, hinderte Johann Philipp nicht, bei dieser Frage zu
verweilen und zugleich mit der UnerlässHchkeit der Friedens-
verhandlungen ihre Nützlichkeit zu betonen. Trotzdem hat er
sich zu einer Aeusserung herbeigelassen, welche dem Wiener Hofe
überaus erwünscht sein musste und die langgehegten Zweifel in
die Aufrichtigkeit der mainzischen Behauptungen beseitigte. Als
Trani immer dringender die Vornahme der Wahl vor Abschluss der
Bpanisch-französischen Friedensverhandlungen forderte, erklärte
Johann Philipp, er wolle dem jungen Könige von Ungarn seine
Stimme geben, derselbe möge in Gottes Namen kommen, aber
Leopold werde, wenn nicht genügende Garantie für die Her-
stellung des Friedens vorher geboten sei, eine Wahlcapitulation
aimehmen müssen, die ihn zur Aufrechthaltung des Friedens
zwingen werde.^ Die Drohung, welche in diesen letzten Worten
* Vgl. weiter oben p. 118 f.
' SarU an Peneranda, 27. November 1657. W.-A. (Wahlacten.) Saria'B
Berichte sind ansserordentlich breit. Ich hebe nur die wichtigsten Stellen
herans. Die Franzosen seien bereit ssu Verhandlungen, daher halte er
dafür, ,que considerando, que la ocasion presente es la mejor que pue-
de hallarse para pacificar el mundo, desea con grandes ansias se llegue
a otra tal declara^ion de parte de Espaffa, para que si Franceses hablan
de yeras, se acomodase el mundo puesto que el Rey mi Sr desea de
venu la Paz y la a tanto menester hallandose por todos partes atacado
de tantos enemigos, y si Franceses no ablasen de veras conociese el
mundo su inten^on y en ese caso se los cargase la culpa de todo el
dafio, con que se passaria a una feliz Ele^ion ; que es lo que sumamente
desea por que siendo su inten^ion no elegfir otro que al Sr Rey de
Ungria ni aver tenido jamas otra en caso, que no sea iustase la paz
o por los menos la corona de Espafla hiciese cono<;er al Imperio des-
earia tlegando a los terminos que con su Em» han Uegado Franceses en
eata Junta del Collegio Electoral : en la capitula^ion que devera iurar el
Eleeto Emperador seria for^so que jurase la manutention de la paz,
11*
164
lag, hat man am Wiener Hofe nicht gewürdigt;^ man empfing
die Nachricht mit Jubel, der sich noch steigerte, als Johann
Philipp in seinen weiteren Unterredungen immer von Neuem
die Reise Leopolds nach Frankfurt forderte, und seine Stimme
demselben zu g^ben versprach, ^ und als die Mittheilungen der
kaiserlichen Gesandten und endlich ein eigenhändiges Schreiben
Johann Philipps Saria's Meldimgen bestätigten.
Peneranda war für die schleunige Abreise Leopolds nach
Frankfurt.' Er hoffte wohl Johann Philipp noch ganz zu gewinnen,
qne reyocase sns armas de Italia, que abrogasse el vicariato del Imperio,
no pudiendo ser de otra manera . . . qne este pnnto de la Capitniacion
seria mny dafloso a 1a Corona de Espaßa y de Alemania sin qne el
Emperador pndiese soccoirer a1 Rey mi Sr, lo que no sn^ederia en caso
que la Corona de Espafla quiciese sincerarse en este punto de la ptz
y ha<;er cono<;er a qui a vista del Imperio y del mundo desearla con
lleg^ar con su declara^ion al termino que hau llegado Fran^eses con U
sua, pues si entonces no obra^asen el tratado se pasaria luego a la Ele-
<;ion y se escusaria la clausula del iuramento en la Capitula^ion dexando
en liverdad al Emperador para poder socorrer a su Ma^, que a Sa
Em* se he ha<;e muy aspero que al mismo tiempo que se ha^e un servi^io
a la Augma ciisa elegiendo Emperador al S. Rey de Ungria en es miimo
tiempo seria for^oso desobligarla con capitula^ion inescusable qne
estaria muy mal a la augm* casa y al Rey nostro Senor.* Am Ende
der Berathungen rief Johann Philipp, als er sah, dass Saria ron der
FriedensYomahme unter keinerlei Umständen etwas wissen wolle, ans:
^ Seflor Arcebispo, que occasion perdemas a qui per no teuer V. £.
mandato para tratar la paz/ Saria an Peneranda, 11. December 1657.
W.-A. (Wahlacten.)
1 Auch Saria schrieb am 4. December, der Kurfürst habe ihm gesagt,
que escriviesse a. V. E. que el todo consiste en que 8. M. y V. E-
bengan, pero que la capitula^ion ne se podra escusar por la mannten-
cion por la paz y esto es lo que desean Francesos, come V. E. bera en
este memorial y dice S. E., diga yo a. V. E. que quando allos piensen
que la capitula^ion ne sera a favor suyo se acomodaran a buen partido.'
W.-A. (Wahlacten.)
3 Saria an Pefieranda, 4. December 1657. W.-A. (Wahlacten.) ,Finalmente
SU conclnsion es, que Su Mag^ y V. E. bengan sin perder tiempo; en
este Senor Elector reconoce bnena inclina^ion y me dice . . . que quando
y. E. haya visto mis cartas espera que V. E. se asegurava algo de ea
buena Intention.'
> Pelieranda an Leopold s. d. (December 1657). W.-A. (Wahlacten.) ,Ego
vix credo posse amplius differri profectum M^« Y^ versus Francofurtoro,
sed humiliter rogo, ut quantocius deliberare dignetur, ne diutius diffe-
rendo responsum videamur contemnere electoris sincerationem.*
165
denn er blieb, trotzdem der Kurftlrst immer wieder forderte,
er möge einige Zeit vor Leopold nach Frankfurt kommen '
und die FriedensTerhandlungen beginnen, dabei, sich in solche
Verhandlangen nicht einzulassen. Wenn Peneranda durch ein
solches Vorgehen Johann Philipp von seinen Friedensplänen
abzubringen dachte, so hat er sich gründlich getäuscht. Wäh-
rend die spanische Gesandtschaft sich auf dem Wege nach der
Wahlstadt befand, hatte Johann Philipp in wiederholten Be-
rathongen sich mit den Vertretern Ludwig XIV. geeinigt und
diese filr seinen Friedensplan zu gewinnen vermocht. Als er nun
erfiihr, dass Peneranda und Leopold sich Frankfurt näherten,
berief er Volmar zu sich, betheuerte seine dem Erzhause gün-
stige Gesinnung, betonte, wie grosse Mühe er sich gegeben
habe, Frankreich von dem nach dem Tode Ferdinand HI. be-
schlossenen Angriffe auf Oesterreich abzuhalten, wie es ihm
geglückt sei, die Franzosen, welche auf die Erhebung Ferdi-
nand Marias von Baiem rechneten, zur Vornahme der Friedens-
verhandlungen zu vermögen, wie dann Frankreich, als die
Wahl des bairischen Kurfürsten sich als undurchführbar, jene
Leopolds aber als unvermeidlich erwiesen, von Neuem eine Er-
klärung des KurfÜrstencoUegiums gefordert, durch die Oester-
reich des Friedensbruches schuldig befunden würde und im
Weigerungsfalle mit offenem Kriege gedroht hätte, und welche
Mühe es ihm — dem Erzkanzler — gekostet habe, von Ma-
zarin die Billigung der Wahl Leopolds unter gleichzeitiger
Vornahme der Friedensverhandlungen zu erwirken. Und als
Vohnar die Befürchtung aussprach, Frankreich werde unan-
nehmbare Bedingungen stellen, entwickelte Johann Philipp ein
Friedensprogramm, wie es günstiger die Spanier selbst nicht
wünschen konnten.^
Leopold und seine Räthe griffen den Vorschlag des Main-
zers mit Freuden auf. Sie hofften durch die Einwilligung Spa-
niens in die Vornahme der Friedensverhandlungen, jene durch die
Bestimmungen der Wahlcapitulation dem neuen Kaiser drohende
Gefahr abzuwenden. Man theilte Peneranda die Forderung
* Schreiben vom 1., 4. und 11. December 1657. W.-A. (Wahlacten.) ,Que
Sa Mag^ (Leopold) venga in nombre de Dios, per6 que V. E. se adelante
11 dias antes para/ (1. December.)
' Volmar an Leopold, 6. Mätjb 1658. W.-A. (Wahlacten.)
166
Johann Philipps mit und ersuchte ihn^ als Zeichen des TSui-
gegenkommens das vom Erzkanzler gewünschte Schreiben an
Philipp IV. im Sinne des Beginnes der Verhandlungen vor
der Wahl abzusenden. Zu gleicher Zeit aber sollte hervorge-
hoben werden, dass die Wahl nicht verzögert, sondern so bald
als möglich vorgenommen werden, ,der punctus assecurationis
in der Wahlcapitulation gänzlich ausgelassen und, falls Spanien
wider Verhoffen in solche Verhandlungen nicht willigen sollte,
dem EurfUrstencolleg anheimgestellt bleiben möge, hierüber
ein Reichsbedenken unter der Hand vorzunehmen, was in der
Sache zu thun; im Uebrigen aber die Wahlcapitulation Fer-
dinand IV. unverändert in die neue übernommen werdet'
Aber man missverstand den Mainzer, wenn man meinte, dass
er gegen das Versprechen, die Friedensverhandlungen beginnen
zu wollen, sich der von Frankreich und Habsburgs übrigen
Gegnern geforderten Beschränkung der kaiserlichen Actions-
freiheit energisch widersetzen werde. Das zeigte sich sogleich,
als Peneranda dem Eurflb:sten von Mainz mittheilen liess, er
sei bereit, an den König von Spanien zu schreiben, dessen
Antwort in Frankfurt abzuwarten und für den Fall einer zu-
stimmenden Erklärung die Verhandlungen zu beginnen. ^ Demi
der Erzkanzler fasste dieses Anerbieten in der Weise auf, dass
die Friedensverhandlungen noch vor der Wahl zum Abschlüsse
gebracht werden sollten, und forderte von Leopold energisebe
Unterstützung dieses Planes. Da aber der junge König sich
weigerte, durch ein Billigen dieses Vorganges selbst die Ver-
zögerung der Wahl zu fc^rdem, da sich überdies im Verlaufe
der Verhandlungen grosse Differenzen in der Auffassung der
Angelegenheit durch den Mainzer und Peneranda ergaben, be-
schloss Johann Philipp, seinen ursprünglichen Plan der Herstel-
lung des Friedens vor der Wahl nunmehr definitiv aufzugeben,
sich mit der Absendimg von Schreiben an die Könige von
Spanien und Frankreich zu begnügen, ^ durch die er ihre Zu-
stimmung zur Vornahme der Friedensverhandlung im Reich
nach der Wahl zu erwirken hoffte, zugleich aber die seiner
Ansicht nach berechtigten Forderungen der französischen
^ Couferensprotokoll vom 23. März 1658. W.-A. (Wahlacten.)
* Leopold an Lamberg, Frankfürt, 8. Juni 1658. W.-A. (Wahlacten.)
3 Das Schreiben erging am 4. MaL Theatnim Europaeam, ym« 381.
167
Itegienmg durch die Aufnahme der die Actionsireiheit des
neuen Kaisers beschränkenden Bestimmungen in die Wahl-
capitulation und durch den Abschluss des Rheinbundes zu be-
friedigen. Ein solches Vorgehen zu rechtfertigen wurde ihm
um 80 leichter^ als die Bereitwilligkeit^ mit der Ludwig XIV.
auf den von Wilhelm Fürstenberg im Auftrage der Mainzer
and Kölner Kurfürsten gemachten Vorschlag einging, die Frie-
densverhandlungen durch Vermittlung des KurfÜrstencollegs
nach der Wahl vorzimehmen, im schroffsten Gegensatze zu
Peneranda's ablehnender Haltung stand und allüberall die An-
sicht bestärkte, dass Spanien der dem Frieden widerstrebende
Theil sei. ^ Das von Johann Phihpp geplante Werk wurde in
der gewünschten Weise durchgeführt. Leopold musste sich
eidUch verpflichten, an dem Kampfe Spaniens und Frankreichs
nicht theilzunehmen. Spanien sah sich dadurch seines Helfers
b^aubt. Der Zweck, den es bei der Förderung der Wahl
Leopolds verfolgt hatte, war nicht erreicht worden. Der Friede,
den zu schliessen es sich geweigert, wurde immer nothwendiger.
Aber zu tief war die Abneigung gegen den Mainzer und dessen
CoUegen, als dass Spanien ihnen die Vermittlimg anvertraut
hätte. Der Plan Johann Philipps, den Friedensvermittler
Enropas zu spielen, scheiterte gleich beim ersten Versuche.
Die Verhandlungen, die er in diesem Sinne führte, verliefen
im Sande. Ein Jahr später haben die beiden sich bekriegen-
den Nationen durch directe Verhandlungen ein Abkommen
getroffen.
C. Der Papst. Dänemark. Polen.
Von dem besten Willen beseelt, die Wahl Leopolds zu
fördern, war Papst Alexander VIT. ^ So weit es in seinen
* Leopold an Lamberg, 21. JuU 1658. W.-A. (Wahlacten.)
' Unmittelbar nach dem Tode Ferdinand III. war Friquet nach Rom ge-
sendet worden, vornehmlich um eine Geldnnterstützung vom Papste für
den Kampf gegen Schweden zu. fordern. Doch hat Friquet auch der
Wahlangelegenheit gedacht und vom Papste die besten Versicherungen
erhalten. Friquet an Leopold, Rom, 16. Juni 1657, abgedruckt bei
Walewski, Leopold I. und die heilige Ligue, II, I, Anhang IV — VUI,
auch 221 £, wo eine leider unbrauchbare Darstellung der Wahl Verhält-
nisse sich findet. Als die Nachricht von dem Plane der Erhebung
168
Kräften lag, hat er auch thätig im Interesse der Erhebung
Leopolds auf den Kaiserthron gewirkt. Er hat die katholischen
Kurfürsten in besonderen Schreiben ausdrücklich aufgefordert,
die den Interessen der katholischen Religion und des deutschen
Reiches gleich förderliche Wahl des jungen Königs von Ungarn
und Böhmen zu unterstützen * und hat seinerseits den Erzbischof
von Consenza, Giuseppe Maria San Feiice, nach Frankfurt ge-
sendet, um hier die Sache des jungen Habsburgers zu fbrdem.
In einem stattlichen Bande hat der päpstliche Gesandte das
Ergebniss seiner Bemühungen niedergelegt.^ Was sich aus
seinen Mittheilungen ergibt, ist, dass seine Verhandlungen in
allen wesentlichen Punkten ohne Erfolg geblieben sind. Die
Zusammenkunft der drei geistlichen Kurfürsten, die San Feiice,
um ein gemeinsames Vorgehen im Sinne Leopolds zu ermög-
lichen, herbeigeführt zu haben sich berühmt, endete nicht in
der gewünschten Weise, ^ und seine Bemühungen, den Era-
kanzler von dem Friedensplane abzubringen, blieben fruchtlos.
Die Stellung San Felice's in dieser letzteren Frage war übrigens
eine äusserst schwierige. Als Vertreter des Papstes, des Frie-
densstifters, konnte er unmöglich sich als principieller Gegner
der Friedensverhandlungen erklären. Dazu kam, dass Gram-
mont und Lionne nicht müde wurden, mit ihm von der Noth-
Baiems in Wien bekannt wurde, erhielt Friquet den Auftrag, vom
Papste ein energisches Einschreiten gegen dieselbe zu fordern. (Weisung
vom 3. August 1657. W.-A. Wahlacten.) Der Papst antwortete zu-
stimmend, indem er zugleich die Ansicht aussprach, Baiern werde die
Krone nicht annehmen. (Friquet an Leopold, Rom, 23. August 1657.
W.-A. (Wahlacten.)
* Das Original des Schreibens an Karl Kaspar von Trier vom 30. Juni
1657 findet sich noch im Coblenzer Archive vor. Die Schreiben an
Leopold sind abgedruckt bei Walewski 1. c. XXV f. und XXXII f. vom
30. Juni und 28. Juli 1657.
3 Diarium deir elezzione dell* Imperador Leopold I. da Giuseppe Maria
Sanfelice, herausgegeben von Ferdinand Sanfelice, Neapel 1717. Sehr
ausführliche Mittheilungen über die Sendung San Felices finden sich
auch in der Historia di Leopolde Cesare etc. von Galeaxzo Gualdo
Priorato, Bd. I, Libro ü, p. 77 ff., doch hat San Feiice nicht die her-
vorragende Rolle gespielt, die Priorato ihm zuweist.
' Diarium etc., p. 26. Wenn er behauptet, die Kurfürsten hätten sich dahin
geeinigt, Leopold Wilhelm, und falls dessen Wahl undurchführbar sein
sollte, Leopold zu wählen, so ist dies unrichtig.
169
weodigkeit und Vortheilhafltigkeit des Friedens zu sprechen/
and dAss Johann Philipp ihn direct aufforderte, sich vom Papste
die zur Vermittlung zwischen beiden Staaten nothwendige
Vollmacht zu verschaflFen. ^ Da aber San Feiice die fran-
zösischen Friedensanerbietungen nicht ernst nahm — eine An-
sicht, die man auch in Rom theilte ^ — hielt er es fUr eine mit
seinem Gewissen unvereinbare Aufgabe, in der vom Erzkanzler
gewünschten Weise bei Leopold und dem Papste die Vor-
nahme imd den Abschluss der Friedensverhandlungen zu
empfehlen. Der Ausweg aber, den er in dieser schwierigen
Lage wählte — er schlug vor, die Friedensverhandlungen an
einem anderen Orte zu beginnen, in Frankfurt aber unver-
weilt zur Wahl zu schreiten — fand die Billigung Johann
Philipps nicht. ^ Und ebensowenig wie in dieser Frage, ver-
mochte er, trotz wiederholter Unterredimgen, den Erzkanzler
bezüglich der Wahlcapitulation imd der rheinischen Allianz
umzustimmen. In das Zugeständniss der wenig erfolgreichen
Intervention klingt denn auch sein Bericht aus. ^
Obgleich man sich am Wiener Hofe keinen besonderen
Erfolg von der Intervention des Papstes versprach, nahm man
sein Anerbieten mit Freuden an, ja man suchte seine Mit-
wirkung; mussten ja doch die Zeichen einer wahren Neigung
des Oberhauptes der Christenheit der Candidatur Leopolds sehr
forderlich sein. Dagegen glaubte man, das Anerbieten des
dänischen Königs aus eben diesem Grunde zurückweisen zu
' Lionne behauptete in einer Unterredung mit San Feiice, aus dem Munde
d^ Papstes gehört zu haben, derselbe ,esser ben contenta di chiuder
gli occhi al mondo qnel giomo, in cui si fasse conclusa la tanto bra-
mata pace/ Diarium etc., p. 37.
^ Diese Vollmacht ist datirt vom 22. September 1667.
' Ueber die Haltung Alexander VII. und seine Abneigung gegen Frank-
reich Wagner 1. c, I, 37.
* Der Papst erklärte: ,Maturandam ob presentia a Turcia pericula electio-
nem, pacem alibi et opportunius perfici posse.' Wagner 1. c, I, 37.
^ Ich habe das Buch San Felice's im British Museum in London gefunden
und benutzt; in Wien findet sich kein Exemplar vor. Den Erzkanzler
beortheilt er folgendermassen : ,11 suo tratto ^ grave e modesto, i costnmi
iunocenti, capacissimo del negozio, segreto, cauto e talvolta perplesso,
amator d' hnomini virtuos! e de* buoni Ecclesiastici, parla mediocremente
latino et italiano, elegantemente francese, contese con questa nazione
per la vicinanza de'Stati, ^ ben affetto alla casa d*Austria.
170
müssen. Man fürchtete in der Umgebung Leopolds^ und wie
wir glauben mit Recht; dass das Eintreten des Königs von
Dänemark für Leopold bei den Kurfürsten den Verdacht er-
wecken werde^ dass diese Unterstützung der Ausflnss geheimer
Abmachungen sei; durch die sich der junge König bereits zar
Antheilnahme an dem Kriege gegen Schweden verpflichtet
habe, und so der Wahl Leopolds eher schädlich lüs nütz-
lich sein werde. * Als daher Friedrich DI. durch Go^ —
den österreichischen Gesandten in Kopenhagen — bei der
Wiener Regierung anfragen Hess, ob er in irgend einer Weise
die Pläne derselben fordern könne, ^ wurde Goßss der Auf-
trag zutheil, dieses Anerbieten in möglichst verhüllter Weise
dankend abzulehnen, ^ was den Vertreter Friedrich III. in
Frankfurt, den Grafen Rantzau, allerdings nicht gehindert
hat, mit Billigung des Wiener Hofes, soweit es in seiner Macht
lag, auf directem und indirectem Wege fUr die Sache Leopolds
einzutreten. *
In ähnlicher Weise wie zu dem Anerbieten Friedrich ID.
verhielt sich der Wiener Hof zu jenem Johann Casimirs von
Polen. Auch ihn ersuchte man, von jedem offenen Eingreifen
zu Gunsten Leopolds abzustehen, während man sich seiner be-
diente, um den KurfUrsten von Brandenburg flir die Sache des
Hauses Habsburg zu gewinnen. ^
D. Frankreich.
Unmittelbar nach dem Tode Ferdinand IV. — darüber
kann kein Zweifel mehr bestehen — hat der Leiter der fran-
zösischen Politik die ersten Schritte unternommen, um die
Wahl des nunmehr ältesten kaiserlichen Prinzen — Leopold
Ignaz — zu verhindern. Um sich über die unter den Kurfürsten
1 V^tum deputatorum vom 30. Juli 1657. W.-A. (Wahlacten.)
2 GoSsB an Leopold, Kopenhagen, 27. Juni 1667. W.-A. (Wablacten.)
Vgl. Walewßky 1. c, XXXVIU flf.
3 Votum deputatorum vom 30. Juli 1667. W.-A. (Wahlacten.)
* Ich habe im Kopenhagener Archiv die Berichte Rantzau's durchgeiehea
Sie enthalten nichts von besonderer Bedeutung und zeigen, dass er von
den entscheidenden Vorgängen nicht immer genügende Keuntniss erhielt
^ Vgl. über des Königs von Polen Verhalten in der Wahlfrage auch Des
Noyers, Lettres, a. v. O.
171
harschende Stimmung Gewissbeit zu verschaffen^ zugleich aber
aach^ um seinen Plan der Erhebung des jungen Kurfürsten
Ton Baiem auf den Kaiserthron kundzuthun, wendete sich
Mazarin an Maximilian Heinrich von Köln^ an dessen Hofe
der mit der französischen Regierung in engster Verbindung
stehende Franz Egon von Fürstenberg die leitende Rolle spielte.
Die Anfrage Mazarin's traf die kurkölnische Regierung nicht
anvorbereitet. Bereits zu Beginn des Monats September 1654
hatte sich Franz Egon von Fürstenberg in einem vertraulichen
Schreiben an Maximilian Khurtz gewendet und ihm mitge-
theilt, dass die Kurfürsten von Köln^ Trier und Brandenburg
sich zu gemeinsamem Vorgehen in der Wahlangelegenheit ent-
schlossen hätten. Auch des Planes, Ferdinand Maria die Elrone
zuzuwenden, that er in diesem Schreiben Erwähnung. Khurtz
erwiderte in zurückhaltender Weise, die Sache sei so beschaffen,
dass man sie wohl überlegen müsse, bevor man sie angreife,
man müsse erwägen, ob der Schade im Falle des. Misslingens
nicht grösser sei als der Nutzen im Falle des Gelingens. *
Fürstenberg versuchte darauf in einem neuen Schreiben die bai-
rische Regierung ftlr den Plan der Erwerbung der Kaiserkrone
za erwärmen. Er betonte, dass die Kurfürsten von Trier und
Brandenburg fUr den Witteisbacher eingenommen seien, und
forderte dringend eine Erklärung Ferdinand Marias.^ Allein seine
Bemühungen hatten auch diesmal keinen Erfolg. Der junge
Eurförst Hess dem Minister Maximilian Heinrichs durch Khurtz
mittbeilen, er halte es mit Rücksicht auf den Argwohn, den
die Verhandlungen in dieser Frage, falls dieselben bekannt
würden, am Kaiserhofe hervorrufen könnten, filr angezeigter,
die Sache vorerst in suspenso zu lassen.^ Diese Erklärungen
Ferdinand Marias scheinen auf den Kurfürsten von Köln und
auch auf Fürstenberg nicht ohne Eindruck geblieben zu sein.
^ Maximilian Khurtz an Egon Fürstenberg, München, 16. September 1654.
Dfisseldorfer Archiv.
^ Egon Fürstenberg an Maximilian Khurtz, 4. October 1664. Düssel-
dorfer Archiv.
' Maximilian Khurtz an Egon Fürstenberg, München, 20. October 1664.
Düsseldorfer Archiv. Khurtz fügte hinzu, mau könnte die Sache um so
mehr in suspenso lassen, weU der Kaiserhof, wie in München bekannt
sei, au die Durchführung der Wahl Leopolds in diesem Momente schon
im Hinblicke auf dessen Jugend nicht denke.
172
Insbesondere die Rücksicht av,:
Heinrich, dessen Länder den K
ausgesetzt waren, zur Vorsicl.
Graf Wagn^e als Abgesa .
Hofe ein. Seine Auseim
wägung, dass von Spai "
so lange die Kaiserwn
Philipp IV. in diese]
Stützung Seitens soii
daher auch im Ti *
Reichsfriedens k-
zusehen. Zu o*!* ■
Kurfürsten v.
werde dureli
die Annalu-
Heinricli \
zeufceii. '
dem K'^
aii<l' ' *
für
'• *l(^s Kurfürsten von
.u h bei Karl Kaspar
i (hin Schwedenkönige
i^' i]'As Beiden erwünschte
^ -eil eil i\Iacht, zu erreichen
i:e Ansicht verbreiten, dass
.t)j5sen abstamme und daher
ige im Reiche besitze als das
1 jungen KurfUrsten von Baiem
i:e Hand nach der Kaiserkrone
iner seiner Vorfahren getragen
niinand Maria, von dessen Bereit-
ster Linie abhing, fand die franzö-
.•id:>ten Widerstand. Denn als Graf
.- tlüiigsten Minister Karl Gustavs, im
.mi im Sinne Mazarin's am bairischen
•ongen Kurfürsten für den Plan der
. %roue unter den günstigsten Bedingungen
: vtiraweg abgewiesen. Zu gleicher Zeit
*. et», um jeden Verdacht zu beseitigen,
1 S'hlippenbach'schen Mission und ihrem
^ ^macht. *
^vb durch diesen Misserfolg nicht irre
^ jm Diur, die Wahl Leopolds zu verhindern,
V i-A oder lang ans Ziel zu kommen. Gewiss,
. *ii Ferdinand Marias, aber doch nur darum,
..•>4t*u durchführbar erschien; der Gedanke,
,,,,.uii Fürsten — auch Ludwig XIV. und der
.„.iits w\urden in Betracht gezogen^ — zu
s*
k,.otu»iC^n Frankreichs mit Trier in dieser Zeit berichtet
.vr 1654 und 24. April 1655. W.-A. (Wahlacten.)
,^t Javon nnter dem 20. Noyember 1654. W.-A. fW*hl-
H»>MOÄ Sihlippenbach's vgl. Arndt 1. c, 573 ff., doch be-
.v<s >"^'* Arndt über die Mission Homburgs a. a. 0. mit-
u a^vi Jahr 1665, sondern in das folgende Jahr gehört
^its^^^f Christian war vor dem Jahre 1656 nicht als fran-
oiiitttw am Hofe Ferdinand Marias erschienen.
jr^i'f^ »" Maximilian Khurte, Bonn, 1. November 1654.
'vivhiv. Ks scheint, berichtet Fürstenberg, dass wie in
173
machte, fand des Kölners Vorgehen vollste Billigung. * Da-
gegen war Mazarin mit Maximilian Heinrichs Haltung durchaus
nicht einverstanden. Wagn^e erhielt Befehl, dem Kurftirsten
za erklären, der Cardinal verhehle sich die mit der schleunigen
Erhebung des bairischen Kurfürsten auf den Kaiserthron ver-
bundenen Gefahren nicht, allein er halte die Sache fUr durch-
fahrbar, sobald nur Baiem ernstlich wolle. Friedrich Wilhelm
Ton Brandenburg sei fUr diese Wahl sehr eingenommen und in
der Lage, den jungen Johann Georg, der in Kurzem den Thron
seines Vaters besteigen dürfte, zu gewinnen; die Stimme des
Trierers halte Mazarin fUr sicher und glaube auch auf die
des P&lzers rechnen zu können; er sehe nicht, wie gegen
den Willen dieser Kurfürsten ein die Wahl Ferdinand Marias
hindernder Widerspruch erfolgen könne. Und indem Mazarin
die Stellung Ferdinand IH. in dem gegenwärtigen Augenblicke
mit jener seines Vaters in dem Momente vergleicht, wo Maximilian
von Baiem die ihm angetragene Krone mit Rücksicht auf die ihm
von dem Hause Habsburg drohenden Gefahren zurückwies,
glanbt er den Einwand zurückweisen zu können, dass der
Erhebung Ferdinand Marias dessen baldiger Sturz nachfolgen
werde. Er forderte daher nochmals den Kurfürsten von Köln
auf, Alles, was in seiner Macht liege, für die Erhebung Fer-
duiand Marias zu thun, stellte ihm die Geldmittel seines Herrn
zw- Verfügung und betonte, dass die zwei wesentlichsten Be-
dingungen einer gedeihlichen Entwicklung der Wahlfrage die
Verhinderung der Wahl Leopolds — wozu die Minorennität
desselben ein hinreichender Grund sei — und die Forderung
der strengen Beobachtung des Münsterer Friedens Seitens Fer-
dinand ni. seien. 2
' Maximilian Khurts an Egon Fürstenberg, München, 25. November 1654.
Düsseldorfer Archiv.
' Copie des Schreibens Wagn^e^s an Egon Fürstenberg, Lüttich, 21. De-
cember 1654, von Volmar als Beilage seines Berichtes vom 24. April
1655 nach Wien gesendet. Nach dem Inhalte dieses Schreibens zu
■chlieasen, hat Mazarin bereits damals den Plan gefasst, in die zur
Wahning des Münsterer Friedens geplante Einigung der deutschen
Fürsten einzutreten : Der Schutz des Reiches, heisst es, ,c*est le fondement
de la ligue embauch^e en Allemagne entre Cologne et ses alliez, et
dans laquelle la France o£fre trös volontiers d'entrer avec conditions,
qni seront trouv^ raisonnables et qu*on seroit bien ais^ que Cologne et
86$ confSderez proposassent, pour voir, si eile pourroit s^y aiusterS
174
Und zur selben Zeit wie am Hofe des Kurflirsten von
Köln Hess Mazarin in gleichem Sinne auch bei Karl Kaspar
von Trier verhandeln,^ begann er mit dem Schwedenkönige
Karl Gustav darüber zu berathen, wie das Beiden erwünschte
Ziel, die Vernichtung der habsburgischen Macht, zu erreichen
sei,* Hess er durch die Feder die Ansicht verbreiten, dass
Ludwig XIV. von Karl dem Grossen abstamme und daher
grösseres Anrecht auf die Nachfolge im Reiche besitze als das
Haus Habsburg, ^ suchte er den jungen Kurfllrsten von Baiern
für den Plan zu gewinnen, die Hand nach der Kaiserkrone
auszustrecken, die schon einer seiner Vorfahren getragen
hatte. Aber gerade bei Ferdinand Maria, von dessen Bereit-
willigkeit der Erfolg in erster Linie abhing, fand die franzö-
sische Partei den dauerndsten Widerstand. Denn als Graf
Schlippenbach, einer der fähigsten Minister Karl Gustavs, im
Auftrage seines Herrn und im Sinne Mazarin's am bairischen
Hofe erschien, um den jungen Kurfllrsten für den Plan der
Erwerbung der Kaiserkrone unter den günstigsten Bedingungen
zu gewinnen, wurde er kurzweg abgewiesen. Zu gleicher Zeit
wurde dem Wiener Hofe, um jeden Verdacht zu beseitigen,
von dem Zwecke der Schlippenbach'schen Mission und ihrem
Verlaufe Mittheilung gemacht. *
Mazarin liess sich durch diesen Misserfolg nicht irre
machen ; gelang es ihm nur, die Wahl Leopolds zu verhindern,
so hoffte er über kurz oder lang ans Ziel zu kommen. GewisB,
er wünschte die Wahl Ferdinand Marias, aber doch nur dämm,
weil sie am leichtesten durchführbar erschien; der Gedanke«
es mit einem andern Fürsten — auch Ludwig XIV. und der
Herzog von Orleans wurden in Betracht gezogen^ — zn
* lieber die Verhandlnng^en Frankreichs mit Trier in dieser Zeit berichtet
Volmar 12. October 1664 und 24. April 1655. W.-A. (Wahlacten.)
« Vgl. Ch^mel 1. c, H, 278.
' Volmar berichtet davon unter dem 20. November 1654. W.-A. (^''ahl-
acten.)
* lieber diese Mission Schlippenbach 's vgl. Arndt 1. c, 573 ff., doch be-
merke ich, dass, was Arndt ttber die Mission Homburgs a. a. O. mit-
theilt, nicht in das Jahr 1655, sondern in das folgende Jahr gehdri.
Der Landgraf Georg Christian war vor dem Jahre 1656 nicht als fran-
zösischer Vermittler am Hofe Ferdinand Marias erschienen.
* Egon Fttrstenberg an Maximilian Khurtz, Bonn, 1. November 1654.
Düsseldorfer Archiv. Es scheint, berichtet Fürstenberg, dass wie in
175
versachen^ falls Baiern sich nicht umstimmen lassen sollte^
nihm immer mehr von dem Cardinal Besitz. Vor Allem aber
kielt er es fUr nothwendig, der Candidatur eines Habsburgers
entgegenzuarbeiten.
Im Frühjahre 1655 ging de Lumbres an den Hof Fried-
rieh Wilhelms, um diesen EurfUrsten in seiner Frankreich
günstigen Haltung zu bestärken. £r erhielt den Auftrag, auf
seiner Reise beim Eurfdrsten von Eöln vorzusprechen und den-
selben über die Wahlangelegenheit auszuforschen. De Lumbres
konnte nicht allzu Erfreuliches über seine Mission berichten.
Er fand Maximilian Heinrich und dessen Räthe noch zurück-
haltender als Wagn^e sie angetroffen hatte. Der Eurfürst be-
thenerte, sieben- bis achtmal an Ferdinand Maria geschrieben,
aber keine Antwort erhalten zu haben. * Als de Lumbres be-
tonte, dass afl die Wahl Leopolds schon mit Rücksicht auf seine
Jagend nicht zu denken sei, erwiderte der Eölner, die Goldene
Bolle enthalte keine Bestimmung über das zum passiven Wahl-
rechte nothwendige Alter. Und ähnlich sprach auch Franz Egon
von Ftlrstenberg. Er betonte zwar, sein Herr habe auf das An-
suchen Ferdinand HI., seine Zustimmung zur Abhaltung einer
WiUversammlung zu geben, ablehnend geantwortet,^ zeigte
sich aber sonst über die französischen Angelegenheiten schlecht
unterrichtet und wenig geneigt, ftir eine rasche Erledigung
der Wahlfrage im Sinne Mazarin's einzutreten.
Schweden auch in Frankreich Gelüste nach der Kaiserkrone vorhanden
sind, anmalen die reden daselbst haben der knndtschaft nach vorfallen,
daß falß etwa selbigen Königs Person, gewisser consideration willen nit
Bolte annehmblich sein, im Reich anch niemandts sich darzn erkleren
Uasen wollte, alßdan deßen Bruder darzn vorgeschlagen nnd mit den
ElMt5isch und anderen im Reich nnd Deutschland an sich gebrachten
Lindem versehen werden kOnnteS
* Schreiben de Lnmbres", 30. Mai 1656. Pariser Archiv. A. d. A.-E. Cologne,
VoL n.
' Ich entnehme diese Nachricht den M^moires de Lumbres, die sich im
Archiv des Ministeriums des Aeussern zu Paris handschriftlich befinden,
and deren Publication — es sind zwei stattliche Bände — für die Ge-
schichte des nordischen Krieges und für die Vorgeschichte der polnischen
KOnigswahl von 1669 von grosser Bedeutung wäre. Eine Vergleichnng
der Berichte de Lumbres' mit den M^moires hat mir die Gewissheit ver-
schafft, dass de Lumbres fast wOrtlich den Inhalt seiner Berichte in
den Memoiren wiedergibt.
176
Aber auch der geringe Erfolg der Mission de Lumbres' ent-
muthigte den Leiter der französischen Politik nicht; er hatte
sogleich einen andern Boten zur Hand. Anfangs Juni 1655
erschien Landgraf Georg Christian von Hessen-Homburg, der
den spanischen Dienst mit dem französischen vertauscht hatte
und in den folgenden Jahren einer der eifrigsten Förderer der
Mazarin'schen Pläne in Deutschland wurde, ^ am Hofe des
Kölner Kurfürsten. Er forderte jetzt im Namen Mazarin's ein
ganz bestimmtes Versprechen von Maximilian Heinrich, seine
Wahlstimme keinem Habsburger zu geben. ^ Aber auch dazu
wollte sich der Kurfttrst von Köln nicht verstehen. Wie seine
Vorgänger verliess auch Georg Christian den Hof des Kölners
ohne befriedigende Erklärungen. Und ebensowenig wie Maxi-
milian Heinrich waren Johann Philipp von Mainz und Karl
Kaspar von Trier zu bindenden Versprechen im Sinne des Aus-
schlusses eines habsburgischen Wahlcandidaten zu vermögen. ^
Jetzt sah auch Mazarin ein, dass die sofortige Vornahme der
Wahl nicht zu erzielen sein werde. Er beschloss, mit einem
entscheidenden Schritte zu zögern, die nach allen Seiten hin
begonnenen Verhandlungen fortzuführen und dieselben im ge-
eigneten Momente bei Ferdinand Maria wieder aufzunehmen.
Dieser ergab sich früher, als er gedacht hatte. Schon im Früh-
jahre 1656 lagen die Verhältnisse so, dass Mazarin von Neuem
an directe Verhandlungen mit dem Münchner Hofe denken
konnte. Mehrere Kurfürsten hatten im Laufe dieser Monate
bindende Versprechen gegeben; so vor Allen der Branden-
burger, der sich durch das Bündniss vom 24. Februar 1656
verpflichtet hatte, in allen Punkten die Interessen Frankreichs
in Deutschland zu vertreten.^ Der Vertrag mit dem Pfälzer
> Am 27. Mai 1657 schrieb Servien an Mazarin, er wisse nicht, wie man den
Landgrafen fUr seine Dienste in der Wahlsache genügend belohnen kOnne,
,dont la verit^ est, qa'il est le principal antheur, qu*il a defrisch^e pjir
ses soins et par ses voyages, mesmes en des temps qa*on n'avoit pas
snbjet d'avoir si bonne opinion de Taffaire qne Ton a maintenant'. A. d.
K.-E. Allemagne. Vol. 137.
' Maximilian Heinrich von KOln an Ferdinand Maria, Bonn, 7. Juni
1665. Düsseldorfer Archiv.
' Volmar an Ferdinand III., 16. Juli 1655. W.-A. (Wahlacten.)
* MOmer, Karbrandenbnrgs Staatsverträge, 201 ff. De Lumbres berichtet
in dieser Zeit wiederholt über seine Unterredungen mit Friedrich Wilhelm
und dessen Räthen betreffs der Wahlfrage, aus deren Aeusserungen or
177
war dem Abschlüsse nahe. * Die drei geistlichen KurfUrsten
durfte Mazarin um so eher für den Plan der Erhebung Fer-
dinand Marias günstig gesinnt hoffen, als dieselben ja die
mächtigsten Mitglieder der Allianz waren, deren Hauptbe-
streben in dieser Zeit dahin ging, den Kurftlrsten von Baiern
«im Eintritte in dieselbe zu vermögen. Und um so mehr
musste man am Hofe Ludwig XIV. die Berechtigung fühlen,
die Verhandlungen am Münchener Hofe von Neuem zu be-
ginnen, als man auf indirectem Wege die Mittheilung erhalten
hatte, dass der junge Kurfürst sich Philipp Wilhelm von
Pfidz-Neuburg gegenüber nicht abgeneigt gezeigt habe, der
Allianz beizutreten und die Kaiserkrone zu erstreben. ^ In der
sicheren EWartung eines Erfolges erschien Landgraf Georg
Christian von Hessen-Homburg in den ersten Tagen des Monats
März 1656 in München. Um seiner Mission ein um so grösseres
Qewicht zu geben, behauptete er, Credenzschreiben an den
Kurfürsten von Frankreich, Köln und Neuburg mit sich zu
tehren. Als er aufgefordert wurde, diese Schreiben zu über-
geben, weigerte er sich dies zu thun, bevor Ferdinand Maria
ach darüber geäussert habe, ob er die ihm von den Kurfürsten
angebotene Kaiserkrone annehmen wolle oder nicht. Der junge
Kurfürst seinerseits erklärte aber mit dem Landgrafen erst dann
verhandeln zu wollen, wenn er die Credenzschreiben überreiche.
Nun stellte sich heraus, dass Georg Christian gar nicht im Besitze
eines französischen Creditivs war. ^ Alle Ausflüchte, die er vor-
brachte, um sein Vorgehen zu rechtfertigen, waren vergebens.
&8t als Maximilian Heinrich, an den sich der Homburger um
Vermittlung wendete, bestätigte, dass Georg Christian berechtigt
sei, mit Ferdinand Maria in Unterhandlungen zu treten, wurden
die Geneigtheit des Knrfürsten, in dieser Frage mit dem Könige von
Frankreich gemeinsam vorzugehen, schliesst. Urkunden und Acten, II,
41, 45 a. a. O. Auch die Candidatnr Ludwig XIV. wird in einer dieser
Unterredungen berührt. Berichte de Lumbres\ 20. Juli 1 655. Urkunden
und Acten, II, 45.
> Gemeint ist der am 19. Juli 1656 abgeschlossene Vertrag. Dumont,
Corps diplomatique, t. VI, II. Theil, 143.
3 Für den Aufenthalt Philipp Wilhelms in München vgl. Joachim 1. c,
94 t und 95 Anm.
3 Ferdinand Maria an Maximilian Heinrich von Köln, München, 8. März
1656. Düsseldorfer Archiv.
ArduT. Bd. LUHI. I. Hüfte. 12
178
diese aufgenommeB. ' Das Resultat entsprach durchaus nicht
den Erwartungen und Wünschen der französischen Partei.
Denn Ferdinand Maria, der den Versprechungen des Land-
grafen um so weniger traute, als ihm berichtet worden war,
dass derselbe gleiche Anerbietungen dem Neuburger gemacht
habe,^ und der es fUr überaus gefährlich hielt, sich in bestimmter
Weise zu binden, glaubte Homburg am besten durch die Er-
klärung abfertigen zu können, dass er sich äussern werde, bo-
bald ihm das Credenzschreiben Frankreichs übergeben werden
würde, jedoch', fügte er, um jede falsche Auffassung von vorne-
herein zu verhindern, hinzu, ,nur insoweit es mir meine Pflicht
dem Heiligen Römischen Reiche gegenüber gestattet, die ich
alle Zeit für das Hauptabsehen meiner Handlungen halten
werdet ^
Georg Christian war mit diesen Erklärungen wenig zu-
frieden; er war fest entschlossen, sicU so bald als möglich in
den Besitz des französischen Credenzschreibens zu setzen und
dann von Ferdinand Maria die versprochene Antwort zu fordern.
Um den Kurfürsten von Köln in seiner guten Absicht zu be-
stärken, die Wünsche Mazarin's zu erfüllen, richtete der Land-
graf ein Schreiben an denselben, in welchem er von seinen
Erfolgen bei Ferdinand Maria meldete. Maximilian Heinrich
war sehr erstaunt, als er dem Berichte Georg Christians ent-
nahm, dass der junge KurBirst die grösste Neigung zeige,
Kaiser zu werden. Nach den Antworten, die ihm von München
auf seine wiederholten Anfragen zugekommen waren, hätte er
Alles eher erwartet als ein freundliches Eingehen Ferdinand
Marias auf den Vorschlag der Franzosen. Er gab diesem Er-
staunen auch in einem Schreiben an den Kurfürsten von Baiem
Ausdruck. * Man kann sich die Entrüstung Ferdinand Marias
denken, als er erfuhr, in welcher Weise der Landgraf von
1 Maximilian Heinrich an Ferdinand Maria, 9. Mars 1656. Düsseldorfer
Archiv.
3 Ferdinand Maria an Maximilian Heinrich,. München, 29. Mftrs 1656.
Du 8.<<el dorfer Archiv.
3 Desgleichen, München, 5. April 1656. Düsseldorfer Archiv. Der Kurfürst
von Baiem theilte dem Wiener Hofe sogleich Verlauf und Resultat der
Unterredung mit dem Landgrafen mit; 14. März 1656. W.-A. (Bavarica.)
* Maximilian Heinrich an Ferdinand Maria, 16. April 1666. Düsseldorfer
Archiv. ,
179
£Ee88eii* Homburg seine Erklärungen gedeutet hatte. Er be-
«lieiierte dem Kurfürsten von Köln, dass er solche Aeusserungen
gethan und sich auch in Zukunft nur so erklären wolle,
ich es mir vor Oott, vor dem römischen Kaiser und dem
n Reich zu verantworten getrauet * Bald genug ergab
«eb Gelegenheit dazu. Oeorg Christian war rasch in den Be-
ats der französischen Credenzschreiben gelangt. Er machte
iem Kurftirsten sogleich davon Mittheilung und stellte seine
ABkunflt, wie die des französischen Oesandten Oravel, in
Aussicht Ferdinand Maria war über diese Nachricht nicht
gerade sehr erfreut. Er hätte am liebsten die Reise der
iläden Männer nach München hintertrieben; er fUrchtete, die
wiederholten Verhandlungen mit französischen Gesandten —
karze Zeit vorher hatte sich Vignacourt auf der Durchreise
nach Wien in München aufgehalten — könnten Besorgnisse
am Wiener Hofe her^rrufen. Allein sein Vorschlag, durch
Amaoldy den Secretär Homburgs, die Verhandlungen führen
m lassen,^ fand keine Billigung. Der Landgraf wie Oravel
blieben dabei, mit dem Kurfürsten persönlich verhandeln zu
Mfissen. ^ In der That erschienen sie Ende Juni 1656 in Mün-
chen. Die Schreiben Ludwig XIV. und Mazarin's^ die sie vor-
wiesen^ waren ziemlich allgemein gehalten;^ dagegen gab der
Landgraf erst mündlich und auf wiederholtes Drängen Ferdi-
Band Marias auch schriftlich die Versicherung, der König von
Frankreich habe ihn nach München gesendet, nicht allein, um
ihn der Freundschaft Frankreichs und der Mitglieder der
riieinischen Allianz zu versichern, sondern um das bindende Ver-
brechen zn geben, dass Ludwig XFV. ihn auf den Kaiserthron
erheben nnd auf demselben gegen alle Neider und Gegner er-
halten wolle, vorausgesetzt, dass Ferdinand Maria seine Bereit-
willigkeit kundgeben würde, Alles, was in seiner Macht stehe,
flür die Durchführung eines so hochbedeutenden und rühm-
* Ferdinand Maria an Maximilian Heinrich, Mfinchen, 26. April 1666.
Düaieldorfer AroMy.
^ Desgleicben, München, 14. Jnni 1656. Düsseldorfer Archiv.
3 Georg Christian von Hessen-Hombnrg an Ferdinand Maria, Nenburg,
31. Mai 1656. Beilage znm Schreiben vom 14. Juni 1656. Düsseldorfer
Arehir.
* Die Schreiben des KOnigs und des Cardinals sind datirt Paris, 11. April
1656. A. d. A.-E. Bavi^re. Vol. 2.
12*
180
liehen Werkes zu thun. ^ Die Antwort des bairischen Kur-
fürsten auf diese entgegenkommenden Erklärungen war eine
Zurückweisung in der höflichsten Form. Er bemerkte, die
Goldene Bulle verbiete ihm, ganz abgesehen von der Frage
der Zweckmässigkeit des ihm gestellten Antrages, sich schon
jetzt in der Wahlfrage zu entscheiden. Sollte ihm zur Zeit,
wo ihm eine Aeusserung gestattet sein werde, dergleichen An-
erbieten gemacht werden, dann werde er sich entscheiden, wie
es die Rücksicht auf das Reichsinteresse und seine Pflicht ge-
bieten würden. ^ Qravel hatte der Wahlfrage bei seinen Ver-
handlungen nicht Erwähnung gethan;^ er war, wie ans der
ihm mitgegebenen Instruction erhellt, blos zur Förderung des
Allianzplanes nach Deutschland gesendet worden^ und unter-
handelte am Hofe Ferdinand Marias auch nur in dieser An-
gelegenheit.
Nach dieser Weigerung des bairischpn Kurfürsten, sich unter
den bestehenden Verhältnissen bezüglich der Wahlfrage zu einer
entscheidenden Erklärung herbeizulassen, waren weitere Ver-
handlungen Frankreichs in München fUrs Erste unmöglich.
Und da auch der Wiener Hof die Frage der Nachfolge im
Reiche in dieser Zeit im wohlverstandenen eigenen Interesse
ruhen zu lassen beschloss, trat ein Stillstand ein. Ludwig XTV.
wie Ferdinand UI. wandten ihre Aufmerksamkeit der Allianz
zu, deren Abschluss, bei den heftigen Stürmen, die das ganze
Festland durch tobten, ihnen dringender schien, als die Er-
ledigung der Frage, wer der Nachfolger Ferdinand IH. werden
sollte, dem aller Voraussicht nach noch viele Regierungsjahre
bevorstanden. In der That finden wir Gravel und Homburg
in den letzten Monaten des Jahres 1656 und in den ersten des
folgenden einzig und allein damit beschäftigt, der Einigung
» Protokoll vom 7. Juni 1656, München. Düsseldorfer Archiv und W.-A
(Bavarica), da Ferdinand Copien sämmtlicher in dieser Angelegenheit
gewechselter Papiere nach Wien sendete.
3 Antwort Ferdinand Marias, 6. Juni 1656. Düsseldorfer Archiv.
3 Ferdinand Maria an Blaximilian Heinrich, München, 6. Juli 1666. Düssel-
dorfer Archiv.
* Vgl. Joachim 94 ff. Pribram 1. c, 139 f. Unrichtig ist, was Joachim
1. c, 245, über die Theilung der Aufgaben unter Gravel und dem
Landgrafen mittheilt. Es fand gerade die verkehrte ArbeitstheUnng
statt.
181
% deutschen Fürsten eine den französischen Interessen ent-
-mchende Richtung zu geben und durch Separatverträge
oift den einzelnen weltlichen und geistlichen Herrschern den
äifluss Frankreichs in Deutschland zu vergrössern. Dass es
.fattn bei diesem Versuche nicht nach Wunsch ging, beun-
-olngte Mazarin, wünschte und benöthigte er ja zur Durchführung
4«|ner gegen das Haus Habsburg gerichteten Pläne einen Rück-
oah an die Mitglieder des Rheinbundes. Wie ausschliesslich
iimgens dieser Gedanke der Einigung mit den deutschen
flfarsten gegen die feindliche Macht Mazarin noch unmittelbar
war dem Tode Ferdinand HI. beschäftigte, beweist der Um-
4uLij dass er in der Instruction, die er in diesen Tagen seinen
Ycrtretem in Deutschland gab, mit keinem Worte der Wahl-
frage Erwähnung that. ' Noch bevor aber das Actenstück in die
sar Absendung bestimmte Form gekleidet war, langte in Paris
£e Nachricht ein, dass Ferdinand HI. gestorben sei. Mit
einem Schlage war die Situation geändert. Die Allianzfrage
trat ganz in den Hintergrund. ^ Mazarin 's Aufmerksamkeit
concentrirte sich auf die Wahlfrage, von deren Entscheidung
ibm die künftige Gestaltung der europäischen Verhältnisse zum
grossen Theile abzuhängen schien. Wie er sich Frankreichs
Stellung zu der nun brennend gewordenen Angelegenheit dachte,
darüber sehen wir jetzt ganz klar. Als Grundlage jeder Er-
wägung betrachtete er die unbedingte Nothwendigkeit, dem
Hanse Habsburg die Krone zu entreissen, deren Sprossen die-
selbe seit mehr als 200 Jahren ununterbrochen getragen hatten.
Das war und blieb der leitende Gesichtspunkt des französischen
Staatsmannes bis spät in den Herbst des Jahres 1657. Die
zahlreichen Männer^ die damals das französische Interesse an
deutschen Höfen vertraten, wurden alle in dem Sinne benach-
richtigt, dass Frankreich die Wahl eines Habsburgers unter
keinerlei Umständen dulden könne und eine solche selbst mit
Waffengewalt zu verhindern entschlossen sei.^ Weniger be-
stimmt lauteten die Weisungen Mazarin's bezüglich der Person,
in deren Interesse die vielen Abgesandten Frankreichs wirken
' Instruction vom 29. April 1657; Concept vom 15. April. A. d. A.-E.
Allemagne. Vol. 135.
' Vgl. Pribram }. c, p. 135 f.
' Iiwtniction für Homburp und Gravel, 27. April 1657, A. d. A.-E. All.
Vol. 135, und für Orammont und Lionne, 29. Juli 1657.
184
geräumt werden könnten^ * und was die Vertreter Frankreichs
an den verschiedenen kurfürstlichen Höfen vernommen hatten^
konnte ihn nur in der Ansicht von der Durchfllhrbarkeit der
Wahl Ludwig XIV. bestärken. Der Stimmen des Branden-
burgers ^ imd des Pfälzers ^ glaubte er sicher zu sein ; dass es
lediglich von Franz Egon von Fürstenberg abhängen werde,
im Falle Ferdinand Maria sich weigern sollte^ die Wahl anzu-
nehmen, den Kurfürsten von Köln fUr die Candidatur Lud-
wig XIV. zu gewinnen, wusste Mazarin, und er zweifelte keinen
Augenblick daran, dass er die Mittel besitze, Fürstenberg für
seine Pläne günstig zu stimmen. Alles hing davon ab, ob auch
der Erzkanzler des Reiches, ob Johann Philipp von Mainz sich
für Ludwig XIV. entscheiden werde. Mazarin war entschlossen,
das Aeusserste aufzubieten, um den Kurfürsten von Mainz auf
seine Seite zu ziehen. Gravel, der fähigste der damaligen Ver-
treter Frankreichs in Deutschland, erhielt Befehl, sich über
Johann Philipps Stimmung zu orientiren. Von dessen Hit-
theilungen musste es Mazarin abhängen lassen, inwieweit er die
Candidatur Ludwig XIV. verfolgen könne. GraveFs Berichte
lauteten über alles Erwarten günstig. Schon am 24. April
konnte er aus Frankfurt melden, dass Boineburg, Johann
Philipps vertrautester Rath, * erklärt habe, er sehe nur drei
Personen, denen man die Krone anbieten könne, den König
von Frankreich, Leopold und Leopold Wilhelm. ^ Eine Woche
später berichtete er frohlockend, Boineburg habe ihm zwanzig-
1 Vgl. die sehr bezeichnende Weisung Mazarin's bei Ch^mel 1. c, III, 101.
2 Vgl. das interessante Schreiben des Kurfürsten an Mazarin gelegentlich
des Ablebens Ferdinand III. Ch^ruel 1. c, 92, Anm.
^ Vgl. das Schreiben Mazarin's an Senden. Ch^ruel 1. c, 93.
* Ich bemerke, dass Boineburg in vielen Dingen wohl die Initiative f&r
die Entschliessnngen Johann Philipps gegeben hat, doch ist sein Antheil
aus den uns erhaltenen Documenten nicht in jedem Momente zu er-
sehen, lieber das Verhältniss Johann Philipps zu Boineburg berichtet
Strauch, der Gesandte Johann Georg II. von Sachsen, ,Boinebarg ist
das Factotum des Kurfürsten* (Strauch an Johann Georg, 6./ 16. October
1657. Dresdner Archiv), und Lobkowitz an Leopold, 16. Januar 1658,
,al(i ohne welches (Boineburg's) beyrathung der herr Churfürst sich nicht
gern zu resolviren pflegt*. Boineburg galt im Allgemeinen als Gegner
Oesterreichs.
* Gravel an Mazarin, Frankfurt, 24. April 1657. A. d. A.-E. All.
Vol. 137.
183
F&r ihn sprach seine deutsche Herkunft, sein katholisches
Glanbensbekenntniss, das Ansehen seiner Familie und die
Grösse seines Besitzes. Allein nach den Aeusserungen des
jungen Kurfürsten war es sehr zweifelhaft, ob es den Be-
mühungen Frankreichs und seiner Anhänger gelingen werde,
denselben zur Annahme der Kaiserkrone zu vermögen, imd
da es Mazarin in erster Linie doch um die Hintertreibung der
Wahl eines Habsburgers zu thun war, die Person des zu
Wählenden dagegen erst in zweiter Linie in Betracht kam,
hielt er es im Interesse seiner Pläne gelegen, in der Frage der
Candidatur von vorneherein jede Eventualität in Erwägung
zu ziehen. Es wäre unbegreiflich gewesen, wenn ihm dabei
nicht zu allererst der Gedanke an die Erhebung Ludwig XIV.
gekommen wäre. Seit der denkwürdigen Wahl des Jahres 1519,
da Franz I. als Gegner Karls — und nicht ohne Aussicht auf
Erfolg — bei der Bewerbung um die Kaiserkrone aufgetreten,
war fast keine Kaiserwahl vorübergegangen, bei der nicht von
Neuem der Versuch untemonmien worden oder wenigstens der
Gedanke aufgetaucht wäre, einem Sprossen des Hauses Capet
die Kaiserkrone aufs Haupt zu setzen. Dass diese Bemühungen
bislang firuchtlos geblieben waren, brauchte Mazarin nicht zu
entmuthigen, denn es konnte seinem klarblickenden Geiste
nicht entgehen, dass die Verhältnisse in diesem Momente fUr
die Candidatur eines französischen Königs ungleich günstiger
waren als je vorher. Frankreichs Einfluss in Deutschland hatte
seit den Tagen Franz I. in eben so hohem Masse zugenommen,
alB die Autorität des Hauses Habsburg abgenommen hatte,
und mit der Abneigimg der deutschen Fürsten gegen das Re-
giment der österreichischen Herrscher, welche das Reichs-
interesse wiederholt dem Wohle ihrer Familie geopfert hatten,
musste die Aussicht jedes fremden Fürsten grösser werden,
die Wahlmänner für sich zu gewinnen. Allerdings, das dürfte
Mazarin nicht entgangen sein, dass gerade die übergrosse
Macht Frankreichs und die strenge Ordnung, die innerhalb
dieses Staates herrschte, den Kurfürsten die Wahl Ludwig XIV.
mindestens in eben so hohem Grade unräthlich erscheinen
lassen musste als die fremde Herkunft, die Unkenntniss der
Sprache oder die Unmöglichkeit eines dauernden Aufenthaltes
innerhalb der Reichsgrenzen. Allein Mazarin wusste, wie grosse
Hindernisse bei deutschen Fürsten durch Geld aus dem Wege
186
gesagten Weise. Er betonte, dass es ihm unmöglich sei, so
frei zu sprechen wie andere Fürsten, weil er die Nähe der
Spanier zu flirchten habe, und gab Gravel gute, wenn auch
allgemein gehaltene Versicherungen. ^
Nicht ganz so günstig wie die Berichte OraveFs lauteten
jene des Landgrafen von Hessen-Homburg und Wagn^'s. Der
Letztere fand den Kurftlrsten von Köln für die Candidatur
Ferdinand Marias sehr eingenommen.' Auf die Frage, wem
man die Krone zu verschaffen suchen sollte, falls der Kurfürst
von Baiem dieselbe ausschlage, nannte Maximilian Heinrieb
blos den Herzog von Neuburg imd den Erzherzog Leopold
Wilhelm, und Fürstenberg betonte dem Landgrafen Georg
Christian gegenüber gleichfalls die Neigung seines Herrn für den
Oheim Leopolds. Da aber derselbe Fürstenberg die Ho£fnung
aussprach, falls Mainz ehrlich für die Candidatur Ludwig XIV.
eintreten wolle, den Kurfürsten von Köln für die Sache Frank-
reichs zu gewinnen 3 und Gravel kurz darauf berichten konnte,
dass Franz Egon von Fürstenberg, der lange Zeit Bedenken
gegen die Aufrichtigkeit der mainzischen Erklärungen ge-
äussert,* ihm gesagt habe, er bemerke eine solche Veränderung
bei Johann Philipp, dass er Hoffnung habe, die drei geist-
lichen Kurfürsten für die Ausschliessung Oesterreichs zu ge-
winnen, ^ glaubte man am Hofe Ludwig XIV. den Aeusserungen
des Kölner Kurfürsten kein zu grosses Gewicht beimessen zu
dürfen und hielt es mit Rücksicht auf die günstigen Erklärungen
des Erzkanzlers für erlaubt, dem Gedanken der Candidi^ur
Ludwig XIV. näher zu treten. Freilich so lagen die Ver
hältnisse nicht, dass Mazarin es hätte wagen dürfen, offen
mit diesem Plane hervorzutreten. Es war ganz überflüssig,
wenn der Herzog von Neuburg zugleich mit der Ver-
sicherung, dem Könige von Frankreich mit Freude zu weichen,
Mazarin beschwören Hess, erst mit döm Mainzer eingehend
1 Gravel an Mazarin, Coblenz, 13. Juni 1656. A. d. A.-E. Vol. 136. Auf
die Schreiben Mazarin^s und Ludwig XIY. antwortet der Trierer am
10. Juni mit der Versicherung, im besten Einvernehmen mit Frank-
reich leben zu wollen. (A. d. A.-E. Regensb. Abtheilung.)
3 Bericht Wagn^e's, ohne Datum. A. d. A.-E. Cologne. Vol. 2.
3 Landgraf von Hessen-Homburg an Senden, 5. Juni 1657. A. d. A.-E.
All. Vol. 137.
* Schreiben Fürstenberg's vom 31. Mai 1667. A. d. A.-E. Col. Vol. 2.
5 Gravel an Mazarin, 19. Juni 1667. A. d. A.-E. All. Vol. 185.
187
beratken zu lassen and den König nicht in die Sache zu
ziehen, bis er des Erfolges sicher sei. * Mazarin wnsste so gut
als Philipp Wilhelm von Neuburg, wozu ihn die Erklärungen
des Erzkanzlers berechtigten. In seinen Weisungen an Gravel
hat er den Gedanken, die ihn in dieser Zeit beherrschten,
Aasdrack gegeben.
Die Grundlage seiner Auseinandersetzungen bildet auch
jetzt die Nothwendigkeit, das Haus Habsburg von der Nach-
folge im Reiche auszuschliessen, auch jetzt betont Mazarin alle
Vortheile der Wahl Ferdinand Marias und vergisst nicht, der
Candidatur Philipp Wilhelms Erwähnung zu thun ; ja geflissent-
lich stellt er diese beiden Fürsten in den Vordergrund, um
dann von der Wahl Ludwig XIV. gleichsam als von einem
Nothbehelfe zu sprechen, um die Wiederwahl eines Habs-
burgers zu verhindern. Wie Mazarin die Sache darstellt, ist
die Bewerbung Ludwig XIV. fUr diesen nur ein Opfer, das
er — aber nur in dem Falle, wenn der Erfolg gesichert ist —
freudigen Sinnes flir die Ruhe und das Wohl des Reiches
bringt. In ausführlichster Weise werden in diesem Schrift-
stücke die Vortheile der Wahl des Franzosenkönigs flir das
Reich und speciell flir den Erzkanzler, dem alle Ehren und
die ganze Regierungsgewalt zufallen würden, dargelegt, da-
gegen mit keinem Worte des ungeheuren Gewinnes gedacht,
den der Erwerb der Kaiserkrone flir Frankreich mit sich
bringen wtirde. Zugleich wird Gravel der Befehl ertheilt, dem
Erzbischofe und dessen Bruder im höchsten Geheim die Mit-
theilung zu machen, dass Mazarin der Stimmen zweier Kur-
fiirsten — er meinte Brandenburg und Pfalz — sicher sei, von
Karköln die besten Versprechen erhalten habe, imd dass daher
der Erfolg der Candidatur Ludwig XIV. im Falle einer gün-
stigen Erklärung des Erzkanzlers unausbleiblich sei. ^ Ganz
^ Landgraf von Hessen-Homburg an Mazarin, Köln, 19. Juni 1667. A. d.
A.-E. All. Vol. 135. ,M. de Neubourg ayant sceu de Furstemberg que
sa M.^ pretende donc eile mesme a TElection, m'a charg^ de prier tr^s
instamment d'asseurer Sa M<^ que tant s*en faut qu'il pretendit d'estre
en eelle son conrival, que de son cost^ il contribueroit sinceremeut et
de tont ce qui seroit en son pouvoir et que V. E. trouvera a propos
pour le faire reussir; mais qu41 la supplioit au nom de Dien de faire
parier clair M. de Mayence.'
' Ans dem Juni liegen zwei Weisungen Mazarin^s an Gravel vor. Die
eine vom 23. Juni 1657 hat Ch^ruel in seinem Examen d*un Memoire
190
lauteten überaus günstig, sie bezeichneten sogar eine Steigerung
der HoflFnungen gegenüber den früheren Mittheilungen. Georg
Christian von Hessen-Homburg, obgleich persönlich weniger für
die Wahl Ludwig XIV. als für die des Neuburgers eingenom-
men, * schrieb Mitte Juli an Servien, Mazarin's vertrautem
Rathe in der Wahlangelegenheit : , Wenn der König von Frank-
reich Kaiser werden will, wird er es sein/^ Zu gleicher Zeit
berichtete Gravel über seine Mission bei Johann Philipp in über-
aus günstiger Weise. Der Erzkanzler zeigte sich über Lud-
wig XIV. Wohlwollen sehr erfreut, erklärte sich mit der Reise
des Königs nach Metz einverstanden und billigte den Eot-
schluss Mazarin's, französische Truppen nach Luxemburg zu
senden. Er forderte Gravel überdies auf, dem Cardinal in
seinem Namen die Versicherung zu geben, dass er seine Stimme
niemals dem Könige von Ungarn geben werde, •"* und wiederholte
diese Worte mehrere Male. Und was dieser Aeusserung noch
1 Landgraf von Hessen-Homburg an Servien, 1. Juli 1657. A. d. A.-E.
All. Vol. 137. Der Mainzer, berichtet der Landgraf in diesem Schreiben,
hat Gravel aus Heidelberg schnell zurückrufen lassen; der Landgraf
veranstaltet eine Unterredung mit Gravel und Boineburg, und GraTel
,confirma en ma presence au dit Chanceliier ce dont j^avoj eu ordre
d^asseurer M. de Neubourg, a s^avoir que le Roy pensoit sincerement
et serieusement a sa personne pour la future Election, car Forstem-
berg luy avoit faict connoistre, que S. M. travailloit ponr eile mesme;
ce qui Vobligea a roe prier de vous vouloir escrire en la forme et
termes, que vous aurez veu dans ma precedenteS Er fährt dann fort
zu betonen, wenn der Cardinal mit seiner gewöhnlichen Energie und
Klugheit bei den Kurfüsten von Mainz, KGln und Trier nnd deren
Räthen verhandelt, ,1a chose sera infallible pour M. de Neubourg. Ponr
moy je ne puis m*empdcher de vous dire avec sincerit^ et francbise,
que je croy plus glorieux et mesme plus adyantageux pour la France,
que le Roy cede TEmpire a M. de Neubourg, qu^autrement eneore que
je n*ay pas os^ vous en dire si nettement mes sentimens, lorsque j'ay
sceu, qn'on avoit cette pens^e pour le Roy, en quoy Ton ma faict en
quelqne fa^on tort, car si je Teusse sceu, je ne me fenase pas si fort
engag^ pour M. de Neubourg, estant oblig^ de preferer les interests de
mon maistre a cenx de qui que ce seit sans aneune reserve . . .*
2 Desgleichen, 15. Juli: Ich kann nur wiederholen, was ich bezüglich der
Wahl des Königs schon gesagt, ,s9avoir que s'il venlt eatre Empereur
il le sera, pourveu qu'il seit assenr^ de Mayenoe et celuy-cy deTreve
et Coloigne*.
» Gravel an Mazarin, Frankfurt, 19. Juli 1657. A. d. A.-E. All. VoL 137.
jQu'il ne donneroit jamais sa voix au Roy de Hongria*
189
Personen eine Nachricht von dem Plane Mazarin's in die
Oeffentlichkeit zu bringen, bevor er des Erfolges sicher
sei.' Wir sehen, Mazarin hat unzweifelhaft an die Erhebung
Ludwig XIV. auf den Kaiserthron gedacht und diese Ange-
legenheit zum Gegenstande ernster Erwägungen gemacht. Ja
noch mehr, wir dürfen sagen, Mazarin hat die Wahl seines
jungen Herrn lebhaft gewünscht und wäre gewiss bereit ge-
wesen, die grössten Opfer zu bringen, um ans Ziel zu ge-
langen, allein höher als die Wahl Ludwig XIV. stand ihm die
Vernichtung der habsburgischen Macht; und da es ihm in
erster Linie darauf ankam, dass kein Sprosse dieses Hauses
gewählt werde, er aber fUrchtete^ durch ein entschiedenes Ein-
treten für die Candidatur Ludwig XIV., wenn dessen Wahl
nicht gesichert war, eine Wendung zu Gunsten Oesterreichs
herbeizuführen^ war er aufs Eifrigste darauf bedacht, jede be-
stimmte Erklärung so lange zu vermeiden, bis er der Zu-
stinmiung des Erzkanzlers sicher war. Erst wenn diese erfolgt,
war er entschlossen, fUr die Wahl Ludwig XIV. rückhaltlos
einzutreten. Anfangs schien es, als sollte dies in der That der
Fall sein. Die nächsten Berichte des Landgrafen und Gravel's
Sa W^ desireroit au conseil que M. de Mayence luy donneroit la-dessus
et qaoyqu^elle n*ayt aucune ambition pour TEmpire, si neantmoins on
jcq^it quHl fat de Tinterest de la religion catholiqne, du bien g^neral
de la Chrestiennet^ on repos de rAllemagne et de radvantag« de Mi^ les
electeun et antres Princes et estats et TEinpire, que cette dignit^ toin-
bast pIuBtost sur sa tete, que sur celle du Roy d'Hongrie . . . en cas
dis-je 8a M^^ se diaposeroit a y songer et se conduiroit en cela selon
la derniere reconnoisaance de la maniere dont il a parl^ de sa peraoune
sur ce sujet et que sHl croyoit que le Roy y deust penser et que la
ehoM reussit, ce seroit S. A. qui auroit tont le faix et lee fatignes de
l'Empire et Sa M.^ , sana estre a charge de quoyque ce fuat a Tempire,
ne songeroit qu'a employer sa personne, ses biens et ses forces pour le
goarentir de tons ses ennemies et le maintenir dans la g^andeur et le
lustre ou il doit estre.* A. d. A.-E. All. Vol. 135. Man wird leicht er-
leheii, dass dieses letztere Document für die Augen des Kurfürsten, das
erstere blos für die Gravers bestimmt war.
1 Mazarin an Gravel, 13. Juli 1657. A. d. A.-E. All. Vol. 137. ,Et quand
Toos le (M. de Mayence) verrez dispos^ a cela (^lection de Louis XIV.),
ainsy que vous m*aYez escrit autresfois avoir recogneu, qu*il estoit tant
par ces discours que par ceux de M. de Benneberg, vous luy direz de
ma part, que je le conjure de ne vouloir en aucune fa^on permettre qu^il
s^oi) parie de la dignit^ imperiale pour le Roy saus estre assecur^, que
iniailliblement la chose reussira.
192
von Baiem wird an erster, die des Neuburgers * an zweiter
Stelle betont, und von der Erhebung Ludwig XIV. nur als
eines Nothbehelfes gesprochen. ^ Der wesentliche Unterschied
dieser Erklärungen von den früheren liegt nur in der Ein-
dringlichkeit, mit der alle Gründe für und gegen jeden der
Candidaten erwogen werden, und in der ausführlichen Angabe
aller Mittel, durch die das erstrebte Ziel erreicht werden könne.
Ueberaus bezeichnend ist die Art, wie Mazarin von der Wahl
Ludwig XIV. spricht. Er verhehlt sich keines der vielen Be
denken, die gegen dieselbe geltend gemacht werden können.
Er weiss recht wohl, dass man gegen die Wahl Ludwig XIV.
ebensogut wie gegen die Leopolds die Furcht, in grosse Kriege
verwickelt zu werden, anfUhren könne, und ' er zögert auch
nicht, die Berechtigimg dieses Bedenkens zuzugeben. ^ Worin
sich aber Mazarin täuschte, war seine Auffassung von der Ge
sinnung der KurfUrsten. Er hielt sie insgesammt, mit Ausnahme
Johann Georgs von Sachsen, für frei und in höherem oder
geringerem Grade geneigt, die Wünsche Frankreichs zu be-
rücksichtigen, wenn man ihre Privatinteressen nicht ausser
Acht liess und mit Versprechen im Falle der Bereitwilligkeit,
mit Drohungen im Falle der Weigerung bei der Hand war.
In diesem Sinne lauteten die Weisungen an die französischen
Gesandten. Sie hatten Aufb*ag, sich dem Mainzer, von dessen
ausschlaggebender Bedeutung Mazarin überzeugt war, in Allem
gefkllig zu erweisen, ihn an die guten Beziehungen, die er seit
Langem mit Frankreich pflege und an den Hass zu erinnern, den
er Seitens Spaniens als Urheber des Münster'schen Friedens auf
sich geladen, und ihm die glänzende Stellung zu vei^egen
Wärligen, die er im Falle der Wahl eines Nichthabsbui^ers im
Reiche einnehmen werde. Wenn aber Johann Philipp Ausflüchte
' Für die Politik des Neuborgen in dieser Zeit: Krebs Oskar, Beiträge
■or Gesckichte Wolfganp Wilhelms and Philipp Wilhelms Ton Nenbur^,
16;M>--1660, 33 ff.
' Und awar nicht in der Hauptinstmction, sondern in den diese ergin-
aenden Schreiben M««urin*s Tom selben Tafe. Die entscheidende Stelle
Examen etc. 1. c„ lä tL
' Unrichtig ist, wenn Vidfirej 1. c^ 76 die Sache so darstellt, als ob Ha
■arin in erster Linie die Wahl Philipp Wilhelms befUrwortet hätte
ValArer hat den Sata ans de« Zasammeahange heraasgerissen. &
heimt ansdrückJich erst Baiera und dann erst Neahnrg. InstmctioD^
British MttMHun, UarWjana 4.
193
suchen und mit der Sprache zurückhalten sollte, dann hatten
die Vertreter Ludwig XIV. Befehl, dem Erzkanzler zu er-
klären, ihr Herr habe sich lediglich auf seinen Rath und seine
Zusicherungen hin zu dieser französischen Gesandtschaft ent-
schlossen, die er nicht der Schande aussetzen wolle, Zeuge des
Triumphes der Habsburger zu sein. ^ Und was für den Mainzer
in Vorschlag gebracht wurde, galt auch flir alle übrigen Wähler.
Hoffiiung und Furcht sollten gleichmässig dazu beitragen, den
Plänen Mazarin's zum Siege zu verhelfen. Wie fest aber Ma-
zarin davon überzeugt war, sein vornehmstes Ziel, die Wahl
eines Nichthabsburgers, zu erreichen, dafür spricht nichts deut-
licher als die Art und Weise, wie er in der erwähnten In-
struction über jenes Bündniss urtheilte, über das seit Jahren
Seitens der deutschen Fürsten verhandelt wurde, und in das
einzutreten er wiederholt seine Geneigtheit ausgesprochen hatte.
Denn Mazarin erklärte ganz ausdrücklich, dass der Bund in
diesem Momente, wo Ferdinand HI. todt sei und die Wahl
seines Sohnes zum Kaiser nicht erfolgen dürfe und werde,
eigentlich überflüssig sei und den Plänen Ludwig XIV. eher
hinderlich als förderlich werden könnte, und verwahrte sich
von vorneherein auf das Entschiedenste gegen die Zumuthung,
als werde Frankreich sich mit der Wahl eines Habsburgers
einverstanden erklären, falls durch die Bestimmungen der
Wahlcapitulation und des Rheinbimdes der neue Kaiser an der
freien Entfaltung seiner Kräfte gehindert werde. 2
' Auch diese Stelle ist bei Valfrey 1. c, 78 citirt, nur vergisst Valfrey
hinzuznfQgen, dass die Vertreter Ludwig XIV. solche Erklärungen nur
im Eussersten Falle, wenn kein anderes Mittel verfange, machen sollten.
Instruction, British Museum, Harleyana, 4681.
^ Instruction vom 29. Juli. British Museum, Harleyana. Vgl. Pribram 1. c,
144 ff. Ich bemerke, dass es ganz unrichtig ist, wenn von allen neueren
Forschem behauptet, wird, Mazarin habe den Gesandten die Förderung
der Allianz gleich damals ans Herz gelegt. Ch^ruel, Histoire du Ma-
zarin, m, 98 f. und Examen etc. 1. c, 16, Valfrey 1. c, 160 ff., der
übrigens die das Qegentheil beweisende Stelle aus der Instruction vom
29. Juli abdruckt, 161. Dass dies nicht der Fall, habe ich zum Theile
bereits in meiner Arbeit über den Rheinbund nachgewiesen, zum Theile
folgt der Beweis in den folgenden Auseinandersetzungen. Mazarin bat
ihnen wohl ausführliche Weisung bezüglich der Allianzfrage gegeben,
aber ausdrücklich und wiederholt erklärt, den Abschluss nicht zu wün-
schen und vor Allem dies nicht als Ersatz für die Wahl eines Habs-
burgers betrachten zu wollen.
IrclÜT. Bd. LXXm. I. Hilft«. 13
194
Wenige Tage nachdem der Herzog von Gh*ammont und
Hugues de Lionne Paris verlassen hatten, um in Frankfart
und an den verschiedenen deutschen Höfen die Interessen
Frankreichs wahrzunehmen, langten die ersten ungünstigen
Nachrichten aus Deutschland ein. Georg Christian von Hessen-
Homburg begann an der Aufrichtigkeit des Erzkanzlers zu
zweifeln und sprach die Befiirchtung aus, Johann Philipp werde
wohl für den Ausschluss Leopolds, aber flir die Wahl des Erz-
herzogs Leopold Wilhelm stimmen. ' Insbesondere die immer
deutlicher hervortretende Abneigung des Kurfürsten von Mainz
gegen das dem Abschlüsse nahe Offensivbündniss Neuburgs
mit Frankreich gab ihm zu denken. Denn wenn Johann Philipp
die Wahl Ludwig XIV. oder eines von demselben abhängigen
Fürsten billigte, dann musste ihm ja dieses Bündniss, das den
Kampf des Neuburgers gegen Spanien bezweckte, nur er-
wünscht sein. Und in dieser Auffassung über das veränderte
Benehmen des Erzkanzlers stand er nicht allein. Auch Gravel
V konnte sich nicht verhehlen, dass das Vorgehen des Kurfärsten
wenig mit den Versicherungen übereinstimmte, die derselbe
ihm gegeben hatte und noch jetzt zu wiederholen nicht müde
wurde. Immer vernehmlicher drang die Kunde von den zu
Cärlich gefassten Beschlüssen an das Ohr der französischen
Gesandten, mehrten sich die Mittheilimgen von der Geneigtheit
Johann Philipps, den Erzherzog Leopold Wilhelm zum Kaiser
zu wählen. ^ Die Berichte des Landgrafen von Hessen-Homburg
und GraveFs mussten die Hoffnungen Mazarin's bedeutend ver-
mindern. Und bald genug sollte er aus dem Munde eines compe-
tenten Mannes Erklärungen vernehmen, welche ihm zeigten,
dass der Plan, dem jungen Könige von Frankreich die Kaiser-
krone aufs Haupt zu setzen, auch nicht die geringste Aussicht
habe, durchgeführt zu werden. Wagn^e war gerade auf dem
Wege nach Köln, um daselbst Erkundiguügen über den Erfolg
der Mission Boineburg's und Wilhelm Fürstenberg's in München
einzuziehen, als ihm der Letztere begegnete und mittheilte, dass
er beauftragt sei, in Sedan mit dem Cardinale über die Wahl-
angelegenheit zu berathen. Diese Berathungen fanden in der
1 Der Landgraf von Hessen-Homburg an Servien, 7. and 8. Angnst 1657.
A. d. A.-E. All. Vol. 136.
' Gravel an Mazarin, 31. Juli 1657. A. d. A.-E. All. Vol. 137.
195
That statt. In drei langdaaernden UnterreduDgen enthüllte
Ffirstenbei^ die Pläne der geistlichen Kurftürsten. Um Mazarin
günstig zu stimmen, begann er mit der Erklärung, dass die
drei geistlichen Eorftirsten gemeinsames Vorgehen ' und die
Aosscfaliessung des jungen Königs Leopold beschlossen hätten.
Dann aber kam Schlag auf Schlag. Die Wahl Ludwig XIV.,
fuhr Fürstenbei^ fort, habe man in Erwägung gezogen, allein
aus vielerlei Qründen für unmöglich erklärt;^ dagegen sei man
entschlossen, falls Baiern die Krone ausschlagen sollte, für
Leopold Wilhelm zu stimmen. Das entscheidende Wort war
gefallen. Ueberaus bezeichnend ist die Haltung, die Mazarin
diesen Aeusserungen gegenüber einnahm. Nicht mit einem
Worte hat er der Weigerung der Kurfürsten, Ludwig XIV. zu
wählen, gedacht. Es schien, als habe er die betre£Penden Worte
überhört oder die Angelegenheit von vorneherein fllr ein Spiel
der Phantasie gehalten. Aber um so fester entschlossen zeigte
er sich, die Wahl eines Habsburgers, wenn es sein müsse
auch mit Gewalt, zu verhindern. Den Gedanken einer Ein-
schränkung der Macht Leopold Wilhelms durch die Wahl-
capitolation oder durch die rheinische Liga warf er weit weg.
Er meinte, der Erzherzog werde von Spanien noch viel ab-
hängiger sein als sein Neffe, denn dieser folge seiner Neigung,
jener werde sich der Noth fügen, wenn er sich an Spanien
anscUiesse; er drohte, im Falle die Kurfürsten sich täuschen
lassen und dem Habsburger ihre Stimmen geben sollten, mit
dem Anmärsche einer grossen Armee, mit dem Kriege bis zur
Vernichtung. Und als einzigen Ausweg aus diesem Labyrinthe
bezeichnete er die Wahl Ferdinand Marias. Rückhaltsloser
&ls je vorher ist er in diesen Unterredungen mit Wilhelm
Fürstenbei^ für dieselbe eingetreten. Es geschah wohl im Hin-
blicke auf die Erregtheit Mazarin's und dessen deutlich aus-
gesprochenen Wunsch, Baiern die Krone zuzuwenden, dass
Wilhelm Fürstenberg über seine Mission am Münchner Hofe
einen Bericht erstattete, der, den wirklichen Begebenheiten
widersprechend,^ überaus günstig klang. Denn wie der Rath
' Diese wie viele andere Bemerkungen Ftirstenberg's entsprechen der
Wibrfaeit dnrohans nicht.
' Masarin an Grammont nnd Lionne, Sedan, 18. Angnst. ' A. d. A.-E. Vol. 140.
' Vgl. für die Begebenheiten «m Münchner Hofe Heide 1. c, 11 ff.
13*
196
Maximilian Heinrichs meldete, hatte sich Ferdinand Maria dem
Plane seiner Erhebung auf den ELaiserthron durchaus nicht
abgeneigt gezeigt, die gegentheilige Behauptung eine Lüge
genannt und seine Entscheidung nach eingeholtem Radischlage
des Kölner Kurflirsten versprochen. Dass der Kurfürst von
Baiem diese günstigen Erklärungen an die Bedingung knüpfte,
dass die zur Bestreitung der Wahl erforderlichen Geldmittel auf-
gebracht würden, musste Mazarin umsomehr in der Ansicht
bestärken, dass Ferdinand Maria es ernstlich mit seiner Candi-
datur meine. Und wie gerne war er bereit, das geforderte GeW
zur Verfügung zu stellen, wenn er durch dasselbe seinem Ziele,
der Vernichtung der Macht des feindlichen ELauses, um einen
Schritt näher kommen konnte. Er erklärte auch jetzt, wenn
Ferdinand Maria keinen andern Grund gegen die Annahme
der Kaiserkrone vorbringe, als die Scheu vor den Kosten, dann
stehe die Sache gut. Er versprach, von Ludwig XIV. neben
momentaner Unterstützung eine jährliche Subsidie für den Kur-
fürsten zu erwirken. ' Fürstenberg verliess den Cardinal in
guter Stimmung; er hatte zu derselben viel durch seine Be-
theuerung beigetragen, dass nur Johann Philipp für den Erz-
herzog eingenommen sei, sein Herr dagegen wie er selbst die
Wahl Ferdinand Marias wünschten. ^
Während Fürstenberg in Sedan mit dem Cardinal über
die Mittel berieth, durch die man die Wahl des bairischen
Kurfürsten fördern könnte, hatten Grammont und Lionne
ihre Mission bei den Kurfürsten begonnen. ^ Auf dem Wege
^ Mazarin an Qrammont und Lionne, Sedan, 18. August. A. d. A.-E.
All. Vol. 140. Mazarin hat über die Art, wie durch Geld die bairische
Candidatur gefördert werden könnte, mit Ffirstenberg lange berathen.
In einer Weisung vom 21. August hat er die entsprechenden Mittheilongen
an Grammont und Lionne abgehen lassen. A. d. A.-E. All. Vol. 140.
Ueber den Aufenthalt Fürstenberg's am französischen Hofe vgl. auch
Priorato 1. c, I, 95 f.
' Volmar war über den Inhalt — vielleicht durch Fürstenberg selbst —
gut unterrichtet. Vgl. seinen Bericht vom 1. September 1667. W.-A
(Wahlacten.)
^ Ueber Grammont^s Mission in dieser Zeit sind uns seine auBführlieben
M^moires erhalten, die nach seinen Aufzeichnungen von seinem Sohne
herausgegeben worden und lange Zeit hindurch für die Aufifassrang diesej*
Ereignisses massgebend gewesen sind. (Collection des M^moires de
Petitot, vol. LVI, 435 ff.) Ohne in eine eingehende Kritik dieser Memoiren
197
nach Frankfurt nahmen sie die Gelegenheit wahr, die seit
Langem in Paris mit Karl Ludwig von der Pfalz geführten
Verhandlungen zu Ende zu bringen. Es wiirde ihnen schwerer,
als sie gedacht hatten. Die unersättliche Geldgier des pfiüzischen
Kurfürsten, gegen die selbst seine Untergebenen geeifert haben, •
erschwerte den Abschluss des Vertrages. Karl Ludwig hatte
ächon Gravel gegenüber, der ihn Ende Juni besuchte, auf die
durch den Tod Ferdinand HI. veränderte Lage hingewiesen und
betont, dass er, um Ludwig XIV. Pläne zu fördern, bedeutend
höherer Subsidien — er sprach von 200.000 Thalem — bedtlrfe,
als Servien seinem Vertreter in Paris angetragen habe. 2 Er trat
Orammont und Lionne mit denselben und überdies mit anderen
Forderungen entgegen. Und dann weigerte er sich auf das Ent-
schiedenste gegen die Aufnahme eines seine Wahlfreiheit be-
schränkenden Passus in den Vertrag. Erst nach langen Verhand-
lungen gelang es, einen alle Theile befriedigenden Ausweg zu
finden. In dem Vertrage, der am 15. August geschlossen wurde
und in Paris unterzeichnet werden sollte, wurde der Wahl nicht
besonders Erwähnung gethan. Er enthielt nur Bestimmungen
mich hier einzulaBsen, bemerke ich, dass die Behauptung des Herausgebers,
sich an die Schriftstücke seines Vaters gehalten zu haben, bei einer Ver-
gleichungder Berichte Grammonts mit den Memoiren sich als eine der Wahr-
heit entsprechende gezeigt hat. Ich fand wiederholt wörtliche und fast
immer inhaltliche Uebereinstimmung (vgl. z. B. die Charakteristik Ferdi-
nand Marias, M^moires, 475, und Ch^ruel, Examen etc., 19). Da aber das
Hauptbestreben der Memoiren dahin gerichtet ist, die Mission Grammont*s
als einen Triumph französischer Diplomatie hinzustellen, unterdrückt Gram-
mont das Unangenehme und stellt die Sache so dar, als hätte Frankreich
nicht im Entferntesten mehr als das erhofft, was es dann erlang^ hat.
Vgl M^moires, 438 : ,Le bruit s'^tant r^pandu k la cour de Tambassade
d'Allemagne, il y eut peu de personnes qui ne la toumassent en ridi-
cole*; ja die bestunterrichtetesten Leute ,ne comprenoient pas aisement,
qoe M" les plenipotentiaires nomm6s pussent rien obtenir du tont, que
la caprice et la volubilit^ des langues de Fran^ais leur faisoit publier,
qn'on avoit k demander . . .* Um so grösser dann der Erfolg, der erzielt
wurde. Dieser Grund erklärt auch, warum Grammont von der Friedens-
fnige so spricht, als ob bezüglich derselben keine Meinungsdifferenz
zwischen den Franzosen und dem Erzkanzler bestanden hätte, Mämoires,
462 f. Im Uebrigen ist es bezeichnend, wie erhaben sich Grammont als
Bürger des Culturstaates über diese Halbbarbaren fühlt.
* Des Kurfürsten Resident in Paris betonte dies Servien gegenüber wieder-
holt Servien an Mazarin, 31. Mai 1657. A. d. A.-E. All. Vol. 137.
^ Qravel an Mazarin, Heidelberg, 26. Juni. A. d. A.-E. All. Vol. 137.
200
werde sie aach zu Terhindem wissen. * Um sich Sicherheit za
verschaffen^ begaben sie sich einige Tage nach der erwähnten
Unterredung neuerdings zu Johann Philipp^ machten ihm vcm
den Aeusserungen Fürstenberg's Mittheilung und baten um Auf-
klärung. Der Kurfürst war anfangs sehr bestürzt; er fasste
sich jedoch bald und erklärte^ er könne sich nicht bestimmt fiir
Ferdinand Maria aussprechen^ weil er noch nicht wisse^ ob dieser
Fürst die Wahl annehmen werde, und weil er fachten müsse,
dass der Wiener Hof Ton seinem Entschlüsse Mittheilung er-
halte. Grammont und Lionne begnügten sich mit dieser Er-
klärung nicht. Sie drängten zu weiterer Aus^nandersetzung.
Eine solche hatte Johann Philipp gewünscht. Er wurde auf diese
Weise gleichsam genöthigt, jenen Vorschlag zu machen, dessen
Durchführung ihm mehr als alles Andere am Herzen lag. Er
enthüllte den Vertretern Ludwig XIV. seinen Friedensplan;
zugleich versprach er, falls er der Durchfuhrung desselben vor
der Wahl versichert sein könne, seine Stimme dem Baiem-
fUrsten zu geben. Und sogleich war er mit einer R^e von
Gründen bei der Hand, um den Nachweis dafür zu erbringen,
dass ein Eingeben auf seine Friedensidee Frankreichs Interessen
nur förderlich sein könnte. Dass die Vertreter Ludwig XTV. sich
nicht gleich von der Richtigkeit seiner Auseinandersetzungen
überzeugt erklärten, dass sie Ferdinand Maria auch auf andere
Weise zur Annahme der Kaiserkrone bewegen zu können
glaubten, verdross den Kurfürsten. Aber alF ihre Entgegnungen
vermochten ihn nicht von seinem Entschlüsse abzubringen. Er
fuhr fort, die Nothwendigkeit der Herstellung des Friedens
vor der Wahl zu betonen, versprach die günstigsten Bedin-
gungen für Frankreich und verpflichtete sich von Neuem eid-
lich, falls Spanien in die Au&ahme der Verhandlungen nicht
willigen sollte, die Habsburger nicht allein von der Wahl aus-
schliessen, sondern wie Leute behandeln zu wollen, die fiir
einen ewigen Krieg eingenommen seien. ^ Ja er behauptete
den widerstrebenden Hörern gegenüber, nicht er, sondern Ma-
zarin sei der Erste gewesen, der Wilhelm Fürstenberg von dem
Frieden gesprochen habe, und auch in Frankfurt sei das erste
> Grammont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 3. September 1657.
A. d. A.-E. All. Vol. 137.
a Desgleichen, Frankfurt, 10. September 1657. A. d. A.-E. All. Vol. 137.
199
Wenige, was er ihnen mittheilte, klang durchaus nicht er-
muthigend. Denn so oft auch Grammont und Lionne betonten,
dass Leopold Wilhelm nicht gewählt werden dürfe, der Erz-
kanzler war zu einer zustinmienden Erklärung nicht zu ver-
mögen. Er sehe, äusserte er sich, neben dem Hause Habs-
borg nur drei Fürsten, die in Betracht gezogen werden könnten:
den KurfUrsten von Baiern, den Herzog von Neuburg und den
König von Frankreich. Dem Elrsten würde er seine Stimme
gerne geben, glaube aber nicht, dass derselbe sich um die
Krone bewerben wolle, des Neuburgers Wahl werde sich nicht
durchfuhren lassen, und des Königs von Frankreich könne
man überhaupt nicht Erwähnung thun. * Zu gleicher Zeit be-
tonte er die Nothwendigkeit des französisch-spanischen Friedens,
bot sich dem Cardinale als Vermittler an, versprach günstige
Bedingungen für Frankreich zu erwirken und schwor, falls
Spanien das Zustandekommen des Friedens verhindern sollte,
das Haus Habsburg von der Kaiserkrone auszuschliessen. ^ Die
Gesandten Ludwig wussten nicht, wie sie die Reden Johann
PhiUpps deuten sollten. Sie konnten und wollten nicht glauben,
dass der Erzkanzler, über dessen Frankreich günstige Stinmiung
so viel berichtet wurde, das, was er gesagt, ernstlich gemeint
habe. Sie meinten es mit einer vorübergehenden Verstimmung
zu thun zu haben. Fürstenberg aber, mit dem sie in ununter-
brochenem Verkehre standen, behauptete auf das Entschiedenste,
der Mainzer wünsche die Wahl Ferdinand Marias nicht und
cette rencontre cette leuteur redoubla pour bien chercher ses mots, pour
n''en dire aucan qu*avecq poid et mesiire.*
* Grammont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 3. September 1657.
. A. d. A.-E. All. Vol. 137. ,Que pour le roy il ne devoit pas noos dissi-
moler pour ne tromper personne, qu*il ne voyoit pas disposition pour
cette fois • cy (ce fut son mot) en M^ les Electeurs a couferer a Sa
Mte la dignit^ Imperiale a moins qu'il arrivast quelque conioncture qui
par d*autres plus grandes raisons les y fist songer/ Sehr bezeichnend ist,
dass Grammont und Lionne bei dieser Gelegenheit betonten, falls ein
Habsburger gewählt werden sollte, werde Ludwig XIV. seine Massregeln
treffen, ohne sich zu ,amuser a celles des capitulations, qui n*ont est^
et ne seront jamais tenues qu'autant qu'il conviendra a celuy, qui les
aoroit jur^es.*
^ Grammont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 4. September 1657.
A. d. A.-E. All. Vol. 137. Aus diesem Bericht ein Extract bei Valfrey
1. c, 98.
202
ihnen als eine Ironie des SchicksalB erscheinen, dass ihnen
Ätto, ein Bote Mazarin's, eine Flugschrift überbrachte, auf
Veranlassung und unter dem Einflüsse des Cardinais in jener
Zeit verfasst, da die Candidatur Ludwig XIV. mit berechtigter
Hoffnung von Seite der französischen Regierung geplant wor-
den war, in welcher mit grossem Geschicke die Wahl Lud-
wig XIV. als die den Interessen des Reiches am meisten ent-
sprechende geschildert wurde. ' An eine Verwerthung derselben
war in diesem Augenblicke nicht zu denken. ,Wir haben/
schrieben Grammont und Lionne, ,mit grossem Vergnügen den
italienischen Brief erhalten, den £ure Excellenz uns durch Atto
übersendet hat. Derselbe ist ausgezeichnet geschrieben und
enthält zwingende Gründe, allein da man ersehen muss, dass
der vornehmste Zweck desselben die Förderung der Wahl des
Königs von Frankreich ist, wohin Niemand in dieser Versammlung
zielt, so haben wir es für gefUhrlich erachtet, durch Verbreitung
des Schriftstückes unseren Feinden den Vortheil zu gewähren,
in der Stadt die Ansicht zu verbreiten, dass dies der Haupt-, ja
der einzige Zweck unserer Hieherkunft sei, und behalten uns
die Veröffentlichung fllr eine Zeit vor, wo die Angelegenheit
dies gestattet.''^ Man sieht, die Vertreter Ludwig XIV. ver-
1 Auszüge aus dieser ,Lettera scritta di Roma dal Signore N. ad un suo
amico in Francfort* und der Antwort aus Frankfurt bei Valfrey 1. c,
115 ff.; doch scheint er die Abfassung in eine spätere Zeit zu versetzen.
Die Gesandten bedanken sich aber ganz ausdrücklich in ihrem Berichte
Yom 12. September für den Empfang. Die bezeichnendsten Stellen fehlen
bei Valfrey, sie lauten : ,La Maison d' Anstriche a jett^ de trop profondes
racines de sa domination, son estendue est trop grande, ses pensees
trop vastes et ses propres interests trop bien m^nagez en tont ce qn^elle
fait, pour ne leur sacrifier pas tout le bien public. . . . Enfin je dis, qoe
pour rendre k TEurope le repos apr^ le quel eile soupire il y a si
longtemps, il faut separer TEmpire de la Maison d*Austriche et luy hasset
demesler sur son compte ses entreprises et conduire toute aeule les
machines, qu^elle dresse de tous costez, qu^elle demeure ayec ses amis
et avec ses ennemies et si cela se fait, cet hyver la Paix se fera. . . .
La Maison d' Austriebe ayant ainsi re^eu Texclusion, il ne reste qae le
Koy de France capable de soustenir le poids et la dignit^ de l'Empire
et je croy veritablement, qu'en ces temps difficiles et malheureox, Dieu
a - fait naistre ce Prince \k pour la gloire, le restablissement et les
delices des hommes.* Erst diese Stellen erklären, warum die GeMiidten
vor der Veröffentlichung der Schrift zurückschreckteiL
> Grammont und Lionne an Mazarin, Frankfurt, 1%, Aflficatav W?-
A. d. A.-E. All. Vol. 137.
• f ■
203
zweifelten nicht. Sie beBcblossen vielmehr; mit allen Mitteln
die Schwierigkeiten; die sich ergeben hatten; aus dem Wege
zu räumen. Zunächst galt eS; die Differenzen mit dem Pfälzer
beizulegen; da die Mittheilungen Fürstenberg's von grossen
Anerbietungen Spaniens in Heidelberg und die Grammont und
Lionne bekannte Geldgier Karl Ludwigs die Gefahr als eine
drohende erscheinen Hessen. Unter dem Vorwande der Jagd
begaben sich die Vertreter Ludwig XIV. dreimal nach Oppen-
heim; wo sie mit dem Kurftirsten von der Pfalz zusammen-
trafen. Es kam hier zu heftigen Scenen. Gravel hat dem
Piälzer^ der behauptete; von einer Clausel nichts zu wissen,
nach der er die 40.000 Reichsthaler nur erhalten sollte;
wenn ein Nichthabsburger gewählt würdC; ins Gesicht gesagt;
dass er eine Unwahrheit spreche. Endlich gelang es durch
Vermittlung des französischgesinnten Obersten Balthasar; Karl
Ludwig zu versöhnen. Grammont und Lionne erklärten sich
bereit; ohne erst die Ermächtigung Mazarin's abzuwarten; die
dem Kurfürsten missliebige Clausel in der Schrifb zu streichen
und ihm die Ermächtigung zu ertheileU; den Vicariatsstreit mit
Korbaiem auf eine ihm mögUchst vortheilhafte Weise zu
schlichten; während sie ihrerseits nur auf der Forderung be-
standen; dass der PfUlzer seine Stimme Ferdinand Maria gebC;
falls Ludwig XIV. es von ihm begehren sollte. ^ Zu gleicher
Zeit wurde AttO; mit einem eigenhändigen Schreiben Lud-
wig XIV. an die Kurfürstin Adelheid versehen; * nach München
gesendet; um den Kurfürsten durch grosse Anerbietungen für
den Plan der Erwerbung der Krone zu gewinnen. Die Ge-
sandten Ludwig XIV. aber wendeten ihre Aufmerksamkeit
wieder dem Erzkanzler zu. Es gelang ihnen auch; ihn zu
besseren Erklärungen zu vermögen. Als die Fürstenberge auf
^ Grammont und Lionne an Brienne, Frankfurt, 12. September 1657.
BritiBh Museum, Harleyana, 4d31. Vgl. Heide 1. c, 21. ,
' Ludwig XIV. an Adelheid, 1. September 1657. A. d. A.-E. Bavarica.
Vol. 2. Ludwig schreibt, da er hOre, dass Ferdinand Maria sich durch
ttbelgemeinte Kathschlftge wolle verleiten lassen, die günstige Gelegen-
heit zur Erwerbung der Kaiserkrone, wie eine solche in Jahrhunderten
nicht wiederkehren werde, unbenutzt vorübergehen zu lassen, wolle er
durch Atto noch einen Versuch machen, den Kurfürsten umzustimmen.
Ueber Atto: Ch^ruel 1. c, III, 96, Heide 1. c, 28 Anm. und Wagner,
Hill Leopold! Hagni, I, 83.
204
Änrathen der französischen Gesandten im Namen des Kur-
füi*sten von Köln den Mainzer um eine bestimmte Aeussening
über sein Verhalten zur Candidatur Ferdinand Marias angingen,
erklärte Johann Philipp, sie könnten ihrem Herrn mittheilen, dass
er unter allen Umständen bereit sei, dem KurfUrsten von Baiem
seine Stimme zu geben, und, was noch mehr bedeutete, er gab
seine Einwilligung, auch Ferdinand Maria von diesem Ent-
schlüsse in Kenntniss zu setzen. ^ Wie wenig aufrichtig es der
Ei'zkanzler mit diesen Erklärungen meinte, wissen wir. Gram-
mont und Lionne aber fanden dieselben sehr trostreich. Willigte
der junge Kurfürst von Baiern ein, dann war bei der günstigen
Gesinnung Johann Philipps an dem Erfolge nicht zu zweifeln.
Mit der grössten Spannung sahen sie daher den Mittheilungen
Ätto's entgegen. Unterdess war Mazarin in den Besitz ihrer
ersten Schreiben gelangt. Er war keinen Äugenblick darüber
im Zweifel, was zu thun sei. Es galt, den Mainzer, koste es
was es wolle, umzustimmen. Die Gesandten erhielten Auftrag
zu bitten« zu versprechen, nöthigenfaUs zu drohen. ^ Gegen die
Behauptung des Erskanzlers, Mazarin habe Fürstenberg seine
Geneigtheit ausgesprochen, diurch das KurfurstencoUegium die
Friedensverhandlimgen noch vor der Wahl zum Abschlüsse
bringen au lassen und die Vertreter Ludwig XIV. in diesem
Sinne bereits mit Vollmachten versehen, verwahrte sich der
Cardinal auf das Entschiedenste. Er gab zu, dem Fürsteo-
berger Mittheilungen von dem Verlaufe der in Madrid ge-
pflogenen Verhandlungen gemacht und betont zu haben, dass
der nur im Augenblicke der Noth und widerwillig geschlossene
Vertrag mit England' im Miün des Jahn^s 1658 zu Ende gehe;
er g«ib auch lu« seine Bereitwilligkeit erklärt zu haben, die
Gesandten Ludwig XIV. mit den zur Vornahme der Friedens-
verhandlttui^^n nothweudigen Vv^Uiuaohten zu versehen, falls
sich eine Aussicht üuf gUnstigtHi Verlauf derselben zeige. Wie
sehr uuterschie\len i-ich abiT diese Aeus<^erungen von jenen,
die ihm der KrAkar.iler in den iCund le:^*n wollte. Mazarin
' OnuMM^«: «int Uk ntM» «» MmmHiu K^aaktet 1^» £!«pt«Bb€r 1657.
A a A K. AU \o: ijj;
* Mmaiui a» l«nuMiMKMii «1(4 IJKHMtoK ^ ^'^ftiffcV** tfft^I. A. d. A.*E. All
\^^t U\< 0%^ «-«(is.rWksA^'Mk $^W Wi iVhr«i»a l c, UL t^».
^ <;^Nnii«iit ;>« Uwe \v<Uii^ \v4» :{^ )lAt« lik'«
205
war über die Auslegung und Verdrehung seiner Worte sehr
entrüstet ; aber er glaubte im Interesse der Sache seinen Zorn
unterdrücken zu müssen. Ja er ging weiter. Er suchte nach
einem Auswege, um die directe Zurückweisung der mainzischen
Friedensanträge zu vermeiden. ,Ich glaube/ schrieb er Gram-
mont und Lionne, ,da8 beste Mittel, dem Willen des Kurfürsten
Rechnung zu tragen und zugleich unser Interesse zu wahren,
ist; dass ihr euch über die Friedensbedingungen im tiefsten
Geheimnisse mit Johann Philipp einiget und nachdem dies ge-
schehen, ihm das bestimmte Versprechen gebet, dass der König
seine Zustimmung zum Frieden unter den verabredeten Be-
dingungen geben wird, sobald ein Kaiser gewählt sein wird,
der nicht dem Hause Habsburg entstammt.' ' Johann Philipp
zeigte sich, als ihm von diesem Plane Mazarin's Mittheilung
zukam, durchaus nicht gewillt, auf denselben einzugehen. Er
betonte die Möglichkeit, den Frieden in Kürze und vor der
Wahl zu Stande zu bringen ; es liege in seiner Macht, äusserte
er, die Wahl hinauszuschieben.^ Die DiflFerenzen in der Auf-
fassung Mazarin's und Johann Philipps stellten sich immer klarer
heraus. Frankreich wünschte die Wahl vor, der Erzkanzler
nach dem Abschlüsse des Friedens; Frankreich erklärte sich
bereit, vor der Wahl die Friedensbedingungen festzustellen, auf
Grund deren es den Frieden, falls die Wahl im Sinne Frank-
reichs erfolgt sei, schliessen wolle, Johann Philipp dagegen
forderte den Abschluss des Friedens vor der Wahl und ohne
jede Rücksicht auf das Ergebniss der letzteren. ' Vergebens
boten Grammont und Lionne alle Künste der Ueberredung auf,
Johann Philipp zu überzeugen. Ihre Worte blieben ebenso
ohne Erfolg, wie ihre Versprechungen und Gunstbezeugungen.
Der Erzkanzler schritt unbeirrt auf dem eingeschlagenen Wege
weiter. Die Versanmilung vom 3. October und das Schreiben an
Peneranda vom 16. desselben Monats waren die nächsten sicht-
^ Mazarin an Grammont und Lionne, Verdnn, 15. September 1657. A.d. A.-E.
All. Vol. 140. Damit sind die Zweifel gelöst, die Heide 1. c, 23 Anm.
in diesem Punkte äussert.
^ Grammont und Lionne an Mazarin, 26. September 1657. A. d. A.-E.
All. Vol. 136. In diesem Schreiben berichten die Vertreter Ludwig XIV.
von der Aeusserung Fürstenberg's, ,quHl nous permettroit de Iny dire
en plelne assembl^ qu'il estoit un chelme, en cas que son M<^ allait
Jamals a la Maison d' Anstriche.
206
baren Zeichen seiner unermüdlichen Tbätigkeit im Interesse
des Friedens.^
Für die Vertreter Ludwig XIV. blieb nur noch eine
Hoffnung, der feste und rasche Entschluss Ferdinand Ma-
rias, die Krone anzunehmen. Dieser junge Kurfürst wurde
wiederum die massgebende Persönlichkeit. Man darf sagen,
von seiner Entscheidung hing in diesem Momente zum guten
Theile die künftige Gestaltung Europas ab. Dass Ferdinand
Maria diese Entscheidung bereits getroffen, dass er in rück-
haltsloser Weise für das Haus Habsburg einzutreten sich ver-
pflichtet hatte, wissen wir. Aber weder in Paris, noch im fran-
zösischen Cirkel zu Frankfurt kannte man diese Entschliessungen,
und die Nachrichten, welche von der zweiten Hälfte des Monats
September an in beiden Orten einliefen, Hessen hoffen, dass
die vornehmlich durch Vermittlung der Kurfurstinmutter, der
Herzogin Christine von Savoyen, angeknüpfte Verbindung des
französischen und bairischen Hofes zum erwünschten Ziele flihren
würde. Die junge KurfUrstin Adelheid hatte das Gerücht, als
habe sie die Hoffnung aufgegeben, ihren Gemahl fUr den Plan
der Erwerbung der Kaiserkrone zu gewinnen, widerrufen und
ausdrücklich erklärt, dass ihr Gemahl, falls ihm ausgiebige
Unterstützung von Frankreich zu Theil werden sollte, wie sie
mit Bestimmtheit behaupten könne, die Krone nicht zurück-
weisen werde. 2 Und Egon Fürstenberg sprach so voller Hoff-
nung von der ihm an den Hof Ferdinand Marias aufgetragenen
Mission,^ die ersten Berichte Atto's klangen so siegesgewiss,
dass selbst der weitblickende Cardinal und ein so kluger Mann
wie Lionne mit grosser Zuversicht der Entscheidung der bai-
rischen Regierung entgegensahen und den kölnischen Minister
* Vgl. weiter oben p. 112 ff.
^ KurfUrstin Adelheid an Madame Courtenay (Favoritin der Herzogin
Christine von Savoyen), September 1657. A. d. A.-E. All. Vol. 136. ,Je
ne s^ay qui fust courir le bruit, qne M. rElecteur mon mary veaille
refuser Tempire, pnisqne ce n^est pas nne si petite ehose ponr laisser
eschapper une si belle occasion, anssy si Sa M^ nons conserve la bonne
volonte, qn^il nons tesmoigne et nons assiste de son pniasant secoors,
11 ne sera pas rejett^ de mon man nne si belle fortnne, je s^ay trop
bien ses sentimens ponr en donter.* Vgl. über dieses Schreiben Cb^roel
1. c, 106.
3 Grammont nnd Lionne an Mazarin, 2. October 1667. A. d. A.-E. All-
Vol. 136. Die entscheidende Stelle bei Valfrey 1. c, 98 f.
205
war über die Auslegung und Verdrehung seiner Worte sehr
entrüstet; aber er glaubte im Interesse der Sache seinen Zorn
unterdrücken zu müssen. Ja er ging weiter. Er suchte nach
einem Auswege, um die directe Zurückweisung der mainzischen
Friedensanträge zu vermeiden. ,Ich glaube/ schrieb er Gram-
mont und Lionne, ,da8 beste Mittel, dem Willen des Kurflirsten
Rechnung zu tragen und zugleich unser Interesse zu wahren,
ist, dass ihr euch über die Friedensbedingungen im tiefsten
Oeheimnisse mit Johann Philipp einiget und nachdem dies ge-
schehen, ihm das bestimmte Versprechen gebet, dass der König
seine Zustimmung zum Frieden unter den verabredeten Be-
dingungen geben wird, sobald ein Kaiser gewählt sein wird,
der nicht dem Hause Habsburg entstammt.' ' Johann Philipp
zeigte sich, als ihm von diesem Plane Mazarin's Mittheilung
znkam, durchaus nicht gewillt, auf denselben einzugehen. Er
betonte die Möglichkeit, den Frieden in Kürze und vor der
Wahl zu Stande zu bringen ; es liege in seiner Macht, äusserte
er, die Wahl hinauszuschieben. ^ Die DiflFerenzen in der Auf-
fassung Mazarin's und Johann Philipps stellten sich immer klarer
heraus. Frankreich wünschte die Wahl vor, der Erzkanzler
nach dem Abschlüsse des Friedens; Frankreich erklärte sich
bereit, vor der Wahl die Friedensbedingungen festzustellen, auf
Grund deren es den Frieden, falls die Wahl im Sinne Frank-
reichs erfolgt sei, schliessen wolle, Johann Philipp dagegen
forderte den Abschluss des Friedens vor der Wahl und ohne
jede Rücksicht auf das Ergebniss der letzteren. Vergebens
boten Grammont imd Lionne alle Künste der Ueberredung auf,
Johann Philipp zu überzeugen. Ihre Worte blieben ebenso
ohne Erfolg, wie ihre Versprechungen und Gunstbezeugungen.
Der Erzkanzler schritt unbeirrt auf dem eingeschlagenen Wege
weiter. Die Versanmilung vom 3. October und das Schreiben an
Peneranda vom 16. desselben Monats waren die nächsten sicht-
' Mazarin an Grammont und Lionne, Verdan, 15. September 1657. A.d.A.-E.
All. VoL 140. Damit sind die Zweifel gelOst, die Heide 1. c, 23 Anm.
in diesem Punkte äussert.
^ Grammont und Lionne an Mazarin, 25. September 1657. A. d. A.-E.
All. VoL 136. In diesem Schreiben berichten die Vertreter Ludwig XIV.
von der Aeusserung Fürstenberg's, ,qu*il nous permettroit de luy dire
OB pleine assembl^ qu'il estoit un chelme, en cas que son M<) allait
jamais a la Maison d' Austriebe.
208
Begreiflich daher, dass sie diese Nachrichten mit Jabel aufnah-
men und zugleich den Entschluss fassten, die ihnen übertragene
Aufgabe mit Anspannung aller Kräfte und Verwerthung aller
Mittel, die ihnen in so reichlichem Masse zu Gebote standen^
zu Ende zu fUhren. Anfangs schien es, als ob ihre Bemühungen
auch von Erfolg begleitet sein würden. Egon Ftirstenberg, der
wie sein Bruder Wilhelm in dieser Zeit im intimsten Verkehre
mit den Vertretern Ludwig XIV. stand, versicherte, den Kur-
fürsten von Trier zu dem Versprechen vermocht zu haben^
falls Ferdinand Maria die Krone wolle und vier Stimmen für
denselben gewonnen seien, sein Votum fiir den bairischen Kur-
fürsten abzugeben; und sein Bruder Wilhelm gab bezügUch
der Kölner Stimme die besten Hoffnungen. ^ Und da die Stimme
des PfiÜzers fllr sicher gehalten wurde, hing wiederum Alles
von der Entscheidung Johann Philipps ab. Es wurde den Ve^
tretem Ludwigs schwer, sich über den Weg zu einigen, den
man bei den Verhandlungen mit dem Erzkanzler einschlagen
sollte. Sie hielten es vor Allem fllr verfehlt, ihn allsogleich von
den günstigen Erklärungen Ferdinand Marias in Kenntniss zu
setzen. Sie fUrchteten, er, der nur den Frieden im Auge habe,
werde die Entschliessung des bairischen Kurfürsten als eine
seine Friedenspläne kreuzende missbilligen. Und in dieser Auf-
fassung wurden sie durch die Aeusserungen der Fürstenberge
bestärkt, die gleiche Vermuthungen hegten und den Rath gaben,
dem Kurfürsten von Mainz eine Verzögerung der Wahl bis in
den April des Jahres 1658 unter der Bedingung zuzugestehen,
dass bis dahin der Friede geschlossen sein müsse und in jedem
Falle keine weitere Verschiebung des Wahltermines statthaben
solle. ^ Allein einen solchen Ausweg glaubten die französischen
mente il Ser°^o elettore ^ tanto restato novamente sodisfatto dl voi che
r hayete portato k consolare il C*^ di Firstemberg come dal medesimo
sentirete, e se bene uon dara al R^ nna parola certa che accetta rimperio,
si e vero tanto dichiarato con noi et con 11 medi°o Qto che non so che
cosa piö potesse bromare.* Am 24. October aber meldet Atto ganz ans*
drücklich: ,11 Ser^o elettore non si ^ voluto in scritto dichiarare di
rantaggio, ma in voce tanto al Cte di Firstimberg qaanto a me hk detto
che assolutamente non vnol rifiutar Tlmperio. . . .* Vgl. für die Ver
handlangen Atto^s auch Wagner 1. c, 34.
1 Grammont und Lionne an Mazarin, 13. November 1657. A. d. A-&
All. Vol. 136.
2 Desgleichen, 6. November 1667. A. d. A.-E. All. Vol. 136.
209
Greeandten nicht billigen zu dürfen. Sie meinten auch auf ande-
rem Wege des Erzkanzlers Forderungen befriedigen und seine
Befürchtungen zerstreuen zu können. ^Da das Hauptbestreben
des Mainzers dahin gerichtet ist, schrieben sie dem Cardinale,
äich zu sichern, und da er fürchtet, welcher Partei er sich
auch anschliesst, in Krieg zu gerathen, haben wir einen
Vortheil vor dem Feinde, weil des KurfUrsten Staaten uns
näher liegen und er von uns unmittelbare Gefahr zu fürchten
hat Ein weiterer Vortheil für uns ist, dass er den Krieg für
unvermeidlich hält, wenn wir nicht Genugthuung erhalten. . . .
Er ist sogar, wie uns Wilhelm Fürstenberg mittheilt, zur üeber-
zeugung gelangt, dass, falls Ferdinand Maria gewählt werden
sollte, Oesterreich nicht wagen wird, diesen von allen Anderen
unterstützten Fürsten anzugreifen. Dann hat der Mainzer Angst,
dass Frankreich den Krieg in das Reich bringen wird, und
schliesst dies, obgleich die ganze Sache paradox klingt, auf
folgende Weise. Er sagt, Oesterreich wird beleidigt dem Könige
von Spanien Hilfe, und zwar nicht nach Flandern, sondern
nach ItaUen schicken ; Ludwig XIV. wird vom neuen Kaiser Ab-
hilfe dagegen fordern, und wenn diese nicht erfolgt, sich selbst
Abhilfe zu verschaffen suchen und deshalb die Reichsgrenze
überschreiten.'^ Diese Befürchtung des Kurfürsten zu beseitigen,
schlugen die Vertreter Ludwig XIV. vor, im Nothfalle dem
Mainzer das Versprechen zu geben, dass Frankreich, falls Fer-
dinand Maria Kaiser werden, Oesterreich Truppen nach Italien
senden und allen Vorstellungen des Kaisers und des Reiches
kein Gehör schenken würde, deswegen die Ruhe Deutschlands
nicht stören wolle. ^ Wir sehen, Grammont und Lionne dachten
noch ernstlich an die Möglichkeit eines Erfolges. Sie ent-
schlossen sich, um Johann Philipp entgegenzukommen, diesem
ihre Geneigtheit zur Vornahme der Friedensverhandlungen zu
bezeigen. Sie ermahnten die Vertreter des Pßllzers, falls der
Erzkanzler diese Frage im Collegium zur Sprache bringen
sollte, für den Beginn der Friedenstractate zu stimmen, und
theilten dem Mainzer bald darauf persönlich mit, sie seien be-
vollmächtigt, über den Frieden zu berathen, sobald Peneranda
^ Grammont und Lioone an Mazarin, 13. November 1657. A. d. A.-E.
AlL Yol. 136.
2 Ebenda.
ArAhr, Bd. LXXm. I. Hüfte 14
210
sich einverstanden erklärt haben werde. < Allein all' dies ver-
mochte den Eurftlrsten von Mainz nicht zu der gewünschten
rückhaltslosen Erklärung zu Gunsten der bairischen Candidator
zu vermögen. Den Mittheilungen Egon Fürstenberg's mass er
keinen Glauben bei; hatte ja Ferdinand Maria dieselben als
Ausgeburt der Phantasie bezeichnet. ^ Dass der kölnische
Minister auch dann betheuerte, die Wahrheit gesprochen zu
haben, machte auf den Mainzer keinen Eindruck. Er hat sich
dahin geäussert, man dürfe kein Fondement auf das setzen^
was Fürstenberg gemeldet hat. Trotz alledem hielten die Ver-
treter Ludwig XIV. die Sache nicht fUr verloren. Ja selbst als
Mazarin an dem günstigen Ausgange der Wahlangelegenheit
zu zweifeln begann und den Gesandten mittheilte, aus Wien
bestimmte Nachricht zu haben, dass Leopold die Stimme
Baiems für sicher halte und auch den Mainzer fUr sich einge-
nommen wisse, ^ glaubten Grammont und Lionne den Cardinal
1 Grammont and Lionne an Mazarin, 27. November 1657. A. d. A.-E.
All. Vol. 136. Bezeichnend ist, dass die Vertreter Frankreichs von der
von Mazarin geforderten Clansei, dass Frankreich unter Spanien so
günstigen Bedingungen nur dann Frieden schliessen wolle, wenn Oester-
reich von der Wahl ausgeschlossen würde, dem Mainzer keine Mit-
theilnng machten. Sie haben Mazarin als Grund ihres Benehmens die
Ueberzeugung von der Zurückweisung der Friedensanerbietungen Seitens
Peneranda^s angegeben, zugleich aber betont, der Mainzer habe bezüg-
lich dieses Punktes seine Ansicht oft genug betont.
2 Vgl. Heide l. c, 27 ff. und Anm. Doch ist es sehr bezeichnend, A»»
in der Antwort, welche der Kurfürst dem Atto am 31. October durch die
Kurfürstin geben Hess, ausdrücklich betont wurde, der Kurfürst sei wobl
für die Grösse seines Hauses eingenommen, fürchte aber die Folgen.
,De Sorte, que non obstant le veritable desir qu'elle auroit de donner
a Sa Mt6 une pleine et evidente ouverture de ses pens^es, si est ce
neantmoins que Testat des affaires se pouvant facilement changer, eile
croid, qu'une declaration trop anticip^e seroit capable de davantage nnire
que de profitter; ou comme eile n^a point ny a cette heure ny cy-denst
refus^ la couronne de TEmpire, ainsy est eile d*opinion qu^en un sujet
de si grande importance, eile est obligS d'user d'une grand retena et
circumspection.* £2s scheint also doch von Seite des bairischen Hofes
ein zweideutiges Spiel gespielt worden zu sein. Auch Adelheid sehrieb
an Ludwig XIV. persönlich, ihr Gemahl habe die Bedeutung der An*
gelegenheit wohl erkannt, aber er fürchte sich, seine wahre Meinung
SU äussern. 6. November 1657. A. d. A.-E. Bav. Vol. 2.
3 Mazarin an Grammont und Lionne, Vincennes, 10. November 1667.
A. d. A.-E. All. Vol. 140.
211
beruhigen und die Lage der Dinge als durchaus nicht ver-
zweifelt hinstellen zu dtlrfen. * Diese verhältnissmässig gün-
stige Auffassung der Vertreter Ludwig XTV. hatte ihre Ver-
anlassung darin^ dass der P^ürstenberger einen ganz plausiblen
6nmd für das zweideutige Vorgehen Ferdinand Marias anzu-
ftlhren wusste und dabei verblieb^ dass der bairische Kur-
ftrst nach wie vor die Krone anzunehmen Willens sei^ falls
ihm die nöthige Gewähr geboten werde, dass er dieselbe wider
den zu erwartenden AngriflF des Hauses Habsburg werde be-
haupten können,^ — eine Ansicht, die durch Atto's mündliche
und schriftliche Berichte Bestätigung erhielt, ' — so dass Gram-
mont und Lionne ein entschiedenes Vorgehen Ferdinand Marias
und durch dasselbe eine Aenderung in der Haltung des Mainzers
erwarteten. Allein bald sollten sie erkennen, dass auch diese
Hoffnung eine eitle war. Die Dinge nahmen von Tag zu Tag
einen immer bedrohlicheren Charakter an. Die Fürstenberge,
diese Wetterfahnen des damaligen Europas, begannen unruhig
zu werden. Zumal Wilhelm, der Begabtere, Unstetere und zu-
0eich Habgierigere, der sich rühmte, seinen Oesterreich er-
gebenen Bruder zum Parteigänger Frankreichs gemacht zu
haben, * drängte auf eine Entscheidung Seitens des Erzkanzlers
' Grammont und Lionne an Mazarin, 27. November 1657. A. d. A.-E.
AlL Vol. 136.
' Egon Füratenberg berichtete, er habe bei seiner Rückkehr ans München
bemerkt, dass er in der Hand des Baiemfürsten eine Schrift von seiner
Hand gelassen, worin die Gründe aufgezählt waren, aus denen der Kur-
fürst die Krone annehmen solle, und worin er dem Kurfürsten die Ge-
sinnung des Biainzers kundgethan, der nicht zufrieden gewesen sei mit
den Erklärungen des bairischen Gesandten bezüglich des Friedens; er
— Fürstenberg — habe geschrieben, man müge ihm die Originale zurück-
loiden und sich eine Copie behalten. Diese Depesche mnss nun statt
in die Hände des Pater Vemaux in die Maximilian Khurtz* gelangt sein,
denn Fürsteiiberg erhielt eine sehr spitze Antwort des Inhalts, dass
der Kurfürst bei seiner Erklärung bezüglich des Friedens verbleibe.
Dieses Schreiben wurde von Khurtz an Oexle, den zweiten, nicht an
Erman Fürstenberg, den ersten bairischen Gesandten, geschickt, weil
Oexle eine Creatnr des Khurtz ist Fürstenberg sagte aber, wenn man
Mainz gewinne, werde man schon Ferdinand Maria als Kaiser haben.
Chrammont und Lionne an Mazarin, 20. November 1657. A. d. A.-E.
AU. Vol. 136.
'Ebenda.
* Desgleichen, 13. November 1657. A. d. A.-E. All. Vol. 136.
14*
212
und wiederholte seine oft ausgesprochene Drohung^ falls diese
Entscheidung ungünstig lauten sollte, die Sache Frankreichs
aufzugeben. ^ Die Versprechen Gh"ammont*s und Lionne's ver-
fingen nicht mehr. Wilhelm Fürstenberg erklärte, er und sein
Bruder könnten sich nicht um Frankreichs Willen zu Grunde
richten lassen. Alle Versuche, ihn zu beruhigen, scheiterten.
Immer deutlicher wies er darauf hin, dass Johann Philipp die
Sache Frankreichs verlasse, dass man von ihm nicht mehr
fordern könne als von dem Erzkanzler des Reiches. Die
Räthe Ludwigs konnten sich nicht mehr verhehlen, dass mehr
als ein Grund dafür vorlag, dass Fürstenberg die Wahrheit
spreche. Sie hatten, so lange es ging, den Gedanken nicht
fassen wollen, dass alle Betheuerungen Johann Philipps nor
Comödie gewesen sein sollten, sie hatten das sehende Auge
vor der von Tag zu Tag wachsenden Vertraulichkeit in dem
Verkehre des Erzkanzlers mit den Vertretern Leopolds geschlos-
sen und den unzähligen Nachrichten über die Unzuverlässigkeit
der mainzischen Erklärungen keinen Glauben geschenkt. Jetzt
aber, wo das Benehmen Johann Philipps dem Erzbischofe von
Trani gegenüber, dem Boten des erklärten Feindes Frankreichs,
keinen Zweifel an der üblen Gesinnung des Kurflirsten Hess,
galt es, durch ein energisches Vorgehen Klarheit in die Situa-
tion zu bringen. Die Vertreter Frankreichs begaben sich zu
Johann Philipp und forderten Aufklärung. Er betonte, nur die
Aussichtslosigkeit der bairischen Candidatur habe ihn bewogen,
sich dem österreichischen Hofe zu nähern. ^ Die Gesandten
Ludwig XIV. sahen immer deutlicher, dass nur eine offene
Erklärung Ferdinand Marias, die ihm angebotene Krone an-
nehmen zu wollen, den Mainzer umstimmen könnte. Da nun
die vom Münchner Hofe einlaufenden Nachrichten zum grössten
Theile günstig lauteten, ^ hielten die Vertreter Frankreichs
> Grammont nnd Lionne an Mazarin, 27. November 1667. A. d. A.-E.
All. Vol. 136.
2 Desgleichen, 11. December 1657. A. d. A.-E. All. Vol. 136.
3 Ebenda. Insbesondere Atto's Berichte lauteten günstig, die Vemanx* da-
gegen weniger. [Am 7. November 1657 berichtete Atto Melani an Masirin
(A. d. A.-E. Bay. Vol. 2), Ferdinand Maria habe bei der letsten Andiene,
die Atto gehabt, ,prote8t6, qne assolutamente voleva accettar Timperio,
pnrcbi non doyessere perdere TElettorato et conseginse il modo da
potersi mantenere eon sicurezza e decoro per le occorreoxe di tante
213
einen letzten Versuch; Ferdinand Maria zu einer entschiedenen
AeoBserung zu vermögen, nicht allein für erlaubt, sondern flir
dringend geboten. Ohne die Ermächtigung Mazarin's abzu-
warten, * entschloss sich der Herzog von Grammont, für dessen
Reise an den bairischen Hof ein Vorwand leicht zu finden war,
diese Mission zu übernehmen. Ueber den Verlauf und das
Resultat derselben sind wir zur Genüge unterrichtet.^ Gram-
mont kehrte nach vielen Unterredungen mit dem Kurfürsten
und Maximilian Ehurtz mit der Ueberzeugung nach Frankfurt
zurück, dass an die Annahme der Wahl Seitens Ferdinand
Maria nicht zu denken sei. ^ Unterdessen war auch bezüglich
des Mainzers die Entscheidung erfolgt. Lionne, der ungleich
Begabtere der Vertreter Ludwig XIV., hatte sogleich nach der
Abreise seines Collegen den Entschluss gefasst, sich Gewissheit
über die Pläne Johann Philipps zu verschaffen. Denn trotz aller
Momente, die gegen die Aufrichtigkeit des Mainzers sprachen,
war Lionne noch nicht in der Lage, mit Bestimmtheit anzu-
geben, ob der Erzkanzler bereits mit Oesterreich abgeschlossen,
oder ob derselbe selbst noch nicht wisse, für welche der beiden
spese necessarie che si conyengono a tal dignita*. Er werde gewiss nach
Frankfürt kommen. ^Sperava che sarebbero vere tutte le cose, che il
S. Conte et io le haviamo dette ma che per hora non giudicava di ser-
Titio sno di dichiararsi in carta di piu di quello faceva con il meso
anche della S™^ Elettrice. Che S. M. pnol assicurarsi, che quando non
manche che il buo voto, sempre se lo darii h se stesso; . . / Vgl. die M6-
moires Grammont's 1. c, 466.
* Es ist unrichtig, wenn Ch^ruel, Examen 1. c, 19 behauptet, Grammont
sei auf Befehl Mazarin's nach München gereist; eine Nachricht, die sich
übrigens auch bei Wagner, Hist. Leop., I, 35 findet. Mazarin hat nicht
nur nichts von diesem Plane gewusst, sondern denselben, sobald er
Nachricht erhielt, missbillig^. Mazarin an Grammont und Lionne,
10. Januar 1668. A. d. A.-E. All. Vol. 140.
' Vfl. Valfrey 1. c, 104 ff. ; Ch^ruel, H. d. M., III, 106 ff. und Examen
l c, 18 ff., sowie GrammonVs M^moires, 6d. Petitot, tom. LVI, 469 ff.
' Grammont an Brienne, Frankfurt, 15. Januar 1658. British Museum,
Hariejana, 4631. Fast w^Jrtlich mit dem Berichte an Mazarin vom
22. Januar übereinstimmend. Die entscheidenden Worte über die Erfolg-
losigkeit seiner Mission lauten : ,La reflexion que je puis faire, est, que
dans Taffaire dont il est question, Ton ne doit faire aucun fondement
mr le Dnc de Bavari^re, le qu*il selon mon adris se face assez grande
justice lors qu'il croid ne pouvoir soustenir le faix de la couronne im-
perialle et que tous les soins et Targent de Sa Mte pour la luy mettre
snr la teste seroient yainement et inutilement employez.*
L
214
Parteien er sich entscheiden werde. Lionne hielt vorerst die
letztere Auffassung für die begründetere. Seine Unterredungen
mit Johann Philipp sollten ihn eines Besseren belehren. Schon
die Ankündigung des wirklichen Zieles der Grammont'schen
Reise * erregte den Unwillen des Erzkanzlers ; er warnte vor
allzuweitem Entgegengehen; Lionne entnahm seinen Reden,
dass er insbesondere ein bestimmtes Versprechen der mainzi-
schen Stimme durch Grammont in München ftirchte. Dass
Johann Philipp zur selben Zeit Gravel bessere Versicherungen
gab, die Wahl Ferdinand Marias fördern zu wollen versprach,
falls dieser seine Bereitwilligkeit, die Krone anzunehmen, kund-
gebe, und der Friede durch Verschulden der Spanier vor der
Wahl nicht geschlossen werden könnte, vermochte Lionne
durchaus nicht zu beruhigen. ^ Der Verdacht, dass die Inten-
tionen des Erzkanzlers feindliche seien, wuchs vielmehr, als
der Bruder des Kurfürsten, dem er an den Leib rückte, mit
der Sprache nicht recht heraus wollte und den immer grösseren
Versprechungen Lionne's keinen Werth beimass. Schon damals
schrieb Lionne dem Cardinal, er denke, er habe zu günstig
geurtheilt, als er die Meinung geäussert, der Mainzer wisse
selbst noch nicht, wohin er sich neigen solle, und sprach die
Befürchtung aus, dass der Erzkanzler sich schon gänzlich för
Leopold entschieden habe. ,Aber ich glaube, fährt Lionne in
seinen Auseinandersetzungen fort, er will seine Ansicht ver-
bergen, weil er derjenige gewesen ist, der die Gesandtschaft
des Königs von Frankreich gefordert und Geld fUr sich und
seine Leute genommen hat, und weil er hofiTt, die Sache so
erledigen zu können, wie wenn die Wahl Leopolds gegen seinen
Willen erfolgt wäre, sei es dadurch, dass der BaiemfÜrst die
Krone ausschlägt, oder, falls er sie anzunehmen sich bereit
erklärt, nicht leisten wird, was man von ihm fordert, sei es,
weil wir die zu dessen Wahl nothwendigen Stimmen nicht er-
halten werden.' 3
Dass auch diese Auffassung eine noch allzugünstige
war, musste Lionne erkennen, als er eine Woche «päter auf
1 Officiell war als Ziel der Reise Heidelberg angegeben worden. M^moires
de Grammont 1. c, 468.
2 Lionne an Mazarin, 18. December 1657. A. d. A.-E. All. Vol. 136.
3 Ebenda.
215
oeues Drängen Mazarin's ' nochmals mit Johann Philipp ver-
bandelte. Denn während dieser bisher immer die Unsicherheit
über die Entscheidung Ferdinand Marias als Grund seiner
Zurückhaltung bezeichnet hatte, begann er jetzt seinen Reden
eine derartige Wendung zu geben, dass kein Zweifel darüber be-
stehen konnte, er werde, wie auch immer die Mission Grammont^s
ausfalle, die Candidatur des Kurfürsten von Baiem nicht unter-
stützen. Zugleich suchte Johann Philipp den Nachweis dafUr
zu erbringen, dass er den Plan der Erhebung Ferdinand Marias
in der besten Absicht aufgegriffen und verfolgt habe,- und dass
das Scheitern desselben einzig und allein dem bairischen Kur-
ftureten zugeschrieben werden müsse. Aber weder diese Reden,
noch der Versuch, die Unzweckmässigkeit der bairischen Can-
didatur nachzuweisen, machte auf Lionne Eindruck. Er drang
unaufhörlich auf eine bestimmte Erklärung. Nur widerwillig
und um den gänzlichen Bruch mit Frankreich zu vermeiden,
gab Johann Philipp das Versprechen, für Ferdinand Maria
stimmen zu wollen, falls dieser die Krone erstreben würde und
der Friede vorher zu Stande gekommen sein sollte. Lionne gab
sich damit nicht zufrieden. Er forderte ein weiteres Versprechen
fär den Fall, dass der Friede durch Spaniens Verschulden
nicht zu Stande kommen sollte. Johann Philipp gerieth in die
peinlichste Lage. Nach dem, was geschehen war, konnte er
ein solches Versprechen nicht geben. Er erwiderte also: ,Wenn
die Spanier den Frieden nicht wollen und die deutsche Linie
des Hauses Habsburg sich nicht verpflichtet, den Frieden von
Münster zu beobachten, werde ich dem Baiem meine Stimme
geben, wenn er Kaiser werden will.' ^ Lionne entging der
wesentliche Unterschied zwischen diesen und den früheren Er-
klänmgen des Mainzers nicht. Es war das erste Mal, dass
Johann Philipp den Vertretern Ludwig XIV. gegenüber dem
^ Mazarin an Grammont und Lionne, 17. December 1657. A. d. A.-E.
All. Vol. 140. Auch in dieser Weisung betont Mazarin, dass Alles von
dem Mainzer abhänge.
* Lionne an Mazarin, 27. December 1667. A. d. A.-E. All. Vol. 136* Vgl.
Valfrey 1. c, 109 flF. Die entscheidenden Worte lanten: ,il (Mayence)
s'est adrise d'y ajonster une condition nouvelle dont il n'avoit jamais
parl^, qui est qne s'il s^avoit clairement, que les Espagnols ne veulent
pis la paix et qne la Maison d' Anstriche d*Allemagne ne venille pas
observer le traite de Monster, il donnera sa yoix a Baviere voulant
estre Emperenr.*
216
Gedanken Ausdruck verlieh, durch die Wahlcapitulation die
Forderungen Frankreichs zu befriedigen, was indirect das Zu-
geständniss der Unmöglichkeit, Leopolds Wahl zu hintertreiben,
in sich schloss. Lionne war über diese Aeusserungen des Kur-
fürsten empört. Mit dem Ausdrucke höchster Unzufrieden-
heit verliess er denselben. Er hoffte auf dem Wege der Dro-
hung etwas zu erreichen. Dass der Erzkanzler ihn durch
Gravel zu neuen Verhandlungen auffordern liess, schien ihm
ein günstiges Zeichen. Allein die Unterredung, die stattfand,
verlief ebenso resultatlos wie die erste. Wiederum schob Jo-
hann Philipp dem Kurfürsten von Baiem alle Schuld zu und
wich jeder definitiven Erklärung auch dann aus, als Lionne
die ganz präcise Frage an ihn richtete, ob er Ferdinand Maria
seine Stimme geben wolle, falls Grammont dessen Zustimmung
melde und es gelänge, den Kurfürsten von Trier zu gewinnen.
,Wie die Dinge liegen, kann man darüber nicht sprechen,* war
die Antwort des Kurfürsten. Und so unermüdlich Lionne war,
dieselbe Frage immer von Neuem zu stellen, ebenso unermüd-
lich war Johann Philipp, ihm mit denselben Worten zu er-
widern. Die Stimmung der beiden Männer wurde immer ver-
bitterter. Da lässt der Kurfürst wiederum das Wort ,Capitula-
tion' fallen. Das gibt Lionne den erwünschten Anlass, seinem
Zorne Luft zu machen. Er springt auf, hält sich die Obren
zu und erklärt, dieses Wort nicht hören zu wollen. Mit dem
ganzen Aufgebote seiner Stimmmittel ruft er dem Erzkanzler
zu: ,Täuschen Sie sich nicht durch falsche Vermuthungen. Der
König von Fi*ankreich ist überzeugt, imd mit nur zu gutem
Grunde, dass Sie allein diese Angelegenheit entscheiden werden,
dass es von Ihnen abhängt, ob die Kaiserkrone ein Mitglied
des Hauses Habsburg schmücken wird oder nicht. Es hilft
nichts, von verzweifelter Lage zu sprechen, zu behaupten,
Baiern will den Thron nicht, Trier wird nicht gewonnen werden
können. Alles dies wird sich leicht geben, wenn Sie es wollen,
oder — ich wage dies zu behaupten — wenn Sie ims handeln
lassen und unsere Pläne nicht durchkreuzen würden.'^ Nach
1 ,Monsiear a fin que V. A. ne se trompe pas sur des presupositions, le Roy est
persuadä et avec tr6s g^ande raison, que yous seul donnerez le coup tel
qa*il vous plaira a cette affaire, c'est a dire qae selon que voos Tavez de-
termiuä en vostre teste, TEmpire oa sortira de la Maison d'Austiiche ou y
rentrera/ Lionne an Mazarin, 27. December 1657. A. d. A.-E. All. Vol. 136.
217
einer derartigen Scene war ein directer Verkehr zwischen
beiden Männern fUrs Erste wenigstens nicht mehr möglich.
Die Erregung, die Beide erfasst hatte, Hess Wiederholungen
solcher Auftritte und damit den gänzlichen Abbruch der Be-
ziehungen Frankreichs mit dem Erzkanzler befUrchten, was
weder im Interesse der einen noch der andern Macht lag. So
wurde denn der vertraute Rath des Kurftirsten, Boineburg,
zum Vermittler ausersehen. Durch ihn lässt der Mainzer dem
Vertreter Ludwig XIV. versichern, dass er seine Stimme noch
Niemandem gegeben habe und dies auch bis zum Eintritt ins
Conclave nicht thun werde ; dass er Saria nur gesagt, er werde
der Wahl Leopolds nicht entgegentreten, falls dieser der Stimmen
Baiems, Sachsens, Triers und Brandenburgs sicher sei. Durch
ihn lässt er Lionne mittheilen, dass die Kurfürsten von Baiern,
Brandenburg, Sachsen und Trier ihn zur Vornahme der Wahl
drängen, dass der Trierer Leopold eingeladen habe, so rasch
wie möglich nach Frankfurt zu eilen, um sich die Krone aufs
Haupt zu setzen, dass an die Annahme der Wahl Seitens Fer-
dinand Maria nicht zu denken sei. * Zu gleicher Zeit ver-
suchte Boineburg auf zarte Weise von Neuem die Frage der
WaUcapitulation und der Allianz zur Sprache zu bringen.
Lionne aber, der noch immer die Hoffnung nicht aufgibt, falls
Orammont günstige, entscheidende Erklärungen aus München
bringen sollte^ den Mainzer durch Versprechungen und Drohun-
gen zur Förderung der bairischen Candidatur zu vermögen,
will von Liga und Capitulation nichts wissen, verspricht Boine-
burg, wenn es ihm gelänge, Johann Philipp für die Pläne Ma-
zarin*8 zu gewinnen, eine gleich auszuzahlende Summe von
50.000 Thalem und eine gleichgrosse Summe oder die Würde
eines Reichsvicekanzlers nach der Wahl des von Frankreich
gewünschten Candidaten, dem Bruder des Kurfürsten aber die
Würde eines Duc und Pairs von Frankreich mit den ent-
sprechenden Besitzthümern. ^ Allein auch diese Anstrengungen
bleiben erfolglos. Boineburg muss im Auftrage des Kurfürsten
die glänzenden Anerbietungen zurückweisen. ^ Wenige Tage
darauf trifft der Bruder Gravel's, Grammont's Begleiter auf
' Lionne an Mazarin, 1. Januar 1658. A. d. A.-E. All. Vol. 136.
^ Desgleichen, 8. Jannar 1658. A. d. A.-E. All. Vol. 136.
' Desgleichen, 12. Januar 1658. A. d. A.-E. All. Vol. 136.
218
der Reise nach München, in Frankfurt ein. Aus seinen Mit-
theilungen ergibt sich, dass Ferdinand Maria definitiv abge-
lehnt hat, die Krone anzunehmen. Jetzt erst gibt Lionne die
Hoffnung auf, ans Ziel zu kommen. Er hat bis zum letzten
Augenblicke an der Ueberzeugung festgehalten, dass ein Vor-
marsch der französischen Truppen an den Rhein bei günstiger
Stimmung Ferdinand Marias den Mainzer vermocht hätte, sich
Frankreichs Wünschen zu fügen. * Jetzt, nach der erfolglosen
Mission Grammont's, war an der Niederlage Frankreichs in
der Wahlfrage nicht mehr zu zweifeln. Denn — und das ist das
Entscheidende — als eine Niederlage hat Lionne den Ausgang
des Wahlkampfes in diesem Momente bezeichnet. Ganz aus-
drücklich sprach er in seinem und im Namen Grammont's die
Hoffnung aus, Ludwig XTV. werde den schlechten Ausgang
der Dinge nicht ihnen zm* Last legen. ^ Und ähnlich dachte
auch der Leiter der französischen Politik. Er konnte sich nicht
verhehlen, dass die Erhebung Leopolds zum Elaiser eine Nieder-
lage für jene Macht bedeute, die seit dem Tode Ferdinand HI.
ununterbrochen erklärt hatte, die Wahl eines Habsburgers,
welche Genugthuung flir das Geschehene und welche Ver-
sicherungen für die Zukunft auch gegeben werden möchten,
als Feindseligkeit betrachten und die Truppen ins Reich ein-
fallen lassen zu wollen. Daher auch die Zähigkeit, mit der
Mazarin an dem Plane der Wahl Ferdinand Marias auch dann
noch festhielt, als er sich bei ruhiger Ueberlegung über die Erfolg-
losigkeit jeder weiteren Bemühung nicht mehr täuschen konnte.^
1 Lionne an Mazarin, 14. Januar 1658. A. d. A.-E. All. Vol. 136. ^t je
demeure encore persuad^, que s*il (Ferdinand Maria) eüst donn^ ane
bonne response a M. le M<^1 le Roy s^advancaut sur le Rhin, on eust pü
obliger Mayence bou gr^ mal gr^ luy a nons tenir parole.* Sehr be-
zeichnend lautete folgende EIxpectoration: ^Gependant je fois denx re-
flexions principales sur tout ce qui s^est pass^, Tune que la Maison
d* Anstriche doit louer Dieu, qu'il se seit trouv^ au monde un Comte
Curtz; il peut dire, que luy seul leur fait retomber Tempire*, zweitens
dass nichts so vortheilhaft für Oesterreich war als die protestantische
Partei, denn wenn einer dieser Ftlrsten, Sachsen oder Brandenburg,
hätte thun wollen, was Baiem hätte thun sollen, und so von Frankreich
unterstützt worden wäre, hätte Oesterreich die Kaiserkrone nicht mehr
erhalten.
3 Ebenda.
3 Mazarin an Qrammont und Lionne, 10. Januar 1658. A. d. A.-E. All
Vol. 140.
219
Als aber das Scheitern der Grammont'Bchen Mission ein wei-
teres Beharren auf die Durchführung der Wahl Ferdinand
Marias unmöglich gemacht hatte, warf sich der französische
Staatsmann mit der ihm eigenen Energie auf das erreichbare
Ziel und suchte zugleich, was er gethan, nicht nur zu recht-
fertigen, sondern ak auf dieses neue Ziel allein gerichtet hin-
zustellen. Er erklärte, Ludwig XIV. habe niemals daran ge-
dacht, die Krone fUr sich zu fordern, er behauptete, die
Kriegsdrohung im Falle der Wahl eines Habsburgers sei nur
ein Schreckschuss gewesen, er habe niemals ernstlich daran
gedacht, der Wahl wegen Krieg zu führen; er betonte, dass
jetzt nach der Geburt des spanischen Infanten, die ihm recht
gelegen kam, kein Grund für Frankreich vorliege, sich der
Wahl Leopolds aus principiellen Gründen zu widersetzen. *
Ja nicht einmal die inmier wiederholte Abneigung gegen die
Wahl eines Habsburgers gab Mazarin in diesem Momente mehr
zu. Er behauptete, Ludwig XIV. hätte von vorneherein die
Wahl eines Habsburgers ebensogern gesehen wie die des Kur-
filrsten von Baiem, falls er die Ueberzeugung gehabt hätte,
dass die deutsche Linie des Hauses nicht gänzlich unter spa-
nischem Einflüsse stehen werde. Mazarin's Vorgehen war über-
aus klag. Er hoffte durch diese und ähnliche Erklärungen, mit
denen er nicht sparte, seine Niederlage zu verdecken und seine
Zustinmiung zur Ergreifung jener Massregeln zu rechtfertigen,
die er monatelang als unzulänglich und unannehmbar bezeichnet
hatte. In der That ist ihm dies gelungen. Die Wahlcapitulation,
die Leopold unterzeichnen musste, und der kurz nach der
KrOnong desselben erfolgte Abschluss der rheinischen Liga haben
bis auf unsere Zeit als glänzende Beweise der weitblicken-
den, genialen Politik Mazarin's gegolten, als dessen von allem
Anfange an ins Auge gefasstes Ziel man einzig und allein die
Beschränkung der kaiserlichen Macht bezeichnet hat. ^ Dass
dieses Urtheil kein richtiges ist, dass das Ergebniss der Wahl
* Macarin an Gbrammont und Lionne, 10. Januar 1658. A. d. A.-E. All.
Vol. 140. ,Cela (die Gebort des Infanten) nous foumust an pretexte
anee honorable (puisqn'aussy bien rinfidelit^ de Mayence nous a re>
duits anx termee de ne ponvoir mieux faire) pour nona relascher nn
pen de nos oppositions.'
* VfL Cb&uel, H. d. M., m, 129 f. nnd Examen etc., 24; Valfrey 1. c,
69 f., 174 ff.; Heide 1. c., 67.
220
de» Jahres 1658 durchaus nicht als Triumph Mazarin'scher
Politik bezeichnet werden kann, wird, wie ich hoflfe, nach der
vorausgegangenen Darstellung nicht mehr bezweifelt werden
können. ' Denn Mazarin hat ernstlich daran gedacht, die Kaiser-
krone dem Hause Habsburg zu entreissen, er hat von dem
Momente an, da die Nachricht vom Tode Ferdinand HI. in
Wien einlief, bis zu dem Augenblicke, wo jeder Einwand
gegen die Wahl Leopolds nutzlos wurde, von Beschränkung
der kaiserlichen Machtvollkommenheit durch Wahlcapitulation
und Allianz nichts hören wollen, er hat ganz ausdrücklich und
wiederholt erklärt, dass derartige Bestimmungen einen Kaiser
aus dem Hause Habsburg niemals abgehalten haben und nie-
mals abhalten würden, ihnen zuwider das zu thun, was in
seinem Interesse liege, und dass daher der König von Frank-
reich Capitulationen und Bündnissen keinen rechten Werth
beimessen könne. Dass aber diese Aeusserungen nicht blos
gethan wurden, um die Kurfürsten zu schrecken und zur
Förderung der französischen Pläne zu vermögen, ist schon dar-
aus ersichtlich, dass Mazarin, nachdem er bereits entschlossen
war, sich mit der Wahlcapitulation und dem Rheinbunde zu
bescheiden, den Vertretern Ludwig XIV. das Bekenntniss ab-
legte, dass alle Verträge, alle Wahlcapitulationen und alle Vor-
kehrungen vergebens sein würden, so lange der spanische Ein-
fluss in Wien fortdauere, und dass das einzige Mittel gegen
alle Frankreich drohenden Gefahren die Uebertragung der
Krone auf ein anderes Haus gewesen wäre. ^ Ja, auch nach-
dem er sich durch die ihm übersendeten Projecte der Wahl-
capitulation und der Allianz davon überzeugt hatte, dass durch
dieselben die für die Genugthuung und zur Sicherung Frank-
reichs nothwendigen Massregeln in einer den höchsten An-
forderungen genügenden Weise getroflfen werden sollten, hat
er Grammont und Lionne seine Ansicht in folgender Weise zu
erkennen gegeben. ,Ich habe die Projecte der Capitulation
und der Allianz in terminis gefunden, wie man sie nur wün-
schen kann, und die in der That für die Sicherheit des Königs
^ Für die Allianzfrage vgl. meine Auseinandersetzungen, Beitrag etc.
1. c, 161 f.
2 Mazarin an Qrammont und Lionne, 18. Januar 1658. A. d. A.-E. All-
Vol. 140.
221
genügend wären, wenn uns die Erfahrung seit dem Frieden
zu Münster nicht darüber belehrt hätte, dass weder Worte noch
Verträge in Deutschland viel nützen, da man, anstatt dem
feierheh beschworenen Vertrage gemäss zu leben, einen neuen
Bchliesst, um den alten dann ungehindert verletzen zu können,
und wenn man sich nicht überzeugt hätte, dass ein Kaiser^ der
im Besitze der österreichischen Länder ist, nicht vieler Scrupel
bedarf, um alle Vorschriften zu verletzen, die man ihm ge-
macht und die er zu beobachten versprochen hat/ ,Aber,' f^rt
Mazarin sehr bezeichnend fort, ,man erkennt wohl, dass dies
doch mehr als nichts ist, und dass dies fast das Einzige ist,
was man unter den gegenwärtigen Verhältnissen thun kann/ ^
Ako nicht in der Zuversicht, durch die Wahlcapitulation und
die rheinische Allianz einen vollen Ersatz für die in der Wahl-
frage erlittene Niederlage zu erlangen, sondern in der Absicht,
die Schlappe, die er erlitten, möglichst zu verdecken, und das
unter den gegebenen Verhältnissen günstigste Restiltat zu er-
ziden, hat Mazarin sich entschlossen, die lange verweigerte
Einwilligung zu den Verhandlungen zu geben, deren Zweck
sein sollte, die Macht des neuen Kaisers zu beschränken und
die Unterstützung Spaniens durch die deutsche Linie des
Hauses Habsburg zu verhindern. Dass diese Verhandlungen
— deren Verlauf zu verfolgen wir jetzt in der Lage sind ^ —
in einer die Interessen Frankreichs fördernden Weise zum
Abschlüsse gelangten, hatte seinen Grund vornehmlich darin,
dass in diesen Punkten die Pläne Mazarin's mit jenen des
Erzkanzlers in vielen Stücken übereinstimmten, und dass es
dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg im eigenen
und im Interesse des Reiches zweckmässig schien, die Actions-
freiheit Leopolds durch die Bestimmungen der Wahlcapitulation
zu schmälern. Denn die Vertreter Ludwig XIV. haben, ob-
gleich sie es an Bemühungen durchaus nicht fehlen Hessen,
zum schliesslichen Erfolge eigentlich nur wenig beigetragen.
Ihr Versuch, Karl Kaspar von Trier zum Anschlüsse an die
beiden anderen geistlichen Kurfürsten zu bewegen, scheiterte ;
ihre in derselben Absicht untemonmienen Schritte bei Baiem
und Sachsen blieben ohne Erfolg, und wenn auch der Kurfüi'st
* Mazarin an Grammont und Lionne. A. d. A.-E. All. Vol. 140.
' VglValfrey 1. c, 119 ff. und Heide 1. c, 49 ff.
EINE
AMTLICHE HANDLUN68REI8B
NACH ITALIEN
IM JAHRE 1754.
EIN NEUER BEITRAG
ZUB
68SCHICHTK DER ÖSTERREICHISCHEN COIIERCIALPOLITIK
VON
D« AUGUST FOURNIER,
O. Ö. PB0FE8S0R AN DER K. K. DEUTSCHEN UNIVERSITÄT PRAG.
An meiner akademischen Schrift über ^Handel und Ver-
kehr in Ungarn und Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts'
meinte ich, wo von den im Auftrage des Staates unternom-
menen Handlnngsreisen die Rede ist, den wahrscheinlichen
Verlust des Berichtes über eine solche Fahrt beklagen zu
müssen y die im Jahre 1754 nach Oberitalien unternommen
worden warJ Glücklicherweise hat sich diese Beftirchtung als
nicht gerechtfertigt erwiesen: der Bericht ist erhalten, und wenn
auch nicht im Originale, so doch im Concept einer amtlichen
Copie, welche Maria Theresia am 27. März 1755 ihrer königlichen
Repräsentation in Böhmen übersandte. Der die Sendung be-
gleitende Erlass lautet: ,Liebe Getreue. Aus der beygehenden
abschrifUichen Relation werdet Ihr des mehreren ersehen, was-
massen unser Mährischer Commercial-Consessus eine Reise nach
Italien und Unsere benachbarte Lande unternehmen lassen, um
dadurch sowohl in die Elänntniss der Ersten Wechsel- und
Kaofinannshäuser, als jener Inn- imd Ausländischer Waaren
za kommen, die zu einem vortheilhaften Debit und nützlichen
Baratto dienen können. Die hiebey erhobene Muster theilen
wir dem Consessui Commerciali zu seiner Einsicht und darüber
zu machenden näheren Ueberlegung hieneben mit, befehlen
auch zugleich, dass Selber sich hierüber fordersamst mit dem
Mährischen Consessu Commerciali einverständigen und dem-
selben specific^ anzeigen solle, welche von denen gang und
gebigsten oder anverlangten Innländischen Waaren bey Euch,
auch in was ftr Qualitaet, Breite, Länge und Preiss, entweder
bereits vorfindig, oder doch zu erzeugen seyn dürfften; wie
solcher sich denn überhaupt mit demselben, sowie mit der in
^ Archiv ffir Osterr. Geschichte, LXIX. Bd., zweite Hälfte, S. 357.
Arckir. Bd. LXXHI. I. Hilft«. 15
226
Nieder - Oesterreichischen Commercien - Sachen delegirten Hof-
Commission, in eine regulirte gegenseitige Correspondenz setzen
und ein Land dem andern die in linea Commerciali diensame
Nachrichten mittheilen soll; da im Uebrigen die beygehende
Muster Ihr ehestens zu Händen Unseres Commercien-Direktorii
wieder zurückzusenden bedacht seyn werdet/ *
Die diesem Decrete beiliegende Relation zerfällt, gleich
dem Elaborat über die später unternommene Handelsfahrt nach
Ungarn und Polen, in zwei Theile: a) in den eigentlichen
Reisebericht, von den Berichterstattern ,Protokoll' genannt,
und b) in Reflexionen über das Gesehene und Erfahrene. Ich
vermuthete in meiner früher angezogenen Arbeit, deren Kennt-
niss ich bei dem Leser dieses Nachtrags voraussetzen darf,
die Reisenden nach Italien wären dieselben beiden Männer ge-
wesen, die Jahrs darauf nach Osten und Norden gingen: der
junge Graf Otto Haugwitz und der Brünner Manufacturen-
Inspector Procop. Das ist jedoch, wie sich nun herausstellt, nur
bezüglich des Zweiten richtig. Mit Procop war 1754 Graf Alois
Podstatzky nach Italien gereist, der dann, weil er in Wien
nöthig war, bei der nächsten Fahrt durch Haugwitz ersetzt
wurde. 2
Die Reisenden nahmen ihren Weg über Graz und Laibach
nach Fiume und Triest, und ihre Angaben über die Handek-
zustände an diesen Orten, insbesondere bezüglich der letztgenann-
ten Stadt, sind von dem grössten Interesse. (Wie aus einer Ver-
gleichung mit der Relation von 1756 hervorgeht, ist auch hier
Procop als Hauptberichterstatter anzusehen.) Darauf wandten
sie sich über Görz nach Venedig, welches damals noch mit
scharfen Waffen dem aufstrebenden Rivalen an der Adria zu
Leibe ging, und über Ferrara nach dem durch seinen Juli-
markt in der ganzen Handelswelt berühmten Sinigaglia. Dann
ward der Hafen von Ancona besucht, von wo die Reisenden über
Foligno nach den toscanischen, d. i. damals kaiserlichen Plätzen
1 Von Degelmann verfasstes, von Neffzer reTidirtes and mit dem Yisnin
Chotek*8 versehenes Concept des Commerz-Directoriums. Archiv des
Ministeriums des Innern, V. G. 12. 60 ex Martio 1755.
2 So resolvirte Maria Theresia am 27. März 1755 auf einen Vortrag des
Commerz-Directoriums vom 9. Februar, welches Procop und Podstatzky
auch für die ungarisch -polnische, Reise in Vorschlag gebracht hatte.
Hofkammer-Archiv, Böhmen, Commerz, Fase. 2.
227
von Florenz und Livorno fuhren, die sich nicht weniger als Triest
der besonderen Rücksicht und Sorge Franz I. erfreuten. Lucca,
Bologna, Modena, Reggio, Parma, Piacenza, Pavia wurden
hierauf kurz berührt, bis Mailand Gelegenheit zu eingehender
Unterrichtung bot. Von da kehrten die Reisenden zurück, in-
dem sie den Weg über Cremona, Mantua, Verona nach Tirol
wählten, wo nach kurzer Rast in Ala, Roveredo und Trient
das wichtige Bozen, damals noch in voller Blüthe, besichtigt
und studirt wurde. Dann ging es mit Aufenthalten in Innsbruck,
HaU, Salzburg, Linz und Krems heimwärts nach Wien. Ueber
alle die genannten Orte ist mehr oder weniger eingehend ge-
handelt: bei den meisten derselben sind die eigenen Fabrica-
tionen, die gangbarsten Artikel mit ihren Preisen, die wichtigsten
Finnen angegeben, auch welche Verbindungen man im Namen
der mährischen Export-Compagnie angeknüpft habe und welche
Geschäfte man da und dort in die Bahn zu richten gedenke;
anf Geld, Mass und Gewicht ist überall Rücksicht genommen.
Im Ganzen aber ist der Rapport doch weniger detaillirt als der
bereits von mir am angeführten Orte veröffentlichte über die
Reise des folgenden Jahres, so wichtig und historisch werth-
voll auch die dargebotenen Notizen sind.
Dagegen sind die Reflexionen, mit denen die Berichterstatter
ihre Wahrnehmungen begleiten, von besonderem geschichtlichen
Interesse und verdienen nicht minder als das Protokoll in ex-
tenso mitgetheilt zu werden. Sie zerfallen in vier grössere
Capitel. Das erste ordnet die in den italienischen Städten ge-
machten Erfahrungen mit Rücksicht auf die einzelnen Waaren-
gattongen: bei welchen derselben der österreichische Export
nnd was er zu wünschen übrig lasse, und wie ihm der Weg
zu ebnen wäre. Ein zweiter Abschnitt beschäftigt sich mit dem
Triester Seehandel und dessen Zukunft; ein dritter lässt noch-
mals die besuchten Orte, auch die erbländi sehen, Revue passiren,
um bei Besprechung eines jeden derselben Vorschläge anzu-
bringen, welche sämmtlich die Hebung des Handelsverkehrs
mit dem Auslande im Auge haben ; ein vierter endlich handelt
im Besonderen von Mährens commerciellen Verhältnissen und
wie dieselben durch die Gründung von^ Handelsgesellschaften,
durch Erleichterungen für die fremden Capitalisten , durch
Standeserhöhungen und sonstige Auszeichnungen für die ein-
heimischen Grosshändler in Flor zu bringen wären. In diesem
16*
228
letzten Capitel finden sich bereits deutlich die Grundlagen der
österreichischen Exportpolitik in Hinsicht auf Ungarn und Polen,
wie sie später in den Reflexionen zum Reisebericht von 1756
des Breiteren dargelegt worden sind, angemerkt. * Schon hier
heisst es, man müsse trachten, ,denen Hungam aUes, was sie
nur brauchen, in denen benachbarten Erbländem zu ver-
schaffen, und ihnen die Abnahme aus fremden beschwerlich
zu machen', wozu eine Brünner Messe in Vorschlag gebracht
wird, und schon hier äussert sich die Absicht, mit den Polen
einen einträglichen Austauschhandel, mit Troppau als Stapel-
platz, einzuleiten, d. i. sie von Breslau dahin abzulenken. Dass die
erste Informationsreise der Delegirten des mährischen Commerz-
consesses nicht sogleich nach Ungarn und Polen, sondern
vorerst nach Italien ging, hat seine Erklärung wohl darin,
dass Podstatzky und Procop nicht blos im Auftrage der
mährischen Interessenten, d. i. der Brünner Lehnbank, welche
allerdings die Kosten der Reise trug, sondern vor Allem in
dem des Central-Commerz-Directoriums in Wien reisten, und
wir wissen, dass es gerade die ersten Fünfzigerjahre des
vorigen Jahrhunderts waren, in denen sich die Regierung Maria
Theresias ganz besonders für Triest und seinen Aufschwung
interessirte , der mit demjenigen Livomos Hand in Hand
gehen und die dominirende Concurrenz Venedigs und Ham-
burgs ebenso aus dem Felde schlagen oder doch einschränken
sollte, wie man im Norden das Uebergewicht von Breslau
und Leipzig zu mindern trachtete.^ Unter diesem Gesichts-
punkte aufgefasst, lag das nördliche Italien, von dem neben
Toscana dazumal bekanntlich auch Mailand und Mantua der
habsburgischen Herrschaft unterthan waren, nahe genug, um
es in die grosse Conception des österreichischen Export- und
Baratthandels einzubeziehen.
Die Sammlung von Waarenproben , Massen, Tarifen,
Tabellen etc., im Ganzen 60 Stück Beilagen, auf welche in
der Relation verwiesen wird, ist wohl ebenso zerstoben und
verschollen wie die von der ungarisch-polnischen Reise heim-
* Archiv für österr. Geschichte, LXIX, 362 ff.
' Vgl. Löwenthal, Geflchichte von Triest, 8. 180 ff.; Arneth, Äürit
Theresia, IV, 80 f.; Ranke, Sämmtl. Werke, XXX, 40 f.; Fechner,
Die handelspolitischen Beziehnngen Preossens eu Oesterreich, S. 227f.;
Arohiv für österr. Geschichte, LXIX, 356.
229
gebrachte MustercoUection. Wenn in dem hier folgenden Ab-
dracke des Berichtes die Bezugnahme darauf gleichwohl nicht
unterdrückt wurde, so geschah dies vor Allem aus dem Grunde,
weil daraus die Umsicht und der Eifer erhellen, mit welchen die
beiden Reisenden ihrer Aufgabe gerecht zu werden suchten.
Welches die schliesslichen Ergebnisse dieser Fahrt waren
and welchen Einfluss der Bericht darüber auf die Commercial-
politik des Staates ausgeübt hat, lässt sich im Einzelnen aller-
dings nicht constatiren. Vielleicht ist die Errichtung der Triester
Handelsbörse im nächstfolgenden Jahre zum nicht geringen Theile
auf die Anregung unserer Berichterstatter zurückzuftlhren,* viel-
leicht sind auf ihre Mittheiiungen hin im Jahre 1756 die Görzer
Stände, als sie die Widerrufung des Essito-Zolledictes von 1750
für Rohseide begehrten, abgewiesen worden ^ u. dgl. m. Jeden-
falls hat das Commerz-Directorium dem Berichte sein Lob nicht
versagt, und wie wenig es die Vorschläge der Reisenden von
der Hand gewiesen, lehrt der Umstand, dass kurz nach der
Heimkehr derselben und der Vorlage ihrer Relation Ungarn und
Polen wirklich als Absatzgebiete für die erbländische Industrie
ganz besonders ins Auge gefasst wurden, so dass schon am
19. Mai 1755 Procop mit Haugwitz die Fahrt in die beiden
Länder antreten konnte. ^ Manche freilich von den unter-
schiedlichen Absichten und Vorsätzen, welche die italienische
Handlungsreise gezeitigt hatte, mögen im Drange des bald
darauf neu ausbrechenden Krieges untergegangen sein.
^ LOwenthal, Geschichte von Trieat, I, 195.
3 Czoernig, Görz, I, 830.
' Der Bericht über die italienische Reise ist nicht datirt. Dass dieselbe
jedoch im Jahre 1754 unternommen wurde, lehrt die wiederholte be-
stimmte Angabe in den Reflexionen über die Reise von 1755/56, dass
die Fahrt nach Italien in dem genannten Jahre stattgefunden, und die
in dem Votum des Commerz-Dlrectoriums über den Bericht enthaltene
Bemerkung, dass die MustercoUection ihr schon am 7. Januar 1755 vor-
gelegen habe. Nur in einem Punkte schränkte die OberbehOrde ihr
Lob ein: die Berichterstatter hätten Mähren allzusehr berücksichtigt^
wo doch, insbesondere beim EIxport von Leinenwaaren, Böhmen vor
Allem in Betracht komme.
A. Das Reiseprotokoll.
1. Gratz.
Stadt und Land handlet an eigenen Produetis mit ge-
druckter Leinwand, so aus Landesflachs erzeuget und zu Grratz
in denen drey Fabriquen des Farovino, Koch und Certahede
gedruckt wird. Erstere ist die stärkeste, Letztere aber hat
nach erlangtem Privilegio hierzu den Anfang gemachet und
solle jährlich bis 20,000 Stuck meist nach Italien und Spanien
verschleissen, nunmehro aber die weitere Einfuhr in Spanien
verbothen worden seyn. Die Leinwand ist gantz ordinaire,
1 Gratzer Elle breit, 16 lang, und in völliger Breite gepacket,
anbey von viererley Sorten, das Stuck k 5, 6, 7 et 8 Fr, wie
dann auch viererley gebleichte Leinwand, 52 Ellen lang, k 7,
8, 9, 10 Fr hierzu genommen wird.*
Eisen-, Kupfer- und Messing- Waar wird nach Italien ver-
schlissen, auch viele Sensen und Sicheln auf der Mur in Hun-
gam und Türkey. Der Messing-Preyss-Courant wird erst er-
wartet, um zu sehen, ob solches in Mähren und andere Länder
mit Vortheil zu verschleissen? Kupfer- und Eisenwaar aber
bekommt Mähren leichter aus Hungarn. Grünspan wird der
Centner k 35 Fr und Berggrün k 50 Fr fabriciret und ver-
kauflfet. Letzteres ist besser aus Hungarn zu haben und Ersteres
noch nicht gut genug, um das französische zu entbehren. Speyk-
Kraut wird von dem hierzu privilegirten Negotianten Dobler
häuffig gesammelt und über Triest, Venedig nacher Alexandria
und Egypten denen dasigen Völkern zum Waschen beym
Gottesdienst zugesendet, und sonst in Commercio nicht ge-
brauchet, wäre ihme also zu lassen. Pfund-Leder wird gemacht
und etwas nach Saltzburg und Bayern verschlissen im Preyss
k 33, 34 und 35 Fr. Die Grazer Zwirn-Fabrique und Filatorium
wäre aus Garn- und vielleicht Geldmangel samt der im nehm-
lichen Hauss befindlichen Rossoglio-Fabrique müssig, und die
vorgewiesene Zwirn-Proben nicht schön weiss, sondern schwartz-
blaulicht. Die Directorin Türmannin hat den genauesten Preyss
^ Unter Fr ist der Wiener Gulden (= 60 xr.) verstanden.
231
deren Garn-Mustern N*" 1 franco in Wienn gelegter zu wissen
verlangt ^
Der Handel mit Erb- und Ausländischen Waaren besteht :
r in Tüchern, die Elle von 1 bis 4 Fr, die geringsten bis 1 Fr
18 auch 24 xr werden zwar theils aus denen drey Böhmischen
Landen, weiters aber, und bis auf 2 Fr, aus Preussisch-Schlesien
und Sachsen, und die noch feinem von Aachen und Leiden
genommen. Die oflFerirte inländische feinere Tücher gebeten
zwar denen Kauff-Leuthen gar wohl k conto. Sie zeigen aber
wenig Neigung hierzu, weilen Sie beym Ausländischen Ankauff
den Preyss zu ihrem Nutzen besser verbergen können, und
weilen ihnen die Lehn-Bank als ein zu ihrem Verderben ge-
reichendes und unstandhafftes Werk abgebildet worden. 2^° in
Halb-Woll- und Halb - Leinen -Waaren als Halb-Castor und
Halb -Rasch, auch Mesulan, welcher bloss aus Preussisch-
Schlesien kommet. Zwey Verlegere von Englischer Kurtz- und
Nürnberger Waar versehen sich aus Leipzig und Nürnberg.
3*^* in Lein -Waar, das Schlesische Schock zu 42 Wiener Ellen
iMg, 4V2 Viertl breit, ä 15 bis 20 Rthlr. Item Weeben von
52 Ellen k 30 bis 50 Rthlr. Lintzer Leinwand wird zwar auch,
aber nicht so viel als Schlesische verschlissen. Wie dann auch
viel Schlesischer und Sächsischer Tisch-Zeug, die Garnitour
k 10 bis 30 Rthlr, dahin kommet. Femers handlet man mit
feiner blau- und rothgestreifter Leinwand, auch fein und
ordinari Zwillich und Trillich nach denen Mustern N® 2. Der
grösste Handel beschiehet in denen zweien fast durch 1 Mo-
nath dauernde Mittfasten- und Aegidii-Jahrmärkten, da sich
viele Hungam, Croaten und die Land-Cramer providiren. Die
Grazer Kauffleuthe handien aber auch alla minuta.
Consumo- und Essito-ZoU zeiget sich aus N® 3. Wobey
merkwürdig, dass solcher wider die gewöhnliche Maxime in
Jahr-Märkten höher ist. Vielleicht geschiehet es aber in bene-
ficiom deren dortigen Kauff-Leuthen, welche auch ausserm
Markt Waaren einführen können. Doch ist der Zoll bis auf
das Wachs so leidentlich, dass durch sothane Erhöhung we-
der denen Fremden ein Nachtheil, noch durch die sonstige
^ Die Grazer Zwirnfabrik war 1753 errichtet worden. Fechner, Die
handelBpolitischen Beziehungen Preussens zu Oesterreich von 1741 — 1806,
S. 237.
232
Minderung denen Inwohnern ein erheblicher Vortheil zugehet
Der Magistrat hat auch eine Jahr-Markts-Mauth per 30 xr
vom Collo, er mag 1 oder 10 Centen wiegen. Die Grazer
Elle (N^ 4) ist 10 p C*^ länger als die Wiener, das Gewicht
aber dem Wiener gleich.
Der beste Negotiant Dobler ist denen Landes-Fabricatis
nicht sehr geneigt, mithin zum Correspondenten der Godola
ein sicherer und dienstfertiger Mann, welcher mit Pottasche
stark über Triest handlet, erwehlet worden. Mit Lein-Waaren
handlet der Heyder und Stephan, in Tuch- und halbwollenen
Waaren der Mayer, ein freundwilliger Mann. Hendel, Eigentiers
Wittib, Pilgram und Kratzer seynd gute Handels-Leuthe, Latour
aber ein blosser Wechsler von guten Mitteln.
2. Laubach <
handlet sammt dasigem Land mit erzeugenden geringen Lein-
wanden, mit etwas Eisen und groben Kotzen-Ttichem fiftr das
Land- Volk. Die viele Weissgärber von Cilley und Marpurger
Hutmacher verschleissen ihre Arbeiten nacher Triest. Die
bessere Leinwanden, Tücher und halbwollene Zeuge werden
aus Preussisch-Schlesien genommen.
Der Kauffmann Weitenhiller zu Laubach hat zwar eine
gute Tuchfabrique, ^ die Waar aber keinen gangbahren Preyss
und wird die Fabrique haubtsächlich durch die contractmässige
Lieferung für die croatische Miliz erhalten. Diese Tücher seynd
gut und crois^ gearbeitet. Durch zwei daselbst vorhandene
Wasser-Machinen werden die Tuche gekartet, dann Boy und
Flanel aufgerieben.
Der Negoziant Zebold, * von sehr guter Speculation, hat
zwar eine Seidenzeug - Fabrique und Filatorium errichtet, so
aber wegen seiner deswegen contrahirten Schulden mit Arrest
belegt ist und nicht betrieben wird. Michael Angelo Zois hat
fast alle Crain- und Eärnthnerische Eisenwerke durch Miethungen
^ So vielfach im vorigen Jahrhundert neben ,Laibach*.
2 Dimitz, Geschichte Krains, II, 179 nennt für das Jahr 1763 als Firma
der Fabrik Ruard-Desselbrunner.
3 Zebull bei Dimitz, II, 179, wo neben dieser in den Viensigerjahren
gegründeten eine 1735 ins Leben getretene Seidenfabrik von de Wertb-
Tabouret erwähnt wird, die hier nicht vorkommt und 1754 wohl nicht
mehr bestanden haben dürfte.
233
gleichBam als ein Monopolium an sich und dadurch in Zeit
Ton 12 Jahren eine halbe Million zusamen gebracht, negotiret
über Triest in gantz Italien, bauet den Sinigallier Markt, nihmt
sieh aber sonst um nichts an. Zu Correspondenten hat man
den Weitenhiller und Kirchschlager genommen — alle übrige
seynd nicht besonders considerable — und könnten dorthin
Tuche und Leinwanden, wovon das weitere in den Reflexioni-
bu8 folget, verschlissen werden. Kirchschlager verlanget zur
Speculation ein Kistel mit etlichen Stück Halb-Rasch, Halb-
Castor, mittlfein Tuch von Mode-Farben, die Elle k 30 bis
35 gr., weisse und rohe Leinwanden, 30 Ellen lang, 1 Elle
breit, von 4 bis 10 Fr., blau, roth, grün, gelb und schwartze
Glantz-Leinwand, 17 bis 18 Ellen lang, 1 Elle breit, k 4 bis
6 Fr, und halb gebleichten Cannefass, vide Muster N® 5.
3. Fiume.
Dahin kommen Levantische Schiffe, setzen aber aus
Hangel derer Negotianten und Magazinen keine Waaren ab,
sondern laden von denen beständig da vorhandenen Brettern,
Latten und Nägeln etc. oder bessern ihre Schiffe und nehmen
frisch Wasser. Die Compagnie-Schiffe der dasigen Wachs- und
Zackerfabrique bringen Zuckerrohr, Erde zum Sieden, Levan-
tisches Wachs und Saltz von Barletta, haben aber keine Rück-
ladung, ausser Wachs-Kertzen und Bretter etc. Aus Puglia
emp&nget der Negotiant Mignioli viel 0hl für die Erb-Länder
und weiter, wobei Er über 100000 Fr erworben. Die Einfuhr
im Haven wird für beschwerlich und die Fiumara für grosse
Schiffe zu seicht gehalten. Situs, Wasser und Lufft seynd gut,
Victualien wohlfeil, aber in der Stadt kein Würths-Hauss.
Die Arnoldische Fabrique ist ansehnlich, ihr Zucker schön,
aber lauth Preyss-Courrant N^ 6 zu theuer. Wachs-Bleichen
und Eertzen seynd gut und gehen meist nach Italien, woselbst
dreymahl mehr als in andern gleich grossen Ländern ver-
brauchet und an grossen Festen gantze Kirchen mit 6 und
mehr Tausend Kertzen beleuchtet werden. Venedig, so bisher
den Verschleiss allein gehabt, kränket die Amoldische Com-
pagnie und hat ihren Negotianten sogar verordnet, das Pfund
etwas wohlfeiler zu geben mit Versicherung, sie aus dem
Schatz der Republik zu indemnisiren. Dieser Compagnie hat
man die Pohlnische Wachs-Preyse zu notifiziren versprochen.
236
bahren Waaren ein Mnster-Stuck nach Triest eingesendet werden
solle^ um die Qualitaet und Packung zu treffen. Tele Rigate
haben allerlei Farben von obiger Länge und Breite. 6** aus
Preussisch-Schlesien : Neuroder Tücher ä 26 bis 30 Sgr, Halb-
Rasch und Halb-Castor von Breslau, Hirschberg, Schmiedeberg,
Landshut und Greiffenberg etc., allerhand weisse und rohe
Leinwanden, absonderlich Tele Bastoneti in Yi Schock, das
Schock 16 bis 24 Fr, Schleyer aus Hirschberg, Färber-Röthe
und mehr als um Eine Halbe Million Ghüden Pohlnisches
Wachs aus Breslau.
In Loco seynd 3 Rosoglio-Fabriquen; er ist fast dem Bo-
logneser gleich, wird verkaufft in gantz und V2 Bouteillen.
Die gantze, beyläufig 1 Mähr. Mass^ kostet 16 Sgr, die besseren
bis 30 Sgr haben aber wenig Anw ehr. Rozzi, Palleti, Miani,
Brentani, Cimaroli, Venino unterhalten die Fabrique. Ersterer
verschleisst am mehresten und condiret Früchten auf Arth der
Genueser. Lütyens et Comp, fabriciret Cremor Tartari besser
und wohlfeiler als die Venetianer, den Centen per 22 Fr. Auf
dem Land giebt es etwas Oliven-Bäume und 0hl, mehr wird
aber von der hinbringenden Frucht gepresst und das meiste
schon fertiger eingefUhret. Die Triester Weine seynd schwehr,
hitzig und brauchen viel Wasser, seind auch wohlfeil, der
Moggio von 32 Wiener Maass k 372 auch 4V2 Fr. Das Land
hat fast keine andere Nahrung und klaget über wenigen Ver-
schleiss und Einfuhr des Venetianer Weines, wo doch der
Triester im Venetianischen verbothen wäre.
Die beste Handelsleuth seynd Brentano, Cimaroli e Venino,
Österreicher, Tribuzii, Seemann e Comp, all grosso Handlere,
Blanquenay, Braun, Cuniali, Wittib Grosselin, Schop, Loch-
mann, Platner, Flantini, ingleichen etliche, aber nicht so reno-
mirte Juden Marpus, Vitalevi, Marpurgi etc. Sie seynd aber
meistens nur Commissionärs und Spediteurs und ausser des
Brentano und Flantini verschreiben sie wenig auf eigene Rech-
nung. Die reichesten seynd denen Preussisch-Schlesischen und
Sächsischen Kegotianten günstiger als denen Erbländischen
Fabricatis, welches die Lehn-Bank mit denen an den Oster-
reicher versendeten und fast durch 1 Jahr unverschlissen ge-
bliebenen Waaren erfahren. Diese seynd also denen zweyen
gar honneten Handelsleuthen Neidiser und Werkl, denen die
Amoldische Compagnie ihr Magazin anvertrauet, zum Verschleiss
235
Baom-Ohl; Baum-Woll, Caffö, Kurtze Waar, Rosenkräntz, Flor,
Bücher, Farbholtz, Fischtran; Zucker, viele Materialien, und
was sonst die Preyss-Courrant N^ 8 enthaltet. Hiervon ist aber
Terachiedenes bis zu einer mehreren Erleichterung annoch wohl-
feiler aus Hamburg zu haben. Es kommen auch Fisch- und
Englische Waaren etc., doch ohne rechten Zug in die Erb-
Lande ; Hamburg, Leipzig und Breslau behaubten noch immer
den Verlag. Aus denen Erbländern und durch dieselbe kom-
men nacher Triest: 1"^ Aus Steyer, Kärnthen, Crain durch
obgedachten Zois und Andere: Stahl, Eisen, Sensen, Sicheln,
Drat, Nägel, Blech, schwartz und verzinnt, auch andere Eisen-
Waar, Kupfer, Gewehr, Glass, Schachteln, ordinari Leinwand,
Messing und detto Fabricata, Pfund- und Weissgärber-Leder,
Sieb-Böden, Speck, Wachs, viele Gratzer Leinwand, und durch
obgedachten Godola etliche 1000 Centen Hungarische Pottasche.
2^ aus Osterreich viel Hungarisch Kupfer durch Kinner &
Comp.* von Wien, Ober-Österreicher Lein wanden und Woll-
Waaren, Schmeltz-Tegel. 3'^® aus Mähren negotiret dahin der
einzige Scholtz aus Brunn, welcher einen Bedienten nebst
einem kleinen Waarenlager von Tuch, Trillich und ZwiUich in
Triest haltet, auch die Sinigallier Märkte bauet. Johann Beütl aus
Hof spedirt dahin jährlich etliche 1000 Stück dieser Lein-Waar,
aber nur als Factor deren Bresslauer-KauflFleuthen. Die Lehn-
Bank hat mit etlichen 100 Stück Tuch, Lein- und halb-wollener
Waar ebenfalls angefangen und hofft bald was mehreres zu
thun. 4*** aus Böhmen und Böhmisch-Schlesien : Lein- und WoU-
Waar, böhmische Steine, Gläser etc., item aus Böhmisch-
Schlesien durch den Neysser Kauffmann Cassetti Weiss- und
\\ gebleichtes Garn, jährlich bei 200000 Fr vor besagte Le-
nossische Fabrique. 5'** aus Sachsen: weiss und gestreiffte Lein-
wanden, Tele cavalline e rigate genannt, Tischzeug, Tücher
k 30 bis 40 Sgr die Elle, wollene Zeuge, Strümpfe etc. Von
der Tela cavallina gehen viel 100 Stück in Italien. Man nennet
sie so von der Signatur mit einem Pferd. Ihre Sorten lauffen
von N** 4 oder 4500 bis 3 oder 3500; die geringste kostet
9V4 Fr zu Zittau das Schock in zweien Stücken k 30 Breslauer
Hlen, 1 Wiener Elle breit, und steiget jeder N^ k 3/4 Fr. Man
bat versmstaltet, dass von dieser und anderen in Italien gang-
1 Kühner & Goll, Tgl.Archiy f. österr. Geschichte, LXIX, 428, Anm.2.
238
wohl besetzet ist, wie auch dui'ch die Wehere verarbeitet*
Sonsten werden nur zur Landes -Consumption Tuch, Strumpf
und Hüth aus dem Venetianischen , Gantz- und Halb-Rasch,
weisse Leinwanden aus Preussisch- Schlesien, detto blau ge-
streiflFte aus Sachsen und die oben bemerkte Sorte der Lenus-
sischen Fabrique bei Tolmeso verschrieben. Diese ist von dem
Lenussi mittels eines Venetianischen Privilegii in trefflichen
Stand gesetzet worden und wegen des grossen Abzugs muss
.die Waar im Voraus bestellet werden. Graf Podstatzky aber
hat keine Gelegenheit gehabt, solche selbst ansehen zu können.
Bassa von Scherersberg hat solche zu Görtz imitiren wollen und
dessentwegen auf ein Gam-Monopolium angetragen; wegen
seiner Abwesenheit wäre aber nicht zu erfahren, wie weit er es
gebracht.
Dort ist das Venetianische Gewicht und Maass üblich, und
die meisten Verkehrungen geschehen mit dieser Nachbahrschafft
Kauff-Leuthe seynd vorhanden und handien mit Seiden-
Waaren: Segala, Luzati, Manasse, und Aaron Marpurgi, item
Manasse quondam Moyse Gentili, mit WoU- und Lein -Waar:
Barbati, Miani, Periello, und Marco di Georgio. Dieser Letztere
will Correspondent seyn und verlanget Tuch, Mode- und Livree-
Farben k 20 bis 30 Groschen, Halb-Castor verschiedene Farben,
wie sie zu Neurode gemacht werden, gestreiffte und operirte
Lenussische Lein wanden, verschiedene Mährische weisse und
rohe Leinwanden, das Stück 30 Wiener Ellen lang, V4 breit von
4 bis 10 Fr, item Leinen -Tüchl das Dutzet k 3 bis 6 Fr.
6. Venedig.
Dort distinguiren sich in der Handlung besonders die
Teutsche, deren Handlungs-Hauss grosse Freiheiten geniesset.
Man fabriciret viele Sachen, und sobald eine nur etwas empor-
kommt, wird deren Einfuhr verbothen. Vide N^ 10, welches
auch respectu der Ausfuhr der selbst brauchenden Materialien
beschiehet; vide den gantz neuen Verboth W 11, woraus zu ent-
nehmen, dass man unsere nunmehrige Principia fllr die rechten
ansiehet. Ihre auf dem Land befindliche Tuch-Fabriquen hat
^ Das ärarische Filatoriam Ton Farra war 1724 errichtet and monopolisirt
worden. Dasselbe ward später verpi^chtet. Cf. Czoernig, Gör«, I, 829.
239
man nicht gesehen, in und bey der Stadt geynd die Spiegel-,
Christallen-GIas- und Schmeltzfabriquen berühmt.
Für jetzo wäre von uns allein ihr Schmeltz von allerhand
Farben zu gebrauchen und auch dieser (vide Muster N^ 12)
leicht nachzumachen, da es nur auf die Gebung der Farbe an-
kommt. Das kleine Venetianer Pfund Stroh-Schmeltz kostet 9 xr,
fein Rabin 3 Fr, ein Bund Staub -Schmeltz von 12 Schnüren
4 xr, ein Bund grössere von 4 Päkeln oder 4 Schnüren N** 1
4 Sgr, N° 2 6 Sgr, N^ 3 10 Sgr, N" 4 18 Sgr. Von ordinari
Rubin kommet das Pfund 3 xr höher als andere Farben. Item
gehen in die Erb-Lande: Venetianische Hüth, Tücher, Strumpf,
Kron-Rasch, die berühmte Lenussische und verschiedene Seiden-
Waaren, welche aber dagegen in das Venetianische nicht ein-
gelassen werden. Wie dann die Görtzer ihre meiste Provisiones
von Udina oder Weiden nehmen. — Die Wachs-Bleich- und
Ziehereyen verarbeiten viele 1000 Centen Pohlnisches, Hunga-
risches und Levantisches Wachs und versehen fast gantz ItaUen.
Die Negotianten Fer und Meling, so jährlich über V^ Million
übernehmen, wollten bey findenden Vortheil das Wachs-Negotium
mit Bresslau abbrechen und sich von Brunn providiren. Der
Wiener Centen kostete damals 74 bis 75 Fr.
Die Negotia beschehen meist in gantz Italien und Levante
mit Reiss, Weinberl (von Letzteren praetendiret man das Mono-
poliom, dass sie erst nach Venedig imd sodann weiter gefUhrt
werden sollen, was also grad auf Triest gehet, stehet in Gefahr
des Contrabands) Spiegel und Spiegel-Gläser, Christall, Seiffen,
Cremor Tartari, Bleyweiss, Droguerie-Waaren, Terpentin, The-
riae, Medritat, Sammet, Damast, TafFet, Brocatell, Tücher für
die Levante, auch andere, so in Ceneda gemacht werden, lauth
Muster N^ 13, wovon die Elle zu Triest und Fiume 26 Groschen
varkaufft wird.
Venedig wird über das Triester Commercium jaloux. Der
grösste Vortheil des Venetianischen ist der von der Republic
garantirende Banco von 5 Millionen Dukaten. Alle Wechsel, so
auf Venedig oder auf andere Länder gezogen werden, müssen
durch denselben lauffen. Ein Kaufmann kann sein darin haben-
des Capital auf einen andern umschreiben lassen. Das Banco-
Geld übersteiget das Currente um 20 p C*^. Alle Frey tag
werden die Bilancen und viermahl des Jahres die Hauptbilancen
gezogen. Die Wechsel-Briefe müssen 6 Tag nach der Praesen-
240
tation acceptiret oder protestiret werden, und wann sie mittels
der Banque zahlbahr seynd, müssen sie directe an den, der
das Geld za erheben hat, und nicht auf Ordre ausgestellet
werden. ^
Buch und Rechnung wird in Ducati correnti, Grossi e
Denari geflihret. 1 Ducato corr. wird in 24 Grossi, 1 Grosso
in 12 Denari getheilet. Ein Venetianer Ducato corrente hat
6 Lire 4 Soldi, die Lira 20 Soldi oder unsere 4 Groschen. Das
Gewicht ist klein und gross: 100 kleine Venetianische Pfund
machen 54 Wiener Pfund, und 100 Grosse Venet. Pfand
86 Wiener. Sonsten machen 100 Pfiind gross Gewicht 158 Pfand
klein Gewicht und 100 Pfund klein Gewicht 63 V2 Pfund gross
Gewicht.^ — Die Elle ist zweierley, als eine für wollene
Waar, und die andere für Seiden-, Gold- und Lein-Waar. Die
Erstere ist grösser um 6V4 p C*^. (vide N** 14 et 15.)
Zu Freunden hat man erwählet den Pommer, Meling und
Fer. Dem Meling hat man ordinari Trillich, detto Schachwitz
mitter und feineren, blau und weiss gestreiflften Cannefass,
ordinari weisse Leinwand aus Triest (ut N** 16) zugesendet und
den Betrag empfangen. Er verlanget noch zur Prob feine
Currant- Ballen, feinen Trillich, Lenussische Lein wanden von
jeder Sorte 2 Stuck zu seiner Disposition an den Braun nacher
Triest zu versenden. Der Fer aber verlanget zur Speculation
100 Stük unterschiedliche Sorten feine Currant -Ballen und
Trillich nach denen Mustern N^ 17.
7. Ferrara
ist der Lage nach kein besonderer Handels-Platz, hat aber
einige Grossirer, so auf dem Po bis Turin und auf dem Canal
bis Bologna verschiedene in diesem ProtocoU anderwärts be-
rührende Schlesische und Sächsische Lein-Waaren spediren.
* lieber den Geschäftsgang in der Bank von Venedig vgl. Marpergeff
Beschreibung der Banquen, p. 190 ff.; Ladovici, Eröffnete Akademie
der Kanfleute oder vollständiges Kanfmannslexicon (1755), V, 374 ff.;
Straensee, Knrzgefasste Beschreibung der Handlung der vornehmsten
europäischen Staaten, n, 165—168 (1779).
2 So einfach lagen die Dinge nicht ganz. Man unterschied im alten
Venedig ausserdem mehrere Gattungen Pfunde, je nach den Waaren,
die gewogen wurden: Brotpfunde, Goldpfunde, Metallpfunde. Vgl. Volk-
mann, Histor.-kritische Nachrichten von Italien, Tu, 692.
241
Der Orth ist wegen des Flusses auch geschickt zur Spedition
in das Mantuanische, Modenesische, Parmesanische und May-
ländische, wie auch mit kleinen Land-Transporten kostbahrer
und nicht schwehrer Waaren aus dem Mayländischen nacher
Genua und von Bologna in das Florentinische , wobey der
Risico tlber Meer vermieden und Zeit gewonnen wird. Der
hohe Cremoneser Zoll soll diesen Weg bishero in etwas gehemmet
haben und die seltsame Transporte verursachen, dass die Waaren
bis zur completen Ladung liegen bleiben müssen, dahero man
die Sachen, um solche geschwinder zu haben, zu Lande bringen
lasset Spediteurs wollen abgeben Bergonzini e Mainardi, Merli e
Comp., welche gute ELandels-Leuthe seynd und Muster-Charten
hierländiger Leinwanden mit Anzeigung der Länge, Breite und
Preyse verlanget haben, um akogleich einigen Verschleiss zu
veranlassen. — Von denen Mtlntzen beschiehet die Meldung
bei anderen Orthen des Kirchen- Staats. In der fUle machen
100 Ferrareser 80 V3 Wiener. Im Gewicht 100 Ferrareser Pfund
60V^ Wiener. Die daselbstige und sonst im Kirchenstaat be-
findliche viele Juden sollen dem Commercio verhinderUch seyn,
und in der That distinguiret sich Bologna, wo es keine Juden gibt.
8. Sinigalliai
handlet nur am Jahr-Markt von halben bis End Julii; aber
da kommen die Stärkesten Negotianten aus Italien, viele aus
Frankreich, Schweitz, Nürnberg, Augspurg und anderen Reichs-
städten, aus Triest, Levante und Africa. Theils kauffen, theils
verkauffen, oder thun beydes. Man findet Seide und detto
Waare aus Italien, Frankreich, Levante ; Tücher, Wollene Zeug,
Httth und Strumpf aus Engel-, Holl- und Teutschland, aus dem
Venetianischen Londres Seconds und Scharlach, Lein- Waaren
ans Schlesien, Sachsen, Schweitz, Kämthen, Krain, Steyer,
Böheim; Messing- Waar von Nürnberg; Eisen- Waar aus Käm-
then, Crain und Steyer; alle Levantinische Waare, Asiatische
Seide, Cameel-Haar, gesponnene und ungesponnene Baum-WoU,
roth Türkisch Garn und allerhand Friandisen. Und wann eine
Waar stark gesuchet oder aber überführet wird, macht man
oft grosse Glücks-Streiche. Anbey aber ist bedenklich, dass
viel, auch bis in die Levante, und allzeit bis zur folgenden
1 SinigagUa.
ArduT. Bd. LIHII. I. H&lfte. 16
242
Mess, creditiret wird, wobei man exponiret ist und das Geld
in einem gantzen Jahr nicht umkehren kann.
Den ordinari Zoll zahlet man zur Markt-Zeit nicht. Bey
dessen End aber muss die Waar, so nicht zurückgefiihret wird,
die Gebühr entrichten. Zu Sinigallia und an mehr Italieni-
schen Orthen ist der Zoll in Verpachtung, anderwärts aber, als
zu Ferrara, dependiret die Abnahme von der Willkühr des
Legaten. Wegen so vieler KaufFleuthe seynd die Magazins-
Zinse sehr hoch, und ein einziges Gewölb kostet nur zur Markt-
Zeit 70, 80 und 90 Scudi. Von Triest bis Sinigallia kostet der
Centen bey bequemer Zeit 15 xr und wird bey guten Wind
in 2 bis 3 Tagen überbracht. Bey üblen Wetter aber bleiben
die Schiffe auch 12 Tag aus.
Der Sinigallier Mauthner Grossi, ein sicherer Mann, machet
zur Markt-Zeit einen Commissionaire. Die Lehn-Bank hat ihre
Waaren an ihne adressiret, so aber dasmahl zu spath eingelanget
Aus Mangel derer Wechsleren beschehen die Zahlungen nacher
Bologna zur Uberwechslung in andere Länder. Der einzige
Grossi wechslet etwas innerhalb Italien. Sinigallier Maass und
Gewicht wird in commercio nicht betrachtet, sondern die an-
kommende Waaren nach der Maass unde verkauffet.
Gegen dem Castell über soll ein grosses Hauss Ihro Maj.
der Kayserin gehören. *
9. Ancona.
Aus dasigem schönen Haven bedecken die Venetianer
Galeren den Markt von dem im Gesicht liegenden Sinigallia,
welches hierzu keinen geschickten Porto hat. Der Handel ist
nach der trefflichen Lage, wie fast bei allen Päbstlichen
Städten, zu gering ;2 doch kommen Schiffe aus Levante, Hell-,
Engeland und Norden. Den besten Handel machen die be-
rühmten Juden Israel Raffaele Solino e Comp., Moyse CJoem,
Samuele Cagli, Isaac Constantini und Michael Azzis. Unter
den Christen lasset der einzige Frantz Triumfi gantze Schiff-
Ladungen auf seine Rechnung kommen. £r zwinget aber seine
Verkehrungen durch vielen Credit, könte also bey einigen
Unglücksfällen ein grosses Falliment folgen.
< Marchesi Giorgio, Della cittA di 8inigaglia( 1765) war mir nicht erreichbar.
3 Das Gleiche beobachtete 1741 Kejssler, Fortsetsung neuester Reisen,
S. 446.
243
Dorthin kommen, und seynd ofFt wohl zu kauffen, Levan-
tische Waaren, als Baum-Woll, Cameel-Haar, Seide, Türkisch
••
Garn, Caff^, Gallus, Färb -Waaren etc., Baum-Ohl aus Puglia,
Tücher aus Frankreich, Holland, Venedig, Leinwanden aus
Holland und Preussisch- Schlesien, allerhand Englisch Wollen-
Zeug und Messing -Waaren, Frantzösische Londrins Seconds.
Dasige Negotianten klagten aber über die dermahlige frantzö-
sische Verordnung, diese Sorte directe in die Levante zu ver-
negotiren, und da ihnen die producirte Muster gefallen, so hat
man ihnen die allhier nicht annehmlich geweste derley Prob-
Stüke zu einem Versuch zugesendet.
Li der benachbahrten Stadt Recanati ist die längste Messe
in Italien vom 15. September bis 15. November, so sehr besuchet
wird und mit hiesigen Waaren gebauet zu werden verdienet.
Dahero der Versuch mit denen nach Sinigallia zu spath eingelof-
fenen Waaren veranlasset worden.
Man hat zwar obbeschriebenen Negotianten die hierländige
Waaren recommendiret; wegen der mit Wälschen und absonder-
lich mit Juden nöthigen Vorsichtigkeit aber lasset man alles
durch den Antonio Cheli gehen, der von der Amoldischen
Compagnie aus Fiume gar sehr recommendiret worden.
Buch und Rechnung wird gehalten in Scudi und Bajochi,
deren 100 einen Scudo, 10 aber einen Paolo machen. Dort
seynd keine eigentliche Banquiers. Doch beschiehet der Wech-
sel auf Ancona, und wird mittels daselbst ausgebender Cours-
Zettel und durch Commissionairs der auswärtigen Wechslern
getrieben, 100 Pund in Ancona machen 98 in Livomo und
100 Livomeser 60^4 Wiener, wovon bey Livomo ein mehreres.
Die Elle ist fast 3V2 Viertl Wiener (vide N° 18). i Zwey solche
Ellen breit werden dort die Londrins seconds ohne End erfor-
dert Aus Ancona kann man die Waaren am besten nach
Rom oder sonst ins Päbstliche versenden. Mit geringen ordi-
nari Tüchern aber darff man aus diesem Porto franco in den
Kirchen-Staat, eigener Fabriquen halber, nicht negotiren.
10. Loretto
hat in commercio nichts beträchtliches, als einen Teutschen,
Jacob Mosseyg, welcher aus verdorbenen unzeitigen Pomerantzen
* Diese Mass- and Gewichtsangaben sind etwas obenhin gemacht. Es
gab in Ancona ss. B. verschiedenes EUlenmass für Seide und Leinen.
16»
244
Rosen-Kräntze drächslet und jährlich um mehr als 50000 Fr
über Triest und sonst in Teutschland und Pohlen versendet.^
11. Foligno.
Wegen der Communication mit anderen Städten und Thei-
lung der Strasse nach Rom und Florenz seynd daselbst yiele
Grossisten, als Bocotelli, Eredi di Solari, Barugi, Seracchi, Leri,
Bechelli etc., so unter andern die Messen von Sinigallia und
Recanati mit Lenussischen und anderen weissen und rohen Lein-
wänden aus der Schweitz, Sachsen und Preussisch -Schlesien,
dann mit anderen bei Ancona und Sinigallia bemerkten Engel-
und Holländischen Woll-Waaren besuchen. Nach gesehenen
Mährischen Mustern hat Barugi, Bocottelli und Serachi sich
durch Correspondenz weiter einzulassen versprochen.
Weiter in Italien steigen die Verschleiss-Preyse immer;
mithin wäre mit denen von dem Banquier Pommer aus Venedig
mitgehabten Recommendations-Brieffen zu Rom in der Jacob
RaflFaelischen Handlung, so an WoU- und Lein-Waaren ein
Lager von etlichen Millionen hat, wie auch im Neapolitanischen
etwas nutzliches zu versuchen gewesen, welches aber der Reyss-
Entwurf nicht zugelassen.
12. Florenz,
so im Wechsel stärker als Livorno und voller Handels-Läden
ist, auch die Waaren auf dem Amo-Fluss und Canal nach Li-
vorno bringen kann, verschaffet berühmten Atlass und Moir,
(vide Muster und Preyss N® 19), item Sammt, Taffet, Gros de
Tour, Strumpf, Tüchel etc., und dannoch wird viel rohe Seyde,
so besser als die übrige Italienische ist, nach Frankreich,
Lucca etc. verflihret. Die Landesfbrstliche Fabrique von reichen
Zeugen kann die Frantzösische, so man fUr gustoser und netter
ausgiebet, noch nicht zurückhalten. In der Fabrique im GaUerie-
Gebäude werden aus zusamm gesetzten kostbahren Steinen
Vgl. Strnensee, 11, 176. Nelkenbrecher^s Taschenbuch der neaesten
Münz-, Mass- und GewichtsverfaBsung, S. 18.
> Ueber das Rosenkranzgeschäft und den ausgedehnten Handel mit heiliger
Waare, die vorher in der irdenen Schale, aus der angeblich das Jesu-
kind seinen Brei genossen, umhergerührt worden war, siehe Kejssler,
a. a. O., S. 442.
245
gantze Gemählde vorgestellet. ^ Aldort werden auch künstliche
Arbeiten von Gold und Silber in Mahlereyen und Kupfer-
stichen etc. gemachet; und in der Nachbarschafft unterhalt der
Gouverneur von Livomo eine kostbahre Porcellain-Fabrique. ^
Zu Prato werden ordinari Tücher, aber von keiner besonderen
Qualitaet, verfertiget und theils nur für die Miliz verwendet, theils
einiger Verschleiss durch die scharffe Zoll- Verordnungen beför-
deret. Wein, und sonderheitlich Monte Polciano, ist ein starkes
Commercial-Capo und wird fast in gantz Europa verfUhret in
Küsten von 40 grossen oder 60 kleinen Flaschen, so zu Livomo
8 bis 10 Fr kosten. Der Lac ist nicht so gut als der Wienerische,
Darm-Saiten aber seynd nach denen Romanischen die besten.
Leinwanden nihmt Florentz aus Schweitz, Sachsen, Preussisch-
Schlesien, Holland und Römischen Reich; Muster deren gang-
bahrsten, so in keine Sortimenter eingeschlagen, vide N° 20.
Die Tücher kommen meist aus Engeland und etwas aus Frank-
reich und Holland.
Von Zoll und Aufschlägen, wovon zwar keine Tariffe zu
haben gewesen, vide Notam sub N^ 21, woraus zu ersehen,
dass die erweislich Teutsche Producta nur die Helffte zahlen
und dass 250 Pfund von Triest bis Florenz 20 Lire oder 30 Paoli
kosten.
Zum Handlungs-Freund für die etwa dahin senden wol-
lende Güter hat man den Mercantelli, einen geschickten Mann,
angenommen. Starke Leinwand -Handlere seynd unter denen
Christen : Brunoni, Perini, Mingoni, unter denen Juden : Samuel
Calligo e Raffaele, Vitale Finci e fratelli, RafFaele e Isaac Polafi.
Wann man die nach Leipzig gewöhnte Hungam und Sieben-
bürger mit Florentiner Seiden- Waar versehen wollte, so ist Be-
kanntscbaflFt gemacht worden mit denen Negotianten Raffael
Mori, Zeni e Burgani, (deren Preyss-Courrant und Muster vide
* Jenerzeit im zweiten Stockwerke der Fabrica degli Uffizii, vgl. Neue
Europäische Staats- und Reisegeographie (1762) X, 1165. wört-
lich tibereinstimmend mit Büsching, Neue Erdbeschreibung 11. 2. 948.
' Die Porzellan* und Fayencefabrik befand sich zu Doccia, vier Meilen
Ton Florenz. Sie war durch den Marchese Carlo Ginori angelegt worden,
der zunächst Mitglied des Regentschaftsrathes, von 1747 — 1797 Gouver-
neur von Livomo war. Vgl. über dieselbe in jener Zeit unter Anderen
Volk mann, Histor.- krit. Nachrichten I. 655 ff., über Ginori: Passerini,
Genealogia e storia della famiglia Ginori, p. 81; Reumont, Geschichte
ToBcanas II. 65.
246
N^ 22, 23), Gioseppe Frescobaldi, Tomaso Baldi und mit denen
Seiden- Strumpf- Handleren Duclos e StefFanini, welcher die
Kays. Fabric innen hat. Die berühmtesten Banquiers seynd
Kicolo Maria Sassi Comp, e Liberi, und Cosimo del Sera quon-
dam Alessandro. Die Wachs-Fabrique hat Strozzi in Appalto
und providiret sich aus Livorno mit Levantischen, Moscovitischen
und Pohlnischen Wachs, jährlich bis 600 Centen k 30 Scudi.
Buch und Rechnung wird geflihret in Ducati oder Scudi, Soldi
e Denan d'oro, so eine moneta imaginaria. Der Scudo hat
20 Soldi, dieser 12 Denan d'oro. Sonst macht auch 1 Scudo
7 Lire, dieser 20 Soldi und dieser 12 Denan. Femer gehen
daselbst Talen zu 10, dann halbe zu 5 Paoli, Testoni zu 2 Lire
oder 3 Paoli, Grazien, deren 8 einen Paolo machen, Soldi und
Quatrini, davon 3 einen Soldo machen. * Gewicht ist 2 p C***
schwehrer als zu Livorno. 1 Pfund 6^/2 Loth machen 23 V4 Wiener.
Die Elle auf WoU- und Seiden -Waar vide sub N** 24 et 25.
117 Brazen^ in Woll und 119 in Seiden machen 90 Wiener ElUen.
13. Livorno.
Alle daselbst vor Anker ^elegeiie Schiffe müssen in denen
Päbstlichen, Neapolitanischen und Spanischen Häven Quarantaine
halten, weswegen sie lieber nach Genua fahren, welches einen
guten Theil des Livorneser Commercii dahinziehet. Nach Li-
vorno kommen alle Levantische, viele Africanische, Moscovitische,
Dänische, Schwedische, Hamburger, Engel- und Holländische
Waaren (vide Preyss Courrant N** 26). Fast alle Monath gehet
ein Schiff nacher Triest zu grosser Beförderung des dasigen
Commercii. Von denen von Triest ausgehenden Lein- Waaren
aber gemessen annoeh die Schlesier und Sachsen den grössten
Vortheil. Die Nahmen, Länge, Breite und Werth deren da-
selbst gangbahren Lein wanden vide sub N^ 27. Um diesfiallß
denen Fremden was abzugewinnen, hat man denen erworbenen
Handelsfreunden Frank und Lütyens committiret, ein Stuck von
jeder Sorte nacher Triest zur erforderlichen genauesten Nach-
ahmung zu senden. Die Nota sub N** 28 zeiget die Preyse deren
1 Eine Lira = 20 Soldi d'argento == 240 Denari d'argento = V/^ Paoli
= 12 Grazie = 60 Quatrini; ein Scudo = 7 Lire = 20 Soldi d'oro =
240 Denari d'oro = IOV2 Paol>-
3 Bracci, deren yier eine Canna ausmachten. Ein Braccio wurde in zwei
Palmen eingetheilt.
l
247
Farb-Waaren, und wäre mit denen Hamburger Preysen zu com-
biniren^ um zu sehen^ ob man sie von dieser Seite nicht wohl-
feiler haben könnte. Der Verschleiss dasiger berühmter Coral-
len-Fabrique beschiehet meistens nach Portugal! und Indien^
doch auch in Pohlen (Muster und Preyse vide N** 29. 30). ^
Die stärksten christlichen Negotianten seynd: Justo Ray-
mundo et Caspero de Schmet, so gantze SchiflFe Juchten, Eisen
and Wachs aus Moskau erhalten, Huigens e Borghini, Roberto
Perimani e Compagni, Engelländer, Eugenio Finochietti, Bonaini
e Compagni, Behrenberg e van Spreghelsen, Bartels e Heüsch,
Frank e Lütyens, Francesco de la Rive et Rilliet, Gio: Pietro
Ricci e Compagni, Jean du Four, etc. Antonio Damiani und
David Scherimann seynd grosse Jubiliers. Die stärksten Juden
seynd: Gioseppe e Raffaele Franco, Jacob Bassano, Salvatore
Lazaro Recanati, Moyse Gratiadio e fratelli, Salomo Aghio etc.
Von denen zur Bekanntschafft erwehlten Häusern Behrenberg
e van Spreghelsen, dann Frank e Lütyens, hat Letzeres nach ein-
gesehenen Mustern die Bestellung N** 31 gemachet. Ersteres ver-
langet allerhand Mährische weisse und rohe Leinwanden, feine,
mittere und ordinari Courrant Ballen, detto Trillich, Canefass,
leinene Tüchl und Zwirn zur Spekulation, wie man sich dann
überhaubt in Italien mit denen unbekannten Böhmischen und
Mährischen Fabricatis ohne vorläuffiger Prob nicht einlassen will.
Die schöne Getreyd- und 0hl - Repositoria seynd sehr
nutzlich. Von dem zur Börse designirten Hauss wird kein
Gebrauch gemachet, sondern die Negotianten besprechen sich
in der Mittags-Stund beym Platz in der Strada grande. Nicht
weit davon kommen die Cassiers wöchentlich zweymahl zu-
sammen, berechnen sich und saldiren die Conti mit Geld
oder Wechsel-Briefen. Das Wechsel-Negotium wird nur mittels
Anfrage in denen Häusern oder Affigirung derep Offerten in
vorgedachtem Orth getrieben, massen diese Arth die Negotia
besser verdecket als eine ordentliche Banque oder die sonst
gewöhnliche Einrichtung. Bey jetziger Regierung ist wegen
übermachung deren Toscanischen Geldern ein dem Platz nütz-
liches, vorhin über Venedig gegangenes Wechsel-Negotium
zwischen Wien und Livomo entstanden. Buch und Rechnung
fiihrt man in Pezze, Soldi e Denari da otto Reali. Eine Pezza
* Ueber die Korallenfabrik vgl. Volk mann, I. 721 ff.
260
Die besten Seiden -Negotianten heissen FiKppo Mattioli,
Roncadelli, Cermasi, Carl Antonio Pedretti, Gioseppe Canavelli.
Mit dem Cermasi ist Bekanntschafft gemacht worden. Die Flor-
Fabriquen unterhalten Domenico Medici, Geronimo Barletto^
Carlo Antonio Facci, so zugleich seidene Ttichel arbeiten lasst^
einen Banquier macht und zum Correspondenten genommen
worden. Mit halb seidenen Strümpfen (handlet) Ludovico Dal-
monte, wormit auch handien Gaetano Cavalari e Compagni, Carlo
Antonio Gnudi und Benedetto Capelli. Leinwand führen Gio:
Antonio Nicoli e Comp., solle jährlich 20000 Stück Tela Ca-
vallina verhandlen und verlanget zur Prob die Waaren sub
N** 35, ferner Landi e RoncadelK, Andrea Landi e Comp., GKo:
Pelegrini, so zugleich Banquier, Fernando e Sebastiano Bassi^
Fernando Gratiani, Gosetti Garbagni e Comp. Letzterer ver-
langt zwey Prob-Stück von allen oben angeführten Sorten. Die
Correspondenz kann mit Landi und Roncadelli, Nicoli, und
Garbagni e Comp, als wohl renommirten Leuthen gepflogen
werden. Berühmte Wechsler seynd Riccordi Gandolfi e Casu-
lari, Carlo Zovanardi, Innocenzo Faconi e Comp.
Buch und Rechnung bestehet in Lire, Soldi, Denari. 1 Lira
(macht) 20 Soldi, dieser 12 Denari. Auf 1 Fr corrent in Botzen
rechnet man 2 Lira 7 Soldi, und auf 1 Fr Wechsel-Geld 3 Lire
3 Soldi. Eine Pezza da otto Reali macht 4 Lire 8 Soldi. Bo-
logna wechselt mit Botzen, Livorno, Napoli, Novi, Rom, Venedig; |
Ancona, Frankfurth, Augspurg und Wien etc. — In der Ellen
bei WoU- Waaren thun 90 Wiener IO8V4 Bologneser, in Seiden-
und Lein- Waaren aber 116, und im Gewicht 100 Wiener Pfund
154 zu Bologna.
16. Modena.
Von dem dasigen gar schlechten Commercio ist nichts
anzumerken als die fabricirende schmale halbseidene Zeuge,
Pavelina genannt (vide Muster W 36). ' Die Elle kostet 19 Ba-
jochi; man könnte sie nöthigenfalls durch die Negotianten Urbinie
Rovigo haben. Buch und Rechnung halt man in Lire, Soldi;
Denan. Eine Lira gibt 20 Soldi, und dieser 12 Denari. 3251
Lire, 1 Soldo und 8 Denari machen zu Reggio 4876 Lire 12 Soldi
* Der nicht unbedeutende Handel Modena*8 mit Masken, insbesondere n*ch
Venedig, entgieng den Reisenden. Vgl. Ludovici, Eröffnete Akademie,
W, 1893.
249
Die besten Seiden-Negotianten seynd: Pietro Talenti, Gio:
di Bartolomeo Talenti, Gio: di Bartolomeo Conti, Gio: Fran-
cesco Orsetti, Gio: Leonardi, Gio: Parenzi, Steffano Conti, Nicolo
quondam Carlo Fancischini. Special Bekanntschafft ward mit
Pietro Talenti gemacht. Dieser hat gerathen, mittels seiner
Recommendations-Briefen ein Ktistel mit allerhand Lein-Waar
an Carlo Augustino Nocci e Comp, nach Lisbona^ zu schicken.
Francesco Gerolimo Lippi, ein Senator, will en compagnie einen
Lein-Waaren-Handel in Portugal und Spanien einleiten, wess-
wegen er schon in's Reich, Sachsen und Schlesien gereiset und
gesinnet ist, sich mit der Mährischen privilegirten Compagnie
zu engagiren. Zum Verschleiss derer pro consumptione erfor-
derlichen Lein-Waaren hat man den wohlrecommendirten Gia-
como Favilla zum Correspondenten genommen, welcher Andere
verlegen und die Verschleisse gegen gewöhnliche Provision
befördern wUl.
15. Bologna,
ein sehr wichtiger Handelsplatz, wo Getreyd und Früchte wohl-
feil seynd, auch viele Seide und HanflF von ausserordentlicher
Länge und Weisse erzeuget wird. (Dessen Manipulation zeiget
N® 33, wodurch dieses beträchtliche Mährische Productum
ohnfehlbar zu verbessern seyn wird.) Muscat-Wein ist vor-
trefflich und die stark verführende Kreide von Consideration.
1000 Pfund oder 700 Venetianer Grossgewicht kosten 20 Paoli.
Die sehr gute Seide wird roher und zum Färben bereiteter
verhandelt, auch viele in loco zu allerley Zeugen und Tücheln
verarbeitet. Dasige schwartze und weisse Flor-Fabriquen haben
glfhitmi^bgang. (Preyss und Sorten vide N** 34.) Man macht
auch weiss florene Tüchl, das Stück zu 8 Paoli. Ingleichen
müssen die sehr dauerhafte allerhandfärbige Floretseidene Manns-
und Weiber-Strümpfe, erstere per 95 und die andern per 70 Paoli
das Duzet in dasiger Fabrique wegen vielen Abgangs voraus-
bestellet werden. Der dasige Rosoglio und Cervelade -Würste
seynd bekannt. Dasige gangbahre Lein-Waaren seynd: Tele
cavalline, rohe Sangalline k 72 Bresslauer EUen, allerhand
gestreiffle und operirte Lenussische Fabricata, fein und mittere
Courrant-Ballen, ordinari, mitter und fein TrilHch, fein und
mitter Schachwitz, Tischzeug die Garnitour von 10 bis 20 Rthlr.
' Lissabon.
252
Die drey Handels-Häuser Ortalli seynd renommirt und
führen nebst Seiden- Waar auch Leinwanden. Der sogenannte
Parmesaner Kääss wird meist bei Lodi verfertigt. * Buch und
Rechnung wird geführt in Lire, Soldi, Denari. Eine Parme-
saner Lira macht Vj Venetianer. Florentiner und Romaner
Zechini gelten 44 Lire, die Ongari aber nur 42. Gewicht ist
um Vs pC*^ geringer als zu Reggio. 108 Brazze di Parma
machen 100 Venetianische Brazze di lana, oder 1 Elle zu Parma
V2 Pariser Stab oder '^j^ Wiener Ellen.
19. Piacenza
hat ein stärkeres Negotium. Man handelt mit Lein- und
WoU-Waaren nicht nur für den dortigen Consumo, sondern
auch all grosso weiter in Italien. Die Waaren-Capi seynd wie
bei Reggio. Leinwand - Negotianten seynd die vornehmsten:
Gio: Viciago, Fratelli Faustini, Gio: Martelli und Carlo Antonio
Signorini; Seiden -Handlere: Gio: Cavagnati, Raineri fe Gilar-
doni. Pietro Faustini handlet mit Lein-, Wolle- und Seiden-
Waar. Dieser kann der Correspondent seyn und verlanget Lein-
wand von mittel und feinen Courrant-Ballen^ ordinari, mitter
und feinen Trillich, etliche Stück weisse und rohe Mährische
Leinwand samt einer Muster-Charte von Tüchern mit Anzaigung
des Preyses. Buch, Rechnung und Gewicht ist wie zu Parma.
20. Pavia
hat etliche gute Contoirs, und wird mit Lodiser Kääss, Reiss
und Seiden, auch all grosso mit denen in Italien gangbahren
Leinwand-Sorten gehandlet. BekanntschafFt ist mit Gio: Andrea
Vidari und Carlo Giuseppe Pagnano e figli gemachet worden,
welche Mährische Proben und hierunter 16 Stük doppelt Halb-
Rasch, in völliger Breite geleget, in Farben W 39 gewärtigen.
Der nahe Po-Fluss könnte diesem Orth zu grossen Vor-
theil gereichen. Müntz- Maass und Gewicht ist dem Maylän-
dischen gleich.
1 Lodi lag schon im Mailändischen. ,Die meisten und besten Parmes&n-
käse kommen eigentlich aus dem May ländischen, und zwar aus der Ge-
gend um Lodi* heisst es bei Volk mann, L 312, Anm. Danach Her-
mann*s Abriss der physikalischen Beschaffenheit der (Ssterr. Staaten
und des gegenwärtigen Zustandes der Landwirtschaft etc. (1782), S. 171.
Vgl. auch Keyssler, a. a. O., S. 574.
253
21. Mayland
ist ein sehr wichtiger Handels -Platz. Da werden von der
Landes-Seide alle Sorten Zeuge^ TUchl und Strumpf, die beste
sogenannte Mayländer Tüchel aber in dem K. Sardinischen Orth
Viggevano fabriciret. * Man machet auch reiche Borten und
Spitzen, Leonische Waar, Gold-Tok und Theatral-Zeuge. Die
Compagnie Clerici hat eine Camelot-Fabrique. ^ Ciocolata hat
grossen Abgang. (Von all diesen Sachen vide Muster, Sorten
und Preyse W 40, 41, 42.)
Aus Teutschland kommen hin: 1"*® Tücher und Flanelle
(ut N^ 43), 2^^ Halb -Rasch nach schon angefiihrten N** 38,
3^ allerhand in Mähren schon verfertigende Lein -Waar (ut
N'*44), 4** weisse Leinwanden von Memmingen, Campedonien
und Isna^ in 3 Stück k 21 Ellen gepackt, werden auch Ulmer-
Leinwanden genannt, seynd IV4 Ellen breit, doppelt gelegt,
breit gepresst und mit Leonischen Spitzeln und rother Seyde
wie die Schlesische gezieret, im Preyss k 6 bis 11 Fr; auch
feinere um V4 Ellen schmäler von 9 bis 16 Fr franco Chur.
5^ alle Numeri von Tela cavallina, 6'° Schleyer 11 Ellen lang,
IVg breit, von 2^2 bis 6 Fr im Unterschied k 20 xr, geblümte
detto % breit 10 Vj Ellen lang in Sorten von 3 bis 7 Fr, eben-
fiülß um 20 xr unterschieden, noch eine Sort, V4 breit, von
4 Fr bis 10 Fr. Die Schleyer heissen daselbst Tele cambr^,
solate, fiorate, rigate. 7"° alle Sorten gestreiflTt- und operirter
Lenossischer Leinwand, die Elle 21 bis 22 Mayländ. Soldi.
8" Constanzer Lein wanden, V/2 Ellen breit, 60 lang, die Elle
von 25 xr bis 1 Fr steigend um 2 xr. 9"*> Tele Cenerine und
Rouane, eine Sort von Glantz-Leinwand (lauth N** 45) nicht recht
gläntzend, IV2 Ellen breit, 30 bis 40 lang, k 15 xr, werden in
gantzer Breite gelegt. 10"^ Parchet, 27 Ellen lang, y^ breit, in
10 Sorten, werden 100 Stuck beysammen gekaufft, im Sortiment
die Elle 13 xr. Die geringste Sort vide N^ 46. 11"»« Tele
S. Galline oder Steyff-Leinwand, 20 Ellen lang, 1 '/j breit, doppelt
gelegt, das Stück k 2 Fr 28 xr. 12"« roth und blau gestreiflfte
Schnupftüchel, das Duzet von 1 Fr 30 xr bis 8 Fr, item roth
gestreiffte per 5 Fr 28 xr, Grösse 1 D Wiener Elle.
* Das Gebiet von Vigevano war im Wormser Vertrag von 1743 von Oester-
reich an Sardinien abgetreten worden.
^ Ueber die Fabriken der Firma Clerici ondAnderer vgl. Volk mann L 312 ff.
' Kempten und Isny.
254
Mit Lein-Waar handien Innocenzo Canna, Maggiore Bianchi
e Palesterione, Simone e fratelli Bestalozza, GiuUo e firatelli
Bussi — diese Letztere verlangen die Waaren sub N** 47 —
Carlo Battalio, Gio: Alessandro Bincinetti, Gioseppe Bossisio.
Dieser will allerhand gestreiflFte Cannefass, das Stück k 30 Ellen
von 6 bis 9 Fr. Gio: Mondino will wollene allerhand farbige
Manns- und Frauen-Strümpf, das Duzet Ersterer 12 bis 18 Fr,
die andere 6 bis 12 Fr. Gio: Riva begehret etliche 100 Hüth
k 1 Fr 30 xr bis 3 Fr. Carlo Maria e fratelli Biumi, Gioseppe
Antonio Chiroli etc. Alle haben sich aus Sachsen, Preuss.-
Schlesien, Rom. Reich und Schweitz versehen, und gehet Ver-
schiedenes auch nach Genua und Turm. Banquiers, Commissio-
naires und Spediteurs seynd : Johann Venino, Andrea Brentano,
Fratelli Rho,' Gioseppe Balabio, Antonio Venino. Letzten hat
man zum Freund erwählet, um an ihn obspecificirte Waaren
zu dirigiren.
Buch und Rechnung wird in Philippi, Lire, Soldi, Denan
gehalten. 1 PhUippo gilt 7'/.^ Lire, 1 Lira 20 Soldi, 1 Soldo
12 Denari, 1 Venet: oder Florent: Zechin im Wechsel 14 Vi
sonst aber 15 Lire. Gewicht ist gross und klein. Nach dem
grossen Pfiind von 28 Unzen werden alle essende, all andere
Waaren aber nach dem kleinen von 12 Unzen verkauflft
233 Va Pfund klein machen 100 Pfund gross Gewicht, und
100 Pfund klein Gewicht machen 96 detto zu Livomo. Elle
ist auch zweyerley, die lange für die WoU- und Lein-, dann
die kurtze für die Seiden- Waaren. (vide N** 48, 49.)
22. Cremona
handlet nur mit Seiden, so nach Mayländer Gewicht und Geld
verkaufFet wird, fein das Pfund k 19 Lire, 10 Soldi, ordinari k
18 Lire 10 Soldi. Wann man etwas hievon bestellen oder
Tuch- und Lein- Waaren hinein verschleissen wollte, könnte es
durch den Gioseppe Antonio Tonetti geschehen. Allhier ist
der beschwerliche Zoll auf dem Po, wo dem Pächter von jedem
Stuck Waar 2 Fr bezahlt werden müssen. 150 Pfund Cremo-
neser machen 100 Pfund peso grosso Venetianer. Die Elle ist
der Venetianischen Brazza di lana gleich.
' lieber das Handlungsbaus der Brüder Rbo vgl. Montorfani, Giastifica*
zione dei fratelli Rbo, introduttori della manufattora delle tele indUne
e calanci nella cittii di Milano. Milano, 1766.
255
23. Mantua.
Daselbst wird ausser der Local - Consumption und Be-
süchung einiger Märkten von denen dasigen Negotianten nicht
gar viel gethan. Das beste Hauss ist Ferrari e Zucbelbi
mit Seiden und Lein-Waaren ; sodann Antonio Maria Romanati
und Steffano Petruzzi, dann der Jud Laudadio Franchetti.
Dieser hat Schock- und Weben-Leinwand, mittere Sorten, fein
gestreiffte Leinwanden oder Cannefass mit allerhand Farben
verlanget, so aber Sicherheit wegen durch Ferrari e Zucbelbi
oder Romanati zu dirigiren wären. Buch und Rechnung wird
gefuhrt in Lire, Soldi, Denari. 45 Mantuaner Lire gelten
1 Venet. Cziggin. Gewicht ist wie das Cremoneser. Die Elle
aber um 6 p C*** kleiner.
24. Verona
hat ansehnliche Handlung. Dasige Eauffleuthe versehen sich
mit ausländischen Waaren meist von Botzen, handien stark mit
Lem-Waar und Tüchern, dörffen aber letztere in das Venetia-
nische nicht fiihren und lassen alle dort verbotene fremde
Waaren directe an ihre Verschleiss-Orther gehen. Ad extra
verkehren sie mit Mayland, Genua, Reggio, Sinigallia und
anderen Plätzen. In loco macht man allerhand Seiden-Zeug,
aber nicht so stark wie zu Vicenza. Die aldorthige Nähseide
ist die beste und wird die Charte gern um 30 xr theuerer
bezahlt.
Die besten Handels -Häuser seynd: Alberto Albertino,
Andrea Giovan Mosconi e Comp., Giacomo Piatti e Wenceslao
Huberti;, Perroti e Rossetti, Pietro Buccalori, Pietro Antonio
Serpini, Gio: Balladore, Francesco Caravetta, Gio: Soldini und
Nicolo Loccatelli. Bekanntschafft wurde gemacht mit Alber-
tini und Mosconi. Letzterer verlangt die Leinwand Sorten N** 50
nach Botzen zur Prob an H. Gummer einzusenden. Piatti e
Huberti verlangen das nehmliche Sortiment, Perrotti e Rossetti
aber jenes sub N** 51. Darbei befinden sich die dort übliche
Tuchfarben. Der vermögliche Matratzen -Händler Bartolomeo
Darif hat die Muster W 52 ausgesetzet. Buch, Rechnung,
Müntzen seynd wie zu Venedig. Ln Gewicht aber machen
100 Venetianer schwehre Pfund 143 zu Verona, und 100 Venet.
Brazze di lana 103 zu Verona.
256
25. Alla in Tirol
machet viel Sammet, zwar nicht den besten, aber den wohl-
feilsten. (Muster und Preyse vide N*^ 53). Man könnte solchen
haben von denen Fabrique -Verlegeren Francesco Caravetta,
Simone e fratelli Ferari, Philippe Giacomo Bemardi, Giacomo
Angolini, Francesco de Blasse, Vito Bragha. Der Verkauff
geschiehet nach der Botzner Elle und Valuta franco Botzen,
und beschiehet der meiste Verschleiss nach Leipzig.
26. Roveredo.
Auf denen Botzner Märkten verkauffen die Rovereder
die meiste Seide und senden auch sonsten sehr viele nach
Teutschland. Die besten Verlegere seynd Ignatio Todeschi
und Domenico Antonio Scarperi. Von ihnen können nöthigen-
falls die hiesigen Posamentirer aus der ersten Hand versehen
werden. Scarperi hat die Sorten und Preyse N** 54 comuni-
ciret, mit Versicherung, dass er auch etwas unter dem currenten
Preyss thue. Andere Seiden -Verlegere seynd Gio: Giacomo
Sicort, Lorenzo Antonio Fontana, Francesco Chiusole, so Alle
ihre Seide franco Botzen nach dorthiger Valuta verkauffen.
27. Trient
hat keine sonderliche Commercia, jedoch fabriciret Antonio
Slup einige sehr wohlfeile Damaste (sub N** 55). Man bauet
auch Seide zum guten Nutzen deren vorangefiihrten Roveredem.
Die Handthierung mit denen Maulbeer-Bäumen vide N** 56.
Michael Wentz, Gio: Mattiabelli, und Pietro Parulini kauflFen
leinene Waaren auf dem Botzner Markt, und richtet sich der
gantze Handel nach Botzner Miintz, Maass und Gewicht.
28. Botzen
ist wegen dasiger vier Messen ein sehr wichtiger Platz des
Teutschen Negotii ad extra. Die alldorten zahlreich eintref-
fende Wälsche KauflFleute nehmen sehr vieles ab, halten da
ihre Abrechnungen und stellen aus weitentlegenen Orthen Ita-
liens die Zahlungs -Termine auf die Botzner Märkte, unter-
werffen sich auch dem dorthigen Handels-Gericht.* Mancher
Eauffmann setzt in einem Markt um 100000 Fr Waaren ab.
1 Vgl. Marperger*s Tractat von Messen, cap. XI und XII.
257
Dorthin kommen Leidner und Aachner Tücher von 3 bis 5 Fr
durch die Augspurger, detto von 1 bis 2 Fr aus Sachsen,
Preossisch- Schlesien, Böhmen und Mähren, allerhand fUrbige
Futter-Tücher von 8 bis 12 Sgr aus Bayern, Flanell von 10
bis 15 Sgr aus Bayern und Mähren, wollene Manns- und
Weiber -Strumpf aus Padua, Hüth aus dem Reich und andere
Sorten ut N^ 57. Die fremde Negotianten machen daselbst das
Haubt-Negotium, mit welchen man also, um sie beyzubehalten,
gelind umgehen muss. Man beschwehrte sich über die Müntz-
Einschränkung und Visitationes auf der La viser Brücke, welche
nicht von verschiedenen Beamten sondern von betrunkenen
Invaliden mit Insolenz vorgenommen und einige nach erlegtem
Trinkgeld unvisitirt gelassen wurden. Diesfalls wäre einige
Nachsicht oder andere Modalität um so nöthiger, als so viele
nach Botzen kommende Nationen ihr Geld ohne grosser Un-
gelegenheit und Verlust nicht umsetzen könnten und solches
ohnedeme wieder in die Fremde gehe.
Gummer, Putzer und Graf seind daselbst renommirte
Wechselere. Mit Tuch und Leinwand handien Semrod, Mentz,
Stockhammer ; Frantz Anton Bok unterhaltet ein Lein- Waaren-
Laager über 100000 Fr. Man hat mit allen Bekanntschaft
gemacht, zur Commission und Spedition aber das Gummer'sche
HauBs erwehlet. Buch und Rechnung wird in Fr und xr ge-
föhret. Real ist die moneta longa, bestehend in viertel, halben
und gantzen Spezies -Thalem, dann 17 und 7 Kreuzern. Fin-
girt aber ist der Giro-Thaler, im Wechsel nach Italien k 93 xr
und nach Teutschland als ein Reichsthaler. Etwas wird auch
in Batzen k 4 xr verkauflFt. Elle vide N^ 58. 100 Pfund
Botzner machen 90 Wiener. Handlungs-Ordnung und Landes-
f&rstliche Begabnussen, denen dieser Orth sein Aufnehmen zu
danken, seynd gedrukt, und auf dem dorthigen Fluss Eüsach
kQnnen die Waaren bis Verona imd weiter befördert werden.
Durch die privilegirte Compagnie von Sacco werden solcher-
gestalt 450 Pfund sammt Mauth und anderen Unkosten bis Verona
um 5 Fr befördert. ^
29. Inspruk
hat ein sehr geringes Commercium und keine Niederläger. Es
werden fast nichts als Handschuhe da gemacht und, wann man
^ Die Handelsgesellschaft in Sacco hatte ihr Speditionsprivileg 1744 er-
halten. Egger, Geschichte Tirols, HI, 71.
AidiiT. Bd. LXXm. I. HUfte. 17
258
•
Manns- und Weiber-Handschuhe in gleichen Theilen nihmt, das
Duzet k 4 Fr 20 xr verkauflFet. Der einzige Christoph Andres
Hubner thuet etwas mit Tüchern in Stücken und hat sich zur
Correspondenz angebothenJ Weisskopf, Wallhauser, Silier,
Schmakhofer, Hold seynd nur Botegari und der Job. Karl
Sturm der Beste, von deme man Handschuhe nehmen könnte.
Ellen, Maass und Gewicht ist von dem Botznerischen fast nicht
unterschieden.
30. Halle. 2
Von da aus spediren die Negotianten auf dem Innflass.
Wegen deren hohen Bayerischen Wasser-Mauthen wird vieles
lieber zu Land überschicket. Dahero fUrträglich wäre, mit
Bayern diesfalls ein Abkommen zu treffen. Man hat auch
nöthigen Fall mit Frantz Leopold Aichingers Erben als dem
besten Spediteur Bekanntschaft gemacht. Wann dermahleins
Venedig den Transite durch ihr Gebieth in die Lombardie
schwehr machen wollte, könnte man von Halle durch einen
Seiten- Weeg über Graubündten bis Chiavenna oder Cleve, alwo
man auf die von Lindau über Chur gebende Strasse eintrittet,
in das Mayländische gelangen. Hierdurch communiciret man
dermahlen mit der Schweitz und rechnet bis Chiavenna 14 bis
16 Tag, an Fracht aber für den Centen 3 bis 3'/, Fr. Der-
gleichen Spediteurs seynd auch Christoph Griesenbek, Johann
Aichingers Erben, Johann Leopold Stofferin und Joseph ToflFer-
steiner.
31. Saltzburg.
Auf die dasige Jahr-Märkte kommen viele Augspurger,
Regenspurger, Müncher und Schweitzer Kauffleuthe, von welchen
die Kärntner, Crayner, Tyroler und Ober-Oesterreicher Kauf-
leuthe Waaren abnehmen. Derer Saltzburger Negotium ad
extra bestehet in ordinari Tüchern aus Mähren und Preussisch-
Schlesien, Ober-Oesterreichische Leinwanden, Halb-Rasch und
Halb-Castor aus Preussisch-Schlesien, welch alles meist auf denen
Lintzer Märkten erkaufft oder ausser solchen bestellet wird.
Im Land macht man allerhand Beth-Zeug, sehr schlechte
1 Der Artikel Jnspruck' bei Ludovici, Eröffnete Akademie, ni, 583,
lässt dem Handel der tirolischen Hauptstadt doch etwas mehr Gerechtig-
keit widerfahren.
2 Hall im Unterinnthale.
269
TrilKche, aber von grosser Anwehr in Italien. Viele Baum-
wollene Strümpfe und andere Waaren gehen in die Erb-Länder.
Berühmt ist der dasige Vitriol k 18 Fr der Centen, wie auch
die Berchtolds-Gadner Waar. (Andere Producta und Preyse vide
in N^ 59.)
Die beste Negotianten und Spediteurs seynd Sigmund
Hafoer und Franz Anisser, zugleich auch Wechsler. Andere
gute Häuser: Dominici Kauffmann Erben, Frantz Anton Murald,
Wönigers Erben, Ignatz Weisser, Frantz Anton Spangler,
Lechner, und Joseph KoflFler. Correspondent ist erwehnter
Hafner, verlanget ordinari Mährische Tücher in Mode-Farben
per 1 Fr die Elle, Halb Castor, ein Doppel-Stück per 13 bis
14 Fr, etwas rohe und weisse Mährische Leinwand zu 4 und
8 Fr k 36 Ellen zur Prob franco Lintz. Buch und Rechnung
in Gulden und Kreutzern. Tuch-EUe ist wie die Botzner, Lein-
wand-I31e um 29 p 0> grösser als die Wiener, Gewicht fast
wie das Wiener.
32. Lintz.
In dasigem bekannten Negotio ' seynd die Lintzer Lein-
wanden und Eisen -Waaren von Steyer das beträchtlichste ad
extra, die WoU -Waaren aus dasiger Fabrique aber zum Ver-
sehleiss ausser Land annoch zu theuer. Leinwanden gehen
nach Saltzburg, Botzen und Italien, Eisen in die Erb-Lande,
Preussisch-Schlesien, Pohlen, Moskau.
In der schön- und wohleingerichteten Wollfabrique werden
fast alle Sächsische Zeuge, als Calmanten, Concent, Barcan,
Diablement fort, Cron-Rasch, Gantz- und Halb - Parterre etc.
gemacht. Die Land-Meistere werden daraus mit WoU zu Halb-
Raschen verleget. Man arbeitet daselbst Bosnische, Macedonische,
Böhmische, Himgarische und Land-WoUe. Sortiret, geschlagen^
gespikt und kartätschet wird in der Fabrique, gesponnen aber
ausserhalb. Die Wehere wohnen und arbeiten in der Fabrique
nach dem Ellen -Lohn, und in der Fabrique wird die Arbeit
erst außgefertiget. Einige Stühle von Parterre, Camlot etc. werden
doch auch in der Fabrique betrieben. Die ordinari Flanelle
drucket man zwar gut, die Calcas mit chimischen Farben aber
kann man nicht machen, und ein desswegen nach Sachsen
Abgesendeter hat es nicht begriffen. Es fehlet noch an einem
Formen-Stecher, sonst wäre alles vorhanden und nur zu be-
17*
V
262
dem Bedacht conserviret zu werden^ dass das Zois'iBche Mono-
polium mit der Zeit keinen Nachtheil bringe. Die feinere
Waar aber, womit die Nürnberger den Meister spielen, braucheie
einige Anstalten.
Kupfer hat guten Abgang, auch einigermassen der Mes-
sing in Tafeln, Rollen, Stangen und Drat über Triest; in der
übrigen Waar aber thun die Nürnberger das mehrste. Auf
derley Fabriquen wäre also um so mehr fUrzudenken, als Italien
viel brauchet und nichts erzeuget.
Der böhmische Glas-Handel brauchet keine Verbesse-
rung und kann zur Speculation dienen, auch andere Negotia
so weit auszubreiten.
Wachs- uild Eerzenhandel seynd von gröster Wichtig-
keit. Zu Hintertreibung des Venetianischen Kerzen- Monopolii
ist die Unterstützung der Fiumeser Fabrique, welche ohnehin
das Quäle und vormahlige Pretium schon erreichet hat, das
nächste Mittel. Um den Pohlnischen Wachshandel von Bresslau
nach Troppau zu bringen, müste man, da ohnedeme der Ober-
Schlesische Situs vortheilhafft ist^ denen Pohlen gleiche Con-
venienz machen und die Bewandtnuss ihres diesfklligen Negotii
mit Bresslau genau erforschen oder solche von dem auf der
Messe gewesenen Lehnbanks-Inspectore erheben.^
Pfund-, Roth- und Weissgärberleder ist in Italien
allenthalben zu verschleissen. Von Augsburg kommet zwar
vieles dahin, solches ist aber kein anderes als Erbläpdisches
Leder, massen absonderlich von denen Juden gantze Wägen
rohe Häuthe nacher Bresslau gefUhret und von da weiter nacher
Nürnberg und Augspurg spediret werden.
Queksilber nihmt Italien aus Engelland, Schiess-
Pulver und Tischler-Leim aus Holland, Hüth und wollene
Strumpf aus dem Venetianischen, welch alles die Erbländer
viel wohlfeiler dahin verschaflfen könnten.
Italien hat nicht genügsames Getreyd, sondern nihmet
den Abgang aus Sicilien, Levante, Engelland, Frankreich and
Dantzig, und zu Livomo kostete der Sack von 160 bis 170
Pfund, so Waitzen als Korn, 12 Lire. Warum sollte also Hun-
gam ihren Uberfluss nicht dahin liefern und denen nach Triest
kommenden Schiffen die nöthige Rückladung verschaffen können?
* Kemhofer, der im Auftrage der Lehnbank dahin gereist war.
261
B. Beflexionen.
L Primo wird jenes^ was auf der Reyse beobachtet wor-
den, in genere angeftlhret:
Es wird der Flachs- und Hanff-Bau und die Lein-
Waaren-Erzeugung in Italien ausser der Lenussischen Fa-
brique, und was sonst weniges im Venetianischen, Toscanischen,
Bolognesischen und Lombardie gethan wird^ sehr negligiret
Der Verschleiss ist doch sehr gross, und liesse sich durch dieses
so wohl gelegene Land auch in andere Welt-Theile ausbreiten.
Die Teutsche Erb-Lande aber könnten solchen um so leichter
an sich ziehen, als sie die materiam primam, viele arme, aber
arbeitsame Inwohner, wohlfeile Lebens-Mittel, dann den Triester
Haven und die besitzende Wälsche Länder zur Communication
haben.
Mit Tuch- und Woll-Waaren ist schon nicht so viel
zu thon. Dann nachdem solche im Venetianischen gäntzlich,
im Romanisch- und Florentinischen aber die ordinari Tuche
verbothen, die Englisch-, Holländisch- und Französische Fabri-
cata sehr beliebt und die Venetianer in Verschleissung der
ihrigen sehr vigilant seynd, so wäre nur durch Verbesserung
de» Qaalis, Erzwingung des Pretii, Excludirung der Fremden
in denen eigenen Italienischen Landen, und endlich durch
Barattirung mit denen in denen k. k. Erb-Landen erforderlichen
Sachen etwas zu thun. Bey denen Londres Seconds, welche
Frankreich an Ancona nicht mehr überlassen, sondern selbst
in die Levante verschleissen will, kommet zu beobachten, dass
Ancona zu Continuirung ihres Negotii nach anderweitigen Pro-
visionen trachtet, mithin dörffte diesfalls mit ihnen was zu
machen seyn, wann die Waar mittels Uberkommung Spanisch-
nnd Portugiesischer Wolle verbessert vrürde. Wesswegen Venedig
mit dem Levantischen Verschleiss ihrer nicht so gar guten
Tüchern pro exemplo dienen kann. Wie dann auch andere
Tücher in Ansehung des starken Verschleisses über Botzen eine
Anwehr finden dörfften. Von wollenen Zeugen wären anerst
die nöthige Fabriquen einzuleiten, um sodann den starken
Englisch- und Sächsischen Verschleiss wenigstens von der Seite
des Adriatici theilen zu können.
Eisen- und Stahl-Handel hat ohnedeme seinen guten
Gang nacher Sinigallia, Napoli, Sicilien und brauchet nur mit
264
Fernambuck, Indigo^ Thee, Ingwer, Pfeffer, ja sogar Moscowi-
tische Juchten wegen vortheilhaffter Barattirung von Livomo
besser als von Hamburg toumiren, so wurden diese Schiffe,
wann man von ihnen anfänglich die Erfordernussen zu Livomo
abziehet, endlich selbst nach Triest kommen, die Frequenz
wurde den Preyss mindern, und das meiste Hamburger Nego-
tium liesse sich nicht nur auf Triest ziehen, sondern auch über
das Meditullium zwischen Hamburg und Triest von dämmen
extendiren, weilen die gute Erbländische Weege den Transport
geschwinder und wohlfeiler machen, fremde mit Zöllen be-
schwehrte Territoria evitiret werden und auf eigenem Grund
alles nach Gutbefund erleichtert werden kann. Venedig wird
zwar dargegen, absonderlich in Betreff des Levantischen Com-
mercii, alles tentiren und könnte mit ihrer See-Macht wichtige
Hindemüsse machen. Da aber in Rücksicht der K. El. Landes-
Macht nicht leicht was zu besorgen, so seynd solcher gestalten
von Triest mittels Livomo mit Frankreich, Spanien, Portugal,
Engelland, Holland, dann in ordine des Wälschen Negotii in
die Häven des ganzen Littoralis Adriatici et Mediterranei, so-
fort in beyde Sicilien die Communicationes offen. Und lassen
sich auch die Verschleisse mittels Äncona im Kirchenstaat, mit-
tels Ferrara gegen Bologna, auch ins Toscanische, auf dem Po
in die Lombardei, Piemont imd gegen Genua, und auf der Land»
Seite durch Tyrol ohne Betrettung des Venetianischen, wann
man daselbst den Transite beschwehren wollte, extendiren.
in. Belangend die Negotia deren besuchten Orthschafften,
so seynd die meisten Gr atzer Elauff-Leüth denen Erbländischen
Fabricatis abgeneigt, welche Gesinnung ihnen durch eine gleiche,
die Erbländische Fabriquen befördernde Tariff, ad exemplum
Bohemiae, zu benehmen wäre.^ Wobey auch die von ihnen
löblich unterhaltende gedruckte Leinwand-Fabrique alle Pro-
tection verdienet.
Bey Laubach ist die nehmliche Correction erforderlich,
und scheinete nicht übel zu seyn, die Zeboldische Seiden-
Fabrique, intuitu deren darauf schon gemachten Spesen und
überflüssigen Görtzer Seide, nach vorläuffiger Untersuchung
wieder emporzubringen.
* Der Zolltarif für Böhmen, Mähren und Schlesien war am 1. April 1753
In Kraft getreten. Am 2. April 1755 erschien der für die österreichischen
Erbländer. Vgl. Archiv f. österr. Geschichte, LXIX, 35.
265
Es scheinet zwai'^ dass bey Fiume, welches ein so
schlechtes Negotinm hat^ nichts tentiret werden sollte^ bis nicht
Triest emporgekommen ist; vieles Hesse sich aber auch ohne
Schaden von Triest thuen. Also wäre 1"®; eine sehr nutzliche
Messe, um die Kauffleüthe von der von Sinigallien herüberzu-
ziehen, besser zu Fiume als zu Triest, wo ohnedeme ein be-
ständiger Markt ist, anzulegen; und eben desswegen mag
die Sinigallier Messe nicht in dem berühmten Haven Ancona
angeleget worden seyn. 2^^; die Hungarisch- und Croatische
Producta, absonderlich Getreyd, seynd leichter nach Fiume
zu bringen; und wann man darbey nur die Fracht-Spesen bis
Triest gewinnet, so kann das Negotium reichlich bestehen.
3^: wären mit Erbländischen Waaren verschiedene kleine, des
Jahrs aber doch etwas betragende Negotia an die dort ein-
fahrende Partheyen zu machen. — Die Fiumeser Zucker-
Siederey wäre quovis modo zu unterstützen, da selbe das Quäle
b^eits erreichet und das Pretium so heruntergebracht hat,
dass selber denen Brünnem gegen dem Hamburger schon
wtoklich ä conto gehete, wann er als ein Erbländisches Pro-
dactom nur dem Zoll ohne Aufschlag unterliegete. Durch
die Amoldische Wachs-Fabrique zu Fiume kann denen Vene-
tianem der nahmhaffte Italienische Verschleiss disputiret, der
Pohlnische Wachs - Baratto befördert und viele Leüthe er-
nähret werden. Um aber solche gegen die vorhabende Unter-
drnckung derer Venetianer zu schützen, wären denselben in
denen K. K. Wälschen Staaten einige Vortheile vor denen
Venetianem zu verleihen, damit sie durch fortsetzenden Ver-
schleiss zu mehrerer Facilitaet gelangen können, massen sich
dieses Werk zu Fiume besser als zu Venedig besorgen lasset
und es nur an guten Anstalten fehlen müste, wann man die
Venetianer künffdg im Preyss nicht übersehen sollte!
Triest hat besagter massen über Venedig verschiedene
Vorzüge; es fehlet aber zu Emporbringung des dasigen Com-
mercii an genügsamen fUr die Erbländische Fabricata gut ge-
sinnten Elauff-Leüthen, welche im Stande wären, denen dahin
konunenden Schiffen die Zufuhr abzimehmen und die gesuchte
Ladung zu geben. Wo nun Gewinn ist, da gibt es auch Kauff-
Leüth und entstehet der Gewinn aus dem Handel, dieser aber
aus eigener und fremder Bedürinuss. Wobey es dann auf
Cognition und Anstalten ankommet. Mit der Cognition, was
266
man aus fremden Landen brauchet und denenselben dargegen
vom eigenen Uberfluss überlassen kann, wie auch mit Herstellung
des Quanti, Qualis et Pretii beschäfftiget sich das Mährische Manu-
facturen-Amt. Was aber fremde Länder aus denen Erblanden
brauchen, oder denenselben mittheilen können, wird aus Reysen,
wie die vorgeweste, am besten erlernet. In Betreff deren Anstal-
ten, und da sich das totum consumptionis deren Erblanden an
fremden Waaren auf viele Millionen belauffen muss, darff man
denen Eauff-Leüthen nur den Fingerzeig geben, dass was rechtes
hierbey zu gewinnen seye, und wird es bey vielen Capi nur
den Instrado erforderen, dass man die Waare nacher Triest
kommen und die Convenienz des Preyses gegen Hamburg denen
Erbländischen Negotianten durch Preyss-Courranten kund wer-
den lasset. Bey anderen hingegen wurde eine Zoll- Verminderung,
wann sie über Triest, oder eine Erhöhung, wann sie über Ham-
burg kommen, erforderlich, dieses aber weder dem Publice
noch dem Aerario schädlich seyn, massen man die wenige noth-
wendig von Hamburg kommen mtUsende Waaren über Triest
nicht zu zwingen gedenket, sondern nur jene verstehet, wdche so
leicht nach Triest, als nach Hamburg gebracht werden können;
nach welch eingeleiteten Zug obige Hülffen nicht mehr erfor-
derlich seyn werden. Die Erbländische Eauff-Leüthe können
bey dieser Verwechselung des loci unde in die Stelle derer Ham-
burger tretten, mithin sich entweder selbst zu Triest etabliren
oder daselbst Factores halten imd allerhand Negotia anstossen.
Zu einem Anfang wären nur einige Compagnien gleich der
Amoldischen nöthig, welche sich aber mehr ad negotia, als auf
Fabriquen zu verlegen, Niederlagen zu halten und sowohl In-
ländern als Fremden die Nothdurfft mit Convenienz zu ver-
schaffen hätten. Derley Compagnien werden, wann man nur
denen Leüthen den Nutzen demonstriret und Sie behörig ein-
leitet, leicht aufzubringen seyn, welches zu erreichen dem Com-
mercien-Directorio überlassen wird.
Nachäem Exempla vorhanden, dass Frankreich die Seide
durch ihren Aufkauff offt vertheueret, so wäre denen Vene-
tianem die Ausfuhr der besten Görtzer Seide nicht leicht zu
gestatten, sondern solche zu eigenen Fabriquen anzuwenden
und denen Venetianem die Gelegenheit zu benehmen, uns ihre^
aus unserer Seide verfertigte Waar um doppeltes Geld zu ver
kauffen. Deme noch beyzusetzen kommet, dass die Görtzer
267
Tuch- und Lein-Waaren von Udina holen und man dargegen
solche in das Venetianische nicht führen darf.
Venedig ist ein Haubtfeind von Triest, mithin muss man
sich dargegen in Verfassung setzen, auch ihre Fabricata, wann
man solche in Ländern selbst erzeuget, hindanhalten. Ob eine
Banque ad exemplum der Venetianischen zu Herüberziehung
des Wechsel-Negotii zu Triest aufzurichten nutz- und nöthig
»eye, wird höherer Einsicht überlassen.
Es könnte ein Einverständnuss mit dem Kirchen-Staat,
Parma und Modena nicht schaden, um den Transport deren
von Triest gegen Ferrara bringenden Sachen auf dem Po
sowohl gegen das Florentinische bis Bologna, als in das Man-
tuanische, Mayländische, sofort von Pavia gegen Genua zu
Land, weiters aber auf demselben bis Turin zu erleichtern.
Der berühmte Sinigallier Markt wäre allerdings zu fre-
qnentiren, massen man die von denen Venetianem, Sachsen,
Schweitzern, Schlesien! und Reichern dahin bringende Tuch-,
Lein- und andere Waaren aus denen Erblanden wohlfeiler
Terschaffen kann. Solches gebete auch Gelegenheit zur Be-
kanntschaft mit vielen Negotianten zum Gegenkauff, Baratto,
Anlockung nacher Triest oder auf den allenfalls aufrichtenden
Fiomeser Markt.
An CO na ist geschickt bis gegen Rom zu handien, die
Hess von Recanati zu bauen und die auf dem Sinigallier
Markt nicht verkauffte Waaren, um sich nach demselben der
Verzollung nicht unterwürffig zu machen, dahin zu bringen,
ond von denen daselbst aus- und einlauffenden Schiffen zu
profitiren.
Da von Loretto jährlich um 50,000 Fr Rosen-Cräntze
konunen und die hierzu erforderliche verdorbene Pomeranzen
leicht nach Triest oder Fiume zu bringen seynd, so könnten
einige Drächslere daselbst guten Verdienst finden;
Foligno wäre aus dem Waaren-Lager von Ancona zu
providiren und die Negotianten, wann sie nicht die Waaren
franco Triest abnehmen weiten, Sicherheit wegen an den Cor-
respondenten in Ancona zu verweisen.
Florenz und Livorno hat bishero viele in denen Erb-
landen erzeugenden Waaren ex defectu cognitionis aus anderen
Ländern genommen und sich der einverstandenen halben Zoll-
abnahme nur respectu seiner Waaren zu erfreuen gehabt. In
268
Rücksicht dieser Vorzüglichkeit und obschon die in dem Porto
Franco Livomo ein- und auslauffende Sachen zoUfi^y seynd,
kann man doch alle andere Nationes im Verkauff-Preyss über-
sehen, mithin wäre sich der Gelegenheit mit Ekust zu ge-
brauchen. Sonst ist dieses der schon besagte Platz, die Erb-
ländische Waaren, bis Triest emporkommet, in der Welt
auszubreiten, Portugiesisch- und Spanische Woll und auswärtige
Färb- Waaren für die inländische Fabriquen zu erlangen und
endlich das Hamburger Negotium zu übertragen, worzu die
heilsame Absendung deren Schiffe von Livomo nacher Trieste
würklich die Hand biethet.
Von Lucca, Bologna, Modena, Reggio, Parma, Pia-
cenza wären zu Herbey bringung deren Hungam und Sieben-
bürger die ihnen anständige Seiden- Waaren, bis man sie selbst
erzeugen kan, mittels barattirenden Tuch- und Lein- Waaren
herzunehmen, absonderlich aber mit dem schon berührten Bo-
logneser Hanff-Bau, allenfalls mit Verschreibung eigenen Saamens,
eine Prob zu machen.
Im Mayländischen ist nicht nur eine grosse Con-
sumption, sondern auch ein beträchtlicher Zug gegen Genua.
Man kennet aber ebenfalls die Erbländischen Waaren nicht;
und wann auch etwas davon hinkommt, so beschiehet es durch
Ausländer, welche dargegen Mayländer Waaren in die Erb-
länder bringen, folgsam doppelten Nutzen haben. In Rücksicht
des viel geräderen Weegs aber, und absonderlich wann, wie
im Florentinischen, der Favor des halben Zolles hinzutretten
sollte, könnte man es denen Preyssisch-Schlesiem, Sachsen und
Reichem, so über Lindau und Chur dahin kommen, leicht ab-
gewinnen. Und da Venedig den geraden Weeg durch ihr
Territorium difficultiren dörffte, könnte man sich der in der
Beschreibung bemerkten anderweitigen Strasse, oder der Fahrt
auf dem Po bedienen, alwo aber auf Moderationes des Zolls
zu Cremona fürzudenken wäre und sonach auch das Man-
tuaner Commercium belebet werden könnte.
Verona, Roveredo, Alla und Trient schlagen ins
Botzner Commercium. Ersterer Orth nihmt von da viel Tuch-
und Lein- Waaren, aber wenig Inländische. Bey Roveredo wäre
an der Seide zu gewinnen. Die Sammet von Alla gehen stark
nach Leipzig für die Pohlen, Hungarn und Siebenbürger, die
Seide aber wird von denen Venetianern genutzet, so doch alles
269
zu denen Erbländischen Commercien und Fabriquen verwendet
werden könnte. Mit der beschriebenen Manipulation derer
Maulbeerbäume im Trientischen wäre ein Versuch zu thun,
und hat sich ein ansehnlicher daselbst befindlicher Mährer hervor-
gethan, welcher solches gegen einen massigen Gehalt unternehmen
und das Land- Volk in der Seiden-Erzeugung abrichten wollte.
Zu Botzen^ wo Gelegenheit vorhanden, allerley Erb-
ländische Waaren in recht grossen Quantis abzusetzen, wäre
dag nunmehro verfallende Negotium nach Möglichkeit zu unter-
stützen und zu verordnen, dass sowohl dasige Messen mit denen
in der Beschreibung angezeigten Erbländischen Waaren gebauet,
als auch von der Tyrolischen Repraesentation ein in Handlungs-
Sachen erfahrener Commissarius zur Mess-Zeit dahin geschicket
werden solle, welcher alle Umstände zu bemerken und samt
dem dasigen Mercantil-Magistrat an Hand zu geben hätte, wie
denen antreffenden Nachtheiligkeiten abzuhelffen wäre, auf
welche Arth viele bishero verschwiegene oder ungleich an-
gebrachte Sachen ins Klare gesetzet werden dörfften.
Bey Halle und Inspruck ist über das schon Bemerkte
noch anzuführen, dass Inspruck bey weiten keine so vermög-
liche Handels-Leüthe wie Saltzburg habe, ohngeacht es die
Botzner Märkte näher als Saltzburg frequentiren kann.
Die Saltzburger Negotianten seynd durch ihre beträcht-
liche Abnahme auf denen Lintzer Märkten denen Erbländischen
NegotÜB fUrträglich und würden es noch mehr seyn, wann man
ihnen die von denen Sachsen und Schlesiem nehmende Waaren
verschaffete.
Zu Wiederherstellung des für die Mährische Tuche so
importanten Lintzer Commercii wären die Weege des vor-
mahligen Debits und was solchen jetzo hemmet zu unter-
suchen. Bekannter massen seynd vorhin viele Tücher in Bayern
und von dort weiter gegangen. Dependiret also von höheren
Befand, ob nicht mit Bayern ratione commercii ein Vernehmen
zu treffen, oder wenigstens die Weege des weiteren Debits zu
öffiien wären, da doch auch Bayern für seine Fabriquen die
Hungarische Wolle brauchet. Bey der Lintzer Fabrique ist
nicht zu begreiffen, warum nach erreichtem Quali in allerhand
Waaren nicht auch das Pretium mittels guter Anstalten er-
reichet werden sollte? Wegen des grossen Mangels an derley
Waaren wäre zu verstatten, dass man sich von seithen Mährens
270
in Bothaner Fabrique über ein und andefes belehren und
etwelche Persohnen dahin in die Lehre geben dörffte. Durch
die in Pohlen so annehmliche Eisen -Waar der Ober -Oster-
reichischen Gewerbschaflft wäre das Pohlnische Wachs-Negotium
einzuleiten und der Baratto in Troppau zu facilitiren.
Das Negotium mit denen Italienern brauchet eine grosse
Fürsichtigkeit, massen sie zwar sehr accurat aber bis zum Be-
trug eigennützig seynd und sich absonderlich in der Correspon-
denz solcher Ausdruckungen gebrauchen, welche sie auf alle
Fälle zu ihrem Besten auslegen können. Die Wäkche Justiz
ist gegen die Schuldnere prompt und scharff; man arretieret
sie sonder Umgang und entlasset sie nicht, sie haben denn
völlige Richtigkeit gepflogen. Nachtheilig aber ist das Asylum
in Clöstem, wo sie zu grossen Schaden ihrer Creditorum auf
Nachlasse accordiren.
IV. Betreffend das Mährische Commercium in speeie,
so hat dieses Land quo ad intra sehr berühmten, häuffig ans-
fiihrenden Flachs und vielen Hanff. Die WoU ist zwar nicht
so gut, kann aber verbessert und vermehret werden, auch ist
der Hungarische Uberfluss an der Hand. Man hat viele auch
ausländische geschickte WoU- und Lein -Arbeitere, wohlfeile
Lebensmittel, und denen Manufacturen wird durch die neuen
Tariffen und durch die Obsicht des Manufacturen-Amts auf-
geholffen, mithin seynd alle Erfordemussen vorhanden, derlei
Fabricata durch Güte und Wohlfeilkeit in der Welt auszubreiten.
Quo ad extra, und praescindendo von der Communication mit
denen Teutschen Erbländern, ist Mähren das Land, woher
Himgam seine erforderliche viele und im Land selbst nicht
erzeugende WoU- und Lein-Waaren am nächsten und wohl-
feilsten zu hohlen hat, und bei dieser Gelegenheit zur Abnahm
anderer Waaren wie ehehin vermöget, mithin von Leipzig;
Frankfurth an der Oder und Bresslau abgezogen werden kann.
Es werden freilich denen Hungam viele mährische Fabricata
hujus rubricae zugeflihret. Weilen sie aber solche nicht selbst
in Mähren hohlen dörffen, so folget eben hieraus, dass sie
• • •• _
alles Übrige aus obbesagten fremden Orthern hernehmen. Und
da der grösste Handlungsflor eines Orths darinn bestehet, wann
fremde Waaren dahin gebracht, die eigenen aber von dannen
gehohlet werden, so müsse man trax^hten, denen Hungam aUes,
was sie nur brauchen, in denen benachbarten Erblanden zu ver-
271
schaffen und Urnen die Abnahme aus fremden beschwerlich zu
machen. Zu Erreichung des Ersten müssen zu Brunn, wohin
die WoU- imd Lein-Waaren besonders wohlfeil beygeschafft
werden können, die allschon bestimmten Messen eingeleitet
werden, um denen Hungam das Beneficium des kurtzen Weegs
muwenden. Ingleich wäre erforderlich von jenem, was die
Hungam aus der Fremde nehmen, Waaren-Lager aus der ersten
Hand, woher es nehmlich Leipzig, Frankfurth, Bresslau nähmet,
aiizalegen, um* sie in gleichen Quali et Pretio bedienen zu kön-
nen; wobey auch nützlich wäre, mit denen grössten Hungarischen
Negotianten BekanntschafiPt und ihnen Offerta zu machen. Das
Andere, nehmlich die Weege aus fremden Landen, zu praeclu-
diren,kann änderst nicht als durch LandesfUrstliche Anordnungen,
gleichwie die rectificirte Hungarische Tariffa ist, erreichet werden. ^
Mit Pohlen hat es quo ad manufacta die Beschaffenheit
wie mit Hungam, mit dem Unterschied jedoch, dass es weniger
baares Geld giebt, und man Juchten, Wachs, Vieh, rohes Leder,
Woll, rauhes Futter- Werk, Fadian etc. gegen fremde Waaren
zu verstechen suchet. Da nun die Pohlen zeithero in Bresslau
allerhand bessere Tücher, Halb- und Qanz-Rasche, Strumpf,
Hath, wollene Zeug, Seide, Nümberger Waare, feinere Lein-
wanden, Spezerey, Friandis, Wein und viele Steyrische Eisen-
Waare eingehandlet, Bresslau selbst aber viele von diesen
Waaren aus denen Erblanden nihmt oder durch solche kommen
lasset, diese also erwehnte Waaren selbst erzeugen oder fUglicher
ab extra verschaffen können und die rohe Pohlnische Pro-
ducta aller Orthen ihre An wehr haben, so wäre Troppau
gegen Pohlen, wie Brunn gegen Hungam zu einem Handels-
platz zu machen, mit dem Bedacht jedoch, dass auf eine
Troppauer Messe bald eine Brünner Messe zu folgen hätte,
auf welcher die Pohlen dasjenige respective anbringen oder
haben könnten, was ihnen zu Troppau übrig geblieben oder
nicht zu haben war.
Preussisch-Schlesien und Sachsen ist denen Erbländischen
WoU- und Leinfabriquen selbst überlegen, mithin bei denenselben
diesfalls nichts zu tentiren. Was Sachsen an Qam und Preussisch-
Schlesien an Flachsgam, rohen Häuthen und unzugerichteten
Leinwanden abnihmet, ist nur in so weit vortheilhafft als es einen
1 Der ScfantsxollUiif fdr Ungarn datirte vom 1. October 1764.
272
selbst nicht verarbeiten könnenden Uberfluss ausmachet Wann
man es aber diesen beiden Ländern^ wie es seyn kann, nachthun
will, so erfolget doppelter Nutzen, nehmlich die Nahrung deren
Landesfabrikanten und nebst Herbeybringung des Commercii
auch der Gewinn, so diese beyde Länder jezo ziehen. Der-
mahlen wird auch Pottasch, Knoppem, gedörrtes Obst, Wein, etc.
als ein Uberfluss nach Schlesien nützlich versendet, welches man
dortlandes, wegen vorhabender Emporbringung deren Erblän-
dischen Fabriquen, per repressalia, wiewohl allzeit mit Schaden
des eigenen Commercii, zurückhalten dürfte. Es hat aber nicht
viel zu bedeuten, denn das übermässige Pottaschenbrennen ist
nur eine Verschwendung des Holzes, so man in andere Weeg
besser verbrauchen kann, und für die übrigen Sachen, bis auf
den Wein, seynd die Verschleiss-Weege über Triest offen, und
der hoffende Gewinn weit grösser, als dieser geringe Einbuss.
Was aber ein und andere Particulares hierunter leiden dörfften,
verdienet intuitu boni publici keine Consideration und könnte
auch diesen Particularibus in andere Weege geholfen wer-
den. In Bayern und dem Römischen Reich, allwo es auf Local-
Erforschung ankommt, ist dermahlen nur mit Tuch etwas
zu thun, respectu Italiens aber das Nöthige. schon angef&hret
worden.
Die Mittel zu Erhebung des Mährischen Comercii seynd:
1°^^ die Excolirung deren Landes-Sachen nach dem Geschmack
der Abnehmer und Bewürkung eines a conto gehenden Preyses,
2^® die Facilitirung derer Verschleisse und Beybringung derer
Fabrique-Requisiten und anderer die Debite ad extra befördern-
den Waaren, 3^^ die Aufbringung hinlänglicher Kauff-Leüthe zu
Ausführung der unternehmenden Negotien. Ad primum be-
schäfftiget sich schon das Manufacturen-Amt, die Erkanntnoss
derer Landes -Facultatum, Uberfluss und Abgangs-Zahl und
Geschicklichkeit der Professionisten etc. zu erlangen und die
Gebrechen zu verbessern, wie dann zu verschiedenen neuen
Erzeugungen, als Röthe, Weyde, Maulbeer-Bäume, feiner Tuch-^
Lein- und Zeug- Arbeit, Gelbgiesserey, Camelhaar-Gespunst etc.
der Grund geleget worden. Ad secundum ist der Ghrund durch
die Tariffen, Frey-Pässe auf die Fabrique-Nothdurfften, eingelei-
tete Messen, gute Weege, Post- und Fuhrwesens- Anstalten etc.
ebenfalls schon geleget, und vortheilhaffte Commercien-Tract&te
werden es noch mehr unterstützen. Dahero ad tertium annoch
273
die Aufbringung der Negotianten zu besorgen wäre^ masseii in
Mähren ausser der Lehnbanks-Compagnie keine ku denen er-
forderlichen Unternehmungen geschickte Handels-Leüthe vor-
banden seynd^ sondern die Besten unter ihnen^ nehmUch die
Brünner, tragen nur das Geld aus dem Lande und suchen
von dem Land-Mann zu gewinnen. Das Negotium erfordert
Wissenschafft und Geschicklichkeit ^ Geld und Credit, Lust
und patriotische Gesinnung, welches sich aber selten in einer
Persohn vereinbahret, dahero wäre auf Compagnien, so viel
möglich aus Erbländem bestehend, fbrzudenken, deren auf der
vorgehabten Reyse verschiedene Wohlstehende angetroffen wor-
den. In einer solchen Compagnie müsste sich in ordine der
Geschicklichkeit und Wissenschafft wenigstens ein in der Hand-
lang wohl versirter und gut renommirter, obschon mit keinem
grossen Capital! eintrettender Elauffmann befinden. Die übrige
Interessenten könnten allenfalls nur Geld beytragen, welches
sonder Zweifel zu allen Unternehmungen hinreichend beyfliessen
würde, wann nur denen VermögUcheren durch Demonstrirung
des Nutzens Lust zur Handlung beigebracht und ihnen die
dem Publice et Commercio so schädliche Gemächlichkeit, von
denen Interessen zu leben, benommen, haubtsächlich aber die
Bejtrettung des Adels mit seinem Vermögen erreichet werden
könnte. Wobey nicht unberührt zu lassen, dass solcher in
Frankreich durch eine königl. Erklärung, wienach ein Com-
mercium all grosso demselben nicht derogire, aufgemunteret
worden, und dass das Venetianer Commercium abgenommen
babe, als sich die Nobili desselben zu entschlagen, mithin es
an Protection, Anstalten und Errafften zu gebrechen angefangen.
Denen Ausländem wären die Inländischen Handlungen, abson-
derlich bei Herbeibringung eines ansehentlichen Capitals nicht
zu verwehren, doch seynd die Negotia samt dem Nutzen in
denen Händen derer Erb - Unterthanen besser aufgehoben.
Wenigstens selten die Ausländer mit denen Inländern ver-
banden, übrigens aber die patriotische Gesinnung durch vorbie-
gende Gesätze eingepräget werden, massen sonst der Kaüffmann
sein Interesse dem Publice vorziehet. Es wäre kundzumachen:
l"** dass man denen, so nutzbahre Handlungen etabliren wollen,
alle billige Freyheiten und Sicherheit verwilligen, die kostbahre
Cognitiones beybringen und zu Instradirung des Negotii samt
dem Fingerzeig allen Vorschub geben wolle. 2'^*' Nachdeme die
Archiv. Bd. LXXHI. I. Hilfte. 18
274
bisherige GeringschÄtaung derer Eauff-Leüthen verursachet,
dass jsie nach erworbenen Oapitali^i den Adel and Güter er-
kauffet, das Geld aber dem Negotio entzogen, so müssten sie
versichert werden, dass man jenen, so gewisse vortheilhaffte Vor-
kehrungen erweisen wurden, nach Proportion die in linea
commerciali offen werdende Raths- oder andere Ehren-Stellen,
ja sogar den Adel verleihen wolle; massen auch Venedig^ den
berühmten Leinfabrique-Entrepreneur Lenussi fiir einen Nobile
angenommen. 3^^^ hat sich bishero in Mähren von dämmen kein
Kauffmann auf den Grosso-Handel verlegen wollen, weil sie
darbey nicht minutiren dörffen, wo doch dem Minutirer all
grosso zu handien freystehet. Dahero wären die Minutirer ein-
zuschränken, die Grossirer aber, besonders ani^glich, zu be-
fördern, welches dardurch erreichet würde, wann da, wo der
Verleger aufhöret, der Minutirer anfangen darff, und dem
Ersteren die Verkauffs-Quanta möglichst herabgesetzet werden,
e(xempli) g(ratia) bey denen Tüchern bis auf ein ganzes Stuck
und so weiter. Dann wann man dem Verleger auch den gäntz-
liehen Minuta-Handel lassete, so dörffte sich selber darmit be-
gnügen und sich um den Debit ad extra nicht bekümmern.
Wann aber der Minutirer, so selten die rechte Wissenschaft
hat, auch den Verleger macht, so wird diesen Letzteren der
Handel verdorben.
Pro nunc sollte forderist die Lehen-Bank von denen be-
schriebenen nützlichen Erforschungen profitiren und mit nütz-
lichen Unternehmungen die Bahn brechen.
Archiv
für
isterreichische Geschichte.
Herausgegeben
▼on d«r
zur Pflege vaterländischer Geschichte aufgestellten Commission
der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Dreiundsiebzigster Band.
Zweite Hälfte.
Wien, 1888.
In Commission bei F. Tempsky
Baehhindler d«r kait. Akadtmi« dtr WiHUuelufWn.
Archiv
fflr
Österreichische Geschichte.
Herausgegeben
Ton der
ZOT Pflege vaterländischer Geschichte aufgestellten Commission
der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Dreiundsiebzigster Band.
Wien, 1888.
In Commission bei F. Tempsky
Bnehliindler d«r kaU Akademie der Wie— necbillen.
Druck von Adolf Holzhaasen in Wi«n,
k. k, Hof- und UniTaraiULU-BacUdruck«-.
Inhalt des drelundslebzlgsten Bandes.
S«it«
Erzherzog Carl and Prinz Hohenlohe-Kirchbergf. Ein Beitrag: zur Ge-
scbichte des Feldzngfes in die Champa^e (1792). Von Dr. H.
R. ▼. Zeissberg 1
Zur Wahl Leopold I. (1654—1668). Von Dr. Alfred Francis Pribram,
I>ocent an der Universität in Wien 79
Eine &intlicbe Handlungsreise naeb Italien im Jahre 1754. Ein neuer
Beitrag zur Gescbichte der österreicbischen Commercialpolitik
▼on Dr. August Fournier, o. ö. Professor an der k. k.
deutschen Universitfit Prag 223
NeerologiuBD des ehemaligen Benedictinerstiftes Ossiacb in Kärnten.
Bearbeitet von P. Beda SchroU, O. 8. B 275
I>er Humanist und Historiograpb Kaiser Maximilians I. Joseph Grünpeck.
Von Albin Czerny, regulirtem Chorherm und Bibliothekar zu
St. Florian 316
Geschichte des Clarissenklosters Paradeis zu Judenburg in Steiermark.
Von P. Jacob Wi ebner, Archivar des Stiftes Admont .... 366
D^ Bmcker Landtag des Jahres 1672. Von Dr. Franz Martin Mayer 467
NECROLOGIUM
DBS
EHEMALIGEN BENEDICTINERSTIFTES
OSSIACH IN KÄRNTEN.
BEARBEITET
VON
P. BEDA SCHROLL, o. s. B
Ar^T. Bd. LXXm. n. Hilfto. 19
Einleitung.
JDas Benedictinerstift Ossiach wurde von den Eltern des
Patriarchen Poppe von Aquileia (1021 — 1042) gegrtlndet. Der
Patriarch löste das von seinen Eltern gegründete Stift aus der
Vogtei seines Bruders Ozzius und stellte dasselbe unter die
Vogtei des Patriarchates, welche Verfügung der deutsche König
Konrad 11. der Salier (1024—1039) bestätigte und König Kon-
rad in. am 14. Mai 1149 erneuerte.
Die Namen der Stifter sind nicht bekannt. Nach einer
Legende hiessen sie Ozzius und Irenburg. Im folgenden Ne-
crologium erscheinen Ozzius am 23. October, Irenburg am
4. April und Patriarch Poppe am 28. September angeführt.
Von dem Qeschlechte^ welchem sie angehörten, wissen wir nur
so viel, dass sie zu der Verwandtschaft des Bischofs Meinwerk
von Paderborn gehörten.
Das Stiftungsjahr ist ebenfalls unbekannt; doch kann die
Stiftung nicht nach 1039, dem Todesjahre des Königs Konrad II.,
erfolgt sein. Da dieser König sich im Frühlinge 1026 in der
Lombardie aufhielt, Patriarch Poppe sich zur Begrtissung des-
selben dahin begab, so ist es wahrscheinlich, dass bei dieser
Gelegenheit die Bestätigung der Ablösung und Uebertragung
der Vogtei von dem Bruder des Patriarchen Poppe, Namens
Ozzius, an das Patriarchat durch den König stattfand. Daher
IUU88 die Stiftung Ossiachs durch die Eltern Poppos vor 1026,
und da schon der Sohn derselben, Ozzius, als Vogt erscheint,
uia das Jahr 1000 stattgefunden haben.
Der erste urkundlich bekannte Abt Wolfram erscheint 1063.
Die Series abbatum in Wallner's ,Annus millesimus Ossiacensis'
und in den ,Annales Ossiacenses^ im VII. Bande des Archivs
^r Kunde österreichischer Geschichts-Quellen zeigt sich nach
19»
278
dem noch erhaltenen urkundlichen Materiale als unvollständig
und theilweise unrichtig. Das Stift wurde am 1. März 1783
aufgehoben.
Das folgende Necrologium befindet sich in dem Codex
Nr. 7243, Fol. 217—223 der k. k. HofbibHothek in Wien und
ist kein Original, sondern blos ein Auszug aus dem Todten-
buche Ossiachs, welcher aus den Excerpten des Marcus Hansiz
stammt. Das Original ist verloren gegangen. Herr S. Herzberg-
Fränkel, Privatdocent an der Universität in Wien, sagt über
dasselbe Folgendes: ,Obgleich der grösste Theil der Namen
der neueren Zeit angehöii;, sind auch das 12., 13. und 14. Jahr-
hundert genügend vertreten; wir finden zahlreiche Aebte, oft
leider ohne Ortsanweisung, und viele Adelige, besonders Orten-
burger und Dietrichsteine. Der sagenhafte Gründer Ossiachs,
Ozzius comes, hat unter dem 23. October seine Stelle geftmden.
Wann dieses Todtenbuch angelegt ist, lässt sich aus dem Aus-
zuge nicht entnehmen. Gräfin Hemma, die Stifterin von Qurk,
wird noch nicht ,beata^ genannt. Der Notiz über das Erdbeben
zum 25. Jänner ist die Jahreszahl 1348 beigesetzt; eine solche
Nachricht aber wäre kaum aus einem älteren Todtenbuche
übernommen worden. Ich vermuthe daher, dass das Original,
welches dem Auszuge zu Grunde liegt, im 14. Jahrhunderte
schon vorhanden war und bis in das 17. im Gebrauche stand.^
Neorologinm.
Januariu8.
KaL Jannarii (1. Jänner).
Alheidis^ cometisBa de Ortenburg.^
IV. Won. (2. Jänner).
Eberhardus abb.^ et Hartmannus abb. de s. Lamperto.^
— Rudolfos abb. de s. Paulo.*
^ Gräfin Adelheid Ton Ortenbarg, Gremahlin des Grafen Friedrich II.,
Tochter des Grafen Meinhard m. von GOrz-TiroI, starb 1283 oder 1284.
(Dr. Tangl, Die Grafen yon Ortenbarg, II. Abth., 63 im 36. Bande des
Arch. fQr Kande Osterr. Gesch.-Qaellen.) Graf Friedrich IL starb am
28. März 1304. (Rabeis, Monam. eccl. Aqaileg., 731 ; Necrologiam des Pre-
diger-Ordens in Cividale.)
' Eberhard, M($nch yoii Prüfening, Abt von Aspach, wo er resignirte,
dann Abt von Prüfening, 1163 — t 1- JÄnner 1168. Einige Necro-
logien haben den 2. Jänner. (Braomüller, Reihe der Aebte im Kloster
Prüfening [jetzt Priefling] in den Stadien aas dem Benedictiner-
Orden etc., HL Jahrg., I. Bd., 132.)
' Abt Hartmann von St Lambreoht, 1102? — 1108? Er starb 1114
(Pangerl in den Beiträgen zar Kande Steiermark. Gesch.-Qaellen, 11, 136;
Brunner, Benedictinerbach, 197.) Die Necrologien von St. Lambrecht
(Pangerl in Fontes rer. aastr., H. Abth., 29. Bd.) and St. Paul (SchroU,
im Arch. für vaterländ. Geschichte etc. , heraasgegeben von dem Kämtn.
Gesch.-Vereine, X. Jahrg.) haben denselben Tag.
* Abt Rudolf von St. Paul im Lavantthale, 1302— 1311. (Neugart,
Bist, monast. s. Pauli, 11,65; Schroll, Gesch. von St. Paul in der Zeit-
schrift Carinthia, 1876; Schroll, Urkandenbuch von St. Paul in Fontes
rer. austr., II. Abth., 39. Bd.) Das Necrologium von St. Paul erwähnt
Beiner am 18. März.
J
280
Vin. Id. (6. Jänner).
Berenhardus pius dux de Karin tfaia senior.^ — Duringus
abb. de Arnoldstein.^ — Andreas abb. de Malhartßtorflf. ^
VII. Id. (7. Jänner).
Johannes abb. de Arnoldstein.*
V. Id. (9. Jänner).
Ortwinus abb. de Belenga.*
IV. Id. (10. Jänner).
Johannes abb. de s. Lamperto.^
m. Id. (11. Jänner).
Sigismandus prepositus s. Nicolai extra menia Patauie."
II. Id. (12. Jänner).
Perengerus abb. s. Lamberti.^
Friedericus abb. Augustinus abb. huius loci.®
* Herzog Bernhard von Kärnten aus dem Hause Sponheim, 1199—
1202 gemeinschaftlich mit seinem Bruder, Herzog Ulrich II. ; dann allem
1202 — 1256. Er wird hier »senior' genannt im Gegensatze zu seinem
Sohne Bernhard, welcher als Jüngling starb und zu Landstrass in Krain
begraben ist. Herzog Bernhard wurde am 10. Jänner 1266 in der Stifts-
kirche zu St. Paul, dem alten Begräbnissorte der Sponheimer, beigesetzt.
(Neugart, 1. c, I, 78; SchroU, Gesch. der Sponheimer in der Carinthia,
1873; ürkundenbuch von St. Paul, 1. c, Nr. 94, pag. 147.)
' Die Regierungszeit des Abtes During von Arnoldstein ist urkund-
lich nicht bekannt. Er fehlt auch im Abtverzeichnisse bei Marian.
(Austr. Sacra, V, 361.)
3 Abt Andreas Mullich von Mallersdorf, 1464 — resignirt 1476
(Monum. boic. XV, 263.)
* Abt Johann I. von Arnoldstein, 1324 — 7. Jänner 1330. (Aineth, Die
Aebte von Arnoldstein, Msc. im Arch. des Kärntn. Gesch.-Vereines;
Marian, 1. c, V, 365.)
* Abt von Beligne bei Aquileia. Das Necrologium von StLambrecht
hat denselben Tag.
6 Abt Johann I. Fridberger von St. Lambrecht, 1341— 1358. (Brnn-
ner, 1. c, 200.) Die Neurologien von St. Lambrecht und St. Paul haben
denselben Tag.
■^ Propst Sigismund Reilacher von St. Nicolai bei Passau, 1619—
1539. (HundiuB, Metrop. Salisburg., H, 402.)
« Abt Pernger von St. Lambrecht, 1181?— 121«. (Pangerl, 1. c, 137;
Brunner, l. c, 198.) Das Necrologium von St. Lambrecht stimmt überein-
« Abt Augustin von Ossiach, 1462—1472, in welch letzterem Jahreer
am 31. December resignirt. (Wallner, Annus milles. Osdae. 84 j Ankers-
281
ErasmoB abb. montis s. Georgii.^
Id. (13. jÄnner.)
Hainricus dux Austrie.^ — Maximilianus, rom. rex hora
tercia ante diem a. 1519.^
XVm Kai. (15. Jänner).
Hertnidus abb. Admunt.* — Dominus Wolfgangus
Puechaimer.
XIV. KaL (19. Jänner),
Johannes abb.^
hofen, Annales Ozziac., 1. c.) Er wurde am 4. September 1462 von
dem Bischöfe Tibold von Lavant als Commissär des Erzbischofs Burk-
hard von Salzburg confirmirt. (Orig. Perg., Arch. des Kärntn. Gesch.-
Vereines.) Erzbischof Bernhard bevollmächtigt am 12. December 1472
den Jacob Sam, Propst am Vergilienberge zu Friesach, und Paul Megkh,
Propst von Maria Saal, die Resignation des alten kranken Abtes Augustin
von Ossiach anzunehmen, ihm eine Pension anszumitteln und einen
Nachfolger erwählen zu lassen. (A. Eichhornes Urk.-Sammluug im Arch.
zu 8l. Paul, Msc.) Die Annahme^ der Besignation erfolgte am 31. De-
cember. Nach Mezger (Hist. Salisb.) starb er 1473. Das Necrologium
TOD St. Paul erwähnt seiner am 12. Februar.
' Qeorgenberg oder Fiecht in Tirol.
' Herzog Heinrich U. von Oesterreich, 1141 — 1177. (Meiller, Babenb.
Reg.) Die Necrologien von St. Lambrecht, Admont (Friess, im 66. Bande
des Arch. für Osterr. Gesch.), ELlosterneuburg (Dr. Zeibig, im VII. Bande
desselben Archivs), Schottenstift uud Klostemeuburg (Pez, Script, rer.
austr., I, 699. 491), Heiligenkreuz (Gymnas.-Zeitschrift 1877), Seckau
(Cod. 390, Msc. in der Universitätsbibl. zu Graz) haben denselben Tag.
Das Necrologium von Klein-Mariazell (Studien, 1. c, I. Jahrg., II. Heft)
bat den 12., die von Melk (Pez, 1. c, I, 30) und Lilienfeld (Dr. Zeiss-
berg in Fontes rer. austr., II. Abth., 41. Bd.) den 14. Jänner.
' Kaiser Maximilian L, 1493 — 1519. Die Necrologien von Nonnberg
(Friess, im Arch. für österr. Gesch., 71. Bd.), Admont (Pez, 1. c, II), Klein-
Mariazell und Schottenstift erwähnen seiner am 12., das von Lilienfeld
am 25. Jänner.
^ Abt Hertnid von Admont, 1391 — 1411. (Wichner, Gesch. von Admont,
^101.) Das Necrologium von Admont bei Pez erwähnt seiner am 18. Jän-
ner, das von Tegemsee (Beiträge zur Kunde Steiermark. Gesch.-Quellen,
m, 86) am 12. Jänner.
'Abt Johann Pflug von Raitenhaslach, 1417—1438, dessen die
Necrologien von Admont bei Pez und Domstift Salzburg (Dr. Wiedemann,
im Arch. für Kunde österr. Gesch.-Quellen, 28./1. Bd.) am 18. Jänner ge-
denken. Nach Hundius (1. c, IH, 138) starb er 1438, XV. Kai. Januarü;
* 9qIX wohl heissen ,Februarii*.
282
X. Kai. (23. Jänner).
Benedictu8 abb. de Amoldstain a. 1553, hie in Ossiach
professus.^ — Benedictus abb. in AtÜ a. 1569.^
Vm. Kai. (25. Jänner).
Reverendissimus et piissimus Georgias de Euenbarg,
archiepisc. Salisb. a. 1587.3 — Terre motus a. 1348.*
VI. Kai. (27. Jänner).
Michael abb.^
V. Kai, (28. Jänner).
Dietricus abb.^
ra. Kai. (30. Jänner).
QregoriuB episc. noue ciuitatis.^
Februariu8.
Kai. Febmarii (1. Februar).
Hainricus abb.^
1 Abt Benediet Taxer yon Arnoldstein, 1516 — 12. Februar 1544, an
welchem Tage er resignirte; dann nach wenigen Monaten, als sein Nach-
folger Franz Rosaris ebenfalls resignirte, zum zweiten Male 1544— res-
gnirt am 26. März 1562. Er starb 1663. (Marian, 1. c, Y, 374.) Das
Necrologium von Nonnberg hat den 22. Jänner.
2 Abt Benedict Hohendanner TonAttl, 1647—1569. (Monom, boic,
I, 264.)
3 Georg YonKuenbnrg, Coadjutor des'Erzbischofs Johann Jacob, 1580—
1686, dann Erzbischof yon Salzburg, 1686—1687. Garns (Series
episc. 307) hat ebenfalls den 26., das Necrologium von Nonnberg aber
den 26. Jänner.
* Das heftige Erdbeben, welches in Kärnten, Krain und Steiermark grossen
Schaden yerursachte. (A. Rauch, Script, rer. austr., n, 323; Pes, 1. c, 1^
'412. 496). Die Stadt Villach litt grossen Schaden; durch den Berg-
sturz am Dobratsch wurden viele Ortschaften, darunter das Pfarrdorf
St Johann, verschüttet. (Arch. für vaterl. Gesch. Kämt., VII, 66; Unrest,
Kämt. Chronik.)
» Abt Michael von Garsten, 1336—1362. (Pritz, Gesch. von Garsten,
31; Friess, Gesch. von Garsten, in Studien etc., 11. Jahrg., 1. Heft, 16.)
Nach den Necrologien von St. Lambrecht und Admont bei Pez starb er
am 28. Jänner.
« Abt Dietrich Pruchler von St. Paul, 1284—1289. Er wurde von
St. Peter in Salzburg zum Abte von St. Paul postulirt. (Nengart, 1. c, Ü;
Schroll, 1. c.) Das Necrologium von Admont bei Pez hat denselben Tag-
' Bischof Gregor Angerer von Wiener-Neustadt, 1630— f 2. April
1648. (Dr. Kerschbaumer, Gesch. des Bisthums St. Polten, I, 661.)
8 Abt Heinrich von Milstat, 1166 — circa 1186; denn das Necrologium
von Milstat (Perg.-Cod. im Arch. des Kärntn. Gesch.-Yereines) hat x^
283
Oswaldos abb. in Mettn.* — Wolfgangus Marbawser^ abb.
Ratenbaslach. — Mathias Stossberger abb. — Philippus
Perzelius abb. 1620. — Christoph. Marhofer 1624, omnes
abb. Ratenhaslach.^ — Chunradus abb. Chremifan.
IV. Ion. (2. Februar).
Bernardus abb. Chunradus Auer, abb. in Attl 1573.^
IIL Ion. (3. Februar).
Vdelhardus abb. istius loci.^ — Hermannus abb.
Vm. Id. (6. Februar).
Helena cometissa de Ortenbarg. ^
IV. Id. (10. Februar).
Sigismundus Frisch, abb. huius loci 1556.^
diesem Tage: ,Heinricii8 abb. 8. Balvatoris*. Die Necrologien yon St. Lam-
brecht, 8t Peter (Meiller im Arch. fOr Kunde Osterr. Gesch. -Quellen,
19. Bd.), Domstift Salzburg, Nonnberg und Admont stimmen ttberein.
^ Abt Oswald I. yon Metten in Baiem, 1497—1516. (Brunner, 1. c, 510.)
Hondius (L c, ü, 347) hat ftlr diese Zeit zwei Aebte: Abt Oswald I.,
1493 -t 6. Jänner 1503; Abt Oswald n., 1503 —f &• Februar 1514. Siehe
auch Monum. boic, XI, 350.
' Abt Wolfgang Manhauser,' 1667— resignirt 1690, starb am 26. Atigust
1594. Abt Mathias Stossberger, 1590 — f 18. November 1601. Abt
Philipp Percellius, 1601 — f 19. December 1620. Abt Christof II.
Mayrhofer, 1621 — f 17. Mai 1624; alle Aebte von Raitenhaslach.
(Monum. boic, III, 102.)
' Abt Conrad I. Auer von Attel, 1669—1673. (Monum. boic, I, 264.)
Das Necrologium von Nonnberg hat den 1. Februar.
^ Abt Udelhard von Ossiach lebte im XII. Jahrhunderte, ist aber ur-
kundlich nicht bekannt. (Wallner, 1. c, 66.) Nach Mezger starb er 1 187.
Hier ist eine Lücke in den Urkunden, indem Abt Berthold, welcher
nach Wallner 1182 gestorben sein soll, 1177 das letzte Mal, Abt Uild-
ward aber erst 1187 vorkommt. (Orig.-Perg. im Arch. des Kärtn. Gesch.-
Vereines.)
^ Gräfin Helena von Ortenbnrg, Gemahlin des Grafen Albrecht 11.
Ihr Todesjahr ist unbekannt; doch überlebte sie ihren 1335 verstorbenen
Gemahl. (Dr. Tangl, 1. c, 11, 177; Dr. Göth, Ürk.-Reg. in Mittheil, des
Steiermark. Gesch .-Vereines, V. Jahrg.) Das Necrologium von Renn
(Diplom, sac. Styr. U) hat als Todestag den 7. Februar.
• Abt Sigmund Frisch von Ossiach, 16. April 1666 — f 1^« Februar
1656. (Wallner, 1. c, 86; Annales Ozziac, 1. c)
Id. (13. Februar).
Dymodis abbadsea.' Älhaydis monaclia nostra congr.
Cbilianus abb. b. Petri.^
XTI. KaL Martii (14. Februar).
Johannea abb.^ — Nobilis vir Johannes Snebetss in
Ämoldstain 1Ö14.*
XV. Kai. (15. Februar).
Otto abb."' — Christiannus abb.
XIU. Kai. (17. Februar).
Symou abb. de Sewn.*
Xn. Kai. (18. Februar).
RemuuduB patriarcba de Aquileia.'
XI. Kai. (19. Februar).
Ottilia abbattssa.^
VI. Kai. (24, Februar).
Dietmams abb. a. Petri, mon. nostre congr.*
■ AebtisBiu Diemut des BenedictinerinnsnRliilea 6L Geor^ea an<
Längaee, welche 1S91 nrkandlich vorkommt. Vna Necrologium von
St. Lambrecht erwKbut ihrer am 14. Februar.
1 Abt Chilian Fitrich von St. Peter, lG!d-1535. (Sotat. chron
a. Petri, 4öG.) Du Necrologium von Seckau (cod. 390, 1, c.) bat den
aelbsD Tag, du von Nouaberg deo 14, Februar.
' Abt Johann IL von Admont, 1360—1361. (Wiehner, I. c, UI, 64
Die Necrologien van Admont, St. Petar, Domstift Salzburg baben den-
selben Tag.
< Aus der edlen kSrtn. Familie der Schneeweiss sn AmoldsteiD. (Wd;.-
Kärntens Adel, 243. 310.) Sie erscheinen zaerst im XV. Jahrhnnderi
unter dam Adel Kärntens. (Hermann, Oesch. von Kärnten, 1, 380.)
> Abt Otto von Milstat, circa 1242 — circa 12G3. Das Necrologiui
von Milstal slinimt Uberein; das von St. Lambrecht bat den 14. Febroi
und nennt ihn ausdrücklich Abt von Hilslat.
0 Abt Simon Farcber von Seon, 138G — t 20. JSnner 1411. (Maigv,
I. c, 1178; Monom, boic, U, 120.) Nach Hnnd (I. c, m, 241) aUtb •■
am ao. Jänner 1112.
' Patriarch Raimund
bruar 1209. (Bubeis, I
disca, 300.)
B Aebtissin Ottilia vi
NecTologium von Admi
« Abt Dietmar II. von
291} Das Necrologiun
285
V. Kai. (25. Februar).
Lupoldus abb.'
IV. Kai. (26. Februar).
Hainrieus abb. — Ambrosius Mintzer, abb. v. Emmerani.^
Martiu8.
VI. Von. Martii (2. März).
Eufemia^, läula, monache nostre congr. Benedictus
abb. V. Lamperti, 1662.^
IV. Won. (4. März).
Dittricus episc*
Ion. (7. März).
Hermannus, abb. istius loci.^
Vm. Id. (8. März).
Dittmarus abb. istius loci.^ — Perchta, mon. nostre congr.
^ Abt Liupold Ton Rosazzo in Frianl erscheint- in Urkunden des
Patriarchen Peregrin I. von Aquileia 1152 und den 20. October 1154 als
Zeuge. (Urkundenbuch von Steiermark, I, 338; Schroll, Ürk.-Reg. von
Ebemdorf) Nr. 11, 21.) lieber die Stiftung von Rosazzo siehe Rubeis, 1. c,
565; Dr. Tangl, Die Grafen, Markgrafen und Herzoge aus dem Hause
Eppenstein, IV. Abth., 39 im Arch. für Kunde österr. Gesch.-Quellen.
Das Kecrologium von Milstat erwähnt seiner am 26. Februar als ,abb.
Bosac. et mon. nostre congr.*.
^ Abt Ambros Münzer von St. Emmeran in Reg^ensburg, 11. Mai 1517
— 129. Jänner 1535. (Braumüller in Studien, 1. c, IV. Jahrg., IL Bd., 133.)
' Das Necrologium von St. Lambrecht hat zu diesem Tage sec. XIH. eine
,Offemia, conv. Oziac.'.
^ Abt Benedict Pierin von St Lambrecht, 1638^1662. (Mezger,
L c, 1193.)
* Dietrich I. von Kolnitz, Bischof von Gurk, 1179—1194, in welch
letzterem Jahre er resignirte. (Schroll, Series episc. Gurc. im XV. Jahrg.
des Arch. für vaterl. Gesch. Kärntens.) Sein Todesjahr ist unbekannt.
Die Necrologien von Milstat, St. Peter, Nonnberg, St. Lambrecht setzen
seinen Tod auf den 3. März, das der Karthause Seitz (Diplom, sac. Styr.
II, 330) apf den 21. März. Hohenauer (Kirchengeschichte von Kärnten.
86) lässt ihn am 6. März 1194 sterben.
<^ Abt Hermann H. von Ossiach, 1275—1279. (Wallner, 1. c. Annales
Ozziac.) Abt Hermann erscheint urkundlich blos 1275; im Jahre 1277
aber der bei Wallner nicht vorkommende Abt Friedrich von Ossiach
(MittheU. des Steierm. Gesch.-Vereines, V, 216, Nr. V; Dr. Tangl, Die
Orafen von Ortenburg, II, 30, 1. c.) Im Jahre 1279 stand Abt^ Conrad
der Abtei Ossiach schon vor.
'Abt Dietmar IV. von Ossiach, 1301—1307. (Wallner, I.e., 77; Ann.
Ozziac., 1. c.)
286
VL Id. (10. März).
Thomas abb.'
n. Id. (14. März).
Eberhardus abb. nostre congr.^ — Otto miles de Dietrich-
stain.'
m
XVI. Kai. AprUis (17. März).
Rudolfds abb.^
Xn. Kai. (21. März).
Martinus abb.*
ZI. Kai. (22. März).
Ulricus abb.
IZ: Kai. (24. März).
Bertholdus abb.
VI. Kai. (27. März).
Thomas abb. in Arnoldstain.^
IV. Kai. (29. März).
Albero abb. istius loci, ' et
1 Abt Thomas von Göttweig, 1439— 1443. Er resignirte in leUterem
Jahre und starb am 10. März 1444. (Brunner, 1. c, 134.) Das Necro-
logium von St. Polten (Wiedemann, Font. rer. austr., IL Abth., 21. Bd.)
hat denselben Tag.
2 Abt Eberhard ron Ossiach, 1363—1365 (Wallner, 1. c, 81; Annal.
Osziac, 1. c), da sein Nachfolger Abt Michael schon am 7. März 1366
urknndlich vorkommt. Das Necrologinm von St Lambrecht erwähnt
seiner am 26. November, das von St. Paul am 29. November.
3 Aus der edlen, später fürstlichen Familie von Dietrichstein. Bitter
Otto erscheint 1360—1367 in Urkunden. (Arch. des Kämtn. Gesch.-yer-
eines.) Das Stammschloss Dietrichstein liegt bei Feldkirchen.
* Kudolf von Liechteneck, Abt von St. Lambrecht, 1387—1419.
(Brunner, 1. c, 200.) Die Necrologien von St. Lambrecl)t und Seckau
haben den 18. März.
^ Das Necrologium von St. Lambrecht hat an diesem Tage sec. XII eben-
falls einen Abt Martin ohner Ortsangabe.
^ Abt Thomas Steyerberger von Arnoldstein, 1441 ^1481. (Marian,
1. c, y, 372.) Das Necrologium von Admont hat denselben Tag.
^ Abt Albero II. von Ossiach, 1201 — f 29. März 1235. (WaUner,
1. c, 69.) Die Annales Ozziac. nennen diesen Abt nicht; es ist hier
eine Lücke. Die Angabe des Wallner ist unrichtig, indem in dieser
Zeit vier Aebte regierten, nämlich Albero L (siehe 13. October), Gott-
287
NicolauB abb. istius loci.^
HL KaL (30. März).
Heinricus abb.^
Aprilis.
Kalend. (1. April).
Mauras Maucher, abb. huius loci^ 1642.^
IV. Ion. (2. April).
Ulricus patriarcha.^ — Ulricus abb. — Leutoldus abb."^
HL Ion. (3. April).
Adamus Schrötell, abb. huius loci; 1595.^
fried 1206 — 1207, Conrad 1208 — nach 1220, Albero II. (Annales Ozziac.
ad 1215; Ankershofen, Urk.-Reg. Nr. 720, 742, 760, 774; ürkundenbuch
Ton Steiermark, n, Nr. 146, 181.) Nach Mezger roU Abt Albero 1212
oder 1250 gestorben sein. Gewiss ist letzteres Jahr unrichtig, da Abt
Hermann L 1246 als Zeuge urkundlich erscheint (Orig.-Perg. im Arch.
in St. Paul; Ankershofen, Urk.-Beg. Nr. 1069) und 1249 abgesetzt wird.
Nach den Annales Ozziac. soll diese Absetzung zwar 1251 stattgefunden
haben, allein am 6. November 1249 erscheint schon Abt Berthold III.
(Arch. für yaterländ. Gesch. Kärntens, IX, 90; Tangl, Die Grafen von
Ortenburg, I. c.)
* Abt Nicolaus von Ossiach, 1338—1342. (Wallner, l. c, 79; Annales
Ozziac) Das Necrologium von St. Paul stimmt überein ; das von St. Lam-
brecht hat den 30. MSrz.
'Vielleicht Abt Heinrich von Klein-Mariazell, welcher um 1336
lebte. Das Necrologium von Klein-Mariazell erwähnt seiner am 31. März.
Oder Abt Heinrich von Windberg, welcher am 30. März 1276 starb.
(Ifonum. boic, XIV, 6; Necrologium von Ober-Altaich im Arch. für Kunde
Osterr. Gesch.- Quellen, 26. Bd., 321.)
> Abt Maurus Mancher von Ossiach, 1629—1642. (Wallner, 1. c, 93;
Annale^ Oxziac.) Er wurde am 14. December 1628 gewählt und war
vorher Prior. (Orig. Oonsistor.-Begistratur Gurk.)
* Patriarch Ulrich H. von Aquileia, 1161—1182, ein gebomer Graf
von Treffen. (Bubeis, 1. c, 590; CzOmig, 1. c, 273.) Die Necrologien
von Milstat und St. Lambrecht stimmen überein; das von Admont bei
Pez hat den 1. April.
* Luitold, Graf von Pfannberg, Abt von St Paul, 1248-1258. (Neu-
gart, 1. c, n, 32 ; Schroll, 1. c.) Siehe über seine Abstammung Dr. Tangl,
Die Grafen von Pfannberg im 18. Bd. des Arch. für Kunde österr. Gesch.-
Quellen, pag. 121. Die Necrologien von St. Paul und St. Lambrecht
haben denselben Todestag.
* Abt Adam SchrOttl von Ossiach, früher Prior zu St Paul, vom
9. Juni 1593— 25. Juli 1595. (Wallner, 1. c, 90; Annales Ozziac.,
CoDsistor.-Begistratur Gurk.)
j
288
II. Non. (4. April).
Irenbiirgis, fundatrix huius eccl.^
Vn. Id. (7. AprU).
Adelbertus episc. Salczburg.^
V. Id. (9. April).
Chunradus episc. ^
IV. Id. (10. AprU).
Fridericus Hirsperger, abb. huius loci, vir etema me-
moria dignissimus, 1656.^
IL Id. (12. April).
Ulricus, abb. huius loci 1429.*
Id. (13. April).
Andreas Hasenberger, abb. huius loci, 155.5.*^
XV. Kai. Maü (17. April).
Hartwicus," Hainricus abbates.^
1 Gräfin Irenbnrg) die Matter des Patriarchen Poppo von Aqnileia^
Gemahlin des Grafen Ozzias, Stifters von Ossiach.
> Eribischof Adalbert von Salzburg, 1168—1177 und 1188—1200,
(Meiller, Salsb. Reg.) Das Necrologium von Nonnberg hat ebenfalls den
7. April ; die Necrologien von Admont, St. Lambrecht, Domstift Salzbarg,
Klosterneuburg, Melk den 8., das von Seckau (cod. 390, 1. c.) den 9. AprU.
» Erzbischof Conrad I. von Salzburg, 1106—1147. (Meiller, Sah-
burger Keg.) Die meisten Osterreichischen Kecrologien stimmen mit
diesem Tage überein; die von Nonnberg und Melk (Fez, 1. c, I, S03)
haben den 8. April.
* Abt Friedrich Hirschberger von Ossiaeh, 1642—1656 (Wallner,
1. c, 9S; Annales Ozziac) Er wurde am 5. Juni 1642 einstimmig in
einem Alter von 34 Jahren zum Abte erwählt und war vor der Wahl
Novizenmeister. Er starb nach der Anzeige des Conventes an den Erz-
bischof von Salzburg am 13. ApriL (Consistor.-Registratur Gurk.) Das
Necrologium von St. Paul hat ebenfalls den 13. April.
* Abt Ulrich von Ossiach regierte nach Wallner (I. c, 81) 1892
— t 13' April 1429. In den Annales Ozziac. ist hier eine Lücke.
Wallner hat hier zwei Aebte zusammengezogen. Abt Ulrich IL regierte
blos 1407—1429. Siehe 26. September. Das Necrologium von Ebemdorf
(SchroU, im 68. Bd. des Arch. für Gslerr. Gesch.) stimmt überein.
* Abt Andreas Hasenberger von Ossiach, 28. April 1528—1553.
(Wallner, 1. c, S7; Annales Ozziac) Das Necrologium von Nonnberg
stimmt übeirein; das von Ebemdorf hat den 12. ApriL
^ Abt Hartwig von St Paul, 1240—1248. Das Necrologium von
St. Lambrecht gedenkt seiner an demselben Tage.
» Abt Heinrich IL Moyker von St Lambrecht, 1419—1455. (Bnnmer,
L c, 200. "k Die Necrologien von St. Lambredit und Admont haben den-
289
XIV. KaL (18. April).
Volckmarus abb.*
Xn. Kai. (20. April).
Mainhardus comes.^ — Oswaldus abb. 1521.
X. KaL (22. April).
Hainricus abb.'
VnL Kai. (24. April).
Albertus, dux Karinthie.^
VL Kai. (26. April).
Jacobus, abb. huius loci.^
IV. KaL (28. AprU).
Fridericus, comes de Ortenburg, a. 1418.^
selben Tag; das 7on Seckau (cod. 390, 1. c.) hat denselben Tag und das
Todesjahr 1455.
* Das Necrologiom von St. Lambrecht nennt ihn am 19. April sec. XIV:
^Folchmaras, abb. de Milstat*; allein ein Abt von Milstat dieses Namens
ist nrknndlich nicht bekannt and auch im Abtverzeichniss bei Marian
nicht enthalten. Wohl aber hat Ossiach einen Abt Volkmar, welcher
1342—1353 regierte. (Wallner, 1, c., 79; Annal. Ozziac.)
' Dieser Graf Meinhard, sowie der am 12. Mai vorkommende kOnnen blos
Grafen von GKSrz oder Ortenbarg sein. Ich halte dieselben für Orten-
burger, da diese Dynastie im Necrologe vorkommt. Es sind daher Graf
Meinhard I. urkundlich 1289—1332 und dessen Sohn Graf Meinhard II.
von Ortenburg urkundlich 1329 — 1337 wahrscheinlich gemeint. (Dr.Tangl,
1. c, n. Abth., 126, 148; Huschberg, Gesch. des Gesammthauses Orten-
burg; Dr. Göth*s Ürk.-Eeg., 1. c, V— VII.)
^ AbtHeinrichI.vonGleink,1348— 1873. (Pritz,Gesch.vonGleink,177.)
Das Necrologium von St. Lambrecht erwähnt seiner an demselben Tage.
* Albert, Sohn des Herzogs Meinhard von Kärnten, starb am
24. April 1292. Das Chronicon von Stams (Pez, 1. c, II, 457) sagt: ,Anno
M. CC. XCn. in die s. Georgii martiris obiit Albertus, illustris dux Ca-
rinthie, filius fund&toris nostri.* Siehe auch Rubels, 1. c, 737; Fröhlich,
Archontologia Carinth., genealogische Tafel VI.
^Abt Jacob Rösler von Ossiach, 1523—1528. (Wallner, 1. c, 87;
Annal. Ozziac.) Er wurde am 25. November 1523 erwählt. (Orig.-Perg.
im Arch. des Rämtn. Gesch.-yereines.) Nach Mezger starb er 1527;
Allein der Prior Christof und der Convent erklären am 26. April 1528,
dass Abt Jacob an diesem Tage gestorben sei und am 28. April nach
dem Begräbnisse desselben der neue Abt gewählt werde. (Orig.-Pap. im
Arch. des Kämtn. Gesch. - Vereines.) Das Necrologium von Seckau
(cod. 390, 1. c.) hat ebenfalls den 26. April, das von St. Pmten den
6. Mai und das von Ebemdorf den 27. Mai.
* Oraf Friedrich HI. von Ortenburg, der Letzte seines Mannsstammes.
Mit ihm starb seine Dynastie aus und seine Besitzungen gingen in Folge
290
n. Kai. (30. April).
Wemherus, abb. pie memorie istius loci.^
Malus.
IV. Kon. Hau. (4. Mai).
Engelbertus abb.^ — Scbwikerus comes. — Erasmos
miles de Stemberg.'^
III. Kon. (5. Mai).
Ulricus abb.^
n. Kon. (6. Mai).
Symon, abb. buius loci.* — Hartmannas abb.
der Heirat seiner Schwester Adelheid mit dem Grafen Ulrich von Cilli
und des 1377 zwischen diesen beiden Häusern geschlossenen Erbvertrages
an die Grafen von Cilli über. Nach Haschberg soll Graf Friedrich
1420 oder 1421 gestorben sein, was durch die hier beistehende Jahres-
zahl 1418 corrigirt wird.
1 Wallner fahrt drei Aebte dieses Namens auf: Werner L 1283—1289,
Werner II. 1297—1300 und Werner XU. 1307—1315. Die ersten zwei
sind urkundlich nicht nachweisbar, da 1279 ein Abt Conrad, 1281 — 1294
Abt Berthold, 1295—1299 Abt Dietmar erscheinen. £^ kann also hier
nur .der 1307—1315 regierende Abt Werner von Ossiach gemeint
sein. Das Necrologium von St Lambrecht erwähnt seiner am 26. Mai,
sec. XIV.
^ Die Necrologien von St. Peter und Admont bei Pez haben zn diesem
Tage: ,Engilbero abb. de Oberburg* (in Untersteiermark), welcher um
1173 regierte. (Oroien, Das Bisthum Lavant, H, 11.) Das Necrologium
von Milstat hat aber an demselben Tage ebenfalls »Engelbertus abb. et
mon. nostre congr.* mit der Schrift des XU. Jahrhunderts. Er kann also
auch ein Abt von Milstat gewesen sein, obwohl dieser wegen Mangel
an Urkunden nicht nachgewiesen werden kann.
3 Sternberg bei Velden am WOrther-See war früher eine reichsunmittel-
bare Grafschaft. Die Grafen waren aber mit der Zeit so verarmt, dass
sie ein Gut nach dem andern, zuletzt Gräfin Katharina von Stemberg
und ihre Söhne Ulrich und Walther 1311 sogar die Burg Stemberg an
König Heinrich von Böhmen, Herzog von Kärnten, verkauften und als
Lehen wieder erhielten. Der letzte Graf Walther von Stemberg ver-
kaufte dann 1329 die Veste und Herrschaft Sternberg an den Grafen
Otto V. von Ortenburg. (Tangl, 1. c, II. Abth., 160.) Ritter Eraamus
von Sternberg gehörte einem BIlnisterial-Geschlechte an.
* Das Necrologium von St. Lambrecht hat an diesem Tage sec Xn einen
jVlricus, abb. Mosniz', das von St. Peter einen Abt Ulrich ohne
Ortsangabe. Es ist ,Ulrich abb. Mosacensis', Moggio, welcher 1164 —
1169 urkundlich vorkommt (Arch. des Kärtn. Gesch.-Yereines.)
^ Abt Simon von Ossiach 1354 nach den Annales Ozsiao. Wallner
(1. c, 79) erklärt, ihn nicht einreihen zu können. Nach MaigerfCiri» Aht
^
291
Vn. Id. (9. Mai).
Otakenis dux.' — Amestus abb.
VL Id. (10. Mai).
Bronno abb.^ — Benedictus arcbiepisc. Tiberiadensis,
prelatus huius monasterii 1458 VI° ascensionis domini.' —
Casparus Reiner, abb. et professus huius loci, cum laudabiliter
viginti quatuor annis pro et prefuisset 1621. Nota, ita quidem
ibi annuß adnotatur, sed erroneum esse, necesse est. Hansiz.*
V. Id. (11. Mai).
Johannes, abb. s. Lamperti 1518.^ — Hiltprandus abb.
Simon ü. 1352, was nicht möglich ist, da Abt Yolkmar 1342—1353,
Abt Simon blos 1354, dann von 1357 an Abt Engelbert in den Annalen
▼on Ossiach vorkommt. Urkundlich erscheint Simon am 31. Mai 1353
nnter Abt Yolkmar als Prior, während sein Nachfolger Abt Engelbert
erst am 11. März 1360 vorkommt. (Eichhom's Urk.-Sammlung im Arch.
zu St. Paul, Msc.) Abt Simon regierte also 1353 — circa 1356. Das
Necrolog^om von St. Lambrecht erwähnt seiner an diesem Tage sec. XIY.
* Ottokar VI. (Vin.), Markgraf von Steier, 1164—1180, Herzog 1180—
1192, der erste and letzte Herzog von Steiermark aas dem Geschlechte der
Tnangaaer. Die Necrologien vonAdmont, St. Lambrecht, Renn haben den
8. Mai, die von Seckaa (Diplomat, sac. Styr. and cod. 390, 1. c.) den 9. Mai.
* Abt Bruno von St. Paul, 1115—1138. Die Necrologien von St. Peter,
St Lambrecht, Milstat, Domstift Salzburg, Admont, Melk (Pez, 1. c, I, 306)
stimmen überein; das von St. Paul hat den 14. Mai. Er erscheint auch
im Verbrüderungsbuche von Seckau (Cod. 511 in der k. k. Hof bibliothek
in Wien) unter den als im Mai verstorben Angeführten.
' Benedict, Erzbischof von Tiberias, Abt von Ossiach, 1454 —
1457, in welchem Jahre er auf die Abtwürde resignirt (Wallner, 1. c, 84 ;
Amial. Ozziac.) Nach Mezger starb er 1458. Das Necrologium von Ebern-
dorf erwähnt seiner ebenfalls am 10. Mai; die von St. Paul und St. Lam-
brecht haben auch diesen Tag, aber mit der Bezeichnung ,professus Ossiac*.
' Abt Caspar Rainer von Ossiach, 15. September 1595 — 2. November
1616, an welchem Tage er resignirte. (Wallner, 1. c, 90; Annales
Ozziac; Consistor.-Registratur Gurk.) Er war zur Zeit der Wahl Prior.
Die Resignation erfolgte nach urkundlichen Daten im Consistor.-Arch.
Gurk und dem des Stiftes St. Paul im November 1616. Er starb am
30. April 1621. Am 28. April 1621 erliess das erzbischaf liehe Consisto-
riom an Caspar Rainer, Senior, ein Schreiben in Bezug auf die Confir-
mation des Abtes Johann Geisser. Am 3. Mai 1621 antwortet der Propst
Ton VSlkermarkt, Johann Franz Gentilottus, dem Abte Johann Geiser
von Ossiach auf die an ihn gelangte Nachricht, dass Caspar Rainer, der
alte Herr Prälat, gestorben sei; daher der 30. April 1621 als Todeszeit
richtig ist.
* Abt Johann Sachs von St. Lambrecht, 1478—1518 (Branner, l. c,
mfy Das Necrologium von St. Lambrecht stimmt überein; das Necro-
,UXUI. II. H&lfte. 20
292
IV. Id. (12. Mai).
Mainhardus comes.^
m. Id. (13. Mai).
Daniel Krachenwerger, abb. huius loci 1496.'
XVn. Kai. Jnnii (16. Mai).
Peregrinus pab*iarcha.-^
XIV. Kai. (19. Mai).
Hainricus, abb. istius loci.^
XI. Kai. (22. Mai).
Udalschalcus episc.^ — Hainricus abb.^
X. Kai. (23. Mai).
Percbtoldus patriarcha.'
logium von Seckau hat den 12. Mai mit folgender Collectiv-Eintragüng:
,yen. pater dns Johannes, abb. in s. Lamperto, Christophorus E^hastaer,
Johannes Ferner, Panlns Wochner, Johannes Lienfelder, Marquardns
MOtniczer, Bemhardns Hürbling, Johannes Marter, Pangracius Pirgkel,
Maurus Khogler, Wolfgangas Schmidleytter, Thomas Hornberger, Bem-
hardus Strennel, Michael Flantzscher, Christannus Stier, Andreas Yieregk,
Johannes Adam, Petrus Erman, Sebastianns Hainfelder, mon. et pbri
anno 1521/
1 Siehe 20. April.
2 Abt Daniel Krachenberger von Ossiach, 31. December 1484—
1496. (Wallner, 1. c, 85; Annales Ozziac, Arch. des K&rtn. Gesch.-
Vereines.)
3 Patriarch Peregrin II. von Aqnileia, 1195 — f 15. Mai 1204.
Rabeis, 1. c, 639; CzOmig, 1. c, 276; Neagart, Hist. monast. s. Pauli,
I, 74.) Das Necrologium von St. Lambrecht hat ebenfalls den 16, das
von Ebemdorf den 7. Mai.
* Abt Heinrich von Ossiach, 1315—1319. (Wallner, 1. c, 78; Anna-
les Ozziac.) Er erscheint am 7. Jänner 1316 schon als Abt (Eichhorn,
1. c, ex orig. Oasiac.) Das Necrologium von St. Lambrecht erwähnt
seiner am 26. Mai.
^ Bischof Udalschalk von Gurk, 1217— resignirt vor December 1220.
(SchroU, Series episc. Gare, 1. c, 15 und Anhang 1.) Er starb am 25. Mai
1231. Die Necrologien von St. Lambrecht, St. Peter, Domstift Salabur^
haben den 22. Mai, das von Nonnberg den 23. Mai, ein Fragment eines
Catal. episc. Gare. (Msc.-Perg. Nr. 205 im Arch. des Kärtn. Gesch .-Vereines)
den 25. Mai (in die s. Urbani) 1231.
6 Abt Heinrich L von Arnoldstein, 1383 — f 22. Mai 1386. (Marian,
1. c, 370.)
^ Patriarch Berthold von Aquileiü, 1218—1251. (Bubeis, 1. c, 677;
Czörnig, 1. c, 289.) Das Necrologium von Aquileia stimmt überein.
293
ülricus abb.* — Sebastianus Paltram, prepositus et archi-
diaconus in Garscb.^
Ym. KaL (25. Mai).
Ubicuß abb.^
Vn. KaL (26. Mai).
Fridericus abb. istius loci.^
VL Kai. (27. Mai).
Wolfgangus Nagell, abb. Burensis, 1551.^
V. Ktl. (28. Mai).
Azzo abb.
Vf. Ktl. (29. Mai).
Willenburgis abbatissa.
Junius.
Kalend. (1. Jani).
Poppo comes.®
« Abt Ulrich von St. Lambrecht, 1123? — 23. Mai 1148. (Pangerl in
Betrage Eor Kande Steiermark. Oesch .-Quellen, U, 136.) Die Necrolo-
gien Ton St Peter, St. Lambrecht, Renn und Admont haben denselben
Tag. Im Verbrüderungsbuche von Seckau (cod. 511 1. c.) wird er eben-
Calls unter den im Mai Verstorbenen angeführt.
' Propst Sebastian Paltram von Gars, 1516 — resignirt 1533. (Monum.
boic. I, 10.)
3 Abt Ulrich von Mallersdorf, 1248—1258. (Hundins, Metrop. Salisb.
n, 321.) Das Necrologium von Oberaltaich (Dr. Wiedemann im 26. Bande
des Arcb. fOr Kunde Osterr. Gesch.-Quellen) hat zu diesem Tage ,Ulri-
cQs abbas de Malsarstorf.*
* Wahrscheinlich Abt Friedrich II. von Ossiach, welcher 1277 ur-
kundlich erscheint (Mittheil, des Steiermark. Gesch.-Vereines, V, 216;
Dr. Tangl, Die Grafen von Ortenburg, II, 40, 1. c.) Im Verzeichnisse der
Aebte bei Wallner ist er nicht enthalten.
* Abt Wolfgang Nagel von Michael-Beuern, 1518 — 1531; er re-
signirte in letzterem Jahre und starb am 26. Mai 1551. (Filz, Geschichte
Yon Michael-Beuern, 405.) Das Necrologium von St. Paul erwähnt
seiner am 6. Juni.
* Aach das Necrologium von St. Lambrecht hat zu diesem Tage einen
»Poppo comes*. Wahrscheinlich ist es Graf Poppo von Heunburg,
welcher 1123—1135 urkundlich vorkommt. (Dr. Tangl, Die Grafen von
Heunburg im 19. Bande des Arch. fUr Kunde Osterr. Gesch.-Quellen.)
20*
294
IL Non. (4. Juni).
Perchtoldus abb. huius loci.* — Otto abbas.^
Non. (5. Juni).
Marquardus abb.^
Vni. Id. (6. Juni).
Chunradus abb.^
IV. Id. (10. Juni).
Fridericus imperator.'^ — Gotschalcus abb.
m. Id. (11. Juni).
Erbardus abb.** — Cbristophorus abb. Milstat.'
n. Id. (12. Juni).
Rudgerus abb. huius loci.^
Id. (13. Juni).
Johannes, prepositus in Voraw.^
) Abt Berthold m. von Ossiach, 1251 — f 4. Juni 1263. (WaUner,
1. 0., 69; Annales Omiiac.) Nach Wallner soll sein Vorgänger Abt
Hermann I. 1251 abgesetat worden sein, was aber nnrichtig ist, indem
Abt Berthold schon am 6. November 1249 als Abt dem Grauen Hennann
Ton Ortenburg ein Lohen verlieh. (Arch. für vaterL Gesch. Kärntens,
IX, 90; Tangl, Die Grafen von Ortenbnrg, 1. c.)
> Abt Otto II. von St, Peter, 1375—1414. (Noviss. chron. s. Petri,
337.^ Die Series abbatom s. Petri hat dm 5. Juni als Todestag.
» Vielleiciit Abt Mar quard von Gleink, 1155 — nm 1190. (Pritx,Lc^ 161.)
Das Necrologium von Admont hat anm 13. Juni einen Abt Marqnard.
* Abt Conrad von Kremsmünster, 1360 — 1363. (Pachmajr, Series
abb. Cwmifan., II, 191.^
^ Kaiser Friedrich I. starb 1190. Die Necrologien von Admont, St, Lam-
brecht, Nonuberg, St. Peter, Klein-Mariasell, Klostemenborg, Seckan
vcod. 390, L c.^ haben denselben Tag, das von Melk den 9. JnnL
^ Abt Erhard von Garsten, 1352 — 1365. ^Pritz, Gesch. von Garsten
nm) OKnnk« 3t; Friess, Gesch. von Garsten in Studien etc., U. Jahrg.,
aU Abt Eberhard. "^ Das Kecrologiom von St. Lamhrecht erwähnt sein^
an d«m»elbi^n Tag«.
^ Abi CKri$t<«f I ririci von Milstat, 141S— 144& (Marian, I. cl, V;
Arch d«9 Kärata. Gescftu« Vereines.^
* Abt R«dger von Ossiach, 12Ttv— 1272. ^Waltnar. L t, 71; Annales
i>uiac'' Dias Ni><f\^K>^«ai v^si Sc Laaibreckt kat deaaelbeti Tag.
* Pr^i^^it Johan» IIL v«»« V%^ratt. 1518^ Er wuah xwet Monate nach
»MiM>c Wahl v^<^»«^ Hist.>ttff<^. LexifcM vwi Stäensark, IT, 277;
RnmiMir, 0:«riMn^Wtck, <ji» ^ ]>m X>M>tsfie» twi Adw»t uid Beim
295
XVm. Kai. Julü (14. Juni).
Jacobus abb.^ — Katharina Steinerin^, Veronica Earls-
pergerin^, Dorothea Embergerin in monasterio virginum
professarum.^
XVn. Kai. (15. Juni).
Depositio Gebhardi archiepisc. eccl. Admont."^ — Gun-
therus episc.^ — Fridericus dux.'
XVL KaL (16. Juni).
Erasmus abb.
XV. Kai. (17. Juni).
MauruB abb. Burensis.® — Diemud, mon. nostre congr.
X. Kai. (22. Juni).
Eberhardus, archiepisc.^ — Weriandus abb.***
^ Abt Jacob Hohenfelder von Mondsee, 1406 — 1415. (Schmid,
Beiträge zur Gesch. von Mondsee in Stadien etc., in. Jahrg., 4. Heft,
290.) Die Necrologien von Admont, Nonnberg, Kremsmünster haben
denselben Tag.
' Aus dem Ministerialengeschlechte der Grafen von Ortenbarg, genannt
von Stein oder de Petra. Schloss Stein lag zwischen Oberdranbarg
and Greifenbarg.
' Aus dem edlen kämtnerischen Geschlechte der Herren von KarUberg.
(Weiss, Kärntens Adel, 83.) Schloss Karlsberg lag in der Gemeinde
Hörzendorf, Bezirk St. Veit.
* Zu Ossiach bestand anch ein Fraaenkloster, welches 1484 endete. Wallner
sagt: ,Sab eias (nempe abbatis Leonardi) gubernatione periit totam coe-
nobiimi miserrimo et calamitosissimo incendio ipsa die s. Leonardi
anno 1484. Post hanc incinerationem desiit conventos sororum.'
* Erzbischof Gebhard von Salzbarg, 1060-1088, Stifter von Admont
und daselbst begraben. (Wichner, Gesch. von Admont, I.) Die Necro-
logien von Admont, St. Peter, St. Lambrecht, Melk and Nonnberg stimmen
Qberein.
'Günther von Krapfeld, der erste Bischof von Gurk, 1072-1090.
(ScbroU, Series episc. Gare, 1. c.) Die Necrologien von Admont, St. Peter,
Domstift Salzbarg haben denselben Tag.
^Herzog Friedrich H. von Oesterreich, 1230 — 1246. (Meiller,
Babenb. Reg.) Die Necrologien von Admont, St. Peter, Klein-Mariazell,
Klostemeabarg, Lilienfeld, Nonnberg, Seckaa stimmen überein.
^ Abt Maaras von Michael-Beaern, 1531 — 1533 Administrator, dann
1533—1541 Abt. Er starb am 18. Jani. (Filz, 1. c, 416.)
*Erzbischof Eberhard L von Salzbarg, 1147—1164. (Meiller, Salz-
burg. Reg.) Seiner gedenken die meisten österreichischen Todtenbücher.
»^ Abt Weriand von St. Paal, 1311—1314. (Neagart, 1. c, H; Schroll,
1- c.) Die Necrologien St. Paul and St. Lambrecht haben den 24. Juni.
296
IX. Kai. (23. Juni).
Ortolfuß abb.^
VIL Kai. (25. Juni).
Godefridus abb.^ — Georgias abb. in Arnoldstain.^
in. Äal. (29. Juni).
Hemma cometissa, fundatrix eccl. Gurckensis.* —
Petrus abb. in Arnoldstain 1578.*
Julius.
V. Id. Julü (11. JuU).
Bemhardus archidiaconus.^ — Martinus abb.'
m. Id. (13. Juli).
Petrus abb.® — Wolfgangus abb. Salzburg.
n. Id. (14. Juli).
DeuzO; abb. huius loci.^
1 Abt Ortolf von St. Lambrecht, 1330—1341. (Branner, 1. c, 200.)
Die Necrologien von Admont und St. Lambrecht stimmen überein.
2 Abt Gottfried I. von Admont, 1138—1165. (Wichner, 1. c, L) Viele
Necrologien erwähnen seiner an diesem Tage.
3 Abt Georg Matschberger von Arnoldstein, 1506—1507. (Mariaji,
1. c, y, 374.) Nach urkundlichen Notizen im Arch. des Kärtn, Gesch.-
Vereines hiess er ,Magen8berger'.
* Gräfin Hemma von Friesach und Zeltschach, Stifterin von Gurk,
starb am 29. Juni 1045. (Ankershofen, Gesch. von Kärnten, II, 374.)
Das Necrologium von St. Peter hat den 28., das des Domstiftes Salsborg
im I. den 29., im II. den 28 ; die von Admont, Seckau and Gork (Cod.
1119, alt 39/1 in der Grazer Universitäts-Bibliothek and Msc 7243 in
der Wiener k. k. Hof bibliothek) den 29. Jani.
^ Abt Peter Römer von Arnoldstein, 1552 — 1578. (Marian, 1. c,
V, 375.)
^ Wahrscheinlich der bei Robeis (1. c, 552. 648) 1201 und 1213 voHLom-
mende ,Bernardus archidiac. YillacensisS
"^ Abt Martin von Kremsmünster, 1376 — 1399. (Pachmayr, 1. c, U,
200.) Die Necrologien von St. Lambrecht und St. Polten haben den-
selben Tag.
8 Abt Peter von St. Lambrecht, 1358—1376. (Brunner, 1. c, 200.)
Die Necrologien von St. Lambrecht und Seckau erwähnen seiner an
demselben Tage.
9 Abt Deuzo von Ossiach, um 1072—1125. (Wallner, 1. c, 61; Annales
Ozziac.) Diese Reg^erungszeit ist unrichtig. Für das Jahr 1072 berufen
sich beide Quellen auf den Patriarchen Ulrich L von Aquileia; allein
dieser regierte 1085—1121. (Rubeis, 1. c, 541; Czömig, 1. c, 267.) Die
297
Chunradas abb.^
ZVIL Kai. Angosti (16. Juli).
Elisabeth monialis nostre coDgr. 1658 ad s. Georgium.^
XVL ZaL (17. Juli).
Hainricus abb.'
XIV. Kai. (19. Juli).
Werenherus abb.^ — Wolfgangus abb. s.Petri Salzburg.*
Xm. Kai. (20. Juli).
Chunradus abb.
XL KaL (22. Juli).
Philippus, dux Eaiinthie.^
Vm. Kai, (25. Juli).
Jobannes episc.''
Datirang der Notiz, Indiction und Regierungsjahr passen auf 1096 ; daher
Abt Denzo um 1096 r^erte. Auch das Todesjahr ist unrichtig, da nach
Wallner auf Deuzo Abt Friedrich Niger und dann Abt Hezelln folgen
und letzterer Abt schon 1124 urkundlich vorkommt. (Ankershofen, Urk.-
Reg., Nr. 176, 211; Muchar, Gesch. der Steiermark, lY, 352.)
* Abt Conrad von Admont, 1231—1242. (Wichner, 1. c, II.) Seiner
gedenken die Necrolog^en von Admont, St. Lambrecht und Salzburg.
' Im Benedictinerinnenstifte St. Georgen am Längsee.
' Das Necrologium von St. Lambrecht hat an diesem Tage sec. XIY. auch
einen Abt Heinrich ohne Ortsangabe.
* Abt Wernher von St. Paul, 1138—1159. (Neugart, 1. c, II, 8; Schroll,
1. c.) Seiner gedenken die Necrologien von St. Paul, St. Peter, St. Lam-
brecht, Milstat, Klostemeuburg, Nonnberg, Domstift Salzburg an diesem
Tage.
5 Abt Wolfgang von St. Peter, 1602—1618. (Noviss. chron. s. Petri,
437.) Er erneuerte mit Ossiach die ConfOderation.
* Philipp, Sohn des Herzogs Bernhard von Kärnten, 1247—1266
ohne kirchliche Weihen erwählter Erzbischof von Salzburg, 1269 zum
Patriarchen von Aquileia erwählt, machte 1269 nach dem Tode seines
Bniders, Herzog Ulrich IH. von Kärnten, gegen KOnig Ottokar von
Böhmen Anspruch auf Kärnten, wurde im Februar 1275 von dem römischen
Könige Rudolf I. mit Kärnten belehnt, ohne aber zum wirklichen Besitze
SU gelangen, verzichtete zu Gunsten des Grafen Meinbard von Tirol auf
das Herzogthum und starb 1279 zu Krems. (Schroll, Das Herzogthum
Kärnten, 1269—1336 in Carinthia 1874; Tangl, Gesch. von Kärnten.)
Johann L von Enstal, Bischof von Gurk, 1279—1281. Er starb
zu Toscien am 22. Juli nach einem Fragmente eines Katalogs von Gurk
298
VEL Kai. (26. Juli).
Alkerus abb.^
VL Kai. (27. Juli).
Hellich abbatissa.^
IV. Kai. (29. Juli).
Lupoldus dux.'
m. KaL (30. JuH).
Otto episc* — Nicolaus abb.
n. KaL (31. JuK).
Augustinus abb.
Augustus.
Kalend. (1. August).
fjmestus abb.^
in. Kon. (3. August).
Werenherus abb.*"'
als Gesandter des KOnigs Rudolf. ^Schroll, Series epiac Gare., 1. c.)
Die Necrologien von Admont, St. Peter, Domstifl Salzburg haben eben-
falls den 25. Juli.
> Abt Alker Ton Milstat, circa 1201 -> nach 1218. (Urk. im Arch. de:«
Kämtn. Gesch.- Vereines.) Die- Necrologien ron Milstat und St. Lambrecbt
erwähnen seiner an demselben Tage.
' Aebtissin Helwig Ton St. Georgen am Langsee. Sie kommt 1321
nrkundlich vor. (^Vidimirtes Copialbnch im Arch. des Kärtn. Gesch.-
Vereines.)
3 Hersog Leopold VL ron Oesterreich, 1195—1230. (Keiller,
Babenb. Reg.) Seiner gedenken viele Todtenbucher am 28. Jnli; andere,
wie die von Admont bei Pex nnd Seckan (cod. 390, 1. c) den 29, Melk
und Schottenstifi am 27. Jnli.
« Bischof Otto ^electns) von Gnrk, 1214. ^SchioU, Series episc.
Gore., 1. c.) Die Necrologien von St. Peter, Klostemenborg, Domstift
Salsbnrg haben denselben Tag« das von St. Lambrecht den 29., das von
Gnrk vMsc. «243, 1. c.) den 19. JoU.
» Abt Ernest Ottsdorfer von Kremsmünster, 1349—1360. (Pach-
mayr, 1. c.) Das Necrologinm von Kremsm&iister erwlhnl seiner sm
31. Juli.
* Abt We ruber von St. Lambrecbt, 1163 — circa 1130. (Pangerl, in
B4*itrage anr Kunde steiem. Gesch. -A^eUea, U, 124; Bnmner, 1. e^ 198.)
Die Necrologien von Admont, St. Peter, St. Lambrecht, Klein- Maiiaxell
haben denselben Tag; die von Nonnberg nnd Doaastift Salabnrg den
2. August.
299
n. ITon. (4. August).
Fridericus, dux de Techk, a. 1406.^
Hon. (5. August).
Andreas, abb. buius loci a. 1437.^
VI. Id. (8. August).
Peregrinus patriarcba.^ — Gotscbalcus abb.'*
V. Id. (9. August).
Wolframus '^, Geroldus, Ulricus® abbates.
IV. Id. (10. August).
Geroldus abb.'
XIX. Kai. Septembris (14. August).
Ulricus abb.^
XVL Kai. (17. August).
Hermannus abb.**^ — Hainricus, comes de Ortenburg.*"
* Herzog Friedrichs von Teck Tochter Margaretha war die Gemahlin
des Grafen Friedrich IQ. von Ortenburg. (Haschberg, 1. c.) Dieser Um-
stand erklärt sein Erscheinen in diesem Todtenbuche.
2 Abt Andreas I. von Ossiach, 1429—1437. (Wallner, l. c, 83;
Annales Ozziac.)
' Patriarch Peregrin I. von Aqnileia, 1131—1161, ein Sohn des
Herzogs Ulrich I. von Kärnten ans dem Hanse Sponheim. (Rnbeis, 1. c,
564; Nengart, Hist. monast. s. PauU, I, 74; Czörnig, 1. c, 271.) Die
Necrologien von Aqnileia, Bbemdorf, Milstat haben denselben Tag.
* Abt Gbttschalk von St. Lambrecht, 1258—1279. (Branner, 1. c,
198.) Er resignirte am 31. Jnli 1279 and starb am 8. Angaat 1280.
Die Necrologien von Admont und St. Lambrecht erwähnen seiner an
demselben Tage.
* Abt Wolfram von St. Lambrecht, 1148 — 1150. (Pangerl, 1. c;
Branner, 1. c, 197.) Das Necrologinm von St. Lambrecht stimmt überein.
* Abt Ulrich I. von St. Panl, 1192—1222. (Neugart, 1. c, H, 19;
Schroll, 1. c.) Das Necrolog^um von St. Paul erwähnt seiner am 11. Augast.
'' Nach dem Necrologium von St. Lambrecht war Gerold Abt von Ro-
sazzo in Friaal, sec. XHI.
^ Abt Ulrich IV. Ecklinger von St, Paul, 1414—1432. (Neugart,
1. c, H, 83; Schroll, 1. c.) Das Necrologium von St. Paul gedenkt seiner
am 11. Augast.
' Hermann H. von Schwamberg, Abt von St. Paul, 1391—1399.
Er wurde im Auftrage des Erzbischofs Gregor von Salzburg abgesetzt
und starb am 17! August 1401 zu St. Lorenzen in der Wüste in Steier-
mark, einer Besitzung des Stiftes St. Paul. (Neugart, 1. c, U, 79; Schroll,
1. c.) Die Necrologien von Ebemdorf und Seckau (cod. 390, 1. c.) haben
denselben Tag.
^^ Graf Heinrich HI. von Ortenburg starb nach 1270. (Tangl, 1. c, H, 28.)
300
XV. Kai. (18. August).
Otto comes et prepositus.^
XIV. Kai. (19. August).
Fridericus imperator a. 1493.'
XI. Kai. (22. August).
Nicolaus abb. — Otto miles; fundator capelle adhereotis
monasterio. — Albertus prepositus monast. in Gries.'
VII. Kai. (26. August),
OttakeruS; rex Bohemie^ occisus a Rudolfo, rege romano
1278.*
V. Kai. (28. August),
Ottakerus abb.
IV. Kai. (29. August).
Hiltwardus^ abb. huius loci.^
m. Kai. (30. August).
Generosus Mauricius Dietricbstainer; officialis buius loci,
die lune etc septimo etc (sic!).^
1 Graf Otto IV. von Ortenburg erscheint schon 1248 als Domherr von
Bamberg, 1266 als Propst von St. Jacob in Bamberg. (Dr. Tangl, 1. c,
n, 6; Ankershofen, Urk.-Beg., Nr. 1239.)
3 Kaiser Friedrich III., 1440—1493. Das Necrologiom von Klein-
Mariazeil und das Chronicon von Stams in Tirol (Pez, Script, rer. anstr.,
II, 457) haben ebenfalls den 19., das Necrologinm von Nonnbeig den 20.,
die des Schottenstiftes und von Lilienfeld den 18. Angost.
3 Propst des ehemaligen Ang^stiner-Chorherrenstiftes Qries bei Boxen.
* Die Necrologien von Lilienfeld (Zeissberg, in Fontes rer. aostr., II. Abth.,
41. Bd.), Seckan (Diplomat, sac. Styr., II, und cod. 390, 1. c), Klein-
Mariazell, Klostemeuburg, Minoriten in Wien (Pez, 1. c,, II, 471) haben
denselben Tag, das von Admont bei Pez den 22. Angnst.
s Abt Hiltward von Ossiach, bis 1187. (Wallner, I.e., 66; Arch. fUr
Vaterland. Gesch. Kärntens, X, 265.) Er soll 23 Jahre regiert haben,
was unmöglich ist, da vor 1169 — nach 1177 Abt Berthold I., dann Abt
Udelhard und endlich Abt Hiltward regierten. Nach Mezger (Bist
Salisb., pag. 1171) starb Abt Udelhard 1187 und sein Nachfolger
Abt Hiltward 1210. Er kannte daher die Aebte Berthold II., 1187 —
nach 1192, Ebbo oder Albero L, vor 1197—1206, Gottfried 1206—1207
nicht, sondern erst Abt Conrad I., 1207 — nach 1220, welchen er 1231
sterben lässt.
^ Moriz von Dietrichstein erscheint urkundlich 1497 aU Richter su
Ossiach (Arch. des K&rntn. Gesch.-Vereines) und starb 1607.
299
E Von. (4. August).
Fridericus, dux de Techk, a. 1406.^
Hon. (5. August).
Andreas, abb. buius loci a. 1437.*
VL Id. (8. August).
Peregrinus patriarcha.^ — Gotschalcus abb.*
V. Id. (9. August).
WolframuB "^j Geroldus, Ulricus® abbates.
IV. Id. (10. August).
Geroldus abb.'
XIX. KaL Septembris (14. August).
Ukicus abb.^
XTL KäL (17. August).
Hermannus abb.^ — Hainricus, comes de Ortenburg.*"
' Hersog Friedrichs von Teck Tochter Margaretha war die Gemahlin
des Grafen Friedrich IIL von Ortenburg. (Huschberg, 1. c.) Dieser Um-
stand erkl&rt sein Erscheinen in diesem Todtenbache.
2 Abt Andreas I. von Ossiach, 1429—1437. (Wallner, 1. c, 83;
Annales Ozziac.)
' Patriarch Peregrin I. von Aqnileia, 1131 — 1161, ein Sohn des
Herzogs Ulrich I. von Kärnten aus dem Hause Sponheim. (Bubeis, 1. c,
564; Neugart, Hist. monast. s. Pauli, I, 74; CzOmig, 1. c, 271.) Die
Kecrologien von Aquileia, Ebemdorf, Bülstat haben denselben Tag.
^ Abt Qbttschalk von St Lambrecht, 1258—1279. (Brunner, 1. c,
198.) Er resignirte am 31. Juli 1279 und starb am 8. August 1280.
Die Necrologien von Admont und St. Lambrecht erwähnen seiner an
demselben Tage.
*Abt Wolfram von St. Lambrecht, 1148 — 1150. (Pangerl, 1. c;
Bnumer, 1. c, 197.) Das Necrologium von St. Lambrecht stimmt überein.
'Abt Ulrich L von St. Paul, 1192—1222. (Neugart, 1. c, II, 19;
SchroU,]. c.) Das Necrologium von St. Paul erwähnt seiner am 11. August.
^ Nach dem Necrologium von St. Lambrecht war Gerold Abt von Ro-
saizo in Friaul, sec. XIII.
^Abt Ulrich IV. Ecklinger von St. Paul, 1414—1432. (Neugart,
1. c, n, 83; SchroU, 1. c.) Das Necrologium von St. Paul gedenkt seiner
im 11. AuguBt
^ Hermann n. von Schwamberg, Abt von St. Paul, 1391—1399.
Er wurde im Auftrage des Erzbischofs Qregor von Salzburg abgesetzt
und starb am 17. August 1401 zu St. Lorenzen in der Wüste in Steier-
mark, einer Besitzung des Stiftes St. Paul. (Neugart, 1. c, n, 79 ; SchroU,
1. c.) Die Necrologien von Ebemdorf und Seckau (cod. 390, L c.) haben
denselben Tag.
"* Graf Heinrieh m. von Ortenburg starb nach 1270. (Tangl, 1. c, II, 28.)
302
VI. Id. (8. September).
Albertus comes et episc. Trident.*
V. Id. (9. September).
Ludwicus, Jobaones^, Fridericus^ abbates. — Hiero-
nymus abb. s. Lamperti.^
n. Id. (12. September),
Vitus Pisßinger, abb. 8. Paiüi.^
XVm. Kai. Octobris (14. September).
Ulricus episc. ^ — Chonradus Weixelpaumb, abb. Sco-
torum Vienne.'
XVII. Kai. (15. September).
Victor, abb. Altahe inferioris.^
Xm. Kai. (19. September).
Cbristianus abb.
1 Graf Albert U. von Orteuburg, Bischof von Trient, 1363—1390.
(Marian, 1. c, II, 33.) Garns (Series episc.) hat den 9. September als
Todestag.
2 Abt Johann IV. von Göttweig, 1444. (Brunner, 1. c, 134.) Das
Necrologium von St. Polten stimmt überein.
3 Vielleicht Friedrich II. von Weidenberg, Abt von St Emmeran
in Regensburg, 1386 — f 10. September 1395. (Die Aebte von St. Emme-
ran von Braunmüller in Studien etc., 1883, Jahrg. IV/3, 1 18.)
* Abt Hieronymus von St. Lambrecht in Seon, 1521-1529. IX.KaL
Septembris. (Hundius, 1. c, III, 242.) Ist wahrscheinlich ,Kal.* mit
Unrecht beigesetzt; es soll wohl ,IX. die Septembris* heissen.
5 Abt Veit Pissinger von Öt. Paul, 1530—1631. (Neugart, 1. c, II;
Schroll, 1. c.) Das Necrologium von Seckau (cod. 890, 1. c.) hat den-
selben Tag.
6 Graf Ulrich I. von Ortenburg, Bischof von Gurk, 1221 — Ende De-
cember 1253. (Schroll, Series episc. Gurc, 1. c, 16 und Anhang 43;
Dr. Tangl, Die Grafen von Ortenburg, I. Abth., 288, 1. c.) Hansiz (Germ,
sac. n, 348), Hundius (1. c, 10), Marian (1. c, V, 211), Mooger (Ver-
zeichniss der deutschen Bischöfe, 43), Gams (1. c, 268) haben ebenfalls
den 14. September als Todestag. Allein er erscheint am 16. December
1263 noch urkundlich (Orig.-Perg. Domcapitel Gurk), während sein
Nachfolger Bischof Dietrich II. am 16. Mai 1254 in einem päpstlichen
Breve schon als ,electu8* erscheint. (Diplom, sac. Styr., I, 214; Ankers-
hofen, Urk.-Reg., Nr. 1200.)
7 Abt Conrad Weixelbaum zu den Schotten in Wien, 1528—1541.
(Brunner, 1. c, 395.) Das Necrologium von St. Polten hat denselben Tag.
8 Abt Victor von Nieder-Altaich, 1534—1535. (Monum. boic, XI, 11)
301
Septembris.
nL Von. Septembris (3. September).
Leutoldus abb.* — Johannes abb.^
n. Hon. (4. September).
Marquardos abb.^ — Lucas abb. Gottwic.^ — Thomas
abb.* — Johannes Ezzlinger, abb. s. Faulig 1483.*
Vm. Id. (6. September).
Engelschalcus ^, Gbegorius abbates.
Vn. Id. (7. September).
Hainricas episc.® — Johannes, abb. huius loci.^
* Laitold von Tovernich, Abt von Admont, 1165 — 1171. (Wichner,
1. e^ L) Seiner gedenken die Todtenbücher von Admont, St Lambrecht
nnd Salzburg.
^ Abt Johann I. von Admont, 1199—1202. (Wichner, 1. c, II.) Die
Necrologien von Admont, Milstat, St Peter, Domstift Salzburg stimmen
überein.
' Abt Marquard Ton Arnoldstein. Er gehOrt dem XII. sec. an, ist
aber urkundlich nicht bekannt In der Abtreihe bei Marian (1. c, V,
361) fehlt er ebenfalls. Die Necrologien von St. Lambrecht und Nonn-
berg haben denselben Tag, das von Admont bei Pez den 3. September.
'Abt Lucas Stockstall von Qöttweig, 1482 — 1439. (Brunner,
1. c, 133.) Nach dem Necrologium Ton Klein- Mariazeil starb er am
22. September.
' Das Necrologium ron Admont bei Pez hat zu diesem Tage ,Thoma8,
abb. de cella prineipum*. Abt Thomas von Fürstenzell in Baiern,
1427—1438. (Monum. boic, V.)
* Abt Johann Esslinger von St Paul, 1456 — 1483. (Neugart, 1. c,
n*, Schroll, 1. c.) Das Necrologium von St. Paul erwähnt seiner am 2.,
das von Seckau (cod. 390) am 4. September.
^ Abt Engelschalk von Arnoldstein, circa 1192. (Meiller, Salzb.
Reg., Nr. 74, pag. 156; Ankershofen, Urk.-Beg., Nr. 555.) Er fehlt in
der Abtreihe bei Marian (1. c, V, 361). Das Necrologium von Milstat
bat denselben Tag.
^Bischof Heinrich n. von Gurk, 1214-1217. (Schroll, Series episc.
Ourc, 1. c.) Das Necrologium der St. Morizcapelle im Schlosse Strass-
burg, der ehemaligen Residenz der Fürstbischöfe von Gurk (Orig.-Msc.
im Arch. Bisthum Gurk) hat denselben Tag; die Necrologien von
Bt Peter und Domstift Salzburg haben den 8. September.
* Abt Johann von Ossiach, 1373—1390. (Wallner, 1. c, 81; Annales
Ozziac.) Er kann erst 1391 gestorben sein, da er am 18. November
1390 noch urkundlich erscheint (Orig.-Perg. im Arch. zu St Paul.) Die
Necrologien von Milstat und Ebemdorf haben den 7. November, das
▼on Admont bei Pez den 7. September.
304
Dyttricus, Nicolaus abbates.^
n. Kai. (30. September).
Gebwolfus abb. — Leonardus Zorn, abb. buius loci 1485.*
Octobris.
Kalend. Octobris (1. October).
Berenhardus abb.^
VI. Kon. (2. October).
Chunradus abb. — Leo Dietricbstainer, armiger.
V. Non. (3. October).
Chuno prepositus.* — Philippus, rex Castelle^ Maxi-
miliani regis filius.^
IV. Kon. (4. October).
Hermannus dux.^
n. Kon. (6. October).
Wemberus epist.*^ — Otto miles de Himelperg 1345.^
Johannes comes a Pappenbeim in prelio apud Luzam% nbi
et Bernardus abbas Fuldensis, singularis zelator et promotor
noßtri ordinis et reformator eximius sui ducalis monasterii.
1 Abt Nicolans von Oberbarg in Untersteiermark, 1365 — nach 1405.
Oroien, 1. c, U, 138.) Das Necrologium von St. Lambrecht gedenkt
seiner an demselben Tage.
3 Abt Leonard Zorn von Ossiach, 1473 — 1485. (Wallner, 1. c, 85.)
Er resignirte am 30. November 1484 und starb 1485. (Annales OzEiac)
Die Resignation ist richtig, da Erzbischof Johann von Qran, Admini-
strator von Salzburg, dieselbe am 18. December 1484 genehmigte. (Arch.
des Kärtn. Gesch.-Vereines.)
3 Abt Bernhard von Lambach, 1148 — 1167. Die Necrologien von
Admont, St. Peter und St. Lambrecht haben denselben Tag.
* Propst Chuno von Salzburg, 1234 — 1242. Das Necrologiom von
St. Peter stimmt überein, das von Nonnberg hat den 4. October.
^ König Philipp von Castilien, Sohn des Kaisers Maximilian L,
starb 1506.
^ Herzog Hermann von Kärnten, 1161—1181. (Neugart, 1. c, I;
Schroll, 1. c.) Das Necrologium von St. Peter hat denselben Tag, das
von Seckau (cod. 390, 1. c.) den 5. October.
^ Wahrscheinlich ein Schreibfehler fttr ,Wichardus*. Erzbischof Wi-
chard von Salzburg, 1312—1315. Das Necrologium des Domstifiee
Salzburg hat ebenfalls den 6., das von Nonnberg den 7. October.
^ Aus der edlen kärtnerischen Familie der Herren von Himmelberg.
^ Die Schlacht bei Lützen, in welcher Graf Pappenheim fiel, fand am
16. November 1632 statt.
305
Ion. (7. October).
Georgias, abb. s. Lamperti.*
Vn. Id. (9. October).
Gottfridus patriarcha.2 — Chunradus abb.
IV. Id. (12. October).
Hainricus dux.»
m. Id. (13. October).
Schwigkerus, abb. huius loci.^ — Albero, abb. istius loci.^
n. Id. (14. October).
Chunradus episc* — Hainricus abb.'
Id. (15. October).
Johannes abb.^
^ Abt Georg Ton St. Lambrecht in Seon, 1529 — 1533, septima die
Octobria. (Hnndins, 1. c, m, 242.)
' Patriarch Gottfried Ton Aqaileia, 1182—1194. (Rabeis, 1. c, 627;
CzOmig, 1. c, 276.) Das Neorologium Ton Admont hat denselben Tag.
'Herzog Heinrich V. Ton Kärnten, 1144—1161. (SchroU, Die Spon-
heimer, L c; Neugart, 1. c, I, 65.) Die Necrolog^en Ton Admont,
St Peter, St. Lambrecht, Milstat, Seckan, Domstift Salzburg erwähnen
seiner an demselben Tage.
* Abt Swiker Ton Ossiach, 1272—1274. Wallner (1. c, 71) lässt ihn
erst 1278 sterben; allein sein Nachfolger Abt Hermann erscheint schon
1275 orkondlich. (Eichhorn, 1. c, ex orig. Feldkirchen.)
'Abt Albero I. von Ossiach, vor 1197 — 1206. Wallner kennt diesen
Abt nicht Fez (1. c, II, Chronicon Admont, 195) hat ad a. 1206: ,A1-
bero abb. Ozziac. obiit; pro quo dominns Gotfridus ex Admant. mona-
sterio eligitor.' Bei Pertz (Monnm. Germ. Script, XI, 49, gesta archi-
episc Salzb.) heisst es ad a. 1206: 4^em dominus Gotfridus, frater noster
(Admnnt) Alberone Ozziacensi abbate defuncto pro eo inibi substituitur,
Item anno incam. domini 1207 düs Wolframus, Admunt. abbas paralisi
dissolutus eure pastorali cessit et ei dfls Gotfridus, abbas Ozziacensis,
snbrogatur.* Das Necrologium von St. Lambrecht hat fdr Abt Albero
den 12. October als Todestag.
* Conrad von Boteneck, Bischof von Brixen, 1200 — tl4. September
1217. (Mooger, 1. c.) Die Necrologien von St. Lambrecht, St Peter,
Domstift Salzburg haben ebenfalls den 14. October. Er war vorher
Propst von Neustift bei Brixen bis 1197, wurde in diesem Jahre zum
Propste Ton Gurk postullrt und bestieg 1200 den bischöflichen Stuhl
▼on Brixen.
^ Abt Heinrich L von St Paul, 1323—1356. Das Necrologium von
St Paul erwähnt seiner am 13. October.
* Abt Johann IV. Hofmann von Admont, 1581 — f 14. October 1614.
(Wicbner, 1. c, IV, 215.)
306
XII. Kai. Kovembris (21. October).
Udalricus prepositus monast. Brixinensis.^
XI. Kai. (22. October).
Wolfgangus, abb. in Gleunk.^
X. Kai. (23. October).
Ozzius comes, fundator huius eccl. Ossiac.^ — Wilhel-
mu8, abb. in Ensdorf.*
Vm. Kai. (25. October)..
Erhardus abbas.
Vn. Kai. (26. October).
Fridericus abb.^
VI. Kai. (27. October).
Maurus Rasdorffer, abbas Aspach. 1657/»
IV. Kai. (29. October).
Willielmus abb.'
Novembris.
Kalend. (1. November).
Wolfgangus Dingel, prepositus ad s. Andreara ad
Trayssam.^ — Hainricus, abb. in Seittensteten.^
* Wahrscheinlich Propst Ulrich I. von Nenstift bei Brixen, 1210 —
1220. E2r war Chorherr von Gurk und wurde nach Nenstift als Propst
postulirt. (Bmnner, Chorherrenbuch, 417.)
» Abt Wolfgang I. von Gleink, 1436— f 20. November 1466. (Prita,
Gesch. von Garsten und Gleink, 180.)
' Graf Ossins, der Stifter von Ossiach, lebte um 1000. (Ankershofen,
Gesch. von Kärnten, n, 884.)
« Abt Wilhelm Rorstetter von Ensdorf, 1397 — 1413 deponitur.
(Monum. boic, XXIV.)
* Abt Friedrich von Garsten, 1261—1281. (Priess, Gesch. von Garsten,
1. c; Prit», 1. c, 28.) Die Necrologien von Admont, Tegernsee (Oefele,
Rer. boic. Script. I), Traunkirchen (Msc. in der k. k. Hofbibliotfaek zu
Wien), Kremsmünster (Msc. in der Bibliothek zu KremsmOnster) gedenken
seiner am 28. October.
« Abt Maurus Rasdorfer von Aspach, 1687—1667. (Monum. boic V.)
■^ Wilhelm von Reissberg, Abt von Admont, 1384 — 1391. (Wichner,
1. c, m, 89.) Das Necrologium von Admont erwähnt seiner am 31. October.
* Das Necrologium von Seckau (cod. 890, 1. c.) hat den 4. October.
* Abt Heinrich Sues von Seitenstetten, 1521 — 1582. (Bmnner,
1. c, 439; Biarian, 1. c, YIII, 265.) Das Necrologium des Schottenstiftes
hat denselben Tag.
BOT
IV. Ifon. PirminiuB episc. et confessor. (2. November).
Kon. (5. November).
Ludwicus, abb. in Ensdorf. ' — Wilhelmus Schweizer,
abb. huius loci meritissimus et pater perenni memoria eele-
brandos etc. professus Wibligensis postulatus; obiit 1628.*-'
Vm. Id. (6. November).
Emmeranus abb. Burensis 1566.^ — Balthasar, prepo-
situs Griffensis, 1651.^
Vn. Id. (7. November).
Urbanus episc. Gurc. a. 1573.''
UL Id. (11. November).
Antonius, abb. Scotorum Vienne.*'
n. Id. (12. November).
Paulas, abb. in Ensdorf.' — Item Hainricus abb.
XVni. Kai. Decembris (14. November).
Dedicatio huius ecclesie.
' Abt Liiflwip von Ensdorf, 1425 -1441, resignirt. (Monum. boic.,XXIV.)
2 Abt Wilhelm Schweizer von Ossiach, Profess von Wiblingen, dann
Prior von St. Lambrecht und cor Zeit der Postulation cum Abte von
Ossiacb, am 26. April 1622, Prior zu 8t. Paul. Er starb am 5. November
1628. (Wallner, 1. c, 92; Annales Ozsiae., Oonsist.-Registrattir Qurk.)
Das Necrolog^nm von Nonnberg hat den 6. November.
^ Abt Emmeran Mayrhofer von Michael-Beuern, Administrator
1541—1548, Abt 1648 — 6. November 1666. (Filz, 1. c, 428.) Das Ne-
erologinm von 8t Paal hat den 1.3. November.
* Balthasar Regulus (Königl), Propst des Prämonstratenser-
stiftes Grifen in Unterkämten 1633—1651. (Schroll, Gesch. von
Grifen im 16. Jahrg. des Arch. für vaterländ. Geschichte Kärntens.) Er
atarb am 3. November zwischen 2 und 3 Uhr Morgens im 51. Lebens-
jahre. Das Necrologium von St. Paul erwähnt seiner am 2. November.
'-' Urban Sagstetter, genannt der Oesterreicher, Fürstbischof von
Gurk, 1556—1673. (Schroll, Series episc.. Gurc, 1. c.) Das Necrolo-
gium von St. Lambrecht, Marian (1. c, V, 537), Hohenauer (Kirchen-
geschichte von Kärnten, 91) setzen seinen Tod auf den 13. October. Er
starb in der ehemaligen bischöflichen Residenz zu Strassburg und wurde
im C&ore der Collegiatkirche daselbst begraben.
^ Anton Spindler von Hofegg, Prior von Melk, seit 1615 Abt zu Garsten,
1642—1648 Abt zu den Schotten in Wien (Pritz, 1. c, 61; Friess,
1. c, m. Jahrg., II. Bd., 6; Brunner, 1. c, 403.) Die Necrologien von
St. Lambrecht und Nonnberg gedenken seiner an demselben Tage.
^ Abt Paulus Keiner von Ensdorf. 1441—1445. (Monum. boic, XXIV.)
Arekir. Bd. LXXIIl. U. H&lfte. 21
308
XVn. KaL n^ \r
^ (lO. Aovember).
Jacobiw abba«.
XV. KaL (17. November).
Erasmufi Tötrer «ki
Rexit «nnoa 15.. '''"'"'"«'-• H. Nove.brfs ,5.
Xm. Zai. (19. November).
Hainricus abba«.
Xn. Xal. (20. November).
Otto prepositus.
XL ZaI. (21. November).
Burchardus abbas ~~ Pui-
1662.^ • Ph.hpp„«, ,bb. Be„edietopm.„.
X. ZaI. (22. November). '
Hainricus abbas. "> —. w w
Johannes, abb. Scotorum Vienn. •
suffraganeus Viennensis, 1641.« ' ^P'««" G^«"»anicen«.,
' Abt Erasmu»T«trer von O..- ..
wurde «m 20. Mai U96 erwähl Jor' !*'f-'«'«- (W.IIdt , e «5 , k-
' Abt Philipp von Benedict pi^^-^'"'' •"*« "^S«»- 0«eh -vll^ "^^
> wa^heiniich Abt Heiri:;"r:;rM:;r' <M„r:. .:rm
23. November 1194 sUrb n- v . ^" ***'Jer8dorf »«i.u
Abt i^olfgrangf Qaispacher von " . ''■««*<»T>J>-'
lOr^A^h. d« KJrt». 0«»ch.-Ve„i«e^ vJi 7'"*' "'» «»^'t,
«^•w Nachfolge«, de, «„ 25. Nov..b«r irMÜ!. *" ^•«''*»e™te
Abt A«,r«»ti, Pittrifh >• de.Tr.^^ ""^^^
•^•*r a» 2K N>x^b^. ** **«x*.p« v« Xowb.^ ?«ie«kt
• >KNb«»» X Vr»|»«rrt«rer Ak>
309
VI. KaL (26. November).
Andreas prepositns. - Eua Maria Rotingerin, abbatissa
in monte monialium Salzpurgi, 1641.'
V. Kai. (27. November).
Nicolaus, abb. in Pewni.^ — Paulus, abb. ad 8. Paulum
1660.3
HL Kftl. (29. November).
Alexius, abbas huius monast., professus Ochsenhusanus
postulatus. Obiit 1620.^
Decembris.
Kalend. (1. December).
Tiboldus, abb. in Pewni.*^ — Petrus Qröblaeher, abbas
huius loci 1588.«
^ Eva Maria, Aebtissin von St. Erentrud in Salzburg. Das Necro>
logium von Nonnberg stimmt ilberein.
'Abt Nicolans I. von Michael-Benern, 1392 — 3. December 1406.
(Filz, 1. c, 3ö2.)
* Abt Paul Memminger von St. Panl, 1638 — 1660. (SchroU, 1. c;
Neagart, 1. c, II.) Das Kecrologinm von St. Paul hat denselben Tag.
* Abt Alexins Gerer von Ossiacb, 28. Februar 1617 — f 9. Mai 1621.
(Wallner, 1. c, 91; Annales Ozziac.) Er war Profess von Oehsenhausen,
dann Prior zu St. Paul. Als solcher wurde er vom Erzbischofe von
Salzburg am 2. Jftnner 1617 zum Abte von Ossiach ernannt, da der
Convent ffir dieses Mal ihm die Wahl übertrug, und am 23. Februar
benedicirt. Die Todesangabe ist unrichtig, indem nach einem Original-
schreiben Prior Jacob und der Convent am 2. December 1620 dem Erz-
biflchofe Paris anzeigen, dass Abt Alexius am nächstvergangenen Montage
den letzten November, Abends zwischen 7 und 8 Uhr, gestorben sei.
Er wurde am 6. December begraben und am 17. Februar 1621 sein
Nachfolger Johann Geisser postulirt. (Consistor.- Registratur Gurk, Arch.
des KXrtn. Gesch.-Vereines.) Das Necrologium von Nonnperg hat den
30. November.
*AbtTibold von Michael-Beuern, 1406 — f 16. Juni 1418. (Filz,
1. c, 366.)
* Abt Petrus GrOblacher von Ossiach, 1656 — 1. December 1687.
(Wallner, 1. c, 89; Annales Ozsiac.) Er resignirte am 10. December
15S6 gezwungen auf die Prftlatur und hatte seinen am 10. März 1587
tum Abte erwählten Bruder Zacharias GrOblacher zum Nachfolger. (Orig.-
Pap. in der Consistor.- Registratur Gurk.) Abt Peter starb am 1. De-
<?ember 1688.
21*
310
IV. Kon. (2. December).
Georgias abbas. — Barth olomeus, abb. Oxenhusanus,
CoDstancie in exilio 1632.
III. Kon. (3. December).
Heinrieuß, abb. in Pewm.'
VI. Id. (8. December).
UdalricuB Pfintzing, quondam abbas ad s. Paulum.^
V, Id. (9. December).
Udakicus, abb. in Pewrn.^
n. Id. (12. December).
Pancratiusy abb. in Metten, 1496.*
XVI. Kai. Jannarii (17. December).
Petrus, prepositns Gryffensis 1632.''
XI. Kai. (22. December).
Daniel, abb. Arnoldstainensis.^
V. Kai. (28. December).
Johannes abb. huius loci, postulatus ex s. Lamberto,
1621.'
1 Abt Heinrich IV. von Michael-Beuern, 1365 — f 28. August 1391
(Filz, 1. c, 847.)
2 Abt Ulrich IV. Pfinzing von St. Paul, 1516—1530. Er resignirte
1530, starb aber noch in demselben Jahre am 30. December zu Hainbnrg
und wurde zu Volkermarkt begraben. (Neugart, 1. c, II; Schroll, 1. c)
Das Necrologium von St Paul erwähnt seiner am 13 Juli.
» Abt Ulrich m. Slipfinger von Michael-Beuern, U73— fU.De-
cember 1474. (Filz, 1. c, 390.)
* Abt Pancraz von Metten, 1478 — f 1493 oder 1495. (Monum. boic,
XI, 350.)
* Propst Petrus Bawarus von Grifen, 1617—1632. (Schroll, 1. c, 100.)
^ Abt Daniel Heuslein von Arnoldstein, Administratpr 1629 — 1632,
Abt 1632—1635. (Marfan, 1. c, V, 278.)
^ Abt Johann Gaisser von Ossiach, 1621— 1 10. April 1622. (WaUner,
1. c, 92; Annales Ozziac.) Abt Johann wurde am 17. Februar 1621
aus St. Lambrecht postnlirt und starb am 30. December 1621; denn am
3. Jänner 1622 bestätigt der Propst und Archidiakon Johann Frtni
Gentilottus von Volkermarkt dem Prior von Ossiach, dass er die Anzeige
von dem Tode ihres Abtes Johann erhalten habe. (Orig. im Areh. des
Kärtn. Gesch.- Vereines.) Die Necrologien von St. Lambrecht und St Ptal
haben den 30. December 1621, das von Nonnberg den 31. December als
Todeszeit.
Index.
Abbatis: Alkerus, 26. VII; Araestus, 9. V, 1. VIII; AuguBtinafl, 81. VU;
Axzo, 28. V; Beraardus, 2. II, 1. X; Bertholdus, 24. III; Bruno, 10. V;
Barohardas, 21. XI; Christannus, 16. II, 19. IX; Chanradiis, 6. VI,
14. 20. Vn, 28. IX, 2. 9. X; Dietricns, 28. I, 29. IX; Eberhardas, 2. 1;
Eng^bertos, 4. V; Engelschalcus, 6. IX; Erasmns, 16. VI; Erhardus,
11. VI, 25. X; Fridericos, 2. I, 9. IX, 26, X; Qebwolfos, 80. IX; Geor-
giüs, 2. XII; Geroldus, 9. 10. VIII; Godefridus, 26. VI; Gotachalcos,
10. VI, 8. Vm; Gregorius, 6. IX; Hainricu«, 1. 26. II, 80. III, 17. 22. IV,
22. V, 17. vn, 14.x, 12. 19. 22. XI; HartmaDnus, 6. V; Hartwicus,
17. rV; HermannuB, 3. II, 12. VIH; Hilprandu«, 11. V; Jacobu», 14. VI,
15. IX; Johannes, 19. 1, 14. H, 3. 9. IX, 16. X; Lentoldus, 2. IV, 3. IX;
Lndwiens, 9. 22. IX; Lnpoldus, 26. II; Marquardus, 6. VI, 4. IX; Mar-
tinn», 21. in, 11. VU; Michael, 27.1; Nicolaus, 30. VU, 22. VIII,
29. IX; Ortolfus, 23, VI; Oswaldus, 1621, 20. IV; Ottakerus, 28. VIII;
Otto, 16. n, 4. VI; Petrus, 13. VU; Budolfus, 17. HI, 23. IX; Thomas,
10. m, 4. IX; Ulricus, 22. HI, 2. IV, 6. 23. 26. V, 9. 14. VOI; Volk-
mams, 18. IV; Werenhardus, 19. VII; Werenherus, 3. VlH; Weriandus,
22. VI; Willielmus, 29. V; Wolframus, 9. VIII. Vide etiam Admont,
Altaha inferior, Amoldstain, Aspach, Attel, ad s. Paulum, Belenga,
Benedictopuranum, s. Peter, Buranum, Cremifan, s. Emmeran, Ens-
dorf, Fuldensis, mons s. Georgii, Gleunk, s. Lamberti, Malhartsdorff,
Metten, Milstat, Ossiac, Raitenhaslach, Salzburg, Scotorum Vienne,
Seittensteten.
Abbatissae: Dymudis, 13. U; Hellich, 27. VH; OttiliA, 19. U; Wüliburgis,
29. V. Vide etiam Salzburg.
Admontensis abbas: Hertnidus, 15. 1.
Alttbe inferioris abbas; Victor, 15. IX.
A^ndream ad Trayssam: Wolfgangus Dingel, prepositus ad s. — , 1. XI.
Andreas, prepositus, 26. XI.
Aqiileia, Tide patriarchae.
Arehidiaconus: Bemhardus — , 11. VII; vide etiam Garsch.
Archiepiscopi (Salzburgenses): Adalbertus, 7. FV; Chunradus, 9. IV; 29. IX;
Eberhardus, 22. VI; Gebhardus, 16. VI; Georgius de Kuenburg, 1687,
25. 1; Wemherus, 6. X.
-- Tiberiadensis: Benedictus, 1458, 10. V.
312
Arnoldstein: Abbates de — , Benedictus, 1553,23.1; Petrus, 1578. 29. VI*.
Daniel, 22. XII; Duringus, 6. I; Georgius, 25. VI; Johannes, 7.1;
Thomas, 27. III.
— Johannes Snebeiss de — , 1514, 14. II.
Aspach, Manras Rasdorfer, abb. de — , 1657, 27. X.
Attel: Abbates in — , Benedictus, 1569, 23.1; Chunradus Auer, 1573,2.11
Austriae, Leopoldus, archidux — et comes Tirolis, 22. IX; Hainricos, dux
— , 13. I.
Pappenheim, Johannes, comes de — , 6. X.
Pataviae, Sig^mundus, prepositns s. Nicolai extra menia — , 11. L
Patriarchae (Aquilegienses) : Berchtoldus, 23. V; GotMdus, 9. X; Pere-
grinus, 16. V, 8. VIII; Popo, 28. IX; Remundus, 18. II; Ulricus, 2. IV.
Paulum: Abbates ad f*. — , Johannes Ezzlinger, 1483, 4. IX; Paulos, 1660,
27. XI; Rudolfus, 2. I; Udalricus Phintzing, 8. XU; Vitus Piasinger.
12. IX.
Belenga, Ortwinus, abbas de — ,"9. I.
Benedictopuranns, Philippus, abb. — , 1662, 12. XI.
Bernhardus, archidiaconns, 11. VIII.
Petri: Abbates s. — , Chilianus, 13. II; Dietmarns, 24. II; Wolfgangus, 19. VII.
Philippus, rex Castelle, 3. X; — , dux, 22. VII.
Bohemie: Ottakerus, rex — , 1278, 26. VIII.
Poppo, comes, 1. VI.
Prepositi: Andreas, 26. XI; Chuno, 3. X; Otto, 20, XI; — , comes et pre-
pos., 18. VIII; Romanus, 24. IX. Vide etiara s. Andreae ad Trays-
sam, Patavie, Brixinensis, Garsch, Griess, Gryffen, Voraw.
Brixinensis: Udalricus, propositus monast. — , 21. X.
Puechhaimer, dfis Wolfgangus — , 15.1.
Purenses, Pewrn, Abbates: Emmeranus, 1556, 6. XI; Heinricus, 3. XII;
Maurus, 17. VI; Nicolaus, 27, XI; Tipoldus, 1. XII; Udalricus, 9. XII;
Wolfgangus Nageil, 1551, 27. V.
Charinthiae: Duces—, Albertus, 24. IV; Bernhardus, 6. 1; Philippus, 22. VIL
Comites: Albertus — , et episc, 8. IX; Otto, — , et prepositus, 18. VIII;
Ozzius, 23. X; Pappenheim Johannes — , 6. X; Poppo 1. VI; Mein-
hardns, 20. IV, 12. V; Schwikerus, 4. V; Tirolis, Leopoldus, comes —,
22. IX. Vide etiam Ortenburg.
Cometissa: Hemma — , 29. VI. Vide etiam Ortenburg.
Cremifanensis abbas: Chunradus, 1. II.
Techk, Fridericus, dux de — , 1406, 4. VIU.
Tiberiadensis, Benedictus, archiepisc. — , 1458, 10. V.
Dietrichs ta in, Leo de — , armiger, 2. X; Mauritius — , 30. VIII; Otto,
miles de — , 14. III.
Thomam, Thechia inclusa in monte ad s. — , 1805, 24. IX.
Tirolis, Leopoldus, archidux Austrie et comes — , 22. IX.
Trayssam, Wolfgangus Nageil, prepos. ad ». Andream ad — , 1. XI.
Tridentinus, Albertus comes et episc. — , 8. IX.
Duces: Friedericus, 15. VI; Heinricus, 12. X; Hermannns, 4. X; Lupoldus,
29. VII; Ottakerus, 9. V; Philippus, 22. VII. Vide etiam Austria,
Carinthia, Techk.
313
Emmertni: Ambroflius Mintser, abbas s. — , 26. II.
Ensdorf: Abbates de —, Lndwicus, 5. XI; Paulus, 12. XI; Wilhelmus, 23. X.
Episeopi: Chnnradus, 14. X; Dietricus, 4. III.; Qunthenis, 15. VI; Hain-
ricuB, 7. IX; Johanne», 25. VII; Otto, 30. VII; Udahchalcus, 22. V;
Ulrictu, 14. IX. Vide etiam Gerxnanicensia, Qnrc, Nene civitatis, Trident.
FridericuB, imperator, 10. VI; 1498, 19. VIII; — dux, 15. VI.
Fnldensis, Bemardus, abb. — , 6. X.
Toraw, Johannes, prepositus de — , 13. VI.
Gtrsch, Sebastianus Paltram, prepos. et archidiac. in — , 23. V.
Georgii, Erasmus, abbas montis s. — , 12. 1.
Qertrndis, reg^na, 28. EX.
Germanicensis, Johannes, episc. — , 1641, 23. XI.
Gleink, Woligangus, abbas in — , 22. X.
Gottwicensis, Lucas, abbas — , 4. X.
Griess, Albertus, prepositus in — , 22. VIII.
Grjffenses: Prepositi — , Bartholomaeus, 1651, 6. XI; Petrus, 1682, 17. XII.
Garcensis, Urbanus, episc. — , 1573, 7. XI.
— eccl. fundatriz: Hemma cometissa, 29. VI.
Htinricns, dux, 12. X.
Hermann US, dux, 4. X.
Himelperg, Otto, miles de — , 1345, 6. X.
Imperator: Fridericus — , 10. VI; 1493, 19. VIII.
Irenburgis, fündatrix monast. Ossiac, 4. IV.
Lamperto: Abbates de s. — , Benedictus, 1662, 2. III; Qeorgius, 7. X;
Hartmannus, 2. I; Hieronymus, 9. IX; Johannes, 10. I; 1518, 11. V;
Peringerus, 12. 1.
Lupoldus, dux, 29. VII.
Malhart sdorff, Andreas, abbas de — , 6. 1.
Meinhardus, comes, 20. IV; 12. V.
Metten: Abbates in — , Pancratius, 1496, 12. XII; Oswaldns, 1. II.
Milst&t: Christophorus, abbas de — , 11. VI.
Nicolai, Sigismnndus, prepos. s. — , extra menia Pat&vie, U. I.
Noue civitatis: Gregorius, episc. — , 30. I.
Ortenburg: Comites de — , Fridericus, 1418, 28. IV; Hainricus, 17. VIII.
— Cometissae de — , Alheidis, 1. 1; Helena, 6. II.
Ossiacenses: Abbates — , Adamus SchrOttl, 1595, 3. IV; Albero, 29. HI;
13. X; Alexius, 1620, 29. XI; Andreas, 1437, 5. VIII; Andreas Hasen-
berger, 1555, 13. IV; Augustinus, 12. 1; Benedictus, 1458, 10. V; Perch-
toldus, 4. VI; Casparus Reiner, 1621, 10. V; Daniel Krachenwerger,
1496, 13. V; Deuzo, 14. VH; Dietmarus, 8. IH; Eberhardus, 14. HI;
Erasmus Tötrer, 1510, 17. XI; Fridericus, 26. V; Fridericus Hirsperger,
1666, 10. IV; Hainricus, 19. V; Hermannus, 7. HI; Hiltwardus, 29. VUI;
Jacobus, 26. IV; Johannes, 7. IX; 1621, 28. XU; Leonardus Zorn,
1485, 30. IX; Maurus Mancher, 1642, 1. IV; Nicolaus, 29. IH; Petrus
Gröblacher, 1588, 1. XU; Rudgerus, 12. VI; Schwigkerus, 13. X;
Sigismundus Frisch, 1556, 10. U; Symon, 6. V; Udalhardus, 3. II;
Ulricus, 1429, 12. IV; 1407, 26. IX; Wernherus, 1300, 80. IV; Wilhel-
mus Schweiier, 1628, 5. XI; Wolfgangus, 1523, 22. XI.
314
Ossiacensis: Moniales — , Alheidis, 13. II; Perchta, 8. III; Katiierina
Steinerin, 14. VI; Diemnd, 17. VI; Dorothea firnbergerin , 14. VI;
Elisabeth, 1658, 16. VII; Eufemia, 2. III; Isala, 2. DI; Veroniea KarU-
pergerin, 14. VI.
— Fandator — , Ozzias comes, 23. X; Popo, patriarcha, 28. IX.
— Fundatrix — , Irenburgis, 4. IV.
Otakerus, rex Bohemiae, 1278, 26. VHI; — dux, 9. V.
Otto, comes et prepositus, 18. VIII; — prepositus, 20. XI; — miles, 22. Vm.
Oxenhusanus, Bartholomaeus, abb*. — , 1632, 2. XII.
Raitenhaslach: Abbates de — , Christophorus Marhofer, 1624; MathUa
Stossberger, Philippas Perzelius, 1620; Wolfgangus Marhauser, 1. IL
Regina, Gertrudis — , 28. IX; Sophia — , et mon., 20. IX.
Kex, Otakerus, — Bohemie, 1278, 26. VIII; Philippus, — Castelle, 'S. X;
MaximiliahuH, — romanus, 1519, 13. 1, 3. X; Rndolfus, — rom., 26. VIIL
Salzburg. Vide arcbiepiscopi.
— Wolfgangns, abbas — , 13. VII.
— Ena Maria Rotingerin, abbatissa in nionte monialium — , 1641, 26. XL
Schwikerus, comes, 4. V.
Scotorum Viennae: Abbates — , Antonius, 11. XI; Augustinus, 1629, 22. XI;
Chunradus Weixelpaumb, 14. IX; Johannes, 1641, 23. XI.
Seittensteten, Hainricus, abbas de — , 1. XI.
Seen, Simon, abbas de — , 17. Fl.
S neb ei SS, Johannes — , de Amoldstain, 1514, 14.11.
Sophia, regina et mon., 20. IX.
Sternberch, Erasmus miles de — , 4. V.
SV
DER HUMANIST
UND
HISTORIOGRAPH KAISER MAXIMILIANS I.
JOSEPH GRÜNPECK.
VON
ALBIN CZERNY,
REGÜLIRTEM OHORHERRN UND BIBLIOTHEKAR ZU ST. FLORIAN.
I
318
in ihrem Reiche sich nicht mehr als Königin fUhle gegenüber
dem Meister aller Jagdkünste, dem kühnen MaX; und dass sie
vor Begierde brenne, ihm Spiess und Bogen besiegt zu FUssen
zu legen.
Der heidnische Schmeichler war ein Priester, ein Geheim-
Schreiber des König und Schöngeist k la mode, Joseph Grün-
peck, der lange für ein Steyrer Stadtkind gehalten wurde und
mit dem wir uns etwas eingehender beschäftigen wollen. Wir
haben zwar vor nicht langer Zeit in der Allgemeinen deut-
schen Biographie eine sehr sorgfältige Lebensgeschichte dieses
seltsamen Vogels von Oefele erhalten, gleichwohl werden die
nachfolgenden Zeilen noch Manches zur Ergänzung und Be-
richtigung bringen können.
Grünpeck's sehr bewegter Lebenslauf begann sicherlich
in der Stadt Burghausen am Inn. In seiner Historia Fride-
rici IV. et Maximiliani I. erzählt er uns scherzend, dass er
mitten im Barbarenlande, auf dem rauhen Boden NoricumS;
in der Stadt Burghausen geboren sei.* Von der Zeit seiner
Studien rückwärts schliessend, nimmt Michael Denis das Jahr
1473 als iGreburtsjahr an. Ueber seine Jugendzeit wissen wir
nichts. Er trieb anfangs humanistische Studien; später wandte
er sich wie die meisten Humanisten anderen Disciplinen zu,
so namentlich der Theologie und Medicin, höchst wahrschein-
lich zu Ingolstadt,^ worauf seine Nationalität, seine Werke und
seine Freunde hindeuten. Doii; erhielt er wahrscheinlich schon
^ Chmel, Oesterr. Geschichtsforscher, Bd. 1, S. 66.
2 Die Acten und Jahrbücher der Wiener Universität melden nichts von
einem Aufenthalt in Wien. Seine medicinischen Schriften waren lang«
Zeit Ursache, dass man zwei Grünpeck, einen geistlichen Historiographen
and einen Doctor der Heilkunst, annahm. Allein die Verbindung des
Studiums der Theologie und der praktischen Medicin war su Grünpeck's
Zeiten häufig. Der passauische Domherr, Pfarrer und Lehrer der Aranei-
kunde Georg Mayr verkauft seine Besitzung zu Indersee, Pfarre Kotten-
bach, den 2. November 1464 an Bischof Ulrich von Passan. Mod.
boica, vol. 31, S. 490. — Der Pfarrer von St. Paul zu Paasau, Greorgios
de Amberg, war zugleich Medicinae Doctor und wurde 1478 von einem
Chorherrn von St. Florian consultirt. — Paul Jovius, der bekannte
Geschichtschreiber, studirte Medicin zu Pavia, wurde später Geistlicber
und Bischof von Nocera. Er war Grünpeck's Zeitgenosse, sowie der
berühmte französische Witzbold Rabelais, welcher Theologe und Anl
zugleich war.
Üis war am 1. März des Jahres 1501 , dass der grosse
Saal im Schlosse zu Linz eine festliche Gesellschaft versammelt
sah.^ Der römische König Maximilian mit Bianca von Mailand,
seiner zweiten Gemahlin, ihre Verwandten, die Fürsten Massi-
miliano und Francesco,^ der ganze Hofstaat harrten gespannt
auf ein Singspiel, welches Conrad Geltes, der gekrönte Dichter,
mit einer Schaar humanistischer Schöngeister den hohen Herr-
schaften zum Besten geben wollten. Dem leidenschaftlichen
Jäger Maximilian wollte man mit einem Festspiel Dianens
(ludus Dianae) in zierlichen lateinischen Versen, anmuthigen
Gesängen und Chören Beifall und Ehre abgewinnen.
Als das Stück beginnen sollte, trat der beflügelte Mer-
curius auf, um. Inhalt und Gang des Dramas kurz zu be-
leuchten und es gleich von vornherein zu sagen, dass Diana
^ Oefele in der Allgemeinen deutschen Biographie 8nb Grünpeck hat den
I. März 1500 angesetzt. Klüpfel, De vita et scriptis Conrad! Celtis
II, 92. Kaltenbäck, welcher uns die Aufführung des Schauspieles in
der Oesterreichischen Zeitschrift für Geschichts- und Staatskunde 1835,
8. 10 f. ausführlich beschreibt, ebenso Asch bach , Geschichte der Uni-
versität Wien I, 240, sind für das Jahr 1501. Da Maximilian nach
Kaltenbäck die Schauspieler am 2. März in Linz reichlich bewirthete,
kann die Aufführung nicht im Jahre 1500 stittgefunden haben, denn
am 2. März dieses Jahres war der König in Augsburg. Siehe Stalin,
Aufenthaltsorte Kaiser Maximilians I. in den Forschungen zur deutschen
Geschichte, I. Bd., 360. Ebenso Gasser, Annales Augstburg. bei Mencken,
Scriptores rer. germ. I, 1725. Die gedruckte Ausgabe des Stückes,
welche am 15. Mai 1501 in Nürnberg erschien, sagt, dasselbe sei ,Ca-
lendis Martüs et Ludis Saturnalibus (Faschingspiel)* aufgeführt worden.
Wenn letztere Worte nicht eine Hypothese des Heransgebers sind, so
hat die Aufführung that^sächlich in den Fasten stattgehabt, denn anno
1501 fiel der 1. März auf den Montag nach dem ersten Fastensonntag.
' Die Sühne des von den Franzosen gefangenen Herzogs Lodovico il moro
hielten sich am Hofe des Königs auf. Verri, Storia di Milano 106, 109.
Dazu Kaltenbäck I. c. 14; Endlicher in den Wiener Jahrbüchern der
der Lit., Bd. 45, S. 153.
320
Ursprung, Ursachen und Heilung des Uebels. In Deutschland
war die hässliche Krätze nicht lange- vorher 1494 oder 1495
mit unerhörter Wuth aufgetreten, und die Furcht vor ihr wbf
nicht weniger gross als in Italien, von wo Albrecht Dürer,
Venedig, 28. August 1506, nach Hause schreibt: ,Ich weiss
nichts, was ich jetzt mehr fürchtete, denn fast jeder hat sie.
Viele Leute fressen sie (die Geschwüre) ganz auf, dass sie
daran sterben/" Dieser Umstand verschaffte den 18 Qaart-
blättem seines Büchleins grosse Verbreitung und wiederholte
Auflagen in lateinischer und deutscher Sprache. Einen Monat
später widmete er dem Bürgermeister und Rath der Stadt
Augsburg seine deutsche Uebersetzung unter dem Titel: Ein
hübscher Tractat von dem Ursprung des bösen Franzos. Der
Bürgermeister, Ritter Hanns Langenmantel, war schon vorher
von ihm mit einem Sprössling seiner astrologischen Träume,
nämlich mit einen Prognostiken auf die Jahi*e 1496 — 1499 heim-
gesucht worden, worin er hervorhebt, ,dass die Figuration und
grosse Constellation der Sterne ihre Wirkung haben in die niedem
Ding, darum auch der Papst und der Kaiser den Sternen unter-
worfen sind^ Diesen Wahnglauben seiner Zeit, die damalige gei-
stige Krätze Europas, wusste er überhaupt prächtig auszunützen.
Noch im selben Jahre gab er einen neuen Beweis seiner
tiefen Einsicht in die Wirksamkeit der Sterne, indem er im
Rückblick auf die Verbindung von Saturn und Jupiter im
Jahre 1484, dem Bischof Christoph Schachner von Passau*
seine Weissagungen über Ursprung und Ende des Antichrist
zu Füssen legte. Das war ja ein herrliches Thema, um die
Aufmerksamkeit von Hoch und Niedrig auf sich zu lenken.
lescentiae saae, quam ignavia luxu qooque inerti sine boniB literi»
traducere puduerit, foetnm. Die Phrase: primus adolescentiae frnctu!<
bezieht sich übrigens auf das erste gedruckte Werk. HandschriftUcb
waren seine Commentare zu den Elegantiae des Laurentius Valla schon
früher vollendet. Siehe unten: Humanistische Schriften. Aus der Wid-
mung seines medicinischen SprOsslings darf man keinen roreih'g^en
Schlnsa auf die Sittlichkeit Waldkirch*s machen. Auch der Wiener Ant
und Humanist Steber widmete sein Buch über die Lustseuehe dem
Professor der Theologie und Rector der Wiener Hochschule Briccin»
Pieprost anno 1497. Unter die Ursachen derselben rechnet er auch die
ConsteUation der Planeten. Aschbach L c. II, 356.
> Siehe Thausing, Albrecht Dttrer*s Briefe, S. 16.
3 Gewählt den 9. M&rs 1490, gestorben den 8. Jänner 1600.
321
Dieses Werkchen , in welchem er König Maximilian die £r-
hOhmig seines Namens ,biB zu seinem 40. Lebensjahre' (1499)
Terkündet, wurde wohl nicht ohne Absicht bei Johann Winter-
boi^er in Wien anno 1496 gedruckt. Conrad Celtes^ mit dem
er 80 wie sein Herzensfreund Bernhard von Waldkirch damals
im Briefverkehr stand und den er als fautor noster singularis
feiert, konnte hier seine vielvermögende Fürsprache walten
lassen und den Druck des Werkchens und vielleicht noch
mehr vermitteln. Des Celtes Collegen von Ingolstadt her,
Stiborius und Stabius^ wirkten ja bereits an der Wiener Hoch-
schule. Aus Grttnpeck's Brief an Celtes (October 1496) wissen
wir, dass ihm damals die Mauern Augsburgs zu enge wurden,
und aus seinem Schreiben an den bairischen Kanzler Eolberg
ersehen wir, dass er damals Schritte zu einer Anstellung als
Historiograph des bairischen Herzogs machte.^ Unterdessen
miterrichtete er in Augsburg Patriciersöhne in den Feinheiten
de« Stiles und dichtete Komödien.^ Im Jahre 1497 am 26. No-
rember hatte er das Glück, eine solche vor dem römischen
König mit seinen Zöglingen aufführen zu dürfen. Der Titel
war: ,Streit zwischen Virtus und Fallacicaptrix vor Maximilians
Richterstuhl'; im Schauspiel wird Maximilian auf Kosten des
Königs von Frankreich verherrlicht; Grünpeck hatte selbst eine
Rolle darin übernommen.^ Schon im nächsten Jahre konnte
der Dichter erfahren, dass Maximilian Air jene dramatische
Huldigung nicht unempfänglich blieb. Er wurde nämlich im
Auftrag des Königs am 20. August 1498 zu Freiburg im Breis-
gau von dem Doctor und Canonicus Sigismund Klreuzer mit
der Lorbeerkrone und dem Dichterepheu geschmückt,^ wodurch
' Siehe unten Brief Grttnpeck^s an Celtes Yom 29. October 1496 nnd den
Landshuter Kanzler Qrafen Ton Kolberg.
' Sein Commentar zn den libri de Elegantia lingnae latinae des Lan*
rentius Valla ist Termnthlich ans dieser Zeit. Er nennt sich darin
schlechthin liberalinm stndiomm magister. Dass er einige Anfmerksam-
heit damals erregte, zeigen die Annales Augnstani von dem Benedic-
tiner Reginbald MOhner von St. Ulrich nnd Afira, welcher znm Jahre
1496 bemerkt; Conradus Pentinger et Josephns Grünbeck nee non
Sigismandns Grimm Angnstae flomere. Siehe Placidns Braun, Notitia
Hist Lit. de Cod. Manusc. s. Udalrici, vol. V, p. 24.
* Oefiele 1. c.
* Sz jnssn Maximiliani ddo. Fribnrgi, IS.Ang. 1498, Josephns Gmenbeck ex
Barghansen lanrea Corona poeticaqne hedera insignitor per Sigismnndnm
322
er auch das Recht auf den Titel: Magister der freien Künste
erwarb. Der arme Augsburger Schullehrer war bereits im
Dienst des Königs^ der unter mancherlei Festen und öffent-
lichen Disputationen damals vom 18. Juni bis Ende August auf
dem Reichstag zu Freiburg verweilte. Seine Stellung war die
eines Amanuensis oder Secretarius in der königlichen Kanzlei,
in welcher manchmal zwölf solcher Secretäre beschäftigt warenJ
Daneben versah er wie andere seiner Collegen die Dienste mes
Caplans bei Hofe, deren Aufgabe es wohl war, abwechselnd
dem König die Messe zu lesen. Was er für dieses Doppelamt
beiläufig an Einkünften bezog, lernen wir aus einem Zusage-
brief Maximilians ftir den kaiserlichen Caplan und Schreiber
Gregor Mändl, welchem alle Jahre, bis ihn der Kaiser mit
einer Pfründe versieht, 20 Gulden gereicht werden sollen.^
Dass Grünpeck zugleich Leibarzt gewesen sei, wie Aschbach
meint, ist unrichtig. Er nennt sich wohl Doctor ,der Erzenei'
I
in seiner Eingabe an die oberösterreichische Landeshauptmann-
schaft, aber nie Leibmedicus Seiner Majestät, was der ruhm-
redige Mann nie zu bemerken unterlassen hätte. Aach die
Verleihungsurkunde seines Leibgedings erwähnt wohl seines
Doctortitels, führt ihn aber blos als ,kaiserlichen Caplan' auf.^
Er erhielt von seinem königlichen Herrn den Auftrag, Mate-
rialien zur Geschichte seines Hauses zu sammeln, gleichwie
Stabius, Ladislaus von Suntheim, Melchior Pfintzing, Treitz-
Kreuzer, Doctorem et Canonicum Ratisbonensem, PassaTiensem et Bri-
xinensem. Wiener Staatsarchiv, Sig^n. Deutsches Reichsarchiv KK.
fol. 119. Der Auftrag wurde am 20. August vollzogen, LL. fol. 119.
' ScbOnherr, Max Treitzsauerwein , Bd. 48 im Archiv für österreichische
Geschichte 362. — Grünpeck ViU Friderici IV. et Maximiliani, S. 95:
mihi uni a secretis suis materiam dictavit. Chmel, Geschichtsfoncher
I, 95. Dazu 8. 66, 78, 92, 95.
2 Aus dem Vizdomamt zu Laibach. Staatsarchiv Wien. Datum Innsbrnck,
24. Febr. 1515. Sign. Deutsches Reicbsarchiv'T. fol. 97.
3 Sie ist vom 12. April 1518. Wegen des Doctors der Erzenei siehe anten
Grünpeck's Briefe. — Die Worte Grünpeck's in der Vita Friderici et
Mazimiliani: Maximiliani Caesaris vitam depingam, cui quidem cum
pluribus annis a secretis fnerim et caet. hat der alte deutsche Bear-
beiter dieser Vita gegeben durch: ,beichender (für Beih&nder, amaanen-
Bis) und heimblicher Rathsgenoss'. Johann Jacob Moser, der diese
deutsche Lebensbeschreibung zu Tübingen 1721 herausgab, macht des-
halb auf dem Titelblatt Grünpeck zum geheimen Rath und Beichtnter
Maximilians.
323
sauerwein^ Manilas in ähnlicher Stellung, und hierauf^ wie auf
seine Vita Friderici IV. et Maximiliani bezieht sich der Titel
.Historicus kaiserlicher Majestät^^ den er sich in ämtlichen Ein-
gaben selbst beilegt. Daneben berieth er Seine Majestät^
welche sich schon in der Jugend mit Stemdeuterei abgegeben
hatte und sich öfter ein Prognostiken machen Hess, aus dem
Lauf der Gestirne.
Die Beschäftigung mit so disparaten Fächern^ wie schöne
claasiscfae Literatur , Theologie, Astronomie und Medicin sind,
gab, wie oben erwähnt, lange Zeit Anlass, dass man einen
literarischen Doppelgänger annahm, einen Joseph Ghünpeck, den
lateinischen Dichter und Geschichtsschreibjer aus Stadt Steyr
und den heilkundigen Arzt Joseph Grünpeck von Burghausen.
Wenn man sich nun auch von der Identität der Personen
später überzeugte, so meint doch der neueste Biograph in
der Allgemeinen deutschen Biographie, nur der Priester und
Magister der freien Künste stehe durch Grünpeck's eigene
Angaben fest. Hierüber ertheilt das Archiv der Stadt Steyr
vollkommenen Aufschluss. Durch die Unterfertigung, welche
seine verschiedenen an die oberste Landesbehörde gerichteten
Acte tragen, steht fest, dass er ,Ihrer Majestät Caplan, Histo-
ricus und Astronomus* war, und nebstbei bekennt er sich auch
als einen ,Doctor der Erzenei^ Diese Ansprüche müssen für
desto verlässlichißr gelten, als die vorgenannten Eingaben noch
bei Lebzeiten des Kaisers gemacht wurden.
In dieser glücklichen Lage, welche im Jahre 1500 noch
durch ein Canonicat am Stifte Altötting verbessert wurde, sollte
er nicht lange verbleiben. Oefele erzählt uns, dass er 1501,
wahrscheinlich zugleich mit Maximilian, wieder in sein altes
bekanntes Augsburg kam und dort auf Bitten seiner Freunde
ein Gastmahl zum Besten gab, bei welchem nicht allein dem
Bacchus und der Ceres, sondern auch der Venus geopfert
wiffde — cui non solum Bacchus et Ceres, sed etiam Venus
intererat. In Folge dieser Orgie befiel ihn das Leiden, mit
dessen Heilmethode er einst seine literarische Laufbahn eröffnet
batte. Er musste sich natürlich jetzt vom Hofe entfernen und
zog sich muthmasslich in seinen Geburtsort Burghausen zu-
rtick, wo er sich vergeblich nach seinem eigenen Recept zu
heilen versuchte, bis es ihm endlich auf einem anderen Wege
gelang, den er in einer neuen Schrift über jenes scheussliche
ArehiT. Bd. LXXni. II. H&lfte. 22
J
324
üebel Anderen zu Nutz und Frommen bekannt machte. ,De
Mentulagra alias morbo gallico' ist der Titel dieses Oeistes-
products, welches er nach der Eingangsepistel den 5. Mai 1503
zu Burghausen vollendete. Dass der Verfasser seines Titels
als Schreiber in der kaiserlichen Kanzlei und wahrscheinlich
auch seines Gehaltes nicht verlustig ging, erhellt aus der
zweiten Ausgabe dieses Büchleins, in welchem er von seinen
Freunden mit Lobsprtichen überhäuft, das Buch kräftig em-
pfohlen und der Autor noch immer als Secretarias regius aus-
gezeichnet wird. Aber eine dauernde Wiederverwendung bei
Hofe erlangte er trotz der im letzten Werke eingeflochtenen
Schmeicheleien gegen Maximilian nicht. Wir sehen ihn dämm
die Segel bei widrigen Winden nach verschiedenen Häfen
richten. Am 8. April 1505 erhielt er vom Regensburger Rath
die Erlaubniss, eine Poetenschule aufzurichten. & wird in der
Concession ,kai8. Majestät Sekretary' genannt und ihm ein
Jahresgehalt von 40 Gulden rheinisch vergönnt. Es Htt ihn
aber nicht lange in Regensburg. ^ Den 20. October desselben
Jahres schreibt er von München aus an Celtes, der ihn zn
einer Zusammenkunft in Augsburg eingeladen hatte, er wolle
nur die Ordnung seiner Angelegenheiten abwarten, um dorthin
aufzubrechen. 2 Im August 1506 treffen wir ihn in der That
in Augsburg. Vielleicht hat er hier, noch ganz voll von den
Eindrücken des bairischen Erbfolgkrieges, die jetzt verlorenen
Common taria divi Maximiliani, der im Kriege zum Gemahle
seiner Schwester Kunegunde, dem Herzog Albrecht IV. von
Baiern-München stand, geschrieben, welche gerade mit dem
Jahre 1505 abbrechen, so wie es am geeignetsten erscheint
seine Geschichte der Erzbischöfe von Salzburg in die Zeit
der unfreiwilligen Müsse in Burghausen etliche Jahre vorher
zu verlegen. Das Jahr darauf 1507 treibt er sich in Nürnberg
herum und bearbeitet im dortigen Predigerkloster eine Ge-
schichte Deutschlands von Karl dem Gh*ossen bis auf seine
1 Die Besoldung^ findet sich nar ein Jahr lang ;in den Stadtrechnongen.
Gemeiner Chronik von Regensburg, Bd. IV, 98.
3 Oefele 1. c. setzt den Brief in das Jahr 1503, aber Denis, Nachtrag lor
Buchdruckergeschichte Wiens, in das Jahr 1505; ebenso Klüpfel, Vita
Celtis II, 92; Endlicher, Wiener Jahrbuch der Literatur, Bd. 45, 8.174,
und Herr Men6ik, Beamter der kais. Hofbibliothek, dessen Qfite ich
die Abschrift des unten folgenden Briefes verdanke.
Zeit. Er beencht auch Constanz, wo er dem versammelten
Seich Btsg zur Mahnung eine im Interesse der königlichen
Majestät verfasate Prophezeiung herausgibt.' Im Jahre 1508
ist er abermals in Regensburg, wie aus der Vorrede zu seinem
Specnlum naturalis, caelestis et propheticae visionis hervor-
gebt, worin er den Cardinallegaten Bemardinus de sancta cruce,
der im December 1807 nach Deutschland gekommen war, um
Maximilian auf seinem beabsichtigten Römerzug zu begleiten,
mit erstaunt ich er Kühnheit wegen der unerträglichen Miss-
bräuche der römischen Kirche haranguirte und dem Schifflein
Petri die schwerBten Stürme in Bälde voraussagte, woillr ihn
Ep&ter die Protestanten unter die Vorläufer Luther's und Zeugen
der Wahrheit aufnahmen.^ Im Jahre 1510 legte er da« ihm
veriiehene Canonicat zu Altötting aus unbekannten Orttnden
nieder. Das nächste Jahr macht er sich durch ein astrologische s
Urtheil Aber die Stadt Regensburg bemerkbar.^ Die Hälfte
des Jahres 1514 verbringt er in der Schweiz, um Natur und
•Sitten dieses merkwürdigen Volkes kennen zu lernen, er be-
TOcht auf einer Wallfahrt das Kloster Einsiedeln und das
lästige Baden im Canton Aargau, worauf er über den Bodensee
zorKckkehrt und bei Scbloss Hartau nächst Bregenz ans Land
tteigt. Im Jänner 1515 treffen wir ihn in Landshut; hier wird an
die Bischöfe von Freisingen und Regcnsburg die Exhortatio ad
reverendissimos principcs Phitippum et Joannem tosgelassen. So
hat sich der Mann, ohne feste Lebensaufgabe herumdämmernd,
nach dem Vorbild seines Ileldenideals Conrad Celtes und so
vieler Nachtreter, Unterhalt und Mittel fUr literarische Arbeiten
in Klöstern suchend (St. Peter in Salzburg, Prediger in Nürn-
berg, Tegemsec, Einsiedeln), dann und wann ein Wahraager-
tibell für einen Buchhändler oder einen Stadtratb schreibend,
bis zmn Jahre 1518 durchgebracbt. In diesem Jahre verleiht
ihm, ,dem Doctor Joseph GrUnpeck, seinem Caplan', Kaiser Max
am 12. April die von Sigmund von Dietrichstein ihm über-
gebenen und ins Vizdomamt ob der Enns incorporirten Mubt-
' Weitläufig besprochen in Friedrich, Axlrologie und Keforiniitidi, HOn-
chM 1864, 8. 64 f.
' AurfUhTÜch BD^seigt in FreylSf , AdjiaratuH Litterarius, t. II, 831 f.
und Friedrieb I. c. S, 70 n. f.
* Hjudicbriftlich in der MQDchuer Staatsbibliothek, Katalog der denUchen
Hudschriften unter dem irrthflinlichen Namen Wolfgang GrUnpeck.
22»
326
dienstzinse und Gülten in der Stadt Steyr zum Leibgeding.* E»
war dieses die sogenannte kaiserliche Hofmühle an der Steyrer
Brücke, gegenüber dem jetzigen Pfarrhofe, der einstmals Spital-
kirche gewesen, gelegen. Sie gehörte zur kaiserlichen Herr-
schaft Steyr und wurde später unter Rudolf H. verkauft.
Damit vereinigt war die sogenannte Fischhub in der Nahe
der Stadt Steyr, mit Wiesen, Aeckern und anderen Stücken
belehnt.^
Diese Hube, die ihm ungerechterweise vorenthalten werden
wollte, in lebhafter Eingabe an den Magistrat Steyr bean-
spruchend, sagte er, dass sie ihm vom Kaiser unlängst ,am
sein langwerig Dienst^ verliehen worden sei, woraus hervor-
geht, dass Grünpeck in Folge der oben erwähnten Modekrank-
heit seines Dienstes nicht vollständig entlassen wurde, sondern
wahrscheinlich seinen Gehalt von 20 Gnilden ohne bestimmte
Verwendung bei Hofe fortbezog, bis ihm endlich die Pfründe
zu Steyr zu Theil wurde. Er wollte das fröhliche, g^werb-
reiche Städtlein als Hafen der Ruhe betrachten, seine Zinsen
einstreichen und nebenher seine medicinischen und astrolo-
gischen Kenntnisse verwerthen. Allein die Dinge verliefen
nicht so glatt, als er sich eingebildet. Das städtische Archiv
bewahrt mehrere Eingaben an den Bürgermeister und Rath,
desgleichen an die Landeshauptmannschaft in Linz aus den
Jahren 1518 und 1519, aus denen wir erfahren, dass man die
Mühlzinse säumig zahlte, die Possession der Fischhub voll-
kommen bestritt und ihm die Honorare ftir seine ärztlichen
Bemühungen grausam vorenthielt. ^
Auf die Nachricht, dass der Kaiser im Jänner 1519 tod-
krank in Wels damiederliege , eilt er dorthin und findet mit
Schrecken, dass des Kaisers Pferde die Köpfe unter die Barren
halten, Thränen vergiessen, sich etlicher Tage des Futters
* Wiener Staatsarchiv, Sign. Dentsches Reichsarchiv BB. fol. 119. Datum
Innsbruck, 12. April 1518. — Nach Preuenhuber, Annales Styr. 184, soll
er schon im Jänner 1508 in Steyr auf der Mühle neben dem Spital ge-
wohnt und einstmal vor einer kritischen Bathswahl ein astrologisches
Urtheil abgegeben haben. Ein vorübergehender Aufenthalt und das
Wahrsagen ist möglich, aber die Mühle hat er nach obiger Urkunde
1508 nicht besessen.
3 Sie ist in der Pfarre Ulrich bei Steyr gelegen.
3 Siehe die Actenauszüge im Anhang.
327
gänzlich enthielten , und dass seine Vögel sich schmiegten^ als
wollten sie mit ihm sterben. Bei dem darauffolgenden Tode
spricht er in höchst pathetischen Worten seinen Schmerz über
den Hintritt desjenigen aus, ,der ihm ein Herr und Vater, ein
Ernährer und Beschirmer' gewesen istJ So warm würde er
sich gewiss nicht geäussert haben, wenn er in Folge seines
Fehltrittes bis zum Jahre 1518 im Schatten voller kaiserlicher
Ungnade gelebt hätte.
Nach Maximilians Tode versäumte er nicht, sich auch
vor Kaiser Karl V. als Stemseher hervorzuthun. Im Jahre
1522 erschien sein Dialogus Epistolaris bezüglich des kummer-
vollen Jahres 1524, worin über Christen und Türkenglauben,
über Pest, Hunger, Krieg und Wassernoth viel aus den
Sternen gefaselt wird. In der Zuschrift an den Kaiser nennt
er sich einen Amanuensis des verstorbenen Imperators. Alle
diese Zeichendeuterschriften, mit denen die Welt damals in
unglaublicher Menge überschwemmt wurde, waren geradezu
erbärmlich nach Inhalt und Form, voll geschraubter, geheim-
nissvoll tönender Redensarten und pathetisch ausgemalter Zu-
kunftsbilder. Man betrachtete sie wohl auch von Seite der
geistlichen Verfasser als eine Art Busspredigten, welche durch
Schwarzmalerei die Menschen zur Reue und Besserung bewegen
sollten. Man übersah aber dabei, dass die Menschen von
^hrecklichen Besorgnissen gequält und mit Unzufriedenheit
mit den jgegenwärtigen Zuständen aufs Höchste erfüllt wurden.
Gunst und Gewinn bei Hofe brachte darum dieses Libell Grün-
peck's nicht ein, umsoweniger, als der Leibarzt des Erzherzogs
Ferdinand, Georg Thanstetter, in eben demselben Jahre 1522
mit einem Tractate auftrat, worin er seinem Herrn und dem
Volke zum Tröste die durch die Sterndeuter hervorgerufenen
Besorgnisse zu zerstreuen sucht. ^ Einen Erfolg flir Grünpeck
mosste ein anderes Ereigniss bringen. Am 31. Juli 1527 war
dem Erzherzog in Wien ein Sohn, der nachmalige Kaiser
Maximilian H., geboren worden. Grünpeck stellte ihm das
1 Deatache Lebensbeschreibung Friedricbs und Max L, S. 100.
' Thanstetter's Tractat erschien den 20. März 1522 bei Johann Singreiner
in Wien als libellus consolatorius quo opinionem jam dudum animis
hominnm ex quorundam astrologornm dirinatione insidentem de futuro
dilnylo et aliis multis horrendis periculis anni XXIV. a fundamentis
exfitirpare conatur.
328
Horoskop und überreichte das höchst trostreiche Resultat dem
Ftirsten in dem noch immer in der kaiserlichen Bibliothek ver-
wahrten ,Genethliacon^ Er sieht sich in der That am 20. Mai
1528 durch ein allerhöchstes Gnadengeld beglückt.' In seiner
Zurückgezogenheit in Steyr hatte er Zeit und Gel^enheit
genug, den Blödsinn seiner Zeit weiter auszubeuten. Hier ent-
stand das ,Horo8kop der Stadt Steyr*, worin er aus der Con-
stellation der Planeten zur Zeit der Gründung der Stadt, die
er natürlich bis auf eine Stunde kennt (wir wissen noch gegen-
wärtig nicht das Jahr) die geistige und körperliche Beschaffen-
heit ihrer Bewohner ableitet. Sie ist ein leicht zugängliches
Product unsers Propheten, indem Pritz in seiner Geschichte
der Stadt Steyr sie im Anhang abgedruckt hat. Hieher ge-
hört auch das ludicium über die Stadt Regensbui^ 1523 ge-
druckt und das Prognosticon Doctoris Josephi Ghruenpeck ab
anno 32 usque ad annum 40 imperatoris Caroli V. plerasqoe
futuras historias continens, welches anno 1532 an das Tagea-
licht trat. Wie bald der Seher seine Augen nach 1532 ge-
schlossen habe, wissen wir nicht. Bei seinem Alter ist die Be-
merkung von Pritz, ^ dass Grünpeck in Steyr verstorben sei,
wohl sehr wahrscheinlich. Das lange Angedenken, in welchem
er bei den Bewohnern lebte und selbst für ein ,Steyrerkind*
galt, sowie die Mühle, welche er als Leibgeding besass, mögen
gleichfalls als Beweis gelten. Preuenhuber spricht hxl den
Stellen, welche Pritz anführt, nur davon, dass Grünpeck
im hohen Alter auf der ihm verliehenen Mühle beim Spital
gewohnt habe.^
Wir haben hier einen Mann vor uns, wie er zur Zeit
des Emporblühens der classischen Literatur zu Dutzenden vor-
kommt. Ohne ein ernstes bestimmtes Lebensziel, dem er ge-
wissenhaft Zeit und Kräfte widmet, zieht er unstet umher und
vertändelt lange Jahre in dem einen oder andern Kloster,
in der einen oder andern Stadt. Dabei huldigt er den freien
Ansichten über Lebensgenuss und Lebensfreuden, welche die
Humanisten aus der ihnen liebgewordenen Heidenwelt herüber-
genommen hatten. Das hält ihn aber durchaus gar nicht
1 Hofanansact vom Jahre 1528. Siehe Bd. 22 des Archivs für Oster-
reichische Geschichte, S. 40, Anm.
» 1. c. 892.
' Preuenhuber, Annales Stjr., S. 4 und Vorrede fol. 3.
329
$hf den anderen Ständen gegenüber und besonders gegenüber
den Geistlichen den schärfsten Sittenprediger zu machen. Er
hüUt sich ohne Bewusstsein der eigenen Schwäche in seinen
Prophezeiungen in den Tugendmantel ein und donnert voll
sittlicher Entrüstung gegen die damalige Geistlichkeit, der er
den grössten Theil der gewiss zu erwartenden allgemeinen Um-
wälzung auf die Schultern ladet. ^ Auch das war Humanisten-
art Uebrigens gab dieses Verhalten Änlass, dass ihn Manche
unter die Vorläufer der Reformation oder unter die Anhänger
Luther's zählten.^ Allein darin irrten sie. Er wusste, dass fUr
ein scandalsüchtiges Publicum Strafpredigten und Herabsetzung
geistlicher und weltlicher Obern ein höchst dankbarer Stoff
sind; er that, was sehr viele katholische Prediger und Schrift-
steller vor Luther thaten. Als sich aber die Folgen dieser
Thätigkeit auf der Kanzel und in der Presse zeigten, schweigt
er von der Verhetzung der Geistlichen und sieht anno 1531
f^ das Jahr 1540 die Besiegung aller Secten und Ungläubigen,
sowie die Unterwerfung der ganzen Welt unter die Herr-
schaft des römisch-deutschen Kaisers^ das ist Karl V., voraus.
Nirgends erscheint die Absicht, eine von der Kirche ab-
weichende Glaubenslehre vertheidigen zu wollen. ,Er hat
viele Büchlein,* wie er sagt, ,nur in der Absicht einer gottseligen
Mahnung an alle Stände christlicher Obrigkeit ausgehen lassen.
Er glaubte, es werde eine bessere Ordnung guter Sitten daraus
erfolgen.'^ Der Vertreter einer von der Kirche verworfenen
Olaubensverbesserung hätte auch von dem glaubenseifrigen
Erzherzog Ferdinand im Jahre 1528 unmöglich ein Gnaden-
geld empfangen können.
Der weiter unten folgende Brief Grünpeck's an den Bischof
Berthold von Mainz, den Reformfreund der politischen Ordnung
des Reiches, beweist, dass er empfänglich war für die Schäden
der schlechten, kraftlosen Reichsverfassung, sowie seine Schrift
an die auf dem Reichstag zu Constanz anno 1507 versammelten
Fürsten lebhaft zur Einigkeit und Anschluss an Maximilian
> Siehe FreyUg, Adparatus Literarius II, 836 und Friedrich 1. c. 72, 77.
^Löscher, Reformationsurkunden, Bd. I, S. 90. — Fiacius, Catalogus
testiiun Teritatis, p. 888. — Hagen, Deutschlands religiöse und literari-
sche Verhältnisse im Reformations-Zeitalter I, 263.
' Grünpeck's Pronostication vom 32. bi.s auf das 40. Jahr Kaiser Carols
des Fünften.
330
gegen die Feinde des ReicheB, seien es nun Türken oder Gral-
Her, ermahnt. Dabei vergisst er nicht zu bemerken, dass,
solle das Reich wirklich gedeihen, der Einigkeit unter den
Fürsten die Einigkeit derselben mit ihrem Volke durch Ab-
schaffung aller Bedrückung vorausgehen müsse. Er kommt
aber dabei über die allgemeinsten Ideen und Wünsche, wie
sie eben Viele damals hegten, nicht hinaus. Einen verderb-
lichen Einfluss hat er aber durch die vielen Auflagen seiner
Flugschriften gewiss gehabt, indem er immer den Clerus und
die Fürsten als die eigentlich zu Reformirenden hinstellt. Für
die Unterthanen, behauptet er, seien göttliche, menschhche und
natürliche Rechte aufgehoben; gegen sie müsse man wieder
Gerechtigkeit üben. Es lässt sich ganz gut vermuthen, welche
Aufregung und Spannung diese Sprache und Argumentation
zwischen den Gebietenden und den Gehorchenden hervorrufen
musste. ' Grünpeck gehörte zu dem Freundeskreis von Conrad
Geltes, wie seine beiden vorhandenen Briefe bezeugen. Dass
er auch ein Mitglied der gelehrten Donaugesellschaft gewesen
sei,2 ist, wie Oefele mit Recht bemerkt, unerwiesen. Aus den
Briefen an Geltes, auf welche sich Aschbach beruft, erhellt
nur, dass er zu den warmen Verehrern des Dichterbundes an
der Donau gehörte. Das Wort sodalitatis litterariae cultores,
welches Grünpeck dort von sich und seinem Freunde Bemard
Waldkirch gebraucht, schliesst nicht die Mitgliedschaft ein
und wäre eine willkürliche Ausdehnung des bisherigen usus
loquendi. Xystus Schier in seinem handschriftlichen Tractat
de Sodalitate Danubiana nennt ihn zwar mit Waldkirch ^ als
Mitglied der Gesellschaft, aber Beweis dafür wird keiner er-
bracht. Es ist überhaupt fraglich, ob er trotz der Dichter-
krönung je einen Vers gemacht. Seine zwei Komödien ver-
rathen in Anlage und Durchführung, in Dialog und Sprache
grosse poetische Armuth. Seine natürlichen Gaben waren über-
haupt merklich unter dem Mittel. Im Gebiete der Geschichte
half er sich grösstentheils mit Compilationen; doch muss man
zugeben, dass aus ihnen ein patriotischer Nationalgeist weht,
1 Friedrich 1. c. S. 70.
2 So Kink, Geschichte der Universität Wien I, 207, n. 239, und A«jh-
bach 1. c. U, 437, n. 5.
3 Waldkirch war es allerding^s. Siehe oben S. 319, Anm. 2 und Aschbach
1. c. II, 257 Anm.
L.
331
der uns häufig in den Schriften der Humanisten begegnet. Die
gloria alemanie oder laus germanie finden wir auf manchem
Blatte ' als Ziel seines Strebens. Besonders ein historisches
Werk, die Vita Friderici III. und Maximiliani I., die wir unten
eingehender besprechen, hat ihm in neuerer Zeit die Ehre oft-
maliger Erwähnung eingetragen. Seine medicinischen Trac-
tätchen entsprechen ganz der Thätigkeit des Doctors Dulca-
mara, als welcher er in Stadt Steyr wirkte. ^ Die Citate, die
wir in seinen Werken finden, tiberzeugen uns wohl, dass er
in alter Geschichte und Geographie, in Bibel und römischen
Classikem belesen war, aber Witz, Scharfsinn, schwungvolle
Gedanken sucht man hier vergebens gerade so wie in seinen
gespreizten, in Phrasen und Lobsalm ersterbenden Briefen.
Die ganze geistige Wirksamkeit des Mannes, der als gekrönter
Dichter, als Schulmann in den bedeutendsten Reichsstädten,
als Geheimschreiber und Historiograph bei Hofe ein gewisses
Aufsehen zu erregen geeignet war, zeigt uns nur, mit welch
kleinem Massstab man damals Ruhm und Gelehrsamkeit mass.
Die zahlreichen literarischen Kraftäusserungen Grünpeck's
zerfallen in medicinische, astrologische, humanistische und histo-
rische. Sie sind theils gedruckt, theils ungedruckt.
Medicinische Werke.
Tractatus de pestilentiali scorra sive mala de Franzos,
originem remediaque ejusdem continens. Gewidmet ist das
Buch seinem Freunde Bernhard de Waldkirch, Domherrn an
der Kathedrale von Augsburg. Die Zueignungsepistel ist datirt:
Auguste ex edibus Magistri Steimack Fautoris mei precipui
15 Kalendas Novembris (18. October) 1496. Der Autor ver-
breitet sich darin über Ursprung, Verbreitung und Heilmittel
der Lustseuche. Hervorgerufen wurde das Buch durch ein
Gedicht Sebastian Brant's de pestilentiali scorra anni 1496 elo-
gium, gewidmet dem Johann Reuchlin. Für diesen ,primus
adolescentiae suae foetus^ war ihm das Interesse des Publicums
gewiss. Hain ftihrt in seinem Repertorium bibliographicum vier
lateinische Ausgaben an, welche vor 1500 erschienen. Die erste
Ausgabe zählt 18 Blätter in 4^. Diese wie die drei anderen
Siebe unten: Deutsche Briefe und Actenauszüge.
334
sind Addiciones ex judiciis astronomicis eines gewissen Chri-
stannus ex clagenfurt.
Ein newe ausslegung der seltzamen wundertzaicben und
wunderpürden, so ein zeyther im reich als vorpoten des Al-
meebtigen gottes auffmonende auffrUstig ze sein wider die feindt
christi und des heyligen reichs, erschinen sein, an alle Kur-
fürsten und Fürsten so auff dem reichstag zu Costnitz versammelt
sein gewesen, von einem Erwirdigen briester, Herrn Josephen
Grtinpecken beschehen. Ohne Ort und Jahr, aber 1507 ge-
druckt, 4 Blätter in 4<* mit Titelholzschnitt J Die Vorrede ist
von Costnitz datirt.
Das, was den Reichsständen vor Allem Noth thue, sei
die Einigkeit untereinander und vorzüglich mit ihren Unter-
thanen; femer der Gehorsam gegen das erlauchte Reichs-
oberhaupt. Die Wunderzeichen am Himmel und auf Erden,
von denen man so häufig vernehme, zeigen, wie er im Einzelnen
nachzuweisen versucht, die im Reich grassirenden Sünden,
Zerrüttungen und Gebrechen an und fordern zur Bestrafung und
ernsthaften Besserung auf, bevor Gottes Strafgericht einfelltJ
Speculum naturalis, coelestis et propheticae visionis: om-
nium calamitatum tribulationum et anxietatum quae super omnes
Status, stirpes et nationes christianae reipublicae praesertim, quae
cancro et septimo climati subjecte sunt, proximis temporibus
venture sunt. Die Vorrede ist an den Cardinallegaten Bernar-
dinus vom heiligen Kreuz gerichtet, der in der Absicht, Maxi-
milian auf seinem Römerzug zu begleiten, den 31. Detember
1507 in Augsburg eintraf und in dessen Gegenwart Maximilian
dscs Jahr darauf sich in Trient zum Kaiser krönen liess.
Grünpeck nennt sich in der Vorrede presbyterum indignum
und datirt dieselbe von Regensburg 1508. Das Speculum ist
aber ohne Druckort und Jahrzahl mit 11 interessanten Holz-
schnitten in 18 Blättern klein 2^ herausgekommen. ^ Wie sehr
dieses Buch die öffentliche Aufmerksamkeit beschäftigte, be-
weisen wiederholte Auflagen, die man theil weise mit Hob-
* Siehe Weller, Repertorium typographicum, Nr. 390. — Eine Notis vom
Reichstag in Costnitz 1607 von Grünpeck wird im Cod. 817 der deut-
schen Handschriften der Münchner Hof- nnd Staatsbibliothek verseichneL
2 Ausführlich bei Friedrich, Astrologie und Reformation, München 1864,
8. 64 f.
3 Denis 1. c. S. 7.
833
De Mentulagra alias morbo gallico Libellus. (Das Pro-
ömium ist unterzeichnet: Datum in natali solo Burckhausen tercio
Ilonas Maji [5. Mai] anno 1503. Regni Maximiliani decimo
octavo.) Voran gehen die Verse eines Georg Gadius und die
Empfehlungen des Aloisius Marlianus und Christanus Umhauser,
der den Autor Secretarium Regium nennt Das Büchlein zählt
14 Blätter in #, ohne Druckort, Jahrzahl und Buchdrucker-
angabe, aber nach Panzer und Hain zu Memmingen von Albert
Kunne yon Duderstadt gedruckt. Eine andere Ausgabe ohne
Proömium, Druckort und Jahrzahl, 12 Blätter in 4^, war dem
trefflichen Denis bekannt. Zu Venedig erschien 1503 ein Nach-
druck bei Scoti.^
Astrologische und prophetische Werke.
In die Zeit seiner Lehrthätigkeit in Augsburg fHllt das
Prognostikon auf das Jahr 1496, handschriftlich in der Münchner
Hof- und Staatsbibliothek. 2
Percelebris viri Josephi Gruenpeck Prognosticon sive Judi-
cium ex conjunctione Saturni et Jovis (welche anno 1484 statt-
fand), decennalique revolutione Saturni, Ortu et fine antichristi
ac aliis quibusdam interpositis. Die erste Vorrede wider die
Verächter der Astrologie ist nicht von Grünpeck. Die zweite
an den Bischof Christoph von Passau ^ enthält dessen Lob und
Jammer über die Zeiten. Unter Anderem führt er an, dass
eine verderbliche, aus der Ueppigkeit des Fleisches hervor-
gehende Seuche beinahe den ganzen Erdkreis überzogen habe.
Maximilian wird gewarnt, sich in diesen Zeiten wohl in Acht
•
zu nehmen vor seinen bösen, rebellischen Unterthanen bis zu
seinem 40. Lebensjahre. Hierauf werde er die Erhöhung seines
Namens erfahren. Das 40. Lebensjahr fiel auf das Jahr 1499.
Das Werkchen, 16 Blätter in 4^ stark, wurde in Wien bei
Johann Winterburger im Jahre 1496 gedruckt.* Angehängt
* Denis, Nachtrag zur Baehdnickergeschichte Wiens, S. 7.
^ Mit Bürgermeister Hans LangenmanteVs und Grünbeck's gemalten
Wappen. Katalog der deutschen Handschriften Nr. 3042.
' Chr. Schachner, gewählt 9. März 1490, gestorben 3. Jänner 1500.
* Denis 1. c. S. 6. — Kobolt, Ergänzungen und Berichtigungen zum
baier. Gelehrtenlexikon, 8. 121, lässt irrthttmlich noch ein zweites Pro-
gnostikon 1496 in Wien von Grttnpeck erscheinen. Das oben genannte
Prognostikon erschien nach Hain auch in Abdrücken ohne Endschrift.
336
läufenden Gerüchtes, dass das SchiflFlein Petri in diesen Zeit-
läuflFen an viele geftthrliche Felsen stossen und beinahe unter-
gehen solle J
In diesem Speculum spricht er auch von einem ähnlichen
Werk, das er zur Zeit ,auf dem Amboss habe^ Libri tres de
mutatione mundi war der Titel. Sie sind aber auf dem Amboss
geblieben. 2
In der Münchner Hof- und Staatsbibliothek befindet sich
ein weiterer Sprössling von Grünpeck's Seherkraft: Doctor
Wolfgang (wir halten es filr einen Schreib- oder Druckfehler
für Joseph) Grünpeck's astrologisches Judicium über die Stadt
Regensburg vom Jahre 1511; 11 Blätter in 2^; deutsch.^
Ad reverendissimos et illustr. principes, Philippum et
Johannem, Frisingensis et Ratisbon. ecclesiarum Episcopos,
comites Palatinos et duces Bavariae salubris exhortatio Josephi
Qruenpeck in litterariarum rerum et universorum graduum cum
bonorum tum dignitatum gravissimam jacturam. Landshut sexto
Kalendas Februarii 1515. 4 Bl, in 4^ Panzer führt (Bd. IX 114)
noch eine zweite Ausgabe aus dem Jahre 1515; aber ohne
Druckort an.
Die Geburt eines schrecklich aussehenden weiblichen
Zwillingpaares verbunden mit den Eindrücken der eben be-
endigten Schweizerreise gab Anlass zu der Schrift. Er glaubt,
Gott und Natur habe durch die zwei monströsen zusammen-
gewachsenen Mädchen des römischen Reiches und deutscher
Nation Missgestalt anzeigen wollen, dessen verweichlichte Sitten,
weibische Gewohnheiten, Unbeständigkeit in Plan und Aus-
führung, unheilvolles Misstrauen, Feindschaften und innere
Kriege, was er Alles an den einzelnen Gliedern der Missgeburt
nachzuweisen sucht. Er kommt zur merkwürdigen Aeusserung:
1 Es wurde schon oben erwähnt, wie dieses Speculum Grünpeck die Ehre
eintrug, von den Protestanten unter die Vorläufer Lutber^s eingereiht
zu werden. Löscher, Reforroationsurkunden, Bd. I, S. 90, sagt fälschlich,
Grünpeck sei ein eifriger Lehrer gewesen und habe in Nürnberg 1501
bis 1508 gepredigt. Hagen erweitert noch diese Behauptung, Grünpeck
sei ein Freund Pirkheimer^s gewesen und habe in Nürnberg gegen das
alte Kirchensystem gepredigt. Ueber den Einfluss des Büchleins
siehe Jörg, Deutschland in der Revolutionsperiode, S. 92.
» Notiz bei Freytag 1. c. 836.
' Katalog der deutschen Handschriften, 8. 208.
337
Weil das Männergeschlecht Deutschlands so entartet ist^ wird
nach Maximilians Ableben die oberste Herrschaft hervor-
ragenden Weibern zufallen oder zum Urzustand, der Volks-
aatorität, zurückkehren, wie die steigende Macht und Einfluss
des Schweizervolkes deutlich drohen. Das kaiserliche Regiment
soll aber nicht der Unwissenheit, Gewaltthätigkeit und Grausam-
keit des ungebildeten vulgus zu Theil werden und die Urroheit
in Sitte, Gesetz und Einrichtungen überall platzgreifen wie
in der Schweiz, nach deren verführerischem Beispiele Viele in
Erwartung von des Kaisers Tode sich anschicken, die kaiser-
liche Wtirde mit ihm auf immer zu begraben. Dieses ihrerseits
jetzt und späterhin durch Rath und That zu hintertreiben be-
schwöre er die beiden genannten Bischöfe als Leuchten pastoralen
Eifers. Sonst werde das gemeine aufrührerische Volk, wie man
es kürzlich in Pannonien gesehen, den Grafen und Herren, den
Gelehrten und Ungelehrten das Mass vorschreiben.
Elme unglaubliche Angst und Besorgniss hatte zu Grün-
peck's Zeiten die Menschen bezüglich des Jahres 1524 ergriffen,
hl Schrift und Bild hatte man schon vor Luther's Auftreten
das Jahr 1524 dem Volke als dasjenige vor Augen gestellt,
welches die Rache Gottes über die Erde, Deutschland vor
Allem, ausgiessen werde, wenn die Reform nach dem Evan-
gelium nicht ernstlich durchgeführt werde. Viele erwarteten
eine neue Sintfluth, wogegen Andere milderen Sinnes blos
eine greuliche Ueberschwemmung annahmen, welche durch die
Pianetenconjunction im Zeichen der Fische anno 1524 an-
gedeutet werde.* Dieser erschrecklichen Wasserfluth ging aber
schon lange eine Ueberschwemmung astrologischer Scharteken
vorher, und hier konnte unser Ghiinpeck nicht fehlen. Von
Johann Weyssenburger in Landshut wurde wahrscheinlich 1522
herausgegeben: Dialogus epistolaris Doctoris Josephi Gruen-
peck ex Burckhausen, in quo Arabs quidam Turcorum Im-
peratoris Mathematicus disputat cum Mamalucho quodam de
christianorum fide et turcorum secta atque inde de bellorum
et aquarum exundationibus, fame, pestilentia et aliis horribilibus
plagia, que anno vigesimo quarto ex omnium planetarum in signo
pisciam configurationibus ob venture sunt, jucunde et utiliter
disputant. In der Zuschrifl an König Karl V. nennt sich
' Friedrich L c. 87 f., 126, 131.
338
Grünpeck Maximiliani quondam Caesaris Amanaensem. Das
Werkchen ist 3 Bogen stark in 4" ohne Jahrzahl. Derselbe
Dialog erschien auch deutsch bei dem nämlichen Drucker den
12. Februar anno 1522 (laut Endschrift) , 4'/2 Bogen in 4^i
Etwas früher oder später veröflFentlichte unser Autor:
lieber die künftige Zusammenfügung der Planeten im Fisch.
Ohne Druckort und Jahr in 4^^
Das Judicium über die Stadt Regensburg, welches für
den Eintritt der Wassergefahr Rathschläge gibt, hauptsächlich
sich aber bemüht, Ereignisse neuerer Zeit, wie Bürgeraufruhr
und Judenvertreibung, als durch die Sterne prädestinirt, hin-
zustellen, kam nach Oefele, Allgemeine deutsche Biographie im
Jahre 1523 heraus.
Genethliacon germanicum Maximiliani U. handschriftlich
auf der kaiserl. Hof bibliothek in Wien Nr. 8489.
Es ist das Horoskop Kaiser Maximilians U., der 1527
geboren wurde.' Von Denis und nach ihm von Chmel wurde
es fälschlich auf Kaiser Max I. bezogen.^
Wir lernen aus der Vorrede die hohe Ansicht des Sehers
von seiner Kunst. Gott hat aus dem Meere der Gaben des
heiligen Geistes den Menschen die edelste und höchste Kunst
der Sterne deswegen mitgetheilt, damit sie, welche mit Nebeln
der Unwissenheit umgeben, den rechten Weg filr ihre Hand-
lungen nicht finden können, in den Fackeln und in dem klaren
Lichte derselben auf das Sicherste wandeln mögen. ,Die Kunst
des Gestirnes^ lehrt nicht allein wohl und recht leben, sondern
auch die Eigenschaften, Sitten und Gewohnheiten der Menschen
erkennen, das Glück und Unglück bemessen, Gesundheit und
Krankheit abnehmen, die Gelegenheit der Heiraten der Kinder,
Freundschaften und Feindschaften, den Tod und das Leben
klärlich erweisen. Wer nur ein wenig, sagt er, durch die
1 Panzer, Annalen der älteren deutschen Literatur 11, 124.
3 Denis, Nachtrag 8.
^ Oefele L c.
* Denis Nachtrag. — Chmel, Die Handschriften der kais. Hof bibliothek II,
S. 489—492. Schon aus dem Eingang der Schrift: Die Vorred Doctor
Joseph Gruenpeck in die Geburt des grossmächtigisten Fürsten, Herren,
Herren Maximilian, König zu Hungern und Beham, Ertzherzog zu Oster-
reich, ersieht man, dass sie nicht auf Maximilian I. verfasst war, dem
der Titel: König von Hungern und Böhmen nicht zukommt
L
339
AstroDomey erleachtet ist, vermag die Zügel seines Lebens und
seitlicher Regierung leichtlich durch alles Ungestüm wieder-
wftrtiger Wetter an das sichere Gestade zu führen! (sie).
Es folgen in 12 Capiteln die Weissagungen Grünpeck's,
höchst schmeichelhaft fUr den neugebomen Prinzen, höchst
behutsam im Ausdruck, und, um den Sehernimbus nicht aufs
Spiel zu setzen, in allerlei schwülstigen Redensarten einher-
gehend. Der Prinz wird aus überschwänglicher ,Lindigkeit^
seines Gemüthes zwar viel betrogen werden und mit falschen
Satfaschlägen umgeben sein, aber seine Geschicklichkeit wird
ihn aus allen seinen Anfechtungen erledigen, dermassen ,dass
er in der Glori und Magnificenz über alle Könige und Fürsten
schweben und ein gut Alter erreichen wird*.
Pronosticon Doctoris Josephi Gruenpeck ab anno 32 usque
ad annum 40,* Imperatoris Caroli quinti plerasque futuras
historias continens. Ratispone apud Joannem Ehol Anno 1532.
7 Seiten Text in 4«.'
Deutsche Uebersetzungen davon: Pronostication Doctor
Joseph Grünpeck's vom zwei und dreyssigsten Jar an bis auf
das viertzigst Jar des allerdurchlauchtigsten, grossmächtigsten
Kaiser Carols des ftinfften etc. und begreyfft in ir vil zukünff-
tiger Hysterien. Getruckt zu Nürmberg durch Künigund Her-
gotin, 4^^ ohne Jahrzahl.^
Eine zweite wurde in Nürnberg von Hanns Guldenmundt
in klein 4*^ gedruckt, ohne Jahrzahl, Text kaum 6 Seiten. ^
Eine dritte erschien mit der Jahrzahl 1532 ohne Angabe
des Ortes und Druckers gleichfalls in klein 4^, aber grösseren
Lettern als die vorhergehende auf nicht ganz 10 Seiten.*
Eine vierte, 6 Blätter in 4^, ohne Jahrzahl, Ort und
Buchdrucker, befindet sich in der Stiftsbibliothek St. Florian.
Das Titelblatt enthält den kaiserlichen Adler zwischen den
Säulen des Herkules und den Wahlspruch: Plus ultra. ^
* In der Wiener Hofbibliothek. — Eine andere lateinische Ausgabe ver-
Eeichnet Panser, Annal. Typogr., vol. IX, p. 153, sine nota loci, typo-
giaphi et anni.
' Denis, Nachtrag 8.
* Wiener Hof bibliothek.
* Wiener Hofbibliothek.
^ Das Florianer Exemplar wurde zur Zeit seines Erscheinens um zwei
Pfennige gekanfL
ArektT. Bd. LXXai. U. H&lfte 23
340
Eine fUnfte ist handschriftlich in der Wiener Hof bibliothek^
wenigstens differirt Anfang und Ende derselben von dem Flo-
rianer Exemplar.^
Die gute Absicht, sagt er uns im Eingangs welche er
bei seinen vielen Prognostiken verfolgte, als einer gottsefigen
Mahnung an alle Stände christlicher Obrigkeit, habe er leider
nicht erreicht. Er glaubte, es werde eine bessere Ordnung
guter Sitten daraus erfolgen. Allein es fallen täglich so schwere
Händel vor, dass man eine rechte Weise guter Ordnung imd
Reformation gar nicht erfinden und ersinnen könne. Gleichwohl
erscheinen täglich am Himmel neue Wunderzeichen und Mirakel,
welche uns unruhig und betrübt machen, dass es gar nicht
zu wundern wäre, wenn Verzweiflung das ganze Menschen-
geschlecht erfassen würde. Er habe darum, wie einem treuen Chri-
sten gebührt, seine früheren Schreiben und'Ermahnungen
wieder vornehmen wollen, damit die Kleinmüdiigen eines
sichern Rath und in ihren Aengsten eine Zuflucht hätten.
Es war nämlich im Jahre 1531 kein Zweifel mehr, dass
die im Jahre 1529 von den Mauern Wiens unverrichteter Dinge
abziehenden Türken bald mit frischer Macht heranziehen und
einen neuen Stoss gegen die Christenmacht versuchen würden.
Die verzagenden Gemüther sollten mit Hoffnungen und Ver-
heissungen aufgerichtet werden. Er geht darin so weit, dass
er im Jahre 1536 die zwei allermächtigsten Reiche Rom und
Byzanz wieder aufgerichtet erblickt. Im Jahre lo37 werden
Spanien und Portugal ihre Herrschaft über Afrika wieder
gewinnen, im Jahre 1538 wird der Tempel des Herrn und
Jerusalem wieder aufgebaut, im Jahre 1539 wird in Egypten
und umliegenden Landen kein Saracene mehr gefunden, alle
Secten und Religionen werden durch ein Band verbunden
werden. Die Juden, jetzt über die ganze Welt verstreut^ werden
sich in Armenien, Persien und Egypten sammeln, um ihren
Messias zu erwarten, aber die Christen werden ihnen grossen
Widerstand thun, so dass Blutvergiessen den ganzen Erdkreis
erfüllt. Im Jahre 1540 wird die ganze Welt unter die Herr-
schaft des Adlers, des römisch-deutschen Reiches gestellt, das
Grab des Herrn ist wieder Christeneigenthum und die Secte
der Nazarener, die letzte unter allen Secten, wird ausgerottet
1 Tabalae Codd. Manusc. sub N. 4756, fol. 161—164.
Ea iat unmöglich, etwas (leiBtloeeres zu leeen als di
Werk Grünpeck'a; nicht ein gescheidter oder poetisch ach'
Gedanke, die Sprache lächerlich gedunsen und geapreizt,
sie nur ein ordinärer Gaukler und Marktschreier gebram
ktmi. Und um diesen Unainn acheinen aicb die Bucbhän
ordentlich gerissen zu haben, wie die vielen Ausgaben bewe:
Was man doch damals dem Volke und nicht blos dem
meinen, "wie die lateinischen Exemplare bezeugen, bieten kon
Von dem durch Kunigund Hergotin in Nürnberg
druckten deutschen Exemplare der erwähnten Pronosticatior
findet aicb eine Handschrift in der Wiener Hof biWiothek, wel
angehängt ist: Ausslegung Über den Kometen, der im 1531
atn und sibentzig tag geschinen hat. Denis, der davon Er'
nm^ macht, spricht sich über die Autorschaft nicht weiter
Practica der gegenwärtigen grossen Trlibsalen — d
die letzt chilias bia zum end werhafiFtig. Strasaburg bei Ji
Cammerlander in 4", leider ohne Angabe dea Jahrea.' Pa
erwähnt dieae Firma mit ihren Werken erst 1534 und 1535.
Katalog der BUc her Sammlung dea Theresianuma in Wien b]
von Jakob Cammerlander einen deutschen Valeriue Max
Tom Jahre 1533. Sollte Cammerlander erst in diesem Jahr
drucken angefangen haben, so würde daraus folgen, daas G
peck seine Schwärmereien bis in das Jahr 1533 oder
Epäter ausgedehnt habe.
Das Horoakop der Stadt Hteyr.' Aus der Conjunctur
Planeten zur Zeit der Erbauung der Stadt, deren Datun
ihn allein kein Geheimniss ist, weist er die geistigen
kürperhchen Eigenschaften der Bewohner im Einzelnen i
Sie könnten, sagt er mit gravitätischer Miene, ein gutes .
erreichen, aber sie verlegen sich zu viel auf Essen und Trii
wodurch das Leben gekürzt wird. In Betreff der Zukunft
Stadt ist er sehr zurückhaltend; er sagt nichts, was nicht _
von uns sagen könnte.
Ans dem Inhalt lässt sich übrigens nicht entnehmei
welche Zeit sie einzureihen ist.
' Abgedrückt in Priti' BMchreibDDg und Geschichte der 8t»dt
Lira 18B7, 8. S9if. — Naolt Prenenliuber, Aonalee Styr., S. *
dioM NatiritiUsatellaDf tou Ste^r id feiner Zeit (1628) noch in
L«iite Hände.
*8»
342
Hnmaniitiiohe Sohriften.
Comoediae utilissimae omnem latini sermonis elegantiam
continentes.^ Es sind ihrer zwei; beide von Johann Froschauer
in Augsburg 1497 gedruckt, 15 Bl. in 4**. Grtinpeck widmete
sie seinem und der schönen Künste innigen Freunde, Bernhard
von Waldkirch. Da sie zu den frühesten Schulkomödien ge-
hören und zugleich den Geschmack einer vornehmen. Reichs-
stadt darstellen, wollen wir uns dieselben etwas näher ansehen.
Die erste Komödie, anlässlich der Heirat eines Augs-
burger Bürgers am 23. Juli 1497 gegeben, soll ein Bild der
verderbten Sitten der Welt sein, welche der Autor hier aber
nur bezüglich eines Standes, nämlich der ausgelassenen männ-
lichen und weiblichen Jugend schildert, die nun allerdings nichts
weniger als sittsam und ehrbar erscheint. Schmerzlich rügt der
Dichter im Prologe die geringe Achtung, welche den Pflegern
der Musen allenthalben zu Theil wird. ,Artium amatores non
modo probro affici fas est, sed etiam admotis digitis verborum
impudentissimorum eculeo (!) pungi, unde non tam extemplo
bonus civis verbum emittit ex ore latinum, quin lacessantium
hominum improbus sit sermo: En scolasticus bibulusque atra-
mentarius veretur uti matemo idiomate; abeamus, nostrae sit
expers sodalitatis.^ Das Stück, welches keinen Titel hat, ist
eigentlich nur ein Dialog, welchen weltlich gesinnte, genuss-
süchtige Mädchen und Jünglinge mit den Vertretern einer
strengeren Lebensansicht, einer frommen Jungfrau, zu der sich
später als Verbündete ein altes Weib schlägt, unterhalten.
Auf die Ermahnungen der Einen folgen die sophistischen
Argumente der Anderen. Von einer Handlung, von spannender
Verwicklung, von Geist und Witz ist platterdings nichts zu
entdecken. Das Ganze ist eine schülerhafte und bäuerisch rohe
Arbeit, und es wird uns geradezu unbegreiflich, wie derartig
geistloses Zeug und so gemeine Spässe vor den Senatoren
einer der ersten Städte des Reiches und von Patriciersöhnen
1 Sie worden mir mit weltbekannter Liberalität von dem Vorstand der
königlichen Hof- nnd Staatsbibliothek in München znr Einsicht fiber-
sandt, wofQr ich hier meinen verbindlichsten Dank ausspreche. — Fall*
mann im Artikel ^Grünpeck* bei Ersch und Qruber spricht von iwei
Ausgaben. Was den Druck bei Froschauer anbelangt, nehe Notitia
Hist. Lit de Ubris monast. SS. Udalrici et Afrae Augnstae exstantibuSf
vol. n, 290.
•84S
aufgeführt werden kooDten. Charakteristisch fUr jene Zeit ist
auch die Freiheit und Frechheit,' mit welcher die Zöglinge
Grttnpeck'e sich Über die Liebe und Liebschaften aussprechen,
das Älter und elterliche Strenge verhohneii. Man merkt den
EinäusB, welchen Terenz und Plantus auf Weglassung alles
Zwanges in dieser Beziehung geübt. Und doch versichert uns
der Dichter in der Dedicationsepistel an Waldkircb, seine Ab-
sicht sei gewesen ,hujuB seculi mores notando adolescentibus
prima oratorum elementa capessentibus prodesse', und am
Schlüsse lobt er die Schüler (ingenui pueri patricii) als summa
modestia atque urbanitate praediti ! Die Wechselgesprftche
Verden von den Spielern, welche auch die weiblichen Rollen
auf sich nehmen, in lateinischer Prosa geführt. In den Bürger-
schalen der grossen und kleinen Städte des Reiches wurde
nbuUcb damals auch Latein gelehrt. Auf sein Latein thut
sich Grünpeck viel zu Oute, denn er behauptet auf dem Titel-
blatt, dass jeder durch seine Dramen ein vortrefflicher Lateiner
werden könne. Das Compliment, welches ihm Probst Tucher
von St. Sebald über das feine Latein macht, entspricht Übrigens
mehr der Höflichkeit als der Wirklichkeit. Die Zuhörer waren
nur Itiftnner. I^nge hat übrigens der "Dichter sein Publicum
nicht aufgehalten, das ganze Spiel steht auf 13 Quartseiten. Er
eelbst war unter den Spielenden,' wahrscheinlich als Sprecher
des Prologes.
Das zweite Stück, zu Ehren des Königs Maximilian am
'26. November 1497 zu Augsburg aufgeführt, bewegt sich in
demselben Ideenkreis wie das erste : Tugend und betrügerische
Weltlust mit einander im Kampfe als Sittengemälde des gegen-
wartigen Weltlaufes. Die Tugend (Virtus), von ihrer ewigen
Feindin, der betrügerischen Weltlust (Fallacicaptrix) überall
tun verfolgt und vertrieben, durchwandert ruhelos den Erd-
kreis,^ bis sie, vom Vertrauen zum neuen Herrscher Maximilian
' Den einen der JDaglInge entiUckt nn seiner Geliebten nichts mehr als
^niu ille qnnm pedit, quod tota rMonst domiu'.
' efit uitot ipiemet, am Schlaue.
* QrQDpeck ISsst sie eralUilen Ton den Arimaspen, welche nor ein Ango
mitten anf dei Slirne haben; den Sauromaten, welche nnr alle dritten
Tag Speise nehmen, den schlangengebomen Tolkern Afrikas, den Hodo-
stelen in Indien, welche ein Bein mit wanderbarer SchnellkTaft besitzen;
den Volkern, welche keinen Nacken und die Augen anf den Schnltern
geleitet; nach Augsburg kommt , wo sie dessen Richterspruch
gegen Fallacicaptrix , die stolz sich rühmt, dass der Erdkreis
ihr angehöre, anruft. Vor dem Tribunal des Königs entspinnt
sich zwischen beiden Nebenbuhlerinnen ein hitziger Kampf um die
Jugend. Vivite leti o imberbes (!) adolescentes, fruimini gaudio
et voluptate dum vires etasque sinunt, sequimini puellarum
amores. So beginnt Fallacicaptrix das Spiel und den Wett-
streit. Sie sollen sich ja nicht durch ihre tadelsüchtigen Väter
abhalten lassen, welche die Söhne etwa Wüstlinge, Schlemmer,
Säufer und Verschwender nennen. Ebensowenig sollen die
,innuptae puellae' auf die ernsten Worte ihrer Mütter hören,
die früher dasjenige selbst gethan haben, was sie jetzt an
ihnen tadeln. Durch Stellen aus Horaz werden die Schmeichel-
worte der Fallacicaptrix verstärkt. Bei dem Auftreten der
Virtus ergreifen die ,pueri' wie vor einer Schreckgestalt eiligst
die Flucht; nur auf beweglichen Zuruf halten sie stille, bitten
aber den König um endliche Beilegung des unerträglichen
Zankes zwischen den beiden Gegnerinnen. Der König kann
Niemand ohne ordentlichen Process verurtheilen, ein Herold
verkündet, dass er den Gerichtsstab an sich nehme und das
Gericht beginne. Nun folgen gegenseitige Anklagen und Be-
schuldigungen, bis endlich der König zur Entscheidung gedrängt
wird, als Virtus ihn an die Wohlthaten erinnert, die sie ihm
in allen Handlungen und Geschäften bisher erwiesen. Besonders
möge er gedenken, wie sie ihm während des Krieges gegen
den treulosen französischen König (perfidum regem Franeie),
der ihm die Gemahlin geraubt, tröstend zur Seite gestanden
und ihn im schwersten Kummer zur Geduld und Ergebung
angespornt. Sie sei es auch gewesen, die ihn, als er von
seinen rebellischen Unterthanen in den Niederlanden (versi-
pelles Flamingi) in den Kerker geworfen wurde und von
Allen verlassen war, allein mit mütterlicher Zärtlichkeit pflegte.
Besiegt umarmt der König die Tugend, die er von nun an
als Lenkerin aller seiner Schritte erklärt. Fallacicaptrix wird
feierlich verbannt. Die lateinische Sprache, obgleich gesucht nnd
schwülstig, ist hier dennoch gewählter und feiner als im ersten
Stück. Es erscheinen darin viele Anklänge an lateinische
Dichter und Autoren. Rohe Scherze bleiben fern. Man merkt
es dem Drama an, dass es vor einem König und seinem Hof-
staat, vor den edlen Geschlechtern der Stadt
g UUU BOIUOUi UVi
idt Augsbtti^, vor
345
Uännleia und Fräulein gespielt werden sollte. OrOnpeck ent-
Khnldigt sich, dass er es in lateinischer Sprache, welche aur
wenige Zueeher verstehen, zur AuflUbrung gebracht. Aber vor
dem Könige konnte er ein bo erhabenes Thema nicht in einer
b&rbariBchen, hSsslichen und abscheulichen Sprache behandeln.*
Aach hier sucht man vergebens nach einer Handlung.
Das ganze Wortgefecht verbreitet sich in geistloser Prosa über
13 Seiten in 4''. Die Spieler waren auch hier die jugendlichen
Zdglinge QrUnpeck's aus vornehmen Äugsburger Hftusem. Er
selbst trug den Prolog vor.
Laurentii Vallae libri de elegantia linguae Latinae a
Josephe Qruenpeck explanati. Sie sind nur handschriftlich in
einem Codex des Klosters Tegemsee, jetzt in der Münchner
Hof- und Staatsbibliothek (Nr. 18998) vorhanden.' Die Ele-
gutiae Vallas, eine Anleitung zur classisch -lateinischen Schreib-
ireise, wurden schon vor Gruenpeck vielfach commentirt. Die
Znschrift hebt an: Joseph Gruenpeck liberalium studiorum
magister omnibus ingenuamm arcium anditoribus, felicitatem
optat. Danials war also GrUnpeck nicht mehr als lateinischer
Schulmeister.
Er preist das Wiedererwachen der Wissenschaften und
RüDBte zu seiner Zeit in Italien.^ Er hofft, dasB, wenn Frieden
und Müsse seiner Zeit beschieden seien, die Sprache der Römer
und mit ihr die Grosszahl der Disciplinen wieder werde her-
stellt werden. Sein Buch ist, wie er selbst sagt, nur ein Aus-
zag aus den Elegantiae .doctissimi et latinissimi Vallae'. Er
bringe kein neues Werk, nur wo es nothwendig war, habe er
manchmal etwas Neues aus seiner Erfahrung hinzugefügt. GrUn-
peck befolgt übrigeoB eine andere Ordnung und behandelt den
reichhaltigen Stoff in 61 kurzen Capiteln. Die Abfassung iUllt
in die Zeit seines IngolstAdter Lehramtes 149Ö oder 1496. Das
Ganze ist eine unbedeutende Arbeit, das Beste seine warme
Empfindung fUr sein Vaterland und Deutschland, wobei er aber
1 iniqQiuii daxi, rem tantam barbaro et foedo atqae tarpi aermoDe tractari.
' Die Haadacbrift gebttrt dem Auigtuif de« 15. oder Beginn des Ifi. Jahr-
kauderto an. GrUnpeck's Abhandlnng steht &uf 58 beschTiebenen Octav-
bUtlem. 6ie nurde mir inr Einuobt auf da« ZuvorkoDiniendste zu-
346
nicht unterläsBt; dem ersteren derbe Dinge ins Gesicht zu
sagen. Aus Pietät gegen sein Geburtsland, sagt er im flingangt
und zu allen Deutschen überhaupt, speciell zu den Liebhabern
der Beredsamkeit des Ingolstädter Gymnasiums (hujus gymnasü
Ingolstatiensis) habe er diese mühevolle Arbeit auf sich ge-
nommen. Er wollte mit seinen schwachen Kräften beitragen,
dass die Jünger nützlicher Wissenschaften fUr römische Bered-
samkeit empfänglicher würden, andererseits die Barbarei aus
dem Baierlande ausgetilgt würde, welches ausländische Nadonen
nicht nur roh und ungebildet vor allen deutschen Völkern,
sondern auch das gefrässigste und unreinlichste schmählicher
Weise nennen.^
Hiitorisohe Werke.
Am bekanntesten wurde Grünpeck durch seine Historia
Friderici III. et Maximiliani I.^
Dem jungen Fürsten von Burgund, Erzherzog Karl, sollten
bei seinem Regierungsantritt die Tugenden und glorreichen
Thaten der beiden Ahnherren zu Nutz und Frommen vor Angen
gestellt werden, was in 46 kleinen Abschnitten geschieht, in
denen Herkommen, Gestalt, Jugend, Lebensweise, Sitten und
Fertigkeiten gleichwie die Grossthaten in überschwenglich pane-
gyrischer Weise und, wie Grünpeck meint, im schlichten, volks-
mässigen, in der That aber überladenen und schwülstigen Style
vorgebracht werden. Was die Quellen anbelangt, aus denen
er das hier Mitgetheilte schöpfte, so spricht er sich selbst
darüber aus, indem er uns erzählt, der Kaiser habe ihm aufge-
tragen, was er immer von merkwürdigen Aussprüchen oder
Thaten seines Vaters Friedrich III. oder anderer Mitglieder
seiner Familie erfahren würde, zu Papier zu bringen. Was er nun
^ Weg^en des Wortspieles geben wir die Stelle im Original: atqae nt
barbaria tamquam sentina exbauriatur presertitn ex nostra bavarie pro-
▼incia quam extere gentes inter omnes germanie nationes non rüdem
solnm ac agrestem, sed omni ingluvie ac squalore sordidissimam in*
digp[ie vocitant.
2 Das Original befindet sich im k. k. geheimen Hausarchiv in Wien.
Veröffentlicht wurde dasselbe von Cbmel im Oesterreichischen Geschichts-
forscher, Wien 1838, Bd. I, S. 64 f. Siehe dazu BOhm, Handschriften
des Haus-, Hof- und Staatsarchives, Nr. 24. — Auch dieses Werk sollte
einst wie Weisskunig, Theuerdank und andere durch KttnsUerhsnd
illustrirt werden, FlUcbtige Skizsen dazu gehen den einzelnen Capiteln
voraus.
S47
über die ruhmreicheD Handlungen der Urgrossväter, Groseväter
luid EUteni des Prinzen Karl aus den Berichten der Zett-
genoBsen und gedruckten Werken schSpfen konnte, das wolle
er nun dem Prinzen zu Ehren erzählen. Besonders aber wolle
er eich mit dem Lebenslaufe Maximilians beschäftigen, dessen
Sitten, Worte und Thaten er um so getreuer darstellen kOnne,
aU er ihm durch mehrere Jahre als Geheimachreiber zur Seite
stand und Maximilian in seiner huIdvoDen Weise ihm Auf-
klärung über Dinge gab, die er von seinen Ammen, Gespielen,
Zeitgenossen und Kriegskameraden in Erfahrung brachte.' Ja
■ach direct habe ihm der Kaiser Ereignisse aus seinem Leben,
wie es eben kam, bei Tische, im Lager und auf der Jagd mit
wQDderbarer Qedächtnissfriscbe in die Feder dictirt.
Auf diese Weise sind viele ZUge, besonders aus der Kind-
heit und dem Jugendalter des feurigen Monarchen erbalten
worden, von denen wir sonst nichts wUssten, aber — Kritik
ihot bei allen Noth, denn Hofklatsch und schmeichlerische
Uebertreibung sehen bei allen Fenstern heraus.
Das Buch wurde Übrigens wie andere vom Kaiser inäuen-
drle Werke demselben zur Durchsicht unterbreitet. Eigen-
bindige Notizen finden sich hie und da am Rande des Textes
oder bei den Federzeichnungen. Es lag das in Maximilians
Art Wir wiesen ja, dass die Autoren und Künstler häufig Aus-
kunft und Belehrung betreffs der ihnen aufgetragenen Werke
Tom Kaiser, dem ein vortreffliches Gedächtniss zu Statten kam,
erhalten. So bewahrt die kaiserliche Hofbibliothek ein Exem-
plar des Theuerdank, in welchem Zusätze und Anmerkungen
von Maximilians Hand vorkommen.' Mit Sorgfalt hat er die
Beschreibung der Figuren, welche vor ein jedes Capitel gesetzt
werden sollten, angegeben. Vom Weisskunig bezeugt dasselbe
der Origtoalcodex der Hofbibliothek mit den vielen Hand-
zeichnungen und Anfragen seines Secretärs Marx Treitzsauer-
wein.' Aach der Ritter Freydal enthält Notizen ans Maximi-
lisna Feder.^ Welchen Einfluss er auf das Werden dieser
1 Eingutgsepiitel «nr Vila Friderici 8. 66 und HaximiliaDi 8. 78.
) Siehfl Khauti, Verancli einer Oesohichte der diterr. Oelehrteo, 8. 103.
' Moni, Gescliichte der k. k. Hofbibüothek, S. 314, and Chmel, Hand-
Ktiriften der Hofbibliothek, Bd. I, S. 476, Nr. 76; S. 4SI, Nr. 76.
' MoMl 1. c. 8. 81. — HerauBgagehen von Quirin von Leitner, Wien
348
historischen Arbeiten nahm, beweist sein Historiograph Jakob
Manlius, der zu dem Buch ,von den fJrlauchtigen und Klaren
Weibern des löblichen Hauses Habsburg' überall nach Bei-
trägen fahndete und die Auswahl dem Kaiser tiberliess.* Für
Friedrich IH. Lebensbeschreibung fehlte ihm allerdings der
persönliche Verkehr; aber er hätte wohl bei Hofe und im Lande
Leute genug gefunden, welche Friedrich näher kannten. Er
bringt uns aber höchst unbedeutende Notizen und weiss nichts,
was einen Ritter oder Regenten wahrhaft auszeichnet, anzu-
führen. Die unendliche Geduld, Nachsicht, das langmüthige
Abpassen der Gelegenheit, wo der Gegner von anderer Seite
bedrängt wurde, um sich an ihm zu rächen, waren nachgerade
keine blendenden Vorbilder für einen jungen hochgesinnten
Fürsten. Ueberdies zeigen die im Original durchstrichenen
Stellen und Capitel, dass auch das Wenige, was er über
Friedrich bringt, vor dem Auge des kaiserlichen Kritikers
keine Gnade fand.
Was die Zeit der Abfassung betrifft,^ so erwähnen wir
als das jüngste darin berührte Ereigniss, die grosse Gemsjagd^
auf welcher Maximilian, er war damals ungefähr in seinem
49. Lebensjahr (undequinquagesimo forte etatis sue anno), meh-
rere hundert Gemsen erbeutete. ^ Das 49. Lebensjahr vollendete
Max im März 1508. Von den kriegerischen Unternehmungen
des Kaisers erwähnt er zuletzt die Schlacht bei Regensbui^
gegen die Böhmen 12. September 1505, setzt aber bei, dase er
1 Chmel 1. c. Bd. I, S. 475, Nr. 75. Siehe dazu im selben Codex den Auftrag
des Kaisers an Manlius in Betreff der Chronik von den ,zotteten MendP.
2 Pallmann in Encyklopädie von Ersch und Gruber sub Grünpeck glaubt
1508, wie schon vor ihm Potthast, Wegweiser durch die Geschieh ts-
werke des Europäischen Mittelalters. Oefele in der Allgemeinen deut-
schen Biographie, und Krones, Grundriss der österreichischen Geschichte,
S. 21 meinen 1508—1516.
' Pallmann übersetzt irrthümlich den Satz: undequinquagesimo forte etatis
sue anno ita exercuit (nämlich die tollkühne Jagdlust), ut una vena-
cione trecentas sexingentasve capras caperet mit: Maximilian habe
bis zu seinem 49. Jahre 900 Gemsen erbeutet. Grünpeck wollte nicht
überhaupt die Zahl der von Max bis zu einem bestimmten Zeitraum
erlegten Gemsen angeben, sondern nur zeigen, wie tüchtig er und
seine Leute in dieser Art von Jagd geschult waren, indem man bei
einer einzigen Jagd, una venacione, 300 bis 600 Gemsen fing. Es heisst
trecentas sexingentasve (für sexcentasve). Grünpeck's Quellen waren
bezüglich der Anzahl offenbar getheilt.
849
noch sehr viele andere kriegerische Expeditionen ausAihrte,
welche Grünpeck in anderen Abschnitten zu erzählen sich vor-
behalte ^ em Beweis^ dass die Abfassung des Werkes in spätere
Zeiten als 1508 zu versetzen ist. Das wahrscheinlichste Jahr
der Vollendung ist 1515, indem Prinz Karl, für den er seinen
Fürstenspiegel verfasste und den er in der Widmungsepistel
Bni^ndionum faustissimus princeps titulirt, die Regierung der
Niederlande im September des Jahres 1514 thatsächUch antrat.
Damals konnte Maximilian, dem die Handschrift vorgelegt
wurde, die etlichen Verweise auf den Weisskunig machen,*
welcher fdr den nämlichen Prinzen und zum nämlichen Zweck
von Marx Treitzsauerwein zusammengestellt wurde und Weih-
nachten 1514 in seiner gegenwärtigen Gestalt fertig war.^
Ebenso konnte damals dieselbe hohe Hand auf den Thenerdank
hinweisen,^ der gleichfalls flir Karl als ein Spiegel zur Nach-
folge bestimmt und von Melchior Pfintzing um dieselbe Zeit
wie der Weisskunig im Manuscript vollendet war.* Eine spätere
Ab&ssung, etwa 1516, ist aus dem Grunde zurückzuweisen,
weil Prinz Karl durch den im Jänner 1516 erfolgten Tod
König Ferdinands von Aragonien auch König von Spanien
wurde und Grttnpeck in der Widmungsepistel voll Lob und
Schmeichelei Elarl wohl nicht blos Fürsten von Burgund und
Erzherzog von Oesterreich genannt hätte.
Die beim Beginn der Geschichte Maximilians angebrachte
Federzeichnung — Grünpeck überreicht dem Kaiser knieend sein
fertiges Buch — und der Inhalt dieses zweiten Proömiums selbst
sind schliesslich ein Beweis, dass Grünpeck die lateinische Bear-
beitung des Lebens seines kaiserlichen Herrn noch bei dessen
Lebzeiten vollendete. Eine zweite historische Arbeit ist die:
Lebensbeschreibung Kayser Friederichs des HL (IV.) und
Maximilians des I.
Das Werk ist eine greulich ungeschlachte deutsche Ueber-
setzung eines lateinischen Originals, welches nicht mehr voi^
banden ist und welches in nächster Beziehung zu der obge-
* Chmel, Geschichtsforscher, S. 84—87.
* Vorrede zum Weisskunig. » Chmel, Geschichtsforscher, 67.
* Thenerdank lag den 1. März 1517 bereits gedruckt vor. Aber Entwürfe
und Notizen Ton des Kaisers Hand geschrieben, waren schon Tor der
Redaction des Ganzen durch Pfintzing vorhanden. Siehe Mosel 1. c.
S. 19 und KhauU 1. c. S. 96, 97.
350
nannten Vita Friderici III. et Maximiliani I. stand. Grünpeck's
Air den Prinzen Karl ausgearbeiteter Fürstenspiegel ist offenbar
nicht in dessen Hände gekommen. Da mochte sich nach Maxi-
milians Tode der schreibselige Historicus wohl versucht gefehlt
habeu; noch einmal den Wurf zu wagen. So wurde denn die
ursprüngliche Vita erweitert und umgearbeitet und dem heran-
gereiften Brüderpaar y Karl dem deutschen Kaiser und Ferdi-
nand dem Könige Ungarns und Böhmens^ zwischen 1526 und 1530
gewidmet. Der würtembergische Regierungsrath und Professor
Juris in Tübingen , Johann Jakob Moser, fand das deutsche
Manuscript in der würtembergischen Regierungsraths-BibUothek
und hat es 1721 in Tübingen in Druck gegeben.* In der
Handschrift wird der Autor ausdrückUch Dr. Joseph Grünpeck
genannt. Pallmann (Encyklopädie von Ersch und Gruber) hielt
das Buch fUr eine schlechte Uebersetzung der von Chmel
herausgegebenen Historia, allein es ist offenbar mehr. Es sind
ganz neue Capitel dazugekommen^ die anderen häufig durch
interessante Zusätze erweitert, manche gektU'zt, die G^chichte
Maximilians bis zu dessen Tode weitergeführt, der Ausdruck
vielfach verändert. Dass diese erweiterte Historia in lateinischer
Sprache abgefasst war, kann wohl nicht bezweifelt werden.
Die Widmung an so vornehme Herren wie Karl und Ferdinand,
die Verachtung, in welcher die deutsche Sprache stand, und
die Vornehmheit, welcher sich die lateinische erfreute, sprechen
laut dafür. Zudem entschuldigte er Seite 5 des deutschen
Textes ausdrücklich ,das bairische Latein^ in welchem das
Opus geschrieben sei.^
Grünpeck mochte sich veranlasst gefunden haben, sein
Werk durch eine deutsche Uebersetzung auch weiteren Kreisen
bekannt zu machen; jedoch erwähnt er nichts davon. Auf
jeden Fall war der Uebersetzer ein Mann, der mit dem öster-
reichischen Dialekt vollkommen vertraut war. Zahllose Idio-
tismen wie: anplatzen, kiefeln, aindlf, gelblet, Fleiss ankehreD,
geschämig, fuchtlatt, zapplat, Mann für Mond und dei^leichen
sprechen dafür. Oft hängt er sclavisch am Wort seiner Vor-
1 Das Buch int äusserst selten und befindet sich in der Bibliothek zu '
ftt. Florian. '
2 iniqnnm duxi, rem tantatn barbaro et foedo atqne turpi sermone tractsri.
8o lauten die Worte Grünpeck's, womit er die lateinische Aufführung
der Komödie ^Fallacicaptrix^ vor dem deutschen Publicum begründet
i i
S61
lige, das er in der plumpsten, sehr oft unverständlichen Weise
wiedergibt, Bilder and Redensarten werden falsch aafgefasat,
wu nicht fUr QrUnpeck als Uebersetzer spricht, eigene Namen
entstellt Ausserdem kommen zahlreiche sinnstOrende Lese-
fehler aof Rechnung des Herausgebers, sowie die häufigen
Druckfehler auf die des Correctors. Auf ein merkwürdiges
l'ebersetKerstUck wollen wir speciell aufmerksam machen. Die
Worte seines lateinischen Originals Amanuensis und a secretis
gibt der Uebersetzer Seite 7 durch: beicbender (ftlr BeihSnder.
Amanuensis) und heimblicher Ratfasgenoss, was den gelehrten
Heransgeber Moser verleitete, unsern GrUnpeck auf dem Titel-
blatt zu Kaiser Maximilians geheimen Rath und Beichtvater
la machen, ein Irrthom, der sich auch in manche neuere
Geschichtawerke eingeschlichen hat.'
Charakteristisch ist die Art, wie OrUnpeck in seiner
erweiterten Historia den Stoff behandelt. Es werden nicht blos
allenthalben Aenderungen vorgenommen, sondern der Tod des
^ser Maximihan hat ihn auch offenbar von mancher RUck-
ncbt los gemacht und das vorgerückte Alter der Prinzen eine
grössere Offenheit ermöglicht. Daher kommt manche ei^ftn-
lende Erzählung, die vorher Hofgeheimnias war, in den Text
Interessante Notizen, die früher fehlten, haben jetzt ihren Platz,
wie zum Beispiel: Seite 26 der Zug des Kaisers Friedrich nach
Rom, Seite 30 die Beschreibung des Linzer Schlosses, Seite 22
die Bemerkung , dass Karl von Burgund auf Anreizung
Kaiser Friedrichs durch Herzog Sigmund von Tirol und die
Schweizer erschlagen worden sei,* Seite 55 die Nativität
Maximilians, welche den eingefleischten Astrologen verräth,
Seite 69 die Stellen Über die unehelichen Kinder dieses Kaisers
and seine verunglückte Ehe mit Bianca Maria. Sehr bezeich-
nend ist auch die Weise, wie er sich über den Appetit
Friedrichs in der ersten und in der zweiten Historia ausspricht
Die Stelle in der kürzeren Histona (Chmel, Seite 74), dass
Friedrich zweimal des Tages . reichliche Nahrung zu sich
genommeD, hatte damals bei dem kaiserlichen Corrector Anstoss
■ Potlhut, Weg^eUer; Kroiiea, OMchiohte Oetteirelcha. II, 604.
' Si^andi Söldner lUndfln ia den Schlftchtec von Onngon und Marteo
tat Seita der Eidgenouen. Oberleitner, Oesterreichs Fioansan und
KriagBWMen unter Ferdinand L im Archir fQi OBterreichüche OMchlcble,
Bd. 3S, 6. U.
erregt, indem er zweimal in einmal (semel) Terwandelte. Die
erweiterte Historis bat das alte Wort gbis' wieder hergestellt
und begründet (Seite 36). Von den ganz neuen Hauptetacken
in der erweiterten Darstellung nennen wir Seite 69 Maximilians
Vermählung mit Bianca , Seite 73 vom Tenedischen Krieg,
Seite 94-100 vom Tode des Kusers.
Schon früher einmal hatte QrUnpeck den Anlauf ge-
nommen, das Leben des ruhmreichen Monarchen zu hescbreiben.
Dahin ziehe ich nämlich die Commentaria divi Mazimiliani ab
anno etatis ejus XVII. ueque ad quadragesimum sextum (1Ö06),
von welchen der SecretÄr des Erzherzogs Ferdinand von Tirol,
ConraduB Deciua (Dietz) a Waydenberg erzählt, dass sie in
einem geschriebenen Bande der Bibliothek seines Herrn ge-
funden und bei Abfassung der Ännales rerum austriacaram
von (rerard de Roo benutzt worden seien.' Sie können nicht
mit der von Chmel veröffentlichten Historia identisch gewesen
sein, weil die Commentaria mit der Verm&hluug MaximilisJiE
beginnen, letatere aber sich auch mit der Geburt und frühesten
Jugend beschäftigt. Eine Vergleichung des handschrifUichen
Materiales, welches Decius aus dem gefundenen Werke Grlin-
peck's, der das vorliegende aus des Kaisers Munde erfahren
zu haben versichert, zog, zeigt liberdies, dass dasselbe ein
ganz anderes war als die Historia bei Chmel oder die von
Moser publicirte Lebensbeschreibung. Weder die erzählten
Ereignisse, noch die Ausdnicksweise deuten auf diese zwei
Arbeiten als Quelle. Vielleicht waren es jene Commentaria de
rebus suis gestis, welche Maximilian dem GhDnpeck in die
Feder dictirte und welche sich nebst anderen kaiserlichen
Geisteswerken in seinem Besitze befanden.^
Leider ist diese Arbeit Orlinpeck's, welche die Geschichte
Maximilians von seinem Beilager mit Maria von Bui^^d bis zum
Schlüsse des bairischen Erbfolgekriegee umfasste, verschollen.'
' So Decius in der Ep. Dedicatoria der lateinbicheii Aasgabe des Genrdiu
de Boo. Oeniponti 169S. Es beisst dort sacb: Es *e Josephos Ornn-
becoios ex ipsin» Imperatoris ore exce;
weisen, dasa GrflDpeck, deaaen Commen
erstrecken, aach nach seiner Entfernni
Hkiimilian in persönlichen Verkehr trat.
* Siehe Chmel, Bist. Friderici et Mftxiniilii
' de Koo bringl Citate ana derselben p.
Vitae FoDtificum Saliaburgensium Joseph! OrUnpeck Bur-
diuensis in einem Codex maDusc. der königlicben Bibliothek
m MUncheD, aus dem 16. Jahrhundert, 53 Blätter in Folio.
Angeflihrt sub Nr. 1276 im Catal. Codd. Latin. Bibl. Reg.
Monacensia. Eine Abacbrift davon aus dem 18. Jahrhundert,
38 Blätter stark, besitzt die Wiener Hofbibliotbek sub Nr. 8120.
Eobolt erwähnt in seinem Nachtrag zum Bairiachen Ge-
lehrten-Lexikon unter ,Grunbeck' ein von ihm verfaestes und
bandschrifUicb im Kloster St Peter zu Salzburg verwahrtes
Chronicon Salisbut^euBe ; es ist wahrscheinlich das Dämliche
Werk mit dem vorhergehenden, welches nach Oefele geringen
Werth besitzt und in der Biographie des Erzbischofs Leonhart
(1495 — 1519) bei der Wahlvorbereitung abbricht.
Historie de plerisqne gestis et precipue in Germania &
Cvolo magno per generacionee principum usque. nostra tem-
pora pro cognittone temporum et laude Qermanie usque ad
iDDom 1488. Die weitere Fortsetzung berührt auch die Ent-
deckung von Amerika (fol. 49 de Ouadalupa insula). Am
SchlnsBe fol. Ö3: Doctor Joseph Grunpeck de Burckhsusen bec
absolvit in ambitu predicatorum Nuremberge anno 1507. Im
Codex 23751 der königlichen Bibliothek in Mllnchen, aus dem
16. Jahrhundert, Folio. Der ganze Codex wurde von dem be-
kuinten Nürnberger Gelehrten Hartmann Schedel geschrieben.'
GrUnpeck beginnt sein Geschichtswerk mit Karl dem
tirossen, dem er 8 Folioblätter widmet. In dem Folgenden
wird er sehr kurz, bespricht Lebenslauf und Thaten der
einzelnen deutschen Kaiser, sowie der zeitgenössischen vor-
oehniBten deutschen LandesiUrsten oder ausländischen Regenten,
verzeichnet Abstammung, Gemahlinnen und Kinder, flicht dabei
Gründungen der Städte, Klöster und Universitäten ein. Aber
selten Überschreiten diese Notizen 12 — 15 Zeilen. Die Päpste
erwähnt er blos von 1484 bis 1503, Julius II., mit dessen Er-
liebnng 1503 er abbricht. Fol. 49 und 50 erzählt er uns die
Entdeckung Amerikas durch Columbus, seinen grossen Zeit-
genossen, und die Beschaffenheit der Insel Guadeloupa, wo die
Spanier in den verlassenen Wohnungen die Beweise grässlicber
Menschenfresserei fanden: Stabant mense instructe et in his
ostria similes, psitacis phaBianorum avium ma^itndine
qua carnibas plene; pendebat et in proximo humaoam
centi adhuc cruore madena.
erwäbnt noch den Kometen vom Jahre 1506 und
1 Philipps des Scbänen, den er oder sein Abschreiber
li 1607 (statt 1506) sterben lässt. Vollendet wurde
a laut seiner Einzeichnung den 2. October 1507. <
B Quellen, welche den Autor leiteten, nennt er nns
Weil die ChronikBchreiber, besonders die Italiener, so
ber die Ereignisse in Deutschland bringen, habe er
cht, aus deutschen Werken und dem, was verlÄsslicIie
gesammelt, einiges Weniges mitzuth eilen. ^ Die Schrifi
il nicht fUr die Veröffentlichung, sondern für den Ge-
iea Predigerklostera in Nürnberg, wo er sich aofhielt,
t, denn er sagt im Vorwort, der wohlwollende Leser
\a Fehlende durch anhaltendes Studinm der Geschichte
I und die Glorie Deutschlands zu vermehren bestrebt
erselbe werde viele Nachrichten finden, welche sich
Zeit in eine bessere und zierlichere Ordnung werden
lassen.
,B Ganze ist eine unbedeutende Compilation nach der
es viel verbreiteten Fasciculus temporum von Rolevink.
rftig die Notizen unseres Autors sind und zugleich
nredig er seine berühmten Männer bebandelt und ihre
IJharaktereigenschaften verschweigt, zeigt unter Anderm,
von Papst Alexander VI. und Kaiser Friedrich ID.
ibt. Der Erstere ,novitati et magnitudini rerum nsqne
duit, ut nihil magis appetiisse videatur, quam quomodo
let, nihil sibi vel a legibus, vel a natura vel a deo
im fuiase, vir magni animi' (fol, 46); der Letztere ,reiii
manam ita administravit, ut per 44 annos imperans
m unum eidem aufferri permiserit' (fol. 48).
>3.
TIS Tenmculis ac quo accurktUaimi vir! collegemnt.
OrÜDpeok an den Orafeo Wolfgang von Kolberg.'
Anno 14Se, JnU 10
Tae excellencie submissus familiaris magieter ioseph gr
peck de purkansen Magnifico et ezcellentissimo domino domi
Wolfgango comiti de Kolberg, dacali cancellario, domino a
^cioBissimo. Magna res et fortasse mira videbitur excellt
tiedme caccellarie domineque graciosisBime , quod non vert
■d toam excellenciam scribere, qui nee nomine nee re ap
te sam notus, qnoniam plures longe et ingenio et doctrina i
cellentes ab epistolari officio proreuB arocantur, quos cum gei
roiitatis tne sammam fastiginm dignitatiaqne snblimitas ti
inprimia pndor ipse atque verecundta ad te suas mitti
epistolaa vetant, qai quidem magnificeDcie tue praeconia e
^Dcioribas rerbis explicarent, nominis tui gloriam eternit
cangervarent. Tamen ea fruor ape, si minus politam, omat
comptamque misero epietolam ingenuus animus tuus eam i
veniam, quam et omnes boni et eingulari prudencia prae<
coDcedere soliti sunt. Kon enim me racio ipsa impellit
errorem sed magnitudo rei, qne ingenü mei vires exced<
Tidetnr. Quid enim unqiiam difEcilins, laboriosius, magis sc
citom esse debet, quam incepti laboriB mei ingens onus, qi
^ ferre potero. Namqne cnm splendidiBsimam tuam ad laud
celebr&ndam convertero, mox lingua tremit, tox faucibus bei
quid rero acribere aggredior, calamua haud facit officium am
Qoamobrem non immerito deberemua ab hujuamodi scribe
^ere, qaoniam quum te verbis laudare conor, res i
te laudat, qaum vero anmmopere extollere affecto, deua i
anctor tae fortune ex vulgi grege te exceptum iri ab ete
non dabitarit, in altiaaimo dignitatis culmine positnm om
conapicinnt. Quid hoc effecit? Divina virtna tna, imme
uinencia, summa prudencia, ingens doctrina, nobilia ingi
toi fiiigor quibus cunctia antecellaiati. Hec in uno ubi ai
> Er war Kanzler dea Senoga Oeorg toq Buern-Landahnt. —
Codex, in nelchem der Brief sich befindet, ehemals Ei^nthum
Tegernsee, ist jetzt in dar königl, Hof- and Slaatebibliothek in MUnc
Nr. IBBU. Er Hnrde mir mit bekannter Liberalltit zur Einaicht
sewjidet
Archii. Bd. Lixiii. II. nutu. U
356
divinus homo non humanus apellandus est, non mortalis sed
immortalis vivus. Consequenter tarnen causa siquidem sunt,
quibus imperia gubemari, res publicas dirigi videmus. Non
solum regum et prineipum^ sed omnis populi et agrestis con-
ciliant volantatem. Quibus igitur laudibus te efferam^ qua bene-
volencia complectar. Non certe cum summis viris comparabo,
sed similem numini alicui judicabo. Sie Socrates ipse humane
sapiencie quasi terrestre oraculum gentibus admiratum exstitit^
si Plato, Aristoteles, Pithagoras, Zeno, Diogenes, Democratas,
Theophrastus ceterique philosophi omnisque sapiencie lumina
et omamenta non solum gentes sed eciam omnes religionis
cultores in stuporem duxere; si denique romane eloquencie
unicum speculum M. T. Cicero omnem posteritatem etatesque
omnes, gentes innumeras fulmine lingue concitavit, minus minun.
Namque stellarum fluxui attribuuntur delectissimo , qui tarn
influxit simili quoque bonitati, quibus nobis preiverunt* Nam
nostro seculo omnia gracia eveniunt. In rerum omnium aspe-
ritatem incidimus, in hujus mundi fluctibus et procellis misere
versamur. Dum in hoc vite circulo angustias cruciatusqoe
ferimus omnes, parum temporis ad bonarum arcium stadia
incoUenda nacti erimus. Dum res nostras obimus, vite necessaria
acquirimus, ludos celebramus, tempestiva convivia peragimus,
alee et pile indulgemus ceterisque voluptatibus animi et corporis
damus operam, media vita absumpta est, reliqua miserum vüe
exitum cum suspiriis et lacrimis exspectabit.^ Sed ne longo ser-
mone aures tuas tedio afficiam audiendi, ad rem ipsam revertar,
cujus causa calamum ad scribendum impuli. Namque jam
pridem intellectum mihi est, qua benivolencia quove honore
eos prosequeris quos singularium arcium cultores existere co-
gnoveris. Fateor Germaniam nostram non minus quam Italiam
liberalissimis studiis literatissimisque hominibus affinere; in-
primis Bavariam a nostris clarissimis et illustrissimis dueibus
apprime omatam ac lumine quodam omatissimo liberalinm stu-
diorum ceterarumque arcium dignissimarum proprio illustratam
i nemo ambigit ita profectam ut nulli provincie inferior sit Sed
hoc me maximo dolore in dies afficit, nullos esse qui hunc
laborem subirent^ quo nostrorum prefatorum principum splendi-
I
1 Verdorbene Stelle.
2 Im Original: exspectanda erit.
diseima geeta qnibiui nemini cedunt euiB acriptie illua
et etemitati conservarent, ne quasi tenebris obruta sordei
Qae si tua magnificencia affectaverit ad lucem deduci,
qoi onus hoc snsciperent et historiam noetre Bavarie du<
cellencium cancellarioniniqiie magnificorum posteritati ci
darent nee tua quidem acta prestantisBima ailencio pertra
Postremo te obsecro obtestorque me numero familiär ium
ascribas. Enitar profecto, quomodo tibi honori et virti
Tsleam et si quid fuerit, tua excellencia presenti cum ta
cerciorem me reddat. Valeat tua Magniücencia felix. I
Ingolstat sezto idus julii.' Anno 1496.
Brief an Conrad Geltfla.
Anoo 1490, Octol
Divo auguatoque interpreti C C(elti) , fautori
sin^nlari.
Sodalitatis litterariae cultores, Bemhardaa Waltkir
JoBephuB Grunpekh C(oiirado) C(elti} felicitatem Optant.
Becundam valetadinem sane iDtelleximos, quod noD
volaptat! nobis eBt. Nos etiam (deo ac fatis volentibui
lames perBistimua, nisi quod mocDibas urbis cincti
neqiiimua. Alter religioni jam deditus est, ut dii imE
fenne contemplacione eum irretitum teuere videantur, a
!iaud parum aeria'^ in dies couBequitur, alterum tem
turbineB remorantur unde et prorsus in aestuariia ' illi
deliciarum genere refertis conjicitur. Quam primut
Jupiter benign iori radio Neptuni miniBtroa mirummodo si
super quendam mitigaverit et gratum et jocundum nur
nobia excipiea, qui cerciorem te reddet de rebus meia
exactis diebue tractatis, tabellarii euim repentina abi
est passa, ut longius tecum egiBsemus. Si quid aute
' 10, JdIL
' Im Cod. C«ltU UTJB, wu aber Schreibfebler für aeris, Änspi«
du Pfründeneinkammea , m lein scbeint. Barnhard war Do
Angsharg geworden.
* Soll ea Aiupielang aaf die heiuen BclinlKimmer (BaRtaarium, e
kalten) sein, io welchen damali Grflnpeuk ale pnieceptor sich
INe Zasohrift letDes Tractati de pestilentiali «corra an Bernba
kirch ist buk den Hans« des MagiKleri Sixtns Steimack datirt.
24«
358
esset, quod nos intelligere non esset inutile, proximo cum noD-
cio ad nos scribas. Vale felix. Datae ex Augosta qoarto
Calendas Novembris (14)96 J
Siztus Tuoher in Kümberg^ an Grünpeok.
Anno 1496—1498.
V. I. d. Sixtus Tucher bonarum arcium magistro Joseph.
Accepi tuas literas vir spectabilis et tersas et omni humaDitatis
officio refertas, que mihi gratissime fuere et eo graciores, quod
te nullis meis vel litteris vel verbis provocatum mei studiosum
intellexerim, quo fit ut non potuerim te ingenti benevolencia
non complectiy quin summo alicujus in te conferendi ofBcii
desiderio; qui et latino eloquio raro admodum, excellenti tarnen
apud nos Germanos ornamento, et virtute ipsa prae ceteris
mihi eminere visus esses, ita ut illa duo praeclarissima partim
nature partim animi dona in te uno sibi locum vendicssse
videantur^ bene dicere scilicet cum vite ac morum probatissima
integritate, quibus vel dici vel cogitari inter mortales excellen-
cius quidquam nequit, quorum alterum oratorem,, alteram
philosophum parit. Que singula cum non mediocri cuique
omamento sint, quis non jure meritoque utraque in eodem
cumulatissime conjuncta et laudabit et mirabitur. Quare si
quid vel officii vel beneficii in me est, non possum id totum
> Dieser and der unten folgende zweite Brief an Celtes aus dem Cod.
Celticus der Wiener Hof bibliothek, Nr. 3448. Gegenwärtiger Brief be-
findet sich fol. 58^. Die Abschriften beider verdanke ich der G^efillig-
keit des Herrn Bibliotheksbeamten Ferdinand Mendik. — Quarte Kai
Nov. ist der 29. October.
^ Der Brief ist aus demselben Codex wie der an Kanzler Kolberg. —
Sixtus Tucher war ein Bruder des Anton Tucher, des hocbangesehenen
Kaufmanns in Nürnberg, dessen Haushaltbuch der Literarische Verein
in Stuttgart herausgegeben hat. Sixtus war geboren 1459, studirte iu
Heidelberg, Padua, Bologna und wurde Doctor beider Rechte. 1487
Professor in Ingolstadt, wirkte er dort im Geiste der Humanisten. 1497
wurde er zur erledigften Probstei von St. Laurenz in Nürnberg berufen.
Starb 1507. Haushaltbuch, S. 53.
Der Brief ist aus der Zeit vor dem Eintritt Grünpeck's in den
Dienst Maximilians, etwa 1496—1498. Wäre der Brief aus der Zeit
nach der Anstellung Grünpeck^s bei Hofe, würde Tucher wohl mehr sls
bonarum artium magister in der Anrede gesagt haben.
tue viiinti non poUioeri, que unica me tibi adeo devii
nullo loco vei tempore tuis hoaori, fame ac conunodo
velim cnjuB si periculum fecerie, iiitelliges me homini
isgratom et tue in me humaoitatiB qua. me a te prevei
fictum plane fateor, non immemorem. Vale ac faia
veDiam praebe, quod veloci calamo, ne tardior in amic
haberer, taic carte mandavi. Iterum vale.
Anno 1600 c
Bererendiasimo In Christo Patri et domioo domino B<
Moguntinensi Archipresnli , ' Jo&ephua Gruenpeck su!
familiär is.
Felicitatem Optat.
Reverendissime ArchipreBul. Quam fideliter bacte
Imperii Conservatione laboravcris, fugere arbitror ne
Xullis enim laboribus, nulHs excubÜH, band defecto
corpori hactenus peperciati. Ut idem incolume consi
languidum atque infirmum pristinis viribus restituerei
diffidenteB principe» amoris vinculo colligaree, vulnerata i
sanarea, simultatea et omnia intestina odia exstingueres,
ingenü nervoa exercuisti. Deo optimo maximo duce p
jam diacordiarum atque tumultuum procellas sedasti. Si
adhuc injuriarum scintille reliquum est, Sanctissima oi
proximo in conventu Augustensi decreta restinguet.^
ea erigenda dens precipnua est adbibendua coadjut
demonea qui totia viribus eam impedire conabuntur,
evadant. Cum etenim divinum cultum virtutesque omni
videtnr et vicia pestiferosque ritus abjicere cogit. In
< B«rtfaoId von Hennebergp warde Erzbischof tmao 1486 aod atArl
canber 1604,
' Die BrwiLhiiDng der nealichsD RsichiTerummlQDg in Aagi
Teilt, dau der Brief ans dem Jabre 1600 ist. Aaf diesem ]
wurde eine hnchst nichtige Aendemng in der BeicbBverfoMu^
EinfnbniDg' einer von den FQrBten g^wiblten Reichseiecnlivgi
■chlonen. Eh war dlsB du ßeichsre^meDt, nu zwanEig; Abge
(darunter nur zwei BtRdtiBclie) boBtebend. Der Beeehlnu kam vi
nnter FUhrang Bischof Bertbolds von Maini eu SUnde. Der 1
wnide im An^nst g«ichlos«en. Jansen, Oeachicbte du dentsehen
8. U7.
360
demum apud Germanos ita firmat, ut haud facile vel a Gallis
vel a Turcis inftingi possit^ non parum molestie bis ipais
malis spiritibus inferet. Hujusmodi siqaidem errores mentibus
hominum ingerunt, ut manus in aUenae fortunaa conjiciant,
aliorum regna auferant; titulos et triumphos consequantur. Qaod
quidem sine maximis cedibus horrendisque animamm detri-
mentis nullo pacto contingit. £n est demonum venatio, qua
plures anime in gehennam ignis demerguntur. Discurront igitor
furibimdi inferorum duces et clam dolos fraudesque in salubrem
illam ordinacionem^ ne in lucem prodeat et eorum potestatem
minuat, cudont. Excitant invidiam, rebellionem et onmem Regi
inobedienciam et in dies magis impedimenta struent Qaod si
ita est; tibi sapientissimo presuli elaborandum est^ ut Plutoni
et ejus maledicte societati resistatur^ antedieta ordinacio bonis
auspieiis ineipiatur. Poterunt enimvero hec commode fieri,
quia tocius Christian itatis spes in te sita est. Principes racio-
nem tui habent, Cives ad te desperati refugiunt, Unicum vide-
ris desolatorum refugium. Omnem fidem tibi vendicas, saltem
Imperium ex atrocissime tempestatis fiuctibus magna jam parte
ereptum tranquillumque in littus restituendum haud deserueris,
religiöse ac sancte^ uti hactenus fecisti, omnia perfeceris, Chri-
stiane religioni optime consultum erit, que Bertholdum etemis
celebrabit laudibus et ejus opera incolumitate freta in celam
evehet, ubi perfruetur usque in omne evum jucimdissimo
sancte trinitatis intuitu. Vale felicissime Presulum decos.
Iterum vale.*
Anno 1505.
Josepfaus Grunpeckh Excellentissimo viro domino Chunrado
Celti poetarum prineipi^ domino et fautori suo praecipuo.
Salvus Bis poetarum decus et ornamentum. Reeepi pridem
faumanissimas litteras tuas, quibus efHagitare videbaris adven-
tum meum; paruissem jam dudum desiderio tuo meque hinc
ad Augustam reeepissem^ si expeditionem rerum mearum potais-
sem consequi; nondum enim primae expeditionis portam in-
> Der Brief befindet moh im Cod. lat. 434 der kCnigl. Hol- und Staats-
bibliothek in Mfinohen und wird im Katalog ausdrücklich als anno
1600 geaohrieben beseichnet. Ich verdanke die Abscfarifk der oft be-
w&brten Mühewaltung des Herrn Professors Felix Stieve in München.
861
gressos sum. Spe pendeo^ at quam primum abBolutus fuero,
Her arripiam. Idoirco precor non velis affici tedio. Vale
felix.^ Ex Monaco datum in vigilia undecim milUum vir-
gmum' anno 1505.
Deutsche Briefe und Acten auB Grünpeck's Steyrer Aufent-
halt im Auszüge.^
I. Eingabe Grünpeck's an Bürgermeister und Rath
von Steyr. Sine dato, aber 1518.
Seine Majestät der Kaiser haben ihm ^nagst verschinen
Zeiten umb sein langwerig Dienst' die Fischhub mit Wiesen,
Aeckem und anderen Stücken zugestellt.'^ Das Gut ist ihm fUr
1000 fl. gegeben und angeschlagen worden. Ein gewisser Moser
anterstehe sich, ihm wider kaiserlichen Befehl, Siegel und
Handschrift die Possession vorzueiithalten. Bittet um Schutz
gegen seine Widerwärtigen und verspricht hinwiederum bei
kaiserlicher Majestät ihnen Gegendienste zu erweisen.
Die Eingabe unterfertigt er: Doctor Josef gruenpeck,
kaiserl. Majestät Capellan, Historicus imd Astronomus.
n. Eingabe desselben an den Landeshauptmann.
Sine dato, aber 1518.
Kaiserliche Majestät habe ihn mit etlichen Gütern zu
Steyr versehen, welche von kaiserlicher Majestät laut Urkund
erkauft sind worden.* Die von Steyr aber wollen sie ftlr Bürger-
güter ansprechen und erfordern hieven Steuern. Das erscheine
ihm unbillig. Der Fürst ist nicht schuldig, von seinen eigenen
Gutem zu dienen oder zu steuern. Aus der Eingabe erhellt
zugleich, dass Grünpeck auch zu Steyr noch Arzneien be-
reitete und Kranke mit seinem Rath bediente. Seine Mühle
in Steyr hatte er in Pacht gegeben. Er beklagt sich, dass er
1 Cod. CelticiiB fol. 161 K
^ Dm ist der 20. October.
3 Ans dem StadtArchiv zu Steyr.
* Die Fischhab an der Enns existirt noch, g^ehOrt zur P£arre St. Ulrich
and politischen Bezirk Steyr.
^ 2. B. die Spitalmühle
362
in verschiedenen ^Beschwerungen^ sein Recht bei dem R«the
von Steyr nicht finden könne. Auch über seine Zinsleate er-
hebt er Beschwerde.
Unterfertigt: Doctor Josef Grünpeck etwan kais. Majestät
Diener.
m. Eingabe desselben an den Landeshauptmann. Sine
dato, aber 1518 um den 10. September.
Er beklagt sich; dass von ihm behandelte Kranke ihm
die Bezahlung vorenthalten. Unter Andern habe er der Frau des
Hannsen Prantstetters Bürger von Steyr, welche in schwerer
Krankheit lag, geholfen. * Er habe ihr eine Flasche mit Balsam,
womit er viel Menschen in Verzweiflung ihres Lebens ge-
holfen, in Händen gelassen, damit sie sich daraus in ihren Ohn-
mächten laben sollte. Ihr Mann aber habe, weil er glaubte,
die Medicin sei Branntwein, dieselbe ausgetrunken und ver-
weigere die Zahlung fUr den Schaden. Der Bürgermeister
Khölnpeck ,hat sich gegen mir merken lassen, man sol mir
für ain gang sechzehen pfennig geben, das nit allain aUcD
doctoren der Ertzenei, sonder Konigen, Kaysem, fursten und
andern stifftern der hohen schulen schimpflich, spotlich und
nachtailig were, darumb sich nyemants umb der hailbening
willen der menschen umb Kunst neben wird, dan ain doctor
gewinne ain gantze wochen nit so vil, das er ain tag das brot
mocht haben'. ^
Unterschrift: Josef Gruenpeck ihrer Majestät diener.
IV. Wolfgang Jörger von Tolet, Landeshauptmann in
Oesterreich ob der Enns, ,den ehrsamen und weisen
Bürgermeister, Richter und Rath zu Steir^ Linz, Pfingst-
tag nach Crucis Exaltationis (16. September) 1518.
Er empfiehlt ihnen darauf zu sehen, dass die verklagten von
Grünpeck behandelten Kranken mit demselben sich vergleichen^
* Unbestimmt ob Hanns Prantstetter der Aeltere oder der Jüngere. Die
Prantstetter gehörten eu den reichsten Bürgern Ton Stejrr. Siebe das
Vermögen des Aelteren bei Prenenhuber, Annales Styr., S. 216. Er
starb 1621. Ueber den Jüngeren siehe 1. c. S. 280.
' Andre Khölnpeok wurde schon 1508 snm Bürgermeister gewählt und
erlangte diese Würde noch oftmals. Prenenhaber 1. c. $. 187, 188.
363
,denn am sollicher mocht am Hof ain geschrei machen^ das
euch und den partheien zu nachtheil reichet^
In einer Rechtfertigung leugnet Pranntstetter die Angaben
Grünpeck's. Die Mittel Grünpeck's, es waren darunter Casioi
und Sena^^ seien gar nicht gebraucht worden. Er habe ihm
einen Reichsgulden gegeben, woran er ein gut Benügen
gehabt. Das Glesl mit dem Wasser , welches aquavita oder
Branntwein sein sollte, ist vorhanden, und dass er es ausge-
trunken, gegen die Wahrheit. Grilnpeck habe ihn angegangen
um ein Darlehen von 20 ä. und viel andere Dinge, was er ihm
abgeschlagen habe.
Auch der andere Kunde, der von Grilnpeck behandelt
wurde, leugnet dessen Angabe, als habe er ihn nicht bezahlt.
Der Rath entschied aber Freitag nach Koloman (15. October)
1518 gegen denselben. Der Kunde Sigmund Müllner zwischen
pruekh,^ habe dem Doctor Grtinpeck 2 tal. zu zahlen.
V. Ein Decret der Rom. Kais. Majestät Hofräthe ,so
jetzo zu Linz sein^ an Bürgermeister, Richter und
Rath von Steyr ddo. 6. Jänner 1519.
Das Decret empfiehlt denselben die Supplication Grün-
peck's zu beachten, wenn es sich so verhält, wie er sagt.
,Wir empfehlen euch,' heisst es darin, ,anstatt kaiserlicher
Majestät mit Ernst.'
VI. In einer weiteren Eingabe, datirt Steyr, Pfingsttag
vor Lätare (31. März) 1519,
wendet sich Gbnenpeck ,weillent kais. Majestät hochloeblicher
Gedächtniss Caplan' an den verordneten Statthalter des Fürsten-
thoms ob der Enns wegen unbilliger Beschwerung seines armen
Zinsmannes. Auf dem Umschlag der Eingabe werden die von
Steyr angewiesen, Grünpeck Recht zu verschaflFen.
* Dm ist Cassia und Sennes. Einige Arten der Cassiapflanze liefern die
Sennesblätter, welche dnrch die Araber als eines der gewöhnlichsten
und gelindesten Abführmittel in die Medicin eingeführt wurden.
* Zwischenbrücken, ein Stadttheil von Steyr. Wegen des Müllners siehe
unten Nr. VIII.
364
Vn. Decret von: Landeshauptmann und verordnet^
Landräthe an Bürgermeister, Richter und Rath toh
Steyr, Samstag vor Lätare (2, April) 1519.
Es nimmt Bezug auf die Supplication Grünpeck's betreffs
der zahlungverweigemden Patienten und empfiehlt schliesslich:
,Sollen der Billigkeit nach handeln/
Eine Supplication GrUnpeck's; unmittelbar an den Kaiser
wegen Prantstetter's gerichtet, liegt bei. Auch hier die Klage,
dass er sich wegen der von schwerer Krankheit erledigten
Frau nicht bedankt und ihn einer Flasche ,mit artifizial Balsam,
damit er sich selbst, den seinen und andern, so in schwerer
Krankheit gelegen sein, hätt rathen imd helfen mögen^ be-
raubt habe.
Ohne Datum, aber aus der 1. Hälfte Jänners 1519.
VIU. Eine Entscheidung von Landeshauptmann und
verordneten Landräthen wegen der Klagen Grünpeck's,
Linz, Freitag nach Exaltationis crucis (16. September) 1519.
Dr. Josef ist wegen der Steuer betreffs seiner Güter,
weil sie dem Viztumbamt incorporirt sind, nicht mehr zu
behelligen. Auch wegen Hanns Prantstetter und wegen des
Mühlknechtes sollen Bürgermeister, Richter und Rath dahin
wirken, dass Grünpeck zu seinem Rechte komme.
IX. Bürgermeister, Richter und Rath an den Landes-
hauptmann und verordnete Landräthe. Stejr, Erchtag
nach Michaelis (4. October) 1619.
Alle Güter im Burgfried gelegen müssen nach ihren
Freiheiten zur Steuer beitragen. Es wird dabei erwähnt, dass
Grünpeck diese leibgedingweise inne habe. Wegen Prantstetter
und Müller Sigmund legen sie deren Vertheidigung bei und
befehlen die Sache den oben erwähnten Herren.
Damit enden die Acten.
GESCHICHTE
DES
CLARI88ENKL08TERS PARADEIS
ZU
JUDENBÜRG IN STEIEKMAKK.
VON
P. JACOB WICHNER,
ARCHIVAR DES STIFTES ADMONT.
r
Vorwort.
^n Werken, welche die Gegehichte österreichischer
Klöster behandeln, ist eben kein Mangel, doch ist unsere
Steiermark in der Reihe derselben nicht aUzu reichlich ver-
treten. Das dem Umfange nach bedeutendste Werk ist wohl
die ,Q-e8chichte des Benedictinerstiftes Admont^ von P. J.Wichner
(Graz, 1874—1880) in vier Bänden mit mehr als 700 Urkunden.
Hieran reihen sich: Oroien, ,Das Benedictinerstift Oberburg^
(Marburg, 1876), Dr. Jacob Max Stepischnegg, ,Das Kart-
hä^oserkloster Seiz^ (Marburg, 1884), und F. S. Pichler, ,Die
Habsburgerstiftung Cistercienserabtei Neuberg' (Wien, 1884).
Das Chorherrenstift Rottenmann hat nur ftlr die Periode 1465
— 1480 einen Bearbeiter gefunden in Mathias Pangerl, ,Ge'
schiebte des Chorherrenstiftes St. Niclas zu Rottenmann von
seiner Qründung bis zu seiner Uebertragung in die Stadt'
(Mitth. des histor. Vereines fiir Steiermark, XVI, 73—182).
Für eine Geschichte der ältesten Klosterstiftung unseres Landes,
ffir Göss bei Leoben, hat P. Johann Jentsch in den Jahren
1875 — 1876 das Materiale gesammelt, und er scheint seine Ar-
beit auch zum Abschlüsse gebracht zu haben, weil sie in den
5ffentlichen Blättern schon angekündet war ; doch die Ausgabe
unterblieb aus uns unbekannten Gründen. Einigen Ersatz für
diesen Verlust erhielten wir durch die Publication der ,Chronik
des Stiftes Göss', welche Josef von Zahn 1884 in ,Steier-
märkische Geschichtsblätter', V. Jahrgang, herausgegeben hat.
Die Minoriten-, Franciscaner- und Clarissenconvente werden
mehr oder minder weitläufig geschildert bei Herzog, ,Cosmo-
graphia Austriaco-Franciscana' (Coloniae, 1740). Marfan- Wendt,
,6eschichte der ganzen österreichischen weltlichen und klöster-
lichen KleriseyS VI. Band (Wien, 1784), hat den Fehler zu
knapper Kürze und nur relativer Verlässlichkeit. Ueber einige
Stifte und Klöster sind sehr gediegene Aufsätze in Fachzeit*
i
Bchriften erschienen, so Über St. Lambrecht von Pangeri and
Zahn, über Föllsu von Q-dth und Über dae DomiDicanerkloster
zu Pettau von Zahn. Wenn wir noch der Werke and Ur-
knndensammlungen von Pusch (Fröhlich), Caesar, Mucbar und
j„ c.„: „_i.:,.i.„„ TT-i...„j„.u„-u„_. '7.i._ -aenken, in
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iber unter-
V. S««sle^ ,
'ermittJung
des hohen Bteiernittrkischeii Landesausschusses in liberaleter
Weise geatattet.
Das Repertorium besteht in zwei dem Inhalte nach nicht
TJel abweichenden Heften. Beide wurden erat nach der Äuf-
bebnng des Klosters verfaast nnd hat a) (1783) den Titel ,Con-
Eignation der Urkunden and Schriften' und b) (1798) ,ElenchuB
liier Urkunden und Schriften des Frauen Stiffts zu Paradeiß.
Um das Jahr 1S19 gelangte die erste Mission der Söhne
des heil. Franciscus nach Deutschland. Da aber die minderen
Brttder mit den Sitten und der Sprache der Deutschen nicht
vertraut waren, fanden sie solche unbesiegbare Hindemisse,
iwi Bie sich zur Rückkehr nach Italien genöthigt sahen. Einen
nachhaltigen Erfolg erzielten sie zwei Jahre später, als ein ge-
boroer Deutscher, Caesariua von Speier, die Mission in die Hand
atbm und in der Schaar seiner Geführten zwei Landsleute, die
Brüder Baraabas und Conrad, mit sich brachte.
Die erste urkundliche Nachricht über die Existenz des
Ordens in Oesterreich haben wir vom Jahre 1234, in welchem
Pspst Gregor IX. den Herzog Friedrich den Streitbaren er-
sucht, die Minoriten in Schutz zu nehmen. Dass um diese Zeit
der Orden in Oesterreich völlig organisirt und schon eine
Ordensprovinz vorhanden war, geht aus dem Wortlaute der
Urkunde hervor ,qaidam de fratribus Minoribus in terra tua
morantes' und aus dem Umstände, dass derselbe Papst 1235
eine Bulle an den Provinzial in Oesterreich (,dilecto fiiio mi-
DiBtro provinciali in Äustria . . .') gerichtet hat. ' Da aber die
Emchtnng der einzelnen Klöster und die Constituimng einer
Ordensprovinz einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen
bftben müssen, so ist das Auftreten der Minoriten in Oester-
reich vor das Jahr 1234, etwa um 1230, zu setzen. Das erste
KloBter des seraphischen Ordens in Oesterreich war jenes zu
Wien und das erste in Steiermark jenes zu Graz, von welchem
im Jahre 1239 zuerst urkundliche Nachrichten vorliegen. Die
EJDstens eines Minoritenconventes zu Judenburg ist durch ein
' FiMo, ,Oe*cbichte der Osterreichiicbeii HinoriMDproTini', 97—98.
370
Document vom Jahre 1257 Bichergestellt, und die Gründang
des Klosters mag mehrere Jahre früher geschehen sein.
An der Spitze des ganzen Ordens stand der General
(minister generalis totius ordinis fratrum Minorum). Ein Car-
dinal fungirte als Protector des Ordens. Die einzelne Provinz
wurde von dem Provinzial (minister provincialis, Landmeister)
geleitet. Die Prorinz bestand wieder aus Custodien. Die
steirische Custodie umfasste die Klöster zu Graz^ Brück an der
Mur, Judenburg und Wolfsberg. Jedem einzelnen Kloster
stand ein Guardian vor, welchem im Range am nächsten der
Lector stand, welcher die Priestercandidaten in den theologi-
schen Disciplinen zu unterrichten hatte.
8t. Clara und ihr Orden.
Der vom heil. Franz von Assis gestiftete Orden der
minderen Brüder trieb verschiedene Zweige, wie die Capuciner,
Tertiarier und andere. Den ersten Zweig am Ordensbaume er-
lebte noch der heil. Franciscus, und er war bei dessen Grün-
dung und Entfaltung persönlich betheiligt. Es ist der Orden
der Ciarissen, welchem die heil. Clara ihren Namen verlieh
und auf dessen Satzungen sie besonderen Einfluss geübt hat.
Clara hatte im Jahre 1193 zu Assisi das Licht der Welt er-
blickt und stammte aus einem adeligen Hause. Das Beispiel
und die Lehre ihres grossen Landsmannes Franciscus bewogen
sie, der Welt zu entsagen und als achtzehnjährige Jungfrau
das Kloster der Benedictinernonnen zu St. Paul als Woknst&tte
zu wählen. Hier und zu St. Angelo, wohin sie sich später be-
gab, der Askese und mystischer Betrachtung lebend, reifte in
ihr der Entschluss, eine eigene Ordensgemeinde zu gründen.
Nach langer und gründlicher Vorbereitung sammelte sie bei
der Kirche St. Damian eine kleine gleichbeseelte Schaar, welcher
auch ihre Mutter Hortulana und ihre Schwester Agnes ange-
hörten. Im Jahre 1220 bestätigte Papst Honorius in. den neuen
Orden und gab demselben mit einigen besonderen Bestimmungen
die strenge Regel des heil. Benedict. Doch schon im Jahre
1224 erhielten die Ciarissen durch den heil. Franciscus und
den Cardinal Hugolin eine eigene Regel, welche, auf jener
des Minoritenordens fussend, der Schwäche des weiblichen
371
(■eechlechteB Rechnung trug. ' Gregor IX, und Icnocenz IV,
(1251) gaben dieser Regel ihre Billigung, obwohl Clara Belhet
strengere Satzungen gewünscht hätte. Clara, bei welcher Inno-
cenz IV. oft Rath und Trost gesucht hatte, starb am 11. August
1253 und Alexander IV. nahm sie 1255 unter die Heiligen auf.'
Die von Franciscua den Clariasen gegebene Regel ent-
hält zwölf Theile oder HauptstUcke. Der Eingang lautet: In
nomine domini amen. Incipit regula et forma vitae ordinis
sororum panperum, quae quidem est sanctum evangelium do-
mini nostri Jesu Christi ohservare vivendo in obedientia^ sine
proprio et in caatitate, Clara, indigna ancilla Christi, pro-
mittit obedientiam et reverentiam domino papae Honorio sc
successoribuB ejus canonice intrantibus et ecciesiae Romanae.
Et sicut in priocipio conversionis suae unacum sororibus suis
promisit obedientiam tratri Francisco, ita eamdem promittit
inviolabiliter obaervare successoribuB suis, et aljae sorores
leDeantnr semper auccessoribus fratria Francisci et aorori
Clarae et aliis abbatissia canonice electia ei auccedentibus
obedire.' *
Die folgenden Capitel haben die Ueberschriften : II. Qua-
liter recipi debeant, III. De divino officio et jejunio et quoties
communicent. IV, De electione abbatiaaae. V. De silentio et
modo loquendi ad locutorium et ad cratem. VI. Qualiter so-
rores non recipiant poBaeaaionem aliquam vel proprietatem per
se Tel per interpositam personam. VII. De modo laborandi.
Vm, Qualiter aorores nihil sibi approprient et de infirmis ao-
roribua. IX. De poenitentia sororibus imponenda. X. De visi-
t&tione BOrorum ab abbatiasa. XI. De oatiaria. XÜ. De
vidtatione.
' J>egM obserrandaii simul ferebaot apUntes Minoritictu foemineae fra-
gfiliUti.' WaddingOB, .Annsles Minorum', Romae, 1732. H, 77.
' Nach Macber in ,Graeciuin inclyti ducatita Styriae metrnpolis', Oraecii,
1100, befanden nich in der Burg: z" Oi'az ,Capil1i s. Clarae, particnta
il«m fli babitu ejoadem Divae, (ei) palHo, cilicio, cingnlo', Wafar-
Bcbeinlieb sind diesB Kaliquien durcb die ErEbenogin Maria, Oemahliu
Carla von Steiermark, in die Barg (fekonmen. Sie war Slifterin dea
ClariuenkloBters Paradeifl in Graz. Uebrigens ist die Annahme nicht
allzu gewagt, daas Maria Anna, erste Gemahlin Ferdinands II,, welche
im fi-eandlichen Verkehre mit deo Nonnen zn Judeobarg stand, diese
HeilthOmer von dort erhalten habe.
' Wadding, n, 78.
kteui. Bd. Liiin. II. autu. 25
374
der Ordenstracht: ^Quelques religieuses de Tordre de sainte
Claire, qui suivent la regle de s. Fran9oi8, portent de« sca-
pulaires et d'autres n'en ont point. Quelques-unes ont des
robes de drap gris, d'autres de serge; les unes ont des soqaes
ou sandales, d*autres sont toujours nuds pieds. II y en a qui
portent des manteaux descendant jusqu'aux talons et d'aatres
fort courS; les unes et les autres ont leurs robes ceintes d'nne
corde blanche k plusieurs noeuds. U y a encore de la diffe-
rence dans la coeffure; les unes aiant des volles noirs, les
autres les aiant en forme de capuce/
In der österreichischen Ordensprovinz entstanden im 13.
und 14. Jahrhundert acht Häuser der Clarissen^ und zwar zu
Brixen (1234), Judenburg, Dümstein (1289), Heran (1310),
St. Clara in Wien (um 1306), Minkendorf in Krain (1300).
Lack in Krain (1358) und St. Veit in Kärnten (1326). In
Steiermark erhob sich 1602 ein zweites Kloster dieses Ordens,
das zu Graz, welches wie jenes zu Judenburg ,Paradeis' ge-
nannt worden ist.
Das Clarissenkloster zur hell. Maria Im Paradeis
bei Judenburg.
,Parthenio8 retus hie Churae vestalibus ortos
Tempore, quo vixit Clara colenda parena,
Floridas est situs et Paradysns obinde yocatos
. . . Sumpta in coelos tutator sponsa tonantis,
Quae faoit, ut veras sit Paradynas adhoc/*
Lage, Käme und Siegel des Klosters.
In der oberen Steiermark durchströmt der Murfluss ein
schönes und fruchtbares Thal, in welches nicht weit von der
Stadt Judenburg das Pölsthal mündet. Man kennt es unter
dem Namen ,das obere Murthal' und die Stadt liegt an der
Grenze des oberen und unteren Murbodens. Von Judenburg
bis gegen Knittelfeld zieht sich das Eichfeld hin.^ Die Stadt
Bonani, ^Verzeichnuss der geistlichen Ordens - Personen*. Nürnberg
1701, n, 82.
> Herzog, ^Cosmographia Austriaco-Franciscana seu exacta descriptio pro-
yinciae Anstriae^ Coloniae Agrippinae, 1740, I, 700.
^ Leithner, »Versuch einer Monographie über . . . Jndenbnrg^ Janiich,
»Topographisch-statistisches Lexikon ron Steiermark^ II, 334.
373
nie einer einzelnen Person zu Gute kommen. Ebenso gehört
der Erlös von Handarbeiten der ganzen Gemeinde, Den
Kranken soll besondere Sorgfalt gewidmet werden. Sie dürfen
zu ihrem Lager Strohsäcke und Hauptkissen gebrauchen und
auch wollene Strümpfe tragen. Fehlende mag die Oberin ein-
oder zweimal ermahnen^ und wenn sie sich nicht bessern^ sollen
rie nur Brod und Wasser bekommen und einer strengeren
Strafe gewärtig sein. In die Clausur darf Niemand ohne Er-
iaubniss des Cardinal-Protectors eintreten. Der Visitator soll
immer dem Orden der minderen Brüder angehören. Der
Caplan des Klostenr muss stets von einem Genossen begleitet
seines Amtes walten.
Da einige Klöster an der Benedictinerregel festhielten^
andere wieder nach den von Gregor IX. und Innocenz IV. er-
lassenen Normen lebten, gab ihnen Urban IV. (1264) eine ge-
meinsame Regel, in welcher er viele Milderungen gewährte.
Die meisten Convente unterwarfen sich dieser Regel, daher
deren Bewohnerinnen Urbanistae genannt wurden, während
jene, welche die strengere Observanz beibehielten, den Namen
Clarissae oder Damianistae führten. Aus der Regel des Papstes
Urban IV. entnehmen wir nur unseren Zwecken genügend die
Professformel der Nonnen : ,Ego soror N. promitto deo et beatae
Mariae semper virgini et beato Francisco et omnibus sanctis
in manibus vestris, mater, vivere secundum regulam . . . , prout
a domino Urbano papae IV. est correcta et approbata, toto
tempore vitae meae in obedientia et castitate, sine proprio et etiam
sab clauBura, secundum quod per eandem regulam ordinatur.^ ^
Die verschiedene Observanz, nach welcher die Ciarissen,
Damianaten und Urbanistinnen sich richteten, hatte ihre Rück-
wirkung auf die Kleidung der Nonnen. Es gab beschuhte
und unbeschuhte Ciarissen, mit und ohne Scapulier. ,Sie tragen
ein Kamelbärin Unter-Kleid und einen sehr schlechten grauen
Rock negst einem Scapulir von gleicher Färb imd feiner
schwartzen Weyhel. Den Rock aber gürten sie mit dem Strick
deß Franciscaner Ordens.* 2 Helyot' sagt über diese Ungleichheit
» Wadding, 1. c. m, 608.
> yKortze nnd gründliche Historie von Ursprung aller Geistlichen Frawen-
und Nonnen-Ordens.* Angspnrg, 1692, S. 103.
* ^istoire des ordres monastiqnes , religieox et militaires.' Paris,
1718, yn, 193. Die Kleidung der Urbanistinnen beschreibt Philipp
25»
376
Kloster ist auch abgebildet ^Lithographie) in Leithner's ^Mono-
graphie von Judenbaig^.
Wir haben nun die Frage zu erörtern^ warum das Kloster
den Namen ^Paradeis^ (in Paradiso) erhalten habe. Schon in
einer Urkunde des Papstes Innocenz IV. vom Jahre 1253 er-
scheinen die Nonnen als ,8orores inclusae monasterii s. Mariae
de Paradiso in Judenburch^ Der Name ^Paradeis' findet sich
öfters bei Kirchen und Klöstern. Die Kirche St. Marein bei
Elnittelfeld hiess auch St. Maria im Paradies und im Wiener-
walde war einst ein Franciscanerkloster genannt ad s. Mariam
in Paradiso. Was unser Kloster zu Judenburg betrifft^ können
wir verschiedene Meinungen constatiren^ welche sich auf die
Herleitung des Namens beziehen. So sagt Herzog:^ ^on tarn
ob aurae salubritatem, situs amoenitatem^ pratorum, silvarum,
coUium ac montium propinquitatem, quam ob peculiarem erga
dei matrem (quae hoc loco patronam agit et causa est nostrae
laetitiae) affectum et reverentiam (parthenon) communi vocabulo
in Paradyso nuncupatum.^ Eine handschriftliche Beschreibung
der Stadt Judenburg vom Jahre 1702 sagt: ^Am Fusse der
Stadt nahe beim Ufer der Mur liegt das uralte Kloster der
Clarisserinnen, welches wegen der Annehmlichkeit seiner Lage
und wegen des englischen Friedens seiner Hallen das Paradeis
genannt wird.'^ Ein von einem Fr. Honorius unterfertigter
Brief, ' welcher einige historische Daten über das Kloster ent-
hält und ungefähr um 1737 geschrieben ist, hat die Stelle:
,Fuerat ante quingentos annos hoc in loco, ubi nunc conventos
stat, pratum aliquod, quod vocabatur propter suam amoenitatem,
quia circum erat arboribus cinctum, das Paradeyss.' Caesar^
behauptet: ,Das Kloster hat den Namen nicht allein von den
engelreinen Inwohnerinnen dieses Ortes, sondern auch, weil in
dem Altarblatte Maria ihr göttliches Kind in den Garten fah-
rend ausgedrückt und vorgestellt wird'. Wir haben nun ver
schiedene Stimmen gehört, welche über den Ursprung und die
Bedeutung des Namens ,Paradeis^ sich aussprachen. Das allein
Richtige und Zutreffende glauben wir aber aus Folgendem
* yCosmographiaS I, 701.
^ Peinlich, fJudenburg and das heil. Qeist-Spital daselbst', 47.
' Manuscript der Universitätsbibliothek in Gras, Nr. 960.
* ,Be8chreibung des Herzogthums Steyermark,* Orftts, 1778, II, 649.
377
ableiten zu müssen. Als der heil. Franciscus dem Tode nahe
war, äusserte er in seiner Demuth den Wunsch^ man möge
seine Gebeine an jenem Orte bei Assisi zur Ruhe bestatten,
welcher als Hinrichtungsstätte grosser Verbrecher bisher gedient
hatte. Das Volk nannte diesen Platz den Höllenhtlgel. Der
Wunsch des Sterbenden wurde erfüllt. Papst Gregor ES. legte
selbst den ersten Stein zu einer grossen Kirche, welche sich
bald über dem Grabe erhob, und ordnete an, den Ort künftig
Paradieshügel zu nennen. * Was liegt nun näher als die
Annahme, dieser Umstand habe auch unserem Kloster den
Namen geliehen.
Ueber die Siegel der Aebtissin und des Conventes haben
wir einige Nachrichten und sind jene zum Theile noch erhalten.
Herzog (I, 723) beschreibt ein Sigillum abbatissae majus. ,Ex
argenteo metallo in sat parva et quodammodo ovali figura
(pnmaevam suae andquitatis formam retinens) in medio stantis
deiparae imaginem exprimit; per circuitum vero legitur: SIG.
ABBATISS. S. MONAST. ORD. S. CLAR.E DE ASSIS IN
lüDENßURG. 1254.' Ob Herzog ein solches Siegel mit Jahres-
zahl selbst eingesehen habe, möchten wir bezweifeln, wenigstens
ist es nicht auf unsere Zeit gelangt. Wohl aber kennen wir
zwei Siegel aus dem 14. Jahrhundert. Das eine ist spitzoval,
39/23 Mm. gross, aus rothem Wachse und wurde noch im
16. Jahrhundert gebraucht. Es zeigt die heil. Clara mit Zweig
und Buch mit der Inschrift S: chlara (in gothischen Charak-
teren). Umschrift in Lapidarzeichen: S: ABATISSE IN —
lüDENBURGA. Das andere ebenfalls spitzoval, 58/34 Mm.
gross, in grünem Wachse, hat die Lapidarumschrift: f S -
ABBISSE S: M.D' PADISO ORDlS SCI DAMI IVDEBVRCH
Beide Siegel hängen an Urkunden des steiermärkischen Landes-
archivs. ^ Im oberen Felde des zweiten Siegels erscheint das
Brustbild der heil. Maria mit dem Kinde; im unteren Felde
tragen die Gestalten der Stifter einen romanischen Kirchen-
bau und man liest die Namen: HAINRICVS und GEISLA.
* Franz M. Angelo von Rivortort, ,Die Lieblichkeit deß Paradeys-Hügels
oder die Qeschichte des Convents zu Assis'. Wiener-Nenstadt, 1722.
Das ursprünglich lateinisch geschriebene Werk hatte den Titel: ,Colli8
Paradisi nmoenitas' n. s. w.
' Lnschin, ,Die mittelalterlichen Siegel der Abteien und Conrente in
Steiermark*. Wien, 1874, S. 14—15.
378
•
— Das bei Herzog als Sigillum abbatissae alterum minus be-
zeichnete Siegel findet sich abgedruckt in einer Urkunde des
Admonter Archivs vom Jahre 1664. Es ist rund, misst im
Durchmesser 24 Mm. und hat im Allgemeinen dieselbe Dar-
stellung wie das zuletzt beschriebene, nur ruht das Brustbild
der Gottesmutter auf Wolken. Umschrift: SI. AB. SAG. MO-
DE. PA OR S. CLAR^. DE AS. IN IVD. Die bisher be-
sprochenen Siegel gehörten den Aebtissinnen an. Die Admonter
Urkunde von 1664 und mehrere Schriftstücke desselben Archivs
bis zum Jahre 1772 haben auch das von Herzog erwähnte Si-
gillum Conventus. Es ist rund, 21 Mm. im Durchmesser, hat
keine Legende und enthält das Bild (Kniestück) der Gottes-
mutter mit der Krone (ohne Nimbus) auf dem Haupte, auf
dem rechten Arme das Kind und in der Linken das Scepter
haltend.
Die Orundung des Klosters.
Die Urgeschichte vieler Klöster ist in Dunkel gehüllt;
die Volkstradition ist oft die einzige Quelle, und selbst die
alten Chroniken sind in ihren Angaben schwankend. Aebn-
liohes ist auch bei dem Kloster Paradeis der Fall; Tradition
und ,iuralte* Aufschreibungen vindiciren ftlr dasselbe ein höheres
Alter und stehen im Widerspruch mit dem Inhalte der Ur-
kunden. Nach Herxog ' soll das Kloster in Paradeis ein ur-
altes Document (an pervetusto quopiam manuscripto^ besessen
haben« in welchem die Nachricht stand: ,Pauperum sororum
ludenbxirgensium (^reclusarum dictarum) tempellum sat angustum
jam anno 1222 consecrationis beneficium obtinuisse/ Also
$chon im Jahre 1222 sollen Nonnen in Judenburg gewesen
und soll ihn? kleine Kirche geweiht worden sein. Ist das Erste
der Fall, so waren es schwerlich Ciarissen, sondern, wie Friess'
meinte Beguinen oder sonst ein Verein firommer Frauen ohne be-
stimmte iVdeusregoL OUrissen konnten es nicht leicht sein. Als
beiblufig^^ J^il des Erscheinens der Minoriten in Oesterreich
kann das Jahr 1230 ang^enommen werden. Einige Jahre sp&ter
er^tAiul das erste Kloster diese* Ordens in Steiermark zu Graz,
und Kwischcn l2Cv> und I24i^ durften skk die minderen Brüder
» L T»t
379
zu Judenburg niedergelassen haben. Die erste urkundliche
Nachricht von dem Bestehen eines Frauenklosters daselbst
haben wir vom Jahre 1253, und dass dieses schon längere Zeit
bestanden habe, aber keinem bestimmten Orden angehörte,
erhellt aus den Worten des Documents: ,ipsaeque nullum ad-
huc ordinem sunt professae, inclusae corpore in castris clau-
stralibus^ Ein ungenannter Schriftsteller * will zwar das Kloster
von seinem Anbeginne an dem Orden der heil. Clara zuweisen.
Er sagt: ,Si enim tempore Innocentii IV. anno 1254 fuerunt
ibidem (Brixinae et ludenburgi) abbatissae et monasteria com-
pleta et quidem sub magisterio et directione F. F. Minorum . . .,
facile credendum est, jam 30 annis prius ibidem fuisse sorores
et fratres, licet non magni adhuc numeri, institutum seraphicum
proplantare exordientes.' Nach der oben erwähnten Urkunde
vom Jahre 1253 haben erst damals die Klosterfrauen zu Juden-
burg, da sie noch keine Regel hatten, sich an Innocenz IV.
mit der Bitte gewendet, ihnen eine solche zu geben und ihr
Kloster dem Orden S. Damiani, d. i. dem Ciarissenorden ein-
zuverleiben. ^
Auf den alten Siegeln des Klosters erscheinen zwei Per-
sonen, ein Mann imd eine Frau, eine Kirche tragend, und im
Siegelfelde liest man die Namen Hainricus imd Geisla; beide
gelten als die eigentlichen Gründer des Klosters. Die Nonnen
liatten bisher in der Stadt Judenburg gewohnt, aber der be-
schränkte Raum ihrer Wohnstätte und die durch den Verkehr
der Btirger und Fremden bedingte Unruhe^ machten es wün-
schenswerth, das Kloster an einem mehr abgelegenen und da-
her stillen Orte den Bedürfnissen der Frauen gemeinde ent-
sprechend neu aufzubauen. Ein Judenburger Btirger Namens
Heinrich (Henricus) und seine Ehegesponsin Frau Geisla (Gisla,
^ «Facies nascentis et snccrescentis provinciae Seraphico-Austriacae/ Ratis-
bonae, 1743, p. 37.
^ Im Urkundenrepertoriiim des Klosters vom Jahre 1783 steht folgendes
Regest: ,1240, Pleibuch (Bleiburg?). Ulrich, Graf zu Heunburg, ver-
zichtet zu Gunsten des Klosters auf die Vogtei über die Pfarre Zyll
(Cilli).* Diese Urkunde gehört aber, wie wir sehen werden, zum
Jahre 1301.
' Judenbnrg war ein bedeutender Handelsort, und selbst hohe Frauen,
wie Theodora (1233) und Gertrude (1259), hatten es vorübergehend als
Doniicil gewählt.
380
Gisella) unterzogen sieh diesem frommen Werke. In einer Ur-
kunde des Bischofs Ulrich I. von Seckau (1256) wird Hein-
rich (dilectus nobis Henricus civis de ludenburg) als Erbauer
genannt. Ob der in einem Documente vom Jahre 1259 ge-
nannte Bürger Heinrich der Sattler ^ mit unserem Stifter iden-
tisch sei, ist nicht unwahrscheinlich, lieber diesen haben wir
keine weiteren Nachrichten. Es ist anzunehmen, dass er und
seine Gemahlin, einem alten Gebrauche gemäss, dass Stifter
und Donatoren in den von ihnen gegründeten oder unter-
stützten Kirchen ihre Grabstätte fanden, auch nach ihrem
Tode in den Hallen des Paradeisklosters beigesetzt worden
sind. Das schon citirte Manuscript der Grazer Universitäts-
bibliothek vom Jahre c. 1737 spricht von einem ,epitaphium
de fundatore, quod autem amplius ob diumitatem temporis non
est legibile^
Mit dem Neubau des Klosters ging die Reform desselben
Hand in Hand. Sowohl die Nonnen als auch die kirchlichen
Behörden hatten sich an den Papst Innocenz IV. imd wohl
auch an die heil. Clara gewendet mit dem Ansuchen, das neue
Haus einem Orden einzuverleiben und den Frauen eine be-
stimmte Regel zu geben. Zwei Nonnen aus dem Orden der
heil. Clara und aus dem Mutterkloster St. Damian zu Assisi
kamen nach Judenburg und führten die Reform durch. Die
ältere derselben, Benedicta, wurde die erste Aebtissin in Para-
deis. Aber schon nach vier Jahren kehrte sie wieder heim
nach Italien, theils vom Heimweh ergriflFen, theils wohl auch,
weil der Tochter Italiens die rauhe Luft der norischen Bei^e
nicht gut gethan hatte. ,Cum aura hujus patriae ipsis immitior
fuerit.*2 Ueber Benedictas weitere Schicksale belehrt uns
Marcus de Lisabona:^ ,In diser versamblung (S. Damian in
Assisi) ist ein Closterfraw gewest mit namen Benedicta, die
ist . . . in der Regel so eyfferig und heilig gewest, dass man
sie, nachdem die h. Clara ... in die Glory aufgenommen
1 Muchar, ,Qe8chichte des Herzogthums Steiermark*, V, 276. Ein tob
Dr. H. R. von Zeissberg im Archiv für österr. Geschichte, LIV, 227
mitgetheiltes Fragment eines Reuner Todtenbuches hat unter 21. April
die Eintragung: ,Heinricus de ludenburg*, und unter 24. April eine
,QeiseIa*.
2 »Facies*, 287.
3 ,Chroniken der minderen Brüder.* Mündien, 1620, HI, 139.
381
worden^ zu einer Ebtissin gemacht . . . Seligklich ist sie . . . ent-
scUaffen, ligt in dem Chor in St. Clara Kirchen zu Assisi be-
graben/ Ihre Nachfolgerin im Paradeis war des Stifters Hein-
rich Tochter Cäcilia. Die Grtlndung des ELlosters ist in die
Jahre 1253 — 1256 zu setzen; es ist abo möglich, dass die
he3. Clara (f 11. August 1253) noch die Grundsteinlegung er-
lebte und vielleicht noch persönlich Einfluss auf die Gründung
üben konnte. Weniger glaubwürdig erscheint es aber, dass
Clara Briefe an das Erlöster gerichtet habe und selbe lange
Zeit dort aufbewahrt gewesen seien. ^
Die Confolidimng des Klosters durch päpstliche und bischöfliche
PriYilegien.
Haben wir uns bisher in unseren Forschungen fast aus-
schliesslich an der Krücke der Tradition forthelfen müssen, ist
es uns nun gestattet, unter Leitung der Diplome festen histori-
schen Boden zu betreten. Wie schon oben bemerkt, hatten
sich die Nonnen an den heil. Stuhl gewendet, um einem be-
stimmten Orden zugewiesen zu werden. Papst Innocenz IV.
bewilligte diese Bitte. Er richtete am 5. Juli 1253 an den
Cardinal-Bischof von Ostia und Veletri^ folgenden Auftrag, er
solle das Kloster dem Orden des heil. Damian zu Assisi ein-
verleiben, es der Jurisdiction des Ministers der österreichischen
Ordensprovinz unterordnen und demselben die von Gregor IX.
erlassene Regel geben. Das EJoster soll aller dem Mutter-
kloster zu Assisi gewährten und noch zu gewährenden Privi-
legien theilhaftig sein. Der Minister hat des Recht, es zu visi-
üren und den Nonnen die Sacramente zu spenden, entweder
in eigener Person oder durch geeignete Vertreter, welche nicht
gehalten sind, im Kloster daselbst zu wohnen. Doch Alles
nor mit Gutheissung des Cardinalprotectors. Die Wahl der
Aebtissin steht dem Convente zu und dem Kloster wird die
* iQnod autem omni reritati consentaneum sit, hoe monasterium vivente
adliQc 8. Clara aedlficatam esse probant non solum et demonstrant
annale« nostri ordinis, vemm etiam litterae, quae propria manu 8. Clarae
ad hoc monasteriam faerant scriptae, quae autem omnes deplorabili casu
snnt deperditae.' Manascript der Grazer Uniyersitätsbibliothek, Nr. 960.
3 itaTnaldus de Segoi 1231 — 1254, dann als Papst Alexander lY. Garns,
ySeries episcoporam ecclesiae catholicae*, p. Y.
i
382
Befugniss eingeräumt, bewegliches und unbewegKches Gut zu
erwerben, obwohl die Satzungen von St. Damian dieses nicht
gestatten. ^ Die Ursache, warum der Papst dem Paradeiser
Kloster den Erwerb und Besitz zeitlichen Gutes im Wider-
spruche zur in Assisi herrschenden Strenge gestattet bat, mag
wohl die sein, um der jungen Rlosterpflanze Kraft und Ge-
deihen zuzufiihren und um den Ausbau und die Ausstattung
von Kirche und Kloster leichter bewerkstelligen zu können.
Am 23. März 1254 erliess derselbe Papst eine weitere
Anordnung bezüglich der Vermögensgebahrung des Klosters.
Der Inhalt derselben ist etwas dunkel stilisirt. Es handelt sich
um jene Gütererwerbungen und Geschenke, die von den Gebern
durch Raub, Wucher oder auf andere unrechtmässige Art zu
Stande gebracht waren. Sind die Beschädigten nicht bekannt,
filllt die Restitution hinweg. ^
Am 29. März desselben Jahres gab der Papst den Nonnen
das Privileg, dass Niemand sie vor Gericht belangen dürfe,
selbst wenn er auf irgend eine Art ein apostolisches Schreiben
zu Hand bekommen hätte, und dass nur vom Orden selbst und
seinen Organen mit vorausgesetzter Vollmacht von Seite des
heil. Stuhles gegen das Kloster vorgegangen werden könne.'
Von grösserer Wichtigkeit ist die grosse Bulle vom
24. Juni des gleichen Jahres. In derselben bestätigt Innocenz
die neue Stiftung und versichert selbe seines Schutzes. Der
Orden des heil. Damian soll in alle Zukimft im Kloster Para-
deis Bestand haben. Der gegenwärtige und künftige Güter-
besitz wird anerkannt. Die Urkunde zählt die Besitzobjecte
auf, als: der Ort, auf welchem das Kloster steht, mit seiner
Zugehörung, Grundstücke zu Welmersdorf und Mittemdorf/
Burgrechtszinse, Käsegült und zwei Aecker zu Judenburg. Das
Kloster darf freie Personen, welche der Welt entsagen, auf-
nehmen, aber wenn selbe Profess abgelegt haben, ist es ihnen
nicht mehr gestattet, das Kloster zu verlassen; eine flüchtige
Nonne soll Niemand aufnehmen oder zurückhalten. Die Con-
secration der Kirche, Altäre und der heiligen Oele, sowie die
J »Facies*, 32. Friess, 1. c. S. 110.
3 Urkunde im Landesarchiv.
s Wadding, ,Annales Minorum*, HI, 516. »Facies,* 284.
* Welmersdorf bei Jiidenburg. Mittemdorf in der Pfarre St. Peter bei
Judenburg.
383
Weihe (benedictio) der Nonnen, der gottesdienstlichen Ge&sse
and Kleider steht dem Bischöfe der Diöcese zu. ^
Nur bei Vacanz des bischöflichen Stuhles dürfen sich
die Nonnen an einen fremden Bischof in diesen Angelegen-
heiten wenden. Wird ein Interdict über das Land verhängt,
ist es ihnen erlaubt, bei verschlossenen Thüren und ohne
Glockenschall G-ottesdienst zu feiern. Die Aebtissin wird vom
Convente gewählt, und es entscheidet die absolute Mehrzahl der
Stimmen. Die Clausur ist strenge zu beobachten und Niemand,
selbst wenn er einen Verbrecher ergreifen will, darf in die-
selbe eindringen oder einen Gewaltact üben. Bemerkenswerth
ist auch in diesem Diplom, dass an zwei Stellen die Regel des
heil. Benedict betont wird. Selbe war eben das Fundament, auf
welchem St. Franciscus und Clara bei ihren Satzungen fussten.^
Da unseren Ciarissen manche Punkte der Ordensregel
zu beobachten allzu beschwerlich war, baten sie den Papst
am eine Milderung. Auf dessen Befehl hatte der Protector-
Cardinal Rainaldus am 22. Juni 1254 eine Anordnung gemacht,
welche Innocenz IV. vier Tage später vollinhaltlich confirmirte.
Die wesentlichen Punkte dieser Dispens sind: Von Ostern an
bis zum Feste des heil. Franciscus dürfen die Frauen (mit
Ausnahme der Freitage und gebotenen Fasttage) Wein, Mehl-
brei, Eier und Milchspeisen geniessen. Kranken und Schwachen
ist eine weitergehende Dispens zu gewähren. Selbe dtlrfen
auch im Krankenzimmer untereinander oder mit den Wärterinnen
und besuchenden Schwestern reden. In Anbetracht des rauheren
Klimas ist den Nonnen erlaubt, drei Röcke (tunicae), Pelzwerk,
einen gewöhnlichen und einen kurzen Mantel (diesen bei der
Arbeit), wollene Strümpfe und mit Heu oder Spreu gefüllte
Decken und Hauptkissen zu benützen. Die dienenden Schwe-
stern dürfen Schuhe tragen und ihr Fasten ist weniger strenge.
In Bezug auf das Schweigen kann die Aebtissin zeitweilig
eine Milderung eintreten lassen. Einige Bestimmungen be-
treiSfen noch den Visitator und Beichtvater. ^ In diesem Jahre
* Jndenbiirg and Umgebnng gehörten zur ErzdiOcese Salzburg. Die nahe
Fiaire Fohnsdorf war aber Dotationsgnt des Bisthums Seckaa. Der
Bischof von Seckaa war Generalvicar des Salzburger Metropoliten für
Steiermark.
' Urkunde im Landesarchiv.
< Ebenda.
384
soll auch der Papst einen Ablass für die Feste des heil. Fran-
ciscus und der Kirchweihe verliehen haben. * Auch Ulrich L,
Bischof von Lavant^ spendete 1255 einen Ablass von vierzig
Tagen für Alle, welche zum Eirchenbau Beiträge leisteten.^
Wann die Weihe der Kirche stattgefunden habe, lässt sich nicht
bestimmt nachweisen. Aus einer Urkunde des Patriarchen Rai-
mund von Aquileja erhellt, dass im Jahre 1277 der Kirchen-
bau wohl vollendet, aber noch nicht geweiht war. ^ Da wohl
nicht anzunehmen ist, dass der Bau vom Jahre 1253 bis 1277
gedauert habe, ist es wahrscheinlich, dass die Kirche vielleicht
durch einen der Pröpste des nahen Chorherrenstiftes Seckaa
einfach benedicirt worden war und erst 1277 die bischöfliche
Consecration erhalten habe.
Das Kloster Paradeis stand bisher im Diöcesanverbande
und unter der geistlichen Gerichtsbarkeit des Salzburger Erz-
bischofs. Da aber die übrigen Klöster des St. Claraordens
unmittelbar dem römischen Stuhle, beziehungsweise dem Mi-
nister generalis der Minoriten unterworfen waren, befreite auf
die Bitte der Nonnen Erzbischof Philipp von Salzburg am
17. December 1255 das Kloster von der Jurisdiction seiner
Hochkirche, und zur Erinnerung an diese Wohlthat mussten
sich die Nonnen verpflichten, alljährlich am Feste Maria
Himmelfahrt ein Pfund Wachs dem Erzbischofe zu entrichten.
Bezüglich rein bischöflicher Functionen sollten sie sich auch
in Zukunft an denselben wenden.^
Obwohl fast im Weichbilde der Stadt Judenburg gelegen,
lag das Kloster doch innerhalb der Ghrenzen der Pfarre FohnB-
dorf, welche zum Dotationsgute des 1219 errichteten Bisthmns
Seckau gehörte. Aus diesem Grunde konnte die Entstehung
eines Klosters auf dem Boden seiner Pfarre dem Bischöfe nicht
gleichgiltig sein. Aber auf die Ftlrbitte des Stifters, des Bürgers
Heinrich, willigte er am 1. Juni 1256 in die klösterliche An-
Siedlung und den Kirchenbau, sich der Hoffnung hingebend,
Heinrich und dessen Erben würden den Nachtheil, welcher
^ Repertorium des Klosterarchivs.
2 Herzog, I, 702. ,Facie8S 286. Mnchar, V, 266.
' yCum igitor . . . ecclesiam vestram in ipsias beate virginis honore con
stmctam intendatis facere consecrari . . .'
^ Copialbach des Klosters.
385
durch das Kloster der Pfarre Fohnsdorf erwachsen werde, auf
andere Weise gutzamachen sich bestreben. ^
Im Jahre 1257 ertheilte Papst Alexander IV. ftlr das
Kirchweihfest des Klosters eine Indulgenz von hundert Tagen.^
Das fUoster war, wenigstens im ersten Jahrhundert seines Be-
standes, an die milden Gaben der Gläubigen angewiesen und
sandte Almosensammler in der Gegend herum. Da aber diesen
manche Hindemisse in den Weg gelegt wurden, beschwerten
sich die Nonnen beim Papste, und dieser schützte sie 1258
durch ein besonderes Breve in ihrem Rechte und Gebrauche.'^
Im gleichen Jahre gab Frater Rainaldus Poenitentiarius die
Erlaubniss, dass der Provinzial mit einigen Brüdern die Clausur
betreten dürfe, um die Messe zu lesen; auch der Gemahlin
des Stifters wurde die Befugniss ertheilt, mit drei bis vier ehr-
baren Frauen in das Innere des Klosters zu gehen. Bei
Feindesgefahr dürfen die Nonnen die Clausur brechen und die
Flucht ergreifen. * Im Jahre 1265 bestätigte Papst Clemens IV,
alle von seinen Vorgängern dem Kloster ertheilten Freiheiten
und Indulgenzen, ebenso die von weltlichen Fürsten gegebene
Nachsicht von gewissen Abgaben. ^ Um das Jahr 1273 erliess
Bischof Herbord von Lavant an alle Gläubigen seines Sprengeis
die Mahnung, dem Kloster im Paradeis milde Gaben zuzu-
wenden. ® In dieser Urkunde wird zum ersten Male der Orden,
welchem die Paradeiserinnen angehörten, ordo s. Clarae ge-
nannt, während die früheren Documente nur immer von einem
ordo s. Damiani gesprochen haben.
Weitere Geschicke des Klosters im 13. Jahrhundert Päpstliche,
bischöfliche und landesforstliohe Onadenerweise,
Stets war es bei geistlichen Genossenschaften eine der
ersten Sorgen und Aufgaben, sich des Schutzes des jeweiligen
Papstes und Landesregenten zu versichern. Dieser Gebrauch
wurde auch im Kloster Paradeis aufrecht erhalten. Am 8. August
1 Henog, I, 701.
' Bepeitorinin des KlofterarchiTs.
* Urkunde im Landesarchiv.
* Bepertorinm des Klosterarehirs.
* Urkunde im Landesarohir.
* Urkunde im Landesarchiv.
386
1297 nahm Papst Bonifaz VIII. das Kloster und dessen Be-
wohner in seinen und des heil. Petrus Schutz und bestätigte
den Besitz an liegenden Gütern. ^ Am gleichen Tage confir-
mirte er alle Freiheiten und Immunitäten, welche seine Vor-
gänger dem Kloster gegeben hatten, sowie alle Spende- und
Freibriefe weltlicher Machthaber. ^ Diese beiden Documenta,
obwohl am gleichen Tage und Orte ausgestellt, haben das
Eigenthümliche, dass im ersten das Kloster in der Seckauer
Diöcese erscheint und im andern als in der Salzburger Diö-
cese gelegen bezeichnet wird.
Am 18. August 1297 soll der Papst dem Bischöfe von
Seckau^ die Weisung gegeben haben, den Bann über jene
zu verhängen, welche dem Kloster etwas an dessen Rechten
und Gütern entziehen und nicht Genugthuung leisten würden.*
Das Repertorium des Klosterarchivs enthält auch die Notiz,
dass der Abt von Göttweig, Marquard von Weissenburg (1317
— 1323), eine Urkunde vom Jahre 1298 vidimirt habe, in
welcher Papst Bonifaz VIII. das Kloster aller Privilegien der
minderen Brüder theilhaftig gemacht hat.
Das eifrige Streben der Klöster und Kirchen ging stets
dahin, für ihre Altäre und Bruderschaften Ablässe zu erhalten.
Am 24. September 1277 verlieh Raimund, Patriarch von Aglai,
dem Kloster für dessen zu Ehren der heil. Maria erbaute
BLirche gelegentlich der vorhabenden Weihe derselben einen
Ablass von vierzig Tagen. ^ Unsere oft citirte Quelle ^ be-
richtet, dass in demselben Jahre Indulgenzen von acht ver-
schiedenen Bischöfen gewährt worden seien, und dass im Jahre
1300 drei ungenannte Bischöfe den Gnadenschatz der Ablässe
für alle jene aufgeschlossen haben, welche an den Ordens-
festen St. Francisci und St. Clarae die Kirche im Paradeis be-
suchen wtlrden.
Um 1259 hatte sich Gertrude, Nichte Friedrichs des
Streitbaren, einige Zeit in Judenburg aufgehalten. Bei dieser
Gelegenheit mag es gewesen sein, dass sie der Paradeiser
* Urkunde im Landesarchir.
' Urkunde im Landesarchiv.
» Ulrich n. von Paldau.
* Repertorium des Klosterarchivs.
* Urkunde im Landesarchiv.
* Repertorium des Klosterarchivs.
387
Nonne Alfaaid von Hof verschiedene Grundstücke zu St. Peter
ob Judenburg und einen Dienst von 500 Käsen zum Ge-
schenke gemacht hat. Am 25. April 1277 bestätigte König
Rudolf dem Kloster diese Schenkung. ^ Da das Kloster auf
einem Grunde erbaut war, welcher der Stadt Judenburg zins-
pftichtig war, gab Otto von Liechtenstein den Bürgern zwei
Aecker zum Tausche, um das Kloster vom Unterthanenverbande
zu ledigen. Da aber diese Aecker landesfürstliche Lehen
waren, gab Herzog Albrecht I. am 14. Jänner 1289 seine
Einwilligung. ^
Waehtender Wohlstand des Klosters. Schenkungen und Legate.
Yermehrung des Grundbesitxes durch Kauf und Tausch.
Im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts flössen dem
Kloster, welches in den ersten Zeiten seines Bestandes auf die
Sammlung von Almosen angewiesen war, reichliche Spenden
an liegenden Gründen und jährlichen Zinsen zu. Oft waren
diese Schenkungen eine Art Morgengabe oder Aussteuer für
die Töchter des Adels oder der ansehnlichen Bürger, welche
das Ordenskleid der heil. Clara wählten. Am 3. Februar 1277
übergaben Ulrich und Agnes, Grafen von Heunburg, dem
Kloster eine Schwaige zu Göttschach bei Fohnsdorf. ^ Un-
gemein wohlthätig gegen geistliche Institute bezeigte sich der
Büiger Conrad Leglaer. In seinem Testamente vom 1. April
1279 wies er nicht nur der Pfarrkirche, dem Spitale und den
Minoriten zu Judenburg ansehnliche Gaben zu, sondern er
* Maehar, m, 393 und V, 397. Nach dem Repertoiium des Klosters
bitte auch König Adolf (1277!) dieselbe Schenkung bestätigt. Wenn
dieses wahr ist, kann es nur 1292 — 1298 geschehen sein.
> Caesar, ,AnnalesS II, 352. Muchar, VI, 66.
' Copialbuch des Klosters. — Wir haben es unterlassen, die citirten Ur-
kunden unserer historischen Darstellung einzureihen, theils weil einige
derselben schon in anderen Werken abgedruckt erscheinen, theils weil
die Zahl und der Umfang derselben einen zu grossen Baum in An-
q^roeh genommen bitte. Doch dürfte die Anführung der in den Docu-
menten yorkommenden Zeugen nicht unwillkommen sein. Wir geben
die Zeugenreihen in der Schreibart der uns yorliegenden Quellen. In
der Urkunde yom 3. Februar 1277 erscheinen als Zeugen: ,Ott yon
Jadenburg, Ortolf, Dietmar und Hainreich gepmeder yon Stretweg, herr
Walfing yon Hannaw, Englbreoht unser offenschreiber . . .*
Arehir. Bd. LXXllI. II. Hilft«. 26
388
bedachte auch das Kloster Paradeis, in welchem seine Tochter
Kunegnnd den Schleier genommen hatte. An allen vier grös-
seren Frauenfesten sollen dem Elloster und seiner Tochter je
eine halbe Mark Pfennige verabreicht werden, und nach dem
Ableben Kunegunds soll den Nonnen eine Jahresrente von
vierzig Pfennigen verbleiben. * — Um 1280 vermachte letzt-
willig ein gewisser Waltheras dictus Dens (2^hn) den Frauen
,duo8 millearios (?) ferri^ ^ Otto 11. von Liechtenstein gab am
17. März 1287 dem Kloster einen Hof zu Thalheim bei Pols,
welchen er von Conrad von Pillichdorf erkauft hatte. ^ Die
Edelfrau Perchta von Reifenstein hatte ihre Töchter M&tza
und Geuta in das Clarenkloster aufnehmen lassen. Als deren
Aussteuer spendete sie am 11. Juni 1290 Gülten zu Oberdorf
bei dem ^Eaysersperg', eine Mühle am Pölsflusse und eine
Hube zu Hitzendorf. ^ Bei der Aufnahme seiner Tochter Agnes
in die Frauengemeinde opferte Otto von Weisseneck zwei Mark
Gült am Grebersberg. * Am 24. April 1291 erscheint aber-
mals Otto von Liechtenstein, Kämmerer in Steier, in der Reihe
der Wohlthäter des EUosters, indem er demselben ^durch meiner
lieben tochter willen' einen Hof zu Wasendorf bei Judenbnrg
widmete. ^
Hermann, Engelschalks Bruder zu Judenburg und Lieb-
hart von Oberwelz hatten eine Verwandte, Frau Benedicta, im
^ An dem im steiermärkisohen Landesarchiv befindlichen Originale hingt
auch das Siegel des Frauenklosters.
2 Ein Rüdiger Zahn erscheint 1282 als Bürger zu Judenbnrg. Huch«r,
V, 442.
3 Zeugen: ^Dominus Offo de Tiufenbach, Herrandus de Wildonio, Hert-
nidus de Göttwig, dominus Emestus de Lobnich^ dominus Otto (de)
Piswich, dominus Rihardus Ramler, dominus Chunradus Grueber, dominus
Fridericns de Hasslach, Heinricus Chelbo, lacobus Clauselius(?), Henricos
Friesacrius (?). Urkunde im Landesarchiv. Dieser Hof kommt im Para-
deiser Repertorium unter dem Namen ,Reßlmairhof vor.
* Copialbuch des Klosters. Zeugen: Her Ditmar von Btretbeg, her Hain-
reich sein prueder, Ott von Pux, Hermann yon Pfaffendorf^ Offerlio
herren Hainreich aiden, Hainreich und örtl geprueder des Kolben,
Weinkart und Gerung yon Awen, Jacob Klostermann, Eberlin tod
Gehenn . . .
' Copialbuch des Klosters.
^ Copialbuch des Klosters. In einer Urkunde vom Jahre 131 1 wird diese
Tochter Adelheid genannt und ist selbe wahrscheinlich identisch mit
der gleichnamigen Aebtissin, 1813 — 1318.
369
Kloster. Aus diesem Anlasse opferten sie eine Hube zu Stadel
bei Morau und ein halbes Pfund GHÜt zu Pausendorf bei
Enittelfeld. i Am 18. Februar 1298 vergabte Bischof Leopold
Ton Bamberg an das Kloster eine Sohwaighube, ^pej dem
kkineren Praetenek^, welche 500 Käse diente und welche bis-
her Otto Ungnad zu Lehen trug.^ Von einem gewissen Ernst
von St. Lorenzen im Murthale hatte das Kloster eine Mühle
XU Wasendorf um vier Mark Silber käuflich erworben. Da aber
diese ein Lehenbesitz Ottos von Liechtenstein war, gab dieser
am 15. Juni 1299 dieselbe den Nonnen in ihr volles Eigenthum. ^
Als Proun (Bruno), Sohn des Wiener Büi^ers Mathias, dem
S^ Lilienfeld drei Weingärten zu Pfaffstetten bei Baden
schenkte, wurde in der bezüglichen Urkunde der Vermerk ge-
macht, dass davon den Nonnen zu Juden bürg zehn Pfund Pfen-
nige zu reichen seien.'* Am 17. September 1300 beurkunden Abt
Friedrich, Prior Conrad und der Convent zu St. Lambrecht, dass
Jntha, Gemahlin des Ulrich von der Wisen, mehrere dem Kloster
St. Lambrecht lehenbare Aecker auf der Anhöhe ob Wasendorf
gekauft habe. Das Stift begibt sich seiner Lehensherrlichkeit,
und Frau Jutha widmet diese Aecker dem Elloster Paradeis
zum Unterhalte ihrer Schwester Elisabeth, Nonne daselbst.^
Solche zahlreiche und ausgiebige Schenkungen setzten
bald das Kloster in die Lage, durch Kauf und Tausch weitere
Gilter zu erwerben. Diese Erwerbungen beschränkten sich
^ Copudbach des Klosters. Zwei Urkunden, ddo. 1293, 16. und 17. October,
Judenburg. 2^ügen im ersten Docnmente: Her Hainreich von Stretwicb,
Vlreich der Leizer, Orte! von Reiffenstein, Ch&onrat der Legier. —
Zengen der zweiten Urkunde: Herman der Altenhofer, Vlreich von
Leys, Ruedof (sie!) der Wajner, Jans der Klampfrer, Wölfl des Alten-
hofer aeden und Herman der Zfthe.
^ Copialbuch des Klosters. 2ieugen: Ott Vngnad, iunkher Eberhart, Ott
von Erenuels, Hainrich wirt am Pieren vnsers hoff, Benignus ain purger
zw Villmch vnser notari. Ort der Ausstellung: Wolfsberg.
' Copialbuch des Klosters. Zeugen: Her Ott von Liechtenstain, Vlreich
der Lejsxer, G^erunch der Scheuf lieber, Gotfrid von der Muer, Herman
der richter zw Judenburg, Dietmar der Adeldeg.
* Keiblinger, ,Geschichte des Nonnenklosters zu Dürreustein an der
Donau* in Cbmel, ,Der teterr. Geschichtsforscher^ II, 6.
^ Copijdbach. Zeugen: Dy purger zw Judenburg Hainreich TrttUer,
Hainreich S^ramer, maistei^ Strachant goldsmid, auch etlich hofdiener
des conuents sand Lamprecht, Ott hofrichter, Ott chumber, Hainreich
vnd Wolfgang ambtlewt.
26»
390
nicht auf die Qegend von Judenburg, sondern griffen selbst in
das steirische Unterland hinab. Im Jahre 1274 verkaufte
Rudolf von Losenhaym dem Kloster um 29 Mark Silber eine
Qillt zu Morschdorf bei Mooskirchen und drei Unterthanen
(Holden) zu Plankenwart. Als Siegler erscheint neben Gun-
daker von Plankenwart der Custos der Minoriten in Kärnten,
Bruder Conrad. ^ Dass das Nonnenkloster seinen Holden gegen-
über milde vorging, ist durch ein Document der Aebtissin
Clara vom 25. Jänner 1287 beglaubigt, in welchem einem ge-
wissen Herbord und seinem Weibe Geisla, welche auf einer
Klostermühle sassen, erlaubt wurde, sich mit der Zinseshälfte
schadlos zu halten, wenn sie auf irgend eine Weise bedrängt
würden. ^
Am 22. Februar 1288 erwarb das EJoster kaufsweise um
120 Mark Silbers von den Gebrüdem Ulrich, Friedrich und
Heinrich von Stubenberg zwei Höfe zu Welmersdorf und Buch
bei Judenburg. Die Bedingungen und Verclausulirungen der
Urkunde geben einen Einblick in das damalige Rechtsleben
Steiermarks. Die Frauen der Brüder und die Kinder Ulrichs '
mussten ihre Einwilligung geben. Die Verkäufer geloben, das
verkaufte Gut (,secundum formam prediorum^) innerhalb des
im Lande geltenden Zeitraumes zu schirmen. Könnten oder
wollten sie dies nicht thun, machten sie sich anheischig.
200 Mark in Silber zu zahlen. In einem solchen Falle wollten
sie Einen aus ihnen nach Judenburg senden, der dort so lange
zu verbleiben hätte, bis die ganze Sache geordnet wäre. Als
Zeugen der Handlung figuriren hochadelige Namen, wie Ul-
rich Graf von Heunburg, Otto von Liechtenstein, Hertnid und
Herrant von Wildon und Friedrich und Hertnid von Pettau. *
— Am 26. September desselben Jahres war es auch, dass
Otto von Liechtenstein den Bürgern von Judenburg zwei Aecker
1 Copialbuch. Zeugen: Her Ott von Liechtenstain, pnieder Knenrad
custos in Kirnten, her Percbtold Ton Obdach, Chuentz vnd Ott von
Judenbori^ sCtai der frawn Herrad, Oundaker vnd Rnedolf von Plankben-
wart, Eng^lscalc Ledrer, Herman Heller.
3 Copialbneh. Zeugen: Gotfrid, Rnedolf, Wnlfing, Hainrich genandt
Schurger, Hainreich Hopfer, all pnrger sw Voitsperg. Da unter den
Zeugen Anf Bürger Ton Voitsberg genannt werden, dürfte wohl anch
die Mühle in jener Gegend su suchen sein.
* Friedrich und Heinrieh waren kinderlos.
* Urkunde im LandesarchiT.
391
übergab, um den Grund, auf welchem das Kloster sich erhob,
Ton Zins imd Dienst zu freien. *
Am 11. November 1293 ging die Aebtissin Elsbet einen
Tauschhandel ein mit Rudolf von Plankenwart. Dieser ein-
antwortete dem Kloster drei und eine halbe Hube zu Morsch-
dorf und erhielt drei Hüben bei Plankenwart und eine Auf-
zahlung von sieben Mark Silber. ^ Am 3. März 1298 verkaufte
Leopold Wackerzil, Bürger zu Graz, den Nonnen ein Gut zu
Pirchach, 3 worauf Rudolf, der Richter zu Marburg, welcher
Wackerzil's Tochter Elsbet zur Ehe hatte, im Namen seiner
Hausfrau sich aller Ansprüche auf jenes Gut entschlug. ■* Am
2^7. Juli erwarb das Kloster um neun und eine halbe Mark
Silber von Gumprecht, Partleins Sohne von Judenburg, ein
Pfand Gült im Möderbachgraben bei Pols. * Unter den Zeugen
finden wir einen Klosterbeamten, Conrad den KnoU, der Frauen
Schaflfer und Pfleger. Am 23. August gab Albrecht von Mittern-
dorf im Tausche dem Erlöster zwei Gärten zu Feistritz ^ flir
eine Wiese zu Mitterndorf. ' Auf dieser Wiese haftete ein
* Copialbuch.
^ Copialbuch. Zeugen: Her Dietmar auf der Geule, her Hainreich von
Stretwich, Herman von Phaffendorff vnd sein snne, her Hainreich der
Kolbe vnd sein brueder öttel, Vlreich der Leizzer, Herman der richter,
Chnenradt der Leggier, Wolfhart vnd Reicher von Voisperg.
' Wahrscheinlich Pirka bei Hitsendorf.
* Copialbuch. Zwei Urkunden su Qras und Marburg ausgestellt. Zeugen
des ersten Docnmentes: Her Friderich von Lonsperch, Jacob der richter,
Hainrich herren Volchmares sun, Friderich von Windischgräcz, Walchun
sein sun, Heinrich der Friescher, Jans sein brueder, Walchun herren
Oetschelines sun. — Zeugen der andern Urkunde : Eberhart von March-
p&rch, maister Hainreich der schuelmaister zw Marchpfirch, Friderich
der Tzinck, Herman der Paumfalk, Fridereich der Windischgr&czer,
Chainrat der Windischgr&czer, Alhoch sein brueder vnd WalchAn vnd
Herman die Windischgr&czer, Jacob der Schaffer richter zw Gr&cz,
Walchun von Gr&cz, Jans der Friescher, Hainreich sein brueder, Jänsel
der öthchlinne sdn zw Gr&cz.
' Copialbuch. Zeugen: Her Ott, her Ruedolf die iungen von Liechten-
stain, her Emnst, Leb dy prueder von Lobming, Herwott, WÄlfing von
Pfaffendorf geprueder, Dietreich der L&gler, Kuenrad der Knolle der-
selbigen frawn schaffer vnd pfleger.
^ Wahrscheinlich bei Weisskirchen.
"^ Copialbuch. Zeugen: Her Dietmar von Stretbeg, her Hainreich sein
pnieder, her Hainreich der Kolb, Ottl sein prueder, Dietmar der Schurf-
ling, Vlreich der Pustramer, Vlreich der Le^zzer, Liephart von Beltz,
392
Dienst von zwanzig Pfennigen, welche eine Frau Kunegund
(vielleicht die Nonne Kunegund Leglaer) zu einer frommen
Stiftung (selgeret) bestimmt hatte. Dies ist das erste Beispiel
eines Anniversars oder Gottesdienstfundation im Paradeis. Eine
halbe Hube zu ^GuntheresdorfiP ^ gab Ulrich der Leysser im
Kaufe dem Convente im Paradeis. ^
Am 30. November 1300 übernahm die Aebtissin Diemut
gegen Erlag von sieben und einer halben Mark Silber Wiener
Gewichtes aus den Händen Bertholds von Wasendorf Gülten
zu St. Peter ob Judenburg. ^ Als Siegler erscheint neben Otto
von Liechtenstein auch Abt Friedrich von St. Lambrecht. Doch
nicht immer liefen solche Erwerbungen glatt ab, und manche
Ansprüche konnten nur mit Geld abgefertigt werden. So
machte Gerung Scheuflinger Rechte geltend auf einen Acker,
und die Nonnen mussten sich mit ihm um zwei Mark ,lawter8
vngebegens sUber' abfinden. *
Von anderen Ereignissen, welche im 13. Jahrhundert im
Kloster vorfielen, schweigen unsere Quellen fast gänzlich. Nach
Caesar, ,Annales duc. Styriae', H, 243 soll Paradeis im Jahre
1283 abgebrannt sein. Doch liegt hier wohl nur ein Lapsus
calami oder ein Satzfehler vor, denn diese Feuersbrunst ist
im Jahre 1383 vorgefallen. ^
Dass im Kloster auf Zucht und Ordnung gehalten worden
sei, davon ist ein Beleg das Factum, dass Leuthold I. von
Kuenring und seine Gemahlin Agnes Gräfin von Ahsberg, als
sie 1289 das Clarissenkloster zu Dürnstein an der Donau
ietz richter zu Judenburg vnd darzue äy gemain der ritter knappen vnd
purger zw Judenburg.
1 Vermuthlich Gundersdorf bei Stainz.
2 Copialbucb. Zeugen: Her Hainreich der Cholb, her Ott von Puks, her
Ortolf von Reiffenstain, Chuenrad der Knolle derselben frawen sehaffer.
Den Brief siegelte Otto von Liechtenstein.
3 Copialbucb. Zeugen: Dy geistlichen Friedrich von Nuemberg, Hain-
reich von Speyr, Dietreich von Fürstenfeld vnd dy edlen herren herre
Ott vnd Ruedolf von Lichtenstain, ETerword von Phaffendorff ritter,
Herman vnd Wtilfing von Pfaffendorff, Ortolff Cholber, Kuenrad Keier,
Chuenrad Knoll.
* Copialbucb. Zeugen: Her Ott von Liechtenstain , Vlreich Leyxer,
Weichkart vnd Gerungus geprueder genent von Awen, Herman «n
prueder des Engelscalch, Liebhart von Weltz, Eberlin Heller.
5 Herzog, I, 702. Leithner, 82, Muchar, VII, 25,
893
gr&ndeten, eine Colonie Nonnen aus Paradeis in ihre neue
Stiftung beriefen. ^
Bas Clarenkloster im 14. Jahrhundert Päpstliche und
landesforstliohe Briefe.
Ulrich U. Oraf von Heunburg hatte sich schon im Jahre
1277 durch Schenkung einer Schwaige zu Göttschach den
Dank des Klosters verdient. AUein die Grossmuth des Grafen
war noch nicht erschöpft. Er tibertrug das Patronatsrecht
aber die Pfarre Cilli in der Aglaier Diöcese auf das Erlöster.
Wann dieses geschehen sei, ist unbekannt. Im Jahre 1301
bestätigte Papst Bonifaz Vin. diese Schenkung. ^ Die Urkunde
hebt hervor, dass das Kloster den Schenkungsbrief mit dem
Siegel des Grafen vorgewiesen habe. Ob und wie lange die
Ciarissen ihr Patronatsrecht geübt haben^ darüber schweigen
sUe Quellen. Nur wissen wir^ dass am 16. April 1319 der
Patriarch Paganus von Aquileja dem Stifte Sittich gegenüber
behauptet; die Pfarre gehöre pleno jure zum Stuhle von Aglai.^
Dass es immer Leute gegeben hat, die sich an fremdem
Gute vergriffen, mussten auch die Frauen im Paradeis zu ihrem
Schaden erfahren. Zehente und Zinsen wurden verweigert,
Qrand und Boden vorenthalten oder beschädigt; ja selbst die
brieflichen Rechtsbehelfe des Klosters (privilegia, instrumenta
publica) waren nicht sicher vor räuberischer Hand. Daher
sah sich Papst Bonifaz YIII. veranlasst, im März 1302 an den
Bischof von Lavant^ die Weisung zu geben, die Schädiger
der klösterlichen Güter und Rechte zum Schadenersatze zu
mahnen und die Widerstrebenden mit dem Banne zu belegen.^
Im selben Jahre am 26. April (in Laterano) erfloss im Namen
des Papstes ein Erlass des Cardinal-Protectors Matthäus,^ in
welchem das Recht des Diöcesanbischofs betont wird, die
* Friess, (Geschichte der Osterr. Minoritenproyins*, S. 39.
^ Urkunde im Landesarchiv. Gedruckt bei Oroien, ,Da8 Bisthum und
die Diöcese LavantS III, 30.
3 Oroien, 1. c. m, 29 und 279.
^ Wnlfing Ton Stubenberg (1298—1304).
' Original im Landesarchiv.
^ Wohl Matthaeus de Aquasparta, ordinis s. Francisci,'episcopus Portuensis,
Garns, ,Serie8 episcopornm . . .*, IX.
394
Kirchen der Klöster einzuweihen^ die Nonnen einzukleiden
und selbst die Clausur zu betreten in Gegenwart und unter
Assistenz des Provinzials. ' Es ist dies eine wiederholte Ein-
schärfung der in der Bulle Innocenz IV. vom 24. Juni 1254
erlassenen Bestimmungen. Wir können hier füglich zwei In-
dulgenzverleihungen einflechten. Im Jahre 1364 gab Agapitus,
Bischof von Estual (?), einen Ablass für die Besucher des Qara-
altares in der Klosterkirche^ und am 13. März 136Ö bestätigte
Erzbischof Ortolf von Salzburg diesen Indulgenzbrief und ver-
lieh gleichzeitig einen Ablass von vierzig Tagen. ^
Zahlreicher als die päpstlichen und bischöflichen Ur-
kunden für Paradeis sind uns jene der Landesflirsten filr dieses
Jahrhundert erhalten. Am ^9. Jidi 1338 bewilligte Heriog
Albrecht II. (auch im Namen seines Bruders Otto) dem Kloster
den Bezug von zwölf Fudern Salzes aus der Saline zu Aussee
mauth- und gebührenfrei. ' Am 25. August 1340 erklärte der-
selbe, dass Getreide, Wein, Tuch und andere Kaufmannswaaren
für den Hausbedarf des Klosters frei von Mauth und Umgeld
sein sollen. ^ Der Schaffer Jörg zu Sil weg bei Fohnsdorf hatte
einen Holden des Ellosters thätlich misshandelt und dem Kloster-
schaffer und Bürger zu Judenburg Thomas Kolb manche Hinder-
nisse in den Weg gelegt. Auf die Beschwerde der Aebtissin
gab Herzog Albrecht dem Tristram von Teufenbach den Be-
fehl, den händelsüchtigen Jörg zur Ruhe zu verweisen.* Am
27. Mai 1367 bestätigten die Herzoge Albrecht IH. und Lreo-
pold IH. den Freibrief ihres Vaters (ddo. Wien, 25. August
1340), vermöge welchem die zur Hausnothdurft des Klosters
zugeführten Waaren zoll- und gebührenfrei passiren dürfen.*
In diesem Briefe wird erwähnt, dass die Nonnen des Paradeis
* Repertorium des Klosterarchivs. Herzog, I, 702. Caesar, II, 39S.
Muchar, VI, 154.
^ Repertorium des Klosters.
3 Aus dem landschaftlichen Privilegienbuche, 16. Jahrhundert, fol. 119 im
Landesarchiv. Auch das Insert in dem Confirmationsbriefd des En-
herzogs Carl für Kloster Paradeis, ddo. 1567, 10. Deoember, Graz. Lieh-
nowsky, Nr. 1158.
* Insert in obcitirtem Bestätigungsdiplome. Lichnowsky, Nr. 1245. Mn-
char, VI, 287.
6 Copialbuch. Lichnowsky, Nr. 1300. Muchar, VI, 29S.
* Urkunde im Landesarchiv. Lichnowsky, Nr. 794 mit der unrichtigen
Patirung (18. April).
395
bei Herzog Albrecht II. in grosser Qunst gestanden seien. Am
Pfingstabend desselben Jahres bestätigten dieselben auch den
dem Kloster von Albrecht 11. (am 29. Juli 1338) bewilligten
Salzbezug aus Aussee. >
Fromme Stiftungen.
Bisher haben wir nur über eine Jahrtagsstiftung (1298)
zu sprechen Gelegenheit gefunden. Aber im 14. Jahrhundert
treten derlei Fundationen schon häufiger auf. Als Jäkl der
Schneider^ Bürger zu Judenburg, seine Tochter Catharina in
das Kloster treten liess, opferte er Gtllten zu Unterzeiring und
Katzling, deren Erträgniss die Nonnen mit den Minoriten zu
theilen hätten. Aber er knüpfte an seine Schenkung (1338,
lö. März) die Bedingung eines Jahrtages. ^ Als die Bürgerin
Percht die Tackin in der Stadt Judenburg die Kirchen be-
schenkte, ergoss sich der Strom ihrer Wohlthätigkeit auch über
unser Paradeis, dem sie sechs Aecker zu ihrem Seelgeräth
widmete. ,Davon sol man geben den vrown in daz chloster
2' 2 lot Silber, also daz si vns singent vigili vnd selmess.^ ^
Wir haben schon oben bemerkt, dass die Frauen im
Paradeis sich der besonderen Gunst des Herzogs Albrecht IL
erfreut haben. Einen Beweis seines Wohlwollens, aber auch
seines frommen Sinnes gab er am 21. Juni 1343 durch Stiftung
einer Seelenfeier für seinen 1339 verstorbenen Bruder Otto. *
Am 27. December reversirte die Aebtissin Leukart (eine ge-
bome von Saurau), diesen Jahrtag getreulich am ersten Mitt-
woch in der Fasten mit Vigil, Seelmesse und Gebet nach Ordens-
brauch halten zu wollen und verpönte sich und ihr Kloster im
widrigen Falle mit dem Verluste von vier Mark Bergrecht zu
Marburg. * — Bischof Conrad von Chiemsee und Rudolf und
Otto von Liechtenstein waren Geschwister, und eine Schwester,
Frau Agnes, lebte als Nonne im Paradeis. Mit dieser Schwester
setzten sie sich nun am 4. Mai 1346 über einige Theile des
' Repertorimn des Klosterarchivs.
' Copialbach.
' Original ddo. 1339, 23. Mai, Judenbnrg, im steienn. Landesarchiv.
* Muchar, V, 298.
^ Abschrift im Landesarchiv aus den HofschatzgewOlbbüchern der Statt-
halterei zu Graa, IV, 604. Leitbner, 8. 8.
396
Erbes nach ihrem Vater Rudolf auseinander. Sie übergaben
der Schwester^ beziehungsweise dem Kloster^ GkÜten von einer
Wiese auf dem Moos zu Friesach und auf* einem Hofe zu
Götzendorf bei Pols. Bestimmte Theile dieser Renten sollen
der Oblei des Klosters zur Erhaltung des Lichtes und für
einen Jahrtag für die Liechtensteiner zufallen. ' Die Oblei
(Obellaria, Oblaia) der alten Klöster hat ihren Namen von den
Opfern und Spenden (oblata), welche für den Lebensunterhalt
und die Kleidung^ der Klosterbewohner vorztlglich gewidmet
waren. Die Mannsklöster hatten ihren eigenen Verwalter der
Oblei, den Oblaier (obellarius). Wahrscheinlich war auch im
Paradeis dieses Amt einer älteren Nonne anvertraut.
Perchta die Puztramerin übergab am 21. Jänner 1347
der Aebtissin Leukart ein Gut zu Rattenberg bei Fohnsdorf
und stiftete zwei Jahrtage. Den Brief siegelte Niclas von
Pfaffendorf und Niclas Puztramer. ^ Kunegund die Zwetlerin
bedachte das Kloster 1355 mit einem Geld- und G^treidegült
zu Obertann bei Weisskirchen. Davon soll die Aebtissin Wil-
burg von Pfaffendorf den Minoriten zu St. Johann in Juden-
burg vierzig Pfennige für einen Jahrtag reichen, das Uebrige
bleibt den Frauen, welche auch eine Seelmesse zu halten ver-
pflichtet wurden. Siegler waren Andrä von Liechtenstein, Her-
mann von Pfaffendorf und Hans Unkhl, Bürger zu Judenbuig/'
Am 6. November 1357 kaufte die Nonne Catharina Verber
von Gerung dem Scheiflinger zwei Mark Gült am Puxbcrge
bei Murau. Nach ihrem Tode sollte dafür fllr sie und ihre
Schwester Margaretha, Friedrichs von Enzersdorf Hausfrau, ein
Anniversar gefeiert werden.* Mit einem Gute zu ,Gawzndorff*
stifteten Dietmar und Margaretha von Lobming vier Jahrtage
mit Vigil und Seelmesse. ' In dem Documente wird Hermann
1 Copialbach.
* ,Pro refectione meliori et pro supplendo defectu vestiam/ sagt eine
Admonter Urkunde vom Jahre 1317.
3 Copialbnch des Klosters. Ein Ulrich PuzkramärO) erscheint auch in
einer Urkunde von 1377. Muchar, VI, 210.
* Copialbuch. Die Pfaffendorfer hatten ihren Stammsits im gleichnamigen
Orte bei Judenburg.
^ Copialbuch des Klosters.
Q Gausendorf bei Trofaiach? Wahrscheinlicher aber, ein Fehler des
Schreibers vorausgesetst, Pausendorf bei Knittelfeld.
"^ Copialbuch des Klosters.
397
von Pfaffendorf als Schaffer des Klosters genannt. Sein Siegel
hing an den Brief Leupold von Stretweg. Am 4. November
1364 versicherten sich die Brtlder Hans und Haug von Gold-
eck durch Spende von zwei Mark Wiener Pfennigen Gült zu
Katsch und Stallbaum bei Murau einen Jahrtag. ' Am 28. No-
vember 1389 beurkundet Gertraud die Schiemin, Bürgerin zu
Jadenburg, dass ihr seliger Gatte Conrad dem Kloster letzt-
willig einen Acker zu Wasendorf zugedacht habe. Indem sie
nim denselben übergibt, spendet sie aus Eigenem ein Gut, ge-
nannt die ,Lossniz^, und bedingt sich und ihrem Gatten einen
ewigen Jahrtag und ,das vns auch alles das zw hilff vnd zw
trost körn vnser sei vnd allen glaubigen seien, was si gueter
sach begent in yerm Kloster mit singen vnd mit lesend Dies
Alles bekräftigte Hans von Liechtenstein, Kämmerer in Steier,
mit seinem Insiegel. ^
Outemwachs durch Schenkung und Legate.
Kunegunde von Reiffenstein, Witwe Ottos von Pux,
opferte dem Clarenkloster am 13. December 1301 mit Gut-
heissung ihrer Kinder Oertlein, Geuta, Wilburg, Berchta und
Otilia als Aussteuer ihrer Nichte Gertraud, welche sich im
Paradeis vergelübdet hatte, Gülten zu Kaindorf bei Murau und
zu St. Lorenzen an der Mur. -^ Unter den Zeugen finden wir
den Anwalt des BLlosters Gerung Scheiflinger. Am 22. Sep-
tember 1304 verordnete Bianca, Herzogin von Oesterreich, in
ihrem Testamente, dass vierzig Pfund an die Klöster des
St. Ciarenordens vertheilt werden sollen. * Im gleichen Jahre
und an demselben Tage schenkten Jans und Geschwister, des
Ghrazer Bürgers Oetschlein Blinder, zum Unterhalte ihrer
Schwestern Margaretha und Catharina, Nonnen im Paradeis,
drei Mark Gülten zu Paal bei Stadl. ^ Als Gerung der Scheif-
* Copialbuch des Klosters.
' Copialbuch.
' Copialbuch. Zeugen: Herre Otto der elter yon Liechtenstain Kamrer in
Steyr vnd Qemng Scheuf linger anbold der yorgenanten sweetem, Hain-
rich der Stretbeg, Dietreich vnd Chune geprueder von Hohenstain,
Herman richter zw Judenbnrg, Eberlin Heller.
* Pe«, jAnecd.*, VI, P. II, 201. Sava, ,Die Siegel der österr. Fürstinnen
im Mittelalter*. Regest zum Siegel Nr. 9.
' Copialbuch. Zeugen: Leopolt der iunge Wakkerzil richter zu Gracz,
her Chuenrat der Grabner, her Nicla berren Herten sun, Fridereich,
398
linger am 25. October der Margaretha von Eppenstein eine
Habe zu Zeltweg und eine Gült von fünfzig Pfund verkaufte,
widmete er dem Kloster die ^aegenschaft des vorgenanten gaets'.
Otto der Ähe von Liechtenstein und die Stadt Judenbnrg
siegelten die Urkunde. * Am 7. September 1305 übergaben
Kathrei; Ottos Haus&au von Leoben, und deren Sohn Peter
in die Hände der Äebtissin Diemut ein Pfund Geld von zwei
Hüben und einen Acker zu Attendorf bei Hitzendorf in Unte^
steier. Zeugen der Handlung waren Friedrich von Landsbei^;
Bartel und Wolsing, die Richter zu Voitsberg. ^ Für ihre
Tochter Katharina im Klloster Paradeis spendeten Friedrich
von Windischgrätz und seine Hausfrau Elsbet zwei Mark
Gülten von zwei Hüben und einer Hofstätte zu Lembach im
Dorfe. 3 Als Zeugen erscheinen Otto von Liechtenstein, Her-
bord von Pfaffendorf, Conrad von Windischgrätz und Leopold
Wakerzill, Richter zu Graz. Da die genannte Nonne eine
Nichte des Bürgers Walchun* zu Graz war, schenkte auch
dieser am gleichen Tage (1306, 14. August) eine Mark Gült
zu TöUach unter dem Hessenberge bei Trofaiach. *
Aus dem uralten Hause der Saurauer war eine Tochter
Leukart® in die Reihe der Nonnen getreten. Ihre Brüder
Friedrich und Ulrich widmeten bei dieser Gelegenheit Gülten
zu Feistritz am Katschbache, zu Oberwölz, Lind und Ligist.'
Chuenrat vnd Herman die Windischgräczer, Fridereich der Ekker, Hain-
reich der Friescher, Walchuen von Gracz, Chuenrat der Schreiber purger
zw Qracz, Chuenrat der Treueiacker Jacob der HierschmSgel, Hainrich
der Marckgraf. An der Urkunde hing das Stadtsiegel von Graz.
1 Copialbuch des Klosters.
3 Copialbuch des Klosters.
' Copialbuch des Klosters. Lembach gibt es mehrere in Steiermark; hier
dürfte jenes bei Marburg gemeint sein.
* Walchun, Bürger und Wechsler zu Graz, in Urkunden von 1313 und
1323 bei Muchar, VI, 197 und 228.
* Copialbuch. Zeugen*. Her Otte von Liechtenstain, her Herwort von
Phaffendorff, her Chuenradt ahm Graben, Chuenradt der Windiscbgriczer,
Leopold der Wackherzäl, Chainradt der Schreiber zw Gräcz, Jacob der
Hierschmägel.
« War 1340—1347 Äebtissin im Paradeis.
"^ Abschrift im Landesarchiv nach dem im k. k. ReichsarchiT sn Wien
befindlichen Originale. Zeugen: Her Herbot von Pfaffendorf, Ortel der
Cholbe, Herbot vnd Fricze die brüder von Lobnich, Hainreicb von Stret-
wich, Philippe der Wayse, Jacob der ricUter ze Judenburcb.
399
In seinem Testamente am 10. October 1311 vermachte Otto II.
von Liechtenstein^' der alte Kämmerer von Steier, seiner Tochter
Adelheid, Clarissin im Paradeis, eine lebenslängliche Rente von
acht Qrazer Pfand Geldes und der Nonne Kunegunde von
der Glein^ zwei Mark dreissig Pfennige. Dem Kloster selbst
verordnete er zehn Mark.'' Margaretha von Eppenstdn wid-
mete am 21. October 1313 dem Kloster eine Hube zu Kathal
bei Obdach. * Unsere Hauptquelle, das Copialbuch, erhärtet
noch urkundfa'ch, dass am 4. April 1305 Ortolf von Ejranich-
berg zu Gunsten seiner Muhme Margaretha, Witwe nach Ul-
rich von Eppenstein, auf jenes Gut verzichtet habe, und dass
es dem Kloster später ftir sechszehn Mark Silber verpfändet
gewesen wäre.
Für ihre Tochter, beziehungsweise Schwester Wilburg^
spendeten Agnes von Pfaffendorf und deren Söhne Herbot,
Wölfl, Hermann und Oertel 1318 eine Hube zu Weyer bei
Judenburg.** Ernst von Praitenfurt opferte für seine Tochter
Mechtilde eine Hube sammt Wald ,in dem Amemaispach^ ober
St Peter. ' Unter Siegelfertigung des Ulrich von Wallsee (,der
do haubtman in Steyr was*) und der Brüder Otto und Rudolf
von Liechtenstein erhielten am 16. März 1321 die Nonnen von
Margaretha von Eppenstein einen halben Hof zu Thalheim ,zw
ierem gewandte ^ Ein Anger zu Weyer bei Judenburg kam
1327 an das Kloster, als Elsbet, Tochter des Leo von Lob-
ming, von der Aebtissin Catharina den Schleier empfing.^
* Gestorben am 24. November 1311.
2 Glein bei Knittelfeld.
3 Original im Landesarchiv zu Graz. Mnchar, VI, 185.
* Copialbncb. Zengen: Her Vlreich von Wallsee haubtman In Steyr, her
Hertneid von Wildon marschale in Ste^rr, her Ott von Liechtenatain,
her Raedolf von Liechtenstain, her Kuenrad der Windischgr&tzer, her
Knenrad der Gradner.
* War 1364—1356 Aebtissin.
^ Copialbuch. Zeugen: Her Dietmar vnd Otaker auz der Gal, Fritz vnd
Ernst von Loming, Dietmar von Reiffenstain, Nicla und Wölfl von
Pfaffendorfif.
^ Copialbuch. Zeugen: Her Ortolf von Beiffenstain, her Herbort von
P£iiffendorf, her Dietmar von Reischperg, her Fridreich von Loming,
her Dietmar Wamne.
^ Copialbuch des Klosters.
' Copialbuch. Zengen : Her Emnst, her Fridreich, her Vlreich vnd Herbot
dy Lominger.
400
Am 24. April 1328 hatte Elisabeth, römische Kön^,
ihr Testament gemacht. In demselben bestimmte sie auch
yHintz Judenburch . . . den vraven sant Ciaren ordens zwai
phant^ * Als Hertneid von dem Tum und Margaretha, seine
Hausfrau, der Stadtkirche und den minderen Brüdern zu Jaden-
burg sich wohlthätig bezeigten, fiel 1330 an das Klosters Para-
deis eine Spende von 56 Pfennigen.^ Liebhart der Terkeis
und sein Bruder Heinrich gaben am 30. Mai 1331 bei der
Einkleidung ihrer Schwester Catharina eine Mark und acht
Pfennige Gült bei Zeiring. ^ Alle drei waren Sander des Jaden-
burger Bürgers Conrad Verber, und wir werden die Nonne
Catharina später als Aebtissin finden. In seinen letztwilligen
Anordnungen gab Otto IH. von Liechtenstein am 31. Aogost
1336 dem Ciarenkloster . vier Mark Pfennige.^ Jeckel der
Schneider, Bilrger zu Judenburg, widmete 1338 fünfzehn Mark
Renten zu frommen Zwecken, ,dauon schol mau nemen ein
march pfenning vnd schol die geben meiner lieben tohter
swester Kathrein in das closter all iar an sand JArgentag vntz
an iren tod, nach ir tod schol ez ewicklich darinn beleiben*.
Auch ordnete er an einen halben ,tzenten^ Oel zu einem
ewigen Licht. "^ Otto der Trüller, Bürger zu Judenburg, schenkte
am 30. Jänner 1339 beim Eintritte seiner Tochter Margaretiia
in den Orden der ,weisen frawen Agnesen der abtessin vnd
der samlung yers conuentz' vier und drei Viertel Bergrecht
zu Morschdorf bei Mooskirchen. ^ Mitsiegler des Briefes war
Wolfhart von Pfaffendorf, des Klosters Schaffer und Pfleger.
Derselbe siegelte gleichzeitig eine Urkunde, in welcher Niclas
der Unkel, Bürger zu Graz, die Pfründe seiner Tochter Mar-
garetha mit vier und einer halben Mark Gülten zu Eich bei
Hitzendorf ,in der march' und im Burgfried zu Judenburg ge-
bessert hat. ' Ihr Siegel hingen an das Document auch Hein-
rich und Dietmar die Lobminger. Am 4. April desselben
Jahres opferten Wiguleus von Dietersdorf flir seine Tochter
1 Pez, ^ecd.*, VI, P. IH, 13.
* Original im steierm. Landesarchiv.
3 Copialbuch des Klosters.
* Abschrift im Landesarchiv ans einem Copialbuche der Pfarre Mnrta.
^ Original im steierm. Landesarchiv.
^ Copialbuch des Klosters. Die Aebtissin war eine Liechtenstein.
^ Copialbuch des Klosters.
401
Dorothea Gülten zu VinBterpeld ' und Oberzeiring. ^ Siegler des
Briefes war Rudolf von Liechtenstein vor den Zeugen Niclas
und Wolf hart von Pfaffendorf und Heinrich und Dietmar von
Lobming.
Am 21. Jänner 1340 vergabte Wulfing der Cbäczer ^ fUr
seine Tochter Catharina an die Aebtissin Agnes eine Mark
Gülten zu Parschlug und Pogier im Mürzthale vor den Zeugen
Friedrich und Ulrich von Stubenberg und Ortolf (von Aflenz);
Barggraf zu Kapfenberg. * Am 4. Juli gleichen Jahres spendete
Walfing von Mittemdorf ftlr seine Tochter Clara der Aebtissin
Agnes drei Mark GtÜten zu Hinterberg bei Oberwölz und zu
Niederzeiring. ^ Als Siegler fungirte Wolf hart von Pfaffendorf,
Schaffer des Klosters. Conrad von dem Stain opferte am
24. April 1342 für seine Tochter Margaretha eine Mark und
fünf Schilling GHilt von Gütern am Wöllbache bei Judenburg
und zu ,Püchel in der Peunt^ ^ Der Urkunde lieh sein Siegel
Wolfhart von Pfaffendorf, der Schaffer des Klosters. Zeugen:
Radolf von Liechtenstein, Jacob und Philipp von Hohenstain.
Mit Brief und Siegel versicherte Niclas der Lederer, Bürger
zu Murau, am 27. August 1346 dem Kloster für seine Tochter
Diemut eine Peunt bei Murau und ein Pfund Gült von einer
halben Hube am Riedeneck bei Schöder. ^ Jacob der Nickel,
Bürger zu Judenburg, opferte am 24. August 1348 ftir seine
Tochter Margaretha eine Gült von einer MxLvk und zwei Hühnern
aaf einem Gute zu Oberweg bei Judenburg. ^ In dieser Ur-
konde wird die Aebtissin Elsbet genannt, während schon
in einer Urkunde vom 16. März 1348, sowie am 24. December
1349, Agnes Saurer in diesem Amte erscheint. Zwischen März
und August — einem verhältnissmässigen kurzen Zeiträume —
' Bretstein im PdlBthale. Zahn, ,Urkundenbuch des Herzogthums Steier-
mark', II, 615.
^ Copialbuch des Klosters.
' Ob Katscher oder Ketzer ist fraglich. WOlfel Katscher erscheint in
einer Admonter Urkunde vom Jahre 1346.
* Copialbuch des Klosters.
^ Copialbuch. Zeugen: Niklas vnd Peter dy Weniger, her Nikla von
P&ffendorf, her Lewtold von Stretbeg, Hainreich vnd Niklas dy Lo-
minger, Jacob der Sneider.
0 Copialbuch des Klosters.
"^ Copialbudi des Klosters.
^ Copialbuch des Klosters.
402
muss uns der Name einer Aebtisin Elsbet befremden. Wir
können hier nur einen Fehler des Schreibers oder eine sswie-
spaltige Wahl vermuthen. Am 9. März 1348 finden wir Ebbet
Welzer noch als einfache Nonne.
Am 24. December 1349 nahm die Aebtissin Agnes Saurer
geschenkweise vier Mark weniger zehn Pfennige Gült zu Aich-
dorf bei Fohnsdorf, zu Mauterndorf und Farrach entgegen,
welche Kunegund, Jacobs des Neumeister Witwe, fUr ihre En-
kelin Margaretha gegeben hatte. ' Hermann von Pfaffendorf
war des Briefes Siegler. Für ihre Tochter Catharina, ,dye ge-
hayssen ist Schwester Christein in dem KJoster*, spendete Ka-
threi die Muelichin zu Murau das Gut an der Oed am Lind-
berge bei Niederwölz. ^ Hier haben wir auch eine Andeutung,
dass bei der Einkleidung oder bei der Profess der Vorname ge-
ändert worden ist. Später — im 17. Jahrhundert — setzten die
Nonnen vor ihren Familiennamen den Tauf- und Klostemamen.
Von den Erben nach Heinrich dem Verber, deren Schwester
Magdalena das Kleid der heil. Clara angezogen hatte, erhielt
die Aebtissin Wilburg am 24. Juni 1354 eine Mark und zehn
Pfennige Gült auf dem Gute ,Liebenprunn'. ^ Den Brief siegelte
Jacob der Wenger, Stadtrichter zu Judenburg. In seinem
Testamente am 7. Juni 1356 verschaffte Niclas der Wenger
den Minoriten zu Judenburg jährlich ,zwainzik semel von ain
gröz, viertail wein und den vrown in daz chloster auch als
viP. * Am 17. Mai 1357 schenkte Sophey die Haubenporstlin
für ihre Tochter Dorothea eine Mark von dem Gute ,an dem
Stain^ ^ Siegler war Ritter Mathes der Saurauer. Der Büif er
zu Judenburg Hans TrüUer gab zur Besserung der Pfründe
seiner Tochter Catharina der Aebtissin Catharina Verber am
3. April 1361 Gülten von vier Aeckern zu Niederzeiring, von
einer Hofstätte zu Mauterndorf und von einem Anger ,pey
dem Schretenperg'. Nach dem Ableben seiner Tochter sei
der Ertrag ,zw dem wein' zu verwenden.^ Als ihre Muhmen
> Copialbach des Klosters.
2 Copialbach. Ein Hans Mueleich erscheint in einer Admonter Urkunde
Ton 1396 als Vicar zu Sagritz in Kärnten.
^ Copialbach des Klosters.
* Original im steierm. Landesarchiv.
^ Copialbt^ch des Klosters.
• Copialbach des Klosters. Schrattenberg, Schloss b^ Unzmarkt; Schratten-
bergkogel, Berg bei Neumarkt.
403
Aleys und Mai^aretha den Schleier wählten, schenkten die
Grebrüder Hans und Haug von Goldeck Gülten zu Lassnitz bei
Morau. ^ Sein Siegel hing an die Urkunde Rudolf Otto von
Liechtenstein, Oheim der Goldecker. Unter dem Siegel des
Hermann von Pfaffendorf widmete am 29. Jänner 1363 Peter
der Snejder, Bürger zu Judenburg, als seine Tochter Anna
Nonne ward, Gülten zu Zeiring, Mautemdorf und ein Burg-
recht in der Vorstadt zu Judenburg. ^
In Anbetracht der reichen Güterspenden, welche beim
Eintritte von Jungfrauen aus vornehmem Hause dem Kloster
zufielen, sollte man meinen, dass in solchen Fällen dieses gern
und schnell die Aufnahme in den Ordens verband gewährt habe.
Dass aber dieses nicht oder nicht immer der Fall gewesen, be-
zeugt folgende Thatsache. Die Windischgrätzer, denen wir in
Paradeiser Urkunden öfters begegnen, waren in Steiermark
sehr begütert und genossen grosses Ansehen. Dennoch sah
sich Walchun von Windischgrätz veranlasst, die Vermittlung
des Herzogs Rudolf IV. in Anspruch zu nehmen, als es sich
darum handelte, dass seine Tochter Catharina Aufnahme im
Paradeis finde. Einer so gewichtigen Intercession konnte die
Aebtissin nicht widerstehen. Am 11. März 1363 bethätigte
Walchun seine Dankbarkeit durch Spende von Gülten zu
Mautemdorf und Farrach. ^ Nach seiner Tochter Tod sollte
diese Schenkung der Oblei des Klosters zu Gute kommen.
Am 31. Mai 1364 übergab Perchtold ChnoU, Bürger zu Juden-
burg, mit seiner Tochter Margaretha zu deren Aussteuer dem
Kloster vierzig Pfund Wiener Pfennige Gült in der Lobming
bßi Knittelfeld und zu Katzling bei Pols. * Siegler : Hermann
von Pfaflfendorf und Andrä der Schrot, Bürger zu Judenburg.
Am 3. November desselben Jahres spendeten Hans und Haug
von Goldeck ftir ihre Muhmen Ursula und Anna eine Mühle zu
Scheifling. ^ Das Andenken an obgenannte Anna und zwei
andere Frauen aus dem Hause Goldeck hat sich in einer Hand-
schrift der Grazer Universitätsbibliothek (15. Jahrhundert, Perg.,
^ Copialbuch des Klosters.
' Copialbuch des Klosters.
' Copialbuch. Siegler: Walcbau von Windischgrätz und Hermann von
Pfaffendorf.
* Copialbuch des Klosters.
^ Copialbuch des Klosters.
AnkiT. Bd. LIXllI. U. H&lfta. 27
404
8^, Signatur 33/1) erhalten. Das Manuscript ist ein Legendär
und hat die Einschreibung: ,Eyn closterfraw cze Judenburk
sand Clara orden genant Anna Goldekarin, dye da gegen-
wuertigs puechel in den eren des lyeben sand Ludoweygen
von lateyn czu der deuchcz hat lassen machen . . . nu hat sy
eyn muem genant Garalis ' Qoldekarin . . . Margaretha Golde-
karin ir swester . . / Anna von Goldeck erscheint noch 1406
in einer Urkunde.
Eberhard der Fohnsdorfer widmete am 26. August 1369
für geine Tochter Dorothea eine Schwaige zu Elrakan bei
Murau. Dieselbe diente jährlich ,dreyhundert käss^ da yeder
käss dreyer phenning wol werdt ist vnd ain achtel smalcz^*
Den Schluss der Schenkungen dieses Jahrhunderts macht eine
Anordnung des Hans von Stubenberg in seinem Testamente
vom 23. März 1376: ,Auch schaff ich meiner liben swester,^
di ym dem claster ist zu Judenburgh, zweliff pfunt pfening
gelcz, di man in all iar ierleichen zwü^ in dem iar raychen
sol von dem ampt zu Judenburch.^ ^
Kloster Paradeis auf der Höhe zeitlichen Wohlstandes. Grund-
und Qültenerwerb durch Kaul
Ursprünglich auf Almosen angewiesen, gelangte das Klo-
ster im 14. Jahrhundert in so blühenden Zustand, dass es fort
und fort Anlass und Mittel fand, Grund und Boden, Gülten
und Renten zu erwerben. Am 11. Juni 1302 verzichtete Johann
von Losenheim, Ruegers Sohn, zu Gunsten der Nonnen auf
seine Ansprüche auf ein Gut zu Morschdorf bei Mooskirchen
und ^in dem Liesach' gegen eine Vergütung von sieben und
einer halben Mark. ® Zeugen dieser Abdication waren Ulrich
von Wallsee, Hauptmann und Truchsess in Steier, Otto von
Liechtenstein und dessen Söhne Otto und Rudolf, Herbot von
Pfaffendorf, Albrecht der Landschreiber in Steier, Ulrich Leisser
und Hermann der Richter zu Judenburg. Von Kati-ei, der
* Wohl richtiger Aleys.
^ Copialbnch des Klosters.
> Elsbet, welche noch in Urkunden von 1376 und 1389 vorkommt.
* In zwei Raten.
^ Original im steierm. Landesarchiv. Muchar, Vll, 9.
^ Copialbuch des Klosters.
405
Witwe Conrads des Vorn er, erkaufte 1304 die Aebtissin Die-
mut um ,funff vierdung silbers' eine Wiese zu Attendorf bei
Hitzendorf. ^ Dieselbe erwarb am 3. März 1305 von Otacher
von Waltsdorf um zwei und drei Viertel Mark Silber eine
Hube zu Morschdorf unter Zeugensehaft des Friedrich, Hert-
reich und Conrad von Windischgrätz. ^ Ebendaselbst kaufte
die Aebtissin von Otacher ab dem Ekke um fünf und ein Viertel
Mark Silber ein Bergrecht von acht Eimern. Als Zeugen
waren gegenwärtig Friedrich von Landsberg, Friedrich und
Hermann von Windischgrätz und Walchun, der Richter zu
Graz.' Den Besitz zu Morschdorf vermehrte Aebtissin Die-
mut noch mit einer Hube, welche ihr Conrad von Planken-
wart um ,vierdhalbs marckh gewegens silbers' zu kaufen gab,^
und mit einer anderen Hube, welche ihr Otto ab dem Ekke
am 15. October 1305 um zwei imd drei Viertel Mark käuflich
überliess.
Die Brüder Mercbil und Perchtold, Söhne Friedrichs von
Algersdorf, veräusserten am 1. Juni 1308 an das Kloster um
zehn Mark Silber ein ,8chäflehen' im ,Muemlspach' ober Algers-
dorf* und eine Hube auf dem ,Pairperg^*^ Siegler: Herbot
Ton Pfaffendorf, Conrad von Eppenstein. Zeugen: Leo von
Lobming, Ortolf von Reifenstein. Am 26. Februar 1310 erhielt
die Aebtissin Diemut von Walchun, Bürger zu Graz, im Kaufe
um drei und ein Viertel Mark Silber eine Zinshube zu Tollach
bei Trofaiach vor den Zeugen Conrad und Hermann von
Windischgrätz. ^ Von Conrad, dem Schreiber zu Frauenburg,
kaufte im gleichen Jahre die Nonne Frau Perchta, die junge
Puztramerin, um zehn Mark Silber Gülten zu Rattenberg bei
* Copialbuch. Siegel der Stadt Voitsberg. Zeugen: Her Fridreich von
Lanssperch, Bartl vnd Wilsung die richter von Voitsperch, Hainreich der
Levschenphager (?).
' Copialbuch des Klosters.
' Copialbuch des Klosters.
* Copialbuch. Zeugen: Her Friderich von Lonssperg, her Othacher der
Schafflaser, Virich der Lyzer, Bartili vnd Wolsinck die richter zw
Voitsperich.
* Vielleicht Allersdorf bei Weisskirchen. In der Nähe liegt auch eine
Ortschaft Paisberg.
* Copialbuch des Klosters.
' Copialbuch des Klosters.
27*
4()6
Fohnsdorf. ^ Ott von dem Stain übergab am 24. Juli 1314 im
Kaufe eine Hube am Wetzeisberge bei Pichlhofen. ^ Ihr Siegel
hingen an den Brief Rudolf von Liechtenstein und Herbot von
Pfaffendorf^ der Schaffer des Klosters. .Zeugenschaft leisteten
Leo, Herbot, Fritz und Ernst von Lobming, Bernhard von
Frank und Hermann von Pfaffendorf. Der Aebtissin Alhiit^
verkaufte Heinrich Fläming 1318 ein Bergrecht zu Hartmanns-
dorf. ^ Von Gtinther von Leoben erwarben die Nonnen am
6. Mai 1319 um acht Mark Silber Grazer Gewichtes ein Pfund
Gülten zu Rattenberg bei Fohnsdorf. ^ Als Zeugen nennt die
Urkunde Conrad und Walchun von Windischgrätz und Conrad,
den Landschreiber. Am 28. Juni desselben Jahres kam eine
Hube zu Feistritz ober Katsch durch Kauf von Ortolf dem
Cholb um sieben Mark Silbers an das Kloster.^
Um den Besitz einer Mühle zwischen Morschdorf und
Attendorf hatte sich ein Streit mit Hertneid von Leoben ent-
sponnen, welchen die Frauen im Paradeis nur mit drei Eimer
Bergrechts beilegen konnten. ' Am 31. Mai 1322 verkauften
Hermann und Veit, die Brüder von Kranichberg, im Einver-
ständnisse mit ihrer Muhme Margaretha von Eppenstein dem
Kloster um zwanzig und ein Viertel Mark die Hälfte eine«
Hofes zu Thalheim vor den Zeugen Otto und Rudolf von
Liechtenstein, Otto und Dietmar von Reifenstein, Ortolf von
Pux, Wölfl dem Prueschink und Herbot von Pfaffendorf,
Schaffer im Paradeis. ^ Die Kirche Maria Buch bei Juden-
burg war, besonders durch die Anschaffung einer neuen
* Copialbuch. Zeugen: Her Herman der Puztramer, her Herbot Tnd
Herman pede prueder von Pfaffendorf, Rueger der Pajr, Herman won
Altenhofen der richter, Vlrich vnd Ortl die Pnstramer.
' Copialbnch des Klosters.
^ Wahrscheinlich die Tochter Otto U. von Liechtenstein.
* Copialbuch. Zeugen: Her Ott von Liechstenstain vnd her Rudolf »ein
prueder, her Kunrad der Windischgritser, Walchuen vnd Cbunrad ssin
prueder dj Windischgritier, Chunrat Qunthers aeden ron Judenboff.
Ein Hartmannsdorf war nach den Rationarium Stiriae 1266 bei Mooi*
kirchen.
^ Copialbuch des Klosters.
^ Original im steierm. Landesarchiv.
^ Copialbuch. Zeugen : Her Herwort ron Phaffendorff^ her Chnenzatt tmi
Windischgr&me, her Vlreich ron Sawrawe, der Wechsler des schaffer tod
\Yalts«e> Paule der Metschacber, Herman der Krottendorfer.
* Copialbuch de» Klosters.
407
Glocke, in grosse Schulden gerathen. Sie musste von den in
der Stadt angesiedelten Juden grosse Summen borgen. Dies
war der Grund, warum die Zechleute des Gotteshauses der
Schwester Diemut im Ciarenstifte eine Hube zu Eichdorf bei
Fohnsdorf käuflich überlassen haben. Rudolf von Liechten-
stein, der Pfarrer Otto zu Judenburg und Herbot von Pfaffen-
dorf verbrieften diesen Verkauf. ^ Am 8. Jänner 1329 ver-
kaufte Heinrich von Irdning der Aebtissin Diemut zwei Mark
dreissig Pfennig Gült Grazer Gewichts bei Obdach. ^ Von
Horell(?), Stoffels Eidam in Obdach, erwarb das Kloster am
4. Jänner 1330 Gülten zu St. Johann und Unzdorf bei Knittel-
feld. ^ Die Urkunde wurde gesiegelt von Rudolf von Liechten-
stein unter Zeugenschaft des Herbot von Pfaffendorf und seiner
Söhne Niclas und Wölfel. Am 17. Mai desselben Jahres be-
stätigten dieselben Siegler und Zeugen , dass Jörg, Sohn des
Conrad Spiess, eine Gült von sechs Schilling und drei Pfennigen
auf Aeckem bei Zeiring an das Kloster veräussert habe. * Vor
den Zeugen Wölfl von Pfaffendorf und Heinrich und Dietmar
von Lobming beurkundete am 26. Mai 1331 Conrad der Peuger,
dass er ein Haus mit zwei Gärten zu Strettweg bei Juden-
burg um flinf Mark und ,suben lot Wienner gebicht' den
Paradeiserinnen gegeben habe. *
Um einen Hof zu Morschdorf, welchen 1293 Rudolf von
Plankenwart im Tauschwege dem Kloster gegeben hatte, wurden
von Ulrich dem Saurer Streitigkeiten erhoben, doch Hess er
sich am 26. Juli 1334 von der Aebtissin Margaretha zur völligen
Verzichtleistung bewegen. ^ Diese Handlung bezeugten Rudolf
von Liechtenstein, Friedrich, Heinrich und Dietmar von Lob-
ming und Ortolf und Heinrich von Strettweg. Derselben
^ CopiiJbach. Zeugen: Her Ott von Liechtenstain, her Artolf vnd her
Dietmar von Reiffenatain, her Starchant von Stretbeg, Nikla der Kolb,
Herman von Pfaffendorf, her Jacob von Hohenatain vnd Philipp sein
prneder, Onndel ab der Litznich, Ottl ab dem Stettenperg.
' Copialbuch. Zeugen: Her Hertneyd von dem Tneren, her Dietmar au8
der Oenle, her Dietmar von Reyffenstain, Fridreich der Sawrer, Niklas
der Kolb, Niclas vnd Wolffei die Pfaffendorffer.
' Copialbnch des Klosters.
* Copialbuch des Klosters.
^ Copialbuch des Klosters.
^ Copialbuch des Kloster». Mit Insi^rt des Documenta von 1298.
408
Aebtissin gaben Otto^ Ub:ich und Friedrich ab dem Ghraben
am 2. Februar 1335 kaufweise ein Pfund Gült ^an dem Schawm-
berg^ * Den ganzen Vorgang beglaubigten Rudolf von Liechten-
stein, Niclas und Wölfel von PfaflFendorf. Derselben Oberin
überliessen Ulrich, Hermann und Dietmar, Söhne Hermanns
von Scheiben, am 5. März um zwölf Mark Silber eine Gült
von einem Pfund an der Raa. ^ Siegler: Friedrich von Lob-
ming und Wolf hart von PfaflFendorf. Zeugen: Heinrich und
Dietmar von Lobming.
Wir gelangen nun zu einer Urkunde, welche in mehr-
facher Beziehung unser Interesse erregt. Sie ist das erste
Document, von einer Aebtissin ausgestellt und tnit ihrem In-
Siegel versehen, welches sich noch erhalten hat. Sie repiii-
sentirt aber auch das erste Beispiel eines Gutsverkaufes
von Seite des Klosters. Am 22. Juni 1335 verkauft Aebti^
Margaretha an Bischof Conrad von Freising um zehn Mark
Silber jene Hube zu Feistritz am Katschbache, welche 1309
Friedrich und Ulrich von Saurau als Dotation flir ihre Schwester
Leukart dem Kloster geschenkt hatten. ^ Der Genannten,
welche die Würde einer Aebtissin erlangt hatte, verkauften
1340 Heinrich und Dietmar von Lobming ein Gut zu Farrach
um fUnAindsechzig Gulden Pfennig. * Um zehn Gulden Pfennig
kam das Ehester am 15. September 1343 in Besitz eines Krant-
gartens bei Judenburg, welchen Ulrich Sneider inne gehabt
hatte. ^ Den Brief siegelte Niclas der Seide, Stadtrichter in
Judenburg. In Gemeinschaft mit Heinrich von Lobming hing
dieser auch sein Siegel an ein Document, kraft dessen Jacob
der Aufgeber, Bürger zu Judenburg, am 23. October 1344 den
Frauen eine Hofstätte sammt Garten bei der Stadt um zwei-
unddreissig Gulden Pfennig abgetreten hat. ^ Eine Gült von
zwei Mark im Möderbachgraben bei Pols brachte die Aebtissin
Leukart am 23. November desselben Jahres um einhundert-
und zehn Gulden Pfennig durch Kauf von Conrad dem Riczen-
> Copialbnch des Klosters.
2 Copialbuch des Klosters. Baa in der Gemeinde RothenÜmm, ?hm
St Peter bei Judenburg.
3 Original im k. k. Reichsarchiv zu Wien.
* Copialbuch.
'^ Copialbuch des Klosters.
^ Copialbuch des Klosters,
409
dorfer an ihr Kloater. > Siegler: Jacob von Hohenstain. Die
Schwester Agnes (von Liechtenstein) erkaufte am 10. Mai
1345 von Weigand von Paumkirchen eine Gült von vierund-
fünfzig Pfennig auf einem Gute ^do Vlreich an dem Fedegust
aufsitzt^ ^ Am 31. August gab Peter der Weniger der Nonne
Chunegund um neunzig Gulden Pfennig drei Güter an der
langen Ecke ob Reichenfds in Elämten. ^ Durch Kauf von
Margaretha der Glockengiesserin erwarb die Aebtissin Leukart
am 21. Jänner 1346 um zweiundzwanzig Gküden Pfennig zwei
Aeeker sammt Wald zu Nussdorf.'* Siegler: Wolfgang von
Pfaffendorf. Am 6. Februar veräusserte Johann von Zwetel
an die Nonnen um zwölf Gulden Pfennig einen Acker ^in dem
Champ^ bei Judenburg. Doch sollte die Schwester Ynne(?)
von Salzburg den Nutzgenuss für ihre Lebenszeit haben. ^ Den
Brief siegelte Otto von Liechtenstein.
Conrad, Diether und Ulrich^ Diethers Söhne zu Mautem-
dorf, verkauften am 15. Juni 1347 der Nonne Wilburg, Schwester
des Wolf hart und Hermann von Pfaffendorf, einen Acker zu
Mautemdorf und sechzig Pfennig Gült um zweiundzwanzig
Gulden. Der Nonne läsbet Welzer gaben dieselben am 9. März
1348 ebendaselbst einen Acker um neun Gküden Pfennig und
vierundzwanzig Aglayer und der Aebtissin Agnes Saurer einen
Acker ^auf dem Multal^ um neun Gulden und einunddreissig
Aglayer. Alle drei Briefe siegelte Hermann von Pfaffendorf.
Den Klosterfrauen Cunegunde von Wolfsberg und Mai^retha
von Gkiiz trat Heinrich Weis^ Bürger zu Murau, um einhundert-
und zwei Gnlden Pfennig am 1. Februar 1348 ein Ghit zu Aich-
dorf bei Fohnsdorf ab. Drei andere Nonnen, Wilburg von
Pfaffendorf, Margaretha die Symonin von Graz und Cunegunde
Paomaister sicherten sich gegen Erlag von einhundertundvi^
Salden am 28. December 13&3 den Besitz von drei Mark
Otüt bei ScheifUng. '^ Die eben genannte Margaretha erkaufte
* Copialbueh des Klosters.
^ Copiallmcfa des Klosters. Ueberschrift ron anderer Hand: Foegperg
(d. i. Peeberg^ bei Jndenbnig).
' Copuübach des Klosters. 1>mb Original im Archiv des histor. Vereins
zu. Klagenfnrt
* Copialbach des Klosters. Nnssdorf bei Unxmarkt oder MarialioC
> Copialbncb des Klosters.
* Copialbneh des Klosters, dem aoch die rorbergelieBden und nachfolgen-
den Käofe entnommen sind.
410
am 17. Mai 1367 eine Mark Güh ron dem Gme .an dem Stain'
and eine wehere Mark die Noone Elsbet die Besecberiii von
einem Gnte am Pnxberge im Kataehthale. ' Reicber der ChnoD,
Borger zn Jodenbnrg, gab am 12. Mai 1358 der Nonne Mar-
garetha der Hofnieydenn kiUlfHcli um zweinndftnfdg Golden
Pfennig ein Gnt ^n der Rae^ Den Brief siegelten Hans Goldl,
Richter^ nnd Hans Perman, Bürger zn Jodenborg. Am 7. Juni
gleichen Jahres brachten die Nonnen Gerbend Unkl and Cone-
gmid von Talheim um achtnndvierzig Golden Pfennig eine |
Wiese ,an dem Siming' an das Kloster. Verkäufer war Otto
Heussler.
Im Jahre 1368 finden wir eine Aebtissin Namens Chri-
stein fChristinaJ. Dieselbe gab im Tanschwege dem H&ns
Goldel einen Acker und Anger nnter dem Jadenfriedhofe zu
Judenbarg bei dem Bronn gegen einen Garten ond Anger in
der äosseren Schweingasse daselbst. Gleichfalls vertaaschte
die Nonne Dorothea die Wigelasin ^ an Ortel den Reifensteiner,
Vogt des Spitales zo Jodenborg^ am 21. Joli 1370 eine halbe
Mark Gült ,in der pewg' gegen eine Herberge beim Kloster
Derselben Nonne verkaofte am 9. Juli 1371 Lienhard Strasser
Bürger zo Jodenburg, ,vmb achzechen gueter goldin phenning
wol gewogen* drei Hofstätten bei dem Kloster. Den Brief
siegelten Conrad der Füller, Stadtrichter, und Erasmos Unke),
Bürger zu Judenburg. Unter dem Siegel des Wolfhard von
Pfaffendorf erwarb dieselbe Klosterfrau am 6. September 1372
um vierundzwanzig Gulden von Chonz dem Schoren ein fl&us
sammt Garten am Rain zo Judenburg. Am 22. März erkaufte
die Nonne Elsbet von Stubenberg von Leutfrid Heussler eine
Wiese ,an der Syemick' um achtnndvierzig GKdden. Andr*
der Poxer siegelte den Brief. Die Nonne Catharina Verber er-
warb am 10. October 1384 durch Kauf von Hans dem Mantzel
om neon Pfand Wiener Pfennig ein Got zo Oberzeiring. Ihr
Siegel liehen der Urkunde Friedrich von Pfaffendorf und der
Judenburger Bürger Hans Unkel. In einem Leibgedingreverse
des Conrad Voezl, Bürgers zu Oberwölz, welchen er am 12. Juni
» Nach Chmel, »Geschichtsforscher', II, 28 könnte das Wort »BesecheriB*
ein Amt, wie Oekonomin oder Wirthschafterin, bedeuten. Auch im Cl»-
rlssenkloster Dttrnstein erscheint 1809 eine Beseherin.
' Tochter des Wiguleus von Dietersdorf.
411
1387 an Abt Wilhelm von Admont über Güter bei Oberwölz
aasstellte, findet sich auch folgende Verpflichtung : , Wir schullen
anch von jer guter einem, daz da haizzt daz schaefflehen,
atizrichten vnd geben . . . zehen vnd drei Schilling phennig den
frawn in daz frawnchloster ze Judenburg.* * Am 1. Mai 1389
verkaufte Gertraud die Scaprinnin der Nonne Elsbet von Stuben-
berg um sechzehn Pfund Wiener Pfennig ein Haus sammt
Garten beim Kloster ,zw aller nächst dem pach gelegen, der
aus der stat da rint'. Siegler: Hans der Leisser, Hans von
Pfaffendorf.
Am 30. Mai 1390 erwarb die Nonne Magdalena Verber
von Christan Pluemler, Bürger zu Knittelfeld, um dreizehn und
ein halb Pftmd Wiener Pfennige einen Acker im Niedernfeld
beim Dorneck unter Hautzenbüchel. Chunz der Lederer, Stadt-
richter zu Knittelfeld, hing sein Siegel an das Document. Am
3. Mai 1391 gab das Kloster dem Judenburger Bürger Jacob
Drihaupter einen Krautgarten ,in der nideren gemain^ und er-
hielt dafür ein Haus sammt Garten. Die Nonnen Magdalena
Verher und Christein Mueleich kauften am 21. October vom
Peter Perman, Bürger zu Knittelfeld, um dreizehn Pfund Wiener
Pfennig mehrere Grundstücke ,an der Vundran^^ Siegler
waren Niclas der Hyerschekk, Stadtrichter, und Christan
Pluemler, Bürger zu Knittelfeld. Der Klosterfrau Anna von
Goldeck übergab am 19. Mai 1393 Conrad der Lederer, Bürger
zu Judenburg, um acht und ein halb Pfund Pfennig einen Acker
«hinderhalb der Pels, do man get ge Wassendorf an der weg-
schaiden'. Als Siegler erscheinen Ulrich der Paumkircher,
Landrichter im Pölsthale, und Friedrich von Pfaffendorf. Am
19. Juni gleichen Jahres veräusserte Ulrich der Bauer zu Kn-
börn bei Knittelfeld um eilf und ein halb Pfund Wiener Pfennig
an die Nonne Ursula die Pignötlin Aecker zu Einhorn und
Sachendorf bei Knittelfeld. Niclas der Perman, Stadtrichter
zu Judenburg, war des Briefes Siegler. Mit Heinrich Schwab,
Bürger zu Knittelfeld, schloss am 31. October 1395 die Aebtissin
Margaretha Chnol einen Tauschhandel. Sie erhielt einen Acker
tei Knittelfeld gegen einen solchen zu St. Johann im Felde.
Das Document siegelte Mertlein am Steg, Stadtrichter zu Knittel-
' Original im Admonter Stiftsarchiv.
^ Wohl Ingering bei Knittelfeld.
414
meinen, sondern auch fdr das Judenburger Kloster als Statut
und Norm gegolten habe. Der Inhalt betont vorzüglich das
Verhalten in Kirche, Chor und Refectorium, enthält aber noch
andere Bestimmungen. Dem Schriftcharakter oder vielmehr
dem sprachlichen Momente nach dürfte das Ordinarium der
ersten Zeit des 15. Jahrhunderts angehören. Wir theilen nun
das Wesentliche desselben mit.
Zuerst werden die Glockenzeichen näher bestimmt, je
nachdem ein Festum duplex oder simplex (,zwiueltige hochzeit'^
,halbhochzeitleicher tag') eintritt und das Matutinum (Mette),
die Landes, die Horae und die Vesper sammt Complet gebetet
werden. . Es gab auch eine Convent- und eine Capitelglocke.
Vor dem Eintritte in das Refectorium (Revent) mussten die
Nonnen sich waschen. Eine Nonne (,die sengerin^) beginnt
das Tischgebet und erbittet mit den Worten: ,Iube domiua
benedicere' den Segen der Aebtissin. Täglich wurde die so-
genannte Conventsmesse gelesen. Von Ostern bis Maria Geburt,
also in der wärmeren Jahreszeit, durften die Nonnen nach dem
Mittagsmahle kurze Zeit der Ruhe pflegen, mussten aber das
Schweigen beobachten. Das Matutinum enthielt neun Lectionen
(,letzen^). Die meisten Bestimmungen beziehen sich auf das
Chorgebet und dessen einzelne Bestandtheile, wie die Psalmen
(,salm*), Versikel (,versiggel'), Antiphonen (,antiffen*), die Prim
(,preim*) u. s. w. Das Stehen, Knieen und Sitzen, das Neigen
und Beugen, das Sprechen und Singen^ Alles wird genau vor-
geschrieben. Auch in der Nacht wurde das Chorgebet ver-
richtet (,die nechtickleichen responsoria*). Zur ZJeit eines kirch-
lichen Interdictes schweigt jeder Gesang. Im Chor befand sich
ein Altar und ein Kerzenpult (,kirzstal^. Als .Feste erster
Classe zählten die Tage des heil. Franciscus, Antonius und
der heil. Clara. Wird das Sacrament zu einer Kranken ge-
tragen, wird es von zwei Nonnen mit brennenden Kerzen in
den Händen begleitet. Zur Communion gehen die Schwestern
paarweise. Fünfzehnmal im Jahre wird das Haar beschnitten.
Viele Stellen des Ordinariums beziehen sich auf den Gesang,
die Modulation und die Pausen.
Nicht uninteressant sind die Bezeichnungen (Titulaturen),
mit welchen die Aebtissin und der Convent in Urkunden vom
14. bis in das 16. Jahrhundert beehrt werden. Die Aebtissin
wird genannt: 1339 die weise vnd besichtige fraw; 1344
413
anderem Murkloster. ^ Zu Wien hatte Bianca, Oemahlin Ru-
dolfs m., ein Clarissenkloster zu stiften den Plan gefasst. Ihr
frühzeitiger Tod mag denselben vereitelt haben und erst ihr
Gatte fertigte 1305 den Stiftsbrief. 2 Der Bau und die Ein-
richtung des Klosters nahm längere Zeit in Anspruch, doch
erscheinen 1316 — 1330 schon vier Aebtissinnen. ^ In mehreren
Geschichtswerken erscheint aber Anna, Tochter Friedrichs des
Schönen, als Gründerin dieses Klosters. Höchst wahrschein-
lich hat sie den Bau vollendet und so die Intentionen der
Stifterin erfüllt. Sie berief aus unserem Judenburger Kloster
eine Colonie von Nonnen und führte selbe am 17. März 1334
in ihre neue Heimstätte ein.^
Man muss sehr bedauern, dass sich keine chronikalischen
Aofschreibungen über das Klosterleben im Paradeis erhalten
haben. Wir sind zwar durch die gebrachten Urkunden über
die Beziehungen des Klosters nach aussen hin genügend unter-
richtet, aber sehr schwer vermissen wir Nachrichten über die
Arbeiten und Beschäftigungen seiner Bewohnerinnen, über die
Haasordnung und sonstigen Gebräuche. Die Thatsache, dass
die Schwester Anna von Goldeck eine Legende abschreiben
liess, steht gewiss nicht einzig da, und wir können nach dem
Vorgange in anderen Frauenklöstem annehmen, dass im Para-
deis Bücher, wenn auch nur asketischer und liturgischer Rich-
tung, geschrieben worden sind, dass sich daselbst eine Bücherei
(armarium) und ein Schreibezimmer (scriptorium) befunden
habe. Waren ja doch viele Nonnen aus adeligen imd vor-
nehmen bürgerlichen Häusern entsprossen und haben einen
höheren Chrad der Bildung in ihr neues Heim mitgebracht.
Doch so ohne Kenntniss des inneren Klosterlebens sind
wir nicht geblieben. Es liegt vor uns ein ,Ordinarium sand
Ciaren ord^is', dessen Original mit der Bezeichnung Nr. 26
sich einst im Archiv des ELlosters befunden hat. Der Um-
stand, dass es dort aufbewahrt wurde, macht es glaubwürdig,
dass der Inhalt desselben nicht nur für den Orden im Allge-
1 Herzog, I, 593. Hermann, ,Haiidbach der Gesch. des Herzogthams
K&mtenS I, 411.
' Hormayr, ,Wien8 Geschichte und seine Denkwürdigkeiten*, H. Jahrg.,
L Band, 3. Heft, S. 60.
> VbettdaseThst, S. 61.
* Battog, I, 708. Caesar, III, 177. ,Facie8S p. 287. Mncbar, VI, 262.
416
am 15. Juli 1476 gewährte er den Nonnen Befreiimg von ge-
wöhnlicher Gerichtsbarkeit und unmittelbare Unterstellung unter
den Kaiser, * und am 6. Mai 1482 hob er ein zu Ungunsten
des Klosters in einem Streite mit dem Judenburger Bürger
Bernhard Kneusel um eine Mühle, Eisenziehe und Schleife ge-
fülltes Urtheil auf und verfügte eine neuerliche Untersuchung.'
Minder zahlreich als im vorigen Jahrhundert war die
Zahl der frommen Stiftungen. Am 22. Mai 1402 widmete
die Nonne Anna von Stubenberg eine Wiese ,in dem Syeming*
und ein Haus am Bache im Burgfried zu Judenburg mit der
Bestimmung, dass der Ertrag dieser Güter in die Oblei des
Klosters (für Wein und Kleidung) und auf zwei Jahrtage mit
Vigil, Seelenamt und gesprochenen Messen für die Stifterin
und deren verstorbene Muhme Elsbet von Stubenberg' ver-
wendet werde. * Dieses Document ist deswegen merkwürdig,
weil die Zustimmung des Ministers der minderen Brüder eigens
betont wird* und Anna von Stubenberg, die Rudolf von
Liechtenstein ihren Oheim nennt, als Klosterfrau sich ihres
angeborenen Insiegels bedient. — Ebenfalls unter ihrem Siegel
übergab am 18. Mai 1406 die Nonne Anna von Goldeck der
Aebtissin Margaretha Knol einen Acker am Pölsbache und eine
Wiese zu Wasendorf und bedingte sich für sich und ihre Schwe-
ster Margareth einen Jahrtag mit einem Amte und zehn
Messen zu Ehren des heil. Ludwigs.^ Andrä Pranker und
dessen Schwester Anna, Witwe nach Hans dem Ligister, spen-
deten am 11. November 1465 der Aebtissin Barbara ein Haus
zu Trofaiach, dann mehrere Hüben ,am Truentersperg^ bei
Donawitz, zu Erlach, ,im Pirchach*, am Kamp bei Juden-
burg, im Breitenwiesengraben in der Rachau und zu Ober-
weg mit der Verpflichtung eines Jahrtages in den Quatember
» Herzog, I, 721. Caesar, U, 244. Muchar, VHI, 90.
3 Bepertorium des Klosterarchivs.
' Diese erscheint 1372 — 1389 als Nonne im Paradeis.
^ Copialbuch.
* ,. . . mit willen vnd vrlaub meins obristen prneder Niklas die zeit Tiiser
minister zw Osterreich vnd zw Steyr/
^ Ludwig, Sohn des Königs Carl II. von Sicilien, FrauciscanermOneh und
Bischof von Toulouse, starb 1297 und wurde 1317 heilig gesprocheo.
Unsere Goldeckerin scheint eine besondere Verehrerin dieses Heiligeo
gewesen zu sein, da sie ja auch, wie schon frQher bemerkt, eine be-
zügliche Legende desselben hat schreiben lassen.
417
zelten. * Am 16. Jänner 1467 verglichen sich die Aebtissin
Barbara und Jacob Kolb, Pfarrer zu Friedlach in Kärnten, vor
den Schiedsleuten Caspar Lobenschrot, Lehrer geistlicher Rechte
und Pfarrer zu Judenburg, Mathias Schrack, Gesellpriester, und
Leonhard Angrer, Bürger zu Judenburg, bezüglich eines Streites
um Weingärten und Aecker. Der Pfarrer anerkennt die Grund-
berrlichkeit der Aebtissin über einen Weingarten und tritt dem
Kloster um fünf und ein halbes Pfund Pfennige einen Oel-
garten(?) ab. Für einige Grundstücke, welche bisher Thomas
Kolb benützt hatte und nun dem Kloster heimstellt, verspricht
die Aebtissin jährlich einen Jahrtrag zu begehen. ^ Der Notar
Leonhard Protmann von Pforzheim fertigte die Urkunde in
der kleineren Kammer des Klosters. Am 9. November 1472
gab Wolfgang Phaffenmayr dem Kloster siebenundzwanzig Pfund
Pfennige ,in beraitten gelt^ und zwei Aecker zu Farrach und
bedingte sich einen Jahrtag. Er bat femer die Aebtissin, seine
Ehefrau Anna und seine Tochter Dorothea in Schutz zu nehmen,
Letztere zu erziehen, aber ihr die Wahl des künftigen Standes
freizustellen. Dafür sollen nach Annas Tode auch andere
Grundstücke dem BLloster zufallen. Den Brief siegelte Hein-
rich Neupauer, Bürger zu Judenburg. Am 8. Jänner 1480
siegelte Augustin AdlofF, Stadtrichter zu Judenburg, ein Docu-
ment, in welchem Hans am Knie zu Tamsweg beim Eintritte
seiner Enkelin Katharina in das Paradeis der Aebtissin Bar-
bara sechs Pfund Gült von einer Wiese im Stadtfelde ob Ju-
denburg einhändigt und einen Jahrtag mit Vigil, Seelamt und
zwei Messen stiftet.
An Schenkungen sind in diesem Jahrhundert zu ver-
zeichnen: Hans Panzier von Morschdorf, des Klosters Amt-
mann, schenkte am 19. November 1430 einen Weingarten mit
Keller und Presse zu Morschdorf. Siegler waren Niclas der
Czerer und Niclas Damach, Bürger zu Judenburg. AlsVeronica,
Muhme des Bartholomäus Munsmaister zu Fohnsdorf, den
Schleier wählte, gab dieser zu ihrer Aussteuer die Schrotthube
in der Feistritz und einen Acker zu Hetzendorf unter Siegel-
' Siegler des Briefes: Audrä Pranker, Caspar von Payn und Hans Pfaffen-
dorfer. Anna von Ligist, gebome Pranker, erscheint 1475 als Nonne
im Paradeis.
^ Copialbnch des Klosters, welchem auch alle feigenden Daten entlehnt
sind, wenn nichts Anderes bemerkt wird.
418
Fertigung des Judenburger Bürgers Mathias Harer. Dieses ge-
schah am 2. September 1454. Von Georg Sporer, Bürger zu
Judenburgy erhielt am 6. Februar 1466 die Aebtissin Barbara
für seine Tochter Margaretha sechs Schilling Pfennig Zins von
einem Hause und Garten in der Vorstadt. Peter Kessler, Stadt-
und Judenrichter zu Judenburg, heftete sein Siegel an die
Urkunde.
Hans PfaflFendorfer schenkte am 8. Mai 1474 für seine
Tochter Cäcilia zwei Pfund Gülten in der Lobming unter Siegel-
fertigung des Georg Phanauer. Die Nonne Anna von Ligist,
Tochter des Friedrich von Prank, spendete am 24. April 1475
ein halbes Haus zu ,Palderspach^ ^ sammt Grundstücken ,7m
Güssfeld, zu Tawchstein, Freym und in der Goldgrueben'.
Siegler waren: Hans von Raming, Pfleger auf Liechtenstein,
und Hans PfaflFendorfer. Am 17. November 1477 schenkte An-
drä Welzer zur Ausstattung seiner Nonne gewordenen Tochter
Mai'garetha zwanzig Schilling sechzehn Pfennig Geldes auf
Gütern zu Feistritz. Sein Schwager Hans PfaflTendorfer siegelte
den Brief. Hans Wultz, Bürger zu Gmünd, übergab für seine
Schwester Elatharina als väterliches Erbtheil ein Haus mit
Lederstube bei der Murbrücke zu Judenburg. Siegler war
Benedict Prantner, Stadtrichter daselbst.
Wir schalten hier eine urbarielle Aufzeichnung des Para-
deisklosters aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts^ hier ein,
weil auch in derselben von einer Schenkung die Kede ist.
Selbe lautet : ,Item der Peter Prantel, purger zu Neuenmarckt,
hat kauflPt von majster Hamerl laut des kauffsbrieflTs, der geben
ist ym XllII C vnd im 4® iar, ain hüben genant die Tripler
hüben gelegen zu DiemerstorflT bei Newenmarckt in Hoffer pfar
. . . dis gut haben mir von Schwester Potentianen seligen, welches
gut ir ibergeben hat mit brieflf vnd jnsigel jr leiplich prüder
Jacob Prantel, pfarrer zu Neuenmarck.'
Mit diesen Schenkungen gingen Hand an Hand zahl-
reiche Güter- und Gültenerwerbungen durch Kauf und Tausch.
Hainzl der Pinter zu Dietersdorf veräusserte am 29. Miirz
1401 an die Klosterfrau Anna von Goldeck um fünfzehn Pfand
1 Ein ,Paldinbmch' kommt vor bei Muchaur, MI, 37 und ist in der Gegend
von Murau su suchen.
' Im steierm. Landesarchiv.
419
sechzehn Pfennige eine Wiese zu Wasendorf unter den Siegeln
des Hans Pfaffendorfer und des Thomas von St. Lambrecht,
Landrichters zu Judenburg. Im Tausche gab am 7. April
1402 Ernst von Lobming der Aebtissin Margaretha Knoll ein
Gnt am ünterberg bei Teufenbach gegen ein solches bei Ober-
tann. An dieses, von Eunegund der Zwetlerin herrührend,
war eine Jahrtagsstiftung geknüpft. Gesiegelt wurde die Ur-
kunde von Friedrich dem Pösenpacher und Moriz dem Welzer.
Am 17. Juni 1404 verkaufte Niclas, Wolfgangs Sohn auf der
niederen Zeiring, der Nonne Magdalena Verber um ftlnfzehn
Pfund Wiener Pfennige Grundstücke am Kienberg (bei Ob-
dach?). Rudolf von Liechtenstein, Kämmerer in Steier, hing
sein Siegel an den Brief. Von demselben Niclas erwarb am
13. Juni 1405 diese Klosterfi-au ein Gut »in den Taum^ ' Siegler
war Friedrich von Pfaffendorf. Von Ulrich Grakauer, Bürger
zu Knittelfeld, erkaufte am 25. Juni gleichen Jahres die Aebtis-
sin Margaretha um ftinfzehn Pfund Wiener Pfennige eine Wiese
unter St. Johann. Chunz der Lederer, Stadtrichter, und Otto
Schekkenpacher, Bürger zu Knittelfeld, siegelfertigten die Ur-
ktmde. Die Nonne Mai^aretha von Goldeck brachte am
1. Mai 1406 durch Kauf von Herbot zu Mautemdorf ob dem
oberen Pölshals einen Acker an das Kloster. Des Briefes
Siegler war Hans der Grasel zu Judenburg. Am 8. August
erhielt das Kloster von Pilgram Pranker ein Haus sammt Garten
zu Niederzeiring im Tausche gegen gleiche Objecto ,datz dem
Doerflen^ Leo der Lobminger siegelte den Brief. Einen Werd
am Pölsbache ,an der nyderen chrawtwysen* erhielt käuflich
die Klosterfrau Anna von Spangstein um zwölf und ein halb
Pfund Wiener Pfennig von Niclas dem Czeyerecker unter dem
Siegel des Thomas von St. Lambrecht, Judenrichters zu Ju-
denbui^.
Um eine Zinsschuld zu tilgen, übergab am 17. Mai 1409
Peter, Pfarrer zu Judenburg und Erzpriester in Obersteier,
dem Kloster unter Vermittlung des Bernhard von Liechten-
stein eine Hofstätte ,an dem Pargrab' bei den minderen Brü-
dern. Am 8. Jänner 1410 siegelte Ortolf der Puxer ein Do-
cument, in welchem Hans von Teufenbach der Aebtissin Mar-
garetha ein Gut zu Farrach im Tausche gegen ein solches am
^ Am Rottenmannertauem.
ArchlT. Bd. LXXUI. U. Hilft«. 28
420
Unterberg bei Teufenbach eingeantwortet hat. Ebenfalls im
Tauschwege empfing am 6. Juli 1413 die Aebtissin Clara Schinekh
von Ortolf dem Puxer eine Hube im ,Vahental^ ob Fohnsdorf
gegen eine solche auf dem Puxberge. Friedrich von Pfaffendorf
und Stefan Chumer zu Judenburg hingen ihre Siegel an den Brirf.
Am 31. August 1415 verkaufte Hans Krösler, Bürger zu Jaden-
burg, der Aebtissin Meyla von Minckendorf * siebzehn Ae<ier
bei Wasendorf um hundertsechzig Pfund Wiener Pfennige.
Siegler war Conrad GesöUer, Stadtrichter zu Judenburg. Eine
Urkunde vom 11. März 1416, kraft welcher Andrä Spi^el
seinem Mitbürger zu Judenburg Tibold Domach einen beim
Fräuenkloster gelegenen Garten verkaufte, hat im Texte die
Bemerkung: ,den wir zu purkrecht kaufft haben von der
erbem geistleichen junkfrawen Margrethen der Gk)ldekcherin,
dauon man ir alle iar ierleich dient auf sand Michels tag vir-
tzig wienner phennig vnd newn phennig für zway huener'.^
Am 8. März 1421 verkaufte Niclas Fleischhacker dem Bans
Kroph eine Fleischbank zu Judenburg, ,dauon man alle iar
ierleich dient den klosterfrawn sand Chlaren ordens ze Juden-
burg achzig wienner phenig auf sand Michels tag.'' Gleich-
falls einer Urkunde * vom Jahre 1424 entnehmen wir die Notiz,
dass von einem Haus und Garten zu Wasendorf jährlich ein
Pfund Wachs dem Kloster fUUig war.
Am 15. August 1424 verkaufte die Aebtissin Clara Fran-
ker'^ mit Einwilligung des Klostervogts Rudolf von Liechten-
stein dem Stefan Scheller, Bürger zu Judenburg, um zweiund-
zwanzig Pfund Wiener Pfennige und einen Gulden zu Leihkauf
eine Mühle unter dem Rain beim Spitale. ^ In dieser Urkunde
^ Dieselbe erscheint auch unter dem Namen Mila die Peyschatterin. Selbe
war wahrscheinlich aus dem Clarissenkloster Minkendorf in Knün.
3 Original im steierm. Landesarchiv mit den Siegeln der Aebtissin oihI
der Margaretha von Goldeck.
3 Original ebenda.
^ Original ebenda.
* Es ist fraglich, ob diese identisch ist mit der Nonne Clara, Tochter
des Friedrich Pranker, welche 1449 ihr Erbtheil an ihren Brader Hans
abgetreten hat. (Regest des k. k. Staatsarchivs in Wien.) Die Aebtissinoen
wurden in der Regel nur auf drei Jahre gewählt, konnten nach TerUof
dieser Zeit wieder gewählt werden und wurden, wenn dieses nicht der
Fall war, wieder einfache Nonnen.
^ Original im Landesarchive. Die Siegel des Frauenconvents und de«
Klostervogtes Rudolf von Liechtenstein fehlen.
421
wird zum ersten Male eines Vogtes Erwähnung gethan. Wir
werden wohl nicht irren, wenn wir die Vogtei über Paradeis
ab erblich dem Hanse Liechtenstein vindiciren. Verfiel auch
die Borg Liechtenstein bei Judenburg schon frühzeitig in
Rainen, * sassen denn doch die Liechtensteiner noch lange zu
Frauenburg und Murau und waren in und bei Judenburg
begütert
Am 3. Juni 1436 stellte Hans von Stubenberg, Landes-
hauptmann in Steier, auf Bitte des Klosteranwaltes Thomas
Cholb einen Schirmbrief über das Lerchegg^ aus. Das Kloster
behauptete 1439 diese Alpe gegenüber den Ansprüchen des
Judenburger Bürgers Hans Kropf. "^ Der Aebtissin Margaretha
Hohenberger verkaufte am 28. November 1441 Wilhelm Payr-
hofer um neun Pfund Wiener Pfennige ein Haus zu Thalheim
,niit ausfart vnd infart, mit Hecht vnd dachtraeflf^. Siegler war
Adam von Payn. Dieselbe Aebtissin erhandelte am 10. Mai
1455 von Erhard Gleichweiss um vierunddreissig Pfund ,gueter
landeswerung' einen Weingarton mit Keller, Presse und Stube
zu Morschdorf bei Mooskirchen. Den Brief versahen mit ihren
Siegeln Michel der Mülhofer , Stadtrichter, und Thomas Kolb,
Rathsbürger zu Juden bürg. Im Tauschwege erhielt Aebtissin
Margaretha am 5. April 1456 von Wülfing dem Winkler eine
Hube ,an dem Poxruk' fiir eine solche am Schrattenberg.
Ruprecht Trientner, Pfleger zu Frauenburg, war des Briefes
Siegler. Am 5. Februar 1463 gab Mathias Harrer, Bürger zu
Judenburg, derselben Aebtissin im Kaufe eine Wiese zu Flat-
Bchach bei Knittelfeld. Derselbe war Siegler, als am 26. Fe-
bruar 1467 Hans Raming der Aebtissin Barbara Payner die
Strimitzhube ,in der Muschnitz'^ verkauft hat. Derselben Oberin
gab am 1. October Leonhard Angrer, Bürger zu Judenburg,
im Auswechsel eine Wiese im ,Zeilach^ unter Thaling gegen
eine Hofstätte zu Stadihof bei Lind. Caspar von Rogendorf
verkaufte am 28. Juli 1474 dem Kloster das Burgrecht von
einer Mühle zu Judenburg ,enhalb der murprukhen' und meh-
rere Aecker um ,260 hungrisch vnd ducaten guidein guet an
9
1 Im Jahre 1268 von Ottokar von Böhmen zerstört. Mochar, V, 322.
Leithner, S. 120. Schlots Nealiechtenstein wurde erst im 17. Jahr-
hundert erhaut.
^ Alpe im Zeiringgraben. ^ Repertorium des Klosterarchivs.
* MOschitxgraben su 8t. Peter ob Judenburg.
28»
422
gold vnd gerecht an der goldwag^ Den Brief siegelten Hans
von Raming, Pfleger auf Liechtenstein, und Andrä Galler. Am
27. März 1478 gab kaufweise Andrä Welzer der ,erwaren
frawen Anna der Mayrin von PhaflFendorf yecz wonhafft jm
frawnkloster sand Ciaren orden' bei Judenburg sein rechtes
,inwerzaigen* * eine Wiese in der Pfarre Fohnsdorf. Siegler
war Georg Pyswech,' Pfleger zu Fohnsdorf.^ Im Jahre 1483
tauschten die Zechleute der Kirche St. Ruprecht zu Trofaiach
mit dem dortigen Bürger Felix Spansagler Hofstätten in diesem
Orte, welche nach Paradeis zinspflichtig waren. Augustin Adloff,
Btirger zu Judenburg, veräusserte am 4. April 1484 an die
Aebtissin Barbara Payner ein Haus sammt Garten und Schmelz-
hütte zu Judenburg ,vnder der Greyssennekher spital neben
dem statpach^ Dem Bürger Christan Amering verlieh am
24. April 1491 Aebtissin Barbara zu Burgrecht einen Garten
in der Stadt Judenburg.'' Unter dem Siegel des Leonhard
Ruedel, Stadtrichters zu Judenburg, reversirte Thomas Hueber
der Fleischhacker am 6. April 1500, dass er von seiner Fleisch-
bank zu Judenburg ,zwischen Hansen Palkentaler vnd des
Gayser fleyschbenkh' dem Kloster jährlich einen Dienst von
achtzehn Pfand Unschlitt reichen müsse und wolle. Von Valentin
Gerolt, Rathsbürger zu Judenburg, erwarb im gleichen Jahre
die Aebtissin Barbara Payner durch Kauf einen Krautgarten
,vor der stat Judenburg jm purckfrid vor dem thor bey dem
oberen kloster^*
Weitere Begebenheiten im 16. Jahrhundert. Klosterbrand und
Türkennoth.
Die Geschichte des Klosters Paradeis, inwiefeme sich
deren Blätter uns bisher entfaltet haben, überzeugt uns zur
1 ,Ain inwert aigen, das zu ains dinstherren herachaft gpehort.' Bischoff,
tSteiermärkisches Landrecht des Mittelalters^ S. 116.
^ Die Pisweg^er waren eine k&rtnerische Adelsfamilie. Weiss, ,Kjlrntens
Adels 114 und 235, wo auch unser J6Tg Piswich vorkommt.
' Es ist unklar, ob Anna die Ma/rin von Pfaffendorf als Könne in das
Paradeis getreten ist oder dort nur als Leibrentnerin sich nieder-
gelassen hatte. Wohl aber finden wir deren Tochter Dorothea 1503
bis 1506 als Nonne daselbst.
4 Original im steierm. Landesarchiv.
B Seit 1362 bestand su Judenburg auch ein Kloster des Augnsünerordeos
zum Unterschiede von jenem der Minoriten das ^niedere* Kloster genannt
423
Genüge^ dass dieses Kloster keine unbedeutende Stellung unter
d^i Stiften des Landes eingenommen habe. Töchter der ein-
fluBsreichsten Familien des Landes, wie Liechtenstein, Stuben-
berg, Windischgrätz, Saurau, Welzer, Prank und Andere,
mannen dort den Schleier, und der Grund- und Gültenbesitz
der Ciarissen war ein nennenswerther. Daher darf es uns
nicht überraschen, zu vernehmen, dass die jeweilige Aebtissin
Sitz und Stimme im steiermärkischen Landtage hatte und
übte. 1 Solchen Ehrenrechten standen aber auch Pflichten gegen
Staat und Land gegenüber. Steuern, Anlehen und Kriegs-
rüstung forderten daher auch Opfer von Seite des Klosters.
Vor uns liegt eine ,Ordnung, so die landtschafl't in Steyr mit
. . . des Römischen Königs Rathen ... zu Raggaspurg ge-
macht haben (sie!) am freytag vor Servaty a. d. (14) 46. Jar^^
Es handelte sich um die Kriegsbereitschaft gegen die Ungarn.
Diesem Actenstücke entnehmen wir, dass die Aebtissin zu
Judenburg zwei Mann ,ze ross' zum Aufgebot zu stellen hatte.
Wir wissen, dass der Ciarissenorden unter Oberaufsicht
und Leitung der minderen Brüder gestellt war, daher auch
Paradeis seine Beichtväter und Prediger aus dem Minoriten-
kloster zu Judenburg immer erhalten hat. Dieses Verhältniss
bestimmt uns^ von dem Umstände Notiz zu nehmen, dass im
Jahre 1455 Jobannes Capistran das Mannskloster reformirt hat.^
Dessen Bewohner hiessen von nun an Fratres regularis seu
strictioris observantiae und gemeinhin Franciscaner. Capistran,
der längere Zeit in Judenburg sich aufgehalten hat/ dürfte
das Paradeiskloster öfters besucht und auch dasselbe visitirt
und reformirt haben, obwohl darüber alle Nachweise mangeln.
Im Februar oder März des Jahres 1463 war die Aebtissin
Hargaretha Hohenberger mit Tod abgegangen. Es war also
eine neue Wahl vorzunehmen. Dem Gebrauche gemäss sollte
selbe in Gegenwart und unter der Leitung des Ordensministers
oder seines Stellvertreters stattfinden. Das Letztere scheinen
^ Caesar, ,Staat- und Kirchengeschiehte des Herzogthams StejermarkS
VI, 186.
3 Manoscript des 16. Jahrhunderts im Admonter Stiftsarchive.
' ,Facies nascentis et succrescentis provinciae Seraphico-Austriacae* 177.
Klein, ,Geschichte des Christenthums in Oesterreich und Steiermark*,
m, 163.
* Hersog, I, 409.
424
die Nonnen unterlassen zu haben. Entweder haben sie den
Minister gar nicht eingeladen^ oder sie haben dessen Ankunft
nicht abgewartet. Die Priorin Apollonia Schachner und der
Convent wählten aus ihrer Mitte einstimmig die Barbara Payner
zur Oberin. Dieses Vorgehen gab dem Minister Heinrich CoIIis
eine Handhabe , um die Election für null und nichtig zu er-
klären. Er erschien plötzlich im Kloster und brachte eine
fremde Nonne Namens Veronica mit und stellte selbe dem
Klostercapitel als Aebtissin vor. Der Convent protestirte und
wandte sich im April 1463 an den Kaiser Friedrich. Die
Nonnen beriefen sich auf die ihnen von Innocenz IV. ge-
währte Wahlfreiheit, auf die bisherige Gepflogenheit und auf
die strenge Disciplin und den sittenreinen Wandel der Conven-
tualen, ,Auch allergnedigster herr rueflh wir an ewer kaiser-
liche gnad, ir weit ansehen, das wir mit geystlichayt vnd in
gerechten gehorsam mit aller czucht vnd zjmlichayt nach anff-
sacz vnser regel ordenlich, als wir hoffen zu got, volpnujht
haben in raynigkayt fleissiger gotzdienst von kindhayt vnser
tag pis auff den heutigen tag, darumb wir hoffen, das wir
vnser wall pillich bestattiget mit gunst ewer kayserliche gnad,
vnd vnder vns ain wirdige mueter zu einer abtessin erwellen
mtlge.** Ob und in welchem Sinne der Kaiser das Bittgesach
des Klosters erledigt habe, ist nicht bekannt. Am 21. Jänner
14t>4 musste der Notar Leonhard Gobier eine Appellation im
Namen des Conventes an Papst Pias H. verfassen. In derselben
werden die Vorgänge bei und nach der Wahl geschildert und
auch betont, dass die eingedrfingte Veronica keine Kenntniss
der inneren Verhältnisse und äusseren Beziehungen des Klosters
besitze, IVr Protector des Ordens, der Cardinal des Titels
Nioaena und der Minister hätten einen Process gegen den
Convent einsr^^leitet und eine bezügliche Schrift an die Kirchen-
thftr anheften lassen. Die Nonnen bitten daher um geneigte
Interce^on des api^stolischen Stuhles.' Der Erfolg war ein
gilnsiigw, denn wir tiudeu Barbara Payner noch im Jahre 1500
und wie es scheint ununterbrochen ak würdige Aebtissin in
Paradois>
Am Ä^. September 14Ti^ übergab Friedrich Veldpltun der
Aebtissin Rarbcum ein Hans in der Stadt Judenburg und ein
425
solches sammt Garten ober dem Frauenkloster und bedingte
sich fbr sich und seine Gemahlin Anna lebenslänghcben Unter-
halt.^ Ueber die nähere Art dieser Pfründe oder Leibrente
wurde ein eigenes Dociunent aufgesetzt.
Die Herleitung des nöthigen Trinkwassers zum Kloster
war mit vielen Schwierigkeiten und Kosten verbunden, weil
die Brunnenröhren über fremde Grundstücke gelegt werden
mussten. Die Nonnen sahen sich sogar veranlasst, die Vermitt-
lang des LandesfUrsten jn Anspruch zu nehmen. Am 12. Mai
1480 eröffnete Kaiser Friedrich dem Hans Ramung, Pfleger
auf Liechtenstein, und dem ßathe zu Judenburg, er habe den
Nonnen erlaubt, das Wasser vom Brunnen unter dem Schlosse
in ihr Kloster zu leiten.^
Die Jahre 1479 und 1480 waren voll des Unglücks für das
Kloster. Nach mehreren Quellen soll dasselbe 1479 ein Raub der
Flammen geworden sein.^ Herzog hat die Stelle: ,£piscopus
Todunensis (Todi?) christifidelibus centum dierum indulgentias
dispensat, qui pro aedificio claustrali, quod anno 1479 ex horribili
incendio conflagravit, iterum restaurando eleemosynas po^e-
xerint.^ Das Jahr der Ablassverleihung ist nicht angegeben. Eine
andere Quelle sagt: ,Anno 1479 vehementissimo incendio domus
tota unacum monumentorum scripturis absumpta fuit, ut firmiora
antiquitatis documenta penes claustrum non exstent.^ Es ist daher
zweifelhaft, ob die Nachrichten vom Brande des Jahres 1479
aus gleichzeitigen Chroniken und Urkunden geschöpft seien,
oder ob sie auf einer blossen mündlichen Ueberheferung be-
ruhen. Uns scheint es glaubwürdiger, dass beim grossen Türken-
einfall des folgenden Jahres das Kloster in Flammen aufge-
gangen ist, sei es^ dass die Bürger Judenburgs selbst, um dem
Feinde die Gelegenheit zu nehmen, sich unmittelbar unter der
Stadtmauer einnisten zu können, die Brandfackel in das Haus
der heil. Clara geworfen haben, oder sei es, was wahrschein-
licher ist, dass die Söhne des Propheten selbst nach ihrer
alten Kriegsweise Kirche und Kloster eingeäschert haben. Am
7. August 1480 brach ein Türkenhaufe aus Kärnten bei Dürn-
' CopUlbuch.
^ Regest aus dem k. k. Staatsarchiv za Wien. Die Klosterbrunnenfrage
wird aach noch später uns beschäftigen.
' Facies 287. Herzog, I, 702, 720 und 721. Caesar, »AunalesS II, 243.
Mnchar, YIII, 112.
428
•
Fundator^ dessen Gemahlin Regina und für den Landeshaupt-
mann in Steier Sigmund von Dietrichstein.'
Im Jahre 1518 spendete Christof Räuber , Bischof m
Laibach und Administrator von Seckau, eine Indulgenz flir
den Hochaltar der Klosterkirche.^
Am Montag nach Reminiscere 1515 vidimirte Gr^or
Schardinger, Propst zu Seckau, auf Ansuchen des Klosters
verschiedene von Kaiser Friedrich und Max, sowie von dem
Landeshauptmanne Caspar Kiniberger 3 ertheilte Privilegien und
Gnadenbriefe.* Am 3. October 1506 ^ bestätigte König Max
die Rechte und Freiheiten des Klosters. Am 8. October (Grax)
befiehlt derselbe dem Landesverweser in Steier, das Kloster
in Schutz zu nehmen.^ Vom 28. August 1521 (Graz) datirt ein
Bestätigungsdiplom des Erzherzogs Ferdinand, welcher auch am
10. Juni 1525 (Graz) eine ähnliche Urkunde (Schutzbrief?) er-
lassen haben soU.^ Am Mittwoch nach Philipp und Jacob 1537
bestätigte König Ferdinand I. den Gnadenbrief des Herzogs
Albrecht II. (ddo. 29. Juli 1338) betreffs des kostenfreien
Bezuges von Salz aus Aussee. Die ursprünglichen zwölf Fuder
sind in dieser Urkunde, deren Wortlaut leider nicht vorliegt,
schon auf sechzig erhöht. Es muss daher Ferdinand oder
einer seiner Vorgänger diese Erhöhung bewilligt haben. Am
2. October 1537 erliess der Landesfiirst einen Befehl bezüglich
eines Holzstreites in der Feistritz zwischen dem Kloster und den
Bürgern von Judenburg. Am 15. März 1538 willigte Ferdinand
in den Kauf von Aeckern und Wiesen, über welchen das Kloster
in Unterhandlungen mit Caspar von Rechendorf (Rogendorf?)
getreten war, und am gleichen Tage gab er seinen Consens
zum Grundtausche im Spitalfelde bei Judenburg mit Christof
Pranker. Am 15. Februar 1561 confirmirte Kaiser Ferdinwid I.
* Des Teufenbachers zweite Gemahlin Regina war eine Schwester Sigmunds
von Dietrichstein. Stammtafel der Teufenbache bei Beckh-Widman-
stetter, ,Stndien an den Grabstätten alter Geschlechter*.
3 Repertorium des Rlosterarchivs.
3 Wohl Caspar von Khünburg, welcher 1605 als Landesverweser erscheiBt.
* Repertorium des Klosterarchivs.
5 Dieses Datum steht im Repertorium, während Herzog und Muchar den
8. October haben.
6 Regest aus dem k. k. Staatsarchiv in Wien. Das Repertorium spricht im
Allgemeinen noch von vier »Briefen* des Königs Max.
^ Repertorium.
427
klösterlichen Disciplin nur abträglich 8ei^ habe der heilige
Stuhl die Transferirung in die Stadt erlaubt.^ Ob die Nonnen
das Haas bei St. Martin wirklich bezogen haben , darüber
fehlen sichere Anhaltspunkte. Jedenfalls wohnten sie so lange
in der Stadt, bis das alte Kloster wieder aus den Ruinen sich
erhoben hatte. Ueber den Neubau schweigen unsere Quellen,
nur das wissen wir, dass der Bischof von Todi den Unter-
stützem desselben einen Ablass verliehen habe.
£s war von jeher und ist noch jetzt Gebrauch in den
KlQstem, gegenseitig geistliche Bündnisse (confoederationes) zu
dem Zwecke zu schliessen, um den abgeschiedenen Ordens-
genossen die Wohlthat des Messopfers, der Gebete und des
Verdienstes der guten Werke zuzuwenden. Ohne Zweifel war
auch Paradeis mit anderen Klöstern confbderirt oder empfing
wenigstens die Rotein (Todesanzeigen) von solchen. Necro-
logien des Klosters, die uns darüber belehren könnten, haben
sich keine bis auf unsere Zeit erhalten. Aus einer Admonter
Rotel von 1496 erfahren wir, dass der bezügliche Bote bei
den Franciscanem zu Judenburg zugesprochen habe. Eine
Lambrechter Rotel vom Jahre 1501 trägt hingegen folgende
Inscription von Seite des Frauenklosters: ,Portitor presentis
rotule comparuit in cenobio monasterii nostri B. M. V. in Pa-
radiso extra Judenburg ordinis sancte Cläre in die Alexii.*
Leider haben die Nonnen, wie es sonst oft der Fall ist, ihre
Todten in die Rotel einzutragen unterlassen.
Paradeis im 16. Jahrhundert.
Wir beginnen die Reihe der Nachrichten mit einer kirch-
lichen Stiftung. Am 1. October 1516 übergab Hans von Teufen-
hach dem Kloster einen Weingarten, genannt der ,Zerer', einen
öden Weinberg und einen Acker, genannt ,PagnoP, gelegen am
Morschdorferberg. Mit diesen Grundstücken stiftete er einen
Gottesdienst mit vier Priestern an jedem Quatembermittwoch,
und zwar ,ain gantze gesungen vigili sambt ainem placebo',
ein Seelamt, ein gesungenes Amt und zwei Messen. Beim
Seelamte soll sich der Priester nach dem Evangelium um-
wenden und ein Pater noster sammt Ave beten für den
* Herzog:, h 706.
480
und Conrad Loeb^ Stadtrichter zu Jadenbnrg. Durch Kai
von Mört Zeller erwarb die Aebtissin zwei Viertel WeT
in jSupperspach^ Derselben verkaufte am 18. December 151
Mathias Weiss, Lederer und Büi'ger zu Judenburg, einen Acker^
gelegen ,zw spitall ym Muerfeld*. Den Brief siegelte Leoi
Unterschoffer, Rathsbürger zu Judenburg.
Vom Jahre 1526 (10. März) datirt ein Schirmbrief i
Klosters über ein Gut zu Farrach unter den Linden.' Am
24. Februar 1580 gab Stefan Grasswein zu Weyer der AehtLssin
Ursula Fegberger im Kaufe einen Acker zu Wasendorf. Am
22. März 1532 vertauschte dieselbe Oberin mit Niclas Körbler,
Bürger zu Judenburg, ein Feld zu Wasendorf gegen mehrere
Aecker im Spitalfelde. Siegler waren der edle Lorenz Hattinger,
röm. königl. Majestät Forstmeister in Obersteier, und Leonhard
Mayr, Bürger zu Judenburg. Mit der Aebtissin Barbara m
Goess tauschte das Kloster im Jahre 1540 die Kummerhabe
bei St. Lorenzen an der Mur gegen die Brunnmühle am
Gleinbache und das Mühlangerl an der Pölsen. Ebenfalk im
Tauschwege erlangte die Aebtissin Ursula am 30. November
1566 von Reinprecht Welzer zu Spiegelfeld die Oede in Stall-
baum für eine Hube ,an der BugrelP ob Moos bei St Marein.
Dem Gilg Stier ertheilte das Kloster am 14. April 1587 einen
Schirmbrief über Aecker zu Kaindorf bei Murau.^
Verschiedene Ereignisse im 16. Jahrhundert
Wie allen anderen Klöstern in den österreichischen Landen
wurde auch dem Paradeiskloster durch die sogenannte Quart
eine tiefe Wunde geschlagen. Durch Patent vom 12. November
1529 (Linz) ordnete König Ferdinand, um die Kosten zum
Türkenkriege zu decken, an, dass der vierte Theil der geist-
lichen Güter, beziehungsweise ihres Werthes auf den Altar des
Vaterlandes gelegt werden solle. Am 28. Jänner 1530 erfolgte
die specielle Ausfertigung für das Kloster.'* Es ist nicht bekannt,
wie hoch dasselbe taxirt worden ist, aber in Anbetracht des
Grund- und Gliltenbesitzes dürfte eine ziemlich grosse Summe
in Anspruch genommen worden sein. Am 28. Jänner 1530
^ ,Blittheiliingen des histor. Vereins für Steiermark^ VI, 44.
3 Ebenda.
> Regest aus dem k. k. Staatsarchiv in Wien.
431
quittirte der LandesfÜrst den Empfang von 600 Ghdden Kriegs-
ateuer.* In Beziehung zur Quart dürfte auch der von König
Ferdinand am 4. August 1537 ratificirte Verkauf zweier Kloster-
wiesen zu bringen sein. Die TUrkengefahr erheischte stets
neue Rftstungen, und es wurden daher Adel^ Geistlichkeit
und Bürgerschaft vom Staate um Darlehen angehalten. Auch
Kloster Paradeis erftlUte seine patriotischen Pflichten und gab
im Jahre 1541 dreihundert und im Jahre 1543 sechzig Gulden
zu diesem Zwecke.* Auch zur Stellung von Mannschaft war
das Kloster verpflichtet; so hatte im Jahre 1566 die Aeb-
tissin zwei Gültpferde und zehn Büchsenschützen beizustellen.
Am 3. October 1568 (Pettau) forderte Erzherzog Carl von der
Aebtisain Ursula Fegperger Auskünfte über folgende Punkte.
Sie möge nachweisen, welche Passiva sie beim Antritt ihres
Amtes vorgeftmden habe, was seitdem an Schulden gezahlt
worden sei, wie hoch sich das Einkommen in Geld und
Zehenten belaufe, welche Verwendung dasselbe finde, wie viele
und welche Personen das Kloster in und ausserhalb erhalte
und besolde, ob und welcher Wirthschaftsplan bestehe, in
welchem Zustande sich die Baulichkeiten befänden, ob noch
Güter und Renten verpftlndet seien. Dies Alles wolle er in
Erfahrung bringen, ,damit wir vns vollgents yber ains und
das ander zu vilbemelts gotshauss aufnemen vnd frumen gne-
digist zu entschliessen habend Hierauf erbat sich die Aebtissin
vom Propste Lorenz Spielberger zu Seckau Rath und Beihilfe,
,wie dan jeder zeit von ewer gnaden vorfarn bröbst sälliger ge-
dechtnus vns vnd vnsern closter jn dergleichen sachen mit
trewen erwisen worden*.' Mit der Canonie Seckau und deren
Pröpsten stand wirklich Paradeis in freundlich nachbarlicher
Verbindung, und die Frauen waren gewohnt, sich dort in
Rechtsfällen Rath und Beistand zu holen. So sah sich die
Aebtissin Barbara^ veranlasst, im Jahre 1579 den Propst
Lorenz zu ersuchen, er möge, da über sie ehrenrührige Reden
im Umlauf seien, ihre Vertheidigung in die Hand nehmen
und ihre Sache bei den erzbischöflichen Commissären, die
ohnehin jetzt im Lande wären, vertreten.^
1 Repertorium. > Machar, Vm, 461. 483.
' Beide Originale im LandesarchiT.
* Deren Familienname ist unbekannt.
^ Originalschreiben im Landesarchiv.
4B2
Auch die Brunnenfrage gab in diesem Jahrhundert An-
lass zu Verhandlungen. Am Freitag nach Christi Himmel&hrt
1530 gab König Ferdinand dem Pfleger zu Liechtenstein Hans
Kaming und dem Ratbe zu Judenburg den Befehl, das Kloster
in seiner Wasserleitung nicht zu beirren, wenn nur nicht dem
Schlosse ein Schade erwachse.^ Am Freitag vor Beminiscere
1559 schloss das Kloster einen Vergleich mit FVanz vod
TeuflFenbach, Sophia Galler Witwe und Christof Galler wegen
Legung der Brunnenrohre über das Feld des Paradeiser Holden
Simon Oeckrer. Im Jahre 1541 wurde eine Glocke angeschaflPt
und zu Ehren der heil. Justina geweiht.^ Im Jahre 1561 hatte
das Kloster die Ehre und Freude, eine seiner Bewohnerinnen,
Barbara Wolmuth, als Aebtissin in Timstein eingesetzt zu sehen.
Die Installation geschah am 12. März. Doch regierte sie dort
nur kurze Zeit, da schon am 24. November desselben Jahres Ur-
sula Walch als Aebtissin erscheint.^ Es ist daher wahrscheinlich;
dass Barbara Wolmuth wieder in ihr Mutterkloster zurück-
gekehrt und mit der späteren Paradeiser Aebtissin Barbara
(1577 — 1579) identisch gewesen sei.
Um das Jahr 1562 waren die Franciscaner von den
protestantischen Bürgern Judenburgs aus ihrem Kloster ver-
trieben worden, daher sahen sich die Ciarissen ihres geistlichen
Beistandes beraubt; die Verbindung mit dem Orden wurde
immer mehr gelockert, und endlich wurde das Kloster der
Jurisdiction des Salzburger Erzbischofs untergeordnet. ^Sorores
minus quietam et satis miseram vitam ducebant aliquot an-
norum lustris.'^ Daher kam es auch, dass die Erzbischöfe die
Wahlen der Aebtissinnen zu bestätigen hatten, was sonst den
Ministern des Ordens als Recht vorbehalten war. So confinnirtc
Erzbischof Johann Jacob am 1. September 1581 die Wahl
der Katharina Waschl und Wolf Dietrich am 28. November
1587 jene der Christina Kolberger (Khalenperger).*
Im Jahre 1577 gab es eine CoUision mit dem Spitale «u
Judenburg. Der Klosterhirte weidete eine Heerde von achtiig
1 Repertorium. ' Herzog, I, 719.
» Bi^lsky, ,Tirn8tein im V. O. M. B.* in ,Berichte und Mittheilungen d»
Alterthumsvereins zu WienS in, 171.
* Herzog, I, 606.
* Bepertorium. Aebtissin Christina stammt möglicher Weise ans der
Familie RUd von Kaienberg.
433
Frischlingen auf und an der Landstrasse^ und da mag es
geschehen sein^ dass eine Anzahl dieser Thiere in den Burg-
fried des Spitales gerathen war. Der Spitalmeister Hans
Grassl liess die ganze Heerde in den Spitalhof treiben und
gab sie erst nach längerer Zeit wieder frei. Die Aebtissin
Barbara sah in dieser Handlung eine Verletzung ihrer Rechte
und begehrte 100, später 40 Ducaten Busse vom Spital. Kurz
ein Process in optima forma war eingeleitet; Bischof Georg
Agricola von Seckau wandte sich in dieser Angelegenheit an
den Seckauer Propst Lorenz, um mit dessen Hilfe den Streit
zu schlichten.^ Der weitere Erfolg ist und unbekannt.
Gleich dieser Aebtissin Barbara scheint auch die Oberin
Christina Kalenberger eine eifrige Verfechterin des Kloster-
rechtes gewesen zu sein. Sie hatte mit den Brüdern OflFo
und Karl von TeuflFenbach zu Sauerbrunn Gülten getauscht
und meinte sich bei diesem Geschäfte verkürzt und über-
vortheilt, daher sie bei der niederösterreichischen Regierung
eine EJage einbrachte. Diese bestellte im Juli 1588 den
Seckauer Propst Wolgang Schweiger, den Abt von St. Lam-
brecht Johann Trattner und Ehrenreich von Mosheim, salzbur-
gischen Kastner zu Judenburg, als Untersuchungscommissäre.^
Indessen war sie von der Prälatur abgetreten, und ihre Nach-
folgerin Christina Zankl dürfte mehr friedliebender Natur ge-
wesen sein, denn die ganze Angelegenheit schien vergessen
zu sein. Aber 1595 hatte die Kalenbergerin wieder die Leitung
der Abtei in die Hände genommen. Ihr energischer Geist
holte die Papiere abermals aus ihren staubigen Gestellen
hervor und wiederum entbrannte der Process Paradeis contra
Teuflfenbach. Im Juli wurden der Propst Sebastian Koeler
von Seckau, der Admonter Abt Johann Hofmann und Adam
von Gallenberg zur Untersuchung abgeordnet und ein Ver-
handlungstag zu Sauerbrunn anberaumt.^ Ueber das Resultat
erfahren wir nichts weiter. Gleichzeitig beschwerte sich die
Aebtissin bei dem Admonter Prälaten, es werde ihrem Kloster
eine Erbschaft, welche schon die vorige Oberin Christina Zankl
nach dem Tode des vulgo Krotmayr zu Eppenstein hätte be-
konmien sollen, vorenthalten.
* ^ten des Landesarchivs.
' Acten des Landesarchirs.
' Acten im Admonter Stiftsarchiv.
434
Im Jahre 1585 setzte Erzherzog Karl nach Rücksprache
mit dem römischen Stuhle die 1562 vertriebenen Franciscaner
wieder ein und übergab ihnen ihr altes Kloster. Die Söhne
des heil. Franciscus, mit Recht eifersüchtig auf die Herhaltung
ihrer alten Satzungen und Gewohnheiten, machten bei Kirche
und Staat mit Beharrlichkeit die entsprechenden Schritte, um
wieder in die früheren Beziehungen zum Frauenkloster gelangen
zu können. Ihre Bemühungen wurden, wenn auch nach längerer
Zeit, vom Erfolge gekrönt, denn am 3. Juni 1598 incorporirte
und unterordnete Bischof Martin Prenner von Seckau als
Commissär des Salzburger Erzbischofs Wolf Dietrich das
Kloster Paradeis wieder dem seraphischen Orden und ?ne8 die
Nonnen an, dem Provinzial P. Anton Kemmerer gebührende
Obedienz zu leisten.^
Geschicke des Klosters im 17. Jahrhundert.
Die Blüthezeit des Klosters ist nun längst vorüber. Türken,
Feuersbrunst, die durch den Protestantismus bedingte freiere
Geistesrichtung, die sogenannte Quart, die stets wiederkehrenden
Anforderungen des Staates trugen bei, den materiellen Wohl-
stand zu schädigen und auch die innere Disciplin im Hause
zu lockern, so dass sogar eine Reform von aussen her als
nothwendig erschien.
Im Jahre 1607 ertheilte Papst Paul V. einen Abl&ss für
diejenigen, welche am Feste der Himmelfahrt Maria», als
am Patrociniumstage der Klosterkirche, dieselbe andächtig be-
suchen.^ Auch Urban VIH. öfl&iete im Jahre 1632 den Schatz
kirchlicher Indulgenzen, und zwar für die Bewohnerinnen des
Klosters, so oft sie die zum Andenken an die sieben Haupt-
kirchen Roms in den Hallen und Kreuzgängen aufgestellten
sieben Altäre besuchten, und wenn sie zu vier verschiedenen
Jahreszeiten die sogenannte heilige Treppe (scala sancta) aof
den Knieen sich fortbewegend erklommen hatten (,8i flexis
genibus conscenderint').^ An Stiftungen ist im ganzen Jahr-
hundert nur eine zu verzeichnen. Am 12. August 1613, König*
stetten, schenkte der Passauer Hofkammerrath Johann Kris-
1 Herzog, I, 607.
2 Herzog, I, 721.
•> Herzog a. a. O.
4a5
neritsch 6000 Golden für einen Jahrtag ^ ftir ein monatliches
Requiem und eine Messe an allen Qnatembertagen. Jedem
Priester sollen 8 Schilling und eine Wachskerze, am Jahrtage
den Armen 12 Gulden und den Franciscanern 15 Gulden ge-
reicht werden. Diese Stiftung bestätigte Erzherzog Ferdinand
am 24. Juni 1614, und der bezügliche Revers der Aebtissin
and ihres Conventes trägt das Datum 12. August 1614.^
Am 1. Juli 1614 schenkte Erzherzog Ferdinand, der be-
sondere Wohlthäter und Freund des Klosters,^ demselben ein
Fischwasser an der Pölsen, worauf am 5. Jänner 1615 eine
zu diesem Zwecke abgeordnete Commission die Grenzen des-
selben näher bestimmte.^ Auch bestätigte der erlauchte Fürst
am 30. April 1614 das Tafemrecht zu Fürth am Möschnitzbache.
Mit Wilhelm Rauchenperger zu Hainfelden tauschte im
September 1607 die Aebtissin Margaretha Grasl einen Acker
im Pirkfeld gegen einen solchen an der Elm, ein Baumgärtl
in Unterzeiring und zwei Aecker beim Rauchenperger altem
Hofstock, * und mit David Rauscher, Hammermeister zu Murau,
die Oede zu Stallbaum sammt dem Seewiesel gegen das Finken-
lehen ob Falkendorf bei Murau. ^ Bei einem Waldstreite mit
dem Stifte Admont Hess sich die Aebtissin Anna Resslmair
durch ihren Schaffner Matthäus Lackher vertreten. Der da-
mals (6. September 1614) geschlossene Vergleich wurde im
Jahre 1763 in mehreren Punkten abgeändert, wobei im Namen
des Klosters dessen Verwalter Peter Anton Schabl inter-
venirte. Es handelte sich um Wald- und Weidenutzung zu
Aichdorf bei Fohnsdorf.^
Wir haben schon hervorgehoben, dass unser Paradeis bei
den Pröpsten des nahen Seckau oft Rath und Hilfe gesucht
und gefunden habe. Ein besonderer Gönner des Frauenklosters
war der Propst Anton de Potiis. Dieser schenkte 1630 den
1 Acten im steierm. Landesarchiv.
' Eine Reihe von Briefen, welche wir im Aaszuge mitzutheilen in der
angenehmen Lage sind, wird uns über die wahrhaft freundschaftlichen
Benehnngen des ElnhenBOgs und nachmaligen rtfmischen Ktfnigs und
seiner Oemablin Maria Anna hinlänglich unterrichten.
' Repertorium.
* Acten im Landesjurefaiy»
^ Ebendaselbst.
^ Admonter Archiv.
ArehiT. Bd. LIIUI. II. Hilft«. 29
436
Nonnen den Göltlhof (Goldhof). Als König Ferdinand diese
seinen Schützlingen erwiesene Wohlthat erfahren hatte^ richtete
er ein eigenhändiges Anerkennungsschreiben an den Propet*
Am 24. Februar 1637 erhielt das Klöster im Tauschwege Ton
Andreas Eder zu Kainbach ungenannte Güter. ^ Am 20. Juni
1664 wechselten Abt Raimund von Admont und die Aebtissin
Anna Mai-ia Preuenhuber Wiesen zu Buch.^ Im Jahre 1676 ver-
pachtete Admont auf sechs Jahre dem Frauenkloster den Stadt-
und Bergzehent um Judenburg für jährlich hundert Thaler. Der
Berg- (Bürgler) Zehent wurde gehoben im Ossergraben, Rastat,
Oberweg, Reifling, Auerling, am hangenden Weg und zn
Fehberg. Ausgenommen war der an den Freiherm Heinrichs-
berg in Bestand hintangelassene Zehent. Am 6. Mai 1677
gab Pudentiana Reichenauer, geborne Geyer von Geyersegg,
testamentarisch ihr Gut Oberdorf bei Mariahof sammt Zugehör
den Clarissen.^ Mit dem Rathe zu Judenburg schloss das
Kloster am 1. Jänner 1680 einen Vergleich bezüglich der An-
lait und anderer Gaben und Dienste von zwei Häusern und
einem Garten in der Stadt. Später im Jahre 1756 stellte der
Rath einen Revers aus, das Jus inventandi in diesen Häasera
nur in dem Falle üben zu wollen, wenn auf denselben ein
bürgerliches Gewerbe geübt würde.*
Abermalige Absicht, das Kloster an einen andern Ort xn
übertragen. Klosterreform.
Luther's Lehre hatte auch zu Judenburg schon frühzeitig
Fuss gefasst. Die Franciscaner waren 1562 aus ihrem Kloster
verdrängt worden, und Paradeis musste auf die Tröstungen
seiner geistlichen Führer Verzicht leisten. Die Bürgerschaft
und der Adel auf den umliegenden Schlössern hielt zur Lehre
des Reformators von Wittenberg und untersagte seinen Fraaen
und Töchtern jeden Verkehr mit den Nonnen. Die natüiüche
» Herzog, I, 719.
3 Bepertorinm. Da Eder das Schloss Bothentharm bei Jadenbaij^ und
die Mauth zu Zeiring innehatte , dürften die Taoschobjecte wohl in
dieser Gegend zu suchen sein,
s Bevers der Aebtissin mit zwei Siegeln im Admonter Arehir.
* Bepertorinm.
^ Ebendaselbst.
437
Folge war, dass sich keine oder nur wenige Frauen zum Ein-
tritte in das Kloster meldeten und der Convent eine immer
schwächere Anzahl von Gliedern aufwies. Zwar war im März
1600 die Gegenreformation auch in Judenburg ins Werk ge-
setzt worden ; aber die Nachwehen des Protestantismus und
der den Klöstern abholde Geist waren noch lange fUhlbar.
Es mag hier bemerkt werden, dass keine der Nonnen vom
katholischen Glauben abgefallen war. Die Schwierigkeit der
Verhältnisse und die geringe Aussicht, dass der Convent sobald
wieder zum vorigen Flor gelangen werde, Hessen den Ent-
schlußs fassen, in ein anderes Kloster desselben Ordens zu
ziehen. Diesem Wunsche kam die Erzherzogin Maria, Witwe
Carls von Steiermark, welche kurz zuvor (1603) das Clarissen-
kloster zu Allerheiligen im Paradeis zu Graz gegründet hatte,
entgegen, indem sie die Judenburger Nonnen einlud, sich dem
neuen Kloster in Graz einverleiben zu lassen. Verhandlungen
wurden im Jahre 1605 eingeleitet, und Ihrer fürstlichen Durch-
laucht Commission gab den Paradeiserinnen folgende Punkte
kund: Man fragt, ob sie geneigt seien, sich der in ihren Stift- und
Privilegienbriefen enthaltenen Rechte und Pflichten zu begeben ;
die Renten und der volle Besitz soll dem Kloster in Graz
,appUcirt vnd allerdings vniert^ werden. Die Nonnen sollen
bedenken, dass ihre Transferirung ihrem Seelenheile erspriess-
lich sei und mit päpstlichem und landesherrlichem Consens
vor sich gehe; ein Inventar des Ellosters und ein Vermögens-
ausweis sei vorzulegen; endlich soll Rebhuen^ die klösterlichen
Beamten controliren und ,aller8eits vleissige Administration
praestiem'.^ Nach einigen Bedenken formulirten die Nonnen
folgende Bedingungen, unter welchen es ihnen allein möglich
scheine, nach Graz zu gehen. Es komme ihnen bedenkUch
vor, ihr altes Erlöster zu verlassen, weil es nach den Inten-
tionen der Stifter nur zu Judenburg zu bestehen habe und
60 viele fromme Fundationen an die Kirche im Paradeis ge-
bunden seien. Um ihr Gewissen zu entlasten, möge die geist-
liche und weltliche Obrigkeit die Verantwortung auf sich nehmen;
die dem Kloster gehörigen Liegenschaften soUen nicht ver-
äussert werden; man möge sie nicht verpflichten, fUr immer
* Sigmund Bephnenf Pfarrer zn Pols und früher zn Judenbnrg.
^ Act des Landesarchivs ohne Datirung.
438
in Graz zu bleiben, sondern ihnen die Zusage machen ^ zu
fiiglicher Zeit wieder ihr altes Heim beziehen zu dürfen; sie
wollen auch in Zukunft dem seraphischen Orden und öster-
reichischen Provinzial unterworfen sein, ,sintemahlen ihnen wohl
bewusst ist (welches sie auch leichtlich in kein Vei^essenheit
stellen werden), was ftir ein confusion, irr- vnd zerrittung
damahls vnter denen Schwestern gewest ist, als sie ausser des
h. Ordens schütz gelebet haben'; sie wollten daher keiner andern
Provinz untergeordnet sein als ihrer bisherigen, der öster-
reichischen, und sie seien entschlossen, früher keinen Schritt aus
ihrem Kloster zu machen, bevor sie nicht mit ihrem Provinzial,
den sie stündlich erwarten, Rücksprache gepflogen hätten.'
Da die Ciarissen in Graz ihre ersten Schwestern aus
St. Jacob in Mainz erhalten hatten, standen sie (bis 1687)
unter der Jurisdiction der Strassburger-Bayrischen Provinz.
Dieser Umstand war für die Frauen des Judenburger Klosters
in erster Linie entscheidend, daher blieben sie in ihrem alt-
gewohnten Hause. Immerhin muss einige Gefahr dem Kloster
gedroht haben, denn sonst hätte der Generalcommissär des
Ordens, Alphonsus Requesens, nicht Anlass gehabt, am 3. De-
cember 1605 eine Zuschrift an die Nonnen zu richten. In
dieser ermahnt er sie, womöglich in Judenburg auszuharren,
so lange nicht offene Gewalt stündlich in ihr Haus einzugreifen
drohe. In diesem Falle erlaube er ihnen, in das Kloster ihres
Ordens zu Brixen zu fliehen und dort ruhigere Zeiten ab-
zuwarten. Diese Zuschrift sollte ihnen als Geleitschein dienen
und ihnen auf der Reise sowohl, als in Brixen selbst freund-
liche Aufnahme und liebevolle Behandlung verschaffen.'
Doch gestalteten sich die Zustände besser und hoffnungs-
reicher, und die Schwestern sahen keinen Anlass mehr, den
Wanderstab zu ergreifen. Aber sie waren zur Erkenntniss
gelangt, dass nur eine eingreifende, vom Orden selbst aus-
gehende Reform im Haupte und in den Gliedern den geistigen
und materiellen Glanz ihres Hanses wieder herstellen könne.
Die Aebtissin Margaretha Grasl, welche die Last ihrer Würde
schwer drückte, und der Convent betrieben diese Angelegen-
heit bei der Erzherzogin Maria Anna, der Gemahlin Ferdinands,
> Hemog, I, 708.
) Henog, I, 709.
439
und richteten im Beginne des Jahres 1609 ein Sendschreiben ^
an die Oberin des Königsklosters zu Wien, Agnes PurckoflFsky,
mit der Bitte, sie möge ihnen eine Reformatorin senden. Selbst-
verständlich musste die ganze Sache an den römischen Stuhl
gebracht werden, und Paul V., welcher mit Freuden diese
Sehnsucht nach einer geistigen Erneuerung des Klosters ver-
nahm, Hess am 3. October 1609 durch den Cardinal Borghese
an den Nuntius in Graz Job. B. Salvaggo (Salvagi), Bischof
von Luni-Sarzana , den Auftrag ergehen, die Uebersiedlung
von zwei Frauen aus Wien nach Judenburg einzuleiten, deren
eine hinlänglich geeignet wäre, die Reform durchzuführen und
die ganze Leitung des Klosters zu übernehmen.^ Diesem Be-
fehle nachkommend, gab der Nuntius dem Provinzial P. Bona-
ventura Daumius (Tomio) folgende Weisung. Er möge zwei
Chorfrauen aus dem Königski oster^ welche die dortigen Nonnen
zu wählen hätten, nach Paradeis abordnen, und die Ueber-
siedlung derselben sei mit möglichster Schnelligkeit in Be-
gleitung einer ehrbaren Matrone so zu veranstalten, dass die
Schwestern auf der ganzen weiten Reise sich als inner der
geistigen Clausur der Ehrbarkeit und des sittlichen Anstandes
betrachten sollen. ^
Der Convent zu Wien bestimmte die zwei Chorschwestern,
Anna Röslmayr und Barbara Furtwagner und die Laien-
schwester Barbara Schwäger zu dieser schwierigen Mission.
Erstere war zur Reformatorin und Oberin im Paradeis be-
stimmt. Bevor aber Schwester Anna die schwere Bürde
ihres Amtes übernahm, stellte sie bittweise acht Bedingungen,
unter welchen sie allein einen glücklichen und nachhaltigen
Erfolg ihrer Thätigkeit erwarten könne. Diese waren: Der
Provinzial möge jährlich in eigener Person das Kloster visitiren ;
der Beichtvater der Nonnen soll dem Franciscanerorden an-
gehören; ihr imd ihren Genossinnen stehe die Rückkehr nach
Wien frei, wenn sie im Paradeis nichts ErspriessUches zu wirken
im Stande wären ; das Kloster soll in die Lage gesetzt werden,
Auswahl in Fastenspeisen beschaffen zu können; bezüglich der
Disciplin, des Gottesdienstes, Chorgebetes und der internen
^ »Litteras patbeticis in termmis ab omnibus subscriptasS Herzog, I, 710.
^ Ebendaselbst.
f Ebendaselbst.
440
Verrichtungen sollen die Statuten des Königskloster mass-
gebend sein; die Aufnahme von Candidatinnen soll dem Con*
vente freigestellt werden; ein eifriger Prediger aus dem Orden
sei nothwendigy und endlich soU die Clausur auch fremden
Frauen nicht zugänglich sein. Die Erfüllung dieser Bedingungen
wurde am 4. Februar 1610 zugesagt; worauf die drei auser-
lesenen Schwestern in einem geschlossenen Wagen unter der
schützenden Begleitung der Edelfrau Veronica von Mollard,
gebornen von Holleneck, in Judenburg ankamen. Hier wurde
nach der Resignation der bisherigen Oberin Margaretha Grasl,
um der Form zu genügen, Anna Röslmayer von dem Convente
einstimmig gewählt (,absens postulata, praesens vero denuo
electa^). Am 26. Februar 1610 bestätigte der Provinzial Gabriel
Bonaventura Daumius diese Wahl und stellte in der bezü^ichen
Urkunde^ der neuen Aebtissin das glänzendste Zeugniss ihrer
Tugenden aus.
Anna Röslmayr war in zarter Kindheit an den Hof der
ehemaligen Königin Elisabeth von Frankreich, der Tochter
Kaisers Maximilian H., gekommen, und als diese 1582 das
Königskloster zu Wien gegründet hatte, trat sie in dasselbe
und bekleidete später daselbst durch zwölf Jahre das Amt
der Priorin, bis ihre Berufung nach Paradeis erfolgte. Da die
Wahlen damals nur auf drei Jahre sich erstreckten, wurde sie
siebenmal gewählt, ein Beweis, dass sie die Liebe und das
volle Vertrauen ihrer Mitschwestem genoss und vollauf den
Erwartungen entsprochen hat, welche man schon bei ihrer
ersten Berufung vorausgesetzt hatte. Die innere Reform des
Klosters gelang ihr in erfreulicher Weise, und auch die äusseren
Verhältnisse besserten sich. Sie lebte wahrhaftig heiligmässig,
und zwei merkwürdige Ereignisse, welche sich bei ihrem am
21. April 1630 erfolgten Ableben zutrugen, waren geeignet,
den Ruf ihrer Frömmigkeit in ferne Kreise zu tragen.' Als
man im September 1635 die Fundamente zu einem Neubau
legte, wurde ihre sterbliche Hülle erhoben und unversehrt
^ Herzog, I, 712. Die Urkunde ist gegeben ^Judenbnrgi ex aedibiu eon-
fessomm^ woraus erhellt, dass die Franciscaner, welche als BeichtWUar
und Prediger im Paradeis fungirten, ein eigenes Haus bewohnt haben.
2 P. Anton Stöckler, ,Tugent-8piegel* , Wien 1676, 8. 437. P. Fortunit
Huber, ,Stammen-Buch oder . . . Vorstellung . . . aller Heyligen nn^
Seeligen . . .' München 1693, S. 207.
441
gefunden. ^Corpus elapso quinquennio , dum vetus claustrum
minae proximum reaedificaretur, ab operariis e£Fo8um gratum
spargens odorem; flexibile; et pallidum in vivacem mutans
colorem incorruptumque ad omnium stuporem repertum est/^
üeber diesen Vorgang wurde ein Protokoll aufgenommen und
von Conrad Haller, Stadtpfarrer, Anton Liscuthin, J. U. Dr.,
Hermann Heinricher von Heinrichsperg, Burggrafen zu Juden-
huTgy und Adam Gbimming, Pfleger zu Fohnsdorf, unterfertigt.
Als Zeugen waren noch vier Judenburger Bürger beigezogen.
Um Stil und Richtung dieses Protokolls anschaulich zu machen,
geben wir hier wörtlich den dritten Punkt desselben: ,Drittens
anbelangend die Kleyder, seynd selbe gantz und frisch, das
Scapulier in allen bey seiner rechten Färb und der Schlayr
nur ein wenig auf der Seiten herumb schleissig; darbey auch
neben ihr ein PfillterP von Holtz um den Hals hangend,
welcher sambt den seydenen Schnürl und dem Creutzl aus
Federkiel gemacht, auch S. Joannis Evangelium darinnen, ganz
miverletzter zu sehen gewesen. Nicht weniger drey Cräntzl
von Blumen- Werck, deren Seyden noch guter Färb imd einer
darunter von falschen Gold sehr glantzend; die zerribene
Blumen aber geben von sich ihren natürlichen Geruch.'
Wir sehen, dass die Aebtissin ohne besondere Kenn-
zeichen ihrer Würde, ohne Beigaben von Edelmetall bestattet
gewesen ist imd also wie im Leben so im Grabe die Armuth
ihres Ordens gewahrt wissen woUte. Der Leib wurde nun in
einem Holzsarge verschlossen im gewöhnlichen Klosterfriedhof
beigesetzt, und als am 3. August 1650 eine abermaÜge Ex-
humirung vorgenommen wurde, fanden sich nur noch die Ge-
beine und wurden selbe in die Gruft der Aebtissinnen über-
tragen. ^
Freundliche Beiiehungen des Klostert zum Begentenhauie.
Wir haben schon oben bemerkt, dass schon 1605 die
Erzherzogin Maria die Uebersiedlung der Ciarissen nach Gh-az
lebhaft gewünscht und betrieben habe. Die Aebtissin Anna
Röslmayr war in ihrer Jugend längere Zeit am Hofe der Erz-
» Heraog, I, 712.
' Bofenkranz.
» Herzog, I, 716.
442
Herzogin Elisabeth^ verwitweten Königin von Frankreich, und
als sie Oberin im Paradeis geworden war, wurde sie von den
Mitgliedern der steirischen Linie des Hauses Habsburg geehrt
und ausgezeichnet. Aber auch eine andere Klosterfrau, Anna
Elisabeth Freiin von Brenner, war im steten Contacte mit dem
erzherzoglichen Hofe. Sie war die Tochter des Obersthof-
marschalls Jacob Brenner und der Magdalena Renata Freiin
von Preising. Sie war Hofdame bei Maria Anna, der Gemahlin
des Erzherzogs Ferdinand. Ihr Klostername war Francisca»
Das Verhältniss der beiden Nonnen Anna und Francisca, der
Aebtissin und Priorin, zum Hofe in Graz darf fast ein familiäres
genannt werden und hatte auch fUr das Kloster seine guten
Folgen.
Wir sind in der angenehmen Lage, eine Reihe von Briefen '
im Auszuge mittheilen zu können, welche die Erzherzogin Maria
Anna an unsere Paradeiserinnen gerichtet hat. An diese schhessen
sich ein Schreiben des Erzherzogs Maximilian Ernst, Gross-
meisters des deutschen Ordens, und ein solches der Erzher-
zogin Maria Magdalena, Grossherzogin von Florenz. Wir skiz-
ziren hier kurz den Inhalt dieser Briefe. Am 26. Mai 1611
sendet Maria Anna der Aebtissin ein Altartuch. Die eiserne
Thür sei schon fertig und werde ehestens hinaufgelangen. Am
15. Juni bedauert sie, dass das Klostergebäude im schlechten
Zustande sei und wenig Mittel vorhanden wären, den nöthigen
Neubau zu fUhren. Sie schickt der Aebtissin ein Intercessions-
schreiben an Abt Johann von Admont, damit derselbe tausend
Gulden vorschiesse. Sie möge der Schwester Brenner sagen,
sie (die Prinzessin) und ihr Gemahl hätten am letzten Kirch-
tage ihrer nicht vergessen, sondern hätten eine Truhe voll
Gewürz f\ir sie in Bereitschaft. Schliesslich empfiehlt sie sich
,sambt meiner klainen Pursch'^ dem Gebete des Conventes. In
einem Postscriptum berichtet sie, dass ihr Schwager, der Pfalz-
graf, sich zur katholischen Religion bekehrt habe. Am 11. De-
cember drückt sie an die Franzisca Brenner ihr Mitleid aus,
dass es dem Kloster nicht am besten gehe, und sendet Seide
und Gold- und Silberftlden zu weiblichen Handarbeiten. Ein
> Zwei Originale, die übrig^en Copien im Landesarchir.
9 Kinder der Ersberao^n: Jobann Carl damals 6 Jabre nnd Ferdinaod
3 Jabre alt.
443
Dinrnale habe sie bestellt und ein Bildet^ auf welches Erz-
herzog Ferdinand, ihr Gemahl; seinen Namen schreiben werde.
Sie fragt an, ob die königliche Brant* ihnen etwas geschenkt
habe. In einem Schreiben an die Äebtissin vom 12. December
beklagt sie den Tod der frommen Königin von Spanien. Die
versprochene Fastenspeise werde sie ehemöglichst senden. Sie
habe kein Antiphonar auftreiben können, werde aber ein solches
schreiben lassen. Am 18. December richtet sie wieder einen
Brief an Francisca Brenner. Sie spricht ihren Dank aus, dass
das Kloster einen Trauergottesdienst ftir die spanische Königin
gehalten habe.
Vom 9. Jänner 1612 datirt ein Schreiben des Erzherzogs
Maximilian Ernst an die Brenner. Er bedankt sich fttr den
Keujahrswunsch und fUr das erhaltene Agnus dei. Zugleich
sendet er Südfrüchte und Zucker und fUr die Äebtissin zwölf
Ellen goldene Borten. Am 4. April berichtet die Erzher-
zogin Maria Anna der Priorin Brenner über zwei Ordenscan-
didatinnen; die eine sei aus München, die andere eine Tochter
der Doctorin Clar.^ Ihre Kleine,^ schreibt sie, lässt Dank
^en für das Ohrgehänge; sie darf es aber noch nicht tragen,
um nicht ho£Färtig zu werden. Sie sendet Gewürz und ,Wein-
berl' und ihr Gemahl drei Zuckerhüte und das versprochene
Bildl mit seinem Namenszug. Dieser sei aber ,was aussgelest^;
das habe der Ferdinand^ gethan, weil er, ,ehe es Trukhen
worden', darnach gelangt habe. Aus dem Briefe geht auch
hervor, dass damals der Botenverkehr von Graz über Lanko-
witz und die Stubalpe nach Judenburg gegangen sei. Am
31. Mai schickt die Erzherzogin in Begleit von wenigen Zeilen
ein ,LöbersälbeP. Am 6. Juli schreibt sie der .Brenner, der
Rottal habe das Geld schon bereit, und man möge nur die
schriftlichen Behelfe einsenden.^ Sie empfiehlt zwei Mädchen
^ Hier ist die Erzherzogin Margaretha gemeint, welche als Gemahlin des
Königs Philipp III. von Spanien am 3. October 1611 gestorben war.
* Maria Magdalena Clar erscheint noch 1637 ab Nonne in Paradeis.
' Erzherzogin Maria Renata, etwas über 2 Jahre alt.
* Nachmals Ferdinand III., damals nicht völlig 4 Jahre alt.
^ Es handelte sich nm das Heiratsgnt einer gebomen Rottal nnd ver-
witweten Teuffenbach, welche unter dem Namen Clara in das Kloster
getreten war.
444
ftlr das Kloster; sie habe selbe indessen im Paradeis zu Gras
untergebracht. Am 6. August 1613 sendet sie für eine kranke
Nonne einen Ring. ^Derfft nicht gedenkhen^ das etwan eine
Zauberei oder aberglauben seye.' Sie berichtet^ dass sie nach
Neustadt reise ^ dort woUe sie Glasscheiben und Blei für das
Kloster einkaufen. Den letzten Brief an die Breuner richtete
Erzherzogin Maria Anna am 2. August 161Ö. Sie spricht in
demselben von Gütern des Klosters, welche die Judenbuiger
in Händen hätten ^ von der Liechtensteiner Capelle und einer
Geldschuld an Admont. Sie stellt eine Ordensnovizin in Aus-
sicht, erzählt; dass der Hof in der Gegend von Brück des edlen
Waidwerkes sich erfreuen werde , und es ihr dann vielleicht
möglich sein werde, einen Besuch im Paradeis zu machen. Am
15. October 1616 schrieb Maria Magdalena, Grossherzogin von
Florenz, an die Breuner. Sie bedankt sich für das Q^bet de^
selben und tröstet sie über den Tod der Erzherzogin Maria
Anna.* Sie wisse den Verlust zu würdigen, welchen das Kloster
erfahren habe. Sie trägt der Breuner auf, auf ein Pathenkmd
(aus dem Hause Frank), ein wachsames Auge zu richten. Im
Jahre 1619 hatte eine Klosterfrau in Paradeis ein Gratulati<m8-
schreiben an Ferdinand H. gerichtet aus Anlass der erlangten
Würde eines römischen Königs. Am 7. November beant-
wortete er diese Zuschrift.^ Wir können nicht irren, wenn
wir in jener Klosterfrau die Schwester Francisca Breuner er-
bhcken. Nach dem Tode der Oberin Anna Röslmayr wurde
sie 1630 zur Aebtissin gewählt, xmd sie ist am 22. Juli 1637
als solche gestorben. Hier mag noch einer Tradition gedadit
werden, welche im 18. Jahrhundert unter den Nonnen vot-
breitet war. Es sollen nämlich zwei Erzherzoginnen im Kloster
den Schleier genommen haben, und eine sei sogar die Schwester
(!) des Papstes gewesen. ,Harum nomina edisserere nequeunt,^
bemerkt Herzoge imd Caesar sagt: ,Nomina quidem eanun
latent.' Als Beweis für die Richtigkeit der ihnen liebgewor-
denen Ueberlieferung pflegten sie ein auf Pergament geschrie-
benes Diumale vorzulegen, dessen Einband ein erzherzogliches
Wappen trug. Wir wissen jedoch aus dem Briefwechsel der
Erzherzogin Maria Anna mit der Schwester Francisca Breuner,
i Gestorben am 18. Märe 1616 zu Gras.
2 ,Mitth. des histor. Vereines für Steiermark^ lY, 26.
445
dsLss entere versprochen hatte^ ein solches Buch schreiben zu
lassen, und als es einlangte, war es wohl mit dem Wappen
der hohen Geberin geschmückt.
Sonstige Vorfalle im 17. Jahrhundert. Kirchen- nnd Klosterban.
Ueber den höchst baufklligen und ruinenhaften Znstand
der Klostergebäude haben wir schon in dem Briefe der EJrz-
herzogin Maria Anna vom 15. Juni 1611 eine Andeutung ge-
funden. Im Jahre 1606 wandte sich die Aebtissin Margaretha
Orasl an die Landschaft um Beihilfe zum Neubau, und die land-
schafüichen Ausgabenbücher^ enthalten unter 19. September
dieses Jahres die Stelle: ,Frauen Margretta Abbtessin des
Junkfirau Closters s. Clarae Ordens zu Judenburg, die auf der
ftlrstl. Durchlaucht gnedighiste Intercession zur Erhebung irs
paofelügen Closters vermüg Landtags Ratschlag vom 3. Fe-
bruar 1605 guet gemacht 150 Gulden.' Uebrigens scheint
unter dieser Aebtissin, welche 1610 abgedankt hatte und am
21. September 1616 als Priorin gestorben war, nicht viel
gebaut worden zu sein. Ihre Nachfolgerin^ Anna Röslmayr, griff
mit gewohnter Energie den Plan wieder auf, den Bau zu
beginnen. Es gelang ihr auch, zwei Flügel des Klosters und
das Kastengebäude unter Dach zu bringen,^ Sie wurde in
ihrem Vorhaben von ihrer mächtigen Gönnerin, der Erzherzogin
Maria Anna, sehr gefördert, welche ihr Materialien zum Baue,
wie eine eiserne Thtir, Fensterscheiben, Blei und Anderes
schenkte und auch ein Anlehen zu Bauzwecken vermittelte.
Erst den zwei nächstfolgenden Aebtissinnen war es vorbehalten,
Kirche und Kloster neu und stattlich herzusteUen. Die Land-
schaft wies 1633 abermals einen Beitrag an.^ Die Dotationen
der Nonnen wurden der Baucasse zugeführt und von Wohl-
thätem flössen Gaben ein. Der grossmüthigste Helfer in der
Noth war aber der Seckauer Propst Anton de Potiis. & liess
auf seine Kosten die Kirche sammt Thurm neu bauen und
drei Altäre errichten. Eine Gedenktafel sollte dieses seltene
' Herausgegeben von Kümmel in ,Bei träge znr Kunde steiermärkischer
QescbichtsqnellenS XIV, 56.
* Herzog, I, 718.
' .Beiträge znr Kunde steiermärkiscber GeschichtsquellenS XVI, 117.
* Abscbrift im Landesarcbiv.
446
Beispiel von Munificenz noch auf die späte Nachwelt bringen.
Eine kleinere Inschrift ober dem Thore der Elirche besagte:
,Beneficio s. ecclesiae Seccoviensis MDCXXXVÜ.' Die Kirche
hatte drei Altäre zu Ehren Marias, des heil. Franciscus und
der heil. Clara. Am 6. December 1637 weihte Bischof Johann
Marcus von Seckau das Gotteshaus sammt Zugehör. Als Patro-
cinium wurde das Fest Maria Himmelfahrt und als Dedi-
cationsfest der Dienstag nach Ostern erklärt. Aebtissin Anna
Elisabeth Francisca Brenner erlebte nicht mehr die Ein-
weihung der Kirche. Ihre Nachfolgerin Euphrosina Victoria
Pichler baute das an das Erlöster anstossende Haus der Francis-
caner, gewöhnlich die Residenz genannt, im Jahre 1648 vom
Grund auf.*
Dieses Haus wurde in der Regel von vier bis fünf Ordens-
brüdern bewohnt, welche den Gottesdienst besorgten, als Beicht-
väter fiingirten und deren Superior den Titel ,Prae8iden8' ge-
führt hat. So erscheint in den Necrologen des Franciscaner-
Ordens am 13. December 1640 P. Ludovicus Pollinger Prae-
sidens Judenburgi apud moniales s. Clarae. 1646 P. Accureius
Ludermann Praesidens obiit in Paradyso Judenburgensi. Am
12. December 1648 stirbt der Beichtvater P. Mauritius Mitter-
hoffer, dem der ehrende Nachruf folgt: ,Innocentiae decus et
religiositatis splendor nuncupatus.' Am 14. Februar 1696
verlässt das Irdische der Praesidens P. Bonagratia Knaupp.'
Aus der Zeit der Aebtissin Euphrosina haben sich mehrere
Nachrichten erhalten. Sie beschwerte sich am 24. November
1637 beim Rathe zu Judenburg wegen Abstrafung ihres Unter-
thans Bartholomäus Höd und ästimirte die Verletzung ihres
gutsherrlichen Rechtes auf 100 Thaler.' Mit dem Rathe schloss
sie am 1. Juni 1639 einen Vertrag bezüglich des Abfallwassers
aus dem heil. Geistspitale.^ Eine besondere Auszeichnung
wurde dem Kloster zu Theil, als 1644 zwei seiner Bewohne-
rinnen in das Clarissenkloster St. Hieronjmus in der Singer-
strasse zu Wien berufen wurden. Dieses von Eleonora, Ge-
mahlin Ferdinand H., 1623 gestiftete Kloster hatte im Laufe
der Jahre seine älteren und brauchbarsten Mitglieder verloren
1 Henog, I, 722.
> Benogy I, 100. 104. 122. 123.
* RatbsprotokoU der Stadt Judenbnrif.
« Ropertoriam.
447
und wurde von einer Aebtissin geleitet, welche weder der
deutschen Sprache, noch einer ökonomischen Gebahrung kundig
war. Dieses veranlasste die Stifterin Eleonora und die Ordens-
Torstände, an Abhilfe zu denken. Am 30. Mai 1644 richteten
der Generalcommissär des Ordens, Franciscus Maxentius ab
Arco und der Provincial Paulus de Tauris ein Sendschreiben
an Aebtissin und Convent im Paradeis, dass sie dem Wiener
Ehester ,mit zweyen eyfrigen, an Jahren und Verstand genug-
samben und zur Regierung tauglichen und erfahrnen Mütter
Vorsehung tun sollen'. Es sei dies auch der Wunsch der
Kaiserin Eleonora, und es läge im Interesse des Paradeisklosters,
Personen in Wien zu wissen, welche mit Mitgliedern des
Kaiserhauses verkehren und dem steirischen Kloster von
Nutzen sein könnten. Die beiden Nonnen sollten in Begleitung
des Hofrichters und seiner Gemahlin die Reise antreten.^ Aus
der Judenburger Frauen gemeinde waren Maria Renata Dietl
und Barbara Mechtildis Kirchbichler ^ für diese Mission aus-
erwählt worden. Auch an sie richteten die oben genannten
Ordens vorstände ein Schreiben.^ Maria Renata starb als
Aebtissin am 11. Juni 1663 und ihr folgte als Oberin zu
St. Nicolaus Barbara Mechtildis, welche am 15. April 1684
das Zeitliche gesegnet hat.^
Im Jahre 1645 waren die Schweden nach der Schlacht
bei Jankau bis hart an Wien vorgedrungen und hatten alles
Land nördlich der Donau in ihren Händen. Es galt daher.
Alles zu versuchen, um Wien zu retten und den Feind zurück-
zuwerfen. Es mussten genügende Mannschaften aufgebracht
werden, und das kostete G^ld. Es wurde ein allgemeines An-
lehen ausgeschrieben. Am 22. Mai 1645 eräoss eine Zuschrift
des Kaisers Ferdinand HI. an die Aebtissin, in welcher vom
Kloster tausend Ghilden auf drei bis vier Jahre mit Sicher-
stellung auf der Saline zu Aussee gefordert wurden.^
Der Abt Urban von Admont hatte dem Frauenkloster
die Bewilligung ertheilt, in dem zur Herrschaft Admontbüchel
* Herzog, I, 716.
^ Die Kircbbiohler besassen um diese Zeit das Scbloss Rotbenthurn bei
Judenbarg.
* Henog, I, 717.
* Henog, I, 742.
^ Abtcbrift im Landesarcbir.
448
gehörigen Lavantsee fischen zu dürfen. Am 17. Mai 1646
stellte die Aebtissin Euphrosina einen Revers aus, dass sie,
wenn und sobald ein WideiTuf erfolgt, von der Ausübung des
Fischrechtes abstehen wolle J Dass das Kloster Paradeis noch
im Jahre 1660 im Genüsse des Fischwassers sich befunden
habe, erhellt aus einem Briefe des Admonter Küchenmeisters
P. Blasius Schräger an den Verwalter zu Admontbüchel, worin
jener diesen anweist, für die Frauen im Paradeis ein neues
Seenetz machen zu lassen.
Der 23. März 1649 war für das Kloster ein Tag des
Schreckens und Unheiles. Während die Nonnen die Vesper
sangen, schlugen plötzlich aus dem Gebälke des DachstuUes
die Flammen empor. Die Hilfe der Bürger Judenburgs und
der Bewohner der Nachbarschaft machte es möglich, den
Brand auf die Dachungen zu beschränken, doch war der
Schade dennoch so gross, dass die Mittel des Conventes für
die völlige Restauration nicht ausreichten imd die Aebtissin an
den Wohlthätigkeitssinn der allerhöchsten Persönlichkdten zu
Wien zu appelliren sich genöthigt sah. So gelang es ihr ^ in
kurzer Zeit die Spuren des Brandes verschwinden zu lassen.^
Sehr willkommen mag daher auch im Jahre 1651 das Geschenk
von 1000 Gulden von Seite einer Frau Kirchbichler^ gewesen
sein, welche eine Anverwandte, Schwester Barbara Renata
Echinger, im Kloster hatte.
Am 5. Mai 1650 bestätigte auf ,unterthänig8te Bitte^ die
Hofkammer den Bezug des Salzdeputates aus Aussee, ^ und
am 10. April 1656 bewilligte Ferdinand DI. den Nonnen ,bey
U. L. Frauen im Paradeyss' 36 Fuder Salz.**^ Am 18. November
1651 anerkannte der ELaiser das alte Recht des Klosters, fbr
seine Tafeme zu Fürth bei St. Peter aller Orten Wein kaufen
und daselbst ausschenken zu dürfen.^ Am 1. August 1655
starb die verdienstvoUe Aebtissin Euphrosina Pichler. Ihre leib-
liche Schwester Victoria Katharina folgte ihr in der Regierang.
> Gleichzeitige Abschrift im Admonter Stiftsarchiv.
' Herzog, I, 721.
3 Ein Christian Kirchbichler war 1625 Besitzer des Schlosses Rothenthim
bei Jndenburg.
* Bepertorinm.
6 Herzog, I, 262.
* Repertorium.
449
Mit den Steuern und Abgaben an die Landschaft scheint das
Kloster mitunter schwer aufgekommen zu sein^ denn im Jahre
1658 wandte sich der Rath zu Judenburg an die Landschaft
um Bewilligung einer GültenpfUndung, weil die Aebtissin mit
einem Leibsteuerreste von 145 fl. 4^^ 19^ im Rückstande sei.
Am 13. Februar erfolgte daher von Seite der Landschaft eine
diesbezügliche Mahnung.^ Im selben Jahre wurden drei Glocken
angeschaft und zu Ehren der Heiligen Josef, Clara und Antonius
geweiht. 2
Am 25. Mai 1659 (Laxenburg) erfolgte die Bestätigung
des Klosters und seiner Rechte und Freiheiten durch ELaiser
Leopold I.^ Als am 3. September 1660 die Aebtissin Victoria
Katharina Pichler mit Tod abgegangen war, fiel die Wahl des
Conventes auf die Schwester Anna Maria Prevenhuber. Ihre
Eltern waren Hans und Eva Prevenhuber.* Am 7. November
1667 bewilligte die Büi^erin Eunegunde Oexl dem Kloster,
die Brunnleitung durch ihren Garten zu fUhren, gegen einen
Naturalzins von jährlich einem Achtel Roggen.^
Um 1670 wurde die Tochter des Grazer Bürgers und
Schmiedmeisters Johann Bayer, während sie beim Kegelspiele
zusah, unversehens dui'ch die Schiebkugel schwer verwundet.
In ihrem gefährlichen Zustande gelobte sie eine Wallfahrt
nach Lankowitz^ und sie trat nach erlangter Gesundheit als
Schwester Francisca in das Judenburger Erlöster. ^ Die Aebtissin
Anna Maria Prevenhuber leitete das Kloster durch sechzehn
Jahre und schied am 15. Jänner 1676 aus dem Leben. Von
nun an sollte nach Anordnung der geistlichen Obern keine
Aebtissin ununterbrochen länger als drei Jahre ihres Amtes
walten. Daher finden wir als Oberinnen 1676 — 1679 Christina
Sosanna Ramschüssel^ 1679—1682 Esther Bosalia von Pichl
und 1682—1685 wieder Christina Susanna. Abermals wurde
^aubt^ die Oberin nach Ablauf der drei Jahre unmittelbar
wieder wählen zu dürfen^ und so geschah es, dass Maria
> Act im steienn. LftndeMrchiy.
' Herzog, I, 719. ' Bepertoiitim.
* Im Jahre 1668 wurde ein bei der Innerberger Hauptgewerkschaft an>
liegendes Capital per 4407 Gulden (das Erbtheil der Aebtissin) dem
Kloster gutgeschrieben. Repertorium.
^ Bepertorium.
" Hietling, ,Mariani8ches Jahrbuch*, Wien 1720, I, 62.
450
Febronia Neuringbeuer innerhalb der Jahre 1685 — 1721 nicht
weniger als eilfmal gewählt wurde. Gewiss ein glänzendes
Zeugniss der Liebe, Achtung und des Vertrauens, welche ihr
ihre Mitschwestern zollten. Schon im Jahre 1253 war Paradeis
dem Mutterkloster St. Damian zu Assisi einverleibt worden.
Im Laufe der Jahrhunderte mögen die Beziehungen zwischen
Tochter und Mutter immer schwächer geworden und endlich
aus der Erinnerung geschwunden sein. Endlich scheint man
im Jahre 1689 die Erneuerung der Incorporation wieder be-
trieben zu haben, denn das Repertorium des Klosters ftihrt
ein Schreiben an des Joh. B. Serugia, Secretär der päpstlichen
Gesandtschaft in Wien, jenen Gegenstand betreflfend. Ener
anderen Quelle i entnehmen wir die Notiz, der römische König
Josef habe bei seinem Vater Leopold eine jährliche Oelgabe
für das Kloster bewirkt. Hat diese Sache ihre Richtigkeit, so
kann dieses nur zwischen 1690 — 1705 geschehen sein.
Die letzten Jahrzehnte des Klosters bis zu dessen Aufhebung.
In der Geschichte der Klöster darf man es als Regel
hinstellen, dass das Urkundenmateriale immer geringer wird,
je mehr sich die neuere Zeit nähert, aber dafür die Acten-
menge so anwächst, dass es schwer hält, selbe zu über
sehen und zu bewältigen. Paradeis macht hier eine Ausnahme.
Urkunden haben sich im Original oder in Abschrift bis in
das sechzehnte Jahrhundert herab zahlreich erhalten, aber sehr
enttäuscht fühlt sich der Historiker, wenn er an der Hand
der Acten die Geschichte des Klosters weiter ft^khren will, aber
keine mehr vorfindet. ^ Das Kloster hatte ein eigenes Archiv-
gebäude, und das noch vorhandene Repertorium lässt auf den
guten Zustand und erheblichen Inhalt der daselbst bewahrten
schriftlichen Denkmale schliessen. Wir dürfen daher annehmen,
dass die Archivalien, wenigstens die Acten, entweder schon
bei der Aufhebung des Klosters oder durch Schuld und Zu-
lassung der späteren Besitzer des Gebäudes der Verüichtmig
anheimgefallen sein werden. Aus dieser Ursache kann die
1 Leithner, ,Monographie von JudenbargS S. 81 mit der JahrsAhl 1661 (I).
> Das Landesarchiy, diese reiche Fondgrabe für geschichtliehe Forsohongt
besitzt äusserst wenig an Paradeisacten, und dieses Wenige haben wir
bentttst.
451
Sehildemng der Ereignisse des 18. Jahrhunderts im Paradeis-
kloster nur korz gefasst werden.
Es war Sitte in den Erlöstem, ihre Stifts- und Privilegiums-
briefe durch jeden neuen Regenten bestätigen zu lassen. Solche
Confirmationsurkunden erliessen fUr Paradeis Joseph I. (1706,
2. Oct., Wien), Carl VI. (1713, 29. März, Wien) und Maria
Theresia (1742, 21. April, Wien).i Der spanische Erbfolge-
krieg und die EinfkUe der Kurutzen nöthigten 1704 den Staat,
Contributionen in Geld und einen Theil des Kirchensilbers zu
Ejriegszwecken zu fordern. Dass das Judenburger Kloster
Beides beisteuern musste, erhellt aus einem Berichte, ^ worin
die Verwendung der aus der Silberablieferung entspringenden
Interessen nachgewiesen wird. Im Jahre 1705 weihte der
Seekauer Bischof Franz Anton Rudolf Graf Wagensperg eine
Glocke in honorem s. Laurentii fUr Paradeis. Im Jahre 1711
soll das Kloster abermals von einer Feuersbrunst heimgesucht
worden sein.^ Am 22. Mai 1712 starb im Residenzhause
P. Vitus Prosperger.* Im Jahre 1719 hatte das Kloster einen
Process zu führen mit Maria Constantia Aichberger geborenen
Pansch eines Erbschaftsrestes wegen.^ Mit der IHlrstin Maria
Charlotte von Eggenberg wegen des Holzungsrechtes im Man-
dorferwalde bei Neumarkt entstand 1722 eine Irrung. Am
26. März 1721 war die Aebtissin Maria Febronia Neuringbeuer
gestorben, welche durch 36 Jahre ihres Amtes gewaltet hatte.
Die Wahl fiel nun auf Anna Maria Rosmann, welche dann
noch fünfinal gewählt wurde.
Der 1637 errichtete Hauptaltar der Klosterkirche wurde im
Jahre 1723 durch einen neuen G^^^g^ elegantioris formae') er-
setzt, und 1727 wurden die zwei Seitenaltäre und die Kanzel
neu gebaut. Auch die ganze Kirche wurde einer Restauration
imterzogen.^ Aebtissin Anna Maria sah sich öfters genöthigt, die
Rechte ihres Gotteshauses vor der Landschranne zu vertheidigen.
So 1725, als die Unterthanen wegen Abgabensteigerung Be-
sehwerde führten; 1727 entstand ein Streit mit St. Lambrecht
' Bepertoriam. Herzog, I, 721.
' R^>ertoriiiiD.
* Ciesar, ^imales* II, 243. Heraog und Leithner erw&hnen derselben nicht.
* Henog, I, 106.
^ Bepertoriam.
* Hersog, I, 722.
ArehiT. Bd. LIXUI. U, HUfte. 30
462
wegen des Jus lignandi; 1732 mit der Herrscbaft Liechtenstein
wegen Beseitigung eines Zaunes bei einem Zinsgote , und
1733 — 1736 wegen der Reisachhube im MöschnitzgrabenJ
Säcularfeier der Kirche. Beschreibung der B[irohe und des
Klosters.
Am 6. Jänner 1637 war die auf Kosten des Propstes
Anton de Potiis von Seckau erbaute Kirche mit besonderer
Feier geweiht worden. Im Jahre 1737 galt es, das erste Jahr-
hundert dieser neuen Kirche würdig zu begehen. Der Pi^
Clemens XII. gewährte allen Theilnehmern an dieser Feier
einen .vollkommenen Ablass. Der Präses der Franciscaner-
Residenz P. Hermann Lechner leitete alle Vorkehrungen, und
die Kirche wurde prachtvoll geschmückt. 2 Die Feier begann
am 23. April und währte durch acht Tage. Das Capitel des
Domstiftes Seckau betheiligte sich an den Festlichkeiten und
P. Josef CoUenegg S. J. hielt die Festpredigt.^ Die neu er-
baute Pforte der Kirche erhielt die Aufschrift:
ECCLesIae CeLebrato prIMI saeCVLI IVbILo haeC pw^
noVa sVrreXIt.
Von dieser Zeit an wurde auch der bis zur Klosterauf-
hebung dauernde Gebrauch eingeführt, jährlich drei Tage
hindurch alle Armen der Umgebung mit Speise und Trank zu
erquicken. Das Kloster zählte im Jahre 1740 einund vierzig
Nonnen und im Residenzhause wohnten fUnf Franciscaner, und
zwar der Präsident, der Beichtvater, der Prediger, der t%liche
Messeleser und ein Laienbruder, welcher als Sacristan an-
gestellt war.*
Wir beschreiben nun Kirche und BJoster, wie selbe im
Jahre 1740 beschaffen waren und wie sie sich im Grossen und
Ganzen bis zur Aufhebung (1782) dem Beschauer darboten.^
Die Kirche, auf festen Grundmauern ruhend, war klein und
licht. Vom sogenannten Triumphbogen hing ein in H(Jz
^ Repertoiiam.
' jEcclesia per totmn sjmboliB, emblematibiis, pictnris, fl<mbiis alüsqno
ejosmodi oroamentiA, prmeeipae arm mi^or, decdrata.' Hersog, I, 721
' Leithner, S. 84.
« Henog, I, 180. 722.
» Nach Hersog, I, 719.
453
gescfamlEtes kolossales Kreuz herab ^ in welchem zahlreiche
BeUquien eingelassen waren J Der Thurm^ solid aus Steinen
aa%ef&hrt und mit Weissblech gedeckt, enthielt ftlnf Glocken
geringen Gewichtes (^minoris soni^, deren älteste aus dem Jahre
1541 (?) gestammt haben soll. Weiteres über die Kirche weiss
onsere Quelle nichts zu berichten, desto mehr über das Kloster.
Dasselbe bildete (mit der Kirche) ein regelmässiges Viereck,
hatte zwei Stockwerke und ein Dormitorium. Es waren über
siebzig Zimmer und Zellen und eine Anzahl von Magazinen,
eine Infirmarie, Apotheke, Paramentenkammer, Refectorium,
Archiv u. s. w. Herzog, welcher den Frauen das höchste Lob
crtheilt,^ beschreibt dann wieder einige Reliquien, welche im
Kloster aufbewahrt wurden, und kommt dann auf ein Marien-
bild^ zu sprechen, welches uralt sei und früher in der Kirche
zur öffentlichen Verehrung ausgestellt gewesen sei. Zur Zeit
der lutherischen Wirren habe man es aus der Kirche entfernt
und in der Capelle, wo die Aebtissinnen begraben werden,
aufbewahrt; es sei auch bei allen Feuerbrünsten unversehrt
geblieben. Innerhalb des Conventgebäudes waren sieben Altäre,
der Siebenzahl der Hauptkirchen Roms entsprechend, aufgestellt
und gab es eine heilige Treppe, in welcher Reliquien ein-
gemauert waren.^ Der Garten, welchen die Nonnen selbst
pflegten,* hatte eine geringe Ausdehnung, und an der Wand
einer Umfassungsmauer erblickte man Frescogemälde aus der
Leidensgeschichte des Herrn. Von diesem Garten durch die
Kirche getrennt, lag der Friedhof der Conventschwestem,
durch welchen man in die Kirche gelangte.
Wir berichten nun noch das Wenige, was sich acten-
massig über unser Kloster nachweisen lässt. Am 12. September
1743 stellte das Kloster, anlässlich eines zwischen der Diener-
schaft desselben stattgefundenen Excesses (,nach ereigneten
Raufhandeln zwischen ihren Hausdomestiquen*), dem Rathe zu
Judenburg einen Revers aus, dass es der landgerichtlichen
^ Herzog f&brt dieselben einzeln an.
' ySorores yitae mommqne integritate, pietate ao religione apnd omnes
in reneratione . . . yitam reUgiosissimam traducentes cum summa men-
tinm tranquillitate/
' ficon deiparae virginis an ex lapide an ex terra coeta figurata ignoratur.*
* Beide Objecte waren schon im Jahre 1632 vorhanden.
* ,Qnem coliint sorores.' Herzog, I, 720.
80»
454
Jurisdiction der Stadt nicht nahetreten wolle, aber auch nicht
gesonnen sei, sich in seinen Privilegien kränken zu lassen J
Am 13. April 1744 wurde mit der Stadt ein Vertrag geschlosseo;
betreffend die Neuanlage der Wasserleitung über den Purbach
und durch einige Gründe der Bürger.^ Im Jahre 1765 wxude
der Thurm restaurirt und eine diesbezügliche Urkunde im
Knaufe desselben hinterlegt.^ Vom Jahre 1770 hat sich ein
Professbrief der Schwester Maria Jacobina auf Pergament mit
einem aufgeklebten Christusbilde erhalten.* Vom Frauenstifte
Göss hatte Paradeis seit langer Zeit jährlich ein Almosen
von einem Startin Wein bezogen. Im Jahre 1773 wurde
dieser Bezug aufgehoben.^ Um 1775 zählte der Convent nebst
der Aebtissin und Priorin 23 Chorschwestern und 12 Laien-
schwestem.^ Confessarius Ordinarius war P. Angelicus Super,
Confessarius extraordinarius: P. Pacificus Sumnacher, Sonntags-
prediger: P. Marinus Haslinger, Festtagsprediger: P. Emeramus
Lipoumigg, sämmtlich aus dem Judenburger Franciscaoer
convente. Am 1. November 1774 verpachtete die verordnete
Stelle in Steier dem Kloster den Weinaufschlag im Amte
Doblegg (Dobeleck) und von den Bergholden in der Pfarre
Hitzendorf auf zehn Jahre.'' In der Sterbmatrik der Stadtpfarre
Judenburg vom Jahre 1776 steht die Eintragung^ dass CatharinA
Schraiff, gebürtig aus Tirol, mit Erlaubniss des Pfarrers ^
coemeterio apud moniales^ beerdigt worden sei. Die Verstorbene
dürfte eine Wohlthäterin oder treue Dienerin des Klosters
gewesen sein.
Die Aufhebung des Klosters. Zustand der Gebäude nach derselben
und in neuerer Zeit.
Eine der tiefeingreifendsten Reformen Kaiser Josefs D.
war die Aufhebung der meisten Klöster. Jene Ordensinstitute,
^ Repertorium.
3 Ebendaselbst.
' Im Landesarchive.
^ ,Mitth. des histor. Vereines für Steiermark^ X, 65.
^ »Chronik des Stiftes Qoess* in Zahn, ,SteiermSrkiBche Geschichtsblitter',
V, 206.
' yBestandtheUe und Eintheilung der heutigen DiOcese Seckaa vor circt
hundert Jahren*. Graz 1878, S. 39.
"^ Repertorium.
456
welche keine praktische Wirksamkeit nach Aussen ühten^
welche weder Unterricht noch Krankenpflege besorgten, sondern
nur dem beschaulichen Leben huldigten, wurden nach dem
herrschenden Utilitätsprincipe als fUr die Menschheit und das
Gemeinwohl unnütz zuerst aufgehoben.^ Zu dieser letzten
Gattung von Klöstern zählte auch Paradeis. Es unterhielt
weder Schulen, noch ein Spital, und seine Bewohnerinnen ver-
kehrten im Geiste ihres Ordens und ihrer Stiftung nicht mit
der AuBsenwelt. Wohl wechselte bei ihnen das Chorgebet mit
d^ Arbeit. Sie bebauten ihren Garten, und die kunstfertige
Hand der Nonnen spann, webte und nähte manch kirchliches
Kleid und gewiss auch manches Kleidungsstück fbr die Armen
und deren Eander.
In Graz wurde für Innerösterreich eine eigene Commission
aufgestellt. Dieselbe bestimmte die aufzuhebenden Erlöster, er-
nannte zu diesem Zwecke die Commissäre und überwachte
die Agenden derselben. Mitglieder dieser Commission waren
Graf Wenzel Sauer, Freiherr Christoph von Rottenberg und
Franz von Ploekner.^ Die Aebtissin Maria Catharina Drexler
in Paradeis wollte den ihrem alten Ordenshause drohenden
Schlag ablenken, indem sie die Erklärung abgab, sie sei daran,
im Kloster ein Spital für Frauen und eine Erziehungsanstalt
flir Mädchen zu errichten;^ allein diese Erklärung kam zu
spät und schon am 22. Jänner 1782 erschien der Commissär
Gubemialrath Graf Wenzel Sauer im Convente und wies das
Aufhebungsdecret vor. Der Convent, welcher damals 33 Köpfe
zählte, fügte sich in Demuth in das Vorhergesehene und Un-
vermeidliche, und die Nonnen baten um Schutz, Kleidung und
Nahrung für die Zukunft. Die Aebtissin, 47 Jahre alt, machte
geltend, sie habe an Erbschaft und Schenkung 36000 Gulden
dem Kloster zugebracht. Für sie wurde eine Pension von
365 Gulden ausgeworfen. Die Nonnen, befragt, ob sie in einen
andern Orden oder in ein anderes Kloster treten wollten,
gaben nur unbestimmte Antworten. Zwei derselben erklärten,
«u den Elisabethinerinnen in Klagenfurt gehen zu wollen. Eine
achtzigjährige Nonne hatte nur die Bitte, man möge ihr ein
' Hock, ,Der österreichische Staatsrath'. Wien 1879, S. 396.
* Wir folgen hier den Angaben von Wolf, ,Die Aufhebung der Klöster
in Innerösterreich 1782—1790*, S. 66.
* Leithner, 8. 86.
456
Krankenzimmer in Graz anweisen, um dort ruhig sterben za
können. Die übrigen erhielten eine Pension und verf>en sich
zu ihren Anverwandten. Zwei sollen nach Aussage alter Bürger
in Judenburg abgelebt haben. Der Bischof von Seckau entband
alle ihrer Gelübde, der Guardian der Franciscaner übernahm
die für die Kirche gemachten Stifhmgen, und die EÜrche selbst
wurde execrirt und gesperrt. Das Activvermögen des Klosters
wurde auf 195748 Gulden geschätzt, davon entfielen auf Siübet
und Prätiosen 10319 Gulden (darunter eine Monstranze im
Werthe von 2000 Gulden), auf Weinvorrath 2632 Gulden, auf
Mobilien und Fahrnisse 1611 Ghilden, auf den Viehstand, aof
Getreide, Futter und ökonomische Geräthe 4967 Gulden raid
auf liegende Gründe und Häuser 100381 Gulden. Die Passiva
beliefen sich auf 31553 Gulden. Das Kloster besass das Domi-
nium Paradeis mit drei Meierhöfen (Paradeiserhof, G^ltlhof
und Steinmayrhof), ein Gut bei Graz (wohl Morschdorf bei
Mooskirchen), das Amt Doblegg, eine Gült in Kärnten mit
fünf Unterthanen, vier Bergrechte bei Leibnitz und den Wald
Lercheck bei Zeiring.
Der sämmtliche Grund- und Gültenbesitz des Klosters
gelangte nun in die Verwaltung des Staates und führte den
officiellen Titel ,ReIigionsfond8herrschaft Paradeis^ Es hat sich
noch eine ,Oekonomi8che Beschreibung der Religionsfonds-
herrschaft Paradeis bei Judenburg' vom Jahre 1795 erhalten,
welche die Unterschriften des Verwalters Franz Liebmann und
des Controlors Franz X. Sprung trägt. ^ Diese Beschreibung
gibt ein Bild von dem Zustande des ehemaligen ELlosterbesitzes
und zwar dreizehn Jahre nach der Aufhebung. Wir entnehmen
derselben einige nicht uninteressante Notizen.
Herrschaftsgrenzen lassen sich nicht feststellen. Die Herr-
schaft hat acht Aemter, deren Unterthanen zum Theile viele
Meilen, ja ganze Tagreisen von Judenburg entfernt sind. Das
Fischrecht wird ausgeübt in der Mur, in der Pölsen und im Brct-
Steinerbach. Die Unterthanen sind in 60 Ortschafl^n, 31 Pfarren
und 26 Werbbezirken zerstreut. Es gibt 60 grosse Bauerngüter,
28 mittlere, 33 kleine und 72 Ueberländ- oder Zulehens-
gründe. Der Gelddienst an die Herrschaft beträgt 1281 Gulden
31 V4 Kreuzer und die Naturaleindienung (in Weizen, Roggen
) I^andesarchiv in Graz.
457
und Hafer) 548 Hetzen 12 Maäsl. Dazu kommen das zehn-
procentige Laudemiom und die üblichen Veränderungsgebühren.
Die kämtnerischen Unterthanen wurden hintangegeben. Die
Weingärten um LeibnitZ; Marburg^ und Radkersburg hat man
zur Staatsherrschaft Herberstorf geschlagen. Die Meierhöfe
sind schon im Jahre 1788 sammt ihrem Zugehör öffentlich
versteigert worden. Der Postacker (9^/4 Joch) durfte nicht
"w^^ggogeben werden, weil er für die Judenburger Garnison
als Sxercierplatz nothwendig ist, und die Stadt zahlt für den-
selben einen Bestandzins von achtzig Gulden. An Waldungen
und Teichen ist Alles weggekommen. Den Baum- oder Küchen-
garten beim Verwaltungsgebäude und einige innerhalb der
Ringmauer gelegene Grasflecke benützt der Oberbeamte. An
Gebäuden bestehen: Das Stiftsgebäude, 30 Klafter lang, 20
breit, gemauert, mit Brettern eingedeckt, hat zwei Stockwerke.
Zu ebener Erde befinden sich ein Vorhof, drei Keller, vier
Speisgewölbe, zwei Küchen, drei Einsetze, zwei Capellen, ein
Friedhof (1), sieben Zimmer und ein gewölbter Gang mit drei
Treppen; im ersten Stocke drei Eürankenzimmer, ein grosses
Befectorium, das Zimmer der Aebtissin, sechs Kammern, sechs
Zimmer und ein gemauertes, mit Ziegeln gedecktes, feuerfestes
Archiv; im zweiten Stocke 42 Zellen, das Beichtzimmer, das
Novitiatszimmer, der Betchor und die Mehlkammer. ^ Dieses
Gebäude ist auf 1500 Gulden geschätzt, findet aber keinen
Liebhaber; es wird immer bauflUliger, kann ohne grosse Kosten
nicht reparirt werden und wirft keinen Ertrag ab. Das Ver-
waltungsamtsgebäude ^ ist 20 Klafter lang und 5 breit, hat zu
ebener Erde einen Keller, drei Zimmer, eine Küche und einen
gewölbten Gang und im ersten Stocke acht Zimmer. Es ist
im guten Bauzustande. Der Getreidekasten hat sieben Zimmer.
Die Wohnimg des Gerichtsdieners umfasst zwei Zimmer und
zwei Arreste. Ausserdem ist noch eine Stallung sammt Wagen-
remise vorhanden. Hiemit endet die ökonomische Beschreibung
vom Jahre 1795.
Die Herrschaft Paradeis gelangte 1824 durch Kauf an
Emilie von Pech^, geborene Freiin d' Aubigny, und von dieser
1836 3 an Josef Sessler. Die Wirthschaftsgebäude erwarb der
1 Eine Beschreibung der Kirche mangelt
' Die ehemalige Residenz der Franoiscaner.
3 Nach Leithner im Jahre 1832.
^i^rw*TTu^ Tnsan lk\^ K3r*«- mic yHmpr rng
eir:; ^T^ - ci^c «i« d««: jimc:g*a>CK: Sucäi: äst
tieli* ^yi^f urd *:ri d«a pSulj^iäl S
I>er «iS^ü^nbiriLlb^k« Lofideiarcrli&rjb'je Cir: Hje»
>S«r;t 1*06 iet Herr Frwix Habiuriiel P* **"''*»■ ^er efcc-
ouJ^^'rf. K]r/«UTg<;bäude. LHeser Herr war »• grftffg, «u
eiui^e SzMihtichx^u üb*fr t^iiie Bei::erktt::je2t xsi Fssie ak-
zuxL^/A'^Uy mit WH\*:hHn wir on^cre Kk^^rpe&jrUck^^e ^escUesenL
Aku t>e*V;D war da« gei«tliclie Haa§ '^Beadecz der FFUboscaner)
erltaJteo. f^n Tract des Klosters war euu Tqattwaiwko;
ron den zwei anderen waren alle PlafoiMls. Fas»b5da isd
Oew<>lbe darcbgeM;lilagen: dieses war ancli bei den Giagen
zu ebener Erde der F^all, 50 daßs man von diesen aas durch
die zwei Stockwerke auf das Dach sehen konnte. Das Archiv
mit drei Gewölben trotzte noch dem Ruine. Was die Kirche
l>etrifft, trug ein Benitzer das Dach ab, sein Xachfolger
C, Mayr den oberen Tbei! des Gebäudes und unser Gewihr»-
mann den Rest. An der Stelle der Kirchenruine wurde non
ein Garten angelegt, bei welcher Gelegenheit man auf die
Gruft der AebtisHinnen stiess. Man fand das Mauerwerk sch<m
von zwei Seiten durchgeschlagen und den Boden durchwühlt
Kinige Gel>eine und eine Schuhschnalle aus Messing waren
der ganze Fund, Die Klosterruine wurde in ein Wohnhaus
für Arbeiter und kleine Parteien umgestaltet Gel^entBch
dicHCS Baues fand man in einem Keller einen sieben Fuss im
Durchmesser haltenden Pfeiler, welcher das Gewölbe durch-
brach und noch das obere Gelass stützte. Zwischen diesem
Pfeiler und der Hauptwand führte eine Treppe empor und
« »Monographie von Judenbnrg^ S. 86.
> »Mltth. dea hUtor. Vereines fUr Steiermark*, VII, 216.
459
führte zu einem nur 30 Zoll im Quadrate fassenden hohlen
Raum. Dieser hatte eine dreifache Deckung: zuerst eine dichte
Platte aus Eisenblech ^ darüber eine weisse Steinplatte und
dann erst ein Ziegelpflaster. Man glaubt, dass hier einst die
Werthgegenstände der Kirche und des EJosters verwahrt wurden.
Nicht weit davon war das Refectorium, ein zwölf Klafter langer
Saal, an dessen Schmalseiten sich eine Nische (für eine Statue)
und Spuren eines Gemäldes zeigten. Im Baumgarten an der
Mauer gewahrt man noch fast völlig unkennbare Reste von
Fresken.
Beihenfolge der Aebtissüinen.^
1254—1258 Benedicta.
1424 Clara Pranker.
1258-1264 CäcUia.
1436. 41. 54—56. 63 Marga-
1287 Clara.
retha Hohenberger.
1293 FJi«abeth.
1463. 66. 67. 70. 72. 74 77.
1300. 04. 05. 09. 10 Diemut.
80. 84. 91. 1500 Bar-
1318 Adelheid von Liechten-
bara Payner.
eteio.
1509. 14—17. 24. Margaretha
1327 Catharina.
Trauner.
1329 Diemut.
1530. 62. 64. 66 68. Ursula
1334. 35 Margaretha.
Fegperger.
1339. 40 Agnes von Liechten-
1577. 79 Barbara.
stein.
1581 1 1587 Catharina Waschl.
1340—47 Leucart von Saurau.
1537 Christina Kalenberger.
1348 Elsbet Welzer.
1590 Christina Zankl.
1348. 49 Agnes Saurer.
1595 Christina Kalenberger.
1354. 55 Wüburgv.PfafiFendorf.
1606. 08. 10 Margaretha Grasl.
1361. 63. 64 Catharina Verber.
16 10 1 1630 Anna Rosslmayr.
1368 Christina.
1630— 1 1637 Anna Elisabeth
1369 Catharina Verber. *
Francisca Freiin Breu-
1395. 1402. 05. 06. 10 Marga-
ner.
retha Chnol.
1637 1 1655 Euphrosina Vic-
1413 Clara Schinckh.
toria Pichler.
1416 Meyla von Min-j
1655— 1 1660 Victoria Catha-
kendorf. ^I^ -/
rina Pichler.
1416 Mila die Pey- '^:
1660—76 Anna Maria Preven-
schatterin.
huber.
* So weit selbe in Urkunden und Acten vorkommen.
460
1676 — 79 Cbristina Susanna
Ramschüssl.
1679—82 Esther RosaJia von
Püchl.
1682 — 85 Christina Susanna
Ramschüssl.
1685— 1 1721 Maria Febronia
Neuringbeuer.
1721. 29. 37. 40. Anna Marii
Rosmann.
1765 Maria Rosalia Egg^.
1768 — 73 Maria Catharin»
Drexler.'
1773 Maria Rosalia Egger.^
1782 Maria Catharina Drexler.
Verzeichniss der aus Urkunden und Acten bekannten Vonnen.
1277 Adelheid von Hof.
1318. 47. 53 WüburgvonPfef-
1297 Chunegunde Leglaer.
fendorf.
1289 WUburg.3
1320 Mechtilde von Pndten-
1290 Matza von Reifenstein.
furt.
1290 Genta von Reifenstein.
1322 Diemut.
1290 Agnes von Weisseneck.
c. 1323 Seldena.7
1293 Benedicta.
1327 Elsbet von Lobnung.
1300 Elisabeth.
1331. 57. 84 Catharina Verber.
1301 Gertraud.^
1338 Kathrein.»
1304 Margaretha.*
1339 Margaretha Trüller.
1304 Catharina. 5
1339 Mai^aretha Unkel.»
1306 Catharina von Windisch-
1339 Dorothea (von Dieters-
grätz.
dorf).
1309 Leueart von Saurau.
1340 Catharina Chaeczer.
1310. 47 Berchta Puztramer.
1340 Clara (von Mitterdorf).
1311 Adelheid von Liechten-
1342 Margaretha.««
stein.^
1345 Agnes.
1311 Cunegunde von der
1345 Chunegund (von Wolfs-
Gleyn.
^ berg).
* Geboren 1717 zu Wien.
3 Seit 1718 Nonne in Paradeis und siebenmal gewählt.
' Aebtissin zu Tirnstein.
^ Nichte der Chunigunde von Reifenstein.
^ Tochter des Grazer Bürgers Oetschlein.
^ E^cheint schon 1291.
' Aebtissin zu St. Veit in Kärnten.
B Tochter des Jndenburger Bürgers Jekel des Schneiders.
* Wohl identisch mit der 1348 vorkommenden Margaretha von Gras.
10 Tochter des Conrad von dem Stein.
461
346 Yime (von Salzburg).
346 Agnes von Liechtenstein.
346 Diemut.1
348 Elsbet Welzer.
348 Margaretba.^
349 Margaretha Nenmeister.
352 Catharina Chiistina
Mueleich.^
363 Mai^aretha die Sjmonin
von Graz.
353 Cunegonde Paomaister.
354. 90. 91. 1404. 05 Magda-
lena Verber.
357 Dorothea.^
357 Elsbet Besecherin.
358 Margaretha die Hof-
schneiderin.
358 Gertraud Unkel.
358 Cunegunde (von Tal-
heim).
361 Catharina TrUUer.
361 Aleis.s
361. 1416 Margaretha.»
361. 64. Ursula.*
361. 93. 1401. 06 Anna.»
363 Anna.*
363 Catharina v. Windisch-
grätz.
1364 Margaretha Chnol.
1369 Dorothea von Fohnsdorf.
1370—72 Dorothea die Wige-
lasin.
1372, 76. 89. Elsbet von Stu-
benberg.
1393 Ursula die Pignötlin.
1402 Anna von Stubenberg.
1406 Anna von Spangstein.
1449 Clara Pranker.
1454 Veronica.'
1464 Apollonia Schachner^
Priorin.
1466 Margaretha.®
1474 Cäcilia v. PfaflFendorf.
1475 Anna von Ligist^ geb.
Pranker.
1477 Margaretha Welzer.
1480 Catharina.»
1491 Catharina. <«
1490—1500 Potentiana.ii
1503. 06 Dorothea.i2
1561 Barbara Wolmuth.*'
1579 Catharina Ehessler.
1610 Barbara Furtwagner.
1610 Barbara Schwäger.
1611—30 AnnaElisabethFran-
cisca Freiin Brenner,
1 Tochter des Murauer Bürgers Niclas Lederer.
' Tochter des Bürgers Jacob Nikel zu Judenbnrg.
' Lebte noch im Jahre 1399.
* Tochter der Sophia Haubenporstl.
' Verwandte der Brüder Hans und Hang ron Goldeck.
^ Tochter des Judenbnrger Bürgers Peter Schneider.
^ Mnhme der Barbara Munsmaister.
^ Tochter des Jndenborger Bürgers Georg Sporer.
* Tochter des Hans Walz im Lungau.
1^ Schwester des Hans Wulz, Bürgers za Gmünd.
^' Schwester des Neumarkter Pfarrers Jacob Prantol.
*' Der Mayrin zu Pfaffendorf Tochter. .
>^ Wurde Aebtissin zu Timstein.
1.^*'
Sophia XeX
Marü Ttf
X
Catkmrätt lingL
n
n
ff
n
n
n
— 1«4 Barbara Meclitflde
KirchbieUer.
— 1644 Maria Renata
DietL
Anna Snsanna EUsabedi
Panmgartner.
Catharina Victoria Pich-
1er.
Anna Clara Goeaeer.
Anna Maria Prevenhuber.
Maria Anna GrOnpökh.
Rebecca Elisabeth Geyer.
Anna Mayr.
Margaretha Martha
Gull«».
Leonora Wamblsberger.
ir-
lei
1570— 17J0 F]
1*7
Bajo.
17IÄ
>« Mana Comtaata Reitter
m 27. Jitt-
dieses Jabcs).
17<d3— 7^ BcMfcta Stepb
mg^, PrionB.^
1765 Catharima Drexl^, Prio-
r
* *
n
n
j?
j?
ij
17
7)
17
Antonia
XaTeria MaetsauL
\lcloria Pinr.
AJexia Felder.
Lndovica Ddgn.
Hyacintha FrendenbicU.
Coleta BartU.
Bemardina Schaffer.
Joliana Penntner.
Barbara Seisser.
Anna Schreiber.
Constantia Hopf.
Engenia SteinbüehL
Gabriela Kunstat
Clara Stephanigg.
Bonaventura Eder.
Rosa Schrekenfax.
Francisca Haslinger.
Theresia Eggstain.
' torfthj^r «ririM Oraser Borgers.
* OflWftfi 1730 tn Obdach.
463
176Ö Rosalia Bnrgstaller.
CreBcentia Schweiger.
Magdalena Fink.
Martha Neumann.
Hortulana Richter.
Floriana Mayr.
Monica Zigler.
n
n
ff
1766 Veronica Gatzaer.
„ Agatha Eberger.
yy Cajetana Eder.
„ Nepomucena Vogl.
„ Josepha Eunstat.
1770 Maria Jacobina. ^
Offioiale des Klosters.
1298 Conrad KnoU, SchaflFer
und Pfleger.
1301 Gerung Scheiflinger, An-
walt.
1314. 1322 Herbot von PfaflFen-
dorf, Schaffer.
1339—1342 Wolf hart von Pfaf-
fendorf, SchafFer und
Pfleger.
1342 Thomas Chojb, Schaf-
fer.
1359 Hermann von PfaflFen-
dorf, Schaffer.
1417 Nicias der Walpacher,
Schaffer.
1430 Hanns Panzier, Amtmann
zu Morschdorf.
1436 Thomas Cholb, Anwalt.
1614 Matthäus Lackher, Schaf-
fer.
1763 Peter Anton Schabl, Ver-
walter.
Ortschaften und Oertlichkeiten, in welchen das Kloster Güter
und Gülten besessen hat.^
Aichdorf (Aichendorff) bei Fohnsdorf. Allersdorf (Algersdorf)
bei Weisskirchen. Ameisbach bei St. Peter ob Juden-
burg. Attendorf (Adendorf, Otendorff) bei Hitzendorf
Bocksrücken (Poxruk), Berg zwischen Schönberg und Frauen-
dorf. Breitenwiesengraben (Praytenwisen) bei Knittelfeld.
Bretetein (Vinsterpels) nw. von Oberzeiring. Buch, auch
Maria-Buch, bei Judenburg (Puech, B&ch).
(Champ, in dem) bei Judenburg.
Dimersdorf (Diemerstorff) bei Mariahof. Doblegg, auch Dobel-
eck, bei Hitzendorf (Dorflen^ daz dem).
(Exike, an der langen) bei Reichenfels in Kärnten.
lach (Aech) bei Hitzendorf. Einhorn (Anhören) bei Ejiittelfeld
(Erlach, in dem).
^ Zuname unbekannt. Legte am 2. December die Gelübde ab.
' Die in Urkunden erscheinenden Bezeichnungen stehen inner Klammer.
464
Falkendorf bei St. Georgen nächst Muran. Farrach (Vorch)
bei Lind. Feeberg bei Judenburg. Feistritz (Veustritz
bi der Chetse) am Katschbache.' Feistritz (Fenstritz)
nö. von Weisskirchen. Fiatschach bei Knittelfeld. Fohns-
dorf (Vanstorf) nö. von Judenburg. (Freym). Friesach.
Fürth am Möschnitzbache in der Pfarre St. Peter.
Getzendorf bei Pols. Glein bei Knittelfeld. Göttschach bei
Fohnsdorf. (Goldgrueben, in der). Grebersberg, der, in
Kärnten. (Guessfeld; ym). Gundersdorf (Guntheresdorff)
bei Stainz.
Hartmannsdorf bei Mooskirchen. Hautzenbüchl bei Knittelfeld.
Hetzendorf bei Fohnsdorf. Hitzendorf sw. von Graz.
Hinterberg (Hinterperkh) bei Oberwölz.
Ingering (Vundrun) nw. von Knittelfeld. St. Johann bei Knittel-
feld. Judenburg (J&denburg, Judenburch, Jundeburch!
Indeburch!). Hier finden wir in unseren Urkunden die
Oertlichkeiten: Murbrticke, an dem Pargrab^ am Rain,
Stadtfeld, Spitalfeld, in der Vorstadt, bei dem Brunn,
Judenfriedhof und Schweingasse.
Kaindorf (Kuendorf) bei Murau. Kathal (Kateil) bfei Obdach.
Katsch (Chetse) nö. von Murau. Katzling bei Pols. Kien-
berg, der, bei Obdach. (Klasberg) bei Hitzendorf. Bj^kau
nw. von Murau.
Lassnitz (Lessnicz) bei Murau. Lembach bei Marburg. Lerch-
egg, Alpe im Zeiringgraben. Ligist (Lubgast) sw. von
Grraz. Lind (Linte) bei Knittelfeld. Lindberg (Lyntperg)
bei Niederwölz. Lobming bei Knittelfeld. Lorenzen (Sand
Larentzen pey der Muer) nö. von Knittelfeld.
Mandorf, Mandorferkogel bei Neumarkt. Marburg. Mautern-
dorf bei Pols. Mitterndorf (Mitterdorff) bei Rothenthurm
ob Judenburg. Möderbachgraben (Möderpach) bei Pols.
Möschitzgraben (Muschnitz) zu St. Peter ob Judenbnrg.
Moos bei Marein im Murthale. Morschdorf (Martdor^
Mortdorf, Mörtdorf) bei Mooskirchen sw. von Graz.
(Muemlspach) bei Weisskirchen? (Muhal, auf dem). Muratt.
Niederzeiring. Nussdorf bei Unzmarkt.
Obdach. (Oberdorf) bei Kaisersberg. Oberndorf bei Mariahof.
Obertann bei Weisskirchen.
Oberweg bei Judenburg. Oberwölz.
465
Paal (Paul) bei Stadel. (Pagnol), Flomame am Morschdorfer-
berg. Paisberg (Pairbei^) bei Weisskirchen. (Palderspach)
bei Murau?
Parschlng bei Brack an der Mar. Paasendorf (Paazendorf)
bei Enittelfeld. St. Peter ob Jadenburg. (Pewg, in der).
Pfaffstetten bei Baden in Niederösterreich. (Pirchach, im).
(Pirchach) bei Hetzendorf. Pirka (Birchach) bei Hitzen-
dorf. Plankenwart nw. von Graz.
Pölshals, Uebergang vom Pölsthale in das Murthal.
Pogier (Podyor) im Mürzthale. (Praeteneck, am kleinen) in
Kärnten? Puxberg bei Frojach im Eatschthale.
Raa (Rae) zu Rotenthurm bei Judenburg.
Rachau nö. von Knittelfeld. Rattenberg (Ratenperg) bei Fohns-
dorf. Riedeneck bei Schöder.
Sachendorf bei Knittelfeld. Scheifling n. von Neumarkt.
Schrattenberg (Schretenperg) bei Scheifling. (Schawm-
berg, an dem). (Siming, an dem). Stadel w. von Murau.
Stadihof bei Lind. Stallbaum (Stolpain) bei Murau. Strett-
weg bei Judenburg. (Sumperperg) bei Mooskirchen oder
Hitzendorf. (Suppersbach). (Syernick, an der).
Tauem (in den Taum), Uebergang vom Paltenthal in das Mur-
thal. (Tawchstain). Thalheim bei Pols. Tollach (Toelach)
bei Trofaiach. Trofaiach (Tropheyach) nw. von Leoben.
(Truentersperg, der) bei Donawitz.
Unterberg bei Teufenbach. Unzdorf bei Knittelfeld. (Vahental)
ober Fohnsdorf.
Wasendorf (Waiczendorf, Waessendorf, Watzendorf) bei Juden-
burg. Wetzeisberg (Wezzelsperg) bei Pichlhofen. Weyer
(Weyem) bei Judenburg). Wöll, Wöllbach (an der Woll)
bei Judenburg. Wölmersdorf bei Murdorf in der Pfarre
Judenburg.
(Zeilach, im) unter Thaling bei Pols. Zeiring, Ober und Nieder-
zeiring; nw. von Judenburg.
2ieltweg zwischen Jadenburg und Elnittelfeld.
^rer* Flurname am Morschdorferberg.
DER
BRUCKER LANDTAG
DES JAHRES 1572.
VON
D" FRANZ MARTIN MAYER.
AkUt. Bd. LXXin. tl. H&lfto. Sl
jirzherzog Karl II. fand bei Beinern Regierungsantritte
den Protestantismus in Innerösterreich als eine Macht von
grosser Bedeutung vor. Fast alle Familien des Adels gehörten
der neuen Lehre an, die Bürger vieler Städte und Märkte
neigten sich ihr zu, und die Landbevölkerung wurde durch den
Adel vielfach zu ihr hinübergezogen. Es ist selbstverständlich,
dass die evangelischen . Stände dahin trachteten, den neuen
Landesflirsten für sich zu gewinnen oder wenigstens eine
gesetzliche^ Anerkennung ihrer Religion zu erringen. Daher
kam es, dass auf allen Landtagen, sie mochten wegen der
von dem Erzherzoge übernommenen Schulden oder wegen der
Türkengefahr berufen worden seiü, die Religionsangelegenheit
zur Hauptsache gemacht wurde. Von allen diesen Landtagen
ist keiner bekannter geworden als derjenige, welcher im
Jahre 1578 zu Brück an der Mur versammelt war, denn
auf diesem Tage sah sich der Landesfilrst genöthigt, den
protestantischen Ständen erhebliche Zugeständnisse zu machen.
Dieser Landtag hat auch eine ausführliche, wenn auch keines-
wegs erschöpfende und richtige Darstellung gefunden; dagegen
ist die Bedeutung des Landtages vom Jahre 1572, der auch
in Brück abgehalten wurde, noch nicht erkannt und der Ver-
lauf desselben auch noch nicht geschildert worden. Was Hurter
erzählt,' ist unvollständig, ungenau und lässt die Wichtigkeit
der auf diesem Tage zu Stande gekommenen Vereinbarung
nicht erkennen. Hurter hatte die Hauptquelle für die Ge-
schichte dieses Landtages, die Acten und Aufzeichnungen über
verschiedene Vorfälle nicht vor sich. Sie befinden sich jetzt
im Landesarchive zu Graz und standen mir vollständig zu Ge-
bote. Auf Grund derselben beabsichtige ich die Verhandlungen
dieses denkwürdigen, für die Geschichte des Protestantismus
1 Geschichte Kaiser Ferdinands 11., I, 247—261.
81*
470
in Innerösterreich so wichtigen Landtages auf den folgenden
Blättern darzustellen.
Der erste Landtag, welchen der neue Landesherr nach
dem Huldigungslandtage berief, trat im December 1565 in Graz
zusammen. In der Proposition ^ gestand der Erzherzog, dass
ihn die verwirrten religiösen Zustände seiner Länder sehr be-
kümmern. Schon zu Lebzeiten seines Vaters habe er Schlimmes
gehört, aber in der kurzen Zeit seiner Regierung habe er ge-
funden, dass die Zustände viel ärger seien, als er sich gedacht,
denn er habe gesehen, dass ,die geistlich hoche Obrigkheit
der Enden mehr dem weltlichen Thuen und aignem Wolsein,
als ihrem anbefolchnem Ambt auswarten, die Khirchen und
Pfarren übel versehen und sich des augenscheinlichen Ver-
derbens so vil christlicher Seilen wenig bekhümem lassen.
So erscheint auch an mehr Orten bey der gemainen Priester-
schafft zusambt allerlay Misspreucheii ain so hoch straff lichs,
ergerlichs Leben, dass sich dieses Abfalls und Zeitlichait in
Religionsachen nit zu verwundern, sunder vill mehr die Lang-
müetigkhait und Güete Gottes hierin zu preisen ist, die solichs
so langher zuesehen und gedulden mugen, dabey dann die
armen christlichen Underthanen an Lehr und Exempel übel
versehen und verabsaumbt worden imd sich bey der Hirtten
Unfleiss und Verwarlosung frembde Mietling überzwercLs in
die christliche Gmain eingetrungen, die auch on Erforschung
ires Berueffs und Ordination auch wie sy von andern Ortten
abgeschieden villmalls on Underschied an- und aufgenumen
sein worden, die haben sich nun des Khirchen-Ambt unörden-
lich understanden und* mit ihrem unzeitigen Wietten das under
über sich khert und den Jammer und Spaltung angericht, der
jetzo laider vor Äugend Eine Menge Secten seien entstanden,
so dass viele ,nit wissen, was sy bey dieser Spaltung glauben
sollend Man zwinge die Unterthanen zum Wechsel der Religion^
unterstehe sich verbotener Handlungen und ,bösser Praktickhen
wider die Obrigkhait unter dem Teckhl der Religion', lästere
auch seine Person wie die Religion, so dass es scheint, als
handle es sich nicht um diesC; sondern um die landesfürstlicbe
Hoheit. Er wolle Ordnung machen und fordere die Stände
1 Abgedrockt bei Harter I, Beil. II, aber ohne Datam. In den Landtag»*
handlungen (Landosarchiv) ist sie rom 5. December 1565 datirt
471
auf, Abgeordnete zu wählen, welche an einem bestimmten
Tage vor ihm erscheinen sollten, um zu berathen, wie Besserung
und Einigung herbeigeführt werden könnten. Wenn man ^hierinn
allen menschlichen Affect, Hass und Widerwillen beiseits legen
und allain die Ehre Gottes und dabey die Wolfart und Ainig-
khait seiner armen christlichen Gemain mit Lieb suechen'
wolle, werde Gott das Unternehmen segnen ; und es werde sich
zeigen, wie gut es sei, dass Christen, die einer Sprache, eines
Vaterlandes und eines Herrn sind, auch einen Glauben haben.
Aus der Antwort der Stände, welche sie am 9. December
gaben, lässt sich das Bild des damaligen religiösen Zustandes
vervollständigen. Es herrsche, sagen sie, ein grosser Mangel
an gelehrten christlichen Seelsorgern; das komme daher, weil
,der aigen Nutz, weltlich Pracht, Geiz und dergleichen un-
geistliche Untugend mehr bey den Bischoven imd Prelaten
dennassen so hoch khumen, dass obangezogene Mängel nun-
mehr nit allain nit wollen abgestellt, sonder durch die bemelten
geistlichen Ordinarien noch viel mehr und beschwärlicher ge-
macht werden mit dem, dass sie erstlichen junge, ungeschickte,
unerfame und der deutschen Sprach unkhundige Leutt mehr
umbs Gelt wegen, dann dass sie es sunsten würdig wären, zu
der Ordination khummen lassen. Und dieweill sie dann die
maisten und fast alle Pharren und Beneficia im Landt zu ver-
leihen haben oder aber iren Stifften incorporirt sindt, in bemelte
Pharren und Seelsorgen untauglich, ungeschickt und dermassen
Personen zu Pharrherren und Hirtten aufstellen, die nit allain
ihrem Ambt und Berueflf mit warer Verkhundung des heiligen
gütlichen Wortt Gottes irer Ungeschickhlichait halber nit vor-
zustehen wissen, sundern zusambt allerlay Mispreuchen dem
armen gemainen Mann mit ihrem unpriesterlichen unehrlichen
Leben alda sie nur mit Saufifen, Fressen, allerlay Unzucht^
weltlicher Hantierung, Weinschenkhen und KbauffmanschaflFten
umbgehen und mehr Ergernuss dann guette Exempel fiii^tragen^
Mit solchen weltlichen Dingen müssen sie sich aber befassen,
ydamit sie nur ire schlechte Unterhaltung haben und dem
Ordinario sein Absendt und Präsent raichen mügen'; geschickte
und ehrbare Priester, die etwa in das Land kommen, werden
nicht allein nicht befördert, sondern ,durch bemelte Ordinarios
aus dem Landt verjagt und vertrieben^ So komme es, dass
das Volk in Unwissenheit dahinlebe und viele Leute nicht
472
einmal das Vaterunser^ die zehn Gebote Gottes^ den GlaabeD,
geschweige denn etwas Anderes gelernt haben.
Als Commissäre zur Berathung der Religionsangelegen-
heiten wurden vom Landtage folgende Männer gewählt: Eras-
mus von Windischgrätz, Adam Pögel, Christoph von Eainach,
Ferdinand von Kolonitsch auf Burgschleinitz^ Georg Seifried
von Trübeneck, Maximilian Ruepp; dann Sylvester Windhager
Rathsbürger von Graz, und Hans Pückl, Stadtrichter zu Brück.
Aber es ist niemals zu einer Berathung gekommen.'
Dem Landtage, der sich am 20. Jänner 1567 versammelte,
stellte der Erzherzog vor, dass er bisher noch nicht Zeit ge-
funden, die Commission zur Berathung der Religionsangelegen-
heiten einzuberufen, dass er aber die Frage der Religions-
vergleichung nicht aus dem Auge lassen werde. Zugleich wies
er darauf hin, dass er von seinem Vater eine Million Gulden
nicht hypothecirter Schulden habe übernehmen müssen, zu
deren Tilgung die Stände beitragen sollten. Dazu liessen sich
diese aber nicht herbei; vielmehr verlangten sie jetzt und auf
dem folgenden Landtage wieder die Abschaffung der Miss-
bräuche und die Aufstellung von Geistlichen, welche der
Augsburger Confession angehörten.^
Dringender wurden die Stände auf dem Landtage, der
auf den 1. November 1569 ausgeschrieben wurde und der
sich in das folgende Jahr hineinzog. Auf die Propositionen
des Erzherzogs erklärten sie, der Landesfllrst habe sich zu
einer Religionsvergleichung bereit erklärt; dazu sei es noch
nicht gekommen. Bis diese gelinge, müsse der Erzherzog die
Landschaft bei ihrer Religionsübung lassen. Aber es sei nicht
genug, dass die Landschaft dieses Recht hat und dass das
reine Wort Gottes ,in etlichen Flecken und Orttem, auch
alhie (in Graz) öffentlich durch einer ersamen Landschaft
Predicanten also wirdt flirgetragen% sondern sie mussten ver
langen, dass ,auch derselben arme und christliche Underthanen
auf dem Gay, dessgleichen in den anderen Stetten und Märkhten
und Flecken im Land mit dergleichen heilsamen Lehr nnd
Lob, Ehr und Preis des göttlichen Namens und ihrer annen
Seilen zu Trost underwiesen mochten werden'.
< Nach den Landtagsacten im Landesarchiv.
J Pas Nähere über diese Landtage bei Hurter I, 100— 110.
473
Die Stände erinnerten den firzfaerzog an ihre Darstellung
der kirchlichen Zustände auf dem Landtage von 1566 und
wiederholten die Hauptpunkte daraus. Die ungeschickten katho-
lischen Qeistlichen führen ein leichtfertiges Leben, können oft
nicht einmal gut lesen , huldigen dem Aberglauben, halten
mehr auf die Heiligen als auf Christus und begünstigen die
Wallfahrten. Der Elrzherzog möge doch einschreiten. Er möge
die Verkündigung der Augsburger Confession im ganzen Lande
freigeben und auf diese Weise das Beispiel des Kaisers
nachahmen; er möge eine Kirchenordnung wie in Oesterreich
einführen; einen Superintendenten ernennen und ein Consi-
storium zusammensetzen.
Die Antwort des Erzherzogs nennt die letzte Forderung
stark und neu. Er sei in der katholischen Lehre erzogen und
werde darin verharren; würde er ihnen darin willfahren ^ so
könnte es heisseU; es ^hetten I. f. D. mit ihnen; den Stenden,
und sy herwider mit ir umb die Religion gekhramet und
soliche Andrung allain von der yerhofifenden Hilff und Dar-
reichung zu Abhelffung irer Durchl. Schuldenlasts zuegelassen
und gestattete Was würden die geistlichen Obrigkeiten und
die; welche Pfarren zu verleihen haben; dazu sagen, wenn er
ihnen ihr Vermögen nehme? E> könne daher ihre Wünsche
nicht erfüllen; doch werde er darauf sehen ; dass die Pfarren
mit tauglichen Personen besetzt werden. Uebrigens sagte er
den Herren und Rittern zU; er wolle sie ;in den Reh'gions-
Sachen ; wie er dieselben bei dem Antritt seiner Regierung
gefunden und bis der Allmächtige heilsame Mittel zur Einigkeit
und gleichem Verstände schicken werdC; nicht beschwerend
Dieses dem Herren- und Ritterstande gemachte; eigent-
lich wiederholte Versprechen bedeutete aber eine Absonderung
der Städte und Märkte von der Landschaft; denn diesen wurde
ein solches Versprechen nicht gegeben. Daher baten denn die
Stände den Erzherzog; die Städte und Märkte nicht von der
Landschaft zu trennen und seine Qnade auch diesen; die
;Under dem Namen Landschafft auch begriffen und jederzeit
mit und neben den gehorsamisten Landleutten zu obangezogener
christlicher Confession sich bestendiglich bekhent und noch';
zuzuwenden. Zudem erhob sich auch ein Streit über die
Besetzung der Pfarreien. Die Stände forderten, dass das Recht,
Pfarrer zu ernennen, nicht den Lehnsherren, also den Landes-
476
•
Der Erzherzog beklagt darin zuerst, dass die Stände ,aas
ihrer uns gethanen und von uns angenommenen Bewilligung
ohn alle genuegsame Ursache gehend d. h. ihren Beschluas,
die Schulden zu übernahmen, widerrufen wollten. Er habe
immer recht zu handeln getrachtet, grosses Vertrauen in die
Landschaft gesetzt, die Justiz gut verwaltet. Niemandem den
Zugang zu ihm verwehrt. Die versprochene Religionsver-
gleichung habe nur deshalb nicht in Angriff genommen werden
können, weil er solange ausser Landes gewesen. ,So bringen
alle die seither derselben Yergleichung ergangne Landtagsacten
und sonderlich die fertigen . (vorigjährigen) lautter mit rieh,
dass wir uns jederzeit auf soliche Vergleichung gezogen, re-
ferirt und alle Sachen bis dahin in altem Standt . . . verbleiben
lassen.^ Selbst als sie die freie Zulassung der augsburgischen
Confession und ihre ,au8geende Ausrichtung' begehrt, habe er
diese Bitte ,in ain Bedacht genommen. Euch die Ursachen
solichs Bedachts ausführlich eröffnete Er habe die Prote-
stanten immer so wie die Katholiken behandelt, Angehörige
beider Religionen in seinen Ratb berufen und ,gefürdert*. Stets
sei er ,überflttssig mildt, sanfftmüttig und guetig^ gegen sie
gewesen.
Nach diesen Bemerkungen bespricht der Erzherzog die
drei von den Ständen vorgebrachten Beschwerdepunkte, um
seine Handlungsweise zu rechtfertigen.
Bezüglich der Entsetzung des Riegersburger Prädicanten
erklärt er der Meinung gewesen zu sein, dass die Lehenschaft
über die Pfarre Riegersburg ihm und den Reichenburgern
alternative zustehe, und dass sie ihm nach dem Tode des
letzten Reichenburgers ganz heimgefallen sei. Bezüglich des
Radkersburger Vorfalles gebe er noch einmal die Erklärung
ab, dass er seinen Städten und Märkten die freie Religions-
disposition nicht einräumen werde. Die landesfUrstlichen Orte
stehen ,unter der Landleut Gezwang nit, sunder Ihrer f. D.
und derselben nachgesetzten Obrigkheiten^ Auch die Stände
lassen sich von ihren Unterthanen nicht ,fllrgreiffen*, das wäre
der Billigkeit, ja sogar der ,Vemunft* zuwider. Sie sehen es
nicht gerne, wenn ihre Unterthanen sie umgehen; so sollen
auch die Bürger seiner Städte sich mit ihren Wünschen zuerst
an ihn, den Landesflirsten , wenden. Und Lehensherr der
Radkersburger Kirche sei der Bischof von Seckau, dem also
475
•
Reichenburg^ dem Lehens- und Vogtherm der Pfarrei Riegers-
burg, als Pfarrer vocirt worden und versah bis zum Tode des
Vogtherm sein Amt. Dann aber sollte er nach Salzburg zur
^Erlangung der Confirmation* gehen , ^ erhielt aber vom Erz-
bischof kein Geleit; die Herren und Landleute nahmen sich
seiner auf Wunsch der Reichenburgischen £rben an und
wendeten sich an den Erzherzog. Aber es geschah nichts, und
Gröblacher musste mit Weib und Kind das Land verlassen.
Den Radkersburgem, erzählen die Stände weiter, hat der
Bischof von Seckau sieben Jahre lang einen protestantischen
QeistUchen gehalten. Als dieser., Abraham Hemberger mit
Namen, starb, schickte der Bischof untaugliche katholische
GeistUche, die nicht einmal lesen können. Als die Radkers-
burger auf ihr Beneficium, dessen Lehens- und Vogtherren sie
selbst sind, einen Protestanten aufnahmen, wurden sie vom
Bischöfe verklagt, worauf einige Bürger vor den Erzherzog
nach Wien, wo er sich damals aufhielt, berufen wiirden. Der
eine von ihnen starb in Wien, die anderen empfingen das
strenge Verbot, je wieder einen Prädicanten zu berufen.
Die Pfarrei von Fürstenfeld versah ein Protestant, der
besonders zur Zeit der Infection treu bei den Bürgern aus-
harrte. Dieser wurde mit Gewalt fortgeschafft.
In Anbetracht dieser Vorfälle, so erklärten ,die Landleut,
so anitzo auf Erforderung einer ersamen Landschaft Ver-
ordneten alhie bey einander versamblet% könnten sie in Geld-
angelegenheiten nichts beschliessen und gingen auseinander.
Wir wissen nicht, wie der Landesfürst diese trotzige
Erklärung aufgenommen. Er befand sich damals in Wiener-
Neustadt, von wo er am 22. December 1570 an die Verordneten
ein Sendschreiben erliess, das den Auftrag enthielt, sogleich
alle Landleute einzuladen, zum Wohle des Vaterlandes sich
am 6. Jänner 1571 in Graz zu versammeln, um seine Bot-
schafk zu vernehmen.^
Der Landtag kam in der That zu Stande und vernahm
den 7. Jänner 1571 die Zuschrift des LandesfÜrsten.^ Diese
war in einem sehr gewinnenden Tone gehalten, vormochte aber
dennoch nicht, die beiden Parteien einander näher zu bringen.
^ Nach den Landta^handlungen 1570. Landesarchiv.
' Datum: Wiener-Neustadt, 2. Jänner 1671.
478
Yociren^ und in diesem ihren Rechte sollen sie durch die geist
liehen Lehensherren und Ordinarien nicht gehindert werden.
Die letzteren sollen nicht die Macht haben ^ die von den
ersteren vocirten Geistlichen zu entfernen; auch wenn sie
dieselben nicht bestätigen, sollen sie im Amte bleiben können.
Dieser zweite Punkt wurde zuletzt die Hauptsache. Wolle
der Erzherzog darin den Ständen nachgeben, so wollen sie
die Schulden übernehmen. Es wurde darüber no6h viel ver-
handelt, wiederholt wurden die Stände von dem Erzherzoge
in die Burg berufen, wo der Bischof von Gurk und die landes-
fürstlichen Räthe sich abmühten, die Widerspenstigen zur
Nachgiebigkeit zu bewegen. Umsonst; sie verlangten immer
wieder die Assecuration. Da auch der Erzherzog fest blieb,
so ward eine Einigung nicht erzielt. Am 25. Februar lies»
der LandesfUrst dem Landtage erklären, dass er die Sache
auf sich beruhen lasse.
Im Herbste des Jahres 1571 wurde der Landtag noch
einmal berufen, aber es erschien nur eine geringe Zahl von
Landleuten, und diese wollten nichts beschliessen und baten
wiederholt, der Erzherzog möge sie entlassen. Uebrigens stellten
sie diese Bitte erst, als ihre Forderungen bezüglich der religiösen
Fragen ohne Erfolg geblieben waren. Sie hatten nämlich ver-
langt, dass der Erzherzog den ,ferten genummenen Bedacht
von wegen freier Zulassung der offtgedachten Augsburger
Confession mit erster Gelegenheit vätterlich eröflfne^ und die
Erlaubniss zur Verwendung der Württembergischen, Witten-
bergischen oder Nürnberger Agende ertheile, wodurch die
Gleichheit in den Ceremonien hergestellt werden sollte. Alle
Verhandlungen waren fruchtlos: wie der LandesfUrst nicht die
freie Religionsübung zugab, so bewilligten die Stände nicht
die für die Grenzvertheidigung und die flir die Schuldentilgung
erforderlichen Summen. Daher kündigte der Erzherzog die
Berufung eines neuen Landtages an, der Anfangs Jänner 1572
in Brück zusammentreten sollte.
Die Landtagsmitglieder fanden sich im Laufe des Jänner
ein. Die am 4. Februar vorgelegten Propositionen thaten der
Religionsangelegenheit mit keinem Worte EJrwähnung; sie ver-
langten vielmehr rasche Erledigung der Geldbewilligungen. Die
Regierung forderte zunächst die Bewilligung von jährlichen
110.000 Gulden für den Zeitraum von fünf Jahren, vom 1. Mfin
479
1572 an; dann die Rüstung eines Pferdes auf je 100 Gulden
Einkommen, statt des 30. Mannes 2000 HakenscbUtzen; persön-
Uchen Zuzug, &lls der Erzhensog ausziehe, und die Bereitschaft
des fbnften und zehnten Mannes; femer durch fünf Jahre
jährlich 50.000 Gulden zur Herstellung der Grenzgebäude;
dann die Uebemahme einer Million Gulden Schulden, die schon
1569 bewilligt, dann aber widerrufen worden war. Endlich
verlangte die Regierung , dass jene , welche mit der Zahlung
früherer Contributionen im Rückstande geblieben, zur Zahlung
verhalten würden, dass eine neue Waldordnung, eine Getreide-
preisesatzung berathen werde.
Vorher schon hatten die landesfürstlichen Räthe die Ver-
treter der Städte und Märkte vorgerufen und sie aufgefordert,
in den Religionsangelegenheiten mit den Herren und Rittern
nicht gemeinsame Sache zu machen. ,Stark und embsig' wurden
sie angegangen, dieses Versprechen zu geben, und nur ungern
gingen sie in diese ,abäonderliche Handlung' ein, als ihnen
der Erzherzog mit Hand und Mund zusagte, dass er keinen
Bürger in seinem Gewissen zu beunruhigen gedenke. Die
Religionsdisposition in seinen Städten und Märkten gab er
damit aber nicht auf, wie er ausdrücklich versicherte; auch
verbot er den Bürgern, weder allein noch in Verbindung mit
Anderen ihn in Religionssachen weiter zu behelligen.* Die Ver-
treter der Städte hatten mit dieser Erklärung nichts gewonnen;
sie waren auch nur dem Zwange gewichen und erwarteten
dann von den Herren und Rittern, dass diese ihre Sache bei
dem Erzherzoge führen würden.
Diese traten denn auch sofort für ihre Religionsgenossen
ein. In ihrer am 6. Februar gegebenen Antwort auf die Propo-
sitionen bedauerten sie, dass der Erzherzog mit der Assecuration
wieder zurückhalte; dann machten sie es ihm zum Vorwurfe,
dass er mit den Städten, die doch ein Stand und Mitglied des
Landtags, ,absönderliche Handlung mit scharffen, starkhen und
eusseristen Bedroungen pflegen und fürnemen lassen', welche
Verhandlungen doch in die Landtagssitzungen gehören. Eine
solche Neuerung möge er künftig unterlassen. Endlich ver-
langten sie die Assecuration. Der Erzherzog sollte versprechen,
< Die schriftlichen Erkl&rnngeii des Ensherzogs yom 9. nnd 10. J&nner
hei Harter I, 596.
480
dass er die ganze Landschaft , Niemand ausgescUossen ; also
Jeden; der sich frei und ungezwungen zu der dem Kaiser
Karl V. übergebenen Augsburger Confession bekenne, in ihrem
Gewissen ungetrübt, ihre Prädieanten unangefochten nnd an-
verjagt, ihre Kirchen und Schulen uneingestellt lassen werde,
so dass Niemand gezwimgen sei, diese oder jene Kirche za
besuchen; femer solle er die Vogtherren und die ,Pfarrmenge*
bei ihrem Rechte ,mit Fümembung und Fürstellung eines
gelerten und tauglichen Priesters' xmd diesen durch die Ordi-
narios ,der Confirmation halben unbedrengt' lassen; damit in
den Ceremonien Gleichheit herrsche, solle er der Landschaft
entweder die vom Kaiser den Oesterreichern gewährte Agende
oder die Wtirttembergische, Wittenbergische oder Nürnberger
gestatten. Die Protestanten verlangten also Zulassung ihrer
Religion, so dass, wie sie zuletzt noch einmal hinzufiigten^
Niemand im ganzen Lande in seinem Gewissen ,bekhamert,
betrüebt, verfolgt und verhasst' werde und die ganze Land-
schaft, Niemand ausgenommen, bei ihrer Religion, ihren Gütern
und Rechten verbleiben könne.*
So detaillirt hatten die Stände ihre Forderungen bisher
noch nicht vorgebracht. Aber sie erreichten nichts, denn der
Erzherzog antwortete am 9. Februar schroff ablehnend. Sie
sollten sich nicht darum kümmern, was er mit den Städtern
' Neben den im Landesarcbive mehrfach vorhandenen Aufzeichnimgen
über die Landtagsverhandlungen benütze ich auch die ,Acta und Hind-
Inngen*, einen ebenfalls im Landesarchiv befindlichen, über 600 Blatter
zählenden Band, welchen Andreas Sötzinger in Nürnberg zusammen-
gestellt hat. Ein Stefan Sötzinger, aus Regenburg gebürtig, war von
1690 bis 1598 Schullehrer zu Brück a. d. M., wo er auch in der stSdti-
sehen Kanzlei beschäftigt wurde. Von Brück Tertrieben, kam er voi
seiner Familie nach Graz, wo ihm die Landschaft in der Stiftssebde
eine Stube einräumte. Hier unterrichtete er die Knaben im Lesen und
Schreiben. Möglicher Weise war Andreas Sötzinger der Sohn diesM
Lehrers, der wahrscheinlich um 1600 mit einer Adelsfamilie nach NAm-
berg auswanderte. Denn in dieser Stadt steUte Andreas aus Acftes.
welche ihm drei steirische Exulantenfamilien mittheilten, den Band m-
sammen. Am 1. März 1652 schloss er sein Werk ab. Die in demflelbeo
enthaltenen Acten umfassen die Zeit von 1572 bis 1627 und betreffs^
die Verhandlungen der protestantischen Stände Steiermarks mit doi
Landesfürsten. Vgl. die von J. v. Zahn herausgegebenen Steiend^*
sehen Geschichtsblätter, n. Jahrg. (1882), 72, Amn.
481
seinen Unterthanen^ yerhandle. Die verlangte Assecuration
könne er nicht geben.
Diese Antwort schickte der Erzherzog nicht dem Land-
tage, sondern ^den mehreren der Herren und Ritter^, womit
er andeutete, dass er diese nicht als den Landtag ansehe, da
in demselben die Vertreter der Prälaten und Bürger fehlten.
Dies bedauerten die Stände in ihrer Erwiderung sehr; es
komme, sagten sie, auf die Mehrheit der Stimmen an; wofür
diese stimme, das sei als Landtagsbeschluss anzusehen, und
diesem hätten sich auch jene, welche anderer Meinung gewesen,
zu fligen. Auch die Prälaten mtlssten dies thun. Ihre Ab-
sonderung solle der Erzherzog nicht dulden. Auch bitten sie
ihn, so absonderliche Yerhandlimgen mit den Städten in
Dingen, welche vor die ganze Landschaft gehören, nicht
mehr vorzunehmen; denn wenn auch die Städtebewohner seine
,Kammerleute^ seien, so seien sie doch in den Erbhuldigungs-
handfesten imd anderen Freiheiten als ein Mitglied der Land-
schaft bezeichnet und dürfen von dieser nicht getrennt werden.
Die Bürger hätten ihnen erklärt, dass sie sich in Religions-
sachen nicht von ihnen trennen würden. Der Erzherzog habe
behauptet, er könne die Religionsassecuration nicht geben, und
doch habe er sie darauf vertröstet. Auch der Kaiser habe
für Ober- und Niederösterreich eine solche Versicherung ge-
geben, und zwar für sich, seine Nachkommen und Erben.
Der Erzherzog sah ein, dass die Protestanten bei der
Religionsangelegenheit verharren imd auf die Behandlimg der
Propositionen nicht eingehen würden. Er erliess nun an den
Landeshauptmann Wolf von Stubenberg, Pangraz von Windisch-
grätz, Servatius von TeuflFenbach, Paul von Tannhausen, Chri-
stoph von Rägnitz, Ferdinand von Kolonitsch und Bernhard
Rindschaidt, welche auch landesfUrstliche Räthe waren, ein
vom 13. Februar datirtes Decret, durch welches er diese
Herren aufforderte, die übrigen Landleute zur Verhandlung
der Geldangelegenheiten zu bewegen. Sie sollten ,nunmehr ohne
verrer DifGcultim zu gedachter Landtagsproposition greiffen
und mit derselben Erwegung und Berathschlagung solang die
Zeit zuebringen, biss sich Ihr f. D. auf ir sovilfeltig Flehen
und Bitten, das dann inner wenig Tagen gewisslich beschehen
solle, in den gedachten strittigen Religionsachen ainest ent-
BchUessen und aller Müglichait nach erklären khünden^
482
Ueber diesen Schritt, den ihnen der Erzherzog entgegen-
that, waren die protestantischen Stände sehr erfreut, und sie
versprachen auch die Propositionen in Verhandlung zu nehmen
und allen Fleiss darauf zu verwenden, doch ,solche8 alles mit
disem Beding und Conditionen, wofern Ir f. D. ainer ersamen
Landtschafft underthenigisten und gewissen Hofnung nach inDcr
wenig Tagen in wehrunden Landtag in der Religionssachen
einer ersamen Landtschafft nun vilfeltigen underthenigisten und
gehorsamisten Flehen, Seuffzen und Pitten nach, inmassen es
in der Landtags- Antwort einkhumen, genedigist sich wirdt e^
klären, so solle alsdann die anjetzo fürgenomene Beratschlagung
in Bewilligungssachen gehorsamist eröffnet werden. Do es
aber obgehörtermassen nit beschehe, dessen sich doch ain
ersame Landtschafft gar nit versiecht, das alsdann solche Be-
ratschlagung und Bewilligung ainer ersamen Landtschafft un-
vergriffen und unpräjudicierlich sey, also, als ob von solchem
nichts gehandelt oder beratschlagt wäre worden^*
Diese Erwiderung Hess den Ernst der Lage erkennen.
Der Erzherzog sah ein, dass die Stände entschlossen seien,
keine Bewilligung zu machen, bevor sie nicht eine Religions-
versicherung erhalten hätten. Und so Hess er sich denn dazu
herbei. In seiner Zuschrift vom 16. Februar ist die Religions-
versicherung enthalten. In derselben setzte er zuerst aus-
einander, warum er die frühere Antwort der Stände nicht ab
einen Landtagsbeschluss habe ansehen können. Zur Berathung
dieser Antwort seien die Prälaten nicht zugezogen worden, und
die Vertreter der Städte und Märkte, deren Anwesenheit die
Stände gerne gesehen hätten, seien fem geblieben. Es sei
demnach ,die ganze Tractation allein under ihnen, den mehrern
von Herrn und Ritterschafft fiirgeloffen, der gemainen Sachen
aber, als nemblich der Landtags-Proposition- Abhandlung sei
auf die gesambte Landschafft, das ist denen von Prälaten,
Herren, vom Adel, Statt und Märkht Consultation angestelt
worden^ Sie sollen solch unnöthiges Disputiren einstellen und
im Verein mit den anderen Ständen zur Berathung der Pro-
positionen schreiten. ,Was alsdann in gehaltener Umfirag die
meisten Stimmen ergeben, dasselbe solle billich, allain löbUcbem
^ Diese Erwidemng trägt kein Datum ; sie wird wohl vom 14. oder 15. Fe*
brnar stammen.
483
Herkommen nach . . . würkhiich geschlossen und volzogen
werden, welches Ir f. D. denen von Herrn und Adel von
ainer ganzen ersamen Landschafft wegen in diesen Sachen flbr
alle Zeit hiemit anzaigen lassen wollen/
Dann folgt die Versicherung, welche also lautet: ,. . . Und
mögen sy die von Herren und Ritterschafft gleichfahls Irer f. D.
bey Ihren ftlrsthchen wortten sicherlich darumben trauen, dass
Irer f. D. sy und ihre Religionsverwandten wider Ihr Gewissen
and den Standt, darinnen Ir f. D. die Religionssachen in Ein-
tretung Ihrer Regierung befunden, hinwider solang sie sich
der gebuerlichen Beschaidenheit und schuldigen G^horsambs
verhalten, so viel sich Irer f. D. Gewissens halben thun und
vor Gott verant wortten last, gar nicht vergwdlttigen oder be-
schwären, sondern ihnen als deroselben gethreuen Undterthanen
jederzeitt mit landsfiirstlichen Gnaden entgegengehen wollen,
doch mit diser ferrern namhafften ausgetrukhten Condition,
dass herwiderumb sy, die begehrenden Herrn und Ritterschafft,
Ir f. D. und alle Ihre Religionsverwandten bei deroselben ihrer
allen wahren katholischen Religion, auch an ihren Personen,
wohlhergebrachten Guettem, Rechten und Gerechtigkeiten un-
geschmäht, unbetriibt, unangefochten, unabpracticirt bleiben
lassen und es einer mit dem andern als seinen christlichen
Mitglied beederseits allenthalben voll gutt und treulich meinen/ ^
Von dieser allgemein gehaltenen ,Ueclaration* erklärten
sich die Protestanten nicht befriedigt, was sie dem Erzherzoge
am 22. Februar meldeten. In dieser ihrer Entgegnung auf des
Landesherm Antwort protestirten sie auch gegen die Nicht-
anerkennung ihrer früheren Antwort als eines Landtagsbe-
schlusses. Was der Landeshauptmann als Majoritätsansicht
constatirt, habe als Beschluss des Landtages zu gelten; sollte
darin eine Aenderung eintreten, so wüssten sie nicht, ,wie
etwan die Landtag zu halten oder zu beschlUssen'. Wenn sich
die Prälaten vom Landtage absonderten, so sei dies nicht ihre
Schuld, dadurch könne der Landtag an Werth nichts ver-
lieren. Dann stellten sie nochmals die Bitte um eine Religions-
assecuranz und gaben abermals ausführlich die Punkte an,
die in derselben enthalten sein müssten. Die Herren und
1 Diese Versicherung vom 16. Februar stimmt nicht ganz mit der, welche
Uurter I als ,abermalige* Erklärung (Beil. XVIII, ohne Datum) abdruckt.
ArchiT. Bd. LXXUI. U. Hkitte. 32
484
Ritter, ihre Weiber, Kinder und Unterthanen durften in ihrem
Gewissen, das nur Gott und ,keinem andern Potentaten an-
gehört% nicht bekümmert werden. Sie wären entschlossen
gewesen, mit einem Fussfall um die Assecuranz zu bitten, da
aber der Erzherzog erst heute verlauten Hess, dass er ,sich
merers erklären wolte, als wann ain faessfall beschehen soUeV
so sei es unterblieben. Nicht ,aus ainigem Misstrauen gegen
Ir f. D. oder ainichem Privat-AflFect^ werde die Assecuration
begehrt, sondern weil die Zeitverhältnisse gefährlich seien.
Die Antwort des Erzherzogs erfolgte schon am 24. Fe-
bruar. Er erklärte, eine Versicherung, welche die von den
Ständen gewünschten Punkte enthalte, nicht geben zu können,
doch gab er eine andere, welche immer als ,Erleuterung der
Declaration vom 16. Februar^ bezeichnet wirdJ
Als diese zweite Versicherung im Landtagssaale eintraf,
wurde sie mit der vom 16. Februar Satz fUr Satz verglichen
und sofort die Bedingung, unter welcher der Erzherzog den
Herren und Rittern die Uebung ihrer Religion zusagte und
welche lautete: ,so lange sy sich der gebüerlichen Beschaiden-
hait, wie in Ir f. D. Declaration vermeldet, verhalten werden^,
ausgestrichen. Nicht allein, weil diese Bedingung darin ent-
halten war, sondern auch, weil sie keine der Forderungen
der Stände erfüllte, wurde auch diese zweite Versicherung
verworfen. Da die Stände nunmehr die volle Gewissheit er-
langt hatten, dass der Erzherzog nicht geneigt sei, eine ihren
Wünschen ganz entsprechende Assecuration zu geben, so än-
derten sie die letzte Erklärung des Erzherzogs durch Aufnahme
aller jener Punkte um, deren Zusicherung derselbe bisher ab-
gelehnt hatte. Sie erzählten diesen Vorgang selbst in ihrer
dem Landesfürsten auf die Versicherung vom 24. Februar
gegebenen Antwort. In derselben brachten sie zuerst neue
Beschwerden vor: ihre Prädicanten werden abgeschafft, dagegen
soll ein neuer und ,zuvor in diesem Lande nie erhörter Orden,
so man Jesuiter nent% eingeführt werden, der überall Zwie-
tracht verursacht. Damit nun künftig keine Irrung zwischen
dem Landesfürsten und den Ständen eintreten könne, hat die
* Dies ist aber nicht die bei Harter I, 598 als Beil. XIX stehende »dritte
Erklärung* vom 24. Febrnarf wie man aus dem gleichen Datum fehliessen
könnte. Die weitere Darstellung wird die Sache klar machen.
485
LandBchaft die jüngst ^übergebene Erklärung in Keligions-
Sachen ^ fiir Händen genomen, dieselbige treuherzig erwogen
and mit gar wenig Wortten allain zu mererm und pesserm
Verstandt, wie etwo ain ersame Landschafft jetzo und khunfftig
fiir zuefallunden Missverstandt versichert möchte werden, er-
ieuttert, dann sich E. f. D. gnedigst zu erindem wissen, dass
dise langwierige Tractation, welche bisher zu gewissem Be-
schloss nit khumen, allain daher erfolgt, dass man in Sachen
zu wenig Erleutterung gefunden, welche khünftigen Irrsall und
Missverstandt verhüeten mügen mit gehorsamisten und under-
thenigisten Bitten, E. f. D. die wolle nunmehr hiersvon ainen
gewünschten Beschluss genedigist machend
Diese umgeänderte Declaration lautet so: Ihre fürstliche
Durchlaucht erklären ,hiemit ferner zum Uberfluss ganz gnedigk-
Uch für Sich, ire Erben und Nachkhumen, dass sy die von
Herrn und Ritterstand t sambt iren Weib und Eindt, Gesindt
und Underthonen, so sich frey guetwillig und unbezwungen
zu dieser ReUgion bekhennen, auch angehörigen Religions-
verwandten, Niemands ausgeschlossen, in denselben Religions-
sachen wider ire Gewissen nit bekhumem, besch wären oder
vei^walttigen, sonder inen zugleich den andern, so irer f. D.
ReUgion zuegethon, jederzeit mit landsfUrstlichen Gnaden ent-
gegengehen, voraus aber ire Predicanten unangefochten und
unverjagt, also auch ire habunde Kirchen und Schnellen jetzo
und khunfftig uneingestellt, item die Vogtherrn und Pfarr-
menig bey iren alten Rechten mit Fümemung und schrifftlicher
Benennung aines gelerten und tauglichen Priesters genedigist
bleiben und woferr derselbig diser Confession verwant, durch die
Lehnsherrn und Ordinarios der Presentation und Confirmation
halber unbedrangt zu lassen, denen nicht weniger als zuvor
bemelter Presentation und Confirmation halben ir gebilrlich
Geföll ain Weg als den andern nit entzogen solle werden und
solches alles biss zu ainer allgemeinen ainhelligen christlichen
und fridlichen Vergleichung in deutschen Landen, doch mit
ausgedingten namhafften Conditionen, dass ir f. D. wie alle ire
Religionsverwandte bei irer alten catholischen Religion also auch
die Herren und Ritterschafft sambt obbemelten iren Religions-
verwandten bei derselben Religion, also auch an iren Personen
1 Also die vom 24. Februar.
82*
486
beederseits und wolhergebrachten Giiettern, Rechten und Ge-
rech tigkhaiten ungeschwächt, unbetrilebt^ unangefochten und
unabpracticirt bleiben lassen und es ainer dem andern ab
seinem cristlichen Mitglidt beederseits wol, guet und treulich
meinen sollet
Dem neuen Actenstück, welches durch diese Umgestaltung
der erzherzoglichen Versicherung entstand, wurde das Datum:
26. Februar gegeben. Zugleich wählte der Landti^ einen
Ausschuss, welcher dafür arbeitefi sollte, dass der Erzherzog
diese Versicherung, diese ,NöteP, wie die Protestanten dieselbe
nannten, anerkenne. Dieser Ausschuss bestand aus folgenden
Herren: Hans zu Schärfenberg auf Spielberg, Rath und Landes-
hauptmann; Pankraz von Windischgrätz , Rath, Hofmarschall
und Präsident des Hofraths; Hans Friedrich Hoffmann, Rath
und Landmarschall; Wolf von Stubenberg, Rath und oberster
Stallmeister; Erasmus von Windischgrätz, Rath und d.-ö.
Kammerpräsident; Freiherr Lukas Zäckl, Rath; Paul von
Tannhausen; Jakob von Windischgrätz; Servatius von Teuffen-
bach; Bernhardin Rindschaidt zu Schiechleuten ; Christoph von
Kainaoh der ältere; Ferdinand von Kolonitsch zu Burgschleinitz^
Georg Seifried von Trübeneck, Vicedom.
Diese Ausschüsse überreichten wahrscheinlich noch am
26. Februar dem Erzherzoge ihre ,Nötel*, welche aber in hohem
Grade den Unwillen des Landesherrn erregte. Nun arbeitete
der Landtag eine Entschuldigungsschrift aus, in welcher zu-
nächst die Ursachen der Umänderung der erzherzoglichen Er-
klärung, dann die einzelnen geänderten Punkte aufgezählt
wurden. Diese Schrift überreichten die Ausschüsse dem En-
herzoge am 27. Februar. Dieser nahm sie entgegen, hörte auch
die mündliche Auseinandersetzung der Ausschüsse an tmd liess
diese dann abtreten, um sich mit seinen Räthen zu besprechen.
Nachher wurden die Ausschüsse wieder vorgerufen. Der Erz-
herzog erklärte ihnen, er habe ihnen eine Declaration (vom
16. Februar) und eine Erläuterung (vom 24. Februar) gegeben,
und damit könnten sie und ihre Auftraggeber wohl zufrieden
sein. Aber sie waren es nicht; denn nachdem sie sich untöP-
einander berathen, baten sie durch ihren Sprecher, den Mar
schall HoflFmann, um eine gnädigere Antwort, weil sonst der
Landtag die Berathung über die Geldangelegenheiten ein-
stellen und die bisherigen Ergebnisse derselben annulfiren
487
würde. Auf diese Drohung antwortete der Erzherzog, ohne
acb früher mit seinen Käthen besprochen zu haben, aus-
ftLhrlich und mit grossem Ernst, worauf die Ausschüsse um
Urlaub baten, um den übrigen Landtagsmitgliedern Bericht
za erstatten.
Am 28. Februar, um 2 Uhr Nachmittags, begaben sich
die Ausschüsse mit Ausnahme des Marschalls Hoffmann, der an
diesem Tage ,etwas übel aufgewest% abermals in die landes-
färstliche Burg. Das Wort führte Bernhard Rindschaidt, welcher
den Erzherzog bat, er möge seinen Räthen befehlen^ eine
.gtietliche, vertreuliche Tractation und Conversation ftlrzunemen',
damit die Irrungen beseitigt und die Angelegenheit glücklich
zu Ende gefUhrt werde. Nachdem der Redner geendet, sagte
der Erzherzog die Erfüllung ihres Wimsches zu. Er hiess die
Ausschüsse in das Tafelzimmer treten und zu warten; dann
besprach er sich mit seinen Räthen, dem obersten Kämmerer
Georg Khevenhiller zu Aichelburg und dem Deutsch-Ordens-
ritter und Hof-Vicekanzler Hans Kobenzl zu Prosseck. Diesen
gab er den Auftrag, mit den Ausschüssen zu unterhandeln.
Sie erschienen bald nachher bei den Ausschüssen im Tafel-
zimmer; alle nahmen um den grossen Tisch Platz und die
Berathung begann.^
Der oberste Kämmerer Georg Khevenhiller ergriff zuerst
das Wort und gestand ganz offen, dass sie den Auftrag
hätten, die Ausschüsse zu bewegen, die Religionsangelegenheit
im alten Stande zu lassen. Sie wollten daher die einzelnen
Punkte der von den Ständen vorgelegten Declaration be-
sprechen und jedem derselben eine Erläuterung geben, die
beide Parteien befriedigen werde. Es handelte sich vor Allem
um vier Punkte. Der erste dieser strittigen Punkte war der
1 lieber diese Vorgänge sind zwei Berichte vorhanden: ein landfürst-
liches, von Khevenhiller und Kobenzl verfasstes Protokoll, welches die
Ueberschrift: ,In perpetuam rei memoriam* trägt. Es steht in den Land-
tagshandlungen (Sign. LH 14) und ist als Beilage I zu dieser Abhand-
lung abgedruckt. Der zweite Bericht ist der, welchen die Ausschüsse
aufisetzten und den Ständen vorlegten. SOtzinger hat ihn in sein er-
wähntes Werk aufgenommen und dadurch gerettet; denn sonst habe
ich diesen Bericht nirgends gefunden. Er ist weit ausführlicher als der
Bericht der Bäthe, geht in das Einzelne ein und wurde daher der Dar-
stellung vorzugsweise zu Grunde gelegt.
488
Eingang, in welchem sich der Erzherzog auch fUr seine Erben
und Nachkommen verpflichten sollte. Er hatte auf dem ihm
von den Ausschüssen übergebenen Entwürfe die Worte: fiir die
,Erben und Nachkhumen* selbst durchstrichen, und jetzt machte
Khevenhiller die Ausschüsse aufmerksam, dass der Landes-
fürst seine Nachkommen unmöglich binden könne, weshalb
sie diesen Zusatz fallen lassen sollten. Die Räthe traten ab
und die Ausschüsse beriethen sich untereinander. Sie meinten
zwar, der Erzherzog könnte immerhin diesen Zusatz aufnehmen,
weil es der Kaiser auch gethan, doch legten sie kein gar zu
grosses Gewicht auf denselben und Hessen ihn fallen. Diesen
Beschluss meldete Rindschaidt den Käthen, die sehr erfreut
waren, die Ausschüsse in diesem Punkte so nachgiebig ge-
funden zu haben. ^
Nun schritt man zu dem zweiten Punkte. Dieser betraf
die Einfügung des Wortes ,Unterthanen', so dass der Satz
lauten sollte, der Erzherzog wolle ,die vom Herrn und Ritter-
stand sambt iren Weib, Khindt, Gsindt, und Underthonen*
u. 8. w. nicht beschweren. In ihrer Entschuldigungsschrift
hatten die Stände angeführt, sie hätten ,ihre ünterthonen ge-
horsamist eingeführt^ weil sie für dieselben ebenso wie für
Weib, Kind und Gesinde Sorge und Verantwortung tragen
mttssten, doch sei der Zusatz nicht so zu verstehen, als ob die
Unterthanen einem Zwange unterworfen werden sollten. Jetzt,
bei der Berathung mit den Ausschüssen, gab Khevenhiller die
Erklärung ab, die Unterthanen seien ohnehin unter dem Aas-
drucke: ,angehörigen Religions verwandten' mitverstanden. Der
Erzherzog wolle die Unterthanen der Stände ebensowenig wie
diese selbst beschweren, man solle dem Fürsten trauen und
es bei seiner Religionserklärung bewenden lassen. ,Ire f. D/,
sagte er, ,khünnen sich nichts bloss geben, damit sy sich auch
gegen den andern habe zu defendiren, wiewohl Ire f. D-
khain Bedenkhen haben, diese SchriflFten die khümmen hin,
wo sy wollen; aber sollen sy anitzo in ainem und dem andern
mehrers als zuvor einführen, das Ir f. D. nit wolle gebüren/
1 Jetzt erst ist die Stelle in der Denkschrift der innerösterreicbischen
Stände vom 24. Februar 1600 (Dimitz III, 304), welche sa^t, die Aus-
dehnung der Concessionen auf die Erben des Landesfürsten sei w»
38. Februar 1572 abgeschlagen worden, verstindlich.
489
Nach dieser Erklärung traten die Räthe ab, und die Aus-
schüsse berietfaen die Sache. Sie blieben bei ihrem Verlangen
und gaben dies den zurückkehrenden Käthen kund. Diese
wandten neuerdings alle ihre Beredsamkeit auf, die Ausschüsse
umzustimmen. Ehevenhiller konnte aber auch jetzt nichts
Anderes thun, als betheuem, dass unter den Rehgionsver-
wandten auch die Unterthanen gemeint seien. Er ,vermeldt
bey seinem Gewissen, dass es gewisslich kain andern Ver-
stand hab^ Eobenzl dagegen machte aufmerksam, dass der
Ausdruck ,angehörige Religions -Verwandten* genereller, um-
fassender sei als der Ausdruck ,Unterthanen% so dass ihnen
also mit jenem Worte mehr bewilhgt werde, als sie wünschten.
Er ,yermeldt, dass ain ersame Landschafft vielmehr mit der
Generalität der Angehörigen und Niemandts ausgeschlossen,
wie es zuvor in der Schrifft einkhumen, als mit Specificirung
der Underthanen content und zufrieden sein solle und wann
er unserer Religion wäre, so khunde er änderst nicht befinden,
denn dass die Generalität viel besser und gewisser in allen
zuefallenden Sachen als solche Specificirung seye'.
Diese Beweisführung scheint Eindruck auf die Ausschüsse
gemacht zu haben, denn nach einer neuen Berathung unter
sich gaben sie die Erklänmg ab, dass sie zwar das Wort
,Unterthanen' gerne in der Urkunde sähen, dass sie jedoch auf
die Aufnahme desselben verzichteten im Vertrauen auf die
Auseinandersetzung der Räthe, welche sie festhalten wollten.
So hatten die Ausschüsse auch den zweiten Punkt auf-
gegeben, und ebenso leicht Hessen sie sich in dem dritten
überwinden.
Dieser Punkt betonte die Rechte der Vogtherren gegen-
über denen der Lehensherren und Ordinarien. Die Räthe ver-
langten, dass die Stände auch diesen Punkt fallen lassen sollten.
Man könnte sich, sagten sie, so vergleichen: Wenn der Lehens-
herr oder Ordinarius einen Geistlichen ,8perren' wolle, so ,solle
diese Beschaidenhait gebraucht werden, dass man sy wol sup-
plicim und lauffen wirdt lassen, aber sy würden dameben
guetlich von irem Anhalten abgewiesen, dass sy hierinnen
Geduldt truegen, wo nicht, alsdann sy zu den Landtsrechten
zu weisen, wie es nun gehalten werden solle, das verstehet man
woll^ Mit diesem Versprechen sollten sie zufrieden sein, aber
in die Religionserklärung könnte es nicht aufgenommen werden.
i
490
Der Sinn dieses Zugeständnisses ist der: Die Vogtherren
nehmen den Geistlichen auf; wenn die Lehensherren und Or-
dinarien denselben nicht anerkennen wollen, werden sie von der
Regierung zur Geduld verwiesen oder die Streitsache kommt
vor das Landrecht, dessen Beisitzer protestantische Adelige
sind, deren Entscheidung also den Vogtherren nicht ungünstig
sein könnte.
Diesen dritten Punkt Hess man übrigens einstweilen in
der Schwebe, und man wandte sich dem vierten zu. In ihrem
Concepte hatten nämlich die Stände den Satz: ,so lang sy sich
der gebüerlichen Beschaidenhait, wie in Ir f. D. Dedaration
vermeldet,^ verhalten werden', ausgelassen und dies damit mo-
tivirt, dass sie die Einstellung des protestantischen Gottes-
dienstes verhindern wollten, die ja vielleicht schon eintreten
könnte, wenn ein einziger aus ihrer Mitte unbescheiden handle.
Zur Besprechung dieses Punktes begaben sich die Herren
Rindschaidt und TeuflFenbach zu den Räthen und erklärten
diesen: , Wofern derselbig Artikel also verbleiben solle, so
wäre die ganze Tractation vergebens.' Die Räthe entgegneten,
sie hätten den Erzherzog zur Auslassung dieses Satzes nicht
bewegen können. ,Doch wolle Ir f. D. , dass es gegen den
Herrn- und Ritterstand allerdings bey der letzten Erklänmg
soll bleiben und bestehen, aber der Vorbehalt, der sich auf
die vorige Erklärung thut referiren, sey nur Ir f. D. Behelf^
damit sie sich im Fall der Noth und da es Irer f. D. under
die Augen gewähet, als betten Ire f. D. alles under ainst zu
Poden gehen, auch Hand und Füss fallen lassen, gegen Hi-
spania, Rom, Bayern und den benachbarten, die sy dennoch
vor Augen haben müeste, entschuldigen khunde, aber die
Herrn und Landleuth soll es nicht binden.*
Ich gestehe, dass ich über den Sinn dieser Worte nicht
vollkommen klar geworden bin. Ich verstehe dieselben so:
Die letzte Erklärung, d. i. die vom 24. Februar mit dem Satze:
,so lange sy sich der gebüerlichen Beschaidenhait verhalten
werden*, bleibt, aber der Vorbehalt, d. i. eben dieser Satz, der
* In der Dedaration vom 16. Februar lautet die Stelle: »solang sie sich
der gebüerlichen Beschaidenhait und schuldigen Gehorsam bs verhalten,
so viel sich Irer f. D. Gewissens haibor thun und vor Gott veranl-
wortten last*.
491
auch schon in der vorigen Erklärung; der vom 16. Februar,
enthalten ist und dort mit dem Satze: ,so viel sich Irer f. D.
Gewissens halben thun und vor Gott verantwortten last', in
Verbindung steht, soll den Herren und Rittern keinen Schaden
bringen, sondern nur ein Schild sein gegen etwaige Vorwürfe,
welche der Papst und die katholischen Mächte gegen den Erz-
herzog wegen seiner Nachgiebigkeit erheben könnten. Wenn
diese meine Auffassung richtig ist, so versprach hiermit die
Regierung, den Bestrebungen der Protestanten gegenüber ein
milderes Verfahren in Anwendung bringen zu wollen, als es
nach dem Wortlaute der Declaration erwartet werden konnte.
Diese Mittheilung brachte die Ausschüsse auf einen andern
Gedanken. Nachdem sie sich berathen , schickten sie die
Herren Rindschaidt imd TeuflFenbach wieder zu den geheimen
Räthen und liessen diese ersuchen, dahin zu wirken, dass
der &zherzog der Landschaft eine ihren Wünschen voll
entsprechende , unterschriebene ReHgionsdeclaration ausstelle,
welche ,die gehorsambisten Herren und Landleuth in grosser
Gehaimb behalten und solche khainem andern communicirt
oder abgeschrieben gegeben solle werden, sondern unter der
Herren Verordnete Pedtschaden verwarth imd verschlossen
jederzeit sein und bleiben'. Ihr Ziel war eine vom Erzherzoge
unterfertigte , ihrem Entwürfe gleiche Versicherung ; diese
wollten sie geheim halten. In die fUr die Oeffentlichkeit be-
stimmte Erklärung konnten dann immerhin jene Sätze auf-
genommen werden, welche den Erzherzog gegen die Vor-
würfe der Katholiken schützen konnten.
Die Räthe benachrichtigten den Erzherzog von diesem
Wunsche der Ausschüsse. Dieser jedoch brach die Verhand-
lungen ab, da es schon spät am Abend war, und lud die Aus-
schüsse ein, am folgenden Tage früh zwischen sechs und sieben
Uhr wieder vor seinen Räthen zu erscheinen.
In dieser frühen Stunde fanden sich die Ausschüsse voll-
zählig, denn auch der Marschall Hans Friedrich HofFmann
hatte sich angeschlossen, in der erzherzoglichen Burg ein. Die
beiden Räthe empfingen die Landherren mit der Erzählung,
dass sie am vorigen Abende dem Erzherzoge noch lange
zugeredet, den Willen der Ausschüsse zu erfüllen, dass er
,hierinnen auch etwas kleinmüttig gewesen', doch habe er sich
doch nicht schrecken lassen. Aber der Erzherzog habe sich
492
doch zu einer ,NöteP entschlossen , mit der sie zufrieden
sein könnten J Die Räthe gestanden zwar selbst, dass mit
dieser Declaration den Wünschen der Stände nicht vollkommen
entsprochen sei, aber sie gaben die Versicherung, dass Tor-
kommenden Falles so vorgegangen werden solle, wie sie ver-
langt hatten: sollte der Lehensherr oder Ordinarius den von
einem Vogtherrn eingesetzten Geistlichen nicht confirmiren, so
soll die Sache vor das Landrecht gebracht werden; sollten von
diesem ,beschwärliche Erkhandtnussen^ ergehen , so ,wöllen
Ire f. D. solche Moderation und Conjungirung filmemben, dass
die gehorsambisten Landleuth gänzlich zufrieden sein sollen'.
Doch müsste diese Sache nicht allzurasch in die OeflFentlich-
keit gebracht werden. ,Aber zum höchsten zu verhütten, dass
man nicht in allen Wirthsheusem darvon rede, auch sich der-
massen zu stöllen, als ob es nicht zugleich anjetzo, sondern
noch hievor also abgehandelt und beschlossen wäre worden
und wann es auch ir aigen Sachen, ja Leib, Qutt und Blutt
antreffen solle und zehen Fuessftlll gethan betten, so wüsten
sy ain mehrers nit zu erlangen, ja sy haben auch dameben
zuegesagt und versprochen, wie sy es dann ohne das schuldig,
dass wo Ire f. D. darunter ichtes leiden wurde, dass sy neben
deroselben Leib, Gutt und Blutt aufsetzen wollen.'
Als die Räthe abgetreten waren, that der Landmarschall
Hans Friedrich Hoffmann bei den Ausschüssen die Umfrage,
und Alle erklärten sich mit der neuen ,Nötel' zufrieden. ,E8
habe auch ain ersame Landtschafft anders nichts, dann am
solche Erleuterung, damit man einander woll verstehen kbundte,
gesucht.* Nicht diese neue für die Oeffentlichkeit bestimmte
Religionserklärung war die Hauptsache, sondern die bezüglich
dieser Erklärung zwischen den erzherzoglichen Räthen und
den Ausschüssen getroffene Vereinbarung oder ,mündliche Er-
J Dies ist die bei Harter I als Beil. XIX gedruckte dritte Erklärung. Sie
ist, um es hier noch einmal zu wiederholen, die vierte der in den
Handschriften vorhandenen ReligionserklSrungen. Die erste stammt
vom 16. Februar (Hurter I, Beil. XVHI*, in den Handschriften einig«"-
massen anders lautend, daher von mir oben mitgetheilt) ; die zweite £e
vom 24. Februar (nicht gedruckt), an deren Stelle die Stände eine
dritte, von ihnen verfasste, einsetzten , die vom 26. Februar datirt er-
scheint und oben abgedruckt wurde; endlich die vierte, welche, wie
ich ausführen werde, am 29. concipirt und in den Act vom 24. Fe-
bruar eingeschaltet wurde (Hurter I, Beil. XIX).
493
leuterung', von welcher die Stände wünschten, dass der Erz-
herzog sie unterschriebe. Doch standen sie auch von diesem
Wunsche ab und bestanden nur darauf, dass der Erzherzog
bewogen werde, ,8ich zu dieser beschechnen Tractation und der
Herren Gehaimen Rftth mündliche Erklärung zu bekhennen und
solches mit Deroselben fürstlichem Mund gegen den Herrn
vom Ausschuss gnädigst zu ratificim^ Sie selbst würden ,diese
Tractation und Handlung nimmermehr aus ihrem Sinn imd
Herzen khummen lassen wollen, nit minder als wann sy es
täglich in einer Tafel vor ihren Augen beschriebener betten*.
Die mündliche Bestätigung der Ergebnisse der Verhand-
lungen zwischen den Käthen und den Ausschüssen durch den
Erzherzog erfolgte noch am 29. Februar Vormittags. Die Er-
zählung der Ausschüsse lautet so: ,Auf solches alles seindt
die Herrn Ausschuss von Irer f. D. in Deroselben innerste
Kammer ftlrgefordert und selbst mündtlich gegen ihnen ver-
melt, sy werden sich ungezweiflt der Tractation und Handlung,
so die Gehaimben Räthe mit dem Ausschuss an gestern und
heut in Irer f. D. Namen schrijfftlich und mündlich vertreuHch
geredt und fürgebracht, mit mehrerm zu erindem wissen,
welches alles und was also schriifftlich und mündlich gehandelt
und beschlossen worden, das ist Irer f. D. gnedigister Willen
und Mainung und wollen auch alles dasselbige treulich und ohn-
gevehrlich halten und dameben ainer ganzen Ersamen Land-
schafft auch der gegenwärtigen gnedigister Herr und Landts-
fürst jederzeit sein und bleiben mit gnedigistem Vermahnen,
dass sy solches nunmehr mit bester BefÜrderung hinder sich
bringen und also ainst den Sachen ainen gewünschten Land-
tagsbeschluss machen wollen. Darauf Irer f. D. durch den
Herrn Landmarschalch underthenigiste Dankhsagung beschehen
mit bester Commendation ainer Ers. Landschafft, dass sy
solches alles umb Ir f. D. jederzeit ganz gehorsamist zu ver-
dienen willig und beflissen sein wollen.'
Die Erklärung vom 16. Februar blieb in den Acten, die
Erläuterung vom 24. Februar dagegen wurde der erzherzog-
lichen Kanzlei zurückgestellt. Dort wurde in den Act die
neue Versicherung eingesetzt, demselben aber das frühere
Datum (24. Februar) belassen, obgleich die Abfassung der
neuen Versicherungsformel am 29. Februar erfolgte. Diese
neue Formel ist die, welche Hurter im ersten Bande seiner
494
Geschichte Ferdinands II., S. 598, ganz richtig als des Erz-
herzogs dritte Erklärung in Betreff der Religionssache ab-
gedruckt hat. Sie unterscheidet sich von der zweiten, be-
seitigten, Erklärung nur durch die Auslassung des Satzes:
,so lange sy sich der gebüerlichen Beschaidenhait, wie in Ir
f. D. Declaration vermeldet, verhalten werdend
Am 1. März machten die Ausschüsse dem Landtage
ausführliche Mittheilung über den Verlauf der Verhandlungen
und legten auch eine schriftliche Dai*stellung vor. Die neue
Erklärung des Erzherzogs befriedigte freilich nicht; die Land-
tagsmitglieder fanden dieselbe ,nit gar allerdings also gesteh
und beschaffen, dass unsere vorigen und gehorsamisten An-
langen und Bitten genedigiste Willfahrung erfolgt seye^ Aber
die Emmgenschaften lagen ja auch nicht in dieser Erklärung,
sondern in den nicht für die Oeffentlichkeit bestimmten Ab-
machungen, denen der Erzherzog mündlich zugestimmt hatte. In
ihrer Dankschrift vom 1. März^ fassten die Landtagsmitglieder
ihren Gewinn noch einmal zusammen, und der Landesherr be-
stätigte denselben abermals in seiner Antwort vom 2. März,^
welche als die Schlussschrift in den Religionsangelegenheiten
betrachtet werden kann.
Nachdem so diese Sache abgethan war, gingen die
Stände wieder an die Berathung der Geld- und Grenzver-
theidigungsangelegenheit. Auch diese wurde nicht vollkommen
nach den Wünschen des Erzherzogs zu Ende geführt, doch
erklärte er sich in seiner Schlussschrift vom 13. März immerhin
für befriedigt. An diesem Tage wurde der denkwürdige Land-
tag geschlossen.
Dies ist der Verlauf der Verhandlungen auf dem Land-
tage des Jahres 1572, der unser Interesse in demselben Grade
in Anspruch nehmen muss wie der vom Jahre 1578, dessen
Vorläufer er ist. Wir sehen einen seiner Macht sich bewussten,
stolzen Adel, welcher nach Religionsfreiheit ringt und diese
dem Landesfürsten dadurch abringen will, dass er die Ver-
handlung der Proposition verweigert; ihnen gegenüber einen
Fürsten, der seiner Religion mit derselben Treue ergeben i«t
wie die Herren und Ritter der ihrigen, und ihr und ihren
1 Beilage II.
2 Beilage III.
495
Bekenoem nichts vergeben will, aber auch abhängig ist von
den protestantischen Ständen, deren Geldhilfe er in Anspruch
nehmen muss; zMrischen beiden Parteien die Räthe, welche sich
abmühen, die Gegner einander zu nähern und eine Einigung
durch Zugeständnisse zu erzielen, welche mündlich gemacht
wurden und nicht an die Oeffentlichkeit treten sollten. Aehn-
liche Scenen wiederholten sich auch auf dem Landtage des
Jahres 1578, und daher mag es kommen, dass Hurter bei
diesem Jahre erzählt, was sich 1572 ereignet hat.
Hurter berichtet nämlich,^ dass 1578 die ständischen Aus-
schüsse eigenmächtig in die Acte, welche die Zugeständnisse
des Erzherzogs enthielt, die Worte aufnahmen, der Erzherzog
verpflichte sich zu dem Bewilligten für seine Erben und Nach-
kommen. Der Erzherzog habe sich gegen diesen Zusatz ver-
wahrt und ihn dann weggestrichen. Diese Erzählung ist in alle
folgenden Darstellungen dieser Zeit übergegangen. Felix Stieve
hat in seinem Werke ,Die Politik Baierns^^ aufmerksam gemacht,
dass sich Hurter geirrt, und nach ihm hat Pfarrer Doleschall,^
ohne Stieve's Anmerkung zu kennen, seine Bedenken geäussert,
ist aber auf die Sache nicht weiter eingegangen. Aber konnte
sich denn nicht auch auf dem Landtage von 1578 dieselbe
Scene ereignet haben, die sich 1572 abgespielt hat? Yß wäre
doch als möglich anzunehmen, dass die Stände auch auf
diesem Landtage den Versuch gemacht haben, die Anerkennung
ihrer Errungenschaften auf Generationen hinaus zu sichern.
Eine genauere Betrachtung der von Hurter benützten Quellen
bringt uns die Ueberzeugung , dass sich diese Scene nur
einmal, und zwar 1572 zugetragen hat, denn der Bericht des
fürstlichen Kanzlers Schranz,^ des Augenzeugen der Vorfälle
im Jahre 1578, enthält nichts von dieser Scene, und der Brief
der Witwe Karls vom Jahre 1591,* auf den sich Hurter vor-
zugsweise beruft, erwähnt zwar den Vorfall, aber ausdrücklich
als im Jahre 1572 geschehen. Hurter hat diesen Brief ober-
flächlich gelesen, weil sich bei ihm schon die Anschauung
« I, 347.
' I, 91.
^ Im Jahrbuch der Gesellschaft fUr die Geschichte des Protestantismus in
Oesterreich, 6. Jahrg. (1884), 8. 166 ff.
« I, 619, Beil. XXXI.
* II, 570, in der Beil. XCVIII.
496
festgeBctzt hatte, dass die EinschmuggeluDg des Zusatzes und
die Wegstreichung durch den Erzherzog iin Jahre 1578 ge-
schehen ist. Und diese Ueberzeugung hatte er ohne Zweifel
durch die Lecture von Khevenhiller's Annalen gewonnen, denn
merkwürdiger Weise findet sich dieser Fehler bereits bei
diesem Schriftsteller vor. Der Erzherzog, erzählt er,^ gab 1578
den Ständen das liberum exercitium ihrer Religion, und ,ob
Ihr f. D. wohl stark, damit bemeldte Concession derselben
Erben und Nachkümbling auch binden und verobligieren
möchte, zugemut worden, so haben sie es doch rund ab-
geschlagen^
Der Vergleich des Jahres 1572 brachte dem Lande nickt
den religiösen Frieden; er war wie der vom Jahre 1578 nur
ein WaflFenstillstand, welcher in den Kampf der beiden Parteien
nur auf eine sehr kurze Zeit eine Unterbrechung brachte.
BEILAGEN.
I.
Bericht der erzherzoglichen geheimen Eäthe über ihre Verhand-
lungen mit den Ausschüssen.
(AuB dem Cod. des Grazer Landesarchivs: LH 14.)
Ad perpetuam rei memoriam.
Als die Herrn und vom Adl in Steyr der f. D. unserm
gnedigisten Herrn den sibenundzwainzigisten Februarii anno
im zwayundsibenzigisten auf Irer f. D. inen vom vierund-
zwainzigisten dito übergebne Erleutterung der Declaration, so
inen Ir. f. D. vom sechzehenden ejusdem der Religionsachen
halben zuegestelt, ain Schrifften, so bey den Landtagsactis mit
AA zufinden, angehendigt, haben Ir f. D. die Ausschüss ab-
tretten lassen, die Schriflften mit iren geheimen Ratten ver-
numen und inen auf beschehne wider fllrforderung lautter
angezaigt, nachdem sy sich deren inen hievor gegebnen De-
claration und darauf gefolgten Religionserleutterung mit guetem
' Annal. Ferdinand I (1721), 7.
497
zeitigen Rath^ so weit sy es ires cristlichen Gwissens halben
thaen khünden, entschlossen , so wissten sy davon nit zu
weichen^ sonder verharreten dabey flir alzeit und vermaneten
sy sambt iren Principaln gnedigklich, dass sy gehorsamblich
daran zufriden und beniegig sein und dann zu Eröffnung ires
Beschluss der Gränizen auch Landt und Leuth -Versicherung
belangend, sambt den andern Ständen greiffen weiten.
über welches sy ain andres begert und wie sy filr Ir
f. D, wider khumen^ durch den Herrn Marschalch vermelden
lassen, sy betten sich aber Irer f. D. Erklärung zum höchsten
entsetzt, zweifelten auch nit, da sy ire Principaln vememen,
dass sy zum höchsten darob erschreckhen wurden und sich also
nichts anders zuversehen, dann dass die Sachen zerstossen und
die ersten müheseiligen Terminos, wiewol man sonsten zimblich
weit davon und zusamenkhumen, erlangen wurde, des begerten sy
ires thailss herzlich fürzukhumen und hätten daneben ir f. D.,
dass sy sich genediger gegen inen erklären und erweisen wolten.
Auf welches nun Ir f. D. inen one allen Bedacht oder
mit derselben Ratten communicieren unverzüglich mit unge-
wöndlichem^ sonder scheinunden Ernst gleichwol in effectu auf
die Mainung, wie die Schrifften mit HB bey den Landtags- Actis
zu finden, solches in Eingang referiert, aber doch vil ausflier-
lieber und beweglicher geantwort und so vil damit gewürkht,
dass der Marschalch Herr Hofman vermeldet, er hette khain
weittere Bevelch, Irer f. D. auf ir beschehne ausfiirliche Ver-
meldung zu antworten oder zu repliciem, aber für sein Person
hätte er Ir f. D. ganz gehorsamblich, dass sy weder ine noch
ain ganze ersame Landschafft ainicher Widerspen igkhait nit
verdenkhen sonder vergwist sein wolten, was dissfals beschehen,
das es alles von desto pessern Verstands wegen bedacht und
fUrgenomen, sonsten wissten sy sich allesambt von den Gnaden
Gottes, der schuldigen Gehorsamb und Gebüer gegen Irer
f. D. wol zu berichten (und wünschten nichts änderst, dann dass
sy von Mund zu Mund darumben besprochen wurden) wolten
auch dabey die Zeit ires Lebens verharren, underthenigist
bittundt, Ir f. D. geruechten inen zu erlauben, solches alles
an ire Principaln umb ir fernere Erklärung gelangen zu lassen.
Das dann Ir f. D. inen genedigklich zuegegeben mit
Vermanen, dass man alles den Ständen referiern und darunter
die gemain Ruhe und Wolfart beflirdem wolle.
498
Demnach sein die Ausschüss abgeschiden und den acht-
, undzwainzigisten Februarii umb zway Ur Nachmittag bey Irer
f. D. wider fUrkhumen und erstlich mündlich dann schriftlich,
wie underm BB zu sehen, ir und der andern gehorsame Ent-
schuldigung fürgebracht und ausdruckhlich durch Herrn Bern-
harden Rindschadten , nachdem Herr Marschalch etwas übl
aufgewest, gebetten, dass Ir f. D. die Sachen dahin gnedigist
khumen und gelangen lassen weiten, damit sy mit Irer f. D.
geheimen Ratten von Sachen weitter in Irer f. D. Abwesen
referiem und also Vleiss fUrwenden möchten, die übrigen
schlechten Iriningen und Missverständt auch hin und beyzu-
legen und also der langwierigen Handlung ainest ain gewinschtes
Ende zu machen.
Welches Ir f. D. inen genedigklich alspald bewilliget mit
disem Vermelden, dass sy den Herrn öbristen Camrer und
mich Vicekanzler darzue flirgenomen und deputiert, darauf
wir nun möchten zusamenkhumen und die Handlung für Händen
nemen. Hierauf sein die Herrn Ausschüss in Irer f. D. Tafel-
Stuben gangen, daselbsten des Herrn öbristen Camrers und
meiner erwartet, da wir samentlich nidergesessen und hat Herr
Obrist Camrer sy nachfolgunderweiss angesprochen.
Wie sy sich Irer f. D. unsers gnedigisten Herrn Be-
willigung und Verordnung zuerindern (wissen), also zweifelte
ime und mir auch nit, sy wurden sich tiberflüssig zu berichten
wissen, wie ausfllrlich Ir f. D. erst den vorigen Tag hoch be-
teuert und contestiert, dass sy sich über die inen und iren
Principaln gegebne Declaration und demselben Erleutterung
mit inen weitter einzulassen nit wissten.
So dann solches dermassen geschaffen, auch sy als Irer
f. D. anschliche flimeme Rätt, Diener, Ambt und Landtleuth
leichtlich zu erachten, da Ir f. D. solcher Contestation zuwider
sich in weittere Handlung einlassen weiten, zu was merkh-
licher verweislicher Beschwärung es iro nit allain bey inen,
sonder auch sonsten, wo es nur erfam, geraichen, so betten
uns Ir f. D. gnedigist bevolhen, sy solches mit allerhandt Avßr
ftierung zuerindern und sy mit allen dienstlichen Persuasion«
dahin zu bewegen, dass sy den Wegen und Mitln nachge-
denkhen, dieselben auch sambt uns befürdem weiten, danÜ
also alle Sachen im alten Standt verbleiben möchten«
499
Neben diesem hat auch Herr Obrist Camrer vermeldet,
wie wir nichts anders wünschten^ dann die Gnad von Gott zu
erlangen, dass wir Irer f. D. gnedigisten Bevelch und dem
Vertrauen, so villeicht ain ersame Landschafft in unsem Per-
sonen neben andern gesetzt, ain volkhumenlichs Beniegen thuen
khündten.
Und hat darnach der Herr weitter vermeldet, damit aber
die Herrn Ausschüss umb sovil mer Ursach hetten, Irer f. D.
ftlr ire Personen und von irer Abgesandten wegen gnetherzig
zu verschonen, so wolte man inen von ainem zum andern Ar-
tikel ain Erleutterung thuen, darob sy sehen und vememen
wurden, dass man nunmer in effectu zusamenkhumen und
khain ainige Ursach habe, die Sachen zu ainer und der andern
Parthey ewigen vorsteunden Bosch wärung zerstossen zu lassen.
Als erstlich, da die Stände begeren, dass Ir f. D. die
Declaration flir sich, ire Erben und Kachkhumen stellen sollen,
da hetten sy vernünfftig zu bedenkhen, dass Ir f. D. dissfals
ire Erben und Nachkhumen nit binden khünden, wie dann sy,
die Landtleuth, von iren frumen Voreltern mit Haltung irer
Stifft und andetn dergleichen Sachen nit gebunden sein wollen
und darumben so sollen sy gegen Irer f. D. die evangelisch
und natürlich Regel quod tibi non vis, alteri non feceris auch
in alweg halten.
Was sy dann von den Underthanen über die Wortt an-
gehörige Religionsverwante , Niemands ausgenommen, in die
Correctur gesetzt^ weill es sonsten in effectu die Mainung hette,
welche aus iren Underthanen freywillig und unbezwungen irer
Religion alberait schon seyen oder nach sein wollen, dass die-
selben in diser Declaration verstanden werden, wie dann
auch den Wortten angehörige Religionsverwante khain ander
Verstandt zu imaginieren, so sollen sy sich zu Ruhe begeben
und Irer f. D. darumben trauen, dass sy es nit änderst mainen.
Dass sy dann begert, bey den Wortten ire habunde
Kirchen und Schnellen dise Wortt jetzo und khunfftig zu setzen,
weill hernach der ganzen Erleutterung Beschluss mit disen
Wortten vermeldet, biss man sich der strittigen Religionsachen
halber cristenlich, fridlich und gotsäUig von den Gnaden des
Allmechtigen verglichen wird haben, so seyen solche ire hin-
zuegesetzte Wortt überflüssig und mügen one allen iren Mangel
sicherlich wol ausbleiben.
ArcbiT. Bd. LIXUI. U. HUfte. 33
500
Was sy aber in die ausgedingte Condition von Ihrer f. D.
und Religions-Verwanten auch von derselben Personen und
Güetter Versicherung gesetzt, weill sy hievor absonderlich und
ausser mit Einziehung Ir. D. und derselben Religions-Ver
wandten genuegsamb und überflüssig versichert, so wäre solches
alda zu tafftalogiern uud vergebenlich zu repetiern unnott mit
merer statlicher Ausflierung; der Zusatz von der Vogt und
Lehensherm Rechten und Gerechtigkhaiten hette khain andern
Verstandt bey Irer f. D., denn das Ir f. D. jedermenigkKci
bey seinen wolhergebrachten Rechten und Gerechtigkhaiten
beleiben lassen und da sich aber je darunder Stritt und Irrungen
begeben, Ir f. D. dieselben für das Recht angebüerunde Ende
und Ortt remittiem und sich in solchen Sachen vor und her
nach dermassen verhalten und erweisen weiten, darob ver-
hoffenlich aine und die ander Parthey nach Gelegenhait der
Leuff und Zeit khain billiche Beschwerden haben solle und
obwol Herr Bernhardt Rindschadt den folgunden Morgen^ wie
diese Sachen als hernach zu vermelden, iUrkhumen, vermaint,
dass Ir f. D. die Sachen für das Landsrecht remittiem wurden^
so ist doch lautter durch mich Vicecanzler angezaigt, dass es
angebüerenden Enden und Ortten geschehen werde.
Die übrigen Begeren fiellen sonderlich aus dem ersten
Vermelden für sich selbs und darauf vermoneten wir sy ganz
treuherzig und wolmainlich, dass sy alle Umbstände auch Irer
f. D. vätterliches und unser getreues Wolmainen notwendigklich
bedenkhen und darauf in Gottes Namen die Sachen dahin richten
weiten, damit maus ainst zu gewünschtem Ende bringen möchte.
Über welches und sonderlich das erst, ander xmd drits
auch die andern unsere Anbringen und Vermanungen sich die
Herrn Ausschüss jeder Zeit aller Schidlichait gegen uns yer-
nemen lassen, doch daneben allemal vermeldet, dass sy solche
unsere Erklärungen an ire Principaln bringen und ires pesten
Vermügens dem gemainen Wesen zum pesten befürdem wolten.
Welches wir lestlich Irer f. D. zu referiem und iren ge-
treuen wolmainunden Eiffer gegen Iro zu rttemen angenomen^
inmassen wir dann hievor anfangs gegen inen von des pesten
wegen vermeldet, da sy sich in Sachen fbrdersamb und schidUd)
erweisen wurden, dass Ir f. D. solche ir getreue Guetwillig-
khait gegen inen und allen iren Erben auch jeder Zeit
erkhennen und bedenkhen wolten und hoffen nit Unrechts dann
501
gethon haben 7 weill sich solches Ir f. D. gegen inen hievor
selbst mandUch erbotten.
Und nachdem im Abzug obgedachter Herr Rindtscheidt
nnd Herr Servaci von Teuffenbach zu uns baiden khumen und
sich entUch von der andern Herrn wegen so weit gegen uns
erklärt, wo Ir f. D. haben weiten, dass die Declaration bei
den Actis blib, aber die erfolgte Erleutterung wider zu Irer D.
Händen genomen und ain andre ungefilrlich der beschehnen
Erklärung gemäss inen angehendigt wurde, das solches sonder
Zweifel den Ständen auch nit zugegen sein wurde, haben wir
inen geredet, die Sachen an Ir f. D. zu bringen und aller
Gebtier nach unsers pesten Vermögens zu befürdem.
Wie nun Ir f. D. den lesten Februari morgens frue mit
iren gehaimen Ratten die Sachen in Beratschlagung gezogen,
auch der allmechtige Qott sein Gnad verlihen, dass man sich
der erfolgten ferrem Erklärung und Correctur Irer f. D. hievor
von sich gegebenen Erleutterung ainhelligklich nomine dis-
crepante verglichen, dieselb auch bei Irer f. D. aufs Papier
gebracht, verlesen und erwogen, haben Ir f. D. den Herrn
obristen Camrer und mich Vice Canzlern zu den ernenten
Herrn und Ausschüssen, die zwischen sechs und siben Ur be-
scbiden und all vorhanden gewest, abgesandt und uns Bevelch
gegeben, inen nachfolgunde Mainung anzuzaigen.
Obwol Ir f. D. hoch beteuert haben, dass sy weiter als
hievor beschehen, nit zu gehen wissten, jedoch auf unser und
der andern Herrn gehaymen Ratte so vilfeltigs beschehens ge-
horsamistes Bitten und Vermonen betten sy zu überflüssiger
Bezeugung irer getreuer vätterlicher Wolmainung uns so vil
eingeraum bt, dass wir uns zu inen verfüegen und nemblich
sehen selten, ob die Sachen auf die Weg und Mitl zu bringen,
wie hernach zu vememen.
Des wir nun, Gott ist unser Zeug, von wegen Befürderung
der gemainen Wolfartt eyfrig gethon und den Herrn Aus-
schüssen verzaichneter angehendiget, wie die inen jüngst zue-
gestelte Erleutterung ferrer zu erleuttem und die Sachen damit
zu cristenlichem guetten gottsäligen Verstandt zu bringen sein
möchte, uns zum höchsten erfreyend und Gott dankhend^ dass
die Sache die Mitl und Weg erraicht hette.
Nach solchem sein wir in die Camer gangen und dar-
innen über neune, biss uns die Herrn wider erfordert, ver-
33*
502
bliben. Wie wir nun zu inen khumen, haben sy uns durch
den Herrn Landt Marschalch naehfolgunde Mainong anzaigen
lassen.
Sy betten unser nechtige und heuttige Erklärung der
strittigen Religionsachen halben vernomen; dankheten Gott,
dass es zu solchem gewinschten Verstandt khumen wäre und
obwohl unser beschehne Erklärung zimblicb khurz, weill sy
aber das betheuern^ so Ir f . D. öffter gethon, dass sy nemblich
alle Sachen gnedig^ vätterlich^ treulich und ungefärlich mai-
neten, zu Gemüet gefüert, auch darfiier hielten, dass wir alles
aus Irer f. D. Mundt und Bevelch angezogen und vermeldet,
so wolten sy es auch zum Pesten versteen und inen khainen
Zweifel machen, es werde denselben Verstandt haben, wolten
auch darauf in Ir f. D. khain Misstrauen stellen, inmassen
es dann hie vor nie beschehen, sonder es alzeit die Hainung
gehabt, wie sy verstanden worden, mit Bitt, die Sachen dahin
zu befürdem, dass Ir f. D. solches alles selbst mündlich gegen
inen bestetigen wolten, damit sy es iren Principalln anbringen
und die Sachen ainest zu Beschluss abgehandelt werden
khündte. Dagegen wolten sy verhoflFenlich sovil erhalten,
dass man Ir f. D. des Underzaichens auch erlassen und son-
sten dise fürwendung thuen, dass die Sachen in aller pesten
verbleiben solte.
Welches wir nun alles Irer f. D. underthenigklich refe-
riert und Ir f. D. dahin gehorsamblich vermügt, dass sy die
Ausschttss für sich gelassen, unser mit inen gepflogne Hand-
lung selbst mündlich bestettiget und neben gnedigistem Be-
geren, dass sy die Sachen bey iren Principalln irem Erbietten
nach zum pesten befördern wolten, sich gegen inen aller gne-
digen Dankhparkhait auch der jungst gethonen Erleutterung,
wann dieselb wider originaliter zu der Canzley erlegt, Cor-
rectur und Verferttigung vermüg der inen gethonen Aus-
fUerung gnedigist erbotten, die sy dann nach Essens mir Vice-
Canzlem durch den Secretari Aman zuegebracht, dieselb
darauf wie darinen zu sehen, corrigiert, umbgeferttigt, inen an-
beut wider angehendiget und damit verhoffenlich Irer f. D.
und dem ganzen Lande viller Beschwärungen und BehölH-
gungen abgeholffen worden, alles flirnemblich zu der Ehren
Gottes Erhalttung und der gemainen Wolfartt BefUrderung.
Amen.
503
Und des zu ewiger volstendiger Gedechtnua und Urkhundt
haben wir uns baid hie underschriben, prima Martii a. im
Ljnndsibenzigisten.
Georg Khevenhüller zu Aichlberg, Freyherr.
Hans KobenzI von Prossegg.
n.
Der Landtag an den Erzherzog. Erklärung der Annahme der
zwischen den geheimen Rathen und den Ausschüssen getroffenen
Vereinbarungen.
(Ana S^tnnger's ,Acta und Handlungen' nnd den LH 14.)'
Durchleuchtiger Erzherzog, genedigister Fürst und Herr,
Euer f. D. genedigist übergebene schrifftliche Erleuterung und
Erkblärung in der strittigen Religionssachen haben wir an heut
in allem Gehorsamb empfangen, angehört und dieselbige treu-
herzig nach NotturfFt erwogen. Nun befinden wir gleichwohl
solche genedigiste Erkblärung im Buchstaben nit gar allerdings
also gesteh und beschaffen sein, dass unserm vorigen und
gehorsamisten Anlangen und Bitten genedigiste Willfahrung
erfolgt seye. Als uns aber die Herrn vom Ausschuss, welche
durch uns fürgenummen und erkhiest zu Euer f. D. in aller
Underthenigkeit von wegen güettlicher Vergleichung und Ab-
handlung obangezogner Strittigkeiten zu erscheinen, nach lengst
und mit mehrerm mündtlich entdekht, wie und was gestalt die
güetliche Tractation von Artikl zu Artikl zwischen E. f. D.
gehaimen Käthen Herrn Georgen Khevenhüller, Freyherrn,
obristen Camrer und Herrn Hansen Khobenzl von Prossegkh,
Teutsch-Ordens Ritter und Hof-Vicekanzler und denen von
Ausschuss aus genedigister Verordnung Eur f. D. fllrgeloffen,
was auch darunder mit hohen betheuerten Wortten durch
wolernennte Herrn gehaimbe Räth mündlich zu Erhaltung
gleichen Verstandts für Erklärung erfolgt und beschehen,
nemblich und fürs erste: Obwohl die Underthanen nit mit
ausgetrukhten Wortten in der Erklärung begriffen, so werden sy
1 Dieses Actenstück stimmt bei Sötzinger und in den LH 14 nicht immer
Wort für Wort tiberein, doch merke ich nur zwei grössere Abweichungen
besonders an.
604
doch lauter under dieser Generalität und Wortten : Angehörigen
Religion» Verwanthen Niemandts ausgeschlossen verstanden.!
Fürs ander, nachdem bisher der Stritt und Irrigkhait
der Vogthey und Lehenschafften wegen aus dem ftlmemblieh
erfolgt, dass etwo die Lehnsherrn diesen Priester, welchen die
Vogtherrn und Pfarrmenig fürgestelt und gebetten, ihme die
Pfarr zu verleihen, wann derselbig nit des Lehensherm Religion,
die Pfarr nit verleihen, also auch wann etwo der Lehensherr
gleich ainem tauglichen die Pfarr thuet verleihen, dass der
Ordinarius demselben die Confirmation aus obangezogener ür-
sach nit will mittheilen, sondern denselben Priester von der
Pfarr abzuziehen thuet tringen, darin nun E. f. D. als ein
gerechter Herr und Landtsftirst dieses genedigistes Bedenkhen
gehabt, dass dieselbig menigklichen ainem Theil sowol als
dem andern lustitiam halten zue lassen vor Gott schuldig und
also ainem sein Recht mit Gwalt nit nemen und dem andern
dasselbige zueaignen khüunen, jedoch so wollen E. f D.
hierinnen und darunter solche Mitl und Weeg an die Hand
nemen, daran man billich wol zufriden sein solle, also wann
etwo obangezogene und dergleichen Beschwärung von den
Lehensherrn und Ordinariis fUrkhämbe, dass E. f. D. dieselbigen
mit besser Glimpfen und Gelegenhait von solcher irer Be
schwärung abweisen, wo sy aber glietlich darvon nit abstüenden,
alsdann fürs Recht genedigist beschaiden zu lassen und da es
hernach gleich zu Erkhäntnuss khäme und das Urthl ge-
sprochen wurde, so wollen doch E. f. D. darunder die Exe-
cution genedigist moderirn, darneben auch bey deroselben
hochlöblichen Regierung die Sachen dahin genedigist verfliegen
und fllrnemblich durch das Mitl, das E. f. D. derogleichen
Religionssachen selbst für sich nemen und dermassen ab-
handien lassen, darob ungezweiflt alle Beschwärung verhüetet
sollen bleiben.2
1 So Sötzinger. In den LH 14 lautet dieser Satz: , . . . begriffen, so
werden doch diejenigen Underthanen, so alberait schon unser Religion
zuegethon oder noch hinfüro frey willig und unbezwungen danne trettes
würden, notwendigklich under den Wortten: Angehörige ReligioBlve^
wonten verstanden, weill sonst solchen Wortten unsers thailss kbiin
ander Yerstandt gegeben werden khündte oder möchte.
3 So bei Sötzinger. In den LH 14 lautet dieser Satz: also waai etwo
dergleichen Irrung und Beschwäruugen von ainem dem andam oder
505
Welches alles und was also bederseits vertreulich geredt,
gehandelt und hernach schrifftlich uns überschikht durch E. f. D.
selbst fürstlichen Mund und Wortt in G-egenwührt bemeltes
onsers Ausschuss bestätet und ratificirt dasselbe genädigist
Yätterlichy treulich und ungevärlich zu halten.
Diese genedigiste senffte und milde Eur f. D. Erklärung
bat uns und sonderlich auf unserer Abgesandten AusschUss
beschehnen Relation billich von vorgehabten unsem Bedenkhen
abgeftierth; dass wir nunmehr dermassen mit rechtem under-
thenigisten gehorsambisten Vertrauen allen diesen verloffenen
Handlungen und Erklärungen und in sonderm Ansehen und
Bedenkhen E. f. D. hochbeteurten landtfiirstlichen Wortt und
Ratification volkhumentlichen beständigen Glauben und Trauen
tinzweiflich setzen und stellen^ nit minder als ob wir von
E. f. D. destwegen gefertigten Schein ^ Brief und Siegel dar-
umben empfangen betten, dero wegen wir dann diese anjetzo
genedigist erfolgte mündliche Erleuterung umb so viel mehr
mit grösserm Verlangen und Frolokhen angehört und sagen
auch Gott dem Allmächtigen Lob, Ehr und Preiss, dass er
uns den Tag und Stund erleben lassen, damit kunfftiger Zeit
ditsfahls aller Missverstandt vermitten bleibe, E. f. D. aber
als unsern hochgeliebten, genedigisten Herrn und Erb Landts-
fürsten dankhen wir in ganz underthenigistem Gehorsamb,
dass sich dieselbige so gnädigist und vätterlich gegen uns,
deroselben gehorsambisten Landtleuthen und Underthanen er-
zaigt und wollen solches umb E. f. D. als unserm genedigisten
Herrn und Landtsftirsten mit Darstrekhung Leib, Guetts und
Bluts aller Müglichkait nach zu verdienen willig, gehorsamb
und beflissen sein. Ungezweiflt wird der Allmechtig güttig
Gott seinen h. Geist und Segen geben, darumben wir dann
von Grundt unsers Herzens bitten, dass solcher gleicher Ver-
dritten Thaill fQrkhuinen, dass £. f. D. dieselben mit pester Beschaiden-
halt und Glimpfen zu güetlicher freundlicher Vergleichung und Hin-
legung weisen, auch darunder neben Iren nachgesetzten Obrigkaiten
selbst alle guette Fürwendung erzaigen, wo aber solches nit verfahen
würde, alsdann die Sachen fürs Recht beschaiden und weisen lassen,
auch da schon daselbsten mit rechtlicher Erkhantnus färgegangen, so
wOlln doch E. f. D. die Sachen dermassen moderiren und allenthalben
solche Yermitlung darunder fümemen, auch dieselben so Til immer
müglich, für sich selbs ziehen und dermassen vätterlich abhandlen, dass
ungezweifelt alle Besch wärung verhüet werden solle.
604
doch lauter ander dieser Generdit
ReligionB Verwanthen Nienurndto
Fürs ander, nachdem b-
der Vogthey und Lehenschaf
erfolgt, dass etwo die Lehnf
Vogtherrn und Pfarnnem?
Pfarr zu verleihen, wann ('
die Pfarr nit verleihen,
gleich ainem tauglich»
Ordinarius demselber
8«ch nit will mitth<
Pfarr absuaiehen
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Men «»'*
•atbco «
-be u»d fl-
underthenigistem ^^beo
.. „ entgegen deroseften ^ ^^,
_.^^3te Vertuen jeb^ ^„,
,jaigiste Vertrauen , --^" ^^^^
gehabt, dass J1 .^^ i^^ ^.^^
dasselbige , ^flen ^ '^ und was also -^i'^^J^ Oe-
hierinnen 1 i*^' "^ --:*-" worden, im höchster
dem andern l
also ainem f '
hierinnen .. d»*-' ^^" g^ohriben worden , .m
„emen, .1 >i ^^^ ^. erhahen solle werden,
etwo o' . •*: bei n»^ "" ,, f p. wir auch ganr gebors»^
Lebe, »^'^.h * «"^^^ «„ Missversundt zwischen E. .^■
""' ' . ir^k **** ^«n «nversehens zuegetragen. welche»
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akhen gehabt, dass dieselbe ainem Theil so wol aU ä '
Justitiam halten zu lassen vor Gott schuldig und jetua
Recht mit Gwalt nit nemen khunde, jedoch so wolte
t. D. hierinnen solche Mitl und Weg suchen, befürdem und an
lue Hand nemen, darob man billich zufriden sein solle, als wann
etwo dergleichen Irrung und Beschwärungen von ainem dem an-
dern oder dritten Theil fürkhummen, dass E. f. D. dieselben mit
besser Beschaidenheit und Glimpfen zu güetlicher freundlicher
Vergleichung und Einlegung weisen auch darunder neben ihren
nachgesetzten Obrigkheiien selbst alle gute Fürwendung er-
zaigen. Wo aber solches nit verfachen wurde, alsdann die Sachen
fürs Recht beschaiden und weisen lassen, auch da schon daselb-
sten mit rechtlicher Erkhantnuss fürgangen, so wollen doch
E. f. D. die Sachen dermassen moderirn und allenthalben solche
Vermitlung darunter fürnemen, auch dieselben soviel immer müg-
lich für sich selbst ziehen und dermassen vätterlich abhandlen,
dass ungezweifelt alle Beschwärung verhüett werden solle.
lU.
(Aus Sötzinger's ,Acta und Handlungen* und den LH 14.)
Ihrer f. D. unsers genedigisten Herrn Schlussschrifft in
den Religionsachen.
Die f. D., unser gnedigister Herr, haben deren von Hern
und Ritterschafft diss ihres löblichen Fürstenthumbs in Steyer
* Dieser Zusatz steht nur in SötzingerV ,Acta und Handlungen*; in den
LH wurde er, wie aus den Noten ersichtlich, in den Text aufgenommen.
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underthenigiste , mündlich und schrifftliche Dankhsagung der
abgehandelten Religionssachen halben nachlengst genädigklich
angehört und verstanden und weil sich nun Ir f. D. aller für-
geloffnen Handlung sonderlich aber ier, deren von Herrn und
der Ritterschafft angehörigen Underthonen auch der Vogtheyen,
Lehenschafften und anderer demselben angehörigen Sachen, wie
durch sy vermeldt, wol zu erindern (wissen), so lassen es I. f. D.
nochmahls mit Gnaden darbey verbleiben und erfreuen sich
selbst genädiglich, dass sy der so langwürrigen mühsamen Sachen
nunmehr übrig sein khündten, setzen auch in kainen Zweifl,
sy werden sich dieser verglichnen Handlung irem selbst Ver-
melden nach dermassen gebrauchen, dass man verhoffentlich
fllrbasshin in gleichem Verstand wol verbleiben wirdt mügen.
Welches Ier f. D. zu jeder vorstehenden Gelegenheit gegen
ihnen auch ihrer Nachkhommen sament und sonderlich in
Gnaden erkhennen wollen und seindt Ihnen in gemain, wie
auch den Veromdten insonderheit damit volbenaigt der gene-
digisten Zuversicht, sy werden hinfüro irer f. D. zu andern
kain Ursach geben, sonder sich allenthalben der schuldigen
Gebüer und Gehorsambs in all weg zu erweisen und zu er-
halten wissen.
Den 2. Märty a. 1572. Khobenzl.
Ausgegeben am 23. November 1888.
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STANFORD UNIVERSrnr LIBRARY
Stanford, Calilonda
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